MITTHEILÜNGEN DES INSTITUTS
FÜR
OESTEEEEICHISCHE
GESCHICHTSFORSCHUNG.
UNTER MITWIEKUNG VON
OSWALD REDLICH unü FRANZ WICKHOFP
REUiaiKT VOM
E. MÜHLBACHEK.
XX. BAND.
INNSBRUCK.
VERLAG DER WAGNER'SCHEN UNIVERSITÄTS-BUCHHANBLÜNG.
1899.
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DRUCK DEK WAGNERISCHEN UNIV.-BüCaDKüCKEREI IN INNSBRUCK.
Inhalt des XX. Bandes.
Seite
Die Kaiserwahl Karls des Grossen. Eine rechtsgeschichtliche Erörterung.
Von WilhelmSickel 1
Beiträge zu Böhmens Geschichte und Geschichtsquellen. Von A. B a c h m an n 39
Ein unbeachtetes Register König Iriedrichs IV. (III.) 1440 — 1442. Von
JohannLechner . . . . . . . . . 52
Thomas Ebendorfers »Liber pontificum«. Von Arthur Levinson . 69
Die Fuldaer Piivilegienfrage. Von M. Tan gl 193
Henricus Italiens und Henricus de Isernia. Von J. Novak . . 253
Urkundenstudien eines Germanisten. Von EdwardSchröder . . 361
Die Königskrönung Wratislavs von Böhmen und die angebliche Mainzer
Synode des Jahres 1086. Von H. Spangenberg . . . . 382
Die europäischen Mächte in der Beurtheilung Friedrichs des Grossen
1746—1757. Von FerdinandWagner 397
Zur Geschichte der polnischen Frage 1814 und 1815. Von August
Fournier. . . . . . . . . . . . 444
Bobbio, Veleia, Bardi. Topographisch-historische Excurse. Von Julius
Jung . . . . . . . . . . . .521
Die Habsburger Chronik Heinrichs von Klingenberg. Von Victor Thiel 567
Einige Relationen über die Armada 1588. Von BrunoStübel . . 619
Kleine Mittheilungen:
Zur Lebensgeschichte Johann's von Gelnhausen, Registrators der
Kanzlei Kaiser Karl's IV. Von Ferd. Tadra . . . 100
Das religiöse Testament K. Ferdinands I. Von F. Mencik . . 105
Die Einfühnmg des Gregorianischen Kalenders in Salzburg. Von
Andr. Mudrich 107
Der üngarntribut unter Heinrich I. Von G. Caro . . . . 27b'
Der Friczentag. Von M. Vancsa 282
Zu dem Poststundenpass von 1500. Von Aloys Schulte . 284
Das angebliche Gebet Gustaf Adolfs bei seiner Landung auf deutschem
Boden 26. Juni 1630. Von Dr. Bruno Stiibel . . . 476
Zwei unbekannte Arbeiten des Georg Hoefnagel. Von H. J. H e r m a n u 480
IV
Seite
Eine unbekannte Urkunde für das Kloster Waldhausen. Von B.
Hammer 1 . . . . . . . . . . . 631
Kaiser Maximiliau's 11. Erklärung vom 18. August 1568 über die Er-
tlieilung der Religions-Concession. Von Victor Bibl . . 635
Jiiteratur und Notizen:
Adalbert hl., Zur Geschichte des (R. F. Kaindl) 641. — Beiträge
zur alten Geschichte und Geographie, Festschrift zu Ehren von
Heinrich Kiepert 178. — Biermann Geschichte des Protestantismus
in Oesterreich-Schlesien (B. Bretholz) 136. — Böhmen, Mähren
und Oesterreichisch-Schlesien, Die historische periodische Literatur
von (B. Bretholz) 147. 506. — Boye ün roi de Pologne et la
couronne ducalle de Lorraine (W. I^ippert) 678. — Brandenburg
Moritz von Sachsen. L Bis zur Witteuberger Capitulation (H.
Kretschmayr) 674. — Cartellieri Ein Donaueschinger Briefsteller
358. — Collection de textes pour servir ä l'etude et ä 1' enseig-
nement de l'histoire (A. Cartellieri) 301. — Dalton Lasciana nebst
den ältesten evang. Synodalprotokollen Polens 1555—1561 (Bei-
iräge zur Geschichte der evangelischen Kirche in Russland III)
(J. Bidlo) 342. — Ehses Festschrift zum elf hundertjährigen Jubi-
läum des deutschen Campo Santo in Rom 178. — Erben Qiiellen
zur Geschichte des Stiftes und der Herrschaft Mattsee (S. Herz-
berg-Fränkel) 492. — Festgaben zu Ehren Max Büdingers 177. —
Ficker Untersuchungen zur Erbenfolge der ostgermanischon Rechte
Bd. 3 Abth. 2 (0. Opet) 288. — Ders. Bd. 4 Abth. 1 (0. Opet) 484.
Fischer Der Erbschaftsvergleich Kaiser Rudolf IL 520. — Fried-
jung Der Kampf um die Vorherrschaft in Deutschland 1859 bis
1866 (v. Zwiedineck) 142. — Glagau Die französische Legislative
und der Ursprung der Revolutionskriege (H. Schütter) 346. —
GoU Cechy a Prusy ve stfedoveku (B. Bretholz) 331. — Günther
Der Feldzug der Division Lecourbe im Schweizerischen Hochgebirge
(0. Criste) 352. — Güterbock Der Friede von Montebello und die
Weiterentwicklung des Lombardenbundes 359. — Hammer Die
Bauten Herzog Siegmunds des Münzreichen von Tirol 692. — Ders.
Literarische Beziehungen und musikalisches Leben des Hofes Herzog
Siegmunds von Tirol 692. — Hartmann Iter Tridentinum 519. —
Hoplen Maximilian IL und der Reformkatholizismus (Steinherz) 335.
— Inania-Sternegg Deutsche Wirtschaftsgeschichte Bd. III Th. 1
(K. Schalk) 663. — Katalog der Bibliotheks-Abtheilung des k. u. k.
Kriegsarchives (J. Donabaum) 356. — Kauftnann Die Geschichte
der deutschen Universitäten 2. Bd. (R. Thommen) 329. — Kehr
Ausgabe der Papsturkunden bis Innocenz III. 357. — Kupelwieser
Die Kämpfe Oesterreichs mit den Osmanen vom Jahre 1526 bis
1537. 689. — Lange Die Annales Pisani und Bernardo Maragone
• 360. — Lenel Die Entstehung der Vorherrschaft Venedigs an der
Adria 359. — Lentner 1. Die Stadt Bozen in Feindeshand.
2. Die Franzosen in Brixen. 3. Die Weibei*wacht zu Villanders.
4. Der Separatfriede von Sähen 520. — Lippert Socialgeschichte
Böhmens in vorhussi tischer Zeit 2. Bd. (B. Bretholz) 663. — Maire
Manuel pratique du bibliothecaire (J. Donabaum) 355. — Mayer
Die französisch-spanische Allianz in den Jahren 1796 — 1807.
1. und 2.'Theil (Schütter) 350. — Michael Geschichte des deutschen
Volkes seit dem dreizehnten Jahrhundert bis zum Ausgang des Mittel-
allers 1. Bd. (0. Redlich) 313. — Millenniumsfeier zu Ehren des
Paulus Diaconus 518. — Mittelschulprogramme österreichische für
1898 (S. M. Prem) 497. — Müller Die Gefangenschaft des Johann
Augusta und seines Diakons Jakob Bilek 519. — Müller-Mann
Die auswärtige Politik Kaiser Ottos II. 687. — Murko Deutsche
Einflüsse auf die Anfänge der böhmischen Romantik (S. M. Prem)
138. — Neudegger Geheime Raths- und Hofexpeditious-Reformation
in Oesterreich unter Kaiser Mathias 690. — Neuwirth Der Bilder-
cyklus des Luxemburger Stammbaumes aus Karlstein und Der
verlorene Cyklus böhmischer Herrscherbilder in der Prager Königs-
burg (A. Horcicka) 494. — v. Oechelhäuser Die Miniaturen der
Universitätsbibliothek zu Heidelberg 2. Th. (Riegl) 353. — Regesta
episcoporum Constantiensium 517 — 1496 (E. v. Ottenthai) 490.
— Reusens Elements de Paleographie (M. Tangl) 661. — Salvemini
La Dignitä Cavalleresca nel comune di Firenze. (H. v. Voltelini)
123. — Scherer Uebersicht der Judengesetzgebung in Oesterreich
vom 10. Jahrh. bis auf die Gegenwart 688. — • Schlitter Correspon-
dance secrete entre le comte A. W. Kaunitz-Rietberg, ambassadeur
imperial ä Paris, et le baron Ignaz de Koch, secretaire de 1' im-
peratrice Marie-Therese 1750—1752 (W. Lippert) 683. — Schneller
Tridentinische Urbare aus dem 13. Jahrh. mit einer Urkunde aus
Judicarien 1244—1247 (J. Lechner) 325. — Schuster Fürstbischof
Martin Brenner (J. Loserth) 124. — Schwerdfeger Eine Denkschrift des
Grossherzogs ^nachmaligen Kaisers) Franz Stephan von Lothringen-
Toscana aus dem Jahre 1742. 691. — de Segur Le royaume de
la Riie St. Honore. Madam Geoffrin et sa fille (W. Lippert) 678.
— Städtewesen deutsches, Neuere Literatur über VIII (K Uhlirz)
113. — Starzer Die Verwaltung der innerösterreichischen Länder
von 1564 bis zur Gegenwart 690. — Stern Geschichte Europas
seit den Verträgen von 1815 bis ziun Frankfurter Frieden von
1871 (Schlitter) 136 — Stockhorner von Starein Die Stockhorner
von Starein. Versuch der Darstellung der Geschichte dieses Ge-
schlechtes (A. Starzer) 686. — Susta Zur Geschichte und Kritik der
Urbarialaufzeichnungen (J. Lechner) 327. — Tangl Das Itinerar
Herzog Leopolds VI. im J. 1217. 689. — Tille Uebersicht über den
Inhalt der kleineren Archive der Rheinprovinz 179. — Vancsa
Bibliographie zur niederösterreichischen Landeskunde 691. —
Wahrmund Die constitutiones curiae Romanae 688. — Waldner
Nachrichten über die Musikpflege am Hofe zu Innsbruck. I. Unter
K. Maximilian I. von 1490—1515. 692. — Wiclif- und Husliteratur,
Neuere Arbeiten zur (J. Loserth) 670. — Wolfram und Bonnardot
Les voeux de 1' epervier. Kaiser Heinrichs VII. Romfahrt 360, —
Zdekauer La vita privata dei Senesi nel dugento (H. v. Vol-
telini) 123.
VI
Seite
Jahresbericht über die Herausgabe der Monumenta Germaniae historica 1898 180
Neununddreissigste Plenarversammlung der histor. Kommission bei der
königl. bayer. Akademie der Wissenschaften 181
Sechzehnte Jahresversammlung der Gesellschaft für rheinische Geachichts-
kunde ^^^
Erste Jahi-esversammlung der histor. Commission für Hessen und Waldeck 185
Dritte Hauptversammlung der königl. Sächsischen Commission für Geschichte 186
Emil Michael und seine Antikritik (0. Redlich) 692
Personalien . . . . . . • • • • • 1°^
Nekrologe
189
Die Kaiserwahl Karls des Grossen.
Eine rechtsgeschiclitliche Erörterung.
Von
Wilhelm Sickel.
Eine staatsrechtliche Betrachtung der Kaiserwahl Karls des Grossen
wendet sich einer Seite des Ereignisses zu, welche von geringerer
Wichtigkeit ist als die Ursachen und die Wirkungen, allein bei einer
Wahl, die alle anderen an historischer Bedeutung übertrifft, ist auch
das Rechtsgeschäft für sich einer besouderen Erwägung werth. üeber-
dies bietet dasselbe wohl noch ein weiteres Interesse. Es dürfte die
Sicherheit in der Behandlung der Gesammteutwicklung erleichtert
werden, wenn es gelingt das rechtliche Wesen jenes Vorgangs zu
bestimmen. Der ursprüngliche Rechtsgedanke, der Wille, welchen wir
dem Thun und Lassen der einzelnen an dieser Handlung betheiligten
Personen auf ihrem damaligen Standpunkt anzuweisen haben, wird
schwerlich ohne Rückwirkung auf die Erkenutniss der Vorbereitungen
und der Ergebnisse bleiben und vielleicht das eine oder andere trüge-
rische Gebilde von diesem Tummelplatz der Hirngespinste verscheuchen.
Die richtige Feststellung des Gegenstandes, dem Karls Kaiser-
krönung gegolten hat, ist die erste Voraussetzung für ein zutreffendes
ürtheil.
Es ist die Meinung vertreten, dass dem Fürsten die Benennung
Imperator aber mit ihr kein Recht zukommen sollte. Der König der
Franken und der Langobarden und der Patricius der Römer habe kein
neues Land und für sein bisheriges Herrschaftsgebiet keine neue Gewalt
erhalten. Nur eine Aenderung sei erfolgt und diese habe in einem
neuen Titel bestanden; Karl habe von einem römischen Imperator
Mittheilungen XX.
1
2 Wilhelm Sickel.
nichts als den Namen gehabt i). Der kaiserliche Name, welchem bis
auf diese Zeit der Besitz der kaiserlichen Gewalt entsprochen hatte,
würde zur Einführung einer Titulatur benutzt wordeu sein, die Karl,
wenn er gewollt hätte, sich auch selber habe geben können 2). Ob er
die an keinen Staat gebundene und beliebiger Vervielfältigung fähige
Auszeichnung nur für seine Person empfing oder ob auch seine
Erben oder spätere Beherrscher seiner Länder sie bekommen sollten,
sagen die Anhänger des Imperatortitels gewöhnlich nicht.
Diese Schriftsteller trauen der Zeit eine grosse Selbständigkeit zu,
eine Unabhängigkeit von der Geschichte, welche noch niemals einen
derartigen titularen Imperator gesehen hatte 3). Wenn der Occident,
1) Maimbourg, Decadence de 1' empire apres Charlemagne. ed. 1686 S. 10.
Le Cointe, Annales eccles. Franc. VI, 1676, S. 734. 741. Öpittler, Werke IX, 1836,
S. 199. Luden, Gesch. V, 1830, S. 5. 6. La Farina, Storia d' Italia II, 1846, S. 48.
Vgl. K. Hase, KG. § 143, Vorlesiangen § 82. Dieser Ansicht nähern sich auch die
Schriftsteller, welche einem Fürsten, der die Macht eines Imperators habe und den
Beruf eines Imperators erfülle, einen passenden Titel geben lassen. — Nicht
zugänglich waren mir Guyon, Etablissement de 1' empire d' Occident 1752 und
Hery, Couronnement des empereurs par les papes 1853.
2) Hauck, Kirchengesch. Deutschlands II, 1890, S. 101 vgl. 11, 105. III, 230.
Karl hat auch nicht bewiesen, wie er über seine Krönung durch Leo dachte,
als er seinen Sohn sich selbst krönen Hess (so Hauck II, 103). Denn er hat ihn
als Imperator gekrönt, kraft des erworbenen Kaiserrechts; gegen die Selbst-
krönuug Ludwigs s. Waitz III, 260, 1. Ranke, Weltgesch. Vb, 241. Nach Härtens
(unten) 52 ist die Entscheidung unsicher; Brunner, Rechtsgesch. II, 89, 26 hält
sich an Thegan. Die Zustimmung des Reichstags, für deren Anwendbarkeit Dahn,
Urgesch III, 1083, Deutsche Gesch. II, 358. 359, Könige der Germanen VIII«, 59
eintritt, geht von der Annahme der Schöpfung eines neuen Imperiums aus.
Endlich hat Härtens, Die neuesten Controversen über die Römische Frage unter
Pippin und Karl 1898 S. 45 zuletzt die Vermuthung wiederholt, Karl habe sich
nach fränkischem Herkommen als Kaiser krönen wollen, als ob eine etwaige-
formähnliche Handlung in der Erbmonarchie für die Erwerbung eines fremden
Imperiums dienlich sein könne. Kommt es doch nicht auf die Form der Hand-
lung sondern auf den Rechtsgrund oder hier auch auf den Zweck der Handlung an.
3) Die Behauptung z. B. von Spanheim, De collatione imperii in Carolum
§ 8, Opera II (1703) Sp. 563 f., dass Könige des Occidents vor 800 Imperatoren
hiessen, hat Leroux, Revue histor. XLIX, 245 ohne besseren Beweis erneuert.
Sein Gewährsmann Wailly, Paleographie (1838) I, 348. II, 65 lässt ihn mit dem
Siegel Pipinus imperator im Stich. Denn das einzige Siegel Pippins (Th. Sickel,
Acta Karol. I, 349. Mühlbacher, Regesten Nr. 7.) ist ohne Umschrift, Mühl-
bacher a. 0. LXXXII. Dass Karl vor 800 Imperator genannt sei oder sich
genannt habe, hat Wailly a. 0. I, 270 gleichfalls nicht dargethan, vgl. Waitz
III, 188, 2. Für ein Königreich kann freilich Imperium gesagt werden, und diese
Bezeichnung hat z. B. Alcuin von Karls Herrschaft schon 798—800 gebraucht,
Mon. Germ., Epist. IV, 241, 23. 292, 26. 310, 31. 331, 7. 336, 21. 26, vgl.
Die Kaiserwahl Karls des Grossen. o
der bereits ein kirchliches Gemeinwesen bildete und dessen politisches
Selbstbewusstseiü sich iu Karl verkörperte, einen Imperator für sich
haben wollte, um hinter dem Orient nicht zurückzustehen, so würde
nur ein Kaiser von gleicher Art wie der iu Constantinopel einen
solchen Dienst haben leisten können. Dass Karl als auswärtio-er
Honorar-Imperator sich Regenten des römischen Reiches nannte und
die byzantinische Regierung argwöhnte, er ti-achte nach der Allein-
herrschaft; dass er seine Bezeichnung Patricius, die doch kein Titel
war sondern eine Herrschaft bedeutete, nachdem er Imperator ge-
worden war, nicht mehr für angemessen hielt; dass er als titularer
Kaiser, indem er seine königlichen ünterthanen einen neuen Unter-
thaneneid für den Imperator schwören Hess, etwas anderes dachte,
als dass sein Imperium das sei, was es bisher immer gewesen war,
dass es ein Staat sei, diese und andere Thatsachen müssten aus einer
Benennung, welche die Staatsverfassung nichts anging sondern nur
Ehre und äusseres Ansehen brachte, erklärt werden können. Nach
einem Rechte, kraft dessen Rom dieses eine Mal eine solche Ransf-
erhöhung verliehen hätte, darf man ebenso wenig fragen als nach der
ßefugniss eines fremden Monarchen, den Namen, welchen allein der
Beherrscher des Römerstaates trug, aus eigener Macht zu nehmen oder
von Unberechtigten sich geben zu lassen.
Eine andere Auffassung erblickt in dem Werke einen doppelten
Act, die Schaffung eines neuen Imperiums und die Kreirung seines
ersten Imperators. Hier ist es ein sachlicher Zweck, auf den die
Handlung geht; die Handlung selbst ist von einziger Art.
Eine neue Schöpfung würde die Errichtung eines Westreichs auch
in dem Falle sein, dass das antike occidentalische Imperium, als dessen
Fortsetzung die italischen Ostgothen ihren Staat betrachtet hatten i),
die Voraussetzung oder eine der Voraussetzungen für den Entschluss
ausgemacht hätte. Diese Vergangenheit, die mehr oder weniger deut-
liche Erinnerung an eine Zeit, in welcher das römische Reich sieh
weiter nach Westen erstreckte als im J. 800, würde ein Beweggrund
aber nicht der Rechtsgrund für Karls Kaiserwahl sein. Wenn in der
That der Zustand im J. 476, in welchem nicht das römische Reich
im Westen sondern ein besonderer Kaiser im Westen aufgehört hatte,
wieder hergestellt werden sollte, so müsste die Absicht nicht die ge-
Mommsen zu seinem Jordanes S. 190 und Cassiodor S. 548 f., aber der Besitzer
eines solchen imperium hat nicht den Xamen Imperator erhalten oder ge-
nommen. Vgl. de la Borderie, Bibl. de l'ec. des chartes V, 5 S. 263—266. 413.
1) Mommsen, Neues Archiv für Geschichtskunde XVI, 60.
1*
^ Wilhelm Sickel.
wesen sein ein Reich für sich, ein jedes Recht des östlichen Kaisers
ausschliessendes Imperium zu schaffen, sondern die, das Gesammtreich
in der Weise zu vergrössern, dass dem Kaiser de» Occideuts eine Ver-
waltung mit rechtlicher Selbständigkeit aber ohne Aufhebung der
Reichseinheit zuertheilt würde. Waren die Betheiligteu hingegen ge-
sonnen neben dem östlichen Imperium ein eigenes Reich im Abend-
lande zu begründen, so würden sie die Idee des einen untheilbaren
römischen Reichs bereits im J. 800 aufgegeben und ein Kaiserreich
ohne Beziehung zu dem bestehenden für durchführbar gehalten haben.
Dieses occidentalische Imperium würde nicht eine „Wiedergeburt"
sein, durch welche das occidentalische Römerreich auflebte, sondern
ein neues Reich, welches seine Gründer vermittelst einer politischen
Idee mit dem alten in Verbindung setzten, ohne doch das jüngere
Imperium zu einem rechtlichen Abkömmling des antiken zu machen.
Einen Anhalt für diese Behauptung hat eine Legende; Renovatio
imperii Rom. geboten, mit der sich Karl selbst als Erneuerer des
untergegangeneu occidentalischen Reiches hingestellt habe. Die In-
schrift gehört jedoch nicht Karl dem Grossen sondern einem späteren
Karolinger dieses Namens an i) und sollte nicht eine Wiederaufrichtung
des antiken Westreichs als Aufgabe des karol in gi sehen Imperiums
bezeichnen.
Die Historiker, welche anerkennen, dass der Imperatorenname
kein Titel war, der sich ohne Imperium, ohne Herrschaft über Land
und Leute übertragen Hess, sind über das Territorium des neuen
Reiches nicht einig. Sie ziehen sehr verschiedene Grenzen. Sie ge-
währen dem Imperium den Kirchenstaat 2) oder sie fügen die beiden
karoliugischen Königreiche hinzu ^) ; auch die westgothischen und die
angelsächsischen Länder geben sie ihm oder sie bemessen den Umfang
') Ein Siegel Karls IL, auf den auch Leibniz, Annales 800 § 12, ed. Pertz
I, 212 die Inschrift bezog, nach Du Gange ed. Favre I. 774 und Grandmaison.
Melanges Havet 1895 S. 117; für ein Siegel Karls III. Tb. Sickel a. 0. I, 263,
vgl. Waitz III, 198, 4. Auf diese Legende berufen sich z. B. Pagi, Grit. 800
Nr. 10. Carli, Antichitä ital. III, 252. Hegewisch, Karl 1791 S. 261. 269.
Phillips, Deutsche Gesch. II, 1834, S. 258. Höfler. Kaiserthum u. Papstthum 1862
S. 30. DöUinger, Vorträge III, 97. Gregorovius, Rom ^11, 1889. S. 490. Thijm.
Karl 1868 S. 285 f. Mombert, Charles 1888 S. 366. Wells (unten S. 12) 215 f.
2) Conriug unten S. 15, 1. Severinus de Monzambano, De statu imperii
Gei-manici 1667 c. I § 12. Vgl. Pichler, Gesch. der kirchl.Trennung I, 1864, S. 153.
8) Pustel de Coulanges. Las Transforraations de la royaute pendant 1' epoque
caroling. 1892 S. 318 beschränkt Karls Kaiserthum aufsein bisheriges Herrschafts-
gebiet. Dieser Gruppe gehören ausser Sugenheim, Gesch. des d. Volkes I, 1866,
S. 401. 405 auch Schriftsteller in der nächsten Anm. an.
Die Kaiserwahl Karls des Grossen. 5
nach dem des Westreiehs zur Zeit seiner grössten, seiner letzten oder
irgend einer anderen Ausdehnung 1) ; oder das Eeichsgebiet soll der
Occident sein, soweit ihn der Papst zu einer kirchlichen Gemeinschaft
vereinigte, so dass der neue Imperator für den päpstlich-römischen
Erdkreis bestimmt gewesen sei 2). Nachdem die Schriftsteller ein Land
für das Imperium gefunden haben, vergessen sie meist, dass sie ihrem
Imperium, wenn es die Eigenschaft des rÖDiischen Imperiums d. h. die
eines Staates haben sollte, auch eine Verfassung geben müssen, oder
ihr Imperium würde nicht einen Staat sondern ein politisches Pro-
gramm bedeuten, für welches sie ein bestimmtes Gebiet nicht nöthig
hätten. Allerdings hätte die als kaiserlich bezeichnete Staatsgewalt
in den von Karl regierten karolingischen Besitzungen eine andere
sein können als ausserhalb derselben, die übrigen Staaten hätten fort-
bestehen könueo, wären jedoch einer höheren staatlichen Gewalt
unterstellt worden ^). Dieses weite Bereich soll nicht etwa ein späterer.
') Bünau, Teutsche Reicbs-Historie II, 1732, S. 544. Muratori, Annali
d'Italia (1744) 800 (zum Theil von Ottolenghi, Dignitä imperiale di Carlomagno
1897 S. 97 abgeschrieben). M. J. Schmid, Gesch. der Deutschen III, 1783, S. 37.
Pütter, Entwickelung der Staatsverfassung des Teutschen Reichs I, 1786, S. 58.
Sismondi, Hist. de la chute de V empire romain II, 1835, S. 142. DöUinger,
Kircheng. ^I, 410. II, 1 ; Vorträge I, 58. Dönniges, Das deutsche Staatsrecht 1842
S. 2. Lehuerou, Hist. des institut. caroling. 1843 S. 351. 357. 358. 367. Eich-
horn, Rechtsgesch. P, 1843, S. 528. Phillips a. 0. II, 253. 256. 260 und Reichs-
und Rechtsgesch. * 1859 S. 190. Daniels, Deutsche Reichs- und Staatenrechts-
gesch. I, 1859, S. 98. Balbo, II Regno di Carlomagno in Italia 1862 S. 130.
Laurent, Hist. du droit des gens « V, 1864, S. 132. 138. Gerard, Hist. des
Francs d'Austrasie ^ H, 1865, S. 194, Glasson, Hist. du droit de la France II,
1888, S. 406. Freeman, Historical essays 1871 S. 147. Zöpfl, Deutsche Rechts-
gesch. MI, 1872, S. 186. Zeller, Hist. d'Allemagne, Fondation de 1' empire 1873
S. 8. Calamassi, L' Italia nelP etä di mezzo I, 1890, S. 110.
2) Leo, Gesch. von Italien I, 1829, S. 234 vgl. 231. 233. Ficker, Das
deutsche Kaiserreich 2 1862, S. 39 vgl. 21. 25. 36. Hergenröther, Kirchengesch.
"I, 1879, S. 507 t. vgl. Hergenröther, Photius I, 1867, S. 258. Kurth, Les origines
de la civil, mod. II, 1886, S. 307. Kraus, KG. ^1896 § 77. Brunner, Rechtsg. I, 192.
II, 93 f. Genelin und Scherer im Staatslexicon der Görres-Gesellschaft III, 1894,
S. 461. 669. Knöpfler, Kirchengesch. 1895 S. 253. E. Michael, Gesch. des deutschen
Volkes I, 1897, S. 268 f. Vgl. auch Giesebrecht, Kaiserzeit «I, 122 f. 129.
Eicken, Mittelalterliche Weltanschauung 1887 S. 192 f. Kampers, Kaiserpro-
phetien 1895 S. 36 und Kaiseridee 1896 S. 48. Dümmler S. 8 Anm. 3.
■•') Vgl. z. B. Leo a. 0. I, 234. Phillips, Deutsche Gesch. II, 260, der 1853
Vermischte Schriften II, 438 Karl »die Rechte, welche theoretisch dem griechi-
schen Kaiser über den Occident zugestanden hatten*, zuerkennt, vgl. Waitz III,
201. Hegel (unten S. 8, 2) I, 219. H. Weber, Die Kaiseridee 1891 S. 49. 52.
Glasson a, 0. Hergenröther, Kirchengesch., Kurth, Kraus, Knöpfler, Genelin,
g Wilhelm Sickel.
durch den Umschwimg in den Anschauungen und in den Verhält-
nissen selbst gereifter Gedanke, sondern der Inhalt der Handlung
am 25. December 800 gewesen sein.
Wir erfahren von keinem Zeitgenossen, dass die Eömer die Ab-
sicht gehabt haben ein neues Reich zu errichten und zu diesem Zweck
eine Verfügung über auswärtige Staaten zu treffen, oder Karl der
Ansicht gewesen sei als Kaiser ausserhalb des römischen Reiches zu
gebieten ; dass der Gedanke eines irgendwie begrenzten abendländischen
Imperiums den Wählern oder dem Gewählten am 25. December vor-
geschwebt habe. Auch in Constantinopel wusste man nichts davon,
dass man in Rom ein neues Reich für sich ohne erhebliche Verluste
für das byzantinische Reich habe schaffen wollen, man nahm dort
Karl als einen Mitherrscher, von dem das Erstreben der Alleinherr-
schaft zu gewärtigen war. Man könnte freilich einräumen, dass an
die Entstehung eines westeuropäischen Imperiums ebenso früh wie an
Karls Kaiserwahl gedacht worden sei i), ohne zuzugeben, dass beide
mit einander in das Dasein getreten sind oder jenes Imperium durch
diese Handlung unmittelbar in das Leben gerufen ist. Denn beide
Pläne könnten erst nacheinander und sowohl durch verschiedene Per-
sonen als durch besondere Rechtsvorgänge verwirklicht sein. Das
westliche Imperium wäre in diesem Falle eine Folge, vielleicht eine
beabsichtigte Folge, aber nicht ein Bestandtheil der römischen Hand-
lung gewesen.
Karl hat im ersten Jahre seines Kaiserthums seine Königswürde
nicht aufgegeben. Er hat darauf seine Königreiche dem römischen
Michael in voriger Anm. Bninner II, 93 f. Etwa auch Maassen, Neun Capitel
über freie Kirche 1876 S. 128 vgl. 127. 129. 137. Weber, Wetzer und Weite's
-Kirchenlexicon VIP, 40 f. Lancizolle, Die Bedeutung der Kaiserwürde 1856 S. 12
verneint »bestimmte Rechte«. Held, Das Kaiserthum ein Rechtsbegriff 1879
S. 24 f. hat andere Gesichtspunkte. Vgl. noch Rauke, Die Päpste I', 15.
') Vgl. Ranke, Weltgesch. Vb, 189. 214. Waitz III, 201. Dahn, Deutsche
Gesch. II, 259. Langen, Gesch. der röm. Kirche von Leo I. bis Nicolaus I. 1885
S. 776 führt nur ,z. B.« Theophanes 472, 30. 473, 1 (ed. de Boor) an, wonach
Rom im J. 800 unter fränkische Herrschaft kam und Leo Karl zum Imperator
der Römer krönte, und ferner Einhard, Vita Karoli c 27, dass Karl seine ganze
Regierungszeit hindurch die Herstellung der alten Autorität der Stadt Rom
wünschte. Diese Argumente Langens widerlegen sich selbst. Hingegen ist erst
im 11. Jahrh. geschrieben (SS. XV, 211 Z. 40) Vita Willelmi Gell. c. 16, Mabillou
IV a, 76: cum rex primo imperii sui anno Romae moraretur et imperialem ad
primam gloriam restauraret dignitatem (801). Dass Karl auf Grund seines
Kaiserthums »Italien sammt Sicilien als zum Westreicb gehörig in Anspruch
genommen« habe, hat Waitz III, 200 ebenso wenig dargethan als lll, 640 seinen
Anspruch auf eine kaiserliche Gewalt über das Abendland.
Die Kaiserwahl Karls des Grossen. »r
Imperium eingefügt i) und ohnedem würde sein Imperium nicht lebens-
fähig gewesen sein, allein er hat es auf Grund des erworbenen Kaiser-
rechts getbau. Die Römer haben ihn nicht zum Kaiser der Franken
und der Langobarden und mithin auch nicht zum Imperator der
Könige des Westens gemacht. Der Unabhängigkeit der abendländi-
schen Staaten ist er nicht entgegengetreten; in dieser Richtung hat
er seine imperiale Gewalt nicht bethätigt und hierbei nicht etwa auf
eine Herrschaft verzichtet, zu der ihn Rom ermächtigt und deren
Geltendmachung es ihm überlassen hatte. Eine solche Denkweise wird
durch Eiuhards Darstellung ausgeschlossen. Karl, so erzählt sein
Biograph, hat die Freundschaft fremder Fürsten und Völker gewonnen.
Alonso IL, König von Gallicien und Asturien, war ihm verbündet;
Könige der Schotten waren ihm ergeben ; Harun al Raschid war mit ihm
so nahe befreundet, dass er ihm die Grabstätte des Heilands abtrat;
auch die Kaiser von Coustantinopel suchten ein Freundschaftsbündniss
mit ihm nach -). Mit jenen westlichen Fürsten hat er demnach ebenso
wie mit den östlichen als mit gleichberechtigten Monarchen verkehrt,
und die Ehrerbietung, welche ihm Alouso und die schottischen Häupt-
linge erwiesen, ist durch die Kaiserwürde nicht verursacht oder ver-
ändert worden. Als Kaiser hat er gemeinsam mit dem Papst einen
vertriebenen König von Northumbrien in seine Herrschaft wieder ein-
gesetzt, jedoch nicht um eine kaiserliche Oberhoheit auszuüben, son-
dern um einen gestürzten Fürsten für seine Anhänglichkeit zu be-
lohnen 3). Wenn er die römische Kirche schützte, eine Kirche, die
nicht nur innerhalb sondern auch ausserhalb seines Reiches war, so
wurde er durch ihre Beschützung noch nicht Herrscher in ihrem
1) Vgl. Freeman, Essays 145, Chief Periods of History 1886 S. 105. 108.
109 f. Nach Waitz 1843, Abhandlungen I, 10 »ging« Karls Königreich in dem
Imperium .auf*, wodurch? Durch die Handlung am 25. December 800? Vgl.
Waitz III, 204 f. 223. ßrunner II, 94. Simson, Karl 11, 352 sieht jedoch deut-
lich, dass Karls Imperium noch 806 mit dem Königreich in »keinem organischen
Zusammenhang stand*. Dass Karl seine Reiche niemals als Theil seines Imperiums
betrachtet habe, glauben Le Cointe a. 0. VI, 735 und Pichler a. 0. I, 153. üeber
die Vereidigung auf den Kaiser 802 Leibniz a. 0. 800 § 22 S. 216, Nitzsch,
Gesch. des d. Volkes I, 1883, S. 220. Vgl. Floril. Casin. V, 1894, S. 44.
^) Einhard, Vita Karoli c. 16, auf dessen Darstellung läch z, B. Phillips,
Deutsche Gesch. IL, 260 und Pertile, Storia del diritto italiauo -I, 1896, S. 171
stützen. S. dagegen Palgrave, The Fase of the English commonwealth I, 1832,
S. 484. Laurent a. 0. V, 137. üeber Alonso Ann. regni Francorum 798,
S. 102—105 ed. Kurze. Vita Hludowici c. 8 SS. II, 611 und Synode von Oviedo
811? c. 1, Espana sagrada XXXVII, 295, vgl. Hefele, Conciliengesch. ^lY, 509.
3) Palgrave a. 0. I, 484 f. Hampe, Quidde's Zeitschr. f. Geschichtswissensch.
XI, 352—359 gegen Bryce, The Holy Roman Empire 8 1889 S. 67.
g Wilhelm Sickel.
Machtgebiet. Soweit er eine internationale Hegemonie geführt hat,
hat sie nicht auf seinem Kaiserthum beruht und weder eine staatliche
Einheit der römischen Christen erstrebt noch fremde Fürsten in reichs-
angehörige abhängige Fürsten verwandeln wollen. Von einer im J. 800
erworbenen Weltherrschaft im Occident, von einem Anspruch auf staat-
liche Herrschaft hat er und seine Zeit keine Kenntniss gehabt ^).
Die Gelehrten, welche sich zu der Ansicht von der Errichtung
eines neuen Imperiums bekennen, müssen von seiner rechtlichen Be-
gründung gänzlich absehen und die Handlungen Leos III., der Römer
und Karls lediglich als politische Machtäusserungen auffassen : das
Ereigniss am 25. December 800 würde nur ein politisches und nicht
auch ein rechtliches Ereigniss sein. Denn dass Karl ehemalige Länder
des Reiches besass, berechtigte ihn so wenig als andere Herren solcher
Gebiete, den Römerstaat als seinen Staat zu beanspruchen, und sein
römischer Patriciat, der uoch mehr ins Gewicht fiel, gab ihm kein
besseres Recht, er hatte mit der Reichsordnung nichts zu thun. Dem
kaiserlichen Rom stand es nicht zu eigenmächtig aus seinem Staate
auszutreten oder eine imperatorische Gewalt über das Ausland zu er-
theilen, über Territorien, die seit Jahrhunderten vom Reiche frei waren,
oder über Staaten, die bloss zum Theil aus einer Ablösung vom Römer-
reiche hervorgegangen waren. Rom durfte nicht einmal für sich allein
einen Imperator creiren und selbst der Kaiser in Constantinopel hatte
die Erde nicht zu vergeben.
Die Vertheidiger dieser Ansicht spielen mit dem Worte Recht,
wenn sie in einer Zeit, die an der Idee des römischen Reiches fest-
hielt, dem mächtigsten Manne die ihm gebührende kaiserliche Würde
zusprechen 2) ; wenn sie das Recht Karls auf die Macht der Thatsacheu
gründen 3), auf die räumliche Grösse seiner Herrschaft und auf die
1) Schon vor 800 heisst Karl wegen seiner thatsächlichen Wirksamkeit Herr
der Welt, z. B. dominus terrae im Sinne des Alterthums um 794, Paulinus,
Libellus sacrosy Ilabus c. 1, Opera ed. Madrisius 1737 S. 1, vgl. Giannoni, Pauli-
nus II. von Aquileja 1896 S. 13. 97 und Du Gange III, 175. Pütter, Specimen
iuris medii aevi 1784 S. 164 fF. caput orbis, Europae venerandus apex, Poet,
lat. I, 368, 95 f. über den Verfasser Wattenbach, « I, 176 f. arbiter orbis, um 790
Paulus Diac, Poet. lat. I, 69 = Wiegand, Das Homiliarium Karls 1897 S. 16 vgl.
68 f. rector populi christiani, mächtiger als Papst und Kaiser; mundo talem
tribuit (Christus) rectorem, Alcuin 799 Ep. 174. 177, Epist. IV, 288, 23 f. 293,
32 f. lato regnator in orbe, Alcuin 800, Carm. XLV, 73, Poet. lat. I, 259.
2) Hegel, Städteverfassung von Italien I, 1847, S. 216. 218. 219.
«) Waitz III, 195 f. vgl. 188. 190. 201. Folgerichtig verneint er 195 f.,
sowohl ein Recht der Römer und des Papstes als die Bedingtheit durch die
byzantinische Anerkennung. Vgl. Dümmler, Ostfräuk. Reich ^i, 11.
Die Kaiserwahl Karls des Grossen.
9
von ihm geübte universale d. h. über die Grenzen seiner Länder
hinausreichende ßethätigung seiner Machtfülle. Karls Kaiserthum sei
nur die Form für einen gegebenen Inhalt, sein Walten sei das eines
Kaisers gewesen, deshalb sollte seine thatsächliche Herrschaft zum
Ausdruck dieser Thatsächlichkeit eine kaiserliche Herrschaft heissen;
so sei die Wirklichkeit mit dem Gedanken des römischen Kelches in
Einklang gebracht ^). Hier wird die schaffende Kraft an die Stelle
des Rechts gesetzt, während doch die Mittel um einen Staat hervor-
zubringen nicht das Recht vertreten und ihre Anwendung kein
Rechtsact ist. Was in der Peterskirche am 25. December geschehen
wäre, bliebe eine Aeusserung der Macht, eine freie, der rechtlichen
Betrachtung entzogene politische Schöpfung. Wenn demnach im
J. 800 ein neuer Staat errichtet worden ist, so ist er nicht aus dem
römischen oder einem anderen Rechte zu erklären: er hat überhaupt
keinen Rechtsgrund.
Von dieser Anschauung ist auch eine rechtliche Begründung der
Wahl des Kaisers nicht zu verlangen. Die, welche das neue Reich
schufen, standen auf demselben Boden wie die, welche ihm ein Ober-
haupt gaben ; Karl hätte die Reichsgewalt ebenso erworben, wie dieses
Reich entstanden ist, durch eine freie That des Willens und nicht
durch Ausübung eines Rechts.
Einige Geschichtsforscher nehmen an, dass es im J. 800 um
einen Staat zu thun war, stellen jedoch in Abrede, dass ein neuer
Staat gegründet werden sollte. Sie erklären die römische Handlung
aus der Absicht für das römische Reich wieder in Rom Kaiser zu
creiren, nachdem die Byzantiner (in den Augen der Römer) der Füh-
rung des Reichsregiments unwürdig geworden wären 2).
Ein solches Urtheil erkennt an, dass jene Menschen am Ausgang
des 8. Jahrhunderts, die doch eine gelinge Freiheit des Denkens be-
sassen, die an das Vorhandene gebunden waren, auf dieser ihrer Ent-
wicklungsstufe an eine andere Institution als an das ihnen gegen-
») Dahn, Urgesch. III, 1016. 1028. 1047. 1052. 1065. 1068. 1074. 1075. 1076;
Deutsche Gesch. II, 355 ft. ; Könige VIII, ^58 f. Vgl. LancizoUe a. 0. S. 10 f.
2) Grotius, De iure belli ac pacis II, 9, 11. Palgrave a. 0. I, 492. Pichler
a. 0. I, 150 f. 152. Döllinger, Vorträge III, 120 ff. 138. ßryce a. 0. 58 f. vgl.
Freeman a. 0. 105. 106. 107, Historical essays 1871 S. 144: Bury, Later Roman
Empire II, 1889, S. 507 und Dümmler, Karl, Allgemeine deutsche Biographie
XV, 140. Gregorovius, Rom ^H, 480 f. 488 f. kann man bei seiner an Wider-
spüchen reichen Darstellung auch hierfür citiren. Für die Uebertragung auf die
karol. Dynastie Döllinger a. 0. III, 133. Gregorovius, Rom *Il, 489, gegen sie
Pichler a. 0. I, 154, auch Phillips, Vermischte Schriften II, 442. Lapötre,
L'Europe et le S. Siege I, 330. Vgl. Mühlbacher (unten S. 15, 2) S. 581.
10 Wilhelm Sickel.
wärtige Imperium nicht gedacht und dasselbe auch nicht für einer Ver-
doppelung fähig gehalten haben, aber sie muthet den Römern, die ja
das antike Imperium fortbestehen lassen wollten, eine Verfassungs-
änderung zu, welche ihren Beschluss wenigstens soweit ausserhalb des
Rechts stellen würde. Es wäre zwar das alte Reich, um das es sich
im December 800 handelte, aber dieses Reich sollte nicht nur einen
neuen Imperator sondern auch eine neue Successionsordnuug erhalten,
eine Nachfolge, welche sämmtlichen Reichsbürgern die Befugniss
Kaiser zu wählen zu Gunsten einer Familie genommen oder das
geltende Wahlrecht aller auf die Römer eingeschränkt haben würde.
Ein jeder Kaiser war bisher für seine Person Kaiser gewesen,
auch der Verwandte eines früheren Herrschers, das Mitglied einer
„Dynastie", von denen keine ein allein berechtigtes Geschlecht ge-
wesen war 1). Ein erbliches, ein an das Haus der Karolinger ge-
bundenes Kaiserthum hätte die Einführung eines neuen, dem römischen
Gemeinwesen fremdartigen Rechtssatzes bedeutet. Wohl setzten die
Römer, indem sie einen Imperator creirten, einen Gewalthaber ein,
welcher kraft Kaiserrechts Mitregenten ernenneu durfte; sie mochten,
da Karl einem an die Vererbung der Staatsgewalt gewöhnten Ge-
schlechte und Volke entstammte, Aenderungeu in der Succession er-
warten und vielleicht ahnen, dass die karoliugische Dynastie, welche
keine Individualsuccession kannte, zu einer neuen Ordnung der Be-
setzung des Imperiums schreiten werde, aber zu entscheiden hatten
sie darüber nicht und in keinem Falle waren die Männer des 25. De-
cember befugt das Successiousrecht von den Römern auf die Frauken
zu übertragen. Den Römern hätte auch die Macht gefehlt ein solches
Vorhaben zur That zu machen und den Machthaberu hat der Wille
gefehlt andere Kaiser uicht zuzulassen. Kein Karolinger hat sich als
alleinigen Imperator betrachtet und kein Papst wegen Karls Wahl die
Rechtmässigkeit der östlicheu Kaiser in Frage gestellt.
Vielleicht waren die Römer befugt einen Kaiser zu wählen, allein
sie würden ihre Berechtigung unzweifelhaft überschritten haben, wenn
sie diese Befugniss hinfort ausschliesslich für sich nehmen wollten.
Bot ihnen das Wahlkaiserthum die Möglichkeit einen Kaiser zu creiren,
so haben sie diese bestehende Ordnung, die sie benutzten, uicht zu-
gleich verleugnet, Dass sie, indem sie in der Weise erkoren, wie
vormals oft erkoren worden war, uicht nur wählen sondern auch ein
') Vopiscus, Tacitus 6, 8. 14, 1; Probus 10, 8. 11, 3. Trebellius PoUio,
Claudius 12, 3; vgl. Aelius Spartianus, Severus 20, 4 ff. Mommsen, Rom. Staats^
recht 3 11, 1135 f. Seeck, Untergang der autiken Welt -I, 11.441.
Die Kaiserwahl KarlB des Grossen. 1 1
neues Wahlrecht schaffen wollten, haben sie nicht ausgesprochen oder
durch Anzeichen kuudgethan. Weder die päpstliche Kaiserweihe,
deren die drei nächsten karoliugischen Kaiser gewürdigt worden sind
noch die mit Karl IL beginnende Creirung des abendländischen Im-
perators durch Rom gehen auf einen Plan aus dem J. 800 zurück,
sie sind durch besondere unvorhergesehene Umstände verursacht worden.
Das in St. Peter zur Anwendung gekommene Mittel, die blosse Er-
nennung Karls zum Kaiser, wäre überdies untauglich gewesen einer
derartigen verborgenen Absicht eine Grundlage zu geben. Forderte
doch das Imperium keineswegs die Herrschaft eines einzigen Impe-
rators, sondern Hess die Zahl der Kaiser frei. Wie noch immer
mehrere Rechtsgründe für die Erwerbung der kaiserlichen Gewalt sich
in Geltung befanden, so waren auch mehrere Kaiser neben einander
aus verschiedenen oder aus denselben Rechtsgründen möglich. Eine
in Rom vorhandene Tendenz zu Roms Gunsten die hergebrachte Reichs-
verfassung aufzuheben ist nicht sichtbar, üeber eine Generation lang
hat Niemand einen Zweifel geäussert, ob der abendländische Kaiser
vermöge seiner römischen Kaisergewalt Mitherrscher und Nachfolger
bestellen dürfe, ohne diejenigen zu Rathe zu ziehen, welche Karl er-
hoben hatten. Sollte jene Anschauung von dem Vorzug der Römer
auch dem politischen Denken der Abendländer weniger fern gelegen
haben als die Ertheilung eines Titels oder die Gründung eines West-
reichs, so würde es dennoch gleichfalls unmöglich sein eine derartige
Verfügung über den Staat und seine Ordnung rechtlich zu begründen.
Soweit diese drei genannten Vorstellungen den Rechtsact der Kaiser-
wahl Karls betreffen, lassen sie sich nur durch den Nachweis wider-
legen, was Karl am 25. December ^00 geworden ist.
Die Thatsache, dass vor der römischen Wahl erwogen wurde,
ein Imperator fehle dem Reiche, ein Weib stehe ihm vor i), legt
Zeugniss für den Gedanken ab, dem von Irene regierten Staate einen
Kaiser zu geben, auf dass dieser Staat nicht länger ohne Imperator
bleibe. Es ist hierbei eine unnütze Frage, ob Irene rechtmässige
Kaiserin war oder ob die Römer ihr die Anerkennung versagten, die
sie auch sonst nicht überall gefunden hatte. Die etwaige Reichsvacanz
Hesse sich erörtern, wenn nur bei unbesetztem Throne eine Wahl
statthaft und nur ein einziger Beherrscher des römischen Reiches
möglich gewesen wäre. Da jedoch die Reichsverfassung den Reichs-
') Ann. Lauresh. 801, SS. I, 38, hera. von Katz 1889 S. 44. Hieraus
Chron. Moiss. 801 SS. I, 305. Vita Willehadi c. 5, SS. II, 381 (aus ihr Helmold
I, 3), vgl. Kurze, Neues Archiv für Geschiehtskunde XXI, 26 f.
12 Wilhelm Sickel.
angehörigeu erlaubte Kaiser neben regierenden Kaisern zu wählen,
so machte es für die Römer keinen Unterschied, ob sie die Legitimität
der Herrscherin unangefochten Hessen oder bestritten. Denn ein an
sich nichtiger Beschluss wäre durch eine Reichsvacanz nicht gültig,
ein an sich gültiger Beschluss wegen des Vorhaudenseins eines recht-
mässigen Kaisers nicht ohne rechtliche Kraft gewesen. Die Weiber-
herrschaft konnte ein Motiv aber nicht die Voraussetzung einer Wahl
bilden i). Oft waren, wenn unfähige oder unwürdige Herrscher die
Krone trugen, neue erkoren worden, von denen die Wähler glaubten,
dass sie mehr für das Gemeinwesen sorgen würden. Wie ein Heer
im J. 813 an Leo die Bitte richtete sich des von dem regierenden
Michael L verwahrlosten Reiches anzunehmen, so durften die Römer
Karl auffordern das Reich der Christenheit zu retten, nicht weil sie
es für erledigt sondern weil sie es für schlecht besetzt hielten, um
ein besseres Regiment herbeizuführen. Die Beweggründe, aus denen
die Wähler zu dem oft bewährten Mittel griffen, konnten sehr ver-
schieden sein; die Truppen, welche Leo V. erhoben, mögen weltlicher
gedacht haben als die Römer, denen wir eine mehr religiöse Stimmung
zutrauen, allein der Wahlact, welchen die Wähler dort wie hier vor-
nahmen, war der nämliche, die Creirung eines Lnperators ohne Ab-
setzung des Regenten. Dem neuen Kaiser mussten seine Wähler
anheimstellen, was er mit dem auf dem Throne befindlichen Manne
oder Weibe thun wolle, ob er sie stürzte oder neben sich duldete.
Das wussten die Römer so gut wie die Byzantiner. Die ungewohnte
Regierung einer Frau mochte jedoch die Römer in ihrem Vorhaben
bestärken. Eine regierende Kaiserin hatte es in dem römischen Reiche
1) Treues Herrschaft nennen DöUinger u. 0. III, 149 und Harnack, Das
karol. und das byzant. Reich 1880 S. 41 »Rechtsgruud« für Karl, wobei Döl-
linger 111, 110. 123 erklärt, dass eine Frau nicht herrschen »konnte*; die Aus-
gabe von Grotius, De iure belli ed. Cocceji 11, 53-2, auf die er sich hierfür S. HO
stützt, ist mir nicht zugänglich; Grotius II, 9. 11, 2 hat die Regierungsunfähig-
keit der Frauen nicht bewiesen; auch Freeman, Essays 1871 S. 144 und Chief
Periods 1886 S. 107 hat sie nur behauptet. Die Zeugnisse in der vorigen Anm.
sprechen überdies nicht von einer Reichsvacanz sondern von dem Fehlen eines
Imperators, von dem femineum Imperium; Honorius von Autun, Summa gloria
c. 30, Mon. Germ.. Libelli de lite III, 78 erklärt nur: Romanum Imperium rectore
carebat. Für die .Erledigung des Thrones« führt DöUinger III, 149. 154
Sigebert SS. VI, 336 und Gervasius SS. XXVU, 378 an, welche erhaltene ältere
Quellen ausgeschrieben haben. Für die Vacanz sind auch Palgrave a. 0. I. 490,
Berthelot bei Lavisse et Rambaud, Hist. generale 1, 1893, S. 367, <- ttolenghi
a. 0. 98, Wells, Charlemagne 1898 S. 216; gegen sie z. B. Schöpflin, Commen-
tationee historicae 1741 S. 142 f. und Dahn, Urgesch. III. 1080. Schöpflin fol-
f^ert, dass Karl kein Recht erhielt, weil der Thron besetzt wnr.
Die Kaiaerwahl Karls des Grossen. \^
noch nie gegeben und noch im J. 640 war erklärt worden, das Im-
perium gehöre Männern, nicht Frauen, eine Frau vermöge die Keichs-
geschäfte nicht zu führen : sie können fremde Gesandte nicht em-
pfangen noch ihnen Antwort geben, — Gott verhüte, dass der Römer-
staat dahin komme. Er war jetzt dahin gekommen i). Die Römer
hatten freilich von der Regeutin in Constantinopel nichts zu besorgen,
aber sie fühlten sich doch als Reichsangehörige und empfanden den
Mangel eines Kaisers um so eher wie eine Lücke in ihrem politischen
Leben, als die zunehmende Geschäftigkeit ihres Patricius sie beständig
daran erinnerte, dass ein Kaiser sie nicht regiere. Selbst in Constan-
tinopel gab es eine Partei, welche lieber einen Kaiser als eine Kaiserin
wünschte, und einzelne Byzantiuer haben, sobald sich Irene der Allein-
herrschaft bemächtigt hatte, Karl aufgefordert die kaiserliche Gewalt
zu übernehmen ^). Nachdem ein Kaiser gewählt war, verbanden die
Byzantiner mit dieser herkömmlichen Handlung die übliche Erwartung,
dass er zufolge der naturgemässen Gesinnung eines römischen Impe-
rators Mitherrscher, soweit es in seiner Macht stehe, nicht leiden
werde 3).
Die Römer, welche am 25. December Karl Augustus und Impe-
rator zuriefen, haben ihn als Imperator der Römer gewollt, sie haben
einen anderen als den römischen Imperator nicht für möglich ge-
') Nicephorus, Opuscula ed. de Boor 1880 S. 28. Eine ähnliche Erklärung
von Occidentalen schon bei Priscus, fr. 15. Müller, Fragm. hist. graec. IV, 98.
Irene war die erste Herrscherin, sie nannte sich Nov. Coli. I, 27 (Zachariä, Jus
graeco — rom. III, 55) ßao'.XEU?; bei Theophanes 473, 5 Tcup-aicuv ßoatXtaaa. Vgl.
Rambaud. Revue des Deux Mondes 103, 818 f. Ueber Widerstand gegen ihre
Herrschaft Theophanes 465. Zonaras XV, 11, 22. 24. XV. 12, 7.
2) Ann. S. Petri Colon. 798, SS. XVI, 730, ein Facsimile unserer Stelle
SS. XVII Tab. III, 3. Jaffe et Wattenbacb, Ecclesiae Colon. Codices 1874 S. 29.
nach Krusch, Studien zur Chronologie 1880 S. 195. 197. 200 im J. 805 ge-
schrieben. Mit dieser Stelle: missi venerunt de Grecia, ut traderent ei impe-
rium, stimmt die Angabe bei Symeon. Hist. de regibus § 62 ed. Arnold II, 64
(Ann Nordh. 800 SS. XIII, 156) aus unbekannter Quelle überein. Arnold z. d.
St. findet hier die von Ann. regni Franc. 802 mitgetheilte Gesandtschaft der
Irene, während Pauli, Forschungen zur deutschen Gesch. XII, 164 sie auf eine
Tendenz gegen die weibliche Regierung bezieht. Waitz III, 190, 2 bezweifelt
diese Nachricht, Simson, Karl IL 239, 1 verwirft sie. Eine Gesandtschaft Irenes
an Karl 798 tantum de pace fuit, Ann. regni Franc. 798 S. 104
s) Einhard, Vita Karoli c. 16: qui Imperium eis eripere vellet, valde su-
spectum (imperatoribus Constantinopolitanis). Vgl. Gasquet, L'empire byz. et la
mon. fr. 1888 S. 285. 02. 303. Duchesne, Les premiers temps de l'etat pon-
tifical 1898 S. 91 urtheilt, man habe im .1. 800 keine bestimmte Vorstellung von
dem Act gehabt, S. 88 für den Occident sei er anfänglich nur Titelfi-age, für den
Orient aber eine fränkische Wiederbelebung des alten römischen Reiches gewesen.
14 Wilhelm Sickel.
halten. Sie bedurften eines Zusatzes so wenig als italienische Ur-
künden aus dem J. 801, in welchen Karl schlechthin Imperator hiess
oder erwähnt wurde, er sei ad Imperium coronatus ^). Fränkische
Quellen haben ihn ausdrücklich bei diesem Act Imperator der Eömer
genannt -), ohue mit der volleren Benennung mehr als die Römer mit
der kürzeren zu besagen. Dem römischen Berichte und den fränki-
schen Aufzeichnungen schliessen sich byzantinische Historiker an.
Indem sie von der Ansicht ausgingen, dass es sich um einen Kaiser
in ihrem Reiche handle, liaben sie ihm dieselbe Bezeichnung wie dem
Kaiser iu Coustantinopel gegeben ^). Dieses Imperium ist Karl an-
geboten und von ihm angenommen, der römische Staat in diesem
Sinne sein Staat geworden. Als Imperator Romanum gubernans Im-
perium hat er Urkunden und Gesetze ausgestellt^). In seiner Kaiser-
') Vita Leonis III. c. 23. imperator 801, Muvatori, Antiq. III, 1017. Reg. di
Farfa II, 169 f. S. 140 f., wo 166, S. 139 Karl ad imperium coronatus ist.
-') Ann. i-egni Francor. 801 S. 112, wiederholt in Pauli cont. Rom. 801,
Script, rer. Langob. S. 202. Chron. Moiss. SS. I, 30^. Vgl. S. 28. 1.
3) Theophanes 473, 1, der ihn später zur Verkleinerung 494, 21 ßaat/ia tcüv
<I>paYYt»v nennt, Zonarab XV, 13, 14. 22; spätere Entstellung in ßaatAeu; 'Pw^fiq
bei Cedrenus II, 28 und Manasses 4515. ßaacAsü? Ttufj-aiiüv heisst der byzant.
Kaiser bei Theophanes 421, 7. 435, 15. 449, 4. 454, 1. 493, 5 und sonst, auch
bei der Verkündung 493, 21 wie Karl. Dieser Titel aut Münzen seit Michael I.,
Sabatier, Description des nionnajes byzantines I, 1862, S. 75.
*) Die Abdrücke der einzigen Urkunde Karls aus d. J. 801, beide nach dem
Original, haben imp. Romanoruni gubernans imperium, Tiraboschi, Storia di
Nonantola II, 18 S. 34 und Savioli, Ann. Bologn. I, b lo S. 22 (Mühlbacher 364).
Das italische Gesetz von 801 Capit. I. 204, 27 hat statt Romanorum Romanum,
wie auch schon italische Frivp.turkunden aus diesem Jahre, z. B. Mem. di Lucca
IV b, 1 S. 3. Vb, 296 f. S. 173. 175. Brunetti, Cod. dipl. Toscano 11», 56 S. 331
und so lautet der Titel in dem Diplom von 802 für Hersfeld (Wenck, Hess.
Landesg III b, 18, im Anschluss an älteren Sprachgebrauch, Marini S. 124. 133.
]4.j) und seitdem ständig, auch noch in der einen nach der Theilung des Reiches
ausgestellten Urkunde von 813, Kaiserurkunden iu Abbildungen I, 5. Vgl.
Waitz III, 241, der hier auf Karl bezogene Brief bei Roziere III, 344 ist nach
Zeumer, Formulae S. 528 an Ludwig I. gerichtet. Das imperium in Romania,
welches Karl nach der Urkunde eines fränkischen Grafen von 813 im J. 800 er-
worben hatte (bei Mabillon, Ann. ed. Lucae III, 624. Gallia christ. XIV, instr. 18
Nr. 12, Mabille, La Pancarte noire de S. Martin de Tours 1866 S. 94 Nr. LIV)
kann hier nur das Römerreich sein, vgl. Du Gange, Gloss. graec. 1312, gloss.
lat. VII, 209. Die gleichzeitigen Ann. Juvav. mai. 800 SS. I, 87, nochmals 801
SS. III, 122 sagen: Carolus imperium suscepit Romanum in Roma; ein Chronist
bei Mommsen, Chronica II, 503: factus est imperator Romanorum. Als Erwerber
des Romani imperii erscheint Karl um 838 in Mir. Genesii SS. XV, 169, 26.
Ludwig II. behauptet 871, jedermann wisse, nos successores antiquorum impera-
torum esse, SS. III, 522, 52.
Die Kaiserwahl Karls des Grossen. |P,
titulatur erscheint immer und erscheint nur das Römerreich und auch
durch seine KaiserpoHtik hat er bewiesen, dass er überzeugt war im
J. 800 Imperator des einen ungetheilten ßömerstaates geworden zu
sein und nicht etwa ein zweites römisches Reich neben dem älteren
empfangen zu haben. Allerdings ist eine gemeinsame Ausübung der
Reichsgewalt von dem östlichen und dem westlichen Kaiser niemals
auch nur dem Namen nach bethätigt worden, Karl hat in seinem Titel
den Mitkaiser so wenig erwähnt als dieser ihn, aber der Mangel der
materiellen und formellen Gemeinsamkeit deutet nicht auf eiu geson-
dertes rechtliches Dasein zweier Reiche, sondern es entsprach dem
Kaiserbrauche, dass der ältere Kaiser und sein Gegenkaiser bis zur
Anerkennung nur den eigenen Namen in seinen Schreiben zuliess.
In unserem Falle ist mit der Anerkennung die Reichstheilung ver-
bunden worden, eine Theilung des einen Staates in zwei Staaten, die
nicht in Rom und nicht durch die Römer sondern an den Kaiserhöfeu
durch die Kaiser vollzogen ist.
Wenn im December 800 ein Imperator für das römische Reich
creirt werden sollte, so ist eine Untersuchung möglich und noth-
wendig, ob die Römer zu denjenigen gehörten, welche nach der
Reichsverfassuug ermächtigt waren Kaiser zu wählen. Das für die
Beantwortung der Rechtsfrage vorhandene Material ist dem im 8. Jahr-
hundert geltenden römisch-byzantinischen Staatsrecht zu entnehmen ;
dieses Recht hatte allein zu entscheiden, ob in Rom eine rechtmässige
Wahl erfolgen durfte. Der Ort bot kein Hinderniss, denn wenn auch
die Stadt sich dem Einfluss des Imperators fast völlig entzogen hatte,
so hielt sie doch staatsrechtlich den Zusammenhang mit dem Imperium
fest ^). Die einzige Bedingung war, dass es in dieser byzantinischen
Stadt Wahlberechtigte gab; von ihrem Vorhandensein hing zunächst
die Möglichkeit einer dortigen Kaiserwahl ab.
Eine Klasse der Wühler, die der Reichssenatoren, fehlte in Rom -).
Da die Männer, deren Gesammtheit hier Senatus hiess, jene Eigen-
«) Theophanes 472. 30. Zonaras XV, 13, 17. Vgl. Florus, Poet. lat. II, 5G1, 61.
Chronica Bened. Casin. S. 486, 20 ed. Waitz. So auch Pütter, Entwickl. der
Staatsverf. I, 59, Döllinger III, 105, Gasqaet a. 0. 281, Maassen a. O. 136.
Umgekehrt Conring, De Germanorum imperio romano 1643 c. 7, Opera I, 52:
Rom hielt sich für berechtigt zu wählen, weil es sich a iure caesaris frei fühlte.
2) Mühlbacher, Deutsche Gesch. unter den Karol. 18Ö6 S. 204. Der senatus,
welchen Chron. Anian. 801 8S. I, 305, 31 in freier Ueberarheitung seiner Vorlage.
Flodoard um 938, De Christi triuraphis XI, 10 (Migne 135, 810), im 12. Jahrh.
Gregorius von Catina, Hist. Farf. c. 22, u. Roger SS. XI, 571. XXVII, 138, 22 mit-
handeln lassen, ht nur ein bestimmter Theil der römischen Nobilität, vgl. S. 21 1.
]^g Wilhelm Sickel.
Schaft nicht besassen, so hatten sie auch als Senatoren über die Herr-
scherwürde nicht zu verfügen. Indess mit den Reichssenatoren fehlten
noch nicht Wahlberechtigte überhaupt. Die Zeit, als der Princeps,
noch auf der Stufe eines Magistrats, nur von dem Senat erkoren
wurde, war längst vorüber und dem jetzigen byzantinischen Senat,
dem Staatsrath eines Monarchen, hat keinesfalls die ausschliessliche
Befusruiss zugestanden die kaiserliche Gewalt im Namen des Volkes
O eis
zu vergeben.
Neben dem Senat war die nächste Wählerklasse das Heer ge-
worden. War das Reichsheer in Rom vertreten i) ? Dass die dortige
Miliz kein stehendes Heer war, würde einen Einwand gegen ihre
Wahlberechtigung nicht begründen. Denn da das Wahlrecht den
Reichstruppen gebührte, so war es nicht an eine bestimmte Formation
der Armee gebunden, etwa an diejenige, welche zur Zeit der Ent-
stehung des militärischen Wahlrechts bestand, und von deren Fort-
dauer abhängig, sondern folgte es den Aenderungen des Heerwesens
und konnte mit ihnen an nicht ständige Soldaten kommen. Die
militärischen Neuerungen in Rom waren allerdings örtliche, sie stamm-
ten jedoch hier wie in anderen italienischen Städten noch aus der
Zeit, als diese Bürgerwehren dem Reiche dienten und ihre Befehlshaber
kaiserliche Beamte waren. Dass in Rom inzwischen das Amt des
dux, des Oberbefehlshabers, eingegangen war, und die Wehrpflichtigen
mehreren gleichgestellten Hauptleuten, die jetzt duces hiessen, unter-
geben waren, beeinträchtigte ihre politische Berechtigung ebenso wenig,
als sie derselben dadurch verlustig gingen, dass der Papst sie ernannte
und sie ihm Gehorsam schuldeten. Denn als Wähler befanden sich
Offiziere und Soldaten nicht im Dienst, weder im päpstlichen noch
im kaiserlichen, sondern waren sie auf Grund der Verfassung Ver-
treter des gesummten Heeres. Wenn diese Kriegsleute im J. 800
uoch als ein Theil der römischen Armee gelten durften, so würden
sie Wahlberechtigte haben liefern können. Müssen wir ihnen ein
Wahlrecht absprechen, so standen dennoch einer Wahl in Rom recht-
liche Hindernisse nicht entgegen.
Das Wahlrecht war nicht mehr auf Senat und Heer beschränkt,
der Volkswille, auf dem die Besetzung des Thrones durch Wahl beruhte,
brachte sich nicht mehr ausschliesslich durch diese beiden Wähler-
1) Verneint von Bellannin. De potestate pontificis temporali c. 8 vgl. De
translatione imperii I, 10, Opera II, 161. VI, 6'u9. Die Circusparteien in Constan-
tinopel, die bei Kaiserwahlen nicht nnthätig geblieben sind, waren auch eine
Stadtbürgerwehr. Rambaud, De Byzantino hippodromo et cireensibus factionibus
1870 S. 31 ff.
Die Kaiserwahl Karls des Grossen.
17
gruppen sondern auch freier, unmittelbarer zur Geltung; entweder
so, dass Andere an der Thätigkeit von Soldaten oder Senatoren sich
ohne Unterschied betheiligten, oder so, dass Volksleute allein, ohne
derartige Repräsentanten des Gemeinwesens, vorgiengen. Die Aus-
dehnung des Wahlrechts war durch den Umstand erleichtert, dass
Formen für die Ausübung nicht vorgeschrieben waren; das im Ein-
zelnen von Fall zu Fall wechselnde Verfahren gab Raum für die
Zuziehung oder das eigenmächtige Handeln Anderer als der älteren
Volksvertreter. So war die Einschränkung des Wahlrechts auf die
beiden Klassen oft nicht beachtet. Es waren Wahlen vorgekommen,
bei denen Versammlungen von Reichsbürgern, die nach der älteren
Ordnung zur Uebertragang des Imperiums nicht befugt gewesen waren,
die Herrschaft angeboten hatten, ohne dass die Wähler oder die Ge-
wählten gegen die Rechtmässigkeit der Wahl Bedenken oder Dritte
Einspruch erhoben hätten. Wie weit die freie Volkswahl im J. 800
zulässig war, lässt sich vielleicht nicht genau bestimmen, aber falls
unsere Quellen über die Stufe, auf der sich um jene Zeit das Wahlrecht
befand, keinen vollen Aufschluss geben, so gewähren sie doch wohl
eine hinreichende Auskunft, ob eine Volkswahl in Rom statthaft war.
Für die Rechtsgültigkeit einer Volkswahl spricht es, dass ein von
Offizieren in der Provinz aufgestellter Mann im J. 713 von dem
ganzen Volke von Constantinopel in der Sophienkirche als Kaiser aus-
gerufen wurde. Das gesammte Italien, welches zu Gregors II. Zeit
die Wahl eines Imperators plante, hat gewiss nicht nur aus Reichs-
senatoren und Reichssoldaten bestanden. Michael IL, so schreiben die
Jahrbücher des fränkischen Reiches, hat durch die Stimmen der Bürger
und die eifrige Theilnahme der Prätorianer das Imperium erhalten i).
Das hier und sonst gemeldete Eingreifen der Truppen hat seinen Grund
nicht bloss in dem Recht sondern auch darin, dass ein Imperator ohne
militärische Unterstützung sich nicht zu behaupten vermochte, während
Karl, der zum Schutz seiner kaiserlichen Gewalt sein eigenes Heer
besass, der Hülfe von Reichssoldaten nicht bedurfte.
') Eine Untersuchung der Geschichte des Wahlrechts steht nicht zu Gebote.
Ich nehme von einer leicht ausführbaren Vermehrung der Angaben Abstand,
weil wir auf diesem Wege unserem Ziele nicht näher kommen würden. Ausser
den drei Mittheilungen im Text — Nicephorus S. 49, 17—19, Vita Gregorii II.
c. 17 (omnis Italia) und Ann. regni Franc. 821 S. 135. — vgl. Julius Capi-
tolinus, Gordiani tres c. 22, 5. Sidonius, Carm. V, 387 mit Maioriani Nov. I, 1.
Zonaras XIV, 5, 3. Nicephorus S. 27, 27. 28, 9. 46, 9. 12= Theophanes 379.
Theophanes 415, 8, 11. Georgius Mon. in ßyzantin. Zeitschr. VII, 295. Mommsen,
Chronica III, 342. Ludwig II. beruft sich 871 auf die Wahlen auch a populo,
SÖ. III, 523, 35.
Mittheilungen XX. 2
l^ Wilhelm Sickel.
Unter den bei den Kaiser wählen Thätigen erscheint jetzt öfters
der Patriarch von Constantinopel. Im 8. Jahrhundert greift er zu-
weilen mächtig in das Wahlgeschäft ein und im J. 824 haben ihn
zwei Kaiser an erster Stelle unter denjenigen genannt, deren Zu-
stimmung sie die Krone verdankten ') ; er gehört zu den von den
Reichsannalen als Reichsbürger bezeichneten Wählern Michaels IL Ob
ihm das Wahlrecht als Bürger zukam oder ob er ein besonderes
Wahlrecht als Hofpatriarch besass, kaun dahingestellt bleiben; für
unsere Aufgabe genügt die Gewissheit, dass seine Zustimmung nicht
wesentlich war, — das römische Staatsrecht hat bei der Creirung eines
Kaisers keinen bestimmten Reichsangehörigen zu einem unentbehr-
lichen Theilnehmer gemacht — und dass der Papst ein etwaiges Vor-
recht des Hofgeistlichen nicht für sein kirchliches Amt fordern oder
üben konnte.
Da zur Zeit der Kaiserwahl Karls nicht nur Senat oder Armee
als legitime Repräsentanten des Volkes sondern auch das Volk unmit-
telbar durch beliebige einzelne Bürger als Vertreter des Volkes wählte,
so konnten die Reichsbürger in Rom dieselbe Befugniss wie die übrigen
Bürger im Reiche in Ansprach nehmen, auch wenn die frühereu
Wahlen in der alten Hauptstadt auf Grund eines beschränkteren Wahl-
rechts geschehen waren. Diese Römer hatten jetzt um einen Imperator
zu creiren keine andere Eigenschaft uöthig als die römische Bürger
zu sein, denn kraft des allgemeinen Staatsbürgerrechts sollten sie
handeln. Es waren nicht etwa die Einwohner Roms, die städtische
Bevölkerung in diesem Sinne, noch die Inhaber des Stadtbürgerrechts,
die Mitglieder der Stadtgemeinde, oder die, welche den Papst erkoren,
sondern das wahlberechtigte Volk ist der in Rom anwesende Theil der
Bürgerschaft des Römerreichs gewesen '^).
Stand die Competenz zur Creation eines Imperators Männern in
Rom zu, so erhebt sich die Frage, ob die, welche dort wählen durften,
im J. 800 gewählt haben, ob das Reichswahlrecht in Wirklichkeit zur
Anwendung gekommen oder die für ein solches rechtmässiges Handeln
gegebene Voraussetzung unbenutzt geblieben ist. Wenn Wahlberechtigte
') Mansi XIV, 418 secundum antiquuin morem.
2) Das Stadtbürgerreclit meinen wohl Conriug a. 0.. Severinus de Monzambano
a. 0. c. I § 12, vergleiche auch Döllinger III, 130 f., sicher Kaufmann. Deutsche
Gesch. II, 1881, S. 327. Die Wähler des Papstes sollen auch einen Imperator
wählen z. B. nach Carli (S. 4, 1) IV, 37 und Herzog, Kirchengesch., 2. Aufl. von
Koffmane I, 1890, S. 458. Vgl. Gregorovius, Rom *II, 483 f. 487. der jedoch die
Ausländer zu Mitwiihleru macht II, 488. III, 18, wie wohl auch Palgrave a. 0. I. 490.
Die Kaiserwahl Karls des Grossen. -jn
von ihrer ßefugniss Gebrauch machten, so ist an Karl die recht-
mässige Aufiforderung ergangen Imperator zu werden; erkoren ihn
hingegen Unbefugte, so wollten zwar auch sie ihn für den Römerstaat
creiren, aber weil sie nicht kraft eines Rechts gehandelt hätten,
würde Karl ein widerrechtlicher Anmasser der kaiserlichen Gewalt
geworden sein.
Für die Rechtmässigkeit einer Kaiserwahl war ein bestimmtes
Verhalten Wahlberechtigter erforderlich, aber weder eine formelle Ver-
sammlung noch ein formeller Bescbluss; jede zustimmende Willens-
erklärung genügte. Eine derartige Freiheit der Wähler, welche ge-
stattete den Hergang in dem einzelnen Falle ganz nach den indivi-
duellen Verhältnissen zu gestalten, lässt den Verlauf eines Wahlgeschäfts
oft nur ungenau wahrnehmen, ohue dass die nicht erkennbaren Theile
der Verhandlungen die Einhaltung der Reichsordnung in ihren wenigen
wesentlichen Stücken zweifelhaft machen müssen; das Mangelhafte in
der Erkenntniss des thatsächlich Geschehenen ist nicht nothwendig
mit einem Mangel in dem Verständniss des Rechtlichen identisch.
Wenn sonach unsere üeberlieferung nicht mehr zulassen sollte, den
Hergaug in Rom im December 800 Schritt vor Schritt zu verfolgen,
wenn der eine, oder andere Act undeutlich oder ungewiss bliebe, so
kann, so lange es sich hierbei nur um Modalitäten in der Handhabung
der Wahlberechtigung handelt, das Wesentliche des Rechtsvorgangs
noch mit Sicherheit festgestellt werden. Zu diesem Zweck brauchen
wir von der concreten Gestaltung vieles nicht zu wissen ; ob jene Ein-
zelheiten so oder anders gewesen sind, ist für die rechtliche Beur-
theilung nicht erheblich.
Die Ausübung des Wahlrechts konnte so erfolgen, dass Wähler
auf einer Versammlung einen Imperator erkoren und die Verkündung
der Wahl vertagten.
Die meisten Chronisten der Zeit haben eine Wahlversammlung
iu Rom im J. 800 nicht erwähnt. Allein ihr Schweigen spricht nicht
sofort gegen eine Zusammenkunft. Ihre kurzen Mittheilungen schliessen
sich hier vielleicht der älteren Historiographie an, welche oft für
unnöthig hielt die Reihenfolge der Ereignisse — die Wahl und die
Verkündung — aufzuzählen sondern vorzog, einen von jenen Vor-
gängen zu nennen, der gewöhnlich den anderen zur Voraussetzung
oder zur Folge hatte. Dass unsere Berichte grösstentheils den Wahlact
übergingen, würde um so erklärlicher sein, als ihnen die Feierlichkeit
der anderen Handlungen erwähnenswerther erschien. Unter diesen
Umständen fallen jene Quellen nicht gegen die Richtigkeit einer Angabe
ins Gewicht, welche eine besondere Wahlversammlung meldet.
2*
20 Wilhelm Sickel.
Ein Zeitgenosse hat wenige Jahre nach der Kaiserwahl erzählt,
dass die nämlichen Männer, welche Karl zur Berathung über die wider
Leo erhobenen Anschuldigungen berufen hatte, einig geworden seien
Karl das Imperium anzubieten; er habe es auf ihre Bitte über-
nommen 1). Die Schriftsteller, welche aus dieser Quelle geschöpft
haben, der Verfasser der Chronik von Moissac, ihr üeberarbeiter in
Aniane und ein Ungewisser Biograph Willehads, erhöhen durch ihre
Wiederholungen die Zuverlässigkeit der Angabe nicht noch vervoll-
ständigen sie dieselbe durch ihre Zusätze, weil bei ihnen eine eigene
Kenntniss des Hergangs oder die Benutzung sonstiger verlorener Ge-
schichtswerke nicht anzunehmen ist 2). Die Glaubwürdigkeit der Nach-
richt würde auch wohl keiner Unterstützung bedürfen, wenn nur ihr
Sinn unstreitbar wäre. Es steht jedoch in Frage, ob unser Autor die
Männer, welche nach Karls Willen zusammengetreten waren, nach
Erledigung der ihnen von dem Könige gestellten Aufgabe nochmals
und selbständig sich versammeln lässt, um über einen von ihnen selbst
gewählten Gegenstand oder einen aus ihrem Kreise gemachten Antrag
zu berathen und zu beschliessen ^), oder ob er bei einem Rückblick
•) Ann. Lauresh. (oben S. 11 Anra.) verstehen dem Personal nach unter der
Wahlversammlung den von Karl veranstalteten, zum J. 800 beschriebenen conven-
tura episcoporum seu abbatum cum presbiteris, diaconibus et comitibus seu reliquo
christiano populo, wofür 801 lautet: visum est et ipsum apostolico Leoni et uni-
versis s. patribus qui in ipso concilio aderant, seu reliquo christiano populo, ut
ipsum Carolum imperatorem nominare debuissent. Diese Sätze hat ein Un-
bekannter in einem der ersten Jahre des 9. Jahrh. geschrieben. Kurze, Neues
Archiv XXI, 2ß. Die Vermuthung Döllingers III, 118, dass die Versammlung
von anderen Annalen als diesen und einigen ihrer Ableitungen verschwiegen
werde, um mehr unmittelbare Eingebung Gottes zu zeigen, halte ich auch des-
halb für irrig, weil diese Inspiration nicht an die Stelle des Beschlusses ti'itt.
2) Die Abweichungen des Chrou. Moiss. 801 SS. I, 305 und der Vita Willehadi
e. 5 SS. II, 381 werden auf ein erweitertes Exemplar der Ann. Lauresh. zurück-
geführt, Kurze a. 0. XXI, 27 f. Nach der Darstellung des Chron. Anian. krönte
Leo cum consilio der Versammlung, woiür jedoch nachher gesagt wird, dass Leo,
Bischöfe. Priester. Aebte, der Senat der Franken, die römischen Edlen und
andere Laien (cum reliquo christiano populo) consilium habuerunt ut Carolum
S. 306 imperatorem nominare deberent, so dass die Betheiligten nicht als ein
Rath des Papstes erscheinen.
ä) Die Nachricht ist oft ohne Bedenken benutzt, z. B. von Baxmann, Politik
der Päpste L 1868, S. 316, Bryce a. 0. 50. 53, Gasquet a. 0. Viollet, Bist,
des Institutious I, 1890, S. 264, SmoUe, Die erste deutsche Kaiserkrönung 1871
S. 14, Löher, Kulturgesch. der Deutschen II, 1892, S. 176, Kämmel, Werdegang
des d. Volkes I, 1896, S. 70. Nach Ranke Vb, 184 ist sie zuverlässig. Waitz III,
1860, S. 176 hat erklärt, dass sich diese Erzählung »nur auf den Vorgang
im Ganzen beziehen kann"'; in der 2. Aufl. III. 195 hat er »kann* in »wird*
Die Kaiserwahl Karls des Grossen. Ol
auf das Ereigniss nur allgemein die Urheber im Auge hat, insbesondere
die in St. Peter am 25. Deeember, ohne an einen besonderen Wahlact
zu denken.
Zunächst verdient Beachtung, dass der Gewährsmann von dem
Coucilium in dem persönlichen Sinne spricht, dass die Mitglieder die-
selben waren wie die, welche Karl versammelt hatte. Wie wir nun
durch unsere zuverlässigste Quelle, die Biographie Leos EL, vernehmen,
ist am 25. Deeember in der Kirche die geistliche und weltliche
Aristokratie, welche Karl vereinigt hatte, wieder anwesend gewesen i).
Insofern ist die Identität der Personen in der That vorhanden. Allein
es kommt nicht auf ihre Gegenwart sondern auf ihre Thätigkeit an.
In der Kirche haben sich nicht diejenigen insgesammt betheiligt,
welche unser Berichterstatter beschliessen lässt, sondern nur ein Theil,
ein bestimmter Theil von ihnen. Hier haben nach sicherer Ueber-
lieferung nur Eömer gehandelt, während bei den Berathschlagungen
auch Franken nicht bloss zugegen sondern mitthätig gewesen sind.
Wird jener engere in den Aufzeichnungen aus diesen Jahren durch-
gängig hervortretende Kreis der Kömer unserem Chronisten nicht
unbekannt geblieben sein, so darf sein grösserer Kreis von Personen
wohl auf eine besondere Versammlung bezogen werden. Seine Mit-
theilung, dass diese weitere Vereinigung die üebernahme des Imperiums
durch Karl gewünscht habe, Hesse sich insofern aufrecht erhalten,
als sie den Beschluss gefasst hatte, welchen ihre römischen Mitglieder
zur Ausführung brachten; sie schriebe den Wählern zu, was sie be-
werkstelligt haben, das Angebot, das sich auf sie gründet. Eine der-
artige, kaum als ungenau zu bezeichnende Fassung des Berichts mindert
schwerlich die Wahrscheinlichkeit, dass ihr Autor an eine Thatsache
gedacht habe, an die, dass jene grosse Versammlung über Karls Wahl
schlüssig geworden sei. Es liegt allerdings der Einwand nahe, dass
unserem Erzähler eine solche Ausnutzung seiner Darstellung selbst
abgeschwächt, jedoch die Zustimmung keines Schrittstellers anmerken können.
Sugenheim a. 0. I. 404 f. lässt Karl die Wahlversammlung veranstalten und
Kaufmann a. 0. II, 327 ihn sie berufen. Mühlbacher, Deutsche Gesch. S. 205
setzt den Bericht auf Rechnung der redseligen Fama. Ein »Synodalbeschluss* ist
dieser Beschluss bei Hauck a. 0. II, 101. 1 geworden. Ein formaler Beschluss des
römischen Volkes in seiner Gesammtheit, den Dahn. Urgesch. 111. 1083 vermisst,
war rechtlich unnöthig.
1) Vita Leonis III. c. 23: omnes iterum congregati, nämlich die nach c. 21
von Karl versammelten Erzbischöfe, Bischöfe, Aebte, omnis nobilitas Francorum
atque synclitus Romanorum. und darauf sacerdotes seu optimates Francorum et
Romanorum, c. 22 alle jene Geistlichen, omnes Frauci im Dienste ihres Königs
lind cuncti Romani. Dahn, a. 0. lässt sie zur Aeclamation bestellen.
22
Wilhelm Sickel.
fremd gewesen sein würde. Das scheint mir jedoch bei dem Verfasser
der Nachricht auch deshalb nicht der Fall gewesen zu sein, weil er bei
dieser Gelegenheit die Beweggründe der Beschliessendeu nennt. Es
sind vielleicht nicht die wirklichen Motive, aber unser Autor gibt sie
nicht als eine Erläuterung des Vorgangs sondern als Erklärungen
der Berathenden und nur dies kommt für die Wahlversammlung in
Betracht. Indem er die Aeusserungen vor die Krönung verlegt, ohne
dass eine andere Zusammenkunft, in der sie ausgesprochen sein könnten,
gemeldet wird; indem er sie ferner nicht als die Motive Einzelner,
des Einen oder des Andern, sondern als die hauptsächlichen Erwä-
gungen der Gesamratheit hinstellt, so geht, wenn ich nicht irre, seine
Meinung dahin, dass die Aussprache vor dem 25- December auf einer
Versammlung geschehen ist, welche die Wahl Karls beschlossen hat.
Kann man jedoch auf seine Angabe bei der Feststellung einer solchen
Zusammenkunft sich nicht verlassen, so ist sein Bericht auch gänzlich
aus den Beweismitteln für eine Wahlversammlung auszuscheiden. In
diesem Falle bleibt die Frage, ob ihre Abhaltung aus anderen Gründen
anzunehmen ist.
Eine zu Eom vor dem 25. December veranstaltete Wahlversamm-
lung muss meines Erachtens aus der an diesem Tage in der Peters-
kirche ausgeführten gemeinsamen Handlung erschlossen werden. Unter
den in der Kirche betheiligten Männern befanden sich die Vornehmsten
der Stadt, Geistliche von hohem Rang und mächtige Laien, Männer,
welche Achtung genossen und Selbstgefühl besassen. Zu ihnen stand
Leo III. nicht in dem Verhältniss, dass er sie einzeln, mündlich oder
schriftlich, hätte bestellen können auf ein von ihm gegebenes Zeichen
am 25. December von ihm vorgeschriebene Worte auszurufen, und es
ist auch nicht glaublich, dass sie auf seine Anfrage schlechthin ihre
Bereitwilligkeit erklärten in der von ihm vorgeschlagenen Art ihm zu
Diensten zu sein. Eine solche Stellung der Acclamauten wird nirgends
angedeutet. Indem Leos III. Biograph bezeugt und beweist, dass auch
diese Männer als Constituenten des Imperators gegolten haben, schliesst
er die Annahme aus, dass der Papst sich lediglich ihrer Unterstützung
für seine Handlung versichert habe. Hatten sie an der Einsetzung
Theil, so darf wohl die Folgerung gezogen werden, dass diese Einigung
in einer gemeinsamen Versammlung erzielt worden ist und nicht etwa
durch einzelne Besprechungen mit diesen vielen und verschiedenartigen
Männern. Führt demnach der gemeinsame am 25. December geäusserte
Wille auf einen früheren gemeinsamen Beschluss, so kann dieser nur
darin bestanden haben Karl zum Imperator zu wählen. Denn ein
Uebereinkommen ihn als Kaiser auszurufen, ein üebereiukommen unter
Die Kaiseiwahl Karls des Grossen. 23
Männern, die wählen konnten, sowohl über die Person des Kaisers
als über den Tag und den Ort der Verkündung, eine derartige Ver-
einbarung ist nicht eine Handlung, welche eine Wahl vorbereitet,
nicht der Beschluss an diesem Tage die Wahl eines bereits Bestimmten
vorzunehmen, sondern ist der Wahlact selbst. Ein anderes Verhältniss
dieser übereinstimmenden Willenserklärungen zu den Erklärungen in
der Peterskirche ist um so weniger anzunehmen, als letztere als Ver-
kündung bezeichnet werden ; ein Ausdruck, der eine vorgängige Wahl-
versammlung zwar nicht nothwendig, aber unter den in Rom gege-
benen Verhältnissen wahrscheinlich macht. Allerdings ist nicht zu
leugnen, dass Karl als Imperator ausgerufen werden konnte, ohne dass
die Ausrufenden in einer gemeinschaftlichen Versammlung deu Be-
schluss gefasst hatten; nur können sie sich nicht dahin verständigt
haben, ihn durch die Verkündigung zu wählen, sondern diese mehr
oder weniger zahlreichen Wähler würden durch eine anderweitig er-
klärte Zustimmung eine Wahl getroffen haben.
Bezieheu wir die Angabe des Annalisten auf eine besondere
Wahlversammlung und halten wir sie für glaubwürdig, so wird das
Personal der Versammlung deutlich sichtbar. Wir erblicken Cleriker,
vom Papst bis zum Diaconus herab, und Laien, unter beiden Ständen
sowohl Römer als Männer aus Karls Begleitung. Karl selbst war
nicht zugegen. Wir erfahren jedoch nicht, wer die Zusammenkunft
berief, an welchem Tage und Orte sie stattfand, ob ein Einzelner sie
leitete, wer ihr den Vorschlag machte Karl zu wählen und in welcher
Form sie diesen Beschluss gefasst hat. Auch das Mass der Betheili-
gung Leos ni. lässt sich aus dieser Mittheilung nicht entnehmen. In
Coustantinopel hat man ihn für den Urheber gehalten, wenigstens
schreibt ihm Theophanes die Entscheidung zu; er habe die Erhebung
Karls bewirkt, nicht um sein eigenes (sein kirchliches oder sein welt-
liches) Interesse wahrzunehmen, sondern um dem Könige einen Gegen-
dienst für seine Wiedereinsetzung zu leisten ^). Der Byzantiner mag
über das Motiv nicht gut unterrichtet sein, aber ein Zeuge für Leos
Einfluss auf die Herbeiführung der Wahl ist er auch in diesem Falle.
Den von anderen Griechen gegen ihn erhobenen Vorwurf, an der
Trennung von ihrem Reiche schuld zu sein ^), haben wir nicht nöthig
1) Theophanes 473, 1. 475. 11. Manasses 4514, welcher dasselbe berichtet, hat
wohl keine andere Quelle als Theophanes benutzt. Vgl. Vita Leonis III. c. 23.
2) Theophanes 494, 24 erzählt, Nicephorus habe seinem Hofpatriarchen unter-
sagt mit dem Papste wegen seiner fränkischen Botmässigkeit zu verkehren. Unter
Michael I. 811 Mansi XIV, 53 schreibt der Patriarch an Leo, weil er sich von
der griechischen Kirche getrennt habe, hätten ihm Einige den A^erkehr mit
24 Wilhelm Sickel.
im Widerspruch mit sonstigen Quellen von mehr als von einem that-
kräftigen Eintreten Leos für die Wahl zu verstehen; vielleicht gehen
diese Bemerkungen auch nur auf die Wirkungen der Wahl. Die
Byzantiner, welche dem Willen Leos das Ergebniss zuschreiben,
äussern sich nicht oder doch nur unvollständig über das Mittel, wo-
durch er diese Folgen verursacht hat.
Franken haben bestimmte Motive für die Entscheidung angegeben,
menschliche Motive in römischer, politischer oder christlicher Fassung;
ein päpstliches Sonderinteresse wird nicht genannt. Ein Weib auf
dem Throne eines Staates, den sie nicht gegen die Ungläubigen zu
vertheidigen vermochte; das Keich der Christen in Gefahr, dieses
römische ßeich, von dem ein alter Glaube lehrte, dass, so lange es
bestehe, die Christenheit nichts zu fürchten habe. Hatte sie jetzt nichts
zu fürchten, als sie zum ersten Mal ohne Kaiser war? Die Heiden
werden ihren Spott mit diesem Reiche haben, an welches die Christen
und nicht nur die in Rom so grosse Hoffnungen knüpften. Und
doch besass die Christenheit einen Mann wie Karl, den Herrn in der
alten Kaiserstadt Rom, die er freilich nur besitzen konnte, weil er
mehr besass, weil er Italien, Gallien und Germanien beherrschte i).
Diese seine Macht konnte seine Wahl haltbar machen, durch sie wurde
es möglich einen Kaiser für das Reich, dem die Wähler angehörten,
und doch nicht zum Nutzen des Ostens sondern des Westens zu
creiren und damit das Römerreich zu vervollkommnen. In Karl
waren die Voraussetzungen eines Imperators im Occident für eine Zeit
erfüllt, welche Christenheit und römisches Reich ohne Rücksicht auf
die Wirklichkeit noch gern verband.
ihm zum Vorwurf gemacht. An dem Vertrage von 812 hat sich Leo mit seiner
Genehmigung betheiligt, Ann. regui Franc. 812 S. 136.
») Ann. Lauresh. 801, Chron. Moiss. u. Anian. 801. Notker I. 26, Jaffe IV, 657.
Lactantius, Div. instit. VII, 25, 6 über die Sicherheit der Christenheit durch das
Römerreich, vgl. Kampers, Kaiserprophetien S. 24, Kaiseridee S. 12 f. 178. In
diesen gefährlichen Zeiten, schrieb Alcuin, bevor Irene die Herrschaft ergriffen
hatte, 796 oder 797, hat Gott Karl dem christlichen Volke geschenkt, Ep. 121.
Epist. IV, 176, 15 ; Christus, äusserte er 799, nachdem gubernator imperii
(Constantin VI.) depositus sit, Karl rectorem populi christiani disposuit. Ep. 174
S. 288. Christlich-eschatologische Vorstellungen am Ausgang des 8. Jahrb. ver-
muthet Grauert, Histor. Jahrb. XIX, 280 f. in einer Stelle des Agnellus c. 166
S. 385, die kaum genügenden Anhalt bietet. Uebrigens ist das politische Dogma
von dem Römerreich als letzter Weltmonarchie mit der Periodisirung nach
Weltaltern vereinbar, vgl. Büdinger, Die üniversalhistorie im Mittelalter (1898) I,
41 f. II, 14. 17. Wattenbach, Geschichtsquellen*' I, 205. Sackur, Sibyllinische
Texte 1898 S. 10. 145 f.
Die Kaiserwahl Karls des Grossen.
25
Diese Darlegungen bringen die Verhandlungen nicht zur An-
schauung. Auch wenn jene Gründe in der Versammlung zur Sprache
gekommen sein sollten, brauchen sie nicht die einzigen oder von
sämmtlichen Anwesenden getheilt zu sein. Die Motive können bei
der byzantinischen Partei andere gewesen sein als bei der antibyzan-
tinischen, bei der fränkischen, bei den Autonomisten, und auch ein-
zelne Mitglieder dieser Gruppen können verschiedener Meinung und
gleichwohl darin eines Willens gewesen sein Karl zu wählen. Es
deutet auf neue Absichten, dass man Karl erkor, auf Beweggründe,
die bei früheren Kaiserwahlen fehlten, auf die Neigung nicht in dem
Bestehenden zu beharren sondern eine neue Zeit zu eröffnen, allein
wir dürfen die Motive, auch wenn wir über sie einen zuverlässigen
Bericht besässen, nicht für das Einzige, nicht für das Rechtliche
halten. Für das juristische Wesen des Acts ist aus den mitgetheilten
Erwägungen nichts zu entnehmen oder doch bloss die Alleinherrschaft
Irenes zu verwerthen. In rechtlicher Hinsicht ist das Mittel mass-
gebend, über welches die Versammelten verfügt haben und über dessen
Anwendung sie einig geworden sind: sie wollten einen römischen
Kaiser wählen und sie wollten Karl als diesen Kaiser, Sie wählten
ihn. Nicht eine neue Institution, sondern ein neuer Imperator, das
war ihr Wille. Was sie thaten, wussten sie; welche Folgen ihre Hand-
lung haben würde, wussten sie nicht und konnten sie nicht wissen, da
nicht sie hierüber zu bestimmen hatten sondern zunächst dem Kaiser
überlassen mussten, welche von ihren Plänen er verwirklichen und
welche von ihren Hoffnungen und Erwartungen er nicht erfüllen werde.
Es ist im höchsten Grade unwahrscheinlich, dass irgend ein Zeit-
genosse im J, 800 eine bestimmte oder die richtige Vorstellung von
der Tragweite der Kaiserwahl Karls besessen oder auch nur voraus-
gesehen hat, dass zuerst eine Vergrösserung und in Folge dessen eine
Theilung des Reiches und eine Spaltung der Kirche eintreten werde.
Selbst Karl hat, als er die Peterskirche als Imperator verliess, die
Geschichte seines Imperiums nicht geahnt. Allein ihre Unkenntniss
der Zukunft bleibt ohne Belang für den Willen der Römer einen
Kaiser des römischen Reiches zu bestellen und für Karls Willen dieser
Kaiser zu werden.
Für die Rechtsfrage kommt es darauf an, ob die Versammlung
von Wahlberechtigten besucht gewesen ist und diese ihre Zustimmung
zu Karls Erhebung erklärt haben. Für beides spricht mehr als eine
blosse Vermuthung. In der vornehmen Versammlung haben römische
Bürger weder unter den Geistlichen noch unter den Laien gefehlt;
unter diesen befanden sich Befehlshaber der Miliz und andere Manu er
26 Wilhelm Si ekel.
ohne militärisclieu Rang. Sie erscheinen nicht als Zuhörer oder als
Eathgeber des Papstes sondern als gleichmässig wollende, als gleich-
berechtigte Mitglieder einer Versammlung, an deren Beschluss, soweit
er ein Rechtsact war, sie rechtlich theilgenommen haben i). Auch
wenn sie etwa den Vorschlag Leos gebilligt hätten, würden sie recht-
lich nicht eine Entschliessung Leos gutgeheissen sondern selbst be-
schlossen haben. Man mag über ihren factischen, ihren politischen
Werth verschieden urtheilen, aber da nicht nur ihre Anwesenheit
sondern auch ihre Betheiligung an dem Beschluss bezeugt und demnach
auf ihre Zustimmung Gewicht gelegt ist, so ist diese Bedingung einer
gültigen Wahl erfüllt worden. Denn mehr als eine formlose Zustimmung
Wahlberechtigter ist nach dem Reichsrecht nicht erforderlich gewesen
und ein verfassungsmässiges Verhältniss zwischen ihnen und Dritten
hat das römische Staatsrecht nicht gekannt; jedermann konnte die
Wähler in Bewegung setzen und beeinflussen. Mehr als in Coustan-
tinopel konnte man in Rom für die Rechtmässigkeit einer W^ahl
nicht verlangen.
Die Einhaltung dieser Ordnung, deren Beobachtung der kaiser-
lichen Partei nicht die geringste Schwierigkeit machen konnte, um
ihr Ziel zu erreichen, entscheidet noch nicht. Denn wir dürfen nicht
eine Handlung für eine Rechtsausübung halten, die es nur sein kann
aber nicht sein muss. Mit dem Zugeständuiss, dass Wahlberechtigte
gewählt haben, räumen wir noch nicht ein, dass sie als Staatsbürger
gewählt haben, dass sie ihre Wahlberechtigung in dem Römerreiche,
für das sie wählen wollten, als dessen Mitglieder bethätigten, — sie
hätten bei diesem Act auch auf einem anderen Boden stehen können.
Es bedarf eines anderen Beweises als ihres Wahlrechts dafür, dass sie
. sich bewusst waren ein Stimmrecht als Reichsbürger auszuüben und
in diesem Sinne als Vertreter des gesammten Volkes den Willen des
Volkes haben äussern wollen, aber mit welchen Mitteln vermögen wir
ihre Gesinnungen zu erforschen? Unsere Quellen gewähren über die
Rechtsanschauungen der Wähler keine unmittelbare Auskunft, aber
sie lassen erkennen, dass den Römern nicht das Bewusstsein fehlte,
dass sie Römer wären, dass sie für das römische Rpich eintreten
dürften: sie zeigten es durch die Anordnung, dass sie an dem Act in
St. Peter nur Römer betheiligten. Mit dieser Massregel erklärten sie
es für belanglos, dass au der Wahlversammlung auch Fremde theil-
genommen hatten, wenn auch bei den Berathungen über die Wahl
ein Gegensatz zwischen Ausländern und Reichsangehörigen nicht be-
merklich geworden sein mag. Hätten die Wähler sich als Christen
') Oben S. 20. Vgl. noch Gasquet, De translat. imperii 1879 S. 36 f.
Die Kaiserwahl Karls des Grossen. 27
oder als Abendländer gedacht oder sonst als freie Schöpfer gefühlt,
so würden sie bei dem Act in St. Peter, der überdies keine blosse
Feierlichkeit war, auf die Eigenschaft des Römers keinen Werth
gelegt sondern auch Franken, die doch an socialem Ansehen ihnen
nicht nachstanden, hinzugezogen haben. Die Hervorhebung der Römer
müsste befremdeu, wenn wir Grund zu der Annahme hätten, dass sie
nicht als Römer handelten. Jene Ausschliessung der Ausländer wird
nicht anders erklärt werden können, als dass die Römer sich in
Geltendmachung eines römischen Rechts begriffen glaubten, wie sie
ja auch für ihren Staat, der die Fremden von Rechts wegen nichts
anging, und nicht für das Frankenreicli oder einen anderen Theil
des Occidents thätig werden wollten. Indem sie sich für nothwendig
und die Nicht-Römer für entbehrlich hielten, bewiesen sie, dass sie
eine ihnen nach der Verfassung zustehende Befugniss ausüben wollten.
Die Römer waren im J. 800 noch halb antik. Sie besasseu nicht
nur persönliches sondern auch nationales Selbstgefühl. Sie hatten
weder langobardisch noch fränkisch werden sondern römisch bleiben
wollen. Durch ihre Vergangenheit bestimmt und von ihren alten An-
schauungen abhäugig, hatten sie, von denen das Reich ausgegangen
war, die Träger des politischen Dogmas von der Ewigkeit des Römer-
staats, ihre Gedanken auf das Reich gerichtet: ihm, ihrem Reiche
wollten sie einen Imperator geben. Indem sie bei ihrem Thun in
allen erkennbaren Dingen nach den ihnen von Alfers her bekannten
Vorschriften ihres Reiches verfuhren, haben sie, — dieser Schluss
scheint mir unabweisbar — wenn sie für das Reich wählen durften,
auch in dem Falle auf Grund ihres Reichswahlrechts wählen wollen,
dass sie nicht gedachten dem Osten zu helfen. Denn diese Absicht
war mit der Anwendung des Wahlrechts durchaus vereinbar. Sie
konnten, während sie sich dieses Mittels bedienten, aus dem antiken
Vorstellungskreise heraus einen Imperator creiren und doch ihre be-
sonderen Interessen verfolgen oder erreichen.
Wir kommen zu demselben Ergebniss, wenn wir annehmen, dass
eine Wahl vor dem 25. December nicht stattgefunden hat sondern
Wahl und Verkündung zusammengefallen sind. Der Unterschied be-
stände nicht in dem Recht sondern in der Ausübimgsform des Rechts.
Die den Römern von der Reichsverfassung gewährte Befugniss würde
die nämliche sein, wenn sie vorzogen in demselben Augenblick zu
wählen und zu verkünden, als wenn sie die Acte zeitlich von einander
trennten. Denn in beiderlei Gestalt durften Imperatoren creirt werden.
Die Wähler fühlten sich auf dem einen wie auf dem anderen Wege
innerhalb des Reiches und handelten nach dessen Ordnungen.
28 Wilhelm Si ekel.
Am 25. Deceraber müssen wir sowohl die Kömer als Leo III.
berücksichtigen.
Die Römer haben ausgerufen: Karl, dem Augustus und Imperator
Leben und Sieg! In diesem Zuruf erblickt unser römischer Bericht
nicht die Begrüssuug eines Imperators, sondern die Einsetzung eines
Imperators, nicht eine Aeusserung der Freude sondern einen Aus-
druck des Willens i). Einzelne fränkische Chronisten sprechen sich nicht
mit gleicher ünzweideutigkeit aus, sie berichten lediglich den Ausruf
der Kömer ^). Dass jedoch auch Franken die Auffassung theilten, die
Römer hätten nicht dem Kaiser zugerufen sondern den Kaiser aus-
gerufen, zeigen diejenigen Annalisten, welche die ihnen aus der Lite-
ratur bekannte technische Bezeichnung der Verkündung auf die rö-
mische Handlung angewendet haben 3). Sie sind Zeugen der Auffassung
*) Ab Omnibus constitutus est imperator Romauorum, Vita Leonis III c. 23.
Vgl. Luden, (oben S. 2) V, 3. 479. constituere in demselben Sinne wie Ann.
regni Franc. 813 S. 139.
2) Acclamare (statt des gleichbedeutenden exclamare der Vita Leonis) Ann.
regni Franc. 801 S. 112. Chron. Anian. 801, Vedast. 801. Ann. Fuld., Maxim. 801
SS. I, 305. XIII. 706. I, 352. XIII. 23. conclamat populus, Poeta Saxo IV, 14.
Jaffe IV, 594. Leo III. krönte, tunc populus Romanus clamavit, Petrus Bibl.,
Hist. Fr. 801 SS. I, 41 f. Nach der Benediction a cuncto Romano augusto est
appellatus, Benedictus unten S. 34 Anm. 2.
3) Die Benutzer eines verlorenen Geschichtswerks haben, indem sie dessen
z. ß. durch Chron. Vedast. a. 0. überlieferten Ausdruck acclamare durch appellare
ersetzten, nicht den Sinn ändern wollen sondern den Zuruf als Ausrufung zum
Imperator verstanden. So die noch unter Karl schreibenden Verfasser der Ann.
Lauriss. min. 800 (Berliner Sitzungsber. 1882 S. 415) und der Ann. Lob. 801
SS. XIII. 230; über die Quellenverhältnisse Kurze. Neues Archiv XXI, 31. 33.
41 f. Eine andere Ableitung hat nicht minder deutlich per electionem Romani
populi Karl das Imperium erwerben lassen. Vita Willehadi c. 5 SS. II. 381. In
Fulda hat man sofort an den Rand der Ostertafel geschrieben : Karolus a Ro-
manis est appellatus augustus, Ann. Fuld. ant. 801 rec. Kurze 1891 S. 138. Von
hier mag diese Fassung in Hersfelder Annalen gekommen sein, aus denen sie in
die Jahrbücher Lamberts, von Weissenburg, Quedlinburg. St. Alban, Ottobeuern
und wohl auch in Marianus Scotus übergegangen ist, Lampert rec. Holder-Egger
1894 S. 20. 21. SS. III, 40. II, 240. V. 2. 549, 7; aus Fulda stammen ferner
Ann. capit. Cracov. 801, Neues Archiv XXIV, 257 und Cod. E der angelsächs.
Chronik, Pauli, Götting. gel. Anz. 1866 S. 1416 f. Wohl eine dritte Quelle mit dieser
Fassung bieten Ann. Colon. 801 SS. I, 97, auch bei Jafie et Wattenbach, Ecclesiae
Colon. Codices 1874 S. 127, hieraus Ann. S. Benign! Div. 800 SS. V, 38, auf die
Ann. Norm. Rotom.. Utic. Gemmet. SS. XXVI. 492 f. — die Grundlage der Ann.
Lund. 801 SS. XXIX, 196, aus denen Ann. Colbaz. 800 SS. XIX, 713 schöpften —
zurückgehen. Diese durch von einander unabhängige Zeitgenossen bezeugte Volkswahl
hält in der Geschichtschreibung noch lange an, ohne dass wir die Gewährsmänner
kejincn. z. B. bei Folcwin, Gesta abb. Bert. c. 39 SS. XIII, 613, Ademar von Chabannes
Die Kaiserwahl Karls des Orosseo. 29
ausserhalb Roms, dass die Römer einen staatsrechtlichen Act vollzogen
haben, welcher als der Rechtsgrund für Karls Imperium galt ^). Liessen
sie hierbei Leo III. oft unerwähnt, so wollten sie ihn nicht aus-
schliessen sondern sie begriffen ihn unter den Römern ein und sie
konnten ihn diesen zurechnen, weil er als Römer betheiligt ge-
wesen war '-).
Die Worte der Römer sind vollständig erhalten 3). Es sind Worte,
II, 1 publ. p. Chavanon 1897 S. 68 und bei Symeon a. 0. Alle Quellen nennen
als Ausrufende nur Römer mit Ausnahme der Ann. Lauriss. min, (aus ihnen
Ann. Hildesh.), welche ihre Vorlage durch die Franken erweitern (s. Waitz,
Berliner Sitzungsber. 1882 S. 408), als ob mitrufende Franken mitwirkende
Reichsleute gewesen wären. Die Ann. Sith. 801 SS. XIII. 37 geben nur die
Proclamation als Kaiser an ohne die Römer zu erwähnen. In Ann. regni Franc.
801 S. 112 und Chron. Moiss. 801 SS. I, 305 ist appellatus natürlich anders ge-
meint. Vgl. die Ausdrucksweise von Liudprand, Ant. III, 26. 30. 35 S. 66. 67. 68.
') Für eine römische Wahl z. B. Grotius II, 9, 11. Severinus de Monzam-
bano c. I § 7. Bünau a. 0. II, 544. Pütter. Staatsverfassung I, 61 f. Villari,
Saggi storici e critici 1890 S. 132. Löher a. 0. II, 176. Sohm, Kirchengesch.
8 1893 S. 6 f. Lapotre a. 0. I, 235 vgl. 239, vgl. Bury, Later Roman Empire II,
507. Die Acclamation bedeutet kein rechtliches Handeln nach Döllinger III, 120.
133 f., Bryce a. 0. 53, Hergenröther, Kircheng. ^I, 505, Gasquet 283, Berthelot (oben
S. 12) I. 368. Mühlbacher a. 0. S. 201. Die Franken würden schwerlich geschwiegen
haben oder verschwiegen sein, wenn es sich um die Begrüssung des Imperators
gehandelt hätte. War es hingegen eine Verkündung, so konnten Wähler, die
in der früheren Versammlung gefehlt oder Karls Wahl nicht zugestimmt hatten,
indem sie ihn jetzt mit ausriefen, ihn mitconstituiren. Jedoch revoltirten die
Römer nach Laurent a. 0. ^V, 137 f. Bryce a. 0. S. 54 anders als S. 43. Gre-
gorovius, Rom ■'II, 481. Freeman, Historical essays 1871 S. 142. Siegel, Rechts-
gescb. § 66. Hodgkin, Charles the Great 1897 S. 198 (sie hätten aber doch ein
Recht gehabt S. 199). Ein Hochverrath des Papstes, Dahn, Könige VIII •% 59,
Für legitimen Ursprung Leroux (oben S. 2, 3) S. 242, vgl. Daniels a. 0. I, 98.
Reumont, Rom II, 1867, S. 135 ist wohl nach Döllinger III, 131 redigirt.
2) Baxmann a. 0. I, 316 wendet sich gegen Döllinger 111, 143, nach welchem
der Papst übergangen sei, weil er als Vollstrecker des römischen Volksbeschlusses
gedacht sei. Als Repräsentanten des Volkes nehmen ihn Daniels a. 0. Pichler
a. 0. I, 154. Sugenheim a. 0. I, 405. K. Müller, Kirchengesch. I, 1892, S. 357
Gregorovius III, 18 und Niehues, Kaiserthum und Papstthum II, 1887, S. 7
stellen die Wahl der Römer und die Weihe des Papstes so neben einander, als
ob die Erwerbung des Imperiums rechtlich beide erfordert hätte oder, wie
Conring oben S. 15, 1 ohne Begründung behauptet, zwei Creatoren, die Römer
und der Papst, bestanden hätten, deren keiner allein rechtmässig wählte.
8) Vita Leonis III. c. 23: Karolo püssimo Augusto a Deo coronato magno
et pacifico imperatore vita et victoria ! Die Ann. regni Franc. 801 S. 112 lassen
püssimo aus und fügen nach imperatori Romanorum hinzu. Die Worte sind
fast dieselben wie in zwei römischen Litaneien auf König Karl (783 — 794,
Album palöographique 1887 PI. 17. 799 oder 800, Duchesne, Lib. pontif. II,
30 Wilhelm Sickel.
welche in verschiedener Bedeutung gebräuchlich waren. Der Wunsch
einer langen glücklichen Regierung konnte einem regierenden Kaiser
ausgesprochen werden, dieselben Worte waren jedoch auch geeignet
zu einer Verkündung zu dienen ^). Nicht das Wort sondern der Wille
ist entscheidend, auf ihn kommt es an. Dass die Römer ihre Aus-
rufung unter diesen Umständen als Creationsact gemeint haben, be-
zeugt das Papstbuch mit der Bemerkung, dass sie Karl zum Kaiser
bestellt haben, der Zweck ihres Zurufs mithin das Augebot des Im-
periums gewesen ist. Dieselbe Gesinnung erhellt aus dem appellare
der fränkischen Quellen. Eine derartige Begrüssung konnte so gemeint
sein, dass sie Wahl und Verkündung zugleich bedeutete, oder so, dass
sie eine frühere Wahl rechtlich kundthat. Unsere Ueberlieferuug
fordert nicht diesen Act als einen unmittelbar kundgemachten Volks-
beschluss zu fassen und sie oder die Sachlage lässt ihn eher als die
Verkünduug eines früheren Volksbeschlusses verstehen. Mögen aber
die beiden Bestandtheile, aus denen sich die staatliche Handlung zu-
sammensetzte, diesmal getrennt oder verbunden gewesen sein, in jedem
Falle konnte die kaiserliche Gewalt nur auf Grund einer Verkündun«:
erworben werden, erst sie gab die rechtliche Möglichkeit die Wahl
anzunehmen, weil erst durch sie dem Erkorenen das Imperium auge-
boten wurde. Die Verkündung ist daher der auf Seiten der Wähler
entscheidende Act gewesen und ihre Hervorhebung mit einer voraus-
gehenden Wahl im Einklang.
Welche Stellung Leo III. bei der Verkünduug eingenommen hat,
ist für den concreten Hergang von untergeordneter und für das Recht
von keiner Bedeutung. Er könnte eine besondere Verkündung ge-
37 A. 33), nur die wichtigsten sind geändert: statt rex und patricius erscheint
jetzt Augustus und imperator. Vita et victoria wird einem Kaiser gewünscht im
Lib. diurn. 85 S. 110, 8 vgl. 60 S. 54, 3 f.
') Ueber die Verschiedeuartigkeit der Acclamationen, welche Wattenbach,
Gesch. des Papstthums 1876 S. 50 nicht beachtet hat, Bulengerus, De imperatore
et imperio Romano ed. 1618 S. 163 f. Daremberg et Saglio. Dictionnaire des
antiquites 1. 1877, S. 19. Ruggiero. Dizionario di autichitä romane I, 1895,
S. 73 f. Die formelhaften Zurufe der Menge bei einer Krönung durch den
Patriarchen, vor ihr oder nach ihr (Coustantiu. Porphyrog., Cerim. I. 38. 91.
92—94 S, 193, 5. 411. 423. 424. 429, 10. 432, 13 ed. Bonn), wie früher bei der
Verkündung einer Wahl (z. B. Flavius Vopiscus, Tacitus c. 7, 3), sind nicht Aus-
rufungen als Kaiser. Acclamationen letzterer Art z. B. seitens der Senatoren
bei Julius Capitolinus, Maximus et Balbinus c. 2. 3, 1. Der Zuruf von Wahl-
berechtigten reichte hin um die Erwerbung der kaiserlichen Gewalt zu ermög-
lichen, z. B. salutatus a militibus imperator, Aelius Spartianus, Vita Hadriani
c. 6, 2. So sind Nicephorus I., Michael I., Leo V. verkündet und also auch
gewählt, ihre kirchliche Krönung ist nachgefolgt, Theophanes S. 476. 493. 502.
Die Kaiserwahl Knrls des Grossen.
31
sprechen oder die Worte zuerst gesagt haben, welche nach ihm die Römer
wiederholt hätten, oder er hätte sich gleichmässig au dem Ausruf der
übrigen betheiligt oder seine Zustimmung nur durch die Kröuungs-
handlung zum Ausdruck gebracht, so dass seine Betheiligung au der
Wahl oder an der Verkündung in dieser Verrichtung mitgegeben war.
Sein amtlicher Biograph scheint an das letztgenannte Verhalten zu
denken. Indem er schreibt: Leo III. hat Karl gekrönt, die Römer
haben ihn als Imperator ausgerufen, Alle haben ihn eingesetzt, nennt
oder meint er als die Rufenden wohl die anderen Römer und lässt
er als constituirende Willensäusserung Leos die Krönung gelten. Ein
fräukischer Annalist, welcher ihm eine gleichartige Betheiligung au
der Ausrufung wie den Römern beilegt, und spätere byzantinische
und abendländische Historiker, die ihm eine besondere Verkündung
zutheilen i), können die Thatsache nicht verbürgen, jener Franke nicht,
weil er eine Vorlage, die nach anderen Ableitungen anders lautete,
frei wiedergegeben hat, ohne eigene Kenntniss von der Sache zu
haben, und diese nicht, weil sie die sonst übliche Verkündung durch
den Krönenden hier hinzugefügt haben mögen. Schenken wir ihnen
jedoch Glauben, so würde die rechtliche Beurtheilung der Mitwirkung
Leos unverändert bleiben. Er würde entweder auf Grund einer vor-
gängigen Vereinbarung zu dieser Verkündigung berechtigt und ver-
pflichtet gewesen sein oder er hätte sie als üblichen Bestaudtheil der
Krönung vorgenommen. Eine rechtlich wirksame Verkündung hatte
die Beziehung auf eine gültige Wahl und die befugte Vertretung der
creirendeu Gewalt zu ihrer Voraussetzung. Die rechtliche Grundlage
des karolingischen Imperiums würde übrigens keine andere werden,
wenn dem Zuruf der Römer der Sinn einer Ausrufung als Imperator
nicht zukäme sondern die Handlung des Verkündens ausschliesslich
Leo III. zugeschrieben werden müsste. Denn die Wahl durch die
Römer ist nicht davon abhängig, dass sie ihren Gewählten auch mit
•) Ann. Lauriss. min. 800, Berliner Sitzungsber. 1882 S. 415, unter Karl
geschrieben. Zonaras XV, 13, 14. 22, Manasses 4515 und ein Aufsatz in Monu-
menta Graeca ad Photium pertinentia ed. Hergenröther 186"9 Ö. 173. Notker I, 26
S. 658. Frutolf, Chron. uuiv. bOl SS. VI, 169, 27 in freier Wiedergabe der Reichs-
aunalen. Die Verkündung schreiben Leo zu Grotius II, 9, 1 1 und Zeller (oben S. 5, 1)
S. 6 f., dieser mittels der von Vita Leonis überlieferten Worte. Spittler oben
S. 2 Anm. 1 lässt ihn diese Worte zuerst rufen. Nach der Reichsordnung hat ein
Bischof, welcher einen Gewählten verkündete, entweder gemäss dem Willen der
Wähler in deren Vertretung die staatsrechtliche Verkündung oder, wenn diese
bereits der Krönung vorausgegangen war, eine unwesentliche Feierlichkeit vor-
genommen. Vgl. die Verkünduug des Thomas 822, Theophanes cont. S. 55, 1.
Cedrenus II, 78, 8. Zonaras XV, 22, 29.
32 Wilhelm Sickel.
eigenem Munde verkündet haben, sondern davon, dass das Imperium
durch ihre Willenserklärung angeboten ist. Auch wenn sie die Ver-
kündung zum Zweck des Angebots der kaiserlichen Gewalt ausdrück-
lich oder stillschweigend Leo III. überlassen hätten, würde die Wen-
dung, dass sie Karls Wahl verkündet haben, insofern richtig sein, als
Leo für sie verkündete.
Von den besonderen Geschäften des Papstes ist nur die Krönung
sicher überliefert i). Wenn die Wahl in Rom in staatsrechtlichem
Sinne zu verstehen ist, so ist auch die Krönung aus dem byzantini-
schen Brauche zu erklären und zu bestimmen; sie verhält sich zu
Karls Creirung wie eine sonstige Krönung im byzantinischen Reiche
bei einem von dem Volke gewählten Imperator. Wie die Constanti-
nopolitaner durch ihren Patriarchen, so krönten die Römer durch
ihren Papst. Der krönende Bischof war nicht der creirende Gewalt-
haber; er nahm die Krönung nur rechtmässig vor, wenn die reichs-
rechtlichen Voraussetzungen für die staatliche Creirung des Imperators
vorhanden waren. Mit der Anwendung einer allen Römern vertrauten
Reichsordnung kann Leo nicht einen Sinn verbunden haben, der ein
neuer gewesen sein würde und der aus dieser blossen Form nicht zu
entnehmen gewesen wäre. Dass die Römer, welche ihn kröneü sahen,
nicht besondere von den byzantinischen abweichende Vorstellungen
gehabt haben, etwa die, dass der krönende Geistliche den Kaiser
creire, hat das Papstbuch durch sein Zeugniss, dass der Rechtsgrund
für die Annahme des Imperiums die Willensäusserung Aller gewesen
ist, sichergestellt. Mag immerhin nicht Allen, welche den Hergang
sahen, besprachen oder beschrieben, die zur Anwendung gekommene
Ordnung bekannt gewesen sein, den Männern, auf welche es am
25. December 800 ankam, ist sie hinlänglich bekannt gewesen. Keiner
von ihnen konnte zweifeln, dass die Krönung in Rom unter diesen
Verhältnissen Leo III. zufallen müsse, aber ein jeder wusste auch,
dass er nicht die ausschliessliche Befugniss besitze dem Herrscher die
Krone aufzusetzen und dass er durch diese seine der byzantinischen
Sitte entsprechende Betlieiligung nicht in neue Beziehung zu dem
Imperator trete.
Wenn ein Reichsbischof krönte, so war der Imperator bereits
bestimmt aber nicht nothwendig auch verkündet. Hier konnte mit der
Krönungshandlung eine Verkündung verbunden und mit der Annahme
') Die Bekleidung mit dem Purpur melden Theophanes 473, 3 nnd Symeon
a. Ü., dieser ausserdem die Ueberreichung eines Scepters. Beide Handlungen
Leos glaubt Pauli, Forsch, z. deutschen Gesch. XII, 164 und beide verwerfen
wohl mit Recht Waitz III, 191 und Mühlbacher, Deutsche Gesch. S. 201.
Die Kaiserwahl Karls des Grossen.
äs
der Krone die Annahme der Walil erklärt werden. Am 25. December
hat die Krönung der Annahme der Wahl gegolten. Wie vormals welt-
liche Wähler dem von ihnen Erkorenen, zuweilen wider sein Erwarten,
ein Purpurgewand umgeworfen oder ein Diadem aufgenöthigfc hatten i),
so benutzte jetzt Leo III. die Krone um Karl zur Annahme der Wahl
zu drängen, ohne dass die rechtliche Sachlage durch die Ueberraschung
des Königs geändert wurde. Es war freilich neu, dass ein Reichs-
bischof that, was früher nur Soldaten oder Senatoren gethan hatten,
aber es war doch nur die neue Anwendung eines allgemein anwend-
baren Rechts. Niemand hat geglaubt, dass Leo mit dieser Handlung
über das Imperium verfügen wollte. Zudem diente die Krone nicht
der Traditionssymbolik sondern der Annahmeerklärung; nach römi-
schem Staatsrecht hat der Gewählte die kaiserliche Gewalt nicht durch
die Krönung erworben sondern der Erwerbungsact ist ein Act seines
Willens gewesen und das Tragen der Krone eine Annahmeform.
Einige Historiker beschreiben die Krönungshandlung so, als
ob sie eine für sieh bestehende voraussetzungslose Handlung gewesen
wäre. Sie folgen der älteren Historiographie, welche sich oft auf eine
Mittheilung der Krönung beschränkt hat. Wie diese Vorgänger ge-
legentlich nur berichteten, ein Bischof habe einen Kaiser gekrönt
oder ein Kaiser sei gekrönt worden 2), so erzählen auch sie, dass Karl
gekrönt wurde oder Leo ihn krönte. Für Theophanes genügte es zu
melden, dass Leo die Krone aufgesetzt habe, weil seine Leser den
Sinn einer Krönung kannten 3). Andere haben nur die Krönung ohne
den Krönenden erwähnt ^), weil der Hergang nicht nur äusserlich dem
') Beispiele sind Decius (Zosimus I, 22, 1), Maxentius (Lactantius? ,De
mortib. persec. 26, 3 vgl. Socrates L 2, 1), Constantin I. (Paneg. Constantino
d. c. 8 ed. Bährens S. 166), Julian Ammian XX, 4. 17. Herodian 11, 6, 16).
2) Leo V. GTEcpS-sl? 671Ö N. Ttatpidtp/oü. Mansi XIV, 17. Occidentalische Auf-
zeichnungen, welche von einem byzant. Imperator bloss melden, er sei gekrönt,
ohne Wahl, Verkündung und den Krönenden zu nennen, bieten Isidor cont.,
Mommsen, Chronica II, 334. 347. 349. 355. 365 ; addit. ad chron. Bedana das.
III, 342. Chronique rimee des rois de Tolede, ed. p. Taliban 1885 in den Ueber-
schriften der Kap. I— VII. IX— XIII u, V. 1744 S. 50. Lupus Protosp. 913
SS. V, 53.
3) Theophanes 473, 1. 475, 11. Manasses 4516: Leo krönte nach dem Recht
der Römer. Cedrenus II, 28, 14. Zonaras XIV, 13, 14. Mouumenta Graeca
ad Photium pertineutia ed. Hergenröther 1869 S. 156. Die Krönung durch
Leo um 838 Mir. Genesii SS. XV, 169. 25. Petrus Diac. Epit. Chron. Casin.,
Muratori SS. II a, 364 (aus Anastasius unten S. 35, 3). Johannes, Gesta ep, Neapol.
c. 48, Script, rer. Langob. S. 428, 7. Chron. Hildesh. SS. VII, 850, 18.
4) 801 oben S. 14 Anm. 1. Um 810 Hist. Langob. cod. Goth. c, 9, Script.
rer. Langob. S. 10, im 12. Jb. Albacrucius das. 594, 44. Ann. Bawar. brev. 801
Mittheilungen XX. 3
54, Wilhelm Sickel.
byzantinischen geglichen, sondern auch die bisherige Bedeutung gehabt
hatte. Wahl, Verküudung und Krönung, diese drei Acte, durch welche
der römische Staat ein Oberhaupt zu erhalten pflegte, konnten in der
Geschichtschreibung einander vertreten, deuu in der Regel ist der
Wahl die Verkündung und der Verkündung die Annahme und die
Krönung gefolgt.
Einzelne Chronisten der Zeit haben den Creationsact gänzlich aus
den Auo-en verloren und an seine Stelle eine päpstliche Benediction
oder Consekration gesetzt. Während ein älterer Annalist Karl das
ImperiuQi mit einer Consekration übernehmen liess i), haben Andere
ausschliesslich der religiösen Weibe gedacht -). Auch in Constantiuopel
ist ein Gebet bei der Krönung üblich gewesen, aber wohl niemals war
dasselbe von einem byzantinischen Historiker in dieser alleinigen Weise
angegeben worden. Unsere Gewährsmänner vervollständigen, falls wir
ihnen glauben dürfen, unsere Kenntniss der Krönungsfeier durch den
vom Papste gesprochenen Segen, aber sie berichtigen sie nicht. Sie
verlefften auch nicht die Creation in die kirchliche Sanction oder
verwechselten den staatlichen Act mit dem sakralen, als ob Leo durch
sein Gebet Karl zum Kaiser gemacht habe, sondern sie meldeten in
ihrer religiösen Stimmung, der Papst habe seinen Segen über den
Kaiser gesprochen. Sie theilten jedoch die durch Leo III. kraft
bischöflicher Gewalt an Karl vollzogene Consekration kaum vornehm-
lich deshalb mit, weil ihnen djese Sanction durch den Vicar des
h. Petrus als das Erwähnenswertheste bei dem Regierungsantritt des
ersten karolingischen Imperators galt, sondern sie wurden vielleicht
mehr durch den Umstand beeinflusst, dass sie derartige Benedictionen
gewohnt waren in der Geschichte ihrer Könige zu lesen und auf-
SS. XX, 8. Von Michael II. sagt Johannes, Gesta ep. Neap. c. 54. Script, rer.
Langob. S. 429, 21 = Capasso, Monum, Neap. I, ]881. S. 207, dass ihn seine
Wähler diademate coronarunt.
1) Ann. Lauresham. 801, hera, von Katz Ö. 45, danach Chron. Moiss. u.
Anian. 801 SS. I, 305, 38. 306, 14 u. Vita Willehadi c. 5. Auch Ann Xant. 801
SS. II, 223, ein Auszug aus den Reichsaimaleu, haben benedixit ad imperatorem
sicut mos est et coronam super caput eius posuit.
2) ßenedicere, Ann. S. Amandi 800 SS. I, 14, keine selbständige Quelle,
Kurze, Neues Archiv XXI, 45 f. Benedictione apostolica accepta Benedictus
de S. Andrea c. 23 SS. III, 711 um 968. Consecrare Ann. Juvav. maj. 801
SS. III, 122. fast gleichzeitig. Kurze a. 0. XXL 22. Um 816 Erchanbert,
Brev. II, 328, 48, nach einer Vorlage geschrieben, Kurze a. 0. XXL 31. 39.
9. Jahrh. Addit. ad chron. Bedana, Mommsen. Chronica III, 345. Chron. brev.
Alam. SS. XIII, 260, 35. Später sind geschrieben Ann. S. Bonifacii, Chron. Suev.
univ. (danach Chron. Wirzib. u. Ann. Wirzib. 802). SS. III, 117. XIII, 64, 6
(=VI, 27. II, 240), Hist. reg. Franc, c. 18 SS. IX, 400, Folcwin c. 39 SS. XIII, 613.
i)ie Kaiserwahl Karls des Grossen. q^
zuzeichnen. Mit ihrer einseitigen Darstellung haben sie ein Urtheil
über das Recht auf die Herrschaft bei dem Kaiser so wenig als bei den
Königen abgegeben, wohl aber ihre hohe Achtung vor der Autorität
des Papstes ausgedrückt.
Die Worte Benediction und Consekration können eine Salbung
bedeuten, aber notwendig ist dieser Sinn nicht i). Die Salbung bedarf
besserer Beglaubigung. Ihr historisches Interesse liegt darin, dass hier
eine Abweichung von der byzantinischen Sitte zu Tage treten könnte. In
Constantinopel war, soviel wir wissen, im 8. Jahrhundert die Salbung
noch nicht eingeführt ^). Ob Leo III. sie angewendet hat, ist fraglich.
Die Stelleu, welche sie berichten, beweisen sie nicht. Der einzige
Zeitgenosse, welcher von ihr gesprochen hat, ist ein Byzantiner, dessen
Mittheilung wahrscheinlich aus einer Verwechslung des Vaters Karl
mit dem Sohne Karl zu erklären ist ^). Gegen ihn legt die Lebens-
beschreibung Leos III. ein gewichtiges Zeugniss ab. Indem sie erzählt,
der Papst habe den Kaiser Karl gekrönt und den König Karl gesalbt,
schliesst sie wohl eine Salbung des Kaisers aus *). Die seit Ludwig I.
sich mehrenden Nachrichten von einer Salbung Karls ^) verdienen keinen
1) So Alberdiugk Thijm, Karel de Groote 1867 S. 537, deutsche Ausgabe
1868 S. 351 t. und Mühlbacher, Deutsche Geschichte S. 201. Anderer Meinung
Waitz III, 192 und Bury, Later Roman Empire II, 506.
2) Bulengerus a. 0. S. 87 f. Le Quien, Oriens christianus I, 1740, S. 133.
Gibbon eh. XLIX n. 56, von Bury in seiner Edition V, 1898, S. 269 nicht ge-
ändert. Balettas, Photios, Epistolai 1864 S. 533 mit Beziehung auf eine mir
nicht zugängliche griechische Arbeit. Leber, Des ceremonies du sacre 1825
S. 37. Bury, Later Roman Empire II, 507. Rambaud. L' empire grec au X^. s.
1870 S. 34 erblickt eine Anspielung auf die Salbung in der Wendung ypioxöa
v.opio!) (ßaadeoa), z. B. bei Rhalles u. Potles, Syntagma canonum II, 467. III, 44.
VI, 124. Ich habe diese Bezeichnung des Kaisers vor dem 9. Jahrh. nicht
bemerkt. Alcuin, Epiet. 307 S. 466, 21 nennt den Kaiser Karl christum Domini,
wie die Angelsachsen ihre Herrscher bezeichneten, 786 das. Epist. 3 S. 24, 2. 16.
ä) Theophaues 473, 2, dem Manasses 4517 f. folgt und eine andere byzant.
Schrift in Monumenta Graeca ad Photium pertinentia ed. Hergenröther 1869
S. 164, über deren Zeit Hergenröther, Photius KI, 843 ff. spricht. Für Verwechslung
von Vater und Sohn Duchesne, Lib. pontif. II, 38 Anm. 34 u. Les premiers temps
de l'etat pontifical 1898 S. 87. Die Glaubwürdigkeit des Theophanes wird m. E.
durch die um 874 verfasste Version des Anastasius ed. de Boor S. 315, 1 nicht
verstärkt, wie z. B. Alemannus, De parietinis Lateranens. c. 10 (in Graevius,
Thes. VIII, 4 S. 29) annimmt; dass er Wort für Wort übersetzte, lässt ihn nur
als üebersetzer gelten. Lapotre {oben S. 9, 2) I, 83. 234 erklärt anders.
4) Vita Leonis III. c. 23. 24 ist durch Duchesne's Text nicht nur aus den
Zeugnissen für die Salbung ausgeschieden sondern zum Gegenzeugniss geworden.
6) Eine karol. Genealogie SS. II, 309, 25: consecravit et unxit ad impera-
iorem. SS. XIII, 245, 28 ist moderne Fälschung, s. Wattenbach, Neues Archiv
36 Wilhelm Sickel.
Glauben, da die Verfasser den Hergang nicht gekannt noch verlorene
Quellen benutzt haben und in Gefahr waren entweder die seit 816
bei der päpstlichen Kaiserweihe unerlässliche Spendung des h. Oeles
auf die staatliche Kaiserkrönung zu übertragen oder vorauszusetzen,
dass im J. 800 ein Act nicht unterblieben sei, der bei den Karolingern
seit ihrem Königthum in beständiger üebung war. Hiernach scheint
Leo bei seinen kirchlichen Verrichtungen an der byzantinischen Ge-
wohnheit nur zu beten und nicht auch zu salben festgehalten zu haben.
Hätte er jedoch eine Salbung hinzugefügt, so würde er sie aus dem
Gebrauche im karolingischen Hause entlehnt haben, um dem Imperator
nicht weniger zu geben als dem König. Samuel, der Ahnherr der
theokratischen Revolutionäre, welcher vermöge göttlicher Befehle
Fürsten berief und verwarf, hat Leo IIL am 25. December nicht vor
Augen gestanden i). Weder war das Papstthum auf der damaligen
XI. 631. Um 837 Thegan c. 1 SS. II, 590 mit denselben Worten wie die Ge-
nealogie, bietet jedoch schwerlich eine selbständige Nachricht sondern hat wahr-
scheinlich cum consecratione der Ann. Lauresh. mit Rücksicht auf 816 cap. 17
S. 594 so überarbeitet, vgl. Bernays, Zur Kritik karol. Annalen 1883 S. 47.
und ist nach Wattenbach " I, 209, 1 von dem Verfasser jener Genealogie benutzt
worden, vgl. Simson, Forsch, zur d. Gesch. X, 338. Leo IV. ep. 37, Neues Archiv
V, 390 f. (Jaffe 2618) bezeichnet Lothar I. als more predecessorum vom Papst ge-
salbt; hatte er die Salbung nur eines Kaisers im Sinne, so würde er Karl mit
einschliessen, allein derartige Aussprüche darf man nicht in dieser Weise beim
Worte nehmen. Ludwigs II. Behauptung 871 SS. III, 522, 45 gilt zwar Le Cointe
a. 0. VI, 747 u. Alemannus a. 0. als wichtiges Beweismittel für Karls Salbung,
aber wenn er den Hergang nicht entstellen wollte, so erschien er ihm in einem
entstellten Lichte. Aus dem 11. u. 12. Jahrb. Johannes, Chron. Venet. SS. VII,
13, 41 := Monticolo, Cronache Veneziaue 1890 S. 100, 11. Marianus Scotus SS. V
549, 1. Frutolf, Chron. univ. SS. VI, 169, 29 = Franc, irap. bist. brev. SS. X^
137, 7. Petrus Diac. a. 0. MS. E der angelsächsischen Chronik (Saxon Chronicles
ed. Plummer 1892 S. 59) hat wohl nach den normannischen Annalen SS. XXVI,
492 f. sacrare ; vgl. oben S. 28 Anm. 3 ; derselbe Ausdruck in der unechten
Papsturkunde bei Pflugk-Harttung, Acta pontif. II, 55 S. 26 {JaflF6 2504).
') Die Inspirationen, welche Vita Leonis III. c. 23 (dei nutu atque Petri)
den Acclamanten zuschreibt, schliessen weder lange ßerathungen noch eine
frühere Wahl aus. sie haben hier keine besondere Bedeutung sondern gehören
zu der Darstellungsform wie bei einer Papstwahl, das. c. 2, mit dem Lib. diurn.
82 S. 88 fast übereinstimmt, ein Formular, nach welchem auch Vita Hadriani I.
geschrieben ist, Th. Sickel, Neues Archiv XVIII, 117 ff., vgl. noch Lib. diurn. 60
S. 51 t. Auch bei Kaiserwahlen glaubte die Zeit an Gottes Leitung, z. B. 824
oben 18 Anm. 1, unbeschadet der Anwendung der Reichsordnung. Gegen pontificis
consilium bei Einhard, Vita Karoli c. 28 kann auch nutu dei des Chron. Anian.
SS. I, 305, 39 nicht aufkommen. Jene beinahe formelhaften Aeusserungen des
Glaubens haben für Karls Kaiserkrönung m. E. unrichtig gewerthet Phillips,
Deutsche Gesch. II, 258, Rettberg, Kirchengesch. I, 430. Eichhorn a. 0. I, 527.
Die Kaiserwahl Karls des Grossen. 37
Stufe seiner Entwicklung fähig die kaiserliche Gewalt zu verleihen,
noch Leo III. fähig eine solche neue Eiehtung zu beginnen 1).
Von Karls Verhalten in der Peterskirche am 25. December 800
wissen wir, dass er die Erklärung die Wahl anzunehmen abgegeben
hat; ob nur dadurch, dass er die Krone nicht ablehnte, oder ob auch
auf andere Weise, wird nicht gemeldet. Auch über seine Auffassung des
Erwerbungsacts liegt kein Zeugniss Yor -), Dass er alsbald den Kaiser-
LancizoUe a. 0. S. 7 f. Leo, Vorlesungen über die Gesch. des deutschen Volkes
I, 510. Waitz III, 195. Oman, Europe 476 918 (1893) S. 374 u. A. Entfällt diese
Begründung einer Verleihung des Kaiserthums durch Leo um so mehr, als das
officiöse Papstbuch ihn nicht inspiriren lässt, so kann umgekehrt in der Titu-
latur a deo coronatus nicht mit Löher (oben S. 20, 3) II, 176 eine Gegenauffassung
Karls gefunden werden. Gottes Vorsehung erblickten die Zeitgenossen überall,
auch die kaiserliche Würde verlieh er. einerlei, wer die Krone aufsetzte, ob der
Imperator sich selbst, ein Kleriker oder ein Laie, und ob ihn das Volk wählte,
der Hen-scher ernannte oder ein anderer Weg auf den Thron führte. Maassen
(oben S. 6) 136 f. nimmt an. Karl habe der Krönung durch Leo die Bedeutung
beigelegt, wie wenn der Hofpatriarch einen Kaiser krönte, S. 153: er habe nie
anerkannt, dass Leo allein ihn zum Kaiser machte.
») Der nach 800 geborene Agnellus c. 94 S. 338. 18 schreibt: Romanorum
percepit a Leone papa Imperium. Nicolaus 863 erklärt, die Päpste hätten den
Karolingern Königthum und Kaiserthum gegeben, Mansi XV, 298 (JafFe 2722),
auf die päpstliche Handlung gründet auch Johannes VIIL 878 das karolingische
Imperium, Migne 126, 768. 770 (Jaffe 3137. 3139). Ludwig II. stellt 871 Leo IH.
als einen Samuel hin, leitet jedoch zugleich das Kaiserthum seines Hauses von
den Römern ab, SS. III. 523. Durch Leo Karl (Ann. Einsidl.. 801 SS. III, 145
um 966) imperator effectus est, sumit coronam, Flodoard oben S. 15 Anm. 2, der
nach Wido I, 6, Libelli I, 539, 15 imperatorem constituit. Diese erst nach 800
aufgekommene Ansicht ist nur insoweit haltbar, als sie ein Urtheil über die her-
vorragende Mitwirkung Leos bei der Kaiserwahl Karls enthält, sie wird jedoch
oft in einem anderen zu der angenommenen Kaiseridee passenden Sinne vor-
getragen; s. z. B. Bellarmin, De translatione imperii I, 12. Opera VI, 614 f.
Döllinger, Kirchengesch. ^H, 1. Phillips, Verm. Schriften II, 441 f. Hergen-
röther. Katholische Kirche u. christlicher Staat. Neue Ausg. 1873 S. 259 f u.
Kirchengesch. 2 1, 505. 593. H. Weber (oben S, 5, 3)S. 49. Kurth a. 0. II, 308. Grisar,
Leo III., Wetzer und Weite's Kirchenlexicon 2 VII, 1776. Michael a. 0. I, 268 f.
Ketterer, Karl d. Gr. u. die Kirche 1898 S. 80. Vgl. auch Laurent a. 0. V 2,
132. VI, 29. Viollet a. 0. I, 266. Biyce a. 0. S. 49 f. Calamassi a. 0. S. 110.
Duchesne, Les premiers temps de 1' etat pontifical S. 90. Mühlbacher sagt
Deutsche Gesch. S. 204. der Papst habe die Kaiserwürde, die noch eine rein
weltliche »Institution* war. nicht verleihen können, und Regesten XLIV, dass
Leo »eine rechtlich formlose Thatsache schuf*.
") Einhard, Vita c. 16. 28. 29 spricht nur von der Annahme der Würde.
Hauck a. 0. II, 103. 3 schreibt Karl »einen Moment des Zögerns<^ zu auf Grund
einer Urkunde, über deren fehlerhafte Ueberlieferung des Titels er sich aus
Th. Sickel. Acta I, 263. II, 283 oder Mühlbacher, Reg. 363 hätte unterrichten
können; das Diplom gehört übrigens in Karls Königszeit, Jaksch, Oesterreich.
3g Wilhelm Si ekel.
namen führte und mit ihm Anspruch auf das römische Imperium
erhob, liefert keinen Beweis, dass er von der Gültigkeit der römischen
Handlung überzeugt gewesen ist. Anderseits ergeben seine Ver-
handlungen mit Constantinopel bezüglich seines Imperiums keinen
Grund zu der Annahme, dass er an der Kechtmässigkeit seiner Kaiser-
würde gezweifelt habe. Derartige Unterhandlungen haben viele Gegen-
kaiser mit dem regierenden Imperator angeknüpft, nicht weil sie
illegitim blieben, bis der ältere Kegent sie als Mitherrscher anerkannte,
sondern um mit ihm ihren Frieden zu machen. Wir erfahren nicht,
dass Byzanz die Nichtigkeit der römischen Handlung, mit der allein
sein Einspruch sich rechtlich begründen Hess, behauptet oder Karl die
Kechtmässigkeit seines Imperiums von einer kaiserlichen Bewilligung
bediugt gedacht habe. Die Anerkennung hat nicht als Rechtsgrund
des karolingischen Imperiums gegolten. Auch hier bewährt sich, dass
Karls Kaiserwahl auf Grund des römischen Rechts erfolgt ist und
dass, was sie von früheren Wahlen unterscheidet, nicht von juristischer
sondern von politischer Art gewesen ist.
Mittheil. II, 445 f. Döllinger. Vorträge I, 58 findet in der Datirung- nach dem
Consulat 801. Capit. I, 204, 31 Karls Auffassung, dass die Römer ein Wahlrecht
ausgeübt hätten, allein diese Datirung ist eine äusserliche Anwendung der rö-
mischen Datirungsweise, welche auch die päpstliche Kanzlei befolgte, Lib diur-
nu8 7 S. 7. 14. Rom. Synoden 721, 745, Mansi XII. 261. Epist. III, 319, 12. Jaffe
1048. 2001. 2144. 2157. 2160 f. 2168. 2174. 2251. 2265. 2270 f. 2274. 2276. 2278.
2286. 2291 f. 2342.2346.2395.2510.2544.2551.2606.2666.2718.3022.3033.3104.3109.
3389. 3429. 3533. Hier ist die Kurie byzantinischer als die karolingische Kanzlei
gewesen. In Italien zählen so auch Privaturkunden, 6. Jahrh. Marini, Papiri 75.
122 S. 117. 187. 857 Regest. Sublacense 1885 Nr. 87 S. 133, desgleichen Catal.
lombard., Script, rer. Langobard. S 512. In Deutschland habe ich diese Datirung
unter Karl bei Meichelbeck, Hist. Fris. I^, 286 S. 154 gefunden. Zur obigen
Capitularien-Stelle s. Bresslau, Urkundenlehre I, 830. 839, auch Waitz III,
242, 1. Vgl. Justinian, Nov. 140. 144. 149. Nov. Coli. I. 4. 6. 13. Zachariä
III, 10. 14. 31. Nicäa 787 Mansi XII, 991. 1051. 1114. XIII, 1. 157. 204. 364 f.
413; Constantinopel 869 das. XVI, 309. 357. 397. Mommsen, Neues Archiv XVI.
55. Rühl, Chronologie 1897 S. 187 f. Dass Karl gefühlt habe, er j,sei nicht in
aller Form Rechtens Kaiser, so lange ihm die Anerkennung des oströmischen
Reiches fehlte*, ist die Ansicht Kaufmanns a. 0. II, 328; »die einzig legitime
Form der Erwerbung der Kaiserwürde« sei die byzantinische Anerkennung ge-
wesen, Dahn, Urgesch. III, 1079, von der Schöpflin (oben S. 12) 143 f. die Er-
werbung des Imperiums datirt. Eine auf den Namen Pascha is l. unter Benutzung
einer echten Urkunde dieses Papstes gefertigte Urkunde datirt nach einem (fal-
schen) Imperator Constantinopoleos und fügt das Signum Ludwigs I., Romanorum
Augusti, hinzu, Gray Birch, Cartularium Saxonicum I, 363 S. 503.
Beiträge
zu Böhmens Geschichte und Geschichtsquellen.
Von
A. Bachmann.
I. Studien zu Cosmas.
A. Handschriften und Ausgaben.
Seit F. Palacky in der „Würdigung der alten böhmischen Ge-
schichtschreiber" S. 4 ff. (Neue Ausgabe Prag 1869) die bis dahin
(1829) vorliegenden Ausgaben von Cosmas böhmischer Chronik und
das handschriftliche Materiale übersichtlich mittheilte, wurde sie im
J. 1851 von R. Köpke in den Monumentis bist. Germ. Sc. IX, 18,
nicht völlig correct abgedruckt bei Migne, Patrologiae cursus com-
pletus, und nochmals von J. Emier in den Fontes rerum Bohemicarum
Bd. II, Prag 1874, ediert. Aber so wie dem ersteren der neu zur
Verfügung stehende reichere Apparat mangelte, so untei-liessen er und
Eraler, sieh allseitig die hinlängliche Einsicht in die sichern Grund-
sätze seiner wissenschaftlichen Verwertung zu verschaffen, für die doch
manche Ausgaben der Monumenta Gerraaniae h. und anderswo die
Muster boten. Beider Editionen sind nicht durchaus geeignet, sowohl
anderen Benutzern wie für die nachfolgenden Studien die durchaus
verlässliche textliche Stütze zu bieten. Doch kann es sich hier nur
darum handeln, Einiges über die Cosmashandschriften an sich und
die Herstellung eines möglichst sichern Textes in Kürze zu bemerken.
Nur nebenher sei festgestellt, dass die Einleitung zu Fontes rer.
Bohem. betreffs der bereits Koepke bekannten Codices kaum etwas
Neues bietet; hat doch Emier selbst die ungenaue Angabe Koepke's
über die Provenienz der Leipziger Handschrift: Liber beate Marie
40 A. Bachmann.
virginis in Huysborg (soll heissen: Liber monasterii b. M. i. H.) nach-
geschrieben. Auch sonst ist die Abhängigkeit Emiers von Koepke nur
allzu gross. Obwohl ferner Emier den von K. vermissteu ehemaligen
Carlshofer Codex (6) vor sich hatte und ihm nicht verborgen blieb,
dass er in seinen Lesungen eine gewisse Verwandtschaft mit der so
wichtigen Leipziger Handschrift (A) aufweist, wurde dieses Verhältnis
nicht untersucht. Die üebereinstimmung von A und 6 erstreckt sich
nämlich nicht blos auf einige Lesungen (nekterä cteni), sondern geht
recht weit, wie eine kurze Musterung des Apparates lehrt. Schon aus
ihr ergeben sich geradezu zwingende Gründe dafür, dass die von
Koepke-Emler lediglich auf das Vorkommen czechischer Glossen, also
auf ein äusserliches Moment, gegründete Scheidung in zwei Eeeen-
sionen nicht aufrecht zu erhalten ist. Diese Gründe erhalten ihre
Unterstützung bei näherer Betrachtung des Verhältnisses zwischen A
und der Dresdener Handschrift (4) mit ihrer Wiener Copie (4 a) i).
Gerade aber die Leipziger und die Dresdner Handschrift repräsentiren,
neben der verlorenen Strassburger (7) unsere älteste üeberlieferung
des Cosmas (XÜ. Jahrb.). Ein Blick auf das Alter der Handschriften:
1125 Archetyp
12. Jahrh. Cod. Lips. (A) Dresd. (4) Argent. (?)
(Annal. Saxo)
13. Jahrh. Bud. (l) Holm. (3)
14. Jahrh. Prag. (2)
Carl. (6)
Vindob. (4 a)
15. Jahrh. Eaud. (2 a) Vindob. (3 a) Brun. (5) Prag. (8)
Fürst. (2 a)
16. Jahrh. Monac. (7 a)
wird leicht erkennen lassen, dass nicht die, überdies unvollständige,
Bautzener, was K. u. E. geglaubt haben, sondern die Leipziger, Dresdner
und Strassburger Handschrift schon ihres Alters wegen bei einer Edition
zunächst zu beachten sind. Dieser äussere Vorzug wird unterstützt durch
die Beschaffenheit des Textes, namentlich der Leipziger Hdsch. Dieselbe
ist nicht so correct, wie K. u. E. zu glauben scheinen ; sie weist Schreib-
fehler und wirkliche Irrungen in grösserer Zahl auf. Dieselben sind
zum Theil noch vom Schreiber selbst getilgt, zum Theil von einer
Hand des 14. Jahrh. corrigirt; mehrere sind auch stehen geblieben.
') Daneben kommt vor allem die Stellung von 7 (Strassb. Hdsch. des
12. Jahrh.) in Betracht. Die Bemerkung dieser Hdsch. zu I. 15: Interea defi-
ciente nostra materia, quam nemo illius temporibus hominum . . . memoriae
commendavit, rursus ad nobilia facta Romanorum imperatorum recurramus,
worauf hier alles bis 9ü7 fehlt, und vieles Andere kommt hier sehr in Betracht.
Beiträge zu Böhmens Geschichte und Geschichtsquellen. ^\
Dafür übertriflFt A alle übrigen Handschriften weit durch getreue
Ueberlieferuug der Eigennamen. Auch Emier hat dies bereits erkannt
und deshalb (Einl. S. XIII) erklärt, dass er die Eigennamen nach A
geben werde. Aber wir vermissen dabei die nötige Umsicht und
Consequenz. So bietet Emier gleich im Prologus ad Severum : Severo
statt A Seuero ; praefat. ad Gervasium : E(ml.) Gervasium für A Gerua-
sium, E Odalrici für A Odaldrici 7 Uldaldriei, E Borivoy für A Boriuoy
(in beiden Fällen ist die Angabe zudem in den Varianten irrig);
lib. I cap. 3 : E Stybeczne für A Stibrcne (Schreibfehler für Stibecne,
richtig Ztbecne 4, 4 a) ; vgl. I 4 : A Stebecna, 4, 4 a Ztebua ; I 9 : E Wltaua
statt A Wlitaua; vgl. I 2: E Wlitavam— A Wlitauam; I 9, 10:
E Gostivit — A Gostiuit; I 14: E Odram— A Ogram, die einzig richtige
Lesung, da es sich um die Westgrenze des Reiches Swatopluks handelt,
zu dem wie unmittelbar zuvor bemerkt ist, das regnum Boemie gehört;
E Zuatopulch— A Zuatopulck; I 19: E Viti— A Witi; I 20: E Hein-
ricus — A Heinrichus, Henricus; E Luduicus, Bawariensis, Liudulfo —
A Ludvicus, Bauuariensis, Ludolfo ; I 22: E Georgii — A Georii; I 23:
Henrici — Heinrici; I 27: E Slavnic, Suria, Switawa — A Slauuic, Surina,
Suitaua; I 29: E Lubecz, Bobrazlav, Caslav — A Lubic, Dobrazlau,
Caslau; I 33: E Kracov— A Kracou; I 34: E Wirsovici — A Wrisouici
(4, 4 a Wrssouici; I 36: E Zizi, Drevic, Oudalricus — A ZiZi, Dreuic,
Ovdalricus; I 42: Wrisowici — Wrisouici; II 1 : E Wratizlav — A Wra-
tizlau; II 14: Spitignev — Zpitigneum; II 15: E Mztis — A Mstis
II 16: Spitignev — Spitigneu; II 17: Braeizlavi — ßracizlaui; II 19
E Koyatae — A hatte bereits ursprünglich Koyate nicht Kovate; II 37
A lässt mit vollem Recht Zelza weg, da zwischen Eger und Zedlitz
(bei Carlsbad) an Mies nicht zu denken ist, sobald, wie dies in der
Urkunde der Fall, die geographische Reihenfolge eingehalten wird;
u. s. w. Es sind dies, wie man sieht nur aus einem Theil der Chronik
und Handschrift gewonnene Beispiele.
Aber A war auch sonst für den Text heranzuziehen, wobei frei-
lich die Handschrift sorgsamer verglichen werden musste, als dies ge-
schehen ist. So bietet, von den genannten Versehen und unwesentlichen
Verschreibungen abgesehen, A in I 1 Z. 12 v. o. richtig cum statt
eum; I 9 richtig sempiternum nicht sempiterrum ; I 18: efticit (Z. 14
V. 0. auf S. 31) nicht effecit ; ebdt: Egid nicht Eggid; I 20: Weri-
nuri nicht Werinari; ebenso ist S. 35 Anm. 15 irrig; I 23 bietet A
transmittitur literis ; S. 38 ist, was von A gilt, in Anm. 4 von 1 be-
richtet, ebenso S. 41 in Anm. 16; I 33 hat A richtig Tritri nicht
Triti; II 2 ist continentes bei A bereits corrigiert; II 4 hat A richtig
avortivant, proffligari und nicht avorcivaut, proafligari; II 8 richtig
42 A. B a c h m a n n.
legis nicht regis (Anm. 14) ; 11 9 : Boemi pugnare nicht Boemi puguare,
Kamb nicht Kanb ; I 11 : Okardo nicht Occardo u. s, w.
Noch viel grösser ist die Anzahl der Stellen, an denen die Le-
sungen von A allein möglich oder doch besser sind, als die der bis-
herigen Ausgaben. Es würde über unser Ziel hinausführen, sollte die
lange Reihe der bezüglichen Fälle an dieser Stelle erörtert werden.
Ein künftiger Editor wird hier sorgsam Umschau halten müssen.
Und ähnlich steht es mit den Lesungen von Namen und sonstigem
Texte bei 4, der einst für das Kloster Sazawa gefertigten prächtigen
und sorgfältigen Abschrift von Cosmas Chronik und seines ersten
Fortsetzers. Ich begnüge mich hier zu constatiren, dass die Ansetzung
des Ablebens Boleslaws I. auf 972 auf i) einem Versehen des Schrei-
bers dieser Handschrift beruht, wie, wer diese einsieht, leicht er-
kennen wird.
B. Die böhmische Ursage.
An Stelle zusammenhängender Darstellung der Geschichte Böhmens
bis gegen Ende des 9. Jahrh. bringt Cosmas, lib. I, cap, i — 13, was
er der Tradition entnehmen konnte. Er habe, sagt er, , keine Chronik
finden können", um sich über die Ereignisse der Vorzeit zu unter-
richten (Vorr. an Mag. Gervasius, Font. II 3). Er stellt es aber
auch der Entscheidung des Lesers anheim, das, was er, Cosmas, über
jene alte Zeit berichtet, zu glauben oder zu verwerfen (c. 13, p. 26:
et quoniam haec antiquis referuntur eveuisse temporibus, utrum sint
facta an ficta, lectoris judicio relinquimus).
Es sind vier verschiedene Sagenstoffe, die Cosmas, immerhin in
gewisser historischer Anordnung, zu einem Ganzen verknüpft: 1. die
Boemus-Czechsage, 2. die Krok-Libussa-Pfemyslsage, 3. die Sage vom
Mägdekrieg, 4. die Neelansage. Das Princip ihrer Anordnung bei Cosmas
ist leicht zu erkennen: Boemus-Czech, der zuerst mit den Seinen das
jungfräuliche Land besiedelt, gibt den Boemi (Czechen) inmitten des
Landes den Namen (Boemi, ihr Land Boemia) '^). Den Zuständen des
goldenen Zeitalters folgt Gewaltthat und Streit, die zu schlichten Krok
erlesen ist. Beginn einer Herrschergewalt in der provincia Boemia,
in der Kroks jüngste Tochter Libussa und deren Gemahl Pfemysl
nachfolgen. Zu Pfemysls Zeit erhebt sich Krieg zwischen unbotmässigen
') Den löbl. Directionen der Univ.- und kgl. Bibliotheken zu Leipzig und
Dresden sage ich für die freundliche Zusendung ihrer so wertvollen Cosmas-
handscliriften auch an dieser Stelle den ergebensten Dank.
2) lieber den Namen s. seit Dobrowsky K. Zeuss, die Deutschen und ihre
Nachbarstämme 641, Anm. * und oftmals, zuletzt F. Lunjak, Gelehrte Schrift der
Universität Kasan Nr. 2 und Hoschek im Casopis raatice Moravsk6 15, 21.") it.
Beiträge zu Böhmens Geschichte und Geschichtsquellen. 43
Mädchen auf Diewin, die selbst den Kampf nicht scheuen, und den
Männern der Burg Hrasten (Wyschehrad), der zuletzt Freundschaft bringt.
Aus der Zeit von Pfemysls Nachkommen, deren Namen : Nezamysl,
Mnata, Vogen, Unezlav, Crezomysl, Neclan, Gostiuit überliefert sind,
ist nichts bekannt als der Zusammenstoss der Boemi mit den Luczani
(Saazern) zu Neclans Tagen, den Held Tyr zu Gunsten der „Boemi"
entscheidet. Mit Gostiuits Sohn Bofivoj beginnt — nach Cosmas
die beglaubigte Zeit der böhmischen Geschichte (nunc ea, quae vera
fidelium relatio commendat, noster stilus . . ad exarandum . . . se
acuat; cap. 13).
Schon aus dem Gesagten erhellt, dass man es hier wesentlich
nur mit dem Sagenschatze eines der vielen einst das Land bewohnenden
slavischen Stämme und Stämmchen zu thun hat, mit den historischen
Traditionen der Czechen in der Mitte des Landes, ursprünglich an-
sässig in dem — auch geographisch als gewisse Einheit gekenn-
zeichneten — Gebiete westlich der Moldau von Einflüsse der Mies
angefangen und von dem Unterlaufe dieses Flusses bis nördlich an die
Egermündung, westwärts bis zu den Pürglitz-Kakonitzer Waldungen.
(Vgl. J. Lippert, die tschechische Ursage und ihre Entstehung, Prag
1890; den Combinationen und Vermutungen L.s vermag ich aber nicht
immer zu folgen). Aber auch dieses Gebiet erweist sich bereits als eine
Zusammenfassung mehrerer Stämmchen in uralter Zeit. Auch ihm gehören
die erwähnten Sagenstoffe nicht gleichmässig an. Ihr Bericht ist bald
enger, bald weiter, wornach vor allem sich auch ihr historischer Wert
bestimmt. Es gilt hier den Versuch, diesen nach den Untersuchungen
K. J. Erbens, Öasopis ceskeho musea 1857, 268 ff., 390 ff., A. ßrandls,
Casopis matice Moravske 1873, 33 ff. und Lipperts selbständig fest-
zustellen, wobei ich für Mehreres auf meinen Aufsatz „Die Erbauung
der Prager Burgen", Beil. zur Bohemia 1893, n. 117, verweise.
Die Entstehung und Tendenz der Boemus-Czech.sage gilt allein
der Deutung dieses Namens, wie sich ähnliche Sagen überall, auch
gleich in der Krok-Libussasage, mit ermüdender Einförmigkeit wieder-
finden. Böhmen hat seinen Namen vom ersten Bewohner Boemus-
Czech. Was aber sonst von ihm berichtet wird, entljehrt durchaus
der individuellen Züge. Sowie wir die Quellen für die Geschichte der
Ausbreitung des Menschengeschlechtes und Cosmas geographischer und
physischer Beschreibung Böhmens kennen (die Bibel, Virgil, Paulus
Diaconus, ßeginos Chronik; vgl. Koepke und Emier, Aumerk. zu lib. I,
cap. 1 — 2; sie lassen sich noch vermehren), so entspricht der Bericht
über die Besitzergreifung des bisher unbewohnen Landes eben dem
natürlichen Hergänge solchen Ereignisses und der beweglichen Phau-
44 A. Bach mann.
tasie des Erzählers. Die nachfolgende Schilderung der Zustände ist
ebenso wieder nichts, als freie Ausmalung paradiesischer Einfalt und
Einfachheit der ersten Bevölkerung Böhmens mit directer Benützung
von ßoetius, De consolatione philosophiae II 5, und Anlehnung an
Ovids Zeichnung des goldenen Zeitalters. Darüber hinaus wird man
in der Czechsage und ihrer Anknüpfung an den Rzip (Georgsberg bei
Eaudnitz) höchstens die Erinnerung an die erste slavische Besiedlung
des centralen Hügel- und Hochlandes Böhmens erblicken dürfen, die
am leichtesten von der reichgesegneten Niederung zwischen der unteren
Eger und der Elbe aus, der planities Boemiae (Annal. Moiss. ad a. 805),
erfolgen konnte.
Kaum deutlicher offenbart sich der historische Kern der böhmi-
schen Amazonensage, die ihrem Alter nach zunächst in Betracht kommt,
da sie auf dem ältesten Markgebiete des Czechengaus in den ersten
Anfängen und engsten Verhältnissen spielt. Der Kampf zwischen den
Jünglingen und Jungfrauen von den Burgen Hrasten auf dem rechten
und Diewin auf dem linken Moldauufer versetzt uns in jene graue
Vorzeit, in der selbst das rechte und das linke Moldauufer noch ver-
schiedeneu, einander feindlichen Stämmchen angehören. Eben die Sage
zeigt uns die allerersten Anfänge einer Eeichsbildung : die Verbindung
der kleinen Stammgebiete inmitten des Landes zu beiden Seiten des
Flusses, deren tief im Walde auf steilen Uferhöhen gelegene Schutz-
burgen Hrasten und Diewin (vgl. Dowana i), Theben) waren. Das
hohe Alter der hier berührten Ereignisse erhellt auch daraus, dass
zu Cosmas Zeit nicht blos der Hrasten und Diewin verlassen und
verödet sind, sondern dass auch die Entstehung der Burgen, die an
ihre Stelle getreten sind, des Wyschehrad und Prags, bereits wieder
in das Dunkel der Sage gehüllt ist.
Die Hereinziehung der Amazonensage selbst ist allein durch den
Namen Diewin (devina ^= devce, device, das Mädchen) veranlasst ; sie
wurde später noch weiter phantastisch ausgeschmückt (s. schon Dalemil
cap. VIII — XV) und ist sachlich ohne Belang. Dass aber die siegenden
Jünglinge vom Hrasten aus den Kampf führen und dieser, resp, der
Wyschehrad, als der Sitz Pferaysls, des Anführers der Männer, gilt,
auf dem selbst später uoch, als der Stamm und seine Fürsten zu
grösserer Macht emporgestiegen waren, des Ahnherrn Bauernschuhe
verwahrt werden, wird zur Annahme berechtigen, dass die Vereinigung
der centralen Stämmcheji von rechten Flussufer, von Wyschehrad-
Hrasten aus, erzwungen wurde. Dieses rechtsmoldauische Gebiet er-
') Annal. Fuld. ad a. 869. ' _ ] ' '
Beiträge zu Böhmens Geschichte und Geschichtsquellen. 45
scheint denn auch später, als die Pfemysliden zu Landesherrn geworden
waren, so recht als Hausgebiet der fürstlichen Familie, als unbedingt
sicherer Besitz, der eben deshalb zur Apanagierung der jüngeren Fürsten
(z. B. Boleslavs I. neben Weuzel, Boleslavs II. neben Boleslav I.)
verwendet wurde.
Eeicher an historischem Gehalt, auf einem weiteren geographischen
Gebiete sich abspielend, aus späterer Zeit stammend zeigt sich die
Libussasage, wobei aber die Figur des Kroko und natürlich auch die
mehrfachen Nameudeutungssagen (Krokow, Libussin, Kazin, Tetin)
kaum in Betracht kommen. Die Kroksage ist offenbar vorböhmischen
Ursprungs, wie die Vergleichung mit der polnischen ürsage zeigt,
und entbehrt überdies bei Cosmas wieder jedes individuellen Zuges.
Die Burgstätten Libussin, Kazin, Tetin mögen die Erinnerung an die
ältesten oder doch bedeutendsten Sippen des Czeehenstämmchens selbst
oder seiner unmittelbaren, zuerst bezwungenen Nachbarn erhalten.
Trotzdem erfordert die Libussa-Pfemyslsage erhöhte Wertschätzung.
Bleibt es Thatsache, dass wichtigere staatliche Umwälzungen, von
Niemandem in ihrem Verlaufe verzeichnet, sich in der Erinnerung
culturell unentwickelter Bevölkerungen wohl erhalten, aber nach deren
kindlich einfachen Art und Auffassung allmählich zu Eigenschaften,
Geschicken, Leistungen Einzelner abklären, dass sie personificirt werden,
so mag uns in der Erzählung von Libussa und Pi-emysl die Geschichte
eine der wichtigsten Etappen der Entstehung des czechischen Einheits-
staates in Böhmen angedeutet sein. Das centrale Czechen-Reich ist
geschwächt — es ist die Herrschaft von Frauen eingetreten — , und
getheilt — drei Schwestern üben die einzelnen Gewalten, die Vater
Krok in der ganzen Provinz vereint besessen: da zwingt des Volkes
Unmuth zur Anerkennung der Oberherrschaft eines einfachen, aber
klugen, kraftvollen Mannes weit von der unteren Bila in Nordwest-
böhmen her, der aber seinen Herrschersitz in die Mitte des ihm nun
botmässigen Czechenstammes und Reiches verlegt — Libussa heiratet
den Pfemysl, der dann auf dem Wyschehrad einzieht. Dürfen wir so
in der Sage den Reflex der historischen Vorgänge erkennen, durch
die das centrale und ein Theil des nordwestlichen Böhmen unter einem
Fürstenhause — dem des nördlichen Stammes — zu einem Reiche
zusammenwuchsen, so fällt der Verzicht auf die Deutung der Details
der Sage nicht schwer. Doch veranlasst wohl die Vereinigung der
Fürstenthümer, die ungleich weitere Ausdehnung der neuen „Boemia"
westlich der Moldau naturgemäss, dass die Residenz hinter dem Strome^
die ja ohnehin für die geänderten Verhältnisse nicht mehr genügen
mochte, aufgegeben wurde. Eine neue geräumigere Burg entsteht,
AQ A. Bachmann.
gewissermassen das Wahrzeichen der entstehenden Einheit und Zukunft
Böhmens, Prag am linken westlichen Flussufer, in unmittelbarer Nähe
des Diewin- und Wyschehradberges (Gründuugssage von Prag, unmit-
telbar an Libussa-Pfemysl anknüpfend).
Wie die Sage vom Mägdekrieg die Vereinigung der centralen
Gaue Böhmens, die Libussa-Pfemyslsage die Verbindung des erwei-
terten Czechengebietes mit dem Fürstenthum an der unteren Bila unter
der Herrschaft der Dynasten des letzteren sinnbilden mag, so führt uns
endlich die Erzähluug — kaum noch Sage — von Neclau und Wlastislaw
von Saaz mitten hinein in die Kämpfe um die Herrschaft über das
ganze westlichen Land.
Auch anderswo in heutigen Böhmen hatte die Reichsbildung begonnen :
neben dem centralen Reiche der Pfemysliden ist im Osten das grosse
Fürstenthum der Slawnike i), ist auch im Westen ein Reich ent-
standen, das, auf der Verbindung von fünf Stämmchen im Saazer
Gebiete begiündet, sich südwärts bis an die obere Mies und den
Böhmerwald, nordwärts bis in die Nähe von Biliu und Leitmeritz —
doch wohl bis an den Grenzwald dieser Gebiete — ausdehnt 2). Zwischen
dem kriegerischen Luczanen (= Saazer)-Fürsten Wlastislav und dem
Herzoge der Czechen (Boemi) kommt es zum Entscheidungskampfe,
als der Saazer auch dieses Gebiet zu unterwerfen sich anschickt (cor
ducis est elevatum, ut mente feroci exardesceret omnem Boemiam
ad obtineudum). Aber unterstützt von den Bilinern und Leitmeritzern
erringen die Czechen auch da den Sieg. Wlastislav fällt im Kampfe.
Sein Söhnlein wird bald darauf ermordet. Jetzt erst, nachdem auch
noch innerer Zwist das Saazer Fürstenthum geschwächt hat, wird es
mit dem Czechenlande (Boemia) vereinigt und ist damit dessen üeber-
gewicht wenigstens in der Mitte und im Westen des Landes ent-
schieden.
Auch diesen Krieg (bellum quod referente fama audivimus) hat
Cosmas mit mannigfachen Fabeleien ausgeschmückt, die jedoch den
sicheren historischen Hintergrund nicht mehr zu verdecken vermögen.
Ueber eine besonders interessante Figur, den sagenhaften Kriegshelden
Tyro, handle ich au anderer Stelle ^).
C. Cosmas Meldung über die Taufe Bofivojs durch
den hl. Method.
') Cosmas lib. I cap. 27.
2) Cosmas lib. I cap. 10—13.
3) Einen historischen Kern vermuthet Lippert noch in der Ludmilasage.
Dem steht aber im Wege, dass die Verehrung L.s und damit der Anlass zur
Legendendichtung nicht vor dem 2. Viertel des 12. Jahrh. da ist.
Beiträge zu Böhmens Geschichte und Geschichtsquellen. 47
Was W. Wattenbach vor nahezu einem halben Jahrhunderte
äusserte; „Ueber die Geschichte der mährischen Apostel Cjrill und
Method ist schon sehr viel geschrieben und fast über jeden einzelnen
Punkt sind lebhafte Fehden geführt worden" 1), gilt noch vielmehr
heute und namentlich hinsichtlich des Verhältnisses Methods zu
Böhmen 2). Es liegt hier fern und mangelt durchaus Ort und Zeit, um
die ganze Keihe der einschlägigen Fragen zu behandeln. Aber auf
Ursprung, Bedeutung und Gewicht der Angabe bei Cosmas I 10:
Gostiuit autem genuit Borziuoy, qui primus dux baptizatus est a veue-
rabili Metudio, episcopo in Morauia, sub temporibus Arnolfi impera-
toris, et Zuatopluk eiusdem Morauiae regis, soll hingewiesen werden,
da mau vielfach diese späte Melduug als glaubwürdig hinnimmt, ja
E. Dümmler nach schweren Bedenken (De Bohemiae cond. Carolis
imperantibus, p. 17 ff.), gegen die sich W. Tomek in der Apologie
der ältesten böhmischen Geschichte, Sitzb. der kgl. böhm. Ges. d.
Wiss. 1863, 11. Folge, Bd. 13, S. 25 ff. mit grosser Lebhaftigkeit
aussprach, nun doch, Gesch. d. ostfränk. Reiches III ^ 340, Anm. 1,
sie nach den Ausführungen Wattenbachs (die slaw. Liturgie in
Böhmen S. 221 ff.) gelten lässt. Dazu muss nun kaum noch wieder-
holt werden (s. Tomek, Apologie 27 mit R. Koepke, Mon. Ger. bist.
Sc. IX 10), dass die bezüglichen über die Taufe Bofivojs gebrachten
Meldungen der Annales Bohemici (s. nun Font. rer. Bohem. II 380)
wie der Hradischter Aunalen (ebdt. 386 — 387) für diese Frage nicht
in Betracht kommen, da sie eben nur Auszüge aus Cosmas dar-
stellen.
Im wesentlichen wird für eine Einwirkung Methods auf die
Christianisirung Böhmens hervorgehoben, dass 1. die äusseren Verhält-
nisse eine solche nicht ausschliessen 2. Cosmas seine directe Angabe
sehr wohl, sei es aus seinen schriftlichen Quellen, sei es aus der
lebendigen Tradition der Prager Kirche schöpfen konnte, 3. dass für
ihn kein Grund vorlag, eine solche Nachricht zu erdichten. Ersteres
ist zuzugeben. Da seit dem Friedoi von Forchheim oder besser der
Zeit der Verhandlungen, die zu ihm führten (873) Deutschland es aufgab,
sich in die inneren Verhältnisse des mährischen Reiches zu mischen.
') W. Wattenbach, Beiträge zur Geschichte der christlichen Kirche in
Böhmen und Mähren Wien 1849, 1.
2) K. L. Goetz, die Geschichte der Slavenapostel Constantinus (Kyrillus)
und Methodius, Gotha 1897, wo sich die sonstige Literatur findet. Vgl. die
verschiedenen Besprechungen dieser Arbeit, ferner für die slav. Lit. noch J. Emier
im Öas. cesk. musea 55, G. Polivka im Athenäum III, Prag 1886, 9 fl'. und
W. Wondräk im Öasopis cesk^ho musea 71, 324 ff.
48 A. Bach mann.
also auch die Ansprüche der baierischen Bischöfe gegen Method zu
unterstützen, und da anderseits der hl. Stuhl seine Verfügungen be-
treffs der Unabhängigkeit der pannonisch-mährischen Kirche von
Salzburg aufrecht erhielt, so ist ein Hinübergreifen der Thätigkeit
Methods nach dem mit Mähren seit 874 oder bald darauf politisch
verknüpften Böhmen, und ist noch leichter die Taufe böhmischer Häupt-
linge durch den Erzbischof (zw. 873 — 885) möglich. Aber Method,
der nach dem Frieden zunächst in Pannonien wirkt und erst später
nach Mähren geht (nach Fürst Kozels Tode), findet dort Widerstand
au Fürst Swatopluk uud den nicht slavischen Geistlichen. Seine Wirk-
samkeit ist voller Kämpfe und Hindernisse, so dass uns directe Belege
für seine Amtsthätigkeit sogar in Mähren selbst mangeln. Ein Hin-
übergreifen nach Böhmen hätte unstreitig die Rechte der Regensburger
Kirche (seit 845) berühi-t: es liegt aber keine Einsprache, keine Be-
schwerde von dieser Seite vor, während Salzburg und Passau ihre
Ansprüche auf Pannonien und Mähren entschieden wahrten und eben
diese Verwahrungen auch für Regensburg den nahezu zwingenden
Anlass zur Erhaltung seiner Rechte auf Böhmen bilden mussten, falls
solche wirklich verletzt waren. So bleibt es diesbezüglich bei einer
leeren äusseren Möglichkeit.
Die schriftlichen Vorlagen, auf die sich Cosmas — er schreibt
ca. 1120 — für diese Zeit beruft, sind: das Privilegium der Mährischen
Kirche, ein ,epilogus (Moraviae atque) Bohemiae" und eine „vita vel
passio" des hl. Wenzel. Aus ihnen könne sich unterrichten, wer
wissen wolle, „qualiter gratia dei semper praeveniente et ubique sub-
sequeute dux Boriuoj adeptus sit sacramentum baptismi, aut quomodo
per ejus successores his in partibus de die in diem sancta processerit
religio catholicae fidei, vel qui dux, quas aut quot primitus ecclesias
credulus erexit ad laudem dei (lib. I, cap. 15; Font. II 28)-
Dass Cusmas keine weiteren Quellen besessen hat, glauben wir
ihm gern: seine unglaubliche Unkenntnis, bes. der Chronologie, seine
Versehen auch betreffs viel späterer Dinge sind nur so zu erklären.
So weiss er für die Zeit v. 895 — 928 gar nichts, dann erzählt er
Wenzels Ermordung zu 929, wesentlich nach Gumpold, um für die
Zeit Boleslavs I. wieder nahezu nichts melden zu können : De actibus
autem ducis Bolezlai nichil aliud dignum relatione reperire potui, nisi
unum — es betrifft die Ausführung des Gelöbnisses Wenzels betreffs
der St. Veitskirche (I c. 18), wozu noch (cap. 19) ein Geschichtchen
über die Art kommt, wie Boleslav sich bei seinen Grossen Gehorsam
verschaffte. Auch für die Zeit Boleslavs 11. (967—999) sind die Pri-
vilegien des St. Georgsklosters und der Prager Kirche, dürftige sonstige
Beiträge zu Böhmens Geachiclite und Geschichtsquellen. 49
Auf Zeichnungen über dieselben vom engsten Gesichtskreise aus gegeben,
und die Schicksale Bischof Adalberts Cosrnas deutlich erkennbaren, für
die Landesgeschichte wieder nur zu spärlich fiiessenden Quellen i).
Für die Meldung über Bofivojs Taufe bleiben wirklich nur die ge-
nannten drei Quellen, von denen die eine, die Vita St. Wenceslai, uns
bekannt ist und darüber nichts besagt.
Aber auch das Privilegium ecclesiae Moraviensis, leider verloren,
hat wohl diese Nachricht nicht enthalten. Die x^nführung eines solchen
Vorkommnisses im Privileg hätte doch nur den Zweck haben können,
irgend welche Kechte oder Ansprüche der mährischen Kirche auf
Böhmen zu stützen. Dass solche aber nicht da waren und auch nie-
mals erhoben wurden, vielmehr umgekehrt die böhmische Kirche die
Zugehörigkeit des Landes Mähren zu ihrem Sprengel behauptete, be-
weist eben Cosmas selbst in seiner Darstellung des böhmisch-mähri-
schen ßischofsstreites (lib. II cap. 22 ff., 27 ff.). Für die Ansprüche
des Prager Bischofs wurde sogar die Stiftungsur künde seiner Kirche
derart interpolirt, dass das Land Mähren in seinen Sprengel fiel (addita
regione Moravia). Hier war für Cosmas, der ja das privileg. ecclesiae
Morav, vor sich hatte, wiederholt der dringende und zwingende Anlass
da, sich bei Beurtheilung des Streites auf das mährische Privileg zu
berufen, wenn es etwas über die Beziehungen Mährens zu Böhmen
enthielt. Es ist nicht geschehen.
So bleibt als Quelle für jene Meldung nur der epilogus Moraviae
et Boemiae. Wir haben ihn als jene historische Darstellung an-
zusehen, der auch der Bericht über Swatopluk von Mähren und die
sonstigen wenigen Angaben des Cosmas über diese Zeit angehören
werden, für die eine andere Provenienz nicht nachgewiesen ist -).
Schon die äusseren Umstände sprechen dafür, dass er nicht wohl vor
der Wiedergeburt Mährens und seiner Vereinigung mit Böhmen ent-
standen sei, d. h. nicht vor dem 3- Jahrzehnt des 11. Jahrh. Seinen
späten Ursprung erweist aber vor allem die Berichterstattung über
„König" Swatopluk: Inmitten seiner Heere sei er verschwunden und
nicht mehr zum Vorschein gekommen; aus Reue über seine Frevel-
thaten gegen Kaiser Arnulf — die ßeichsannalen melden das gerade
1) Vgl. schon Palacky, Würdigung 24 f.
-) Hierher gehören die Notizen aus Reginos Fortsetzung; sie finden sich
bereits in den ältesten Handschriften und sind also wohl von Cosmas selbst
eingefügt, dagegen aus dem epilogus die Meldung über die Tributpflicht der
Böhmen (lib. II cap. 8): Talern enim nobis legem instituit Pippinus, magui Caroli
filius etc. ; sie gilt eigentlich zunächst für die Mährer. die Pipin 793 — 6 zugleich
mit den Avaren unterwarf. Die Tributpflichtigkeit der Böhmen rührt von Pipins
älterem Bruder Karl her. Einhard, Vita Gar. cap. 15.
Mittheilungen XX. 4
50 A. Bach mann.
Gegentheil noch gelegfentlich seines Ablebens — geht er in ein Kloster,
wo er sich erst vor seinem Tode zu erkennen gibt (Cosmas lib. 1, 14).
Alles ist hier bereits vom Dämmerlichte der Sage übergössen
und dem Stande der Thiitsachen unangemessen. Nicht anders wird
es aber auch mit der Angabe über Bofivojs Taufe durch Method und
zur Zeit Swatopluks stehen, die 895 beide nicht mehr am Leben waren ;
nach den Annal. Fuld. (cont. Katisp.) ad a. 895 auch Bofivoj selbst nicht.
Und sehen wir uns um, wo wir sonst Meldungen finden, „qualiter
dux Borivoj adeptus sit sacrameutum baptismi, so begegnen wir einer
solchen nur in der jüngsten mährischen Legende über Method (aus
dem 14. Jahrb., aber nach Olmützer Aufzeichnungen; s. in Font. rer.
Bohem. I, 100 ff.). Und die ganze Erzählu Lg ist wesentlich identisch mit
jener, die eine Bekehrung heidnischer Slaven durch den Edlen Jngo
(Conversio Bagoar. et Carantan.) und die Wenzels von Böhmen erzählt.
Aber kann die Thatsache nicht doch bestehen, durch die
böhmisch-mährische Tradition dem Epilogus, und durch ihn Cosmas
überliefert sein? Bezüglich der böhmischen Tradition, auf die wirk-
lich Tomek, Apologie 30, und neuerdings Kalousek im Athenäum III,
Prag 1888, 2 ff. hingewiesen haben, hat schon Höfler, Bonifatius und
die Slavenapostel Konstantinus und Methodius, Prag 1887 (Sep. aus
den Mittheil, des Ver. für Gesch. d. Deutschen in Böhmen, XXV. Jahrg.,
Heft 3) nach dem Homiliar eines Prager Bischofs aus dem 11. Jahrh.
(s. F. Hecht, Prag 1863) und den Aufzeichnungen des St. Georgs-
klosters, der ältesten Stiftung der pfemyslidischen Familie, das Nötige
dargethau; diese Traditionen wissen zwar von Set. Emmeran und
anderen deutschen Glaubensboten, aber von Cyrill und Method nichts
(ebdt. S. 49 ff.). Ebenso lässt sich für die Existenz einer slavischen
Liturgie in Böhmen die sog. russische Legende von hl. Weuzel (s. Tomek,
Apol. 35) nicht anführen. Sie ist eben nicht „fast gleichzeitig",
sondern aus viel späteier Zeit : sicher ist hier bereits Gumpold benützt,
wie ich an anderer Stelle zeigen werde, und ist vor allem an entschei-
dender Stelle interpolirt. Denn der zwischen die Angaben: „So
sprach dieser „rechtgläubige" Bischof und auf sein Gebet fieng der Knabe
an mit der Gnade Gottes zu gedeihen" und „es brachte ihn aber Fürst
Wratislav nach Budec, und der Knabe fieng an in den lateinischen
Büchern zu lernen und lernte gut" eingeschobene Satz: Und seine
Grossmutter Ludmila liess ihn in slavischen Büchern lernen, und er
folgte seinem Lehrer und lernte alles gut und rasch, weist so sicher
auf spätere Bearbeitung hin — slavischer Elementarunterricht im
beginnenden 10. Jahrh.! — wie der weiter unteu nachfolgende Satz:
Und Gott sandte dem Fürsten Wenzel solche Gnade, dass er an fieng
Beiträge zu Böhmens Geschiclite und Geschiclitsquellen. 51
die lateinischen Bücher zu verstehen wie ein Bischof oder ein
Geistlicher. Der Fabulist und Interpolator erzählt nochmals von
dem gereiften Fürsten, was zweimal vom Knaben Wenzel berichtet wurde.
Auch sonst fehlt es nicht an Widersprüchen und Ungereimtheiten, so
wenn erst berichtet wird, dass Wenzel und sein Bruder Boleslav zur
Zeit des Ablebens ihres Vaters noch klein waren, weshalb die Mutter
die Verwaltung übernahm und auch noch führte, als Boleslav in das
Bunzlauer Theilfürstenthum eingewiesen ward und die Schwestern ver-
heiratet wurden, während es gleich darauf heisst, Wenzel sei beim
Tode seines Vaters bereits 18 Jahre alt gewesen; von dem ungenannten
Bischof oder den Bischöfen, die da in Böhmen auftreten, nicht zu
reden. „Der Nimbus wie der altslavischen so überhaupt der östlichen
Legenden verliert sich" eben mehr und mehr (s. Snopek im Sbornik
histor.-krouzku „Vlast" 1896), und erst eingehendere handschriftliche
Forschungen und wo möglich neues Material werden beigebracht
werden müssen, ehe man auch nur eine sichere Grundlage für ihre
Kritik erlangt ^). Eben bis dahin auch entbehren sie selbst für die
Beurtheilung anderer Fragen der genügenden Beweiskraft.
Anderseits hat Cosmas die Meldung über die Taufe Bofivojs ge-
wiss nicht selbst ersonnen, sondern wirklich aus dem Epilogus Mora-
viae et Bohemiae entlehnt. Dieser aber mochte sie bieten, um der neu
gewonnenen Verbindung zwischen Böhmen und Mähreu eine weitere
historische Basis zu leihen, eine Basis, so wenig verlässlicb, als die
Angaben richtig sind, die sich daneben über Fürst Swatopluk finden.
Wenn nicht als Ergebnis einer — nahe liegenden — Combination des
Verf. des Epilogus, so doch sicher als durchaus sagenhaft — gleich
den Meldungen über „König Swatopluk" wird man die Angabe über
die Taufe B.s durch Set. Method bezeichnen dürfen.
•) Vgl. Ild. Veith in den Studien und Mittheil, iius dem Benedictinerorden
XVIII, 1897, 383.
Ein unbeachtetes Register König FriedriclislV. (III.)
1440—1442.
Von
Johann Lechner.
G. Seeligers Arbeit über die Registerführung am deutschen
Königshof bis 1493 ^) gewährt uns erfreulichen Einblick in den
heutigen Bestand der deutschen Reichsregister bis 1493; er führt uns
in feinsinniger Untersuchung, deu Werdegang einer Urkunde bis zur
Buchung verfolgend, in den königlichen Kanzleiräumen von eiuem
Beamten zum andern und entrollt uns so ein fassbares Bild vom
ganzen Beurkundungsgeschäft. Auch die landesherrliche Register-
führung der Könige lässt er nicht unberücksichtigt und hebt für die
Zeit K. Friedrich IV. (III.) eine beklagenswerthe Lückenhaftigkeit 2)
in dem bekanuten Material dieser Art von Verwaltungsbüchern hervor.
Das erste dort verzeichnete Urkundenregister der österreichischen
Kanzlei K. Friedrichs, cod. D 70 im Archive des k. u. k. Reichs-
finanzministeriums setzt im jetzigen Zustande mit Juni 1443 ein; das
Abbrechea inmitten eines Satzes und die mit 303 beginnende neuere
FoliiruDg — bemerkt der genannte Forscher — lasse D 70 als Frag-
ment eines grösseren Registerbandes erkennen, der auch , Regesten
aus dem Anfang der vierziger Jahre, vielleicht noch aus der herzog-
lichen Periode Friedrichs III. enthielt" 3). Durch den 8. Bd. der
Tabulae codicum manuscriptorum in bibliotheca palatina Vindobonensi
asservatorum (Wien 1893) kam als erwünschter Zuwachs zu dem
') Mitth. d. Instituts 3. Erg.-Bd.
2) A. a. 0. S. 311.
•') S. 295 f.
Ein unbeachtetes Register König Friedrichs IV. (in.) 1440—1442. 53
Seeliger bekannten Bestände der landesherrlichen 1) Register cod. 14.109
(suppl. 1632) an den Tag. Mit Studien zur Geschichte und Verfassung
des k. Kammergerichts vor 1495 beschäftigt, verdanke ich den Hin-
weis einer gütigen Mittheilung Prof. 0. Redlichs. Der Codex schien
mir einer eingehenderen Besprechung würdig, da er, ein Zeugnis der
landesfürstlichen Thätigkeit Friedrichs in seinen ersten Königsjahren,
für alle diesem Herrscher unterstehenden Länder berechnet ist, be-
rechnet für den Ernestinischen Hausbesitz wie für die von Friedrich
als Vormund regierten Herrschaftsgebiete des tirolischen Leopoldiuers
Sigmund und des Albertiners Ladislaus 2). Cod. 14.109 ist ein Orio-inal-
register; ein nur für ihn berechneter Index und schmäleres Format
lassen den Band nicht als zweites Fragment zu D 70 gelten, dem er
zeitlich mit Offenlassung einer Lücke vom April 1442 bis Juni 1443
vorangeht.
Ein dunkelgrüner moderner Einband mit weissem Lederrücken
umschliesst 221^) meist ^) beiderseits beschriebene Papierblätter
(29'5 : 20), von denen die ersten acht einem gleichzeitigen Index &)
dienen, dessen Hand in den ßegesteu nicht anzutreffen ist. Die Ein-
tragungen rühren im allgemeinen von einem Schreiber her, der nur
selten und in kleineren Partieen von einer zweiten (f. 34^), 164 — 169,
218—219') und einer dritten Hand (f. 90', 91, 92', 114', 161, 163',
193, 199') abgelöst wird; er behält sich aber auch dann häufig die
Herstellung der üeberschriften vor und gestattet sich Verbesserungen ').
') Das »Registratursbuch* daselbst als »tabulae cancellariae Friderici III.
Rom. imperatoris 1440—1442 cum indice* charakterisirt, gehört nicht in die
Gruppe Historia Germaniae generalis, sondern zur Historia Austriae vgl. unten
S. 55.
2) Anders die bei Seeliger besprochenen drei allg. österr. Registerbände:
Seeliger 296 u. 298; vgl. unten S. 54.
^) Ein Blatt war schon urspr. ausgeschnitten worden.
■1) Schiiftfreie Seiten kennzeichnen zuweilen das Ende von jetzt nicht mehr
unterscheidbaren Lagen.
5) Den vorhandenen Reichsregistern Friedrichs III. fehlen Indices, während
solche auch bei vier andern österr. Registern anzutreffen sind. Seeliger 347.
") Nach der dem heutigen Blätterbestande entsprechenden modernen
Foliirung.
^) Mit Jacob Widerl, dem damaligen Registrator, vermag ich den Schreiber
wegen der im Register zutagetretenden Flüchtigkeit der Schrift im Gegensatz
zur Sorgfalt der Registratursvermerke auf den Originalen nicht mit Sicherheit
zu identificiren. Die beiden anderen Schreiber, deren Hände man auch sonst
in Kanzleierzeugnissen unten K. Friedrich antrifft, scheinen damals nur in ihrer
freien Zeit zur Buchungsarbeit herangezogen worden zu sein, waren also nicht
speciell in der Registratur beschäftigt.
54 Johann L e c li n e r.
Eine weitere Haud, in der ich die des Kanzleivorstandes vermuthe,
ist durch Correcturen im Iudex und in den üeberschriften vertreten.
Das nach Folien geordnete Inhaltsverzeichnis belehrt uns, dass ur-
sprünglich 266 Blätter mit Kegistereiutragungeu gefüllt waren, von
denen 1 — 54 (einschl.) verloren sind: Jene Stücke, welche jetzt die
Reihe der Buchungen eröflFneii und nach der modernen Bleistift-
zählung das Foliura 9 bilden, verzeichnet der Index zu f. 55. Diesem
anfänglichen Bestände trägt eine neuere, etwa dem 16. Jahrhdt. zu-
zuweisende Foliirung Rechnung, die mit ,55" anhebend bis ,266"
fortfährt. Der Abgang dieses Theiles hängt damit zusammen, dass
nach Ausweis des Index f. 1 — 54 eine Sonderabtheilung für Lehen-
briefe aus allen von K. Friedrich verwalteten habsburgischen Landen
war. Eine Scheidung nach territorialen Gesichtspunkten wurde hier
ebensowenig wie im folgenden Theile i) angestrebt, über die zeitliche
Folge der Lehenbriefe gewährt uns das Inhaltsverzeichnis keinen Auf-
schluss. Sonst ist der Codex vollständig in den Umfange erhalten,
den er bei Anlegung des voranstehenden Index hatte; dieser wird
unmittelbar nach Vollendung der Buchungen in einem Zuge ge-
schrieben worden sein ; denn von den im Register als nachträglich
cassirt oder ob sonstiger Gegenstandslosigkeit durchstrichenen Stücken
lässt er einen Theil von vornherein unbeachtet, andere, offenbar später
getilgte sind zwar verzeichnet, aber nachträglich gestrichen. Eines
muss noch hier hervorgehoben werden, worauf mich die Betrachtung
der chronologischen Folge der Eintragungen geführt hat: der Codex
ist verbunden. Die erst- und die letztregistrirten Urkunden gehören
auffallenderweise derselben Zeit an. Der erhaltene allgemeine Theil
des Registers, aus dem nur die Lehenbriefe grundsätzlich ausgeschieden
sind, entbehrt im heutigen Zustande scheinbar jeglicher Aufschrift -).
Wohl aber fällt uns eine solche auf f 59 in die Augen : Incepit
anno XL'"o. Hie heben sich an corfirmaciones schedenbriefe unngelt-
briefe saczbrief und ander brief u. s. w. 3) ausgenomen die lehen-
brief, die vor an disem register vermercket sind. Da die
vorangegangenen Lebenbriefe verloren sind, so haben wir hienach in
f 59 den Anfang des allgemeinen Theiles des Registers zu sehen.
Dazu gesellt sich als äusserlicher Hinweis die für Schreiber bezeichnende
') Vgl. unten.
2) So bezeichne ich die den einzelnen Abschnitten vorangesetzten zusammen-
fassenden Inhaltsangaben zur Unterscheidung von den Ȇeberschriften* der ein-
zelnen Eintragungen.
Sj Die vollständige Aufschrift folgt unten S. 56.
Ein unbeachtetes Register König Friedriclis IV. (III.) 1440 — 1442. 55
Erscheinung, dass f. 59 und die nächstfolgenden Blätter eine viel
sorgfältigere Schrift mit sonst im Codex meist fehlenden Eandlinien
zur Abgrenzung des Schriftfeldes zeigen. Den Folien 9 — 58 (einschl.)
wird durch die Datirungsfolge ihr Platz am Schlüsse des Bandes zu-
gewiesen. Wie ist diese Verwirrung entstanden ? Seeliger ^) gibt uns
die Antwort: „ — für eine Beantwortung mancher Fragen ist die
Kenntnis nicht unwichtig, dass nicht bloss grössere Codices, sondern
auch dünnere Heftchen den Zwecken der Kegistrirung anfangs dienten".
Wenn wir statt Heftchen den Ausdruck Lagen -) gebrauchen, so können
wir sagen, dass bei der in der Kanzlei vorgenommenen Vereinigung
derselben zu einem Codex die drei letzten Lagen vorgebunden wurden :
eine Störung der Ordnung, die dem die Ueberschriften in Form eines
Index zusammenstellenden Schreiber entgehen konnte, weil er an den
Eintragungen nicht selbst betheiligt und daher auch mit ihnen nicht
vertraut war. So der äussere Zustand d^r Handschrift.
Das Kegister als Verwaltungsbuch; Anordnung der
Eintragungen. Das territoriale Erstreckungsgebiet für unseren
Band bilden alle der Centralverwaltung Friedrichs in den Jahren
1440 — 1442 unterstehenden Länder. 1. Die sog. „niederen Lande" :
Steiermark, Kärnten, Krain mit Zubehör. 2. Die , oberen Lande" :
Tirol mit dem schwäbischen Besitz 3), welche Ländergruppen zusammen-
genommen das leopoldinische Hausgebiet ausmachten, als dessen „un-
getheilte Erben" sich damals trotz der vorangegangenen „Auszei-
guugen" noch alle drei Fürsten, Friedrich, Albrecht und der unter
Friedrichs Vormundschaft stehende Sigmund, betrachteten ^). 3. Das
vom König als Gerhab verweste österreichische Erbe seines unmündigen
Vetters Ladislaus. Bei Friedrichs hartnäckigem Streben, „die Länder-
theilungen in Oesterreich ganz zu beseitigen und dieKegierung aller habs-
burgischen Besitzungen in der Person des Aeltesten zu concentriren ^)",
mag es vielleicht nicht bedeutungslos sein, dass wir in diesem Register
•) S. 341, wo auch eine Reihe voa Beispielen angeführt sind.
2) Im späteren Mittelalter waren für Papiercodices meist solche zu 6—7
Doppelblättern gebräuchlich ; beschmutzte und leer gelassene Seiten innerhalb
des Buches lassen das Ende von mehreren Lagen erkennen. Ob sie geheftet
waren, ist in unserem Falle nicht mehr zu entscheiden.
') Obwohl die Vorlande durch den Haller Vertrag (5. Aug. 1439) für die
nächsten drei Jahre Hz. Albrecht VI. zur Regierung mit voller Gewalt übergeben
worden waren; Chmel, Mater. I, 56 no XXXVII.
*) Vgl. Zeissberg, Der österr. Erbfolgestreit nach dem Tode des K. Ladis-
laus Posthumus (1457 — 1458) im Lichte der habsburg. Hausverträge. Arch. für
österr. Gesch. 58, 56 und an anderen Stellen.
*) Alf. Huber, Geschichte Oesterreichs 3, 52.
56 J 0 h a n n L e c h n e r.
noch alle drei österr. Ländergruppen ungesondert nebeneinander ver-
treten sehen, dass nicht, sei es aus verwaltungsrechtlichen, sei es aus
verwaltungfstechuischen Gründen eine Scheidunar nach territorialen
Gruppen durchgeführt ist. Dagegen zeigen die diesem Bande zeitlich
zunächststeheuden drei allgemeinen Registercodices, vs^elche die Jahre
1443 — 1478 umfassen, .eine bemerkenswerthe Beschränkung auf
Innerösterreich " i), die sog. niederen Lande, obwohl Sigmund seinem
Vetter Friedrich die Verwaltung seines Herrschaftsgebietes auf weitere
sechs Jahre vom Juli 1443, dem Ende der Vormundschaft, an ge-
rechnet übertragen hatte.
Schon die Aufschrift zu dem allgemeinen Theil des Registers, die,
wie erwähnt, an die Spitze des Bandes gehört, lässt dieses Verhältnis
erkennen: Hie heben sich an confirmaciones schedenbriefe unngelt-
briefe saczbrief und ander brief, die in dem furstentume Osterreich
Steir Kernden und Krain und auf der graffschaflft Tirol und andern
lannden ^) aussgeben werden ausgenomen die lehenbrief, die vor an
disem register vermercket sind. Und thatsächlich befinden sich unter
Urkunden für österreichische, steirische, kärntnische, krainische Em-
pfänger auch solche, die Verhältnisse in Tirol und den Vorlauden
zum Gegenstande haben; z. B. f. 103 für die lewt auf dem Riten,
f. 59 für die tumbherrn von A marin in Elsass in Friedrichs Eigen-
schaft als graflf ze Pfirtt und lanntgraff in Elsass, f. 171 — 173' unter
der Aufschrift , Tirol" je eine landesherrliche Privilegienbestätigung
für Capitel und Stadt in „Beifort" u. a. i\llerdings treten die Ur-
kunden für tirolische Empfänger an Zahl bedeutend zurück, wie denn
überhaupt Friedrichs Regierungsthätigkeit für Tirol in den zwei Jahren
nach der Uebernahme der Vormundschaft eine sehr geringe gewesen
zu sein scheint 3). Eine Scheidung der Urkunden etwa nach Fürsten-
thümern ist nicht vorgenommen. Wohl aber eine solche nach Inhalts-
arten, so zwar, dass die Lehenbriefe ausgesondert und der Gesammt-
heit der anderen vorangestellt wurden ; doch begegnen wir auch in dem
allgemeinen Theil des Registers einzelnen Leheubriefen, ebenso wie
sich in die Lehenabtheilung einzelne Urkunden anderen Inhalts aus
Nachlässigkeit des Schreibers eingeschlichen haben.
Auch die Betrachtung der chronologischen Anordnung der Ein-
tragungen zeitigt ein interessantes Ergel)nis. Nach Beseitigung der
») Seeliger 296.
'■') Damit können in diesem Zusammenhange nur die Vorlande gemeint sein.
') Vgl. Albert Jäger, der Streit der tiroler Landschaft mit Kaiser Friedrich III.
wegen der Vormundschaft über Herz. Sigmund v. Oesterreich von 1439 — 1446,
Arch. f. österr. Gesch. 49, 142.
Ein unbeachtetes Register König Friedrichs IV. (111.) 1440—1442. 5?
gestörten Lagenfolge machen wir folgende Beobachtung: die ßeo-ister-
eintragungen beginnen auf f. 59 mit October 1440 und schreiten, in
den Datirungsangaben selten mehr als um eine Monatsläuge diffe-
rirend, in verhältnismässig guter zeitlicher Ordnung bis an das Ende
des J. 1441 fort; den Schluss des Bandes bilden Schadlosbriefe aus
den Anfangsmonaten des J. 1442, denen sich auf f. 9 S. etwa 10 Ur-
kunden 1) verschiedener Art aus derselben Zeit anreihen, um mit dem
April 1442 das jüngste Datum zu erreichen. Damit hat die fort-
schreitende Folge ein Ende, es beginnt eine rückläufige Bewegung.
Das Register greift in einer ganzen Reihe von Stücken auf den No-
vember und December 1441 zurück, um dann mit geringen Unter-
brechungen in einem grossen Sprung nach rückwärts in den Juli und
Juni 1441 zu gelangen. Da auf diese eine Erklärung heischende
Thatsache bei der Vorlagenfrage zurückzukommen sein wird, sei es
gestattet, eine üebersicht der Datirungen dieses Registertheiles (f. 9—58)
unter Beiseitelassung der Gegenbriefe und undatirten Stücke zu geben.
Datirungsfolge f. 9 — 58:
1442
I
15
Eeun
1441
XII
6
Brück a. d. M.
1441
XII
30
»
—
XII
9
»
—
XII
30
»
—
XII
9
»
1442
II
6
Brück a. d. M.
—
XII
13
»
—
I
11
Reun
—
XII
12
»
—
II
6
Brück a, d. M.
—
XI
30
Wi-. -Neustadt
—
II
28
Salzburg
—
VII
16
Wien
—
in
29
Innsbruck
—
VII
15
»
—
III
26
»
1440
XI
23
Neustadt
—
IV
9
»
1439
XII
1
Perchtoldsdorf
—
IV
23
Augsburg
1441
XII
16
Wien
144J
XI
1
Graz
—
VII
17
»
—
XI
18
»
—
VII
7
»
—
XI
22
»
—
VII
7
»
—
XI
22
»
—
vn
7
»
—
XII
2
3>
—
VII
7
5>
—
XII
2
»
—
711
19
»
—
XI
25
»
—
vn
19
^
—
XII
2
»
—
VII
23
Graz
—
XII
2
»
—
VII
23
»
—
XI
29
»
—
XII
14
Brück a. d. M.
—
XI
25
»
1442
I
19
Reun
—
XII
1
»
—
I
19
»
—
XI
26
»
—
I
18
»
—
XII
3
»
1441
VI
6
Wien
•
—
VI
6
»
') Wobei natürlich die Gegenbriefe auszuscheiden sind.
58 J o h a n n L e c h u e r.
Kegistrirungsform; Unterfertigungen. Uebersehriften
gehen regelmässig den Eintragungen voran. Diese selbst geben meist
den vollen Wortlaut der Urkunde wieder, nur gewöhnlicb mit Weg-
lassung des Namens und Titels des Ausstellers Frisdrich. Urkunden-
arten von ganz ständigem Formular, wie Präsentationen, Caplanats-,
Familiaritätsbriefe u. a., zu deren Ausfertigung mau in der Kanzlei
in der Regel nicht einmal eines Conceptes bedurfte, sind in einfacher
Aktform verzeichnet. Die Buchungen behalten die Sprache der Ur-
kunden bei, deutsche Briefe sind deutsch, die wenigen lateinischen in
Latein registrirt. Die Datiruug fehlt nicht selten i), bei Gleichheit
derselben heisst es datum ut supra.
Einer grossen Zahl von Stücken sind Unterfertigungen beigefügt,
unter denen die Form „ad mandatum domini regis" überwiegt und
durch das ganze Register nachweisbar ist. An Häufigkeit kommt
dieser Form am nächsten jene mit der Nennung des Kanzlers ^) : ad
mandatum domini regis Conradus praepositus Wiennensis cancellarius,
nicht selten gekürzt zu rex cancellarius oder gar zu cancellarius.
Zuweilen sind Relationsvermerke damit verbunden, welche besagen,
dass die königliche Gewährung nach einer berathenden Besprechung
mit den genannten Personen erfolgt ist:
f 138: ad mandatum domini regis Conradus praepositus Wien-
nensis cancellarius Conrado de Kreig ^) magistro curie referente.
(1441 V. 3).
f. 119': ad mandatum domini regis Johanne comite de Sch[aum-
berg] *) et magistro Cunrado referentibus (1440 III. 10).
f 127': ad mandatum domini regis Conrado de Krey magistro
curie, Johanne de Neitperg ^) et Walthero Zebinger ^) referentibus.
(1441 III. 24).
Weit spärlicher vertreten ist die speci fisch österreichische Unter-
fertiguugsform : commissio propria domini regis; sie kommt nur in
dieser Verbindung vor. Zum erstenmale tritt sie in unserem Register
bei einem Briefe d^^° 1441 I. 9 auf und lässt sich dann durch das
ganze Register vereinzelt blicken. Andeutungsweise sei hier eine Ver-
') Vgl. unten.
*) Conrad Propst von St. Stephan in Wien.
•'') Als Hofmeister 1439 — 1446 nachweisbar. Seeliger Hofraeisteramt 130.
■*) War 1437 bis vor 1439 Mai 30 österr. Laudmarschall vgl. Wretschko,
Das österr. Marschallamt. 189.
^) Auch sonst um diese Zeit in des Königs vertrauter Umgebung nach-
weisbar, z. B. am 11. Sept. 1442 als Urtheiler im kgl. Kammergericfit, vgl.
Chmel RR. Anhang 25.
Ein unbeachtetes Register König Friedrichs IV. (III.) 1440—1442. 59
muthung geäussert, auf die ich in anderem Zusammenhange zurück-
kommen werde: die Form commissio, soviel ich sehe, bis zur Tren-
nung der Kanzlei in eine für das Eeich und eine andere für die
Hauslaude i) nur in Verbindung mit propria nachweisbar, scheint mir
bis zum genannten Zeitpunkte ebenso wie die auch schon unter Sigis-
mund auftretende Unterfertigung: ad mandatum domini regis pro-
prium und in gleicher Bedeutung mit dieser einfach die besondere
Antheilnahme des Königs an der Handlung auszudrücken noch ohne
Beschränkung etwa auf die Erblande des Herrschers. Dass man mit
der ünterfertigung commissio etc. propria gegenüber ad mand. etc.
cancellarius einen bestimmten Sinn verband, zeigt sich f 199' (1441
XI. 1), indem ad mandatum etc. getilgt und durch commissio etc.
propria ersetzt ist. Erst mit dem Aufkommen zweier gesonderter
Kanzleien am Hofe K. Friedrichs ward commissio zur Fertigungsform
speciell für landesfürstlich österreichische, mandatum für Eeichs-
angelegenheiten differenzirt. Mit dem Zusatz propria(um) drückte
man in beiden Kanzleien auch fürderhin den höheren Grad königlicher
Betheiligung aus. Eine gütigst gewährte Durchsicht der bisherigen
Sammlungen der Reichstagsakten ergab, dass commissio auch späterhin
noch in Schreiben an Reichsstände gebraucht wurde, wenn sie den
König selbst oder Personen seines Hofes betrafen.
Vorlagen und Zeitpunkt der Eintragungen. Weil die
bisherige Forschung ergeben hat, dass nicht einmal ein und dieselbe
Kanzlei innerhalb eines beschränkten Zeitraumes einer bestimmten
Uebung gefolgt ist, glaubte ich dieser Frage auch bei dem hier zu
besprechenden Register jiicht aus dem Wege gehen zu dürfen. Es
handelt sich bekanntlich im allgemeinen um zwei Möglichkeiten:
Registrirung nach dem ausgefertigten Original oder nach einem mehr
minder unvollkommenen und daher nicht die erforderliche Sicherheit
bietenden Concept. Für die Beurtheilung der im Folgenden vorzu-
bringenden Kriterien mag es von Nutzen sein, wenn wir uns von den
Merkmalen der beiden Vorlagen arten — soweit sie für diese Unter-
suchung in Betracht kommen — ein Bild zu machen versuchen-).
1) Seeliger 3486 ggtzt den Amtsantritt des Erzbischofs Jacob v. Trier auf
den 24. Juni 1442.
2) Als Material dienten mir an Originalen jene des "Wiener H. H. und
Staatsarchives (Repert. I) durch eigene Einsichtnahme, sowie des Grazer Landes-
archivs auf Grund freundlichst zur Verfügung gestellter genauer Regest-Notizen
des H. Dr. Steinherz; an Concepten fehlt es für diese Jahre im Wiener Staats-
archiv, es konnten jedoch mit einigem Rechte solche der landesfürstlichen Kanzlei
aus dem J. 1478 herangezogen werden, wie sie im Cod. 129 des Wien. Staats-
QQ JohannLechner.
Die Originale aus Friedrichs ersten Königsjahren tragen rechts
unter dem Texte oder auf dem Bug von zweiter Hand in der Eegel
— nicht immer — eine ünterfertigung, der ßegistratursvermerk fehlt
während dieser drei Jahre mehr als zwei Drittheilen der mir zugäng-
lichen Urkunden ; wo er sich findet, besteht er in folgender am Kücken
des Originals in sorgfältiger Schrift angebrachten Notiz: K*^ Jacobus
Widerl. Die übergrosse Mehrzahl der Concepte zeigt Nachtragung der
Kanzleifertigung und der Datirung und zwar von anderer Hand.
Auch Gegenbriefe erscheinen von den gleichen Concipisten aufgesetzt
und lassen die ersterwähnten Merkmale der anderen Concepte erkennen.
Fast alle im Cod. 129 gesammelten Concepte sind durchgestrichen, zum
Zeichen, dass die Reinschrift bereits vollzogen ist. Bei einer Anzahl
derselben findet sich am ßande der Vermerk: RK Es ist noch deut-
lich zu erkennen, dass neben einzelnen Folien auch Doppelblätter und
ganze Lagen zur Aufnahme der Concepte dienten, so dass es oft ge-
radezu unmöglich war, — Registrirung nach Concepten vorausgesetzt —
die Stücke einzeln i) der Registratur zu übermitteln, dass also serien-
weise Registrirung auch vorgekommen sein muss.
Einmal liest man bei einem mit R*^ versehenen Concept den Ver-
merk non emanavit, das non nachträglich gestrichen. Ursprünglich
schliessen die Concepte meist mit Geben, Geben mit urkund, datum und
da kann man beobachten, wie bei einer Reihe fortlaufender Stücke von
derselben Hand und Tinte, die aber verschieden ist von der des Con-
cipisten, der Datirungsvermerk ut supra hinzugefügt ist. Notizen wie fiat
clausa, fiat aperta, cum sigillo appendenti u. a. gehören auch in die Con-
cipistensprache. Ja es kommt sogar vor: commissio ut infra. Andrer-
seits ist es doch wieder nicht selten unterlassen worden, Unterfertigung
und Datirung oder eines von beiden nachzutragen. Solche Kenntnis
von der Beschaffenheit der beiden möglichen Vorlagenarten voraus-
geschickt, wenden wir uns zunächst mit unserem fragenden Anliegen
an den Codex selbst, um im Anschlüsse daran die Originale zum
Vergleiche mit den Registereintragungen heranzuziehen.
arehivs, jetzt 2 Bde. 4», handlich vorliegen. Der Sammelband von Concepten
trägt auf dem als Umschlag verwendeten Stücke eines pergamentenen Notariats-
instruments von gleichzeitiger Hand folgende Aufschrift: Gemain notin allerlay
hanndlung angefangen zu Weichnachten anno etc. LXXVIIlo und geendet Jacobi
anno (!) eiusdem. Auszugsweise veröffentlicht von Chmel im Arch. f. österr. Gesch.
3, 77 — 157 mit Fortsetzungen im Notizenblatte des Arch. f. österr. Gesch. 2 und
Mon. Habsb. 1 2. Vgl. über diesen Gegenstand neben Seeliger an verschiedenen
Stellen auch Steinherz in Kaiserurkunden in Abbildungen, Text 474 f.
') Vgl.. Seeliger 34:V.
Ein unbeachtetes Register König Friedrichs IV. (III.) 1440 — 1442. (jl
Einen Fingerzeig gibt uns das verhältnismässig häufige Fehlen
der Datirung ^), Für solche Eegesten kann nur ein Coneept oder
eine Notiz in Aktform vorgelegen haben, da nicht anzunehmen ist,
dass der Kegistrator die in dem Original vorgefundene Datirung in
so vielen Fällen ausgelassen hat. Wenn bei Gegenbriefen das Datum
fehlt und wir ausserdem wisseu, dass auch solche häufig in der Kanzlei
selbst concipirt wurden, so wird das nicht anders als durch Buchung
nach einem Coneept erklärt werden dürfen. Unterfertigung und Datirung
erweist sich fast ausnahmslos als mit dem sachlichen Theil gleich-
zeitig und von derselben Hand eingetragen. Diese Thatsache spricht
an sich noch nicht für die eine oder die andere Art der Vorlage.
Etwas genauer lässt uns die trotzdem an zwei Stellen -) erfolgte
Naehtragung der Datirung und Kanzleiunterfertigung blicken. Bei
einigen anderen Stücken ^) ist nur die Unter Fertigung nachgetragen,
sichtlich dem Vermerk des Originals nachgezeichnet.
In diesem Zusammenhang verdient auch der verhältnismässig
häufig auftretende — meist von dem gewöhnlichen Registerschreiber
herrührende — Vermerk immutata est Erwähnung; iu der Regel sind
es Geldangelegenheiten, bei denen es sich um Aeuderung der Zahlen
handelte. So sind z. B. f. 125 bei einer Schuldverschreibung zwei
Correcturen in den Zahlen von derselben Hand vorgenommen worden:
Hiess die Stelle ursprünglich: siben tausent gülden, darunder zwey
tausent ungrischer gülden, so wurden nachträglich die Zahlen je um
eine Einheit erhöht *). Kamen solche Aenderungen immerhin auch in
den Originalen vor, so spricht ihre verhältnissmässige Häufigkeit für
Coucepte als Vorlagen der betreffenden Stücke. Im Unklaren lassen
uns Bemerkungen, wie non est subscripta (f. 188)^) item duplicatas
recepit literas (f. 104) ^) ; item [litera] consimilis N. N. (Empfänger-
name) f. 117 6) sub longiori titulo (f. 179'), in eadem forma directe
') Gänzlicher Mangel an Datirungsangaben ist an folg. Stellen zu be-
merken : f. 13 (bei drei Regesten in Aktform) f. 2-3 (bei einem Gegenbrief) f. 28'
(Gegenbrief) f. 47', 49', 61', 66, bei 4 Briefen f. 116—118 (jetzt gedruckt bei
Wretschko Marschallamt S. 254 — 258 als Nr. 37^40 vergl. Wretschko ebenda
Anm. 154) f. 120', 132 (Gegenbrief).
2) Soviel ich sehe nur f. 53 (von derselben Hand) und 161 (geschrieben von
Hand 3, die Nachtraguugen besorgt vom gewöhnlichen Schreiber).
s) Z. B. f. 118', f. 136, 160'.
*) Oder auf f. 190, wo 68 »wehrliche Gesellen* in 78 simmutiert« wurden
und auch das Datum einer Aenderung verfiel.
5) ünterfertigungen trugen eben Concepte wie Originale vgl. oben.
^) Auch diese beiden Arten von Notizen, die scheinbar eine Kenntnis der
ausgefertigten Originale voraussetzen, sind bereits auf Concepten nachweisbar.
Vgl. Seeliger 325/326.
g2 JohannLechnei'.
ut supra f. 198' anstatt der vollen Datirung. Dagegen scheint mir eine
Beifügung von zweiter Hand, wie addatur semper ungeverlich ^) eher
dafür zu sprechen, dass die mit „semper ungeverlich" ausgedrückte Ver-
wahrung vom Concipisten als zum ständigen Formular gehörig nicht
speciell verzeichnet, als dass sie von dem in der Regel sclavisch copi-
renden Eegisterschreiber aus seiner Vorlage weggelassen worden wäre.
Auch die doppelte Registrirung eines vollständig gleichlautenden
Briefes 2) deutet auf Registrirung nach Concept hin, auf welchen
eben die erfolgte Buchung nicht regelmässig vermerkt wurde ^). Eine
befriedigende Antwort gibt auf unsere Frage ein Gerichtsbrief des
herzoglich-landesfürstlichen Hofgerichts '*), der fünf Registerseiten um-
fasst, so zwar, dass die ersten vier von dem gewöhnlichen Schreiber,
die letzte von des sog. dritten Hand ^) herrühren. Das Regest davon
schliesst folgendermassen : So hab derselb von Tierstein in 0) unpillich
beladen und im sey der yetzgeraelt Schekh darumb nicht schuldig zu
antwurtten und sind das die vorgemelten 7) stukch und guter nach
ynnhaltung der laduug von erst. Damit bricht die Eintragung dieses
Briefes ab und unter Freilassung eines Raumes von drei Zeilen hat wieder
der erste Schreiber die Datirung hinzugefügt und am Rand bemerkt:
Meylinger adhuc habet pfeuda in una notuia. Dieser Sachverhalt
besagt: In der Vorlage waren die Lehengüter nicht genannt, aber
eine Aufzeichung (notuia) ^) über die hier zu erwähnenden stukch und
guter hat Meylinger, also wohl ein anderer Kanzleibeamter. Wir
können hier zwei verwandte Vorlagenarten deutlich erkennen: 1. ein
Concept, 2. ein Notizzettel, enthaltend die Namen der betreffenden
Güter. Auf eine solche Notiz in Aktform ist auch f. 119 Bezug ge-
nommen ^) in dem Regest eines Schuldbriefes für den Söldnerhaupt-
mann Sigmund Rotter, und um jeden Zweifel zu beheben, ist ein
derartiges Notizblättchen zur Registrirung von Schadlosbriefen für
Söldnerführer mit Angabe der Namen, der Anzahl der Pferde und des
Datums als f. 187 dem Codex beigebunden.
1) Bei einem nur in Aktform registrirten Scliadlo abrief f. 199'.
-) f. 136 u. 156', hier durchgestrichen, also ohne Absicht vorgenommen.
3) Immerhin wäre hier auch doppelte Art der Vorlage, das einemal Concept,
das zweitemal Original, möglich. Vgl. Seeliger 356.
*) f. 112'— 114'.
6) Vgl. oben S. 53.
*) Seinen Gerichtsgegner.
') Auch im Vorausgehenden nicht namentlich augeführt.
8) Notuia bezeichnet auch ein Concept überhaupt.
^) Sigmunden dem Roter unserm hauptmann zu Czwetl mit XXXI pferden
geraisiger gesellen etc. ut in notuia schuldig worden u. s. w.
Ein unbeachtetes Register König Friedrichs IV. (III.) 1440—1442. ßß
Weiters: f. 58 ist des maister Haunseu von Hamelburg pfarrer zu
Potenstain confirmacion über sein freihait seiner Kirchen d*^" 1441 VI 6 ^)
von dem regelmässigen Schreiber zu registriren begonnen, von der zweiten
augenscheinlich noch sehr ungeübten Hand fortgesetzt worden. Vor
der Inserirung der Vorurkunde lässt dieser zweite Schreiber uach den
Worten : und lautt der brieff von wort zu wort als hernach geschribeu
stet einen Raum von etwa 6 Zeilen frei und fährt dann erst mit dem
inserirten Brief fort: Wir Albrecht u. s. f. Ebenso geht er nach
Schluss dieser Verleihung vor, bevor er den Rest des Textes der von K.
Friedrich ertheilten Bestätigung folgen lässt: des haben wir etc. In
dem freien Räume wiederholt der die Abschrift revidirende erste
Schreiber sowohl nach geschriben stet die Worte Wir Albrecht, ut
infra mit einem Verweisungszeichen, um anzudeuten, dass nichts fehle,
wie auch an der zweiten Stelle: des haben wir etc. ut infra mit dem
gleichen Zeichen. Dieses rein äusserliche Moment dürfte zur Ver-
muthung berechtigen, dass dem Abschreiber ein die Vorurkunde nicht
wiederholendes Concept vorgelegen hat; seine üngeübtheit ermöglicht
es uns, ihm hinter den Vorhang zu blicken. Zum Schlüsse der sich
aus den Eintragungen selbst ergebenden Kriterien sei noch folgenden
Falles gedacht, der Registrirung nach Concept nahelegt: Bei einem
Mandat Friedrichs (f. 136) an die minnsmaister zu Wienn, das sy be-
sichten die wag und eilen d'^° 1441 II. 26 ist eine ganze Stelle -)
von gleicher Hand nachgetragen und zugleich auch nachgetragen die,
wie es scheint, dem Original nachgezeichnete Kanzleifertigung: com-
missio domini regis propria, Ist diese Beobachtung und deren Er-
klärung richtig, so entspricht dieser Vorgang ganz den Normen der
beiden Kanzleiordnungen Maximilians I, : Eintragung ins Register nach
Concept, nachträgliche Vergleichung der Buchung mit dem ausgefer-
tigten Original.
Der Vergleich der mir zu geböte stehenden Originale mit den
Registereintragungen hat ergeben, dass diese als zuverlässig zu be-
zeichnen sind, dass aber Vollständigkeit nicht erzielt und auch nicht
angestrebt worden ist. Registrirt wurde eben das, was für den Landes-
fürsten selbst von speciellem Wert war, sowie jene Briefe, deren
Aufnahme die Parteien sich angelegen sein Hessen ^). Für die Vor-
lagenfrage beschränke ich mich hier auf die Mittheilung einer die
1) So nach der Angabe : ut supra.
2) Und welicher damit unrecht erfunden wirt, das derselb gepusset werd
als das vormalen auch beschehen ist.
8) In erster Linie durch Zahlung der Taxen.
g4 Johann Lectner.
Buchung nach Concept schlagend erweisenden Beobachtung. Ein
Schuldbrief K. Friedrichs für den Bischof von Passau d^o 1441 VII 19 ^\
in seinem vollen Wortlaut nur mit Kürzung des EingangsprotokoUes
und der Datirungsformel registrirt, trägt von gleicher Hand und Tinte
den gleichzeitig eingetragenen Unterfertiguugsvermerk : ad mandatum
domini regis Conradus praepositus Wiennensis cancellarius. Das Ori-
ginal dazu befindet sich im Wiener Staatsarchiv, trägt aber auffallender-
v^^eise keine ünterfertigung ; aus einem unserer Einsicht entrückten
Grunde -) war es unterlassen worden, die bereits ins Concept ein-
getragene Kanzleifertigung auch am Original anzubringen. Das Ori-
ginal trägt keinen Registratursvermerk. Bemerkenswert ist auch,
dass der Schuldbrief als cassirt zwei schräge Einschnitte trägt und
so ins Staatsarchiv kam, dass aber das Regest nicht gestrichen ist.
Wir können daher für unseren kurzen Zeitraum das Ergebnis dahin
formuliren, dass in der Regel Coucepte, zuweilen einfache Notizblätter,
in Ausnahmsfällen Originale als Vorlagen für die Regesten dienten.
Man wird sich vor Augen halten müssen, dass es sich nicht nur dort
so verhält, wo es uns noch zu beurtheilen möglich ist, sondern in
zahlreichen andern Fällen, deren Controle uns benommen ist. Als
Zeitpunkt der Eintragungen ergibt sich aus dem Gesagten der Zustand
der noch unvollendeten Beurkundung. Unser Resultat fügt sich voll-
kommen in die von Seeliger nachgewiesene sonstige Uebung am
deutschen Königshofe vor 1493 ein, es stimmt auch mit dem beleh-
renden Bilde, das uns die beiden von demselben Forscher gedruckten
Kanzleiorduungen Maximilians I. von 1494 ^) und 1498 ^) vom Re-
gistrirungsvorgaug darzubieten in der Lage sind; naturgemäss haben
wir in ihnen vorwiegend den in Gesetzesform gebrachten Niederschlag
des bereits seit Jahrzehnten gebräuchlichen Geschäftsbetriebes &) zu
erkennen. Es verdient hervorgehoben zu werden, dass der Registraturs-
vermerk auf den Originalen keineswegs das Original als Vorlage be-
dingt, dass derselbe vielmehr nur besagen will, das Stück sei über-
haupt ins Register eingeschrieben worden ^).
') f. 51—53.
-) Wahrscheinlich einfach aus Versehen.
3) Archiv. Zeitschr. 13, 3.
*) Seeliger Erzkanzler 200, 202 — 205 als Theil der Hofordnung.
^) Vgl. Seeliger 314.
8) Vgl. Kanzleiordnung v. 1498, Seeliger Erzkanzler 203. Selbst Originale
mit dem Zeichen vorgenommener Registrimng sucht man vergeblich in den
Büchern, vgl. Seeliger 358^.
Ein unbeachtetes Register König Friedriclis IV. (HI.) 1440 — 1442. 65
Werden demnach für die überwiegende Mehrzahl der Stücke
Concepte als Vorlagen gedient haben, so wirkt dagegen einigermassen
beruhigend die Erkenntnis, dass man zum Theil wenigstens eine
Kevision nach den Originalen angestrebt hat und dass uns auch An-
zeichen gegeben werden, die auf ein Unterrichtetsein des Eegistrators
von dem späteren Schicksal der gebuchten Urkunden vor und nach
der Aushändigung schliessen lassen i).
Bei drei Eintragungen sieht man am Rande ein 3 (= con), das
wohl als Collationsvermerk mit dem Original aufzufassen ist und umso
bezeichnender erscheint, als zwei von den drei Stücken könisfliche
Schuldbriefe betreffen; namentlich in fiscalischeu Angelegenkeiten hatte
die Kanzlei dafür zu sorgen, dass die Zahlen und anderen Modalitäten
mit denen des auszugebeuden Originals übereinstimmten. Gerade bei
dieser und ähnlichen Urkundenarten trafen wir auch nicht selten die
Notiz immutata, welche gleichfalls in diesen Zusammenhang gehört.
Kenntnis von dem Geschicke bereits ausgehändigter Briefe ver-
rathen von anderer Hand oder wenigstens Tinte nachgetragene Ver-
merke wie: expeditus est omnino, expeditus est bei landesherrlichen
Schuld- und Schadlosbriefen, stets verbunden mit Streichung der Re-
gisterein tragung; damit wird gesagt, dass der Empfänger befriedigt,
die Urkunde durch Tilgung der Schuld oder Ersetzung des etwaigen
Schadens gegenstandslos geworden sei. Dies hatte die Einlösung des
Briefes zur Folge. Von den elf (f. 118' — 122) registrirten Schuld-
briefen an Söldnerhauptleute wegen rückständiger Soldzahlungen haben
zehn den Vermerk expeditus est, einer blieb ungetilgt und vermerklos.
Zwei Stadien in der Geschichte eines Schadlosbriefes (f. 184')
lassen folgende Randbemerkungen im Register erkennen: non est
deprecata neque litera est presentata adhuc (nicht vom Schreiber der
Eintragung stammend); dieselbe zweite Hand tilgte diese Notiz und
ersetzte sie mit etwas dunklerer Tinte durch : expeditus est, gleichzeitig
auch das Stück durchstreichend.
Besagt die erste Bemeikung, um Schadenersatz sei nicht gebeten,
aber auch der Schadlosbrief nicht rückgestellt worden, so erfahren wir
j aus der zweiten, dass inzwischen der Empfänger befriedigt worden ist ;
infolge dessen und zum Zeichen dafür verfällt das Regest der Tilgung
{ aus dem Register.
Ausgerüstet mit der Erkenntnis, dass Concepte die regelmässige
Grundlage für die Eintragungen bildeten, wollen wir auf die Dati-
1) Die Kenntnisnahme von Aenderungen der Urkunden nach ihrer Buchung
sowie die Richtigstellung derselben im Register wird in der Ordnung von 1498
Art. in 9 ausdrücklich vom Registratur verlangt.
Mittheilungen XX. 5
6g J 0 h a n n L e c li n e r.
rungsfolge der Urkunden von f. 9 — 58 zurückkommen. Verwirrung
und doch wieder Ordnung in der Unordnung zeigt sich dem Beobachter.
Einen Hauptgrund für die chronologische Unordnung, der zumeist das
verspätete Auftreten einzelner Briefe erklären wird, bildet bekanntlich
die zeitliche Verschiedenheit von Expedition und Datum i) ; die Keiheu-
folge des Datums, in dem wir den Zeitpunkt der königlichen Ge-
währung oder des Beurkundungsbefehls zu sehen haben, musste durch
die ungleiche Behandlung der einzelnen Geschäfte in der Kanzlei ge-
stört werden, was dann auch ein zeitlich verschiedenes Anlangen der
Concepte in der Eegistratur zur Folge hatte. Auch Neuausfertigungen
und Kückdatirungeu stellten als Ausnahmsfälle ihren Theil bei. Wenden
wir diese Erklärungsgründe auf unsere Datirungstabelle an, so wird
sich die Aufeinanderfolge der ersten elf Kegesten durch Annahme ver-
schiedenartiger Expedition leicht erklären lassen. Die ganze Reihe der
folgenden Datirungen unserer Uebersicht — nur drei unmittelbar auf-
einanderfolgende vom Januar 1442 mit dem gemeinsamen Ausstellungs-
ort Renn au-geuommen — charakterisirt sich durch aulfallendes Rück-
schreiten als Nachtrag. Wenn wir auf eine Urkunde d'^" Augsburg
1442 IV. 23 unmittelbar 14 Regesten aus dem November und De-
ceniber des vorhergehenden Jahres, alle zu Graz ausgestellt, folgen
sehen, dann gleich au diese anschliessend fünf Regesten vom De-
cember 1441 aus Brück und wenn sich endlich nach einer Unter-
brechung durch sechs Urkunden stark differirenden Datums 9 Briefe
sogar vom Juli 1441 anreihen, so wird man das Zusammentreffen
dieser offenbaren Nachträge, welche die verschiedenartigsten Verbrie-
fungen für verschiedene Empfänger enthalten, kaum auf andere Weise
annehmbar erklären können als durch die Vermuthung, dass die Con-
cepte zwar in ziemlich guter chronologischer Folge in die Registratur
gekommen, dort aber aus irgend einem Grunde ungebucht liegen ge-
blieben waren : also stossweise Registrirung ''^). Sicherlich ist das ein
Ausnahmsfall ^), aber er mag auch sonst vorgekommen sein, wo wir
ihn nicht mehr so gut controliren können. Auf solchen Buchungs-
vorgang dürften auch hindeuten Aufschriften wie: Actum iu Grecz
anno XLI« oder Hie sind vermercket der solduer sold enhalb Tuuaw
und die geltschuldbrief in auch darumb gegeben, die einer ganzen
Reihe von Regesten nicht gleichen Datums vorangestellt sind.
') Vgl. Seeliger 341.
2) Vgl. Chmel Reg. Rep. Eiul. VII und Th. Linder, das ürkundenwesen
Karls IV. und seiner Nachfolger (1346— 1437) 162, 167; dagegen Seeliger 3433.
3) Vgl. Kanzleiordnung v. 1498. Art. III 9: Item der registrator sol auch
solicli copejen . . . von stund an registriren in das puech.
Ein unbeachtetes Register König Frieclrichs IV. (III.) 1440 — 1442. 67
Hoife ich mit vorstehender Untersuchung der historischen Ver-
wertung des Registers vorgearbeitet zu haben, so sei mit den unten
mitgetheilten urkundlichen Aufzeichnungen ein kleiner Beitrag zur
Erhellung der Dienstverhältnisse am landesfürstlichen Hofe K. Friedrichs
gegeben. Es sind drei Notizen über Eide, die uns nur in dieser Form
bekannt sind, da der gesprochene Eid überhaupt nicht immer Ur-
kundeugestalt angenommen hat.
I. enthält die Formel des von Meister Hanns von Meirs absfelearten
Eides, als er von dem zur Krönung ins Reich ziehenden König
Friedrich zum Verweser der österreichischen Kanzlei bestellt ward.
Der Eid des Verwesers ist unmittelbar im Anschlüsse an die Notiz über
das von den 12 ständischen Anwälten geleistete Jurament^) eingetragen.
Die beiden Notizen folgen im Register auf die den Anwälten aus-
gestellte Vollmachtsurkunde Friedrichs d^^ 1441 VII. 16 %
I.
Eid des Kanzleiverwesers für das Land Oesterreich Hanns von
Meirs, Pfarrers zu Gars.
[Wien 1441 Jidi 17]%
Cod. 14109 der Wiener Hofbibliothek f. 41'.
Item maister Hanns von Meirs gelubde *). Daz ich mit dem insigel ^)
und mit den registern, die mir von meines gnedigen herren kunig Fridrichs
wegen geantwurt werden, all Sachen nach rat der an weit auf die ver-
schreibung den vier partyen gegeben, zu nucz und frumen desselben meins
gnedigen herrn kunig Fridrichs und des lannds Osterreich underhalb und
ob der Enns handel und darczu auch das 6) trewest raten und rates ge-
haim versweigen wil trewlich und angeverde.
II.
Formel des dem ösferr. Kammermeister Hanns üngnad auferlegten
Eides.
[1441 Äug.—Sept.J ').
Ebenda f. 192.
Item des kamermeisters Hannsen Ungnaden ayde.
Ir werdet unserm gnedigisten herren dem romischen kunig von erst
globen und darnach swei'n, daz ir das kamermaisterampt in allen Sachen
1) Gedruckt bei KoUar, Analecta II 979 — • wie es scheint — aus einer
Abschrift aus dem Original (ex publ. actorum commeiitariis civ. Vind.) ; dem
Original (H. H. 8t. Arch. in Wien) hängt die Eidesformel nicht mehr bei vgl.
Chmel Reg. Frid. n« 315.
2) Facs. Kaiserurkunden in Abbildungen XL 7.
8) Anno domini etc. quadragesimo primo an sant Alexientag legten die
Anwälte nach Ausweis des Registers (f. 41') ihren Eid ab; am selben Tage wird
auch der Kanzleiverweser vereidigt worden sein.
4) Vgl. Kollar Anal. IL 980.
*) Es war ein neues landesfürstliches Siegel angefertigt worden.
®) Folgt auf d. Zeile trewlich, aber gestrichen.
') Die vorhergehende Urkunde trägt das Datum des 29. August, die nach-
gg Jo han n Lechner.
nach notdürfften getrulicli verweset und ausrichtet als darzu gehöret ; des-
selben unsers gnedigisten herren hie gegenwurtigen frumen trachtet und
schaden wendet, die ansleg seiner rennt und nücz zu rechter zyt tut und
schaffet ze tun und sein rennt nucz gulte und zynnse auch na rechter
zeit zu seinen handen inbringet und schaffet inzebringen ; in den gehrechen
der empter und amptleute wenndung tut und underkomet nach ewrm
pestem vex'steen; und von ewrm innemen und ausgeben des vorgenannten
kamermaisterampts raittung tut, wenn die an ew ervordert wirdet als
ander kamermaister vorher getan habent und ze tun pflichtig sind ge-
wesen alles getrewlich und an gewerde,
III.
Formel des dem Kammerschreiber Bernhard Fuxperger auferlegten
Eides.
[IUI Aug.—Sept.J.
Ebenda f. 192/192'.
Item des kamerschreibers Wernharts Fuxpergers eyde.
Ir werdet unserm gnedigen herren dem romischen kunig von erst
geloben und darnach sweren, daz ir das camerschreiberampt in allen Sachen
nach notdürfften trewlich verweset und ausrichttet, als darzu gehöret,
alles innemen ausgeben und raittung gegen dem camermeister aygentlich
verschribet und was ir von rennten nüczen gulten und zynnsen einbringet,
des ir fleissig sein sollet, dem camermaister zu unsers herren des kunigs
hannden furbasser antwurttet, auch mit denselben rennten, nüczen, gulten
und zinnsen in unsers herren des kunigs und des camermaister gescheffte
weder durch ausgeben noch innemen nichts hanndelt noeht i) tut, sunder
demselben camermeister aller hanndelung innemens und ausgebens geti-ewes
anbringen tut, damit er die furbasser ze verrayten wisse, unsers egenannten
gnedigen herren des kunigs gehaim, wo die an ew gelangett, verswiget,
seinen frumen trachtet, seinen schaden wendet und in allen Sachen handelt
und tut, als ander camerschriber vorher getan habent und ze tun pflichtig
gewesen sind, alles getrulich und angeverde.
folgende des 4. September. Die Daten aufeinanderfolgender Eintragungen weichen
hier selten um mehr denn einen Monat von einander ab.
•) Vgl. Schmeller Wörterb. 1, 1715.
Den beiden Directionen der Wiener Hofbibliothek und des Haus-, Hof-
und Staatsarchivs sei für ihr liebenswürdiges Entgegenkommen besonderer Dank
Thomas Ebeudorfers „Liber pontiflcum".
Von
Arthur Levinson.
Thomas Ebendorfers , Papstbuch " ist eines der umfangreichsten
Werke dieses fruchtbaren Autors. Da nicht erwartet werden kann,
dass diese Arbeit, die originaler Angaben entbehrt, veröffentlicht
werden wird, sie jedoch andererseits auf seine Kenntnisse in der histo-
riographischen Kunst ein bedeutsames Licht wirft, so mag es nicht
unpassend erscheinen, auf deren Inhalt und die Quellen iu Kürze
einzugehen.
1. Die Handschrift des Papstbuches i).
•Von Ebendorfers Papstbuch gibt es, soviel wir bisher wissen,
überhaupt nur eine Handschrift, und zwar das Original in Wien.
Dieses ist nebst einer ßeihe anderer Schriften Ebeudorfers in dem
Codex 3423 der Wiener Hofbibliothek enthalten. Von einer Beschrei-
buug des Codex kaun hier abgesehen werden, da sie schon zu ver-
schiedenen Malen gemacht worden ist. Das Papstbuch, mit welchem
Werke auch der Codex beginnt, umfasst im Ganzen 134 Folien. Fol. 1 :
Tabula ortus et occasus summorum Romanorum pontificum et gesto-
rum secundum alphabetum; Fol. 1 — 3 alphabetisches Verzeichniss der
Päpste nach Capiteln, Fol. 3 — 15 Sachregister; Fol. 15 — 134 Geschichte
') E. selbst hat dem Werke an keiner Stelle einen besondern Titel gegeben,
dagegen hat er dasselbe in einer andern Schrift, dem »tractatus de scismatibus*
namentlich erwähnt. Am Schlüsse dieses tractatus nämlich heisst es zur Ge-
schichte des Papstes Calixtus 111. E. Fol. llfi »plura de hoc pontifice scripsi et
in annalibus Romanorum pontilicum calamo lacius depinxi*. — Der entsprechendste
Titel wäre wohl derjenige, welcher von späterer Hand sich aut dem Einband-
deckel des Codex befindet, nämlich: ^.liber pontificum«.
70 A r t h u r L e V i n s 0 n.
der Päpste. Der Codex zeigt uns auf Papier eine gothische Cursive.
Jeder Papstnameu ist nachträglich durch eine Initiale geschmückt;
ebenso ist öfters, wenn über eine besonders wichtige Person oder
Sache gehandelt werden soll, dies am Rande mit rother Tinte vermerkt.
Die Tinte wechselt oft. Auch zeigt die Schrift nicht immer den-
selben Charakter. Im Ganzen ist dieses Werk viel reiner gehalten,
besonders am Anfange, und nicht so durch Randbemerkuugen ver-
unstaltet, als wie z. B. die Kaisergeschichte. Aber dennoch legen
auch hier die zahlreichen Randbemerkungen und dem Texte selbst
gewaltsam eingefügte oder überschriebene Stellen ein genügend sicheres
Zeugnis davon ab, dass auch dieses Werk Ebeudoi-fers mehreren
Redactionen unterworfen war. Fügen wir noch hinzu, um dieses Bild
der vorgenommenen nachträglichen Veränderung zu vervollkommen,
dass au den meisten der erwähnten Stellen die Tinte eine andere ist,
Radirungeu vorgenommen und ganze Sätze durchgestrichen sind, was
als besonders auffällig bei Fol. 73 — 76 zu Tage tritt. Aber auch für
die Thatsache, dass Ebendorfer schon während der Abfassung Ver-
ändeningeii an seinem Werke vorgenommen habe, sprechen einige
Stellen, welche mit gleicher Tinte im Texte darübergeschrieben siod.
Wann die oder diese Redactionen an dem Werke vorgenommen sind,
darüber wage ich keine Vermutung auszusprechen.
II. Abfassungszeit des Papstbuches.
Während bei dem analogen Werke Ebendorfer's, der Kaiserchronik,
die Zeit der Abfassung neben der allen Schriften dieses Codex ge-
meinsamen Eingaugsformel : „Compleat inceptum virgo Maria meum",
gross und deutlich prangt, fehlt beim Papstbuche diese wichtige An-
gabe gänzlich. Aber bestimmt spricht er sich über die Zeit, in der
er das Werk begonnen hat, in der Einleitung mit folgenden Worten
aus: ,statui ortus et occasus suuimorum pontificum ipsorum gesta quae
ex variis cronicis et historiis et Damasi papae et aliis carpere potui
pro mea etiam informatione describere postquam et divorum impera-
torum ad vota invictissimi domini Friderici tercii imperatoris gesta
usque ad hec nostra tempora depiuxeram cronicam etiam incliti du-
catus Austriae kathalogum quoque suorum pontificum similiter usque
ad currentem annum 1458 pro viribus exaraveram nee non libellum
de scismatibus ecclesie ac duo passagia generalia continentem eisdem
brevi stilo depiuxissem ratus etc." Im Jahre 1458 also hat Ebendorfer
sein Papstbuch begonnen. Die ganze Partie bis zum Jahre 1457 hat
er in einem Zuge geschrieben; von da ab, bis zum Schlüsse des
Werkes, d. h. bis zum Jahre 1463 folgt eine tagebuchartige Fortsetzung.
Tho7nas Ebendorfers »Liber poutificum*. 71
IIT. Inhalt des Werkes.
Den Gedanken, eine Geschichte der Päpste zu schreiben, hat
Ebendorfer, wie er selbst in der Vorrede sagt, die tiefe Trauer ein-
gegeben, die ihn bei Betrachtung der trostlosen allgemeinen Weltlage
und der Zerfleischuug seines eigenen geliebten Vaterlandes durch
Bürgerkrieg erfüllte. Mit einigen ergreifenden Worten gibt er ein
Bild von jener sturmbewegten Zeit, von den äussern und Innern
Kriegen, durch welche die ohnmächtige Christenheit zerrissen wurde,
die vormals so mächtige Mutter Kirche durch den gewaltigen Ansturm
der Laienwelt in ihren Grundfesten erschüttert wurde, und von dem
tiefen sittlichen Verfall, der jegliches Alter und Geschlecht, wie eine
tötliche Seuche heimgesucht hatte. Ebendorfer wollte, indem er seinen
Blick auf die Vergangenheit lenkte, Trost gegenüber den Schrecken
der Gegenwart suchen und zugleich seinen Schmerz durch die Hiugabe
an eine seinen Geist in Anspruch nehmende Arbeit lindern. Nachdem
er dann im Folgenden den Zweck der Abfassung angegeben, spricht
er — noch immer in der Einleitung — um seiner Aufgabe näher zu
kommen, von dem Namen derjenigen, deren Geschichte er bringen
will, von dem Namen „papa". Es liegt diesem so zu sagen gelehrten
Exkurse ein Briefwechsel zwischen Hieronymus und dem Papste
Damasus zu Grunde ^), aus dem hervorgeht, welche Kirchenfürsten der
damaligen Zeit auf den Titel ^papa" Anspruch hatten. Nur der
„episcopus urbis Romae", wie Damasus selbst sich in einem Antwort-
schreiben an den Hieronymus nennt, wird von Letzterem „beatissimus
papa" und mit dem Beiworte „sanctitas tua" genannt, während z. B.
die Aebte diesen Titel niemals erhielten. Zu seiner Zeit, bemerkt
Ebendorfer, sei diese alte Selbstbenennung „episcopus urbis Romae"
aus den päpstlichen Erlässen verschwunden. Ohne dann weiters eine
Eintheilung seines Werkes nach Büchern, oder nach einer sonstigen
Methode zu geben — es findet sich davon auch wirklich in der ganzen
Arbeit keine Spur — setzt seine Erzählung gleich bei Christus ein)
dem ersten pontifex nach seiner Ansicht. Die Episode der ersten Papst-
Märtyrer schildert er natürlich als ächter Sohn seiner Zeit in breiter
Behaglichkeit. Getreu gibt er sämmtliche Legenden aus seinen Quellen
wieder, vergisst dabei aber auch nicht päpstliche Verordnungen auf
dem Gebiete des Dogmas zu erwähnen. Auf die Geschichte der Cäsa-
ren wirft er nur einen Streifblick, wo sie seinen Zwecken entspricht,
um die stattliche Reihe von Päpsten und Heiligen anzuführen, welche
unter ihrer Regierung den Märtyrertod erlitten. Neuen Erscheinungen
») Migne, Patrolog. Lat. 22, 375.
72 Arthur Levineon.
in oder auch ausserhalb des Schosses des Kirche widmet er seine
besondere Aufmerksamkeit, so besonders dem ersten Auftreten von
Haeretikern: ein Gegenstand, über welchen wir von unserm Autor
eine besondere, abgeschlossene Arbeit, den „Tractatus de scisraatibus",
besitzen. Ebenso versäumt er nie die Namen der Streiter für die
Sache des wahren Glaubens rühmend zu nennen, so den Hyrenaeus
und Apollonius, die Gegner der Kathaphrygeu. Der Festigung, welche
die Kirche unter Silvester und durch die tiefe Ergebenheit seines
grossen Zeitgenossen Constantin erfahren, gedenkt er in ausgiebigster
Weise. Nicht nur dass sämmtliche Güter und Ländereien der angeb-
liehen Constantinischen Schenkung aufgezählt werden, mit ermüdender
Genauigkeit führt er die ansehnliche Zahl von Kirchen auf, welche
Rom der freigebigen Hand dieses Kaisers zu verdanken hatte, ja er
gibt uns ein vollkommenes Bild von der innem Ausschmückung eines
jeden Gotteshauses. Gebühreud hebt er auch das Concil von Nicaea
hervor. Wie immer berichtet er getreulich die Fabeln, welche sich
an die grosse Erscheinung des ersten Leo geknüpft haben, wird aber
auch der organisatorischen und schriftstellerischen Thätigkeit dieses
Papstes gerecht.
Die Darstellung Ebendorfer's wird fesselnder zur Zeit, wo die
Kirche in fortwährende aktive Berührung mit dem Staate kommt,
zur Zeit des grossen Gothen Theoderich. Obgleich Ebendorfer auch
an dieser Stelle ziemlich getreu seine Quelle wiedergibt — für diese
Zeit den Liber poutificalis — finden sich doch persönliche Bemerkungen
genug, um daraus die Ansicht unseres Autors über den Kampf der
katholischen Kirche und ihres Bundesgenossen, des griechischen
Kaisers, gegen Theoderich entnehmen zu können. Vor Beginn
des Kampfes, so z. B. als vor Theoderich's Forum das Schisma
zwischen Simplicius und seinem Mitbewerber um die Tiara, zu Gunsten
des Ersteren entschieden wird, erkennt Ebendorfer diese glückliche
Entscheidung rühmend an. Dann aber, als der strenggläubige Justinus
von Byzanz den Papst Johannes gegen seinen eigentlichen Herren
Theoderich aufhetzt, sieht auch unser Autor in dem Gothenkönige
nichts Anderes als einen Ketzer und Tyrannen der Kirche und in
seinen Qualen nach dem Tode nur die wohlverdiente Strafe des Himmels.
Stets behält er seinen eigentlichen StoÖ", die Kirchengeschichte, im
Auge. So bietet ihm die berühmte Belagerung ßoms durch den Gothen
Witiges eine nicht unwillkommene Gelegenheit, einen Blick auf die
Leiden der ewigen Stadt zu werfen, denen sie auch in spätem Zeiten
unterworfen war. Bei der Darstellung von dem Zusammenbruche des
Gothenreiches schildert er uns auch das Intriguenspiel am Hofe von
Thomas Ebendorfers »Liber pontificum*. 73
Byzanz. Im Gegensatze zu Theodora, der Herrseherin im Gebiete der
Känke, erseheinen der Gothensieger Belisar, mit seinem geraden
Charakter, und dessen Nachfolger Narses, der nur der Missgunst und
der Sucht nach Herrschaftswechsel der Römer hätte weichen müssen,
unserem Autor als wahre Lichtgestalten.
In der folgenden Zeit der Langobardenherrscher und der grie-
chischen Exarchen hören die Klagen über die Unbilden, welche die
Kirche von diesen Gewalthabern zu erleiden hatte, nicht auf. Daneben
die wechselnden Bilder von den dogmatischen Streitigkeiten zwi-
schen dem Nachfolger Petri und dem Patriarchen von Constantinopel.
Unter Papst Agatho sind drei Ereignisse erwähnenswert: ,tria tau-
guntur circa hunc pontificem non praetereuuda" : einmal das grosse
Glaubensgespräch, welches auf Veranlassung der Kaiser Constantin
Heraclius und Tiberius Augustus zu Constantinopel abgehalten wurde
und durch welches zweitens eine zeitweise Einigung der griechischen
mit der römischen Mutterkirche erzielt wurde, ,inde et quo iure in-
troducta est prensio quae vocatur communia et minuta servitia- ist
nach ihm der dritte, einer Betrachtung würdige Punkt. Das Auftreten
der folgenden Päpste gegen die Bilderstürmerei der griechischen Kaiser
und ihr immer gespannteres Verhältnis zu den langobardischen Be-
drängern, halten unser vollstes Interesse wach. Sehr ausführlich nach
seiner Quelle, dem Papstbuche, bringt Ebendorfer sodann das neue,
weltbewegende Ereignis: die Anlehnung der Kirche an die junge Macht
der Franken. Von der Vorgeschichte bis zum Eingreifen Pipins gegen
die Langobarden, der darauf folgenden Reise Stephan's IT. nach
Gallien und der berühmten Schenkung des ersten fränkischen Patricius,
bis zu den Siegen des grossen Karl für die Kirche, lässt hier die
Darstellung nichts an Ausführlichkeit zu wünschen übrig.
Sarazenenkämpfe der Römer und die üblichen Kirchenbauten
nehmen das ganze Denken und Thun der nächsten Päpste ein. Noch
weniger Interesse bieten die folgenden Blätter der Kirchengeschichte,
da die Päpste, wie es an der betreffenden Stelle heisst: „parum vixe-
runt ideo sicut pauca gesserunt, ita de eis pauca recitantur-.
Die folgende Zeit, in welcher sich das Eingreifen der Ottouen
auf die tief entsittlichten Verhältnisse in der ewigen Stadt weitend
macht, gibt Ebendorfer Veranlassung in beredte Klagen über die un-
würdigen Päpste und hohen Würdenträger der Kirche auszubrechen.
Die Wundergeschichten seiner Quellen, in denen von den Qualen die
Rede ist, welche die sündigen Päpste nach ihrem Tode zu erleiden
hatten, finden sich häufig der Darstellung eingestreut. Mit Interesse
verfolgt er an der Hand seiner Quellen die Vorläufer der gewaltigen
"74. Arthur Levinson.
Zeit des Investiturstreites, Den Kaisern aus dem fränkischen Hause
sowohl, als auch ihren Schützlingen, den würdigen Päpsten, deren
Wiege auf deutscher Muttererde stand, lässt er volle Gerechtigkeit
widerfahren. Schon taucht die gewaltige Persönlichkeit Hildebrand's
auf, und diesen neuen Stern begleitet unser Autor mit grosser Liebe
auf seiner Ruhmeslaufbahn. Bereits unter Leo IX. weist er mit
richtigem Verständnis auf den heranwachsenden Titanen hin. In dem
gewaltigen Streite zwischen dem nunmehrigen Papste Gregor und
seinem Gegner Heinrich, hält sich jedoch Ebendorfer in der Schilderung
nur enge an seine Quelle, den Biographen Gregor's, Petrus Pisauus;
von einer Kritik findet sich keine Spur. Er steht ganz auf der Seite
des Papstes; in dem Kaiser sieht er nur den tyrannischen Gegner der
Mutter Kirche, gegen welchen ihr grosser Schirmer, nach dem Vorgange
des hl. Innocenz uudAmbrosius die furchtbaren Bannstrahlen schleudert.
Das Ausklingen des grossen Dramas, Gregors Ende in der Verbannung
zu Salerno, schildert er mit dürren Worten. Der neuen, unter ürban II.
beginnenden Epoche der Kreuzzüge, widmet Ebendorfer anfangs nur
wenige Worte, indem er den Leser auf sein besonderes Werk „Duo
passagia" verweist. Bei noch einem der Päpste dieser Partie, Paschalis,
beruft er sich auf sein anderes Werk, die Kaiserchronik. Während
er nämlich dessen Kämpfe mit Prätendenten und trotzigen Baronen
in allen ihren Einzelheiten schildert, thut er das um so viel wichtigere
Verhältnis dieses Papstes zu Heinrich V, ganz kurz ab. Nur die
angebliche Rede Heinrichs an die Römer vor seiner Krönung und des
Papstes Erwiderung, finden sich später ausführlich. In dem Getümmel
der Kreuzzüge musste die eigentliche Papstgeschichte erklärlicher Weise
mehr in den Hintergrund treten. Aber auch die Kreuzzüge selbst
werden nur sehr kurz erzählt, da er ihrer schon in den vorhin er-
■ wähnten „duo passagia" gedacht hat. Zwei Lieblingsfiguren wendet
Ebendorfer während dieser Zeit der ersten Kreuzzüge sein ganzes
Interesse zu, dem heil. Bernhard und dem Könige Richard Löwenherz,
Die Erscheinung des Ersteren gehört dem Gegenstande seiner Dar-
stellung insofern an, als des inuigen geistigen Verkehrs zwischen
Papst Eugen IIL und Bernhard gedacht wird. Richard begleitet er
auf seiner raschen, aber kurzen Ruhmeslaufbahn ; in der Schilderung
des Confiiktes zwischen ihm und den andern Fürsten, scheint an
einigen Stellen trotz der gewohnten Kritiklosigkeit, unseres Autors
Sympathie für den euglischen König zum Durchbruche zu gelangen.
Ein Ereignis von hervorragender ßedeutuug, die Erwerbung Unter-
Italiens durch Heinrich VI., erfährt mit Recht die vollste Beachtung,
da dasselbe den italienischen Boden, die Machtsphäre der Päpste an-
Thomas Ebendorfers »Liber pontificum*. 75
geht. Dagegen zeigt Ebendorfer kein Verständnis für den gewaltigen
Streit, welcher zwischen Staufern und Weifen entbrennt. Er bringt
nur das Hin und Wieder des Schlachtenglücks und die Betheiligung
des grossen Papstes Innocentius III, an dem leidenschaftlichen Partei-
getriebe. Die gewaltige Macht dieses Papstes über Könige und Völker,
illustrirt er durch die bedeutsamen Thatsachen : Das Interdict über
Prankreich und die Intervention in dem ehelichen Drama des fran-
zösischen Königs Philipp und seiner legitimen Gemahlin Ingeborg.
Beginn, Fortgang und das Auskliugen der grossen Staufer-Tragoedie,
vermögen nicht das Gleichmass seiner dürren Erzählung zu stören.
Nur für die Bedeutung des grossen Lyoner Conoils, des Wendepunktes
in dem Geschicke Friedrichs, zeigt er volles Verständnis, wie die be-
treffende Stelle zeigt : „propter quod non solum divisum est regnum
a sacerdotio, sed et sacerdotium intra se confunditur et regnum in
suis principibus perniculose dividitur". Von Innocenz Nachfolger,
Alexander IV., erwähnt er das wichtige Dekret, wonach die er wählten
Erzbischöfe bei Androhung der Suspension binnen sechs Monaten das
„munus consecrationis" empfangen mussten. Einen Fall des Wider-
standes gegen dieses Dekret sieht unser Autor in dem Vorgange
Philipps von Kärnthen, Erwählten von Salzburg, welcher sich dagegen
sträubte und nach längerer Verwüstung kirchlichen Gebietes vom
Herzoge von Oesterreich in Krems unschädlich gemacht worden sei (!).
Unter Papst Gregor X. findet die allgemeine Kircheuversammluug zu
Lyon, auf welcher unter Anderem die wichtige Bestimmung über die
Papstwahl getroffen wurde, eingehende Würdigung. Von verschiedenem
Kriegsgetümmel zu dieser Zeit spricht unter Autor, von der Wieder-
eroberung Constantinopels, von einem unglücklichen Kampfe der
Florentiner und Lukaner gegen Siena. Die weltbewegenden Er-
eignisse hingegen in Deutschland, das Aufkommen eines neuen Herr-
scherhauses, werden im Hinweise auf die Kaiserchrouik nur gestreift.
Bei der Geschichte der Nachfolger Gregors, findet sich tagebuchartig
kurz eingestreut zwischen Unglücksfällen und Wundergeburten, das
wichtigste Ereignis jener Zeit, der Schlachtentod Ottokars gegen
Kudolf.
Es beginnt bald für den Kirchenstaat eine Zeit der furchtbaren
Wirren. Und hier wird die Sprache unseres Autors wieder beredt,
man merkt, das Unglück der Kirche geht ihm nahe. Den Beginn
dieser unseligen Verhältnisse habe Nicolaus III. durch die Einsetzung
von Senatoren mit zweijähriger Amtsdauer verursacht. Die schlimmen
Früchte, welche den Römern aus dieser neuen Würde erwuchsen,
hätten sich sogleich nach dem Tode dieses Papstes gezeigt. Die neuen
Yg Arthur Le vi uso 11.
Würdenträger aus den Geschlechtern der Annibaldi und Orsini, ver-
übten alle nur möglichen Gräuel in Kom und Umgebung. Zur Zeit
des nächsten Papstes, Martin's IV. werden wir in die Kämpfe ein-
geführt, welche der päpstliche Johann von Epa gegen Guido von
Montefeltre zu liefern hatte. Dazwischen brach, durch ein Meer-
ungeheuer augekündigt, das Rachegericht über die Franzosen auf
Sicilien herein, die sicilianische Vesper. Peter v. Aragonien, den das
befreite Land sich an Stelle Carl's v. Anjou zum Könige gewählt,
wurde von Martin IV. in den Bann gethan und ihm sein Königreich
Aragonien abgesprochen. Aber diese That des Papstes, so sagt Eben-
dorfer, hat in Sicilien wenig gute Früchte gezeitigt : nur fortwährende
Kriegswirren sind daraus hervorgegangen, wie dies zu des Verfassers
Zeit das Leos des unglücklichen Königs Renatus, welcher von Ferdinand
V. Aragonien aus Sicilien vertrieben, am besten zeigt. Daran schliesst
Ebendorfer ein ansehnliches Capitel aus der Geschichte des Hauses
Anjou, wobei die Päpste Clemens V., Johannes XXII. und Benedict XII.
eine Rolle mitspielten. Er schildert uns die Besetzung des siciliani-
schen und des erledigten ungarischen Thrones durch Mitglieder des
Hauses Anjou, darauf den schändlichen Mord, durch den Johanna
ihren jungen Gemahl Andreas des sicilianischen Thrones und seines
Lebens beraubte, und die furchtbare Rache, welche Ludwig, der Bruder
des Ermordeten, an den Theilnehmern jener Schaudthat und dem
unglücklichen Lande Apulien nahm; schliesslich, wie Papst Bonifaz
dieser Schreckenszeit ein Ende bereitet habe, indem er Ludwig in
einem Briefe inständigst bat, um des einzigen Bruders willen nicht so
viel unschuldiges Blut zu vergiessen.
Zu Beginn der Päpste, welche mit Clemens V. den apostolischen
Stuhl nach Avignon verlegten, bemerkt Ebendorfer, dass mit diesem
■ Momente viel Schaden und Willkür in die Kirche drangen, von deren
Ueberhandnehmeu er später, auf den Verhandlungen des Basler Concils
hören rausste. Von Clemens V. selbst, berichtet er ohne Kritik dessen
Theilnahme an dem Processe gegen die Templer, mit dem Hinweise
auf seine Kaiserchronik. Auch den Streit Johanu's XXII. mit Ludwig
dem Baiern und die literarische Fehde mit Occam, Marsiglio und
Johann v. Jandun deutet er nur an, er schildert mehr deren Folgen:
Ludwigs verhängnisvolle Rorafahrt und die Aufstellung eines Gegen-
papstes, in Petrus de Corbaria. Die Zeit Clemens VI. musste seineu
Blick auf Deutschland richten, wo Schrecken und Verzweiflung herrsch-
ten durch das Auftreten des schwarzen Todes, das Erscheinen der
Geissler und grosse Erdbeben. Unter Urban V., dessen Bund mit
Carl IV. gegen Mailand und vergebliche Belagerung dieser Stadt;
Thomas Ebendorfers »Liber pontificum*. 77
dann wieder ein Ereignis, welches unsern Autor besonders interessiren
rausste : die Gründung der Wiener Universität und ihre Bestätigung
durch den Papst. Unter Urban VI. nahm das grosse Schisma seinen
Anfang. Ebendorfer entrollt hier ein düsteres Bild von dem Elende,
welches diese verhängnisvolle Spaltung über die christliche Welt ge-
bracht hat. Dazwischen wieder eine Nachricht über das Heranblühen
der jungen Wiener Hochschule: die Freigabe der theologischen Fakultät
durch diesen Papst unter dem regierenden Herzoge Albrecht III. Von
den beiden nächsten Päpsten Bonifaz IX. und Innocenz VII. weiss er
nur Schlimmes zu melden: Vertheilung der kirchlichen Gnaden und
Würden selbst an Räuber, harter Steuerdruck ihrer Unterthanen, deren
berechtigte Klagen durch die blutigen Gräuelthaten der übermüthigen
Nepoten der Päpste unterdrückt wurden.
Wir kommen endlich zur letzten Partie des Werkes, einer Zeit,
in welcher unser Autor schon gelebt und theilweise, wie an den
Concilsverhandlungen selbst thätigen Antheil genommen hat. Deshalb
liegt die Frage nahe, ob dieser Theil der Papstgeschichte von histo-
rischem Werthe ist, ob dadurch unsere Kenntnis der Geschichte ver-
mehrt wird. Diese Frage müssen wir verneinend beantworten. Die
Nachrichten, welche Ebendorfer uns hier bringt, geben Aufschlüsse
über sein eigenes Leben, über dasjenige der Päpste aus der Zeit des
grossen Schisma ; aber die Kunde hievon hat unser Autor schon in
seinen andern Werken niedergelegt, sodass sie nichts Neues bieten.
Thatsachen, welche die Verhandlungen auf den Concilien oder gegen
die Böhmen in neuem Lichte erscheinen lassen könnteo, finden sich
nicht. Historiographischer Wert ist dagegen sowohl diesem, als dem
frühern Theile des Werkes nicht abzusprechen: denn der Verfasser
begnügt sich nicht mit einer dürftigen Aufzählung der Ereignisse,
sondern macht den Versuch sie innerlich zu verknüpfen und die Zu-
sammenhänge unter einem bestimmten Gesichtspuncte darzulegen.
IV. Die Quellen der Papstchronik bis zum Jahre 1417^).
Beim Umfange seines Stoffes darf man wohl nicht annehmen,
dass Ebendorfer erst als er an die Abfassung des Werkes ging, die
1) Bei dem reichen Quellenmaterial und besonders bei dem innigen Connexe,
in welchem einige der Quellen zu einander stehen, kann ich selbstverständlich
nicht für die Richtigkeit aller meiner Untersuchungen auf diesem Gebiete ein-
stehen. Auch ist es mir trotz aller Bemühungen nicht gelungen, für einzelne
Mittheilungen, meist sagenhaften Charakters, in den Anfängen des Werkes und
sogar für ganze kürzere Partien aus dem letzten Theile, die entsprechenden
Vorlagen zu finden. Im üebrigen bin ich in der Lage gewesen, mit Ausnahme
78 ArthurLevinson.
Quellen gesammelt habe ; sondern er hat ans den Auszügen und Notizen
früherer Jahre das Material zusaramengetrag-en. Für diese Annahme
spricht auch die Bemerkung in der Einleitung: er habe beschlossen
das Leben und die Thaten der Päpste „quae ex variis cronicis et
historiis et Damasi papae et aliis carpere potui", zu beschreiben.
Auch sonst zeigen einige Wendungen, wenn er bei der Nachricht
einer seiner Quellen über ein grosses Schisma unter Papst Sisinnius
sagt: ,sed quäle usque non didici" oder „nihil me legisse memini",
dass er nur allmählich die einzelnen Steine zu dem Baue seines Werkes
zusammengetragen hat.
1. Martinas Polonus. (Martin v. Troppau).
Benutzung für die einzelnen Zeiten. Erste Zeit bis auf Felix III.
mit Hauptquelle. Von Felix III. bis Gregor I. und dessen Nachfolger,
nur zur Vervollständigung des Liber pontificalis. Von Bonifaz IV. bis
Leo V. mit Lib. Pontif. und Vincenz v. Beauvais abwechselnd. Haupt-
quelle wieder von Johann XIV. bis Johann XX. Von Innocenz III.
ab, Martin v. Troppau beinahe selbständig und für Ebendorfer be-
zeichnend, dass er auch diese Nachrichten von originalem Werte in
sein Werk ausgiebig aufgenommen hat.
Martins Chronik zieht sich durch fast alle Theile des Werkes bis
zum Jahre 1287, als benutzte Quelle hindurch. Meistens bildet sie
die Hauptquelle und Grundlage für die Darstellung unseres Autors
und wenn man, abgesehen davon, dass für einige grössere Perioden
andere Quellen als Ablösung eingetreten sind, bedenkt, dass es fast
keine Stelle gil)t, bei welcher nicht wenigstens diese oder jene kleine
Notiz aus diesem Autor entlehnt ist, so kann man geradezu den Martin
als Hauptquelle für eine so gewaltige Partie des Werkes betrachten.
Allerdings für die erste Zeit der Päpste, bis auf Sylvester I. ungefähr,
könnte die Behauptung, dass Martin v. Troppau für unseres Autors
Darstellung leitend gewesen sei, zum mindesten sehr gewagt erscheinen,
da wiederum bei der Nachforschung in den beiden Hauptquellen des
Martin v. Troppau für diese Epoche, dem Liber pontificalis und Vin-
cenz v. Beauvais, sich dieselben fast gleichlautenden Berichte vor-
finden. Aber dennoch wird sich jene Annahme nicht abweisen lassen.
Es sind eben doch Momente vorhanden, welche mich zu dem Glauben
hinneigen lassen, dass Ebendorfer für die vorhin erwähnte Zeit nicht
die einzelnen Quellen des Martin'schen Quellenbündels — denn zu den
dieser versprengten Quellen, für alle Nachrichten Ebendorfers ausser für eine,
welche der Zeit des Papstes Martin V. angehört, bis wohin der Quellennachweis
geführt ist, eine Vorlage zu finden.
Thomas Ebendorfers »Liber pontificum«. nq
beiden Hauptquellen kommt noch eine ganze Reihe untergeordneter —
sondern den Martin selbst direct für die Hauptdaten benutzt habe,
während des Letzteren Quellen nur zur Vervollkommnung seiner Dar-
stellung hinzugezogen seien. Die Chronik des Martin v. Troppau
bringt nämlich für diese Zeit nur Nachrichten aus dem Liber ponti-
ficalis, Excerpte aus dem sehr weitschweifigen Vincenz v. Beauvais
und kürzere Notizen aus anderen Autoren, wie Bonizo, Gilbert, Richard
und Gervasius. Geradezu ein Abbild vom Texte dieser Chronik ist
nun das Werk Ebendorfers: dieselben längern Berichte aus dem Lib.
pont., Excerpte aus dem allzu eingehenden Vincenz v. Beauvais und
meist anekdotenhafte Züge aus Bonizo und andern Autoren. Daraus
ergibt sich offenbar die Richtigkeit unserer Annahme, dass Martin
V. Troppau für diese Zeit, Hauptquelle unseres Autors gewesen ist. Allein
es ist noch ein prägnanterer Beweis vorhanden, welcher uns bei der
oft sehr schwierigen Entscheidung, ob Ebendorfer bei seiner fast wört-
lichen Entlehnung den Martin v. Troppau oder dessen gleichlautende
Quellen benutzt hat, fördert. Martin v. Troppau bringt nämlich aus-
führlichere Nachrichten von originalem Werte sehr selten, und durch
dieses Fehlen des besten Charakteristikums für die eigene Autorschaft
geräth man bei Ebendorfer ins Gedränge. Dagegen finden sich ein-
zelne Ausdrücke'oder kurze, eingeschobene Sätze, in denen sich Martin von
seinen Quellen selbständig und frei gemacht hat. Gerade diese Stellen
nun, weiche Ebendorfer zahlreich genug in seine Arbeit übernommen
hat, könnten durch die wörtliche Uebernahme beweiskräftig dafür sein,
dass unser Autor direct den Martin v. Troppau benutzt habe. So
Ebendorfer 22 -= Gervasius 2, 17 M. G. S. S. XXII, 412. Bei einer
andern Stelle ist es nur ein Wort, welches Ebendorfer, der bis dahin
einer Quelle (Liber pontificalis) gefolgt ist, plötzlich aus einer andern
Quelle (Bonizo) hinzufügt, und dieses ist ausschlaggebend : Ebendorfer
Fol. 23. Martin v. Troppau (M. G. S. S. XXII, 412). Anastasius
ap. Muratori III, 2, 97. Auch die beiden Fortsetzungen des Martin
V. Troppau, hat Ebendorfer gekannt und einge ehen. Die erste Con-
tinuatio stark benutzt, ohne dass dieselbe Hauptquelle. Die Zweite
hingegen, von Nicolaus III. bis Honorius IV. reichend, bis zum Ende
einfach abgeschrieben; ja in dieser Zeit überhaupt keine andere Quelle.
— Die Benutzung der Quelle ist dabei stets eine fast wörtliche. Selbst
in denjenigen Theilen, wo Martin v. Troppau selbständig ist, und in
den Fortsetzungen desselben, hält sich Ebendorfer noch strenger an
den Wortlaut seiner Vorlage: so z. B, Ebendorfer Fol. 101 = M. G.
S. S. XXII, 441. Nur hier und da erlaubt er sich Veränderungen,
Umstellungen der Worte oder Kürzungen aus der ausführlichen Dar-
gQ Arthur L e v i n s o n.
Stellung des M. v. T,: so E. 37 M. G. S. S. XXII, 418. Auch in dem
Theile, wo M. v. T. bereits selbständig ist, Stellen, an denen Eben-
dorfer sich beinahe noch mehr Kürzungen und Veränderungen erlaubt
hat: E. 100. M. G. S. S. XXII, 440. Noch viel seltener Stellen,
welche inhaltlich mit M. v. T. übereinstimmen, aber dem Wortlaute
nach ganz von ihm abweichen. Eigenthümlich für unsern Autor ist
es und gewährt einen trefflichen Einblick in seine Arbeitsmethode,
dass er Nachrichten, welche er als ein abgeschlossenes Ganzes aus
Martiu v. Troppau herübergenommen hat, erst durch in der Mitte
eingestreute Nachrichten aus andern Quellen zerreisst, um dann am
Schlüsse die begonnene Erzählung wieder aufzunehmen. So E. Fol. 19-
Zuerst ein Stück aus Martin, „hie in exilium ... in maris . . . vidui
quievit". (SS. XXII, 410). Dann aus Liber pontificalis „martirio coro-
natus . . . anno VIII kal. Dec, Fortsetzung aus Martin: „Sed post
multorum anuoruni . . . honorifice tumulatur". Aehnlich in anderen
Fällen.
Auf Eberdorfer's Auffassung hat Martins Chronik mächtig ein-
gewirkt und da er dessen Nachrichten, historischen oder sagenhaften
Charakters ohne Kritik aufgenommen, so hat der historische Wert seines
Werkes darunter gelitten. So bringt Ebendorfer Fol. 76 nach Martin
(M. G. S. S. XXII. 431) die historisch falsche Nachricht: „hie papa
(Leo VIII.) propter malitiam Romanorum . . .; obgleich Vincenz
V. Beauvais, die gemeinsame Quelle Beider, ganz richtig sagt: „Ro-
mani vero contra iurameutum ...'". Zuweilen, wenn er besonders
auffallende Nachrichten aus Martiu v. Troppau bringt, welche er bei
keinem andern Autor hat finden können, äussert er einen Zweifel, so :
Ebendorfer 55 nach M. G. S. S. 425 vom Papste Johann V. „hie
dicitur martirio coronatus . . ." ; setzt aber gleich hinzu „sed non
reperio", oder etwas später vom Sisinnius: „huius temporibus . . .
l'uisse scisma grande" ; und er bemerkt dazu «sed quäle usque non
didici*. Auch die zweite Abtheilung von Martins Chronik, die Kaiser-
geschicbte, ist von Ebendorfer herangezogen. Auch hier ist er ihm
fast bis aufs Wort gefolgt. Doch bringt er Nachrichten, welche nicht
in den Rahmen seines Werkes hineinpassen. Die erste Notiz aus den
„imperatores" bei Ebendorfer 26 = M. G. S. S. XXII, 449. „Quidam
dicunt . . . und gleich darauf „quia post casum . . . laudabiliter
rempublicam gessit". Häufiger finden sich die „imperatores"
erst an Stellen benutzt, wo M. v. T. selbständig wird. So Ebendorfer
100 = S. S. XXII, 471 und E. 101 = ib. 473. Namentlich erwähnt
hat Ebendorfer diese Quelle im Ganzen vier Mal. Zahlreicher sind
die Stellen, wo er Martin v. Troppau im Auge hat, ohne ihn zu nennen ;
Thomas Ebendorfers ,Liber pontificum*. g|
SO E. 77 „ibidem quaedam Cronicae post hunc (Gregor V.) ponunt
Johanu XVII. ; oder bei den Varianten in den Angaben der Regierungs-
dauer der Päpste, wo er sehr häufig ganz allgemein sagt „secundum
alios", aber die betreffenden Daten auö Martin v. Troppau geschöpft hat.
2. Vineentius v. Beauvais.
Das „Speculum historiale" dieses bekannten, fruchtbaren Compi-
lators des Mittelalters hat Ebendorfer in ausgiebiger Weise benutzt.
Der Umstand aber, dass Vincenz sehr selten Nachrichten von origi-
nalem Werte aufzuweisen hat und andererseits an dem Wortlaute
seiner Quellen fast nie etwas ändert, macht den Quellennachweis für
Ebendorfer schwierig. Als besonders erschwerend muss hervorgehoben
werden, dass V. den Liber pontificalis mit seinen verschiedenen Bear-
beitern in sich birgt. Schon die Unmöglichkeit, dass unser Autor in
den engen Eahmen seiner Papstgeschichte die ganze, umfangreiche
Darstellung des weitschweifigen Dominikaners aufnehmen konnte,
brachte es mit sich, dass er sich auf dürftige Excerpte Ijeschränkte.
Solche Excerpte finden sich bei der grossen Beliebtheit dieses Autors
bei vielen Historikern des spätem Mittelalters und es ergibt sich nun
die Frage, durch wen Ebendorfer diesen Chronisten kennen gelernt
hat. Verschiedene prägnante Erscheinungen weiten darauf hin, dass
es nur der früher behandelte Martin v. Troppau sein kann. Es finden
sich nämlich im Contexte Ebendorfers ausser der Basis aus Vincenz
V. Beauvais noch einzelne Ausdrücke und ganze Sätze aus Martin
V. Troppau. So Ebendorfer 24 = M. G. S. S. XXII, 413 = Vincenz
V. Beauvais XI, 25 „hie Urbanus . . . a fidelibus clam revocatus" ;
dann aber nur Ebendorfer =^ M. G. S. S. „dum baptisationi . . . capite
truncatur". Dazu kommt, dass Ebendorfer Nachrichten aus Martin
V. Troppau bringt, welche Letzterer stückweise aus Vincenz v. Beauvais
herausgerissen hat und die eine völlige Nichtbeachtung der Zählung
nach Capiteln, ja sogar nach Büchern, wie solche sich in Vincenz
Werke findet, erkennen lassen. Es wäre danach sehr merkwürdig,
wenn Ebendorfer immer nur diejenigen ausführlichen oder kürzeren
Partien aus Vincenz v. Beauvais herübergenommen hätte, welche sich
bei Martin v. Troppau finden. Noch schlagender dafür, dass Eben-
dorfer oft aus Martin v. Troppau und nicht direct aus Vicenz
v. Beauvais schöpft, ist eine Stelle, wo Beide — Ebendorfer und
Martin von Troppau — fast wörtlich über das Concil von Ephesus
berichten. Der Concilsbeschluss aber: „ut beata Maria Theotocos id
est mater dei appelletur" (Ebendorfer 36 =^ M. G. S. S. 418), welchen
Ebendorfer und Martin v. Troppau schon an dieser Stelle anführen,
Mittheilungen XX. 6
g2 ArthurLevinson. '
birgt eine chronologische Differenz mit ihrer gleichlautenden Quelle,
dem V. V. B., welcher diese Notiz erst für das spätere Concil von
Chalcedon zu melden weiss (V. v. ß. XX, 3 und V. v. B. XX, 35).
Nach dem Vorausgeschickten könnte man annehmen, dass Ebendorfer
den V. V. B. selbst sehr wenig eingesehen habe. Doch schon für die
erste Zeit finden sich einige Stellen, welche direct aus V. v. B. stammen
und von Innocenz IL an, besonders aber für die Kreuzzüge, wo
V. V. B. selbständig, ist diese Quelle hervorragend. Auch ihm ist
unser Autor fast immer l)is aufs Wort gefolgt. Seine Veränderungen
sind nur Excerpte des V. v. B., so E. 91 = V. v. B, XXVII, 7
„quibus temporibus . , . Praemonstratenses". Ebenso E. 74 = V v. B.
XXIV, 58; E. 92 = V. v. B. XXVII, 83. Grössere Veränderungen,
bei E. 93. „Venit ergo Senonis . . , Thomas surgere raandatus est^
V. V. B. XXIX, 14. „Venit . . . iubente Papa surrexit". Charakte-
ristisch ist, dass Ebendorfer auch bei der Benutzuug des V. v. B.
selbst, wie schon vorher bei den Excerpten aus Martin v. Troppau
erwähnt wurde, so zu sagen sprungweise vorgeht. So bringt er die
"Nachricht über deu Fall Edessas und die Predigt des heil. Bernhard
zu Speier nach V. v. ß. XXVII, 83; um dann der berühmten Zeit-
genossen des Papstes Lucius IL, des Petrus Lombardus und Petrus
Comestor, nach V. v. B. XXIX, 1 zu gedenken; dann kehrt er mit
der Geschichte Eugens III. wieder zu V. v. ß XXVII, 83 zurück. —
Nachrichten, welche aus dieser Quelle stammen, sind für die erste Zeit
meist sagenhaften Charakters. Für die späteie Zeit der Kreuzzüge
sodann, folgt Ebendorfer, wie schon vorhin erwähnt, der anziehenden
Schilderung des Vincenz v. Beauvais, indem er mit richtigem Ver-
ständnis das für seine Zwecke Brauchbare herausgeschöpft hat. Den
Autor selbst, hat Ebendorfor nur einmal namentlich erwähnt: E. 78:
,Post hunc (Johannes XIV.) ut testatur Vincentius . . .; sein Werk
bei der Geschichte des Papstes Sergius, nach V. v. ß. XXIV, 58, wo
es heisst E. 74: „ut in specialo libro XXIV narratur". Einige Male
hat er diese Quelle mit dem unbestimmten „secundum aliquos" gemeint,
so bei Eugen III. (E. 92). Hier sei noch erwähnt, dass sich in ge-
wissen Partien des Werkes Autoreu citirt finden, welche gleichzeitig
sehr ergiebige Quellen für V. v. B. waren, nämlich Sigbert v. Gembloux
und Helinand. Da nun bekanntlich V. v. B. fast nie etwas au dem
Wortlaute seiner Quellen ändert, so ständen wir vor der Frage, ob E.
diese beiden Autoren gekannt, oder die Kenntnis derselben nur dem
V. V. B. zu verdanken habe. Der Umstand aber, dass sich nur Stellen
aus Sigbert und Helinand finden, welche auch im V. v. B. enthalten
sind, scheint die Sache spruchreif zu machen. Bezeichnend für die
Thomas Ebendorfers »Liber pontificum*. g3
Art der Benützung durch Ebendorfer sind endlich besonders zwei
Stelleu, Ebeudorfer ueunt einmal, wie es V. v. B. immer thut, die
Kreuzfahrer kurzweg „nostri" . E. 94 ^^ V. v. B. XXIX, 43 — ein
oflfeubarer Anachronismus, welcher besouders, da er nur einmal zu
constatireu ist, sich nur durch die allzu eifrige Benutzung der unmit-
telbaren Vorlage erklären lässt. Ferner findet sich die persönliche
Bemerkung des V. v. B., bei den Weissagungen des Abtes Joachim,
V. V. B. XXIX, 40: „super his autem . . . nos . . . iudicio postero-
rum", mit einem kleinen Zusätze getreulich bei E. wieder.
3. Der Liber poutificalis, in seinen verschiedenen
Bearbeitungen,
a) Anastasius Bibliothecarius. (Von den Anfängen der
Papstgeschichte bis auf Stephan VI. 885). Stark benutzt und für
grössere Partien, Hauptqiielle. Für die früheste Zeit, bis auf Silvester
etwa, nur sekundäre Quelle, da Ebendorfer hier, wie wir schon ge-
sehen, die reichen Excerpte bei Martiu uud Viucenz schon vorfand.
Anastasius Bibliothecarius dient nur zur Vervollständigung uud durch-
gehends aus ihm sind nur die „ordinationes" der Päpste entnommen,
denn Aufzeichnungen darüber finden sich niemals, weder bei M. v. T.,
noch bei V. v. B. Eine directe Benutzung dieser Quelle durch Eben-
dorfer ist am leichtesten an solchen Stellen nachzuweisen, wo unser
Autor sich nicht mit den nackten Thatsachen in den Excerpten be-
gnügte, sondern auf die ausführlichere Darstellung des Originale
zurückgrilf. Andrerseits maclit die Herübernahme einzelner Wörter
an den betreffenden Stellen zur Gewissheit, dass E. beide Quellen
eingesehen haben muss; so einmal den Anastasius Bibliothecarius oder
auch Vincenz v. Beauvais und Martiu v. Troppau E. 25 »hie praecepit
. . . propter stilum veritatis et testimonium ecclesiasticum =^
M. V. T. 414 „propter stilum erroris", bei Duchesne 153 oder V. v. B.
XI, 60 „propter testimonium ecclesiasticum". Ganz anders gestaltet
sich das Verhältnis Ebendorfers zu dieser Quelle, von Silvester an bis
zum Ausgange dieser Periode, bis auf Stephan VI. Hier tritt das
officielle Papstbuch völlig in den Vordergrund und E. folgt dessen
eingehenden Schilderungen in ermüdender Treue. Auch diese Vorlage
hat unser Autor meist wörtlich benutzt und" die Nachrichten derselben
gibt er nicht, wie oft die des Vincenz v. Beauvais in Excerpten, son-
dern völlig ungekürzt wieder, Kürzungen erlaubt er sich dergestalt,
dass er ganze Abschnitte seiner Quelle einfach fortlässt, um dann
später wieder einzusetzen. So E. 63—64 ^^ Duchesne 468, Absatz I — IV
beginnt die Erzählung; dann lässt er Alles bis Absatz X fort, bleibt
6*
g^ ArthurLevinson.
eine Zeit lang seiner Quelle treu, um sodann wieder abzuweichen.
Absatz XII — XIII bei Ducbesne übersprungen u. s. w. Veränderungen
an dieser Quelle erlaubt sich E. eigentlich wenige. Er fasst sich etwas
kürzer, behält aber dieselben Worte seiner Vorlage bei, so für Stephan II.
E. 62 ,Instabant denique Francorum missi ... est ambulandi" =
Duchesue 446. Es ist für Ebendorfers Art bezeichnend, dass er zahl-
reiche Ausdrücke aus dem Liber pontificalis herübergenommen hat,
welche in sprachlicher Hinsicht anachronistisch sind. Bei der Coustan-
tinischen Schenkung, nennt er mit Anastasius Bibliothecarius ein
cyborium argeuteum „battutile". An einer andern Stelle, wo er von
einer Steuer zur Zeit des Papstes Vitalian spricht, führt er nach dieser
Quelle den eigenartigen Namen dieser Steuer au. (E. 50 ^ Duchesne
344), nämlich „dyagrafa seu capita atque nauticatio". Als charakte-
ristische, wenu gleich vereinzelt dastehende Stelle, welche aber vielleicht
dennoch der eben geäusserten Annahme einige Beweiskraft zu geben
vermasf, mö^e folgende gelten. Um die Leiden der ewigen Stadt bei
der Belagerung durch Witiches dem Leser so recht zu veranschaulichen,
greift Anastasius Bibliothecarius zu einem rhetorischen Mittel, indem
er nämlich die Hauptworte wiederholt. Selbst diese Wiederholung
nun finden wir bei E. 42 „tunc omnes possessiones fisci ... et quos
fames fames et quos morbus morbus occidebat". Namentlich erwähnt
hat E. diese Quelle an drei Stellen, und zwar unter dem Namen
„Damasus", welcher Papst also nach ihm Bearbeiter dieses Theiles des
Liber pontificalis gewesen wäre. Bei der Geschichte des Papstes Da-
masus nämlich, heisst es am Anfange (E. 33) „qui licet sequentia . . .
Innocentium II Im Liber pontificalis findet sich weder an dieser noch
an anderer Stelle irgend eine Erwähnung der Autorschaft des Dama-
mus, wohl aber bei Vincenz v. Beauvais XIV, 49 eine kurze, bezüg-
liche Notiz. Schon früher aber thnt E, des Damasus Erwähnung und
zwar bei Papst Dionysius (E. 26) und dann bei Papst Lucius (E. 32).
Im Allgemeinen hat E. diese Quelle im Auge, so oft er von dem „cata-
logus" oder ,catalogus pontificum" spricht.
b) Petrus Guillelmi. (Codex Vaticanus). Von Sergius II. bis
Alexander IL Diese Abtheilung des Liber pontificalis ist in abwech-
selnder Weise benutzt. Bald nur Ergänzung zu andern Quellen, nämlich
für die Zeit der Päpste bis auf Johann XII. und Leo, während die
Geschichte der Päpste Johann XIII., Benedict VI., Johann IV., Bene-
dict VII., Leo IX., Benedict XL, ganz aus Petrus Guillelmi stammt;
die dazwischen liegenden Päpste nur theilweise. Veränderungen, oder
gar Kürzungen, welche Ebendorfer an dieser Vorlage ausgeführt hat,
Thomas Ebendorfers »Liber pontificum«. g5
sind selten. Er ist derselben bis auf's Wort gefolgt, so E. 76==
Muratori SS, rer. Ital. III, p. II 336, und hat sogar die iu dieser
Partie des Papstbuclies befindlichen Reden in sein Werk aufgenommen.
Als Beispiel möge eine Stelle dienen, wo Petrus Guillelmi nur Aus-
hilfsquelle ist: E. 79 = Petr. Guillelmi ap. Muratori III, p. 11, 355 =
Martin v. Troppau M. G. S. S. XXII, 433. „Victor II. . . . fornica-
tionem deposuit". — Namentlich erwähnt hat Ebendorfer diese Quelle
zwei Mal, An erster Stelle lernen wir diesen Verfasser des Liber pon-
tificalis bei E. nur durch Vermittlung kennen: E. 78, „Post hunc
(Benedict IX.) ut testatur Viucentius , . . Nun findet sich allerdings
eine derartige Notiz bei Vincenz v. Beauvais, bei dem augeblichen
,Guilhelmi" aber gar nicht. Diese aufiFallende Thatsache wird dadurch
erklärt, dass Ebendorfer, wie zuweilen bei der Benutzung des Vincenz
V. Beauvais, nicht genügend Aufmerksamkeit auf die Benennung der
Quelle in demselben verwendet hat. Es ist dies nämlich eine selb-
ständige Nachricht des Vincenz v. Beauvais und derselbe hat auch zur
Kenntnis des Lesers sein „Author" vorangesetzt. Vor dieser Stelle
berichtet Vincenz v. Beauvais nach Sigebert und noch früher aller-
dings nach unserm „Guillelmus in cronicis« und Ebendorfer hat die
Angabe der neuen Quelle übersehen. Zum zweiten Male wird Guillelmus
bei Leo IX. genannt (E. 77) »ut scribit Guillelmus in cronicis hie
Leo . . . und diese Stelle findet sich in der That bei Muratori III p. II,
345. Wie bei andern Quellen, hat unser Autor auch den Petrus
Guillelmi durch ein unbestimmtes „alii dicunt" gemeint, so B. 77
bei Johann XV., oder in negativer Weise bei Papst Bonus, E. 76
„. . . sed alii . . . omittunt . . .",
c) Petrus Pisanus, (Von Gregor VII. bis Pascal IL, einzige
Quelle). An keine Vorlage hat unser Autor sich so enge angelehnt,
als an diese. Selbst der Wortlaut sämmtlicher Bannbullen, welche
Gregor VII. über Heinrich IV. und andere weltliche sowohl, als kirch-
liche Häupter geschleudert hat, sämmtliche Reden für die Zeit der
Nachfolger Gregors sind diesem Biographen Gregors entnommen. Dem
Petrus Pisanus ist Ebendorfer fast immer bis aufs Wort gefolgt und
trotz der Ausführlichkeit desselben hat unser Autor wenige Kürzungen
vorgenommen. Selbst den charakteristischen kurzen Stil, welcher uns
bisweilen bei der anziehenden Schilderung des Petrus Pisanus, als
I«]cichahmung classischer Latinität entgegentritt, hat E, beibehalten, so
am Anfange Pascals IL E, 83 ,ubi dum de multis agitur ... — In-
venitur, trahitur, de fuga arguitur . . . = Watterich 11, 1 ; oder an
anderer Stelle, wo eine rhetorisch-eigenthümliche Ausdrucksweise dieser
gß A r t h u r L e V i n 8 0 n.
Quelle unsere Aufmerksamkeit erregt. E. 85 „dum pater in domo
moritur ... — in atrio proclamatui" ^= Wattericli II, 10. Auffälliger
Weise findet sich diese für unseren Autor so hervorragende Quelle
nicht ein einziges Mal bei ihm erwähnt. Wendungen jedoch, welche
Anachronismen enthalten und persönliche Bemerkungen des Petrus
Pisanus rein sachlicher Natur, die in Ehendorfers Werk sich wieder-
finden, deuten darauf hin, dass auch dieser Theil des Papstbucher selber
vor ihm o;elegen hat.
d) Pandulfus Diaconus. (Für Gelasius II. und Honorius 11., einzige
Quelle). Mit der grössten Ausführlichkeit, sind die gleichzeitigen Aufzeich-
nungen des Pandusfus Diaconus von Ebendorfer aufgenommen. Gleich
bei der ersten Ordination des Gelasius, tritt uns in der langen Keihe
der Ordiuirten, auch der Name des Pandulfus selbst entgegen. Auch
diese Quelle hat unser Autor ganz wörtlich benutzt und sich nur oft
Kürzungen au Stellen erlaubt, wo der treu-päpstlich gesinnte Verfasser
seinem Grimme gegen die Antipäpstlichen in allzu langen Tiraden
Luft gemacht hat; so P]beudorfer 87. »Quod audiens Fraiapane . . .
et cathenis inclusit- ^ Watterich II, 96. Die vorkommenden Reden
aber haben ungekürzte Aufnahme in seine Arbeit gefunden, Beispiel
hiefür, der Schluss der Bede der Gelasius an seine Cardiuäle. E. 87
„fugiamus Sodomam Egiptum . . . nieliora tempora venienf^. Wie
schon aus dieser Stelle ersichtlich, findet sich die oft dichterische
Sprache des Pandulf, auch bei Ebendorfer wieder. Bei der Schil-
derung des Kampfes zwischen Fraiapane und den Päpstlichen, tritt uns
dies anschaulich entgegen. E. 87. -Et dum sie iacula ... — et in
suo reduxit" ^). =- Watterich 100. Ebenso findet sich bei Ebendorfer 88.
„Redieus Romam in alta . . . dum papa secundus" ^^ Watterich 117,
eine dichterische Stelle des Pandulf wieder.
e) Boso Cardinalis. (Von Honorius 11. bis Hadrian IV.\ Nur
unter Papst Eugen III., findet sich dieser Quelle entstammend, der
genealogische Zusatz, dass Eugenius „alias Bernardus" hiess. Obgleich
also Ebendorfer, wie ich nachzuweisen hoffe, ausser diesem einen Falle
den Boso gar nicht zu Ratlie gezogen hat. so musste doch au dieser
Stelle seiner Erwähnung geschehen, da der Gedanken sehr nahe lag.
dass unser Autor, wie die früher behandelten Bearbeiter des Liber
pontificalis, so auch den ausführliehen Berichterstatter für diese Partie
in hervorragendeni Masse benutzt habe. Merkwürdiger Weise hat
Ebendorfer dies nicht gethan, sondern da er in seiner alten Quelle.
') Die Worte von ,hunc bis abscondit", sind direct aus dem Distichon
Pandulfs herausgerissen.
Thomas Ebendorfers »Liber pontificum*. g7
dem Martin v. Troppau, Excerpte aus Boso Cardinalis vorfand, so hat
er diese benutzt. Dass dies der Fall, lässt sich ebenso wie früher bei
der Benutzung des Vincentius v. Beauvais, durch die Thatsache be-
weisen, dass nicht nur eine wörtliche Uebereiustimmung dieser Partie
Ebendorfers mit Martin v. Troppau vorhanden ist, sondern auch nur
Stellen aus dem Boso sich bei Ebendorfer finden, welche eben Martin
V. Troppau in seinen Auszug aufgenommen hat. Ebendorfer bringt
nach Martin v. Troppau immer nur die nackten Thatsachen, welche
bei Boso stark ausgeschmückt sind. z. B. E. 92 „hie (Hadrian IV.)
dum esset Albinensis ... — usque ad condignam satisfactionem etc.«
Boso Cardinalis ap. Watterich 323 = Martin v. Troppau ap. M. G. S. S.
XXII, 436.
4. Eusebii „Historia ecclesiastica".
Das Werk dieses Autors ist von Ebendorfer in seinem ganzen
Umfange benutzt. Die Berichte dieser Quelle weichen gewöhnlich für
die erste Zeit der Päpste von denen der Andern ab, und so könnten
wir dieselbe als eine für sich alleinstehende betrachten; was denn auch
in unseres Autors Werke zum Ausdrucke gekommen zu sein scheint,
indem die Berichte des Eusebius sich meist am Schlüsse seiner Dar-
stellung finden. Meist sind es nur die einfachen Angaben über Ke-
gierungsdauer der Päpste und römischen Cäsaren, welche er dieser
Quelle zu verdanken hat; aber auch ausführlichere Stellen stammen
aus Eusebius. So die Geschichte der häretischen Secte der Cataphrygen
(Eusebius V, 17 — -18), die vom jungen Origenes, die Schilderung der
kirchlichen Verhältnisse vor und nach der grossen Verfolgung Diocle-
tians. Dem Eusebius ist E. fast immer bis aufs Wort gefolgt. Von
den zahlreichen Fällen, hier nur der Eine bei der Papstwahl des
Fabianus. Ebendorfer 24 „hunc tradunt Anthero defuncto ... — super
Zepheriuum« = Eusebius VI, 21. Als einigermassen auffallend wäre
noch Folgendes zu erwähnen. Vom Papste Anicetus nämlich erzählt
Ebendorfer mit der ausdrücklichen Angabe, dass er diesen Bericht aus
Eusebius geschöpft, Etwas, was sich gar nicht bei Letzterem vorfindet.
Ebendorfer 22 „de hoc sie scribit Eusebius ... — et cui Sother suc-
cessit" = Eusebius IV, 19. Wir haben schon bei Behandlung früherer
Quellen, so des Vincenz v. Beauvais, analoge Fälle kennen gelernt.
Wie diese specielle Mittheilung über das Martyrium des Anicetus Ein-
gang in die Darstellung unseres Autors gefunden hat, kann wohl
schwerlich festgestellt werden, da auch die andern Quellen für diese
Zeit keine derartige Notiz enthalten. Den Eusebius erwähnt Ebendorfer
fast jedes Mal namentlich.
33 ArthurLevinson.
5. Annales St. Rudberti Salisburgenses.
Diese erste heimisclie Quelle hat Eberdorfer von Cölestin III. ab
benutzt. Allerdings für geraume Zeit, bis auf Cölestin IV. nämlich,
bringen auch andere österreichische Annalen die Nachricliten, welche
wir bei ihm finden; so besonders Hermann v, Altaich, für den die
Annales St. Rudberti eine Hauptquelle gewesen sind. Es ist daher,
da Hermann an dem Wortlaute seiner Vorlage niemals etwas geändert
hat, der Quellennachweis für unsern Autor schwer zu führen. Erst
von Cölestin IV. an bis auf Gregor X. sind die Annales S. Rudberti
einzige Quelle geworden und um so mehr darf man wohl der Ver-
muthuug Raum geben, dass dieselben auch für die gauze Zeit, von
Cölestin III. bis Gregor X. allein massgebend gewesen sind, als alle
Nachrichten, welche Hermann v. Altaich oder Andere bringen, sich
bei ihnen finden. Andrerseits habe ich auch eine Stelle gefunden,
wofür nur Hermann v. Altaich Vorlage gewesen ist. Beim ersten
Zuge Friedrichs I. nach Italien nämlich, führt Ebendorfer die Städte
namentlich auf, welche der Kaiser zerstörte. Es sind dies: Cremona,
Mediolanum, Placentia, Bononia; während die Annales S. Rudberti nur
sagen: »aliquot urbes". Die Nachrichten, welche unser Autor diesen
Jahrbüchern entnommen hat, beziehen sich meist auf deutsche Ver-
hältnisse, und oft finden wir, bei der Heimat dieser Quelle leicht
erklärlich, Nachrichten von nur localem Salzburger oder erweitert
österreichischem Interesse. Nebenher eigentlich ist das Verhältnis der
einzelnen Päpste zu den Staufern geschildert, und der organisatorischen
Thätigkeit der Päpste, welcher bisher von unserm Autor soviel Auf-
merksamkeit gewidmet wurde, wird nur ein einziges Mal gedacht und
zwar bei Alexander IV. Auch an diese Quelle hat Ebendorfer sich
enge gehalten und wenig an ihrem Wortlaute geändert. Z. B. E. 99.
„Quare papa Inuocentius sententias Gregorii ... — et forma pacis
penitus est turbata" =Ann. Salisb. M. G. S. S. IX, 788. Dagegen hat
er öfters stückweise Nachrichten aus den fortlaufenden Annales her-
ausgerissen und dieselben dem Rahmen seiner Erzählung einverleibt;
worunter die historische Treue seiner Darstellung zu leiden hatte. So
bringt er (E. 100), mit den Annales für das Jahr 1246 die Wahl des
Landgrafen von Thüringen. Dann aber folgt bei ihm der Kampf des
Mainzers und Kölners gegen Friedrichs II. Anhänger, in welchem der
Herzog Walram v. Limburg getötet und der Kölner in die Gefangen-
schaft des Grafen von Jülich gerieth. Diese Schilderung findet sich
bei den Annales Salisburgenses schon für das Jahr 1242. Ebenso
auffallend ist es, wenn er die Wahl Rudolfs v. Habsburg erst nach
Thomas Ebendorfers ,Liber pontificum*. 89
dem Concil zu Lyon erfolgen lässt, während die Annales dieses Er-
eignis richtig vor Abhaltung desselben setzen. Erwähnt ist diese
Quelle von unserm Autor nirgends.
6. Andreas v. Kegensburg.
Die Weltchronik des bekannten Presbyters, hat Ebendorfer in
reichem Masse benutzt und zwar beide Abtheilungen dieses Werkes,
die Papst- und Kaisergeschichte, wie wir denselben Fall schon bei
Martin v. Troppau gefunden haben. Letzteren Autor übrigens, hat
Andreas v. Regensburg, ein Zeitgenosse Ebendorfers, vielfach aus-
geschrieben. Von den Anfängen seines Werkes bis auf die Geschichte
Martins V., wo Ebendorfer beginnt selbständig zu werden, hat ihn
diese Vorlage begleitet. Bis auf Innocenz IIL ungefähr, also eine lange
Periode, fliessen die Nachrichten aus Andreas sehr spärlich und
sind meist sagenhaften Charakters, Nur hier und da laufen auch
einige Decrete mit unter, welche unser Autor bei seinen andern Quellen
nicht hat finden können. Dann aber, für die letzte Zeit, von Gregor X.
an und dessen Nachfolgern, besonders aber für Johann XXIIL, wird
Andreas eine sehr wichtige Quelle. Auch an den Wortlaut dieser
Vorlage hat sich Ebendorfer meist sehr strenge gehalten. Von den
zahlreichen Beispielen hier nur eines: E. 98. „Tunc quidam abbas
Cysterciensis ... — Abbas vero civitatem ingressus invenit papam
defunctum" = Pez 525- Doch finden sich einige wenige Stellen, wo
Ebendorfer sich inhaltlich an Andreas v. Regensburg gehalten, aber
dem Wortlaute nach, da ihm die Quelle zu weitschweifig gewesen
sein mag, erheblich von derselben abgewichen ist. So unter Urban V,
Ebendorfer 1 10 =^ Pez 586. Als bemerkenswert muss erwähnt werden,
dass sämmtliche Stellen bis auf Innocenz IIL hin sich bei Ebendorfer
entweder am Schlüsse des Textes oder am Rande und zwar stets mit
anderer Tinte nachgetragen vorfinden. Die späteren Nachrichten des
Andreas v. Regensburg dagegen, finden sich im Texte unseres Autors
vor und zwar lässt sich an der Farbe der Tinte keine Verschiedenheit
wahrnehmen. Daraus kann man wohl den Schluss ziehen, dass diese
Chronik erst sehr spät in die Häude Ebendorfers gekommen sein mag
und er dann nachträglich erst diese Nachrichten in sein Werk auf-
genommen hat. Namentlich erwähnt hat Ebendorfer den Andreas
V. Regensburg an keiner Stelle, doch meint er ihn jedenfalls am
Schlüsse der Geschichte Johanns XXIII., wo es, nachdem von der
Gefangennahme dieses Papstes gesprochen ist, heisst (E. 116): „unde
quidam non ignotus sie metro lusit: Quimodo summus eram ... —
Vertice de summo mox ego papa cado".
90 • Arthur Levinson.
7. Johannes v. Victriug.
Den »Liber certarum historiarum" und zwar in seiner ursprüng-
lichen Gestalt, hat unser Autor nur sehr spärlich herangezogen. Es
siud nur einige Stellen für die Geschichte der Päpste ßonifaz VIII.
und Johann XXII. Auch hat Ebendorfer zum Unterschiede von an-
deren Quellen, sich sehr wenig an den Wortlaut dieser gehalten. Ein
Beispiel hierfür: E. 108 ^praefatus tarnen p. antipapa ... — ne
novissima fierent prioribus peyoribus" = Joh. v. Victr. ap. Boehmer
fönt. rer. Germ. I, 406 — 9.
8. Heinrich v. Rebdorf.
Aehnlich wie die vorgenannte Quelle, nur in zweiter Linie, hat
Ebendorfer die ^Auuales imperatorum et paparum" dieses Autors
benutzt. Hier die Nachrichten : Für Benedict XIT. : Erscheinen eines
Kometen, Krieg zwischen England und Frankreich, Einfall von Heu-
schrecken-Schwärmen durch das ganze Gebiet von Ungarn bis zum
Rhein. (Ebendorfer 108 = Boehmer IV, 521). Für Clemens VI. 1348,
am Tage St. Pauli, Erdbeben in Deutschland, durch welches die Stadt
Villach zerstört wurde; 1349, Erdbeben in Apulien und Calabrien.
Bei dem überwiegend kirchlichen Charakter von Ebendorfers Werk
ist es fast selbstverständlich, dass wir ausserdem noch die heilige
Schrift, die Kirchenväter und späteren Kirchenschriftsteller und
schliesslich die Sammlung der Decrete erwähnt finden. Aus dem alten
Testament finde ich nur Jesaias citirt; ans dem neuen das Evangelium
des hl. Johannes und zu verschiedeneu Malen die Briefe des hl. Paulus
an die Galater, Ephcscr und Korinther. Von Kirchenvätern einige
Male Augustinus und Atnbrosius in seinem Werke „de officiis", an
einer Stelle Tertullian. Vor allen Anderen aber ist es Hierouymus
gewesen, welchen Ebendorfer sehr oft, wo er auf kirchliche Verhält-
nisse zu sprechen kommt, benutzt hat, und dessen Ansichten über die
Kirche und ihre Didier er sich zu eigen gemacht hat. An solchen
Stellen pflegt er längere Perioden aus des Hieronymus Werken, be-
sonders „de viribus illustribus", aber auch der „vita Malchi« wieder-
zugeben. Von Späteren finde ich noch erwähnt Isidorus und den
hl. Benedict. Wie schon bei der Inhaltsangabe erwähnt wurde, hat
Ebendorfer häufig die Leser auch auf seine eigenen Werke hin-
gewiesen. Es ist dies leicht erklärlich, wenn mau bedenkt, dass die
Papstgeschichte das Letzte seiner Werke war, welches der Greis noch
am Abende seines Lebens verfasste. So konnte er in den Fällen, wo
er die Leser seines ohnehin umfangreichen Werkes nicht allzu sehr
Thomas Ebendorfers »Liber pontificum«. 91
ermüden wollte, oder wo die Darstellung Gebiete berührte, welche
nicht in dessen Rahmen hiueinpassteu, auf seiue anderen einschlägigen
Arbeiten aufmerksam machen. Sämmtliche grösseren Schriften hat
Ebendorfer bei solchen Gelegenheiten, und zwar zu wiederholten Malen
citirt; am häufigsten wohl den „Liber de scismatibus" i).
Fassen wir zusammen, was über die Art der Benutzung seiner
Quellen bei Ebendorfer zu sagen ist, indem wir uns auf die vorher-
gehenden Untersuchungen stützen, so können wir behaupten, dass
unser Autor sich allerdings eng an seine Vorlagen angelehnt hat,
aber nicht wie so viele mittelalterliche Schriftsteller dieselben ganz
und gar sclavisch ausgeschrieben hat. Mit vielem Verständnis hat er
nur das für seine Zwecke Verwendbare herausgeschöpft, und die Art,
wie er die Ergebnisse seiner Quellenforschung zum abgerundeten Ganzen
zusammengefügt hat, zeigt, dass ein nicht ungeschickter Meister die
einzelnen Steine zu seinem Bau herbeigeholt hat. Allerdings, in einem
Hauptpunkte ist auch er nur ein Kind seiner Zeit geblieben. Das
ausschlaggebende Moment der historischeu Forschung, welches einer
späteren Zeit vorbehalten bleiben sollte, die Kritik der Quellen, fehlt
auch ihm gänzlich. Gewöhnlich gibt er die Nachrichten derjenigen
Quelle, welche für ihn in der betreffenden Partie die Leitende gewesen
ist, ohne irgendwelche Bedenken an ihrer Glaubwürdigkeit wieder.
Finden sich andere Nachrichten über dasselbe Ereignis, so besonders
die verschiedenen Angaben über die Regieruugszeit der Päpste, welche
er immer in sein Werk aufgenommen hat, so stellt er die Angabe der
neuen Quelle, mit einem einfachen „secunduni alios" daneben, ohne
sich auf weitere Untersuchungen einzulassen. Seine Zweifel an der
Glaubwürdigkeit entlehnter Nachrichten, drückt er meist in persön-
licher Form und in vorsichtiger Weise aus, und zwar mit Wendungen,
wie „nescio si vere, non tarnen ut arbitror, ut infidelitus dicam". Be-
sonders häufig bei Päpsten gleichen Namens, wodurch die Autorschaft
von Dekreten zweifelhaft wird, durch „nescio au fuit huius vel secundi,
sed puto ut fuerit tertii, quae dubito ipsius esse". Doch finden sich
auch, allerdings nicht so häufig, stärkere Zurückweisungen der fremden
Nachrichten, mit: „quod minus videtur, quod falsum videtur", oder
wieder rein persönlich, wenn er auf seine bisherigen Forschungen
gestützt sich mit der betreffenden Quelle nicht einverstanden erklärt,
mit: „sed non reperio, sed quäle usque non didici, cuius efficacem
0 In der That findet sich die ganze Partie vom Jahre 1300 ca. an bis aut
Calixt III. hin. schon in dem ^ Liber de scismatibus«, und zwar wortgetreu
wieder.
92 Arthur Levinson.
rationem non habeo exploratam, nee intellectus eoriim cum qualitate
sui temporis concordare videautur". Ganz scliiofiF iu das Gebiet der
Fabel verwiesen finde ich nur ein einziges Mal eine Nachricht, welche
nach dem ^quidam dicunt" unseres Autors zu schliessen, unbestimmten
Ursprunges ist und die er mit den Worten, "sed historia discordat",
als unhaltbar bezeichnet.
V. Ansichten Ebendorfers über die Kirche und ihre
Diener.
Sind wir im Vorhergehenden den Quellen nachgegangen, welche
E. für seine Arbeit benutzt hat, so erübrigt uns noch den Ansichten
unseres Autors etwas näher zu treten, die er über seinen Stoff zwischen
der Geschichte der einzelnen Päpste eingestreut hat.
Mit dem Zwecke seines Werkes macht er uns selbst in der Ein-
leitung bekannt. Hat er das frühere Werk, nämlich die Kaiser-
geschichte, auf Anregung seines Herrschers, Friedrich III., zu dessen
Unterweisung über die Thaten seiner Vorgänger auf dem Throne in
Angriff genommen, so ist er, zum Unterschiede davon, an die Ab-
fassung einer Geschichte der Päpste aus eigenem Autriebe und, wie
es ebendaselbst heisst „pro mea informatione", zur eigenen Belehrung
herau gegangen. Während das erstere Werk vornehmlich für eine
Person, für die seines hohen Gönners geschrieben war, ist das uns
Vorliegende für einen ganzen Leserkreis geschaffen, aber auch für
einen ganz bestimmten , für seine geistliche Mitwelt. Die Art des
Stoffes ist von selbst diesem Kreise der Leser angepasst. Gleichsam
bei der Veröffentlichung seiner Arbeit gibt der Autor der Hoffnung
Raum, dass die Geistlichen Nutzen aus der Lektüre derselben ziehen
werden, dass, wie jedes Geschichtswerk, auch das Seinige vom wahren
Erfolge der Geschichtsschreibung, der sittlichen Läuterung der Leser
begleitet sein werde. Durch Schilderung der Tugenden auch seiner
Helden, so hofft er, werden die Leser zur Nachahmuug angeeifert
werden, durch die Fehler vor gleichem Sündenfalle bewahrt werden.
Sehen wir nun näher zu, iu welcher Weise unser Autor seinem
gewaltigen Stoffe gerecht geworden ist! Zunächst könuen wir sagen,
tritt uns aus seiner ganzen Arbeit ein eminenter Lehr- und Lerntrieb
entgegen. Für alle äussern und innern Verhältnisse der Kirche hat
er ein stets waches Auge. Er verfolgt ihre Anfänge von den Zeiten
der ersten Christen bis zu ihrer höchsten Machtfülle und bis zu seiner
Zeit, wo dieselbe wieder ihrer Schäden wegen durch den Sturm der
Laienwelt in Frage gestellt wird. So geht er mit stets regem Interesse
dem innern Aufbau der zukünftigen Macht nach, wird sich und seinen
Thomas Ebendorfers »Liber pontificum«. 93
Lesern jeder Neuerung gerecht, welche die einzelnen Päpste im Schoosse
der Kirche vorgenommen. Vornehmlich beschäftigt er sich damit, die
Entwickelung der Hierarchie, des zu seiner Zeit so fest gefügten Baues
in den einzelnen Jahrhunderten kennen zu lernen. Bei jedem Papste,
welcher eine neue hierarchische Würde ins Leben gerufen hat, macht
seine Darstellung eine Abschweifung vom Thema, um die Wandluno-en,
welche diese Würde bis auf seine Zeit erfahren, zu betrachten. Bei
solchen Gelegenheiten kommt unseres Autors ganzes reiches Wissen
in der Kirchengeschichte zum Vorschein. Er spricht sich in aus-
führlicher Weise über die Bezeichnungen der betreffenden Würde zu
den verschiedenen Zeiten, über ihre äusserlichen Abzeichen und ihre
Competenzen aus. So sehen wir vor unsern geistigen Augen die ganze
hierarchische Stufenleiter im Wechsel der Zeiten sich erheben : Zu
den Zeiten der Papst- Märtyrer das später so wichtige Amt der Notare,
zunächt nur dazu berufen, die Namen der heiligen Märtyrer der
dankbaren Nachwelt zu überliefern, ferner die Würde des Diakonates.
Bei dem höchsten dem einflussreichsten Amte des Cardinalates, verweilt
er besonders lange, am in anschaulicher Weise zu schildern, wie gerade
die Mitglieder dieses wichtigen Collegiums in ihren äussern Abzeichen
und Eechten ebenso von den Persönlichkeiten der einzelnen Päpste,
wie von dem Wechsel der Zeiten abhingen.
Was die Päpste selbst betrifft, so berichtet er au verschiedenen
Stellen von den Gewohnheiten, die sich bei ihrer Wahl in Laufe der
Zeiten herausgebildet hatten und von der feierlichen Einholung durch
das römische Volk, nachdem die Gewählten mit der Tiara und den
andern Abzeichen ihrer Würde bekleidet wareu. Dieselbe Stelle, es
ist die Wahl Pascals, dürfte für den Diplomatiker nicht des Interesses
entbehren. Ebeudorfer spricht nämlich hier von den Rundschreiben
der Päpste an die Christenheit. In den ersten Zeiten der Kirche,
heisst es da, kannte man überhaupt diese öffentlichen Schreiben nicht,
sondern erst von Gregor I. an finden sich Erlässe, die mit der eigen-
händigen Unterschrift der Päpste, Presbyter und Diakonen gezeichnet
sind. „Et circa subscriptiones fiebat circulus in cuius peripheria scri-
bebatur Christus regnat Christus imperat ^). Die „bullata littera"
kennt die Kirche nicht vor Alerander IL und zu des Autors Zeiten
bediente sich der Papst ihrer nicht vor seiner Krönung, wie es die Vor-
schriften in der berühmten .Clemeutina", von Papst Clemens erheischen.
Auch die äussere Bethätigung ihrer Macht über die Seelen der
Gläubigen, welche die Päpste von ihrer potestas ligandi et solvendi
1) Ebendorfer 83.
g^ ArtiurLevinson.
herleiten, hat sein Interesse erregt. Bei der Geschichte Gregors VII.,
der für alle Anhänger seines Schützlings, Rudolfs v. Schwaben, einen
Generalablass ihrer Sünden verkündet hatte stellt er fest i): „est primus
locus ubi ego iuveuio hanc remissionem " . Er führt dann noch einige
Fälle von Ablassertheilimgeu bis zu seiner Zeit an und zuletzt die bei
seinen Lebzeiten gegen Ladislaus v. Sicilien, gegen die Böhmen, zur
Wiedervereinigung der griechischen Kirche und die vsriederholten
Ablässe gegen die Türken. Dass auch aus diesem Rechte der Päpste,
bei eiuer allzuhäufigen Ausübung, Unfug und Missbräuche entstehen,
gibt er am Schlüsse dieses kleineu Exkurses zu mit den Worten: „post
aunum Jubilei et contra Turcos maltipliciter indultae sunt huius modi
plenariae remissiones uude multis versae sunt in abusum".
Der kirchliche Mittelpunkt der Welt ist für ihn Rom, nnd die
Frage, welche er selbst aufwirft, ob der apostolische Stuhl überhaupt
von hier an eine andere Stätte verlegt werden dürfe, beantwortet er
entschieden verneinend. Wenn der Sitz der Päpste verändert wilrde,
so würde dadurch sich auch d.is römische Volk ändern. Denn diese
Beiden seien so enge mit einander verbunden, dass eine Trennung der
Auflösung römischer Art und römischen Namens gleich käme. Aber
Rom dürfe nicht verlassen werden, weil diese Stadt durch die Predigt
und das Blut des Apostels geheiligt sei und die ursprüngliche Kirche
von Antiochia auf ausdrücklichen Befehl Gottes hierhin verlegt sei,
und was von Gott befestigt worden, dürfre nur wieder von Gott ge-
ändert werden. So würde Jerusalem immer Jerusalem sein, und eine
Aenderung würde nur nomen non numen ändern.
Jeden Abfall von der Mutter Kirche verdammt er, und erzählt
mit behaglicher Breite die Strafen, die zu allen Zeiten die abtrünnigen
Ketzer getroffen. Deshalb kommen auch die Böhmen, mit denen er
selbst als Gesandter des Basler Concils zu verhandeln hatte, schlecht
bei ihm fort. So hat er für den Böhmenkönig Georg Podiebrad nur
Ausdrücke von tiefstem Abscheu: „e cuius manibus adhuc scillabat
innocens christianorum cruor et sectam dampnatam Bohemorum tam-
quam armiductor in scismate fovebat". Die letzten Worte sind gegen
Papst Calixt gerichtet, welchem Ebendorfer es zu schwerem Vorwurfe
macht, dass er den treulosen König in einem Schreiben „katholischen
und allerchristlichsten Fürsten" nennt.
Noch verderblicher als die Ketzerei, und von den schlimmsten
Folgen begleitet, erscheinen ihm die Spaltungen im Schoosse der Kirche,
die Schismen, Wir wissen, dass unser Autor diesen Gegenstand in
einer besonderen Schrift behandelt hat: aber auch in diesem Werke
») lllbendorfer 82.
Thomas Ebendoi'fers jLiber pontificum*. 95
schildert er in düsteren Farben die unseligen Zustände, welche der
ganzen Christenheit jedes Mal daraus entständen, wenn die Kirche
durch ein Schisma zerrissen sei 1).
Den wichtigen Beziehungen der Kirche zum Staate widmet Eben-
dorfer volle Aufmerksamkeit. In einem besonderen, längeren Ab-
schnitte 2), kommt er auf die grosse Macht zu sprechen, welche die
Kaiser von jeher als Beschützer der Kirche in kirchlichen Fragen
ausübten. Den Höhepunkt dieser Macht bezeichnet das Beispiel Ottos L,
welcher den unwürdigen Papst Johann XII. absetzte. Und diese Ab-
setzung findet E. ganz gerechtfertigt, indem er an anderer Stelle '^),
Isidor als Gewährsmann citirend, den Machtspruch des Kaisers in
diesem aussergewöhnlichen Falle vertheidigt, der auch nicht gegen die
Regel des hl. Benedict Verstösse. Ueberhaupt preist er die Herrscher,
welche es mit dieser Beschützerpflicht der Kirche ernst meinten oder
durch Stiftungen und Privilegien deren Macht hoben; so Constantiu
und Jubtinian. Selbst dem grossen Ketzer Theoderich lässt er Ge-
rechtigkeit widerfahren, indem er seine zutrefiende Entscheidung in
dem Schisma zur Zeit des Symmachus gebührend hervorhebt. Das
Muster eines Fürsten aber scheint ihm Pipin gewesen zu sein in seinem
Verhalten gegen den hülfesuchenden Papst Stephan und ihn zeichnet
er uns als einen Mann, der mit allen Tugenden eines Herrschers ge-
schmückt war^).
Ebenso wie er die Verdienste gerechter Fürsten gegen die Kirche
mit voller Anerkennung zu würdigen weiss, so verdammt er üeber-
griffe und rohe Willkür der weltlichen Macht gegen die Kirche und
ihr Gut. Ebendorfer liebte seine Kirche, uud wir können behaupten,
dass die leidenschaftliche Sprache der zeitgenössischen Quellen gegen
solche Tyrannen, an der er Nichts geändert hat, auch die Sprache
seines Herzens war. Sie klingt uns am heftigsten wieder gegen die
griechischen Exarchen, welche statt Beschützer, Despoten der Kirche
wurden, gegen die Longobardenherrscher und später, in dem grossen
Streite zwischen Staat und Kirche, gegen die Kaiser. In einem un-
vorhergesehenen, frühen Tude dieser Tyrannen vermag sein streng
kirchlicher Sinn nur die wohlverdiente Strafe Gottes zu sehen. „Nutu
divino", wie es oft heisst, wurde die Kirche von diesem oder jenem
Qaälgeiste befreit. Besonders auffallend zeigt dies das Beispiel des
Ladislaus, Königs v. Sicilieu, der furchtbar im Kirchenstaate hauste, die
') Ebendorfer Fol. •Sil.
2) Ebendorfer Fol. 51.
8) i^oendorfer Fol. 75.
*) Ebendorfer Fol. Ü2.
96 Arthur Levinson.
Peterskirche sogar zum Pferdestalle machte ; dafür aber bald nach diesen
Frevelthaten in schmachvoller Weise von einer Dirne ermordet wurde i).
Haben wir jetxt unseres Autors Ansichten über die Kirche in
ihren innern und äussern Verhältnissen kennen gelernt, so sind für
uns von erhöhtem Interesse seine Urtheile über die höchsten geistlichen
Würdenträger und endlich die Päpste selbst. Mit wahrem Schmerze
erfüllte es ihn, der die Kirche und seinen Stand aufrichtig liebte,
dass, wie es in der Einleitung heisst, bei der allgemeinen trost-
losen Weltlage „omues quoque laici in dedecus cleri laceras linguas
solvere non pertimescaut" . Es waren die Vorwehen des herannahenden
Sturmes und Ebendorfer musste als ein Mann, der die Wahrheit achtete,
den schmähenden Angriffen der Laieuwelt gegen den Stand Gottes
tiefbetrübten Herzens beipflichten. Was Wunder, wenn er einem echt
menschlichen Triebe folgend, durch den Rückblick auf die gute alte
Zeit und durch das Preisen aller Tugenden früherer Geschlechter sich
und seine Leser aufrichten wollte! Hier findet er alle Eigenschaften
des wahren Priesters vereiuigt, welche nach ihm Hieronymus in einem
Schreiben au den Bischof ßusticus v. Narbo, so trefflich gezeichnet
hat 2), An Stelleu, wo diese einzelnen Tugenden gepriesen werden,
wimmelt es in dem ganzen Werke. Doch kann ich hier natürlich
nur einige anführen, wo diesen Gedanken am prägnantesten Ausdruck
verliehen ist. ISicht genug kann er die Glaubenstreue und Stand-
haftigkeit der ersten Papstmärtyrer erheben, welche freudig für die
Kirche, in den Tod gingen; während „hew hodie non solum horremus
penam martirum sed etiam vitam beatorum" 3). In früheren Zeiten
lebte noch die „humilitas". Die Päpste hielten es nicht unter ihrer
Würde, die Körper der Märtyrer eigenhändig zu begraben, wie der
Papst Euticianus; und Benedict III. nahm oft an den Leichenbegäng-
nissen niedrig gestellter Personen theil, er achtete dabei den Vorgang
Christi an der Leiche des armen Lazarus. In der höchsten Noth der
Kirche, zur Zeit der schweren Bedrängnis durch Aistulf, trug Stephan
bei der feierlichen Bittprocession vor allem Volke „yconiam salvatoris"
auf eigenen Schultern ,haec hodie papae vix congruerent sed vide
humilitatem" *). Vor Allem herrschte damals Armut und Einfachheit
unter den Geistlichen. Alle ihre Handlungen zielten nur darauf hin,
das Ansehen und die Wohlfahrt der Kirche zu heben und Niemand
dachte daran im Dienste der Kirche sein eigenes Interesse zu fördern.
') Ebendorfer Fol. 115.
2) Ebendorfer Fol. 21.
3) Ebendorfer Fol. 18.
*) Ebendorfer Fol. 61.
Thomas Ebendorfers .Liber pontificum*, 97
Wie die Laien weit in frommen Stiftungen dem Drange ihres Herzens
folgte, so bauten die dazu eigentlich Berufenen, die Päpste, unzählige
Kirchen zur Ehre Gottes. Und diese Kirchen oder Klöster, konnten
die Päpste ruhig, im Bewusstsein ihrer Pflicht Prälaten zur Verwal-
tung übergeben, denn sie wussten, ihr Vertrauen wurde nicht miss-
braucht, da von denselben nur der Nutzen der Kirche im Auge be-
halten wurde. „Nunc vero ecclesiae traduntur personis, ut ex eis
impigwentur et lascivirent" '). Nicht nur aus fetten Pfründen, wie es
hier heisst, bereichern sich die Würdenträger der Kirche, sondern sie
missbraucheu auch die ehrenhafte und verantwortliche Stellung als
Legaten des heiligen Stuhles an fremde Höfe und lassen sich ihre
Dienste theuer bezahlen. Früher Hessen sich die Legaten nicht be-
schenken ; aber heute, so klagt unser Autor an einer Stelle 2), „vacui
exiunt de curia et onerati auro et equis revertuntur et iocalibus; dicti
a legendo et coUigeudo quia colligunt flores ad odorem et fructus ad
decorem; visus est quidam legatus qui per diem capiebat LXX flores
pro expensis prophanus enim auri ardor omnia occupat". Schätze
aber und Gold haben der Kirche und ihren Dienern, als etwas nicht
Zukommendes stets nur Unglück gebracht; wie das Beispiel aller Zeiten
gezeigt hat. So wurde die Lateraukirche wegen ihrer Schätze einst
vom Exarchen Isaac ausgeplündert, das prächtige Silbergeschirr auf
den Tafeln einiger Prälaten lockte Räuber heran und das Unheil,
welches in letzter Zeit die Schätze Bouifaz VIII. und Martins V. an-
gestiftet haben, ist wohl noch Jedem erinnerlich. Wie schon das
Beispiel dieser Letzteren gezeigt hat, so gehen überhaupt die Päpste
mit schlimmen Vorbild ihren Untergebenen voran. Wenn sie sich
nicht selbst bereichern, so thun sie es für ihre Sippe, um damit ihren
Nepoten zu Macht und Ausehn zu verhelfen. Durch dieses Nepoteu-
thum werden die Schranken von Eecht und Sitte vollends durch-
brochen. Nicht mehr werden die altehr würdigen Bestimmungen Sil-
vesters über Zeit und Alter für die einzelnen hierarchischen Rang-
stufen beachtet, sondern die Päpste setzen sich aus schwächlicher
Liebe zu unwürdigen jungen Leuten und ihrer Familie darüber hinweg.
Und so, klagt er: „citius quidam sunt ad dignitates et beneficia ap-
probati quam nati vel in virtutibus educati sed et pleruraque minores
et majores ordines ymo episcopalis ordo et pallium uno die confe-
runtur '■^).
1) Ebendorfer Fol. 67.
2) Ebendorfer 51.
3) Ebendorfer Fol. 30.
Mittheilungen XX.
98 • Arthur Levinson.
Auch der Siun der Pilpste ist schon stark verweltlicht. Ihre
höchste geistliche Würde der Welt zu zeigen, suchen sie sich in der
Entfaltung von äusserem Pomp zu überbieten. Anstatt wie ihre Vorgänger
sich nur mit der Kenntnis der Canones des Kirchenrechts zu befassen,
zum Heil ihrer Seele, sind sie jetzt gross in der Kenntnis des weltlichen
Rechts und der Politik, .ütinam, ruft er aus, hodie tales eligerentur
pontifices non comptus aut iuvenculus vaniloquus ad spiritualia non
solum ad temporalia aptus^^ i). Heute aber gilt nur die Macht, nicht
mehr das Recht, und wer im Vollbesitze derselben ist, kann ruhig
sündigen; es findet sich kein Richter. Die Zeiten sind vorüber, wo
ein Leo vor dem grossen Karl und dem römischen Volke sich frei-
willig von falschen Anschuldigungen reinigte, denn, wie Uebergriffe
der Prälaten ungeahndet bleiben, so werden dadurch auch die Unter-
gebenen zu Ungesetzlichkeiten verführt -).
Nicht nur für seine eigene Person, sondern auch in dem Ver-
hältnisse zu seinen geistlichen Mitbrüdern pocht der Höherstehende
auf seine Macht. Der Bischof unterdrückt die Rechte seiner Unter-
gebenen, bei den Wahlacten werden die dazu berechtigten niederen
Kleriker einfach nicht zugelassen, und wie die Prälaten, so verfahren
die Unterdrückten in ihrer Machtsphäre. „Utinam, sagt unser Autor
an einer Stelle, praesidentes in ecclesia verba Jeronirai attenderent
praesidens debet sie in omnibus servare iustitiam ut hoc sibi tantum
vendicet quod sui iuris esse cognoscit aliena non rapiat aliena non
taiigat equalem se ceteris faciat et sicut sine inferioribus in ministerio
non vivit ita sine eis in dispensatione non vivat" ^).
So lernen wir aus seinen Ansichten Ebendorfer als Menschen
kennen und schätzen. Er ist eine tief religiös veranlagte Natur und
in ergebungsvollem Vertrauen, sagt er einmal von Gott ,deus autem
cuius Providentia in sua dispositione non fallitur cuius et nutu vivi-
mus morimur et subsistimus qui mortificat et vivificat aliter quam
crebro homines aestimant ordinat et disponit". Gott lohnt die Guten
und straft die Bösen, seinem Auge entgeht Nichts; was von ihm fest-
gesetzt ist, daran darf von schwachen Menschen nicht gerüttelt werden.
Mit dem festen Glauben an Gott verbindet sich bei ihm, als einem
Kinde seiner Zeit, besonders furchtbaren Ereignissen gegenüber das
Gefühl der menschlichen Ohnmacht, welches zum Aberglauben seine
Zuflucht nimmt. So künden sich für ihn Pest und Kriegsgetümmel,
') Ebendorfer Fol. 53.
2) Ebendorfer Fol. 67.
3) Ebendorfer Fol. 90.
Thomas Ebendorfers »Liber pontificum*. gg
wie sie seine Tage in so reichem Masse aufzuweisen hatten, schon
vorher durch absonderliche Naturerscheinungen, Verfinsterung des
Firmamentes, Meteore und heftige Erdbeben an.
Seiner Kirche ist er treu ergeben und von ihrer Würde tief durch-
drungen. Darum preist er freudig die armen, aber glänzenden Zeiten,
wie sie die ecclesia primitiva aufzuweisen hatte. Ebenso schonuno-slos
gerecht aber deckt er auch die Schäden der Kirche der spätem und
seiner Zeit auf und macht besonders die Päpste und die Mitglieder
des höhern Cierus dafür verantwortlich. Bei einem Manne, von dem
wir wissen, dass er mit den Vätern des Concils derselben Meinung
war, dass der Papst als Privatperson nicht unfehlbar und dem Ur-
theile des Concils unterworfen sei, darf uns eine solche Offenheit nicht
verwundern. Mit tiefem Schmerze erfüllte ihn die Lauheit, mit der
Geistliche und Weltliche an alle kirchliche Fragen herangingen, in
einer Zeit, wo der katholische Glauben durch die Erfolge der Türken
nach der Eroberung Constantinopels so hart bedrängt wurde. Im
Gegensatze zu früheren Zeiten, wo mau um die Vertheidigung des
Glaubens bedacht war, klagt er, zerfleische die Christenheit sich heute
in nutzlosen inneru Fehden.
Vielleicht hoffte er, durch sein Werk und unterstützt von Ge-
sinnungsgenossen die Schäden der Kirche aufdecken, und durch die
dräuende Gefahr seine Mitwelt aus ihrer Theilnahmlosigkeit zur Bes-
serung aufwecken zu können. Aber durch einfache Geschichtswerke
konnten die Uebel, an welchen die Kirche seit Jahrhunderten krankte,
nicht beseitigt werden. Hier musste die Weltgeschichte selbst mit
eisernem Besen das Schadhafte hinwegkehren, und eine neue, gereinigte
Kirche erstehen lassen.
Kleine Mittheilungen.
Zur Lebensgeschichte Johaun's von Grelnhausen, Registrators
der Kanzlei Kaiser Karl's IV. Ueber Johann von Gelnhausen, dessen
Leben und Schriften, ist bereits oft geschrieben worden, aber manches
Dunkel ist noch immer nicht gelichtet. Ausführlicher hat zuerst To-
maschek (Oberhof Iglau S. 20 — 27) über J. v. Gelnhausen gehandelt;
was später Neues über seine Lebensgeschichte vorgebracht wurde, ist
recht wenig. Einzelne Behauptuugen Tomaschek's wurden wohl ange-
zweifelt, so namentlich, dass Johannes von Gelnhausen und Johannes
von Humpolcz eine und dieselbe Persönlichkeit ist, dass in Folge dessen
Johann von Gelnhausen bereits im J. 1360 zum Stadtnotar von Iglau
gewählt wurde und dass der von ihm geschriebene Codex auch schon
in dieser Zeit oder bald hernach — längstens bis 1366 — entstanden
ist. Das letztere hat namentlich Prof. Dr. J. Öelakovsky (Zeitschrift
„Prävnik", Bd. 19, S. 765 if.) ausführlicher behandelt und besonders
die Einwendung erhoben , dass einzelne Aufzeichnungen der Geln-
hausen'schen Handschrift erst aus späteren Jahren herrühren. Auch in
der Schrift: „ 0 domäcich a cizich registrech" (S. 34 — 35) befasst sich
Öelakovsky mit Johann von Gelnhausen. Burdach (Vom Mittelalter
zur Reformation) hält sich vollkommen an Tomaschek. Ich habe
über Geinhansen in meiner Schrift: „Kauceläfe a pisafi za krälu z
rodu Lucemburskeho" S. 38 — 39 und an anderen Stellen derselben
einige neue Berichte gebracht, in der Ausgabe der „Summa Cancel-
lariae Caroli IV." nur das notwendigste — soweit es nämlich das von
ihm verfasste Formelbuch: » Collectarius perpetuarura formarum" betraf
— wiederderholt.
Neulich erschien die Schrift: „Der collectarius perpetuarum forma-
rum des Johann von Gelnhausen" vou H. Kaiser (Strassburg 1898)-
In derselben wird wohl von meiner Ausgabe der , Summa" Notiz ge-
Zur Lebensgeschichte Johann's von Gelnhausen, Registrators etc. JQ^
nommen, aber die erstere Schrift (Kanceläfe a pisafi) ist dem Ver-
fasser unbekannt geblieben i), ebenso die Schriften Öelakovsk^f's. Die
früher vorgebrachten Zweifel bezüglich der Identität des Johann von
Gelnhausen mit Johann von Humpolcz beachtet Kaiser gar nicht, viel-
mehr wird bei ihm das, was Tomaschek nur als wahrscheinlich be-
zeichnet, zur vollen Gewissheit. Tomaschek sagt z. B. : „Seine (Johann
V. G.) Familie scheint ihren Wohnort nach Humpolecz verlegt zu
haben" und weiter: „In den Iglauer Stadtbüchern nennt er sich selbst
Johannes de Gumpolcz, in den Formelbüchern . . aber consequent
Johannes de Gelnhausen". Nach Kaiser ,ist die Identität des Johannes
de Gumpolcz mit unserm Gelnhausen zweifellos; sie ergibt sich aus
dem Umstände, dass dieser sich in den während seiner Iglauer Wirk-
samkeit verfassten Werken mit beiden Namen nennt". In Folge dessen
muss Johannes de Gumpolcz oder de Gelnhausen zweimal in die kai-
serliche Kanzlei eintreten und zweimal aus derselben scheiden; nach
dem ersten Austreten aus derselben (c. 1359) wird er — unter dem Namen
Johannes de Gumpolcz — zuerst Schulrektor und dann Stadtschreiber
in Iglau, wo er bis etwa 1366 verblieben sein soll. Einen direkten
Beweis, dass Gelnhausen wirklich vor 1360 in der kaiserlichen Kanzlei
gewirkt hätte, oder dass er sich hier jemals „Johannes de Gumpolcz"
geschrieben hätte, bringt weder Tomaschek noch Kaiser; beide berufen
sich darauf, dass Gelnhausen als Iglauer Stadtschreiber selbst auf seinen
Dienst in der kaiserl. Kanzlei sich beruft, wobei sie aber voraussetzen,
dass dies im J. 1360 stattfand, was jedoch wieder nur durch Identifi-
cirung mit Joh. de Gumpolcz geschehen konnte.
Dies alles ist unhaltbar; ich habe in meiner erwähnten Schrift
in Kürze bereits darauf hiu gewiesen und will es an dieser Stelle etwas
ausführlicher begründen.
„Johannes de Gumpolcz, clericus Pragensis diocesis, magister
scolae Iglaviensis", der 1360 zum Iglauer Stadtschreiber gewählt wurde
(Tomaschek 23), und „Johannes de Gelnhusen, clericus Mogunti-
nensis diocesis", der im J. 1365 Notar der kaiserl. Kammer (nota-
rius thezauri) war, können doch unmöglich eine und dieselbe Persön-
lichkeit gewesen sein. Man weiss ja, wie consequent immer die Zuge-
hörigkeit der Cleriker zu ihrer Diözese betont wurde. Nach Tomaschek
wird in den Stadtbüchern der Schreiber von Jahre 1360 nur „Johannes
') Nur so kann ich mir seine Worte (S. 9) erklären: »Uebrigens bringen
T.'s kurze Angaben über Johanns Leben durchaus nichts Neues, eine zeugt viel-
mehr von direkter Unkenntniss der Literatur"'. Man sollte doch vorsichtiger mit
solchen allgemein gehaltenen und nicht begründeten Vorwürfen umgehen ; Un-
kenntniss der Literatur — bes. der böhmischen — könnte ich gewiss eher dem
H. Kaiser nachweisen.
J02 Kleine Mittheilungen.
de Gumpolcz" genannt, Humpolec gehörte tait Prager Diözese und
der Beisatz ,clericus Pragensis diocesis" daher natürlich. Johannes
de Gelnhausen wird nie clericus Pragensis diocesis genannt, sondern
entweder , Johannes de Gelnhusen clericus Moguntinensis diocesis* oder
,J, de Gelnhusen Moguntinensis diocesis" : wo bei Johann von Geln-
hausen der Beisatz clericus Pragensis diocesis vorkommt, da ist es nur
durch Unterstellung dieses Namens statt des wirklichen Johannes de
Gumpolcz entstanden. Gesetzt aber den Fall, dass Johann von Geln»
hausen — wie Tomaschek uud Kaiser annehmen — wirklich nach
Humpoleez in Böhmen übersiedelt wäre und den Namen danach ge-
ändert hätte, dann könnte er doch nur aus einem „clericus Moguntin.
diocesis- zum „clericus Pragensis diocesis" geworden sein — obwohl
auch dies ein vielleicht alleinstehender und kaum denkbarer Fall wäre
— aber nie umgekehrt, dass er früher (1360) „clericus Pragensis" und
später (1365) „clericus Moguntinensis diocesis" genannt würde.
Nicht ohne Bedeutung für die endgiltige Entscheidung, dass beide
nicht identisch sein können — wenn man es auch nicht als direkten
Beweis ansehen will — ist der Umstand, dass in späteren Jahren
(1379 — 1380) ein Johannes oder Henslinus de Gumpolcz als Kammer-
schreiber (notarius thezauri) im Dienste des Prager Erzbischofs und dann
wahrscheinlich als „notarius cancellariae archiep." genannt wird^), und
es ist recht gut möglich, dass derselbe Johannes de Gumpolcz, der im
J. 1360 Schulrektor und Stadtschreiber in Iglau war, später (c. 1370)
den damals nicht ungewöhnlichen Uebertritt in die Dienste des Erz-
bischofs machte. ■;.•, .:;
üeber die anfänglichen Kanzleibedienstungen Johannes von Geln-
hausen belehrt uns die Bemerkung in dem Iglauer Bergrecht: „Hy
endet sich das puch von den pergrechteu, das maister J. von Geiln-
husen, ettwan underpergschreiber auf den Kuttenberg des Peter Schobers
von der Iglau Zeiten und grubeuschreiber über Sechsgruben pey her
Thoma Wolffels Zeiten, und darnach Kayser Karls Schreiber, aus latein
zu teutsch gemachet." Von den hier genannten Kuttenberger Würden-
trägern wird Petrus Schobronis als notarius Montis Chut. in den Jahren
1358 — 1363 öfters genannt (Öelakovsky, Prävnik 19., 768). Johann
von Gelnhausen war also anfänglich als Schreiber in Kuttenberg be-
schäftigt.
Die erste urkundlich erwiesene Erwähnung Johanns von Geln-
hausen als Schreiber in kaiserl. Diensten datirt vom J. 1365. Unter
1) Meine Schrift »Kanceläfe a pisafi' S. 124; Emier, Decem registra XI,
Acta jud. consistorii Prag. IL 52.
Zui" Lebensgeschichte Johanns von Gelnhausen, Registrators etc. ^03
den Suppliken Kaiser KarVs IV., die während seiner Anwesenheit zu
ATignon dem Papste überreicht wurden, befindet sich eine Supplik
dd. 5. Juni 1365, in welcher nebst mehrereu anderen Persönlichkeiten,
namentlich Kanzleibeamten, auch unser Johann von Grelnhauseu ge-
nannt und der päpstlichen Gnade anempfohlen wird und zwar heisst
er: , Johannes de Gelnhausen, notarius thezauri d. Imperatoris per
regnum Boemiae, clericus diocesis Moguntineosis". Johann von G. war
also bereits Anfang Juni 1365 in kaiserlichen Diensten.
Da nun nicht anzunehmen ist, dass er gleich bei seinem Ein-
tritt in den kaiserl. Dienst Aufnahme in die Supplik des Kaisers ge-
funden hätte, vielmehr dass er bereits durch längere Zeit diesen Dienst
zur Zufriedenheit versehen hatte, so muss als gewiss angesehen werden,
dass Gelnhausen bald nach dem J. 1360 den kaiserl. Dienst aufgesucht
hatte, dass er zuerst .subnotarius" oder „vicenotarius'* oder .scriptor
camerae" — wie die niederen Schreiber genannt wurden — und vor
1365 „notarius thezauri* geworden und als solcher in die kaiserliche
Supplik aufgenommen wurde.
Seit 1366 bis etwa 1374 wird er sodann als Eegistrator in der
kaiserlichen Hofkanzlei genannt, die er zugleich mit dem Kanzler
Johann von Neumarkt verliess. Seitdem war er in Mähren thätig,
und zwar als bischöflicher und als städtischer Notar. lu welche Zeit
seine Thätigkeit als Iglauer Stadtschreiber fällt, ist eine bisher unge-:
löste Frage, zu deren Beantwortung eine eingehende Durchforschung
der Iglauer Stadtbücher und der ßechtsbücher Johanns von Gelnhausen
nothwendig ist i).
Dass es Johann von Gelnhausen während seiner Kanzleidienste
nicht glänzend erging, ist daraus zu schliessen, dass sein Name mit
kleiner höheren kirchlichen Würde und der damit verbundenen Pfründe
verknüpft ist — wirklich ein Ausnahmsfall bei einem langjährigen
Kanzleibeamten jener Zeit-) — , vielleicht war eben dies die Ursache,
dass er vom Kaiser selbst besoldet wurde (stipendiatus) ; es bezeugt
dies auch der in die vatikanische Formelsammlung aufgenommene Brief
') Dieser Artikel war bereits im Sommer 1898 geschrieben und der Redaction
d. ßl. eingeschickt worden. Inzwischen ist auch K. Burdach (Besprechung der
Arbeit Kaisers in der D. Literaturzeitung v. 24. Dec. 1898) aut anderem Wege
zu demselben Resultat gelangt, dass Job. de Gumpolcz und Joh. de Gelnhausen
zwei verschiedene Persönlichkeiten sind ; nach den neuesten Forschungen Burdachs
sowie des Dr. Telakovsky (Casop. C. Mus. Bd. 72) ist auch die Frage bezüglich
des Iglauer Aufenthalts Joh. v. Gelnhausens endgiltig gelöst.
*) Man könnte daraus sowie aus dem Umstände, dass er sich in späterer
Zeit nicht »clericus« sondern gewöhnlich »Joh. de Gelnhusen Mogunt dioc. *
nennt, schliessen, dass er geheirathet und daher keine kirchl. Beneficien er-
halten hatte.
104 Kleine Mittheilungen.
mit der Bitte: ^quatenus humilis et fidelis creature vestre Johaunis
de Gelnhausen memoriani habere dignemimi, ut status suus in aliquo
emendetur*).
Dass sich Johann von Gelnhausen mit Bücherabschreiben und
lUuminiren bei dem Bischöfe von Olmütz und ehemaligen Kanzler
Johann von Neumarkt beschäftigt hätte, wie Kaiser aus einigen Schreiben
der Caucellaria Johannis Noviforensis schliesst (S. 17), ist nach dem
blossen Namen , Johannes" wohl nicht anzunehmen, es spricht dagegen
die in den Briefen des ehemaligen Kanzlers — wie mir scheint —
consequente Benützung des Ausdrucks „notarius oder protonotarius*
für Kanzleibeamte und „scriptor" für Bücherschreiber.
üeber die Stellung eines ßegistrators in der kaiserlichen Kanzlei
sind theilweise unrichtige Ansichten verbreitet; auf keinen Fall ist die
Meinung begründet, dass die ßegistratoreu zu den niedersten Kanzlei-
beamten gehörten 2). Vielmehr finden wir Registratoren mit höheren
kirchlichen Würden bekleidet und in angesehenen Stellungen als Ver-
trauensmänner bei hohen Würdenträgern. So hatte z. B. der ße-
gistrator Johannes Saxo presbyter Zwerinens. dioc. mehrere kirch-
liche Beneficien, er war Mansiouarius bei der Prager Kirche (diese
Stelle vertauschte er mit dem A Itaristen bei St. Nikolaus in der Alt-
stadt Prag), erhielt vom Papste die Provision auf ein Wysehrader und
bald darauf auf ein Bamberger Canonicat, war auch Pfarrer in Saharz
Olomuc. dioc. und canonicus Lubucensis. Im J. 1355 wird er ,cor-
rector literarum iniperialium" genannt, aber noch 1373, 15. Juli heisst
es in der päpstlichen Provision: „Johanni Saxoni, qui ut asseris
registrator literarum im per. existis ed per sexdecim annos officium
registri huiusmodi in cancellaria iraper. legaliter exercuisti ac diversa
ecclesie Komane in eadem cancellaria fecisti obsequia . . de canonicatu
ecclesie Wormae. non obstaute quod paroch. ecclesiam in'Sahars Olomuc.
dioc. obtines . . providemus etc." (Heg. Vatic). Andere Registratoren
in derselben Zeit waren : Wilhelmus Kortelangen (1364 — 1378),
vertrauter Freund des Kanzlers Johann von Neumarkt, später Cano-
nicus von Olmütz, Registrator noch in der Kauzlei König Wenzels.
') Auch dieses Schreiben habe ich in meiner Schrift i,Kanceläfe a pisafi*
S. 39 benützt ; es ist daher die Behauptung H. Kaisers S. 18, dass das Schreiben
»bisher noch nicht für seine (Johanns v. G.) Lebensgeschichte herangezogen ist«,
nicht richtig, üeber die Auffassung und Erklärung des Briefes lässt sich frei-
lich disputiren. — Ob sich das Schreiben Nr. 211 bei Kaiser S. 94 auf unseren
Johann v. G. bezieht, ist sehr ungewiss, da zu derselben Zeit noch ein zweiter
Johannes (de Ostraviai als bischöfl. Notar in Olmütz genannt wird (Codex Morav.
XI. 77); jedenfalls war die darin enthaltene Bitte um Beförderung erfolglos.
2) Burdach im Centralblatt f. Bibliothekswes. 1891. S. 165.
Das religiöse Testament K. Ferdinands I. 105
Petrus Tilonis clericus Wratislav. dioc, literarum imp. registrator
et signator (1363 — 1370), war scholasticus Lubuceusis und erhielt
1365 die päpstl. Provision auf ein Breslauer Canonieat. Johannes
Lust de Nornberga clericus Bamberg, dioc, registrator et notarius
(1354 — 1378), erhielt am 27. April 1371 als „literarum imper. registra-
tor" die Provision auf ein Prager und am 28. Februar 1374 ebenso
die Provision auf ein durch den Tod des Bischofs Guido von Oporto
erledigtes Alt - Bunzlauer Canonieat. In anderen Urkunden aus den
J. 1370 — 1378 wird er als , notarius" bezeichnet. Wenceslaus
Gregorii de Genikow, literarum imp. scriptor, später registrator
(1371 — 1378) war Canonicus bei St. Apollinar und auf dem Wysehrad
und erhielt nebstdem eine Praebende bei St. Egidi in Prag. Ausser
den bereits genannten werden in denselben Jahren noch als Kegistra-
toren genannt: Johannes de Gewiczko (1369), Johannes de
Cellis (1370), Petrus de Boleslavia (1370), Nicolaus de
Praga (1371 — 1374). Man sieht, dass einerseits die Ausdrücke „no-
tarius, registrator, corrector'^ abwechseln und dass die Stellung dieser
drei Categorien von Kanzleibeamten so ziemlich gleich war, und weiter
auch dass die Zahl der jeweiligen Kegistratoren nicht bestimmt war.
(Nähere Belege siehe in meiner Schrift: .Kanceläfe a pisafi« S. 33 — 40).
Ferd. Tadra.
Das religiöse Testament K. Ferdinands I. 0. H. Hopfen
hat in seinem Werke: „Kaiser Maximilian II. und der Kompromiss-
katholicismus" ausführlich über das Verhältnis Maximiliaus zu seinem
Vater Kaiser Ferdinand I. gehandelt. Aber auch bei ihm vermissen
wir die Erwähnung eines interessanten Aktenstückes, welches die Be-
fürchtungen Kaisers Ferdinands I. zum Ausdruck bringt, wir meinen
den Brief Mat. Zithards, in welchen das religiöse Testament des Kaisers
enthalten ist.
Das Original des Briefes Zithard's an Leonhard den Aelteren
Freiherrn Harrach befindet sich sammt einer Abschrift im gräfl.
Harrach'schen Archive iu Wien. Nach diesem hat es im Jahre 1656
Georg Füll, gräflich Harrach'scher Majoratssecretär in Brück an der
Leitha abgeschrieben, welche Abschrift sich bis jetzt iu der Handschrift
der k. k. Hofbibliothek 7574 fol. 377^—378*^ befindet. Wahrscheinlich
hat man die Echtheit dieses Schriftstückes angezweifelt, und darum hat
Niemand auf dasselbe die Aufmerksamkeit geleitet.
Matthias Zithard, Probst von Leitmeritz, war damals Hofprediger
und wie er selbst sagt, Beichtvater K. Ferdinands 1, Leonhard, Freiherr
106 Kleine Mittheilungen.
voD Harrach zu Kohruu war seit 1562 Obersthofmeister K. Maxi-
milians, zugleich auch sein Oberstkämmerer, welche Würde er seit
1562 bekleidete. Geboren im J. 1514 studii-te er im J. 1534 an der
juridischen Facultät in Padua. nach dem Ableben seines älteren Bruders
Joachim (31. März 1537) kehrte er zurück, wurde im J. 1546 öster-
reichischer Kegimentsrath und im J. 1560 Obersthofmeister des Erz-
herzogs Karl. In den ßeichsfreiherrnstand im J. 1554 erhoben, er-
richtete er im J. 1579 ein Majorat, welches von K. Eudolf II. bestätigt
wurde, wurde im J. 1584 Eitter des goldenen Vliesses. Mit Kaiser
Maximilian war er in einem regen brieflichen Verkehre und genoss als
Politiker eines hervorragenden Ansehens. Er starb am 27. Juli 1590.
Weilaudt Kaysers Ferdiuaudi, hochloeblichister und ewig wehrender
(jedachtniss bittlicher Beuelch von Wort zu Wort den wollgebornen
Herrn H. Leouardt von Harrach, der ietzigen Kay. Ma^ Maximilians
Hoifmeisteru betreffend, mir inn seiner letsten christlichen Beicht grethan
und nachmals winnig Tag vor seinem Absterbeu repetirt und wider-
holt Anno 1564 in mense Julio, in welchem er am Tag Jacobi
(25. Juli) den Abeudt umb 7 verschiden und ghauz christlich ent-
schlaöen.
Lieber Citharde! Nachdem ich letzt um dem Gwalt des Allmech-
tigen lige uud gwissers nit erwarten kan, dan den Todt, für den ich
mich doch uicht fürchte, uud ich euch aber die ghancze Zeit auss von
CAver Berüffung her an meinem Hoff mein Gwisse, mein Seel und alles
Anligen vertrawet hab, darinnen Ihr mir auch iederzeit troestlich
und getrew gwesen, so kan ich Euch nit bergen, das mir hoehers auff
dieser Welt nit angelegen, auch nichts so schwerlich mein Hercz be-
kümmert als die Eelimon, das ich soro-, es mücht dieselbiffe nach
vieler Menschen Hoffnung, wenu ich dahin gefaren binn, verendert
werden und nit mehr catholisch bleiben, welches dan unserem ehr-
lichen uud weit beruerapten Hau.sz Oesterreich, so durch bestendiger
Wollhaltung der Eeligion auffkommen und auffgestigen ist, zu zeit-
licher und ewigen Schanden geraichen würd, uud wolte dise Stund
froelich sterben, wenn ich der Sorgen überhebt mücht sein. Dweil
ich dan weisz, das an dem von Harrach viel gelegen wirt sein, als
der umb meinen Sun Maximilianum als Hoffmeister inn seiner an-
gehenden kayserlichen Eegirung wirt stetig sein, und ich inn für
ein frommen, gotfürchtigeu, auffrichtigen catholischen Mann allzeit
gehalten, auch das Vertrawen zu im gestalt, so wollet in nach
meinem Todt von meintwegen bitten, er woll vernunff'tiglich und fur-
sichtiglich mit hoechsten Fleisz umb Gottes und gemeiner WoUfart,
auch Friden und Euhen willen drob und dran sein, das die cathohsche
Die Einführung des Gregorianischen Kalenders in Salzburg. XQJ
Kelifirion, wie sie von unsern Vorfaren auff uns loblich kommen, inn
unsern Lenderen gehalten werde, alle buösen Practiken abgewendet
und allerley Einfuerung der sectischen Lehr verhuetet werde. Ermanet
in durch Christum von meiuer letsten Bitt wegen (auch Andere, die
ihr wisset), das er fursichtig inn disen hochwichtigen Sachen sey und
lasz im anders uit duncken, dan er hoer es ausz meinem Mund und
inn der letsten Stunden. Des wirt im Gott sein Gnad reichlich ver-
liehen und ich will für die gmeine Sacli der Kirchen und LantschafFt,
für meinen Kinderen und ihr Regimenten, auch für ihn und allen
meinen getrewen Rethen, aucli ünterthanen Gott im Himmell getreu-
lich bitten. Disz ist mein letstes Bitten au den von Harracli.
Matthias Cithardus, defuncti piissimae memoriae
Ferdinandi Caesaris concionator ac confessor. manu
mea propria.
An Herren von Harrach, Ro^. Kay''. Mat. Obristeu HofFmayster.
Von der Hand des Freiherrn Leonhard dem Mittleren Harrack
(t 1597) steht noch diese Anmerkung beigeschrieben. Von Herrn
Citardo, Ir. M*. hochseligister Gedechtnuss Kayser Ferdinandt Baicht-
vatter, ist dise Zedell, darinnen von mein Herrn Vattern seliger Ge-
dechtnuss Ir. M*. löstes ßegeren in der Beycht entdeckt unnd commu-
niciert, so beschehen am Tag Jacoby umb 7 Uhr auff den Abendt,
unnd sollend meine Erben dises Testimonium woll auffbehalten.
F. Mencik. '^
DieEiiiführuug des (xresoriaiiischcn Kalenders iiiSalzImrg,
Als Papst Gregor XIII. in seiner Bulle »Inter gravissima" die seit
Jahrhunderten augestrebte Reform des Juliauischen Kalenders ver-
kündete und den Monat October 1582 als Durchführungstermin für
dieselbe bestimmte, war das Erzstift Salzburg nicht unter den wenigen
Ländern, welche diesem Befehle nachkamen. Den Grund hiefür finden
wir in eiuem Briefe des damaligen Erzbischofes Johann Jacob an den
Kaiser Rudolf II. i) ausgesprochen: der päpstliche Befehl, schreibt der
Erzbischof, sei ihm erst kurz vor dem zur Veröffentlichung des neuen
Kalenders bestimmten Termine zugekommen, so dass er mit der Publi-
cation nicht mehr vorgehen konnte, daher habe er sie auf den Octo-
ber des nächsten Jahres verschoben. Da traf iui December 1582 die
vom 7. November datirte ,Coustitutio super observatione calendarii
nuper editi pro iis, qui de mense Octobris proxime praeterito illud
observare non coeperunt" in Salzburg ein, in welcher der Papst be-
») K. k. Reg. Archiv in Salzburg: Hotkam luer, Consistor. 1582, H.
■iQQ Kleine Mittheilungen.
fahl, mit Hintansetzuug aller Hindernisse und Entschuldigung den
neuen Kalender im Februar 1583 einzuführen und zwar in der Weise,
dass man vom 10. Februar (Sonntag Quinquagesima) sofort auf den
21. übergehe 1). Begleitet war sie von einer Ordinatio officii für die
Oeistlichen.
Der Erzbischof war wohl von Anfang an betreffs seines Verhaltens
nicht im Unklaren. Dies geht deutlich aus dem an den Bischof
Christoph von Chiemsee ausgegangenen Schreiben desselben vom
7. December 1582 hervor, in welchem er seine Absicht dem päpstlichen
Befehle Folge zu leisten ausspricht und von ihm begehrt, dasselbe zu
thun2). Allerdings war ihm auch viel daran gelegen, sich früher der
Einwilligung des Kaisers und der Erzherzoge Carl und Ferdinand, in
deren Ländern sich sein Sprengel theilweise befand, zu versichern.
Er sandte daher seinen Rath Dr. theol. Georg Stobeus mit dem Auf-
trage nach Wien, dem Kaiser seine Absicht betreffs der Publicirung
des reformirten Kalenders mitzutheilen und dem apostolischen Nuntius
einen Brief zu überbringen 3). In diesem schreibt er, es bleibe ihm
nichts anderes übrig als dem päpstlichen Befehle zu gehorchen, er
habe es jedoch zur Wahrung der nie genug gerühmten Einheit für
notwendig erachtet, auch die Gesinnung des Kaisers und der übrigen
Fürsten in dieser Sache zu erkunden. Der Gesandte habe den Auftrag,
dieselbe beim Kaiser zu betreiben, der Nuntius möge ihn, da die Frist
kurz sei, darin unterstützen, damit wenigstens für die ganze salz-
Iburgische Kirchenproviuz die Bewilligung der Publication vom Kaiser
und den Erzherzogen Carl und Ferdinand erwirkt werde.
Der Nuntius schickte mit seiner Antwort vom 9. December neuen
Stils ein an den Erzbischof gerichtetes päpstliches Breve vom 13. No-
vember (n. St.) 1582^), in welchem die Erwartung ausgesprochen war,
der Erzbischof werde die päpstliche Constitutio genau befolgen. In
dem Begleitbrief aber erinnert der Nuntius den Erzbischof, dass der
Papst in der Constitutio nicht bloss zur Annahme des verbesserten
Kalenders auffordere, sondern dieselbe anbefehle (,de Apostolicae po-
1) Ibidem: — »Cum perventum fueiit ad diem decimum Februarii anni
millesimi quingeutesimi octuagesimi tertii, in quem cadit Dominica Quinqua-
gesimae secundum antiquum Calendarium transitus statim fiat ad diem vige-
fiimum primum eiusdem mensis Februarii omissis decem diebus inter diem deci-
mum et diem vigesimum primum Februarii etc*.
2) K. k. Reg. Archiv in Salzburg: Archiv X[I, 55.
s) Ibidem, Hofk. Consist.
*) Ibidem, mit dem an den Kaiser Rudolf II. gerichteten fast gleichlautend.
Vgl. Kaltenbrunner, Polemik über die gregor. Kalenderreform in den Sitzungs-
berichten der Wiener Akademie 87, 582.
Die Einführung des Gregorianischen Kalenders in Salzburg. 1Q9
testatis plenitudine statuimus, praecipimus ac mandamus"), ein Befehl,
den ein Kirchenfürst am wenigsten misaehten dürfe. Das Bedenken
betreffs der Einheit des ganzen Kirchensprengels solle ihn nicht ab-
halten, dem päpstlichen Willen wenigstens dort Geltung zu verschaffen,
wo das in seiner Macht liege.
Daraufhin schrieb Erzbischof Johann Jacob sofort an den Kaiser,
er und seine Mitbischöfe müssteu sich dem Gebote des Papstes fügen
und in geistlichen Dingen vom Februar 1583 an sich nach dem neuen
Kalender richten; da jedoch die salzburgische Kirchenprovinz auch im
Gebiete des Kaisers und seinen Erblanden sich erstrecke, bitte er ihn,
denselben in eben diesen Gebietstheilen publiciren zu lassen, damit
man auch in weltlichen Dingen sich nach ihm richte. Da der Kaiser
lange nicht antwortete, Hess der Erzbischof durch den Nuntius in
Wien diese Angelegenheit betreiben, aber ohne augenblicklichen Erfolg.
Auch Erzherzog Ferdinand, au den der Erzbischof geschrieben hatte,
verhielt sich ablehnend, bevor der Kaiser sich nicht erklärt habe. Vom
Erzherzog Carl war bis 3. Januar keine Antwort eingetroffen. Dagegen
konnte Johann Jacob dem Bischöfe Urban von Passau berichten, dass
Herzog Wilhelm in Bayern „mit der Haltung des neuen Kalenders
fortschreiten wolle", und dass dessen diesbezügliche Befehle an die
Pfleger schon unter der Presse seien i).
Obwohl unterdessen vom Nuntius der ablehnende Bescheid des
Kaisers auf die Bitte des Erzbischofes eingelangt war, fuhr dieser doch
fort Anstalten zu treffen , welche die Einführung der Keform im Fe-
bruar ermöglichen sollten. Besonders war er darauf bedacht, durch
praktisch eingerichtete Kalender dem Volke den Uebergang zu er-
leichtern. Er liess daher bei Matthäus Nenninger in Passau nach dem
Muster eines lateinischen etliche tausend Exemplare deutscher Kalender
drucken und zwar in Form eines Tafelkaleuders, auf welchem der alte
neben dem neuen ersichtlich, das erzbischöfliche Wappen, die Zeit-
charaktere, die Sonntagsevangelia und sonst passendes angebracht
werden sollte.
Die sicherste Stütze fand Johann Jacob an Herzog Wilhelm von
Bayern. Dieser schreibt ihm am 13. Januar (a. St.), er möge sich
betreffs der Zögerung des Kaisers beruhigen, die Kurfürsten würden
diesem Werke nicht zuwider sein, so dass er die Publication in seinem
Erzstift ohne „sondere zerrüttlichkeit wohl fürnemen" könnte.
Dann ersucht er ihn „Sie wollen Verordnung thun, damit der
Clerisei E. L. Erzbisthums, so viel sich desselben Chrisam in unser
' Ibidem,
W(j Kleine Mittheilungen.
rürstenthum erstreckt, geboten werde, sich nach Verscheinung des
10. Februars schiristkünftig mit Fasteu, Beten, Messlesen und Haltung
des Gottesdienstes dem neuen Calender gemäss zu halten i). Dement-
sprechend erliess der Erzbischof schon am 31. Januar seine Befehle
an die Erzpriester seines bayrischen Sprengeis. Diesen folgten dann
am 4. Februar die inzwischen fertiggestellten Kalender^). Die Hof-
kammer des Erzstiftes kam erst am 8. Februar 1583 in die Lage, über
die ihr vom Erzbischofe vorgelegte Frage, ob der verbesserte Kalender
einzuführen sei, zu berathen. Sie beschloss, die Einführung desselben
im Erzstifte, nicht aber in den in Steiermark und Kärnten gelegenen
Theilen der Erzdiöcese anzurathen. Den Pfarrern und Pflegern seien
Kalender zu überschicken und am Sonntag (d. i. am K). Febr.) in
der Stadt Salzburg und sonst im Erzstift zu verkünden) 3.
Am Jiächsten Tage erging das diesbezügliche Mandat des Erz-
bischofes mit folgendem Befehle an den Pfarrer von Kuchl und den
Pfleger zu Golliug: ,Ist demnach an Dich Pfarrer unnser Bevelch, Du
wellest beyver Wortes unnser Mandat die drey negsten nacheinander
volgenden Feiertag auf der Canzl verkhünden uund demselben zu ge-
leben Dein Pfarrvolkh ermonen, auch Du solchem für Dein Person mit
Vleiss in den horis canonicis unnd anndern Khircheugebotten nach-
khommen. Nit weniger wellest Du unnser Pfleger, solches bey unnsern
Underthonen Deiner Verwaltung zu beschehen verfüegen unnd alles
Yleiss was welltlich unnd gerichtliche Sachen betrifi't, geleben, unnd
damit man sich desto bass darnach zurichten hab, so habt Ir hieneben
2 lateinische unnd 10 teutsche neue gedruckhte Calender" ^). — An
demselben Tage erging auch derselbe Befehl an den Pfleger zu Mattsee &)
und — das können wir als sicher annehmen — an die übrigen Pfleger
des Erzstii^es)^,
') Archiv des f. e. bisch. Consistoriums in Salzburg. Dieser Brief scheint
dem was Stieve in Sybel's Hist. Zeitschrift, 42. Bd. S. 135 über die Widerrufung
der Mandate seitens des Herzogs Wilhelm sagt, zu widersprechen. Jedenfalls
ist es aufi'allend. dass er, der sonst über seine in dieser Angelegenheit gethanen
Schritte den Erzbischof unterrichtet, nicht mit einem Wort die Zurückziehung
seiner Befehle erwähnt. Auch am 31. Januar beruft sich noch der Erzbischof,
als er seine Befehle an die Geistlichkeit des bayrischen Theiles seiner Erzdiöcese
hinausgab, auf die erfolgte Publicirung des neuen Kalenders in Bayern. Dazu
tommt noch, dass Herzog Wilhelm einen Brief an den Erzbischof Johann Jacob
»den ersten Martii dem neuen Calender nach anno etc. 83' datirt.
-) Ibidem.
3) K. k. Reg. Archiv in Salzburg: Hofk. Protokoll v. 8. Febr. 1582.
*] K. k. Reg. Archiv : Pfleg. Golling, Consistorialsachen.
^) Archiv des f. e. b. Consist. in Salzburg.
^) Das Mandat selbst fand sich nicht.
Die Einführung des Gregorianischen Kalenders in Salzburg. J^J^i
Dass diesem Mandate auch thatsäclilich entsprochen wurde, ersieht
man aus den Protokollen und Akten der Hofkammer und den Proto-
kollen des Domcapitels, in denen die Daten 11. — 20. Februar nicht
vorkommen. Dagegen datirt der Stadtrichter in Hallein einen Bericht
„den 12. Marty nach dem neuen reformierten Calender
a,o 33« 1). Das Domcapitel beschliesst in seiner Sitzung vom 26. Fe-^
bruar, den abwesenden drei Capitularherren mitzutheilen, „dass die
neuen reformirten Calender beim Erzstifft angenommen und schon
allberait publicirt sein, nach welchen der Gottsdienst verrichtet,
auch hochermelts Capitis Statuta darauf dirigirt und gelendet werden" 2).
Dieser Befehl wurde auch nicht zurückgenommen, deun der Erz-
bischof schreibt am 11. Oktober 1583 au den Bischof von Chiemsee,
dass er schon „hie vor auf der päpstlichen Heiligkeit Befehl in seinem
Erzbisthum und bayrischen Chrisam" den neuen Kalender publicirt
habe ^).
Der Bischof vou Chiemsee, welcher, wie oben erwähnt wurde,
schon am 7. December 1582 vom Erzbischof Johann Jacob aufge-
fordert worden war, den neuen Kalender im Februar 1583 einzuführen,
entsprach erst am 24. Februar u. St. 1583 diesem Begehren mit einem
Decret au die Geistlichkeit seiner Diöcese, „soweit sie sich im Herzog-
thum Bayern erstreckt" ^).
Noch in demselben Jahre erfüllte sich der Wunsch des salzbur-
gischeii Metropoliten bezüglich der Einheit in seiner ganzen Kirchen-
provinz, als ihm der Kaiser in einem Schreiben vom 4. September a. St.
mittheilte, er sei „entschlossen als Römischer Kaiser im heiligen Reich
Deutscher Nation und in den Königreichen und Landen den neuen
Kalender zu gebrauchen und denselben auf den October des laufenden
Jahres in das Werk zu richten"^). Johann Jacob trug daher am
1 1. October 1583 nochmals dem Bischöfe von Chiemsee auf, dem Willen
des Kaisers entsprechend „bei seinem Stift und Clerus darob zu sein,
dass dem neuen Kalender auch in den Kirchen allerdings nachgelebet
werde". Dieser Auttrag bezog sich auf jenen Theil der Diöcese Chiem-
see, der in Tirol gelegen war. Aehnliche Weisungen ergingen wohl
auch an die übrigen SufFragane, deren Diöcesen sich in den öster-
reichischen Erblanden erstreckten, also an die Bischöfe von Gurk,
Lavant, Seckau und Brixen.
') Hofkammer, Salzburg 1582/4, A.
2) Domcapitel Protokoll vom 26. Febr. 1583.
3) »Archiv* XII, 55.
*) »Archiv« XII, 55.
*) Ibidem.
W2 Kleine Mittheilungen.
Aus dem Gesagten ergibt sich nun mit Sicherheit, dass der
gregorianische Kalender in der Erzdiöcese Salzburg
und in der Diöcese Chiemsee, soweit beide sich im Erz-
stifte und in Bayern erstreckten, am 21. Februar 1583, in
den in österreichischen Erblanden liegenden Theilen
aber erst am 15. October desselben Jahres eingeführt
wurde.
Mit diesem Ergebnis stimmen die Angaben Kaltenbrunners (Polemik
über die gregor. Kalenderreform in den Sitzungsberichten der Wiener
Akad. 87, 509 und Augsburger Kaleuderstreit in den Mittheil, des
Instituts 1, 503) nicht ganz überein. Die Verschiebung der Publi-
cation, die Kaltenbrunner für die ganze Erzdiöcese anzunehmen scheint,
konnte sich nur auf den in Tirol, Kärnten, Steiermark und Nieder-
österreich gelegenen Theil derselben beziehen. Dementsprechend wäre
Stieve's Zusammenstellung der für die Einführung des gregorianischen
Kalenders in den verschiedenen Ländern bisher sichergestellten Daten
iu Sybel's Hist. Zeitschr. 42, 135 und die von Eühl in seiner Chro-
nologie des Mittelalters u. d. Neuzeit S. 239 gegebene, soweit sie das
Erzstiit Salzburg betreffen, zu berichtigen.
Salzburg. Andr. Mudrich.
Literatur,
Neuere Literatur über deutsches Städtewesen.
VIII.
84. P. Albert, Geschichte der Stadt Radolfzell am
Bodensee. Im Auftrag der Stadtgeraeinde bearbeitet. Mit 25 Ab-
bildungen, 1 Plan und 1 Karte. Radolfzell 1896 Druck und Kom-
missionsverlag von Wilhelm Moriell. 8°, XXI-]- 666 SS.
85. Friedrich Schäfer, Wirtschafts- und Finanz-
geschichte der ReichsstadtUeberlingen am Bodensee in
den Jahren 1550 — 1628 nebst einem einleitenden Abriss
der üeberlinger Verfassungsgeschichte. Breslau 1893
W. Köbner. 8°, XII + 196 SS. (Untersuchungen zur deutschen Staats-
und Rechtsgeschichte hg. von Dr. Otto Gierke. 44. Heft).
86. Max Bär, Urkunden und Akten zur Geschichte
der Verfassung und Vervs^altung der Stadt Koblenz bis
zum J. 1500. Bonn 1898 H. Behrendt. 8°, XXII -f 266 SS. (Publi-
kationen der Gesellschaft f. Rhein. Geschichtskunde XVII).
87. Friedrich Lau, Entwicklung der kommunalen
Verfassung und Verwaltung der Stadt Köln bis zum
Jahre 1396- Gekrönte Preisschrift. Bonn 1898 H. Behrendt. 8°,
XVI -f 408 SS. (Preisschriften der Mevissen-Stiftung, gekrönt und
hg. von der Gesellschaft f. Rhein. Geschichtskunde I).
88. Vinzenz Lössl, Das Regensburger Hansgrafen-
amt. Ein kleiner Beitrag zur Kultur- und Rechtsgeschichte. Stadt-
amhof 1897 J. u. K. Mayr 8°, VIII + 171 SS. (Verhandlungen des
hist. Vereins von Oberpfalz und Regensburg, Band IXL).
Mittheilungen XX. 8
jj^^ Literatur.
89. Kon r ad Beyerle, Die Koustanzer Katslisten des
Mittelalters. Hg. von der Badischen histor. Kommission. Heidel-
berg 1898 C. Winter. 8^ VII + 252 SS.
90. Guillaume Des Marez, Etüde sur la prop riete
foneiere dans les villes du moyen-äge etspecialement
en Flandre. Avec plans et tables justificatives. Gand et Paris 1898.
8°, XXV -1- 392 SS. mit 3 Stadtplänen. (Universite de Gand. Recueil
de travaux publies par la Faeulte de philosophie et lettres. 20*^ fascicule).
Auf eine mehr als eilfhundertjährige Ueberlieferung kann das Städt-
chen Radolfzell, in dessen Bannmeile J. V. v. Scheflfel sich auf anmutigem
Hügel sein Sommerhaus erbaut hatte, zurückschauen. Während dieses
Jahrtausends hat sich innerhalb seiner Mauern vieles ereignet, was der
Beachtung wert erscheint. Nicht ohne Nutzen wird man von dem Ver-
hältnisse der Stadt zu ihrer Herrschaft Kenntnis nehmen, mit Fug und
Eecht darf man an dem Wachstum der städtischen Selbständigkeit, an
den Formen und Bildungen der bürgerlichen Gesellschaft, an der Lebens-
kraft seine Freude haben, die in diesen kleinen Gemeinwesen waltet, alle
Ungunst der Zeiten überdauert und in unseren Tagen ein ungemein
rasches Aufblühen von Handel und Gewerbe bewirkt hat. Albert hat
sich seiner Aufgabe mit vielem Fleisse, der namentlich in den leider an
den Schluss gestellten Anmerkungen ersichtlich wird, entledigt; Mängel,
die dem Buche anhaften, hat er selbst in der Vorrede besprochen und
zum Teile entschuldigt; dass am Schlüsse fünf Seiten Nachträge und Be-
richtigungen beizugeben waren, ist zum mindesten ungewöhnlich. Mit
gutem Verständnis hat der Verf. besonders das culturgeschichtliche Moment
und die historische Ortsbeschreibung berücksichtigt, diesen Dingen kommen
auch die zahlreichen Abbildungen vornehmlich zu Gute. An dieser Stelle
haben wir aber vor anderm hervorzuheben, dass dem Buche ein Facsimile
der vielberufenen Markturkunde vom J. 1100 beigegeben ist, durch welches
den verschiedenen Verbesserungs- und Erklärungsversuchen, die bis in die
letzte Zeit fortgedauert haben, wenigstens nach einer Seite der Weg verlegt
wird. Es stellt sich heraus, dass die von mir vorgeschlagene Deutung
(Mitt. 15, 502), die auch von A. angenommen wurde, in der Hauptsache
richtig ist, dass aber in einem nebensächlichen Punkte ein Zweifel be-
stehen bleibt. Ich führe den betreffenden Satz nochmals an: pro lege
damus, ut nee advocatus nee villicus nee aliqua secularis potestas ipsum
(d. h. den famulus. der im Marktgebiete ein Haus gekauft hat) occasione
allodii (allodio Hds.) iudicio fori vocet (vocetur Hds.) ad presenciam sui;
nun folgt ein Zeichen, das A, für vt liest: ut jus fori ponat vel suscipiat.
Doch unterscheidet es sich erheblich von den sicheren Schreibungen des-
selben Wortes in Z. 7, 10, 12, 14, 19 und man könnte darin ebenso gut
ein mit dem folgenden j verbundenes n erblicken, so dass auch nee, dessen
übergeschriebenes c in Folge der Verbindung ausgefallen ist, zu vermuten
wäre. Zu Gunsten dieser Lesung spräche die bessere grammatikalische
Fügung und das leichtere Verständnis, während bei der Annahme von ut
das Subjekt des damit eingeleiteten Satzes nicht erkennbar ist, eine Zwei-
deutigkeit auch in Alberts Uebersietzung (S. 39) übrig bleibt. Hegel hat
Literatur. ]^J5
in einer kurzen Ausführung (N. Archiv 23, 744) als Subjekt den famulus
gesetzt und gegen meinen Vorschlag eingewendet, dass bei dessen Annahme
ius fori einmal als gerichtliches Verfahren, das andere Mal als Bussen
verstanden werden soll. Aber eine solche Doppelbedeutung des Wortes
ius ist nichts Ungewöhnliches, ähnliches findet sich in vielen Gerichts-
urkunden, in denen der Richter zuerst »sein Eecht* verlangt, dann erst
dem Kläger »sein Recht* zuspricht; anderseits ist Hegel selbst genötigt,
eine gleichartige Spaltung mit dem famulus vorzunehmen, der bei ponat
als Kläger, bei suscipiat als Beklagter gedacht werden muss. Wie man
sich übrigens entscheiden mag, daran dass durch die urkundliche Ver-
fügung nicht die Ausdehnung des Marktrechtes auf die Kirchenleute,
sondern der Schutz der familia gegen dasselbe bezweckt werden sollte,
kann auch jene andere Auslegung nichts ändern.
In nimmer rastender, geräuschloser Arbeit sind der wissenschaftlichen
Erforschung der Geschichte unseres Volkes neue Gänge aufgeschlossen
worden und es ist ein schönes Zeichen gemeinsamer Ueberlegung und
fruchtbarer Wechselwirkung, dass seit einer Reihe von Jahren die Geschichte
der städtischen Verwaltung eingehende und ergebnisreiche Bearbeitung
gefunden hat.
Eine der frühesten Untersuchungen solcher Art ist ebenfalls einer
Bodenseestadt, dem weinreichen Ueberlingen gewidmet (85). Die ver-
fassungsgeschichtliche Einleitung wird allerdings nach den Forschungen
der letzten Jahre manche Berichtigung verdienen, um so lehrreicher und
anregender sind dagegen die Ausführungen Schäfer's über den privaten
und städtischen Haushalt. Die vornehmsten Erwerbsquellen bildeten
Weinbau und Getreidehandel, neben denen die Gewerbsthätigkeit sehr weit
zurücktritt, sich nur als ihr Anhängsel zu erhalten vermag. Eingehend
behandelt der Verf. die Massregeln zum Schutze des Weinbaus, Art und Kosten
der Bebauung, die Ertragsfähigkeit und Preisbildung, endlich die Markt-
politik des Rathes. Recht belehrend sind auch die Ausführungen über die
Vermögensvei'teilung in der Bürgerschaft und über die städtische Finanz-
verwaltung. Das Ergebnis, zu dem der Verf. gelangt, ist nicht sehr
tröstlich. Trotz der ausserordentlich reichen Einnahmsquellen und günstigen
Erwerbsgelegenheiten fehlte es an einer sicheren finanziellen Grundlage
sowohl für die Stadt wie für die einzelnen Bürger. Engherzige Handels-
und Finanzpolitik des Rates, Mangel an Sparsinn in der Bevölkerung,
deren Leichtlebigkeit durch die verhältnismässig hohe Bodenrente und die
sichere Aussicht auf eine gut dotirte Spitalspfründe unterstützt wurde,
brachten bei dem ersten Umschwung der wirtschaftlichen Verhältnisse
einen Nothstand herbei, der durch die schweren Zeiten des dreissigjährigen
Krieges zu vollem Verderben gesteigert wurde, eine Wahrnehmung, welche
auch in anderen Gegenden, die von der Natur mit ergiebigem Ertrag
edlerer Früchte bedacht sind, gemacht werden kann.
Nach dem Muster der früher besprochenen Kölner Actensammlung
(vgl. Mitth. 19, 17 7) hat Max Bär Urkunden und Acten zur Geschichte
der Stadt Koblenz veröffentlicht (86). Der Titel stimmt nicht ganz mit
dem Inhalte überein, da die Urkunden und Acten nicht die Hauptsache,
sondern nur Beilagen zu verschiedenen Abhandlungen sind, in denen sich
der Verf. über verfassungs- und verwaltungsgeschichtliche Fragen, das
8*
-j^-j^g Literatur.
Bürgerrecht und den Markt verbreitet. Von diesen Ausführungen dürfte
wohl die erste über die Entstehung der Stadtgemeinde, das Gericht und die
Verwaltung bis zum Beginn des 13. Jahrhunderts am anfechtbarsten sein
(Vgl. Mitth. 16, 536). Dass B. wiederholt aus späteren Dokumenten
Rückschlüsse auf das 9. und 10. Jahrhundert zieht, kann nicht gebilligt
werden. Ganz gewiss können in Waldordnungen und Bürgerbüchern aus
dem Ende des 1 5. Jahrhunderts Verhältnisse geschildert werden, die lange
vorher bestanden haben, aber ebenso sicher ist, dass oft recht altertümlich
aussehende Verbände erst im spätem Verlaufe entstanden oder neu ge-
schaffen worden sind, weshalb es in jedem Falle eines besonderen Beweises,
und wo dieser nicht zu erbringen ist, vorsichtiger Zurückhaltung bedarf.
Bei näherem Zusehen wird man sich z. B. kaum für die von Bär re-
construirte Markgenossenschaft Koblenz, Moselweiss, Lützelkoblenz und
Neuendorf erwärmen können, ich halte daher auch die Fragestellung auf
S. 8 für verfehlt. Ihre Mangelhaftigkeit dürfte auch die Ursache davon sein,
dass B. selbst in den Quellen keine Antwort auf sie zu finden und sie
nur »unter starken Einschränkungen bejahen zu dürfen« vermag. Davon
abgesehen bietet der Herausgeber manchen Aufschluss, es sind der Ab-
druck des Gerichtsbuches (S. 75 ff.), die Ausführungen über das Bürger-
recht (S. 120 ff.), den Markt (S. 143 ff.) und das Ungeld (S. 156 ff.)
als von allgemeinerem Interesse hervorzuheben.
Eine schöne Frucht der planvollen und sorgfältigen neueren Quellen-
publikationen zur Geschichte Kölns wird uns in dem preisgekrönten Buche
Lau's dargebracht (87). Die Veröffentlichung der Schreinskarten durch
Höniger, der altern Akten durch Stein, der Rechnungen durch Knipping
sowie eigene archivalische Studien ermöglichten es dem Verf., eine ein-
gehende, zuverlässige Darstellung der Verfassungs- und Verwaltungs-
geschichte Kölns bis zum J. 1396 zu liefern, die man mit aufrichtiger
Anerkennung annehmen darf. Die Anordnung des Buches ist klar, aus
voller Kenntnis hervorgegangen, die Darstellung einfach und sachgeraäss.
Mehr als jede andere Stadt bietet Köln der städtegeschichtlichen Forschung
Anhalt und Erweiterung, nicht allein wegen der üben-eichen Fülle des
bis in die früheste Zeit zurückreichenden Quellenstoffes, sondern auch
wegen der Vielfältigkeit der Verhältnisse. Was wir in verschiedenen
Städten vereinzelt finden, ist hier auf einem Boden zusammengedrängt;
nöthigt die Geschichte Kölns .ihren Bearbeiter, die verschiedenen Seiten
des städtischen Lebens gleichmässig zu beachten, so vnrd der allgemeine
Gewinn dadurch hervorgerufen und gesteigert, dass man hier eben die
verschiedenartigen Richtungen in ihrer Wechselbeziehung, ihrer gegen-
seitigen Einflussnahme beobachten kann. Das kommt auch in Lau's vor-
trefflichem Buche zum Ausdruck. Man beachte gleich Anfangs die viel-
gestaltige Gerichtsverfassung, den Einfluss, den sie auf die politische Ent-
wickelung genommen hat. Von eigenartiger Bedeutung ist auch die
Darstellung des Verhältnisses der Stadt zu dem Erzbischofe, dessen Rechte
und Machtmittel eingehend gewürdigt werden. Mit Recht betont Lau,
dass die Loslösuug der Stadt von der Landeshei'rschaft nicht so sehr durch
den Erwerb landesfürstlicher Gerechtsame als vielmehr durch Gegenuuter-
nehmung, also in einer freiheitlichen und selbständigen Entwickelung er-
folgte. Man kann demnach in Köln von allem Anfang an von städtischen
Literatur. J[17
Functionen und städtischen Behörden s]irechen, als deren erste wir das
SchöflFenkolleg wahrnehmen, neben dem die Gemeindebehörden der Sonder-
gemeinden bestehen. Gegen Ende des 12. Jahrhunderts bemerken wir den
ersten Versuch einer Katsbildung in der vielbesprochenen Eicherzeche.
Lau vermutet, dass dieses »Amt auf dem Bürgerhause ^^ das Ergebnis eines
in Folge der im J. 1182 durchgeführten Stadterweiterung nothwendig
gewordenen Ausgleiches zwischen dem SchöflPencolleg als der rein alt-
städtischen Communalbehörde und den reichen Bürgern der neu einzu-
verleibenden Gemeinden sei. Das ist um so einleuchtender, als der spätere
Kat ein Concurrenzinstitut gegenüber den Schöffen ist, man sich also gut
vorstellen kann, dass diese sich Anfangs viel eher dazu herbeiliessen, einen
Teil ihrer Befugnisse an eine ihnen gesellschaftlich nahe stehende Zeche
abzugeben. Man müsste dann aber annehmen, dass die Zeche schon
längere Zeit vorher bestanden und auch Mitglieder aus den Sonder-
gemeinden aufgenommen habe. Ich bemerke übrigens, dass L. etwas zu
rasch über die Erklärung des Namens hinweggeht, Zeumers Einwand
(Waitz Vfgg. 5^, 416) wäre doch zu beachten gewesen, wenn auch vieles,
so namentlich der Umstand, dass das Bürgerhaus als domus divitum be-
zeichnet wird, zu Gunsten der Uebersetzung von righir als reiche spricht.
Trotz der klugen Politik der Schöffen liess sich aber die Entwickelung
nicht ablenken, zu Anfang des 1 .3. Jahrhunderts begegnet uns endlich
der Eat und nunmehr gewinnt er Schritt für Schritt an Einfluss, aller-
dings nicht wie anderswo im Kampfe gegen die Stadtherrschaft, sondern
im Wettstreite mit den altern städtischen Behörden, den Richtern und
den Schöffen. Lau sieht in ihm eine demokratische Einrichtung, was
mir für Köln nicht ganz zuzutreffen scheint, denn der Kat war streng
patrizisch, der demokratische Zug kommt erst in dem Aufsteigen des
weiten Rates zur Geltung. Sehr verdienstlich ist auch die Ausführung
über das Patriziat, das sich auf rein wirtschaftlichen Grundlagen ge-
bildet, Reichtum von längerer Dauer zur Voraussetzung und deshalb
weder nach oben noch nach unten einen sozialen Abschluss gefunden
hat. Darin wird man eine wichtige Vorbedingung für die stete Erneue-
rung seiner Lebenskraft und für jene bedeutsamen Leistungen auf dem
Gebiete des Handels und der städtischen Verwaltung erblicken dürfen,
welche ruhmvolle Blätter der Stadtgeschichte füllen. Sehr merkwürdig ist
auch die Auslösung der stetig anwachsenden agrarischen Interessen aus
der immer städtischer gewordenen Verfassung und ihre Vertretung in
besonderen Bauernbänken. In recht vorsichtiger Darlegung handelt L, von
dem andern Räthsel der kölnischen Geschichte, der Gilde (S. 224 ff.); er
neigt sich am meisten der Ansicht Hegel's zu, wie er auch in dem Ab-
schnitte über das Bürgerrecht (S. 229 ff.) Hönigers Ansichten zurückweist
(Vgl. auch Mitth. 17, 320, 324). Ruht natürlich das allgemeine Interesse
vornehmlich auf dem der Verfassung gewidmeten ersten Abschnitte, so ist
der zweite über die städtische Verwaltung von nicht geringerer Bedeutung.
Der Verf. beleuchtet dieses wichtige Kapitel nach allen Seiten und es ist
ihm gelungen, die oft recht verwickelten Verhältnisse anschaulich darzu-
stellen. In den Beilagen teilt L. eine Anzahl wichtiger Urkunden und
Aktenstücke mit, an deren Spitze ein nachträglich unter Merlo's nach-
gelassenen Abschriften aufgefundenes Bruchstück aus dem ersten Faszikel
;1^18 Literatur.
•des Schöffensclireines von 1169 bis etwa 1175 steht. Ein gutes Register
erleichtert die Benützung des schönen Buches, dem es zum Vorteile ge-
reicht, dass der Verf. es »bei der wachsenden Fülle der historischen
Publikationen und Darstellungen* für seine Pflicht gehalten hat, »sich
einer recht gedrängten Darstellungsweise zu befleissigen*.
An das Ufer der Donau, in das reiche Handelsleben der alten Königs-
stadt Eegensburg führt uns Lössl's verdienstliches Buch über das Eegens-
burger Hansgrafenamt (88). Nach einer kurzen Einleitung, in der L. im
Wesentlichen sich an Köhne anschliessend und ohne rechte Neigung, sich
auf die kritischen Punkte näher einzulassen, über das Vorkommen des
Hansgrafenamtes handelt (vgl. dazu jetzt Morel Les juridictions commer-
ciales au moyen-äge p. 108 ff-); wendet er sich der Frage nach der Ent-
stehung desselben in Regensburg zu. Er sieht darin eine Abzweigung
der burggräflichen Befugnisse, wie sie sich bei der Ausdehnung und Erwei-
terung der Handels als nothwendig herausstellen musste. Der Frage, inwie-
weit bei der Einrichtung dieser neuen Beamtung fremde, etwa nieder-
ländische Muster massgebend waren, tritt L. nicht näher, dagegen lehnt
er Köhne's Annahme des Zusammenhanges mit einer Kaufmannsgilde ab.
Das entscheidende war nun, dass in Regensburg sehr früh schon die
Wahl des Hansgrafen der Bürgerschaft zugestanden wurde. War ur-
sprünglich der Hansgraf auf die Führung der Handels fahrten vornehmlich
auf der Donau beschränkt, so wurden zunächst seine Geschäfte durch die
strahlenförmige Ausdehnung des Regensburger Handels vermehrt. Als die
Bürgerschaft die Aufsicht über den Marktverkehr in der Stadt erhielt, so
war nichts natürlicher, als die Handhabung dieses Rechtes an den von der
Bürgerschaft bestellten Hansgrafen zu übertragen, und als der auswärtige
Handel im spätem Verlaufe immer mehr abnahm, wurde die Wirksamkeit
innei'halb der Stadt, die ihm ursprünglich versagt war, die Hauptsache.
Das Hansgericht erhielt nicht allein die Aufsicht über den gesammten
Handels- und Marktverkehr, sondern auch über die gewerblichen Ange-
legenheiten, endlich gewisse Befugnisse zur Handhabung der Strassen- und
Sittenpolizei. In dieser Umbildung und Erweiterung liegt die Besonderheit
des Regensburger Hansgrafenamtes. Der Vergleich dieser Entwickelung
• mit der des Wiener Hansgrafenamtes zeigt den entscheidenden Einfluss,
welchen das Verhältnis der Stadt zur Landesherrschaft auf eine in ihrem
Wesen und Anfange gleichartige Einrichtung üben konnte. Ich nehme
Anlass, meine fi-üheren Mittheilungen über die Wiener Hansgrafen durch
mehrere Stellen aus den Kämmereirechnungen zu ergänzen, welche uns
über die Wirksamkeit des Hansgrafen etwas näher unterrichten:
1441 f. 27' geschankcht dem hannsgraven hie nach gescheft der
herren, des burgermaister und des rats, ain res, 20 guld. per 7 sh., facit
25 Si" .3 sh. dn. (Der Hansgraf Reinhard Tettlinger war Hauptmann der
berittenen Söldner und hat sich in dieser Eigenschaft durch Teilnahme
an mehreren Kriegszügen und diplomatischen Sendungen Anrecht auf den
Dank der Stadt erworben, 1444 f. 46; 1445 f. 47'; 1451 f. 73).
1441 f. 109 von vier lagein Malvasia zu tragen und zu füren von dem
hannsgraven in das Rathaus, die man ainem von Passau genomen hat, 35 dn.
1452 f. 39' von hern Niclasen Teschler, hannsgrafen, 8 lagl Malvasia
zu der stat tail per 4 U 31 dn., facit 35 'tt dn. — von hern Niclasen
Literatur. 119
Teschler 3 lagl Trumminer zu der stat tail per 4 tt, facit 1 2 U dn. — von
hern Niclasen Teschler den drittail aus aim vas Trumminer, das er dem
Aunpekchen genomen hat, pringt der stat tail 7 emer ] 3 echterin per
2 S^ 5 sh. dn., facit 19 U 4 sh. 3 dn. — von dem Sambssen, dieselb
zeit hannsgraf, 1/2 fuder ungar. wein, hat der rat gescbaflFt zu sand
Jeronymus.
1455, f. 65'. Erharten von Enzestorf, des hansgrafen diener, von
der wein wegen die man den von Merhern genomen hat, 60 dn.
1456 f. 15'. vom bannsgrafen, so ainer von Freinstat verfurt hat und
der stat zu iren tail ge Valien und noch vorhanden ist, swebl 1 cent. 30 S^.
1457 f. 20. vom bannsgrafen ain vessl ungarisch weins pei 18 emmer,
das Steffans Aichner gewesen ist, und ain legi weins, bat man nach ge-
scheht des rats geben gen Sand Jeronimus. — f. 60. Ein ander ausgeben
auf ettlich soldner, die dem bannsgrafen zuegeschaflPt sind worden, dass
nicht ungriscb wein herein komen, 61 S" dn. — f. 140'. Als der hanns-
graf Micheln, kramer, ain tunn honig genomen bet, ze tailn und trink-
gelt 60 dn. — f. 14l'. Der hannsgraf hat geantwurtt der stat ain vessl
ungriscb weins, das Steffans Aichner gewesen ist, demselben Steffan, die
er hie verzert bat, 3 sh. dn., davon zu furn 5 sb. dn., abzuladen 20 dn.,
ze fülln 5 sb, 24 dn., facit 1 S' 6 sb. 14 dn. — Von aim leglein weins,
so der hannsgraf der stat geantwurtt bat, zu fulln und ze tragen etc. 7 3 dn.
1458 f. 43. Thoman Ploden mit dem hansgrafen zu reiten von wegen
der ungarischen wein, zerung 1 U dn.
146 5 f. 21' drei parchand von dem hansgraven, den drittail der
stat per 12 sh. dn., facit 4 ^ 4 sh. dn.
1466 f. 15 von Petern Rauscher, hansgraven, 3 tt landsafran per
3 ^ 6 sb. dn., facit 11 It 6 0 dn. (Peter Rauscher wird auch 1468 f. 8'
und 1471 f. 33 erwähnt, seine Töchter waren die Rumhartin und die
Gemahlin des Andre Fuchsperger, verweser des halls zu Aussee).
1475 f. 49. Als der Flanns mit etlichen der burger dienern gen
Purkbeinstorf zum rechten von des bannsgrafen wegen geriten ist, verzert
5 sb. 10 dn.
1479 f. 7. Umb ainen ochsen, den der hannsgraf der stat zu irem
tail geben hat. 4 guld. ung., den guld. per 10 sb., facit 5 tt 40 dn.
1481 f. 9. Von wegen fünf thonnen honig, so der hannsgraf genomen
und verkauft bat, darumb der stat zu irem tail gevallen sein 7 guld. ung.,
den guld. per 10 sh. 10, und 3 sb. 4 dn., facit 9 Si' 3 sh. 14 dn. —
Von wegen etlicher messer, so auch der hannsgraf der stat zu irem tail
geben hat, 44 guld. ung., facit 56 ^ 6 sh. 20 dn. — Von wegen ettlicher
beytt, so auch der hansgraf der stat zu irem tail geben bat, 25 ft dn.
1493 f. 3'. An mitticben nach Reminiscere (6. März) enphangen von
hern Sigmunden Sibenburger, statrichter, von wegen etlicher ochsen, die
der hannsgraf genomen hat, und der stat zu irem tail gebn ist, 9 tt dn.
— Von Hannsen Greslein, bannsgrafen, enphangen von wegen ainer lagel
weinper, so Sigmund Gwalczbofer kauft bet und nicht recht gewesn ist,
8 ^ dn. — enphangen von herren Steffan Een anstat Hannsen Gressl,
bannsgraven, von des guts wegen, so der Geyr von Cbircbslag, der Weissen-
pacber aus der Neuenstat und der Minster von Passau verfurt und dafür
120
Literatur.
in die hanns geben haben, laut des Gressel, hannsgrafen, zedel 68 rh. guld.,
daraus der stat ain drittail geburt, 23 tt dn.
1507 f. 10. An mantag vor Unser Frauen tag nativitatis (6. September)
empliangen von Michels Conrads diener von Pescht von wegen zwair schef,
so er in Lincz kauft und herabgefürt, darumb in die der hannsgraf ge-
nommen hat, und im mein herren iren tail vpidergeschafft zu geben umb
10 gülden reinisch, facit 10 S" dn.
1522 f. 76'. Am suntag vor sand Matthias tag (23. Februar) dem hanns-
grafen, so er auf ungrisch wein ausgeben hat, l 8 ^ dn., geburt gemainer
stat zu irem tail auf ir wein und im bezalt 6 ^ dn.
1529 f. 6'. Der Hansgraf belegt ein Mut und 27 Metzen Getreide,
mit denen der Fleischhauer Lienbart Staudinger »fürkauf« getrieben hatte,
mit Beschlag; das Getreide wird von dem städtischen Metzenleiher ver-
kauft und die Stadt erhält ein Drittel des Eeinertrages.
Eine erhebliche Lücke in der Kenntnis des deutschen Städtewesens
wird durch die von der Badischen historischen Kommission geplanten
Publikationen zur Geschichte von Konstanz ausgefüllt werden. Als erste
Vorarbeit erhalten wir die von Dr. Konrad Beyerle zusammengestellten
Konstanzer Ratslisten von 1246 — 1548 (89). Da ßatsbücher erst vom
J. 1376 an erhalten sind und in ihrer Reihe die Jahre 1392 — 1415
fehlen, so war der Verf. für längere Zeit auf die Urkunden angewiesen.
Man wird den Grundsätzen, welche er füi- die Verwertung derselben zu
diesem Behufe aufstellt, gerne zustimmen, sich aber gegenwärtig halten,
dass namentlich für die früheste Zeit einige Unsicherheit besteht und viel-
leicht selbst mit Hilfe des gedruckten Mateviales nach mancher Richtung
grössere Vollständigkeit hätte erreicht werden können. Aus der Einleitung,
die bei etwas ausführlicherer Darstellung an Klarheit und Benützbarkeit
sicher gewonnen hätte, ist namentlich die Geschichte der Ratsverfassung
hervorzuheben. Der Rat kommt zuerst im J. 1215 auf, zunächst bleiben
die stadtherrlichen Beamten an der Spitze, im J. 1308 tritt ein Bürger-
meister auf, doch vermag das Amt lange Zeit hindurch nicht festen Be-
stand zu gewinnen, erst mit dem J. 1371 beginnt die nicht mehr unter-
brochene Reihe der Bürgermeister. Der Rat, der vierteljährlich wechselte,
bestand ursprünglich aus 10 Mitgliedern, zu denen die beiden Beamten
des Stiidtherrn kamen. Wurde bei wichtigern Angelegenheiten der frühere
Rat beigezogen, so liegt darin der Ursprung des grossen Rates. Ln
14. Jahrhundert begann die Vermehrung des Rates und finden wir die
Anfange einer Vertretung der Zünfte. Der Gegensatz dieser gegen die
Geschlechter beeinflusst die weitere Entwickelung, im J. 1371 wurde der
Rat zur Hälfte von den Geschlechtern, zur Hälfte von den Zünften besetzt,
zu Anfang des 15. Jahrhunderts aber waren die Letzteren im Besitze von
zwei Dritteln der Stellen. Hand in Hand damit geht als recht verderb-
liches Auskunftsmittel eine stete Vermehrung der Ratssitze, so dass es
endlich deren 105 gab. Durch die Verfassungsrevision Kaiser Sigmunds
vom 13. Dezember 1430 wurde dieser Uebelstand, zugleich aber die
üebermacht der Zünfte beseitigt. Maximilian I., der die Stadt seinem
Hause sichern wollte, brachte aber wieder die Zünfte in die Majorität,
da er die Beziehungen der Geschlechter zur Schweiz als seinen Absichten
Literatur. X21
hinderlich erachtete. Ferdinand I. hob endlich im J. 1549 den Unter-
schied zwischen Geschlechtern und Zünften hinsichtlich der Eatswahl voll-
ständig auf und ordnete an, dass der kleine Bat mit 20, der grosse mit
40 Personen besetzt werde und hiezu die Tauglichsten aus den Geschlechtern
und der Gemeinde »ohne underschid der anzahl^^ genommen werden sollten.
Einer der wichtigsten Fragen ist auf Grund eines reichen urkund-
lichen Materiales und mit sicherer Schulung Des Marez in seinem statt-
lichen Buche über den Grundbesitz in den vlämischen Städten des Mittel-
alters näher getreten (9o). Die Erörterung über den städtischen Grund-
besitz ist in der deutschen Literatur nicht nach Gebühr gepflegt worden,
beziehungsweise hat sie sich lange in den von Arnold gewiesenen Bahnen
bewegt. Das Buch des Genter Advokaten ist wohl geeignet, in dieser
Richtung neue Anregung zu geben und die Forschung kräftig zu beleben.
Es ist in vier Abschnitte geteilt, von denen der erste über die Ent-
stehung des städtischen Eigentums, der zweite über die Stellung des-
selben im öffentlichen Rechte, der dritte über das Verhältnis zum Privat-
recht, der vierte über Zins und Rente handelt; sie entsprechen also im
Wesentlichen dem, was man in deutschen Büchern als historischen und
dogmatischen Teil zu scheiden pflegt. Wir werden für unsern Zweck
vornehmlich den ersten Abschnitt zu würdigen haben, in dem Des Marez
mehrere fruchtbare Gedanken wenn auch nicht zum ersten Male aus-
gesprochen, so doch in Hinsicht auf ihre Wirksamkeit und Brauchbarkeit
eingehend geprüft hat.
Die Untersuchung nimmt ihren Ausgang von der in Gent vor-
kommenden Bezeichnung vrij huus, vrij erve für das volle Eigentum
sowohl an dem Hause als an dem Grunde, welche der Verf. als eine Ver-
stärkung des huus ende erve nachweist, dem gegenüber huus ende stede
bei geliehenem Grunde verwendet wurde. Die deutliche Hervorhebung der
Freiheit wurde nothwendig, als im 1 5. Jahrhundert die ursprüngliche Be-
deutung des Wortes erve sich abschwächte, es ebenso wie haereditas auch
für zinsenden Grund verwendet wurde. Wir erhalten also vollständig freies
und mit Zins belastetes Eigen. Für die Art dieses Zinses ist seine Ent-
stehung massgebend. Der Zins, welcher als Preis für die Erlaubnis zur
Ansiedelung zu entrichten war, muss von dem hofrechtlichen Grundzinse
gesondert werden. Während bei dem Grundzinse städtischer Ansiedler der
Boden der nicht beeinträchtigten Freiheit des neuen Besitzers folgt, zieht
die hofrechtliche Scholle ihren Bebauer an sich; sind beide Zinse formal
als Grundzinse zu betrachten, so ist doch das thatsächliche Verhältnis
grundverschieden und dem entsprechend auch die weitere Entwickelung
eine ganz andere. Jener städtische Zins verschwindet im weiteren Ver-
laufe vollständig und es entsteht freies Eigen, das keineswegs Fortsetzung
des alten allodialen Eigens sondern eine Neubildung ist. In späteren
Zeiten wird dieses neue Eigen wieder mit Zinsen belastet oder ver-
einzelt in Lehengut verwandelt. Wie sich nun in den einzelnen Städten die
Verhältnisse gestalten, dafür lässt sich keine allgemeine Regel aufstellen,
hier treten als massgebe nd die erste Form der Ansiedelung, der Character
des Bodens auf dem sie erfolgte, ein. Finden die neuen Einwanderer
ihre Wohnstätten innerhalb eines geschlossenen hofrechtlichen Besitzes, so
übt natürlich das Hofrecht seine Wirkung aus, der Uebergang zu freieren
\ 22 Literatur.
Verhältnissen erfolgt nicht plötzlich, sondern im Wege einer Entwickelung,
die sich rascher an grösseren Orten, langsamer auf dem Lande, rascher
unter weltlicher, langsamer unter geistlicher Herrschaft vollzieht. Anders
steht die Sache, wenn die Ansiedelung ausserhalb des Hofrechtes, auf
einem für sie ausgesonderten Platze vorgenommen vpird, in welchem Falle
die neuen Bewohner nur von ihren Grundstücken einen Zins, gegebenen-
falles eine Abgabe für Kauf und Verkauf zu entrichten, im Uebrigen keine
Schmälerung ihrer persönlichen Freiheit zu erfahren haben. Von diesem
Standpunkte aus erörtert Des Marez auch, die Entstehung der freien Leihe ;
er unterzieht sowohl Arnolds Ansicht von dem Uebergang der hofrecht-
lichen in die freie, welche neuerdings in allerdings vorsichtiger Be-
schränkung auf die Form von dem Freiherrn v. Schwind vertreten worden
ist, als auch Gobbers' Construction der Zeitleihe als eine Vorstufe der
Erbleihe einer zutreffenden Kritik. Mit vollem Eecbt fasst er die freie
Leihe als ein neues, besonderen wirtschaftlichen Verhältnissen ent-
sprechendes Mittel auf, das dort notwendig war, wo Grund und Boden
ohne Rücksicht auf den Stand des zu Beleihenden ausgegeben wei'den
sollten. Somit teilt sich der Besitz innerhalb einer Stadt in hoirecbt-
lichen und eigentlich städtischen ; von diesen untersteht der erstere dem
Hofrechte, der letztere, der sich wiederum in freies und geliehenes Eigen
spaltet, der städtischen Gerichtsbarkeit, er wird die Voraussetzung des
Bürgerrechts, da er seinem Inhaber eine bevorrechtete Stellung in der
Stadt sichert. Eingehend handelt der Verf. auch von der Almende, von
der Bildung des Burgfriedens in den flandrischen Städten und stellt damit
gute Beispiele dafür auf, wie man städtische Topographie für die histo-
i'ische Forschung fruchtbar machen kann. Methode und Ergebnisse dieses
Abschnittes verdienen für deutsche und im Besonderen für Wiener Ver-
hältnisse sorgfältige Beachtung, sie dienen auch zur Ergänzung und Er-
weiterung der von Rietschel (Markt und Stadt) gemachten Wahrnehmungen,
erfordern aber ebenso wie des Letztern Buch hinsichtlich der Ausführung
über »Kaufmannsgemeinden« vorsichtige Einschränkung.
Durch umsichtige und anregende Behandlung zeichnen sich auch
die dogmatischen Kapitel aus, doch ist in ihnen Neues von besonderem
Belange nicht vorgebracht und es ist zu bedauern, dass dem Verf. die
Schrift des Freih, v. Schwind über die Erbleihe entgangen ist. In einem
Schlussworte hebt Des Marez selbst hervor, was seinem Buche noch
zur Vollständigkeit fehle, man darf hoffen, dass er das vortrefflich Be-
gonnene in gleicher Art weiterführen werde. Rechte Anerkennung ver-
dient, dass er sich gegen das allzuviele Systematisiei'en ausspricht, die
Lebendigkeit und die vielfachen Formen des geschichtlichen Lebens er-
kannt und den hohen Wert, der gerade in dieser Hinsicht den Urkunden,
zukommt, vollauf gewürdigt hat: »Nous avons repousse cette methode,
qui n' est que trop souvent celle de la plupart des juristes modernes, et
qui consiste ä etudier le developpement du droit dans les lois et les
coutumes ecrites«. Karl Uhlirz.
Literatur
123
Lodovico Zdekauer. La vita privata dei Senesi nel
dugento. Sieua 1896- 104 S. 8°.
Im vorliegenden Büchlein, das auf einen in der Akademie der Rozzi
gehaltenen Vortrag zurückgeht, schildert der Verf. in geistreicher und
lebendiger Darstellung auf Grund des jüngst von ihm herausgegebenen.
Constituto del Comune di Siena, zahlreicher Urkunden, Ratsbeschlüsse
und Gerichtsprotokolle das Privatleben in Siena während des ]3. Jahrh.
von der Taufe bis zum Begräbnisse, berührt Erziehung, Wohnung und
Wohnungseinrichtung, Trachten und Kochkunst, Sanitätswesen, Aber-
glauben, Strassenleben und öffentliche Belustigungen, das Leben der
Frauen, Eheschliessung und Hochzeitsgebräuche. Das 13. Jahrh. ist für
die toscanischen Städte eine Zeit reicher Entwickelnng. Die ]iolitische
Freiheit zwar ist schon im 12. Jahrh. erworben worden, nun beginnen
Industrie und Handel einen ungewohnten Aufschwung zu nehmen; es be-
reitet sich der Boden vor, auf dem sich bald die Renaissance in Kunst
und Wissenschaft entwickelt. Auch Siena nimmt Theil an diesem Auf-
schwünge, es wird ein wichtiger Geldplatz, besorgt zu gutem Theile die
Geldgeschäfte der römischen Curie und treibt Handel bis Frankreich und
England hin. Ein solcher Umschwung wirkt natürlich auch auf die Sitten
des gewöhnlichen Lebens. Sind diese zu Beginn des 13. Jahrh. noch rauh ja
roh und einfach, tritt so im Verlaufe als Folge des Reichtums Verfeinerung-
und Luxus ein; schon erwachen Poesie und Kunst, die bekanntlich gerade in
Siena zu früher Blüte erwachsen ist. Von besonderem Interesse ist, was
der Verf. über das Familienleben und die Lage der Frauen anführt. Früh ist
hier in vermögensrechtlicher Beziehung die langobardische meta durch das
System der Heimsteuer und Widerlage verdrängt worden. Die Ehe-
schliessuug erfolgt auf offenem Markte vor dem Notar. Die Beziehung
der Geschlechter ist noch frei und roh; interessant ist die im Anhang
n. 2 gedruckte Notariatsurkunde über eine auf fünf Jahre geschlossene
eheliche Verbindung. Das elterliche Recht gegenüber den Kindern ist
altertümlich grausam. Aussetzungen der Kinder sind ungemein häufig
und nur mit geringer Strafe bedroht, doch sorgt bereits christliche Barm-
herzigkeit für die armen Verlassenen, für Kranke und Aussätzige durch
Anlage grossartiger Stiftungen.
Wien. Hans von Voltelini.
Gaetano Salvemini. La Diguitä Cavalleresca nel
comune di Firenze. Fireuze tipografia M. Kicci 1896 IV und
156 S. 8«.
Der Verf. stellt sich zur Aufgabe, die Entwickelung der Rittervvürde
in den italienischen Comunen, insbesondere in Florenz zu verfolgen und
liefert damit einen nicht unwichtigen Beitrag zur Geschichte des Adels
und der adelsähnlichen Auszeichnungen im späteren italienischen Mittel-
alter, von dem man nur wünschen müsste, dass die neuere deutsche
Literatur über die Stellung der ritterlichen Klassen und das Lehenswesea
1^24 Literatur.
mehr Berücksichtigung gefunden hätte, ein Mangel der die Darstellung
■des Verf. namentlich in den einleitenden Partien zum Theil als veraltet
erscheinen lässt. Die italienischen Städte besassen neben ihrem Fussvolke
bedeutende Eeiterei, zu deren Bildung nicht nur der in der Stadt an-
gesiedelte und eingebürgerte Adel, sondern namentlich die wohlhabenden
BürgerfamilJen herangezogen wurden, wie schon Otto von Fi*eising in einer
■oft besprochenen Stelle bemerkt hat (Gesta Frid. II, 13). Dieses bürger-
liche Eeitercorps ahmte die Gebräuche der adeligen Genossen nach, indem
es, wie ja Keiter und Kitter im früheren Mittelalter identisch sind, sich
.als eine Truppe von Rittern betrachtete. Es wurden diese Handelsleute
nach Otto von Freisingen von ihren Städten mit dem cingulum militiae
zu Rittern gemacht, das bekanntlich das Symbol des Rittertums zu jener
Zeit gewesen ist. Ebenso kamen später Ritterschlag und die eigentümliche
Ritterwürde in den Städten in Uebung, und nur den städtischen Verhältnissen
angepasst. Die Ritterwürde, welche auch hier nur die allgemein damit
verbundenen höchstpersönlichen Auszeichnungen in Kleidung und Waffen
und den Titel dominus gewährt, wird von der Stadtgemeinde verliehen.
Auf die Herkunft wird nicht mehr gesehen, seitdem die Herrschaft der
alten Geschlechter dem Zunftregimente gewichen war. Den Ritterschlag
ertheilt ein Ritter als Vertreter der Gemeinde, die kirchliche Seite der
€erimonie tritt hier ganz zurück ; der Rittereid umfasst in Florenz nur die
Treue gegen die Gemeinde und die Parte Guelfa, deren Entstehung aus
•der alten Rittergilde der Verf in einem interessanten Excurse nachweist.
Die Ritterwürde wurde zwar noch wegen tapferer Kriegsthaten verliehen,
jemehr jedoch der kriegerische Geist aus der Comune wich, um so mehr
wurde sie zu einer rein civilen Auszeichnung. Schon früh wird sie Ge-
sandten ertheilt, namentlich aber Leuten, welche das Amt eines Podestäs
oder anderer städtischen Behörden anstreben, als deren Erfordernis von
alters h«r Ritterwürde bestand. Aber auch ein auf dem Todbette liegen-
der Greis und ein fünfjähriges Kind finden wir unter den florentinischen
Rittern des 1 4. Jahrb. Dabei konnte nicht ausbleiben, dass sehr viele
■diese Würde erlangten, denen sie nicht anders zu Gesichte stand, come
la sella al majale, um ein derbes Wort des Boccaccio zu wiederholen, und
■dass die Ritter zum Gespötte der Juristen und Literaten wurden. Die nicht
von der Gemeinde erlangte Ritterwürde bedurfte nachträglicher Anerken-
nung, die, wie wir erfahren, dem bekannten Pippo Spano für sein von
König Sigismund erlangtes Rittertum nicht zu Theil wurde. Interessant
ist, was der Verf. über die Wandelung der Bedeutung des Wortes miles
"beibringt; der Titel eques auratus ist eine Erfindung Filelfos. Im Anhange
linden sich die dem Verf. bekannt gewordenen Notizen über die florenti-
nischen Ritter, darunter auch eine über die von Kaiser Friedrich III.
1452 Febr. 15 in Florenz creirten, zusammengestellt.
Wien. Hans von Voltelini.
Dr. Leopold Schuster, Fürstbischof von Seckau, Fürst-
bischof Martin Brenner. Ein Characterbild aus der steirischen
Literatur. 12&
Keformationsgeschichte. Mit dem Porträt Brenners und einer Karte
von Steiermark. Graz und Leipzig. Verlag von Ulrich Mosers Buch-
handlung (J. Meierhoflf). 1898. XVI 910 und 16. SS. 8°.
Das vorliegende, umfangreiche Buch gibt viel weniger eine Geschichte
Martin Brenners als vielmehr der Zeit der Gegenreformation in Inner-
österreich, vornehmlich in Steiermark, wie sie unmittelbar nach den grossen
Erfolgen der Protestanten auf dem Generallandtage in Brück (1578) be-
gonnen und mit einigen Schwankungen und Unterbrechungen in der
Hauptsache schon unter Erzherzog Karl ü. durchgeführt wurde ; denn dass
alle principiellen Massregeln hiezu schon auf den Münchener Conferenzen
des Jahres 1579 festgesetzt wurden, kann heute als durchaus gesichert
gelten. Der Verf., dem wir schon eine Arbeit über Johannes Kepler
danken, hat dies Werk in Angriff genommen, als er noch Professor der
Kirchengeschichte an der theologischen Facultät in Graz war, und so er-
schien auch schon vor 5 Jahren ein Theil dieses Werkes, der aber, wenn
wir recht berichtet sind, zurückgezogen wurde, um erst jetzt wieder mit
dem Ganzen vereint ausgegeben zu werden. Das vorliegende Buch ruht
auf umfassenden Quellenstudien in den Archiven von Graz und Innsbruck,
Wien, Salzburg und Kom und verschiedenen Klosterarchiven Steiermarks.
Der Verf. empfand es, wie er selbst sagt, mit Schmerz, dass das Gebiet
der heimatlichen Geschichte so völlig brach lag, und so griff er denn mit
fester Hand aus der Reihe der Seckauer Kirchenfürsten jenen heraus,
»der in einer der wichtigsten und schwierigsten Perioden regierte und
daher ein besonderes Interesse erwecken musste*. »Das ist Martin Brenner,
der wegen seines Glaubenseifers den Beinamen , Apostel der Steiermark'^
erhalten hat, wegen der zermalmenden Kraft seiner Rede und der un-
widerstehlichen Wirkung seines Unterrichtes aber auch wie einstens der
hl. Hieronymus ,malleus haereticorum', Ketzerhammer genannt worden
ist«. Da es nun just .300 Jahre her sind, seit dem die Tragödie des
innerösterreichischen Protestantismus, die mit dessen nahezu völliger Ver-
nichtung endete, ihren Anfang nahm, so ist das Buch zu einer Jubiläums-
schrift geworden, die uns in vier Abschnitten ungleichen Umfangs und
Werthes Brenners Jugend- und Studienjahre, seinen Aufenthalt in Salzburg,
seine Thätigkeit als Bischof von Seckau und Reformator — denn auch
die Gegenreformation wird von den gleichzeitigen katholischen Quellen
, Reformation' und zwar die » heilsame ^"^ genannt — und seine Resignation
und sein Abscheiden darstellt. Das Leben Brenners bietet dem Verf. den
Faden, an dem er uns eine völlige Geschichte der religiösen Bewegung
dieser Zeit vor Augen führt. Indem ich nicht anstehe, das vorliegende Buch
als eine der bedeutenderen Erscheinungen auf dem Gebiete derKirchen-
geschichte zu bezeichnen, den Fleiss in der Aufsuchung des einschlägigen
Quellenmaterials anerkenne, kann ich mich doch weder über die Tendenz noch
auch infolge dessen über die Ergebnisse des Buches befriedigend aussprechen.
Was die Tendenz betrifft, tritt diese an vielen Stellen mit aller Deut-
lichkeit hervor : es ist eine Apologie jenes Standpunktes, den in den letzten
Jahren Erzherzog Karls in Graz kaum noch Martin Brenner selbst ganz billigte
und der nur von den Jesuiten und der starken bairischen Partei am Grazer
Hofe mit aller Kraft festgehalten wurde. Indem dieser äusserste Standpunkt
126 Literatur.
mit Nachdruck vertheidigt wird, wird rait den Quellen in der Manier
Janssens verfahren: alles was zur Bekämpfung des. gegnerischen Stand-
punktes irgendwie dienlich ist, wird in sorgsamster Weise zusammen-
getragen, was dem Standpunkt des Gegners irgendwie zu gute kommen
kann, bei Seite gelassen und dementsprechend auch manches überschlagen,
was nicht zu Gunsten der katholisch-jesuitischen Partei im Lande spricht.
Man wird sich dann nicht wundern, dass die Anklagen gegen das angeblich so
gewaltthätige Vorgehen des steirischen Herren- und Ritterstandes in extenso
mitgetheilt, ihre Vertheidigung aber zumeist mit einigen ablehnenden Worten
abgethan wird. Das geht so weit, dass selbst Stellen aus den katholischen
Schriften, in denen der protestantische Herrenstand geradezu der Untreue
an seinem Herrn und Landesfürsten bezichtigt wird, ohne irgend ein mis-
billigendes Wort gegen derlei grundlose und schmachvolle Beschuldigungen
mitgetheilt werden. Und doch wird jeder — auch jeder gu.t katholische
Geschichtschreiber — der dies umfangreiche Actenmaterial, auf dem sich
die Geschichte des i. ü. Protestantismus aufbaut, gelesen bat, gestehen:
nie hat es einen seinem Fürsten treueren Herren- und Ritterstand gegeben
als diesen, der, wenn er einer anderen prot. Confession angehört hätte, als der
Augsburgischen, die Geschicke, die oft genug in seinen Händen waren,
zu seinen Gunsten gelenkt hätte. Der Zufall wollte es, dass ich eben in
diesen Tagen mit einem Buch vor die Oeffentlichkeit trat, das dieselbe
Zeitperiode und zum Theile wenigstens den gleichen Gegenstand behandelt,
und da will ich denn nur unter Hinweis auf dies Buch sagen, dass ich
in der Darstellung dieser Dinge wesentlich zu völlig anderen Ergebnissen
gekommen bin ; das war ja auch kaum anders möglich, da ich keine
Apologie sondern eine Geschichte zu schreiben hatte, die einfach den Ver-
lauf der Dinge, aber auf Grund des ganzen im Augenblicke zugänglichen
Actenbestandes, erzählt, ohne durch irgendwelche Tendenz ausser der streng
wissenschaftlichen »beirrt oder beengt zu sein. Dem Verf standen nahezu
dieselben Materialien zu Gebote wie mir; da dem so ist, muss man sich
wundern, dass den so wichtigen Massnahmen auf den Münchener Con-
ferenzen ein so geringer Raum geboten ist, als es hier auf einer oder
zwei Seiten der Fall ist. Nur wer die Vorgänge dieser so wichtigen
Octobertage 1579 genau kennt, wird ein richtiges Verständnis für alle
kommenden Ereignisse gewinnen können; diese Conferenzen sind in ge-
wissem Sinn der Stützpunkt aller Arbeiten über diese Dinge; aus den
Beschlüssen dieser Conferenzen allein kann man die Methode erkennen,
die nun am Grazer Hof eingeschlagen wird, und indem diese Conferenzen
mehr nebenläufig behandelt werden, wird auch das Prinzipielle verkannt,
das sich in dem ganzen Vorgehen findet. Ebenso werden die Hilfskräfte,
die sich dem Landesfürsten inner- und ausserhalb seines Landes zur Ver-
fügung stellten, nicht genugsam hervorgehoben und die Sendung Spaurs
nach Rom fast gar nicht berührt. Auch die Art und Weise, wie hier der
schwere Kampf zwischen der katholischen Partei und dem grösstentheils
protestantischen Bürgerthum in Graz und den zahlreichen protestantischen
Bürgern in den übrigen Städten des Landes geschildert wird, vei'mag ich
als eine sachgemässe nicht zu erkennen. Der Fehler liegt nach meiner
Ueberzeugung daxin, dass die eigentliche Bedeutung der Brueker Pacifica-
tion nicht richtig erfasst ist: denn dass die sogenannte Scbranzische Auf-
Literatur. 127
fassung von der Sache nicht die richtige sein kann, habe ich schon vor
Jahresfrist in diesen Blättern erwiesen. In allen den auf die Pazifikation
bezüglichen Theilen findet sich der schon oben betonte Mangel an Ob-
jektivität, und mag der Verf. in dem Vorworte auch noch so eifrig ver-
sichern, dass er fast durchgehends auf Grund der Originaldocumente die
Wahrheit möglichst objektiv klar zu stellen und die irrigen Darstellungen
ohne polemische Bitterkeit zu berichtigen bemüht war*, so wird doch ein
jeder, der die Akten gelesen hat, gestehen, dass hier eine wirkliche Ob-
jektivität nicht vorhanden, wohl aber kein Mangel an polemischer Bitter-
keit ist, wofür ja schon die eine — auffällige Fussnote — auf Seite 168
»eine bewusste Unwahrheit* Zeugnis ablegt. Wenn man aus zusammen-
hängenden Gruppen von Urkunden einzelne Sätze herausreisst und sie in
einer Weise aneinander reiht, wie dies eben einer von vornherein beab-
sichtigten Tendenz entspricht, so kann man nicht von einer objektiven
Darstellung reden. Wenn ich meine aus dem Studium der Akten ge-
wonnene Ueberzeugung sagen soll, so ist es die, dass jener Mann, dem
dies Buch gewidmet ist, den Gegnern mehr gerecht geworden ist als dies
Buch und sein Verfasser. Freilich hat er sich auch von den Jesuiten
harte Worte sagen lassen, und Erzherzogin Maria sagt dann wohl, dass
»die Patres mit denen Prälaten fast übel zufrieden sind*. Es ist ja be-
zeichnend, dass über den fi-eundlichen Verkehr Brenners mit der Land-
schaft so gut wie nichts gesagt wird. Es gab aber viele Punkte, wo die
Prälaten des Landes mit dem Herren- und Eitterstand auch gegen den
Landesfürsten oder richtiger gegen die Jesuiten zusammenstanden.
Wenn ich das vorliegende Buch ein tendenziöses genannt habe und
somit mit der ganzen Darstellung mich nicht einverstanden erklären kann,
so gibt es auch im Einzelnen so viele irrige Behauptungen, dass man ein
Buch fast von gleichem Umfange schreiben müsste, wollte man sie alle,
wozu man bekanntermassen immer etwas mehr Eaum braucht, widerlegen.
Dass die Prälaten an den kirchlichen Debatten im Landtage nicht theil-
nahmen, war lediglich ihre Schuld; die Protokolle weisen es aus, dass sie
bitten, man möge sie »dieser Sache entheben ^■=; sie mussten einigemal von
der Regierung förmlich gezwungen werden, den katholischen Standpunkt
des Landesfürsten in öffentlicher Sitzung zu vertheidigen. Die Herren
und Ritter betonen es laut und nachdrücklich, dass die Prälaten kirchen-
politischen Debatten selbst fern bleiben. Wie kann man also S. 244
sagen, dass die Prälaten zu den Verhandlungen dieser religiösen Streit-
schriften nicht zugezogen wenigstens nicht zu Worte gelassen wurden?
Das ist völlig unrichtig. Der Fürstbischof von Seckau wurde immer,
falls er es wollte, angehört und kam seiner Stellung nach gleich unter
den Ersten zu Wort. Sprechen durfte er allerdings in einer Sitzung
nur einmal, wie eben jeder andere, auch jeder Abt und Propst. Dass
ich in Bezug auf den Propst Peter Muchitsch auch auf Grund der ein-
schlägigen Materialien zu einer anderen Ansicht gekommen bin, als der
Verf. (S. 244 ff.), mag man des Näheren meinem Buche entnehmen: ich
will hier nur anfügen, dass auch der Nuntius von ihm nicht erbaut war
und selbst in seinem Kloster sein Auftreten einen recht beschränkten
Beifall fand.
128 Literatur.
Was soll man nun aber sagen, wenn in einem Buche, wie es das
vorliegende ist, noch immer die Hurter'sche Behauptung festgehalten wird
(S. 157), dass die innerösterreichischen Stände am Brucker Tage von 1578
die bekannte Zusage des Erzherzogs fälschten, indem sie darin die Worte
einfügten: der Erzherzog verpflichte sich zu dem Bewilligten für sich und
seine Nachkommen, dass Karl dann sich zuerst gegen diesen Zusatz
mündlich ver\7ahrte und ihn dann eigenhändig wegstrich. Die letzten
Forschungen haben bekanntlich ergeben, dass hier allerdings eine Fälschung
vorliegt, sie trifft aber nicht den ehrenwerten Herren- und Ritterstand
sondern den weniger gut beleumundeten Vizekanzler Wolfgang Schranz.
Wenn der Verf. in diesem Theile seines Buches auf die Ergebnisse
dieser Forschung nicht mehr hinweisen konnte, da eben dieser Theil schon
1893 vollendet war, so hinderte nichts, in den Noten unter den Be-
richtigungen darauf zurückzukommen. Schon meine Edition der Pacifica-
tion machte die Hurter'schen Behauptungen hinfällig und übrigens sind
sie auch schon von F. M. Mayer mit Eecht gerade in diesem Theil an-
gefochten worden. Von falschen Behauptungen, die sich sonst in dem
Buche finden, will ich nur einige anfügen, lür die ich zufälliger Weise
das Quellenmaterial zur Hand habe; S. 373 liest man als Antwort des
Landesfürsten: »Sie, die Verordneten, sollten aufhören, das Lied von der
Öffentlichen Ruhe bis zum Ekel zu wiederholen, denn es sei eine An-
massung, den Fürsten stets daran zu erinnern, als kümmere er sich nicht
darum, und Fürsorge für Dinge zu heucheln, die sie nicht angiengen*.
Da ist zunächst zu sagen, dass die Verordneten am 19. September
1598 eine ausserordentlich bescheidene Bittschrift an den Erzherzog ein-
reichten, in welcher sie höchstens das Wort von ihrer allein seligmachenden
Kirche hätten auslassen sollen, denn es war zu erwarten, dass sie es nicht
mehr so ungerügt gebrauchen dürften, wie etwa in den ersten Tagen
Erzherzog Karls; übrigens hatten sie es nicht in ihre Bittschrifft gesetzt,
um etwa eine Anzüglichkeit gegen die Katholiken vorzubringen. Man
bedenke auch, dass man mit der Einstellung ihres Kirchen- und Schul-
regiments an ihre Existenz griff und da auch vielleicht ein noch schärferes
Wort erklärlich gewesen wäre ; sie Hessen sich aber hiezu nicht hinreissen,
sondern klagen, » dass sie das Decret seinem ganzen betrübten Inhalt nach
mit höchstem Leid und schmerzlicher Entsetzung der Länge nach ver-
nommen haben*, dass ihre Feinde das Ohr des Füi'sten gewonnen und
dass man sie um ihren edelsten Schatz des allein seligmachendeu Wortes
Gottes und sein christliches Exercitium bringe; sie betonen, wie falsch die
Behauptungen des Grazer StadtpläiTers seien, dass man seine wiederholten
Beschwerden, dass man ihm substantialia et essentialia entziehe, mit Hohn
und Spott erwidert, weisen auf die Zusagen Karls II. hin, niemandem, der
sich zur A. C. bekennt, ein »Härl zu krümmen«, deuten auf die Schäden
hin, welche diese Persecution mit sich führen müsse u. s. w. Wo ist,
fi-agen wir, hier das Lied von der öffentlichen Ruhe »bis zum Ekel« ge-
sungen? Ja, wo sagt Ferdinand IL den Verordneten, sie hätten das Lied
von der öffentlichen Unruhe bis zum Ekel gesungen? Nicht ein Wort
davon findet sich in dem Dekret vom 23. September 1598, man müsste
denn folgende Stelle als die rügende Antwort auf das »bis zum Ekel«
Literatur. 129
gesungene Lied bezeichnen: »Dass dann schlüsslich die herrn verordneten
die Sachen mit iren bedroungen und fürbildung der vorstehunden feindts-
gefährlichkeit gross zu machen vermeinen, müesten es gleich J. F. D*.
dahin deuten, dass sy, herrn verordenten, daramben mit dergleichen für-
komben, weil sie sonst hierunder kein fueg und ius haben*.
Eine wirklich objektive Darstellung hätte vielmehr gerechten Grund
gehabt, eben dies Decret des Landesfürsten mit seinen verschiedenen an-
züglichen oder gerade hohnvollen Stellen zum Gegenstand einer Erörterung
zu machen.
»Schon am folgenden Tage (24. September), lesen wir weiter, reichten
die Verordneten eine neue Vorstellung ein und suchten durch Schmeichel-
worte den Zorn des Fürsten zu besänftigen*. Ich finde in der ganzen
Eingabe, die mir wortgetreu vorliegt, kein Schmeichelwort: die Verordneten
richten ein Gebet zum Himmel, dass er J. F. D*^. zartes, sanftmüthiges
Herz mit seinem göttlichen Arm also regiere, leite und führe, damit sie
ihr propositum ändern. Sie rühmen — und wohl nicht mit Unrecht —
ihre und ihrer Vorfahren dem Haus Oesterreich geleisteten Dienste und er-
warten, dass das Decret, »so uns und unseren christlichen Glaubens-
genossen durch Mark und Bein dringt, wieder aufgehoben werde, denn
an dem hänge nicht unser Eock und unser Hemd sondern unser Seelen-
heil. Sie bitten den Fürsten, sich über die Concessionen seiner Vor-
fahren unterweisen zu lassen«.
»Die Verordneten, heisst es dann, schickten jetzt die lutherischen
Stände über den Fürsten*. Hier ist zunächst zu sagen, dass der Landtag
den Verordneten die Vollmacht gegeben hatte, wenn die Nothdurft es
erheische, sich durch eine Anzahl von Herren und Landleuten zu einem
grösseren Ausschuss zu verstärken. Das sind diese »lutherischen Stände* ;
wie man sieht, ist dieser Ausdruck nicht gut gewählt und wird leicht zu
Missverständnissen Anlass geben. Wenn also, wie Kepler meldet, trotz der
Ueberschwemmungen, welche damals die Eeise hemmten, doch noch 30
Mitglieder zusammen kamen, so ist diese Zahl sehr hoch: an dem nicht
minder wichtigen Winterlandtag 1580/1 nahmen zuweilen nicht viel mehr
Mitglieder theil: jetzt aber war doch nicht einmal der Landtag ver-
sammelt.
Eine der oben genannten hohnvollen Stellen des Dekrets vom
23. September hatte bemerkt, dass »J. F. D*. ungütlich bezigen werde,
dass sie jemants in seinem gewissen betrangen sollen, alleweil dasselbe
J. F. D*. mainung gar nicht ist«. Mit Kecht hebt nun eben dieser Aus-
schuss hervor — aber solche Stellen werden ja in dem vorliegenden
Buche nicht erwähnt — : ^ Ob aber dises nit eine gewissensbetrangnuss
haisst, wann uns die religionsexercitia in unsern gewohnlichen kirchen zu
üben eingestellt, die prediger wider ihrem beruff, ambt und gewissen
ausgeschaflFt, die kinder nit getaufft werden und wir in unserm todbett
kein geistlichen empfindlichen trost noch das hl. abentmal oder zusamben-
kunfften zu lob, preis und der ehre gottes nicht haben können, das geben
wir gott im himmel und E. F. D*. gehorsamst mit betrüebtem herzen zu
erkennen ^^
Der Satz des Verf., »dass die Jesuiten beschuldigt werden, mit keinem
Siege zufrieden zu sein, der nicht mit dem Blut der Feinde besiegelt sei*^,
MittheiluDgen XX. 9
jQQ Literatur.
findet sich nicht in der Eingabe vom 26. September, die Stelle lautet:
»habens die gottselige patres nicht brachio seculari wie die neuen Ordens
eingetrungenen Jesuiten, sondern mit predigen, schreiben, eifrigem gebett
verfochten, dass die falsche lehr für sich selbs zu poden gesunken und
sich allgemach verloren. Die vrai'hait aber des seligmachenden wortt
gottes lässt sich mit menschen gewalt nicht dämpfen und solle die ganze
weit den köpf darob zerstossen-'.
Aus der dritten Eesolution (vom 28. September) werden einige Stellen
ausgehoben, jene Punkte aber nicht beachtet, wo sich diese Resolution
im Unrecht befindet. Es ist zunächst ein altes Herkommen, dass sich die
Verordneten in wichtigen Fällen durch die in der Nähe der Hauptstadt
gesessenen Hen-en- und Landleute verstärken und gemeinsam berathen;
es ist ein Eecht des Landtags, solche Sonderausschüsse einzusetzen und
das war im gegebenen Falle geschehen. Das Ausschuss hatte das Recht
im Namen des Landtags zu sprechen, was der Landesfürst ihnen abspricht:
dieser und einige andere Punkte wären zu beachten gewesen: man könnte
dann nicht die Worte gebrauchen — und sei es auch nur die der Resolution
— sie massten sich einen neuen Namen an : » Landschaft der A. C. *
Das war nebenbei bemerkt, gar nicht geschehen, denn die Unterschrift
unter der Eingabe des Ausschusses lautete ganz richtig: »N. die ver-
sambleten herrn und landleuth in Steyr A. C. *
Zum Abzug der Prädikanten — als ob diese Leute zum Unglück auch
noch den Spott brauchten — wird der nicht gerade geschmackvolle Satz
des Rosolenz angemerkt: Auf solches hin erhebten sich diese unnützen
Vögel, und flog jeder in das Land, wo er seines Gelichters Glaubens-
genossen zu finden vermeinte, und gab dieser Abzug den Katholischen
eine grosse Freude, den Lutherischen aber ein sonderbares Herzeleid.
Rosolenz wird überhaupt von dem Verf. gern citirt. Ich habe schon an
anderer Stelle einige Punkte aufgedeckt, wo die Nachrichten des Rosolenz
durchaus verlogen sind, dass es aber in seinem gründlichen Gegenbericht
noch mehr solcher Stellen gibt, hofi"e ich an einem anderen Ort zu er-
weisen, jedenfalls ist es mir aufgefallen, Rosolenz so gelobt zu finden,
wie dies hier der Fall ist. Es ist ja freilich wenig bekannt und scheint
auch dem Verf. dieses Buches entgangen zu sein, dass die steirisehe Land-
schaft trotz der schweren Hand, die auf ihr lastete und ihr die Action
gegen den Stainzer Propst nicht eben leicht machte, diesen von dem Verf.
so gelobten Mann (S. 607) zwang, zu revociren.
Von den Prädikanten wird so schlecht als möglich gesprochen. Dass
es mit dem katholischen Klerus bis in die Spitzen hinauf nicht besser
bestellt war, hätte doch auch hier stark betont werden müssen : sie waren
nicht selten selbst die Ursache schwerer Irrungen. Wenn sich nun die
Inwohner eines von seinem Pfarrer gepeinigten Ortes wider diesen auf-
lehnen und ihre Klagen vorbringen, so werden diese von dem Verf. des
vorliegenden Buches nicht gehört, wohl aber erhält ihr Verhalten dem
Pfarrer gegenüber die schwerste Rüge, ohne dass der Leser auch nur
mit einem Worte die Genesis des Zwistes zwischen Pfarrer und Gemeinde
vernehmen würde, um sich sodann auf Grund der Aktenlage sein Urtheil
bilden zu können. Und da gibt es Fälle, wo selbst ein Martin Brenner
nicht auf Seiten des Pfarrers steht. Ich will statt vieler nur einen Fall
Literatur. J3|
herausheben; S. 314 liest man: der Pfarrer von Oberwölz, Martin Lind-
mayer, wurde auf dem Heimwege von der Filiale St. Pankrazen, wo er
Gottesdienst gehalten, von den aufgehetzten Bauern auf freier Strasse
überfallen, misshandelt und fortgejagt, um die Pfarre einem Kaplane nach
ihrem Sinne zu übergeben*. Gewiss ein tadelnswerthes Vorgehen der
Oberwölzer. Aber hören wir auf Grund der Akten, die der Verf des
vorliegenden Buches nicht kennt, was dieser Oberwölzer Pfarrer für ein
Mensch war: »Wenn Ihr, ruft dieser Pfai-rer von der Kanzel herab, Eure
ketzerische Eeligion nicht lasset, will ich Euch solche Possen spielen, dass
Ihr Zeit Eures Lebens daran denken sollet <^ Die Gemeinde klagt: »da
nun das Wetter die vier Jahr her so stark geschlagen, hat er vor der Kanzel
gemeldet, wie die Traidsäck heuer wenig füllen werden, wissen das Nie-
mandem Schuld zu geben als denn allein dem Pfarrer*. Er ruft ihr
zu : » So lang die Welt besteht, hat es keinen verdammteren Ketzer gegeben
als Martin Luther*. »Der Pfarrer verhält sich gegen uns mehr zum Rebell
als zum Fried*. »Vierzehn Rohre mit Pulver und Blei hat er zu etwaigem
Gebrauch gegen seine Pfarrkinder in Bereitschaft*. Man wird zugeben,
dass das Anklagen sind, die eine energische Untersuchung verlangten, und
selbst Martin Brenner sieht sich genöthigt zu erklären, was freilich in
dem voiiiegenden Buche auch nicht zu lesen ist: »Man solle beide
Theile hören*. Gewiss, das ist Gerechtigkeit; dass aber in dem
vorliegenden Buch auch der zweite Theil gehört wird, das ist eben nicht
der Fall. Noch eine Aeusserung Martin Brenners aus Anlass der Land-
tagsdebatte über diesen Oberwölzer Fall ist interessant: »Möchf überhaupt
bitten, dass solche Sachen in Abwesenheit der Prälaten vorgebracht
werden "^^ Ja, aber wenn das geschieht, dann sagt man dem Landtag, er
habe kein Recht gehabt, als Landtag zu sprechen, denn die Prälaten seien
nicht dabei gewesen. Dass aber, um auf unseren Martin Lindmayer zu-
rückzukommen, auch die streng katholischen Kreise ihn nicht in Schutz
nehmen, hätte der Verf. immerhin aus einer Aeusserung des Abtes von
Admont ersehen können : Niemand, nicht einmal St. Peter im Himmel,
könne die Oberwölzer überzeugen, dass ihr Pfarrer kein Zauberer sei.
Darf man sich nach alledem wundern, wenn die Bauern ergrimmt sind
und sich dann an ihrem Hirten vergreifen?
»Den Oberwölzern, sagt der Vei'f, folgten die Pfarrinsassen von
St. Peter, vertrieben ihren katholischen Pfarrer Martin Lorbeer und setzten
einen abgefallenen Mönch, Abraham Mann, ein*. Ja weiss der Verf. auch
den Grund, weshalb dieser Lorber vertrieben wurde? Da es nicht der
Fall zu sein scheint, denn den Lesern wird hierüber auch nichts mit-
getheilt, will ich auch hier die nothwendige Ergänzung anfügen : In den
Beschwerdeartikeln der Pfarrmenge von St. Peter unter dem Kammersberg
liest man: »Wenn einer (ein Protestant) sein Kind bei seinen Glaubens-
genossen zu Tauf bringt, hat man etliche nicht allein in die Gefängnuss
gelegt, bis in 2, 3, 4 und 5 Gulden gestraft*. »Als im verflossenen
Jahr am Montag nach Oculi (l589 März 6) die Hofräth allhier gewest,
haben sie der Nachbarschaft als Peenfall 5 Dukaten aufgelegt, zwischen
jetzt und Ostern zum päpstischen Pfarrern zum Sakrament zu gehen.
Wer das nicht thäte, dem soll in dem Stifte die Straf abgefordert und
er von Haus und Hof geurlaubt werden*. »Der Pfleger hat uns keinen
9*
;^3ä Literatur.
Schuldbrief gefertigt, läset auch keinen in das Urbäri schreiben, wenn
einer ein Heimbwesen kauft, noch jemandem sein Erbgut erfolgen, denn
allein er wolle sich geloben, seines Glaubens zu sein^^ »Er hat die
armen Keuschler in der Hofmark angetastet : wenn sie das Sakrament
nicht binnen 14 Tagen (nach seiner Weise) nehmen, sollen sie aus der
Hofmark ziehen ^^
Man wird gestehen, dass nach diesen protokollarischen Angaben
die Thatsache der Austreibung des Pfarrers von St. Peter und jenes von
Oberwölz in einer ganz anderen Beleuchtung erscheint, als in der Dar-
stellung unseres Verf.; dass dieser die blossen Thatsachen mittheilt, ohne
auch die Begründung irgendwie leise anzudeuten, kann von historischem
Standpunkte aus nicht gebilligt werden.
Ganz in gleicher Weise Hessen sich alle die folgenden Erörterungen
über die Dinge in Mitterdorf, Aussee, im Ennsthal, Pettau, Knittelfeld,
Marburg und Villach beleuchten. In allen diesen Fällen ist nur eines
Mannes Eede gehört, und in keinem kommt die Wahrheit an den Tag.
Es mag vielleicht um die Tendenz des Buches zu beleuchten, nicht ohne
Interesse sein, auch von diesen Fällen einige zu beleuchten. S. 316 wird
erzählt: »Im Jahre 1592 visitirte Franciscus Barbaras, der Coadjutor des
Patriarchen von Aquileja, die Diözese. Als er nach Villach kam, um
auch hier zu visitiren, entstand ein grosser Auflauf in der Stadt und
wenn es nicht Gott und der beigegebene 1. f. Commissär, Graf Hans von
Ortenburg, verhindert hätte, so wäre er sicher in Stücke gehauen worden.
Er musste ohne Verzug die Stadt verlassen und durfte bei Verlust des
Lebens nicht mehr wagen, sich in der Stadt blicken zu lassen. Das
Wappen des Patriarchen riss man von der Kirche herab und hängte es
an das »eiserne, vergatterte Narrenhäusel <■=. — Die Quelle — auch diesmal
eine sehr trübe — ist wieder der Revocant Eosolenz. Hätte der Verf.
der Sache auf den Grund gehen wollen, er hätte einen ausserordentlich
reichen Quellenapparat im steiermärkischen Landesarchiv gefunden — so
reich, dass das Material dem Beai'beiter fast zu viel wird. Was ist nun
an der Sache? Man muss auch hier beide Theile hören; der andere,
von dem Verf. nicht gehörte Theil bezeichnet das Vorgehen seiner Gegner
als Landfriedensbruch, denn am dritten November 1592 > hat herr Johann
Georg von Stadion zuwider der Landschaft-Constitutionen, der 1578 auf-
gerichteten, 1591 bestätigten Religionspacification die den HeiTen von
Dietrichstein mit Vogt- und Lehenschaft eigenthümlich angehörige St. Jacobs
Pfarrkirche in der Stadt ohne einiges vorhergehendes gebräuchliches Er-
suchen trotz des Flehens der Bürgerschaft und ihres geschehenen Fuss-
falls mit Hacken und Schlägeln nit allein aufl^rechen, einnehmen vind sie
dem dazumal dagewesten Patriarchen von Aglei zu seiner Eeformation
einzuräumen, sondern sie auch ihrer gehaben christlich evangelischen
Prädikanten berauben lassen* .... die Sache schien den Ständen
Kärntens nicht mit unrecht so wichtig, dass sie »erstens nicht zur Be-
willigung greifen*, zweitens nicht umhin konnten, den Fall in Gemässheit
der Brucker Uebereinkunft den beiden Landen Steiermark und Krain an-
zuzeigen. Am 8. November sagen die Verordneten, es sei dies Vorgehen
offener Landfriedensbruch; man hätte dies Vorgehen umsoweniger verhofft
als der Bischof von Bamberg in diesem Land ebenso wie Dietrichstein
Literatur. -133
nur ein Landmann und nicht befugt ist, die Landrechtsordnung und andere
Landesfreiheiten nach seinem Gefallen aufzuheben. Hätte der Patriarch von
Aglei die Landesfreiheiten oder auch nur die Keligionspacification gekannt,
so hätte er »das hochverbotene Faustrecht* nicht vorgenommen. Dieser
Friedensbruch Verstösse gegen alle Rechte des Landes, beschwere die
Bürgerschaft, die nun so lange friedlich bei der Ä. C. gelassen worden sei.
Hätte der Bischof von Bamberg ein Recht auf die Kirche, so hätte er
mit zulässigen Mitteln darum ersuchen müssen.
S. 317 liest man: der Pastor Wilhelm Zimmermann und die Prädi-
kanten Balthasar Fischer, Philipp Fels (einen solchen gibt es gar nicht;
er heisst Felsinius) und Salomon Eginger gi-iffen die katholische Religion
und die katholische Landesregierung in pöbelhafter und hochverrätherischer
Weise an. Das ist nun ganz falsch. Bevor ich aber auf die Widerlegung
eingehe, sehe ich mich genöthigt, eine allgemeine Erörterung voraus-
zusenden. Man nimmt gemeiniglich an, dass die protestantischen Prädi-
kanten, die im 16. Jahrhundert in Steiermark, Kärnten und Krain ein-
zogen, ein unglaublich streitsüchtiges, rechthaberisches Volk waren, die allen
und zunächst ihren eigenen Glaubensgenossen durch ihre unerträgliche
Streitsucht den grössten Schaden zugefügt haben; dies der Grund, wes-
wegen gerade die Bedeutendsten aus ihnen: ein Jeremias Hornberger, Bern-
hard Egen, Salomon Eginger u. a. aus dem Land verjagt wurden, ja wir
erfahren aus diesem Buch, dass die Steitsucht dieser Prädikanten und
ihre unablässigen Angriffe auf die katholische Religion — der Streitsucht
und der Schmähungen der Jesuiten auf öffentlicher Kanzel und in Gegen-
wart des ganzen Hofes wird in dem vorliegenden Buche natürlich nicht
gedacht — Schuld an der Einstellung des protestantischen Kirchen- und
Schulministeriums gewesen sei. Ich muss gestehen, dass ich einstens,
namentlich durch die Ausführungen F. M. Mayers bewogen, eine ähnliche
Meinung hegte — die Sache liegt aber doch anders. Wenn diese Prädi-
kanten gegen einzelne Dogmen und Einrichtungen der katholischen Kirche
zu Felde zogen, so erfüllten sie eine Pflicht, zu der sie nach ihren Be-
stallungsdecreten verhalten waren. Die steirische, von Chyträus geschaffene
Kirchenordnung verpflichtete die Prädikanten, nicht bloss die Thesen ihrer
Lehre, sondern auch die Antithesen der Katholiken ^) zu kennen und sie
bei besonderen Gelegenheiten auf der Kanzel vorzutragen. Da wurde nun
begreiflicher Weise eine jede Antithese als eine schwere Beleidigung der
Katholiken aufgefasst, in den meisten Fällen denuncirt und gestraft. Dass
in vielen Fällen die Denunziationen gar nicht begründet wai*en, focht
wenig an ^). Es war nur natürlich, dass der Prädikant, der die Anti-
thesen seiner Pflicht nach vortrug, dann auch den Schutz des Landtages
fand, wenn er von der landesfürstlichen Behörde belangt wurde. Man
liest in den Verordnetenprotokollen : ;» Hombergex's muss man sich an-
nehmen, denn zu dem, was er wider das Corporis Christi Fest gepredigt,
bekenne sich ganz lauter die Landschaft; es sei dem Worte
Gottes gemäss und werde von den A. C. Verwandten, demnach auch von
den hiesigen Predigern also gehalten, gelehrt und geglaubt«. Nach
') Näheres darüber in meinem Buche die Keformation und Gegenreformation
in den innerösterr. Ländern im 16. Jhdt. S. 209, 322.
2) Ebenda S. 322. 323. , . ':
134 Literatui.
alledem wird man den Satz in dem vorliegenden Buche auch nur mit
sehr grossen Einschränkungen, zumal da auch er sich auf Rosolenz stützt,
für richtig ansehen dürfen: »An allen Enden und Orten wütheten und
schrieen die Prädikanten von den Kanzeln wider den Papst, vpider die
Bischöfe, Cardinäle, Prälaten und alle Geistlichkeit auf das höchste und
verschonten auch der frommen Obrigkeit nicht .... In der Kirchen-
ordnuDg der Protestanten liest man unter den Antithesen: die Papisten
nennen die Bibel ein Zankbuch, sie sei dunkel und habe Zweifelreden,
da es doch nur an einem guten Ausleger fehlt. Ihre Kirche binden sie
an Rom, nennen sie den Pfeiler und die Grundfeste der Wahrheit und
wenn man solche ihre Meinung gründlich abwägt, führen sie die Leute
nirgends anders hin, als zum Schrein des päpstlichen Herzens. Was der
Papst sagt, gilt als Sprache des Himmels« .... Diese und ähnliche
Sätze hatte der Prädikant seinen Gläubigen seiner Pflicht gemäss zu predigen,
wollte er nicht als lau erscheinen. Auf diesen Sachverhalt aber hätte ein
Buch, wie das vorliegende aufmerksam machen müssen, weil unter diesen
Umständen unser Urtheil über einzelne Prediger bei den Protestanten anders
lauten wird. Das evangelische Kirchenministerium selbst kam ja schliesslich
zu der richtigen Ueberzeugung, dass mit der allzuscharfen Herausstreichung
der Antithesen auf Kanzel und Katheder ihrer Sache wenig gedient sei,
der Hass und die Verbitterung wachse. Daher nahm man Anlass, in den
Bestallungsdekreten auch diese Vei'pflichtung der Prädikanten zu ändern.
Man gestatte, weil der Gegenstand wichtig genug ist, wenigstens einen
aus vielen Fällen hier anzuführen. So lesen wir in dem Bestallungs-
schreiben 1) des aus Würtemberg an die ev. Pfarre zu Judenburg berufenen
Martinus Gruel (de dato Graz 9. October 1597): Wass dieser rainen lehr
da cathechismi zuwider, (soll er) mit gebürlicher heschaidenhait, sanff-
mueth und rechtmässigem ernst straffen. Und weil man b i s s h e r mit
schlechtem nutzen, aber zu grosser betrüebung wahr-
genommen, dass die unruebigen Widersacher alle mitl und
weeg suechen, die 1. f. hohe obrigkait eusserist wider die
confessores veritatis zu verhötzen, zu welchem end sy
vermüg lang practicierter er fahrung neben andern iren
griffen aus denen evangelischen predigen allerlay auf-
zwacken, besonders do sy und ire papistische gräuel etwas acerbius
mit harten, hässigen und an ime selbs nicht passenden worten und in-
vectiven perstringiert werden, dasselb aufziunutzen, per calumniam zu
verkheren, crimina laesae maiestatis und mehrere Verbitterung der höchsten
und hochen obrigkait dardurch anzustiflften sich understehen: so will
die unvermeidenlich höchst notturfft erfordern, dass er und die
andern ministri ecclesiae sonderliche, gebürliche, christ-
liche modestiam gebrauchen, in allen iren predigen caute et
circumspecte reden und handien und nach der lehr des apostels
Pauli fürsichtiglich wandlen, nicht als die unweisen sondern als die weisen
und sich in die zeit zu schicken wissen, denn es ist böse zeit, damit
auch nicht durch acerbiores insectationes die, so auf dem gegenthail noch
sanabiles zu gewinnen sein, für den köpf gestossen, die carbones unnotter-
') L. A. Ref. 1597.
Literatur. J35
ding irritiert und den calunmiatoribus ursach gegeben, fernem unrath
anzutritten und also sambt iren persouen E. E. L. mit dieser irer khirchen
und rainen ministerio per intempestivam acerbitatem unwiderbringlich gfur
zu scbmerzlichen Verlust nicht gesetzt werde . . . Während man vordem
in der grössten Schärfe nichts sah als christlichen Eifer und diesen lobte,
will man jetzt zwar auch nicht >das liecht undter ainen schäfl'el stellen«,
aber doch noch lieber, dass das Wort Gottes »wie ein gülden apfel in
silbern schallen* dargeboten, also »die antithesis oder gegenlehr nicht
alzuhitzig, sondern modeste und als vil magnitudo negotii erleiden kan,
breviter und doch nervöse fürgebracht und redarguiert werden solle*,
j>dardurch dann villen caluumien ansa wirt abgenomen, die hohe obrigkait
desto weniger inflammiert etc. . . . das also ist das Ergebnis der bittern
Erfahrungen, die das Statut von 1578 gezeitigt hatte. Nacheinander
mussten sie aus dem Lande ziehen: die Egen, Hornberger, und wie sie alle
heissen und noch lange vor dem Ende (1598) wurde die Drohung laut,
wenn dieses »Scalieren*, d. h. die Predigt der Gegenlehre nicht ein Ende
finde, werde man dem evang. Exercitium überhaupt ein Ende machen.
Wenn sich den Ausführungen dieses Buches zu Folge die Gegenreformation
in verhältnismässig milder Form vollzog, so ist das eine Aufiassung, über
die sich sehr streiten lässt. Mit einem Vergleich dieser Bewegung mit
ähnlichen in anderen Ländern hat schon Hurter kein Glück gehabt: in
England handelt es sich in derlei Dingen noch um ein anderes als um
kirchliche Massnahmen. In Innerösterreich wurde die Gegenreformation
mit einer unerhörten Wucht begonnen und so schneidig durchgeführt,
dass die geschlagene Partei kaum zur Besinnung kam. Es finden sich
Zeugnisse, nach denen schon in den kritischen Augusttagen mit einer Art
wilder Energie verfahren wurde. Oder ist es anders zu deuten, wenn
bereits am 26. August 1598 an den Kärntnischen Landesvizedom Hart-
mann Zingl von Küeden der Befehl ergeht, den lutherischen Prädikanten
Yon St. Veit, Georg Wehe, falls er sich über die Frist von 3 Tagen hinaus
im Lande betreten lasse »auf dem nechsten paumb ohn alles weitere be-
rechten henken und sich davon durchaus nichts hindern zu lassen*. Auch
an sonstigen Verstössen und Irrthümern fehlt es nicht: die Bitte um
Prediger, die Gottes Wort ohne Menscheuzusatz (nach Luther) verkünden,
wurde und namentlich von den Steiermärkern schon auf dem Augsburger
Generallandtag 1526 gestellt. Die Vorgänge auf der Salzburger Synode
waren nach einem grossen im steiei'm. Landesarchiv befindlichen Akten-
faszikel zu schildern. Zur Haltung Ungnads, bezw. zu seinem Sturz,
bietet sein von mir (S. 5 75) mitgetheilter Brief vom 3. Mai 15 57 die
wichtigsten Behelfe. Ich getraue mich nicht zu sagen, dass Ungnad schon
1540 ganz Lutherisch war, noch 1557 lehnt er diese Bezeichnung von sich
ab. Er steht eben die längste Zeit auf der Linie Maximilians IL Falsche
Angaben finde ich über die Brüder Hofmann, über die Motive des Abgangs
Georg Khuens; nie hat es (wie S. 146 behauptet wird) 1578 in Graz
einen Superintendenten Chyträus gegeben. Kobenzl wird einmal (S. 150)
Graf, ein andermal zum Jahre 1578 (S. 155) Freihei-r genannt; Freiherr
wurde er auch erst 1581. Die Thätigkeit Malaspina's in Graz scheint mir
nicht entsprechend gewürdigt, unrichtig ist, was von dem massvollen und
klugen Auftreten der Jesuiten (ohne Einschränkung) gesagt wird, ebenso
jgg Literatur.
die Angaben über die Abberufung Marbach's, über den Huldigungslandtag
1592 und noch manches andere. Trotz alledem enthält das Buch aber
doch eine Fülle von schätzenswerthen Angaben, die es für einzelnes als
eine Fundgrube (freilich nicht die einzige) für unsere Kenntnis mancher
wichtiger Ereignisse erscheinen lassen, und ich wäre der letzte, der trotz
der obigen allgemeinen und besonderen Bemängelungen diesen Sachverhalt
verkemien wollte.
Graz, Pfingsten 1898. J. Loserth.
G. Biermann, Geschichte des Protestantismus in
Oesterreich-Schlesien. Mit Unterstützung der Gesellschaft zur
Förderung deutscher Wissenschaft, Kunst und Literatur und des
Vereines für Geschichte Mährens und Schlesiens. Prag. 1897.
VI + 223 S. 8«.
Das Buch B.'s ist aus einer vor mehreren Jahrzehnten verfassten
»Geschichte der evangelischen Kirche Oesterr.-Schlesiens. mit besonderer
Eücksicht auf die der Gnadenkirche vor Teschen^ erwachsen, indem der
Verf. die Ergebnisse seiner späteren Forschungen auf diesem Gebiete, die
er anlässlich seiner beiden grösseren Arbeiten »Gesch. des Herzogthums
Teschen« (l863 und 1894) und »Gesch. der Herzogthümer Troppau und
Jägerndorf« (l874) zu machen Gelegenheit hatte, mit jener eisten Studie
verband. Die Darstellung zerfällt in drei grosse Abschnitte. Der erste bis
1620 reichend, zeigt das Vordringen des Protestantismus im Neissischen,
Troppauischen und Teschni sehen Gebiet und den Widerstand, der sich ihm
hier von Anfang entgegenstellte. Der zweite Abschnitt behandelt die
Entwicklung in dem Zeitraum von 1620 — 1781, in welchem wiederum
das Jahr 170 7, da durch die Altranstädter Convention »die Bestimmungen
des westphälischen Friedens in Bezug auf die evangelischen Schlesier
erneuert und ihnen trotz päpstlicher Einsprache die so heiss ersehnte
Eeligionsübung zuerkannt wurde*, einen bedeutsamen Einschnitt macht.
Das Jahr 1781, mit welchem der dritte und letzte Abschnitt einsetzt, ist
das Jahr des Josephinischen Toleranzpatentes, es beginnt die Zeit der
»Duldung«, der seit 1848 die der »Gleichberechtigung« folgte.
Das Buch weist alle jene Eigenschaften auf, die wir schon früher
an den Schriften B.'s anzuerkennen Gelegenheit hatten, die klare, über-
sichtliche Disposition, eine schöne Sprache, strenge Sachlichkeit bei aller
Vorliebe für seinen Gegenstand und gute Beherrschung der Literatur.
Brunn. Dr. B. B retholz.
Alfred Stern, Geschichte Europas seit den Verträgen
von 1815 bis zum Frankfurter Frieden von 187 L 1. und 2. Band.
Berlin. Wilhelm Hertz {Besser'sche Buchhandlung) 1894. 1897.
Das Geschichtswerk, das Alfred Stern in Angriff genommen hat,
gliedert sich in drei Abtheilungen; die erste soll bis 1830, die zweite
Literatur. \^'J
bis 1848, die dritte bis 1871 reichen. Nach den Ausführungen des Verf.
liegt, es aber keineswegs in seiner Absicht »den Rahmen so weit zu
spannen, wie einst Gervinus*. Es ist ihm vielmehr darum zu thun, die
grossen gemeinsamen Grundzüge zur Anschauung zu bringen, die sich in
der Geschichte der einzelnen Völker und Staaten Europas bemerkbar machen.
In der That ein dankenswerthes und anregendes Unternehmen, zu
zeigen, dass auch im 19. Jahrhundert die europäische Menschheit eine
Gemeinschaft bilde, die von den gleichen politischen, wirtschaltlichen,
künstlerischen und wissenschaftlichen Ideen erfüllt und geleitet sei. Gerne
vertrauen wir uns der Führung eines Geschichtsschreibers an, der uns die
formenreiche Landschaft der Historie von einem höheren Standpunkt aus
überblicken lässt. Ob das Gesammtbild jedoch, das wir gewinnen sollen,
in allen seinen Theilen ein deutliches sein werde, müssen wir — so weit
die zwei ersten Bände in Betracht kommen, die erschienen sind, wohl in
Zweifel ziehen. Denn gerade in den Fehler, den er zu vermeiden die
Absicht hatte, ist der Verf. gefallen: viel zu breitspurig sind die Aus-
führungen über die einzelnen Verhältnisse ; sie ermüden nicht allein, sie
benehmen uns auch die Möglichkeit, die wesentlichen Momente festzuhalten.
War es denn, um nur Eines zu erwähnen, nothwendig, uns mit den
langatmigen parlamentarischen Verhandlungen bekannt zu machen, die in
Frankreich über die Ausnahme- und Amnestiegesetze, über das Budget
u. a. gepflogen wurden? Ein wahres Dickicht von Debatten, durch das
wir dringen müssen, bis wir wieder auf freien Pfad gelangen. Und
auch dieser weicht in der Folge ab. Durch England, Oesterreich, Deutsch-
land kommen wir wieder auf ihn zurück, um abermals eine Zickzack-
richtung einzuschlagen. Wenigstens in dem Rahmen eines einzelnen Bandes
sollte die Darstellung, so weit sie sich auf den einen oder anderen Staat
bezieht, keine Unterbrechung erfahren. Was diese Staaten, besonders
Deutschland betriiFt, entnehmen wir bereits den zwei uns vorliegenden
Bänden, dass der Verf. allzusehr ihre jetzige Ausgestaltung vor Augen
habe. Den Gang der Ereignisse und ihre stete Entwickelung misst er
nach dem Bilde ab, das er sich im Sinne der modernen Verhältnisse ent-
worfen hat. Eine deduktive Methode, die vielleicht am Platze ist, wo es
sich um die Geschichte von Staaten handelt, die nicht mehr sind — aber
Geschichte, die wir miterleben und welche noch lang nicht abgeschlossen
ist, derart zu behandeln, ist wohl ein bedenkliches Wagniss.
Dagegen muss lobend hervorgehoben werden, dass Alfred Stern den
wirtschaftlichen und sozialen Fragen besondere Aufmerksamkeit gewidmet
hat. Sie sind es so recht eigentlich, die dem 19. Jahrhundert sein eigen-
artiges Gepräge geben und eine Ideen- und Interessengemeinschaft der
europäischen Völker vorbereiten. Auch die Grossmacht > Presse* wurde
nicht unberücksichtigt gelassen.
Es würde uns zu weit führen, wollten wir der Darstellung Sterns
in ihren Einzelheiten folgen. Nur soviel sei erwähnt, dass er sich im
Gegensatz zu Treitschke einer für Oesterreich wohlwollenden Gesinnung
befleisst. Der Umstand, dass ein nicht österreichischer Geschichtsforscher
unserem Kaiserstaate verdiente Gerechtigkeit widerfahren lässt, muss uns
ja um so angenehmer berühren, als er nur in seltenen Fällen eintritt.
Wien. Schütter.
138 Literatur.
Murko Matthias, Deutsche Einflüsse auf die Anfänge
der böhmischen Romantik. Mit einem Anhang: Kolhir in Jena
uii'd beim Wartburgfest. (Auch uuter dem Titel: Deutsche Einflüsse
auf die Anfänge der slavischeu Komantik I.) Graz, Styria, 1897,
374 + Xll S. gr. 8°.
Der Verf. dieses für die vergleicheuile Literaturgeschichte überaus
wichtigen Werkes hat sich die Aufgabe gestellt, in eingehenden Unter-
suchungen zu zeigen, wie von den Slaven und speciell von den »Böhmen*
deutsche Beispiele in der Literatur nachgeahmt, und deutsche Ideen
herübergenommen und weiter ausgebildet wurden, und die Verlagshandlung
sagt in einer Ankündigung noch ausdrücklich, das Buch sei auch für
weitere Kreise be.^tiiumt, die sioli daraus über die Entstehung und das
Wesen der österreichischen Nationalilätenkämple unterrichten wollen. Ein
sehr zeitgemässes Buch also !
Die romantische Schule in Deutschland knüpfte direkt an die Weimarer
Classik an und nahm ihren Ausgangspunkt von Goethes »Wilhelm Meister«,
der den neuen Dichtern als der ästhetische Kanon ihres Schaffens galt,
und stellte sich erst später in Gegensatz zu ilu-em Vorbilde, als sie eine
träumelnde katholisirende Richtung einschlug. Die älteren Romantiker
suchten nun ihren Inhalt in der reichen Vergangenheit des Mittelalters
und stellten sich mit ihren socialpolitischen Ansichten an die Seite Herders,
der den bisher wenig beachteten Slaven das Wort redete und die Deut-
schen der Unterdrückung dieses grossen friedlichen Volkes anklagte. Der
deutsche Kosmopolit ist es gewesen, der zuci'st systematisch » Volkslieder "=■=
als Erzeugnisse reinen Volksthums sammelte und herausgab. Die neue
Richtung hatte aber eine günstige Folge, nämlich das Erwachen der ger-
manistischen Studien und vor allem das Auftreten der Brüder Grimm. Damit
drang gerade in der Zeit des politischen Druck(>s durch die napoleonische
Herrselialt die Schätzung eigenen Wesens bei den Deutschen mit sieghafter
Gewalt durch und zeitigte die Begeisterung der Freiheitskriege, in der
sich die Romantik verjüngte. Diese neuere Richtung wird durch zwei
Elemente gekennzeichnet: durch den patriotisclien Selbstcultus der Nation
(Teutonismus) und durch das Ilumanitätsideal Herders, das der Auf-
klärungsepoche entstammte und hier zur sinngemässen Anwendung ge-
Uingte. Der Ausgangspunkt der Romantik ist in beiden Zweigen Jena;
für die romantische Schule sind die Brüder Schlegel, für die jüngeren
Romantiker die »Patrioten^* massgebend, und der extremste Vertreter der
letzteren ist der jenaische Historiker Luden, der der weimarischen Regie-
rung und dem alten Goethe so viel Verdruss bereitete. Hier holten sich
auch die Slaven ihre wissenschaftlichen, poetischen und litterarischen
panslavistischen Ideen, theils indirekt, theil geradezu direkt durch Safafik
und Kollär, die protestantischen Slovakcn und späteren Hauptvertreter des
literat'ischen und poetischen Panslavismus.
Die deutschromantischen Bestrebungen wirkten naturgemäss auf die
zunächstliegenden Slaven ein, auf die »Böhmen«. Murko nimmt diese
Bezeichnung, welche die Cechoslaven selbst als eine deutsche bekannt-
lich vermeiden, aus j, ofticiellen * Gründen an und zeigt, wie diese von den
Literatur. 139
Deutschen lernten und ihnen die nationale Idee abguckten. Das wich-
tigste Kennzeichen der deutschen Romantik, die Einkehr in das phan-
tastische Mittelalter, fehlt hier jedoch, da die Slaven mit Ausnahme der
Polen, deren mittelalterliches Heldenthum in der jüngsten Malerei ver-
herrlicht wurde (Matejko) — , damals keine EoUe spielten ; man musste
sich daher auf die »graue Vorzeit'^ berufen und die Zeugnisse aus der-
selben sammeln (Volkslieder), wofür wiederum Herder als Muster diente.
Dieser Umstand erscheint mir als ausserordentlich wichtig, sonst müsste
man auf Grund des Buches von Murko schlankweg behaupten, dass bei
den Slaven keine einzige grosse Idee selbständig und autochthon sei.
Während die älteren poetischen und literarischen Leistungen der Slaven nach
meinem Empfinden meist nur modische Nachahmungen sind, erfassten die
Cechen den patriotischen Gedanken um so energischer und wandten ihn
mit steigender Rücksichtslosigkeit an. Es ist daher nicht richtig, wenn
Murko, der doch S. 275 selbst gesteht, dass der romantische Geist
Deutschlands dem böhmischen Volke ursprünglich nur »äusserlich auf-
gepfropft <^ wurde, zum erstenmale tür die patriotische Schule der Böhmen
und anderer slavischer Völkerschaften die Bezeichnung Romantik wählt,
richtiger wäre » Nationalismus '^S selbst bei den Polen, die jene Bezeich-
nung schon längst anwenden. Die Westslaven giengen in die slavische
Vorzeit zui'ück, die Polen (Mickiewicz) befassten sich mit der Neuzeit und
verhielten sich rein retrospectiv — beides uu romantisch im herkömmlichen
Sinne. Allen gemeinsam ist aber der Deutsehenhass, denn der Slave sieht
in dem Germanen überall nur den Unterdrücker des » Taubenvolkes ■% das
mit seinen runden, weichen und sanften Gesichtszügen (S. 1 44) schon
äusserlich seine Friedfertigkeit verräth. Diese Germanophobie ist gewiss
keine einfache Nachahmung der deutschen Gallophobie ! Wir finden sie
selbst bei den Polen ( Wallenrodismus). die aus politischen Gründen am
wenigsten für den Panslavismus schwärmen und die Jahre 1831 und
1863 nicht vergessen haben, wenngleich die Satyre »Petersburg« von
Adam Mickiewicz keine Lieblingslectüre der jüngeren Gener.'^tion mehr
bildet.
Um den Slavismus zu begi-ünden, musste man auf eine eigenartige
hohe Cultur hinweisen können: daher beginnt die Geschichte der böhmi-
schen Literatur mit einer Reihe von literarischen Fälschungen, die dann
in einer höchst bemerkenswerten, aber wieder nicht originellen Weise aus-
genützt wurden. Ich meine die wissenschaftlichen Vergleichungen mit
antiken Werken und andere dilettantische Bocksprünge, die sich auch
heute noch wiederholen; so hat der Gymnasiallehrer Osfadal in einem
Klattauer Programm 1884 die Grünberger Handschrift (>. Libusas Gericht«)
mit Homer in Parallele gestellt. Murko verhält sich dagegen ablehnend
und sucht sich so viel wie möglich auf das Sachliche wissenschaftlich, zu
beschränken, aber da und dort merkt man doch den nationalen Slaven. Er
mildert manche Schärfe, die sich in den politischen Kämpfen zeigt, er will den
Deutschen nicht unrecht, seinen Connationalen nicht wehe thuu und drückt
sich deshab olt sehr euphemistisch aus. Dass Safafik den Baron Hormayr,
der doch in seinem ^ Archiv ^'^ den slavischen Historikern gerne das Wort
Hess, einen »wüthenden Deutschen* nennt, kommt ihm wohl selbst son-
derbar vor, wie denn M. derartige Uebertreibungen als Mann der ernsten
^40 Literatui-.
Wissenschaft ablehnt. Etwas überraschend kommt aber doch S. 58 die
Ifotiz über den Justitiarius Schneider, der plötzlich statt wie bisher deutsch
-als bnaidr böhmisch zu dichten anfieng — , dass dies eine » Eückkehr zum
eigenen Volke <^ gewesen sei. Ein Euphemismus ist es auch, wenn Hankas
patriotische Fälschungen zwar als das bezeichnet werden, was sie sind,
-aber hinzugefügt wird, sie seien culturhistorisch und poetisch wertvoll,
:» natürlich mit der Einschränkung, dass man sie nicht mehr für alt und
ganz originell ausgibt "^"^ (S. 45). Dahin gehört auch die vielleicht nur
unglücklich stilisirte Bemerkung S, 97, dass die Deutschen in der böhmi-
-schen Oper entweder ihre Muttersprache oder die ihrer Vorfahren zu hören
bekamen : es gibt in Böhmen und in Prag denn doch nicht lauter
Deutsche, die eigentlich nur germanisirte Cechen sind? Fast wie ein
Vorwurf nimmt sich ferner eine Stelle S. iß aus, dass die Cechoslaven
schon früher culturell weiter gekommen wären, wenn nicht auch die
Deutschen zurückgeblieben wären — ganz richtig, nur verschweigt M. hier
wieder die Gründe für diese Erscheinung. Die Niederlage des Husitismus
am weissen Berge hat den eechischen Nationalismus geistig und materiell
schwer geschädigt, ergieng es denn dem deutschen Volke während des
grossen Krieges viel besser? Der historische Boden, auf dem M. baut, ist
zu schmal ausgemessen. Dass sich im 18. Jahrhunderte die Deutschen
rascher erhoben als die Slaven hat wieder seine besonderen Gründe.
Unter dem ermunternden Beispiele der »egoistischen* Deutschen erholten
sich auch die » Böhmen *^S aber ihre ersten geistigen Grössen Jungmann
und Dobrovsky waren noch wesentlich Josephiner; erst mit 1820 lässt M.
die böhmische Romantik beginnen, als die politischen Verhältnisse für die
nationale Wiedergeburt des eechischen Volkes günstiger geworden waren.
Von grösster Wichtigkeit für alle Slaven gestaltete sich die Thätigkeit
Kopitars in Wien, der bereits 1810 nach dem Muster Mosers » Patriotische
Phantasien eines Slaven* anstellte und sich nach einer serbokroatischen
Volksliedersammlung sehnte, dann auch wirklich den »ganzen Vuk Karadzic,
nicht bloss den Sammler und Herausgeber der serbischen Volkslieder,
sondern auch den Grammatiker und Lexikographen, überhaupt den
Schöpfer der neuserbischen Schriftsprache und Orthographie, allein ge-
schaffen hat* (S. 14). Ein so schwerfällig und undeutsch gebildeter
"Satz schreit aus der sonst gewandten Darstellungsweise Murkos heraus ;
trotz dem stattlichen Druckfehlerverzeichnisse S. 374 gibt es in dem Buche
noch allerlei nicht vermerkte Versehen (S. 15, 20, 42, 51, 56, 60, 84,
^30, 118, 173, 177, 246). Die Talvj (nicht Talvy S. 148) hiess nicht
Jacobs, sondern T. A. L. v. Jakob, Goethes Autobiographie sollte stets
mit dem richtigen Titel »Dichtung und Wahrheit'^ angeführt sein.
Die Anlehnung der böhmischen patriotischen Schule direkt an Goethe
(und an die jüngere deutsche Romantik S. 6l) ist vielleicht auf die Fest-
stellung gdnz bestimmter Einflüsse einzuschränken, denn die Vorliebe der
Slaven für »Hermann und Dorothea* entsprang doch nur dem mehr
äusserlichen Interesse an der national gefärbten Schilderung, die dem
Polen Mickiewicz als Muster für seine » Adelsgeschichte '^^ (Pan Tadeusz)
diente. Goethe hat zwar einmal betont, dass alle Literatur national sein
müsse, allein er widmete dem grossen litthauischen Romantiker nicht
bloss die goldene Feder, sondern warnte ihn auch vor politischem Chau-
Literatur. ] 4 1
vinismus (1829). Interessant ist es übrigens, dass die vier Verse des-
Olympiers »Im Vaterlande schreibe, was dir gefällt« (Hempel 2, 334)
auf Celakovsky gehen. Es genügt für die »böhmische Romantik* einfach
der Hinweis auf Herder und auf beide Eichtungen der deutschen Romantik^
der Einfluss Goethes erscheint mir als ein mehr zufälliger denn a priori
bewusster. Ein unbefangener Vergleich zwischen den Slaven und ihren,
literarischen Vorbildern lehrt, dass es den Deutschen um die Sache zu thun
war, während bei den ersteren immer der politische Gesichtspunkt hervortritt.
In dieser Richtung hat sich auch ihre neuere Literatur entwickelt, die
sofort in den breiten Strom nationaler Politik einmündete. Es ist be-
zeichnend, dass bei den Cechen alsbald die praktischen Historiker den
Vortritt erhalten; Palack^ wird der »Vater der böhmischen Nation '^^ und
der Geschichtschreiber seines Volkes. Safafik, der Begi'ünder des wissen-
schaftlichen Panslavismus, forderte bereits 1848 Dinge, die erst in den
jüngsten Tagen zugestanden wurden. Ein Buch, das wie das vorliegende
nach dem Titel nur deutsche »Einflüsse* auf die Anfänge der
böhmischen Romantik aufsucht und zum Schlüsse (S. 274 fg.) doch auch
die socialen und politischen Folgen der sogenannten böhmischen Romantik
erörtert, ist eminent politisch und modern, daher kann der Recensent
selbst in einer streng wissenschaftlichen Zeitschrift die Hindeutuiig auf
politische Fragen nicht ganz unterlassen. Die Cechen thun heute genau
dasselbe, was sie früher an den Deutschen getadelt haben, und der Aus-
spruch Fr. Schlegels (S. 4) kann jetzt ebenso gegen sie gewendet werden,
wie ihn die Anfänger der j, böhmischen Romantik* einst gegen die Deut-
schen wandten. Es ist überhaupt eine Art tragischer Ironie, dass alle
Aussprüche deutscher Geister, die die Slaven für sich ausdeuten, auch
gegen sie benützt werden könnten. Daher sehen wir das unerfreuliche
Schauspiel : erst Freiheitsschwärmer, dann Reactionäre ! Ein einzelnes Bei-
spiel bildet ja auch Jan Kollär, der »philosophische Begründer des lite-
rarischen Panslavismus*. In »Slävy Dcera* herrscht Herders Humanitäts-
ideal in subjectivirter Gestalt vor — die übrigens nichts mit Bjri'on zu
thun hat (S. 237) — und in seiner Schrift über die Wechselseitigkeit
der slavischen Literaturen finden sich freie Ideen, die der alte Kollär
nicht mehr kannte. Er gleicht überhaupt vielfach Herder, nur war er dem
Erweiterer Lessing'scher Ideen gegenüber ein unkritischer Kopf Murko
ist hier nahe liegenden Parallelen aus dem Wege gegangen ; das phan-
tastisch-mystische, romantische Element aber wird ihm bei Mickiewicz
deutlich genug entgegentreten. Das Entstehen und die Charakteristik des
Austroslavismus, der an Oesterreich festhält, hat er recht glücklich dar-
gelegt. Allein den vollständigen Föderalismus, auf den bereits der Prager
Slavencongress hinwies, hält Refer. bei den ethnographischen Verhältnissen
Oesterreichs und der herrschenden politischen Weltlage für unmöglich,
weil er die Monarchie nach aussen in Ohnmacht versetzen müsste.
Murko verhält sich hier mehr referierend. Das Hauptgewicht seines
Buches fällt auch nicht auf die historische, sondern auf die literarhisto-
rische Seite, und da müssen wir unumwunden bekennen, dass das Werk
Vorzüge besitzt, vor denen die gemachten Ausstellungen schier verblassen,
denn es legt erstens und im Zusammenhange zum erstenmale den deut-
schen Einfluss auf die neuere slavische Poesie mit wissenschaftlicher Schärfe
142
Literatur.
dar und ergänzt somit die allgemein vergleichende und speciell auch die
deutsche Literaturgeschichte nach einer sehr wichtigen Seite hin. Selbst
in Einzelheiten fördert es manches wertvolle Eesultat zutage. Zweitens
entwickelt es in übersichtlichen Capiteln — denen allerdings noch Spuren
ursprünglich selbständig gedachter Abhandlungen anhaften — die deutsch-
slavische Nationalitätenfrage im engsten Zusammenhange mit der litera-
rischen Entwicklung. Den Anhang bilden die getreu übersetzten Erinne-
rungen Kollärs über seinen Aufenthalt in Jena, die wir einer Anregung
Erich Schmidts verdanken und die nun allgemein zugänglich geworden sind.
Marburg a. Drau. S. M. Prem.
Heinrich Friedjung. Der Kampf um die Vorherrschaft
in Deutschland 1859 bis 1866. Stuttgart, Cotta I. Band 1897.
IL Bd. 1898.
Ein crewandter und geschmackvoller Publizist mit historischer Vor-
bildung und einer entschiedenen Keigung zur Historie war gewiss die
geeignete Persönlichkeit, dieses Werk zu liefern, dessen Erscheinen ein
wirkliches, stark empfundenes Bedürfnis befriedigt. Der deutsch-franzö-
sische Krieg war so rasch auf die Auseinandersetzung zwischen Preussen
und Oesterreich gefolgt, Verlauf und Folgen desselben waren so interessant
geworden und hatten so grossartige Dimensionen angenommen, dass man
darüber das bischen Köuiggi'ätz fast vergessen und die Stellung Oesterreich-
Ungarns ausser Verband mit Deutschland als etwa ganz Selbstverständliches
anzusehen sich gewöhnt hatte. Erst als sich die Welt mit der Er-
scheinung des neuen deutschen Reiches vertraut gemacht und allmählig
davon überzeugt hatte, dass sie keine vorübergehende sein werde, als sich
die inneren Verhältnisse des jungen Organismus stetig zu festigen und
zu beruhigen begannen, während Oesterreich-Ungarn in dem Eingen um
seine Neugestaltung in die heftigsten parlamentarischen Kämpfe verwickelt
wurde und die seit 1866 wirkende Kräfteverschiebung immer aufs Neue
die Frage nach dem Wesen und der zweckmässigen Verfassung der Mo-
narchie aufwarf, wendete sich die Aufmerksamkeit der politischen Kreise
wieder dem Zeiträume zu, in dem die erste und folgenreichste Entschei-
dung über die Geschicke Europas durch die preussische Politik hervor-
gerufen worden war. Gleichzeitig wuchs auch das Interesse für die
Persönlichkeit, die diese Politik geschaffen und getragen hatte, je mehr
sich ihre grossartige Gestaltung offenbarte. Bismarcks Werk in allen Einzel-
heiten kennen zu lernen, seine ersten und schwierigsten Leistungen in
der neuen, durch ihn der europäischen Diplomatie demonstrirten Staats-
kunst zu verfolgen, wurde ein lebhaftes Verlangen seiner Bewunderer und
seiner Hasser. Und so ward es eine dankbare Aufgabe des Publizisten
grossen Stils, die Ereignisse im Zusammenhange darzustellen, durch welche
die Auflösung des deutschen Bundes, der Ausschluss Oesterreichs aus dem
Verbände der deutschen Staaten und die Begründung der preussischen
Hegemonie unter denselben herbeigeführt wurde.
Ob diese Aufgabe schon eine historische genannt werden kann, dürfte
zweifelhaft sein. Anfang und Ende der wissenschaftlichen Geschieht-
Literatur. 143
Schreibung tünd nicht leicht zu bestimmen; die Schwierigkeit der Kritik
ist ebenso gross, wenn der Beobachter den handelnden Personen noch
sehr nahe steht, als wenn alle Handlung und Bewegung erkennbarer
Menschengnippen sich in nebelhafte Fernen verliert. Im vorliegenden
Falle liegt die Schwierigkeit vornehmlich in der Beurtheilung der Vor-
gänge auf österreichischer Seite. Es ist in dem Wesen der österreichisch-
ungarischen Monarchie begründet, dass in ihr die Dynastie und der Hof
zu stärkerer Wirkung gelangen als alle anderen staatlichen Elemente und
die Hofpolitik vor der Staatspolitik geht. Die erstere hängt aber so sehr
von den Entschliessungen des Monarchen, von den intellectuellen und
Charakter-Eigenschaften desselben ab, dass sie sich einer ernsten Kritik
bei Lebzeiten des Monarchen wohl selbstverständlich entzieht, nicht etwa
wegen der Befangenheit des Kritikers sondern wegen des Mangels aus-
reichenden Nachrichtenmateriales. Es ist noch sehr wenig über den Kaiser
Franz Josef aus jenen Kreisen mitgetheilt worden, in denen man Gelegen-
heit hatte und hat, ihn kennen zu lernen, sein historisches Bild steht
nicht fest und ohne dieses kann auch das Bild seiner Zeit und ihrer Er-
eignisse nicht klar und deutlich werden. Für die psychologisch indivi-
dualisirende Geschiehtschreibung reichen die Quellen, über die wir in
Oesterreich-Üngarn sich ]8.50 verfügen, nicht aus; es kann also eine
österreichische Geschichte der neuesten Zeit um so weniger geschrieben
werden, als auch die Entwickelung des österreichischen Verfassungslebens
noch zu keinem Euhepunkte gekommen und nicht abzusehen ist, ob die
centralistische oder föderalistische Tendenz die siegreiche bleiben wird.
Friedjung hat sehr gut erkannt, dass die offiziellen Berichte über
den Feldzung von 1866, die Werke des preussischen und österreichischen
Generalstabes, viele Fragen, die der Geschichtsforscher stellen muss, un-
beantwortet lassen, dass namentlich der Zusammenhang zwischen den
diplomatischen und militärischen Kräften vielfach unaufgeklärt ist; er war
daher redlich bestrebt, die Lücken der vorhandenen Mittheilungen aus-
zufüllen. An Memoiren und inhaltsvollen Biographien stand ihm von
österreichischer Seite nichts zu Gebote. Er sucht die Ursache des
Schweigens der Staats- und Kriegsmänner »in der Geringschätzung der
öffentlichen Meinung; es genügt den historischen Persönlichkeiten, ihre
Stellung bei Hofe und innerhalb des regierenden Adels zu behaupten;
das ürtheil der Aussen- und Nachwelt gilt für nebensächlich*. Hiezu
kommt noch jener beklagenswerte Mangel an Freimuth nach oben, der
schon so viel Unheil in Oesterreich angerichtet hat, und eine ganz ver-
schrobene Auffassung von den Pflichten, die der «Dienst <'^ auferlegen soll.
Aus den zahlreichen authentischen Belegen für diese Behauptung wollen
wir nur von der Thatsache Erwähnung thun, dass die höchst interessante
literarische Hinterlassenschaft eines in Graz verstorbenen hohen militäri-
schen Würdenträgers, der 1859 eine einflussreiche Stellung im Generalstabe
bekleidete und 1866 unmittelbar vor dem Ausbruche des Krieges mit
einer wichtigen diplomatischen Mission betraut war, von dem Vertrauens-
manne, dem sie übergeben worden war, schleunigst vernichtet wurde, weil
dieser ebenso vorsichtige als gutmüthige Hen-, der sehr wohl geeignet
gewesen wäre, das in seine Hand gegebene historische Material zu er-
gänzen und zu vermehren, den Besitz solcher »Papiere* für unbequem
] ^^ Literatur.
und — gefährlich hielt. Wiederholt an Männer von politischer und mi-
litäribcher Vergangenheit gerichtete Bitten, das Wissen, das mit ihrem
Hinscheiden für immer verloren gehen müsse, festzulegen und in Archiven
— wenigstens für eine spätere Benützung aufbewahren zu lassen, wurden
stets mit Stillschweigen oder Achselzucken aufgenommen. Um so höher
sind die, wenn auch spärlich fliessenden Quellen, die Friedjung eröffnet
hat zu schätzen, in ihnen liegt der grösste historische Werth seines
Werkes. Er hat von einer Reihe hoher Offiziere, die 1866 in der öster-
reichischen Nordarmee an hervon-agender Stelle beschäftigt waren, so von
den Feldraarschalleutenanten Baumgarten, Friedrich v. Fischer und Keuber,
mündliche Aufklärungen, von der Witwe des Feldzeugmeisters Benedek
eine Anzahl hochzuachtender Briefe und Aktenstücke erhalten, die er in
einem Anhange nahezu wörtlich abdrucken durfte; Fürst Bismarck hat
iViTTi eine Unterredung gewährt, deren bedeutungsvoller Inhalt mit er-
freulicher Ausführlichkeit wiedergegeben ist, von den Grafen Recbberg und
Nigra rühren längere Auseinandersetzungen über ihr amtliches Wirken her.
Moltkes Kommentar zu den Berichten über die Schlacht bei Königgrätz
ist gewiss eines der wichtigsten Aktenstücke, das wir nunmehr über die-
selbe besitzen, wenn sich auch nicht verkennen lässt, dass der preussische
Feldherr sich dem österreichischen Forscher gegenüber ganz besonders
veranlasst fand, entlastend für die österreichische Heeresleitung und die
Korpsführer auszusagen. Auch die Bekenntnisse Blumenthals können
mehj- gelten als so manche Rückblicke theoretischer Strategen, »bei
denen dann alles mehr Konstruktion als Thatsache zu sein pflegt«,
sie eröffnen uns einen Blick in die Auffassung, die bei den Siegern von
1866 und 1870 über das Wesen des Krieges vorwaltete, und gehen
dadurch noch weit über das Ziel hinaus, das sich Friedjung bei der Ein-
leitung der UnteiTedung gesteckt hatte. Ob die Ausnützung des k. u. k.
Kriegsarchives eine nach allen Richtungen erschöpfende war, lässt sich
ffecenwärtig wohl noch nicht feststellen, immerhin konnten demselben
einzelne Stücke von Bedeutung entnommen werden.
In den vorbereitenden Studien, die Friedjung mit einer höchst an-
ei kennenswerthen Vertiefung und Umsicht betrieben hat, scheint sein
Interesse für die militärischen Dinge das politische noch übertroffen zu
haben, der kriegsgeschichtliche Theil des Werkes ist daher auch mit einer
Breite behandelt, die mit dessen Aufgabe nicht ganz im richtigen Ver-
hältnisse steht. Es soll nicht gesagt werden, dass weniger besser gewesen
wäre, aber es drängt, sich dem Leser doch die Meinung auf, dass er mit
mehr Detail über die einleitenden Gefechte und selbst über die Haupt-
schlacht bedacht wird, als er erwai-tet und als zum Verständnis der End-
ergebnisse nothwendig ist. Die sehr gelungene Darstellung der Schlacht
bei Lissa, die an sich gewiss dankbar zu begi'üssen ist, steht mit der
Vorherrschaft in Deutschland wohl kaum in Beziehung. Sie brauchte wohl
nm- erwähnt zu werden, um die Stellung Italiens beim Friedensschlüsse
zu kennzeichnen. Dagegen möchten wir das Kapitel des ersten Bandes
, Organisation und Taktik des österreichischen Heeres« gewiss nicht ver-
missen, es gehört zu den besten Abhandlungen über die Fortschritte in
der Kriegführung der Neuzeit, die uns bekannt geworden sind, und kann
als Beweis dafür dienen, dass man ebensowenig eine Compagnie komman-
Literatur. J45
dirt zu haben braucht, um sich über die wesentlichen militärischen Fragen
ein Urtheil bilden zu können, als man Schauspieler gewesen sein muss,
um eine gute Theaterkritik zu schreiben. Mit freudiger Uebereinstimmung
müssen wir uns zu den Ansichten bekennen, die Friedjung über den
Krieg, »diese höchste Anspannung der moralischen und physischen Kräfte
der Staaten* im Allgemeinen und über die österreichische Armee — wir
würden lieber die alte, volksthümliche und richtigere Bezeichnung »Kaiser-
liche AiTüee^*^ beibehalten — besonders ausspricht, sie sind so zutreffend,
dass wir sie gerne nur als Grundzüge für noch erweiterte Ausführungen
ansehen würden, die den Inhalt eines selbständigen Werkes bilden könnten.
Der Einfluss der österreichischen Aristokratie auf die Armee wird nach
Gebühr gebilligt und der Hauptmangel der Führung nachgewiesen, die
von den hochadeligen Generalen besorgt wurde. »Es fehlt an Entschlossen-
heit und Wagemuth; das Gefühl der Verantwortlichkeit für die Mannes-
that tritt zurück hinter der Berufung auf höhere Befehle, auf das Regle-
ment; es wird System, den besiegten General, der stets mächtige Verbin-
dungen besitzt, zu entlasten und milde zu beurtheilen. Das ist in
aristokratisch regierten Staaten Regel : nicht der Mann trägt die Ver-
antwortung, sondern das Geschlecht, das ihn vorwärts schiebt und bei
Unfällen deckt*. Den Begriff der »aristokratisch regierten Staaten* möchten
wir nur auf diejenigen beschränkt wissen, in welchen die hochmögenden
Familien dem Monarchen ihre Dienste aufdrängen ohne ihm den geringsten
Theil seiner Verantwortlichkeit abzunehmen. Dies ist die bequemste und
einträglichste Form aristokratischer Regierung, der Regent wird durch sie
zum Geschäftsführer der FeudalheiTcn gemacht, der Staat zum Stellen-
markt; in den Adelsrepubliken, in welchen der Bestand der Herrschaft
der grossen Familien von der Tüchtigkeit ihrer Functionäre abhieng,
herrschte eine ganz andere Zucht, in Venedig waren die Köpfe der hoch-
geborenen Kommandanten nach Unglücksfällen zu Land und zur See meist
in grösster Gefahr, dort war die eigene Familie weder geneigt noch be-
rufen, die Fehler ihrer Mitglieder zu decken, sie gab Unschuldige und
Schuldige der Rache des geschädigten Staates preis.
Auch in der Erzählung der kriegerischen Ereignisse bekundet Fried-
jung grosses Geschick, Custozza und Lissa bilden den Höhepunkt der-
selben ; in der Schilderung der Schlacht von Königgrätz scheint uns die
Einheitlichkeit des Standpunktes ausser acht gelassen zu sein, der Verf.
interessirt sich zu sehr für alle Vorgänge auf östen-eichischer Seite, selbst
für ganz nebensächliche, er beschäftigt sich ohne Grund mit Muthmassungen
über die Gedanken und Stimmungen Benedeks, für den er eine recht selt-
sam berührende Theilnahme an den Tag legt. Hiebei verdrängt die
publizistische Natur des Schreibers ganz und gar seine historische; denn
der Historiker wird sich nicht damit abquälen, die seelischen Vorgänge in
Personen ergründen zu wollen, deren Unbedeutenheit er erkannt hat, der
Publizist thut es, weil die Personen noch populär sind und deshalb die
Beschäftigung mit ihnen actuell erscheint. Mit einem Benedek hat nach
meiner Ansicht die Kriegsgeschichte wenig zu schaffen, die allgemeine
Geschichte noch weniger. Wer fragt heute nach den Wurmser und Melas?
Das sind und bleiben Typen, man kann sie nicht künstlich zu Indivi-
dualitäten erheben. Benedek ist der Typus des österreichischen Generals
Mittheilungen XX. 10
146
Literatur.
der Revolutionskriege, die insgesamt wegen ihrer leicht errungenen Er-
folge überschätzt wurden. Friedjung überschätzt auch Kuhn als Strategen,
dessen Verdienste nur in seiner organisatorischen Thätigkeit als Kriegs-
minister liegen. Der Feldherr Kuhn war eine fable convenue ; es hat ihm
und Oesterreicb zum Segen gereicht, dass er dies hohe Kommando nie zu
übernehmen brauchte, das ihm die öffentliche Meinung in der Armee für
den Fall eines Krieges mit ßussland zugedacht hatte, — die Enttäuschung
wäre nicht weniger schmerzlich geworden als 1866 die an Benedek er-
lebte. Für die Beurtheilung des Feldzuges von 1859, an dem Kuhn in
erster Linie betheiligt ist, hat Friedjung nicht alle vorhandenen Quellen
mit gleicher Unbefangenheit herangezogen, er hätte namentlich eine, die
allerdings von seinen militärischen Beratern aus standespolitischen Gründen
absichtlich beseitigt worden sein dürfte, ohne Vorurtheil prüfen sollen.
Wo der Offizier mit seinem Anathem auftritt, da hat der Historiker sein
kritisches Auge am tiefsten eindringen zu lassen, da gibt es gerade die
interessantesten Probleme zu lösen.
Der politische Theil des Buches kann den Anspruch einer auf aus-
gebreitete Literaturkenntnis sich stützenden, anregend geschriebenen Zeit-
geschichte erheben, die frei von Tendenz sich aufs ernstlichste bemüht,
allen Stömungen der Zeit gerecht zu werden und die tieferliegenden Ur-
sachen der erzählten Begebenheiten aufzudecken. Aus den bereits ein-
gangs dieser Besprechung erwähnten Gründen konnte dieses Ziel jedoch
nicht immer erreicht werden, die einzelnen Partieen der Darstellung sind
nicht von gleichem Werte, manche konnten gelingen, manche nicht. Bei
Napoleon III. konnte die historische Forschung bereits ziemlich weit vor-
dringen, diese Persönlichkeit steht nicht nur in Umrissen fest, auch ihre
feineren Züge sind bereits deutlich erkennbar; Niemand hat eine Pflicht
oder ein Interesse, von dem, was man überhaupt über ihn sagen kann,
etwas als Geheimnis zurückzubehalten. Wir finden daher auch die fran-
zösische Politik, die während des zweiten Kaiserreiches ausschliesslich die
persönliche des Kaisers war, am klarsten auseinandergelegt. Die Wirkung
der Erzählung aller Irrthümer und Täuschungen, die der kränkelnde
Caesar erfahren musste, und der verhängnisvollen Niederlage, die ihm Bis-
marck in dem neben dem militärischen sich abspielenden diplomatischen
Feldzuge beibrachte, äussert sich in einer kaum zu unterdrückenden Re-
gung von Mitleid mit dem Besiegten, der unter den zahlreichen Opfern
des Jahres 1866 die kläglichste Rolle spielte. An Oesterreich vollzog
sich ein hartes Geschick, das vor allen anderen seine deutsche Bevölke-
rung zum Verzicht auf nationale Rechte zwang, deren Wert sie erst in
ihrem vollen Umfange kennen lernte, als sie für immer verloren waren;
der Fluch des Metternich'schen Systems wirkte unaufhaltsam fort und
schlug die Staatsmänner mit Blindheit, die zu seinen Nachfolgern berufen
worden waren. Man vermag es heute kaum zu fassen, dass ihnen Bis-
marck das Angebot Hardenbergs von 1814, die Hegemonie über Süd-
deutschland noch einmal vor dem Entscheidungskampfe angeboten hat und
dass sie es zurückweisen konnten. Aber gerade deshalb, weil es ein
tragisches Verhängnis war, das über uns hereinbrach, erscheint unser
Unterliegen nicht unwüi-dig, nicht ohne einen Schimmer von historischer
Grösse. Das Schicksal des alten Komödianten an der Seine, der mit den
Literatur. j^47
Berufsgenossen auf dem Thespiskarren nicht nur die Selbstüberschätzung,
sondern auch den gutmüthigen Leichtsinn gemein hat, lässt neben dem
Mitleid auch das Lächeln nicht unterdrücken.
Als einen besonderen Vorzug der Friedjung'schen Darstellung muss
jeder vorurtheilsfreie Leser den Zug von patriotischem Ernste erkennen,
der sie durchdringt. Seine Kritik der österreichischen Zustände, der Fehler
der Diplomaten und Kriegsleiter ist strenge und scharf, aber gerecht und
wohlwollend. Niemals äussert sich in ihr hämische Schadenfreude, sondern
nur der Schmerz des Mitbetroffenen, der seinen Trost nicht in der Ver-
hüllung der Wahrheit zu finden vermag. Für diejenigen, die darüber
rechten wollen, gibt es überhaupt keine der Erkenntnis der Wahrheit zu-
strebende Geschichtschreibung, sondern nur historisch ausgeschmückte
Satzschriften von Parteienvertretern, die alle Schuld ihrer Klienten zu
läugnen und auf den Gegner zu überwälzen haben. Die Urtheilsfällung
nehmen sie dann allerdings auch für die Partei in Anspruch! Friedjung
will Niemandens Anwalt sein, er klagt nicht an und richtet nicht, aber
er hat den Thatbestand, der dem gewaltigen Völkerprozesse zu Grunde
liegt, sorgsam und ehrlich festzustellen gesucht. Dies wird seinem Werke
für lange Zeit Bedeutung verleihen und dem Verf. Achtung sichern.
Graz. V. Zwiedineck.
Die historische periodische Literatur Böhmens, Mährens
und Oesterr.-Schiesiens 1895—18971).
Böhmen.
L Die Publicationen der kgl. böhm. Gesellschaft der
Wissenschaften.
1. Sitzungsberichte der kgl. böhm. Gesellschaft der Wissen-
schaften. Classe für Philosophie, Geschichte und Philologie. Vestnik
kräl. ceske spoleenosti näuk. Tfida filosoficko-historicko-jazykozpytnä.
Jalirgailg 1895. Nr. I. Jaroslav Goll, Nektere prameny k na-
bo:^enskym dejinäm v 15. stoleti. (Einige Quellen zur Keligions-
geschichte des 15. Jahrhunderts). Aus einem Liber collec-
taneus Glacensis, einer Handschrift der alten Gymnasialbibliothek in
Glatz, welche Prof. Em. Beck im Jahresbericht des kgl. katholischen Gym-
nasiums in Glatz vom J. 1892 beschrieben hat, werden verschiedene
interessante Aktenstücke theils besprochen, theils mitgetheilt: 1. 19 Briefe
über Keligionssachen aus dem Ende des 15. Jhd. Der erste trägt die
Ueberschrift : Epistola mag. Jacobi Weydener de Nissa ad quendam Jaco-
bum hereticum de secta picardorum in Sternberg. Die Mehrzahl der
anderen rühren von einem Magister Jakob aus Olmütz her und beschäf-
tigen sich mit dem Haeretiker Jakob de Zelcze. Einer ist datirt vom
J. 1488. 2. Ein Verhör der »Brüder« in Glatz vom J. 1480. 3. 6 Briefe
des Hilarius von Leitmeritz an den Propst Michael von Glatz aus den
J. 1461 — 1467. 4. Die Artikel einer Prager Synode von Februar 1486. —
') Vgl. Mitth. des Instituts 17, 692 ff.
10*
J48 Literatur.
Nr. II. Frant. Kamenißek, Pametn;f spis nejmenovanelio pozorovatele
0 pficinäcli selskeho pozdvi2eiii v Cechäch r. 1775. (Denkschrift eines
ungenannten Beobachters über die Ursachen des Bauern-
aufstandes in Böhmen i. J. 1775). Diese Denkschrift ist in deut-
scher Sprache verfasst und führt den Titel: Gedanken eines Landmanns
bei einer Eeise durch sein Vaterland im Königreich Böheim im J. 1775,
nehmlich in dem Jahr, als die unglückliche und verwüstende Empörungen
des Bauernvolkes im Land entstanden. Das Manuscript befindet sich im
mährischen Landesarchiv. — Nr. III. Jindf. Metelka, 0 mape kard.
Mikulase Cusy z prostfedka XV. stoleti. (Ueber die Karte des Kard.
Nikolaus Cusa aus der Mitte des 15. Jahrh.) Eine eingehende
Untersuchung ihrer Geschichte und ihrer Bedeutung nebst einer Eeproduc-
tion des Exemplars der Weimarer Hofbibliothek; ein zweites Exemplar
befindet sich im Germ. Museum in Nürnberg. — Nr. IV. Jindr. Metelka,
0 neznämem dosud vydäni mapy Islandu Olaa Magna z r. 1548. (Ueber
eine bisher unbekannte Ausgabe der Karte von Island des
01 aus Magnus v. J. 154S). Sie befindet sich in einem Kodex der
grossherz. Bibliothek in Weimar. Eingehende Beschreibung nebst Kepro-
duction. — Nr. VI. Fr. Prusik, Rukopisnä Apateka domäci. (Ueber
das handschriftliche Sammelwerk »Haus-Apotheke* aus
dem J. 174'.»). Die Handschrift in Prager Privatbesitz, geschrieben von
einem Georg Emanuel Bartholomeus oepl in böhmischer Sprache enthält
ausser dem Haupttheil, der Apateka domäci u. a. noch einen Judeneid,
ein Gedicht »Samsons Klägers ein Brautlied, einige Kapitel aus der Lebens-
geschichte Adams, wirtschaftliche Nachrichten und Rathschläge u. a. m. —
Nr. XL Jos. Truhläf , Latinsky panegyricus Martina z Tisnova o pänech
Tovaeovskych z Cimburka. (Der lateinische Panegyricus des
Martin von Tisnov über die Herren Tovacovsk^ von Cim-
burg). Ein Gedicht von mehr als 2000 Versen, stellenweise nicht ganz
ohne historischen Werth, verfasst wahrscheinlich in der 2. Hälfte des
Jahres 1404, abschriftlich erhalten in einer Handschrift der Troppauer
Museumsbibliothek Nr. 9 5 vom J. 1485. Die wichtigsten Partien führt
Truhläf an, etwa den 8. Theil des ganzen Gedichtes. Derselbe Martin
soll auch einen Panegyricus auf den Bischof Prothasius von Olmütz ge-
dichtet haben. — Nr. XII. V. J. Noväcek, Nekolik listin tykajicich se
kolleje Karlovy z let 1367 — 1424. (Einige Urkunden betreffend
das Karlscollegium aus den J. 1367 — 1424). 13 wichtige im
vollen Wortlaut mitgetheilte Stücke, die sich dermalen im Landesarchiv
in Prag befinden. — Nr. XXI. Ant. Fr. Rybicka, Dodavky a oprävky
k studii kulturni: o Öeskem zvonafstvi. (Nachträge und Correc-
turen zur Studie über den böhmischen Glockengus s). —
Nr. XXII. Ant. Fr. Rybicka, Seznamy klenotü a ürocnich platü dekan-
skeho chrämu Päne v Chrudimi v druhe polovici XV. a na zacätku XVI.
stoleti. (Verzeichnisse von Kleinodien und Einkünften der
Dekanskirche zu Chrudim in der 2. Hälfte des XV. und zu
Beginn des XVI. Jahrh.). Nach dem ältesten Stadtbuch von Chrudim,
dem Liber contractuum L vom J. 1439. — Nr. XXIV. Öenek Zibrt,
Albrecht Chanovsk^ z Dlouhe Vsi a Jan Jenik rytif z Bratfic o vyroÖnich
obycejich, poveräch a slavnostech staroceskych. (Albrecht Chanovsk^
Literatur. 149
und Johann Jenik Kitter von Bratfic über altböhmische
Sitten, Gebräuche und Feste). Die Aufzeichnungen des Jesuiten
Albrecht Chanovskf (1581 — 1645) und des Ritters Johann Jenik
(1755 — 1845), beide in böhmischer Sprache, sind bei dem sehr ver-
schiedenen Stand der beiden Autoren in ihrer Gegenüberstelliing inter-
essant. — Nr. XXV. Adalbert Noväcek, Copialbuch des apost,
Nuntius Bertrand de Macello. 1366 — 1368. Es stammt aus dem
Avignonesischen Registerband P. Urbans V. anni V. pars I, f. 522 — 556
und enthält die wichtigsten Urkunden, die sich auf die Thätigkeit des
Nuntius betreffend die Eintreibung des vom Papste 1366 ausgeschriebenen
Zehnts von dem Jahreseinkommen aller geistlichen Pfrünäen in Deutsch-
land und Böhmen beziehen. Das Geld sollte mit dazu dienen, die durch
das Unwesen der Söldnerscharen in Italien arg gefährdete Ordnung wieder-
herzustellen, eine Vorbedingung für die geplante Rückkehr des Papstes.
Unter den 28 abgedruckten Stücken sind Urkunden von P. Urban V.,
K. Karl IV., dem Nuntius u. a.
Jahrgang 1896. Nr. I. Josef Simek, 0 lekarniclch a lekafich
kutnohorsk^ch v 15. a 16. veku. (Ueber Apotheker und Aerzte
in Kuttenberg im 15. und 16. Jahrh). Die urkundlichen Nach-
richten reichen bis ins Jahr 1420 zurück. — Nr. IL Fr. X. Prusik,
Urbaf panstvi Kacefovskeho z r. 1558. (Ueber das Urbar von Ka-
cerov V. J. 1558). Es befindet sich im Archiv des Fürsten von Metter-
nich-Winneburg in Plass und stammt aus der Zeit, da der Besitz dem
Ritter Florian Griespeck v. Griesbach auf Kacefov gehörte. — Nr. VI.
Sava Chilandarec, Rukopisy a starotisky Chilandarske. (Ueber Ma-
nuscripte und alte Druckwerke des Klosters Chilandar).
Es ist ein von Franz Pastrnek auf Grund des Werkes von Sava Chilan-
darec zusammengestellte Uebersicht über die Bibliothek des Klosters Chi-
landar am Berge Athos, mit einer kurzen Einleitung betreffend die älteren
Nachrichten über diese Bibliothek. Nach Sava sind daselbst 36 Pergament-,
435 Papierhandschriften, 147 alte Drucke (saec. XV — XVII). Die
Handschriften vertheilen sich folgendermassen auf die Jahrhunderte:
XII. Jhd. 1 Evang., XIII. Jhd. 5 Evang., XIV. Jhd. 33, XV. Jhd. 89,
XVI. Jhd. 95, XVII. Jhd. 161, XVIII. Jhd. 53, XVIIII. Jhd. 35 Hand-
schriften. Pastrnek stellt fünf Gruppen zusammen : 1 . Theologische Bücher,
2. Schriften der h. Väter, 3. Historische Schriften, 4. Sammlungen, 5. Varia
und führt nun die einzelnen Werke übersichtlich auf. Mehrere Jndices
erleichtern die Uebersicht. — Nr. VII. Öenek Zibrt, Staroeeske obyöeje
a povery pivovarske. (Ueber altböhraische Gebräuche und
Aberglauben im Brauwesen). Z. publicirt den Inhalt einiger hier-
auf bezüglicher Handschriften, saec. XVII. und XVHI , dermalen in der
Bibliothek des Böhmischen Museums in Prag aufbewahrt. Mehrere dieser
Gebrauchsanweisungen und Recepte stammen aus alten mährischen Braue-
reien. — Nr VIII. Öenek Zibrt, Rychtäfske prävo, palice, kluka. (Dorf-
richterrecht: der Kolben, die Klucke). Z. verfolgt das Vor-
kommen dieser beiden Dorfrichterzeichen in Böhmen und Schlesien — für
Mähren sind keine Nachrichten bezeugt — im Zusammenhalte mit ähn-
lichen Erscheinungen im nordöstlichen Europa übei'haupt. Im Anschluss
daran bespricht Z. die culturhistorische Bedeutung des Stabes und Stockes,
150 Literatur.
insbesondere als Kriegsabzeichen, und bringt einige hiehergehörige Abbil-
dungen, darunter Zizka als Anführer seines Heeres mit Stöcken und Stäben,
sowie Ewei Tafeln mit ähnlichen Abzeichen verschiedener Provenienz. —
Nr. IX. Gustav Friedrich, 0 kanceläf i a listinach markrabi moravsk^ch
Viadislava a Pfemysla. 1198 — 1239. (Ueber die Kanzlei und die
Urkunden der mährischen Markgrafen Wladislaw und Pfe-
mysl. 1198 — 1239). Eine Detailuntersuchung über l. Die Geschichte der
Kanzlei, 2. Die Arten der Urkunden, 3. Die Ausfertigung der Urkunden,
4. Die äusseren Merkmale, 5. Die inneren Merkmale, 6. Die Zeugen und
die Datirung der Urkunden. — Nr. XI, Ferd. Mencik, Ueber ein
Wiedertäufergesangsbuch. Die Hs. in der Wiener Hofbibliothek,
388 Bl. in 4° stammt aus der Anabaptistengemeinde in Sobotist bei
Neutra, geschrieben 1655; die darin enthaltenen 97 Lieder sind bisher
nur zum Theil bekannt gewesen. — Nr. XII. V. J. Noväcek, Pameti
Hynka mladsiho Bruntalskeho z Vrbna o vecech vefejn^ch na Morave a v
Opavsku z let 1610 a 1611. (Denkwürdigkeiten des Hynek
Bruntalsk;f von Wrbna aus den J. 1610 — 1611). Dieses Glied
des bekannten Adelsgeschlechtes (geb. 1589, gest. 1614), Schwiegersohn
des berühmten Karl v. Zierotin, schrieb als Landrichter in Troppau alle
Ereignisse des öffentlichen und privaten Lebens nieder. Nur Fragmente
seiner Aufzeichnungen sind erhalten, einige im böhmischen Museum in
Prag. Die Stücke, die N. bekannt macht, stammen offenbar aus Wrbnas
»Sammlung der Landtagsverhandlungen*.
Jahrgang 1897. Nr. I. Ferd. Mencik, IJmluvy Videnske z r. 1725
a jejich nasledky. (Ueber die Wiener Verträge v. J. 1725 und
ihre Folgen). Die Ausführungen stützen sich, soweit ungedrucktes und
unbekanntes Material in Betracht kommt, auf Gesandtschaftsberichte und
sonstige Aufzeichnungen im Harrach'schen Archiv in Wien. Darauf lassen
wenigstens einige ganz kurze Anmerkungen zum Text schliessen. Friedrich
Harrach war damals kaiserlicher Gesandter am königlichen Hofe in Sar-
dinien und eben die Frage des Anschlusses K. Viktors Amadeus, sei es
an den Kaiser sei es an England-Frankreich, das Zaudern des Königs und
die Bemühungen Harrachs stehen so ziemlich im Vordergrunde der Ab-
handlung, die überdies die diplomatischen Verhandlungen vom Wiener
Frieden (April 17 25) bis zur vollen Entzweiung des Kaisers mit England
zufolge des kaiserlichen Memoiandums als Antwort auf die englische
Thronrede und bis zu der gegenseitigen Verabschiedung der Gesandten,
Palms aus London, St. Saphorins aus Wien und Le-Heups aus Regenshurg
(April 17 26), darlegt, — Nr. IL Jaroslav Bidlo, Nekrologium polske
vetve Jednoty Bratrske. (Nekrologium des polnischen Zweiges
des Brüderuni tat). Die Hs. in der ßaczyfiskischen Bibliothek in
Posen bildet eine zeitliche und sachliche Ergänzung des Nekrologs, das
Fiedler in den FF. rer. Austr. I. 5 (1863) herausgegeben hat, sowie der
hiezu von Müller im Historick;^ Sbornik, Jhg. 1S85, S. 293 ff. gelieferten
Nachträge. — Nr. III, J. V. Simak, Hospodäfska instrukce Desfourskä
z r. 1685, (Instruction für Desfour'sche Wirtschaftsbeamte
V. J, 1685). Stammt aus dem Schlossarchiv zu Rohosetz, ist in böhmi-
scher Sprache ; beigegeben ein deutsches Lohnverzeichnis vom selben Jahr.
— Nr. IV. Josef C ihula, Pomer Jednoty Bratfi cesk;fch k Martinovi
Literatur. ;J5l
Luterovi. (üeber das Verhältnis der böhmischen Brüder-
unität zu Martin Luther). Der Verf. unterscheidet zwei von einander
streng geschiedene Perioden, die erste von 1522 — 1524, die zweite von
1533 — 1542. In der ersten Periode war noch Lukas das Haupt der
Unität, er selbst habe nicht die Absicht gehabt, mit Luther in Verbindung
zu treten, sondern wurde indirect dazu gebracht, als nämlich Luther von
Personen, die nicht zu den Brüdern gehörten, Sperata und Optat, über
die Unität unrichtig informirt worden war. Er tritt auch der Behauptung
Gindelys, als ob Lukas die isolirten Brüder dem lutherischen Bekenntnis
zuzuführen beabsichtigte, entgegen. Ein anderes Verhältnis wird dann
nach Lukas Tode durch eine jüngere Partei, an deren Spitze immer deut-
licher Bruder Augusta tritt, seit dem J. 1533 hervorgerufen; sie bahnen
einen regen Verkehr mit Wittenberg an, veranlassen die Herausgabe ihrer
Schriften unter dem Schutze Luthers und versuchen vor allem auf diese
Weise die Unität zu einer anerkannten Glaubensgenossenschaft umzu-
gestalten; allerdings wie bekannt, vergebens. Die Ausfühningen beruhen
zum Theil auf neuem handschriftlichen Material. — Nr. VIII. Herm.
Jireöek, Vlastni jmena v ßukopise Zelenohorskem. (üeber die
Eigennamen in der Grüneberger Handschrift). — Nr. IX.
Kamil Krofta, 0 pomeru t. zv. kroniky Tfebonske k Starym letopisüm
cesk;fm. (Ueber das Verhältnis des Chronicon Trebonense
(Wittingau) zu den Alten böhmischen Annale n). Das erstere
von Höfler edirt (FF. rer. Austr. I. Abth., 2. Bd.) umfasst die Zeit von
1419 — 1439, die letzteren, ,die böhm. Annalisten des XV. Jhd.«, wie
sie Palack^ benannte, die in den SS. rer. Bohem. 111. edirt sind, bilden eine
Masse verschiedener unter einander mehr oder weniger verwandter Texte von
1378 — 1527. Kr. kommt zu dem Resultat, dass die von Palackf benannte
Hs. A der böhm. Annalen, die in böhmischer Sprache geschrieben ist, ebenso
die Grundlagen mehrerer anderer böhmischer Hss., als auch des lateinischen
Chronicon Treb. für den Theil von 1419 — 1431 bilde. Von da bis zum
J. 1439 soll die latein. Chronik selbständig sein. Der Beweis ist nicht
zureichend. — Nr. XI. Cenek Zibrt, Myslivecke obyceje a povery die
sesti rukopisü starocesk;fch. (Gebräuche und Aberglauben bei
den Jägern nach sechs altböhmischen Handschriften). Die
Handschriften, bis auf eine im Böhm. Museum (Sign. I. g, 22) aus der
2. Hälfte des 17. Jahrb., stammen durchaus aus dem 18. und 1 9. Jahrh.
und befinden sich in Privatbesitz. Dem Abdruck der Texte geht eine
überaus gründliche aligemeine Darstellung dieses Themas voraus. —
Nr. Xn. 'J. V. S i m ä k , Instrukce kostelniküm, vydanä hejtmanem Ho-
berkem na panstvi Svijanskem z r. 1645. (Instruction für die Ver-
walter des Kirchenvermögens erlassen vom Hauptmann
Hoberk auf der Svijaner Herrschaft i. J. 1645). Enthalten in
einem Register von Seelenmessstiftungen, das von Tobias Rovensk^, Bürger
von Turnau und Herrschaftsschreiber, im J. 1644 auf Befehl Friedrich
Hoberks von Hendersdorf, damaligen Hauptmannes der Herrschaft Svijan
angelegt wurde. Es bildet nebst einem Urbar vom J. 1624 den bescheidenen
Rest des einstmaligen Svijaner Archivs, jetzt in Sychrov. Beide in böh
mischer Sprache geschrieben. — Nr. XIII. Arnost Kraus, Christe ginädö
a Hospodine pomiluj ny. (üeber »Christe ginädo* und »Hospo-
152 Literatur.
dine pomiluj ny*). Kosmas erzählt bekanntlich, dass bei der Inthroni-
sation des ersten Prager Bischofs Dietmar im J. 973 — über diese Jahreszahl
bestehen Controversen — der Klerus »Te deum laudamus* anstimmte, der
Herzog und die Primaten » Christe ginädo ! Kyrie eleison und die heiligen alle
helfen uns, kyrie eleison etc. * sangen (resonabant), während das niedere Volk
»Krlessu* rief (clamabant). Andererseits wird behauptet, dass das böhmische
Kirchenlied »Hospodine etc.« nach den einen vom h. Adalbert (c. 983), nach
andern von Cyrill und Method herstamme. Kraus bespricht mit sehr einge-
hender Literaturkenntnis zuerst, wie der Gebrauch eines deutschen Kirchen-
gesanges in Böhmen in jener frühen Zeit von den verschiedenen Gelehrten der
verschiedensten Richtung gedeutet wurde, er prüft die Frage der Autorschaft
des »Hospodine« auf ihren historischen Wert und kommt zu folgendem
Urtheil: der böhmische Hof sang 973 ein deutsches Kirchenlied, weil er
ein Lied in böhmischer Sprache noch nicht besass; das Volk aber musste
sich mit dem Eufe » Krlessu * begnügen, weil es mehr nicht singen konnte ;
die Tradition aus dem 13. Jhd., dass das böhmische Lied »Hospodine*
aus der Zeit des h. Adalberts stamme, ist glaubhaft, die, dass es von
Cyrill und Method herrühre, zu verwerfen ; Adalbert lernte den Ruf » Hos-
podine« auf seinen Fahrten im östlichen Slavenlande, Mähren, Slovakei
kennen und Hess daraufhin das Lied verfassen, das am Ende des 1 0. Jahrh.
in Böhmen beim Volke zur allgemeinen Geltung gelangte. »Der Import
eines fremdsprachlichen Liedes nach Böhmen führt allsogleich den Wunsch
nach einem entsprechenden in der eigenen Sprache hervor, das aber
charakteristischer Weise unabhängig von jenem auf ganz anderer Grund-
lage entsteht«. — Nr. XIV a. Vaclav Schulz, Osudy mrtvoly krale ces-
keho Jana Lucemburskeho v. 16. a 17. stoleti. (Die Schicksale des
Leichnams des böhm. Königs Johann v. Luxemburg im 16.
und 17. Jhd.). Aus drei interessanten Briefen (l614, Juli 21, 1630
Januar 17, 1630 November 15), die in Abschriften mit dem Ms. eines
Werkes Joh. Friedr. Scbannats »Eifflia illustrata« aus dem Blancken-
heim'schen Archiv ins Böhm. Museum gelangten, erfährt man als Ergän-
zung dessen, was Palack^ hierüber sagte, dass der Leichnam von 1346
bis 1542 in der Gruft des Marienklosters in Altmünster ruhte. 1543
brachten die Franzosen den Sarg in das Franziskanerkloster daselbst, dort
verschwand der Kopf und ein Theil des rechten Armes. Nach Karls V.
Frieden mit den Franzosen entstand das Benediktinerkloster Neumünster;
dahin kam der Leichnam im J. 1592, dessen Abt nach den fehlenden
Theilen forschte und das Haupt auf der Burg Blanckenheim des Grafen
Herrmann v. Manderscheid und Blanckenheim fand. Aber erst Erz-
herzogin Isabella setzte die Rückerstattung dieser Theil e beim Grafen
Johann Arnold durch. Im J. 1684 wurde der Leichnam von Neumünster
in Luxemburg wieder fortgeführt und ihm erst 1838 eine entspi-echende
Gruft vergönnt. — Nr. XIV b. Vaclav Schulz, Popis velikeho kfi^e
zemskeho z r. 1480. (Beschreibung des grossen Krönuugs-
kreuzes v. J. 1480). Es handelt sich um das wertvolle Kreuz
Karls IV. im S. Veitsdome in Prag, das sich eine Zeitlang auf Schloss
Hradek befand, von wo die mit dem Siegel Zdeslavs v. Sternberg be-
glaubigte Beschreibung aus Anlass der Ueberführung auf die Burg Hasen-
burg stammt. — Nr. XV. Antonin Tomiöek, Artikulove soudni z ar-
Literatur. 153
cibiskupskeho panstvi Cerveno-Reöickeho 1626 — 1667. (Gerichts-
artikel von der erzbischöflichen Herrschaft Roth-Reöic
V. J. 1626 — 1667). Neben dem Abdruck der böhmisch geschriebenen
»Instruction* einige kurze Vorbemerkungen von J. Kalousek über die Hs.,
die sich im Museum in Leitomischl befindet. — Nr. XXI. V. I. Noväöek,
Matrika küru literatskeho v Öäslavi z let 1539 — 1659. (Die Literaien-
matrik von Caslau aus den J. 1539 — 1659). Das Heftchen von
97 Blättern im Pfarrarchiv zu öaslau enthält 1. eigenhändige lateinische
Verschen der Mitglieder, 2. Artikel der Bruderschaft mit einer kurzen
Geschichte von 1539 — 1645, 3. die eigentlich Matrik. Sie wird sammt
den vorhergehenden Theilen ganz abgedruckt. — Nr. XXII. Öenek Zibrt,
Staroceske obyeeje a povery mlynäfske. (Ueber alt böhmische Ge-
bräuche und Aberglauben der Müller). Die Ausführungen zum
Theil nach handschriftlichem Material s. XVIII. — Nr. XXIII. J. V.
Novak, Rektorskä fec M. Rehofe PraZskeho r. 1476. (Ueber die
Eektoratsrede des Magisters Gregor v. Prag i. J, 1476). Noväk
sieht sowohl die Einführungsrede des Dekans Duchek von Melnik als die
eigentliche Rektoratsrede, deren Thema die zwei Lebenswege, der der Ehre
und der der Unehre, bilden, beide lateinisch, als Belege dafür an, das aus
ihnen der neue Geist des Humanismus noch keineswegs entgegenweht. Die
Reden stehen in einer Hs. der Olmützer Studienbibliothek. — Nr. XXVII.
Hyn. Kollmann, 0 koUektorech komory papezske v Cechäch a censu vyse-
hradskem do pocätku stol. XV., jako vyklad k listine koUektora M. Jana zMoravy
z r. 1412. — S dodatky k seznamu notafü ve spise Tadrove »Kanceläfe
a pisafi v zemich ceskych.* (Ueber die Kollektoren der päpst-
lichen Kammer in Böhmen und den Wisehrader Zins bis
zum Anfange des 15- Jhd. als Commentar zur Urkunde des
päpstlichen Kollektors Johann von Mähren aus dem J. 1412.
— Mit Nachträgen zum Verzeichnis der Notare in Tadras
Schrift: Kanzler und Schreiber in den böhmischen Ländern).
Die Urkunde — es wird dies besonders betont — noch vor kurzem
im Wischehrader Kapitelarchiv gelangte im Febr. 1897 leihweise aus
Privatbesitz in das Landesarchiv in Prag. Es ist ein Notariatsinstrument
mit Insertion einer Urkunde, durch welche die päpstliche Kammer den
Prager Kollektor Johann v. Mähren unterweist, wann er die empfangenen
Papstzinsungen abzuliefern hat; dd^ 1411, Dez. 16, Rom. Daran schliesst
K. seine allgemeinen Ausführungen über die päpstliche Kammer, über
die Kollektoren mit einer Uebersicht der Kollektoren in Böhmen bis zum
Anfange des 1 5. Jhd. auf Grund des gedruckten Quellenmaterials, über
die Abführung des Wischehrader Zins, der früher (seit 1061) 12, später
(schon 1197) 5 Schock Grosch. jährlich betrug. Weiters bespricht K.
alle Personen, die in der Urkunde angeführt werden, den Kollektor Johann
V. Mähren (t um 142o), Chwalek v. Smilkov den Kustos des Wischehrader
Kapitels, den dortigen Domherrn Wilhelm v. Rozmital, den römischen
Kardinal Antonius von Chalant, den Passauer Dekan Wenzel Thiem päpst-
lichen Notar und von Hus als » Ablasskrämer "^^ (venditor indulgentiarum)
bezeichnet, Pax de Fantuciis v. Bologna und schliesslich den Notar
Jakob Budislai v. Kluk. Dann folgen noch die schon im Titel angekündigten
Ergänzungen zu Tadra, nicht weniger als 675 Namen. — Nr. XXVIII.
154 Literatur.
Vincenc Oehm, Protokol reformacni koraraisse, konane r. 1628 v krajich
Bechynskem, Prachenskem a Plzenskera. (Protokoll der Reforma-
tionscommission, welche im J. 1628 in Bechiner, Prachiner
und Pilsner Kreise thätig war). Dieses ausführliche Protokoll
stammt aus der Schlosskapelle Bfeznitz; gleichzeitige Hs. von 57 Blatt.
— Nr. XXIX. Vaclav Schulz, Bohemica knihoven v. Hamburce, Kielu,
Kodani a Rostoku. (Bohemica in Hamburg, Kiel, Kopenhagen
und Rostock). — Nr. XXX. Adolf Pater a, Latinskä pisen o Rohacovi.
(Ein lateinisches Gedicht über Rohäc). Johann Rohä cwurde auf
Befehl K. Sigmunds mit einigen seiner Leute, nachdem seine Burg Sion
unter der Aufführung Ptaceks von Pirkstein eingenommen worden war,
am 9. September 1436 hingerichtet. Das Lied unter dem Titel »Historia
de quodam raptore Bohemie Rohacz nomine* findet sich in einer Hs. der
Stadtbibliothek in Frankfurt a. M. Nr, 62, fol. 159, die Hs. stammt aus
den J. 1458/9. Es sind 39 Vierzeiler; vgl. auch Pblack;f, Gesch. Böhmens
III, 2, S. 394, Anm. 460.
2. Archiv Cesky cili stare pisemne pamätky ceske i moravske,
sebrane z archivü domäcich i cizich. (Böhmisches Archiv oder alte
böhmische Schriftdenkmale, gesammelt aus einheimischen und fremden
Archiven). Redact: Josef Kalousek.
Band XIV (1895). Josef Kalousek, Dodavek ke sbirce dopisii
rodu Rosenberskeho do r. 1526. (Nachtrag zur Sammlung der
Korrespondenz des Hauses Rosenberg bis zum J. 1526).
S. 1 — 323. Die Urkunden sind gesammelt von Rezek, Marcs und Kalousek
hauptsächlich in den Archiven von Wittingau und Worlik. Die 747 Stücke
vom J. 1411 angefangen ergänzen die früher von Rezek im Archiv
Bd. VII — XII veröffentlichten Urkunden über denselben Gegenstand aus
der Zeit von 1450 — 1526. — Frant. Dvorsk;f, Dopisy kne^i Simona z
Habru a Jana faräfe Nemecko-Brodskeho o rozdilech ve vife. Z let
1528' — 1529. (Korrespondenz zwischen dem Priester Simon
von Haber und Johann dem Pfarrer von Deutschbrod be-
treffend die Glaubensunterschiede aus den J. 1528 — 1529).
S. 324 — 367. Acht Briefe, einer lateinisch, die anderen böhmisch, von
denen die ersten sieben eine Polemik zwischen einem altgläubigen Kalix-
tiner und einem böhmischen Lutheraner in Glaubenssachen enthalten. Der
letzte Brief, von Simon an eine dritte Person gerichtet, beschäftigt sich
mit der mährischen Sekte der Habrowaner. Dem Abdruck der Briefe sind
einige Bemerkungen über den historischen Wert derselben von Dvorskf
und Kalousek vorangeschickt. Die Briefe sind der Bibliothek der Kreuz-
herren mit dem rothen Sterne in Prag (Manuscript Q. 27) entnommen.
— V. V. Tomek, Popis odcizenych statkü duchovenstva postoupenych
komofe krälovske r. 1454. (Register der der Geistlichkeit ent-
fremdeten und der kön. Kammer abzutretenden Güter aus
dem J. 1454). S. 368 — 379. Es handelt sich hier um jene in den
Husitenkämpfen von K. Sigmund verpfändeten geistlichen Besitzungen, für
welche die späteren Inhaber keine urkundlichen Verschreibungen besassen
und die daher der königl. Kammer abgetreten werden sollten. Das Register
befindet sich unter der Sign. G. XXV in der Prager Kapitelbibliothek. —
Josef Kalousek, Listiny klästerü Sedleckeho a Skalickeho z let 1357 —
Literatur. 155
1541. (Urkunden der Klöster Sedletz und Skalitz aus den
J. 1357 — 1541). S. 380—436. Das archivali sehe Material des im J. 1783
aufgehobenen Cistercienserklosters Sedletz und des mit ihm zuletzt vereinigten
Skalitz bei Kouf im befindet sich dermalen zum grössten Theil im Schwarzen-
bergischen Schlossarchiv zu Worlik; kleinere Theile hat das Statthaltereiarchiv
und das böhm. Museum in Prag, die Gymnasialbibliothek zu Chrudim und
die Eealschule in Pardubitz. Abgedruckt werden 46 Urkunden, die sich auf
den Güterbesitz der beiden Klöster beziehen; die Text« sind theils latei-
nisch, theils deutsch, theils böhmisch. — V. V. Tomek, Artikule cechü
Pra^sk^ch z 15. stol. (Prager Zunftartikel aus dem 15. Jahrb.).
S. 437 — 493. Die 43 Urkunden, durchaus in böhmischer Sprache, stammen
bis auf eine, die dem Prager Statthaltereiarchiv entnommen ist, aus Prager
Stadtbüchem, die theils im Stadtarchiv, theils im Landtafelamt daselbst
aufbewahrt werden. — Josef Emier, Listiny archivu nekdy Olesnickeho
nyni ve statnim archivu Vratislavskem chovane a Cech a Moravy se
t^kajici. (Die Urkunden des einstmaligen Archivs in Oels,
dermalen im Breslauer Staatsarchiv, die sich auf Böhmen
und Mähren beziehen). S. 493 — 560. Dieser Bestand bildet einen
Theil des alten Archivs der Herren von Kunstadt-Podiebrad, das ursprüng-
lich in Podiebrad aufbewahrt wurde, später unter K. Georg nach Lititz
kam und erst Ende des 15- Jahrh. als Hausarchiv der Fürsten von
Münsterberg vermehrt um das schlesische Material nach Oels gebracht
wurde. Eine kurze Einleitung stellt diese Verhältnisse klar. Die ver-
öflFentlichten 72 Urkunden umfassen den Zeitraum von 1338 — 1414. Die
Stücke von Karl IV. fehlen bei Böhmer-Huber.
Band XY (1896). Ant. Eezek, Frant. Mares a Jos. Kalousek,
Dopisy rodu Svamberskeho z let 1449 — 1526. Z archivu Tfebonskeho a
Orlickeho vydavaji. (Korrespondenzen des Hauses Schwamberg
aus den J. 1449 — 1526. Aus den Archiven zu Wittingau und
Orlik herausgegeben). S. l — 170. 280 Urkunden und Briefe in
böhmischer Sprache. — Josef Emier, Listiny archivu nekdy Olesnickeho
nyni ve statnim archivu Vratislavskem chovane a Cech a Moravy se t^'ka-
jici. S. 171 — 285. Bildet die Fortsetzung aus dem Bande XIV (s. o.) und
enthält die Urkunden Nr. 73 — 176 aus der Zeit von 1415 — 1525. —
Josef Kalousek, Listiny Zvikovske a Orlicke z let 1357 — 1549. (Ur-
kunden für Zvikov und Orlik aus den J. 1357 — 1549). S. 286 —
343. Die 57 theils lateinischen theils böhmischen Stücke beziehen sich
auf die genannten Orte und die dazu gehörigen Burgen und Güter; sie
befinden sich im Schwarzenbergischen Archiv zu Orlik. — V. J. Noväcek,
Trutnovske Desky manske z let 1455 — 1539. (Die Trautenauer
Lehenstafel aus den J. 1455 — 1539). S. 344 — 508. Eine Papierhs.
von 100 Blatt Kl. Fol. jetzt aufbewahrt im Landtafelamt in Prag. Die
älteren Aufzeichnungen dieses Lehenshofes, dessen Mittelpunkt die von
K. Pfemysl Ottokar errichtete Burg Trautenau war, scheinen verloren zu
sein. Im J. 1539 erreichte dieser Lehenshof sein Ende, nachdem schon
früher der grösste Theil der Lehensinhaber aus seinem Lehensverhältnis
entlassen worden war. Die Eintragungen sind durchaus in böhmischer
Sprache. Nach Aufhebung des Lehensamtes wurden dessen Bücher der
Hoflehenstafel übergeben und dort die Eintragungen bis z. J. 1575 fort-
j 5g Literatur.
gesetzt. — V. J. Novae ek, V^pisy z knih vinnicn^cii z let 1358 — 1576-
(Auszüge aus den Büchern des Weinbergamtes von 1358 —
1576). S. 509 — 560. Im Prager Stadtarchive befinden sich 78 Folianten
verschiedenartiger Amtsbücher des Weinbergamtes : Libri contractuum
(1435 — 1754), sententiarum (l551 — 1750), obligationum (l549 — 1754),
condictionum et inhibitionum (1551 — 1755), testimoniorum (1591 — 1682),
und Protocollum iudiciale (1590 — 1726). Ursprünglich lateinisch geführt,
überwiegt seit Beginn des 16. Jahrh. die böhmische Sprache, und erst
im 2. Drittel des 17. Jahrhunderts tauchen deutsche Eintragungen auf,
die dann immer häufiger und im 1 8. Jahrhundert ganz allgemein werden.
Im J. 17 83 wurde das Amt eines Bergmeisters (magister montium vi-
nearum) vereinigt mit dem des Kammei-prokurators. Die Auszüge in dieser
ersten Fortsetzung erstrecken sich erst bis zum J. 1461.
Band XYI (1897). Frant. Dvorsky, Dopisy Vilema z Pernsteina
]4,S0 — 1520. (Korrespondenz des Wilhelm v. Pernstein von
1480 — 1520). S. 1 — 72. — Frant. Dvorsky, Listinäf pana Vilema z
Pernsteina z let 1304 — 1521. (Urkundensammlung des Herrn
Wilhelm von Pernstein aus den J. 1304 — 152l). S. 73 — 560. —
Zu den vielen urkundlichen Publicationen, die sich auf das Haus Pern-
stein beziehen und hauptsächlich in den früheren Bänden des Archiv Cesky
vorfinden, wird hier eine weitere Masse von Urkunden- und Briefmaterial
aus den verschiedensten Archiven geboten. Als bedeutendste Quelle für
diese Publication boten sich dar 1. der Codex Pernsteinensis des Brünner
Franzensmuseum 2. der des böhmischen Museums in Prag, und 3. der des
Brünner Stadtarchivs.
IL Die Publicationen der k. böhm. Akademie der
Wissen Schäften.
1. Vestnik ceske akademie (Anzeiger der böhm. Akademie).
Red. Prof. J. Solin.
Jahrgang IV (1895). Unter den Referaten sind für unsere
Zwecke folgende zu erwähnen. Spolecnosti a üstavy polske s mmii. jest
Ceskä Akademie ve spojeni vedeckem. (Polnische Gesellschaften
und Institute, mit denen die Böhm. Akad. in wissenschaft-
lichem Verkehr steht). (Fortsetzung). III. Spolecnost pf atel ved v Poznani
(Gesellschaft der Wissens freunde in Posen) von Eduard Jeli-
nek. S. 110 — 116. Gegründet 1857 zum Zwecke der Förderung der
Wissenschaften in polnischer Sprache, mit einer bist, und einer naturwiss.
später auch einer archaeol. Section und einer Zs. ^ Jahrbuch*^. Es besteht
eine Bibliothek und ein reiches Museum. IV. Bibliotheka Kornickä u
Poznane (Die Bibliothek von Kornik bei Posen) von Eduard
Jelinek. S. 271 — 275. Angelegt zu Beginn unseres Jhd. von Titus
Graf Dziatynski (geb. 1797), der in Prag Mathematik und Naturwissen-
schaften studirte, aber viel mit den damaligen literarischen Grössen
Böhmens, Hanka u. a. verkehrte. Die Bibliothek enthält Hss. u. Bücher,
auch wurden auf Kosten des Grafen Titus verschiedene literarische Publi-
cationen veranstaltet, z. B.: die »Acta Tomiciana«. Kornik sammt der
Bibliothek besitzt heute Graf Wladislaw Zamoysky. — Jifi Polivka,
Zpräva o studijni ceste do klästeru Fruskogorskych a dö Belehi-adu.
Literatur. 157
(Bericht über die Studienreise in das Kloster Fruskogorsky
und nach Belgrad). S. 154 — 168. Zweck der Reise war die Durch-
forschung des Hss. der Chronik des Hamartolus und anderer bulgarischer
und serbischer Schriftdenkmäler in Belgrad. — V. Tille, Seznam cesk;f ch
rukopisü c. k. studijni knihovny v Olomüci. (Verzeichnis der böh-
mischen Hss. in der Olmützer Studienbibliothek). S. 437 —
449, 492 — 504.
Jahrgang V (1896). V. Kratochvil, Zpräva o nävsteve kr.
stätn. a mestsk. archivu ve Vratislavi a zemskeho archivu v Brne. (Be-
richt über die Studienreise im k. Staatsarchiv und im
Stadtarchiv in Breslau sowie im Landesarchiv in Brunn).
S. 471 — 482. Zweck der Reise war die Sammlung von Quellen betreiF
des Streites um die böhm. Kanzlei in den Jahren 1609 — 1619. — Ferd.
Tadra, Rukopis formuläfe »Summa cancellariae^^ v knihovne klästera
Drkolenskeho z r. 1388. (Die Handschrift des Formelbuches
»Summa cancellariae* in der Bibliothek des Klosters Drko-
lensk^f vom J. 1388). S. 125—127. Eine Hs. die Tadra bei der Her-
ausgabe der » Summa <^ anbekannt war. Auch das von H. Simonsfeld in
der »Archiv. Zeitschrift^^ 1892 angezeigte »Freisinger Formelbuch der
Münchner Hof- und Staatsbibliothek ^< ist nach T, in gewissem Sinne zu
den Mss. der Summa zu zählen, von welchem Werke nunmehr 18 Exem-
plare bekannt sind. — Jos. T r u h 1 ä f , Oprava a Upozorneni. (Berichti-
gung und Bemerkung). S. 334 — 336. Die Berichtigung zu seinem
Buche »Humanismus a Humaniste v Cechäch za kräle Vladislava H. ^^
besteht darin, dass Bohuslav v. Lobkowitz wirklich in Ferrara den Doctor-
grad für kirchliches Recht erlangt hat; die Bemerkung besteht darin, dass
er auf die vielen Fublicationen aus älteren Universitätsarchiven hinweist,
aus deren einer eben auch die Nachricht über Bolmslaus entnommen ist.
Jahrgang A^I (1897). Kliment Cermäk, Zpräva o studiich pra-
menü mincovnictvi. (Bericht über Quellenstudien zur Ge-
schichte des Münzwesens). S. 1 — 2. Berücksichtigt wurden die
Münzregister in Kuttenberg, Münzrechnungen (l705 — 1720) im Punzi-
rungsamt in Prag, die Sammlungen des Breslauer Stadtarchivs, des Reichs-
münzamtes und des Hofmuseums in Wien, u. a. — Josef Truhläf,
Paberky z rukopisü Klementinskych. (Nachlese aus den Hand-
schriften des Klementinums in Prag). S. 302 — 305, 470 — 474.
Besprochen werden: 1. die Reste des Archivs des utraquist. Consistoriums
V. 1470 — 1490; 2. ein Fragment eines altböhm. Weihnachtsliedes (Koleda)
aus dem 15. Jhd. ; 3. Neue Spuren der Thätigkeit des Ulrich Kfi2 von
Teltsch; 4. Drei lateinische Lectionare' saec. XV mit böhm. Interlinear-
version; 5. Ein Handbuch eines böhmischen Humanisten der älteren Zeit i).
— V. F 1 a j s h a u s , Zpräva o ceste do ovedska a Ruska. (B e r i e h t
über die Reise nach Schweden und Russland). S. 306 — 314.
Enthält u. a. Notizen über die bisherigen Forschungen in den dortigen
Bibliotheken, Beschreibung einzelner Funde an böhmischen Hss. und
Büchern.
') Diese Nachlese wird im Anschlüsse an die Neukatalogisiriin-g der Hss.
des Klemeutinum fortgesetzt.
]^58 Literatur.
2. Rozpravy eeske akaclemie. (Abhandlungen der böhm.
Akademie).
Jalir^aus- IV (1895). — Nr. l. Alex.Frh.v. Hei fert, Gregor XVI.
und Pius IX. Ausgang und Anfang ihrer Regierung. Oct.
1845 — Nov. 1846. 189 S. Diese »mit Benützung von Metternich'sc^en
Schriften und k. k. Botschaftsberichten aus Eom'^^ verfasste Arbeit greift
in ihrem Beginne zurück bis auf die Zustände des Kirchenstaates während
der li/ajährigen Regierung P. Pius Vlll. (t 1830 30./XI.). Die Re-
gierung P. Gregors XVI. wird eingehender dargestellt, die Parteiungen,
die ersten Versuchen von Aufruhr mit dem Putsch von Rimini (Sept. 1845),
dann der bedeutungsvolle Besuch des Zar Nikolaus I. in Rom (l3. — 17. Dez.
1845), worauf dann noch eine genaue Schilderung der Lebenweise des
Papstes und eine Charakteristik seines Wesens geboten wird. Ebenso
gründlich wird dann die Zeit des Interregnums und die Wahl P. Pius IX.
(1646 Juni 16) vorgeiührt, sowie die ersten Monate seiner Regierung bis
zum Ende des Jahres, die äusserlich so glücklich verlief, während schärfer
Blickende, wie der kaiserliche Gesandte Graf Lützow, schon damals die
Verschlimmerung aller Zustände im Kirchenstaate und die grossen Schwie-
rigkeiten der Lage richtig beurtheilten. — Nr. 3. Josef Pekäf, Dejiny
Valdstejnskeho spiknuti. 1630 — 1634. (Geschichte der Wald-
steinischen Verschwörung. 1630 — 1634). 507 S. Die darstellen-
den Werke der Wallenstein-Literatur werden hier um eine umfangreiche
und sehr eingehende Arbeit vermehrt, bei der die schöne, sehr lebhafte
Darstellung, die Beherrschung der Literatur, die gründlichen Detailunter-
suchungen gewiss Anerkennung verdienen. Was die Hauptgesichtspunkte
der Arbeit selbst betriflPt, so scheint mir die Charakterisirung der »bis-
herigen Lösungsversuche des Räthsels*, als ob dieselben zu dem Schlüsse
gelangt wären, dass Wallenstein vor allem aus politischen Gründen zu
einem gerechten Frieden hinzielte, dass seine Politik die eines deutschen
Reichsfürsten war und dass für ihn gegenüber diesen idealen Plänen seine
persönlichen Aspirationen bloss Nebensache waren (S. 29), den thatsäch-
lichen Verhältnissen doch nicht entsprechend; man vgl. etwa Huber, Oest.
Gesch. Andererseits erscheint das „ Ergebnis "^■^ von P. Forschung, das er
einmal in die Worte zusammenfasst, die seine Stellung zur ganzen Frage
präcisiren, dass nämlich Wallenstein nicht hohe politische Bestrebungen
leiteten, sondern dass »nur persönliche Motive ^S »Beutesucht, Rachsucht,
Ehrsucht* die Triebfedern seines Handelns waren, überaus scharf und
einseitig. P. legt auch auf Wall.'s Verhältnis zu Armin ein grosses Ge-
wicht, so dass er einmal sogar sagt : » Die Wallensteinfrage ist zum grössten
Theil eine Arminfrage*. Psj-chologische und nationale Erwägungen spielen
in der Arbeit eine grosse Rolle.
Jahrgang' V (1896). — Nr. 2. Josef Smolik, Denary üdeln^ch
kni2at na Morave XI. a XII. stol. (Die Denare der mährischen
Theilfürsten im XL und XIL Jahrh.). 68 S. u. 4 Tfl. Behandelt
das mährische Münzwesen in der Zeit des 11. und 12. Jahrh. und sucht
zu beweisen, dass die drei grossen Theilfüx-stenthümer ihre eigenen Münzen
hatten und sich durch die Prägung der Reversseite deutlich von einander
unterschieden. Die von Olmütz hatten das Bildnis und den Namen des
h. Wenzel, die von Brunn das des h. Peter, die von Znaim das des
Literatur. ^59
h. Nikolaus als des Patrons der Hauptkirchen in jedem Theile. Die ein-
zelnen Typen der verschiedenen Fürsten werden genau beschrieben und
überdies in den 4 Tafeln die hauptsächlichsten Exemplare, abgebildet, —
Nr. 3. Horacek, Pocatky ceskeho hnuti delnickeho. (Die Anfänge der
Arbeiterbewegung in Böhmen). Das Buch war mir nicht er-
hältlich.
Jahrgang VI (1897). — Nr. 1. Karel V. Adämek, Prispevky k
dejinäm selskeho lidu z okoli Hlinska v XVIII. veku. (Beiträge zur
Geschichte der bäuerlichen Bevölkerung im Gebiete von
Hlinsko im 18. Jahrhundert). 76 S. Eine auf archivalischen Studien
beruhende gründliche Darstellung der Ursachen und des Verlaufes der
Bauernbewegung, der Unruhen und ihrer Niederwerfung auf den Herr-
schaftsgebieten Hlinsko und Eichenburg im Nordosten Böhmens. Neben
dem wirtschaftlichen Moment wird auch das religiöse, das Hervortreten
adamitischer Sekten in diesem Gebiet, insbesondere nach dem Toleranz-
patent vom J. 1781, verfolgt. Merkwürdigerweise ist in der ganzen
Studie auf das grundlegende Werk Karl Grünbergs, die Bauernbefreiung
in Böhmen, Mähren und Schlesien, (l893, 1894) keine Rücksicht genommen,
durch dessen Berücksichtigung A.'s Arbeit in mehrfacher Hinsicht sich
hätte präciser und klarer gestalten lassen. — Nr. 3. Josef Smolik,
Nalez denarü v Chrästanech u Ceskeho Brodu. (Der Denaren fund
von Chrastian bei Böhmisch Er od). 34 S. Beschreibung mit drei
Tafeln Abbildungen von 314 Stücken des 330 Stücke umfassenden wert-
vollen Fundes von Denaren aus der Zeit Boleslaws II., und III., Wladiwojs,
Jaromirs und Udalrichs, also aus der Zeit von 994 — 1037.
3. Historickjf Archiv. (Historisches Archiv).
In den Jahren 1895 — 1897 erschienen folgende Bände: Band 6
(l895). Ferd. Tadra, Summa canceUariae. (Cancellaria Ca-
roli IV.). Vgl. meine Anzeige Mitth. XVII, S. 198.
Band 7 (1895). Frant. Dvorsky, Listy pani Katefiny z Zerotina
rozene z Valdstejna. II. Dopisy z roku 1634 a 1635. (Briefe der
Frau Katharina von Zerotin geb. von Waldstein. II. Theil.
Correspondenz vom J. 1634 und 1635). 368 S. Bildet die Fort-
setzung zum I. Theil, der den 3. Bd. dieser Sammlung bildet und im
Literatui-bericht d. J, 1894, Mitth. XVH, S. 695 angezeigt ist.
Band 8 (1896). Ferd. Tadra, Soudni akta konsistofe Pra^ske.
Gast III. 1392 — 1393. 1396 — 1398. (Acta iudiciaria consistorii
Pragensis). XVII -|- 439 S. Ueber den I. Theil dieser Publication
(= Bd. 1 dieser Sammlung), der im J. 1893 erschienen ist, s. die Anzeige
von Franz Marcs, Mitth. XIV, S. 673. Der II. Theil enthält die Ein-
tragungen bis in den März 1387. Von da an ist eine Lücke bis zum
Ende des J. 1391, indem die Manuale V — VIII verloren gegangen sind.
Das IX. mit dem Eintragungen von 1392 — Nov. 1393 ist erhalten, das
X. und XL fehlen, das XH. für die Jahre 1396 — 1398 Nov. existirt.
Eben diese beiden Nr. IX und XII bilden den Stoff des III. Theils. Ein
Fragment vom J. 1394 fand Loserth auf dem Deckel einer Gi'azer Hs.,
Tadra handelt darüber ausführlich in der Einleitung.
Band 9 (1896). Max Dvofäk, Dva denniky dra. Matiase Borbonia
z Borbenheimu. (Zwei Tagebücher des Doctor Mathias Bor-
IßQ Literatur.
bonius von Borbenheim). VI -f- 165 S. Borbonius geb. 1566, ein
bekannter Poet und Arzt zuerst in Jungbunzlau, dann in Prag, wo er
auch Mitglied des Stadtrathes war und andere Ehrenstellen bekleidete,
verlor wegen seiner Theilnahme am Aufstande im J. 1621 sein ganzes
Vermögen. Seine schöne Bibliothek kam wahrscheinlich durch Kauf in
den Besitz der Lobkowitze und befindet sich heute in Eaudnitz. Zu ihr
gehören auch einige Manuscripte B.'s, darunter zwei Tagebücher, das eine,
»Iter Helveticum*, schildert seine Reise nach Basel im J. 1.596 mit seinen
damaligen Schülern Johann v. Warteuberg und Sigmund v. Zastfizl,
592 S. in 8°; das zweite Tagebuch schildert die Schicksale Borbons vom
J. 1622, in welchem er bis 3. Juni in Haft war, nachher bis zum 6. Juli
in Prag blieb und sich von hier nach Teplitz begab. Diese Tagebuch-
notizen sind in einen Kalender eingetragen. Beide Tagebücher sind von
allgemeinerem historischeu und culturhistorischen Interesse.
III. Mittheilungen des Vereines für Geschichte der
Deutschen in Böhmen. ReHgirt von G. Biermann und A. Horcicka.
Jalirgailg XXXIII (1895). A. Bachmann, Neues über die
Wahl König Georgs von Böhmen. S. 1 — 16. Das zahh'eiche neue
Material, das in den letzten zwei Jahrzehnten für diese Frage zum Vor-
schein gekommen ist und durch welches überdies auch ältere bekannte
Kachrichten eine andere Bewertung erlangten, veranlassten B. die Vor-
gänge und den Verlauf der Wahl K. Georgs auf dieser breiteren Grund-
lage nochmals darzustellen. — Joseph Neuwirth, DHe Junker von
Prag. S. 17 — 93. In überaus gründlicher und kritischer Darstellung
prüft N. alle Streitfragen und Ansichten bezüglich dieser Prager Künstler-
familie. Als positives Ergebnis resultirt, dass die „Junker von Prag*
thatsächlich bauverständige Steinmetze waren, die um die Wende des
14. und 15. Jahrh. in Prag lebten, und auch Arbeiten für den Strass-
burger Dom lieferten; sie galten bei Baumeistern in Regensburg und
Nürnberg noch bis in die 2. Hfte des 15. Jahi'h. als Autoritäten. Dagegen
werden die Ansichten, als ob sie »Werkmeister« des Strassburger Münsters
gewiesen, als ob sie mit Söhnen des Prager Dombaumeisters Peter Parier
identisch wären oder mit der Eger'schen Familie in Beziehung stünden,
als unrichtig und unerwiesen hingestellt; ebenso auch die Annahme, als
ob sie nebstbei auch berühmte Maler gewesen und dass die mit ihrem
Namen signirten Zeichnungen zu Erlangen und Dessau wirklich von ihrer
Hand herrühren und schliesslich auch die versuchte Identifieirung der
Junker mit den im Buche der Prager Malerzeche genannten Malern namens
„Panicz« obwohl dieses Wort nur die tschechische Uebersetzung von
» Junker ^'^ bildet. — J. M. Klimesch, Drei Briefe über den böh-
mischen Bauernaufstand i. J. 1775. S. 94 — 99. Sie stammen aus
dem Archiv des Krumauer Minoritenklosters, sind an den damaligen
Guardian gerichtet und beleuchten die Zustände um Königgrätz. —
W. Katzerowsky, Ein Leitmeritzer Stadtbuch aus dem
XIV. Jahrhundert. S. 100 — 107. Die nicht unwichtigen lokalhistori-
schen Nachrichten reichen von 1341 — 1562; es sind zumeist Rathsstatute,
die in kui-zen Regesten mitgetheilt werden. — J. Neubauer, lieber
Egerländer Tauf- und Heiligennamen. S. 108 — 117. — Hein-
Literatur. \Q\
rieh Gradl, Deusche Volksaufführungen. Beiträge aus dem
Egerlande zur Geschichte des Spiels und Theaters. S. 121
— 152, 217 — 241, 315 — 336. Eine überaus reichhaltige auf verlässlichen
Quellen mannigfachster Art gestützte Schilderung zahlreicher (96) Spiele
und Vergnügungen, zurückreichend bis ins 15. Jahrh. — Vinc. Goeh-
lert, Annjerkungen über die Seelenbeschreibung im Kgr.
Böhmen i. J. 1768. Verfasst von dem Gubernialrath Jos.
Frh. von Ceschi. S. 153 — 171. Die erste Volkszählung in Böhmen
erfolgte 1753, die zweite 1762, die dritte 1768. üeber deren Ergebnisse
verfasste Ceschi einen Bericht, dessen erster Theil sich mit der Kritik der
Daten beschäftigt, während der zweite Betrachtungen über ökonomische
Verhältnisse enthält, wie sie in Böhmen vor 125 Jahren bestanden. Dieser
nicht unwichtige Bericht wird hier zum grossen Theil abgedruckt. —
W. Mayer, Ein alter Foliant im Kladrauer Stadtarchiv.
S. 172-^180. Es handelt sich um ein »Register der Spitals- und Kaplan-
stiftung der Stadt Kladrau* von 1566 — 1616, das aus dem Grunde nicht
uninteressant ist, weil der Einband des Buches mit Medaillons von Martin
Luth'^r, Melanchthon, Erasmus und Hus geschmückt ist. Das gibt dem
Verf. Anlass von dem Abt Josef des Kladrauer Benedictinerstiftes 1561
— 1583. der die Benützung eines solchen Buches nicht beanständete, zu
sprechen, woran sich eine kurze Inhaltangabe des Registers anschliesst. —
Valentin Schmidt, Die Fälschung von Kaiser- und Königs-
urkunden durch Ulrich von Rosenberg IL S. 181 — 202. Eine
Fortsetzung aus dem vorigen Jahrgang (vgl. Mitth. XVII, S. 699). In
diesem 2. Theil werden 11 Urkunden K. Sigmunds von 1420 — 1437 und
eine K. Ladislaws vom J. 1456 als Fälschungen nachgewiesen. Vgl. dar-
über Mitth. des Instituts 19, 391. — J. Loserth, Aus Grazer Hand-
schriften. Kleine Beiträge zur böhmischen Geschichte. S. 203 — 210.
a) Eine Urkunde auf Benesch von Weitraühl, wahrscheinlich den Vetter
des bekannten Geschichtsschreibers (t 1375) bezüglich vom J. 1379.
b) Eine Eintragung aus den Acta iudiciaria des Prager Erzbisthums vom
J. 1394 (vgl. oben S, 159). c) Eine interessante Schilderung des Sieges
der Meissner über die Husiten bei Brüx am 5. Aug. 1421 in einem
Briefe eines Meissner an einen Freisinger Domherrn. — J. Schindler,
S. Wolfgang in Böhmen. S. 211 — 215. Der Aufsatz bespricht die
Ueberlieferungen von Wolfgangs Anwesenheit in Böhmen, kommt aber
zu dem Schlüsse, dass man es nur als sehr wahrscheinlich, nicht als un-
bedingt gewiss hinstellen kann. — K. Fr. Rietsch, Das Stadtbuch
von Falkenau. S. 242 — 263. Stammt aus der Zeit von 1483 — 1528.
Es enthält zunächst Privilegien der Städte, mit deren Rechten Falkenau
bewidmet war, dann kurze Aufzeichnungen vom Rechte der Stadt, Zins-
verzeichnisse, und im 2. Theil die Eintragungen der vor dem Stadtrathe
geschlossenen Rechtsgeschäfte. Das wichtigste wird wörtlich abgedruckt. —
W. Hieke, Zur Geschichte von Hohenelbe. S. 264 — 275. Be-
schäftigt sich hauptsächlich mit der Gründungsgeschichte des Ortes. — Ad.
Horcicka, Das Altarblatt derDecanalkirche zuElbogenaus
dem J. 1579. S. 275 — 285. Behandelt den gleichzeitig abgedruckten Vertrag
des Rathes von Elbogen mit dem Maler August Cordus über die Anfertigung
des Altarbildes für die Pfarrkirche. 1577, Sept. 6. — 0. N., Zwei Hexen-
Mittheilungen XX. 11
162 Literatur.
processe in Braunau. S. 285 — 292. Sie stammen aus dem Brau-
nauer Stadtarchiv, der eine vom J. 1617 betrifft ein weibliches, der zweite
von 1681 ein männliches Individuum; im letzteren Falle wurde in Braunau
nicht mehr Tortur angewendet, — August Sauer, Einige Bemer-
kungen zu einer im Besitze des Vereines befindlichen
Autographensammlung. S. 292 — 309, 354 — 378. — Rudolf
Wolkan, Zwei geistliche Gedichte aus Eger. S. 310 — 312.
Aus der Hs, XVI. G. 33 der Prager Universitätsbibliothek saec. XVI. —
Ottocar Weber, Ein Capitel aus der böhmischen Finanz-
geschichte. S. 336 — 354. Es handelt sich um die Contributions-
leistung an den Kurfürsten Karl Albrecht von Baiern nach der Einnahme
Prags durch die verbündeten Franzosen, Baiern und Sachsen am 26. No-
vember 1741 auf Grund von Akten im fürstl. Kinsk;^'schen Archiv in
Prag. — Karl Köpl, Ein Beitrag zur Geschichte der Fehde
der Schlicke mit der Stadt Elbogen. S. 379 — 395. Eine Be-
schwerdeschrift des Mathäus Schlick gegen die Elbogner aus dem Statt-
haltereiarchiv in Prag und eine Zuschrift der vertriebenen Elbogner Bürger
von Pilsen am 2. Januar 1487 an die Budweiser gerichtet, liefern man-
cherlei Aufklärung über dieses Ereignis. — Rudolf Wolkan, Hohen-
furter Mariensequenz. S. 395 — 399. Aus der Hs. Nr. 15 der
Hohenfurter Stiftsbibliothek saec. XIV — XV.
Jahrffang XXXIV (1896). Ottocar Weber, Die Occupation
Prags durch die Franzosen und Baiern 1741 — 1743. S. 1 — 92.
Mit neuem handschriftlichen Material, Akten aus dem Kriegsarchiv in
Wien, Diarien und anderen Aufzeichnungen aus Prager Klöstern, Akten aus
dem Wiener Staatsarchiv, aus dem Statthalterei-, Stadt- und fürstl. Fer-
dinand Kinsky'schen Archiv in Prag und aus dem Moritz Lobkowitz'schen
Archiv in Raudnitz, werden die Prager Ereignisse von October 1741 —
Januar 1743 in folgenden Paragraphen dargestellt: 1. Erstürmung Prags,
2. Prag unter franz.-bair. Herrschaft vom Nov. 1741 — Juni 1742, 3. Die
Belagerung von Prag 27. Juni — 12. September, 4. Die Zustände in Prag
während der Belagerung, 5. Das Ende des J. 1742; im Anhang die Con-
vention vom 26. Dez. 1742 und eine Zusammenstellung der Lebensmittel-
preise während der Belagerung Prags durch die Oesterreicher, ersteres aus
dem Staatsarchiv, letzteres Stück aus verschiedenen handschriftlichen
Quellen. — Joseph Neuwirth, Beiträge zur Geschichte der
Klöster und der Kunstübung Böhmens im Mittelalter.
S. 92 — 123, 225 — 247. Unter dem Titel: Zur Geschichte des
Klosters Bfewnow bringt N. aus einem Cod. der Münchn. Hofbibl.
eine aus Oberaltaich stammende Notiz über die Anzahl und die Namen
der Mönche in Bfewnow c. 1220 — 1238, und citirt eine Stelle, die in
einem Wessobr. Codex aus einem Bfewnower Codex abgeschrieben wurde.
Dann folgt: Der Baubeginn der Stiftskirche in Sazawa, den N.
auf Grund einer Notiz in einer Münchener Hs. auf das J. 1310 bestimmt.
Ein dritter Beitrag bespricht einige Hofkünstler der Luxemburger
nämlich den Bogner Karls IV. Ulrich Glanast von Sulzbach, den Hof-
goldschmied Karls IV. Hanusch von Kolin, den Hofmaler K. Wenzels IV.
Johann. Zwei Verzeichnisse der beim Feste der Reliquien-
zeigung in Prag ausgestellten Reliquien stammen aus zwei
Literatur. \Q^
Münchener Hss. und dürften zwischen den J. 1368 — 1378 abgefasst sein.
Ein Geleits- und Beglaubigungsbrief für einen Sammler
des von den Husiten theilweise zerstörten Augustiner-
chorherrenstiftes Eaudnitz aus dem J. 1421 steht als Formel
im Wolfenbüttler Cod. 487 (Heimst. 352) fol. 134. Die Rückerstat-
tung verpfändeter Kleinodien und Reliquien an das Au-
gustinerchorherrenstift Wittingau im J. 1461 wird aus einer
Urkunde Johanns von Rosenberg erwiesen. Ein Fragment eines
Kirchenschatzinventares des Dominikanerklosters in Pil-
sen aus dem 14. Jhd. besitzt der Custos des nordböhm. Gewerbe-
museums in Reicbenberg Dr. Pazaurek. Die Beziehungen des Karl-
steiner Burggrafen Benesch vonWeitmühl zum Maler Paul
von E g e r betitelt sich der letzte Aufsatz. Einige Briefe des Benesch
von Weitmühl an den Bürgermeister und Rath der Stadt Eger. aus den
J. 1487 — 1495, die im Egerer Stadtarchive liegen, bieten K den Anlass,
der Person des wohl aus Nürnberg stammenden Malers Paul, dem die
Ausführung von grösseren Wandmalereien im Komotauer Schlosse zuge-
dacht war, nachzuforschen. — Anton Rebhann, Einige der wich-
tigsten Ereignisse aus Oesterreichs Geschichte des XVIII. Jhds.
im Spiegel zeitgenössischer Dichtung. S. 123 — 151. Es sind
25 Gedichte, die sich auf Ereignisse, wie der polnische Erbfolgekrieg, der
zweite Türkenkrieg unter Karl VI., der österr. Erbfolgekrieg und der
dritte schlesische Krieg, sowie auf Personen, wie Karl VI., Ludwig XV.,
Maria Theresia, Karl VII . Friedrich 11., Fleury, Eugen, Seckendorf, Kheven-
hüUer u. A. beziehen. Der Verf. ist unbekannt. Sie befanden sich in
einer Hs. des Komotauer Stadtarchivs, die bei der Brüxer Schwimm -
Sandkatastrophe 19./20. Juli 1896 in der Wohnung Rebhanns zugrunde
gegangen ist. — Ad. Horcicka, Die zehnte Wanderversamm-
lung des Vereines f. Gesch. der Deutschen in Böhmen.
S. 152 — 219. Ein Bericht über die Versammlung in Saaz 1. — 3. Juni
1896 nebst Abdruck der daselbst gehaltenen Vorträge: J. Neuwirth,
»Kunstleben und Kunstdenkmale am Südabhange des Erzgebirges während
des Mittelalters <% und A. Hauffen »Die vier deutschen Volksstämme in
Böhmen«. — W. Mayer, Stadt Kladrauer Urkunden. S. 248 —
268. Theils Inhaltangabe, theils vollständiger Abdruck der daselbst be-
findlichen 22 Originalurkunden von 1197 (dies eine Fälschung vom
J. 1233) bis 1707. — Valentin Schmidt, Beiträge zur Agrar-
und Golonisationsgeschichte der Deutschen in Südböhmen.
S. 268 — 271. Bringt 1. einige Notizen aus dem Cod. ms. Nr. 49 der
Hohenfurter Stiftsbibliothek aus der l. Hfte des 15. Jahrh. über die
Grosse einzelner Güter bei Hohenfurt und ihre Zinsungen, 2. Abdruck
einiger Urkunden, die sich auf die Neugründung des Dorfes Kienberg
durch das Stift Hohenfurt in den 2. Hfte des 14. Jahrh. beziehen und
sich in einem Ms. Nr. 478 der genannten Bibliothek befinden. — Rudolf
Wolkan, Geistliches. Aus einer deutsch-böhmischen Hand-
schrift des 15. Jahrh. S. 272 — 276. Aus der Hs. 4558 der Wiener
Hof bibliothek. — Victor Loewe, Die Wallenstein-Literatur.
Dritte Ergänzung 1628 — 1895. Bibliographische Studie.
S. 277 — 315. Der Verf. beginnt mit den Worten: »Die vorliegende
11*
^IßJ^ Literatur.
Arbeit ist eine Fortsetzung und Ergänzung der von Georg Schmid unter-
nommenen und bis zum J. 1884 in diesen Blättern fortgeführten Wallen-
steinbiographie «. Es werden unter XII Rubriken die Werke Nr. 1559 —
1865 angeführt, mit genauen Titeln und darüber erschienen Rezensionen
und Anzeigen. Ein Register zu den drei Ergänzungen in Bd. 21, 23, 34
dieser Zs. bildet den Schluss. — Anton Schiesser, Das Verhältnis
des Domherrn Franz von Prag zu den Briefen des Cola di
Rienzo. S. 315 — 318. Weist nach, dass dem Domherren Franz nicht
bloss das Schreiben Colas an K. Karl IV. aus Rom, sondern auch jene
Briefe zur Verfügung standen, die Cola während seines Aufenthalts in
Böhmen an Karl, an den Prager Erzbischof oder an Johann v. Neumarkt
schrieb. — G. Biermann, Christian d'Elvert. Nachruf. S. 318
— 320. — Ottocar Weber, , Diarium« über die Belagerung und
Occupation Prags durch die Preussen im J. 1744. S. 321 — 370.
Eine neue Quelle neben dem bisher allein bekannten x. Diarium Pragense«
aus einer Abschrift des frstl. Ferdinand Kinsky'schen Archivs in Prag. —
Karl Köpl, Glashütten in Prag. S. 370—380. Tritt zunächst für
Horcickas Annahme die Mares zu widerlegen versuchte ein, dass eine der
ältesten Glashütten in Böhmen (c. 1443) ihren Standort in Prag hatte.
und bringt sodann einige urkundliche Notizen über den missglückten Ver-
such gegenüber den Altstädter Mühlen eine bereits erbaute Glasmühle im
J. 1 5 7 1 in Gang zu bringen. Nach kurzem Bestand musste sie infolge der
Gegnerschaft des Rathes ihre Thätigkeit einstellen. — Valentin Schmidt,
Geschichtliches von der S tritschitzer deutschen Sprach-
insel. S. 380 — 400. Der Aufsatz zeigt uns die historische Entwicklung
dieser einst viel umfangreicheren Sprachinsel und erweist, dass die Sprache
der Dörfer daselbst schon im 13- und 14. Jahrhundert deutsch war,
dass nach dem dreissigjährigen Krieg eine Neueinwanderung theils aus
der deutschböhraischen Nachbarschaft, theils aus Baiern und Oesterreich
erfolgte. — A. Marian, Die Papiermühle in Aussig. Ein Bei-
trag zur Stadtgeschichte. S. 400 — 402. Sie wurde 1559 errichtet,
1599 kaufte sie der Rath bereits zum zweitenmal, verkaufte sie aber bald
darnach. Die Besitzer von lfi23 an werden nachgewiesen. — J. Neu-
wirth, Goldenkroner Grabdenkmale. S, 402 — 404. Die erste
stammt aus dem letzten Viertel des 1 3. Jhd , die zweite aus dem Anfang
des 17. Jhd. — Ad. Horcieka, Kunstgeschichtliche Nach-
richten über die Kirchen in Aussig. S. 404 — 406. Eine Zu-
sammenstellung des wenigen, was sich hierüber im »Urkundenbuch der
Stadt Saaz"^ vorfindet.
Jahrgang- XXXV (1896. 1897). Hans La m bei, Plan und
Anleitung zu mundartlicher Forschung in Deutsch-Böh-
men. S. ] — 21. — Joseph Neuwirth, Der verlorene Cyclus
böhmische Herrscherbilder in der Prager Königsburg.
S. 22 — 82. Die Mitth. des Instituts werden darüber besonders berichten.
— Valentin Schmidt, Beiträge zur Agrar- und Colonisations-
geschichte der Deutschen in Südböhmen. S. 83 — 94. Diese
Fortsetzung aus dem vorigen Jhg. behandelt die »Befreiung vom Todten-
fall« auf der Herrschaft Rosenberg. — A Horeicka, Die Geschichte
der Stadt Aussig von der Gründung bis zum J. 1526. S. 111
Literatur. 165
— 128. Ein anlässlich der 11. Wanderversammlung in Aussig gehaltener
Vortrag. Der zweite daselbst gehaltene Vortrag von Ottocar Weber,
bebandelte Die Entwicklung der keramischen Industrie in
Böhmen. S. 128 — 144. — Ad. Bacbmann, Ueber K. Georg von
Böhmen und Gregor Heimburg. S. 144 — 152. Die kleine Studie
bespricht Gregors diplomatische Stellung am Hofe Geoi'gs im Anschluss
an die entsprechende Darstellung in desselben Verfs. » Keichsgeschichte *. —
W. Mayer, Ein berühmter Egerer Architekt. S. 152 — 163. Es
handelt sich um Balthaser Neumann (t 1753). — W. Mayer, Egerer
Galeerensträflinge. S. 163 — 175. Belege für diese im 17. und
18. Jahrh. in Deutschland und den Erbländern als poena extraordinaria
nicht selten zur Anwendung gekommene Strafe bieten die Egerer Stadt-
bücher. Zwei solcher Fälle, 1694 und 1716 werden eingehend ge-
schildert. — Valentin Schmidt, Das Urbar der Herrschaft Eo-
senberg von 1598. S. 175 — 208, 273 — 304, 401—429. Die Pa-
pierhs. befindet sich im Hohenfurter Stiftsarchiv. Das Urbar wird hier
vollständig mitgetheilt, allerdings stark überarbeitet, so dass man das
ursprüngliche von den Zuthaten des Hrsg. nicht zu scheiden vermag. —
A. Bach mann, Beiträge zur Kunde böhmischer Geschichts-
quellen des XIV. und XV. Jhds. S. 209 — 222. In diesem ersten
Theil werden ki-itisch untersucht l. Die Compilatio chronologica 1310 —
1432, 2. das Chronicon Procopii notarii Pragensis. — Ottokar Weber,
Die Schlacht bei Kulm und Nollendorf. S. 222 — 299. Ein in
T e p 1 i t z gehaltener Vortrag auf Grundlage der bisher bekannten Literatur.
— Woldemar Lippe rt, Meissnisch-böhmische Beziehungen
zur Zeit K. Johanns und Karls IV. S. 240 — 265. Einige neue
Urkunden aus dem Hauptstaatsarchiv in Dresden und dem Wiener H. H.
und Staatsarchiv geben dem Verf. Stoff 1. über die Fehde des Erzb,
Arnest von Prag und des Johann von Michelsberg mit dem Burggr.
Meinher von Meissen und dem Mkgr. Friedrich dem Ernsten von Meissen
1344 — 1347, 2. über die Uebergriffe Eussos von Lutitz, des böhm. Land-
pflegers von Eger, gegen markgräfliche meissnische Vasallen im J. 1354
und 3. über B. Nikolaus den Unterkämmerer von Böhmen als meissnischen
Vasallen im J. 1361 nochmals zu handeln. Unter den abgedruckten Ur-
kunden finden sich einige, die in den Huber'schen Eegesten K. Karls IV.
fehlen. — Ferd. Mencik, Lieder aus der Zeit des dreissig-
j ährigen Krieges. S. 265 — 270, 399 — 400. 1. Lied vom Eückzug
Baner's von Prag im J. 1639, acht Vierzeiler, 2. Lied über Olmütz im
J. 1642, 24 Strophen zu sechs Zeilen, 3. Ein Pamphlet aus dem J. 1636
gegen den Card. Harrach, 21 Strophen zu 6 oder 5 Zeilen. Alle drei
stammen aus dem Harrach'schen Archiv in Wien. — Eudolf Müller,
Das Todesjahr der Katharina von Eädern. S. 270 — 272. Ihre
und ihres Gatten Friedrich v. Eädern (t 1600) Herrschaft über Friedland
und Eeichenberg bedeutete für dieses Gebiet »das goldene Zeitalter*. Sie
zog nicht, wie bisher geglaubt wurde, nach der Katastrophe am Weissen
Berge mit ihrem Sohne in die Verbannung nach Polen, sondern war wahr-
scheinlich im März 1618 gestorben; 1619 war sie sicher schon tot. —
A. Pfibram, Zur Geschichte des böhmischen Handels und
der böhmischen Industrie im Jahrhundert nach dem west-
jßß Literatur.
fäli sehen Frieden. S. 305 — 357. Der erste dieser Beiträge be-
schäftigt sich mit der »Entstehung des böhm. Commerzcollegiums^, über
das seit dem Jahre 1698 verhandelt wurde, das aber erst im Jahre 1724
definitiv durch kais. Rescript als eine königliche Behörde eingesetzt wurde.
Die Darstellung beruht auf reichen archivalischen Forschungen besonders
im Archiv des Reichsfinanzministeriums. — J. Loserth, Zum Einzug
der Erzherzoge Ferdinand, Karl, Ernst und Mathias in Prag
am 3. August 1588. S. 357 — 362. Neun Briefe aus einem Fase, des
Innsbrucker Statth. Archivs, der sich mit den Reisen Erzh. Ferdinands
und seiner Familie beschäftigt. Die Briefe sind gegenseitig von und an
Erzh. Ferdinand, Mathias, Ernst und Wok von Rosenberg. — A. Mari an,
Die kaiserlichen Richter in Aussig 1622 — 1783. S. 363—375.
In Aussig wurde der Kaiser- später Königrichter erst nach der Sehlacht
am Weissen Berge eingeführt. Der Aufsatz zählt auf Grund der Stadt-
bücher und sonstigen Archivakten die Reihe derselben mit biographischen
Notizen und Aufführung ihrer hervorragendsten Amtsgeschäfte auf. —
Rudolf Müller, Kunstgeschichtliches aus dem Bezirk Aussig.
S. 375 — 388. — Rudolf Wolkan, Deutsche Volkslieder des
16. und 17. Jhds. aus Böhmen. S. 388 — 398. — A. Horcicka,
Eine Dorf Schulprüfungsordnung aus den J. 1786. S.429 — 430-
IV. ö asop is musea krälovstvi ceskeho. (Zeitschrift des böhmi-
schen Museums). Red. Anton Truhläf,
Jahrgang LXIX (1895). Jan V. Novak. Labyrint sveta a raj
srdce J. A. Komenskeho a jeho vzory. (J. A. Komenskys »Laby-
rinth der Welt und Paradies des Herzens <" und dessen Vor-
bilder). S. 56 — 70, 190 — 211, 452—466. Komenskfs bedeutendstes
Werk wird einer gründlichen Untersuchung mit Rücksicht auf seine Ori-
ginalität unterzogen, über welche Frage die Ansichten deutscher und
cechischer Forscher auseinandergehen, und die Abhängigkeit insbesondere
von Job. Val. Andreae eingehend dargelegt. Andreae's »Peregrini in
patria errores* ist für das Labyrinth, sein »Civis Chi-istianus <^ für den
zweiten Theil des Paradieses Muster gewesen, wobei übrigens auch noch
andere Werke Andreaes in Betracht konimen. Ks. Verdienst bestehe bei
dieser Schrift nicht in der Erfindung des Grundgedankens, den er aller-
dings entlehnt hat, wohl aber in der eigenartigen Durchführung desselben.
— Zikmund Winter, Oldficha Prefäta z Vlkanova pfe o dedictvi. (Ul-
rich Prefats Erbschaftsstreit). S, 114 — 117. Ein langwieriger
Prozess des bekannten böhmischen Reisenden wegen der Hinterlassenschaft
seiner Schwester, beendet im J. 1563- — Jaroslav Bidlo, Cesti emi-
granti v Polsku v dobe husitske a mnich Jeronym Prai;sk;f. (Böhmische
Emigranten in Polen während der Husitenzeit und der
Mönch Hieronymus von Prag). S. 118 — 128, 232—265, 424 — 452.
Der erste Theil behandelt die interessante Frage von der Emigration von
Katholiken aus Böhmen nach Polen in der Husitenzeit, von welcher der
Chronist Dlugos zuerst berichtet. An sieh erscheint sie nicht unwahr-
scheinlich, da sieh in jener Zeit an der Krakauer Universität thatsächlich
eine Anzahl Pofessoren cechischer Nationalität neben solchen deutscher
und polnischer Abstammung nachweisen lassen. Allein schon Dlugos
Behauptung, dass Polen der alleinige Zufluchtsort der katholischen Böhmen
Literatur, 167
gewesen sei, ist falsch, denn es lassen sich nach Bidlo Emigranten auch
in Deutschland nachweisen, am sichersten in Leipzig. Der zweite Theil
der Arbeit ist dann ausschliesslich der Person des Mönches Hieronymus
von Prag gewidmet, den eben Dlugos in jener Nachricht über die Emi-
gration nach Polen besonders hervorhebt. Es ist dies ein Namensbruder
des bekannten Freundes und Leidensgenossen Husens, aber von ganz ent-
gegengesetzter Gesinnung. Eigentlich hiess er Johann, unter welchem
Namen ihn auch Dlugos anführt, Hieronymus nannte er sich bei seinem
Eintritt iu den Orden der Kamaldulenser. Bidlo liefert eine eingehende
Biographie dieses » Mönchs <^ Hieronymus, wie man ihn zum Unterschied
vom »Magister* gleichen Namens bezeichnen kann. Hiebei erweist sich
Dlugos Nachricht, dass dieser Hieronymus nach der Zerstörung des Straho-
ver Klosters (kurz nach 1420) nach Polen gekommmen und dort der erste
Abt des neu gegründeten Prämonstratenser Klosters in Sandez geworden
sei, als falsch. Das betreffende Kloster wurde nämlich thatsächlich 1410
errichtet und andererseits kam Hieronymus nachweisbar in einer so frühen
Zeit nach Polen, da an die Nothwendigkeit einer Emigration aus Böhmen
noch nicht gedacht werden kann. Schliesslich gibt Bidlo eine Uebersicht
der Schriften dieses Hieronymus, deren er 23 aufzählt; als wichtigste be-
zeichnet er den »Tractatus contra quattuor articulos Bohemorum*. —
V. Reznicek, Svatoväclavsti rytifi. (Die S. Wenzelsritter). S. 129
— 133. Eine Aufzählung jener Personen, die vom Anfang des 17. Jahrh.
bei den Krönungen der böhmischen Könige diese Auszeichnung erhielten.
— V. Tille, Povidky o poutich na onen svet. (Erzählungen von
Wanderungen nach dem Jenseits). S. 212 — 232. Eine Fortsetzung
des Aufsatzes im Jhg. 1894 (vgl. Mitth. XVII, 703). — Jindfich Me-
telka, 0 jedenäctem zemfepisnem sjezdu v Nemecku. (Ueber den
11. deutschen Geographencongres s). S. 265 — 289. — Jan
Tenora, Z mlad^ch let pana Jifiho z Kunstatu a z Podebrad. (Aus
Georg von Kunstadt und Podiebrad Jugendjahren). S, 290 —
297. Der Aufsatz behandelt zunächst die Frage, wer des jungen Georg
Vormünder in Mähren und Böhmen gewesen seien und tritt der Annahme
Palack^s und Tomeks entgegen, als ob Georg in seiner Jugend auch
»Heralt* genannt worden sei und schon an dem Brünner Landtag 1435
theilgenommen habe. Selbständig handelnd lasse sich erst der 17iährige
Georg in einer Urkunde vom 26. Fehruar 1437 nachweisen. — Vaclav
Vondräk, K otäzce o vlivu cirkevni slovanstiny na starou cestinu. (Zur
Frage des Einflusses des altkirchenslavischen Dialects
auf das Altböhmische). S. 301 — 314. Auf diese polemisch ge-
haltene Arbeit erfolgte unter gleichem Titel eine Replik von Flajshans
S. 487 — 498, eine Duplik von V. Vondräk S, 498 — 501 und eine Er-
klärung von J. Polivka S. 501 — 502. — A. Podlaha, Dodatky a opravy
k biografiim starsich spisovatelü ceskfch a k starsi ceske bibliografii.
(Nachträge und Berichtigungen zu den Biographien der
älteren böhmischen Schriftsteller und zur älteren böhmi-
schen Bibliographie). S. 314 — 325; 503 — 513. Zahlreiche kleinere
und grössere Artikel, darunter eine lateinische Biographie des Marcus
Marci von Landskron geb. 1595 aus den »Annuae coli. Prag, ad S. de-
mentem 1656 — 1680*. — Frant. Lepaf, Doplnky 2ivotopisne a kniho-
1 /»rt Literatur.
pisne z Balbinova spisu: Historia collegn öiczinensis societatis Jesu.
(Biographische und bibliographische Ergänzungen aus
Balbins Schrift: Historia etc.). S. 325 — 326. — Zikmund
Winter, Mistra Bachäcka kollejni pocty. (Die Collegiumsrechnun-
gen des Magisters Bachäcek). S. 387 — 423. Das Archiv der
Prager deutschen Universität enthält einen Codex, in welchen der ge-
nannte Magister von 1605 — 1612 (l614) die Einnahmen und Ausgaben
des Wenzelskollegs einzutragen hatte, dessen Propst er war. Interessant
wird aber dieses Eationar durch das Verzeichnis der ausserordentlichen
Einnahmen, indem es sich nämlich zeigt, wie B. durch Verkauf von
Büchern, Karten, Traktaten, Bildern etc. seine Einnahmen zu vergrössern
suchte. Es ist dies ein eigenartiger Beitrag zur Beurtheilung der Lage
der Prager Universitätsprofessoren in jener Zeit. — Jan Em 1er, Kniho-
pisny pfehled literämi cinnosti prof. Dr. Jos. Emlera. (Bibliogra-
phische Uebersicht der literarischen Thätigkeit Prof.
Dr. Josef Emiers). S. 479—485. Aus Anlass seines 60. Geburtstags
am 10. Januar 1896.
Jahrgang LXX (1896). Frant. Pastmek, 0 pocätcich slovanske
filologie V Cechäch, zvläste o Fortunätovi Durichovi a jeho pomeru k
Dobrovskemu. (Ueber die Anfänge der slavischen Philologie
in Böhmen, insbesondere über das Verhältnis Fortunat
Durichs zu Dobrovsky). S. 67 — 80. — J. V. Simak, Spor o
dedictvi RoZmberske 1523 — 1528, (Der Streit um das Eosenber-
gische Erbe 1523—1528). S. 81 — 112, 308—322, 419—441. Im
Zusammenhang mit der Zeitgeschichte Böhmens, dem Ständekampf, be-
ziehungsweise dem Kampfe des Adels gegen Städte und König und der
Wahlbewegung nach dem Tode K. Ludwigs, erhält dieser Streit eine all-
gemeinere Bedeutung. Hervorgerufen wurde derselbe dadurch, dass Peter
von Rosenberg, seit 1493 Majoratsherr oder Regent (vladäf) des Hauses,
entgegen der Familienordnung zunächst 1519 eine Theilung des Rosen-
bergischen Besitzes zwischen sich und seinen vier Neffen Johann, Jost,
Peter und Heinrich erlangte und dann in seinem Testamente verfügte,
dass nach seinem und seines Neffen Johann Tode sein Besitz nicht an
den nächsten Rosenbergischen vladäf übergehe, sondern unter seine na-
mentlich angeführten Freunde vertheilt würde, unter denen Zdenko Lew
von Rozmital in erster Linie stand. Als die drei jüngeren Brüder nach
Peters Tode (1523) dieses Testament nicht anerkannten, entstand der
langwierige Streit zwischen der Partei der Rosenberge und jener des über-
mächtigen Lew. Solange Heinrich von Rosenberg lebte (t 1526) stand
die Sache der Rosenberge günstig. Nach seinem Tode wurde Johann das
Haupt des Hauses, der Streit verflachte in Geldprozesse, die schliesslich
durch Eingreifen K. Ferdinand nicht ohne grosse Opfer der Rosenberge
erledigt wurden. Die letzten Ausgleiche erfolgten erst im J. 1531. —
Frant. Bares, 0 prävu hranicnem v nekdejsim kraji Boleslavskem.
(Ueber das Grenzgericht im ehemaligen Boleslaver Kreis).
S. 112 117. Der Aufsatz bringt einige Rechtsfälle aus dem XVI. Jahrb.,
schildert im kurzen Vorwort den Rechtsgang, lässt uns aber vor allem
über die Competenz dieses Gerichtes sehr im unklaren, indem er darüber
bloss bemerkt: in diesen und diesen Fällen einigten sich die streitenden
Literatur. 169
Parteien auf Schiedsrichter; »in wichtigeren Sachen wurde das Grenzrecht
eingesetzt*. Eine solsche Institution kann wohl nur aus ihrer historischen
Entwicklung heraus klargelegt werden. — Karel Hostas, 0 Klatovske
rodine Krystyanü (Kfestanü) z Koldina. (Ueber das Klattauev G-e-
schlecht der Christiane von Koldin). S. 123 — 126. Dem Ge-
schlecht entstammt der bekannte böhmische Eechtslehrer Paul v. Koldin.
Die Notizen über die Familie entstammen den Stadtbüchern von Klattau.
— Dodatky a opravy k biografiim starsich spisovatolu cesk;fch a k starsi
ceske bibliografii. (Nachträge und Berichtigungen zur Bio-
graphie der älteren böhmischen Schriftsteller und zur
älteren böhmischen Bibliographie). S* 126 — 144. Z. Winter
spricht über Nikolaus Albert von Kamenek, der 1610 aus Wittenberg an
die Prager Universität für hebräische Sprache berufen wurde. V. J. S i m ä k
gedenkt einer Notiz aus den Hoftafeln Nr. 17, Stück 83, wonach Nikolaus
Konäc von Hodistkov im Auftrag K. Wladislaws zuerst Weinbergrechtsregister
für Prag anlegte. V. J. Novacek bringt zwei Urkunden aus den Prager
Stadtbüchern zum Abdruck, die sich auf die kaiserliche Belohnung Martin
Kuthens von Sprimsberg für seine Versificirung des Einzugs K. Ferdinands I.
in Prag 1558 beziehen; ferner eine > Donacio certorum librorum et x sexag,
pro abbate et conventu monasterii s. Karoli in Praga* vom 28. Sept.
1395 aus den Prager Libri erectionum; sowie das Testament des Wenzel
von Wfesowitz vom J. 1579 aus der Landtafel. — V. Flajshans, Boj
0 rukopisy. (Der Kampf um die »Handschriften*). S. 195 — 282,
349 — 385. — Vaclav Vondräk, K otäzce o slovanskych abecedäch. (Zur Frage
über die slavischen Alphabete). S. 282 — 296- — Zikmund Winter, Karlova
akademie za boufe stavovske, (Die Karls-Universität o. Akademie
während der ständischen Wirren). S. 385 — 419. Schildert deren
Schicksale von 1609 bis zum 7. November 1620, dem Tage vor der
Schlacht am Weissen Berge. — V. J. Noväcek, Nekolik novjch zpräv
0 Zikmundovi Hrubem z Jeleni a rodine jeho. (Einige neue Nach-
richten über Sigmund Gelenius und seine Familie). S. 472
— 47 9. Aus der Bibliothek in Basel und dem Prager Landesarchiv. S. G.
ein bekannter Literat (geb. 1497) wurde auf Erasmus Empfehlung Ee-
dakteur in der Froben'schen Druckerei in Basel und ist der Herausgeber
vieler klassischer und historischer Werke. — Frant. ilares, Literärni
püsobeni klästera Tfebonskeho. (Die literarische Wirksamkeit
des Klosters in Wittingau). S. 521 — 547. Der Aufsatz verfolgt
die literarische Thätigkeit des im J. 1367 gegi'ündeten Augustinerklosters
in Wittingau, sowie die Ausbildung seiner Bibliothek und seines Archivs
bis zur Aufhebung des Klosters. Ein fleissiger Abschreiber im Kloster
war Bruder Udalricus Crux aus Teltsch, geb. c. 1405, gest. 1504.
Jahrgang- LXXI (1897). Zikmund Winter, Konec samostatne
university Karlovy. (Das Ende der Selbständigkeit der Prager
Karlsuniversität). S. 3 — 35, 97 — 109. Die Schilderung bezieht
sich auf die Zeit unmittelbar nach der Schlacht am Weissen Berge. Zu-
nächst 1620 u. 1621 führt die Universität noch ein Scheinleben in ihrer
alten Gestalt. Die Zahl der Lehrer fällt auf vier, die Besitzungen der
Universität, vor allem Dorf Pocernitz, gehen verloren, die Geldlasten, die
j\Iilitäi-6inquartirungen, die persönlichen Verfolgungen der Lehrer werden
;[70 Literatur.
immer unerträglicher, Petitionen an den Landeshauptmann Grafen von
Liechtenstein, an den Kaiser bleiben ungehört, einen Versuch, den Kur-
fürsten von Sachsen um seine Intervention anzugehen, büssen die Pro-
fessoren mit dem erniedrigenden Befehl ein Entschuldigungs- und Eecht-
fertigungsschreiben dahin zu richten, das ihnen von Michna gleichsam in
die Feder dictirt wird; mühsam vdrd der Unterricht trotzdem noch auf-
recht erhalten. März 1622 endlich erfolgte der kaiserliche Auftrag an die
Professoren, den ernannten Commissären die Privilegien und sonstigen
Amtssachen zu übergeben. Am 29. April resignirten die letzten Glieder,
der Rektor und der Prorektor in voller Sitzung der Magister, Scholaren,
Bakalaren auf ihre Aemter. Die Professoren mussten das Colleg räumen,
die Kommissäre übernahmen die Leitung der Universität, die sie dann
am 14. November 1622 den Jesuiten übergaben. Der erste Jesuiten-
rektor war Simon Sidecius. Von den letzten vier Professoren trat der
eine, der letzte Rektor Basilius, zum Katholicismus über und avancirte
dann rasch zum Primas der Prager Kleinstadt. Die Nachrichten stammen
zum weitaus grössten Theil aus den gleichzeitigen Aufzeichnungen im
Amtsbuch der Universität. — Jan V. Noväk, IJsudek Jana Amosa Ko-
menskeho o literatufe staroklassicke. (Ein Urtheil des J. A. Comenius
über die altklassische Literatur). S. 36 — 48, 109 — 121. —
K. V. Adämek, Adamite na Hlinecku v XVHI. a XIX. veku. (Ada-
miten im Gebiet von Hlinsko im 18. u. 19. Jahrh.) S. 48 — 64.
Die lange verborgen lebenden Adamiten treten gestützt auf K. Josefs
Toleranzpatent in den 80er Jahren des 18. Jahrh. plötzlich an die OefFent-
lichkeit. Die wenigen Nachrichten über ihr dortiges Vorkommen entnimmt
der Verf. Archivalien der Herrschaft Richenburg (vgl. oben S. 159). —
Ferd. Mencik, 0 dvou spisech Husov;fch. (Ueber zwei Schriften
Husens). S. 74—79. Der Verf. weist nach, dass die bisher nur in
böhmischer Sprache bekannte Schrift Husens »Proväzek o tfech pramenech«
(Funiculus) auch in lateinischer Sprache u. zw\ wie jene in einem Texte
aus dem 16. Jhd. erhalten ist und regt die noch nicht gründlicher ver-
folgte Frage an, ob nicht mehrere bloss in böhmischer Sprache überlieferte
Schriften Husens als Uebersetzung aus dem lateinischen anzusehen seien.
Er sucht dieses Verhältnis sowohl an dem »Funiculus« wie an einem
zweiten "Werke Husens »Zrcadlo cloveka hfisneho« nachzuweisen. —
A. Pater a, Zbytky staroceske legendy »o narozene a detinstvi Krista
Päna * ze XIV. stoleti. (Fragmente einer altböhmischen Legende
»Ueber die Geburt und Kindheit Christi« aus dem 14. Jhd.).
S. 245 — 249. Sie wurden abgelöst von einem Deckel einer Hs. des
Franziskanerkloster Schwaz in Tirol. — P. Syrku, Zpräva o ceskem
rukopise v Bodleanske knihovne v Oxforde. (Nachricht über eine
böhmische Handschrift in derBibliothekBodley in Oxford).
S. 249 — 25J1. Ein »Neues Testament« saec. XV. — Ferd. Mencik,
Studenti z Cech a Moravy ve Witemberku od r. 1502 a2 do r. 1602.
(Wittenberger Studenten aus Böhmen und Mähren von
]502 — 1602). S. 250 — 268. Extracte aus dem Druckwerk »Album
academiae Vitebergensis ^ von Ed. Foerstemann, 1. Bd. 1841, 2. Bd. 1894
erschienen. — Cenek Zibrt, Zapisky Jana Jenika z Bratfic v bibliothece
Musea kralovstvi Ceskeho. (Die Memoiren des Job. Jenik von
Literatur. ■['J^
Bratfic (l756 — 1845) in der Bibliothek des Böhmischen Mu-
seums). S. 305 — 323, 442 — 462. Sie bilden eine Ergänzung jener
Memoiren und Aufzeichnungen Jeniks, die in der Neubergischen Bibliothek
in Prag aufbewahrt werden. Die 7 Theile enthalten zumeist Bohemica
aus alten Büchern und Handschriften gesammelt, viel Material zur Ge-
schichte der Jesuiten in Böhmen und der Zeit nach der Weissenberger
Schlacht, zur Adels-, Kultur- und Literargeschichte des Landes. Seine
Aufzeichnungen und Extracte beziehen sich aber weiters auch auf seine
Zeit, die Eegierung Maria Theresias, K. Josefs, Franz I. — Vaclav Von-
dräk, Novejsi präce o cinnosti slovanskfch apostolü sv. Cyrilla a
Methodia. (Neuere Arbeiten über die Thätigkeit der
slavischen Apostel des h, Cyrill und Method). S. 324 — 352.
V. beginnt mit einem kritischen Referat über J. Friedrichs für die Ge-
schichte der Slavenapostel so bedeutungsvollen Arbeit; »Ein Brief des
Anastasius bibliothecarius an den Bischof Gaudericus von Velletri über die
Abfassung der »»Vita cum translatione s. Clementis Papae*^^ Eine neue
Quelle zur Cyrillus- und Methodiusfrage^''. Doch tritt V. den Haupt-
ansichten Friedrichs durchaus entgegen, so bezüglich des späten Alters
der italischen Legende, in der Beurtheilung der Vita Constantina, der
Briefe P. Stephans V. u. P. Johanns VIll. V. steht vielmehr auf dem
Standpunkt Lapötres »L'Europe et le S. Siege ä l'epoque caroUngienne.
I. partie: Le Pape Jean VIII. 872 — 882*, dessen Annahme, dass beide
Briefe echt seien, er beistimmt. »Lapötres Schrift macht überhaupt einen
sehr guten Eindruckes ist das Gesammturtheil. Was Karl Goetz' »Ge-
schichte der Slavenapostel etc.* anlangt, so führt er deren Inhalt und
Goetz's Beweisführung ziemlich genau vor, weicht aber auch von dessen
Ansichten besonders was die Fälschung des Briefes P. Johanns VIII. be-
trifft, beleutend ab. — J. V. Präsek, Benätcan Marco Polo a cesty
jeho. (Der Venetianer Marco Polo und seine Reisen). S. 401
— 415, 497 — 515. Den Anlass zu dieser eingehenden Darstellung der
Reisen Polos auf Grund der verschiedenen Editionen von Polos Büchern
bildete wohl der Umstand, dass sich in der Pi'ager Museumsbibliothek
eine von der fremden Literatur bisher nicht beachtete Uebersetzung von
Polo's Milion befindet, eine Abschrift, die nach einer böhmischen Original-
übersetzung, die unter K. Georg v. Podebrad in Lettowitz in Mähren her-
gestellt sein soll, verfertigt ist. — Josef Cvrcek, Archiv Jednoty bratrske
V Herrnhute. (Das Archiv der Brüder-Unität in Herrnhut).
S. 415 — 441. Bietet eine Geschichte des Archivs und genaue Inhalts-
angabe der 14 Hauptfolianten, sowie der Drucke u. sonstigen Archivalien.
Vgl. hiezu A. Glitsch, Das Archiv und die Bibliothek der Brüdei'-Unität
in Herrnhut. 1877. und Dsl.. Versuch einer Geschichte der bist. Samm-
lungen der Brüder-Unität, 1891. — Josef Sakaf, Solni komora v T^ne
nad Vltavou. (Die Salzkammer in Moldautein). S. 516 — 525.
Die Salzzufuhr verursachte schon im 14. Jahrh. Zwistigkeiten vornehmlich
zwischen Pisek und Moldautein. Erst unter K. Ferdinand I. kam es zu
festen Niederlagen von Gmundner Salz in Budweis und in Moldautein.
Hiedurch wurde die alte Salzstätte von Prachatitz schwer geschädigt, die
aus Baiern über Passau ihr Salz bezog. Der Aufsatz unterrichtet über
die Einrichtung, Zufuhr, Niederlage, die Beamten der königlichen Salz-
172 Literatur.
kammer, über den Umfang des Geschäftes bis zum J. 1747- — V. J.
Novacek, M. Adam Rozacin z Karlsperka. (S. 540 — 543). Er
war Anfang des 17. Jhds. Bürger in Schüttenhofen, 1613 Bürgermeister,
von ihm hat sich im dortigen städtischen Museum ein »Register der* Ein-
nahmen und Ausgaben von und für die Schüttenhofner Unterthanen* vom
J. 1618 erhalten, darin u. a. ein nicht uninteressanter Aufsatz »Ueber die
Verwaltung (spräva) der Unterthanen*. — Karel Läbler, Pisafi pfi obci
Chrudimske od r. 1439 ai do r. 1664. (Stadtschreiber von Chrudim
von 1439 — 1664). S. 544 — 547. Ein in ein »Liber contractuum ruber*
(angelegt um 1600) eingetragenes Verzeichnis mit späteren Nachträgen.
— In den »kleinen Beiträgen* finden sich Notizen über »Jakob Chimar-
rhaeus'^'' Hofkaplan K. Eudolfs II. und Vorstand des Chorus musicus in
der Hofkapelle, einen geborenen Holländer (S. 7 9 ff.) ; über » Ulrich Prefats
Testament aus dem J. 1565* (S. 82 ff.); Verse »Ueber die unglückliche
Rebellion und den Krieg in Böhmen im J. 1618* von Wenzel Heinrich
Patocka d. Ae., Kaiserrichter in Königinhof um das J. 1677 (S, 268 ff.);
Notizen über eine fi^anzösische Schrift über Zi^ka a. d. J. 1685, betitelt
»Ziska le redoutable aveugle . . .* (S. 385 ff.): ein interessanter Brief
des Mag. Sigmund Podkostelsky, Schulleiter in Laun an den Rath von
Schüttenhofen, in welchem er sich entschuldigt, dass er die Leitung ihrer
Schule niedergelegt habe, vom J. 1619 (S. 476 ff.).
V. Ö e s k y c a s o p i s historicky . (Böhmische historische Zeit-
schrift). Hrg. von Dr. J. GoU und Dr. A. Rezek.
Jahrgang" I (1895). Heft 5 und 6. Josef Müller, Mikuläs
Rutze, valdenskf pfekladatel Husovych spisu. (Nikolaus Rutze, ein
waldensischer Bearbeiter der Schriften Hus'). S. 281 — 287.
Er lebte Ende des 15. Jhd. und Anfang des 16. in Rostock, seinem Ge-
burtsort, 1485 wurde er Magister an der dortigen Universität. In Flacius'
>Catalogus testium veritatis* finden sich verschiedene Nachrichten über
sein Leben. Unter dessen Schriften nennt Flacius auch »De triplici funi-
culo*, das sich als eine Bearbeitung von Husens »Proväzek tfipramenny«
erweist, allerdings in waldensischem Sinne. Eine Nachricht des Predigers
Martin Reinhart von Eivelstat macht weiters wahrscheinlich, dass Rutze
oder Rus verschiedene husitische Handschriften im Original oder in Ueber-
setzungen besass. Wichtig ist, dass Rutzens Bearbeitung vom Ende des
XV. Jahrb., die sich im Druck erhalten hat, älter ist als der älteste Druck
(1545) des Werkes von Hus, daher für die Textkritik von Belang. —
Josef Susta, Zavis z Falkenstejna. (Zawisch von Falkenstein).
S. 287 — 298, 384 — 392. Im 3. Capitel dieser aus den früheren Heften
fortgesetzten Arbeit, betitelt »Zawisch und Kunigunde* sucht der Verf.
die Beziehungen beider zu einander rein aus den politischen Verhältnissen,
ihrer Gegnerschaft gegen Otto v. Brandenburg zu erklären. Erst auf
ihrem Witwensitze in Grätz bei Troppau, wohin er mit vielen anderen
böhmischen Adligen gekommen, habe sie ihn kennen und lieben gelernt.
Die weitere Darstellung des Verhältnisses Zawisch's zum K. Wenzel, seine
Heirat mit Kunigunde, das Verhältnis zu den Habsburgern, die Ehe mit
Elisabeth von Ungarn ohne wesentlich neues zu bieten. Den >>Fall Za-
wisch's« (4. Theil) führt der Verf. zurück auf seinen Gegensatz zur jungen
Literatur..
173
habsburgischeu Königin Jutta und auf die natürliche durch Z's. üeber-
hebung hervorgerufene Gegnerschaft gegen einen grossen Theil des böh-
mischen Adels. Beim tragischen Geschick Z's. handelt der Verf. von der
Unglaubwürdigkeit der Detailschilderung im Ottokar und über die Un-
sicherheit des Datums seiner Gefangennahme. — Max Dvofäk jun.
»Hrabata Slikove a jich archiv v Kopidlne. (Die Grafen von Schlick
und ihr Archiv in Kopidlno)«. S. 298—307. Der Aufsatz ver-
folgt die Lebensgeschichte des Hauses Schlick in grossen Zügen und
charakterisirt hiebei das über die einzelnen Perioden vorhandene Material.
Besonders wichtig ist die Correspondenz Heinrich Schlicks, des Gegners
Wallensteins, mit dem Kaiser und anderen Personen. Die wichtigsten
politischen Akten werden angeführt und registrirt. — B. Bernau,
Sedläckovy »Hrady, zämky a tvrze eeske«. (Sedläceks »Burgen'
Schlösser und Festen in Böhmen«). S. 307 — 327. Eine°ein-
gehende Würdigung dieses grossangelegten und mit wissenschaftlicher
Gründlichkeit gearbeiteten Werkes, von dem bereits 10 Theile erschienen
sind,^denen noch etwa 6—7 folgen sollen. — Hyn. Kollmann, Nekterä
pfispevky ke smlouve göllersdorfske uzavfene v pficine druheho gene-
ralatu Valdstynova. (Einige Beiträge zum Göllersdorfer Ver-
trag, geschlossen aus Anlass des 2. Generalats Wallen-
steins). S. 347—371. Der Verf stützt seine Ausführungen auf neues,
von Gindely und Schebek in dieser Frage nicht benutztes Material, ins-
besondere auf die Berichte des Gesandten Nikolaus Sacchetti aus Florenz
(aufbewahrt im Staatsarchiv in Florenz). — Frant. Mar es, Padelant§
diplomy Eo2mberske. (Die gefälschten Rosenberger Diplome).
S. 371 — 384. Vgl. darüber Mitth. des Instituts 19, 391. — In den
»Miscellen« stellt B. V. Koneeuy fest, dass bezüglich des ersten Bischofs
von Leitomischl in den Chroniken und Urkunden keine Uebereinstimmung
herrsche, und neben dem allein richtigen Johann v. Klosterbruck bei
Znaim auch noch der bisherige Abt v. Leitomischl genannt werde und
überdies bei einigen Schriftstellern die Ansicht ausgesprochen sei, als ob
der Abt Johann v. Leitomischl auch Abt von Klosterbruck gewesen sei.
A. Eezek referirt über die I{eue Organisation der staatlichen Archive
Oesterreichs nach dem Staatsvoranschlag von 1896.
Jahr^ail^ II (1896). Jaroslav GoU, Sv. Frantisek z Assisi.
(Der h. Franz v. Assisi). S. 1 — lO. Der kurze, schön ge-
schriebene Aufsatz will zeigen, welcher Natur Franz von Assisi war und
worin er seine Aufgabe sah; er legt daher ein Hauptgewicht auf die
erste Entwicklung der »Bruderschaft« und betont, dass die Gründung des
Franziskanerordens, wenn auch nicht gegen seinen Willen geschah, so doch
vieles hiebei ohne sein Zuthun sich ausbildete. Den unmittelbaren Anlass
zu dieser Studie bot Paul Sabatier' Buch »Vie de S. Fran9ois d'Assise«
(1894), das er dahin charakterisirt, dass es eigentlich Geschichte und Le-
gende zu einem kritischen Gesammtbilde vereinigen wollte, schliesslich
aber weder eine Geschichte noch eine Legende des Heiligen darstellt.
Vaclav Novotnf , Husüv gleit. (Husens Geleit). S. 10—24, 67—
86, 146 — 171. Der Verf. begann seine Arbeit ohne vorerst P. Uhlmanns,
K. Sigmunds Geleit für Hus und das Geleit im Mittelalter (lS94) zu
kennen. Er kam im wesentlichen zu denselben Resultaten und kürzte
j^74 -Literatur.
daher seine Ausführungen in jenen Punkten, in denen er eine Ueber-
einstimmung mit U. wahrnahm und führte nur die etwaigen Differenzen
und Ergänzungen gegenüber U. weiter aus. — J. A. Fridericia,
Danskä literatura historickä za poslednlch deset let. (Die dänische
historische Literatur in den letzten 10 Jahren 18.S5 — 1895).
S. 24 — 30. — Josef Cvreek, Antonln Brus z Mohelnice. (Anton
Brus von Müglitz). S. 30 — 39. Bietet neue Ergänzungen zur Lebens-
geschichte des im Titel genannten Erzbischofs von Prag geb. 1 ,5 1 8 in
Müglitz, gest. 1580. — J. Polivka, Correspondence P. J. Safafika s
0. M. Bodjansk;fm a V. J. Grigorovicem. (Correspondenz P. J. Sa-
fafiks mit 0. M. Bodjansky und V. J. Grigorovic). S. 87 — 91.
Nachträge zur Ausgabe der Briefe Saf. mit verschiedenen Gelehrten. —
Florian Horut a Zdenek V. Tobolka, Johannes Sleidanus a ceske
povstäni r. 1547. (J. Sl. und der böhmische Aufstand vom
J. 1547). S. 91 — -94. Im Kampfe des Kurfürsten Friedrich v. Sachsen
und des Landgrafen Philipp von Hessen als Mitglieder des Schmalkaldi-
schen Bundes gegen K. Karl V. und K. Ferdinand L, den Sleidan im
18. u. 19. Buch seiner Commentarii schildert, stellten sich die böhmischen
Stände grösstentheils auf die Seite der Gegner des Kaisers. Sleidanus
benützte für seine Darstellung die noch heute erhaltenen »Akta aller
Handlungen, so sich zwischen . . . Herrn Ferdinanden . . . und etlichen
Personen aus den Herren, Kitter und Burger Stande der Krön Behaim des
vergangenen 1547 Jahrs verloffen^S die K. P'erdinand selber veranlasste
und in Druck legen Hess, daneben aber auch die Registratur des sächsi-
schen Kurfürsten, heute in Weimar. — Jaroslav Eott, Relace i depese
benätskych vyslancuv 16. stoleti a ceske dejiny. (Relationen und
Depeschen der Botschaften Venedigs im 16. Jahrhundert
und die Geschichte Böhmens). S. 94 — 105. Beschäftigt sich
hauptsächlich mit der Finalrelation des Sekretärs Massaro vom 5. Octob.
1523 und mit der Rede des Gesandten Orio vom 22. Dez. 1523 über
Böhmen enthalten in den »Diarii^^ des Marino Sanuto, und mit den ersten
beiden Bänden der von der k. Akademie in Wien herausgegebenen
»Dispacci^S die für die Geschichte des böhmischen Aufstandes vom J. 1547
eine wichtige Quellen bilden. — Boh. Navrätil, Pfispevky k dejinäm
arcibiskupstvi Olomouckeho. (Beiträge zur Geschichte des 01-
mützer Erzbistums). S, 135—146. Eigentlich bloss ein genauer
Hinweis, in wie mannigfacher Hinsicht d'Elverts »Zur Geschichte des
Erzbisthum-s Olmütz* unzulänglich ist. — Ant. Rezek, Michajl Ba-
kiinin. S. 171 — 180- Im Anschluss an die Publication „Michail Ba-
kunins Sozial-politische Briefwechsel mit Alex. Iw. Herzen und Ogarjow«
in Schümanns »Bibliothek russischer Denkwürdigkeiten <^ verschiedene auf
das Leben und schriftstellerische Wirken Bakunins (f 187 6) bezügliche
Nachrichten. — Jas. Susta, Kriticke pfispevky k dejinäm Pfemysla
Otakara II. (Kritische Beiträge zur Geschichte Pfemysl
Ottokars II.). S. 203 — 209. Der erste Beitrag handelt über die Theil-
nehmer an der Erhebung gegen den König im J. 1276; der zweite über
das ziemlich wertlose im 15. Jhd. entstandene Gedicht über »K. Pfemysl
Ottokar und Zawisch«. — Jaroslav Stastn;f, Z Athen. (Aus Athen).
S. 209 — 224. Beleuchtet die daselbst bestehenden fremdländischen In-
Literatur. ;[75
stitute zu archäologischen und historischen Studien. — Josef Müller,
Jan Slerka. (Johann Slerka). S. 224 — 239. Slerka gehört einem
Eeste der um Policka herum in Böhmen und Mähren lebenden »Böhmischen
Brüder* an, die sich daselbst bis ins 18. Jahrh. geheim erhielten und erst
im J. 175.5 nach dem zweiten schlesischen Krisge zuerst nach Ungarn,
dann nach Schlesien und Polen auswanderten, um in der Fremde zugrunde
zu gehen. Einige seiner Briefe, die in der Beilage mitgetheilt werden,
lateinisch und böhmisch, geben hierüber Aufschluss. Vergebens plante S.
die zerstreuten Beste zu einer neuen Gemeinde nach den alten Grund-
sätzen zu vereinigen. — Max Dvofäk jun., Process Jifiho z Lobkovic.
(Der Prozess Georgs von Lobkowitz). S. 271 — 292. Haupt-
sächlich auf Grundlage eines in der Beilage aus dem Wiener Staatsarchiv
abgedruckten Berichtes K. Rudolfs an Erzh. Ferdinand über den Process
und durch Darlegung der Verhältnisse am Hofe Rudolfs, als Lobkowitz
daselbst die ganze Macht in seinen Händen hatte, sucht D. zu erweisen,
dass es sich bei diesem Prozess nicht so eigentlich um ständische Kämpfe
handelte, in welchen Lobkowitz unterlag, somlern um Hofintriguen, die
Lobkowitz selber in aller erster Linie anzettelte. — Jaroslav Vrchlicky,
Posledni poesie Markety Navarrske. (Die letzten Poesien Marga-
rethens von Navarra). S. 293 — 297. — Jaroslav Rott, Pfemysl
Otakar IL. a vefejne mineni jeho doby. (Pfemysl Ottokar IL und
die öffentliche Meinung seiner Zeit). S. 297 — 308. Eine ver-
dienstliche Zusammenstellung zahlreicher theils gereimter theils prosaischer
Charakteristiken Ottokars bei gleichzeitigen Schriftstellern, die wenigstens
in übertragenem Sinne als »die öffentliche Meinung« angesehen werden
dürfen. — Frant. Hybl, Pocätky Minoritü v Cechäch a na Morave. (Die
Anfänge der Minoriten in Böhmen und Mähren). S. 335 —
345. Schon in einer Urkunde vom 4. Februar 1230 (über deren Zuver-
lässigkeit sich aber der Verf. nicht äussert) ist die Eede vom »ordo
fratrum Minorum in Olomucz«, 1232 sind sie in Prag bereits im eigenen
Hause, dort entstanden noch zwei andere Convente, dann folgen König-
grätz und Leitmeritz, Kaaden, Brüx und noch weitere sechs bis zum
J. 1300; ferner in Mähren ausser Olmütz noch Brunn, Znaim, Iglau,
Troppau und Jägerndorf'. Auch der Orden der h. Klara hatte schon bis
1300 in beiden Ländern mehrere Klöster aufzuweisen. — Frant. Mares,
Pameti Tfebonske a jich spisovatel. (Die Denkwürdigkeiten von
Wittingau und ihr Verfasser). S. 346 — 358. Geschrieben von
einem Wittingauer Bürger Laurenz Benedikt Metzer (nicht Meyer, wie
man bisher annahm), geboren 1603, bilden sie wegen ihrer Unzuverlässig-
keit nur eine sehr zweifelhalte Quelle, zeichnen sich aber durch schöne
Sprache aus und bieten über den Verf. selbst sowie über das Geschlecht
der Rosenberge mancherlei Nachrichten von Intei'esse. Theile derselben
sind schon früher edirt worden. — Arnost Kraus, Meissnerüv »Zizka*^^
(Meissners »Zizka«). S. 358 — 378.
Jalirg'ang III (1897). Frant. Pastmek, Nova kniha o dobe
cyrillo-methodejske. (Neue Bücher über die Zeit Cyrills und
Methods). S. 1 — 12. P. bespricht hauptsächlich A. Lapötre's »L'Europe
et le S. Siege a l'epoque carolingienne*, wo der mährischen Frage und
besonders auch den einander entgegenstehenden Briefen P. Johanns VIIL
176 Literatur.
und Stephans V. wegen Anerkennung oder Verwerfung der slavischen
Liturgie eingehende Kritik gewidmet wird und die Geschichte der
Slavenapostel Konstantinus und Methodius von Karl Goetz, der als alt-
katholischer Pfarrer auf einem ganz anderen Standpunkt steht, als der
gelehrte Jesuit. — Frant. Jaros, Antisemitismus v klassicke literatufe.
(Der Antisemitismus in der klassischen Literatur). S. 12 — 33.
Aufgebaut ist diese Studie auf der Publication Th. Reinachs, Textes
d'auteurs grecs et romains relatifs au Judaisme. 1895. — Felix Koneczny,
Historiografie polskä V poslednich letech. (Die polnische Geschichts-
schreibung in den letzten Jahren). S. 34 — 43, 73 — 86. Ein
kritischer Ueberblick der bedeutendsten Erscheinungen von der ältesten
Zeit bis ins 18. Jahi'h. — Jar. Vrchlick}', Messer Brunetto Latini,
Dantuv pfedchudce a ucitel. (Messer Brunetto Latini, Dantes
Vorgänger und Lehrer). S. 65 — 72, 133 — 146, 201 — 212, 265 —
274. Fr. Drtina, Francouzske skolstvi vyssi za doby revoluce. (Das
französische höhere Schulwesen zur Zeit der Revolution).
S. 86 — 92, 160—177, 222 — 241, 288—302. — Josef Pekaf, Spor o
Individualismus a kollektivismus v dejepisectvi. (Der Streit zwischen
Individualismus und Kollektivismus in der Geschichts-
schreibung). S. 146 — 160. Ein Referat über die durch Lamprecht
hervorgerafenen geschichtsphilosophischen Fragen und in gewisser Be-
ziehung eine Stellungnahme zu denselben. — Lubor N i e d e r 1 e , P a 1 a-
ethnologie Evropy. S. 212 — 222. Der Anfang eines bealjsichtigten
jährlichen Referats über dieses Gebiet. — Josef Cihula, Martin Luther
a Cechove podoboji. (Martin Luther und die böhmischen Utra-
q nisten). S. 274 — 288, 329 — 349. Das Verhältnis Luthers zu Hus
und den böhmischen Religionsparteien wird hier abermals eingehend dar-
gestellt, ohne dass aber der Verf. zu anderen Resultaten gelangte, als die
früheren darüber handelnden Arbeiten, besonders Goll. — Jan Krejci,
Vliv pomerü cirkevnich a stätnich na literatui'u staronemeckon. (Der E i n-
fluss der kirchlichen und staatlichen Verhältnisse auf die
altdeutsche Literatur). S. 302 — 315. — Frant. Machat. Spo-
lecenske fädy Novokftencu na Morave. (Der Communismus der
Mährischen Wiedertäufer). S. 349 — 358. Im wesentlichen ein kri-
tisches Referat über J. Loserths »Doktor Balthasar Hubmaier*, »der Com-
munismus der Mähr. Wiedertäufer im 16. u. 17. Jhd. << und »Der Com-
munismus der Huterischen Brüder in Mähren ^^ — Gustav Friedrich,
Kodex Tisnovskf. (Der Codex Tischnovicensis). S. 359 — 372.
Es handelt sich hier um den Versuch eine von Boczek im Codex diplo-
maticus et epistolaris Moraviae Bd. I — V öfters angeführte Quelle, die
thatsächlich heute nicht mehr auffindbar ist, als eine Fälschung Boczeks
zu erweisen. Der Verdacht wurde auch schon früher ausgesprochen.
Friedrich hat allerdings versucht, alle Anhaltspunkte, die für eine Fälschung
sprechen könnten, zusammenzustellen ; vollkommen beweiskräftig sind diese
Momente aber doch nicht. — E. Albert, 0 Prokopu Divisovi. (Ueber
Prokop Divis). S. 37 2 — 375. Bestimmung des Geburtsjahres des vor-
franklinischen Erfinders des Blitzableiters, 1698 März 26, im Gegensatz zu
Pelzls Angabe 1696 Aug. 2 nach dem Album des Znaimer Gjannasiums und
der Senftenberger Matrik. — Von kleineren Aufsätzen sind hervorzuheben.
Literatur. 177
Jar. Vlcek, Proti revoluce francouzske. (Gegen die französische
Eevolution). S. 92 ff. V. weist hin auf mehrere böhmisch geschriebene
Brochuren aus dem Ende des 1 8. Jhd., die den Ideen der französischen Revo-
lution entgegenzutreten suchen. — Jos. Teige (S. 97) bringt den Nachweis,
dass die zumindest interpolirte Urkunde K. Ottokars I. dd» 1222, Dez. 16,
die Hammerschmidt im J. 1700 abdruckte, schon 1671 in ein Prager
Kopialbuch eingetragen wurde. — J. V. Simäk (S. 177 ff.) berichtet
über das neu eingerichtete Stadtarchiv in Türnau, — Ladislav KHcman,
(S. 246 ff.) weist gegen Tadra nach, dass Nicolaus gen. Efficax von
Luxemburg, Notar und Rath K. Johanns und Karls lY., und Nikolaus von
Böhmen, der natürliche Sohn K. Johanns, Bischof von Naumburg und
Patriarch von Aquileja nicht identisch, sondern zwei verschiedene Personen
sind. — Jaromir Celakovsk^ (S. 249 ff.) bringt aus dem Landtafelamt
den Abdruck des Originals des Majestätsbriefes K. Friedrichs von der
Pfalz für die böhmischen Stände dd<^ 1619, Dezember 2, Nürnberg. —
J. Valchäf (S. 375 ff.) über ein Urbar der Malteserherrschaft in Ober
Kralowitz, angelegt 1697.
Brunn. Berthold Bretholz.
Notizen.
Festgaben zu Ehren Max Büdingers betitelt sich ein statt-
licher Band, den Freunde und Schüler Büdingers zu dessen siebzigstem
Geburtstage am l. April 1H98 dargebracht haben (Lmsbruck, Wagner
1898). Der mannigfache Inhalt spiegelt die fast einzig dastehende Viel-
seitigkeit Büdingers als Forscher und Lehrer wieder. Wir können uns
hier bloss auf die Verzeichnung der Beiträge beschränken; sie sind:
J. Krall, Vom König Bokchoris; Thomas Friedrich, Nineves Ende
und die Ausgänge des assyrischen Reiches; Heinrich Swoboda, Zum
griechischen Staatsrecht; Adolf Bauer, Der Brief Alexanders d. Gr. über
die Schlacht gegen Porus ; Hans W i r z , Sallustius in Ciceronem, ein clas-
sisches Stück Anticicero ; Rudolf v. S c a 1 a , Doxographische und stoische
Reste bei Ammianus Marcellinus ; Robert v. Nostitz-Rieneck, Zum
päpstlichen Brief- und Urkundenwesen der ältestem Zeit; Karl Dänd-
liker. Universalhistorische Anknüpfungen der Zürfeher Geschichte vom 8.
bis 13. Jahrhundert; G. Meyer v. Knonau, Der Verfasser des »Liber
de unitate ecclesiae conservanda « ; Oswald Redlich, Habsburg, Ungarn
und Sicilien und ihre ersten Beziehungen; Alfons Dop seh, Zur deut-
schen Verfassungsfrage unter König Rudolf von Habsburg; P. Schweizer,
Habsburgische Stadtrechte und Städtepolitik; J. Brunner, Die Ordnungen
der Schule der Propstei Zürich im Mittelalter ; R. T h o m m e n , Eine bischöf-
liche Steuer in der Diöcese Konstanz; M. Tan gl, Die päpstlichen Re-
gister von Benedict XII. bis Gregor XL; Karl Uhlirz, Zur Kunde öster-
reichischer Geschichtsquellen; Hans v. Voltelini, Zur Geschichte des
ehelichen Güterrechtes in Tirol; Th. Fellner, Ueber einen Widerspruch
zwischen dem „Pactum mutuae successionis « von 1703 und der prag-
matischen Sanction von 1713; H. Schlitter, Verfassung und Verwaltung
Mittheilungen XX. 12
j'i'g Notizen.
der belgischen Provinzen beim Regierungsantritt Josephs II.; 0. Hun-
ziker, Pestalozzi, französischer Bürger; Wilhelm Oechsli, Lebzeltern
und Capo d' Istria in Zürich; Alois Riegl, Kunstgeschichte und Uni-
versalgeschichte; Franz W ick hoff, Ueber die historische Einheitlichkeit
der gesammten Kunstentwicklung".
Die »Beiträge zur alten Geschichte und Geographie^S
Festschrift zw Ehi-en von Heinrich Kiepert (Berlin 1898 bei Reimer),
enthalten zwei für die Organisation Italiens in der römischen Kaiserzeit
wichtige Untersuchungen : Th. M o m m s e n » üie italischen Regionen « und
j. Bartsch »Der hundertste Meilenstein^^ (mit einer Karte). H. Geizer
gibt »Geographische Bemei"kungen zu dem Verzeichnis der Väter von
Nikaea*^^, im Anschlüsse an die Ausgabe desselben: »Patrum Nicaeno-
rum nomina latine, graece, coptice, syriace. arabice., armeniace sociata
opera ediderunt H. Geizer, H. Hilgenfeld, 0. Cuntz^^ Leipzig bei
Teubner 1H98. Mit einer Karte, zu der die » Bemerkungen <^ für die Pro-
vincialeintheilung im 4. Jahrhundert wichtigen Commentar bilden, während
zugleich die Ueberlieferung der Bischofslisteu und der ersten Concilien
überhaupt kritisirt wird .Ausserdem haben W. Tomaschek, A. v. Do-
maszewski. 0. Benndorf, mehrere Theilnehmer der österreichischen
Expedition nach Kleinasien, so Heberdey, Kaiinka, Kubitschek,
u. A. Beiträge zur Geographie beziehungsweise Topographie des Orientes
geliefert. 0. Hirschfeld behandelte den »Namen Germani bei Tacitus
und sein Aufkommen bei den Römern*, K. Zangemeister » Zur
Geographie der Rheinlande bei Ptolomaeus II, 9 § 9*, E. Hübner, »Die
Nordwest- und die Südwestspitze von Hispanien*, K. Kretschmer den
»Globus Johannes Sthöner's vom J. 1520*. Die vorsichtigen Erwägungen
von H. Hirt über »die sprachliche Stellung des Illyrischen* sind für die
Ethnographie der Balkanhalbinsel und der anstossenden Landschaften von
Bedeutung. J. J.
Die Festschrift zum elfhundert jähr igen Jubiläum des
deutschen Campo Santo in Rom, dem derzeitigen Rector Monsig-
nore De Waal gewidmet von Mitgliedern und Freunden des Collegiums,
berausg. von Stephan Ehses (Preiburg i. B., Herder 1897) brachte ein
reiches Bündel vielfach wertvoller Gaben archaeologischen und geschicht-
lichen Inhalts zu der seltenen Feier der alten weitbekannten Stiftung.
Der Inhalt der Festschrift ist folgender: P. Wehofer, Das KTPIE
KAEHSON bei Epiktet Diss. II 7, 12. P. Kirsch, Die christlichen
Caltusgebäude in der vorkonstantinischen Zeit. L. Jelic, Anastasius cor-
nicularius, der Märtyrer von Salona. Seb. Merkle, Prudentius Ditto-
chaeum. Alb. E h r h a r d , Die Legendensammlung des Simeon Metaphrastes
und ihr uisprünglicher Bestand. H. Grisar, Das römische Pallium und
die ältesten liturgischen Schärpen. Bruno Albers, Hirsau und seine
Gründungen vom Jahr 1073 an. Stapper, Die Summulae logicales des
Petrus Hispanus und ihr Verhältnis zu Michael Psellus. Fr. X. Glasr
Schröder, Zur Geschichte des Archidiaconates. H. V. S a u e r 1 ;i n d ,
Eine Urkunde der Camera apostolica vom Jahre 1218. B. M. Reichert,
Das Itinerar des zweiten Dominikanergenerals Jordanis von Sachsen. P. M.
Notizen. 179
Baumgarten, Die Cardinalsernennungen Cölestins V. im September und
Oetober 1294. C. Eubel, Die während des 14. Jahrh. im Missionsgebiet
der Dominikaner und Franziskaner errichteten Bisthümer. G. Schmid,
Itinerarium Johanns XXIII. zum Concil von Konstanz 1414. J. Schlecht,
Sixtus IV. und die deutschen Drucker in Eom. K. Miller. Zur Ge-
schichte der Tabula Peutingeriana. A. Hackenberg, Zu den ersten
Verhandlungen der S. Congregatio Cardinalium Concilii Tridentini Inter-
pretum (l564 — 65). W. E. Schwarz, Ein Gutachten des bayr. Kanzlers
S. Eck gegen die officielle Duldung des Protestantismus in Oesterreich
(1568). St. Ehses, Jodocus Lorichius, kath. Theologe und Polemiker
des 16. Jahrh. K. Unkel, Die Kölner Congregatio ecclesiastica für die
Eeform der Erzdiöcese. A. Pieper, Instruction und Relation der Sen-
dung des Cardinais Millino als Legaten zuia Kaiser (1608). Schnitzer,
Urbans VIII. Verhalten bei der Nachricht vom Tode des Schwedenkönigs.
K. M. Kaufmann, Altchristliches vom obergermanisch-rhätischeii Limes.
A. Sauer, Des Macarius Magnes Homiliae in Genesim. J. A. Endres
und A. Ebner, Ein Königsgebetbuch des elften Jahrhunderts.
Dem 1. Heft der Ueb er sieht über den Inhalt der kleineren
Archive der Rheinprovinz von Dr. Armin Tille (vgl. Mitth. des
Instituts 18, 209) folgten 1897 und 1898 zwei weitere, welche die
Kreise München-Gladbach-Stadt und Land, Grevenbroich, Bergheim, Düssel-
dorf-Stadt und Land, Bonn-Stadt und Land, Eheinbacb und Euskirchen
behandeln. Der Erfolg dieser rheinischen Archivbereisung kann nur aufs
neue die Notwendigkeit und Erspriesslichkeit zielbewusster Fürsorge für
die kleineren Archive bestätigen, eine Forderung, der Tille auch ge-
legentlich der Generalversammlung der deutschen Geschichts- und Alter-
thumsvereine in Münster im Oetober 1898 in einem Vortrag Worte ge-
liehen hat. Es ist doch stets aufs neue überraschend, wie reiches und ab
und zu weit zurückreichendes Material zum Vorschein kommt. Und wir
lernen dies locale Material immer mehr in seinem Werte schätzen und
verwei-ten. Eine Fülle von Weistümern und verwandten Archivalien, von
Urbaren, von ßechnungsbüchern, von gerichtlichen und Verwaltungsacten
dieser nördlichen Theile der Rheinprovinz ist doch noch trotz mancher
Verluste vorhanden. Die Urkunden reichen verhältnissmässig vielfach ins
13. und 12. Jahrhundert zurück (vgl. S. 46, 57, 83, 96, 114, 131 S.
166 ff., 174). In dankenswerter Weise sind eine Reihe von Archivalien
in Privatbesitz verzeichnet, unter denen Familienarchive wie die auf Schloss
Harff, auf Burg Vilich u. a. gerade besonders interessantes Material bieten.
Die Bearbeitung ist übersichtlich, sorgfältig und verständnisvoll. Die
öfters vorkommenden Charakterisirungen eines Archivs: »nichts bemerkens-
wertes-\ oder »keinerlei Archivalien vorhanden«, »keiaerlei ältere Archi-
valien« wären lieber zu vermeiden und durch bestimmte Angaben, wie
etwa: moderne Acten seit . . oder ähnliches zu ersetzen. Hie und da
wären genauere Daten erwünscht, z. B. S. 166 über das Alter einer un-
datirten Urkunde wahrscheinlich des 12. Jahrhunderts. Zu Kaiser- und
Papsturkunden (in der Pfarre Dietkirchen bei Bonn befindet sich z. B. ein
Original Heinrichs IL von 1015) wären die Nummern der Regesta imperii
und pontificum beizusetzen. — Eine wichtige Ergänzung zu dieser »Ueber-
12*
180 Notizen.
sieht <^ bilden die vom Historischen Verein für den Niederrhein im Ein-
vernehmen mit der Gesellschaft f. Rheinische Geschichtskunde in Angriff
genommenen Inventare umfangreicherer Archive des niederrheinischen Ge-
bietes. Dieselben werden in den Annalen des histor. Verein für
den Niederrhein publicirt. Im 59. und 64. Heft der Annalen (l894,
1897) sind bereits eine Eeihe von Stadtarchiven in sorgfältiger und
sehr dankenswerter Weise bearbeitet. Die Inventare sind zum Theil auf
Grund früherer Repertorisirungen (z. B. von Goerz) hergestellt, die aber
allenthalben nachgeprüft und ergänzt wurden. Helt 59 bringt die Inven-
tare der reichhaltigen Stadtarchive von Andernach, Duisburg und Linz a. Eh.,
Heft 64 von Kempen, Goch, Kaikar, Rees, Neuss und Düren. In Ander-
nach, Duisburg und Rees reichen die Urkunden ins 1 2. Jahrh. zurück.
0. R.
• Monumenta Germaniae historica.
Die 24. Plenarversammlung der Central direction der Monumenta Ger-
maniae historica wurde vom 18. bis 20. April 1898 in Berlin abgehalten.
Im Laufe des Jahres 1897 — 98 erschienen in der Abtheilung Auetores
antiquissimi : Chronica minor a saec. IV. V. VI. VII ed. Th. Momm-
s e n III, 4 (A. a. XIII, 4) ; in der Abtheilung Scriptores : L i b e 11 i de
lite Imperator um et pontificum saeculis XI et XII conscripti
III; in der Abtheilung Leges: Capitularia regum Francorum II
edd. Boretius et Krause.
In der Sammlung der Auetores antiquissimi ist als Abschluss
des 3. Bandes der kleineren Chroniken das von Dr. Lucas entworfene
Register hinzugekommen. Da hiemit diese ganze Reihe von Quellen ihr
Ende erreicht hat, hat der Herausgeber über dieselben einen zusammen-
fassenden Bericht erstattet. Als einen Nachtrag darf man die kritische
Handausgabe von Eugippius' Vita Severini betrachten.
Als ersten Halbband der Gesta pontificum Romano r um hat
Prof. Mommsen den ersten Theil des Liber pontificalis bis 715 bearbeitet.
Die Fortsetzung soll Prof. Kehr in Göttingen anvertraut werden.
In der Abtheilung Scriptores wird der 4. Band der Mero-
wingischen Geschichtquellen, bearbeitet von Archivar Kruseh in Hanno-
ver, im Herbste druckte rtig. Mit dem 3. Bande der Schriften zum
Investiturstreit ist diese Unterabtheilung vorläufig abgeschlossen. Eine
Fortsetzung bleibt vorbehalten. Prof. Holder-Egger setzte den Druck der
als Handausgabe erseheinenden Monumenta Erphesfurtensia saec. XII. XIH.
XIV. fort. Mit weiteren Vorarbeiten für den 31. Band, der die italieni-
schen Chroniken des 1 3- Jahrh. umfassen soll, wurde Dr. Eberhard be-
traut. In dem 3. Bande der deutschen Chroniken, den Werken Enikels,
hg. von Prof. Strauch wird der Druck wahrscheinlich in diesem Jahre zu
Ende geführt werden. Für den 6. Band, die österreichischen Chroniken,
hat Prof. Seemüller in Innsbruck weitere Handschriften verglichen. Für
die Sammlung der historischen Lieder und Sprüche ist Dr. Meyer in
Göttingen in der Herstellung der Texte begriffen.
Berichte. 131
In der Abtheilung Leges ist der 2. Band der fränkischen Capitula-
rien durch die angestrengte Bemühung von Zeumer und Werminghoff
zum Äbschluss gebracht worden. Eine Untersuchung über die Quellen
des Benedictus Levita wird Dr. Seckel als Vorläufer seiner Ausgabe ver-
öffentlichen. Für die grosse Ausgabe der Leges Visigothorum von Zeumer
beginnt demnächst der Druck. Die für die neue Bearbeitung des bairi-
schen Volksrechtes erforderliche Eeise nach Italien musste Prof. v. Schwind
abei-mals verschieben. Für die karolingischen Synoden hat Dr. Werming-
hoff das gedruckte Material durchgearbeitet und, von Hrn. Müller unter-
stützt, mit der Vergleichung von Handschriften begonnen. Für die Samm-
lung der fränkischen und langobardi sehen Gerichtsurkunden ist Prof. Tangl
in Berlin an die Stelle von A. Müller getreten. Dr. Schwalm in Göttingen
wird den Druck des 3. Bandes der Constitutiones regum et imperatorum
bald anfangen.
In der Abtheilung Diplomata wird der Druck der Urkunden Hein-
richs II. in diesem Jahre bis an das Ende der Texte gelangen. An Stelle
von Dr. Meyer ist neben Dr. Bloch als Mitarbeiter Dr. Holtzmann ein-
getreten. Für die Karolingerurkunden wurde das Material, namentlich
durch eine Reise von Prof. Dopsch nach Frankreich und Spanien nicht
unerheblich vermehrt, während Prof. Tangl in der gleichen Absicht die
Schweiz besuchte. An Stelle des Dr. Schedy trat Dr. J. Lechner als Hilfs-
arbeiter ein. Die Vorarbeiten für den ersten bis 814 geplanten Band
sind so weit gediehen, dass der Druck noch im laufenden Geschäftsjahre
voraussichtlich beginnen kann.
In der Abtheilung Epistolae hat der seit längerer Zeit ruhende
Di'uck des 2. Bandes des Registrum Gregorii wieder begonnen. Der
5. Band, welcher die karolingischen Briefe etwa bis zur Mitte des 9. Jahrh.
weiterführt, dürfte in Jahresfrist vollendet werden. Dr. Hampe ist aus
seiner Stellung als Mitarbeiter ausgeschieden. Neben ihm arbeitete seit
dem Herbst Dr. A. von Hirsch-Gereuth und neuerdings ist Hr. Alfons
Müller als zweiter Mitarbeiter eingetreten. Während die Papsturkunden
in diese Sammlung keine Aufnahme finden sollen, werden dagegen die in
die karolingische Zeit fallenden Register vollständig abgedruckt werden.
In der Abtheilung Antiquität es sind für den 2. Band der Ne-
crologia Germaniae mit Hülfe von Dr. Vancsa in Wien die Register dem
Drucke übergeben worden. Ein 3. Band (Freising, Brixen, Regensburg,
Passau) ist von Reichsarchivrath Baumann in München in Angriff genommen
worden. Eine besondere Ausgabe des Xantener Todtenbuches beabsichtigt
der frühere Mitarbeiter Dr. M. Meyer in Münster. Der Druck des 4. Bandes
der Poetae latini, beat-b. von Dr. P. v. Winterfeld, ist bis zum Drittel
etwa fortgeschritten.
Historische Kommission bei der kgl. bayer. Akademie
der Wissenschaften.
München, im Juli 1898. Die 39. Plenarversammlung hat in der
Pfingstwoche am 3. bis .5. Juni stattgefunden. Zum Vorstand der Kom-
mission wurde Hofrath v. Sickel, zum Secretär Prof. Heigel gewählt. Seit
^go Berichte.
der letzten Plenarversammlung sind folgende Publicationen erfolgt: All-
gemeine deutsche Biographie, Band 42, Lief. 4 und 5; Band 43,
Lief. 1 — 5; Band 44, Lief 1. Briefe und Acten zur Geschichte
des 16. Jahrhunderts 5. Band. Beiträge zur Geschichte Herzog Albrechts V.
von Bayern und des Landsberger Bundes 1556 — 1598, von Walter Goetz.
Jahrbücher des Deutschen Reichs: Kaiser Friedrich IL, von Eduard
Winkelraann, 2. Band (1228 — 1233). Geschichte der Wissen-
schaften in Deutschland, 18. Band., 3- Abth. ]. Halbband: Ge-
schichte der deutschen Rechtsv^rissenschaft von Ernst Landsberg. Deutsche
Reichstagsacten, 11. Bd., Deutsche Reichstage unter Kaiser Sigmund,
5. Abth. (1433 — 1435), hg. von G. Beckmann.
Der von Dr. Harre bearbeitete 10. Band der Reichstagsacten
älterer Serie, der im Wesentlichen den Romzug Sigmunds behandelt,
ist nahezu fertig gestellt. Gleichzeitig wird Dr. Beckmann die Arbeiten
für den 12. Band fortsetzen Die Arbeiten für die Reichstagsacten
der jüngeren Serie haben durch Berufung des Herrn Dr. Bernays
an das Strassburger Stadtarchiv eine Unterbrechung erfahren. Der Leiter
des Unternehmens, Dr. Wrede in Göttingen, hat vorerst allein die Ar-
beiten für den 3. Band übernommen und hofl't, um Weihnachten mit dem
Druck beginnen zu können.
Von der Geschichte der Wissenschaften in Deutschland
wird mit dem Druck der Geschichte der Geologie und Paläontologie von
Geheimrath v. Zittel in München bald begonnen werden können.
Die Arbeiten für die Chroniken der deutschen Städte nehmen
unter Leitung des Geh. Raths v. Hegel stetigen Fortgang. Prof. Hertel,
der Herausgeber des Urkundenbuches der Stadt Magdeburg, hat sich bereit
erklärt, die von weil. Dr. Dittmar begonnene Ausgabe der Magdeburger
Chroniken bis 1550 — 1551 nach neuem Plane zu vollenden. Die Fort-
setzung der Lübecker Chroniken hat Dr. Koppmann in Angriff genommen.
Die Jahrbücher des Deutschen Reichs unter Otto II. und
Otto III. hofft Dr. Uhlirz schon in nächster Zeit fertig zu stellen. Am
3. Bande der Jahrbücher Heinrichs IV. wird von Prof. Meyer von
K n 0 n a u fort gearbeitet, ebenso von Dr. Simonsfeld an den Jahrbüchern
Friedrichs I.
Die Allgemeine deutsche Biographie hat durch den Tod
V. Wegele's den zweiten Redacteur verloren; Fi-eih. v. Lilien cron be-
hält allein die Leitung. Das Werk reicht bereits bis X. Dem letzten
Bande sollen sofort die Nachtragbände und das Generalregister folgen,
mit dessen Ausarbeitung Kanzleisekretär Graap in Schleswig bereits be-
schäftigt ist.
Die ältere Bayrische Abtheilung der Witteisbacher
Correspondenzen ist zum Abschluss gekommen, doch behält sich die
Commission vor, später vielleicht auch Acten für die innere Geschichte
Bayerns unter Albrecht V. herauszugeben. Für die ältere Pfälzische
Abtheilung der Witteisbacher Correspondenzen liat. Prof.
V. Bezold archivalische Reisen nach Kopenhagen, Dresden, Mai'burg
und Wiesbaden unternommen. Der Abschluss der Materialsammlung wird
sich noch für 1898—99 erreichen lassen. Der jüngeren Bayrisch-
Pfälzischen Abtheilung der Witteisbacher Correspondenzen
Berichte. \^-^
lioffte der Leiter Prof. S t i e v e fortan seine ungetheilte Kraft widmen zu
können. Durch die Ernennung Dr. Chrousts zum Professor in Würz-
burg wurden seine Arbeiten unterbrochen, doch wird derselbe auch ferner
der Commission seine Dienste widmen ; immerhin wird der Druck des
11. Bandes einen Aufschub erleiden. Dr. Karl May r-D eisinger wurde
zum Secretär der k. bayer. Akademie ernannt, doch gedenkt auch er der
Commission seine Dienste nicht gänzlich zu entziehen. Es müssen noch
die Archive in Wien, Innsbruck, Nürnberg und Ulm besucht werden.
Dr. Altmann hat die Durchsicht der Dresdener und bayerischen Acten
für die Jahre 1624 — lfi2 7 fortgesetzt. Dr. Hopfen beabsichtigt eine
Eeise nach Brüssel. Dr. Freiherr v. Eglo ff stein hat seine Arbeiten in
dem Buche »Bayerns Friedenspolitik von 1645 — 1647'^^ abgeschlossen
und wird seine Sammlungen der historischen Commission übergeben. Um
den Fortgang des Unternehmens nicht zu stören, wollte Prof. Stieve auch
nach dem Verlust so wertvoller Mitarbeiter die Leitung des Unternehmens
nicht aufgeben. Fortan sollten Prof. Chroust und Secretär Mayr-Deisinger
die Bearbeitung der Jahre 1611 — 1613, bezw. 16 1 8 — 1620 behalten,
Stieve selbst die Drucklegung des 7. und 8- Bandes vorbereiten und
gleichzeitig ein neuer Mitarbeiter die Sammlungen für 1 6 1 4 — 1618
ergänzen.
Endlich wurde von iler Commission beschlossen, ein neues Unter-
nehmen ins Leben zu rufen: es sollen der Veröffentlichung würdige Briefe
der Humanisten zunächst aus dem heutigen Bayern herausgegeben
werden. Prof. v. Bezold erklärte sich bereit, die Kedaction zu über-
nehmen.
Gesellschaft für rheinische Geschichtskunde.
Seit der 1 6. Jahresversammlung gelangten zur Ausgabe : Geschicht-
licher Atlas der Rheinpi'ovinz 5. Lief. Die Eheinprovinz im Jahre 1789.
Uebersicht der Kreiseintheilung, von Dr. Fabricius, 1897. 6. Lief.
Erläuterungen. 2. Band: Die Karte von 1789 von demselben, 1898.
— Das Buch Weinsberg, Bd. IH, 1578 — 1587, bearb. von Friedr.
Lau. 1897. — Urkunden und Acten zur Geschichte der Verfassung und
Verwaltung der Stadt Koblenz bis zum Jahre 15 00, bearb. von Max Bär.
1897. — Entwicklung der kommunalen Verfassung und Verwaltung Kölns
von den Anfängen bis zum Jahre 1396 von Friedr. Lau (Preisschriften
der Mevissen-Stiftung 1).
Der 1 . Band der W e i s t h ü m e r der Eheinprovinz befindet sich
unter der Presse; Geh.-Rath Prof. Loersch hofft noch in diesem Jahre den
Druck abzuschliessen. Der Plan der unter Leitung von Prof. Lamp recht
durch Dr. Koetzschke in Leipzig bearbeiteten Ausgabe der Werdener
Urbare ist dahin erweitert worden, dass eine grössere Anzahl von Ur-
kunden und Eechnungen, sowie die ältesten Lehensregister Aufnahme
finden sollen. Der Abschluss der Arbeit ist in wenigen Monaten zu er-
warten. Die Ausgabe der Urbare von S. Pantaleon in Köln durch Dr. Hil-
liger ist in diesem Jahre noch zu erwarten.
i[g4 Bericht«.
Den 2. Band der Jülich-Bergischen Landtagsacten I. Ab-
theilung wird Prof. v. Below während des laufenden Jahres der Vol-
lendung nahe führen. Wie Geh.-Rath Harless berichtet, hat Dr. Küch
für die Ausgsbe der II. Reihe der Jülich-Bergischen Landtags-
acten die Bearbeitung der Landtags- Commissions-Verhandlungen bis 1629
und ebenso die Durchsicht der politischen Acten fortgesetzt. Als Neben-
frucht seiner Forschungen erschien in der Zeitschr. des Düsseldorfer Ge-
schichtsvereins eine Abhandlung über die Politik des Pfalzgrafen Wolfgang
Wilhelm 1632 — 1636.
Die Bearbeitung des 2. Bandes der älteren Matrikeln der
Universität Köln hat durch anderweitige Inanspruchnahme des Her-
ausgebers keine wesentliche Förderung erfahren können.
Durch den Tod d^s Prof. Menzel ist die Arbeit für die Herausgabe
der älteren rheinischen Urkuuden ganz in's Stocken gerathen.
Ebensowenig kann an eine Herausgabe des l.Theiles der erzbischöflich-
kölnischen ßegesten (bis llOO) gedacht werden. Doch besteht die
Hoffnung, dass schon demnächst die Weiterführung der Arbeit energisch
in Angriff genommen weiden kann. Die Arbeit von Dr. Eichard
Knipping an der 2. Abtheilung der Regesten (llOO — 1304} galt dem
13. Jahrhundert. Der Druck wird jedenfalls im Laufe dieses Jahres be-
gonnen werden. Für die 3. Abtheilung (1304 — 1414) hat Dr. Moriz
Müller, wissenschaftlicher Hülfsarbeiter an der Aachener Stadtbibliothek,
die Sammlung des gedruckten Materials beendet. In die Bearbeitung der
Zunft Urkunden der Stadt Köln ist unter Oberleitung von Prof.
Gothein Dr. Heinr. v. Loesch in Köln eingetreten.
Von dem Geschichtlichen Atlas der Rheinprovinz, der
unter Leitung von Geh.-Rath Nissen von Dr. Fabricius in Darmstadt
bearbeitet wird, ist die Karte über die Kreiseintheilung und der Erläute-
rungsband zur Karte von 1789 erschienen. Nahezu fertig ist die Ueber-
sichtskarte über die Territorien von 1789. Für die Kirchenkarten sind
die Arbeiten weit vorgeschritten.
Ueber seine unter Leitung von Geh.-Rath Ritter ausgeführten Ar-
beiten für die Herausgabe der Acten der Jülich-Klevischen Politik
Kurbrandenburgs (l610 — 40) berichtet Dr. Löwe, dass nach Er-
ledigung der die auswärtige Politik behandelnden Berliner Archivalien,
sowie der einschlägigen Acten der Staatsarchive zu Dresden und Marburg
die Herausgabe eines 1. Bandes in Angriff genommen werden kann.
Ueber den Fortgang seines Verzeichnisses der Kölner Inku-
nabeln berichtet Bibliothekar Dr. E. Voulllieme. Die Zahl der bis
jetzt gesammelten Drucke beträgt etwa 1150. Von der Geschichte
der Kölner Malersehule von Ludwig Scheibler und Karl
Aldenhoven konnte die geplante 4. Lieferung noch nicht erscheinen,
weil der erklärende Text noch nicht fertig gestellt worden ist.
Für die Ausgabe der Urkunden und Acten zur Geschichte
des Handels und der Industrie in Rheinland und Westfalen
hat Prof. Güthein in Mainz und in Frankfurt gearbeitet. Arbeiten in
Paris haben nur ein ganz geringes Ergebnis gehabt. Der 2. (Schluss-)
Band der Kölner Stadtrechnungen des Mittelalters ist durch
Dr. Knipping im Drucke beinahe abgeschlossen worden. Der 3. Band
Berichte.
185
des Buches Weinsberg ist erschienen. Der Druck des 4. Bandes hat
begonnen.
Als neues Unternehmen hat der Vorstand auf Antrag von Dr. Sauer-
land die Sammlung von Regesten zur Geschiehte der Rhein-
lande aus dem vatikanischen Archiv 1294 — 1431 vornehmen zu
lassen beschlossen.
Die Bereisung und Inventarisirung der kleineren Archive nahm durch
Dr. Armin Tille ihren Fortgang, und zwar wurden die Kreise Bonn
(Stadt und Land), Rheinbach und Euskirchen erledigt, deren Archiv-
inventare im Anhange zum Jahresbericht gedruckt vorliegen.
Preis aufgaben der Meviss en- Stiftung.
1. Nachweis der im Anfang des 16. Jahrh. in Köln vorhandenen
Strassen und Plätze, sowie aller Befestigungen, öffentlichen Gebäude,
Kirchen, Kapellen, Klöster und Wohnhäuser, nebst Entwurf eines mög-
lichst genauen Stadtplanes, auf Grundlage der gleichzeitigen Pläne und
Ansichten, der Schreinsbücher und der Urkunden. Es wird der Wunsch
ausgesprochen, die für das 16. Jahrh. festgestellten Strassen, Gebäude
u. s. w. nach Möglichkeit zeitlich zurück zu verfolgen. Frist: .31. Januar
1899 Preis 4000 Mark. — 2. Darstellung der durch die französische
Revolution in der Rheinprovinz bewirkten agrarwirtschaftlichen Verände-
rungen. Frist: 31. Januar 1901. Preis 3000 Mk. — 3. Aufnahme und
Ausgestaltung des gothischen Baustils in der heutigen Rheinprovinz bis
1350. Frist und Preis wie bei 2. — 4. Die Gaue und Grafschaften im
Umfang der heutigen Rheinprovinz sind für die Zeit von der zweiten
Hälfte des 9. Jahrh. bis zum Beginn des 12. Jahrh. nach Bestand. Grenzen
und Verfassung nebst den in ihnen nachweisbaren Orten festzustellen.
Im Zusammenhang mit der Auflösung der Grafschaftsverbände sind die
Anfänge der Bildung und Organisation geistlicher und weltlicher Terri-
torien darzulegen. Frist und Preis wie bei 2.
Die Arbeiten sind einzusenden an den Vorsitzenden der Gesellschaft
für Rheinisch Geschichtskunde, Stadtarchivar Prof. Dr. Hansen in Köln.
Historische Commission für Hessen und Waldeck.
Die erste Jahresversammlung hat am 7. Mai 1898 zu Marburg statt-
gefunden. Der Vorsitzende Prof. Frh. von der Ropp berichtete über die
seit der Gründung der Commission am 10. Juli 1897 in Angriff ge-
nommenen Arbeiten.
1. Fuldaer Urkundenbuch. Die Bearbeitung hat Prof. Tangl,
jetzt in Berlin, übernommen. Er beabsichtigt einen ersten Band bis zur
Zeit des Abtes Marquard (1150 — 1165) hinabzuführen. Die sprachliche
Controle über die Namen hat Prof. Schröder übernommen. Ebenso wird
er zusammen mit Archivrath Reimer und Oberbürgermeister Antoni für
das besonders schwierige Register Hilfe leisten. Prof. Tangl hofft, das
Manuscript für den l. Band bis Ostern 1899 druckfertig vorlegen zu
können.
2. Landtagsacten. Die Leitung der Ausgabe übernahm Prof.
V. Below. Seit dem 1. Okt. 1897 ist Dr. Glagau von dem mit der
1 gß Berichte.
Bearbeitung der hessischen Landtagsacten betraut worden. Er hat mit
der Aufarbeitung des marburger Materials seit 1509 begonnen und auch
im darmstadter Staatsarchive Umschau gehalten. Zum Abschluss der
Sammlungen werden indessen noch Reisen erforderlich sein, so dass ein
Termin für die Vorlage eines Bandes sich augenblicklich nicht angeben lässt.
3. Chroniken von Hessen und Wal deck. Da die chronikali-
schen Werke, welche Hessen im früheren Mittelalter hervorgebracht hat,
in den Mon. Germ, in trefflichen Ausgaben vorliegen, wird die Commission
ihre Thätigkeit den chronikalischen Quellen des ausgehenden Mittelalters
und der Reform ationsperiode widmen. In Aussicht genommen sind zu-
nächst die Herausgabe der beiden Chroniken von Gerstenberg, die hessische
und die frankenbergische, welche Dr. Diemar in Marburg übernommen
hat, und der Historia Gualdeccensis von Conrad Klüppel aus Corbach,
welche Herr Dr. Pistor bearbeitet.
4. Landgrafen-Regesten. Die Bearbeitung hat Geh. Archivrath
Dr. Koennecke übernommen. Er hofft das Manuscript einer 1. Liefe-
rung bis zur Jahresversammlung im Jahre 1900 druckfertig vorlegen zu
können.
5. Historisches Ortslexikon. Archivrath Reimer hat die
Herausgabe auf sich genommen. Er gedenkt in Bälde einige Musterbeispiele
drucken und vertheilen zu lassen, um namentlich Lokalforscher zur Mit-
arbeit und Einsendung von Material zu veranlassen.
Ferner konnte der Vorsitzende mittheilen, dass der Vorstand auf
seinen Antrag zwei weitere Unternehmungen in Angriff zu nehmen be-
schlossen habe : die Herausgabe von städischen Urkundenbüchern und die
eines hessischen Trachtenbuches. Der Vorstand hat zunächst ein Urkunden-
buch der wetterauer Reichsstädte ins Auge gefasst und die Vorbereitung
einem Ausschuss, bestehend aus den Herren Haupt, Höhlbaum und Frhr.
von Gagern. übertragen. Ein hessisches Trachtenbuch ist durch Geheim-
rath Prof. Justi angeregt worden. Er hat sich erboten, seine langjährigen
und umfassenden Sammlungen zur Verfügung zu stellen und die Ent-
wicklung der Trachten an der Hand seiner eigenen Aufnahmen zu schildern.
Königlich Sächsische Kommission für Geschichte.
Am T.Dezember 1S98 fand die diesjährige (3.) Hauptversammlung statt.
Von den Schriften iler Commission ist vor kurzem die erste, Anton
Graff, Bildnisse von Zeitgenossen des Meisters, bearb. von
Dr. Vogel in Leipzig, ausgegeben worden.
Ln Dsuck weit fortgeschritten ist die Ausgabe der Berichte des
kur sächsischen Rathes Hans v. d. Planitz an Friedrich den
Weisen aus dem Reichs regiment in Nürnberg 1521 — 23, bearb.
von Prof Dr. Virck in Weimar. Ebenfalls schon unter der Pi-esse ist
die Bearbeitung der Acten und Briefe zur Geschichte des Kur-
fürsten Moritz von Privatdozent Dr. Brandenburg in Leipzig; es
steht zu hoffen, dass der l. Band im Herbst 1899 erscheinen wird. Von
den Grundkarten des Königreichs Sachsen, deren Bearbeitung
Archivratli Er misch in Dresden leitet, sind bisher zwei Blätter fertig-
Berichte. IgJ
gestellt, aber noch nicht ausgegeben werden. Eine Broschüre von Archiv-
rath Er misch mit Erläuterungen zur Benutzung der Grundkarten wird
demnächst gedruckt werden. Für 1899 kann die Vollendung einer weiteren
Anzahl von Blättern und das Erscheinen aller bis dahin fertig gewordenen
in Aussicht gestellt werden. Der Elurkarteuatlas des Königreichs
Sachsen, bearb. von Dr. E. 0. Schulze, ist soweit gefördert, dass das
Heft im Manuskript bis Herbst 1899 eingeliefert werden wird. Aehnlich
steht es mit den Acten und Briefen Herzog Georgs des Bärti-
gen, bearb. von Prof. G e s s in Dresden, mit den Acten zur Ge-
schichte des Bauernkrieges in Mitteldeutschland, bearb. von
Archivar Dr. Merx in Magdeburg, und der Geschichte des säch-
sischen Finanzwesens, bearb. von Dr. Wuttke in Dresden. Die
Ausgabe des Lehensbuches Friedrichs des Strengen von 1349^
bearb. von Archivrath Dr. L i p p e r t und Dr. Beschorner in Dresden
wird im Manuskript vermutlich im Sommer 1899 vorgelegt werden können.
Ein annähernd Gleiches gilt auch von dem Briefwechsel der Kur-
fürstin Maria Antonia mit der -Kaiserin Maria Theresia,,
bearb. von Archivratb L i p p e r t allein.
Die Publication der Hauptwerke der sächsischen Tafel-
malerei des 15. und in. Jahrb., welche in den Händen des Dr. Flech-
sig, Assistenten am Museum zu Braunschweig, liegt, ist sehr wesentlich
gefördert worden. Es ist zu hoffen, dass schon 1899 eine Publikation
ausgewählter Werke Lucas Cranachs erscheinen werde.
Die Geschichte der sächsischen Zentralverwaltung ist
in die Bearbeitung von Dr. Treusch v. Buttlar in Dresden über-
gegangen; sie soll in einem Bande abgeschlossen werden, in dem zu
gleicher Zeit die Entwickelung der Zentralverwaltung der nord- und
mitteldeutschen Territorien vergleichsweise herangezogen wird.
Von neuen Aufgaben ist an die Commission herangetreten die Her-
stellung einer historisch-geographischen Beschreibung der
Bistümer Merssen und Merseburg im Bahmen einer von der Con-
ferenz der deutschen Publikationsinstitute angeregten allgemeinen histo-
risch-kirchlichen Geographie Deutschlands; die Aufgabe ist
Seminaroberlehrei Dr. Becker in Waidenburg übertragen worden. Ferner
ist eine umfassende Geschichte des geistigen Lebens der Stadt
Leipzig in Aussicht genommen worden. Sie soll zerfallen in eine Ge-
schichte der Kirchen uml Schulen Leipzigs von Rector Prof. Kämmel,
eine Literaturgeschichte von Prof. Witkowski, eine Musikgeschichte von
Realgymnasiallehrer Dr. Rud. Wustmann und eine Kunstgeschichte,
deren Autor noch nicht feststeht. Gleichzeitig würde die Commission von
sich aus eine Wirtschafts-, SozitJ- und Verfassungsgeschichte Leipzigs ins
Auge fassen. Endlich ist die Commission an eine Bearbeitung der
Matrikel der Universität Leipzig von 1559 ab herangetreten; bis-
dahin ist sie bekanntlich von Prof. Er 1er in Königsberg im Codex dipl.
Saxoniae regiae herausgegeben worden.
X88 Berichte.
Die historische Commission der Provinz Sachsen hielt
am 18. und 19. Juni 1898 in Neuhaldensleben ihre 24. Sitzung ab. Nach
■der vom Vorsitzenden Geh. Eeg.-Rath Prof. Lindner gegebenen Uebersicht
ist im Verwaltungsjahre 1S97 — 98 der 2. Band des Urkundenbuches der
Stadt Erfurt von Stadtarchivar Dr. Beyer, erschienen. Die Drucklegung
des 3. wird in gleicher Weise wie die von Oberlandesgerichtsdirector Bode
in Braunschweig besorgte Herausgabe des ,3. und 4. Bandes des Urkunden-
buches der Stadt Goslar (l301 — 137 0) noch in diesem Jahre begonnen
werden. Das Urkundenbuch des Hochstiftes Merseburg, bearb. von Prof.
Dr. Kehr, kann in diesem Winter der Oeffentlichkeit übergeben werden.
Weiter gefördert sind die Arbeiten an : den Urkundenbüchern des Klosters
Pforte, der Stadt Halle und Zeitz, dem Eichsfeldischen Urkundenbuche,
■dem Druck der Chronik des Konrad Stolle sowie den Regesten zur Ge-
schichte der Herzöge von Sachsen-Wittenberg. Der Abschluss des Re-
gisters zur Erfüllter Universitätsmatrikel, wird voraussichtlich binnen kurzem
erfolgen.
Als neue Unternehmungen sind in Aussicht genommen eine Regesten-
sammlung zur Geschichte der Stadt Nordhausen und die von Dr. Rosen-
feld in Magdeburg begonnene Herausgabe der Urkunden des Domkapitels
Naumburg- Zeitz .
Als Neujahrsblatt für 1898 erschien die Abhandlung von Dr. Liebe
über Dalberg und seine Beziehungen zur Universität Erfurt. Im Neu-
jahrsblatt 1899 wird Oberlehrer Dr. A. Pick über: »Schiller in Lauohstädt
im Jahre 1803* handeln.
Von den Baudenkmälerbeschreibungen ist die des Kreises Gardelegen
von Pastor Parisius und Oberlehrer Dr. Brinkmann erschienen. Der Vollen-
dung nahe ist die des Kreises Halberstadt. Weitergeführt sind die Ar-
beiten über die Kreise Schleusingen und Ziegenrück, den Kreis Aschei's-
leben sowie die Bearbeitung der 2. Auflage der Bau- und Kunstdenk-
mälerbeschreibung der Grafschaft Wernigerode.
Die vorgesf-hichtlichen Arbeiten Dr Zschiesches in Erfurt über die
Wallburgen auf der Schmücke, hohen Schrecke und Finne wei-den mit
beigefügter Karte in nächster Zeit veröffentlicht. Die Wandtafel vor-
geschichtlicher Gegenstände der Provinz Sachsen für Volksschulen wird
vielleicht noch in diesem Jahre zur Ausgabe gelangen.
Das von Prof. Hertel bearbeitete »Wüstungsverzeichnis des Nord-
thüringgaues * befindet sich im Drucke. Die Bearbeitung des Wüstungs-
verzeichnisses der Kreise Heiligenstadt, Worbis, Mühlhausen (Stadt und
Land) und Duderstadt ist von Geh. Reg.-Rath v. Wintzingerode-Knorr
vollendet worden.
Personalien.
Hofrath Th. R. v. Sickel ist zum Vorstand der Historischen Com-
mission in München gewählt worden und wurde durch Verleihung der
Würde eines k. k. Sectionschefs aussrezeichnet.
Personalien. j g^
F. Wickhoff wurde zum corresp. Mitglied der k. Akademie der
Wissensch. in Wien gewählt und zum Mitglied des Curatoriums des Oesterr,
Museums f. Kunst u. Industrie sowie des k. k. Kunstrathes ernannt.
K. Uhlirz wurde zum Oberarchivar der Stadt Wien ernannt, A. v.
Jak seh erhielt den Titel eines Landesarchivars von Kärnten.
Ernannt wurde zum ord. Professor E. Freih. v. Schwind an der
Universität Graz für deutsches Recht; zu ausserord. Professoren R. Thom-
men an der Universität Basel für Geschichte, A. Chroust an der Uni-
versität Würzburg für Geschichte und histor. Hilfswissenschaften, A. Dop seh
an der Universität Wien für Geschichte, St. v. Krzyzanowski an der
Universität Krakau für Geschichte des Mittelalters und histor. Hilfswissen-
schaften, W. Milkowicz an der Universität Czernowitz für Geschichte
Osteuropas.
Ferner wurden ernannt J. Donabaum zum Scriptor an der Uni-
versitätsbibliothek in Wien, W. v. Ambro s zum Concipisten am Archiv
des Ministeriums f. Cultus u. Unterricht, J. Herrmann zum Assistenten
am kunsthistor. Hofmuseum, J. Tomaseth zum Beamten der Albertina,
V. Thiel zum Praktikanten am Statthaltereiarchiv, K. Huffnagl zum
Praktikanten an der Bibliothek des Ministeriums d. Innern in Wien.
Es habilitirten sich H. Kretschmayr für mittlere und neuere Ge-
schichte an der Universität Wien, G. Friedrich für histor. Hilfswissen-
schaften an der böhmischen Universität in Prag.
Mitglieder des Istituto Austriaco di studii storici in Rom sind für
1898 — 99: Landeshistoriograph B. B retholz (Brunn), 0. Freih. v. Mitis,
J. Susta, Privatdocent R. Wölk an (Czernowitz).
Am 21. Juni 1898 starb Dr. Ferdinand Jancar in seiner Vater-
stadt Laibach, krank von Rom zurückgekehrt, wo er als Mitglied des
Istituto Austriaco im Winter 1897 auf 1898 gearbeitet hatte. Von 1895
bis 1897 hatte er als ausserord. Mitglied die Institutstudien mitgemacht
und an Eifer wie Befähigung zu den besten Hoffnungen berechtigt.
Alfons Huber.
Hat unsere Zeitschrift die traurige Aufgabe der Todesanzeige bisher
auf den engen Kreis jener beschränkt, die unserem Institut angehörten,
so ist es diesmal eine Pflicht der Dankbarkeit und Pietät einem Manne
einen Nachruf zu weihen, der seit dem Beginn unserer Zeitschrift zu ihren
treuesten und hervorragendsten Mitarbeitern zählte, dessen Arbeiten so
vielfach und so nahe mit den auf unserem Institut gepflegten wissen-
schaftlichen Disciplinen sich berührten, der, selbst einer der bedeutendsten
Geschichtsforscher Oesterreichs, den Aufgaben und Bestrebungen unseres
Instituts immer volles Verständnis, immer rege Förderung entgegen
brachte.
Alfons Huber ist uns am 23. November v. J. durch einen plötzlichen
Tod entrissen worden. Am selben Tage hatte ich ihn noch gesehen und
gesprochen. Noch steht das Bild der letzten Begegnung lebhaft vor mir:
dem kräftigen Manne schien noch ein langes Leben, seiner vollen Geistes-
190
Nekrologe.
frische und SchaflPenslust, die, nachdem sie kaum eine Arbeit bewältigt,
ungeschwächt an neue Aufgaben gieng, noch eine reiche Wirksamkeit be-
schieden. Eine Stunde später sank er todt auf der Strasse nieder.
Hubers Lebensgang war schlicht und einfach wie der des deutschen
Gelehrten der alten Schule; es war ein Leben rastloser Arbeit und selbst-
loser Hingabe an die Wissenschaft; was er erreichte, dankte er der eigenen
Kraft. In kargen Verhältnissen als Sohn eines Kleinbauers am 14. Oktober
1834 zu Fügen im Zillerthal in Tirol geboren kam er erst im Alter von
13 Jahren zum Studiren. Nachdem er das Gymnasium in Hall absolvirt
hatte, bezog er 1855 die Universität Innsbruck. Erst drei Jahre früher
hatte hier unser Altmeister Julius Ficker seine Wirksamkeit begonnen,
die, ebenso anregend durch die methodisch-kritische und vielseitige Schulung
wie anziehend durch dessen Persönlichkeit, der historischen Wissenschaft
in Oesterreich an der kleinen Hochschule in den Bergen eine glänzende
Bildungsstätte eröffnete. Huber zählte zu den ersten Schülern Fickers,
fir wurde der bedeutendste. Schon 1859 habilitirte er sich. Vier Jahre
später wurde er, als Ficker an die juridische Facultät übertrat, dessen
Nachfolger als Professor der allgemeinen Geschichte; 1870 übernahm er
die Lehrkanzel für österreichische Geschichte, die bisher einer unfähigen
Lehrkraft alten Systems überantwortet gewesen war; 1887 wurde er als
Nachfolger von Ottokar Lorenz nach Wien berufen. Was ihm während
seiner langen akademischen Laufbahn an Anerkennung zutheil wurde,
dankte er dem Vertrauen seiner Collegen, der Würdigung seiner wissen-
schaftlichen Leistungen von competentester Seite: 1876 und 1883 wurde
er zum Rector der Innsbrucker Universität, 1896 ausser der Tour zum
Dekan der philosophischen Facultät in Wien gewählt; seit 1872 wirk-
liches Mitglied der k. Akademie der Wissenschaften in Wien wurde er
1891 Secretär der philosophisch-historischen Classe, 1893 Generalsecretär
der Akademie; die ungarische, böhmische und baierische Akademie und
eine Anzahl gelehrter Gesellschaften ehrten ihn und sich durch die Wahl
zu ihrem Mitglied; kürzere Zeit gehörte er als Delegirter der Wiener
Akademie der Centraldirektion der Monumenta Germaniae, zuletzt noch der
historischen Commission in München an. Aeussere Auszeichnungen sind
ihm mit Ausnahme eines verspäteten Titels fern geblieben; er hatte sie
nicht nöthig und hat auch nie darnach verlangt.
Hubers erste noch unter der Aegide Fickers entstandenen Arbeiten
über »Die Entstehungszeit der österreichischen Freiheitsbriefe« (l860)
und »Die Waldstätte Uri, Schwyz, Unterwaiden mit einem Anhang über
die geschichtliche Bedeutung von Wilhelm Teil« (Innsbruck 186l) zeigten
bereits die charakteristischen Eigenschaften, die seine Arbeiten fortan aus-
zeichnen und ihn in die erste Reihe unserer Geschichtsforscher stellten:
scharfe und eindringende Kritik, Beherrschung des Stoffes, Knappheit und
Klarheit der Darstellung. Selbständigkeit und Unbefangenheit der Auf-
fassung. Als Tirol 1863 das fünfhundertjährige Jubiläum seiner Ver-
einigung mit Oesterreich feierte, spendete Huber die wertvollste Festgabe,
die Geschichte dieser Vereinigung. Eine Ausweitung dieser Studien bot
seine »Geschichte des Herzogs Rudolf IV.« (l86 5), des Schöpfers dieser
Vereinigung. Der Nachlass J. Fr. Böhmers führte ihn aus diesen engem
Grenzen auf das Gebiet der Reichsgeschichte; schon 1868 gab er den
Nekrologe. \\)i
4. Band der Fontes rerum Gernianicarum mit wichtigen Quellen des
14. Jahrh. heraus, bald folgten die Regesten Karls IV., die, für jene Zeit
noch jetzt das grundlegende Werk, 1877 vollendet wurden. Neigung und
Lehrberuf führten ihn wieder ganz der österreichischen Geschichte zu.
Er übernahm für die Sammlung europäischer Staatengeschichten die Ge-
schichte Oesterreichs. Mit welcher Gründlichkeit er an das Werk gieng,
erweisen die zahlreichen kritischen Vorarbeiten, die er theils in unserer
Zeitschrift (Beiträge zur älteren österr. Gesch. 1 — 1 :j, Die steierische Reim-
chronik und das österr. Interregnum in Bd. 4, Studien über die finanziellen
Verhältnisse Oesterreichs unter Ferdinand I. inErg.-Bd. 4), theils über die
ältere Geschichte Ungarns und Tirols in den Schriften der Wiener Aka-
demie veröffentlichte, die in schwankenden Fragen und ungeklärten Verhält-
nissen festen Boden schufen. Seine » Geschichte Oesterreichs * zu würdigen
ist unnöthig, sie ist nicht nur als die beste Geschichte Oesterreichs, die
alle frühei'en weit überragt, sondern auch für sich als eine meisterhafte
Leistung anerkannt. Das Werk ist ein Torso geblieben; der fünfte 1896
erschienene Band reicht erst bis zum westfälischen Frieden, das zurück-
gelassene Manuscript bis 1670. Wenigstens waltet über dem Werk, das
nun auch die seltene Ehre geniesst in die ungarische Sprache übersetzt zu
werden, insofern ein freundliches Geschick, als die Fortführung desselben
bereits in berufener Hand liegt. Neben diesem Hauptwerk fand Hubers
Unermüdlichkeit auch noch Zeit für andere umfassende Arbeiten: 1895
erschien als Lehrbuch für das in die juridischen Studien neu eingeziiiimerte
i^'ach die » Oesterreichische Reichsgeschichte, Geschichte der Staatsbildung
und des österreichischen Rechts <S die auch den Lehrenden, wenn gleich von
ihrem Zunftgeist etwas scheel angesehen, der verlässlichste Führer ge-
worden ist und demnächst in 2. Auflage ausgegeben werden wird; un-
mittelbar darauf veröffentlichte er aus dem Nachlass Beidtels in sorgsamer
Auslese eine » Geschichte der österreichischen Staatsverwaltung 1740 — 1848*
(2 Bde. Innsbruck 1896, 1898); 1897 lieferte er als Jubiläumsschrift
die »Geschichte der Gründung und der Wirksamkeit der k. Akademie der
Wissenschaften während der ersten fünfzig Jahre ihres Bestandes*. Seine
letzte Arbeit war die Redigirung einer anderen Festgabe, der »Geschichte
der Wiener Universität von 1848 — 1898*.
So schied er in der vollen Rüstigkeit des Schaffens. Schlicht und
klar wie seine Darstellung, unbedingt verlässlich und ehrlich wie seine
Forschung war auch sein Charakter, In ihm einten sich Wissenschaft und
Charakter. Um so tiefer fühlen wir seinen Verlust. Gerade die Geschichts-
forschung und Geschichtschreibung bedarf ja der Charaktere, wenn sie
ihrem hehren Beruf, im Dienste der Wahrheit und nur in deren Dienste
zu stehen, genügen und voll genügen soll. E. M.
Unmittelbar vor Abschluss des Heftes kommt uns die Nachricht zu,
dass einer der ältesten aus dem Institut f. öst. Geschichtsforschung her-
vorgegangenen Historiker einem langen Leiden erlegen ist, nämlich Josef
Emier, Professor der histor. Hilfswissenschaften an der böhmischen Uni-
versität zu Prag, der am 16. Februar 1899 starb. Emier wurde am
192 Nekrologe.
10. Jänner 1836 zu Libau (Kreis Jicin) geboren; das Gymnasium absol-
virte er in Jiöin, die Universität in Wien, wo er auch dem neu gegrün-
deten Institut für östeiTeichische Geschichtsforschung in den Jahren 1859
bis 1861 als ordentl. Mitglied angehörte. Im J. 1861 wurde er Supplent
an der höheren Realschule zu Prag, war bis 1864 auch an der ßedaction
der ßieger'schen ßealencyklopädie (Slovnik naucny) betheiligt und kam
1863 als Adjunkt an das böhmische Landesarchiv, dessen Hauptbestand
er 1863 bis 1864 zusammengebracht und geschaffen hat. Auf Aufforderung
Erben's wurde er im J. 1864 Adjunkt am Stadtarchiv zu Prag und im
J. 187] nach dem Tode Erben's Stadtarchivar. Im Wintersemester 1872
bis 1873 begann Emier seine Vorlesungen über historische Hilfswissen-
schaften an der Prager Universität, nach deren Theilung er auf die böh-
mische Universität übergieng, wo er als ordentlicher Professor seit 1887
wirkte. Als Schriftführer des historischen Vereins (Historick^ spolek)
führte er die Vorarbeiten zum böhmischen Codex diplomaticus und die
Redaction der »Fontes rerum bohemicarum*. Seine Hauptwei'ke sind
;>Regesta diplomatica nee nou epistolaria Bohemiae et Moraviae* 3 Bde.
bis z. J. 1346 (bis heute der einzige Ersatz für einen Codex diplomaticus
Bohemiae), »Reliquiae tabularum regni Bohemiae anno 1541 combustarum*,
»Libri confirmationum« und die Ausgabe der fünf Bände der »Fontes rerum
bohemicarum*. Gross ist die Reihe seiner Arbeiten, die in den »Abhand-
lungen der böm. Gelehrtengesellschaft*, »Archiv cesk^* (böhmisches Ar-
chiv), »Casopis Ceskeho Musea« (Zeitschrift des böhm. Museums) und in
den »Pamätky archaeologicke a mistopisne* (Archaeologische und topo-
grafische Denkmäler) erschienen; wir heben darunter die wertvolle Arbeit
über die Kanzlei K. Ottokars II. und Wenzels II. besonders hervor. Mit
Emier ist wieder einer der tüchtigsten Vorkämpfer einer kritischen Ge-
schichtsforschung in Böhmen gestorben. Seine Aufmerksamkeit galt in
erster Reihe den historischen Hilfswissenschaften, auf welchem Gebiete er
den riesigen Arbeitseifer entfaltete, der auch frühzeitig seine Gesundheit
untergrub.
Die Fiildaer Privilegienfrage.
Von
M. Ta ng I.
Gegenstand der folgenden Untersuchung ist das berühmte Exeni-
tionsprivileg, das Papst Zacharias dem h. Bonifatius für das von diesem
gegründete Kloster Fulda ertheilte, und die Bestätigung dieser Ur-
kunde durch König Pippin, die als angebliche Origiualausfertigung im
Staatsarchive zu Marburg erliegt und die stattliche Keihe der erhal-
tenen Königsurkunden für Fulda eröffnet. Durch die Prüfung dieser
vielleicht schwierigsten unter allen deutschen Urkundengruppen im
vierten Theile seiner „Beiträge zur Diplomatik" i) hatte Sickel in der
diplomatischen Litteratur seinerzeit Epoche gemacht. In glänzender Unter-
suchung hat er die Echtheit beider Urkunden verfochten, die vor ihm
liegende, zum Theil sehr weit zurückreichende Litteratur zusammen-
gefasst und abgeschlossen, die auf ihn folgende bis auf den heutigen
Tag beherrscht. Ihm trat allein Pflugk-Harttung in seinen umfang-
reichen „Diplomatisch-historischen Forschungen" ^) entgegen, aber iu
so eigenartiger, wiederholt fehlgreifender, nach fernab liegendem aus-
spähender und dabei oft das nächste übersehender Beweisführung, dass
er ziemlich allgemeine Ablehnung erfuhr und auch dort keine Beach-
tung fand, wo er sie in der That verdiente.
Seither haben sich die Grundlagen, auf denen beide Männer ihre
Forschung aufbauten, mehrfach verändert. Eine für die Kritik des
Zachariasprivilegs geradezu ausschlaggebende Quelle hat Sickel selbst
durch seine Liber Diurnus-Forschung in neues Licht gestellt ; die diplo-
') Sitzungsberichte der Wiener Akademie (1864) 47, 5< 5 ff., besonders 597 ff.
'') Gotha 1879, 550 S.
MittheiluDgen XX. 13
|()4 M. Tan gl.
matisclie uud rechtsgeschichtliche Aufhellung der fränkischen Privat-
urkunde ermöglicht es, dort mit bestimmten Schlüssen weiterzuschreiteu,
wo Sickel uoch auf halbem Wege stehen blieb, Kaiser- uud Papstur-
kunden liegen in den Kegestenwerken neu verzeichnet und kritisch
neu gesichtet vor, die Bonifatius-Briefe sind, von neuer Forschung be-
oleitet, neu herausgegeben, an die Stelle von Rettbergs einst so ver-
dienstvoller, heute aber veralteter Kirchengeschichte Deutschlands ist
Haucks neue zusammenfassende Darstellung getreten. Unter solchen
wesentlich günstigeren Umständen wurde anlässlich der Vorarbeiten
zur Ausgabe der Karolinger Urkunden in den Monumenta Germaniae
die Neuuntersuchung des Pippiuprivilegs und seiner Nachurkunden
vorgenommen ^). Sie hat mich zur Neuaufrollung der ganzen Frage
und zu Ergebnissen geführt, die von denen Sickels und Pflugk-Hart-
tungs im einzelnen wie in den Schlussfolgerungen mehrfach abweichen.
Indem ich diese der Oeffentlichkeit übergebe, verwahre ich mich gegen
den Schein, gegen meinen verehrten Lehrer irgendwie ankämpfen zu
wollen. Sein bleibt das grössere und unvergängliche Verdienst, uns
den Weg diplomatischer Untersuchung gewiesen zu haben.
Die NichtOriginalität des Pippin-Privilegs für Fulda, Mühlbacher
Nr. 12 (70) -), ist durch Sickel (a. a. 0. S. 599 ff.) endgiltig erwiesen.
Die von Herquet 3) ausgesprochene Hoffnung, „es werde der andert-
halbhundertjährige diplomatische Streit über die Authenticität unserer
Urkunde endlich doch zu Gunsten derselben enden, und es werde ihr
der frühere Kang als der ältesten unter den in Deutschland und
Frankreich uoch erhaltenen Original-Urkunden König Pippins wieder
eingeräumt werden", hat sich nicht erfüllt, eher hat sich im Gegen-
theil die Basis, auf Grund deren Sickel sein Urtheil fällte, ein wenig
erweitert und gefestigt. Sickel hat uns in dem Kriterium der Eigen-
') Die archivalisclie Forschung, soweit solche den folgenden Ausführungen
zugrunde liegt, wurde von mir in Wien als Mitarbeiter der Monumenta Germa-
niae begonnen und später in Marburg während meiner dortigen akademischen
Thätigkeit fortgesetzt und erweitert. Dem Staatsarchivar zu Marburg, Herrn
Geh. Archivrath Dr. Könnecke, sowie den Herren Archivrath Dr. Reimer und
Archivar Dr. Ribbek spreche ich für ihre vielen Bemühungen und ihr liebens-
würdiges Entgegenkommen meinen ergebensten Dank aus.
-) Ich war in der angenehmen Lage, für meine Untersuchung wenigstens
theilweise bereits die Aushängebogen der Neuauflage der Karolinger Regesten
benützen zu können. Ich citire daher nach dieser und füge die alten Regest-
nummern in Klammern bei.
3) Specimina diplomatiun monasterio Fuldensi a Karolis exhibitoriim, Cassel
1867, Text S. 10.
Die Fuldaer Privilegienfrage. 19^
liäudigkeit der Recognition ein untrügliches Merkmal zur Entschei-
dung über die Originalität der Diplome aus «älterer Karolingerzeit ge-
lehrt, dieses Kriterium aber gerade für die Zeit Pippins theilweise
•eingeschräukt, indem er für die Recognosceoten Eins und Baddilo aus-
nahmsweise die Eigenhändigkeit des Recognitionszeichens allein annahm.
Die Recognition unserer strittigen Urkunde „In dei nomine Baddilo
recognovit et (SR.)" findet sich nur noch in einem erhaltenen
Original, dem ebenfalls für Fulda ausgestellten Diplom, Mühlbacher
Nr. 102 (100) ^). An der Reinschrift dieser letzteren Urkunde hat
ausser dem Coutextschreiber und dem Recognoscenten noch der Notar
Hitherius mitgewirkt und dieser «einer Mitwirkung in ganz unge-
"wöhnlicher Weise am Schlüsse der Datumzeile durch die Beifügung
„In dei nomine Hitherius scripsit" Ausdruck verliehen. Diesen An-
theil des Hitherius an der Reinschrift grenzte Sickel dahin ab,
dass von ihm Signumzeile, Datiruug und auch die Recognition mit
alleiniger Ausnahme des von Baddilo eigenhändig beigefügten Re-
cognitionszeichens herrühren. Zu dieser Schriftbestimmung wurde
Sickel, wie ich glaube, durch die Vergleichung mit dem Kopp'schen
Facsimile der von Hitherius recognoscirten Urkunde Karls d. Gr.
für Murbach, Mühlbacher Nr, 143 (140), Kopp, Schrifttafeln Nr. 6,
verleitet. Sickel selbst hat sich in der Vorrede zur Ausgabe der
Schrifttafeln aus dem Kopp'schen Nachlass über den verschie-
deneu Wert dieser Facsimiles ausgesprochen ; neben ganz vorzüg-
lichen finden sich auch minderwertige, und Tafel Nr. 6 ist, wie ich
mich qai der Hand einer Photographie derselben Urkunde überzeugen
konnte, wohl die schlechteste. Von Ungenauigkeiten im einzelnen ganz
abgesehen, ist der Charakter der Hitheriusschrift ganz entstellt; sie
erscheint unsicher und zitterig und in dieser Entstellung der Baddilo-
Recognition von Mühlbacher Nr. 102 allerdings ähnlich, während sie
uns auf den photographischen Reproductionen sämmtlicher von Hithe-
rius recognoscirter Urkunden als eine bis in alle Einzelheiten sich
gleichbleibende Schrift von gewandtem, sicherem und ziemlich schwung-
vollem Zug entgegen tritt, bei der an eine Identificirung mit Chrismon
und Text der Recognitionszeile von M. 102 nicht gedacht werden
kann. Die Antheilnahme des Hitherius an dieser Urkunde beschränkt
«ich auf Signumzeile und Datirung, sichert aber auch dadurch durch
den Nachweis der bekannten Hand ganz unabhängig von der Recogni-
tion die Originalität dieser Urkunde. Da sich, wie ich hier nur ueben-
') Beide Urkunden liegen bei Herquet Spec. Tat'. 1 und 3 in photographi-
«cher Nachbildung vor.
13*
196 • ^I- Tangl.
bei bemerke, die Frage mit dem Recognoscenteu Eius auf ganz ähn-
liche Weise löst i), sind wir in der Lage, Sickels Grundsatz von der
Eigenhändigkeit der ganzen Recognitionszeile als Kriterium der Ori-
ofinalität zu festigen und zu verallgemeinern, indem wir die von ihm
für die Zeit Pippius angenommenen Ausnahmefälle streichen. Unter
dem Xamen Baddilos liegen uns aber, wie schon erAvähnt, im ganzen
nur zwei Urkunden von grundverschiedener Schrift vor, und wir
sind daher für die Entscheidung der Frage, welcher von beiden wir
trauen dürfen, auf das argumentum e contrario augewiesen. Da die
Originalität von M. 102, wie wir eben sahen, anderweitig feststeht,
dürfen wir in der hier vorliegenden Recognition mit Sicherheit das
Autograph Baddilos erblicken. Zur Vergleichung mit unserem Pippiu-
Privileg steht uns nun nicht mehr blos ein verschnörkeltes Zeichen,
sondern die ganze Schriftzeile zur Verfügung, und diese erweiterte
Vergleichung bestätigt die Verschiedenheit der Schrift und damit die
Xichtoriginalität des Pippin-Privilegs erst recht.
Ein Zweifel kann nur darüber bestehen, ob uns in dem angeb-
lichen Original die, sei es getreue oder mehr oder minder verderbte,
Abschrift einer echten Urkunde oder aber die Urschrift einer Fäl-
schung vorliegt. Sicher ist, dass es dem Schreiber überraschend gut
gelang, den Schein der Originalität hervorzurufen, ungleich besser, als
es etwa bei der ebenfalls lange für Original gehaltenen Immunität
Pippins für St. Denis, M. 108 (105) (Kopp-Sickel, Schrifttafeln Xr. 4)
der Fall ist. Diese volle Beherrschung der Urkundencursive der äl-
teren Karolingerzeit nahm Sickel auch zum massgebenden Anhalts-
]iunkt für die Altersbestimmung, indem er erklärte, dass diese Schrift
von so ungekünstelter Sicherheit spätestens auf den Ausgang des
8. Jahrhunderts hinweise" -). Ich kann diese Ansicht nicht mehr
ganz theilen, seit ich zur Kenntnis eines aus Fulda stammenden
Schriftstückes gelangte, das Sickel seinerzeit noch nicht vorgelpgen haben
dürfte'^). Von der Immunität Ludwigs d. Fr, vom 2. Mai 816, M. 613
(593) legte man sich in Fulda entsprechend der Wichtigkeit, die mau
der Urkunde beimass, eine Reihe von Abschriften au. Wir besitzen
heute deren fünf: zwei Nachzeichnungen, eine ziemlich gleichzeitige
und leidlich gut gerathene, und eine jüngere, arg misglückte, zwei
•) In M. 73 (71) für St. Denis, einem sicheren Original, rührt die ganze
Recognition von Eius, in den unter sich gleichen und als Originale kaum mehr
aufrecht zu haltenden Urkunden M. 78 (76) und M. 89 (87) für denselben Em-
pfänger gar nichts von Eius her.
2) A. a. 0. 599, übereinstimmend damit auch S. 617 (.vor 800« geschrieben)^
etwas verändert S. 605 (»etwa um 800* geschrieben).
*) Sickels Bemerkung S. 629 A. gestattet keinen sichern Schluss.
Die Fuldaer Privilegienfrage. 197
uocn dem 9. Jahrhundert angehörige Kopien in schlichter ßücher-
schrift und endlich eine fünfte, ganz eigen geartete: Die erste Zeile,
enthaltend Invocatiou und Titel, ist in schöner Unciale geschrieben,
darauf folgt der Kontext in prächtiger Minuskel, die im Schriftcha-
rakter einzelnen von Delisle aus der berühmten Schreibschule zu Tours
mitgetheilten Proben gleicht i), diese aber an Schönheit und Regel-
mässigkeit noch überragt. Dabei vereinigt die Schrift in sich so viele
Kennzeichen älterer Karoliugischer Minuskel, dass sie nicht nur be-
stimmt noch in die erste Hälfte des 9. Jahrhuj;iderts gehören, sondern
dem Original selbst möglichst gleichzeitig sein muss 2). In vollem
Gegensatz zu dem bisherigen weisen Siguumzeile, Recoguitiou und
Datirung Urkundeneursive auf; dabei zeigt der Schreiber nicht das
leiseste Bemühen, die Schrift des Recognoscenten Durandus nachzu-
ahmen, sondern bedient sich vollkommen gewandt und sicher seines
eigenen Könnens. An Entstehung in der Reichskanzlei zu denken,
verhindert die ganz kanzleiwidrige Namensform ^Hlodouuichus* und
die Wiedergabe des Chrismon vor der Recognitionszeile durch „Sig."
mit verziertem S. Nimmt mau hinzu, dass das wichtigste der Lexica
Tironiana, aus denen Schmitz seine „Commentarii notarum Tironia-
niarum" zusammenstellte, ebenfalls aus Fulda stammt, so gelangen wir
zum. Ergebnis, dass um das Jahr 820 im berühmten Bonifatiuskloster
eine Schreibschule blühte, die nicht nur in der Bücherschrift mit den
besten Mustern wetteiferte, sondern auch in Schrift und Beglaubigungs-
formen der Reichskanzlei guten Bescheid wusste. Sickel selbst machte
bereits die für Pippin'sche Zeit allzu korrekte Sprache als verhältnis-
mässig jüngeres Element geltend ; vom Standpunkt der äusseren Merk-
male tritt die Linirung hinzu, die ich in Originaldiplomen vor Lud-
wig d. Fr. nicht nachzuweisen vermag. Auch auf Schreibfehler ist
bereits hingewiesen: ptitionibus und Peri^) statt petitionibus und Petri
sind nicht allzuarg; ähnliche und viel schlimmere Dinge unterliefen
den Schreibern der Reichskanzlei iu Massen, soweit wir ihr Walten
nur zu verfolgen vermögen. Ungleich grössere Wichtigkeit misst Sickel
') Memoire sur l'ecole calligrapliique de Tours au IX*^ siecle; besonders T. IV.
2) Zahlreiche Cursivverbindungen, offene g, e und r mit lang gestreckten
Zungen, stark verdickte Oberschäfte, sehr mangelhaft durchgeführte Worttrennung
{zusammen geschrieben : memoratasunt, divinavocatione, successoreseius, ibidemdeo,
regerevaleant, itaetipsum, iureipsius); die Kopie bildet der Schrift nach ein hüb-
sches Seitenstück zu Kaiserurk. in Abb. XI. ]. Vgl. über unsere Kopie auch
Pflugk-Harttung S. 249.
3) Diese Lesung muss ich gegenüber Ptri bei Sickel und Pflugk-Harttung
vertreten. Dass von späterer Hand über der Zeile ein e eingefügt ist, beweist
nur, dass der spätere Corrector sich über den vorhandenen Schriftbestand nicht
klar war und den unrichtigen Buchstaben ergänzte.
198 M. Tau gl.
der Stelle ,ob horemi) dei et veneratioue» saucti Petri'' bei. Die
jüngereu handschriftlicheu Ueberlieferungeu und sämmtliche bisherige
Drucke verbesserten dies zu honorem; allein dem hält Sickel entgegen,
dass die dadurch entstandene Fassung ganz unkanzleigemäss ist. Auf
Grund seiner Vertrautheit mit Urkundensprache und Urkundenschrift
zieht er es vor, einen Lesefehler anzunehmen; er hält „horem" ver-
derbt aus dem kanzleigemässen „amorem", indem ein über der Zeile
stehendes und mit dem folgenden m verbundenes off-mes a zu h ver-
lesen wurde -). Das an sich kleinliche Detail ergäbe die wichtige
Folgerung, dass wir es mit der Abschrift einer wenigstens an
dieser Stelle gleichlautenden Vorlage zu thun haben und
dass diese Abschrift einer Zeit entstammt, in welcher die Vertrautheit
mit den oft recht wüsten Buchstabenverliindungen der merovingischen
und frühkaroliugischeu Cursive zu entschwinden begann. Ich werde
im späteren Verlauf der Untersuchung auf eine vielleicht schlim-
mere Verderbung in der Zeugenreihe zu sprechen kommen, möchte
hier in dieser Frage aber doch meine Bedenken geltend machen. Ich
hielte Sickels Erklärungsversuch dann für schlagend, wenn das durch
die andere Erklärung entstandene .honorem" statt .amorem" that-
sächlich der einzige Verstoss gegen die Sprache der Köuigsurkunden
wäre. Wenn wir aber im weiteren eine ganze Eeihe von Kanzlei-
widrigkeiteu nachzuweisen vermögen, dann scheint es mir doch näher-
liegend, den Mann, den wir schon zweimal beim Buchstabenauslassen
ertappten, in diesem Fall das Silbenauslassen zuzumuthen, abgesehen
davon, dass bei der graphisch gewiss zulässigen Deutung von horem
^^ avuorem noch immer die Frage auftauchte, was sich der Schreiber
imter dem sinnlosen horem dachte; in diesem Falle war es nahelie-
gend, dass er, vom Verlesen ausgehend, zu neuer Deutung vorzudringen
Suchte und dabei erst recht bei „honorem" anlangte.
Ich fasse zunächst die Ergebnisse aus der Schriftuntersuchuug
zusammen. Der Schriftbefund unserer Urkunde schafft durchaus keine
») Selbst die Lesung dieses Wortes ist unsicher. Sickel und Pfliigk-Harttung
lesen ,>horaeni* allein dazu mangelt der zweite Schaft des a. Meines Erachtens
liegt ein auf dem Ausläufer des r aufgesetztes einfaches e vor (vgl. rege in der
Signumzeile des ältesten Fuldaer Originals, Kaiserurk. in Abbild. I. 1 und sonst
oft, obwohl unser Schreiber diese Verbindung sonst nicht verwendet ; vgl. aber
die analogen ne- Verbindungen in unserer Urkunde Z. 1, 5, 11 und dagegen die
ganz anders gestaltete Verbindung rae Z. 4 in ,nostrae'. Z. 4 und 6 in ,prae-
cepto* und »praecipientes").
*) Wie sehr besonders die Cursivverbindung »an" dem h gleicht, davon
kann sich jedermann an der Hersfelder Urkunde Karl d. Gr. M. 176 (172), KU.
in Abb. I. 2 Zeile 6 und 8, überzeugen ; bei am = h müsste das Uebersehen des.
dritten Schaftes de.« ni hinzutreten.
Die Fuldaer Privileprienirage. 199
mit dem Jahre 800 abschliessende, zuvei'lässige Grenze, er lässt ein Ent-
stehen der Urkunde in den ersten Jahrzehnten des 9. Jahrhunderts eben-
sogut, vielleicht noch besser zu und harrt hier selbst einer aus inneren
Merkmalen und sachlichen Gründen zu gewinnenden näheren Umgrenzung.
Doch gilt es noch, bei den äusseren Merkmalen der Urkunde
zu verweilen, zunächst beim Siegel, bezüglich dessen die Beob-
achtungen und daran sich knüpfenden Bemerkungen Sickels (a. a. 0.
S. 604 — 5) einfach zu wiederholen sind : Es sind nur mehr Reste vor-
handen, die aber mit Bestimmtheit erkennen lassen, dass wir es mit
keinem Pippinsiegel, sondern wahrscheinlich mit einem Siegel Karls
d. Gr., aber einem von dem gewöhnlichen Typus abweichenden und
daher wohl gefälschten, zu thun haben. Doch war das Befestigen
echter Siesfel auf Nachzeichnungen und Fälschungen und umgekehrt
das Ersetzen abgefallener Siegel von Originalen durch unechte ein so
verbreiteter Unfug, dass , weder ein echtes Siegel eine sonst Verdacht
erregende Urkunde schützen, noch ein unechtes eine sonst makellose
verdächtigen kann^. Sollten sich aber unabhängig von der Siegel-
frage gewichtige Verdachtgrüude gegen die Urkunde erheben, dann
wird die Thatsache der Siegelfälschung immerhin als Verstärkung der-
selben verwertet werden dürfen.
Umso wichtiger wird die Datumzeile, die denn auch von allen,
die sich mit der Urkunde bisher befassten, eingehend erörtert worden
ist. In ihrer heutiffeu Fassung lautet sie: Data mense iunio anno II
regni nostri; actum Attiniaco palatio publico; in dei nomine feliciter
amen ; allein „11" ist mit wesentlich dunklerer Tinte über starker
Easur geschrieben, und die Lösung der Frage, was ursprünglich unter
dieser Kasur gestanden hatte, wird geradezu zu einem Angelpunkt der
ganzen Untersuchung. Dass Schannat „primo" druckte und dies Wort
auch in seinem Faesimile wiedergab, als ob früher und später nie
etwas anderes an dessen Stelle gestanden hätte, war nur eine
der raehrtachen Vergewaltigungen, die er sich seinen Urkunden-
texten gegenüber zu Schulden kommen liess. Kopp deutete in seinem
Faesimile (Schrifttaieln Nr. 1) an, dass ursprünglich „nono" dage-
standen habe, was aber Sickel (a. a. 0. 606) -bei genauester Prüfung
des Schriftstückes nicht mehr zu erkennen" vermochte; er stellte nur
fest, dass „ein in Buchstaben ausgeschriel)enes Zahlwort ausradirt" sei.
Gegenbauer, der die Stelle mit einem chemischen Reagens bearbeitete^
bestätigte aufs bestimmteste die Le.sung Kopps ^). Später hat dann
Pflugk-Harttung die Rasur ,auf das Genaueste- untersucht-), die
') Das Kloster Fulda im Karolinger Zeitalter 1, 31.
») Diplom.-hist. Forsch. 238 f.
200 ^1- Tangl.
Frage selbst aber nur verwirrt. Zu einem bestimmten Ergebnis ge-
laugte er nicht; die von ihm vermuthete Lesung aber, dass ,VII mo,
X mo oder XI mo" an der Stelle gestanden haben dürfte, ist nicht
nur unrichtig, sondern unmöglich ; eine derartige Verbindung von
Zahl und beigefügter Endung ist für die ganze, irgend in Betracht
kommende Zeit einfach ausgeschlossen.
Auch ich habe die Urkunde wiederholt eingehend geprüft und
kann nur mit aller Bestimmtheit versichern, dass die Lesung von Kopp,
Herquet, Gegenbauer über jedem Zweifel feststeht. Die eigentliche
Easur ist keineswegs so gross, wie man aus dem Flecken auf dem
Facsimile bei Herquet schliessen möchte, sie erstreckt sich nur über
die Mittellinie der Schriftzeile und hebt sich mit ihren Bändern sehr
scharf ab. Eines ist also sicher: es war ein kurzes Zahlwort ohne
Ober- und Unterlängen: dadurch allein sind schon: primo, secundo,
quarto, quinto, sexto. septimo, decimo sicher, tertio (tercio) wahr-
scheinlich ausgeschlossen. Aber auch die positive Seite der Lesung
kann gar nicht zweifelhaft sein: „nono" ist als ursprünglicher Schrift-
bestand noch mit voller Sicherheit zu erkennen. Mit dieser Behaup-
tung weiss ich mich nicht nur in üebereinstimmuug mit Mühlbacher
und Dopsch in Wien und Könnecke in Marburg, sondern ich darf
den Leser einfach bitten, sich an der photographischeu Keproduction
bei Herquet selbst zu überzeugen : vor dem späteren Zahlzeichen stand
n, zwischen den beiden Strichen von II o und nach der Zahl, noch
deutlichst sichtbar, no. Wenn Pflugk - Harttung .mo" als Endung
sicher stellte, so lag der Irrthum darin, dass er den zweiten Theil der
Bauchung des o für den ersten Schaft vom m hielt. Der Schriftbe-
stand ist heute noch so klar, dass ich den langen Streit, aufrichtig
gesagt, nicht ganz begreife.
Und nun die Schlüsse : Das 9. ßegierungsjahr Pippin's i) ist nicht
nur zu Bouifatius als Empfänger und Zeugen, zu den Bischöfen Bur-
chard und Eoban als Zeugen, zu dem Priesterti^l des indessen längst
zum Bischof von Würzburg beförderten Megingauz unverträglich, die
Sache steht, was eben Herquet und Gegenbauer nicht erkannten, noch
viel schlimmer: die Datiruug ist nicht nur unmöglich, sie
ist unoriginell, sie ist dem ersten wirklichen Original-
diploni Pippins für Fulda, M. No. 90 (88) wörtlich ent-
nommen: Data in mense iunio anno nono regnum nostri; actum
') Herquet macht S. 9 den verzweifelten Versuch, die Eintracht der direkten
und indirekten Zeitmerkmale dadurch zu retten, dass er den König Pippin in
rührender Pietät nach dem 9. Regierungsjahr seines abgesetzten Vorgängers, des
letzten Merovingers Childench III., datiren lässt 1
Die Fuldaei* Privilegienfrage. 201
Atiniago palatio publice. Die geringen formellen Abweichungen be-
lasten unsere Urkunde nur noch weiter; sie bestehen in der Ver-
besserung der Latiuität und iu der Beifügung der unter Pippin nicht
unbekannten aber in dieser Eegelmässigkeit • erst später festgestellten
vollen Apprecationsformel : in dei nomine felieiter amen. Wann die
Correetur zu II erfolgte, ob, wie Sickel anzunehmen geneigt ist, noch
von derselben Hand, oder, wie Pflugk-Harttung meint, später, ist für
unsere Zwecke ziemlich belanglos. Keinesfalls geschah sie in einem
Guss mit der Niederschrift der Urkunde; dagegen spricht die tief-
schwarze Tinte des Nachtrags. Vorgenommen wurde sie wohl in dem
Augenblick, als man sich in Fulda des Zwiespalts mit den indirekten
Zeitmerkmalen bewusst wurde. Im 11. Jahrhundert war sie auf alle
Fälle bereits vorhanden, da sie in die damals entstandene Eiuzelkopie
nnd weiter in den Codex Eberhard! übergieng.
Es ist der erste empfindliche Stoss, den unsere Urkunde erhält
und dem bald weitere folgen werden.
Ich schreite weiter zur Erörterung der Corroborationsformel und
der Zeugen Unterschriften. Erstere lautet : et tamen hoc, quod ob
amorem dei et veuerationem saneti Petri nostra auctoritate firmavimus,
stabile permaneat, manu nostra roboratura et tam auuli nostri inpres-
sione quam fidelium nostrorum adstipulatione subnixum. Dass sie in
dieser Fassuug ganz aus der Art schlägt, hat bereits Sickel klar er-
wiesen (a. a. 0. S. 607 — 608); er bezeichnet sie als ,in Königsur-
kunden vereinzelt dastehend'* und sieht in ihr ,eine Remiuiscenz an
das in den Hausmaier Urkunden häufige stipulatione subnixa" i). Ge-
wiss, es ist, noch allgemeiner gesprochen und auch von Sickel schon
erkannt, die ständig wiederkehrende Schlussformel der älteren frän-
kischen Privaturkunde ^), in deren Formen auch die Hausmaier zu
Urkunden pflegten; Pippin aber hatte mit dieser Reminiscenz gründ-
lich gebrochen, und zwar nicht erst als König, sondern bereits als
Hausmaier. Es ist dies für die Erkenntnis des zielbewussten und all-
mäligen Vordringens zur vollen Königswürde höchst bezeichnend. Wie
er sich im Gegensatz zu seinem Vater in seinen Urkunden bereits
regelmässig des pluralis maiestaticus bediente, so hat er auch au Stelle
der Corroborationsformel der Privaturkunden jene der Königsurkunden
aufgenommen und weitersebildet. Die Beglaubigung der Merovingischen
') Vgl. über diese Formel und über ihre Scheidung vom römischrechtlichen
Begriff der slipulatio die zugleich grundlegenden und abschliessenden Unter-
suchungen Brunners, Zur Rechtsgesch. d. röni. u. germ. Urk. S. 220 ff.
2} Nach diesem Schema sind auch die meisten älteren Fuldaer Privaturkunden
aboefasst.
202 M. Tangl.
Königsurkunde erfolgte durch eigenhändige Unterschrift und durch
Besiegehmg; aber nur erstere wird in der Corroborationsformel ange-
kündjcrt, während der letzteren keine Erwähnung geschieht. Indem
Pippin diese Beglaubigungsformen aufgriff, konnte er es bei der Unter-
schrift nur in sehr beschränktem Masse thun; an die Stelle eigenhän-
diger Naraensfertigung trat das Handmai. Der erhöhten Bedeutung,
die dadurch das Siegel gewann, entsprach es wohl, dass nunmehr die
Ankündigung desselben mit in die Corroborationsformel einbezogen
wurde. So ist zu Beginn des Hausmaierthums Pippins jene Grund-
lage geschaffen, die in der späteren deutschen Königsurkunde dauernd
fortwirkte i). Eine ,Kemiuiscenz'' an früheren Brauch ist nicht nur
nirgends bezeugt, sondern bei der grundsätzlichen Art der Neuerung
wohl ausgeschlossen. Ich halte es demnach für ganz unmöglich, dass
unsere Fuldaer Urkunde in dieser Form aus der Kauzlei Pippins her-
vorgegangen sein könnte.
1) Vgl. Bresslau, UL. 1, 516 — 518. Es sei gestattet, den Wandel dieser Dinge an
der Hand der wenigen Hausmaier-Urkunden etwas näher zu verfolgen : Karl M a r-
tell: M. 31: Ego etc., ganz nach dem Schema der Privaturkunden, Poenformel,
stipulatione subnixa. keine Zeugen. M. 32. Placitum. M, 33, nur Regest: et suis
manibus aliorumque episcoi^orum ipsum sub divina attestatione roboravit. M. 34:
Ego, dann aber Plural, Poen, stip. subn. Zeugen. M. 35. Placitum. M. 36 : undatirte»
Mandat lür Bonifatius. in der Sammlung der Bonifatius-Briefe überliefert (MG. Ep.
3. 270 Nr. 22), zum erstenmal Corroboration der Königsurkunde: Etut
certius credatur, manu propria subter firmavi et de anulo nostro subter sigilla-
vimus. (Wechsel von Singular und Plural:) M. ■ 7 : Reichenauer Fälschung, An-
kündigung von anulus und sigülum! M. 38: Ego, Singular, Poen, stip. subn.,
Zeugen. M. 35. 40 nur Regest. M. 41 : Ego, aber sonst Plural, Poen, ohne stip.
subn., keine Zeugen, keine Datirung. Nachtrag: de ecclesia Wesele in eodem
pago Sita eadem firmamus et anuli nostri sigillo signamus. Dies gewiss späterer
Zusatz; die Urk. scheint auch sonst überarbeitet und verstümmelt. Karl mann:
M. 44, 45: Kapitulare. M, 46, 47: Acta- deperdita, davon letzteres für Fulda,
(über dieses unten mehr). M. 48 : Fälschung Eberhards von Fulda. M. 49 :
Actum deperditum. M. 50 : Singular und Plural wechselnd, Poen, factum est
astipulatione subnixa (gleiche Form wie in unserem Pippin Privileg !), keine
Zeug- n, nur der Sohn Drogo als consentiens. M. 51: Placitum. M. 52: plumpe
fiilschung. Pippin als Haus maier: M. 54: ganz in den Formen der
Königsurkunde, manus nostrae subscriptionibus infra roborare decrevimus.
(Meroving. Corroboration!). M. 55: Kapitulare. M. 56: Actum deperditum. M. 57,
58, 59: Placita. M. 60, Orig. : manu propria subter firmavimus et
anuli nostri impressione signavimus. M. 61 : Et ut certius posteri
nostri credünt, li a n c c h a r t a m m a n u p r o p r i a subter f i r m a m u s et
anulo nostro fidel it er sigi Ilamus. M. 62, Mandat: Et ut certius cre-
detur, has litteras de anulo nostro subter eas iussimussigillare.
M. 63, Mandat^ Et ut certius credatur. m a n u propria s u b t e r firmavimus.
et de anulo nostro sigill a vi m u s.
Die Fuldaer Pvivilegientrage. 203
Das führt uns weiter zu eleu unserer Urkunde angefügten Unter-
schriften. Nach dem Vorgang von Sickel und Pflugk-Harttung sind
hier wieder drei Einzelfragen zu behandeln : Die Zulässigkeit von
Zeugenführuug in einer Pippinurkunde überhaupt, die zeitliche Verein-
barkeit von Namen und Titeln und die ungewöhnliche Bezeichnung^
der Grafen als „praefecti".
Zeugeuunterschriften sind der Karolingischen Köuigsurkunde im
allgemeinen durchaus fremd, sie finden sich aber entsprechend dem
allgemeinen Brauch der fränkischen Privaturkunden in Urkunden der
Hausmaier. Es handelt sich daher wie bei der Oorroboration so auch
hier sehr wesentlich darum, ob der Uebergang unter Pippin ein jäher
oder allmäliger war. Während Sickel (a. a. 0. S. 579) die Zulässig-
keit der Zeugenschaft als seltenen Ausnahmefall zuzugeben bereit ist,
machte Pflugk-Harttung (S. 242) ihm gegenüber geltend, dass die einzige
echte Pippiu-Urkunde, die ausser dem Fuldaer Privileg noch Zeugen
aufweist, M. 95 (93) für Prüm nur abschriftlich überliefert und daher
nicht beweiskräftig ist ^). Er scheint mir dabei diese Urkunde doch
etwas zu niedrig einzuschätzen. Der Fond Prüm gehört zu unseren
glattesten, von Fälschung fast ganz freien Gruppen; das Chartular
bringt besonders in seinem ursprünglichen, dem 10. Jahrb. angehörigen
Bestände nicht ganz correcte und einwandfreie aber, soviel wir zu
erkennen vermögen, von groben Auslassungen und Zusätzen freie
Texte -). Die Vertheidiger des Fuldaer Privilegiums vermöchten über-
dies Gleichartigkeit der Rechtshandlung zu ihren Gunsten geltend zu
machen: auch bei Prüm handelt es sich um Klosterprivileg und Im-
munität. Klosterprivilegien aber sind gerade jene Urkundenart, bei
welcher die Zustimmung der Grossen am frühesten erwähnt wird und
wenigstens in einem sicheren Beispiel aus Merovinger Zeit auch durch
Unterschrift zum Ausdruck kommt ^). Von diesen Gesichtspunkt aus
könnte auch die Zeugenführung in der Fuldaer Urkunde als an sich
zulässiger Ausnahmefall gelten. Schlimmer ist schon, dass sie mit der^
wie wir überdies sahen, höchst kanzleiwidrigen Ankündigung der Unter-
schriften in der Corroboratiou allein dasteht^). Entscheidend ist, dass
') Zeugen finden sich sonst auch in den Fälschungen M. 67 (()5) für Echter-
nach und M. 93 (91) für Gorze.
2) Auch bei minder günstigem Urtheil luOsste man bei der vollkommen
zeitgemässen Zeugenreihe von 9 Bischöfen noch immer eine neben der Königs-
ui-kunde einhergehende echte Quelle annehmen.
•'') Originaldiplom Chlodovechs II. für St. Denis, 653 Juni 22, MG. DD.
Merov. Nr. 19; vgl. Bresslau UL. 1, 694; von abschriltlich überlieferten Urk.
gehören hieher noch DD. Merov. Nr. 29, 31, 40.
•*) Die Corroborationsforniel in der Urkunde für Pilim lautet : Et ut hec
204 ^^- T^"k1-
die zeitliche Einordnung dieser Zeugen grössten Schwierigkeiten begegnet.
Wir haben dabei nochmals festzuhalten, dass die ursprüngliche Datiruug
auf das 9. Eegierungsjahr Pippins, also das Jahr 760 wies; mit ihm
aber sind, wie fechon oben erwähnt, Boiiifatius als Empfänger und
Zeuge, die Bischöfe Eobau und Burchard von Würzburg als Zeugen,
Megingauz, der inzwischen längst Bischof von Würzburg geworden
war, als presbiter unverträglich. Kein Zweifel, dass die Erkenntnis
dieses Zwiespaltes in Fulda die spätere Correctur zn „anuo 11" her-
vorrief, dadurch aber verstiess man ebenso bestimmt gegen die Be-
zeichnung von Pippins jüngerem Bruder Karlmaun als „beatae me-
moriae", das einzige indirekte Zeitmerkmal, das sich zu 760 in aller-
dings bestem Einklang befuuden hatte.
Lieber Vorkommen und Bedeutung von „praefectus" gelangt Waitz
zu folgendem Ergebnis^): Praefectus, sonst in höherem Sinn vom
Maiordomus gebraucht, bezeichuet in den Briefen und in der
vita Bonifatii ebenso wie bei späteren Autoren den Grafen. Es
sind also in Fulda bekannte Quellen, welche die hauptsächlichen Beleg-
stellen liefern, und zu ihnen gesellt sich ein aus Fulda selbst stam-
mendes Zeugnis, die Fuldaer Annalen z. J. 852 (ed. Kurze S. 43) :
,ut uullus praefectus in sua praefectura . . . alicuius causam
advocati nomine susciperet agendam. Diese von Waitz gesammelten
Belege vermag ich um ein wichtiges Beispiel zu vermehren; es findet
sich in dem Nachtrag zu einer Fuldaer Privaturkunde vom
9. März 806, Drouke CD. S. 119 Nr. 2i^8: -Supradictus Uuilliprah-
tus malo conatu i])sam supradictam rem auferre studuit, sed deo
volente atque iustitia dictante coram prefectis nuntiisque impera-
toris luerine et I ufride per vim cogatur (!) tradidit quod debuit". Die
Eintragung steht im Fuldaer Traditionscodex f. 59' von erster Hand.
Sie gibt sich zwar als Nachtrag zur Urkunde, kann aber bei dem
Alter des um das J. 828 angelegten Chartuhirs selbst zeitlich nicht
allzuviel später fallen. Neben der strittigen Pippinurkuude
auctoritas nostra fivmior habeatur vel in perpetuum melius conservetur, manu
propria decrevimus roborave. Aehnlich in den angeführten Merovinger Urkunden.
In der Corroboration von DD. Merov. Nr. 31 : Et ut haec emunitas firmior ha-
beatur et per tempora conservetur, manus nostrae <ac fidelium nostrorum tam
episcoporum quam optimatum> subscriptionibus subter eam decrevimus corro-
borari, halte ich das in Klammern stehende für späteren Einschub in die sonst
correcte Meroviugische Corroboration.
1) Deutsche V. G. 3. Aufl. •_>. B. 2 Th. S. 2b' Anm. 2 und 2. Aufl. 3. B.
S. 383 Anm. 3.
Die Fuldaer Privilegienfrage. 205
ist dies das einzige Zeugnis für das Vorkommen von
praefectus^ comes in Urkunden i).
Zur Erklärung des Vorkommeus der Zeugenunterschriften hatte
Pflugk-Harttung unnöthig weit nach der angelsächsischen Königsur-
kunde ausgeholt (S 242); die näher liegende fränkische Privaturkunde
genügt dazu ganz ebenso, das „adstipulatioue subnixuni" der Corro-
baration weist bestimmt auf die letztere, und gewichtige Belegstellen
für den Titel „praefectus" führen direkt nach Fulda.
Eines ist sicher, dass uns in unserer Urkunde weder
die Urschrift noch eine getreue Abschrift einer Pippin-
Urkunde vorliegt. Die von Gegenbauer vorgeschlagene Erklärung
durch Annahme eiuer im J. 760 unter Beibehaltung des ursprüng-
lichen Empfängers und der ursprünglichen Zeugenreihe erfolgten Neu-
ausfertigung genügt ebenso wenig. Die Kriterien, die wir vom Stand-
punkt des Schriftbestandes an die Originalität eiuer solchen zu stellen
haben, bleiben sich für 753 und 760 ebenso gleich, wie die Unmög-
lichkeit der Corroborationsformel. Es könnte sich daher wieder nur
um eine überarbeitete und dabei entstellte Abschrift einer solchen
Neuausfertigung handeln, und wir gewännen nur in der ohnedies un-
sicheren Ueberlieferung ein Glied mehr, noch dazu eines, das für die
ganze Karolingerzeit auch nicht durch ein sicheres Beispiel zu be-
legen ist.
Ob freie Fälschung oder Veruuechtung vorliegt, kann erst die
weitere sachliche Untersuchung, vor allem die des in der Königsur-
kunde seinem wesentlichen Wortlaut nach wiederholten Zacharias-
privilegs lehren.
Dass Bonifatius für das von ihm begründete Kloster Fulda ein
Privileg von Papst Zacharias erbeten und dieser dem Ansuchen will-
fahrt hatte, geht aus dem Schreiben des Papstes an Bonifatins vom
4. November 751 mit voller Sicherheit hervor^). Es ist das bedeutende
Verdienst Oelsners s), dass er, während man bis dahin kurzweg von
') Aus Freisinger Urkunden hat Waitz a. a. 0. das ähnliche »ijraeses^«
nachgewiesen.
2) Mon. Germ. Epistolae 3, 370: Igitur et hoc petisti, ut monasterium in
vastissima solitudine et in medio gentium quibus praedicas constitutum et a te
fundatum esse atque in honore Salvatoris dei nostri dedicatum, ubi etiam et
monachos sub regula beati Benedict! degere ordinasti illud venerabile monaste-
rium nomini tuo privilegio sedis apostolice muniri. Quod votis tuis acqui-
escentes ordinavimus iuxta desiderium et petitionem tuam.
3) Jahrbücher des fränkischen Reiches unter König Pippin, Leipzig, 1871.
Excurs V. S. 487 — 488. Die Bulle des Papstes Zacharias für Fulda.
206 M- Tan gl.
dem Zachariasprivileg zu sprechen pflegte, die zum Theil stark von
einander abweichenden Ueberlieferuugen desselben schied und geson-
derter Beurtheilung unterzog. Pflugk-Harttuug ist ihm auf dieser
Bahn in noch weiterem Masse gefolgt i). Nach ihm theilen sich die
Ueberlieferuugen des Privilegs in nicht weniger als 4 Gruppen, die
ich im folgenden in der mir richtig scheinenden Keihenfolge aufzähle,
indem ich gleichzeitig Pflugk-Harttungs Siglen in Klammern beifüge :
A (C) erhalten in einer aus dem 9. Jahrhundert stammenden Hs.
der Bonifatiusbriefe und auf sie zurückgehenden jüngeren Abschriften.
Mou. Germ. Epistolae 3, 374 Nr. 89, Col. 2. B (A) erhalten in ältester
Ueberlieferuug als Insert in die Pippinurkunde, ferner als Einzelkopie
saec. X, in einer gleichfalls dem 10. Jahrh. angehörigen Hs. der Boni-
fatiusbriefe und im Cod. Eberhardi s. XII. I. p. 6- Mon. Germ. 1. c.
Nr. 89 Col. 1. C (B) erhalten im Othlohs Vita S. Bonifatii. Baronius,
Ann. eccl. ad a. 751 § 16 — 17. D (D) erhalten im Cod. Eberhardi
I. p. 63. Dronke CD. Fuldensis 3 Nr. 4b. Nach Pflugk-Harttung sind
sämmtliche Ueberlieferungen durch den Ausfall der Klausel, die sich
auf die Wahrung der Rechte des Diöcesanbischofs bezog, verun-
echtet. Die Fälschung setzt er noch in die Zeit des Abtes Sturm,
S. 228 versucht er dann unter Zugrundelegung des seiner Ansicht
nach relativ zuverlässigsten Textes von B, Einfügung der eben er-
wähnten Klausel und Anreihung einer nur in C erhaltenen Datirunw
die Wiederherstellung der ursprünglichen echten Fassung.
Indem ich ausdrücklich anerkenne, dass Pflugk-Harttung durch
den Hinweis auf die verschiedenartige Ueberlieferung eine auch von den
neueren Forschern nach ihm zu wenig beachtete Anregung geboten
hat, muss ich mich für alles weitere doch sogleich von ihm scheiden.
Zwei von den vier Ueberlieferungen fallen sofort hinweg: In D
wiederholte Eberhard von Fulda nur die Fassung B, vermehrt um
weit über ein Dutzend seiner thörichten Interpolationen. C bereichert
den Text von B durch Beigabe einer durch ihre Bestimmtheit anfangs
verblüflendeu Datirung: Data pridie nonas Novembr. imperante domno
augustü Constantiuo anno XXXII imperii eins, indictione quinta." Bei
näherem Zusehen findet man aber in ihr lediglich eine gute alte
Bekannte wieder: Es ist, nur in vereinfachter und darum erst recht
unkanzleimässiger Gestalt, die Datirung des oben erwähnten Zacharias-
briefes an Bonifatius vom 4. Nov. 751, welche die Handschriften der
Bonifatiusbriefe, ohnedies bereits per nefas, auch auf die angebliche
Errichtungsbulle des Erzbisthums Mainz übertragen hatten ^). Othloh
>) A. a. 0. S. 359 ff. S. 198 ff.
*) Vgl. über diese Urkunde Loofs, Zur Chronologie der auf die fränkischen
Die Fuldacr Privilegienfrage. 207
aber that ein übriges, indem er sie auch für das Fuldaer Privileg er-
borgte. Ihre Bedeutung für die thatsächliche Einreihung des Privi-
legs ist ja gar nicht zu leuguen ; wenn Papst Zacharias am genannten
Tage schreibt, dass er auf Bitten des Bonifatius ein Privileg für Fulda
ertheilt habe, so wird dies immer ein sehr bestimmter Anhaltspunkt
für die Einreihung desselben bleiben ; die Datirung aber, und zwar
blos auf die üeberlieferung bei Otioh hin, als Bestandtheil der Ur-
kunde zu verwerten, widerspricht allen Grundsätzen der Textkritik.
Es bleiben also als wirklich selbstständig die Fassungen A und B.
Ihre üeberlieferung und ihr Verhältnis zu einander verdienen aller-
dings eingehendste Beachtung.
Beide Fassungen decken sich in dem sachlich wichtigsten und
meistumstrittenen Punkt, indem sie, zugleich in vollkommener Ueber-
einstimmung mit der ältesten Privilegienformel des Liber Diuruus
(Nr, 32 der Sickel'schen Ausgabe), der einzigen in dem ursprünglichen
Bestand des Liber Diuruus überhaupt, die Exemtion des Klosters ohne
Vorbehalt der bischöflichen Gerechtsame aussprechen : ,Et ideo omnem
cuiuslibet ecclesiae sacerdotem in praefato monasterio ditionem quam-
libet habere hac auctoritate (aut auctoritatem B) praeter sedem apo-
stolicam prohibemus*. Hier eben verwarf Pflugk-Harttung beide als
verunechtet und nahm für seineu Text der reconstruirten echten
Zachariasurkunde bereits die Fassung der späteren Fuldaer Privilegien
aus dem 9. Jahrhundert in Auspruch (S. 228): «Et ideo omnem cuius-
libet ecclesiae sacerdotem in praefato monasterio dicionem quamlibet
habere aut auctoritatem praeter sedem apostolicam et episcopum,
in cuius dioecesi vener abile mouasterium constructum
esse videtur, cui licentiam concedimus tantum cum oppor-
tunitas consecrandi altaris fuerit, prohibemus".
Die älteste und wahrscheinlich einzig selbstständige üeberlieferung
von A bildet eine Handschrift der Bonifatius- Briefe aus dem 9. Jahr-
hundert (Cod. Monac. 8112), die nach einer Notiz vom Jahre 1479
der Martinskirche in Mainz angehörte i). Gerade dies könnte von ent-
Synoden des h. Bonifatius bezüglichen Briefe der Bonifazischen Briefsammlung.
Leipziger Dissert. 1881 S. 50 ff.
•) Der Tex ist gerade in dieser ältesten Quelle heute nur höchst unvoll-
ständig erhalten, da das Blatt, das den Hauptinhalt des Privilegs enthielt, her-
ausgeschnitten ist ; nur die wenigen Schlussworte auf fol. 54 zeugen von der
Eintragung des Privilegs und zwar in der charakteristischen Uebereinstimmung
mit dem Liber Diurnus als Fassung A. Das fehlende Blatt kann übrigens erst
in verhältnismässig später Zeit herausgeschnitten worden sein, da jüngere Ab-
schriften noch den vollen Wortlaut bringen.
208 M. Tan gl.
scheidender Wichtigkeit sein. Gelänge es, nachzuweisen, dass die
Handschrift auch thatsächlich in Mainz entstand, dann wäre da-
durch allein eiue feste Stütze für die Zuverlässigkeit der strittigen
Stelle gewonneu. Denu es wäre ausgeschlossen, dass man die Ur-
kunde ausserhalb Fuldas ganz gleichartig wie dort selbst verfälschte,
am wenigsten in Mainz, das dabei selbst in erster Linie zu Schaden
kam. Dieser Beweis ist nun allerdings nicht zu erbringen ; im Gegeu-
theil: Nürnberger, der sich bisher am eingehendsten mit unserer Hs.
beschäftigte, ist mit grosser Zuversicht dafür eingetreten, dass die
Handschrift in Fulda entstanden und erst später nach Mainz gelangt
sei 1) ; ja er glaubt sogar, den bestimmten Aulass hiefür zu kenneu,
indem er den veränderten Standort der Handschrift mit der üeber-
siedlung des Marianus Scottus von Fulda nach Mainz in Verbindung
bringt. Dümmler fand seine Beweisführung „annehmbar aber
keineswegs sicher" ^). Meines Erachtens ist dies Urtheil bereits
das günstigste, das sich überhaupt fällen lässt. Die Wechsel-
beziehuugen zwischen Mainz und Fulda waren das ganze 9., 10.
und 11. Jahrhundert hindurch so lebhafte, dass sich für einen
solchen Austausch von Handschriften reichlich Gelegenheit bot. Den
exakten Beweis aber, den Nürnberger für seine Vermuthung anzu-
treten versucht, halte ich für misslungen. Er selbst muss (S. VI.) zu-
gestehen, dass Otloh, der 1062 — 1066, also mehrere Jahre vor dem
1069 erfolgten Abgang des Marianus nach Mainz, in Fulda schrieb,
unsere Handschrift nicht kannte ; wenn er diese Kenntnis umgekehrt
(S. V.) bei Marianus voraussetzt, so ist anzunehmen, dass dieser sich
dieselbe eher in Mainz als in Fulda erwarb; denn die Stelleu, aus
denen Nürnberger darauf schliesst, sind durchweg Beifügungen von
zweiter Hand. (S. V.) Kurz, wir stehen hier vor einem „Nou liquet",
und Vertheidiguug und Anfechtung der strittigen Stelle des Zacharias-
privilegs können nach wie vor nur von historischen und kanonistischen
Gesichtspunkten aus unternommen werden. Hier aber bleiben die Aus-
führungen Sickels und Oelsners vollkommen aufrecht bestehen. Pflugk-
Harttungs Einwendungen haben trotz der anerkennenswerten Sorgfalt,
mit der sie auf breitester und nur allzubreiter Grundlage aufgebaut
waren, ziemlich allgemeine Ablehunng erfahren 3). In jüngster Zeit
<) Die haudschriftliche Uebei-lieferung der Briefe des h. Bonifatius, Pro-
gramm des kath. Gjminasiums zu Neisse, 1883.
2) Mon. Germ, Epistolae 3, 216.
3) Zustimmend hat sich, soviel ich sehe, nur Heinrich Hahn verhalten^
Bonifaz und Lull. Leipzig 1883, S. 266—287.
Die Fuldaer Privilegienfrage. 209
hat besonders Hauck in seiner Kirchengeschichte Deutschlands die
Fragestellung Pflugk-Harttungs als verfehlt zurückgewiesen i).
Das Walten des h. Bonifatius ist nur aus der steten Beachtung
seiner angelsächsischen Herkunft richtig zu verstehen. Christianisiruno-,
Aufrichtung der Hierarchie und Klostergründung hatten sich aber auf
englischem Boden von Anfang an unter dem vorwaltenden Einfluss der
römischen Kirche vollzogen. Schon anlässlich der Pallienverleihung
von 634 finden wir York und Canterbury in viel strammerer Abhän-
gigkeit vom Rom als irgend einen der fränkischen oder burgundischen
Metropoliten 2), In diesen Anschauungen wuchs Bonifatius auf und
trug sie mit sich ins Frankenreich. Enger und unbedingter Anschluss
an Rom galt ihm als das einzig Wahre, und das Ziel seines Streben s
gieng dahin, diesen Anschluss nicht nur nicht durch etwaio-e Zu-
geständnisse an die im Frankenreich vorhandenen Verhältnisse schmälern
zu lassen, sondern ihn womöglich noch über die bekannten Vorbilder
hinaus inniger zu gestalten. In diesem Sinne hat er entgegen allem
Herkommen in die Hände Gregors II. den Treueid der suburbicareu
Bischöfe abgelegt 3). Ist es unter diesen umständen so erstaunlieh,
dass derselbe Mann für seine Klostergründung die gleiche Rechts-
stellung erstrebte, dass er für Fulda das Privileg des suburbicaren
Klosters erbat?
Indem aber Papst Zacharias dem Ansuchen seines Legaten will-
fahrte, unternahm er einen bis dahin unerhörten Eingrifi" in fränkisches
Reichs- und Kirchenrecht; er legte sich durch die Privilegirung eines
auf fränkischem Boden gegründeten Klosters ein Vorrecht bei, das
bisher ausschliesslich dem König und Bischof zugestanden hatte. Nocli
grundsätzlicher als die Fassung des Privilegs verstiess dessen Er-
') 2. Aufl. 1, S. 566 A. 3 »Diplomatische Gründe zu dieser Ergänzung
(Wahrung der Rechte des Diöcesanbischofs) gibt es nicht. Die historischen aber
halte ich nicht für durchschlagend. Der Ausgangspunkt der ganzen Untersuchung
Harttungs scheint mir verfehlt; er beginnt mit der Frage: Was ward damals
im Frankenreich durch Privilegien an Benediktiner Abteien verliehen? Gewiss,
so müsste man fragen, wenn Bonifatius nur ein fränkischer Bischof gewesen
wäre, der in nichts das überschreiten wollte, was im Frankenreiche üblich war.
Aber das war er nicht. Man muss deshalb mit der Frage beginnen : Welche
Privilegien für Benediktinerklöster kannte Bonifatius aus England und Italien
und welche mussten ihm für sein Kloster wünschenswert erscheinen'!' Geht man
hievon aus, so wird das Resultat anders lauten als bei Harttung''.
-) Langen. Gesch. d. röm. Kirche von Leo I. bis Nikolaus L S. 512 — 513.
■^) Mon. Germ. Epist. 3, 265 Nr. 16: der Eid deckt sich vollkommen mit
der Formel 75 des Liber Diurnus (ed. Sickel), nur dass anstelle des Treugelöb-
nisses an den griechischen Kaiser das Versprechen eingefügt ist, mit Bischöfen,
die entgegen den Satzungen der Väter wirkten, keine Gemeinschaft zu pflegen.
Mittheilungen XX. 14
210
M. Tani,'l.
theiluiio' an sich wider die bischöflichen Gerechtsame. Steht aber
die Ertheilung der Urkunde, wie wir sahen, fest, so entfällt auch der
Grund, die Fassung derselben als uneingeschränkte Exemtion ernstlich
zu bezweifeln.
Endlich noch eine Erwägung: Die Fassung, wie sie in den echten
Fuldaer Privilegien des 9, Jahrhunderts seit Gregor IV. auftritt: „Et
ideo oranem cuiuslibet ecclesiae sacerdotem in praefato monasterio di-
cionem quamlibet habere aut auctoritatem praeter sedem apostolicam
et episcopum, in cuius diocesi venerabile mouasterium constructum
esse videtur, cui licentiam concedimus tantum cum oportunitas con-
secrandi altaris fuerit, prohibemus'', bedeutet eine Compromissformel.
Compromisse aber bilden nicht den Ausgangspunkt sondern das Ende
aller historischen Entwicklung. Erst der Vorstoss, und zwar der
grundsätzliche, unbedingte von der einen Seite, dann Widerstand unti
Einspruch von der andern, schliesslich der Vergleich, das ist der durch-
aus typische Vorgang. Privilegiruug war für die päpstliche Kanzlei
des 8. Jahrhunderts mit Eximirung gleichbedeutend. Sobald die Be-
denken, ob ein Privileg ertheilt werden solle, besiegt waren, konnte
das Wie nicht mehr zweifelhaft sein. Erst bei späterer Privilegien-
erneueruno- im 9. Jahrhundert, wurde die Compromissformel fest-
gestellt, die erst um die Mitte des 10. Jahrhunderts unter dem Zusam-
menwirken ausserordentlicher Verhältnisse neuerdings dem Zurück-
greifen auf die volle Exemtion des Zachariasprivilegs Platz machte.
In dem von Pflugk-Harttung und früheren meist angefochtenen
Punkt halten demnach beide Fassungen des Zachariasprivilegs der
Kritik gleich gut Stand. "Es gilt noch, den stark abweichenden Schluss
von A und B näher zu verfolgen. Ich reihe zu dem Zweck zunächst
beide Fassungen in Spaltendruck aneinander und gebe die wörtlich
übereinstimmenden Stellen durch gewöhnlichen, die inhaltlich sich
deckenden, aber in Satzbau und Wortlaut auseinandergehenden Theile
durch cursiven und das völlig Neue der einen Fassung durch gesperrten
Druck wieder.
A
ut profecto iuxta id quod subiecti
apostolicis privilegiis consistunt, in-
coneusse dotatus permaneat.
B.
ut profecto iuxta id quod subiectum
apostolicae sedi firmitate privilegü
consistit, inconcusse dotatum per-
maneat, locis et rebus, tarn eis
quas moderne tempore tenet
vel possidet quam quae fu-
turis temporibus in iure ip-
sius monasterii divin a pietas
voluerii augere ex donis et
Die Fuldaer Privilegienfrage.
211
stituentes
paginam
Omnibus
Con-
per huius decreti nostri
atque interdicentes
cuiuslibet omnino ecclesiae
praesuUhus rel cuiuscumque dignitati
praeditis potestatem sub anathematis
interpositionem, qui ei praesumpserit
praesenti constituti a nobis praefati
monasterii indidti quolibet modo exi-
stere tetnerator. Bene vale.
oblationibus decimisque fi-
delium, absque ullius perso-
nae contradictione firmitate
perpetua perfruatur. Consti-
tuimus quoque per huius decreti
nostri paginam, ut quicutique cuius-
libet aecclesiae praesul vel quacunque
dignitate praedita persona hanc nostri
privilegii cartam, quam auctori-
tate principis apostolorum
firmamus, temerare temptaverit, ana-
thema sit et iram dei incurrens
acetu sanctorum omnium ex-
torris existat, et nihilominus
praefati monasterii dignitas
a nobis indulta perpetualiter
inviolata permaneat, aposto-
lica auctoritate subnixa. Bene
vale.
Der Unterschied der beiden Fassungen ist auch sachlich durch-
aus nicht so ganz nebensächhch, wie dies noch Weyl annahm i), ob-
-wohl der Schwerpunkt für die Entscheidung zu Gunsten der einen
oder anderen Fassung durchaus in der Form liesft.
A deckt sich wortwörtlich mit Formel 32 des Liber Diurnus, und
^a von dem ersten, gleichlautenden Theil von A und B das Gleiche
gilt, so sollte man meinen, in dieser getreuen üebereinstimmung das
beste Leumundszeugnis für A erblicken zu dürfen. Mit vollem Recht
hatte sie daher bereits Oelsner (a. a. 0. S. 488) als die ^ursprüno--
lichere-' bezeichnet. Anders Pflugk-Harttung (a. a. 0. S. 212 if.). Er
sieht in der Fassung A nicht das Ergebnis verständiger Benützung
des berühmten Formelbuches durch einen päpstlichen Kanzleibeamten,
sondern mechanischen, unverständigen Abschreibens durch einen sach-
unkundigen Fälscher.
Die Formel ist unvollständig; sie bricht mitten in der Poenformel
mit „temerator- ab '^), indem sie das Weitere bei den päpstlichen
Notaren als selbstverständlich voraussetzte oder ihrer freien Gestaltung
iiberliess. Der Fälscher aber, der nach dem Versagen seiner Vorlage
überhaupt nichts mehr weiter zu gestalten wusste, liess sich verleiten,
gleich ihr mitten im Satze zu schliessen.
') Die Beziehungen des Papstthums z. fränk. Staats- und Kirchenrecht unter
d. Karolingern S. 124. A. 1.
*) Lib. D.iurn. ed. Sickel S. 24 »temeratur . .« nach dem Cod. Vaticanus :
-die auf den Cod. Claromontanus zurückgehenden Ausgaben »temerator etc.*
14*
212 ^- Tang].
Dass mau in Fulda deu Liber Diurnus zur Hand hatte oder die
Möglichkeit besass, sich seiner in irgend "welcher Ueberlieferungsform
zu Fälschungszwecken zu bedieneu, glaubt er nach Sickels neuer
Ausgabe und den sie begleitenden kritischen Arbeiten vielleicht wohl
selbst nicht mehr i). Sickel verwies bereits darauf, dass auch das
von Ewald im Neuen Archiv 7, 590 veröfientlichte und von ihm
Gregor T. zugeschriebene Privileg für zwei Klöster bei Benevent eben-
falls mit „temerator" schliesst. Ich gestatte mir aber überdies, noch
ein paar weitere Vergleichungsfälle beizubringen: Papst Stephan II.
für St. Denis JE. Nr. 2331, Paul I. für S. Salvatore in Brescia, JE.
Nr. 2350, Johann VIII. für Monte Casiuo, JL. Nr. 3381.
Die Fassungen dieser Urkunden sind im einzelnen mehrfach an-
gefochten, gemeinsam aber ist das eine, dass alle drei gleich dem
Beneventauer, dem Fuldaer Privileg und dem Liber Diurnus mit dem
schönen Wörtchen ^temerator" schliessen. Die Kenntnis des Liber
Diurnus und ihr Missbrauch zu Fälscherzwecken scheint sich ganz
unheimlicher Verbreitung erfreut zu haben! Der richtige Schluss
lautet allerdings ganz anders: Mag die berühmte Formel seinerzeit
als Torso aufgezeichnet uud überliefert worden sein, es kann kein
Zweifel obwalten, dass sie im 8. und 9. Jahrhundert durch die päpst-
liche Kanzlei ohne weitere Fortsetzung hinausgegeben wurde. Der
örtliche und zeitliche Abstand der genannten Empfänger schliesst es
ganz aus, dass man in Fulda und St. Denis, in Beuevent, Brescia
und Monte Casino römische Muster in ganz gleichartiger Weise niiss-
brauchte.
Pflugk-Harttung gab der Passung B der Vorzug, uud auch die
Herausgeber der Bonifatiusbriefe, Jaffe und Dümmler, scheinen ihm
beizustimmen, indem sie ihr im Spaltendruck die erste Stelle zuweisen.
Gegenüber der Fassung A bringt sie dadurch eine sachliche Erwei-
terung, dass sie den päpstlichen Schutz auch auf die Unversehrtheit
des gegenwärtigen und zukünftigen Besitzstandes und der Zehent-
bezüge ausdehnt. Die Fragestellung spitzt sich nun dahin zu, ob
unsere Urkunde in der Fassung B überhaupt aus der päpstlichen
Kanzlei hervorgehen konnte, und diese Frage ist mit aller Bestimmt-
heit zu verneinen.
Schon Sickel (a. a. 0. S. 624) bemerkte, dass der Stelle ,locis
et rebus" etc. .das gewichtige Zeugnis des Liber Diurnus für die Ur-
sprünglichkeit und Echtheit abgehe", dass ihre Fassung „geradezu an
') Vgl. über tlas »per eum« statt »perte' der Adresse Sickel, Prolegomena
zum Lib. Diiirri. Wiener SB. 117. 46 A. 1.
Die Fuldaer Privilegienfrage. 213
die iji den köuigliclieu Urkunden übliche erinnere". Sickels Be-
obachtung war durchaus zutreffend. Die Stelle vom gegenwärtigen
und zukünftigen Besitzstand kehrt, dem Sinne und zum Theil sogar
dem Wortlaut nach übereinstimmend, in den königlichen Immunitäts-
urkunden seit Merovingerzeit ständig wieder. Bereits Markulf (I. 3,
ed. Zeumer MG. Form. 43) hat sie in seiner Iramunitätsformel fest-
gelegt: „ut in villas ecclesie . . . quas moderno tempore aut
nostro aut cuiuslibet munere habere vidaetur, vel quae deinceps in
iure ipsius sancti loci voluerit divina pietas amphare, uullus
iudex publicus" etc. Fast gleichlautend mit dieser Formel ist sie denn
auch in der Immunitätsverleihung Karls d. Gr. für Fulda vom 24. Sep-
tember 774, Mühlbacher Nr. 172 (168) angewandt; ,ut villas ecclesi^
domini Bonifacii, quas moderno tempore aut nostro aut cuiuslibet
munere habere videtur vel quas deinceps in iure ipsius sancti loci
voluerit divina pietas amplificare, nullus iudex publicus" etc.; sie findet
sich ebenso wieder in der angeblichen Zehenturkunde Karls d. Gr. für
Abt Ratgar von Fulda vom 22. April 810, einer Urkunde, die, wie
ich noch eingehend zu erörtern haben werde, in der uns überlieferten
Gestalt veruuechtet ist, aber in ihrem dispositiven Theil eine Zehent-
verleihung an Abt Baugulf wiedergibt. Hier wird nun auch zum
erstenmal der in unserer Fassung des Zachariasprivilegs erwähnten
,decimae fidelium'^ gedacht. Endlich ist noch die schon zu Eingang
dieser Abhandlung citirte Immunitätsverleihung Ludwigs d. Frommen
vom 2. Mai 816 heranzuziehen, weil sie im Gegensatz zu den bisher
genannten Urkunden durch den Wechsel zweier synonymer Ausdrücke
die wörtliche Uebereinstimmung mit der Zachariasurkunde erreicht:
,tenet vel possidet" statt „habere videtur" ^) und „voluerit divina
pietas auger i" statt dem unter Pippin und Karl d. Gr. ständigen
ampliare oder amplificare. Wir sehen also in dem eingeschobenen
Satz eine Formel benützt, die in Königsurkunden heimisch, in Papst-
urkunden aber unbekannt war.
Doch das ist gar nicht die Hauptsache. Fassung B. trägt, wenn
ich so sagen darf, die Schutzmarke ihres Entstehuugsortes mit aller
wünschenswerten Deutlichkeit au sich. Die Ueberarbeitung des Zacha-
riasprivilegs ist vollkommen nach dem Schema der fränkischen Privat-
urkunde erfolgt. Traditionsurkunden schliessen nach einer Formel,
die im wesentliclien schon bei Markulf festgelegt '^) und an der Hand
der Fuldaer Urkunden von der Mitte des 8. bis etwa in die zwanziger
') Von den Forniulae imperiales hat Nr. 4 (MGF. 290) possidere videtur,
Nr. 11 possidet; Nr. 29 tenet, Nr. 12 und 28 tenet et possidet.
») Markulf II. 4 MGF. 77, vgl. auch IL S9 a. a. 0. S. 99.
214 M. Tan gl.
Jahre des 9. Jahrhunderts zu verfolgen ist i), deu dispositiven Theil
mit der Zuweisung der Schenkung zu immerwährendem Besitz und
freier Verfügung: Dronke G2 Nr. 105 ^ita ut . . . de supradieta r&
. . . liberam ac firmissimam in omnibus habeaut potestatem " , gleich
und ähnlich in vielen andern. Urkunden, die einer eigenen Poenformel
entbehren, fügen an dieser Stelle die Zurückweisung fremden Ein-
spruches ein: Dronke 67 Nr. 113 .firmissimam et ab omni homine
ineontradietara aeternitatique subnixam in omnibus habeant potesta-
tem", dafür auch „liberam et incontradictam potestatem", „ uullo quod
absit contradiceute", „nemine contradicente*.
Beachtung verdient eine in Fulda selbst ausgestellte und ge-
schriebene Urkunde aus dem J. 823 (Dronke 185 Nr. 412), weil sie
die wörtlich gleiche Fassung mit B enthält: „absque uUius per-
sonae contradictione". In der vollen Fassung der Schenkungs-
urkunden folgt darauf die Poenformel : ,Si quis vero . . . contra haue
donationem venire temptaverit (dafür auch „voluerit"), iram dei
omnipotentis incurrat ^) et insuper inferat fisci dicionibus auri uncias
sed (dafür auch ,et tarnen" und einmal Dronke 118 Nr. 225
a. 805: et nihil ominus sed) presens donatio hec omni tempore firma
et stabilis permaneat, stipulatione subnixa".
Ganz nach diesem den Fuldaer Mönchen geläufigen Typus ist
unsere Papsturkunde überarbeitet: Das „ut profecto" leitet zwei von
einander ganz unabhängig dastehende Sätze^ein, den aus dem Original
entnommenen der Liber Diurnus-Formel und darauf den aus der
Privaturkunde entlehnten: ,ut profecto . . . locis et rebus . . . absque
ullius persouae contradictione firmitate perpetua perfruatur". Zwischen
eingeschoben ist der aus der königlichen Immunität stammende Satz
,tam eis — voluerit augere". Nun folgt die Poenformel, in der die
Fassung des Liber Diurnus im Sinne der Construction der entsprechen-
den Formel in den Privaturkundeu und unter Einschiebung der stän-
digen Verba derselben umgearbeitet ist =*) : „Constituimus . . . ut^
') Zahlreiche Beispiele bei Dronke. CD. Fuldensis. Um die genannte Zeit
schliesst die durchaus zuverlässige Ueberlieferung, die das älteste Fuldaer Char-
tular in seiner ursprünglichen Anlage bietet; die Fortsetzungen aus dem 9. Jahrh.
sind nicht bedeutend ; die anderen Ueberlieferungen kommen nur in beschränkter
Weise in Betracht ; denn die ürkundentexte bei Pistorius sind mehrfach ver-
kümmert, die des Codex Eberhardi entstellt und unzuverlässig. Einzelne Bei-
spiele finden sich immerhin auch aus dem späteren Verlauf des 9. Jahrhunderts.
-) Dazu vereinzelt auch, anklingend an die Papsturkunde : , et ab omni loco
sanctorum excommunis appareat*. Dronke, CD. 86 Nr. 154 u. a.
•'') Häufung der Contradiktionsklausel und der Poenformel enthält unter
den Privaturkunden, soviel ich sehe, nur eine; Dronke 192 Nr. 429 a. 824:
»absque ullius contradictione in vestram redeaut potestatem. Siquis vero* etc.
Die Fuldaer Privilegienfrage.
215
quicunque teinerare (aus temerator iu A) temptaverit,
anathema sit . . . ., et nihilomiuus praefati inoiiasterii dignitas
. . . . perpetualiter inviolata permaneat. Das der Privaturkunde
mechanisch nachgeschriebene, in der Papsturkunde sinnlose und un-
mögliche .apostolica auctoritate subnixa- setzt endlich dem Ganzen
die Krone auf.
Es sei mir gestattet, ehe ich weiter schreite, die bisherigen Er-
gebnisse bezüglich des Zachariasprivilegs kurz zusammenzufassen :
DieErtheilung eines Privilegiums durch P.Zacharias
an den h. Bonifa tius für das Kloster Fulda steht durch-
aus fest. Historische und kirchenrechtliche Bedenken
gegen die Exemtionsformel lassen sich in begründeter
Weise nicht erheben. Vom diplomatischen Standpunkt
bedeutet der enge Anschluss an Formel XXXI I des L i b e r
Diurnus die beste Gewähr für die Treue der Ueberliefe-
rung, so dass wir allen Grund haben, Fassung A als das
echte Zachariasprivileg für Fulda anzuerkennen. Da-
gegen liegt uns in Fassung B eine iu Fulda selbst nach
dem Muster der fränkischen Privat Urkunde und in t heil-
weiser Benützung vou Königsur künden vorgenommene
Ueber arbeit ung vor.
In ganz gleicher üeberarbeitung begegnet uns aber die Papst-
urkunde bereits in der angeblichen Bestätigung durch Pippin, und das
führt uns zu dieser Urkunde zurück.
Auch hier veranschauliclie ich zunächst am besten durch Spalten-
druck das Textverhältnis:
Zacharias B.
et ideo omnem cuiuslibet aeccle-
siae sacerdotem in praefato
monasterio ditionem qu.am-
libet habere aut auctoritatem
praeter sedem apostolicam
prohibemus, ita ut nisi ab ab-
bate monasterii fuerit invi-
tatus, nee missarum ibidem
üollemnitatem quispiam prae-
sumat omnimodo celebrare, ut
profecto iuxta id, quod sub-
iectum apostolicae sedi fir-
mitate privilegii consistit,
inconcusse dotatum perma-
neat, locis et rebus, tarn eis
quas moderne tempore tenet
Pippin.
praecipientes, ut nullup sacerdo-
tum in regne uostro diviuitus nobis
concesso in praefato monaste-
rio dicionera aliquamsibi vin-
dieet praeter sedem apostoli-
cam, ita ut nisi ab abbate mo-
nasterii fuerit invitatus, nee
missarum ibidem sollemnia
quisque celebrare praesumat,
sed iuxta id, quod subiectum
constat apostolicae sedi, fir-
mitate privilegii inconcusse
r 0 b 0 r a t u m permaneat, locis
et rebus, tarn eis quas mo-
derne tempore tenet vel pos-
sidet quam quae futuris tem-
216
M. Tanol.
poribus iuri ipsius monaste-
rii divina pietas augere vo-
luerit ex donis et oblationi-
bus decimisque fidelium, abs-
que ullius personae contra-
dictione t'irmitate perpetua
perfruatur. Si autem quispiam
huic nostrae auctoritatis praecepto
repugnare voluerit, sententiam aposto-
Hcae distrietionis, quae in privilegio
expressa est, experiatur; et tarnen
hoc, quod ob amorem dei et vene-
rationem sancti Petri nostra auctori-
tate firmavimus, stabile p e r m a-
n e a t , manu nostra roboratum et
tarn anuli uostri inpressione quam
fidelium nostroi'um adstipulatione
subnixum.
vel possidet quam quae futu-
ris temi^oribus in iure ipsius
monasterii divina pietas vo-
luerit augere ex donis et ob-
lationibus decimisque fide-
lium, absque ullius personae
contradictione firmitate per-
petua perfruatur. Constituimus
quoque per huius decreti nostri pa
ginam, ut quicunque cuiuslibet aec-
clesiae praesul vel quacunque dig-
nitate praedita persona hanc uostri
privilegü cartam, quam auctoiitate
pi'incipis apostolorum firmamus, te-
merare temptaverit, anathema sit et
iram dei incurrens a cetu sanctorum
omnium extorris existat, et nihilo-
minus praefati monasterii dignitas
a nobis indulta perpetualiter invio-
lata p e r m a n e a t, apostolica aucto-
ritate subnixa.
Der Zusammenhang beider Texte steht ausser Zweifel, zumal da
sich die wörtliche Uebereinstimmimg gerade auch auf den Satz erstreckt,
der iu der Fassung B gegenüber A ganz neu auftritt. Darauf hat
denn auch Oelsner (a. a, 0. S. 488) seinen Erklärungsversuch gebaut:
,Der Hauptsatz der erweiterten Form ,locis et rebus tarn eis ... .
perfruatur" ist sicherlich erst aus Pippins Bestätigungsurkunde von
Späteren in das päpstliche Document hinübergenommeu worden-.
Damit wäre der Weg zu einer harmlosen Erklärung gebahnt.
Dass man in der königlichen Kanzlei bei der Bestätigung der Papst-
urkuude einen von der Immuuitätsformel her geläufigen Satz einschob,
bxauchte nicht aufzufallen, und auch die spätere Uebernahme der
Stelle in die erweiterte Fassung der Papsturkunde könnte gutartiger
Natur sein. Wie leicht mochte das Original des Zachariasprivilegs
bei der wenig widerstandsfähigen ßeschaftenheit des Papyrus mit der
Zeit schadhaft und die ohnedies schwierige Schrift infolge dessen
stellenweise unleserlich geworden sein, so dass mau sich in Fulda in
dem Bestreben, sich einen vollständigen Text dieser so wichtigen Ur-
kunde zu sichern, für den zweiten Theil mit Ergänzung und Nach-
hilfe aus der königlichen Bestätigung behalf.
Ich gestehe gern, dass Oelsuers Erklärungsversuch auch mir be-
stecheud schien i), wenn es nur um diese königliche Bestätigungs-
") Er ist jetzt in cb-r 2. Aufl. von Mühlbacbers Regesten Nr. 72 (70)
wiederholt.
Die Fuldaer Privilegienfrage. 217
uijkunde selbst besser stünde. So aber rauss ich nur ueuerdiuo-s der
schweren Bedenken gemahnen, die sich gegen diese Urkunde erhebeu :
der aus einer anderen Pippinurkundo erborgten, später verbesserten
Datirung, des Widerspruchs zwischen directen und indirecten Zeit-
merkmaleu, der Zeugenführung, der in Königsurkunden durch kein
weiteres Beispiel zu belegenden Bezeichnung der Grafen als ^praefecti",
des unechten Siegels, der kanzleiwidrigen Corroborationsformel. Der
Zwischensatz nach „locis et rebus" stimmt allerdings mit könifflicheu
Immunitäten, aber in charakteristischen Einzelheiten mit solchen aus
nachpippiuischer Zeit; der nach dem Schema der Privaturkunde
gearbeitete Schlusssatz „Et tamen hoc stabile permaneat
fidelium nostrorum adstipulatione subnixum" verweist gerade so gut
nach Fulda wie das famose ,apostolica auctoritate subnixa" der Papst-
urkunde. Wir wollen aber doch noch einmal den Wortlaut beider
Urkunden daraufhin untersuchen, ob in der That die Pippinurkunde
als Quelle für Zacharias B anzusehen ist, oder ob sich das Verhältnis
nicht vielmehr umgekehrt stellt. Die Stelle „locis et rebus *" kommt
in die Papsturkunde ziemlich unvermittelt hineingeschneit; es mangelt
die Verbindung zum vorangehenden coordinirteu Satz „ut profecto —
permaneaf^, als welche man zum mindesten ein .et" erwarten musste.
In solchen Fällen pflegen sich Entlehnungen dadurch zu verrathen,
dass sie ungeschickt aus dem klaren Zusammenhang ihrer Vorlao-e
gerissen sind. Bei uns trifft das nicht zu, der Eiuschub fügt sich in
der Pippinurkunde an den vorhergehenden Satz ,sed iuxta id — per-
maneat'' gleich gut und gleich schlecht und vor allem ebenso unver-
mittelt und un verbunden an, wie in der Papsturkunde. Beide ent-
lehnen hier gleichmässig von dritter Stelle. Die Entscheidung bringt
meines Erachtens ein kleines Wörtchen des eingeschobenen, an die
Immunitäten anklingenden Satzes. Wo immer mau Immunitätsformeln
oder -Urkunden der älteren Zeit nachschlägt, begegnet man von Markulf
an ganz ständig der Fassung „vel quae deinceps in iure ipsius sancti
loci voluerit divina pietas ampliare (amplificare, augere)". Dieses „in
iure" findet sich auch noch stilgerecht in Zacharias B, während es in
der Pippinurkunde zu „iuri" verderbt ist. Hat man, wenn Oelsners
Annahme richtig ist, zuerst in der Pippinurkunde eine ungebräuchliche
Wortform angewandt, sie dann aber bei der Benützung für die Papst-
Tirkunde wieder richtig gestellt? Wie schwer solche Verbesserungen
bei einmal verderbter Vorlage hielten, zeigen uns am besten die Nach-
urkunden von Mühlbacher 72 (70) : Karl d. Gr., Mühlbacher 449 (439),
tommt weniger in Betracht, weil die Eclitheit zweifelhaft und die
Ueberlieferung im Codex Eberhardi verderbt ist; Eberhard schreibt
218
M. Tano-l.
.iure", wohl als eigene Verbesserung des vorgefundeneu .mri", jeden-
falls olme „in". Entscheidend aber sind die beiden folgenden Bestäti-
gungen : Ludwig d. Fr., Mühlbacher 1004 (973), wie wir sehen werden, echt
und in guter Kopie des 9. Jahrhunderts überliefert, ,iuri- und Otto L
MG. DO I. 55, im Original erhalten, iuris, als misglückteu Verbesse-
run o-sversuch. Die beiden letzten Fälle sind besonders lehrreich, indem
sie zeigen, dass selbst die Beamten der Reichskanzlei, denen die ge-
bräuchliche Form doch in Fleisch und Blut lag, die Richtigstellung
entweder nicht versuchten oder iiicht verstanden. Die Nutzanwendung
auf unsern Fall ist ziemlich eiufacli: Indem sich die Papsturkunde von
der Verderbung des .in iure" in der Pippinurkunde und allen ihren
Nachurkunden ferne hPilt, beweist sie, dass sie selbst nicht zu diesen
Nachurkunden gehfut, sondern umgekehrt die Vorlage für sie bildete.
Die Pippinurkuude erleidet dadurch aber einen neuen, entschei-
denden Stoss. Bedeutet das Ausschreiben einer Papsturkuude durch
eine Königsurkunde in der Diplomatik der Karolingerzeit überhaupt
ein Unicum, so zeugt die Benützung einer verunechteten Papsturkunde
neben anderen Verdachtsgründen bestimmt auch für die ünechtheit der
Pippinurkunde. Indem ich somit den Gedanken an die Echtheit der
Pippinurkunde in der uns vorliegenden Fassung endgiltig fallen lasse, spitzt
sich meine Fragestellung dahin zu: hat Pippin das Zacharias-
privileg überhaupt in irgend welcher Form bestätigt?
Zur Entscheidung dieser Frage hat vor wenigen Jahren Weyl
einen ganz überraschend neuen Gesichtspunkt beigebracht, indem er
fand, dass man das Zachariasprivileg am Hofe Pippins einer sorgsamen
Prüfung unterzogen, die zuweit gehenden Bestimmungen desselben
altö-elehnt, das mit dem fränkischen Reichsrecht vereinbare aber über-
nommen und bestätigt habe i). Es handelt sich um die Stelle ,ut
sub iurisdictione sanctae nostrae cui deo auctore deservimus ecclesiae
constitutum nullius alterius eccle.siae iurisdictionibus submittatur", die
1) Die Beziehuugen des Papsttliums zum fränkischen Staats- uud Kirchen-
recht. 1892, S. 174 ,Im Gegentheil ergiebt sich aus einem Einzelfalle positiv,
dass der Staat das auf Erwerbung eines Jurisdictionsrechtes gerichtete päpstliche
Bestreben abgelehnt hat: das Privilegium, welches Papst Zacharias auf Bitte
des Bonifatius im Jahre "51 für das Kloster Fulda gewährte, besagt nämlich
unter anderen. Fulda solle unter die Jurisdiction des h. Stuhles gestellt und der
Jurisdiction keiner anderen Kirche unterworfen sein. Dagegen enthält das Privi-
legium König Pippins, wiewohl es sich sonst im Jnhalt und Wortlaut dem päpst-
lichen Privilegium anschliesst, den vorliegenden Passus nicht, ein Beweis, dass
derselbe als zu weitgehend der staatlichen Anerkennung nicht theilhaftig werden
sollte*.
Die Fuldaer Piivilegienfrage. 219
iu der Pippinurkuude uiclit wiederkehrt. Verhielte sich die Sache
in der That so, dann wäre die Echtheit der Pippinurkunde über
alle diplomatischen Bedenken hinaus sieghaft erwiesen; denn aus was
immer für Beweggründen die Fälscher gearbeitet haben mochten, zur
Verkürzung eigener Rechte und Ansprüche hat keiner je die Hand
gerührt. Nur schade, dass sich Weyl nicht besah, in Avelchem Theil
der Papsturkunde die fragliche Stelle steht, und von wo au ilire
Benützung für die Königsurkimde beginnt. Die Papsturkunde scheidet
sich ihrem Aufbau nach sehr streng in die Narratio und die mit „et
ideo'^ beginnende Dispositio. Nur letztere enthält die eigentlich rechts-
verbindliche Entscheidung des Papstes und nur sie ist iu der Königs-
urkunde ausgeschrieben, erstere aber ganz natürlich durch eine
selbständige, durch die Fassung der Papsturkunde unbeeinflusste Nar-
ratio ersetzt. Die strittige Stelle steht aber in der Narratio der Papst-
urkunde, als ziemlich selbstverständliche Definirung des Exemtions-
begriffes. Bei der Herstellung der Königsurkunde aber, gleichgiltig
ob sie am Hofe Pippins oder in Fulda erfolgte, hat man den Passus
weder geprüft noch abgelehnt, sondern überhaupt nicht berücksichtigt.
Weyl aber hat durch seinen Einwurf lediglich Schutt auf den Weg
gefahren, nach dessen Beseitigung die Bahn für Aveitere Erwägung
wieder frei wird. Sickel hat (a. a. 0. S. 609) zuerst die Behauptung
aufgestellt, dass die Pippinurkunde mit der Zachariasurkunde stehe
und falle, und der Satz ist dann von Pflugk- Harttun g und anderen
nachgeschrieben worden, zuletzt noch von Hauck, der aber daneben (KG.
Deutschlands 1, 567) schon die Aeusserung beifügte: .Auffälliger
ist, dass Pippin das päpstliche Privileg bestätigte". Ich
kann ihn nur in beschränktem Masse gelten lassen, indem ich die
zwingende Nothwendigkeit durchaus nicht einsehe, dass Pippin das
Zachariasprivileg bestätigt haben müsse. Abt Fulrad von St. Denis
erhielt im J. 757 von Papst Stefan II. als Lohn für die Beherbergung
des Papstes im Winter 753 — 54 und für die wichtigen Dienste, die
Fulrad der römischen Kirche in Italien geleistet hatte, ein Privileg
nach Art des Fuldaers ; aber wir hören nichts davon, dass Pippin oder
einer seiner Nachfolger die Urkunde bestätigt habe. Sehr bezeich-
nender Weise erstreckt sich die Privilegienbestätigung, die Pippin
am 23. Sept. 768 für das Kloster St. Denis ertheilte, Mühlbacher IGT
(104), nur auf Bestätigung der Privilegien der Bischöfe von Paris,
das neue päpstliche Privileg scheint Abt Fulrad, der als gewandter
Höfling und kluger Politiker die Anschauungen seines Herrn sehr
genau kannte, gar nicht zur Vorlage gebracht zu haben. Auch
die Beschlüsse des Concils von Verneuil vom 11. Juli 755 athmen
"220 ^^- Tangl.
das Gegeutlieil voa exemtionsfreundlicher Gesinnung ^). Wenn daher
der b. Bouifatius, worau ich allerdings nicht zweifeln möchte, die
Bestätigung des päpstlichen Privilegs beim König nachsuchte, so scheint
es mir keineswegs ausgemacht, dass er bei Pippin in diesem Falle
auch Entgegenkommen und Zustimmung zu dem päpstlichen Eingriff
in fränkisches Kircheurecht fand.
Doch das sind zunächst allgemeine Erwägungen und Vermuthun-
gen. Wir kehren zu unserer Pippinurkunde zurück und untersuchen
ihre individuellen Bestandtheile daraufhin, ob neben den beiden noch
im Original erhaltenen Pippiuurkunden für Fulda, Mühlbacher Nr. 90
(88) und 102 (100) noch das einstige Vorhandensein einer dritten mit
Noth wendigkeit anzunehmen ist. Des bedenklichsten Umstandes wurde
bereits (o. S. 200) gedacht ; das angebliche Privileg entbehrte einer eigenen
Datirung, dieselbe ist von M. 90 (88) entlehnt. Titel, Signum- und
Recognitionszeile (In dei nomine Baddilo recognovit et (SR.)) ent-
scheiden nicht sehr. Sie sind kanzleigemäss, waren aber einem Fälscher
im Kloster vollkommen gleichlautend in M. 102 (100) zugänglich, das
überhaupt das Vorbild für Format und Schrift unserer Urkunde ab-
gegeben haben dürfte ^).
Vor allem aber gilt es, die zahlreichen Zeugeunamen zu er-
klären. Die Spärlichkeit ihres Vorkommens in einer Pippinurkunde
wurde bereits oben (S. 203) betont, ebenso einzelne chronologische
Widersprüche; aber für die stattliche Liste müssen Quellen und Vor-
lagen irgend welcher Art benutzt sein. In diesem Zusammenhang ist
zunächst der ersten Urkunde zu gedenken, die Fulda überhaupt erhielt,
der Besitzzuweisung des Majordomus Karlmann zur Klostergründung v.J.
744, Mühlbacher 47 (46), die noch in den Fuldaer Urkuudenverzeich-
nissen des 11. Jahrhunderts angeführt, in den Codex Eberhardi aber
nicht mehr aufgenommen ist. Wir sind daher auf den Auszug in
Eigils Vita Sturmi c. 12 (MG. SS. 2, 370) angewiesen, der immerhin
so reichlich ist, dass er für den Rechtsinhalt der Urkunde einen aus-
reichenden, und selbst für gewisse Schlüsse auf Form und Fassung
der Urkunde einen theilweisen Anhaltspunkt gewährt: ,Quo audito
(die vorgetragene Bitte des Bonifatius) rex congregans omnes prin-
cipes palatü sui petitionem episcopi coUaudans indicavit atque coram
eis episcopo sancto locum quem postulaverat tradidit dicens: locus
') MG. Cupit. S. 34 f. ('. ') und 10 sichern gerade die Correction.sgewalt
der Bischöfe über die Klöster ihrer Diöcese m bestimmter Weise.
-) Man vgl. die photogra.phisehen Reproduktionen beider Urkunden in
Herquets Specimina.
Die Fulclaer Privilegienfrage. 091
quidem quem petis et qui, ut asseris, Eihloha nuucupatiir, in ripa
fluminis Fuldae quidquid in Lac die proprium ibi videor habere, totuin
et integrum de iure meo iu im domini trado, ita ut ab illo loco uu-
dique in eireuitu ab Oriente scilicet et occidente a septentrione et me-
ridie marcha per quatuor milia passuum tendatur. Porro rex iussit
cbartam suae traditiouis scribi, quam ipse propria manu firmavit".
Pflugk-Harttung bezeichnet diese Urkunde (a. a. 0. S. 233) als die
, wichtigste aller Fuldaer Urkunden". Mag dieser Ausdruck auch etwas
überschwäuglich sein, so lässt sich doch nicht leugnen, dass wir den
Verlust dieser Urkunde lebhaft zu beklagen haben, indem wir dort auf
das Gebiet der Vermuthung gewiesen sind, wo uns ein sicherer Aus-
gangspunkt so noth thäte.
Die Urkunde war für Bonifatius ausgestellt und trug die Nameus-
fertigung Karlmanus in der Art der Hausmaierurkunde, das heisst in
der typischen Form der fränkischen Privaturkunde, verbunden mit der
Rogationsklausel, die ja den in der Vita Sturnii ausdrücklich erwähnten
Beurkundungsbefehl enthielt; also etwa: Signuui Karolomanno maio-
remdomus qui hanc cartulam traditionis scribere rogavit; und sie tru»-
wohl nicht nur diese Unterschrift allein, sondern auch die Zeuo-en-
fertigung einzelner der Grossen, in deren Anwesenheit nach dem Zeugnis
unserer Quelle die Rechtshandlung vor sich gegaugen war. Die That-
sache der Zeugenführung und wohl auch einzelne, vielleicht ge-
wichtige Zeugennamen waren daher dieser Urkunde zu entnehmen.
Betrachtet man aber überhaupt die Zeugenreihe der Pippinurkunde,
so lässt sich bei ihrer Zusammenstellung, zunächst hinsichtlich der
geistlichen Vertreter, eine ganz bestimmte Tendenz nicht verkennen.
Es sind mit einziger Ausnahme des Priesters Folcremmus, über den
ich keinen Bescheid weiss, und des Bischofs Cilimaunus, auf den ich
noch zu sprechen komme, die vertrauten Schüler des Heiligen, die
von ihm als Bischöfe in den neu gegründeten Sitzeu bestellt wurden;
Burchard Bischof von Würzburg, für den die Zeugenschaft in unserer
Urkunde das letzte und, wie wir jetzt wohl überzeugt sind, etwas
unsichere Lebenszeichen bedeutet i), der Priester Megingauz, der nach
einer bei Eckhart, Gommentarii 1, 524 überlieferten Grabschnft
noch von Bonifatius selbst zu Burchards Nachfolger geweiht
wurde, Willibald von Eichstädt, Eobau, der als Chorbischof den
letzten Zug des Bonifatius uach Friesland begleitete, damals
zum Bischof von Utrecht bestellt wurde und das Martyrium vom
') Die letzte sichere Erwähnung Burchards liegt im Schreiben des Papstes.
Zacharias v. J. 748, MG. Ep. 3, 362 Nr. 82 vor.
222 ^^' Tan gl.
5. Juni 754 (55) theilte i), Lull, der Nachfolger des Bonifatius in
Mainz und schon zu dessen Lebzeiten zum Chorbischof bestellt^). Indem
ich nun zu den Laien übergehe, fällt mir ausser dem oben (S. 204)
schon gewürdigten in Königsurkunden beispiellosen und auch in Privat-
urkunden nur aus Fulda belegbaren Titel praefectus ^^ coraes doch noch
das Weitere auf, dass die Namen der Grafen, nur mit theilweiser
Aenderung der Namensformen, in gleicher Reihenfolge in einem Schreiben
des Papstes Zacharias an Bonifatius v. J. 748 wiederkehren: MG.
Ep. 3, 364 Nr, 83: Throando, . . Liutfrido . . . Rantulfo (in
unserer Urkunde Hrunzolfi) . . . Roggoni (Hroggonis) 3). Die drei
titellosen Laien, Orentil, Thacholf und Wiching, sind in Fulda bekannte
und in den Zeugenreihen der Fuldaer Urkunden wiederholt begegnende
Namen ^). Wir gelangen endlich zum räthselhaften Bischof Cilimann,
mit dem noch niemand etwas rechtes anzufangen wusste ^). Auch ich
kann hier nur eine ganz uuerweisbare Vermuthung aussprechen. Der
Name ist in dieser Form ein ünicum, er ist weder deutsch noch
angelsächsisch 6), und in den Bischofslisten der Zeit fahndet man nach
einem nur halbwegs ähnlich klingenden Namen ganz vergeblich.
Meines Erachtens liegt eine, und zwar wahrscheinlich arge, Verderbung
eines aus einer Vorlage, vielleicht der Karin] ann-Urkunde, über-
kommenen Bischofsnamens vor. Sieht man in den geistlichen Zeugen
den Kreis der engeren Anhänger des Bonifatius vereinigt, so fehlen
aus der Reihe der nächsten Mitarbeiter noch zwei: die von Bonifatius
bestellten Bischöfe von Erfurt und Büraburg. Der Name des ersteren
ist uns überhaupt nicht sicher überliefert: Hauck vermuthet, dass es
') Vgl. über ihn Hauck. KG. Deutschlands- 1. 573.
'^) Die Bischofswürde Lulls noch zu Lebzeiten des Bonifatius ist sichergestellt
durch Nr. 93 der Bonifatiusbriefe MG. Ep. 3. 380, von Dümmler in das Jahr
753—54 gesetzt), in welchem der Heilige den Abt Fulrad von St. Denis um
Fürsprache bei Pippin für seine Schüler bittet, besonders auch um Anerkennung
4es »Chorbischofs* Lull als seiaes Nachfolgers in Mainz: ,Ut filiolum meum et
corepiscopum Lullura . . . in hoc ministerium populorum et ecclesiarum
componere et constituere faciatis praodicatorem et doctorem presbiterorum et
populorum.
s) Wahrscheinlich sind es vier Grafen der östl. Gaue. Throand ist der
Gründer des Klosters Holzkirchen, Dronke CD. 33 Nr. 51.
^) Orentil nachweisbar zwischen 782—825. Dronke, CD. Nr. 124, 230 (a. 806),
323. 397, 463. Thacholf. a. a. 0. Nr. 507. 509. 577 und iF. Wiching a. a. 0.
Nr. 232 in. 806) 300, 319. 378 und fi'.
*) Pflugk-Harttung a. a. 0. 237 A. 3 rieth auf den der Namensform und
aucb der Beziehung nach allerdings naheliegenden, der Zeit nach aber völlig'
unvereinbaren Kilian von Würzburg.
"i Nach gütiger Mittheilung Prot. Brandls.
Die Fuklaer Privilegienfrage. 223
der als Theilnehnier an der fränkischen Synode vom April 742 ge-
nannte Bischof Dadanus gewesen sei i), während Frühere iu diesem
einen Bischof von Utrecht sahen. Die Möglichkeit, unsern Cilimann, wobei
noch immer Entstellung des Namens wahrscheinlich wäre, hier unter-
zubringen, wäre also nicht ausgeschlossen. Die andere Möglichkeit
wäre, in ihm den Bischof Witta von Büraburg zu sehen, der in den
Handschriften der Kapitularien und Bonifatiusbriefe in mehrfachen
und zum Theil bereits arg entstellten Namensformen erscheint als
,Üuiutanus, Huuitanus, Huuinanus, Guintanus, Witztanus". Die An-
nahme einer weitergehenden Verderbung zu Cilimannus würde zwar, wie
ich zugestehe, jede paläographische Wahrscheinlichkeitsrechnung über-
schreiten; allein bis zur Unkenntlichkeit reichende Entstellungen von
Personen- und Ortsnamen sind eben thatsächlich zu Hunderten vor-
gekommen. Wir sehen auch bei den Zeugennamen, dass der scheinbar
individuellste Theil unserer Urkunde in Fulda entstehen konnte, ohne
Benützung einer gleich oder ähnlich lautenden Pippinurkunde,
Was bleibt nach allen bisherigen Ausführungen von der Pippin-
urkunde überhaupt noch übrig? Nichts als die, wie zugestanden
werden muss, gewandt stilisirte aber in ihrer Fassung als directe
Anrede der Königsurkunde ebenfalls widersprechende Narratio, die
überdies durch die Unvereinbarkeit des Zusatzes ,beatae memoriae"
zu Karlmaiiu mit Bonifatius als Urkundenempfänger die Unmöglich-
keit ihres so gearteten Entstehens in der Kauzlei Pippins deutlich
verräth, und ein paar selbständige Wendungen zu Beginn der Dispo-
sitio, von denen ich das „ob horera", wie schon erwähnt, eher für ein
verschriebenes, unkauzleimäsbiges „honorem" als für ein verlesenes,
kanzleimässiges „amorem" halte, während die Erwähnung des „con-
sensus episcoporum ceterorumque fidelium'" entweder mit Rücksicht auf
die anzufügende Zeugenliste frei eingefügt, oder aber der verlorenen
Karlmannurkunde, dessen Schenkung ,in Gegenwart von fränkischen
Grossen" erfolgte, entnommen wurde.
Nach allem verwerfe ich die Pippinurkunde nicht nur iu der vor-
liegenden Gestalt, sondern ich sehe auch keine Nöthigung, an ihrer
statt den einstigen Bestand einer echten Königsurkunde gleichartigen
Inhalts annehmen zu müssen ^).
') KG. Deutschlands 2 1, 505 Anm. 1.
2) In diesem Punkte gehe ich über Mühlbacher hinaus, der in der Neu-
auflage der Regesten Nr. 72 zwar bereits alle Verdachtsgründe gegen die Ur-
kunde zusammenfasste, aber doch zugestand, daes »der wesentliche Inhalt, Be-
stätigung des echten Privilegs des Papstes Zacharias, auf eine gewisse Glaub-
224 M. Tangl.
Bei dem Fuldaer Privileg war thatsächlich Fäl-
schung mit im Spiel, deren Tendenz dahin ging, die ein-
seitige Privilegirung des Klosters durch den Papst
durch nachträgliche Schaffung einer königlichen Pri-
vilegienbestätigung zu vervollständigen.
Von diesem Gesichtspunkt aus, der sich uns aus der bisherigen
Untersuchung aufdrängte, betrachtet, tritt der Streit zwischen Bischof
Lull von Mainz und Abt Sturm von Fulda und die Parteistellung,
die Pippin in demselben einnahm, in neues und, wie ich glaube, erst
in das rechte Licht. Unter diese seine Lieblingsschüler hatte der
Heilige das Erbe seines bischöflichen Amtes und seines mönchischen
Ideals getheilt. Aber schon an seiner offenen Bahre entfachte die
Eifersucht um den Besitz der Gebeine des Märtyrers den ersten Streit,
der wenige Jahre später zum erbitterten Entscheidungskampf an-
schwoll. Ueber Veranlassung und Verlauf des Streites besitzen wir
bekanntlich nur den einseitigen und parteiischen Bericht Eigils in der
Vita Sturmi. Nach ihm war Lulls Vorgehen durch Eifersucht auf die
erfolgreiche Missionsthätigkeit Sturms hervorgerufen. Viel wahrschein-
licher drehte sich der Streit um die exemte Stellung Fuldas, aus der
Sturm bei dieser seiner Thätigkeit unter dem steigenden Widerspruch
Lulls die ersten prciktischen Folgerungen zu ziehen suchte i). In
diesem Stadium fand Lull Buudesgeuossen im Kloster selbst; drei
Mönche erschienen, seiner Unterstützung sicher, bei Pippin und ziehen
ihren Abt königfeindlicher Gesinnung ^). In doppelter Weise griff
Würdigkeit Anspruch machen könnte*. Pflugk-Harttung lässt es S. 223 ungewiss,
ob Pippin eine Bestätigung des Papstprivilegs ertheilte.
') In diesem Sinne Hauck, KG. Deutschlands 2, 54 — 55. besonders 55 A. 2 :
j,Sie arbeiteten in seinem ßisthum, ohne ihm irgendwie verantwortlich zu sein.
Eben strebte man die unkontroUirbare Thätigkeit der Wanderbischöfe und
fremden Priester zu beseitigen; durchbrach nicht das Thun der Mönche die
Ordnung im Bisthum in weit bedenklicherer Weise? Hier war ein sachlicher,
nicht ein persönlicher Gegensatz gegeben*. Hahn, Bonifaz und Lull. S. 266 lässt
es noch fraglich erscheinen, ob sich der Streit um die Immunität des Klosters
vom Sprengelbischof drehte, oder ob Lull »als Erbe und Lieblingsschüler des
Bonifaz es gewissermassen als seinen Besitz und sich zur Verwaltung desselben
als berechtigt gehalten habe*. Allein Bonifatius selbst wird darüber, dass die
patriarchalische Stellung, die er durch seine Persönlichkeit und vor allem auch
als Gründer des Klosters einnahm, auf seinen Nachfolger in Mainz nicht über-
zugehen habe, seine beiden Schüler wohl kaum in Zweifel gelassen haben ; er
hätte sich sonst die ganzen Bemühungen um das Exemtionsprivileg sparen müssen.
-) Vita Sturrai c. 16 MG. SS. 2, 373 ,in Lulli episcopi suffragium confisi
perrexerunt ad regem et beatum virum apud illum accusabant, crimen, nescio
quod, de inimicitia regis obicientes ei.
Die Fuldaer Privilegienfrage. 225
daraufhin Pippin ein, indem er Sturm nach Juniieges verbaunte und
das Kloster Fulda an Bisehof Lull von Mainz vergabte i). Gründlicher
konnte mit der Exemtion Fuldas nicht aufgeräumt werden! Das kühne
Zuschreiten Lulls auf das ihm vorschwebende Ziel erklärt sich nur
dadurch, dass er sich in der Frage der Klosterpolitik mit seinem
König im voraus eines Sinnes wusste, und auch Pippins Partei-
nahme wird verständlicher, wenn er bis dahin freie Haud hatte und
nicht zunächst seine eigene Privilegienbestätigung zu verleugnen
brauchte. Unbegreiflich findet Pflugk-Harttung (a. a. 0. S. 260) die
Haltung des Fuldaer Convents in diesen und den folgenden Kämpfen,
wenn er, ein päpstliches Exemtionsprivileg in Händen, davon nicht
Gebrauch machte. Ich möchte gar nicht zweifeln, dass Abt Sturm selbst
gleich zu Beginn des Zwistes mit Lull sich auf das Zachariasprivileg
berief. Entscheidend aber war, ob der König dieses Privileg bestätigt
und damit anerkannt hatte oder nicht. In letzterem Fall konnte
gerade die Geltendmachuug eines solchen Privilegs den König erst
recht reizen, vielleicht wesentlich mit zur Verbannung Sturms und
zur Auslieferung des Klosters an Lull beitragen.
Lull nützte seine neue Stellung sofort in vollem Umfang aus,
ernannte in Fulda einen ihm ergebenen ünterabt und schaltete frei
über das Klostervermögen -). Als jedoch die Fuldaer Mönche in ihrer
Treue zu ihrem alten Abt verharrten, den ihnen aufffedrunsfenen aber
•) Vita Stuvmi c. 17 »Lullus interim obtiuuit apud Pippinum regem, munei'a
iuiuste tribuendo, ut monasterium Fulda in suum dominium donaretur*. Die
Chronologie dieser Ereignisse ist durcli üelsuer (a. a. ü. S. 516) endgiltig für
die Zeit von 7f)3— 765 festgestellt. Da die Verbannung Sturms in demselben
Jalir 763 erfolgte, in vsrelchem während des Aquitanischen Feldzugs Thassilo
von ßaiern das Frankenheer verliess und sich damit von der Oberhoheit Pippins
lossagte, so verdient bei der bajuvarischen Herkunft Sturms die übereinstimmende
Vermuthung von Oelsner, Hahn und Hauck. dass Sturm des Einverständnisses
mit dem Baiernherzog beschuldigt worden sei, allerdings Beachtung.
2) In diese Zeit fallen die beiden Kaufverträge mit dem Grafen Leidrat,
Dronke S. 16 Nr. 26 und S. 6 Nr. 8: der erstere ist datirt: V. kal. Septembris
anno XH. Pippini regis, der letztere IL kal. Septembris anno IL Pippiui regis.
Indem die zweite Urkunde vom »sanctus Bonifatius martyr"' spricht, dieser aber
im zweiten Kegierungsjahr Pippins (753) noch lebte, zwingt sie zur Verbesserung
des Datums, und die Gleichheit von Aussteller, Empfänger, Ort, Notar und zweien
Zeugen sowie das nahezu gleiche Tagesdatum mit der ersten Urkunde sichern
zugleich die Art der Emendation; es ist bei den Regierungsjahren einfach eine X
zu ergänzen. So bereits Sickel S. 635 A. Da Gegenbauer (a. a. 0. S. 28) um-
gekehrt in der ersten Urkunde die X strich und die beiden Urkunden, verleitet
durch Dronke, irrig zum 31. August 755 (statt 753) einreihte, fällt damit die
wesentlichste Stütze seines Versuchs, die Verbannung Sturms in die Zeit von
758—760 zu setzen.
Mittheilungen XX. 15
226 ^^- Tan gl.
verjagten uud sich gegen seine Wiedereinsetzung eiiimüthig wehrten,
da lenkte zunächst Lull ein, indem er den Mönchen freie Abtwahl zu-
gestand, und bald auch der König, indem er Sturm aus Jumieges an
den Hof berief, ohne ihn hier jedoch persönlichen Verkehrs zu wür-
digen. Es folgte nun zunächst bei zufälliger Begegnung in der Pfalz-
kapelle die Aussöhnung Pippins mit Sturm und bald darauf auf die
Bitten der Fuldaer Mönche die Wiedereinsetzung Sturms in seine
Würde. Bei diesem Anlass geschieht in unserer Quelle der Privile-
gieufrage zum erstenmal Erwähnung: Vita Sturmi c. 19 (SS. 2, 375):
.Post uon multum temporis spatium rex vocari ad se Sturmem iussit
eique monasterium Fuldae, quod prius habuit ad regendum, commen-
davit absolutumque ab omni dominio Lulli episcopi ad cenobium Fuldae
eum cum omni honore ire praecepit, et^) cum suo privilegio.
quod beatus Zacharias {)apa summus apostolicae sedis
pontifex dudum sancto tradidit Bouifacio, monasterium
reger et, quod Privilegium usque hodie in monasterio fratres conser-
vatum habeut; quod etiam causam suam et monasterii de-
fensionem a uullo alio quaereret nisi a rege imperavit.
Accepta a doraiuo rege potestate cum privilegio supradicto,
quod de manu regis acceperat, ad suum perrexit coeno-
bium-. Die Stelle ist mehrfach und widersprechend gedeutet. Haben
wir unter der Urkunde, die Sturm nach Eigils Berieht aus den Händen
Pippins entgegennahm, eine Papst- oder eine Königsurkunde zu ver-
stehen V Für letztere entscheiden sich Oelsner und Gegenbauer; sie
sehen in ihr eine, und zwar nun schon die zweite, königliche Bestä-
tio-ung des Zachariasprivilegs, Oelsner ein nicht mehr erhaltenes
Diplom 2), Gegeubauer (a. a. 0. S. 29) die uns im Original vorliegende
iSeuausfertigung des nicht mehr erhaltenen ersten Privilegs. Oelsner
schafft ohne zwingenden Grund ein nirgends erweisbares Zwischen-
ghed, Gegenbauers Annahme ist vollends hinfällig, da die Anforderungen,
die wir an Originalität, Echtheit und Kanzleimässigkeit stellen müssen,
sich für 753 oder 760 vollkommen gleich bleiben, die erhaltene Pippin-
urkunde denselben aber für jedes beliebige Kegierungsjahr gleich
schlecht genügt. Da Sturms Begnadigung überdies gar nicht in das
Jahr 760 fällt, verliert Gegenbauers Erklärungsversuch auch noch den
') Zu erwarten wäre »ut".
-) A. a. 0. S. 391 iWenu Eigil erzählt, dass Sturm dies Privileg von der
Hand des Königs empfangen, so ist damit wohl ein neuer Erlass des Königs
gemeint, in welchem jene päpstliche Bulle, wie einst im J. 753, bestätigt und
bekräftigt wurde .... Das neue Schreiben Pippins ist freilich nicht mehr vor-
handen*.
Die Fuldaer Privilegienfrage. 227
letzten Schimmer von Möglichkeit. Mit vollem Recht sind dem gegen-
über Sickel (a. a. 0. S. 633 f.) und Pflugk-Harttung (a. a. 0. S. 261)
■dafür eingetreten, dass Sturm damals — die Richtigkeit von Eigils
Bericht vorausgesetzt — aus den Händen Pippins die Zachariasurkunde
erhalten habe. Wie aber war sie in Pippins Hände gelaugt i) ? Meines
Erachten s gibt es dafür nur zwei Erklärungen: die ungleich wahr-
scheinlichere dürfte die sein, dass Lull bei Antritt seiuer Herrschaft
vor allem auch die wichtigste Urkunde an sich nahm, um sie dann,
als er durch die Verhältnisse zum Verzicht auf seine Ansprüche ge-
zwungen war, mit dem Anrecht auf Fulda überhaupt dem König aus-
zuliefern -) ; viel minder wahrscheinlich dünkt mich die andere Mög-
lichkeit, dass die Gesandtschaft des Fuldaer Couvents bei der Bitte um
die Kückberufung Sturms das Privileg an den Hof brachte.
Pippin gab die Urkunde zurück, fügte aber, ohne selbst eine
Urkunde auszustellen 3), den sehr bezeichnenden mündlichen Auftrag
bei. Recht und Schutz fortan nirgends anders als bei der Person des
Königs zu suchen. Auch dieser Satz ist verschiedenartig gedeutet.
Sickel (a. a. 0. S. 635) setzt den Ausspruch in Gegensatz zum Domi-
nium Lulls, von dem das Kloster für alle Folgezeit befreit sein sollte,
nach Pflugk-Harttuug (a. a. 0. S, 261) machte Pippin Fulda damit
„aus einem bischöflichen zu einem königlichen Kloster-, nach Hauck
(KG. 2, 56) wahrte er seinen königlichen Standpunkt gegenüber der
durch päpstliches und königliches Privileg gewährleisteten und nun
*) Auch Pflugk-Harttung, S. 260 A. 2 bezeichnet dies als »befremdlich*,
ohne einen besimmten Erklärungsversuch auszusprechen.
') Uebergabe der Rechtstitel des Besitzes zugleich mit dem Besitze selbst
darf wohl als allgemeiner Rechtsbrauch bezeichnet werden. So wanderten,
um nur ein Beispiel anzuführen, die gesammten älteren Urkunden von Krems-
müuster im 10. Jahrhundert nach Passaii. Wenn das Zachariasprivileg durch
einige Zeit in Mainz war, dann könnte sich aber auch die Entstehung der jetzigen
Münchener Hs. der Bonifatiusbriefe Nr. 8112 (s. o. S. 207 f.) in Mainz sowie die
Aufnahme der echten Fassung unserer Urkunde in dieselbe erklären, während
man in Fulda später nur die Ueberarbeitung kannte.
3j Dass Eigil ein Urkunden vonseite Pippins hier nicht im Auge hat, geht
deutlich daraus hervor, dass er nur von einem mündlichen Auftrag spricht,
während er bei Ei-wähnung der ersten Besitzzuweisung Karlmanns M. 47 {46) und
der Schenkung Umstadts durch Pippin M. 102 (100) die Niederschrift der be-
treffenden Ui-kunden ausdrücklich hervorhebt. C. 12 »porro rex iussit chartam
suae traditionis scribi*, und c. 21 »atque per conscriptam chartam, sicut mos
fuit, firmaret. Eigil spricht überhaupt durchaus nur von einem Privilegium,
dem des Papstes Zaeharias, was ich sehr wesentlich zu Gunsten meiner Auf-
fassung, dass nur dieses, nicht auch eine königliche Bestätigung desselben be-
standen habe, in Anspruch nehme.
15*
228 M.Tang].
auch thatsäclilich wieder in Kraft tretenden Exemtion i). Eine Wah-
rung des königlichen Staudpunktes sehe auch ich in dem Auftrag,
aber nicht eine widerspruchsvolle gegenüber der einstigen eigenen
Entscheidung, sondern eine durch nichts prueiudicirte gegenüber dem
päpstlichen Privileg. Die schliessliche Lösung entsprach auch hier
einem Compromiss. Pippin gab zwar das päpstliche Privileg heraus,
brach ihm aber in einem wesentlichen Punkte die Spitze ab, indem
er anstatt des päpstlichen Schutzes, dem Fulda durch Papst Zacharias
unterstellt war, den königlichen setzte.
Von dieser Stelle Eigils nimmt Pflugk-Harttung (a. a. 0. S. 261 f.)
auch den Ausgangspunkt zur Erörterung über Grund und Zeit der
von ihm angenommenen Fälschungen. Nach ihm hatte Papst Zacharias
ja kein volles, sondern ein durch die Wahrung der bischöflichen Ge-
rechtsame eingeschränktes Exemtion sprivileg ertheilt. Dieses hatte
sich, wie der Erfolg lehrte, als unwirksam erwiesen, und so gieng
man unter dem Eindruck des langen und gefahrvollen Streites mit
Lull daran, sich unter Herbeiziehung des Liber Diurnus ein oder zwei
entsprechend überarbeitete Zachariasurkunden anzufertigen: „Die Ur-
kunde, die Eigil sah, wird eben die überarbeitete gewesen sein, und sehr
wohl ist es möglich, dass schon Sturm sie mitbrachte; möglich aber
auch, dass sie erst in der nächsten Folgezeit in Fulda selber erwuchs,
es nur ein gern geglaubtes Gerücht war, Sturm habe sie bereits au&
der geweihten Hand des Königs empfangen. Sogar auch das ist zu-
lässig, dass Eigil von der Art ihrer Entstehung gewusst hat und er
ihre Erwähnung in der Vita Sturmi als Sicherung derselben aufiassts . . .
Aus demselben Bestreben, aus welchem, unserer Ansicht nach, das
Diplom des Zacharias und vielleicht die betreffende Darstellung Eigils
hervorgieng, wird auch die Bestätigungsurkuude Pippins entstanden sein ".
Ich hatte schon oben (S. 209 ff.i auszuführen, dass ich Pflugk-
Harttuugs Anschauungen über ' die Fälschung des Zacharias-Privilegs
nicht theile; aber eine spätere Ueberarbeitung und Verunechtung an
anderer, von ihm für echt gehaltener Stelle nehme auch ich an und
in der Annahme der Fälschung der Pippinurkunde stimme ich ihm
zu. Auch ich habe daher meine Ansicht über Art und Eutstehuugs-
zeit dieser Fälschungen zu äussern und zu begründen. Ich wende
mich zu diesem Zweck den Nachurkunden zu, erst den päpstlichen,
dann den köuitjlichen.
') Mit Recht sielit Hauck in der bald darauf erfolgten Gründung Hersfelds
duicli Lull ein .Trutzfulda"; wenn er aber weiter aus Dronke 46 Nr. 75 schliesst,
dass Lull sich später dem Kloster Fulda wieder freundlich erwiesen habe, so
muss ich bemerken, dass ich diese Urkunde für eine Fälschung halte.
Die Fuldaer Privilegienfrage. 229
Bekanntlicli wurde das Zacharias-Privileg von den Päpsten des
y., 10., 11. und auch noch der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts
in fast ununterbrochener Reihe theils vollkommen gleichlautend, theils
mit Zusätzen, Veränderungen und auch Einschränkungen bestätigt;
diese Bestätigungen folgen sich zu gewissen Zeiten so rasch, dass sie
von jedem neuen Abt und bei jedem neuen Papst eingeholt wurden.
Pflugk-Harttung hat ihrer kritischen Würdigung einen namhaften
Theil seines Buches (S. 359 — 513) mit wechselndem Geschick und
Glück gewidmet, und sich, wie ich hervorheben muss, durch umfassende
Heranziehung neuen handschriftlichen Materials ein bleibendes Ver-
dienst erworben. Es ist hier weder meine Absicht noch durch den
Zweck meiner Abhandlung geboten, ihm auf der ganzen langen Reihe
zu folgen. Es genügt, soweit vorwärts zu schreiten, bis es gelingt,
festen Boden und damit auch bestimmte Rückschlüsse für die uns
beschäftigende Frage zu gewinnen.
Die Ueberlieferung dieser ürkundenreihe ist, wie schon von Ver-
schiedenen hervorgehoben wurde, nicht die allerbeste. Erst mit der
Privilegienbestätiguug durch P. Benedikt VIII. vom Jahre 1024 setzt
die erste Originalurkunde ein, im 10. Jahrhundert ist noch, was Pflugk-
Harttung übersah, die Thatsache der Privilegienbestätigung durch Ma-
rinus IL durch ein königliches Origiualdiplom (DO I. 55) gedeckt; für
alles andere sind wir auf abschriftliche ueberlieferung angewiesen,
darunter für einen bedeutenden Bruchtheil auf die berüchtigten Texte
des Codex Eberhardi i).
Ehe wir an die Beurtheilung des einzelnen schreiten, wird es sich
vielleicht empfehlen, uns einen allgemeinen Grundsatz für die Beur-
theilung klar zu machen. Wir finden die Vorlagen oft mehr oder
minder gründlich und wiederholt wörtlich ausgeschrieben. Diese üeber-
einstimmuug war in Rom und Fulda gleich sicher zu erreichen, sie
ist daher für die Wertschätzung der Einzelurkunden ziemlich belanglos.
Das Schwergewicht fällt durchaus darauf, ob die individuellen
Theile jeder einzelnen Urkunde der Kritik stand halten. Von diesem
Gesichtspunkt betrachtet, ist es gerade mit den nächsten Nachfolgern
des Zacharias-Privilegs mit am schlimmsten bestellt.
1) Hier ist überdies nocli eines zu scheiden. Es war bereits bekannt und
ist durch Pflugk-Harttung im einzehien erwiesen, dass sich die Texte der Papst-
urkunden im Cod. Eberhardi in zwei unmittelbar aufeinander folgende Serien
von sehr verschiedenem Werte gliedern ; während die Eintragungen der Serie I
leidlich zuverlässig sind, wimmeln die in Serie H von Interpolationen und freie i
Erßndungen. Die groben Fälschungen sind nur in dieser zweiten Reihe unter-
gebracht.
230 ^- Tang].
Das angebliche Privileg Stefans II. für Sturm JE -[-2319, be-
zeichnete Sickel (a. a. 0. 613 A. -J) als unter allen Fuldaer PapstbuUeu
um ihres Inhaltes und Stiles willen am meisten verdächtig uud als
ganz zu verw^erfen ; letzteres ist denn auch von der bisherigen Kritik
mit seltener Einmüthigkeit besorgt worden. Die Urkunde ist nur bei
Ebeihard und nur in der zweiten Serie mitten in schlechter Gesell-
schaft überliefert; sie will an Sturm, aber noch bei Lebzeiten des
h. Bonifatius, erlassen sein, wiederholt die Fassung B des Zacharias-
Privilegs, vermehrt durch Zusätze, deren Quellen, wie Pflugk-Harttung
(a. a. 0. S. 364) nachwies, bis in das 11. und 12. Jahrhundert herab-
reichen, und deren endgiltige Redaction wohl erst Eberhards eigenes
Werk ist, und schliesst mit der unrichtigen und für Pai)sturkunden
dieser Zeit unmöglichen und sinnlosen Datirung: „Data YII. kal. Mai.
indictione XII, Stephano papa IL imperaute Pippino IL" Wir haben
es hier mit einem Machwerk plumper Art zu thun, das in späterer
Zeit und ohne echte Vorlage entstanden ist.
Nicht viel besser steht es mit dem angeblichen Privileg Hadrians I.
für Abt Baugulf, JE -j- 2444, das ebenfalls nur in der zweiten Serie
des Cod. Eberhardi überliefert und nach dem erst seit Gregor IV. be-
stimmt nachweisbaren Formular gearbeitet" ist, indem es bereits die
Klausel von der Wahrung der Rechte des Diöcesaubischofs enthält;
gegen Ende des Coutextes ist der specifisch Eberhardische Hospitale-
Passus eingeschoben; den Schluss bildet eine bis auf das unmögliche
, actum Lateranensi palatio" in der Fassung ziemlich kanzleigemässe,
aber unvollständige Scriptum- und Datumzeile .Scriptum per manuiii
Romani notarii atque scriuiarii apostolice sedis mense Julio, indic-
tione VII. Actum Lateranensi palatio. Datum per mauum Stephani
primiscrinii. Die Xamen der ])eiden Beamten lassen sich weder in Ur-
kunden Hadrians I., deren Überlieferung in dem Punkte äusserst dürftig
ist, noch in anderen Papsturkunden für Fulda nachweisen, es lässt sich
daher weder behaupten, dass sie richtig, noch dass sie aus einer be-
stimmten anderen Urkunde entlehnt sind. Pflugk-Harttung lässt es
unentschieden, ob es eine echte Urkunde Hadrians I. für Fulda ge-
geben hat. Auch ich halte mit meinem endgiltigen Urtheil vorläufig
noch zurück.
Eberhard reiht in seiner famosen zweiten Serie an die eben-
genannte Urkunde das Privileg eines Papstes Gregor an Abt Ratgar
(802 — 817) ^). Während der Regierungszeit dieses Abtes gab es aber
keinen Papst Gregor. Gegenbauer (S. 72) und Pflugk-Harttung (S. 368f.)
1) Genau in dieser Fassung abgedruckt bei Pflugk-Harttung S. 367.
Die Fuldaer Piivilegienfiage. 231
suchen hier die Erklärung in einem Irrthum Eberhards und nehmen
als seine Vorlage ein Privileg Leos TU. für Ratgar an, JE. -|- 2523. Die
Urkunde ist ganz nach Zacharias B gearbeitet, ertheilt gleich diesem
volle Exemtion, ist von Eberhard wieder mit dem schönen Hospitale-
Passus verziert und schliesst mit , Scriptum per manus Leonis secun-
dicerii sedis apostolice, mense Decembris, indictione V."* Ein Secun-
dicerius Leo ist nicht weiter nachweisbar. Pflugk-Harttuugs Urtheil
über diese Urkunde fällt relativ am günstigsten aus; der verderbten
Fassung ist er sich zwar voll bewusst, nimmt aber an, dass es ein
Privilegium Leos III, für Ratgar gegeben habe. Als Stützen für diese
und die Hadrian- Urkunde werden die Fuldaer Urkundenverzeichnisse
aus dem 11. Jahrhundert angeführt, welche die Reihe der für Fulda
ausgestellten Papsturkunden folgendermassen beginnen \): „I. Zacharias
papa sancto Bonifatio. IL Stephanus papa Sturmi abbati. III. Adriauus
papa Baugolf abbati. IV. Leo papa Ritgero abbati. V. Gregorias papa
Rabano abbati." Meines Erachtens ist die Stütze, welche diese Auf-
zählung den drei strittigen Urkunden verleiht, für alle gleich gross
und gleich gering. Wenn sie nach dein übereinstimmenden Urtheil
aller Forscher nicht hinreicht, um auch nur die Existenz eines echten
Privilegs Stefans II. zu retten, so sehe ich nicht ein, weshalb sie für
die beiden anderen entscheidend bcAveisen soll. Sind bei der Urkunde
Stefans II. die formalen Verstösse ärger und handgreiflicher, so iehlen
sie bei Hadrian I. und Leo III. ebensowenig, wenn sie auch gemindert
und bei den Namen des Kanzleipersonals nicht sicher erweisbar sind.
Dafür sind bei den letztgenannten Urkunden die durch das Schwanken
der Exemtionsformel entstehenden sachlichen Bedenken grösser. Es
ergäbe sich folgende Entwicklung: Zacharias und Stefan IL: volle
Exemtion, Hadrian L: beschränkte Exemtion, Leo IH. : volle Exemtion,
Gregor IV. und alle folgenden bis auf Mariiius II. : beschränkte Exem-
tion. Die Unmöglichkeit derselben liegt auf der Hand ; entweder hat
die Compromissformel erst mit Gregor IV. eingesetzt, dann ist sie bei
Hadrian I. zu streichen, oder man war bereits unter Hadrian dazu
gelangt, dann ist ihr Fehlen in der Urkunde Leos III. zu beanstanden.
Letzteres ist die Ansicht von Pflugk - Harttung, für die er auch einen
sprachlichen Beweis beibringt: indem der spätere ungetreue Kopi^t der
Urkunde, wohl Eberhard selbst, die Beschränkungsklausel wegliess,
vergass er auch bei dem daran sich schliessenden Satz .ita ut nisi ab
abbate monasterii fuerit invitatus" etc. die zum Verständnis des Satzes
nothwendigen Wörtchen »ut" und .ab" ^j. Pflugk - Harttung findet,
') Abgedruckt bei Pflugk-Harttung S. ?A9 ff.
*) Dass es bei der Wortfolge »ab abbate '^ einer so weit ausholenden Er-
232 M. '1 an gl.
dies sei „ausgiebig zu sehen«. Nur schade, dass er s^ich die mit der
Klausel ausgestattete Hadrian - Urkunde nicht ausgiebig genug an-
gesehen hat, sonst würde er gefunden haben, dass die Satzkonstruktiou
in ihr durch Auslassung des führenden Verbums „prohibemus* noch
ganz anders in die Brüche gieng.
Die Urkunden sind einander vollkommen würdig, alle drei sind
sie in viel späterer Zeit zurecht gezimmert, wobei sich das Ungeschick
der Arbeit gerade auch dadurch verrieth, dass man für die ältere Ur-
kunde das spätere und für die jüngere das frühere Formular ver-
wandte. Als Quellen für die Fuldaer Privilegienentwicklung in der
zweiten Hälfte des 8. wie zu Beginn des 9. Jahrhunderts sind sie ein-
fach zu streichen. Thatsächlich klafft zwischen dem ersten und lauge
einzigen Privileg des Papstes Zacharias und dem nächsten sicher be-
zeugten Gregors IV. eine Lücke von etwa 70 Jahren. Wieso dies kam,
wird denjenigen, der die Fährlichkeiten des ersten Exemtionsversuches
richtig verfolgt hat, nicht wundern. Verhältnisse und Eechtsanschauung
im Frankenreich Pippins, Karls d. Gr. und auch noch der ersten Zeit
Ludwigs d. Fr. waren weiteren Exemtion sbestrebungen eben nicht
günstig; sehr bezeichnend fällt der nächste sicher feststellbare Versuch
bereits in die Zeit des lieginnenden Niederganges der Reichsgewalt.
Wir gelangen also weiter hinunter ins 9. Jahrhundert, betreten
hier aber allerdings zum erstenmale festen Boden. Nicht nur dass uns
die nun folgenden Papsturkunden von Gregor IV. an in der zuver-
lässigeren ersten Serie bei Eberhard überliefert sind, wir besitzen sie
überdies in von Eberhard unabhängigen Einzelkopieu. Da Dronke und
Pfluffk-Harttuuo; die Zeitbestimmung dieser Abschriften um rund zwei
Jahrhunderte vergriffen und sie dadurch in ihrem Werte bedeutend
herabminderten, seien diesen Einzelkopien einige kurze Bemerkungen
gewidmet. Erhalten sind uns in dieser Ueberlieferung die Privilegien-
bestätiguugen Gregors IV.. Leos IV.. Benedikts III., Nikolaus I. und
Johanns VIII. ; sie sind von wechselnden Händen geschrieben, die sämmtlich
noch dem 9. (nicht dem 11.) Jahrhundert angehören, und daher der Ten-
denz vollkommen entrückt, in der zwei Jahrhunderte später das Sammeln
und Verzeichnen der Papsturkunden in Fulda erfolgte. Auch der stete
Wechsel der Hände ist beachtenswert; er spricht gegen gleichzeitige Ent-
stehung aller in einem Guss. Die Kopirung scheint in allen Fällen bald
nach Erlangung der Urkunden vorgenommen worden zu sein, um bei
der Schwierigkeit der curialen Schrift die Lesung und bei der geringen
kläiuiig zur Auslassung des »ab"' nicht bedarf, weiss jeder, der sieb einmal im
l.ebeu mit Textkritik beschäftigt hat.
Die Fuldaer Privilegienfrage. 233
Widerstandsfähigkeit des Papyrus die Erlialtuug der Urkunden zu
sichern. Das Privileg Gregors IV. entbehrt des EsehatokoUs, das Leos IV.
führt ein unvollständiges und verderbtes; erst die Kopien der Privi-
legien Benedikts III. ^), Nikolaus I. und Johauns VIII. weisen Scriptum-
und Datumzeile auf. Und hier sprechen entscheidand zu Gunsten der
Überlieferung einzelne ganz charakteristische Fehler und Verderbungen,
die auf das Verlesen einzelner Buchstabeuverbindungen der päpsstlichen
Cursive oder auf falsches Auflösen typischer Kürzungen zurückzuführen
sind und gerade dadurch auf unmittelbare Ableitung dieser Kopien
aus Originalen schliessen lassen.
So lautet die Datirung im Privileg Nikolaus I.: „Datum II. idus
Junias per manum Tiberii primicerii sanctae sedis apostolicae imperaute
domno piissimo principi (falsche Auflösung des ständigen pp. — per-
petuo) augusto '^) Lhudoauico a deo coronato magno pacifico impera-
tore anno decimo et patricius (missverstanden aus pc eius ^=^ post
consulatum eius des Originals) anno decimo, indictione septima amen 3)".
Ganz ähnlich steht es bei dem Privileg Johanns VIII : „Datum quinta
nonas octobrias per manum Gregorii uomenclmissi et apocrisiarii
sanctae sedis apostolicae (nomencl[atoris |, missi et apocrisiarii, der
Kopist wusste den ihm fremden Titel nicht zu ergänzen und benahm
sich eigentlich sehr correct, indem er einfach die vorhandenen Buchstaben
wiedergab, correcter wie Dronke, der nomencimissi druckte) reguante
imperatore (verderbt aus imperpetuum ?) domino Jesu Christo *) anno
pontificatus domno Johannis ^) summi pontiticis et universalis papae
et epo (et episcopo verlesen aus „tertio*^ ß) der Vorlage), indictione
nona". (Indiction 9 und an. pontif. 3 stimmen zum 3. October 875.)
*) Es ist irrig, wenn Dronke (S. 258) und Pflugk-Harttung (S. 377) be-
Tiaupten, dass die Datirung dieser Urkunde auf den 23. Oktober 858, also auf
ein Datum nach Benedicts III. Tod weise und deshalb verdächtig sei; die Indic-
tion 6 entspricht bei der in Rom damals noch ständigen Umsetzung mit dem
1. September dem Oktober 857; das 9. Kaiserjahr Ludwigs II. stimmte aller-
dings zu 858; allein die Indiction ist als das Normaljahr der römischen Curie
für diese frühere Zeit ebenso ausschlaggebend wie später das Pontificatsjahr ;
möglich, dass man im September 857 irrthümlicher Weise mit der Indiction
gleichzeitig auch das Kaiserjahr erhöhte.
-) Die Kopie der Urk. Benedicts lll. hat an dieser Stelle »pp. aug. <'
3) Die Benedict-Kopie bringt zum Schluss der Datirung ein grosses, ver-
schnörkeltes a, in Nachahmung der Originale, die den Wortschluss der Indictions-
zahl so zu gestalten pflegten; auch unser »amen* scheint nur eine Missdeutung
eines solchen Schluss-a.
♦) Die Urkunde fällt in kaiserlose Zeit I
*) Ursprünglich nur io, is später über der Zeile hinzugefügt.
^) Dass die curiale Cursivverbindung te von minder Kundigen zu et ver-
234 ^I- Tan gl.
Unter solchen Umständen bringen wir auch dem Inhalt dieser
Einzelkopien ganz andt-res Vertrauen entgegen, als den unzuverlässigen
Eberhard -Texten i). Alle fünf Urkunden weisen aber in der Hauptsache
dieselbe Fassung auf: sie wiederholen Zacharias B. nur ist die volle
Exemtion jetzt aufgegeben, den Worten , praeter sedem apostolicam "
ist nunmehr ständig die Klausel von der Wahrung der Rechte des
Diöcesanbischofs angefügt. Xik(daus I. setzte noch die Forderung zeit-
weiser Berichterstattung über die Klosterdisciplin hinzu, was wieder
gleichlautend in das Privileg Johanns VIII. übernommen wurde.
So eröffnet die Urkunde Gregors IV. die nunmehr fortlaufende,^
im einzelnen weitergebildete aber dem Kern nach bis gegen die Mitte
des 10. Jahrhunderts unveränderte Reihe der Fuldaer Privilegien. Für
uns ist entscheidend, dass alle diese Urkunden in ihrem Schlusstheil
Zacharias B, also gerade jene Fassung wiederholen, die, wie wir sahen,
in dieser Weise unmöglich aus der päpstlichen Kanzlei hervorgegangen
sein konnte. Der Kauzlei Gregors IV. muss daher das Zacharias- Privileg
bereits in überarbeiteter, verunechteter Gestalt vorgelegen haben. Die
Datiruug der Gregorurkunde ergäbe darum auch den ersten festen
terminus ad quem für die Vornahme dieser Ueberarbeitung. Nun ent-
hält die Urkunde auch ein Datum, aber nicht in der undatirten Einzel-
kopie und auch nicht in der aus ihr abgeleiteten Eintragung in der
ersten Serie Eberhards, sondern erst in Eberhards zweiter Serie, wo
die Urkunde mehrfach entstellt und durch .Datum kal. April, indic-
tione VP bereichert wiederkehrt. Das stimmte zum 1, April 828, und
zu diesem Tag ist die Urkunde auch in Dronkes Codex diplomaticus
und iu den Papstregesten eingereiht. Woher schöpit Eberhard seine
Weisheit? Wer den Unfug kennt, den Eberhard bei einzelnen
Karolinger Urkunden gerade mit der Indiktion, — beiläufig bemerkt^
seinem Liebling unter den Jahresaugaben, — treibt, indem er die Re-
gierungsjahre durch willkürlich erfundene Indiktionen ersetzt, der traut
diesem unsichersten aller Urkundenko]nsten gerade hierin nicht über
den We«:. So willkommen gerade mir ein fester Ausatz hier sein müsste,
SO halte ich mich doch nicht für berechtigt, von ihm Gebrauch zu
machen. Es ergibt sich also nur eine sehr dehnbare beiläufige Ein-
lesen werden kann, ist aus verschiedenen Beispielen in Pflugk-Harttuiigs Speci-
mina chavtarum Roman, pont. zu ersehen (vgl. Taf. 6) ; ebenso ist ein Verlesen
der Cnrsivverbindung fi mit folgendem o zu po denkbar.
') Ueberdies sind wir über die Thatsache, da^^s damals wiederholt um Pri-
vilegienbestätigung nachgesucht wurde, noch aus anderer Quelle unterrichtet, aut
die ich bald näher einzugehen habe.
Die Fuldaor Privilegienfrage. 235
reihung zwischen 827 (Regierungsantritt Gregors IV.) und 842 (Aus-
scheiden Hrabans aus der Abtwürde).
Etwas weiter zurück führen uns vielleicht noch Andeutuno^en in den
kümmerlicheu Bruchstücken der einstigen Fuldaer Briefsammluno-, die
Dümmler aus den Citaten der Magdeburger Centuriatoreu gesammelt
hat 1), und die nicht durch die vollen Texte ersetzen zu können^
uiemand aufrichtiger zu bedauern hat als der Bearbeiter der älteren
Fuldaer Urkunden. Als Hrabans Nachfolger in Fulda, Abt Hatto (84 J
bis 856) daran gieng, die Erneuerung des Privilegs bei Leo IV. sich zu
erbitten, suchte er sich zunächst der Beihilfe des mittlerweile zum Erz-
bischof von Mainz vorgerückten Hraban zu versichern -). Dieser will-
fahrte der Bitte 3), klärte seinen Vorgänger aber gleichzeitig darüber
auf, dass das Ansuchen um Privilegienbestätiguug in Rom ein schwieri-
ges und unter Umständen sogar gefährliches Unternehmen sei. Als
Beweis dessen theilte er mit, wie es ihm selbst einst bei Paschal I.
ergieng: Der Papst nahm sein Schreiben wegen des Privilegs äusserst
übel, liess die Mönche, die es überbrachten, einsperren, rügte Hraban
vor den fränkischen Bischöfen und war nahe daran, ihn sogar zu ex-
communiciren *). Pflugk-Harttung (S. 283) findet, „es sei mit der Stelle
leider nicht viel zu machen", doch dürfe man wohl entnehmen, ,dass
ein Papst auch ungehalten über die privilegiensüchtigen Fulder sein
konnte'-. Derselbe Erklärungsgrund, der des päpstlichen Zornes über
die ihm zugemuthete Privilegirung, wird von Langen ^) und Weiss •>)
viel entschiedener betont. Ich muss gestehen, dass ich den hochsradigfen
Zorn seiner Heiligkeit nicht recht begreife. Der blosse, bona tide unter-
nommene Versuch Hrabans, seinem Kloster ein Vorrecht wieder zu
erringen, das es schon einmal erhalten hatte, und damit eines der
ij Ueber eine verschollene Fuldische Briefsammlung des neunten Jahrhun-
derts, Forsch, z. deutsch. Gesch. 5, 369 ft'.
'^) Dümmler a. a. 0. 38f) (Hatto) a Rabano Maguntino archiepiscopo per
litteras petit. ut suis litteris ad Romanum pontificem proprias adiungere non
gravetur, quo facilior suis ad pontificem sit aditus.
3) A. a. 0. 385 : Rabanus in epistola sua ad Leonem petit, ut monachis
Fuldensibus ad pedes suos faciat aditum, ut benedictionis gratiam percipere
queant.
•*) A. a. 0. 385 : Paschalis pontifex eins (sc. Rabani) epistolam de privilegio
coenobii Fuldensis molesti.ssime tulit et monachos eam offerentes incarceravit
ipsuraque coram episcopis Franciae vituperavit et parum abfuit, quin Rabanum
excommunicasset, ut ipse testatur in epistola ad Hattonem abbatera Fuldensem.
*) Gesch. d. röm. Kirche von Leo I, bis Nikolaus I. S. 801.
") Die kirchl. Exemtionen der Klfister bis z. Greg. Cluniac. Zeit, Berner
Diss. Basel 1893 S. 43.
93(3 ^^' '^'^i^.?l-
mächtigsten Klöster des Frankenreichs dem römischen Stuhl zu Füssen
zu legen, soll Paschal I. derart in Harnisch gebracht haben, dass er
sich zu Gewaltmassregelu gegen die Abgesandten und zu Rüge und
Bannandrohung gegen den Abt hinreissen Hess, und das alles aus Vor-
liebe für das Mönchthum, die er als ehemaliger Mönch hegte, während
doch der erste Mönchpapst, Gregor d. Grosse, die strittige Privilegien-
formel, wohl auch aus Liebe zum Mönchthum, geschaffen hatte? Ganz
a,nders, wenn man Grund hatte, die bona fides zu bezweifeln, wenn
Form und Fassung der vorgelegten Urkunde Verdacht erregten, wenn
man sich infolge dessen zur Annahme berechtigt hielt, dass Hraban die
Privilegienbestätigung durch unlautere Mittel zu erschleichen suche ^).
Ich erinnere daran, dass auf Urkundenfälschung allerdings die Strafe
der Excommunication stand.
Was ich hier aussprach, kann natürlich nur eine Vermuthung sein,
die ich aber doch nicht ganz von der Hand weisen möchte. Sie ergäbe,
dass schon im Jahre 823 ") das Zacharias - Privileg in der verderbten
Fassung B vorlag, die als solche zu erkennen, in Rom wohl nicht
schwer halten konnte, vorausgesetzt, dass man überhaupt gesonnen
war, darauf zu achten '^).
Hraban liess sich durch den missluugenen ^Versuch nicht ab-
schrecken; nachdem er den kurzen Pontifikat Eugen U. hatte ver-
streichen lassen, erneuerte er sein Anliegen bei Gregor IV. und dies-
mal mit Erfolg ^), Zu diesem Zwecke scheint er sich aber zuvor der
Beihilfe des Erzbischofs Otgar von Mainz versichert zu haben. Sollte
dieser aber zustimmen, so konnte dies nur gescheheu, wenn seine
eigenen Rechte gebührend gewahrt wurden. In diesen Zusammenhang
bringe ich die Erklärung Hrabans au Otgar ^), dass die Mönche ihrem
') Um iiiclit misverstanden zu werden, bemerke ich gleich hier, dass ich
keineswegs Hrabanus Maurus selbst für den Fälscher halte.
2) In der zweiten Hälfte 822 wurde Hraban Abt von Fulda, 824, und zwar
wahrscheinlich schon zu Beginn des Jahres, starb Paschal I.
s) Das Vorgehen Pasehals 1. spricht, wie immer man es deuten mag, auch
ziemlich sicher gegen die Existenz von Privilegienbestätigungen Stefans H.,
Hadrians I. und Leos III. Wenn die Bestätigung des Fuldaer Privilegs bereits
zur Uebung geworden war, wenn der unmittelbare Vorgänger (der einjährige
Pontifikat Stephans IV. kam kaum in Betracht) eine solche ertheilt hatte, wozu
die Aufregung in der einen oder andern Richtung?
■*) Wenn meine oben dargelegte Vermuthung richtig i«t, so spricht sie eher
für einen späteren Ansatz der Gregorurkunde ; es schien jedenfalls gerathen, den
unangenehmen Vorfall von 823 einigermassen in Vergessenheit gerathen zu lassen.
"•) Dümmler, a. a. 0. 376: Rabanus in epistola ad Otgarium : . . si quid
autem de ecclesiasticis atque secularibus uegotiis agere tentent, hoc cum veatro
Die Fuldaer Privilegienfrage. 2oT
Diöcesanbischof nach den Satzungen des Kirchenrechts unterworfen
seien. Ganz im Sinne dieser Erklärung ist meiner Meinung nach im
Zusammenwirken beider Männer jene Compromissformel festgestellt
worden, welche den päpstlichen Schutz mit den Rechten des Bischofs
in Einklang zu bringen strebte. Sie fand die Billigung des Papstes
und Aufnahme in das neue Privileg. Als Abt Hatto sich später ebenso
nach der Unterstützung des nunmehrigen Erzbischofs Hraban umsah,
wiederholte er nur das Beispiel seines Vorgängers. Fortan war ge-
wonnenes Spiel; es genügte, bei der jedesmaligen Erneuerung die un-
anfechtbare Originalurkunde des unmittelbaren Vorgängers vorzulegen,
und so erfreute sich die in ihrem Ursprung höchst uncuriale „apoitolica
auctoritas subnixa" zusammen mit der Besitzklausel aus den könig-
lichen Immunitäten in den Fuldaer Privilegien auf zwei Jahrhunderte
hinaus eines unbehelligten Daseins i).
Ehe ich zu einem abschliessenden Urtheil zu gelangen versuche^
habe ich zunächst ebenso die Bestätigungen der Pippin - Urkunde
vorzuführen. Sehr im Gegensatz zu deu päpstlichen Privilegien ist ihre
Reihe nicht lang. Ausser dem schon erwähnten Diplom Ottos I. (DO I. 55),
das, weil weit nach den beglaubigten Papsturkunden fallend, für unsere
Frage ausser Betracht bleibt, ist die Pippinurkunde nur zweimal noch
benützt, in einer undatirten Urkunde aus der Kaiserzeit Karls d. Gr.,
M. 449 (439), und in einer anderen aus den letzten Wochen Lud-
wigs d. Fr.. M. 1004 (973). Erstere ist nur im Codex Eberhardi über-
liefert, letztere ausser bei Eberhard auch im P'uldaer Rotulus des 10. Jh.
und in einer Einzelkopie aus dem 9. Jh. '^) Bei dieser ungleich zu-
verlässiger überlieferten Urkunde haben wir einzusetzen.
Nehmen wir zuerst das Protokoll vor: Invocation und Titel sind
korrekt, die Devotionsklausel ,.divina repropitiante gratia" entspricht
der letzten Regierungszeit Ludwigs d. Fr. (834 — 840), ebenso kanzlei-
gemäss sind Signum- und Recognitionszeile (Hirminmaris notarius ad
vicem Hugonis recognovi et subscripsi). Für Titel und Recoguition
consensu et praecepto faciant, quod aliter hoc fieri non decet, cum sacri canones
"hoc praecipiant, ut monachi per unamquamque provinciam subiecti eint episcopo
civitatis.
') Zuletzt ist sie in dieser Fassung von Clemens IL bestätigt, Dronke S. 356
Nr. 747.
-) Nach meinem Urtheil ist die Kopie nicht nur sicher noch im 9. Jahrh.
sondern wahrscheinlich bald nach 840 entstanden (offene a oder geschlossene
mit schrägem Schaft, olFene g, die ersten Schäfte von m und n nach links zu-
gespitzt, die s nach Art der Tourer Schrift, die Oberschäfte fast durchaus keulen-
föi'mig verdickt). Das Ludwig-Monogramm ist correct wiedergegeben; Dorsual-
vermerk s. IX — X : Praeceptum Hludonuici imp. pro confirmatione privilegii.
238 ^^- '^^'^""'•
scheint l)ei Annahme von Fälschung die Quelle rasch gefunden: sie
stehen gleichlautend in der noch heute im Original vorhandenen Ur-
kunde Ludwigs d. Fr. für Fulda vom 4. Februar 836, M. 954 (923) ^).
Also zur Datiruug: Data II. non. Mai. anuo XXVII. Christo pro-
pitio regni nostri; actum in Salz villa regia; in dei nomine feliciter
amen 2). Von formeller Seite ist die Zählung nach Königs- statt nach
Kaiserjahreu, die subjective statt der objectiven Fassung und das Wegr
lassen der ludiktiou zu beanstanden. Umso besser genügt sie vom sach-
lichen Gesichtspunkt aus. Ludwig d. Fr. hatte auf die Kunde von der
Empörung seines Sohnes Ludwigs des Deutschen nach Ostern 840
Aachen verlassen und war die Lahn aufwärts in Eilmärschen nach dem
Osten vorgerückt; am 8. April war er in Hersfeld; von hier folgte er
seinem flüchtigen Sohne noch durch Thüringen bis au die Grenze der
slavischeu Gebiete, wandte sich dann nach Südwesten und kehrte nach
mehrtägigem Aufeuthalt in Salz an der fränkischen Saale den Main
abwärts nach Frankfurt zurück^). In dieses Itinerar fügt sich unsere
Urkunde aufs beste ein; der Aufenthalt de.s Kaisers in Salz ist uns
überdies noch durch eine zweite, ganz anderer Provenienz entstammende
Urkunde für den Getreuen Eckkard vom 8- Mai 840, M. 1005 (974)
bezeugt. Gerade die Richtigkeit dieser nur für wenige Tage zutreffenden
Itineraraugabeu bürgt am besten für die Echtheit der Datirung. Doch
auch hier scheint die Möglichkeit der Entstehung im Kloster selbst
naheliegend. Den wichtigsten Bericht über den ganzen Zug verdanken
wir den Fulduer Annalen : hier wird erzählt, da.ss der Kaiser die Bitt-
tage und das Himmelfahrtfest zu Salz verbracht habe ^), und von
letzterem Tage datirt unsere Urkunde. Aus dieser heimischen Quelle
konnte sich also der Fälscher seine anscheinend so bestechenden Itiuerar-
au gaben zurecht legen ^'), und wieder scheint unser Mühen, für unsere
Urkunde nicht nur zutreffende, sondern vor allem originelle Bestand-
theile nachzuweisen, vergeblich. Allein so steht die Sache denn doch
nicht. Eudolf von Fulda erzählt weiter von einer mächtigen Sonnen-
finsternis, welche die Gemüther der Menschen am Vorabend vor Himmel-
') Kaiseruvk. in Abb. III. ß (nur vepropitiante dementia st. gratia).
2) Im Kotulus fehlt das ganze Eschatol<oll, Eberhard bringt die Datirung
entstellt; an ,SaIz« lugte er ein b an und liess dadurch Salzburg als den wahr-
scheinlichen Ausstellungsort erscheinen.
3j Vgl. Mühlbacher, Gesch. d. Karolinger S. 423 und Reg. 1003—1007
(972—976).
4) Ann. Fuld. ed. Kurze SS. rr. Germ. S. 31 : Ipse vero rebus in partibus
Ulis ordinatis ad Salz villam regiam reversus dies letaniarum et ascensionis do-
luini sollemnia celebravit.
^) Urkunde und Annalen bezeichnen Salz übereinstimmend als villa regia.
Die Fuklaer Privilegienfrage. 239
fahrt in Schrecken versetzte, fügt aber dieser Festangabe, indem er
sich um eine Woche irrte, ein falsches Tagesdatum bei : „IUI. id. Maii*
statt „III. non. Maii". Weuu demnach eiu Fälscher diese Quelle benützte,
so würde er aller menschlichen Voraussicht nach auch diese irrige
Tagesaugabe übernommen haben; da unser Mann aber richtig „II. nou.
Mai.'' schrieb, müsste man rein annehmen, er habe Eudolfs Angaben
an der Hand der Ostertafel oder des Kaiendars nachgeprüft und richtig-
gestellt. Das ist aber wohl ausgeschlossen; das ganze Verhältnis liegt
vielmehr umgekehrt: Der Bericht des Annalisten gewährt für die Ur-
kunde eine willkommene Stütze; seine genauen Angaben über den
Aufenthalt des alten Kaisers erklären sich am besten, wenn Abt
Hraban, wie die Narratio der Urkunde versichert, sich thatsächlich
damals bei Hofe aufhielt 'j.
Der Text unserer Urkunde beginnt mit der Arenga „Cum peti-
tionibus servorum dei iustis et rationabilibus divini cultus amore fave-
mus, superna nos gratia remunerari confidimus", die häufig begegnet,
aber durchaus nicht in stereotyper Fassung, sondern in den einzelnen
Wendungen nach dem Belieben der Notare frei gestaltet. So leitet sie auch
die schon genannte Urkunde Ludwigs d. Fr. für Fulda vom 4. Fe-
bruar 836, M. <J54 (923) ein; aber nur die Grundformen sind die-
selben, alles andere ist verschieden. Dagegen herrscht allerdings nahezu
vollkommen wörtliche Übereinstimmung zwischen unserer Urkunde
und der ersten, allgemeinen Immunität, die Ludwig d. Fr. dem Kloster
Fulda in seiner ersten Regierungszeit am 2. Mai 816 verlieh, M. 613
(593) '').
Wird dadurch schon Beuützuuo- dieser Urkunde als Vorlage nahe
gelegt, so bestätigt sich dies auch durch das Weitere. Auch die Publi-
cationsformel und der Beginn der Narratio sind nahezu wörtlich aus
ihr entlehnt 3j. Darauf folgen die ersten selbstständigen Worte: Abt
Hraban habe die Urkunden Karls d. Gr. und Pippius vorgelegt, durch
welche die beiden das dem Kloster durch P. Zacharias verliehene Privi-
legium bestätigt hätten. Aber schon bei der zuletzt genannten Wen-
') Darauf lässt auch noch die Vorrede der an Bischof Noting von Verona
gerichtete Schrift Hrabans de praedestinatione schliessen. Dünimler, Ostfränk.
Eeich - 1, 136 A. 2: quando ad imperatorem Ludovicum in transitu expeditionis
hostilis in pago Logana venisti et ibidem mecum locutus.
2) j)ei- einzige Unterschied besteht in »muniri non diffidimus* M. 613 (593)
gegenüber ;,remunerari confidimus* in M. 1004 (973).
') Der gleiche Beginn beider Urkunden verleitete den Corrector der Rotulus-
eintragung von M. 1004, alle kleinen Abweichungen des Beginnes durch die Lese-
arten von M. 613 zu ersetzen, bis er bemerkte, dass er nach einer andern Ur-
kunde verbesserte.
240 ^I- Tangl.
düng , Privilegium Fuldeusis monasterii a Zacharia sauctae sedis apo-
stolicae praesule datiim sua etiam auctoritate roboravit" setzt die Be-
nützung der eigentlichen Yorurkunde, der, sei es nun echten oder un-
echten, Privilegiurasbestätigung Karls d. Gr., M. 449, ein. Wörtlich nach
dieser Urkunde ist im weitereu Theil der Xarratio der Inhalt dieser
Bestätigung und in starker Anlehnung an sie die Bitte des Abtes um
erneuerte Bestätigung wiedergegeben. Die Gewährung der Bitte und
der erste und wesentliche Satz dieser Neubestätigung erscheint in ganz
selbststäudiger Fassung, über die wir gleich später noch zu sprechen
haben werden; mit dem Nachsatz aber: „sed liceat ei rectoribusque
illius locis et rebus ... . firma perfrui stabil itate " beginnt wieder
das wörtliche Abschreiben der Vorurkunde, das nun bis zum Schluss
des Contextes anhält.
Vergegenwärtigen wir uns nochmals, wie ein Fälscher vorgegangen
sein müsste, wenn ihm die Herstellung der Urkunde in der uns vor-
liegenden Gestalt gelungen sein sollte: Erst Invocation und Titel mit
dem entscheidenden Wort der Devotionsklausel ^reprojütiante" aus
M. 954, darauf Arenga und Beginn der Narratio aus M. 613, den
wesentlichen Inhalt aus M. 449, die Signumzeile aus M. (313, denn
M. 954 entbehrte einer solchen, die Recognition aber aus M. 954,
endlich Ort, Jahr und Tag aus den Fuldaer Annalen und Korrektur
des Himmelfahrtsdatum derselben aus der Ostertafel. So hat kein Fälscher
gearbeitet! Viel einfacher gestaltet sich die Sache, wenn wir die Ur-
kunde als verbürgt hinnehmen. Abt Hraban erscheint bei Hof mit der
seinem Kloster vom Kaiser bereits verliehenen weltlichen Immunität und
bittet unter Vorlage der Urkunden Pippins und Karls um Bestätigung
der geistlichen Immunität. Diese Bestätigung erfolgt in der Weise, dass
man von der Fassung' der allgemeinen Immunitätsurkunde ausgeht und
an der Hand der letzteren Bestätigung zu den besonderen, für Fulda
allein giltigen Bestimmungen vorschreitet. Was in unserer Urkunde
kanzleiwidrig ist, wie etwa die Poenformel und die in die Form der
Participialconstruction gekleidete Corroboration ^manu nostra robora-
tum et anuli nostri inpressione signatum", ist durch die wörtliche
Benützung der Vorurkunde gedeckt i) und hält, sogut wie das Protokoll
und die eigenen Zuthaten an der Textgestaltung, auch der strengsten
kritischen Nachprüfung stand. Ich glaube daher, dass Abt Hraban
nicht nur am 6. Mai 840 von Ludwig d. Fr. die Exemtionsbestätigung
erhielt, sondern dass uns die Urkunde auch durchaus zuverlässig über-
liefert ist.
') Selbst das »regni uostri« der Datiiuno- könnte vielleiclit auf die Vor-
urkunde zurückzuführen sein.
Die Fuldaer Privilegienfrage. 241
Halte ich demnach die Pippinurkunde für unecht, ihre spätere
Bestätigung durch Ludwig d. Fr. aber für echt, so habe ich noch die
zwischen beiden liegende Urkunde Karls d. Gr. zu untersuchen, um dann
den Kreis meiner Beweisführung schliessen zu können. Dazu ist vor
allem nöthig, dass ich einen von den thörichten Einschiebungen Eber-
hards von Fulda gereinigten Textabdruck von M. 449 (439) voranstelle i) :
In nomine patris <(omnipotentis)>^) et filii et spiritus saucti.
Carolus Serenissimus augustus a deo coronatus magnus pacificus Im-
perator Komanum^) gubernans imperium qui et per misericordiam dei
rex Francorum et Longobardorum. Omnibus fidelibus nostris presen-
tibus et futuris notum sit, quia vir venerabilis Katgerius abbas mo-
nasterii quod vocatur Fulda ostendit serenitatis nostr^ obtutibus auc-
toritatem domni recolend^ memoria genitoris nostri Pippini regis in
qua continebatur, qualiter petente sancto Bonifacio archiepiscopo et
martire Christi Privilegium Fuldensis monasterii a Zacharia sanct^
sedis apostolic^ presule datum sua etiam auctoritate roboraret, ita ut
nuUus episcoporum ius sibi aliquod in eo vendicaret, sed liceret eidem
monasterio eiusque rectoribus locis et rebus, tarn eis quas eo tempore
teneret quam quas futuris temporibus iuri^) ipsius monasterii divina
largitas augere voluisset ex donis et oblationibus decimisque fidelium,
absque ullius persone contradictione firmitate perpetua perfrui. <(Questus
est igitur nobis memoratus abbas quosdam episcoporum orientalium
his auctoritatibus contentiouis studio contradicere et in ecclesiis mo-
uasterio subiectis atque inde constructis omnique studio procuratis
potestatem sibi vendicare earum tantum rerum, qu^ a fidelibus divinis
offeruntur altaribus)>, snggessitque serenitati nostr^, ut <(honorata
apostolica sede)- paternam <(quoque)' auctoritatem nostra nihilominus
preceptione firmaremus. Cuius precibus ob «(honorem sedis apostolic^
et)> paternq venerationis amorem libentissime annuentes has celsitu-
dinis nostr^ litteras precipimus fieri, quibus et sedis apostolic^ et ge-
nitoris nostri confirmamus decretum, ut supradictum monasterium
rectoresque illius locis et rebus, quas nunc habent vel deinceps deo do-
nante habituri sunt ex donis et oblationibus decimisque fidelium, absque
ullius persona contradictione firma stabilitate perfruantur, ita tarnen ut de-
eim^ ad ^cclesias, quas in propriis locis et villis possident, a servis
1) Cod. Eberhardi I. f. 78. Eberhards Zutbaten kennzeicbne ich durch ge-
brochene Klammern ; durch Petitdruck sind wörtliche Entlehnungen aus der Pippin-
urkunde, durch Sternchen Auslassungen gegenüber dieser Vorlage angedeutet.
a) Auf Rasur.
b) Romanorum E.
<=) iure E. •
Mittheilungen XX. 16
242 M- Tangl.
tautum et colonis persolvantur, quia susceptio hospitum pauperuma)
et peregrinorum semper apud eos^) indesinenter habetur. Si autem
quispiam huic nostr^ auctoritatis precepto repugnare voluerit, sententiam aposto-
lic^ districtionis, que in privilegio <=) expressa est, experiatur, et tarnen d) hoc,
quod ob amorem dei et venerationem sancti Petri reverentiamque patemam
nostra auctoritate firmavimus, stabile permaneat, manu nostra roboratum et
* anuli nostri inpiessione * signatum. <[esse volumus)>.
(M.) Signum Karoli gloriosissimi imperatoris.
<(Ego)' Suavis e) in vice <(domini)> Erchenbaldi <(cancellarii]> subscripsi.
luvocation und Titel zeigen die kanzleigemässen Formen der Kaiser-
zeit Karls d. Gr., mit der sich auch die Eegierungszeit des Abtes
Katgar fast vollständig deckt. Da die Urkunde einer Datiruug ermangelt,
bleibt als nächster Anhaltspunkt nur noch die Eecognition.
Suavis erscheint sonst nur noch in einer Urkunde als ßecognoscent,
einem heute im Münchener Reichsarchiv erliegenden Originaldiplom
Karls d. Gr. für den Grafen Bennit vom 1. Dezember 811, M. 467
(453), durch welches dieser eine Rodung zu ,Waldisbecchi" zwischen
Werra und Fulda zu freiem Eigen erhielt. Besitz und Urkunde kamen
später zu unbekannter Zeit an Fulda; sicher ist nur, dass Eberhard
von Fulda um die Mitte des 12. Jahrhunderts die Urkunde in seine
Sammlung aufnahm, und dass sie noch vor Eberhard in eine Schenkung
auf Lebenszeit verfälscht wairde i). Dass die Vergabung an Fulda noch
vor 840 stattfand, — und nur in diesem Falle könnte die Recognition
dieser Urkunde Quelle für unsere Privilegienbestätigung sein — ist
nicht wahrscheinlich, denn Graf Bennit hatte Söhne -). Die Recognition
unserer Urkunde ist daher kaum erst aus M. 467 geschöpft, und sie
a) Fehlt E, aus der Nachurkunde ergänzt.
^) Von gleicher Hand über der Zeile nachgetragen.
c) privilegiis, ii auf Rasur E.
d) ut E. e) Suavius E.
•) Vgl. über die Fälschung Mühlbacher in Mitth. d. Instituts f. österr. GF.
3, 307. Schannat, Tradit. Fuld. 107 druckt die Urkunde aus einer Vorlage
(»vetus apographum'), die bereits die Fälschung der entscheidenden Stelle, aber
nicht Eberhards weitere Zuthaten enthält.
2) S. den Stammbaum bei 0. v. Heinemann, Zur Genealogie und Gesch. d.
Billungischen Herzogshauses, Zs. d. bist. Vereins f. Niedersachsen 1865, 144
Bei der bis 840 noch relativ günstigen Ueberlieferung der Fuldaer Urkunden,
dürften wir in dem Fall überdies erwarten, unter den Privaturkunden Aufschluss
über die Vergabung an das Kloster zu finden, vgl. über eine solche Schenkung
Bennits und seines Bruders Billung an Fulda Dronke, Ant. et Tradit. Fuld. S. 98
c. 41 Nr. 52. Wahrscheinlich hat das Fehlen eines Rechtstitels später dazu Anlass
gegeben, durch die Umänderung der Kaiserurkunde in eine Schenkung auf Lebens-
zeit mit der Bestimmung des Heinifallrechtes an Fulda einen solchen zu schaffen.
Die Fuldaer Privilegienfrage. 243
gewinnt in dem Masse an Wert, als es sich um einen aussergewöhn-
lichen aber doch sicher bezeugten Namen handelt. Doch vergleichen
wir den Inhalt unserer und der Pippinurkunde. Vor allem fällt die
geringe üebereinstimmung in der Fassung auf; aus dem dispositiven
Theil sind nur wenige Worte übernommen; in zusammenhängender
Weise sind nur die Poenformel und die Corroboration abgeschrieben,
also die höchst unkanzleimässigen aber für den Kechtsinhalt unver-
bindlichen Theile ; man begnügte sieb hier, mit der „fidelium nostrorum
adstipulatio" und der damit zusammenhängenden Zeugenführung das
AUeraustössigste zu beseitigen ^), Um so gründlichere Veränderung
erfuhr der Kechtsinhalt; die Pippinurkunde hatte in ihrem dispositiven
Theil den wesentlichen Inhalt der Papsturkunde einfach wörtlich
wiederholt: „praecipientes, ut nullus sacerdotum in regno nostro divi-
nitus nobis concesso in praefato monasterio dicionem aliquam sibi
vindicet praeter sedem apostolicam, ita ut, nisi ab abbate monasterii
fuerit invitatus, nee missarum ibidem sollemnia quisque celebrare prae-
sumat, sed iuxta id, quod subiectum constat apostolicae sedi firmitate
privilegii, inconcusse roboratum permaneat, locis et rebus . . . firmitate
perpetua perfruatur. " Statt dessen heisst es in der Nachurkunde: ,has
celsitudinis uostre litteras precipimus fieri, quibus et sedis apostolice
et genitoris nostri confirmamus decretum, ut supradictum monasterium
rectoresque illius locis et rebus . , . firma stabilitate perfruantur*.
Der ganze auf die kirchliche Exemtion bezügliche Satz
ist -vollständig weggefallen. Wenn nicht in der Narratio
unserer Urkunde bei der Darlegung des Rechtsinhaltes der Vorurkunde
auch erwähnt wäre: „ita ut nullus episcoporum ius sibi aliquod in
eo vendicaret ", so könnte aus der Karlurkunde allein niemand schliessen,
dass überhaupt ein Exemtionsprivileg zur Bestätigung vorlag. Und
dass soll ein Fälscher gemacht haben'? Eine Fälschung, deren Tendenz
einzig und allein in der Bestätigung des Exemtion srechtes liegen musste,
bätte diese dadurch zum Ausdruck gebracht, dass sie gerade den
Exemtionspassus aus ihrer Vorlage hinauswarf? Das allein spricht be-
stimmtest dagegen, dass die Karlurkunde gleichzeitig und gleichartig
mit der Pippinurkunde im Kloster entstanden sein könnte; es spricht
zugleich gewichtig für die Echtheit der Nachurkunde 2). Ich komme in
diesem Zusammenhang nochmals auf die entsprechende Fassung der
») Es ist sehr bezeichnend, dass man in der Reichskanzlei, in der man Be-
deutung und Herkunft der Stipulationsklausel kannte, sie beseitigte, während
man in der päpstlichen Kanzlei die ,auctoritas subnixa* ahnungslos nachschrieb.
2) Für die Echtheit der Urkunden Karls und Ludwigs tritt auch Sickel
Ä. 625 f. ein.
16*
244
M. Tangl.
Ludwigurkunde zurück: in ihr ist der Exemtionspassus zwar nicht ganz,
übergangen, aber in seiner Fassung einfach der Immunitätsformel nach-
gebildet :
Immunitätsformel : üt nullus iudex publicus vel quislibet ex
iudiciaria potestate ingredi audeat vel .... exigere prae-
sumat; sed liceat meraorato abbati etc. M. 1004: „ut nullus epis-
coporum vel quislibet ex iudiciaria potestate in praedictum mona-
sterium vel in res ad id iuste et legaliter pertinentes ius sibi aliquod
vindicare praesumat; sed liceat ei rectoribusque illius" etc.
Wir sehen, dass man in beiden Fällen das Exemtionsprivileg
zwar formell bestätigte, in seinen Wirkungen aber beträchtlich ein-
schränkte. Dies spricht entschieden für die Echtheit der beiden Nach-
urkunden. Doch so leichten Kaufes kommen wir noch nicht wesf,
M. 449 steht durch eine auf den eben besprochenen Theil unmittelbar
folgende, gegenüber der Pippinurkunde neu hinzugekommene Stelle in
naher Berührung mit einer anderen Urkunde Karls d. Gr. für Fulda..
M. 448 (438)
praeceptum visi fuimus concessisse,
ut de villis aeclesiae domni Bone-
fatii s e r v i s etiam et colonis in
illis manentibus, quas moderne tem-
pore halbere videtur vel quae deinceps
in iure ipsius sancti loci divina pietas
voluerit amplificare, habeat praedictus
abbas successoresque eius potestatem
decimas accipiendas propter
aedificia perficienda vel restauranda
luminariaque eclesiarum renovanda,
et ut nobis fidelibusque
nostris pauperibus quoque
et peregrinis tempore sus-
cepcionis usus necessarios
possint praebere, secundum id
quod sancte regulae propositum adque
mandatum iubet, monachos in sus-
ceptione hospitum pauperumque omni
hora semper esse parates.
Das Schwergewicht liegt auf der Stelle „ita tarnen ut decim^ —
indesinenter habetur", die in M. 449 und gleichlautend damit in M. 1004
einen Zusatz zur Pippinurkunde bildet. Die Beziehung zu M, 448
wird niemand bestreiten ; ebenso sicher lässt sich das Quellenverhältnis
bestimmen, da die Stelle von der Fremdenaufnahme und Armenpflege
in M. 449 gegenüber M. 448 verkürzt, die von den Zehenten aber
M. 449 (439) = M. 1004 (973).
confirmamus decretum, ut supradic-
tum monasterium rectoresque illius
locis et rebus, quas nunc habent vel
deinceps deo donante habituri sunt
ex donis et oblationibus decimisque
fidelium, absque ullius persona con-
tradictione firma stabilitate perfruan-
tur; ita tarnen ut decim^ ad ^ccle-
sias, quas in propriis locis et villis
possident, a s e r v i s tantum e t
colonis persolvantur, quia
suseeptio hospitum paupe-
rum et peregrinorum semper
apud eos indesinenter habe-
tur.
Die Fuldaer Piivilegienfrage. 245
verderbt ist. In M. 448 wird dem Kloster ganz sinngemäss zugestanden
der Zehentbezug von seinen Höfen und den auf diesen befindlichen
Hintersassen. InM. 449 hatte schon die unglückliche Anreihung mit „ita
tarnen" Verwirrung geschafi'en, und im weiteren ist der klare Sinn
noch zweifach entstellt, durch das ,ad ecclesias* und mehr noch durch
das ^a servis tan tum et colonis persolvautur " gegenüber „ut de villis
. . . . servis etiam et colonis" der Vorlage i). Es liegt also un-
geschickte Benützung vor. M. 448, das auf diese Weise für diesen
einen Satz als Vorlage für M. 449 auftaucht, ist aber in der uus
heute bekannten Gestalt eine ofienkundige Fälschung!
Bei der ganz widersprechenden Beurtheilung, welche diese Ur-
kunde bisher erfuhr, bei der Wichtigkeit, die sie für unsere Frage
gewinnt, muss ich hier eingehender über sie berichten, um dann zu-
gleich eine Lösung der neu sich aufdämmenden Schwierigkeiten zu finden.
Gegenüber Sickel, der die Urkunde „schon äusserlich betrachtet, eines
der ungeschicktesten Machwerke" genannt hatte, trat Pflugk-Harttuug
(S. 243 fi".) für die Echtheit ein; er fand die Urkunde ,in klaren,
sicheren Buchstaben geschrieben" (in Wahrheit sind sie so zitterig
uud unsicher wie möglich !). Mühlbacher hatte sich in der ersten Auf-
lage der Regesten auf Grimd des unbedenklichen Inhaltes zugunsten
der Urkunde ausgesprochen: nach Einsicht des angeblichen Originals,
von dem die Photographie bei Herquet (Taf. VI.) kein ganz ausreichendes
Bild gewährt, änderte er diese Meinung und urtheilt in der Neu-
bearbeitung wesentlich ungünstiger. Von Originalität kann gar keine
Eede sein, es liegt eine noch dazu ziemlich kümmerliche und ungelenke
Nachzeichnung vor '^). Die Bedenken gegen die Urkunde gipfeln darin,
dass dem Königstitel Karls d. Gr., mit dem sich auch die Signum-
zeile deckt, der nur der Kaiserzeit entsprechende Abt Ratgar und eine
auf das Jahr 809 oder 810 weisende Datirung gegenüberstehen 3).
Allerdings steht der Abtname über Rasur, unter der als ursprüng-
licher Name „Baugulfo" noch mit Sicherheit zu erkennen ist, und die
Datirung trat anstelle einer andern, tiefer stehenden, aber später weg-
1) In der Auffassung dieser Stelle weiche ich sowohl von Ausfeld, Lambert
V. Hersfeld u. d. Zehentstreit zw. Mainz, Hersfeld u. Thüringen, Marburger
Diss. 1879 S. 19, als auch von Hauck, KG. Deutschlands 3, 731 A. 1 ab.
2) Von den zahlreichen Oberschäften gelang kaum einer in einem Zug, alle
sind in Absätzen hergestellt und angestückt.
*) Data X. kl. mai. anno Christo propitio imperii nostri (ausgefallen !) XLII
in Francia atque XXXV in Italia, indictione secunda; actum Aquisgrani i. d. n. f. a.
an. 42 in Francia stimmt zu 810, an. 35 in Italia und Indiction 2 zu 809, Aachen
als Ausstellung-sort stimmt zum einen wie zum andern.
246 ^- '^'a^gl-
geschnittenen, von der nur noch der obere Theil des Chrismon und
die Spitzen einzelner Oberscliäfte sichtbar sind. Einen Angelpunkt
für die Beurtheilung dieser Urkunde bildet demnach die Schriftbestim-
mung ; rührt die neue Datirung und ebenso die Ersetzung des Namens
Baugulf durch Katgar, wie Pflugk-Harttung annahm, von anderer
Hand her, dann würde sich die Beurtheilung sehr vereinfachen: wir
hätten eine Nachzeichnung einer wohl sicher echten Urkunde für Bau-
gulf vor uns, die erst später zu einer solchen für Ratgar verunstaltet
wurde. Dem ist aber nicht so: auch die neue Datirung, sowie die
Aeuderung des Abtnamens sind von derselben Hand geschrieben i).
Es war also ein und derselbe Mann, der aus swei zeitlich und wohl
auch inhaltlich einander fernstehenden Urkunden eine Fälschung auf
den Namen Ratgars zimmerte. Sind wenigstens die Einzelbestand-
theile zuverlässig, und ist es noch möglich, sie ihrer Provenienz nach
genau zu scheiden? Die Erwähnung der Zehenten, die hier in Ful-
daer Urkunden zum erstenmal erscheint, ist aus gleichzeitigen Hers-
felder Urkunden mehrfach zu belegen. Scheint in dem „propter aedi-
ficia perficienda vel restauranda" die aus der Bauwuth des Abtes
Ratgar entspringende eigentliche Tendenz der Fälschung zu liegen, so
ist dem entgegen zu halten, dass auch Baugulf bereits eifrig baute;
und andererseits steht die nun folgende Stelle über die „Susceptio
hospitum" in vollem Gegensatz zu dem, was uns im .Libellus supplex"
§ XIIL2) über Ratgars ungastliches Walten berichtet wird: „Quod
peregrinorum susceptio .... non uegligatur sed secundum regulam
et secundum prioruoi nostrorum consuetudinem, quandoque veneriut,
misericorditer suscipiantur." Wenn hier Fälschung oder Umformung
vorliegt, so kann sie nur Ratgars Gegnern oder Nachfolgern, keines-
falls ihm selbst zur Last fallen.
Neues Licht fällt auf die Frage durch eine Mittheilung in Bod-
manns „Rheingauischen Alterthümern", (Mainz 1819, S. 872): „Auch
theilen wir darüber (über das Hospitalitätswesen in den mittelalter-
lichen Klöstern) eine auf einer langen Pergamentrolle im Fulder Archive
>) Kennzeichen dafür sind die o mit lang gezogenem Anstrich, die eigen-
artigen Verbindungen von f mit dem folgenden Buchstaben (vgl. infra und feli-
citer der Datirung mit zahlreichen gleichartigen Formen des Contextes), die
stark eingekerbten e und das gleiche Kürzungszeichen. Die Angabe Fickers,
Beiträge z. UL. 2, 264, dass im Worte »indictione« die Tinte wechsle, ist
irrig. Auf der Kückseite der Urkunde ist eine Notiz radirt; sie lautete aber
geradeso wie die stehen gebliebene: Karoli de decimis Ratgario abbati con-
cessum.
2) Brower, Antiq. Fuld. 214 MG. Epist. 4. 550.
Die Fuldaer Privilegienfrage. 247
befindliche i) uralte, noch ungedruckte Note über dergleichen Zehenten
hier aus der zum Tlieil unleserlichen Urschrift mit: De deeimis. In
concilio quondam Aquense habito disputaverunt episcopi propter de-
cimas que ratiouabiliter redderentur. Sic illis visum fuerat
cum plus episcopis deberentur, quam cetere alicubi aeccles e;
ergo contentionem tunc iuxta equitatis normam bone memorie vir Ca-
rolus Imperator cum ceteris fidelibus p nis solatium prebendo
Baugulfo scilicet abbati monachisque suis in coenobio sancti Boni-
facii martiris deo militantibus cum auctoritat .... ivilegii beati Zacharie
pape et precepti piissimi genitoris nostri Pippini ratiouabiliter coram
omni concessit sinodo publice atque decrevit causam, quod iustum non
esset, ut predictus abbas ceterique post ipsum abbates et fratres in
eodem loco sancto degentes ullo modo in suis villulis et servis et co-
lonis in illis habitantibus et ad se pertineutibus, ut deeimis propter
hospites pauperes videlicet et propter edificia luminariaque aecclesiarum
renovanda debeant privari. Quodcirca ipse Carolus inperator secundum
potestatem divinitus sibi concessam palam determinavit in preseutia
totius synodi, ut prefati sancti loci videlicet Bonifacii et monachi supra
statutam atque necessariam prebendam haberent decimas ex suis
villulis, und peregrinis atque pauperibus tem-
pore susceptionis ad usus uecessarios possint . . . .inis-
trare secundum id, quod sanctae regulae propositum at-
que mandatum iubet mouachos in susceptione hospitum
atque pauperum omni hora paratos esse, noviterque cotidie
supervenientes atque idoneum Christi vice illis prebere olis-
quium.
Hirmiumarus uotarius ad vieem Hugonis recognovi et scrip i.
Data IL non. mai. anno XXVII. Christo propitio regni Karoli
imperatoris; actum Aquisgrani palatio ; in dei nomine feliciter amen.
Die Aufzeichnung ist eine Fälschung, und zwar eiue viel ärgere
als M. 448. Sie lässt den Bericht über eiue unter dem verstorbenen
(„bone memorie") Kaiser Karl abgehaltene Synodalverhandlujg über
die Zehentfrage in eine Urkunde Karls d. Gr. ausklingen, zu der sie
Recoguition und Datirung von der uns wohlbekannten Privilegien-
bestätigung Ludwigs d. Fr. in der Weise entlehnt, dass sie aus Re-
gierungsjahreu Ludwigs solche Karls macht und statt des unbedeutenden
Salz — für einen Fälscher recht bezeichnend — die Kaiserpfalz Aachen
') Ich zweifle nicM, dass darunter der Fuldaer Rotulus saec. X. zu ver-
stehen ist, auf dessen jetzt verlorenen Anfangsblättern die Eintragung gestanden
haben konnte. Die Lücken sind genau nach dem Bodmann'schen Di'uck wieder-
gegeben.
248 M- Tangl.
einsetzt ^). Dies gibt auch einen festen Anhaltspunkt für die Zeit-
bestimmung; die Aufzeichnung kann erst nach 840 erfolgt sein. Sie
aber kennt noch eine Zehenturkunde Karls d. Gr. für Abt Baugulf
und citirt aus ihr die von mir durch gesperrten Druck hervorgehobenen
Worte fast wörtlich gleichlautend mit M. 448. Es fällt auf, dass ein
und dieselbe Urkunde in zwei von einander unabhängigen üeber-
arbeitungen jedesmal mit erborgtem Datum erscheint; das würde dafür
sprechen, dass die echte Urkunde beiden ohne Datirung, als beschädigtes
Original oder undatirte Kopie, vorlag. Als gegen Ende der Regierung
Ludwigs d. Deutschen der Zehentstreit wieder losbrach -), legte mau
Wert darauf, von der Beweiskraft dieser wichtigen Urkunde vollen
Gebrauch machen zu können; zu dem Zweck wurde eine Nachzeich-
nung nach Art eines Originals angefertigt und mit der wahrscheinlich
einem Placitum aus Ratgars Zeit entnommenen Recognition und Da-
tirung versehen ^) ; dementsprechend musste dann auch Baugulfs Name
im Text weichen. So erkläre ich mir das Zustandekommen von M. 448-
In dieser verderbten Form wurde die Urkunde dann 875 durch Ludwig
d. Deutschen, M. 1468, und 8.^0 durch Ludwig IlL, M. 1526, bestätigt.
Kehren wir nunmehr wieder zu unserer Privilegienbestätigung
zurück, so sehen wir, dass die Benützung des einen Satzes von M. 448
keineswegs Bedenken zu erregen braucht; es lag eben die echte, an
Baugulf verliehene Lrkunde vor, die Ratgar neben dem Pippinprivileg
ebenso beibrachte, wie später Hraban neben der Privilegienbestätigung
Karls die Immunitätsurkuude von 816. Damit entfällt auch dieser
Zweifel, und wir haben nur noch kurz über die nähere Einreihung
innerhalb der möglichen Zeit von 803 — 814 zu sprechen. Dafür bieten
sich nur drei Anhaltspunkte: entweder die Datirung von M. 448, also
der 22. April 809 — 810, als ein Zeichen, dass Abt Ratgar damals bei
Hof war, und zu diesem Zeitpunkt reiht Mühlbacher die Urkunde ein.
oder die Datirung von M. 467 (453) (811. Dez, 1), als der einzigen
noch von Suavis recognoscirten Urkunde oder das Jahr 812, in dem
Ratgar im Streit mit den Mönchen an den Hof zog ^).
') Diese Urkunde ist auch dazu benützt, das Zachariasprivileg in die Dar-
stellung hinein zu verweben.
2) Vgl. M. 1462.
3) Dies die Vermuthung Bresslaus, UL. 1, 282 A. ß, dem ich mich hierin
anschliesse. Heidebert erscheint nur noch einmal als Recognoscent in einem
Placitum für St. Denis vom 8. März 812, M. 469 (455) und zwar übereinstimmend
mit M. 448 in der in Diplomen kanzleiwidrigen Form »Ego Eldebertus«, während
sich die Placita hierin wie auch in Schrift und Austattung den Privaturkundeu
nähern.
■*) Annal. Lauris. Min. MG. SS. 1, 121.
Die Fuldaer Privilegienfrage. 249
Zwischen 809 und 812 dürfte demnach die Pippinurkunde zum
erstenmal vorgelegt und bestätigt worden sein. Wann ist sie selbst
entstanden ?
Im J. 774 verlieh Karl d, Gr. dem Kloster Fulda die Immunität
und in gesonderter Urkunde das Recht der freien Abtwahl, M. 172,
173 (168, 169). Letztere Urkunde ist nach der merovingischen Formel
des Klosterprivilegiums (Markulf I. 2) abgefasst, enthält aber bedeutend
weniger als diese; während Sickel (a. a. 0. S. 571) als typischen In-
halt der Privilegien dreierlei feststellte: 1. der Bischof hat kein An-
recht auf das Klostergut, 2. der Bischof darf das Kloster nur über
Aufforderung des Abtes und nur zur Vornahme der ihm vorbehaltenen
geistlichen Handlungen betreten und soll das Kloster bei solchen Ge-
legenheiten nicht bedrücken, 3. freie Abtwahl, wird hier nur letztere
zugestanden, die sich die Mönche im Streit mit Lull seinerzeit abgetrotzt
hatten. Sickel (a. a. 0. 628) schliesst aus dem Wegbleiben fast des
ganzen disponireuden Theils, dass dies aus dem Grund geschehen sei,
weil die betreffenden Formein für Fulda nicht passten, das nicht mit
einem bischöflichen Privileg herkömmlichen, sondern mit einem päpst-
lichen Privileg besonderen Inhalts ausgestattet war. Aber um wie
viel näher lag es, dass die Kanzlei, statt zu der Markulfischen Formel
zu greifen, mit der sie dem besonderen Fall gegenüber doch ihr Kreuz
hatte, sich der dem besonderen Fall so schön Rechnung tragenden
Pippinurkunde bediente, — wenn sie schon bestanden hätte! Dass
Eigil in der Vita Sturmi nur von dem Zacharias-Privileg allein spricht,
obwohl er der Stellungnahme Pippins in der Frage gedenkt, ist bereits
erwähnt. Die nächste Nachricht ist uns wieder in den Auszügen aus
der verlorenen Fuldaer Briefsammlung als Bruchstück aus einem
Schreiben Hrabans an den Abt Hatto, leider ausserhalb jedes näheren
Zusammenhanges, überliefert i) : „Inter eum (sc. Bernwolfum episcopum
Herbipolensem) et Riculfum Moguntinum episcopum et Bongulfium
Fuldensem abbatem ortum est dissidium propter chartam quandam,
quam aliqui Bonifacium a pontifice accepisse affirmarunt ; tandem causa
in praesentia Caroli et episcoporum in synodo tractata Bervvolffus dam-
natur propter illicitam ordinationem in Fuldensi coenobio factam".
Die Regierungszeit der drei Männer 2) lässt die Einreihung zwischen
787 und 800 zu. Die Nachricht böte, wenn zuverlässig, das erste
bestimmte Zeugnis, dass Karl d. Gr. vom Zachariasin-ivileg Kenntnis
genommen und in dessen Sinne entschieden habe.
') Dümniler a. a. 0, S. 385.
«) Richulf V. Mainz 787—813, Bernweif v. Würzburg 785—800 und Bau-
gulf V. Fulda 780—802.
250 M. Tang].
774 war nach meiner Ansicht die Pippinurkunde noch nicht vor-
handen., c. 810 — 812 ist sie bestätigt; in der Zwischenzeit muss sie
entstanden und muss die Papstnrkunde umgearbeitet worden sein.
Spricht die Erfahrung, dass Fälschungen weitaus überwiegend zu
augenblicklichem Bedarf hergestellt wurden, dafür, dass auch in
unserem Fall der Zeitpunkt der Entstehung nicht allzu weit vor dem
der Verwertung fiel, so dürften die eigenthümlichen Verhältnisse, die
in Fulda unter Eatgar herrschten, noch weiter zur Stützung dieser
Vermuthung beitrageu. Zerfahrene Verhältnisse, Streit mit äusseren
oder inneren Feinden, bildeten ja so häufig die Grundlagen, aus denen
Fälschungen erwuchsen.
Die ungemessene Baulust des Abtes nahm die materiellen Hilfs-
mittel des Klosters aufs äusserste in Anspruch, und er musste deshalb
auf die Erhaltung, Ausnützung und Vermehrung derselben nachhaltigen
Wert legen. Daraus erklärte sich das Hineintragen des ganz fremden
besitzrechtlichen Moments und der Zeheuten in die Papsturkuude.
Katgars Amtsthätigkeit war erfüllt von Streitigkeiten mit den Mönchen,
die zum Theil leidenschaftliche Formen annahmen und in ihrer Be-
deutung weit über die Klostermauern hinausgriffeu. Dadurch lag die
Gefahr fremder Einmischung — (809 und 812 kam zur Schlichtung des
Streites Erzbischof Richulf vou Mainz im Auftrag Karls d. Gr. nach
Fulda!) 1) — ebenso nahe, wie der Wunsch des Abtes, sich gegen solche
Eiugriife möglichst zu wahren -). Rom bot in jenen Tagen, ganz
abgesehen von der weiten Entfernung, kaum sichere und ausreichende
Hilfe; diese war nur von dem mächtigen Frankenherrscher zu erwarten.
Trugen die unzufriedenen Mönche ihren „Libellus supplex" mit der
köstlichen Miniatur, die den verhassten Abt als wildes Einhorn in die
friedsarae Schafherde seiner Mönche fahren liess 3), zur Kaiserpfalz, so
brächte Abt Ratgar das päpstliche Privileg und die frisch geschafifene
königliche Bestätigimg durch Pip]>in ebendahin. Dass sich Ratgar
kräftigen Rückhalts beim alten Kaiser erfreute, geht daraus hervor,
dass ihn dieser gegen die Angrifie der Mönche hielt, während ihn
Ludwig d. Fr. im Jahre 817 absetzte. Auch in der Privilegienfrage
erreichte er seineu Zweck, wenn auch, wie wir sehen, lange nicht voll-
ständig. Ganzen Erfolg hatte er nur in der, wie die gleichzeitige Vor-
') Vgl. die zusammenhängende Darstellung dieser Verhältnisse bei Simson.
Ludwig d. Fr. 1, 371 if.
■-') Die Streitigkeiten drehten sich nach dem Libellus supplex vielfach gerade
um geistliche Fragen; gegen einen Einspruch des Bischofs auf diesem Gebiet
sollte die Geltendmachung der Exemtion dienen.
s) Brower, Antiq. Fuld. 212; die Miniatur y. 90.
Die Fuldaer Privilegienfrage. 251
läge der Bauguifischen Zehenturkunde beweist, allerdings wichtigen
und dringenden Besitz- und Zehentfrage i).
Noch ist eines zu erledigen : Selbst einem so harmlosen Urkunden-
benützer wie Dronke fiel es auf, dass die Erneuerung der Bestätigung
bei Ludwig d. Fr. erst im J. 840 eingeholt wurde 2). Wie kam es,
dass man die Urkunde Karls d, Gr. durch 30 Jahre ungenützt liegen
Hess? Wie konnte vor allem Abt Katgar selbst, dem doch am meisten
daran liegen musste, die günstige Gelegenheit der Immunitätsverleihung
vom J. 816 vorübergehen lassen, ohne gleichzeitig um die Privilegien-
bestätigung anzusuchen? Dass er sie nicht erhielt, ist sicher; dass er
sie aber gar nicht anstrebte, möchte ich bezweifeln. Ich glaube sogar,
in dieser Immunitätsverleihung einen Hiuweis auf Ablehnung eines
weitergehenden Ansinnens zu finden. Sickel legte dar, dass in den
Immunitätsurkunden Ludwigs d. Fr. wiederholt ein Hinweis auf andere
Klöster erscheint, und dass einzelnen dieser Berufungen eine besondere
Bedeutung zukommt ^). Ein solcher Hinweis steht auch in der Im-
munität Ludwigs d. Fr. für Fulda, M. 613 „sicut cetera monasteria
infra Imperium nobis divinitus concessum sub nostra subsistunt de-
feusione et immunitatis tuitione". Dass die Klausel nicht in dem Sinn
wörtlich zu nehmen ist, als ob die Immunität wirklich schon ein allen
Stiftern gemeinsames Vorrecht gebildet habe, hat Sickel a. a. 0. S. 314
selbst betont. Bei Fulda will er eine specielle Bedeutung nicht an-
erkennen, während ich sie umgekehrt sehr bestimmt in Anspruch
nehmen möchte, in dem Sinne, dass der Kaiser Königsschutz und Im-
munität nur in der im Reiche auch sonst einzig üblichen Form er-
theilte, die Anerkennung einer besonderen, darüber hinausgehenden Aus-
nahmestellung aber ausschloss. Zur Politik Ludwigs d. Fr. würde ein
solches Vorgehen sehr wohl stimmen. Wir wissen, dass er sich in
seinen ersten Regierungsjahren in sehr bestimmter Opposition gegen
die Regierungshandlungen aus der letzten Zeit seines grossen Vor-
gängers befand, üeberdies trug er sich damals mit dem Plan, Einheit
in die Klosterorganisation seines Reiches zu bringen, welcher Vorsatz
auf dem Aachener Concil vom Juli 817 zur Ausführung kam und der
es sehr erklärlich macht, dass der Kaiser die Sonderstellung eines
dieser Klöster ablehnte.
') Ich erinnere nochmals an die schon oben S. 204 hervorgehobenen That-
sache, dass dies ausser der Pippinurkunde einzige urkundliche Beispiel von
praefectus = comes gerade in diese kritische Zeit (bald nach 806) fällt.
2) CD. Fuld. 233 Anm. zu Nr. 526.
8) Beiträge z. Diplomatik V. 5 f. SB. d. Wiener Akad, 49, 313 f.
252 ^^' 'r^^^^-
Auch hier war es, wie bei den päpstlichen Privilegien, Hraban
vorbehalten, eine Lösung der schwebenden Frage zu finden. Der
Augenblick dazu war von ihoi meisterhaft gewählt. Ludwig d. Fr.
befand sich auf der Heerfahrt gegen den abtrünnigen Sohn, jeder
Anhänger aus den Ostreiche musste ihm da willkommen, jedem musste
er verpflichtet sein ; nicht am wenigsten dem mächtigen Abt von Fulda,
der zu den bewährten Anhängern der Keichseinheit zählte. Wenn
Hraban damals zu Salz die Bitte um Privilegienbestätigung stellte,
war ein Ablehnen kaum möglich. So erklärt die Verschiedenheit der
Zeitumstände zur genüge, dass der Kaiser in seinen letzten Lebenstagen
gewährte, was er zu Beginn seiner Regierung verweigert hatte.
Das Privileg Pippins wurde nur einmal noch, diesmal aber aller-
dings in vollem Umfang, durch Otto I. bestätigt, als es Fulda, wieder
durch kluge Ausnützung ausserordentlich günstiger Zeitumstände, ge-
lang, sich auch die uneingeschränkte kirchliche Exemtion, wie sie dem
h. Bonifatius vorgeschwebt hatte, wieder zu erringen und nunmehr
dauernd zu bewahren.
Henriciis Italiens und Henricns de Isernia.
Von
J. Noväk.
Die Namen Henricus Italiens und Henricns de Isernia sind für
die Quellenkritik des 13. Jahrhunderts von nicht geringer Bedeutung.
Sie hängen mit dem Ursprung zweier nicht nur für die böhmische,
sondern auch für die allgemeine Geschichte wichtigen Sammlungen
zusammen, die unter dem Titel „Das urkundliche Formelbuch des
königlichen Notars Heinricus Italicus" ^) und „Codex epistolaris Primis-
') Ueberliefert in folgenden Hss. :
1. Codex des kgl. Staatsarchivs zu Königsberg Nr. 281 * aus dem 14. Jh.,
grösstentheils herausgegeben von Job. Voigt im Archiv für Kunde Osten-. Ge-
schichtsquellen Bd. 29.
2. Codex der Capitelbibliothek zu Prag K 33. aus dem 14. Jh., grössten-
theils herausgegeben von Jos. Emier in Reg. Bohemiae 2. Bd.
3. Codex der fürstbischöfl. Bibliothek zu Klagenfurt MS XXXI b 12 fol.
156 — 175 aus dem 14. Jh., beschrieben und theilweise edirt von Ferd. Tadra in
den Abhandl. der kgl. böhm. Ges. der Wissenschaften Folge VII. Bd. 2.
4. Codex der Privatbibliothek von J. E. A. Fenwick und Fitz Roy Fenwick
in Cheltenham Xr. 303, geschrieben von einer Hand des Anfanges des 14. Jhs.
und unter dem Titel »Statuta regui Bohemiae* von Karl Hampe entdeckt. Neues
Archiv f. ä. D. Gesch. 22, 231. Ist, wie Hampe bereits darauf hinwies und wie
ich mich im Vorjahr nach genauer Collationirung überzeugt habe, die directe
Vorlage der nächstgenannten Wiener Handschrift.
5. Codex des k. u. k. Staatsarchivs in Wien Nr. 196 aus dem 18. Jh. unter
dem Namen »Liber a missiouibus regum per mauus Zdenkonis de Trebecz grössten-
theils edirt von Emier in Reg. Bohemiae 2. Bd.
6. Codex der Stadtbibliothek zu Colmar, theilweise herausgegeben von
L. Hugot in Cod. dipl. Moraviae. Bd. VII. Abth. III. S. 949 f.
Die drei letzten Handschriften sind spätere durch anderes Material vermehrte
Redactionen. Von den Fragmenten führe ich hier nur an die Handschrift der
^54 J- Noväk.
lai Ottocari II." i) bekannt sind und ein nicht zu unterschätzendes
historisches Material enthalten.
Die Briefsammlung Ottokars II. enthält eine Reihe von wert-
vollen politischen Briefen, von welchen viele, wie namentlich die aus
der Zeit des Krieges zwischen ihm und Rudolf ein allgemeines Inter-
esse verdienen. Das Formelbuch Heinrich des Italieners ist wieder für
die innere Entwickelung der Verfassung und der socialen Verhältnisse
Böhmens sehr wichtig. In ihm spiegelt sich, wenn auch oft in matten
Farben, die grossartige wirtschaftliche Umwälzung, die im 13. Jahr-
hundert in Böhmen stattfand und in der gewaltigen Persönlichkeit
Pfemysl Ottokars II. ihren stärksten Ausdruck findet, wieder. Berufung
deutscher Colonisten, hastige Gründung von Städten. Ausbreitung des
Mittelstandes und der Geldwirtschaft in dem auf Naturalwirtschaft
basirenden Staate lassen in diesen Quellen deutlich ihre Spuren er-
blicken. Man kann hier in einem Vollbild die neue Staatsörgauisation
in jeder Abzweigung der Verwaltung verfolgen. Um so wertvoller für
uns, dass man es hier mit einer officielleu Kanzleisammlung zu thun hat,
in welcher sich bei einer grossen Zahl von Stücken der directe Zu-
sammenhang mit der königlichen Kanzlei nachweisen lässt, während gegen
die übrigen vom diplomatischen Standpunkt nichts einzuwenden ist.
Ganz anders bei der Briefsammlung Heinrichs von Isernia. Hier ist
bei der Mehrzahl der Briefe die Fiction augenscheinlich und bei den
übrigen findet man in der Form und im Style keine Aehnlichkeit mit
dem wirklichen Nachlasse der königlichen Kanzlei. Also jene authen-
tisch, diese mindestens sehr verdächtig.
Und diese beiden heterogenen Sammlungen, sollen nach der all-
gemeinen Annahme der Geschichtsschreibung von einem und demselben
Autor herrühren. Henricus Italiens und Henricus de Isernia sollen
identisch sein.
Hof- und Staatsbibliothek zu München Nr. 22303, beschrieben und theilweise
edirt von Ferd. Tadra in den Sitzungsber. der kgl. böhm. Ges. der Wissenschaften
philos. histor. Classe 1885, S. 82 t.
•) Ueberliefert in folgenden Hss. :
1. Codex der Hofbibliothek in Wien Nr. 3143 aus dem 15. Jh., theilweise
herausgegeben von Th. DoUiner, Codex epistolaris Primislai Ottocari IL Wien 1803.
2. Codex der fürstbischöfl. Bibliothek zu Klagenfurt MS XXXI b 12 aus dem
14. Jh. beschrieben von Ferd. Tadra in den Abhandlungen der kgl. böhm. Ges.
der Wissenschaften Folge Vll, Bd. 2, S. 3—6.
3. Codex der k, k. Universitätsbibliothek in Prag XII B. 12. gefunden von
Ferd. Tadra und in derselben Abhandlung angeführt. S. 3, Anm. 2.
4. Codex der k. k. Universitätsbibliothek zn Krakau Nr. 439 aus dem 15. Jh.
beschrieben und theilweise herausgegeben von B. Ulanowski in Mitth. des Instituts
6, 421 f. und in »Scriptores rerum Polonicarum« XII. S. 1 f.
Henricus Italicus und Henricus de Isernia. 255
Für die historische Kritik ist es vou eminenter Wichtigkeit, in dieser
Frage Klarheit zu schaffen, denn es ist davon die Beurtheiluug und
Verwertung dieser Quellen abhängig, indem die Autheuticität der ersten
Kategorie durch die Fictionen angeblich desselben Autors in der zweiten
Kategorie ziemlich herabgesetzt wird und umgekehrt auf die Brief-
sammlung hiemit der Schein der Glaubwürdigkeit von der officiellen
Sammlung übergeht. Dieser Umstand führte mich dazu, diese Frage
noch einmal zu untersuchen.
Die Literatur über dieses Thema ist nicht gross i). Dolliner, welcher
in der oben angeführten Publication das Leben Heinrichs von Isernia
beschreibt, wirft ihn, wie aus dem Absätze VI seiner Biographie erhellt,
mit dem Protonotar nicht zusammen, beschäftigt sich aber nicht näher
mit dieser Frage.
Palacky hält in seinem bahnbrechenden Werke ,üeber Formel-
bücher" 2) Heinrich von Isernia für identisch mit Heinrich dem
Italiener, widmet aber dieser Sache keine grössere Aufmerksamkeit.
Gegen die Meinung Palacky's stellt sich Voigt in der Einleitung zu
seiner Ausgabe der Königsberger Handschrift und betrachtet die beiden
Verfasser als verschiedene Persönlichkeiten, ebenso H. Jiretek in seinem
Artikel ,Dva Vlachove' v Cechäch'^ (zwei Italiener in Böhmen) 3). In
diesen beiden Abhandlungen wird aber häufig unbrauchbares Material
mit ungenügender Kritik den Ausführungen zugrunde gelegt. Auch
Lorenz unterscheidet den Protonotar Heinrich von Isernia *), aber dass
auch er wie die beiden früher genannten Autoren der Sache zu wenig
auf den Grund gegangen ist, beweist am besten die vorzügliche Ab-
handlung Jos. Emiers, dem es gelang, solche Gründe für die Identität
Heinrichs von Isernia mit dem Protonotar Heinrich vorzuführen, dass
man diese Behauptung allgemein angenommen und seit der Zeit die
Frage als abgethan betrachtet hat^).
') Es hat sie gründlich Jos. Emier in seiner Abhandlung ,Die Kanzlei
Pfemysl Ottokars II. und Wenzels IL* Prag 1878 Seite 29 Anm. zusammengestellt:
auch in den Abh. der böhm.. Ges. d. Wiss. VI. Folge Bd. 9.
2) Abh. der kgl. böhm. Ges. d. Wiss. V. Folge Bd. 2.
^) In dem »Öasopis musea kr. Ceskeho* (Ztschr. d. böhm. Museums, Bd. 44,
Seite 130 ff.).
*) Deutsche Geschichte im 13. und 14. Jh. Bd. I, S. 392—395.
5) Bresslau, Handbuch der Urkundenlehre 1, 645 Anm. 2 hält es nunmehr
für erwiesen, dass die Xamen Henricus Italicus und Henricus de Isernia einem
Träger angehören. Vgl. auch Ferd. l'adra in den Abh. der kgl. böhm. Ges. der
Wiss. VII. Folge 2. Bd. S. 1 und Sitzungsber. der kgl. Ges. der Wiss. philos.
hist. Classe Jg. 1889 S. 82.
256
J. Noväk.
Der spätere Protonotar Heinrich, der sogenannte Heuricus^
Italiens, über dessen frühere Schicksale uns nichts bekannt ist, er-
scheint zuerst als königlicher Notar in der ünterfertigung einer Schen-
kungsurkunde Ottokars IL, gegeben im Lager bei Oedenburg am
3. October 1273 für das Kloster Imbach i).
Im Jahre 1274 am 25. November ^) sehen wir ihn schon in einer
Urkunde für Melnik als Protonotar und Pfarrer zu Gors (Oesterreich
unter der Enns) unterfertigt. Diese Titulatur bleibt ihm bis zum Tode
des Königs, und er betheiligt sich an der Ausstellung fast aller Ur-
kunden für Böhmen und Mähren bis zum 30. Juni 1278 ^). Nach den.
weiteren Ausführungen Emiers war er schon im Jahre 1274 Prager
und Olmützer Domherr, denn am 1. Jänner folgenden Jahres wird ihm
.Pragensi atque Olomucensi canonico" von dem Decan und dem
Capitel von Wysehrad die erste Praebende, die frei wird, zugesagt *).
Wir sehen in ihm also in den letzten sechs Jahren der Regierung
Ottokars nicht nur den Leiter der böhmisch -mährischen Kanzlei, son-
dern auch einen hohen geistlichen Würdenträger.
Nach dem Falle seines Herrn im Kriege gegen Piudolf von Habs-
buro- 1278 scheinen auch die glücklichen Tage des Protonotars gezählt
gewesen zu sein. Er wurde am 14. September 1278 laut einer Nach-
richt der böhmischen Annalen 5) auf den Befehl der Königin Kuni-
o-unde verhaftet, in seinem Hause beraubt und erst am 29. September,
nachdem der Bischof von Prag das Interdiet über die Stadt verhängt
1) Reg. Bobemiae 2 Nr. 837 ^per manus Henrici notarii nostri« (Vgl. Emier
Kanzlei S. 27.) Die falsch datirte Urkunde vom 26. März 1273 führe ich nicht
an, weil sie, wie Emier (Kanzlei S. 27 Anm. 1) bewiesen hat, in das Jahr 1278
o-ehört. Die Vermutung H. Jireöek's in seinem Artikel .Dva Vlachove v Cechäch«
Tzwei Italiener in Böhmen), dass Heinrich schon im Dienste Wenzels I. war, hat
keine sichere Grundlage, da sie auf einer Urkunde des Wiener Codex des Zdenko
von Trebecz basirt, welcher von fingirten Namen wimmelt; die Urkunde hat
J. Voigt in der Einleitung zu seiner Ausgabe des Formelbuches Arch. f. österr.
Gesch. 29, 8, in ganz unkritischer Weise edirt und benützt. Den richtigen
Inhalt gibt die Königsberger Handschrift (S. 150-151) und der ist folgender:
König Wenzel (IL) schenkt seinem Vicekanzler P. für die Dienste, die er seinem
Vater P(femysl) und seinem Grossvater . . (Wenzel I.) geleistet hat, ein Dorf. Die
Namen Henricus Italicus und Sawissius, sowie des Dorfes Holubitz, und die
Aenderung des Königsnamen W. in 0. sind willkürliche Abänderungen des
Zdenko von Trebecz, so dass diese Urkunde für die Geschichte des Protonotars
Heinrich ganz unbrauchbar ist.
2) Emier Reg. Bohem. 2 Nr. 913.
3) Alle diese Angaben bei Emier, Kanzlei S. 27—29.
*) Emier Reg. Bohem. 2 Nr. 934.
*) Fontes rer. Boh. IL (Continuatio Cosmae) S. 302.
Henncus Italiens nncl Henricus de Isernia.
257
hatte, freigelassen. Vielleicht hat man ihn des Hochverrathes verdäch-
tigt, sehr wahrscheinlich hängt das mit den späteren Anschwärzungen
seiner Feinde zusammen.
Mit dem Titel Protonotar sehen wir ihn zum letztenmal in einer
Urkunde des Landesverwesers Otto von Brandenburg vom 25. Auo-ust
1279. Emier meint, dass er bald darauf gestorben sei, weil man ihn
bei der Wahl des Olmützer Bischofs Theodorich 1281 am 26. März
nicht mehr unter den Olmützer Domherren findet, und da auch unter
Wenzel II. im Jahre 1283 als Protonotar ein anderer Mann, der
Magister Welislaw, erscheint i).
Ferd. Tadra gelang es in der Münchner Handschrift zwei in-
teressante Stücke zu entdecken 2), aus welchen man ersieht, dass der
ehemalige Protonotar Heinrich im Jahre 1280 im Dienste der Stadt
Prag war und mit der Verfertigung der städtischen Contractbücher
beauftragt wurde. Es ist wohl begreiflich, dass er einen Ersatz für den
verlorenen Protonotardienst suchte :^). Ich habe in dem Königsberger
Codex seines Formelbuches eine Urkunde gefunden^), welche beweist,
dass er noch um das Jahr 1284 unter der Regierung Wenzels IL lebte,
und die auch erklärt, warum er nicht mehr an der Spitze der böh-
mischen Kanzlei unter diesem Herrscher stand. Diese Urkunde bezieht
sich auf die Angriffe seiner Feinde, welche sehr wahrscheinlich mit
der früheren Verhaftung zusammenhängen. Sie bietet auch für die
Geschichte der Urkundenkritik viel Interesse.
Der Protonotar Heinrich war bei einer mächtigen Hofpartei so
verhasst, dass sie ihn um jeden Preis beseitigen wollte. Welche Partei
es war, lässt sich wegen Mangel an Quellen schwer constatiren. Wenn
ihn Voigt als einen Gegner Zawisch's von Falkenstein darstellt s), so fusst
diese Behauptung eben auf der schon früher genannten Urkunde e), in
welcher alle Namen von dem Abschreiber fingirt wurden. Da es den
Feinden Heinrichs nach dem Falle Ottokars misslang, durch Gewalt-
') Emier, Kanzlei S. 28.
2) Sitzungsber. der kgl. böhm. Ges. der Wissenschaften, Philos. hiötor Classe
1885 S. 82—117, Nr. XVII und XVIII.
3) Unannehmbar ist die Vermutung, welche Tadra in der angeführten Ab-
handlung aufstellt, dass der Protonotar Heinrich mit dem späteren , Henricus
notarius civitatis«, welcher in einer Urkunde vom 22. November 1288 (Emier
Reg. ßom. 2 Nr. 1461) vorkommt, identisch wäre. Dagegen spricht der Verkauf
seines Hauses nach seinem Tode, der schon am 25. Februar 1287 stattfand.
Vgl. S. 260.
*) Königsberger Cod. S. 240-244. (Vgl. die Beilage). --
5) Voigt, Einleitung S. 8.
") Vgl. S. 256 Anm. 1.
MittheiluDgen XX. j^
258 "'• Noväk.
mittel denselben zu vernichten, bedienten sie sich am Anfange der
Kegierung Wenzels II. anderer Mittel zu diesem Zwecke. Sie verfassten
eine falsche Urkunde im Namen des Landesverwesers Otto i), in welcher
dem Protonotar solche Verbrechen in die Schuhe geschoben werden,
dass der König sofort Eache an ihm nehmen wollte und nur durch
den Rath einiger seiner Grossen, die am Hof anwesend waren, von
der Uebereilung abgehalten wurde. Heinrich wurde bald von der
drohenden Gefahr durch seine Freunde benachrichtigt, da er aber ein
reines Gewissen hatte und mit seinen Feinden offen handeln wollte,
erwirkte er es, dass die Urkunde nicht verheimlicht wurde, sondern
dass der König eine öffentliche Sitzimg des Hofes, bei welcher unter
anderen auch Magister W(elislaw) war, über sie abhalten Hess. Hier
erschien auch Heinrich und bat den König um Gehör; dieser wollte
anfangs nicht darauf eingehen und erst auf die Ermahnung seiner
Mutter, der Königin Kunigunde, Hess er den ehemaligen Protonotar
vor uud verhörte ihn. Dieser wies gleich vor allen Anwesenden auf
die Uuglaubwürdigkeit der Urkunde hin und bat den König, er möge
ihm denjenigen nennen, der die Urkunde vorgelegt hatte. Dieses lehnte
zwar der König ab, um aber der Gerechtigkeit genug zu thun, setzte
er eine Commission von einigen Prälaten, unter welchen auch W(elislaw)
war, ein, welche über die ganze Sache richten und ül^er die Echtheit
der Urkunde entscheiden sollte. Nachdem diese zusammengetreten waren,
untersuchten sie zuerst das Siegel, das Siegelbild, den Stil und den
Inhalt dieser Urkunde, verglichen dieselbe mit anderen Urkunden und
zogen auch viele andere Siegel von echten Urkunden, welche der
Markgraf von Brandenburg Bürgern von Prag ausgestellt hatte, heran,
und nachdem sie die Peripherie so wie die Siegelbilder sehr vorsichtig
und achtsam gemessen hatten, kamen sie zu dem Resultat, dass alle
Siegel der echten Urkunden wie im Siegelbild so auch in der ganzen
Grösse übereinstimmen, wogegen das Siegel derjenigen Urkunde, welche
die Verleumdungen Heinrichs enthielt, durchaus verschieden war, denn
in Umfang und den anderen Dimensionen war es grösser und ebenso
in Bezug auf die darauf dargestellte Figur. Dann untersuchten sie
auch die Formeln, das Dictat und den Inhalt der verdächtigen Urkunde
sorgfältig, und nachdem sie gesehen hatten, dass ihr die Datirung,
mit welcher alle übrigen Urkunden des Markgrafen Otto versehen
waren, fehlte, kamen sie, da auch andere Merkmale dies bestätigten,
zu dem Kesultate, dass diese Urkunde nicht aus der Kauzlei des ge-
') Diese ganze Angelegenheit wird in der Urkunde Wenzels IL, wo er die
Ehre des Protonotars Heinrichs wiederherstellt, geschildert. Vgl. die Beilage.
Henricus Italicus und Henricus de Isernia. 259
nannten Markgrafen herrühre, sondern dass wie das Siegel, so auch
<lie Urkunde gefälscht sei.
Dies wurde dem Könige gemeldet mit der Bitte, er selbst möge
sich durch Messen von der Wahrheit des ürtheiles überzeugen, und
man bat ihn dringend, er möge den Namen des Fälschers angeben.
Das verweigerte der König auf Bitte einiger hochgestellter Persön-
lichkeiten (quas DOS exaudire decebat), erklärte aber in feierlicher Form
den ehemaligen Protonotar als aller Schuld und jedes Makels ledig
und befahl den Anklägern unter der Strafe der Verbannung ihm
Oenugthuung zu leisten.
Ich habe diese Episode näher ausgeführt, weil sie diplomatisch
nicht uninteressant ist, indem sie neben der Siegelkritik seitens des
Papstes Alexander III. 1171 der erste uns genau beschriebene Fall
einer auf moderne Art durchgeführten ürkundenkritik im Mittelalter
sein dürfte. Diese Geschichte fällt in die Jahre 1283 — 85, und zwar da
Wenzel II. erst 1283 am 24. Mai nach Böhmen kam und Kunigunde
1285 am 9. September schon starb, sehr wahrscheinlich in den Winter
1283 auf 1284, in die Zeit des inneren Kampfes zwischen der Partei
Zawisch's von Falkensteiu und der Burkhart's von Janowitz.
Die Feinde Heinrichs erreichten zwar ihr Ziel nicht, aber sicher
war es ihre Arbeit, dass Heinrich unter Wenzel II. nicht mehr das
Amt des Protonotars bekleidete. Vielleicht war es eine Entschädigung,
wenn er vom Könige für seine früheren Dienste das Bernanotariat der
Prager und Kaufimer Provinz erhielt ^).
Seine Gegner hörten aber auch jetzt noch nicht auf, ihre Angriffe
gegen ihn zu richten, so dass er sich über sie bei seinen Mitdomherrn
in Wysehrad in einer in seinem Formelbuche erhaltenen Urkunde
heftig beklagt 2), Er behauptet, dass dieselben Feinde, welche damals
die falsche Urkunde verfertigt haben, um ihn zu vernichten, noch
immer bemüht seien, seine Ehre durch verschiedene Nachreden bei der
hohen Geistlichkeit und dem hohen Adel zu verdächtigen und dass sie
sogar seinem Leben nachstellen, und wenn er einmal geheim oder
öffentlich ermordet werde, so solle man es wissen, dass das die That
dieser Menschen war.
Ueber die weiteren Schicksale des Protonotars Heinrich ist uns
keine Nachricht mehr erhalten. Was Voigt und Jirecek über seine
weitere Thätigkeit erzählen, das basirt auf den fingirten Namen des
Codex Zdenko's von Trebecz und hat keine Bedeutung. Wir besitzen
») Voigt S. 9, Emier Reg. 2 Nr. 2633, Königsberger Cod. S. 165 b.
2) Emier 2 Nr. 2633.
17*
260 J. Xoväk.
eine Kaufsurkunde vom 25. Februar 1287 ^), die auch eiuer dem
Formelbuche Heinrichs beigefügten Verkaufsurknnde entspricht ^), in
welchen beiden es sich um den Verkauf eines früher dem Protonotar
Heinrich gehörigen Hauses handelt. Der Probst von Prag Ulrich ver-
kauft es au den Bischof Ulrich von Leitomischl. In der Yerkaufs-
urkunde heisst es „domum . , . quondam magistri H. prothonotarii
regni Bohemie", was beweist, wie Emier schon zeigte 3), dass Heinrich
damals nicht mehr unter den Lebenden war. Wann und wie er ge-
endet hat, ist uns unbekannt.
Von dem Magister Heuricus delsernia, der sich auch Italicus.
Apulus, Siculus, de Sicilia nennt, besitzen wir keine anderen Nach-
richten als diejenigen, welche seine eigenen Briefe enthalten, und
solche, welche er in den Aufschriften der einzelnen Theile seiner Brief-
sammlung niedergelegt hat. Die erstereu sind, wie ich später zeigen
werde, sehr unsicherer Natur, wogegen man die zweiten als eine kurze
Selbstbiographie betrachten kann ^).
Magister Heinrich stammt aus Isernia, einer Stadt in Süditalieu,
und wurde als ein eifriger Ghibelline in den wirren Zeiten nach der
Vernichtung der Hohenstaufischen Herrschaft durch Karl von Anjou
proscribirt und seines Gutes beraubt, musste seine Familie verlassen
und in die Verbannung gehen. Er wendete sich nach Kom, wo er auf
kurze Zeit bei der päpstlichen Curie eine Beschäftigung fand, bildete
sich dann bei dem Magister Peter de Prece als Khetor und Notar aus^
hielt sich auch in Viterbo und Alatri auf und scheint in sehr be-
drängten Verhältnissen gelebt zu haben. Als sich in Italien das Gerücht
verbreitete, dass der Markgraf Heinrich von Meissen eine kriegerische
Unternehmung nach Italien gegen Karl von Anjon vorbereite und
seineu Neffen Friedrich zur Wiedereroberung Siciliens schicken wolle,
eilte Heinrich nach Meissen, um sich der ghibellinischen Unternehmung
anzuschliessen und nahm seinen Wohnsitz in Pirna. Hier erlebte er
eine bittere Enttäuschung, er überzeugte sich bald, dass alle Hoffnungen,
die man auf den Markgrafen setzte, nur warme Illusionen der ita-
lienischen Ghibellinen waren. Auf den Rath und mit den Empfehlungen
Peters de Prece, mit dem er in Verbindung blieb, wendete er sich
nach Prag, wo er von dem Landschreiber gastfreundlich aufgenommen
wurde. Um sich den nöthigen Lebensunterhalt zu schaffen, eröffnete
er in Wysehrad eine Schule und ertheilte in der Logik, Grammatik
') Emier Regesta 2 Nr. 1398.
») Ibid. Nr. •2634.
s) Emier, Kanzlei S. 28.
*) Vgl. DoUiiier. Codex epistolaris, Einleitung Seite L.V — V.
Henncus Italiens und Henricus de Isernia. 261
lind Ehetorik Unterricht. Im Jahre 1271 kann man ihn schon sicher
in Prag constatiren i), denn er spricht über die Ereignisse dieser Zeit
wie ein Augenzeuge. Wir können, wie Emier richtig vermutete, wohl
einen geheimen Faden Ottokarianischer Politik in dem Umstände er-
blicken, dass Heinrich von Isernia im Sommer 1273 von Prag nach
Italien abreist und in Bologna den Papst Gregor X., der nach Lyon
zum Concil reiste, erwartet. Emier glaubt, dass er als Kenner des
Landes und der Sprache einer politischen Expedition beigegeben war,
deren Aufgabe es war, sich Sicherheit darüber zu verschaffen, wie sich
die Curie zu einer eventuellen Wahl Ottokars zum deutschen König-
verhalten würde ^).
Nach seiner Eückkehr aus Italien weilte er weiter in Prag, wo er auf
verschiedene Weise seinen Unterhalt sich verschaffte. Ueber seine Ver-
hältnisse aus dieser Zeit und über sein angebliches Notaramt werde
ich noch unten sprechen. Bis zum Jahre 1278 lässt er sich in Prag
nachweisen. Er bespricht sehr eifrig die grossen politischen Ereignisse
dieser Zeit in seinen Briefen. Der Ausbruch des Krieges zwischen
Kudolf und Ottokar im Jahre 1278 ist die letzte grosse Thatsache.
die sein Gemüth auf das Aeusserste erregte und über die er in stür-
mischer Weise seinen ganzen Wortscliwall ergossen hat. Von da an
verschwindet er spurlos.
Nach dieser biographischen Uebersicht werde ich die Anhalts-
punkte näher untersuchen, die Emier zur Annahme der Identität dieser
beiden Persönlichkeiten geführt haben.
In erster Linie ist es der Name. Dass der Name Heinrich beiden
gemeinschaftlich Avar, hätte kaum Jemanden zur Annahme der Iden-
tität geführt, aber der L'rastand, dass auch dem Protonotar der Bei-
name Italicus beigegeben wird, war sehr verlockend. Ich bemerke dabei,
dass ich gegen die Ausführungen '"'), dass Henricus de Isernia sich
selbst auch Henricus Italicus, de Sicilia, Siculus, Apulus nannte, nichts
einzuwenden habe. Auch der Umstand, dass er den Namen de Isernia
mehr in Briefen an seine Landsleute, die anderen mehr im Verkehr
mit seiner Umgebung in der Fremde angewendet hatte, ist in Emiers
Abhandlung richtig erklärt, aber das alles beweist noch nicht, dass er
') Dolliner Einleitung S. V behauptet, dass er schon 1270 nach Prag kam.
Er stützt sich auf einen Brief, den er dabei anführt und in das Jahr 1270 ver-
setzt. Die Begebenheiten dieses Jahres sind aber Heinrich unbekannt, und diese
Datirung ist auch nicht unanfechtbar. Höchstens in den Schluss des Jahres 1270
könnte man seine Ankunft in Prag verlegen.
2) Yg\. Reg. imper. VI S. 1, 2.
3) Emier, Kanzlei Seite 33. • -.^ -
262
J. Noväk.
mit dem Protonotar identisch sei. Selbst wenn in dergleichen Zeit in
Prag zwei Italiener, die sonst denselben Taufuamen hatten, auch mit
dem Beinamen Italiens aufgetaucht wären, wäre dies bei dem im Mittel-
alter üblichen Brauch, Fremde nach ihrer Heimat zu benennen, kein
hinreichender Grund um sie zu einer Person zusammenzuwerfen.
In unserem Falle aber kann mau constatireu, dass mit dem Zu-
namen Italicus die beiden Heinriche nicht gleichzeitig bezeichnet werden,
sondern dass der Protonotar erst dann mit dem Epitheton Italicus
erscheint, nachdem der andere vom Schauplatze des öffentlichen Lebens
in Böhmen vollkommen verschwunden ist, erst unter Wenzel II.
Wir besitzen blos drei berücksichtigungswürdige Fälle, wo der
Protonotar Heinrich sich selbst so nennt oder von anderen so genannt
wird, und zwar erstens in der Klageschrift, in welcher er sich bei den
Wysehrader Domherren über seine Feinde beschwert i). Dort nennt
er sich „ego Henricus Italicus incliti regis Bohemie notarius". Dieses
Stück rührt erst aus der Zeit Wenzels IL her, da hier schon die ge-
fälschte l^rkunde erwähnt wird '-).
Der zweite Fall ist in einer Urkunde des Formelbuches Heinrichs
auch erst aus der Zeit Wenzels IL, wo dieser König Heinrich das
Bernanotariat der Prager und Kaufimer Provinz verleiht. Dort ist auch
die Eede von den Diensten des „dilecti notarii nostri H. Italici" ^). In
dieser Schenkung den Namen Wenzel in Ottokar umzuwandeln und
die Schenkung so in die Zeit dieses Königs zu versetzen, wie es Emier
gethan hat^), ist ein entschiedener Fehler, denn die Königsberger
Handschrift, welche gerade in Bezug auf die Königsnamen im Ver-
gleiche mit anderen und speciell auch mit der Prager Handschrift die
richtigen Lesarten besitzt 5), weist den Namen W(enzel IL) auf im
Gegensatz zu der Prager, die mit dem Buchstaben G. den König an-
führt. Emier hat auch in seinen Regesten ganz richtig die l'rkunde
dem Könige Wenzel IL zugeschrieben, wogegen er in seiner Abhand-
lung einen der wichtigsten Beweise der Identität darin sieht, dass diese
Verleihung, in der angeblich Ottokar das obgenannte Bernanotariat
seinem Notar Henricus Italicus geben soll, mit den Briefen Heinrichs
') Voigt Seite 9, Emier Reg. 2 Nr. 2633.
») Vgl Seite 259; woraus sich auch der Umstand erklärt, dass der
frühere Protonotar damals nur in der Würde eines Notars erscheint.
s) Voigt S. 7, Emier Reg. 2 Nr. 2G29. Königsberger Cod. S. 165 b. Prager
Capitel Cod. fol. 93 Nr. 195.
•*) Emier, Kanzlei S. 35.
5) Zu diesem Ergebnis bin ich durch das Collationiren dieser beiden Hand-
schriften gekommen.
Henricus Italicus und Henricus de Isernia. 263
Ton Iserjiia übereinstimmt, in welclien dieser sich rühmt, dass er vom
Könige Ottokar als Notar aufgenommen worden sei. Dieser Beweis
verliert hiemit ganz seine Stütze.
Der dritte Fall, wo dem Protonotar Heinrich der Zuname Italicus
beigefügt wird, kommt in der Prager Capitelhandsehrift am Ende seiner
Formelsammlung vor, wo man liest „Expliciunt instrumenta H. Ytalici".
"Wenn man auch annimmt, dass in der Urschrift des Formelbuches
diese Worte am Schlüsse standen, so waren sie schon längst nach der
Zeit Ottokars unter Wenzel II. geschrieben, denn die Sammlung ent-
hält auch eine grosse Anzahl Urkunden dieses Königs.
Wenn wir in der Wiener Handschrift des Zdenko von Trebecz in
der Unterfertigung der Urkunden Wenzel's II. öfters lesen ,datum per
manus Henrici Italici, notarii nostri" oder .Heurici Apuli" und ähn-
lich, so hat das nichts zu bedeuten, denn hier sind es, wie Emier
genügend bewiesen hat ^), ganz willkürliche Zuthaten des Abschreibers.
Also aus der Zeit, wo man Heinrich von Isernia in Prag con-
statiren kann, findet sich kein einziges Beispiel, dass auch der Proto-
notar mit dem Namen Italicus versehen würde. Im Gegentheil unter-
zeichnet er sich in allen Originalurkunden nur als Henricus protono-
tarius, eventuell notarius. Dass man ihn, einen Italiener, später, als
keine Verwechslung mehr dabei möglich war, Italicus nannte, ist nichts
eigenthümliches.
Nicht weniger als der gleichlautende Name hat auch der Inhalt
der Briefsammlung Heinrichs von Isernia zur Zusammenwerfung der
beiden genannten Verfasser beigetragen. Es lassen sich aus dieser Brief-
sammlung so auffallend übereinstimmende und scheinbar überzeugende
Beispiele herausnehmen, welche auch von Emier zusammengestellt
Avurden, dass sie einem jeden, der nicht den allgemeinen Charakter
dieser Sammlung ins Auge fasst, einen genügenden Grund zur Identi-
ficirung der beiden Verfasser bieten werden.
Hier befinden wir uns aber auf einem sehr unsicheren Boden,
denn wir sind hier grösstentheils auf blosse Stilübungcn angewiesen,
wo man sehr schwierig die Thatsache von der Fiction unterscheiden
kann. Gerade an den Briefen, welche sich auf das Leben des Ver-
fassers beziehen, kann man gut sehen, wie viel von den geschilderten
Thatsachen auf Kechnung des Stilistischen zu setzen ist. Ich werde
hier einige Stücke anführen, wo der Isernier Jemanden über sein Be-
finden benachrichtigt und ihm seine Familie anempfiehlt.
*) Emier, Kanzlei S. 31.
264 J" Noväk.
Auf Fol. 91 11° 79 des Codex der Wiener Hof bibliothek Nr. 3143
lesen wir : Quare causa dominacioni vestre grates ^) referens iufinitas suppli-
citer insto et instanter supplico, quatenus personam meam, que hactenus
multe turbacionis imniersa fluctibus sterilis erat et vacua, modo vero
divini graeia muneris, de cuius pleno cornu sumimus onines, fertilis et
potest esse pluribus f ructuosa, maxime si dominus, cui servio,
pervenerit ad sperate apicem dignitatis. vestiam totaliter
reputantes sie opinemini vos facere posse de eadeni, ac si vestris esset
serviciis ex debito dedicata -).
Im folgenden Brief n« 80 (Fol 91) derselbe luhalt folgender-
massen: Noveritis igitur me per dei graciam, a quo provenit omue
bonum, sospitate vigere corporea et fortunam michi sereno arridere
oculo, que hactenus obliquo me respiciens sidere, erumpnosis calami-
tatibus multisque turbacionibus molestabat, qui si . ., cui servio
erectus fuerit in sperate fastig ium dignitatis, talis ho-
noris titulo ero preditus et dotatus, qualem nullus pro-
geuitorum meorum uliquatenus est adeptus^).
In der nächsten Nummer 81 (Fol. 92) steht: Vestre innotescat
igitur probitati, quod michi plena iijgenti(sic) ^) sospitate corporis for-
tuna gratuiti aspectu luminis eblanditur et votis uostris concurrere
nititur, que hactenus michi afflicciones innumeras infligebat. Nam
parvi distancia temporis iuteriecta in promocione do-
mini. cui famulor, spero me talis gradus altitudiuem
a s c e n s u r u m , qualem n u n q u a m u o s t r o r u m p r o g e n i t o r u m
attingere voluerunt, et de quo amicis aderit leticia, qua se
frequenter exhilarent uec inimicis detrit tristicia frequencius, qua
suspirent ^).
Im folgenden Briefe Nummer 82 (Fol. 92) lesen wir: Noveritis
igitur, me supremi dispensatoris muuere, qui unicuique fortuuas et
gracias impartitur, inxta sue arbitrium voluntatis, plena vigere cor-
poris sospitate et in curia domiui episcopi honorifice per-
manere: qui si ad sperate ascendat culmiua dignitatis,
sciatis indubitabiliter me magni gradus altitudinem
a.scensur um, et spero illius honoris tytulo presigniri, per quem et
') CoiT. ; gratias.
2) Emier Reg. 2 Xr. 2()25.
3) Ibid. Nr. 2020.
*) Corr. vigenti.
5) Emier Reg. II 2.-)68.
Henricus Italicus und Henricus de Isernia.
265
amicis adesse potero et prodesse emulisque omnibus repeudere fillea,
que immisericorditer propinantur '),
Wenn man diese vier Briefe vergleicht und näher betrachtet, mit
welcher Virtuosität hier viermal dasselbe in andere Form und andere
Worte gekleidet wird, so kann man leicht errathen, zu welchem Zwecke
sie verfasst wurden. Es verhält sich mit diesen so wie mit vielen
anderen Briefen Heinrichs. Man sieht, dass er sich oft ein bestimmtes
Thema wählte, welches er in den verschiedensten Variationen be-
arbeitete, es waren das stilistische Uebungen für seine Schule.
Aehnlich sind auch die vielen Briefe, in denen er um die Gunst
und Fürbitte höherer Persönlichkeiten bittet, oder andere für ihn bitten
oder für seine Aufnahme zum königlichen Notar danken, wobei man
immer seinen Stil constatiren kann. Dass man aus solchen Quellen
keine bestimmten historischen Nachrichten schöpfen kann, ist ein-
leuchtend.
Wenn also Emier auf Grund solcher Quellen zu dem Resultate
kommt, dass Heinrich im Herbste 1273 vom Könige Ottokar als Notar
aufgenommen wurde, so kann man das nicht als eine sichere histo-
rische Thatsache betrachten. Und wenn er den Hauptgrund der Iden-
tität in der üebereiu stimm ung dieser Thatsache mit der Erscheinung
sieht, dass am 3. üctober dieses Jahres zum erstenmal der Name
Henricus uotarius in der Unterfertigung der Königsurkunde vorkommt^),
so werde ich zeigen, dass es sich hier um eine chronologische Unmög-
lichkeit handelt. Nach seiner eigenen Erzählung hat Heinrich von
Isernia im Jahre 1273, als er sich auf der oben erwähnten Eeise
befand, den Papst Gregor X. in Bologna erwartet 3). Hier konnte der
Papst nicht früher als in den letzten Tagen des September eintreffen.
Denn auf seinem laugsamen Weg zum Concil nach Lyon über Florenz,
Sta. Croce, Modena ^) konnte er Bologna nur auf dem Wege von Sta. Croce
nach Modena passirt haben. Zum letztenmal urkundet er in Sta. Croce
am 4. September 5). Hier erkrankte er aber und blieb hier nach der
Nachricht der Annales Piacentini Gibellini bis zum 20. September«').
Am 27. September kann mau ihn bestimmt schon in Modena nach-
1) Emier Reg. II 2565.
2) Vgl. Seite 256.
s) Emlcr Reg. 2 Nr. 2609 ^me jam sanitati pristine restitutum (besser:
restituti, nämlich des Paijstes) summi adventum pontificis Bononie noveritis
prestolari«.
*) Potthast Reg. 2 Nr. 20747—20756.
6) Ibid. Nr. 20756.
«) MG. SS. XVIII S. 558.
266 J. Novi'ik.
weisen i). Also es bleiben nur die Tage zwischen dem 20. und 26. Septem-
ber übrig, in welchen ihn Heinrich in Bologna treffen konnte '^). Von
hier also kehrt er mit den Empfehlungen der Cardinäle, um als Notar
vom König Ottokar aufgenommen zu werden, frühestens in der letzten
Woche des September zurück und soll bis zum 3. October folgende
Leistung gemacht haben: den langen Weg vom Fusse des Apennins
bis zum Neusiedler See zurücklegen, mit den Fürsprachen sich an den
König, der im Kriege mit den Ungarn stand, wenden, von diesem als
Notar aufgenommen werden nnd am 3. October eine Urkunde bei
Oedenburg unterfertigen. Das wäre doch zu viel verlangt von der
nicht so übermässigen Schnelligkeit des Mittelalters. Das als einen
Alibibeweis au zuführen, wäre richtiger, als daraus auf die Identität
schliessen zu wollen.
Wenn Emier auch den Grund anführt =^), dass in dem Briefsteller
Heiurichs ein Brief vorkommt, in welchem eine mächtige Persönlich-
keit um Fürbitte für Magister Heinrich den Pfarrer von Gors bei
Kudolf gebeten wird^), so ist dieser eben nur eine Stilübung, durch
welche sich Heinrich beim Protonotar, zu welchem er, wie ich später
zeigen werde, im dienstlichen Verhältnis stand, einschmeicheln wollte.
Nachdem ich die Hindernisse, welche im Wege stauden, beseitigt
zu haben glaube, werde ich einige directe Gründe anführen, welche
mich zur Unterscheidung der beiden Verfasser veranlassten. Zunächst
solche, welche man aus dem Inhalt selbst schöpfen kaun. In der Brief-
sammlung des Iserniers finden wir nämlich Briefe, welche er selbst
an den Protonotar Heinrich richtet. So zum Beispiel diejenigen, welche
sich in den Regesten Emiers unter den Nummern 2615, 2617 befinden.
Die beziehen sich auf folgende Geschichte. Als Heinrich von Isernia
nach seiner Rückkehr von der Reise nach Bologna in Prag erkrankte,
wurde er vom Könige dem Kloster Strahow zur Verpflegung über-
geben»). Dort vernachlässigte man ihn aber bald sehr und entzog
ihm das nothwendigste, so dass er das Kloster verlassen musste. In
diesen Briefen wendete er sich an den königlichen Protonotar Hein-
rich, um durch seine Vermittlung über die Strahower beim König seine
Klage vorzubringen und sich an ihnen so zu rächen. Wir lesen unter
der Nummer 2617: „Ut moneatur H. protonotarius super hiis, pro
>) Potthast Nr. 2075H.
2) Dass der Papst über Bologna wirklich reiste, beweist auch die Chronica
di Bologna Muratori SS. XVIII col. 285, angeführt auch bei Dolliner S. 12.
9) Emier, Kanzlei S. 3f).
") Emier Reg. 2 Nr. 2G32, vgl. Reg. imper. VI. Nr. 870.
!>) Emier 2 Nr. 2614.
Henricus Italicus und Henricus de Isernia. 267
quibus eum magister H. Ytalicus rogaverat." Emier hat hier anstatt
H. den Buchstaben U. substituirt, weil in einer „anderen Formel be-
züglich derselben Angelegenheit der Protonotar Ulrich ausdrücklich
genannt wird" ^). Diese andere Formel kann nur die unter der Num-
mer 2618 seiner Kegesten sein, hier handelt es sich zwar auch um
Strahow, aber in einer anderen Angelegenheit, hier handelt es sich um
die neue Abtwahl. Zudem wird etwas später in dem angeführten Briefe
der Name Henricus ausdrücklich genannt und voll ausgeschrieben 2).
Endlich befindet sich derselbe Brief auch in dem Krakauer Codex 3),
der von der Wiener Handschrift unabhängig ist und weist dieselben
Anfangsbuchstaben H. und den Namen Henricus auf, so dass man hier
die gewaltsame Substituirung eines anderen Namens, die bei der An-
nahme Emieis nothwendig war, als ganz unrichtig bezeichnen muss.
Dazu weist der Codex von Krakau noch zwei andere Briefe auf, die
Heinrich von Isernia an den Protonotar Heinrich richtet, einen auf
Fol. 218, wo er den magister H. in seiner Krankheit tröstet und den
anderen auf Fol. 2l3, wo er dem Magister Heinrich einen gewissen
Johann zum Dienste auempfiehlt und über die ihm selbst gegebenen
Aufträge einen Bericht erstattet.
Schon diese hier angeführten Schriftstücke, in denen Heinrich
von Isernia selbst seine Person von der des Protonotars deutlich unter-
scheidet, müssten zur Verwerfung der Annahme ihrer Identität ge-
nügen, ich habe aber noch mehr Gründe anzuführeu.
Vom Protonotar Heinrich Avissen wir, dass er ein Geistlicher war,
aus dem Briefsteller des zweiten Heinrich sieht man dagegen, dass er
ein Laie gewesen. Erstens findet man in seiner Formelsammlung viele
Schreiben, welche sich auf seine Frau und seine Familie beziehen, so
bei Emier Reg. die Nummern 2565, 2566, 2568, 2625, 2626 und
viele andere nicht edirte im Original, so dass man auch bei voller
Berücksichtigung dessen, dass es sich oft nur um Stilübungen handelt
daraus den Schluss ziehen muss, dass der Verfasser verheiratet war.
Dass das Prager, Olraützer und Wysehrader Capitel zu ihrem Mit-
1) Emier, Kanzler S. 34 Anm. 1.
-) In diesem Briefe erzählt Heinrich, dass man ihm im Kloster Strahow,
als er sich um sein Recht meldete, antwortete, nicht der König sondern
nur der Herr Henricus habe für ihn gebeten. Wenn man dies mit dem Briefe
Nr. 2616 vergleicht, wo der Isernier sich an den Protonotar direct mit den
Worten wendet: »quod vosmet ipse pro parte vestra deprecatus fuistis abbatem*,
so ist es selbstverständlich, dass es sich hier um niemand anderen als um den
Protonotar Heinrich handelt.
3) Fol. 231. . .
268 ■ J. Xoväk.
domherrn einen verheirateten Mann gewählt hätte, ist nicht denkbar,
und wenn sich schon der Fall annehmen Hesse, dass er als Fremder
in Prag leicht seine Gattin und Kinder, die er in Italien zurückliess,
verleugnen konnte, so hätte er sicher über sie in seinem Formelbuche
und speciell in dem in Prag verfassten Theile geschwiegen. Zweitens
ist in der Wiener Handschrift ein Brief, der noch nicht edirt ist.
enthalten ^ ), worin sich Heinrich von Isernia in einen oiFenen Gegen-
satz zum ganzen damaligen Clerus stellt, und diesen nicht gerade
liebenswürdig ^harakterisirt. Unter dem Titel ,.Iuvectiva contra minores
clericos. mediocres et prelatos" schreibt er dort auch folgende Worte:
Ordo enim heu heu quantum doleo clericalis degenerat, j^mmo a sancta
nobili et inimaeulata ]irimi status continencia discors, dissonus et
dehiscens, eins nee sapit regalam nee maneriem profitetur. Domiui
ipsi clerici humilitatis iupacieucia humane ac rumose (sie) molem ori-
ginis non pensantes, eqnis uon librantes ponderibus pondus tarn magui
debiti, cui obnoxius sunt astricti et quod debent persolvere tarn grandi?
obsequium vectiqualis. iram indignacionis divine provocare continuis
excessibus non tinientes, ampullosa superbia tumidi, sue religionis
ignari, salutis immemores, mandatorum domini contemptores iufimos
superciliose despicere, usus in abusus convertere, veudere sacra, pro-
phanare divina aliquatenus non verentur fastu uefario, irrito gestu.
exemplis noxiis et sceleratissima corruptela etc., er wirft ihnen noch
mehr Beschuldigungen vor: quin ymo tenacis avaricie limositate viscati
-et morbidantis invidie sanie putrescentes, illos, qui eorum in serviciis
servierunt, suis suffragiis de paupertatis nolunt eximere laqueis et cum
possint, nolunt aput alios ullatenus promovere. Et cur evagetur oracio
mea lougius per campos tantorum facinorum, quorum in lacu prelati
totaliter sunt dimersi. Isti sunt Euffini legittimi filii, Crassi germani.
•Tantali coheredes, isti sunt Mide socii etc. Dass diesen Ausbruch der
Erbitterung gegen den Clerus kein Geistlicher geschrieben hat, ist
augenscheinlich. Die letzten Worte bezieht Heinrich direct auf sein
Verhältnis zu der hohen Geistlichkeit in Prag, der er verschiedene
Dienste leistete und deren Wohlthätigkeit er öfters umsonst in Anspruch,
genommen hat, wie man aus manchen seiner Briefe schliessen muss.
Weiter lässt sich für die Nichtidentität ein Beweis ex silentio er-
bringen. Warum hat Heinrieh, der uns als ein sehr prahlerischer
Mensch entgegentritt, der keine Gelegenheit unterlässt, um seine Person
in den Vordergrund zu stellen, der über seine hohe Stellung, über da»
Notaramt so hochtrabend spricht, davon kein Wort gesagt, dass er
') Cod. Wien Hofbibl. Xr. 3143 fo]. 73—74 ^'r. 35.
Henricus Italiens und Henricus de Isernia.
269
königlicher Protonotar ist. Das wäre bei ihm wirklich psychologisch
unerklärlich. Warum ignorirt er in seiner Briefsammlung, in der er
so viel Interesse für politische Ereignisse zeigt, so vollkommen den
welterschütteruden Fall Ottokars, die Ereignisse nach dessen Tode,
unter der Brandenburger Herrschaft und in den ersten Jahren Wen-
zels II. Warum erzählt er kein Wort über seine eigenen Verhältnisse
in dieser Zeit, wenn er identisch sein soll mit dem Protonotar, welchen
gerade jetzt so manche bittere Schicksalsschläge, wie die oben be-
sprochene Gefangennahme und falsche Anklage, getroffen haben?
Von allen diesen Ereignissen, die so tief den ehemaligen Proto-
notar erregten, finden wir in dem Nachlasse Heinrichs von Isernia
kein Wort, was bei ihm, der in seinem Briefsteller seinen Feinden
nie etwas schuldig bleibt, unerklärlich wäre, wenn die geschilderten
Angriffe gegen ihn gerichtet wären. An sich wäre dies kein genügender
Grund für die Annahme zweier Personen, aber neben den übrigen
tällt auch er in die Wagschale.
Endlich briugt uns die innerste Seite der beiden Formelbücher,
nämlich der Stil, einen ausschluggebenden Beweis für die Annahme
von zwei Autoren. Wenn es irgendwo möglich ist nach dem Stile
den Urheber zu erkennen und von anderen zu unterscheiden, so ist
es bei Heinrich von Isernia der Fall. Sein Stil sticht auf den ersten
Blick auffallend ab von der schabloneumässigeu Sprache in den böh-
mischen Urkunden und Briefen, sowie in den Formeln des Formel-
buches des Protonotars Heinrich. Seine Rede ist voll von Tropen und
Figuren; er bemüht sich wo möglich alles poetisch auszudrücken. Er
liebt es in schwülstiger Art wenig mit vielen Worten zu sagen, dabei
ist er ungemein erfinderisch im Aufsuchen von neuen Varianten und
hat einen viel grösseren Wortschatz als seine Zeitgenossen in Böhmen.
Sein Stil ist streng nach den Regeln der Rhetorik geordnet. Wenn er
Gelegenheit hat Gemüthsäusserungen Ausdruck zu geben, versäumt
er nirgends, sei es beim Bitten, Loben, Tadeln oder Polemisiren, in
einer übertriebenen Art und Weise, in lauter Superlativen zu sprechen.
Ausrufe der Freude und des Schmerzes sind bei ihm obligat. Er liebt
es häufig Wortspiele anzuwenden wie : instanter supplicans et suppli-
citer instans — ut discernam senciens et senciam discernendo — racio
cause multiplicis et causa multiplex racionis — universaliter siugulos
et singulariter universos — dissone secte diversitas et discors dissen-
cientis religio — bona fide consulimus et sano consilio suademus etc.
Manche Worte und Phrasen, die sonst recht selten vorkommen, wieder-
holen sich bei Heinrich oft, wie perplexitas, scaturigo, hiatus, conglu-
tinare, lolium zizanie, archivium memorie, armarium pectoris, proch
270
J. X 0 V ä k.
dolor etc. Im ganzen sind seine Construetionen und namentlich die
Wortfolge richtiger, als es in der gewöhnlichen Kanzleisprache, deren
sich auch der Protonotar Heinrich bedieute, üblich war. Er steht dem
classischen Stil viel näher als seine Umgebung in Böhmen.
Ich will hier zur Veranschaulichuug des Unterschiedes einige
Beispiele anführen. Im Folgenden werde ich zwei Stücke ähnlichen
Inhalts gegenüberstellen, nämlich die Klageschrift des Protonotars
Heinrich über seine Feinde und einen Brief Heinrichs von Isernia
wo er sich auch gegen eine falsche Anklage wehrt.
Der ehemalige Protonotar Heinrich:
»Quoniam ut .... sanccionis
testatur auctoritas, quod quisque ob
cautelam sui corporis fecerit, iure
fecisse videtur. idcirco ego Henricus
Italicus, incliti regis Bohemie nota-
rius . . . profiteor coram vobis ve-
nerabilibus viris, dominis . . . cete-
risque aliis Wissegradensis ecclesie
canonicis nunc in isto capitulo con-
stitutis, et quod per plures viros
probos et honestos probate fidei et
opinionis electe sum multociens pre-
monitus, ut cavere michi soUicite
debeam ab illis, qui olim litteras
falsas contra me fecerunt, ut dicti
domini W. amitterem graciam et in-
super infamarer, quia pro certo con-
stat eisdem me imminuentibus, quod
hiidem ... de me multa menciuntur
enormia ad interempcionem fame mee
et ut amitterem graciam dicti do-
mini W. per predictas falsas litteras
laborabaiit, sie adhue, ut amittam
graciam prelatorum et aliorum do-
minorum .... per falsas suggestio-
ues atque dolosas probaciones nitun-
tur etc 1).
Weiter stelle ich jenem Tlieile derselben, Klageschrift, in welchem der
Protonotar über seine Verfolgung spricht wieder einen Brief Heinrichs
von Isernia gegenüber, wo auch ein ähnliches Thema besprochen wird.
Heinrich von Isernia.
»Ax'guitur fidei facilis, quam de-
tractoribus adhibuit ; item et ubi
maneat declaratur. — Si verba pru-
dentis Senece, morum optimi exscul-
ptoris, diligenter vestra discrecio
attendisset, qui libenter ipsa legitis,
sed ad efi"ectum non redacitis, ut hie
patet, non tarn facile condescendis-
setis de me obloquencium fabulis
detractorum, qui multa sed pocius
infinita collorantes mendacia falso
contexunt veri palia sub facie veri-
tatis, quorum verba veri coloribus
illita multorum decipiunt oculos so-
phystico in colore. Quibus sie ex
natura eorum pessima datum et in-
situm est eis hoc vicium, quod si
falsum volunt dicere, non laborant.
Etc. -^)
Protonotar Heinrich :
»Et quamvis penitus nesciam cau-
sam, quare me taliter persequan-
1) Emier Reg. 2 Nr. 2633.
Heinrich von Isernia:
»Quanto indignationis odio, quan-
tisque persecucionum molestiis
2) Ibid. 2563.
Henricus Italicua und Henricus de Isernia.
271
tur, cum nulla remorclear conscien-
cia, quod eos vel verbo vel facto
molestaverim, tarnen paratus eis sa-
tisfacere secundum iusticiam, si me
contra ipsos rite probaverint exces-
sisse. Nunc autem, cum nee dicant
michi causam, in quo eos offenderim,
nee per aliquos dicendo transmittant
et a persecucionibus non de-
sistant, non possumus ego et alii
amici et domini mei opinari, nisi
quod gratis me p e r s e q u i enituntur.
Et idcirco rogo, quod indignum vobis
videatur ymo vobis et omnibus sa-
pientibus tanto videri debet indig-
nius, quanto ipse deus, terreni reges,
legum scriptores hos, qui gratis per-
secuntur alios profundius detestan-
tur. Quod autem me gratis per-
secuntur in hoc evidentissime pa-
tet, quia non arguunt me nee contra
me proponunt etc.* ^)
iste Pragensis antistes . . . indesi-
nenter me ac inmerito exacerbet,
quibus angustiarum aculeis, quibuf;
contumeliis me hactenus e x p r o-
brarit, et^exacuerit in blas-
phemiis linguam suam, iam
satis yestra novit serenitas, satis est
vestro eulmini patefactum, et cupe-
rem quidem, quod amplius ad vestre
maiestatis aures de ipso non ascen-
deret clamor mens, nee cogerer pro
talibus vestre inquietare de cetero
excellencie pietatem. Sed ecce, quod
invitus dico, et refero lacrimosus
adhuc patris non resedit indignacio
intricantis, adhuc indigne, Deus novit,
concepte adver sus filium no-
vercantis ire'fervor non te-
puit, nee aversus est adhuc,
si fas est dicere fui'or eins. Nam
non videbatur sibi sufficere, quod
decanum meum probrosis et atro-
cibus lacessivit iniuriis, et
tarn in archidiaconatus mei iuribus,
quam eciam prepositure, quam a sola
vestri muneris gracla recognosco me
habere, indebite aggravavit etc. * '^)
An diesem Beispiele sieht man deutlich, wie arm die Sprache des
Protonotavs gegenüber dem Wort- und Variantenreichthume des Stiles
Heinrichs von Isernia ist.
Noch eine Stelle der Klageschrift, wo sich der ehemalige Proto-
notar in den Schutz des Königs und aller guten Leute stellt, will
ich mit einer von Heinrieh von Isernia verfassten Bitte um Schutz
und Hilfe vergleichen.
Protonotar Heinrich:
„Subiicio me insuper proteccioni
sedis et dicti domini W., dominorum
episcoporum Pragensis et Olomucen-
sis, vestre atque omnium proborum
virorum, quicumque in tam iusta
causa prodesse atque assistere digna-
Heinrich von Isernia:
Sane incunbentibus michi validis
molestiis et turbinibus, quos iniqui-
tatum ftatus^'), estu sitibunde cupi-
ditatis conciti, generat^) indefesse,
ad vos pater et domine, compellor
non irracionabiliter nee indevote re-
*) Emier 2 Nr. 2633.
2) Ibid. Nr. 2442.
*) Corr. : flatus,
t") Corr. : generant.
272 J- Noväk.
buntur, supplicans vobis oranibus,
quöd advertere dignemini, quante
sint superbio illi, de quibus sermo
precessit, et in curia ut in terris nun
eorum sed dicti domini W. me ma-
nere non paciantnr et quod commi-
nacionibus, quas multociens intule-
runt, non possunt lacere fuge, iam
satagunt, ut michi dicitur, morti
dare« i).
cui'rere, clamans ad vestre probitatis
industriam, ut involuto procellarum
fluctibus michi auxiliaris opem dex-
tere prebeatis. Cessabit enim, si
volueritis, tumultuose tempestatis
acerbitas et tiimencium inundacio
fluctuum residebit. Et quamvis nul-
luni senciara michi posse meritum
suiFragari, ut vestre debeam presi-
dium pietatis exigere, tamen confi-
dencia de vestra benignitate, quam
habeo, michi spem prebet audacie etc. ^)
Au diesen hier augeführten Beispielen sieht man ganz klar, dass
sie unmöglich von einer und derselben Person herrühren können. Nicht
nur zwei stilistisch, sondern auch zwei psychologisch ganz entgegen-
gesetzte Individualitälen sprechen zu uns aus diesen Zeilen. Der Stil
des Protonotars bewegt sich ganz in den Grenzen der damals üblichen
Kanzleisprache im Gegentheil zu Heinrich von Isernia, obzwar er in
der angeführten Klageschrift durch den formelhaften Ballast der Ur-
künde in seinen Ausdrücken nicht gehemmt war und seinen Stil frei
entwickeln konnte. Wie feurig und aggressiv, voll von Ausdrücken
des höchsten Zornes gegen die Feinde, wie überfüllt vom Flehen nach
der Hilfe bei den Freunden hätte diese Schrift sein müssen, wenn
Heinrich von Isernia in der Lage des Protonotars gewesen wäre und
sich gegen solche Verläumder gewehrt hätte.
Noch grössere Stilverschiedenheit findet man, wenn man das
übrige Material aus dem Formelbuehe des Protonotars Heinrich mit
den Schriftstücken Heinrichs von Isernia vergleicht, weil es eine ganz
gewöhnliche Urkunden spräche aufweist. Auch alle im Namen des
Protonotars Heinrich unterfertigten Urkunden stehen in demselben
stilistischen Gegensatz zu dem Briefsteller Heinrichs von Isernia,
Nach diesen Ausführungen können wir also wohl als bestimmtes
Eesultat aussprechen, dass der Protonotar Ottokars IL Heinrich, auch
Henricus Italicus genannt, eine von Heinrich von Isernia ganz ver-
schiedene Persönlichkeit ist und dass es die er^te Aufgabe bei histo-
rischer Benützung der von ihnen herrührenden Sammlungen sein muss,
den Werth dieser Quellen darnach abzuschätzen, ob man es mit dem
Protonotar Heinrich oder dem Magister Heinrich von Isernia als
Autor zu thun hat.
») Emier Reg. 2 Nr, 2633.
'■') Ibid. Nr. 2632,
Henricus Ttalicus und Henricus de Isernia. 273
Beilage.
Jubet equitas deposcit racio iusticia suadente precatur, quod hüs
quorum calumpniose vel falso lesa fuerit opinio, principum testimomo
succuratur, ut fame splendor, quem zelus emulacionis iniqui ^) conatus
fuerit figmento nubilare raendacii, tanto formosius elucescat, quan-
tum calumpniosa nequicia suis evoluta latebris apparet deformior,
clare per evidenciam veritatis. Noverint igitur universi tenorem presen-
cium perspecturi, quod nobis in civitate nostra presentate fuerant, (sic)^)
quarum tenor per omnia talis erat. 0. dei gracia etc. per totum, Hec
autem littere, quia veraces prema facie videbantur quedam ^) littere, post-
quam nobis fuerunt exposite, nos adeo provocaverant, quod ad ulcionem
de dicto H. ^) sumendum nostra indignacio pronius anhelasset, nisi fide-
lium nostrorum, qui presentes aderant, circumspecta suasisset prudencia,
ut lenta gradu"^) non repentino impetu ad vindictam more regio procedere
deberemus, quorum quidem persuasioni nobis assensura prebentibus et per
aliquod dies nullam facientibus de predictis litteris mencionem, interim
dicto H. dictarum litterarum presentacio atque tenor innotuit per nonnul-
los, qui earum continenciam audiverant in nostra presencia constituti.
Ipse autem H. tamquam vir, quem reatus alicuius adversus nos meticulosa
consciencia non mordebat, nichil penitus metuit, sed instanter et in-
concusse permansit et non, ut dictarum litterarum occultetur nego-
cium, sed ut publicaretur, pocius procuravit. Nam in aures tarn cleri-
corum quam laycorum ut lingua interprete sedulus explanator deduxit,
easdem nobis presentatas fuisse litteras, et tandem die sabbati proxime
tunc sequenti rogatis et convocatis dilectis fidelibus nostris magistro
W . . . . ac pluribus aliis de familia nostra, una cum eis nostram pre-
senciam adiit et humiliter supplicavit, ut sibi prebere audienciam digna-
remur, cuius profecto peticioni, licet primitus nollemus annuere^ tamen
monitu domine Ch. 0) inclite regine Bohemie, karissime matris nostre in-
ducti, sibi quietam prebuimus audienciam et attentam. Idem vero H.
postquam multis inductis racionibus cunctis audientibus, quod dictis litteris
nulla foret adliibenda credulitas, nobis satis lucide demonstravit et quod
sibi nunccium, qui eas nobis presentaverat, diceremus cum instancia postu-
lavit; quem licet nos ipsi manifestare penitus recusaremus, nichilominus
tamen idem H. promptum se prebuit et paratum, omnem expurgacionem
subire, quamcumque nostri consiliarii invenirent. Quia ergo dignum et
iustum erat, ut expurgacionem offerenti benignum prestaremus assensum,
a) CoiT. : iniquae.
^) litterae.
c) In der Hs. : qua dum.
') Dass es sich hier um den ehemaligen Protonotar Henricus Italicus handelt,
beweist der inhaltlich enge Zusammenhang dieser Urkunde mit einer anderen
(Emier Reg. 2 Nr. 2633), in welcher Heinrich über die gegen ihn gerichtete
falsche Urkimde spricht. Vgl. S. 259.
^] In der Hs. : gradum.
^) Chunigundae.
MittheiluiipeD XX. 18
274 J- Novak.
ne videremur uti calumpnia quam tenemur longius profligare, dilectis
fidelibus nostris . . nee non et W. et . . . . commisimus, ut sicut gra-
ciam nostram diligerent, ita expurgandi modum recipere student ydoneum
et dictum H. auctoritate vel absolverent vel dampnarent. Ipsa autem
concessione suscepta eodem die stanti in ambitu saucti Francisci in civi-
tate Pragensi sollempnem super huiusmodi casum '^) habentes tractatum et
tarn sigillum quam figuram, stilum atque sentenciam circumspeccius exa-
minantes, facta primo collacione dictarum litterarum et alia plura sigilla
aliarum plurium litterarum, quas suo vero sigillo munitas dictus dominus
marchio Brandeburgen sis multis civibus pragensibus dederat atque trans-
misevat, et eorumdem sigillorum tarn circumferencias quam ymagines pro-
vide atque cum diligencia mensurantes, invenerunt omnium sigillonim,
quibus littere civium pragensium sigillate fuerant, respondere in figuris
et toto corpore equaliter sibi invicem quantitatem, illarum vero litterarum,
que dicti H. continebant infamiam, sigillum tantummodo invenerunt penitus
discrepare. Nam in circumferencia et longius aliis erat et lacius et ymago
stature atqvie quantitatis erat notabiliter amplioris. Deinde dicti prelati
cum exacta diligencia dictarum litterarum figuras, dictamen et sentenciam
attendentes, prospicientes eciam, quod data, qua (sie) omnes dicti domini
marchionis littere terminabant et consuevere terminari, carebant, eas de
dicti marchionis non emanasse curia, Mis et aliis multis hoc asserentibus
signis, non minus a parte quam veraciter perpenderunt. Quibus quippe
rebus inventis taliter et perceptis, prefati barones atque prepositi nos
adierunt, et quod falsum esset sigillum falseque forent littere, omnes ore
uno concorditer asserentes atque quod nosmet ipsi dicta^) mensuraremus
sigilla, si forsan eos fide minus facilem se preberemus, ortantes, ut illum
qui nobis dictas presentaverat litteras notificaremus, quod dictus H. cum
instancia exigebat, nos monitos, precipue cum esset racioni consentaneum.
habuere. Qui dicti barones et prelati. quibus dictum commiseramus nego-
ciura terminandum, cum a nobis eins nomen penitus extorquere non
possent, eo quod promiseramus sibi, suum non prodere nomen, et in-
super quia quedam nobis astantes persone, quas nos exaudire decebat,
ut teneremus ipsius nomen, suppliciter exorabant, auctoritate nostra
prius prestita, nobis audientibus, in multorum aliorum nobilium pre-
sencia in instanti dictum H. soUempniter sentenciando asseruerunt esse
de hiis, que in predictis falsis litteris contra ipsius famam scripta
fuerant, legittime atque racionabiliter expurgatum et eum*^) vel eos, qui
dictas composuerunt litteras contra dictum H., calumpniose atque ne-
quiter processisse. Nos autem dictam sentenciam tamquam veram, ho-
nestam, racionabilem approbantes tenore presencium censuimus atque cen-
semus, ipsius H. famam, dudum retroactis temporibus testimonio multorum
nostrorum fidelium olym per patrem nostrum et alios approbatam, tanto
maiori peilere vigore tantoque prestancius extolli debere, quanto ex pre-
fata calumpnia quasi per ignem examinacionis transiens inventa est In-
tegra sinceritate comspeccior et clarius emicat incorrupta, et quia dignum
^) In der Hs. : casu.
t") In der Hs. : dicto.
<^) In der Hs. : tum.
f
Henricus Italicus und Henricus de Iseruia. 275
^) Corr. : approbata.
18*
Kleine Mittheilungen.
Der Ungarutribut unter Heinrich I. Allbekannt ist die Er-
zählung des Geschichtsschreibers der Sachsen Widukind (I 38), wie
Heinrich den Kampf mit den Ungarn wieder aufzunehmen beschloss.
Er legte dem versammelten Volke dar, dass der Frieden im Innern des
Eeichs hergestellt und die Feinde an den Grenzen bezwungen seien,
es bleibe nur übrig die Waffen gegen die Ungarn zu kehren. „Bisher
habe ich", so sprach der König, „euch, eure Söhne und Töchter be-
raubt und ihren (der Ungarn) Schatz gefüllt; jetzt sehe ich mich ge-
zwungen die Kirchen und deren Diener zu berauben, da wir keine
andere Habe mehr besitzen als die blossen Körper. Was sollen wir
also thun? Soll ich den Schatz nehmen, der dem Dienst Gottes ge-
weiht ist, und ihn den Feinden Gottes geben, um uns zu erlösen,
oder soll ich die Verehrung Gottes durch Spenden erhöhen, damit wir
lieber durch ihn erlöst werden, der in Wahrheit unser Schöpfer ist
und Erlöser" ? Darauf rief das Volk, es wolle durch den lebendigen
und wahren Gott erlöst werden, und es versprach dem König Hülfe
gegen den furchtbaren Feind mit zum Himmel erhobener Eechte. Als
später Gesandte der Ungarn zu Heinrich kamen, um die gewohnten
Gaben zu fordern, wurden sie von ihm abgewiesen und mussteu mit
leeren Händen heimkehren.
Ich möchte nun versuchen, diese Erzählung wieder einmal einer
näheren Prüfung zu unterziehen. Der König überliess also dem Volke
die Entscheidung über die Politik, welche er künftig gegen die
Ungarn einschlagen sollte, und zwar stellte er zwei Möglichkeiten auf:
1. Weiterbezahlung des Tributs (und Frieden), 2. Verweigerung des
Tributs (und Krieg). Dass Heinrich persönlich den Krieg wünschte,
also die Annahme des zweiten Vorschlags, daran lassen seine vor-
Der Ungarnti'ibut unter Heinrich I. 277
angehenden Ausführungen keinen Zweifel, und wirklich geht das Volk
auch auf den Wunsch des Königs ein. Die Folge der Annahme des
«rsten Vorschlags würde gewesen sein, dass der König, um die zur
Befriedigung der Ungarn erforderlichen Summen aufzubringen, den
„thesaurum divinis officiis sanctificatum" angreift. Indem aber das
Volk den zweiten Vorschlag annimmt, erklärt es sich damit einver-
standen, dass er „cultui divino pecunia honorem" zufügt, also eine
Schenkung an die Kirche macht.
Widukind berichtet ferner (I 39): Als König Heinrich siegreich
aus dem Ungarnkriege zurückgekehrt war, gab er Gott die Ehre des
Sieges und bestimmte den Tribut, den er den Feinden zu geben
pflegte, für den Dienst Gottes, zu Almosen an die Armen. Die auf
der Volksversammlung in Aussicht gestellte Schenkung an die Kirche
hat also — nach Widukind — wirklich statt gefunden, und zwar in
der Weise, dass ihr der bisher an die Ungarn gezahlte Tribut über-
wiesen wurde, behufs Vertheilung an die Armen.
Es ist nun wohl versucht worden, die Erzählung Widukinds vom
Ungarnkriege und Ungarntribut Heinrichs als auf «sagenhafte Tradi-
tionen, vielleicht gar ein altes Lied" zurückgehend, gänzlich zu ver-
werfen (Brückner, Studien z. Gesch. d. sächs. Kaiser, Baseler Diss.
1889, S. 16, Lamprecht, Deutsche Gesch. B. 2, S. 125 f. übergeht die
Tributzahlung völlig) ; aber Widukind schrieb ja nicht viel über dreissig
Jahre nach den Ereignissen, die für sein Heimatsland von der aller-
grössteu Bedeutung waren. Sollte die recht junge Ueberlieferung, aus
der er schöpft, nicht wenigstens einige, dem thatsächlichen Hergang
der Dinge entsprechende Züge aufbewahrt haben ?
Längst bekannt sind die Acten einer Synode vom 1. Juni 932
(M. G. Constitut. I, 2 ff.), die zu Erfurt abgehalten und von Bischöfen
aus allen Theilen des Reichs, mit Ausnahme Bayerns, besucht worden
ist. Die Synode „war von dem König mit dem Rath seiner Grossen
berufen", so interpretirt Waitz (Jahrb. Heinr. I 3. S. 145) mit Recht
die Anfangsworte des Actenstücks (congregata est aput Erphesfurt . . .
synodus, ut rex sapientissimus cum cousilio primatum suorum decrevit),
er hat aber nicht die noth wendige Folgerung daraus gezogen, dass
nämlich der Synode eine Versammlung der Grossen vorangegangen sein
muss, auf der eben die Berufung der Synode beschlossen wurde, und er
hat von den Beschlüssen der Synode einen, sonst kaum beachteten, wohl
hervorgehoben (S. 146 f.), aber nicht näher erläutert. Jedermann, so
lautet dieser Syuodalbeschlusss (M. G. 1. c. S. 5), soll am Montag vor
Maria Himmelfahrt (13. Aug.) dem Bischof, zu dessen Sprengel er
gehört, einen Denar oder den Wert eines Denars, in welcher Sache
278 Kleine Mittheilungen.
er will, darbringen, und jener (sc. der Bischof) erwäge, wie er am
besten zum Seelenheil der Spender das Almosen verwende, und wenn
ein Unfreier so arm ist, dass er den Denar nicht zahlen kann, so soll
sein Herr denselben für ihn geben, und ein jeder soll am Sonntag
vor dem bestimmten Tage nach Vermögen Almosen spenden i). Es
wurde also eine allgemeine Abgabe eingeführt, und zwar eine Kopf-
steuer, von der weder Freie noch Unfreie ausgenommen waren. Die
Abgabe betrug 1 Denar pro Kopf und konnte in bar oder in Natu-
ralien entrichtet werden. Erheber und zugleich Empfänger der Ab-
gabe waren die Bischöfe, der Zweck der Abgabe ist ein religiös-
kirchlicher, den Bischöfen bleibt es überlassen, wie sie das Empfangene
verwenden wollen. Dass die Abgabe jährlich zu entrichten ist, wird
nicht gesagt; man müsste also annehmen, dass es sich um eine ein-
malige Massregel handelt.
Wie kamen nun die zur Synode versammelten Bischöfe dazu eine
Kopfsteuer der gesammten Bevölkerung aufzuerlegen? Dass sie dies
aus eigener Machtvollkommenheit, ohne vorherige Bewilligung durch
den König und die Grossen thaten, ist schlechterdings undenklmr, und
es muss ja auch der Erfurter Synode eine Zusammenkunft des Königs
mit den Grossen vorangegangen sein. Nichts liegt also näher als die
Annahme, dass auf diesem Tage beschlossen wurde, eine aligemeine
Kopfsteuer zu Gunsten der Kirche zu erheben, ein Beschluss, dem
sodann die Bischöfe auf der Synode zugestimmt hätten, und der dem-
gemäss in die Synodalacten überging.
Weswegen der Kirche eine so aussergewöhnliche Schenkung zufiel,
wie sie in der Ueberweisung der Kopfsteuer lag, wird in den, übrigens
nur bruchstückweise erhalteneu Acten nicht angegeben. Da dürfte
es doch aber sehr nahe liegen, den Bericht AVidukinds zur Erklärung
heranzuziehen, nach dem der König vorschlug und die Volksversamm-
lung beschloss der Kirche eine Schenkung zu machen, um den gött-
lichen Beistand für den Krieg mit den Ungarn zu erlangen.
Einer solchen Identificirung der von Widukind erwähnten Schen-
kung und der nach den Erfurter Beschlüssen an die Kirche fallenden
Kopfsteuer stehen scheinbar gewichtige Gründe entgegen. Nach
Widukind beschloss eine Versammlung des Volks über die Schenkung,
») Et in secuuda feria ante assumptionem s. Marie uuusquisque episcopo,
in cuius est parrochia, denarium sive unius denarii pretium in qualicunque
velit re presentet, et ille cogitet, quomodo optime in illorum, qui hoc obtuleriut,
salutem dispenset elemosinam. Et si servus tarn pauper est, ut denarium ne-
queat persolvere, dominus eins pro eo reddat, et unusquisque in dominico die
ante eandem t'eriam, prout valeat, elemoBinis se redimat.
Der Ungarntribut unter Heinrich I. 279
nach den Acten müsste der Beschluss von einer Versammlung der
Grossen und der Erfurter Synode ausgegangen sein. Nach Widukind
vollzog der König die Schenkuug erst nach dem Siege über die Un-
garn (lö. März 933, vgl. Waitz, Jahrb. S. 157), nach den Acten
würde die Kopfsteuer bereits am 13. Aug. 932 erhoben worden sein.
Demgegenüber ist jedoch zu bedenken, dass urkundliche Genauigkeit
bei einem Schriftsteller wie Widukind überhaupt nicht vorausgesetzt
werden darf. Der Zeitraum, der ihn von den dargestellten Ereignissen
trennt, ist nicht gross genug, als dass man erwarten dürfte, nur un-
glaubwürdige Sagen bei ihm zu finden, aber dreissig Jahre genügen
immerhin, um eine Ueberlieferung in den Einzelheiten erheblich zu
entstellen, wenn auch richtige Grundzüge übrig bleiben, üebrigens ist
der Unterschied zwischen der allgemeinen Volksversammlung Widu-
kinds (convocato omni populo) und dem Reichstag nebst Synode der
Acten in Wirklichkeit kaum vorhanden, Widukind wendet eben nicht
die technischen Ausdrücke an. Auch die chronologische DiflFerenz lüsst
sich nicht zu hoch anschlagen. Widukind gibt überhaupt keine be-
stimmten Daten; wann die Ereignisse geschehen sind, die er darstellt,
scheint er nicht recht zu wissen, es kann sich da sehr leicht ein Irr-
thum eingeschlichen haben. Es wäre aber auch möglich, dass trotz
des Erfurter Beschlusses die Kopfsteuer erst nach dem Siege über die
Ungarn für religiöse Zwecke verwandt wurde. Die Bischöfe könnten
bei ihrer Erwägung, wie der Ertrag der Abgabe zum Heil der Spender
zu verwenden sei, sich für Aufbewahrung entschieden haben, um Mittel
in der Hand zu behalten, eventuell die Verheerung ihrer Diöcese durch
die Ungarn abzukaufen. Nach dem Siege des Königs fiel dieser Grund
natürlich weg, und wurde nunmehr der Ertrag der Abgabe zu Almosen
an die Armen verwandt.
Wie dem auch sein möge, aus der Gleichset/.uug des Geschenks'
an die Kirche bei Widukind und der Kopfsteuer der Acten folgt noth-
wendigerweise, dass diese nach dem Erfurter Beschluss vom 1. Juni
932 der Kirche zufallende Abgabe in früheren Jahren erhoben worden
ist, um als Tribut den Ungarn gegeben zu werden. Die Erhebung
solcher allgemeiner Abgaben war zu dieser Zeit keineswegs unge-
bräuchlich. Bereits Waitz (Deutsche Verfassungsgesch. VIII, 393 n. 5)
hat aus den Worten Widukinds (I 38) „vos hucusque, filios filiasque
vestras expoliavi" geschlossen, dass das V^olk zur Bezahlung des Tributs
an die Ungarn beitragen musste. Die Stelle bei Liudprand (V 33), die
er (ibid.) anführt, zeigt, dass der Erhebungsmodus für Ungarntribute
in Italien ganz ähnlich gewesen ist wie in Sachsen, und sie gewährt
zugleich die Möglichkeit, die Worte Widukinds noch etwas schärfer
230 ' Kleine Mittheilungen.
zu interpretireu. Als der üngarnkönig Taxis mit einem grossen Heere
nach Italien kam (i. J. 947, vgl. Düramler, Jahrb. Otto I, S. 170),
erzählt Liudprand, gab ihm Berengar „10 modios nummorum", die
aufgebracht waren »ex eclesiarum ac pauperum collectione", und zwar
ging die Beisteuer des Volks in der Weise vor sich, dass jedermann,
Männer und Frauen, Erwachsene und Kinder, einen „uummus" gab,
(in omni enim utrius sexus homo, tamque ablactatus quam lactens,
pro se nummum dedit). Berengar erhob jedoch die Abgabe (zur Zahlung
au die Ungarn) nicht aus Fürsorge für das Volk, sondern um (für sich)
einen Haufen Geld zusammenzubringen. Die Münzen, die er vom
Volke empfangen hatte, vermischte er mit Kupfer und machte so aus
wenigen 10 Scheffel, (die er den Ungarn gab). Den Best der Bei-
steuer des Volks und alles, was er von deu Kirchen empfangen hatte,
behielt er für sich. Ob die Falschmünzerei, die Berengar getrieben
haben soll, wirklich statt fand, oder ihm von Liudprand unter Ent-
stellung der Thatsachen boshafter Weise angedichtet wurde, ist für
unsere Zwecke gleichgültig; jedenfalls dachte Liudprand, ein in solchen
Dingen wohl unterrichteter Zeitgenosse, dass die Zahlung eines Tributs
an die Ungarn nicht gut anders als in Edelmetallen vor sich gehen
konnte. Ferner unterscheidet er die Beisteuer der Kirchen uud die-
jenige des Volk.s, nur von letzterer verwandte Berengar einen Theil
zur Befriedigung der Ungaru, den Rest uud die erstere ganz behielt
er für sich.
Kommen wir nun auf die Rede zurück, die nach Widukind König
Heinrich vor der Volksversammlung hielt, so weist der Ausdruck
„aerarium eorum (sc. der Ungarn) replevi" unzweideutig darauf hin,
dass der sächsische Tribut in Edelmetallen entrichtet worden ist, nur
unter dieser Voraussetzung ist es auch erklärlich, dass dem Volke
.pecunia" (Geld) nicht übrig geblieben ist; nicht als ob Sachsen gänz-
lich verarmt wäre, aber die im Umlauf befindlichen Mengen von Edel-
metallen sind in die Kassen der Ungarn abgeflossen. Die Auflage für
die Kirche freilich kounte noch sehr wohl entrichtet werden, sie
brauchte ja (nach den Erfurter Synodalacten) nicht in baar bezahlt
zu werden, sondern es war für sie die Ablösung der Baarzahlung durch
Naturalien (Getreide oder Vieh) gestattet. Dass den Ungarn mit Na-
turalien nicht gedient war, liegt auf der Hand, zum Transport in die
Feme eigneten sich dieselben weit weniger als Gold oder Silbermünzen
bezw. Barren; um so besser waren sie zur Verwendung im Lande
selbst brauchbar. Wenn ferner der König in seiner Rede bei Widu-
kind die Beraubung des Volks in Gegensatz stellt zu: „nunc templa
templorumque ministros, ut expoliem, cogor", so wäre daraus zu ent-
Der Ungarntribut unter Heinrich I. 281
nehmen, dass in Sachsen nicht wie in Italien zur ZahUmg des Ungarn-
tributs zweierlei Leistungen entrichtet wurden, eine Kopfsteuer vom
ganzen Volke und ausserdem eine Abgabe von den Kirchen, sondern
dass nur eine Kopfsteuer bestand, die Kirchen aber von besonderen
Abgaben frei blieben.
Den „thesaurum divinis officiis sanctificatum" wird man als kost-
bare Kirchengeräthscliafteu l^etrachten müssen, welche der Entschluss,
den Ungarntribut zu verweigern, vor der Einschmelzuug bewahrte.
Gegen die völlige Entblössung Sachsens von Edelmetallen könnte
die Angabe Widukinds (I 08) sprechen, dass die eine Schaar der Un-
garn beim Einfalle in das Land „andivit de sorore regis, . . . quia
vicinam urbem inhabitaret, et multa pecunia ei esset auri et argenti"
(vgl. Brückner S. 13). Indessen sagt Widukind nicht, dass die Nach-
richt, welche den Ungarn zukam, auf Wahrheit beruhte, ferner würde,
selbst wenn dies der Fall wäre, ein Ausnahmefall nicht gegen die
allgemeine Armuth sprechen, und wenn wirklich Widukind bei der
Rede in der Volksversammluutr eine rhetorische Uebertreibung: be-
gangen haben sollte, so darf man ihm dies in Anbetracht der Situa-
tion nicht gar zu sehr verargen. Vielleicht folgte er nur allzu getreu
yerscliiedeiieii „Liedern", die von der drückenden Kopfsteuer und
der drohenden Belastung der Kirche, sowie von dem vergeblichen
Sturm der Ungarn auf die schätzereiche Burg der Schwester des Königs,
nicht ganz übereinstimmende Nachrichten gaben. Jedenfalls geht es
nicht an, wegen eines nicht geschickt genug verdeckten Widerspruchs
die ganze Erzählung vom Ungarntribut, die doch auf genauer Kennt-
nis von Zuständen beruhen muss, wie sie schon Widukind zur Zeit,
als er sein Werk schrieb, nicht mehr vor Augen sah, in Bausch und
Bogen zu verwerfen.
Die Frage, ob zum Ungarntribut nur Sachsen oder das ganze
Reich beitragen musste, wird sich nicht mit Sicherheit entscheiden
lassen. Nach der herkömmlichen, besonders auf Widukind I 32 be-
ruhenden Auffassungsweise bezog sich der von Heinrich i. J. 924 mit
den Ungarn geschlossene neunjährige Waffenstillstand, der die Ver-
pflichtung zur Tributzahlung enthalten haben soll, nur auf Sachsen.
Der Beschluss der Erfurter Synode betreffs der Kopfsteuer galt jeden-
falls für das ganze Reich, nur dass die Bayern, deren Bischöfe zu
Erfurt nicht anwesend waren, auf einem mit einer Synode verbun-
denen Landtage zu Dingolfing nachträglich auch ihrerseits eine Kopf-
steuer zu Gunsten der Kirche zu erheben beschlossen (s. die Acten
des Dingolfinger Landtags vom 1. August oder 16. Juli, M. G. Leges
III 482, vgl. Waitz S. 148 f.). Dei" Inhalt des Dingolfinger Beschlusses
282 Kleine Mittheilungen.
weicht nicht sehr erheblich von dem des Erfurter ab. Die Abgabe
beträgt einen Denar pro Kopf der Bevölkerung und darf auch in Natu-
ralien entrichtet werden, Einnehmer sind die Pfarrer, Zahlungstermin
ist der Palmsonntag (7. April 933), am Gründonnerstag (11. April)
haben die Pfarrer den Ertrag der Abgabe ihren Bischöfen zu über-
geben, die denselben zur Herstellung zerstörter Kirchen verwenden
sollen. Als Almosen, als fromme Gabe für das Seelenheil der Spender
und ihrer Angehörigen, wird die Kopfsteuer auch hier aufgefasst; eine
allgemeine Reichssteuer konnte sich aus dem Ungarntribut nicht ent-
wickeln. Als der Zwang, Abgaben vom ganzen Volke zu erheben^
wegfiel, erhielt nicht der König sondern die Kirche, und zwar nur
einmal, in etwas veränderter Form sowie unter ausdrücklicher Beto-
nung des gottgefälligen Zwecks den Ertrag der Umlage bewilligt.
Somit lässt sich die Vermuthung, die Waitz (S. 148) nicht ge-
radezu bestritten hat, dass nämlich auf der Erfurter Synode bereits
der Kampf gegen die Ungarn ins Auge gefasst wurde, recht wohl
erhärten. Die damals gefassten Beschlüsse zeigen die religiös ange-
regte Stimmung, die beim Herannahen des gefährlichen Krieges
herrschte, und bestätigen den sagenhalt gefärbten, aber in den Grund-
zügen getreuen Bericht Widukinds, während die Sonderstellung, welche
Bayern unter Herzog Arnulf im Reiche einnahm, durch den Paral-
lelismu.s der Dingolfinger zu den Erfurter Beschlüssen zu Tage tritt.
G. Caro.
Der Friczentag". In einem aus dem Jahre 1705 stammenden
Repertorium des niederöst. Landesarchivs fand ich eine Urkunde vom
Jahre 1295 (Nr. 28: Rueger der Riedmacher versetzt seine Badstube
zu Loch [Laa a. Wieuerberge] für 6 Mark Silber Chalhoch von Ebers-
dorf) mit dem Datum „Montag nach St. Vrizentag" versehen. In der
Eile einer blos übersichtlichen Zusammenstellung schlug ich in Grote-
fends bekannten Handbuch .Zeitrechnimo; des deutschen Mittelalters und
der Neuzeit" I, Bd. (Hannover 1891) nach und fand hier auf Seite 70
wörtlich folgendes: „Friczentag. Helwig gibt ein Beispiel „Geben an
sand Friczentag 1359" (Hausarchiv), erklärt es für Friedrich, weiss aber
kein Datum. Es ist Feiczentag zu lesen. Veit =^15. Juni." Trotz der
apodiktischen Sicherheit dieser Erklärung wurde ich stutzig, schon aus
dem einfachen Grunde, weil mir eine Form „Feiczen" als eine Mi-
schung der starken Declination (Veits) und der schwachen (Endung — en)
ein sprachliches Unding zu sein schien. Ich suchte zunächst das Ori-
ginal der eingangs erwähnten Urkunde des niederösterr. Landesarchivs.
Der Friczentag. 283
Das Datum des Originals lautete: „des nech&teu montags noch saut
brizen tage". Der Verfasser des Repertoriums hatte einfach ein etwas
schräg nach links gestelltes Cursiv-Minuskel-b mit Vorstrich, jedoch
ohne Schlinge als Majuskel V verlesen und der Brizentag war der Tag
des hl. Briccius d, r. 13. November. Ich forschte nun auch nach
Helwigs Beleg (Helwig, Zeitrechnung zur Erörterung der Daten in
Urkunden für Deutschland. Wien 1787, S. 26). Trotzdem er die
Urkunde nicht näher bezeichnete, gelang es meinen Bemühungen im
k. u. k. Haus-, Hof- und Staatsarchiv in Wien, denn dieses versteht
Helwig unter , Hausarchiv ", das Original aufzufinden (Repertor. III).
Es ist ein Lehenbrief, worin die Brüder Achaz und Georg von Paeulik
Jansen dem Sternisch und seinen Erben ein Gut zu Widozzlowicz
(= Witoslavitz in preuss. Schlesien, Reg, Bez. Oppeln) verleihen. Hier
lag die Sache jedoch nicht so einfach, denn die Datirung lautet wirk-
lich: „der (nämlich „der briet") geben ist, do nach Christes gepurd
ergangen waren dreuczehen hundirt iar darnac in dem newen und
fumfczigisten iar an sand friczen tag". So viel steht nach dem Ori-
ginal fest, dass Grotefends Erklärung ganz hinfällig ist. Will man
nun keinen Schreibfehler annehmen, so glaube ich, dass nichts im
Wege steht, den Friczentag nach Helwigs Vorgang als den Tag des
heil. Friederich oder Fritz — ein Diminutivum, welches gerade in jenen
Gegenden Deutschlands gang und gäbe gewesen ist — zu deuten. In
der That führt auch Emier in seinem chrouologischen Werke „Rukovet
Chronologie kfestanske zvläste ceske" (Prag 1876), welches hauptsäch-
lich die Urkunden und Literatur der böhmisch-mährisch-schlesischen
Länder und ihrer Nachbargebiete berücksichtigt, Friedrich unter den
Heiligeunamen, nach welchen eine Datirung üblich, — allerdings ohne
Belegstellen — an. Alle andern chronologischen Werke, sowie auch
Grotefends Kaiendarien (II. Bd. seiner „Zeitrechnung" s. o.) lassen in
dieser Frage im Stiche. Eine neue Schwierigkeit macht nur die Fest-
stellung des Tages. Im Wiener Staatsarchiv hat man (vermutlich
Josef Helwig selbst, welcher als Official dieses Archivs im Jahre 1799
starb) die Urkunde dem 5. März zugewiesen. Ein Blick in einen
österreichischen Kalender des vorigen Jahrhunderts zeigt uns, dass
damals wirklich Friedrich am 5. März gefeiert wurde; gegenwärtig
steht Friedrich im protestantischen Kalender auf diesem Datum, im
katholischen einen Tag später, auf dem 6. März. Es ist aber wahr-
scheinlich, dass in unserem Falle die Datirung nicht nach dem Abt
Friedrich von Hirschau (gest. 1070) anzunehmen sei, sondern nach
dem Bischof Friedrich von Utrecht, welcher im Jahre 838 als Märtyrer
fiel und von jeher als der Hauptheilige dieses Namens galt. Er allein
234 Kleine Mittheilungen.
erscheint auch bei den Bollandisten (Juli IV, 460) und bei Mabillon
(Acta Sanctorum Saec. TV, 2, 590). Für ihn entscheidet sich auch
Emier a. a. 0. Sein Tag ist der 18. Juli.
Wien. M. Vancsa.
Zu dem Poststundenpass von 1500. In dieser Zeitschrift 11,
494 K hat Oswald Redlich vier Poststundenpässe aus den Jahren 1496
bis 1500 veröffentlicht, von denen namentlich der letzte zu den wich-
tigsten Quellen der Geschichte der ältesten deutschen Posten zählt.
Die Benutzung dieses wertvollen Dokumentes für meine Geschichte
des Handels und Verkehrs zwischen Westdeutschland und Italien führte
mich in einem Punkte zu einer wesentlichen Abweichung in der Be-
stimmung der genannten Postorte, und diese Differenz betrifft gerade
einen für die Geschichte der Postwesens sehr wichtigen Ort, so dass ich es
für nothwendig halte, meine Meinung geltend zu machen. Die Ab-
weichung betrifft den Ort Hausen, den Redlich und von Wieser in dem
Dorfe Hausen südöstUch Pforzheim suchten, während meines Erachtens
das Dorf Rheinhausen Speyer gegenüber gemeint ist und damit sich
dieser Ort schon 1500 als wichtigste Poststation des Oberrheins er-
weisen lässt.
Die einzelneu Boten der Strecke Mecheln— Innsbruck schrieben
ihre Vermerke über üeberuahme oder Abgabe der Packete unter-
einander. Doch hat schon Redlich darauf aufmerksam gemacht, dass
das nicht streng innegehalten wurde. Der Poststundenpass, von dem ich
durch Collega Redlichs Freundlichkeit ein Facsimile erhielt, besteht
aus einem einmal gefalteten halbeu Bogen. Noch ehe die zweite
Seite vollgeschrieben war, wurde die dritte begonnen. Das hatte
seinen suten Grund, der Bote Wolf zu Hausen wollte für einen weit
späteren Boten eine Instruktion zugeben und machte diese auch durch
ein grosses Kreuz kenntlich.
Das führte zu der Verwirrung. Schon in Hausen schrieb der
andere Bote seinen „ Leitvermerk " au die falsche Stelle und erst die
beiden nächsten Einträge, die übrigens von einer Hand herrühren,
kehrten auf die zweite Seite zurück. Der Abdruck bei Redlich hat
diesen chronologischen Faden nicht gewählt, sondern folgt der Blatt-
folge, verbindet übrigens damit die ganz richtige Aufklärung über die
Einschiebung.
Der Irrthum von Redlich und von Wieser liegt darin begründet,
dass sie zwei Einträge auf dieselbe Stunde beziehen, während genau
12 Stunden dazwischen liegen.
Zu dem Poststundenpass von 1500. oopc
Der Eintrag des Jörg von Hausen besagt, dass er die Post zu
Hausen zwischen 10 und U Uhr am Samstag angenommen habe, der
Michels mit der Schramme aber, dass er seinerseits die Post am Samstag
Nachts zwischen 10 und U ühr erhalten. Bezögen sich beide An-
gaben auf dieselbe Stunde, so müsste Michael die ganze Strecke von
Hausen bis Plochingen geritten sein, wo er seine Post an Hans v. Ulm
abgab.
Der Gang der Postboten ist vielmehr folgender:
Ä 05 ~
>
3 . -
-I := 5
o ^
> ^ >•
=> => ä
286
Kleine Mittheilungen.
N:ich meiner Berechnung reiten die Posten — sehen wir von der
Üeberfahrt über den Ehein bei Kheinhausen ab — demnach zwischen
5-6 und 7*5 Kilometer in der Stunde i), während bei Kedlich auf der
Strecke von Speyer bis Hausen bei Pforzheim meistens bei Tag nur
eine Geschwindigkeit von 5-2 Kil. erzielt ist und die folgende Strecke
von Hauseu bis Plochingen bei finsterer Nacht von Michael mit der
Schramme mit einer Geschwindigkeit von 7-9 Kilometer abgejagt wurde.
Hausen bei Pforzheim ist ein kleines Dorf, das an keiner der
späteren Poststrassen liegt, vor allem ist es unerfindlich, woher hier
zu dem Postsack ein für Antoni Welser schleunigst zu bestellender
Pack kommen sollte. Gauz anders ist die Lage von Rheinhausen, das
bis zum Ende des vorigen Jahrhunderts das wichtigste Postamt am
Rheine war, das eine Zeit lang von Gliedern des Hauses der Taxis
selbst verwaltet wurde. Es lag an der Stelle, wo die Poststrasse den
Rheiu und damit die wichtigste Verkehrsstrasse durchschnitt. Hier
wurden auch später die Fluss auf- und abwärts bestimmten Sachen ab-
gegeben und von dort kommende hier auf die Post geleitet, wie das
für Anton Welser bestimmte Packet.
Unter den Stationen nimmt Rheinhausen auch in dem Stunden-
zettel eine besondere Stelle ein. Es fehlt jede Nachricht, wie das Post-
felleisen von Speyer nach Rheiuhausen kam, nur hier ist das der Fall,
nur hier sind zwei Postboten vorhanden, der eine gibt Direktionen
^n das Postamt Söflingen und der andere fügt der Meldung der An-
nahme der Post hinzu „und hab eyn post hayn abgefurt\ Heisst das
nicht: und habe ich eine Post heimwärts (d. h. nach Mechelu) ab-
gefertigt? In späterer Zeit trafen sich die von beiden Seiten kom-
menden Boten in Rheiuhausen 2), sollte das schon 1500 der Fall ge-
wesen sein? Kaum ist ein Zweifel zulässig.
Mit andern Worten : Rheinhausen war schon 1500 der wichtigste
Posten auf der langen Postroute zwischen Brüssel und Innsbruck, was
es später geblieben ist, der Poststundenpass von 1500 gibt also noch
mehr, als sein Finder und erster Interpret in ihm vermutete. — Es
ist auch irrig, wenn Redlich glaubte, in Hausen südöstlich Pforzheim
habe sich die Post getheilt, die eine sei nach Augsburg, die andere
nach Innsbruck geführt. Gerade der Innsbrucker Zug nimmt das nach
Augsburg an die Welser bestimmte Packet bis Söflingen bei Ulm mit,
der Zug sollte an das kaiserliche Hoflager gehen, das im Augenblick
>) Ich habe den Weg Rheinhausen— Knittlingen— Entzweihingen— Cannstatt,
die spätere Poststrasse, die ich als benutzt annehme, mit der von Redlich be-
rechneten Route über Pforzheim als gleich lang angesetzt.
2) vgl. Rübsam bist. Jahrb. 13, 45 Kachweis für 1597.
Zu dem Poststundenpass von 1500. 287
in Augsburg war, er kam nach Innsbruck anstatt nach Augsburg, die
eigentliche Post verfehlte also den König, sie hätte in Söflingen die
Route verlassen und das Welsersche Packet begleiten müssen und der-
artige üebelstäude mögen dazu geführt haben die Post später statt über
Memmingen über Augsburg zu führen. Der ganze Postzug legt nur
auf die Endstationen Wert, er meidet die Städte. Aber das Hess sich
nicht aufrecht erhalten, wäre die Post über das grosse Augsburg ge-
leitet worden, so hätte das Postfelleisen keine Irrfahrt nach Innsbruck
gemacht.
Aus dem schlichten von den rauhen Händen von Postreitern ge-
schriebenen Dokumente geht also hervor, dass 1500 ein regelmässiger
Postenzug zwischen Mecheln und Innsbruck bestand und dass an dieser
Eoute Rheinhausen der wichtigste Posten war, wie auch Augsburg
bereits sich geltend macht. Des Weiteren zeigt das Dokument, dass
die ursprünglich nur für den Dienstverkehr eingerichtete Relaiskette
schon 1500 gelegentlich dem Nutzen anderer diente und gerade diese
Aufklärung ist für die Geschichte der Entstehung des Postwesens d.h.
der Umwandlung solcher rein dynastischen Zwecken dienenden Relais-
ketten in gemeinnützige Verkehrsanstalten ausserordentlich wichtig,
in diesem Sinne ist der Poststundenpass von 1500 geradezu das älteste
Dokument für die Geschichte des deutschen Postwesens.
Bi"eslau. Aloys Schulte.
Literatur.
Julius Ficker, Untersuchungen zur Erben folge der
ostgermanischen Rechte. Bd. 3 Abth. 2. Innsbruck, Wagner-
sche üniversitätsbuchhandlung 1898.
In der vorliegenden Abtheilung seiner umfangreichen Untersuchungen
zur Kechtsgeschichte sucht Ficker den Nachweis für seine fast überall mit
Widerspruch aufgenommene Behauptung, dass die älteste germani-
sche Erben folge ihren Ausgangspunkt von lediglich ein-
seitigem Erbrecht der Mutterseite genommen habe, mittelst
eingehender Darlegung der hiefür wesentlichen erbrechtlichen Bestimmungen
des westfränkischen Eechtes zu erbringen. Mit Kücksicht auf die Unsicher-
heit und Dürftigkeit der älteren Quellen schildert F. dabei regelmässig
zunächst die spätere Gestaltung der Kechtsverhältnisse, um dann an der
Hand der hierbei gewonnenen Ergebnisse den vorausgehenden Entwicklungs-
gang zu ermitteln.
Der erste Abschnitt beschäftigt sich mit der Beerbung des Vaters
(S. 244 — 290). Im Gegensatz zum späteren Kecht, das jeden parens nach
rein elternrechtlicher Folge durch seine sämmtlichen Kinder nach Kopf-
theilen beerbt werden lässt, begründet die älteste Folge durch den Einfluss
des mütterlichen douaire oder Widums beim Vorhandensein von Kin-
dern aus mehreren Ehen des Vaters eine ungleichmässige Vertheilung der
väterlichen Hinterlassenschaft unter diese Kinder. Der Widum, den die Frau
als Gegenleistung für ihre unbeschränkt bis zum Tode des Mannes währende
Hingabe von letzterem empfieng — regelmässig umfasste das douaire die
Hälfte desjenigen liegenden Guts, was der Mann am Hochzeitstage bereits
besass und bis zu seinem Tode durch Beerbung seiner Vorfahren erlangte,-
das s. g. Stockgut, — war nicht nur der Frau, sondex'n auch den von
ihr ehelich geborenen Kindern verfangen; verheiratete sich der Mann
zum zweiten- oder drittenmale u. s. w., so konnte der für die Glieder der
neuen Ehefamilie bestimmte Widum daher nur von dem um den Betrag
des früheren Widums verringerten Vatervermögen genommen werden, den
Kindern späterer Ehen mithin regelmässig lediglich ein kleinerer Widum
als den Kindern aus früherer Ehe verfangen sein. Erst in den widums-
fi'eien Rest des väterlichen Vermögens fand dann eine gleichmässige Erbfolge
Literatur. 289
aller vorhandenen Kinder statt, denen — von dem verfangenen Widum ab-
gesehen— bei Lebzeiten des Vaters keinerlei Erbanwartschaft zu-
gestanden hatte. Mit dieser letzten Behauptung tritt F. zur herrschenden
Auffassung in Gegensatz. Allein nicht nur der spätere Quellenbestand lässt
deutlich erkennen, wie sich erst an der Hand des römischen Pflichttheils-
rechts die Auffassung eines Wai-terechts ausbildete; die unbefangene Wür-
digung der früheren Ueberlieferungen kann ebenfalls nur zu dem Ergebnis
führen, dass die Sitte zwar regelmässig das Thun eines Vaters nicht billigte,
der sein freies Verfügungsrecht dazu benützte, um seinen Kindern die
Hinterlassenschaft zu entziehen, dass aber die Rechtsordnung — ausser in
einigen nichtfränkischen Anordnungen gegen Erbentrug (die nach Schlegel
1, 203 citirte Stelle der Grägäs findet sich bei Finsen 1 a, 247) und in
vereinzelten westfränkischen Schenkungsbeschränkungen — solchem Vorgehen
gegenüber versagte. Die Unbilligkeit, welche diese Theilung nach Widums-
recht für die Kinder aus mehreren Ehen enthielt, ihre Unvereinbarkeit
mit der lehenrechtlichen Folge veranlasste die nachträgliche Einführung
des Satzes, dass Widum und Erbschaft nicht zugleich beansprucht werden
dürften. On ne peut 6t re heritier et douairier. Einzelne Rechte
gelangten sogar zur Aufhebung der Widums Verfangenschaft für
die Kinder, die nunmehr das Recht auf kopfgleiche Nachlassvertheilung
erhielten — eine Gestaltung, die schliesslich die allgemein herrschende wurde.
Die Beerbung der Mutter, deren Darstellung den Inhalt des
2. Abschnittes bildet (S. 290 — 342), hat sich dagegen nach F. stets in
der Weise vollzogen, dass das Muttergut unter die sämmtlichen ehelichen
Kinder, ohne Rücksicht darauf, ob sie einer einzigen Ehe oder einer Mehr-
heit von Ehen ihrer Mutter entstammten, kopfweise vertheilt wurde. Den
Nachweis für die Ursprünglichkeit dieses nach den späteren Quellen
zweifellos beobachteten Theilungsmodus findet F. einmal darin, dass ge-
Avisse dem westfränkischen verwandte Rechte neben ungleicher Theilung
nach dem Vater kopfgleiche Theilung nach der Mutter bieten, demnach
auf ein ihnen und dem westfränkischeu Recht gemeinsames Urrecht zu
schliessen gestatten, das ebenfalls eine kopfgleiche Vertheilung des Mutter-
guts unter die Kinder eintreten Hess ; dann aber stützt F. seine Annahme
von der Ursprünglichkeit dieser kopfgleichen Theilung auch noch darauf,
dass Gesichtspunkte, die zu ungleicher Theilung nach dem Vater führten,
wie das Erstgeburtsrecht, die Zurücksetzung der Tochter,
auf die Folge nach der Mutter gar keinen Einfluss äusserten, dass endlich
— dies allerdings nur in verwandten Rechten — das Recht zur Ab-
findung der Tochter durch Aussteuer nur für den Vater und
für das Vatergut anerkannt ist, was wiederum zur Zurücksetzung der
Tochter nur rücksichtlich dieses Gutes Veranlassung gab, während das
Muttergut unter Söhne und Töchter kopfweise zu theilen ist. — F. ver-
kennt allerdings nicht, dass im Gebiet des westfränkischen Rechts sich
vereinzelt auch Normen finden, die eine kopfgleiche Theilung des Mutter-
gutes unter die Kinder ausschliessen. Dahin gehören die Coutumes von
Lorris und Orleans, nach denen das gesammte liegende Ehegut für die
Kinder der betreffenden Ehe verfangen ist, woraus eben ungleiche Theilung
nach der Mutter folgt. Allein hier handelt es sich wohl um Bestim-
mungen, die von fremdem Recht beeinflusst sind, etwa einer nieder-
Mittheilungen XX. 19
290
Literatur.
lothringisch-ostfräntischen Bevölkerung ihre Entstehung danken. Eine
weitere Ausnahme wird ferner häutig durch das Maritagium oder
Mariage, rlas Heirathsgut der Mutter, hervorgerufen, das den
Kindern der ersten Ehe vorbehalten war. Hier liegt jedoch die Nicht-
ursprünglichkeit der durch diese Umstände erzeugten kopfungleichen
Theilung des Mutterguts klar zu Tage: das Mariage übt diese Wirkung
nur beim Lehnsadel, also in einer Bevölkerungsschicht, deren Sonder-
recht sich erweislich erst in späterer Entwicklung ausgestaltet hat. —
Wie für den Vater, so bestand auch zu Gunsten der Mutter ursprünglich
deren unbeschränkte Verfügungsfreiheit über ihr Vermögen;
höchstens die Sitte missbilligte willkürliche Benachtheiligung der Kinder
durch Rechtsakte der Mutter. Gewisse Beschränkungen führte das Edikt
von 156 0 ein; vereinzelt wurde auch wohl die Verfangenschaft des Mutter-
guts zu Gunsten ihrer sämmtlichen Kinder angeordnet.
Der dritte Abschnitt (S. .342—392) gelangt zu dem Ergebnis, dass das
douaire der späteren Zeit eine Fortentwicklung der volks-
rechtlichen dos darstelle, die deshalb von F. als der ältere Widum
bezeichnet wird. Die dos ist nach F. das Kennzeichen der germa-
nischen Ehe. ihre Zusage oder Gewährung das entscheidende Merkmal
für den ehelichen Charakter einer geschlechtlichen Verbindung, eine Annahme,
die durch die fränkischen Formeln (Zeumer 288 ff.) und die gleichzeitige
kirchliche Literatur, namentlich die Angabe des Hincmar Ep. 22. (Migne
126, 132), im vollsten Umfang bestätigt wird. Die herrschende, jedoch
von Mitteis, Reichsrecht S. 286 angezweifelte Ansicht geht freilich
dahin, dass das Erfordernis der dos für den Bestand der rechten Ehe auf
römische Einwirkung zurückgehe, dass nämlich eine 458 erlassene No-
velle Majorian's, die eine ohne dos eingegangene Ehe zur illegitimen
Verbindung erkläre, die fränkische Auffassung von der Nothwendigkeit
der dos hervorgerufen habe. F. widerlegt jedoch diese, namentlich von
B r u n n e r vertretene Annahme aufs überzeugendste : es sei zunächst inner-
lich unwahrscheinlich, dass eine für Römer erlassene Norm, die zudem bereits
nach 5 Jahren durch Severus wieder aufgehoben worden sei, gerade bei
den Franken ihre Geltung weiter behalten habe; es komme ferner in
Betracht, dass die römische Novelle den Ausdruck dos im römischen
Sinne, also für die von der Frau dem Mann zugebrachte Zu-
wendung verwende, die fränkische dos aber eine ganz andere Be-
deutung, nämlich die einer der Frau vom Mann gemachten Zu-
wendung habe ; dass endlich auch andere Germanenstämme, wie Westgothen
und Skandinavier, den Bestand der ehelichen Verbindung ebenfalls von
einer der fränkischen dos entsprechenden Leistung abhängen Hessen. —
Trotz der wesentlichen Uebereinstimmung von douaire und fränkischer dos
bestehen zwischen beiden Instituten andrerseits zahlreiche Verschieden-
heiten, die jedoch von F. durchweg auf die im Lauf der Zeit nothwendig
eintretende Fortentwicklung der ursprünglichen Grundlage zurückgeführt
■werden. Die steigende Bedeutung des Immobiliarbesitzes
erklärt z. B., dass an die Stelle des alten Fahrniswidums die
Bestellung des douaire an Liegenschaften tritt; die erleichterte
Möglichkeit der Abschätzung der letzteren, dass das gesetzliche dou-
aire in einem in jedem Einzelfall nach dem Bestand des Grund-
Literatur. 29 1
eigenthums des Mannes geregelten Betrage angesetzt wird, währen d
der alte Fahrniswidum nach einem feststehenden Betrage in
Fahrnis angesetzt war. Die ältere Gestaltung des Widum weist
a.llerdings, wie die eingehende Erläuterung von Capit. 1 § 7, Capit. .5 § 4
darthut, Eigenthum der Frau auf, während ihr später am douaire
blosse Zucht gebührt. Die Umwandlung wird jedoch von F. in zu-
treffender Weise darauf zurückgeführt, dass der bei Wiederverheirathung
der kinderlosen Wittwe oder bei erblosem Tode ihrer Kinder eintretende
Uebergang der in den wertvollen Immobilien bestellten dos an die Sippe
der Frau als unbillig empfunden wurde, dass man der Beseitigung dieser
Unbilligkeit zunächst durch vertragsmässige Abmachung bei der dos-Be-
stellung vorzubeugen suchte, bis sich endlich als Niederschlag solcher
Heirathsverträge das gesetzliche douaire als blosses Nutzniessungsrecht
dei- Frau am halben oder gedrittelten Stockgut des Mannes herausbildete.
— Die alte dos konnte nach dem Tode der Mutter von den
Kindern sofort beansprucht werden ; das douaire behielt der über-
lebende Vater regelmässig bis zum Tode in Besitz, nachdem, eben-
falls zunächst durch die Sitte, die Anschauung herrschend geworden, dass
der Vater, der das Muttergut mindestens bis zur Volljährigkeit seiner
Kinder als deren Vormund verwaltet hatte, auch über diesen Zeitpunkt
hinaus die Nutzung für sich geltend zu machen befugt sei. So erlangt
das douaire allmählich den Charakter eines den Kindern ver-
fangenen Vater gutes, das jedoch in der kopfgleichen Theilung unter
die Kinder der Ehe, ohne Berücksichtigung der Erstgeburt und ohne
Zurücksetzung der Tochter, wie dies bei Vererbung sonstigen Vatergutes
der Fall, seinen Ursprung als Muttergut erweist. — Die Verfangenschaft
des in der Hand der überlebenden Mutter befindlichen Widums geht da-
gegen auf Capit. 1 § 7 zurück, das, wenn »dedit* zu »filiis suis*
gezogen wird, und letzteres nicht gleich »filii sui* zu verstehen
(B ehrend 1. Sal. 2. Aufl. S. 134 Z. 2 n. 2l), die Auffassung ergiebt,
dass die dos schon bei der Verheirathung den zu erwartenden Kindern
geschenkt war, um ihnen nach dem Tode der Mutter zuzufallen, die Verfangen-
schaft demnach unabhängig von Wiederverheirathung der Mutter ausspricht.
Die Verfangenschaft von dos oder douaire erklärt auch den Mangel eines
Wartrechts der Kinder: die unbeschränkte Verfügung der Eltern
über ihr Vermögen konnte selbst zu Ungunsten der Kinder unbedenklich
gestattet sein, da die Verfangenschaft letzteren ohnehin einen bedeutenden
Theil des Elternguts sicherte.
Im Anschluss an die von ihm dem Widum gegebene Bedeutung als
Kennzeichen der rechten Ehe untersucht F. im vierten Abschnitt (S. 393
bis 419) die Entstehung der Ehe bei den Westfranken. Während
die herrschende Ansicht die germanische Ehe auf Fraueukauf oder
Frauenraub gründet, entscheidet sich F. als Ausgangspunkt für die von
ihm als Widum sehe bezeichnete Gestaltung. Danach verkauft die Frau
sich selbst um den Widum dem Mann zur Gewährung ausschliesslichen
Geschlechtsverkehrs bis zum Tod eines der Gatten, indem sie am Widum
Eigenthum erhält und nach dem Versterben des Mannes dessen Erben
gegenüber volle Unabhängigkeit besitzt. Den Nachweis für das Zutreffen
dieses Ausgangspunktes erblickt F. in dem Umstand, dass die vom Mann
19*
292 Literatur.
behufs Ehebegründung zu entrichtenden Geldleistungen
nach den fränkischen Quellen durchweg nicht den Gewalthabern
der Braut, sondern letzterer selbst zukommen. Für den Widum
ergibt sich die Richtigkeit dieser Behauptung ohne weiteres aus seinem
Fälligkeitszeitpunkt: wäre er Zahlung an den Gewalthaber, so müsste
seine Entrichtung dem Eheabschluss vorausgehen, während er doch erst
bei Auflösung der Ehe beansprucht werden darf. Den gleichen Charakter
wie der Widum trägt auch die arrha, auch sie gebührt lediglich der
Braut selbst, nicht deren Verwandten, die höchstens als Vertreter der
Braut (»pro nepte sua orfanola* nimmt die Aebtissin bei Greg. Tur. 10,
42 die arras an) beim Empfang der arrha betheiligt sind. Allerdings werden
auch Zahlungen des Bräutigams an die Brautverwandten er-
wähnt — aber sie erfolgen nicht als Kaufpreis des Mädchens oder
des Mundiums über dasselbe, sondern es sind Leistungen, um die
Gewalthaber der Braut zur Gewährung ihres rechtserheb-
lichen Ehekonsenses zu veranlassen, demnach wegfallend, wenn
dieser Konsens von den Angehörigen freiwillig ertheilt wird. Dass dieses
Einwilligungsrecht mit einer Uebertragung des Mundiums nicht das ge-
ringste zu thun hat, beweist die gleiche Behandlung des Sohnes,
der zur Eingehung einer rechten Ehe ebenmässig des Elternkonsenses be-
darf, wie die F.'s Angaben noch ergänzenden Quellenzusammenstellungen
in meinem weiteren Beitrag zur Frage der fränkischen Weibermunt,
M. I. ö. G. Ergbd. 5 S, A. S. 14 f. darthun. Darum fehlt auch dem frän-
kischen Recht eine technische traditio puellae, werden die Braut-
leute in einer für beide vollkommen übereinstimmenden Weise zusammen-
gegeben. Durchaus zutreffend bezeichnet F. daher die dos als ein der
Braut für das ,se donner* vom Bräutigam gegebenes pre-
tium. — Von dieser Bedeutung des Widums ausgehend gelangt F., indem
er für die Begründung seiner Resultate auf spätere Detailmitersuchungen
verweist, zu der Annahme, dass die Vorstufe des Ehebegriffs, d. h.
der geschlechtlichen Verbindung zweier freier Personen, bei welcher das
Weib in die volle Gewalt eines ihrer Sippe fremden Mannes gelangt, ohne
ihre Freiheit zu verlieren, eine als rechte Friedelschaft (vom alt-
nordischen frilla = amica, concubina) zu bezeichnende Art der f r e i e n Ehe
gebildet habe, die, wie die rechte Ehe, unter Zustimmung etwaiger Ge-
walthaber, freiwillig von Mann und Weib eingegangen wurde, aber jedem
Kontrahenten die Möglichkeit beliebiger Aufgabe des Verhältnisses beliess.
Gegen Zusicherung der später als Widum auftretenden Vermögensvortheile
mochte sich dann die Friedel bereit finden, für die Lebenszeit des Mannes
auf ihre Freiheit zu verzichten und sich mit einer der zur Hausfrau er-
hobenen ancilla gleichen Stellung zu begnügen. Wurden derartige Ver-
einbarungen üblicher, so konnte sich leicht die Anschauung herausbilden,
dass die undotirte Hingabe einen Schimpf für das Weib und seine Sippe
darstelle, dass die der Gewalt des Mannes unterworfene Frau auf höhere
Ehre als die freie Friedel Anspruch erheben dürfe. Derartige Verände-
rungen in der sittlichen oder rechtlichen Beurtheilung sind durchaus nicht
ungewöhnlich. Zu dem von F. gegebenen Beispiel der allmählichen Höher-
schätzung des unfreien Ritters gegenüber dem freien Bauern können etwa
meine Ausführungen, a. a. 0. S. 10, die Bemerkungen v. Halb an' s in
Literatur 293
der Zeitschrift für Sozial- und Wii-thschaftsgeschichte Bd. 6 S. 92 er-
gänzend herangezogen werden. — Am Schluss dieses Abschnitts erläutert
F. die taciteischen Nachrichten, Germ. cap. 18, über die Bräutigamsgaben,
die, wie im späteren fränkischen Kecht, der Braut selbst, nicht deren An-
gehörigen gebühren. Die Verfangenschaft der dos zu Gunsten der
zu erwartenden Kinder (»accipei-e se quae liberis inviolata ac digna reddat«)
stimmt ebenfalls mit dem droit coutumier übereiru; am auffallendsten —
und nach F. wohl unbedenklich zu dem Schluss berechtigend, dass Tacitus
Schilderung die rechtlichen Verhältnisse gerade solcher civitates betreffe,
aus denen sich der westfränkische Stamm gebildet habe — ist aber der
Umstand, dass die dos zum Uebergang auf die Schwiegertochter
bestimmt ist (»quae nurus accipiant ^'=), wie dies in ganz gleicher Weise,
ohne dass ein dazwischen liegendes Zeugnis vorhanden, vereinzelt nach
späteren westfränkischen Quellen gilt.
Im folgenden, Mutterrecht überschri ebenen Abschnitt (S. 419 — 444)
untersucht F., ob die nach seiner Annahme über die Entstehung der Ehe
den Kindern zukommende Stellung im fränkischen Recht auch thatsächlich
von ihnen inne gehalten wird, mit anderen Worten, ob Spuren vorhanden
sind, die auf einstige Herrschaft des Mutterrechts bei den Franken zu
schliessen gestatten. F. bejaht diese Frage, indem er sich im wesent-
lichen dabei auf zwei Momente stützt. Das eheliche Kind stehe ursprüng-
lich nur zur Mutter und zu deren Sippe in vermögensrechtlicher Zugehörig-
keit, wie aus der Gestaltung des Widums und dem ursprünglichen
Mangel des Kindeserbrechts nach dem Vater hervoi'gehe. Die
1. Sal. setzt freilich im tit. .59 ein solches Erbrecht voraus. Aber ihre
Erbentafel bildet, wie F. zutreffend betont, nicht den Beginn der frän-"
kischen Rechtsentwicklung; und andere Bestimmungen desselben Gesetzes,
die, wenn stets ein Erbrecht nach dem Vater bestanden hätte, die Kinder
in erster Reihe berücksichtigen müssten, erwähnen statt ihrer die Ge-
schwister oder sonstige Rückenerben des Vaters, und erweisen damit aller-
dings, dass eine der Gesetzesredaktion voraufgehende Periode das Kindes-
erbrecht nach dem Vater nicht gekannt haben dürfte. — Zu Gunsten
ehemaliger Herrschaft des Mutterrechts spricht nach F. ferner der Um-
stand, dass die Standesverhältnisse noch im späteren Recht ver-
einzelt nach der Mutter geregelt sind (noblesse maternelle),
namentlich aber die Fassung von. 1. Rib. 58 § 9, 15, 16, durch die aus-^
drücklich nur die Nachkommenschaft der Mutter von deren capitis dimi-
nutio, nicht im entsprechenden Fall auch die Nachkommenschaft des Vaters
von desf>en Standesminderung ergriffen wird.
Während die Nachkommenfolge unter den E r bschaft sbes tan d-
theilen keinen Unterschied macht, tritt beim Mangel an Deszendenz eine
Verschiedenheit der Erbfolge ein, je nachdem der Nachlass Fahrnis
"bezw. Gewinnland, Acquet, Acquisitum, Comparatum, d.h.
Grundeigen, das der Erblasser auf anderm Wege als durch Beerbung der
aufsteigenden geraden oder der Seitenlinie erwarb, oder Erbland,
Propre, Hereditas parentum d. h. Grundeigen, das der Erblasser
durch eine derartige Beerbung erwarb, umfasst. Der sechste Abschnitt,
gemeine Rücken folge, (S. 444 — 463) behandelt den von F. als ge-
meine Folge bezeichneten Erbgang der Aszendenz und der Seiten-
294 Literatur.
Verwandtschaft in Fahrnis und Gewinnland. Für die Aszen-
d e n z gilt nach der überwiegenden Masse der Coutumes volles Vor-
fahren recht. Der Nachlass gelangt beim Fehlen von Nachkommen zu-
nächst an die Eltern, beim Vorversterben derselben an die Grosseltern und
eventuell an die höheren Aszendenten, unter Ausschluss aller Seitenver-
wandten, insbesondere auch der Geschwister, und zwar mit kopfgleicher
Theilung unter die Mitglieder der erbberechtigten Aszendentengruppe. Da
die ostfränkischen Rechte die gleiche Regelung aufweisen, ist F. geneigt,
das volle Vorfahrenrecht bereits auf das älteste fränkische Recht zurück-
zuführen, eine Annahme, die freilich mit dem Text des Titels de alodis,
1. Sal. 59, insofern in Widerspruch tritt, als hiernach »si pater et
mater non superfuerint* nicht die weitere Aszendenz, sondern die
Geschwister zu Erben berufen sind. Allein wenn ^»filii* im merovingi-
schen Latein, wie allgemein anerkannt ist, so neuerdings bei Schröder
D. R. G. 3. Aufl., S. 329 und 333, die gesammte Deszendenzzu be-
zeichnen vermag, so ist nicht von vorn herein die von F. behauptete Möglich-
keit abzulehnen, dass auch unter »pater et mater« die gesammte
Aszendentenreihe verstanden werden kann; um so wahrscheinlicher
wird diese Vermuthung durch ein allerdings weit späteres Zeugnis, Livre
de Jostice et de Plet 10, g § 2 (»Li droiz apele toz peres et meres jus-
ques au tierz genol, c'est au tierz ael), das immerhin für die Rechtssprache
eine derartige Ausdrucksweise zu bekunden scheint. — Fehlen Nachkommen
und Vorfahren, so sukzediren die Seitenverwandten nach der Gradesnähe
in Fahrnis und Gewinnland. Ob dabei Voll- und Halbgeburt ursprüng-
lich gleichgestellt war, ist bei den abweichenden Bestimmungen der späteren
Quellen nicht mehr mit Sicherheit zu ermitteln ; F. entscheidet sich für die
ursprüngliche Gleichstellung, die allerdings für die karolingische Periode
durch die langobardischen Quaestiones ac monita § 4 bezeugt wird, eine
Quelle, bei deren Benützung für die Ermittlung des fränkischen Rechts
indess grösste Vorsicht geboten ist.
Die Darstellung wendet sich der Folge in das Er bland zu, die
sich durch zwei Besonderheiten, das Nichtsteigen des propre od er-
de r hereditas parentum und das Fall recht auszeichnet. Der 7. Ab-
schnitt (S. 463 — 518) beschäftigt sich mit dem letzteren, worunter die
Geltung des Satzes zu verstehen ist. dass für die Folge beide Elternsippen
auseinandergehalten werden, der Ait, dass von der einen Seite ererbtes
Gut an den Freund dieser Seite zui-ückfällt, (paternapaternis, mater na
maternis). Das Fallrecht reicht nach F. in die Anfänge der fränkischen
Rechtsentwicklung zurück — trotz des anscheinenden Widerspruchs der
1. Sal., die das Erbrecht theils nur der mütterlichen, theils nur der väter-
lichen Seite anerkennt. Denn die Coutumes erkennen das Fallrecht durch-
gängig für alle Bevölkerungsclassen und alle Güterarten an, theilweise
sogar bis zu der Consequenz, dass beim Fehlen von Erben der berechtigten
Seite kein Uebergang auf die Erben der anderen Seite erfolgt, sondern der
Fiskus als Erbe eintritt. Eine solche Uebereinstimmung des späteren Rechts
gestattet aber in Verbindung damit, dass sich das Fallrecht auch in
anderen westgermanischen und in ostgermanischen Rechten findet, nach F.
lediglich den Schluss, dass der Satz paterna paternis u. s. w. bereits im
ältesten Recht geherrscht haben müsse. Eine Stütze erhält diese Auffassung,
Literatur. 295
die beide Elter nseiten als ausser jeder vermögensrecht-
lichen Verbindung stehend erachtet, durch 1. Sal. 62 § 2, wonach
die der väterlichen bezw. mütterlichen iElternseite an sich zustehende
Wergeidquote dem Fiskus zufällt, wenn auf der betreffenden Seite »nullus
parens non fuerit* wohl auch durch die Bestimmungen über den reipus,
1. Sal. 44, die ebenfalls einen Zusammenhang zwischen den beiden Eltern-
seiten des verstorbenen ersten Mannes ablehnen dürften. — Der umfang-
reichste Theil dieses Abschnittes ist der Untersuchung, welche Art des
Fallrechts als die dem westfränkischen Eecht ursprüngliche zu be-
zeichnen ist, gewidmet. Die Coutumes unterscheiden nach der herrschen-
den Auffassung ein einfaches Fall recht, bei welchem alles Gut der
Eltemseite an den nächsten Verwandten der Seite fällt, der Herkunft des
Guts über Vater und Mutter nicht weiter nachgegangen wird, Coutumes
de simple cöte; ein unbeschränkt fortgesetztes Fallrecht,
wobei der Herkunft des Guts bis auf den ersten nachweisbaren Besitzer
nachgegangen und das Gut dem nächsten Angehörigen des Grosseltern-
Viertels oder Urgrosseltern- Achtels, von dem das Gut herrührt, zuge-
sprochen wird, Coutumes de cöte et de ligne; endlich ein Stamm-
recht, wonach das Gut nur den Nachkommen des ersten Erwerbers zu-
fällt, Coutumes soucheres. F. 's eingehende Untersuchung gelangt je-
doch zu dem Ergebnis, dass ein unbeschränkt fortgesetztes Fall-
recht den westfränkischen Quellen unbekannt ist, indem der als an-
geblicher Beweis seiner Existenz verwendete Ausdruck Cöte et Ligne ledig-
lich tautologisch die einfache Hälftung der Sippe, also einfaches Fallrecht
bezeichnet. Von den restirenden Arten des Fallrechts erweist sich das
Stammrecht als eine spätere Bildung, die zunächst für die
Ausübung des Näher rechtes massgebend, erst im 16. Jahrhundert
auf die Erbenfolge Anwendung gefunden hat. So ergibt sich denn das
einfache Fallrecht, das nur die beiden Eltemsippen auseinanderhält
und das Erbgut lediglich auf jeder Seite ebenso nach der Nähe des Grades
vererben Hess, wie Fahrnis und Gemeingut in der Gesammtsippe vererbte,
als Ausgangspunkt der Entwicklung im westfränkischen Recht.
Im Gegensatz zur Rückenfolge der späteren Quellen, die völlige Gleich-
stellung beider Seiten aufweist, ergeben, wie der 8. Abschnitt Mutter-
rechtliche Rückenfolge (S. 519 — 54 1) darzulegen sucht, die ältesten
Bestimmungen des salfränkischen Rechts ein Erbrecht nur der Mutter-
seite. Es handelt sich dabei im wesentlichen um die Frbentafel des
tit. 59, die Normirung des reipus im tit. 44 und die Anordnungen über
die chrenecruda im tit. 58 der 1. Sal. Was zunächst die Erbenfolge
des erstgenannten Titels betrifft, so entspricht die Aufzählung der Erben
des kinderlos Verstorbenen — Mutter, gleichmuttrige Geschwister, soror
matris — allerdings dem mutterrechtlichen System — bis auf das Fehlen
des Mutter bruders, der mit der Mutterschwester auf einer Linie
stehend behandelt werden müsste. F. erklärt dies Fehlen damit, dass der
Ausdruck »soror* an dieser Stelle die Geschwister beiderlei Ge-
schlechts umfasse, eine Bedeutung von soror, die sich auch in der
1. Burg. 14 § 2 finde. Es lässt sich erwarten, dass F.'s Auslegung auf hef-
tigen Widerstand stossen wird, zumal die angebliche Parallelstelle, wie mein
Weibererbrecht S. 57 ergibt, auch bei einer soror im sonst üblichen Sinn
296 Literatur.
erklärenden Interpretation eine angemessene Auslegung finden kann.
Grösseres Gewicht ist wohl dem andern von F. hervorgehobenen Umstand
beizulegen, dass die Coutumes den Ausdruck ventre für Vollge-
schwister und auch für die Ehe verwenden, dass avunculus, der
Mutterbruder, in der Form oncle Bezeichnung auch des Vater bruders
geworden ist, dass also thatsächlich der F.'schen Auslegung von soror ent-
sprechende Fälle von Doppelbedeutung nachweisbar sind. Vielleicht hätte
hier auf die Bildung unseres heutigen Ausdrucks »Geschwister* selbst hinge-
wiesen werden können, der ja bei unzweifelhafter Ableitung von Schwester
ebenfalls Bruder und Schwester umfassen kann. Allerdings ist »ge-
swistirgit* in dieser Bedeutung erst für das 13. Jahrhundert bezeugt,
Schmeller 2. Aufl. 2. Sp. 651; allein das würde, angesichts unserer
mangelhaften Kenntnis des Althochdeutschen, nicht ausschliesen, dass ein
ähnlicher Ausdruck nicht schon in den Zeiten der salischen Gesetzesredaction
bestand, den ein des Lateinischen nicht ganz kundiger Franke dann leicht
mit soror wiedergeben mochte. Jedenfalls bildet, was vielleicht auch zu
Gunsten dieser Möglichkeit spricht, auch das Altnordische durch systkin
den Bruder und Schwester umfassenden Gesammtbegriflf mittelst einer von
der soror entnommenen Ableitung. — Grössere Bedeutung als den immerhin
manchem Zweifel Kaum lassenden Bestimmungen der salischen Erbentafel
misst F. der IXormirung des reipus bei. Es handelt sich hier, wie nach
F.'s älteren Ausführungen nunmehr wohl allgemein angenommen ist, um
Zahlungen ausschliesslich an Verwandte des verstorbenen
Mannes der Witwe, nicht um Zahlungen an Verwandte der Witwe.
Streit besteht indess darüber, wer unter diesen Mannesverwandten zum
Empfang des reipus berechtigt ist. Nach Brunner, der die Witwe be-
züglich ihrer Wiederverheiratung vom Consens der Sippe ihres verstorbenen
Mannes abhängig sein lässt und den reipus für Nachahmung einer im
Jahre 371 von Valentinian getrofi'enen Einrichtung erachtet, haben die-
jenigen Mannesangehorigen, deren Erbrecht durch die Wiederverheiratung
der Witwe keine Einbusse erlitt, auf den reipus Anspruch. F. macht da-
gegen eine Reihe von Gegengründen geltend, die wohl als zutreffend be-
zeichnet werden müssen. Gegen die römisch recht liehe Ableitung
des Institutes spricht schon die innere UnWahrscheinlichkeit, dass
die- Franken Verhältnisse des Familienrechts, bei dem doch im höchsten
Masse nationale Einflüsse wirksam werden, nach fremdem Vorbild geregelt
hätten; Valent inian's Gesetz bezieht sich ferner auf Ver-
wandte der Witwe, während der reipus lediglich Verwandte
des verstorbenen Mannnes der Witwe betrifft. Irrig ist weiter
die Annahme, dass die Witwe des Consenses der Mannes-
verwandten zur Wiedervereh elichung benöthigt habe; ein
derartiges Verlobungsrecht findet sich allerdings im sächsischen
und la ngobardischen, nicht aber im fränkischen Recht, das
übereinstimmend für seine älteste wie für die coutumiere Epoche jede Weiber-
munt ablehnt. Hier dürften meine Ausführungen, weiterer Beitrag S. 1 5 f.,
102 f., die F.'schen Auseinandersetzungen, die sich auch über die Berech-
tigung seiner Methode, den älteren Rechtszustand aus den übereinstimmen-
den Angaben späterer Quellen zu erschliessen, eingehender aussprechen,
durch einzelnes aus den Urkunden gewonnene Material ergänzen, bezw.
Literatur. goy
durchweg bestätigen. Endlich erklärt die Brunner'sche Theorie nicht die
eigenthümliche Wahl der reipus-Empfänger, die nur Mutter-
magen, den nepos sororis filius, nicht den nepos fratris
filius, den Sohn der Nichte, nicht den Sohn des Neffen, den
consobrinus von Mutterseite, nicht auch den von Vater-
seite, trifft. F. erblickt im reipus eine zwecks Abwendung der von
den Genannten dem zweiten Manne drohenden Fehde erfolgte Zahlung.
Nach ursprünglicher Auffassung habe die dos die Frau zur Treue auch
über den Tod des Gatten hinaus verpflichten sollen; wer die Witwe heiratete,
zog sich daher die Feindschaft der Gattensippe zu, deren Meidung wohl in
ältester Zeit nur durch Rückgabe des Widums, später durch eine kleinere,
schliesslich bis zum reipus herabgesunkene Zahlung erkauft worden sei.
Hat der reipus diese Function, so leuchtet die Angemessenheit der Wahl
der reipus-Empfänger ohne weiters ein: es sind dann die nach Mutter-
recht nächsten, zur Fehdeübung geeigneten Verwandten des verstorbenen
Mannes, unter denen der Oheim wegen seines höheren, ihn meist bereits
kampfunfähig machenden Alters zurückgesetzt erscheint. — Da der reipus
immer einem Mann zukommen soll, der selbst nicht Erbe des verstorbenen
Gatten der Witwe, sondern durch näherstehende Erben ausgeschlossen war,
gewährt die Aufzählung der Empfänger zugleich Aufschluss über die Ge-
staltung der Erbenfolge. Darnach ergibt sich ein Erbrecht nur der
Mutterseite. Lediglich die durch Weiber mit dem Erblasser zusammen-
hängenden Verwandten, nicht, wie bei der späteren Vererbung der materna
alle dem Erblasser durch die Mutter Blutsverwandten, sind zur Erbschaft
berufen. Die Nennung des Bruders, die sich mit dieser Auffassung
nicht verträgt, erklärt sich nach F. als ein unter dem Einfluss späterer
Umgestaltung der Erbenfolge eingetretener Redactionsmissgriff.
Auch für die chrenecruda hat, wie F. annimmt, der älteste Text ledig-
lich ein Erbrecht der Muttermagen anerkannt. Die älteste Handschri°ft
unterstützt diese Behauptung allerdings nicht; aber es sei nicht ausge-
schlossen, dass nicht eine jüngere Handschrift gelegentlich die ursprüng-
lichste Fassung enthalte. Für die chrenecruda treffe das für die Hand-
schriften der zweiten Familie, wo die Nennung der Vaterseite offensichtlich
erst später hinzugefügt sei, zu ; denn dass in irgendwelchem späteren Text
eine bereits die Vaterseite berücksichtigende Fassung wieder im Sinn
mutterrechtlicher Gestaltung folgerichtig umgestaltet worden sei, wäre
geradezu undenkbar. — Endlich verweist F. auf Bestimmungen des Metzer
Rechts und der Coutume von Bourgogne, die als Reste der mutter-
rechtlichen Rücken folge gewisse sonst nicht erklärliche Bevor-
zugungen der Mutterseite bieten.
Die Umwandlung des einseitigen Erbrechts der Mutter-
sippe zu einer beide Elternseiten umfassenden Erbenfolge
sucht der neunte Abschnitt : Zweiseitige Rückenfolge (S. 541 564),
klar zu stellen. F. weist zuerst nach, wie sich neben dem »materna ma-
ternis«, das auf rein mutterrechtlicher Grundlage erwuchs, mittelst des
droit de retour, dieses altgermanischen Bestandtheils des Schenkrechts,
auch das »paterna paternis«, und damit das das Erbgut ergreifende Fall-
recht auszubilden vermochte. Hatte nämlich der Vater, woran ihn seine
eigenen mutterrechtlich Blutsverwandten nicht zu hindern im Stande waren,
298 Literatur.
dem Kind Erbland geschenkt, so fiel letzteres mit dem kinderlosen Tode
des Kindes als Schenkgut an den Vater oder dessen Erben zurück. Als
derartige Schenkungen so häufig geworden waren, dass der Schenkungs-
wille des Vaters präsumirt wurde, gelangte das seiner Provenienz nach in
väterliches und mütterliches geschiedene Erbland beim kinderlosen Tode
eines Erblassers nun regelmässig an beide Elternseiten, so dass schliess-
lich unter Ausserachtlassung der abweichenden causa des Kückfalls gleich-
massig auf beiden Seiten ein Erbrecht der väterlichen und der mütter-
lichen Seite anerkannt wurde. — Die Entstehung des Erbrechts
der väterlichen Seite an Fahrnis und Gewinngut bringt F. mit
dem Charakter dieser Vermögensbestandtheile als ehelichen Gemeinguts
in Verbindung, der, wie das später weitverbreitete Schlüsselrecht,
d. h. die Befugnis der Witwe, unter Verzicht auf jenes Gemeingut die
Schuldenhaftung abzulehnen, beweise, dem ehelichen Comparatum von jeher
habe beiwohnen müssen. Bei unbeerbter Ehe sei je die Hälfte des Gemein-
guts dem Ueberlebenden und den Eückenerben des Verstorbenen zugefallen;
bei beerbter Ehe musste es dann als unbillig empfunden werden, dass
die Kinder, die meist selbst bei Schaffung des Comparatum mitgeholfen,
vom Vatertheil des Gemeingutes ausgeschlossen seien: die allmählich zum
Recht gewordene Sitte habe bezüglich dieses Gutes schon frühzeitig auch
ohne ausdrückliche Vergabung das Erbrecht der Kinder nach dem Vater
anerkannt, die Zulassung eines solchen Erbrechts aber nothwendig bald
die Folge gehabt, dass nunmehr zum Ausgleich auch umgekehrt ein Erb-
recht des Vaters am Comparatum der Kinder anerkannt worden sei. War
aber einmal im engsten Kreis die mutterrechtliche Auff'assung durch-
brochen, den Kindern gesetzliches Erbrecht auch nach dem Vater und diesem
nach ihnen zuerkannt, so musste das auch zur schrittweisen Gleich-
stellung der Vatermagen mit den Muttermagen beider
Seiten führen, wie sie zunächst wohl die Normirung des achasius
bekundet. Die Erbentafel des Titels de alode 1. Sal. lässt sich freilich mit
einer derartigen Entwicklung nicht vereinigen. F. macht deshalb auch
keinen Versuch, den Wortlaut des Textes damit in Einklang zu bringen,
sondern erklärt die Abweichungen der einzelnen Handschriften, deren keine
den wirklichen Grundtext enthalte, aus dem Bestreben, der ursprünglich
rein mutterrechtlichen Satzung gegenüber angesichts der thatsächlichen
Verhältnisse die Vatermagen mehr zu berücksichtigen, ein Ziel, dessen Er-
reichung die Ueberarbeiter des Gesetzes in willkürlicher Weise durch un-
genügend überdachte Einschiebsel und Abänderungen zu verwirklichen ge-
sucht hätten. Eine folgerichtige Gestaltung biete dagegen 1. Rib. 5 6, deren
Inhalt genau dem. was auch später Rechtens gewesen, entspreche.
Der folgende Abschnitt (S. 564 — 590) befasst sich mit der zweiten
Eigenthümlichkeit der Rückenfolge in das Erbland, dem Nichts feigen
(dem Ausschluss des remonter) des propre. Darunter ist im all-
gemeinen der Satz zu verstehen, dass Erbland nicht auf die Eltern oder
deren Aszendenz, sondern auf die Seitenlinie, auf Geschwister oder sonstige
nähere Seitenverwandte vererbt ; vereinzelt bezeichnet remonter indess nicht
bloss den Anfall an Vorfahren, sondern auch an Oheime oder irgendwelche
mit dem Erblasser nicht auf gleicher oder niederer Querlinie stehende
Blutsfreunde, also an alle oberen Verwandten. Die unter den französischen
Literatur, 299
Juristen seit dem 16. Jhdt. herrschende Auffassung wirft das
Nichtsteigen mit dem Fallrecht zusammen; F. weist jedoch in
eingehender Darlegung nach, dass diese Annahme nur für den häufigsten
Fall, das Ueberleben der Eltern zutrifft, nicht aber bei Ueberleben eine»
der Grosseltern, indem die etwa überlebende Vater -Mutter nicht wegen
des Fallrechts, wohl aber wegen des Nichtsteigens vom Vater -Vater - Gut
ausgeschlossen ist. Unzutreffend wird ferner das Nichtsteigen neuerdings
auf lehenrechtlichen Ursprung zurückgeführt ; denn die Lehenfolge
hat sich gerade umgekehrt der allodialen angepasst. die Erblichkeit der
Lehen übei'haupt zu einer Zeit ausgebildet, in welcher das Nichtsteigen
bereits zur Geltung gelangt war.
Der 11. Abschnitt, Erbrecht der Weiber (S. 590 — 607), erörtert
die Frage, ob der im ältesten Text der 1. Sal. angeordnete Ausschluss
des Weibes von der terra über das Nichtsteigen des Erblandes Auf-
schluss gewährt. Das scheint zunächst zuzutreffen: denn nach mutterrecht-
licher Auffassung waren nur Weiber, Mutter und Muttermagen, erbberech-
tigt, so dass, wenn an diese kein Land kommen sollte, schon damit jedes-
Steigen der terra ausgeschlossen war, sich daher annehmen Hesse, dass
beim Uebergang zum Vaterrecht dem Vater und den Vatermagen kein
grösseres Recht als der Mutter und den Muttermagen zugestanden worden
sei, also auch nur die väterliche Seitenverwandtschaft Erbberechtigung auf
das Land gewonnen habe. Allein der Annahme einer solchen Entwicklung
stehen die grössten Bedenken entgegen. Zunächst spricht der Gesetzestext
von terra überhaupt, nicht von Erbland, während das fränkische Recht
das Land als solches niemals einer besonderen erbrechtlichen Regelung
unterwarf, sondern eine rechtliche Verschiedenheit nur zwischen Erbland
und Gewinnland anerkannte. Selbst wenn aber terra, wie dies die späteren
Rezensionen durch den Zusatz Salica wohl auszudrücken beabsichtigen,
mit Erbland identisch wäre, widerspräche dem hiernach angeordneten Aus-
schluss der Weiber vom Erbland der Umstand, dass die Urkunden, worauf
ich schon in meinem Weibererbrecht S. 25 f. aufmerksam machte, uns un-
zähligemal Weiber gerade im Besitze von Erbland bezeugen. Dass
jedenfalls die Weiber nicht schlechtweg ausgeschlossen sein sollen, ergibt
der Zusatz »qui fratres fuerint« zu dem für die terra als erbberechtigt
bezeichneten virilis sexus, der nach F. als Gegensatz zu entfernteren
proximiores männlichen Geschlechts aufzufassen ist. Danach bestimmt
das Gesetz Ausschluss der Weiber durch Männer gleichen
Grades, durch Männer, welche ihre Brüder sind. Bestätigung findet diese
Auslegung in den Formeln, in denen der Vater den Töchtern neben Söhnen
Erbrecht am elterlichen Allod zugesteht, und in den Bestimmungen über
das Vizinenrecht, edict. Chilp. § .3, das — für Rottlaud — die Weiber
ebenfalls nur hinter gleichgx-adigen Männern zurückstehen lässt. Ueberaus
interessant ist dabei die Verweisung auf die luxemburgischen Coutumes
von Muno, die noch 1698 ganz entsprechende Verhältnisse, wie sie das
Edict regelt, bieten. Auch die mittelalterlichen französischen Coutumes
kennen die auf das Gebiet des Lehenrechts beschränkte Zurücksetzung der
Weiber nur durch gleiehgradige Männer an. Selbst diese Erklärung der
1. Sal., die das Weib nur in begrenzter Weise bei der Erbfolge in das
Land hinter den Männern zurücktreten lässt, muss jedoch auffallen, da
300
Literatm-.
einerseits das spätere Recht bei allem freieigenen Gut volle Gleichstellung
der beiden Geschlechter aufweist, andererseits aber auch die langobardischen
quaestiones ac monita § 4, sowie karolingische und merovingische Formeln
die gleichmässige Vertheilung des Nachlasses, des beweg-
lichen und unbeweglichen, zwischen gleichg radigen Männern
und Weibern voraussetzen. Als Erklärung des hienach zwischen den
thatsächlichen Verhältnissen und der gesetzlichen Anordnung waltenden
Widerspruchs nimmt F. an, dass die Normen der 1. Sal. nicht im
ganzen salischen Gebiete Geltung gehabt hätten, dass vielmehr
das Recht der einzelnen Bevölkerungstheile ein regional abweichendes ge-
wesen sei, so dass die Redactoren, aus Unkenntnis des nicht in ihrem
nächsten Bereich herrschenden Rechts, die nur in räumlich beschränktem
Gebiet sich findende Zurücksetzung der Weiber durch gleichgradige Männer
irrthümlich als Recht des ganzen Frankenstammes proclamirt hätten.
Nachdem sich die Regelung des Weibererbrechts für das Nichtsteigen
des Erblandes als irrelevant herausgestellt hat. sucht F. im 1 2. Abschnitt,
Anfänge des Nichtsteigens (S. 617 — 617), die wirklichen Gründe
für die Entstehung dieser Eigenthümlichkeit der Erbfolge in das Propre
zu ermitteln. Er weist zunächst darauf hin, dass bei rein mutterrechtlicher
Folge jede Veranlassung für Nichtsteigen fehlt, indem dabei von einem
auf Mutter oder Muttermutter steigenden Erbland des Kindes eben gar nicht
die Rede sein konnte. Erst mit Anerkennung des Kindes als Erben des
Vaters, der sich bald die Anerkennung des Vaters als Erben des Kindes
anschloss, konnte sich im Kindesnachlass von der vorverstorbenen Mutter
herrührendes Erbland finden, das nunmehr an sich, unter Ausschluss der
gleichmuttrigen Kindesgeschwister, auf den Vater übergegangen wäre. Der
Vermeidung dieses Erfolges diente das Fallrecht, das das gleiche Ergeb-
nis, wenn das Erbrecht von Grosseltern in Frage kam, so lange zu er-
zielen vermochte, als die Abweichung von der mutten-echtlichen Folge sich
auf die Anerkennung des wechselseitigen Erbrechts von Vater und Kindern
beschränkte, im weiteren Kreis aber noch ausschliesslich Mutterrecht
herrschte. Dann gab es doch auf jeder Seite nur einen erbberechtigten
Grosselterntheil, hier die Mutter-, dort die Vater - Mutter, für deren Aus-
schluss, dieser vom väterlichen, jener vom mütterlichen Erbland, das Fall-
recht genügte. Mit Ausdehnung des Erbrechts auf die Vater-
magen beider Seiten stellte sich dagegen das Bedürfnis des
Nichtsteigens ein, um im Interesse namentlich der Geschwister, dann
-überhaupt der frühern Miterben, den als unbillig empfundenen Anfall des
von einem Grosselterntheil der Seite herrührenden Landes an den über-
lebenden Grosselterntheil zu verhüten. Indem der Satz vom Nichtsteigen
des Erblandes sich hiernach als Ausnahme nur von einer Grundlage aus
entwickeln konnte, bei welcher im allgemeinen der Vorzug der Aszendenz
vor der Seitenlinie anerkannt war. bestätigt sich die F.'sche Auslegung
der salischen Erbentafel, wonach Geschwister erst beim Fehlen
von Vorfahren erbberechtigt waren. Auch das Nichtsteigen kann,
wie F. an einzelnen Beispielen dai'legt, im weiteren Kreis unbillige Er-
gebnisse liefern, bei der geringen praktischen Erheblichkeit solcher Fälle
ist das jedoch meist unberücksichtigt geblieben.
Der Schlussabschnitt, Ergebnisse (S. 617 — 63l), erörtert zunächst die
Literatur. '601
für das Zutreffen der F.'schen Methode, das Urreclit unter Ausgehen von den
späteren Quellen zu ermitteln, sprechenden Gründe, wesentlich in Ueber-
einstimmung mit den in früheren Theilen dieses Werkes gemachten Aus-
führungen. Daran schliesst sich eine kurze Zusammenfassung der für die
Entwicklung des westfränkischen Kechts gewonnenen Ergebnisse, die den
Werdegang des Erbrechts von seinem rein mutterrechtlichen Ausgangs-
punkte bis zu seiner coutumieren Gestaltung schildert.
Wie F. mehrfach hervorhebt, stützt sich auch in dieser Abtheilung
seines Werks ein grosser Theil der Ausführungen auf die Resultate ander-
weitiger noch nicht publicirter Untersuchungen, deren baldiges Erscheinen
die reiche und ungeschwächte Arbeitskraft des Verfassers jedoch in sichere
Aussicht stellt. Erst an der Hand dieser weiteren Veröffentlichungen wird
die Kritik die Fähigkeit zur angemessenen Würdigung der bisherigen
Darlegungen F.'s gewinnen, während zunächst die Beschränkung auf eine
möglichst erschöpfende Wiedergabe des Gedankenganges, wie sie vorstehen-
des Eeferat zu liefern versuchte, als das Gebotenste erscheint. Für nicht
wenig Einzelpunkte dürfte allerdings auch das jetzt beigebrachte Material
die Richtigkeit der F.'schen Behauptungen erweisen, so für den ursprüng-
lichen Mangel eines Erbrechts des Vaters und der Vaterseite, für das Fehlen
des Warterechtb. für die Uebereinstimmung der Coutumes de simple cöte
mit den Coutumes de Cöte et de Ligne, für das fränkische Verlobungs-
recht, für die Umgestaltung der dos zum douaire u. s. w. Und andere
Ausführungen, namentlich über die rechte Friedelschaft als Vorstufe der
rechten Ehe, tragen soviel innere Wahrscheinlichkeit in sich, dass sie auch
ohne erschöpfenden quellenmässigen Nachweis auf allgemeinste Beachtung
Anspruch erheben dürfen.
Bern. Otto Opet.
Collection de textes pour servirä l'etude etären-
seignementderhistoirei).
Im Jahre 1886 that sich eine Anzahl französischer Gelehrter, Mit-
glieder des Institut de France, Professoren der Universität und der Fach-
schulen, zusammen, um die Veröffentlichung wichtiger Geschichtsquellen
in die Hand zn nehmen. Die französische Geschichte sollte vornehmlich
berücksichtigt, die auswärtige aber damit nicht grundsätzlich ausgeschlossen
werden. Die in Aussicht genommenen Quellen gehörten allen Gattungen
an, Annalen, Chroniken, Biographien, Urkundensammlungen zur Geschichte
einzelner Perioden oder bedeutsamer Einrichtungen. Unter den Männern,
die mit der Leitung des Unternehmens betraut wurden, finden sich A. Giry,
H. Jalliffier, Ch.-V. Langlois, E. Lavisse, H. Lemonnier, A. Luchaire^
A. Molinier, M. Prou, M. Thevenin, A. Thomas.
Bis jetzt (April 1899) sind 27 Bändchen erschienen, die von der
Verlagshandlung Alphons Picard sehr gefällig ausgestattet, einen ausgezeich-
neten Eindruck machen und der Aufmerksamkeit der deutschen Historiker
empfohlen sein mögen. Register und Lihalts Verzeichnisse, Einleitungen und
') Vgl. Mittheilungen d. Inst. (1890) 11, 173 die Besprechung der Briefe
Gerberts, die das 6. Bändchen der Sammlung bilden.
302
Literatur.
Erläuterungen dienen der Bequemlichkeit des Benutzers und berechtigen
zu dem Urtheil, dass der Hauptzweck der Herausgeber, billige und hand-
liche Ausgaben zu bieten, erreicht ist. Was den inneren Wert der ge-
leisteten Arbeit, die Zuverlässigkeit des kritischen Apparates und die
Richtigkeit der angewandten methodischen Grundsätze anlangt, so muss
gesagt werden, dass die Sammlung nicht gleichmässig ist. Neben ein-
zelnen sehr guten finden sich minder gelunge Bändchen, und man muss
hoffen, dass die von der deutschen Kritik mehrfach geäusserten Bedenken
zu vorsichtigerer Auswahl der Mitarbeiter Anlass geben. Die Mängel ge-
hören meist dem Gebiete der Hilfswissenschaften an. Dem Historiker
leistet die Sammlung auch so, wie sie ist, sehr schätzenswerte Dienste,
weil es bisher in Frankreich nichts in der Art der Scriptores Kerum
Germanicarum in usum scholarum gab, und es darum ungemein schwierig
war, im Studierzimmer aus den Quellen selbst eine lebendige Anschauung
zu gewinnen. Man wird daher alles in allem dem noch jungen Unter-
nehmen sicheren Fortgang und immer bessere Erfolge wünschen. Kach-
stehend wird der Inhalt der bisher ausgegebenen Bändchen kurz besprochen
iind dabei das, was den deutschen Forscher näher angeht, besonders her-
vorgehoben. Die Eeihenfolge der Aufzählung schliesst sich soweit möglich
•an die Abfassungszeit der Quellen an.
Gregoire de Tours. Histoire des Francs, tome I, li^Tes
1 — VI; texte du manuscrit de Corbie, accompagne d'un fac-simile, public
par H. Omont. 1 vol. in-8 (XXXII— 235 p.) ; tome II, livres VII — X,
texte du manuscrit de Bruxelles, Bib. Roy. de Bruxelles 9403, avec index
•alphabetique public par Gaston Collen. In-8 (VII— 241 p.). 1886. 1893.
Les deux volumes : 12 fr. 50 ^). — Die Bearbeiter haben im Avertissement
des ersten Bändchens das Bedürfnis gefühlt, ihr Unternehmen zu recht-
fertigen, nachdem Wilhelm Arndt auf Grund langjähriger Arbeit im Jahre
1885 in den Scriptores Eerum Merovingicarum Band 1 einen kritischen
Text Gregors gegeben hatte. Eine solche Rechtfertigung wäre kaum noth-
wendig gewesen, da jede der beiden Ausgaben ihren besonderen Wert und
ihren eigenen Benutzerkreis hat. Jedenfalls wird man sich freuen, dass
das Werk des Geschichtsschreibers der Franken so bequem zugänglich
ist. Die beigegebene Handschriftenprobe zeigt eine sonst nur in Ur-
kunden übliche Minuskel. Der zum Abdruck gebrachte Text schliesst
sich eng an die Handschriften an. In Anmerkungen findet man die
Verbesserungen eines Zeitgenossen. Gregors eigene Zusätze unter-
scheiden sich von dem Zusammenhange, in dem sie stehen, durch
kleineren Druck. Ein übersichtliches Verzeichnis der Handschriften (die
1, VI angekündigte ausführliche Beschreibung der ältesten ist unterblieben)
und Ausgaben behält auch neben dem inzwischen erschienenen Abschnitt
•der neuen Auflage von Potthasts Wegvpeiser seinen Wert. Das alpha-
betische Register führt für jeden Namen sämmtliche Formen auf, eine Ein-
richtung, die namentlich Geographen und Philologen zu gute kommt. Die
Kapitelzahlen der Arndt'schen Ausgabe sowie die Seitenzahlen der alten
') Die angegebenen Preise sind die Ladenpreise: Abnehmer der ganzen
Pteihe — einige" Bändchen sind eiüzeln nicht mehr zu haben — erhalten Yer-
_günstigungen.
Literatur. 303
Ruinartschen sind vermerkt, um vergleichende Studien zu erleiclitern. Kurz
man darf wohl sagen, dass die Bearbeiter keine Mühe gescheut haben,
um durch ihre Veröffentlichung der Forschung ein wirklich brauchbares
Hilfsmittel darzubieten.
La chronique de Nantes (570 — 1049), publice avec une in-
troduction et des notes par Rene Merlet. 1 vol. in- 8 (LXXII-16.5). 1896
5 fr. 50. — In den Jahren 105 0 — 1053 schrieb ein ungenannter Dom-
herr von Nantes auf Antrieb seines Bischofs unter Benutzung des Dom-
arcbivs, alter Annalen, Briefe und Heiligenleben eine Chronik der Bischof-
stadt, worin er Thatsache an Thatsache reihte, nicht ohne hier und da
kritisches Verständnis zu bewähren. Sein Werk ist seit dem Ende des
15. Jahrhunders völlig verschollen und die Wahrscheinlichkeit es wieder
aufzufinden nur gering. Gerade um jene Zeit aber wurde glücklicher-
weise der grösste Theil der Chronik von Pierre Le Baud in dessen Histoire
de Bretagne aufgenommen und auf diese Weise der Nachwelt erhalten.
Mit Hilfe der Uebersetzung und einer Anzahl anderer Bruchstücke, über
deren Wert und Eigenart genaueste Rechenschaft gegeben wird — vgl.
auch die Stammtafel der Handschriften und Ausgaben S. XXIII ■ — hat
Merlet den vorliegenden Text hergestellt. Die lateinische und die franzö-
sische Fassung sind nebeneinander abgedruckt. In der Einleitung ver-
breitet sich der Bearbeiter über die ihm allem Anschein nach seit lange
vertrauten, sonst weniger bekannten Verhältnisse der bretonischen Land-
schaft und entwirft ein anschauliches Bild der Umwelt, aus der die Chronik
erwuchs. Was über die letzten Zeiten der Karolinger, die verheerenden
Einfälle der Normannen berichtet wird, namentlich aber die sagendurch-
wobene Erzählung der episch verherrlichten Kämpfe Ottonischer Kaiser mit
Frankreich ist, wenn nicht immer für die Kenntnis, so doch für die
spätere Auffassung der Ereignisse wertvoll.
Liber miraculorum Sancte Fidis, publie d' apres le manus-
crit de la Bibliotheque de Schlestadt avec une introduction et des notes
par A. Bouillet. 1 voL in-8 (XXXVI— 290 p.). 189 7. 7 fr. 50. —
Kaum zwölf Jahre alt, erlitt die hl. Fides im Jahre 303 zu Agen an der
Garonne, ihrer Geburtsstadt, den Märtyrertod. Ihre wunderthätigen Ge-
beine gelangten durch Diebstahl in das Kloster Conques (departement
Aveyron), wo sie auf die Pilger aller Länder eine sehr bedeutende An-
ziehungskraft ausübten. Bernhard, Domscholaster in Angers, gieng in den
Jahren 1013 bis 1020 dreimal nach Conques, um die berühmten Wunder
zu schauen und schrieb darüber einen Berieht, den er seinem hochge-
feierten Lehrer Fulbert, seit 1007 Bischof von Chartres, widmete. Von
dem uns in zahlreichen Handschriften vorliegenden Liber miraculorum
Sancte Fidis verfasste er aber nur zwei Bücher. Die beiden anderen fügte
noch im 11. Jahrhundert ein Mönch von Conques hinzu. Wie er schon
im Titel sagt, hat der Herausgeber nicht eine kritische Ausgabe geben,
sondern die beste aus dem Schlettstadter Priorat der hl. Fides stammende
Handschrift abdrucken wollen, worüber man mit ihm rechten kann i). Die
anderen Handschriften beschreibt er und fügt auch eine Uebereinstimmungs-
») Vgl. im Lit. Centralblatt 1898 Nr. 35, 1301—1305, die Besprechung von
H. H., der sehr zahlreiche Vorschläge zur Verbesserung des Textes macht.
304 Literatur.
tafel der Kapitel bei. Abweichungen von dem zu Grunde gelegten Text
berücksichtigt er nur dann, wenn sie bedeutend sind. Erzählungen, die
sich in der Schlettstadter Fassung nicht finden, lässt er in einem Anhang
folgen. Der Inhalt der Wundergeschichten geht vornehmlich den Kultur-
historiker an. Bernhard und sein Fortsetzer entwerfen, ohne es im ge-
ringsten zu beabsichtigen, ein sehr gelungenes Bild von den sozialen Zu-
ständen Südfrankreichs, besonders der Landschaften Rouergue, Quercy,
Auvergne und Languedoc. Der Herausgeber hat dankenswerter Weise
seinem Register Sachbezeichnungen wie : Guerres des seigneurs, Maladies
dangereuses gueries, Prionniers delivres u. s. w. einverleibt und damit die
bequeme Verwerthung der einzelnen Angaben ermöglicht.
Ademar de Chabannes. Chronique publice d' apres les manus-
crits, par Jules Chavanon. 1 vol. in-8 (LI — 234 p.). 1897. 6 fr. ,50. —
Ademar von Chabannes (nicht Chabanais), 1034 gestorben, widmete sein
ganzes Leben der Abschrift und Abfassung von Büchern, immer in dem
heissen Bemühen, Ruhm und Ehre des heiligen Martialis von Limoges zu
erhöhen. Einzelne Theile seines Geschichtswerkes waren längst bekannt,
aber auch die letzte und bisher beste Ausgabe von G. Waitz in den Mon.
Germ. Scriptores Bd. IV nicht vollständig. Chavanon hat die ganze
Chronik abgedruckt, aber die Entlehnungen durch kleineren Satz kenntlich
gemacht, freilich ohne die Quellen selbst zu nennen. Sie zerfällt in drei
Bücher, die bis zum Jahre 1028 reichen, aber erst im dritten, Kapitel 16
beginnt Ademars selbstständige Leistung mit Ereignissen der Jahre 830
bis 841. Am besten gelungen ist ihm die Charakterschilderung Herzog
Wilhelms III., des Grossen, von Aquitanien (t 1030), des Freundes und
Schwiegervaters des Kaiser Heinrich III. (3, 4l). Seine Erzählung bietet
die wichtigste Grundlage für die Geschichte Aquitaniens im 1 0. und
11. Jahrhundert. Auf die sonst nicht bekannten Nachrichten des ersten
und zweiten Buches macht der Herausgeber in der Vorrede S. XIII und
XIV besonders aufmerksam. Ademar benutzte dort, wo seine geschriebenen
Vorlagen ihn im Stiche Hessen, mündliche Mittheilungen seiner Zeitgenossen
mit vielem Geschick, so dass er den Eindruck grosser Glaubwürdigkeit
hervorruft. Chavanon hat sich vielfach, namentlich in der Würdigung des
Chronisten, an Waitz angeschlossen, einiges verbessert und mit vollem
Recht auf die Realien erhebliche Mühe verwendet. Eine bequeme Inhalts-
übersicht in französischer Sprache geht dem Texte voraus. Im Anhang folgen
kleine Bruchstücke des dritten Buches aus der Pariser Handschrift mss.
lat. n^. (il90 der Nationalbibliothek, in denen Leopold Delisle die eigen-
händige Niederschrift einer früheren Fassung nachgewiesen hat (Notices et
extraits des mss. 1896).
Endes de Saint-Maur. Vie de Bouchard le Venerable,
comte de Vendöme, de Corbeil, de Melun et de Paris (X® et
XP siecles), publice avec introduction par Ch. Bourel de La Ronciere.
1 vol. in-8 (XXX-45) 1892. 2 fr. 25. — Was Mabillon und spätere über
den Ursprung des Gi-afen Burkhardt gesagt haben, und was dann in die
gebräuchlichen Nachschlagewerke übergegangen ist, muss auf Grund der
Einleitung berichtigt werden. Die Grafen von Vendöme stammen weder
von den Anjou noch von den Beaugency ab, wie der Herausgeber durch
geschickte Verwertung der kanonisch verbotenenen Verwandtschaftsgrade
Literatur. 3()5
zeigt. Er meint, der Ahnherr des Geschlechts sei wohl ein durch Königs-
gunst emporgekommener Kriegsheld gewesen. Burkhardt II., genannt
Vetulus oder Venerabilis, wird zuerst in der Mitte des 10. Jahrhunderts
genannt. Als getreuer Eathgeber und Freund Hugo Kapets, der seine
Dienste durch bedeutende Schenkungen belohnte, erwarb er Ruhm und
Ansehen. Er war der letzte, der sich königlicher Graf von Paris nennen
durfte. Durch seine Stellung bei Hofe bildete er gewissermassen einen
Uebergang von dem früheren Pfalzgrafen zu dem späteren Seneschall.
Eeiche Gaben, die er der Kirche zuwandte, sicherten ihm ein dankbares
Andenken. Im Jahi-e 1006 zog er sich weltmüde in die Abtei Saint-
Maur-des-Fosses zurück, wo er 1007 (Mabillon ohne Quelle: 1012) starb.
Im Jahre 1058 beendete ein Mönch dieses Klosters, Odo, seine Vita domni
Burchardi venerabilis comitis. Zu einer Zeit, wo die Mönche von den
Gewaltsamkeiten der weltlichen Machthaber, namentlich ihres Vogtes
Wilhelm Graf von Corbeil, viel zu leiden hatten, sollte die Persönlichkeit
ihres verstorbenen Wohlthäters den Zeitgenossen zur Nachahmung näher
gebracht und empfohlen werden. Die Vita wurde damit zu einer erbaulichen
1 e c t i 0 , die übrigens unter die best geschriebenen Werke des Jahrhunderts
gehört. Der Herausgeber hat die zuverlässigsten Handschriften zum ersten
Male benützt und durch ihre glückliche Vergleichung in seiner Einleitung
auch für die Diplomatik Hugo Kapets und Roberts des Frommen einen
Beitrag geliefert. Ira Anhang giebt er den Text der durch ihr Alter bemer-
kenswerthen coutumes von Vendöme, zwar nicht nach der Urschrift in
Cheltenham, aber nach einer modernen Abschrift davon. Recht lehrreich
sind in der Vita die Schilderungen des Klosterlebens, die erkennen lassen,
wie nothwendig die Cluniacensische Reform war: zur Zeit Hugo Kapets
lebt Abt Manhard unter Hunden und Falken, froh, das Gewand St. Bene-
dikts mit kostbarer Kleidung vertauschen zu können.
Hariulf. Chronique de l'abbaye de Saint-Riquier (V^
siecle-1 104), publice par Ferdinand Lot. 1 vol. in-8 (LXXIII — 362 p.).
1894. 10 fr. — Lot hat sich mit peinlichster Sorgfalt und rastlosem Fleiss
der undankbaren Aufgabe unterzogen, aus Abschriften und Drucken die
Chronik, deren Urschrift 1713 durch Feuer untergieng. herzustellen. Vor
allem ist die weit ausholende Einleitung hervorzuheben, die alles, was mit
Hariulf irgend in Beziehung steht, eingehend darlegt, ohne freilich in
einigen sehr dunkeln Fragen, so z. B. der nach dem Antheil des Mönches
Saxowelus, das letzte Wort sprechen zu können. Dort wo der Heraus-
geber unter den mündlichen Quellen Hariulfs die Gesänge über Garmund
und Isenbart behandelt, hätte er vielleicht auf die von Delisle entdeckte
Chronik des Anonymus von Bethune hinweisen können (Notices et extraits
des mss. 34, 1. Theil 189l) — Hariulf wurde um 1060 in Ponthieu
geboren, in der Abtei Saint-Riquier erzogen, am 22. Okt. 1105 in Alden-
borg (Oudenbourg) als Abt inthronisirt und starb daselbst am 19. April
1134. Seine Werke sind ziemlich zahlreich: Heiligenleben, Wunderbe-
schreibungen, Gedichte, Grabschriften, ein römischer Reisebericht. Die
Chronik umfasst die Geschichte von Centulum — dieses der alte Name
von Saint-Riquier — von der Gründung im 7. bis zu den letzten Jahren
des 11. Jahrhunderts. Besonderen Wert haben darin die Mittheilungen
über die Beziehungen der Aebte zu Karl dem Grossen und Ludwig dem
Mittheilungen XX. 20
306 Literatur.
Frommen sowie die Urkunden, deren Urschriften 1131 in einem Brande
vernichtet wurden. Als störend macht sich bei der Benützung die sehr
erhebliche Menge der Zusätze und Berichtigungen bemerkbar, 9 ganze
Seiten (S. 323 — 331), wenn sie auch andererseits beweist, wie viel Wert
der Herausgeber auf thunlichste Verbesserung seines Werkes legte. In
1 1 Anhängen gibt er die Belege für die Ausführungen der Einleitung.
S. 318 wird eine schon gedruckte Urkunde Karls des Grossen wiederholt.
Galbert de Bruges. Histoire du meurtre de Charles le
Bon, comte de Flandre (ll27 — 1128), suivie de Poesies contem-
poraines sur cet evenement, publ. avec introduction et notes par H. Pi-
renne. (CXL— 204 \\). 1891. 6 fr. — Am 2. März 1127 wurde Karl
der Gute von Dänemark, Graf von Flandern, in Brügge aus Privatrache
ermordet. Das Ereignis rief überall das grösste Aufsehen hervor. Der
gräfliche Notar Galbert aus Brügge, der in näheren Beziehungen zum
Stifte des hl. Donatian daselbst stand, begann gleich nachher auf Wachs-
tafelu ein Tagebuch zu führen, das er später umarbeitete. Der uns vor-
liegende Text nimmt eine Mittelstellung zwischen der ersten flüchtigen
Xiederschrift und der endgiltigen Fassung ein. Er schliesst mit dem
Siege Dietrichs von Elsass über Wilhelm von Normandie. Der Hauptwert
des Berichtes liegt in seiner ungekünstelten Schmucklosigkeit und natür-
lichen Frische. Der Herausgeber hat alles gethan, um den Leser in die
Eealien einzuführen. Die Anmerkungen zeugen von vorzüglicher Kenntnis
der flandrischen Geschichte. Besonders dankenswert sind die Stamm-
tafeln der Grafen von Flandern von 1067 — 11 68 und des Propstes Ber-
tulf, des Hauptschuldigen an dem Morde, sowie die lateinischen Gedichte
des Anhangs. Der Text beruht auf Handschriften, die Köpke in den
Scriptores 12, 561 nicht heranzog. Ueberdies benutzte dieser die Aus-
gabe der Acta Sanctorum im fehlerhaften Abdruck Langenbecks.
Pierre Dubois. avocat des causes ecclesiastiques au bailliage de
Coutances, sous Philippe le Bei. De Kecuperatione terrae sanctae,
traite de politique generale, publie d'apres le manuscrit du Vatican, par
Ch.-V. Langlois. (XXIV — 144 p.). 1891. 4 fr. — Eine merkwürdige
Gestalt, dieser Peter Dubois: 1250 — 60 nahe bei Coutances in der Nor-
mandie geboren, 1300 daselbst königlicher Advokat, sein Leben lang von
keinem anderen Wunsche erfüllt als dem, durch seine zahlreichen politischen
Mugschriften die Aufmerksamkeit des Königs auf sich zu ziehen und in
dessen Eath einzutreten, erreicht er dieses Ziel nicht und stirbt, den Zeit-
genossen ziemlich unbekannt, als Bailli der Gräfin Mathilde von Artois
bald nach 1321. Unter seinen Schriften — eine davon sollte nach dem
Tode König Albrechts Philipp den Schönen bewegen, die Kaiserkrone durch
Papst Klemens V. zu erlangen — ist die vorliegende die bedeutendste.
Der Herausgeber hat aus den anderen, namentlich aus der ungedruckten
Summaria doctrina . . . ahreriationis guerrarum ac litiiim regni Francorum^
wertvolle Stellen ausgehoben und in die Anmerkungen gesetzt. Die
Abhandlung De recuperatione wurde zwischen 1305 und 1307 verfasst.
Die Kreuzzugspläne sind in Wirklichkeit für den Verfasser nur ein Vor-
wand, um nationale und internationale Reformen zu entwickeln. Immer
wieder trägt er seine Auffassung lebhaft, aber häufig unklar vor. Er
empfiehlt allgemeine Friedensvereinbarungen, Abschaffung des Coelibates,
Literatur. 307
Verbesserung der Mädchenschulen, Zurückweisung aller päpstlichen Ueber-
griffe, und äussert niclit selten Gedanken, die ihn als Voiiäufer der Re-
naissance und der Reformation erscheinen lassen. Eindruck machte er
damit bei dem Könige, der Naturen vom Schlage Nogarets vorzog, nicht.
Er war und blieb ein einflussloser Träumer. In der Geschichte der poli-
tischen Theorien wird man ihm einen ehrenvollen Platz nicht versagen.
Mit Hilfe des beigegebenen Sachregisters kann man sich rasch über Ein-
zelheiten unterrichten. So sind z. B. in § 1.3 die Bemerkungen über die
Kaiserwahl im deutschen Reiche lehrreich. In § 116 zeigt er, dass er
über die Unterredung, die König Albrecht und Philipp der Schöne im
Dezember 1299 zu Vaucouleurs hatten, weitverbreitete Irrthümer theilt.
Es hiess nämlich, Albrecht habe die Rheingrenze und anderes zugestanden,
um die Kaiserwürde in seinem Hause erblich zu machen. Für das An-
sehen, das Deutschland damals noch genoss, spricht eine Stelle aus der
doctrina ahreviationis : Xon apparet nee occurrit scriptori, qualiter regni
Alemannie subiectio alias quam propter convencionem posset adquiri,
Annales Gandenses, nouvelle edition publ. par Frantz Funck-
Brentano. (XLVIII — 132 p.). 1896. 4 fr. 25. — Die Quelle war schon
drei Mal gedruckt, zum letzten Male von Lappenberg in den Scriptores
16, .555, dessen Ausgabe nur noch mit grosser Vorsicht zu brauchen ist.
Der Titel Annales Gandenses ist genau genommen ganz ungeeignet, da
von Gent nicht mehr die Rede ist als von Lille oder Brügge. Sie reichen
von 1296 — 1310 und bringen so vielen treflPlichen Stoff, dass sie die her-
vorragendste Chronik ihrer Zeit genannt zu werden verdienen. Der Verf.,
ein ungenannter Minorit französischer Nationalität aus Gent, der im April
1308 zu schreiben anfieng und vor Juni 1337 seine Fortsetzung beendete,
gab sich redliche Mühe, die Wahrheit von Augenzeugen zu erfahren. Den
Franzosen ist er feindlich gesinnt, weil diese das Patriziat der flandrischen
Städte begünstigten, während er den Zünften anhieng. Der Herausgeber
hat in der Einleitung S. XXXI ff. die geschichtlichen Bedingungen der
Erzählung mit der ihm eigenen eindringenden Gelehrsamkeit klargelegt,
inzwischen aber über alle diese Dinge ein umfangreiches Werk ver-
öffentlicht: Les origines de la guerre de Cent ans. Philippe le Bei en
Flandre. Paris 1896. Das Wesentliche ist, dass während die reichen und
blühenden Städte Flanderns, mit denen sich damals nur Florenz und Ve-
nedig vergleichen Hessen, durch innere Kämpfe zwischen den maiores und
minores zerrissen wurden, der Graf von Flandern, der erste Vasall der
Krone, nur unwillig die Suzeränität des Königs von Frankreich ertrug,
und der Streit der Avesnes mit den Dampierre dem Könige willkommene
Gelegenheit zur Einmischung bot. Der Einfluss des deutschen Reiches, zu
dem der Hennegau gehörte, trat immer mehr zui'ück. — Das Register ist
ganz besonders praktisch und entlastet die Anmerkungen. Zum Schluss
des Prologus, wo der Verf. sagt, er fange das Jahr immer, wie auch
Ostern falle, am 25. März an, ist Grotefend, Zeitrechnung 1, 141 zu ver-
gleichen.
Chronique Artesienne (l295 — 1304), nouvelle edition, et
Chronique Tournaisienne (1296 — 1314) publiee pour la premiere
fois d'apres le manuscrit de Bruxelles p. F. Funck-Brentano. (Avec une
carte inedite du Comte de Flandre au XIIP siecle.) 1899. (XXIV — 127 p.).
20*
308 Literatui.
— - Die Chronik von Artois wurde 1863 im 4. Bande des Coi-pus Chro-
nicorum Plandriae nach der Abschrift eines paläographischen Anfängers
sehr schlecht gedruckt. Der Verf. stammte wohl aus Atrecht selbst und
schrieb vermutlich gegen Ende 1304. Die einzige erhaltene Handschrift
aus der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts ist leider unvollständig. Das
Werk verdient, abgesehen von seinem sehr wertvollen geschichtlichen In-
halt, wegen der schriftstellerischen Kunst des Verfassers einen Ehrenplatz
in der französischen Literatur und zeugt von der geistigen Blüte Atrechts.
Die Chronik von Tournai war bisher ungedruckt. Sie Avurde erst
um die Mitte des 15. Jahrhunderts in kurzen, ziemlich zusammenhanglosen
Abschnitten, aber nach guten Quellen verfasst. Einzelne Nachrichten
darin finden sich sonst nirgends. F.-B. gibt die Theile des Werkes, die
der Regierungszeit Philipps des Schönen entsprechen, in Anmerkungen zu
der Chronik von Artois und zwar in der Weise, dass durch die Vereini-
gung der Bruchstücke das Ganze hergestellt werden könnte. Gleichfalls
in Anmerkungen werden Stellen aus dem Geschichtsspiegel Ludwigs van
Velthem in französischer Uebersetzung geboten.
Die Erläuterungen sind, wie bei der hervoiTagenden Sachkenntnis des
Herausgebers nicht anders zu erwarten, sehr gut. Die Ausbeute für die
deutsche Geschichte ist gering. Neben der Erwähnung deutscher Söldner
kommt eigentlich S. 34 nur die Notiz in Betracht, die der Hochzeit Rudolfs,
des Sohnes König Albrechts, und Blankas, der Schwester Philipps des
Schönen, zu Ende Mai 1300 gedenkt. Vgl. dazu Eschlei-, Die Heirat
zwischen Herzog Rudolf IIL und Bianca, Programm Wiener-Neustadt S. 17
und Funck-Brentano, Philippe le Bei en Flandre S. 325 und 344.
Darnach ist Seemüller in der Ausgabe Ottokai-s von Steiermark S. 991,
Anm. 3 zu berichtigen. — Von allgemeineren Gesichtspunkten aus er-
scheint das Verhältnis Frankreichs zu Flandern, wie es sich nunmehr um
die Wende des 13. Jahrhunderts aus den Quellen ergibt, für Deutschland
sehr bedeutsam, wenn auch nicht gerade ei'freulich. Denkt man etwa
daran, wie Kaiser Friedrich I. in den Krieg des Grafen Philipp von Flan-
dern mit Philipp IL August eingriff, so offenbart sich nur allzu klar die
Einbusse an thatsächlicher Macht, die das deutsche Reich in 100 Jahren
an der Westgrenze erlitt.
Textes relatifs a l'histoire du Par lerne nt depuis les
origines jusqu'en 1314, publies par Ch.-V. L a n g 1 o i s. (XXXVI —
248 p.). 1888. 6 fr. 50. — Die Ursprungsgeschichte der Curia regis,
die im 13. Jahrhundert den Namen Parlament annahm (Nr. XXII zu 1239:
pallamentum) , umfasst die Zeit vom Regierungsantritt der Kapetingischen
Dynastie bis zum Ende der Regierung Philipps des Schönen. L., der die
Absicht ausspricht, in einem anderen, bis heute aber nicht erschienenen
Werke ^) seine theoretische Auffassung über die Entstehung des Parlamentes
YOi'zutragen, macht in der auf gründlichster Sachkenntnis beruhenden Ein-
leitung Mittheilungen über die Quellen der Parlamentsgeschichte im ^littel-
alter, namentlich die älteren Archivverhältnisse und stellt dann mit kurzen
erläuternden Zusätzen die einschlägige Literatur zusammen. Eines seiner
1) Ueber die inzwischen herausgekommenen Veröffentlichungen von Guil-
hermoz und Aubert vgl. Mittheilungen d. Inst. (1898) 19, 365.
Literatur. 309
"wesentlichen Ergebnisse würde kurz gefasst folgendermassen lauten: alle
Kegister gehen auf den rötulus parlamenti als den gemeinsamen Ahnherrn
zurück. Aus diesem haben sich die Olim, dann die Juges, endlich die
Registres du Greffe entwickelt. Damit wurde der rotulus entbehrlich und
konnte fortfallen. In dem Bändchen werden nach zeitlicher Folge alle
diejenigen Actenstücke und Chronikenauszüge (z. B. aus Joinville) ange-
führt, die juristischen und typischen Wert haben und infolgedessen Ein-
richtung, Geschäftsgang- und Bereich der Curie, ihre ganze Wirksamkeit
nach innen und aussen klar erkennen lassen. Die meisten Texte waren
schon gedruckt, aber fehlerhaft und zudem schwer zugänglich. Die neue
Ausgabe dient vor allem rascher und sicherer Einführung. Beigegeben
sind Verzeichnisse der Parlamente von 1255 — 1314, der Beamten und
der Kunstausdrücke. Für die Anfänge der Curia im 12. Jahrhundert
VFÜrden vielleicht den Briefstellern und Formularbüchern brauchbare Notizen
zu entnehmen sein. Vgl. Cartellieri, Philipp August, 2. Buch Beil. S. 91.
Les grands traites de la guerre de Cent ans, publ. par E.
Cosneau. (VII — 187 p.). 1889. 4 fr. 50. — Es gibt kein, wissenschaft-
lichen Ansprüchen genügendes Werk über den lOOJährigen Krieg zwischen
Frankreich und England, der Frankreich von der seit Philipp August
mühsam erklommenen Machtstellung herabstürzte, ohne dass von deutscher
Seite die Gunst der Lage irgend wie zu einer nationalen That ausgenutzt
wurde. Die neueste und wohl auch beste Zusammenfassung ist die von
A. Coville im dritten Bande der Histoire generale von Lavisse und Eam-
baud 1). Der Grund dieses Mangels liegt darin, dass man wohl weiss,
wie ungeheuer umfangreich die einschlägigen ungedruckten Archivalien des
Public Record Office in London sind. Ehe diese nicht verwertet oder we-
nigstens systematisch untersucht sind, kann von einer eindringenden
Kenntnis der Dinge kaum die Eede sein. Der Herausgeber hat sich mit
Recht auf das Erreichbare beschränkt und damit ein Hilfsmittel geschaffen,
das etwa in Deutschland, wo man der Einzelheiten w^eniger bedarf, als
Gerippe der diplomatischen Geschichte des Krieges überhaupt gelten kann.
Die aufgenommenen Verträge sind die von Bretigny (l360)^), Troyes
(1420), Arras (1435), die Waffenruhen von Paris (l396) und Tours (1444),
der Vertragsentwurf von London (1359). In Anhängen folgen erläatemde
Actenstücke. Die Texte sind sorgfältig, soweit möglich nach den Ur-
schriften, hergestellt. Einem jeden geht eine knappe Uebersicht über die
vorbereitenden Verhandlungen und Ereignisse voraus. In Tours wird
1444 (S. 162. 187 Nr. 2) König Friedrich III. als Bundesgenosse Englands
und Frankreichs genannt. ^i-iw : -
') Beiläufig bemerkt, hat dieses trotz einzelner Mängel treffliche Werk in
Deutschland nicht die Verbreitung gefunden, die es verdient. Es bietet die ein-
zige auf der Höhe der Zeit stehende, geschmackvoll geschriebene Geschichte
Frankreichs mit bibliographischen Nachweisen, die es gibt. Man muss sie sich
freilich aus zahlreichen Bänden (bis jetzt ihrer zehn, die mit der Mitte dieses
Jahrhunderts abschliessen) zusammenstellen.
2) Im Moyen-äge 10 (1897), 1—35 veröffentlichen Ch. Petit- Dutaillis und
dessen Schüler P. Collier einen lesenswerten Aufsatz über die französische Diplo-
matie und den Vertrag von Bretigny, aus dem hervorgeht, dass die französischen
Unterhändler viel feiner und gewandter waren als die englischen und diese hin-
einlegton. ■ •- ----- . - , -i-u .^; .^ :,
3 10 Literatur.
L' ordonnance Cabochienne (Mai 1413), publiee avec une in-
troduction et des notes, par A. Coville. (XII — 202 p.). 1891. 5 fr. 50. —
In dem Bürgerkrieg, der seit der Ermordung Herzog Ludwigs von Orleans
im Jahre 1407 Frankreich zerriss, standen sich die Armagnaken und die
Burgunder gegenüber. Der Friede von Auxerre vom 22. August 1412
wurde mit grosser Freude aufgenommen. Allgemein war das Bedürfnis
nach Eeformen. Die radikalen Handwerker in Paris und die Fleischerzunft^
seit lange von dem Burgunderherzog verwöhnt, bemächtigten sich unter
der Führung des Schinders Caboche der Gewalt und erzwangen am 22. Mai
1413 eine Verordnung, die am 26. und 27. Mai feierlich in einem Lit
de justice verkündet wurde. So entstand die Ordonnance Cabochienne, ein
ganzes Verwaltungsbuch von 258 Bestimmungen, das hauptsächlich darauf
hinzielte, die Zahl der Beamten zu vermindern und die Einkünfte der
Krone einer scharfen Prüfung zu unterwerfen. Aber die Durchführung
erwies sich in dieser stürmischen Zeit als unmöglich. Die Armagnaken
gewannen die Oberhand, und am 5. September wurde die Ordonnance
wieder aufgehoben. Schon daraus erhellt, dass sie nur einen bedingten
Wert hat, als Zusammenfassung von Wünschen, deren Verwirklichung
nicht gelang. Leider hat sich der Herausgeber darüber nicht weiter ge-
äussert, da er das schon in seiner 1888 erschienen Doktorarbeit: Les
Cabochiens et l'Ordonnance de 1413, gethan hatte und wohl eine Wieder-
holung vermeiden wollte.
Documents relatifs ä l'administr ation financiere en
France, de Charles VII ä Fran^ois I^"" (1443 — 1523), avec intro-
duction, publ. par G. Jacqueton. (XXXII — 324 p.). 1891. 8 fr. 50. —
Die vom Herausgeber gewählte Periode war einmal bisher wenig bekannt.
Dann zeichnet sie sich in hervorragender Weise durch Einheitlichkeit aus,,
grenzt sich deragemäss auch vortrefflich gegen die frühere und die spätere
Entwickelung ab. Die Einnahmen der Krone zerfielen damals in ordent-
liche und ausserordentliche: jene stammten aus den Domänen im weitesten
Sinne, bei diesen unterschied man wieder Salzsteuer (gabeile), Verbrauch-
steuern (aides) und Grundsteuer (taille). Wie dann die Einziehung geschah,,
wie sich die Befugnisse der höheren und niederen Beamten gestalteten,
wie gewisse Landschaften eigentümliche Einrichtungen ausbildeten, muss
man in der höchst inhaltreichen und durchaus klaren Einleitung des Her-
ausgebers nachlesen ; sie kann als knappster Umriss einer Finanzgeschichte
innerhalb der bezeichneten Jahre angesehen werden. Die nach den besten
Quellen abgedruckten Texte gehören zwei Gattungen an, königliche Ver-
ordnungen einerseits und lehrhafte Abhandlungen aus dem 16. Jahrhun-
dert andererseits. Unter den ersteren wird man Nr. 1 1, . 1495/1 ättü^
eine Art ministeriellen Rundschreibens, wie man heute sagen würde, be-
achten. Unter den letzteren ist Nr. 19, le Vestige des Finances betitelt,
der Aufmerksamkeit würdig, da darin ein für angehende Kanzleibeamten
berechnetes Handbüchlein vorliegt.
Documents relatifs aux rapports du clerge avec la
royaute, de 1682 ä 1705 publies par L. Mention. La Regale,
l'affaire des franchises, l'edit de 1695, les Maximes des Saints, le Janse-
nisme de 1705. (V — 186 p.). 1893. 4 fr. 50. — Den Beziehungen der
gallikanischen Kirche zu Papsttum und Königtum kommt eine weit über
Literatur. y J^ 1^
Frankreich hinausreichende Bedeutung zu. Unter Ludwig XIV. war die
Lage die, dass die Geistlichkeit zwar mit ihm dem Papsttum Widerstand
leistete, dafür aber in eine drückende Abhängigkeit von dem mindestens
ebenso unduldsamen Königtum geriet. Die Actenstücke über diese Dinge
sind ungemein zahlreich, in unhandlichen älteren Sammlungen zerstreut.
Es ist daher mit Dank zu begrüssen, dass diese Auswahl getroffen worden
ist. Ein zweites Bändchen ist angekündigt und wird von 1705 — 1789
reichen, d. h. von der Bulle Vnigenitus bis zur Eevolution. Der Inhalt
des vorliegenden gliedert sich in fünf Gruppen. 1. Freiheiten der
gallikanischen Kirche, 12 Actenstücke von 1682 — 1693, darunter
Nr. 4, die berühmte Declaration du clerge de France sur la jmissance
ecclesiastique vom 19. Mai 1682, die aber 1693 widerrufen wurde. Die
Auseinandersetzung der beiden Parteien über die Grenzen von Staat und
Kirche sind gerade heute besonders zeitgemäss. Bei den Verweisen auf
ältere kirchliche Schriftsteller hätte der Herausgeber die neuen Ausgaben
berücksichtigen können. Wer in der zugehörigen mittelalterlichen Literatur
nicht genau Bescheid weiss, kann ohne zeitraubendes Suchen nicht leicht
nachschlagen. Und gerade die zum Beweise angeführten Stellen aus Ivo
von Chartres, dem hl. Bernhard, Innocenz III., Bonifaz VIII. u. s. w.
haben ihren eigenen Wert. — 2. Quartier fr eiheit in der Stadt
Rom, 4 Actenstücke von 1687 und 1688. S. 104 beginnt ein für die
allgemeine Politik Ludwigs XIV. sehr lehrreicher Brief von ihm an den
Papst vom 6. Sept. 1688- Der Ton ist sehr entschieden. Lenkt der Papst
nicht ein, so wird der König Gegenmassregeln ergreifen. Im Anschluss
an die neue Veröffentlichung von Max Immich, Zur Vorgeschichte des
Orleans'schen Krieges erscheint besonders eine Stelle (S. 1 1 o) bemerkens-
wert. Der König droht dem Papste, ihn nicht mehr als Vermittler im
pffälzischen Erbfolgestreite anzuerkennen. Er werde schon selbst dafür
sorgen, dass seiner Schwägerin (der Lise Lotte) gegen die gewaltsamen
Uebergriffe des Kurfürsten von der Pfalz ihr Eecht werde. — 3. Erlass
von 1695 über die geistliche Gerichtsbarkeit. — 4. Theolo-
gische Steitfrage über Fenelons im Januar 1697 erschie-
nenes Buch, Maximes des Saints, 10 Actenstücke von 1697 — 1699,
bis zu Fenelons Widerruf. — 5. Der Jansenismus im Jahre 1705,
4 Actenstücke über die Verdammung von 5 Sätzen, die im Augustinus
des Jansenius enthalten waren. Technisch steht die Ausgabe nicht ganz
auf der Höhe. Den Ueberschriften sollten immer die Daten beigegeben
und diese im Inhaltsverzeichnis wiederholt sein. S. 152 Nr. 6 ff., ein
Brief Ludwigs an den Papst, trägt gar kein Datum ! Gelegentlich ist auch
die fortlaufende Bezifferung der Actenstücke fortgefallen (S. 83. 104).
Les grands traites du regne de Louis XIV, publies par
Henri Vast, fasc. I. (XIV — 187 p.). 1893. 4 fr. 50; fasc. IL 1898.
5 fr. 60. — In dem ersten Bändchen haben die folgenden Verträge Auf-
nahme gefunden: der westfälische Friede (24. Okt. 1648); die Abtretung
des Elsass an Frankreich, einmal durch Kaiser und Reich, dann durch
Kaiser Ferdinand III. und die österreichischen Erzherzöge (gleichen Datums) ;
der Rheinbund (l5. Aug, 1658) zwischen Ludwig XIV. und mehreren
deutschen Kurfürsten und Fürsten; der pyrenäische Fiiede (7. Nov. 1659),
zwischen Frankreich und Spanien auf der Fasaneninsel an der Grenze
312 Literatur,
beider Länder geschlossen, sammt der zugehörigen Heiratsabrede zwischen
Ludwig XIV. und der Tnfantin Maria Theresia. Im zweiten Bändchen
stehen: der Aachener Friede (2. Mai 1668) zwischen Ludwig XIV. und
Karl IL von Spanien; die Nymweger Verträge, nämlich der Friede
zwischen Ludwig XIV. und den Generalstaaten (lO- Aug. 1678); der
Handelsvertrag zwischen denselben (gleichen Tages), der Friede zwi-
schen Ludwig XIV. und Karl IL von Spanien (l7. Sept. 1678) und der
Friede zwischen Kaiser Leopold und Ludwig XIV. (.5. Febr. 167 9);
der Friede von Saint-Germain zwischen Ludwig XIV. und dem grossen
Kurfürsten (29. Juni 1679): der ebenda von denselben abgeschlossene
geheime Vertrag (25. Oktober 1679); der Regensburger Waffen-
stillstand zwischen Kaiser Leopold und Ludwig XIV. (l5. Aug. 1684);
der Waffenstillstand zwischen Ludwid XIV. und Karl IL von Spanien
(gleichen Datums) ; der Friede von Turin zwischen Ludwig XIV, und
Viktor Amadeus IL von Savoyen (29. Juni 1696); der geheime Vertrag
zwischen denselben (gleichen Ortes und Tages), der Friede von Ryswyk
zwischen Ludwig XIV. und den Generalstaaten (20. Sept. 1697); der
Handelsvertrag zwischen denselben (gleichen Ortes und Tages) ; der Friede
zwischen Ludwig XIV. und Wilhelm ILL von England (20. Sept. 1697
gleichen Ortes); der Friede zwischen Ludwig XIV. und Karl IL von
Spanien (gleichen Ortes und Tages) ; der Friede zwischen Kaiser Leopold
und Ludwig XIV. (30. Okt. 1697, gleichen Ortes).
Dem Abdruck eines jeden Vertrages gehen voraus eine übersichtliche,
zum Theil auf ungedruckten Quellen beruhende Einleitung über die vorberei-
tenden Verhandlungen, eine Bibliographie der Drucke wie der einschlägigen
Archivalien und Darstellungen, sodann Bemerkungen über die Urschriften.
Schon daraus erhellt, welch erhebliche wissenschaftliche Arbeit in den
beiden W^erkchen steckt. Die Texte werden nach den Urschriften in der
Ursprache gegeben. Am Anfang des ersten Bändchens macht der Heraus-
geber sehr wertvolle Mittheilungen über die archivalische Ueberlieferung
der diplomatischen Briefwechsel des Zeitraumes überhaupt, über die Unter-
händler, die unterfertigenden Gesandten, die grossen diplomatischen Xach-
schlagewerke. Unter dem Text finden sich zahlreiche, sehr willkommene
Anmerkungen zur Erläuterung von Einzelheiten. Nicht nur der Historiker,
sondern von allem auch der Politiker, der sich rasch über die europäische
Geschichte des 17. Jahrhunderts, des grossen Jahrhunderts der französi-
.schen Staatskunst, unterrichten will, wird gern zu der Sammlung greifen,
— deren Fortfühi'ung während des 18. Jahrhunderts hoffentlich nicht lange
auf sich warten lässt. Im Inhaltsverzeichnis dürften die Daten der
Verträge nicht fehlen. Auf S. 9 müsste bei dem Hinweis auf die Quellen-
kunde von Dahlmann-Waitz deren neueste Auflage von Steindorff kennt-
lich gemacht werden. Der Titel des bekannten Werkes von Lünig wird
einige Male nicht richtig deutsch abgedruckt, ebensowenig der Titel des
Buches von Knaff, 2. Bd. S. 43 Anin. 5. S. 34 Z. 3 des Textes von unten
muss es heissen ßinche, Courtrai. S. 166 Z. 5 v. u. ist zu lesen Klopp.
Die deutschen Geschichten Erdmannsdörffers und Zwiedinecks v. Südenhorst
durften bei den bibliographischen Angaben nicht fehlen.
^Die Reihe der Schriften, deren Veröffentlichung künftig erfolgen soll,
ist zu lang, um hier Aufnahme zu finden. Es mag genügen, auf die
Literatur. 313
Ankündigungen des Picard'schen Verlages zu verweisen und nur diejenigen
Titel auszuheben, die für Deutschland besonders in Betracht kommen:
Spanheim, Kelation de la cour de France sous le regne de Louis XIV.;
Vie de Louis le Pieux par l'Astronome; Flodoard, Annales; Gesta Inno-
centii III. Für später sei es gestattet, die Aufmerksamkeit des leitenden
Ausschusses auf Guido von Bazoches, den Anonymus von Laon (ßecueil
13,677; 18, 702. MG. SS. 26, 442) und vor allem auf des Gervasius
von Tilbury Otia imperialia zu lenken. Gervasius war ja geborener Eng-
länder, aber sein langer Aufenthalt in Arles machte ihn zum Franzosen.
Sein genanntes Werk ist eine Art Encyclopädie aus dem Anfang des
13. Jahrhunderts und zeichnet sich unter anderem durch die starke Be-
rücksichtigung der Geographie aus. Für grössere Auflagen der Bändchen
müsste Sorge getragen werden. Schon jetzt, 12 Jahre nach dem Er-
scheinen der ersten, fehlen einige oder erfahren, ganz im Widerspruch zu
den Absichten der Herausgeber, im Antiquariat eine über ihren Wei-t
hinausgehende Preiserhöhimg. — Möchte der Sammlung ein gedeihlicher
Fortgang beschieden sein!
Heidelberg. A. Carte liier i.
Emil Michael S. J., Geschichte des deutscheu Volkes
seit dem dreizehnten Jahrhundert bis zum Ausgang des
Mittelalters. 1. Band. Deutschlands wirtschaftliche, gesellschaft-
liche und rechtliche Zustände während des dreizehnten Jahrhunderts.
Freiburg i. B. Herder 1897. XLVI und 344 S. 8'^ (2. und 3. unveränd.
Auflage 1897).
Emil Michael hat ein grosses Werk begonnen, eine Geschichte des
deutschen Volkes im späteren Mittelalter im Umfange von sechs bis sieben
Bänden. Der Inhalt dieses ersten Bandes ist aus dem oben stehenden Titel
ersichtlich, ein zweites Buch soll die religiös-sittlichen Zustände, Erziehung
und Unterricht, Wissenschaft und Mystik, ein drittes die deutsche Kunst
des 13. Jahrb. schildern, dann erübrigt noch die Darstellung der poli-
tischen Geschichte. Eine ähnlich ausführliche Behandlung wird jedenfalls
auch für das 14. und die erste Hälfte des 15. Jahrh. beabsichtigt sein,
bis zu dem Zeitpunkt, »wo Janssen begonnen hat*. Dem Andenken an
Janssen ist Michaels Werk gewidmet, es schliesst sich bis auf die Lettern
und die kleinsten Aeusserlichkeiten Janssens Vorbild an. Es schliesst sich
ihm aber auch an in der eingehenden Schilderung der Culturzustände. Es
ist ein unbestreitbares Verdienst Janssens in seinem Werke der Cultur
einen so breiten Raum verschafft zn haben, die Darstellung der Zustände
geradezu an die Spitze als Grundlage seiner Geschichte des deutschen
Volkes gestellt zu haben. So ist es auch Michael sicherlich als Verdienst
anzurechnen, dass er mit den Culturzuständen des 13. Jahrh. sein Werk
beginnt. Wer die Geschichte eines Volkes schreibt, wird sie in solcher
Eichtung zu schreiben haben.
314 Literatur.
Es ist nun Pflicht einer ernsthaften Kritik zu prüfen, ob dieser Ver-
such in der That das bietet, was er bieten will und soll, ein möglichst
wahres Bild der deutschen Zustände jener Zeit. Ist dies der Fall, dann
sehen wir eine hochbedeutsanae Aufgabe glücklich gelöst. Denn wer wollte
nicht dem Verf. beistimmen, wenn er in seinem Vorwort das 1.3. Jahr-
hundert in wirtschaftlicher und verfassungsrechtlicher Hinsicht als einen
entscheidenden Wendepunkt bezeichnet, wenn er es ein in jeder Beziehung
reiches Jahrhundert nennt. Es handle sich hiebei, fügt M. hinzu, »nicht
dai'um, die glänzenden Lichtseiten der merkwürdigen Epoche in einseitiger
Weise hervorzukehren, sondern das gesammte Leben des Volkes mit mög-
lichst naturgetreuer Vertheilung \on Licht und Schatten zu schildern*.
Allerdings überwog nach M.'s Ueberzeugung das Licht bei weitem und
wenn »die meisten Vertreter der Wissenschaft mitsammt dem grossen
Publicum noch immer darin einig sind, dass das Mittelalter eine Zeit der
Barbarei und Finsternis gewesen sei*, so werde sein Buch das Gegentheil
nicht bloss behaupten, sondern auch beweisen. Wir haben zwar gemeint,
dass gerade die deutsche Geschichts- und Alterthumswissenschaft des
19. Jahrb. seit Grimm und Lachmann, Eichhorn, Pertz und Böhmer u. s. w.
ihren ganzen Aufschwung und ihre Blüte dem Streben verdankte, die
Vorstellungen über das Mittelalter zu klären, und dass das nicht ohne
Erfolg geblieben sei. Allein wir werden M. aufrichtig danken, wenn er
wieder ein neues gewaltiges Stück rechter und wahrer Erkenntnis des
Mittelalters erschliesst.
M. theilt seinen ersten Band in fünf Abschnitte : L Landwirtschaft
und Bauern. II. Die Besiedlung des Ostens, III. Die Städte, IV. Das Eitter-
thum, Kaubwesen und Friedensbestrebungen, V. Verfassung und Eecht.
Wir müssen dem Verf. auf seinem Wege folgen.
Das erste Capitel, die Landwirtschaft, führt uns gleich in medias res.
Schon nach drei Seiten, welche uns von Caesar bis zum Jahre 1200 mit
sich fortreissen, sind wir beim Meier Helmbrecht und beim Sachsenspiegel
angelangt, die uns fürderhin mit ihren mehr oder minder langen citirten
Stellen getreulich begleiten. Im 13. Jahrh. ist der Bodenbau dank den
vorhergehenden Ei'folgen nicht mehr missachtet wie früher (S. 1 o), » alle
Schichten der Bevölkerung, alle öfifentlichen Verhältnisse waren von der
Landwirtschaft beherrscht* (S. ll); das Getreide stand hoch im Preise,
der Taglohn wurde günstig berechnet; die Bodenpreise stiegen, während
die Naturalleistungen gleich blieben, daher kam die Grundrente zu vier
Fünfteln den landbebauenden Classen zu Gute ; infolge dessen gewaltige
Extension des Bodenbaues (S. 1 1 flf.) ; zum Schutz des Bauers trat Kirche
und Reichsgewalt ein; so gebot Friedrich IL 1220, dass Ackerleute allent-
halben Schutz geniessen sollen, bei schwerer Strafe für den Verletzer;
»Verletzungen dieses kaiserlichen Gebotes mögen allerdings stattgefunden
haben* (S. 17). M. sieht also die Lage der Landwirtschaft ungemein günstig
an, das zeigt er noch deutlicher in den Capiteln über die gesellschaftliche
Stellung der Bauern und das Bauernleben (S. 37 — 85). Es gab zwar »eine
Art jüngerer Leibeigenschaft "^^ die immerhin sehr hart war, aber durch
das Wirken der Kirche gemildert wurde und durch Freilassungen fast ver-
schwand ; auch die Kreuzzüge, die Colonisationen. ilie Anziehungskraft der
Städte haben dazu beigetragen (S. 39 fi'.). Die Grundhörigen waren persön-
Literatur.
315
lieh freie Leute, hatten Freizügigkeit gleich dem freien Mann (S. 48 f.);
die Abgaben der Hörigen waren gering, die Frohnden nicht drückend, da&
Verhältnis zwischen Herrschaft und Gemeinde »zeichnete sich durch ein
hohes Mass von rücksichtsvoller Zartheit aus« (S. 50), besonders die kirch-
lichen Hörigen befanden sich wohl. Das alte Hofsystem löste sich auf,
zahlreiche Bauern traten dann in ein freies Pachtverhältnis und dieses
»neue Hofsystem war weit mehr noch als das frühere von gutsherrlicher
Freundlichkeit, Schonung und Menschenliebe getragen und brachte eine
starke Verselbständigung des Bauern mit sich« (S. 58). Daneben gab es
allenthalben freie Bauerngemeinden mit unabhängiger Verfassung i). So
gieng es also den Bauern im 1 3. Jahrh. ausgezeichnet und so wurden sie
denn auch üppig. Das schildert M. des breiten nach dem Meier Helmbrecht,
nach Neidhart von Reuenthal und Berthold von Regensburg, und wie es
in Oesterreich und Baiern war, so war es auch im übrigen Deutschland
(S. 79 ff.). Trieb der Uebermuth sogar da und dort zur Entartung, so gab
es doch auch ganz »brave Bauern«, und »wenn in Sachsen und ander-
wärts Auflehnungen vorkamen, so beweisen diese nicht die gedrückte Lage
der ländlichen Classe, sondern meist nur das lebendige Freiheitsgefühl des
Volkes« (S. 84).
Schon G. Grupp hat in einer kleinen, aber gehaltreichen Studie über
die Lage der Bauern im 13. Jahrh. (Histor. Jahrbuch 19, 336 — 349) in
sehr schonender, aber doch treffender Ausführung darauf hingewiesen, wie
sehr ein gewisses Masshalten bei Schilderung der bäuerlichen Verhältnisse
des 1 3. Jahrh. schon deshalb am Platze sei, weil man den Glanz sich nicht
immer noch steigern lassen kann; schon um die Bauernunruhen des 15. Jahr-
hunderts und den Bauernkrieg zu erklären, müssen gewisse Rückschläge
angenommen ^rerden; im 14. und 15. Jahrh. machen sich dunkle Seiten
geltend, die niemand entgehen können, sie werfen ihre Schatten schon
ins 13. Jahrh. zurück (S. 345). Grupp weist darauf hin. dass bei Michaels
Art das 13. Jahrh. wie losgerissen aus der Vor- und Nachzeit zu be-
trachten, die charakteristischen Merkmale desselben gar nicht recht za
Tage treten können; so ist die ja unleugbar gute Lage der Landwirtschaft
nicht eigenes Verdienst der Zeit. Momente, wie die immer noch geringe
Volksdichte habe M. gar nicht berücksichtigt, das Verschwinden der Hof-
verfassung und Auftreten der freien Pacht zu wenig vorsichtig behandelt,
die Lage des »Gesindes« zu günstig geschildert, die Frohnen zu milde
beurtheilt und versäumt, die , jüngere Leibeigenschaft«, von der M. spricht,
und die er auch noch als »sehr hart« bezeichnet, mit den sonstigen ent-
gegengesetzten Ausführungen in Einklang zu setzen.
Aber urtheilen wir selber! Wir müssen mit Grupp sagen, dass das
Bild von der Lage der Landwirtschaft und Stellung der Bauern viel zu
viel Licht, zu wenig Schatten enthalte. Das kommt von dem leidigen
Generalisiren, von der Nichtbeachtung verschiedener Factoren, von der ein-
seitigen Heranziehung literarischer Quellen. S. 48 f. heisst es z. B.: Die
Grundhörigen »waren persönlich frei und keineswegs so an die Seholle
*) Hiezu zählt M. S. 60 aber auch und zwar als , glänzende Beispiele* Uri
und Unterwaiden: Dass da im J 3. Jahrh. noch grösstentheils grundhörige Leute
sassen, beachtet M. gar nicht. ., ,
gj^g Literatur.
gebunden, dass sie dieselbe nie verlassen durften. Hatten sie ihren Ver-
bindlichkeiten dem Gutsherrn gegenüber entsprochen, so stand es in ihrem
Belieben, den Aufenthalt zu wechseln und einen anderen Herrn zu wählen.
Diese Freizügigkeit glich vollkommen der des freien Mannes^'. Das sind
Sätze, die für das 13. Jahrb. in dieser Allgemeinheit durchaus nicht richtig
sind und ganz falsche Vorstellungen erwecken. Wenn für letzteren Satz
sich M, auf Lamprecht Deutsches Wirtschaftsleben stützt, so findet man
bei Lamprecht ], 164, 1209 — 1213 nur den Nachweis, dass sich persön-
liche Freiheit und vollere Freizügigkeit in den Moselgegenden erst im
Laufe des 14. und 15. Jahrh. entwickeln. Gleich darauf kommt bei M.
S. 49 folgender Satz: »Für Herrenlose, welche sich auf grundhörigem
Boden niederliessen, hatte dies die wohlthätige Folge, dass sie einen
SchutzheiTU erhielten und gesichert wurden gegen das harte Wildfangs-
recht, dem der vogelfreie Mann ausgesetzt war.* Also herrenlose Leute
wären vogelfrei gewesen und das Wildfangrecht hätte sich gegen Vogel-
freie gerichtet! Dann weiter. S, 54: aus dem Antheil an dem »Hof-
regiment« und »aus dem Recht auf die Erbfolge erklärt sich die Ver-
pflichtung der Hörigen für den Fall einer Heirat ausserhalb des Hofver-
bandes die Einwilligung des Herrn einzuholen. Der GutsheiT erhob ge-
gründeten Anspruch, dass nicht etwa ein Unwürdiger oder gar einer seiner
Todfeinde in den Verband des Hofes käme und Erbrecht erlange. Für Ehen
unter den Hörigen derselben Herrschaft war wohl auch die Genehmigung
des Hen-n erforderlich, aber sie durfte nie verweigert werden«. Wie schief
ist doch diese Deduction, welch falsche Sentimentalität ist hineingetragen
in ein Verhältnis, bei welchem das Einwilligungsrecht des Herrn seine
ganz reale Begründung besass. Das hat gerade Lamprecht a, a. 0. 1203 ff.,
den M, wieder citirt, klar und eingehend auseinandergesetzt. Und wo steht
der Beleg für die so apodictisch hingestellte Behauptung, dass die Ge-
nehmigung nie verweigert werden durfte? Dann gleich auf der nächsten
Seite 55: » Ein Schutz für die Hörigen lag auch darin, dass der
Grundherr ohne die Zustimmung der Hörigen keine neue Belastung ein-
führen durfte. Handelte derselbe pflichtwidrig, vernachlässigte er seine
Leute, so wurden diese gleichfalls ihrer Verbindlichkeit ledig und konnten
oder mussten frei werden*. Zu diesem letzten unerhörten Satz wird auf
Eatzinger Armenpflege 227 hingewiesen. Aber Ratzinger spricht davon,
dass die Kirche von jeher Tödtung und Misshandlung von Leibeigenen
durch ihi-e Herren verdammt und zu verhindern gesucht hatte und dass
sie bei schweren Vergehen »ausser der kirchlichen Busse regelmässig noch
Freilassung von Leibeigenen* verlangte. Man sieht, dass da absolut kein
Beleg für Michaels Behauptung zu finden ist. S, 58 wird über Untheil-
barkeit der Bauerngüter gesprochen auf Grund des Sachsenspiegels, dessen
erbrechtliche Bestimmungen ohne weiteres als gemein deutsches Recht in
Anspruch genommen werden, was besonders stark in dem Satze hervor-
tritt: »einen weitern Schutz fand d^r Bauer in der Bestimmung des
Sachsenspiegels, dass Erbschaftsschulden von dem Erben nur insoweit zu
bezahlen seien, als die fahrende Habe reicht. So lebte in dem unbeweg-
lichen Gut gleichsam die Familie als solche fort*. M, hat sich nicht
darum gekümmert, dass gerade diese Bestimmung des Sachsenspiegels im
13, Jahrh, fast allgemein aufgegeben ist, dass sie schon im Deutschen-
Literatur. 317
und Schwabenspiegel nicht mehr erscheint (vgl. Schröder Deutsche Rechts-
gesch. ^737 f.). Und überhaupt hatte in diesem Rechtssatz, so weit und so
lange er galt, selbstverständlich nicht nur der Bauer, sondern jeder Grund-
besitzer Schutz gefunden.
Und nun, nach solchen Exempeln, knüpfen vpir, um Michaels Dar-
stellung weiter zu beleuchten, an seinen oben schon S. 314 angeführten
Satz an: »Verletzungen des kaiserlichen Gebotes (Friedrichs II. von 1220
gegen die Schädigung von Ackersleuten) mögen allerdings stattgefunden
haben*. Das klingt so harmlos, so nebensächlich : Schädigungen von Bauern
mögen im 13. Jahrh. allerdings vorgekommen sein, nun ja. aber sie sind
nicht der Rede wert im Vergleich zur glänzenden Lage der Bauern, die
in Wohlbehagen und Uebermut schwammen. Aber, aber! Ist denn nicht
jede Seite der Quellen jener Zeiten voll von directen und indirecten Nach-
richten über Krieg und Fehde, über Raub, Brand, Plünderung und Ver-
wüstung des flachen Landes. Tausendmal und tausendmal, immer und
immer wieder, überall im ganzen Reiche ist der Bauer geschädigt worden
durch die unaufhörlichen Kämpfe der grossen und kleinen Herren. Diese
allgemeine, andauernde Unsicherheit ist ja geradezu ein charakteristisches
Merkmal jener mittelalterlichen Zeiten und gerade im 13. Jahrh. ist der
Mangel an Frieden und Sicherheit, die Fülle von Fehden und Räubereien,
die Selbsthilfe mit gewaffneter Hand, die Schädigung von Kirchen und
Klöstern, von Bürgern und Bauern ganz entschieden stärker und fühlbarer
geworden. Das hieng zusammen mit dem Verschvrinden einer einigermassen
starken königlichen Gewalt, mit den Verwirrungen der Kämpfe zwischen
Kaiser und Papst. Das hieng zusammen mit der Auflösung der alten
Ministerialität und deren Verselbständigung als niederer Adel, der um und
um verschuldete und sich mit Leibeskräften nach allen Seiten um Besitz
und Macht wehrte, und das hieng zusammen mit der werdenden Landes-
hoheit der Fürsten, die überallhin ausgreifen ohne gi'osse Scrupel, und
Stadt, Land und Ritter in ihre Gewalt zu bringen suchen. Zu all dem
kamen dann noch die äusseren Unglücksfälle wie Ueberschwemmungen^
Misswachs, Theuerung und Hungersnoth, was alles vor allem den Bauern
traf und wogegen man sich damals noch kaum zu helfen wusste.
Wo aber finden wir in Michaels Buch solche Dinge irgendwie aus-
reichend berührt? Auf die Unzulänglichkeit der Capitel über Ritter und
Fürsten kommen wir noch zu sprechen, hier sei nur gesagt, dass alles
was etwa auf die Rückwirkung der Entstehung der Landeshoheit auf die
Zustände sich bezieht, sich S. 289 im Citat einer bekannten Stelle aus
Freidank und in dem Satze erschöpft: »dass es dabei nicht ohne offen-
bare Ungerechtigkeiten abgieng, beweist z. B. die Geschichte von Tirol ^.
Die Auflösung der alten Ministerialität wird auf S. 210 in einer Anmer-
kung mit einem Citat von fünf Zeilen aus Lamprechts Wirtschaftsleben
erwähnt und den Elementarereignissen und ihren wirtschaftlichen Folgen
werden auf S. 28, 29 ganze elf Zeilen gewidmet, die einen anregenden
Gedanken Lamprechts über die Abnahme ungeheuerlicher Preisschwankungen
und über Magazinirungsversuche geistlicher Anstalten in ganz unzutreffen-
der Weise noch mehr generalisiren, als es schon Lamprecht gethan hat.
Endlich die Schilderung des üppigen Bauernlebens im 13. Jahrh. nach
den schon zum Ueberdruss in dieser Richtung ausgeschriebenen Dichtern
3 13 Literatur.
und Predigern. M. sagt schliesslich S. 82 wohl selbst, dass man in diesen
zum Theil übertriebenen, zum Theil nur einseitig beleuchteten Schilde-
rungen nicht »eine Zeichnung des gesammten Bauernstandes erblicken*
dürfe. Es wäre daher höchst nothwendig gewesen, diese Beschränkung von
vorne herein klar und deutlich auszusprechen und nicht die breite, durch
umfangreiche Citate noch breiter gemachte Schilderung von Uebermut
und Hoffart der Bauern auszumalen. In Schönbachs Walther von der Vogel-
weide (S. 131 ft'.), den er ja gleich im Vorwort citirt, hätte Michael die
trefflichsten Haltpunkte gefunden, um z. B. gegenüber Neidhart von Reuen-
thal einen richtigen Standpunkt zu gewinnen. Und statt immer gleich ins
blaue hinein zu generalisiren, sollte man sich vielmehr die Frage stellen, hat
denn die unleugbar im ganzen gute Situation der Bauern gerade in Oester-
reich vielleicht auch ihre besonderen Gründe gehabt. Nur auf zwei Mo-
mente sei da hingewiesen: Oesterreich war Colonisationsgebiet, daher die
Ansiedler von Anfang an in besserer Situation (vgl. Luschin Oesterr.
Eeichsgesch. 219); und im Oesterreich der Babenberger war die landes-
herrliche Gewalt besonders früh und wirksam entwickelt und hatte früher
die Kraft in sich als anderswo, ihren Adel im Zaume zu halten und einen
einigermassen geordneten Friedens- und Rechtszustand zu schaffen. Und
statt mit einem nichtssagenden Satz, wie wir ihn oben S. .315 angeführt
haben, über Auflehnungen von Bauern hinwegzugehen (die dabei citirte
Stelle des Nicolaus von Bibera ist hier ebenso nichtssagend), hätten solche
Fälle doch etwas näher besehen werden sollen. Wir haben z. B. Nach-
richten, dass um 127!» die Colonen des Klosters St. Peter auf dessen Be-
sitzungen zu Wieting in Kärnten Dienst und Pflicht verweigerten und
hierin von »Mächtigen'^ bestärkt wurden und dass Erzbischof Friedrich
von Salzburg die Hilfe König Rudolfs anrief (vgl. Reg. imp. VI n. 1806).
Wir wissen, dass die Leute des Stiftes Klosterneuburg im Jahre 1278 in
offenem Ungehorsam gegen das Kloster standen (Fischer Merkw. Schicksale
von Klosterneub. 2, 271). Die Secte von Schwäbisch - Hall (1248) hatte
auch einen socialen Hintergrund, ebenso wie um dieselbe Zeit der Auf-
stand der Pastoureaux in Frankreich, und wie selbstverständlich der grosse
Bauernkrieg von 1258 — 1260 in Dänemark — das nur zu lehrreichem
Vergleiche bemerkt.
Gegenüber diesen unverkennbaren Mängeln des ersten Abschnittes con-
statiren wir gerne, dass der zweite Abschnitt »Die Besiedlung des Ostens*
(S. 86 — 128) besser gelungen ist, ja als der wohl verhältnismässig noch
am besten geratene Theil bezeichnet werden kann. Ein an sich dankbarer
geschlossener Stoff und vortreffliche Vorarbeiten machten es da dem Verfasser
leichter. Aber gleich im nächsten Abschnitt »Die Städte* (S. 129 — 204)
stossen wir schnell wieder auf die höchst bedauerlichen Schwächen des
Werkes.
Auf S. 135 wird folgendermassen die Entwickelung der Stadtverfas-
sungen geschildert: >es zeigte sich hier die grösste Mannigfaltigkeit. In
den Handelsstädten, wo das Uebergewicht der grossen Kauf leute den Aus-
schlag gab, herrschte die Aristokratie. Dort wo das gewerbliche Arbeits-
leben mit dem Reichthum auch den grösseren Einfiuss brachte und die
Innungen sich die Stadtregierung aneigneten, herrschte die Demokratie.
Eine gemischte Stadtvertretung bildete sich dort aus, wo die Zünfte dem
Literatur. 319
aristokratischen ßath das Gleichgewicht hielten. Die Beseitigung einer alten
Kegierungsform und die Einführung einer neuen war oft mit schweren
Verwicklungen und heissen Kämpfen verbunden*. Aus solchen fleisch-
und blutlosen Sätzen soll sich der Leser eine Vorstellung von der Ver-
fassung einer Stadt des 1 3. Jahrh. bilden. Denn das ist alles, was M.
über diesen Capitalpunkt der städtischen Entwicklung bietet!
Gleich darauf S. 136 leitet folgender Satz zur Besprechung der zu-
nehmenden Geldwirtschaft über: »Der Ueberschuss des landwirtschaftlichen
Betriebs forderte Absatz und dieser Absatz erfolgte auf den städtischen
Märkten. Damit war der endliche Sieg der Geldwirtschaft über die bisher
vorherrschende Naturalwirtschaft entschieden*; hierauf ein bischen von
»langwierigen Entfaltungsstadien um die Wende des 12. und 13. Jahr-
hunderts* und so war denn j,im Anschluss an die grossartigen Erfolge,
welche die Arbeit des Landmannes begleiteten, auf dem gesammten wirt-
schaftlichen Gebiet ein Umschwung der Dinge eingetreten, wie er bisher
in der Geschichte des deutschen Volkes unerhört gewesen*. Wie stimmt
das zu dem schon angeführten Satz Michaels (S. ll): alle öffentlichen Ver-
hältnisse waren von der Landwirtschaft beherrscht, oder zu einem andei'en
Satz S. 35, Anm. 1 : »Namentlich für das 13. Jahrh. gilt das Wort Geerings
Basel 137: Die fundamentale wirtschaftliche Grossmacht des Mittelalters ist
die Urproduction*. Von den » langwiei'igen Entfaltungsstadien* verräth uns
der Verf. weiter keine Silbe und doch wäre das von grösstem Interesse
für das Verständnis, und von den Wirkungen dieses unerhörten Um-
schwunges handelt er auf drei Seiten, die wie eine mühselige, kümmer-
liche Paraphrase der Worte Schmollers ausschauen, welche M. in seinem
Vorwort citirt hat. Aber was er eben mit diesem Vorwort versprochen
hatte, eine anschauliche, verständliche Darstellung dieses allmäligen
Umschwunges zu geben, das hält er nicht. Vielmehr bekommt der un-
schuldige Leser den allerdings ebenso neuen als schiefwirkenden Eindruck,
als habe in Deutschland im 13. Jahrh. die vollendete Geldwirtschaft, ja
der Capitalismus regiert. Ausnützung der Arbeiter, Selbstsucht des Reich-
thums, Concurrenz. allgemeiner Interessenkampf, Massenelend und Ueber*
handnehmen des Proletariats (S. 139). Durch fünf Seiten müssen wieder
Dichter und Prediger herhalten um zu illustriren, »dass eine neue Welt-
macht alle Schichten des deutschen Volkes durchdrungen hat*, dass jetzt
Habsucht und Geldgier in die Halme geschossen seien. Mit welch leichter
Mühe Hessen sich nicht solche Stellen aus Moralisten und Predigern eines
jeden Jahrhunderts zusammenfinden! Dass M. leider auch hier gar nicht
fühlte, worauf es für seine Darstellung angekommen wäre, beweist der
Umstand, dass er gerade einige der wichtigsten Materien in einer An-
merkung (S. 137) streift: Münzwesen, Währung, Geldverkehr, Wechsel-
geschäft, Lombarden und Juden, Preisgeschichte! Nur über Wechselrecht
findet sich im spätem Capitel »Handel und Verkehr* noch eine halbe
Seite (S.165).
»Gegen die Schäden der Geldwirtschaft wurde ein wirksames Heil-
mittel* das Zunftwesen, das nun M. in idealen Farben S. 144 — 162
schildert. Wir schliessen uns im allgemeinen gerne der hohen Schätzung
der Zünfte an, und constatiren mit Vergnügen, dass das wieder einmal ein
etwas gelungeneres Capitel ist. Freilich müssen wir auch hier abermals
g20 Literatur.
bemerken, dass höchst wichtige Vorgänge gar nicht erwähnt oder nur
wieder in einer kleinen Anmerkung ganz nebenher gestreift sind; so die
sehr wechselnde Haltung der deutschen Könige (nicht bloss Friedrichs II.,
auf den mit zwei Zeilen S. 147 Anm. 6 hingewiesen ist) und der Landes-
herren gegenüber den Zünften, so die Streitigkeiten zwischen Kaufmanns-
gilden und Zünften. Ein lehrreiches Beispiel bietet in dieser Hinsicht
Goslar, dessen innere Geschichte im 1 3. Jahrh. sich in diesen Gegensätzen
bewegt. Das Streben der Zünfte, Antheil an der Stadtverwaltung zu ge-
winnen, hat zwar erst im 14. Jahrh. zu einer grossen erfolgreichen Be-
wegung geführt, allein die ersten Zunftrevolutionen reichen schon tief ins
13. Jahrh. zurück; wir treffen 1259 in Köln, 1281 in Brügge und Ypern,
1283 in Erfurt solche gewaltsame Bewegungen.
Das nächste Capitel »Handel und Verkehr« (S. 162—204) bringt
allerhand nacheinander in wenig klarer Disposition: Kaufmannsgilden, da-
zwischen hineingeschoben Zins und Wechselverkehr, dann Handelsgesell-
schaften, Bi-ücken und Wege, Strand- und Grundruhr, Geleite, Sorge für
die Eeisenden, Hospitäler, Wege des Weltverkehrs (Eegensburg. Augsburg
u. s. w.), Alpenpässe, Bergbau, Handel gegen Norden, Hansa. Mit Aus-
nahme der Geschichte der Hansa (S. 194 ff.), die besser gerieth, ist alles
recht unbefriedigend, besonders auch deshalb, weil jedem einigermassen
urtheilsfähigen Leser sich da ganz besonders das Gefühl aufdrängt, dass
vieles vom allerwichtigsten fehlt, dass mit der beängstigenden Fülle von
Literaturangaben niemandem geholfen ist, da man doch vom Verf. eines
solchen Buches verlangen muss, dass er alles wesentliche in harmonischer
Darstellung vorführe. Es ist ja doch ganz erstaunlich, dass über den
Ehein und die Donau und ihre Bedeutung als Verkehrs- und Handels-
strassen eigentlich gar nichts gesagt ist, dass über Zölle nur in einer
Anmerkung S. 186 ein paar Notizen und Literaturangaben gemacht werden,
dass die Messen der Champagne in sechs Zeilen, der grossartige Härings-
fang und Handel ebenso ungenügend abgethan werden, dass über Boten-
und Postdienst zwar im Capitel über die Besiedlung des Ostens (S. 128
Anm. 4) die Eede ist, aber auch da nur in einer Anmerkung ein Schwall
von kunterbunter Literatur über den bestürzten Leser ausgegossen wird.
Anmerkungsweise wird S. 180, 181 über Einwohnerzahl und Grösse der
damaligen Städte und über Städtesteuern — nicht so sehr gehandelt, als
Literatur angeführt; ganz ebenso S. 184 Anm. 4 über die Juden. S. 194
Anm. 1 thut M. den übertriebenen Ausspruch: »Deutschland war im
13. Jahrh. das Peru Europas« und fügt in der Note hinzu: »die Ent-
deckung der zahlreichen Erzgruben brachte damals eine Umwälzung hervor "^
ähnlich der heutzutage in Californien. Wäre dem so, so hätte M. diese
» Umwälzung « zu schildern ; freilich aber beschränkte sie sich in Wahrheit
nur auf die Gegenden des Erzgebirges.
So sehen wir immer und immer wieder: Michael erfasst nicht den
Kern, das Wesen der Sache. Er hat eine Unmasse von Literatur — das
Verzeichniss der wiederholt citirten Werke umfasst 24 kleingedruckte
Seiten — verschlungen, aber nicht verdaut. Er hat es nicht verstanden,
aus dieser Literatur die Entwicklungen, die Fragen auf die es ankommt,
zu erfassen und stellt gerade die wichtigsten Probleme ahnungslos in
seinen schwellenden Anmerkungen neben den unwichtigsten Kram.
Literatur. 32 1
Das alles tritt wo möglich noch unerfreulicher in den zwei letzten
Abschnitten zu Tage, welche über das »Ritterthum, Eaubwesen und Frie-
densbestrebungen "^S und über »Verfassung und Recht* handeln. Mit
Worten des alten Bodmann pi-eist Michael S. 207 die Lehensverfassung
als » die wahre Mutter des deutschen Reichs und des inneren Länder-
verbands*; »aus ihr giengen Einheit und Eintracht, Stärke und jene he-
roischen Tugenden hervor, welche noch einer späten Nachwelt als erhabene
Muster vorgestellt werden*. In einer grossen Anmerkung wird dann das
»auch heute vielfach verkannte Lehenswesen* noch weiter mit einer lang-
mächtigen Stelle aus Bodmann's Rheing. Alterthümern vertheidigt. Das
kann wenig Effect machen. Obiger Satz Bodmanns ist im Anfang des
19. Jahrh. geschrieben, in sehnsüchtiger Rückschau aus der herabge-
kommenen, zerrissenen deutschen Gegenwart auf die herrliche Grösse des
alten Reichs. Ein Historiker von heute muss wissen, dass gerade das
Lehenwesen dieses alte Reich zerstört hat. Freilich aber soll er auch dem
unläugbar idealen Kern und den eigenartigen Vorzügen jener Staats- und
Gesellschaftsordnung gerecht werden, wie das z. B. Grupp in seiner Kultur-
geschichte des Mittelalters 2, 108 ff. in sehr beachtenswerter Weise gethan
hat. Nicht genügen jedoch ein paar Citate und nicht überzeugend kann
eine so übermässig idealisirte Schilderung des Ritterthums wirken, wie
sie dann der Verf. von S. 212 an vor uns ausbreitet. Diese Lobpreisung
gipfelt schliesslich S, 22.5 in den prachtvollen Sätzen : »Der Ritter wie er
sein sollte und wie er in der besten Zeit auch wirklich war, ist ein Mann
von Charakter gewesen ; er handelte unentwegt nach den Grundsätzen der
Wahrheit und Gerechtigkeit. Das wollte gelernt sein. Der echte Ritter
hatte darum zuerst den heissesten Kampf, den Kampf in seinem Innern
siegreich zu bestehen <■=. Mit diesem kunstvollen Uebergang kommt M.
dann auf die ritterliche Erziehung zu sprechen, ferner auf Ritterweihe,
Ritterschlag und Turniere (S. 225 — 246).
In den Rittergeschichten gibt es doch immer gute und böse Ritter,
bei Michael aber eigentlich nur gute. Zwar »an Ausschreitungen hat es
in der Ritterwelt nicht gefehlt; doch sind dieselben leichter erklärlich als
die Ausschreitungen jedes anderen Standes. Bei Ulrich von Lichtenstein
wurde der Frauendienst zum Wahnsinn gesteigert. Aber Fehltritte waren
keineswegs die Regel. In der ersten Hälfte des 13. Jahrh. wenigstens
hatte der Name des deutschen Ritters einen guten Klang. Die eheliche
Treue ward in Ehren gehalten* (S. 22 1). Wie kann Michael denn solches
schreiben? Kennt er, der so eifi-ig fortwährend Walther von der Vogel-
weide citirt, nicht auch dessen Minnelieder, nicht »Unter der Linden*?
Warum denn dieses Verschweigen und Beschönigen des ganzen ritterlichen
Minnedienstes? Nicht verschweigen, sondern erklären ist des Historikers
Pflicht. Und auch da hätte M. das Rechte schnell zur Hand gehabt: wieder
ist es Schönbach, der in seinem Walther S. 23 ff. ungemein treffend sich
hierüber geäussert hat.
Das ideale Ritterthum wird bei Michael nur unbedeutend verdunkelt
durch das Raub- und Fehdewesen. „Die schlimmste Ausartung des
Ritterthums oder besser gesagt eine vollständige Verläugnung seiner grund-
idee war das Raub- und Fehdewesen. Es lag darin eine Abkehr von der
Gesetzgebung Karls d. Gr. und eine bedauerliche Rückkehr zu der Un-
Mittheilungen XX. 21
322 Literatur.
gebundenheit des Heidenthums ^^ So leitet M. das Capitel S. 247 ein.
Wenn nun ohneweiteres das Raubritterthum als Entartung und Verläug-
nung echten Ritterthumes anzusehen ist, so trifit das beim Fehdewesen
keineswegs zu. Im Gegentheile; wie Zallinger in seiner Abhandlung über
den Kampf um den Landfrieden (Mitth. des Instituts Ergbd. 4. 443 ff.),
die M. natürlich citirt, aber nicht verarbeitet, klar gezeigt hat, ist das
Fehdewesen eine notwendige Consequenz des mittelalterlichen Berufs-
ritterthums gewesen. Weil M. den Ritter gar so ideal und so einseitig
kirchlich-religiös gefasst hat, muss nun das Fehdewesen eine Rückkehr
zum Heidenthum sein. Die Selbsthilfe mit der Faust war freilich nicht
echt christlich, aber sie war echt ritterlich. Die tapferen Ritter des 1 2.
und 13. Jahrh. hielten sich für die frommsten und besten Christen, auch
wenn sie ihr ganzes Leben in unaufhörlichen Fehden dahinbrachten. Das
Mittelalter hat eben das Recht zur Fehde für vollkommen vereinbar mit
seiner Anschauung vom Christenthum gehalten und die Kirche trug dem
Rechnung, hat die Fehden als ein notwendiges Uebel anerkannt und
durch ihre Gottesfrieden nur das Uebermass derselben einzuschränken ge-
sucht. Nicht die Kii'che, sondern Kaiser Friedrich der Rothbart war der
erste, der 1158 jede Fehde zu jeder Zeit als Friedensbruch erklärte.
Freilich war das um Jahrhunderte zu früh. Erst nachdem das Ritterthum
dahin war, hat der moderne Staat mit dem Fehdewesen endgültig auf-
geräumt.
Das Fehdewesen gehört zur Signatur des Mittelalters, des 13. Jahr-
hunderts nicht zum wenigsten. Das Raubritterthum aber hat sich gerade
im 13. Jahrh. recht entwickelt und die Gründe dieser Erscheinung hängen
innig mit den Wandlungen der Ministerialität, mit dem Existenzkampfe
des niedern Adels gegen Städte und gegen Fürsten zusammen. Allein
von solchen Dingen hören wir bei M. nichts. Auf S. 209. 210 hat er
in einer seitenlangen Note über Ministerialen allerhand Notizen und Li-
teratur zusammengetragen i). Und das ist alles, was in einem Buch über
Deutschlands Zustände im 13. Jahrh. über den wichtigsten Process im
massgebenden Stand der Nation gesagt wird. Aber wenn wir nun we-
nigstens ein anschaulich wahres Bild vom Raub- und Fehdewesen be-
kämen. Doch nein, eine alberne, Bodmann nachgeschriebene Geschichte,
wie ein Raubritter von den Mönchen zu Eberbach durch Prügel kurirt
wurde, und eine hundertmal schon benützte Stelle aus Zorns Wormser
Chronik, das ist auf S. 254 Michaels ganze Kunde von Zuständen, von
denen die Quellen der Zeit voll sind.
Der allerschwächste Abschnitt des Buches scheint mir aber beinahe
der letzte: Verfassung und Recht (S. 266 — 331). Zuerst wird auf
') Dabei ein Beispiel für die Art, wie M. seine Anmerkungen zusammen-
bringt. Anm. 4 auf S. 209 ist den Schöffenbartreien des Sachsenspiegels ge-
widmet. Zunächst wird die bahnbrechende Arbeit Zallingers citirt und deren
Resultat anerkannt. Trotzdem aber wird eine veraltete Ansicht Richthofens an-
geführt und zurückgewiesen und wird die überwundene Erklärung Roths
v. Schreckenstein nelapn Schröders natürlich nach Zallingers Ergebnissen ge-
fasste Auflassung der Schöffenbarfreieu hingestellt, als ob das alles gleichwertig
wäre. Und zuletzt wird noch auf Stobbes Arbeit über die Schöffenbartreien
aus tlem Jahre 1855 hingewiesen. So wird Citat auf Citat gehäuft, eine gelehrt
aussehende, gewiss ja mühevolle, aber unfruchtbare Arbeit.
Literatur. 323
taum zwei Seiten (266 f.) das deutsche Königthum abgehandelt und die
piece de resistance ist die ebenso wenig hiehergehörige wie überraschende
Darlegung, dass im Jahre 916 eigentlich das Papstthum Deutschland ge-
rettet habe. Das Wesen des deutschen Königthums wird in 6 Zeilen ab-
gethan (S. 268) und dann (S. 268 — 284) auf das Kaiserthum über-
gegangen, das Kaiserideal des Mittelalters, seine Bedeutung, sein Glanz,
seine Stellung zum Papstthum geschildert und das Ceremoniell der Kaiser-
krönung weitläufig beschrieben. Die deutsche Königswahl und die Ent-
stehung des Kurfürstencollegs beanspruchen dafür nur drei Seiten und
die Entwicklung der Landeshoheit deren sieben. Damit ist die Verfassung
fertig und es kommt die Darstellung des Rechtes. Diese besteht in
17 Seiten (295 — 31l), welche fast ganz der Besprechung des Sachsenspiegels
und Auszügen aus ihm gewidmet sind, in 10 Seiten (311 — 32 1) über das
Gerichtsverfahren, von denen 9 ganz und gar auf die Gottesurtheile auf-
gehen, und endlich in 10 Seiten (321 — 33l), welche von den römisch recht-
lich gebildeten Juristen und dem Eindringen des römischen Eechtes
handeln. Und diese sonderbare Auswahl soll uns Verfassung und Eecht
•des 13. Jahrh. vergegenwärtigen! Vielleicht treffen wir das richtige hier,
wie überhaupt, wenn wir sagen, dass Michael nur das dilettantische Inter-
esse und Verständnis des gewöhnlichen sogenannten Culturhistorikers au
rechtlichen wie auch wirtschaftlichen und socialen Entwickelungen besitzt.
Nur so ist es erklärlich, dass auch hier wieder die allei'wichtigsten Er-
scheinungen und Vorgänge überhaupt gar nicht erwähnt sind, wie z. B.
der Reichstag, die Reichs Verwaltung und ihre Organisation, Heerwesen,
Finanzwesen, Anfänge der Landstände u. s. w. Die Kaisei-würde wird
glanzvoll geschildert und doch ist es gerade das 13. Jahrh. gewesen, in
welchem diese alte Kaisermacht unwiederbringlich zu Grunde gieng und
in welchem auch die Basis des Kaiserthums, das deutsche Königthum,
eine ganz wesentliche Wandelung durchmachte. Von all dem bei Michael
kein Wort! Oder aber M. fand in der Literatur Gedanken vor, die er
dann in seiner uns bekannten Art anmerkungsweise anführet, aber natür-
lich nicht verfolgt, so z. B. inwieweit die Territorien aus der Grundherr-
schaft hervorgiengen oder nicht (S. 288 Anm. l), oder dass »die Idee der
Landeshoheit sich in den westlichen Theilen des Reiches zuerst findet«
(S. 292 Anm. 3). Oder es wird so ganz ungenügendes geboten wie über
das Kui-fürstenthum, das kaum jemals so oberflächlich behandelt worden ist.
Hier tritt auch der persönliche Standpunkt des Verfassers besonders
deutlich hervor. Wir kennzeichnen ihn durch einige Sätze : » wer der
Schirmherr der Kirche sein sollte, das hieng von der freien Wahl des
Papstes ab; ihm allein stand das Urtheil zu, wer den Beruf eines Ver-
theidigers der Kirche in drangvoller Zeit am redlichsten und am kräftigsten
entsprechen werde. Die Wahl fiel auf den Frankenkönig Karl, welchem
Papst Leo III. an dem denkwürdigen Weihnachtsfeste des Jahres SOG
unter stürmischem Beifallsrufen des römischen Volkes die Kaiserkrone
aufs Haupt setzte« (S. 268, 269). »Das mittelalterliche Kaiserthum und
mit ihm das heilige römische Reich deutscher Nation trug durchaus einen
christlichen Charakter, waren eine Schöpfung des apostolischen Stuhles und
hatten nur Bestand kraft der Krönung des jedesmaligen deutschen Königs
durch den Papst, von dessen Entschluss die Erhebung eines Fürsten zur
21*
324 Literatur.
Kaiserwürde abhieng* (S. 271). » Das Gewohnheitsrecht, den König- Kaiser
zu wählen, hatten die deutschen Fürsten allerdings vom heiligen Stuhle '^^
(S. 272 Anm. ]). »Im Zusammenhange hiermit (dass die beiden Schwerter
in der Kirche und in ihrer Gewalt sind) steht die potestas indirecta iu
tempoi'alia reguin, die sich unschwer aus den Worten Christi an Petrus
Matth. 16, 18 — 19 ableiten lässt« (S. 27 5 Anm. 4). Michael theilt also
mit vollster Ueberzeugung den curialen Standpunct des 1 3. Jahrhunderts,
und zwar auch in Bezug auf historische Auffassung. Damit lässt sich
nicht mehr rechten, aber zu wünschen bliebe, dass M. den Geist jener
Zeit auch im übrigen so gut erfasst hätte wie in dieser Beziehung.
Der Gesamrateindruck, den das Buch Michaels auf den Laien hervor-
ruft und offenbar hervorgerufen hat, da in so kurzer Zeit drei Auflagen
erschienen, ist der eines ungeheuer gelehrten Werkes, welches eine wohl-
thuend rosige Schilderung von den glänzenden Zuständen des deutschen
Volkes im 1.3. Jahrh. entwirft. »Die kaiserlose, die schreckliche Zeit*, von
der man sonst so im allgemeinen eine schlimme Meinung besass, sie hat
nach Michael offenbar glücklicherweise gar nicht existirt. Denn das bischen
Kaub- und Fehdewesen wurde durch Landfiüeden und Städtebünde ge-
dämpft. Der Bauernstand blüht und gedeiht, die Städte erreichen ihre
Blüte, die Schäden der Geldwirtschaft werden durch die Zünfte paralysirt,
das Kitterthum ist eine ideale Gesellschaft, das Kaiserthum steht glänzend
und erhaben da — in der That, dies ist das lichte Bild, welches Michael
im Vorwort versprochen hat.
Unser Gesammteindruck aber, und wir hoffen, dass wir ihn begründet
haben, ist ein anderer. Dieses Bild vermögen wir weder als ein wahres
noch als ein klares und erschöpfendes Bild zu erkennen. Es ist viel zu
sehr idealisirt, viel zu sehr generalisirt, viel zu unvollkommen ausgeführt
in seinen wichtigsten Partien. Es schaut überdies meist aus, als ob die
Zustände vom Jahre 1200 bis zum Jahre 1.300 die gleichen geblieben
wären. Der Abschluss mit dem Jahrhundert ist überhaupt ein rein äusser-
lichei'. Für eine Geschichte des deutschen Volkes in den letzten Jahr-
hunderten des Mittelalters hätte von vorne herein eine andere Eintheilung
zurecht gelegt werden müssen. Aber eine so äusserliche Betrachtungs-
weise ist ja leider dem ganzen Buche eigen. Dass es sich in erster Linie
auf die Literatur stützt, wollen wir einem umfassend angelegten Werke
nicht zum Vorwurf machen ; freilich hätten wenigstens die gewissen Quellen,
die M. regelmässig heranzieht, kritischer benützt wei'den sollen, wie wir
sahen, und andere, wie z. B. die Descriptio Alsatiae und Theutoniae oder
Nicolaus von Bibera weit gründlicher ausgebeutet werden können. Die
Literatur aber hat M. mit unendlichem Fleiss und in wirklich staunens-
wertem Umfang herangezogen und ich gestehe gern, dass ich manche
Schrift erst durch ihn kennen gelernt habe. Allein trotzdem ist M,
selten in das Wesen der Dinge eingedrungen. Er hat es versäumt sieh
wenigstens aus der Literatur eine klare Einsicht und Uebersicht zu ver-
schaffen. Infolgedessen fehlte ihm, wir müssen es geradezu sagen, die
nöthige Grundlage zur Erfassung der wirtschaftlichen, socialen und recht-
lichen Zustände des 13. Jahrhunderts. Wir sind überzeugt, dass ihm
der zweite Band über Erziehung und Unterricht, Wissenschaft und Mystik
besser gelingen wird. Aber dieser erste Band ist unheilbar verfehlt. Er
Literatur. 325
bleibt hinter bescheidenen wissenschaftlichen Erwartungen zurück, er ist
seines grossen Gegenstandes nicht würdig.
Wien. Oswald Redlich.
Christian Schneller, Trideutinische urbare aus dem
13. Jahrh. mit einer Urkunde aus Judicarien v. 1244 — 1247.
Innsbruck, Wagner 1898, 8°, 283 S. (Quellen und Forschungen zur
Geschichte etc. Oesterreichs durch die Leogesellschaft hrgg. von Hirn
und Wackerneil lY),
Josef'Susta, Zur Geschieh te und Kritik der Urbarial-
aufz eich nun gen. Wien Gerolds Sohn 1898, 8°, 72 S. (Sitzungs-
berichte der kais. Akad. der Wiss. in Wien, phil.-hist. Cl. Bd. 138, VIII).
Schneller edirt Urbare und ähnliche Aufzeichnungen, Susta stellt die
Geschichte dieser Quellengruppe im Mittelalter dar.
Die Herausgabe urbarialer Quellen bedarf keiner Rechtfertigung; ihr
Wert vornehmlich für die wirtschaftliche Seite geschichtlichen Lebens ist
■erkannt und anerkannt. Jede gute Edition setzt zweierlei bei dem Her-
ausgeber voraus: Kenntnis des Wertes der betreffenden Quelle für die
verschiedenen Zweige historischer Forschung und etwas hilfswissenschaft-
liche Schulung, insbesondere Vertrautheit mit der Paläographie und den
Editionsgrundsätzen. So vorgebildet wird der Herausgeber in der Lage
sein, den Modus der Ausgabe seiner Quellenart anzupassen. Für Urbare
brauchen die Prinzipien nicht erst aufgestellt zu werden. Inama-Sternegg
hat solche bereits i. J. 187 7 in seiner verdienstlichen Arbeit über Urbarien
und Urbarialaufzeichnungen (Archival. Zeitsch. hgg. v. Löher) formulii*t und
seither sind — ganz zu schweigen von M. B. Guerard's Leistung (1853)
— mit der Belebung der deutschen Wirtschaftsgeschichte in einzelnen guten
Ausgaben und tabellarischen Verarbeitungen nachahmenswerte praktische
Muster für Herausgeber geboten worden. Ich erinnere einerseits an Maags
Publication des Habsburgischen Urbars, andrerseits an die Zusammenstel-
lungen in Lamprechts Wirtschaftsleben und Inamas Wirtschaftsgeschichte.
Schnellers Buch enthält (nach den Ueberschriften) in vier Abthei-
lungen: I. Ein Zinsbuch der Domherrn von Trient v. J. 1220; als An-
hang dazu: Ein bischöflich Tridentinisches Urbar aus Sulzberg v. J. 1200.
IL Bischöflich Trideutinische Gilten in Sopramonte v. J. 1205. HI. Ein
Güter- und Giltenverzeichnis aus dem Lagerthale v. J. 1259. IV. Eine
Urkunde aus Judicarien v. 1244 — 1247. Die erste und umfangreichste
(f. 15 — 136) dieser Quellen enthält cod. 508 des Wieser H.-, H.- und
Staatsarchivs. Noch vor Einsichtnahme in den Text und dessen hand-
schriftliche Vorlage Hessen einige Bemerkungen auf S. 4 der Einleitung
Bedenkliches ahnen. Die »mögliehst genaue "^^ Beibehaltung der in Unzahl
vorhandenen Punkte, die »anderen Zeichen« am Ende der rothen Ueber-
schriften wirkten beunruhigend bezüglich der Textbehandlung, »die schlecht
leserlichen Glossen ^^ am Rande, »die sich meist auf Aenderungen der
Abgaben beziehen, für das Urbar als solches aber belanglos sind«, ver-
riethen, dass die gerade bei Urbaren so wichtigen Nachtragungen in ihrem
326 Literatur.
Werte verkannt und uns grösstentheils vorenthalten worden sind. Und
leider. Die Ahnung erwies sich als Thatsache. Die Beschreibung der
Hs. ist fehler- und lückenhaft : z. B. die den einzelnen Abschnitten voran-
stehenden »Verzierungen, die immer wieder ein I (item?) darzustellen
scheinen ^S sind nichts anderes als die Initialen von Ibique, womit die
Bekenntnisse anheben. Die unverstandenen »anderen Zeichen« entsprechen
unserem Punkte nach dem System, wie es sich in der karolingischen
Schule ausgebildet hatte. Eine Analyse des Pergamentbestandes hätte
ergeben, dass in einer Lage ein Pergamentblatt mit ursprünglichen Ein-
tragungen anlässlich einer Kectificirung der ersten Erhebungen aus-
geschnitten worden ist. Der Text wiederum ist an paläographisch schwie-
rigeren Stellen unzuverlässig (so z. B. schon für die ersten drei Zeilen
oder auf f. 97 =^ Schneller 134), für ein geübteres Auge unschwer lesbare
Stellen sind ausgelassen, z. B. cod. f. 1 und 2, die später vorgebunden,
Nachträge von verschiedenen Händen enthalten mit meist noch deutlich
wahrnehmbaren Jahresangaben; die Notizen zu den J. 1253, 1254, 1255
sind bis auf geringe Beste enträthselbar. Ganz vereinzelt steht der von
Schneller abgedi-uckte Memorialvers, eine probatio pennae von einer
Hand s. XIV. Dasselbe gilt von cod. f. 97 =^ Schneller 135. Vermerke
über die zahlreichen, auch sachlich bedeutsamen Rasuren und Wechsel
der Hände fehlen.
So der formelle Theil der Ausgabe. Nun zu den Nachtragungen.
Bietet der Text des Urbars uns den Zustand der Grundherrschaft i. J. 1220,
so lassen uns die Nachträge den Wandel in Gutsbestand, Bevölkerung und
Leistungen bis zum Zeitpunkt der Zusätze erkennen. Die sämmtlich auf
ein späteres Stadium bezüglichen Nachtragungen enthalten von verschie-
denen Händen, die zu scheiden und zu kennzeichnen gewesen wären, vor-
nehmlich Angaben über die neuen Inhaber der Zinsgüter: ein Wechsel,
wie er durch Todesfälle und andere Besitzveräuderungen verursacht worden
war. Z. B. von einer Hd. A: f. 4 omnia isla ficta Otti (!), filii Johannis,
amissa sunt; f. 20 posidet Johannes de Molara; f. 35 item mansus Boneti
ammissus est. Oder von Hd. B Eintragungen ähnlichen Inhalts und Zweckes :
f. 4' istud tenet omne bonum dictus Berns.
f. lO' ista possessio est desiguata et solvit XXXVIIIIß. ... ■
f. 12 Foia et Biacha Xlß et III dr.
Von einer Hd. C: f. 7 u. 8 und auch sonst: est divisum.
f. 15 non laboratur, f. 25 nil solvitur.
Von einer Hd. D sind am Rande bei einer Anzahl von Zinsbekenut-
nissen kurze Vermerke mit summarischen Angaben über die Leistungen
hinzugefügt worden, wie m[odios] X et II l[ibras] seih casei.
Daneben finden sich noch andere Hände. Die Mehrzahl der Nachträge
dürfte etwa ein Menschenalter nach der ersten Aufnahme gemacht worden
sein. Zu beachten wäre auch, dass die Zusätze nicht in allen Theilen des
Urbars gleichmässig auftreten. In manchen Zinsgebieten fehlen sie ganz.
Es scheinen die Neuerhebungen nicht in allen Gebieten in gleicher Weise
vorgenommen worden zu sein. Durch eine Einleitung sowie durch ein
dreifaches (Sach-, Orts-, Personen-) Register sucht der Hg. die Benützbar-
keit zu erleichtern. Insbesondere das Sachregister ist sehr verdienstvoll
und gebürt Schneller hiefür ausdrückliche Anerkennung. Dass dadurch.
Literatur. 327
aber der Abgang tabellarischer Uebersichten über die Höfe und
Grundstücke, Leistiuigen und Dienste etc., sowie das Fehlen einer Karte
der Grundherrschaft nicht wettgemacht wird, leuchtet ein. Die 3 fol-
genden kleineren Abtheilungen theilen mutatis mutandis mit dieser ersten
Vorzüge und Mängel. Das in die Einleitung zum Urbar von Sopramonte
eingeschaltete (Sehn. 19l) Diplom K, Friedrichs IL von 1236 war bereits
in extenso bei Huillard IV, 835 gedruckt vgl. Ficker KR. n'^ 2150. Die
vom Hg. nicht näher charakterisirte »Urkunde aus Judicarien« ist eine
Kundschaftserhebung, wie schon K. B. in seiner Recensionsnotiz (Hist.
Jahrb. XIX, 1, S. 209) hervorgehoben hat.
Fleiss und redliches Bemühen wird man Schneller, der bereits auf
dem Gebiete tirolischer Ortsnamenforschung sehr Verdienstliches geleistet
hat, nicht absprechen dürfen. Aber für die schwierige Aufgabe einer den
heutigen wirtschaftsgeschichtlich-diplomatischen Anforderungen gerecht wer-
denden Urbaredition reichten diese Eigenschaften allein nicht aus. Trotz
allen entschuldigenden Erwägungen wird man der Wahrheit Zeugnis
geben müssen: der gute Ruf der »Quellen und Forschungen« kann durch
Publicationen solcher Art nicht gewinnen.
Sustas Arbeit bewegt sich auf den Grenzgebieten von Diplon.atik,
Wirtschafts- und Rechtsgeschichte. In der verständigen, von gutem Ur-
theil geleiteten Verwertung der einschlägigen Literatur dieser drei Disci-
plinen zu einer darstellenden Geschichte der Urbarialen von den Römer-
zeiten bis zur Ausbildung des modernen Staats liegt sein Hauptverdienst.
Bei dem Reichthum des Inhalts und der Knappheit des Stils, die Sustas
Abhandlung auszeichnen, muss Ref. sich angesichts des beschränkten zu-
gebote stehenden Raumes eine Inhaltsübersicht versagen. Die Capitel-
überschriften der gut disponirten Ausführungen werden einigermassen über
den Gedankengang der Abhandlung informiren. Auf kurze einleitende
Bemerkungen folgen Abschnitte wie : die römisch-byzantinischen Cataster-
bücken. Die Urbarialaufzeiclmungen in Italien. Staatliche Inventarisirung
des Grossgrundbesitzes im fränkischen Reich. Die fränkischen Polyptj^cha.
Deutsche Urbarialaufzeichnungen des früheren Mittelalters. Deutsche Urbare
aus dem späteren Mittelalter. Die Entstehungsweise und Rechtskraft der
Urbare. Die landesherrlichen Urbare. Einzelnes sei hervorgehoben. Fussend
insbesondere auf A. Schultens Arbeit über die römische Grundherrschaften
(Zs. für Social- und Wirtschaftsgesch. III.) knüpft der Verf. in über-
zeugender Weise die Urbare Italiens (und von Byzanz) an die staatlichen
Partikularcataster des römischen Kaiserreichs ai;. Nach dem Verfall der
römischen Steuerverfassung bedienten sich die Besitzer der grossen fundi
excepti der bisherigen öffentlichen Steuerrolle zu privaten Verwaltungs-
zwecken: das staatliche Gebührenbuch ward ein Urbar. Sehr dankenswert,
vielleicht etwas zu skizzenhaft ist das Capitel über die italienischen Ur-
barialien und deren Entwicklung bis zu grossen Urkundensammlungen ;
hier hätte man von dem in Rom weilenden Verf. gerne mehr erfahren.
L. M. Hartmanns wirtschaftgeschichtliche Arbeiten leisteten da gute
Dienste. In ähnlicher Weise diente, wie schon Fustel de Coulanges aus-
gesprochen, auch im Frankenreiche die römische Steuerrolle den grossen
Urbaren (Polyptycha) als Grundlage und Ausgangspunkt. Neben diesen
eigentlichen Urbaren giengen im Anfange der Karolingerzeit auf staat-
328 Literatur.
liehe Anregung hin entstandene Inventare, brevia genannt, einher. Etwa
zur selben Zeit wie in Italien (lO. Jahrh.) treten auch in Frankreich örtlich
geordnete Chartulare an Stelle der eigentlichen Urbare. Es ist interessant
zu beobachten, wie das 1 0. Jahrhdt. auf den verschiedensten Gebieten
deutschen Volkslebens das völlige Absterben der aus der Antike über-
kommenen Formen und das Ringen nach neuen aus nationalem Boden
erwachsenden Bildungen aufweist: Rechts- und Wirtschaftsgeschichte, Lite-
ratur und Kunstgeschichte zeigen jede in ihrer Art dieselbe Erscheinung.
Die grossen Urbarialaufzeichnungen in der Norinandie und in England
werden von S. nur nebenher erwähnt. Die weitere Entwicklung steht
unter dem bestimmenden Einfluss des alles durchsetzenden Lehenwesens.
Das Traditionsbuch beginnt zu überwiegen und wird gegen das 12. Jh.
hin von neuen Urbarialaufzeichnungen zu Verwaltungszwecken ohne feste
Form verdrängt. Das spätere Mittelalter wird zu einer neuen Blütezeit
des Urbars. Die Grundherrschaften bedienen sich dieses Hilfsmittels zum
Schutze gegen Beeinträchtigung von aussen und innen. Hier, wo die
Literatur abgesehen von mehr minder guten Einleitungen zu den Ausgaben
spärlich ist, wäre man dem Verf. für eine etwas eingehendere Unter-
suchung, wenigstens an der Hand der bereits gedruckten Ui-bare. nach
territorialen Gesichtspunkten, nach dem Stande des Gutsherrn, für Auf-
deckung der Anlegungsursache und des Anlegungsmodus an einer grösseren
Reihe von Beispielen doppelt dankbar gewesen. Mit einem Capitel über
die landesherrlichen Urbare schliesst die interessante, flüssig geschriebene
Arbeit ab. Wir sind an der Schwelle moderner Staatsverwaltung an-
gelangt.
Und nun noch ein Wort zur Rechtskraft der Urbare. Den Aus-
führungen des Verf. wird vollauf beizustimmen sein, namentlich auch darin,
dass eigentliche Rechtskraft diesen Verzeichnissen wohl nur in dem Ver-
hältnis zwischen Herrn und Hintersassen beigemessen wurde. Ihre Ver-
wertung als Beweismittel im Processe bei Besitzstreitigkeiten gegenüber
dritten müsste an der Hand unserer zahlreichen Urkundenbücher noch
näher untersucht werden. Die diesbezügliche Anschauung der Juristen
des vorigen Jahrhunderts dürfte sich zwar, soviel ich sehe, bestätigen, sie
müsste aber doch vor ihrer Annahme an der Hand des uns zugebote
stehenden ungleich reicheren gedruckten Materiales durch genügend zahl-
reiche beweisende Fälle aus den verschiedenen Jahrhunderten des Mittel-
alters belegt werden. Es dürfte sich zeigen, dass die den Urbaren zu-
geschriebene Rechtstraft nicht während des ganzen Mittelalters gleich und
ständig war; der Niedergang des schriftlichen Beweises überhaupt während
des 11. und 12. Jahrhunderts wird wohl auch auf die Wertschätzung
dieser Aufzeichnungen nicht ohne Einfluss geblieben sein. Bei der S. 2
gegebenen Definition vermisst Referent die erforderliche Präcision; er
möchte sich erlauben, folgende Definition zu versuchen : Urbare im eigent-
lichen Sinne sind systematische Verzeichnisse über den Gesammtbesitz
einer GrundheiTschaft an liegendem Gut und Leistungen der Unterthanen,
zusammengestellt auf Grund von rechtsgiltigen Zeugnissen persönlicher
(Weisungen, CoUectiv-, Einzelzeugnisse) und — als eventuelle Ergänzung
— auch urkundlicher Natur. — Doch alle diese oben vorgebrachten
Wünsche treöen keineswegs den Verf. als Unterlassungssünden oder seine
Literatur. 329
Arbeit als Mängel. Denn S. war bescheiden genug, seiner Abhandlung den
Titel : »Zur Geschichte und Kritik der Urbarialaufzeichnungen '^ zu geben.
Sie sollen nur ausgesprochen sein, um die Lücken unserer Kenntnis für
weitere Forschungen klar zu legen. Herausgebern von Urbaren, die sich
über diese Quellengruppe rasch und gut unterrichten wollen, kann S.s
Arbeit aufs beste empfohlen werden.
Wien. J. L e c h n e r.
Die Geschichte der deutschen Universitäten von
Georg K aufm an n. 2. Bd. Entstehung und Entwicklung der deut-
schen Universitäten bis zum Ausgang des Mittelalters, Stuttgart,
Cotta 1896 VI und 587 SS. i).
Jeder, der ein wenig in die intimere Geschichte des Mittelalters ein-
gedrungen ist, weiss, dass entgegen der landläufigen Anschauung von der
grossen Uniformität, die man dem Zeitalter des Lehensi'echtes, der Leib-
eigenschaft, des Zunftzwanges, des geschlosseneu Bürgertums, der hierarchi-
schen Einheit zuschreiben zu dürfen glaubt, eine ganz erstaunliche Mannig-
faltigkeit der politischen und socialen Zustände und Einrichtungen vorhanden
war. Die Geschichte der Universitäten kann diese Wahrnehmung nur
bestätigen.
Wenn es jemand unternähme die Organisation, den Studiengang und
Lehrplan der bestehenden Universitäten des deutschen Sprachgebiets zu
schildern, so wäre das im Grunde eine sehr einfache Aufgabe. Der Ver-
fasser könnte sich damit begnügen die Einrichtung irgend einer dieser
Hochschulen darzustellen und hätte damit ein typisches Bild gezeichnet,
das auch für alle anderen Universitäten mit keinen oder nur geringen
Abänderungen Geltung behielte.
Für das Mittelalter liegen die Verhältnisse ganz anders. Kicht allein
haben seine Universitäten mit den jetzigen ausser der Scheidung in vier
Facultäten und einer traditionellen Terminologie für gewisse akademische
Behörden und Institutionen so gut wie nichts mehr gemein, sondern sie
zeigen auch untereinander wesentliche Unterschiede. Dieser zweite Band
von Kaufmanns Werk beweist das zur Genüge. Wie ausserordentlich
mannigftich abgestuft erscheinen beispielsweise die Rechte der Scholaren
(S. 48 ff.), die Stellung und Zusammensetzung der Nationen (S. 63 ff.),
das Amt des Kanzlers (S. 131 ff., 140 ff.), die Zusammensetzung der re-
gierenden Versammlung (S. 161 ff.), die Formen der Wahl des Senates
{S, 163), des Rectors (S. 167) und Dekans (S. 196), die Verfassung der
Facultäten (S. 18!^, 203 ff.), die Beziehungen der Universitäten zum Staat,
die akademische Gerichtsbarkeit, (S. 91 ff-, 100 ff.) u. s. w.
Es liegt auf der Hand, dass daraus dem Verfasser einer allgemeinen
Geschichte der deutschen Universitäten erhebliche Schwierigkeiten erwachsen.
1) Ich fühle mich zu der Erklärung verpflichtet, dass das verspätete Er-
scheinen dieser Anzeige nicht der Redaction, sondern nur dem Referenten zur
Last fällt.
330 Literatur.
Denn auf der einen Seite muss jede solche Darstellung, wenn sie diesen
Titel mit einigem Eechte führen will, sich von den einzelnen Thatsachen
aus zu allgemeinen Betrachtungen zu erheben suchen, während auf der
andern Seite der sehr individuell gefärbte Stoff eine derartige Verallge-
meinerung nicht oder nur in sehr begrenztem Masse zulässt.
Um die Lösung dieses Problems hat sich nun Kaufmann redlich und,
wie ich glaube, mit gutem Erfolge bemüht. Sein Buch ist eine durchaus
auf den ersten Quellen beruhende sorgfältige vergleichende Darstellung der
Entstehung, der Zustände und Einrichtungen der deutschen Universitäten
bis zum Auftreten Luthers. Ein weitschichtiger und zum Theil auch weit
zerstreuter Stoff ist mit Umsicht und ohne Willkür in der Auslegung
verarbeitet, die gemeinsamen Züge sind nach Möglichkeit hervorgehoben
worden. Wenn trotzdem das Detail recht üppig in diesem Bande wuchert,
so erscheint das nach der geschilderten Natur des Stoffes nicht unbe-
greiflich. Es ist keine Beispielsammlung, sondern eben der unvermeid-
liche Notbehelf bei dem vollständigen Mangel eines beherrschenden Typus.
Eine andere Schwierigkeit, die Disposition des Stoffes, scheint mir
Aveniger glücklich überwunden. Abgesehen von Wiederholungen, die frei-
lich bei der Zergliederung eines in den einzelnen Theilen so ineinander
greifenden Stoffes eintreten müssen, macht sich namentlich das nachträg-
liche Hereinziehen von Einzelheiten in resumirende Abschnitte (S. z. B.
S. 176, 3 18 ff., 542 ff.) störend bemerklich. Am Meisten fällt auf. dass
ein Abschnitt, der etwa Sitten oder gesellschaftlicher Zustand der Scholaren
zu betiteln gewesen wäre, ganz fehlt. Jetzt ist das hieher Gehörige in
verschiedenen Kapiteln nicht gerade zum Vortheile der Erzählung unter-
gebracht. S. z. B. § 4 (S. <Süff'.) mit der überdies ganz einseitigen Her-
vorhebung »Tracht der Scholaren ^S während doch in diesem Kapitel noch
von ganz anderen Dingen (Cölibat) und viel wichtigeren (s. besonders S. 89)
die Rede ist.
Mit der Sicherung der Darstellung durch Mittheilung der Belegstellen
hat der Verfasser besonders in den ersten vier Kapiteln nicht gekargt.
Es ist sogar des Guten zu viel geschehen. In der Mehrzahl der Fälle
hätten blosse Verweise iim so eher genügt, als sie auf bekanntere, auch
in kleineren Bibliotheken erhältliche Werke sich beziehen ; denn ein voll-
ständig unabhängiges Buch herzustellen konnte doch vorweg nicht in
der Absicht des Verfassers gelegen sein.
Von den fünf Kapiteln, in die der Band zerfällt, geben die vier ersten
— Gründung, Verfassung und Studienordnung — im Ganzen wohl kaum
Anlass zu Meinungsverschiedenheiten. Der Verfasser ist hier so an seinen
Stoff gebunden, dass seine Darstellung lediglich auf ein Zusammenfassen
der Ueberlieferung und ein Nacherzählen hinausläuft, die der subjectiven
Auffassung und der kritischen Betrachtung keinen oder nur einen geringen
Spielraum lässt. Nur ein Punkt verdient auch hier hervorgehoben zu
werden.
Kaufmann veitritt nämlich den Standpunkt, dass die Universitäten
lies Mittelalters, vorab die deutschen, nicht kirchliche Institute gewesen
sind, und ich glaube, wenn etwas in seinem Buche bewiesen wurde, so
ist es die Richtigkeit dieser Ansicht.
Literatur. ggj
Abweichend von Stein ^) und besonders von Paulsen -) hat Kaufmann
wohl ganz unwiderleglich dargethan, dass die Mehrzahl der (deutschen)
Universitäten nicht vom Papste gegründet wurde (S. 45), dass sogar das
Mittelalter ein ausschliessliches Gründungsrecht des Papstes nicht einmal
theoretisch anerkannte (S. 149), dass Lehrer und Scholaren nicht ins-
gesamt dem geistlichen Stande angehörten (S. 80 ff., 99, 104), dass-
der Cölibat wohl das Gewöhnliehe, aber durchaus nicht Gesetz und am
allerwenigsten »eine selbstverständliche Forderung <■= war (S. 87), kurzum
dass, wenn Paulsen a. a. 0. sogar die Behauptung gewagt hat, »die Uni-
versitäten Deutschlands seien vielfach nichts anderes als freiere Collegiat-
stifte, welchen von den beiden Aufgaben solcher Institute, dem Gottesdienst
und dem Unterricht, wesentlich nur die letztere oblag*, man mit viel mehr
Grund sagen darf, »die Zugehörigkeit zur Universität machte niemanden
geistlich und die Universitäten unterstanden nicht den kirchlichen Be-
hörden als solchen« (S. 89). Der geistliche Charakter eines Theiles
ihrer Mitglieder, ihrer Fonds und ihrer Einrichtungen wird dessenunge-
achtet nicht geleugnet und zugleich sehr hübsch auseinandergesetzt, wie
es kam, dass man ihretwegen schliesslich irriger Weise die ganze Anstalt
zu specifisch geistlichen stempelte.
Zu bedeutender Höhe erhebt sich endlich die Darstellung im letzten
Kapitel, in dem die Entwicklung der Universitäten durch die Jahrhunderte
bis zur Eeformationszeit in grossen Zügen vorgeführt ist. Hier, wo der
Verfasser nicht fortwährend scheue Seitenblicke auf das, was unter den
Strich zu stehen kommt, thun muss, hat er vollauf Gelegenheit zur histori-
schen Betrachtung. In einer Keihe oft glänzender Schilderungen kommen
da Dinge von grösstem Interesse zur Sprache, so namentlich die Stellung
der Universitäten zu den Concilien und zum Humanismus. Dass es der
Verfasser nicht unterlassen hat, über den Humanismus sich weitläufiger,
als der unmittelbare Zweck des Buches es verlangte, auszulassen, wird
man um so erfreulicher finden, da bei der Gelegenheit mit jener, zumal
von J. Janssen beliebten Unterscheidung zwischen einem ehrbaren Huma-
nismus älterer und einem lüderlichen jüngerer Richtung nach Gebühr auf-
geräumt wird (S. 500 ff.); und in gleicher Weise wird die Ansicht als
unhaltbar nachgewiesen, als ob die Reformation ihrerseits wieder den
Humanismus zerstört hätte (S. 5 23 ff.). Diese Ausführungen, die mit der
Ruhe einer auf reichen Kenntnissen ruhenden Ueberzeugung vorgebracht
werden, dürfen der Zustimmung aller vorurteilslosen Leser sicher sein.
BaseL R. Thommen.
Jaroslav Goll, Oechy a Prusy ve stfedoveku. (Böhmen
und Preussen im Mittelalter). Prag. 1897. 313 S. 8°.
Das Buch gehört zu jenen Erscheinungen der fremdsprachigen Lite-
ratur, deren Kenntnis und Berücksichtigung für die deutsche Geschichts-
') Die akademische Gerichtsbarkeit in Deutschland. Leipzig 1891.
2) Geschichte des gelehrten Unterrichts. 2. Aufl. 1896, 1, 26.
232 Literatur.
forschung wünschenswert ist. Inhaltlich fällt es durchaus auch in den
<jesichtskreis allgemeiner deutscher Geschichte und ist um so wichtiger,
als der Verf. vor allem auch die böhmische und polnische Literatur über
diese Frage vollkommen beherrscht und berücksichtigt ; der Form nach ist
es, wie alle Arbeiten Golls, eine auf eigener wissenschaftlicher, wohl auch
langjähi-iger Forschung beruhende Schrift, schön, anziehend und lebhaft
geschrieben, reich an Charakteristiken der einzelnen hervorragenden Per-
sonen sowie der Zeitepochen. Der Titel umschreibt nicht so recht die
Grenzen, die die Darstellung in Wirklichkeit erreicht; vielleicht hätte die
Aufnahme des Wortes »Polen* in den Titel den Inhalt genauer charak-
terisirt, denn vom ersten Augenblick, da Beziehungen zwischen Böhmen
und Preussen bestehen, sind auch solche zwischen Polen und Preussen
nachzuweisen. Adalbert, der im Preussenlande den Märtyrertod fand, ist
ein Böhme, aber seinen Leichnam von den Preussen zurückzukaufen und
ihn als Eeliquie in Gnesen zu bestatten, blieb dem Polenkönige überlassen.
Die ersten Berührungen Böhmens mit Preussen, Bischof Adalberts von
Prag und Bischof Heinrich Zdiks von Olmütz Missionsfahrten, sind mehr
privater Xatur, das Verhältnis Polens zu Preussen nimmt aber von Anfang
an einen ernsten politischen Cliarakter an und in Adalberts Schicksal, der
von den Preussen ermordet, von den Polen unmittelbar darauf als Heiliger
verehi't wurde, ist gleichsam der tiefe Gegensatz zwischen diesen beiden
Staatswesen , der auch ihre weitere Geschichte beherrscht , angedeutet.
Böhmens Verhältnis zu Preussen lässt sich nicht darstellen, ohne dass
man immer wieder die Stellung Polens zu beiden berücksichtigte. Golls
Buch wird dieser Thatsache wohl auch in vollstem Maasse gerecht, er sagt
selber in der Einleitung, dem Leser werde es manchmal scheinen, dass
das im Titel genannte Thema sich in eine Darstellung der böhmisch-
polnischen — ich möchte mir erlauben hinzuzufügen : oder der polnisch-
preussischen — Beziehungen verliere, und deswegen hätte mir eben auch
die Erweiterung des Titels in der angedeuteten Weise entsprechend ge-
schienen. Allerdings die Absicht, die der Verfasser mit seiner Arbeit
verfolgte, war: Böhmens Geschichte durch die Darlegung seiner Beziehungen
zu dem für die Geschichte der östlichen Slavenländer so wichtigen Preussen
zu beleuchten und zu erhellen. Gleich im ersten Kapitel, das die Auf-
schrift trägt: »Der h. Adalbert. — Bischof Heinrich Zdik. — Die
beiden Kreuzzüge Pfemysl Ottokars IL«, wird daher auch insbesondere
die Politik des grossen Böhmenkönigs eingehend gewürdigt. Premysl
Ottokars IL ersten Kreuzzug nach Preussen im Jahre 1255 betrachtet G.
von dem Gesichtspunkt, dass sich der König hiedurch den Papst zu
Danke verpflichten wollte, ohne directe Pläne auf etwaige Eroberungen
in Preussen selbst zu hegen. Die zweite Unternehmung im J. 1267/8
geschah dagegen in der Absicht, in Litthauen »sozusagen ein zweites
böhmisches Reich zu gründen«. Ich muss hier einschalten, dass sich G.
anlässlich der Darstellung des ersten Zuges Pfemysl Ottokars der deutschen
»unbarmherzigen«, zum Theile aus tendenziöser Voreingenommenheit gegen
den Böhmenkönig, wie G. sagt, ungünstigen Kritik der Hauptc^uelle, Peters
von Dusburg, entschieden entgegenstellt und einen Zweifel daran, dass der
König bis nach Samland, dem Kernpunkt der ganzen Unternehmung ge-
kommen sei, gar nicht aufkommen lassen will. Was ferner Pfemysl Otto-
Litei'atur. 33^:^
kars Staats- und kirchenpolitische Pläne bei «lern zweiten Preussenzuge
anlangt, so weist G. die öfters ausgesprochene Ansicht, als oh es sich dem
Könige darum gehandelt habe, Olmütz zum Erzbistum für Böhmen und
Mähren oder gar für das ganze Ottokar'sche Reich erheben zu lassen, als
auf unrichtiger Auslegung der Quellen beruhend zurück; nur die in den
neu eroberten Gebieten neu zu gründenden Bistümer sollten fortan dem
Olmützer Erzbistum untergeben sein. Den Widerstand, den dieser Plan
von Anbeginn in Rom fand, möchte G. zur Erklärung für den raschen
Abbruch der Unternehmung herbeiziehen. Eingehend wird in diesem Ka-
pitel auch die Stellung, die Litthauen in diesen Kämpfen einnimmt, ge-
schildert; wie Mendog ahnend, von welcher Seite ihm und den übrigen
slavischen Stämmen die Gefahr droht, aber unvermögend ein einheitliches
Reich zu begründen, durch Annahme des Christenthums sich und sein Land
rettet.
Das zweite Kapitel — » Die letzten zwei Pf emysliden. — Die Heeres-
züge K. Johanns nach Litthauen. — Karl IV. "^^ — beginnt mit der Ge-
schichte Pommerns, an dessen so raschem Verluste für Polen und das
Slaventhum überhaupt, die beiden letzten Pfemysliden mit die Schuld
tragen. Erst in diesem Zusammenhang bietet der Verf. eine sehr schöne und
ernste Charakteristik Pfemysl Ottokars IL, dessen Bedeutung man wirklich
richtiger beurtheilt, wenn man die Stellung betrachtet, die seine beiden
Nachfolger, sein Sohn und Erbe Wenzel IL und dann dessen Sprosse
Wenzel III. eingenommen haben. Die Führerrolle, die unter den slavischen
Staaten im 13. Jahrh. Böhmen inne gehabt, übernimmt in der ersten Hälfte
des 14. wiederum Polen, als dort Wladislaw Lokietek den Thron besteigt;
» ein Mann starken Geistes, nach Boleslaw Chrabry unter den Plasten vielleicht
der bedeutendste ^\ sagt G. Dass nun auch » der grosse Kampf ^'^ Polens mit
dem Deutschen Orden ausbrechen musste, wird aus G's Darstellung, der
schon im ersten Kapitel bei der Berufung des Ordens nach Preussen ge-
zeigt hat, wie dadurch ein Gebiet, das bei grösserer politischer Umsicht
Polen hätte zufallen müssen, dem Slaventhum verloren gieng, durchaus ver-
ständlich. K. Johanns von Böhmen Stellung in diesem Kampfe ist die
eines Verbündeten des Ordens. Auch Karls IV. Politik ist im ganzen
noch die der vollen Unterstützung des Ordens gegen seine Feinde ; schon
seine kaiserliche Würde machte ihm dies zur Pflicht. Es ist nun aber in
der Tbat interessant zu verfolgen, wie allmählig der Umschwung in dem
Verhältnis Böhmens, seiner Fürsien und des ganzen Volkes, zum Deutschen
Orden und Polen eintritt, wie dies Goll in dem .3. Kapitel — »Wandlung'
und Uebergang. — Theilnahme der Böhmen an den preussischen Kriegen
1410 und 1414^'= — ausführt. »Wenzels Politik in dieser Zeit (i. e. 1409)
wandte sich ab von den Traditionen, von der Politik seiner Vorgänger^
sowohl der Kaiser als auch der böhmischen Könige. Schon sein Vater
Karl hatte sich nicht in allem mehr an ihr Beispiel gehalten, Wenzel
gedachte, darin noch weiter zu gehen ^■^ (S. 108). Allerdings lenkte er
gerade im folgenden Jahre wieder ein, aber wichtiger und bezeichnender
als der dem Orden günstige Schiedspruch Wenzels vom 8. Februar 1410
ist jedenfalls die Tbatsache, dass in der Schlacht von Tanuenberg zahl-
reiche Krieger aus Böhmen und Mähren auf polnischer Seite kämpften.
So lernen wir denn die böhmisch-polnische Freundschaft, wie sie sich uns
234 Literatur.
in der Zeit der Husitenkriege so deutlich zeigt, richtig verstehen: das
wiederholte Angebot der böhmischen Krone von selten der böhmischen
Eoyalisten an die polnischen Fürsten, das directe Eingreifen K. Jagiellos
von Polen, Witolds von Litthauen und des Prinzen Sigmund Korybut mit
seiner zweimaligen Regentschaft in Böhmen in die böhmischen Verhält-
nisse. Das bildet im wesentlichen das Thema des 4. Kapitels: »Vom Tode
König Wenzels bis zum Tode Kaiser Sigmunds. — Böhmen, Polen und
Preussen in der Zeit der Husitenkämpfe *. Goll zeigt, dass damals das
Bewusstsein nationaler Verwandtschaft in Böhmen und Polen auffallend
stark entwickelt war, dass aber andererseits die religiöse Richtung, die
in Böhmen das Uebergewicht erlangt hatte, in Polen keinen rechten An-
klang fand. lieber allem schwebt aber doch wieder als letzte wirkende
Kraft das politische Moment. Dass K. Sigmund durch den Breslauer
Schiedspruch von 1419 die Anwartschaft auf Samogilien (Zmudz) dem
Deutschen Orden zusprach, war für Litthauen-Polen der Stachel, Sigmunds
Stellung in Böhmen nach Möglichkeit zu erschweren. Nicht die böhmische
Krone, sondern der Wiedergewinn Samogitiens sei Witolds sicher erkenn-
bares Ziel gewesen, als er mit Sigmund das Spiel in Böhmen aufnahm.
Durch die Abtretung dieses Gebietes an Litthauen im Frieden von 1422
wandeln sich auch die Verhältnisse durchaus; erlangte doch Sigmund bei
der Zusammenkunft in Käsmark vom Polenkönig Jagiello sogar das Ver-
sprechen, dass ihm dieser raitsammt Witold, den die Bömen so gerne als
ihren König begrüsst hätten, gegen die Husiten Kriegshilfe leisten werde.
Mit dem Tode Witolds im J. 1430, dessen hervorragender Persönlichkeit
der Verf. in einem sehr gelungenen Charakterbild gerecht wird, entbrennt
der lange zurückgedrängte Krieg zwischen Polen und Litthauen, in den
sehr bald der Orden hineingezogen wird. Merkwürdig genug ist, dass
hiebei die böhmische Husitenpartei »der Waisen <S aber auch der Papst
^uf der Seite Polens stehen gegenüber Litthauen-Orden ; allerdings hatte, wie
das bei dem Zwiespalt in Böhmen begreiflich ist, auch der litthauische
Fürst Verbindungen in Böhmen und Zuzug wie aus diesem Lande so auch
aus Mähren, so dass oft genug in den furchtbaren Kämpfen jener Epoche
Böhmen und Mährer gegen ihre Landsleute, denn Brüder wäre kein pas-
sender Ausdruck, in fremdem Lande die gräulichsten Verbrechen begiengen.
Hat noch Caro den Krieg von 1433 als einen »Krieg der Husiten gegen
den Orden mit polnischer Unterstützung '='= hingestellt, so scheint mir G.
das Verhältnis doch richtiger dahin zu fassen, dass es ein Kampf Polens
mit dem deutschen Orden war, bei welchem die »Waisen« den Polen als
gemeinsame Feinde der Deutschen überhaupt mithalfen.
Das fünfte und letzte Kapitel ist betitelt: »Die Theilnahme der Böhmen
an dem 13jährigen Kriege 1453 — 1466; Bernhart von Cimburg und
Udalrich Cervenka von Ledec. — Der letzte Krieg des Deutschen Ordens
mit Polen in den Jahren 1519 — 1521*. In einer übersichtlichen Dar-
stellung der politischen Verhältnisse der drei Hauptgebiete Böhmen, Polen,
Preussen von Sigmunds Tod bis zur Säcularisation Preussens im J. 1525
wird hauptsächlich die Mitthätigkeit der bekannten böhmisch-mährischen
Söldnerführer, von denen die einen Gut und Blut für den Orden opfer-
ten, während die anderen für den Polenkönig kämpften, eingehend be-
sprochen.
Literatur. 335
Der Verf., dessen Arbeit, wie sicherlich auch aus diesem Bericht
hervorgeht, den wissenschaftlichen Charakter nirgends verliert, durch dessen
Oabe, einen sehr complicirten Stoff übersichtlich zu disponiren und schön
darzustellen, das Buch für jüngere Historiker lehrreich ist, hat seine
»Cechy a Prusy* aber auch noch für einen andern Leserkreis berechnet,
für die »practischen Politiker <■=. Er apostrophirt sie bereits in der
Einleitung mit den Worten: »Der practische Politiker unserer Tage
könnte in dem Buche die Belehrung finden, dass verwandte Natio-
nalität und die daraus fliessende gegenseitige Zuneigung der Völker nicht
genügt, wenn nicht noch andere gegenseitige Interessen hinzutreten '^.
Auch der Schlusssatz des ganzen Buches ist eine historisch-politische Be-
trachtung, gerichtet, wenn ich nicht irre, an den practischen Politiker in
erster Linie: »Die Schlacht von Grunwald und die preussische Huldigung
verherrlichte durch seine grossartigen Gemälde Matejko. Mit
Yollem Eechte ; die Schlacht wie auch die Huldigung gehören zu den
glänzendsten Ereignissen der polnischen Geschichte. Und doch gilt auch
hier das nämliche, was schon anlässlich des Thorner Friedens gesagt
worden ist. Auch dessen vollkommenste Durchführung bedeutete für Polen
keine glückliche Entscheidung der » preussischen Frage '^^ Der Deutsche
Orden verlor Preussen, aber die Tradition seiner Politik gieng auf seine
Erben über. Im neuzeitlichen preussischen Staate siegte er über Polen.
Und frühzeitig, noch l)evor dessen Herrschaft in Preussen gefallen war,
zeigte sich bereits, was dem polnischen Staate, wie ihn das 14. und 15- Jakr-
hundert aufgerichtet hat, die Union mit Litthauen und der Thorner Frieden
bringen müsse: das Bündnis Preussens mit Eussland. Preussen siegte
über Polen, Moskau über Litthauen. Auch diese endliche Lösung der
»preussischen Frage ^'^ ist kein Glück für das Slaventhum'^^
Man legt das Buch Golls mit dem Gedanken weg, dass auch für Böhmen
die Periode der Palacky'schen Geschichtsschreibung, die bei aller unläug-
baren Bedeutung doch nicht ewig währen kann, dass die Zeit des un-
veränderten Wiederabdrucks seines unzweifelhaft epochalen Werkes ihrem
Abschluss entgegengeht.
Brunn. B. Bretholz.
Hopfen 0. H., Kaiser Maximilian II. und der Kom-
promisskatholizismus. München 1895 (8°, 439 SS.).
Das Problem, mit dem sich die vorliegende Schrift befasst, ist in
neuerer Zeit wiederholt zu lösen versucht worden. Reimann und Mauren-
brecher, um nur die wichtigsten Namen zu nennen, haben die entscheidende
Phase in dem Leben Maximilians, die Zeit von 1555 — 1564 zum Gegen-
stand eingehender Untersuchung gemacht. Wie Maximilian seit dem Jahre
1555 sich den protestantischen Fürsten und der protestantischen Lehre
immer mehr nähert, bis er im Jahre 1560 mit seinem Vater (Ferdinand I.)
der Religion wegen in den heftigsten Conflict kommt, wie er dann lang-
sam einlenkt und sich der katholischen Kirche wenigstens äusserlich wieder
anschliesst, so dass er bei seinem Regierungsantritt (l564) von den Katho-
liken für bekehrt, von den Protestanten noch immer für einen geheimen
336 Literatur.
Anhänge!* Luthers gehalten wurde — diese merkwürdige Wandlung ist von
Eeimann mit grossem Scharfsinn aber auf Grundlage eines unzureichenden
Materials, dann von Maurenbrecher auf Grund umfassender archivalischer
Forschung und in glänzender Darstellung vorgeführt worden. Die Dar-
stellung Maurenbrechers, welcher die Annäherung Maximilians an den Pro-
testantismus und seine wenigstens äusserliche Abkehr von demselben mit
politischen Rücksichten, mit seinem Streben nach der deutschen Krone und
der Gestaltung der Beziehungen zu Philipp IL von Spanien erklärt, ist
massgebend geblieben. Man erkennt ihren Einfluss noch an der letzt-
erschienenen Schrift über die Anfänge Maximilians, an der Abhandlung
von W. Götz, »Maximilians IL Wahl zum römischen König 1562^^ (Würz-
burg 189l). Auch Götz, der sein Thema vollkommen selbständig behandelt
und die Verhandlungen über die Wahl Maximilians (l561 — 62) vorzüglich
darstellt, sagt (p. lll). äussere Gründe hätten Maximilian dem Protestantis-
mus nahe geführt., und äussere Gründe sollten auch über seine endgiltige
Stellung zu den beiden Parteien entscheiden.
Gegen diese Auffassung wendet sich die vorliegende Schrift. Sie will
nachweisen, dass politische Motive das religiöse Verhalten und die kirch-
liche Politik Maximilians nicht beeinflusst haben, dass diese vielmehr aus
sich selbst erklärt werden müssen. Nicht nur die bisherige Forschung,
auch die Zeitgenossen Maximilians und sogar dieser selbst (p. 44, 45, 7l)
hätten den Fehler begangen, »die Religion unbedingt unter einen der
beiden vom Augsburger Religionsfrieden zugelassenen Namen einzureihen *=,
d. h. Maximilian für einen Katholiken oder Protestanten zu erklären. Er
sei jedoch weder Katholik, noch Protestant, sondern Compromisskatholik
gewesen, und er hätte sich auch in den Jahren 1560 — 1564 nicht anders
verhalten, als vorher. Er habe nur den Namen geändert (p. 73), den alten
Namen » Katholik <S der im Augenblicke der Erregung aufgegeben worden
sei, wieder angenommen. Doch wir müssen hier Halt machen und die von
Hopfen gegebene Erklärung des Compromisskatholicismus betrachten, bevor
wir auf den weiteren Inhalt des Buches eingehen.
H. weist in der Einleitung zu seinem Buche darauf hin, dass die
Mehrzahl der Fürsten des 1 6. Jahrhunderts von den dogmatischen Gegen-
sätzen zwischen protestantischer und katholischer Lehre nichts verstanden,
und »dass unter den Gebildeten auch diejenigen, die nicht zum Protestan-
tismus übertraten, die verhassten Fesseln abschütteln wollten* d. i. »das
Papstthum und dessen äusseres Kirchenthum "^ (p. 7). So sei eine Form
des Kirchenthums entstanden, die man Compromisskatholicismus nenne.
»Dieser Compromisskatholicismus '='= (hier folgt H. der von Stieve gegebenen
Definition) »hielt vom Papst nichts, von den Bischöfen wenig, verwarf die
Ohrenbeichte, die Finnung und die letzte Oelung, forderte das Abendmahl
unter beiden Gestalten und die Beseitigung oder Verdeutschung der Messe,
verachtete den Ablass und glaubte deshalb auch nicht an das Fegefeuer,
erklärte das Fasten und die kirchlich vorgeschriebene Enthaltung von
Fleischspeisen für unnöthig. eiferte gegen Wallfahrten und Kreuzgänge sowie
gegen die Anrufung der Heiligen und die Verehrung der Reliquien, ver-
achtete das Klosterleben und die Cölibatgesetze und verurtheilte noch
manches andere, worin die Eigenart der römischen Kirche sich äusserlich
darstellte.* Ein solcher Compromisskatholik sei der Hofprediger Maximilians,
Literatur 337
Johann Sebastian Pfauser (der allgemein für einen Protestanten gehalten
wurde), um dessentwillen Maximilian im Jahre 1560 den härtesten Kampf
mit Ferdinand I. bestand, gewesen, und durch den Umgang mit Pfauser
sei Maximilian, der sich mit Dogmatik wenig beschäftigte und nichts davon
verstand (p. 4l) auch Compromisskatholik geworden. H. führt diesen Satz
im Einzelnen aus und kommt zum Schlüsse, dass Maximilian, obgleich er
Laienkelch und Priesterehe forderte, die Fasten, Ablass, Fegefeuer, Fürbitte
für die Todten, Anrufung der Heiligen und Processionen verwarf und
entschieden gegen das Papstthum auftrat, doch theils aus äusserem Zwang
theils freiwillig katholisch blieb, da er die trennende Dogmatik nicht ver-
stand (p. 46). Dass Maximilian sich im Jahre 1560 an die protestantischen
Fürsten wandte, um von ihnen Kath und Hilfe zu verlangen, »wegen der
hohen Beschwerden ^S ^^ die ihn sein Vater versetze »wegen AbschaflPung
des Hofpredicanten und der Lehre, so in der Augsburgischen Konfession
begriffen, welche er (Maximilian) für die wahre christliche Keligion erkenne,
auch in solcher Bekenntnis vermittelst göttlicher Gnade sein Ende zu
schliessen bedacht sei ■^ wird von H. (p. 52) als die Folge krankhaft über-
reizter trotziger Phantasie erklärt. Dagegen habe Maximilian sich nach der
Vertreibung Pfausers mit den (religiösen) Anschauungen seiner (katholi-
schen) Umgebung näher und objectiver beschäftigt und gefunden, dass die
protestantischen Fürsten sich in ihren dogmatischen Streitigkeiten von
seiner Auffassung der Augsburger Confession immer mehr entfernten,
während er merkte, dass er selbst in vielen Punkten, namentlich was
geistliche Organisation, Klöster und Ceremonien anbelangt, ebensowenig wie
Pfauser von der katholischen Kirche abgewichen war (p. 59). Ebenso habe
Maximilian nach Pfausers Abgang gelernt »den Papst als politischen und
kirchlichen Factor zu scheiden ^^ gelernt, dass es möglich sei, gegen die
religiösen Missbräuche des Papstthums aufzutreten, dessen politischen Ein-
griffsgelüsten Grenzen zu stecken, und doch als guter Katholik und An-
hänger der christlichen Kirche zu erscheinen (p. 65). Da ferner Maxi-
milian auch zur Zeit seiner Opposition gegen das Papstthum dem Papste
»eine kirchlich administrativ oberste Stelle* zugedacht hatte, konnte er
(bei der Krönung zum römischen König 156 2) auch dem päpstlichen Stuhl
seinen Schutz zusagen. Und da weiters seine Ueberzeugung dieselbe ge-
blieben war, er jedoch eingesehen halte, dass es ihm eher möglich sein
würde durch Einwirkung auf die römisch-katholische Kirche seinen katho-
lischen Glauben und seine Absichten zur Geltung zu bringen (p. 73),
schloss er sich nicht an die Augsburger Confession an, und konnte im
Februar 15 62 Ferdinand!, auf die Frage, ob er beim katholischen Glau-
ben verbleiben wolle, eine bejahende Antwort geben. Dies sind die wich-
tigsten Ergebnisse, die das Buch Hopfens in seinem ersten Theile bietet.
Es sei gestattet, hier gleich einige Bemerkungen anzufügen. Die Aus-
führungen Hopfens, dass Maximilian ebenso wie die meisten Fürsten seiner
Zeit von der Dogmatik wenig oder nichts verstand, sind geväss zutreffend.
Die Fürsten waren eben keine Theologen. Die hohe Politik, das Kriegs-
wesen, ein leidenschaftlicher Hang zur Jagd, liess ihnen wenig Müsse für
theologische Studien. Maximilian las zwar, wie H. selbst anführt, oft und
gern theologische Schriften, er liess sich eine Zeit hindurch von Christof
von Würtemberg regelmässig solche zusenden, aber dass er sie vollständig
Mittheilungen XX. 22
338 Litei-atur.
verstanden habe, ist, soweit man aus seinen Keligionsgespi'ächen njit Hosius
entnehmen kann, wenig wahrscheinlich. Aber, um von allem anderen zu
schweigen, über einen Hauptpunkt war Maximilian und alle Anhänger des
sogenannten Compromisskatholicismus gewiss im Klaren: dass die Stellung
zum Papstthum ein weithin sichtbares und untrügliches Unterscheidungs-
merkmal zwischen Protestanten und Katholiken bildete. Wer im 16. Jahrh.
das Papstthum verwarf, konnte sich nicht mehr katholisch nennen i). Es
ist bekannt, dass Maximilian in Briefen an Christof von Würtemberg
Aeusserungen über das Papstthum machte, die klar genug sprechen. Die
stärksten Einwendungen wird man jedoch der Darstellung, die H. von der
Warnsdorffischen Sendung (Gesandtschaft Maximilians^ an die protestantischen
Fürsten im Jahre 1560) gibt, entgegensetzen müssen. Wie kann man
glauben, dass ein solcher Schritt die Folge krankhaft überreizter trotziger
Phantasie gewesen ist? Maximilian war doch damals kein Knabe, sondern
ein Mann von 3.3 Jahren. Und wie kann man über das Bekenntnis Maxi-
milians, dass er die Augsburgische Confession für die rechte christliche
Eeligion halte und darin sein Leben beschliessen wolle, so leicht hinweg-
kommen? Diese aus der Natur der Sache abgeleiteten Erwägungen finden
eine nicht zu erschütternde Stütze an einer Actenpublieation, die später
als das Buch Hopfens erschienen ist. Es sind die Isuntiaturberichte der
Jahre 1560 und 1561. Diese Berichte haben — es sei dies ohne Vorwurf
gegen H. bemerkt — seine Darstellung der Jahre 1560 und 1561 über
den Haufen geworfen, und über die Art des Conflictes zwischen Ferdinand
und Maximilian und über den Zusammenhang zwischen dem Ausgang der
Warnsdorffischen Sendung und dem Verhalten Maximilians volle Klarheit ge-
schaffen. Indem die protestantischen Fürsten auf den Hilferuf Maximilians
kühl und ablehnend antworteten, riefen sie eine Wendung hervor, deren
Folgen sich kaum ermessen lassen. Derselbe Maximilian, der im Frühjahr
1 5 6 0 mit seinem Vater einen Kampf auf Tod und Leben der Religion
wegen führt, der sich öffentlich zum Protestantismus bekennen will,
trotzdem ihn die stärksten Bande an die katholische Sache fesseln —
derselbe Maximilian tritt im August 1560 förmlich flügellahm und ge-
brochen dem Kuntius gegenüber! Maximilian war eine weiche, empfäng-
liche, mittheilsame Natur, und was er an Energie und Zähigkeit besass,
hatte er im Kampfe mit seinem Vater aufgebraucht. Nun trat bei ihm
der Umschwung ein. Langsam, vorsichtig. Schritt für Schritt nähert er sich
den katholischen Kreisen, er will das alte Verhältnis zu seinem Vater wieder
1) Ich führe einen characteristischen Fall an, der gleichzeitig auch die
Ansicht H.'s, dass Maximilian erst nach Pfausers Abgang lerate , den Papst als
politischen und kirchlichen Factor zu scheiden* entkräftet. Dem (neufewählten)
Papst Pius IV. sandte auch Maximilian im Jänner ]ö60 ein Glückwunschschreiben.
(Das Schreiben, das Graf Scipio d' Areo nach Rom brachte, ist bisher nicht
aufgefunden worden; eine Stelle daraus citirt Hosius in seinen Bemerkungen
über die kaiserliche Denkschrift vom 20. Juni 1560, Bucholtz 9, 678; das Dank-
schreiben des Papstes an Maximilian findet sich in "S'at. Archiv arm. .39 tom. 64
fol. 43). Aber andererseits erklärte Maximilian in der Unterredung mit Hosius
am 8. Juni 1560. dass er auf der Communion unter beiden Gestalten bestehe.
auch wenn der Papst die Dispens verweigere, Nuntiaturberichte aus Deutschi.
H. 1, 48.
I
Literatur. 339
herstellen, er will dui'ch Entgegenkommen, durch höfliche Worte ^), wie er
selbst glaubt, das Misstrauen der katholischen Kreise gegen ihn beseitigen,
•ohne jedoch seinem Gewissen und seiner üeberzeugung Zwang anzuthun.
Aber unmerklich wird er aus der Mittelstellung, die er einnehmen will,
hinausgefühlt; er kann nicht, wie er im November 1560 zu Cithard sagt,
»nur Christ, weder Papist noch Evangelischer* bleiben. Im Herbst 1561
macht er Frieden mit dem Papst, indem er einen Gesandten an ihn
schickt und um Gestattung der Communion unter beiden Gestalten bittet.
Und als es im Februar 1562 zur entscheidenden Aussprache mit Ferdi-
nand I. kommt, erklärt Maximilian, katholisch zu sein und zu bleiben.
War er es wii'klich geworden ? Wenn man auf sein äusseres Verhalten in der
nächsten Zeit sieht, könnte man es fast glauben. Was er durch Jahre hin-
durch vermieden hatte, katholischen Predigten beizuwohnen, thut er
jetzt regelmässig. Im April 1562 (allerdings nach dem Osterfeste) be-
fiehlt er seinem Gefolge, jährlich zu beichten, die Communion zu em-
pfangen, und sich am Freitag des Fleischgenusses zu enthalten. Als er
(nach der Krönung zum römischen König) mit seinem ehemaligen Hof-
prediger Pfauser in Augsburg zusammentraf, konnte ihn auch dieser
nicht bewegen, einer protestantischen Predigt beizuwohnen. Dasselbe wird
von seiner Reise in Schlesien (December 1563) gemeldet. Andererseits
merkt man bei ihm eine gewisse Lässigkeit und Willkür, einzelnen kirch-
lichen Vorschriften unterwirft er sich, anderen nicht. Aber das Schema
des Compromisskatholicismus, das Hopfen (vielmehr Stieve) aufgestellt hat,
trifft bei ihm nicht zu 2), noch weniger bei seiner Umgebung, und absolut
nicht bei dem strengkatholischen Cithard. Ueberblickt man das religiöse
Verhalten Maximilians durch die ganze folgende Zeit, ganz besonders in
seiner Todesstunde, so kann man nur zu dem Schlüsse kommen, dass er
') Sehr bezeichnend sind die Vorgänge, die Delfino iu seinem Berichte von
1561 September 25 meldet. Mir ist für die Ausgabe der Nuutiaturberichte nur
ein Auszug zu Gebote gestanden (N. B. II. 1. 309), erst nachträglich habe ich
in einem Miscellaneenbande des Florentiner Staatsarchivs den Wortlaut des sehr
wichtigen Berichtes gefunden. Ich setze die Stellen über Maximilian hieher: II
padre Vittoria de la compagnia de Jesu mi da bonissimo agiuto, et pur hoggi
m' ha detto che parlando col detto Ser'"" re lo trova sempre piü nostro et che
la Ser*" S. V ha affermato, che mai farä cosa alcuna in disfavore de la compagnia
n^ de li collegii loro. sul partire de P imperatore io preghai S. Mt» che facesse
dare il pulpito di S. Michele per li giorni di festa al predicatore Dominicauo
de la Ser"ia regina, acciocche Italiani et Spagnoli non stessero senza predicba, et
la M'a S. se ne contentö. doppo partita la detta M*», il buon padre ha comin-
ciato a far l'ufficio, et perche egli lacera gli irapii heretici quanto sa et puö,
haveano li detti cominciato a spargere, che il re di Boemia nol lasciarebbe pre-
dicare, se non quanto stesse io in Vienna. per chiarire questa partita ho voluto
che il padre vada come da lui a S. Ser'a et li dica che piacendo a lei continuarä,
et, quando lei voglia altramente, se rettirarä. referisce detto predicatore, ch' il
re moströ ricordarsi d' haverli parlato altre volte, che disse di volerli bene
perche sapeva che egli era buon Catholico, che facesse 1' ufficio suo
et non temesse d' alcuno, che lo voleva agiutare et favorire, et che tal volta
andasse da lui. in somma, il padre e partito allegrissimo da S. Ser'^''*.
Es sei gestattet hier mitzutheilen, dass die nachträglich gefundenen Berichte
Delfino's am Schlüsse des -i. Bandes der II. Abtheilung der Nuntiaturberichte ver-
öflFentlicht werden sollen.
*) Darauf hat schon Götz in seiner Anzeige des Hopfenschen Buches (Hist,
Zeitschrift 77, 204, Note 1) hingewiesen.
«340 Literatur.
für seine eigene Person, ohne alle religiösen Formen und Cere-
m 0 n i e n , als frommer Christ selig werden wollte. Er steht Ritus und
Ceremonien der katholischen Kirche gleichgiltig gegenüber, deshalb kann
er einzelnen kirchlichen Vorschriften Genüge leisten, sie sind für ihn nur
eine Art von Staatsactionen, sie beschweren sein Gewissen nicht. Viel
leichter als die Frage, wie die religiösen Ueberzeugungen Maximilians be-
schaffen waren (sie wird niemals mit Sicherheit beantwortet werden), ist
die Frage zu beantworten, welche kirchliche Politik Maximilian in der Zeit
seiner Regierung (1.564 — 1576) verfolgte. Damit beschäftigt sich der
II. Theil des Hopfen'sehen Buches.
H. gibt zuerst eine cursorische (aber auch sehr lückenhafte) Ueber-
sicht über die Machtfactoren, die dem Kaiser im Reich und in den öster-
reichischen Ländern zu Gebote standen und schildert dann mehr oder
minder ausführlich die Männer, die im Rathe Maximilians eine hervor-
ragende Stellung einnahmen. Seid, Gienger, Zasius, Weber, Schwendi. Er
betont hiebei (p. 100, lio), dass Maximilian Urheber und Leiter der Politik
gewesen ist, und dass er seiner Regierung den Stempel seiner Persönlich-
keit aufgedrückt hat. Das Ziel der kirchlichen Politik Maximilians sei ge-
wesen : Die alte katholische Kirche wieder herzustellen auf Grund der
christlichen Religion unter Vernichtung der Secten und Nachgiebigkeit der
beiden berechtigten Parteien, damit Friede und Einigkeit herrsche (p. 1 1 3).
Diese »alte katholische Kirche« ist, wie H. an einer früheren Stelle (p. 43)
sagt »die vom Papstthum noch nicht entstellte«. Er wollte mit friedlichen
Mitteln j,die beiden Streitenden (Katholiken und Protestanten) vereinigen,
die Gegensätze verdecken und abschleifen '■^ (p. 115) » und die alte Einigkeit
durch eine entsprechende Auswahl der Ceremonien und einen neuen Canon,
vornehmlich aber durch die Priesterehe und allgemeine Anerkennung des
Laienkelches zustande bringen <^ (p. 118). H. bespricht die Verhandlungen,
die zwischen Kaiser und Papst 1564 und 1565 über die Gestattung der
Priesterehe stattfanden, die Arbeiten der Vermittlungstheologen Villinus,
Witzel und Cassander, und wendet sich dann zur kirchlichen Politik, die
Maximilian im Reich verfolgte. Sie bestand darin, den Religionsfrieden zur
Geltung zu bringen. Ein Versuch Maximilians, auf dem Augsburger Reichs-
tage eine Vereinigung der beiden Religionsparteien zu Stande zu bringen,
scheiterte in seinen Anfängen. Der Kaiser musste sich darauf beschränken,
eine Zunahme der Spannung zwischen den beiden Parteien zu verhüten,
deshalb trat er gegen die von Albrecht von Bayern betriebene Erweiterung
und Umbildung des Landsberger Bundes (aus einem Landfriedensbunde
ohne kirchliche Tendenz in einen katholischen Bund) auf.
In dem letzten Abschnitt behandelt H. die kirchliche Politik Maxi-
milians in den österreichischen Ländern. Dass Maximilian in den ersten
Jahren seiner Regierung den österreichischen Ständen die Augsburger
Confession verweigerte, erklärt H. damit, dass der Kaiser das Ausscheiden
einer protestantischen Kirche verhindern wollte, dass er fürchtete, es werde
ihm nicht gelingen, durch eine alle Unterthanen umschliessende Reform die
gewünschte allgemeine Religionsordnung aufzurichten und die erstrebte
Einigkeit im Glauben und der Kirche durchzusetzen. »Erst dann gab er
nach, als er die Möglichkeit gefunden glaubte, wie er durch seine Be-
willigung keine Absonderung zulasse, sondern die Stände unbewusst zu
I
Literatur. 341
seinem Ziele leiten, und ausserdem die Secten und Schwärmereien bedeutend
einschränken würde* (p. 140). Die ausserordentlich wichtige Thatsache,
dass Maximilian nur dem Herrn- und ßitterstande, nicht aber den Städten
die Augsburger Confession gestattete, finde darin ihre Erklärung, dass
Maximilian fürchtete, »dass das beendigte und in die Welt entlassene Werk
sich schliesslich doch der Absicht des Schöpfers zuwider entwickeln könnte.
Daraus erfolgte dann das Streben, nur möglichst wenigen eine solche Be-
willigung zu ertheilen* (p. 14l). H. bespricht dann die Verhandlungen
Maximilians mit den böhmischen Ständen, seine Stellung zu den Jesuiten,
die Klosterreform und die Einsetzung eines Klosterrathes. »Maximilian
starb als frommer Compromisskatholik wie er gelebt hatte* schliesst
das Buch.
Es ist unmöglich, hier den Ausführungen Hopfens im Einzelnen zu
folgen, deshalb sollen nur einige Punkte besprochen werden. H. hat für
den zweiten Theil seines Buches grosse archivalische Vorstudien gemacht
und viel neues Material beigebracht. (Einzelne Stücke, so nr. 141, Ueber-
sicht der Verhandlungen mit den protestantischen Ständen Niederöster-
reichs, die Correspondenz Maximilians mit Erzherzog Karl, aus der aller-
dings die gewichtigsten Bedenken gegen die Darstellung Hopfens abzuleiten
sind, sind von grossem Werte). Trotzdem ist auch das leichter zugängliche
Material von ihm nur zum Theil erschöpft worden ; man braucht nur einen
Blick in den von Götz herausgegebenen 5. Band der »Briefe und Acten
zur Geschichte des 16. Jahrhunderts^'^ zu werfen, und man wird eine Fülle
neuen Materials (Briefe von Seid, Zasius, Maximilian) finden, die H. gar
nicht oder nur ungenügend benützt hat. Es ist hier ganz abgesehen von
fernab liegenden Acten, wie den Nuntiaturberichten, die durch einen glück-
lichen Zufall gerade für die Jahre 1568 und 1569 vollständig erhalten
sind. Das Fundament also, auf dem H. sein Gebäude aufführt, ist ein un-
sicheres, und deshalb auch der Bau selbst. So wird, wie ich glaube, zuerst
die Ansicht H., dass der Kaiser Urheber und Leiter seiner kirchlichen
Politik und von seiner Umgebung unabhängig gewesen sei, eine Correctur
erfahren. Seid (als Vicekanzler) und Cithard (als Hofprediger) stark aus-
geprägte abgeschlossene Charaktere und Männer von tadellosem Lebens-
wandel haben auf Maximilian sehr grossen Einfluss geübt, ihre Nachfolger
allerdings nicht. Erst seit dem Tode Cithards (1566 November l ; Seid
war schon 1565 gestorben) könnte man von einer Selbständigkeit Maxi-
milians in der Führung der kirchlichen Politik, die jetzt gegenüber den
protestantischen Ständen eine andere Färbung erhält, sprechen.
Es ist oben (S. 336) als die Tendenz des Hopfen'schen Buches be-
zeichnet worden, die religiöse Haltung Maximilians und seine kirchliche
Politik unter Abweisung politischer Einwirkungen aus sich selbst zu er-
klären. Anderweitig (von Götz, Hist. Zeitschrift 77, 203) ist bemerkt
worden, »dass in der offenbar absichtlichen Zurückdrängung der politischen
Verhältnisse die schiefe Auffassung des ganzen Themas sich zeige "^^ Ich
schliesse mich diesem Urtheile vollkommen an, was die Darstellung der
ßeligionsconcession an die österreichischen Stände betrifft. Ich meine, dass
diese Concession nur aus politischen Gi"ünden, nur wegen staatlicher und
dynastischer Interessen ertheilt worden ist. Wenn Maximilian durch diese
Eeligionsconcession oder vielmehr (nach der Darstellung H.') durch seine
342 Literatur.
den protestantischen Ständen gestellten Bedingungen den sogenannten
Compromisskatholicismus hätte zur Geltung bringen wollen, wäre es ganz
unerklärlich, dass er die Städte von der Concession ausgeschlossen hätte.
Wenn irgendwo die Gelegenheit gegeben war, das Programm dieses Com-
promisskatholicismus zu verwirklichen, so war es in den Städten Oester-
reichs. Sie waren ,. landesfürstliches Kammergut ^S ihnen gegenüber war die
Eegierungsgewalt des Landesfürsten in kirchlichen Dingen eine absolute.
Aber wir hören kein Wort davon, dass der Versuch gemacht worden wäre,
in ihnen »eine einheitliche Eeligionsordnung, entsprechend ausgewählte
Ceremonien und einen neuen Canon* einzuführen. Den Städten wird die
Augsburger Confession verweigert, d. h. sie sollen katholisch bleiben, in
Wirklichkeit sieht jedoch Maximilian ruhig zu, wie auch in den Städten
die protestantische Lehre reissende Fortschritte macht. Man begi'eift die
kirchliche Politik Maximilians, wie sie sich in der Religionsconcession aus-
spricht, wenn man sich den momentanen Anlass zu derselben, und die
tiefer liegende fortwirkende Ursache vor Augen hält. Der momentane An-
lass war, von den Ständen eine grosse Geldhilfe zu erlangen ; dieses Motiv
stellte der Kaiser in Gesprächen mit dem Nuntius Biglia in den Vorder-
grund, er erklärte in einer Zwangslage zu sein: entweder die Concession
zu ertheilen oder die Grenzwehr gegen die Türken zu schwächen. Die
tiefer liegende Ursache war jedoch die Bildung einer aus dem Herren- und
Eitterstande bestehenden Opposition zu hindern, und andererseits die
Machtbefugnisse des Landesfürsten in dem Umfange, den der Augsburger
Religionsfriede bestimmt hatte (»cuius regio, eins et religio *^^) zu erhalten.
Durch die Religionsconcession vermied Maximilian die Zwangslage, in die
Erzherzog Karl und Ferdinand (von Steiermark) geriethen. entweder vor
den protestantischen Ständen zurückzuweichen oder Gewalt anzuwenden.
Die Zweideutigkeit und Widersprüche, die Maximilian mit dieser Religions-
concession vei'band (Ausschliessung der Städte, die Bestimmung, dass die
protestantischen Prediger vom katholischen Bischof ordinirt werden sollten,
u. s. w.) sind gewiss nur aus politischen Motiven zu erklären, durch sie
sollten die Angriffe von Seite Philipps IL und Pius' V. leichter abgewehrt
werden. Maximilian war durch seine dynastische Politik sowohl als durch
seine finanziellen Verlegenheiten auf die Verbindung mit Spanien und dem
Papste angewiesen ; auf der anderen Seite, den protestantischen Fürsten
gegenüber, war seine protestantische Vergangenheit eine Fessel, die er
nicht los wurde. In dieser sehr schwierigen Situation behalf sich Maxi-
milian mit Zweideutigkeiten nach links und rechts. Man kann sie nicht
beschönigen, man darf ihn aber auch nicht härter beurtheilen, als alle die
Fürsten früherer oder späterer Zeit, die Unwahrheiten in der Politik für
erlaubt und nützlich hielten. S. Steinherz.
Beiträge zur Geschichte der evangelischen Kirche
in Russland. III.: Lasciaua nebst den ältesten evang.
Synodalprotokollen Polens 1555—1561 herausgegeben und er-
läutert von D. Hermann Dalton. Berlin 1898.
Literatur. 343
Dalton's Name gehört unter die bekannteren jener protestantischen
Geistlichen, die sich mit Geschichtsforschung befassen. Viel mehr, als
durch seine »Beiträge zur Geschichte der evangelischen Kirche in Russ-
land*, deren dritter Band die erwähnte Publication bildet, erwarb er sich
ein Verdienst auf dem historischen Gebiete durch seine schöne und gründ-
liche Schrift über den polnischen Reformator Johann Laski; dies ist ein
Werk, das von vielseitiger Bildung und grosser Belesenheit in der die
Reformation betreffenden Literatur und von bedeutender Umsicht auf dem
Gebiete der Geschichtschreibung zeugt. Seine jetzige Publication trägt den
nicht ganz correcten Titel »Beiträge*^'' (s. oben) . . ., während es eher ein
Supplement zu dem Werk über Jliaski und zugleich zu der berühmten
Publication Kuyper's (Joh. a Lasco opera. Amsterdam, Haag 1866) bildet.
Ausser 108 Nummern einer sehr interessanten Correspondenz Zjaski's aus
den Jakren 1515 — 1558, welche hauptsächlich aus einem Codex der kais.
öffentlichen Bibliothek zu Petersburg abgedruckt und durch in Wien,
Strassburg, Basel, Krakau, Herrnhut, Königsberg und in Warschau ge-
sammelte Ausbeute, sowie durch wesentliches aus Sammlungen wie das
Corpus Reformatorum geschöpftes Material ergänzt ist, enthält die Publi-
cation einige wichtige Beiträge zur Kenntnis der theologischen Ansichten
Zjaski's (6 Nummern). Wiewohl ich diese wichtige Publication hochschätze,
überlasse ich dennoch die nähere Beurth eilung derselben anderen und
wende mich selbst zum zweiten Theile oder vielmehr zu ihrem Anhang,
nämlich zu den kleinpolnischen Synodalprotokollen aus den Jahren 155 5 — (il.
Dieses überaus schätzbare Material, welches wie durch ein Wunder
den spähenden Augen der Jesuiten verborgen blieb, entdeckte in der
Bibliothek der reformirten Gemeinde in Sluck in Lithauen (das jetzige
Gouvernement Minsk) Senior Wanowski. Der erste, der dasselbe zur
historischen Arbeit benützt hat, war Dalton selbst in seiner oben erwähnten
Schrift über Zjaski. Nach ihm verwertete dieselben in einer viel aus-
giebigeren Weise Ljubovic in seinem vorzüglichen Werke über die pol-
nische Reformation (Istorija reformacii v Polse. Varsava 1883). In den
beiden erwähnten Schriften offenbarte sich die grosse Wichtigkeit dieser
Protocolle aufs deutlichste. Warum Ljubovic nach seiner Arbeit an die
Herausgabe dieser Quellen selbst nicht herangetreten ist, weiss ich nicht.
Etwas später sollte sie die Krakauer Akademie herausgeben, allein auch
dies kam nicht zustande.
Alle, die sich für die Geschichte der polnischen Refomation interessiren,
hiessen die Publication Dalton's gewiss sehr willkommen, insbesondere der
Verf. dieses Aufsatzes, der eben an der Geschichte der böhmischen Brüder
in Polen arbeitet. Indem ich den Text der Dalton'schen Ausgabe mit
dem Texte der Auszüge von Ljubovic verglich, kam ich jedoch zu der
Ueberzeugung, dass Dalton's Ausgabe nicht correct ist; ich begab mich
daher im Mai 1898 nach Vilna, wo mir durch die Liebenswürdigkeit der
Vorsteher der dortigen reformirten Gemeinde ermöglicht wurde in die
Handschrift Einsicht zu nehmen, welche Dalton abgedruckt hat. Ich muss
es gleich im voraus sagen, dass mich der Vergleich der Voidage mit dem
Abdrucke überrascht hat — so wie sie Dalton abgedruckt hat, sieht sie
nicht aus. Zwar schickte er seinem Abdrucke eine gewisse Vorrede voraus,
welche im grossen und ganzen nichts anderes bietet, als einen oberfläch-
344 Literatur.
liehen Inhalt der Protocolle, aber der Historiker sucht vergebens eine Er-
läuterung oder Entschuldigung dafür, warum dieselben gerade auf diese
Weise abgedruckt wurden.
Um die Art der Dalton'schen Ausgabe darzuthun, dürfte es wohl am
besten sein, wenn ich zeige, wie jene Protocolle eigentlich beschaffen sind :
Es ist dies ein nicht zu starker im Formate von 1/2 Bogen in alterthüm-
liche Deckel aus dem 17- Jahrhunderte eingebundener Band, in welchem
man gleich auf den ersten Blick drei Theile zu unterscheiden hat. Von
diesen bildet der zweite und das mittlere unsere Protocolle, welche von
der eigenen Hand des Jacob Sylvius in den Jahren 1555 — 1561 ge-
schrieben sind und auf Pagina 124 beginnen. Der dritte Theil enthält
die Protocolle der reformirten kleinpolnischen Kirchen, welche man gegen
das Ende des 16. Jahrh. (l595) zu führen begann, wie aus folio 123^
(ältere Paginatiou) ersichtlich ist: »Opuszczono i zaniedbano spisowac
Synodow ab anno 1561 ad annum 1595 a to dla rozerwania, ktore sie
sfato przez Ebionity .... Zäczyna sie tu tedy spisowanie Eoku 1595
naprzod od sejmu li^räkowskiego Wälnego Coronnego, na ktorym dwaj Supe-
rattendentowie, to lest Erasmus Glitzner Confessionis Augustanae y Simeon
Turnovius Confessionis Bohemicae, s Stronij niecheci niejakich porownäni
i do Consensu Sedomierskiego przytaczeni sa . . .*.
Der erste Theil von unserem Codex ist der jüngste. Derselbe enthält
123 Seiten und ist in der 2. Hälfte des 17. Jahrhundertes von dem
Superintendenten der kleinpolnischen Kirchen Thomas W^gierski ge-
schrieben worden. Der aufmerksame Leser wird recht bald finden, dass
dieser erste Theil eigentlich Ergänzungen zu dem ältesten Theile enthält,
welche aus anderen gleichzeitigen (im 1 6. Jahrh. entstandenen) Quellen,
nämlich aus anderen, uns nicht erhaltenen Protocollensammlungen ge-
sammelt wurden. Diesem ersten jüngsten Theile gehört die auf Pag. 4
befindliche Ueberschrift : »Acta et conclusiones synodorum pro-
vincialium maxime unde a primo r eformationis evangeli-
carum ecclesiarum tempore in Minore Polonia potissimura
celebratarum. Ex antiquis aliquorum districtuum monu-
mentis in ordinem collecta studio reverendissimi viri D.
T h 0 m a e W e g i e r s k i , J. G. M. e i u s q u e Ecclesiarum per Mino-
rem Poloniam p. t. Superatten dentis et districtus Sendo-
minensis Senior is*.
Weil der erste Theil bloss Ergänzungen zu dem zweiten, titellosen
enthält, so ist ersichtlich, dass Thomas W^gierski mit diesem Titel den
2. Theil umfassen wollte und es daher seine Absicht war, beides in ein
Ganzes zusammenfiiessen zu lassen und so sollte es auch herausgegeben
werden — das hat jedoch Dalton nicht gethan.
Das wird durch verschiedene spätere Zuschriften zum 2. Theile be-
stätigt, (die offenbar Th. Wegierski selbst gemacht hat). So ist infol. 121^
(ältere Pagin ati on 1) ) des 2. Theiles nach den Worten »fratres equestris
ordinis solvere promiserunt* von späterer Hand zugeschrieben: »Wydarto
karta, ktora przepisana jest z ksiag Prowinc^^. (d. h. Hier ist
ein Blatt ausgerissen, welches aus den Provincialbüchern abgeschrieben ist).
*> Der zweite Theil bat eine ältere Pagination, aber neben dem auch eine
jüngere, mit dem 1. Theile gemeinsame.
Literatur. 345
Und dieses ausgerissene Blatt befindet sich in der That aus dem betref-
.fenden Orte vorne auf der Seite 33 — 34 (im 1. Theile), wo zu lesen
steht : »Karta wydarta post pag. 121^post verba:Solvere pro-
miserunt. Sequitur dominus Lismaninus suscepit hanc con-
ditio nem et egit gratias omnibus fratribus^'^ etc. und weitere
Beschlüsse der Synode zu Wiolzistaw vom Jahre 1561. Alle solche Be-
merkungen blieben von Dalton unberücksichtigt — und das wohl aus
dem Grunde, weil er der polnischen Sprache oder wenigstens der
polnischen Palaeographie durchaus nicht mächtig ist — sonst wären sie
ihm sicher nicht entgangen. Das ist der principielle Mangel der ganzen
Ausgabe, welche schon dadurch vollständig verfehlt ist.
Aber es gibt noch eine Keihe anderer Dinge da. Den oberwähnteu
»Acta* geht eine Art Einleitung voraus, die Anfänge der Reformation in
Polen, die Uebersicht der Entwickelung der districtuellen Eini-ichtung der
evangelischen Kirchen in Polen und ein Verzeichnis der Districte enthaltend.
Diese Einleitung befindet sich auch am Anfange der handschriftlichen
Synodalprotokolle des Lubliner Districtes, welche die Zamoyskische
Bibliothek in Warschau aufbewahrt. Diese Einleitung rührt von dem
ausgezeichneten Regenvolscius (oder Andreas W^gierski) her und es gebührt
ihr die Ueberschrift : »Prolegemena gener alia per Andream
W^gierscium ex annalibus synodorum provincialium Mi-
noris Poloniae hinc inde collecta, aus welchen ersichtlich ist,
dass Regenvolscius der letzte Redactor des Ganzen war. Warum . Dalton
diesen Titel nicht abgedruckt hat, da er es doch bei dem gleiehfolgenden,
mit den Worten: »Anno 1540 et nonnihil supra* . . . beginnenden gethan
hat, kann ich gleichfalls nicht begreifen. Dass er den folgenden grösseren
nach den Worten »Nicolaus Olesnicius, loci dominus ^^ folgenden Theil
nicht abgedruckt hat, kann ich ebenfalls nicht entschuldigen.
Jede ordentliche, wissenschaftliche Herausgabe soll sich wenigstens
einer gehörigen Transcription des Originals befleissigen. Allein auch in
dieser Beziehung genügt die Daltonsche Ausgabe nicht. Wir würden
noch die schreckliche Transcription der polnischen Eigennamen begreifen
(z. B. auf S. 402 der »Lasciana«: pastor eccl. Pelsiniezensis statt Peisni-
ciensis, Joannes Syckiercenskij statt Siekierzensky, Joannis Czezky statt
Czesky, Moskonewskij statt Moskorzowskij oder auf S. 424 Syckiei-zenskij
statt Siekierzenskij; auf S. 426 pastor Kosminiensensis statt Kosmine-
censis, auf S. 442 Locus . . . synodi deputatus est in Chodene statt
Chodecz, S. 462 Przrslawsky (ü) statt Przeclawsky — ich kann die Bei-
spiele nicht häufen, denn es wimmelt da von Fehlern), aber was soll man
dazu sagen, wenn der Herausgeber auf S. 483 statt XX. Novembris,
XX. Septembris (l!) transcrlbiert ! Unter solchen Umständen kann der
Historiker dieses Buch mit gutem Gewissen gar nicht gebrauchen.
Die polnischen Texte, die der Herausgeber auf Seite 5 55 ff", abdruckt,
sind durchaus unmöglich! Die zahlreichen Anmerkungen, mit denen Dalton
seine Herausgabe der Protocolle versehen hat, sind zwar gut, doch nützen
sie dem Historiker nicht viel, weil für Dalton, wie daraus ersichtlich, die
ganze slavische Reformationsliteratur terra ignota ist.
') Dalton, Lasciana S. 333, 6. Zeile von unten.
346
Literatur.
Es wäre zu wünschen, dass an eine neue Ausgabe dieser für die
Geschichte nicht nur der polnischen, sondern der Keformation überhaupt
äusserst wichtigen Quelle so bald möglich ein moderner fachmännischer
Historiker herantrete. Der Krakauer Akademie liegt diese Pflicht in erster
Eeihe ob.
Smichov. Dl'. Jaroslav Bidlo.
Hans Glagau, Die französische Legislative und der
Ursprung der Revolutionskriege 1791 — 1792. (Historische
Studien, veröffentlicht von Dr. E. Ehering. Heft L). Berlin, 1896.
Verlag von E. Ehering.
Nach dem misslungenen Fluchtversuche Ludwigs XVI. lag das Schicksal
der königlichen Familie in der Hand der konstitutionellen Partei, die das
Vei-trauen der Nation besass. Diese Partei zerfiel in zwei anfangs fried-
liche Gruppen: die eine wurde von Lafayette und seinen Anhängern ge-
bildet, die andere war das sogenante Triumvirat (Lameth, Barnave und
Duport) und sie galt seit April 1791 als die eigentliche Führerin der
Majorität. Angesichts des unaufhaltsamen Steigens jakobinischer Ideen
versöhnten sich die alten Gegner und vereint traten sie gegen republika-
nische und radikale Tendenzen auf. Demnach kamen sie auch dem Hofe
näher. Marie Antoinette aber wünschte blos mit dem Triumvirat ein
Bündnis einzugehen sowie, dass Lafayette, den sie gründlichst hasste, von
allem Vertrauen ausgeschlossen bleibe. Jedoch nur zum Scheine wollte sie
sich in die neue Ordnung der Dinge fügen und desshalb trachtete sie,
den Häuptern der Konstituante gegenüber ein Verhalten zur Schau zu
tragen, dass diese benihigen müsste. Vom Ausland erwartete sie Hilfe
gegen die Revolution und sie verlangte von K. Leopold IL die Bildung
eines bewafiheten Kongresses an der Grenze Frankreichs; doch sollte eine
solche bewaffnete Dazwischenkunft erst dann erfolgen, bis die inneren
Verhältnisse Frankreichs eine Entscheidung erheischten. Mit den Folgen
der Verfassung und mit dem beginnenden Kampfe zwischen Konstitutio-
nellen und Jakobinern, so rechnete sie, werde auch die Krisis eintreten.
Von der Nation erwartete die Königin, dass sie alsdann die Rückkehr
geordneter Zustände ersehnen werde. So hoffte sie den Teufel durch
Beizebub austreiben zu können. Das Volk jedoch Hess sich von der »ver-
hassten Oesterreicherin'^ nicht täuschen — es ahnte, was Marie Antoinette
vom Auslande erwarie. Anders das Triumvirat, das ein solches Vorhaben
nicht voraussetzte.
Während die Mehrheit der Nationalversammlung für die Erhaltung
des Königthums war, strebte die radikalere Strömung im Volke nach Auf-
richtung der Republik. Die Koalition aber suchte den König zu ver-
theidigen und erklärte, dass man ihn auf's neue in Freiheit setzen werde,
sobald er die Verfassung angenommen und beschworen habe ; sie hatte
die Macht in Händen und dennoch wollte sie von einer Auflösung des
Jakobinerclubs nichts wissen — auch dann nicht, als sie einen Aufstand
unterdrückt hatte, der von den Jakobinern in der Absicht angestiftet
worden war, die Nationalversammlung zur Abschaffung der Monarchie zu
i
I
Literatur. 347"
zwingen. Um diese Zeit gründete Alexander Lameth den Club der Feuil-
lants, der dem Jakobinerclub Schach halten, ja ihn überflügeln sollte. So
hoflPte er. Aber bei der Revision der Verfassung gelangte die prinzipielle
Verschiedenheit in den Anschauungen der Führer der Koalition wieder
zum Ausbruch. Denn Lameths Fraktion hatte allmälig eine reaktionäre
Färbung angenommen, sie wollte der Exekutive einen grösseren Spielraum
gewähren; dagegen blieben Lafayette und sein Anhang ihren Grundsätzen
getreu und wollten von einer derartigen Stärkung der königlichen Auto-
rität nichts wissen. DiflFerenzen zwischen den Häuptern der Koalition
offenbarten sich auch in der auswärtigen Frage. Die Triumviren wollten
einen Konflict mit dem Ausland vermeiden, da die radikale Strömung
sonst über Hand genommen hätte ; sie suchten deshalb den Wiener Hof
für sich zu gewinnen. Lafayette aber hielt vor Allem an dem revolutio-
nären Prinzip fest. Der einen und anderen Richtung entsprachen demnach
die Schreiben, die Marie Antoinette unter dem Einflüsse der Koalition an
Mercy, d. h. an den Kaiser richtete, als die Paduaner Erklärung bekannt
wurde. Noch weitere Schritte thaten die Triumviren, um ihre Zwecke zu
erreichen : sie sendeten Mitte August 1791 den Abbe Louis nach Brüssel,
damit er Mercy zur Rückkehr nach Paris veranlasse. Ludwig XVL
stand eben im Begriffe, die Verfassung anzunehmen — erfolgte die Rück-
kehr des Grafen Mercy, dann hätte Leopold vor aller Welt bewiesen, dass
er die Handlung des Königs als eine freiwillige ansehe. Mercy antwortete
jedoch ausweichend, um nicht die Befürchtung wachzurufen, dass sich das
Ausland einmischen könnte. Auch Leopold befolgte diese Politik; in seiner
Antwort wiederholte er gleichsam die Forderungen der Paduaner Declara-
tion. Das Zögern der Mächte hinsichtlich eines bewaffneten Kongresses
bestärkte ihn vollends in dem Vorsatz, nur Demonstrationen wirken zu
lassen. Die französischen Angelegenheiten nahmen in der That einen
ruhigeren Verlauf, was Leopold ü. seinem Verhalten zuschrieb. Kicht
lange währte diese Ruhe. Dem Jakobinerclub schlössen sich neue An-
hänger an und solche waren darunter, die vorher den Feuillants angehört
hatten; der Versuch einer Reaktion beim Schlüsse der Konstituante blieb
ganz und gar erfolglos und trug nur bei, die einst so gefeierten Trium-
viren dem Hasse der Bevölkerung preis zu geben. Nichtsdestoweniger
überliess Ludwig XVL die Regierung den Feuillants und wies, ebenso wie
Marie Antoinette den Gedanken von sich, der Legislative ein Ministerium
an die Seite zu stellen, das das Vertrauen der Nation besessen hätte.
Und mit Absicht geschah dieses: der König und seine Gemalin wollten,
dass der Gegensatz zwischen jener Partei und den Jakobinern in Bälde
zum offenen Kampfe ausarte. Und während sich die Verhältnisse immer
verwickelter gestalteten, da auch die Stimmung zwischen Ministerium und
Legislative immer feindseliger wurde, erblickte das Königspaar in dem
Drängen der Nationalversammlung, gegen die rheinischen Kurfürsten als
die Schützer der Emigranten, eine entschiedene Sprache zu führen, einen
willkommenen Anlass, um den bewaffneten Kongress denn doch mög-
lich zu machen. Denn es gieng von der Ueberzeugung aus, dass die Kur-
fürsten der Aufforderung nicht nachkommen würden, die Emigranten zu
zerstreuen. Frankreich müsste sie demnach angreifen, der Kaiser jedoch,
als Schirmherr des Reiches, ihnen seinen Schutz angedeihen lassen. Die
348 Literatur.
Nation würde alsdann auf die Bedingungen eines bewaffneten Kongresses
eingehen oder dem Kaiser den Krieg erklären. In beiden Fällen sab
Ludwig den Umsturz der Verfassung und die Wiedereinführung der alten
Staatsordnung als gewiss an. So dachte der König, als er am 14. De-
zember 1791 die Wünsche der Nation nicht nur erfüllte sondern sie weit-
aus übertraf. Die Feuillants aber, die ihm, um nicht den Hass des Volkes
auf sich zu laden, dazu geraten hatten, giengen von der Ueberzeugung
aus, ilass die energische Sprache, welche die Eegierung gegen die rhei-
nischen Kurfürsten führte, ihren Eindruck gewiss nicht verfehlen
würde, umsomehr, als der friedliebende Kaiser seinen Einfluss schon gel-
tend zu machen wüsste. Was die Anhänger Lafayettes anlangt, glaubten
diese keineswegs, dass sich der Hof mit der neuen Ordnung der Dinge
ausgesühnt habe ; sie ahnten, dass Marie Antoinette mit dem Ausland in
Verbindung stehe, um die Eevolution zu bekämpfen. Und da sie bei einer
Wiederherstellung des alten Königthums wohl nicht mit Unrecht die Eache
der Emigranten fürchteten, folgten sie um so lieber der nationalen Rich-
tung der Legislative. Dieser brachte auch der Kriegsminister Narbonne
Verständnis entgegen; auch er erkannte zwar die Mängel, die der Vei'-
fassung anhafteten, doch wollte er nicht, wie das Triumvirat es wünschte,
auf eine schleunige Abhilfe hinarbeiten, sondern eine neuerliche Revision
auf unbestimmte Zeit verschieben. Vorerst galt es, der Nation den ehr-
lichen Willen zu zeigen, die Verfassung auch wirklich in's Werk zu setzen.
In diesem Vorhaben näherten sich Narbonnes Parteigänger immer mehr
den hervorragendsten Abgeordneten der Opposition und knüpften Ver-
bindungen mit diesen an, um jenem eine sichere Mehrheit in der National-
versammlung zu verschaffen. Die nahe Uebereinstimmung in der aus-
wärtigen Frage begründete auch zum Theil diese Politik der Fayettisten
und es wurden Verabredungen getroffen, bevor noch die Wiener Dezember-
note die kriegerische Stimmung in der Nation noch mehr entfacht hatte.
Diese Note festigte vollends das Einvernehmen zwischen den beiden Par-
teien, von denen die eine — die Girondisten — das Bündnis Frankreichs
mit Oesterreich vom Jahre 1756 als die eigentliche Ursache des Nieder-
ganges Frankreichs ansah und alle Hebel in Bewegung setzte, um den
Ausbruch des Krieges zu beschleunigen; denn nur ein solcher konnte
nach ihrem Dafürhalten der Nation verhelfen, die frühere achtunggebietende
Machtstellung wieder einzunehmen. Diese mehr nationalen Tendenzen
fanden ihren Ausdruck in der Antwort, welche die Legislative dem Wiener
Hof zu Theil werden Hess. Die republikanische Richtung hingegen trat
in einer Partei zum Vorschein, die sich aus dem Jakobinerclub heraus-
gebildet hatte und deren Haupt Robespierre war. Abschaffung des König-
thums und Aufrichtung der Republik waren das Programm dieser Fraktion,
das sie aber nicht durch einen Krieg gefährden wollte : denn ein solcher
würde nur ihre Gegner stärken und den Sieg der Reaktion zum Gefolge
haben.
Während es daher der Kriegsminister mit den Girondisten hielt, be-
wegte sich der Minister des Aeussern, Delessart im Schlepptau der Lameths.
Diese versuchten durch Vermittlung der Königin noch einmal mit Leopold
eine Verbindung anzuknüpfen. Auch diesmal ging Marie Antoinette nur
scheinbar auf die Absichten des Triumvirats ein, das den Krieg, den sie
i
Literatur.
349
eben wünschte, mit allen Mitteln vermeiden wollte. Der Wiener Hof aber
begrüsste freudigst die Botschaft der gemässigten Partei, deren An-
schauungen sich mit den seinigen deckten. Kaunitz bekundete dies in
seiner Februarnote, die jedoch leider unter der irrigen Voraussetzung ver-
fasst war, dass die Lameths auch jetzt noch über eine grosse Zahl von
Anhängern geböten. Denn das Gegentheil davon war der Fall: Immer
enger wurde das Bündnis zwischen Fayettisten und Girondisten, bis es
endlich seinen lang ersehnten Zweck erreichte — das Ministerium zu
stürzen und damit den Feuillants den Todesstoss zu geben. Die Gironde ge-
langte an's Ruder und Marie Antoinette schöpfte neuen Muth; denn weil
sie die kriegerische Stimmung des jungen Kabinets theilte, begrüsste sie
freudig den Zeitpunkt, da Oesterreich gezwungen sein werde, mit be-
waffneter Hand gegen die Eevolution Stellung zu nehmen. Und Frank-
reich erklärte in der That Oesterreich den Krieo-.
Darf nach diesen Ausführungen Glagau's iüglich behauptet werden,
dass Oesterreich, soweit es sich um die äussere Veranlassung handle, als
der eigentliche Urheber des Krieges anzusehen sei, weil es durch die
Drohung eines europäischen Kongresses dem beleidigten Xationalgefühl
»einen mächtigen Aufschwung gegeben habe«? Da geht der Verfasser in
seiner übertriebenen Sympathie, die er den Jakobinern entgegen bringt,
denn doch zu weit. Es ist vielmehr Thatsache, dass nicht das verbündete
Europa, sondern die damaligen französischen Machthaber den Krieg wollten,
weil sie nur auf diesem Wege hoffen konnten, die ihnen unangenehme
französische Verfassung von 1791 aus der Welt zu schaffen ; das europäische
Konzert aber war nichts anderes als eine Vogelscheuche, mit der das
Wiener Kabinet ungebetene Gäste schrecken wollte, um sie zu vertreiben;
noch wollte es nicht zur Flinte greifen. Es gab keine äussere Ursache
des Krieges ; die Ursache des Krieges lag nicht in den Mitteln, die Leopold
anwendete, um seine bedrängte Schwester und auch sich zu schützen,
sondern in den inneren Verhältnissen Frankreichs, in den Umständen, die
eine gewaltsame Lösung erheischten. Aber Niemand ahnte eine solche,
obwohl Jeder dazu beitrug, sie herbeizuführen. Ebensowenig, wie Kolumbus
wusste, dass er eigentlich einen neuen Welttheil entdeckt habe, oder
Martin Luther die grosse Umwälzung auf religiösem und politischem Ge-
biete voraussah, die seine Thesen hervorriefen, ebensowenig ahnten die
Träger der neuen Ideen in Frankreich den Ausbruch einer so blutigen
Revolution. Rousseau hatte ihn für ganz ausgeschlossen erklärt. Das
europäische Konzert, dem Glagau eine grosse Bedeutung beimisst, spielte
daher nur eine sehr untergeordnete Rolle in dem grossen Drama, das
sich zu entwickeln begann. Es war ein Damoklesschwert, das bekanntlich
nur zu schweben aber nie herabzufallen pflegt und dessen sich Oesterreich
nicht in feindseliger Absicht sondern einzig und allein desshalb bediente,
um Frankreich Achtung zu gebieten.
Wien. Hanns Schlitter.
250 Literatur.
Dr. Julius Mayer, Die französisch -spanische Allianz
in den Jahren 1796—1807. I. und II. Theil. Linz a./d. D. 1895—96.
Ebenhöchsche Buchhandlung.
Nach Abschluss des Friedens von Basel (22. VII. 1795) trat Spanien
aus der Reihe der Staaten aus, die gegen die französische Republik ver-
bündet waren, wurde deren Bundesgenosse mit dem Vertrage von Ildefonso
(l9. VIII. 1796) und erklärte als solcher England den Krieg. Das Be-
streben des Direktoriums gieng nun dahin^, Portugal den Engländern ab-
wendig zu machen und Louisiana zu erwerben. Beides scheiterte an dem
Widerstände Spaniens. Der Ausbruch eines neuen Kontinentalkrieges hinderte
das Direktoi'ium, seine Forderungen mit Nachdruck geltend zu machen.
Erst durch Bonaparte wurde Spanien veranlasst, am 1. Oktober 1800 zu
Ildefonso einen Vertrag zu unterzeichnen, worin es sich zur Abtretung
Louisiana's verpflichtete, sobald Frankreich dem Herzog von Parma einen
Länderzuwachs in Italien mit dem Königstitel verschafft habe. Dies ge-
schah nach dem Frieden von Luneville. Kui-z vorher am 29. Jänner 1801
hatte sich Spanien zu einem kriegerischen Unternehmen gegen Portugal
bereit erklärt. Die Absichten, die Bonaparte in der Folge England gegen-
über im Schilde führte, blieben nicht ohne Eintluss auf sein Verhältnis
zu Spanien; er sah es nicht ungern, dass Karl IV. nur mit Widerwillen
gegen Portugal vorgehen wollte: um so mehr lag ihm aber daran, dass
der König mit grösstem Eifer die Ausrüstung seiner Flotte betreibe.
Spanien schloss demnach am 6. Juni 1801 Frieden mit Portugal, worin
sich dieses verpflichtete, seine Häfen für die Engländer zu sperren. Aber
die Ereignisse, die inzwischen eingetreten waren (Ermordung Paul's I. von
Russland, Ausgleich mit' Dänemark. Auflösung des Seebundes, Erfolge der
Engländer in Aegypten) änderten mit einem Male die Politik Frankreichs
und gaben ihr eine andere Richtung: Der erste Konsul verweigerte die
Ratifizirung des Friedens von Badajoz. Spanien dagegen zeigte sich nicht
geneigt Bonaparte zu willfahren. Dieser musste sich in der That ent-
schliessen, in Unterhandlungen mit Portugal zu treten, welche den Frieden
von Madrid (iBOl 29. IX.) zur Folge hatten. Die Ueberlassung Trinidad's
an England, der Verkauf Louisiana's an die Vereinigten Staaten von
Amerika, und andererseits die Absicht Spaniens, Parma und Piacenza mit
■dem Königreich Etrurien zu vereinigen, trübten die wechselseitigen Be-
ziehungen, was Bonaparte um so peinlicher empfinden musste, als im Mai
1803 abennals ein Krieg mit England zum Ausbruch kam. Dieses be-
mühte sich, ein neutrales Verhalten, Frankreich aber eine Betheiligung
Spaniens zu erzielen. Alle Versuche des ersten Konsuls scheiterten jedoch
an dem Widerstand des spanischen Ministeriums ; bald erkannte Bonaparte
selbst, dass es angezeigter sei, statt der Theilnahme am Krieg Subsidien
zu fordern, da er im anderen Falle befürchten musste, dass England den
Krieg an Spanien erklären würde. Nach langwierigen Unterhandlungen
wurde am 22. Oktober IS 03 zu Paris ein Neutralitätsvertrag unterzeichnet
und darin die Höhe der Sultsiilien festgesetzt. England nahm sofort
Stellung zu diesem doppelsinnigen Vertrag und behandelte Spanien als
kriegführende Macht. Die Antwort darauf war die Kriegserklärung Spa-
niens an England (2. Jänner 1804). Nun Spanien vollends im Schlepptau
Literatur. 351
der französischen Politik war, wurde es aufgefordert den Anschluss Por-
tugals zu erwirken. Ob Napoleon bereits damals, als diese Macht sich
weigerte ihre Häfen den Engländern zu verschliessen, den Gedanken einer
Theilung Portugals gefasst hat, kann durch nichts erwiesen werden. Im
Frühjahr 1806 jedoch gelangte das Projekt zur Sprache.
Hier schliesst der erste Theil der trefflichen Abhandlung Mayer's,
die auf gewissenhaften Studien beruht. Mit Geschick sind die Beziehungen
Napoleons zum Friedensfürsten besprochen, den der Kaiser als das geeig-
netste Werkzeug ansah, um sowohl das Haus Braganza zu stürzen als
auch — und das war ja seine eigentliche Absicht — die spanische Königs-
familie zu vertreiben. Portugal war nur eine Lockspeise, die er dem
Friedensfürsten hinwarf.
Der zweite Theil von Mayers Abhandlung umfasst die Zeit von 1806
bis 1807. Der Gedanke sich Portugals zu bemächtigen, tauchte auf, als
sich die Verhandlungen Napoleons mit England zerschlagen hatten. Wäh-
rend diese Macht Anstalten traf, mit Portugal ein Offensiv- und Defensir-
bündnis abzuschliessen, rüstete Spanien mit fieberhaftem Eifer. Aber
keineswegs gegen Portugal, wie der österreichische Geschäftsträger in
Madrid Genotte vermeinte, sondern gegen Frankreich richtete sich diese
Bewegung Spaniens. Das Vorgehen Napoleons in Neapel, der Gedanke
auch auf Kosten Spaniens ein Königreich Iberien für Lucian Bonaparte zu
errichten und vor Allem das Gerücht einer gänzlichen Vertreibung der
Bourbonen, brachten das nach allen Richtungen erschütterte Land gewalt-
sam zur Besinnung — nur für kurze Zeit, dann fiel es ^N-ieder in den
früheren Zustand der Apathie zurück.
Spanien musste sich bequemen, den Verpflichtungen gemäss zu han-
deln, die es im Vertrag von Ildefonso auf sich genommen hatte; es ge-
horchte dem Befehle Napoleons, an dem Kontinentalkrieg theilzunehmen —
ein Befehl, der um so verhängnisvoller für Spanien war, als das Hilfscorps
nur aus Leuten spanischer Nationalität bestehen und ausserhalb des Landes
zur Verwendung gelangen sollte.
Nach dem Abschluss des Friedens von Tilsit traten die feindlichen
Absichten Napoleons gegenüber Spanien immer deutlicher hervor; dieses
musste den Bruder des Kaisers, Joseph Bonaparte als König von Neapel
anerkennen und machtlos zusehen, wie die Selbständigkeit Etruriens ver-
nichtet wurde. Und als Portugal an die Reihe kam, stimmte es einer
gemeinsamen Aktion gegen dieses Königreich mit anderen Empfindungen
als im Jahre 1805 zu. Der Vertrag von Fontainebleau, der am 27. Ok-
tober 1807 abgeschlossen wurde, entschied über das Schicksal Portugals;
aber auch die bevorstehende Unterwerfung Spaniens ward durch eine Kon-
vention vom gleichen Tage besiegelt; denn diese ermöglichte es Napoleon,
in vertragsmässiger Weise eine grosse Truppenzahl über die Pyrenäen zu
bringen ; der Abschluss beider Verträge vollzog sich unter verhängnisvollen
Auspizien: ebenfalls am 2 7. Oktober erfolgte die Verhaftung des Prinzen
von Asturien; die Zwietracht, die im Schosse der königlichen Familie
herrschte, wurde somit vor aller Welt offenbar und verleitete Napoleon
rücksichtsloser als bisher vorzugehen.
Auch dieser zweite Theil von Mayer's Abhandlung verdient volle Be-
achtung, wobei wir jedoch die Bemerkung nicht unterdrücken dürfen, dass
352 Literatur.
der Verf. den Ursachen des Verfalles Spaniens fast keine Beachtung ge-
schenkt hat. Das räthselhafte »unleserliche Wort« M^- in der Beilage zum
Bericht des österreichischen Gesandten in Madrid (!) vom 30. Oktober
1806 bedeutet Madrid. Wie konnte Mayer nur einen Augenblick darüber
in Zweifel sein?!
Wien. S c h 1 i 1 1 e r.
DerFeldzug der Division Lecourbe im Schweizeri-
schen Hochgebirge 1799. Von Keinhold Günther, Dr. phil.
Oberlieutenant im Füsilierbataillou 1 7. Mit einer üebersichtskarte des
Grotthardgebietes und vier Skizzen. Frauenfeld, 1896. Gr. Huber.
Unter den Operationen im Gebirgskriege nehmen die der Division
Lecourbe in der Schweiz eine hervorragende Stelle ein und zwar voi'nehm-
lich deshalb, weil sie, trotz der oft ganz bedeutenden Ueberlegenheit der
Gegner, in geradezu überraschender Weise glückten. An geschichtlichen
Darstellungen dieser Operationen, besonders aber an militär - kritischen
Untersuchungen derselben ist denn auch kein Mangel und es wird wenige
Kriegsschi'iftsteller geben, die sich nicht, mehr oder minder eingehend,
mit ihnen beschäftigt hätten. Diesmal ist es ein, auf kriegsgeschichtlichem
Gebiete bereits vortheilhaft bekannter Schweizer Officier, Dr. Reinhold
Günther, der den » Feldzug der Division Lecourbe* zum Gegenstande
einer eingehenden Untersuchung gemacht hat, die nicht nur dem mili-
tärischen Fachmann manches neue bietet, sondern auch dem Historiker, da dem
Verfasser, nebst einigen, allerdings nicht bedeutenden Schriften aus dem
Archive der Familie Lecourbe, das wichtigere Operations - Journal des
Generals zur Verfügung stand.
Nach einer kurzen militärischen Würdigung der Schweiz und der
dort operirenden beiderseitigen Streitkräfte, schildert Günther die ersten
Kämpfe Lecourbe's in Graubünden, dann die Aufstände im Bündner Ober-
lande und in den kleinen Cantonen während der ersten Maitage, die
Eäumung des Gotthard durch die Franzosen und seine Wiedereroberung,
endlich in einem eigenen, räumlich, jedoch nicht auch sachlich, bedeutend-
sten Abschnitte den Zug Suwarows durch die Schweiz.
Dadurch, dass der Verfasser über die erwähnten handschriftlichen
Quellen verfügte, und auch die bisher meist weniger benützten, obwohl
nicht immer sehr wertvollen schweizerischen Publicationen über die
Ereignisse jener Zeit zu Rathe zog, war er in der Lage, manches zweifel-
hafte oder irrige Detail in den bisherigen Darstellungen dieser Operation
richtig zu stellen ; im Grossen mid Ganzen freilich bleiben sie auch durch
seine Schrift unberührt. Seltsam ist, dass Günther Reding - Biberegg's
Darstellung des Zuges Suwarows nicht benützte, wenigstens führt er sie
nirgends an, wenngleich sich beide Darstellungen in manchen, nicht un-
wesentlichen Punkten decken und schade, dass ihm das Werk Angeli's
(»Erzherzog Karl als Feldherr und Heeresorganisator*) noch nicht zur Ver-
fügung stand. Es wäre seiner Schrift vielfach von Nutzen gewesen.
Dass Günther, der über ein sehr richtiges militärisches Urtheil ver-
fügt, oft ganze Seiten aus bekannten und leicht zugänglichen Kriegs-
Literatur. 353
Schriftstellern abschreibt, maclit sich nicht gut: es ist zweifellos besser,
allerdings auch weniger bequem, wenn die bei Werken dieser Art nicht
gut zu umgehenden Ansichten und Urtheile bewährter Fach schriftsteiler
in den Text verarbeitet werden. An einzelne » Helvetismen "^^ müssen wir
uns erst gewöhnen; die stereotype Wiederkehr des leidigen Adverbs
» immerhin "^"^ ist ärgerlich.
Die » Schweizerische Officiers - Gesellschaft * hat auch dieses Buch
Günthers, wie zwei früher erschienene Schriften desselben Verfassers,
mit einem Preise bedacht; es scheint demnach, dass auch die massgebenden
Kreise jenes kleinen Milizheeres es für gut befinden, ehrliche wissen-
schaftliche Bestrebungen von Officieren zu unterstützen.
Wien. Oskar Criste.
Die Miniaturen der Uni ver sitäts-Bibliothek zu Hei-
delberg, beschrieben von A. von Oechelhäuser. Zweiter Theil,
mit sechszehn Tafeln. Heidelberg, Verlag von Gustav Koester 1895.
4°, 420 S.
Der erste Theil dieser Publication, der die Handschriften bis zum
Anfange des XIII. Jahrhunderts umfasste, ist im Jahre 1887 erschienen.
Der vorliegende zweite Theil beschäftigt sich mit den Handschriften des
XIII. und XIV. Jahrhunderts, ohne diese letzteren zu erschöpfen, so dass
ein Rest des XIV. Jahrhunderts und das ganze XV. Jahrhundert für einen
dritten Theil verspart bleiben. Der lange Zeitraum, den die Vorbereitung
des zweiten Theils in Anspi'uch nahm, rechtfertigt sich aus dem Umstand,
als eben in diesem Theil zwei der grundwichtigsten Miniaturhandschriften
der Heidelberger Universitätsbibliothek unterzubringen waren: einerseits
der Wälsche Gast, anderseits die Manesse'sche Liederhandschrift. Zu der
letzteren kommt noch der Umstand in Betracht, dass dieselbe erst seit
dem Frühjahr 1888 aus Paris nach Heidelberg gelangt ist, so dass die
eingehenden Untersuchungen, denen diese Handschrift nach Verdienst von
Seite zahlreicher deutscher Forscher unterworfen wurde, und damit auch
diejenige Oechelhäusers, erst seit diesen Jahren datiren konnten, und bei
dem Umfange und der Wichtigkeit des Gegenstandes nothwendigermassen
einen längeren Zeitraum in Anspruch nehmen mussten. Die genannten
zwei Handschriften sind es denn auch, die den eigentlichen wissenschaft-
lichen Kern des Bandes ausmachen. Der Wert, der dem übrigen, aus
anderen Handschriften beigebrachten Material zugeschrieben werden muss,
ist hauptsächlich ein statistischer, wie er eben jeder Veröffentlichung bisher
unbekannten Quellen materials zukommt.
Was in diesem zweiten Theil über den Wälschen Gast gesagt erscheint,
das hat der Verf. bereits im Jahre 1890 in einer selbständigen, im gleichen
Verlage erschienenen Publikation veröffentlicht. Auch über die Manesse'sche
Handschrift hat er sich bereits früher (im Jahrgang 1893 der Neuen
Heidelberger Jahrbücher) vernehmen lassen; doch darf daneben die ihr in
der vorliegenden Publikation gewidmete Abhandlung eine selbständige
Bedeutung beanspruchen. Neben einer eingehenden Beschreibung sämmt-
Mittheilungen XX. 23
"^ry^L Literatur.
lieber Miniaturen, wird darin über die Entstehung der Handschrift ge-
handelt, wobei farbige Proben nie Unterscheidung der einzelnen von Oe.
angenommenen Malerhände belegen sollen: hierauf folgt eine kritische
Beurtheilung der Bilder auf ihren Kunstcharakter, und endlich eine Reihe
kulturhistorischer Betrachtungen, zu denen man durch das Studium der
Tracht, Waffen, Geräthe u. dgl. angeregt wird
Das wichtigste allgemeine kunsthistorische Ergebniss, zu welchem Oe.
durch seine statistischen Einzeluntersuchungen über die Heidelberger Mi-
niaturhandschriften gelangt ist, beruht darin, dass er für die deutsche
Miniaturmalerei vom XIII. Jahrhundert ab im allgemeinen die strengste
sklavische Unterordnung der Copisten unter das ihnen jeweilig vorliegende
Vorbild als förmlichen Grundsatz nachgewiesen hat. Dieses Ergebnis hat
Oe. bereits in seiner Monographie über den Wälschen Gast eingehend be-
gründet, und er kommt auch in dieser neuerlichen Publikation immer
wieder darauf zurück. Oe. Verdienst in dieser Richtung eine Aufklärung
geschaffen zu haben ist ein unbestreitbares, denn man war früher vielfach
geneigt mit dem unleugbaren nationalen Aufschwung der Malerei im
12. Jahrhundert, und dem Auftreten neuer Darstellungskreise namentlich
im Gefolge der deutschen Dichtung, auch eine wachsende Lust an künst-
lerischer Erfindung anzunehmen. Dagegen beweist uns die Vergleichung
des Miniaturenschmuckes in den zahlreichen Handschriften des im
XIII. Jhdt. gedichteten Wälschen Gastes auf das Schlagendste, dass man
auch im XIII. — XV. Jhdt. nur dann zu selbständiger Erfindung geschritten
ist, wenn absolut kein Vorbild zum Copix-en vorlag, und dass man es in
jenen Fällen, wo eine Erfindung bereits gegeben war, für eine unbegreif-
liche Verschwendung an Zeit und Mühe gehalten hätte, sich mit einer
neuerlichen, selbständigen Erfindung zu plagen. Oe. verfällt aber in Ein-
seitigkeit, wenn er (S. 66) dieses Verhältnis als bloss dem späteren Mittel-
alter eigentümlich bezeichnet, im Gegensatze zum früheren Mittelalter, dem
er im allgemeinen ein selbständigeres Verhalten der Copisten zu ihren
Vorbildern zuschreibt. Eher wäre das Umgekehrte anzunehmen. Wenn
wir in den Miniaturhandschriften des früheren Mittelalters den archetypus
kaum einmal nachzuweisen vermögen, so liegt die Erklärung eben in dem
Umstand, dass die Entstehung jener frühmittelalterlichen Archetypen über-
■\\aecfend in eine sehr frühe Zeit zurückreicht, — in Zeiten aus denen uns
Denkmäler der Miniaturmalerei überhaupt nur mehr spärlich und ganz
uJigenügend erhalten geblieben sind. Das Verhältnis des Kunstschaffens
zur J.Erfindung'' ist das ganze helle Mittelalter hindm-ch das gleiche, in
karolingischer Zeit nicht minder wie im XIV. Jahrhundert. Der Begriff
der Originalität ist dem Mittelalter unbekannt; nicht einmal die Giottesken
sind bewusstermassen darauf ausgegangen, wie zahlreiche directe Wieder-
holungen innerhalb ihrer Schule beweisen. Man braucht bloss die stete
Wiederkehr derselben Typen in der Ornamentik durch 8 bis 9 Jahrhunderte
hindurch, die geringe Entwicklung des Rankenornaments vom byzantinisch-
karolingischen lappigen Acanthus bis zum spätgothischen Kriechlaub zu
überblicken, um zu erkennen, dass der mönchische Illuminator des IX, Jahr-
hunderts mindestens ebensowenig neu erfinden wollte, als der Laienmaler
des XIV. Jahrhunderts. Das Mittelalter kannte nur wenige Erfinder, die
dabei mehr durch äusserliche, namentlich in der religiösen Grundstimmung
Literatur. 355
der Zeit gelegene Beweggründe, als durch rein künstlerischen Antrieb ge-
leitet wurden. Freilich die naive Weise in welcher die Erfinder (z B.
Herrad von Landsberg) zu Werke gegangen sind, wird allezeit ein Gegen-
stand des Entzückens nicht bloss für den Kulturhistoriker, sondern auch
für den Kunstfreund bleiben. Riegl.
Albert Maire: Manuel pratique du bibliothecaire.
Paris, Picard, 1896, 8° XI, 591 S.
Wie das Werk gegenwärtig vorliegt, ist es in erster Linie ein Hand-
buch für den französischen Bibliotheksdienst, zieht daher die Verhältnisse
anderer Länder nur aushilfsweise und zum Vergleiche heran. Es scheint
allerdings (nach einer Bemerkung in der Einleitung) die Absicht des Ver-
fassers gewesen zu sein auch diese in den Kreis seiner Darstellung ein-
zubeziehen, ist aber aus unbekannten Gründen unterblieben. Dass dadurch
sein Wert für den Nichtfranzosen geringer geworden, ist klar, indess
bietet es doch mancherlei Interessantes. Nach einer historischen Einleitung,
die wohl auch zeigt, dass sie ursprünglich erheblich grösser veranlagt
war, da sie mit den Assyrern einsetzt um schon nach 6 Seiten beim
16. u. 17. Jahrhundert anzulangen, folgt in 8 Abschnitten (l. Examens
professionnels. 2. La Bibliotheque. Le local. 3. Le mobilier des Bibliothe-
ques, 4. Des livres. 5. De la mise en place des volumes. 6. Des catalo-
gues. 7. Des systömes bibliographiques. 8. Service interieur) eine Bespre-
chung der einzelnen Zweige des Bibliotheksdienstes, wovon der die Katalogi-
sirung behandelnde ziemlich ausführlich gehalten ist und ein gutes Bild
dieses wichtigsten Zweiges des Bibliotheks-Betriebes in Frankreich bietet.
Auch Capitel 3 (Einrichtung) mit zahlreichen meist recht klaren Abbil-
dungen von Bücherkästen, Zettelcartons u. s. w. enthält manches Lesens-
werte. Dagegen macht sich bei dem wichtigen Capitel der Bibliotheks-
Prüfungen die sehr dürftige Erwähnung nicht französischer Einrichtungen
ungünstig bemerkbar; speciell die Oesterreich betreffenden Bemerkungen
auf S. 40 sind so unklar gehalten, dass sie den Leser leicht zu dem
falschen Schluss verleiten können, es seien solche Prüfungen bei uns seit
1862 eingeführt, während bekanntlich der betreffende Entwurf — leider!
— Project geblieben ist. Auch auf den sehr viel Raum einnehmenden
Abdruck verschiedener bibliographischer Systeme vermag Eef. keinen be-
sonderen Wert zu legen, denn abgesehen davon, dass hier nicht immer
die besten ausgewählt sind, wird wohl Jeder mit den Verhältnissen einiger-
massen Vertraute wissen, dass mit allen solchen Entwürfen wenig gewonnen
ist, wenn nicht eine internationale Regelung dieser Frage gelingt, wie es
z. B. das Institut international de Bibliographie in Brüssel auf Grund des
in Amerika ziemlich verbreiteten Zahlen- Systems von Devey versucht und
wie es die in London 1896 abgehaltene internationale Bibliotheks-Conferenz
für einen Generalkatalog der Literatur der exacten Wissenschaften an-
geregt hat.
Als sehr brauchbar kann dagegen das auf das 8. Capitel folgende
und 125 S. umfassende »Lexique des termes du Jivre^^ bezeichnet werden
23*
356 Literatur.
und von wirklichem Werte ist eine Eeihe im Appendix abgedruckter auf
die französische Universitäts-Bibliotheken bezüglicher Documente (Verord-
nungen, Reglements) von 17 89 bis zur Gegenwart.
Alles in Allem genommen enthält das mit anerkennenswertem Fleisse
gearbeitete Buch, das übrigens den französischen Bibliothekaren vortreff-
liche Dienste leisten wird, auch für uns manches neue und wissenswerte
Detail, das sonst auch aufmerksamen Beobachtern der Fachliteratur bei deren
Zerspitterung leicht entgehen kann. Für Oesterreich speciell aber ist
jener Theil von Interesse, der von den Prüfungen für das Personale han-
delt, denn nachdem Deutschland, Frankreich, England und Italien in dieser
Frage uns vorangegangen sind, wird es wohl nur mehr eine Frage der
Zeit sein, dass auch in Oesterreich dieser entscheidende Schritt zur noth-
wendigen Gleichmässigkeit in der Ausbildung seines Bibliotheks-Personales
gethan werden wird.
Wien. J. Donabaum.
Katalog der Bibliotheks- Abtheilung des k. u. k. Kriegs-
Archive s. Wien, Verlag des k. u. k. Reichs-Kriegs-Ministeriums
1896 (2 Theile in 5 Bänden und ein Autoren- Verzeichnis ; hiezu noch
138 Seiten Nachtragscoupons, Wien 1898).
Man kann wohl sagen, dass durch die Neuauflage des Kataloges einem
wirklichen Bedürfnisse entsprochen worden ist, denn die frühere Auflage
stammte aus dem Jahre 1853, woran sich dann noch die Nachträge für
1853 — 67, 1868 — 69 und 1870 — 75 schlössen, sodass die Benützung
desselben sehr complicirt geworden war.
Der neup. Katalog, in 6 starken Bänden und vornehmer typographi-
scher Ausstattung erschienen, hat das Princip der alphabetischen Anord-
nung vollständig aufgegeben und erscheint als Fachkatalog, dem zum
Schluss ein alphabetisches Autorenregister beigegeben worden ist; auch
innerhalb der einzelnen Gruppen ist die Ordnung nicht nach dem Alphabet,
sondern nach den Erscheinungsjahren der Werke durchgeführt.
Diese chronologische Eintheilung bietet den Vortheil, die Ergänzung
de? Kataloges ungezwungen durchführen zu können, indem die Nachträge
(die natürlich nur auf einseitig bedrucktem Papier ausgegeben werden)
in die schon beim Erscheinen des Werkes am Schlüsse jeder Fachgruppe
freigelassenen Intervalle eingeklebt, oder, wo diese nicht ausreichen, als
besondere Seiten eingefügt werden können. Ob die Anwendung dieser beiden
Principien für die grossen encyclopädischen Bibliotheken praktisch wäre,
mag zweifelhaft erscheinen, denn für diese ist ein möglichst gut geord-
neter alphabetischer Katalog das erste und wichtigste Erfordernis;
Fach- event. Schlagwortkataloge bilden dann die aller.lings nothwendige
Ergänzung. Bei Fach-Bibliotheken, deren Publikum erfahrungsgemäss
meist das Bedürfnis hat, die dort über ein bestimmtes Thema vorhandene
Literatur kennen zu lernen, wird der hier eingeschlagene Weg der bessere
sein ; besonders den auswärts Wohnenden wird dadurch viel Arbeit und
Mühe erspart werden.
Den Wünschen derer, die ein bestimmtes Werk suchen, ist durch das
Autorenverzeichnis Rechnung getragen, sowie durch eine sehr weit ins
Literatur. 357
Detail gehende Specialisirung der einzelnsn Fächer, da die 24 Haupt-
gruppen, in die der Katalog zerfällt, zusammen gegen 1000 Unterabthei-
lungen umfassen, sodass keine derselben eine zu grosse Zahl von Werken
enthält.
Eine Hauptbedingung hiebei ist allerdings, dass das alphabetische
Eegister sehr genau und detaillirt ausgearbeitet ist und dessen Benützung
möglichst erleichtert wird. Vielleicht wäre zu diesem Zwecke eine kurze
Erläuterung am Kopfe desselben angezeigt gewesen, denn der Begriff
Autor scheint sehr weit gefasst worden zu sein, sodass z. B. periodische
Publikationen nicht unter ihrem Titel, auch nicht unter dem Namen der
Eedacteure oder Herausgeber, sondern unter dem der Corporation, Anstalt
•etc., die sie herausgibt, erscheinen also z. B. die Mittheilungen des Insti-
tuts für östeiT. Geschichtsforschung unter »Institut*, das Organ des mi-
litärwissenschaftlichen Vereins unter Militärwissenschaftlicher Verein etc.
Auch würde bei der grossen Zahl von Fachabtheilungen ein alphabetisches
Verzeichnis derselben mit Hinweis auf die betr. Seitenzahlen gute Dienste thun.
Indess fallen diese kleinen Nachtheile wenig ins Gewicht gegenüber
•der Thatsache, dass wir nun in dem neuen bis in die letzte Zeit ergänzten
Katalog der weitaus bedeutendsten kriegswissenschaftlichen Büchersammlung
der Monarchie geradezu eine — wenn man so sagen darf — militärische
Bibliographie besitzen, ein Vortheil, der bei der steten Zunahme der Ar-
beiten geiade auf diesem Gebiete hoch anzuschlagen ist und der nur den
einen Wunsch erweckt, es möge die energische und umsichtige Leitung des
k. u. k. Kriegsarchivs recht bald eine Neu-Auflage auch des Landkarten-
Kataloges folgen lassen können, die seit Langem ein pium desiderium
weiter Kreise bildet.
Wien. J. Donabaum.
Notizen.
Das von Paul Kehr in Angriff genommene grosse Werk einer kri-
tischen Ausgabe der Papsturkunden bis Innocenz III. (vgl. diese
Zeitschr. 18, 205) wird von ihm und seinen Mitarbeitern M. Klinkenborg
und L. Schiaparelli energisch und erfolgreich gefördert. Die systematische
Durchforschung der Archive und Bibliotheken Italiens, welche zunächst
begonnen wurde, ist bereits zum guten Theile durchgeführt, auch die ab-
gelegenen und bisher noch von wenigen fremden Forschern berührten
Gebiete der Abruzzen, Apuliens und Calabriens sind nun auf Papst-
urkunden durchsucht. Das südlichste Italien bot im ganzen wenig Aus-
beute. Aber in Benevent, Troia, Brindisi, Bari ist manch neues und inter-
essantes Material an Papsturkunden seit dem Anfang des 11. Jahrh. ge-
funden worden. So auch an einzelnen Stätten Mittelitaliens, wie etwa in
Sulmona und Spoleto, ja selbst an schon so vielfach ausgebeuteten Ar-
chiven wie in Pisa, Lucca, Eavenna, Ferrara fanden sich Inedita und zwar
vom 9. Jahrh. angefangen. Ueber all dies haben Kehr und seine Mit-
arbeiter in den Nachrichten der Göttinger Gesellschaft 1896 bis 1898
358 Notizen.
Bericht erstattet. Sie haben ferner die gefundenen Inedita publicirt, um
sie der Forschung einmal zugänglich zu machen, ohne jedoch abschliessende
Drucke bieten zu wollen. Man muss damit durchaus einverstanden sein.
Trotzdem wäre es doch schon bei einer solchen vorläufigen Edition sehr
erwÜDScht, z. B. über den graphischen Bestand bei den üntei'schriften des
Papstes und der Cardinäle, über die Datirungszeile und die Betheiligung
des Datars Nachricht zu bekommen. Von gi'ossem diplomatischen
Interesse sind die Erörteiningen Kehrs über die Urk. Johannes XVIII. von
1007 für Pisa (Nachr. 189 7 S. 179) und besonders die Erläuterung
zweier Privilegien von Benedict IX. (l038) und Leo IX. (lO.öO) im Capitel-
archiv von Florenz, welche uns die seltene Gelegenheit bieten das Ver-
hältnis von Vorlage, Concept und Originalausfertigung aufs klarste zu
erkennen (Nachr. 1898 S. 496 ff. mit Facsimile der 1050 als Vorlage
und Concept benützten Copie der Urkunde Benedicts IX. von 1038).
0. R.
Ein Donaueschinge r Briefsteller. Lateinische Stilübungen
des XII. Jahrh. aus der Orleans'schen Schule. Herausg. u. erläutert von
Alexander Cartellieri. Innsbruck, Wagner 1898, XXIII und 75 S.
Cartellieri macht uns mit einem recht wertvollen Codex bekannt, einer aus
der Dictatorenschule von Orleans stammenden Sammlung, welche um 1180
entstaml, wenig später (vgl. auch S. 54 n. 240 Anm.) in Deutschland
abgeschrieben und (vielleicht zweimal ?) sehr oberflächlich und ungeschickt
überarbeitet wurde. Vorliegende Hs. war um 1284 — 1290 wahrschein-
lich im Besitze der salzburgischen erzbischöflichen Kanzlei (vgl. die Notiz
auf Folio 9. dazu die auf das Erzstift bezüglichen Namen einer deutschen
Bearbeitung S. XIII) ; die von Cartellieri offengelassene Möglichkeit, dass
der Codex in der deutschen Reichskanzlei gewesen sei, wird kaum zu-
treffen; denn Erzbischof Rudolf von Salzburg stand seit seiner Erhebung
zu dieser Würde in gar keiner Verbindung mehr mit der königlichen
Kanzlei, wenn er auch den Kanzlertitel beibehielt. Ich glaube daher auch
nicht, dass die Hs. dann durch Heinrich von Klingenberg aus der Reichs-
kanzlei an den Oberrhein gelangt ist. Cartellieri hebt in der Einleitung-
treffend und anregend die für Beurtlieilung und Verwertung derartiger
W-erke nötigen Gesichtspunkte hervor und bespricht in kurzen prägnanten
Zügen den Wert vorliegender Sammlung. Es ist vor allem die Geschichte
der Cultur, für die in diesen Briefstellern ein reiches, nur halb gehobenes,
dankbares Material steckt. Daher vollständige Kenntnis derselben not-
wendig, was Wattenbach schon vor 40 Jahren betonte. So hätte Cart.,
der in seiner Ausgabe im allgemeinen dieser Foi'derung durchaus ent-
sprechend nachkommt, doch in manchen Fällen wohl noch weiter in Mit-
theilung des vollen Wortlautes gehen können, so etwa bei n. ß6, 127^
142, 155, 157, 159, IGO, 168, 175, 231, 232, 269, 270; bei n. 12
und 2 1 3 wäre Zufügung von Ueberschrift oder Regest durch den Heraus-
geber wünschenswert gewesen. In Mittheilung von Lesearten der Hs. ist
C. etwas gar sparsam. In n. 59 ist zu lesen quia ea nil felicius, n. 62
procerum statt procorum, n. 158 villicacionis nostre zu emendiren für v. mee.
Eine willkommene Uebersicht der Literatur über die Orleans'sche Schule
des Briefstils beschliesst die verdienstliche Schrift. Osw. Redlich.
Notizen. 359
Unter einer Reihe mir vorliegender in den letzten Jahren erschienener
Arbeiten über Geschichte Italiens im Mittelalter und deren Quellen möchte
ich zunächst jene von Ferdinand Güter bock: »Der Friede von
Montebello und die Weiterentwicklung des Lombarde n-
bundes^'' (Berlin, Mayer und Müller 1895) nennen. Ueber die Ereignisse
nach dem Frieden von Montebello, welchen Friedrich I. und die Lom-
barden am 16. April 1175 schlössen, herrschten unter den Historikern
(Ficker, Tononi, Tschirch, Giese brecht) mehr oder weniger verworrene und
sich widersprechende Ansichten. G. stellt nun fest, dass die Lombarden
bereits kurz nach dem Friedensschluss denselben wieder verletzt und
dadurch den Kaiser gezwungen haben, mit der Curie in Unterhandlungen
zu treten. Die Consuln Cremonas, denen im Friedensinstrument die end-
giltige Entscheidung über die noch schwebenden Streitfragen übertragen
worden war, machten thatsächlich trotz der geänderten Sachlage einen
Versuch, ihrer Verpflichtung nachzukommen u. zw. durch den seinerzeit
von Muratori aus dem Archiv von Modena herausgegebenen Schiedspruch,
der bis jetzt als ein nicht veröffentlichter Entwurf eines später im Jahre
1176 gefällten Spruches angesehen worden ist, von G. aber als der wirk-
lich erflossene erste Schiedsspruch mit grosser Wahi-scheinlichkeit nach-
gewiesen wird. Nachdem ihn die Lombarden verwarfen, sah sich der
Kaiser genöthigt, etwa Mitte Oktober die Feindseligkeiten wieder aufzu-
nehmen. Für diesen Nachweis kommt G. die Urkunde Friedrichs, Stumpf
4183, zuhilfe, die, wie ihn der Einblick in das Weimarer Original belehrte,
nicht in das Jahr 1176, sondern in das Jahr 1175 gehört. Der zweite
Abschnitt des Buches, welcher »Beiträge zur Geschichte des Lombarden-
bundes ^^ liefert, steht insoferne im nächsten Zusammenhange mit dem
ersten, als die geschilderten Ereignisse nicht ohne Rückwirkung auf die
Organisation des Bundes selbst geblieben sind. Die Beiträge behandeln:
die ßektoreneide aus den Jahren 1167 — 1177, welche der Verf zeitlich
zu bestimmen und deren Zusammenhang und Entwicklung klar zu legen
sucht (ein bisher noch unbekannter aus dem Archiv zu Mantua ist im
Anhang abgedruckt), den Fünfstädte-Eid zwischen Bologna, Mantua, Modena,
Eeggio und Parma (nicht in das Jahr 1170. sondern in den Herbst 1174
gehörig) und den Abfall Tortonas, welcher bald nach dem Cremonas, das
durch die Nichtanerkennung seines Schiedsspruches sich vor den Kopf
gestossen fühlte, etwa zwischen Juli 1176 und März 1177 erfolgt sein
muss, nicht, wie man bisher annahm 1183, da die Vertragsurkunde dieses
Jahres nur die Erneuex'ung einer früheren sein kann, aus der die Zeugen-
reihe entnommen ist. — Von Walter Lenel, dem wir bereits Studien
zur Geschichte Paduas und Veronas im 1 3. Jh. verdanken (vergl. diese
Zeitschr. 18, 213) ist eine Arbeit »Die Entstehung der Vorherr-
schaft Venedigs an der Adria. Mit Beiträgen zur Verfas-
sungsgeschichte* (Strassburg, Trübner 189") erschienen, die besonders
dadurch bedeutsam ist, dass sie mit der blinden Wertschätzung der Quellen
zur venezianischen Geschichte, die erst dem 16. oder 17. Jahrh. angehören,
bricht und den Thatsachen durch die Urkunden und durch die gleich-
zeitige Ueberlieferung näher zu kommen sucht; selbst an dem bis jetzt
für unbedingt vertrauenswürdig gehaltenen Dandalo weist L. starke i^ar-
teiische Trübung seiner Quellen nach (Beilage). W^as die Vorherrschaft
360 Notizen.
Venedigs an der Adria betrifft, so legt L. wenig Gewicht auf die alten
Kaiserprivilegien, auch nicht auf die nach der ungarischen Invasion sich
vollziehende straffere Unterordnung Dalmatiens, die mehr politischer Art
ist, sondern rechnet die Entstehung der Suprematie erst von den ge-
änderten politischen und wirtschaftlichen Verhältnissen — dem Aufblühen
des Kapitalismus — im dreizehnten Jahrhundert an. Zunächst reissen
die Venezianer den Lebensmittelhandel an sich, ihrer Macht durch Zoll-
kastelle und Flusspolizei (auf dem Po und der Etsch) Nachdruck ver-
leihend. Mit dem vernichtenden Schlag, den sie im Jahre 1236 gegen
das alte Handelscen,trum Ferrara führen, dessen Bedeutung von L. zum
ersten Male ins rechte Licht gerückt wird, ist die Sache entschieden und
damit auch der Stützpunkt für die spätere territoriale Ausbreitung ge-
wonnen. Auch die literarische Theorie findet sich mit der Thatsache ab ;
der bezeichnendste Ausdruck dafür ist die damals zuerst auftauchende
Benennung »Golf von Venedig«. Die an die Hauptarbeit angeschlossenen
verfassungsgeschichtlichen Studien legen dar, dass die Reform der Dogen-
wahl und die Einsetzung des grossen Rathes nur von der späteren Ge-
schichtsschreibung nach der gewohnten Manier, gewisse Veränderungen
mit politischen Ereignissen — hier der Ermordung des Dogen Vitale 11.
— in Zusammenhang zu bringen, ganz willkürlich in das Jahr 1172
gesetzt wurde. Beides scheint, wie die Urkunden ergeben, das Ergebnis
einer früheren und natürlichen Entwicklung, ohne mit dem genannten
Jahre abgeschlossen zu sein. Speciell der grosse ßath war bereits durch
die urkundlich seit 1141 bezeugten » Sapientes * vorgebildet und wird im
Jahre 1187 zum ersten Male genannt. Auch für diese Veränderungen
dürfte der Grund in der wirtschaftlichen Wandlung Venedigs zu einem
Gross-Kapitalisten-Staate zu suchen sein. — Eine reine Quellenunter-
suchung ist die Arbeit von Dr. Otto Lange »Die Annales Pisani
und Bernardo Maragone*^ (Zwickau, Zückler 1897), welche Schaubes
Ansichten (N. A. X, 1885, S. 14l) widerlegt. Nichts spricht nach L.'s
Ausführungen dafür, dass der in den Annales Pisani mehrfach erwähnte
pisanische Staatsmann Bernardo Maragone auch ihr Verf. sei, im Gegen-
theil widerspricht dem der Umstand, dass die Annales gerade für die Zeit
bis 1159, in welche die politische Thätigkeit dieses Mannes fiel, unzuläng-
liche Compilation sind ; es ist sogar wahrscheinlich, dass derselbe schon
1164 starb, während die Annales erst mit dem Jahre 1175 enden. Der
Bernardo Marangoni, auf welchen sich die beiden Historiker des 17. Jhs.,
Tronci und Koncioni, mehrfach berufen, ist ebenfalls nicht mit den Annales
identisch, sondern eine Compilation des 14. Jhs. — Zu den Quellen über
Heinrichs VIL Eömerzug haben G. Wolfram und F. Bonnard ot eine
neue, bisher unbekannte herausgegeben, das französische Gedicht: »Les
voeux de l'epervier. Kaiser Heinrichs VII. Romfahrt*^ (Jahrb.
der Gesellsch. für lothring. Gesch. VI. Bd. 1895), wobei Ersterer die Ab-
schrift des Textes, die Einleitung und die historischen Anmerkungen,
Letzterer die literarischen und grammatikalischen Notizen und das Glossar
besorgte. Das Gedicht gibt namentlich über den Tod des Kaisers neue
Aufschlüsse. Als Verfasser_, der nach dem mündlichen Berichte eines
Theilnehmers des Zuges geschrieben haben dürfte, stellt Wolfram mit
Wahrscheinlichkeit den Metzer Domherrn Simon de Marviile fest, M. V.
I
Urkimdenstiidien eines Germanisten.
Von
Edward Schröder.
V. ZurUeberlieferung und Kritik des ßreviariumS. Lull i.
Bei Behaudlung des Hersfelder Zehnten- Verzeichnisses in den
Mittheilungen XVIII, 1 ff. hab ich versprochen, eine ähnliche Unter-
suchung dem hochwichtigen Denkmal zu widmen, das uns den ge-
sammten Grundbesitz des Klosters Hersfeld in karolingischer Zeit kennen
lehrt und, da es wie die Zehntenliste nur in jüngerer Ueberlieferung
auf uns gekommen ist, dem Misstrauen der Gelehrten auch nicht ohne
weiteres entrückt scheint. Dies Versprechen lös ich hiermit ein, obgleich
mich meine Studien nicht so weit geführt haben, wie ich es damals
wohl hoffte: aber ich darf mich von meinem eigensten Arbeitsfeld
nicht zu sehr entfernen, um mich schliesslich als Gast und Dilettant
auf einem Nachbargebiet einzunisten. Ich betone also nochmals, dass
mein Ehrgeiz nur dahin geht, das Historikern darzubieten, was ein
Philologe und Sprachkundiger zur Kritik dieses Güterregisters beizu-
steuern vermag. Wo ich einmal an die Aufstellungen der Diplomatiker
von Beruf taste, bin ich mir bewusst, nur ein Frage- und kein Aus-
rufungszeichen zu stellen.
Das „Breviarium S. Lulli archiepiscopi" ist uns mit diesem Titel
in dem bekannten, jetzt auf dem kgl. Staatsarchiv zu Marburg auf-
bewahrten Hersfelder Chartular des 12. Jahrhunderts überliefert, wo
es von Bl, 33^ — 35^ (moderner Bleistiftzählung) reicht. Es findet sich
abgedruckt in Wencks Hessischer Landesgeschichte Bd. IIb S. 15 — 17
und neuerdings von Landau in der Zeitschrift des Vereins für hess.
Geschichte u. Landeskunde Bd. X (1865) S. 184—192. Zur Literatur
Mittheilungen XX. 24
3ß2 Edward Schröder.
verweise ich auf Hahn, Bonifaz u. Lul (1883) S. 280 ff., Abel-Simson I
(1888) S. 533 f., Hafner, Die Keichsabtei Hersfeld (1889) S. 10 ff.,
Dobenecker, Eegesta Thuringiae I (1896) S. 10 ff. (Nr. 70).
Der Abdruck in der Zeitschr. d. hess. Geschichtsvereins ist so gut,
dass man ihn bis zum Erscheinen eines Hersfeldischen Urkundenbuches
getrost benützen kann. Von der Willkür, mit der Landau das vor-
herrschende Imb. der Handschrift bald als huhe ergänzt bald zu h. kürzt,
abgesehen, hab ich nur folgendes Ergebnis einer Collation zu notireu,
wobei ich mich an die durchgehende Numerirung der Orte bei Landau
halte: 16 1. Zimhro — 21 1. Rütibah — 2Q 1. Rüdolfesfat — 2^ 1.
Brütstede — 89 1. Görichesleho (d. i. uo) — 91 1. Süzare — 102 1.
Mütesfelt — 108 Grif siede aus Grifide verbessert — 111 könnte mit
seinem tc- auch als Wuodaneslmsun gelesen werden — 115 Geh un-
stete (b aus Ji verbessert) — 119 1. Bühenhebn — 131 1. Büches-
iviccun — 166 1. Rüdolfeslebo — bei 178 ist die Zahl der Hufen IUI
(nicht ni) — 187 1 Pamuchesdorf (st. Bamuches-), womit die
Deutung Landaus auf Ramsdorf bei Tännich hinfällig wird. — Zwi-
schen 193 und dem Schluss findet sich keinerlei Markiruug, die zu
einem Absatz (wie bei Landau) berechtigte.
Ich gebe zunächst eine genaue Disposition des ganzen Schrift-
stücks, an die sich alsbald bestimmte Erwägungen und Correctureu
schliessen müssen. *
Im Eingang wird der Besitz des Klosters am Orte selbst auf
20 Hufen augegeben. Es folgen :
A) Schenkungen Karls d. Gr.
I. In TJiuringia: 1 — 63.
II. hl pcifjo Wetreibun: 64
III. In pago Wormaciense : 65 — 70.
Ohue ausdrückliche Abgrenzung oder Hervorhebung schliesst sich
(IV.) ein Anhang an: 71 — 74. Er umfasst a) 2 Orte oberhalb
Hersfelds am linken Fuldaufer, Aula und Jossa; b) Berisciza d. i.
höchst wahrscheinlich Allendorf am Bärenschiessen im Oberlahugau.
c) In Hohsegoice capelle III, huhe X, m. X.
B) Anderweitige Erwerbungen Lulls, Schenkuugen
von Privaten bis zum Zeitpunkt der Uebergabe des Klosters
an Karl d. Gr.
Im Eingang kehren die 20 Hersfelder Hufen wieder.
I. In Thuringia: 75 — 116.
II. In pago Wetreibe: 117. 118.
III. * In pago Wormaciense'^: 119 — 125.
Urkundenstudien eines Germanistön. 36S
So ist zweifellos zu lesen statt des im Chartular stehenden In pago
Loganense, das sich alsbald wiederholt; 122 — 125: Bretzenheim, Boden-
heim, Sauerschwabenheim, Ascmundesheim (vgl. Cod. dipl. Lauresham. 11
nr, 1226 — 1228), Spiesheim gehören unbedingt in den Wormsgau, 120 ist
Mainz, und 119 Bübenheim darf demnach nicht auf eine Wüstung bei
Kirchberg im Niederlahngau gedeutet werden (Landau), sondern ist der
gleichnamige Ort in ßheinhessen.
IV. In pago Loganinse: 126 — 131.
V. In pago Hassorum: 132 — 160.
(VI.) Ein Anhang (161 — 164) bringt die oberlaliugauischen Orte
Treysa, Grüssen, Wohra und ein nicht zu bestimmendes Niirihusun^
das bei der (von Landau verkannten) Buntheit dieser Anhäuge nicht
in dieselbe Gegend zu gehören braucht.
C) Schenkungen nach dem Zeitpunct der üe hergäbe.
I. In Thuringia: 165—192 oder 193.
(II.) Im Anhang, zu dem Adelleicht schon das seiner Deutuug
nach unsichere Eihesfeld 193 gehört, werden Besitzungen in Erlebach
am Taunus und ganz zuletzt eine umfangreiche „traditio Wered in
JVestfalun'' namhaft gemacht i).
Das Eintheilungsprincip ist in allen drei Theilen das gleiche : auf
feste locale Gruppen — wobei die Reihenfolge Thüringen — Wetterau —
Wormsgau aus A in B wiederkehrt — folgt ein Anhang von loserer
Fügung oder geographischer üu bestimm theit. Den Schluss des Ganzen
bildet die einzige private Schenkung, bei der der Spender genannt
wird: sie macht am deutlichsten den Eindruck eines Nachtrags.
Suchen wir nach äussern Anhaltspuncten iür die Datirung, so
muss uatürlich der „imperator" ganz aus dem Spiele bleiben. Ueber
alles redactionelle wird weiter unten zu handeln sein. Die erste Frage
ist: wann war der Zeitpunct, quando sanctua Lullus archieplscopus
illam traditionem fecit Domino Karolo (imperatori)? Unmöglich kann
damit die erste üebergabe des Klosters gemeint sein (die einzige, von
der wir wissen), die auf welche hin am 5. Jan. 775 das Exemtions-
privileg (Mühlb. 172) ausgestellt wurde. Es muss, wie schon von
anderer Seite bemerkt worden ist, noch eine spätere üebergabe statt-
gefunden haben, oder vielmehr es war bei der ersten üebergabe aus-
gemacht, dass auch alle weitern Erwerbungen LuUs in die einmalige
M Landau hat unbegreiflicher Weise diesen Personennamen verkannt und
auf die Werse, ein Nebenflüsscheu der Ems geraten. W^tris ist ein Mannesname
(wie Arnh, Rimis u. aa.), der z. B. bei Dronke Nr. 351 (817) u. 740 (1025) be-
gegnet, ausserdem iu den Annales necrologicae Fuldenses (MG. SS. XIII 206)
z. J. 989. Aus Westfalen kenn ich nur einen Beleg, den 8. Abt von Werden
(930). von dem wir aber keinerlei urkundliche Nachrichten haben.
24*
364 Edward Schröder.
Tradition eingeschlossen sein sollten. Die gleich als Nr. 4 genannte
königliche Villa Dorndorf (Thoranthorpf) ist ja, wie wir wissen, erst
durch Schenkung Karls vom 31. August 786 (Mühlb. Nr. 265) au
Hersfeld gelangt, wenige Wochen vor dem Tode Lulls (nach späterer
Ueberlieferung 16. Oct. 786).
Ein Zweifel könnte am ersten bei den Anhängen einsetzen. Sehen
wir uns den zu A näher an : eine Schenkung in loco qiii dicitur Oulaho
(vgl. Brev. 71 in Oulaho) kennen wir auch aus Mühlb, Nr. 217 (Hers-
felder Chartular, aber unverdächtig) v. J. 779, Schenkungen in villa
Berinsscza ^) (Brev. 73 in Berisciza) und super Geazaha '^) (Brev. 72
in Jazaho) treffen wir in Mühlb. Nr. 246 v. J. 782. Es bleiben 74
In Ilohsegowe capelle tres usw. Mit denen hat es eine merkwürdige
Bewantnis. Wir besitzen — resp. besassen — in Schrift des 11. Jhs.
eine Urkunde vom J. 776 (Mühlb. Nr. 207), welche so wie sie vor-
liegt, zweifellos eine Fälschung, nicht bloss eine Copie darstellt, vgl.
Sickel, Acta Karolinorum 11 416: aber dass auch die Schenkung der
Kirchen iii Altstedi, Eitstcedi et (hferhusan und der zugehörigen
Zehnten einen Theil jener Fälschung darstelle, glaub ich durchaus
nicht. Sickel, der zur Begründung dieses ürtheils sich darauf beruft,
dass das Breviarium Lulli von jenen Kirchen nichts wisse, und andere,
die ihm darin folgen, haben übersehen, dass unter den capelle tres in
Hohsegoive Nr. 74 eben die Kirchen von Allstedt, Eiestedt und Oster-
liausen verstanden sind. Wir wissen ja aus der bekannten Urkunde
Ottos 11. V. J. 979 (Nr. 191 Dipl. II 217 f., vgl. Mitth. XVIII 19 ff.),
dass sich Hersfeld damals im Besitz der tres capelle . . in Altstedi . . .
in Asterhusan . . . in Rietstedi befand ^). Dabei ist auf folgendes
aufmerksam zu machen: 1. den Ausdruck tres capelle theilt das
Diplom Ottos IL mit dem Breviarium S. Lulli, während die gefälschte
Urkunde v. J. 776 und eine zweite von angeblich 814 (Mühlb. Nr. 501
Sickel a. a. 0. S. 416 f.) von tres ecclesie reden; 2. anderseits theilt
die Fälschung mit der Urkunde Ottos IL die merkwürdige Endung
-husan, die sonst in Hersfeld nicht wiederkehrt. Ich ziehe daraus den
Schluss, dass dem gefälschten Exemplar doch — abgesehen von Mühlb.
Nr. 220 noch — eine echte Urkunde zu Grunde liegt, die nur frei-
') So, nicht Bcnnscozo (wie Sickel u. Mühlbacher) lese ich mit Freund Könnecke
den Namen, der durch die Correctur eines t in z undeutlich geworden ist; das
Chai'tular hat Berezieza.
-) Falsch ist die Deutung auf ,Geiss' (Geisa), die bei Mühlbacher sich findet
und schon im Chartular (Bl. 10: Geisaha) vorausgenommen ist.
■'') Auch das Zehntenregister (wahrscheinlich von 845) nennt alle 3 Orte :
Heotstat 10, Altstedi 43, Osterhtisa 24. 32.
Urknndenstudien eines Glermanisten. 3ß5
lieh zur Begründung der später erhobenen Ansprüche nicht ausreichte.
Ob die Fälschung Mühlb. 207 auch in dem Termin d. Schenkung
echtes bietet, muss ich unentschieden lassen. Jedenfalls aber rauss,
wer die Schenkung der Kirchen in Allstedt, Riestedt u. Osterhausen
durch Karl d. Gr. bestreitet, entweder drei andere Kirchen im Hassegau
hinter jenen „tres capelle in Hohsegowe" suchen — ein verzweifelter
Ausweg; oder aber er muss das Breviarium S. Lulli für interpolirt
erklären. Dafür könnte der Platz sprechen: ausserhalb der thüring.
Schenkungen Karls u. ganz am Schlüsse des Abschnitts A; dagegen
spricht die knappe und absichtslose Art der Anfügung: ein tenden-
ziöser Fälscher hätte doch gewiss nicht die Namen der strittigen Kirchen
verschwiegen, wenn er durch seine Interpolation eine Stütze der hers-
feldischen Ansprüche schaffen wollte.
Ich finde also keinerlei Grund, den Bestand von A irgendwie zu
verdächtigen, und ebenso verhält es sich mit B: es liegt kein Anlass
vor, diese Schenkuugen von Privaten bei Lebzeiten Lulls in ihrem
Bestand anzutasten.
Wir kommen zu C (Landau S. 190). Et istud quod in f er ins est,
traditum fuit postea a liheris hominihus ad. idem monasteriicm. ,postea'
will sagen „post illam traditionem", von der in der vorhergehenden
Zeile die Rede ist.
Hat uns der Einschluss Dorndorfs zu der Ueberzeugung geführt,
dass die Bedeutung der „traditio" bis zum Lebensende Lulls aus-
gedehnt werden muss, so werden die Schenkungen der Gruppe C kurz-
weg in die Zeit nach dem Tode Lulls fallen. Aber in welchen Zeitraum ?
Vorläufig steht uns ja die ganze Zeit bis zur Abfassung des Char-
tulars (ca. 1150) zur Verfügung. Sie schränkt sich alsbald ein durch
den Nachweis Holder- Eggers, dass der Historiker Lampert in der Vita
Lulli (s. die Ausgabe der Opera Lamperti von H.-E. S. 332 N. 2) und
in der Institutio Herveldensis ecclesiae (ebda. S. 344 N. 2, S. 347 N. 2)
das Breviarium mit dem uns überlieferten Schluss offenbar als ein
echtes Denkmal der Zeit Lulli benützt hat. Da Karl d. Gr. in der
Einleituug jedes der drei Abschnitte „dominus Karolus Imperator" ge-
nannt wird, so ist die Kaiserkrönung ein sicherer terminus post quem.
Bald nach diesem Zeitpunkt wird dann auch in der Regel das Bre-
viarium angesetzt, so von Rettberg I 604 („bis in den Anfang des
9. Jhs."), Hahn S. 285 („vielleicht unter Richulfs oder Bunos [IL]
Verwaltung"), von Hafner S. 10, von Dobenecker S. 20; allgemeiner
drückt sich Sickel, Acta Karolinorum II 262 aus („wahrscheinlich im
9. Jh. angefertigt"), und die leisen Zweifel au dem Alter und der
366 Edward Schröder.
Zuverlässigkeit des Documents, die Simson S. 533 f. von Sigurd Abel
S. 444 N. 1 übernommen hat, sind wenig präcisirt.
Die Glaub vFürdiffkeit des Abschnitts A erscheint dadurch im besten
Liebte, dass hier keiner jener Orte fehlt, vrelche in sichern Schen-
kungen Karls d. Gr. bis zum Tode Lulls vorkommen i), und anderseits
kein Ort genannt wird, auf den sich ein gefälschtes Diplom bezieht.
Man wird dies günstige Vorurtheil unbedenklich auch für B in An-
spruch nehmen dürfen, obwohl hier bei dem Mangel an Privaturkunden
eine ähnliche Probe nicht möglich ist. Beide Abschnitte dürften für
die Lebenszeit Lulls zuverlässig und zugleich vollständig sein. Ihnen
allein aber kommt die Bezeichnung ,ßreviarium S. Lulli" zu, wenn
man nicht „S. Lullus" einfach ^^ „Herolfesfeld" nehmen will, wie es
später zuweilen verstanden worden sein mag.
Die interessanteste Hersfelder Privaturkunde, die wir aus der Zeit
der Karolinger besitzen, ist die in der Zeitschr. d. Ver. f. hess.
Geschichte u. Landeskunde Bd. VI S. 351 ff. von Bernhardi publicirte
Tradition der Eetun v. J. 835 ^) : sie betrifft eine Schenkung von
30 Hufen und ebenso vielen unfreien Familien (XV de litis et XV de
seruis)^ das gesanimte Eigen der Schenkerin in uilla quae ufocatur
BurgdorpfJ et si ille huobunnae plenae non sunt in Burg-
dorpfj restituentur in Ordon et in Enzing[un]. Die Orte Burgdorpf
. . Enzinga begegnen zwar in dem wenig Jüngern Zehnten- Verzeichnis
A als Nr. 9 und 11, sie fehlen dagegen im Breviarium S. Lulli.
Daraus lassen sich nur folgende Schlüsse ziehen :
a) entweder ist das Breviarium vor der Schenkung der Betun
zum Abschluss gelangt;
b) oder aber: es ist in seinem letzten Theile nicht vollständig.
Der ersteren Annahme widersprechen die folgenden Beobachtungen.
Gegen Schluss des Breviariums finden sich zwei kleinere Naniengruppen,
welche in der gleichen Reihenfolge in dem grossen Zehnteuverzeichuis
wiederkehren.
1) In Wenninge (182) ... In Balgestat (183), vgl. Z.-V. C 1
Uuennige. 2 Balgestat.
') Zu fehlen srheint freilich das in dem Diplom Miihlb. Nr. 190 (2,5. Oct.
775) <;enannte HasalaJia, aber es handelt sich hier auch nur um eine Zehnten-
verleihung, und es ist darum kaum nötig, diesen Ort durch Emendation (etwa
zu Hasilori, die ürk. ist nur im Chartular überliefert) mit dem Heselere Brev.
Kr. 61 zusammenzubringen.
-j Das nähere s. unten »S. 378.
Urkundenstudien eines Germanisten. gßY
2) In Lizichesdorf (185) . . . In Rudunestorf (186) ... /n Pa-
muchesdorf, vgl. Z.-V. D 3 Luzuchestorpheno marca. 4t Ruoduchesthor-
pheno marca. 5 Pamuchesthotyhetio marca.
Die üebereinstimmungen dieses Sehlussabschnitts des Breviarium
erstrecken sich auf die Abschnitte C und D der Zehnteu-Tafel, die
ihrerseits nur H resp. 12 Namen umfassen. Das ist um so weniger
ein Zufall, als von den 176 verschiedenen Namen der Zehnten-Liste
A im Breviarium nur verschwindend w^enige wiederkehren und diese
niemals auch nur in ähnlicher Nachbarschaft.
Eine präcise Erklärung der Thatsache vermag ich nicht zu geben :
ich bin über das Verhältnis der Zehnten-Verleihung zum Grunderwerb
des Klosters nicht hinreichend aufgeklärt. Aber wenn die Schluss-
partie des Breviarium iu so bemerkenswerter Weise übereinstimmt mit
den letzten Theilen des Zehuten-Verzeichnisses, so wird die Ver-
muthung nicht abzuweisen sein, dass jene Fassung, in welcher wir das
sog. Breviarium S. Lulli besitzen, noch in jener Zeit Zusätze erfahren
hat, um welche man in Hersfeld aus altern Materialien die grosse
Zehntentafel zusammenstellte. Als weitesten zeitlichen Rahmen für
die letztere Compilation habe ich Mitth. XVIII, 10 die Jahre 880 bis
899 ermittelt.
Die Grenze des alten, zu Anfang des 9. Jhs. zu Stande gekom-
menen Breviariums erblicke ich bei 181. Gerade die ursprüngliche
Schlussgruppe von C zeigt noch einmal Beziehungen rückwärts, die
dann aufhören: wir treffen da mit In Brantbeche (175)
In Collide (180). In Woteneshusun (181) drei Ortsnamen, die uns
schon in B: in Branfhah (109) et in Collide (110) et in Wodanes-
husun (111) in ganz ähnlicher Folge begegnet sind; wahrscheinlich
liegen hier in C weitere Schenkungen der gleichen Familie vor, welche
bereits in B betheiligt ist. War das vielleicht die Familie des Grafen
Eatan, welche am 3. März 802 eine umfangreiche Schenkung in Col-
lide (Kölleda) machte (Wenck IIb, 18 Nr. 13)? Dann hätten wir für
180 und den Schluss des alten Breviars einen festen Termin.
Mit 182 also begännen die Nachträge, und sie bringen zunächst
(bis 192 oder 193) thüringische Orte. Gleich die ersten 7 (daruuter
jene 5 zum Zehnten-Register C und D in Beziehung gesetzten) heben
sich durch den gemeinsamen, bei jedem einzelnen wiederholten Zusatz
de Sclauis manentihiis (oder ähnlich) scharf heraus. Slaven werden
auch schon innerhalb der königlichen Schenkungen zu A 3. 24 — 26.
35 — 37 erwähnt, in dem bei weitem umfangreichsten Abschnitt B aber
fehlen sie ganz, und wenn dann in C, der Fortsetzung von B, die
Slavendörfer als eine geschlossene Gruppe gegen den Schluss hin auf-
368 Edward Schröder.
treten, so scheint aucli das dafür zu sprechen, dass wir es hier mit
wirklichen Nachträgen zu thun haben.
üeber 188 — 194 hab ich nichts zu bemerken; dass sich die
Schlussnummer 195 auffällig durch Namensnennung des Schenkers
heraushebt, wurde schon ausgesprochen.
Mein bisheriges Kesultat wäre also folgendes: A und B geben,
von den Mängeln der Redaction und üeberlieferung abgesehen i), das,
was sie bieten wollen, zuverlässig und vollständig; sie reichen höchst
wahrscheinlich bis zum Tode Lulls im J. 786 und verdienen allein die
Bezeichnung „Breviarium Lulli." C in seinem bis 181 reichenden
Grundstock setzt B fort und wird gleich zu Beginn des 9. Jhs. an-
gelegt sein, wahrscheinlich im J. 802 und offenbar mit der Absicht
der Weiterführung, da ein zeitliches Endziel in der Einleitung zu C
nicht genannt wird. Diese Weiterführung aber unterblieb jedenfalls
in den nächsten Jahrzehnten: nicht eingetragen ist die grosse Schen-
kung des Randolf in Mainz und verschiedenen Orten des Wormsgaus
und des Oberrheingaus (Dienheira, Weinheim, Lohheim) vom J. 815,
nicht eingetragen ist die Schenkung der Retun von 835. Die vor-
handenen Nachträge zu C (182 — 195) rühren wahrscheinlich grossen-
theils aus der zweiten Hälfte des 9. Jhs. her. Die Schlussredaction,
bei welcher die Schenkung des Westfalen Weris hinzukam, k ö n n t e
sogar schon ins 10. Jh. fallen.
Eh ich mich nun zur sprachlichen Kritik der üeberlieferung
wende, möcht ich aus der Gesammtbetrachtung der Ortsnamen ein
wichtiges Zeugnis für das Alter und die Glaubwürdigkeit des Brev.
hervorziehen. Es fehlen in ihm nicht nur die Hagengründungeu der
jüngsten Zeit, sondern auch vollständig die Namen auf -rod^ was be-
sonders für Hessen, aber auch für Thüringen ^) bemerkenswert ist.
Und weiter: unter sämmtlichen auf den Hessengau, den Lahngau und
die Wetterau entfallenden 45 Orten zähl ich, von dem seiner Deutung
nach unsichern Angelgise (137) abgesehen, nur das eine Liiitgiseshusun
(158) mit einem Gründer- oder Siedlernamen. Von mehr als 180
verschiedenen Ortsnamen enthält allein Kyricheim (157, in der Nähe
von Hersfeld) eine Bezeichnung auf kirchliche oder christliche Dinge.
*) Die Schenkung- des ,Maginfredu8 quondam servus noster', welche Karl
d. Gr. am 15. Sept. 802 bestätigt (Mühlb. Nr. 383. hei Wenck IIb 19 Nr. 14)
lag wahrscheinlich weit zurück : die beiden Orte Corneii und Salzaha stehen im
Brev. 38 (A!) u. 98 (B).
*) Dahin rechne ich den oft gerügten Umstand, dass die augeführten Summen
der Hufen und Mausen zu der Summirung der Einzelangaben nirgends stimmen.
*) Das Zehnten- Verzeichnis (A) kennt wenigstens vier; 19. 223. 225=231. 229.
Urkundenstudien eines Germanisten. 369
Solche Beobachtungen sind für die Zuverlässigkeit des Breviars wie
für die historische Namen- und Siedlungskunde gleich wichtig. (Vgl.
hierzu auch unten S. 376 f.).
Für die sprachliche Beurtheiluug der Ueberlieferung
trifft es sich günstig, dass wir sowohl die Zeit des Schreibers ziemlich
genau bestimmen, wie sein Verfahren an andern von ihm copiiien
und im Original erhaltenen Stücken beobachten können. Auch an
liersfeldischen Urkunden seiner eigenen Zeit fehlt es zur weitern Con-
trole nicht — dafür lässt uns leider die originale hersfeldische Ueber-
lieferung des 9. und 10. Jhs. (von Kaiserurkunden u. ä. muss ich natür-
lich absehen) arg im Stich.
Unser Schreiber ist der am Hersfelder Chartular des 12. Jhs.
meistbetheiligte ; die jüngsten Stücke, welche er abgeschrieben hat, sind
die bei Wenck IIb S. 85 unter Nr. 59, S. 87 unter Nr. 61, S. 95
unter Nr. 67 gedruckten Urkunden von 1131', 1141, 1145: demnach
dürfen wir seine Thätigkeit in die Zeit kurz vor der Mitte des Jahr-
hunderts setzen: er ist nur wenig älter als der berühmte und berüch-
tigte Fuldaer Copist und Excerptor Eberhard, dessen Arbeit den fünf-
ziger Jahren angehört. Verglichen mit diesem erscheint seine Sprache i)
ausgesprochen archaisch, wir würden sagen entschieden althochdeutsch :
in den Endungen treffen wir noch stark vorwiegend die vollen Vokale.
Aber der erste Eindruck, dass Ch„ wie ich ihn kurzweg nennen will,
damit nur die Wortformen der wesentlich altern Vorlage Avieders-ebe,
schwindet, sobald man in. zeitgenössische Hersfelder Urkunden hinein-
blickt =^) : von wenigen Spuren abgesehen, die es aufzusuchen gilt, hat
er gerade in den Endungen sich an die feste, wenn auch zweifellos
archaisirende Schreibgewohnheit seiner Umgebung gehalten. Ich habe
die sämmtlichen in Marburg vorhandenen liersfeldischen Original-
urkunden des 12. Jhs., vor allem natürlich die am Ort selbst vom Abt
oder von Wohlthätern des Klosters ausgestellten verglichen und dabei
folgendes festgestellt: -husun ist bis 1162 ausnahmslos und sehr zahl-
reich belegt, das erste -Jiusen hab ich in einer Urk. von 1170 ge-
funden; noch 1160 find ich Sulzebrugkun^ 1162 zuerst Sulzhrucchen,
für -kirchen ist der letzte Beleg Niltvenkirchun 1142; -ingun und
-ungim begegnen noch 1145 Heilmgun^ Salzungun und 1147 Breidin-
gun, dazwischen aber als frühstes Beispiel der Abschwächuug 1146
Fr Hingen. Von den fem. Singularen notir ich, dass (de resp. in) -aha
') Ich versteh unter » Sprache '^ kurzweg die deutschen Namensformen der
Urkunden resp. Abschriften.
2) Hierüber habe ich Mitth. XVIII S. 4 nicht ganz richtig geurtheilt : speciell
das dort über -leha gesagte ist nach dem gleich folgenden zu corrigiren.
370 Edward Schröder.
seit Beginn des Jahrhunderts stehend ist, z. B. 1105 (de) Steinaha,
1107 (in) Liuzilaha; 1142 (de) Geisaha, 1146 (de) Geisaha, de Sul-
zaha — daneben i'reilich de Magencello ; 1160 in Langensalzaha, 1170
(de) Erfaha, de Geisaha. Aber unser Chartular-Schreiber ist offenbar
einer von der alten Garde: er schreibt in einer Urk. v. J. 1139 in
YivaJio (so! Wenck IIb S. 54) und er ändert das de Hanscohesleue
der in Mainz ausgestellten, aber unter Mitwirkuug eines Utrechter
Schreibers 1) zu Stande gekommenen Urkunde v. 1133 Oct. 31 im
Chartular (nach dem Wenck IIb, 81 f. Nr. 55 druckt) in de Hans-
alheslebo — ganz wie er im Brev. schreibt. Mit diesem „-leben" hatte
man überhaupt seine liebe Noth; ich finde 1155 Heruersleiben, 1156
Phevdichesleibe, 1170 Walchesleihem (!) — und dann noch einmal 1179
höchst officiell Swiggerus lirejpositus in Mimeleibo.
Damit ist der alterthümliche Charakter unserer Aufzeichnung in
der Hauptsache als dem Schreiber gegen 1150 hin noch wohl gemäss
erwiesen. Ch. ist im allgemeinen recht consequent namentlich in der
Schreibung der zweiten Compositionstheile und der Endungen : er
schreibt ausnahmslos -heim (15mal), -dorf (17mal, dazu das eine Eiidu-
nestorf 186), ausnahmslos (18mal) den seit Ausgang des 9. Jhs. auf-
gekommeneu localen Dativ -leho. Nirgends hier ein archaischer Kest
des Originals, etwa ein -thorf oder dorpf, ein -haim oder -leiba, -leba,
-lehn, nirgends eine dialektische Spur der niederdeutschen Sprache so
vieler nordthüring. Orte, ein -dorp, -hem, -leva. Wenn er neben
6maligem -bah und -bahc einmal -beche schreibt (175), so entspricht
das zeitgenössischem Brauch auch für Hersfeld. Auf ein bis heute in
Thüringen nicht ausgeglichenes Schwanken weisen die 10 -stede (ein
-stete 115) neben 16 stat; es ist bemerkenswert, dass die ältere Form
-stedi (vgl. das Zehnten- Verzeichnis!) nirgends bewahrt erscheint.
Das einheitliche -un des Pluraldativs ist keineswegs so ehrwürdig,
wie es etwa Arnold Ansiedelungen und Wanderungen S. 609 f. (der
auch auf derartitre Dinge, aber leider ohue grammatisches Verständnis
geachtet hat) auzusehen geneigt ist. Bemerkenswert ist freilich die
Consequenz: Ch. schreibt 32mal diesen Dat. Flur, auf -im, einmal -on
(Mathanon 145), keinmal -ea! Aber in diesem -un sind ganz ver-
schiedene Endungen der karoliuischen Zeit zusammengeflossen: die alte
Endung -um ist die Vorstufe für die 19 -hiisun und das Hofiin (53),
bei 4maiigem -ungun und -ingmt liegt -ungom, -ingom (Dat. Plur. Fem.)
voraus, ähnlich in ßurcun (135); in -iviccun 131 und -brucciin (40.
48. 76) ist der Plural (oder schwache Singular) erst nach anderweitiger
') Der es fertig gebracht hat, einen hersfeldischen Ministerialen ans Dorn-
dorf a d. Werra in der Zeugenliste de Thornthorp zu nennen.
Urkundenstudien einer Gernin nisten. 31 i
Analogie eingedrungen, und für Siinnehrunnun 9 ist das scheinbar
abgescli wachte Sunnebrunnen (Dat. Sing. ! daneben Dat. Plur. -hrunnon)
die ältere Form. In allem dem ist nichts alterthümliches erhalten oder
braucht doch nichts alterthümliches vorzuliegen : so schreiben eben die
Hersfelder allgemein um jene Zeit. Und wenn Ch. 64 Houngun bietet
gegenüber dem Hoinge des Originaldiploms Mühlb. Nr. 246, so liegt
hier zweifellos eine Neuerung vor: eben diese Neuerung hat das Char-
tular auch (Bl. 10) in der Copie — jenes Diploms.
Bei zwei Gruppen von Eigennamen aber lässt den Schreiber Ch,
die sonstige Consequenz und Sicherheit einigermassen in Stich: das
sind einmal die alten neutralen ja -Stämme, die im Nom. auf -/, im
(localen) Dativ auf -e ausgehn, und dann gewisse Feminina mit altem
ö-Suffix, wo der Nom. -a, der Dativ für ihn -o bietet.
Die erste Gruppe umfasst namentlich die alten Collectiv-Suffixe
(ingja) -ingi, (ithja) -idi, (ahja) -ahi^ ferner -ari, -lari, -mari, -gowi,
-ohi, welche 25mal in der bei der vorangestellten Präposition ,ia"' einzig
berechtigten Dativform auf -e auftreten; Beispiele: Gellinge 87, Dullide
49, Rittahe 143, Süzare 91 (Cornere 38, Fanre 95), Heselere 61,
Welbmare 2, Hohsegowe 74, Ascrofie 107; dazu kommen dann noch
etwa 10 ebenso zu beurtheilende Formen, wo entweder das Suffix
einfach -ja war oder auch eine Angleichung aus fremdem (keltischen)
Wortmaterial vorliegt: ]Vihe 57, Gidse 69, Firne 134, Juffelze 139,
Dribure 114 usw. Also in ca. 35 .Beispielen verwendet Ch. den Dativ
auf -e: ein paarmal auch schon völlig erstarrt als Nominativ: villa
qiie dicitur Wehmare 2, v. q. d. Miliyige 5 — ein deutlicher Beweis,
dass nur noch diese Form für ihn lebendig war, ganz wie wir ja
heute die Namen auf -hausen, -ungen, -felde, -rode ganz wie Nomi-
native brauchen, obwohl ihre dativische Form auch dem Uu gelehrten
erkennbar ist. Wenn wir aber nun dem in Ascrohe 107 gegenüber
in uilla Erphohi 10 finden, ferner neben in Süzare 91: in Westari
30, neben in Dullide 49 : in Remmid i 25, dann liegt der Schluss nahe,
dass diese -/-Formen aus der Vorlage stammeu, freilich ist auch der
weitere Schluss geboten, dass jenes nahezu durchgebende „in" oder „in
villa" in dieser Vorlage nicht herrschte; mindestens dem karolingischen
Original, welches den Nominativ sicher noch scharf vom Dativ schied,
muss es an solchen Stellen gefehlt haben. Da wir nun nicht an-
nehmen könnea, dass unser Schreiber, der sich sonst als einen äusserst
braven und unselbständigen Copisten zeigt, eine solche durchgehende
Aenderung vorgenommen habe, so werden wir sie wohl jener Redactiou
zuschreiben, die ich oben für den Ausgang des 9- oder den Anfang
des 10. Jhs. in Erwägung gezogen habe. Die eigenthümliche Er-
372 E d w a r d fS c h r ö d e r.
schainug, dass diese drei Namen auf -i sich uur in A und zwar nur
in der ersten kleinern Hälfte finden, soll unten besprochen werden.
Aus der zweiten Gruppe scheiden die Namen auf -leba wegen der
Consequenz aus, mit der Ch. den Dativ -leho (18mal) anwendet; ebenso
gibt er die Simplicia Bracho 153 und Zimhro 16, die (keltischen)
Namen auf -nacho 67. 68, Grintafo 160. Wohl aber stehen 10 Namen
auf -aho (12. 50. 63. 71. 72. 93. 103. 104 155. 159) 3 auf -aha
gegenüber (14. 98. 163) und auch für (in) Suebada 29, Berisciza 73,
Amana 129, Umisa 190 sollten wir bei diesem Schreiber Formen auf
-0 erwarten. — Die Verwertung dieses Zwiespalts in derselben Kich-
tung wie oben stösst aber auf ein Bedenken : während zur Zeit von Ch.
die nominativischen -i jener Neutra längst durch die dativischen -e ver-
drängt waren, ist es bei den Femininen auf -a umgekehrt gegangen:
hier haben die Nominative über die Dative gesiegt, und die obigen a-
Formen können, wie uns das consequente -aha der übrigen Hersfelder
Schreiber gezeigt hat, mindestens theilweise ebenso gut als eine durch-
dringende Neuerung wie als ein alterthümlicher Best angesehen werden.
Alterthümliche Nominative aber sind wieder, um von zweifelhaftem
(wie Aratora 44) abzusehen, (in uilla) EihloJia (126) und (in) Bala-
horna 141. So sprach und so schrieb man ganz gewiss nicht mehr
um 1150, wo man längst bei -lohun und -hornun angelangt war i),
diese Formen können nur aus der Vorlage stammen, und sie können
anderseits in einem karolinischen Schriftstück nicht mit der Präposi-
tion „in" verbunden gewesen sein. (Vgl. hierzu die lehrreiche Parallele
unten S. 381 unter 4).
Wusste der Schreiber Ch., der sich sonst nicht scheut, die En-
dungen zu modernisiren, offenbar schon mit diesen Formen auf -loha
und -horna^ die jede nur einmal auftreten, nichts rechtes anzufangen,
so schlüpften ihm bei ganz singulären und der bequemen etymologi-
schen Deutung widerstrebenden Gebilden archaische Reste noch leichter
durch. So in Grosiun 162, richtiger wohl Grösiun (obwohl auch das
monophthongische o noch alt sein könnte), dem heutigen ,Grüssen'.
Es ist der Dat. Plur. eines neutralen ya-Stammes Gniosi, dessen sin-
gularer Dativ z. B. bei Wenck IIb, 45 (in) (h'uose (1057) erscheint;
der plurale Dativ -) müsste aber freilich in einer fränkischen Quelle der
frühen Kurolingerzeit Grosim heissen (Braune Ahd. Gramm ^ § 198
») Vgl. Arnold Ansiedelungen und Wanderungen S. 136: Balehormin 1182,
S. llf): Eißohen 1324.
2) Man denkt zunächst an Grosium : auch dann wäre das i ein ebenso alter-
thümlicher Rest.
ürkundenstudien eines Germanisten. 373
Anm. 6): also hätten wir hier eine Verlesung von -im als -hin, und
das alterthümliche, aus den fnldischen Urkunden z. B. schon 826
schwindende -m des pluralen Dativs (Mitth, XVIII, 24) verriete sich
so wenigstens einmal in einer Entstellung? — Besser eonservirt
ist das zwiefach alterthümliche Waltminiu 138; neben dem i des
alten yo-Suffixes, das um 820 allgemein schwindet, haben wir hier
noch das -u des (localen) Dat. Sing., welches mit dem Ende des 9. Jhs.
durch das auch unserm Schreiber geläufige -0 (vgl. -lebo, -aho) ver-
drängt wird 1).
Fassen wir das gefundene zusammen! Die Gestalt, in welcher
die Ortsnamen des Breviarium erscheineu, entspricht in der Hauptsache
der Schreibgewöhnung des Copisten und soll die Namen dem Ver-
ständnis der zeitgenössischen Leser nahebringen. Wo Ch. davon ab-
weicht, da haben wir es entweder mit dem Schwanken der üebergangs-
zeit zu thun (das mag z. B. für die drei -aha neben 10 -aho zutreffen),
oder mit Unachtsamkeit (das gilt für die 3 -i statt -e), oder mit etymolo-
gischer Unsicherheit und Verlegenheit (Eihloha, Balahorna, Grosiun,
Waltunniu). Unbedingt fest stehn von vornherein nur zwei Stationen,
das Original aus der Zeit Karls d. Gr. und die Abschrift gegen 1150;
hypothetisch ist eine Zwischenstation: die Fortsetzung und Schluss-
Redactiou in der zweiten Hälfte des 9. und event. im Anfang des
10, Jhs. Die sprachliche Untersuchung hat nur wenige eindeutige
Keste aus der Eutstehungszeit, der Zeit vor 820 zu Tage gefördert:
* Grosim und * Walthunniu ; sie hat aber keinerlei Sprachformen er-
geben, welche unbedingt der Zeit um 900 (kurz gesagt) angehören
müssten: denn Balahorna, Eihloha; Erphohi, Bemmidi, Westari können
sowohl der Zeit um 800 als der Zeit um 900 angehören; andere wie
Mathanon, die -husiin, -ungun, die -aho, -afo, -leho, die der Zeit um
1150 noch geläufig sind, dürften auch schon in einem Text von
ca. 900 gestanden haben. So könnten wir allesfalls annehmen, das
alte karolinische Original habe von späterer Hand (oder späteren
Händen) Nachträge und einen Abschluss erfahren, ohne abgeschrieben
oder in seinem Wortlaute sonstwie alterirt zu werden. Dagegen spricht
aber mit Bestimmtheit die Beobachtung, dass nicht nur echte alte
locale Dative, sondern auch Nominative (resp. Accusative), welche dem
') Die heutige Form des Ortsnamens (, Wellen«, im Waldeckisclien) führt
übrigens auf Walthunnia, und dies ist offenbar eine Bildung wie wuostunn(i)a,
huobunti(i)a oder wie das berühmte Vircunnia (ivaldus), das in einer Urkunde
Karls d. Gr. v. J. 786 (Mühlb. Nr. 262j begegnet; das Grundwort ist germ.
tvalthus ,Wald'.
p,'74 Edward Schröder.
Schreiber nicht mehr geläufig waren, wie eben Balahorna, Eihloha,
Erfhohi, Remmidij Wesfari^ in der Verbindung- mit der Präposition
„in" erscheinen. Das ist für den alten Schreiber aus der Zeit Karls
d. Gr. undenkbar: er schrieb zwar in Walthunniu, in Grosini und so
gewiss auch in Salzitngorn^ in Sunthusum^ in Sumeringe usw., falls er
hier das „in" anwandte, aber jene Formen auf -horna^ -loha, -i müssen
bei ihm als Nominative gegolten und so dagestanden haben. Daraus
ergibt sieh, dass die Anwendung der Präposition ,in' in dem uns über-
lieferten Texte viel weiter geht als im Urtext. Nachdem ich aber
alle von Ch. abgeschriebeneu Urkunden, soweit die Originale erhalten
sind, mit diesen verglichen habe, kann ich mich nicht entschliesseu,
eine solche freilich bequeme, aber doch eonsequent durchgeführte
Neuerung diesem Copisten zuzuschreiben. So drängt mich diese
Beobachtunof zu der an sich natürlichen Annahme, dass mit dem
Abschluss des Breviariums auch eine Umschrift und Redaction ver-
bunden war.
Diese in dieselbe Zeit wie die grosse Zehntentafel zu rücken, liegt
an sich nahe, ohne dass es sich anders als durch jene oben S. 366 f.
augeführten Beziehungen bestätigen lässt. Wir beobachten, dass die
Tendenz, den Besitz und die Ansprüche der kirchlichen Stiftungen
handlich und übersichtlich zusammenzufassen, zu bestimmten Zeiten
au verschiedenen Orten gleichmässig sich regt, wenn auch die Aus-
führung eine verschiedene ist. So entsteht um 1150 das Hersfelder
Chartular und der Fuldaer Codex Eberhardi, so gegen Ende des 9. Jhs.
das Piegistrum Prumiense und die Hersfelder Zehntentafel — vielleicht
auch die neue Ausgabe des „Breviarium S. Lulli".
Was ich noch zu bieten habe, sind kleine Beiträge zur Charak-
teristik des Copisten, die für die Fragen der Chronologie direct nichts
austragen, aber doch nicht unter den Tisch fallen dürfen. Die Philo-
logie thäte gut, die Technik und Psychologie der controlirbaren Ab-
schreiber recht genau zu studiren und möglichst viele Einzelporträts
von solchen Leuten zu sammeln. Mit der Aufstellung von Typen ist
es da nicht gethan: zwischen einem Johannes Falkenhagen, der die
alten Heberegister und Traditionen von Corvey mit der Gewissenhaftig-
keit des Philologen copirt (Mitth. XVIII, 37) und einem Eberhard von
Fulda, der mit seinem kostbaren Urkundenmaterial umspringt wie ein
ßomanschreiber mit der Geschichte, sind unzählige Abstufungen und
Nuancen möglich. Ja, auch das Verfahren des Einzelnen kann sich
im Laufe einer grösseren — und selbst einer kürzeren Arbeit ändern,
denn die wenigsten gehen mit festen Principien ans Werk. Der
eine wird beim weiteren Fortschreiten nachgiebiger gegenüber den
Urkiindenstudien eines Germanisten. 375
Formen des Original?, der andere gewinnt eine gewisse Sicherheit über
sie. Aber es kann sich auch beides, jene Nachgiebigkeit und diese
Sicherheit, kreuzen oder vereinigen. Wenn im Brev. die drei üeber-
bleibsel des alten neutralen Nominativs auf -l nur innerhalb des ersten
Sechstels der ganzen Arbeit (10. 25. 30) vorkommen, so zeigt das,
dass Ch. dieser Formen später Herr geworden ist. Wenn er dagegen
im Eingaug (8) Mehderstede und nachher (85) Mehtrichesstat schreibt,
dort die vulgäre Aussprache seiner Zeit einführend, hier sich mit
einer verständlichen Compromissform — dass Original hatte o. Zw.
Mahtrichesstat — beguügend, so lehrt auch diese conservative Wen-
dung, dass sieh seine Principieu inzwischen gefestigt haben. Er hatte
die doppelte Absicht: a) seinen Zeitgenossen das Schriftstück mühelos
zugänglich und verständlich zu macheu ; b) anderseits ihm den Cha-
rakter des ehrwürdigen Denkmals zu wahren : sonst hätte er doch
schon nicht so consequent die Form Herolfesfelt angewendet, die seit
dem Ablauf des Jahrtausends ausser Gebrauch gekommen war. Un-
zweifelhaft gieng sein Streben dahin, Archaismen, welche das Ver-
ständnis bedrohten, zu beseitigen oder zu mildern ; mau vergl. auch
unten S. 380 f. unter 4, wie er mit der Urkunde Kg. Heinrichs I. v. J.
932 verfährt. Und wie er dort zugleich die sehr deutlichen Spuren
eines oberdeutschen Schreibers verwischt hat, so hat er aus dem ge-
mischten Namenbestande der thüringischen Orte ganz gewiss allerlei
niederdeutsches ausgemerzt: -stede und -beche, die auch in Osthesseu
üblich waren, kann mau nicht dazu rechnen. Nihusun 90 gegenüber
Niivihusun 112. 164 könnte immerhin eine blosse Verschreibung sein,
verschuldet durchs Homoeoteleuton, Wohl aber ist ein stehen ge-
bliebener niederdeutscher Rest Fertikeslebo 84, wofür eine Hersfelder
Urkunde von 1156 Pferdichesleibe (^Pfertingsleben") schreibt.
Eine eigenthümliche Unsicherheit zeigt er gegenüber der Schrei-
bung th. Wir sehen in der Abschrift von Mühlb. 265 wie er Thoran-
thorpf durch Dorndorf ersetzt, aber anderseits für Badalacha: Batha-
laclia einführt. So schreibt er denn auch im Breviar Dorndorf (4),
aber anderseits Gothaho (12) und Mafhanon (145), und Gothaha bietet
er auch in der Königsurkunde Mühlb. Nr. 190 v. 25. Oct. 775, die
nur durch ihn erhalten ist.
Der Hesse scheint sich zu verratheu, wenn wir 108 auf die Cor-
rectur Grifistede aus Grißde stossen: hier war ihm das heutige „Grifte",
a. 1123 Grifide (Arnold S. 305), am Einfluss der Eder in die Fulda
in die Feder geschlüpft. —
Die „Nachträge" 182 — 195, die ich vermuthungsweise in die
zweite Hälfte des 9. Jhs. gestellt habe, sind zu wenig umfangreich
376 Edward Schröder.
und bieten zu wenig charakteristische Bildungen, als dass sie zu be-
sonderen Beobachtungen Gelegenheit gäben. Hervorgehoben sei nur
Drummaresdorf 189 (heute „Tromsdorf") wegen einer eigenthümlichen
Assirailationserscheinung, von der die althochdeutsche Grammatik bisher
keine Notiz genommen hat. Der Name steht nämlich für Druhtmares-
oder besser wohl für Thrudmaresdorf : und diese Angleichung von tni
und dm (trotz der Compositionsfuge !) zu mm ist mir nur aus den Namen-
listen osthessischer Klöster bekannt, welche die Handschriften der
Annales necrologicae Fuldenses MG. SS. XlII 217 f. aufweisen; z. B.
Burschla (9. Jh.): S. 218 Z. 24 Thiommar — Rammar — Z. 25
Liummar; Kasdorf (9. Jh.): S. 218 Z. 36 Ommunt; Fulda (10. Jh.)
S. 217 Z. 34 Ommar. Danach könnte die Form Drummar- recht
Wühl in jene Zeit hinaufreichen, der ich die Nachträge zugeschrie-
ben habe.
VI. Hersfeldensia minor a.
1. In welcher Weise Beobachtungen über Ortsnamen, wie ich sie
oben S. 368 f. beim Breviarium angedeutet habe, für die Beurtheilung
von unsicheren oder verdächtigen Diplomen nutzbar gemacht werden
können, möcht ich hier noch für zwei hersfeldische Schenkungs-
urkunden ausführen.
Da ist zunächst die von Sickel, Acta II 416 f. mit gutem Kecht
unter die Fälschungen verwiesene Urkunde über 0 1 1 r a u (Otraha)
Mühlb. Nr. 249, die uns nur im Chartular und zwar von der Hand
unseres Schreibers Ch. aufbewahrt ist. Das Diplom (bei Wenck IIb,
12, vgl. III, 15) will von Karl d. Gr. am 31- Aug. 782 zu Ingelheim
ausgestellt sein. Das Breviarium weiss von einer königlichen Scheu-
kung in Ottrau nichts, wohl aber nennt es in B unter Nr. 159 i»
Otraho Güter aus privater Tradition und anseheinend von massigem
Umfang; die Kirche wird nicht erwähnt. „Die Fassung weicht von
der aller Schenkungsdiplome ab" (Sickel). Die Zehntengrenze der
„Mutterkirche Ottrau" im Schwalmgebiet, die nach unserer Urkunde
das südliche Knüllgebirge und weiterhin dessen östliches Vorland bis
zur Fulda und bis vor die Thore Hersfelds umspannt, schliesst nun,
abgesehen von verschiedenen mit Personennamen zusammengesetzten
Ortsbezeichnnugen {Salmanneshusun, Siggenhrucca , Wipffigesstein) ^ vor
allem zwei rod- Orte ein, die heute längst wieder verschwunden sind,
Dietwinesroht bei Neukirchen, das zuletzt 1240 bezeugt erscheint
(Landau, Wüstungen S. 133) und Hunengesrod mehr im Gebirge, das
noch etwas später vorkommt (Landau S. 127). Das Breviarium kennt
noch keinen einzigen Ort mit -rod, und in dem reichen Urkunden-
bestande Fuldas begegnet nach meinen Notizen die früheste beAvobnte
Ürkundenstudien eines Germanisten. 577
Rodung im J. 868 : Grimesrode Nr. 599 ^). Offenbar ist die Besiedlung
des rauhen Knülls erst nach der Gründung und ersten Ausstattung
Hersfelds in Angriff genommen Avorden. Jene Fälschung gehört in
eine Zeit, wo dies Gebiet, in dem das Kloster thatsächlich seit den
Tagen Karls d. Gr. begütert war, durch den fortschreitenden Anbau
au Wert gewonnen hatte.
Ich glaube aber auch den Zeitpunkt und den äusseren Anlass, der
die Fälschung herbeiführte, festlegen zu können : es war einer der Acte
in dem jahrhundertelangen Zehutenstreit zwischen Hersfeld und Mainz.
Bei Wenck IIb, 44 findet sich unter Nr. 35 die Urkunde vom 27. Aug.
1057, durch welche sich Erzbischof Liutpold mit dem Abte Meginher
über die damals schwebenden Streitigkeiten vergleicht. Darin heisst
es, Hersfeld habe an Mainz übergeben eine Anzahl von Besitzungen
im Wormsgau, und damit solle für alle Zeiten ,recompensatum et
pacificatum" sein: qnklquid nos et cliorepiscopi et advocati nostri sijno-
daliter hahehamus prodamare super decimas et terminos ecclesiarum in
locis qiuce ita nominantur : Loubahc^ Oteraho , G rahenoiva ^ Gruose,
et ut terminatum sit litigium, quod erat inter ecdesiam de Oteraho
et TIeidilhahc. Es lag also offenbar damals ein Zehntenstreit zwischen
der hersfeldischen Kirche zu Ottrau und der (mainzischeu) zu Heidelbach
vor, und unser Schriftstück ist wahrscheinlich im J. 1057 zu dem
Zwecke angefertigt Avordeu, die hersfeldischen Zehuten-Ansprüche im
südlichen Knüllgebiet zu stützen oder festzulegen. —
Der gleiche Termin ist gegeben für die Fälschung der Urkunde
über Grebenau (Grahanowa) Mühlb. Nr. 266. Sie lag Wenck, der
sie Bd. III zu S. 278 facsimilirt hat (der Abdruck steht III b, 15 f.),
und Kopp, der sie in den Schrifttafeln unter Nr. XV (mir unzugänglich)
wiedergibt, noch im „Original" vor, das seitdem verschollen ist, ausserdem
findet sie sich im Chartular (Abdruck dieser Fassung bei Wenck IIb,
12 f.). Sickel II 261 (K. 106*) hat das Schriftstück den Buchstaben
nach ins 11. — 12. Jh. gesetzt, scheint aber doch über Inhalt und
Form milder zu urtheilen als Mühlbacher, der es als „mindestens
verunechtet" bezeichnet. Ich finde keinen Grund, das Diplom anders
anzusehen als das Ottrauer: hier wie dort ist die genaue Be-
schreibung der Zehntengreuze eine offenbare Fälschung des 11. Jhs. ;
auch hier treffen wir ein -rod an: Humhenrod, und die Sprachformen
der Flurbezeiehnungen sind durchgeheuds so jugendlich, dass der
Schreiber des Chartulars (wie man sich aus einem Vergleich der beiden
') Die ältesten nachweisbaren hessischen -rode sind Benterode und Escherode
im Kaufungerwald, Anfang d. 9. Jhs. (Arnold S. 259. 452. 453).
Mittheilungen XX. 25
378 Edward Schröder.
Fassungen bei Wenck III b und IIb überzeugen mag) fast gar nichts
zu ändern brauchte. In wieweit sich die Hersfelder Ansprüche für
Grebenau, das 1057 (s. o.) ebenfalls unter den streitigen Orten ge-
nannt wird, auf ältere Urkunden stützten, vermögen wir nicht nach-
zuweisen: im Breviarium S. Lulli kommt der Ort gar nicht vor. —
Dagegen hat Mühlbacher seine Nummer 265 noch nachdrücklicher
als Sickel, Acta II 261 sein K 107* als , durchaus unverdächtig" be-
zeichnet, und mit gutem Grunde, darf auch der Germanist hinzufügen.
Die Schenkung Dorndorfs (786), mag auch immerhin, was uns
vorliegt, eine Nachbildung der echten Urkunde aus der Zeit um 900
sein (Sickel a. a. 0.), ist nach der Bildung wie nach der Lautform der
Ortsnamen ein getreues Denkmal des ausgehenden 8. Jahrhunderts. Der
Zeit um 900 widersprechen entscheidend: Thoraidliorpf mit beiden tJi
und dem 'pf^ das zweimalige Uuisora mit seinem o^ das im 9. Jh.
dem a weicht, JVidinsio mit der Erhaltung des um 900 geschwundenen
0 (älter iv) und dem interessanten Uebergang von eo in io^ den wir
genau entsprechend nur aus dem fuldischen Tatian (um 825) kennen
(Braune Ahd. gramm. - § 43 Anm, 6) : allerdings würde gerade dieser
Uebergang eher noch für den Anfang des 9. Jhs. sprechen, als für die
Zeit um 786, wo er anderweit nicht bezeugt ist, aber wir haben es
mit einem Gebiete zu thun, für das literarische Denkmähler ja ganz
fehlen. — Wir befinden uns freilich mit -aha^ -fJiorpf) -lachet, -strazza,
-feltJj -dal, -bah, -seo, -hougi, -herga, -garto in einer etymologisch
durchgeheuds klaren und einfachen Wortumgebung und also nicht auf
jenem ältesten germanischen Siedlungsboden, welcher z. B. durch die
zahlreichen >yamen auf -i (älter -ja) des Breviarium (oben S. 371)
charakterisirt wird, aber nichts in den Ortsnamen weist (obwohl die
Weinberge sie bezeugen) auf die Thätigkeit der Kirche und nichts
auf die jüngeren Siedlungen und Rodungen hin: es ist durchgeheuds
die mittlere Schicht der Flur- und Ortsbezeichnung.
2. Da die oben (S. 366) herangezogene Urkunde der Retun,
durch welche dem Kloster Hersfeld der gesammte Besitz der Dame in
Burgdorf zugesprochen wird, mit den zahlreichen namhaft gemachten „liti
et servi" und einer langen Zeugenliste (im ganzen sind über 100 Namen
erhalten) ein mehrseitiges Interesse besitzt, so mögen hier einige Worte
darüber am Platze sein. Die Urkunde ist auf niederdeutschem Boden
in Burgdorf ausgestellt durch die Schenkerin und ihren Bevollmäch-
tigten: .ocu.iis mens; die Ergänzung des Herausgebers Bernhardi
zu loiHttna scheint mir graphisch nicht zulässig, ich möchte focatus
vorschlagen, ohne freilich eine genaue Parallele zur Hand zu haben,
das deutsche fogat dürfte die Form Avohl rechtfertigen. Der Schreiber
Urkundenstuclien eines Germanisten. 3*79
der Urkunde war ein Hochdeutscher und bestrebt, alle Namen in hoch-
deutscher Form zu geben, wie ihm das auch besonders in der Zeugen-
liste durchaus gelingt : Hruoduuart, Uodilhart, Ratolf, Helpfrih mögen
dafür genügen. Nicht immer freilich hat er sich zurecht gefunden :
der Name des Hörigen Wrekio ist reiu niederdeutsch geblieben (hoch-
deutsch müsste er um diese Zeit längst Rekko heissen), und den Namen
seiner sächsischen Auftraggeberin, welche zweifellos Uedun hiess, hat
er nur consonantisch angeglichen, nicht zu Raum i") verhochdeutscht.
Gleichwohl besteht an seiner hochdeutschen Herkuuft und Tendenz kein
Zweifel, und darum ist seine Orthographie für die nicht gauz sichere
Zeitbestimmung verwertbar. Ich hebe daraus nur zweierlei hervor:
a) das pf in Burgdorpf (2mal) — Helpfrih ;
b) die Erhaltung des anlautenden h vor r in den Namen (der
Unfreien:) Hruoduui^ HruodJiiU^ (der Zeugen:) llruoduuart, Hrudiger,
Ilradaboto^ daneben Fortfall (bei den Unfreien) : RuodriJi und Ruodloug.
Ich habe Mitth. XVIII S. 7 ad a) ausgeführt: dass in den Fuldaer
Urkunden die Form -dorpf zuletzt 837 im Brauch sei und darüber
hinaus nur noch einmal -thorpf (855) auftauche; ad b) hab ich ebda S. 4
gezeigt, dass in Fulda der Abfall des anlautenden h zwar schon gegen
800 einsetzt, aber gerade in den Namen mit Hruod- (und in Hrahan-)
noch bis gegen 860 hin der Anlaut vorherrschend gewahrt ist. Das
Hersfelder Zehuteu-Verzeichnis, das ich dort dem „zweiten Drittel des
9. Jahrhunderts", in allgemeinerer Fassung der „Zeit um 850" zu-
gewiesen habe, hat durchgehends -dorpf) aber kein Hr- mehr! Ich
hoffe unten (unter 3.) für das Zehnten-Verzeichnis einen bestimmteren
Termin, das Jahr 845, wahrscheinlich zu macheu. Blicken wir von
da auf die Schenkung der ßetun mit ihrem stark vorherrschenden Hr-^
so werden wir eher geneigt sein, sie früher als später anzusetzen. Nun
lässt uns ihre Datirung: mense augusto. quarto lud. septemhrio (!)
anno XXIL regnante Hluodouuieo gloriosisslm. ..... die Wahl zwi-
schen 835 und 854: wir werden uns noch unbedenklicher für 835
entscheiden, als das der Herausgeber und nach ihm Dobenecker (Nr. 157)
gethan haben.
3. Zu der eben verratenen bestimmteren Datirung des Zehnten-
Verzeichnisses A haben mich folgende Erwägungen geführt. Ge-
lingt es innerhalb jenes mit sprachlichen Kriterien allein ermittelten
chronologischen Abschnitts einen bestimmten Zeitpunkt zu finden, wo
die Herstellung einer derartigen „tabula decimationis* für die Hers-
felder nahelag oder gar eine gegebene Nothwendigkeit zur Vertheidi-
Vgl. z. B. Dronke Nr. 475 (a, 827).
380 Edward Schröder.
gung resp. Abgrenzung ihrer Ansprüclie war, so hat dieser Terrain
eine gesteigerte Wahrscheinhchkeit für sich : denn ich selbst habe
meine Untersuchung ausschliesslich unter dem sprachgeschichtlichen
Gesichtspunkt begonnen und durchgeführt. Nun wissen wir, dass eben
im fünften Jahrzehnt des 9. Jhs. der Streit zwischen Mainz und Hers-
feld über die Zehnterhebung in ganz Thüringen entbrannte und eben
im Jahre 845 zum ersten Male l^ieigelegt wurde ^) : Ann. Hildesheim,
MG. SS. in 46, Lampertus ed. Holder-Egger S. 2(3.
Wenn die Hersfelder damals mit ihrer weitgehenden Behauptung,
seit Karl d. Gr. „omnem decimationem in Thuringia" zu besitzen, im
Unrecht blieben, so werden sie um so nachdrücklicher ihr wirkliches
Recht auf die ,,decmafio in Frisonoveld" , wie es die Zehuteu-Tafel A
bietet, zusammengefasst und specificirt haben. Damals also, mit dem
Abschluss des ersten Zehntenstreites, ist der natürliche Termin für die
Anfertigung eines derartigen Schriftstückes von einheitlicher sjn-ach-
licher Eedaction gegeben.
4. Für die Urkunde Heinrichs I. Nr. 32 v. 1. Juni 932
(Dipl. I 67) hab ich Mitth. XVIIl, 19 die Verwerthung einer älteren
Namenliste aufgezeigt, indem ich hauptsächlich das durchaus archaische
Seo(rehininga) betonte. Ich hätte auch darauf hinweisen sollen, dass
die barbarische Verbindung der Präposition „in" mit den alten Nomina-
tiven: „in locis OsterJiKsa, Asendorf^ TJuntsa, Hompergi^ Seore-
hininga, SitecJienhaJique" sich eben aus der Benützung jener weit
älteren Vorlage erklärt. Wir besitzen nun von diesem Diplom, was
der Bearbeiter Foltz nicht erwähnt, eine Abschrift im Hersfelder Char-
tular, die freilich durch einen der vielen Blattverluste, welche den Codex
betroffen haben, unvollständig ist. Sie setzt auf Bl. 15 der neuen (Bl. 31
der alten) Zählung oben mit Serebeninge (Z. 17) ein, und ich gebe
hier ein vollständiges Verzeichnis der in ihr enthaltenen Eigennamen,
dem ich die Formen des Originals gegenüberstelle : so lernt der Leser am
besten das Verfahren des Mannes kenneu, dem wir auch die Erhaltung
des Breviarium S. Lulli verdanken: 17 SeorehlningaJ Serebeninge —
Sitechenbah] Sitichenbalic — 20 Altgeuue et ÜuestgeuueJ Altgowe et
Westgoive — 20 Meginuuarchi et SigifridiJ Megimvardi et Sigefridi
— 21 Tentiistat] Dennistat — Chirihbaringa^ J'uolnesbannga, Faringi]
Beringe^ Kirihberingc^ Wolfesberinge — Bisenuuinida] Bisemcinedun
') S. vor allem Ausfeld. Lambert von Hersfeld u. der Zehntstreit (Marb.
Diss. 1879) y. -IVi ü'., wo u. A. die im Hersfelder Chartular enthaltene, bei Wenck
IIb 24 f. (nr. 27) gedruckte Notiz als Fälschung erwiesen ist. Ferner Dümmler
üesch. d. Ostl'räuk. Heiches I- 242 f.
ürkimdenstudien eines Germanisten. 3g ]^
— Falchinaha ^)J Falkinaha — Hursilagemundi] Hursilagemunde —
22 ÄsbahJ Äsbahc — Eckihartesleha] Eggehardesleho — AsgariJ
Asgarun — Saltzaha] Sahaha — Durniloha bleibt! — Germari]
Germare.
Der Thatbestaud ist höchst lehrreich. Ch. mildert einmal die
aufdringlich oberdeutschen Formen des königliches Schreibers : Tenni-,
Chirih-, Falchin-, Paringi^ Edcihartes-. Dann aber modernisirt er,
und zwar führt er nicht nur in der ersten Liste, wo den Ortsnamen
ein .in- vorhergeht, sondern auch in der zweiten, wo sie im Acc.
stehu, die ihm geläufigen, bereits erstarrten Dativformen ein: -inge
für -ingi, -mare für -mari, -gemunde für -gemundi, -lebo für -leha,
-winedun für -uuinida; in Asgarun hat er gleichzeitig den Plural
eingestellt (während er im Brev. 9ß Asgore demselben Orte die Ein-
zahl liess), in Ser eben inge und in den zwei -beringe hat er umgekehrt
einen Plural (Fem.^ durch einen Sing. (Xeutr.) ersetzt. Unangetastet
liess er die -aha^ was nicht auffallt, und vor allem Durtiiloha^ was zu
seinem Verhalten gegenüber Eihloha Brev. 126 stimmt (oben S. 372).
Die Geschichte der Urkunde von ihren Vorlagen bis zum Char-
tular herab hat also eine gewisse Aehnlichkeit mit dem, was ich über
die Schicksale des Breviarium S. Lulli ermittelt zu haben glaube: ein
Ortsnamenverzeichnis des 9. oder gar 8. Jhs., das im Nominativ gehalten
war, wird später theilweise gestört durch Voranstellung der Präp. „in*.
Der Chartularschreiber des 12. Jhs. renkt die Sache unwillkürlich
dadurch ein, dass ihm ohnedies bereits die dativischeu Formen die
geläufigen sind, — aber auch er lässt noch gewisse fossile Beste zu-
rück, von denen das ihm ungeläufige und etymologisch unklare -loha
beiden Copien gemeinsam verbleibt.
5. Zum Schlüsse sei es mir gestattet, hier einen Irrthum zu be-
kennen, auf den mich Herr Prof. Hafner in Hersfeld aufmerksam se-
macht hat. Ich habe Mitth. XVIII, 21 gelegentlich der Urkunde
Ottos IL Nr. 191 (Dipl. IL 217 f.) und ihrer Ueberlieferung im
Chartular die Ansicht ausgesprochen, der Copist des 12. Jhs. könne
an den nordthüringischen Orten, ,mit denen sein Kloster seit zwei
Jahrhunderten nichts mehr zu thun hatte", kaum ein besonderes
Interesse gehabt haben. Dabei war mir vollständio- entgangen, dass
der Tausch vom Jahre 979 bereits 1015 wieder rückgängig gemacht
wurde, vgl. die Urkunde Heinrichs LI. bei Wenck III b, 45 Nr. 47
und dazu die Urkunden Heinrichs V. ebda S. 64 f. Nr. 64. 65. —
An meinen Ausführungen brauch ich darum nichts weiter zu ändern.
') Im Original von späterer Hand nachgetragen.
Die Königskrönimg Wratislavs von Böhmen nnd
die angebliche Mainzer Synode des Jahres 1086.
Von
H. Spangenberg.
Von Mähren, Polen und Böhmen aus Avar seit dem Niedergange
der karolingischeu Herrschaft die Begründung eines selbständigen
Slavenreiches an der Ostgrenze Deutschlands versucht worden mit
steigendem Misserfolge, je mehr das abendländische Kaiserreich an
Macht und äusserer Ausdehnung gewann. Die umfassenden Pläne,
welche Suatopluk von Mähren der Verwirklichung nahegeführt, der
Pole ßoleslav Chabri mit minderem Glücke aufgenommen, scheiterten
in Bretislavs Hand an dem Widerstand Kaiser Heinrichs III. Der
panslavistische Gedanke hatte sich überlebt, seit die Staatenbildungen
im Osten des Keichs zu fester Gestalt gelangt und durch die be-
herrschenden Mächte des Abendlandes dem Organismus des Keichs
und der katholischen Kirche eingefügt waren.
In richtiger Erkenntnis der politischen Lage und der Schranken
seiner eigenen Macht gab der Pferayslide Bretislav nach dem miss-
glückten Feldzuge des Jahres 1041 den Widerstand gegen die Eeichs-
SCewalt auf und bewahrte seitdem Heinrich III. die Lehenstreue. Der
Sohu und Nachfolger des mächtigen Kaisers fand in der Zeit des tiefen
Verfalles des fränkischen Königthums in Herzog Wratislav von Böhmen
die zuverlässigste Stütze seiner Herrschaft, Bei dem schroiFen Gegen-
satz zu Polen, der feindlichen Gesinnung seiner Brüder, der Wider-
setzlichkeit des böhmischen Adels und Clerus hatte AVratislav ein
wohlbegründetes Interesse, sich Heinrich IV. zu verbinden, um so
mehr als dieser ihm eine Vergrösserung seines Herrschaftsgebietes
\
i
Die Königskroiiung Wratislavs von Böhmen etc. 333
durch Erwerb der Mark Meissen in Aussicht stellte 1). Nach der
Sachsenschlacht bei Homburg (9. Juni 1075) erfüllte der König sein
Versprechen ; aber kurz darauf mussteu die Böhmen dem jugendlichen
Ekbert von Meissen und seinen sächsischen Bundesgenossen die öst-
lichen Marken wiederum räumen ^).
Herzog Wratislav blieb nur der Anspruch auf die sächsischen
Grenzmarken. Die Ungunst der Zeiten versagte es ihm, sich mit
Waffengewalt in den Besitz der verlorenen Gebiete zu setzen ; denn in
den traurigen Zeiten, da die Bande des Reichs sich allerorten lösten,
der polnische Herzog sich die Königskrone aufs Haupt setzte, Ungarn
die Fesseln deutscher Herrschaft abschüttelte, stand der Böhme unter
den Freunden des Königs fast vereinsamt. Von Heinrich IV. durfte
er keine Hülfe erwarten, seit das schuldbeladene deutsche Fürstentlium
dem Papste die Hand reichte, um das Königthum der tiefen Ernie-
drigung von Canossa zu unterwerfen.
Als Heinrich IV. vom Banne gelöst nach Deutschland zurück-
kehrte, gesellte sich Wratislav zu den wenigen Getreuen, die sich
Anfang 1077 am Regensburger Hof um ihren schwer gedemüthigten
Herrscher scharten ■^). Seitdem stand er ihm zur Seite ausdauernd
und opferfreudig, wie kein anderer Reichsfürst. Böhmische Tru])pen
kämpften 1077 in Schwaben^) und Baieru''); bei Meirichstadt am
7. August 1078 deckten sie den Rückzug der geschlagenen kaiserlichen
Truppen*'); in der Schlacht bei Dorla (am 27. Jan. 1080) sollen 3255
Böhmen in heldenmüthigem Kampfe gefallen sein, unter ihnen der
') Bruno De hello saxonico M. G. V 341, 342. Mit Giesebrecht Geschichte
der deutschen Kaiserzeit III 2 S. 1137 an der Thatsache jenes Versprechens zu
zweifeln, scheint mir kein Grund vorzuliegen. Ekbert war zwar 1074 im Besitz
Meissens und stand, wie es scheint, auf Heinrichs IV. Seite. Das hinderte aber
den König nicht, 1075 in Ekberts Besitzungen einzufallen und einen Theil der-
selben seinem Günstling Udalrich von Godesheim zu schenken cf. Bruno cap. 5b'
M. G. V. 349; und 1076 hat der König dem böhmischen Herzog das Versprechen
thatsächlich erfüllt, das er ihm nach Bruno's Bericht zwei Jahre zuvor gegeben
haben soll cf. Lamberti ann. M. G. V 233.
2) Lamberti ann. M. G. V 249, 250.
8) Bertholdi ann. M. G. V 294.
4) Bertholdi ann. M. G. V 295; Bemoldi chron. M. G. V 434; Bruno De
hello saxon. M. G. V 367. Ueber Wratislavs Theilnahme am Hoftag von Nürn-
berg vgl. K. F. Stumpf Die Reichskanzler Nr. 2802 (Urk. v. 11. Juni 1077).
6) Bertholdi ann. M. G. V 302.
") Chron. petershusanum H 34 bei F. J. Mone Quellensammlung der badi-
schen Landesgeschichte Karlsruhe 1848 ßd. I 137.
384 H. S p a n g e n b e r g.
Burggraf vou Prag ^) ; auch in der Elsterschlaclit bei Hohen-Mölseu
hatte Heinrich IV. auf Wratislavs Hülfe gerechnet 2).
Der Versuch der Böhmen, während des deutschen Bürgerkrieges
die Meissner Mark in ihren Besitz zu bringen (1079), missglückte ^).
Ein Ersatz schien sich zu bieten, als Heinrich IV. den Babenberger
Liutpold, welcher zu Tuln dem Könige die Treue abgeschworen und
dessen Anhänger aus dem Lande vertrieben, die österreichische Mark
aberkannte. Sie wurde — vermuthlich während des Regensburger
Hoftages im März 1081 — dem Pfemysliden übertragen^).
Indessen Borivoy, Wratislavs jugendlicher Sohn, unter der Obhut
Wiprechts von Groitsch, eines waffengeübten und den Böhmen seit
längerer Zeit dienstbaren Rittersmanues den deutschen Kaiser nach
Rom geleitete ^), versuchte der Herzog sich in den Besitz der öster-
reichischen Mark zu setzen. Am 12. Mai 1082 erfocht er bei Mailberg
nahe der mährischen Grenze, wo Böhmen und Oesterreicher sich da-
mals zum ersten Male in blutigem Kampfe massen, einen entschie-
denen Sieg''). Aber obwohl Heiurich IV. selbst 1084 nach der Rück-
kehr aus Italien den Kampf gegen den Abtrünnigen erneuerte ■^), blieb
der Babenberffer im Besitz der österreichischen Mark.
Erst spät erhielt der Herzog den längst verheissenen Lohn aus-
dauernder Treue. Auf der Synode zu Mainz (nach Cosmas 1086)
1) Bertholdi ann. M. G. V 324, 325 ; Bruno De hello saxon. M. G. V 378.
2) Nacla Bruno M. G. V 380, 381, der über die Ereignisse im deutsehen
Norden gut orientirt ist und, wie es scheint, persönlich an der Schlacht bei
Mölseu theilnahm (vgl. Kap. 123), wartete der K(»nig vergeblich auf die Ankunft
der Böhmen. Die Pegauer Annalen M. G. XVI 241, 242, eine wenig zuverlässige
Quelle, berichten, dass Wratislav und Wiprecht von Groitsch am Kampfe theil-
nahmen und dem geschlagenen kaiserlichen Heer das Geleit durch Böhmen gaben ;
und nach der Petershauser Chronik II 38 bei Mone a. a. 0. I 137 waren die
Operationen des Gegenkönigs Rudolf ausschliesslich gegen Wratislav und sein
slavisches Kriegsheer gerichtet.
•■•) Bertholdi ann. M. G. V 320; ann. pegav. M. G. XVI 241.
*) Vita Altmanni cap. 25 M. G. XII 236. Dass Wratislav im März 1081
sich in des Königs Gefolge befand, bezeugt Stumpf Acta imperii S. 77, 78 Nr. 74
(Urk. V. 18. März 1081). Vgl. 0. Posse Die Markgrafen von Meissen und das
Haus Wettin. Leipzig 1881 S. 188 Ann. 102.
6) Ann. peg. M. G. XVI 238—240.
«) Vita Altmanni M. G. XII 236; ann. mellic. M. G. IX 500; contin. clau-
stroneob. M. G. IX 608. Dass die Darstellung des Cosmas II 35 M. G. IX 90
grösstentheils einem Schlachtbericht Regino's von Prümm (zum Jahre 891) ent-
lehnt und daher unbrauchbar ist, bemerkt ßretholz Geschichte Mährens I 2, 215
Anm. 1.
'j Ann. iburg. M, G. XVI 438. - .. . .' - ..:
Die Königskrönung Wratislavs von Böhmen etc. 335
wurde er von Heinrich IV. mit Zustimmung der anwesenden welt-
lichen und geistlichen Fürsten zum Könige ,von Böhmen und Polen"
ernannt, und in des Kaisers Auftrage vom Erzbischof Egilbert von
Trier zu Prag am 15. Juni mit seiner Gattin Suatava feierlichst ge-
krönt 1).
So erzählt Cosmas von Prag, der uns von der Krönung des Böhmen
ausführlicher Nachricht gegeben hat. if^uch er ist oberflächlich genug
unterrichtet; nichts desto weniger hat er allgemein Glauben gefunden.
Nach übereinstimmender Annahme Palackj's, Dudiks, Giesebrechts u. a. -)
sind nach Heinrichs IV. Kückkehr vom Komzuge (1084) zwei Synoden
zu Mainz in den Jahren 1085, 1086 abgehalten worden, üeber den
Verlauf der ersteren sind wir durch eine grössere Anzahl zuverlässiger
•) Es wäre möglich, dass der Rechtstitel eines Königs von Polen aus der
Tributzahlung hergeleitet wurde, zu welcher die Polen Böhmen gegenüber für
die ihnen 1054 von Bretislav abgetretenen Länder verpflichtet waren (cf. ann.
alt. M. G. XX 807; Cosmas II 13 M. G. IX 75, III 1 M. G. IX 102). Die An-
schauung, dass diese Tributzahlung eine Art Abhängigkeit Polens begründe,
spricht sich z. B. auch in den Worten aus, welche Cosmas III 36 M. G. IX 120
Wladislav in den Mund legt, um die Böhmen (1110) zum Kampf gegen Polen
aufzumuntern: ,0 Boemi ! Nunc vestri tributarii, quibus semper fuistis
timori, vobis adhuc spirantibus insultant et terram vestram devastant'. Indessen
erscheint es mir zweifelhaft, ob dem Premysliden thatsächlich, wie Cosmas allein
behauptet, der Titel eines Königs von Polen beigelegt wurde : Die vom Chro-
nisten mitgetheilten Worte der Acclamation der Böhmen nach Wratislavs Krö-
nung stimmen fast wörtlich (vergl. Manitius in den Mittheil. d. Inst. f. östcrr.
Gesch. 1887 VIII 482) mit dem Zuruf der Römer bei Karls des Grossen Kaiser-
krönung übereiu, sind also vermuthlich einer fränkischen Quelle entlehnt. Und
ferner ist es bemerkenswert, dass sich der Titel ,rex Polonorum« für Wratislav
urkundlich nirgends nachweisen lässt. Vgl. auch Röpell Geschichte Polens I 208.
Hiernach ist es nicht unwahrscheinlich, dass' der Anspruch Böhmens auf einen
Vorrang dem feindlichen polnischen Schwesterstamme gegenüber Veranlassung
war zur Entstehung der von Cosmas übermittelten Tradition, dass Wratislav
1085 auch zum König von Polen ernannt sei.
•) Palacky Geschichte Böhmens I 318 ff. ; Dudik Geschichte Mährens II 420 ff. ;
Giesebrecht Geschichte der deutschen Kaiserzeit ÜI 606 ff'., 616 ff.; H. Floto
Kaiser Heinrich IV. und sein Zeitalter 1856 Bd. II 318 ; G. A. Stenzel Geschichte
Deutschlands unter den fränkischen Kaisern. Leipzig J827 S. 527 etc. Wenn
F. Schannat und J. Hartzheim Concilia Germaniae Tom. III 1760 S. 201 — 203 die
Vereinigung der Bisthümer Prag und Olmütz zum Jahre 1085 berichten, so ist
diese Angabe wohl aus einem Versehen der Herausgeber zu erklären. Alle
späteren Darstellungen der Conciliengeschichte führen zwei Mainzer Synoden
(1085 und 1086) an, so Mansi Sacrorum conciliorum collectio 1775 Tom. XX
S. 603, 613 ff., 635 ff".; C. J. von Hefele Conciliengeschichte Freiburg 1886 Bd. V
182—183, 183, 186-187 u. a.
QQg H. Sp au genberg.
Quellen unterrichtet: von der zweiten dagegen, während deren Wra-
tislav's Krönung stattgefunden haben soll, berichtet Cosmas allein.
Um die Richtigkeit seiner Angabe prüfen zu können, stellt sich zu-
nächst die Frage, ob die Darstellung des Chronisten im allgemeinen
Glaubwürdigkeit beanspruchen darf.
Im zweiten Buch seiner Chronik Cap. 37 erzählt Cosmas,
auf der Mainzer Synode des Jahres 1086 sei Wratislav von Hein-
rich lY. zum Könige Böhmens gekrönt worden. Während der-
selben Synode habe Gebhard, der Bischof von Prag, seine Klage-
schriften gegen Johann, den Bischof von Mähren, vorgelegt. Dieser
sei im Laufe des Jahres gestorben, doch habe Gebhard in kluger
Sorge für die Zukunft das Ohr des Kaisers durch seine Freunde zu
gewinnen versucht, damit nicht ein neuer Bischof von Olmütz ernannt
würde. Um seinen Anspruch auf Vereinigung der Diözesen Prag-
Olmütz zu begründen, habe er Heinrich IV. ein Privileg vorgelegt
„Privilegium olim a sancto Adalberto episcopo, suo autecessore, con-
firmatum tarn a papa Benedicto quam a primo Ottone imperatore.
Ad cuius iustam querimoniam Imperator motus precibus ducis Wratizlai
fratris eiusdem episcopi Gebeardi, et consilio archiepiscopi Maguntini
Wezelonis et aliorum bonorum, qui iusticiae favebant, novum antiquo
fere eiusdem tenoris addit privilegium et signo imperiali confirmat,
ut in sequentibus patebit^ Es folgt der Wortlaut des Diploms Hein-
richs IV. vom 29. April 1086-
Mit dem erwähnten „Privileg" Otto's I. hat Cosmas zweifellos
die Stiftuugsurkunde des einst von Kaiser Otto I. und Papst Bene-
dict VI. begründeten Bisthums Prag gemeint. Um die Echtheit dieses
Privilegs ist ein heisser Kampf geführt worden. Nachdem Loserth i)
in Uebereinstimmung mit Huber -^) versucht, die angebliche Vorlage
des kaiserlichen Diploms als Fälschung Bischof Gebhards zu erweisen,
Kalousek •^) Loserth s Einwände gegen die Echtheit desselben bekämpft
hatte, ist von B. Bretholz *) überzeugend nachgewiesen worden, dass
in dem neuen von Cosmas mitgetheilten Diplom Heinrichs IV. vom
29. April 108(j weder eine echte noch eine gefälschte Urkunde auf-
genommen ist und die Benutzung einer Vorlage sich höchstens auf
die Beschreibung der Prager Bisthumsgrenzen beziehen kann. Diese
') Loserth ,Der Umfang des böliinischen Keiclies unter Boleslav» in den
Mittheil. d. Inst. f. österr. üesch. II 17—28.
•') Mittheil. d. Inst. f. österr. Gesch. 11 385.
3) Sitzungsberichte d. königl. Ges. der Wissenschaften zu Prag 1883 «. 26 fl'.
4) Brctholz , Mähren und das Reich Herzog Boleslavs II. von Böhmen* im
Archiv f. österr. Gesch. 18H5 Bd. 82 S. 139 fl.
Die Königskrönung Wratislavs von Böhmen etc. 3^7
aber nimmt in dem kaiserlichen Diplom nur etwa den vierten Tlieil
des Textes ein. Alles übrige in demselben ist „durchaus neue, den
Zeitumständen und momentanen Verhältnissen angepasste Fassung" 1).
Die Behauptung des Cosmas ist daher sicherlich falsch, das neue
Diplom habe mit dem alten übereinstimmend („fere eiusdem tenoris")
gelautet. Auch ist es mindestens unwahrscheinlich, dass Bischof
Gebhard der Synode zur Begründung seiner Ansprüche überhaupt ein
Privileg Otto's I. vorgelegt hat. Die echte Stiftungsurkunde konnte
er keinesfalls für seinen Zweck verwerten. Denn da zur Zeit der
Prager Bisthumsgründung Mähren kirchlich selbständig -^) und politisch
von Böhmen getrennt war •^), wäre sie eher geeignet gewesen, die
') Vgl. Bretholz a. a. 0. S. 158.
2) In einer Urkunde des Erzbischofs Willigis von Mainz vom 28. April 976
(Boczek Codex Moraviae dipl. I 97) werden ausser anderen Suftraganen des
Mainzer Stuhles die Bischöfe von Böhmen und Mähren (^episcopus Moraviensis«)
als Zeugen einer Gerichtshandlung aufgeführt. Die Existenz eines mährischen
Bischofs in der Zeit vor Gründung des Olmützer Episkopates wird durch die
Nachricht des Cosmas II 21 M. G. IX 80 bestätigt, dass Mähren schon vor der
Zeit Severs von Prag (J 03 1 — 1067) einen Bischof gehabt habe »quidam episcopus,
ut reor nomine Wracen\ Ausserdem wird im Granum catalogi praesulum Mo-
raviae ein Bischof Silvester von Mähren genannt. Mehr ist freilich über das
Besteben eines mährischen Bisthums im zehnten Jahrhundert nicht bekannt. —
Die Annahme Dudiks II 46 ft"., dass der bei Boczek I 97 erwähnte episcopus
Moraviensis ein dem Prager Bischof zur Aushülfe beigeordneter Weihbischof ge-
wesen sei, weist Bretholz (Archiv f. österr. Gesch. Bd. 82, 155) mit gutem Grunde
zurück. Vgl. A. Hauck Die Kirche Deutschlands. Leipzig 1896 Bd. III 199 ff,
Anm. 4.
s) Die von Palacky I 221, Dudik II 13 u. a. vertretene Ansicht, dass
Mähren schon vor der Prager Bisthumsgründung von den Pfemysliden zurück-
erobert worden sei, hat Bretholz a. a. 0. S. 139 ff. widerlegt. Sie steht unter
anderem im Widerspruch zu der ausdrücklichen Angabe des Cosmas I 40 M. G.
IX 63, dass Herzog Bretislav (1034—1055) zuerst »primus« Mähren mit dem
böhmischen Reiche wieder verbunden habe: »posteri sui discant, quod terra
Moravia et eins dominatores semper Boemorum principis sint sub potestate,
sicut avus noster piae memoriae Bracizlaus ordinavit, qui eam primus dominio
suo subiugavit'.
Mähren blieb im zehnten Jahrhundert unter ungarischer Herrschaft, bis es
nach Boleslavs IL Tode (999) von den Polen erobert wurde. Den Zeitpunkt
dieses Ereignisses deutet Cosmas I 40 M. tf. IX 63 an: ^„post obitum secundi
Bolezlai sicut uvbem Pragam, ita totam Moraviam vi obtinuerant Polonii^ Ein
sicherer Terminus ante quem für Mährens Unterjochung durch Boleslav Chabri
wird durch Thietmars Mittheilung VII 42, 44 M. G. III 854, 856 gegeben, dass
Mähren im Jahre 1017 auf Polens Seite gegen Böhmen kämpfte.
Nach der Zeit ungarischer und polnischer Herrschaft wurde Mähren im
Jahre 1029 durch Bretislav, den Sohn Herzog Udalrichs, dem böhmischen Reiche
3gg H. Sp ange nberg.
Ansprüche Gebhards auf Mähren zu widerlegen, als sie zu begründen.
Hätte Gebhard thatsächlich den Synodalen ein Privileg Otto's I. vor-
gelegt und aus diesem seine Kechtsforderungen abgeleitet, so würde
in dem Diplom Heinrichs IV. hierauf wohl Bezug genommen sein.
Dies geschieht aber keineswegs. Es hat vielmehr den Anschein, dass
Cosmas der Berufung Gebhards auf die ottonische Gründungsurkunde
eine Bedeutung beigemessen, die sie in Wirklichkeit in den Mainzer
Verhandlungen nicht gehabt hat. Den Mittelpunkt derselben bildete
Gebhards Beschwerde über Gründung des Olmützer Bisthums (1063) ^)
und die hiermit verbundene Trennung Mährens vom böhmischen Epis-
copate. Um diese als unrechtmässig zu erweisen, scheint Gebhard
freilich unter anderen Argumenten auch geltend gemacht zu haben,
dass Böhmen und Mähren von Anfang an kirchlich zu einander ge-
hörten; und dies war richtig, wenn man es auf die Zeit seit der po-
litischen Vereinigung beider Länder durch Bretislavs Eroberung (1021^))
bezieht.
Es ist sehr wohl möglich, dass die Darstellung des Cosmas ,re-
plicat coram omnibus Privilegium olim a sancto Adalberto episcopo,
suo antecessore, confirmatum tam a papa Benedicto quam a primo
Ottone imperatore" im Grunde nur auf den folgeiiden Worten des
kaiserlichen Diploms beruht: „couquestus est (sei. Gebeardus), quod
Pragensis episcopatus, qui ab initio per totum Boemiae ac Moraviae
ducatum unus et integer constitutus, et tam a papa Benedicto quam
a primo Ottone imperatore sie confirmatus est, divisus esset
et imminutus". Dies ergibt sich, wie mir scheint, auch aus dem
auffallenden Widerspruch der Angaben des Chronisten an obiger Stelle
(11 37) mit denen des ersten Buchs '-), in welchem er die Gründung
des Prager Bisthums erzählt. Hier erwähnt er weder Kaiser Otto
noch Papst Benedict, sondern führt die Stiftung des Episcopats ledig-
lich auf Papst Johann XIll. und die Initiative Herzog Boleslavs II.
zurück. Es liegt die Vermuthung nahe, dass Cosmas, der Prager
Domdekan, sich durch Eifer für das Wohl seiner Kirche zu falschen
Angaben oder mindestens tendenziöser Entstellung seiner Quelle hat
verleiten lassen.
unterworfen. Vgl. Dudik II 164 ft". ; Bresslau Jahrbb. des deutschen Reichs uuier
Konrad II. Bd. I 267 Anm. 2.
') Das Gründiuigsjahr des Olmützer Bisthums ist genannt im Granum cata-
logi praesulum Moraviae, herausgegeben von J. Loserth im Archiv f. österr.
Gesch. Bd. 78; vgl. daselbst S. 67.
2) J 2-2 M. G. IX 49.
Die Königskrönung Wratislavs von Bölimen etc. 389
Ünhistorisch ist es, wenn Cosmas iu den citirteu Worten , Privi-
legium olim a sancto Adalberto episcopo, suo antecessore, confirmatum
tarn a papa Beuedicto quam a primo Ottone imperatore-, die in der
vorliegenden Fassung nicht ganz verständlich sind, dem heiligen
Ad albert Betheiligung an der Prager Bisthumsgründung zuschreibt.
Es stimmt dies freilich mit seinem chronologischen System überein,
nach welchem der Tod Tliietmars, des ersten Prager Bischofs i), und
auch die Wahl Adalberts '^) im Jahre 969 d. i. noch zu Lebzeiten
Otto's des Grossen erfolgt ist. Thatsächlich wurde Adalbert 982,
fast zehn Jahre nach Otto's I. Tod, Bischof. Er kann daher als
solcher an der Stiftung des Bisthums Prag, die spätestens 97G anzu-
setzen ist 3), nicht betheiligt gewesen sein.
Wenn Cosmas ferner berichtet, Wratislav selbst habe den Kaiser
gebeten, seinem Bruder Gebhard das Jieue Privileg auszustellen, so
kann auch dies nicht dem wirklichan Verlauf entsprechen. Wratislav
hatte einst seine ganze Kraft aufgeboten, um das Olmützer Bisthum
ins Leben zu rufen. Nur durch sein dringendes Verlangen („nimia
devictus efflagitatione Wratizlai ducis")*) war Bischof Sever von Prag
beredet worden, in die Ernennung Johanns zum mährischen Bischof
zu willigen, Wratislav's ganzes Herz hing an der neuen Schöpfung;
in hartem Kampf mit seinem Bruder Jaromir (als Bischof .Gebhard*
genannt) schützte und vertheidigte er sie. Und als sie durch Hein-
richs IV. Diplom vom 29. April 1086 aufgehoben wurde, stellte er
Gebhard so lange nach, bis dieser aus Böhmen floh und die Selb-
') Thietmar wurde zwischen dem 25. Jan. 975 und dem 28. April 97G zum
Bischof geweiht vgl. Köpke-Dümmler Otto der Grosse S. 503 Anm. 2.
2) Nach der Adalbertsbiographie des Canapavius M. G. IV 584 Cap. 8, dem
sich Cosmas I 26 M. G. iX 50, 51 fast wörtlich anschliesst, ist Adalbert während
Otto's IL Aufenthalt in Verona (Mai, Juni 983) investirt worden. Cosmas setzt das
genauere Datum, den 3. Juni, hinzu. Damit ist für die Wahl ein terminus ante
quem gewonnen. Cosmas I 25 M. IX G. 50 hält es für nöthig, ausdrücklich zu
betonen, dass die Wahl Adalberts am 19. Februar desselben Jahres stattfand, in
welchem Thietmar, sein Vorgänger, starb. Thietmar starb im Jahre 982. Im
übrigen vgl. H. G. Voigt Adalbert von Prag. 1898 Anm. 177. Die böhmischen
Annalen (b. Miklosich Slavische Bibliothek II 302) berichten die Consecration,
welche thatsächlich am 29. Juni 983 stattfand, zum Jahre 982 (972 ist aus 982
verschrieben, wie aus den vorangehenden und folgenden Zahlen leicht ersichtlich).
Vermuthlich haben sie das Jahr der Wahl mit dem der Consecration verwechselt.
3) Nach Körpke-Dümmler Otto der Grosse. Leipzig 1876 S. 503 fand die
Gründung des Bisthums Prag 975 oder 976, nach A. Hauck Die Kirche Deutsch-
lands. Leipzig 1896 Bd. IIl 199 im Jahre 975 statt. Vgl. Giesebrecht Geschichte
der deutscheu Kaiserzeit 1881 Bd. I 847 u. a.
*) Cosmas II 21 M. (;. [X 80.
390 H- Spangenberg.
ständigkeit der mährischen Kirche durch Ernennung eines Olmützer
Bischofs erneuert werden konnte i). Und doch soll der Kaiser, wie
Cosmas behauptet, das erwähnte Diplom „motus precibus Wrati/lai"
ausgestellt haben! Nach den Worten des kaiserlichen Diplom's ge-
schah es vielmehr „assensu . . . ducis Boemorum Wratizlai" und nach
Vermittlung der Fürsten: „Mediautibus itaque nobis et communi
priucipum aspirante suffragio factum est, ut dux Boemiae Wratizlaus
et frater eins Chouuradus supradicto Pragensi episcopo, fratri suo,
parrochiam iudiciario ordiue requisitam ex integre et reprofitereutur
et reddereut". Auch hier ist aus der Art, in welcher Cosmas den
Text seiner Chronik gestaltet, eine bestimmte Tendenz deutlich zu
erkennen. Wie er an der Berechtigung der Klage Gebhards keinen
Zweifel aufkommen lassen wollte und sie auf ein Privileg Kaiser
Otto's I. und Papst Benedicts begründete, so genügte ihm nicht, dass
Wratislav nothgedrungen seine Zustimmung zur Vereinigung der Diö-
ceseu Prag und Olmütz gab, sie sollte vielmehr auf Antrag des Her-
zogs selbst geschehen sein.
Ein weiteres Moment kommt hinzu, die Glaubwürdigkeit des
Cosmas zu erschüttern. Wer die wenigen eben besprochenen Sätze
des Capitels 37 im Zusammenhange liest, gewinnt nach ihnen den be-
stimmten Eindruck, als sei das Privileg vom i:9. April 1086 während
der Mainzer Synode vom Kaiser unterzeichnet worden. Sie beginnen:
,Iu eodem concilio Prägen sis praesul Gebeard us scripta suae antiquae
querimoniae representat" etc. Die alte Stiftungsurkuude soll vorgelegt
sein „coram omnibus" d. i. in Gegenwart der zu Mainz Versammelten;
Gebhard, Wratislav, Erzbischof Wezelo, durch deren Verwendung sich
Heinrich IV. nach Cosmas bestimmen liess, das Privileg vom 29. April
zu unterzeichnen, werden vom Chronisten ausdrücklich als Theiluehmer
an. den Synodalverhandlungen aufgeführt. Wenn Cosmas daher hinter
dem Text des Privilegs bemerkt: -quod (sei. signum) ego vidi ipsum
caesareni suis manibus annotautem in privilegio Pragensis episcopatus'')^^),
so kann man nach der gesammten Darstellung nicht anderer Meinung
sein, als dass er selbst den Kaiser in Mainz das Signum habe zeichnen
sehen. In dem Text der Urkunde, welche Cosmas bis zur Signumzeile
einschliesslich in die Chronik aufgenommen, ist der Ausstellungsort
nicht mehr genannt. Eine im Münchener Eeichsarchiv befindliche
1) Cosmas U 41 M. G. IX 95. Der böhmisch-mährisclie Kirchenstreit ist
von Talacky, Dudik, üiesebrecht u. a. ausführlich dargestellt worden. Einen
wichtigen Beitrag lieferte neuerdings J. Lippert ,Die Wyschehradfrage* in den
Mittheilungen des Vereins f. Gesch. d Deutschen in Böhmen 1894 Bd. o2, 213 H'.
2) M. G. IX 93.
Die Königskrönung Wratislavs von Böhmen etc. 391
Copie der Urkunde, welche vermutlilicli aus deui zwölften Jahrhundert
stammt, schliesst nun mit den Worten .Actum Ratispoue in Christi
nomine feliciter amen'' i). Demnach ist das Diplom in Eegensburg
ausgestellt, nicht in Mainz. Durch diese Thatsache erscheint des
Cosmas Angabe, er habe den Kaiser das Signum zeichnen sehen —
nämlich zu Mainz, wie man nach seiner Darstellung annehmen muss
— in höchst eio-enthümlichem Lieht. Warum liess er in seiner Ab-
Schrift allein die Actumzeile aus? Hatte er etwa ein Interesse daran,
die Verhandlungen über Aufhebung der mährischen Kirche vom An-
fang bis zum Ende unter die Sanction der Mainzer Synode zu stellen?
Oder hat er sich nur geirrt? Hatten die Ereignisse sich in seinem
Gedächtnis so sehr verwischt, dass er nur erinnerte, bei der Unter-
zeichnung des Kaisers zugegen gewesen zu sein, dagegen vergass, ob
dies in Mainz oder Regeusburg geschehen?
Wie dem auch sei, es ist deutlich, dass die kurze Darstellung
des Capitels 37 eine verhältnismässig grosse Anzahl falscher oder ent-
stellter Angaben aufweist und der Autorität, die der Chronist als an-
geblicher Augenzeuge beansprucht, kein Wert beizumessen ist. Man
wird hiernach geneigt sein, auch in die Existenz der Mainzer Synode
vom Jahre 1086, die Cosmas allein erwähnt, Misstrauen zu setzen.
Zwei wesentliche Argumente ergeben sich hierfür: 1. aus dem Inhalt
des Diploms vom 29. April 1080 und 2. aus dem Itinerar Kaiser
Heinrich's IV.
1. Dass das kaiserliche Diplom nicht in Mainz vollzogen worden,
wird durch den Inhalt desselben bestätigt; in ihm wird von der
Mainzer Synode als von einem vergangenen, geschichtlichen Ereignis
gesprochen: ,Qui (sei. Gebeardus) cum Magunciae coram legatis apo-
stolicae sedis .... querimoniam intulisset, ..... primitiva illa par-
rochia cum omni terminorum suorum ambitu Pragensi sedi est adiu-
dicata". Und nach den Worten „Mediantibus itaque nobis et com-
muni principum aspirante suffragio factum est, ut dux ßoemie Wra-
tizlaus et frater eins Chounradus supradicto Pragensi episcopo, fratri
») Stumpf Acta imperii Nr. 76 (Die Reichskanzler Bd. DI 79—81). Das
vollständige Schlussprotokoll der Urkunde lautet: »Signum doraini Henrici
tertii imperatoris augusti. Hermannus cancellariiis vice Wezelonis avchican-
cellarii recognovit. Datum III kalendas Maii anno ab incarnatione domini
MLXXXVI, indictione VIII, anno autem domini Henrici regni quidem XXXII,
imperii vero III. Actum Ratispone, in Christi nomine feliciter amen". Da im
Text des Diploms ausdrücklich vermerkt wird, dass die »Handlung" in Mainz
stattfand, sind »actum" und ,datum" auf die Beurkundung zu beziehen; vgl.
Ficker Beiträge zur Urkundenlehre Bd. I 131, 132 Nr. 87; Bresslau Handbuch der
Urkundenlehre 1889 Bd. l SSC fi'.
392 H- S p a 11 g e n b e r g.
suo, parrochiam iudiciario ordine requisitam ex integro et reprofiteren-
tur et redderent" hat es den Anschein, als sei nicht nur der Synodal-
besehluss, auch die thatsächliche Vereinigung des böhmischen und
mährischen Bisthums zur Zeit, da die Urkunde vollzogen wurde, be-
reits erfolgt. Die Mainzer Synode müsste also geraume Zeit vor dem
29. April 1086 stattgefunden haben.
2. Diese Erwägung wird dadurch bestätigt, dass bei der Bestim-
mung des Itinerars Heinrichs IV. im Frühjahr 1086 kein Platz für
eine Mainzer Synode bleibt : Am 27. Januar i) zog der Kaiser gegen
die Sachsen zu Felde; am 7. J^ebruar hielt er zu Wechmar über Ekbert
von Meissen ein Fürstengericht ^), um kurz darauf noch vor dem
Aschermittwoch (18. Februar) ^) das Herzogthum zu verlassen. Da er
am o., 9-, 29. April in Kegensburg nachweisbar ist ^), haben Giese-
brecht ^), Huber ") u. a. die Synode in den März 1086 verlegt; doch
widerspricht ihre Annahme dem ausdrücklichen Zeugnis der wohl-
unterrichteten, noch zu Heinrichs IV. Zeit entstandenen Augsburger
Annalen: „Imperator .... exercitus multitudine collecta iterum Saxo-
niam invadit; sed adversariis in diversa cedentibus, ipse partem pro-
vintiae devastat, incendit ; qui etiam statim in Pauwariam
eo reverso, couiurationis suae assumptis fautoribus, Frisingam, seducto
cum dolis episcopo, in paschali sollemnitate (5- April) capiunt" ^). Da
der Kaiser „sogleich" nach Verwüstung Sachsens in das bairische
Herzogthum zurückkehrte, so bleibt nur übrig, die angebliche Synode
von 1086 in ein früheres Jahr zu rücken.
Erweist sich die Chronologie des böhmischen Chronisten aus den
angeführten Gründen als unrichtig, so liegt die Vermuthung nahe,
dass die Schilderung des Cosmas zu 1086 sich thatsächlich auf die
Mainzer Synode des Jahres 1085 bezieht, von der auch die deutschen
Annalisten berichten. Und mit dem Verlauf der Letzteren stimmt die
Darstellung des Cosmas bis auf jjeringe Differenzen übereiu !
') Bernoldi chroii. M. G. V 444.
-) Stumpf Die Reichskanzler Nr. 2870.
•■') Jiiber de imitate ecclesiae conservanda ed. W. Schwenkenbeclier II 28
IS. 08. (Schulausgabe der M. G. Hannover 1883).
") Stumpf Die Reichskanzler Nr. 2880—2882. Nach Bernolds Chronik
j\l. G. V 444 war Heinrich am 5. April in Regensburg eingeschlossen.
■'') Geschichte der deutschen Kaiserzeit III 616.
•"■) Geschichte Oesterreichs I 232. J. Kroger Geschichte Böhmens vom
Friedensschluss Bretislavs mit Heinrich 111. (1041) bis Wratislavs Königskrüiinng
Diss. Leipzig 1880 S. 65 verlegt die Krönung hi den „Winter* 108G.
■) M. G. III 131, 132.
Die Königskrönung Wratislavs von Böhmen etc. 393
Cosmas spricht von einer „sinodiis magna in urbe Maguntia,
ubi 4 archiepiscopi et 12 praesules .... plurima decreta super statu
sanctae ecclesiae scriptis roboraverunt" i). Es wäre höchst seltsam,
wenn 1086 eine so bedeutende, zahlreich besuchte und durch umfang-
reiche gesetzgeberische Thätigkeit ausgezeichnete Synode stattgefunden
hätte, ohne dass ein einziger deutscher Chronist uns davon berichtete,
nicht einmal der Verfasser des liber de unitate ecclesiae, welcher 1092
oder 1093 seiue begeisterte Vertheidiguug Heinrichs IV. und des von
ihm ernannten Gegenpapstes niederschrieb. Dagegen passen die Worte
des Cosmas vortrefflich zum Verlauf der Mainzer Synode vom Mai
1085 ^). Hier wurden viele Beschlüsse, „plurima decreta super statu
sanctae ecclesiae", gefasst: Anerkennung Wiberts als des rechtmässigen
Papstes 3), Exkommunikation und Absetzung 15 gregorianischer Erz-
bischöfe und Bischöfe *), Verkündigung eines allgemeinen Gottes-
friedens ^).
Ferner waren auf der Synode (1085) nachweislich alle diejenigen
Bischöfe zugegen, welche nach der von Cosmas mitgetheilten Urkunde
vom 29. April die Vereinigung der böhmischen und mährischen Diö-
cese beschlossen haben sollen : Dietrich von Verdun, Konrad von Utrecht,
Udalrich von Eichstädt, Otto von Regensburg c) und die drei Erz-
bischöfe von Mainz, Trier, Köln ^). Hieraus geht aber mit voller
') M. G. IX 91.
'•*) Die Synode sollte auf kaiserlichen Befehl zwei Wochen nach dem Oster-
fest (20. April) eröffnet werden: Liber de unitate eccl. cap. 19 (20) S. 76; ann.
ratisbon. fragm. M. G. XIIl 49; ann. augustani M. G. III 131.
3) Sigeberti chron. M. G. VI 365: »Heinricus .... exigit ab omuibus, ut
Hildibrandi depositionem et Luicberti ordinationem subscripto approbent*.
■*) De unitate eccl. II 19, 20 ed. W. Schwenkenbecber S. 77. 78; ann. ra-
tisbon. M, G. XIU 49; Bernoldi chron. M. G. V 443; Ekkehardi chron. M. 6.
VI 205. Die gesta archiep. magdeb. M. G. XIV 404 nennen irrthümlich das
Jahr 1086 ; inhaltlich stimmen sie mit dem Bericht obiger Quellen zum Jahre
1085 überein.
6) M. G. Leges II 55 ff.; Ekkehardi chron. M. G. VI 206.
6) Sogar die Reihenfolge der im Diplom M. G. IX 92 genannten Namen
gleicht der Aufzählung des liber de unitate eccl, II 19 a. a. 0. S. 77, in welchem
sich ein ausführliches Verzeichnis aller 1085 zu Mainz, anwesenden Bischöfe findet.
') Auch Erzbischof Liemar von Bremen, der im Diplom vom 29. April ge-
nannt ist, war nach Cosmas persönlich anwesend. Nach dem liber de unitate
eccl. Hess er sich dagegen 1085 durch einen Legaten vertreten. Da Liemar aber
im voraus seine Zustimmung zu sämmtlichen Beschlüssen gab, welche dem ka-
tholischen Glauben, dem Frieden und der Einheit der Kirche förderlich seien
(cf. Liber de un. eccl. II 19 a. a. 0. S. 76), konnte der Verfasser des kaiserlichen
Diploms ohne Beeinträchtigung der historischen Wahrheit auch Liemar unter den
»vier« Erzbischöfen anführen, durch welche »primitiva illa parrochia cum omni
Mittheilungen XX. 26
394 ^- S p a n g e 11 b e r g.
Deutlichkeit hervor, dass in dem Diplom vom 29. April, welches, wie
bereits bemerkt, von der Mainzer Synode als von einem historischen
Ereignis spricht, nur die Synode des Jahres 1085 gemeint sein kann.
Auch Bischof Gebhard von Prag, der nach Cosmas dem Kaiser zu
Mainz 1086 die Klageschrift vorlegte, gehörte zu den Theilnehmern
der Synode vom Jahre 1085 ^).
Der Inhalt des Diploms vom 29. April l08G, das Itinerar Hein-
richs IV., die inhaltliche üebereinstimmung der von Cosmas gegebenen
Darstellung mit den Berichten über die Synode von 1085 sprechen
dafür, die angebliche Synode vom Jahre 1086 mit der im Jahre 1085
abgehaltenen zu ideutifizireu. Dazu kommt endlich das bisher über-
sehene Zeugnis der altenzeller Annalen, uach weichen die Krönung
Wratislavs nicht 1086, wie Cosmas berichtet^ sondern auf der Mainzer
Synode des Jahres 1085 stattfand: „Heinricus III. Imperator Maguncie
in presentia electorum tarn spiritualium quam secularium priucipem
Wratislaum ducem Bolieraie magnifice decoravit" ^) etc. Die ziemlich
terminorum suorum ambitu Pragensi sedi est adiiiclicata''. Aus diesen Worten
des Diploms scheint Cosmas (vgl. den Text seiner Darstellung in Cap. 37) irr-
thümlich auf persönliche Anwesenheit Liemars geschlossen zu haben, da er von
vier anwesenden Erzbischölen spricht. Wenn Cosmas ferner nur »12 praesules'^
als Theilnehmer der Synodalverhandlungeu bezeichnet, während der liber de
unitate eccl. 16" Bischöie aufzählt, so ist die.s von geringem Belang, da abge-
sehen von der oftmals sehr flüchtigen Schreibweise des Cosmas bei Zahlen-
angaben ein Versehen leichter als sonst geschehen tonnte.
') Liber de unitate eccl. II 19 a. a. 0. S. 77.
-) M. G. XVI 41. Die ann. bohemici (bei Miklosich Slavische Bibliothek
II 302) sowohl, als die ann. pragenses M. G. III 120 verlegen die Krönung
Wratislav's in das Jahr 1088, die ann. pegavienses M. G. XVI 237 gar in's Jahr
1080 oder 1081. Die in der zweiten Hälfte des 12. Jahrh. verfassten pegauer
Annalen sind besonders in ihrem ersten Theil, der Biographie Wiprechts von
Groitsch. durch Irrthümer und sagenhafte Erfindungen fast bis zur Unbrauch-
barkeit entstellt. Nach den pegauer Annalen ist der Hergang folgender: Hein-
rich IV., von den Sachsen bedrängt, lässt sich durch Wiprecht von Groitsch bereden,
Wratislav zu krönen, wenn dieser ihm 4000 Talente übergeben würde und seinen
Sohn Bofivoy mit 300 Kriegern am Romzug theilnehmen Hesse. Wipi-echt meldet
dem böhmischen Herzog, was er für ihn erreicht. Dieser erscheint (1080 oder
1081) auf dem Hoftage zu Würzburg (?) in Begleitung angesehener Edlen seines
Landes, übergiebt dem Kaiser die versprochene Summe und wird von ihm
zum Könige gekrönt. — Da Wratislavs Krönung nach Ansicht des Annalisten
nicht 1085 zu Mainz, sondern 1080 oder 1081 zu Würzburg geschehen, ist es
schwer zu entscheiden, ob Heinrich IV. die angegebene Summe in Wirklichkeit
zu Mainz vor der Krönung oder vielmehr 1081 vor dem Romzuge überreicht
wurde. Dass die Zahlung der 4000 Talente eine Art Loskaufssumme von der
jährlichen Tributpflicht des Böhmenherzogs war, ist eine Vermuthung Palacky's
I 320, die W. Tomek Geschichte Böhmens S. 58. Iluber Geschichte Oesterreichs
Die Königskrömuiir Wratislavs von Böhmen etc, 395
eingehende Nachricht der ann. veterocelleuses, welche nachträghch von
einer Hand des 15. Jahrhunderts in den Text der Annalen eingefügt
ist, hat neben Cosmas selbständigen Werth.
Dass Cosmas sich in der Chronologie geirrt, kann selbst dort
nicht befremden, wo er als Zeitgenosse berichtet. Von den Reichs-
angelegenheiteu hat er die dürftigste Kenntnis. Gregor VII. und
Heinrich IV. erwähnt er kaum. Die Kämpfe am Regenflusse erzählt
er zum Jahre 1106 (statt 1105)^), den Römerzug Heinrich's V.
(1110 — 1111) findet man unter der Jahreszahl 1112 -) u, s. w. Wie
der Irrthum des Chronisten entstanden, erklärt sich zudem in ein-
facher Wei.'iC. Seine Quelle in Capitel 37 ist offenbar das von ihm
selbst mitgetheilte Diplom gewesen, das er freilich oberflächlich genug
gelesen und stellenweise missverstanden hat ^). Hier fand er den
[ 232 u. a. übernommen haben. Zu ihrer Begründung lässt sich aber nur der
Umstand anführen, dass jene Tributpflicht in den Quellenberichten späterer Zeit
nirgends mehr erwähnt wird.
') Cosmas III 18 M. G. IX 100. Nach Ekkehards Chronik i\l. LI. VI 227
fanden die Kämpfe am Regenflusse im September oder spätestens in den ersten
Tagen des Oktobers 1105 statt.
2) Cosmas III 38 M. G. IX 121.
3) AuÖällig ist z. B. der Gebrauch des Wortes ,querimonia'<. Im Laufe
der Untersuchung ist mehrfach auf v,rörtliche Anklänge zwischen der Darstellung
des Cosmas und dem Text des kaiserlichen Diploms hingewiesen worden ; so
bietet sich in Capitel 37 besser als an irgend einer anderen Stelle der Chronik
die Möglichkeit, durch Vergleich der im Wortlaut mitgetheilten Quelle und
ihrer Verwerthung einen Einblick in die Arbeitsweise des Chronisten und damit
zugleich ein Urtheil über seine Glaubwürdigkeit auch in Mittheilung zeitgenössi-
scher Ereignisse zu gewinnen. Man würde dem verdienten böhmischen Chronisten
mit dem Vorwurf absichtlicher Entstellung vielleicht Unrecht thun; zweifellos
aber ist die Schilderung tendenziös gefärbt durch den cechiseh-nationalen, kle-
rikalen Standpunkt des Verfassers, der in dem unverhohlenen Hass gegen Polen,
gegen deutsches Wesen und in der vückhaltslosen Parteinahme für die Interessen
des Prager Bisthums zum Ausdruck kommt und gerade im zweiten Buch der
Chronik — in dem, was verschwiegen wird nicht minder, als in der Auswahl
und Darstellung des gebotenen Stoffes — deutlich erkennbar ist. Drei Ereig-
nisse der böhmischen Geschichte stehen hier bezeichnenderweise durchaus im
Vordergrund: 1. Bretislavs siegreicher Feldzug gegen Polen mit der Eroberung
Gnesen's und der Translation der Adalbertsreliquien nach Prag, 2. die Vertreibung
der Deutschen aus Böhmen durch Spithinev, »ein für alle Jahrhunderte denk-
würdiges Ereignis" (Cosmas II 14 M. G. IX 76, II 23 M. G. IX 82; vgl. dazu
Loserth »Der Herzog Spithinev und die angebliche Vertreibung der Deutschen
aus Böhmen« in den Mittheil. d. Inst, f österr. Gesch.' Bd. IV 177 ff.), 3. der
mährisch-böhmische Kirchenstreit, welcher 1085 zur Vereinigung der Diöcesen
Prag und Olmütz führte. Die Wiederherstellung des Prager Bisthums im alten
Umfange bildet den Mittelpunkt der Chronik ; für den Chronisten hat sie augen-
26*
396 H. Spangenberg.
29. April 1086 als Datum angeführt. Da er übersah, dass von der
Mainzer Synode in dem Diplom als von einem vergangenen Ereio-uis
gesprochen wird, lag es nahe, die Darstellung der Synodalverhand-
lungen und die Königskrönung Wratislavs dem Jahre 1086 zuzu-
weisen.
scheinlich das grösste Interesse — es geht dies unter anderem daraus hervor,
dass er hier allein eine urkundliche Quelle im Wortlaut mittheilt — ; vielleicht
sogar hat sie bestimmenden Einfinss gehabt auf den Entschluss des Cosmas, die
Geschichte seines Heimatlandes zu schreiben, die ursprünglich wohl mit dem
neunten Dezennium des elften Jahrhunderts abschliessen sollte.
Die europäischen Mächte in der Beurtheilung
Friedrichs des Grossen 1746—1757.
Von
Ferdinand Wagner.
Als im Herbste 1894 Max Lehmanns Werk über den Ur-
sprung des siebenjährigen Krieges erschien, folgten anschliessend
daran zahlreiche Aufsätze, die die friedericiauische Politik des Jahres
1756 nach allen Seiten mehr und minder ausführlich beleuchteten. Man
wird deshalb fragen, gibt es noch neue Gesichtspunkte oder unbenutzte
Quellen, die ein abermaliges Eingehen in dieses Thema rechtfertigen.
Vorliegende Arbeit soll sich auf den Nachweis beschränken, den An-
sichten Friedrichs des Grossen über die finanzielle, die militärische
und die wirthschaftliche Lage der europäischen Mächte zwischen 1746
und 1757 auf Grund des bis jetzt publicirten Quellenmaterials nach-
zuforschen. Selbstverständlich sind die Staaten, mit deren Politik der
König im Kriege und Frieden zu rechnen hatte, nicht nach Willkür
oder persönlicher Sympathie beurtheilt worden, vielmehr hat Friedrich
mit gespannter und zugleich ruhiger Aufmerk.<amkeit alle Vorgänge
in den Kreis seiner Beobachtungen gezogen, die i>ein Land mehr
oder weniger beeinflussen konnten, Naturgemäss haben seine An-
schauungen im Laufe einer 46jährigen Kegierung mannigfache Wand-
lungen durchgemacht. Erst die Vollendung der grossen Edition der
Politischen Correspondenz und die vollständige Veröfientlichuug der
Testamente wird die Ansichten des Königs in allen Phasen zeigen.
Die Zeit zwischen dem zweiten schlesischen und dem sieben-
jährigen Kriege gestattet nun bereits eine in sich abgeschlossene Be-
398
Ferdinand Wagner.
urtheilnug, da nach 1763 die Lage seiues Staates Friedrich uöthigte,
mit der Politik der Jugend- und ersten Mannesjahre abzubrechen und
Rückhalt in einem russischen Bündnisse zu suchen, das ihn mit
schweren Verpflichtungen belastete.
Auf diplomatische Verhandlungen einzugehen liegt ausserhalb des
Eahmens dieser Arbeit, die nur an der Hand authentischer Aeusse-
runo-en die Fragen zu beantworten sucht: ,Was wusste der König im
gegebenen Augenblicke, und welche Folgerungen zog er aus der vor-
handenen Situation" ? Drei Quellen verschiedenen Wertes stehen uns
zu Gebote: Die Testamente Friedrichs, seine historischen Schriften
und die politische und militärische Correspondenz. Unter ihnen nehmen
die verschiedenen Testamente den ersten Platz ein, in diesen hat
Friedrich am rückhaltlosesten seine Wünsche und Hoffnungen offen-
bart. Von dem für unsere Periode so wichtigen Testamente vom
27. August 17f»2 ist bis jetzt nur ein Theil von Max Lehmann pub-
lizirt worden, aber schon seit Ranke ist von dem sonstigen Inhalte
vieles aus gelegentlichen Bemerkungen der Gelehrten, denen Einsicht
gestattet wurde, zusammenzustellen i).
Im Gegensatze zu den Testamenten, die allein für den Thronerben
bestimmt waren, hatte Friedrich bei der Abfassung seiner historischen
Arbeiten ein grösseres Pubhkum vor Augen 2). Die geschichtlichen
Werke Friedrichs sind in letzter Zeit etwas in Misscredit gerathen.
Zahlreiche Versehen hat Disselnkötter in der Histoire von 1746 nach-
gewiesen. Da Friedrich seine Aufzeichnungen im Zusammenhange
erst nach den Friedensschlüssen angefertigt hat, finden sich Gedächtnis-
fehler erklärlicher Weise häufig. Erst der Vergleich der historischen
Schriften mit gleichzeitigen Dokumenten der politischen Correspondenz
erlaubt die Wahrheit der Memoiren zu prüfen, und gibt wertvolle
Aufschlüsse, welchen Veränderungen die Ansichten Friedrichs im Laufe
der Jahre unterworfen gewesen sind.
Die grosse Edition der politischen Correspondenz ist die dritte,
und so lange die politischen Testamente nicht vollständig publizirt
worden sind, die wichtigste Quelle zur Erschliessung der Handlungen
des Königs.
Nach den üblichen Axiomen seines Zeitalters musste der König
einmal handeln; kein europäischer Staat hat jemals ohne Eigennutz
sein Bündnis gesucht. Es darf ihm deshalb die Führung der m der
europäischen Politik gültigen Waffen nicht zum Vorwurf gemacht
'1 Der letzte Band v. J. G. Droysens Gesch. d. preussischen Politik enthält
unter andern zahlreiche Sätze aus dem Testamente von 1752.
-') Histoire de mon temps von 1746. iS. 151.
Die europäischen Mächte in der Benrtheilung Friedrichs d. Gr. etc. 399
werden. Friedricli lehnt ausdrücklich im Vorworte seiner Histoire de
mon temps von 1746 jede Kritik seiner Handlungen nach den Ge-
setzen der bürgerlichen Moral ab: ^Notre emploi est de veiller au
bonheur de nos peuples; des que nous trouvons donc du danger ou
du hasard pour eux dans une alliance, c'est ä nous de la rompre
plutöt que de les exposer ; en cela le souverain se sacrifie pour le bien
de ses sujets". Diese Bemerkung zeigt, wie wertlos die gelegentlichen
Betheuerungen sind, in denen Friedrich die Reinheit seiner Gesinnung
rühmt: ,Ne cherchez point", steht in einem eigenhändigen Briefe
vom 8. Nov. 1747 an den Minister Puyzieulx, „de detours dans ma
conduite; eile est aussi simple que mon coeur; je n'aspire point ä
r infame gloire de tromper le genre humain, mais aussi ne veux-je
etre ni soup^onne ni trompe". Aber man soll auch nicht zu weit
gehen und hinter jeder Aeusserung einen Fallstrick verrauthen. Die
Politik Friedrichs hat sich durchaus nicht aus einer fortgesetzten Kette
von Täuschungen und Hintergehungen seiner Alliirten und eigenen
Staatsmänner zusammengesetzt. In geradezu verblüffender Offenheit
hat Friedrich während des ersten schlesischen Krieges bei Klein-
Schnellendorf und 4 Monate später in Olmütz sein politisches Pro-
gramm österreichischen Unterhändlern entwickelt. Später wiegt er
bedeutend vorsichtiger und kühler seine Worte ab, und versteht sich
zu beherrschen. Nur die militärische Correspondenz, bis jetzt selten
nach Gebühr verwertet, hält sich frei von allen Täuschungen der
Adressaten ; und gerade in dieser liegt auch die naheliegendste, sehr
selten versagende Quelle zur Erkenntnis seiner thatsächlichen Ansichten.
Der König war viel zu gewissenhaft, um unnütz Leben und Vermögen
seiner Soldaten und Unterthanen zu gefährden. Dieser Briefwechsel
bildet daher die Grundlage zur ControUe aller gleichzeitigen sonstigen
Schreiben. Denn die politischen und militärischen Handlungen
Friedrichs gehen Hand in Hand, die einen bedingen die anderen, ohne
dringende politische Veranlassung gibt der Köuig nicht seinen Ge-
nerälen militärische Verhaltungsmassregeln.
Von der militärischen Correspondenz sind die administrativen
Schreiben nicht zu trennen, die Ordres für die Magazinverpflegung der
Truppen enthalten. In der Krisis des Jahres 1749 erhielt, bevor noch
ein Soldat alarmirt wurde, am 6. März 1749 der Etatsminister Graf
Münchow in Breslau Befehl unter der Hand die für 6 — 8 Regimenter
Cavallerie nötige Fourage in Oberschlesien aufzubringen. Der Aufschub
und der spätere Widerruf erfolgte in dem Augenblicke, als der König
die Gefahr eines russischen Angriffes auf Schweden, der einen allge-
meinen europäischen Krieg hervorgerufen hätte, schwinden sah.
400 Ferdinand W n g n e r.
Der Nachfolger Müuehows in Schlesien, Schlabrendorff, nahm die
gleiche Vertrauensstelle ein. Ihm allein neben Wiuterfeldt theilte
Friedrich am 29. Dezember 1756 seinen Entschluss einer wahrschein-
lichen Räumung Oberschlesiens mit. In mehreren Fällen ist es un-
möglich aus den sich widersprechenden Sätzen der gleichzeitig erlas-
senen politischen Instructionen die momentane Gesinnung des Mo-
narchen herauszuschälen. Unbedingt sind alle zur weiteren Mittheilung
an auswärtige Potentaten uud Minister abgefertigte Memoiren und
Depeschen mit grosser Vorsicht zu benutzen; ihr ostensibeler Inhalt
steht im engen Zusammenhange mit den Erwartungen, die an die
fremde Macht gestellt wurden. Einen wichtigen Fingerzeig gewähren
die zahlreichen Anfragen, die stets mit der allgemeinen Sachlage im
Zusammenhange stehen. Die scharf pointirten Bemerkungen des Königs
beim Einlaufen der erbetenen Auskünfte, namentlich wenn die Antwort
des Gesandten nicht nach Wunsch ausfiel, berechtigen zu einem Rück-
schluss auf Friedrichs eigene Meinung. In verschiedenen Fällen wird
den Gesandten, namentlich denen in Wien, an der Hand der von
Offizieren betriebeneu Spionage das Irrige ihrer Meldungen nach-
gewiesen. Alten erprobten Vertretern im Auslande wurde in den
ihnen zukommenden Ressorts oflFeue Aussprache gestattet. Die Ge-
sandten Chambrier und später Lord Marschall in Paris nahmen eine
Ausnahmestellung unter den preussischen Diplomaten ein. Auch der
Graf Finckenstein erwarb sich während seines Aufenthaltes in Stock-
holm und St. Petersburg die Wertschätzung seines Monarchen. Nicht
so gut hatte Friedrich es mit seinem früheren langjährigen Vertreter
am russischen Hofe getroffen ; zu spät bemerkte er, dass das Auftreten
Mardefelds sehr viel zur Verschärfung der Gegensätze und zum Bruche
mit den Günstlingen der Kaiserin Elisabeth beigetragen hatte. Dem
Geschäftsträger Michell in London wird eine sicher auf mangelnde
Vertrautheit des Könio-s mit den encrlischen Zuständen beruhende
Freiheit im Urtheil gestattet, die sich jüngere Diplomaten, wie Knyp-
hausen und Kliuggraeffen nicht erlauben durften.
Die eigenhändigen Briefe Friedrichs an seine Angehörigen sind,
so anziehend sie geschrieben und so wert sie uns sind, um auch den
Bruder in Friedrich kennen zu lernen, besonders vorsichtig zu ver-
werten. Der König geht nie mit seinen Brüdern zu Rathe. Als
Prenssen im Anfange des Jahres 1749 einer gefährlichen Krisis
entj^effeuffincr, erfährt der bei der Schwester in Baireuth weilende
Thronfolger unterm 16. Februar: „Paurais bien de la peine ä vous
mander d'ici des nouvelles interessantes". Mit keinem Worte berührt
Die europäischen Mächte in der Benrtheihing- Friedrichs d. Gr. etc. 401
der König die allgemeine Lage, die ihn nöthigte an eine Räumung Ost-
preussens zu denken.
Noch weniger eröffnen die Briefe an die Markgräfin Wilhelmine
von Baireuth einen Blick in die Gedankenwelt König Friedrichs. Nach
Möglichkeit wird in den Jahren 1756 und 1757 jede Andeutung ver-
mieden, die der kranken Schwester Erregung verursachen könnte. Tu
den schweren Tagen des Dezember 1756, als Friedrich die gauze ihm
und dem Staate drohende Gefahr übersah, verbarg er ängstlich vor
der geliebten Schwester die ihn bewegenden Sorgen: ein glänzendes
Zeugnis der Selbstbeherrschung des Königs, der damals nur den Ge-
neral Winterfeldt zum Vertrauten aller seiner Befürchtungen machte.
Eine Sonderstellung nimmt die Correspondenz mit der Königin Ulrike
von Schweden ein, die seit ihrer Vermählung ein wichtiger Faktor in
der europäischen Diplomatie geworden war. Wichtige politische An-
deutungen, die an anderer Stelle sich bestätigt finden, können natür-
lich in diesen Familienbriefen vorkommen. Mit Recht hat R. Koser
einen am 23. November 1753 an den Thronfolger gerichteten Brief
in seinem Geschichtswerke citirt. Unter diesem Datum erfährt der
Prinz, dass schwere Verwicklungen für das kommende Jahr voraus-
zusehen seien, die Friedrich verhinderten persönlich sich an den
Hochzeitsfeierlichkeiten in Schwedt zu betheiligen. Aber erst ein
militärisches Schreiben vom 3. Dezember 1753, das dem Feldmarschall
Lehwaldt in Ostpreussen die Möglichkeit eines russischen Angriifes im
neuen Jahre eröffnet, macht dieses Schreiben für die Forschung ver-
wertbar.
Der Ausgangspunkt meiner Untersuchung ist das erste Capitel
der Histoire de mon temps von 1746. An dieser Stelle entwirft der
König ein anschauliches Bild der europäischen Zustände beim Tode
seines Vaters. Es liegt auf der Hand, dass der Ausgang der beiden
schlesischen Kriege den königlichen Autor bei der Abfassung dieses
Abschnittes beeinflusst hat. Preussen nahm 1740 noch nicht den Platz
in dem europäischen Conzerte ein, den ihm die histoire von 1746
zuweist. Erst der Erwerb Schlesiens erhob es auf immer über Sardi-
nien und Sachsen-Polen i). Ein grosser Theil dieses ersten Capitels
ist in der zweiten Redaction gestrichen, vieles zusammengezogen oder
umgearbeitet 2). Friedrich ist durch die späteren Ereignisse bedeutend
beeinflusst worden; wir sind daher umsomehr berechtigt, die Aeusse-
rungen des ersten Capitels als beweiskräftig für die Zeit der Abfassung,
den Herbst des Jahres 1746, zu behandeln.
1) Histoire v. 174G S. 214.
2) Droysen: »Abhandlungen zur Neueren Geschichte*.
402 F e r fl i n a n d W a g n e r.
Den Abschluss giebt die „Apologie de ma conduite politique",
im August 1757 nach der Niederlage von Kolin entworfen. Diese
Schrift uimmt eine Ausnahn:estellung unter Friedrichs geschichtlichen
Aufsätzen ein. Sie sagt nicht alles, das wäre auch zu viel verlangt
von einer Kechtfertigungsschrift, aber mit einer nichts zu wünschen
lassenden Offenheit bekennt der König die im vergangenen Jahre
gehegten irrigen Anschauungen. Er habe nicht geahnt, dass Frank-
reich einen über die vertragsmässige Hülfe hinausgehenden Beistand
Oesterreich leisten würde, und habe ebensowenig an eine stärkere
Theilnahme der Russen am deutschen Kriege gedacht.
Die Frage : „ welche Grundsätze befolgte Friedrich in der aus-
wärtigen Politik", beantwortet das Testament von 1752: ,La politique
consiste plutot ä profiter des conjouctares favorables qu'ä les preparer
d'avance". Aus diesem Grunde soll der Thronfolger keine Verbind-
lichkeiten eingehen, die ihm für die fernere Zukunft Fesseln anlegen :
„ne faites jamais des traites pour prendre des mesures sur les evene-
ments eloignes". Friedrich verwirft damit auf das entschiedenste das
damals in den europäischen Kabinetten übliche System, möglichst
durch Allianzen den eigenen Staat zu sichern zu Gunsten der Politik
der freien Hand: „Je me suis bien trouve d'en avoir use ainsi l'annee
1740, et j'en fais de meme ä present pour les affaires de Pologne".
Aber es wäre nicht gerechtfertigt deshalb auzunehmen, dass der König
überhaupt kein festes ürtheil besessen hätte.
Nichts ist verkehrter und irreführender als der in den Berichten
der fremden Gesandten enthaltene Klatsch über die plötzlichen ner-
vösen Stimmungswechsel des Königs in seiner Beurtheilung der aus-
wärtigen Mächte. Der französische Gesandte in Berlin, Tyrcounell,
schreibt einmal in diesem Sinne: „Dieselbe Lebhaftigkeit, die ihn
heute Riissland mit Geringschätzung betrachten Hess, lässt ihn morgen
die Sache ganz anders auffassen" i). Im Gegentheil, Friedrich hat
von Anfang an, unabhängig von den wechselnden Meinungen des
Tages, sich über die Machtmittel der europäischen Staaten zu orien-
tiren gesucht. Das Ergebnis der während der ersten sechs Jahre
seiner Regierung gemachten Erfahrungen ist in dem schon genannten
ersten Capitel der histoire von 1746 niedergelegt. Aber schritthaltend
mit der Zeit, modifizirte er sein ürtheil, wo es nöthig schien; dem
Niedergange Frankreichs, der Zerrüttung in Schweden und in Russ-
land, so wie den Reformversuchen Maria Theresias widmete er die
gleiche Aufmerksamkeit. Die fremden Gesandten sind selbstverständlich
') Preuss. Jahrbücher 47. 4b3.
Die europäischen Mächte in der Benrtheilung Friedrichs d. Gr. etc. 403
in diese Werkstätte nicht geführt worden. Kühl und ruhig hat
Friedrich in der Epoche nach 1746, nur in militärischen Fragen
durch seinen Adjutanten Winterfeldt unterstützt, die verschieden -
wertigen ihm zukommenden Berichte und Erzählungen gegeneinander
absewogen. Er hat sich schwer von einer vorgefassten Meinung ge-
trennt, sobald er sie indes als unrichtig erkannt hatte, zögerte er
nicht die seinem Herzen vielleicht sympathische Ansicht zu opfern,
mochte der von ihm gethane Schritt der Welt auch ungerechtfertigt
erscheinen.
An der Hand der politischen Correspondenz mit Benutzung des
Testamentes von 1752 werde ich nach einander Friedrichs Ansichten
über Russland, England, Frankreich und Oesterreich in der Zeit vom
Dresdner Frieden bis zum Anfang des Jahres 1757 darlegen.
1. Russlaud.
Jeder Intervention Russlands in die deutschen Angelegenheiten
von vornherein vorzubeugen, bestrebte sich die fridericiauische Politik
in der Zeit nach dem Dresdner Frieden. In diesem Sinne fiel die
Aeusserung: „Also vielmehr das Beste sei, den Bären in seinem Lager
zu lassen und ihm nicht selbst weiss zu machen, als ob man seiner
nöthig habe oder ihn fürchte" i). Friedrich wusste sehr wohl, dass
Russlands geographische Lage, trotz der Vernachlässigung aller Festun-
gen, jeden Angriff unmöglich machte. Den Vorschlag seines Gesandten
Mardefeld im Jahre 1746 russischen AngriflFsplänen mit einer üeber-
rumpelung Rigas zuvorzukommen, hatte der König rundweg abgelehnt;
ebenso weigerte er sich drei Jahre später zu Gunsten Schwedens, wie
ihm die Franzosen zumutheten, eine Besetzung Kurlands und Livlands
zu unternehmen -). üebereinstimmeud mit diesen Erklärungen hält
das Testament von 1752 Eroberungen in jenen fernen und wüsten
Gegenden auch zu Gunsten eines dritten, wobei nur Schweden oder
Polen in Frage kommen konnten, für gleich nutzlos, „les conquerir
pour nous serait folie, les conquerir pour d'autres serait assez inutile".
Die Bedeutung Russlands in der europäischen Politik hat Friedrich
in dem bereits erwähnten Eiugangscapitel der Histoire de mon temps
kritisirt. Weder Russland noch die Türkei werden zu den europäischen
Mächten gezählt, beide seien nur Maschinen in den Händen Englands
bezw. Frankreichs, die je nach Bedürfnis zur Ausübung eines Druckes auf
Europa gebraucht würdeu. „ L' Angleterre f ait une montre d' ostentatiou
') P. C. V. 11. (24. Januar 1746).
'■^ P. C. VI. 512 (25. April 1749).
404 Ferdinand Wagner.
de la Russie, soit pour abuser l'Europe par im secours illusoire, seit
pour conteuir le Nord ou pour procurer a l'empereur des secours
reels contre les iufideles". Der wirkliche Einfluss Eusslands erstrecke
sich nur auf Polen und Schweden ; bei der Zusammensetzung der
russischen Truppen erweise sich deren Aufenthalt in fremden Ländern
als ausserordentlich kostspielig ^). Die Ereignisse des siebenjährigen
Krieges haben Friedrich den Irrthum seiner früheren Anschauung be-
wiesen; in der Ausgabe von 1776 ist dieser ganze Abschnitt, der
Russlaud als einen Klienten Englands schildert, gestrichen und in
folgender Form ersetzt worden: „La Russie n'avait point alors assez
de poids dans la politique europeenne, pour determiuer dans la ba-
lance la superiorite du parti qu'elle embrassait.
Im scheinbaren Widerspruche mit dem Inhalte des ersten Capitels
der histoire von 1746 steht die grosse Besorgnis, die Friedrich im
Sommer 1746 vor einer russischen Invasion gehegt hat. Der Grund,
warum der König damals durch Bestechung Bestuschews sich den
Fortbestand des Friedens in Petersburg erkaufen wollte, liegt aber
klar vor Augen. Die Reorganisation der preussischen Armee nach
den Feldzügeu von 1744 und 1745 war noch nicht vollendet; es
fehlte an Munition, Proviant und Zelten und die Kassen enthielten
noch nicht die zu einer Mobilmachung erforderlichen Summen. Dem-
nach stand einem Angriff der Russen in diesem Jahre Preusseu fast
wehrlos gegenüber. Es ist kein Grund vorhanden, die Wahrheit der
im Juni 1746 an Podewils gerichteten Briefe zu bezweifeln. ,Si nous
gagnons cette annee, je ne m' embarrasse de rien, mais si malheureu-
sement la bombe allait crever ä present, il y aurait tout ä craindre
pour TEtät" und „En un mot, c'est plus 1' etat delabre de mon in-
terieur que les forces des ennemis qui sont a craindre" ^).
Sorgfältig hat der König die grosse Gefahr, in die ihn eine rus-
sische Invasion versetzen konnte, den fremden Mächten zu verbergen
gesucht. Der Gesandte Andrie in London wie später Kliuggraeffen
muss dem Gerüchte entgegen arl)eiten, als habe man in Potsdam Ver-
anlassung, den Petersburger Hof zu fürchten. Hiermit steht im Ein-
klang ein Schreiben Eichels vom 20. Juli 1746: „des Königs Majestät
endlich dem Herrn v. Villiers ^) den Gedanken zu benehmen gesuchtet,
als ob Sie die Russen so sehr redoutirten, daher Sie sich gegen den-
selben dahin expliciret, wie derselbe die Russen zu fürchten gar keine
') Histoire S. 209.
2) P. C. V. 110 u. 114 (12. n. 1.3. Juni 4ß).
^) Englischen Gesandten in Berlin.
Die europäischen Mächte in der Beurtheilung Friedrichs d. Gr. etc. 4Q5
Ursaclie hätte" 1). Noch sieben Jahre später, im October 1753, erfährt
der preussische Geschäftsträger in Louclon, dass die russischen Küstun-
gen in Berlin keinen Eindruck machten, auch wenn bis 100.000
Eussen kommen sollten, alles sei in Preussen zu ihrem Empfauge
bereit -). Gleichzeitig hat aber Friedrich in Versailles Dokumente
vorlegen lassen, die ihn als von einer russischen Invasion schwer be-
droht hinstellen sollten ^). Mit letzteren Erklärungen stimmt der Ver-
such völliff überein, im Januar und Februar 1756 den französischen
Botschafter Nivernois zu überreden, dass die Furcht vor dem Ein-
falle eines russischen Heeres der Grimd für die Annäherung Preussens
an England gewesen sei. "Wie wenig Glauben Nivernois diesen Er-
klärungen geschenkt hat, zeigen seine Briefe an Broglie in Dresden *).
Welche Motive haben Friedrich nun geleitet, wenn er im Sommer
1756 in seineu militärischen Erlässen einem Angriffe der Russen viel
ruhiger entgegensah als 7 Jahre früher und als namentlich gleich
nach dem Dresdner Frieden? Ein halbes Jahr nach diesem Friedens-
schlüsse hat er die Erklärung abgegeben, alles stehe auf dem Spiele
bei dem Eintreffen einer russischen Invasion; drei Jahre später 1749
macht er sich bei einer Kriegserklärung Russlands mit dem Gedanken
einer Räumung Ostpreussens vertraut. Vor Ausbruch des grossen
Krieges dagegen erhält Feldmarschall Lehwaldt Befehl, die ihm an-
vertraute Provinz Ostpreussen mit 36.000 Manu zu behaupten.
Das Anwachsen der eigenen Hülfsmittel hat diese Aenderung der
Befehle Friedrichs bewirkt. Die beiden ersten schlesischen Kriege
hatten den von Friedrich Wilhelm I. gesammelten Schatz völlig ver-
braucht Der grosse Tresor war am 28- October 1745 auf 2298 Thaler
zusammengeschmolzen, die von den Ständen der Mark gewährte An-
leihe und die in Sachsen erhobenen Kontributionen genügten nicht
für eine weitere Campagne; zu Trinitatis 1746 hatte der König nur
900.000 Reichsthaler zu seiner Verfügung. Der Dresdner Friede ist
also eine zwingende Nothweudigkeit für Preussen gewesen; denn mit
der Annahme von Subsidien, die nur Frankreich gewähren konnte,
wäre jede selbständige Politik unterbunden gewesen. Im Sommer
1756 hatte dagegen der grosse Tresor die Höhe von 13,377.919 Tha-
lern erreicht, zwar nicht die vom politischen Testamente für nöthig
1) P. C. V. 141.
2) P. C. X. 132.
3) Koser in den pi'euss. Jahrbüchern 47. 482.
■*) Perey » Nivernois'' S. 385.
406 Ferdinand Wagner.
erklärte Summe, aber mit den übrigen Kassengeldern doch ausreicliend,
um die Kosten vou drei Feldzügen zu bestreiten i).
Anderseits schien Eusslaud 1753 bei weitem weniger gefährlich
als zehn Jahre früher. Nach dem Regierungsautritte der Kaiserin
Elisaljeth war das Reformwerk ihres grossen Vaters in's Stocken ge-
ratheu. Mit welcher Anerkennung hat sich die Histoire von 1746
über die Regierung Peters des Grossen uud der Kaiserin Anna ge-
äussert! Aber die Männer, denen letztere die Staatsgeschäfte anver-
traut hatte, waren nach 1741 einer nationalen Reaction gewichen,
deren Vertreter sich au Eugland verkauften.
Friedrich hatte kein Verstäuduis für diesen Sieg des Volksgeistes,
er sah nur die Schäden der Gilnstliugswirthschaft und die Corriiption
am Hofe und im Heere. Das Ausscheiden der deutschen und eng-
lischen Offiziere, (Keith, Manstein, Laudon, Graut u. s. w.) desorgani-
sirte nach allgemeiner Ansicht die russische Armee, uud machte sie
unfähig zu einem Kampfe gegen europäisch geschulte Truppen.
Die verschiedeneu Erlässe an Lehwaldt zeigeu, welche geringe
Meinung Friedrich im Sommer 1756 von der Schlagfertigkeit der
russischen Armee gehabt hat. Aber deshalb ist der Einwand be-
rechtigt, dass erst der Westminstervertrag, durch den der Zariu die
englischen Kriegssubsidieu bei eiuem Kriege mit Preusen entzogen
wurden, eiue russische Invasion für Friedrich ungefährlich gemacht
habe. Wir haben uns demnach nach authentischen Aeusseruugeu
Friedrichs umzusehen, aus denen seine Meinung über Russland in der
Zeit von 1749 bis 1756 hervorgeht. Der bis jetzt bekannte Theil des
Testamentes von 1752 giebt darauf keiue Antwort. Die Depeschen
an die preussischen Gesandten in St. Petersburg, Finckenstein, Goltz
und Wahrendorff, sind nicht ohne weiteres zu benutzen. Diese Lücke
füllt zum Theil der Feldmarschall Keith aus, der nach längeren, durch den
damaligen Gesandten Mardefeld im Frühjahre 1745 begonnenen Verhand-
lungen -) im October 1747 sich in Potsdam einstellte. Nie hat Friedrich
den Eintritt dieses eno-lischen Emiorrauten in seinen Dienst zu bereuen
gehabt ^). Die Depeschen au Finckenstein in Petersburg lassen durch-
blicken, welchen Wert der König auf Keiths Urtheil in den russischen
Angelegenheiten legte. Mit Genugthuung wird an mehreren Stellen
>) Das Testament von 1752 sagt : ces 5 millions sont a peu pres les frais
d' une campagne (vergl. auch Koser, König Fviedricli der Grosse I. 3S7).
-) 1*. C. IV. 154. (In derselben Zeit traten auch die russischen Offiziere
Mannstein und Grant (später Gommaudant v. Neissej in preussische Kriegs-
dienste).
s) Oeuvres IV. G.
Die europäischen Mächte in der Beurtheiluag Friedrichs d. Gr. etc. 407
die Uebereinstimmuüg der Depeschen Finckensteins mit den Erzäh-
lungen Keiths bestätigt ^).
Auf zahlreiche aus den verschiedensten Gebieten stammenden
Fragen hat Keith in den nächsten Jahren Auskunft gegeben. Von
seiner Hand rührt der Entwurf eines Feldzugplanes der Schweden
in Finnland her, den Friedrich während der Krisis des Jahres 1749
seiner Schwester Ulrike einsandte '^). Aber in einem wichtigen Punkte
schieden sieh die Ansichten des Königs von denen seines neuen Feld-
marschalls. Dieser der russischen Sprache mächtig hatte während
seiner Laufbahn iu Knssland die Tüchtigkeit der dortigen Soldaten zur
Genüge schätzen gelernt, drang aber mit seinen Ausführungen in
Potsdam nicht durch. Für den König blieben die russischen Truppen
eine wilde Horde von Barbaren nur zum Zerstören brauchbar, aber
nicht verwendbar in einem regulären Kampfe gegen disciplinirte
Soldaten ^).
Bei dem Ausbruche eines Krieges zwischen Preussen und Kuss-
land war die Paiteiuahme Schwedens von grosser Bedeutung. Am
29. Mai 1747 hatten Schweden uud Preussen ein zehnjähriges De-
fensivbündüis abgeschlossen, das seine Spitze nur gegen Kussland richten
konnte*). Als im Frühjahre 1749 Finnland von einem russischen
Angriffe bedroht schien, erwartete Friedrich mit Sicherlieit in den Krieg
verwickelt zu werden, sobald die Küssen die schwedische Grenze über-
schreiten würden ^). Er war verpflichtet iu diesem Falle laut Artikel 5
seines Vertrages mit einem Hülfskorps von 9000 Mann den Schweden
beizuspringen. Auf 45.000 Manu meistens Infanterie (dieselbe Zahl
wie in den Feldzügen 1742 — 43) berechnete Keith in einem „Projet
de campague" vom 30. März 1749 die Stärke des Heeres, das die
Zarin gegen Finnland aufstellen würde. In einer späteren eigenhän-
digen Denkschrift vom 12. April 1750, welche schwedischen Offizieren
vorgelegt wurde, setzte der König die Zahl der Kassen an der finn-
ländischeu Grenze auf 22 — 24000 Soldaten herunter, während der
') P. C. VI. 68 u. 244 (26. März u. 24. Sept. 1748 ebenso VII. 210 (3. Jan.
1570) u. (24. Nov. 1753),
«J P. C. VI. 472 (4. April 1749).
3) Der Ausspruch des Königs bei Varnhageu v. Ense VII. 66. ,Les Mos-
covites, mon eher, sont un tas de barbares, sont de la Canaille, dont les
troupes bien disciplinees feront facitement bon compte". Mit Unrecht macht
deshalb Masslowsky (S. 210) Keith den Vorwurf, den Wert der russischen Sol-
daten nicht gekannt zu haben.
•*) Wenck, Codex iuris gentium II. 235.
a) P. C. VI. 482 (9. April 1749 an Lehwaldt).
408 Ferdinand Wagner.
grössere Theil Her Armee, 40.000 Manu, im Kriegsfalle sich gegen
Ostpreussen wenden würde.
Dieses Memoire gibt die wahre Meinung des Königs wieder, und
nicht jener nach zwei und einem halben Jahre am 18. Dezember 1752
dem Könige Ludwig übersandte Entwurf, der die Macht der beiden
Kaiserinnen auf 280.000 Soldaten taxirt, denen Preussen nur 100-000
Mann entgegenstellen könnte. Durch einen glücklichen Zufall ist eine an
Lehwaldt unterm 3. Dezember 1753 eingesandte Tabelle der Standorte
der russischen Armee zum Theil in der vom gleichen Tage datirten De-
pesche an den Gesandten Klinggraeffen in Wien nachzuweisen. Die in
Livland, Kurland und Estland kantonirenden Regimenter setzten sich
darnach zusammen aus 23 Infanterie-, 3 Kürassier-, 2 Dragoner-, 1 Hu-
saren-, 1 Kosakenregimentern und 4000 Donschen Kosaken i). Im District
St. Petersbung lagerten 15 Infanterie- und 3 Dragonerregimenter.
Nach einer früheren Depesche Friedrichs an den Grafen Eiuckenstein
kamen für einen europäischen Krieg allein die in Finnland, Livland
und im Distrikt von St. Petersburg in Quartier liegenden Truppen,
46 Infanterie-Hegimenter, in Betracht -). Friedrich berechnete in dem
erwähnten Erlass an Lehwaldt die Stärke jedes Reiterregimentes auf
1000 Köpfe, die der Bataillone auf selten mehr als 400 Maun ^). Eine
absichtliche Täuschung Lehwaldts über die Höhe der feindlichen Streit-
macht ist völlig ausgeschlossen. In den drei Ostseeprovinzen befanden
sich also nach der von Friedrich selbst gegebenen Anweisung Ende
1753 keine 30.000 Maun Fussvolk und 11.000 Reiter (davon 5000
Kosaken). Eine Verstärkung dieses Corps im Bedarfsfalle durch einen
Theil der in Ingermannland befiudlichen Truppen und namentlich
durch Irregulaire war sehr wahrscheinlich ; aber die Rücksicht auf das
mit Preussen verbündete Schweden hätte die Kaiserin Elisabeth ge-
. nötigt ein ansehnliches Corps, namentlich bei der üeberlegenheit der
schwedischen Flotte an grossen Schlachtschiffen ^), zum Schutze St.
Petersburgs und der Küsten zurückzuhalten.
') Die russische Kavallerie zählte 3 Kürassier- und 29 Dragonerregimenter
vor dem Kriege, die Infanterie 3 üarde- und 46 Linienregimenter (Masslowsky 12).
2) P. C. V. 549 (19. Dec. 1747).
•'') P. C. X. 171. (Schon lange vor dem Kriege war die russische Kavallerie
nach dem Ausspruche Masslowskys S. 18 völlig desorganisirt. Wie weit Friedrich
darüber unterrichtet war, ist nicht zu erkennen).
*) Die für Schweden bestimmte Denkschrift v. 12. April 1750 rechnete mit
der Üeberlegenheit der schwedischen Flotte, die sich nach dem Ludwig XV. über-
reichten Memoire vom 18. Dez. 1752 im tiefen Verfalle befinden sollte. Nach
der histoire von 1746 setzte sich die schwedische Flotte aus 24 Linien- und 36
anderen Schiffen zusammen, die russische aus 12 Liiiiouscliiäen, 26 Branderu und
Die europäischen Mächte in rler Benrtheilung Friedrichs d. Gr. etc. 409
Demnach hätte im Kriegsfalle Lehwaldt in der Zeit vor 1756
eine bedeutend geringere feindliche Streitmacht zu bekämpfen gehabt,
als ihm später in der Schlacht bei Gross-Jägerndorf entgegentrat. An
Zahl zwar wären die Russen immer dem in Ostpreussen stationirten
Corps überlegen geblieben, selbst wenn letzteres, wie es im Juni 1756
geplant war, durch pommersche Regimenter verstärkt wurde. Friedrich
hielt aber eine numerische Ueberlegenheit seines Heeres im Kriegs-
fälle nicht für erforderlich. In diesem Sinne erfuhr Lehwaldt, der
mit Einschluss der Garnisonen knapp 30.000 Mann befehligte, am
26. Dezember 1756: „kann ich Euch sagen, sie (die Russen) mit
40.000 gegen Schlesien, und mit 40.000 gegen Preussen agiren werden;
da glaube ich dann, dass es Euch nicht darauf ankommen wird, ob
Ihr ein Drittel von dergleichen Volk mehr gegen Euch habt als Ihr
stark seid*.
Mit dem Abschlüsse der Westmiusterconvention gab Friedricli
den grossen Vortheil preis, den das schwedische Bündnis ihm ge-
währte: die Theiluug der russischen Kriegsmacht. Denn Frankreich
hatte nun keine Veranlassung mehr einen drohenden Einmarsch der
Russen in Deutschland durch eine schwedische Mobilmachung zu
erschweren.
Auf der andern Seite aber hatte die Kaiserin Elisabeth für eineu
Krieg gegen Preussen keine englischen Subsidien mehr zu erwarten,
die sie, nach der allgemeinen Ansicht, nicht entbehren konnte, sobald
sie eine Armee ins Ausland schickte i). Wenn Friedrich, trotzdem er
in den vier Jahren 1752—56 einem russischen Angriff mit Ruhe ent-
gegensehen konnte, jede ernstliche Verwicklung mit der Zarin zu ver-
meiden suchte, so lag der Grund in der Thatsache, dass nicht er selbst,
sondern die treuen Alliirten Frankreichs (Schweden und Polen) aus
einem gegen Russland geführten siegreichen Kriege den grössten Nutzen
gezogen hätten. Friedrich ist somit der Ansicht seines Vaters treu
geblieben, dass bei einem russischen Kriege mehr zu verlieren als zu
gewinnen sei 2). Die Ausführungen Theodor's v. Bernhardi geben
Friedrich recht, wenn er die Gegnerschaft Russlands für eine vor-
übergehende gehalten hat. Ein Feldzug gegen Preussen hatte keinen
rechten Zweck für Russland, wo viel wichtigere Aufgaben der Ausführung
harrten. Ein Erwerb Ostpreussens lag auch uicht im Interesse der
40 Galeeren, Masslowsky gibt IG kriegsbrauchbare Linienschiffe und Fregatten
an, 7 Bombardiergalirten und 42 Galeeren.
») Schaefer I. 79.
2) Koser I. 215.
Mittheilungeu XX. 27
AiQ P e r d i n a n cl W a g n e v.
herrschenden Partei, der schon der Einfluss der baltischen Provinzen
höchst unbequem war ^).
Wie Friedrich 1756 über die von ßussland drohende Gefahr ge-
dacht hat, zeigt die schon an anderer Stelle herangezogene Correspon-
denz mit dem Feldmarschall Lehwaldt. Da findet sich nichts von
Furcht und Besorgnis. In dem bedeutsamen Erlass vom 23. Juni
1756, der Lehwaldt Vollmacht über Krieg und Frieden gibt, steht
geschrieben: „So viel kann ich Euch voraussagen, dass sie die schlech-
testen Generals haben, und dass der zum Comaudo benannte General
Apraxin so schlecht wie möglich ist, sodass Ihr daher nicht viel zu
befürchten haben werdet". Ueber die Zahl der Bussen lässt sich der
Monarch an diesem Tage nicht aus, hierüber haben ihm damals sichere
Nachrichten gefehlt: „Wie Ihr aber wohl wisset, dass die Sachen von
weitem sehr viel grösser ausgeschrieben werden, als sie sind, überdeni
an der completen Zahl der Kegimenter vieles und eine grosse Anzahl
fehlet, so ist wohl zu präsumiren, dass von der angegebenen sehr
grossen Anzahl gar viel abzurechnen sein wird".
Erst fünf Wochen später, am 27. Juli, zur selben Zeit, da Friedrich
seine erste Aufrage, die über Krieg oder Frieden entscheiden sollte,
in Wien ausrichten liess, theilt er Lehwaldt etwas Positives über die
muthmassliche Stärke der russischen Armee mit: „Plan der Oester-
reicher und Bussen wäre gewiss richtig, glaubte aber nicht, dass so
stark kommen werden". „Ich glaube nicht, dass mehr wie 45.000
Mann werden haben ; denn wenn zum Klappen kommt, sie erst sehen
werden, was ihnen alles fehlen wird". „Wird au Geld, an allem
fehlen".
Die Bedeutung dieser Depesche liegt in der Gleichzeitigkeit mit
der ersten in Wien gemachten Anfrage. Sie ist ein authentisches
Zeugnis, dass die Kaiserin-Königin nach Friedrichs Meinung nur den
verhältnismässig geringen Beistand von 45.000 Bussen zu erwarten
habe. Auch darf man nicht übersehen, dass schon damals Gerüchte
von einer schweren Erkrankung der Zarin auf dem Wege über Holland
dem Könige zu Ohren gekommen waren.
Friedrich hat sich in semer vorgefassten Meinung nicht irre
machen lassen durch später einlaufende Berichte, die den russischen
Truppen viel höhere Zahlen beilegten. Sollten die Bussen wirklich
mit 80—90.000 Mann kommen, 'so waren sie zur Theilung ihrer Macht
genöthigt; Ostpreussen konnte nach Lehwaldts Bericht für eine so
grosse Zahl nicht die Subsistenzmittel aufbringen.
1) Bernhardi ȟeschicbte Russlauds" IL 2 S. 176.
Die europäischen Mächte in der Beurtheilnag Friedrichs d. Gr. etc. 411
Der König war der Ansicht, dass deshalb der Petersburger Hol'
den Uesterreicheru ein Corps direct zu Hülfe nach Schlesien senden
würde. Es sei auch nicht ausgeschlossen, dass die Russen von einem
Angrifife auf Königsberg ganz absehen und sich auf Stellung der ver-
tragsmässigen 30.000 Mann nach Mähren beschränken würden i). Für
diesen Fall gab die am 2. August 1756 dem Obercommandirenden in
Schlesien ausgefertigte Instruction die nötigen Anweisungen.
Schwerin, der ausser den 18 Garnisoubataiilonen in den Festun-
gen 26 Feldbataillone und 50 Schwadronen befehligte, werde dann
durch 15 — 20 Bataillone verstärkt werden, in den schlesischen Festun-
gen ausreicheude Besatzungen zurücklassen und mit seiner Hauptmacht
den anrückenden Russen in Polen die vernichtende Niederlage bei-
bringen. Dieser Plan Friedrichs basirte auf der Voraussetzung, dass
die Oeaterreicher bei ihrer Unkenntnis des Festungskrieges ausser
stände seien in der Zwischenzeit sich der schlesischen Festungen zu
bemächtigen.
Auch nach dem Einmarsch in Sachsen hat Friedrich, wenn die
Russen überhaupt kommen sollten, eine Theiluug ihres Heeres er-
wartet. Nach einer Depesche vom 24. September 1756 werde der
Petersburger Hof höchstens 30 — 40.000 Mann gegen Ostpreussen
senden und ausserdem mit einem Corps von etwa 30.000 den Oester-
reichern direct zu Hülfe kommen. Der Feldmarschall Lehwaldt be-
fehligte im Herbste 1756 in Ostpreussen 4 Grenadier-, 10 Musketier-
und 10 Garnisonbataillone, ein Landregiment und 50 Schwadronen
Reiterei. Nach dem Willen des Königs sollten die beiden ostpreussi-
schen Garuisouregimenter Sydow und Manteuffel — jedes auf 4 Ba-
tailloue verstärkt — von Anfang an als Feldtruppen verwandt und
deshalb mit Zelten ausgerüstet werden '^). Im Ganzen standen unter
Lehwaldt, das hinterpommersche Corps (4 Infanterieregimenter, 3 Gre-
nadierbataillone, 15 Schwadronen) eingerechnet, 36.000 Mann, fast
sämmtlich für den Feldkrieg verfügbar 3). Mit dieser Zahl war der
Feldmarschall jedem Angriff der Russen gewachsen, so lange letztere
nur mit getheilter Macht gegen Ostpreussen vorrückten.
Friedrich ist damals der festen Ueberzeugung gewesen, dass es
kaum zu einem Zusammenstosse mit den Russen kommen werde.
*) Es ist wohl zu bemerken, dass Friedrich vor dem Einmärsche in Sachsen
an Lehwaldt in diesem Sinne geschrieben hat. Die in Dresden vorgefundenen
Akten überzeugten ihn, dass in Wirklichkeit Russland zu einem Beistande von
60.000 Mann verpflichtet war, anstatt 30.000, wie Friedrich irrthümlich glaubte.
2) P. C. XII. 450 u. XIII. 255 (23. Juni u. 21. Aug. 56).
3) Mindestens 8000 Mann mehr, als Max Lehmann S. 75 angiebt.
27*
412 F e r d i n a n d W a g n e r.
Diese zwang der Geldmangel es nicht gänzlich mit den Engländern
zn verderben.
Am Vorabend des Ausmarsches, am 25. August 1756, erfährt der
Feldmarschall: „zwar ist es an dem, dass jetzo die Aktieu derer Engel-
länger an den petersburger Hof zu steigen anfangen und sie mehr
Credit bekommen", an ein Bündnis mit Kussland sei allerdings noch
nicht zu denken. Aber deutlich zeigt ein anderer Zwischenfall die
Ansicht des Monarchen. Der schwedische Obrist Graf Hörn hatte sich
im September 1756 auf der Durchreise in Königsberg gegen den
Feldmarschall Lehwaldt geäussert: „dass die Küssen iucapable
wären was anzufungeu, sowohl wegen des innerlichen Zustandes als
der Finanzen halber". Die Antwort Friedrichs lautete: „Was Euch
aber der Graf Hörn bei seiner Durchreise gesagt hat, solches ist gewiss
richtig, wie ich andere Meine gleichstimmende Nachrichten habe ^).
In der Apologie de ma conduite politique gesteht der König offen
seinen Irrthum über Kusslaud ein: „D'autres uouvelles particulieres
confirmaient la disette d'argeiit, oü Ton se trouvait ä Petersbourg, de
Sorte que toutes les probabilites me portaient ä croire, que la Kussie
suivrait aveuglement le parti des Auglais du moins qu'eile ne se
drclarerait point coutre les allies du roi de la Grande-Bretagne''.
Auch andere über Kussland gut unterrichtete Persönlichkeiten
irrten sich in der Wertschätzung des russischen Heeres. Der preussische
General Manstem hat sehr scharf den nach der Thronbesteigung Eli-
sabeths erzwungenen Au&tritt der fremdländischen Offiziere, der die
Organisation der Armee zerrüttet habe, verurtheilt. Bitter klagte der
Botschafter Oesterreichs am Petersburger Hofe, Esterhazy, üljer den
Mangel an tüchtigen Offizieren. Der russische Oberbefehlshaber
Apraxin sei ein träger Schlemmer, aus bösem Willen und mit Absicht
habe er die Operationen zu hintertreiben gesucht. Die Legende, dass
Apraxin sich durch niedrige Beweggründe im Jahre 1756 auf 1757
habe leiten lassen, ist durch das Werk Masslowskys „der 7jährige
Krieg nach russischer Darstellung" zerstört worden, aber gleichzeitig
wird das Vorhandensein aller jener Uebelstände bestätigt, die wir in
den Aeusserungen Friedrichs des Grossen finden ^). Dieser hatte vor
zwei Jahren die Stärke eines russischen Infanterieregiments zu 3 Ba-
taillonen m;r auf 1200 Mann geschätzt. Wirklich hat beim Aus-
bruch des Krieges der Stand mancher Keginienter diese Zahl nicht
überschritten. Der General Fermor giebt den Bestand der 7 Infanterie-
') P. 0. XIII. 448 (24. Sept. 5G).
") Grosse Parteilichkeit ist Masslowsky nicht abzusprechen. (Iiumich, die
Schlacht bei Zorndorf S. 1:59).
i
Die europäischen Mächte in der Beurtheilung Friedrichs d. Gr. etc. 413
Eegimenter, deren Commando er in Liebau im Juni 1757 übernalim, auf
32 Stabsoffiziere und 8281 Mann (Gesunde) an. Das ganze zur Er-
oberung Memels bestimmte Corps war statt 27.000 nur 16.000 Mann
stark 1). Die Ziffern der Hauptarmee unter Apraxiu lauteten
günstiger. Das Manko bei den Infanterie-Kegimeutern belief sich im
Durchschnitt auf 280 Mann -). Das Bataillon zählte demnach über
500 Kombattanten, besass also die gleiche Stärke wie im schwedischen
Kriege 1742 — 43 ^). Die 36 Infanterie-Regimenter (davon 4 Grenadier)
Apraxiiis hatten anstatt der 82.076 Mann des Etats zusammen eine
Stärke von 71.947 mit Einschluss von 20.000 Rekruten. Höchst
mangelhaft (namentlich an Pferdematerial) war die reguläre Cavallerie
ausgerüstet, nicht mehr als 7000 Berittene zählten die Reiter-Regi-
menter Apraxins im Sommer 1757 *). Die allgemeine Desorganisation
wurde durch die Aufstellung eines Eeservecorps unter Schuwalow
vermehrt, zu dessen Bildung jedes Regiment im Innern 420 Manu
abgeben musste. Aus den Reihen der Garnisonregimenter konnten
nur 7 — 8000 Soldaten zur Ausfüllung der Lücken in der Feldarmee
entnommen werden, der Rest zeigte sich als völlig unbrauchbar zum
Kriegsdienste 5). Sehr fühlbar machte sich in der ersten Zeit des
Krieges der Geldmangel, im Oktober 1756 war der Sold von vier Monaten
rückständig *=). Apraxin sollte alle Requisitionen in Polen bar bezahlen,
erhielt aber nur ganz ungenügende Gelder 7). Unter diesen Umständen
sind schwere Excesse von Seiten der Russen in Polen an der Tages-
ordnung gewesen. „Nous dissimulons, klagt Bernis am 10. September
1757 dem späteren Herzoge von Choiseuil, une infinite' de plaintes que
le peu de discipline de ses troupes (Russlands) excite avec raison eu
Pologne" 8). Die eingehende Schilderung Masslowskys bestätigt vollauf
Friedrichs Ausspruch vom Juli 1756: »Es wird an Geld, au allem
fehlen" »).
Dass trotzdem die russische Armee im Sommer 1757 in Ost-
preussen eingedrungen ist, lag an der unglücklichen Wahl des preussi-
schen Obercommandirenden, des Feldmarschall Lehwaldt, der hoch-
1) Masslowskj' 161.
2) Masslowsky 13.
s) Manstein 461.
*) Masslowsky S. 51.
5) Masslowsky S. 50.
6) Masslowsky S. 123.
') Masslowsky S. 122.
8) Filon: ,L' ambassade de Choiseuil* S. 98.
s) An Lehwaldt 27. Juli 1756.
414 F e r d i n a n d W a g n e r.
betagt seiner Stellung' nicht mehr gewachsen war. Mit dem Verbote,
keiue Offcusive gegen die Russen in Kurland zu ergreifen, war nicht
der Befehl verbunden, jedes Betreten polnischen Gebietes zu ver-
meiden 1). Friedrich hat erwartet, dass Lehwaldt durch die Weg-
nahme der russischen Magazine in Kowno u. s. w., nach russischen
und deutschen 2) Quellen im Frühjahre 1757 wohl ausführ-
bar, den feindlichen Aufmarsch erschwert, weun nicht ganz ver-
hindert haben würde. Wie wenig Lehwaldt auf die ihm vor Ausbruch
des Krieges zuergaugeneu Instructionen eingegangen ist, zeigt ein könig-
liches Schreiben vom 11. Juli 1757': „Weun ich gleich anfänglich
in Preusseu gewesen wäre, so wäi*e ich in Polen gegangen und
hätte dem Apraxin seine Magazine weggenommen oder derangirt, es
möchte gut oder übel genommen worden sein, denn sie einmal von
einem declarirten Feind bestellet wareu, der mir dadurch Schaden
zuzufügen iutendirte".
Das russische Heer hat nach gewonnener Schlacht wegen Mangel
an allen Subsistenzmitteln im Herbste 1757 Osstpreussen wieder ver-
lassen. Die nationale Einheit von Offiziercorps und Soldaten be-
wahrte es damals, wie nach Zorndorf, vor völliger Auflösung, denn die
Rekruten der Feld- und Garnison regimenter wurden nur den 10 gross-
russischen Gouvernements entnommen. Deshalb blieb das Grundübel
aller derzeitigen Heere, die Desertion, den russischen Fahnen fern.
Diese Vorzüo;e des Heerwesens trotz der Mahnungen Keiths nicht
richtig erkannt zu haben, bleibt der einzige Vorwurf, der Friedrich
bei seiner sonst so zutreffenden Beurtheilung gemacht werden kann.
Die Niederlage bei Gross-Jägerndorf ist Lehwaldt nicht nach-
getragen worden, ein Beweis mehr, dass der König die Vei-antwortung
für die in Ostpreussen geschehenen Ereignisse auf sich genommen hat.
Auf die Länge der Zeit hätte nach einer Aeusserung der Histoire de
la guerre de sept ans, auch ein Prinz Eugen mit den 25.000 Soldaten
Lehwaldts den 100.000 Russen nicht standhalten können ^).
Der Winterfeldzug der Schweden nöthigte Friedrich die Truppen
Lehwaldts aus Ostpreussen abzurufen, worauf wider Erwarten mitten
im Winter ein Corps von 34.000 Russen vom Lande Besitz ergriffe).
Die ostpreussischen Regimenter würden aber im ferneren Gang des
Krieges und namentlich bei Zorudorf ganz anders den an sie ge-
') P. C. XI[I. 187 (7. Aug. 1756).
-) Gesch. d. 7jährigen Krieges I. 347.
3) Oeuvres IV. 173.
^j^Miisslowsky II. ö. 31.
Die europäischen Mächte in der Benrtheilung Friedrichs d. Gr. etc. 4|5
stellten Anforderungen nachgekommen sein, wenn nicht der Tag von
Gross-Jägerndorf ihren inneren Halt erschüttert hätte.
IL England und Frankreich.
Die geographische Lage Preussens nöthigte seine Fürsten An-
schluss au andere Staaten zu suchen: „ä cause de ce grand voisinage,
sagt die Histoire von 1746 ^), et de 1' eparpillement de ses provinces
eile (Preussen) ne peut agir sans l'alliance de la France ou de l'An-
gleterre". In der Redaction von 1775 blieb diese Bemerkung in etwas
veränderter Fassung stehen: „La Prusse ne pouvait agir alors qu'en
s'epaulant de la France ou de 1' Angleterre".
Nach dem Dresdner Frieden gab Friedrich unbedenklich der
französischen Monarchie wenigstens auf dem Festlande den Vorrang ^).
Die grossen Missstände im Innern Frankreichs und die ungerechte
Vertheilung der Abgaben, die namentlich die Provinzen bedrückten,
beeinflussten Friedrichs Ansicht keineswegs; mochten die Zustände im
Laude sehr viel zu wünschen übrig lassen, nach aussen war Frank-
reich die erste Macht Europas ^). Ueber England, dessen Sprache er
unkundig war, ist er nicht in gleicher Weise unterrichtet gewesen, wie
über die Verhältnisse des ibm persönlich sympathischen FjL-ankreichs.
In der Histoire von 174G fehlt jede Angabe über die Höhe der eng-
lischen Staatseinnahmen ; da Friedrich sonst bei allen europäischen
Staaten die Einkünfte nennt, so ist daraus der Sehluss zu ziehen,
dass er über die Finanzen Englands im Herbste 1746 nicht orientirt
gewesen ist. Erst die Kedaktion von 1775 füllt diese Lücke mit
24 Millionen Thalern und dem bezeichnenden Zusätze aus, England
hätte daneben „une ressource immense dans la bourse des particuliers
et dans la facilite de lever des impots sur des sujets opulents". Trotz
der grossen Reichthümer und unerschöpflichen Hülfsquellen der Nation
schien England 1746 nicht den ihm gebührenden Rang in Europa
einzunehmen. Friedrichs Urtheil fasst der Satz der Histoire von 1746
zusammen: „La Situation de ces insulaires les rend formidables sur
les mers, il semble que ce soit leur empire".
Der Aachener Friede änderte fürs erste nichts an der von Friedrich
in der Histoire von 1746 vertretenen Meinung. Der österreichische
Erbfolgekrieg hatte die Finanzen beider Westmächte auf das äusserste
erschöpft. Nach den Friedensschlüssen von Utrecht und Rastatt hatte
Frankreich 20 Jahre der Ruhe bedurft, um die Wunden des vorher-
ij S. 209.
2) Eist. V. 1746, S. 206.
•'') Hist. V. 1746, S. 169.
^■j^ß Ferdinand Wagner
gegangenen Krieges zu verwinden i). Wenn nur ein tüchtiger Premier-
minister in Versailles di» ausschliessliche Leitung in die Hand nehmen
würde, wäre nach Ansicht Chambriers nach i748 ein viel geringerer
Zeitraum zur Reorganisation des Heeres und des Staatsschatzes er-
forderlich 2). Geld war nach dem Gutachten jenes Gesandten genug
im Lande, nur nicht in den Händen der Regierung; die Macht der
Krone sei aber so gross, dass der Monarch im Nothfalle nach dem
von Ludwig XIV. 1700 gegebenen Beispiele durch einen Staatsstreich
die Ziuszahlungen suspeudiren könne, ein Gewaltact, den in England
die parlamentarische Regierung unbedingt ausschloss 3). Ueber das
damalige Frankreich spricht sich das Testament von 1752 folgender-
massen aus: „Malgre ces abus, la France est le royaume le plus puis-
sant de l'Europe" und „La France est uu de nos plus puissants allies".
Aus welchen Gründen sich Friedrich 4 Jahre später von der franzö-
sischen Allianz losgesagt hat, habe ich an anderer Stelle zu schildern
versucht ^).
Ungeachtet der wenig erfreulichen persönlichen Beziehungen zu
Georg IL befürchtete Friedrich dennoch keine ernste Gegnerschaft von
Eno-land. Aus der iu London durchgeführten Reduction der Zinsen
folgerte der Köuig mit Recht eine tiefe Erschöpfung der Finanzen,
über die ihn sein dort accreditirter Gesandter Khnggraeffen näher
unterrichten musste. Aus seiner Annahme, das englische Volk sei
kriegsmüde, und der König durch das frühzeitige Ableben des Prinzen
V. Wales in seiner auswärtigen Politik zur Mässiguug ermahnt, er-
klärt sich zum guten Theile Friedrichs Beharren auf eine Entschädi-
gung für seine durch englische Kaper im letzten Kriege geschädigten
Unterthanen. Als in dieser Frage die Minister Podewils und Fiuckenstein
Vorstellungen machten über die Form der nach London gerichteten
Schriftstücke, und auf die von England geleistete Garantie Schlesiens
hinwiesen, erfolgte die köuigliche Resolution: „Was werde Ich Mich
jemalen vor Staat auf die englische Garantie machen können, wenn
der Gas existiren sollte, und kaun der Aigreur grösser werden, als
solcher von Seite des Königs von Engelland schon gegen mich ist?" °)
Dieses scharfe ürtheil hat Friedrich aber nicht von dem Versuch ab-
1) Histoire v. 1746, S. 167.
2) P. C. VI. 237.
s) P. C. VII. 349 (Bericht Chambrier 10. April 1750).
■») .Friedrichs des Grossen Beziehungen zu Frankreich und der Beginn des
siebenjährigen Krieges*.
£>) P. C. Vlll. 541 (-17. Nov. 1751).
Die europäischen Mächte in der Benrtheilung Friedrichs d. Gr. etc. 4^7
gehalten, seine Streitpunkte mit der englischen Krone gütlich aus-
zugleichen, die nie das Objekt eines Krieges wert seien ^).
Höchst bemerkenswert für das Verständnis des Westminster-
vertrages ist eine Anfrage, die der König am 23. October 1753 an
seinen Vertreter Michell in London richtete; also zu einer Zeit, wo er
durch Nachrichten über einen englich-russischen Suhäidienvertrao;
beunruhigt wurde. Der König ist unsicher, ob die Engländer so be-
deutende Summen, wie sie Kussland verlangte, auch wirklich zahlen
könnten: „car, si je suis bien informe de l'etat actuel des finances de
r Angleterre, la nation est encore chargee des tous les memes impots,
qu' on lui a fait payer du temps de la derniere guerre contre la France
et r Espagne, et la somme des dettes de la nation ne s' est presque
pas amoindrie depuis la paix faite!" 2)
König Friedrich hatte auf Grund der übereinstimmenden Gutachten
Klinggraeffens und Michells in den Jahren 1749 bis 1755 sich ein
sehr ungünstiges Bild von den wirtschaftlichen Zuständen im eng-
lischen Volke gemacht ^). Ohne den nöthigen Credit bei der Nation,
war die Regierung ausser stände im Kriegsfalle Russland und Oester-
reich ausreichend zu unterstützen. Noch im Frühjahre 1754 hat ihn
sein Geschäftsträger Michell in der vorgefassten Meinung bestärkt *).
Es ist deshalb nicht wunderbar, dass der König; beim Beginn des
englisch- französischen Coloniekrieges nicht ohne weiteres auf die ent-
gegengesetzte Ansicht Michells einging, als dieser auf einmal die Fi-
nanzen Englands in ganz anderem Lichte beurtheilte. Dem Könige
blieb es ein Räthsel, aus welcher Quelle die Engländer die Gelder
schöpften für die neu eingegangenen Subsidienverträge mit mehreren
deutschen Staaten und namentlich mit Russland, Nach seiner Ueber-
zeugung konnte das Inselreich nicht mehr als vier Feldzüge führen,
jeden zu 20 — 25 Millionen Thaler gerechnet, da eine Vermehrung
der hohen Staatsschuld nur noch um 20 Millionen Pfund Sterling
zulässig sei.
Diese Ausführungen Friedrichs widerlegte Michell unterm
15. August 1755: „Comme il parait, par les reflexious que votre
Majeste fait, qu'Elle n'a pas une idee exacte des finances et des res-
sources de ce pays-ci, j'aurai soin de Lui envoyer un memoire
detaille lä-dessus". Der Nationalreich thum Englands sei in der
kurzen Friedenszeit in einer Weise gestiegen, dass dem Lande noch
») P. C. IX. 4 (24. April 1753 an Michell).
2) P. C. IX. 132.
') Siehe auch Droysen V. 5. S. 69.
*) P. C. X. 271.
41g F e r d i 11 a n d W a g n e r.
grössere Lasten auferlegt werden könnten, als während des letzten
Krieges. Auch habe sich die englische Staatsschuld seit dem Aachener
Frieden um 4 — 5 Millionen Pfund Sterling vermindert i).
Die Antwort Friedrichs ist ein deutlicher Beweis, wie schwer er
sich von der vorgefassten Meinung losriss, die sein bisheriges Ver-
halten England gegenüber bestimmt hatte. „Car, pour ne pas vous
dissimuler ce que j'en pense", schreibt er am 26. August 1755, „je
ne comprends pas d'oü l'Augleterre peut avoir tire tant de richesses
peudant Tintervalle du temps de la paix d' Aix-La-Chapelle, s'etant
epuisee au poiut par la derniere guerre en fouds, que la Regence se
vit obligee de recourir aux moyens les plus extraordinaires pour
fouruir aux frais de la guerre".
Hier, wo der König selbst Belehrung sucht, bleibt jede Täuschung
des Gesandten ausgeschlossen. Seinen Worten ist in Potsdam Glauben
geschenkt worden, denn sonst hätte Friedrich nicht in einem Momente,
wo ihm die Wahl zwischen England und Frankreich freistand, die
Westminsterkonvention abgeschlossen.
Meines Erachtens erklären sich ferner aus dem Glauben des Königs
an eine längere Inferiorität Englands in der europäischen Politik nach
dem Aachener Frieden die Weisungen des am 27. August 1752 ab-
gefassteu Testamentes. Der Abschnitt des Testamentes, in welchem
Friedrich von der Zukunft seines Hauses redet, ist mit „Reveries po-
litiques" überschrieben. In Verbindung mit den einleitenden Worten
erweckt diese üeberschrift in der That den Eindruck, als hätten wir
es mir mit „chimärischen Projecten" zu thun. Friedrichs Gedanke,
in einem siegreichen Kriege gegen Oesterreich Böhmen zu erobern
und dann Sachsen gegen Böhmen einzutauschen, ist mit so vielen Vor-
aussetzungen verknüpft, dass danach die Ausführung fast unmöglich
für seinen Nachfolger erscheint. Sind nun diese Klauseln aus der
Luft gegriffen oder basirt der betreffende Abschnitt auf den damaligen
politischen Zuständen? Die Eroberung Böhmens zu Gunsten Karl
Alberts hatte im Jahre 1744 Friedrich zu einer Schilderhebung ver-
anlasst. Seine Entschädigung sollte die Abtretung der Kreise König-
grätz, Bunzlau und Leitmeritz mit dem Laufe der Elbe als Grenze sein ^).
Viel grösser und gefährlicher war der vom politischen Testamente
geforderte Umtausch Böhmens gegen Sachsen, wenn auch die Ver-
pflanzung des lothringischen Herrscherhauses nach Toskana die Mög-
lichkeit der Ausführung; eines derartigen Planes, auch gegen den Willen
') Auch Ranke 30. 121 betont, dass Michell freiuiütbig und .ohne Servilität
Friedrich bedient habe.
2) P. C. lll. 43 u. 80 (11. April 1744).
Die euiopSiscLen Mächte in der Benrtheilnng- Friedrichs d. Gr. etc. 410
der Bevölkerung, erwiesen hatte. Nach E. Kosers Excerpten ist die
Einverleibung Sachsens im Testamente von 1752 an folgende Voraus-
setzungen gebunden: „Les points principaux seraient- que la Russie et
la Reine de Hongrie eussent ä soutenir une guerre contre le Türe,
la France et le roi de Sardaigue" ; an einer anderen Stelle bezeichnet
Friedrich gar als Vorbedingungen für eine kriegerische Aktionspolitik
Preussens, den Sturz Bestuschews in Russlaud, Gewinnung seines Nach-
folgers, einen Soliraan auf dem Thron von Constantinopel, eine Mino-
rennitätsregierung in England, einen ehrgeizigen und allmächtigen Pre-
mierminister in Frankreich i) „Alors et dans un arrangement pareil
des affaires il est temps d'agir, quoiqu'il n'est pas necessaire de
paraitre des premiers sur la seene*.
Es ist dem Thronerben also nicht verboten, als erster loszu-
schlagen, es wird nur als wünschenswerter bezeichnet den Ausbruch
des Krieges abzuwarten. Dies befolgte Friedrich selbst 1756 und
marschirte erst in Sachsen ein, nachdem die Westmächte in den
europäischen Gewässern und auf der Insel Minorka die Feindseligkeiten
eröffnet hatten.
Alle diese im Testamente erwähnten Voraussetzungen gehen aus
den damaligen Zuständen Europas hervor. Der Ausbruch eines neuen
Krieges lag bei dem vielen Zündstoffe in der Luft (, comme nous puissious
nous attendre de la guerre"). Eine friedliche Lösung der polnischen
Thronfolge schien ebenfalls nach dem Testamente von 1752 ausge-
schlossen. Drei Jahre früher wäre das uugerüstete Preussen fast um
Haaresbreite wegen Schweden in einen Krieg mit Russland verwickelt
worden. Damals fand die Idee des französischen Ministers Puysieulx,
durch einen Angriff der Türken auf Russland dieses von einer weiteren
Einmischung in die schwedischen Thi onstreitigkeiten abzulenken, den
Beifall Friedrichs. „Cela est tout egal pour nous, que les Turcs atta-
quent la Russie ou la reine de Hongrie" -). Es ist deshalb nicht be-
fremdend, wenn das Testament von 1752 in die Vorbedingungen für
den Erwerb Sachsens einen Krieg der Osmanen gegen die beiden
Kaiserinnen einschliesst, namentlich da in Potsdam während der
Niederschrift des Testamentes Berichte von einem bevorstehenden
') Bei Ranke etwas anders: »Da müsste erst Bestuschew in Russland ge-
storben, und England, von dem derselbe unterstützt wird, in die Unruhen einer
vormundschaftlichen Regierung verwickelt sein ; ein Soliman müsste in Constanti-
nopel regieren, und ein erster Minister, ehrgeizig und allgewaltig, in Frankreich
Meister sein*.
'■') P. C. VI. 414 (8. März .1749).
420 Ferdinand Wagner.
Thronwechsel in Constantinopel einliefen, welcher Hoffnung auf einen
neuen kriegerischen Sultan wachrief i).
Die auswärtige Politik Frankreichs trug 1752 noch den offen-
siven Charakter der vorhergegangenen Jahre. Der Huuptratgeber
Ludwigs XV., der Herzog von Noailles, förderte nach Kräften ein
enges Bündnis mit dem Könige von Sardinien. Noailles, der keine
lebhaften Sympathien für den König von Preussen empfand 2), sprach
gegen dessen Gesandten Chambrier den Wunsch aus, Savoyen und
damit die Alpen als Grenze für Frankreich zu gewinnen. Der Turiner
Hof werde auf Kosten Oesterreichs in der Lombardei ausreichende
Entschädigung finden •^).
Nicht aus der Luft gegrifien hat also Friedrich in seinem Testa-
mente einen Krieg Frankreichs mit Unterstützung Sardiniens und der
Türkei gegen die beiden Kaiserinnen. Dass Friedrich das Eintreffen
günstiger Konjuucturen zur Eroberung Sachsens in den nächsten
Jahren für nicht so aussichtslos ansah, als es für uns, die wir die
Geschichte des 18. Jahrhunderts im Zusammenhange übersehen, den
Anschein hat, zeigt deutlich die eine Vorbedingung: die Minorennitäts-
regierung in England. Der Prinz von Wales war am 31. März 1751
gestorben; sein ältester Sohn, der Thronerbe, war am 4. Juni 1738
geboren. Bei dem schlechten Gesundheitszustande Georgs IL ^) war
ein Thronwechsel nicht unwahrscheinlich. Ein Friedensbruch musste
unter diesen Umständen, wie sich Friedrich 1753 einmal äusserte,
Georg IL recht unangenehm sein, da ein Krieg während einer Mino-
rennitätsregirung leicht die Fortdauer des Hauses Hannover in Eng-
land gefährden konnte ^). Was für Verwicklungen in England der
König gemeint hat, lässt sich nicht erkennen; vielleicht eine neue
Erhebung der Jakobiner c). Wir sind aber berechtigt, aus allem die
Folgerung zu ziehen : die Weisungen und Vorschriften des Testamentes
behaupten nur für die nächsten Jahre ihre Gültigkeit, denn Friedrich
wird seinen Nachfolger nicht auf Eintreffen von Ereignissen haben
verweisen wollen, die, wie die Möglichkeit einer minderjährigen Kegie-
rung in England, vielleicht erst nach Jahrhunderten wieder einmal vor-
gekommen wären. Die Westminsterkonvention warf alle jene Be-
dingungen der „Reveries politiques" über den Haufen. Weder an
») P. C. IX. 196 (15. Aug. an Michell).
2) P. C. VIU. 440 (24. Aug. 1751).
3) P. C. VIII. 78 (12. Sept. 1750).
") Verschiedene Aufragen an Michell P. C. VIII. 78. n. 577 IX. 3()3 (6. März 1753).
5) P. C. IX. 449 (an Klinggraeffen 17. Juni 1753).
") R. Koser im Historischen Taschenbuch 1883 S. 237.
Ke eo; ■ EkJorÖSÄxi-miiif Frieiäxidß* d. Gr. «te, 421
2i*Tnng in Loiidoii xto^li an eir- _-sa
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2- September 1756 lässt ihm FrkdTiefe ein G-eseiföiik: Toa 1
T'::i'.^r:i .: '-lit ein VerBäamnis des JaLres i7-i>>,
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maelien-. Eintä n- .in. C-onsiantin-Opel bedarfe es scaeäi
nieht mehr, F»Tn ferneres Kand in Hand gdbea des sseh der Tlrkei
' _ rlrs- d«is HsGi.<t2nani3s Tarenae- mit
^ ;- in 1/jn.dcfn und in St. Pe^Ts'o'iirg
. i.:iöticrerweiäe Terstinimt. Deshalb wird der beabäehtigte Aiifenthali
- 'antinopel der Einwüiig'ing des Cabines ron St JazSiS
. _ .;-:-. Unendüeh rereiniaciit haiKn iieh dureii das enar-
..-. ._•; :. is alle jene Klauseln- mit dsnen die .B/ererigs pjiiizqTies"
die Erobeniiig Sachsens mn^eben hstte. ATHrrt Twit der emzägen
■" " ' - - - . -^ - -_^ ,^.^ ^ ]_^ eC'Tdjns de la bo^r^Ä:)
_ ., __.i an der Tkin^i grSJizIieii isjürt tmd
erwartete in den ersten Monaten des Jahres IT-V; wegen seäa» Koe-
"^rr.r; ._ :_.: England '=«:'Tgfäiti2 wird däs Wort .AlBanz" Tersöedea
i'—c::^ ■'-■Zellen Braeh nur Frankreieh. ,5dn€ 'iamalige Intention
war. Ton den beiden Miehten die eine för siek. die ajidere nisLi gegen
sieh zu haben, eiae Politik, doreh' die ä^ da- öss^rreieüäiefce Staais-
l'i^i-zler in jeder Bewesunz sehemmi fühlte- ^L E^ Satz des Tessa-
:_r:,:e5 Ton ITo^: -I^äM Frankreieii eine Wiederari'C'^ring 5«££lesi£iL:
nicht begünstigen noeh dolden könne, weü Öesierreieh tIittj dadiireüi
zn stark werden würde- ' . iiÄt bis zom Sc'mmer 1T56 bei Friediieii
na^'rhgewirki : er wie aneh <iie Diplomaien propnezeiten dem Venrage
vom 1. Mai 1756 bei der GrtmdTers*üe»ienlieii i«^ Inicse^en der
^-Tozei. Frankreieh und *JesterTeieh Eeinefl längen Be^tiait«!.
^ Oesrres IV. 19. (Fösdrä^ si^ad «irrt seiiiiSM ürüiiÄ aier dje Kiasiffii'efc-
* der rGssiäet'^i yEmster niciit 3i."!1if^-ri jelsaqu-r »^^"vieie qn'ils erC'Tesn r^sir?
---^- tm. päTeüneaiS päiticoIieT* iIä<2T Bermis Tüüiersü 10- s^ist. 1757 diCTo. Mesxcs^
T. Lüoisesl!.
^ P. C Xn. 470 ^. JTEsi ITäS^-
») Baute 3»5. 1^.
«» EäJiVe :3iO- HS.
422 Ferdinand Wagner.
Der endlich auch öfFentiich erfolgte Bruch der beiden Westmächte
ist das grosse Ereignis des Sommers 175G gewesen. Niemand in
Europa, am wenigsten Friedrich, hatte einen Erfolg der französischen
Waffen und einen so glänzenden Abschluss der Belagerung von Mi-
norka erwartet. Das Misslingen dieser Expedition hätte die Franzosen
genötigt den Krieg in Deutschland zu eröffnen; jetzt schien Frank-
reich nach sehr glück verheissenden Aufäugen Gefallen am Seekriege
zu finden. Die unerwarteten Siege im Mittelmeere machten den Ad-
miral Gallisoniere zum populärsten Manne Frankreichs. Eifrig wurde
der Bau neuer Kriegsschiffe belördert, die ganze Bevölkerung be-
schäftigte sich mit Angriffsplänen auf die englischen Küsten. Mochte
Friedrich alle derartigen Vorbereitungen für zwecklos halten, sie be-
wirkten eine Verzettlung des grössten Theils der französischen Armee.
Es standen am atlantischen Ozean in 9 Lagern nicht weniger als
97 Bataillone Infanterie (die ältesten und angesehensten Regimenter)
und 44 Schwadronen i), 30 Bataillone hielten Ende Juni Minorca be-
setzt 2), ein ansehnliches Eeservecorps befand sich in der Provence.
Nach Knjphausens Berechnung beanspruchte die Deckung der Küsten
160 Bataillone ausser den aufgebotenen Milizen '^). Der Eest des
französischen Heeres, von dem die iin iVühling 1755 nach Kanada
detachirteu G Bataillone abzuziehen sind, war zur Besetzung der Grenz-
festungen und zur Aufrechterhaltung der Ordnung im Innern nicht
zu entbehren ^).
Durch die wiederholten Versicherungen seines Pariser Gesandten
war Friedrich zur Annahme gelangt, dass die grossen Rüstungen zur
See und die Behauptung der Kolonien alle Kräfte F'rankreichs auf-
zehren würden, und es für Oesterreich bei der schweren Schuldenlast
und der von Abgaben bedrückten Bevölkerung im Kriegsfälle kaum
den vertragsmässigen Beistand leiaten könnte.
Nur einmal erwähnt Knjphausen, dass Ludwig XV. ausreichende
Mittel besässe den Krieg mit England bis 1759 — 60 zu führen und ausser-
dem seinen Verbündeten mit bedeutenden Summen beizuspringeu ; von
einer activen Betheiligung der Franzosen am deutschen Kriege spricht er
nicht. Die weitläufigen Auseinandersetzungen seiner Depesche vom 25. Juni
') Pajol VI. 416 und folgende.
-') Pajol VI. 6.
•■') Knvpliausen 26. Juni 175G (St. A. Berlin).
^) Frankreich hatte 1749 ausser der Garde 80 französische Regimenter In-
fanterie (1G8 Bataillone), mit Einschluss der fremden Regimenter etwa 210 Ba-
taillone (Pajol IV. 5 und VII. 75)
Die europäischen Mächte in der Beurtheilung Friedrichs d. Gr. etc. 423
1756 über die verschiedenen Finanzprojecte des französischen Ministe-
riums erschienen Friedrich nicht glaubhaft. Er erwidert daher am
6. Juli: „Je crois que les inpots qu'on mettra sur le peuple dans les
provinces, ne se soutiendront guere, parce cj^ue les gens y sont dejä
surcharges et epuises des impots, en sorte qu'il sera bien difticile de
tirer pendant deux ans de ces pauvres gens le secours qu'on s'en
promet". Diese Anschauung Friedrichs beruhte hauptsächlich auf den
pessimistisch gefärbten Erzählungen des frühereu Gesandten in Paris,
des Lord Marschall, gegen die Knyphausen ohne Erfolg opponirt
hatte 1), Aber weder der König noch sein Gesandter haben geahnt,
dass der Hof von Versailles im folgenden Jahre ungeachtet des See-
krieges den grössten Theil seiner Macht zu Gunsten Oesterreichs ver-
wenden würde.
Erst die Ereignisse nach Ausbruch des Krieges brachten Friedrich
zur Erkenntnis seines Irrthums, andernfalls wäre der Frankreich behan-
delnde Abschnitt der Apologie de nia conduite politique einfach un-
verständlich 2). „Comment pouvais-je deviner, schrieb Friedrich
nach der Koliner Schlacht, que la France enverrait cent cinquante
mille hommes dans 1' Empire? comment pouvais-je deviner, que cet
Empire se declarerait, que la Suede se melerait de cette guerre, que
la France payerait des subsides ä la Russie". Mit Nachdruck wird
hervorgehoben: „Par les traites, la France n'etait obligee d' assister
la reine de Hongrie que par un secours de vingt-quatre mille hommes".
Die im Dezember 1756 mit Winterfeldt geführte Correspoudenz be-
stätigt, dass <1er König anfänglich in der That keine grössere Be-
theiligung der Franzosen am Landkriege vermuthet hat, als die Apo-
logie angibt, denn auf das empfindlichste störten ihn damals in seinen
militärischen Anordnungen die von den französischen Rüstungen ein-
laufenden Meldungen; dies wäre nicht der Fall gewesen, wenn er von
Anfang an auf die Theiluahme einer gros.^en französischen Armee ge-
zählt hätte.
Aber auch nach der Koliner Schlacht verliess ihn nicht der Glaube,
dass sehr bald die allgemeine Erschöpfung der Gegner dem Kriege
ein Ende machen müsse. Hätte er schon damals eine längere Dauer
des Krieges vorausgesehen, so würde er seine Kräfte in den eisten
Jahren viel mehr geschont und vielleicht den Feldzugsplan von 1758
anders gestaltet haben.
') In einem die Finanzen Frankreichs nicht ungünstig taxirenden Berichte
Knyphausens vom April 1755 steht eigenhändig vom Könige »veutus gallus,
relation de jeune homme*.
'^) M. Lehmann 74,
^24 F e r di n a n d W a g n e r.
In dem Sehreiben, welches er am 10. August 1758 an seinen
Bruder Heinrich richtet, findet sich der Absatz: „Pour la politique,
il est certain, que si nous soutenons bien cette annee, l'ennemi las,
fatigue et epuise par la guerre, sera le premier a desirer la paix, je
me flatte que Ton y parviendra pendant le cours de cet hiver. " Jede
beabsichtigte Täuschung des Adressaten ist bei der Art des Inhalts,
welcher, falls der Monarch stirbt, das Wohl und Wehe des preussi-
schen Staates in die Hand des Prinzen legt, von vorneherein ausge-
schlossen. Friedrich hielt also noch im Hochsommer 1758 au seiner
vor zwei Jahren gegen Knyphausen geäusserten Ansicht fest, dass
Frankreichs finanzielle Kräfte nach Ablauf zweier Jahre gänzlich er-
schöpft sein würden. Die Franzosen waren aber die einzigen, die
ihren AUiirten mit Subsidien aushalfen. Der Inhalt eines Schreibens
des Abbe' Bernis an den späteren Herzog von Choiseuil in Wien vom
7. April 1758 deckt sich völlig mit dem von Friedrich im Sommer
1757 über Frankreich Gesagten : „Vous remarquerez, que la Russie,
qui fait la guerre avec nous, manque d'argent, que l'Imperatrice en
manque de son cote, que les Suedois n'ont pas meme de ressources
pour en trouver, que tous les princes de l'empire de notre parti
demaudeut continuellement l'aumone, et que la France, qui doit faire
face ä toutes ces depenses, sera bientot hors d'etät d'y fouruir". Die
Bemühungen Bernis seit der Leuthener Schlacht den Frieden in
Europa herzustellen, und der furchtbare Niedergang Frankreichs
während des Krieges zeigen, dass Friedrichs Anschauung über Frank-
reich die richtige gewesen ist, und er nur alleiu das persönliche Mo-
ment, den Hass des Königs, der von Nachgeben nichts wissen wollte,
ausser acht gelassen hat.
III. Oesterreich,
Auch nach dem Dresdner Frieden blieb Oesterreich der einzige
entschiedene Geguer Preusseus, „Les Autrichiens sout nos veritables
ennemis" sagt das Testament von 1752.
üeber die Zukunft des österreichischen Kaiserhauses urtheilt das
erste Capitel der Historie von 174G recht ungünstig. Oesterreich sei
einem schwer kranken Körper gleich, rings von Feinden umgeben,
die nach einer günstigen Gelegenheit ausspähten, um ihre An-
sprüche laut werden zu lassen i). „La maison d' Antriebe, plus forte
par le nombre d'hommes que l'Espagne et la Hollaude prises en-
semble, mais plus faible par la raauvaise administration des finances,
») Histoire S. 205.
Die europäischen Mächte in der ßenrtheilung Friedrichs d. Gr. etc. 425
est eucore inferieure a ces puissances parce qu' eile n' entretient aucuue
marine". Preusseu erreichte au Machtmitteln nach Ansieht Friedrichs
nicht das Haus Oesterreich, aber dank seiner tüchtigen Verwaltung
konnte es ohne fremde Hülfe einen nicht zu schweren und lang-
wierigen Krieg aus eigener Kraft führen. Mochte die Königin von
Ungarn durch Erhöhung der Abgaben die Kosten einiger Feldzüge
aufbringen, über kurz oder lang zwang sie der eintretende Geldmangel
zur Annahme von Subsidien, und brachte sie damit in Abhängigkeit
von fremden Mächten.
Oesterreich war deshalb nach der Histoire von 1746 bei dem
Mangel an Barmitteln mächtiger in der Vertheidigung des eigenen
Bodens, als in einem Angriffskriege, da bei einer fremden Invasion
die eigenen Landschaften, ob sie wollten oder nicht, alle ihre Kraft
zur Abwehr einsetzen mussten ^). Niemand zog aus dem Fortbestehen
der alten verwahrlosten Zustände an der Donau grösseren Gewinn als
Preussen. Mit Vergnügen vernahm König Friedrich daher stets von
den Bedrängnissen und besonders von dem Geldmangel des Wiener
Hofes -). Nach dem Friedensschlüsse zu Aachen begannen in Oester-
reich die Versuche einer gänzlichen Umgestaltung und Reform des
Heerwesens und der Finanzen.
Während des Erbfolgekrieges waren im ganzen elf Infanterie-
regimenter neu errichtet worden, von denen die sechs neuen ungari-
schen und das tyroler Land- und Feldregiment besonders hervor-
gehoben werden müssen. In der darauf folgenden Friedenszeit wurde
eine Anzahl theils numerisch schwacher theils wirthschaftlich ruinirter
Eegimentcr aufgelöst, deren Manschaften jedoch mit einer Ausnahme
(das Graubündner Regiment wurde der Landschaft zurückgestellt) nicht
entlassen, sondern compaguieweise zur Kouiplettirung anderer Regi-
menter werwandt und somit dem Dienste erhalten blieben. So setzte
sich im Jahre 1752 die österreichische Infanterie aus 54 regulären
Regimentern zusammen, während sich beim Tode Karls VI. die Zahl
auf 52 belaufen hatte. Auch den Grenzern ist bekanutlich erst unter
der Herrschaft Maria Theresias die verdiente Beachtung geschenkt
worden, um in künftigen Zeiten grösseren Nutzen als im Erbfolge-
kriege aus ihnen zu ziehen 3).
Den Eindruck dieser Reformen auf Friedrich klärt sein Brief-
wechsel mit dem neuen preussischen Gesandten in Wien auf. Die
Berichte des Grafen Podewils wurden kontrollirt durch die Gutachten
') Histoire S. 208 u. 209.
'^) P. C. V. 145 (22. Juli 1746).
3) A. V. Wrede »Geschichte der k. u. k. Wehrmacht« I. 15.
Mittheilungen XX. 28
426 Ferdinand Wagner.
preussischer Offiziere, namentlich Winterfeldts, der sich wiederholt in
Böhmen aufhielt.
Bekannt ist das Lob in der , Histoire de la guerre de sept ans " :
die Kaiserin-Königin habe in ihren Finanzen eine den Vorfahren un-
bekannte Ordnung gesehafJen, die Staatseinkünfte seien durch ihre
Bemühungen trotz der in Italien und Deutschland verlorenen Pro-
vinzen grösser als unter Karl VI. geworden i). Aber erst der Verlauf
des siebenjährigen Krieges hat den König von dem ümftinge der
österreichischen Keformversuche überzeugt; in unserer Periode über-
wiegt der Zweifel, ob das grosse Werk der Kaiserin-Königin von
Erfolg gekrönt werden würde. Friedrich hält es in einem Antwort-
schreiben an Otto V. Püdewils für ausgeschlossen, dass der Etat der
Regimenter in den Erblanden mit Ausschluss Italiens und der Nieder-
lande auf die Höhe von 108.000 Mann gebracht werden könne. Ohne
gänzlichen Ruin der Provinzen sei es unmöglich 68 — 70.000 Mann
in Oesterreich, Böhmen und Mähren unterzubringen. Der König ging
von dem richtigen Gedanken aus, dass nach dem Ausfall der eng-
lischen und holländischen Kriegssubsidien und nach den grossen Ver-
lusten des letzten Jahrzehnts der Wiener Hof ausser stände sei, bei
den verringerten Einnahmen die Höhe der unter Karl VI. aufgestellten
Truppen auch in Zukunft aufrecht zu erhalten -).
So fand der preussische Gesandte Podewils in Potsdam nicht
immer Glauben mit seinen Berichten, die im allgemeinen zu opti-
mistisch gehalten schienen. Im August 1749 kritisirte der König
die ihm von Podewils hinterbrachten Meldungen über die Stärke
der österreichischen Armee an der Hand anderer Berichte; nach
diesen sei die Hälfte der Reiterei ohne Pferde, und fehlten an
jedem Infanterieregimente am completten Etat 5 — 600 Mann. Auch
fand Friedrich die auf 24 Millionen Thaler angegebenen Einnahmen
der Kaiserin-Königin ein wenig zu hoch gegriffen ^), da nach dem
Verzicht auf Schlesien die Einkünfte unmöglich die gleiche Höhe wie
unter dem verstorbenen Kaiser behaupten konnten. Der Gedanke
Maria Theresias einen Staatsschatz in Friedenszeiten zu sammeln, sei
nicht schlecht, er arbeite ja auf dasselbe Ziel hin. Aber die allge-
meine Unzufriedenheit, die sich namentlich in Böhmen zeige, und die
') Oeuvres IV. 7.
-') VI. 101 u. 168 (2. u. 6. Juli 1748) und VII. 153 (l. Nov. 1749). '
s) P. C. VIL 131, (11. Oct. 1749). (Die histoire von 1746. S. 165 gibt die
Staatseinkünfte Österreichs fVir das Jahr 1733 auf 20 Millionen Thaler an, fiu-
1740 nur auf 16 Millionen Thaler).
Die eui-opäischen Mächte in der Beurtheilung Friedrichs d. Gr. etc. 427
zahlreichen Kückstände der Steuern würden an der Donau schon alle
diese Pläne zum Stillstand bringen i).
Klinggraeffen, nach dem Rücktritte des Grafen Podewils Gesandter
in Wien, beurtheilte ebenfalls die Stellung der Kaiserin-Königin zu
günstig in Friedrichs Augen 2). Zwar verschluss sich letzterer nicht
mehr dagegen, dass trotz der grossen Schulden die Staatsein-
nahmen in Oesterreich sich bedeutend vermehrt hätten, auch Erspar-
nisse durchgesetzt seien, doch lägen mancherlei Anzeichen von dem
geringen finanziellen Talente der Monarchin vor, die mit den gege-
benen Mitteln nicht an richtiger Stelle hauszuhalten verstände. An
Hofbeamte würden hohe Pensionen freigebig ausgetheilt, während die
grossen Manöver Einschränkungen erlitten, die Friedrich auf Geld-
mangel zurückführte. Seine wirkliche Meinung über die Zukunft der
österrei einsehe u Monarchie wird die Correspondenz mit jenem Manne
enthalten haben, der damals sein grösstes Vertrauen besass. Erst die
Biographie des Generalmajor Winterfeldt wird sein Wirken in
der Zeit vor dem Ausbruch des grossen Krieges klarstellen. Leider
scheint Winterfeldt den grössten Theil seiner bei dem wiederholten
Besuche Karlsbades gemachten Wahrnehmungen mündlich in Potsdam
vorgetragen zu haben. In einer Antwort Friedrichs vom 16. Juli 1750
findet sich der Satz: „Sonsten glaube ich, dass aller vou denen Oester-
reichern gemachten neuen Arrangements ohngeachtet sie noch lange
Zeit haben sollen, ehe sie mit Uns um die courte Paille ziehen können".
Das Testament von 1752 hegt nicht den geringsten Zweifel an einem
neuen Krieg mit Oesterreich, sobald dort der Staatshaushalt geordnet
und die Armee wiederhergestellt sei ■^).
Mit dieser Aeusserung deckt sich sehr gut der ein Jahr später
in der Politische u Correspondenz gemachte Ausspruch, dem Wiener
Hofe sei in diesem Momente ein Krieg höchst unangenehm. Das einzige
Mittel sich vou fremden Subsidien und dadurch von der englischen
Politik unabhängig zu machen, liege in der Ordnung der Finanzen, die
von den Fortbestehen des Friedens abhängig sei. Eine Zeit von 10 — 20
Jahren war nach Friedrich unumgänglich nöthig, bis die Kaiserin-
Königin ihre „arraugements nouveaux" durchgeführt hätte; bis dahin
wäre Preussen vor einem Angriffskriege Oesterreichs wegen, des Be-
sitzes Schlesiens sicher.
•) P. C. VII. 205 (26. Jan. 1750).
-) So zweifelt Friedrich an der Richtigkeit einer v. Klinggraeffen eingesandten
Truppentabelle P. C. VII. 432 (22. Mai 1750).
8) P. C. VIII. ?ßl u. 376 (31. Mai 1751) u. IX. 113 (13. Mai 1752).
•*) Ranke 30. 115,
28*
428 Ferdinand Wagner.
Vielfach missverstanden und falsch ausgelegt sind die vom Wiener
Hofe für den Herbst 1756 beschlossenen Kavalleriemanöver zu Kittsee
und liaab. Aus der Bildung dieser Lager sind offensive Pläne der
leitenden Männer Oesterreichs gefolgert worden, ohne zu berücksich-
tigen, dass jene Orte schon in den vorhergegangenen Jahren die
Uebungsplätze der ungarischen Kelterei gebildet hatten. Bereits 1752
hatte Friedrich sich mit der Thatsache abgefunden, dass neben den
alljährlichen Manövern in Böhmen und Mähren die ungarischen Ka-
vallerieregimeuter südlich der Donau bei Kittsee und Kaab versammelt
wurden, wenn auch von österreichiscber Seite ein wenig Ostentation
damit verbunden war i).
Bas Gerücht der Theilnahme von 8 Reiterregimentern aus Ungarn
an den Herbstmanövern in Böhmen veranlasste Friedrich im April
1754 in Versailles Alarm zu schlagen mit der Begründung, das
Hinzuziehen der ungarischen Kavallerie ermögliche einen Angriff der
Oesterreicher auf Schlesien.
So legte der König auch in den entscheidendeu Monaten des
Jahres 1756 das Hauptgewicht auf die Bewegungen der in Ungarn
in Quartier liegenden Reiterei.
Ein Erlass vom 13. Januar 1756 instruirte den Gesandten Kling-
graeffeu folgenden zwei Punkten seine ungetheilte Aufmerksamkeit zu
widmen „savoir eu quels lieux ils ont fait amasser des magasins de
vivre.-i, en Moravie et en Boheme, et si, d'ailleurs, on fait approcher
leur cavalerie en Hongrie plus pres des frontieres de 1' Antriebe
qu'elle a ete auparavaut". Bis sich diese ungarische Reiterei nicht
rühre, sei ein Angriff der Oesterreicher ausgeschlossen, dies wurde zweii
Monate später abermals Klinggraeifen eingeschärft. Es ist nun ein
eigenthümliches Zusammentreffen gewesen, dass die Nachricht von den
Rüstungen der Russen im Juni 1756 ^) fast gleichzeitig mit dem Be-
richte Klinggraeöeus, die in Ungarn stehenden Reiterregimenter seien
auf den kommenden August nach Böhmen und Mähren beordert,
Friedrich zu Ohren kam. Wie vorsichtig Klinggraeff'en seine Worte
') P. C. IX. 48 (2b'. Febr. 1752) (des camps d' exercice et d' osteutation
peut-etre encore).
^) Wie in Oesterreich machten sich auch in Russland die Rüstungen im
Frühjahr 1756 zuerst durch das Heranziehen der Kavallerieregimenter bemerkbar.
Die am 30. März 1756 auf Kriegsfuss gesetzten 32 Infanterieregimenter lagen
bereits in den üstseeprovinzen, von den 14 Kavallerieregimentern befanden sich
dagegen 5 auf Vorposten im Süden des Landes und mussten erst abgelöst werden.
(Masslowsky 12 und 21).
Die europäischen Mächte in der Beurtheilung Friedrichs d. Gr. etc. 429
auch abwog i), die Bestätigung seiner Nachrichten durch den schlesi-
schen Minister SchlabreudoriF berechtigte den König auf einen inneren
Zusammenhang der russischen und österreichischen Eüstungen zu
schliessen. Für so unvernünftig konnte er den Petersburger Hof
nicht halten — wie trotzdem die Wirklichkeit es zeigen sollte — ganz
auf eigene Hand ohne Einvernehmen Oesterreichs loszuschlagen.
In sehr ähnlicher Lage wie Mitte Juni 1756 hatte sich der
preussische Staat in den ersten Monaten des schon mehrfach genannten
Jahres 1749 befunden. Ein Vergleich der damals von Friedrich be-
folgten Politik und der für nöthig gehaltenen militärischen Vorkeh-
rungen mit den im Juni und Juli 1756 getroffenen Anordnungen wird
wegen der vorhandenen Differenzen aufklärend wirken.
Als beim Beginn des Jahres 1749 mancherlei Anzeichen auf einen
allgemeinen Krieg wegen der schwedischen Thronfolge deuteten, be-
strebte sich der König, vor allem Frankreich seiner friedlichen Ab-
sichten zu versichern. Die Erklärung des preussischen Gesandten
Chambriers in Versailles, seinem Staate sei in diesem Augenblicke der
Ausbruch eines Krieges äusserst unangenehm ^), entspricht der Wahr-
heit. Der Entschluss, beim Ausbruch des Krieges Ostpreussen frei-
willig zu räumen, wird dem Könige sehr schwer gefallen sein. Er
ermahnte seine Schwester, die Kronprinzessin von Schweden, zur Vor-
sicht, um ihrerseits die Eus&en nicht herauszufordern. Auch widerlegte
Friedrich das in Paris verbreitete Gerücht, er bestärke die Kron-
prinzessin Ulrike in ihrer Opposition gegen den Senat ^). Aber nicht
allein auf seine Verbündeten beschränkte der König seine Friedens-
versicherungen. Jedem, der es hören wollte, sagte sein Gesandter
Klinggraeffen in London, Preussen würde nicht die Offensive ergreifen,
aber auch keine Verfassungsänderung in Stockholm dulden ^).
Und endlich, am 18. März 1749, entschloss sich Friedrich zu
einem eigenhändigen Schreiben an König Georg, ein Schritt, der ihm
bei den schlechten persönlichen Beziehungen zu seinem Onkel nicht
leicht gefallen sein wird. Der Minister Podewils, eine günstige Ge-
legenheit wahrnehmend, erklärte gleichzeitig dem russischen Gesandten
Keyserlingk die Ziele der preussischen Politik, die keine Verfassungs-
änderung in Schweden zuliessen. Immer eingedenk seiner Würde
') Depuis quelques jours il se debite sous main qu' on formera au mois d'aoftt
prochain en Boheme une armee assez considerable sous le uom d' armee d' Observa-
tion, les regiments de cavalerie de Hongrie en devant etre aussi. (P. C. XII. 440).
2) P. C. VI. 352 u. 361.
s) P. C. VI. 377 (15. Febr. 1749).
*) P. C. VI. 397 (1. u. 11. März l749j.
A^Q Ferdinand Wagner.
strebte Friedrich nach allen Seiten für den Fortbestand des Friedens.
Seine Politik des Jahres 1749 verdient vollauf das Lob, das ihm sein
jüngster Biograph E. Koser spendet.
Die Friedrich bestimmenden Gründe, eine massvolle Politik ein-
zuhalten, liegen klar vor Augen. Seine Verbündeten waren Schw^eden
und Frankreich; seine erklärten Gegner Kussland und Oesterreich,
doch hatten diese beiden Mächte im Kriegsfalle aus London bei dem
schlechten Stande der englischen Finanzen kaum Subsidien zu er-
warten 1).
Auch musste der Kaiserin-Königin ein neuer Kriegsausbruch in
einem Momente, da sie die grossen Kefornien in ihren Ländern begonnen
hatte, höchst ungelegen kommen, während das französische Ministerium
kriegerisch gesinnt schien. Aber die Geringfügigkeit der eigenen
Geldmittel zwang Friedrich einen sonst nicht ungünstigen Augenblick
unau.sgenutzt vorübergehen zu lassen. Die knapp drei Millionen Thaler,
die sich 1749 im grossen Tresor befanden, hätten nicht für die Cam-
pagne eines Jahres ausgereicht.
Es bedarf keines Beweises, dass König Friedrich sich auch im
Sommer 1750 auf das genaueste über die österreichische Armee orien-
tirt hielt. Sichere Gewährsmänner, Feldmarschall Keith und General-
lieutenant Schmettau, die erst Ende Juni Karlsbad verliessen, haben
ihre in Böhmen und Sachsen gemachten Beobachtungen sofort in
Potsdam vorgetragen -). Aber die zahlreichen in der politischen Cor-
respondenz abgedruckten Mittheilungen Friedrichs sind sämmtlich für
den englischen Gesandten bestimmt, erschliessen also nicht die wahre
Gesinnung des Monarchen. Weil letzterer die ihm zugetragenen Nach-
richten von den grossen Truppenconzeutrationen in Böhmen und
Mähren und der Bildung zweier Lager von 60.000 und 40.000 Mann
au Mitchell übermittelt hat, ist noch nicht bewiesen, dass der König
für seine Person dies alles glaubte.
Irgend welche authentische Aeusserung des Königs aus den Tagen
des Juni und Juli 1756 über die Machtmittel Oesterreichs, welche den
Instructionen, die Lehwaldt über Kussland erhalten hat, gleichwertig
wäre, existirt nicht. Dies nimmt nicht weiter wunder, da die beiden
einzigen Männer, denen in militärischen Angelegenheiten volles Ver-
trauen entjj^egenorebracht wurde, Schwerin und Winterfeldt, derzeit in
der Umgebung Friedrichs weilten '^).
1) Droysen V. 4. 69.
2) P. C. XI II. 48.
3) A. JMaude: ^Friedrichs des Grossen AngriHsplilne gegen Oesterreich« S. 21.
Die europäischen Mächte in der Beurtheilung Friedrichs d. Gr. etc. 43]^
Der Briefwechsel mit Schwerin beginnt erst im Angibst 1756, als-
dieser den Oberbefehl in Schlesien übernimmt. lu einem Mitchell
am 20. August überreichten Memoire spricht der König von 90.000,
in einer früheren Unterredung sogar von 100.000 Oesterreichern,
denen er in Böhmen und Mähren Front zu bieten habe. Ganz na-
türlich! Den Engländern, die Hannover mit preussischen WajBFen zu
schützen hofften, musste die militärische Lage möglichst schwarz o-e-
schildert werden. In Wirklichkeit zählte nach österreichischen Quellen
das Lager bei Eolin Ende August 25.000 Mann Infanterie und über
7000 Mann Kavallerie und das mährische Corps 22.000 Mann (dar-
unter 5000 Eeiter). Sind Friedrich diese Zahlen bekannt gewesen?
Die Depesche an Schwerin vom 26. August 1756 gibt die Autwort:
„Nach der Ausrechnung, so Ich von der Stärke derer öster-
reichischen Armee in Böhmen und in Mähreu nach Meinen davon
erhaltenen Nachrichten geraachet, können sie überhaupt nicht mehr
als an 65.000 Mann im Felde, exclusive der Garnisonen haben, näm-
lich 40.500 Mann Infanterie, 10.400 Mann Cuirassiere, 5400 Dragoner,
oOOO Husaren und 6000 irreguliere Leute".
Bereits am 2. August hatte die Instruction für Schwerin die Zahl
der Oesterreicher in Mähren auf 20.000 angesetzt, zu denen 12.000
Ungarn hinzukommen würden 1). Selbstverständlich hat Friedrich
diese Zahlen nicht als das Maximum der Leistungsfähigkeit Oester-
reichs angesehen; lagen doch bereits in Friedenszeiten 19 Infauterie-
regimenter in den Schlesien und Sachsen begrenzenden Provinzen.
In zwei Actenstücken aus dem letzten Viertel des Jahres 1756
bespricht Friedrich die Stärke der österreichischen Armee, doch ist
das eine vom 29. October an die englische Begier img gerichtete mit
grösster Vorsicht zu benutzen und mit Hülfe des zweiten an Schwerin
gesandten zu kontroUireu. Mitchell erfährt: ,La reine de Honorie a
90.000 hommes de troupes reglees en Boheme, ä celles-lä eile Joint
10.000 Hongrois, 8000 hommes qu'elle retire d' Italic, 16.000 de la
Flandre, 4000 Würtembergeois, 8000 Bavarois, 20(»0 de Bamberg, et
24.000 FranQais, le total de son armee 162.000 hommes". lusgesammt
sollen die Oesterreicher also 124.000 Mann an eigenen Truppen zu-
sammenbringen. Was aber hört Schwerin 6 Wochen später (14. De-
zember 1756):
„Quant aux forces des Autrichiens, Celles de leurs troupes natio-
nales ne peuvent pas exceder le nombre de 110.000 hommes. Ce
qu'ils peuvent assembler ici contre nous, sout 40 regiments, qui, selon
leur propre supputation, fönt 60.000 hommes; ajoutez-y 30 ä 35.000
1) P. C. XIII. 167.
432 Ferdinand Wagner.
liommes de cavalerie et de'hnssards avec 15.000 paudours, voila le
nombre du total ä. 110.000 hommes ä peu pres".
Beide Berichte ergeben die Differenz von 14.000 Mann. Friedrieh
wird wieder seinem alten Grundsatz gefolgt sein, und in den Schreiben
an die Verbündeten die Zahl der Feinde nach oben abgerundet, hin-
gegen seine eigene Macht geschmälert haben. Auffallend ist bei der
Berechnuug der österreichischen Armee die geringe Stärke der Infan-
terie, nur 40 von den 56 Infanterieregiraentern sollten am Kriege
theilnehmen. Worauf Friedrich seine Annahme begründet, ist nicht
ersichtlich 1). Unbedenklich sind die Zahlen aus den Monaten October
und Dezember 1756 für die Zeit vor dem Ausbruche des Krieges zu
verwerten; es liegt keine Veranlassung vor, weshalb Friedrich im
Frühling und Sommer 1756 die Macht der Oesterreicher höher ge-
schätzt haben soll, als seine Briefe aus späterer Zeit bekunden, denn
im Dezember 1756 wusste er bereits, dass die Franzosen im um-
fassenderen Masse der Kaiserin-Königin beispringen würden, als ihnen
der Vertrag vom 1, Mai 1756 auferlegte. Die in der Politischen
Correspondenz angeführte Höhe haben die in Böhmen, Mähren und
Schlesien versammelten österreichischen Streitkräfte im Dezember
1756 nicht erreicht, ihr ausrückender Stand belief sich vielmehr auf
nur 86.000 Mann (67.900 Mann Infanterie und 18.600 Kavallerie).
Aber diese Zahl umschliesst nicht die niederländischen Regimenter
(16.000 Mann stark), welche, wie der König über Baireuth erfahren
hatte, schon Ende October auf dem Marsche nach Böhmen waren.
Mögen immerhin die Oesterreicher im Frühjahre 1757 ohne die Fran-
zosen, die nicht eintrafen, einschliesslich der Artillerie auf 133.000
gestiegen sein 2), für die Beurtheilung der fridericianischeu Politik
des Sommers 1756 sind allein die Zahlen massgebend, mit denen die
militärische Correspondenz rechnet.
Im Januar 1757 äussert sich Friedrich gegen Winterfeldt: „Was
die Zeitungen von der Menge der österreichischen Truppen seind, habe
ich Mühe so stark zu glauben, als sie sich angeben". In gleicher
Weise erfährt Schwerin bei der Uebersendung einer ,von sehr guter
Hand" zugekommenen Liste der verschiedenen österreichischen Corps
.Es wird zwar von der darin angesetzten grossen Summe ein vieles
noch abgehen" ^).
Der Tüchtigkeit seiner Offiziere und seiner Armee vertrauend.
') Vielleicht auf Unruhen in Ungarn (Siehe auch P. C. XL 137 und
Band XVI dieser Zeitschrift S. 481).
2) Gest. mil. Zeitschrift 1820.
•') P. C. XIV. 194 und 217 (9. u. 21. Januar 17:^7).
Die europäischen Mächte in der Beurtheilnng Friedrichs d Gr. etc. 433
verwirklichte der König jetzt seinen Ausspruch: „75.000 Preussan
wären allemal ausreichend gegen 100.000 Feinde«. Lehwaldt sollte mit
kaum 30.000 Mann 40.000 Eussen zurückweisen, und das Schwerinsche
Corps (31.000 Mann) den gegenüberstehenden 44.000 Oesterreichern
gewachsen sein ^).
Friedrichs militärische Anordnungen des Sommers 17,56 schlössen
sich eng dem im März 1749 entworfenen Operationsplane an. Der-
zeit war dem Feldmarschall Keith die Besetzung Sachsens mit 63 Ba-
taillonen und 85 Schwadronen aufgetragen, während der König den
Oberbefehl in Schlesien (über 61 Bataillone und 141 Schwadronen)
übernahm 2), und dem Prinzen von Preussen und Schwerin die De-
ckuno- Pommerns und der Neumark mit 27 Bataillonen und 50 Schwa-
dronen übergeben wurde 3). In den Herbstmonaten 1756 Vjefehligte
der König persönlich in Sachsen 70 Bataillone und 96 Schwadronen,
in Schlesien lagerten 26 Feld- 18 Garnisonbataillone und 50 Schwa-
dronen. Beide Corps zählten zusammen (die Besatzungen in Schlesien
nicht mitgerechnet) 94.000 Mann Feldtruppen. Diese Zahl wird der
Könio- vor der Hand für genügend erachtet haben, sonst hätte er die
im Januar 1757 befohlene Verstärkung der meisten "Regimenter durch
Kantonisten ein halbes Jahr früher ins Leben gerufen.
Fassen wir kurz das Ergebnis unserer Betrachtungen zusammen:
Friedrich hat in den Sommermonaten 1756 mit zwei entschiedenen
Gegnern, Oesterreich und Kussland, gerechnet, die beide nach seiner
Anschauung für einen längeren Krieg mit nur sehr schwachen Geld-
mitteln ausgerüstet waren und von England nach Abschluss der West-
minsterkonvention keine Subsidien zu erwarten hatten. Aus dem
militärischen Briefwechsel ersehen wir, wie stark Friedrich seine
Gegner schätzt. Kussland könne höchstens 45-000 Mann, lautet der
Ausspruch des Königs in dem entscheidenden Augenblicke, für einen
deutschen Krieg aufbringen, werde sich aber vielleicht mit der Stel-
lung des Hülfscorps von 30.( 00 Mann begnügen, den der am 22. Mai
1746 mit Oesterreich abgeschlossene Vertrag ihm auferlegte^). Oester-
reichs gesammte Macht in Böhmen und Mähren wird auf 110.000
») (P. C. XIV. 13 (5. Nov. 1756) an Schwerin: ,Vous avez 31.000 ä kn
(Piccolomini) opposer, et ce nombre de Prussiens vaut toujours celui de 44.000
Autrichiens ^) und XIV. 170 (26. Dez. 1756) an Lehwaldt.
2) Ein Druckfehler bei Koser, da die preussische Reiterei im ganzen nur
221 nicht 276 Schwadronen zählte.
3) Koser j,König Friedrich der Grosse* 471.
*) Friedrich kannte vor September 1756 nicht den vierten geheimen Separat-
Artikel, der für den Fall eines preussischen Angriffes die russische Hülfe auf
60.000 Mann erhöhte.
4B4 Fordinaud Wagner.
Maim gerechnet. Im ganzen hatten die lieiden Kaiserinnen 155.000
Mann Feldtriippeii, denen das preus.sische Heer (130.000 Mann) nach
Einverleibung der sächsischen Regimenter an Zahl gewachsen, an
Tüchtigkeit und Führung aber weit überlegen war. Der schwache
Punkt in diesen Kombinationen war vor allem Frankreich. Dies schien
vollständig in dem Seekrieg aufzugehen; 1756 war nichts von dort
zu befürchten, fürs kommende Jahr beschäftigten sich Regieraug und
Volk nach den Berichten Knyphauseus mit Angrififspläneu auf die
normannischen Inseln und das eigentliche England. Nun Avar Friedrich,
wie wir schon gesehen haben, von dem Irrthum befangen, dass Frank-
reich nicht länger als 2 Jahre die gewaltigen Lasten für Kolonien,
Flottenrüstungen, Küstenbewachuug aus der verarmten, mit Abgaben
überbürdeten Bevölkerung erpressen könne.
Aus der Correspoudenz mit Winterfeldt und den von Friedrich
getrofiFenen Anordnungen erkennen wir, wann er die Irrigkeit seiner
Berechnungen eingesehen hat. Im Herbste 1756 war das militärische
Programm mit der Besetzung Sachsens und der Gefangennahme der
sächsischen Armee fast ganz durchgeführt; nur der lauge Widerstand
der Sachsen im Lager von Pirna hatte einen unangenehmen Querstrich
gezogen und verhindert, dass ein Theil der Preussen im nördlichen
Böhmen Winterquartiere beziehen konnte. Die andauernd günstigen
Nachrichten aus Russland wogen aber reichlich den Rückzug aus Böhmen
auf. Allgemein ist von der Forschung anerkannt, dass der Tod der
Kaiserin Elisabeth im Winter 1756 auf 57 in St. Petersburg eine gänz-
liche Umwälzung und zwar zum Vortheile Preussens hervorgerufen hätte i).
Friedrich hörte nun schon Anfang Juli 1756 aus dem Haag von
einer schweren Erkrankung der Zarin -) ; so willkommen ihm die Nach-
richt war, in der Correspoudenz mit Lehwaldt hat er nicht eher darauf
reagirt, als bis der englische Gesandte am russischen Hofe Williams
davon berichtete: ein Beweis, wie vorsichtig Friedrich mit der Ver-
wertung der ihm zukommenden Gerüchte verfuhr. Mitte November
1756 ist König Friedrich noch guten Muthes; Lehwaldt erfährt am
20. Nov.: „Es schiene in Russland viel besser jetzunder vor als vor
einiger Zeit. Die Kaiserin wäre schlimm und könnte nicht lange
leben. Bis dato glaubte Ich noch nicht, dass sich ein Russe rühren
') Bilbassow erklärt in seiner Biographie Katharinas II. die Gerüchte über
den schlechten Gesundheitszustand der Kaiserin Elisabeth im Winter 1756—57
für unbegründet. Für unsere Zwecke ist allein massgebend, dass in Briefwechsel
Friedrichs mit Winterfeldt und Lehwaldt ein Thronwechsel in St. Petersburg
als sehr w;ihrscheinlich angenommen wird.
-■) r. C. XlII. 51.
Die euroiiäischen Mächte in der Benvtheilun*? Frieclvichs d. Gr. etc. 435
werde« 1). An demselben Tage wird allerdings den Engländern ge-
o-enüber grössere Besorgnis geäussert ,Elle (Preussen) se trouve encore
dans l'incertitude sur ce qu'elle doit attendre des Kusses. Quoique
l'ou ait quelques faibles lueurs d'esperance de ce c6te-lä", seien sie
nicht genügend, um das ostpreussische Armeecorps anderweitig zu
verwenden ^).
Erst Ende November änderte der König seine ursprünglichen
Dispositionen, indem die bisher in Hiuterporamern kantonirenden
Regimenter — 9000 Mann stark — nach der Lausitz verlegt wurden.
Diese Massregel schien gerechtfertigt durch die günstigen Nachrichten
aus Russlaud; aber Lehwaldt, der bisher über die genannten Truppen
verfügt hatte, wurde als Grund der Truppeuverschiebung das gut be-
o-laubiffte Gerücht anvertraut, dass 24-000 französische Hülfsvölker auf
dem böhmischen Kriegschauplatze erscheinen würden ^).
In den nun kommenden Tagen der ersten Hälfte des Dezember
o-elangt Friedrich zum Bewusstsein, wie sehr er sich in Frankreich
getäuscht hatte. Zwei Denkschriften Knyphausens wurden am 9. De-
zember Mitchell überreicht, welche das englische Ministerium zu einer
activeren Politik anspornten. Vollkommen klar das Gefahrvolle seiner
Lage erkennend, sagte Friedrich dem englischen Gesandten an dem-
selben Tage „outre la crise ge'nerale de l'Europe, il s'agit de l'exi-
stence de ma maison". Zwei Tage vor dieser Unterredung hat der
König eigenhändig dem General Winterfeldt seine Sorgen anvertraut.
Dieses Schreiben vom 7. Dezember beweist, dass diesmal endlich
Friedrich den Engländern reinen Wein eingeschenkt hat.
Jch habe viele Zeitungen, aber noch nicht ganz sicheres, so
siebet es nun aus. In Russland scheinet es von Tag zu Tag mehr,
als wenn nichts zu besorgen wäre, die Franzosen aber wollen 30.000
Mann nach Böhmen und 50.000 am Rhein schicken. — Ich habe
ohngefähr meine Rechnung gegen gemacht, und muss ich hier zwei
Armeen von 40.000 haben, in Schlesien 30.000, an Cavallerie aber
würde es fehlen, und vor man die Russen trauen könnte, so müsste
man 30 Escadrons aus Preussen ziehen. Sonsten seind wir stark
genug, den Feind zu schlagen, aber zu schwach, was rechtes zu deci-
diren". Der Kern dieses Schreibens ist die grosse Neuigkeit, dass aller
Wahrscheinlichkeit nach die Franzosen in der Stärke von 80.000 Mann
im nächsten Jahre den Rhein zu überschreiten denken. Unmöglich
hätte dies Faktum Friedrich so sehr überraschen können, wenn er
') XIV. 66.
2) P. C. XIV. 56 (20. Nov. 1756).
3) P. C. XIV. 83 (28. Nov. 1756).
4Bß Ferdinand Wa<>-ner.
bereits im Sommer und im Herbste an ein Eingreifen der Franzosen
in die deutschen Verhältnisse gedacht hätte. In dem Momente, da
ein französisches Hülfscorps von 30.000 Mann activen Antheil an den
Kämpfen in Böhmen nahm, zweifelte Friedrich nicht an dem Sie«-,
,seind wir stark genug den Feind zu schlagen", wohl aber an der
Möglichkeit .Avas rechtes zu decidiren". Mit anderen Worten, Friedrich
sah eine Wiederholung des zweiten schlesischen Krieges voraus, glän-
zende Siege, Abwehr der Feinde, aber keinen Gewinn, der die schweren
Verluste an Geld und an Landeskindern aufwiegen würde: „tonte
guerre, qui ne mene pas ä des conquetes, affaiblit le victorieux et
e'nerve 1' Etat* hatte er sich erst vor einem Jahre geäussert i).
Wenig später taucht der alte Plan wieder auf, beim Herannahen
der Russen freiwillig Ostpreussen zu räumen. Lehwaldt hört unterm
19. Dezember „jedoch wenn die Küssen zu einer Operation resolviren,
so glaube ich noch zur Zeit, dass, wenn sie was thun, sie sich con-
tentiren werden, ein Corps von 30 ä 40.000 Mann nach Schlesien zu
schicken". Dieser Satz deckt sich vollständig mit der Aeusserung im
Juli, die Stärke der Russen werde 45.000 Mann nicht überschreiten.
Trotzdem kommt dem Könige der Gedanke ohne Kampf beim Heran-
nahen der Russen die ostpreussischen Regimenter abzurufen. „Ich
halte vielmehr, dass wenn Noth am Mann gehet. Ich die sicherste
Partie nehme, wenn Ich Mich vorerst hier zusammen concentrire,
mithin vorerst die Extremitäten abandonnire, um das Corps zu defen-
diren und zu souteniren, denn als denn die Extremitäten wieder zu
bekommen seind". Dieses Schreiben steht im engen Zusammenhange
mit der in einem Briefe an Winterfeldt enthaltenen Bemerkung „30
Schwadronen Reiterei fehlten auf dem böhmischen Kriegsschauplatze".
Nicht wegen der Russen wird Ostpreussen aufgegeben — Friedrich
wusste noch nicht am 19. Dezember, dass die österreichische Partei
trotz des englischen Geldes alle ihre Wünsche am Peter.sburger Hofe
durchgesetzt hatte — sondern die Theilnahme der Franzosen am
deutschen Kriege nöthigte zur Konzentration der Streitkräfte und zwang
zur Räumung der getrennt gelegenen Landstriche. Sehr hart mag
Friedrich dieser Entschluss gefallen sein! Musste er doch auf die
Annexion Westpreussens, das erwünschte Resultat nach einer russischen
Niederlage verzichten. Jetzt diente Sachsen nur noch, wie es 1749
vorgesehen war, als Aequivalent für das aufgegebene Ostpreussen. In
dieser prekären Lage hörte Friedrich aus dem Munde Mitchells am 24.
oder 25. Dezember die schlimme Botschaft, dass der französische und
') M. Lebmann S. 67.
Die europäischen Mächte in der Benrtheilung Friedrichs d. Gr. etc. 437
österreichische Einfluss an der Newa gesiegt habe, und der Petersburger
Hof in Kürze dem Versailler Vertrage beitreten werde. Am ersten
Weihuachtstage wird dem getreuen Winterfeldt die politische Lage
Preussens folgendermassen erklärt. , Jetzunder fangt es an wüster
auszusehen wie noch niemalen. Die Franzosen lassen zwar nicht nach
Böhmen marschiren, geben aber 60.000 Mann am Khein und 2 Mil-
lions Subsidien. In Kusslaud hat das österreichische Geld dermassen
operiret, dass die Russen statt 30.000 80.000 Manu wollen marschiren
lassen. Das beste aber ist, sie können vor künftigen Juni nicht mar-
schiren. Die Kaiserin ist gefährlich krank, und stirbt der Drache,
so stirbt das Gift mit ihm, und seind als dem lauter gute Aspecten
■dMa.\
Ebensowenig wie das Schreiben vom 8. Dezember lässt sich der
zuletzt genannte Brief mit der hergebrachten Anschauung vereinigen.
Nach der alten Tradition ist die grosse Erregung Friedrichs nicht zu
verstehen. Wie kann am 25. Dezember an Winterfeldt geschrieben
werden, dass 80.000 Piussen statt 30.000 zu erwarten wären, wenn
Friedrich schon im Juni oder Juli desselben Jahres mit einer über-
mächtigen Invasion der Russen gerechnet hätte !
Alle jene Anzeichen, die Friedrich im Hochsommer zum Ein-
marsch in Sachsen genöthigt haben sollen, stellen sich in Wirklich-
keit erst Ende Dezember ein und lassen ihn erkennen, wie gründlich
er sich in Frankreich und Russland geirrt hat. Ausser Ostpreussen
macht er sich darauf gefasst auch Oberschlesien „wie anno 1745"
preiszugeben. Natürlich dringt über diese Art von Kouzentriruug nichts
an die Oeffentlichkeit. Ein vorzeitiges Bekanntwerden hätte allerseits
einen sehr üblen Eindruck hervorgerufen. Neben Winterfeldt wird
nur der schlesische Minister Schlabrendorff am 27. Dezember 1756
über das Schicksal Oberschlesiens instruirt.
Jetzt erst beim Beginn des neuen Jahres am 10. Januar 1757
setzt der König die geheimen Informationen auf, die dem Minister
Graf Finckenstein bei einer Niederlage und einer Throuerledigung die
nöthigen Anweisungen geben sollen. Hätte der König schon im ver-
strichenen Sommer die ganze Schwere seiner Situation erfasst, sein
ausgeprägtes Pflichtgefühl hätte ihn ohne Zweifel veranlasst, schon
damals die Fortdauer Preussens gegen alle Eventualitäten zu sichern,
und es von jedem persönlichen Missgeschick zu trennen.
Noch ein zweiter Punkt zeugt von dem Ernste der Zeit. Friedrich
hat möglichst mit fremden Elementen die Feldzüge zu führen gesucht.
Mit grosser Brutalität ist zum Beispiel die Bevölkerung Mährens im
Winter 1742 zum Heeresdienst gepresst worden. Wenn die dauernde
438 Ferdinand W a er n e r.
Besetzung Nordböhmens im Herbste 1756 geglückt wäre, so hätten die
dortigen Landschaften zahlreiche Kekruten stellen müssen. Jetzt in
der Nothlage griff Friedrich zu seinem sichersten Hülfsmittel, zu den
Kantons, die selbst in den vom Feinde besetzten Provinzen während
des Krieges ihre waffenfähigen jungen Leute zur Armee einsandten.
Das Testament von 17o2 hatte Schonung der Kantons in Friedeiis-
zeiteu anempfohleu, um im Falle der Noth genügend Rekruten der
Armee einverleiben zu können. „Les cantons rendent les corps im-
mortels" sagt das politische Testament, ein Factum, dass im Winter
1756 auf 57 weder Oesterreicher noch Franzosen in ihre Berechnungen
gezogen haben. Sie meinten, das preussische Heer setze sich nur aus
minderwertigem Material zusammen, welches einzig der Stock der
Offiziere und eine regelmässige Verpflegung zusammenhalte i).
Bereits im Dezember hatte der König eine Vermehrung der Rei-
terei, die ihm an Zahl der österreichischen nicht gewachsen schien,
in Angriff genommen. Der Etat jeder Schwadron sollte um einen
Offizier und 14 Mann erhöht werden, für die ganze Reiterei ergab
sich eine Zunahme von circa 2000 Pferden. Daneben wurde jedes
Husarenreginient zweimal um je 60 Mann verstärkt. Im Januar 1757
setzte Friedrich eine weit grössere Vermehrung seiner Infanterie ins
Werk. Bei dem Lehwaldtscheu Corps wurden die 5 alten Infanterie-
regimenter inclusive der Grenadierbataillone um 360 Manu erhöht.
Ausserdem sollte das Garnisonregiment Luck auf 4 Bataillone, und
jede Schwadron auf 190 — 200 Mann gebracht werden. Im Ganzen
befehligte Lehwaldt mit Einschluss der 4000 Neuausgehobenen nun
30.000 Mann ^). Am 9. Januar hört Winterfeldt, dass jeder Compagnie
30 Kantonisten zugetheilt werden sollten. Doch scheint diese Mass-
regel nur für Regimenter mit Kanton in Frage zu kommen, sie wird
aber der Armee mindestens 17.000 Mann /.ugeführt haben •^■).
Es ist deshalb kaum üebertreibung, wenn die Markgräfin von
Baireuth unterm 18. Januar 1757 erfährt, dass Mitte Februar das
preussische Heer die Zahl von 210.000 Mann erreichen werde. Die
Empörung und Desertion des grössten Theils der sächsischen Regi-
menter hat im April 1757 die Vollendung der Pläne Friedrichs ver-
') Ein charakteristisches Urtheil von Kaiser Franz über die ostpreussischen
Regimenter bei Arneth V. 507.
''') Siehe Beilage des Siebenjährigen Krieges im preussischeu Generalstabs-
werke.
^) Jedem alten Infanterieregiment 300 Mann, jedem Grenadierbataillon
120 Mann. (Geschichte des siebenjährigen Krieges I. 147).
Die europäischen Mächte in fler Beurtheilung Friedrichs d. Gr. etc. 439
eitelt, aber immerliin stau den damals grosse Massen zu seiner Ver-
fügung.
Die Entscheidung über Krieg und Frieden hatte im Somnjer 1756
noch in Friedrichs Hand gelegen. Die Aussichten bei dem jeden
Augenblick zu erwartenden Tode der Kaiserin Elisabeth, die russische
Politik definitiv in englisches Fahrwasser zu lenken, hätten einen
weniger weit blickenden Mann wahrscheinlich bestimmt, auf den Vor-
schlag Podewils, das beneficium temporis auszunutzen, einzugehen.
Nach meinem Dafürhalten ist wie in den vorhergegangenen
Jahren, so auch im Sommer 1756 der Schlüssel zum Verständnis der
friedericianischen Politik in dem Verhältnis zum Kaiserhofe an der
Donau zu suchen, denn der wahre Feind, der einzige, mit dem keine
Verständigung möglich war, blieben einmal die Oesterreicher. „C'est
ä eux, sagt das Testament von 1752, que nous devons penser daus
tous nos arrangements militaires " .
Die politische Lage Europas hatte sich, wie wir schon bemerkt
haben, seit 1749 zu üugunsteu Preussens verschoben. Auf absteigender
Linie schien sich Fraukreich zu bewegen, auf dessen Bündnis noch
das Testament von 1752 die Hoffnung neuer Eroberungen gestützt
hatte. Und in Oesterreich bereitete sich ausserdem eine Wendung vor,
die das Lebenswerk Friedrichs aufs schwerste bedrohte.
Wie hoffnungslos hat das erste Kapitel der histoire von 1746 die
Zustände an der Donau ausgemalt!
Noch der Brief an Wiuterfeldt vom 16. Juli 1750 gibt der
Ansicht Ausdruck, dass Oesterreich sobald nicht den von Preus.-en ge-
wonneneu Vorsprung einholen werde. Das Testament von 1752
äussert sich bereits über die österreichische Politik folgendermassen :
„la Reine de Hongrie, la plus sage et la plus politique entre elles, se
sert des passions des autres pour avaucer ses desseins" i).
Nun aber brach sich beim Könige langsam die Erkenntnis bahn,
dass die militärischen und finanziellen Eeformen Maria Theresias aus
den verschiedenen österreichischen Landschaften ein modernes Staats-
wesen schufen, das unabhängig von dem Geldbeutel der Engländer
seine Politik führen konnte. Die Kaiseriu-Königin näherte sich Mitte
der fünfziger Jahre immer mehr ihrem Hauptziele, den Friedensetat
der Armee auf 165.000 Mann zu erhöhen. Und gerade die Ausfüh-
rung dieses Programms hatte Friedrich nach dem Verluste Schlesiens
und nach dem Authören der englisch-holländischen Subsidien für un-
möglich gehalten. Im Dezember 1751 hatte der Effectivstaud der
») Droysen V. 4. 176.
440 Ferdinand W n g n e r.
Österreichischen Armee nach deu von Khuggraeffeu am 16. Februar
1752 übermittelten Listen loG-UDO Mann betragen ^). Es fehlten am
Süllstande 24715 Infanteristen, 1871 Kavalleristen und mehr als
2o00 Pferde. Ohne Zweifel hat Friedrich eingedenk dieser Zahlen
ein halbes Jahr später im Testamente von 1752 die Aussichten eines
neuen Krieges mit Oesterreich erörtert. Bei einem gemeinsamen An-
griffe Frankreichs, Sardiniens und der Türkei waren die in den Nieder-
landen, Italien und in dem südlichen Ungarn kantonirendeu Truppen
an Ort und Stelle festgehalten ; zur Vertheidigung Böhmens und
Mährens hatte also die Kaiserin uur die Militärmacht ihrer Erblande
zur Hand ^).
Wider Erwarten, trotz des Widerstandes der Staude, verminderte
sich in vier Jahren das Manko der Infanterie um 14.000 Mann und
belief sich im Sommer 1756 nur noch auf 10.455. Der Ausspruch
Winterfeldts „so lange sie (die Oesterreicher) bei der Armee nicht die
Cautons introducireu, wird nichts aus ihnen werden, sondern bleibt
auf alteu Fuss", hat sich nicht bewahrheitet. Immerhin blieb noch
sehr viel in Oesterreich zu thuu übrig. Ende März und Anfaug April
1756 wurden uuter andern die Husaren Regimenter auf 600 Mann und
Pferde komplettirt; diese Massregel vermehrte die lieiterei um 1000
Köpfe, eine an sich geringe Zahl, denn die zehn Husarenregimenter
hatten nach dem Aachener Frieden anstatt der Kriegsstärke von 1000
und mehr nur 500 Mann unter Waffen. Namentlich der Missstand,
dass viele Regimentsinhaber, um bei den Musterungen einen möglichst
hohen Bestand vorführen zu können, Manschaften in den Listen
weiterführten, die dem Dienste im offenen Felde nicht mehr gewachsen
waren und nur noch in den Garnisonbataillonen Verwendung finden
konnten, musste sich im Kriegsfalle sehr unangenehm fühlbar machen^).
Die ganzen Rüstungen der Oesterreicher während des Frühjahrs
und des Sommers 1756, die Albert Naude aus den Akten der Wiener
Archive nachgewiesen hat, bilden demnach die Fortsetzung der gleich
nach dem Erbfolgekriege in Angriff genommenen Neuformation der
Armee. Ihr Endziel war selbstverständlich die Demütigung Preussens,
Der König ist sich der Gefahr bewusst gewesen, die vielleicht nicht
ihm selbst, aber sicher seinem Nachfolger von der Donau her drohte.
Ais der preussische Gesandte in Wien im November 1749 die Ver-
mehrung der österreichischen Truppen in Böhmen mit Angritfsplänen
') Ganz wertlos sind die von Fürst (flanke 30. 44) mitgetheilten Zahlen,
nach denen die österreichische Armee 200.000 Mann zählen sollte !
-) F. Wagner: »Friedrich des Grossen Beziehungen zu Frankreich« Ö. 20.
■^) Ivriegs- Archiv Cab. A. 175.5. 8. 1.
Die europäischen Mächte in der Beurtheilung Friedrichs d. Gr. etc. 44 1
des Wiener Hofes iu Verbindung brachte, that Friedrieh den Aus-
spruch „Er trüget sich, das Object jetzo ist die römische Kaiserwahl,
Schlesien bei Gelegenheit, dahin gebet alles" 1). Eine andere Aeusse-
rung im Jahre 1754, die Kaiserin-Königin habe noch 10 — 20 Jahre
des Friedens nöthig, um ihr neues System vollständig durchzuführen,
ist als authentisch zu behandeln, denn iu der That waren grosse Re-
formen dort im Werke, über deren Fortgang Friedrich auf das exac-
teste von seinen Spionen unterrichtet wurde.
Die weitere Eutwickluug ruhig abzuwarten, war im Gegensatz zu
den königlichen Brüdern, die unter der Deckung des französischen
Bündnisses das behagliche Stillleben der alten Zeit fortzusetzen ge-
dachten, nicht Friedrichs Art, Der Satz des Testamentes von 1752
„Je laisse ces projets ä la posterite, pour qu'elle ne pense pas, que
tout est fait dans cet Etat et que dans toutes les parties du gouver-
nement ce qu'elle trouve etabli n'est rien en comparaisou de ce qui
lui reste ä faire" ist gerade von ihm geschrieben in Rücksicht auf die
am Berliner Hofe herrschenden Ansichten. Seine Politik seit 1752
hatte das eine Ziel, der österreichische Monarchie möglichst viele Hemm-
nisse in den Weg zu legen, ein nach den Anschauungen des Zeit-
alters völlig erlaubtes Verfahren. Aus diesem Grunde wurde der fran-
zösischen Regierung nahe gelegt, die Osmanen zu einem Kriege gegen
die beiden Kaiserinnen zu animiren. Selbstverständlich lag dem Könige
dabei nicht das Wohl Polens am Herzen, wie er iu Versailles erklären
Hess — die Kräftigung dieses Staates hätte ja jede Annexion West-
preussens unmöglich gemacht — sondern allein das Interesse seines
eigenen Landes. Als die wiederholten Mahnungen und Vorschläge
des Königs in den leitenden Kreisen des Versailler Hofes kein Ent-
gegenkommen fanden, entschloss er sich den Kampf in Deutschland,
den die Franzosen im Frühjahr 1755 nicht hatten eröffnen wollen,
selbst ein Jahr später zu beginnen.
Die Eröffnung des Krieges wurde zum Act der Nothwehr für
Preussen; jedes Friedensjahr verstärkte die Position Oesterreichs
und befreite es mehr und mehr von dem Beistande fremder Mächte.
Sollte Friedrich seinem Nachfolger die schwere Aufgabe, das von
ihm Erworbene zu vertheidigen, hinterlassen? Sein Gesundheits-
zustand wird den Entschluss beschleunigt habeu, nicht länger mit
einem Kriege zu zögern, der doch einmal geführt werden musste. Im
Februar 1747 hatte er einen Schlaganfall erlitten; „mon temps est
passe" sagt das Testament von 1752, und abermals machte ihn im
1) Droysen V. 4. 126.
MittheilungeQ XX. 29
442 Ferdinand Wagner.
Frühjahre 1755 eiu heftit^es Fieber acht Tage lang arbeitsunfähig.
Ermuthigt hat König Friedrich zu der im Sommer 1756 einge-
schlagenen Politik die Annahme folgender zwei Punkte : Dass erstens
der Seekrieg die ganze Kraft Frankreichs im laufenden und im kom-
menden Jahre beanspruchen werde, und zweitens das preussische Heer
(130.000) verstärkt durch die Sachsen den Oesterreichern (120.000 Mann)
und den Russen (45.000 Mann) numerisch gewachsen sei i). Wenn er
im Winter auf 1757 die Hoffnung ausgesprochen hat, auf den Wällen
von Olmütz nach Eroberuug Prags den Feldzug zu beschliessen, wes-
halb soll er nicht auch im Juli vorher denselben Gedanken gehabt
haben ? -) Wie sich Friedrich später den Friedensschluss gedacht, ist
nicht nachzuweisen. Er wird den Grad seiner Forderungen nach der
Grösse der Niederlage der Oesterreicher und namentlich nach der
allgemeinen politischen Lage gerichtet haben. Der betreffende Absatz
in der geheimen Instruction Lehwaldts, der die von den Russen zu
fordernde Entschädigung bespricht, gewährt einen lehrreichen Einblick
in die Art, wie Friedrich seine Wünsche dem im Momente Erreichbaren
anzupassen verstand. Im Falle eines entscheidenden Sieges über das
russische Heer und einer gleichzeitigen totalen Niederlage der Oester-
reicher sollte der Feldmarschall Lehwaldt die Abtretung von ganz
Westpreussen bei den Friedensverhandlungen mit Russland fordern —
bei einem kleineren Erfolge dagegen sich mit einigen Kreisen wie
Ermeland und Kulm begnügen.
Aehnliche Sorgen um das Fortbestehen seines Staates haben
Friedrich im Sommer 1744 genöthigt, ehe der vollständige Sieg der
Oesterreicher am Rhein über kurz oder lang den Besitz Schlesiens
gefährdete, zum Schwerte zu grellen, um so den Zeitpunkt auszunutzen,
wo die Franzosen noch das feindliche Heer beschäftigten. Aber mit der
Sicherung des Erworbenen verband er auch damals von vornherein die
Idee, der Macht des neuen Hauses Habsburg engere Grenzen zu ziehen,
Böhmen sollte dem Kaiser Karl VII. zufallen, die eigene Entschädi-
gung dafür in einem Theil des nördlichen Böhmens bestehen, Selbst-
verständlich hat er fremde Mächte in diese geheime Verhandlung
*) Sehr richtig bemerkt A. Xaude (Forsch, z. br. pr. Gesch. 3. 291), dasss
König Friedrich beim Beginn des Krieges die Möglichkeit eines Angriftes der
Oesterreicher aut Berlin so wenig in Rechuuag gezogen habe, dass er das Wohl
und Wehe seiner Hauptstadt einem ihm als unfähig bekannten (lenerale anver-
traute, (ileichfalls erhielt Schwerin nicht die von ihm für nöthig geforderten
Summen zur weitern Befestigvmg Neisses, da diese Festung nichts von den
Oesterreichern zu besorgen habe.
'-') Naude: ^ Friedrich d. (irossen Angritlspliino^ S. 21.
Die europäischen Mächte in der Beurtheilung Friedrichs d. Gr. etc. 443
nicht eingeweiht. Am Jahresschlüsse nach missglücktem böhmischen
Feldzuge Hess Friedrich in London erklären „que je ne demandais
rien de la reine de Hongrie pour moi", einzig im Interesse Kaiser
Karls habe er zu den Waffen gegriffen. Mit einem Kriege, der wie
der Feldzug von 1756 aus Gründen der Selbsterhaltung unternommen
wird, sind nach dem Ausspruche Friedrichs sehr gut Eroberungs-
gedanken zu verbinden. Ich füge hinzu, dass neue Erwerbungen
unumgänglich nöthig waren, wenn Preussens Existenz für die Zukunft
gesichert sein sollte. Gewiss ist es schön dem siegreichen Könige
hochherzige Milde nach einem siegreichen Feldzuge unterzulegen, nur
soll man bedenken, dass ein dem Hauptfeinde Oesterreich nach totaler
Niederlage grossmüthig gewährter Friede nicht den Antagonismus der
beiden mächtigsten Staaten Deutschlands aus der Welt geschafft hätte.
So wünschenswert die Einverleibung Westpreussens, die nach
Ansicht der Vertreter der alten Tradition im Jahre 1756 allein in
Frage kommt, zur besseren Konsolidirung der Monarchie war, so
wurde eine grössere Deckung Schlesiens vor einer neuen Offensive
der Oesterreicher auch nach Friedrichs Ableben nur dann erzielt,
wenn dem alten Gegner an der Donau grosse Abtretungen an Land
und Leuten auferlegt wurden. Der Thronerbe würde sich im andern
Falle vielleicht unter viel schlechteren politischen Konjuncturen einem
weit besser gerüsteten Oesterreich gegenübersehen, das rechtzeitig
Sachsen vor einer feindlichen Besetzung geschützt hätte. Noch im
Jahre 1782 gibt König Friedrich in dem erhaltenen Fragment eines
politischen Testamentes der Befürchtung Ausdruck, dass mit seinem
Tode auch die Arbeit seines Lebens zerfallen könne.
29*
Zur Grescliiclite der polnischen Frage 1814 u. 1815.
Von
August Fournier.
I.
Vor Eröffiiuug des Wiener Congresses.
Es scheint als habe die Geschichtsschreibung bisher einer Zeit zu
wenig von ihrer Aufmerksamkeit geschenkt, in der sich gleichwohl die
Keime wichtiger und in ihrer späteren Wirkung bedeutsamer Fragen
nachweisen lassen, d. i. derjenigen Frist, die zwischen dem Abschluss
des ersten Pariser Friedens und der Eröffnung des Wiener Congresses
verlief. Freilich waren es zunächst Wochen, in denen der Erschöpfung
der Völker und ihrer Freude an der wiedergewonnenen Ruhe ihr Recht
werden musste, und nichts war natürlicher als dass sie Siegern und
Besiegten vor Allem zur Erholung und zur Sammlung dienten. Aber
die Politik durfte nicht lange feiern. Ein ganzes grosses System der
Uebermacht war zusammengebrochen, und ein anderes des Gleich-
gewichtes sollte an seine Stelle treten, dessen Grundzüge erst noch zu
bestimmen waren. An ungelösten Aufgaben fehlte es nicht, und wer
auf dem Congress zu Wien, dessen Eröffnung man binnen zwei Mo-
naten, vom Ende Mai an gerechnet, anberaumt, dann aber aus Rück-
sicht auf die englische Parlameutssession um einige Wochen hinaus-
geschoben hatte, sich keinen Ueberraschungen aussetzen wollte, der
musste einen sichern Blick in die Situation zu gewinnen und, wofern
er die Macht besass, sie zu beherrschen trachten.
Wäre es nach Metternich, dem Leiter der österreichischen Staats-
geschäfte, gegangen, der Congress hätte später nicht in dem Umfange
stattgefunden, den er schliesslich in der Dauer von acht Monaten
angenommen hat. Als die Armeen der Verbündeten zu Ende des
Zur Geschichte der polnischen Frage 1814 und 1815. 445
Jahreti 1813 den Rhein überschritten und ihren Marsch bis tief nach
Frankreich hinein fortgesetzt hatten, trat er im Hauptquartier zu
Langres in den letzten Januar tagen mit dem Antrage hervor, die Mächte
sollten nicht nur die Friedensunterhandlnngen mit Frankreich beginnen
sondern sich auch untereinander über ihre besonderen Absichten ver-
ständigen. Der Moment zur Neuordnung Europa's wäre günstig, da
ausser den Souveränen von ßussland, Oesterreich und Preussen mit
ihren Cabinetten auch der Minister Englands Lord Castlereash zur
Stelle sei 1). Metternich drang nicht durch. Kaiser Alexander I. von
ßussland war dagegen. Er drängte nach Paris und wollte die Er-
örterung aller Sonderwünsche, welche, wie er meinte, nur die Harmonie
stören und den Kriegszug aufhalten könnte, verschoben wissen bis
man mit Frankreich abgerechnet hätte ^).
Unter den Sonderwünscheu (pretentions individuelles), welche
Disharmonie unter den Alliirten zu erzeugen vermochten, stand die
polnische Frage obenan. Man konnte sie kurz als Absicht Alexanders
— und insoferne war sie in der That ein „individuelles" Verlangen
— definiren, das von Napoleon aus preussischen und österreichischen
Antheilen des alten Polen errichtete Herzogthum Warschau bis auf
einen Strich, der im Kalischer Vertrag als Verbindung zwischen Ost-
preussen und Schlesien Preussen zugestanden worden war, ganz für
sich zu behalten und dasselbe, vereinigt mit den andern polnischen
Ländern Russlands als „Königreich Polen" in Person alunion mit der
russischen Krone zu setzen. Der erste Theil dieses Programms wider-
sprach dem Vertrage von Reichenbach, welcher die Coalition der drei
Ostmächte angebahnt hatte, denn dort war bestimmt worden, dass das
Herzogthum im Einvernehmen dieser Mächte aufgetheilt und Preussen
daraus verstärkt werden sollte; der zweite, den der Zar selbst seine
„Lieblingsidee" nannte, musste durch die nationale Attraction namen-
lich Oesterreich beunruhigen, dessen letzter Besitz au polnischem Lande
(Galizien) dadurch unsicher wurde; das Ganze aber war eine Ver-
mehrung der russischen Macht in einem Masse, welches deren Ueber-
gewicht in Europa ausser Frage stellte und mit dem Prinzipe des Gleich-
gewichts entschieden contrastirte, auf welchem sich die Coalition der
Gegner Napoleons Vertrags massig erhob ^).
') Mettemichs Denkschrift an K. Franz im S b 0 r n i k der russischen histori-
schen Gesellschaft, XXXI. 349—355, wo sie irrthümlich vom 26. Januar 1814
datirt ist, während das Original im Wiener Staatsarchiv das Datum vom 27. trägt.
2) Sbornik, XXXI. 355 f.
3) Im Artikel II des Reichenbacher Vertrags vom 27. Juni 1813 einigte
man sich über die Bedingungen, die man Frankreich stellte, ,um das Gleich-
^^g August F 0 u r n i e r.
Schon im Jahre 1805 hatte Alexander der Idee einer Wieder-
herstellung Polens unter russischem Scepter in der Politik Geltung zu
verschaffen gesucht, und man kann sagen, dass er damals für dieselbe
in den Krieg gezogen sei. Der Tag von Austerlitz machte den Plan
zunichte, und nun belebte Napoleon die nationalen Aspirationen der
Polen und machte dadurch das kriegsbegabte Volk seinen Fahnen
dienstbar. Als dann der mächtige Zweibund Frankreich-Russland, der
im J. 1807 geschlossen worden war, die ersten Risse zeigte, nahm
Alexander seinen Plan von ehedem wieder auf und wandte sich Ende
1810 und Anfangs 1811 mit lockenden Briefen an seinen früheren
Minister, den polnischen Fürsten Adam Czartoryski. Damals aber
waren die französischen Sympathien im polnischen Volke noch viel
zu stark, als dass der Ruf des Zaren ein Echo gefunden hätte i). Erst
als der Zug Napoleons nach Russland ein klägliches Ende nahm und
der Protector an der Seine viel an Macht und Geltung verlor, änderten
sich die Verhältnisse. Nun war es Czartoryski, der sich dem Peters-
burger Hofe zu nähern suchte. Er sammelte im Herzogthum Warschau
Adressen an den Kaiser, die sämmtlich die Einigung Polens unter
russischer Aegide erl)aten, und — ward erhört. Nur, schrieb der Zar
an ihn zurück, dürften Oesterreich und Preussen von der Sache nichts
erfahren, da sie sich sonst sofort in die Arme Frankreichs werfen
gewicht und die Ruhe iu Europa« wiederzugewinnen; darunter war ,1a dissolu-
tiou du Buche de Varsovie et le partage des provinces qui le formeut entre la
Russie, la Prusse et 1' Autriche, d' apres des an'angements ä prendre par ces trois
puissances sans Intervention du gouvernement fran9ais"' und » 1' agrandissement
de la Prusse en suite de ce partage«. Härtens, Recueil des traites conclus
par la Russie, III, 107. Im ersten Separatartikel des Teplitzer Vertrages vom
9. September, der die Coalition abschloss, steht unter den Bedingungen des
Kriegsziels (de mettre fin aux raalheurs de 1' Europe et d' en assurer le repos
f!utur par le retablissement d' un juste equilibre des puissances) auch die folgende:
„un arrangement ä l'amiable entre les trois cours de Russie, d' Autriche et de
Prusse sur le sort futur du duche de Varsovie«. Darüber, ob durch die Teplitzer
Bestimmung die Reichenbacher aufgehoben wurde, wie die Russen behaupteten,
oder ob sie trotzdem noch weiter zu Recht bestand, wie Metternich meinte, ist
später auf dem Wiener Congress viel gestritten worden. In der historischen
Literatur vertrat H. Delbrück, Friedrich Wilhelm III. und Hardenberg auf
dem Wiener Congress (Hist. Zeitschr. N. F. XXVII. 244) die erstere, M. Leh-
mann, Steins Tagebuch während des Wiener Congresses (ebenda XXIV. 458)
die letztere Ansicht. Wenn Delbrück aber die Behauptung aufstellte, der Ver-
trag von Reichenbach treffe seine Bestimmungen nur für den Fall, dass es noch
im Herbst 1813 zum Frieden komme, so ist dies aus dem Wortlaute desselben
wohl kaum nachweisbar.
1) M a z a d e , Alexandre I et le P^c Czartoryski, Correspondance particuliere,
II. 127 ff.
Zur Geschichte der polnischen Frage 1814 und 1815. 447
würden i). Oesterreich aber erfuhr dennoch davon. Sowohl jene
Adressen der Polen als auch dieser Brief der Kaisers wurden in Wien
bekannt, und seither ängstigten Metternich die Bilder einer unge-
raessenen Uebermacht des nordischen Nachbars ^). Seit dem Jahre
1813, schrieb er später einmal an Hardenberg, sei es seine vornehm-
lichste Sorge gewesen, es könnte ihm nicht gelingen zu verhindern,
dass eine ungeheure Machtvergrösseruug Russlands das noth wendige
Ergebnis der Zertrümmerung des europäischen Kolosses würde '^).
Möglich auch, dass eine Aeusserung Napoleons, die dieser im August
1813, eben als man im BegriflFe stand mit Frankreich zu brechen,
dem österreichischen General Bubna mitgegeben hatte, Eindruck auf
den Minister machte: wenn er nicht mehr sein werde, werde nicht
Frankreich sondern Russland den Deutscheu gefährlich werden ^).
Die Sorge Metternichs war nicht ungegründet. Die wetter-
wendische Politik des Zaren hatte Russlaud, während Oesterreich und
Preussen im Kampfe mit Napoleon umfangreiche Gebiete einbüssteu,
im Jahre 1807 preussisches, 1809 österreichisches Land, im selben
Jahre Finnland, drei Jahre später Bessarabien gewinnen lassen. Brachte
ihm nun der Krieg gegen den früheren Verbündeten auch noch Polen
ein, dann war jenes Uebergewicht reichlich vorhanden, welches Metter-
nich befürchtete und das sich sicherlich alsbald auch in deu orien-
talischen Dingen zur Geltung brachte.
Während des Feldzugs im Jahre 1813 hatte Alexander seine
Pläne verdeckt gehalten; einmal, weil die Kriegsereignisse erst spät
eine entscheidende Wendung nahmen, und dann wohl auch, weil die
russischen Kreise der Sache durchaus abgeneigt maren. Der Minister
Nesselrode z. B., der von den Heimlichkeiten seines Herrn kaum ge-
nügende Keuntnis besass, hatte sie einfach als unsinnig bezeichnet °).
Im Herbste aber, nach den grossen Siegen, trat das Project neuer-
1) Alexander an Czartoryski, 13. Jänner 1813 hei Mazade II. 206. Wenn
Demelitscli, Metternich l. 610 sagt, die polnische Frage sei damals »von
Russland aufgeworfen«, und 611 sie sei »von den Polen aufgegriffen worden*',
die an Alexander herantraten, so hätte ihn die Kenntniss des Czartorjskischen
Briefwechsels aus diesem Dilemma befreien können.
-) Oncken, Oesterreich und Preussen im Befreiungskriege I. 219.
3) Bailleu, Art. »Metternich« in der »Allg. deutschen Biographie*. Vergl.
Luckwaldt, Oesterreich u. d. Anfang d. Befreiungskrieges, S. 130.
■*) Mittheilungen des k. u. k. Kriegsarchivs VIII. 237.
5) ,JI u' est certainement pas entre dans la tete d'aucun homme raisonnable
et sincerement devoue aux interets de la Russie de conseiller le retablissement
de la Pologne pour le seul plaisir de satisfaire les fantaisies de cette nation
legere et iuquiete* Denkschrift Nesselrode's an den Kaiser, Jänner 1813 im
Sbornik XXXI. 301 f.
448 August F 0 u r n i e r.
dings iu den Vordergrund. Den Polen war bei Leipzig mit Poniatowski
eine grosse nationale Hofinung zu Grunde gegangen i). Jetzt wandten
sie sich durchaus Alexander zu, und bald waren im Frankfurter Haupt-
quartier die russischen Absichten für Niemand mehr ein Geheimnis ^).
Was sie für Oesterreich noch drückender machte, war, dass sie
eine andre Frage mit sich brachten, die gleichfalls die Interessen der
Donaumacht empfindlich berührte. Zu Ende August hatte der Frei-
herr vom Stein in einer Denkschrift dargelegt, dass es für Preussen
unerlässlich sei, das Land des Königs von Sachsen, der noch an
Napoleons Seite stand, nach dem Eroberuugsrechte zu incorporiren
— und Stein war einer der einflussreichsten Rathgeber des Zaren ^).
Schon in Kaiisch war es gewesen, dass Alexander sich mit dieser Idee
befreundete und, um Preussen den Verzicht auf polnisches Land zu
erleichtern, Friedrich Wilhelm III. Sachsen zusagte ^). Jetzt mag
diese Zusage erneuert worden sein. Deshalb enthielt wohl auch der
Teplitzer Vertrag, der am 9. September abgeschlossen wurde, bezüglich
des Herzogthums Warschau und der Entschädigung Preussens eine
wesentlich andere Bestimmung als die Keichenbacher Convention ^).
Kam der Plan zur Ausführung, dann rückte das aufstrebende Preussen
unmittelbar an Oesterreichs Grenzen heran, was man in Wien als
nicht geringe Gefahr empfand, um so mehr als man wusste, dass die
preussischen Patrioten damals schon ihrem Vaterlande die Führung
in Deutschland zuerkannten. Gelang es dann vollends Alexander,
aucli noch eine weitere Absicht in's Werk zu richten, die Ende Januar
1814 im Hauptquartier zu Langres auftauchte und sich Wochen lange
1) Die Nachricht von der verloreueu Schlacht bei Leipzig, schreibt Hofrath
Baum am 2. November 1813 aus Podgorze an Metternich, namentlich aber der
Tod Poniatowski's, habe auf die polnischen Patrioten wie ein Donnerschlag ge-
wirkt. Er sei ihre einzige Hoffnung gewesen. W. St. A.).
*) Am 4. Dezember 1813 schrieb Gneisenau an Münster: i,Der Kaiser Ale-
xander will ganz Polen behalten und aus Rache gegen den König von Sachsen
dessen Länder uns geben. Dieses wünscht Oesterreich nicht, ebensowenig jenes.
Oft'ene Erklärungen hierüber haben zwar noch nicht Statt gefunden, man kann
dies aber aus mehreren Erscheinungen wahrnehmen*. Vgl. auch Gentz an Ca-
radja, 18. August 1814: ,Zur selben Zeit (nach Leipzig) und namentlich während
des Aufenthaltes in Frankfurt, kam das Project, aus dem Herzogthum Warschau
ein constitutionelles Königreich Polen zu machen, dessen Krone K. Alexander
ti'agen würde, zum ersten Mal ans Tageslicht* (Klinkowström, Oesterreichs
Theilnahme an den Befreiungski-iegen, S. 388).
3j Ompteda, Politischer Nachlass, IV. 219. 230.
*) S. 0 n c k c n , Oesterreich und Preussen im Befreiungskriege L 245 f. ;
Metternich, Nachgelassene Papiere, 1. 173.
^) S. oben S. 445 Anm. 3.
Zur Geschichte der polnischen Frage 1814 und 1815. 449
in der politischen Discussion erhielt, nämlich die, dem gedemüthigten
Frankreich auch den Elsass abzunehmen und Oesterreich damit Galizien
abzuhandeln, so kam die Donaumacht durch diesen schier unhaltbaren
Besitz sicher in ein überaus feindseliges Verhältnis zu Frankreich,
wahrscheinlich auch zu Preussen, während Kussland, das bis an die
Karpathen heranrückte, im Orient vollkommen freie Hand erhielt ^).
Metternich lehnte sich gegen diese Idee mit allen Kräften auf. Er
wünschte kategorisch einen Aufschluss über die russischen Absichten,
und erst als Alexander in der letzen Februarwoche sich zu der Er-
klärung herbeiliess, er reflectire nur auf Westgalizien, welches damals
nicht mehr zu Oesterreich gehörte, war ein ernster Conflict vermieden ^).
Die Gefahr der Uebermacht Kusslands aber bestand gleichwohl fort,
und Metternich wurde nicht müde, sie zu beschwören.
Man hat gemeint, er habe schon im November 1813, in Frank-
furt, einen künftigen Rückhalt gegen die russische Uebermacht in
Frankreich erblickt, und sowohl seine Politik als auch die öster-
reichische Kriegführung sei von diesem Gedanken beeinflusst gewesen.
Hiefür lässt sich aber ein giltiger Nachweis nicht beibringen. Erst
die Kestauration der Bourbons und die Hartnäckigkeit Alexanders
führten diese Idee in die österreichische Politik ein, und erst Friedrich
Wilhelm's Haltung in der polnischen Frage auf dem Wiener Cougress
Hess sie greifbare Gestalt gewinnen 3). Am Beginne und während des
Krieges in Frankreich hatte Metternich andere Absichten. Vor Allem
die, das enge Verhältnis zwischen den beiden Ostmächten zu trennen
und mit Preussen und England ein wirksames Gegengewicht gegen
Kussland, eventuell sogar gegen Russland und Frankreich zu schaffen *).
•) Das Tauschproject Elsass-Galizien erscheint lediglich in Briefen Münster's
an den Prinzregenten vom 30. Jänner und 23. Februar, die Bailleu, Memoiren
Metternichs, Hist. Zeitschr. N. F. VIII. 265 citirt. Die oesterreichischen und preussi-
schen Papiere enthalten nichts darüber. Die Sache hatte nur einen episodischen
Charakter und Roloff, Politik und Kriegführung während des Feldzugs von
1814. S. 3 Unrecht, anzunehmen, dass die österreichische Politik von Anfang an
unter ihrem Einfluss gestanden habe.
2) Münster an den Prinzregenten, 25. Februar 1814 : „ Je .suis heureux de
pouvoir aj outer que 1' Empereur Alexandre a enfin doune une reponse süffisante
sur la Pologne en ce qu' il ne demande que la Galicie occidentale qui n' appar-
tient pas ä l'Autriche« (Hannoversches Staats-Archiv).
') Von diesen Dingen soll an anderer Stelle ausführlicher gehandelt werden.
*) In einen Briefe vom 24. Mai 1814 aus Paris an den Staatsrath Hudelist,
der in Wien die Amtsgeschäfte leitete, bezeichnet er es als sein Ziel: »die Be-
gründung eines festen Systems zwischen Oesterreich, England, Spanien und
Preussen, an welches System ich Baiern als Schutzwehr gegen Frankreich voll-
450 August Fouruier.
Es gelang ihm noch während des Feldzugs den englischen Minister
für sieh zu gewinnen. Er wusste dem Briten vorzustellen, wie leicht
die jetzt mühsam erkämpfte Kühe durch das drohende Uebergewicht
Kusslands aufs Neue erschüttert werden könne, und erreichte, dass
Castlereagh, der den gesicherten europäischen Frieden für das Parla-
ment und die belgische Anleihe dringend benöthigte, erklärte, England
werde die Gründung eines selbständigen Polens in keiner Form
dulden ^).
Aber auch Preussen sollte dem Einfluss der nordischen Macht
nicht überantwortet bleiben. Auch hier machte Metteruich den Ver-
such, trennend einzugreifen. Bei Hardenberg fand er bald Zustimmung,
denn auch diesem war die polnische Frage als eine für Preussen
nicht ungefährliche geläufig. Hatte doch das Project der Einigung
Polens im Jahre 1805 eine Gestalt angenommen, die Preussen mit
schweren Verlusten bedrohte. Aber Friedrich Wilhelm III., der dem
Kaiser von Kussland zu Dank verpflichtet zu sein glaubte — eine
Ansicht, die sein Kanzler nicht theilte — hielt fest an seinem Freunde 2).
Da entschloss sich Metternich, ein Opfer zu bringen um ein grösseres
zu vermeiden: er willigte darein, dass Sachsen an Preussen kam,
woferne dieses nur auch die Gefahr der russischen Uebermacht be-
kämpfen wollte 3). Daraufhin unterstützte Hardenberg die Friedens-
politik des österreichischen Ministers, und that es um so williger,
Aveil ihr auch einflussreiche Männer im preussischen Lager, Aucillon,
kommen anzuscWiessen mich anheischig mache. Hierdurch wird zum ersten
Male meine Lieblingsidee der Herstellung eines auf die Mittelmächte gegründeten
Systems, an -welches die Seemächte ganz natürlich sich anreihen, hergestellt*.
Arneth, Wessenberg I. 212. In der That hatte Metternich schon vor dem
Kriege 1805 einer engen Verbindung der beiden deutschen Grossmächte das
Wort geredet. Vgl, Fournier, Gentz und Cobenzl, S. 137. In einem früheren
Schreiben vom 18. Mai 1814 an Graf Merveldt in London heisst es: »(^ue notre
Union etroite avec 1' Angleterre, la Hollande, la Prusse et les etats de 1' AUeniagne
previendra efficacement un rapprochement trop intime entre la Russie et la France,
vers lequel ces deux gouvernemens, comme nous 1' avous prevu, tendent visi-
blement'des ä present». (W. St. A.) Vergl. Luckwaldt, S. 105.
') , II (Castlereagh) a paru au teste abonder dans le sens qu' ou ne saurait
admettre un royaume ou un duche de Pologne separe, ni de fait, ni de nom, ni sous
une forme avouee, ni sous une forme cacbec. Stadion an Metternich, Chätillon,
i). Februar 1814 (W. St. A.).
-) Hardenberg an Gneisenau, 29. März 1815: »Russland sind wir eigentlich
gar keine Dankbarkeit schuldig«. (P er t z-D el brück, IV. 480).
3) Hardenberg's Tagebuch zum 8. Jänner 1814: j> Metternich dina chez moi.
II accede au plan touchant la Saxe. Conference avec Metternich, le soir avec
Nesselrode* (Berliner Staatsarchiv).
Zur Geschichte der polnischen Frage 1814 und 1815. 451
Schoeler, Knesebeck das Wort redeten. Nur die Kriegsereignisse
im März 1814 und Napoleons Weigerung, die auf dem Congress
von Chätillon geforderte Einschränkung Frankreichs auf seine Gränzen
von 1792 zuzugestehen, gaben den Dingen eine Wendung, welche
zum Einzüge der Verbündeten in Paris, zum Sturze des Imperators
und zur Wiederherstellung der Bourbons führte, mit denen dann
der Friede am 30. Mai 1814 auf die geforderten Bedingungen bin zu
Stande kam.
In Paris hat man nebenher auch über die europäischen An-
gelegenheiten und darunter über die polnische Frage zu unterhandeln
begonnen. Aber Kussland trat mit grossen Forderungen auf, die es
täglich steigerte, während Oesterreich auf der Wiedererwerbung Krakau's
bestand und auch Preussen mit seinem Antheil sich unzufrieden er-
klärte. Man konnte sich nicht einigen, unterbrach diese Verhandlungen
und suchte nur mit dem Frieden mit Frankreich zu Ende zu kommen i).
Am Tage als dieser unterzeichnet wurde, am 30. Mai, und der Minister
Englands eben im Begriffe stand abzureisen, um den Empfang der
Souveräne in London vorzubereiten, verlangte Alexander plötzlich,
dass die polnische Sache dennoch sofort zur Erledigung komme ^).
Dazu war aber jetzt Metternich wenig geneigt; er hoffte vielmehr sie
in England und unter englischer Vermittlung zu lösen, deren er sicher
war; in Paris stünden sie, wie er sagte, viel zu sehr „unter dem Ein-
flüsse aller elenden polnischen Franzosen und französischen Polen" ^).
Doch auch in London, wohin sich Friedrich Wilhelm III. und Ale-
xander I. mit den Ministern Anfangs Juni begaben, wurde die Sache,
obwohl täglich Conferenzen stattfanden, nicht zum Abschluss gebracht.
Wieder war es Russland, welches mit seinen übergrossen An-
•) »L'Autriche jette les hauts cris. Elle a declare vouloir Cracovie, et
toutes les negociations pour la paix generale se sont arretees sur ce point.
Hardenberg donne aussi dans ce sens et u' est nullement content du beau mor-
ceau qu' on cede dejä ä la Prusse ... II parait que la paix avec la France
va etre signee et qu' on remet toutes les autres questions embarassantes et en
particulier celle du duche jusqu' au retour et jusqu'au sejour de Vienne«. Czar-
toryski an Nowosiltzow, 20. Mai 1814 in Sbornik IX, 439 f. S. unten S. 452
Anm. 1.
*) Münster an den Prinzregenten, Paris, 30. Mai 1814: »J'apprends ce
niatin que 1' Empereur de Russie insiste que les affaires de Pologne s' arrangent
encore ici. Voilä donc des interets majeurs ä etre decides ä la häte. J' ai tout
de suite instruit Lord Castlereagh de 1' etat des affaires, et je me flatte qu' il
renveiTa son depart de maniere ä pouvoir clire son mot dans des arrangemens
qui seront de la plus haute importance pour l'Europe*. (Hannöv. St. A.).
») An Hudelist, 24. Mai 1814. Arneth, Wessenberg I. 210.
452 A u g u 8 1 F 0 u r n i e r.
Sprüchen, denselben verhinderte i). Metternich erreichte nur, dass
der Prinzregent darein willigte, Castlereagh zum Congress nach Wien
zu schicken -). Im Uebrigen aber musste er seine grosse Sorge mit
nach Hause tragen,
Sie wuchs, als er in Wien die Berichte vorfand, welche Hofrath
Baron Baum, der Kreishauptmann von Bochnia, aus Podgor^e
nächst Krakau an die Staatskanzlei sandte. Im Juni meldete dieser
eifrige Beobachter der Vorgänge diesseits und jenseits der Weichsel,
die aus Paris heimkehrenden Offiziere der polnischen Armee könnten
die huldreiche Behandlung durch den Zar nicht genug rühmen, sie
sprächen auch nur von der Wiederherstellung Polens unter ihm, bis
auf Einzelne, die damit einverstanden waren, dass auch polnische
Waffengefährten den entthronten Imperator nach Elba begleiteten.
Die russischen Keservetruppen würden nicht, wie es doch der Priedens-
schluss mit sich brächte, entlassen, sondern vielmehr durch Rekrutirung
verstärkt und betrügen nunmehr 200,000 Mann; dazu komme das
polnische Armeecorps unter Dombrowski, welches neu formirt und auf
50.000 Mann gebracht werde. Dombrowski habe im Auftrage des
Zaren alle dienstfähigen Polen unter die russischen Waffen gerufen.
.Sollten wir", bemerkt Baum in einem Berichte vom 2(3. Juui 1814,
„von einer freundschaftlichen Verbindung mit dem russischen Hofe
nicht ganz versichert sein, sollte ßussland sich in dem Besitze des
Herzogthums Warschau behaupten wollen und den patriotischen Polen
nur eine entfernte Aussicht wegen Erklärung des mit Russland ver-
einigten Königreichs Polen gewähren, sollte endlich die Formirung
eines polnischen Corps von mehr als 50.000 Mann, der so lange Auf-
enthalt der russischen Reservearmee im Herzogthum Warschau aus
feindlicher Absicht geschehen, so würde eine solche Lage für die
Sicherheit des Staates bedenklieh, für die Ruhe von Galizien gefährlich
werden. Zum Glück wollen die russischen Autoritäten von Herstellung
eines Königreichs Polen nicht die geringste Notiz haben. Alle von
den polnischen Patrioten aus Paris eingehenden Privatnachrichten
1) Hardenberg an Gneisenau, 29. März 1815: »Kusaland allein ist Schuld,
dass wir uns nicht in Paris und London vereinigten, es steigerte täglich seine
Bedingungen«. Pertz-D elbr ück, Gneisenau IV. 480.
-) Gentz an Caradja, 28. Juni 1814: „Cette nouvelle est tres importante;
en la rapprochant de ce que j' ai eu 1' honneur de vous dire dans ma derniere
depeche — sie fehlt — vous en sentirez tout V interet. Elle prouve entre autres
eombien le cabinet de Londres est bien intentionne pour celui de Vienne, car
il est siir que c' est M. le Prince de Metternich qui a determine le P^e Regent
d'Angleterre ä cette demarche" (Polizeiintercept).
Zur Geschichte der polnischen Frage 1814 und 1815. 453
sfimmen jedoch darin übereiu, dass K. Alexander gegen die Polen
eine besondere Vorliebe beweise und ganz geneigt sei, ihren sehn-
lichsten Wünschen zu entsprechen".
Bald darauf kamen Meldungen, die nicht beruhigender lauteten.
Die Conscription der polnischen Truppen wurde mit allen Kräften
betrieben, die Vollmachten der Commissäre für die militärische Or-
ganisation waren vom Grossfürsten Constantin eigenhändig gezeichnet.
Der polnische Division sgeneral Wielohorski war aus Paris zurück-
gekehrt und hatte erzählt, der Zar habe ihm in einer geheimen ünter-
redunsf versichert, er werde die bisher mit Kussland verbundenen
polnischen Provinzen dem neuen Königreiche einverleiben und den
Polen die Constitution vom 3. Mai 1791 geben; auf die Frage wegen
des Anschlusses von Galizien habe er geantwortet, wer gleich anfangs
zu viel verlange, sehe seine Wünsche selten erfüllt, in zwei Jahren
werde man davon sprechen können. Einem Andern, Thierhausen
— er hatte 1812 mit Jelski dem Zar das Gesuch der Litthauer
um Vereinigung mit Polen überbracht — sollte Alexander gesagt
haben, es sei an der Herstellung des Königreichs nicht mehr zu
zweifeln. Ein Aufruf des Generals Umienski in der Warschauer
Zeitung vom 25. Juni mahnte die Offiziere, sich bereit zu halten „um
die Wafien zur Vertheidigung der Sache zu führen, für welche allein
der Pole gekämpft hat und kämpfen will-. Baum weiss auch die
Mamen derjenigen zu nennen, welche betraut worden seien, die neue
Verfassunsr zu entwerfen. Es war wohl nur Dankbarkeit für so viel
Entgegenkommen, wenn der General Sokolnicki am 11. Juni in Nancy
am Grabe Stanislaus Lesczynski's Alexander als „Schutzgeist der Polen
und ihrer heiligsten Wünsche" pries ^).
All diese Vorgänge beunruhigten schliesslich das Wiener Cabinet
in einer Weise, die es ihm gerathen erscheinen liess, noch vor Zu-
sammentritt des Congresses sich aller möglichen Unterstützung zu
versichern.
In England schien dies kaum nöthig. Dort glaubte Metternich
der Kegierung um so sicherer zu sein als jetzt auch der Prinzregent,
der während des Krieges nicht immer mit seinem Staatssecretär über-
eingestimmt hatte, auf Oesterreichs Seite getreten war. Das hatte Ale-
xander sich selbst und seinem ewigen Popularitätsbedürfnis zuzuschreiben.
Er hatte in London rasch die Wahrnehmung gemacht, dass Georg und
») Berichte Baums vom 20. u. 2G. Juni, 1., 5., 10. u. 13. Juli, 4. August
1814. (W. St. A.). üentz an Caradja, 9. Juli 1814, bei Prokesch, Depeches
inedites, I. 85.
454 August Fournier.
das torystische Miüisterium nicht beliebt seien ; da aber e r es sein
wollte, so setzte er sich sofort in Beziehung zur whigistischen Oppo-
sition, der er sogar versprochen haben soll, in Russland eine Art
Succursale, „un foyer d' Opposition", ins Leben zu rufen i). Er benahm
sich dem Regenten gegenüber kalt, behandelte die Minister gering-
schätzig, und als vollends auch seine Schwester Katharina die gleiche
Haltung beobachtete und überdies zwischen der Prinzessin Charlotte,
dem einzigen Kinde des Prinzregenten, und dem jungen Prinzen
Wilhelm von Oranien Zwietracht säete, so dass das Project einer
Vermählung der Beiden noch im Juli aufgegeben wurde, war der
russische Hof am britischen viel zu sehr verhasst, als dass dies nicht auch
in der Politik hätte Ausdruck finden sollen -). Nur machte in Ena-
laud nicht der Hof allein die Politik. Russland war als „Befreier"
von Napoleons Vorherrschaft noch immer im Volke beliebt, und selbst
in Regierungskreisen vermochten Czartoryski und Radziwill bei ihrem
Londoner Aufenthalt im Juli Alexanders polnisches Project dadurch
weniger gefährlich erscheinen zu lassen, dass sie in Aussicht stellten,
die Polen würden, einmal geeint, sich schon nach wenig Jahren von
Russland befreien und dann ihr Staat das sicherste Bollwerk Europa's
gegen russische Aggressionen bilden. Der österreichische Gesandte
))rachte es nicht dahin, Castlereagh Polens wegen zu einem drohenden
Schritt gegen Russland zu bestimmen ^).
Wie in London, so war Alexander auch am Bourbonenhofe in
Paris missliebig geworden, und wenn auch einmal an eine Heirath
zwischen dem Neffen Ludwig XVHL, dem Herzog von Berry, und der
Grossfürstin Anna gedacht worden war, so zerrann doch bald das
Project im Sande ^). Der Zar bemerkte, dass ihm der König nicht nur
') Bernhardi, Geschichte Russhinds 1814—31, I. 16.
2) Hardenbergs Tagebuch, 29. Juni 1814 in London: »Audience du P«e Re-
gent. Beau cadeau. 11 se plaint de 1' Empereur A. dont la conduite n' a pas et6
mesuree. La Graudduchesse Catherine a vecu avec V Opposition, a seme la
zizanie entre la Pesse Charlotte de Galles et le P^e d' Orange«. Welche Pläne
die Grossfürstin verfolgte, geht vielleicht daraus hervor, dass der Kronprinz von
Holland im nächsten Jahre ihre Schwester Anna heirathete. Vergl. Mout-
gelas, Denkwürdigkeiten. S. 381, und Gentz an Caradja, 9. Juli 1814, bei
Prokesch l 91.
s) Merveldt an Metternich, London, 9. u. 22. Juli 1814 (W. St. A.). Wenn
aber Wertheimer, Der Aufenthalt der Erzherzöge Johann und Ludwig in
England, 1815 — IG (Archiv f. ö. G. 1878. S. 389) sagt, Castlereagh habe 1814
,in seiner Verblendung für den Zaren verharrt*, so dürfte ihm der Beweis dafür
kaum gelingen.
••) Pozzo di Borgo, Correspondance dipl. avec Neasekode I. 9. 15. 23.
31. 33. 64.
Zur Geschichte der polnischen Frage 1814 und 1815. 455
den erwarteten Dank schuldig blieb sondern ihn auch mit einer
Etiquette verletzte, die zwischen dem ältesten Herrscherhause Europa's
und der russischen Dynastie einen wesentlicheu Unterschied markirte.
Die Bourbons hatten es ihm eben nicht vergessen, dass er ihnen
seinerzeit, Napoleon zuliebe, die Gastfreundschaft gekündigt hatte, uud
wenn er mit seiner liberalisirenden Gesinnung in Paris Beifall im
Volke fand, so konnte ihn das au ihrem Hofe nicht empfehlen. Hatte
Alexander die Hoffnung gehegt, es könnte ihm gelingen, die Allianz
mit Frankreich, die vor zwei Jahren in die Brüche gegangen war,
mit vertauschten Rollen wieder zu erneuern, so sah er sich getäuscht
Auch Talleyrand zog sich vou ihm zurück, als er auffallend oft
bei der früheren Kaiserin Josephine verkehrte, sie als Majestät be-
handelte und in ihrem Kreise seiner üblen Laune die Zügel schiessen
liess *). Metternich war die Wandlung nicht entgangen. Er benutzte
die Abschiedsaudienz, die ihm Ludwig XVIIL im Juli gewährte, um
das Eisen zu schmieden, und mit Erfolg, indem er sich für den
äussersten Fall bereit erklärte, Russlands Pläne durch die Wieder-
herstellung eines unabhängigen Polens zum Scheitern zu bringen —
eine Idee, die er bereits in London mit Castlereagh durchgesprochen
hatte, der sie ihres populären Charakters wegen warm begrüsste -).
Das Wichtigste war aber immer, dass Preussen, durch das Zu-
geständnis Sachsens gewonnen, sich gleichfalls den russischen Plänen
widersetzte. Metternich hatte aus den zahlreichen Besprechungen mit
Hardenberg — die letzte hatte anfangs Juli in Paris stattgefundeji
— die Ansicht gewonnen, dass dies in der That des Kanzlers Ab-
sicht sei. Er selbst war entschlossen, an der gegebenem Zusage fest-
zuhalten. Man hat zwar geraeint — und namentlich Treitschke hat
dieser Meinung Ausdruck gegeben — dem österreichischen Minister sei
es damit nicht Ernst gewesen, er habe nur Preussen vou Russlaud
1) Siehe P a s q u i e r , Memoires II. 433. 440. B e r u h a r d i a. a. 0. Von dem
Verkehr bei Josephinen meldet auch Münster dem Prinzregenten, 30. Mai 1814.
'} Metternich an Merveldt, Paris, 6. Juli 1814: »J'ai beaucoup entretenu
le roi sur la question polonaise, et j' ai eu la satisfaetion de le trouver entiere-
ment d' accord avec notre maniere de voir, partagee par 1' Angleterre et laPrusse,
et convaincu, comme nous tous, qu' en accordant ä 1' E.- Alexandre des aggran-
dissemens considerables dans la ei-devant Pologne, nous ne devons absolument
pas lui permettre de mettre en avant un principe dangerenx pour ses voisins
comme pour ses propres etats et que, si la Russie s' obstine ä proclamer une
Pologne russe, nous devons recourir ä tous les moyens, meme, au besoin, ä
celui de la declaration d'une Pologne independante pour Ten empecher«,
(W. St. A.). S. unter S. 458.
456 August Fournier.
abziehen und, wenn dies gelungen war, Sachsen verweigern wollen i).
Aber diese Anschauung ist eine unrichtige und lässt sich als solche er-
weisen. Nicht nur Hardenberg, auch Humboldt glaubte an die Echt-
heit der Metternich'schen Zugeständnisse, und Humboldt, der als Ge-
sandter nach Wien zurückgekehrt war, hatte just nicht Ursache, den
Minister günstiger als uöthig zu beurtheilen -). Gentz, der Legitimist,
schrieb resiguirt nach Bukarest, Sachsens Schicksal sei besiegelt ^).
Das Entscheidende ist aber, dass Metternich noch später, in den ersten
Monaten das Wiener Congresses, auch England gegenüber ganz offiziell
die Mittheilung machte, Kaiser Franz stimme der Einverleibung ganz
Sachsens in Preussen zu, und England, die Hauptstütze seines Systems,
konnte er doch wohl nicht irre führen wollen ^). Ueberdies eröffnete
') Treit schk e, Deutsche Geschichte, I. 532 hält Hardenberg schon am
8. Jänner, als Metternich jene Eröffnung machte, für von dem ^.verschlagenen
Oesterreicher* hinters Licht geführt.
2) Von Humboldt citirt Treitschke, Deutsche Geschichte I. 582 wörtlich
einen Brief an den König vom 20. August 1814: In der sächsischen Sache habe
man von Oesterreich nichts zu fürchten. Zwar lärme die Militärpartei wegen der
Erzo-ebirCTspässe, aber Metternich, „ dessen Rath sicher vom Kaiser befolgt werden
wird* betrachte die Sache von dem richtigen Gesichtspunkte. Darin sieht
Treitschke nur, »wie gröblich selbst ein grosser Kopf von entschiedener politi-
scher Beo-abung die diplomatischen Verhältnisse des Augenblicks verkennen
kann". Er hätte ebenso wohl auch über einen anderen Brief Humboldts an
Hardenberg, vom 1.3. August, geurtheilt, in welchem ein Gegensatz zwischen
Stadion und Metternich coustatirt wird, von denen der Erstere ein Anhänger der
altösterreichischen Principien und deshalb Preussens Plänen wenig geneigt sei,
^während ich mich bereits überzeugt habe, dass Metternich einem viel ver-
nünftio-eren Systeme huldigt, ein unbedingtes Vertrauen in E. D. setzt und dass
er allein es ist, bei dem wir Unterstützung für unsere Forderungen finden können"'.
(Polizeiintercept).
3) Wenn auch Oesterreich das Gelingen der preussischen Pläne nicht
wünschen könne, so seien es doch Betrachtungen der äussersten Wichtigkeit, die
PS bestimmen werden, dieselben zu unterstützen (de leur preter la main), denn
es sei von der grössten Nothwendigkeit, dass das Band der Freundschaft und
des gegenseitigen Vertrauens zwischen OesteiTeich und Preussen ä tout prix er-
halten und gefestigt werde. Gentz an Caradja. 6. September 1814. Diese Stelle
erscheint bei Klinkow ström, S. 404 als Theil eines Briefes vom 5.; nach
den Polizeiintercepten gehört sie mit andern, die sächsische Frage betreffenden
15emerkungen in ein Schreiben vom 6., welches sich weder bei Prokesch,
Depeches inedites, noch bei Klinkowström findet.
*) yJj'Empereur consent a rincorporation de la totalite de la Saxe ä la
monarchie prussienne si sa conservation au moins partielle etait jugee incom-
patible par S. M. Prussienne et leurs Allies communs avec les justes pretentions
de la Prusse et un arrangement equitable en general . . . il demande que ce
sacrifice serve ä la reconstruction de la Prusse et ä la consolidation de sa force,
Miais qu' il ne soit pas une compensation jiour son acquiescement ä des vues
Zur Geschichte der polnischen Frage 1814 und 1815. APyl
zur selben Zeit Kaiser Franz seinem Schwager, dem Prinzen Anton
von Sachsen, dass die Sache Sachsens verloren sei i). Nein, an der
reellen Absicht des österreichischen Cabinets, Sachsen an Preussen
gelangen zu lassen, woferne dieses nur gegen Russlands ausgreifende
polnische Pläne gemeinsame Sache mit ihm machen wollte, ist nicht
zu zweifeln. Es kam nur darauf an, ob Preussen diese Bedino-uno-
erfüllte. Und darüber wünschte Metternich volle Klarheit noch ehe
der Congress zusammentrat.
Am 1. Augnst schickte er dem österreichischen Gesandten iu
Berlin, Grafen Zichy, eine Instruction zu, die ihn mit dem o-anzen
Systeme der Staatspolitik vertraut machte und ihm auftruo-, nochmals
Hardenberg zu versichern, dass die sächsische Erwerbung von öster-
reichischer Seite kein Hindernis erfahren werde, ja dass man auch
bereit sei, Maiuz nicht an Baiern kommen zu lassen, was Preussen
perhorrescirte, sondern als Bundesfestung zu erklären. Dafür erwarte
man ein einträchtiges Zusammengehen vor Allem in der polnischen
Frage. Der Kaiser Alexander, beeinflusst von politischen Intriguanteu
und Visionären und verführt von einem neuen Ruhmesglänze, den er
dadurch zu gewinnen hoffe, dass er sogenannten liberalen und philan-
thropischen Ideen Schutz verleihe, habe nebenher den sehr reellen
Gedanken gefasst, aus dem Herzogthume" Warschau und den proviso-
risch verwalteten polnischen Ländern das Königreich Polen unter
russischem Scepter wiederherzustellen und nur ein Gebiet mit elf-
hunderttausend Seelen an Preussen abzugeben. Der Zar bemerke dabei
nicht, dass die Polen sieh seiner nur bedienten, wie sie vordem Napo-
leon benützten, um aus den zerstreuten T heilen zunächst ein Ganzes
zu bilden 2). Weder Oesterreich noch Preussen könnte es dulden, dass
d" agrandissement, ä des Operations politiques aussi dangereuses pour les deux
Etats que contraires ä la lettre des traites". Metternich an Castlereagh, 22. Oc-
tober 1814 bei d'Angeberg, Le congres de Vienne, 11. 1.939 f. Dieses Schrei-
ben ist von der Forschung bisher auffallend vernachlässigt worden, obgleich es
Stein in seinem Tagebucli (veröffentl. von Max Lehmann, Hist. Zeitschrift.
N. F. XXIV. 412 und 413) unter den ,, merkwürdigsten« Papieren der damaligen
Krisis erwähnt. S. auch Hardenberg an Gneisenau, 29, März 1815, Pertz-
Del brück, IV. 480. Münster, Politische Skizzen S. 186. 192.
') Talleyrand an Ludwig XVIII., 25. October 1814 bei Fall ain- Bailleu,
Talleyrands Briefwechsel mit Ludwig XVIII. während des Wiener Congresses. S. 70.
-) Am 20. November 1813 hatte Baum an Metternich geschrieben: »Die
polnischen Patrioten sehnen sich nur deshalb nach einer Vereinigung unter rus-
rischer Botmässigkeit, um zu einer Disharmonie zwischen den Verbündeten An-
Inss zu geben und einst mit ihrer geeinten Kraft neue Unruhen zu erregen, dabei
Mittheilungen XX. 30
^tg August Fournier.
dieses Project zur Ausführung gelange, welches für das Erstere den
Verlust einer Provinz, für das Zweite die Isolirung Ostpreussens mit sieh
hrino-en und ßusslaud starke Positionen auf dem rechten Weichsel-
ufer verschaffen würde; Oesterreich könne ebenso wenig auf Krakau,
wie Preussen auf Dauzig und Thorn verzichten, und sie dürften, Avenn
die übergrosse Machtvermehrung Russlands nicht anders zu verhindern
wäre, selbst vor der Wiederherstellung Polens, dann aber als eines
von Russland unabhängigen, von den Mächten Europas anerkannten,
dem Nachbar feindlichen Staates nicht zurückscheuen. Jedenfalls
möge Hardenberg die Zeit, in welcher sein König vom Zar getrennt
sei, benutzen, um den Einfluss des Letzteren einzuschränken 2).
Da war der kühne Gedanke wieder, mit dem Metteruich die
eigenen Pläne Alexanders als Waffe gegen ihn zu kehren gedachte.
Freilich erschien ihm dies selbst nur als Mittel äusserster Nothwehr.
Er hoffte — und ein Gespräch, welches er im Juli mit dem Zar in
Bruchsal geführt, bestärkte ihn darin — dass dieser von seinen weit-
reichenden Plänen ,bis zu einem gewissen Punkt" zurückgekommen
sein werde. Und auf diesen Punkt kam es eben an. Metternich wäre
bereit gewesen, Russlaud von den ehemals preussischen und öster-
reichischen Antheilen der dritten Theiluug ein reichliches Mass polni-
schen Landes als russische Provinz unter der Bezeichnung „Herzog-
thum Warschau« zuzugestehen; der Titel „Königreich Polen" jedoch
aber ihren ihnen stets vor Augen schwebenden Plan der Wiederherstelhing des
unabhängigen Reichs zur Ausführung zu bringen\ S. oben S. 454. In der Charak-
teristik Alexanders begegnete sich Metternich iuit Gentz, der am 18. August in
einem Memoire über die polnische Frage an Caradja schrieb: der Zar hege in
seiner Seele die scheinbar widersprechendsten Triebe, einen beständigen Drang zu
herrschen, den Vorrang zu behaupten, sich auszudehnen — und eine brennende
Begierde in den Augen der Zeitgenossen als Vorbild der Humanität und Gross-
inuth zu "■elten; den Ehrgeiz, Europa Gesetze vorzuschreiben — und eine ent-
schiedene Hinneigung zu allen Lieblingssystemeu und Verirrungeu des Jahr-
hunderts u. s. w. Klinkowström, S. 390.
2) Metternich an Zichy, 1. August 1814; (W. St. A.) die Stelle über das
unabhängige Polen lautet: ,Elles (Preussen und Oesterreich) doivent employer,
pour dejou'er les plans de la Kussie, tous les moyens, et meme au besoin celui
de la declaration d'une Pologne independante, pour tourner contre la Russie les
forces de ce pays et preferer en cas de necessite 1" existence d' un etat consolide
par la reconnaissance des grandes puissances, definitivement circonscrit dans
ses limites, ennemi naturel comme etant independant de son puissant voisin, et
devant chercher par consequent 1' appui de V Autriche, de la Prusse et de la
Porte, a I' etablissement d' un foyer d' insurrection au uiilien de leurs iHats qui
rendroit tonte possession prccaire, tout droit incertain, et empoissonneroit 1' esprit
public des provinces les plus öloignees et les plus precieuses des deux monarchies*.
Zur Geschichte der polnischen Frage 1814 und 1815. 459
und die unabhängige Verwaltung eröchienen ihm untinuehuibar, weil
der Name allein schon ein Weckruf für alle die zerstreuten Theile der
Nation bedeute, die, einmal geeint, sich au der Hand eines europäischen
Zwistes auch Russlands Einfluss entziehen und dessen alte Provinzen
mit sich reissen würde 1).
Bei Hardenberg fanden die weitgehenden Pläne Metternichs kein
Echo. Auch er war der Meinung, dass Alexander von seinem Projecte
in Etwas zurückgekommen sei. Aber wenn er es nicht wäre, solle
mau ihm den Krieg machen? Dazu würde sein König schwerlich
zu haben sein. Man habe Unrecht gehabt, dass man mit Russlau d
in die Coalition eingetreten sei ohne bezüglich der polnischen Länder
feste Bedingungen vereinbart zu hüben. Nuu bleibe kaum etwas andres
übrig, als den Zar im Wege der Verhandlungen von seinen Ent-
schlüssen abzubringen, im üebrigen aber ein Defensivsystem zu be-
gründen, das den gegenwärtigen Besitz gegen dessen Uebergriffe
schütze 2).
Das war weniger Entgegenkommen als Metter nich erwartet hatte.
Zichy's Eindruck war, Preussen stehe den polnischen Plänen Russlands
gefasster gegenüber, weil es der Erwerbung Sachsens versichert sei.
Da wandte sich der österreichische Minister direct nach Petersburg.
Alexander hatte ihm in Bruchsal zugesagt, er werde bis zum Congre»s
keinerlei Aenderung eintreten lassen. Es war nun möglich, dass der
Widerstand der Mächte und die Abneigung der Russen, die Verwaltung
des Reiches zu Gunsten der Polen getheilt zu sehen, den Zar andern
Sinnes gemacht hatten. Dann war ja alle Sorge vorüber. Das musste man
in Erfahrung bringen. Und auch über Beziehungen Alexanders zu den
süddeutschen Höfen, von denen Hardenberg gesprochen hatte, musste
Klarheit gewonnen werden, und ob wirklich, wie das Gerücht gieng,
der Kronprinz von Würtemberg, nach der Scheidung von seiner Ge-
mahlin, mit Glück um die Hand der Grossfürstin Katharina warb.
Metternich glaubte, als er in Teplitz die Souveränität der Rheinbund-
staaten durchgesetzt hatte, dieselben Oesterreich zu Dank verpflichtet
zu haben ; es konnte ihm nicht gleichgiltig sein, wenn sie nun Russ-
lands Protectorat nachsuchten. Vielleicht liess sich die Grossfürstiu
Katharina, deren Einfluss auf den kaiserlichen Bruder kein geringer
war, in das österreichische Interesse ziehen; Erzherzog Karl war noch
') Eigenhändige Aufzeichnung Metternichs über die pohlische Frage, als
Beilage zur Depesche an Zichy vom 1. August. W. St. A. Siehe Beilagen.
2) Siehe den Bericht Zichy's an Metternich, 12. August 1814, in den
Beilagen,
30*
^ßO August Fournier.
uuvermählt. ßasch entschlossen brachte Metternich den Kaiser Franz
dazu, einen vertrauten Sendboten nach Petersburg zu schicken, der die
offizielle Mission bekam, sich dem Zar für dessen Keise nach Wien
zur Verfügung zu stellen. Man wählte den Feldmarschalllieutenant
Baron Koller, denselben, der als einer der Commissäre der Alliirten
Napoleon nach Elba begleitet hatte, dann mit in England gewesen
und von Alexander I. stets mit grosser Freundlichkeit behandelt worden
war. Auch die Grossfürstin Katharina, der er im Vorjahre bei ihrem
Aufenthalt in Böhmen als Ehrencavalier gedient hatte, war ihm wohl
o-esinnt. Ausserdem galt er für einen genauen Kenner der Verhält-
nisse am russischen Hofe i). Am 16. erhielt er einen eigenhändigen
Brief seines Kaisers au Alexander, worin in der lielDenswürdigsteu
Form ausgesprochen war, wie sehr erfreut man wäre, das grosse
Friedenswerk im vollsten Einvernehmen zu Ende führen zu können.
Ein zweites Schreiben Frauz I. war an die Grossfürstin gerichtet, die
damals in Franzensbad den Brunnen gebrauchte und die Koller auf
dem Wege nach Petersburg besuchen sollte. Es enthielt den Wunsch
des besten Erfolges ihrer Kur und den Ausdruck der Hoffnung, sie
in Wien zu sehen.
Neben diesen beiden Handschreiben empfieng Koller aber auch noch
eine eingehende Instruction mit auf den Weg. Zunächst sollte er im
Gespräche mit der Grossfürstiu deren Ansichten über die Lage der
Dinge in Russlaud zu erkunden trachten und wie sie etwa den
Heiratsantrag des Würtembergers aufgenommen habe. In Petersburg
aber sollte er die Antwort auf eine ganze Reihe von Fragen finden,
die ihm Metternich ans Herz legte : wieweit der Widerstand der Russen
o-eo-en das polnische Project Alexanders reiche? iuwieferne der Zar
dadurch beeinflusst werde? welche militärische und politische Mass-
regeln er zu dessen Realisirung vorbereite? ob er sich mit anderen
Mächten darüber in's Einvernehmen gesetzt habe? ob dies mit Erfolg
geschehen sei? ob der Kaiser bei der Verwirklichung seiner pjhiischen
Pläne geheime Wege gehen oder sie dem CoJigress vorlegen wolle?
welche seiner Räthe denselben günstig oder ungünstig gesinnt
>) Kollers »genaue Keniitnis der iiinern Verhältnisse aiu russischen Hofe*
wird in der ihm ertheilten Instruction besonders hervorgehoben. Wieso Gentz
K;hon ain 11. August (K li n k o w s t r ö m , S. .382) dem Hospodar melden konnte.
»Koller wurde von hier nach S. Petersburg geschickt«, während dessen Instruc-
tion erst vom 16. datirt ist, ist eines der Räthsel, welche die Publication
der Geutzischen Briefe dem Forscher aufgibt. Gentz wusste übrigens nichts von
dem gebeinien Zwecke der iMission.
Zur Geschichte der polnischen Frage 1814 und 1815. 461
seien? welcher Zusammeuhang mit süddeutschen Staaten bestehe und
ob sich missvergnügte Italiener nach Petersburg gewendet hätten?
lieber alle diese „bedeutendsten Verhältnisse des Tages" erwartete
der Minister „wichtige Aufschlüsse" von dem General, dem er ein
behutsames Benehmen, eine freundschaftliche zuversichtliche Sprache,
die sich auf Oesterreichs Stärke gründe, „mit Vermeidung aller Zu-
dringlichkeit und zu emsigen Bewerbung um die Gunst des russischen
Hofes", zur Pflicht machte i).
Das war viel auf einmal. Koller that sein Bestes. Er war am
3. September in Petersburg angekommen — über seinen Aufenthalt
bei der Grossfürstin in Eger liegt kein Bericht vor — und am nächsten
Tage in Kamenoy-Ostrow von x^lexander empfangen worden. Dieser
unterschied sofort zwischen dem Wohlwollen des Kaisers Franz und
der Feindseligkeit seines Ministers, der alles für Oesterreich behalten,
Russland nichts zukommen lassen, sondern ihm vielleicht auch noch
nehmen wolle, was es bereits besitze. Darauf brachte Koller mit
einem Schwall von Worten sehr geschickt die Bemerkung vor, dass
seines Wissens nie davon die Rede war, Russland jene Länder streitig
zu macheu, die es Türken und Schweden zu einer Zeit abgerungen
habe, als die andern Mächte sich gegen Napoleon vertheidigten. Dass
der Zar bei all seiner Erregtheit gegen Metternich demselben dennoch
Gerechtigkeit widerfahren Hess, ihn den ersten Minister Europa's
nannte, den zu besitzen Russland glücklich wäre, erfuhr Koller auf
andern Wegen. Auch dass Alexander Castlereagh und Hardenberg
hasste, erzählte man sich am Hofe, und Koller erhielt von befreundeter
Seite den Wink, es wäre nicht unwahrscheinlich, dass der Zar, wenn
ihm durch die Beiden hart zugesetzt würde, selbst auf eingeschränkte
Anträge Metternichs eingehen würde, blos um den Schein zu ver-
meiden, dass er sich von Jenen habe zwingen lassen. Er würde dann
etwa für die Herausgabe des Tarnopoler Kreises zu gewijinen sein
und nur bei dem Krakauer Gebiete unerbittlich bleiben. Diese Stelle
im Berichte Kollers gewinnt, wenn man sie mit dem späteren Verlaufe
der Dinge auf dem Wiener Congress zusammenhält, eine besondere
Bedeutung, und man ist versucht zu vermuthen, dass Metternich den
Wink nicht unbeachtet gelassen habe.
Koller erfuhr auch, dass sich in der That mehrere deutsche
Staaten, Würtemberg und Baden voran, um die Vertretung ihrer
') Instruction für den mit Aufträgen S. M. des Kaisers nach St. Petersburg
bestimmten Herrn Feldmarschalllieutenant Freih. v. Koller. Wien, den 16. August
1814 (W. St. A.).
462 August Fournier.
Wüusche au Kussland gewendet hatten, dass aber Italiener in Peters-
burg nicht anwesend seien. Als der Zar ihm gegenüber gelegentlich
die Bemerkung machte, er sei unterrichtet, wie in Italien die grösste
Unzufriedenheit mit der österreichischen Regierung herrsche, gab
Koller den Stich zurück indem er erzählte, er habe auf seiner Reise
durch Polen mehrfach die Aeusserung gehört, Alexander müsse das
Königreich wiederherstellen, weil dies das einzige Mittel wäre, den
Hass der polnischen Nation in etwas zu mildern. Am Hofe und in
weiteren Kreisen urtheilte man recht hart über den Kaiser und seine
Vorliebe für die Fremden, namentlich Laharpe. Er trage, hiess es,
nur aus Rücksicht auf seine persönliche Sicherheit und um mannig-
fache Willkür zu decken, seine Philanthropie zur Schau, habe Nessel-
rode, den man allgemein für unzulänglich hielt, nur deshalb zum
Minister gemacht, um zu zeigen, dass er keinen bedeutenden Rathgeber
benöthige, habe Dombrowski, dem Polenführer, seine Gunst entzogen,
weil er sich vermessen hatte, die Wiederherstellung des Königreichs
blos mit seinen Landsleuten und einer geringen Geldunterstützuug
erkämpfen zu wollen, was der Eitelkeit des Zaren widerstrebte u. dgl. m.
Das Wichtigste aber, worüber Koller zu berichten hatte, war,
dass — und er berief sich dabei auf das Zeugnis des Grossfürsten
Constantin uud einiger vertrauter Generale — Alexander, bei dem
allgemeinen Widerstände der Russen gegen die Wiederherstellung
Polens, auf sein Lieblingsproject verzichtet habe. Ja, der Kriegs-
minister wollte die beträchtliche Machtentfaltung in Polen geradezu
damit rechtfertigen, dass er sagte, man müsse für den Fall gerüstet
sein, „wenn die getäuschte Hoffnung für die Wiedergeburt des König-
reichs die Polen zu tollen Unternehmungen verleiten sollte". An
diesen Dingen war so viel wahr, dass Alexander in der That die Ab-
sicht, Litthauen mit den anderen polnischen Gebieten zu vereinigen,
fallen gelassen hatte. Im Uebrigen aber war der Zar der Mann, seine
ganze Umgebung über seine Pläne im Unklaren zu halten, und wenn
Metternich gehofft und gewünscht hatte, er werde sich Koller gegen-
über deutlich erklären, so war dies nicht der Fall gewesen. ,Er hoffe,
dass Alles gut verlaufen und er sich auch mit Metternich verständigen
werde", „von seiner Seite solle kein Hindernis entstehen", war alles,
was der Sendbote von ihm zu hören bekam; nichts Bestimmtes, nichts
Definitives, wie es eben Alexanders Art war i).
So war also auch von dieser Seite her keine volle Aufklärung
erfolgt, und der Congress rückte heran, ohne dass man in dieser
') Kollers Bericht, vom 8. September 1814 (W. St. A.) in den Beilagen.
Zur Geschichte der polnischen Frage 1814 und 1815. 463
wichtigsten Staatsaugelegeuheit Oesterreiclis Sicherheit gewonnen hätte.
Jii, es ist fraglich, ob Metteruich schon im Besitze des Koller'schen
Berichtes war, als in Wien die Würfel zu rollen begannen. Am 17.
und 18. September waren dort die fremden Minister eingetroffen, und
am Abend des 19- fand bei dem österreichischen eine Conferenz statt,
an welcher nebst dem Hausherru Hardenberg, Castlereagh und
Nesselrode theilnahmen. Dieser gab im Auftrage des Zaren die
bestimmte Erklärung ab, derselbe wolle das ganze Herzogthum War-
schau für Russland behalten, Oesterreich nur die Salzwerke von
Wieliczka, Preussen die Verbindung von Ostpreusseu und Schlesien
zugestehen. Fanden schon diese Eröffnungen den Widerspruch der
Vertreter der drei andern Mächte, so musste es geradezu verstimmen,
wenn Metternich auf seine Frage, welchen Namen Alexander den
neuen Acquisitionen gebeu wolle, die Antwort erhielt, dass der Zar
darüber den Mächten ebensowenig Rechenschaft schuldig sei, als er
von Preussen und Oesterreich eine solche bezüglich Deutschlands und
Italiens verlange i).
Damit war die polnische Frage in all ihrer Schärfe aufgerollt
und Europa hatte sich mit ihr zu befassen. Sie sollte monatelang im
Vordergrund des politischen Interesses stehen und den Congress, wenn
nicht eingehender beschäftigen, so doch gewiss tiefer aufregen als
jede andere.
Beilagen.
Metternich an Zichy.
Vienne le 1. Aont 1814 ^).
Je profite du premier moment de loisir, qu.e j'ai trouve depuis mon
retour ä Vienne, pour tracer a V. E. le tableau de nus relations politiques
au moment de la Separation des cabinets et la direction a suivre aupres
du gouv*. prussien, pour entretenir les bons rapports que nous avons etablis
avec lui et qu'il est du plus haut interet d'achever pour 1' epoque tres-
rapprochee, oü le congres general fixera definitivement notre Situation en
Europe.
Nos rapports avec la cour de Berlin n' ont jamais ete älteres pendant
le cours de la guerre, et si nous avons eu ä regretter quelquefois 1' ascen-
•) Nesselrode's Bericht über die Conferenz am 19. an Alexander, der am 25.
in Wien eintraf, ist mir durch Dr. Bailleu's Güte bekannt geworden.
-) Expedie par le Courier Renard. (W. St. A.)
464 August F 0 u r n i c r.
dant personnel que l'Empereur Alexandre exerce sur l'esprit du roi et
la complaisance de ce souverain pour les idees et les plans, souvent dan-
gereux, de son allie, nous avons constamment trouve dans les braves
armees prussiennes le devouement le plus heroique au noble but de nos
efforts communs et dans le ministere, et surtout dans son respectable
chef, un esprit aussi pur qu'eclaire de conciliation et une confiance ä
laquelle nous avons repondu dans toutes les occasions. Le gouv*. prussien
a du reconnoitre, de son cöte, combien nous partageons sa conviction de
la necessite de l'union la plus etroite entre les cours de Vienne et de
Berlin pour consolider le grand ouvrage que le traite de paix avec la
France n' a fait qu' ebaucher, et de l'urgence qui existe que nous nous
reunissions, dans le plus parfait accord, pour diriger le developpement
des principes consacres par les traites dans un sens qui, en assurant le
repos et le bien-6tre des deux monarcbies, fasse concourir leurs moyens
et leur action au dehors au maintien de la paix et de l'equilibre de
r Europe.
II a vu de meme que nous nous sommes prötes ä ses vues, relati-
vement aux acquisitions futures de la Prusse, avec un abandon de confiance
dans ses principes qui exclue toutes les considerations ordinaires de pru-
dence et de calcul entre puissances limitrophes. Des relations fondees sur
une confiance tellement reciproque, sur la connaissance mutuelle qu' ont
acquise de leur caractöre deux souverains faits pour s' estimer, ne peuvent
qu' etre durables ; et une union intime qu' il suffiroit de 1' identite la plus
entiere des interets des deux pays pour cimenter, ne peut que se ren-
forcer par tous les sentimens personnels de ceux qui sont appeles ä la
cultiver. Cette alliance pacifique et conservatrice de 1' ordre trouvera
un appui aussi fort que constant dans une puissance qui, ä l'abri elle-
meme, par sa position geographique, des froissemens joumaliers des
interets des puissances continentales, et par lä hors de l'atteinte des
passions qui alterent quelquefois les rapports les plus solides entr' elles,
ne peut trouver son avantage que dans le maintien d' un ordre de choses
qui, en lui garantissant sa puissance d' une prosperite que tous les efforts
de ses ennemis ne sont pas parvenus ä diminuer, lui assure en meme
temps la juste influence dont eile avoit ete privee pour le malheur de
r Europe.
L' Angleterre avec laquelle nous avons renoue nos auciennes et intimes
relations, reunira toujours ses conseils, ses moyens et ses efforts a ceux
de l'Autriche et de la Prusse pour le but salutaire du maintien de la
paix ; et 1' experience des sifecles a prouve que 1' association des puissances
de r Allemagne et des puissances maritimes, toutes centrales en Europe
parce qu' elles sont menacees des deux cötes par des puissances voisines,
peut seul maintenir un equilibre qui ne sauroit etre viole, sur quelque
point que ce seit, sans que, par leur position meme, elles en eprouvent
r atteinte, et qui ne peut jamais 1' etre sans le rapprochement des puis-
sances placees ä 1' extremite et leur tendance vers une reunion dans le
centre.
Ces principes, d'une evidence incontestable, prescrivent aux deux
cours de Vienne et de Berlin la marche ti suivre dans le moment im-
Zur Geschichte der polnischen Frage 1814 und 1815. 455
portant qui finira ^) tant d' incertitude, decidera du sort et du bonheur
de tant de peuples, et preparera enfin, nous l'esperons, ä l'Europe une
longue epoque de repos et de prosperite.
II n' exiöte, entre nous et ia Prusse, aucune difference reelle quant
aux conditions qui doivent servir de base a l'existence politique et ä
l'etat de possessions futurs des deux pays. Quelles que soient les con-
öiderations qui, • dans d' autres circonstances, nous auroient fait redouter
l'extension de la monarchie prussienne sur nos frontieves septentrionales,
quels que soient les regrets que nous laisse la destruction d'une antique
monarchie souvent utile ä nos interets et ä la balance des pouvoirs en
Allemagne, les acquisitions de la Prusse en Saxe ne trouveront aucun
obstacle de notre cöte; et nous sommes egalement persuades que les pre-
tentions reciproques des cours de Berlin et de Munic sur la possession de
Mayence, et la necessite oii nous nous trouverons de nous opposer aux pre-
mieres, en ecartant meme au besoin les autres par un moyen terme, ne
porteront aucune atteinte ä nos bonnes relations avec la Prusse. Les deux
objets qui reclameront le plus la sollicitude des cours de Vienne et de
Berlin, et sur lesquels toutes les considerations d' interet reciproque doivent
se reunir, sont la Pologne et la future Organisation de 1' Allemagne.
L' empereur Alexandre, influence malheureusement par des intrigans et
des visionnaires politiques de toute espece, seduit par le nouveau genre
de gloire qu' il espöre acquerir en accordant sa protection ä de pretendues
idees liberales et philanthropiques, n'a eu que trop reellement l'idee du
retablissement d'un Koyaume de Pologne sous sceptre russe, et probable-
ment sous 1' administration du Grand-duc Constantin, compose du Duche
de Varsovie et de toutes les parties du pays qui se trouvent sous admi-
nistration provisoire, ä l'exception d'un rayon d'un million ou onze-cent
mille habitans ä ceder ä la Prusse. II n' a pas compris que les Polonais,
en favorisant ses projets, ne vouloient se servir de cette regeneration ap-
parente que pour arriver, sans lui et contre lui, au constant objet de
leurs voeux et de leurs intrigues, tout comme ils se servoient jadis de
r Empereur Napoleon pour reunir les parties detachees de la Pologne et
en former un tout avec le temps, en s'aidant de l'appui de ses ennemis.
L'Autriche ni la Prusse peuvent jamais consentir a la realisation de ce
projet qui entraineroit, poui- la premiere la perte certaine d'une de ses
possessions les plus precieuses, pour l'autre l'isolement et la dependance
entiere d'une de ses provinces les plus riches, la Prusse Orientale; elles
peuvent^ en justice et en politique, consentir que la Eussie acquiere de
fortes positions militaires sur la rive gauche de la Vistule, elles ne peu-
vent r une renoncer ä la possession de Cracovie et de son arrondissement,
r autre ü celle de Dantzick et de Thorn ; elles ne peuvent enfin, en accor-
dant a r immense empire de Eussie une augmentation considerable de
territoire, permettre V etablissement d' un principe aussi dangereux que le
seroit celui de la regeneration de la Pologne qui, dans ses consequences,
detruiroit tous les traites existans dans le monde; et elles doivent employer,
pour dejouer les plans de la Eussie, tous les moyens, et möme au besoin
celui de la declaration d'une Pologne independante, pour tourner contre
*) Die Reinschrift hat .fixera'.
466 August Fournier.
la Kussie les forces de ce pays, et preferer en cas de necessite V existence
d'un etat consolide par la reconnaissance des grandes puissances, defini-
tivement circonscrit dans ses limites, ennemi natui'el, comme etat inde-
pendant, de son puissant voisin, et devant chercher par consequent 1' appui
de r Autriche, de la Prusse et de la Porte, ä 1' etablissement d' un foyer
d' insurrection au milieu de leurs etats qui rendroit toute possession pre-
caire, tout droit incertain, et empoisonneroit 1' esprit public des provinces
les plus eloignees et les plus precieuses des deux monarcliies. Plusieurs
donnees, et ma derniere entrevue avec 1' Emp. Alexandre ä Bruchsal, nous
fönt presumer que ce souverain est revenu jusqu' ä certain point de son
idee, qui non seulement n'a trouve d'accueil ni aupres de la Prusse, ni
aupres du gouv*. Anglais, avec lequel les inconvenances et les mani-
gances qu' il s' est perinises pendant son sejour ä Londres 1' ont mis en
tres grande froideur, ni aupres du goiiv*. Fran^ois qui lui en veut par
la meme raison et contre la quelle nous nous sommes hautement et
fortement prononces dans toutes les oecasions ; et il est permis d' esperer
que son sejour en Kussie, oü l'opinion publique est entierement opposee
ä tout partage de pouvoir et d' influence avec des etrangers, achevera de
lui prouver 1' impossibilite et le danger de son plan. II est toute fois
de la plus haute importance que les deux cours se preparent ä la plus
vigoureuse resistance ä toute proposition de cette nature qui pourroit
etre faite par la Russie, et ä tout acte qui, contre les engagemens
positifs pris par l'Emp. Alexandre, pourroit tendre ä ce but. Vous ne
pouvez, M. le Comte, toutes les fois que vos conversations avec le
pce de Hardenberg vous en fourniront l'occasion, trop appuyer sur cet
objet, et les lumieres et la loyaute de ce digne ministre nous sont garans
qu'il portera son souverain ä agir dans un sens conforme aux frequentes
declarations qu' il ma faites ä cet egard.
Le plan relatif ä V Organisation future de V Allemagne que M. le P^^
de Hardenberg a ebauche, et qu' il m' a communique ä Londres, fournit
matiere ä une müre deliberation. Je desirerois beaucoup qu' il m' en
transmit une copie Sans delai, qui pourroit servir de base aux Conferences
preliminaires qui seront ouvertes ici incessament entre M. le B° de Hum-
boldt et moi; et V. E. est Charge de lui en demander la communication
de ma part ^).
Vous ne pouvez en general, M. le C*«, trop parier ä M. le Chancelier
d'Etat dans le sens de la depeche que je vous adresse aujourdhui, ni
lui trop repeter les assurances de 1' entiere confiance que nous vouons ä
son caractere et ä ses principes, et les protestations de la sincerite de
notre desir d' agir dans toutes les circonstances dans le plus intime accord
avec la Cour de la Prusse et de faire de notre alliance avec eile la base
de notre politique et la principale garantie du repos et du bonheur futurs
de l'Europe,
Le contenu de la presente depeche ne doit servir en general qu'ä
r Information de V. E. et Lui tracer en meme tems le canevas de ses
') Siehe W. A. Schmidt, GeschicLte der deutschen Verfassungsfrage
während der Befreiungskriege und des Wiener Congresses. S. 173 flF.
Zur Geschichte der polnischen Frage 1814 und 1815. 407
conversations avec M. le Chancelier d' Etat et les personnes bien pensantes
qui entourent le roi. Vous n' etes, M. le Comte, charge d' aucune negociation,
le ministere prussien etant parfaiteraent d'accord avec nous, et toute
insistance ulterieure sur des points dejä convenus ne pouvant que nous
donner un air de mefiance auquel M. le P^e de Hardenberg ne donne
certainement pas lieu. Nous avons meme la conviction qu'il profitera
avec succes de la Separation momentanee du Eoi d'avec l'Emp. Alexandre
pour combattre ce que 1' influence de ce souverain pourroit avoir laisse
d' incertitude et d' irresolution ä son maitre. Recevez etc.
Memoire Metternichs über die polnische Frage i).
II existe deux manieres d'envisager les affaires de Pologne.
Les Pays formant l'ancien territoire de la Pologne peuvent rester
separes et partages entre les trois puissances. Dans ce cas la Russie doit
viser a etendre son territoire pour s' indemniser des frais de la derniere
guerre. Les deux cours d' Autriche et de Prusse ne demandent pas mieux
que de s' entendre avec celle de la Russie sur l'echelle la plus liberale.
La Russie acquerera une extension territoriale utile et qui ne compro-
mettra pas l'existence de ses rapports europeens, qui se lient essentielle-
ment ä la conservation de ses provinces polonaises. Les nouvelles acqui-
sitions qu'elle fera sur les provinces polonaises, ayant fait partie des lots
de r Autriche et de la Prusse en suite du dernier partage, peuvent con-
server la denomination de Duche de Warsovie.
Une autre chance seroit celle que l'Emp. A. voulut donner a ses
nouvelles acquisitions le titre d'un royaume de Pologne. Cette denomi-
nation brouilleroit toutes les questions. L' Autriche et la Prusse se trouvent
des lors menacees dans leurs possessions actuelles; les provinces ci-devant
polonaises et liees maintenant ä 1' Empire de Russie partageront l'eveil
general que le seul nom de Pologne donneroit ä ces parties soumises a
des sceptres etrangers et qui sont loin d' avoir oublie leur ancienne reunion
en un seul grand Corps politique. Les Polonais seconderont ä 1' apparence
les vues de la Russie; ils se soustrairont ä son influence ä la premiere
occasion ; V Europe entiöre se trouvera appellee ä faire naitre cette occasion.
La Russie, loin d' avoir fait une conquete assuree, aura sacrifie pour des
apparences trompeuses son repos et ses interets les plus chers. Elle perdra
ses provinces polonaises anciennes et nouvelles.
Teile est la position des choses; seule force humaine ne pourra
arreter les progres que fera le mal s' il se trouve une fois etabli. L' Emp.
A. peut se preparer un avenir tranquille ou des chances de bouleversemens
incalculables ; il depend de lui de faire partager Tun et les autres ä ses
voisins et ä 1' Europe entiere.
1) Eigenhändig, ündatirt. Beilage zur Weisung an Zichy vom 1. August 1814.
(W. St. A.). ^
468 August F 0 u r n i e r.
Zichy an Metternichi).
Berlin le 12 aoüt 1814.
(Hat die Instruction vom 1. August erhalten und im Sinne derselben mit
Hardenberg gesprochen.)
» II n' y a rien de ce que vous me faites V honneur de me dire *,
me repondit le Chancelier d'Etat, »que nous n'ayons dejä discute et analise
dm*ant le long sejour que j' ai fait avec M. le P^*^ de Metternich. Nous
sommes bien d' accord qu' il est de la plus haute importance que V Autriche
et la Prusse soient unies et fermes dans leur langage et dans les mesures
qu' alles adoptent ; je contribuerai de mon mieux pour consolider cet ouvrage
salutaire. Le plan relatif ä 1' Organisation future de TAllemagne que j'ai
communique au P'^^ ^q Metternich ä Londi-es, et dont j'enverrai inces-
samment la copie par Courier ä Vienne, est base sur la seule et unique
supposition de l'union la plus intime entre nos deux cabinets^". (Ici le
Chancelier me lut lui-meme cette piece en entier). II continua: »Vous
voyez mon eher comte, combien il est essentiel pour le retablissement
solide de 1' AUemagne, de n' avoir qu' une seule et la meme volonte. Je
ne vous cacherai pas«, poursuivit le Prince, »que la politique que le P*^®
de Metternich paroit vouloir suivre, de favoriser et d'aggrandir la Baviere
et le Koi de Wurtemberg, ne sauroit avoir mon approbation, jamais il ne
reussira de contenter ces deux cours; qu'il se garde de jamais se fier a
la sincerite de leurs intentions ; il se pi'esentera demain une occasion de
s' uggrandir ä nos depens, elles en profiteront pour virer de bord du
moment qu' elles jugeront pouvoir 1' executer sans danger eminent. Nous
verrons au congres de Vienne les difficultes et intrigues de tou.t genre
que ces deux cabinets noiis preparent, et je ne serai point surpris de
voir que la Eussie, si eile ne les appuye, en aura du moins une joie
secrette. Le Roi de Baviere et de Wurtemberg doivent rester petits, le
]-epos de 1' AUemagne y gagnera, plus ils s' aggrandiront plus ils seront
turbulens et moins nous arriverons au but*.
II est ä sa place d'informer V. A. que M. le C*^ de Wintzingerode
a passe par ici venant de Stuttgard et se rendant en toute häte ä S. Peters-
bourg. Cela a fait presumer assez generalement qu' il est charge de plaider
les interets du Roi son maitre prös de l'Empereur Alexandre afin de
s' assurer de son appui au congres prochain. Une autre supposition porte
que cet envoye est Charge de negocier un raariage pour le P''® Royal de
Wurtemberg, qui vient de se separer de madame son epouse.
Le Chancelier P*^^ de Hardenberg, apres avoir emis ces reflexions sur
le compte de la Baviere eut la bonte de me communiquer un memoire
dont il m'assm-e vous avoir remis, mon Prince, une copie ä Paris. Ce
memoire est relatif ä la forteresse de Mayence et tend u prouver la
necessite, que militairement et politiquement la sürete de 1' AUemagne
(jxigeoit que" cette place fut oceupee par un Corps de troupes prussiennes.
Le ministre actuel de la guerre, M. le gen. Boyen, a redige cet aper9u
que je n' envoie pas a V. E. puisqu'il doit se trouver entre ses mains.
Eigenhändiger Bericht. (W. Ht. A.).
Zur Geschichte der polnischen Frage 1814 und 1815. 4(59
»Je me vois oblige d'ajouter ä cette oecasion«, me dit le Chancelier,
»qua le Eoi ne consentira jamais et ä aucune condition que la Baviere,
soit mise en possession de cette forteresse que nous considerons comme
la clef de toutes les Operations importantes en Allemagne ; c' est certaine-
ment ä regret que nous nous deciderions ii V extreme de voir devenir Mayence
eine Bundesfestung, ce qui seroit le moyen-terme dont nous prevoyons tous
les inconveniens, mais nous le trouverions au pis-aller tres preferable ä
celui de voir une place de si haute importance sous la domination de la
Baviere <■=.
La conversation passa de ce point ä celui des acquisitions de la Prusse
en Saxe. »Je me suis convaincu«, reprit le Prince, »qu'un morcelement
de la Saxe seroit dangereux et entraineroit meme pour cette nation des
inconveniens faciles ä deduire. Nous possedons ce pays par le droit de
la conquete; je pourrai citer ü uotre faveur tous les publicistes anciens
et modernes les plus celebres, qui s'accordent unanimement ä venir ä
l'appuide ma these. Le ßoi de Saxe s'est conduit jusqu'au dernier jour,
celui de la bataille de Leipsic, comme notre ennemi le plus acharne ; il ne
doit pas rester en Allemagne. cela donneroit lieu a des troubles et des
fermentations continuelles. II faut bien que d' apres la teneur des traites
nous soyons dedommages, oü voulez-vous que nous trouvions cela, si ce
n' est en Saxe ? car des possessions detachees et morcelees ne peuvent nous
contenter. Le Eoi de Saxe peut recevoir les 3 legations de Ferrare,
Bologne et Ravenne que le Eoi de Sicile a refusees; il n'est pas besoin
de les rendre au S. Pere, qui jouit d' une independance qui lui suffit, vu
les etats qu' il possöde ; ce sera un sort pour le Eoi de Saxe dont il n' est
pas en droit de se plaindre« 1). Ignorant si M'" de Hardenberg a tenu
un langage aussi explicite ;i V. A. sur ce chapitre, je Lui rend compte ä
peu pres mot pour mot (de) ce qu' il m' a articule, et il me paroit evident
que les insinuations de l'Empereur Alexandre ont contribue a douner ce
degre de force aux volontes du cabinet de Berlin, qui peut-etre, de sou
cöte, aura temoigne des dispositions ä la Eussie de ne pas s' opposer seri-
eusement ä ses projets en Pologne.
C'est forcement que j'ai con^u cette idee par suite de notre conver-
sation suivante sur le point important de la Pologne, oü je n'ai oublie
aucun argument pour representer au Chancelier d'Etat avec les plus vives
Couleurs le danger qu'il y auroit si 1' Emp. Alexandre venoit ä realiser ses
projets de retablissement d' uu royaume de Pologne sous sceptre russe, ce
qui ne pourroit jamais etre indifferent a nos deux cabinets. Le P*^« de
•) Hardenberg hatte Metternich schon in Paris, in einem Briefe vom 7. Juli
diesen Vorschlag gemacht, worin es heisst: »Je souhaite vivement que le Roi
de Saxe soit bien place et cela n' est faisable qu' en Italie en lui donnant les 3
legations. Vous aurez en lui un allie dont vous pourrez toujours tirer parti.
En bonne politique vous devez, ce me semble, preferer cet etablissement pour
lui a tout autre dans le Nord de T Allemagne, oü il serait moins sous votre
influence. Le Pape n' est pas uu obstacle, II lui faut un Etat qui le rend capable
de soutenir sa dignite. II 1' aura si on lui rend ce que le traite de Tolentmo
lui avait laisse". Am 13. Juni hatte Metternich aus London an Hudelist ge-
schrieben, dass die Rückgabe der Legationen au den Papst keinem Hinderniss
von Seiten Oesterreichs begegnen, die Sache jedoch erst auf dem Congress zur
Entscheidung kommen solle. (W. St. A.).
470 August F 0 u r n i e r.
Hardenberg fut dabord d'avis qu'il pavtageoit votre couviction que rEm-
pereur pouvoit etre revenu »jusqu'ä certain point^'^ de son idee qui n'a
trouve accueil nulle part, mais il m' a assure savoir par un canal tres sür
et confidentiel que V Empereur a exprime dans I' intimite de son Interieur
sa ferme resolution de tenir ii tout prix au principe de ne rien rendre k
V Autriche des possessions occupees par les Busses en Pologne, et de
n' accorder a la Prusse que le rayon d' un roillion ou onze cent mille
habitans qui lui ont ete promis par le traite de Breslau en vertu d' un
article secret. Les sacrifices de la Prusse seront d' apres cela tres con-
siderables, Dantzick reste sous sa domination, mais eile perd Thorn et ses
provinces jadis les plus ricbes. L' armee russe rassemblee en Pologne est
evaluee, ä ce que le Prince m' assure, ä 200-000 h. effectifs, eile sera
encore augmentee par les troupes en marche. »Je suis*, me dit-il, »tres
dispose ä croire qu' on n' approuvera pas en Russie l'idee de 1' Empe-
reur d'etablir une Pologne sous T administration du Grand Duc Con-
stantin, parcequ'un partage semblable de pouvoir deplaira a la nation
russe; mais si 1' Empereur veut reunir la Pologne comme province de
r Empire russe, il sera seconde par les suffrages de la nation. L' Autriche
voudra-t-elle donc faire la guerre ä la Russie, si 1' Emp. Alexandre refuse
opiniätrement ä rendre les provinces polonaises? La Prusse se trouve-t-elle
en Position de tirer l'epee si ses representations ne produisent aucun effet?
Le Roi mon maitre pourra-t-il se decider dans un moment, oü il est con-
vaincu qu'il a les plus grandes obligations pour sa delivrance ä T Empereur
Alexandre, ä faire une gueri'e qui l'expose ;i des chances incertaines?
Cette question demande müre reflexion avant de rien faire, car en poli-
tique rien n' est dangereux que de se hasarder trop en avant, et puis de
ne pas avoir le moyen de soutenir sa these. II faut que nous tächions,
par les voies de la negociation en notre pouvoir, de persuader 1' Empereur
de Russie de revenir sur ces resolutions ; mais posons le cas, auquel il
faut penser, qu'il ne veuille pas ceder, je vous demande encore une fois
risquerons-nous une guerre qui auroit tous les desavantages pour nous,
qui sautent du premier abord aux yeux de chacun ? J' en ecrirai moi-
meme encore au P^e de Metternich, il faut faire ce qui est possible ä cet
egard, mais nous avons eu Tun et l'autre grand fort de ne pas faire
nos conditions ä ce sujet avec la Russie avant d' entrer avec eile dans la
coalition*. J'ai beaucoup de peine ä me persuader que le cabinet de
Berlin puisse prendre son parti avec cette resignation apparente sur un
objet aussi majeui'e, s' il n'avoit l'espoir d'un ample dedommageraent en
Saxe qui le dispose ä en vi sager la perte de ses possessions en Pologne
comme un mal tres supportable. »Nous devons pour cette raison meme^S
me dit encore le Chancelier, y, nous unir plus etroitement et creer un sisteme
de defense en Allemagne qui puisse resister a une tentation quelconque
de la Russie qui ne pourra pour lors jamais nous inquieter pour nos
possessions actuelles. Croyez-moi, mon eher Comte, apres les efforts immenses
que nous venons de faire il faut tout employer pour jouir des fruits de
la paix*.
Des voyageurs ari'ives de Varsovie et d' autres parties de la Pologne
assurent que les autorites administratives russes continuent ä exercer des
spoliations inouies, et que 1' habitant des provinces occupees est tellement
Zur Geschichte der polnischen Frage 1814 und 1815. 47 1
mis ä contribution qu' il est prive de sa derniere ressource ; le mecon-
tentement est par consequent ä son plus haut degre. On doit aussi avoir
essaye de faire un appel aux Polonois pour las engager de prendre Service
et de former une armee, raais le plus grand nombre s'y est refuse de-
mandant qu' on articule pour qui et contra qui ils davoient s' armer ?
Comme vous savez, mon Princa, qua ma correspondance est survaille
par le gouv*. prussien avac une scrupuleusa exactitude, je me flatta que
vous approuverez que je veux eloigner absolument tout motif da mefiance
at que j' adopte le mode d' ecrire le moins possible an chiffras pour na
faire naltra aucun soup9on ä 1' egard de notra franchise ; de raöme j' obsarve
la nuanca da mandar par la poste ce qui na peut nullement offusquer le
gouvernament, me reservant toujours les occasions de couriers, qui ne
peuvent manquar dans ces circonstancas, pour porter ä votre connaissance,
mon Princa, las faits et obsarvations qui peuvent influer sur vos deter-
minations ... Zichy.
4.
Koller an Mette mich.
St. Petersburg, den 8- September 1814 1).
Ich bin den 3*^^" d. abends hier angekommen und wurde mit zu-
vorkomender Aufmerksamkeit empfangen. Meine Wohnung war in dem
Pullast dar Grossfürstin Catharina Paulowna, wohin ich dux-ch Kosacken,
die in dieser Absicht am Thora aufgestallt waren, begleitet wurde, vor-
bereitet. Der Kaiser selbst hatte nachsehen lassen, ob ich bequem be-
wohnt sei ; die Equipagen des Hofes sind zu meiner Verwendung bereit,
überhaupt Übertrift die Behandlung jede Erwartung.
Am 4*®° nachmittags um 1/22 Uhr empfing mich der Kaiser in
Kamenoj Ostrow. S. M. waren höchst erfreut über die Aufmerksamkeit
dieser Sendung und über den Brief S. M. Unseres Kaisers, und sagte:
,,Ihr Kaiser biethet Mir so freundschaftlich die Hand zur Schlichtung der
Verhältnisse von Europa, Er wird auch finden, dass von Mir aus kein
Hindarniss entstehen und Ich von demselben Eifer für das Allgemaina
Wohl beseelt sein werde*. Er fi'agte: »Est-ce que vous serez bien sage
au congres? Est-ca qua vous ne fairez pas des propositions fou?^'= -) Ich
erwiderte Ihm: ,V. M. saura avec sa justice et clairvoyance qui Laur est
inee, bälan^er scropuleusament sas idees et ses volontes avec le bienetre
general, et nous ne pourrons etre qua säge et manifester les principes
liberales comme jusqu'ä presant*. »Ja was Ihren Kaiser betritt bin Ich
überzeugt, werden Wir gleich einig sein, aber Metternich wird Mich feind-
lich behandeln, ar ist es, der Alles für Oesterreich und für einige Andere
behalten und Uns Russen nichts zukommen lassen will. Er will Uns
mehr Uibel als je ein oesterreichischer Minister; Ich glaube er würde Uns
noch nehmen wollen, was Wir schon haben*. Ich entgegnete: »E. M.
vorgefasste Maynung gegen den Fürsten Metternich ist nicht gegründet,
') An S. des kais. kön. Herrn Minister der auswärtigen Angelegenheiten
Fürsten Metternich Durchlaucht.
-) Zur Ehre Alexanders uiuss es gesagt sein, dass hier sein Französisch
eine Behandluno' erfährt, die e^ kaum verdiente.
^"72 Augugt Fonrnier.
denn ich glaube, dass man ihm allgemein die Gerechtigkeit widerfahren
lässt, dass er den Zustand und die Bedürfnisse der Staaten genau kennt
und er vor allen Anderen am meisten von dem reinen Wunsche geleitet
wird, die Absichten der einzelnen Theile mit dem allgemeinen Wohle zu
vereinbaren und alles sorgfältig, ja sogar hartnäckig zu vermeiden und zu
beseitigen, was in diesen Friedens-Verhandlungen den Keim zu künftigen
Kriegen zurücklassen könnte. Ich bin zwar von den bisheiigen Unter-
handlungen nicht unterrichtet, vermuthe aber, da es dem Wiener Cabinete
eigen ist, mit der schonendsten und zartesten Art- zu verhandeln, dass
von jenen Eroberungen, die ßussland gegen die Schweden und Türken in
einem Zeitpunkte errungen hat, wo alle andere Mächte mit der Selbst-
Erhaltung und Selbst- Vertheidigung beschäftiget sein mussten, noch gar
nicht die Rede war; folglich kann der Vorwurf den Minister Metternich
umso weniger treflPen, dass er der russischen Nation selbst das streitig
machen wolle, was sie schon besitzt«.
Der Kaiser sagte scherzhaft, dass ich nichts mehr tauge, seit ich von
der Insel Elba zurückgekommen sey. Er hoffe dass Alles gut gehen, und
auch Er mit dem Fürsten Metternich sich einverstehen werde.
Den 13. diess wird der Kaiser von hier abgehen und seinen Weg
über Witepsk. Minsk und Krackau nehmen; er hält weder Nacht- noch
Mittags-Stationen und gedenckt in 12 Tagen in Wien einzutreffen. Ich
habe hievon die General-Commanden in Gallizien und Mähren zur Ver-
ständigung der Civil-Behörden, so wie von der Anzahl der erforderlichen
Pferde, durch Couriere untemchtet.
Fürst Constantin soll erst 5 Tage nach Ankunft des Kaisers in Wien
anlano-en; ich zweifle aber hieran, weil es mir bekannt ist, dass Er Sich
nach Abreise des Kaisers nach Warschau verfügt, um dort nach Maas der
Wiener Verhandlungen sogleich die Organisation der polnischen Truppen
zu beginnen. Dombrowsky hat sich der besonderen Zuneigung des Kaisers
nicht mehr zu erfreuen, weil er in einem Bericht an denselben sich die
Bemerkung erlaubte, dass er nur die Beystimmung des Kaisers Alexander
und eine geringe Geld-Unterstützung bedarf um bloss mit seinen Lands-
Leuten Fohlens Wiederherstellung gegen die Widersacher zu verfechten;
welches den Kaiser beleidigte, weil Dombrowsky dessen Mitwirkung ent-
behrlich glaubte. Seither ist Kraszinsky der besondere Günstling.
Die Russen aller Klassen sind allgemein und einstimmig gegen die
Wiederherstellung des Königreiches, und es sind ausschlüsslich nur Fohlen,
die diese wünschen und darauf antragen. Der Grossfürst Constantin, der
kein Geheimniss für mich hat, General Arackchejeff, der besondere Freund-
schaft für mich hegt, und General Ouvaroff, der vollkommenes Vertrauen
in mich setzt, haben mich versichert, dass der Kaiser von diesem für das
Interesse Russlands so verderblichen Lieblings-Projekt ganz abgegangen
und diesen Punkt beym Congresse schwerlich, oder höchstens nur sehr
oberflächlich berühren werde. Was diese Angabe noch mehr begründet,
ist eine Aeusserung des Kriegs-Ministers Fürst Koczakoff, der auf den Ein-
wurf mehrerer Minister, dass durch die drohende Aufstellung zahlreicher
Truppen nachtheilige Besorgnisse in Oesterreich und Preussen entstehen
raüssten. erwiederte : dass zwar die Zahl in etwas vermindert werden
könne (welches seither auch geschieht) aber eine ungewöhnlich beträcht-
Zur Geschichte der polnischen Frage 1814 und 1815. 473
liehe Aufstellung doch für den Fall nöthig sey, wenn die getäuschte Hoff-
nung für die Wiedergeburt des Königreiches die Pohlen zu tollen Unter-
nehmungen verleiten sollte. — Wenn sich auch der Kaiser mit anderen
Mächten wegen der polnischen Angelegenheiten ins Einvernehmen gesetzt
hätte, so erhellet doch, dass Seine Anträge keinen Eingang gefunden
haben konnten, denn der Obrist Woronow, der durch den Erbprinzen von
Oldenburg alles zu erfahren Gelegenheit hat, was in dem Zirkel der kaiser-
lichen Familie gesprochen wird, eröffnete mir: der Kaiser habe der Kaiserin
Mutter gesagt: »Dieser Metternich hat Mir die Engländer auf den Hals
gehetzt, er hat sogar die Preussen die Dankbarkeit vergessen gemacht, die
sie Mir schuldig sind; ebenso wird er die Kleineren beherrschen und alle
werden nur das sprechen, was er Ihnen erlaubt. Wir müssen gestehen,
dass er der erste Minister in Europa ist; Russland würde glücklich seyn,
einen ähnlichen zu besitzen, aber um so gefährlicher wird Uns auch sein
Hass gegen die Russen ^^ Ouvaroff" versicherte mich, dass, wenn man dem
Kaiser durch die Minister Castlereagh und Hardenberg, welche er hasst,
hart zusetzt, ihn dieses nur stutzig machen würde, und da er mit Metter-
nich in gutem Einverständnisse zu leben wünscht, so ist es sehr wahr-
scheinlich, dass Er den partiellen Vorstellungen desselben ein geneigtes
Gehör geben wird, weil Er natürlich den Schein menagieren will, aus
eigenen Antrieb und nicht gezwungener Weise nac^hgegeben zu haben.
Für die Rückgabe der Tarnopoler Landschaft, werde man Ihn leicht be-
reden können, wegen der Verzichtleistung auf Kracau aber äusserst hart-
näckig finden. Von denen deutschen Mächten, die die Vermittlung Ihres
Privat-Interesse bei dem bevorstehenden Congresse dem russischen Hofe
empfohlen haben, sind: der König von Würtemberg, wegen Schwarz\rald
und einer Arrondierung in dortiger Ausdehnung; — Herzog von Oldenburg,
wegen Moppen und Ostfriesland ; — Baaden, Weimar, Landgraf von Hessen-
Kassel, Weilburg haben unbedingte Verwendung angesucht.
Es sind keine Italiener in St. Petersburg, die sich um die Unter-
stützung des Kaisers Alexander bewerben. Der Kaiser aber hat in Verfolg
einer Unterredung zu mir gesagt, dass Er Nachrichten aus Italien habe
(wahrscheinlich durch den eben von daher zurückgekommenen Generalen
Schuwaloif) die Ihn versichern, dass die Italiener äusserst unzufrieden
seyen; die Venezianer sollen sogar geäussert haben, dass sie unter Napoleon
im Fegfeuer gewesen, sich nun aber unter Oesterreich in der Hölle be-
fänden. Ich erwiederte, dass derlei Regungen der Jakobiner in allen durch
die Revolution infecktirten Ländern hörbar sind ; so habe man mir in der
Durchreise durch Pohlen, wo ich sehr bekannt sei, mehrmahlen geäussert,
der Kaiser Alexander müsse die Krone Pohlens herstellen, weil er kein
anderes Mittel habe, den unbesiegbaren Hass der Pohlen gegen die Russen
zu mindern, und dass sie auch nur um diesen Preis sich für den Augen-
blick der schmerzlichen'^Nothwendigkeit unterziehen, vom russischen Ein-
fluss gedrückt zu werden. Der Verdruss hierüber war in den Gesichts-
zügen des Kaisers sichtbar. Der Kaiser drang in mich, Ihm diejenigen zu
nennen, die mir diese Mittheilung gemacht haljeu : ich lehnte es aber ab, weil
ich mich an der freundschaftlichen Vertraulichkeit unedel vergehen würde.
Der Kaiser sagte weiter, » Est-ce que Vous en fairez rapport chez Vous V Si
vous pouvez n'en parles pas ä Metternich«, welches ich Ihm versprach.
Mittheilungen XX. 31
474 A 11 g u s t F 0 n r n i e r.
Uiber die Verwaltung im Inneren, überhaupt in der Ostentation der
Russischen National- Vorzüge herrscht hier viel Charletanerie und wenig
Realität. Leute von ausgezeichneter Bildung und vorzüglichem Ansehen
finden in allen Zweigen der Staats-Administrationen sowie über das Be-
tragen des Kaisers vielen Grund zu tadeln. Zum Beispiel den Einfluss
des Laharpe ; — die Verwendung des unwissenden Staats-Secretairs von
Nesselrode, wobey der Kaiser die Absicht habe, glauben zu machen, dass
Er Niemanden benötige und Selbst Minister sey ; — Seine in allen Ge-
legenheiten zur Schau gestellte philantropische Grundsätze, wobey Er nur
Sicherheit Seiner Person berücksichtiget, und drückende Willkührlichkeiten
und oft entbehrenden i) Eigensinn verschleyert. Ebenso missbilliget man,
dass der Kaiser den Grafen Rostopchin, Gouverneur von Moskau, seiner
bisherigen Anstellung enthoben und in Ruhestand versetzt hat ^).
Ich habe bey allen Bekanntschaften, die ich hier fand und gemacht habe,
jeden Schein von Negotiation, von Neugierde, von Besorgnissen über die
Maasregeln des russischen Kabinets sorgfältig vermieden. Ich habe die
aufgegebene Absicht von der Wiederherstellung Fohlens gleichgiltig an-
gehört, mich nicht um die Gunst des Hofes beworben, und mit derselben
Art und Höflichkeit auch die polnische Parthie behandelt. Es ist mir
dahero vollkommen gelungen, die Meynung allgemein zu gründen, dass
meine Sendung nach St. Petersburg nur die Uiberbi'ingung des Briefes
an S. M. zur Absicht hatte, wodurch ich accreditiert wurde, über die
glückliche Rückkunit dem Kaiser Glück zu wünschen und für die bevor-
stehende Reise nach Wien dessen Befehle einzuhohleu.
Die Kaiserin Mutter kömmt heute nach St. Petersburg und morgen
um 2 Uhr werde ich Ihr vorgestellt.
Man ist hier der Meynung, dass der Tod des Anstetten ^) den Grafen
Roczamovsky ^) sowohl als Nesselrode für die Zeit des Congresses in nicht
geringe Verlegenheit setzen werde.
Ich habe zwey Tage früher als der Kaiser von hier abgehen wollen,
um von Ihm auf dem Wege nicht eingehohlt zu werden ; allein da am
Sonntag den 1 1 . dies Monats Kaisers Namensfest eintritt und eine grosse
Parade vorbereitet wird, so glaube ich, um jeder irrigen Auslegung im
Weg zu treffen, erst in der Nacht vom Sonntag auf den Montag abreisen
zu können.
Ueber die Aufstellung der russischen Truppen in Pohlen und an
unserer Gränze berichte ich Nichts, weil dieses durch Generalen Swinburn
und Hofrath Baum bereits ganz genau, so wie ich es hier gefunden,
geschehen ist ^); nur habe ich zu bemerken, dass man den von F. M. Barclay
') Muss wohl »empöreuden' heissen.
-) Das war kaum ein Zeichen dor Ungnade, denn Rostoptschin bogleitete
den Kaiser nach Wien.
') Anstett, der russische Diplomat, welcher an den Verträgen von Kaiisch
und Tleiclienbach mitgearbeitet, am Prager Cougross theilgenommon und in
(-'lifitillon Rasumowsky zur Seite gestanden hatte, ist damals niclit gestorben,
sondern war noch bei den Verhandlungen in Wien thätig.
■*) Rasumowsky.
•'") Ueber die Baum'schen Meldungen Ir^. oben, diejenigen iSwinburne's sind
mir ni('1it b*'kannt gewordfn.
Zur Geschichte der polnischen Frage 1814 und 1815. 475
zur Verpflegung der Truppen erforderlichen Geld-Betrag nur zur Hälfte,
nehmlich mit 1,500.000 Papier-Rubeln decken konnte, und dass man
Mühe hatte, selbst diesen Betrag augenblicklich aufzubringen. Die Assig-
nationes gehen hier mit 433.
Welches ich Eurer Durchlaucht wegen Kürze der Zeit in grösster
Eile schuldigst anzuzeigen die Ehre habe.
Baron Koller,
Feldmarschalllieutenant.
31*
Kleine Mittlieilimgen.
Das angebliche (xebet (xiistaf Adolfs bei seiner LaiKliiiig-
auf deutseliem Boden 26. Juni 1630. Als Gustaf Adolf am Abeud
des 2G. Juni 1G30 mit seiuera Heere aii der Nordspitze der Insel
Usedom landete und den deutschen Boden betrat, da soll er bekannt-
lich, wie in so vielen älteren und neueren Geschichtsbüchern zu lesen,
auch bildlich dargestellt ist, unter freiem Himmel auf die Knie gefallen
sein und Gott in einem inbrünstigen Gebete dafür gedankt, dass er
ihn bis dahin gebracht, auf dieser gefährlichen ßeise so gnädig be-
schützt, und unter feierlicher Gelobung, dass dieser sein Zug nicht
zu seinen Ehren, sondern allein zur Ehre Gottes und zu Trost und
Hülfe der bedrängten Kirche Gottes anzusehen sei, um fernere Gnade
und den Segen des Himmels gefleht haben. Dann wird weiter erzählt,
dass die Offiziere uud Käthe, da sie den König also hätten beten sehen
und hören, vor Rührung geweint hätten, worauf der König bemerkt
habe, sie sollten nicht weinen, vielmehr inbrünstig beten, denn je
mehr Beteus sei, je mehr Siegs, fleissig gebetet sei halb gestritten
ujid gesieget.
Wo finden wir nun dieses Gebet zuerjst erwähnt? Wo ist sein
Ursprung zu suchen?
Die wichtigste Quelle über die Landung Gustaf Adolfs auf Usedom,
nämlich der Bericht des königlichen Secretairs Lars Grubbe an den
schwedischen lieichsrath. herausgegeben in „Arkiv tili upplysning
om Svenska Krigens och krigsinrättningarnes historia" I. nr. 492-
p. ()96 — 698 unter der Aufschrift „Svenska härens öfvesförande tili
Tyskland och landstiguingen pä Ysedoni" und mit der Notiz „Efter
original relation fran Grubbe tili Kiksens Kad i Stockholm: uti Kiks-
Arkivets dat. 28. Juni IHoO", weiss von irgend welchen besonderen
Daiikesbezeugungen Gustaf Adolfs treoen Gott nichts, aber schon sehr
Das angebliche Gebet Gustaf Adolfs bei seiner Landung etc. 477
bald nach Abfassung dieses Berichts stossen wir auf die erste Spur
der Erwähnung eines Gebetes, welches der König auf deutschem Boden
gehalten haben soll. In einer der verschiedenen deutschen Ausgaben
des bekannten, auf Befehl Gustaf Adolfs von Ludwig Camerarius ge-
schriebenen Kriegsmanifestes 1), in welchem des Königs Gründe, warum
er sich bewogen fühle dem Kaiser den Krieg zu erklären, weitläufig
auseinandergesetzt werden, und welches erstmalig im Juli 1630 zu
Stralsund in lateinischer Sprache erschien '^)^ schliesst sich nämlich an
dieses Manifest direct das Folgende an: „Wie Ihr. Kön. Mayt. auffm
Lande zu Kügen gewesen, vnd alle Orther besichtiget, da hat er öffent-
lich in beysein vieler Officirer vnd Hauptleute, auch anderer auss der
Stadt Stralsundt, so es wider referirt, seine Augen vnd gefaltene Hende
nach dem Himmel gewendet, und also gebeten.
Ach du Gerechter vnd Allerhöchster, und Vnüberwindlichster
GOTT, ein HErr Himmels vnd der Erden, dir ist bekannt meines
Hertzens Sinn vnd Meynung, vnd das diess mein hohes Werck, nicht
zu meinem, sondern zu deinem und deiner bedrengten Christenheit
Ehren gereichen sol vnd muss, Darumb ist es dein Göttlicher Wille,
vnd in deinem Rahte zeit, so geb mir Wint vnd Wetter, das ich meine
Armee, so ich auss vielen Völckern gesamblet, bald zusammen vnd
zu mir bekommen müge.
Wie nun hierüber den Vmbstehenden die Augen vbergegangen,
vnd Er es gesehen, da hat er gesprochen: Ja, Ja, das wils Ihme
nicht thun, Sondern betet mit mir, dann wor viel Betens, da ist viel
vnd mehr Hülffe".
Hiernach wäre also zuvörderst Gustaf Adolf mit seiner Flotte auf
Rügen gelandet, au welcher Insel er jedoch nur vorbeigefahren ist 3),
') S. Droysen, Gustaf Adolf, Bd. IL p. 239, Anmerk. 1. Gfrörer, Gustaf
Adolf, p. 693 gibt als Verfasser dieses Manifestes Salvius (Johan Adler-Salvius,
schwedischer Diplomat, 1590—1652) an. Die hier in Betracht kommende Ausgnbe
trägt den Titel »Vrsachen warumb der durchlauchtigste vnd | Grossmächtigste
Fürst vnd Herr, Herr | Gustavus Adolphus | der Schweden . . . König Endlich
genötiget ist | Mit einem Kriegs Heer auff den | Deutschen Boden sieh zu begeben|.
Erstlich zu Stralsund in Lateinischer Sprach | gedruckt. Im Jahr MDCXXX.
8 Bl. 4.
^) Unter dem Titel : Caussae | ob quas Serenissimus ac Potentissimus Prin |-
ceps ac Dominus, | Dominus 1 Gustavus | Adolphus |, Suecorum . . Rex . . tan-
dem coactus est | Cum exercitu in Germaniam j movere |. Stralsund! excusae |
Mense Julio Anni MDCXXX |. Literis Ferberianis. 6 Bl. 4.
s) Die schwedische Flotte langte am 24. Juni 1630 auf der Höhe von Perdt
(Nord Perd südlich von Göhren) auf Rügen an. Am nächsten Tage eiTeichte sie
die Greifswalder Oie, dann die Insel Usedom, s. Arkiv etc. I, nr. 492, p. 697.
AlQ Kleine Mittheilungen.
ein Irrtlium, der aber schon frühzeitig in die bekannten Geschichts-
bücher von Ariauibaeus, Arma Suecica (1631), Martin Lungwitz, Josua
redivivus etc. (Leipzig 1632), Joh. Ludwig Gottfried, Inventarium
Sueciae (Frankfurt a. M. 1632) i), Spanheim, Le soldat Suedois (1633)
und andere übergegangen ist. Unter den „andern auss der Stadt
Stralsundt, so es (das Gebet) wider referirt«, sind offenbar die Mit-
glieder der Deputation dieser Stadt gemeint, welche den König auf
die Nachricht von seiner Landung persönlich beglückwünschten, und
ihn baten sich ihrer Stadt anzunehmen ''^).
Aus diesem in dem Manifeste des Camerarius angegebenen
Gebete sind nun fernerhin zuerst in den Arma Suecica (2. Aufl. 1632,
p. 23 — 24 und p. 27 — 28) zwei Gebete gemacht worden. Das erste,
das der König gleich nach seiner glücklichen Landung verrichtet
haben soll, lautet hier wörtlich:
„Ach Gott I der du vber den Himmel | als auch vber die Erden
vud das wilde Meer herrschest | wie soll ich dir immer dancken j dass
du mich die gefährliche Reyss so gnädiglich beschützet hast. Ach ich
dancke | ach ich daucke dir von innerstem Grund meines Hertzens |
vnd bitte | wie du weissest j dass dieser mein Zug vnd Intent | nicht
zu meinen | sondern einig vnd allein zu deinen Ehren 1 vnd deiner
armer betrangten Kirchen zu Trost vnd HülfF angesehen vnd gemeinet
I du wollest mir auch ] so fern das Stündlein ] so von dir bestimpt j
vorhanden j ferner Gnad vnd Segen | sonderlich aber gut Wetter vnd
Wind verleyhen vnd bescheren | damit ich meine hinterlassene Armada,
die ich auss mancherley Nationen vnd Völckern versamblet mit frölichen
Augen bald bey mir sehen | vnd dein heilig Werck fortsetzen möge |
Amen.
Als nun die Officirer vnd Räthe den König also beten sahen |
vnd seine inbrünstige Wort höreten | giengen ihnen die Augen vber |
und kondten sich viel des Weinens nit enthalten. Da der König
Bereits Anfang Juni war die Insel Rügen durch den schwedischen Oberst Lesslie
erobert worden. Wahrscheinlich ist in dem Manifest Rügen mit der nordwestlich
von Usedom gelegenen kleinen Insel Rüden verwechselt.
'■*) Hier wird erzählt, (fol. 235—236) dass Gustav Adolf am 24. Juni 1630
mit etlichen 130 Schilfen an den Pommerschen Gestaden glücklich angelangt
sei ; ein Theil des schwedischen Volkes wäre zu Stralsund, ein Theil an der
Insel Rügen, das meiste aber in Pommern ausgesetzt worden.
3) Die Gesandtschaft traf erst am 28. Juni im schwedischen Feldlager auf
Usedom ein. s. Arkiv etc. I, nr. 493, p. 698 ,0m öarne Ysedoms och Wollins
intagando« efter sekretarien Grubbes original-relation tili Riks-Kansleren, dat.
8. Juli 1630.
Das angebliche Gebet Gustaf Adolfs bei seiner Landung etc. 479
solches iu acht genommen j sagte er | Weinet nicht | sondern bettet
von Grund ewerer Hertzen innbrünstiglich : Je mehr ßetens | je mehr
Siegs I dann fleissig gebeten | ist halb gestritten vnd gesieget".
Dasselbe Gebet mit demselben Wortlaut ist dann in den Josua
redivivus des Mart. Luugwitz (p. 52) und in das Theatrum Europaeum
(Ausgabe Frankfurt a. M. 1679, T. 11, fol. 236^) übergegangen,
während das Inventarium Sueciae nur einen Auszug desselben gibt ').
Das zweite in den Ärma Suecica verzeichnete Gebet soll der König-
kurz vor der Einnahme Stettins 10. Juli 1630 verrichtet haben, und
zwar veranlasst dadurch, dass widrige Winde das königliche Geschwader
verhinderten oder aufhielten nach Stettin zu gelangen -). Mit gebo-
genen Knieen und aufgehobenen gefalteten Händen habe nun der
König abseits also gebetet:
,0 gerechter GOTT im Himmel | dir ists bewust | dass diese
jetzige meine Kriegs Expedition nicht auss Frevel oder Ehrgeitz | son-
dern einig vnd allein zu Schutz vnd Handhabung deines heiligen
Nahmens | vnd Seligraachendeu Worts fürgenommen worden ist.
Derohalben ruffe vnd flehe ich zu deiner Göttlichen Allmacht | du
wollest zu glücklicher Fortsetzung meines Christlichen Vorhabens | mir
mit gutem Wind vnd Wetter in Gnaden hülfflichen erscheinen".
Auf solches Gebet habe sich der Wind alsobald geändert, und
dermassen gefüget, dass die ganze königliche Flotte durch die Swine
über das Haff in beinah zwei Stunden die sechs Meilen lange Strecke
bis Stettin zurückgelegt hätte.
Auch dieses zweite bei Gelegenheit der Einnahme Stettins nach
den Arma Suecica verrichtete Gebet Gustaf Adolfs ist in Inventarium
Sueciae, Josua redivivus und Theatrum Europaeum übergegangen 3),
nur wird auch hier überall ausdrücklich versichert, dass des Könio-s
Gebet von beglaubigten und vornehmen Leuten, die dabei gewesen,
wahrgenommen und demgemäss berichtet worden sei. Das ist also
dem Inhalte nach dasselbe Gebet, welches sich in dem Manifeste des
Camerarius als Anhang findet, allerdings mit dem Unterschiede, dass
*) Uet)er das Verhältnis dieses Theiles des Theatrum Europaeum zu den
Arma Suecica und zu dem Inventarium Sueciae s. Gust. Droysen »Arlanibaeus.
Godofredus. Abelinus, sive scriptorum de Gustavi Adolphi expeditione princeps.
Inaug-Dissert. Halle 1864.
2) Offenbar hat der Verfasser diese widrigen Winde (s. unten) mit denen
verwechselt, mit welchen die schwedische Flotte vor ihrer Abfahrt von Schweden
nach Deutschland zu kämpfen hatte, und die fast drei Wochen lang anhielten,
ehe an die definitive Abfahrt gedacht werden konnte.
«) Bogisl. Phil, von Chemnitz in seinem Königlich Schwedischen in Teutsch-
land geführten Krieg (Th. I, Stettin 1648; erwähnt es dagegen schon nicht mehr.
480 Kleine Mittheilungen.
es hiernach der König auf Rügen, bald nach seiner angeblichen
Landung daselbst verrichtet und dass er Gott desswegen um günstiges
Wetter gebeten haben will, damit er seine Armee baldigst vollständig
um sich versammeln könne.
Dieses in dem Manifeste angegebene Gebet Gustaf Adolfs ist
sonach als die erste • Erwähnung eines solchen, als die ursprüngliche
Quelle anzusehen, welche die Arma Suecica und nach diesen wiederum
Andere benutzt, aber zur wirksameren Verherrlichung ihres Helden
ausgeschmückt und theilweise wiederholt haben. Wenn Droysen i)
das nach den Arma Suecica vor der Einnahme Stettins von Gustaf
Adolf verrichtete Gebet ebenso wie die contrairen Winde, die es ver-
anlasst hätten, als Dinge erklärt, die in das Reich der Fabel gehören,
so dürfte dies wohl auch mit dem bei der Landung des Königs ge-
haltenen Gebete der Fall sein, zumal wenn wir die unklaren Neben-
umstände hierbei, wie solche in der ursprünglichen Quelle verzeichnet
sind, in Berücksichtigung ziehen. Das Gebet sollte hier im Anschluss
an das Manifest ge wisser masseu nur als ein weiteres, gewichtiges Motiv
zu dem Entschlüsse Gustaf Adolfs dem Kaiser den Krieg zu erklären
dienen.
Dresden. Dr. Bruno Stube 1.
Zwei unljekaiiiito Arbeiten des Greor? HoefnaffeL Der be-
rühmte niederländische Miniaturmaler, Georg Hoefnagel, der in seinen
Städteansichten ein kostbares Denkmal der historischen Topographie
hinterlassen bat, gewinnt für uns in erster Linie durch die beiden
Prachthandticliriften an Interesse, die er für Erzherzog Ferdinand von
Tirol und Kaiser Rudolf IL ausführte. Das in den Jahren L^81 bis
1590 entstandene Missale des Erzherzogs Ferdinand von Tirol (Hof-
bibl. Cod. Nr. 1784) und das für Kaiser Rudolf II. 1591—1594 her-
gestellte Schriftmusterbuch des ungarischen Kalligraphen Georg Bocskay
(Sammlungen der kuustindustriellen Gegenstände des Allerh. Kaiser-
hauses Saal XIX, Vitrine I Nr. 71; Inv.-Nr. 975) sind nicht nur die
Hauptwerke des Meisters, sondern können den hervorragendsten
Leistungen der niederländischen Miniaturmalerei des ausgehenden
16. Jahrhunderts beigezählt werden. An Reichthum der Decoratiou,
Sorgfalt der Schrift und Pracht der Ausstattung werden sie kaum von
einer andern Handschrift jener Zeit übertroffen.
') Gustaf Adolf, Bd, 11, p. 157, Anmerk. 6.
Zwei unbekannte Arbeiten des Georg Hoefnagel. 4g ]
Der kunstliebende Erzherzog war durch seine freundschaftlichen
Beziehungen zum bairischeu Hofe auf Hoefnagel aufmerksam geworden,
der für seine hochsinnigen Gönner, Herzog Albrecht V. und Herzog
Wilhelm I. in München manch' herrliches Werk geschaffen haben mag.
Mit Eecht konnte es daher Chmelarz i) bedauern, dass sich weder im
Miniaturcabinet der königlichen Residenz, noch, in der Schatzkammer
in München ein einziges Werk des Meisters vorfindet.
Glücklicherweise bewahren die kunsthistorischen Sammlungen des
Allerh. Kaiserhauses ein bisher nicht erkanntes, bezeichnetes Werk
Hoefnagels, das er für Wilhelm V. von Bayern ausführte, der es ver-
muthlich — wie auch einige andere gegenwärtig den kaiserlichen
Sammlungen angehörende Objecte — dem befreundeten Erzherzog
zum Geschenke machte. Es ist ein, aus fünf Theilen bestehender, 350 mm
hoher Elfenbeinaufsatz (Saal XXII, Vitrine XIII Nr. 29 ; Inv. Nr. 4695),
der auf dem Ovalwerk gedreht ist und von einem Deckelknopf bekrönt
wird 2). Sowohl an den Aussenflächen als auch im Inneren befinden
sich reizende, leider z. Th. zerstörte Malereien von den Hand Georg
Hoefuagels.
Den untersten Theil bildet eine ovale Schachtel auf zwei Füssen,
die an den Standflächen die Jahreszahl 1586 truffen, wie noch l\s
(Führer durch die kunstindustriellen Sammlungen 1891) lesen konnte;
gegenwärtig sind die beiden letzten Ziffern verschwunden. In der
Mitte der Unterseite der Schachtel befindet sich die bekannte Signirung
des Meisters mit dem von eiuem Hufnagel durchquerten G, das Hg
a. a. 0. fälschlich auf den Namen des Bestellers Herzog Wilhelm V.
bezog. Die Aussenfläclie der Wandung zieren zarte Aestchen, Vögel,
die von Schlangen verfolgt werden, dazwischen leider fast ganz zer-
störte Alpenlandschaften mit Figureustaffage in kleinen Schildchen
mit Fledermausflügeln. Besser erhalten ist der Schmuck des als
Deckel aufgesetzten zweiten Theiles, der sich auf das Innere beschränkt
und dadurch der Zerstörung besser Widerstand geleistet hat. In einer
kreisrunden, etwas vertieften Fläche in der Mitte der ünterfläche be-
finden sich die bairischeu Wappen (der goldene Löwe in schwarzem
Feld und der blauweisse Rautenschild), von einem blauen Band um-
schlungen, nebst der Legende: ,GV[GLIELMVS] D[EIJ G[RATIA]
B[AVARIAE] D[VX]. Um dieses Centrum herum sind die sieben
Planetengötter auf ihren Gespannen kreisejid dargestellt; zwei von
') Vgl. Chmelarz, üeorg und Jacob Hoefnagel, im XVU. Bande des Jabr-
buches der kunsthistor. Sammlungen des a. b. Kaiserhauses.
2) Der Aufsatz kam aus der Schatzkammer in die Ambrasersammlung.
482 Kleine Mittheilungen.
ilmen siud nahezu verlöscht, die erhaltenen fünf folgen der tradi-
tionellen Darstellungsart; Helios Gespann wird von Rossen gezogen,
Jupiter begleitet der Adler, Saturns Wagen ziehen Panther, den des
Merkur Hähne u. s. w. Ein Perlenkranz mit den Aufschriften nox
und (vermuthlich) dies (zerstört) umschliesst das Mittelfeld, an welches
sich beiderseits Elipsensegmente anschliessen, in denen eine Eule, der
Nacht entsprechend, und ein Hahn als Sinnbild des Tages gemalt sind.
Zwischen Nacht Und Tag kreisen die Planeten um des Herzogs Wappen,
so recht ein Gedanke in der schöngeistigen Art des Hoefnagel.
Besonders reich war die jetzt z. Th. abgeriebene Bemalung
der Mantelfläche des als dritter Theil aufgesetzten ovalen Elfenbeiu-
cylinders, dessen Unterseite mit Festons, Schmetterlingen, Edelsteinen
etc. geziert ist; soweit noch erkenntlich ein treffliches Beispiel für die
unendlich minutiöse Durchbildung der Miniaturen des Meisters. Aus
einem bunten schuppenartigen Grund sind vier grosse ovale Felder
ausgespart, zwischen denen in vier kleinereu Feldern ein Affe, eine
Meerkatze, ein Ära und ein Kasuar von bewunderungswürdiger Fein-
heit der Durchbildung eingefügt sind. Die grösseren ovalen Bilder
sind leider sehr zerstört. Noch lässt sich ein Indianer in buntem
Mantel mit langem Stab und eine Indianerin mit einem Papagei er-
kennen, trefflich in der Charakterisirung, die Hoefnagels reges Interesse
für ethnographische Eigenart bekundet. Die beiden andern Ovalbilder
enthielten — soweit noch erkenntlich — Palmenlandschaften mit
Figurenstaffage.
Auch der darüber aufgesetzte vierte und fünfte Theil des Auf-
satzes entbehrt nicht des malerischen Schmuckes, da finden sich wieder
Schmetterlinge, Vögelchen, Früchte etc., während die Mantelfläche des
vierten Theiles die Zodiacuszeichen schmücken.
Trotz der keineswegs guten Erhaltung lässt sich in allen Theilen
des einst wohl reizenden Werkes die Eigenart des Meisters erkennen,
die schöngeistige, planmässige Anlage, die Vorliebe für ethnogrophische
Darstellungen, die treffliche Charakterisirung der Thiere und die unend-
liche Sorgfalt in der technischen Durchführung.
Bei dieser Gelegenheit möchte ich noch eine uubezeichnete Mi-
niatur dem Georg Hoefnagel zuschreiben. In einem der geistlichen
Schatzkammer gehörigen Reliquienkästchen aus mit Gold bemaltem
Holz (gegenwärtig im kunsthist. Hofmuseum Saal XXI. Nr. 17 auf-
gestellt), welches aussen ganz mit Sardonyxplatten belegt ist, findet
sich in der Mitte des reich mit Lapislazuliplatten in architektonischer
Gliederung geschmückten Inneren des Deckels eine quadratische Mi-
niatur auf Pergament (von 102 mm Seitenlänge) eingelassen, welche in
Zwei unbekannte Arbeiten des Georg Hoefnagel. 483
einem kreisförmigen Bildchen die Himmelfahrt Marias darstellt. Tu
der Mitte vorne steht der mit Blumen gefüllte Sarkophag, darüber
schwebt in lichterfüllter Wolkenmandorla die Madonna, von Eugelchen
getragen, himmelwärts. Eine grosse Volksmenge, Männer und Frauen,
die Apostel im Vordergrund, blicken in andächtigem Entzücken der
aufschwebeudeu Madonna nach. Von besonderer Schönheit sind die
hellen Gewänder der Apostelgruppe, die in stilistischer und technischer
Hinsicht mit den Miniaturen des Missales des Erzh. Ferdinand über-
einstimmen. Am deutlichsten spricht aber die Eigenart des Hoefnagel
aus der Umrahmung des Mittelbildes. Da finden sich wieder Vasen
mit BUimenbouquets, Festons aus Obst, auf denen ein Affe und
eine Meerkatze sitzt, ein Obstkorb, Vögel, Insekten, Eichhörnchen
u. a. m. ; alle in der sattsam bekannten Vollendung der Durchbildung
Hoefnagel'schen Miniaturen. Zeigt sich ja sein Talent vornehmlich in
der treflPlicheu Beobachtung des Thierlebens und der unermüdlichen
Sorgfalt in der Behandlung von Früchten, Blumen u. dgl. von der
liebenswürdigsten Seite, während seinen biblischen Darstellungen —
wie hier der Himmelfahrt der Maria — die warme Empfindung und
die Dramatik der Composition abgeht.
Wien. H. J. Hermann.
Literatur.
Julius Ficker, Untersuchungen zur Erben folge der
ostgermanischen Rechte. 4. Bd. 1. Abth. Innsbruck, Wagner-
sche Universitätsbuchhandlung 1898.
Unter den Behauptungen, die F. bereits in früheren Abtheilungen
seiner »Untersuchungen zur Eechtsgeschichte * wiederholt als Ergebnis
seiner Forschung betonte, ist wohl keine auf so ausgedehnten, man könnte
beinahe sagen, auf so allgemeinen Widerspruch gestossen als die Aufstellung
des Satzes, dass das germanische Urrecht dem Geschlechts-
unterschied keine Beachtung geschenkt, Mann und Weib
vielmehr als einander gleichstehend behandelt habe. Galt doch die
umgekehrte Annahme, dass sich das Weib von einem ursprünglichen Zu-
stand völliger Rechtlosigkeit aus in sehr allmählicher Entwicklung die
Gleichl)erechtigung mit dem Mann errungen habe, seit langer Zeit als so
selbstverständlich, dass die grosse Masse der rechtsgeschichtlichen Dar-
stellungen für ihre demeutsprechenden Auseinandersetzungen erst gar
keine quellenmässigen Nachweise brachte, sondern sich mit einer Verweisung
auf die communis opinio doctorum begnügte, die sich — ein nicht allzu-
häufiger Fall — fast widerspruchslos von Generation zu Generation fort-
gepflanzt hatte. Die Mutterrechtstheorie, die namentlich von
D a r g u n und H e u s 1 e r , vorübergehend auch von Schroeder, auch für
das deutsche Recht als zutreffend proklamirt wurde, war mit jener An-
schauung freilich nicht vereinbar; die Uebertreibungen ihrer Anhänger,
wohin namentlich die schon von Bachofen vorgenommene Verwechslung
von Mutterrecht und Gynäkokratie zählte, hatten aber die unerwünschte
Folge, dass auch der richtige Kern jener Lehre ungerechtfertigtem Miss-
trauen begegnete und die herkömmliche Annahme von der Entwicklung
des Weiberrechts eine ungestörte Herrschaft behauptete. Der Widerspruch,
den eine auf dem Gebiet der Rechtsgeschichte allseitig so anerkannte
Autorität wie F. — zuerst wohl 1887 im 3. Ergbd. dieser Mitth. — gegen
diese Ansicht erhob, hätte freilich zu ihrer Prüfung hinreichenden Anlass
geben sollen; dergleichen geschah jedoch nicht; man begnügte sich viel-
mehr mit einer generellen Zurückweisung der F.'schen Behauptung, ein
Verfahren, das äusserlich vielleicht damit gerechtfertigt werden konnte,
Literatur. 435
dass F. seinerseits vielfach auf erst später zu erbringende Beweise hinwies,
seine Gegner es deshalb ablehnen mochten, sich mit einem noch gar nicht
beigebrachten Material auseinanderzusetzen. Die Ursachen, die für diese
Gestaltung seiner Untersuchungen massgebend waren, sind von F. in den
Vorreden der bisher erschienenen Abtheilungen des vorliegenden Werkes
erschöpfend besprochen; der daraus resultirende Missstand hat sich indess
mit dem Vorschreiten der Arbeit immer mehr verringert : schon in der
vorausgehenden Abtheilung sind die Bezugnahmen auf später zu erbringende
Darlegungen seltener geworden und der vorliegenden Abtheilung kann
nach dieser Richtung kaum noch ein begründeter Vorwurf gemacht werden.
Die Zurückhaltung, welcher die F. 'sehen Untersuchungen mit einem An-
schein von Recht bisher begegneten, wird deshalb in Zukunft nicht mehr
beobachtet werden dürfen.
Die vorliegende Abtheilung sucht den Satz von der ursprüng-
lichen Gleichberechtigung der beiden Geschlechter für
das Gebiet des Erbrechts zu erweisen.
Da unter den vorhandenen germanischen Rechtsdenkmälern kein ein-
ziges mit dem germanischen UiTecht identifizirt werden kann, bedarf es
für die Ermittelung des letzteren eines Rückschlusses aus der Gesammtheit
der ersteren. Zur Reconstruction dbs ältesten germanischen Erbrechts ist
daher an sich die Vergleichung sämmtlicher das Erbrecht berührenden ger-
manischen Einzelrechte erforderlich. Die Durchführung dieser Arbeit würde
angesichts der zur Zeit noch nicht genügend geförderten Durchforschung-
all' dieser Einzelrechte scheitern müssen, so dass sich eine Beschränkung
in der Zahl der Vergleichungsobjekte als nothwendig herausstellt. Wird
der Kreis derselben jedoch so weit gezogen, dass von den grösseren
Rechtsgruppen keine einzige vollständig übergangen ist, so darf das aus
deren Vergleichung gewonnene Resultat ebenfalls als ein genügend sicheres
bezeichnet werden. Die F.'schen Vergieichungsobjekte entsprechen dieser
Voraussetzung im vollsten Mass : denn es befinden sich darunter die Volks-
rechte, die Gru[ipe der skandinavischen Rechte, das gesammte Recht des
Coutumes und der Fueros, das friesische Recht und die wichtigeren Rechts-
quellen des deutschen Mittelalters, ein Rechtsstoff, dessen anscheinende
Buntheit F. bereits in bestimmten Verwandschaftsverhältnissen zu ordnen
versucht hat.
Die Durchforschung dieser Rechtsdenkmäler zeitigt nun freilieh nicht
ein in allen übereinstimmendes Erbrecht, liefert aber nach F. dennoch ein
Resultat, das für das germanische Urrecht die Gleichberechtigung von
Mann und Weib in Anspruch zu nehmen gestattet. Die sämmtlichen
Einzel rechte böten nämlich Bestimmungen, die, wenn das
weibliche Geschlecht, wie dies die herrschende Lehre annimmt,
ursprünglich vom Erbe ausgeschlossen gewesen wäre, schlechter-
dings gar nicht zur gesetzlichen Geltung hätten gelangen
können oder doch nur sehr gezwungen mit einem solchen Ausgangspunkt
vereinbar seien, während sie der Annahme ursprünglicher Gleichberechti-
gung von Mann und Frau vollauf entsprächen.
An erster Stelle (Abschnitt 19) rechnet F. die Gleichstellung
der Geschlechter hierher, die sich im gothischen, westfränkischen und
im Aasdomsrecht findet, ohne dass hier Spuren eines einst anders geord-
^og Literatur.
neteri Zustaudes vorhanden seien. Man wird zugeben müssen, dass dieser
Umstand auiFällig ist, wemi der Ausschluss des weiblichen Geschlechts
das in einer früheren Periode geltende Recht jener Völkerschaften bildete,
sich dagegen sehr einfach erklärt, wenn die Gleichstellung bei ihnen von
jeher geherrscht hat. Die Unmöglichkeit früheren Weiberausschlusses vom
Erbrecht wäre freilich durch diese Erwägung noch nicht dargethan. Be-
achtung verdient jedenfalls der von F. geführte Nachweis, dass die gleich-
stellenden gothischen Eechtsaufzeichnungen nicht dem römischen Recht
entnommen sein können: bei den Römern beseitigte erst die 543 erlassene
Novelle 118 die letzte Verschiedenheit im Erbrecht der beiden Geschlechter,
bei den Gothen gehören die .gleichstellenden Gesetze mindestens bereits
der Gesetzgebung König Eurichs an, also einer Justinians Norm vorauf-
gehenden Epoche.
Einen weiteren Beweis für die ui-sprüngliche Gleichstellung der Ge-
schlechter sieht F. darin, dass die späteren Rechte bezüglich der
Fahrnis die Weiber regelmässig als gleichberechtigte Erbinnen
anerkennen (Abschnitt 20). In der Urzeit habe aber alles Vermögen aus
Fahrnis bestanden, müsse demnach auch die Vererbung in dasselbe keinen
Unterschied zwischen Mann und Weib zugelassen haben. Auch dieser
Schluss ist nicht ohne weiteres für zwingend zu erachten. Es wäre im-
merhin möglich, dass den ursprünglich jedes Erbrechts dai'benden Weibern
allmählich ein solches an denjenigen Nachlassbestandtheilen eingeräumt
worden sei, die in der fortschreitenden ökonomischen Entwicklung den
Charakter der weniger wichtigen Objekte angenommen hatten, obwohl sie
allein in der Urzeit das Vermögen bildeten.
Sicherer sind dagegen die Folgerungen, die F. aus dem Institut der
Töchter aussteuerung zieht (Abschnitt 2l). Bei der Beerbung der
Eltern machen zahlreiche Rechte den Erbanspruch der Tochter davon ab-
hängig, ob sie bei ihrer Verheiratung eine Aussteuer erhielt oder sich
noch als unvermählte beim Tode der Eltern im Elternhaus befand. Im
ersten Fall ist die Tochter regelmässig vom Erbe ausgeschlossen; im
zweiten Fall steht ihr ein mehr oder minder grosser Erbanspruch neben
dem Bruder zu. Aus dieser Gestaltung folgert F. mit Recht den erb-
abfindenden Charakter der Aussteuer, damit aber zugleich ein der Schweäter
an sich generell neben dem Bruder zustehendes Erbrecht. ZutreflFend
führt F. in den einleitenden Bemerkungen dieser Abtheilung (Abschnitt 17)
aus, dass den Ausgangspunkt für die Entwicklung des Weiber-
erbrechts entweder völlige Gleichstellung beider Geschlech-
ter oder völliger Ausschluss des Weibes gebildet haben müsse.
Zwingt nunmehr die Behandlung der Aussteuer zu der Annahme eines
ursprünglichen Nebeneinanderbestehens von Bruder- und Schwestererbrecht,
so kann auch der Schluss, dass dies ursprüngliche Erbrecht ein für beide
gleiches gewesen sein müsse, nicht abgewiesen werden.
Für die Umgestaltung des Tochtererb rechts sind nach F.
wirtschaftliche Gründe massgebend gewesen. Solange das Ver-
mögen nur in Fahrnis bestand, machte die gleichmässige Vertlieilung des
elterlichen Nachlasses unter die Kinder, gleichgültig welchen Geschlechts
sie sein mochten, keine Schwierigkeit. Dies änderte sich, als ein Privat-
eigenthum an Grund und Boden sich gebildet hatte, sobald unter den
Literatur 4g 7
Erben mit bausangehörigen Geschwistern durcb Verbeiratung aus dem
Elternbaus gescbiedene Töcbter konkurrirten. Die Ebe pflegte die Tochter
-regelmässig aus dem lokalen Bereich der elterlichen Niederlassung zu ent-
fernen; eine Auftbeilung des elterlichen Immobiliarbesitzes unter die
sämmtlichen Kinder hätte also zur Folge gehabt, dass ein Theil der Län-
dereien einer Erbin zufiel, die daraus eine wirkliche Nutzung zu ziehen
gar nicht im Stande war, da ihr die Abgelegenheit des eigenen Domizils
die einträgliche Bewirthschaftung jenes Erblandes unmöglich machte,
während die Zertheilung des elterlichen Gutes die im Stammsitz ver-
bliebenen Erben vielleicht ebenfalls ökonomisch benachtheiligte. Um den
Eintritt dieses Resultats zu verhüten, mochten sich die Eltern bereit finden
lassen, der heiratenden Tochter eine in Fahrnis zu entrichtende Aus-
steuer zu geben, wenn gegen deren Empfang die Tochter auf ihre even-
tuellen Erbansprüche am Nachlass der Eltern zu verzichten versprach. Die
Tochter war freilich rechtlich zur Abgabe einer solchen Erklärung nicht
verbunden; allein die Verheiratung mochte häufig das Vorhandensein einer
Aussteuer zur Voraussetzung haben ; dann befand sich die Tochter ge-
wissermassen in einer Zwangslage, die sie, selbst wenn die angebotene
Aussteuer dem eventuellen Erbtheil in keiner Weise entsprach, zum Ver-
zicht auf ihr Erbrecht bestimmen konnte. — Die gleiche wirth schaftliche
Erwägung erklärt das mitunter den Brüdern ihren Schwestern gegenüber
eingeräumte Abfindungs recht, die Befugnis, der Schwester durch
Hingabe einer Aussteuer das Kecht auf den ihr an sich zugefallenen An-
theil am elterlichen Nachlass zu entziehen. — Sowohl in der Hand der
Eltern wie in der des Bruders konnte das Abfindungsrecht zur schweren
Schädigung der Abgefundenen führen: viele Gesetze suchen deshalb Miss-
bräuchen der Abfindungsbefugnis entgegenzutreten, indem sie etwa für
die Aussteuer einen gesetzlichen Mindestbetrag normiren, sie in ein be-
stimmtes Verhältnis zum Elternvermögen setzen, mitunter auch Zustimmung
der Abzufindenden verlangen.
Ihre kräftigste Stütze findet F.'s Annahme ursprünglich gleicher Erb-
berechtigung beider Geschlechter in der Gestaltung des Erbrechts
im weiteren Erbenkreis. Hier räumen nämlich zahlreiche Gesetz-
gebungen, die den nächsten weiblichen Angehörigen des Verstorbenen, der
Tochter oder Schwester, gar kein oder doch nur ein durch die Konkurrenz
der männlichen Mitglieder des engeren Erbenkreises arg verkümmertes
Erbrecht zubilligen, den mit dem Erblasser entfernter verwandten Weibern
ein gleiches Erbrecht mit den Männern ein — eine Erscheinung, die vom
Standpunkt der herrschenden Theorie schlechterdings keine Erklärung
verträgt, F.'s Anschauung dagegen in der überzeugendsten Weise bestätigt.
Geht man nämlich von ui'sprünglichem Ausschluss der Weiber aus, so
lässt sich schwerlich eine Entwicklung denken, die zu irgend einem Zeit-
punkt dahin führen konnte, dass zwar die Tante neben dem Onkel, nicht
aber die Schwester neben dem Bruder Erbberechtigung gewann. Stand
dagegen den Weibern ursprünglich gleiches Erbrecht mit den Männern
zu, so konnte "sich die Gesetzgebujig allerdings in der geschilderten Weise
gestalten, weil die weiblichen Mitglieder des engeren Erbenkreises mit der
von Eltern oder Brüdern zugewendeten Aussteuer für ihre Erbansprüche
hinter Eltei-n und Geschwistern bereits ganz oder theilweise abgefunden
488
Literatur.
waren, für die dem entfernteren Kreis angehörenden Weiber dagegen dieser
Grund sie vom Naclilass auszuschliessen nicht zutraf, da es sich für diese
Weiber gar nicht um einen Nachlass handelte, für den sie abgefunden
oder abzufinden waren.
Wie sich im Anschluss an die Aussteuer der Uebergangvom
vollen Erbre cht zum halben Kopftheil und weiter bis zum
Ausschluss der Tochter und Schwester vollzog, sucht der Schluss
dieser AVitheilung (Abschnitt 22) für einen konkreten Einzelfall an der
von F. als dänisch bezeichneten Rechtsgrupiie darzuthun. Unter
den hierher gehörenden Rechten bieten die friesischen eine einheit-
liche, von der Gleichberechtigung der Geschlechter ausgehende Entwicklungs-
reihe, die für das Erbrecht der Tochter und Schwester — für die mit dem
Erblasser entfernter verwandten Weiber blieb die Gleichberechtigung ge-
wahrt — folgende Stufen aufweist:
1. Die von den Eltern mit halbem Kopftheil abgefundene Tochter ist
vom Erbe ausgeschlossen, die nicht-ausgesteuerte Tochter erhält den vollen
Kopftheil.
2. Auch die nicht-ausgesteuerte Tochter erhält nach Eltern und Ge-
schwistern nur halben Kopftheil als Erbe.
3. Der von den Brüdern herauszugebende Erbtheil wird selbst als erb-
abfindende Aussteuer betrachtet. Das hat die Wirkung, dass die Schwestern
auch nach Brüdern nicht mehr erbten.
4. In manchen Rechten wird selbst die feste Bemessung der Aussteuer
als Betrag eines halben Kopftheils nicht beibehalten, sondern den Brüdern
o-estattet, die durch sie vom Erbe ausgeschlossenen Schwestern auch mit
einem geringeren Aussteuerbetrage abzufinden.
Eine ähnliche Entwicklung weist das dänische Recht auf. Die
Zurücksetzung der Weiber beschränkt sich auf den engern Kreis, die
Framerben, unter denen Tochter, Tochterkind und Schwester auf den
halben Kopftheil gesetzt sind. Im weiteren Kreis, den Gangerben, macht
dagegen das Geschlecht keinen Unterschied. Mit F.'s Annahme, dass das
älteste dänische Recht von Gleichstellung der Weiber mit den Männern
ausgegangen sei, tritt allerdings die Angabe des Saxo Gramm. 10, 494,
die das Weibererl-recht erst durch den 1014 verstorbenen König Sven
begründet werden lässt, in Widerspruch. Allein F. macht mit Recht da-
gegen geltend, dass sich nicht einsehen lässt, was den Sven hätte ver-
anlassen sollen, Tochter und Schwester auf halben Kopftheil zu beschränken,
im entfernteren Verwandtenkreis dagegen den Weibern sofort volles Erb-
recht zu gewähren. F. bezeichnet die Erzählung des Saxo, der ohnehin
gewisse mythologische Bestandtheile eigen sind, deshalb lediglich als einen
Versuch, das bei den Dänen bestehen'le Weibererbrecht, dem in einzelnen
Nachbarstämmen keine ähnliche Institution entsprach, zu erklären.
Auch für das schwedische Erbrecht nimmt F. ein Ausgehen von
Gleichberechtigung des weiblichen Geschlechts an, die im Anschluss an
die Aussteuer fi-eilich einer Zurücksetzung von Tochter und Schwester
durch deren Beschränkung auf den halben Kopftheil habe Platz machen
müssen. Dem widerspricht freilich die für das Jahr 1262 berichtete ge-
setzliche Einführung des Drittelsrechts durch Birger Jarl, wonach fortan
die Schwester neben ihrem Bruder ein Drittel des Nachlasses der Eltern
Literatur. 4g9
erben und entsprechendes im weiteren Verwandtenkreise gelten sollte.
Allein zahlreiche schwedische Partikularrechte, wie das Upländische und
Södermännische Eecht, Westaianua- und Helsingelagen, beweisen, theils,
dass im entfernteren Verwandtenkreis die Weiber auf volles Erbrecht An-
spruch hatten, theils, dass das Drittelrecht der Tochter schon vor dem
Gesetz des Birger in Geltung war, so dass seiner Anordnung jedenfalls
nicht die Bedeutung einer für ganz Schweden wesentlichen Norm zu-
geschrieben werden kann, die etwa im Stande wäre, die von F. behauptete
Entwicklung des schwedischen Weibererbrechts als unzutreffend darzuthun.
Kürzer sind die normannischen und lothringischen Rechte
behandelt, bei deren Darstellung F. vielfach auf frühere Ausführungen
verweisen konnte. Sie theilen meist die wesentlichen Eigenthümlichkeiten
der übrigen Bestandtheile der dänischen Gruppe, die Beschränkung der
Tochter, die Gleichberechtigung der dem entfernteren Verwandtenkreis
angehörenden Weiber im Erbrecht, bieten also weitere Belege zu Gunsten
der F. 'sehen Theorie, die aus dieser Gestaltung die ursprüngliche Gleich-
stellung bei'ler Geschlechter im Gebiet des Erbrechts erschliesst.
Damit dürften im wesentlichen F.'s Darlegungen wiedergegeben sein,
der übrigens gelegentlich zu Gunsten seiner Annahme auch noch auf den
germanischen Grundsatz verweist, dass demjenigen das Erbe zufallen
solle, dessen Arbeit der Erhaltung und Wahrung des erb-
lasserischen Vermögens zu Gute gekommen sei. In der Urzeit
hätten die Weiber am Wurzelsammeln, an der Ackerbearbeitung und an
der Viehzucht regen Antheil genommen, seien also an der Schaffung der
in den Erbgang kommenden Vermögensbestandtheile durchaus aktiv be-
theiligt gewesen: dem entsprechend habe auch ihr Anspruch auf gleiches
Erbrecht mit den Männern der urzeitlichen Anschauung als vollkommen
begründet erscheinen müssen.
Was F. als die Aufgabe der vorliegenden Abtheilung bezeichnet —
der Nachweis von Umständen, welche die Unzulässigkeit
des Ausgehens vom ursprünglichen Ausschluss der Weiber
darthun — , ist durch seine Ausführungen im vollsten Mass erfüllt.
Die Möglichkeit, dass das urgermanische Erbrecht die Angehörigen beider
Geschlechter gleichmässig behandelte, kann angesichts dieser Untersuchungen
nicht mehr in Abrede gestellt werden. Ein positives Zeugnis, dass jene
Möglichkeit auch thatsächlich bestanden hat, wird freilich durch F.'s Fol-
gerungen nicht erbracht: die herrschende Ansicht lässt es aber an einem
solchen Zeugnis nicht nur ebenfalls fehlen, sie vermag sogar nicht einmal
den vorhandenen ßechtsstoff mit sich in Einklang zu bringen. Unter
diesen Umständen wird der F. sehen Annahme, dass die germa-
^nische Urzeit die erb rechtliche Gleichstellung von Mann
und Weib anerkannt habe, der Vorzug der grösseren Wahr-
scheinlichkeit — denn nur eine solche kann bei der Beurtheilung
prähistorischer Objekte in Frage kommen — zuzubilligen sein.
Die weiteren Untersuchungen, deren baldigem Erscheinen entgegen-
gesehen werden darf, werden sich mit der im Weibererbrecht eine Sonder-
gestaltung einnehmenden göthisch-norwegischen Gruppe beschäftigen und
die Verhältnisse des Eheguts behandeln.
Bern. OttoOpet.
MittheilunRen XX. 32
490 Literatur.
JRegesta episcoporumCoustantieusium. Kegesteu zur
Geschichte der Bischöfe vou Coustanz von 517 — 1496.
Herausgegeben vou der badischeu historischeu Commissiou. luns-
bruck Waguer I. Baud 1895, H. Band Lieferung 1—3, 1894—1896,
4". VII, 399 und 236 S.
Ich komme einer alten Verpflichtung nach, wenn ich hier die Con-
stanzer Eegesten bespreche; habe ich doch schon im 8. Bande dieser
Zeitschrift (S. (542. 643) das erste Heft derselben angezeigt. Inzwischen
ist der erste Band mit fünf Lieferungen (bis 1 293 reichend) abgeschlossen,
die drei Lieferungen des zweiten gehen bis zum J. 1351- Die letzte
Lieferung des ersten Bandes enthält ein kurzes Vorwort, welches die Ge-
schichte und die Geschicke des Werkes erzählt und die Archive auf-
zählt, welche für die Sammlung des urkundlichen Materials durchforscht
wurden. Ausser den badensischen wurden auch diejenigen Württembergs,
Bayerns, Oesterreichs und der Schweiz, welche die Archivalieu aus dem
Gebiet der ehemaligen Constanzer Diöcese enthalten, besucht, vereinzelt
auch andere, die Ausbeute enthielten, wie jenes von Colmar. Indirect
wurde auch das vatikanische Archiv benutzt, indem die Abschriften, welche
dort unter der Leitung Friedrichs von Weech angefertigt wurden, ver-
wertet sind. — Auf die Editionsprincipien brauche ich hier nicht zurück-
zukommen. Die Einsetzung des Actums auch von solchen Urkunden, welche
nicht die Anwesenheit des Bischofs bei der Ausstellung voraussetzen, in
der zweiten Columne, die ich im J. 1,SS7 gerügt habe, ist in den spätem
Lieferungen unterblieben.
Ich habe mir in jener ersten Anzeige ein endgiltiges Urtheil über
diese hocherwünschte Verööentlichung vorbehalten. In der That haben
die Constanzer Kegesten allerlei Wandlungen durchgemacht. Mau wird
nicht sagen können, dass die weiteren Lieferungen des ersten Bandes den
Eindruck eines Fortschrittes in Durchdringung und Beherrschung des
StofTes gemacht hätten. Jene von mir schon damals erwähnten Schwan-
kungen und Ungleiehmässigkeiten dauerten fort, die einzelnen Eegesten
wurden eher schwerfälliger; die zusammenfassenden Angaben bei Wahl und
Tod des Bischofs befriedigen nicht immer, für die Lösung der kritischen
Fragen, welche hier auftauchen, scheint nicht stets genug geschehen zu
sein, die Gegenverweise bei zusammengehörigen Stücken sind recht man-
gelhaft. Die badische-historische Commission hat sich dieser Sachlage am
allerwenigsten verschlossen; der Umschlag zur zweiten Lieferung des
zweiten Bandes enthält die Mittheiluug, dass »sich eine umfassende Wieder-
holung aller Vorarbeiten als dringend nothwendig ^"^ erwiesen habe ^). Auch
in den Bearbeitern fand ein Wechsel statt. P. Ladewig trat Ende 1889 von
der Thätigkeit für die Regesten zurück; an seine Stelle trat seit 1892
A. Cartellieri. Die erste Lieferung des zweiten Bandes enthält noch
eine Anzahl von der Bearbeitiiug Ladewisjs »theils unverändert über-
') Auf einzelnes ganz fern liegendes wird der Regestenmaclier ja immer
nur durdi glücklieben Zufall stosseii. So bieten die Archiv-I>eriehte aus Tirol 1,
4."jS n" 'iG.jij einen Ablassbrief B. Gerard.s von lolO Mai, der sich an u" 3520
der lie<resteii gut anscbliesst.
Literatur.
491
üommeuer, theils auf Grund seiner Aufzeichnungen angefertigter« Regesten.
Alles andere ist Arbeit und Verdienst Cartellieris. Man kann nur sagen,
dass die ßegesten unter dessen Händen nach jeder Eichtung hin gewonnen
haben und sich, soweit ich es zu beurtheilen vermag, als eine durchaus
solide und gediegene Leistung darbieten. Die urkundlichen und erzählenden
Quellen sind in weitem Umfang herangezogen, kritisch durchgearbeitet, die
Auszüge sind klar und praecis, es klappt alles. Die Editionsgrundsätze sind
bis auf kleine Vereinfachungen die gleichen geblieben und folgerichtio-
durchgeführt. Die allgemeinen Nachrichten über die bischöflichen Re-
gierungen, die natürlich im Lauf der Zeiten reichlicher fiiessen, sind bei
Wahl und Tod der einzelnen Bischöfe sorgfältig gesammelt, Quellen und
Literatur zusammengestellt. Manchmal ergeben sich bei solchem Anlass
förmliche kritische Excurse, wie unter n« 4690 über eine gleichzeitige
Lebensbeschreibung des B. Nicolaus von Frauenfeld. Recht practisch finde
ich es, dass auch die urkundlichen Daten über die Bischofscandidaten vor
deren Stuhlbesteigung aufgenommen sind.
Es ist begreiflich, dass der in den beiden Bänden verarbeitete Stoff
mit dem Fortgang der Jahrhunderte, wie reicher, so auch interessanter
wird. Ich habe schon in der frühern Anzeige darauf hingewiesen, dass
bis ins 12. Jahrh. eigentlich bischöfliche Urkunden äusserst selten sind.
Erst unter Hermann L von Arbon (ll38 bis 1165) werden sie häufiger.
Ein Jahrhundert später, etwa unter Rudolf H. von Habsburg (1274—1293),
bemerken wir, dass die Documente, welche der Bischof als Reichsfürst, als
Lehens- und als Dienstherr ausstellt, die eigentlich kirchlichen Acte weit
überwiegen. Und auch in der Folgezeit tritt das Reichsfürstenthura am
meisten hervor. Neben Urkunden über Grundbesitz fehlen auch nicht
Ordnungen städtischer Verhältnisse (z. B. n« 2977. 3000 für Constanz),
die politische Rolle einzelner Bischöfe rundet sich schon plastisch ab, so
die Theilnahme Gerhards IV. am Kaiserzug Heinrichs VIT., die Bedeutung
Nicolaus' von Frauenfeld für die Habsburgische Herrschaft in den Vor-
landen wie an der Donau. Der dazwischen regierende Rudolf HI. von
Montfort ist schon durch seine Abstammung stärker in die lokalen Händel
am Bodensee verwickelt. Als ein wahrer Ruin für das Bisthum erscheinen
die Doppelwahlen, welche seit Ende des 13. Jh. bei jeder Vakanz des
Bischofstuhles vorkamen und in der päpstlichen Reservationspolitik den
üppigsten Nährboden fanden; gerade dadurch steigt die Schuldenlast der
Kirche. Auch auf den bösen Kirchenstreit unter Ludwig d. Bayern fallen
grelle Lichter. B. Ulrich III., welcher sich von Anfang an Karl IV. zu-
wendete, hat noch bis 1350 Anhänger des Bayern aus dem Kirchenbanne
zu lösen. Auffallend ist die grosse Zahl von Pfarren, welche durch diesen
Bischof an Klöster incorporirt wurden.
Als einen besonderen Vorzug habe ich endlich den Constanzer Regesten
noch nachzurühmen, dass schon dem ersten Band ein ausführliches, und nach
den von mir gemachten Stichproben sehr genau gearbeitetes Register aller
in demselben vorkommenden Orts- und Personennamen, bearbeitet von
Dr. Th. Müller, beigegeben ist. Es ist nach dem Muster jenes für das
Züricher Urkundenbuch angelegt. Die Zusammenstellungen zusammen-
gehöriger Dinge unter einem Schlagwort wirken ausserordentlich vor-
theilhaft. Man sehe nur etwa die Rubriken Constanz Stadt, Gebäude,
32*
492 Literatur.
Bürgerschaft, Capitel, oder die Beziehungen von Ort und Geschlecht, wie
Montfort und Habsburg. In manchen Fällen ergeben sich freilich wieder
unliebsame Zerreissungen einer Person, wenn z. B. Albrecht der I. z. Th.
unter Habsburg, z. Th. unter Oesterreich (als Herzog) z. Th. unter Deutsch-
land (als König) zu suchen ist; doch fehlt es nirgends an den nüthigen
Verweisen.
Und so schliessen wir mit dem lebhaftesten Dank an die genannten
Bearbeiter wie an die Leiter des Unternehmens, Friedrich von Weech und
Alois Schulte.
Innsbruck. E. v. Ottenthai.
Wilhelm Erben, Quellen zur Geschichte des Stiftes
und der Herrschaft Mattsee (Fontes Kerum Austriacarum
II. Abth. 49. Bd.). Wien, Gerold 1896-
Die Mattseer Geschichtsquellen sind inhaltlich viel bedeutender als
der Ursprungsort — die uralte aber weder durch Reichthum noch durch
Ansehen hervorragende Stiftung der Agilolfinger — vermuthen Hesse. Der
geschichtliche jSIachlass besteht in drei Kaiendarien und dem »Liber tradi-
tionum* — einer aus verschiedenen Bestandtheilen zusammengesetzten Hand-
schrift der Mattseer Stiftsbibliothek — zu denen sich ein Oblaibuch des
Wiener Staatsarchivs gesellt; diese Handschriften sind in der Einleitung
mit musterhafter Schärfe untersucht und sehr sorgfältig beschrieben. Da
sich E. auf die Quellen der Ortsgeschichte und zeitlich auf das 1 4. Jahr-
hundert beschränkt, so hat er vornehmlich den älteren Bestand — das
erste Kalendar und den Liber iraditionum — verwertet, doch lieferten
auch die übrigen Handschriften manche brauchbare Ergänzung. Die Aus-
beute besteht in einem Todtenbuch, der Ortsgeschichte und der Urkunden-
sammlung, während ein Urbarbuch beiseite gelassen, die grosse Annalen-
compihition für eine besondere mittlerweile im Neuen Archiv XXIL er-
schienene Untersuchung aufgespart wii'd.
Ln Todtenbuch fasst E. die Einträge aller drei Kaiendarien zusammen ;
der älteste Bestandtheil des ersten stammt aus dem ersten Jahrzehnt des
14. Jahrhunderts, doch muss es ein verlorenes älteres Necrolog benutzt
haben, da manche Namen bis in die erste Hälfte des 1 2. Jahrhunderts
zurückreichen, die Mehrzahl der Einträge dem 13. Jahrh, angehört. Aus
den Kaiendarien von 1458 und 1520 lassen sich ausser den neu hinzu-
tretenden Notizen manche Aufschlüsse über die Personen des älteren
Necrologs gewinnen. Von Wert ist dies Todtenbuch für die Kenntnis
der Adelsgeschlechter und der Pfarrgeiatlichkeit der Umgebung; dagegen
findet man auffallend wenig Namen aus anderen Klöstern, woraus man
wohl schliessen darf, dass Mattsee sich nicht oft in Verbrüderungsverträge
einliess, denn Theilnecrologe, in die man die Brüder aus fremden Häusern
abgesondert von den eigenen eingetragen hätte, kommen in dieser Zeit
nicht mehr vor. In der Erklärung der Namen hat E. das Mögliche
geleistet.
Den wichtigsten und interessantesten Theil dieser Geschichtsquellen
bildet die aus dem Liber tradilionem geschöpfte Localchrouik, deren Ein-
^ Literatur. 493
leitung der Herausgeber weglässt, da sie sich als eine wertlose Nach-
bildung der Gründungsgeschichte von Kremsmünster erweist. Der Schreiber
ist derselbe, der zwischen 137 5 und 1.385 im Dienste des Decans Christian
Gold das Oblaibuch herstellen half; die überzeugenden Erwägungen, die
E. an diesen Umstand knüpft, führen zu der kaum zu bestreitenden An-
nahme, dass Christian Gold als der Verfasser der Ortsgeschichte anzusehen
sei. In der erwähnten Abhandlung im Neuen Archiv schreibt Erben mit
grosser Wahrscheinlichkeit auch die umfangreiche Mattseer Annalen-
compilation demselben Urheber zu ; Christian Gold, ein wohlhabender Passauer
Bürgerssohn, ist wohl die bedeutendste Persönlichkeit der Mattseer Stifts-
geschichte. Chorherr spätestens seit 1349, Pfarrer von Lochen und Stifts-
kellner seit 1.355, Decan von 1365 bis zu seinem Tode im Jahre 1388,
hat er dem Kloster fast vierzig Lebensjahre hindurch sein Vermögen und
sein bestes geistiges Können gewidmet. Zahlreiche Güter brachte er an
das Stift, z. Th. mit dem Aufwände seiner eigenen Geldmittel; wie das
Oblaibuch das Zeugnis seiner wirthschaftlichen Thätigkeit, so sind die
Geschichtswerke des Liber traditionum das Denkmal seiner geistigen Ar-
beit. Stolz auf seine Leistungen, hat er beide Handschriften der Bücherei
von Mattsee geschenkt.
In der Ortsgeschichte spiegelt sich der Geist der Zeit wie in wenigen
Schriften derselben Art. Der älteste Theil wurde um 1356 abgeschlossen,
die Fortsetzungen reichen bis etwa 1382. Von der Geschichte Mattsees
bis in das letzte Viertel des 13. Jahrhunderts wusste der Verfasser nicht
mehr viel — die Ueberlieferung muss schon damals erloschen gewesen
sein. Erst von der Zeit an, über die man aus den Erzählungen der Alten
manches erfahren konnte — die veridica narratio wird ausdrücklich als
Quelle genannt — wird die Erzählung reicher und lebhafter, doch be-
schäftigt sie sich weniger mit dem Stifte als mit der Burg von Mattsee.
(Cap. 20 ff.). Da wird uns das Walten der Pfandbesitzer und Burgvögte
sehr anschaulich geschildert; sehr klar werden die Zustände in den ersten
Jahrzehnten des 14. Jahrhunderts durch die Gestalt des bairischen Vitz-
thums Ofenstetter gekennzeichnet, der die Mattseer zwingt, die niedere
Gerichtsbarkeit um hohen Preis anzukaufen um sich seiner Vexationen zu
entledigen ; dann noch besser durch den passauischen Burgvogt Otakar von
Eggenberg, der von seinen Schutzbefohlenen als ein »reissender Wolf*
verschrieen, aber vom Bischof gehalten wird. Auch die Schilderungen
der Armuth des Stiftes (cap. 47), der Fehde des Wallseers (cap. 5l),
der Befestigungen (cap. 54), ferner die Verzeichnisse der Schenkungen
Christians an das Stift (capp. 57 — 60) seien hervorgehoben. Denn gerade
weil es sfch um eine abseits liegende Ortsgeschichte handelt, ist es eine
Pflicht der Kritik, auf die allgemeinere Bedeutung dieser Nachrichten auf-
merksam zu machen.
Den dritten Theil bildet die Sammlung der Urkunden und ürkunden-
regesten. Auch hier findet man einiges von typischem Werte, anderes
was besondere Verhältnisse mit ungewöhnlicher Klarheit beleuchtet. So
die Bestimmungen über den census personalis, den einige Pfarren an
Mattsee zu leisten hatten (Nr. 4 von 1143), über die Propstwahl (Nr. 7
von 1196), die Verleihung der Gerichtsbarkeit über die Stiftsleute (Nr. 20
von 1305); ferner Statuten des Stiftes mit verschiedenen Ergänzungen
494 Literatur.
(so Nr. 2<S, 28^, 35, 42 besonders aber die verwaltungs- und wirt-
schaftsgeschichtlich interessante Ordnung für das Amt des Kellerers Nr. 56
von 1339); iür die beschränlden Hilfsmittel des Stiftes, das vorsichtig
wirtschaften musste um das Auslangen zu finden, sprechen die unge-
wöhnlich zahlreichen Verrechnungen und Verrechnungsvorschriften, unter
denen ich das schon erwähnte Stück Nr. 42, und etwa noch 52 und fiO
namhaft mache; überhaupt blickt die Armuth aus jedem Winkel hervor;
so werden 1328 mehrere Pfarren dem Stifte verliehen, weil die Einkünfte
zur Erhaltung eigener Pfarrer nicht ausreichen (Regest-Nr. 37), umgekehrt
wird im Jahre 1332 die mensa des Propstes zur Aufbesserung ihres völlig
ungenügenden Einkommens mit einigen Pfarren ausgestattet (Reg. 46). Das
geschieht in einer sehr charakteristischen Urkunde, die es wohl verdient
hätte, in vollem Wortlaut mitgetheilt zu werden. Aehnlich liegen die
Verhältnisse der Dechantei (Nr. 5 4). Der Aufschwung des Stiftes durch
die Thätigkeit des Decans Gold zeigt sich auch darin, dass solche Urkunden
zu seiner Zeit nicht mehr vorkommen. Viele von den späteren Stücken
der Urkundensammlung handeln von seinen Erwerbungen und Stiftungen.
Erwähnt sei noch die Ordnung für die Oblai (Nr. 8^ von 137l). Von
welcher Seite man an die Geschichte herantreten mag, man wird hier
immer etwas Brauchbares finden.
Der Wert dieser Sammlung wird dadurch erhöht, dass sie einen fast
ganz neuen Stoff bietet, denn mit Ausnahme einiger Urkunden war bisher
wenig daraus bekannt und nichts veröffentlicht. Die Ausgabe entspricht
den strengsten Anforderungen einer hoch entwickelten Editionskunst; es
gibt nicht viele Quellen zur Orstgeschichte, die sich einer so sorgsamen
Behandlung zu erfreuen gehabt hätten.
S. H e r z b e r ff - F r ä n k e 1.
Neu wir th Josef, Der Bildercyklus des Luxemburger
8 1 a ra ni b a u m es aus K a r l s t e i n. Forschungen zur Ku ii stgeschichte
Böhuieus; verr)fF. vou der Gesellschaft z. Förderung deutscher Wissen-
schaft, Kunst und Literatur in Böhmen. IL Prag Calve, 1807. Gross-
Folio. S. 54 mit 16 Lichtdruck tafeln und 2 Abbildungen im Texte.
Neuwirth Josef, Der verlorene Cyklus böhmischer
H e r r s c h e r b i 1 d e r in der P r a g e r K ö n i g s b u r g. Studien zur
Geschichte der Gothik in Böhmen IV. Prag. Verein für Geschichte
der Deutschen in Böhmen. 189(3. S. 65 mit 4 Lichtdrucktafeln.
Wir fassen in der vorliegenden Besprechung die beiden hier in Betracht
kommenden Arbeiten Neuwirths aus dem Grunde zusammen, weil sie zu
einander in enger Beziehung stehen, zum Theile einander sogar ergänzen
und jede von ihnen eine leider im Laufe der Zeit verloren gegangene
Bilderfolge aus den schaffensfrohen Tagen Karls IV. allerdings in Ueber-
lieferungen erst aus dem 16. Jahrhunderte vorführt, durch welche jedoch
der Gedankenkreis, welcher die Schöpfungen der böhmischen Wandmalerei
um die Mitte des 1 4. Jahrhundei'tes beherrschte, eine wesentliche Er-
Literatur. 495
Weiterung erhält. Diese beiden Arbeiten N.'s vex'danken ihre Entstehung
nicht einem sogenannten günstigen Zufalle, der insbesondere bei For-
schungen auf dem Gebiete der Kunstgeschichte nicht selten waltet und
bisher ganz unbekanntes, neues Material der Forschung zuführt, sondern
den systematischen Bemühungen des mit den Werken und Quellen der
Gothik in Böhmen völlig vertrauten Verfassers, der mit Erfolg die Biblio-
theken und Museen ausserhalb Böhmens durchforscht, welche noch eine
Fülle von Materiale enthalten, dessen Ausbeute in kunstgeschichtlicher
Hinsicht noch nicht versucht wurde.
Die beiden Handschriften, denen die Tafeln entnommen sind, ver-
wahrt die k. u, k. Hofbibliothek zu Wien. Die über Auftrag des Obersten
Erbtruchsess von Böhmen Johann von Hassenstein und Budin noch vor
dem Jahre 1541 angefertigte Handschrift Nr. 8043 wurde von diesem
später K. Ferdinand I. in der Absicht gewidmet, um ihn nach dem Brande
der Prager Königsburg 1541 bei dem Neubau der Burg und der Er-
neuerung des inneren Schmuckes zur Wiederherstellung des bei dieser
Gelegenheit vernichteten Cyklus der böhmischen Herrscherbilder zu bewegen,
der nach Neuwirths überzeugender Beweisführung in den Tagen Karls IV.
und wahrscheinlich auch auf dessen besondei-e Weisung ausgeführt wurde.
Bedauerlich ist nur, wie aus jeder der beigegebenen Lichtdrucktafeln er-
sehen werden kann, dass der Maler sich nicht getreu an die Vorlage hielt
und die einzelnen Bilder namentlich in Bezug auf die Gewandung im
Geiste des 16. Jahrhundertes, das für die gothische Auffassung kein Ver-
ständnis besass, frei umarbeitete, so dass aus der genannten Handschrift
eine leider nur annähernde Vorstellung dieser umfangreichen, 47 Bilder
umfassenden Folge abgeleitet werden kann, wogegen die unter den Bildern
angebrachten Inschriften, welche durch die Handschriften Nr. 7304 und
8491 der Hofbibliothek in Wien überprüft und richtig gestellt wurden,
bis auf Lesefehler oder durch Abbröckelung des Malters entstandene
Lücken, deren Deutung unterblieb, zuverlässig sind. Trotz des wieder-
holten Vorschlages Johanns von Hassenstein und reger Unterhandlungen
in den Jahren 15 48 — 15fi5 (S. 56 ff.) kam es zur Ausführung dieses
Cyklus nicht; die anderen Malereien wurden in der Prager Burg theils
von Italienern, theils deutschen Künstlern ausgeführt, da es nach einer
Erklärung des Erzherzogs Ferdinand aus dem Jahre 1548 »alhie (Prag)
nit viel künstlicher werchleut« gab.
Von weit höherem Werte ist die Wiener Handschrift Nr. 8330, weil
in dieser die Bilder sehr naturgetreu wiedergegeben sind. Sie enthält
ohne Titelblatt, auch ohne sonst irgend eine schriftliche Aufzeichnung im
ganzen 56 Bildnisse, welche mit Noah beginnen, mit denen Karls IV. und
seiner Gemahlin Bianca schliessen; mit Bl. 60 und 61 folgen 2 Copien
von Wandgemälden an der Südwand der Marienkirche in Karlstein : Karl IV.
mit dem ältesten Sohne, Karl IV. vor dem Eeliquienkreuze ; Bl. 61 bis 64
enthält Darstellungen aus der Wenzelskapelle im Prager Dome ; mit Bl. 65
bis 98 beginnt eine prachtvoll ausgeführte Sammlung der Wappen böh-
mischer Ländergebiete und des böhmischen Adels. Die der zweiten Ab-
theilung der Wappen vorangestellten Medaillons K. Max IL und seiner
Gemahlin Anna zwingen neben inneren triftigen Gründen (S. 9) zu der
Annahme, dass die Handschrift in den Jahren 1569 bis 1575 zu der Zeit
496
Literatur.
angefertigt wurde, in der neben Johann von Martinitz auch NikUis Mirs-
kowsky von Tropcitz auf Mirkow als Burggrafen auf Karlstein genannt
werden, deren Wappen nebst Inschrift Bl. 67' und 09 enthält. Es liegt
die VeriDuthung nahe, dass der kunstliebende Kaiser Max II. selbst die
Verfügung traf, in naturgetreuen Copien die Wandgemälde in Karlstein
abzunehiv.en, weil diese durch Schadhaftigkeit des Mörtels und Abbröcke-
lung der Farbe damals bereits so sehr gelitten haben, dass sie in d^r Zeit
K. Kudolfs II. bei den dürftigen Umbauten in der Burg in den Jahren
1588 bis 1,597 verschwunden sind (S. 5).
In dem 1896 erschienenen Prachtwerke »Mittelalterliche Wand-
gemälde und Tafelbilder der Burg Karlstein in Böhmen«
hat Neuwirth, gestützt auf den Bericht des Gesandten von Brabant und
Chronisten Edmund de Dynter, der 1413 daselbst als Gast Wenzels IV.
weilte und in den Sälen der Burg umhergeführt wurde (S. 2), hervor-
gehoben, dass die Bilderiolge, welche er als »genealogia« bezeichnet, ver-
loren gegangen ist. Mit der dem Verf. eigenen Gründlichkeit des Beweis-
verfahrens wird nachgewiesen, dass die getreuen Copien der Handschrift
nach Originalen aus der Zeit Karls IV. geai'beitet sind, dass die beiden
Wappen der Burggrafen nur die Deutung zulassen, dass die Bilderfolge in
Karlstein war, so dass uns der auf Karls IV. besonderen Auftrag ange-
fertigte Stammbaum vorliegt. Die Bilderfolge versinnlicht im wesentlichen
die Genealogie der Herzoge von Brabant bis auf Johann III., wie sie auch
in der Chronica ducum Lotharingiae et Brabantiae des Edmund de Dynter
sich findet, die bei den Trojanern begann (S. 22) und mit besonderer Vor-
liebe an Karl den Grossen anlehnte, von dem die Herzöge von Brabant,
mit denen die Luxemburger so nahe verwandt sind, ihre Abstammung
herleiten, während die mit Priamus beginnende Darstellung des Stanjm-
baumes Verwandtschaft mit dem ersten Capitel des »Monarchos* von
Johannes Marignola zeigt, der mit Karl IV. zur Zeit der Ausführung dieser
Bilder in inniger Beziehung stand, auch gelegentlich den Zweck nennt,
aus welchem er Noah, Saturn etc. als die Ahnherrn des Stammes aufstellt
(S. 25). So baut sich dieser Cyklus auf Bibel, Mythologie, Sage und Ge-
schichte auf, welcher den kaiserlicher Auftraggeber und sein Haus in der
Berechtigung des Anspruches auf die Kaiserwürde verherrlichen sollte.
Während in der Herrscherfolge auf der Prager Königsburg der
Zusammenhang des Luxemburger Hauses mit der nationalen Dynastie der
Pfemysliden dem Beschauer vorgeführt werden sollte, so waltete hier eine
andere Absicht : nicht der König von Böhmen, sondern der deutsche
Kaiser, der in Karlstein seine wertvollsten Schätze bewahrte und
oben in der Kreuzkapelle die Heiligen seiner Reliquien, unten im Palas
seine den Anspruch auf die Kaiserwürde begründenden Ahnen wenigstens
im Bilde um sich versammeln wollte, hat die Karlsteiner Bilderfolge der
Luxemburger Genealogie angeordnet, deren Zusammenstellung und Tendenz
einen weit über Böhmen herausgehenden Ideenkreis deutlich erkennen
lässt. Die Entstehungszeit dieser Bilder fällt in das Jahr 1355 oder 1356,
da Karl IV. und seine Gemahlin Bianca mit drei Kronen abgebildet sind,
während die Art der Anlage und die Ausführung zu der Vermuthung
berechtigen, Meister Nikolaus Wurmser aus Strassburg, der 1357 als
Literatur. 407
Hofmaler erwähnte Künstler Karls IV., habe sie geschafi'en, da er haupt-
sächlich mit der Ausschmückung der »loca et casti-a* beschäftigt wai*.
Die auf den beigegebenen Tafeln in Lichtdruck (Anstalt C. Bellraann
in Prag) trefflich reproduzirten Bilder sind in den einzelnen Theilen so
scharf gegeben, dass sie, was Zeichnung betreflft, das Originale ersetzen.
Ein Kenner gothischer Malerei fini.let sofort heraus, dass sich der Copist
in diesem Falle treu an die Vorlage gehalten hat, was nur noch bekräftigt
wird durch einen Vergleich der Copien und der erhaltenen Bilder in der
Marienkapelle in Karlstein und der Wenzelskapelle in Prag, bei denen
mit künstlerischem Verständnis auch das Colorit gewahrt wurde. Darin
liegt eben gerade der grosse Wert dieser Copien, dass sie als getreueste
Nachahmungen von Wandgemälden des 14. Jahrhundertes in Zeichnung
und Farbe, welche die Tracht der damaligen Zeit tragen, wie Neuwirth an
der Hand der Quellen ausführlich nachweist, einen unschätzbaren Beitrag
zur Kenntnis der Costümkunde Böhmens in jener Zeit bilden. Da die
decorativen Füllungen zwischen den Bildern vollständig fehlen, lässt sich
nur ganz allgemein die Vermuthung aussprechen, dass die Anordnung der
Bilder im Stammbaum etwa in der Art der Aneinanderreihung in der
Handschrift, vielleicht mit besonderer Wahrung der zeitlichen Abfolge
durchgeführt war.
Da die beiden Bildercyklen nach Anlage und Durchführung von un-
gleichem Werte sind, genügte bei den minderwertigen Herrscherbildern
in der Prager Königsburg die Wiedergabe nur einzelner Bildnisse als
Probe, wogegen es sich als nothwendig erwies, alle Bilder des Stamm-
baumes wegen Ihrer ganz eigenthümlichen Charakteristik vorzuführen,
damit der Forscher an der Hand des gesammten Materiales sich ein Ge-
sammturtheil bilden könne. Die Herausgabe dieses Prachtwerkes, eines
vorzüglichen Erzeugnisses des heimischen Büchermarktes, das sich den
besten Publicationen des Auslandes ebenbürtig anreiht, ist dadurch er-
möglicht worden, dass die Gesellschaft zur Förderung deutscher Wissen-
schaft, Kunst und Literatur in Böhmen durch die grossen Geldmittel, die
sie für die Veröffentlichung bewilligte, neuerdings dem Gefühle patrioti-
schen Sinnes Ausdruck verlieh und sich insbesondere das deutsche Volk
in Böhmen zum Danke verpflichtete, da gerade die Kunstwerke in der
Burg Karlstein die beredten Zeugen sind von dem hervorragenden Antheil,
der diesem Volksstamme an der Culturarbeit des engeren Heimatlandes
zukommt.
Wien. Dr. Ad. Horcicka.
Die historischen Programme der österreichischen
Mittelschulen für 1898.
Da in dem Berichtsjahre dem Erlass des Unterrichts-Ministeriums
V. 30- Dez. 1896 zufolge in den Programmen meist die Kataloge der
Lehrerbibliotheken abgedruckt sind, so ist diesmal die Zahl der wissen-
schaftlichen Al)handlungen eine geringere als sonst. Von den Aufsätzen
historischen und verwandten Inhalts beruhen auf ungedrucktem Materiale :
Das Archiv der Stadt St. Polten (Fortsetzung) von Aug. Herr-
498 Literatur.
mann (Gymnasium in St. Polten). Bietet zahlreiche Urkun<lenauszüge
aus dem Stadtarchive: K. Mathias 14.S<S Jan. 9 Wien (über freien Holz-
bezug), 14S8 Jan. 15 Wien (Verleihung einer Maut in St. Polten). K.
Max I. 15(12 Sept. 24 (Entscheidung in einer amtlichen Streitsache), 1506
März 1 1 Wiener-Neustadt (Anweisung von Gerichtsgeldern zum Bau der
verfallenen Mauern und Thürme der Stadt), 1512 Juli 23 Köln (Geld-
bewilligung), 1512 Sept. 3 (Erlass der Urbarsteuer), 1512 Sept. 13 (Nach-
lass der Haussteuer), 1512 Sept. 24 Köln, 1514 Jan. 5 Innsbruck (Er-
richtung einer Salzlagerstätte), 1514 Febr. 4 Rattenberg am Inn (Erhöhung
der Ochsenmaut um 2 Pfennige für das Stück zum Wiederaufbau der
durch Brand verheerten Stadt), 1518 Jan. 12 Vöklabruck (Erstreckung
der Urbarsteuer-Befreiung). K. Ferdinand I. 1530 Sept. J2 Wien (Ver-
äusserung von Zechgütern), 1537 Juni 28 Wien (Aufrichtung einer Brücken-
raaut), 1538 Nov. 3 Wien (Wappenverleihung für die Stadt) mit Abbil-
dung des Wappensiegels; 1539 Dec. 11 Wien (Verleihung einer »Ordnung*
für die Richter- und Rathswahl), 1547 Aug. 28 Wien (Schenkung), 1553
Juni 21 Wien (Bestätigung des Stadtrichters Hans Peyer). Max IL 1565
März 17 Wien (Bestätigung der Freiheiten der Stadt), 15 75 Juni 9 Prag.
Rudolf II. 1583 April 19 Wien, 1585 Aug. 19 Prag (Bestätigung der
Freiheiten und Privilegien der Stadt), 1590 Mai 25 Wien. K. Mathias
1614 Dec. 5 Wien (Bestätigung der Freiheiten und Privilegien der Stadt),
1615 Sept. 26 Wien (Bestätigung der Pleischhauerordnung). K. Ferdi-
nand II. 1620 Juni 16 Wien (Bestätigung eines Darleftens von 5000 fl.),
1621 Juni 12 Wien, 1621 Aug. 14 Wien (Verleihung eines Wochen-
marktes), 1621 Aug. 20 Wien (Bestätigung der Freiheiten und Privile-
gien), 1627 Sept. 14 Wien (üeberlassung des jährlichen Angelds des
Wilhelmsburgergebietes für ein Darlehen), 1636 Mai 21 St. Polten (Ver-
legung eines Marktes). Ausserdem werden zahlreiche Privaturkunden aus
dieser Zeit in regestenartigen Auszügen verzeichnet. — Der Linzer Tag
vom Jahre 1605 in seiner Bedeutung für die österreichische
Haus- und Reichsgeschichte. Auf Grund zahlreicher bisher un-
bekannter Archivalien von Josef Fischer (Stella matutina in Feldkirch).
An der Hand neuen urkundlichen Materials aus dem Statthaltereiarchive
in Innsbruck, dem geh. Haus-, Hof- u. Staatsarchiv in Wien, dem böhm.
Landesarchive in Prag und dem Staatsarchiv in München wird zunächst
erwiesen, dass der Urheber des Linzertages nicht Erzherzog Mathias, son-
dern dessen Bruder Maximilian der Deutschmeister gewesen sei, auf dessen
Einladung hin am 28. April 160 5 die Erzherzoge Mathias, Ferdinand,
Maximilian und Max Ernst in Linz eintrafen, um wegen der allgemeinen
politischen Lage und wegen der Thronfolge zu berathen, da Rudolf II. für
alle Vorstellungen unzugänglich war. Ueber die gepflogenen Berathungen
wurde ein Protokoll abgefasst, des F. im Anhange S. 4S fg. nach dem
Innsbrucker Texte abdruckt. Dort finden wir ferner das Schreiben des
Erzherzogs Mathias an den Deutschmeister vom 9. Jänner 1605, dann das
Gesuch der vier Erzherzoge an den Kaiser »ratione successionis in regno
Bohemiae«, dann ein »Anmahnung in successionis negotio* sammt Resolu-
tion Rudolfs II. und die Replik auf Eudulfs Resolution wegen der böhmi-
schen Erbfolge, und schliesslich einen Bericht des Beichtvaters Pistorius
über die »Werbung« der Erzherzoge beim Kaiser. Um ihre Forderungen
Literatur. 499
auf Uebergabe Ungarns, Geld für die Vertheidiguug dieses bedrohten
Landes und auf Sicherstellung der Erbfolge durchzusetzen, reisten die
Erzherzoge am 2. Mai 1605 von Linz ab und karaen am 7. Mai mit
30 Kutschen vor Prag an. Nach vieler Mühe erhielten sie 700. ()()() fl.,
um das meuternde Kriegsvolk zu zahlen, Mathias wurde unumschränkter
Befehlshaber in Ungarn mit der Vollmacht, mit Bocskay (und den Türken)
zu verhandeln (28. Mai). Als Ergebnis erschienen die Friedensschlüsse
von Wien und Szitva Torok (1606). Die übrigen »sogenannten Linzer Be-
schlüsse« wegen der Nachfolge und Heirat Rudolfs aber scheiterten. —
Michael Stüeler, ein Lebens- und Sittenbild aus der Zeit des ;i0jäh-
rigen Krieges von R. Knott (Gymnas.ium in Teplitz-Schönau). Während
der Wirren des grossen Krieges lebte in dem kleinen Bergstädtchen
Graupen bei Teplitz ein schlichter Bürger namens Michael Stüeler (gest.
Ifi55), der an allen Leiden und Freuden des Ortes theilnahm und seine
Erlebnisse von lß29 — 1649 aufzeichnete; auf Grund dieses Tagebuches
und des Graupner Archives wird hier ein buntes Culturbild aus jener
Zeil entworfen. — Die Reise des Hans Christoph Freiherrn von
Teufel in das Morgenland 1588 — 1590 von G. E. Friess (Gym-
nasium in Seitenstetten). Nach einem Papiermanuscripte des Stiftes Selten-
ste tten wird die Reise des Freiherrn v. Teufel auf Krottendorf, die sich
bis nach Persien erstreckte, beschrieben, wozu F. eine längere Einleitung
über deutsche Pilgerreisen lieferte. — Urkundliche Nachrichten
über die Städte »Cecina* und »T scher nowitz« und deren
Besitzverhältnisse im Jahre 1782 (mit einem noch nicht ver-
ötfentlichten Plane von Czernowitz) von D. Werenka (Oberrealschule in
Gzeruowitz), zählt Nr. 43 — Nr. 414 die Verkaufsurkunden auf und theilt
im Anhangs den ältesten Plan von Czernowitz mit (Schluss). — Bei-
träge zur Häuser- und Bürgerchronik des Oberringes von
Troppau von Jos. Zukal (Oberrealschule in Troppau), mit Benützung
zahlreicher handschriftlicher Behelfe, vor allem des mit 1640 einsetzenden
» Kaufregisters '='' im Troppauer Stadtarchive und der Pfarrmatrikel. —
Gödinger Urkunden L von G. Treixler (deutsche Communal-Real-
schule zu Göding in Mähren). Ein Verzeichnis der Urkunden im Besitze
der Gemeinde Göding 1350 — 1792, wovon die aus mehreren Bestätigungen
entnommene lat. Gründungsurkunde der Königin Constanzia (1228) S. 25 fg.
abgedruckt und mit einer deutschen Uebersetzung versehen wird. An der
Hand dieses Materials wird Einzelnes zur Geschichte der Stadt Göding
beigebracht (Forts, folgt).
Abhandlungen zur Geschichte und Cultur des Alterthums: Arion
von Karl Klement (Gymnasium im 19. Bez. Wiens), behandelt die
ganze antike Arionsage, 61 S. — Dido in der Geschichte und in
der Dichtung von K. F. Bargetzi (Staatsrealschule im 7. Bez. Wiens)
mit einer grossen Tabelle über die Dido-Bearbeitungen in der deutschen
und in fremden Literaturen. Das Geschichtliche ist nach Meltzers Ge-
schichte der Karthager bearbeitet. S. 2 soll es Gasteiger-Khan (st. Ga-
stinger) heissen. — Ein Besuch in der Troas (1896) von J. Oehler
(Gymnasium in Krems), 9 S., für Schüler berechnet, — Rom von Ed. Ott
(Gymnasium in Böhm.-Leipa), aus einer Studienreise 1896. — Wie
haben die alten Römer geschrieben? Erläuterungen zu den
500 Literatur.
Schrifttafeln zur altern lat. Paläographie von K. Wesely (Gymnasiuin
im 3. Bez. Wiens). — Die Quellen des III. makedonischen
Krieges derEömer und seine Ursachen von Leopold W i n k 1 e r
(l. deutsches Gymnasium in Brunn). Hauptquelle ist Polybios, aber nur
fragmentarisch, so dass seine Nachrichten mit Hilfe der von ihm abhängigen
Schriftsteller ergänzt werden müssen. Sein bester Bearbeiter ist Livius,
der aber auch andere (annalistische) Quellen heranzog, die nur »trübe
Quellen* sind und von Livins kritiklos benützt w^urden. Besser ist Diodor,
dagegen hat Plutarch das Anekdotische hervorgekehrt, Appian, Dio-Zonaras
und die auf Livius beruhenden römischen Schi'iftsteller wer.len kurz ab-
gethan, worauf der Verf. unter steter Kritik der Nachrichten die Kriegs-
ursachen erörtert. — Metallgewinnung im Alterthum von E.
Walz (Realgymnasium in Stockerau). — Unter den erhaltenen
Handschriften der Gerniania des Tacitus ist die Stutt-
garter Handschrift die beste, von J. Holub (Gymnasium in
Weidenau), IV. Fortsetzung von 1895. — Quibusnam litterarum
studiis C. Corn. Tacitus irabutus fuisse videatur et quam
rationem in ea re secutus sit exposuit J. Tiron (Untergymnasium
in Czernowitz), cap. 1. de Taciti studiis, c. 2. quam rationem Tacitus in
colendis litter. studiis secutus sit. — La milizia romana secondo
Tacito (Forts, aus 1894) von R. Adami (it. Communalgymnasium in
Triest), 6 7 S.. Forts, folgt. — De carmine Panegyrico Messalae
Pseudo-Tibulliano scripsit St. Ehrengrube r (Gymnasium in
Kremsmünster), IX. 91 S. (Schluss). — Das Jubeljahr nach der
Gesetzgebung des Moses und nach kirchlichem Rechte von
L. Schranzhofe r (Gymnasium Theresianum in Wien).
Mittelalter und Neuzeit: Der Pagus Grunzwiti (Grunzwin)
von Lambert Guppenberger (Gymnasium Petrinum in Urfahr-Linz).
Die Lage dieser zuerst in der Stiftungsurkunde von Kremsmünster ge-
nannten Oertlichkeit, die man früher in Bayern am Regen oder an der
Traisen suchte, wird als bei dem heutigen Kroustort an der untern Enus
gelegen bezeichnet und der Namen Grunzwiti mit » Grenzwenden ^' über-
setzt. Die Darstellung hat viel für sich, entbehrt jedoch noch immer der
nöthigen Beweiskraft. — Die Arnonischen Güter Verzeichnisse
(»Notitia Ax-nonis* und »Breves Notitiae«) nebst einem Anhange. Neu
bearbeitet von Willibald Hauthaler (Gymnasium Borromäum in Salz-
burg), ein Sonderabdruck aus dem »Salzburger Urkundenbuch* I. und
dem Cardinal Haller zur Secundizfeier gewidmet. Vor dem Abdruck der
Notitia Arnonis (Indiculus, congestum) 2 Phototypien der Hs. B der
Notitia Arnonis, im Anhange 3 Notizen zu den Breves Notitiae. — Kurze
Fund nach richten ül)er eine altchristliche Basilika in Cilli
von G. Schön (Gymnasium in Cilli). Bei den Grundaushebungen für das
neue Postgebäude in Cilli fand man 1897 bedeutende Reste einer alt-
christlichen Basilika, die allem Anschein nach aus dem 5. Jahrhundert
herstammen und beschrieben werden. Gefunden wurden ausser geringen
Mauerresten vor allem Mosaikböden, zahlreiche Inschi'iften und einige
römische Münzen. Jene Basilika dürfte östlich von Celeia gestanden haben,
nicht weit vom frühern Bette der Sann. — Die Entstehung von
Städtewesen in den Rheinländern von Rudolf Weiss (Gy m-
Literatur. 5Q;[
nasiuin in Gmunden), bietet eine übersichtliche Darstellung der römischen
und fränkischen Städtegründungen am Rhein auf Grund der gedruckten
Quellen und der einschlägigen Litteratur mit zahlreichen Auszügen aus
den Quellen (27 S.). — Zur Geschichte der Theorie des prin-
cipiellen Verhältnisses zwischen »Staat* und »Kirche^'' IT.
von Franz Mach (Gymnasium in Saaz). — Der Gang der Erwer-
bung Kärntens durch die Habsburger und die sagenhaften
Heereszüge der Margaretha Maultasch (Forts, und Schluss) von
E. Katz (Stiftsgynmasium zu S. Paul in Kärnten) behandelt die eigent-
liche Erwerbungsgeschichte, vgl. Mittheilungen 19, 7 28. — Die Steuer-
und Militärreformen Matthias Corvins von Andreas Rebhann
(Gymnasium in Mährisch-Schönberg). Die Reformen des Mathias Corvinus
waren im allgemeinen willkürliche und augenblickliche Massnahmen; am
wichtigsten sind die Steuer- und die Militärreformen, welche ganz den
Charakter des Königs verrathen und wesentlich zur Grösse seines Reiches
beitrugen. Anknüpfend an das Sessionsrailizsystem des K. Siegmund be-
stimmte Corvinus schon bald nach seinem Regierungsantritte, dass alle
Ortschaften, adeligen Besitzungen und k. Domänen zusammengezählt (con-
uumeratio) und daraus jeder 20. Bauer Kriegsdienste zu Pferd zu leisten
habe (»Wehrcensus* S. 17); ausgenommen waren die Städte und die
k. Ortschaften, die Kriegsmaterial lieferten, und die kirchlichen Lehens-
leute. Die Grossen des Reiches stellten ihre Banderien, dazu kamen noch
Söldner und in den Tagen der Gefahr die allgemeine Insurrection. Der
Ausgestaltung des Steuer- und Militärwesens standen aber die zahlreichen
Privilegien der Stände gegenüber. Auf dem Reichstage von 1467 gelang
es dem Könige, diese Vorrechte zu zerstören und statt der Tho-rsteuer
eine »Grundholdsteuer« einzuführen (Tributum fisci regalis). Auch andere
Abgaben wurden neu eingeführt oder näher bestimmt. R. polemisirt
stellenweise gegen die »schönfärbige* Darstellung Franknöi's. Der König
verstand es, den Widerstand der ungarischen Stände zu besiegen, sein
Steuersystem und die Wehrkraft des Landes auszubilden, um dann seine
Thätigkeit nach aussen zu richten. In einem »Nachtrage« wird noch das
Münzwesen unter K. Mathias kurz erörtert. — Friaul und seine
Enclaven von E. Filek v. Wittin g hausen jun. (2. Staatsrealschule
im 2. Bez. Wiens). Die germanisirten Gebiete von Friaul (Ragogna,
Spilimbergo, Pordonone), die für den Handelsverkehr wichtig waren, kamen
infolge der Schwäche des geistlichen Fürstenthums von Aquileja Mitte
des 14. Jahrhunderts in die Hände der Habsburger; Rudolf IV. benützte
sie bei der beabsichtigten Erwerbung Friauls, die schliesslich scheiterte.
Das Ganze ist nur eine kurze, gut geschriebene historische Skizze, der
eine grössere Darstellung der Kämpfe zwischen Rudolf IV. und dem
Patriarchen von Aquileja folgen soll. — Die Entwicklung der
Weihnachtsspiele seit den ältesten Zeiten bis zum 16. Jahr-
hundert von V. Teuber (Gymnasium in Komotau), 1. Theil, 32 S.,
Forts, folgt. — Oester reich vor dem Regierungsantritt des
Kaisers Franz Josef von A. Tschochner (d. Gymnasium in Olmütz)
mit einer Abbildung des Kaiserdenkmales in Olmütz, 25 S. — 1848 bis
IS 1)8 in Oester reich von G. Her gel (Communal-Gymnasium in
Aussig a. E.), eine chronologische Darstellung der Geschichte Oesterreichs
502
Literatur,
von 1848 — 98 mit zwei Bildnissen des Kaisers. — Zum Jubiläum
der glorreichen Eegierung Sr. k. u. k. Majestät unseres
Kaisers Franz Josef I. mit dem Bilde des Kaisers (d. Oherrealscliule
in Brunn). — Z u m 5 o j ä r i g e n R e g i e r u n g s j u b i 1 ä u m S r. M a j e s t ä t
des Kaisers von G. Knobloch (Staatsrealschule in Marburg a. Dr.),
ein historiseher Ueberblick über die Regierungsthätigkeit des Kaisers mit
besonderer Rücksicht auf die Geschichte der Anstalt.
Ethnographie, Statistik, Biographie und Verschiedenes: Die B e-
V ö 1 k e r u n g s b e AV e g u n g i n V o r a r 1 b e r g seit 1837 und d e r S t a n d
der Bevölkerung im Jahre 1890. Eine topographisch-statistische
Studie mit Vergleichungen von Fr. Leitzinger (Staatsreal schule in
Bozen), III. Theil: behandelt den Stand der Bevölkerung Vorarlbergs 1890
und gibt zahlreiche Tabellen. S. 9 fg. wird einiges Allgemeine über das
vorarlbergische Bauernhaus und über Siedelungsverhältnisse gesagt. In
Vorarlberg verhält sich die rein städtische Bevölkerung zur ländlichen
wie 1 : 9-;}, die Bevölkerung in den Berggemeindeu ist im Rückgange be-
o-riflfeu und in einem Zeiträume von mehr als 50 Jahren hat sich die
"rechtliche Bevölkerung Vorarlbergs« nur um 3-9"/o vermehrt (S. 28). —
Die Familiennamen von Leitmeritz und Umgebung (Schluss)
von Josef Blumer (Realschule in Leitmeritz), behandelt V. Familien-
namen, die von körperlichen und geistigen Eigenschaften, von Nahrung
und Kleidung u. s. w. abgeleitet sind, dann latiuisirte und fremde Namen
(jß S.)_ — Die Hofuamen des Burggrafenamtes in Tirol
(Schluss) von Josef Tarne Her (Gymnasium in Meran) : Tisens-Wald.
— Ein Innsbrucker Herbar vom Jahre 1748 (nebst einer Ueber-
sicht über die ältesten in Oesterreich angelegten Herbarien) von V. Maiwald
(Gymnasium zu Braunau in Böhmen), 114 S. — Ueber das Verhält-
nis des dramatischen Dichters zur historischen Ueber-
lieferung. Ein Beitrag zum Verständnis der hamburgischen Dramaturgie
von E. W er nb erger (poln. Oberrealschule in Lemberg), Forts, folgt. —
Materia li per una bibliografia Roveretana. Note del pr.
Giovanni de Co belli (Forts., it. Oberrealschule in Rovereto). — Me-
daillen des Erzhauses Oesterreich und der vaterländischen
Geschichte in der Münzensammlung des k. k. Staatsgymna-
s'iums zu Linz von F. Thalmayr (Gymnasium in Linz a. D.): fi35
Stück historischer und religiöser Medaillen und Jetons. — AI. Flir.
Eine biograph.-lit. Studie von F. A. Lanznaster (Gymnasium in Hall,
Tirol), Forts, des Gymnasial-Program ms von Bozen 1897, Schluss folgt. —
Moriz V. Schwind, ein deutsch- österreichischer Künstler
von W. Budaf (d. Landesi-ealschule in Brunn).
Schulgeschichte und Pädagogik: Geschichtliches über die Re-
alschule von Hans Januschke (Staatsrealschule in Teschen), eine
treffliche Arbeit über Realschulen im allgemeinen und die österreichischen
im besonderen. — Vorgeschichte der Anstalt von K. Schuh (Gym-
nasium in Gmunden), eine geschichtliche Uebersicht von der Begründung
der Lateinschule im 14. Jahrb., die bis 1765 bestand, bis zur Gründung
des gegenwärtigen Communal-Gymnasiums (1890). — Historisch- sta-
tistischer Rückblick auf das erste Vierteljahrhundert des
Bestandes des Gymnasiums, II. Theil (Schluss) von G. v. Mor
Literatur.
503
(Gymnasium in Radautz). — Historisch-statistischer Rückblick
auf das erste Vierteljahrhundert des Bestandes der k. k. 2. d.
Staatsrealschule in Prag von K. v. Ott (2. d. Oberrealschule in
Prag), 57 S. — Zur Geschichte der Anstalt von A. Gamroth
(Landesrealschule in Zwittau) mit einer hübschen Abbildung des Schul-
gebäudes. — Die deutsche Landes-Oberrealschule in Pros snitz
1873 — 189S. Ein Rückblick auf das erste Vierteljahrhundert ihres Be-
standes von Fr. Sc heller (d. Realschule in Prossnitz), mit Abbildung
der Anstalt, 64 S. — Rückblick auf die ersten 25 Jahre der
k. k. Staat s-Oberrealschule in Teschen von K. Klatovsky
(Staatsrealschule in Teschen). — Congruo ad una storia del Gin-
nasio-Liceo di Trento per V. Zambra (Gymnasium in Trient).
Welche Berührungen hat der Unterricht in der Religion
mit dem in der Geschichte? Von Franz Schütz (Oberrealschule
in Neutitschein). — Ueber Geologie im geographischen Unter-
richt von Max Hansmann (Communalgymnasium in Bregenz). Be-
merkungen über den Geschichtsunterricht an Handels-
schulen von Hermann Eichler (Handelsschule in Aussig), fordert
gleichmässige Lehrpläne an höheren Handelsschulen, eingehendere Behand-
lung der neueren Geschichte und Verknüpfung der handelspolitischen Daten
mit den Ereignissen der politischen Geschichte.
Geographie und Metereologie : Bernhard Varenius und die
morphologischen Capitel seiner »Geographia generalis«
(Amsterdam 1650). Ein Beitrag zur Geschichte der Geographie von
J. Seh wer d feger (Staatsgymnasium in Troppau). — Die Karten-
projectionen im allgemeinen und perspecti vi sehe Karten-
projectionen im besonderen von R. Pretsch v. Lerchenhorst
(Schluss) mit Beilagen (Realschule in Elbogen). — Die Goldfelder
Australiens und Afrikas von Fr. Martin (Handelsakademie in
Prag), 7 2 S. — Zur Umgrenzung der Sannt haleralpen von
Otto Eichler (Gymnasium in Cilli), sucht in der Umgrenzung dieses
Gebietes der östlichen Südalpen besonders aus schulmännischen Gründen
eine vermittelnde Stellung einzunehmen und entscheidet sich für die Be-
zeichnung » Sannthaleralpen « (statt Steineralpen), wie er auch für die
Selbständigkeit derselben gegenüber den Karawanken eintritt. Die
periodische Wiederkehr der Hochfluten, Nässen und Dürren
von St. Zach (d. Gymnasium in Budweis), behandelt einleitend die pe-
riodischen Fluten u. s. w. im Zusammenhange mit dem Fleckenbestande
der Sonne, der Häufigkeit der Nordlichter und den Aenderungen des
Erdmagnetismus und führt S. S fg. den historischen Nachweis "für die
Richtigkeit der periodischen Wiederkehr der Ueberschwemmungen innerhalb
der im Schema eingeführten Zeitperioden: 8 Perioden — 1 4. v. Chr. bis
1770 n. Chr. — (Forts, folgt). — Ueber Erdbebenbeobachtung
in alter und gegenwärtiger Zeit und die Erdbebenwarte in
Laibach von A. Belar (Staatsrealschule in Laibach), 43 S. mit Ab-
bildung der Laibacher Erdbebenwarte von innen. — Beiträge zur
Kenntnis der Grün d was s er Verhältnis se der Nied er s chlags-
gebiete des Flössbaches und des Malsbaches (mit einem geolo-
gischen Durchschnitte und einer Uebersichtskarte) von G. Bruder (Gym-
F,Q^ Literatur.
uasium in Aussig a. E.). — Beobachtungsergebni.sse der om-
brometrischen Station III. Ordnung in Au spitz Nr. 45 für
das Jahr 1897 von Fr. Zerhau (Realschule zu Auspitz in Mähren). —
Beobachtungen der ombrometrischen Station vom 15. Dec.
1397 — 30. Juni 1898 von Josef Nowak (Realgymnasium in Waidhofen
an der Thaya), Tabellen. — Ueber sieht der an der meteorologi-
schen Beobachtungsstation in Eger im Jahre 1897 ange-
stellten Beobachtungen von J. Kostlivy (Gymnasium in Eger).
— Meteorologische Beobachtungen von J. R e i d i n g e r (Gym-
nasium zu Weidenau in Schlesien). — Astrognosie. I. Theil 1897.
TL Theil 1898 (Beschreibung der Sternbilder) von J. Fr au wallner
(d. Oberrealschule in Kremsier).
Aus slavisch geschriebenen Progi'ammen: Ein kritischer Blick
auf ilie Kunst der Pelasger, die fremden Einflüsse und die
Periode der Karier bei Herodot von A. Wolik (Poglad krytyczny
na sztuk^ pelasgijiska u Herodota, wplywy postronne i okres Karöw, polu.
Oberrealschule in Krakau). — Die ethnischen und geographischen
Momente in den Sprichwörtern und Redensarten der Grie-
chen, 3. Theil, von ^ Fr. Krsek (Ethnika a geografica v pfislovich a
pvfekadlech feckych, Cäst III., böhm. Realgymnasium in Kolin). — Ueber
die Ausgrabungen in Delphi von E. Peroutka (0 vykopech
delfskfch) und Situationsplan dazu von F. Servit (b. Gymnasium in den
k. Weinbergen-Prag). — Dörpfelds Theorie über den Bau der
alt griechischen Bühne im Lichte der neuesten Kritik von
V. Hahn (Teorya Dörpfelda o budowie starozytnej sceny greckiej w
swietle najnowszej krytyki, poln. Gymnasium in Kolomea). — Von Athen
nach Sicilien. Reiseerinnerungen von St. Rzepinski (Z Aten do
Sycylii. Wspomnienia, poln. Gymnasium bei St. Hyacinth in Krakau). —
Constantin der Grosse (Vorbereitungsperiode). Eine Studie zur
römischen Geschichte der Jahre 305 — 31 1 von Fr. Doubrava (Konstantin
Velikf [pfipravnä doba]. Studie z fimskfch dejin od r. 305—311, b.
Gymnasium in der Korngasse-Prag). — Constitutum Constantini,
eine historisch-kritische Studie von A. Jougan (Constitutum
Constantini. studyum historyczno-krytyczne, poln. Franz- Josef- Gymnasium
in Lemberg), S. 25 fg. Abdruck des Exemplar Constituti Domni Constan-
tini Imp. (Schluss). — Salona und seine Ruinen von S. Rutar
(Solin in njegove razvaline, slov. Untergymnasium in Laibach), 17 S. —
Römische Geschichte unter der Regierung des Kaisers
Valens von J. Charvät (Dejiny fimske za cisafe Valenta, b. Gymna-
sium in Leitomischl). — Andreas von Duba auf Zlenic, der
oberste Richter des Königsreichs Böhmen (t 1412) von
A. Sedläcek (Ondfej z Dube na Zlenicich, nejvyssi sudi krälovstvi ces-
keho, b. Gymnasium in Tabor). — Die k. Stadt Üngarisch-Hradisch
und ihr Stadtarchiv von B. Dolejsek (Krälovske mesto Uherske
Hradiste a jeho mestk^ archiv, b. Oberrealschule in Brunn), mit einem
Verzeichnis der Urkunden im Stadtarchiv 1257 — 1853. — Der Fasching
in Ragusa im IG. u. 17. Jahrhundert und die Nachfolger des
Cubranovic von M. Medini (Dubrovacke poklade u. XVI. i XVII. vijeku
i Öubranovicevi nasljednici, kroat. Gymnasium in Ragusa). — Ein Bei-
Literatur. 505
trag zur Topographie der k. Stadt Klat tau und der nächsten
Umgebung (lB27 — 1727) von F. Nekola (Pfispevek k mistopisu kräl.
mesta Klatov a nejbli:^siho okoli, b. Realgymnasium in Klattau), mit Ur-
kundenauszügen, — Sieben Studentenbriefe aus dem 17. Jahr-
hundert von A. Sedlacek (Sedm studentsk^ch psanicek ze 17. stol.,
b. Gymnasium in Tabor), 4 S. — Die Pest in Kuttenberg im
Jahre 1713 und das Marien-Denkmal »Bo2i Muka<< von
0. Hejnic (Mor v Kutne Hofe roku 1713 a »Bozi Muka«, b. Oberreal-
schule in Kuttenberg), druckt S. 16 fg. eine deutsche » Gesundheits-
instruction* des Berthold v. Waldstein an den Kreishauptmann von Öaslau
(Belohrad, 28. Oct. 1713) ab. — Das Romhap'sche Haus in Karo-
linenthal von J. Nedoma (0 dome Romhapovskem v Karline, b. Ober-
realschule in Karolinenthal-Prag). — Geschichte der Tarnower
Collegiate von Jan Leniek (Historya kollegiaty tarnowskiej , poln.
Gymnasium in Tarnöw), 9 S. — Die wechselseitigen Beziehungen
der altruthenischen Rechtsdenkmäler von E. Kokorudz (ac.
Gymnasium in Lemberg), I. in ruthenischer Sprache geschrieben. —
Moriz Mochnacki's politische Thätigkeit im Auslande von
A. Passendorfer (Polityczna dziatnosc Mauriciego Mochnackiego na
emigracyi, poln. Gymnasium in Jaroslau). — Die Entwicklung des
Schulwesens in der österreichisch-ungarischen Monarchie
vom Jahre 1848 — 1898 von Vaclav Hampl (Rozvoj skolestvi v fisi
Rakouskouherske v letech 1848 — 1898, b. Realschule in Rakonitz). —
5ü Jahre böhmischen Mittelschulwesens. (Ein Beitrag zum
böhmischen Mittelschulwesen unter der Regierung Sr. k. u. k, apostol.
Majestät) von Fr. Kopta (Padesat let stfedniho skolstvi v Öechäch, b.
Gymnasium in Neubyd2ov). — Das Schulwesen in der k. Leib-
gedingstadt Neubyd^ov von Joh. Honza (Pameti o skoläch v kral.
vennem meste Novem Byd^ove, b. Gymnasium im Neubyd^ov), 1. Theil.
— Geschichte des Zloczower Gymnasiums von J. Jezierski
(Historya gimnazyum zloczowskiego. poln. Gymnasium in Ztoczöw). —
Ursprung und Entwicklung der Anstalt von V. Tluchof
(Vznik a v^voj üstavu, b. Realschule in Adlerkosteletz). — Die Ent-
deckung von Ostasien von Fr. Kahlik (Objeveni v^'chodni Asie,
b. Privatgymnasium in Hohenstadt-Mähren), V. (Fortsetzung). — Das
Verhältnis der apenninischen Halbinsel zur Balkanhalbinsel
mit Rücksicht auf die physikalische Geographie, von
F. Nerad (Vztah poloostrova Apenninskeho ku Balkänskemu po stränce
geografie fysikalne, b. Realschule in Ungarisch-Brod), 40 S. — Limno-
biologische Studien von E. Sekera (Studie limnobiologicke, b. Gym-
nasium in Pilgram).
Graz. S. M. Prem.
Mittheilungen XX. 33
506 Literatur.
Die historische periodische Literatur Böhmens, Mährens
und Oesterr.-Schlesiens 1895—18971).
Mähren.
I. Notizenblatt der bist. -stat. Section der k. k, mähr. Ge-
sellschaft zur Beförderung des Ackerbaues, der Natur- und Landeskunde.
Redigirt von Christian R. d'Elvert. Jahrgang 1895.
Von selbständigen Aufsätzen sind zu erwähnen: A. Rolleder,
Odrau zur Zeit des siebenjährigen Krieges. S. 7 — 8, 13 — IG.
— Ferd. Frh. v. Bojakowsky, Kurze Beiträge zur Landes-
kunde Mährens und Schlesiens. Das Olmützer bischöfliche
Lehen Malhotitz. S. .31—32, 39—40, 43—45. — W. Schräm,
Stadtarchiv in Znaim. Sf 46 — 48. Exerpte aus dem dortigen Katalog.
— Die Belagerung der Burg Bernstein durch die Schweden
im J. 1645. S. 53 — 55. Inhaltswiedergabe von vier Originalaktenstücken
im Besitze des Gr. Wladimir v. Mittrowsky. Das erste Stück ist ein
Bericht des Hauptmanns der Herrschaft Bernstein Nikolaus Fleischinger
von Auerspach über die Ei'eignisse von Bernstein vom 4. — 21. Mai; daran
schliessen sich drei urkundliche Notizen. — Melion, Nachrichten
zur Meteoritenkunde in Mähren. S. 60 — 62. — Janik, Bern-
hardiner in Ung. -H radisch und der Bestand des Klosters
derselben in der Zeit vor 1620 bis ungefähr 1680. S. 62 — 64.
Notizen in den Grandbüchern der Stadt bekräftigen wie es scheint die
j, dunkle Sage ^ von dem Bestand eines solchen Klosters. — Karl L e c h n e r,
Die Garnison auf Schloss Mürau im J. 1685. S. 66 — 67. Nach
Aktenstücken im fürsterzb. Archiv in Kremsier und anderen im Frivat-
besitz. — Karl Lechner, Zur Geschichte der Fr eise. S. 67 — 69.
Eine Consignation aus den Correspondenzbüchern des Kardinals Wolf
Hannibal Grafen von Schrattenbach über den Bedarf der Kremsierer Hof-
küche. — Ed. Richter, Zur Geschichte der Orte in der Enclave
Hotzenplotz. S. 69 — 72, 75 — 80, Sl — 89. Behandelt gründlich die
Geschichte des Ortes Füllstein auch nach ungedrucktem Material. — Ferd.
Frh. V. Bojakowsky, Das Olmützer bischöfliche Lehen Stepa-
nowitz. S. 90, 91 — 93. — Karl Lechner, Zeugnis für einen
Brünner Lehrer. S. 93—94. Stammt vom J. 1600 aus dem f. e. Ar-
chive in Kremsier. — Hiezu zahlreiche Beiträge zur mähr. -sc hie s.
Biographie, Wiederabdrucke, Literaturanzeigen. Es ist zu-
gleich der letzte von d'Elvert redigirte Jahrgang. — Die Leitung der
im Jahr 1896 unter dem Titel »Notizenblatt des Vereines für
die Geschichte Mährens und Schlesien s^^ erschienenen Zeitschrift
übernahm Dr. Karl Schober. Dieser Jahrgang 1896 enthält folgende
Aufsätze.
M. Grolig, Mautsatzungen aus den Jahren 1535, 1629
und 1726. S. 3 — 11. Die erste aus einem Urbar der Herrschaft Mähr.-
Ti-übau, die zweite galt für die Herrschaft Türnau und lag der dritten,
die für Mähr.-Trübau bestimmt war, zugrunde. Sie werden vollinhaltlich
') Vgl. S. 147 fl'. (lifses Bandes,
Literatur. 507
abgedruckt. — B. B retholz, urkundliche und handschriftliche
Mittheilungen aus dem Brünner Stadtarchiv. S. 11 — 16,
48 — 50. Mitgetheilt werden 1. Zwei Urkunden zur Beleuchtung des Krieges
zwischen dem Olmützer Bisthum und dem Mkg. Prokop, heide von K.
Sigismund in Brunn ausgestellt, die eine 1400, Jan. 1, die andere 1400,
Jan. 4. 2. Eine Urkunde über die Errichtung einer Wasserleitung in
Brunn von K. Wenzel dd^ Prag, 1416, März 8. Beschrieben wird 3. eine Hs.
»lus municipale civitatis Nevtitschinensis « aus dem 17. Jhd. — Karl
Lechner, Zur äusseren Geschichte des Priester Seminars zu
Ol mutz. S. 16 — 20. Einige Nachträge zu Dr. Kachniks Darstellung
dieser Anstalt in dem von H. Zschokke herausgegebenen Werke »Die
theologischen Studien und Anstalten der katholischen Kirche in Oester-
reich<'= aus dem fürsterzbischöf liehen Archiv in Kremsier, besonders be-
züglich der früheren Planes der P^rrichtung vom J. 15.58 angefangen bis
1618. — Hans Welzl, Lobspruch auf das Tuchmacher Hand-
werk. S. 20 — 22. Stammt aus Iglau aus dem J. 1594. — Franz
Janik, Grabsteine aus dem 15. Jahrh. in der Franziskaner-
kirche zu Ung.-Hradisch. S. 22 — 24. — Ant. Krälicek, Wo
lag Felicia und war es eine römische Feste? S. 25 — 38,
61 — 65. Das Schlussergebnis des Verf. lautet: „Felicia mag bei Muschau
nahe der Mündung der Schwarza gelegen haben, aber eine römische Colonie
oder ein römisches Lager oder Castell war es kaum*. — M. Grolig jun.
Die Nachrichten über den Schwedenein fall nach Mähren
und die Belagerung Brunns 1645 in den Aufzeichnungen
des Cardinais Ernst Grafen von Harrach. S. 38 — 47. Die
Nachrichten stammen aus einem Tagebuch des Cardinais, das sich im
Harrach'schen Schlossarchiv in Brück a. d. L. fand. Gerüchte und wichtige
Notizen sind hier untermischt.
P. Clemens Janetschek, Zur Geschichte des Augustiner-
klosters in Mariakron. S. 50 — 54. Ein mit den Bewohnern von
Triebendorf im J. 1719 aufgenommenes Protokoll, was sie von der Ge-
schichte dieses Klosters wissen. — Hans Welzl, Notizen zur Chronik
der Stadt Littau (1714—1747). S. 54—56. Aus Akten in der
Registratur des mähr. Landesausschusses. — Anton Schiesser, Propst
Johann von Wischehrad. S. 57 — 61. Erweist aus zwei Urkunden
des Pauler Formelbuches, dass Propst Johann wirklich ein unehelicher
Sohn K. Ottokars IL gewesen und nicht etwa ein Sohn Kunigundens und
Zawisch's von Falkenstein. — A. Rolleder, Der Odrauer Raubbie-
nenprocess vom J. 1656. S. 65 — 86. Eine culturhistorisch inter-
essante Geschichte auf durchaus archivalischer Grundlage. — M. Grolig,
Martin Johann Weidlich und seine Chronik der Stadt Mähr.-
Trübau. S. 93 — 114. Eine eingehend quellenmässige Biographie mit
Rücksicht auf die Zeitereignisse — Weidlich 1600 geb. wurde 1635
Stadtschreiber in Trübau und starb 1678 — und unbefangene Würdigung
seiner Chronik. — J. v. Beck und J. Loserth, Urkundliche Bei-
träge zur Geschichte der husitischen Bewegung und der
Husitenkriege mit besonderer Berücksichtigung Mährens
und der mährisch-husitischen S öldner. S. 115 — 120, 177—181.
Die Urkundenextracte und Regesten rühren aus dem Beck'schen Nachlass
33*
508 Literatur.
her und sind entnommen theils Privatbesitz, theils dem mähr. Landes-
archiv, den Archiven von Wittingau, Kremsier, dem H. H. und St. Archiv.
Wilh. Schräm, Brünner Kirchengrüfte. S. 121 — 128, 157
— 172. Eine eingehende Untersuchung und Schilderung mit vielen
Beschreibungen von alten Gruftplatten, Extracten aus Inventaren und
Protokollen. — P. A. Schleser, Das Städtchen Braunseifen
während und nach dem Schwedenkriege vom J. 1624 bis 1740.
S. 128 — 151. Auf Grund der bei der Stadtgemeinde und Pfarre ver-
wahrten Archivalien werden die Schicksale dieses Ortes im mährischen
Gesenke, sein Besitz- und Erwerbstand, seine Leistungen und Abgaben,
seine communalen, kirchlichen und judiciellen Verhältnisse geschildert. —
K. Lechner, Zur Geschichte der Preise, S. 151 — 152, 172 — 174.
Theils dem Briefwechsel des Card. Wolfgang Hannibal Grafen von Schrattenbach
mit seinem Bruder aus den Jahren 1718 — 1722, theils einem Protokoll des
Kremsierer Stadtrathes vom J. 1721 entnommen. — H. Welzl, Bei-
trag zur Geschichte der Halsgerichtsbavkeit in Mähren.
S. 152 — 156. Die Aktenstücke datiren aus den Jahren 1716 — 1726.
— M. Grolig, Zur Geschichte des Brünner Bäckerhandwerks.
S. 174 — 176. Eine Vergleichsurkunde über Streitigkeiten zwischen den
Bäckern und ihren Knechten vom J. 1451, Januar 20.
Mit diesem Jhg. schliesst das Notizenblatt, als seine Rechts-
nachfolgerin erscheint vom Jahre 1897 in vier Vierteljahrsheften unter der
Redaction Dr. Karl Schobers die Zeitschrift des Vereins für die Ge-
schichte Mährens und Schlesiens. Jhg. I. (1897). B. Bretholz,
Die Tataren in Mähren und die moderne mährische Ur-
kundenfälschung. Heft 1, S. 1 — 65. (Vgl. Mitth. des Instituts 19,
393). — J. Loserth, Bilder aus der Reformationszeit in
Mähren. H. 1, S. 65 — 7 3. 1. Dr. Martin Göschl, Propst des Frauen-
stiftes Kanitz. Als G. zur neuen Lehre übertrat, musste er wenn auch
mit Widerstreben die Propstei verlassen, lebte in Nikolsburg wahi'scheinlich
im Besitze der dortigen S. Wenzelspfarre bis 1528, da er nach Prag vor
das Gericht citirt wurde. Der Ketzertod war ihm bestimmt, allein er
wurde begnadigt, verlor aber für immer seine Freiheit. An dem Ver-
falle von Kanitz trägt er schwere Schuld. 2. Oswald Glayt. Ein mäh-
rischer Wiedertäufer aus der Oberpfalz stammend, lebte einige Zeit in
Nikolsburg, erlitt dann in Wien, da er standhaft bei seinem Glauben ver-
harrte, den Tod in der Donau. Von ihm stammen auch einige Lieder. —
M. Grolig, Das Epicedium des Brünner Minor i tenk losters.
H. 1, S. 73 — 105. Die lange vermisste Hs. befidet sich unter den
Horky'schen Papieren im Archiv des bist. Vereins in Brunn, besteht aus
9 ganzen und 2 verstümmelten Pergamentblättern saec. XV. Im wesent-
lichen ist es eine Hauschronik mit Abschriften von Urkunden und Ver-
zeichnis der verstorbenen Ordensmitglieder und Wohlthäter. Das Fragment
wird vollständig abgedruckt. — F. v. Krones (Graz), Bertha (Perchta)
von Liechtenstein, geborene Rosenberg (t 1476), und die
Sage von der »weissen Frau« zu Neuhaus, Teltsch u. s. w.
H, 2, S. 1 — 22. Der 1. Theil beschäftigt sich unter dem Titel
» Ulrich Rosenberg und sein Haus « hauptsächlich mit Bertha (geb. um
1430), einer der 4 Töchter Ulrichs und mit ihrem unglücklichen Schicksal
Literatur. 509
in der Ehe mit Hanus von Lichtenstein; sie starb 1476 in Wien und
fand bei den Schotten ihre Ruhestätte. Der zweite Theil verfolgt, wie
die Persönlichkeit Berthas mit der Sage von der weissen Frau in Neuhaus
verwebt wurde. Das »Hauptverdienst« gebührt hiebei Baibin. — Josef
A. Frh. V. Helfert, Der Brünner Landtag im J. 1848 und das
mährische L ande s w appen. H. 2, S. 22—30. Verschiedene inter-
essante Erinnerungen aus den Landtagsverhandlungen jenes Jahres zum
Theil auf Grund von Aufzeichnungen Dr. Alois Frh. v. PraXäk. — E. Söffe,
Das Raigerner Liederbuch. H. 2, S. 30 — 44. Eine im ]8. Jhd.
hergestellte Sammlung von 1 5 deutschen und 8 lateinischen Liedern ; einige
haben wenn auch bescheidenes auf Brunn und dessen Umgebung bezüg-
liches lokales Interesse, zwei daiin enthaltenen Spottlieder auf Luther
sind Zoten; die meisten Gesellschafts- und Liebeslieler ohne grösseren
künstlerischen Gehalt, das eine und andere culturhistorisch charakteristisch.
Adolf Raab, Zur Geschichte der Brunn er Familie Rutili us.
H. 2, S. 44 — 46. — M. Grolig, Versuche zur Einführung der
Seidenraupenzucht in Mähren aus dem J. 1624. H. 2, S. 46 —
47. Ein Befehl Fürst Karls v. Lichtenstein an den Pfleger seiner mäh-
rischen Herrschaft Hohnstadt vom J. 1624. — Dsl., Kosten eines
Rasttages im J. 168,5. H. 2, S. 47 — 51. Abdruck einer Specification
der Kosten, die dem Stadtrath in Mähr. Trübau die Bewirtung des Stabs
des Kürassierregiments Hannover während 2 Nächten und l Tag bereitete,
zusammen 245 F. rh. — Dsl., Aus der Türkenzeit. H. 2, S. 51 —
52. Eine Mittheilung der Stadt Ung.-Brod an Mähr.-Trübau über die
Kriegsereignisse, vom 6. Nov. 1663. — Karl Lechner, Zur Ge-
schichte des Schlosses zu Kremsier. H. 2, S. 52 — 56. Einige
Notizen über Arbeitscontracte anlässlich des Ausbaues des Schlosses durch
B. Stanislaus Pawlowsky aus dessen Copiarbuch 1579 — 1591. — J. v, Beck
u. J. Loserth, Urkundliche Beiträge zur Geschichte der
husitischen Bewegung und der Husitenkriege mit beson-
derer Berücksichtigung Mährens und der mährisch-husiti-
schen Söldner. [Schluss]. H. 2. S. 56 — 73. Regesten und Urkunden-
abdrücke 1420 — 1429. ■ — P. Clem. Janetschek, Das Augustiner-
stift St. Thomas in Brunn während des 30j ährigen Krieges.
H. 3, S. 1 — 23. Ein Abschnitt aus der mittlerweile erschienenen »Ge-
schichte des Augustinerordens in Mähren«, in welchem in sehr detaillirter
Weise auf das Quellenmaterial des Archivs des Augustinerstiftes gestützt
die schweren Schäden geschildert werden, die dieses Kloster, kaum dass
es sich von den Wirren der Reformationszeit erholt hatte, in jener Kriegs-
periode erlitt. Gleichzeitig bildet die Abhandlung einen Beitrag zur Ge-
schichte der Belagerung Brunns durch die Schweden in den J. 1643 und
1645. — A. Rzehak, Massenfunde altert hümlicher Gefässe
im Weichbilde der Stadt Brunn. H. 3, S. 23 — 40. Nach dem
Mitvorkommen von Glaserzeugnissen ist zu schliessen, dass diese Urnen
und sonstigen Gefässarten nicht über die 2. Hfte des 15. Jhd. zurück-
gehen. — A. Rolleder, Odrau einstWinanow, Wihnanow, ge-
nannt. H. 3, S. 40 — 48. Aus urkundlichen Nachrichten von 1563 — 1571
lässt sich erweisen, dass einige Gründe in der nächsten Nähe von Odrau
510 Literatur.
den Namen Winanowitz führten, woraus der Verf. weiter schlieast, dass
dort früher eine Ortschaft namens Winanow gestanden habe, die er iden-
tificirt mit jenem Wignanow, das im 13. Jhd. zur Ausstattung des mähr.
Klosters Tischnowitz gehörte. — M. Simböck, Grabsteine und In-
schriften in Iglau. H. 3, S. 49 — .54. Besprochen werden solche aus
dem 15., 16., 17. u. 18. Jhd. — Anonym, Zur Geschichte der Stadt
Znaim während der Gegenreformation. H. 3, S. 54 — 59. Nach-
richten aus den Znaimer Stadt büchern über Conflicte zwischen der Kloster-
brucker Geistlichkeit und dem Stadtrath, der seit 159fi der evangelischen
Lehre zugethan war und in dem, trotz der bereits durchgeführten Gegen-
reformation, noch immer jener Geist nachzuleben schien. — W. Schräm,
Neue urkundliche Beiträge zur Geschichte der Stadt Brunn.
H. 3, S. 59 — 101. Extracte aus den Rechnungsbüchern der Stadt Brunn
von 1550 — 1700. — J. Loserth, Die literarischen Widersacher
des Hus in Mähren, l. Stephan v. Dolein. H. 4, S. 1 — Ifi.
Stephan Prior der Karthause S. Josaphat bei Olmütz trat als entschiedener
Gegner der wiklefitischen Lehre auf, verfasste eine Medulla tritici, einen
Anti-Hus, eine Flugschrift in Form eines Dialogs zwischen Gans (Hus) u.
Sperling und einen Brief an die Husiten, durchaus Schriften, die für die
Geschichte des Entstehens und Erstarkens des böhmischen Wiklefismus
wichtig sind. Stephans Werke dürften damit aber kaum erschöpft sein.
Beigegeben ist ein Brief Stephans an K. Sigmund 1419, und ein Trost-
schreiben Stephans an den Domherrn Stephan v. Frag o. D. — F. v. K r o n e s,
Die Anfänge des Cistercienserklosters Saar in Mähren und
sein Chronist Heinrich v. Heimburg. H. 4, S. 17 — 40. Im ersten
Theil dieser Studie schliesst sich der Verf. der Ansicht an, dass Heinrich
der Chronist von Saar und der Annalist Heinrich von Heimburg identisch
ist, wie dies bereits Emier behauptete und neuerdings in der jüngsten
Ausgabe der »Cronica domus Sai'ensis* in den Mon. Germ. bist. Bd.
XXX (l896) S. 678 ff. auch J. Dieterich angenommen hat. Der zweite
Theil ist der Entwicklung der Cistercienserklöster Böhmens und Mährens
bis zur Mitte des 1 3. Jhd. und der Darstellung der Gründung des Stiftes
Saar (1252) gewidmet. Der dritte Theil schildert den weiteren Verlauf
der Stiftung, den Klosterbau, das innere Leben bis zum Ende des 13. Jhd.
Das vierte Capitel beschäftigt sich mit der Obersess = Obfaner Stifterfamilie
von Saar und ihren Nebenlinien. — K. Wotke, Moralitates Caroli
quarti imperatoris. H. 4, S. 41 — 76. Ein bisher ungedrucktes
Werk dieses Kaisers mit einer eingehenden Einleitung über dessen Wesen
nach den drei bisher bekannten Hs., von denen die vollkommenste im
Cod. Vind. N^ 556 Saec. XIV enthalten ist, zwei ganz junge sich in
Raigern befinden. — B. Bretholz bringt verschiedene »Neue Beiträge
zur Geschichte der Belagerung Brunns durch die Schweden
im J. 1645^^ aus dem Brünner Stadtarchiv. H. 4, S. 77 — 107. —
0. H. Stoklaska gibt kurze Biographien »Deutscher Dichterinnen
aus Mähren*. S. 107 — 114. — J. Kux beschreibt die »Königs- und
Marschallsgehänge der Littauer Schützengesellschaft*. S. 114 — 119. —
K. W 0 y n a r bringt Beiträge zur Geschichte eines alten Bauern-
geschlechtes in Mähren. S. 119 — 123.
Literatur. 511
II. Casopis Matice Moravske. (Zeitschrift der mähri-
schen Matice). Redacteure: V. Brandl, F. Bartos. HauptmitarbeiterV
F. Slavik, Dr. F. Kamenicek.
Jalirffang XIX (1895). Frant. Pastmek, Chrvatsko-hlaholske
zlomky vlasteneckeho muzea Olomouckeho. (Kroatisch-glagolitische
Fragmente des vaterländischen Museums in Olmütz). S. 3 —
10, 117 — 123, 223-231. Die beiden Blätter stammen aus einem Breviar,
das eine etwa Ende des XIV. Jahrb., das andere aus einem saec. XV. ge-
schriebenen Buche. Nach einer genauen Beschreibung folgt der Abdruck
der Texte; das eine Blatt enthält Sprüche Salomon.«, das andere ein Stück
aus dem »Proprium sanctorum«. — Fr. Vlst. Jurek, Dr. Adam Huber
Mezeficky z ßisenpachu. S. 11 — 19, 97 — 105, 231 — 239. Adam Huber
geb. 1546 zu Meseritsch a. d. Osl. in Mähren spielte zuerst als Lehrer an der
Prager Universität eine grosse Rolle, trat dann zurück, verheiratete sich und
besass als Arzt und Astronom eine bedeutende Stellung in Prag. K.Rudolf II.
erhob ihn 1580 in den Adelstand mit dem Prädicat »von Riesenbach«, er-
nannte ihn 1600 zu seinem Leibarzt. Er nimmt thätigen Antheil an den
Plänen der Reformirung des Prager Studiums, tritt wieder in die Facultät ein,
hält meclicinische Vorlesungen, wird 1612 rector magnificus, stirbt 1613-
Er hat keinerlei wichtigere Werke hinterlassen, das wenige was er lite-
rarisch geleistet, wird in dieser Biographie eingehend gewürdigt. — Aug.
Sedläcek, Rozletite kapitoly ze starebo mistopisu a dejin rodüv. (Zer-
streute Capitel aus der alten Topographie und Adelsge-
schichte). S. 19- — 23, 124 — 127. Behandelt die mährischen Wladyken-
geschlechter derer von Platsch (Plavec) und Raitz im Znaimer und Brünner
Kreis, derer von Triesch (Tfest) und Hradek und derer von Martinitz. —
Josef Klvana, Na severo v^chodni Morave. (Im nordöstlichen
Mähren). S. 23 — 29, 127 — 134. 240^-247, 315 — 323. Geologische
und petrographische Studien. — In. L. Cervinka, 0 fimsk;fch cestäch
obchodnich na Morave. (Ueber römische Handelswege in Mäh-
ren). S. 29 — 39, 105 — 117,201 — 217. Versucht auf Grund der Münzen-
funde in Mähren die alten Handelswege im Lande festzustellen. — Josef
Ci^mäf, Gary a povery lidu moravsko-slovenskeho. (Zauberei und
Aberglaube bei den Slovaken in Mähren). S. 40 — 45, 155 —
159, 247 — 252, 344—350. Die Slovakei ist besonders ergebnisreich für
derartige Studien, da dort, wie der Verf. einleitend hervorhebt, Aberglaube
bis zum heutigen Tage eine grosse Rolle spielt. Er V)ringt eine Anzahl
von hieher gehörigen Rezepten, die handschriftlich erhalten sind (Zeit?)
und schildert derartige Gebräuche in Angelegenheiten des Herzens, der
Liebe, der Rache, der Erhaltung des Viehs und Besitzes, der Diebsuche
u. a. Interessant ist auch der an die Bienen sich anknüpfende Aberglaube. —
F. A. Slavik, Kdy byla Morava nevjice spustosena? (Wann wurde
Mähren am meisten verwüstet?) S. 46 — 55, 146 — 155, 252 — 261,
351 — 354. Der Verf. gibt aus der mährischen Landtafel ein Verzeichnis
der darin als öde bezeichneten Ortschaften für die 4 Perioden: 1. 1348
— 1420, 2. — 1468, 3. — 1618, 4. — 1648. Das Ergebnis wäre: am
wenigsten wurde Mähren verwüstet in den Husitenkriegen, mehr durch den
30jährigen Krieg, am meisten aber durch die Kriege unter K. Mathias
von Ungarn 1468 — 1471. • — Frant. Kamenicek, Archivni rozhled.
512 Literatur.
(Archivalische Umschau). S. 55 — 60, 159 — 167, 261 — 267, 355
— 362. Handelt über einzelne Bestände des mährischen Landes-
archivs. — Jan V. Krecar, K otäzce volby Ferdinanrla L v Cechäch.
(Zur Frage der Wahl K. Ferdinands I. in Böhmen). S. 217 —
227, 324 — 318. In der verschieden beurtheilten Frage, ob K. Ferdinand
Anrechte auf den bühmischen Thron hatte, ob er erbberechtigt war und
üb die böhmischen Stände ein Wahlrecht besassen äussert sich der Verf.,
indem er wie es scheint eine Ansicht Kezeks, die dieser in seinen Uni-
versitätsvorlesungen aussprach, wiedergibt, dahin: dass Anna ein Erbrecht
hatte und mit ihr Ferdinand u. zw. auf Grundlage der Verträge zwischen
Wladislaw und Maximilian; dass die Stände zu einer Wahl nicht berech-
tigt waren, da ein Erbe existirte. Nur aus politischen Gründen mit
Rücksicht auf die zahlreichen Thronbewerber, berief sich Ferdinand nicht
so entschieden auf seine Anrechte und begnügte sich mit der »Annahme'^,
und stellte nach der Wahl sogar den Revers wegen freier Wahl der Stände
aus, den er aber 1545 durch einen neuen ersetzen Hess, laut welchem er
»als König anerkannt wurde, aber Anna das Erbrecht besass*. —
V. Prasek, Medafskä landfoitsvi na severovychodni Morave. (Ueber
die Vorstandschaft der Bienenzüchter im nordöstlichen
Mähren). S. 134 — 146. In einigen Gegenden des n. ö. Mährens führt
der Vorsteher der Honigzüchtereien den aus dem deutschen Worte Land-
vogt verderbten Namen »Lamfogt*; die Honigbauern bilden eine eigene
Zunft mit bestimmten Eechtssatzungen. Der Verf. macht uns mit einem
derartigen Honigzunftbuch aus Braunsberg aus dem J. 1665 bekannt,
allerdings nach einer jüngeren Abschrift, ebenso über die Zunft in Mistek,
deren » Honigbuch * noch erhalten ist und aus der Mitte des IS. Jhd.
stammt. — Frant. Silhavf, Zlate Hory a potok zlatonosnä Brtnicka na
zäp. Morave. (Hory und der Goldbach Brtnicka im westl.
Mähren). S. 334 — 344. Eine topographische Studie mit Berücksichti-
gung der Frage der einstmaligen hier stattgefundenen Goldwäscherei. —
J. Tenora, Zanikle osady v okresu Kunstätskem a Bystfickem nad
Pernst;f nem. (Untergegangene Siedlungen im Gebiete von
Kunstadt und Bystfitz b. P.). S. 328 — 334. Urkundliche Notizen
über 15 solche Ortschaften. — Jar. Vlcek, Kterak Safafik smyslel o
literärni jednote ceskoslovanske. (Wie Safafik über die slavische
literarische Einheit dachte). S. 292 — 306. — J. L. Cervinka,
Mince a mincovnictvi markrabstvi Moravskeho. (Die Münzen und das
Münzwesen der Markgrafschaft Mähren). S. 307 — 314. Die
I. Abtheilung »Vorgeschichtl. Zeit« handelt von Funden in Mähren von
sog. Scherbengeld, und widerlegt die Ansicht, dass es mährische Münzen
mit Prägung aus der Zeit der Moimiriden gäbe. — Aus den »Miscellen*
hebe ich hervor: Janousek berichtet über eine gothische zweischiffige
Kirche in Sitzgras (Cizkrajov) mit der Bemerkung; dass zweischiffige
Kirchen im Gebiet von Datschitz recht häufig vorkommen (S. 60); P. Voj-
tech Ploten^ über ein ehemaliges Holzkirchlein in Kuntschitz bei Frank-
stadt (S. 168); Bol. Dolejsek gibt ein Verzeichnis, wann eine Anzahl
mährischer Städte das Recht erhalten haben, mit rothem Wachs zu siegeln;
die Reihe eröffnet Brunn im J. 1453 (S. 267); dsl. spricht über die
Grundbücher von Ung. Hradisch (S. 27l); Silhavf über die Urkunden
Literatur. 513
von Opatau bei Trebitsch, beginnend 14'..) 3 (S. 273); P. V. Plotenf über
Schulverhältnisse in Richaltitz im n. ö. Mähren (S. 362).
Jahrgang XX (1896). Theodor Vodicka, K historii moravskych
nafeci. (Zur Geschichte der mährischen Dialecte). S. 1 — II,
123 — 133. Eine philologische Studie. — Jan Dole^al, Kromefiz ku
konci välky tticetilete. (Kremsier am Ende des 3üjährigen
Krieges). S. 11 — 19, 97 — 105, 238 — 245. Im Mittelpunkte der auf
der bekannten Literatur beruhenden Arbeit steht die Einnahme der Stadt
Kremsier im Juni 1643. — Jos. Klvana, Na jihov^chodni Morave. (Im
südöstlichen Mähren). S. 19 — 23, 105 — 112, 232—238, 311 —
316. Wie oben landschaftliche Schilderung und geologische Studien. —
Aug. Sedläcek, Rozletite kapitoly ze stareho mistopisu a dejin roduv.
(Zerstreute Kapitel aus der alten Topographie und Ge-
schlechtergeschichte). S. 23 — 27, 112 — 116. Diese Fortsetzung
behandelt die Anfänge der Herren v. Zierotin, die Wladyken von Konitz
und die von Kokor sammt ihrer Verwandtschaft. — J. L. Cervinka,
Mince a mincovnictvi markrabstvi Moravskeho. (Die Münzen und das
Münzwesen der Markg. Mähren). S. 27 — 34, 133—142, 2()6 — 222.
Dieser II. Theil behandelt die »Zeit der Denare <^ und beschreibt Münzen
der mährischen Theilfürsten von Usov (Aussee) — was mir aber sehr
zweifelhaft scheint — von Olmütz und Brunn saec. XI — XII., zugleich
die ältesten, die für Mähren überhaupt nachweisbar sind. Am Schlüsse
einige wichtige Zusammenstellungen von neueren Münzenfunden auf mäh-
rischem Boden. — Jos. Klvana, Morava na närodopisne v^stave v Praze
r. 1895. (Mähren auf der Prager ethnographischen Aus-
.stellung des J. 1895). S. 34 — 42, 143 — 146, 245 — 252, 323 — 335.
Die Ausstellung zeigte, welche Schätze von volkskundlichem Material in
diesem Lande vorhanden sind. — Jan Knies, 0 zaniklf ch osadäch,
hradech, tvrzich a dvorcich v okrese Blanskem. (üeber untergegan-
gene Siedlungen, Burgen, Höfe im Blanskoer Kreis), S. 42
— 47, 116 — 122. In alphabetischer Ordnung werden bei 40 derartige
Ortschaften, die zumeist durch urkundliche Notizen bezeugt sind, auf-
gezählt. — F. A. Slavik, Archivni rozhled. (Archivalische Um-
.schau). S. 47 — 50. Bespricht das Material in der mährischen Landes-
registratar. — Frant. Snopek, Ze studiji cyrillomethodejsk^ch. (Stu-
dien über Cyrill und Methud). S. 189 — 195, 281 — 289. Der
Verf. erachtet den Brief P. Hadrians in der pann. Legende für interpolirt,
insbesondere die Worte , excommunicetur, sed tantum*, die Legende für
eine wenig glaubwürdige Quelle. — V. Prasek, Kelamancia-Olomouc.
(Kelamancia- Olmütz). S. 196 — 206. Der Verf. sucht nachzuweisen,
dass wie im allgemeinen so auch hier die keltische Abstammung der Orts-
namen unserer Gebiete auf grosse Schwierigkeiten stösst, die Ableitung
des Naaiens Olmütz von Kelamancia unmöglich sei. — Fr. Vlst. Jurek,
Obdaroväni. (Begabungen). S. 222 — 231. Auf Grund einiger Ur-
kunden saec. XVI, XVII werden die verschiedenartigen Abhängigkeits-
verhältnisse der von Robotdiensten und Zinsungen befreiten Klassen der
Freibauern, Freisassen, Richter charakterisirt. — P. Vojtech Ploten;f,
Mistopisne cfty z okoli mesta Frenstätu pod Radhostem. (Topogra-
phische Skizzen aus der Gegend von Frankstadt u. d. Rad-
514 Literatur.
host). S, 289 — 3UU. Schildert hauptsächlich auf urkundliches Material
gestützt die hier früher bestandenen und betriebenen Gewei'be, Bergbau,
insbes. Glaserzeugung. — Jarosl. Janousek, Räd zednikuv a kamen-
nikü na b^valem panstvi Teleckem. (Maurer- und Steinmetzord-
nung auf der ehemaligen Herrschaft Teltsch). S. 300 — 311.
Stammt aus dem J. 1724, zeigt aber grosse Verwandtschaft mit den ent-
sprechenden Artikeln der Prager Zunft v. 1586. — Bol. Dolejsek,
Ceske listiny v pohranicnich archivech halicskfch. (Böhmische Ur-
kunden in galizischen Archiven). S. 316 — 322. In Archiven
des westlichen Galizien, besonders in Wadowitz und Kenty finden sich
am Ende des 15. u. Anfang des 16. Jhd. einige Urkunden in böhmischer
Sprache ausgestellt, ein Beweis für deren damalige Ausbreitung. — Aus
den » Miscellen «: Janousek bespricht unter dem Titel »Zu den Nach-
richten über künstlerische Denkwürdigkeiten des Geschlech-
tes der Witkowitze 1. die Beziehungen der Herren von Hradec zu
dem Kloster Welehrad in Mähren zufolge ihrer Ansässigkeit in der Nähe
von Welehrad, in Banov (S. 50 — 55); 2. die unbegründete Nachricht, dass
Ulrich V. Hradetz im J. 1278 auf Befehl K. Ottokars 11. Teltsch befestigen
sollte und im Anschluss daran die Anlage der Stadt und den romanischen
Thurm bei der hl. Geistkirche (S. 147 — 150); 3. die 1220 von Heinrich
V. Hradec gegründete Burg in Neuhaus in Böhmen und die zweischiffige
St. Johannskirche daselbst. (S. 252 — 25 6, 335 — 339); Kamenicek be-
schreibt die Karte Mährens von Paul Fabricius im Brünner Franzens-
museum (S. 56); J. Kypäcek macht eine Weberordnung von Trebitsch
vom J. 1677 bekannt (S. 57 — 6l); Zd. Tobolka sucht nachzuweisen,
dass Radim und nicht Canaparius der Autor der Lebensbeschreibung des
h. Adalbert sei (S. 62 — 66); Jar. Demel polemisirt unter dem Titel
Nachträge und Erläuterungen zum 7. Cap. des 2. Buches
der Geschichte Mährens von Bretholz über einige Detailfragen
der mährischen Geschichte aus der 2. Hfte des 12. Jahrh. Ich habe in
einer »Entgegnung« im »Notizenblatt des Vereines f. d. Gesch. Mährens
und Schlesiens« 1S96, S. 86 ff. meine Ansichten näher begründet. Die
Fragen betreffen hauptsächlich: die Theilnahme H. Ottos III. von Olmütz
am Polenfeldzug K. Friedrichs Barbarossa im J. 1157 und die Abstam-
mung des Herz. Konrad Otto III., sowie seine Stellung in Mähren im
J. 1179. (S. 153 — 163). — Ferner wird eine Begabungsurkunde Johanns
d. Ae. von Zerotin und Fulnek v. J. 1497 mitgetheilt, die einen Beitrag
zur Geschichte der Herrschaft Fulnek bildet. (S. 339—341).
Jahrgang XXI (1897). Fr. A. Slavik, Stav närodnosti ceske a
nemecke na Morave r. 1771. (Der Stand der böhmischen und deut-
schen Nationalität in Mähren i. J. 1771). S. 18--26, 143—153. Eine
Beschreibung der Diöcese Olmütz vom J. 1771—2 u. d. T. »Alma dioe-
cesis Olomucensis seu consignatio omnium decanatuum 1771 et 17 72« in
der Kremsierer fürsterzb. Bibliothek bietet zuverlässige und sehr inter-
essante Nachrichten über die Vertheilung der beiden Nationalitäten in
Mähren in dem genannten Jahre. — Jos. Klvana setzt S. 26 — 33,
136 — 142, 249 — 255, 350 — 354 seine geologischen Studien über Mähren
in populärer Darstellung vermischt mit topographischen und historischen
Bemerkungen und Erinnerungen fort. — J. L. Cervinka behandelt in
Literatur. 5I5
der Fortsetzung seines Aufsatzes über »Münzen und Münzwesen der
Markgrafschaft Mähren'* die Zeit der Brakteaten, rias 13. Jahrb.
(S. .33 — 44, 129 — 136, 2.55 — 27 1). — Frant. J. Rypäcek, Z prosto-
narodniho lekäfstvi a hospodäfstvi. (Aus der volksthümlichen
Arzneikunde und Wirtschaftsgeschichte). S. 44 — 54. Bringt
Auszüge aus einem diesbezüglichen alten Buche verfasst von Joachim
Pfarrer von Gr. Bitesch 1560. — Frant. Sujan, Svedove u Brna roku
1645. (Die Schvs^eden vor Brunn im J. 1645). S. 54 — 66, 111
— 127, 214 — 229, 326 — 344. Eine gründliehe Darstellung auf der Basis
des handschriftlichen Materials mit eingehender Verwertung der neuesten
Literatur, die 1895 anlässlich der 2 50jährigen Erinnerungsfeier erschienen
ist. — Frant. Bil;^, 0 nekterych zajimav^ch pamätkäch staroceskeho
pisemnictvi. (Ueber einige interessante Denkmäler altböh-
mischer Literatur). S. 97 — 110, 229 — 239. Der Aufsatz bespricht
(las berühmte Rheimser Evangeliar, das P. Clemens VI. Karl IV. geschenkt
hatte und das im Laufe der Jhdte interessante Wanderungen und Schicksale
erlebt hat, dann die Handschrift der sog. Stockholmer S. Katharinenlegende,
die durch die Schweden dahin kam, heute im mähr. Landesarchiv liegt
mit genauer Inhaltsangabe, schliesslich Thomas Stitny's kulturhistorisch
wichtiges Werk »Knihy sestery o obecn;fch vecech Kr estanskfch * und
Ctibors V. Cimburgs »Kniha Tovacorskä*, das bekannte Rechtsbuch. —
Frant. Silhav^, Oboj^ivelnici a plazi v podäni prostonärodnim na zapadni
Morave. (Amphibien und Reptilien in der volksthümlichen
Tradition im westlichen Mähren). S. 153 — 160. — Jar. J. Hanel
bietet S. 197 — 213 eine kurze Skizze Franz Palackfs. — Jar. Demel,
Kräl Väcslav I. a vpäd Tatarü na Moravu r. 1241. (K. Wenzel I. und
der Einfall der Tataren in Mähren im J. 1241). S. 317 — 325.
Im Gegensatz zu meiner auf durchaus quellenkritischer Prüfung der Quellen
ruhenden Darstellung des Vorgehens des böhmischen Königs gegen die
Tataren, wird hier ohne jedweden genügenden Beweis abermals versucht.
Wenzel Verdienste zuzuschreiben, die ihm nicht gebühren. Er hat weder
die Tataren in ihrem Zuge gehemmt und abgelenkt, noch hat er Mähren
vor ihnen geschützt oder es von ihnen befreit. — Frant. J. Rypäcek,
K dejinäm selskeho poddanstvi na Morave. (Zur Geschichte der
bäuerlichen Unterthänigkeit in Mähren). S. 354 — 359. Bei-
träge aus einem 1581 erlassenen Rechtsspruch in einem Prozess zwischen
Johann d. J. von Zierotin auf Losin und den zu dieser Herrschaft ge-
hörigen ünterthanen aus dem »Codex Daubravicensis * im Brünner Franzens-
Museum, der die »Denkwürdigkeiten und Notizen Smils II. Osovsk^
V. Daubrawitz und auf Trebitsch « enthält. — Aus den » Miscellen « :
Slavik schreibt auf hslicher Grundlage über die wirtschaftlichen Ver-
hältnisse in Turas bei Brunn (S. 70 — 75), dann über die Veränderungen
in den Nationalitätsverhältnissen Oest.-Schlesiens von 1771 — J890 (S. 168);
F. Mencik über die Bibliothek des ersten Professors für böhmische
Sprache an der Wiener Universität Josef V. Zlobicky t 1810 (S. 75 — 82);
Zd. V. Tobolka tritt einer von Kalousek » Böhmisches Staatsrecht * aus-
gesprochenen Ansicht über das Erbrecht von ledigen Fürstinnen in Böhmen
entgegen im Anschluss an die Ansprüche des Herzogs v. Sachsen an den
böhmischen Thron im J. 14 58; Dr. J. Cvrcek bringt aus dem Herren-
516 Literatur.
huter Archiv Nachi'ichten über zwei aus Mähren staromende Mitglieder
der Brüderunität, Martin Abdon und Johann Blahoslav (S. 271 — 275);
Jan Tiray theilt eine von Ulrich v. Lomnitz 1559 der Stadt Gr. Bitesch
Jür den Eath (consules) bestimmte Ordnung mit (S. 275 — 278);
Frant. J. Kypäcek aus dem schon erwähnten Codex Daubravicianus den
Beschluss des mährischen Landtags vom J. 1583 wegen Wahl eines
Landesburggrafen aus dem Stande der Kitterschaft (S. 359 — 362); Frant.
Tichy veröffentlicht aus einer Handschrift des Boskowitzer Archivs Nach-
richten über Heiratsverträge von Priestern der Brüderunität aus einer
Anzahl mährischer Städte (S. 364 — 36s); Josef Cvreek schliesst den
Band mit einigen Notizen über den blühenden Zustand des Handwerks in
Bisenz um das J. 1604 nach einem Bisenzer Urbar.
HL Museum Francisceum. Annales. Seit dem J. 1897 gibt
das mährische Franzensmuseum in Brunn ein Jahrbuch heraus, das den
Zweck verfolgt, die reichen Sammlungen dieses Museums durch darauf
bezügliche Aufsätze vor allem der gelehrten Welt, aber auch dem grossen
Publikum bekannter zu machen. Entsprechend dem Inhalt dieses Museums,
das neben einer reichen Bibliothek und einem ansehnlichen Archiv auch
Bildergallerie, Prähistorica, Naturwissenschaftliches aus allen drei Reichen,
Münzen, Trachten, Waffen, Kleinkunst etc. besitzt, beziehen sich die Auf-
sätze dieses Jahrbuches bald auf dieses bald auf jenes Gebiet. Wir wählen
hier nur diejenigen Arbeiten heraus, die der Geschichte oder verwandten
Gebieten angehören.
Anuales 1895 (erschienen 1896). AI. Franz, Altartischplatte
(mensa) der mährischen Brüder (?) des Franzens-Museum.
S. 59 — 66. Eine über ] mr grosse fast quadratische reich gezierte Kehl-
heimer Steinplatte, verwandt jenen im kunsthistorischen Museum in Wien,
deren eigentliche ursprüngliche Bestimmung aber kaum mehr sicher an-
zugeben ist, ebenso wie die Provenienz. — F. Bartos, Zpräva o ruko-
pisnych sbirkäch närodnich pisni moravsk^ch z r. 1819, chovan^ch ve
Frantiskove Muzei v Brne. (Mittheilungen über die handschrift-
lichen Sammlungen mährischer Nationallieder aus dem
J. 1819, aufbewahrt im Franzens-Museum in Brunn). S. 67
—^90. Die Sammlung verdankt ihre Entstehung dem Plane des »Vereins
der Musikfreunde der österr. Monarchie <^ auf deren Ansuchen in den ein-
zelnen Ländern amtlich derartige Lieder und Gesänge gesucht und ge-
sammelt wurden. Die Einlaufe wurden in einem Exemplar der obigen
Gesellschaft, in einem zweiten dem Franzensmuseum zugewiesen. Der Verf.
bietet nach einer Einleitung, in welcher die Entstehung und der Ursprung
dieser officiellen Sammlung des weiteren ausgeführt wird, eine Uebersicht
der einzelnen Lieder nach den Kreisen des Landes mit zahlreichen Text-
anführungen und historischen Bemerkungen. Es sind hauptsächlich Volks-
und Liebeslieder, auch einige historische Lieder finden sich darunter. —
B. Bretholz, Die Cerronische Manu Scriptensammlung des
Franzens -Museums. S. 91 — 119. Eine genaue Inhaltsangabe der
einzelnen zu dieser Sammlung gehörigen Archivalien. — W. Schräm,
Die Incunabeln des Franzens- Museums. S. 131 — 151. Es sind
ihrer 35, der älteste Druck vom J. 1469.
Literatur. g^ Y
Aniiales 1896 (erschienen 1897). W. Schräm, Geschichte
der Bibliothek des Franzens- Museums. S. 41 — 7,5. Neben der
äusseren Geschichte werden auch die wertvolleren und grösseren Schen-
kungen detail] irt angeführt, so dass man sich auf Grund dieser Arbeit
über den Vorrath an bedeutenderen und selteneren Werken eine genaue
Vorstellung machen kann. — B, Bretholz, Eegesten der Original-
urkunden im Archiv des Franzens -Museums. S. 139 — 184.
1. 17 Urkunden mähr. Klöster 1222- — 1.303; 2. 15 Urkunden die ehe-
malige Cistercienserabtei Smilheim betreffend. 1442 — 1526; 3. 12 Ur-
kunden der Herzoge von Teschen und Grossglogau 1430 — 161 1 ; 4. 24 Ur-
kunden mähr. Adelsgeschlechter betreffend. 1373 — 15 14; 5. 36 Varia
1378 — 1822. — Jos. Klvana, Kroj lidu slovanskeho na Morave. (Die
Volkstracht des slovakischen Volkes in Mähren). S. 185 —
203. — A. Franz beschreibt u. d. T. »Mittheilungen aus den
kunsthistorischen Sammlungen des Franzens-Museums^^
zwei Grabplatten, eine vom J. 1399, eine vom J. 1605, letztere von einer
Brünner Protestantin, die ausserhalb der Stadt begraben werden musste,
und das sog. Sobieski'sche Waschgeschirr. — Frant. Kamenicek,
Pfispevek k vojenskemu zfizeni moravskemu v 16. stoleti. (Beiträge
zur Militärorganisation in Mähren im 16. Jhd.). S. 217 — 243.
Die Arbeit beruht auf den mährischen Landtagspamatken und gibt ein
anschauliches Bild von der Art der Zusammenstellung, der Ausrüstung,
der Versorgung, der Auflösung der Heere in jener Zeit, die entweder
Söldner- oder Ständeheere waren. Letzteres setzte sich zusammen aus der
Bevölkerung des Landes durch Aushebung des je 20., 10. oder auch
5. Mannes aus der Unterthanenschaft, ersteres wurde aus allen Ländern
zusammengesucht und aus den Erträgnissen der Landessteuer erhalten. —
J. Zak, Deutsche Volkslieder in den Handschriften des
Franzens -Museums. S. 245 — 263. Behandelt jene offizielle Samm-
lung des J. 18 19, von der schon oben die Rede war und bringt auch
Melodiebeispiele. — J. Matzura, Die ältesten und älteren Land-
karten von Mähren. Die Moll' sehe Sammlung des Franzens-
Museums in Brunn. S. 265 — -324. Die Moll'sche Sammlung um-
fasst 68 grosse Mappen mit angeblich 13.000 Blättern Landkarten,
Schlachtenpläne, Kriegsschauplätze, Architecturen, Gartenanlagen, Kunst-
werke etc. Der Verf. wählt aus diesem ungeheuren Material nur die
älteren Landkarten von Mähren und bietet an der Hand derselben eine
eingehende Darstellung des allmähligen Fortschrittes in der Herstellung
des Kartenbildes von Mähren. Es sind hiebei drei Stufen zu unterscheiden.
Die erste bezeichnet Paulus Fabricius geb. 1519, gest. 1588, der die
erste Karte von Mähren im J. 1575 (vielleicht schon 1570) auf Grucd
eigener Durchreisung und Durchmessung des Landes schuf. Das zweite
Stadium repraesentirt die Karte des Comenius, das dritte die von Joh.
Christ. Müller in kaiserl. Auftrag in den Jahren 1708 — 1712 fertig-
gestellte. Eine neue Zeit für die Kartographie beginnt dann erst mit der
Katastral-Detailvermessung (für Mähren 1824 — 35) und der militärischen
Mappirung 1844 — 46. — 0. Schier, Ueber Landesmuseen. S. 325
— 342. Der Aufsatz schliesst sich an einen Bericht über eine Studien-
5Jg Literatur.
reise durch die hervorragendsten Landesmuseen und bietet zahlreiche
Anregungen zur möglichen Ausgestaltung des Brünner Franzens -Museums.
Oesterreich.-Schlesieii.
Vestnik matice Opavske. (Anzeiger der Troppauer
Matice). Nr. ö (l895). V. Prasek, Valasi na Frydecku. (Die Wa-
lachen im Friedeker Gebiet). S. 1 — 8. Der Nachweis ihres einst-
maligen Vorkommens daselbst lässt sich aus Urkunden saec. XVII nach-
weisen, aus denen sich auch eine genügende Vorstellung über ihre Haupt-
beschättigung, Viehzucht, insbesondere Schafe und Ziegen, aber auch
mancherlei Andeutung über ihre Oi'ganisation ergibt. — Frant. M y s 1 i v e c
bringt einige Notizen über das Müllergewerbe in Klein-Lhota.
(S «.^ — i\y — Rob. Parma setzt seine Verzeichnisse von Flur- und
Ortsnamen Schlesiens fort und behandelt diesmal das Gebiet von
Oderberg und Freistadt (S. 10 — 19). — P. Jan Vyhlidal beschreibt
die Teschner Nationaltracht. (S. 19 — 22). — Jan Zitek, Svedove
a cisafstvi v Tesine v letech 1645 az 1647. (Die Schweden und
das kaiserliche Heer in Teschen in den J. 1645 — 1647). S. 22
— 27. Nachrichten aus einem Rechnungsbuch der Stadt Teschen, meist
bezüglich der Erhaltungskosten, aber auch einige von historischem Interesse.
— V. Prasek behandelt in der Fortsetzung seines Aufsatzes »Her vor-
ragen de Persönlichkeiten ausTroppanim 16. Jhd. « den Meister
Martin Zenkfrey, evang. Prediger an der Pfarrkirche in Troppau t 15 68.
(S. 27 — 33)- — V. Prasek und V. Hauer bieten Beiträge zur Ge-
schichte der böhmischen Sprache in Schlesien, darunter ein
Verzeichnis der Troppauer böhmischen Drucke im ]8. Jhd. (S. 34 — 37). —
Nicht uninteressant ist eine Uebersicht der Kultlirbestrebungen in Schlesien,
worin zusammengestellt erscheinen 1 . alle Unternehungen zur Herausgabe
von Schriften und Zeitschriften; 2. eine Schulstatistik von 1894; 3. die
Vereine, etc. (S. 37 — 40). — Wichtig ist schliesslich eine wenn auch sehr
kui'ze Uebersicht der Archivalieu im Scherschnikmuseum in Teschen von
A. Landsfeld. (S. 56 — 6fl). — Die weiteren Hefte waren mir nicht
zugänglich.
Brunn. Dr. B. Bretholz.
Notizen.
Millenniums feier zu Ehren des Paulus Diaconus. Die
Erinnerung an das XI. Centenarium des Paulus Diaconus wird durch einen
historischen Congress gefeiert werden. Der Congress wird am 3. September
in Cividale mit einer Rede des Prof. Giovanni Tamassia von der Univer-
sität Padua eröffnet werden. Die bis jetzt eingelangten Beitrittserklärungen
sind sehr zahlreich und die Ankündigungen der Arbeiten, die zur Publi-
kation in der Festschrift gelangen sollen, sichern einen gedeihlichen Er-
folg. Ein Hauptgegenstand der Besprechung des Congresses wird die
vollständige Herausgabe der Werke des Paulus Diaconus bilden, die von
P. Ambrogio M. Amelli, Archivar von Monte Cassino, von Geheimrat
Diimnder und Prof. CipoUa befürwortet wird.
Notizen. 5J9
In den »Jahresheften des österreichischen x\rchaeologischen Instituts ^'=
Bd. II (1899), Beiblatt S. ] — 14, behandelt L. M. Hartmann die von
Paulus diaconus in der hist. Langobard. III, 31, wie man annehmen
darf, aus Secundus von Trident geschöpfte Aufzählung der von den Franken
im J. 590 eingenommenen und zerstörten Castelle »in territorio Trid en-
tin o<^ Ausgehend von dem durch Narses an den Nordmarken Italiens
eingerichteten Vertheidigungssystem kommt H. zu Resultaten, die von
vornherein Bedenken erregen. So wird das I. c. genannte Sermiana mit
Sermione an Südende des Gardasees (also im Gebiet von Verona) zu-
sammengestellt, Fagitana mit Fasano bei Maderno (nordöstlich von Salö,
also im Gebiet von Brixia), Orten, die von den landeskundigen, in den
Angaben genau nach der römischen Territorialeintheilung sich richtenden
Secundus und Paulus diaconus nimmermehr »in territorio Tridentino*
angesetzt worden wären. Nach Süden zu hatte das Gebiet von Trident
feste Grenzen gegen Brixia wie gegen Verona; im Norden setzte der Ab-
grenzung kein Municipium die Schranken, daher die von Hartmann unbe-
achtet gelassenen Auseinandersetzungen Huber's (in dieser Zeitschrift II,
3G8 f.) mir nach wie vor das Richtige zu treffen scheinen. J. J.
Die Gefangenschaft des Johann Augusta und seines
Diakons Jakob Bilek, von Bilek selbst geschrieben. Aus dem Böh-
mischen übersetzt und herausg. von Joseph Müller. Leipzig 1895.
XVI u. 13f) p. Diese bisher nur nach dem böhmischen Originaltext her-
ausgegebene Hauptquelle über die jahrelange Gefangenschaft des bekannten
Brüderbischofs und seines Leidensgefährten ist nun auch dem deutschen
Lesepublikum zugänglich gemacht. Mit Interesse verfolgt man die ganz
kunstlose, naive Schilderung. Ungebrochen überstanden die Beiden die
Folterung, über deren Detail übrigens hier ganz wenig gesagt wird, und
die Kerkerhaft, welche jedoch nicht immer gleich hart war. Auch hier
sieht man, wie sich in Böhmen schliesslich alles unter dem Hute »sub
utraque* unterbringen Hess, was nicht katholisch war. Bilek empfieng
nach langen Skrupeln endlich das zweigestaltige Sakrament, und Augusta
war schon daran, sich in seiner Erklärung als zu denen »sub utraque*^
gehörig zu bezeichnen. Die Hauptsache war die Abneigung gegen die
»sub una^^ Selbst der freundlichsten Begegnung der Prager Jesuiten
gegenüber den zwei Pikarden wurden böse Motive untergeschoben. Recht
bezeichnend für die Geschichte der Ehe zwischen Ferdinand und der
Welserin ist die Stelle, wo es heisst, wie der Erzherzog oft^ Aufenthalt
in Pürglitz nahm bei »seiner Gemahlin, der sogenannten Jungfrau Phi-
lippinen^. Die Leute im Schloss kannten sie also als Gattin, aber man
sprach von ihr, der väterlichen Weisung folgend, nur als von einer Jung-
frau oder Zuhälterin. — Gleich andern hält auch der Uebersetzer dafüi",
dass Bilek die Chronik verfasst und geschrieben hat. Dass Bilek an der
Abfassung grossen Antheil hat, scheint ausser Zweifel. Dafür spricht neben
andern Stellen besonders die eine: »Diese Erzählung ist von demjenigen
geschrieben, der das alles genau weiss. Er weiss, dass er die Wahrheit
geschrieben hat und dass ausser ihm niemand dies so genau zu erzählen
weiss und vermag*. Wenn aber dem alsbald beigefügt ist, dass die
Schrift »unter seiner Leitung« vollendet worden, so macht dies doch den
520 Notizen.
Eindruck, dass mau wenigstens in Bezug auf die schriftliche Fixirung des
Textes nicht an Bilek allein zu denken hat. — Manches von dem, was
der Herausgeber in Einleitung und Anmerkungen hinzugegeben, wie z. B.
seine Aeusserung über die Verfolgung der Hussiten oder über die Un-
gültigkeitserklärung Ferdinands I. bezüglich der Liegnitz-Brandenburgi scheu
Erbverbrüderuug ist einseitig tendenziös. J. H.
In der Ferdinandeums-Zeitschrift III. Folge, 41. Heft hat J. Fischer
den Erbschaftsvergleich, den Kaiser Rudolf IT. am 10. April
1578 mit seinen fünf Brüdern schloss, zum Abdruck gebracht. Die Ur-
kunde, zu deren Erläuterung die von Fischer gegebene aetenmässige Dar-
stellung der vorausgegangenen Verhandlungen wesentlich beiträgt, ist für
das österreichische Staatsrecht von Bedeutung. Man ersieht aus ihr, dass
nur Nieder- und Oberösterreich, nicht aber Böhmen und Ungarn den
Gegenstand des Vergleiches bildeten. Rudolf II. war damit einverstanden,
dass die beiden Erzherzogthümer als eine allen Söhnen Maximilians zu-
kommende Erbschaft angesehen würden, während er in Betreff Böhmens
und Ungarns den Grundsatz aufstellte, dass diese ihm allein gebühren,
da er bei Lebzeiten Maximilians IL als König in den beiden Reichen ge-
krönt worden sei. Da die Brüder Rudolfs sich diesen Argumente fügten,
waren die Gefahren, mit welchen Verhandlungen mit den Ständen Böhmens
und Ungarns über das Erbrecht des Hauses Habsburg verbunden gewesen
wären, beseitigt. Aber auch auf eine Theilung von Nieder- und Ober-
österreich verzichteten die Brüder Rudolfs und begnügten sich mit der
Zusicherung einer Rente von 45000 H., die jedem der fünf Brüder von
Rudolf jährlich bezahlt werden sollte. S. S.
In den »Innsbrucker Nachrichten« 1897 veröffentlichte F. Lentner
mehrere, auf ungedrucktem Materiale beruhende Aufsätze aus der Fran-
zosenzeit von 1797, die in sauberen Sonderabzügen vorliegen: 1. die
Stadt Bozen in Feindeshand (23. März — 4. April 1797), mit Be-
nützung der Aufzeichnungen des M. Neulichedl von Karneid, 2. d i e
Franzosen in Brixen (24. März — 6. April 1797), nach Aufzeich-
nungen des Capuziners Jeremias Käsbacher, 3. die Weib er wacht zu
Villanders (3. April 1797) mit Abdruck von zwei Belobungsdecreten,
4. der Separatfriede von Sähen (3. April 1797) ein zwischen den
Franzosen und den Bauern vou Pardell abgeschlossener Waffenstillstand,
im Anhang ein Schreiben des franz. Postencommandanten in Sähen und
Belobungsdecrete für die tapfern Weiber von Latzfons und Velthurns
abgedruckt. S. M. Prem.
Bobbio, Veleia, Bardi.
Topographisch-liistorisclie Excnrse.
Von
Julius Jung.
Die Geschichte Oberitalieus im Altertum beginnt mit der Grün-
dung zweier Colonien am Po, die im J. 218 v. Chr. erfolgte, und die
bestimmt waren, den Uebergang über den mächtigen Fluss zu decken;
es waren dies Creraona und Placeutia, die auch in den folgenden
Jahrhunderten, nicht zum wenigsten durch ihre Rivalität, den Gang
der Dinge in diesen Gegenden bestimmt haben.
Von hier aus verzweigte sich das römische Strassennetz, das den
Verkehr nach allen Seiten hin eröffnete. Bei Placentia mündete die
im J. 187 V. Chr. augelegte „via Aemilia" ein i). Dieselbe setzte sich
nach Westen hin fort, indem sie über die Stationen Camillomagus
(bei ßroni), Clastidium, Iria die Colonie Dertona (j. Tortona) erreichte.
Hier war halbwegs zwischen Placentia und Genua; das letztere wurde
über Libarna (bei Serravalle) erreicht, während eine andere Strasse
westwärts über Aquae Statiellae (d. i. Acqui) den Fluss Bormida auf-
wärts, dann nach Vada Subatia (d. i. Vado) ans ligurische Meer führte ^).
1) Es wurden mehrere Colonien längs dieser von Ariminum herführenden
Strasse angelegt, zuerst Bononia; alle vor der üeffuung der Apenninthäler in
die Ebene. Einige Namen erinnerten an militärische Dinge, so Parma (Schild)
oder Fidentia (die Beherztheit). Vgl. Bormann in Archaeol. epigr. Mitth. X, 227 f.
2) Vgl. Mommsen in Corp. inscriptionum V, 2 und die diesem Bande bei-
gegebene Kiepert'sche Karte.
Mittheilungen XX. 34
522 Juliusjung.
Diese Strassen wurden um die Mitte des zweiten Jahrhunderts
V, Chr. 1) eröffnet, worauf sich längs derselben das municipale Leben
entwickelte. Wie in Placeutia und Dertona, so auch in Iria, Libarna
und Aquae Statiellae; Orte die unter dem Principat nach Massgabe
der hier gefundenen Inschriften ein ganz behäbiges Dasein geführt
haben müssen, wobei die Localinteressen sich in der raanigfachsten
Weise ineinanderschoben '^). Genua blieb das Emporium dieser Gegend
am westlichen Meere.
Wer von Placeutia aus in südöstlicher Richtung die via Aerailia
verfolgte, kam über die Station Plorentiola nach Fidentia, das eine
Zeitlang municipale Selbbtäudigkeit genoss, während das grössere
Ceutrum der Gegend in der Colonie Parma beruhte.
Parma war eiu wichtiger Verkehrspunkt, da hier der frequenteste
We«- über den westlichen Apennin, der von Luca über den Pass Cisa
tührte, in die via Aemilia einmündete. Die Itinerarieu verzeichnen
die Strasse von Luca nach Parma, indem sie die Entfernung auf (rund)
100 Millien veranschlagen ^j. Diese Strasse führte von Forum novum
(Foruovo) an der östlichen Lehne des Tarothales aufwärts und auf
der anderen Seite des Gebirges das Thal der Mucra hinab -i).
Ueberhaupt erscheint die westliche Erhebung des Apennin durch
tiefeingeschnittene Flussläufe in einer Weise gegliedert, die dem Ver-
kehr ihre besondere Richtung vorschreibt.
>) Die via Postamia von Placentia nach Genua im J. 148 v. Chr. Damit
hängt die Gründung von Dertona zusammen. Vgl. Corp. V p. 831 f.
2) Clastidium (j. Casteggio), das im Mittelalter zum Gebiete von Pavia ge-
hörte (vgl. Annal. Parmenses maior. ad a. 1290), gehörte in römischer Zeit zu
Placentia. Vgl. Corp. inscr. Lat. V p. 828 und n. 7357. Eine eigene Gemeinde
scheint es nie gebildet zu haben. — Also haben sich die municipalen Abgren-
zungen im Laufe der Zeit verschoben, zumal seit Pavia eine ^Königsstadt^ war.
«) Itinerar. Antonini p. 284. Val. die bekannten Angaben über die Ver-
heissungen der Könige Pijipin und Karl in der Vita Hadriani papae : a Lunis (cum
insula Corsicaj, deinde in Suriano, deinde in xMonte Bardone, inde in Verceto,
deinde in Parma. Hiezu Ficker, It. Forschungen II S. 330 Seitdem Ticiuum
(Papia) langobardische Königsstadt geworden war, hatte die Bedeutung dieses
Passes sich erhöht, da die via Flaminia in den Händen der ,Ptömer<' war, was
die Verkehrsverhältnisse beeinflusste. In Folge der ersten byzantinisch-lango-
bardischen Abmachungen (um 608) muss der Pass übrigens auch den römisch
gebliebenen Orten an der ligurischen Küste, wie Luna, geötinet worden sein,
wie ja auch den Transalpinem der freie Verkehr über Pavia (Parma, Luca) nach
Rom, wenn nicht besondere Umstände dagegen sprachen, gestattet wurde.
■>) Der Pass hat eine Höhe von 1014 Metern. Gegenwärtig wird er durch
die Eisenbahn unterfahren.
Bobbio, Veleia, Bardi. 523
Die Trebia, einer der bedeutendsten Seitenflüsse des Po an dessen
Oberläufe, mündet nahe bei Placentia; aber nur der untere Theil des Trebia-
thales erkannte seit jeher Placentia als das Centrum seines städtischen
Verkehrs; das obere Thal der Trebia hatte vielmehr leichte Ueber-
stiege über die westlich streichende Kette des Apennin, in die Gegend
von Libarna, Dertona, Iria. Das Gebiet von Libarna reichte bis in
das obere Thal der Trebia. Aus dem Quellgebiete der Trebia führen
Ueberstiege an der scharf abfallenden Südwaüd des Gebirges nach
Genua und seiner Umgebung. Verkelirsverhältnisse, die auf die kirch-
liche wie auf die politische Organisation jener Gegenden wesentlichen
Einfluss geübt haben i).
Zwischen Trebia und Taro bilden einige Wasserläufe minderer
Bedeutung wie Nure, Chero, Arda Thalschaften, die nicht strenge
gegeneinander abgegrenzt sind, da die zwischenliegeuden Bergrücken
eher eine Verbindung bilden ; ja es gilt dies auch noch vom Thal des
Tidone westwärts von dem der Trebia, und vom Thal des Ceno, eines
Seiteuflusses des Taro. Durch diese Hügellandschaft, die einen Zugang
zu den Apenuinpässen bot, ohne dass der westwärts Kommende den
Umweg über Placentia und Parma zu machen brauchte, führte seit
alten Zeiten ein frequenter Verkehrsweg, dessen Centrum durch einige
Jahrhunderte hindurch ein Gebirgsmuuicipium mit ziemlich umfang-
reichem Gebiet bildete, nemlich Veleia (am Bache Chero) 2). Veleia
war unabhängig von Placentia, ja dies ist im Gegensatz zu jenem
emporgekommen, ein Gegensatz, der sich freilich im Laufe der Jahr-
hunderte abschliff und schliesslich zur Einverleibung des Gebietes von
Veleia in das von Placentia führte, nicht ohne dass noch während der
muuicipalen Kämpfe im Mittelalter der Gegensatz von Stadt und Ge-
birgslandschaft zu spüren gewesen wäre.
') -Die Bedeutung flieser geographischen und V^erkehrsverhältnisse kam noch
in neuerer Zeit zur Geltung. Im Kriege von 1859 wurde damit gerechnet;
einige Abtheilungen des französischen ersten Armeecorps rückten das Thal der
Staflfora aufwärts über Varzi nach Bobbio im Thal der Trebia, von wo aus früher
die Oesterreicher vorgerückt waren. Ebenso kamen Franzosen (des 5. Armeecorps)
in drei Tagemärschen von Genua aus über Torriglia nach Bobbio, um von da
aus die Trebia abwärts gegen Placentia vorzurücken. Vgl. Heunebert, Histoire
d'Hannibal 2 p. 474, 484, 494. Derselbe äussert sich p. 493 über die strate-
gische Bedeutung des Thalweges der Trebia: ,sa vallee est la voie naturelle qui
relie directement Plaisance ä Genes, ä Chiavari, ä 1' embruchure de la Magra*.
''') Dasselbe ist erst seit den Ausgrabungen des vorigen Jahrhunderts (von
1747 an), die wichtige Funde ergeben haben, wieier bekannt geworden. Vgl.
Bormann in Corp. inscription. Lat. XI p. 204 K.
34*
K24 Julius Jung.
Auch die Gestaltungen im oberen Trebiathale hatten die Tendenz,
sich unabhängig von Placentia zu entwickeln; überhaupt wird das
Dunkel der Uebergangszeit aus dem Altertum ins Mittelalter mit da-
durch einigem) assen erheilt werden können, wenn man die sicher-
gestellten ^Verhältnisse der römischen Periode und die wohlbekannten
des 12. und 13. Jahrhunderts in Vergleich bringt. Wir gehen von
Bobbio an der Trebia aus, um uns von da nachher dem ostwärts
liegenden Gelände zuzuwenden.
1. Bobbio.
Der Verkehr, der im Mittelalter aus dem westlichen Oberitalien
nach Kom gieng, war nicht auf die direkte und bequemste Koute, von
Parma über Bercetum und den Mous Bardonis auf Luca angewiesen,
sondern namentlich die Wallfahrer Hessen es sich nicht nehmen, die
heiligen Stätten, die etwas abseits lagen, zu begrüssen; hier fanden
sie im Hospiz, das mit jedem Kloster in Verbindung stand, gastliche
Aufnahme und konnten daun neugestärkt ihren Weg fortsetzen: so
gieng man z. B. über das an der oberen Trebia gelegene Kloster
Bobbio 1), wo dessen Stifter, der im J. 613 verstorbene hl. Columba,
wegen vieler Wunder grosse Verehrung genoss.
Ebobium oder Bobium ^), wie es damals hiess, wurde auch sonst
der Mittelpunkt eines beträchtHchen Verkehres.
Die Trebia aufwärts bis zu ihrer Quelle verfolgend hatte man auf
der anderen Seite einen leichten Abstieg nach Genua, wie denn das
Kloster Bobium mit dieser Stadt von früh auf in Verkehr trat und
dort Besitzungen erwarb, ebenso wie in dem nahen Thal von Lavagna^);
das später errichtete Bistum Bobium wurde im J. 1133 dem ueu-
1) Vgl. Miracula s. Columbaiii c. 4.
2) Die ältere Namensform scheint Ebobium zu sein, Boljiam die später aus-
schliesslich gebrauchte. Desjardins, de tabulis alimentariis (Paris 1854, mit
Karte) bringt p. 55 den Namen mit einem »fundus Baebianus« in Verbindung.
Diese Bezeichnung kommt in der Veleiater Alimentartafel öfter vor, so 2. 50 :
fund(us) Vibianus Baebianus (in Veleiate) pag(o) Amb(itrebio). Aber die Gleichung
von Ebobium oder Bobium mit einem .Baebianum' ist schon sprachlich bedenk-
lich; überdies hat Bobbio den Namen von den Bache, der nahebei in die 'Irebia
mündet.
«) \^gl. die im 12. Jahrhundert zum 24. Juli 976 gefälschte Urkunde Kaiser
Ütto's I. (üghelli ed. 1 vol. IV p. 1351; Uttenthal Reg. 543;, die für den Besitz-
stand saec. Xlt beweisend sein dürfte: villam quae dicitur super crucem, et ea
quae eidem monasterio pertinent in finilnis Lavaniae; ferner ecclesnim s. Petri,
quae est situ in civitatc Januae ....
Bobbio, Veleia, Bardi. 525
creirten Erzbistum von Genua untergeordnet i), im Jahr 1202 sogar
ein Bischof von Bobbio zAim Erzbischof von Genua erkoren ^). Das
Gebiet von Bobium hatte überhaupt seine eigenen Schicksale. Es lag
inmitten der Stadtgebiete von Dertona, Ticinum, Placentia, ohne einem
derselben von altersher anzugehören. Vielmehr hatte die Gegend von
Bobium im Altertum, wenn wir recht sehen, dem Gebiete des Muni-
cipium's Libarna angehört ^) (beim heutigen Serravalle, an der Strasse
von Dertona nach Genua), während unweit davon die Trebia abwärts
die Stadtgebiete von Veleia und Placentia aneinanderstiessen — etwa
bei Caverzago („fundus Caberdiacus"), in dessen Nähe, und zwar im
placentinischen Theile des „pagus Ambitrebius " (von dem das heutige
Travo den Namen hat) ein Heiligtum der Minerva gelegen war, das
im Altertum als Wallfahrtsort diente^), wie im Mittelalter Bobium.
Als der Irländer Columba zu Anfang des 7. Jahrhunderts nach
Italien kam, waren die Greuzreguliruugeu zwischen den Stadtgebieten
der Gegend noch nicht vollzogen ^) ; und da der hl. Mann ein Kloster
gründen wollte, entschied er sich für die neutrale Gegend von Bobium
an der Trebia (die diesen irischen Mönchen von der römischen Ge-
schichte her wohl bekannt war) ß). Namentlich war es Columba darum
•) Vgl. darüber Heyck, Genua S. 11 f. Uebrigens hatte schon die Provinz
Alpes Cottiae der spätrömischen Kaiserzeit über die Wasserscheiden herüber-
gegrifien. Paul. diac. h. Langob. schreibt in seinem Provincialkatalog II, 16:
Alpes Cottiae. In liac (provincia) Acj^uis, ubi aquae calidae sunt, et civitates
Dertona et monasterium Bovium, Genua et Saona civitates habentur. Bobbio
zählt zu den selbständigen Communen des Bezirkes seit der Klostergründung
(612 n. Chr.). üeber die Alpes Cottiae vgl. Mommsen in Corp. V p. 810.
N, Archiv d. Ges. f. ältere d. Gesch. V, 90. Zur Ausgabe der Liste des Polemius
Silvius in den M. Germ. ant. auct. IX, 2 p. 53b".
2) Annal. Januens. (p. 120) ad a. 1203: Otto Bobiensis episcopus in archi-
episcopum electus fuit. Derselbe weiht 1216 den Bischof von Albingaunum
»cum Bobiense et Bruniatense episcopis«. Ibid. ad a. (p. 137).
3) So Mommsen in Corp. i. Lat. V p. 838, während Desjardins das Gebiet
von Veleia auch über Bobbio sich erstrecken lässt. Aber Desjardins ist durch
seine Gleichiing von Bobbio = Baebianum dazu veranlasst,
*) Vgl. Corp. insc. Lat. XI p. 254. Die Wallfahrt zur Minerva Cabardia-
censis, auch medica oder Memor beigenannt war nach den erhaltenen Inschriften
von Mailand und Vercellae aus besucht, aber ebenso von einem aus Britannien
zurückkehrenden Militär geehrt. Der heidnische Tempel erscheint später in eine
Kirche zur hl. Maria (S. Maria di Travi) umgewandelt. Hierüber Campi, Dell'
historia ecclesiastica di Piacenza I (1651) p. 13.
5) Darüber s. unten.
") Vgl. vita Columbani c. 59 f. Columba war nach Ticinum und Medio-
lanum gekommen, wo er die Bewilligung erhielt, ut intra Italiam, quocumque
in loco voluisset, habitaret. — Vir quidam nomine Jocundus ad regem venit, qui
526 Julius Jung.
ZU thun, von den benachbarten Bischöfen unabhängig zu sein. Das
Kloster wurde dem römischen Stuhle direct unterstellt i), der Bischof
von Dertoua wie der von Placentia mit ihren Ansprüchen abgewieseu.
Auch von den weltlichen Herren wollte man so wenio- wie mösflich
wissen. Am liebsten wären die Aebte selbst Grafen gewesen 2). Als,
um diesen ungeordneten Zuständen zu steuern, K. Heinrich H. im
J. 1014 unter dem Beifall der Nachbarbischöfe für das Thal von
Bobium einen eigenen Bischof creirte 3), der dann alsbald auch in den
regi indicavit se in solitudine ruribus Apenninis basilicam b. Petri apostolorum
principis scire, in qua virtutes expertus sit fieri, loca ubertate fecunda, aquis
irrigua cum piscium copia, quem locum veterum traditio Bobium nuncupabat,
ob rivum in eo loco hoc nomine fluentem. Columba findet in der That j, basi-
licam inibi semirutam*.
') Vgl. vita Bertulfi abbatis (Mabillon, acta II, 160 f.) c. 4. Die Urkunde
des Papstes Honorius vom J. 628 bei Jaffe Regi. n. 1563. Für die Zustände im
Langobardenreiche ergeben diese Bobbienser Ueberlieferungen wichtige Auf-
schlüsse ; neben Gregorius M., Secundus von Trident. König Rothari's Prolog zu
seinem Edict die wichtigsten, was Bernheim, Ueber die Origo gentis Langob.
(N. Archiv XXI, 375 ff.) nicht gehörig beachtet hat.
'■') Nach der Urk. Ludwigs II. vom 8. Okt. 868 (Mühlbacher 1183) gab es
.Streitigkeiten zwischen dem Kloster Bobbio und dem Grafen von Placentia: de
monte Caride. Daher werden festgestellt »termini antiqui inter potestatem
s. Petri sanctique Columbani et comitatum Placentinum*. Nach der Urk. von
977 April 2 (Stumpf 698, s. unten) übten im 10. Jahrhundert Adalpertus et Opizo
marchiones dahier die Grafschaftsrechte aus. Ficker, It. Forsch. I § 140 n. 2
erwähnt ein Placitum des Markgrafen und Pfalzgrafen Otbert 972, anscheinend
in der Gegend von Bobbio, dessen Kloster ihm zu Lehen gegeben war. (Autich.
Estens. 149, vgl. Ottenthai Reg. 546). Die Befugnisse dieser Markgrafen er-
streckten sich auf die Mark Genua.
3) Vgl. darüber den Bericht Thietmar's VII, 3 : Heinrich 11. nach Nieder-
werfung der Aufständischen in Pavia. In hiis partibus cesar episcopatum, quod
erat tercium devoti operis sui ornamentum, in Bobia civitate, ubi christicolae
s. et confessores incliti Columbanus et Attala corporaliter requiescunt, com-
muni cousilio et licencia comprovincialium episcoporum con-
struxit; quia summa necessitas et quae eam praecellit Christi Caritas ad hoc in-
stigavit. D. h. die benachbarten Bischöfe setzten die Errichtung des neuen
Bistums durch, während das Kloster Bobbio mit denselben »pontifices vicini*
beständig in Streit lag. Vgl. die Vita s. Bertulfi abbatis (Mabillon Acta II, 160 f.)
c. 4, wo dem König Ariovald die Worte in den Mund gelegt werden : utrum
coenobia procul ab urbibus ita episcopali debeant ministrare dominio? In der
That Hess sich das Kloster von den Päpsten bevollmächtigen, sich wegen der
Weihen und dem Bezug des hl. Oeles an einen beliebigen Bischof zu wenden.
Zu den Nachbarbischöfen gehörten, abgesehen von Dertona und Genua, die von
Placentia, Ticinum, Parma, Mutina. Vgl. die Enquete von 1207, die Papst Inno-
cenz III. durch den Bischof Sicard von Cremona anstellen lässt. üghelli IV ',
1296 Ü'. . .
1
ßobbio, Veleia, Bardi. 527
Besitz der Grafschaftsrechte gelangte i), entbranute zwischen den Bi-
schöfen und den Aebten von Bobiiim eine noch heftigere Rivalität, als
sie früher gegen Dertoua oder Placeutia zum Ausdruck gekommen
war 2). Man schmiedete im Kloster Bobium eine ganze Reihe von
falschen Dokumenten, welche erweisen sollten, dass der Abt zugleich
von Alters her auch Graf sei ^).
Die Könige und Kaiser erkannten immer wieder die Rechte des
Klosters an und verhalfen ihm zu den Besitzungen, die in unruhigen
Zeiten durch weltliche Machthaber entfremdet worden waren. Mit-
unter wurde der Besitz des Klosters einer um die kaiserliche oder
königliche Sache verdienten Persönlichkeit zugesprochen ^), mitunter
') Vgl. Ficker, Ital. Forschungen III. S. 404 Nachtr. zu § 120.
-) Ebenso werden 1047 Streitigkeiten zwischen den Bischöfen von Placentia
und von Bobbio durch einen »missus d. imperatoris' entschieden. Vgl. Ficker,
Ital. Forsch. II S. 34. üeber die Ausstattung des Bistums Bobbio vgl. die Ur-
kunde K. Conrads von 1027 Okt. 23, St, 1964.
3) Vgl. die gefälschte Urkunde Kaiser Lothars, Mühlbacher n. 1092;
Karls III., n. 1613, darüber Mühlbacher in Sitzungsber. d. W. Akad. 92, 484 f.
In Zusammenhang damit Fälschung einer erst mit der Urk. Friedrichs I. (Stumpf
3666) abschliessenden Reihe von Urkunden. So Ughelli, Italia sacr. ' IV 1353
=r Stumpf 698 — Diplomata Ottonis II n. 322: Urk. vom 2. April 977 »Fälschung
des 13. Jahrhunderts, deren Protokoll jedoch auf eine echte Urkunde zurück-
geht«. Ughelli 1. c. 1357 = St. 1202 = Dipl. Otto 111. n. 335 : Urk. vom 3. Nov.
999: »Protokoll und Eschatokoll entsprechen einer echten Urkunde ; der Context
hingegen ist mit Ausnahme weniger der echten Vorlage entnommenen Stellen
gefälscht und stimmt zum grossen Theil mit der falschen Urkunde Friedrich I.
(Stumpf Reg. 3666), ferner mit den gleichfalls gefälschten Diplomen Karlmanns
(Mühlbacber Reg. 1613) und Otto I. (DO. I 465) überein. Vgl. die Bemerkungen
zu DO. I. 412^ Hiezu noch Böhmer-Ottenthal, Regest, n. 546: das Diplom
Otto I. ist »inhaltlich zum Theil gleich den Verleihungen der K. Wido, Lambert
und Berengar I. *.
*) So unter Kaiser Lothar im J. 834 seinem Rathgeber Wala vgl. Mühl-
bacher ad a. ; später ist dessen Kanzler Hilduin, designirter Erzbischof von Köln,
Abt von Bobbio vgl. Mühlbaeher n. 1092. Sitzungsljer. d. W. Akad. 85, 506
n. 5. Einl. ^u den Regesten p. XGVII; unter Ludwig IL der Bischof Amalricus
von Como, Mühlbacher n. 1183; so unter König Hugo sein Kanzler Gerlannus
(Miracula s. Columb. c. 8). Gerbert von Aurillac stand dem Kloster Bobbio vor,
ehe er (977) Kanzler Otto's IL wurde, vgl. Sickel, Erläuterungen (Ergänzungs-
band 2 der ,Mitth.«) S. 100 f. Daraus erklärt sich, dass in den Briefen Gerberts
von Aurillac an den gleichnamigen Bischof von Dertona der Verhältnisse von
Bobbio Erwähnung gethan wird. Da übrigens Kloster Bobbio nach dem placitum
vom 20. Aug. 972 (Muratori Antich. Postens. 149) dem Markgrafen Otbert zu
Lehen gegeben war, wird der Vorstand desselben »Gubertus* nur »praepositus"
genannt, in der Urk. Kaiser Ottos L von 30. Juli 972. Ottenthai, Reg. n. 546. Im
J. 979 wurde Gerbert Bischof von Dertona, also mit einer concurrirenden Gewalt
528
Julius Jung.
auch Abtei und Bistum Bobium vereinigt — aber die Rulie war
damit stets nur auf kurze Zeit hergestellt.
Als dann in den Kämpfen der langobardischen Städte Placentia
(als Gegnerin des benachbarten Pavia) zu grossem Ausehen gediehen
war, wussten die Placentiuer nichts eiligeres zu thun, als in das Thal
der Trebia aufwärts vorzurückeu, und Bischof sowie Stadt Bobium
(eine solche hatte sich in Laufe der Zeit entwickelt i) zu vergewaltigen,
um die von hier ausgehenden Apenninübergäuge, sowohl den nach
Genua, wie den hinüber nach Borgo Taro unbestritten in der Gewalt
zu haben ^) ; wogegen Kaiser Friedrich IL den Bischof wieder in den
Besitz seiner gräflichen Eechte einsetzte 3).
ausgestattet. Vgl. St. 753^=: DO. 11 n. 206. Hiezu St. 1168 = DO. III n. 303:
Otto III. bestätigt (998 oct. 1, Pavia) dem Kloster Bobbio den Besitzstand und
erklärt die während der letzten 15 Jahre ohne Zustimmung des Abtes Gerbert
vorgenommenen Vergebungen von Kirchengut für ungiltig. Unter den jinvasores"
wird auch der Bischof Giseprandus von Dertoua (Vorgänger Gerberts) genannt :
aliquain prefatae abbatiae partem contra predecessorum nostrorum decreta et
apostolica Romanorum pontificum privilegia in beneficium adquisisse eamque ex
maxima parte commutasse, sumpto sibi nomine abbatis. Ueber Bischof Giseprand
vgl. Sickel, Erläuterungen zu den Diplomen Ottos II, a. a. 0. — Nach Sigonius
wurde das Bisthum Bobbio zunächst dem Erzbischof von Ravenna unterstellt.
Vgl. Ughelli IV' p. 1281; vielleicht gab jedoch zu dieser Behauptung, wofür
ich sonst keinen Beleg wüsste, eine Verwechslung mit Bobbio (bei Sarsina) den
Anlass, dessen »comitatus Bobiensis« Erzbisehof Gerbert und sein Nachfolger
innehatte. Vgl. Diplom. Otto III. n. 341 (vom J. 999). — Nach Alberti, descri-
zione di tutta T Italia (1557 ed. Venez.) p. 382 war der Bischof von Bobbio
Suflragan des Stuhles von Mailand, bis er Genua unterstellt wurde.
') Ueber ihre Stellung zum Lombardenbimde vgl. Ficker, Zur Gesch. des
Lombardenbundes S. 344.
2) Vgl. die Annales Piacent, ad a. 1180, 1186, 1189, 1212, 1229, 1249. Von
dieser Zeit an begann ein lebhafter Handelsverkehr zwischen Piacenza und Genua,
der 1270 zu einem Handelsvertrage führte, vrobei von der politischen Constellation
ganz abgesehen ward. Vgl. Caro, Genua und die Mächte am Mittelmeer 1257—1311
(Halle 1895) I, 8, 234 f., 264, 330, 352; II, 411. Als König Karl von Sicilien
im J. 1273 mit Genua brach, verweigerten die Placentiner die Theilnahme
(ebenso wie Luca). An den Uebergängen aus dem Thal der Trebia an die Riviera
waren die Markgrafen Malaspina die ausschlaggebenden Dynasten. Sie haben
von hieraus gelegentlich mit Genua, indem sie dessen Aussenpartei unterstützten,
Krieg geführt. Vgl. Caro, Genua I, 388 f. Die Placentiner legten in den Grenz-
bezirken sofort Burgen an, so Petrandueria (jetzt Pradovera) ; Petranscremona
(Pescremona) ; vgl. Annal. Plac. ad a. 1256 (p. 207) mit den Anmerkungen
Pallastrellis. »Pescremona e terra in Val d' Auto o d'Aveto torrente che nasce
suUa pendice del monte Barbagelata, e che ora dclimita il confine tra il geno-
vesato et il piacentino*".
3) \'gl. Ficker, Ital. Forsch. IV u. 284. Urkunde vom 18. Oktober 1220.
Bobbio, Veleia, Bardi. 529
Sehr viel lag übrigens den Aebten von Bobbio an guten Bezie-
hungen zu Pavia, namentlich so lange dort eine Hofhaltung bestand.
Das Kloster hatte in der Stadt eine Kirche und Besitzungen: der
Verkehr dahin — man rechnete die Entfernung auf 40 Million i) —
wurde über den Bergsattel, der über Canevino (an der Lehne des
oberen Aversathales) hinaus an der Po führt, unterhalten; worüber
wir eine Beschreibung aus der ersten Hälfte des 10. Jahrhunderts
besitzen 2). Es waren nemlich damals dem Kloster zahlreiche Güter
abhanden gekommen, welche die weltlich gesinnten Inhaber nicht
mehr zurückgeben wollten; namentlich der bei Hof allmächtige Bi-
schof Wido von Placentia und dessen Bruder erwiesen sich als ge-
waltthätig, so dass der Abt Gerlan sich nicht anders zu helfen
wusste, als indem er mit dem Körper des hl, Columba iu Procession
auszog, um bei dem nächsten placitum in Pavia nochmals seine Sache
zu führen, nachdem die Sünder durch allerlei Wunderthaten zur Ein-
sicht gebracht wären. Am ersten Tag kam man dabei bis Sarturia-
nura3); am zweiten über den Ort Cannavim (?) unfern des Monte
1) Vgl. Paul. diac. bist. Langob. 4, 41 : (Columbanus) coeiiobium quod
Bobium appellatur in Alpibus Cottiis aedificavit, quod XL milibus ab urbe divi-
ditur Ticinensi. Was wobl als eine » runde Zahl* wird gelten müssen. Nach
Strabo 5, 1, 11 lag Dertoua zwischen Placentia und Genua in der Mitte, von
jedem 400 Stadien (circa. 50 m. p.) entfernt; wogegen die Itinerarien genauer
52 m. p. angeben; die Zahlen bis Genua sind verderbt überliefert. Vgl. Corp. V
p. 827. Bei Liutprand Cremon. antap. 4, 5 beträgt die Entfernung Pavia's von
Genua 800 Stadien; von Aquae (Statiellae) 50 Millien. Ib. 4, 4. Letztere
Angabe ist nach den alten Itinerarien nicht zu controllireu, da diese eine directe
Verbindung nicht kennen; wird aber beiläufig richtig sein. Marincum (d. i.
Marengo), 40 ferme milibus Papia distans. Antap. 1, 40. Ebenda 2, 48 wird die
Entfernung von Rom nach Ravenua auf 200 Millien veranschlagt, während sie
nach den Itinerarien genauer 214 m. p. beträgt. Nach 2, 61 ist Brixia von Verona
50 Millien entfernt, während die Itinerarien 44 — 45 m. p. verzeichnen. 2, ■ 5
wird die Entfernung zwischen Placentia und Florentiola mit 12 Millien ange-
geben, nach den Itinerarien waren es 15 (Vgl. Corp. XI p. 203). 1, 18:
iuxta fluvium Triviam, qui quinque Placentia miliariis extat. Diese Rech-
nung nach Milliarien gebrauchte man auch im gewöhnlichen Leben. Vgl. Vita
Attalae abb. c. 4 : erat spatium — per ardui montis dorsa flexuoso itinere ten-
dentia vel interfluentis Triviae [i. e. Trebiae] alveum quasi milliarii unius.
Uebrigens ist diese Zählung auch bei Paul. diac. die gewöhnliche. Vgl. 5, 39:
ad pontem Liquentiae fluminis, quod a Foroiuli quadraginta et octo milibus
distat et est in itinere Ticinum pergentibus. — lieber Beiläufigkeitsgrenzen bei
Beurkundungen vgl. Ottenthai, Ergänzungsband 1, 148.
2) In den Miracula s. Columbani. Bei Mabillon Acta II p. 40 ff. Vgl.
Dümmler, Gesta Berengarii imp. 55 f.
^) Alias s. Sarcurianum «. Der Name Sarturianum kommt im Gebiete von
Veleia und Placentia öfter vor. Vgl. Schulten, Flurtheilung S. 17.
530 Julius Jung.
longo genannten Berges i), nach dem Hafen des Po, der als der „ge-
fährliche" bekannt war ^). Nach der gegen die Erwartimg glücklichen
Ueberfahrt wurde zum zweiteumale übernachtet, worauf man am dritten
Tage bei S. Peter „Leprosorura" vorbei unter dem Zulaufe des Volkes
durch die porta S. Johannis in Pavia einzog und den hl. Leib in der
Kirche des hl. Michael einstellte ^). König Hugo, die Königin Alda,
und Lothar, der Kronprinz, zeigen sich günstig und während die Un-
gläubigen über die hergebrachten Knochen spotten, thut der heilige
Columba seine Schuldigkeit. Auch der Erzbischof von Mailand ge-
währt seine Vermittlung ; so dass die Bobbienser schliesslich ihren
Zweck erreichen und sowohl die von den Päpsten wie die von den
Königen verliehenen Privilegien neuerdings bestätigt werden *). Es
wird dabei wesentlich die Unabhängigkeit des Klosters von jeder
kirchlichen und weltlichen Gewalt hervorgehoben ^), ohne jedoch der
Grafschaftsrechte Erwähnung zu tliun. Hierauf zog man wieder nach
Bobbio zurück ^), wo einer der Mönche die früher und anlässlich dieser
') In pago Cannavim. Ich denke dabei an Canevino, das auf der kürzesten
Route von ßobbio nach Pavia liegt, unfern der heutigen Stiasse. Einer ,audivit
a longe per montem qui vocatur Longus sonitus venientium et kyrie eleison«.
Ueber den Forst und Hof von Montelongo (^Mons lungus'^), den Karl d. Gr. 774
mit der Alpe Adra (Urenzangabe) dem Kloster Bobbio schenkte, vgl. Mühlbacher,
lieg. n. 161, hiezu die Bestätigung Lotbars von 843, ebenda n. 1072, Ludwigs IL
860 ebenda n. 1183.
■) Pervenerunt ad portum qui vocatur Periculosus illicque praeparatam
navem invenerunt. Cf. Ann. Piacent. Guelfi ad a. 1216 (Mon. Parm. III, 1 p. 54).
Die Placentiner und die mit ihnen verbündeten Mailänder rücken per vallem
Versae (d. h. das Aversathal ; der Bach Aversa fliesst bei Stradella vorbei) ver-
wüstend vor; inter stratam Romeam et Padum equitantes, villas et domos quas
invenerunt usque ad portum Pioglosum [al. periculosum] conbuserunt. Andere
Uebergänge über den Po waren bei Parpanese (Ann. Plac. ad a. 1214), bei Arena
(ibid. ad a. 1215), bei Albara (ib. ad a. 1216). Die Brücke bei Papia selbst war
mit Holzthürmen bewehrt (1. c. ad a. 1290), auch die anderen wie Brückenköpfe
befestigt. Die Placentiner und ihre Bundesgenossen operirten 1216 im Aversa-
thal gegen die Verbindungen von Pavia mit Bobbio ; sie nahmen Montecalvo ein,
gegenüber von Soriasco, wo das Kloster Bobbio Besitzungen hatte.
ä) Ad s. Petrum qui dicitur Leprosorum. — Ad ecclesiam s. Michaelis quae
est infra moenia civitatis. — Ad portam civitatis quae vocatur s. Johannis.
*) Miracula s. Columb. c. 24 tf.
*) Vgl. die Privilegien des S. Petersklosters zu Brugnata (am Vara, nord-
wärts von Luna) und dessen Sti-eitigkeiteu mit dem Bischof von Luna. Diplom.
Otto III. n. 201 (vom J. 996).
'■') Zwischenstationen: ad curticellam s. Columbani, quae vocatur Barbadam
(hier wird übernachtet); ad curtem monasterii Ebobiensis, quae vocatur Memo-
riola. Vgl. Memoriola in den Bestätigungsurkunden des Klosters saec. IX und X.
Ebenso Barbada. (z. B. Mühlbacher n. 1072. DO. III n. 303).
Bobbio, Veleia, Bardi. 531
neuesten Gelegenheit vom hl. Columba bewirkten Wunder nieder-
schrieb, nicht ohne damit die Absicht zu verbinden, uuch den Inhalt
der Privilegien seines Klosters dem Leser eiuzuprägen i).
Auf der anderen Seite hatte man regelmässigen Verkehr mit
Dertona und den umliegenden Orten, wobei wir erfahren, dass der
Fluss, der jetzt Staffora heisst, damals noch wie im Altertum den
Namen Iria führte 2); während das au demselben gelegene „Forum Julium
Iriensium" im 10- Jahrhundert von „Vicus Iria'' den Namen Viqueria
(jetzt Voghera) angenommen hatte ^).
Auch mit Mediolanum *) auf der einen, Genua ^) auf der anderen
Seite stand man in Verbindung; am wenigsten mit Placentia; eher
kam man gelegentlich nach Segusio, am Uebergange über die Alpen
nach Gallien, dessen Entfernung von Bobbio auf 140 Millien geschätzt
wird *'). Nach Süden zu war man veranlasst, tjfters die dortigen Be-
sitzungen des Klosters in Tuscien (namentlich bei Luca, Pisa, Pistoja)
aufzusuchen '), ferner die Stadt Rom, um sich die päpstlichen Frei-
briefe zu erwirken, beziehungsweise neuerdings bestätigen zu lassen ^).
') Insofern sind die „Miracula" eine Art Staatsschrift, wie der sog. »Libellus
de imperatoria potestate in urbe Roma* ; dieser gibt eine Interpretation der
zwischen Kaiser und Papst im 9. Jahrhundert vereinbarten »pacta«; jene eine
Darstellung de'- Privilegien Bobbio's von kaiserlicher (königlicher) Seite wie von
päpstlicher.
'^) Vita Bertulfi abbatis Bobbiens. (saec. VII) c. 3. (bei Mabillon acta 11
p. 160 f.). Vgl. Corp. insc. Lat. V p. 827.
•'*) VgL Cluverius, Ital. antiqu. p. 80. Wattenbach, Geschichtsquellen II* 182.
Viqueria auch in der ür'i . Otto's II vom J. 979 für die bischöfliche Kirche von
Tortona, der es gehörte. DO. II n. 206. In den Anual. Piacent, ad a. 1136:
Vigheria. 1175: Viguria. — Unter dem Principate war es ^.colonia' gewesen.
Vgl. Corp. V p. 828. Ein »patronus coloniae Foro Juli Iriensium* wird auf
einer Inschrift aus Dertona (n. 7375) genannt. Es ist ein angesehener Munici-
pale aus Dertona. Kein Wunder, dass die zum »vicus* heruntergesuukene
.colonia"^ schliesslich dem Gebiete von Dertona einverleibt wurde.
*) Vita Columbani c. 00. Vita Attalae (bei Mabillon acta 11 p. 123) c. 5.
Beides saec. VII.
^) Vgl. Vita Attalae c. 2 : ein Mönch, der sich gegen den Abt vergangen
hatte, Namens Theutarius, cum se in mare portaturum carinae tradidisset,
dimersus est.
«) Vita Attalae c. 6. Die alten Itinerarieu rechijen von Segusium nach
Ticinum 136 m. p. Die Bobbienser gelangten auf Abkürzungswegen dahin.
Jonas, der Biograph des Columba wie des Attala, stammte selbst aus Segusio.
') Vgl. Ottenthai, Reg. Otto I. n. 546. Gerbert correspondirt als Abt von
Bobbio im Interesse desselben auch mit dem Markgrafen Hugo von Tuscien.
Epla LXXXIV (Migne).
») Eine solche Reise des dritten Abtes von Bobbio, Bertulf, ist beschrieben
in dessen Vita c. 6—9. Er brachte das Privileg des Papstes Honorius (a. 628)
532 Julius Jung.
Mit dem Bischof von Lima gab es eiumal Streit um den Zehnten von
sechs Dorfschaften oder kleineren Ansiedluugen i).
Im Thal von Bobbio wurde Ackerbau '^) und Weinbau 3) betrieben ;
wiederholt wird aucli der Keichtum an Holz, namentlich an grossen
Stämmen hervorgehoben^), deren Trausport schier ohne ein Wunder
nicht möglich war. Gelegentlich hatte man von dem Bache Bobbio
zu leiden, der, wenn er augeschwollen war, alles mit sich fortzureissen
pflegte 5). Besonders die Mühlen wurden dadurch gefährdet 6). Das
mit sich zurück. Der Rückweg aus Tuscien führte vorbei »prope castrum cui
Bismantum nomen est* (c. 8). Nach diesem castrum wird der »gastaldatus
Bismantinus, in comitatu Parmense* benannt sein. Vgl. Mühlbacher zu n. 1209
(Urkunde von 870): »Die Feste jetzt zerstört, Amati 1, 820*. Die bischöfliche
Kirche von Reggio besitzt auch ^plebem de Besmanto«. Diplom. Otto II. n. 231.
Die Kirche von Reggio war im Comitat von Parma sehr begütert. Vgl. auch
Mühlbacher Reg. 229; Ottenthai, Reg. Otto I. n. 359: Karl d. Gr. schenkte ihr
781 den Wald Lama fraolaria »in comitatu Parmensi in finibus Bismanti-' was
Otto I. (964), Otto II. (980 Oktober 14) bestätigen. Die Grenzen des Waldes
werden 781 so angegeben (Affö 1, 291 f.): »de uno latere a flumine Siele sursum
per stratam usque in monte Palaredo ascendente per stratam usque in finibus
Tusciae, inde quoque iuxta Siclam deorsum pervenit in flumen Auzolae*. (Afiö
erklärt 1, 141, vgl. 143: »Bismanto oggidi Bismantova — luogo situato su le
alte montagne del Reggiano"). Die Besitzungen der Kanoniker von Reggio lagen
in den Gebieten von Luni, Parma, Reggio, Modena u. s. w., also auch hier theil-
weise jenseits des Apennin. — Die Bergfeste von Bismantova gehörte saec. XI
dem Hause Canossa. aus dem die Grossgräfin Mathilde hervorgieng. Vgl. Over-
mann, die Besitzungen der Grossgräfin Mathilde (1893) S. 6. Eine Ueberrum-
pelung des »saxum Bismantuae* erwähnt Salimbene p. 248 ad a. 1268: »et
mortuus fuit ibi dominus Turchus de Besmantua*. Später: »Besmantua restituit
se Commmuni, et dedit obsides Communi Regii quod non offenderet Commune*.
») Vgl. Diplom. Otto IL n. 253 (Stumpf 797) vom J. 981. Kaiser Otto IL
bestätigt dem Bischof von Luna »decimam VI villarum Uuiffula, Pontula, Uuale-
burdulasca, Tenirano et Rupinalia, Caustello quam Gualcherius sancte Lunensi
ecclesie super Guinebaldum Bobiensem abbatem [in] praesentia Karoli impera-
toris et legatorum s. sedis apostolicae per iudicium vindicavit*. Man sieht auch
hier, dass die Besitzverhältnisse über den Apennin herübergriffen ; die Kirche
von Luna hatte Besitzungen auch >in comitatu Parmensi''.
-) Vgl. vita Bertulfi c. 4.
3) Vita Bertulfi c. 21. 22.
*) Vita s. Columbani c. 60. Vita Bertulfi c. 23.
5) Vita Attalae c. 3 : cum fluviolus Bobius — turgidis aquarum molibus
violenter ac rapaci cursu defluens, ut solent torrentes ex Alpium cacuminibus
dilapsi et imbrium effusione aucti, ita iste saxorum rupes et arborum congeries
nimia vi tumescens coacervaret.
''') Von den Mühlen ist wiederholt die Rede. Der Monachus Sangallensis
I, 8 berichtet über die von Karl d. Gr. eingerichtete Hochschule, aus der Bi-
schöfe und Acbte hervoroiengen. Scd ne a scientibus verum illarum arguar
Bobbio, Veleia, Bardi. 533
Gelände der Thalschafteu ist weit hinauf cultivirt, die kirchliche Or-
ganisation durchgeführt 1). Nur die öffentliche Sicherheit lässt einiges
zu wünschen übrig, da gegen Kaufhändel und Ueberfälle von Staats-
wegeu keine Vorsorge getroffen ist, vielmehr sich Jeder helfen muss,
so gut es geht ^). — Abgesehen davon galt Bobbio schon zur Zeit
Karl's d, Gr. als eines der reichsten Klöster Italiens und als eine
grosse Corporation von Mönchen ^).
Im Uebrigen ist bekannt, eine wie hohe Stellung im geistigen
Leben Italiens das Kloster Bobbio durch Jahrhunderte hindurch ein-
nahm. Zunächst widmete es sich der Bekämpfung der heidnischen
üeberreste ^), vor allem aber der arianischen Glaubensmeinungen, die
unter gotischer und laugobardischer Herrschaft zur Geltung gelangt
waren. Man legte zu diesem Behufe eine Sammlung der zu bekäm-
mendacii, qui nullum exceperim, fuerunt in eins scbola duo molinariorum filii,
de familia s. Columbani, quos quia non congruit ad episcoporum vel coenobio-
rum regimen sublevari, tarnen per merita ut creditur magistri sui praeposituram
Bobienais monasterii unus post uniun strenuissime gubernaverunt.
') Zum Theil schon vor der Ankunft Columbas, der ja eine verfallene
Peterskirche überkommt.
-) Vgl. Vita Bertulfi c. 16 f. Im J. 850 verordnete ein Capitulare die
Unterdrückung der Räuberbanden, die Rompilger und Kaufleute plündern;
gleiches Vorgeben gegen die herumziehenden Räuberbanden, die in den Dörfern,
auf Strassen und in Wäldern plündern, gerichtliches Verfahren gegen die Helfers-
helfer. Mühlbacher Reg. 1145, II c. 1, 2, 3. Auch Gerbert schreibt epla XIV
von Bobbio aus an den Papst Johannes : nee ad vos propter hostes est veniendi
facultas.
3) Paul, diac. h. L. 4, 41 : Quo in loco et multae possessiones a singulis
principibus sive Langobardis largitae sunt, et magna ibi facta est congregatio
monachorum. Der Berichterstatter war am Hofe des Königs Ratchis (744—749)
aufgewachsen und lebte dann in einem Kloster unfern dem Comersee, erst später
(seit 787) in Monte Casino. Vgl. L. Traube a. a. 0. Die Besitzungen des
Klosters Bobbio erstreckten sich im 9. und 10. Jahrhundert über die Gebiete
von Mailand, Piacenza, Como, Lodi, Bergamo, Brescia, Mantua, Verona, Cremona,
Trient, Grado, Tuscien, Luca, Pisa, Pistoja (vgl. die Bestätigungsurkunden aus
dieser Zeit, Ottenthai, Reg. Otto I. n. 546). Der Vorstand des Klosters musste
nach all diesen Seiten eine ausgebreitete Correspondenz pflegen, wie die Brief-
sammlung Gerberts darthut. Vgl. epla XII : Nam quae pars Italiae possessiones
beati Columbani non continet ? . . . . quae pars Italiae meos non habet hostes ?
Vires meae impares sunt viribus Italiae.
■*) Vita Columbani c. 53 : illi aiunt deo suo Vodano, quem Mercurium
vocant alii, se velle litare. Vgl. Paul. diac. h. L. 1, 9: Votan sane, quem adiecta
littera Godan dixerunt, ipse est qui apud Romanos Mercurius dicitnr et ab uni-
versis Germaniae gentibus ut deus adoratur. Hiezu Mommsen, N. Archiv V, 66.
S. die folgende Anm.
^g^ Julius Jung.
pfeuileu Literaturerzeuguisse au ^) und schrieb dann Gegenschriften,
von denen leider nichts auf uns gelangt ist. Zweitens kam auch das
Schisma in Betracht, das seit dem Dreikapitel-Streite (553) die Kirche
von Aquileia und die römische (mit ihr die mailändische) trennte. Die
Wiikuugen desselben machten sich durch versprengte Mönche auch
in den von S. Columba gestifteten Klöstern bemerkbar ^) ; doch gelang
es den Achten dagegeu mit Erfolg anzukämpfeu; bis endlich unter
lebhafter Theilnahme der Bobbienser in den letzten Jahren des 7. Jahr-
hunderts dies Schisma ganz beigelegt wurde 3).
') Vgl. Wattenbach, Deutschlands Geschichtsquellen im MA. I-» S. 99 :
Gotische Schviftdenkmale in Bobbienser Palimpsesten. Die endgiltige Bekehrung
der Arianer wird im Carmen de synodo Ticineusi c. a. 698 des Magister Ste-
phanus (im Anhang der Waitz'schen Ausgabe des Paulus diaconusj erst dem
König Anpert (653 — 661) zugeschrieben. König Ariovald (626 — 636) heisst in
der Vita Bevtulfi abbat, c. 5 »barbarus et Arrianae sectae credulus«, der aber
den Katholisch-Gläubigen gegenüber auf Billigkeit hält. (Vgl. Paul. diac. IV, 41,
hiezu Mommsen, N. Archiv V, 73). Sonst fehlte es freilich nicht an hitzigen
Pieligionsgesprächen und an Schlägereien. Vgl. 1. c. c. 12—15. Auch mit heid-
nischen Elementen c. 12 f. Die Könige Adalwald (613—626), Rothari (633—652),
Kodoald (652—653) bestätigten dem Kloster die eingeräumten Eechte und ge-
statten den Aebten auf ihr Ansuchen die Romfahrt. Vgl. Holder-Egger, Langob.
Regesten, im N. Archiv IH. 227 ff. Die Bestätigung aller dieser Privilegien
(ebenso der folgenden Könige und Kaiser) durch Ludwig IL unter dem 7. Okt.
860 (nicht 861, wie Holder-Egger hat) bei Mühlbacher n. 1183.
-) Vgl. Vita Eustasii abbat. Luxoviensis (bei Mabillon Acta II p. 118 f.)
c. 7 über den unruhigen Mönch Agrestius, der aus Frankreich nach Aquileia
kam : socius statim schismatis effectus, a Romanae sedis communione sejunctus
ac divisus a totius orbis communione : qui cum Romanae sedi iungeretur, dam-
nabat insulam Aquileiam orthodoxani fidem non habere. Quo schismate imbntus
epistulam venenosam et increpationibus plenam ad b. Attalam per Aurelium
Adalvaldi regis Langobardorum notarium dirigit. Auch in Luxovium (Luxieulj, der
anderen Gründung Columbas, macht er den Versuch, vergebens; worauf er »b.
Columbani religionem offendit*<; er habe »multa superflua« beim Gottesdienst
eingeführt. Ueber den Gegensatz beider Regeln vgl. L. Traube, Textgeschichte
der regula s. Benedicti (Abhdigen der baier. Akad. 3, XXL 601 ff., Jahrg. ]898>
Im J. 643 war die Sache dahin entschieden, dass man in Bobbio »sub regula
s. r-iemoriae Benedicti vel [= et] reverendissimi Columbaui"= lebte. Vgl. die
(unverdächtige) Urkunde Papst Theodors zu diesem Jahr, Jatfe 2053 (1590). Auch
die den Kelten eigentümliche und von Columba anfangs festgehaltene Berech-
nung der Osterfeier nach dem älteren anatolischen Cyclus hatte man aufgegeben.
Vgl. ü. Seebass im N. Archiv XVII, 246 ff.
3) Das Gedicht des Magister Stefan, in dem König Kunincpert (um 698)
wegen der Beilegung des Schismas gefeiert wird, ist in zwei Handschriften aus
Bobbio erhalten. Vgl. die Ausgabe des Paul. diac. von Waitz »Appendix« IL
Wattenbach ]* S. 136. Im Allgemeinen: Wilh. Meyer (aus Speier), Die Spaltung
des Patriarchats Aquileia. Abhandlungen der Ges. d. Wisseusch. zu Göttingen
Bobbio, Veleia, Bardi, 535
Endlich fand auch die profane Literatur in Bobbio eine Heim-
stätte, wie wir aus den Briefeu Gerbert's und aus den Katalogen der
Klosterbibliothek ersehen 1), sowie aus manchem wertvollen Codex,
der für die Ueberlieferung eines alten Klassikers von Bedeutung ist
und den die irischen Glossen sowie die Widmung an italische Herr-
scher als aus Bobbio stammend erweisen 2). An die wertvollen, wohl
auf des Q. Asconius Pedianus berühmten Commentar zu Ciceros Reden
zurückgehenden Schollen 3), die in einem Palimpseste aus Bobbio sich
erhalten haben, kann hier nur mit einem Worte erinnert werden.
Ebenso an die Bobbienser Handschrift der römischen Agrimensoren,
die der berühmte Gerbert wahrscheinlich an Ort und Stelle be-
nützt hat ^).
2. Veleia und das placentinische Gelände.
Das Municipium Veleia hat sich aus einem Vororte der Ligurer
entwickelt, wo der Apenninenverkehr sich in ' ähnlicher Weise con-
centrirt haben mochte, wie gegenwärtig bei Borgonure am Fluss Nure,
das mit Piaceuza durch eine Dampftrambahn in Verbindung steht: es
ist hier der „Hauptstapelplatz des transapenninischen Localverkehrs" s).
1898. Hiezu die Recension von W. Lenel in der »Deutschen Literaturzeitung "^
1898 Juli 23. Bekanntlich wurde das langobardische , Patriarchat '^ von Aquileia
neben dem byzantinischen von Grado aufrechterhalten.
') Ein solcher Katalog aus saec. X bei Muratori, Antiquit. Ital. III p. 817
— 824. Ein Katalog aus dem J. 1461 bei A. Peyron, Ciceronis et aliorum fragm.
inedit. p. 1 — 68. Vgl. Blume, Iter italicum I, 44. 55 — 58. 0. Seebass, Ueber
die Handschriften der Sermonen und Briefe Columbas von Luxeuil. N. Archiv
d. Ges. XVII, 246 ff. XXI, 739 ff.
2) Ueber einen Horazcodex saec. IX (jetzt in Bern), gevridmet der »regina
Angelberga* (Braut 851, vgl. Mühlbacher n. 1148), mit irischen Glossen, vgl.
0. Keller, Beschreibung der wichtigsten Horaz-Handschriften. Praefatio zur Aus-
gabe des Horaz von 0. Keller und A. Holder Vol. I^ (Leipzig, 1899) p. XIX.
Ueber die Beziehungen der Mailänder Erzbischöfe Angilbert (824—860) und Tado
(860—868) -zu den irischen Mönchen vgl. L. Traube, Poetae aevi Carol. III, 236.
Abhandl. der baier. Akad. XIX, 2 S. 349. XXI 3, S. 638 fi". "Wattenbach,
Deutschlands Geschichtsqu. [* 250 ff. A. Reuter in ,, Hermes* XXIV S. 162 ff'.
3) Vgl. Teuff'el, Gesch. d. röm. Literatur § 295.
*) Blume in den »Erläuterungen zu den Schriften der röm. Feld-
messer« (1852) S. 10 f.; vgl. S. 5. In der Handschrift stehen fol. 77a die Worte,
»Gisebertus abbas* (Lachmann liest letzteres Wort anders). Wir haben gesehen
dass der Name verschieden geschrieben wird. Vgl. Sickel, Erl. zu den Diplomen
Otto's II. S. 100. In Gerberts geometrischen Arbeiten wird auf die Agrimensoren
verwiesen.
s) Bädecker, Uberitalien'^ S. 249.
^^3ß Julius Jung.
Zur Zeit des Hannibalischen Krieges beherrschten ligurische
Stämme die Uebergänge aus dem Pothale nach Tuscien i), so dass für
die beiden kriegführenden Theile die Sympathien der Ligurer keine
gleichgiltige Sache waren. Hannibal wusste sie für sich zu gewinnen,
noch ehe er den Apennin überschritt ^). Während des folgenden
Krieges und nachdem schon der Friede geschlossen war, reagirten die
Ligurer unter punischer Führung gegen Placentia und Cremoua, die
römischen Zwingburgen am Po ^).
Schliesslich wurden die Ligurer pacificirt und während der Stamm
der Apuani, der über Luca gesessen hatte, expatriirt und ins Beneven-
tanische übersiedelt wurde, kamen die Veleiates, die Statielli, die
Bagienni glimpflicher davon; sie wurden als „civitates föderatae"
anerkannt, in welcher Stellung sie mindestens hundert Jahre lang ver-
blieben, bis zu den Aeuderungen, welche der grosse Bundesgenossen-
krieg auch für das Pogebiet nach sich zog. Es begann die municipale
1) Man erinnere sich, dass Parma 183 v. Chr. von den Römern gegründet
wurde, erst nachdem die ämilische Strasse in der durch Canäle entwässerten
Ebene angelegt war, während die älteren Pfade durchaus das bergige Gelände
benutzten. Vgl. Aftö, Storia di Parma, I Einl.
-) Liv. 2], 58. 59. Vgl. hiezu G. Faltin, Der Einbruch Hannibals
in Etrurien. Hermes XX, 71 ff. Ueber die Ligurer im Apennin Polyb. 11, 16.
Hannibal gieng über einen der westlichen Apenuinpässe, berührte also wohl das
Gebiet von Veleia. Der erste verunglückte Versuch Hannibals, über den Liv. 21,
58 berichtet, veranlasste ihn »degressus Apennino ad Placentiam" Lager zu
schlagen; später »in Ligures concessit*. wo ihm einige römische Beamte und
Offiziere (»per insidias intercepti"") ausgeliefert wurden. — Hannibal hatte Clasti-
dium [Casteggio], wo die Kömer Magazine besassen, eingenommen, das nachher
in den Kämpfen der Römer gegen die Ligurer wieder hervortritt. Vgl. Corp. V
p. 828. — Bei der Gründung des Klosters Bobbio (saec. Vll p. Ch.) erinnerte
man an »amnem profluentem nomine Triveam [Trebiam]. super quem olim
Hannibal hiemans, hominum, equorum, elephantorum atrocissima damna sensit*.
Vita iS. Columbani c. 60. [Mit Anlehnung an Liv, ?!, 56]. Im 10. Jahrhundert
gleicht Liutprant Cremon. in der Antapod. die Kriege gegen die afrikanischen
Saracenen mit den punischen; vgl. bes. B. 2 c. 54; er nennt 1. 35 j,Hannibalis
viam quam Bardum [von Castell Bard] dicunt*. Auch im Panegjricus auf Kaiser
Berengar (888 — 923) finden sich Anspielungen auf den Hannibalischen Krieg.
Vgl. Dümmler, Gesta Berengarii imp. p. 44 Anm. 1, die nach dem Gesagten
etwas zu modificiren wäre. Die Nachrichten des Livius über den zweiten puni-
schen Krieg, soweit sie Genua und die ligurische Küste betreffen, sind den Annal.
Januens. ganz geläufig. Vgl. ad a. 1280 (p. 289).
3) VgL Liv. 31, 10. 32. 29 (wo die Xamen der ligarischen Stämme offenbar
verderbt wiedergegeben sind ; statt llvates las schon Cluverius Ital. aut. p. 78
lieber Veleiates). 34, 56. Man vgl. überhaupt die lichtvollen Darlegungen von
Cluverius 1. c. lib. I. cap. VIII und X (obwohl der Verf. die Lage von Veleia
nicht kannie; er vermuthete es am Tidone).
Bobbio, Veleia, Baidi. 537
Entwicklung sich Bahn zu brechen und seit 49 v. Chr., wo Cäsar
dem transpadauischeu Gebiet das römische Bürgerrecht ertheilte 1),
tritt neben Aquae Statiellae (jetzt Acqui) und Augusta Bagieunorum
(jetzt Bene) auch Veleia als ein Municipium hervor 2). Es war der
tribus Galeria zugeschrieben 3) und zählte seitdem zur achten Region
Italiens, zu der auch Placentia gehörte, während jene beiden anderen
Orte ligurischer Entstehung zur neunten gerechnet wurden ^). Das
Gebiet Veleia's erscheint seitdem in römischer Weise vermessen und
von den benachbarten Stadtgebieten Libarna im Westen, Placentia
im Norden, Luca im Süden, Parma im Osten abgegrenzt, nicht ohne
dass die ältere Hgurische Bodentheiluug dem Princip zu Liebe manig-
fach durchkreuzt worden wäre ^).
Wir kennen diese Verhältnisse zufäUig genauer, da uns die Aus-
züge aas dem Kataster von Veleia in der bekannten hier gefundenen
Alimentartafel aus der Zeit des Kaisers Traianus erhalten sind. Zu
jedem der fuudi, die für die Alimentarinstitution obligirt wurden, wird
pagus und Stadtgebiet angegeben e). Die Gebiete von Libarna, Veleia,
») Ein Fragment der lex Kubria, wodurch die Jurisdictionsverhältnisse der
neuconstituirten römischen Gemeinden geregelt wurden, ist in Veleia gefunden.
Corp. XI 1146. Vgl. Mommsen in , Hermes« XVI, 24 ff.
2j Bevor Dertona als Colonie, Libarna als Munic-ip gegründet wurde, könnte
das Gebiet der Statielli an das der Veleiates unmittelbar sich angeschlossen
haben. In der Alimentartafel von Veleia wird ein pagus Statiellus angegeben,
der (seit der Gründung der Municipien ?) zum Gebiete Veleia's gehörte. Mommsen
in Coi-p. V p. 850. Näheres über die Constituirung von Veleia als Municipium
ist nicht bekannt. Vgl. Mommsen in »Hermes» XIX, 402.
•') Aquae Statiellae hatte die tribus Tromentina, Augusta Bagiennorum die
Camilia; Libarna die Maecia, Dertona die Pomptina; Placentia die Voturia,
Parma die Pollia. Ticinum die Papiria (wovon es den Namen Papia bekam). —
Die tribus Galeria hatten ausser Veleia noch Genua, Luna, Pisa, also ein zu-
sammenstossendes Gebiet. Kubitschek, Imp. Rom. trib. discr. p. 93.
^) Vgl. Mommsen, Die italischen Regionen. In der »Kiepei-t-Festschrift^
1898 S. 95 ff". Auch Libarna und Dertona gehörten zur 9. Region (damit zu-
gleich die Gegend von Bobbio).
s) Vgl. A. Schulten, Die römische Flurtheilung und ihre Reste (Berlin 1898)
S. 17 f.
«) VgL Bormann in Corp. inscr. Lat. XI p. 222. Hiezu F. Kniep, Societas
publicanorum I 404 ff'. G. Billeter, Gesch. des Zinsfusses im Altertum .(1898)
S. 187 ff: Ueber die Vertheilung des Besitzes im Gebiete von Veleia s. Momm-
sen, »Hermes» XIX S. 393 ff'. Da die Bearbeiter des Bodens sich erbweise auf
der Scholle behaupteten, später auch von Regierungswegen an dieselbe gebunden
wurden, entwickelten sich die fundi zu dorfartigen Ansiedlungen. Vgl. L. M.
Hartmann, Bemerkungen über Besitzgemeiuschaft und Wirtschaftsgemeinschaft
in italienischen Privaturkunden. Zeitschr. f. Social- und Wirtschaftsgeschichte
V (1896) S. 204 ff'.
Mittheihingen XX. 35
538 Julius Jung.
Luca stiessen zusammen im „pagus Alben sis", der zu Yeleia gehörte i).
Der -pagus Salutaris" erscheint unter die Territorien von Veleia,
Placentia, vielleicht auch Parma aufgetheilt; der „pagus Salviu^," unter
die^Territorieu von Veleia und Parma; jedenfalls ersehen wir, dass
auch die Stadtgebiete von Veleia, Parma, Placentia aneinanderstiesseu "-).
Die Namen der pagi, die von Gottheiten entlehnt sind, z. B. Miuer-
vius, begegnen öfter, sowohl „in Placentino" wie „in Veleiate". Be-
merkeuswert ist, dass es im Gebiete von Veleia auch pagi gibt, die
„Bagiennus" und „Statiellus" also nach den Namen anderer liguri-
scher Stämme benaont sind ^j.
Während in den Listen, die gelegentlich des im J. 74 abgehal-
tenen Census geführt wurden, auch Fidentia (Borgo S. Donnino) als
selbstäudige Comune erscheint *), ebenso Florentia (Fiorenzuola) in den
Itinerarien als Strassenstatiou erwähnt wird •''), finden wir auf der
Alimentartafel weder das eine noch das andere genannt; vielleicht dass
der „pagus Floreius- als bei Florentia gelegen anzusetzen ist ß).
M Der pagus Albensis umfasste die Berggegeud südwärts von Veleia,
namentlich am überlaufe des Morfasso, der in den Arda fliesst, die Gegend von
Tollara. Vgl. 3, 30: fundus Autouianus Öevuonianus TuUar. in Vel{eiate) pag(o)
Alb(ensi); 3, 28: fundus Mucianus Clouster TuUare in Vel(eiate) pag(o) Alb(ensi).
Die vielen barbarischen (wohl ligurischen) Namen neben den römischen Bezeich-
nungen fallen auf. 4, 86 : in Veleiate et in Libarnensi pagis Martio et Albense.
3, 76 : in Veleiate et Lucense pagis Albense et Minervio et Statielo. Vgl. Des-
jardins 1. c. p. 58. Die Beifügung einer örtlichen Angabe zu den Namen der
fundi kommt öfter vor; so nennt die Tafel 2, 47: fund(um) Aestinianum Anti-
stianum Cabardiacum pag(o) et adf(ine) s{upra)s(cripto), d. i. pago Ambitrebio
in Veleiate, adfine republica Placentinorum. Der fundus lag bei Caverzago im
Trebiao-au, im Gebiete von Veleia aber angrenzend an das Placentinische. Vgl.
Bormann in Corp. XI p. 254. Mommsen, j, Hermes« XIX 394 A. 2 über die
, Grundstücksnamen, welche aus der römischen Nomenclatur nicht zu erklären
und vermuthlich wie die der saltus und vici keltischen und ligurischen Ursprungs
sind"'. — Die französische Generalstabskarte vom J. 6 der Republik (Mailand
1799) zeigt den Ort ^Tollera'' am Uebergaug von Macinesso nach dem südlich
vorliegenden Thale des Morfasso. Im 13. Jahrhundert wird wiederholt , Tolleria/'
genannt (Annal. Placentin. ad a. 1268. 1271).
2) An der Ongina, am Ceuo V Das letztere Thal (mit Bardi), das Desjardins
auf seiner Karte nicht berücksichtigt hat, würde in Betracht kommen.
3) Vgl. oben S. 537 A. 2. A. Schulten, Die Landgemeinden im römischen
Reich. 5>Philologus« 1895 S. 633 fi'. Die kartographische Darstellung von Desjar-
dins unterliegt, wie Bormann bemerkt, manchen Bedenken.
^) Vgl Mommsen, Die italischen Regionen, a. a. 0. S. 102 A. 3.
•■■') Vgl. Coi-p. XI p. 203. Muuicipium scheint Florentia nie gewesen zu
sein. Bei Plinius fehlt es.
'■•) So Desjardins, de tabulis alimentär, p. 63.
i
Bobbio, Veleia, Bardi. 539
Der Gemeinde Luca gehörten ausgedehnte Weide- und Wald-
distrikte im Gebirge, wo die Grenzen der verschiedenen Stadtgebiete
aneiuanderstiessen ^). Man ersieht aus dem Ganzen, dass die Thäler
der Trebia wie der Bäche Nure, ßiglio, Chero, Chiavenna, Arda u. s. w.
nirgends für sich geschlossene Gebiete gebildet haben, vielmehr die
Grenzen der Municipien hier ineinander übergiengen.
Veleia lag beim heutigen Macinesso im Quellgebiete des Baches
Chero, von wo aus leichte Ueberstiege von einem Querthal des Apennin
in das andere, endlich auch über Val Ceno und Val Taro auf die
andere Seite des Apennin führten. Das Munieipium blühte, wie die
aufgefundenen Inschriften erweisen, durch die ganze Zeit des Princi-
pates hindurch; seine Söhne dienten gerne auswärts, z. B. in Germanien
oder in Britannien, beim Militär ^), und angesehene Consulare ver-
schmähten es nicht Patrone der Stadt zu werden; zuletzt hat Veleia
noch wie den früheren Kaisern seit Augustus dem Probus eine Statue
gesetzt (276 n, Chr.). In der späteren Zeit muss der Ort, wohl weil
der Verkehr auf der direkten Strasse von Luca nach Parma sich mehr
und mehr concentrirte ^), zurückgegangen und in Verfall geratheu
sein. Aber die im vorigen Jahrhundert aufgetauchte Ansicht, dass
Veleia durch einen Bergsturz zerstört worden wäre, hat sich als un-
begründet erwiesen, da vielmehr die Stadt selbst auf einer (prähisto-
rischen) Schutthalde erbaut war. Auch kam bei den Grabungen eine
Münze Kaiser Leo's I. zu Tage ■^). Vielmehr wird sich die wohlhabende
^) Tabula Velei. 6, 43 : Coloni Lucenses professi sunt saltus praediaque etc.
iu Lucensi et in Veleiate et in Parmense et in Placentino etc. Vgl. biezu Bor-
mann 1. c. Kniep S. 418 f. Es handelt sich um einen Besitz, der durcb ein
Vermäcbtnis den Lucensern zugefallen zu sein scheint. »Unter saltus haben wir
Bergweiden zu verstehen, die von den praedia aus zu Zeiten benutzt werden*.
»Bemerkenswert ist (6, 72) die Erwähnung von montes (adfines) neben den
Gemeinden Luca, Veleia, Parma, Placentia. Es werden mithin die höchsten
Bergspitzen den Gemeinden nicht einverleibt gewesen sein". Wozu Mommsen
Staatsrecht III, 782 A. 3 zu vergleichen ist. — Luca hat auch im Mittelalter
in diesen Berggegenden gelegentlich eine Rolle gespielt; mindestens in Pontre-
muli. Vgl. Annal. Parmens. mal. ad a. 1293 (Mon. Germ. Script. XVIII p. 711).
-') Vgl. Kubitschek, Imp. Rom. tributim discr. p. 99 f.
8) Daher kamen neue Orte zur Geltung. So hatte im 3. Jahrhundert Forum
novum (jetzt Fornovo) am Tarus, auf der Route von Parma dem Apennin zu,
Muuicipalrecht erlangt. Corp. XI p. 201. Das Gebiet von Veleia grenzte west-
lich an. — Bercetum tritt erst später (saec. VIII) hervor. Ebenso seit dem
12. Jahrhundert das »Burgum vallis Tarii'' (d. i. Borgotaro); ferner Bardi im
Thal des Ceno.
*) Desjardins p. 5. Vgl. Bormann Corp. XI p. 205. Ausschlaggebend gegen
die Annahme eines Bergsturzes waren die Ausgrabungen des J. 1876, worüber
35*
540 Julius Jung.
Bevölkerung von Veleia weg nach den benachbarten Orten, wo der
Verkehr^sich hob, verzogen haben ; ebenso wie das bei Libarua der
Fall war und wie es für das ausgehende Altertum in Bezug auf zahl-
reiche andere Communen Italiens bezeugt ist: in Folge dessen z. B
benachbarte Bischofsitze mehrfach zusammengezogen werden mussten,
wie dies aus den Briefen Papst Gregors d. Gr. hinlänglich bekannt ist^).
Uebrigeus dauerte dieser Process aus gleichen Ursachen Jahr-
hunderte hindurch fort. So wurde zur Zeit Ottos d. Gr. (im J. 969)
die Vereinigung des Bistums von Alba (im Piemontesischen) mit
jenem von Asti durchgeführt, mit ausdrücklicher Berufung auf die
Präcedenzfälle aus der Zeit Gregors d. Gr. ^).
AlftO muss Libarna mit Dertona sich verschmolzen haben, nach-
dem schon unter dem Principat manche Honoratioren beiden Orten
gemeinsam gewesen waren ^j. Der Bistumsprengel von Dertona machte
die Notizie degli scavi im J. 1877 berichteten. Bemerkenswert ist, dass das
Christentum in Veleia keine Spuren hinterlassen hat. (Au Stelle des Cultes der
Minerva in Cabardiacum, j. Caverzago, trat die Verehrung Marien's; vgl, oben S. 525).
') Vgl. z. B. die Vereinigung des Bischofsitzes von Minturnae mit dem von
Formiae. üregor. M. reg. 1, 8. Andere Beispiele in meinen »Organisationen
Italiens bis auf Karl d. Gr.* Ergänzungsb. V der Mitth. des österr. Instituts,
passim. Plistia (bei Colfiorito) ist um 500 noch Bischofsitz, später zwischen Ful-
ginium. Nuceria, Cameriuum aufgetheilt. S. 25 Anm. ]. Es hängt dies mit dem
allgemeinen Rückgang Italiens seit dem Ende seiner Weltherrschaft zusammen,
welche ja auch auf die wirtschaftlichen Verhältnisse manigfach eingewirkt hatte :
der Italiker war noch in der ersten Hälfte des 3. Jahrhunderts als Beamter wie
als Militär vor Anderen bevorzugt und konnte im Alter als Rentier nach seiner
Heimat zurückkehren. Gerade abgelegene ßerggemeinden hatten sich am fri-
schesten erhalten wie denn Veleia gelegentlich der statistischen Aufnahme unter
Vespasian in der ganzen achten Region die meisten Hundertjährigen aufwies.
-') Urkunde Otto d. Gr. vom 9. November 969 Diplomat. Otto I. n. 380";
vgl. Böhraer-Ottenthal Reg. n. 495, 496, 504 mit Beziehung auf eine Abhand-
lung von CipoUa, Di Rozone vesc. di Asti (Memorie dell' acad. di Torino ser. II
t. 42). In der Urkunde ist folgende Motivierung gegeben : concesserunt antiqui
patres ut, si episcopalis sedes deo permittente ab impiorum sit manibus vastata
et depopulata, ob plebis raritatem, quia non oportet in locis vilioribus propter
celebre episcoporum nomen episcoiDOs constitui, viciniori sedi subponi et in unum
redigi, quemadmodum non a quibnslibet sed a sanctissimis noscimiis esse con-
traditum viris. Hac igitur auctoritate i'oborati Albiensem sedem, quam spiri-
tualis pater noster et universalis papa domnus Johannes ob raritatem plebis
viciniori Astensi sc. ecclesiae ad regendum subposuit nee non et Uualpertus ar-
chiepiscopus s. Mediolanensis ecclesiae, ex cuius consecratione dioceseos utraque
pertinere videtur etc. (Synode in Mailand 969 Sommer). Nach Absterben des
gegenwärtigen Bischofs sei die Vereinigung zu vollziehen.
3) Vgl. oben S. 531. Corp. V 6425 (die Inschrift stammt ausTicinum) : M. Atilius
Eros VI vir Augfiustalis) Dertonae et Libarnae. Die Cumulirung benachbarter
Bobbio, Voleia, Baidi. 54]^
nachher seine Reclite bis nach Bobbio hin geltend, das früher wie
bemerkt zum Territorium von Libarna gehört hatte i).
Was mit Veleia creschehen ist, wird nicht überhefert. Es gravi-
tirte dem Po zu nach der Richtung von Placentia; jedenfalls nicht
nach der von Parma. Als im 7. Jahrhuudert durch die lang-obardi-
sehen Könige die Grenzen der Stadtgebiete von Placentia und Parma
in Folge von Streitigkeiten zwischen denselben neuregulirt wurden ^),
sehen wir das Territorium von Parma bis au den Bach Ongina (west-
wärts von Borgo S. Donnino) vorgeschoben, es hatte also das Gebiet
des ehemaligen Municipiums Fidentia sich einverleibt •^) ; auch das
Munieipien hat sich auch anderswo so vorbereitet, zumal seitdem die Bekleidung
der Ehrenstellen eine immer drückendere Last wurde.
1) Ughelli IV' p. 884 hebt hervor, dass der Bistumsprengel von Tortona
ein verhältnismässig umfangreicher sei, trotz der Nachbarschaft einiger bedeu-
tender Städte. Vgl. Diplom. Otto II. n. 206 (5. November 979), wodurch Ger-
bert zum Bischof bestellt, und der bischöflichen Kirche die Besitzungen bestätigt,
sowie ihr abgesehen von der Immunität auch die ölFentliche Gewalt in der Stadt
und im Umkreis von drei Millien (mit Angabe der Grenzen), verliehen wird.
Dabei werden die zwei castra Viqueria (d. i. Voghera) und Garbania (d. i. Gar-
bagna in dem von »torrente* Grua durchüossenen Seitenthale ostwärts von Tor-
tona) genannt. Ebenso gibt der Kaiser an die Kirche von Tortona »abbaciam
de Vinderci que est in valle que dicitur Borbera, a perversis quibusdam homi-
nibus olim nimis dirutam ubi eciam requiescit corpus beati Fortunati*. Das
Thal des Flusses Borbera (Barbera) öffnet sich ostwärts von Serravalle (mit
Ueberstiegen ins hinterste Trebiathal). Im J. 1211 wird bestimmt, dass die
Castellane von Serravalle nach Brauch von Tortona zu entscheiden haben. Vgl.
Ficker, Ital. Forsch. III, Nachtrag zu § 129. Später ist Serravalle in den Händen
eines Feudalherrn, gegen den die Dertonenser ins Feld ziehen. Annal. Piacent,
ad a. 1270 (Mon. Parm. III p. 284); während die Papienser den Gegner von
Dertona unterstützen. Vgl. auch Busson, Fortsetzung von Kopp's Gesch. der eidgen.
Bünde, Buch V, S. 130.
-) Zuerst unter König Arioald (626—636), auf dessen Entscheidung sich
König Pectarit 674 beruft. Urk. vom 23. Oktober d. .1. bei Campi istor. eccl.
di Piacenza l, 177, danach bei Aflö, storia di Parma I p. 280 n. 5 (vgl. p. 127 f ).
Die Grenze reicht von »ponte Marmariolo qui est in rigo Ongleua [Bach Ongina],
deinde in Petra baciana percorrente in termine quod dicitur petra furmia [jetzt
Formio] et in fönte limosa in campo Crispicellio, et inde in monte Specla
iSpecchio] illa parte Gene [Bach Ceno], ubi termine otat, deinde in monte Caudio,
et Petra Mugulana quod est super fluvio Taro, et illa parte Taro per rigo Gau-
tera [Bach Gotera]".
•'') Vgl. das (interpolirte) Diplom Otto III. n. 54 (vom J. 989). Ueber das
Emporkommen des nach S. Domninus genannten Ortes in der Karolingerzeit:
Aflö 1, 147 fl. Bei Liutprand Cremon. Antap. 1, 41 ist es zum J. 898 genannt.
Im 12. Jahrhundert als »vicus* oder »burgus« sancti Donini bezeichnet (Ficker,
Ital. Forsch. IV n. 112 vom J. 1140, n. 114 vom J. 1144; hiezu Overmann, die
Besitzungen der Grossgräfin Mathilde von Tuscien S. 41 ff,), bildete es mit dem
542 Julius Jung.
untere Thal des Baches Ceno, der in den Taro mündet, gehörte (bis
hinauf nach Varsi und Bardi; hieher führen directe Wege aus dem
Gebiet von Placeutia) zum Parmesanischen, das diese Grenzen durch
die ganze Folgezeit behauptet hat. Weitergehende Ansprüche waren
zu Gunsten von Placentia abgewiesen worden, ohne dass diese geo-
graphisch näher präcisirt würden i) ; es mag da manches im Unklaren
belassen worden sein, so lauge die Gegend nicht neuerdings in den
Bereich einer intensiveren Cultur gezogen wurde -).
südwärts dem Apennin zu liegenden castrum Barguni [Bargona] einen Graischafts-
bezirk für sich.
') Das ehemalige Gebiet von Veleia, das au der Abdachung des Apennin
längs der unteren Trebia, am Nure, Riglio, Chero der placentinischen Ebene
zu lag, erscheint im 11. Jahrhundert n. Chr., wo die Placentinischen Chroniken
mit ihrer Erzählung einsetzen, die des Johannes Codagnellus u. A. (Monum.
hist. prov. Farmens. et Piacent. III 1, p. 1 ff.) als im Weichbilde von Placentia
gelegen. Es schlugen sich (1090) die hier sesshaften Feudalgewalten mit der
nach der Alleinherrschaft im ganzen Distrikt strebenden Bürgerschaft herum :
bei Rivergaro (an der Trebia), bei den villae Carpineto und Castrucani (j. Ca-
struzzano), letzteres am Riglio, ersteres östlich davon; bei der villa sancti Georgii
(j. S. Georgio) unfern des Nure, beim Vicus Justinus (j. Viustino) am Riglio,
iper partes Corneliani'^ (j. Cornegliano) am Riglio, Rocchi (j. Ronco),
ebenda. Montejaconum (j. Montezago? nördlich von Veleia). — Florentiola
wird als zum Placentinischen Gebiet gehörig erwähnt im 10. Jahrhundert
von Liulprand Cremen. Antap, 2, 65. Es spielt im 13. Jahrhundert als Florentia
in den Parteikämpfen eine Rolle. Vgl. Annal. Plac. ad a. 1260 (p. 217). Damals
war ein civis Placentinus capitaneus populi Florencie. — Auch Castel Arquato
kommt früh zur Geltung. Am 5. Nov. 1000 nahm K. Otto III. die von Bischof
Sigfried von Placentia gestiftete Abtei zu S. Sabinus in seinen Schutz und be-
stätigt deren Besitzungen und Gerechtsame; darunter mercata duo, unum in
castello Arcuato quod habetur tribus vicibus in anno ; alterum Placentie, quod
habetur Kalendis Augustis. Ferner heisst es vom jeweiligen Abt: licentiam habeat
flumen Nurum sive rivum qui venit per vicum Ozonis (d. i. Vigolzone), de suo
cursu ubicumque voluerit ducere et utilitatem monasterii ex ipsis peragere.
(Dipl. Otton. III n. 385).
-) Daher bestimmtere Grenzregulierungen immer erst angestellt wurden,
wenn sich das Bedürfnis ergab, z. B. im J. 916 für die Kirche von Cremoua
gegenüber den benachbarten Sprengein von Mediolanum, Papia, Placentia, Parma,
Regium. Bei Affö 2, 401. Da der Po wie seine Nebenflüsse ihren Lauf wieder-
holt änderten, konnte es an »Rivalitäten« nie mangeln. Gerade in der genannten
Urkunde ist die Rede vom »terminus ab Arda mortua ad Ardam vivam'' ; ebenso
vom »Padus vetulus*, vom »Padus* und seinen Inseln, vom »Padus alter" u. s. w.
abwärts von S. Giuliano. Eine weitere Regulirung der Grenzen zwischen den
Diöcesen Cremona und Placentia erfolgte im J. 954 durch König Berengar. Vgl.
Mon. Germ. Script. XVIU p. 410, Zum J. 1180 melden die Annal. Piacentini:
»concordia facta fuit inter Placentinos et Bobienses. Et tunc traxerunt rivum
iiovum de Nuria et rivum novum de Teciva [wohl Trebia] et fecerunt molendina*.
Bobbio, Veleia, Bardi. 543
Wenn nun aber auch die munieipalen Organisationen in Ab-
nahme kamen und Aenderungen erfuhren, so erhielten sich gleichwohl
die von Alters her üblichen Verkehrswege in Gebrauch. Wir können
dies allerdings erst aus dem 12. und 13. Jahrhundert belegen, wo
eben die communale Annalistik erblüht war.
Als dem Kaiser Friedrich I. im Sommer 1167 die Pest in Rom
seine tüchtigsten Leute dahingerafft hatte, wollte er von Tuscien aus
nordwärts nach dem allezeit getreuen Pavia zurückkehren. Der Kaiser
kam von Luca her über Sarzana nach PontremuH, wo ihm auf Be-
treiben der rebellischen Lombardenstädte der Durchzug verweio-ert
CO
wurde 1) ; in Folge dessen musste Friedrich in das Gebiet des Mark-
grafen Obizo Malaspina abbiegen, der die weitere Führung übernahm^)
') Trotz der Vergünstigungen, die Friedrich den Pontremulensern in dem-
selben Jahre ertheilt hatte. Ficker IV, n. 142. Stumpf n. 4081.
'■') Die Annal. Laudens. continuat. Mon. Germ. SS. XVIII p. 656 : imperator
itaque cum ad locum, qui Ponlremulus vocatur, appropinquasset ac per subur-
bium ipsius loci transire disposuisset, Pontremulenses eum nequaquam per suiim
locum transire permiserunt. Cum vero imperator se per virtutem ipsorum locum,
ipsis nolentibus, transire non posse, quoniam pauci ac tonsi ac infirmi fuerant,
cognovisset, cum ex hac parte castri, quod Malinum (al. Malnidum) vocatur, iam
transitum fecisset, versus marinam partem protendens, per terram marchionis
Obizonis Malaspiue, ipso marchione eum ducente, iter arripuit. Die Markgrafen
Malaspina hatten in der Umgebung von Pontremoli bei Filatiera und sonst an
der Macra Besitzungen, ebenso im Thal des Vara, an der oberen Trebia und an der
Borbera, wohin Markgraf Opizo den Kaiser geleitet zu haben scheint. {Malmum,
Malnidum hat Sassi mit Villafi-anca, unter Pontremuli, identificirt; man sieht
nicht ob mit Recht ; .versus marinam partem", womit doch die ligurische Küsten-
landschaft gemeint ist; vgl. unten ad a. 1278. Der Biograph des Papstes Ale-
xander III. (bei Watterich II. 418) meldet: Ideoque a marchione Malaspina securo
impetrato ducatu, apud Pontemtremuli divertit a publica strata et exinde iter
suum per convallium concava et aspera montium dirigens, non sine multa rerum
suarum direptione tamquara profugus transivit iuxta Terdonam et tandem cum
paucis pervenit Papiam. — Die Ortskenntnis der Malaspina in diesen Gegenden
rühmen auch die Annal. Januens. ad a. 1278 (p. 286), in welchem Jahre die
Markgrafen mit Genua in Fehde lagen. Von burgum Clavari (Chiavari an der
Riviera) aus zum Rückzug genöthigt, »per viam inopinatam et quam nemo
cogitare poterat recedentes, in vallem Trcbiam devenerunt^ Die Fehde dauert fort
»in valle Trebia et valle Borberie\ Die Borbera mündet unweit von Serravalle in
die Scrivia. S. oben S. 541. Uebrigens nennen auch die Annal. Mediolanenses
(Script. XVIII p. 361) die Markgrafen Malaspina in diesen Gegenden : in Morasco et
in Sarzauo et in Garbagina et in ceteris locis Terdonensium et marchionum Mala-
spinae. — Ein Markgraf Obizo Malaspina entkam (1155) den Papiensernnach einem
in der Umgebung von Terdona verlorenen Treffen, quia privaciori itinere et
inusitato cum aliquibus descendit. (ibid. p. 362). Im J. 1157 zog Obizo Malaspina
mit den Papiensern aus; ib. p. 364. Vgl. Ann. Med. minor, (p. 394): Obizo
544 Julius Jung.
uud den Kaiser auf entlegenen Gebirgspfaden nach Terdona (d. i.
Dertona) durchbraclite, von wo er glücklich Pavia erreichte.
Der Kaiser beschuldigte später die Cremonenser, dass sie es ge-
wesen seien, die ihm den Weg über den Mons Bardonis verlegt hätten.
„Wir wurden gezwungen durch ein enges Loch hindurch zu schlüpfen
unter der grössten Gefahr für unsere eigene Person und ein so grosses
Heer, unsere Gemalin und unsere Söhne" schreibt der Kaiser später
(1185) in seiner Klagschrift gegen die Cremonenser i) ; während die
anderen Berichterstatter allerdings von wenigen Begleitern desselben
reden, denen es unmöglich war, gegen die Pontremulenser Gewalt zu
gebrauchen. Er habe gegen die Meeresküste zu ausweichen müssen
„per terram Obizonis Mal aspine ", wie übereinstimmend angegeben
wird ^). Wenn Terdona als der Ort angegeben wird, wo Friedrich aus
den Bergen herauskam, so wird man daran erinnern dürfen, dass die
Malaspina an der oberen Trebia und bei Dertona begütert und mit
allen Schlupfwinkeln des Gebirges wohl vertraut waren ^) ; sagte man
Malaspiaa et alii Septem inter comites et marchiones. Im J. 1213 kämpfen
»Marcenses Malaspina* (d. h. die Leute der Markgrafen) mit den Mailändern und
ihren Bundesgenossen gegen die Papienser. Ann. Mediol. breves (p. 388> Es
gab Malaspinas in allen Parteilageru, da sie zahlreich und in Folge von Erb-
theiluugen verarmt waren. Ein Obizo Malaspina that sich als Parteigänger der
Lombarden gegen den Kaiser hervor; ein anderer dieses Namens rettete 1167
den Kaiser. Leber ersteren et possessioues, quas habet in Tortona et episcopatu,
vgl. Ficker, Zur Gesch. des Lombardenbundes S. 338. Ueber die Fehde der
Malaspina mit den Placentinern im Tarothal vgl. Ann. Placeut. ad a. 1186 ff,
') Bei Böhmer-Ficker, Acta imp. sei. p. 755 f. Compulsi fuimus per terram
marchionis Malaspine per angustum serpere foramen cum maximo persone nostre
periculo et tanti exercitus, uxoris nostre et filiorum. — Zu vergleichen ist auch
die Darstellung Gottfrieds von Viterbo gest. Fred. v. 713 fi'. Er erwähnt, dass
.die Pontremulenser von den Lombarden veranlasst wurden dem Kaiser den Pass
zu verlegen, den »markise* Opizo Malaspina, die gute Aufnahme in Pavia. Gott-
fried war Theilnehmer an den Ereignissen. Er charakterisirt den Markgrafen :
»Quod maris aut terrae mons Apenninus habebat, Opizo quem memini proprio
sub iure tenebat, Et que turba fera venerat, eins erat"=. Markgraf Obizo bleibt
in Pavia beim Kaiser und macht seine Unternehmungen mit.
'■') Auch in den Annales Januenses (Fortsetzung des Obertus) ad a. 1167
(Mou. Germ. SS. XVIII p. 75): Venit tarnen usque ad Pontem Tremulum, ibique
Opizonem Malaspinam inveuit, qui imperatori usque Papiam ducatum amicabi-
liter prestavit. Markgraf Ox^izo war eine in Genua bekannte Persönlichkeit, da
er wiederholt in Geschäften des Reiches, welche die Interessen der Seestadt be-
rührten, z. B. auf Sardinien, von Friederich verwendet wurde.
•■*; Vgl. auch die Annal. Januens. ad a. 1198 (Mon. Germ. SS. XVIII p. 116).
Im J. 1154 hatten die Malaspina bei der Zerstörung Terdonas durch Friedrich
eingewirkt. Annal. Plac. Guelfi ad a. 1154. Ende April 1167 hatten die Lom-
barden die Wiederherrstellung von Terdona beschlossen und durcho;eführt ; ib.
Bobbio, Veleia, Bardi. 545
ihnen doch nach dass sie in diesen Gegenden vom Raube sich
nährten.
Die Placentiner Annalen melden, dass einzelne Schaareu durch
das Gelände von Placeutia (per montaua Placentie) ihren Rückzug
bewerkstelligten i) ; was mit den Angaben über den Weg, den der
Kaiser nahm, sich am Ende vereinigen Hesse -). Jedenfalls war der
Weg nicht nur nach Parma sondern auch nach Placentia verlegt;
man musste also westwärts ausbeugen.
Für einen solchen Fall ist in den fabulosen Placentiner Ge-
schichten des Johannes Codagnellus genau angegeben, was ein
Held zu thun hatte, zumal wenn der üebergang über den Po bei
Placentia gesperrt war; er musste eben über die Hügelgegend süd-
wärts dieser Stadt nach Pavia zu kommen suchen '^). Wenn auderer-
ad a. ; was aber Boso, der Biograph P. Alexanders doch auch wissen musste.
IJeber die Stellung von Tortona zum Kaiser 1175 vgl. Ficker, Zur Gesch. des
Lombardenbimdes S. 303 f., 327, wonach wir nicht genau wissen, wann es sich
auf die Seite des Kaisers stellte.
') Annal. Piacent. Guelfi ad a. 1 167 : pauci vero qui supervixerunt per mon-
tana Placentie privatim vix tum propter prenominatam pestem tum propter
Lombardorum timorem in Alemanniam perrexerunt. Nur der jüngere ghibelli-
nische Annalist von Placentia (Mon. Germ. SS. XVIII p. 462) lässt auch den
Kaiser diesen Weg ziehen: Imperator autem cum illis qui supervixerunt motis
castris per Tusciam et niontaneas Placentie cum marchione Malaspina Papiam
accessit. Er erzählt eine Anekdote, welche das magere Leben der Mahispina in
diesen Gegenden charakterisiren soll; ein Beweis, dass wir es hier nicht mit
alter annalistischer Ueberlieferung zu thun haben. Vgl. Holder-Egger im N. Ar-
chiv XVI, 281. Ueber die damalige Parteistellung der Parmenser und Placen-
tiner vgl. Aöo 2, 241. Ficker, Forsch. 11 S. 193. Der Kaiser beschuldigte die
Cremonenser speciell ihm die Parmenser abspänstig gemacht zu haben.
-) Näheres lässt sich nicht sagen; namentlich nicht, ob z. B. der Kaiser
über den Pass Cento Croci gegangen sei, wie 1268 die Truppen Conradins (was
Giesebrecht Kaiserzeit V, 554, vgl. VI, 470 und F. Ludwig, Marschgeschwindig-
keit S. 35 und S. 189 einnehmen möchten). Der Unterschied besteht darin, dass
1167 der Kaiser im Machtbereiche der Malaspina sich westwärts von der Riviera
aus bewegte, 1268 die Konradiner im Machtbereiche der ostwärts in den Bergen
sitzenden placentinischen Aussenpartei (wobei allerdings auch von Pontrenmli
bis Sarzana ein Malaspina interveuirte). Wenn aber Friedrich über den Pass von
Cento Croci gieng, wendete er sich aus dem oberen Tarothale westwärts in das
des Aveto, kam diesem fo'gend in das Thal der Trebia und aus der Gegend von
Bobbio nach Dertona. — Dem ghibellinischen Annalisten von Placentia konnte
die Analogie der Ereignisse von 1268 vorgeschwebt haben.
■'') Vgl. die Erzählung des Johannes Codagnellus über die Züge des fabel-
haften »Papirius* (bei Holder-Egger, im N. Archiv XVI, 499): veniens Papirius
per Tusciam intravit in Italiam, deinde intravit inEmiliam; cum etiam venisset
ad Placentie partes, ipsum transpadare non permiserunt. Qui cum non posset
546 Julius Jung.
seits von Pavia aus ein Angriff auf das in der Regel zur Gegenpartei
gehörige Placentia erfolgte, so begann derselbe mit der Verwüstung
des placentinisclien Gebietes am Fluss Tidoue und vorwärts (d. h.
östlich) desselben, wo die Grenze durch Castelle gedeckt war. Diesen
Verlauf nahmen die Fehden des J. 1243 und 1244, die König Enzio
von Pavia ans gegen die Placentiner uuternahm i).
Als im J. 1268 Kouradin von Pavia nach Pisa gelangen wollte,
führte er seine Truppen westwärts über Acqui nach Vado bei Savona,
wo er sich einschiffte ''). Da für die Truppen aber die Schiffe nicht
ausreichten, mussten sie nach Pavia zurück, von wo sie durch orts-
kundige Ghibellinen geführt, den Marsch durch die Berge unter-
nahmen, obwohl die regelmässige Verbindung durch die feindlichen
Städte Placentia und Parma unterbrochen war.
Konradins Truppen, so referirt darüber Ficker 3), überschritten
(Ende April 1268) den Apennin in einem denkwürdigen Gebirgs--
marsehe von Pavia auf Borgo Taro, eine Reihe von Bergrücken über-
steigend und die Läno-saxe der zahlreichen hier zur Poebene ziehenden
Thäler durchkreuzend, bis man sich schliesslich am oberen Taro auf-
wärts wandte und den Hauptkainm des Gebirges in der Richtung auf
Varese überstieg, um so das von Karl von Anjou besetzte Pontremuli
zu umgehen.
Das Itinerar ist folgendes: am ersten Tage kam man von Pavia
bis Buriono; dieses lag am rechten Ufer des Tidone^). Am zweiten
habere transitum per Placentiuam campaneam, transiens ad partes scilicet Ticini
pervenit et ibi cum gente sua transpadavit.
)) Annal. Piacent, ad a. 1243 (Mon. Parra. et. Plac. III, 166); ad a. 1244
(1. c. 169). Vgl. die VerwüstuBg des Gebietes am Tidone durch die Placentiner
a. 1252 (p. 203 f.).
2) Vgl. Hampe, Gesch. Konradins S. 234 f.
^) Vgl. Ficker, Konradins Marsch nach dem Palentinischen Felde. Mitth.
d. üsterr. Inst. II, 537. Derselbe in den Regesten n. 4850 h. Hiezu Hampe,
Gesch. Konradius S. 241 f. F. Ludwig, Reise- und Marschgeschwindigkeit im
12. und 13. Jahrhundert (Berlin 1897) S. 62.
■") Vgl. die von Ficker und den Folgenden nicht beachtete Anmerkung
Pallastrelli's zu seiner Ausgabe der Annal. Piacent, in den Mon. Parm. et Plac.
III, 169 (ad a. 1244): er citirt einen »atlante del territorio delineato nel 1625
per cura del predetto Alessandro Bolzoni. Ivi nell indice generale e richiamato
il luogo di Fargnano co' borione, il quäle ha positione sulla destra co-
stiera del torrente Tidone, in prossimitä di Missano, Tranquiano, Verdeto ecc.
Una carta del 1327 reca: in territorio Fragnani in Buriono (Nicolli
Etimolog, II, 47)«. Letzteres Citat bezieht sich auf Nicolli, della Etimologia dei
nomi di luogo degli stati ducali di Parma, Piacenza e Guastalla (Piacenza 1833).
— Vgl. 1. c. p. 245 Aum. 3.
Bobbio, Veleia, Bardi. 547
Tag kam man uach Tollara, d. i. Tollara cli Morfasso 1). Von hier
gieng es weiter nach Bardi im Thal des Ceno, wo wieder genächtiget
wurde ; dann nach Val de Taro, und über den Pass von Cento Croci 2).
Also üebergang aus dem Thal des Nure in das des Arda, dauu in das
des Ceno, von da in das des Taro; d. h. man ist die alte Strasse
gegangen, die vom Tidoue nach Veleia führte, in dessen nächster
Umgebung (südwärts) der Bergrücken des Tollara sii-h erhebt, über
den mau nach dem Thale des Morfasso gelangt s).
Derartige Abwege mussteu iu jener Zeit beständiger Bürgerkriege
und der Fehden benachbarter Städte oft genug aufgesucht werden;
so z. B. im J. 1271 als die guelfisch gesinnten Placentiner daran
dachten sich unter den Schutz des Königs von Sicilien zu begeben
und einerseits die Papienser, anderseits die ghibellinisch gesinnte
Aussen partei dem Vicar König Karls (der in Alessan-lria sich aufhielt)
den Weg versperrte ; da musste dieser einen weiten Umweg durch die
Lunigiana und über Parma machen, um nach Placentia zu gelangen ^).
3. Bardi und die Apennin Übergänge.
In der Erzählung vom Zuge der Konradiuischen Truppen wird
neben anderen die Position von Bardi genannt und zugleich hervor-
gehoben, von welcher "Wichtigkeit es war, dass der Inhaber des dor-
tigen Castells Graf Ubertino de Lando an der Führung des Zuges
') Vgl. über die villa de Tolleria die Annal. Piacent. ad. a. 1271 (p. 291).
-) Die Annal. Piacent. 1. c. p. 245: intraverunt in episcopatum Placentie
facientes primam albergariam in ßuriono (wobei sie ringsum Verwüstungen
anrichten; auch an den Häusern von Fargnanno, ubi multa victualia invene-
runt ex donoj. Sequenti die Tolleriam, multos domos in itinere comburentes
et homines et bestias capieutes. Deinde Bardi albergaveruut iu terra istius
comitis (sc. Ubertino de Lando). Postea per Val dctarium , non attingentes
Pontremulo, et Albertus Malaspina cum ipsis equitavit usque Sarzanam. —
Vgl. biezu die Annal. Januens. ad a. 1268 p. 262 : filius ducis Austrie — Papiam
rediens, cum ceteris militibus inde per montana atque Varixium (d. i. Varese)
ac Lurexanam (d. i. die Lunigiana) transiens.
^) Vgl. die Karte, die Desjardins seiner Abhandlung ,de tabulis alimen-
tariis"' beigegeben hat. Der Monte Tollara und Morfasso sind verzeichnet. (Auch
gegenwärtig noch geht der Verkehr von Borgonure auf Morfasso, welche Thal-
schaft Desjardins wohl bevölkert fand, und von da nach Bardi). — üeber das
Tullare der Veleiater Alimentartafel und über den Ort Tolle: a der neueren
Karten, s. oben S. 538 A. 1.
*) Annal. Plac. ad a. 1271 p. 292: iverunt per Nuxedanam [Lunexanam] et
postea per Parmexanara et die lune XXVU aprilis intraverunt in Placentiam.
Ueber Nudexana vgl. p. .302. (Ich citire nach der Parmenser Ausgabe, da diese
wegen der wertvollen topographischen Anmerkungen zu benützen war).
548 Julius J ti n g.
sich betheiligte. Diese Position von Bardi spielt in der Geschichte
des Placentinischeu (Jeländes in jener Zeit eine so bedeutende Kolle,
dass wir darauf näher eingehen müssen, umsomehr, als in den all-
gemeinen Darstellungen i) der damaligen Kämpfe davon wenig oder
gar nicht die Eede zu sein pflegt. Doch ist hiebei etwas weiter aus-
zuholen.
In dem langobardischen Italien giengen allerlei fabulose Erzäh-
luugen um, welche den Namen, die Gebräuche, die Sesshaftwerdung
des herrschenden Volkes, das mit den romanischen Bestandtheilen
sich nur langsam verschmolz, in angenehmer und leichtfasslicher Weise
erklären sollten; wobei die alten Sagen und die neueren Tendenzen
bunt ffenug in einander verwoben wurden.
In einer solchen fabulosen Erzählung, die etwa im 12. Jahr-
hundert entstand -), heisst es, dass die Königstochter Gambara, die mit
ihrem Gefolge Italien erobert haben sollte, von dem Gemal, den sie
hier fand, einen Sohn Namens Bardus bekam; dieser wieder hatte
lange Söhne und gründete bei Plaeentia ein Castell, das nach ihm
benannt wurde 3) — woraus der Name der Langobarden seinen Ursprung
gezogen habe.
Man wird bei diesem Castell eben an Bardi im oberen Thal des
Ceno zu denken haben ^).
') Vgl. z. B. Busson, Forts*, von Kopp's Gesell, der eidgenössisclisen Bünde.
Buch V: »Des Reiches Verhältnisse in Italien u. s. w.* Hampe, Gesch. Con-
radins erwähnt S. 88 A. 4 das reiche Detail der Placentiner Annalen für die
Geschichte von Piacenza und Cremona, j,das ich vielfach bei Seite lasse ^. Die
älteren Darsteller, z. B. Leo, konnten auf diese Dinge nicht eingehen, da ihnen
die erst 1856 edirten Placentiner Annalen noch nicht zu Gebote standen.
2) j,De adventu nomine et legibus Langobardorum". Scriptor. rer. Langob.
ed. Waitz p. 598. Ueber die ursprüngliche Sage (in der Bardus und Bardi
nicht genannt vyird) vgl. W. Brückner, Die Quellen der Origo gentis Langobar-
dorum. »Zeitschrift f. deutsches Altertum« 43 (1899) S. 47 ff. Die ursprüng-
liche Erzählung von der Gambara gibt die Origo gentis Langob. ed. Waitz 1. c.
p. 2. Vgl. Paul. diac. h. Langob. I, c. 3, 7 f. und die Historia Langob. codicis
Gothani 1. c. p. 7.
3) Maritum quoque (Gambara) accepit, quo regnante filium nomine Bardum
habuit, qui longos habens filios, castellum sui nominis prope Placentiara con-
didit, unde descendentes et alii omnes Longobardi appellantur, nomen patris et
Sliorura longitudinem uno nomine significantes Aehnlich die Histor. Langob.
Beneventana 1. c. p. 597. Vgl. E. Bernheim, Ueber die origo gentis Langobar-
dorum. Im N. Archiv XXI, 386 ff. Holder-Egger, a. a. 0. S. 508 f.
■•) Weder über Bard im Thal der Dora Baltea, das Liutprand Cremon. in
der Antapodos. I, 35 nennt (i,Hannibalis via, quam Bardum dicunt"), noch über
den seit saec. VIII so oft ervpähnten ^Mons Bardonis* liegen solche Ge-
schiclitcn vor.
Bobbio, Veleia, Bardi. 549
Aehnliche topographische Fabelgeschichten sind in den angeführten
Schriften mehrere gegeben; es heisst daselbst 1), dass die Gambara
auch ein Castell bei Brescia, das nach ihr benannt wurde, gegründet
habe. Es ist das Castell Gambara, das im 12. und 13. Jahrhundert
öfter erwähnt erscheint. Auch sind in dieser Zeit neusfesfründete
Castelle nach dem Namen des Erbauers thatsächlich so benannt worden,
wie es in Bezug auf Bardi und Gambara von der üeberlieferung an-
gedeutet wird 2).
Es ist nur ein Zufall, dass Bardi in den Placentiner Annalen
erst seit 1251 genannt wird 3), während jene üeberlieferung auf eine
frühere Zeit zurückgeht, auch insofern sie von Johannes Codagnellus,
dem bekannten Fabelfreund in Placeutia, neuredigirt wurde; denn
seine Wirksamkeit ist seit 1202 nachzuweisen und seine Annaleu-
führung endet mit 1235 *)• Abgesehen von Bardi spielt in dieser Zeit
noch die ßocha de Varsio (d. i. Varsi im vorderen Thal des Ceno) eine
Rolle ^). Auch tritt das Cenothal als solches hervor.
') L. c. p. 595 (cf. p. 596): castellum prope Brisiam, quod Gambara appel-
labatur, constitnit. — Ein Albertus de Gambara aus Brixia erscheint 1175 in
der Vita Alexandri papae (bei Watterieb 11 425) und urkundlich als Bevollmäch-
tigter des Lombardenbundes (vgl. Ficker, Zur Gesch. des Lombardenbundes
S. 302). Der Ort Gambara (zwischen Chiese und Oglio) wird auch 1268 in der
Reiseroute Konradins genannt. Vgl. F. Ludwig, Marschgeschwindigkeit S. 62.
2) Das Castell Manfred! im Gebiete von Cremona (»oppidum Manfred! * in
den Notae S. Gregorii Mediolanenses ad a. 1195 p. 387; ,castrum Manfredum*
in den Aunal. Cremonens. ad a. 1181 und 1186), das im J. 1186 von Kaiser
Friedrich I. belagert wurde (vgl. Schefler-Boichorst, Friedrichs letzter Streit mit
der Curie S. 90) hiess so nach seinem Erbauer, dem Manfredus Fantus ,de filiis
Manfredi Mutinensis«, der 1181 Podestä in Cremona war. — Zum J. 1220 melden
die Annal. Parmenses maior. (p. 667) : fiictum fuit castrum Mariani in episcopatu
Parme, et a prenomine potestatis nominatum. Dieser Podestä von Parma war
Niger Marianus de Cremona; das Castell lag (nach Jaffe 1. c.) nordwärts von
Pontremuli am Bache Mozzola.
3) Auch die Urkunde Friedrichs 1. von J. 1167 Juli 27 (St. 3960) ist nicht
in Bardi ausgestellt wie Stumpf annimmt, sondern »in piano Bardonesi", d. i.
wie Afio 2, 223 die Angabe der Urkunde (ebenda p. 275 n. LXX) erklärt, ,nel
piano di Bardonezza sul Piacentino*. Das Flüsschen Bardonezza bildete die
Grenze des Placentinischen Gebietes gegen das Papiensische. Vgl. Ann. Parmens.
maiores ad a. 1290 (Mai): iverunt (Piacentini) supra Bardeleziam (d. i. die Bar-
donezza) in confinibus Placentie et Papie. -- Ann. Piacent, ad a. 1215 (10. Kai.
Jun.): cum Mediolanensibus Bardoneziam fuerunt caslramentati. Ibid. ad a.
1243: (rex Hencius) sua castra apud hospitale Bardonezie fixit.
*) Vgl. Holder-Egger, Ueber die histor. Werke des Johannes Codagnellus.
N. Archiv d. Ges. XVI, 253 flP. Waitz in Script, rer. Langob. p. 591.
^) Vgl. Annal. Plac. ad a. 1207 (p. 30), wo die rocha de Varsio doch wohl
die auch zum J. 1270 [i\ 286) erwähnte im Thale des Ceno ist.
550 Julius Jung.
Im J. 1185 war Cremona, die ^Nebenbuhlerin von Placentia, wegen
der Wiederherstellung von Crema, mit dem Kaiser zerfallen ; Mailand
jetzt im Bunde mit dem Kaiser gegen Cremona. Dieses suchte einen
Kückhalt au dem befreundeten Parma, was wieder die Placentiner
benützten, um im Bunde mit den Mailändern in die Machtsphäre von
Parma au den Uebergängen über den Apennin einzugreifen und zu-
nächst dem Markgrafen Moruello Malaspina, der auf Seite der Par-
menser stand, im Thal des oberen Taro einige Burgen niederzubrennen i).
Dadurch wurde zugleich mit dem Gebiete von Pontremuli directe
Fühlung genommen; und um alles in der Welt wollten die Placen-
tiner aus dieser Position sich nicht mehr verdrängen lassen. Bis
1189 wurden die Kämpfe fortgesetzt, wobei die Parmenser sich des
Beistandes von Cremona, Mutina und ßeggio erfreuteu. Im J. 1189,
als die Parmenser das Gebiet von Poutremuli verheerten, zogen die
•"') Annal. Piacent, ad a. 1186: Placentiui cum mille militibus Mediolani
iverunt in valle Tario videlicet usque ad plebem Complani (Compiano). Com-
busserunt Carborariam (bei Borgo Taro) et Dezeladam (bei Compiano) et
Fastagium et alia loca Munielli (d. i. des Markgrafen Moruello Malaspina). Der
Gegensatz der Städte Genua, Dertona, Placentia gegen die Malaspina tritt in
dieser Zeit stark hervor (mit Ausnahme jenes Obizo Malaspina, der ein Anhänger
des Lombardenbundes war). Vgl. Ficker, Ital. Forschungen I § 139 Zur Ge-
schichte des Lombardenbundes (1869) S. 338. Bezüglich Genuas die Annal.
Januens. ad a. 1172. Ueberdies die Ann. Plac. ad a. 1186. 1187. Die Malaspina
hatten in den Berggegenden feste Positionen inne ; sie konnten dem Verkehr
nach Pontremuli ernste Hinternisse bereiten. In dem Privileg Kaiser Friedrich II.
vom J. 1226 für die von Pontremuli (Ficker, Forsch. IV n. 320) werden die
Grenzen angegeben: sicut dividuntur terre marchionum Malaspina a terris com-
munis Pontistremuli .... Ein C. marchio Malaspina ist als Zeuge unterschrieben.
— Unter Friedrich II. war die Haltung der Markgrafen Malaspina zuletzt eine
schwankende. Zum J. 1246 melden die Placentiner Annalen (p. 174): Conradus
et Opizo Malaspine marchiones imperatori rebellaverunt paciscentes cum Lom-
bardis; somas mercatoribus in camino abstulerunt. p. 175: Conradus Malaspina
reversus est ex parte imperatoris capiendo somas plurimas mercatorum. p. 179:
Fredericus Malaspina in Lunexana imperatori rebellavit ... et milites impera-
toris cepit. Vgl. die carmina de Victoria eversa, Script. XVIII p. 797. Im
Jahre 1247 erfolgen Massregeln des Kaisers dagegen. Unde aperta fuit via
euntibus et redeuntibus in Sarzanam. j)- 181« tui J. 1262 Fredericus Malaspina,
qui concorditer cum militibus domini marchionis lUbertus Palavicini, Herr von
Placentia und anderen Städten) castrum Pontremuli ossedebat, rebellavit. Darauf
verwüsten die Placentiner seine Ländereien ,> usque ad crucem*; später wird er
gefangen genommen. Im J. 1265 wird Pontremuli wieder an die Markgrafen
Malaspina gegeben. — Conrad Malaspina heirathete eine natürliche Tochter
K. Friedrichs ü., sein Sohn Albert begleitete 1268 die Truppen Conradins auf
ihrem Marsch vom Pass Cento Croei durch Va.rese. Vgl. Hampe, Gesch. Conra-
dins S. 214 f.
Bobbio, Veleia, Bardi. 55 ][
Placentiner aus und kamen nach Complanum (Compiano), von wo sie
gegen Pontremuli zogen 1) ; die Parmenser erlitten eine Niederlage.
Daraufhin kam unter Vermittlung des Lombardischen Städtebundes
eine Vereinbarung zu Stande, die den Placentinern günstig war. Sie
kauften den Markgrafen Malaspina ihre Eechte in Val de Taro ab -).
Zum J. 1199 wird berichtet, dass die alte Strasse durch das
Tarothal „geäudert" wurde 3).
Im J. 1215 betheiligten sich in den Kämpfen der Placentiner
mit den Cremonensern an der Seite der ersteren die „sagittarii vallis
Tarii", Auch die Leute des Val Ceno werden von dieser Zeit an
ausdrücklich genannt, als Unterthanen von Placeutia, dessen Apen-
ninenweg hier durchführte ^). Hingegen die Parmesaner sich darauf
beschränkten, den Weg an der östlichen Lehne des Tarothales über
Berceto und den Mons Bardonis nach Pontremuli für sich freizu-
halten ^).
>) Annal. Piacent, ad a. 1189: Pontremuli depopulando aggressi sunt Par-
menses. Hoc audito a Placentinis consul cum aliquibus militibus usque ad
Complanum perrexere. Poitea in partibus Pontremuli iter arripuere.
2) Vgl. AflFö 2 p. 253 Note a) und p. 287. Im J. 1189 verkauften die
Markgrafen Moruellus und sein Bruder Albertus den Placentinern ihre Rechte
auf Val Tai-o, was in demselben Jahr von einem dritten Bruder Obizo und
und 1197 von dem vorgenannten /\lbert und von seinem Nefte>i Conrad, Sohn
des Obizo, ratifieirt wird. Im J. 1229 werden die Placentiner von den Mark-
grafen Conrad und Obizo auf ihrem Zuge »super Pontremulenses « unterstützt.
Ann. Plac. ad a. In dem Privileg Friedrichs II. für die Pontremulenser von 1226
(Ficker IV n. 320) werden die Placentiner als Angrenzer erwähnt: j,sicut divi-
duntur terre Placentinorum a terris communis Pontistreniuli«.
3) Annal. Piacent, ad a. 1199: strata Ronca (Romea? cf. ad a. 1215) mu-
tata fuit per Val de Tariuni.
•») Als Obrigkeiten erscheinen 1189 Obertus et Danisius tunc temporis Val-
detarii existens potestas. 1251 vertreibt die Gegenpartei Ubortucium de Niqui-
tate et eins notarium potestatem vallis Ceni de Roche Bardi. Ueber die rustici
von Val Tidone vgl. die Ann. Plac. ad a. 1266 (p. 230 f.); a. 1269 (p. 250).
Im J. 1249 gehen CC milites Piacentini cum hominibus Vallistarii et Ceni gegen
Pontremuli vor (p. 188).
•') Vgl. die Ann. Parmenses maior. ad a. 1230 und 1231. Parmenses ivenmt
Pontremulum contra Malaspinos. Fuit recuperata Rocha valis Sazuline (Rocca
Sigillina, östlich von Pontremuli, wie Jaffe anmerkt). Die Geschichte dieses
Hauptweges über den Apennin gibt F. Ludwig in seinen Untersuch, über die
Reise- und Marschgeschwindigkeit im 12. und 13. Jahrhundert. Das Kloster
von Berceto war ursprünglich auf der Höhe des üeberganges (»in cacumine
montis cui nomeu est Bardo«, sagt die vita S. Moderamni bei Mabillon, Acta
Sanct. 1, 157) gegründet, später aber an eine günstigere Stelle verlegt worden.
Vgl. Affö 1, 161 it.
^52 Julius Jung.
Als seit 1220 wieder eine placentinische Aussenpartei hervortrat,
brachte sie vor aHem die Castelle, die die näheren Zugänge zur Stadt
beherrschten, in ihre Hand, so Kivergaro an der Trebia, und andere
in dieser Gegend sowie westwärts bis zum Tidone i), ebenso Castel Ar-
quato, auch Fiorenzuola -) ; daneben wird das zwischen beiden liegende
S. Lorenzo genannt ^). Ferner Petranscremona (am Aveto, einem
Kebenfluss der Trebia, der am gleichfalls befestigten Monte Barba-
gelata entspringt^). Dann die Passübergänge ins Thal des Ceno und
und in das Thal des Taro,
^n dem Knotenpunkte des von Placentia über Val Ceno nach
Compiano führenden Weges, erstand neben dem wohlbefestigten Castell
eine stadtähuliche Ansiedlung, des Namens Bardum oder Bardi ").
Von Bardi und Borgotaro aus beherrschte man den Verkehr über den
Apennin, der durch eine Reihe von Burgen in Obacht gehalten ward;
was der „lunenpartei" lästig werden musste, da Handel und Verkehr
der Stadt dadurch unterbunden wurde ^). Also wurde auf die von
der „Aussenpartei" besetzten Castelle, namentlich Borgotaro ^) und
') Annal. Plac. ad. a. 1220. Es werden genannt Rivalgarium (d. i. River-
garo), Pigazzauo, villa Daliarie (d. i. Pieve Dugliare), Potentianuni (Podenzano,
zwischen Nure und Trebia), Capinaldo (d. i. Campremoldo am Tidone). River-
garo ist zunäclist noch in den Händen der Popularpartei, diese zieht aber aus-
wärts überall den Kürzeren.
'') Ann. Plac. ad a. 1222.
3) Ann. Parmens. maiores ad a. 1230: Parmenses iverunt in servitium po-
puli Piacentini ad guas-tandum Sanctum Laurentium et Castrum Archuatum,
qne loca tenebant cum militibus Placentinis de discordia et guerra, quam simul
habebant.
^) Ann. Plac. ad a. 1257. Vgl. oben S. 528 A. 2.
6) Ann. Plac. ad a 1269 (p. 255): tarn burgum quam castrum sive Rocham.
— In der Regel ist Bardi gesagt ; die Analogie von castrum Manfredi oder Man-
IVedum lässt auch Bardum zu. Vgl. den Index zu Mon. Germ. Script. XVIII. —
Das untere Thal des Ceno (mit Monte Salso bei Varano Melegari) gehörte zu
Parma. Vgl. Ann. Parmens. maior. ad a. 1297 (p. 722).
'') Im J. 1271, als der König von Frankreich aus dem Kreuzzuge (Tunis-
Carthago) durch die Aemilia zurückkehrte und bis Parma gekommen war: noluit
venire Placeneiam propter caminum strate quem comes Ubertinus de Lando et
pars extrinseca Placentie gueriant et ofFendunt, et propter timorem communis
Pcipie. Et sie transivit Padum et ivit Cremonam Die Placentiui intrinseci
werden immer mehr in die Enge getrieben ; videntes uon posse resistere violencie
comitis Ubertini de Lando et partis extrinsece de Placentia, statuerunt se datu-
ros in forcia domini regis Karoli.
■) Vgl. die Annal. Piacent, ad a. 1255 (p. 206). Das Volk von Placentia
beschliesst neben mehreren Burgen auch muros vallis Tari zu zerstören. 1258
(p. 212): filii condam Lnxiardi de Perpini [Pietvapiana bei Compiano?] et alii
Bobbio, Veleia, Bardi. 553
Bardi ^), mehr als eiu Kriegszug uuternonimeu ; mit \yechseludem
Erfolg, wobei nicht selten die Zu- oder Abneigung der Bergbewohner
schwer ins Gewicht fiel.
Es ist bemerkenswert, dass diese sich lieber an die ansässigen
edlen Geschlechter hielten, als an die städtischen Behörden. Die
Feudalherren erscheinen mit einem Gefolge von Landbewohnern 2) ;
auch die Burgen sind zum Theil mit „rustici" besetzt ^). Noch in
späterer Zeit bedient sich die jeweilige Aussenpartei der „rustici" *).
Als im J. 1265 die Stadt durch die Schwäche ihres .Signore"
des alten Ghibellinenführers Hubert Pelavicini der kirchlichen Partei
iiobiles intraverunt burgum Valletarii quod custodiebatur per Placentae ex-
Iriiisecos. Vom ßurgum vallis Tarii aus wird die Fehde geführt, dahin bringt
man auch die Gefangenen ein. Im J. 1260 wird bei Borgotaro gekämpft (p. 218).
Im J. 1270 werden die Luxiardi von Albertus de Fisco und anderen Grafen von
Lavagna bekämpft, die über Compiano vordringen, dann aber beim Burgum
vallis Tarii, wohin sie »pro habende mercatum* kommen, in einen Hinterhalt
gerathen. Auf beiden Seiten kämpfen Placentiner. Das Aufgebot der Innen-
partei sammelte sich bei Castel Arquato (p. 278); cf. p. 284.
') Annal. Plac. ad a. 1251 : milites Piacentini pro maioii parte extra civi-
tatcni exeuntes rebelaverunt civitati faciede [faciendo] comites de Bardi rebelies
civitati, expelendo Ubertucium de Nicjuitate et eins uotarium potestatem vallis
Ceni de Koche Bardi; contra c(UOs übertus de Niciuitate postestas communis
u)isit CG pedites et C milites. Sed antequam pedites omnes accederent, rustici
Valium Tari et Ceni servitio comitum et ij)si comites cum eis cum quibusdam
militibus Placentinis adsultum in pedites fecerunt et spoliatos et derobatos ipsos
venire permiserunt. militibus vero nullum dampnum inferentes. — Im J. 1255
wurde neben anderen Burgen auch die von Bardi zerstört (p. 206). Vgl. ferner
ad a. 1267 (p. 237); a 1268 (p. 243).
•-) Im J. 1258 tritt Johannes de Luxardo auf cum CCC servieutibus Valle-
tarii (p 212). Im J. 1269 operiren die forestati de Placentia cum servientibus
de valle Ceni et Tarii gegen die intrinseci (p. 252). Später in demselben Jahr
(p. 270) extrinseci de Placentia qui sunt ad Gravagum et in illis partibus cum
servientibus Vallistarii et Ceni equitaverunt ad castrum Carpeuasii .... extrin-
seci de Placentia qui morautur ad Zavatarellum cum servientibus illius loci
equitaverunt ad castrum Montis Ventari, — a. 1270 (p. 284): illi de Gravago
cum Luxiardis et illis de Valle Ceni et Tarii. a. 1273 (p. 303): bom servientes
de valle Ceni. Die homines vallis Tidoni erscheinen in ähnlicher Organisation
(p. 250). Ebenso wird es im Gebiete von Parma gehalten; vgl. die Ann. Parm.
mai. ad a. 1303: per commune Parma homines episcopatus a Taro ultra ivernnt
tunc ad custodia m civatatis Placentie.
■'') Im J. 1269 bei Belagerung des dem Ubertinus de Laudo gehörigen
castrum de Seno werden von den Ann. Plac. die rustici erwähnt: timor enim
prevenit rusticos qui ibi erant et ita timore perterriti reddiderunt castrum.
*) Vgl. die Ann. Parmens. maior. ad a. 1297 (p. 722): der Versuch. Parma
einzunehmen, durch Manfredotus, einen »Ghibelinus ab antiquo«, scheitert; certi
rustici, qui iam venerant, fuerunt capti et apensi per gulam.
Mittlioiliin{jen XX. 36
554
Julius J u n g-.
in die Häude gespielt wurde, blieb die placentinisclie Gebirgslandschaft
in der Gewalt der ghibellinischeu Aussenpartei, an deren Spitze der
Graf übertinus de Lando ^) im J. 1267 sich auf der Rocha von Bardi
festsetzte, von wo ans er eine grosse Anzahl von anderen Burgen,
zugleich den Weg zu den Apeuninpässen beherrschte 2) ; so vermochte
er 1268 den Konradinern über die Berge zu helfen.
Nach der Katastrophe Konradins giengen die Placentiner ener-
gisch gegen übertinus vor, indem sie eine seiner Burgen nach der
anderen brachen. Zuletzt kam auch die Rocha de Bardi daran; hier
setzte es den härtesten Kampf ab. Die Rocha wurde genommen,
wieder verloren, neuerdings genommen '*) ; ein Ereignis, das auch in
den Nachbarstädten Aufsehen erregte und demgemäss sowohl von
Salimhene als in den Aunalen von Genua zum J. 1269 verzeichnet
wird -*).
Ohne dass die Aussenpartei sich damit verloren gegeben hätte;
vielmehr setzte sie den Kampf von den anderen Castellen aus und
gestützt auf die Sympathien der Thalbewohner fort. Zum Jahre 1270
vermelden die Placentiner Aunalen, dass die Streitkräfte der Innen-
partei bei Bardi sich sammelten, um auf die Aussenpartei neuerdings
loszugehen '") und sie durch Abschneidung der LeVjensmittel oder offene
1) Die Familie erscheint unter dem Namen Lando, Landito, Andito. Uber-
tino de Lando war ein >.efie des Markgraten Hubert Pelavicini und im J. 1258
als Parteigänger König Manfreds zuerst hervorgetreten. Mit Manfred war er
auch verwandt. Vgl. Hampe, Gesch. Conradins S. 88. 158, 161, 215.
2) Ann. Plac. ad a. 1268 (p. 243): übertinus de Lando et pars sua tenebat
Rocham Bardi, Gazium, Complauum et Montem Arsizium, Monteregium, Petram-
cravunam, Senum, Zavatarellum, Gravagum, rebellantes civitati Placentie. Ad a.
1271 (p. 291): quasi omnes de Montauea obediunt domino comiti et parti ex-
trinsece de Placentia.
3) Ausführliche Darstellnug dieser Vorgänge in den Annales Placeut. ad a.
1269 p. 251 t. 255. p. 264 i. 267. 2{i9.
•«) Salimbene ad a. 126!;- (i- i51 ed. Parm.^i : in mense novembvis rocha de
Bardi venit ad mandata commimis Placentie. — Annal. Januens. (p. 266): Pia-
centini — \enerunt ad ob^idiouera röche Bardi, quam Obertinus de Lando mu-
uitam tenebat et ipsam per multos labores et longa obsidioue habuerunt. quo-
niam affidatis hoiuinibus qui erant in ipsa, ipsam rocham in potestate Placen-
tinorum tradiderunt. — Genua schloss bald danach, am 31. März 1270, mit
Piacenza ein Bündnis, das auf den beiderseitigen Handelsinteressen beruhte. Vgl,
Caro. Genua und die Mächte am Mittelmeer II Beil. 2 n. 16.
^) Ann. Plac. ad a. 1270 (p. 281): Piacentini intrinseci — exercitum con-
gregaverunt ad Rocham de Bardi causa eundi super Placentinos extrinsecos.
iSpäter (p. 286): plaeentini intrinseci — equitaverunt in vallem Ceni et circa
Rocham Varsii (d. i. Varsi. im Thal des Ceno, auswärts von Bardi) . . . ne illi
de Rocha Varsii et de Gravago (auf dem Weg von Bardi ins Thal des Taro) —
Bobbio, Veleia, Bardi. 555
Gewalt zur Ergebung zu nüthigen; während zugleich um die Burgen
an der Tidonelinie hartnäckig gekämpft wurde i).
Wir wissen, dass Graf Übertino de Lando aushielt und im J. 1271
an der Botschaft sich betheiligte, die dem König Alfons von Castilien
Namens der lombardischen Ghibelliueu wie ihrem Kaiser die Huldigung
darbringen sollte '^) ; hingegen die Stadt den König Karl von Sicilien
als ihren Herrn erkannte.
Obwohl ein Theil der Ghibellinen damals mit der Stadt Plaeentia
Frieden schloss und ihre Burgen übergab ^), so gelang dem Grafen
doch mit seinen Parteigängern im Dezember 1271 ein Ueberfall auf
die französisch-placentiuische Besatzung von Bardi ^). Ueberhaupt
dauerte der Parteigängerkrieg, indem sich auch die Flüchtlinge aus
anderen Städten wie Parma und Borgo S. Donniuo daran betheiligten,
unter Verübuug von allen möglichen Gräuelthaten fort ^).
Im J. 1272 lehnte der Graf die Vermittlung des päpstliclien
Legaten ab. trotzdem seine Söhne schon seit Jahren in der Gefangen-
Schaft Karl's von Anjou schmachteten; allerdings hätte Übertino sich
und seine Burgen in die Gewalt des Königs von Sicilien und des
Papstes übergeben sollen, üebrigens war auch die streng guelfisch
gesinnte Partei der Versöhnung abgeneigt. Gegen seine Excommuni-
cation durch den Legaten appellirte Übertino an den Papst, Gregor X.,
der selbst ein Placentiner die Ordnuno^ dieser Angelegenheiten mit
huberent necessaria. Ferner (p. 288): illi de parte extrinseca de Plaeentia qui
sunt ad partes Gravagi intraverunt in castrum de Septem Sororibus (d. i. Sette
Sorelle. am Uebergang von Bardi in das Thal des Lordabaches, der in den Nure
mündet, Plaeentia zu). Im folgenden Jahr (1271) : insultum fecerunt in villam
de Tolleria (d. i. Tollara di Morfasso) et comburentes totam villam et illam
contractam.
') Vgl. ibid. p. 285. 299. Im November 1271 gewann Übertino hier auch
castrum Montarzoli ; de quo multum doleut Piacentini.
-) Vgl. Bussen a. a. 0. S. 138 f. Briefe des König Alfons an den Grafen
L'bertino de Lando, Annal. Plac. ad a. 1271 (p. 288 und 290). Weitere Ver-
handlungen ib. p. 295.
3) Darunter auch Septem Soroves und Gravago (p. 293 f.). Letzteres kam
aber noch in demselben Jahre 1271 an die Ghibellinen zurück, speciell an die
Luxiardi, die dem Grafen Ubertino treu blieben (p. 297).
•*) Annal. Piacent, ad a. 1271 (p. 300) : die lune VII mensis decembris
Luxiardi et illi de Gravago et de valle Tarii et Ceni de parte extrinseca Pla-
centie habito tractatu obviandi et inveniendi Provinciales et Picardos et Placen-
tinos qui stabant in Rocha de Bardi, collecta omni eorum gente, ipsos in con-
tractis Scalugie iuvenerunt et insultum facientes in eos ipsos fregerunt etc.
magnam victoriam adepti sunt.
6) Vgl. Ann. Plac. 1. c.
36*
556
Julius Jung.
besonderem Eifer betrieb, um den Rain seiner Vaterstadt hintanzu-
balten i). Unterstützte doch Ubertino die Papieiiser, von Zavatarello,
seiner Hauptburg am oberen Tidone aus 2); er blieb mit den Papieu-
sern bis /Ailetzt im besten Einvernehmen. Er nanute sich „capitaneus
generalis partis extriuseee de Placentia" ^).
Es folgten neue Vermittlungsversuche durcli Papst Gregor X.,
abwechselnd mit Strafsenteuzen. Inzwischen gelangte im Jänner 1274
ein Waffenstillstand zwischen Ubertino und der Stadt zur Annahme^);
worauf die Unterhandlungen mit einer friedliebeuden Partei der „in-
trinseci" fortgesetzt wurden (1275) ''^). Endlich kam trotz aller Zöge-
rungen im J. 1276 unter Vermittlung der Boten des römischen
') Ann. Plac. ad a. 1272 p. 301 f. Vgl. ßusson a. a. 0. S. 146. 153 f.
Kaltcnbrunner, Aktenstücke zur Gesch. des deutschen Reiches unter Rudolf I.
p. 14. Papst Gregor X. will vermitteln, ut periculoso statui civitatis Placentine,
de cuius suhversione verisimiliter timetur, abgeholfen werde. Vgl. p. 23 : unius
militis vestriqne concivis cedendo conatibus. Der Papst wendet sich (ebenda
p. 20 contra c[uoslibet pacis earundeni partium turbatores et specialiter contra
Übertinum de Lando. Als der Papst spä.ter nach Placentia kam, wünschte er
eine Zusammenkunft mit Ubertino, welche aber von der (legenpartei vereitelt
wurde.
-) Ann. Plac. ad a. 1272 (p. 302 1. Im J. 1275 unterstützte Ubertino ebenso
die Papienser (p. 310). Ubertino hatte 1271 auch mit dem Geschlecht der Balbi,
die vom genuesisch-placentinischen Grenzgebiet westwärts sassen (Ann. Plac.
ad a. 1256 p. 207; bis zum Col di Tenda, vgl. Caro, Genua I, 382) einen Bund
geschlossen, Annal. Plac. p. 290 f. 299. Ansaldus Baibus de Castro war 1272
Vicar der Genueser in der östlichen Riviera. Caro, I, 331 ff.
■'S) Ann. Plac. p. 299 (a. 1271). Vgl. über diesen Titel Ficker, It. For-
schungen II S. 499 ff. Hubert Pelavicini war früher GeneralcapitiJn oder Vicar
erst vom Lambro abwärts, 1253 für ganz Lombardien; K. Konrad verlieh ihm,
»damit er die Zugänge von Lombardien nach Apulien besser schützen kaun",
den Landstrich von der »Via Claudia"' bis '.um Po und vom Taro bis zum
Bache Chiavenna; also fast das gesammte Piacenza, Parma und Cremona aus-
einanderhaltende Gebiet, indem er dasselbe ausdrücklich den Städten entzog.
Affö 3, 400. Ficker a. a. 0. 505; vgl. IV n. 423. Später beruhte die Macht des
Hubertus Pelavicini darauf dass er sich in Cremona, Piacenza u. a. 0. die Würde
eines »Herrn und Podestä'^ ständig übertragen Hess.
*) Annal. Piacent. ad. a. 1274 (p. 307): die jovis XI mensis Januarii facta
est pax sive treuga inter commune Placentie ex una parte et comitem Über-
tinum et suos ex alia, cum certis pactis et couventioniLius: diese worden genannt.
Es handelte sich um die Rückgabe der Söhne Ubertiuo's. Vgl. Bussen a. a. 0.
S. 1 54 ; speciell über die damit parallel gehenden Aktionen des Papstes Kalten-
brunner a. a. 0. p. 89.
•') Ann. Plac. ad a. 1275, März (p. 309): comes Ubertinus de Lando habet
tractatum cum aliquibus de Placentia intrandi in civitate. Die Sache wird vor-
erst noch vereitelt.
Bobbio, Veleia, Bardi. 557
König Eudolf (von Habsburg) der definitive Friede zu Stande, in
Folge dessen die Ghibellinen in die Stadt zurückkehrten i). Wechsel-
heiraten unter den massgebenden Familien Hessen seit dieser Zeit die
bisherigen Gegensätze mehr und mehr zurücktreten.
Im J. 1280 heiratete Galvagnus, der Sohn des Grafen Ubertino
de Lando, der nach mehr als vierzehnjähriger Gefangenschaft endlich
in die Heimat zurückkehrte, eine Tocliter des verev^igten Rayualdus
Scotus-), der zu den Führern der Gegenpartei gehört hatte; was von
bester Wirkung war. Als im J. 1282 einige von seiner Partei gegen
die Commune rebeliirten und nach alter Weise hinauszogen, um von
Petranscremona (am Aveto, dem Zufluss der Trebia) aus die Fehde zu
führen, vermittelte der alte Übertino den Frieden ^). Aber im folgenden
Jahre (1283) entstand zwischen ihm selbst und der Commune eine
Zwistigkeit; man schlug sich neuerdings bei den Burgen herum; das
.castrum Complaninum" und andere Positionen im Val Taro wurden
von den Städtern belagert und eingenommen^). Auch um Zavatarello
wird gekämpft, wie überall zum Vortheil der Städter; im J. 1290
unterhandelte Albertus Scotus Namens der Commune wegen des An-
kaufs von Zavatarello •''), der auch zu Stande kam ^). Der genannte
Albertus Scotus gelangte seit 1290 in Placentia zu einer dauernden
Herrschaft; nicht ohne dass dagegen sich eine Opposition geltend
*) Ann. Plac. ad a. (p. 311): Die mavtis XXI luensis januarii dominus comes
Ubertinus de Laudo pro se et parte extrinseca de Placentia comproniisit se in
dominos canzelerium et comitem Henriciim de Fustibercho (d. i. Fürstenberg) et
primicerium mediolani tanquam in arbitros et placentini intrinseci similiter, et
die sabbati XIII mensis marcii predictus comes Ubertinus cum aliis de parte
sua intravit in civitatem Placentie iibi receptus tüit honorifice. Die Annal.
Parmens. maior. ad a. 1276 thuu der Sache gleicbfalls Erwähnung : eodem anno
mense marcii pax iiiter Placentinos intrinsecos et extrinsecos facta est. Vgl.
Redlich, Regesten K. Rudolfs n. 575. Busson a. a. 0. S. 15.
2) Ann. Plac. ad a. 1280 (p. 331). Die Scoti waren angesehene Bürger
und mercatores, zugleich die Bankiers des Papstes Gregor X. Vgl. Kaltenbrunner
a. a. 0. p. 109. Placentia selbst stand damals an der Spitze der handeltreibenden
Oommunen Lombardiens. Vgl. A. Scbaube, Ein italienischer Coursbericht von der
Messe von Troyes aus dem 13, Jahrhundert. Zeitschrift f. Social- und Wirth-
schaftsgesch. V. (1897). S. 248 fi.
3) Annal, Piacent, ad a. 1282 (p. 335), Vgl. auch die Ann. Parmens. mai.
ad a. 1282.
*] Ann. Plac. ad a. 1283 (p. 339).
*) Chron. Placentinum Guerini 1. c, p. 352.
") Chron, Agazzari ad a. (Mon, Parm. III. 2 p. 32), Der Tod des Grafen
Ubertino de Lando wird zum J. 1298 gemeldet.
558 Julius Jung.
gemacht hätte. Au der Spitze derselben stand der Visconte Pelaviriui.
der im J. 1304 von einigen Burgen aus Fehde erhob.
Er setzte sich nach Bardi und nach Castell de Pellegriuo, das
am oberen Stirone gelegen den üebergang nach dem unteren Thal des
Ceno (nach Varano Melegari) beherrscht; ohne dass ihm die Städter
hier beigekommen wären i).
Als Albertus Scotus durch diese Opposition aus Placentia verdrängt
wurde, hielten sich einige seiner Söhne in Zavatarello ^). Im J. 1306
trieb zu Borgo Taro die , kirchliche" Partei die gegnerische „kaiser-
liche- aus, was den Placentinern Anlass zum Einschreiten gab ^)
Hincpegen wurde das Jahr darauf in Castel Arquato die Communal-
partei gestürzt und Albertus Scotus aufgenommen, der dann auch in
Placentia die Herrschaft wieder an sich brachte; während seine Gegner
in Stadt und Gebiet von Bobbio (wo sie die Burgen von Petranscre-
mona und Zavatarello besetzten), ferner von Bardi und Castell Pelle-
griuo aus Widerstand leisteten*). Als die Placentiuer darauf hin einen
Auszug machten, um vor allem Bardi in ihre Hand zu bekommen,
erwies sich dies für vergeblich, da die inneren Bewegungen den f ort-
ofano- der Unternehmung hinderten •'). Bemerkenswert ist, dass neben
') Annfil. Parra. mai. ad a. 1304 (Mon. Genn. Script. XVIU p. 731) : Tes-
conte Pellavicinus revellavit se et Castrum Pellegrini et rocham de B^rdi et
turrem de Belvidere contra Albertuin Scotum et civitatem Placencie. Die Pla-
centiner ziehen aus, vermögen aber Castell di Pellegrino nicht einzunehmen:
turris de Lelvedeie -wnd zerstört. Von Bardi ist zu diesem Jahre nicht weiter
die Rede. (In Monte.=axo d. i. Monte Salso bei Varano Melegari hatten iui
J. 1297 die Verbannten von Parma sich festgesetzt. Ann. Parm. mai. ad a.
p. 722).
2) Ann^l. Parmens. mai. ad a. 1305.
■'') Ann. Parm. mai. ad a. 1306: pars ecclesie de Burgo-Valis-Taronis expulit
partem imperii.
■*) Ann. Parm. mai. ad a. 1307: in terra Bobii et ad propiia per terras «-t
vias de Pelegrino. Chronic. Plac. Guerini ad a. 1308 (p. 358): in civitate Bobii.
et tenebant Petrascreraonam et Zavatarellum. Die Chronik des Agazzari nennt
auch verschiedene Mitglieder der Familie de Lando als Theilnehmer. Mon.
Parmens. III. 2 p. 3 f. In den folgenden Jahren werden neben den Castelleu
am Tidone castrum Arquatum und Florentiola als Hauptsitze der Aussenpartei
genannt. Im J. 1315 wird Caverzago an der Trebia öfter erwähnt; Markgraf
Conrad Malaspina ist Herr von Bobbio und wird ,capitaneus totius montanee in
valle Trebie et valle Nurie«. (Chron. Guerini p. 394). Auch Tolleria wird
nochmals genannt, im J. 1316 (Chron. Agazzari p. 38).
^) Ann. Parm. mai. ad a. 1307 (Juni): Placentini iverunt in exercitum contra
terram de Bardi sui districtus; wozu die verbündeten Parmenser Zuzug leisten.
Zum Juli (p. 740) heisst es dann: predictus exercitus, quem Placentini fecerunt
Bobbio, Veleia, Bardi. 559
eleu Ghibellineu schlechtweg speciell uocb die „Bergghibelliuen" 1) bei
dieser Gelegenheit erwähnt werden. Ein anderer Zeitgeuosse hebt
hervor, dass der Auszug der einen Partei nicht immer zugleich für
die öffentliche Sicherheit des g-anzen Gebietes eine Gefahr in sich
barg =^) ; früher war es allerdings die Eegel gewesen und noch jetzt
kamen arge Dinge vor ^) ; namentlich auch um Bardi, Eäubereien und
unmotivirte Totschläge ^). Als die Grafen zur Unterwerfung gezwungen
waren, kam in den Besitz des Ortes und der Rocha ein Placentiner,
der von hier aus als Podesta zugleich im Val Taro das Regiment
führte, aber nach einiiren Jahren wieder von den Grafen aus dem
burgum hinausgeworfen und zur Fh;cht in die liocha genöthigt wurde;
was zu weiteren Kämpfen den Aulass gab ^). Auch in Val Taro
musste die Herrschaft der Placentiner wiedei'holt mit Waffengewalt
behauptet werden ^).
ad terram de Bardi sine habendo locnrn, propter novitates exortas in eivitate
Placentie, non bono modo redierunt Placentiam.
1) Chronic. Plac. Guerini p. SSG: ^gibellini et montani gibelliui«; gleich-
bedeutend p. 358 (wiederholt): pars gibellina et bardella (letzteres von Bardi?
Eä ist ein Uebername ; vgl. Pallastrelli's Anm.). Cf. Chronic. Agazzari p. 42
fad a. 1335): cum Placentinis extrinsecis sc. Ghibellinis de Lando et Bardellis
de Fontana.
-) Ann. Pariu. mal. ad a. 1303 (p. 729), als die Herrschaft des Ghibertus
de Corigia in Pamia zu einem solchen Auszug der Gegenpartei den Anlass
gab : exiverunt civitatem et iverunt com suis omnibus familiis ad loca et vilas
eorum; nulla tarnen robaria vel aliquis alius rumor fuit in eivitate seu districtu
Parme tunc.
3) Vgl. Chronic. Guerini ad a. 1312 (p. 368): quidam Antolinus Bacendonis
cum plui'ibus satellitibus et sicariis (am Tidone und den nächstliegenden Ge-
genden), incendia houiicidia et alia perpetrando. — Nonnulli juvenes de Andito
locum Scravellani sive Fabiani (beide an der Trebia) occupaverunt, et inde ma-
ximam molestiam in planitiem Placentie intulerunt (p. 369).
■*) Chrpn. Guerini ad a. 1317 (p. 405): Facinus comes de Bardi qui tenebat
rocham Bardi, qui interfecerat übertum de Casanova et filios, et octo de ejus
domo absque causa occidere fecerat, venit ad precepta domini Galeacii (dieser
Galeazzo Visconti aus Mailand hatte nach der neuerlichen Verdrängung des
Albertus Scotus die Herrschaft über Placentia inne). Vgl. Chronic. Agazzari p. 38.
5) Chron. Guerini ad a. 1322 p. 416. Die Brüder des Grafen Facinus, unter
denen ein Manfredus rle Lando namhaft gemacht wird, unternehmen den Ueber-
fall. Die Grafen behaupten sich, weil sie deutsche Reiter bei sich hatten. Vgl.
Chronic. Agazzari ad a. 1321 p. 39.
") ibid. p. 408 ad a. 1319: (Dominus Galeacius) destinavit exercitum in
vallem Ceni pro vastando et guerram facieudo ad vallem 'Jari quem fecit ob-
sideri a soldatis suis et maximo delectu villarum episcopatus per sex hebdomadas.
5(30 Julius J u n g.
Wir brechen hier ab, da auch in der Geschichte der italienischen
Communeii damit ein x\l)schnitt erreicht ist.
Die Position von Bardi hat ihre strateo-ische ßedeutuno- für die
placentinischen Äpenninenwege bis in unser Jahrhundert herein be-
■vvahrt ^). Aber eine politische Rolle hat es nicht wieder gespielt.
Wären die Kaiser und der Landadel in Italien Herren der Situation
geblieben, so wäre es ja anders gekommen. So aber siegte die städti-
sche Organisation und sagen wir es gleich der romanische Staats-
gedanke ü'iier den germanischeu, der überall das Schwergewicht mehr
auf das Land verlegt hatte -). Sollten jene volksthümlicheu Fabeleien
über den Bardus vielleicht diesem ^iedanken eine zeitgemässe Ein-
kleiduno^ gegeben haben? Es muss dahin gestellt bleiben. Derselbe
Process, den wir hier für das Gebiet von Placentia näher verfolgt
haben, Hesse sich auch für andere Gegenden, z. B. das Gebiet von
Parma, von Cremoua, von Brescia, von Lodi, vi.n Mantua, von Pavia,
von Mailand n s. w. nachweisen -^K Denn überall kämpfte damals eine
Es machte sieb hauptsächlich bei den Steueraufleguugen, die damals durch das
ganze Placentiuische Gebiet hin organisirt wurden, Unzufriedenheit geltend.
') Noch im Kriege von 1848 und 1849 kam d-.is hier gelegene Fort mili-
tärisch in Betracht. Vgl. den ofticiellen Bericht über die j,Kriegsbegeljenheiten
hei der kaiserl. österr. Armee in Mittelitalieu und der Komagiia im J. 1849"
(Wien 1850) S. 5.
'-') Vgl. P. ü. Fischer, Italien und die Italiener am Schlüsse des 19. Jahr-
hunderts. Betrachtungen und Studien über die socialen Zustände Italiens
(Berliu 1899), bes. S. 81 f., 237 f. Er bespricht an ersterem Orte die i-'olitik
Kaiser Friedrichs L, das Landgebiet vom Stadtgebiet zu trennen, die noch 1183
im Frieden von Konstanz hervortritt. Der Kaiser stellte das Landgebiet unter
kaiserliche Beamle. »Unter dem Schutze dieser Vögte hätte sich bei längerem
Bestände in Ober- und Mittelitalien %'ielleicht ein freier Bauernstand entwickeln
können". Während so der Landbewohner dem in der Stadt sesshaften ^padrone'
zinst. Vgl. auch Leo. (iosch. von Italieii 11. 114 tf. : »Schicksal der kleineren
Ortschaften und des Landadels«.
3) Die »rustici* treten in den Stadtgeschichten dieser Zeit sehr hervor.
A'gl. z. B. die Annal. Januens. ad a. 1233 (p. 181 f.); ad a. 1234 (p. 182 f.). —
Im J. 1267 erlitten die Veroneser beim Uebergange über den Chiese dur^ bres-
ciauische und maiituanische Bauern eine empfindliche Schlappe. Ann. Placeut.
ad a. Vgl. Hampe, Gesch. Couradins S. 166". (In diesen Gegenden hat das
bäuerliche Element noch unter venezianischer Herrschaft, ja zur Zeit der uapo-
]eonischen Kriege eine Rolle gespielt. In den Sette und XIll communi allerdings
Deutsche). — Zum J. 1312, als man wegen Kaiser Heinrichs VIL besorgt war,
melden die Ann. Parraens. maior. (p. 752): nobiles et potentes civitatis Parme
fecerunt venire ad civitatem pro custodia homines terrarum suarum. In Bezug
auf Mailand, dessen Adel in C'omo, Seprio, Martesana seine Stützpunkte hatte,
vgl. Leo Gesch. Italiens HL 204 t
Bobbio, Veleia, Bardi. 561
Aussen- mit einer lunenpartei. Und indem die Anualen von Genua
dies mit kühler Objektivität referieren '), lieweisen sie nur, dass ihre
Verfasser sich des Balkens in^ eigenen Auge nicht bewusst waren ;
denn wie jene anderen Städte so hat auch Genua nach langen Kämpfen
den Feudaladel seines Gebietes gebändigt, die localen Autonomien
gebrochen und die Interessen des Landbewohners von denen des
Städters in jene Abhängigkeit gebracht, die für die sociale Structur
des modernen Italien in so hohem Grade charakteristisch ist.
4. Bardi im früheren Mittelalter.
Die bisherigen Ausführungen behandelten die Stellung von Bardi
in der Stauferzeit und ihren Ausläufern, wie wir darüber aus den
städtischen Annalen unterrichtet werden. Wenn man aber den ür-
kundenvorrath von Placentia, namentlich die verhältnismässig zahl-
reich erhaltenen Privaturkunden heranzieht, so ersehen wir, dass
die Geschichte von Bardi sich noch um mehrere Jahrhunderte weiter
zurück verfolgen lässt. Das Felsennest, die Roccha von Bardi, taucht
auf in deu Zeiten, da eben die Karolingerherrschaft iu Italien zu
Ende gieng und auf den Trümuiern derselben die Herzoge oder
Markgrafen von Spoleto, von Tuscien, vou Friaul eine Rolle zu
spielen begannen. In Oberitalien theilte sich schliesslich der Spoletiner
Kaiser Lambert und Berengar vou Friaul iji die Herrschaft, als deren
Grenze die Adda angegeben wird ^) ; bis nach dem plötzlichen Tode
Lamberts, der im Oktober 898 auf einer Jagd bei Marengo erfolgte,
Berengar die Herrschaft des ganzen von Pavia aus regirten Reiches
an sich brachte ■^).
Es ist bemerkenswert, dass auch in der Zwischenzeit zwischen
jener Theilung und dem Tode Lamberts zu Placentia gleichwohl nach
») Ann. Jamiens. ad a. 1269 (p. 265 f.): Lunbaidi tauquam homines qui
sunt sine domino. niultas discordias et dissensiones babuerunt. Nam eiectis de
oivitafibus Cremone, Placentie et Parme illis qui adhereve consiieverant parti
imperiali, civitates predicte contra predictos niuHa fecerunt. Die Kämpfe der
Parmenser geoen die Markgrafen Pelavicini, die der Cremonenser gegen den von
einer »rocha« aus wegelagernden Boso de Doaria werden erwähnt, auch das
Beispiel von Lodi und Brescia. Zum J. 1289 und 1290 eine ähnliche Bewegung
in Pavia (p. 324; 334). — Die Kämpfe der Stadt-Kömer mit den Feudalherrn
von Albanum und Tusculum gehen auf dieselbe Wurzel zurück. Vgl. die vita
Alexandri III. papae bei Watterich II. p. 404.
2) Vgl. Mühlbacher, Regesten der Karolinger n. 1867 c: »noch 897"; nach
Dümmler, Gesta Berengarii p. 32 »im J. 896*.
3) Mühlbacher I. c.
552 Julius Jung.
den Regierungsjahren Bereugars datirt wurde, z. ß. iu einer Privat-
urkunde vom August 898 „Berengario rege, anno regni eius in Italia
decimo, meuse Augusto, indictione prima" ^).
Diese Urkunde ist ausgestellt durch einen Inwohner von Bardi,
der nach Empfang der bedungenen Summe dem Bischof Eurard
(Eberhard) von Placentia die Hälfte des Burgfelseus von Bardi ver-
kauft zu haben bestätigt. Doch hören wir die Urkunde selb.st, die
mannigfaches Interesse gewährt; die vorkommenden Formeln sind die
in den langobardischen, den spätrömischen nachgebildeten Urkunden
durch Jahrhunderte gebräuchlichen ^).
„Constat nie Andre am habitatoreni Bardi moutaneu Placeu-
tina ^), filium C|uon. Dageverti, qui professus sum lege vivere Roman a,
accepisse sicut et in praesentia testium accepi a te H e u r a r d o vene-
rabili episcopo sanctae Place ntinae ecclesiae in argeuto, vel in alia
specie valeute usque ad soldos centum finitum pretium, sicut inter nos
bona couvenit voluntate; hoc est pro medietate de petra illa cum
terra, quod est saxum iuris proprietatis meae in loco Bardi, ubi
castrum aedificatum esse videtur moderno tempore^),
cum omni medietate de ipsa petra, et terra, vel saxo, cum omni
superadstante, vel habente, cum sunerioribus et inferioribus uua
cum accessioue sua, vel cum ingressu et regressu suo ex integre,
sicut per nie possessa, vel defensa fuit, et modo est; et nuUam
') Bei Campi, Stör, ecclesiast. di Piacenza I p. 477. Vgl. Dümmler, Gesta
Berengarii imp. p. 33 Anm. 2; ebenda j). 12 Anm. 1. Ferner »Mitth. d. Insti-
tuts* VI[, 453: Berengar I. sclienkt seinem Getreuen Vulferius drei Stücke Landes
in der Grafschaft Piacenza, 898 Januar 6.
2) Vgl. im Allgemeinen H. Brunner, Zur Kechtsgeschichte der römischen
und germanischen Urkunde ; wo aber die bei Campi vorliegenden Urkunden
nicht herangezogen sind. Ueber die im Registrum Farfense vorkommenden
Formeln Brunner in den Mitth. d. Inst. II, 3 fi.
•■') »Montanea Piacentina" (in montaneis Placentinis in der Urk. Karls des Gr.
vom 2G. Mai 808, Mühlbacber- 436) im Gegensatz zu der Campanea Piacentina
(vgl. die Urk. von 1028. 1030 und 1044 bei Campi), den campi Piacentini et
prata (Urk. von 1045 ib.). Ebenso spricht man von der campania prope Papiam
(Urk. Kaiser Ludwigs III. von J. 902, Mitth. d. Inst. VII, 455). VgL G. Vidari,
fraiimienti storici dell' agro Ticinese. Pavia 1886- Hiezu Arch. stör. Lombard.
1887 p. 165 ff., wo über die Eintheilung des Gebietes von Pavia eingehend ge-
handelt ist. — Der Ausdruck ,habitator°^ auch sonst, z. B. in Urk. vom J. 1065
(bei Campi): Adelpertus Teutonicus comes habitator comitatu Brisiensi.
•*) j, moderno tempore"^ damals ein gewöhnlicher Ausdruck. Vgl. Mitth. d.
Inst. VII 442 : Kaiser Ludwig d. Fr. bestätigt der Kirche von Piacenza alle Be-
sitzungen, quas moderno tempore in quibuslibet pagis et territoriis infra
dicionem imperii nostri iuste et legaliter memorata tenet.
Bobbio. Veleia, Bardi. 5(]g
portionem mihi reservavi, sed praedicto pretio a presenti die ego,
qui supra, Andreas venditor tibi, qni supra, emptori veiido, trado,
mancipo" i) etc.
Wir erfahren daraus, dass im Orte Bardi in damaliger Zeit ein
Castell erbaut wurde, dessen Lage auf felsiger Höhe hervorgehoben
wird 2). Es ist bemerkenswert, dass der Bischof von Placentia sich
in dieser wichtigen Position festsetzt, obwohl demselben zu jener Zeit
weder die missatische noch die gräfliche, also keine politische Gewalt
zukam ; zu einer solchen sind die Bischöfe hier erst am Ausgang des
10. und im Laufe des 11. Jahrhunderts emporgestiegen").
Noch ein Umstand ist zu beachten ; wir ersehen aus der Urkunde
von 898, dass der Andreas von Bardi. der mit dem Bischof von Pla-
centia den Verkauf abschliesst, nach römischem Rechte zu leben
bekennt ^).
Wie die Sachen im Jahre 1010 standen erfahren wir aus einer
anderen Privaturkunde, wonach einige Besitzer der Gegend von Bardi
(drei Brüder und die Frau des einen von ihnen) an die Kathedral-
kirche zu S. Justina in Piacenza gewisse Schenkungen machten '">).
1) Vgl. über diese Formel Bruniier, Zur Rechtsgesch. S. 132 f. 136. Ueber die
objektive Coiistatirung des Tbatbestandes, ebenda S. 19 f.; 132. Die vorangehende
Zahlung des Kaufpreises S. 59. Der Schluss unserer Urkunde lautet: Et haec
cartula venditionis firma et stabilis pennaneat futuris temporibus cum stipula-
tione subnixa (vgl. Brunner S. 51). Actum in curte Adtao feliciter. — Ego
Andreas in hac cartula a me facta manu mea subscrip«i (die gewöhnliche Formel :
a. a. 0. 25, 28, 36). — Sieben Zeugen. — Scripsi ego Oldeprandus notarius huiuä
cartulam venditionis, post traditam complevi et dedi. Die nur in Italien vor-
kommende Formel; a. a. 0. 19, 70, 76 fl". 147 f. Ficker, Urkundenlehre II § 314.
-) Campi 1. c. I p. 238 macht hiezu folgende Bemerkung: La quäl Rocca
di Bardi (insin' hoggi bellissima et altissima lortezza, ben munita, e da' pratici
stimata inespugnabile, come di sito e spatiosissima) venne comprata i^oscia del
tutto per lo tietto vescovo, ö per suoi successori, over donata loro da chi nel
rimanente acquistata 1' haveva ; e fü da essi vescovi tenuta per centinaia d' anni,
et ultimamente data in feudo, ö contea a quello, che si chiamarono i Conti di
Bardi. Im J. 1231 bekennen sich die Grafen von Bardi als Lehensträger des
Bischofs von Placentia. Campi II p. 391.
■^) Vgl. Ficker, It. Forschungen II S. 17 f. 34. Sie haben die missatischen
Befugnisse wenigstens seit 990, die Grafschaft vor 1065. Vgl. die Urk. Ludwig
d. Fr. für die Kirche von Piacenza vom 27. April 819 (Mühlbacher, Reg.^ 690).
Noch in dem Privileg von 997 verleiht der Kaiser dem Bischof Sigefredus von
Placentia nur districtum ab uno milliario in circuitu — placitum, omnes publicas
exhibitiones (Dipl. Otto III. n. 250). Daneben fungiren die Grafen.
■*) Bemerkenswert ist auch, dass der Name , Bardi« schon im 9. Jahr-
hundert feststeht.
s) Campi ]. c. p. 498: »Actum in loco Bardi«. sUuibertus Notarius Sacri
palatii scriptor huius cartule*^. Ueber die vom Pfalzgrafen ernannten Notarii
5(34 Julius Jung.
„Nos Johannes, et Raiuerius notarius sacri palatii, seu Leo qui
et Uuibertus germanis et fratribus filii bouae memoriae Berulfi iudex
et Uualderada, qui et üuaza filia quou. Adraldi et coniux suprascripto
Joauni, qui professi sumus uos, qui supra germanis et fratribus ex
natione nostra lege vivere Rcjmana; et ego ipsa Uualderada, qui et
Uuaza, professa sum ex natione mea lege vivere Longobardorum ipso
nanque iugale, et muudoaldo meo mihi consentiente, et subter con-
firmante et iuxta eadem lege, in qua nata sum, una cum uotitia de
propinquioribus parentibus meis de semine, quod sunt Adam germauo
meo et iteui Adam pater, et filio nepoto meo in eorum praesentia,
vel testium certa facio prof'essione, quod nulla me pati violentia quem-
piä homine, nee ab ipso iugale et mundoaldo meo, uisi mea et spon-
tanea voluutate i) — (diese machen die Schenkung) oratorio et altario
sanctae Justinae virgiuis et martvris Christi, quod est constructum
intra civitate Placentia ad domui episcopio sanctae Placentinae eccle-
siae, ubi eius sanctum humatum requiescit corpus et nunc dominus
Sigifredus episcopus praeesse videtur".
Gegenstand der Darl)riugung (unter bestimmten Bedingungen -)
ist: „capella una cum area, in qua extat. et circuitu eiusdem capellae
iusimul teneute iuris uostri, quae est constructa in loco et fundo
Bardi ad locus, ubi Vallecauna nouiinatur, et est consecrata in honore
.<. Syri etc." =*).
sam palatii vgl. Kicker. Forschungen II S 70, 75 f. ; mit Beziehung auf Piacenza
J^. 78. Der Notar Wibertus ist Sohn eines index. Vgl. Ficker a. a. 0. LH,
S. 19 f. 27 (Erblichkeit von Stellungen, welche juristische Kenntnisse verlangen):
29 f. (Befugnisse des iudex und des Notar).
') Gewöhnliche Formel ; doch kommen Varianten vor. Vgl. z. B. die Urk.
von 102S bei Campi [ p. 504 f. : ipso namque iugale et mundoaldo meo mihi
consentiente, et subter confirmante una cum notitia Adelberti comiti huius comi-
tatu Placentino. in cuius presenti;rm vel te.stium certam facio professionem me
nuUam pati violentiam a copiam homine, nee ab ipso iugale et mundoaldo meo.
Die Frau, welche die cartula venditionis veranlasst, ist eine Ildegarde, welche
nach laugobardischem Recht zu leben bekennt. — Vgl. auch Ficker, Evbenfolge
der ostgerm. Rechte. III § 873 über die Vermögensrechte der Frau und ilirer
Sippe. Ebenda § 960. Bd. 1 § 196.
'-) Vorbehalt des Patronatsrechtes für sich und die Erben. Dafür soll jedes
Jahr im September am Feste der heiligen Justina auf dem Altar dei'selben in
Piacenza ein Denar guten Silbers und eine Wachskerze abgeliefert werden.
"} Die Erklärung der Topographica bei Campi 1. c. p. 300 f. Hör questa
(hiesii che pare hoggidi non si trovi; io crederei ch' ella fosse la parochiale di
S. Giustina detta di Valleca nel medesimo luogo di Bardi posta — ; e che la
cliiesa dianzi intitolata h S. Siro per V introdotta divotione in essa da' sopradetti
fratelli afiezionati a S. Giustina tramutar si pote in honor della Santa. Der
Bobbio, Veleia, Bardi. 5ß^
Daraus ergibt sieh, d iss die Beziehungen des Ortes Bardi zu der
Kirche von Placentia stetig intimer wurden; ferner dass die Besitzer
in Bardi noch immer nach römischem Recht lebten, dass aber
eheliche Verbindungen mit Fiaueu langobardischer Herkunft nicht
verschmäht wurden, also der Vermischuuo-sprocess der so lano-e o-e-
trennt lebenden Bevölkerungselemente anfangs des 11. Jahrhunderts,
wenn auch zögernd in Gang kam i).
Dass überhaupt die Bevölkerung in diesen entlegeneren Strichen
die alten Eechtsgebräuche conservativer bewahrte, mao- dann im
12. Jahrhundert da jener Verschmelzuugsprocess schon vollendet war,
den Anlass gegeben haben, als Gründer des nachweislich im 9. Jahr-
hundert erlauten Castells den Urlangobarden „Bardus- zu statuiren-);
wobei man übersah, d;iss das romanische Element dahier in den
Verf. verbreitet sich des weiteren ühev den Cult der hl. Jiistina. der seit der
früheren Karolingerzeit neben dem der Heiligen Antoninus und Victor in Pla-
centia gepflegt wurde. Vgl. die Urk. Ludwigs d. Fr. vom 27. April 819 (Mühl-
bacher^ 690 = Mitth. d. Inst. Vl[, 442) : sancte Placentine urbis ecclesie epis-
copuR, quae est constructa in honorem sanctorum Anionini Victoris et Justine.
Dieser Cult war in neuem Aufschwung begriffen, seit man unter Kaiser Otto 111.
aus Rom Reliquien der hl. Jastina nach Placentia überführt hatte; sie kamen
zuerst in die Kirche zu S. Johannes evangelista, nachher aber in die Kathedrale
(1001, 16. Kai. Sept. nach der Translationsgeschichte bei Campi p. 302). Wunder
geschahen bei der Uebertragung von Rom her „ad eum locum, qui Varsium
dicitur, in agro Placentino' (also bei Varsi im Thal das Ceno, auswärts Bardi^;
später mulieres quaedam, cum in ripa Tarri fluminis haererent, quod eas immo-
dica vis aquae transitum prohiberet. navigium ex adversa ripa protinus ad eas
divinitus advectum est. Kurz, der Cult der hl. Justina verbreitete sich auch in
die Thäter des Ceno und des Taro, durch welche die Uebertragung vor sich ge-
gangen war. — S. Sirus ist der legendenhafte Stifter der Kirche und des Bistums
von Pavia. Vgl. Liutprand antap. III, 5 f. Bevor man in Piacenza eigene
heilige Leiber hatte, war man hier, scheint es, auf den Cult des hl. Sirus mehr
angewiesen. Vgl. die Urkunde vom J. 1056 (bei Campi ad a.), wo von einer
sehr alten Kirche des h. Sirus in Piacenza die Rede ist.
*) Campi 1. c. macht darauf aufmerksam, che uon ostante che Cualderada
congiuuta fosse in matrimonio, professava nulladimeno (tutto che dica il Sigonio
non haverlo es so trovato tra niarito e moglie) una legge di versa da quella di
Cjiovanni suo consorte, vivendo questi secondo la Romana, et essa secondo la
Longobardica tenuta da' suoi stessi parenti, et antenati. — Vgl. eine Urkunde
von 1078 bei Campi ]. c. p. 520: .professa sum ex natione mea legem vivere
Langobardorum, sed nunc pro ipso viro meo legem vivere videor Alamannorum«.
Eine Urk. von 1081 (bei Campi) nennt eine Frau Imilia, die nach römischem
Recht lebt, die übrigen genannten Familienglieder nach langobardischem Recht.
-) Woneben ja auch die Gesichtspunkte, die wir früher hervorhoben, sich
geltend machen konnten.
I
?j(3(3 Julius Jung.
früheren Zeiten stärker gewesen war, als das langobardische. Wir
habeu es demnach mit einem etymologischen Mythus zu thuu, der
au deu Namen .Bardi" sich knüpfte; wie zur Erklärung des neuen
Namens von Ticinura, d. i. von Papia (Papiria), in den gleichwertigen
Fabeleien des Johannes Codagnellus als ,heros eponymus" der lango-
bardischen Königsstadt ein Papirius erfunden ward i).
I) Diese Papiriusgescliicliten, welche aus Codagnellus auch in die späteren
Placentiner Chroniken übernommen wurden, sind von Holder-Egger im N, Archiv
d. Gesellschaft f. alt. deutsche Geschichtsk. XVI S. 496 if. herausgegeben worden-
Vgl. ebenda S. 325 ff. die Fabeleien über andere italienische Städte, die Codag-
nellus an die Beschreibung der Provinzen Italiens aus Paulus diac. bist. Langob.
11, 14—23 anknüpft. Einige dieser etymologischen Spielereien gehen übrigens
ins höhere Altertum zurück, namentlich auf Isidor, auf Paulus diaconus ; /. B.
liegt in Bezug auf den Namen Mediolanum Isid. Etymol. XV, 1, 57 zu Grunde:
Yocatum autem Mediolanum ab eo, quod ibi sus medio lanea perhibetur inventa.
Auch anderes hat, wie Holder-Egger nachweist, Codagnellus dieser Quelle ent-
nommen, z. B. den Namen des Peucetius, des fabelhaften Gründers von Placentia :
ferner Manto, die Gründerin, oder Mantus, den Gründer von Mantua. Nach
diesen Analogien ist auch ein Laudus als Gründer von Lauda (d. i. Lodi) er-
dichtet. Ein schlechter Kerl, der aus Mailand seiner Schandthaten halber ver-
trieben wurde; woraus sich die gespannten Beziehungen Lodi's zu Mailand im
Zeitalter Kaiser Friedrichs I. vollauf erklären lassen. Im Uebrigen weiss Codag-
nellus jeder Stadt ihren entsprechenden 5>heros eponymus« zuzuweisen: der Stadt
Palermo einen Palermus, der Stadt Salerno einen Salernus, der Stadt Capuu
einen Capuus. der Stadt Venecia einen Venegus; sogar der Stadt Köln einen
<l'ollonius, der Landschaft j,Catellonia« einen Catulus u. s. w. Dabei ist die Zeit
Friedrichs I. für den Codagnellus , Altertum«, die Friedrichs II. ^Neuzeit ^ Vgl.
Holder-Egger a. a. 0. S. 264.
Die
Habsburger Chronik Heinrichs yon KHngenberg.
Von
Victor Thiel.
Die Chrouica de principibus Habsburgeusibus seu Historia Habs-
burgensium comituin i) gilt gegenwärtig ziemlich allgemein als ein
verschollenes Geschichtswerk. Der Bischof Heinrich II. von Constanz
(1293 — 1306) aus dem Hause Klingenberg soll es verfasst, die Ge-
schichte der Grafen von Habsburg bis auf die Zeiten des Könio-s
Eudolf und die Erzählung von dessen Thaten seineu Inhalt ge-
bildet haben. Es ist kein Zweifel, dass der hochbegabte Kircheufürst
und ehemalige Kanzler des Königs Kudolf in hohem Grade befähigt
war, ein solches Werk zu schreiben. Hat er aber wirklich eine der-
artige Arbeit geschrieben?
Die Momente, auf welche sich die Hypothese von der Existenz
der Chronik gründet, sind, kurz gefasst, folgende. Es liegt eine Keihe
übereinstimmender Zeugnisse von Forschern des 16. und i7. Jahr-
hunderts vor, welche besagen, dass Heinrich von Klingenberg eiu
Geschichtswerk über die habsburgischen Fürsten geschrieben habe.
Mit Rücksicht auf diese Zeugnisse gieug man in neuerer Zeit daran,
dem Wesen dieser Chronik nachzuspüren. So schloss man aus den
Beziehuugen der Chronik des Mathias von Neuenbürg zu einer Anzahl
anderer Quellen, insbesondere zur Historia Austriaca des Heinrich von
Gundelfingen und den Zürcher Jahrbüchern auf die Existenz eines
1) Eine Zusammenstellung der Literatur über sie, sowie die Ergebnisse der
bisherigen Forschungen bieten Potthast 2. Aufl. 1, 580: Lorenz, Geschichtsquelleu
3. A. 2, 39, 74—77; G. Wyss, Geschichte der Historiographie der Schweiz S, 78 f.
568 Victor Thiel.
A'erloren gegangenen Werkes, wie jenes sein mochte, welches von den
erwähnten Forschern des IG. und 17. Jahrhunderts dem Heinrich von
Klingeuberg zugeschrieben wird; hiebei glaubte man, dass die Habs-
burgerüberlieferungen des Mathias von Neuenburg der Chronik des
Kliugeubergers zuuüchst stünden. So meinte man die Existenz des
verscholleneu Geschichtswerkes gesichert und eiuigermassen ins Licht
gerückt zu habeu. Nur von wenigen Seiten wurden Bedenken o-e-
äussert, ohne dass diese eingehend begründet worden wären. Wie
berechtigt jedoch ein skej)tisches Verhalten gegenüber dei- Hypothese
von der Klingenberger Chronik ist, dürfte aus der nachfolgenden
Untersuchung hervorgehen, in welcher auf eine Reihe von Umständen
hingewiesen wird, welche dagegen sprechen, dass eine Habsburger
Chronik aus der Feder des Bischofs Heinrich II. von Constanz jemals
vorhanden gewesen sui.
Es ist das Verdienst einer Abhandlung Riegers ^), die Gründe,
welche für die Existenz der Chronik sprechen, in eine festgefügte
Argumentation gebracht zu habeu. Rieger gieng von einer Quellen-
analyse des Mathias von Neuenbürg aus; er verwies auf die Art und
Weise, in welcher sich die mit Ellenhard, den Colmarer Quellen, der
Eeimchrouik. den Berner Annalen, dem Für»tenfelder Mönche. Johann
von Victriug, Kuchimei^ter. Johann von Winterthur u. a. gemeinsamen
Nachrichten des Mathias decken; daraus gehe hervor, dass Mathias
neben mündlicher üeberlieferung auch schriftliche Vorlag.u benützt
habe; da nun eine Reihe von Nachrichten über die Habsburger der
Neueuburger Chronik einzig unter den bekannten Schriftstellern eigen
sei. liesse sich daraus die Benützung einer Quelle erkennen, welche
die Detailangaben, wie die guten genealogischen Bemerkungen, ge-
liefert hätte; dieses Ergebnis werde noch erhärtet durch einige positive
Beweismittel : so biete Mathias den kernigen Ausruf des über die Wahl
des Grafen Rudolf erstaunten Basler Bischofs in der ursprünglichen
Gestalt, wie aus einem A^'ergleiche mit der Parallelstelle bei Ellenhard
und dem Schulmeister von Essliuo-en hervorgehe; auch lasse die Stelle
des Mathias und der Reimchronik über den Tod König Rudolfs eine
gemeinsame Quelle erkennen ; endlich verweise das Verhältnis der
Nachricht unseres Chronisten über die Abstammung der Habsburger
und der Gründung ihrer Stammburg zu den entsprechenden Stellen
in Gundelfingens Historia Austriaca und in den Zürcher Jahrbüchern
auf einen gemeinsamen Ursprung.
') K. Rieger, Heinrich von Klingenberg und die Geschichte des Haukes
Habsburg, im Archiv f. österr. Gesch. 48, 305 — 354.
Die Habsburger Chronik Heinrichs von Klingenbero-. 559
Ausser diesen, in der Chronik des Mathias angeblich erhalten
gebliebenen üeberresten des verlorenen Geschiehtswerkes glaubte Kieger
auch noch weitere Eeste desselben in zwei in Versen ubgefassten ße-
richteu entdeckt zu haben, Avelche sich in den Zürcher Jahrbüchern
eingeschoben finden.
Die Ergebnisse der Forschungen liiegers Hessen anscheinend die
Chronik des Heinrich von Kliugenberg eine greifbarere Gestalt o-e-
winnen. Lorenz i) fand das Resultat Riegers für gesichert. Zustim-
mung fand Rifger auch bei König 2), Soltau ^), Wiehert ^) und See-
müller ^). Vor Riegers Abhandlung hatten Böhmer 6), Hegel ■') und
Scherer f^) ihre Ansicht über den Gegenstand geäussert; sie hatten die
Tradition von dem verlorenen Werke des Klingenbergers ungläubig
aufgenommen. In neuerer Zeit nahm J. Rauch '^) ein ab] ^^ aendes
Verhalten gegen Rieger ein, ohne dieses jedoch in stichhältiger Weise
zu motivireu. Mit treffenden Beweisgründen dagegen stellte sich
K. Wenck 10) zu Rieger in Opposition. Er führte aus, dass die Chronik
des Mathias von Neuenburg, als deren Verfasser er übrigens Albrecht
von Hohenberg ansah, in ihren älteren Theilen lediglich auf münd-
licher Ueberlieferung, keineswegs auf Verwertung chronikalischen
Materiales beruhe ; die chronologische Verwirrung spreche gegen die
Benützung einer mit den Ereignissen gleichzeitigen Quelle, wie etwa
der Chronik des Heiarich von Kliugenberg; das Vorhandensein der
letzteren bezweifelt Wenck; es widerspreche ja die Aufzeichnung der
Anekdoten und Sagen zur Geschichte des Königs Rudolf noch zu
Lebzeiten des Herrschers allen Regeln der Sagenbildung; die üeber-
einstimmung aber, welche die Chronik des Mathias mit späteren.
') Geschichtsquellen 1, 39 Anm. 1, ,
-) Zur Quellenkritik des i^auclerus iu den Forsch, z. deutschen (jeschichte,
18, 49 tt'.
3) Der Verfasser der Chronik des Mathias von Neuenburg im Progr. fli
Gymn. in Zabern 1877, S. 13 ff,
*) Jacob von Mainz und Mathias von Neuenburg (Königsberg 1881) S. 67 fl.
s) Einleit. z. Ausg. d. Reimchronik, Mon. Germ, deutsche Chron. V/1. S. 59 •
zustimmend Redlicli in d. Recension der SeemüUer'schen Ausgabe in d. Mittli."
d. Instituts 16, 681. ''iiI'->
«) Regesta Rudolfi S. 56. idoh
'') Chron. d. deutschen Städte 8, 451 Anm. 1. 'lytdi
«) Ueber das Zeitbucli der Klingenberge in d. Mitth. z. vaterl. Geseh. ttj.
St. Gallen 1862, S. 75 f.
'■') Kritische Bemerkungen zu einigen Quellen der Geschichte Rudolfs von
Habsburg, Inaug. Diss. Königstein i. T. 1893. S. 11 — 14. jyllani»
lö) Albrecht von Hohenberg und Mathias von Neuenburg, im NeftietifcAiJ
cbiv IX. S. 31-98. imiha-tt)
Mittheilungen XX. 37
"YQ Victor Thiel.
österreiciiifecheu Geschiclitswerken zeige, erkläre sich aus der Beuützuug
der Neueuburger Chronik seitens der späteren; die Berührung endlieh,
welche sich zwischen Mathias und den Zürcher Jahrbüchern in der
Erzähkmö" von der römischen Abst;immung der Habsburger und der
GründuufT ihrer Stammburg ergebe, sei keiue so wörtliche, unmittel-
bare, dass die Zürcher Chronik nicht ebenso, wie Mathias von Neuen-
buro-, auf die mündliche üeberlieferuug zurückgehen könnte. Die
Ausführungen Wencks werden in der nachfolgenden Untersuchung
eine Bestätigung finden; sie stellt sich die Aufgabe, die Hypothese
Rieo-ers endgiltig zu beseitigen und zu erweisen, dass die Chronik des
Heinrich von Klingenberg über die Halsburgerfürsten einem Irrthume
oder einem Versehen des Jacob Manlius im Chronikon Episcopatus
Constautiensis ihre Scheiuesistenz zu verdanken habe.
Zunächst ein Wort über die Gliederung der Arbeit. Der Ver-
fasser hielt es für vortheilhaft, das Beispiel des Baumeisters zu befolgen,
welcher bei der Demolirung eines Hauses, mit dem Dache beginnend,
von olieu nach unten das Gebäude abträgt. Wir werden uns also
zunächst mit den Ausführungen der neueren Forscher zu befassen
haben — im Wesentlichen ist es die Arbeit Riegers, Avelche hier in
Betracht kommt — , welche in den Beziehungen einer Reihe von
Autoren des 13., 14. und 15. Jahrhunderts Spuren der Klingenberger
Chronik gefunden zu haben glaubten; es wird zu zeigen sein, dass
diese Berührungen keineswegs das Vorhandensein einer Habsburger
Chronik des Bischofs Heinrich II. von Coustanz voraussetzen: es wird
sich hiebei insbesondere um das Verhältnis der Habsburgerüberliefe-
rnngeii des Mathias von Neuenburg zu Heinrich von Gundelfingen
und den Zürcher Jahrbüchern handeln. Nach Klarleguug dieser
Quellenbeziehungen wird es unsere Aufgabe sein, das Entstehen der
Tradition von der Chronik des Heinrich von Klingenberg kritisch zu
beleuchten.
T.
An erster Stelle befassen wir uns mit dem Verhältnisse des
Mathias von Neuenbürg zu Heinrich von Gundelfingen und den Zürcher
Chroniken hinsichtlich der von ihnen gemeinsam gebracliten Nach-
richt von der römischen Abstammung der Hab:?burger und dem Bau
ihrer Stammburg; diese Beziehungen nämlich bilden die Hauptstütze
der Beweisführung Riegers.
Mathias ist, wenigstens nach dem gegenwärtigen Stande unserer
Quellenkenntuisse, der erste, welcher die Nachricht vom römischen
Ursprünge der Habsburger bringt; ein Jahrhundert später, etwa 1447,
erschien die älteste, erhalten gebliebene Fassung der Zürcher Jahr-
Die Habsburger Chronik Heinrichs von Klingenberg.
571
bücher, die Sprenger-Klingeuberg'sche Handschriftenclasse ; doch lässt
sich der Ursprung der Jahrbücher bis in die erste Hälfte des 14. Jahr-
hunderts zurückführen. Die Entstehung des ersten Theiles der Klingen-
berger Abtheilung fällt in das Jahr 1838, und es sind die Ereignisse
bis zu dem Jahre der Abfassung geführt worden. Doch ist es frag-
lich, ob die Nachricht von der Abstammung der Habsburger ursprüng-
licher Bestandtheil oder eine spätere Zuthat des Compilators ist; wobei
von Belang ist, dass sich die betreffende Notiz nur in jenen Redac-
tionen der Jahrbücher vorfindet, welche mit den Namen Sprenger
und Kliugenberg in Verbindung gebracht werden i). Um das Jahr
1476 endlich ist die Abfassungszeit der Clironik Gundelfiugens an-
zusetzen.
Die betreffenden Stellen lauten '^) :
Zürcher Jahrbücher
Mathias von Neuenburg.
Studer C. 1.
Ruodolfus
Hahsburer
comes de
ex a n t i-
(Ausgabe von A. Henne
von Sargans, Gotha
1861. S. 18).
die selben grafFen (von
Habspurg) waren von
iquis progenitori-lRom in dise land
bus ab urbe Roma
t r a X i t 0 r i g i n e m.
2 Olim namque duobus
fratribus propter poten-
tis Romani occisionem
eliminatis ab urbe, pa-
ter eorum, nobilior Ro-
manus, dans cuilibet
eorum inmenriam pecu-
niam, ipsos jussit in
partes abire remotas,
qui se in superiori Ale-
mannia receperunt. A n-
3 t i q u i 0 r a u t e m a d
e ra p c i 0 n e m p r e d i o-
rum et municio-
num, junior autem
ad h a b e n d a m v a-
komen und von
guotem und altem
gesiecht ze Rom,
und warent dennoch
nit als rieh und als
mächtig als si aber
adenlich mit iren taten
warent. Es füegte sich
dass ir ainer von disem
geschlechte gaistlich
was, und kam von Roai
in dise land und wart
bischoff ze strassburg,
wan das selb bistum
in den ziten in grossen
eren was, und bracht
also sinen bruoder mit
jm heruss. Der selb
herr was weltlich und
Heinrich von Gundel-
fingen (Cod. jllfi der
Wiener Hofbibliothek
Fol. 30).
•2 Religatis ac deportatis
ob potentis senatoris
trucidacionem olim duo-
bus fratribus preclare
Romanorum familie petre
leonis dicte de Aven-
tino monte, a Julii Ce-
saris, valentissimi om-
nium principis qui in
vigore animi non ha-
buit parem nee ante se
nee post se familia
descendentibus, ipsisque
ad Alpium iuga veni-
entibus ubi nunc castrum
Habdburg Lucernensem
circa lacum collocatum
3 cernitur. Senior adep-
tus predia et pos-
sessiones, iunior
') Vergl. Scherer, Ueber das Zeitbuch der Klingenberge, in Mitth. z. vaterl.
Gesch. V. St. Gallen 1862 S. 84, ferner S. 80—82.
2) Zur Bequemlichkeit des Lesers sind die Quellenstellen, obwohl sie sich
bereits bei Rieger vorfinden, hier wieder aufgenommen ; b 'i Gundelfingen bin
ich auf das Manuscript zurückgegangen, da Rieger die Orthographie desselben
nicht getreu wiedergegeben hat.
37*
572
Victor Thiel.
sallorum multitu-
dinem conabatur.
■Patre autem post ali-
quot annos filios visi-
tante, cum vidisset se-
nioris empta, eius pru-
denciam coinmendavit ;
reqüirens autem a ju-
niore, quid egerit, ille
4se omnia in unam mu-
4 nicionem fortissimam
coUocasse [respondit],
et jussis Omnibus va-
sallis suis cum eorum
liberis masculis optime
urmatis venire ad mon-
tem, ubi castriim Habs-
burg est collocatum,
illic patrem traducens,
illam forcium multitu-
dinem, quos et omnes
eorum posteros mascu-
liui sexus suos et po-
steritatis sue fideles ya-
sallos, illis confitentibus,
patri probavit, suum
asseruit esse castrum.
Qtto viso pater, in il-
lius animosa nobilitate
gavisus, magnum the-
saurum destinaviteidera.
5 Ex quibus fratribus om-
nes de Habsburg postea
processerunt.
ein wolgetan hübsch ingencia, vasallo-
adenlich man, dassjnörum dominia, de
mengklich in dem land quibus posteri descen-
lieb hatt edel und onedel,
und och die geburen.
Ainsmal do füegte es
sich, dass der bischoflf
von Strassburg wolte
besechen was sin bruo-
der gebuwen hette, und
kam also mit vil herr-
4 Schaft zuo sinem bruoder
4 gen Habspurg. Und do
der bischof die vesti
sach, do sprach er zuo
sinem bruoder : lieber
bruoder mich dunkt du
habist gar wenig ge-
buwen nach der hilff,
die ich dir getan hab.
Der von Habsburg ant-
wurt sinem bruoder :
herr vnd bruoder, morn
sollen t ir erst recht
sehen den buw, den ich
getan hab, wau er hatt
haimlich nach allen sinen
dienern und fründen
geschickt. Mordness do
die herren ufgestuonden,
do lag das veld vol
Volkes, und hattent ir
gezelt ufgeslagen, her-
ren, ritter und knecht.
Der bisehoff wond, er
war belegen : nain, her,
sprach der von Habs-
burg, das sind min
muren die ich gebuwen
hab, wan wie guot mein
huss wär.'^ das hielff
mich nüt, hette ich kain
fründ im laml. Die sind
mir behu.lffen in allen
meinen nuten ; ich bin
frömd im land, nun hab
ich mir selbs fründ ge-
macht. Das gefiel dem
bischoff wol und was
willig, sinem bruoder
ze helffen.
derunt comites.
Die Habsburger Chronik Heinrichs von Klingenberg.
573
Vergleichen wir nun die Erzählung des Mathias und der Zürcher
Jahrbücher vom Ursprünge der Habsburger, so müssen wir uns ge-
stehen, dass die Fassung bei jeder der beideu Chroniken eine eigen-
tliümliche, selbständige ist. Eieger selbst gesteht zu, dass die beiden
Berichte von einander abweichen '). Gleichwohl zieht er den Schluss
auf eine gemeinsame Vorlage der beiden Chronisten: um dies aber
plausibel zu machen, muss er annehmen, es habe die Urquelle bereits
eiue Ueberarbeitung erhalten, und es habe, während dem Mathias die
ursprüngliche Fassung als Vorlage gedient hätte, der Zürcher Chronist
die Quelle in bearbeiteter Form vor sich gehabt und diese neuerlich
einer Bearbeitung unterzogen. Die Combination Kiegers ist jedoch
willkürlich und entbehrt jeder Grundlage. Es liegt überhaupt keine
Veranlassung zur Annahme vor, dass die beiden Berichte einander
nahestehen. Im äussersten Falle Hesse sich ein einziger, wörtlicher
Anklang finden: Ruodolfus comes de Habsburg ex antiquis progeni-
toribus ab urbe Eoma traxit orio-iuem — die selben grafFeu waren
von Iiom in dise land komen and von gnoteui und altem gesleclit ze
Rom; und dieser Anklang besagt so wenig, dass man nicht dass Ge-
ringste daraus schliesseu kann. Eieger suchte die Verwandtschaft der
Chroniken auch an anderen Stellen nachzuweisen. So fand er An-
zeichen nahestehender Beziehungen in der Erzähluno- von der Fehde
des Grafen Eudolf mit dem Abte von St. Gallen.
Mathias, Studer cap. 8.
Crevit autem Ruodolfus de Habsburg
astucia et honore ; qui cum litem
duram haberet cum abbate Sancti
Galli et due Utes alie sibi succres-
cerent, venit ad domum abbatis, qui
eum persequebatur odio capitali se-
dens ad mensam eiusdem edentis.
Abbas uero miratus ipsum honorifice
et gratanter recepit et sie illico in
tantum sunt amici effecti quod abbas
cum exercitu ad invadendum alios
cum eodem perrexit. Dixit enim
comes: Quicumque tres Utes habeat,
duas reformet.
Zürcher Jahrbücher (Henne S. 20 f.).
wan si in den ziten grossen krieg
hattent mit dem apt von sant
Gallen ....
und sass selbst uff ain pfärit und
rait also selb dritt, da er den apt
von sant Gallen wisst.
Also nam es herren ritter und knecht
unbillig und den apt selb ....
Also wurden si alle willig unl ge-
naigt ..... und zugent alle mit
graif Ruodolffen .... und wuostent
und nament alles das ir werden
mocht. Und sprach zuo sinen die-
nern : ir herren ritter und knecht,
ich habe dick hören sagen, welcher
zwen krieg habe, der sol den ainen
lassenrichten oder friden den andern
man liehen triben '^).
') Rieger S. 323 ff.
-) Auch Kuchimeister in der Ausgabe Meyers von Knonau iu den Mitth.
574 Victor Thiel.
Auch hier schliesst Rieger auf eine gemeinsame Vorlage, doch
gleichfalls ohne hinreichende Rechtfertigung. Eine kleine theoretische
Auseinandersetzung dürfte hier am Platze sein. Wann sind wir he-
reehtigt, die Folgerung auf die Benützung einer gemeinsamen schriftlichen
Vorlage seitens zweier Chronisten zu ziehen? Zunächst danu, wenn
sich neben Abweichungen in der Erzählung eine Uebereinstimmuug
in formeller Hinsicht aufzeigen lässt. Doch ist eine formelle Gleich-
heit oder auch nur wörtlicher Anklang zur Annahme einer gemein-
samen Quelle nicht unbedingt erforderlich, es genügt auch Gleichheit
oder Aehnlichkeit in der Disposition, im Aufbau der Erzählung uud der
Aufeinanderfolge der Einzelheiten, doch dies nur dann, wenn sich die
Uebereinstimmung auf einen grösseren Zusammenhang erstreckt, wenn
die Aehnlichkeit in der Aneinanderreihung der Einzelheiten eine auf-
fallende ist; im andern Falle, bei geringfügigerer uebereinstimmung,
ist es nicht nur nicht nöthig, sondern sogar unberechtigt, den Schluss
auf eine gemeinsame, schriftliche Quelle zu ziehen; wir werden dann
vielmehr an gleiche oder verwandte umstände in der Berichterstattung
zu denken haben. Es darf eben über der Tradition durch das Pe)-
gament nicht das Moment der lebendigen Ueberlieferung vergessen
werden. In unserem Falle handelt es sich um eine Erzählung von
einfachem, schlichtem Sachverhalte, bei welchem sich die Aufeinander-
folge der Situationen von selbst ergibt, su dass mit Leichtigkeit, um
nicht zu sagen mit Noth wendigkeit. Anklänge sachlicher Natur sich
einstellen. Weist schon dieser Umstand darauf hin. dass beide Chro-
nisten auf mündliche Ueberlieferung zurückgehen, so muss umsomehr
hieran gedacht werden, als unsere Erzählung anekdoteuhaiten Charakter
besitzt, ein Blatt in dem reichen Kranze von Anekdoten bildet, welchen
das deutsche Volk dem populären Herrscher aus dem Stamme Habs-
burs: efeflochten hat. dessen Thateu uud Worte im Munde des Volkes
fortlebten.
Des W^eitereu hat Rieger auf den von Mathias von Neuenburg
und ilen Zürcher Jahrbüchern gemeinsam gebrachten Bericht von der
Gründung der Stammburg (s. o. S. 571 f.) hingewiesen, um darzulegen,
dass beiden Chroniken eine gemeinsame Quelle zugrandeliege. Auch
hier sind wir nicht in der Lage, der Anschauung Riegers zu folgen.
Während sich nämlich die Uebereinstimmung der Berichte ausschliess-
lich auf den Kern der Erzählung, auf die Tendenz derselben erstreckt,
sind die Abweichungen zwischen ihnen derart wesentliche, dass man
d. bist. Vereins in St. Gallen 18, 75 ö'. berichtet dieses Ereignis, doch ohne
demselben ein anekdotenhaftes Gepräge zu geben.
Die Habsburger Chronik Heinrichs von Klingenberg. 575
mit Fug behaupten kanu, die Chronisten berichten nur eine ähnliche,
nicht aber die gleiche Begebenheit. Stellen wir die Verschiedenheiten
fest. Mathias vertheilt die Handlung auf drei Personen: der Vater
besucht seine beiden, in der Verbannung lebenden Söhne, um sich
von ihrem Wohlergeheu zu überzeugen. Der Zürcher Chronist be-
richtet den Umstand der Verbaunung und das Motiv derselben über-
haupt nicht; auch findet sich bei ihm die Kolle einer dritten Person
nicht vor, er erzählt blos von zwei Brüdern, welche aus Kom aus-
gewandert sind, von denen der eine zum andern auf Besuch kommt,
um zu sehen, Avie dieser die ihm geleistete Geldhilfe verwendet habe.
Von der Gründung einer Stammburg berichtet Mathias eigentlich gar
nichts, er erzählt blos, der jüngere Bruder habe seinem Vater gegeu-
über auf seine fideles vasalli hingewiesen und sie als seine una municio
fortissima gerühmt. Die Zürcher Chronik dagegen erwähnt thatsäch-
lich den Bau der Stamm '.)urg; doch findet sie der auf Besuch weilende
Bruder der geleisteten Hilfe nicht entsprechend, worauf der andere die
Burg mit einer lebenden Mauer, seinen Vasallen nämlich, umgürten lässt
und erklärt: das sind min mmen die ich gebuwen hab. Mathias fügt
zum Schlüsse des Berichtes hinzu: ex quibus fratribus onmes de Habs-
burg postea processerunt. Nach der Erzählung der Zürcher Jahr-
bücher aber sind die beiden aus Bora gewauderten Brüder identisch
mit den Gründern der Stammburg, sie sind bereits Habsburger.
Wesenlos und schatteuhaft sind die Personen bei Mathias; eine histo-
rische Aguoscirung derselben ist unmöglich. Der Bericht des Zürcher
Chronisten hingegen erfreut durch Frische und ürsprünglichkeit der volks-
thümlichen Erzählweise ; in ihoi schimmert der historische (Jutergrund
der die starke, sittliche Kraft des Lehensbandes verherrlichenden Sage
durch; thatsächlich ist es ein Bischof von Strassburg gewesen, Werner,
und dessen Bruder Ratbot, welche zur Zeit der Kämpfe Kaiser Hein-
richs IL gegen die Burgunder auf dem eroberten Gebiete das Kloster
Muri und die Feste Habsburg gründeten 1).
So gross sind die zwischen den beiden Berichten obwaltenden
Differenzen, dass die Chronisten, wenn man eine gemeinsame Vorlage
annehmen wollte, dieselbe so sehr verändert haben müssten, dass mit
Ausuahme des Gruudgedankeus nichts von der Urquelle übrig ge-
blieben wäre.
Die von Eieger ins Trefi'en geführten Stellen können uns also
nicht überzeugen, dass Mathias vou Neuenburg und die Zürcher Jahr-
») Vergl. Martin Kiem in der Eiul. z. Ausg. d. Acta Murensia in den
Quellen z. Schweizer Gesch. 3, 10.
576
Victor Thiel.
bücher aus der gleiclieu Vorlage geschöpft hätten. Gleichwohl finden
sich Anzeichen vor, welche zur Annahme zwingen, dass eine Ver-
Avaudtschaft zwischen beiden Chroniken besteht. So berichten die
Zürcher Chroniken in der Ausgabe Ettraüllers i). S. (31 über die
Schlacht bei Göllheira: Ez erstikte ouch vil volkes in dem strit von
o-rozer hitze, diu da was. Ez erstikten ouch des selben mauls her
Otte von Ochsenstain, der des herzogen paner truog, und der von
tsenburg, der des künges paner truog. Mathias, Studer S. 31 Z. 21 — 24
erzählt: Multisque hinc inde occisis et pre calore extinctis, inter quos
Otto dominus de Ohsenstein, vexillifer Alberti, et . . . caloribus sunt
extincti — ... Die gleiche üebereinstimmung herrscht in dem Be-
richte von der Judenverfolgung im Jahre 1349. Hierüber heisst es
in den Zürcher Jahrb. Ettm. S 71: Anno domini MCCCXLIX do gieng
der groz mortlich liumd üz von den Juden, daz si alliu wazzer. diu
man vergiften mocht. ez waerint brimnen oder bäch, vergift haetint.
Mathias, Studer S. 159 Z. 7 f. berichtet: Et infamati sunt Judei, quod
huiusmodi pestilenciara fecerint vel auxerint, fontibus et puteis iniecto
veneno. Eir.e weitere üebereinstimmung zw, Mathias St. S. 34. 4 — 6
und Zürcher Jahrb. S. 61 l)etrifft Albrechts Charakter.
Es entsteht die Frage: welche der beiden Chroniken ist von der
andern abhängig? Nun hat Scherer") in eingehender Weise nach-
• ••ewiesen, dass die Zürcher Chroniken, jedoch nur die Redactionen
Sprenger und Klingenberg und die mit diesen verwandten, aus Köuigs-
hofen in ausgedehntem Masse entlehnt haben, wobei sie nicht selten
Avörtlich ihre Vorlage wiedergebeii. In allgemeinen Umrissen hat
Scherer jene Partien der Jahrbücher hervorgehoben, welche auf Königs-
hofen zurückgehen. Auch Hegel in der Einleitung zu Königshofeu '■^)
zählt die Parallelstellen auf, ohne jedoch vollständig zu sein. Folgende
•Stellen sind bei Hegel nachzutragen: Zürch. Jahrb. Ettm. S. 60 • —
Königsh. in d. Ausg. Hegels S. 450 über den Tod des Sohnes Rudolfs
bei Rheinaa; Z. J. S. 60. 61 — Königsh. S. 454—456 über die Re-
gierung König Adolfs und seinen Kampf mit Albrecht. Z, J. S. 61
Königsh. S. 458 Z. 19—22 über Albreclits Charakter; Z. J. S. 61.
62 — Königsh. S. 458, 459 über Albrechts Tod; Z. J. S. 62—64 —
'i Die Zürcher Chronil<en in der von Gebhard Sprenger verfassten Com-
pilation hat Ettmüller herausgegeben als „Die beiden ältesten deutschen Jahr-
bücher der Stadt Zürich, in den Mitth. d. antiqu. Ges. in Zürich II. Eine andere,
sehr nahestehende Compilation hat A. Henne v. Sargans, Gotha 1861 als ^Das
Zeitbu^h der Klingenberge« edirt.
'-') S. 84-87.
^) In j,I)ie Chroniken der deutschen Städte 8. u. 9. Bd.
Die Habsburger Chronik Heinrichs von Klinsfenberg. 577
Köuigsli. S. 465 — 468 über die Doppel wabl des Jahres 1314 uud den
Thronkampf zwischen Ludwig und Friedrieh ; Z. J. S. 64 — Königsh.
S. 470 über die Zerstörung S. Pults durch Herzog Leopold; Z. J.
S. 72 — Königsh. S. 472 über die Wahl Karls IV Tz. J. S. 72 f. —
Königsh. S. 478 — 480 über die Bemühungen, gegen Karl IV. einen
Gegenkönig aufzustellen: Z. J. S. 71. — Königsh. Bd. 9 S. 760
über die Judenverfolguug im Jahre 1349.
Da nun aber Königshofen seinerseits den Mathias von Neuenburg
in der Weise ausgebeutet hat, wie es ihm nachher seitens des Zürcher
Compilators geschah, erklären sich mit Leichtigkeit die oben ange-
führten üebereinstimmungen zwischen Mathias und der Zürcher Com-
pilation. Dass aber die Zürcher Jahrbücher keineswegs neben Königs-
hofen auch auf dessen Quellen zurückgehen, hat schon Scherer gezeigt,
wobei er insbesondere die auf Closener zurückgehenden Nachrichten
berücksichtigte. Um es unabweislich zu machen, dass der Zürcher
Compilator nicht aus Mathias, sondern nur aus Königshofen geschöpft
hat, führe ich die eine der beiden Uebereinstimmungsstellen nach
Königshofen S. 456. Z. 15—20 an: do erstickete ouch vil volkes in
dem strite von grosser hitzen die do was, ..... do erstickete ouch
herr Otte von Ohssenstein, der in des herzogen her der oberste venre
was, und der von Ysenberg, der in des küniges her der oberste venre
was. Die Eutlehnung aus Könisfshofen ist wohl evident.
Nachdem wir das zwischen Mathias von Neuenbürg und den
Zürcher Chroniken bestehende Verhältnis klarsrelesjt haben, cjehen wir
ZU den Beziehungen der Chronik des Mathias zur Historia Austriaca
des Heinrich vou Gundelfingen über 1).
Von Wiclitigkeit ist die unbestrittene Thatsache, dass Gundel-
fingen die Neueuburger Chronik gekannt und sie vielfach in seinem
Geschichswerke verwertet hat, wobei er seine Vorlage nur wenig ver-
änderte. Eine Keihe vou Stellen, welche das Quellenverhältnis in
diesem Sinne klarlegen, führt Rieger selbst an -), und er gesteht zu,
dass die Abweichungen blos stilistischer Natur seien. Wer nun un-
befangen die Berichte der beiden Autoren über den römischen Ur-
sprung der Habsburger liest, wird, ohne dass ihm Bedenken das Ur-
theil erschweren, auch für diese Nachricht in der Chronik des Mathias
die Quelle Gundelfingens erkennen. Rieger dagegen ist der Meinung,
dass Gundelfingen für diese Notiz nicht nur die Erzälihmg der Chronik,
sondern auch jene Quelle, auf welche Mathias selbst zurückgehe, vor-
1) Siehe Anhang I., welcher den 2, Theil der Hist. Austr. bietet.
2) Rieger S. 323.
578
Victor Thiel.
gelegen habe. Der grössere Reich thum an Details, welchen Gundel-
fiugen gegenüber Mathias aufweise, wäre schon dera Urberichte eigen
gewesen und von Mathias nur unterdrückt worden. Zum Beweise
hiefür verweist Rieger auf eine genealogische Angabe der Historia
Austriaca, welche zweifellos aus Mathias genommen sei; bei dieser
Notiz weiche Guüdelfingen von seiner Vorlage ab, er sage statt „tres
fratres de Habsburg" i) _tres fuere [uti nonnulli applaudunt nobis
historie] de Avensberg" ; diese Abweichung bedinge die Annahme einer
zweiten Quelle, welche Guüdelfingen neben ^lathias benützt habe; aus
dieser Quelle habe Gundelfiugen auch die Nachricht von der Ab-
stammung der Habsburger von den Grafen ,de Aventino monte" aus
dem römischen Geschlechte der Perleonen geschöpft.
Die Beweisführung Riegers ist nicht stichhältig. Rieger begründet
vor allem nicht, weshalb die zweite Quelle, aus welcher Guüdelfingen
neben Mathias geschöpft haben soll, identificirt werden darf mit jenem
Geschichtswerke, welches angeblich auch der Chronik des Mathias als
Vorlao-e «Tedient habe. Und nehmen wir den Fall an, dass <iuudel-
fingen und Mathias auf dieselbe Urquelle zurückgegangen wären, so
würden wir die aufi'ällige Thatsache hinnehmen müssen, dass nicht
nur Mathias, sondern auch die Zürcher Jahrbücher, welche der Mei-
nung Riegers zufolge gleichfalls derselben Urquelle die Nachricht vom
römischen Ursprung der Habsburger entnahmen, das belangreiche,
o-enealosische Detail, Avie es Gundelfiugen gibt, einfach unterdrückt
hätten, ohne dass der Grund hiefür einzusehen wäre.
Liegt aber überhaupt eine zweite Quelle neben Mathias der Notiz
Gundelfiugens zugrunde? Hierin müsste man Rieger zustimmen, wenn
Heinrich von Guüdelfingen ein ehrlicher, gewissen nafter Geschicht-
sehreiber gewesen wäre, welcher für seine Nachrichten quellenmässig
einstehen kann. Lorenz äussert sich über die historiographische Thätig-
keit dieses Mannes, dass sie in der Compilation der verwegensten
L-rthümer mittelalterlicher Darstellung bestanden habe '^). Guüdel-
fingen gehört jener Epoche der Geschichtschreibuug an. welche durch das,
mit phantastischen, pseudo-gelehrten Erfindungen erfüllte Werk eines
Hauen eingeleitet und charakterisirt wird. Nicht nur die ungeheuer-
liehen Nachrichten Hagens hat sich Gundelfiugen angeeignet, sondern
auch die bequeme Manier desselben, Geschichte zu schreiben; auch
für ihn bildete die Verojanffenheit nicht den Gegenstand ehrlicher und
'I hftuder S. 21 : Fuenmt autem tres fratres de Habsburg, filii patrui regis.
scilicet Ruodolfus episcopus, Gotfridus dominus in Loufi'enberg et Eberhardus.
qui ditebatur de Kybui-g.
-) Geschichtsquellen ). 267.
Die Habsburger Chronik Heinrichs von Klingenberg. 579
mülisamcr Forscherarbeit, sondern den Tummelplatz seiner ge>chinack-
losen Phantasie. Wir werden daher gut daran thun, jene Nachrichten
der Historia Austriaca, deren Glaubwürdigkeit uns nicht anderweitig
verbürgt wird, mit Misstraueu aufzunehmen. Dies aber trifft bei der
Notiz vom römischen Ursprung der Habsburger zu. Als die Ahnherren
derselben bezeichnet Gundelfingeu die Grafen de Aventiuo nionte; es
sind dies sehr zweifelhafte Existenzen; nirgends wird über sie be-
richtet. GuudelfiDgeu erzählt, dass die Grafen der römischen Familie
der Perleoneu augehörten, eines Patriciergeschlechtes, welches that-
sächlich in Eom existirt hat und im Jahre 1162 ausgestorben ist.
Die Grabinschriften der drei letzten Perleoneu hat Cardinal Baronius
edirt 1) ; doch werden in diesen, obwohl wir es erwarten dürften, die
Perleonen nicht als Grafen de Aventino monte bezeichnet. Ferner
lässt Gundelfingen die Perleonen mit Julius Cäsar verwandt sein; doch
gehören die Perleonen gar nicht zur gens Julia, sondern zur gens
Anicia2). Darnach köunen wir ruhig annehmen, dass die genealo-
gischen Zuthaten, welche der Bericht GundelHngens der Erzählung
des Mathias gegenüber aufweist, wertlos und willkürlich sind. Wes-
halb aber verleiht Gundelfingen den Perleoneu gerade das Adelsprädicat
„de Aventino monte«? War ihm etwa bekannt, dass das Grab des
letzten Perleoneu, Leo Maximus, bei der Kirche des heiligen Alexius
auf dem Aventin sich befand?^) Ob er dies gewusst hat, oder ob
er den Namen blos seines gut antiken Klanges wegen gewählt hat,
dies zu entscheiden wäre schwierig und nicht der Mühe wert. Mehr
Interesse dagegen dürfte die Frage haben, woher der Autor der Historia '
Austriaca seine Kenntnis von den Perleonen schöpfte.
In dem Verzeichnisse der Quellen, welches Gundelfingeu seinem
Werke voraugesetzt hat, findet sich auch Otto von Freising augeführt.
In den Gesta Friderici Ottos wird ein Brief Arnolds von Brescia an
König Konrad 111. wörtlich wiedergegeben, in welchem Arnold von
der NiederAverfung der päpstlichen Partei in Rom berichtet^); unter
ihren Häuptern werden die filii Petri Leonis genannt.
•) Annales ecclesiae saec. XH., angeführt bei Lambecius, Commentarii H
cap. VI S. 481 f., Rieger S. 324 N. 2.
'-) Seifrid, Arbor Aniciana hb. I cap. XÜI, üb. II cap, VII u. VUI.
'•'} Lambecius a. a. 0.
^) Mon. Germ, ad usura schol. Script. II/2. S. 36 f.: Sed pro his oninibus,
quae vestrae dilectionis fidelitate fecimus, papa, Fraiapanes et filii Petri lieonis
.... et alii plures undique nos impugnant, ne libere, ut decet, imperialem
regio capiti valeamus imponere coronam . . . Sciatis preterea, quia pontem
Milvium extra Urbem parum longe, per tempora multa pro imperatorum con-
580
Victor Thiel.
Eine Analyse des Berichtes der Historia Austriaca über die Ab-
stammung der Habsburger ergibt demnach: Guudelfiugeu benutzte die
Erzählung des Mathias als Grundlage seines Berichtes, wobei er sie
nur stilistiscli veränderte, und gab durch Interpolationen der unbestimmt
lautenden Erzählung des Mathias ein glaubwürdigeres Aussehen; er
holte sich nämlich aus Otto von Freising den Namen eines römischen
Patriciergeschlechtes heraus und stattete dasselbe mit dem Grafentitel
de Aventiuo monte und mit dem Glänze einer Verwandtschaft mit
Julius Cäsar aus.
Wie Avir im Vorstehenden gezeigt zu haben glauben, ist jenes
Moment, welches die Hauptstütze der Ansicht Biegers bildet, die Be-
zieliungen nämlich zwischen Mathias von Neuenburg, den Zürcher
Jahrbüchern uud Gundelfingen, nicht geeignet, uns zur Annahme einer
den drei Chroniken gemeinsamen Quelle zu bewegen, einer uns nicht
mehr zuo-äno-lichen Chronik über die habsburgischeu Fürsten. Mathias
von Neuenbürg steht den Zürcher Chroniken vollständig ferne, ab-
gesehen von der, hier nicht in Betracht kommenden, durch Königs-
hofeu gebildeten Verbindung, indem Nachrichten des Mathias durch
Vermittlung Königshofens in die Zürcher Compilation hinübergeleitet
worden sind; Gundelfingen jedoch hat aus Mathias, wie viele seiner
anderen Nachrichten, so auch jene über die römische Abstammung
der Habsburger geschöpft.
Indem im Mittelpunkte der vorstehenden Quellenuntersuchuug die
Nachricht vom römischen Ursprung des habsburgischeu Hauses steht,
liegt uns die Frage nahe, unter welchen Umständen diese Fabel aut-
gekommen ist. Bei der gegenwärtigen Kenntnis unserer Quellen ist
es allerdings die, um die Mitte des 14. Jahrhunderts entstandene
Chronik des Mathias, welche zuerst diese Nachricht bringt; doch reicht
. gewiss der Ursprung der Fabel in eine frühere Zeit zurück. Eine
präcisere Beantwortung der Frage würde uns möglich sein, wenn uns
über die Entstehung: der Zürcher Jahrlnicher Näheres bekannt wäre,
was übrigens durch die bevorstehende Ausgabe derselben seitens
Dierauers zu erwarten steht. Doch lässt sich vorläufig vermuten, dass
in der ältesten Fassung der Zürcher Chronik die Herleitung der Hal)s-
burger von Rom imd die Sage von der Gründung der Stammburg
nicht gestanden habe, da nur die Schwellhandschriften Klingeuberg
und Sprenger sie bringen. Woher mag aber Mathias die Nachricht
gesch(»pft haben? Eine Entlehnung aus einer älteren Chronik lässt
trario destructura, nos ut exercitns vester per cum transire queat, ne Petri Leonis
per castellum S. Angeli vobis nocere possint . . . restauramus.
Die Habsburger Chronik Heinrichs von Klingenberg. 53 {
sich nicht nachweisen; übrigens legt uns schon der ganze schritt-
stellerische Charakter des Mathias nahe, die Nachricht als eine selb-
ständige Notiz seiner Chronik anzusehen. Das ganze Geschichtswerk
zeichnet sich durch eine durchweg.s selbständige Behandlung des
Stoffts aus; eine ausgesprochene Abhängigkeit von einer chronikali-
sclien Quelle ist nirgends festzustellen. Die Quellen, aus denen Ma-
thias seine Geschichtskenutnisse schöpfte, sind gewiss überaus mannig-
faltiger Natur gewesen. Es liegt auf der Hand, eine solche historische
Bildung, wie sie die Arbeit des Mathias bekundet, lässt sich nicht
vom blossen Hörensagen erwerben, sie muss ihrem Grundstöcke nach
auf einem fleissigen Studium schriftlicher Quellen fussen; hiefür spricht
auch der Umstand, dass sich viele seiner Nachrichten belegen lassen.
Doch bringt er eine grosse Zahl von Nachrichten allein, uud dies
muss darauf zurückgeführt werden, dass er ein Mann war, der seine
Sinne ül)erall und stets offen hielt. Seine Berufsstelluno- als bischöflich-
strassburgischer Beamter, seine Verwendung zu diplomatischen Missio-
nen, sein Verkehr mit Personen von hohem Kange uud hoher Geburt,
die unmittelbare Berührung mit dem politischen Leben seiner Zeit,
alle diese Umstände begünstigten hervorragend seine gesehichtschrei-
bende Thätigkeit 1). Im Umgange mit Männern, welche dem Hause
Habsburg nahe standen, mag nun Mathias auch die Fabel vom römi-
schen Ursprung der Habsburger in jener Form vernommen haben,
wie er sie in seiner Chronik uns überliefert hat ^). Ich hebe den Ver-
kehr des Mathias mit Eberhard von Kiburg hervor, der ja selbst
habsburgischen Blutes war, und welchen Mathias auf der Hochschule
zu Bologna kennen lernte: ferner seine verwandtschaftlichen Bezie-
hangen zu der Basler Familie der Münche, der getreuen Anhänger
Habsburgs, welche einen König Albrecht zu ihren Gastfreunden zählen
durften ^). Dass aber Mathias ein lebhaftes Interesse für genealogische
Fragen besass, zeigt durchgehends der Inhalt seines Geschichtswerkes.
') Vgl. Wenck, Albrecht von Hohenberg und Mathias von Neuenburg im
Neuen Archiv 9, 3] — 98. S. 64 — 70 charakterisirt Wenck die Chronik in ini
Ganzen zutreflender Weise; er widerlegt eine Benutzung chronikalischer Quellen ;
die älteren Partien führt er auf mündliche Tradition zurück. In diesem letzten
Punkte weiche ich von Wenck ab. Solche Einzelheiten, wie sie Mathias bringt,
vermag die mündliche Tradition nicht zu bewahren.
2) Das Verdienst, die persönl chen Beziehungen des Mathias v. Neuenbürg
aufgedeckt und hiedurch in erfolgreicher Weise die Lösung der Frage nach der
Autorschaft der Chronik angebahnt zu haben, gebührt A. Schulte. Vgl. die
Abhandlungen desselben in Zeitschr. f. Gesch. d. Oberrh. 6, 496 fl'. : 7, 724;
11, 318 t.
3) Studer S. 40, 7 ff.
582 Victor Thiel.
Keinesfalls ist die Vermutunor zulässig, er habe die Fabel erfuuden,
um etwa den Glanz des Hauses zu erhöhen. Dazu hatte er keine
Veranlassung. Es wurde zwar behauptet i), er habe seiue Arbeit vom
specifisch habsburgischen Standpunkte abgefasst, und das Haus Habs-
burg stehe im Vordergrunde seiner Darstellung. Dies ist jedoch uicht
richtig. Mathias hat die Habsburger nicht mehr berücksichtigt, als
er es vom reichsgeschichtlichen und von seinem localhistorischen Ge-
sichtspunkte aus thun musste. Es zeigt sich dies darin, dass er der
Geschichte der Habsburger seit ihrem Kücktritte von der Bewerbuuor
um die Königskroue eine viel geringere Beachtung schenkt. Dass
auch seine Objeetivität nicht durch Sympathien für das Haus Habs-
burg getrübt wird, wird aus dem Umstände klar, dass er gelegent-
lich 2) einmal das Alter, den Reichthum und das Ansehen Kiburgs
höher schätzt als das Habsburgs, und von der Politik König Albrechts
hervorhebt, dass sie lediglich dynastische Interessen verfolgt habe '^).
Dass also Mathias die Fabel erfunden habe, daran ist nicht zu denken.
Doch ist es überhaupt nicht glaubhaft, dass die Fabel mit einer be-
stimmten Tendenz in die Welt gesetzt worden sei. Es ist eine durch
nichts gerechtfertigte Vermutung Kiegers, dass als Autwort auf die
Verspottung des armen Grafen durch König Ottokar aus der Kanzlei
Rudolfs die Stammsagen in die Welt gesendet und die Abkunft von
den Römern erfuuden und verbreitet worden sei ^). Wäre dies wirk-
lich der Fall gewesen, dann wäre gewiss auch für die weitgehendste
Verbreitung jenes Werkes Sorge getragen worden, in welchem die
Stanimsagcu aufgezeichnet worden sein sollen, und wir wären der
Mühe enthoben, mühselig den Spuren dieser Arbeit nachzugehen. Die
Anknüpfung des Geschlechtes an Rum ist nicht schwer zu erklären.
Hieug ja die deutsche Cultur mit tausendfachen Fäden mit dem Römer-
tum zusammen, und sosehr hatte römisches We^en den deutschen Geist
unterthan gemacht, dass sich die geschichtlichen Erinnerungen ver-
wirrten, dass aus Julius Cäsar, dem Besieger deutscher Stämme, der
Begründer innerer Einrichtungen Deutschluuds wurde, und dass der
1) Rieger S. 305, 314. Lorenz, Geschichtsqu 1, S. 38, Rauch S. 11.
'^) Studer S. 7 : ipse vero patrnelis et eius posteritas deinceps non de Habs-
burg, sed de Kyburg sunt vocati, eo quod illud dominium aliud precessit tem-
pore, diviciis et honore.
^) Studer S. 34: Ibte Albertus rex monoculus, potens in regno Alaiuannie
et iiiibi tiliis suis omnia que potuit attrahens, partes alias non curavit. In über-
einstimmender Weise äussern sich Johann v. Winterthur, Archiv f. >xbweizer-
gesch. XI S. 42, und die baier, Forts, d. sächs. Weltchr. Mon. Germ. Deutsche
Chr. II S. 331.
•») Rieger S. 352.
Die Hiibsburgei- Chronik Heinrichs von Klingenberg. 533
Adel, die Auserlesenen der Nation, sich in den Gedanken hiueinlebteii,
vom Edelvolke der Kömer abzustammen. Nicht nur die Habsburo-er
auch die Weifen, die Grafen von Berg und andere leiteten ihren Ursprung
von Rom ab: viele Adelsgeschlechter führten ihren Stamm auf einen
der Kriegsgenossen Cäsars zurück 1). Diese Phantastereien sind gewiss
nicht eine bewusst ius Werk gesetzte Geschichtsfälschung, eine ten-
denziöse Erfindung zu politischen Zwecken gewesen, sondern sind aus
allgemeinen Ursachen cultureller Art hervorgegangen. In einem all-
mählichen Werdeprocess rankten sich um die Geschichte eines Fürsten-
hauses die Stammfabelu empor. Erst in der Literaturperiode eines
Hagen wurde die Geschichtsüberlieferung durch gelehrte, besser ge-
sagt, sehr ungelehrte Erfindungen verunstaltet.
Nach dieser Abschweifung nehmen wir wieder den Faden der
Untersuchung auf. Ausser den Beziehungen zwischen Mathias, den
Zürcher Jahrbüchern und Gundelfingen hat ßieger auf Berührungen
zwischen der Neuenburger Chronik einerseits, Ellenhard, der öster-
reichischen Reimchronik, dem Schulmeister von Esslingen, Joüann
von Victring und dem Anonymus Leobiensis andrerseits hingewiesen.
Es handelt sich da zunächst um einen Bericht, welcher von allen vor-
genannten Schriftstelleru mit Ausnahme Ottokars und des Anouyraus
gebracht wird, nämlich um die Erzählung von dem Erstaunen des
Bischofs Heinrich 111. von Basel (f 1274), als ihm die Nachricht zu-
kam, Graf Rudolf von Habsburg, der damals vor den Mauern Basels
lag, sei zum Könige erwählt worden. Führen wir uns zunächst die
betreffenden Stellen im Wortlaute vor Aucen
Ellenhard erzählt^): Et cum pervenisset ad episcopum Basiliensem,
.... irruit in eum tinior et tremor tantus etiam quod .... mor-
tuus est dicens circumstantibus: quod si homini iu hac vita
viveuti patere posset meatus ad deum et in locum ipsius succedendi,
quod ipse dominus Ruodolfas succederet in locum eius.
Der Schulmeister von Esslingeu 3), welcher das Ereignis in einem
Gedichte behandelt hat, lässt den Bischof ausrufen:
God nu sich ze diuem riebe
also, daz er dir niht ersliche
diuen himel ane wer.
») Vgl. F. M. Mayer, Untersuchungen über die österr. Chronik des Mathäus
oder Gregor Hagen, im Arch. f. österr. Gesch. 60, 306—308.
2) Mon. Germ. SS. 17, 123.
3) Hagen, Minnesänger 2, 137. 1.
584 Victor Thiel.
Der Abt von Victring berichtet i) : Presul autem secundum sau-
guinem eins propinquus magis tameu ei iufestus inceudiis' et rapinis,
ac cives viri fortnnam effereutes dixisse fertur: Si de throno suo
omnipotens se moveret, Rudolfus comes protinus insideret.
In der Darstelluug des Mathias endlich lieisst es '^) : Audiens autem
episcopus, quod factum est, se percutieus ad frontem dixit: Sede for-
titer, Domiue Deus, vel locum tuum occupabit Ruodoltus !
Höreu wir zunächst, was Rieger •^) aus diesen Parallelstelleu fol-
gert. Erstens schliesst er, dass die vom Bischof ausgerufenen Worte
sich rasch verbreiteten, dass sie allgemein bekannt, also nicht Erfin-
dung einer späteren Geschichtschreibung waren; zweitens, dass Mathias
den Ausruf treuer wiedergebe als die Uebrigen. Sonst aber folgert
Rieger nichts: und doch interessirt es uns vor Allem zu wissen, in
welchem Verhältnisse die Quellen unter einander stehen, nicht aber,
ob der Bischof von Basel überhaupt einen Ausruf gethan, und wie
dieser gelautet habe, eiue Frage, welche übrigens keineswegs so leicht
und so bestimmt zu i)eantworten ist, wie es Rieger gethan hat. Be-
denken wir doch, dass das Ereignis mindestens Jahrzehnte bis zur
ersten schriftlichen Aufzeichnung nur in der mündlichen Ueberlieferung
forto'elebt hat! und wie überaus schwierig es ist, Reden uud Ge-
spräche spontaner Natur zu authentificiren! Glücklicherweise ist es
uns gleichgiltig, wie die Worte des Bischofs gelautet haben. Die
zweite Folgerang Riegers, dass Mathias die ältere Tradition biete,
weil er den Ausruf in lebendigerer Form bringe, lässt sich gleichfalls
nicht halten. Mathias ist ein Schriftsteller von Jebhaftem Tempera-
ment; es drängt ihn zu dramatischer Ausdrucksweise, unverkennbar
tritt in seinem Geschichtswerke das Bestreben hervor, den Leser zu
fesseln, eine intei-essaute Leetüre zu bieten. So legt Mathias dem
Papste Clemens IV. auf die Anfi-age Karls von Neapel, was er mit
dem gefangenen Conradin beginnen solle, die pointirten Worte in den
Mund: Vita Conradini mors Karoli, mors Conradiui vita Karoli^).
Diese Worte ^iud gewiss nicht historisch, sondern auf Rechnung der
schriftstellerischen Mache zu setzen ''). An einer andern Stelle wird
>) Böhmer, Fontes I S. 302. Soll es nicht statt ^ae cives'' »ad cives »=
heissen? Von der Bestürzung des Bischofs von Basel über den Ausfall der
Konigswahl berichten auch die Chronik von Colinar, SS. 17, und die baier. Forts.
d. Sachs. Weltchr. Mon. Germ. Deutsche Chron. 2, 328 Z. 14.
2) Studer S. 12.
3) Rieger S. 316.
•») Studer S. 4 Z. 13 f.
•':i Vgl. Schirrmacher, Die letzten Hoheustaufen S. 578 Anm. 26 ; Hampe,
Konradin von Hohenstaufen S. 314 Anm. 2.
Die Habsburger Chronik Heinrichs von Klingenberg. 585
die Darstelluug der Clironik so lebhaft, da>s mau meinen könnte, eine
Komauepisode zu lesen, dort nämlich, wo er von dem nächtlichen
Ueberl'alle der in König Kudolfs Heere dienenden Schweizer auf das
burgundische Lager während des Sommerfeldzuges im Jahre 1289
erzählt ^). Da hinwieder, wo er Ludwig den Baiern in die Darstellung
einführt, wird er schwungvoll, und in vortreiflicher Weise zeichnet er
mittelst Anthithesen den widerspruchsvollen Charakter Ludwigs -).
Diese wenigen Beispiele für viele ; und so ist auch in der ürwüchsig-
keit, welche Mathias dem Ausruf des Basler Bischofs verleiht, nicht
ein Auzeichen der getreuen Ueberlieferuug, sondern die Technik des
Schriftstellers zu erblicken.
Auf das Quellenverhältnis ist Eieger nicht eingegangen. Ein
Vergleich der vier Berichte ergibt, da>3 sie, formell voa einauler un-
abhängig, nur im sachlichen Kerne übereinstimmen. Bloss ein ent-
fernter Anklang liesse sich etwa in der Formulirung des Mathias und
des Johann von Victring wahrnehmen. Ein Anlass, eine gemeinsame,
schriftliche Vorlage auzuuehmen, liegt nicht vor; dessen ungeachtet
ist eine solche Möglichkeit nicht gänzlich abzuweisen. Wahrscheinlich
sind jedoch alle vier Fassungen der Anekdote, welche die rastlos vor-
wärts drängende Thatkraft Rudolfs verherrlicht, ans dem Borne der
mündlichen üeberlieferung geflossen.
Gehen wn- zu den weitereu, von Rieger aufgezeigten Quellen-
berührungen über. Rieger s) verweist auf das Verhältnis, welches
zwischen der von Mathias erzählten Weissagung von Rudolfs Grösse
und einem ähnlichen Berichte des Anonymus Leobiensis herrscht. Die
Chronik des Mathias erzählt uns ^) : Ruodolfus vero cum esset cum
Friderico imperatore in Lumbardia, qui et ipsum Ruodolfum de sacro
fönte levavit, astrouomus imperatoris ipsi, Ruodolfo, quamvis iuveni,
frequeiiter assurgens ipsum pre cunttis spectabilibus et clarissimis
honoravit. Sciscitatus autem a Cesare astronomus, cur ille pre ceteris
tantum exhiberet honorem, quod ad eum imperii honor et ipsius prin-
cipis potestas deveniret, rcopoudit. Turbato autem cesare et illi in-
dignaute, astronomus dixit: Non indignemini ei, quia antequam in-
cipiet eius dominium, ex vobis, qui iam decem habetis filios, et ex
ipsis penitus nullus erit. Verum Ruodolfus abinde recessit. Im
Anonymus Leobiensis ^) heisst es dagegen : Hie rex cum adhuc esset
1) Studer S. 24.
2) Studer S. 56.
3) S. 307 f.
•*) Studer S. 2 f.
5) Pez SS. 1, 838.
Mittheilungen XX. ■ 38
586 Victor Thiel.
juveuis filius comitis, et cnria Friderici II. imperatoris cum aliis do-
micellis serviret, a Mathematicis sive Astrologis super alios se nobi-
liores tuoc iu curia imperatoris existentes venerabatur. Qui in hoc
diu per se consideravit nesciens quid Magistri imperatoris isti in eo
aestimarent; cogitavit iutra se: Isti me majorem ac nobiliorem curiae
aestimant, cum non sum. Quadam vice cum isti Jion cessareut sibi
regales honores impendere, accessit ille, eos secrete ipsos super hoc
arguendo. Isti secrete sibi revelaverunt, dicentes: Videmus vos impe-
ratori succedere in domiuio suo; sed consulimus, ut de curia hac re-
cedatis, ne ipse imperator iu vobis hoc cognoscat vel relatione ali-
cuius vel ex arte ista, in qua satis per se sapere cognoscitur.
Auch hier bietet das formelle Moment keine Handhabe, um das
Verhältnis der beiden Berichte feststellen zu können. Inhaltlich
weichen die Chronisteu in mancher Hinsicht wesentlich von einander
ab, doch weist immerhin der Gang der Erzählung ein so überein-
stimmendes Gepräge auf, dass man der Ansicht Riegers, welcher in
den beiden Berichten Ueberarbeitungen derselben Vorlage sieht, eine
gewisse Berechtigung nicht absprechen kann. Doch ist hiemit noch
nicht zugegeben, dass die ja doch nur mit Wahrscheinlichkeit auzu-
nehmeude, schriftliche Vorlage die Historia comitum Habsburgensium
o-ewesen sein müsse. Wir werden im Verlaufe unserer Untersuchung
noch darauf zurückkommen.
Endlich erblickt Eieger ^) noch in einer Parallelstelle zwischen
Mathias uud der steierischen Reimchronik eine Spur der verlorenen
Chronik des Heinrich von Klingenberg. Die Berührung betrifft die
Erzählung vom Tode König Rudolfs. Mathias berichtet über den-
selben ^) : Deficiente tandem rege pre senio et dicentibus sibi medicis,
quod ultra certos dies durare nequiret, ipse dixit: Eamus
ergo Spiram ad alios reges se pultos! et manens in Germers-
heim iuxta Spiram ibique moriens Spire in sepulcro regali honorifice
est sepultus, anno regni eins XVIII.
Ottokar 3) dagegen erzählt uns:
Wand iwer erzte, die hie stant,
die habent mich gemant
daz ich iu tuo von in kunt,
daz ir für dise stunt
lenger mugt geleben niht;
1) Ö. 317 fl;
'') Studer S. 27.
s) Mon. Genn. Deutsche Chron. V, Vers :38948
Die Habsburger Cbronik Heinrichs von Klingenberg. 537
wand ob iu daz heil geschiht^
als ich höre an ir sag,
ob ir unz an den fünften tac
dem töde vor west,
fürbaz ir niht genest !
Darauf hin ruft der Köuig 1) :
,Wol üf, so sullen wir niht mer
beliben alhie' . . .
,Zuo den andern hin
w i 1 ich', sprach er, ,an diser frist,
liinz Spire, da ir mere ist
miner vorvarn
die ouch kunige wären,
den wil ich in belibens siten
zuo komen geriten,
so daz mich nieman darf fueren dar'.
Die beiden Berichte weisen bei einem im Wesentlichen gleichen
Inhalt einige sachliche Abweichungen, doch auch formelle Anklänge
auf. Die Differenzen sind folgende. Ottokar erzählt von einem Ritte
Rudolfs zum Sterbeorte, wovon Mathias nichts berichtet; die Reimchronik
gibt Speier, Mathias Germersheim als Ort an, wo Rudolf starb; irr-
thümlich gibt der Reimchrouist an, dass Rudolf unz in daz niun-
zeheude jär römischer König gewesen sei (Vers 39223); Mathias ver-
zeichnet dagegen richtig: anno regni eius XVIII; andrerseits gibt
Ottokar den Todestag richtig au : ,an der zwelfpoten tac als si got
teilte' (Vers 39225 ff.), Mathias dagegen ein falsches: II. kalendas
Octobris. Die formellen Anklänge sind im Texte graphisch ge-
kennzeichnet. Die eine übereinstimmende Wendung, der ähnlich ge-
gebene Anspruch der Aerzte, ist jedoch nur eine, einem leicht in den
Mund kommende Phrase und scheint mir daher, nicht viel zu besagen.
Schwieriger ist die Erklärung der zweiten übereinstimmenden Stelle.
Eine Entlehnung seitens des Mathias, der ja nirgends die Reimchronik
benützt, ist vor allem ausgeschlossen. Nun ist nicht zu verkennen,
dass Ottokar, wie an vielen anderen Stellen, so auch bei dem Be-
richte über den Tod Rudolfs die Gesta Rudolfi EUenhards benützt hat.
EUenhard 2) erzählt nämlich: Rudolfus . . . a Castro Germersheim se
transtulit Spiram, in qua civitate Spirensi reges Romanorum ab antiquo
cousueverant inhumari. Es kann demnach angenommen werden, dass
1) Vers 38987 flf.
2) Mon. Germ. SS. 17, 134.
38*
588 Victor Thiel.
die Wendung bei Ottokar: Zuo den andern hin wil ich . . . liiuz
Spire, da ir mere ist ininer vorvarn die oucli kunige wäreu, auf den
von Ellenhard bei der Nennung Speiers gemachten Zusatz zurück-
zuführen sei. Bei Mathias jedoch ist an eine Entlehnung aus Ellen-
hard nicht zu denkeu. Es ist gewiss, dass der Autor der Neueuburger
Chronik die Gesta Rudolf! nicht vor sich gehallt hat, wenigstens nicht
bei der Concipirung seiner Arbeit wie das von ihm über Rudolf
Gesagte beweist i). Ellenhard als gemeinsame Quelle Ottokars uud
Mathias anzusehen, ist demnach auch nicht gestattet. Köunte aber
der formelle Anklang zwischen den beiden Chronisten nicht ein zu-
fälliger sein"? Die erste baierische Fortsetzung der sächsi.-ichen Welt-
chronik gebraucht bei der Erwähnung des Todes Königs Rudolf die
Wendung-): Er wart begraben ze dem tum bei andern chünigeu.
Aehulich heisst es bei Clevi Fryger von AValdshut^): und wart er-
heben begraben zuo dem tum zu Spyr bi andern küngen. Denselben
Ausdruck gebraucht er später wieder ^) : Item wau nu küng Albrechts
tod was do solt man in ze Spir begraben bi andren küngen. Halten
wir dazu noch die oben citirte Stelle aus Ellenhard, so wird aus dieser
Zusammenstellung klar, dass die Bezeichnung Speiers als Begräbnis-
stätte der deutscheu Könige eine ziemlich ständige, eine stehende,
gewesen ist. Hiedurch aber büsst die ankliuo-ende Wendung bei
Mathias und Ottokar an ihrer Auffälligkeit em.
Endlich ist es zu beachten, dass wir hier abermals eine Anekdote
vor uns haben, also auf die mündliche Ueberlieferung als etwaige
gemeinsame Quelle bedacht sein müssen. Durch die Pointirung einer
1) Hegel, Deutsche Städtechroniken 8, 60, Rieger iS. 309 t. und Huber, Fontes IV
.S. XXXH N. 1 lehnen jede Entlehnung seitens des Mathias aus Ellenhard ab. Im
Gegensatze hiezu hat sich Lorenz, Geschichtsquellen 1, 38 f. dahin geäussert,
dass Mathias seine älteren Strassburger Vorgänger nicht unbekannt gewesen
wären. Es ist eben zu unterscheiden, ob ein Autor eine Quelle überhaupt ge-
kannt, und ob er sie für seine Arbeit unmittelbar herangezogen hat. So gewiss
es nun ist, dass Mathias die Chronik Ellenhards nicht unmittelbar bei seiner
Arbeit vor sich hatte, so dürfen wir wohl annehmen, dass ein Mann, der so viel
historische Bildung besass, um ein umfangreiches und gediegenes Geschichtswerk
herstellen zu können, jene Chroniken gelesen hat, welche er in so unmittelbarer
Nähe hatte, wie die Strassburger und Colmarer Geschichtsc^uellen. Dafür spricht
auch die vielfache sachliche Berührung der Chronik des Mathias mit den ge-
nannten Geschichtswerken. Eine Benützung Ellenhards seitens Mathias hat nur
Droysen, Albi'echts I. Bemühungen um die Nachfolge im Reiche S. 57 mit Be-
stimmtheit behauptet.
-) Mon. Germ. Deutsche Chrou. H. S. 329 Z. 17 f.
^) Gedruckt bei Gerbert, De translatis Habspurgo-Austriacorum principum
cadaveribus S. 92.
'} S. 100.
Die Habsburger Chronik Heinrichs von Klingenberg. 53^
Anekdote wird aber auch der Fassuncr derselben eine o-ewisse Stabilität
gesichert. Eine Nothwendigkeit, eine gemeinsame schriftliche Vorlao-e
der steierischen und der Chronik des Mathias anzunehmen, besteht
daher auch in diesem Falle nicht.
Die drei zuletzt besprocheaen Berührunoreu haben durchwesrs eine
Anekdote zum Inhalte, deren Held der im Munde seines Volkes fort-
lebende König Rudolf ist. Von Mund zu Mund gehend machten
die Anekdoten die Kunde in den deutschen Landen. Es verdient die
Fortpflanzung durch die mündliche Tradition bei Anekdoten eine
viel grössere Berücksichtigung, als bei rein historischen. Ausgeschlossen
ist es freilich nicht, dass gleichwohl auch bei der Ueberlieferuno- von
Anekdoten eine schriftliche Quelle eine Reihe von Berührungen ver-
ursacht habe. Bei den uns vorliegenden Fällen ist die Wahrschein-
lichkeit, dass mündliche Tradition das Bindeglied gebildet habe, ver-
schieden ; sehr gross ist sie in jenem Falle, in welchem es sich um
den Au.sruf des Basier Bischofs handelt; verhältnismässig am geringsten
ist sie in dem die Weissagung von Rudolfs Grösse betreffenden Falle ;
der Inhalt dieser Erzählung ist ein derartiger, dass er wohl kaum
dem Munde des Volkes geläufig geworden ist; auch ist hier die Aehn-
lichkeit der beiden Berichte die grösste. Nachdem wir nun aber,
namentlich mit Rücksicht auf den eben erwähnten Fall die Even-
tualität zugegeben haben, dass eine schriftliche Vorlage die Ursache
der Quellenübereinstimmuugen gewesen sein könnte, haben wir auch
die Möglichkeit der Existenz einer verloren gegangenen Chronik zu-
gestanden, da die Berührungen aus dem gegenwärtig bekannten Quellen-
bestande nicht erklärt werden können. Wir müssen uns daher auch,
mit der Frage beschäftigen, wie eine solche Quelle annähernd be-
schaffen gewesen sein mag und ob uns nicht Nachrichten über eine
derartige, verlorene Arbeit überliefert worden seien. Rieger meinte,
die drei Anekdoten seien zuerst in jener Chronik über die habsbur-
gischen Fürsten gestanden, welche späteren Nachrichten zufolge der
Bischof Heinrich II. von Constanz geschrieben, und welche mit Rück-
sicht darauf, dass der Bischof des Königs Rudolf Kanzler gewesen,
hauptsächlich die Geschichte Rudolfs zum Inhalte gehabt habe. Man
muss zugeben, dass die Anekdoten recht gut in einer solchen Chronik
hätten stehen können. Wenn wir nun aber iu Erfahrung bringen,
dass es eine Quelle gegeben habe, deren ausschliesslichen Inhalt
Anekdoten über König Rudolf bildeten, so werden wir wohl mit viel
grösserer Wahrscheinlichkeit annehmen dürfen, dass diese die Ursache
der uns vorliegenden Quellenberührungen gewesen sei, und nicht die
fragwürdige Chronik des Kliugenbergers
590 Victor Thiel.
Eine solche Anekdotensammlung hat es thatsächlich gegel^en.
Einer Notiz in der Kaisergeschichte Cuspiniaus ^) zufolge hat ein
Libellulus de facetiis Eudolfi existirt, welchen ein Albertus Argenti-
nensis geschrieben habe, Cuspinian gibt aus diesem Büchlein vier
Anekdoten wieder, deren drei auch anderwärts überliefert sind. Ausser
den Angaben bei Cuspinian ist uns über das Anekdotenbuch nichts über-
liefert worden. Was den Verfasser des Buches, Albertus Argentinensis,
betrifft, so hat ihm Cuspinian irrthümlich auch jene Chronik zugeschrieben,
deren Autorschaft nach wechselvollem, literarischen Streite in jüngster
Zeit endgiltig dem Mathias von Neuenburg zuerkannt worden ist; mög-
licherweise hat aber Cuspinian ihn, den Albertus Argentinensis nämlich,
nur für den Verfasser einer Compilation gehalten, in welcher unter an-
derem auch die Neuenburger Chronik enthalten war -). Die Ausicht 3),
dass Albertus Argentinensis identisch sei mit dem Grafen Albrecht von
Hohenberg, Bischof von Freising, in welchem Soltau *) und Wenck den
eigentlichen Autor der Chronik von Neuenburg entdeckt zu haben glaub-
ten, hat gewiss nichts für sich. Weiland nahm eine Mittelstellung ein
zwischen Soltau- Wenck einerseits und Schulte, der des Mathias Autor-
rechte ungeschmälert wissen wollte, andrerseits; er meinte, Mathias
hätte neben anderen schriftlichen Aufzeichnungen des Grafen Albrecht
auch dessen Büchlein von den Schnurren König Kudolfs benützt.
Sehen wir uns nun jenen Theil der Chronik näher an, welcher auf das
Anekdotenbuch des Hohenbergers zurückgehen soll; es sind durchwegs
Anekdoten; in dreien derselben spielt der Hohenbergische Notar mit
dem Beinamen „der Cappadocier" eine hervorragende Rolle; keineswegs
tragen sie ein solches Gepräge, welches sie als das geistige Eigenthum
eines Mannes von der Stellung und der Begabung des Grafen Albrecht
erkennen liesse; sie lassen sich am besten als Eulenspiegelgeschichteu
charakterisiren ; der Cappadocier figurirt in ihnen als Held, dessen
Spässe und lustigen Streiche mit vielem Behagen erzählt werden. Die
») Cuspinian, De Caesaribus, in der Ausg. von 1540. S. 536 f., in der Ausg.
von 1501 S. 354. Auf diese Notiz bat zuerst Wenck. , Albrecht v. Hohenberg
und Mathias v. Neuenburg' S. 41 aufmerksam gemacht. Wenck bemerkt, dass
die Anekdote von der Adlernase Rudolfs, welche Cuspinian nach dem libellulus
wiedergibt, sich nur bei Johann v. Winterthur S. 24 wiederfinde; sie wird aber
auch von Johann v. Victring, Font, l S. 318 erzählt.
') Vergl. Wenck S. 88 f.
s) Vergl. Weilands Einleitung z. d. Geschichtschreibern d. d. Vorzeit saec.
XIV 6. Bd., inbes. ö. XIV.
■») Der Verfasser der Chronik des Mathias von Neuenbürg, im Progr. des
Gymnasiums m Zabern 1877; ferner Jacob von Mainz, Mathias v. Neuenburg
oder Albertus Argentinensis in Strassburger Studien 1. 301 ff.; auch im Separat-
druck erschienen 1883.
Die Habsburger Chronik Heinrichs von Klingenberg. 591
Unbedeutendheit des Inhalts, die Derbheit des Tones verweisen uns
darauf, den Autor der Histörchens in einer niederen Sphäre, etwa im
Gesinde des Hoheubergers zu suchen. Dass Bisehof Albrecht überhaupt
literarisch thätig war, dafür haben wir gar keinen Anhalt. Wie sollte
ferner der Bischof zur Bezeichnung Arffentinensis kommen? Er war
zwar auch unter anderem canonicus Argentinensis : was bedeutete aber
für ihn bei seinem Keichtum an geistlichen Würden das Strassburger
Canonicat? nichts weiter als eine annehmbare Vermehrung seines
Einkommens. Zur Identificiruug des Kirchenfürsten mit dem Ge-
schichtschreiber Albert von Strassburg liegt somit kein Anlass vor.
Von Wichtigkeit ist die Frage der Abfassungszeit des Werkchens;
eine durchaus befriedigende Antwort ist uns leider nicht möglich.
Cuspinian nennt den Verfasser einen annalium scriptor, qui per haec
tempora floruit, wobei aus dem Zusammenhange zu erschliesseu ist,
dass hiemit die Zeit des Köuigs Rudolf bezeichnet wird i). Ein ter-
minus ad quem ergibt sich durch die zweifellose Benützung des Buches
seitens des baierischen Fortsetzers der sächsischen Weltchronik, welcher
um die Mitte des 14. Jahrhunderts schrieb ^). Sehr wahrscheinlich ist
die Auekdotensammlung, soviel den oben behandelten und den des
Weitern noch zu erörternden Quellenberührungen nach zu schliessen
ist, auch dem Mathias von Neuenburg, Johann von Winterthur,
Johann von Victriug, dem Anonymus Leobiensis, den Zürcher Chro-
niken und dem verloreneu Buche von Königsfelden als Quelle vor-
gelegen, kaum jedoch schon Ellenhard und dem steierischen Reim-
chonisten, deren Armut an Anekdoten in auffälligem Gegensatze steht
zu der überreichen Fülle an solchen, welche wir mit einem Male bei
den im 4-, 5. und 6. Jahrzehnte des 14. Jahrhunderts entstandenen
Chroniken wahrnehmen ^).
In dem Anekdotenbüchlein mag zum ersten Male auch die Er-
zählung von der Begegnung Rudolfs mit einem Priester gestanden
haben ^) ; überliefert wird sie durch die Zürcher Jahrbücher, Johann
') Vergl. Wenck 8. 41.
2) Vergl. Wenck a. a. 0.
3) Zwar bringt Ellenhard, SS. 17, 133 die Anekdote von der Entlarvung des
betrügerischen Kaufmannes in einer ähnlichen Fassung wie Mathias von Neuen-
burg, Stud. cap. 27, sodass es nahe liegt, an eine gemeinsame Quelle zu denken.
Vielleicht hat aber der Verfasser des Libellulus seinerseits aus Ellenhard ge-
schöpft ?
*) F. M. Mayer S. 317 meint, dass der Bericht zuerst in der verlorenen
Chronik von Königsfelden, Rieger S. 308 n. 1. dagegen, dass sie zuerst bei
Hagen gestanden habe. Doch bringt sie nach dem gegenwärtigen Quellen-
bestande zuerst Johann v. Winterthur.
592
Victor Thiel.
von Winterthur, den Anonymus Leobiensis, Hagen und Clevi Fryger.
woltei sich im Inhalte, in der Aufeinanderfolge der Einzelheiten und
Job. Vitod. S. 17 f.
F e r 1 11 r de e o dura
a d h u c c 0 in e s t a n-
tum oxtiterat. quod
cu m q u a d n m vice
per t e r r a m s u a m
e ({ 11 i t a r e t c ii m suis
Sil teil iti bus, o b-
viam babuit cleri-
c u m corpus D o m i n i
p 0 r t a n t e in et in
terra p e d i b u s am-
bulantem, qu od cor di
apponensillico de equo
prosiliit et clerico
in reverenciam corporis
C b r i s t i d e d i t. Q u i
s t a t i m p 0 s t s u b 1 i-
matus fuit in re-
s p. m R 0 m a n o r u m.
An. Lcob. Pez SSI
S. 838 f.
Cum a u t e m Co m e s
in H a b s p u r g i a ui
esset et pueros joro-
creasset, accidit qua-
d a m vice, u t per
q u a n d a, m v i a m cum
sua familia eques
i r e t . h a b u i t o b-
vium sibi quendam
s a 0 e r d 0 1 e m e u n-
tem pedes cum cor-
pore Christi. Comes
vero de s u o equo
desceudens. sacer-
d 0 1 e m in e o 1 o c a-
v i t . direns : Vos cum
Domino nieo eques ibi-
tis, et ogo in pedibus
propriis sequar, et sie
equum Sacerdoti dedit
nein vetraheudum. Non
diu pOi^tea . . . Prin-
cipes Electores Ala-
in a n i a e . . . i p s u m
Rudolfum Comitem
. . . in Regem e 1 e-
s e r u n t.
Hagen, Pez SSI S. 1084.
Do d i s e r Herr noch
junger waz, do was er
ain Nachfolger Christens
glaubens vnd ain diemut-
tiger Erer der Heilligeu
Sa crament : w a n er c h a m
ainsmals mit den
seinen zu ainen wasser
vnd fand do ain Prie-
ster mit dem Heilli-
gen Sacrament zwey-
telent an dem fürte des
wasser. Do sprang der
G r 0 s s m ü t i g Herr von
dem pferde, und hiez
darauf siezen de n
Priester. Do der Prie-
ster also über d n z
wasser c h a m , d o w o 1 1
er daz pferd Herrn
Rudolf feil den Land-
graf f e n wider haben
geben. Er antwurtt und
sprach : Ich schecze
mich vnwirdigen, daz
ich fürbaz siez auf
dem V i h e . auf dem
der Herr der Herren
ist ü b e r g e f ü r t. Da r-
nach der gelawbig Man
daz pferd willigieich gab
dem Priester. Darnach . . .
kam er zu ainer got die-
nenden frawen .... die
weissagt . . ., daz er sult
. . . gefiidert werden, und
grossleich geeret, zufoder
ist darumb, daz er dem
Chunig des Himels mit
dem pferd diemutigleich
hett geeret.
liezüglich der Ueberlieferuug durch die Zürcher Jahrbücher ist zu
bemerken, dass die Klingenberg'sche Handschrifteuclasse, deren Fassuug
oben wiedergegeben ist, mehrfach abweicht von der Krieg'schen Re-
daction. Bei Krieg fehlt der Umstand, dass Rudolf dem Priester
nachher das Pferd schenkt mit den durch Schillers Ballade bekannten,
Die Habsburger Chronik Heinricbs von Klingenberg.
503
sogar in der Ausdrucksweise eiue so auffällige Uebereinstimmung zeigt,
dass der Schluss auf eiue o'emeinsame Vorlaofe berechtitj^t sein dürfte.
Clevi Fryger, Gerbert S. 89.
Dirre Herre, e erKüug
erweit ward, clo hat er
grosse minne zuo allen
gottlichen dingen, vnd zuo
den heiligen Sacramenten.
Man 1 i s t von im das
er eins m als mit si-
ne m V 0 1 k dur ein wasser
riten wolt, vnd vand
da einen priest er der
truog den fronlicha-
n e m v n s e r s Herren,
vnd besorget ser wie er
durch das wasser kerne
wän es was gar ungestüme
vnd gross. Bald als Ruo-
dolfi' das sacb, so stund
er von sinem ross.
vnd hiess es dem prie-
st e r dar ziehe n. D o
n n der p r i e s t e r d u r c h
das wasser kam, d o
bot er dem herren sin
ross wider, do wolt er
sin nit vnd veriäch sich
vnwirdig sin, das er
iemer me das ross
überschritte, das den
Schöpfer und aller
herren h e r r e g e t r a -
gen h a 1 1 , vnd also gab
er frilich das dem priester.
Bald darnach kam KuodoliF
. . . zuo einem heiligen . . .
menschen, das mensch seit
ihm, das er kurtzlich solt
geeret werdem, vm das
minne werk, das er gen
dem heiligen Sacrament
sretän hatt.
Zürcher Jahrbücher.
Ettmüller S. 57.
Ez tuogt sich ains
mauls, daz ein junger
grauf von H ab spur g
mit sinem diener rait
b a i z e n und jagen in
ainer ouwe. do hört er aiu
schellen, glich als man dem
sacrament vor treit ....
do fand er ainen prie-
ster mit dem sacra-
ment an ainem wazzer,
und häte der priester daz
sacrament vor im gestelt . . .
und wolte sin schuoch üz
ziechen, und also . . . durch
den bach waten
Also fiel der von Habs-
purg von sinem pfärd
nider üf siniu knie
und bat siuer grauden und
h i e z den priester . . .
üi' sin pfärd sitzen
... Do nu der prie-
ster mit dem sacra-
ment wider haimkam,
d 6 wolt er d e m j u n-
gen herren sin pfärd
w i d e r b r i n g e n . . . . also
sprach der von Habspurg:
»Daz welle got nit.
daz ich . . . daz pfärd
iemer m e r ü b e r s c h r i t e,
daz minen herren und
Schöpfer getragen
haut . . . . « Der priester
sprach: »Nu müez got er
und wirdigkeit ... an iucli
legen* . . . Diser prie'^ter
seite . . . dem bischof von
Meiuze . . des grauf en . . .
fromkait . . vnd braucht
also in die fürsten, daz
die fürsten . . . in
zuo ainem Roemschen
künge er walten.
frommen Worten ; dafür erzählt er, wodurch er sich der Fassung Hageus
und Frygers uahestellt, dass Rudolf auf dem Heimwege eine Klausnerin
angetroifen habe, welche ihm seiner Frömmigkeit wegen die Standes-
erhöhung verkündet ^). Was Hagen und Fryger betrifft^ so gehen diese
>) Vergl. Scherer S. 105.
594 Victor Thiel.
gemeinsam auf die verlorene Chonik von Königsfelden zurück, welche
wahrscheinlich bald nach 136-4 entstanden ist i). lieber das Verhält-
nis des verlorenen Königsfelder Buches zu den Zürcher Jahrbüchern
kann kein Zweifel bestehen. Da die von einander abweichenden
Fassungen Krieg und Klingenberg aus dem Königsfeldener Werke
sich erklären lassen, ist dieses als das benützte anzusehen. Krieg
hat die Erzählung von der Prophezeiung der Klausnerin aus seiner
Quelle beibehalten, während die Kliugenberg'sche Fassung den Bericht
dahin veränderte, dass bei ihm der Priester selbst die Standeserhöhung
Rudolfs verkündet; dagegen iässt Krieg, abweichend von der Vorlage
den Umstand weg, dass der Graf mit demütigen Worten das Pferd
dem Priester schenkt, wogegen Klingenberg hierin mit grosser Treue
seiner Quelle gefolgt ist.
Woher schöpfte der Chronist von Königsfelden die Erzählung?
Wie noch gezeigt werden wird, kannte und verwertete er das Ge-
schichtswerk des Johann von Winterthur. Es ist offeubar, dass auch
für diese Stelle die Chronik des Minderbruders als Quelle gedient hat.
Die aufiFallende üebereinstimmung zwischen Johann von Winter-
thur und dem Anonymus Leobiensis endlich scheint mir ihre Erklä-
rung darin zu finden, dass sie beide aus derselben Vorlage, dem
Libellulus de facetiis Rudolfi geschöpft haben.
Von Interesse ist es hiebei auch, dass der Anonymus Leobiensis
die Erzählung in unmittelbarer Verbindung mit der Weissagung von
Rudolfs Grösse bringt, welche auch von Mathias von Neuenbürg; in
einer so ähnlichen Fassung erzählt wird, dass der Schluss auf eine
gemeinsame schriftliche Vorlage nicht unwahrscheinlich ist. Die An-
nähme, dass in dem Anekdotenbuche des Albertus Argentinensis zum
ersten Male unter anderen Anekdoten auch jene von der Begegnung
Rudolfs mit dem Priester und ferner die Weissagung der Astrologen von
Rudolfs Grösse gestanden habe, scheint uns hienach gerechtfertigt zu sein.
Im bisherigen Verlaufe der Untersuchung haben wir uns lediglich
mit den, von Rieger vorgebrachten Beweisgründen für die Existenz
einer verschollenen Habsburger Chronik Heinrichs von Klingenberg
befasst. Es hat sich gezeigt, dass Rieger ein wichtiges Moment bei
seiner Untersuchung ausser Acht liess, nämlich die Fortpflanzung
durch die mündliche Ueberlieferung, welche gerade bei dem Charakter
der in Frage kommenden Parallelstellen unliedingt berücksichtigt
werden muss. Ferner hatte Rieger noch keine Kenntnis von dem
gleichfalls verlorenen Libellulus des Albert von Strassburg, von
-) Ueber die Chronik von Königsfelden wird im Späteren eingehender
gehandelt werden.
Die Habsburger Chronik Heinrichs von Klingenberg. 595
welchem mit viel grösserer Wahrscheinlichkeit als vou der Habsburger
Chronik Klingeubergs angenommen werden kann, dass er die Vorlage
in jenen Fällen gebildet habe, in welchen die Eventualität einer ge-
meinsamen, schriftlichen Vorlage in den Vordergrund tritt.
Eieger hat auch für die Klingenberger Chronik zwei, in Versen
abgefasste Berichte 1) in Anspruch genommen, welche in den Zürcher
Jahrbüchern sich eingeschoben finden. Die eiue Stelle hat die fast
gleichzeitig erfolgte Wahl der beiden Vettern, der Grafen Rudolf von
Habsburg, des einen zum deutscheu Könige, des andern zum Bischof
von Constanz, zum Inhalte. Eingeschoben ist diese Notiz in den
Zürcher Jahrbüchern am Schlüsse eines Capitels, welches auf eine
Constanzer Quelle zurückgeht. Es ist daher Eiegers Folgerung, dass
auch die am Schlüsse stehenden Verse der Constanzer Vorlasfe ent-
noramen seien, annehmbar. Ungerechtfertigt ist aber der Schluss
Eiegers, dass das zweite Fragment, welches genealogische Daten über
Eudolfs Familie bringt und mit der ersten Notiz in gar keiner Ver-
bindung steht, gleichfalls Constanzer Ursprung habe. Welcher Quelle
hat nun der Zürcher Chronist die beiden Stellen entnommen ? Schwer-
lich dürfen wir die ungemein holperigen Verse dem hochgebildeten
Bischof Heinrich von Klingenberg zumuthen. Auch innere Gründe
sprechen dagegen. Die Verse sind Ende 1277 oder anfangs 1278
abgefasst, und ihr Inhalt setzt einen wohlunterrichteten, dem Hofe
Eudolfs nahestehenden Mann als Verfasser voraus. Diese Umstände
aber stehen mit dem Lebensgange Heinrichs nicht im Einklänge.
Denn bis zum Jahre 1283 lebte er zurückgezogen, ohne sich an den
Eeichsangelegenheiten zu betheiligen; erst in dieser Zeit trat er in die
königliche Kanzlei als Protonotar ein.
Vou den Argumenten, welche Anhänger der Hypothese Eiegers
vorgebracht haben, werden wir uns zunächt mit jenen befassen, welche
Seemüller geltend gemacht hat. Seemüller macht auf Berührungen
zwischen Ottokar und Mathias von Neuenburg aufmerksam und er-
blickt in ihnen eine Bestätigung der Ansicht Eiegers ^). So verweist er
auf den Bericht der beiden Chronisten über die Schlacht bei Dürnkrut.
Nach Mathias ^) stimmt der Basler Eitter Eudolf vom Eheine den
Schlachtgesang an: Domina sancta Maria, domina sancta. Ottokar
dagegen lässt den Bischof von Basel den Schlachtgesang erheben ^) :
') Rieger S. 335 f. citirt die beiden Stellen.
-) Vgl. Seemüller, Ausg. d. Reimchronik in Mon. Germ. Deutsche Chr. V
Einl. S. 39, ferner S. 1222 N, 2.
3) Studer S. 17 Z. 3 fF.
^) V. 16146 ff.
j^c)(3 V i c 1 0 r T h i e 1.
Mit einer stimme ^rözen
der bischolf von Basel began
diesen ruof lieben an:
Sant Mari muoter und meit,
all unser not si dir gecleit.
Doch lial)en wir es hier mit keiner Quelleuberührimg zu thun.
Die Sclilachtbericlite der beiden Chrouisten siud von einander durchaus
unabhängig. Der reichhaltigen Darstellung Ottokars gegenüber bietet
Mathias nur die in einem beschränkten Gesichtskreise gehaltene Er-
zählung eines Basler Kriegers, des Heinrich Schörlin i). Ueberdies
kommt der gleiche Schlachtruf bei Ottolvar wiederholt vor; in der
Scblacht bei Göllheim lässt er den Bischof von Strassburg, ebenso die
Christen bei einem Auffalle aus Akkou diesen Ruf erheben.
Belangreich sind jedoch die Uebereinstimmungen und Abwei-
chungen, welche zwischen beiden Chroniken bei der Erzählung von
Albrechts Ermordung zu Tage treten ^). Seemüller verweist darauf,
dass sich die beiden Berichte nicht nur in den Hauptpunkten, sondern
auch in charakteristischen Einzelheiten gleichen. So lilsst nach der
Erzählung beider Chronisten Herzog Johann seine Forderung an
König Albrecht durch einen Bischof vorbringen, nach der Eeimchrouik
durch den Mainzer und Constanzer, nach Mathias durch den Strass-
burger; nach Mathias verlangt der junge Herzog quasdam mnniciones,
nach Ottokar V. 94121 überliaupt sein Erbe. Nach beiden Chroniken
vertröstet Albi-echt seinen Neöen auf die Rückkehr vom böhmischen
Feldznge und bietet ihm, um ihn zu beruhigen, hundert Panzerreiter,
setzt ihm ferner bei Tische einen Kranz auf das Haupt; während der
Mahlzeit kommt die Kunde, die Königin nahe heran, worauf die Ver-
schworenen den üebrigen voraus entgegeneilen und sich des einzigen,
bereitstehenden Fahrzeuges über den zu überschreitende]! Fluss be-
mächtiuen. Doch motivirt Mathias das Geschenk von 100 Panzer-
reitern besser als Ottokar und schildert das ablehnende Verhalten
Johanns in der Krauzscene in anderer Weise. Die stärkste üeber-
einstimmung herrscht in der Schilderung der Ermordung des Königs 3).
Die Folgerung, dass beide Berichte auf eine gemeinsame Quelle
zurückgehen, ist durchaus gerechtfertigt. Kann diese jedoch die Chronik
') Vgb Schulte, Noclnnals Mathias v. Nenenburg, in d. Zeitschr. f. Gesch.
.1. Oljerrh. 7, 724.
- ytud. cap. 3(j. S. 41 f. — V. 94115—94505. Vgl. Seemüller, S. 1219
N. 3, 1222 N. •>, S. 1225. N. 2 u. 3, S. 1227 N. 1.
s) Keimchr. cap. 800. — Stud. S. 42. Z. 14—20.
Die Habsburger Chronik Heinrichs von Klingenberg. 597
des Klingenbergers gewesen sein? Darnach raüsste die Habsburger
Chronik auch die Zeit König Albrechts umfasst haben 1). Dies ist
aber ausgeschlossen, da Bischof Heinrich schon 1306 starb, und für
eine etwaige Fortsetzung durch einen Andern sich kein Anhaltspunkt
bietet. So fällt also die Aufklärung der Queilenberührung eigentlich
nicht mehr in das Gebiet unserer Untersuchung. Doch möge es er-
laubt sein, auf einige Momente hinzuweisen, welche dafür zu sprechen
scheinen, dass mündliche Informationen aus demselben Kreise von
Gewährsmännern die Berührung zwischen den Chronisten hervor-
gebracht haben. Mathias hat allem Anscheine zufolge den Bericht
über die Ermordung Albrechts nach der Darstellung der Müuche ab-
gefasst, eines hervorragenden Basler Patriciergeschiechtes, zu welchem
der Geschichtschreiber in sehr nahen Beziehungen stand, und welches
über die Katastrophe wohl unterrichtet sein konnte -). Da nun Mathias
mit Ottokar eine gemeinsame Quelle benützt haben muss, bleibt mü-
der Schluss übrig, dass auch der Reimchronist mit dem gleichen Per-
sonenkreise in Verbindung stand und deren Erzählung seinem Berichte
zu Grunde legte. Wann und wo aber diirften Mathias und Ottukar
in eine, wenn auch nur mittelbare Fühlung getreten sein? Vielleicht
auf dem Holtage von Speier im September 1309. Beide Chronisten
zeigen sich über die Vorgänge in Speier derart unterrichtet, dass ihre
Berichte auf Auge u zeugen zurückgehen dürften 3); wir können daraus
schliessen, dass beide mit Personen in Verbindung standen, welche
auf dem Hoftage von Speier sich befanden. Vergegenwärtigen wir
uns nun die Situation! Die herzoglichen Brüder von Oesterreich er-
schienen in Speier mit einem zahlreichen, udänzenden Gefolge ; so
mancher Gönner und Freund der beiden Geschichtsehreiber masf sich
unter diesem befunden haben. Mit der Leiche ihres Vaters erschienen
die Herzoge in Speier, um sie im Dome beizusetzen; lebhaft musste
hiedurch der Versammlung das Ende des Königs in Erinnerung
kommen und neuerlich das Tagesgespräch bilden.
Ein für die Hypothese Eiegers sprechendes Moment glaubte auch
König 4) gefunden zu haben. Er meinte, auch Nauclerus habe aus
') Redlich in der Recension der Seemüller'schen Ausgabe der Reimchronik
in den Mitth. d. Inst. f. österr. Geschichtsforsch. 16, 681 nimmt dies vermuthungs-
weise an.
2) Vgl. das Näbere im Aufsatz Schulte's, Zu Mathias v. Neuenburg in
Zeitsch. f. Gesch. d. Oberrh. 6, 496 ff.
3) Die auf Mathias bezügliche Vermuthung hat Huber, Math. v. Neuen-
burg u. Jacob V. Mainz, Arch. f. österr. G. 63. S. 260 f. ausgesprochen, betreffs
Ottokars Seemüller, S. 1271 N. 1.
'') Zur Quellenkritik des Nauclerus, Forsch, z. deutsch. Gesch. 18, 49 ff.
59S Victor Thiel.
Klingeuberg ge.scliöpft; denn im Berichte desselben über den Hoitag
von Augsburg im Jahre 1275 sei eine solche Uebereinstiramung mit
Ottokar zu bemerken, dass nur der Schluss auf eine gemeinsame
Quelle erübrige; nun sei aber erwiesen, dass Ottokar aus Klingenberg
geschöpfte habe, folglich dürfe man annehmen, dass auch Nauclerus diese
Chronik benutzt hätte. Wie man sieht, nimmt König das zu Be-
weisende schon als bewiesen an, und souacli bildet das voa ihm an-
geführte Moment keine Stütze für die Annahme Riegers, sondern nur
eine weitere Ausgestaltung. Ferner verweist König darauf, dass auch
Nauclerus die Abstammung der Habsburger von den Perleonen be-
richte. Bediugt dies aber eine Entlehnung aus Klingeuberg? Konnte
Nauclerus diese Notiz nicht aus Gundelfingen schöpfen?
Endlich hat Lorenz i) auf Umstände aufmerksam gemacht, welche,
wie er meinte, für die Hypothese ßiegers sprechen. So sieht er eine
bestimmtere Hinweisung auf die habsburgische Hausgeschichte des
Heinrich vcm Klingenberg in den Worten derjenigen Zürcher Com-
pilation, welche man als die Kliugenberger zu bezeichnen pflegt, wo
es von König Rudolf heisst: Er tat soviel stryt und redlicher taten,
dass man hievon ein eigen buoch gemacht hat -). Diese Worte sind
jedoch aus Königshofen herübergenommen; dieser sagt 3): Dirre künig
Rudolf det so vil strite und frumekeit, das davon ein gautz buch ist
o-emaht. Heu-el bemerkt dazu mit Recht: Ohne Zweifel meint aber
Königshofen nichts anderes als die Gesta Rudolfi des Gottfried von
Ensmingen (Ellenhards).
Ferner erblickt Lorenz^) in einem Theile des Geschichtswerkes
des Clevi Fryger von Waldshut über die habsburgischen Fürsten eine
abgeleitete Quelle der Geschichte des Hauses Habsburg von Klingen-
berg. Er stützt sich auf die Stelle Frygers, wo es bei der Erwähnung
der Basier Streitigkeiten des Königs Rudolf heisst: als man in andern
cronicken vindet, die von der herschaft von Oesterreich gemacht sind.
Lorenz setzt hinzu: damit kann wohl nicht Mathias von Neuburg ge-
meint sein. Warum aber nicht? Wenck ^) sprach die Vermuthung
aus, dass die Chronik Frygers durch das Mittelglied einer verlorenen
Königsfelder Chronik <•) auf das Geschichtswerk des Mathias zurück-
gehe. Er meinte jedoch, dass nicht das Werk des Mathias selbst,
') Geschiclitsqnelleii 1, 7b'.
") Henne S. 31.
3) Hegel S. 451 Z. 12 f.
4) Geschichtsquellen 1, 268.
•') Wenck S. 66.
«) Im Wesentlichen richtig hat sich schon Gerbert über die Chronik ron
Königsfeldeu geäussert, namentlich bezüglich der Abfassungszeit; vgl. S. 86 f.
Die Habsburger Chronik Heinrichs von Klingenberg. 599
sondern nur ein Auszug desselben dem Königsfelder Chronisten vor-
gelegen habe, welcher vorzugsweise die genealogischen Partien umfasst
hätte. Wie sich aber im Nachfolgenden zeigen wird^ erstreckt sich
die Uebereinstimraung zwischen Clevi und Mathias auch auf eine Keihe
von Angaben nicht genealogischen Charakters 1).
So wird in Uebereinstimmimg mit Mathias die Wahl Rudolfs auf
den Tag nach Michael gesetzt. Dann heisst es bei Clevi S. 89: Also
brächt man das urkund der wal erlich für Basel in das her, ent-
sprechend der Angabe des Mathias, Studer S. 12: Burggravius autera
receptis de electione priucipum literis, utens duplomate ßasileam
ad Euodolfi exercituni . . . venit. Eine weitere Uebereinstimmuno-
o
zeigt sich in dem Berichte über den Tod Rudolfs: Clevi S. 92: küng
Rudolff der erst starb . . . hat achtzehen jare sines riches und wart
erlichen begraben zuo dem tum zu Spyr bi andern küngen. Mathias
Studer S. 27 : moriens Spire in sepulcro regali honorifice est sepultus,
anno regni eins XVIII. Auch in der nur summarisch gehalteneu Er-
zählung, welche Clevi S, 92 über König Adolf bietet, lässt er in ein-
zelnen Wendungen die Verwandtschaft mit Mathias erkennen ; mau
vergleiche hiezu Math. Stud. S. 28, Z. 23 ff., S. 30, Z. 9—14, S. 32,
Z. 16 — 18- Deutlich kommt das nahestehende Verhältnis an der Stelle
zu Tage, wo Clevi S. 92 von König Albrecht erzählt: Dirre kam in
Ungunst des bäbstz Bonifacii des achteden darum das er Küng Adolffen
erschlagen hat, der götlich ze küng er weit was, und hielt das Küng
Albrecht mit gewalt an recht Römsches rieh hette besessen. Es fuoffte
sich bald, das ein gross stoss wart zwischen dem babst Bonifacio und
S. 87 — 113 lässt er den von Fryger hergestellten Auszug folgen. Sodann hat
F. M. Mayer, Untersuch, über die österr. Chronik des Mathäus oder Gregor Hagen,
Arcü. f. österr. G. 60, 297 ff. gezeigt, dass auch Hagen auf die verlorene Chronik
zurückgeht: vgl. ferner Lorenz Geschichtsqu. 1, 223.
') Wenck S. 66 spricht ferner die Venuuthung aus, dass ein lateinischer
Auszug aus Mathias dem Heinrich v. Gundelfingen, eine deutsche Bearbeitung
der Neuenburger Chronik Clevi und Hagen vorgelegen habe. Wenck stützt sich
hiebei auf den Umstand, dass Gundelfingen, Clevi und Fryger den Irrthum ge-
meinsam haben, Clemencia als älteste Tochter Rudolfs zu bezeichnen, während
Mathias sie überhaupt nicht nennt. Gundelfingen aber stimme mit dem Texte
des Mathias derart überein, dass er den Irrthum nicht durch Vermittlung einer
deutschen Quelle erhalten haben könne. Zur Richtigstellung dieser Notiz diene
folgendes : Clevi und Hagen benützten die Königsfelder Chronik ; diese geht auf
Mathias zurück. Gundelfingen aber lehnt sich im zweiten 'iheile seiner Chronik
hauptsächlich an Mathias an, benützt jedoch auch Hagen, welcher ihm für den
ersten Theil den Hauptstoff geliefert hat. Es hat sonach der von Wenck an-
geführte gemeinsame Irrthum Clevis, Hagens und Gundelfingens zuerst in der
Königsfeldener Chronik gestanden.
600
Victor Thiel.
dem Kün>r vou Frankrich. Nu sach der babst das er uit widerstän
macht dem Küuig vou Fraükrich, und volget gutz ratz und saut zuo
Küng Albrecht, und halt sich mit dem und getrüwet, das er dester
bas belibe und bestände vor dem Küug von Frankrich. Also wart
Küuff Albrecht von dem babst bestät. Mathias Studer S. 32. Z. 17 — 20
berichtet dagegen iu knapper Fassung: Quem papa Bouifacius diu odio
persequens et lese majestatis crimiue reuui dicens, tandem similiter
eum in odium regis Francie approbavit.
Was die genealogischen Angaben bei Clevi betrifft, so sind diese
ausführlicher und genauer als bei Mathias: doch fehlt es nicht an
Irrthümern, uamentlich bei chronologischen x\.ugubeu. Auch in diesen
Notizen zeigt sich die Verwandtschaft der beiden Chroniken. So in
der Charakteristik Herzog Leopolds I. Clevi S. 94: Leopoldus . . . ein
man der eins löwen muot fuort in allen sachen grossmutig und lür-
sichtig; Mathks St. S. 34, Z. 13: Lupoldum bellicosura et prudentem.
Ferner lässt sich in der Erzählung über Herzog Leopold L folgender
Parallelismus fchtstellen.
Mathias.
S. ] S 1 , Z. ;5 : alia (filia) domino
de Cvisin Francie ....
S. 43, Z. S f.: Obsesso . . . .
Castro . . . Altburren per Lupoldum
, , . decupitati sunt quinquaginta.
S. .58, Z. 7 — 12: Descendit autem
Luipoldus dux Austrie, frater Fride-
rici, cum grandi exercitu Spiram con-
tra Ludovicum, ubi Ludovicus c e s-
sit de carapo in cimiterium
Judeorum . . . transivitque post hec
ipse Luipoldus juxta Augustam flu-
vium Lech . . .
S. 7 5 f.: Obsedit . . . Ludewicus
opidum Burgouwe ... Et (dux) re-
pente veniens cum genta feroci, cum
illis ignorantibus appropinquaret,
Ludewicus . . . evasit.
Clevi S. 94.
. . . dieselb tochter wart gemählet
einem herr von Gussin . . .
Hertzog Lüpolt .... vieng in
dem Castell das Altbürren heist fünfzig
man die schuldig warent an sines
vatters tod, die hiess er an siner
gegenwirtikeit enthöpten.
Er räch öch sinen bruoder Fridrich
wider küng Ludwigen den Peiigern,
er schluog in vor Oegspurg von dem
veld, do verlor küng Ludwig vil
ritter. Aber schluog er in von dem
veld vor Spir und jaget in bis
in den Kilchhof. Item vor Bur-
gow vertreib er in mit gewalt, und
mit macht.
Die gleiche Ueberein Stimmung lässt sich in den beiderseitigen
Berichten über die Regierung Herzog Albrechts II. erkennen.
Clevi S. 97.
Mathias.
S. 157, Z. 17 — S. 158, Z. 5.
Eodem anno domini MCCCXVIII mense
Item bi dess selben fürsten ziten,
do man zalt von Cristus gepvirt
Die Haltsbarger Chronik Heinrichs von Klinorenben
601
Januai'ii in die conversioni.s beati
Pauli factus est terre motus generalis
et magnus, .... presertim in Ka-
rinthia, ubi opidum grande Villach
cum multis castris et villis
illius vallis corruerunt et perierunt . . .
S. 213, Z. 13 ff. In festo beati
luce evangeliste corrutt civitas
Basilea ex vehementi terre-
motu et plura castra et alia
edificia corruerunt, ... ex quibus
eciam plus quam XL castra circa
Basyleam sunt subversa.
S. 150, Z. (i — 11: Et infamati
sunt Judei, quod hujus modi pesti-
lenciam fecerins vel auxerint, fonti-
bus et puteit injeeto veneno. Et
cremati sunt a mari usque ad Ale-
manniam ....
iirizehen hundert und acht und vierzig
Jar an sant Paulus bekenle kam ein
ertbidem und viel Villach unl
ander bürg und türmen und
b u w e s octavo kalendas februarü.
Item (lo man zalt von gottes gepurt
drizehen hundert und sechs und fünlt-
zig jare XVI. kalendas novembris uff
dem Rin kam ein gross ertbi-
dem und viel Basel die statt
und verdarb vil lütes frowen und
mann, viel velsen spielten und vie-
len die bürg die daruff lagen, als
es sich noch wisst an den hüsern
die da ligent uff dem blawen ze
Basel.
Item bi des fürsten ziten wurdent
die Juden ufi' dem Ein verbrant in
vil stetten. Item zuo denselben ziten
was der gross sterbet^ und was ein
gemein red die Juden hettent die
brunnen verffift.
Ebenso klar zeigt sich die Entlehnung seitens des Königsfeldeuer
Chronisten a.is Mathias in der Erzählung von der Ermorduuo- Koni«'
Alb rechts.
Mathias.-
S. 41, Z. 10 — 12. . . . Johannes
dux cum baronibus Euodollo de Wart,
Walthero de Eschibach et üolrico de
Palma regem interficere cogitavit.
S. 42, Z. 6 — 8. Prandentibus au-
tem illis cum rege rex cuilibet filio-
rum et Johanni duci unum Crinale
vosarum posuit super Caput.
S. 42, Z. 9 ff.: Cum autem post
prandium rex vellet equitare Rin-
velden ad reginam, venissentque ad
flumen Ruisam, Johannes dux et sui
primi transcenderunt .... Se-
quenti autem vice transeunte rege
et equitante per sata . . . accesserunt
dux et sui ..... Ruolassingen . . .
frenum regis apprehendente Johannes
dux cultrum collo regis infixit, Ruo-
dolfus de Wart vero regem gladio
perforavit, Uolricos vero de Palma
gladio faciem et caput divisit.
Mittheilungeii XX.
Clevi S. 99. f.
Dirrer hertzog Johans nam einen
von Wart, ein von Ealm einen von
Eschibach, und ander herren die do
im schwuoren des küngs tod. Do nu
der raeyg kam do luod der küng alle
gräfen, frygen. lantzherren ritter und
knecht, und wolt den machen ein
sunder hochzit und fröid. Do das
geschach, do wolt der küng ziehen
gen Brugg, und öch vil herren mit
im, das vernam hertzog Johans mit
den sinen, und wartet des küngs als
er die steig uff" kam von der rüse.
Do er nu kam uff das mittel veld
zwüschen Windesch und Brugg, do
vielent sy im in dem zöm und «tiessen
in sinen Hb ire schwert, und liessent
in tod li^en.
39
('.02
A'ictor Thiel.
S. 43, Z. 12 ff.: De Wart vero
. . volens ire ad sedem apostoli-
cam, veniens ad Tlam opidum Theo-
baldi . . . per ipsuin comitem captus
recepta pecuuia duci Luipoldo est
assignatus.
S. 44, Z. 3 ff. : . • . sicque
flexus est super rutain.
Aber die lierren die da bi der sach
warent gesin, was einer Walther von
Wart, der floch in wälschi land zuo
dem von Yla, des wip gehört dem
von Wart zuo. Do nu den herren
von der Yla für kam, das der von
Wart bi des küngss tod was gesin
do leit er in in harte band und nach
etwas zites gab er in den fürsten
von Oestrich ze köffen. Dirre Walther
von Wart wart . . . bald uff ein rad
gesetzt . . .
Item etlich sagent, das hertzog
Hans zuo Parys gevangen wurd, und
daselbst sturb.
S. 44, Z. 10 ff.: Johannes vero
dux . . . veniens Pisas . . . captus
et . . . pluribus annis tentus tandem
inibi honorifice est sepultus.
Wie man sieht, kauu man die Abhängigkeit des Königsfeldener
Geschichtswerkes von der Neuenburger Chronik nicht in Abrede stellen.
Zwar liegt uns nur ein von Clevi Fryger hergestellter Auszug der
Chronik vor, doch lässt sich immerhin erkennen, dass der Chronist
seine Quelle nicht wörtlich ausgeschrieben, sondern die Nachrichten,
welche die Arbeit des Mathias für seine Zwecke bot, in selbständiger
Weise verwertet und mit dem ihm anderwärts zufliesseuden Stoffe
verwobeu hat ^).
Es ist sonach in den von Lorenz citirteu Worten Clevis kein Hinweis
auf die Klingenberger Chronik zu erblicken : es hat sich dagegen gezeigt,
dass die Chronik des Mathias von Neuenburg dem Königsfeldener Ge-
schichtschreiber als Vorlage gedient hat. Doch müssen wir beachten, dass
Clevi den Pkn-al gebraucht: als man in andern cronicken vindet. Wir
müssen daher noch eine weitere Quelle der Königsfeldener Chronik aus-
findiü' macheu, in welcher die Basler Streitigkeiten Rudolfs berichtet
werden. Nun ist es auffäUig, dass der in der zweiten Hälfte des
14. Jahrhunderts lebende Autor ganz richtig den Aljzug Conrads IV.
aus Deutschland 1251 ansetzt uud sich auch sonst über die Zeit des
Interregnums nicht schlecht unterrichtet zeigt. Dies führt zur Ver-
muthung, dass für diese Nachrichten eine gut unterrichtete, schrift-
liche Quelle benützt wurde. Als solche lässt sich Ellenhard erweisen.
') In dem im Ganzen chronologisch zuverlässigen Königsfeldener Buche
kommen mehrere krasse, chronologische Irrthümer vor ; so wird im Widerspruch
zu dem übrigen Inhalte der Feldzug Rudolfs gegen Ottokar in das Jahr 1266,
die Wahl Adolfs :273, der Tod Katharinas, der Gemahlin Leopolds I., in das
Jahr i:^00 verlegt u. a. m. Diese Fehler dürfen wir wohl weder dem Chronisten,
noch dem Excerptor zur Last zu legen, sondern sind auf die Gedankenlosigkeit
eines Abschreibers zurückzuführen. Ueber die handschriftliche Ueberlieferung
bietet Gerbert S. 87 nur Unzulängliches.
Die Habsburger Chronik Heinrichs von Klino-enbero-.
603
Ueber den Tod Conrads IV. berichtet nämlich Clevi S. 87 :
Do nu sin vatter gestorben was do zoh er gen Napulz und gewan
die statt und zerstört sy uud demütiget damit alles Bulle, der wart
in dem nachgendend jare siech. Do wart im geben ein cristir ver-
mischet mit gift des starb er. Ellenhard, Böhmer f. 11 HO erzählt: Anno
domini 1251 Cunradus rex, filius Friderici, ut mortuo patre Sicilie
regnum susciperet, per mare in Apuliam devenit, et capta Neapoli,
muros illius fimditus destruxit. Sed cum sequenti anno introitus sui
in Apuliam infirniari cepisset, clystere, quod a medicis iudicabatur ad
sahitem, veneno mixto intulit sibi mortem.
Endlich benützte der Chronist von Königsfelden auch das Ge-
schichtswerk des Johannes von Winterthur. Es geht dies aus der auf-
fälligen Uebereinstimmung hervor, welche zwischen beiden Chroniken
in der Erzählung herrscht, wie der Minderbruder Heinrich von Isny
einen Dämon austrieb i).
Job. Vitod. S. 2 7.
Hie in Basilea
. . . . lector existens,
q u a n d a m d o ra i n a m
ibidem l'iliam con-
fessionis habuit qua
Mathias S. 15.
Erat autem in diebus
illis quidam frater Hein-
ricus de Ysena Swevus
de ordine Minorum, filius
fabri, lector Mogun-
spiritus maligni per'tinus , . . . qui dum
multa tempora illu-jderaonem cuidam bona
siones frequentesjmulieri in specie viri
sub specie angelit diu cohabitantem per
1 u c i s hab uit. Que p u- c a r a c t e r e s ej ecissat,
tans taliter a Domino damon neu valens ultra
consolari diu cum gaudio,lillairi accedei'e, dixit:
sad falso, siistinuit . . .
Tandem .... lectori
memorato exposuit. Qui
. . . consilium . . .
t r i b u i t 2) . . . u t con-
tra eum proferret
V 6 r b u m P e t r i , s c i-
licet: Per a s p e r s i o-
nem sangwinis Jesu
Christi. Quo ipsa . . .
utens demouem abegit
. . . Qui . . . dominam
allocutus est: »Ille, ,>Ab inicio
Clevi S. 88.
Hie velt aber eins zuo
sagent von dem vorge-
nant bischoff Heinrich
s im widerfur, dieweil
er ein arm bruder sant
Franciscus orden was und
lesmeyster zuo Ba-
sel was. Ze den zitten
hatt er gar ein an-
dächtig bichtochter,
die offt vil heim-
licher zu gen von
gott befand, zuo der
kam öch oft de böss
geist anders dan in siner
eignen gestalt. Das er
nuein engel lichtes
s c h i n , nu sich Christen
nampt und also mit me-
nigvaltig wi dieselben
person wölte andachtz
irren. Also gedächte sy
ir bruder Heinrichen irem
lüchter verkünden. Do
daz geschach do hiess er
') Auch die Colmarer Chronik SS. 17, 257 bringt dieselbe Geschichte, aber
doch in wesentlich anderer Fassung.
-) Vgl. Chron. Colm. : Ego autem dedi consilium, ut ....
.39*
604
Victor Thiel.
ruine mee solitus coba-
bitare mulieribus, num-
quam te dilectiorem ba-
bui ; nunqiiam ergo
desistam, quiu il-
lum qui te michi
abstulit in eam al-
titudinem perducam
qua obliviscatur pe-
nitus Dei sui^^ Hie
Heinricus cum pro Petro
Divitis canonico Basiliensi
et preposito Moguntino
pro episcopatu Basiliensi
ivisset ad papam, papa
sibi, non illi, de episco-
patu pi'ovidit.
sy wenne der betrogen
geist me kerne, das sy
ze stund Ave Maria
Sprache, und im un-
der sine ögen spuwte.
Do das beschach do ent-
weich der böss mit einem
eilenden geschrey : Der
mir diss flucht hat
gemachet den wil
ich me eren erhöhen,
das er dest bas ge-
schickt sy zu dem
val. Also was dirre ein
bischoff des ersten 'ze
Basel, darnach wart er
bischolF ze Meiiz und
Cantzierer des heiligen
römischen riches.
, . . qui tibi suggessit suis
monitis, ut sie me repelle-
res, talionem a merecipiet ;
laqueum enim sibi ex-
tendam, in quem incidet
non post multos hos dies,
et ex quo mihi decidisti
per eum, ipse loco
tui cedet mihi«i).
Cum vero lector post
istud factum statim fasti-
gium episcopalis dingni-
tatis ascenderit, conjicitur
demonis taliter respon-
dentis ex verbis, laqueum
esse prelaturam pontifi-
catus, quam procurare
sibi dyabolus . . . voluit
. ., ut sie tanto
profund ins et gra-
vius in precipicium
mortis eterne cade-
ret, quando alcius
per suum instinctum et
suggestionem in gradu
dignitatis tumore ex-
cessivo superbie comi-
tante s c a n d e r e t in
altum.
Die gleiche Erzählung bringt auch Mathias von Neuenbürg; da
dieser auch sonst in der Chronik von Königsfelden benützt erscheint,
könnte man daran denken, dass Mathias auch in diesem Falle zur
Vorlage gedient habe. Dass dem jedoch nicht so ist, dass dagegen
der Bericht des Chronisten von Königsfelden aus Johann von Winter-
thur o-eschöpft wurde, zeigt der Umstand, dass diese beiden nicht nur
im Allgemeinen sich nahe stehen, sondern auch in charakteristischen
Einzelheiten gegenüber Mathias übereinstimmen.
Es dürfte uns sonach gelungen sein, zu zeigen, dass in den von
Lorenz angeführten Worten Clevis keineswegs ein Hinweis auf die
Habsburger Chronik des Heinrich von Klingeuberg gesehen werden
kann.
Hiemit sind wir am Ende des ersten Theiles unserer Arbeit an-
gelangt, in welchem wir uns die Aufgabe gestellt haben, die Aus-
')
impugnabo.
>) V"-]. Chroii. Colmar: sed pro te confessorem timm iisqup ad mortem
Die Habsburger Chronik Heinrichs von Klingenberg. (305
iühruugen der neuereu Forscher zu widerlegen, welche iu gewissen
Beziehungen einer Reihe von Geschichtswerken des 13. bis 1,5. Jahr-
hunderts Spuren der angeblichen Chronik Klinge iibergs erblickten.
II.
Im zweiten Theile befassen wir uns mit einer Kritik der histo-
rischen Zeugnisse, welche von einem Geschichtswerke des Bischofs
Heinrich II. von Constanz über die Habsburger Kunde geben. Hier
liegt der Schwerpunkt der ganzen Untersuchung. Wir sind bei dem
Fundamente angelaugt, auf welchem sich die von uns bekämpfte
Hypothese aufbaut.
Mit den übereinstimmenden Zeugnissen für die Existenz der
Chronik verhält es sich folgendermassen. Das älteste Zeugnis gibt
Jacob Manlius 1) im „Chronikon Episcopatus Constantiensis", welches
bis zum Jahre 1519 reicht, jedoch erst nach dem Tode des Ver-
fassers (gest. 1526) im Jahre 15.31 erschien; in Druck gelegt wurde
es erst 1607 gelegentlich der Herausgabe durch Pistorius.
Die nächste Nachricht bringt der als Humanist bekannte Caspar
Bruschius in seiner Geschichte der deutschen Bisthümer ^). welche 1549
iu Druck erschien.
Der folgende in der Reihe ist Wilhelm Eysengrein im Catalogus
testium veritatis •^), 1565 herausgegeben ; dann Vossius in seinem
Werke „De historicis Latinis", 1651 erschienen^); weiters Bucelinus
in der Coustantia Rhenana 1667 ^), endlich Schilter in einer Note zu
Königshofen 6) in der Ausgabe vom Jahre 1698.
Manlius bemerkt über Heinrich voq Klingenberg: Henricus in-
genuus Udalrici de Klingenberg militis et Dominae Erentrudis Baro-
nisse de Castel filius, artium et sacrorum canonum Doctor famatus
etiam erat historiographus et chronographus, cuius chronicam de
principibus Habsburgensium apud me habeo in pretio.
Fuit Rudolphi . . . regis cancellarius bene meritus. Ein ürtheil über
den Wert dieses Zeugnisses werden wir erst an späterer Stelle abgeben.
«) Pistorius 8S Hl S. 751.
2) Magni operis de omnibus Germaniae episcopatibus epitom.es tönius pri-
mus . . . 1549 Norimbergi. Pag. 44b/45a.
3) Catalogus testium ventatis locupletissimus, omnium orthodoxae matris
Ecclesiae doctorum, . . . qui adulterina Ecclesiae dogmata, . . . ., impugnarunt,
. . . seriem coraplectens. Dilingae 1565. Pag. 122.
*) Lugduni Batavorum 1651 H. cap. 62, pag. 499.
5) Frankfurt n. M. 1667. Pag. 281.
«) S. 119.
(506 ■ Victor Thiel.
Zunächst wollen wir das Verhältnis feststellen, iu welchem der zweite
in der Eeiheufülge, Briischius, zu Manlius steht.
Bruschius berichtet : Heuricns secundus huius nominis uohilis^)
Kegulus a Clingenberg . . . erat Historiarum lectionis stn-
diosissimus; qui libellum etiam de comitibus Habsbur-
gensibus in gratiam Kodolphi regis (cui carissimus semper fuerat)
scripsit. Nigromautiae vero studio supra mediocritatem delectatus
est. Coustruxit intra muros Coustaucieusis urbis te m-
plum D. Laurentio sacrum, obiit anno douiini 1306- Se-
pelitur in Summo teroplo Constantino.
Hiezu ist zu bemerken: Bruschius folgt, wie seitens Tli. Ludwigs
erwiesen worden ist -), in dem Abschnitte über die Constauzer Bischöfe
der Hauptsache nach völlig Manlius, so dass wir ihn hier wesentlich
nur als Excerptor kennen lernen. Auch bei der deu Bischof Hein-
rich II. betreffenden Nachricht ist die Entlehnimg aus Maulius zu
merken. Sonach wiederholt Bruschius nur die Notiz des Manlius über
die Habsburger Chronik, wobei er die Bemerkung des Manlius: cuius
chronicam . . . apud me babeo in pretio einfach ausschaltet.
Maulius :
. . . famatus etiam erat historio-
graphus et chi'onographus, cuius chro-
nicam de principibus habsburgensium
apud me habeo in pretio. Fuit
Rudolphi . . . regis cancellarius bene
meritus.
Bruschius :
. . . erat Historiarum lectionis
studiosissimus ; qui libellum etiam
de comitibus Habsbm'geusibus in
gratiam Kodolphi regis (cui carissimus
semper fuerat) scxipsit.
Dass Bruschius seine Kenntuiss von der Cbronik einzig aus
Manlius schöpft, ist umso bemerkenswerter als Bruschius ältere
Constanzer Quellen in Augenschein genommen hat; seine Forschungs-
reisen führten ihn auch nach Constauz; an mehreren Stellen seines
Werkes spricht er von alten Constauzer Quellen, von catalogi veteres '■'')
und in der von Cartellieri jüngst entdeckten und von W. Martens^)
besprochenen Handschrift einer Constauzer Bistumschrouik (Codex
Sangall. 339) findet sich ein längerer Eintrag von der Hand des
Brusch.
') Die gesperrten Stellen beziehen sich auf das Verhältnis des Bruschius
5!u Eysengrein.
'-') Theodor Ludwig, Die Constanzer Geschichtschreibung bis zum 18. Jalir-
hundert. Strassburg 1894. S. 170 it. •
•<) Vgl. Ludwig S. 178 f.
■•) W. Marteus, Eine neu entdeckte Chronik des Bistums Konstanz, in
Zeitschr. f. Gesch. d. Oberrh. 13, 24.
Die Habsburger Chronik Heinrichs von Klingenberg. ß()7
Das gleiche Verhältnis lässt sich aber auch zwischen Eysengrein
und Bruschius erkennen. Eysengrein gibt an: Heinricus nobilis
a Klingenberg . . . . protonotarins imperatorius et leguiu doctor
vir cum confessiouis gloria, tum vita et conversatione plurimum in-
signis philosophus clarus poeta insignis et ingeniosus historicus
celeberrimus multarumque litteraram et rerum peritissimus qui
S. Laurentii basilicam in urbe construxit. De angelis
quaestiones absolvit. Historiam porro Habsburgensium co-
mitum scripsit. Obiit anno Salvatoris Christi 1306, in
Cathredali Constantiensi basilica sepultus.
Die gesperrten Stellen kennzeichnen die von Eysengrein aus
Bruschius herübergenommeuea Stellen.
Der folgende Zeuge, Vossius, gibt seine Quelle, das Werk Eysen-
greins, selbst an. Er führt an : Heinricus a Klingenberg .... praeter
quaestionem de angelis etiam Historiam coudidit Habsburgensium,
cuius meminit Eisengrinius.
Mit dem Zeugnis des Bucelinus steht es, wie folgt. Er erzählt:
Vita excedit Heinricus Episcopus noster Constantiensis Udalrici ä Klin-
irenbero- et Erentrudis Libere Baronisse de Castel filius Rudolf! I. et
Alberti I. imp. Cancelarius vir doctus aeque ac Nobilis Historicus in-
signis qui et in gratiam praedictorum Caesarum librum insignem de
familia et origine Domus Habspurgiae composuit.
Den Wert dieses Zeugnisses beleuchtet der ümstaud, dass Buce-
linus, wie Ludwig gezeigt hat i), in seiner Constautia Ehenana ohne
Prüfung die ihm vorausgehende Constanzer Literatur zusauimengefasst
hat; an mehreren Stellen seiner Arbeit citirt Bucelinus den Manlius;
dass er aber gerade auch au der uns interessirenden Stelle auf Man-
lius zurückgeht, geht insbesondere daraus hervor, dass er auch den
Irrthum des Manlius, die Mutter des Bischofs Erentrudis statt Willi-
burgis zu nennen, wiederholt. Doch auch eiu Anklang an Bruschius
ist zu bemerken.
Bruschius :
. . . qui libellum ... in gratiam
Eodolphi regis . . . scripsit.
Bucelinus :
. . . qui et in gratiam praedicto-
rum Caesarum librum . . . composuit.
Es stimmt dies mit dem Nachweise Ludwigs -) überein, dass eine
Benützung des Bruschius seitens des Bucelinus wahrscheinlich sei.
Endlich verweist Schilter liei der Stelle Königshofens : „Dirre
künig ßudolt det so vil strite und frumekeit da->s davon ein gantz
') S. 78 ff. u. S. 199 ff.
-) S. 78 ff. u. S. 190 ff'.
608 Victor Thiel.
bucb ist gemacht" auf die hi.storia eomitum Habsburgeusium Klino-eu-
bergs. Schon Hegel 1) stellte diese ßemerkuüg Schilters richtig: „Ohne
Zweifel meint aber Köuigshofeu nichts anderes, als die Gesta invictis-
simi domini Rudolfi Romauoruni retvis des Gottfried von Eusmino-en"
Freilich ist hiemit, wie Rieger ^) richtig bemerkt, das Zeugnis Schilters
für dass fragliche Geschichtswerk nicht beseitigt. Doch was wiegt
das noch dazu so dürftig gehaltene Zeugnis eines au der Schwelle
des 18. Jahrhunderts stehenden Forschers für eine Chronik zur Ge-
schichte Rudolfs von Habsburg ! Volle vier Jahrhunderte liegen zwi-
schen dem Bezeugten und dem Zeugen. Es ist kein Zweifel, dass
auch Schilter seiue Kenntnis vou der Chronik aus einem der oben
genannten Autoren geschöpft hat.
Wie wir gezeigt haben, gehen die Notizeu über die Habsburger
Chronik des Bischofs Heinrich auf Manlius zurück. Die aanze Last
der Verantwortung für die Nachricht ruht demuacli auf ihm. Es
obliegt uns nun, die Glaubwürdigkeit dieser Nachricht zu prüfen.
Vor allem muss es uns auffallen, dass ein so langer Zeitraum bis
zu dem ersten Zeugnis für die Existenz der Chronik verflossen ist.
Eine Lücke von mehr als zwei Jahrhunderten in der Tradition! Ver-
gebens suchen wir in zeitgenössischen Constanzer Quellen nach Be-
legen für eine historiographische Thätigkeit des Bischofs. Es wird
uns von seiner Bauthätigkeit berichtet, von seinem Siun für Kunst
uud Poesie, doch dass er sich mit Geschichtschreibung befasst hätte,
wird nicht erwähnt •^). Es hat zwar in Constauz zur Zeit des Bischofs
eiue geschichtschreibende Thätigkeit bestanden. Doch haben die da-
maligen Aufzeichnungen, welche wir nur aus der Benützung durch
die Constanzer Chronisten des 15. und 16- Jahrhunderts kennen, allem
\nscheine nach eine annalistische Form gehabt und waren in einem,
dem Hause Habsburg abgeneigten Sinne geschrieben ^), während Bi-
schof Heinrich ein eifriger Anhänger der Habsburger gewesen ist.
1) Hegel. Deutsche Städtechronikeu 8, 451. N. 1.
2) S. 341.
s) Vgl. Lorenz, Gcschichtsqu. l S. 75. N. 2; Rieger S. 347. Auch in clor
von Cartellieri aufgefundenen Sanct Gallner Handschrift einer Constanzer Chronik
wird nichts von Klingenberg als Geschichtschreiber berichtet. Es geht dies aus
der Aeusserung Cartellieris in der Zeitschr. f. Gesch. d. Oberrh. 12, 360 j, Be-
merkungen zur oberrhein. Quellenkunde' hervor, dass er vergeblieh den Spuren
der Chronik nachgegangen sei. Dieser Umstand aber ist umso bedeutungsvoller,
als gerade auf diese Constanzer Chronik Manlius seine Bistumschronik in erster
Linie und fast vollständig aufbaut. Vgl. W. Martens in Zeitschr. f. Gesch. d.
Oberrh. 13, 43 ff,
•») \>1. Lndwijj S. 238—240.
Die Habsburger Chronik Heinrichs von Klingenberg. QQC)
Auffällig ist es ferner, class in der Constanzer Localhistoriographie
bisher keinerlei Anzeichen sich vorgefunden haben, welche die Existenz
einer derartigen Chronik voraussetzen Hessen, wie sie Heinrich o-e-
schrieben haben soll. Dagegen hat man in Beziehungen von, den
Standpunkt der Eeichsgeschichte einnehmenden Quellen die Spuren
eines solchen Werkes zu sehen geglaubt; duch ist, wie wir glauben,
die Schwäche dieser Vermuthungen dargeletrt worden.
Wichtig für die Kritik der Notiz des Manlius ist weiters der Um-
stand, dass in dem reichen Quelleumateriale, welches durch die haupt-
sächlich dynastischen und genealogischen Bestrebungen des Kaisers
Maximilian I. auf dem Gebiete der Geschichtschreibung ans Tageslicht
gefördert wurde, sich eine Chronik des Heinrich von Klino-enbero-
nicht vorfindet. Einen Einblick in die Forschungsarbeiten der im
Auftrage des Kaisers thätigen Historiographen gewährt der ansehnliche
Actenbestand, wie er in den „Jahrbüchern der kunsthistorischen Samm-
lungen des allerhöchsten Kaiserhauses- publicirt worden ist. Eine,
die Chronik Kliugenbergs betreffende Notiz konnte ich jedoch in den
hier veröffentlichten Acten nicht finden i).
Unter den Gelehrten, welche Kaiser Max zu den genealogischen
Arbeiten heranzog, befand sich auch der Freiburger Professor Jacob
Manlius (Mennel), Er erhielt die Aufgabe, eine habsburgische Stamm-
chronik zu schreiben. Das hiezu nöthige Quellenmaterial hatte er
theils schon selbst vor der kaiserlichen Berufung gesammelt, einen
anderen Theil aber erhielt er wohl durch Vermittlung des Kaisers
von Ladislaus Sunthaim, welcher sich gleichfalls, wenn auch nicht in
erster Linie, mit der Erforschung der Habsburgischen Geschichte zu
befassen hatte; endlich unternahm Manlius für seine Arbeit noch
mehrere ausgedehnte Forschungsreisen. 'So standen ihm eine Fülle
von Quellen zu Gebote, auf welche er sein grosses Werk, den Geburts-
spiegel, vollendet 1518, aufbaute-). In der Einleitung zu dem noch
ungedruckt gebliebenen Werke 3) führt Manlius die Quellen und
Quellenfundorte an, welche er für seine Arbeit verwertet hatte. Ich
habe die lange Liste der Quellen durchgesehen; doch eine Klingen-
berger Chronik ist in ihr nicht angeführt.
0 Band I 1883: bisher sind etwa 16.000 Urkunden und Acten zur Ge-
schichte der kaiserlichen Haussammlungen und der wissenschaftlichen Bestre-
bungen des kaiserl. Hauses edirt worden.
-) Vgl. für diesen Abschnitt Simon Laschitzer, Die Genealogie des Kaisers
Max I.. im Jahrbuche der kunsthist. Samml. des allerh. Kaiserhauses 7. Band.
3) Cod. man. der Wiener Hofbibliothek 3072*. Siehe Anhang, welcher die
Einleitung in den Geburtsspiegel enthält.
QIQ \'ictor Thiel.
Die ira Vorhergeliendeu angeführten Umstände lassen die Existenz
eines Gescliichtswerkes über die Habsburger aus der Feder Heinrichs
von Klingeuberg sehr fragwürdig erscheinen. Und doch berichtet
Manlius über das Dasein der Chronik als Augenzeuge. Er sagt näm-
lich: . . . cuius chronicam de principibus Habsburgensium apud nie
habeo in pretio. Es kann demnach nur fraglich sein, ob diese Chronik,
welche er in seinem Besitze hatte, und welche über die Habsburger
handelte, auch wirklich von dem Bischof Heinrich hergerührt habe.
Eine dahin gehende Vermuthung hat bereits Böhmer i) geäussert. Er
meinte, dass Manlius eine Verwechslung mit der Chronik Heiurichs
von Guudelfingen, gleichfalls eine.s Constanzers, begangen habe. Doch
entbehrt diese Ansicht einer hinlänglichen E echtfertig ung.
Daseo-en o-ewinnt es den Anschein, als ob die Chronik, welche
Manlius irrthümlich dem Heinrich von Klingenberg zuschrieb, die
Zürcher gewesen seien.
Wie bekannt, sind die zahlreichen, historischen Aufzeichnungen,
welche man unter dem Gesammtnamen der Zürcher Chroniken zu be-
zeichnen pflegt, zum Tlieile mehr habsburgiscli, anderutheils mehr
reichsstädtiseli gesinnt -). Unter den im habsburgischen Sinne ab-
o-efassten Schriften befindet .-^ich auch eine solche, deren Autorschaft
mit dem Namen des thurgauischen Kittergeschlechtes der Kliugeuberge
iu Verbindung gebracht wird, jenes Hauses, welchem auch Bischof
Heinrich von Constanz angehörte. Mit welchem Eechte die betreffende
Zürcher Compilatiou zu der Bezeichnung einer Klingenberger Chronik
gekommen ist, ist für uns von keinem Belange; es genügt uns, dass
es sich als Thatsache feststellen lässt, dass schon eine Anzahl von
Forschern des 16. Jahrhunderts, nämlich Tschudy, Stumpf und Guil-
limann diese Benennung gebrauch'en ^). Tschudy ist der erste, bei
welchem sich diese Bezeichnung nachweisen lässt. Nun ist aber
Manlius ein engerer Landsmann und noch Zeitgenosse Tschud^-s; dieser
wurde 1505 geboren, jener starb 1526. Es i-jt ferner sicher, dass
Manlius die Zürcher Jahrbüclier gekannt und benützt hat. Er hat
näuilich die in der Zürcher Chronik i) enthaltenen Verse von der fast
"•leichzeitii^eu Wahl der beiden o-leichuamio'en Vettern Kudolf von
Habsburg in seine Konstauzer Bischofschronik aufgenommen ■'') und
hiebei auch das Versehen des Zürcher Chronisten wiederholt, welcher
') Regesta Rudolfi S. 5b'.
-) Vgl. Lorenz, Gescliichsquellen 1, 118 f.
3) Vgl. Scherer .^. 64—70.
■*) Henne v. Sargans, Das Zeitlnich der Klingenborge, S. 30.
■•) Pistoriu?, SS. lll. S. 747.
Die Habsburger Chronik Heinrichs von Klingenberg. 611
irrthümliclierweise auch die drei ersten Zeilen der iu Columuen ge-
schriebeneu Vorlage für Verse hielt i). Belangreich ist es, dass die
von Manlius entuommene Stelle nicht in allen Fassungen der Zürcher
Jahrbücher enthalten iht, auch nicht in der sonst der Klingenberger
Kedaction so nahestehenden Sprenger 'sehen Chronik. Sollte nun nicht
auch die Bezeichnung der ihm vorliegenden Zürcher Aufzeichnung
als Klingenberger Chronik ihm (Manlius) bekannt gewesen sein?
Wenn dies der Fall war, dann ist es unschwer zu erklären, wie Man-
lius dazu kam, dem Bisehof Heinrich von Kliugenberg die Autor-
schaft einer Chronik über die Habsburger Fürsten zuzuschreiben; als
er in seiner Coustanzer Bischofsgeschichte auf Heinrich von Klingen-
berg kam, glaubte er iu ihm den Verfasser jener Chronik zu ei'blicken,
welche er iu seinem Besitze hatte, und welche mit Rücksicht auf ihren
luhalt mit einiger Berechtigung eine Chronik ül)er die Habsburger
Fürsten genannt werden kann; berichtet doch die Klmgenberg-
Sprenger'sche Handschrifteuclasse von dem römischen Ursprung der
Ha1)sl)urger und schenkt die.-eu Fürsteu, insbesondere dem Könige
Eudolf, dessen Kauzler, wie Manlius wusste, Heinrich von Kliugen-
berg war, eine weitgehende Beachtung. Wir dürfen uns nicht daran
stossen, dass dieses Vorgehen des Manlius ein unkritisches genannt
werden muss. Ein gründlicher Kenner des Manlius, S. Laschitztr,
fällt über ihn folgendes ürtheil'^): «Ein kritischer Kopf war Mennel
nicht. Gläubig und fast ohne Unterschied nahm er alles Geschriebene
auf . . . üebte er einmal wirklich Kritik, so steht sie in Naivität auf
der Höhe seiner Zeit . . . Seine Darstellung ist manchmal von geradezu
kindlicher Naivität".
') Dass die Zürcher Chronik bei den genealogischen Forschungen unter
Kaiser Maximilian bemerkt und beachtet wurd», geht aus einem Inventarzettel
aus dem Jahre 1507 hervor, in welchem unter Anderem ein puechl verzeichnet
ist, wie die von Zürcli ain herru von Regensperg und darnach graf Ruodolffea
von Habspurg, der nachmals Römischer khunig ward, zu ierem hawbtmann er-
wellt habn, auch was sachen derselb graf Ruedolft' von Habspurg nachvolgend
gethan und bei seinen Zeitn geschehn sein. Siehe Jahrbuch V Regest Nr. 4493
V. 7. Februar 1507. Vgl. EttmüUer S. 53, — Welchen Antheil der Kaiser an
den unter seiner Aeg3-de unternommenen, geschichtlichen Arbeiten nahm, wird
aus den Gedenkbüchern ersichtlich, in welche Maximilian persönlich oder durch
seine Secretäre eintrug, was für die Zukunft nicht ausser Acht gelassen werden
sollte ; so finden sicli in diesen Büchern Bemerkungen, welche die Evidenthaltung
von Fundorten alter Chroniken bezwecken. In einem solchen Gedenkbuche vom
Jahre 1502 findet sich der Vermerk: Item doctor Haiden hat ain alte cronick
von Zirch. Siehe Jahrbuch I, Regest. Nr. 230.
-) S. Laschitzer »Die Heiligen aus der Sipp-, Mag- und Schwägersehatt des
Kaisers Maximilian I.« im Jahrbuche IV, 88.
t312 Victor Thiel.
Wir sind au den Schluss unserer Ausführungen gelangt. Wir
erlauben gezeigt zu haben, dass allem Anscheine nach niemals eine
Chronik des Heinrich von Klingeuberg über die Habsburger Fürsten
existirt habe, dass die betreffende Notiz des Manlius auf einem Irr-
thume beruhe, und dieser Irrthum sich durch eine Keihe von Werken
des 16. und 17. Jahrhunderts hingezogen habe.
Anhang.
Vorrede des Manlius zu seinem Geburtsspiegel i).
(Cod. ms. .3072' der Wiener Hofbibl.).
In die furstlicbeu cronickh kayser Maximilians geburtspiegel genant
doctor Jacoben Mennels vorred.
V or r e d.
Wann wir bedenkhen, o theurer Maximilian, das die ungleubigen
menschen besonder haiden unnd Juden nit allain seyder Christ geburt ia
auch ethlich tusent iar darvor ir altfordern herkomen gesiecht stamm
unnd namen sampt ir geschichten von zeitteu zu zeitten mit hohem vleiß
haben lassen beschreybeu unnd also zu ewiger gedechtnus vil schöner
bucher davon gemacht unnd dardurch vermaint, als so dieselben hienach
für äugen geuomen, die abgestorben vom tod erkuckht wider lebendig
seyen worden, haben auch sunst kain höhern genies daraul! erfolgt denn
welttlich eer und ruom, wie dann solchs der heylig Augustinas von der
stat gotz in seinem funfften buoch unnd ander leerer an vil enden beweisn,
0 großmächtigister kayser, warumb woltten dann wir Christen so untheuer
sein unnd unser altfordern, die bey ireu zeitten, davon man noch an vil ortten
mörklich anzaigung findt, groß Sachen gethan haben, in vergess stellen unnd
zu ewigen gedächtnus nitt auch buecher davon machen, so sy doch durch ir
gutthaten besonder seid anfangs der Cristenhait nit allain welthlieh eer unnd
ruom, auch nit allein vom tod' erkuckht, to aber vor Lucifers quäl behuet
yetzo an dem himlischen haus ewigs leben erlangt haben; dann vil darunder
gehailigt und vil derselben uflF dem weg der behaltnus, die mit unser andech-
tigkait dreflfenlich darzu gefurdert unnd an zweyfel durch unser hinlesigkait
sehwarlich daran gesaumpt mögen werden, darbey aym yeden weysen
leichtlich abzenemen, das die solchs nit erwegen hail ir altfordern in dem
gebot, vatter unnd mutter in eeren ze haben, mit klainer trew und gar
vil minder dann die ungleubigen besyunen. Darumb, o edlister fürst,
nachdem ich anfengklich uß naturlichem einsprechen eigner bewegung in
■srfarung euer kayserlichen maiestät hochloblichs geslechts Ursprung unnd
herkomen dessgleichen ir mörkhlichen geschichten und thaten zu schimpff
und ernst mich etlich zeit geübt und dasselb an E. kay. M., die dann zu
ergötzlicheit irer nianigfaltigen arbait tugentleich kurtzweil gern fuert.
') Die Abschrift der Vorrede rührt von Herrn C. Hönel, o. Mitgl. d. Inst,
f. ö. G. her inid wurde mir von ihm freundlichst zur Verfügung gestellt.
Die Habsburger Chronik Heinrichs von Klingeuberg. (j]^;:>
gelangt ist, so hab ich yetzo derselben E. kay. M. Instruction unnd l^e-
felch mit züchten wie sich geburt underthenigklichen empfangen unnd
darinn gehorsamlicb vermerkht, das ich von meinem augefengten furnemen
nit abtreten sonder nach ußweysung derselben weytter suchen unnd dar-
nach uffs furderlichist, was also vor unnd nach erfaren, ich dasselbig or-
denlieh beschryben E. kay. M. und derselben nachkommen zu ewiger ge-
dechtnus sondere buecher davon machen soll. Wie gar nun allerdurch-
leuchtigister kayser uss den nachfolgenden auch andern Ursachen ich mich
selbs gantz ungnungsam erkhenn, E. kay. M. als des obersten Haupts der
christenlichen weit so großmächtig edel gesiecht mit der hofFlichait und
Zierden, wie sich den hohen eeren nach wohl zymmet, ze beschreyben und
buecher darvon ze machen, angesehen zum ersten das ich es also hoch
unnd altherkommen find, auch solcher scharpfi'synnigkait in recht ordnuno-
ze bringen notturfftig, das es gar vil weyser leutten vernunflft dann ich
hab uberdreffen möcht; unnd zum andern find ich, das die cronichisten
ofl"t ungleich und ainander widerwertig sind, dessgleichen, dass briett'.
register rödel seelbuecher unnd schriflten, daran bey weylen am aller-
maisten gelegen ist, durch kriegslöff durch fewer durch wasser unml ander
nöten an vil ortten entfrembt oder vielleicht durch unvieif! verwarlost
zerissen oder gar verloren sind, darzu auch die schryfi"ten figuren und
bildnussen in den allten stifften und gebewen altters halb dickh ver-
blichen swerlich ze erkhennen, zu dem das die altten fursten unnd hern
ir aigen namen in den alttern versigelten brieten (dazu m^rmalen der
sigel grosser ist dann der brieff) ofi't allain gesetzt unnd die zunamen, ir
adenlichen geburt unnd titul der eeren, (als geacht will werden uss de-
mietigkait) versweigt heruß gelassen, auch zu mermalen ain person mer
dann ainen unnd ofi't zwuo oder drey personen nur ain namen gehept
haben, das fuerwar in beschreybung solcher altter hystorien nit wenig
irrung bringt, alssdann solchs ain yeder von natur oder kunst verständiger
wol ermessen mag war sein davon wie oblut ich eehafi't Ursachen heit
mich solcher grosser gescheff'ten nit anzunemen, sonder E. kay. M. noch-
mals underthenigklichen darfur ze bitten.
So ich aber allergenedigister Herr dagegen betracht E. kay. M. menig-
feltig hochgeborn lügenden unnd inbesonderen das die in solchem und
anderm gar vill trelFenlichen hendelu sich gnedigklich benuegen last, dass
so getreuer vleiß unnd ernnst ertragen mag, dardurch dann got der herr
gar ofi't den ainfeltigen offenbaret, das er den weysen lange zeit verborgen
hat. Desgleichen auch war nun der ob beruerten Instruction unnd befelh
unnd darinn underthenigklichen vermörckh E. kay. M. mainung, die hievor
erzelten beswerden mich in disem werkh kaius wegs verhindern ze lassen,
angesehen das E. k. M. sich abermals gnedigklich benuegen last, deß
davon man gutten bericht unnd luttern verstand haben mag, und das
solchs dermassen zesammen gestimpt auch mit so geringen federn be-
schreyben damit durch gebluembte wort der warhafft sein nit verdunkhelt
werde.
Sodann solch furnemen in allweg fruchtbar angesehen, das es an im
selbst erlich nutzlich und lustig ist ze vil guttem erschieslich unnd auch
darbey ze betrachten, wo bey E. kay. M. zeitten, die von got on zweyfel
in dem und andern mit sondern gnaden begabt ist, solch beschreybung
(314 Victor Thiel.
ir altfordern nit bestölt, das die noch in lange zeit oder villeicht nimer
beschechen wäre. Das nachtails aber uss derselben farlessigkait oder frucbt
durch solch fursichtigkait kuniFtiger zeit erwachssen, ist kainer zungen
muglich usszesprechen. Dann so wie ermessen, das unser aller wirdigiste
mutter die heylig crisienlich kirch in den götlichen emptern mit singen
und lesen, auch durch verkundung dess gotzworts i) hystorias unser vor-
eltter umb desswillen, das wir dadurch gebessert werden, für sich nympt,
das auch alle gaistlich und weltliche gesetzt daruss entspringen unnd das
ein yeder vernunnftiger men-ch sich selbs und ander dadurch von laster
zu tugenden laiten mag, so were schad, soltte solch lieschreybung diser
fürstlichen chronickh mit hochloblichen herkommen von so altter zeit heer
unersucht nit an tag kommen.
Darumb, o wunderbarer fürst, uff das doch ye desselben halb an
meinem vleiß nichts erwind, so hab ich mich demietigklich ergeben.
E. kay. M. vorgedachter instruction und befelh nach meinem vermögen
getrewlich nachzekhomen der hoffnung, so dieselbigen bisher verborgen
hiemit an tag bracht, der liebhaber diser fürstlichen cronickh sovil sein
werden, damit sj^ von denselben in solchen wirden, lob und ern gehalten
wurd, das die überigen durch ir boshafftigkait nichts daran eutferben
mögen. Aber uff das ich solchs mit iler hilff und gnad gotz, on die wir
nichts geschaffen, vollbringen möge, rueff ich zuvorderst an vile der uss-
erwölten diser hochloblichen frundtschafft, in dero gedechtnus solch cronickh
nit unfruchtbar zelesen ist. Bitt auch alle die in dero eer E. k. M. und
derselben sipp und magverwandtten von anfang der cristenhait bisher an-
dechtige und lobliche gotzheuser gestifft und begabt haben, ilaruss ich
dann den besten tail diser bucher gezogen, das sy durch ir verdienen vor
<lem hymlischen kinig mir erwerben, solch fürstlich cronickh der gstalt
anzevahen, ze mittein und ze enden, damit es vorab demselbn allerding
wolgefall und, o hochfliegender adler, E. k. M. dessgleichen derselben
altfordern und nachkomen gegen got und der weit zu ewigem lob unnn
eere raichen werd. Bevilch mich dumit E. k. M. als meinem allergnedi-
gisten hei'rn.
Titul diser Cronickh.
Diss cronickh soll genant werden die fürstlich cronickh kayser Maxi-
milians geburtspiegel uss der ursach, dass darinn desselben hochloblichen
geslechts von von vil grossmechtigen kinigen, fursten und herren geburt,
Ursprung unnd herkommen sampt andern vil mörckhlichen Sachen, als in
aym klaren Spiegel mit lautterm schein gesehen werden.
Tailung <ler crouirkh.
Dieweil tailung der buchcr gar ain grossen beheff gibt grunthlich
zu verstau, davon man schreybt, darumb so tail ich nach zall der uss-
wendigen menschlichen synn diss fürstlich cronickh in funff buecher.
Im ersten buoch wird ich sagen vom Ursprung der kunigklichen stat
Troya mit kurzer einluerung ethlich troyanischen hystorien, sovil der-
selben zu diser cronickh dienstbar sind, unnd will damit kommen uff den
') beyliger getilgt.
Die Habsburger Chronik Heinrichs von Klingeuberg. (3^5
haidnischen stammen Hectors unud denselben allein in der siechten ab-
steigenden Knien biss uf den iungen fursten kung Karlin von Hyspania
E. k. M. eltesten sous son lassen unnd daneben etlilicher Juden unnd
haiden kinig unnd denselben nach der bäpst und kayser regierungen als
contemporalen mit ir iarzal in form und gestalt, wie dann solchs sampt
andern figuren under dem umtitul durch den augenschein hienach gesehen
wirt, anzaigen.
Im andern buoch wird ich mich der haidenschafft entslahen unnd
bey dem gedachten kinig Clodoveo als dem ersten cristenlichen kinig von
Franckreich den vordrigen stamen nit alain in der absteigenden schlechten
linien wie vor, sonder auch mit seinen estn unnd schössen biss uff kayser
Maximilians zeitten ussbraitten mit erzelung vil merckhlichen hystorien,
die dann l)isher weit zersträwt alhie in Ordnung gestölt sind. Ob aber
yemands von dem beruerten haidnischen stammen weytter zelesen anfechtung
hat, der mag es in den hystorien der hochberaempten Helny Garfredy,
Johannis anny rottuli Wilhelmitarum hystorie Tungrorum unnd andern
altten hystoriographen, daruss ich dann solichen haidnischen stammen
gezogen hab, suochen und sich daselbs verer dann hie zemelden not sey
ersehen.
Im dritten buoch werden gepflantzt ethlich fruchtbarlich gewechs, so
uss den vorberurtten esten und schössen entsprossen sind, dardurch gar
vil treffenlich gesiecht, die gemeltem kayser Maximilian mit naturlicher
sipschafft verwandt sein lange zeit verborgen, an tag kommen.
Im vierden buoch seint pfauen und pfauenspiegel, darinn mit lustigem
augenschein gesehen, wie sich kayser Maximilians gesiecht von vil hundert
iarn her durch die hochadellichen heyrat gemeret hat mit kurtzer bedea-
tung darbey der eegemecht wappen auch stammen und namen, sovil ich
der untzher erfaren hab.
Im funfften unnd ledsten buoch, dieweil der allmechtig in seinen
ass erwölten heyligen gelopt unnd geert wil werden, so hab ich mir
furgenomen, sein göthlichen gnaden zu dankh und zu gluckhafftigem
besluss diser fürstlichen cronickh etlich fruchtpar der seligen und heyligen
Habspurger fruntschafft ze beschreyben mit loblicher anzaigung ir ange-
bornen tugenden, wie ich dann solchs von vil dreffenlichen gotzheusern
weit unnd brait zesamen gelesen hab.
Aber ee ich das erst buoch angreyff begegnen mir zway ding vor-
zesetzen. Zum ersten, dieweil in diser fürstlichen cronickh vil seltzamer
hendel von alten gesiechten und geschichten bisher verborgen an tag
bracht sollen werden, davon sich menger also hoch befrembden unnd ver-
wundern möcht, damit wa glaubwirdig kuntschafften und gezeugknus der-
selben hierinn nit dargestölt, das sy von dem misstrawen offt vei'kert
oder gar widerfochten möchten werden, darumb solchs ze verbieten, so
hab ich zu gezeugknus aller nachgeschryben ding dis altten und newen
autores zusampt den stifften unnd schryfften, darauss diss werkh genomen
ist, allermengklich nit wollen verhaltten unnd wil mich damit uff dieselben
referieren. Darnach und zum andern wil ich nach erzelung derselben ain
kurtzen eingang thun mit der schöpffang gottes unnd dardurch komen
uff den ui'sprung unnd herkomer aller menschen geschlecht, mich darnach
bald wenden uff mein anfengklich furnemen. Unnd sind dis die zeugen.
616
Virtor Thiel.
Allergnedigister kinig, diweil war ist, das aius jeden menschen seel
in anfang seiner Schöpfung wie ain tafel, daran nichts geschriben ist, das
och ein yeder mensch sonder aller klaidung nackend unnd bloß an die
weit kompt, darus dann folgt, das kain mensch ichts von im selber, ia
aber alles, das er hat, von ainem annhern genomen, darumb so hat mich
lur gut angesehen E. k. M. nit zu verhalten, sonnder mit aller under-
thänigkayt anzezaigen, wavon unnd warus ich daun die gegenwirtig fürst-
lich cronickh genomen hab, damit ob nott E. k. M. weytter mögen suchen
lassen, unnd sind mit namen vil alt unnd new croniken desgleichen vil
alt und new autores och hystorien cattalogen unnd in annlegung darczu
ain merklich anzal der alt unnd neuwen gaystlichen und weltlichen stifften,
darinn ich selbs personlich gewesen bin, on die ich nit durch mich selbs
sonder durch annder trew globwirdig oder sunst in den buchern erfaren
hab, dann mir noch kainem möglich, alle ding durch sich selbs unnd on
hiltF usszeriuhten, doch die hilff gotts ob allen dingen vorbehalten.
Unnd sind dis die cronickeu.
Item cronica Austrie.
Ungarie.
Bohemie.
Alsacie.
Schwiczerorum.
Bernensum.
Euseby.
Martini.
Heinrici.
Mathie.
epischopi Losanonsis.
Anglie.
Francie.
Brabancie.
Item supplementum cronicarum.
Item supplementum supplementi.
Item fasciculus temporum.
Item collecta de Fuchsmag Ladislai
Item cronica Coloniensis.
Lotharingie.
Trayectensis.
Campi Regalis.
Karinthie.
Flandrie.
Holandrie.
Zeelandie.
Hannonie.
Geldrie.
Saxonum.
Bavarie.
Svevie.
unnd annder.
So sind dis die autores.
Magister Dares Phrigius.
Item Homerus.
» Ovidius.
» Virgilius.
» Blondus.
» Berosus Chaldeus.
» Manethon.
» Theoclus.
» Flavius Vobiscus.
y, Orosius.
j> Beda.
» Augustinus.
Item Iheronimus.
» Eusebius.
» Garfredus.
» Gregorius Thuronensis.
» Johannes Boccacius.
» Turpinus ßemensis.
» Vincencius Gallus.
» Aulus Gelyus.
» Lucius Tongrensis.
» Varro.
yy Ysidorus.
» Plinius.
Die Habsbnrcfer Chronik Heinrichs von Klingenoersr.
617
Item Ado iu commentarys.
Julius Cesar.
Titus Livius.
Justinianus cesar.
Bartholus.
Archiloquus.
Arestoteies.
Eutropius.
Sigibertus historicus.
Regino abbas.
Aurspergensiö abbas.
JBiblia.
Ansihelmus.
Agathyas.
Bartholomeus Anglicus.
Paulus Lombardus.
Frauciscus Petrarcba.
Poraponius.
Suetonius.
Amyanus.
Eneas Silvius.
Gottl'ridus Witterbiensis.
Otto Frysingensis.
Hermannus Contractus.
Hermannus minor.
Nicolaus episcopus Hypponensis.
Hemerlin prepositus Solodorensis.
Nicolaus carmelita Villfordiensis.
Robertus Gagwinus.
Raphahel Volateranus.
Tritt onius i).
Jacobus Wilphelingius ^).
Nauclerus Tuwingensis.
preceptor meus unnd annder.
So sind die hystorie catalogi unnd martirilogium.
Item hystoria Troyanorum.
» » Romanorum.
» » Belgica.
» » Franc or um.
» » Philonis.
» » Brittanica.
» » Probi cesaris.
» » ToHgrensis.
» » Friderici primi cesaris.
» » Trutpertica.
» innumerabiles historie sanctorum.
Item cattalogas sumorum pontificum, cesarum, regum Gottorum, regum
Sycambrorum, episcoporum Argentinensium, Metensium, Leodiensium, Tra-
jeetensium, Colonensium.
Item martirologium sanctorum beati Iberonimi.
Item cattalogus Petri Equilini episcopi.
Item fortalicium fidei etc.
So sind dis die stifFten.
Unnser lieben frawen munster, S. Jobanns compthury. Item die
gotzhuser S. Wilhelmi, Cläre predicatorum und annder all zu Freyburg
im Prysgow gelegen. Item carthuser Guntterstal, Teinnbach, Himelport,
S. Margarete etc. all nachend bey Freyburg im Prysgow. Item S. Petri,
Trutperthi, Ciriaci, Badewiler, Blasy, Ettenheymmeinstei', Gegenbach unnd
annder all im Scbwarzwald am Prysgow. Item Ottmarscben, Andelow,
S. Ottilienbergmunster darunder Maursmunster, Ebersmunster, S. Steffan,
unnser frawen hutt, S. Margarethen unnd annder zu Strasburg, Hagnow,
Wissenburg, Murbach, Marpach und anndern all im Elsas. Item Speir,
Worms, Salz unnd annder am Rein. Item vil stifften zu Köln, Trier,
Metz etc. Item S. Arnulphi bey Metz und S. Romarici zu Habspurg
•) Michael Rictius (getilgt).
Mittheilungen XX.
") D. Fuchsmag (getilgt).
40
QIQ Victor Thiel.
dai'czu unzalbar vill stuften im Niderland, besunder Naamur, Rotkhoster,
Brüssel und anndere in Brabant, desgleichen Haper, Hall, Mons, Seuborgik
und ander im Henngau, och S. Bavonis, Nimus und annder in Flander.
Item vill unnderricht und stifften in Oesterreich als Wien, Closternewen-
burg und annder. Item vill stiflPten in Bayerlannd als Staiugaden, S. Udal-
rici zu Augspurg, Nerishem uff dem Hertfeld unnd annder. Item vil
stifft in Schwaben als Lorch, Kirchen, Unnderdeckh etc. Item im Allgew
Weingarten, Eysni, Kempten und annder. Item an der Etsch Tsbruck,
Stamps und annder. Item am Bodensee Petershusen zu Costeniz, Richenow
hey Costeniz, Weyssenow bei Waffenspurg, Schwarzenow bey Bregenz etc.
Item vill Stiften zu Burgundi, besonder zu Bisancz etc. Item vill alter
stifften unnd schryfften in der aydgnoschafft als S. Gallen, Schaffhusen,
Reinow, Kungfelden, Brugck, Solatur, Sant Urba, Arburg, Bern, Freyburg.
Wibilisbm-g, Murten, Wilisow, Lucern, Habspurg, Mure, Wettingen, unnser
frawen zu Ainsidlen und annder.
In welchen enden, was ich allenthalben, es sey in aunalibus, mar-
tirologis, seelbuchern, sarchen, grablichen schrifften, Stifftbuchern, testa-
mentzedel, cronicken, matrickel, rodeln, urbarbüchern, kirchmuren, alt dum.
statporten, wappen und figuren, müntzen brieff und sigel und ander
schrifften zu diser Cronick dienstlich funden, hab ich zusampt vorberurten
D-ezugen in dis gegenwirtig fürstlich cronick gesetzt, wie man dann solichs
in irem ynhalt vermercken mag, will sy damit fundiert, und beweyst och
anndern nach mir weytter ze suchen ursach geben haben.
Und wiewol ich noch gar vill meer bucher alt und neuw stifften
und schrifften ersucht, hab ich doch allain, die dabey ich am meysten
befunden hab, bestimmen underthänigister Hoffnung, E. k. M. gnugsamlich
hiemit verstanden haben, das an meinem getrewen fleis unnd ernst nichts
darinnen erwunden ist; dritt damit in dem namen gottes zum ingang,
wie hernach volgt.
Einige ßelationen über die Armada 1588.
Von
Bruno Stübel.
In seinem trefflichen Werke „La Armada invencibie", T. I, II,
(Madrid 1884, 1885) hat Cesareo Fernändez Duro mit Hinzuziehung
eines ausserordentlich reichen handschriftlichen Materiales und einer
ausgedehnten gedruckten Literatur i) zum ersteumale eine gründliche
Darstellung des Schicksales jener gewaltigen bis dahin nie geseheneu
Flotte, durch welche Philii^p II. im Jahre 1588 England der spanisch-
römischen Herrschaft unterwerfen wollte, geliefert. Nicht weniger als
199 aus verschiedenen öffentHchen und Privat-Archiven Spaniens
herrührende Documente sind hier an's Licht gezogen und erstmalig
verwertet worden. Der gleichzeitigen gedruckten Literatur, und
nur diese wollen wir im Folgenden in's Auge fassen, wären dagegen
noch einige deutsche Zeitungen und Berichte, die Fernändez Duro
unberücksichtigt gelassen hat, weil sie allerdings meist üebersetzungen
sind, von denen jene von Emil Weller verzeichnet worden siud^), hin-
zuzufügeu.
Bereits Robert Prutz hat in seiner Geschichte des deutschen
Journalismus, Th. 1, Hannover 1845, p. 142 hervorgehoben, dass die
') Eine Bibliographie dieser Literatur, unter der sieh auch ungedruckte
Schriften befinden, ist am Schluss des zweiten Bandes p. 503 — 513 o-egeben.
Hierzu hat dann Fernändez Duro neuerdings in seinem grossen Werke , Armada
Espaüola desde la union de los reinos de Castilla y de Aragon, T. Itl. Apendices
Nr. 1—4, p. 455— 480, Madrid 1897« Ergänzungen veröfi'entlicht, und zwar Nr. 4
mit der Ueberschrift : Adiciön a la noticia de obras que tratan de la jornada
de Inglaterra, publicada en la »Armada invencibie«, T, II.
2) Die ersten deutschen Zeitungen (Bibliothek des literarischen Vereins zu
Stuttgart, Bd. 11 1), p. 309—310, Tübingen 1872.
40*
620
Bruno S t ü b e 1.
Armada erst wieder das Interesse der Deutschen an Spanien erweckt
hat, dass diese Begebenheit, welche schon mit dem Rufe ihrer Vor-
bereitung die Welt erfüllte, auch von den deutscheu Zeitungen nicht
unberücksichtigt gelassen werden konnte, ja dass sie sogar auf die
wesammte damalige Zeitungsliteratur einen wesentlichen Einfluss aus-
geübt hat. Denn durch sie ist dasjenige Land zuerst der Journalistik
eröffnet worden, in welchem diese dann später hauptsächlich gepflegt
worden ist, nämlich England. Während dieses Seekrieges zwischen
England und Spanien entstanden dort die sogenannten j\Iercuries,
Kriegszeituugen, welche die einzelnen Gefechte und Siege >ofort zur
Kenntniss des englischen Publikums brachten, und die im Grunde
genommen nichts anderes, als die schon längst vorhandenen deutschen
Relationen oder Berichte sind, die somit bei dieser Gelegenheit zuerst
nach England verpflanzt wurden i).
Diese englischen Kriegszeituugen einestheils, sowie die von spa-
nischer Seite in Madrid und Lissabon veröffentlichten Berichte anderen-
theils, bilden nun wiederum die hauptsächlichsten Quellen für die
deutschen Zeitungen und Relationen über die Armada, oder sind ein-
fach nur in's deutsche übersetzt worden.
Gleich eine der ersten dieser in deutscher Sprache erschienenen,
lediö-lich die Ausrüstung der Armada an Schiften, Befehlshabern,
Mannschaften, Geschützen etc. behandelnden Relationen ist eine solche
Uebersetzung eines spanischen in Lissabon gedruckten Originales -)
und eben nichts weiter als ein sogenannter und zwar authentischer
Schiffskatalog. Sie hat nächst dem Haupttitel auf Bl. 2^ noch einen
besonderen Kopftitel (üeberschrift), und nur diesen, der etwas anders
als jener gehalten ist, gibt Fernändez Duro im Original in seiner
Bibliographie an 3), Der Haupttitel lautet :
Warhafite | Relation | vberschlag j vnd j Inhalt der Kriegsrüstung ,
oder Arma. | da | so Philippus der König von Hispanien } auff dem |
Meer | bey Lisbona der Hauptstatt des Königreichs | Portugal | zu-
sammen hat bringen lassen. Mit welcher Armada | der Hertzog von
Medina Sido- j nia ] als Capitein General vnd Obrister vons Königs
wegen | sampt allen Galleonen \ Schiffen | Lasten ] Munition i Proui-
andt I Hauptleuten | vom Adel | Fendrichen | vnnd anderm Kriegs-
volck I in grosser anzal den 29. vnd 30. | Maij nechst verschienen von
dan- 1 nen abgeseylet. Auß dem Hispanischen Exemplar (so zu Madrid
>~) s. Prutz 1. e. p. 142.
-) s. Fernändez Duro 1. c. T. I, lutroduccion p. V.
3) ]. c. T. II, p. 504—505. Prutz hinwiederum 1. c. p. 143—144 hat nur
d^n Haupttitel aufgenommen.
Einige Relationen über die Armada 1588. ß21
mit des Königs | selbst bewilligung [ vnd jrer May. Secretarien vber-
sehuug I vnd vnderschreibung bekrefftiget) in Hochteutsch vber- | setzt j
den 6. tag Augusti | Anno 1588. 4. 16 Bl.
Auf dem Titelblatt grober Holzschnitt, der jedenfalls die vor
Lissabon ankernde Flotte darstellen soll.
Der Kopftitel oder die Ueberschrift lautet:
Eelation vnd Vberschlag der Galeonen | Schiffe, Pataschen i) vnnd
Zabras ^) also genant | Galeazas j Galeen | vnd anderer Schiffe | die mit
der gewaltigen Ar- ] mada | so ir Maiestat zusamen hat bringen lassen. |
am Ge- ] statt bey Lißbona | der Statt in Portugal [ vnd deren Obrister |
oder General Capitein ist der Hertzog von Medi- | na Sidonia | sambt
den Lasten j welche die Schiffe tragen : j Vnd so wol dem Kriegsvolck [
als Schifleuten so darauff mit allerley Proaiand Naruug | Wehr j Ge-
schütz I Puluer I vnd auderui Vorraht zum Krieg gehörig [ die sie mit
nemen: Auch wie lang vnd auff was zeit sie mit solcher Prouiand
vnd vnderhaltung haben [ alles nach Ordnung vnd manier wie volgt.
Am Schluss der Relatiou heisst es: Geschehen in Lisbona den
20. May | im Jahr nach Christ | Geburt 1588. Vnd auß Hispanisch
in Teutsch vbersetzt zu | Colin den 6. Augusti | 1588. Durch Michael
Eyzinger Austriacum.
Hierauf folgt noch ein lateinisches Distichon:
Ad Anglam (sie) et eins Asseclas Europae.
Tu, quae Romanas volusti (sie) spernere leges,
Hispauo disces subdere coUa jugo 3),
und endlich: Gedruckt zu Nürnberg | durch Nicolaum Knorrn.
Der Uebersetzer, der bekannte kaiserliche Historiograph und
Diplomat, Michael Eytziuger, Verfasser des „Leo Belgicus", bemerkt
in seinem Cöln d. 6. August 1588 geschriebenen Vorwort an den
, gutwilligen Leser "', dass in der letzten Zeit in italienischer Sprache
zu Venedig und an andern Orten Italiens, hin und wieder Traktätlein
von der gewaltigen Schiifahrt König Philipps gedruckt worden seien,
weil diese aber der Wahrheit nicht entsprächen, so habe er ein rich-
1) Wachtschiffe.
'■') Leichte Kaperschiffe.
3) Diese etwas voreilige Drohung von spanischer Seite, auch erwähnt bei
Bizot, Histoire metalique de la republique de Hollande, Supplem. p. 104, Amster-
dam 1688, wurde engliseherseits erwidert mit dem Distichon :
Ad Hispanum et eins Asseclas.
Tu, qui Christigonam voluisti perdere gentem,
Supremo disces subdere coUa jugo.
a. Fernandez Duro 1. c. T. I, p. 164.
ß22 Bruno St übel.
tiges und wahrhaftes Exemplar, wie solches aus der königlichen Hof-
haltung zu Madrid selbst hervorgegangen, und auf der Post ullhier
angekommen sei, Wort für Wort aus dem spanischen iu's Hochdeutsche
übersetzt, welchen der Leser nun als den besten und wahrhaftesten
Bericht annehmen wolle.
Unofleich interessanter als dieser trockene Schiffskat alog ist die
gleich darauf ebenfalls in deutscher üebersetzung erschienene englische
Zeitung und Beschreibung der Armada, die erste in England gedruckte
über diese Begebenheit, also gleichzeitig der erste „Mercury", auch
schon um deshalb interessanter, weil sie das Schicksal der Armada
von einem Mitkämpfer ziemlich bis zu deren Ausgange schildert.
Die Zeitung ist auf Begehren der Königin Elisabeth von einem
spanischen Ober.sten Jacob von Medrago i), der in englische llefangen-
schaft gerathen war, verfasst und mit einem wertvollen Plane der
Gefechtsstellung der beiderseitigen Flotten nebst Erklärung, in der im
wesentlichen die ganze Zeitung gipfelt, versehen. Der Titel der deut-
schen üebersetzung lautet:
Schiffstreit | das ist | kurtze doch war- | haff'tige Zeitung vnnd
Beschreibung der | mechtigen Armada oder Kriegsrüstung Welche der
König I auß Hispanien wider Schottland ] Engelland j Holand vud
Seeland | in grosser anzahl den 29. vnnd 30- Maij | Anno | 88- auß-
geschickt hat: Vnnd wie die Spanuische Armada zwischen j Pley-
muyen j Douer vnd Dunckerke von deu Englischen an- j gegriff'en |
beschediget j verjaget vnd entlich in grund | geschossen den 9. 10. Au-
gusti. Welchs alles Jacob de Medrago j der als ein Oberster der
Spanier mit vnd darbey gewesen j von den Englischen gefangen | ge-
sehen vnd erfahren. Hernach der Königin in Engelland zu sonderen
ge- ] fallen hat abcontrafeyt vnnd beschrieben | wie fol- | gen wird j
vnd in der Eigur zu sehen ist.
Auß Englischer Sprach in Deutsch trausferirt. 4. 8 Bl. und Plan.
Auf dem Titelblatt links das spanische Wappen umgeben von der
Kette des goldenen Vliesses, rechts das englische umgeben von dem
Hosenbandorden mit Devise.
Am Schluss: Erstlich gedruckt zu Nider Wesel [ durch Johau
von Leiden. Anno 1588.
Die Schrift besteht aus drei Theilen. Der erste Theil oder die
Einleitung beginnt mit einer scharfen Verurtheilung der bisherigen
Politik Philipps II. gegen die Niederländer, und zwar mit Bezugnahme
auf ein ürtheil der heiligen Inquisition zu Madrid v. 1(). Februar 1586,
') Wird in dem IScbiflskatalog nicht mit aufgeführt.
Einige Relationen über die Armada 1588. (323
woruacli alle von der katholiscbeu Keligiou abgefalleneu und mein-
eidigen Ketzer, sowie alle Aufrührer unnaclisiclitlich zu verfolgen und
gaTiz und gar zu vertilgen seien. Dieses ürtheil ist im Wortlaut
wiedergegeben, und schliesst sich gewissermassen als dritter Theil direet
an Medrago's Zeitung an mit der Ueberschrift :
Volget die Copey des ürtheyls | so durch [ die Meister der heiligen
Inquisition vor lengest vber die- | se Niderlanden | so wol die Katho-
lischen 1 als andere | Spannische beschlos.-seu vnd ge- | geben haben.
Da mm der König von Spanien, so heisst es in der Einleitung-
weiter, trotz aller bisherigen listio-en Anschläge und betrüo-lichen
Praktiken die Niederländer nicht habe unter das spanische Joch beugen
können, so habe er gegen deren Bundesgenossen, gegen das nicht
weniger ketzerische England, dessen Königin mit dem päpstlichen
Banne belegt worden sei, seit zwei Jahren die mächtige Armada zu
Wege gebracht, deren Stärke kurz angegeben wird. In Summa habe
diese bestanden aus 135 Schiffen, 19.223 Soldaten, 8050 Schififleuten,
2050 Kuderknechteu und 2411 Geschützen.
Alsdann folgt als zweiter Theil die kurze Zeitung des Medrago
mit der Ueberschrift:
Volget nun die wäre Erklärung der Figu- j reu vnd verloifenen
SchifiFstreits j Welche Don Jacob de Medra: | der wie zuuor vermeldet |
inn diesem Schiffstreit ge- j fangen j zu London in seiner Gefengnuß
auß begeren der Königin | von Engelland also jedes mit seiner zahlen
hat lassen | abreissen | vnnd auff' diese art | beschreibeu.
Interessant ist es uun, dass, als Mitte August der Kest der spa-
nischen Flotte mit Hinterlassung einer grossen Anzahl von Offizieren
und Mannschaften nach Spanien zurückzukehren gezwungen war, wo-
durch sich der Ausgang der Armada entschieden hatte, Medrago selbst,
wie am Schlüsse seiner Zeitung zu ersehen ist, von der Verfehltheit
des ganzen mit so riesigem Aufwände unternommenen, aber schlecht
geleiteten Seezuges überzeugt ist, und dass er in Folge dessen Partei
gegen seine eigenen Laudsleute ergreift, allerdings wohl auch, um sich
damit seine Gefangenschaft etwas zu erleichtern. Die Spanier und
ihre Verbündeten werden sich, so schreibt er, wenn sie nicht anders
gar verblendet sind, noch eine Zeitlang besinnen, ehe sie wiederum
eine solche Armada nach England, Schottland, Holland und Seeland
anstellen, rüsten und abgehen lassen. Auch werden sie zu der Ueber-
zeuguug kommen, dass es nichts nütze die Wahrheit zu umgehen, und
schriftlich und mündlich Gerüchte zu verbreiten, wie z. B. dass sie
die Engländer, Holländer und Seeländer besiegt, sich einer Anzahl
Oberbefehlshaber bemächtiget, und viele Soldaten gefangen genommen,
(324 Bruno Stube 1.
sowie eine Insel hinter Schottland erobert und mit 6000 Soldaten
besetzt hätten. Diese angeblichen Siege seien bereits schriftlich fab-
rizirt worden, noch ehe die Flotte von Portugal abgefahren sei (also
Ende Mai), gleichsam als hätte Gott den Spaniern den Sieg verleihen
müssen. Aber es hat doch, so schliesst Medrago, Gott in seinem
geheimen üathe anders gefallen.
Von dieser englischen Zeitung existirt nun wiederum eine etwas
abo-ekürzte und veränderte deutsche Ausgabe mit dem Titel:
Warhaffte Beschreibung | der mechtigeu Anna [ da [ so der König
aus Hispanieu wider En | gelland Holland vnd Seeland ausgeschickt | vnd
dem gewaltigen Widerstandt der Königlichen Englischen Schiffen | durch
die Spanische Schiffe von Plemoyen bis in die | Nort-See verjaget
worden ] Alles nach der Erzehluug vnd | Relation deren 1 so daruon
zum Theil entflo- | gen | und zum Theile gefangen sind.
Erstlich mit bewilliguug der Obrigkeit zu Amster- j dam ge-
druckt I bey Coruelio Clausen. 4. 6 Bl.
Am Schluss; Gedruckt im Jahr Christi ) 1589.
Der Titelholzschnitt von einer Verzierung umgeben stellt die Be-
lagerung einer Stadt dar.
Die Einleitung bis zur Angabe der Stärke der Armada sowie die
Copie des luquisitionsurtheils stimmen wörtlich mit den entsprechenden
Parthieu iu der Zeitung überein, dagegen ist diese selbst manchmal
mit etwas anderem Wortlaut, auch mit Hiiiweglassung der auf den
Gefechtsplan ^) sich beziehenden Stellen, da dieser fehlt, und der Er-
wähnung der spanischen Lügen über die angeblichen Siege wieder-
gegeben worden. Weil abgeleitete Quelle, wird in der Beschreibung
nur immer in der dritten Person gesprochen, während Medrago in
der ersten spricht.
Zu den ausführlichsten in deutscher üebersetzung erschienenen
damaligen Berichten über die Armada bis zu deren »letzten Schiffbruch
und Niderlag" im September 1588 gehört der welcher den Titel führt:
Kurtze vnd warhafftige Erzehlung ] Von der Spanischen | vnd
Englischen Kriegsrüstung zu Wasser | Vnd was sich zwischen beyder-
seits Armaden [ in den verschienen Monaten : Maij | Junij | Julij ]
Augusti 1 vnd September 1 verlauffen vnd j zugetragen hat.
Aus Frantzösischer vnd Lateinischer j Sprach verteutscht.
Psalm 46. Gott ist vnser zuuersicht vnd stercke 1 eine Hülffe iu
den grossen nöthen u. s. w.
Getruckt im Jahr 1589. 4. 20 Bl.
') S. oben p. 622.
Einige Relationen über die Armada 1588. (325
In der Einleitung wo von dem Plane zur Armada die Eede ist,
geht der Bericht dem „Papistischen Haufen und Pfaffenknechten " hart
zu Leibe. Hochmüthigerweise habe Pabst Sixtus im Monat Juli durch
öffentlichen zu Rom in St. Peter publizirten Bann der Königin von
England ihre Würden abgesprochen und diese dem Könige vou Spa-
nien zuerkannt. Ihre Rechnung hätten die Papisten mehr auf ge-
schvrinde, heimliche und verrätherische Praktiken, als auf die in's Werk
gesetzte äusserliche grosse Gewalt gemacht. Sie hätten sich demnach
unterstanden die Königin entweder durch Beibringung von Gift oder
durch Mörderhände hinzurichten und aufzureiben i). Denn es seien
allerhand Traktätlein verschlagener Weise unter den gemeinen Maun
in England ausgestreut worden, um diesen dadurch zum Aufruhr und
zur Meuterei zu bringen, und sei den Unterthanen auch durch die
Jesuiterische Rotte, welche sich tückischer Weise „eingeschleifft" habe
Hoffnung gemacht und eingebildet worden, dass nunmehr die Zeit
gekommen wäre, wo sie mit eifrigem Herzen dahin bedacht sein sollten,
die Römische katholische Religion Avieder zu erlangen und einzuführen.
Um das zu erreichen habe der mächtige König von Spanien mit
grosser Gewalt gerüstet und habe der Pabst den Cardinal Alanus
(Allen) nach England geschickt '^). Zudem hätten die Papisten auch
andere Ränke und listige Praktiken, so bei den Spaniern nicht seltsam,
nicht unterlassen, denn sie hätten oft erwähnte Armada oder Kriess-
rüstung zu Wasser aufs aller umständlichste beschrieben und in un-
terschiedlichen Sprachen drucken lassen, einestheils um dem Könio-
von Frankreich Herz und Mutli zu machen die gläubigen Christen
und gehorsamen Unterthanen ebenfalls mit Heeresmacht zu über-
ziehen, anderentheils um den Engländern, Seeläudern und Holländern,
wenn diese von einer so gewaltigen Kriegorüstung hörten, den Muth
zu nehmen Widerstand zu leisten. Bei den Verzagten und Klein-
müthigen könne man allerdings mit solchem Griff etwas ausrichten.
Doch die Königin von England habe sich nicht leichtlich schrecken
lassen, sondern hinwiederum keinen andern Gedanken gehabt, wie sie
gleichfalls eine Armada in's Meer bringen lassen könne.
Nun schildert der Bericht anschaulich den ganzen Verlauf des
Zuges, die einzelnen Gefechte, den Kampf mit den Elementen bis zum
Monat September, bis zum Schiffbruch, den die übrig gebliebenen
spanischen Schifte am 17- u. 18. September durch ein furchtbares
Unwetter an der Irländischen Küste erlitten, welcher nach dem Be-
') Es ist hier offenbar auf Babingtons Mordanschlag gegen Elisabeth i. J.
1586 angespielt.
'} Ueber ihn s. Fernändez Duro 1. c. 1, p. 165 — 166.
626
Bruno Stübel.
richte einen Verlust von 19 gewaltigen Schiffen zur Folge hatte i).
Wie die Hunde seien die auf das Land sich flüchtenden Spanier von
den Irländern todtgeschlagen oder gefangen genommen worden. Der
Bericht schätzt den Verlust hierbei auf 6204 Personen, die zu Wasser
und zu Lande umgekommen oder in Gefangenschaft gerathen seien,
darunter die Vornehmsten. „Wo aber der Hertzog de Medina Sidouia
geblieben, ob todt oder lebendig, kan man noch nicht eigentlich
wissen. Man ist doch mehrer Particularitet gewärtig". Medina
Sidouia war Donnerstag den 22. Septemljer mit den üeberbleibseln
seiner Flotte, es waren noch 16 Schiffe, im Hafen von Santander
angelangt. Von hier aus berichtet er ;im 23. September dem König
Philipp über den Zustand dieser Flotte -).
Der Bericht schlitsst mit der Hoffnung, dass der König in sich
selbst o-ehen. bedenken wie schwer es sei wieder den Stachel zu locken
und sich dabei zu Gemüthe führen möge, dass Gott gar nicht leiden
könne, wenn man Herz und Sinn auf äusserliche menschliche Gewalt
und dann auf verbotene, unchri^tliche, unmenschliche und mörderische
Praktiken setze, ja dass es vor ihm ein Greuel und den lioheu Poten-
taten nichts schädlicheres und verderblicheres sei.
Wie wir oben aus der Zeitung des Medrago ersahen, gehörte zu
den listigen Praktiken deren sich die Spanier bedienten, unter andern
auch die Verbreitung der Nachricht von dem Siege, den die spanische
Flotte über die englische davongetragen haben sollte. Fermindez Duro
behandelt diesen angeblichen Sieg ausführUch in dem x4.ppendix Q unter
der Bezeichnung „Noticias falsas" ■^). Darnach ist diese Lüge haupt-
sächlich in Verbindung zu bringeu mit den Machinationen, welche
Don Bernardino de Mendoza, spanischer Gesandter in Paris und einer
der eiuflussreichsten unter den damaligen Diplomaten Philipps II.
gegen England anstrengte.
Mendoza, dessen Geburts- sowie Todesjahr unbekannt ist, be-
theiligte sich in den Jahren 1567 bis 1577 als aktiver Offizier an
den Feldzügen Alba's in den Niederlanden gegen Ludwig von Nassau
und Wilhelm von Uranien '), wurde hierauf im Jahre 1584 von
1) Diese Zahl gibt auch Fern. Duro 1. e. 1, p. 140 an. Zu diesem Schitf-
Lrucli vergl. ferner Fern. Duro : Los naüfragos de la Armada Espaüola en Irlanda
(1588), enthalten in ßoletin de la real acad. de la historia T. 16, p. 225— 2-27,
Madrid 1890.
2) s. Fernändez Duro 1. c. T. II, p. 273—278, p. 296-300 u. p. 328—33(1.
••') 1. c. T. I, p. 175-200.
■1) Eine Frucht dieser Thätigkeit ist sein Tagebuch, welches er später unter
dem Titel: Comentarios de lo sucedido en las guerras de los pajses baxos desde
Einige Relationen über die Armada 1588. ß27
Philipp mit einer Mission an Heinrich von Navarra betraut, für den
Philipp gegen König Heinrich HI. Partei nahm, wenig später aber
bei Heinrich III. als spanischer Gesandter accreditirt. Dann versah
er bis 1587, bis zur Verurtheilung Maria Stuarts, den Gesaudtschafts-
posten in England, worauf er wieder nach Paris zurückkehrte und hier
in die Kämpfe der Ligue thätig mit eiugriflF.
Während seines kurzen Aufenthultes in England hatte Mendoza
im Verein mit der römischen Partei Propaganda für die spanische
Politik, d. h. für die Unterwerfung Englands unter die spanische
Herrschaft gemacht und Anhänger dafür geworben. Wir gewinnen
darüber unter andern Aufschluss aus einem Buche, das i. J. 1588 zu
Paris, und zwar kurz hinter einander in zwei Ausgaben erschien,
welches gleichzeitig auch interessante Nachrichten über das Schicksal
der Armada in sich fasst. Die eine Ausgabe führt den Titel:
La copie d' une | lettre envoyee d' Angleterre ä Dom Bernardin j
de Mendoze ambassadeur en France | pour le Roy d'Espaigne.
Par laquelle est declare j 1' estat du Royaume d' Angleterre contre
l'attente j de Dom Bernardin et de tous ses par- | tizaus Espagnols et
aultres.
Encores que ceste lettre fust enuoiee ä Dom Bernardin de j Men-
doze, toutesfois de bon heur, la Copie d'icelle, tant | en Anglois qu' en
FranQois, a este trouuee en la chambre | de Richard Leigh, Se-
minaire (Vertrauter Mendoza's), lequel n'ague | res fut execute pour
crime de leze-Majeste | et trahison commise au temps que | 1' Armee
d'Espagne estoit | en mer.
Nouvellement imprime. 1588. 8.
Das Buch enthält erstens zwei anonyme Briefe, von denen der
eine (p. 1 — 58) am Schluss das Datum: A Londres ce d'Aoust 1588 ^).
und der andere „AD. Bernardin de Mendoze" überschriebene (p. 59
— 65) das Datum: A Londres ce de Septembre 1588 trägt. Hierauf
el afio 1567 hasta el de 1577, Madrid 1592, 4, herausgab und namentlich in mi-
litärischer Hinsicht als eine wertvolle Quelle für diesen Zeitraum der nieder-
ländischen Geschichte zu betrachten ist. Gleichzeitig erschien davon eine fran-
zösische Uebersetzung j>Commentaires sur les evenements de la guerre des Pays-Ba:^
1567 — 1577. Paris 159], 8*, von der dann wieder ein anderer Druck als-* Histoire
memorable des guerres de Flandres et Pays-Bas depuis V an 1567 jusques 1' an
1577, Paris 1611, S'^ veröffentlicht wurde. Eine neue kritische Ausgabe dieser
Commentaires mit Einleitung über Mendoza's Leben und Thätigkeit als Schrift-
steller ist von Loumier und Guillaume, als Publication nr. 8 in : CoUection de
meraoires relat. ä 1" histoire Belgique, T. I, 11, Brüssel 1860 veranstaltet worden.
1) Ueber den hier sowie in dem zweiten Briefe weggelassenen Ausstellungstag
s. unten p. 630.
^28 Bruno S t ü b e 1.
folgt (p. 65 — 68, ohne Pagiuirung, diese hört mit p. 64 auf) „L'im-
primeur au lecteur", am Schluss datirt: Le 20. de Septerabre 1588,
iilsdann eine Notiz mit der Aufschrift: Depuis l'impression de ceste
derniere fueille, ou m'a apporte vn advertissement par escrit de la
Cour, de fort bien lieu: oü il y a quelques particularitez plus expresses
qu'au precedent, euuoiees d'Irlande le xvij. de ce Mois pour con-
firmation des choses susdictes, avec graude verisimilitude de pareils
accideus qui pourront estre suruenus, pour la grande tempeste qui a
este le mesme jour xvij. et le xviij du present Mois de Septembre,
ferner: Estans parvenus iusques en ceste Impression, selon que chaque
iour apporte plus de certainete et de particularitez de la perte des
Espagnols en Irlande, on en a recules Aduertissemens suiuant qui
sont les Examiuations et depositions de quelques vngs qui se sont lä
sauuez et y sont prisonniers, und schliesslich zwei summarische Ver-
zeichnisse der Verluste der spanischen Armada au Schiffen uud Mann-
schaften im Monat September uud in den Monaten Juli uud August,
wovon das eine 17 Schiffe und 5394 Menschen, das andere 15 Schiffe
und 4791 Menschen, ungerechnet circa 1000 Gefangener uud einer
grossen Anzahl sonstwie Umgekommener aufweist ^).
Die andere Ausgabe dieses Buches, die Fernandez Duro anführt -)
und nur gekannt zu haben scheint, hat auf dem Titer nach „estoit
en mer" noch den Zusatz: Depuis ont este adioustez certains Aduertis-
semens receus de n'agueres, coucernaus les pertes et destresses de
r Armee Espagnole, tant au combat quelle eut avec T Armee Angloise
au destroict de la mer Britanique, comme aussi par tempestes et vents
contraires es costes d'Irlande vers le Nord, et l'Ouest, eu retournant
des Isles Septentriouales par dela de l'Escosse.
In dem ersten Briefe (p. 24) wird nun behauptet, dass auf Meu-
.doza's Veranlassung — wenigstens wie dessen Feinde verbreiteten —
zu Paris ein Flugblatt gedruckt worden sei, wornach die spanische
Flotte im Kampfe gegen die englische, die bekanntlich unter dem
Oberkommando des Lord-Admirals Charles Howard stand, im Monat
Juli einen grossen Sieg erfochten habe, dem zu Folge 16 grosse eng-
lische Schiffe in den Grund gebohrt worden seien, und der Rest der
>) Mit diesen Schriftstücken ist dann noch, wenigstens in dem Exemplare
welches die königl. öffentl. Bibliothek zu Dresden besitzt, folgende Schrift zu-
sammengebunden : Discovrs | svr 1' estat ] de France, avec la copie des lettres
patentes | du Roy, depuis qu' il s' est re- | tire de Paris : | Ensemble la copie de
deux lettres du duc de Guyze. 1 MDLXXXVIII.
'') 1. c. T. [, p. 193—194.
Einige Relationen über die Armada 158S. {]29^
Flotte mit dem Vizeadmiral Francis Drake sich habe flüchten
müssen.
Ein anderer günstiger Bericht spanischerseits, der sich über die
Ereignisse v. 30. Juli bis 5. September auslässt, und in dem es am
Schlüsse heisst, dass König Philipp sehr zufrieden damit sei, ist etwas
später in Sevilla gedruckt worden i). Euglischerseits erschienen sofort
geharnischte Widerlegungen der Meudoza'scheu Lügen, und Drake
selbst hielt es für nothwendig, jedenfalls etwaiger schlimmer Folgen
wegen, die Wahrheit an den Tag zu bringen. Sogar die Anhänger
Mendoza's in England waren, wie aus dem Briefe hervorgeht, sehr
entrüstet über dessen Gebahren, nämlich solchen Gerüchten Glauben
zu schenken. Um ihn zu entschuldigen bekennt der Briefschreiber
nach Kräften zu seiner Ehre in London ausgesprengt zu haben, dass
diese und ähnliche Gerüchte vielmehr Produkte des Leichtsinns der
Franzosen, unter denen er lebe, seien. Fernändez Duro -) hält es
geradezu für nicht glaublich, dass ein so gewiegter Diplomat wie
Mendoza wissentlich eine solche plumpe Fälschung in die Welt habe
setzen können.
Von dem Buche „La copie d'uue lettre" etc. existiren auch noch
drei englische Uebersetzuugen -), und von den beiden Briefen, jedoch
von dem zweiten nur unvollständio^, eine italienische Uebersetzuno-.
Diese bildet den Hauptbestandtheil einer Schrift, die den Gesammt-
titel trägt:
Asserte Eagioni | d' incerto Inglese | del maV evento della poderosa
Arma- j tu Spagnuola ne i Mari d" Inghilterra | L' Anno MDLXXXVIII (.
Signet.
In Bergamo per Comin Ventura. 1593. 4 39 Bl.
Sie ist von dem Drucker dem Grafen Marc' Antonio Martineno-o
di Villa Chiara unter dem Datum: Di Bergamo il 5. di Giugno 1593
gewidmet, und beginnt auf Bl. 1 mit der Ueberschrift : Apparecchi
delle nimiche Armate d'Hispagua, et d' Inghilterra, dell'anno M. D.
LXXXVII. insieme col seguito lor fine, behandelt also nur und zwar
sehr kurz die Vorbereitungen zur Armada. Auf Bl. 4 folgt dann der
erste Brief mit der Aufschrift : Copia d' una Lettera mandata d' Inghil-
terra ä Don Bernardino di Mendoza, Ambasciatore del Re Catolico
di Spagna in Francia (reicht bis Bl. 37). Der Ausstellungstag des
Briefes, der wie wir oben sahen, in der französischen Ausgabe durch
1) s. Fernändez Dnro 1. c. T. II, Docum. n. 172, p. 293—296.
2) 1. e. T. L p. 175.
8) Angeführt bei Fern. Duro 1. c. T. II, p. 512.
^gQ Bruno Stübel
Bezeichnung einer kleinen Lücke weggelassen ist, wird hier angegeben,
nämlich der 11. August.]
Der zweite, wie schon erwähnt, unvollständig übersetzte Brief
(v. Bl. 37 — 39) ergänzt ebenfalls den in der französischen Ausgabe
fehlenden Tag der Ausstellung durch den 20- September. Zu bemerken
ist noch, dass das Ganze durchgängig die Blattüberschrift „Relatione
delle Forze d' Inghilterra- hat.
Kleine Mittlieiliingeii.
Eine iiiibckaiinte Urkiiiide für das Kloster Waldhauseii.
lu dem Archive der Pfarre Stadt Zwettl in Niederösterreich erlieo-t
eine bisher unbekannte Urkunde für das 1792 aufgelöste Chorherren-
stift Waldhausen in Oberösterreich vom J. 1194; über ihre Prove-
nienz an diesem Orte bietet die Vorliebe des Zwettler Stadtpfarrers
J. Schellenberger (1838 — 1844) für geschichtliche Studien einen ver-
muthlichen Erklärims-sgruud.
Das Stück ist auf einem 54cm hoheu uud o5cm breiten, gut ge-
glätteten Pergamente in 29 Zeilen über ebensovielen theils durch Tinte
theils durch Kitze gekennzeichneten Linien in zeitgerechter Diplomen-
schrift von einer Hand geschrieben.
Li dem zur Pliea umgefalteten unteren Rande sind zwei zur Auf-
nahme der Pergamentstreifen der anzuhängenden Siegel bestimmte
Einschnitte sichtbar, deren erkennbare Oeffnung und Einrolluug be-
weist, dass die Urkunde einst wirklich zwei Siegel trug, welche heute
verloren sind. Leider hat das Pergament theilweise durch Nässe ge-
litten und behindert ein über das mittlere Drittel querhin sich ver-
breitender Stockfleck die Lesung; Abbröcklung und Durchlöcheruno-
des Pergamentes machen Zeile 20 auf 12 cm und Zeile 21 auf 5 cm
Textlänge geradezu unleserlich. Das ganze, verhältnismässig grosse
Pergament ist von ursprüglicher Hand nach Länge und Breite dreimal
in Büge gefaltet.
Den Inhalt dieser L^rkunde können wir kurz zusammenfassen in
dem Regest: „1194 März 11 — December 25- Bischof Wolfger von
Passau transsumirt und erneuert die von seinem Vorfahrer Reginbert
dem Kloster Waldhausen 1147 Mai gegebene Stiftuugsurkunde".
Die Form, in welcher diese luseriruug und Bestätigung gefasst
ist, enthält eine gewisse diplomatische Merkwürdigkeit und ein be-
(332 Kleine Mittheilungen.
lehreudes Beispiel, wie mau in älterer Zeit, da es noch au einer be-
stimmten Form für die Fassung derartiger Urkunden maugelte i), mit
derselben umgieng.
Der Inhalt der Urkunde gliedert sich in fünf Tlieile. Die Da-
tirnngszeile des ersten Theiles und jeder der vier letzten Theile sind
am Anfange der Zeile je durch ein Paragraph- oder Alineazeichen,
welche gleichsam den chrouologiseh-genetischen Gedankengang des
gesammten Haudlungs- und Beurkundungswerkes ausdrücken, bezeichnet.
An erster Stelle steht ohne jede einleitende Bemerkung eine Ab-
schrift des im ürkuudenbuche des Landes ob der Enns II, 236 n. 157
abgedruckten Originales der Urkunde Bischofs Eegiubert von Passau,
1147 Mai, in welcher derselbe die Gründung des Klosters Sabenike-
Waldhausen bestätigt und dem Gründer Otto von Machlaud erlaubt,
alle Passauer Lehen, die ei- inne bat. mit Ausnahme der Burg Greifnn-
stein an seine Stiftung zu vergeben.
4 cm unterhalb dieser ürkundeiicopie und zwar mit absichtlicher
Freilassung dieses Kaume:^, in welchem auch die Linirung fehlt, folgt:
,Ut autem huius [privilegii fides valeat incorrupte nee a quoquam
protesjtari possit, nostra interfuit et de con.silio factum est. ut auc-
toritatem domini nostri Woifgeri Pataviensis episcopi [habeat maiori
muuimini] et ampliori testimonio. Affixum est etiam sigillum ipsius.
Anno ab incarnatione domini .M.C.X[C].I1II. -) indictione XII. anno
pontificatus eius Uli." Die hier eingeklammerten Worte sind theils
nach ihren am Originale hinter dem Stockflecke noch spärlich erkenn-
baren Schäften, theils nach dem Sinne ergänzt.
Der dritte Theil lautet: „Huius confii'mationis per sententiam -*)
date festes sunt cathedrales chori Heinricus decanus, Megengotus pre-
positus de Monsteure, Werenherus prepositus de Matheseo, Heinricus,
Arnoldus, Chadelhous, Timo et ceteri per ordinem canonici. De laicis
vero isti: Heinricus comes de Orthenperc, Pabo de Zollingen, Albertus
de Chambe, Kichkerus et frater eius Fridericus de Wesen, Werenhardus
et fratres eius Richkerus et Heinricus de Rothovve, Eccolfus de Warthe,
Pabo de Galcvvis et filius eius Chonradus, Heinricus judex de Patavia
et frater eius Pabo et Leuthardu.s, Albertus puer, Tiemo, Chunradus
de Walde, Selpkerus de Zazenmüre, Chönrat de Siehedorf, Walchönus
') Ficker, Beiträge I, 31 u. 272.
-) Ursprünglich stand . M . C . XC . IUI . ; eine Hand s. XIII. radirte da.s C
in . XC . und setzte vor X ein L, so dass heute irrthümlich . M . C . LX . lill . ge-
schrieben steht.
s) sentententiam Ürig.
Eine unbekannte Ürkande für das Kloster Waldhausen. ^33
de Herdingen, Wolfkerus de Eriahe, Rodegerus marschalchius, Haiden-
ricus über de Gocinisdorf et ceteri quam plures".
Auf neuer Zeile folgt als vierter Theil:
^Aream unam apud Chremis fratribus in Walthusen deo servien-
tibus eathedralibus ehori annuentibus in dei nomine contulimus".
Au letzter Stelle steht die Poenformel:
„Quicunque autem hec infringere ullateuus presumpserit, iram et
indignationem omnipoteutis dei noverit se incursurum".
Den Hergang bei der Entstehung dieser merkwürdigen Urkunde
haben wir uns nun in folgender Weise zu erklären. Wohl auf Bitten
des Klosters Waldhausen hat Bischof Wolfger durch feierlichen Spruch
(„confirmationis per sententiam date") vor den als Zeugen genannten
Canonikeru und Laien die ihm vorgewiesene Urkunde Reginberts be-
stätigt. Das ist die in dem Stücke beurkundete Handlung.
Dass dieselbe zu Passau selbst geschehen sei, steht aus der Zeugen-
reihe zu vermuthen; wann sie geschehen sei, ob etwa gleich zu An-
fang der Regierung Wolfgers 1291, wie man nach Analogie einer in
späterer Zeit auftretenden diesbezüglichen Uebung vermuthen würde,
oder in dem für die Beurkundung dieser Handlung genannten Jahre
1194, lässt sich bei der in den angeführten Zeugennamen nur allge-
mein gebotenen Zeitgrenze nicht näher bestimmen.
Ueber diese, zwischen 1191 und 1194 stattgehabte Handlung er-
folgte auf Wunsch Waldhausens — „nostra interfuit et de consilio
(ob nun consilio communi fratrum oder von auswärts gegebenem Rate
folgend, ist irrelevant) factum est" — die in unserem Originale vor-
liegende Beurkundung und zwar, obwohl dieselbe subjectiv von Seite
des Empfängers gefasst erscheint, und wohl auch von einem Wald-
hauser Mönch geschrieben wurde, doch unter Intervention Bischof
Wolfgers, der an die über die von ihm vollzogene Handlung abgefasste
Urkunde nicht bloss sein Siegel anbringen („Affixum est etiam sigillum
ipsius"), sondern auch, an der Beurkundung eben direct betheiligt, in
subjectiver Fassung (contulimus) die Notiz über seine mit Zustimmung
der Domherren (eathedralibus chori annuentibus) gemachte Schenkung
der area bei Krems aufnehmen liess. Der Zeitpunkt der Beurkundung
fällt zwischen 1194 März 11, den Anfang des 4. Pontificatsjahres
Wolfgers und 1194 December 25, den Beginn des Incarnationsjahres
1 195 ; der Mangel eines Tagesdatums lässt sich daraus erklären, dass
die Urkunde zwei zu verschiedenen Zeiten vorgenommene Handlungen
(Bestätigung und Schenkung) enthält und an und für sich erst nach-
träglich entstanden ist. Hinsichtlich des Ortes der Beurkundung lässt
sich aus den Worten ,nostra interfuit et de consilio factum est".
Mittheilungen XX. 41
g34 Kleine Mittheilungeu.
deren Lesung nach dem Originale zweifellos sicher steht, mit ebenso
viel Recht für Waldhausen plaidiren, als man nach dem der Notiz
über die Kremser Schenkung beigefügten Beisatze „cathedralibas chori
annuentibus" Passau als Datirungsort anzunehmen berechtigt wäre.
Je nach der Annahme des einen oder des anderen Datirimgsortes
beantwortet sich wohl auch die Frage nach dem zweiten Besiegler der
Urkunde, der entweder der Propst von Waldhausen oder das Dom-
capitel von Passau war. Befremdet bei der Annahme, der Propst
von Waldhausen habe als zweiter sein Siegel an die Urkunde gehängt,
seine Eigenschalt als Empfänger, so fällt bei Annahme des Dom-
capitels als zweiten Sieglers der Mangel der üblichen Ankündigung
dieses, im Vergleich zum Empfängersiegel wertvolleren Siegels auf.
Bei dieser Gleichwertigkeit innerer Gründe und Gegen gründe neige
ich, hauptsächlich auf Grund der Worte „nostra interfuit", der Ansicht
zu, Waldhausen sei Datirungsort und sein Propst der zweite Siegler;
die damit zusammenfallende Annahme eines Aufenthaltes Bischof
Wolfgers in Waldhausen böte dann auch einen Erk]ärungsgrund für
seine eigene Schenkung bei Krems, zu der er die Zustimmung seines
Domcapitels schon besitzen mochte.
Nehmen wir also eine derartige Entstehung unserer Urkunde
an, so ist sie eine reine Notitia, eine reine Beweisurkunde, der an
letzter Stelle auch die corroborirende Poen nicht fehlt, zugleich aber
auch ein lehrreiches Beispiel für die Form einer inserirendeu Bestäti-
gungsurkunde am Ende des 12. Jahrhunderts.
Was das Verhältnis der hier vorliegenden Copie der Stiftungs-
urkunde ßeginberts zu ihrem im oberösterreichischen ürkundenbuche
gebotenen Abdrucke nach dem Liuzer Originale betrifft, so sind, die
Datirujig ausgenommen, die Varianten derselben ziemlich belanglos.
Die Datirung, welche im Drucke des Urkundenbuches nach dem Ori-
ginale auf „anno . . . millesimo CXL . VI." gestellt ist, berichtigt der
Copist auf „anno . . . millesimo CXLVII." und zwar jedenfalls an der
Hand der ihm bekannten, von Bischof Reginbert seinem Kloster bei
der nemlichen Gelegenheit gegebenen feierlichen Stiftungs Urkunden i).
Die übrigen Varianten erstrecken sich theils auf Lesefehler des Copisten^'),
theils auf geänderte Schreibweise von Orts- und Eigennamen besonders
in der Zeugenreihe ^). Aus der Erwähnung der Hofstättenschenkung
') Urkundenb. d. L. o. d, E. II, 227 n. 155 und 231 n. 156.
2) Im Drucke Z. 7 ergo, Cop. igitur, Z. 25 resignavit, Cop. resignaverat.
^) So im Gegensatze zum Drucke : Mabclant, Chunisvvisen, Purchusen,
Pilsteine, Friderich, Hurtvvich, Albrecli, Racaze (wobei im Drucke wohl der.be-
Eine unbekannte Urkunde für das Kloster Waldbausen. ß35
bei Krems geht unzweifelhaft die Identität zwischea Sabenike und
Waklhausen hervor, wenn es in dieser Frage überhaupt noch eines
Beweises bedarf. Hätten nemhch Kurz i) und Pritz -) bei der Lösung
der Widersprüche einer scheinbar von zwei verschiedenen Klöstern
redenden Waldhausener Urkunde vom J. 1161 ^) über die Identität
derselben noch einen Zweifel offengelassen, so wird derselbe durch
uusere Urkunde, welche die Stiftungsurkunde von Sabenike auf Wald-
bausen bezieht und von beiden Klöstern als von einem und demselben
spricht, vollends gelöst.
Einen Beitrag zur Kenntnis Waldhausener Geschichtsquellen und
der dortigen Archivsordnuug bedeuten schliesslich die an der vor-
besprochenen Urkunde angebrachten Dorsualnotizen. Dieselben stehen
auf der Rückseite des untersten Drittels des Mittel buges und zwar von
einer Hand saec. XV.: „ista litera scripta est in libro pergameno
|sicut? unleserlich unter dem Stockflecke] etiam litera confirmationis
et donationis ecclesiae nostrae". Darunter von einer Hand aus der
ersten Hälfte saec. XVIII. ,Lit. A, dritte Ladt Nr. Ad" und von der-
selben Hand, welche wohl auch mit der Arcbivsordnung beschäftigt
war, mit Bleistift „Stiftung betreff". Darunter mit Tinte, um 1770
geschrieben, „Wolfkert, Bisch, zu Passau, bestättigt die Stiftung seines
Vorfahrers Regenbert 1164 (!)".
Unter diesen Dorsualnotizen interessirt am meisten die erste
durch die Erwähnung des „Über pergamenus". Ob dieser identisch
ist mit einer der bei Kurz und ausführlicher bei Pritz ^^ erwähnten
Urkundensammlungen, ist ohne deren Vergleichung schwer zu ent-
scheiden, es scheint dies jedoch nicht der Fall zu sein, da das ober-
österreichische Urkundenbuch, dessen Herausgeber nach einer Andeu-
tung von Pritz alle jene Sammlungen benützt haben, unsere Urkunde
nicht kennt.
Stift Zwettl. B. Hamm er 1.
Kaiser Maxiinilijin's II. Erklärung yoiu 18. August 1568
ül)er die Ertlieilung der ßeligions-Coucession. Dieses wichtige
Actenstück, das in keinem Wiener Archiv zu finden war und bisher
kannte Lesefehler des österreichisch-bairi sehen z unterlaufen sein dürfte), Chadel-
hohespergen, Chambe, Dietherich, Siboto.
1) Beiträge z. Gesch. d. Landes o. d. E. TV. 416 ff.
-) Arch. f. österr. Gesch. IX. 315 ff.
3) Urkundenb. d. L. o. d. E. II. 308 n. 208.
*} l. c. 315 Anm, 3.
*41
Q^Q Kleine Mittheilungen.
nur nach einem im Vaticanischen Archiv befindlichen Auszug (,Re-
sponsio caesaris ad duos status Austriacos de confessione August,
d. 18. Aug. 1568"; mitgeth. von Schwarz in der von Ehses herausgeg.
Festschrift zum Jubiläum des Campo Santo 1897. S. 236) bekannt ist,
fand sich abschriftlich in dem Münchner Allgemeinen Reichsarchiv
vor, wohin es mit einem Briefe des am Wiener Hofe lebenden Reiclis-
hofrathes Dr. Georg Eder an den Herzog Airecht V. von Baiern ddo.
Wien, 7. Sept. 1577 (Oest. Religions- und Correspoudenzacten X. P. I.
fol. 202 — 207, 208) gekommen war. Der sonst von allen österreichi-
schen Eeligionshandlungen so trefflich informirte Eder hielt diese Er-
klärung, die der Kaiser den zwei Ständen der Herren und Ritter am
Tage der Landtagseröffnung, nachdem die zwei anderen Stände der
Prälaten und Städte abgetreten wareu, als Antwort auf ein von ihnen
kurz vor dem Landtag überreichtes Bittgesuch um Freigabe der evan-
gelischen Religion (und nicht wie Schwarz behauptet, „ohne noch
erst in diesen Angelegenheiten angegangen zu sein") i) einhändigen
Hess, merkwürdiger Weise für die Concession selbst und äusserte
sich über sie in dem erwähnten Schreiben sehr geringschätzig: .Denn
was unsere Landleute von der vorigen k. M*. Concession der Augsburg.
Confession für Geschrei machen, das ist in Wahrheit viel anders be-
schaffen, als sie davon schreien, inmasseu E. f. G. hieneben zu seheu
und dabei gnädiglich zu vernemen haben, ob wohl den Dingen etwas
zu viel geschehen, das dennoch J. M^^. noch eine ziemlich freie Hand
hätte". Die kaiserliche Hofkanzlei aber, die im folgenden Jahre auf
Befehl Kaiser Rudolfs II. eine gründliche Untersuchung über die Be-
rechtigung der von den zwei Adelsständen erhobenen Ansprüche an-
stellte, bezeichnete ausdrücklich ein anderes Actenstück als die Conces-
sion. Es waren dies einige von dem Reichsvicekanzler Dr. ühicli
Zasius verfasste „sondere Artikel und condiciones", die sich auf die
in der kaiserlichen Erklärung enthaltenen Worte ,mit gebürender
Mass" bezogen und ihr jedenfalls in dem von der Hofkanzlei citirten
Entwürfe, wenn nicht schon in einer späteren Fassung beigeschlossen
waren -). Weit mehr muss man sich aber darüber wundern, dass Eder
diese Antwort des Kaisers als die Summe aller den evangehschen
Ständen gemachten Zugeständnisse überhaupt ansah, also nicht einmal
von der Existenz der am 14. Jänner 1571 über die Concession aus-
') Vgl. meine Arbeit : Die Organisation des evang. Kirchenwesens im Eiz-
herzogthiim Oesterreich u. d. Enns von der Ertheilung der Religions-Concession
bis zu K. Maximian's II. Tode, Archiv f. österr. Gesch. Bd. 87. S. 130, Anm. 1.
2) Ebd. S. 127 fg.
Kaiser Maximilian's II. Erkläi-ung vom 18. August 1568 etc. 537
gestellten Assecurations-Urkunde eine Ahnung hatte und in seinen
dem Kaiser Eudolf am 19. Mai 1578 überreichten „Einfältigen Be-
denken von dem vorstehenden Religionstractat, wie derselbe glücklich
zu schliessen und zu enden", nachdem er diese vermeintliche Conces-
sion, die nichts anders sei, als „ein unvorgreiflicher Vorschlag und
wolmeinende Consultation, wann das beschehe, so dazu gehörig und
alles füglich ohne Schmälerung der Ehre Gottes und der wahren Re-
ligion sein möchte, dass J, M*. auf solchen Weg, aber nicht ehe noch
anders möchten bewegt werden etc." Satz für Satz durchgegangen
war, zu dem Resultate gelangte: „Ist und bleibt demnach wahr, dass
die vorige k. M*. ihnen die A. C. nie zugelassen noch weniger be-
willigt, dass sie dieselbe in dieser Hauptstadt oder einer andern Stadt
in Oesterreich anzurichten Fug gehabt, und die R. k. M*. noch eine
freie, ungesperrte Hand habe". (Münchner Allg. Reichsarchiv, Oest.
Religions-Acten YII, fol. 322 — 333). Zwei Monate später dachte er aber
schon anders — die Verhandlungen mit den Ständen und die Er-
hebungen der Hofkanzlei hatten mittlerweile die Situation geklärt — ,
als er dem Herzog schrieb: „Ich hab allweg gehofft, die Sach stünde
bei der ersten Tractation, da auf Mittel davon gehandelt worden.
Alsl)ald ich aber die Concession — er meinte die Assecuration — in
forma gesehen, da ist mir das Herz entfallen, und weiss Gott, dass
ich seither keine ruhige, fröhliche Stund gehabt". (Ebenda, XI. P. 2.
fol. 5; Juli 1578).
Die Rom. kais. auch zue Hungern und Behaimb kunig. M*. erzherzog
zue Oesterreich, unser allergenedigister herr etc. last den zwaien ständen
ainer ersamen landschafft in Oesterreich von herrn und ritterschafft mit
gnaden vermelden.
Nachdem I. k. M*. sich genediglich und vätterlich erindert der vill
und mehrvelltigen inner und ausser gemainer landtägen gepflegten suechen,
so von dem mehren' thaill dei'selben beiden ständen bei weilend I. M*.
lieben herrn und vattern, kaiser Ferdinanden hochmilder und gottsalliger
löblichister gedechtnus, auch volgunds I. ß. k. M*. selbst umb zuelassung
der Augspurgerischen confession mit ganz flechenlichem hochfleissigem an-
langen und bitten gebraucht und fürgewendt, wessen hergegen beide I. M*.
sich zum dikermal von ainer zeit zu der andern und sonderlichen dise
k. M^. seit eintretung in kaiserliche und landsfürstliche regierung gegen
ihnen den anrueffenden ständen von herrn und ritterschafft statlich er-
bietig gemacht, alls nemblich das von erst höchstgedachtem kaiser Ferdi-
nande angefangen lobwierdig werck mit ganz christlichem eiffer und fleiss
treulich zu prosequiren und ain beständige gemaine christliche Ordnung
zue verfassen, wie es I. M*. der religion halben in lehr, Verkündigung
638
Kleine Mittheilun»en.
des göttlichen worts, auch raichung und gebrauchung der hailwiercligen
sacramenten und sambt anderen caeremonien durchaus in gemain und
universaliter aller I. M*. kunigreich, fürstenthumb und landen gehalten
haben weiten, zue erster müglichkait und gottsalliger Vollendung zue bringen
und dahin zue richten, damit die religion in ainen christlichen, guetten,
ainhelligen verstand gebracht werde, und also diser orten meniglich neben
einander ruebig und fridlich wohnen möcht, wie dan noch in lebzeitten
hoehgedachtes kaisers Ferdinanden durch vill ansehenliche und treffenliche
vorbei'aitung von gelerten gottsalligen schiedlichen leuten geistlich und
weltlich ain guetter anfang herzue gemacht und volgends von diser
I. k. M*. auch nach müglichkait continuirt zue werden, ernstlich ver-
ordnet: so wollen I. k. M*. nun ihnen, ehegemelten zwaien ständen nit
verhalten, wie sie auch ein solliches hievor von I. M*. genuegsamlich. ver-
standen, das I. k. M*. die zeit herumb ires regements der ihren zumal
höcher und mehrers nicht anliegen lassen, alls das selb wol angefangene
christlich nutz und guett werck zue verhoffentlicher absolvierung und Vol-
lendung fortzuesetzen, solliches auch ungezweiflet uumehr gar zue end
gebracht A7orden war, wo die schwäre und hochstgedrungene kriegsraisen
reichs und andere versamlungstäg und darau.s erwachsende merkliche
grosse obligen müehe und arbeit I. k. M*. nit unvermeidlich verhindert
hetten.
Seitemal es dan an dem, das I. k. M*. auch noch heitig tages vill
hochlästiger verhindernussen fürstanden, daher sie auch noch so bald
und in einer kürze zue angerechtes gemeinen wercks ganzlicher Vollen-
dung geschwärlichen kumen möchten, und aber I. k. M^. auf ihr derer
zwaier ständen also beharrlichs underthanigist und unaufhörlichs flechen,
rueflFen und bitten umb allergenedigiste Vergünstigung angeregter
Augspurgischer confession aus besondern kaiserlichen milden, treuen
und ganz vätterlichen zuenaigung, so sich in Sonderheit zu disen
zwaien ständen von herrn und der ritterschafft sament und sonderlich
ganz gnediglich trungen, in diser wie in allen andern sachen ihr vätter-
liche müldigkeit und gnädigisten willen erscheinen zue lassen, nicht gern
lenger einstellen, sonder sie die baide stand sovil als I. k. M*. indert
gegen Gott verantwortlich und auch sonst anderer orten (dahin dan
I. k. M*. auch ein gebüerend aufsehen zu haben vonnöten) nicht gar ver-
weislich je gern ganz senftmüetigist trösten und nach müglichkait ge-
wehren wolten, so wären I. k. M^. nunmehr gleichwol nit ungewollt,
sollichen anrueffendeu zwaien ständen von herrn und der ritterschaftt mit
gebüerender mass in ihren schlossern, heisern und gebüeten auf dem land,
die villgemelt Augspurgisch confession, die weiland kaiser Carl dem fünf-
ten in dem zue Augspurg 1530 gehaltenen reichstag von etlichen chur-
fürsten, fürsten und stetten überraicht, und kain andere durch genedigiste
gedultung nachzuesehen und zuezuelassen, wover man änderst zuevor der
gottsalligen caeremonien und rituum halben ungeverlich nach dem ge-
brauch der eltesten kirchen, sollicher confession zuegethan, und wie es
bald nach der Verfassung und überraichung derselben zum maisten thail
gehalten und in das üeblich exercitium gebracht worden, ein gewisse und
gleichförmige richtigkait und anordnung getroffen, verglichen und auf-
Kaiser Maximilian's IL Erklärung vom 18. August 1568 etc. 539
gericht werden kan, wie auch I. k. M*. gar nit zweifFlen, das ein ieder
verstendiger guettherziger, der mit guettem eiffer sein gemüet, diese zue-
lassung begründt, daher bringt, bei sich selbst zue ermessen, auch aus
dem göttlichen wort sich zue beschaiden, das alle ding in der kirchen
gottes mit guetter mass und Ordnung zuegehen, und gehalten werden
sollen, das auch vor ihr weit zeither kain religion ausser gleichmessig Ord-
nung und dann gebrauchung derer gottsalligen, seinen göttlichen worten
und den heiligen sacramenten mit gezimender reverenz und den gemeinen
ungelerten laien zue christenlicher devoiion und andacht, rainem gebett,
christenlichen gehorsam, zucht und disciplin anraizenden caeremonien iemals
erhalten worden. Wan dan wissentlich am tag, das die angeregte con-
fession allein ein lehrbüechlein und forma doctrinae, wie dieselb lehr zue
kirchen und schneien bei den ständen dei'selben confession damaln gefüert
und getrieben, und aber der rituum caeremonien andershalben, so den-
selben in unbefleckter mitwirdigkeit anhengig, gar keine gewisse richt-
schnur oder regel gegeben, also das auch nachvolgends gleich nach der
gethonen bekantnus sollicher lehr bei den churfürsten, fürsten und ständen
des reichs, so sich darzue erklärt, in aines jeden fürstenthumb, landen
und gebieten vill stadlicher agenda und Ordnungen, darumben zum mall
das ganz exercitium angeregter doctrin und confession mit was altkirchi-
schen caeremonien und eisserlichen mitldingen ordenlich und beschaiden-
lich in ainer guetten kirchen gemacht und mit aller gebürender reverenz
und andacht zue halten, zue treiben und das göttliche wort dardurch
zue stei-cken, verfasset, in offnen truck gegeben, und auch also zue ueb-
licher fortsezung in das' werck gestelt und gericht worden: so achten es
I. K. k. M*. dahin, und sein darauf mit allen gnaden vätterlich und for-
sichtiglich resolviert, das vor allen andern und sonderlich vor etlicher
und schliesslicher I. M*. erklärung zue sollicher tractation und vero-lei-
chung in den mehr berüerten caeremonialien aufenklich und gleich alsbalt
zue schreiten und nachvolgunder gestalt zur verhoffentlicher guetter rich-
tigkait durch deputation zue tractieren und abzuehandlen.
Und sein nämlich I. k. M*. des vätterlichen und gnädigisten erbietens
und willens, drei oder vier beruemte, geschickte, beschaidne, gar schied-
liche, fromme und fridliebende unafFectionierte deputaten ihres thails zu
verordnen, zue wellichen die beide anrueffende stände von herrn und
ritterschafft gleichsfalls und in gleicher anzal die ihren ebenmessiger ge-
schicklichkeit, schiedligkeit und guet eiffriger beschaidenhait qualificiert
auch zue deputiern, wellichen allerseits verordenten I. k. M. auch aus
ihren raten ainen hierzue teuglichen directorem zue adjungiern gnedigist
bedacht und ungezweifflet sein, die alle sollen und werden vermitlt gött-
licher gnaden dises notwendig werck nit allein alsbald einen gueten
anfang haben, sonder auch darin mit sollichem und embsigen vleis und
rechtem eiffer (alle affectionen und passionen hindangesezt) sovil aus-
richten, damit (als oben angedeutet ist) ein richtige agenda, wie es mit
administration der sacramenten und andern caeremonien, ingleichen exer-
citio bei den zwaien ständen, so des mehr gedachten A. C. so lang begert
und noch begehren, auf I. k. M*. nachgeordente erklärung alsdan gehalten
werden soll.
ß40 Kleine Mittheilungen.
Wo nun dem also beschehen, das wie gemelt in kurz und unver-
lengter zeit noch im werenden landtag gar geraimblich und wol ver-
richtet und zue vergleichlicher Vollendung gebracht werden kan, alsdan
wollen I. E. k. M*. der gebetnen zuelassung und nachsezung halben sich
dermassen gewerlich erklären, das baide mit hohen und gehorsamen danck
wol benüegig sein, und sich dessen mit erlangtem trost zu erfreien, auch
I. k. M. darfür gehorsamist zue dancken ursach haben sollen. Datum
den 18. augusti anno etc. 68-
Wien. Victor Bibl.
Literatur.
Zur Geschichte des hl. Adalbert.
(Zweiter Artikel).
Im 19. Bande S. 535 — 546 dieser Mittheilungen sind 34 Arbeiten,
welche aus Anlass der neunhundertsten Wiederkehr des Todestages des
hl. Adalbert erschienen sind, angezeigt oder auch besprochen worden.
Es folgt hier ein kleiner Nachtrag von Schriften, die entweder erst später
erschienen sind oder vor der Abfassung jenes Artikels dem Berichterstatter
noch nicht bekannt geworden waren. Diese Arbeiten geben vorzüglich
Veranlassung zu quellenkritischen Untersuchungen über die
drei ältesten Adalbert-Legenden.
35. Voigt H. G. Lic, Prof. d. Theologie in Königsberg i. Pr.,
Adalbert von Prag. Ein Beitrag zur Geschichte der Kirche
und des Mönchtums im zehnten Jahrhundert. Mit zwei
Original-Heliogravüren, einer Photolitographie und einer Karte. Westend-
Berlin, Akad. Buchh. (W. Faber u. Ci'-) 1898. 8° 369 S. — Von den
Gesammtdarstellungen der Geschichte des hl. Adalbert, welche aus Anlass
des Jubiläums erschienen sind, verdient diese eine ganz besondere Be-
achtung. Sie bietet eine sehr ausführliche Schilderung des Lebens und
W^irkens des hl. Adalbert und alles dessen, was aus der Folgezeit über
ihn und seine Reliquien berichtet werden kann. Man vergi. insbesondere
die chronologisch geordnete Zusammenstellung der wichtigsten Momente
aus Adalberts Geschichte S. 337 — 341. Sehr dankenswert ist auch der
im Anhange erfolgte Abdruck aller literarischen Stücke (zusammen 9 Nr.j.
welche von Adalbert herrühren, beziehungsweise ihm zugeschrieben oder
mit ihm in Zusammenhang gebracht werden. Ueber die wiederholt mit ge-
ringem Erfolge erörterte Frage über die Todesstätte Adalberts spricht sich
der Verf. nach genauer Untersuchung folgendermassen aus (S. 187): »Den
sicheren Führern Kanaj)arius und Brun folgend, können wir nur soviel
schliessen, dass Cholinun an der Südküste von Samland nicht weit von einem
schiffbaren Gewässer gelegen hat-^ Die Identificirung von Cholinun mit
Kaigen, südlich von der Mündung des Pregels, und Kallen, nördlich von
Fischhausen, bezweifelt Voigt. Uebrigens entsprechen beide Orte insofern
auch dem Ergebnisse der Forschung Voigt's als sie in Samland liegen,
g42 Literatur.
wozu die gute Kartenskizze (Taf. III) zu vergleichen ist. Manchen Be-
hauptungen Voigts kann Referent nicht beistimmen. So erscheint die
Behauptung (S. 95 u. 338), dass Adalbert im J. 994 5 Prag zum zweiten-
mal verliess und dass seine Mission in Ungarn in diese Zeit fällt, nach
meinen Ausführungen in der Deutschen Zeitsch. f. Geschwissensch. IX
S. 103 f. und in der eingangs citirten Studie in diesen Mitth. XIX S. .'342
völlig verfehlt. Darnach kann nur 993 für diese Ereignisse angenommen
werden. In seiner Zusammenstellung der bisher bekannten älteren Schriften
über den hl. Adalbert (S. 219 ff.) bietet Voigt einige Ergänzungen zu
meinem Verzeichnisse in der Zeitschr. f. Geschichtswissensch. IX. (zumeist
aus dem 5. Bd. der Mon. Pol. bist., der mir 1892 luizugänglich geblieben
ist). Nicht alles, was hier der Verf. über die einzelnen Legenden sagt,
wird man unterschreiben können. Auf die Streitfrage über die Verfassung
der ältesten Legenden durch Canaparius und Brun, geht er gar nicht ein
(vergl. weiter unten!). Der Schluss (S. 223), dass Canaparius seine Legende
zwischen Feb. u. Dec. 999 verfasst habe, weil Gaudentius nicht als Erz-
bischof erscheint (die Ernennung war Dec. 999 erfolgt), ist sehr zweifel-
haft. Früher wollte man diese Abfassung vor 1000 damit begründen,
dass der Zug Ottos nach Gnesen nicht erwähnt wird. Aber auch Brun
erwähnt von diesen Dingen nichts, trotzdem er sicher erst 1004 die
Legende geschrieben hat. Woher Voigt die Nachiücht hat (S. 224), dass
Brun im J. 996 »allem Anschein nach auch in das römische Kloster
St. Bonifaz und Alexius eintrat ^S ist mir unbekannt. Nirgends findet sich
in seinen Werken hievon eine Erwähnung (vergl. weiter unten!). Ferner
nimmt Voigt (S. 225) an, dass auch die erste Redaction der von Brun
verfassten Legende in Ungarn entstanden sei : es ergibt sich dies seines
Erachtens nach j, völlig klar aus der von Radla selbst handelnden Ge-
schichte im c. 3, die sich auch schon in der ersten Recension findet ^^
Allein — abgesehen davon, dass der Radla und der Papas in Ungarn
kaum dieselben Personen sind — ist es völlig aus der Luft gegriffen,
dass die Mittheilungen in c. 3 von dem Papas im c. 23 herrühren müssen.
Wenn es sich um Nachrichten, die von derselben Person herrühren, han-
delt, warum sind dieselben nicht insgesammt in der ersten Recension ent-
halten? Das Nähere vergl. man in Kaindls »Beiträge zur älteren ungar.
Geschichte ^^ S. 64 ff. Unrichtig ist auch die Bemerkung (S. 225), dass
in der zweiten Redaction gegenüber der ersten kein Irrthum richtig ge-
stellt wurde. In § 1 7 der ersten Redaction seiner Vita hat Brun allerlei
aus der Geschichte des heiligen Adalbert mit dessen zweiten römischen
Aufenthalt verbunden, was nach Canaparius zum ersten gehört. In der
zweiten Redaction sind die an unrichtiger Stelle stehenden Erzählungen
gestrichen. (Vergl. »Beiträge« S. 7l). Einige Bemerkungen über Voigts
Ausführungen zur anonymen j,Passio^^ wolle man am Schlüsse dieser Studie
vergleichen. — Man vergl. übrigens auch die Besprechungen in Zeitsch.
f. Kirchenrecht VIII, 219. Deutsche Zeitsch. f. Geschichtswissensch.
X. F. in, .V28 und Mitth. aus d. bist. Lit. XXVII, 147.
3(). Gundel A., Die Wege Adalberts, des Bischofs von
Prag im P r e u s s e n 1 a n d. In der Altpreuss. Monatsschrift Bd. 3 4
Nr. ö;6. Mir unzugänglich. Man vergl. Zeitsch, f. Kirchengesch, Bd. 1 9
Literatur.
643
S. 109 und Hist. Zeitscb. Bd. SO S. 357. Versucht als Todesort Kalleu
^^r Cholinuii bei Fischhausen nachzuweisen.
37. Pfülf 0.,' Brun von Querfurt. Bischof der Heiden.
Stimmen aus 3Iaria-Laach 1S9.S. 8. Heft. Vergl, Zeitsch. f. Kirchen-
gesch. a. a. 0.
38. Miczkiewicz W., Zywot swietego Wojciecha. Im
»Przewodnik naukowy i literacky« XXVI (l898) S. 895 — 914. — Der
Sohn des bekannten polnischen Dichterfürsten gibt aus dem Nachlasse
seines Vaters ein von demselben in französischer Sprache verfasstes (1838)
Leben des hl. Adalbert und dessen polnische Uebersetzung heraus. Diese
Arbeit war übrigens schon früher gedruckt und kann wohl auf liesondereu
historischen Wert keinen Anspruch erheben.
39. J. M. P.. Paraiatka 900. rocznicy m^czeiistwa sw.
Wojciecha, apostola Polski (Erinnerung an die 900. Wiederkehr
des Martyriums d. hl. Adalbert, des Apostels der Polen). Separatabdruck
aus »Prawda u. Gazeta Kose, Krakau 1897, kl. 8° 24 S. — Mir unzu-
gänglich. Vergl. Kwart. hist. XII, 470.
40. Kowalski T. P. Dr., Pamiatka 900. rocznicy m^czens-
kiej smierci s w. Wojciecha, patrona Polski. (Erinnerung an
den 900. Jahrestag des Märtyi'ertodes des hl. Adalbert, des Patrons Polens).
Ptock, 1897. 16° 11 S. — Enthcält das Lied »Bogarodzica« mit Noten.
VergL ebenda S. 470.
41. Wrzesien A., 0 dawnych piesniach i o sw. Wojciechu.
pierwszym piesniarzu. (Ueber alte Lieder u. über den hl. Adalbert.
den ersten Liederdichter). Warschau 1897. kl. 8° 64 S. — Kwart. hist.
ebenda. Man vergl. hiezu im ersten Artikel Nr. 9.
42. Hybl Fr., Brun Querfurtsky a jeho zivotopis sv.
Vojtecha. (Brun von Querfurt und seine Biographie des hl. Adalbert).
Im Öes. Casop. histr. IV. 2. — Kwart. hist. XII, 47 7.
43. Wojciech swi^ty 997 — 1897. (Adalbert der Heilige '.»97
— 1897). Im »Wedrowiec« 1898 Nr. 17. — Vergl. Kwart. hist. XII, 724.
44. Ziemiecki-Nieczuja F., Mauzoleum sw, Wojciecha
dl Uta Wita Stwosza. (Das Mausoleum des hl. Adalbert). Krakau 8"
32 S. — Vergl. Kwart. hist. XII, 1018.
45. Ketrzyiiski W,, Naj dawniej sze zywoty sw. Wojciecha
i ich autorowie. (Die ältesten Biographien des hl. Adalbert und ihre
Verfasser). Aus den Krakauer Akademieschriften Bd. 37, 8° 41 S. —
In dieser Schrift sucht Ki^trzyiiski nachzuweisen : Nicht Canaparius, sondern
Gaudentius ist der Verf der ältesten Vita. Die Umarbeitung derselben
hat nicht der hl. Brun, sondern ein anderer Mönch im Kloster des
hl. Bonifatius und Alexius zu Rom vorgenommen und hat derselbe nur
eine Redaction angefertigt. Brun hat dagegen den unbekannten, beim
sogenannten Gallus lib. I, 6 genannten »liber de passione martyris^^ ver-
fasst. Schliesslich führt der Verf. über die bekannte anonyme »Passio
s. Adalperti martiris* aus, dass sie jünger sei, als die anderen Legenden,
von einem polnischen Priester herrühre und ein Originalwerk sei. Diese
sehr ausführlichen Studien Ketrzynskis rollen noch einmal die wichtigsten
Fragen über die ältesten Adalberts-Legenden auf und müssen eingehend
geprüft werden.
ß^^ Literatur.
K^trzynski. der sich schon seit 1869 mit den Adalbertslegenden be-
schäftigt 1), hatte zunächst kurz im IV. Bande der Mon. Pol. hist. S. 206
Anm. 1 seine Zweifel über die Autorschaft der Legenden durch Canaparius
und Brun ausgesprochen (l884) und sodann noch in demselben Jahre
diese Ansicht ausführlicher im Przewodnik naukowj- i literacki (Lemberg)
XII, 1 ff. dargethan. Da ich mich seit 1885 mit Adalbert beschäftigte,
veranlassten mich die Ausführungen Ketrzynski's, nachdem ich dieselben
sorgfältig geprüft hatte, im J. 1894 zur Veröffentlichung meiner Studie
^Canaparius und Brun!*, welche in den Mitth. d. Vereines f. Gesch.
d. Deutschen in Böhmen Bd. .32 erschienen ist.
In dieser kleinen Arbeit habe ich zunächst alles, was bis auf Ke-
trzynski über die Aut(irschaft des Cauaparius und gegen dieselbe geltend
gemacht worden ist, zusammengestellt. Diese Ausführungen über die
älteren Arbeiten hier wiederzugeben, wäre ganz überflüssig. Es sei nur
erwähnt, dass bezüglich der Gründe, welche Voigt für Gaudentius geltend
gemacht hat, gezeigt worden ist, dass dieselben durchaus auch auf Cana-
parius deuten könnten; dagegen ist neuerdings betont worden, dass die
Art, wie die Vision des Johannes Canaparius in der Legende Cap. 29 er-
zählt wird, nur mit Pertz dahin auszulegen sei, dass sie der Visionär auch
niederschrieb, er also — Canaparius — der Verf. der Legende sei. Hier
setzte auch meine Kritik der neuen Ausführungen Ketrzynski's ein. Ich
glaubte durch diese Ausführungen alle Beweise, welche K^trzynski für die
Ansicht Voigts und für die Autorschaft Gaudentius zu den alten für diese
Anschauung geltend gemachten Gründen beigebracht hatte, widerlegt zu
haben; auch hat Kgtrzynski zunächst auf meine Ausführungen nicht ge-
antwortet, als er in einer ausführlichen Anm. zu seiner Arbeit »0 rocz-
nikach polskich« (Krakauer Akademieschriften Bd. XXXIV, 265 ff.) noch-
mals seine Ansichten über Canaparius und Brun darlegte (l896). Erst in
seiner Studie »Przyczynki do historyi Piastowiczöw i Polski Piastowskiej *
(in denselben Akademieschriften, Bd. XXXVII, 29; 1898) nahm er zu-
nächst kurz gegen meine Arbeit Stellung, um sodann in der oben unter
Nr. 45 genannten dieselbe einer ausführlichen Kritik zu unterziehen. Aber
auch in dieser Arbeit, die übrigens auch auf meine sonstigen Beiträge
zur Adalbertfrage eingeht, ist Ktjtrzynski insofern nicht genügend aus-
fühi-lich gewesen, als er nirgends die Widerlegung seiner früheren Beweis-
" punkte durch mich anführt, sondern insofern er mir Recht zu geben ver-
meinte, einfach stillschweigend die betreffenden Punkte nicht mehr er-
wähnt, oder — wo es ihm passend erscheint — auf seinen früheren
Ausführungen weiter baut, ohne meine Zweifel anzumerken. Ketrzynski
dürfte dies der Kürze halber gethan haben. Ich halte es aber für ange-
zeigt, dort, wo es nöthig erscheint, bei der Wiederlegung seiner neuen
Ausführungen auch auf meine frühere Kritik zurückzugreifen. Wir wollen
nun Punkt für Punkt die neuerliche Beweisführung durchnehmen.
Ketrzynski führt zunächst (S. 33 f.) die Stellen an, welche beweisen,
dass der Autor ein Mitglied des Klosters St. Bonifatius und Alexius ge-
') Seine erste Arbeit über den hl. Adalbert erschien in dem genannten
Jahre in der Altpreuss. Monatsschrift VI, 35—52. (Hat der hl. Adalbert seinen
Tod im Culmerland gefunden?). Ueber seine weiteren Arbeiten vergl. seine
Mitth. in der unter Nr. 45 citirten Schrift S. 1 f.
Literatur 645
wesen sein müsse. Er zeigt, dass dies sowohl auf Canaparius, als auch
auf Gaudentius passe. Dies ist ohnehin schon allbekannt. Wichtig ist,
dass K^trzynski zugesteht, dass nur in einem dieser Männer der Autor
zu suchen sei.
Hierauf macht Ketrzynski (S. 34), wie schon 1884, geltend, dass
das Verschweigen des losen Treibens des alten Slawnik (gegenüber dem
Berichte Bruns im Cap. l) darauf deute, dass die Vita von dessen Sohn
Gaudentius verfasst sei. Dagegen muss ich wie in » Canaparius und Brun '■^
bemerken, dass zur Erklärung dieser Thatsache die Annahme genügt, dass
Canaparius hierüber nichts gehört habe ; seine Gewährsmänner sind doch
über diese Dinge Adalbert und Gaudentius, und diese werden wohl nicht
so Nachtheiliges von ihrem Vater erzählt haben ; Brun hat dies aus anderer
Quelle erfahren. Ferner kann man auch annehmen, dass Canaparius nichts
darüber verlauten Hess, weil er nicht ein so harter Richter ist, als der
sich Brun wiederholt erweist. Endlich muss doch noch Folgendes betont
werden. Diese ganze Beweisführung K^trzynski's hätte nur dann mehr
Nachdruck, wenn die Vita des Canaparius eine Ableitung derjenigen Bruns
wäre, nicht aber bei dem umgekehrt, thatsächlich bestehenden Verhältnisse.
Denn es ist ein anderes, wenn aus einer bereits vorhandenen Quelle über
jemanden nichts Unlauteres aufgenommen wird, und ein anderes, wenn
man selbst nichts Abfälliges zu erzählen weiss. Nur jenes Verfahren
könnte hier als ein Zeichen der Parteilichkeit geltend gemacht werden.
Mit denselben Gründen ist die Bemerkung (S. 34) Keti-zynski's zu-
rückzuweisen, dass auch über Adalbert manches Nachtheilige verschwiegen
wird, was Brun zu erzählen weiss. Uebrigens hat Canaparius Adalbert
gewiss ebenso verehrt wie Gaudentius. Ich möchte daher auch gar nicht,
um K(^trzynski's Anschauung zu widerlegen, auf die schon oft bemerkte
Thatsache aufmerksam machen, dass der Autor z. B. den Tod Adalberts
allzu wenig bewegt schildert, als es ein Bruder gethan hätte. Auf so
subjective Gründe lege ich keinen Wert.
Ferner verweist Ketrzynski (S. 34 f.) auf den Umstand, dass die ver-
schiedene Darstellung des Todes Adalberts sich nur so erklären lasse, dass
die in unserer Vita enthaltene von Gaudentius herrühre, die andere bei
Brun vorfindliche auf dem Berichte des zweiten Begleiters Adalberts,
Benedict, beruhe. Wenn dies auch richtig wäre, so widerspricht es durch-
aus nicht der Autorschaft des Canaparius ; denn dieser hat bekanntlich
seine Nachrichten von Gaudentius erhalten, als derselbe 999 in Eom
weilte.
Neuerdings hebt Ketrzynski auch hervor (S. 34 f. und 37), dass
Gaudentius sehr oft in der Vita genannt werde, dass allerlei berichtet
werde, was er wissen musste und was sonst niemanden interessirt hätte.
Daeresen muss nun auch wieder betont werden, dass alles, was Gaudentius
wusste und mittheilen wollte, auch sein Mitmönch Canaparius von ihm
erfahren haben kann. Gerade, dass von Gaudentius sehr oft die Rede
ist, und gerade die Art, wie von ihm geredet wird, wollen andere als
Beweis anführen, dass er es nicht selbst geschrieben hat. Wenn Ketrzynski
glaubt, dass den Canaparius gewisse Kleinigkeiten aus dem Leben des
Heiligen weniger interessirt hätten, als den Gaudentius, so ist dies eine
unrichtige Beobachtung. Ich glaube kaum, dass die Verwandten Goethes
^46 Literatur.
für alle jene Einzelheiten aus seinem Leben Interesse hatten, die entdeckt
und aufgezeichnet zu haben, ein Biograph des Dichterfürsten sich als be-
sonderes Glück anrechnet.
S. 35 bemüht sich K^trzjn'iski zu zeigen, dass Gaudentius während
seiner Anwesenheit in Rom im J. 999 alles hätte erfahren können, was
sich während seiner Abwesenheit auf der Reise zu den Preussen dort zu-
getragen hätte. Was er sagt, ist richtig. Aber es ist ebenso sicher, dass
nun Canaparius die beste Gelegenheit hatte, alles zu erfahren, was sich
während derselben Zeit ausserhalb Roms zugetragen hatte.
Der Bemerkung auf derselben Seite, dass der grösste Theil der Vita
auf Berichten des Gaudentius beruhen müsse, kommt gar keine Bedeutung
zu. Denn Canaparius hätte doch auch Autor der Vita werden können,
wenn er geradezu alles von Gaudentius erfahren hätte.
S. 36 baut Ketrzynski einen Beweis auf seiner Ansicht auf, dass die
zweite Vita des hl. Adalbert, welche wir dem hl. Brun zuschreiben, im
J. 1004 von einem Mönche des Klosters S. Bonifatius und Alexius in dem
Kloster selbst verfasst worden ist. Wie wäre es, führt Ketrzynski aus,
möglich, dass die von Canaparius verfasste Vita zu dessen Lebzeiten von
einem Mitbruder zur Grundlage seiner Darstellung hätte gemacht werden
können. Auf die Schwäche dieses Beweises wollen wir nicht weiter ein-
gehen, weil auf den folgenden Seiten wohl zur Genüge gezeigt werden
wird, dass die zweite Vita vom hl. Brun, u. zw. nicht in Rom, sondern
ausserhalb Italiens verfasst woi'den ist.
Ebenda folgert Ketrzynski aus dem Satz der Vita (§ 3), wo es von
Magdeburg heisst: »nunc autem pro peccatis semiruta domus et malefida
statio nautis*, dass dies nur jemand niederschreiben konnte, der den Zu-
stand der Stadt in dem J. 998/9 kannte: ein solcher sei Gaudentius ge-
wesen, nicht aber Canaparius, der wohl nicht nach Deutschland gekommen
sei. — Da nun aber Canaparius sehr wohl durch aus Deutschland ein-
treffende Personen über den Zustand Magdeburgs unterrichtet werden
konnte, hat diese Bemerkung gar keine Beweiskraft.
Ketrzynski hat schon 1884 aus dem Ausdrucke »sancta civitas
Praga (§ 8 ; sacra civitas Praga § 6) den Schluss ziehen wollen, so
könnte nur »ein geborener Czeche* schreiben. Da ich in »Canaparius
und Brun* dagegen anführte, dass unser Autor in Cap. 3 das Beiwort
» Sacra ^^ auch Magdeburg beilegt, so ändert nun Ketrzynski etwas seine
Beweisführung. Er sagt (S. 3fi f.): »Nur für Gaudentius konnte Prag
»sancta civitas ^'^ sein, nicht aber für Canaparius, für den höchstens Rom
auf einen solchen Beinamen Anspruch erheben konnte; für Gaudentius
war Magdeburg »urbs sacra '^^ als erzbischöflicher Sitz, nicht aber für
Canaparius«. Indessen kann man doch die Sache auch so erklären, dass
Prag und Magdeburg wegen ihrer Beziehung zum hl. Adalbert auch für
Canaparius eine besondere Weihe erhalten hatten ; Prag mag ihm auch
desshalb für heilig gegolten haben, weil, wie er selbst im Cap. 8 betont,
hier der heilige Wenzel seinen Sitz hatte (ad sanctam civitatem Pragam,
ubi dux praecluus Wencezlaus quondam regnum tenuit).
So ist von allen Gründen, welche Ketrzynski für die Autorschaft
Gaudentius' anführt, kein einziger entscheidend. Da er nun selbst
zugeben muss (S. 36), dass die Erzählung des Traumes, wenn sie auch
Literatur. Q^'J
nicht für Canaparius zeuge, doch auch nicht gegen denselben spreche, so
werden wir im Gegensatze zu seineu Ausführungen an der
Anschauung von Pertz festhalten müssen.
Dafür sprechen nun aber auch folgende Gründe, die ich schon in
jCanaparius und Brun« augedeutet habe, welche Ketrzyi'iski aber nicht
berücksichtigt hat.
Schon im J. 1884 hatte Ketrzyi'iski sich bemüht i), zu zeigen, dass
der Verf. der Vita nicht mehr im Kloster sich befand, ja sogar ausser Rom
weilte. Ich habe die von ihm angeführten Beweise in »Canaparius und
Bmn« widerlegt, und Ketrzyi'iski führt dieselben auch in der neuen Ar-
beit nicht mehr an. Auch sonst lässt sich absolut nichts anführen, was
darauf hinweisen würde, dass die Vita im Korden, in Polen, nicht aber
in Rom verfasst worden sei. Dagegen habe ich bereits in der eben citirten
Arbeit darauf hingedeutet, dass der Satz im Cap. 17 »Johannes, qui
nunc urbis praefectus esse dinoscitur« auf die Niederschrift der
Vita in Rom deute. Nur ein in Rom lebender und schreibender konnte
den Satz so niederschreiben; ganz unstatthaft wäre es anzunehmen, dass
Gaudentius in Polen dies niedergeschrieben habe. Dieser Satz ist vielmehr
das sicherste Zeichen, dass der Römer Canaparius der Verl. sei. Nur er
konnte »urbs<^ an dieser Stelle ohne Hinzufügung von ;^Roma^^ gebrauchen:
nur für ihn und die römischen Leser, welche er vor Augen hat. kann
das »dinoscitur« eine Bedeutung haben. Kurzum so konnte nur ein
Römer schreiben, und dieser ist Canaparius und kein an-
derer. Man vergl. noch auch den Eingang des Cap. 16 »Hac spe con-
firmatus, regreditur ad sacratam arcem. urbium tlominam et Caput mundi
Romam<'=; diese auffällige Häufung von ehrenden Beinamen deutet auch
auf den Römer.
Nach dem Angeführten ist wohl jede weitere Bemerkung überflüssig.
Nur noch auf einen Umstand sei hingewiesen. Ketrzyi'iski hat schon 1884
die Ansicht ausgesprochen ^) und hält an derselben auch jetzt fest, dass
Gaudentius die Legende kurz nach dem Tode Adalberts in Polen nieder-
geschrieben habe; als er sodann 99 9 nach Rom kam, erfuhr er hier das
während seiner Abwesenheit Geschehene (insbesondere die Vision des
Canaparius), und fügte dies in seine Darstellung ein: diese ergänzte Vita
liess er in Abschrift im Bonifatius-Kloster zurück. Diese Auffassung, und
eine andere ist bei Annahme der Autorschaft des Gaudentius nicht mög-
lich, setzt voraus, dass sich doch unter den vielen Handschriften auch die
Vita in erster Redaction (ohne die obigen Zusätze) erhalten hätte. Auch
Ketrzyi'iski gab dies im J. 1884 zu, ja er hat sogar infolge einer un-
richtigen Textstelle des Druckes der Vita von Brun in den Mon. Pol. '^)
den Bestand einer solchen Redaction nachweisen wollen. Nachdem ich
aber in »Canaparius und Brun ^^ seinen Beweis widerlegt und meinen Ein-
wand erhoben hatte, geht Ketrzyi'iski jetzt stillschweigend an diesem Um-
stände vorüber. Damit ist aber wohl der Sache nicht geholfen.
Ist es nun aber Ketrzyi'iski nicht gelungen, die Autorschaft des
Johannes Canaparius zu widerlegen, so darf er für sich das Verdienst in
1) Przewodnik nauk. i. lit. XII, 5.
2) Ebenda S. 7 f.
3) Verg. jetzt hiezu die unter Xr. 45 citirte Arbeit S. 7.
648
Literatur.
Anspruch nehmen, einen bisherigen Irrthum über dessen Person aufgeklärt
zu haben ^). Mit Hinweis auf die Miracula s. Alexii scheint er mit Recht
zu behaupten, dass die Anschauung irrig sei, als ob unser Johannes
Canaparius nach dem Tode des Abtes Leo (1002) Abt im Kloster der
hl. Bonifatius und Alexius geworden sei und daher mit dem von Brun
§ 17 genannten und am 12. Oct. 1004 verstorbenen Abte Johannes gleich-
zustellen wäre. Er verweist nämlich darauf, dass die vor 1012 geschrie-
benen und daher glaubwürdigen Miracula (Mon. Germ. SS. IV, 6 1 ü) unsern
Johannes Canaparius bei einem Ereignisse, das in die Zeit Johannes XVIII.
(1003 — 9) fiel, als blossen Mönch nennen. An einer Stelle der Miracula
heisst es: »Johannes Canaparius abbatem couvocavit et fratres«. Als Abt
wird wieder ein Leo genannt. Daraus geht, wenn nicht alles trügt, wohl
zur Genüge hervor, dass der am 12. Oct. 1004 verstorbene Abt Johannes
nicht mit dem Johannes Canaparius zusammenfallen könnte. Auf diesen
Abt Johann ist offenbar erst wieder ein Abt Leo gefolgt, unter welchen
Canaparius ebenfalls noch als Mönch erscheint. Die Identificirung des Cana-
parius mit dem 1004 verstorbenen Abt Johannes war ein Trugschluss,
den Pertz aus dem § 27 der Legende Bruns zog. Dort heisst es nämlich
von unserem Canaparius: »Johannes monachus et abbas«. Dass man aus
dieser Stelle mit Ptücksicht auf die Miracula nicht mehr jene Iden-
tificirung wird folgern können, behauptet K^trzynski mit Recht. Irrig ist
wohl aber sein Schluss, dass die Nachricht, Canaparius sei Abt gewesen,
überhaupt unrichtig sein müsse und daher von Brun nicht herrühren
könne. Canaparius konnte doch nach Leo etwa 1005 — 7 Abt geworden
sein. Dies konnte Brun erfahren und nachträglich bemerkt haben. Das
Nähei'e weiter unten.
Wie die Ausführungen Ketrzynski's über die älteste Legende -zum
grössten Theile verfehlt sind, so sind auch seine Bemerkungen über Brilll
unhaltbar.
In den oben citirten Schriften hat Ketrzyiiski zunächst die Autor-
schaft der zweiten Legende durch den heiligen Brun bezweifelt, sodann
nachzuweisen versucht, dass deren Verf. ein in Rom 1004 im Kloster des
hl. Bonifatius und Alexius lebender sächsischer Mönch sei, während Brun
die beim sog. Gallus 2) erwähnte Passio des hl. Adalbert geschrieben hätte.
In meinem Aufsatze »Canaparius und Brun« hatte ich zunächst nur mit
dem ersten Theile dieser Behauptung zu rechnen, weil die Behauptung
von der Abfassung der unbekannten Passio durch Brun erst in den
oben citirten Schriften aus dem J. 1S98 näher begründet erscheint. Im
J. 1884 hatte K(jtrzynski diese Anschauung nur als Vermuthung kurz
ausgesprochen.
In »Canaparius und Brun« habe ich, um den von Ketrzynski aus-
gesprochenen Zweifeln zu begegnen, zunächst die bisherigen Studien über
die Autorschaft unserer Legende durch Brun nachgeprüft. Ich habe sodann
zur Unterstützung der Autorschaft Bruns, für die bekanntlich bisher nur
') Vergl. ebenda S. 17.
-) Lib. I § ß : . . . sicut in libro de passione martyri.-^ potest propensius
inveniri.
Literatur. g49
die Kachrichten aus dem XII. Jahrh. angeführt wurden i), dass der hl. Brun
diese Vita geschrieben habe, noch einige Gründe geltend gemacht. Ich
■verwies darauf, dass der Verf. der Vita ganz offenbar sich als Sachse
verrathe, was auf Brun passe. Ferner betonte ich, dass die zweite Eedac-
tion der Vita mit ihren ungarischen Nachrichten darauf deute, dass der
Verf. nachträglich nach Ungarn gekommen sei, was ebenfalls auf Brun
vou Querfurt passe. Hiezu kam der von Schott schon 1738 vorgeschla-
gene -), und von Kade auch durchgeführte Vergleich der Legende mit Bruns
anderen Schriften, der den Schluss auf den gemeinsamen Verf. bestätigt.
Schliesslich wurde gezeigt, dass Brun auch allen anderen Anforderungen
entspricht, die wir von dem Verf. der Legende vorauszusetzen berech-
tigt sind.
Diese Ausführungen haben jedoch Ketrzyiiski nicht überzeugt. Er
verwirft neuerdings die Abfassung der bekannten zweiten Legende durch
Brun ; und schreibt ihm nun gar die Abfassung der unbekannten bei Gall
erwähnten Passio mit Bestimmtheit zu. Wir wollen seine Gründe im ein-
zelnen prüfen.
Zunächst wollen wir die ausführliche Abhandlung Ketrzyiiski's über
die beiden Redactionen unserer Legende und ihr Verhältnis zu
einander betrachten.
Alle von ilim ausgesprochenen Zweifel, ob die von Pertz behaup-
tete und von mir auch festgehaltene Anschauung, dass die ausführlichere
Eedaction die erste, die kurze, doch bereits mit den ausführlichei'en
Nachrichten (§ 23) über Ungarn versehene, die zweite sei, alle darüber
ausgesprochenen Zweifel sind nur Hyperkritik ; denn er muss doch schliess-
lich eingestehen, dass dieses Verhältnis das richtige sei ^). Uebrigens
lassen sich für die Behauptung, die kürzere Eedaction sei die zweite, ganz
sichere Beweise erbringen. Der Hauptbeweis ist der Umstand, dass die
längere Eedaction an einzelnen Stellen ihrer Quelle, der Vita von Cana-
parius, näher steht, als die kürzere. Darauf hat schon Pertz in den Mon.
Germ. SS. IV, 5 7*J Anni. .54 verwiesen, freilich ohne auch nur einen
Beleg beizubringen. Aber er hatte vollkommen Eecht, wie die Vergleichung
folgender Parallelstellen lehrt:
') Annales Magdeburgenses (Mon. Germ. SS. XVI 8. 156) ... et ibidem
(Ochtricus) sepultus, »clariim* sapientiae suae »memoriale* reliquit pluribus,
ut dicitur in passione beati Adalberti episcopi et martyris, qui et ipse fuit ex
discipulis eins . . . Nam ut refert sanctus episcopus et martyr
Bruno, post destructionem episcopatus cuidam sapienti talis divinitus
ostensa est revelatio . . . Vergleicht man diese Stellen mit unserer Vita s. Adalberti
§5: »cuius memoriale darum usque nunc . . ." und § 12 . . , Clemens deus
talem visionem cuidam sapienti ostendit . . .'^, so ist es klar, daj^s der
Chronist diese und keine andere Vita dem hl. Brun zuschreibt. — Ferner ist
noch zu vergl. Cbronicon Magdeb. (bei Meibomius, Rerum Germ, tomi III,
Bd. II, 275: ,Cuius (sc. s. Adalberti) consodalis sanctus Bruno, qui et Bonifacius.
nobilitate et meritis illi per omuia similimus, dum passionem et actus ipsms
scribendo miratus est . . .
2) »Canaparius und Brun*' S. 346.
') S. 18 f. (in der Schrift Nr. 45). Es ist für uns zunächst gleichgiltig.
dass K^trzynski allenfalls diese spätere Redaction nicht dem Autor, sondern
irgend einem Umarbeiter zuschreiben möchte. Vergl. weiter unten im Text.
Mittheilungcn XX. 42
650
Canaparius
et quis alius nisi
§ 26 si se recipere
V e 1 1 e n t
§ 2^^ astitit episcopo pro-
prius et ut
Literatur.
Brun I. Red.
§ 8 nee alium oportere
2 s 1 eum recipere
V e 1 1 e n t
'j pessimus p r o-
prius accessit
Damit ist der unumstössliche Beweis erbracht, dass die sonst
kürzere, aber mit den ausführliche reu ungarischen Nach-
Brun IL Red.
8 nee similem, quem
oportet
22 priorem maritum
accipere vellet
25 pessimus accessit,
dir um
K^trzynski versucht hierauf den Beweis zu führen, dass diese kürzere
Redaction nicht vom Verf. der längeren herrühre, sondern eine spätere
Umarbeitung sei. Der Verf. hätte überhaupt nur eine Redaction seines
Werkes hergestellt. Diese Ansicht versucht K^trzyiiski durch den schon
oben S. 648 erwähnten Umstand zu beweisen, dass Canaparius in § 27
»monachus et abbas« genannt werde. Er glaubt durch die »Miracula
s. Alexii« bewiesen zu haben, dass Canaparius überhaupt niemals Abt
geworden sei. Seine Bezeichnung in § 27 der Legende als Abt könne
daher nur auf einem Irrthum beruhen. Ein späterer Leser haVie im
§ 17 von einem Johannes gelesen und als er im § 27 wieder von
einem Johannes las, glaubte er sie identificieren zu müssen, und
schrieb im Autograph des Verf. jenes »et abbas« zu. Da nun diese Be-
merkung sich in allen Handschriften, insbesondere auch in beiden Re-
dactionen findet, • so schliesst Ketrzyiiski von seinem Standpunkte folge-
richtig, dass von Bruns Hand nur eine Redaction habe herrühren können,
weil doch nicht angenommen werden könnte, dass jene Correctur (durch
einen Leser) in beiden Handschriften vorgenommen worden wäre. Den her-
vorragendsten Unterschied zwischen der längeren und kürzeren Redaction,
(nämlich das Fehlen der, Ungarn betreffenden Nachrichten in der erstei-en,
welche in § 23 der letzteren enthalten sind) erklärt Ketrzyiiski in der
Art, dass der Verf. diese Mittheilungen wahrscheinlich erst nach der Vol-
lendung der Legende etwa auf einem freien Blatte der Handschrift nieder-
schrieb. Die gewöhnlichen Abschreiber hätten daher diesen § gar nicht
beachtet, der Hersteller der Umarbeitung hätte aber als denkender ^Mensch
den Zusammenhang zwischen der Legende und dieser besonderen Auf-
zeichnung geahnt und sie daher in den Context aufgenommen. Als eine
Bestätigung dieser Anschauung glaubt Ketrzyiiski auch den Umstand gelten
machen zu können, dass der § offenbar in der Vita an unrichtiger Stelle
steht. Ketrzyiiski meint nämlich, dass Adalbert kaum aus Polen vor
seiner Reise nach Preussen mit dem Papas in Ungarn correspondirt hätte :
die Nachrichten darüber gehören vielmehr zum § 16, wo es heisst: »Non
tacendum, quod iuxta positis Ungris nunc nuntios suos misit, nunc se ipsum
obtulit, quiljus et ab errore parum mutatis umbram christianitatis impressit«.
So geistreich diese Hypothese Ketrzyiiski's erscheint, hält sie doch
nicht der Kritik stand. Zunächst ist bereits oben S. 648 bemerkt worden,
dass durch die »Miracula s. Alexii« nur bewiesen wird, dass Canaparius
nicht identisch sei mit dem 1004 verstorbenen Abte Johannes, nicht
aber, dass er nicht später Abt geworden ist. Canaparius kann that-
sächlich schon 1005 Abt geworden sein. Dies konnte Brun ganz gut
Literatur.
651
evtahreni) und in seiner Legende durch den Zusatz »et abbas« angemerkt
haben. Daraus würde sich zur Genüge die etwas schiefe Form »monachus
et abbas « erklären. Damit stimmt aber auch allein der Umstand überein.
dass alle Handschriften diese Worte haben; denn K^trzynski's Erklärung
ein späterer Leser hätte in dem Autograph die Correctur vorgenommen'^
ist doch sehr unwahrscheinlich ; mit dem von Kf^trz^n'iski zugegebenen Um-
stände, es könnten die Handschriften ohne die obige Bemerkung verloren
sein, können wir wohl aber uns nicht zufrieden stellen. Auch die Art,
wie K^trzyiiski in Folge seiner Annahme, die Entstehung der kürzeren
Kedaction erklären muss. ist sehr unwahrscheinlich. Das müsste doch ein
merkwürdiger Zufall sein, dass nur ein Schreiber jene Zuschrift über
Ungarn aufgenommen hätte. Aber auch die Bemerkung K^trzyiiski's, dass
diese Stelle an unrichtiger Stelle steht, ist irrig. Nach dem Ort, wo
diese Nachrichten jetzt stehen, schliesst Ketrzynski, dass sie etwa zum
Ende des J. 996 gehören. Hiezu bemerkt erfolgendes: »Ich glaube nicht,
dass dieser Zeitpunkt, da alles schwankte, da Adalbert die Eesultate seiner
Unterhandlungen mit der Prager Diöcese abwartete und da er sich auf
die Reise nach Preussen vorbereitete, geeignet wäre für eine Correspondenz
mit der ungarischen Königin und mit dem Papas, den er einst nach Ungarn
geschickt hatte «. Diese Begründung ist unstichhältig. Wenn Adalbert gerade
in dieser Zeit Müsse fand, ein Kloster (Meseritz) zu gründen, so halte er
doch wohl auch Gelegenheit und Veranlassung sich nach seinem Geistlichen
umzusehen. Sowohl für dieses Kloster, als auch für die Missionsreise mochte
er den Papas herbeigewünscht haben. Dagegen könnten wir es uns gar nicht
erklären, was diese ganze Stelle am Schlüsse des § 16 zu schaffen hätte, wohin
Ketrzynski ihn setzen möchte. Dort wird doch erzählt — siehe die oben
angeführten Nachrichten »Non tacendem . . .« — , dass er sich 993-)
bemühte, durch Absendung von Boten und in eigener Person für das
Christenthum in Ungarn zu wirken. Wie passt in diese Zeit die Nach-
richt, dass er einen offenbar in Ungarn gern gesehenen und deshalb von
der Königin festgehaltenen Mann von dort abzuberufen die Absicht hatte.
Zum § 16 gehören also wohl die Nachrichten des § 23 nicht; anderseits
könnten dieselben zum J. 996 gehören und würden dann an der richtigen
Stelle stehen. Doch ist es überhaupt fraglich, ob der Autor bei dieser
Interpolation gerade sich durch die zeitliche Folge bestimmen liess; hat
er doch an anderer Stelle selbst gegen seine Vorlage die chronologische
Ordnung durchbrochen 3). Es lassen sich also vorsichtiger Weise daraus
keine sicheren Schlüsse ziehen t). Anderseits können wir einen Umstand
geltend machen, der die Einfügung des § 23 in die zweite Redaction
') Es könnte diese Nachricht dem hL Brun entweder in Ungarn oder auch
in Polen zugekommen sein.
2) Ueber das Jahr vergl. diese Mitth. XIX, 543 u. Zeüschr. f. Geschichts-
wiss. IX, 103 f.
3) go verbindet Bran im Cap. 17 der ersten Redaction seiner Vita Ereig-
nisse, die Canaparius im Cap. 17 zum ersten italienischen Aufenthalte Adalberts
erzählt, irrig mit dessen zweiter Anwesenheit in Rom.
■•) Daher ist für uns die Frage ob Geisa 995 oder 997 starb — Adalberts
Botschaft an den Papas fällt noch' in seine Zeit — gleichgiltig. Nach der Vita
s. Stephani maior § 9 ist 997 anzunehmen. Ob dagegen Dümmlers Bestimmung
von 995 festzuhalten ist, darf bezweifelt werden.
42*
ß52 Literatur.
durch den Autor selbst beweist. Es ist sicher, dass der Papas im § 23
der 2. Redaction mit dem Cleriker Astrik des § 17 der l. Redaction gleich-
zusetzen ist 1). Hier heisst es von ihm: »Alia hora furibundo animo
Aschericus clericus suus contra sanctum virum arguendo, increpando, cum
multa inutilia loqueretur, ultra limitem rationis proterva contentione pro-
gressus, quasi quem amplius videre nollet, magna amaritudine dirimit^^
In der 2. Redaction ist diese für Astrik wenig schmeichelhafte Stelle ver-
schwunden. Im § 23 heisst es von ihm: »Ipse autem venire non potuit,
et ut homo noluit; ut enim hodie audis eum dicentem, quem nunc, sicut
sitiens aquam frigidam, totis visceribus flagrat et amat, ardua scandentem
tunc semper fugiebat*. Alle diese Aenderungen kann nur der Autor
selbst vorgenommen haben; er hatte zunächst über Astricus, den er
nicht persönlich gekannt hatte, sich im § 1 7 in abfälliger Weise geäussert :
nachdem er sodann ihn kennen gelernt hatte und auf Grundlage seiner
Erzählung den § 23 der neuen Redaction niederschreibt, lässt er zugleich
die im § 1 7 der ersten Redaction über ihn enthaltenen harten Worte aus.
Es hat also zwei vom Autor selbst hergestellte Redac-
tionen dieser Vita St. Adalberti gegeben.
Die Legende wurde sicher in ihrer ersten Redaction
im J. 1004 verfasst. Ausschlaggebend ist hiefür die Bemerkung im
?i 21 : »set quando digna indigni scribimus, nunc est mortuus feriente
gladio frater maxim.us (sc. s. Adalberti) ^^ Da es bekannt ist, dass Sobebor
anfangs September 1004 getödtet wurde, so müsste dieses Capitel bald
darauf geschrieben worden sein. Aus dem soeben oben Bemerkten über
den § 23 der 2. Redaction und sein Verhältnis zum § 17 der ersten
wird man unzweifelhaft schliessen können, dass die ursprüngliche
Redaction schon vollendet oder doch über den § 24 hinaus
gekommen war, als der Autor den Papas in Ungarn kennen
lernte und Kunde über die betreffenden Verhältnisse erhielt. Darauf
habe ich bereits an anderer Stelle aufmerksam gemacht '^), und auch
K^trzynski gibt dies zu ^). Dagegen muss ich alles das fallen lassen, was
ich im Anschlüsse an Pertz über die rasche Aufeinanderfolge beider Re-
dactionen früher angenommen habe. Seither gemachte Erfahrungen lassen
mich den Schluss für völlig irrig halten •*), dass aus dem Fehlen einer
Nachricht über den am 12. Oct. 1004 erfolgten Tod des Abtes Johannes
in der zweiten Redaction gefolgert werden müsse, diese Redaction sei
schon kurz nach dem eben genannten Tage fertig geworden. Es lag für
den Verf. absolut keine Nöthigung vor, im § 1 7 den Tod des Abtes
Johannes anzumerken; in § 27 ist nach den obigen Ausführungen aber
nicht dieser 1004 verstorbene Abt, sondern Johannes Canaparius zu ver-
stehn. Ebenso wenig ist es gestattet aus dem »nunc^^ das im § 21 in
dem oben citirten Satze auch in der 2. Redaction steht, Schlüsse zu ziehen,
weil dasselbe aus der 1. Redaction auch nach Jahren übernommen werden
konnte. Die zweite Redaction kann also auch einige Jahre nach der
') Veigl. meine Beiträge zur älteren ungar. Geschichte, Wien 1893 S. 70 f.
-') Ebenda S. 62 ff.
3J Vergl. seine unter Nr. 45 genannte Arbeit S. 18 f. und 30. Was Voigt
dagegen ausführt, ist irrig. Vergl. oben S. 042.
") So auch Voigt Nr. 1 S. 225.
Literatur. 353
ersten entstanden sein, allenfalls erst nachdem Canaparius Abt geworden
war, und der Autor liievon Kunde erhalten hatte; dies kann schon 1005
der Fall gewesen sein (vergl. oben S. 648). Anderseits ist es nicht später
als 1008 geschehen, denn der Autor dieser Vita ist der heilige Brun
(t 14. Feb. 1009), wie wir dies sofort gegen K^trzynski neuerdings fest-
stellen werden. Die zweite Eedaction ist also zwischen 1005
und 1008 entstanden 1), und zwar jedenfalls nachdem der
Verf. schon nach Ungarn gekommen war und den Papas
daselbst kennen gelernt hatte.
Wir übergehen nun zur Prüfung der Gründe, aus denen sich K^-
trzynski dafür entschieden hat, dass nicht unsere Legende, sondern die von
Gall gekannte, sonst nicht bekannte Passio das Werk Bruns sei.
Kfjtrzynski muss zugeben (vergl. oben S. 64S), dass der Autor der
Legende wie Brun, ein Sachse war; er kennt auch die directen Nachrichten
der Magdeburger Geschichtsquellen, die den hl. Brun mit voller Bestimmt-
heit als den Autor unserer Vita nennen 2). Er gibt auch zu, dass Brun
bei seiner Anwesenheit in Korn im Kloster des hl. Bonifatius und Alexius
geweilt haben und daher über alles unterrichtet sein konnte (S. 3).
Trotzdem glaubt er die Autorschaft der Legende dem heiligen Brun ab-
sprechen und ihm dafür die unbekannte Passio zuschreiben zu müssen.
Seine Gründe hiefür sind folgende:
K^trzjnski behauptet, dass aus der Vita nicht nur hervorgehe, dass
der Verf derselben im Kloster St. Bonifatius und Alexius eine Zeit lang
geweilt habe, sondern dass er ein Mitglied desselben gewesen sei : da dies
nicht auf Brun passe, könne derselbe nicht der Autor unserer Legende
sein. Allein keine der Stellen, die er anführt, ist für seine Ansicht
beweisend. Nirgends nennt sich der Autor einen Mönch des Bonifatius-
klosters, nirgends bezeichnet er den Abt Johannes als seinen Abt. Die
Stelle aus § 8, wo thatsächlich der Autor von seinem Abte (ad abbatem
nostrum) spricht, bezieht K^trzynski ganz willkürlich auf das Bonifatius-
kloster. Woher weiss denn K^trzynski, dass Willico den betreffenden Brief
an den Abt des Bonifatiusklosters, nicht aber nach Classis bei ßavenna,
wo Brun wirklich zu Haus war, gerichtet hatte? Alle Stellen, welche
K^trzynski für seine Ansicht geltend macht, sprechen nur dafür, dass der
Autor der Legende im Kloster St. Bonifatius sich eine Zeit lang auf-
gehalten hatte und mit den Bewohnern desselben im Verkehre stand. Dies
passt völlig auf den hl. Brun, von dem wir wissen, dass er sich in der
zweiten Hälfte des Jahres 1002 in Rom auf hielt 3), bevor er nach dem
Norden als Missionär zog. Das wusste Ketrzynski im Jahre 1884 noch
nicht. Nachdem ich aber den Sachverhalt auf Grundlage der neu ent-
deckten »Vita quinque fratrum« in »Canaparius und Brun« geklärt hatte,
hätte er wohl in seinen Folgerungen vorsichtiger sein sollen. Dagegen
macht mir Ketrzynski in der Arbeit Nr. 45 S. 3 den Vorwurf, ich wäre
»der Frage, von welcher alles abhängt, ob der hl. Brun Mitglied des
*) Damals konnte Brun auch schon erfahren haben, dass Johannes Cana-
parius inzwischen Abt geworden sei. Vergl. oben S. 648.
2) Vergl. oben S. 649 Anm. ].
2) Damals war auch bereits die zu Lebzeiten des Abtes Leo absrefasste
(j54 Literatur.
Klosters des hl. Bonifatius und Alexius in Rom war, völlig ausgewichen«.
Für mich existirte diese Frage gar nicht, weil zu ihr die Vita nicht den
geringsten Anlass gibt, wenn man in ihren Wortlaut keine vorgefasste
]\Ieinung hineinträgt, und anderseits genügte es für mich, nachgewiesen
zu haben, dass Brun zu einer Zeit in Rom weilte, da Abt Leo schon
todt und die zu seinen Lebzeiten verfasste erste Legende fertiggestellt war.
Brun hat also in der That Gelegenheit gehabt, die Vita kennen zu lernen
und im Alexiuskloster mit den Abt Johannes, der auf Leo 1002 — 1004
gefolgt war, und mit Johannes Canaparius zu verkehren : auf ihn passt
also trefflich alles, was der Verf. der zweiten Vita von sich und seinem
Verhältnisse zu diesem Kloster sagt.
Mithin glaube ich, dass die Frage, »von welcher alles abhängt« (wie
K^trzynski meint), zu Ungunsten seiner Hypothese gelöst erscheint. Auf
seinen Trugschluss. dass der Verf. der Vita ein ständiges Mitglied des
Bonifatiusklosters sei, baut er aber seine weitere Beweisführung. Er
betont nun. dass der Verf. auch noch 1004 in Rom weilte, was auf den
hl. Brun nicht passe. Den Beweis, dass die Vita in Rom geschrieben
sein müsse, ist uns K^trzyiiski völlig schuldig geblieben; denn wenn sie
auch ein Mitglied des Bonifatiusklosters geschrieben hätte, so findet sich
in der ganzen Vita auch nicht die leiseste Andeutung, dass sie in Rom
geschrieben worden sei. Vergebens suchen wir in derselben auch nur
einen entfernt so deutlichen Fingerzeig für die Verfassung in Rom, wie
jenes »qui nunc urbis praefectus esse dinoscitur« in der Vita von Cana-
parius (siehe oben S. 647); und trotzdem will Ketrzyiiski die Abfassung
der älteren Vita nach Polen verlegen, während er die jüngere in Rom
entstehen lässt. Dass Brun 1004 nicht mehr in Rom weilte, ist gewiss;
aber das Ttinerar desselben hat doch Ketrzyiiski wieder gar sehr zu Gunsten
seiner Hypothese gegen alle Wahrscheinlichkeit gestaltet.
Nach seiner eigenen Darstellung in der »Vita quinque fratrum'
§ 9 und 10 gieng Brun sicher erst einige Zeit nach dem Tode Kaiser
Ottos in. (23. Januar 1002) »tardo crure« von Classis nach Rom. Hier
erlangte er die Missionserlaubnis »et post multos labores de grandi via
maris et terrae« kam er nach Regensburg. Mit Recht wird man wohl
annehmen müssen, dass dies nicht schneller als etwa im Winter oder
Frühlinge 1003 geschehen sein könnte: denn die Reise nach Rom gieng
langsam vonstatten (tardo crure) i), die Abwicklung der Angelegenheit
dortselbst nahm gewiss auch einige Zeit in Anspruch -), und ebenso gieng
offenbar die Reise nach dem Norden nur mühselig und nach den Andeu-
tungen Bruns offenbar zur Herbst- oder Winterzeit vor sich. Mit dem
Aufenthalte Brans zu Anfang des J. 1003 in Regensburg oder doch in
diesem Theile Deutschlands würde aber nun auch Folgendes stimmen.
Von den Brüdern, welche ihm nach Polen vorausgegangen waren und dort
Brun und die Missionserlaubnis erwarteten, hatte sich Benedict nach Bruns
') Man vergl. hiezu auch Kade's Bemerkungen in Mou. Germ. SS. XV. 2
S. 715, der auf die Brun behindernden Umstände besonders aufmerksam macht.
-) Für die längere Dauer des Aufenthaltes Brun's in Rom darf man gewiss
seine Mittheilungen in der Vita über sein Verhältnis zum Alexius-Kloster geltend
machen. Doch nehmen wir hierauf zunächst keine Rücksicht.
Literatur.
600
Bericht in der »Vita quinque fratrem« Cap. 11 1) aus Polen aufgemacht
und versuchte über Böhmen wandernd zu Brun zu gelangen. Als Bene-
dict nach Prag kam war Winterszeit (metropolim intraret . . Erat autem
hiems magna bellnrum . . .). Da nun Benedict, nachdem er von Prag
(weiter kam er nicht) wieder nach Polen zurückgekehrt war, am 1 1 . Sept.
1003 schon getödtet wurde 2), so ist er unzweifelhaft im Winter 1002/3
in Prag gewesen. Nun lässt Brun am eben angeführten Orte Benedict
folgendermassen in Prag seinen Unwillen über die unterbliebene Fort-
setzung seiner Eeise zum Ausdrucke bringen: »Nunc irascitur seniori
Bolizlao, qui illum demittei'e nolens, qui nulla timeret, bellorum et hostium
superva^uam occasionem objecit, nunc notat culpam meam (d. i. Bruns),
qui cum prope essem et premissionis debitum reddere
possem — quod verum erat — tunc teraporis eum videre nolui«.
Mit Kecht kann diese Stelle nur so ausgelegt werden, wie Kade Mon.
Germ. SS. XVa S. 715 es thut: offenbar befand sich Brun in Regensburg
und Benedict gleichzeitig in Prag, also im Winter 1002/3 oder Frühling
1003. Wenn also K^trzyiiski annimmt (S. 5), dass Brun schon im
J. 1(102 nach Ungarn gekommen sei, so ist das völlig unwahrscheinlich.
Aber es ist übei'haupt kaum anzunehmen, dass er vor 1004, nämlich
bevor er nach dem 2. Februar 1004 3) die Bischofsweihe erhalten hatte,
sich nach Ungarn begab; das würde nämlich einen zweimaligen Aufenthalt
in Ungarn voraussetzen, wovon wir nirgends auch die leiseste Andeutung
finden. Alles, was Ketrzyi'iski darüber S. 23 ff. ausführt, sind völlig will-
kürliche Vermuthungen. Nichts berechtigt uns zur Annahme, dass Brun
schon 1002/3 in Ungarn war und I004 nach Deutschland zurückkehrte,
wo er die Bischofsweihe erhielt. Völlig willkürlich setzt Ktjtrzynski die
durch Brun veranlasste Mission nach Schweden in die Zeit des nun an-
geblich folgenden Aufenthaltes in Deutschland ^). Ebenso willkürlich setzt
er ins Jahr 1007 die zweite Reise nach Ungarn. Sowohl in seiner Vita
quinque fratrum, als in dem Briefe an König Heinrich finden wir keine
Andeutung eines zweiftichen Aufenthaltes in Ungarn. Wer vielmehr den
§ 10 der Vita quinque fratrum mit den betreffenden Bemerkungen im
Briefe vergleicht, wird unmittelbar den Eindruck gewinnen, dass in der
ersteigen der Bericht über die erste und einzige Abreise aus Deutschland
nach Ungarn sich findet, und im Briefe alles das, was sich während des
Aufenthaltes in Ungarn und nach demselben ereignete und den König
interessiren konnte, mitgetheilt wird. Im § 1 0 der j> Vita quinque fra-
trum* heisst es: »Et dimissis Pruzis, quo qropter novum sanctum Adal-
bertum occisum iustior me causa duxisset, nigris Ungris, quo tunc versus
') Mon. Germ. SS. XV.. a. S. 728.
-) Das Datum steht jetzt unzweifelhaft fest aus dem § 31 der »Vita quinque
fratrum ".
') Au diesem Tage hatte Erzbisc-hof Tiigino von Merseburg, durch den
Brun geweiht wurde, erst selbst die Weihe erhalten.
*) Was darüber im Briefe an Heinrich IL steht, beweist durchaus nicht.
dass diese Mission in die von Ketrzj-nski angenommene Zeit falle. Aus den
Woi-ten hinter liaec non lateat re^em, quia episcopus noster . . . quomodo ve-
nientes nuncii verissime dixeruut, ipsum seniorem Suigiorum . . . baptizavit*
geht vielmehr klar hervor, dass Brun diese Nachricht in Polen erhalten hat.
Vielleicht hat er auch von hier aus die Missionäre nach Schweden greschickt.
ßgg Literatur.
in partes orientis navim conscendi, sinisti'o opere et infirmo humero evan-
o-elium portare cepi, hoc dicens in corde meo : non dedero somnum oculis
meis nee requiem timporibus meis, donec inveniam Christum*. Und im
Briefe wird berichtet: . . . »Frater vester (des Königs) optime carus,
episcopus Bruno, cum moram facerem in terra üngrorum, dixit mihi, vos,
0 rex, piam sollicitudinem circa me habere et valde nimis timere. ne
Yellem perire . . . Gerte dies et menses iam implevit integer annus, quod,
ubi diu frustra sedimus, Ungros dimisiraus et ad omnium Paganorum
crudelissimos Pezenegos viam arripuimus .... Audivi etiam (schon in
Polen, vor der Reise nach Preussen) de nigris Ungris, ad quos, quae nun-
quam frustra vadit, sancti Petri prima iegatio venit . . Haec omnia sola
gloria Bei et optimi Petri; quantum ad me, nihil nisi peccatum«. Aus
diesen Stellen geht es klar hervor, dass Brun, nachdem er die Eeise nach
Polen und Preussen zunächst aufgegeben hatte, mit dem festen Entschlüsse,
dem Beispiele Adalberts zu folgen und das Martyrium zu finden, sich zu
den Ungarn begab. Dass er dort vergebens den Schwarz-Ungarn (ünter-
thanen Achtums) das Evangelium predigte i). Dass er in Ungarn mit dem
Bischof Brun, dem Bruder Heinrichs, zusammentraf, der unverhohlen die
Befürchtung des Königs aussprach, Brun suche den Märtyrertod. Dass er
nach langem vergeblichen Aufenthalt Ungarn verliess und sich zu den
Pezenegen begab. In Polen erfährt er, dass die Schwarz-Ungarn für die
römische Kirche gewonnen seien. Nirgends finden wir aber eine Andeu-
tung, dass Brun seine Missionsreise durch einen Aufenthalt in Deutschland
unterbrochen hätte. Dafür aber, dass Brun sich in der von Ketrzyiiski
für diese Unterbrechung angenommenen Zeit nicht in Deutschland aufhielt,
spricht auch das, was in der »Vita quinque fratrum-^ im § 21 erzählt
wird. Benedict hatte von Prag aus, wo er seine Eeise aufgegeben hatte,
einen Bruder ausgesandt, der Brun aufsuchen oder eventuell aus Rom
selbst die Missionserlaubnis bringen sollte. Dieser Bruder hatte, wahr-
scheinlich weil er Brun noch in Italien vermuthete, diesen nicht gefunden,
sondern war direct nach Rom gezogen '^). Als er zurückkam, war Bene-
dict und seine Genossen schon todt 3). Nun unternahm der genannte
') Das Nähere darüber in »Beiträge zur älteren ungarisch. Gesch.« S. 29 tf.
2) Mon. Germ. XV. a. S. 728 f. : Unum vero fratreni, qui caelestium amore
delectatus tunc sub illorum magisterio in herenio militavit, uunc vero eidem
sacro loco abbas studio spiritualis disciplinae preest, quia huius fratris iter dux
Bolizlao non prohibuit, ad unam consolationem in tanto tedio caelestium in-
cendiorum pro acquirenda apostolica licentia, qua est mundi domina et ruater
ecclesiarum, PiOmam transinisit, hoc iniungens et superponeus ad eius solli-
citam obedienciam, ne preteriret voeare me, cuius instinctu has Sclavonicas
terras visitaverat. et me invento, si haberem liceutiam, de magna via cito veniret,
si non haberem, peteret a me aliquem socium itineris Romam eundi pro acqui-
renda licentia, ut ceptum iter perageret . . . Rapit viam discipulus a beato
Benedicto missus de rudi heremo et, quia me nusquam vagum invenit, pro
cuius ignavia lougum desiderium in tribulationem venit, apostolicae iussionis ut
ille licitum quereret, rocte Romam teteudit.
') Mon. Germ. XV. 2. S. 734: Frater autem ille, viventibus adhuc in bac
terra sanctis et ab eis missus ad apostolicam sedem quaudo cum licentia venit,
iam feliciter invenit rem peractam, scilicet per martyrium eos evolasse ad
caelum, quamvis ego, . . . dudum, eis nescientibus apostolicam licentiam acce-
pissem. Cum autem mibericordia redemtoris talia circa sanctos esset operata,
Literatur. ß57
Bruder — wie Brun in § 21 ausführlich erzählt — mehrere Reisen durch
Deutschland, wobei er die Auffindung Bruns sich zum besonderen Ziele
gesetzt hatte. Er machte sich durch dieses Kachforschen sogar so ver-
dächtig, dass er als Gefangener nach Magdeburg gebracht wurde. Es kann
dies, da er vordem auch schon wieder in Rom gewesen war und sich
bereits zu einer dritten Reise anschickte, gewiss erst Ende 1004 oder
wahrscheinlicher KMiS gewesen sein. Wie kommt es nun, dass dieser
Mann, der doch offenbar so viel damals in Deutschland umherreiste und
überall Nachfrage hielt, Brun nicht fand ; ja er erfuhr auch von ihm in
Magdeburg nichts, wo man doch gewiss etwas über Brun gewusst hätte,
wenn ei-* in Deutschland in jener Zeit geweilt haben würde V — Die Ant-
wort auf diese Frage liegt nur in der von uns vertheidigten Anschauung,
dass Brun etwa vom Sommer oder Herbst des Jahres 1(M)4 sich auf der
Missionsreise befand ^).
Diese sich ganz natürlich ergebende Thatsache hat Ketrzynski aus
dem Grunde allein zu verwerfen versucht, um meine Annahme zu ent-
kräftigen, dass die Vita st. Adalberti in erster Redaction geschrieben worden
war, bevor deren Verf. in Ungarn war. und dass die vom Papas in Un-
garn erhaltenen Nachrichten mit zu den Umständen gehörten, die ihn zur
Herstellung der zweiten Redaction vei'anlassten. Er wollte nachweisen
(S. 5), dass Brun schon zwei Jahre früher in Ungarn war, dass er also
die ungarischen Nachrichten schon vor der Abfassung der ersten Redaction
(1004) besass. Damit wollte Ketrzynski meine Ausführungen als durchaus
unrichtig erweisen. Ich glaube, dass ihm dies nicht gelungen ist. Und
so dürfen wir, wie dies schon in »Canaparius und Brun-^ geschehen ist,
den Umstand, dass alles, was wir über den hl. Brun wissen, . so aus-
gezeichnet mit dem übereinstimmt, was wir vom Verf. der zweiten Vita
st. Adalberti voraussetzen müssen, als einen Beweis dafür in Anspruch
nehmen, dass der hl. Brun und kein anderer der Autor dieser
zweiten Vita sei.
Sowohl Kade als ich haben ferner mit Nachdruck darauf verwiesen,
dass die Autorschaft der Vita durch Brun sich auch daraus ergebe, dass
diese Schrift mit dem Briefe an Heinrich und mit der »Vita quinque
fratrum* eine grosse Verwandtschaft in der Darstellung, Kenntnis der-
selben Schriftsteller udgl. zeigt. Diese Beziehungen sucht nun Kt^-
trzynski tlieils damit zu erklären, dass der von ihm vermuthete unbekannte
Autor und Brun ihr Wissen in derselben Schule geholt hätten (S. 27).
theils will er geltend machen, dass der Autor der zweiten Vita st. Adal-
berti sich eng an seinen Stoff gehalten hätte, während dies vom hl. Brun
iterum rediens frater ille Romam, cum niartyrium eorum ibi nuaciaret, ipso iu-
terrogante, papa procul dubio iussit eos in loco sanctorum martyrum haberi et
honorari. Cum autem me gyrovaguin nusquam vidisset, cum propter hoc ipsum
interrogare et martyrium eorum renunciare rursum Romeus esse cepisset, quin
discordia magna cum rege Saxonum erat, dura timetur. ne in damnum sui imperii
illorum cursus foret, cum satis bono Ungero episcopo in itinere comprehenditur
et missus Partheuopolim . . . tenetur . . . ; arrepta fuga . . domum sanus venit
(d. i. in sein Kloster).
') Daran werden wir also festhalten müssen, wenn wir auch nicht mehr
au eine Fertigstellung der zweiten Redaction (mit den ungarischen Nachrichten 1
bald nach dem 12. Oct. 1004 denken.
ggg Literatur.
m seinen ihm unzweifelhaft zukommenden Werken nicht gelten könne.
Hiebei vergass aber Ketrzynski — um anderes zu übergeben — , dass
unserem Brun für die Vita st. Adalberti eine vorzügliche wohlgeordnete
Quelle vorlag und der Stoff bereits für ihn historisch war, während er in
den anderen Schriften Selbsterlebtes schildert. Uebrigens hat Brun auch
in die »Vita st. Adalberti« so manches hineingefügt.
Ferner erklärt sich der Umstand, dass einzelne Stellen der »Vita
st. Adalberti« mit dem Briefe an Heinrich und mit der »Vita quinque
fratrum« gemeinsam sind i), leicht aus der Autorschaft durch denselben
Verf. Iv^trzyi'iski will dies damit erklären (S. 30), dass die 1004 in
Rom verfasste zweite Adalbert-Legende schon 1008 in Polen vorhanden
war und vom hl. Brun gelesen wurde ; daher die Verwandtschaft mit dem
Brief und der »Vita quinque fratrum«. Da ist es doch merkwürdig, dass
Brun in Polen schon diese nach Ketrzyiiski's Annahme erst vor vier Jahren
in Eom verfasste Vita bereits benutzen konnte, dagegen ihm die angeblich
von Gaudentius in Polen verfasste nicht vorlag oder er sie doch nicht
benützt zu haben scheint.
Zu den Unwahrscheinlichkeiten, die Ketrzynski seiner Hypothese zu lieb
zulassen musste (S. 30), gehört auch noch die, dass der Papas aus Un-
garn, nachdem die Vita im Bonifatius-Kloster bereits fertig vorlag, dorthin
gekommen sei und die im § 23 der zweiten Kedaction vorhandenen Mit-
theilungen machte.
Für den hl. Brun als Verf. der zweiten Vita st. Adal-
berti sprechen also, um dies nochmals zusammenzufassen,
folgende Gründe: 1. Directe Nachrichten des 12. Jahrb., dass er
diese (und keine andere) Vita abgefasst habe; 2. Alles, was wir vom
Autor dieser Vita nach den in derselben enthaltenen Andeutungen vor-
aussetzen müssen, passt vorzüglich auf Brun : der Verf. der Vita ist wie
ilieser ein gebildeter Sachse, der in Rom geweilt hat. als die Vita von
Ganaparius schon fertig gestellt war: streng und asketisch gesinnt ist;
seine Schreibweise und seine Kenntnis anderer Schriftsteller deckt sich
mit derjenigen Bruns in seinen sonstigen Schriiten; 3. Das Voi'handensein
zweier Redactionen und ihr Verhältnis zu einander erklärt sich trefflich
aus dem. was wir vom hl. Brun wissen ; die kürzere Redaction ist die
zweite ; in ihr finden wir Nachrichten, die der Verf. in Ungarn erhalten
haben muss ; diese fehlten ihm also offenbar bei der Abfassung der ersten
Redaction (1004); erst später hat er sie erhalten: dies alles passt völlig
auf Brun: 4. Aus der gemeinsamen Autorschaft dieser Legende und des
Briefes an Heinrich und der »Vita quinque fratrum« erklären sich leicht
und ungezwungen die gemeinsamen Berührungspunkte.
Diesen Gründen gegenüber konnte K^trzyiiski seine Hypothese nur
durch eine Reihe von willkürlichen unwahrscheinlichen Annahmen zu
stützen suchen. Für die Abfassung der bei Gall genannten Passio durch
Brun lässt sich kein einziger stichhältiger Grund anführen.
Wir gelangen nun noch zur Passio S. Adalpertl lliartiris. Ueber
dieselbe waren vorzüglich drei Steitfragen zu lösen: die Zeit ihrer Ab-
fassung; üb diesell>e eine Orginalarbeit oder ein Auszug sei; ihr Verfasser.
') Die Stellen sind bei ICiftrzynski S. 30 f. verzeichnet.
Literatur. ß59
Bis vor wenigen Jahren war die Ansicht die herrschende, dass die
Passio gleich nach dem Tode Adalberts aufgezeichnet wurde, dass sie also
als die älteste Legende über denselben zu bezeichnen sei. Ich habe diese
Ansicht in der Zeitsch. f. G-eschichtswissensch. IX (1893) S. 107 f. wider-
legt. Gegenwärtig ist dieselbe auch schon aufgegeben. Sowohl Voigt, als
auch Ketrzynski versetzen sie etwa in die ersten drei Jahrzehnte
des 11. Jahrhundertes: von Boleslaus (t lO'jij) wird nämlich in
derselben - — wie es scheint — wie von einem lebenden gesprochen.
Uebrigens gehört die Schrift des Manuscriptes dem frühen 1 1 . Jahrh. an.
Dagegen verwerfen sowohl Ketrzynski als Voigt die Anschauung, dass
die Passio nicht eine Originalarbeit sei, sondern sich bereits auf eine
andere Arbeit stütze. Ich habe letztere Anschauung zuletzt in der Zeitsch.
f. Geschichtswissenschaft a. a. 0. zu vertheidigen gesucht und insbesondere
auch betont, dass die Vorlage der Passio sehr wertvolle Daten enthalten
haben müsse. K^trzyiiski, der selbst früher der Ansicht war, die Passio
sei ein Auszug, verwirft dieselbe jetzt. Insofern er früher daran dachte,
dass der bei Gallus erwähnte »liber de passione martyris^^ die Quelle
unserer Passio sei, mag seine geänderte Ansicht berechtigt sein : was er
zur Begründung seiner Meinungsänderung anführt, würde aber nur da-
gegen sprechen, dass eben dieser »liber'^^ die Quelle der Passio sei. Auf
eine eigentliche Widerlegung meiner in der Zeitsch. f. Geschichtswissen-
schaft angeführten Gründe geht er gar nicht ein. Was nun die Aus-
führungen Voigts betrifft, so gibt derselbe zunächst (S. 22H) folgendes
zu: »Die meist im Präsenz gegebenen, ziemlich abrupten und kurzen Sätze
des Anfanges unserer Passio können in der That den Eindruck erwecken,
dass wir es mit einem Eesume zu thun haben ; auch wird am Schlüsse
die Rede wieder compendiöser, während sie in der Mitte, wo die eigent-
liche Passio erzählt wird, behaglicher und ausführlicher ist^. Diese Eigen-
thümliehkeit möchte er aber durch den Umstand erklären, dass der Autor
nur für Adalberts Ausgang und Tod sich besonders interessirt habe.
Ferner gibt Voigt zu, dass die vielen legendarischen Züge und die phan-
tasiehafte Ausmalung allenfalls einem Ueberarbeiter zugeschrieben werden
könnten ; dann aber bliebe noch wenig vorhanden, was derselbe aus der
Vorlage entnommen haben könnte. »Die Gründe (legendarische Züge) also,
die daran hindern, unsere Schrift selbst in eine frühere Zeit zu setzen,
hindern meines Erachtens — so fährt Voigt fort — auch daran, eine
Grundschrift bei derselben anzunehmen*. Die Passio würde nach dem
Schlussurtheile Voigts ,dasOn-dit, welches man in den Jahren looß — ]0'25
in Polen über Adalbert zu hören bekommen konnte« enthalten. Dagegen
müssen wir folgendes bemerken. Voigt hat Recht, dass das, was über das
Martyrium u. s. w. in der Passio steht zum grossen Theil auf Hörensagen
beruht; er hat auch Recht, dass er den stark legendarischen Charakter
dieses Theiles betont und auf die Annahme einer Entwicklungsperiode für
diese Legenden drängt: aber um so schärfer tritt diesem Theile dann
alles, was z. B. im ersten Capitel erzählt wird, gegenüber. Können auch
die hier vorhandenen durchaus richtigen Jahresangabeu, die sich sonst
nirgends finden, auf Hörensagen beruhen? Die Passio bietet hier unter
anderem die Angaben, dass Adalbert, nachdem er fünf Jahre sein Bisthum
verwaltet hatte, nach Rom zog; dass er, von Rom nach Böhmen zurück-
(3j30 Literatur.
gekehrt, »itemque eodem anno<'= wieder nach Rom gieng; dass er nunmehr
drei Jahre zu Rom im Kloster verblieb, bis er mit Otto III. nach Deutsch-
land zog. Diese Angaben stimmen mit anderen bekannten Daten trefflich
überein und ergänzen dieselben in willkommener Weise (vergl. die Zeit-
schrift f. Geschichtswissensch. a. a. 0. und diese Mitth. Bd. 19. S. 54 3): sie
können ganz gewiss nicht aus derselben Quelle herrühren wie die legenden-
haften Züge. Dazu kommt nun aber, dass die Angaben trotz ihrer Ge-
nauigkeit doch wieder lückenhaft sind. So fehlt die Angabe, wie lange
Adalbert das erstemal in Rom verweilte. Auch wird in der Passio nichts
davon erzählt, dass Adalbert schon bei dem ersten Aufenthalte in Rom
Mönch geworden war. Ich kann es absolut nicht glaublich finden, dass
ein eine Originalarbeit anfertigender Autor, der einerseits so genaue Daten
zur Verfügung hat und aufzeichnet, die ausgestellten nicht gewusst hätte
oder sie aufzuzeichnen unterlassen haben würde. Es handelt sich aber
nicht etwa um eine spätere Auslassung durch einen Schreiber, weil die
Aufnahme Adalbert s ins Kloster beim zweiten Aufer thalte in Rom mit
Worten erzählt wird, die dessen liereits früher erfolgte Aufnahme in das-
selbe nicht voraussetzen (in monastario sancti Bonifacii monachico induitur
habitu). Ebenso steht neben den genauen Nachrichten, dass Adalbert aus
Sachsen nach Polen kommend, nach Meseritz sich begab, dort ein Kloster
gründete und demselben Astrik, den späteren Erzbischof, vorsetzte, kein
Wort über seinen sonstigen Aufenthalt in Polen, kein Wort über Boleslaus.
Mit lapidarischer Kürze fährt die Passio in § 2 fort: »Posthec videlicet sumpto
baculo paucis se comitantibus latenter quasi fugam moliens Pruzae se in-
tulit regioni. Urbi quoque Cholinun appropiuquans . . .'■'^ Dass der Be-
richt über die »Flucht* nur auf das Entweichen vor der allzugrossen
Hinneigung Boleslaus' sich beziehen könne, ist kaum zweifelhaft. Man
vergl. darüber die Zeitsch. f. Geschichtswissenschaft a. a. 0. Die Nachricht
der Passio kann sich hier weder auf eine Flucht aus Ungarn (wie Bielowski
meinte), noch auf eine solche aus dem von Adalbert begründeten Kloster
beziehen (wie Voigt annimmt S. 1S4), sondern sie ist allein nach den
Andeutungen Bruns und sonstigen Hinweisen auf die Abreise trotz
der oder gerade wegen der allzugrossen Zuneigung des Herzogs Boleslaus
zu setzen i). Die Stelle in der Passio ist nur deshalb unklar, weil sie die
.Thatsache ohne Motivirung angibt, was übrigens wieder ein Beweis ist,
dass sie ein Auszug ist. Nur ein solcher kann auch mit keinem Worte
die Reise von Polen bis Cholinun erwähnen. Aus diesen Gründen kann
man also durchaus nicht der Ansicht Voigt's beistimmen : man wird viel-
mehr daran f esthal ten müssen, dass die Passio in diesen Partien
ein Auszug sei aus einer Aufzeichnung, die wertvolle Daten
enthielt. Dass der Anfertiger der Passio auch aus dem Hörensagen schöpfte
und dass wir uns aus der Passio nicht ein vollständiges Bild seiner Vor-
lage machen können, werden wir allenfalls zugeben.
Mit dem Umstände, dass die Passio, wie sie uns vorliegt, das Pro-
duct zweier Mä,nner ist, des Autors der Vorlage und des Verf. der Passio,
') Daher muss die Annahme Voigt's (S. 184), als ob Meseritz eine Station
auf der Reise von Polen nach Prerssen gewesen wäre und die damit gegen die
verbürgte Namensform angenommene Identißcirung mitTreraessen zurückgewiesen
■werden. L'ebrigens vergl. man diese Mitth. Bd. 19 S. 545.
Literatur. QQ\
scheint aber auch die dritte zu lösende Frage, jene nach der Nationalität
des Legendenschreibers zusammenzuhängen. In unserer Passio machen
sich ganz deutlich nationale Elemente geltend, aber — zweifacher Art.
Die einen deuten auf die deutsche, die anderen auf die polnische Nationalität
des Verfassers. Sowohl die einen, wie die anderen Merkmale sind so
prägnant, dass sie nicht abgestritten werden können. So muss z. IJ.
Ketrzynski, welcher für die slavische Nationalität des Passionsschreibers
eintritt, es unerklärt lassen (S. 38), wie dieser dazu komme, die Mutter
des Heiligen mit dem deutschen Namen Adilburc zu nennen, der uns nur
hier begegnet. Voigt aber (S. 227), der wieder für die deutsche Natio-
nalität des Autors eintritt, muss zugestehn, dass derselbe Polen aus eigener
Anschauung gut kannte, dass er hier lange Zeit verweilt haben muss ; er
betont, dass auf den Umstand Gewicht gelegt werden muss, dass Benedict
stets nur Bogussa genannt wird: er muss zugeben, dass die slavischen
Namen in der Passio in ganz ungewöhnlich genauer Form wiedergegeben
werden. Ich glaube nun, dass derselbe Mann, welcher den Namen Adilburc
aufnahm, unmöglich für Bogussa sich erwärmt hätte u. s. w. Da nun
der den Germanismus besonders verrathende Name (Adilburc) in jenem
Theile sich findet, der auch sonst nicht auf polnischer Uebei'lieferung be-
ruht, die Polonismen (darunter Bogussa) in dem Theile dagegen, welcher
in Polen gesammelt erscheint, so scheint die Annahme unter Berücksich-
tigung des früher Angeführten berechtigt: dass die ältere vom
Passionsschreiber benützte Aufzeichnung von irgend einem
mit dem Vorleben Adalberts wohl vertrauten Deutschen
herrühre; die Passio, wie siejetzt vorliegt aber, von einem
Slaven hergestellt worden sei.
Czernowitz. Raimund Fr. Kaindl.
Reusens, Elements de Paleographie, Löweu (Selbst-
verlag) 1899. 8^ 496 S.
Ein buntes Allerlei von Schriftarten und Schriftproben und doch kein
brauchbares Ganzes. So wenig wir bei dem Betrieb der Paläographie einer
strengen Systematik entrathen können, so unerlässlich ist es andererseits,
darüber den verbindenden Faden niemals zu verliei'en, um die Geschichte
der Schrift als das darzustellen was sie ist, als eine in sich streng ge-
schlossene, in allen ihren Uebergängen erkennbare Entwicklungsreihe.
Diese Forderung ist so wesentlich, dass es bei jeder einzelnen Schriftart
wichtiger ist, darzulegen, wie sie entstand, als zu beschreiben, wie sie
ist. Nach dieser Richtung lässt R. das meiste zu wünschen übrig; der
Zusammenhang ist nirgends ausreichend gewahrt.
Etwa vom 5. bis zum 13. Jahrh. stehen wir für die Kenntnis der
Schriftentwicklung auf ziemlich gesichertem Boden. Zwar bedarf auch
hier manches noch der Aufklärung, Ergänzung und Berichtigung, aber in
der Hauptsache sehen wir doch so klar, dass es eine grössere Kunst wäre,
hier in der Darstellung völlig zu entgleisen, als sie leidlich gut zu treffen.
Hier bev/egt sich denn auch R. auf sicheren Pfaden, allerdings durchaus
ß(32 Litoifitur.
auf den altea, ausgetretenen, nirgends auf neuen, selbst gefundenen; ja
er bleibt in wichtigen Einzelheiten selbst hinter dem bereits Bekannten
empfindlich zurück. Ein solcher Abschnitt von kläglicher Unzulänglichkeit
ist beispielsweise der über die Schrift der älteren Papsturkunden (S. 68
bis 69). Die neueren Arbeiten von Hartraanu und Kehr, in denen die
Entwicklung dieser Schriftart und ihr Verhältnis zur stadtrömischen Ur-
kundenschrift eingehend behandelt ist, sind übergangen und dem Verf.
wohl überhaupt nicht bekannt; aber auch von dem längst bekannten und
in seinem ursächlichen Zusammenhang mit den politischen Vorgängen
gewürdigten Umschwung im Schriitwesen der Papstui'kunden, den das
Eingreifen Heinrichs III. von 1046 hervorrief und der zunächst nur gerade
für die Zeit der deutschen Päpste anhielt, erfahren wir kein Wort. Minder-
wertig sind auch die Ausführungen über die arabischen Ziffern (S. 151 ff.).
Die Zusammenstellung der ältesten Formen aus dem 12. Jahrh. (S. 152)
leidet an Unvollständigkeit (von der 3 fehlt die wichtigste Nebenform)
und an Ungenauigkeit der Nachzeichnung. Die Abhandlung Nagls über
den Salzburger Computus von 1143 und das Aufkommen der arabischen
Ziffern, das beste was wir an neuerer Litteratur über die Frage besitzen,
blieb wieder ungekannt und unbenutzt.
Die wirklichen und allerdings bedeutenden Schwierigkeiten liegen
vor dem 5. und nach der Mitte des 13. Jahrhunderts: dort, weil die Aufgabe
erwächst, die älteste Geschichte der lateinischen Schrift ganz neu aufzubauen,
hier, weil es gilt, die bunte Vielgestaltigkeit verschiedener Schriftarten, wenn
auch nicht zu beherrschen ( — dies ist heute noch gar nicht möglich — )
so doch leidlich gut zu überblicken und in den verwirrenden I]in-
zelheiten den Gang der allgemeinen Entwicklung noch wahrzunehmen. Die
Geschichte der ältesten Cursive war bis vor kurzem durch zwei Uebel-
stände beeinträchtigt: zwischen den Pompeianischen Mauerinschriften, den
Herculanensischen Papyri und den ältesten Wachstafeln einerseits und den
Kavennater Papyri aus dem 6. Jahrh. andererseits klaffte eine bedeutende
zeitliche Lücke und von den halbverkohlten Herculanensischen Papyri ab-
gesehen, waren die ältesten Schriftproben nur auf Wachs und Stein erhalten,
es war daher nicht möglich, die Schriftentwicklung an gleichartigem Be-
schreibstoff zu verfolgen. Dem hat das Bekanntwerden mehrfacher datirter
. Papyri aus dem 1. bis 4. Jahrh. in den letzten Jahren in überraschender
Weise abgeholfen. Die Geschichte der Cursive lässt sich heute an der
Hand dieser neuen Quellen in allen Grundzügen gesichert bieten, es fällt
aber von hier aus auch neues und bedeutsames Licht auf die Entwicklung
der Kapitale und Unciale. Aus der Kapitale entwickelt sich schon zu
Beginn unserer Zeitrechnung für die Aufzeichnungen des Geschäfts- und
Rechtslebens eine Schriftart, für die ich jetzt den Namen der »Kapital-
cui'sive^^ vorschlagen möchte (Paleographical Society IL 190 ^=^Arndt-Tangl,
Schrifttafeln T. 32: im Text zu den Schrifttafeln hatte ich noch die alte
Bezeichnung Maiuskelcursive beibehalten, die ich jetzt zu gunsten des engeren
und bestimmteren Begriffes aufgebe). Die Entwicklung bestand in der
Vereinfachung, theilweise aber auch schon in der Umformung und Ver-
bindung der Buchstaben. Das Compromiss zwischen Raschheit einerseits
und Deutlichkeit und Schönheit der Schrift andererseits führt in Diokle-
tianischer Zait zur Schaffung der Unciale. Es ist dies die erste Schrift-
Literatur. 5ß3
reforro, der genau ein halbes Jahrtausend später in der karolingischen
Minuskel eine zweite, und etwa G Jahrhunderte nach dieser aus dem
Kreise der italienischen Humanisten heraus die dritte folgte. Wer aber
wie E. zunächst die ganze »scriptura erecta"^^ bis herunter zur Minuskel
in geschlossenem Parademarsch vorüber führen und dann erst seinen Leser
mit dem Bestehen der Cursive bekannt machen kann, an dem ist jeder
Fortschritt der Paläographie im letzten Jahrzehnt spurlos vorübergegangen.
Ganz ähnlich schlecht steht es mit der Darstellung des Kürzungswesens :
S. 94 bringt E. ^»t out es les abreviations usuelles qui se rencontrent
dans les manuscrits de huit premiers siecles de notre ere^^; seine Liste
enthält ganze 20. Ich lade jederman ein, an der Hand derselben einmal
eine Seite des Veroneser Gaius zu lesen ! Auch hier ist wieder das
Wesentliche verkannt; nicht darum handelt es sich, ob in den ersten
Jahrhunderten ein zwei, drei oder mehr dutzend Kürzungen üblich waren,
sondern darum, dass das Mittelalter von der ausgehenden römischen Kaiser-
zeit bereits ein bis ins einzelne ausgebildetes System des Kürzungswesens
übernahm, das später wohl im einzelnen umgestaltet und erweitert, aber
in seinen Grundlagen nie mehr verändert wurde.
Verdienstvoller ist das spätere Mittelalter behandelt, nicht wegen des
Textes sondern wegen der beigegebenen Schriftproben. Während für die
früheren Jahrhunderte durchaus nur gute Bekannte in trefflicher Eepro-
duktion aber arger Verkleinerung wiederkehren, bringt E. vom 12. Jahrh.
an eine Eeihe selbst gewählter Schriftproben aus belgischen Fundstätten
(Löwen, Mecheln, Tournai), die mehrfach paläographisches und diplomati-
sches Interesse bieten, wie ich denn nicht anstehe, T. LI S. 329 (Auto-
graph des späteren Papstes Hadrian VI. vom J. 1496) für ein ganz vor-
zügliches Uebungsstück zu bezeichnen. In den beigegebenen Ti'ansscrip-
tionen zeigt sich E. als gewandter Leser; aber zwischen einem solchen
und einem Paläographen ist — mit Verlaub — denn doch noch ein
Unterschied. Hätte sich E. darauf beschränkt, diese Schrifttafeln allein
und in Originalgrösse herauszugeben, statt sie zu verkleinern und mit
einem dickleibigen und doch unbefriedigenden Lehrbuch zu umkleiden, so
würde er sich uns sehr viel mehr zu Dank verpflichtet haben.
Den letzten Theil des Buches (S, 365 ff.) bildet in guter Compila-
tion, hauptsächlich mit Benützung von Wattenbach und C. Paoli. eine
Darstellung des mittelalterlichen Schriftwesens.
Berlin. M. Tan gl.
Inani a-Steruegg, Deutsche Wirtschaftsgeschichte.
Band III, Theil I (D. W. in den letzeu Jahrhunderten des Mittelalters.
Erster Theil) Leipzig, Duncker und Humblot, 1899, XX + 455 SS.
Die erste zusammenfassende mittelalterliche Wirtschaftsgeschichte ver-
danken wir Cibrario, Della economia politica del medio evo,
das in zweiter Auflage in drei Bänden in Turin in den Jahren 1841 — 42
erschienen ist. Schon die erste Auflage dieses Werkes war von Buss ins
Deutsche übersetzt worden, es erschienen über dasselbe Bespechungen in
ßg4 Literatur.
englischen und deutschen Zeitschriften, aber es scheint, dass es ohne
grösseren Einfluss auf die Pflege wirtschaftsgeschichtlicher Studien ge-
blieben ist.
Für diese historische Disciplin ist. für Deutschland wenigstens, erst
das Jahr 1879 das einer Epoche, denn in diesem Jahre erschien sowohl
der erste Band von Inamas gross angelegtem Werke als auch das erste
Heft von Schmollers Staats urd social Wissenschaft liehen
Forschungen, der bis heute massgebensten und wichtigsten periodischen
Publication wirtschaftsgeschichtliiher Detailarbeiten.
Die erste Abhandlung der Forschungen, das erste Heft ausfüllend, enthält
Inamas Ausbildung der grossen Grundherrschaften in Deutsch-
land, eine Vorstudie zum ersten Bande seiner Wirtschaftsgeschichte.
So verknüpfen die »Forschungen-^ bei ihrem ersten Erscheinen die
Namen der bis heute hervorragendsten Vertreter der sich zur Selbständig-
keit ringenden neuen historischen Disciplin: Schmoller und Inama.
Dem zweiten im Jahre 1891 erschienenen Bande von Inamas Deutscher
Wirtschaftsgeschichte war ein umfangreiches Special werk, Lamprecht.
Deutsches Wirtschaftsleben im Mittelalter auf Grund der
Quellen zunächst des Mosellandes 3 Bände in 4 vols in den
Jahren 1885 — 86 vorausgegangen. Dieses Werk hat mit dem Cibrarios
gemeinsam, dass beide Verfasser hauptsächlich auf einen Theil des For-
schungsgebietes sich beschränken. Lamprecht zeigt dieses in litel und
Vorrede an, während Cibrario 'zwar eine allgemeine Arbeit für die ganze
christliche Welt des Mittelalters schaffen wollte, sich thatsächlich aber auf
eine eingehendere Darstellung der Verhältnisse Norditaliens und Südost-
frankreichs (Piemont und Savoyen) beschränkte. Cibrario und Lamprecht
gegenüber ist Inamas Werk ein universelles und dabei trotzdem in der
Darstellung concentrirt und gedrängt, wie geschaifen dem academischen
Studium zur Grundlage zu dienen.
Der Hau-ptvorzug Inamas ist die volle Herrschaft des Verf. über den
Stoff, denn derselbe hat schon zur Zeit des Erscheinens des zwei Bücher
umfassenden ersten Bandes dem Gegenstande jene Eintheilung gegeben,
die auch im vorliegenden vierten Buche, ohne den Thatsachen irgendwie
Gewalt anthun zu müssen, festgehalten werden konnte. Wie in den drei
ei*sten Büchern (Aelteste Zeit bis Karl den Grossen — Karolingerzeit —
Zehntes bis zwölftes Jahrhundert) geht auch im vierten (Die letzten Jahr-
hunderte des Mittelalters) im ersten Abschnitte ein allgemeiner die Colo-
nisution, die Besiedelung des Landes, sowie die Bevölkerungsstatistik be-
handelnder Theil der Erörterung des speciellen Wirtschaftslebens voraus.
Eine dem späten Mittelalter characteristische Colonisationsform ist die der
flurch den Deutschen Orden begründeten Militärcolonien ; für die letzten
beiden Jahrhundente des Mittelalters besitzen wir die ersten einigermassen
gesicherten Angaben über den Bevölkerungsstand einzelner Städte.
In einem zweiten (auch allen vier Büchern gemeinsamen) Abschnitte
wird der social und verwaltungsgeschichtliche Kahmen der speciellen
AVirtschaftsgeschichte des betreffenden Zeitraumes behandelt. In einer
Darstellung der Verwaltungsgeschichte bilden die wirtschaftlichen Er-
scheinungen die Grundlage für die Erklärung jener verwaltungsgeschicht-
licher Natur, da die Verwaltungsformen einer bestimmten Zeit durch das
Literatur, ßg5
gegenseitige Kräfteverhältnis der socialen Triebkräfte bedingt sind. Um-
gekehrt bildet für eine Wirtschaftsgeschichte die Verwaltungsgeschichte
den Rahmen, innerhalb welches die Entwicklungen wirtschaltlicher Natur
sich abspielen.
Die für die ins Auge gefasste Zeit massgebende Erscheinung auf dem
Gebiete der Verwaltung ist die Ausbildung der Landeshoheit mit dem
Entstehen eines neuen Standes, des Beamtenstandes, während anderseits
erst seit dem 13. Jahrhunderte die Gleichartigkeit der ökonomischen Ver-
hältnisse aus den in verschiedenen persönlichen Standesverhältnissen sich
befindenden Elementen der Ackerbau treibenden Bevölkerung eine einheit-
liche Berufsclasse der Bauern herausbildete. Ebenso gehört dieser Periode
die allmülige Ausbildung einer einheitlichen Bürgerschait in den Städten an.
Der dritte und vierte Abschnitt, mit welchem der vorliegende Theil
schliesst, sind der Geschichte der Landwirtschaft und der in dieser be-
schäftigten Bevölkerung gewidmet, während die Geschichte von Gewerbe
und Handel im Rahmen des städtischen Lebens dem zweiten Theile des
3. Bandes, dessen baldiges Erscheinen in Aussicht gestellt ist, vor-
behalten sind.
Der dritte Abschnitt behandelt (übereinstimmend in allen 4 Büchern)
die Frage der Vertheilung und Verwaltung des Grundbesitzes, also das
allgemeine Capitel des speciellen Theiles der Agrargeschichte, dem der
dritte und vierte Abschnitt zusammen gewidmet sind.
Da im vierten Abschnitte die Production und Vertheilung des Boden-
ertrages erörtert wird, geht folgerichtig im dritten die Behandlung der
Eigentumsformen voraus, die Grund und Grundlage für die Art und Weise
bilden, warum und wie erstere erfolgen.
Die bäuerliche Wirtschaft, die im früheren Mittelalter eigentlich eine
besondere Form des gutsherrlichen Betriebes war, ist in den letzten Jahr-
hunderten des Mittelalters zu einer besonderen Betriebsform der Land-
wirtschaft geworden, namentlich die Körnerproduction ist nahezu gänzlich
in die Hände der bäuerlichen Bevölkerung übergegangen. Nur in ge-
wissen Specialculturen, wie im Wein- und Hopfenbau hat sich auch jetzt
noch ein nicht unbeträchtlicher Eigenbetrieb der Grundherren erhalten,
zum Theil sogar erst entwickelt. Ebenso steht die Viehzucht dem grund-
herrlichen Betriebe näher und hat von ihm in wesentlichen Stücken Pflege
und Förderung erfahren. Vor allem ist die Pferdezucht immer eine Haupt-
angelegenheit der grundherrlichen Verwaltung gewesen (Bedarf der Ritter-
schaft an Pferden). Der Rinderzucht hat der Grossbetrieb in den vielen
herrschaftlichen Schwaigen und auf den Alpen grosse Dienste geleistet,
auch Viehzuchtsproducte besonders Milch und Butter liefern die herr-
schaftlichen Viehhöfe nicht nur zum Eigenbedarfe, sondern auch für den
Markt. In der Schweine- und Schafzucht ist die grundherrliche W rt-
schaft sogar absolut überlegen durch ihre Vorherrschaft in der Allmende
und insbesondere im Walde, sowie durch ihre qualifizirte Fähigkeit Herden
zu halten und zu behüten.
Aber doch reicht auch in der Viehzucht der herrschaftliche Eigen-
betrieb an die Bedeutung der zinsenden Bauernbetriebe mit ihrer Massen-
pro luction im ganzen nicht hinan. Was speciell an Fleisch und Käse.
Hühnern und Eiern von diesen producirt wurde, ist jedenfalls ein Viel-
Mittheiltingen XX. 43
(3ß(3 Literatur.
faches von den gesammten Producten der herrschaftlichen Wirtschaft und
gibt noch immer den Ausschlag bei der Beurtheilung der nationalen Vieh-
zucht überhaupt.
Eine wesentliche Bereicherung ihres Inhalts hat die Bodenj)roduction
im Laufe dieses Zeitraumes durch die Betheiligung der Städte an dem
Landwirtschaftsbetriebe erhalten. Im gartenmässigen Anbau von Gemüse
und Handelspflanzen, von Wein und Hopfen, aber auch in der Viehzucht
und der Fortswirtschaft haben die Städte einen nicht unwesentlichen An-
theil an der ganzen nationalen Production genommen, der umsomehr ins
Gewicht fällt, als er in ungleich grösserem Masse als die Production der
übrigen Wirtschaftskreise directe Marktware zu liel'ern bestimmt war.
Eine wichtige Erkenntnis über die Entwicklung in der Lage des Bauern-
standes ist die, dass sich dieser in der Kaiserzeit in aufsteigender Linie
bewegt. Seine Besitzrechte an Grund und Boden hatten sich verbessert,
die Betriebsmittel der bäuerlichen Wirtschaft vermehrten und vervoll-
kommneten sich, über seine Arbeitskraft wie über Ertrag des Bodens
verfügte der Bauer zusehends freier; dazu schufen ihm die grossen Colo-
nisationen, die Städteentwickelung und die Rodungen in der Allmende
Luft, Bewegung und gesteigerten Erfolg; eine wesentliche Besserung der
socialen Lage der Bauern war der letzte Ausdruck aller dieser Thatsachen.
Namentlich das 1 3. und die erste Hälfte des 1 4. Jahrhunderts war eine
relativ günstige Zeit. Dagegen tritt noch im Laufe des 14. Jahrhunderts
ein Umschwung ein, die Entwickelung wird eine absteigende, die Lage
der bäuerlichen Classe verschlechtert sich successiv. um im 16. Jahrhun-
derte den Boden für den grossen deutschen Bauernaufstand vorzubereiten.
Mannigfache Gründe wirkten da zusammen: die in den letzten Jahr-
hunderten des Mittelalters rapid vor sich gehende Münzverschlechterung,
fallende Getreidepreise während des 15. Jahrhunderts. Aufhören der Colo-
nisation, Rückgang in der Zahl neu entstehender Städte, vor allem Neu-
auflegung und Ueberhandnahme von Frondiensten. Zu den grund- und
vogteiherrlichen Fronden der älteren Zeit kamen öffentliche Fronden, die
die Landesherren durch directe Geltendmachung eines landesherrlichen
Arbeitszwanges ihren ünterthanen auflegten. Während des 1 3. Jahrhun-
derts übt nur der Landesherr ein Besteuerungsrecht aus und verlangt
von den Bauern Hand- und Spanndienste zum Bau der Burgen und Brücken,
sowie als eigentlichen Herrendienst. Aber mit der Gerichtsbarkeit geht
auch das Recht auf die Fronden der Bauern vom Landesherrn auf die
Vasallen über und damit ergibt sich auch die Möglichkeit, dass die Dienste
auch von den Erbzinsleuten für die Wirtschaft des Gutsherrn ebenso wie
für die öffentlichen Arbeiten verlangt werden.
Trotzdem die Anschauung von der Verschlechterung in der Lage des
Bauernstandes im Laufe des 1 4. und 1 .5. Jahrhunderts gegenüber der
im 13. Jahrhunderte aus den zweifellosen wirtschaftsgeschichtlichen That-
sachen a priori anzunehmen ist, scheint dieselbe immerhin noch ein
Beweisthema für Detailuntersuchungen zu sein, die sich in der Richtung
zu bewegen hätten, in fortlautenden ürbarien derselben Herrschaften für die
Zeit vom 13. bis ins 16. Jahrhundert die Veränderungen in der Kelastung
der einzelnen bäuerlichen Wirtschaftseinheiten festzustellen..
Wien. ; , Karl Schalk.
Literatur. • gg;j
Julius Lippert, S o ciaige schichte Böhmens in vor-
hussitischer Zeit. II. Band: Der sociale Einfluss dei-
ch ristlich -kirchlichen Organisationen und der deut-
schen Colonisation. 1898. 446 S. i).
«
Das Werk Lipperts ist mit dem 2. Bande zum Abschluss gekommen,
ohne eigentlich fertig zu sein. Der Verf. beabsichtigte den ersten beiden
Bänden, welche »gleichsam nur die socialen historischen Elemente bilden,
aus denen alle gesellschaftlichen Einrichtungen« Böhmens »emporkeimten«,
eine zusammenfassende Darstellung nachfolgen zu lassen, weiters aber auch
das Werk über die bisherige Zeitgrenze — c. 14 00 — fortzusetzen. Der
Grund, den er für die ünausführbarkeit dieser weiteren Theile namhaft
macht, ist im höchsten Grade bedauerlich: »der Kreis der sich um böh-
mische Dinge in deutscher Darstellung Interessirenden ist zu klein, um
ein solches Unternehmen tragen zu können«. Es mag immerhin wahr
sein, dass Lippert kein leicht zu lesender Stilist ist, dass er nicht immer
auf der Höhe der kritischen Forschung steht, dass er sich durch sociolo-
gische Gedanken oft mehr leiten lässt, als durch die nüchterne Sprache
der Urkunden — jedenfalls hat er in seiner Socialgeschichte Böhmens eine
Arbeit geliefert, die einen grossen und ernsten Leserkreis verdiente. Sein
Werk betrifft ein Thema, das in Böhmen nie aufgehört hat actuell zu sein
und es heute mehr ist. denn je. Gerade in der Zeit zwischen dem Er-
scheinen des 1. und 2. Lippert'schen Bandes ist in Prag ein von der
»Kön. böhm. Gesellschaft der Wissenschaften« preisgekröntes Buch er-
schienen, Ferdinand Tadra's »Kulturni styky Cech s cizinou az do välek
husitskych« (Die kulturellen Berührungen Böhmens mit der Fremde bis
zu den Husitenkriegen), das in gewisser Beziehung denselben Stoff, wie
Lipperts Werk und besonders der II. Band desselben behandelt. Es wäre
gewiss lohnend, diese zwei Sctiriften in ihren Ausführungen und Ergeb-
nissen gegen einander zu halten; mir lag es nur daran hervorzuheben,
dass Lipperts Arbeit schon als Gegengewicht gegen Tadra, der selbst von
connationaler Seite sich ernste Vorwürfe gefallen lassen musste, am
Platze ist.
Im ersten Bande sucht L. zu zeigen, zu welcher staatlichen Orga-
nisationsform die Slaven in Böhmen während ihrer Jahrhunderte langen
Ansässigkeit gelangten, was sie für den Ausbau der Kultur, für die Be-
siedlung des Landes thaten. In der Ausbildung ihrer Institutionen aus
eigener Wurzel wurden sie nun zweimal auf das nachhaltigste beeinflusst;
einmal durch die Einführung des Christentums, sodann durch die deutsche
Colonisation. Das Wesen und die Wirkungen dieser beiden neuen Elemente
in dem socialen Leben des böhmischen Volkes darzulegen, ist die Aufgabe
dieses zweiten Bandes. Jenes, das Christentum, schuf Klöster und Stifte,
dieses, die deutsche Colonisation. Stadt- und Dorfgemeinden.
Bei der Betrachtung des » socialen Einflusses der christlich-kirchlichen
Organisationen«, dem die 1. Abtheilung gewidmet ist, nimmt der Verf.
den Ausgangspunkt von dem üebergang des heidnischen in den christ-
lichen Cult; »Die Zeit des Ueberganges der Culte« heisst der 1. §. Die
1) Vgl. die Anzeige des I. Bandes in MittheiL XVIII (1897j, S.. 624 flt.
43*
668
Literatur.
ruhige und friedliche Christianisirung Böhmens lag begründet einerseits
in dem ]\Iiingel eines selbständigen heidnischen Priesterstandes, der durch
die neuen Glaubenshoten erst hätte verdrängt werden müssen, und dann,
weil nicht »aus einer inneren Gährung der Massen heraus ^S sondern
zuerst durch die Taufe der Grossen des Landes das Christentum ins Land
eindrang. Den Anknüpfungspunkt zwischen altem und neuem Cult bildete
aber vornehmlich das früher wie jetzt hochentwickelte Bedürfnis der Für-
sorge für das Fortleben der Seele. Von dieser Vorstellung der Seel-
geräthstiftung beurtheilt nunmehr der Verf. die Formen, in denen sich die
christlich-kirchlichen Organisationen ausbildeten: zunächst die »Collegiat-
stifte^S dann die » Mönchsorden *^'= »ritterlichen Onlen« und »jüngeren
(Mendicanten-) Orden*. Auf diesem Grundgedanken baut sich die ziemlich
eingehende Darstellung der materiellen Entwicklung dieser verschieden-
artigen Stiftungen auf. Es war unausweichlich, dass nach Erschöpfung
des »schon erschlossenen Nährbodens <S nun auch »halb erschlossenes Ge-
biet im Uebergange zu alten Markwaldungen und in diese selbst hinein^
verschenkt wurde, was nun wirtschaftliche Culturarbeit vom Grunde aus
bedingte, allein L. betont und erweist durch die Quellen, wie wenig bei
diesen Stiftungen die Colonisation an sich ins Auge gefasst wurde, we-
nigstens bis in die Mitte des 12. Jhd's. Lediglich das Cultraoment, die
» Seelsorge *^ in dem Sinne nämlich der Obsorge für das Seelenheil der
Stifter bildete die Triebfeder bei der Gründung und Ansiedlung dieser
klösterlichen Institute. Sehr deutlich und belehrend schildert der Verf.
die Modification in der Art dieser Leistungen für das Seelgeräthe, die
ailraählige Herabstiminung der Leistungen von den ursprünglichen gewal-
tigen Gütercomplexen bis schliesslich zu den unbedeutendsten Gaben be-
weglichen Gutes, mit denen sich die Mendikanten zufrieden gaben. »Der
Kampf um das Stiftungsgut ^'^ — so heisst der letzte Paragraph dieses ersten
Abschnittes — steht dann im Zusammenhange mit dem grossen an den
Namen P. Gregors VIL sich knüpfenden Kampfe zwischen Kirche und
Staat, der sich nach L's. Anschauung in Böhmen in dem »ziemlich lang-
wierigen Prozess zwischen König Ottokar I. und der Curie <^ kristallisirt
und in dem für die Kirche durchaus siegreichen Concordat von 122 2
seinen Abschluss findet. Es ist für den Ueberblick der ganzen Entwick-
lung erschwerend, dass der Verf. die weitere Ausbildung und Entwicklung
des » Seelgeräthes « nach diesem Kampfe in den früheren Paragraphen, die
die Zeit der »ritterlichen« und »jüngeren Orden« behandeln, voraus-
genommen hat; und der Grund, der dieser Disposition möglicherweise
zugrunde liegt, dass die Zeit der Entstehung der bischöflichen und klöster-
lichen Immunitäten in unseren Ländern sich deckt mit dem Beginn der
deutschen Colonisation, findet sich nicht genügend hervorgehoben. Sehr
bedauern wir. dass der Herr Verf., anders als in dem 1. Bande seines
Werkes, der inneren Organisation weniger Aufmerksamkeit geschenkt hat.
Nur in den Schlussbemerkungen zu diesem ersten Abschnitte fimlet sich
eine Andeutung über den Einfluss, den alle diese v Neuentwicklungen « auf
den Bauernstand gehabt haben. Wir sehen in der Darstellung ganz klar,
wie das grosse » Kirchengut ^S das etwa ein Drittel des ganzen Landes
ausgemacht haben .soll, binnen zwei Jahrhunderten entstanden ist, allein
die Veränderungen, die sich hiedurch in der Bewirtschaftung, in der Aus-
Literatur. ßßg
nützung des Bodens durch diese neuen Kräfte, in dem Zustand der ab-
hängigen Bevölkerung vollziehen, werden uns kaum angedeutet. Ich
glaube gerade die Immunitätsurkunden hätten hiefür noch manchen die
Verhältnisse, klar beleuchtenden Aufschluss zu bieten vermocht. Doch hat
L. diese mehr wirtschaltlichen Fragen vt^enigstens dann im 2. Abschnitt
dieses Bandes, der von dem »socialen Einfluss des deutschen Elements
iin Lunde^ handelt, wieder stärker berücksichtigt.
Das was uns L. hier bietet, verdient überhaupt schon ob der Ueber-
sichtlichkeit und Reichhaltigkeit volle Anerkenung. Er beginnt mit der
»Städtischen Colonisation«, die ihren Anfang nimmt mit »der deutschen
Gemeinde zu Prag — der ersten Bürgerstadt«. Ihr eigentlicher Begründer
und Schöpfer ist König Wratislav (i061 — 1092), das Wesen ihrer für
Böhmen völlig neuartigen Organisation ihre Selbstverwaltung und Selbst-
gerichtsbarkeit. Prag unterscheidet sich aber von den übrigen deutschen
Städten des Landes durch die Art ihrer Entstehung, indem sie allein von
;illen gleichsam aus einer zufälligen Wurzel, der ursprüglichen deutschen
Colonie im Suburbium der Burg herausgewachsen ist, während die anderen
von Grundherren planmässig beabsichtigte Anlagen zum Zwecke »vortheil-
hafter Verwertung des Grundes und der besonderen Erwerbsgelegenheit«
bilden. Das System dieser zweiten Gruppe »der Bürgercolonien auf Königs-
boden als königliche Städte - wird im 2. § vorgeführt und die Stadt
Policka als Paradigma diest-r Gründungen eingehend behandelt. Darauf
folgen in § 3 »Die Städtegründungen im Einzelnen -, um den ungeheuren
Umfang, den die deutschen » Bürgeransiedlungen <^ in Böhmen genommen
haben und den Antheil, den die einzelnen Fürsten daran haben, detaillirtest
vorführen zu können. Lippert hat damit ein ebenso anschauliches als
reiches Bild von dem deutschen Städtewesen in Böhmen geliefert, eine
sichere Grundlage für den weiteren Bau einer böhmischen Städtegeschichte
insbesondere vom wirtschaftlichen Gesichtspunkt. Was für sociale Umge-
staltungen die Einführung der bürgerlichen Gemeinden im Lande im Ge-
folge hatte, führt der Verfasser im nächsten 4. § aus. Es muss nach
Lipperts Darstellung ein ausserordentlich grosser Prozentsatz gewesen
sein, um den die Bevölkerung des Landes zufolge der deutschen Colo-
nisation vermehrt wurde, die sich in Kleidung und Sitte, Recht und
Sprache von der einheimischen streng schied, die sich ihr nur bis zu
einem gewissen Grade und anfangs nur ganz langsam assimilirte, indem
sie als Handwerksciasse in die Städte einzog, um der wirtschaftlichen,
bald aber auch der politischen Vortheile der neuen Organisation theil-
haftig zu werden. Doch auch in dem Wesen der neuen städtischen Ge-
bilde herrschte grosse Mannigfaltigkeit. L. scheidet zunächst von den
eigentlichen königlichen Städten, deren Kennzeichen darin liegt, »dass sie
aus jedem Zusammenhange mit jedem anderen Verwaltungsorgane aus-
geschaltet lediglich dem Unterkämmerer, d. i. der für sie eigens geschaf-
fenen Behörde des liönigs unterworfen sind und unmittelbar an die Kam-
mer ihren Kamraerzins entrichten '^^ die königlichen Villicationsstädte, »die
zunächst als Rentobjecte den Villications-Beamten untergeordnet blieben«:
der Aufzählung solcher mit Darstellung ihrer Entstehung und Ausbildung
ist der § 5 gewidmet, ohne dass hierin wegen des Quellenmangels eine
auch nur annähernde Vollständigkeit zu erreichen war. Dann lernen wir
(370 Literatur.
in § 6 die »Städtegründungen geistlicher Herrschaften •, in § 7 die »auf
Adelsgütern ^^ kennen. Und nun folgen zwei Paragraphe unter dem Titel
»Charakter der Stadtanlagen ^^ und » Sprachenverhältnisse <S die, wenn auch
kurz, uns in das innere Leben der neuen Bildungen einführen. Der
Grundplan der Städte, die Bauanordnung, die Bevölkerungsclassen. die
neuen Betriebsformen, vor allem das Aufkommen der Tuchmacherei. die
irüher dem Lande fremd war, werden erörtert. Die Ausführungen über
die Sprachenverhältnisse haben dann eigentlich den Zweck die Vorstel-
lungen über die weite Verbreitung der deutscheu Sprache, wie sie sich
im Leser aus den früheren Kapiteln leicht bilden könnten, auf das richtige
Maass einzuschränken. Ein letzter § behandelt dann noch gleichsam an-
hangsweise die »Ländliche Colonisation* als solche, nachdem sie auch
schon in den früheren Ausführungen über die städtische Colonisation viel-
fach gestreift worden war. Wichtig ist, dass L. hier neben der fränki-
schen Kolonisation, deren typische Form A. Meitzen in Meissen, der Ober-
lausitz, Schlesien und Böhmen nachwies, eine zweite »ältere« Form zu
constatiren sucht, die vorzugsweise dem »bairisch-österreichischen Stamme*
angehört und sich durch das Zehentsystem der Naturabgaben im Gegen-
satze zum festen Geldzins charakterisirt, ebenso wie durch die verschiedene
Anlage. L. verfolgt von der Hohenfurter Gegend ausgehend die Coloni-
sation nach beiden Formen wenigstens in grossen Zügen durch das ganze
Land und schliesst mit dem Nachweis der Umlocirung alter Dörfer, dh. der
Umwandlung der alten Besitzungen der »toten Hand"^ durch das Burg-
recht in ertragsfähigere Rentengüter, wie sie besonders das 14. Jhd.
beherrscht.
Scheint es, als ob dieses für die Geschichte Böhmens bedeutsame
Werk, dessen nicht mindestes Verdienst hoffentlich darin bestehen wird,
dass es zur Forschung auf dem Gebiete der Social- und Wirtschafts-
geschichte neue Anregung bieten dürfte, nicht ohne die Unterstützung der
»Gesellschaft zur Förderung deutscher Wissenschaft, Literatur und Kunst ■■=
hätte erscheinen können, so gebührt dieser besonderer Dank. Sie hat
hier eine Arbeit unterstützt, die kein österreichischer Historiker über-
sehen darf.
Brunn. B e r t h o 1 d B r e t h o 1 z.
Neuere Arbeiten zur Wielif- und Husliteratur.
Hier sind in erster Linie die neuesten Ausgaben Wiclif'scher Werke,
vornehmlich als abgeschlossenes Werk ilie Ausgabe von Wiclifs Tractatus
de Simonia durch Herzberg-Fränkel und M. H. Dziewicki zu nennen. Da
in diesen Blättern über die Arbeiten der Wielif- (in England schreibt man
seit Matthew's sachgemässen Erörterungen Wyclif) Society noch nichts
zusammenhängendes gesagt wurde, möge mir gestattet sein, etwas weiter
auszuholen und ohne in einzelnes einzugehen, die Leistungen der W. S.
hier anzuführen. Seitdem sie zur Feier des fünfhuudertjährigen Todes-
tages W.'s dessen polemische Schritten vor etwas mehr als drei Lustren
erscheinen Hess, hat sie nicht weniger als 24 Bände Wiclif'scher Schriften
publicirt, eine Leistung, die um so höher anzuschlagen ist, wenn man die
Literatur. gY 1
wahrhaft ärmlichen Mittel in Kechnung zieht, mit denen die Gesellschaft
arbeitet. An die polemischen Schriften Wiclifs, deren treffliche Ausgabe
wir Rudolf Buddensieg in Dresden danken, schlössen sich als Vereinsgabe
für 1884 an De Civili Dominio I (ed. Reginald Lane Poole) und De Com-
positione Hominis (ed. R. Beer), für 1885 De Ecclesia (ed. Loserth) und
der Dialogus sive speculum ecclesiae militantis (ed. Pollard), für 1886
De Benedicta Incarnatione (ed. Harris) und Sermones 1 (ed. Loserth), für
1887 Sermones E (ed. Loserth) und De Officio regis (ed. Pollard and Sayle),
für 1888 Sermones III (ed. Loserth) und De Apostasia (ed. Dziewicki),
für 1889 Sermones IV (ed. Loserth), für 1890 De Dominio Divino (ed.
Poole) für 1891 Quaestiones und De Ente Praedicamentali (ed. Beer),
1892 De Eucharistia (ed, Loserth), 1893 De Blasphemia (ed. Dziewicki)
1894 Logica 1 (ed. Dziewicki), 1895 Opus Evangelicum I Sc II (ed. Loserth)
1896, Opus Evangelicum III Sc IV ^= De Antichristo (ed. Loserth), 1897
Logica II (ed. Dziewicki) und 1898, De Simonia (ed. Herzberg Fränkel et
Dziewicki). Schon erschien als Vereinsgabe für 1900 De Civili Dominio II
(ed. Loserth); noch 11 Bände, und die gesummten Werke Wiclifs liegen
dann in kritischen Ausgaben vor, eine Sache, die von ausserordentlicher
Wichtigkeit ist, weil sich erst dann eine genauere Darstellung des Ent-
wicklungsganges des englischen Reformators gelten lässt; bevor dies ge-
schehen, müssen alle Anwürfe gegen Wiclif, als sei er sich in seinen
Ueberzeugungen nicht consequent geblieben, zurückgewiesen werden. Gewiss,
er hat über manche Materien sich in widersprechender Weise geäussert,
aber wie man hinzuzufügen hätte, nicht zu derselben Zeit, was man schon
aus den bisher publicirten Schriften mit aller Deutlichkeit ersehen kann.
Bekanntlich sind nicht alle theologischen Schriften Wiclifs (und nur diese
will ich hier erwähnen), von gleichem Werte. Während manche durch
ihren gedankenschweren Inhalt und die gefällige Form der Darstellung
auffallen, einzelne wie der Trialogus eben durch den Aufbau und die Form
der Darstellung in ihrer Zeit nicht gleiches fanden, sind andere mehr
oder minder zufällige Gelegenheitschriften, wie z. B. selbst sein berühmtes
Buch von der Kirche, oder sein dreibändiges Werk De Civili Dominio,
von den grösseren und kleineren Streitschriften gar nicht zur reden.
Man muss das im Auge behalten, um manche Eigenthümlichkeiten der
Wiclif'schen Conception zu verstehen, zunächst schon das, dass in so vielen
Schriften dasselbe gesagt wird, die gleichen Argumente nur anders gruppirt
sind und damit eine andere Schrift zu Tage gefördert wird. Zu den besseren
Arbeiten gehört nun auch die vorliegende, wenngleich sie Dziewicki etwas
zu hoch einschätzt. Ihre Ausgabe danken wir, wie schon oben angedeutet
ist, dem Fleisse Herzberg-Fränkels, d-er uns einen correcten Text bietet
und diesen mit reichen kritischen imd sonstigen sachlichen Noten versehen
hat 1). Da er selbst durch viele andere Arbeiten, schliesslich durch seine
Uebersiedlung an der Beendigung des ganzen Unternehmens verhindert
war, trat für ihn Dziewicki in dankenswerter Weise ein. Doch bringt
uns auch die Einleitung noch aus der Feder Herzberg-Fränkels die all-
gemeinen Bemerkungen und was das Wichtigste ist, die Berichte über die
") Johannes W3-clif tractatus de Simonia ed. Herzberg-Fränkel u. M. H.
Dziewicki, London 1898 by Trübner ii C.
(372 Literatur.
einzelnen Handschristeu und deren Ueberlieferung. Dziewicki fügt an.
was sich über das Datum der Abfassung sagen lässt und gibt endlich
eine genaue Angabe des Inhalts. Ich kann über diese Ausgabe als solche
nach mehrfacher eingehender Benützung nur das Beste sagen. S. XIV
würde ich gern noch hinzugefügt sehen, dass in De Simonia Wiclifs
Schriften De Veritate Sacrae scripturae und De Eucharistia citirt werden,
deren Abfassungszeit sich mehr oder minder, namentlich genau die
der ei'steren feststellen lässt. Mit den ersten Worten De Simonia: Post
generalem sermonera de heresi restat de eius partibus pertractandum knüpft
Wiclif offenbar an ein früheres Werk De heresi an. Welches ist dies?
Soll man an ein verlorenes Werk W.'s denken?
Ueber meine Ausgabe von W.'s De Civili Dominio II will ich nichts
sagen, ehe der dritte Band vorliegt ^).
Weniger bedeutend sind die neueren Arbeiten für den Husitismus.
Von verhältnismässiger Wichtigkeit ist aber doch ein Fund, den
Dr. Ladislaw Klicman gemacht hat, der in dem schon von Palacky in
seiner Italienischen Eeise erwähnten Cod. Ottobonianus lat. 348 den gegen
den Magister Hieronymus von Prag in Wien im Jahre 1410 geführten
Prozess, bezw. die Acten dieses Prozesses gefunden hat. Ueber die Sache
selbst ist man auch bisher schon aus dem bei von der Hardt IV, 68:5
mitgetheilten Schreiben unterrichtet gewesen, aber hier erfahren wir in
einem notariellen Aktenstück die Genesis der Anklage, die ihm zur Last
gelegten ketzerischen Artikel, die von Hieronymus dagegen gemachten Ein-
wendungen und die Zeugenaussagen gegen Hieronymus. Diese bieten
deswegen ein grosses Interesse, weil sie uns aus den früheren Jahren des
Hieronymus, namentlich aus der Zeit seines Aufenthaltes in Paris und
Heidelberg manche wichtige bisher unbekannte Einzelnheiten bringen.
Drum ist es ein Verdienst Klicmans, seinen Fund der Oeffentlichkeit über-
geben zu haben -). Die Einleitung führt gleich in die Sache selbst ein
und erzählt den Verlauf der ganzen Handlung in Wien, behandelt dann die
einzelnen Anklagen, die zum Theil die Artikel Wiclifs, zum Theil spezielle
Khigen gegen Hieronymus betreffen und bespi icht dann das Alter des Cod. Die
Ausgabe sclieint correct zu sein. Der Herausgeber hatte nicht die Absicht
über die geschichtliche Bedeutung des processus iudiciarius sich zu verbreiten ;
. noth wendig wäre es indess doch gewesen, aus den von mir mitgetheilten
Briefen gegen Hus und die Pi'ager Universität seitens des Magisters
Johannes Siwart und der Wiener Universität (mindestens in einer Note)
den Benutzer dieser Ausgabe auf das Schreiben der Wiener Universität
vom Jahre 1413 hinzuweisen, da sich dort eine Stelle findet, die mau
unzweifelhaft auf diesen Prozess deuten wird und die folgendermassen
lautet: Contentus sub qulbus penis idem Jeronymus sponte se obligavit
et publice per aliquos terminos iudiciales servando praemissa comparuit.
sed cum appropinquaret terminus examinandi festes idem Jeronymus sue
obligacionis et fame ymmo salutis immemor dam recessit, sicque dictas
periurii et excommunicationis penas pronunciabatur iudicialiter in causa
•) Johannes Wyclif, De Civili Dominio liber sceundus ed. J. Losertb, London
1900 (a. oben) by Trübner.
-) Processus iudiciarius contra Jerouimum de Praga, habitus Viennae
a. 1410—1412. v Praze. Hist. arcbiv ceske akademie. öislo 12, XI und 43 S8. gr. 8''.
Literatur. ß73
heresis incurrisse, prout praemissa omnia et singala de Dominico et Jero-
nymo in causarum actis luce clarius adapparent. Und auch
dass das Vorgehen im Jahre 1413 mit dem des Jahres 1410 zu-
sammenhängt, wird durch die Worte angedeutet: Estque ob hoc
ipse Jeronymus hie et Präge publice denunciatus. Man
sieht, dass durch den von Klicman mitgetheilten Processus die gegen
Hieronymus im Jahre 1413 gerichteten Anwürfe erst in die rechte Be-
leuchtung rücken, diese bilden eine Art Fortsetzung des gegen Hieronymus
im Jahre 1410 eingeleiteten und bis zum 3J. August 1412 fortgeführten
Verfahrens. In beiden liest man:
1412 August 31.
excommunicacionem plus
quam ultra annum sustinuit
animo indurato. Qua propter . . .
procurator . . . requisivit . . . officium
officialis, quatenus dictum magistrum
... ob hoc velut hereticum condem-
pnare . . voluerit.
1413 nach dem 8. Juli.
In quibus excommunicacione et
periurio iuxta pronunciacionem pre-
fati domini officialis in causa heresis
ultra annum pertinaci animo per-
dui-avit. Ob quod iuxta dispositiouem
iuris et sanctorum patrum sancciones
non restat nisi ipsum velut hereti-
cum . . condempnari:
Von sonstigen in dieses Gebiet einschlägigen Arbeiten sei noch er-
wähnt die Ausgabe der Historia Gestorum Christi ex quatuor evangelistis
in unum coUecta atque secundum tres annos praedicationis eins distincta
per magistrum de Hussinetz von Herman Lund ström in Upsala ^) —
eine Schrift aus dem 16- Jahrhundert, die sich in dem schwedischen Stifts-
archive zu Linköping in Oestergötland findet, und die, wie der Heraus-
geber meint, »eine Evangelienharmonie oder richtiger die Epitome einer
solchen enthält ^^ Die Zugehörigkeit zu den Schrilten des Hus ist trotz
der üeberschrift eine unsichere. Dem Inhalte nach dürfte sie eine Aehn-
lichkeit mit der Brevis historia Christi im Cod. pal. Vindob. 4445 haben,
die das gleiche Incipit hat: In principio ei'at verbum, und sieh noch ein
zweitesmal in der genannten Bibliothek findet. Dem Hus wurden be-
kanntlich von jeher Schriften zugeschrieben, die ihm nicht zugehören :
giengen doch auch Predigten Wiclifs unter seinen Namen. Zu den refor-
matorischen Schriften wird man übrigens die Historia gestorum Christi
nicht zählen dürfen. Eine kleine Studie des Schreibers dieser Zeilen -)
behandelt das Leben und die literarische Wirksamkeit Stephans von
Dolein, der unter den einheimischen Gegnern des Hus entschieden der
bedeutendste und auch der einzige war, der mit Erfolg den Kampf gegen
das aus dem Wiclifismus herauswachsende Hussitenthum aufgenommen hat.
In dieser Arbeit werden zwei Briefe Stephans, der eine an den König
Sigismund (aus dem Jahre 1419, enthält die Aufi'orderung, in Böhmen
und Mähren Ordnung zu machen), der andere an den Domherrn Stephan
von Prag mitgetheilt.
') Magister de Hussinetz Historia gestorum Christi för första gangen utgifven
med inledning af Herman Lundström. Upsala 1898 50 SS.
-) Loserth, die literarischen Widersacher des Hus in Mähren. Zeitschrift
des Vereins für die Geschichte Mährens und Schlesiens L Jhg. 4. Heft.
gY4 Literatur.
Auf ein viel wichtigeres Werk darf ich an dieser Stelle nur mit
wenigen lobenden Worten hinweisen, weil ich darauf an einem anderen
Orte näher einzugehen habe: es ist Jecht's schöne Ausgabe der auf den
Oberlausitzer Hussitenkrieg bezüglichen Urkunden i).
J. L 0 s e r t h.
E. Brau eleu bürg. Moritz vou Sachseu. I. Bis zur
WitteuV) erger Capitulatio n. Leipzig 1898. 557 S.
Wer jemals mit lebhafteren auf das Persönliche gerichteten Interessen
an die Geschichte der Reformationszeit herangetreten ist, dem werden vor
allem in den führenden drei Männern psychologische Probleme lö^ens-
würdigster Art begegnet sein; in Martin Luther, Kaiser Karl V. und
Herzog Moritz von Sachsen, den Trägern nicht blos der historischen Ent-
wicklung einer der bedeutsamsten Geschichtsepochen, sondern auch einer
höchst merkwürdigen, vielfach nahezu räthselhaft anmuthenden persönlichen
Eigenart. Es scheint überflüssig, auf die Menge von mehr oder minder
gelungeneu Versuchen, das Leben des deutschen Reformators darzustellen,
auf die Geschichte Karls V. von Hermann Baumgarten, die Studien Levas
über den Kaiser, die noch immer unübertroffene wundervolle Charakter-
schilderung hinzuweisen, die Leopold von Ranke von ihm entwirft: was
bisher an zusammenfassenden Arbeiten über das Leben Moritzs von Sachsen
vorgelegen hat, des Mannes »so bedächtig und geheimnisvoll, so unter-
nehmend und thatkräftig, mit so vorschauendem Blick in die Zukunft und
bei der Ausfühung so vollkommen bei der Sache und dabei so ohne An-
wendung von Treue und persönlicher Rücksicht« (Ranke, Deutsche Ge-
schichte 5, 236), ist herzlich wenig: F. A. v. Langenns unkritische
Materialiensammlung und die hierauf gegründete, unvollendet gebliebene
Studie G. Voigts; eine brauchbare Gesammtdarstellung seines Lebens hat
bis nun gefehlt; diese Lücke auszufüllen beabsichtigt die sehr ein-
gehende, vor anderem aut die systematische Durcharbeitung des Acten-
materiales des Dresdener Hauptstaatsarchives und der Archive von Mar-
burg und Weimar gegründete Blografie E. Brandenburgs, deren erster die
Zeit vom Regierungs beginn als Herzogs bis zum Gewinn der sächsischen
Kurfürstenwürde und -Lande umfassender Theil hiemit vorliegt; der Verf.
will, wde er im Vorworte bemerkt, insbesondere versuchen, »den Charakter
und die einzelneu Handlungen des Herzogs Moritz zu verstehen und die
Bedeutung seines Wirkens für Deutschland und für Sachsen zu bestimmen « ;
nach beiden Seiten hin ist sie nicht ohne sehr bemerkenswerte und —
wie die Dinge zu liegen scheinen — unanfechtbare Ergebnisse geblieben:
V olle Klarheit des Urtheilens wird freilich erst nach Herausgabe der in
Betracht kommenden Actenstücke aus den obgenannten Archiven ermög-
licht sein.
') Codex diplom. Lusatiae superioris II enthaltend Urkunden des über-
lausitzer Hussitenkrieges und der crleichzeitigen die Sechslande angehenden
Fehden. Görlitz 1896 — 1S99.
Literatur. 675
Einer Würdigung der poliiisch-geographischen Situation des Wettin-
schen Besitzes, im besondern der von Hohenzollern und Wettinern gleich
heissbegehr^en Stadt Magdeburg und einer anschliessenden knappen Vor-
geschichte des sächsischen Herzogs- und Kurfürstengesehlechts folgt eine
sorgfältige Schilderung der Jugendjahre des am 21. März 1521 als Sohn
des Herzogs Heinrich von Sachsen und Katharinas von Mecklenburg ge-
borenen Moritz, welche die religiöse Indifferenz (hiefür vgl. man
u. a. das merkwürdige Memorial des Herzogs vom 10. März 154;". von
Br. 368 f. in Auszuge mitgetheilt ferner s. 407/8) des späteren Herzogs
und Kurfürsten, seine Abneigung gegen den mit zunehmendem Alter immer
unduldsameren Luther, den fast völligen Mangel von Gefühl und Rück-
sicht aus den Verhältnissen seiner Jugendzeit und besonders aus dem
schlechten Verhältnisse zu seinen Eltern heraus zu erklären unternimmt:
eifrig geht der Verf. den Spuren der Charakterbildung des jungen Mannes
nach: frühzeitig tritt ein Zug von Unaufrichtigkeit an diesem hervor; daraus
entwickelte sich seine Art, »leicht zu versprechen und wenn das gege-
bene Wort unbequem wurde, solange daran herumzudeuten, bis nichts
mehr übrig blieb ^'^ (fil. 214); von allen Leuten ist wohl Landgraf Philipp
von Hessen zeitlebens der einzige gewesen, dem Moritz herzlich zugethan
war und blieb; dessen Tochter Agnes, am 11. Jänner 1539 dem Herzog als
Gemahlin angetraut, kam nie in ein rechtes Verhältnis zu ihrem Gatten ;
sie liebte ihn, lebte aber doch eigentlich »in beständiger Angst vor ihm.
aufrichtig wenn er zu Hause, und in fortwährender Sorge um ihn, wenn
er fort war«; rücksichtslos, selbstbewusst und leidenschaftlich tritt er,
kaum erst zwanzigjährig am 18. August 1541 die Regierung an (L Ab-
schnitt S. 1 — 7 5).
Vor die weitere Betrachtung der politisch-historischen Entwicklung
der Dinge ist eine wohlgelungene Betrachtung der Zustände im Reiche
und besonders in Sachsen zur Zeit des Regierungsantritts Moritzens
eingeschoben, (H. Abschnitt 70 — 15l); in kurzer Ski/zirung wird
die Wendung von der Naturalwirtschaft des Grossgrundbesitzes zur
Geldwirtschaft der Städte und die wachsende Entwicklung des Terri-
torialsystems in Deutschland dargestellt, gezeigt, wie um die Zeit des
Eingreifens der reformatorischen Bewegung der politischen Geschlossen-
heit des Nordens und Ostens eine Vielheit einander widerstrebender
Gewalten im Süden und Westen gegenüberstand und die Stellung der
einzelnen Stände, vor allem des Kaisers zur neuen Lehre aus ihren
Interessen heraus erörtert; fast durchwegs erscheinen die leitenden Persön-
lichkeiten glücklich charakterisirt; doch kann die Zeichnung der hervor-
ragendsten, des Kaisers selbst, so zutreffend sie im ganzen ist, an einer
Stelle nicht widerspruchslos bleiben; wenn der Verf. den scrupellosen
Idealisten schlechtweg nach Sprache und Bildung einen Franzosen nennt
(S. 92), so steht dieser Behauptung entgegen und ist mit Recht neuestens
darauf hingewiesen worden (G. Wolf, Deutsche Geschichte im Zeitalter
der Gegenreformation I, 286), dass der Kaiser, in einem mit Deutschland
noch eng verwachsenen Lande geboren, von einer deutschen Kaisertochter
— Margarethe — erzogen, von einem den deutschen Gelehrtenkreisen
nahe verwandten Manne — Adrian von Utrecht — seine religiösen Grund-
sätze empfangen habe; jene absolute Verständnislosigkeit für deutsche
^376 Literatur.
Verhältnisse, deren Karl V. von der Geschichtsforschung bisher gez'ehen
wurde, bestand in diesem Ausmasse nicht; es lag von jeher in der Natur
des universalistischen römischen Kaiserthums deutscher Nation, nicht
deutsche, sondern Weltpolitik zu treiben ; vpie hätten solche Ueberlieferungen
bei dem v^irklichen Herrn so vieler romanischer Lande nicht die tiefste
Wirkung üben müssen!
VortretFlich, wenn auch naturgemäss mehr lokalgeschichtlich be-
fieutsam erscheint die Darstellung der wirtschaftlichen, rechts-, verwaltungs-
und religionspolitischen Zustände in den Wettin'schen Landen, der Ent-
wicklung des Berufsbeamtenthums im Gegensatze zu dem Adel — umsomehr
als dem Verf. hiefür keine brauchbaren Vorarbeiten vorgelegen haben.
Jung, ohne politische Anschauungen und Erfahrung, von fremdem
Rath und Einfluss vielfach abhängig, keineswegs ein »fertiger Staats-
mann"^ oder ;, diplomatischer Rechenmeister-^ wurde Moritz Herrscher;
zunächst war er fast völlig von seinem ersten Minister, dem alten Georg
von Carlowitz geleitet; die Dresdener Politik der Jahre 1541 — 1545 ist
zum allergrössten Theile Rathspolitik, wenn auch gelegentlich von plötz-
lichen Entschlüssen des Herzogs durchbrochen; Carlowitz war Neutralitäts-
und Kirchenvermittlungspolitiker, im übrigen ein Parteimann des Hauses
Habsburg und eifrig darauf bedacht, seinen jungen Herrn aus dem
schinalkaldischen Bunde, dem sein Vater Herzog Heinrich beigetreten war,
und überhaupt aus der engen Verbindung mit dem Landgrafen Philipp
und Kurfürsten Johann Friedrich herauszuziehen ; in detaillirter Unter-
suchung führt der Verf. vor, wie dies mehr und mehr gelang; die Ver-
stärkung der gegensätzlichen Interessen beider Wettiner half dazu und
machte die Vermittlungsarbeit des Landgrafen immer schwieriger und
iindankbarer : dass sich der abenteuerlustige Fürst zu dem Türkenkriege
von 1542 gewinnen Hess, dessen kläglischer Verlauf nicht ohne Humor
geschildert wird (213 — 21"), brachte ihn den Habsburgern näher und
machte die protestantischen Fürsten misstrauisch ; letzteres um so mehr als
■ 1er Herzog dem schmalkaldischen Bunde nicht beitrat; lauter Erfolge des
leitenden Ministers, der in Briefen voll rücksichtsloser Schärfe seines
Herrn Lehrmeister blieb. (III. Abschnitt. 151 — 212).
In den fortdauernden Bemühungen von schmalkaldischer und habs-
burgischer Seite, den Herzog herüberzuziehen, wandte Carlowitz das ganze Ge-
wicht seiner Einflusses den letzteren Bestrebungen zu; in glücklicher Klarheit
veranschaulicht der Verf. das langsame Vordringen der überlegenen habs-
burgischen Politik (vgl. S. 244. 251, 275 und die Abschnitte VI und VII,
41 S — 442) und die geringen politischen Fähigkeiten der protestantischen
Fürsten; die magdeburgisch-halberstädtischen Angelegenheiten, der eigent-
lich unüberbrückbare Gegensatz zwischen beiden Wettinnern, der mehr wie
alles andere eine engere Beziehung des Herzogs zu den schmalkaldischen
Verbündeten unmöglich machte, werden mit aller Genauigkeit auseinander-
gesetzt (S. 225 — 232, 259 — 274; ferner 387—391, 412—418). — In
einem V. Abschnitte (S. 281 — 356) wird die auf die Einführung der Re-
formation in Sachsen gerichtete Thätigkeit des Herzogs, namentlich die
Verwertung der säcularisirten geistlichen Güter und die dadurch erzielte
finanzielle Unabhängigkeit des Landesherrn von den Ständen klargelegt;
besonderes Interesse bieten die Mittheilungen über Organisirung und Do-
Literatur.
GTT
tirung des Schulwesens (301 — 307); Carlowitz schreibt: »soll der Christeu-
glauben bestehen und eine christliche Einigkeit erhalten werden, so muss
man die gute Zucht an der Jugend anfahen; denn man saget: ein alter
Hund ist böse bändig zu machen* (S. 304); auch über das Finanzwesen,
besonders das Bergwerks- und Münzwesen bringt das Buch beachtenswerte
Angaben; man lernt hiebei die mit seltener Arbeitskraft gepaarte Ge-
schicklichkeit Carlowitzs kennen; wenn derselbe nun gleichwohl im Laufe
des Jahres 1545 sich von den Geschäften zurückzog, so ist der Grund
wohl in der immer heftigeren Opposition des Adels gegen diese landes-
lürstlichen Reformen zu suchen ; sein Rücktritt machte den Herzog noch
lange nicht entschlussfrei ; die Dr. Türk, Dr. Sachs. Otto von Diskau und
andern Räthe hatten nicht den gleich starken persönlichen Einfluss auf
Moritz wie er, aber die habsburgerfreundliche Politik, die diese Männer
im Rathe gegenüber einer protestantisch gesinnten Minorität (Dr. Komer-
stadt u. a.) vertraten, blieb auch weiterhin am Dresdener Hofe vorherr-
schend ; das mochte umsomehr besagen, als die Entscheidung immer näher
li eraufzog.
Eine j>Zeit des Schwankens* benennt Brandenbm-g die Zeit vom
Frühjahr 1545 bis zum Herbste 1546 (VL Abschnitt 357 — 492): eiu
fortwährendes Plänemachen und Aufgeben, immer wiederholte Vermitt-
lungsversuche des durchaus neutral bleiben wollenden Fürsten, deren ein-
gehende Darstellung der Verf, mit der Zusammenfassung seines wohl un-
anfechtbaren Hauptergebnisses abschliesst (489 — 492): das Verhalten des
Herzogs vor dem schnialkaldischen Kriege ist bisher fälschlich als ein von
Anfang an zielbewusstes und hinterlistiges, seine Politik fälschlich als eiu
wohlüberlegtes Handelsgeschäft zwischen den zwei Bietern, den Protestanten
und den Habsburgern aufgefasst worden; »die Wahrheit ist, das.s
Moritz nicht seine Hilfe in diesem Kriege dem Meist-
bietenden verkauft hat, dass er vielmehr unpolitisch genug
dachte, neutral der Entscheidung zusehen und, wer auch
siege, unangegriffen !> leiben zu können, dass aber der
Zwang der Umstände und die überlegene politische Kunst
der Habsburger ihn schliesslich aus dieser unklug ge-
wählten Stellung hinausmanövrirte und zum Eingreifen
in den Kampf zwang* (s. 492); diese Kunst nöthigte ihm den Ver-
trag von Regensburg (20. Juni 1546) auf, machte ihn damit zum
Werkzeuge habsburgischer Politik (s. die bemerkenswerten Ausführungen
440 — 442) und wurde ihm im Laufe des Krieges noch fühlbarer (VIL Ab-
schnitt 493 — 557), da man sein Land schutzlos dem Feinde preisgab, sich
die späte Hilfe mit einem Theil des Siegespreises bezahlen Hess, ihm die
Ernestiner in Thüringen, die Hohenzollern in Magdeburg in die Flanke
setzte, ihn schliesslich in der Angelegenheit seines Schwiegervaters hinten
Licht führte; in dieser harten Schule sollte das diplomatische Talent sich
bilden, nach dessen Bethätigung man in Moritzens ersten Regierungsjahreu
vergebens suchen wird.
Daneben wird auch ein zweites Ergebnis nicht abzuweisen sein: das
Eingreifen Moritzens in die Händel des üchmalkaldischeu
Krieges ist nicht ausschlaggebend für das Ende des Donau -
krieges gewesen, wie dies besonders scharf Egelhaaf (Deutsche Ge-
^^jYg Literatur.
.schichte im Zeitalter der Reformation II 47 2 — 473) ausspricht; vielmehr
war es der Geldmangel, der es den Protestanten unmöglich machte, ihre
Truppen beisammenzuhalten (s. 500 — 504). Die hin und wieder ange-
stellten Versuche, das Vorgehen Carls V. gegen Philipp von Hessen der
listig berechnenden Absichtlichkeit zu entkleiden, haben niemals über-
zeugend wirken können ; indem sie Brandenburg entschieden ablehnt, be-
schuldigt er in klaren Worten, übrigens in stylistisch unzulässiger Wieder-
holung, die habsburgische Politik der Scrupellosigkeit in der Wahl ihrer
Mittel: ob damit nicht eine Ungerechtigkeit in der Beurtheilung König
Ferdinands unterläuft, möchte doch wohl noch ernstlich zu bedenken sein.
Die durch die Natur des Gegenstandes bedungene Breite der Dar-
stellung hat kaum etwas Ermüdendes ; zahlreiche Einzelzüge aus dem
Innenleben des Herzogs und seines Umkreises unterbrechen in glücklicher
Anordnung die mehrmals nicht zu vermeidende Eintönigkeit der diplo-
matischen Geschichten; nicht völlig zutreffend erscheinen die Bezeich-
nungen der kaiserlichen Käthe; neu des öfteren doch nicht belegt ist (s. 96)
die Bezeichnung des jüngeren Granvelle als Staatssekretär der deutschen
und italienischen Angelegenheiten (?); Dr. M. Held ist nicht kaiserlicher,
sondern ßeichsvicekanzler (ganz richtig bei Kanke D. G. 4, 7l), Dr. J. Jonas
nicht böhmischer Kanzler, sondern österreichischer Hofvicekanzler (s. 191,
47 3); ebensowenig wird man die königlichen Räthe Ferdinands böhmische
Räthe nennen dürfen (476).
An der Bedeutsamkeit der gewonnenen Ergebnisse ändern diese
Kleinigkeiten nichts; man darf füglich gespannt sein, welche Resultate
sich Brandenburg aus dem reichen Borne seiner handschriftlichen Quellen
für die Folgezeit des Lebens und Wirkens Moritzs von Sachsen ergeben
werden.
H. Kretschmavr.
Pierre Boye, ün roi de Pologue et la couronne du-
cale de Lorraine. Stanislas Leszczynski et le troisieme
traite' deVieuue, d'apre's les archives d'Etat, les papiers du roi
de Pologne et autres documents inedits. Paris, Berger-Levrault et Cie :
Vieune, Gerold et Cie. 1898. XX, 588 S. 8°.
Pierre de Segur, Le royaume de la Eue-St. -Honore.
Madame Geoffrin et sa fille. 4. edition. Paris, Calmaun Levy,
1898. VI, 503 S. 8°.
1 . Gründliche, fleissige Specialforschung mit vollkommener Heranziehung
alles Materials, besonders auch mit Beherrschung der in fremden Zungen
geschriebenen Quellen und Literatur, wurde lange Zeit als eine Art Pri-
vileg deutscher Geschichtswissenschalt betrachtet, wogegen man den Fran-
zosen gern den Ruhm eleganten Ausdrucks, fesselnder, geschmackvoller
Darstellung zuerkannte. Jenes Vorurtheil ist mehr und mehr geschwunden ;
zahlreiche Werke französischer Historiker legen ehrenvolles Zeugnis dafür
ab, dass ihre Verfasser an Fleiss und Akribie hmter Niemand zurückstehen.
Literatur. 679
Auch das Werk B o y e' s, der sich seit Jahren mit der eingehenden Durch-
forschung der Geschichte Stanislaw Lescszynskis beschäftigt, ist eine so
solide Leistung ernster Forscherthätigkeit, dass man nur seine volle Be-
friedigung darüber aussprechen kann. Wenn auch B. keine so flüssige
und bequeme Lektüre bietet, wie — um ein Beispiel dieser Zeit zu
wählen — die Arbeiten des Herzogs von Broglie, sondern an die Aus-
dauer des Lesers hr)here Anforderungen stellt, so ist über der Forschung
doch die Darstellung keineswegs vernachlässigt und B. hat sich mit Erfolg
bemüht, seine anregende Darstellung durch geschickte Einstreuung von
Proben zeitgenössischer Gelegenheitsdichtungen zu beleben.
Leszczynkis Emporkommen wird kurz besprochen, ausführlicher sein
Leben seit 1714, wo er als Flüchtling in Karls XII. Fürstenthum Zwei-
brücken und dann im französischen Weissenburg lebte, ferner die
Vorgeschichte der Ehe seiner Tochter Marie mit Ludwig XV. Der Herzog
von Bourbon und seine Freundin, die Marquise de Prie, hatten Stanislaw
bei der ersten geheimen Verhandlung über diese Vermählung den Verzicht
auf seine polnischen Pläne zur Bedingung gemacht, allmählich aber nach-
gegeben und schon 17 26 durfte der Exkönig hoffen, beim Tode Augusts
des Starken von Polen auf Frankreichs Unterstützung rechnen zu können.
Doch Cardinal Fleury. Bourbons Nachfolger, wollte ihm nicht wohl und
blieb, obwohl schliesslich 1733 gegen seinen Willen zur Förderung der
Kandidatur Stanislaws getrieben, im Geheimen dessen Gegner Die Eüh-
rigkeit Montis, des mit reichlichen Geldmitteln operirenden französischen
Gesandten in Warschau, erzielte am 12. September 17 33 Stanislaws Wahl,
nur dem Eingieifen der Russen unter Lacy verdankte der Kurfürst von
Sachsen seine Gegenwahl am 5. Oktober. Eingehend ist Frankreichs
weiteres Verhalten während der Belagerung des mit schnöden Schutzver-
sicherungen getäuschten Danzig geschildert. Rückhaltslos deckt B. Fleurys
Spiel auf, der jede ernstliche Unterstützung des Polen zu verhindern oder
erfolglos zu machen wusste. nur hätte B. schon früher eine Andeutung
über die politischen Motive des Cardinais geben sollen, von denen er erst
später, als sie bei Gelegenheit der Wiener Verhandlungen 17 35 zu Tage
traten (S. 371 folg.) spricht: Fleurys Herzenswunsch war hiernach ein
engstes Bündnis Frankreichs und Oesterreichs, seine Abneigung gegen Sta-
nislaws Königthum beruhte darauf, dass er in ihm den Störer dieses
grossen Planes sah und er hielt es nach seinem Ausdruck für »un devoir
religieux,« alle polnischen Pläne Chauvelins, des Staatssekretärs des Aus-
wärtigen, zu durchkreuzen. Bei solchem Uebelwollen der Regierung war
alle Anstrengung und persönliche Aufopferung einzelner Franzosen, wie
Montis und seines Kopenhagener CoUegen Plelo , aussichtslos. Fleurys
Friedensliebe, die ihm bei seinen Verbandlungen mit Horace Walpole die
empfindlichste Demüthigung zuzog, gab Stanislaw preis, er hatte nicht
einmal bei der Eröffnung der Verhandlungen in Wien seinem Abgesandten
de la Baune hierüber Instruktionen ertheilt und hätte den König sogar
ohne Entschädigung fallen lassen, wich aber anderen Einflüssen, denn be-
reits seit den ersten Monaten von 17 35 war die eventuelle Erwerbung
Lothringens, auf die schon vorher Friedrich AYilhelm von Preussen hin-
gewiesen hatte, zwischen Stanislaw und Marie von Frankreich erörtert
worden. Noch beim Abschluss des Geschäftes zeigte der Cardinal dieselbe
,380 Literatur.
Kücksichtslosigkeit und Hess die Polen völlig in Un gewissheit; erst nack
fast 2 Monaten bequemte er sich dazu, dem König vom Inhalt der Wiener
Abmachungen vom 3. Oktober 1735 officiell Mittheilung zu machen. Die
Polen waren niedergeschmettert, ihr Gesandter Ozarowski hatte heftige Aul-
tritte mit Fleury und Chauvelin, die B. dramatisch belebt wiedergiebt
(S. 359 folg.), doch sie mussten sich fügen. Von besonderem Interesse
sind die Abschnitte über Lothringen. Wer hätte ahnen sollen, dass der
polnische Flüchtling das alte Fürstengeschlecht, das ihn 1714 und 1719
finanziell unterstützte, dessen Huld er demüthig erbat (S. 15 — 19), aus
seinem Erbland verdrängen würde ! AVir erfahi-en hier aus Franz' IIl. ver-
trauten Brieischaften und Aufzeichnungen, dass sein Widerstreben gegen den
Tausch seiner Heimat nicht, wie man hat annehmen wollen, ein fiktives
war; es Avar ihm bitterer Ernst damit und seine Haltung wurde verstärkt
durch eindringliche Mahnungen seiner Mutter Elisabeth Charlotte und durch
die rührenden Beweise der Anhänglichkeit der Lothringer. Man hatte sich
gefreut über die Aussicht der Vermählung mit Maria Theresia und sah in
Franz schon den Kachfolger Karls VI. auf dem Kaiserthron, aber rief ihm
zu : ■;, Elevant s' il se peut, la grandeur souveraine,
Sois roi de l'univers, mais sois duc de Lorraine ^^ (S. 393).
Französisch in der Sprache, wollte das Volk politisch nichts von
Frankreich wissen » pour laquelle leurs peres et leurs ayeux leur ont per-
petue une antipathie insurmontable eh inveteree depuis plus de huit siecles
eutiers^^ (S, 4]s). Doch alles war vergebens, Bartensteins brutale Aeusse-
rung ;> keine Abtretung, keine Erzherzogin ' charakterisirt deutlich die Lage.
Nach monatelangem Kampfe musste Franz nachgeben, wenn es auch noch
bis zum März 1737 dauerte, bis die herzogliche Familie vom Lande
schmerzvollen Abschied nahm und Stanislaw nominell den Besitz antrat.
Die Darstellung dieser letzten Phasen der Selbständigkeit Lothringens mit
der Aufpfropfung des Herzogshauses der Gerhardiner auf den verdorrenden
habsburgischen Stamm gehört zu den besten Partien des Buches und er-
gänzt trefflich Arneths knappe Skizze und die umfänglichen französischen
Werke über den Erwerb Lothringens. Ausgiebig hat B. neben Akten und
Correspondenzen der Archive von Paris und Nancy besonders die des
Wiener H.- H.- u. St.-.Vi-chivs benutzt, ferner für andere Partien Krakauer,
Danziger und andere Archivalien, nur das Dresdner Archiv vermisst man
ungern in der Liste der Quellen.
Sehr ungünstig ist das Gesammtbild Leszczynskis : sanguinisch beim
leisesten Hoffnungsschimmer, aber haltlos in der Noth, ohne Würde im
Unglück, jedem schmeichelnd, eitel, frivol, völlig charakterlos, keine
Spur des Philosophen, als den der nach literarischen Lorbeeren strebende
König sich hinzustellen liebte; selbst von seinen schriftstellerischen Er-
zeugnissen erweist B. mehrere als Arbeiten seines Sekretärs Solignac.
B. hat bei aller Beherrschung seines Gegenstandes im Grossen eine
entschiedene Neigung für saubere, mühevolle Detailarbeit ; er erachtet es
als Pflicht, den Leser über die auftretenden Personen möglichst eingehend
zu unterrichten, besondere Vorliebe aber hat er für literarische, bibliogra-
phisthe Fragen, denen er mit Behagen nachgeht und deren Resultate er
in Anmerkungen niederlegt, die zwar etwas lang, aber wertvoll sind und
fast zu kleinen Exkursen anwachsen, vgl. z. B. den Abschnitt über den
Literatur. ßgj^
Kreis von Diplomaten und Literaten, der Stanislaw in Danzig umgab
(Tercier, Solig:^ac, die Brüder Andreas Stanislaw und Joseph Andreas Za-
luski) u. a. HoflFentlich liefert B. der Wissenschaft künftig ein zusammen-
fassendes abgeschlossenes Lebensbild der zwar nach seiner Schilderung
nicht sehr sympathischen, aber zweifellos interessanten Persönlichkeit Lesz-
czynskis, wofür er das Meiste schon in diesem Werke und seinen anderen
Publikationen vorgearbeitet hat und es nur gelten würde, die Zeit des
ersten Künigthums 1704 — 1709, bez. 1713, sowie die lothringische Re-
gierungszeit, über die er schon eine Monographie vorbereitet, mit zu be-
rücksichtigen.
2. Ganz anderer Art ist das Buch von Segur, das mit dem obigen
insofern einige Berührungspunkte hat, als es auch Stanislaw Leszczynski
mit behandelt. Geboren 1099, fi'üh verwaist, vei-mählt 1713 mit dem
vermögenden Geschäftsmann Fran^ois Geoffrin, führte Marie Therese geb.
Rodet in den ersten Jahren ihrer Ehe das Leben einer schlichtbürger-
lichen Hausfrau, bis sie um 1730 durch ihre Nachbarin, die bekannte
Maitresse des Regenten, die Marquise de Tencin, in deren literarischen
Zirkel eingeführt wurde. Allmählich richtete sie sich selbst einen eigenen
Salon ein, der besonders nach dem Tode der Tencin der Mittelpunkt der
schöngeistigen, literarischen und künstlerischen Kreise von Pari;;, ein Haupt-
sitz der Encyclopädisten wurde. Von Besuchern im Laufe der Jahrzehnte
seien genannt d' Alembert, Burigny, Diderot, Fontenelle, Grimm, Lamotte,
Mairan, Marivaux, Marmontel, Montesquieu, Morellet. Saurin, Suard. Turgot,
die Pompadour, Mademois. de 1' Espinasse, Mad. Necker, ferner Boucher,
Bouchardon. Caylus, Costa de Beauregard, Lagrenee, Paciaudi, Vernet u. a.
Auch alle Paris besuchenden Fremden von Ruf und Stellung verkehrten
liei ihr und sehr ausgebreitet war ihr Briefwechsel ; nur wenige seien er-
wähnt, wie Horace Walpole, David Hume, Benjam. Franklin, Lady Hervey,
Gustav UL V. Schweden, die Herzogin von Zerbst, Katharinas IL Mutter.
Mozart spielte als Kind in ihrem Salon und sie empfahl ihn an Kaunitz,
Bemerkenswert ist die scharfe Zucht, die Mad. Geoffrin aufrecht erhielt ;
sie herrschte als absolute Königin in ihrem Reiche der Geister, das all-
gemein nach ihrem Hause auf der Rue St. Honore als das Königthum der
R. St. H. bezeichnet wurde, und hielt auf strengste Wohlanständigkeit.
Ihre gleichnamige Tochter, 1733 an den Marquis de la Ferte-Imbault ver-
mählt, 1737 Wittwe, lebte in ihrem Hause. Voll sprühender Lebenslust,
geistreich, excentrisch, bei grosser Ungenirtheit des Auftretens von tadel-
loser Ehrbarkeit, keine Freundin der mütterlichen Kreise, sogar Gegnerin
der Encyclopädisten. verkehrte sie mit den Hofkreisen: Maurepas, Niver-
nais, Luynes, besonders Bernis waren ihre Freunde. Durch die Prinzessin
de la Roche-sur-Yon (vgl. hierzu jedoch Boye S. 517) wurde die Imbault
mit Leszczynski bekannt und rasch befreundet, denn er sah es nach. sei-
nem Ausdruck lieber >d'etre diverti qu'adore«. In ihrem Msc. »Mon
histoire avec le roi de Pologne^^ berichtet sie über ihren Verkehr mit
ihm und über die Erzählungen, die er in seiner frivolen Weise zum Besten
gab. Von seiner Gemahlin Katharina Opalinska (f 1747), der er durch
seine feineren und gröberen Galanterien viel Sorgen bereitet hatte, und
von seiner Tochter, der französischen Königin, meinte er, »c'etait bien
les deux reines les plus ennuyeuses qu'il eüt jamais rencontrees ; * an
^fitthciliincen XX. 44
682
Literatur.
Ludwigs XV. Liebschaften sei Marie selbst schuld, da sie durch ihr
unausstehliches Wesen den König bis zur Gelbsucht geärgert habe. Takt-
los plauderte er auch von seiner eigenen Liebelei mit seiner Cousine, der
Herzoo-in Ossolinska (nicht Orolinska S. 137), die Sache sei aber zu Ende
>>car eile 1' avait ennuye. ^' Interessant sind die Abschnitte über die Be-
ziehungen der Geoffrin zu Katharina IL von ßussland (S. 204 — 225), deren
15 Briefe im Anhang (S. 431 — 462) abgedruckt sind; die bürgerliche
Freundin ging sogar soweit in ihrem Freimuth, der Kaiserin über die
Zweckmässigkeit des bei Iwans IV. Ermordung erlassenen Manifestes Vov-
haltunwen zu machen. Das Fesselndste ist jedoch der Geoffrin Verhältnis
zu Stanislaw Poniatowski, dessen Vater sie 1741, den selbst
sie 1753 in ihrem Salon begrüsst hatte. Eine innige Freund-
schaft, ein Verhältnis wie zwischen Mutter und Kind ent-
spann sich zwischen der betagten Pariserin und dem jungen Polen, dessen
Thronbesteigung 1764 nichts daran änderte; bis zu ihrem Tode 1777 be-
stand der lebhafteste Briefwechsel (herausgegeben vom Grafen Mouy, Paris
1875) zwischen der »chere maman^ und dem »eher fils.^'= Seine Erhe-
bung (Katharina II. schrieb ihr dazu am 4. Okt. 1764 »je vous felicite
de r elevation de mr. votre fils .... je laisse le soin de le rectifier, en
cas de besoin, ä votre tendresse maternelle*) Hess sie hoffen, ihn und
sein Polen zu einem Idealfürsten und Idealstaat zu machen, eine aller-
dings grausame Täuschung, wie sie selbst bei ihrem Aufenthalt in Polen
1766 erkannte. Auf der Reise dahin traf sie am 7. Juni 1766 in Wien
ein, Kaunitz (der sie übrigens auch in seinen Briefen mit »maman- an-
redet) erwies ihr jede Art von Aufmerksamkeit, sie brachte alle Abende
bei ihm zu; Joseph II. begrüsste sie auf das huldvollste auf der Prome-
nade (»il est descendu avec vivacite de sa caleche et est venu a la por-
tiere de la carosse ou j'etais^)i). Maria Theresia selbst nahm sie in
Schönbrunn gütig auf, und zeigte ihr ihre Kinder; als die Geoffrin beim
Anblicke der elfjährigen Marie Antoinette halblaut äusserte »Voilä une
petite archiduchesse charmante; je voudrais bien T empörter avec moil«
sagte die Kaiserin lächelnd » Emportez, emportez ! '' und trag ihr auf, nach
Hause zu schreiben »qu'elle avait vu cette petite, et qu'elle la trouvait
belle. '^ Man muss dabei berücksichtigen, — was Segur hätte erwähnen
sollen, — dass schon im Frühjahre 1766 die Verabredungen Ludwigs XV.
und Choiseuls mit Maria Theresia und Starheraberg über die künftige
Vermählung Antoinettes mit dem Herzog von Bei'ry (Ludwig XVI.) zu
einem Einverständnis geführt hatten (s. Arneth Maria Theresia VII, 418
bis 421, 5 59) und die Kaiserin l)ei dem Gespräch mit der Geoffrin un-
verkennbar den Zweck verfolgte, durch die Königin des berühmtesten Sa-
lons von Paris deren zahl- und einflussreiche Freunde und damit die
öffentliche Meinung der künftigen Dauphine von vornherein günstig zu
stimmen.
Das letzte Jahr ihres Lebens war Mad. Geoflrin gelähmt, ihr Salon
cring in Folge dessen ein, zumal ihre Tochter den alten Freunden ihrer
') Jo.spph besuchte sie auch bei seiner Anwesenheit in Paris, doch gehört
dieser Aufenthalt nicht, wie Segur S. 380 angiebt, in den Juli 1777, denn Joseph
weilte vom 18. April bis 31. Mai in Paris und Versailles s. Arneth X, 252.
Literatur. ggg
Mutter, voran d' Alembert, wegen ihrer Freigeisterei den Zutritt zu der
Kranken versagte; der Kreis der Tochter, die 1771 den Orden der »Lan-
turelus« stiftete, blühte weiter; u. a. gehörten ihm Grossfürst Paul und
seine Gemahlin Marie, Prinz Heinrich von Preussen , der Herzog von
Sachsen-Weimar, Cardinal Bernis, die Stael u. s. w. an. Doch als die An-
zeichen der Kevolution die vornehme Gesellschaft des ancien regime auf-
schreckten, erlosch er 1789 in Folge Altersschwäche und Verstimmuno-
der Marquise; 1791 starb sie selbst voll trüber Ahnungen über die un-
aufhaltsam hereinbrechende neue Zeit. Ihre und ihrer Mutter Papiere
erbte ihres Gemahls Neffe, Louis d'Estampes, Marquis de Mauny, und das
Archiv der Familie Estampes lieferte Segur die wertvollen Unterlagen
seines Buches. Ist es auch kein Erzeugnis so schwerer Wissenschaftlich-
keit, wie das Boyes, hat sich auch S. öfters in zu grosser Genügsamkeit
auf die ungedruckten Briefe und Familienaufzeichnungen beschränkt, ohne
im vollen Umfange die sonstige Literatur oder andere Quellen zur Erläu-
terung heranzuziehen, ist sein Buch auch nicht frei von Versehen und Irr-
thümern: so ist es doch ein so liebenswürdiges Buch, bietet soviel des
Neuen und Interessanten für die verschiedensten Verhältnisse französischen
Geistes- und Gesellschaftslebens mit manchen Keflexen auch auf politische
Dinge und Persönlichkeiten und entwirft so anziehende Skizzen von zweien
der bedeutendsten jener eigenartigen Salons, jener »bureaux d'esprit«, dass
wir seinem Verfasser die verdiente Anerkennung gern zollen wollen.
Dresden. W. Lipper t.
Hanns Schütter, Correspondance secrete eutre le
comte A. W. Kaunitz-Rietberg, ambassadeur imperial
a Paris, et le baron Ignaz de Koch, secre'taire de l'impe-
ratrice Marie-Therese 1750—1752. Paris, (Plön, Nourrit et Cie)
1899. XIX und 385 S. gr. S«'.
Die Geschichte keines anderen österreichischen Herrschers vermag sich
so umfänglicher Quellenpublikationen zu rühmen^ wie die Maria Theresias
und im Anschluss daran Josephs IL Besonders von Korrespondenzen ist
für diese 50 Jahre eine solche Fülle veröffentlicht, dass sie schon fast über-
reich scheinen könnte. Und doch uiuss man sagen, die Menge auch nur
des wertvollsten Stoffes ist keineswegs erschöpft. Das Gesammtbild Maria
Theresias, ihres Lebens, Wesens und Wirkens, ihrer innern und äussern
Politik ist ja von Arneth festgestellt und wird sich im wesentlichen durch
alle neuen Veröffentlichungen bestätigt finden. Aber Arneth allein konnte,
trotz des Umfangs seines grossen darstellenden Werkes und der langen
Reihe von Bänden mit Briefwechseln, die grosse Aufgabe nicht ganz be-
wältigen; noch zahlreiche Punkte bedürfen der sorgfältigen Einzelforschung,
die vieles deutlicher herausarbeiten, ergänzen und auch berichtigen kann.
Letzteres ist auch der Fall mit Arneths Darstellung des Verhältnisses Oester-
reichs zu Frankreich zwischen 1748 und 1756.
Im Frühjahr 1749 forderte Maria Theresia, im Hinblick auf die dro-
hende Gestaltung der schwedisch-russischen Angelegenheiten und auf die
44*
684
Literatur.
Nothwendigkeit bestimmter Stelluugnalime Oesterreichs zu Frankreich nach
dem Aachener Frieden, von den Konferenzmini stern Königsegg, Ulfeld, CoUo-
redo, Khevenhüller . Kaunitz und Harrach Gutachten über die künftige
auswärtige Politik. Ihre Ansichten sind bei Arneth und Beer (Aufzeich-
nungen des Grafen William Bentinck über Maria Theresia) eingehend dar-
geleo-t. Während die andern für Aufrechterhaltung des alten freundschaft-
lichen Verhältnisses zu den Seemächten eintraten, gedachten Ulfeld und
Khevenhüller nebenher auch der Möglichkeit einer Anknüpfung engerer
Beziehuno-en zu Frankreich, Kaunitz hingegen trat mit Entschiedenheit —
allernings auch unter Forterhaltung des Bundes mit den Seemächten —
für eine Aussöhnung mit Frankreich, und ein Zusammengehen Frankreichs
und Oesterreichs i) gegen Preussen ein, um nicht bloss defensiv Friedrichs IL
allseitig befürchteten weiteren UebergriflPen und Gewaltschritten gewachsen
zu sein, sondern zur geeigneten Zeit selbst offensiv gegen ihn vorgehen
und Schlesien ihm wieder abnehmen zu können (vgl. Arneth M. Th. IV.
2 74 27 7, Beer, Bentinck S. LV, LVII). Nach Arneth fand diese Ansicht
Kaunitz' die volle Billigung Maria Theresias, sie ward die Richtschnur der
österreichischen Politik, zu ihrer Durchführung erhielt Kaunitz selbst 1750
den Botschafterposten in Paris. Beer hat jedoch dieser Auffassung wider-
sprochen und gezeigt (S. XXXIV, XXXVII, LXVIII). dass nicht Kaunitz'
Spezialgutachten als massgebend approbirt wurde, sondern der »Auszug«
aus allen Gutachten, den Bartenstein im Auftrage Maria Theresias anfertigte.
Dieser Auszug schwächte aber die offensiven Partien des Kaunitzschen Vor-
schlags ab und stellte die Gesichtspunkte defensiven Verhaltens in den
Vordergrund, worin Kaunitz mit den andern Mitgliedern der Konferenz
übereinstimmte. Maria Theresias Resolution, die Arneth entgangen war,
lautete, dass sie die Meinungen der Minister approbire. soweit sie überein-
stimmten: wo aber ein Unterschied sei, »falle denen Majoribus bei«, was
tür künftig bei allen Berathschlagungen und Expeditionen als Grundsatz
festzuhalten sei. Die Majorität war aber für völlige Beibehaltung und
Pflege der bisherigen politischen Konstellation. So erklärt es sich auch,
dass Kaunitz sowohl als Gesandter, wie dann auch anfangs als Staats-
kanzler das Bündnis mit Frankreich nicht betrieb, dass dies vielmehr erst
5_fi Jahre später erfolgte. Er war gar nicht in der Lage, für seinen
eio-enen Plan in Paris zu wirken, sondern war an jenen, als politisches
Leitmotiv geltenden Auszug Bartensteins gebunden, der ja auch seiner In-
struktion einverleibt war (s. Beer, Bentinck S. XXXV, LXXIII, CXXX).
Seine Hauptaufgabe sollte nicht sein, Frankreich zum gemeinsamen Kriege
o-eo-en Preussen oder mindestens zur wohlwollenden Neutralität in Oester-
reichs geplantem Kriege gegen Preussen zu bestimmen, sondern bestand
ganz im Gegentheil darin, es von d er Ehrlichk eit der österreichi-
schen Absicht en zu überzeugen, den Frieden zu wahren, ein
Bestreben, das in gleicher Weise die französische Politik erfüllte ; doch gelang
') Zu Beginn seiner Einleitung bemerkt Schütter, Kaunitz habe diese Ideen
während des Aachener Kongresses gefäast ; aus Kaunitz" eignen Worten ergiebt
sich jedoch, dass die Idee der Annäherung an Frankreich bei den Aachener Ver-
ha udlungen nicht von ihm selbst herrührte, t-ondern von den i h m i n
Aachen zugegangenen Weisungen und von den Aeusserungen der fran-
zösischen Minister, vgl. Beer. Bentinck S. LVII, LXVIII.
Literatur. QSb
es trotz dieser Uebereinstimraung der Absichten weder Kaunitz, nocli seinem
franzüjisehen I^^ollegeu in Wien, Hautiort, den andern Hof von der Lauter-
keit seiner friedlichen Gesinnung zu überzeugen. Scblitters Veröifentlicliungen
bestätigen durchaus die Richtigkeit der Meinung Beers, denn diese Zeug-
nisse sind so vertraulicher Art, dass bei ihnen jeder Verdacht, als seien
die Worte — wie öfters in den gesandtschaftlichen und ministeriellen Cor-
respondenzen — nur da, um die wahren Gedanken zu verbergen, von
vornherein ausgeschlossen ist. Es handelt sich dabei um die geheime, hinter
dem Rücken der offiziellen Regierungsorgane, des Kanzlers Ulfeid und des
eigentlichen Leiters der Politik, Bartenstein, gepflogene Correspondenz des
im höchsten Vertrauen Maria Thei-esias stehenden Kabinetssekretärs Koch
mit Kaunitz, eine Correspondenz, die fast so gut wie eine Correspondenz
zwischen Kaunitz und Maria Theresia selbst ist, da die Kaiserin die Schreiben
Kaunitz' las und selbst Kochs Antworten inspirirte, ja mehrfach sogar
eigenbändig durchkorrigirte und mit Zusätzen versah, vgk z. B. S. 180
bis 186, 283 und dazu S. 349, 350, 355. Arneth kannte anfangs hiervon
nur die wertvollen Briefe Kaunitz' an Koch, des Letzteren Briefe hingegen,
die die oft unentbehrliche Ergänzung und Erklärung dazu liefern, wurden
erst später aufgefunden; doch plante Arneth selbst noch diese Publikation
und es ist höchst dankenswert, dass Schlitter diesen Gedanken seines
früheren Chefs verwirklicht hat. Es ist unmöglich, hier auf die Fülle von
Einzelheiten einzugehen, die unserer Kenntnis zuwachsen, nur auf einiges
sei hingewiesen. So auf die Urtheile und Bemerkungen über Persönlich-
keiten, über Kaunitz' Nachfolger Starhemberg. Mercy S. 166, den Gross-
kanzler Grafen Cristiani 176, Ammou, den preussischen Geschäftsträger im
Haag und in Paris, 50, 56, Klinggräf, den preussischen Gesandten in Wien
56, 63, den Marschall Moritz von Sachsen 40, Hautfort 37, 38, Puysieux
39, St. Contest 165, 167. Gelegentlich läuft auch eine Ansicht unter, die
die Zukunft nicht bestätigt hat, so wenn Kaunitz von Ludwig XV. meint,
er werde auf seine alten Tage sich zur Bigotterie wenden, also Ludwig XIV.
ähneln S. 49, 5 0. Um so zutreöender erweisen sich aber seine Urtheile
über die inneren französischen Zustände 50 (C'est une charrue assez mal
attelee et la plüpart des choses ne se fönt que par intrigues et cabale,
c'est un Corps qui ne se soutient que par son immensite), 164 (c'est
une volerie epouvantable. Quelle ditference dans la confrontation du des-
ordre qui regne ici, avec la regle et le bon ordre . . . chez nous). Dass
das gegenseitige Spionagesystem der Mächte sehr ausgebreitet war, ist be-
kannt; die Beispiele aber, die dieser Briefwechsel bringt, übersteigen jeden
Begriff. Alle Depeschen der auswärtigen Vertreter in Wien an ihre Höfe
werden geöfinet, ausser wenn der Gesandte sich eines direkten, eigenen
Couriers bedient: Koch schickt regelmässig die vollständigen Serien der
Berichte, die Hautfort nach Paris, Flemming nach Dresden, Klinggräf nach
Berlin richten u. s. w. Selbst die geheimsten Chiöern werden aufgelöst,
Koch äussert sein Missvergnügen über den häufigen Chifferwechsel, der
selbst einem so geübten Bureau, wie dem Wiener, Mühe mache. Einmal
muthmasst er bei einer wichtigen Notiz, dass Puysieux sich absichtlich
eines alten, ausser Gebrauch gesetzten Chiifers, dessen Dechifirirung in Wien
er voraussetzt, für diesen Fall bedient habe, um so den Inhalt der Depesche,
den mau durch Hautfort nicht direkt mittheilen wollte, dem Kaiserhofe
686
Literatur.
doch bekannt werden -zu lassen! Nirgends findet sich die leiseste Spur
eines moralischen Bedenkens über so verwerfliche Mittel. Aus den vielen
interessanten Stellen (S. .39, 43, r,8, 83, in2, 109, 117, 125, 129, 205
u. a.) sei nur die drastische Stelle aus Kochs Brief vom IS. Sept. 1751
(S. 125) hier angeführt: »dans quinze jours au plus tard je seray en etat
d' envoyer a V. E. la correspondance de Bezold avec Brühl. C est le dix-
huitieme chiflfre dont on est venu au bout dans le courrant de 1' annee ;
avoues . . . que 1' imperatrice est servie au mieux ä cet egard ; nous passons
malheureusement pour etre trop habiles dans cette art et cette idee fait
qu" ä tout instant les cours qui apprehendent, que nous pourrions avoir
leur correspondance, changent ... des clefs et en envoyent chacque fois
des plus difficiles et penibles ä dechiffrer.«
Die Edition ist mit grosser Sorgfalt gemacht: die Texte sind nicht
(wie z. B. bei Arneth und in den preussischen Publikationen über Fried-
rich IL) in modernisirtem Französisch gegeben, sondern anerkennenswerter
Weise unverändert gelassen. In den Anmerkungen ist ausser den Erläu-
terungen noch vielerlei ergänzendes Material aus sonstigen Briefen und
Acten beigebracht. Ein Register der Personennamen unterrichtet zugleich
kurz über den Stand des Betrefi'enden, doch sind diese Angaben bisweilen
zu knapp gehalten und fehlen mehi-fach ganz i).
Der stattliche Band ist auf Vorschlag des Herzogs von Broglie, der
ja selbst schon der Zeit Maria Theresias manche interessante Studie ge-
widmet hat, erschienen als Publikation der ,,Societe de T histoire diplo-
matique«. Wir müssen der Gesellschaft dankbar sein für die Förderung
dieser wertvollen Arbeit, die so viel des Interessanten und Wichtigen
beiträgt zur genauen Kenntnis eines wenn auch nur kleinen Abschnittes
ans einer grossen Zeit.
Dresden. W. Lippert.
Stockhoruer von Stareiu, Otto Freiherr, Die Stock-
horner von St arein. Versuche der Darstellung der Geschichte
dieses Geschlechtes. Wien, Karl Konegeu, 1896.
In jüngster Zeit werden erfreulicher Weise auch die Nachrichten von
Adelsgeschlechtern, die in Oesterreich xinter der Enns einst ansässig waren
oder noch sind, gesammelt und als Familiengeschichte der OeflFentlichkeit
übergeben. Freilich erscheinen auf dem Plane zunächst nicht jene Ge-
schlechter, deren Mitgliedern es gegönnt war als grosse Staatsmänner,
glückliche Feldherren oder ausgezeichnete Administratoren sich Verdienste
zu erwerben und auf solche Art ihren Namen in die Geschichte ihres
Vaterlandes zu verflechten, sondern es sind jene, deren Thätigkeit durch
Verhältnisse mancherlei Art gehemmt, sich in enger gezogenen Kreisen
bewegen mussten und nur Ehre und guten Ruf bewahrt haben. Zu diesen
Geschlechtern gehört auch das der Stockhorner. Mit möglichster Uube-
') in der Schreibung sind einige kleine Versehen zu berichtigen, z. ß.
:372 Pcsold statt Pezold; 374 Solto Major wohl statt Sottomajor (= Sotomayor) :
56 Cavalo ist identisch mit 40, 367 Carato ; 368 Des Essarts statt Des Issarts.
Literatur. ßg7
fangenheit. frei von aller Schönfärberei und »Verbesserung der Thatsachen*
hat der Verf., ein Mitglied des mit dem Ende des 13. Jhdts. in Oester-
reich unter der Enns nachweisbaren Geschlechtes , die Erlebnisse der
Generationen seines Hauses zusammengestellt, nachdem er eine Reihe von
Archiven mit Mühe und Fleiss durchsucht hat. Leider war zur Zeit, als
er seine Materialien sammelte ein Archiv noch nicht geschaffen, dessen
Bestände so manche Lücke in der Geschichte der Stockhorner ausfüllen;
es ist das von dem Statthalter Oesterreichs unter der Enns E. Grafen
Kielmannsegg 1893 ins Leben gerufene k. k. Archiv für Niederösterreich,
das heute soweit geordnet ist, um von Forschern benützt zu werden. Aus
den in geschlossener Reihe vorliegenden Lehenbüchern von König Ladislaus
bis in unsere Tage herab erfahren wir, dass Diemut, die Hausfrau Niclas IL
Stockhorner mehrere landesfürstliche Lehen um den Heiligenberg (pol. Be-
zirk Mistelbach) erworben hat, und dass ihr Gemahl ihr Lehensträger war
(Lehenbuch K. Ladislaus fol. 89'), dass Andreas, der bisher »ausser
genealogischer Ordnung <^ gestanden, ein Sohn Bernhards war; dass er
1480 und 1494 mit der »brechen Veste^'^ Walterskirchen belehnt wurde
(Lehenbuch 1457 — 1480 fol. 276 und 1494 — 1505 fol. 34), dass die
Brüder Wolfgang und Georg 1494 mit der von Albrecht von Eyzing er-
kauften »Veste« Starein belehnt wurden (Lehenbuch 1494 — 1505 fol. 5l),
rlass Leonhard St. nicht einen Sohn, sondern zwei Söhne und zwei
Töchter hinterliess, die durch ihren Vormund Ladislaus von Prag Frei-
herrn zu Windhag mit der »Veste auf dem Wasen* (bei Weitra) belehnt
wurden (Lehenbuch 1539^ — 1646 fol. 108), dass die Brüder Hans und
Joachim 15 82 landesfürstliche Lehen zu Wielands erwarben (Lehenbuch
1577 — 1586 fol. 282'), dass Joachim diesen Besitz 1588, 1593, 1605
und 1612 vergrösserte (Lehenbuch 1587 — 1610 foL 19', 83 und 233';
1611 — 16' 5 foL 143'). Wir lernen ferner aus diesen Lehenbüchern
Ehrentraut St. und ihre Kinder kennen (1611 — 1615 fol. 118') und er-
fahren (fol. 258), dass 1615 Ernst St. Grossau erwarb. Lehenbuch
1616 — 1624 endlich nennt fol. 69' alle Kinder des Hans Christof St.
Schliesslich finden sich die Nachrichten, an wen alle landesfürstlichen
Lehen der St. im XVI. und XVII. Jahrhundert geliehen sind, sowie auch
auf welche Weise.
A. Starzer.
Notizen.
In einer Baseler üissertation hat Gustav Müller- Mann aus Wege-
leben (Preussen) »Die auswärtige Politik Kaiser Otto IL ■ be-
handelt (Lörrach 1898), einen gut gewählten Gegenstand, dessen zusammen-
hängende Erörterung sehr wünschenswert war. Der Verfasser übt im Ein-
zelnen oft zutreffende Kritik an der Auffassung seiner Vorgänger, namentlich
Ranke' s, und bringt auch manches zur Beurteilung der Quellenschriftsteller
Förderliche bei, doch ist seine Darstellung und Methode durchaus nicht
einwandfrei. In der Hauptsache beschäftigt er sich mit dem Kampfe des
688 Xotizen.
Kaisers gegen die SaiTazenen, während er die dänischen und französischen
Angelegenheiten sowie die Verhältnisse an der Ostgrenze in aller Kürze be-
handelt. Mit seinen gewiss beachtenswerten Ausführungen über das J. 982
habe ich mich au anderer Stelle auseinanderzusetzen, hier sei nur bemerkt,
dass der Verfasser die Bedeutung, welche die süditalienischen Staaten haben,
allerdings richtig hervorgehoben, den Unterschied ihrer Entstehung aber
nicht genügend beachtet hat. Doch kommt es gerade darauf an, die aus
dem langobardischen Keiche herrührenden Teilherrschaften Capua, Benevent,
Salerno von den seit langer Zeit in wechselnder Abhängigkeit von Byzanz
erstandenen Fürstentümern Gaeta, Neapel, Amalfi zu trennen. Desgleichen
hat er (S. 23) die Wandlung im Orient, weiche durch die Gründung der
Fatimidenherrschaft in Aegypten hervorgerufen wurde, übersehen, auf ihr
aber beruht das Verhältnis des Nikephorus Phokas zu dem ägyptischen
Kalifen. Zu S. 34 wäre zu erinnern, dass der Einfall von 98 1 nicht Abul-
quasims erster Zug war, dieser schon im J. 974 begonnen hatte, den
heiligen Krieg auf das Festland zu übertragen. Ueberhaupt leidet das
Büchlein daran, dass dem Verfasser Amari' s Werke, Schlumbergers Epopee
Byzantine (Paris 1896), L. Singers Abhandlung über die Eother-Sage (Jahres-
ber. des akad. Gymn. in Wien 1889), v. Sickels Erläuterungen zu den
Urkunden Otto IL (Mitt. des Inst. f. öst. Geschichtsf. Ergbd. 2, 180 tf.),
desselben Itinerario di Ottone II. nell' anno 982 (Roma 1886) entgangen
sind. Die Gemahlin Ottos IL, Theophanu, erklärt er für die Nichte des
Tzimiskes, indem er meine in der Byz. Zts. erschienene, mindestens zu
begründeter Vorsicht mahnende Ausführung kurzer Hand ablehnt, ohne
jedoch neue Gründe für die von Moltmann verfochtene Ansicht beizubringen,
und ohne den Kreis zu bemerken, der ihn festhält, wenn er zuerst aus
seiner Annahme das angebliche Verhalten der Kaiserin erklärt, daraus
wiederum einen Schluss auf ihre Abstammung zieht. Die flüchtige Cha-
raktei'istik des Kaisers (S. 65) erschöpft den Gegenstand nicht. Lambert
v. Hersfeld, Richer und Thietmar wären besser in den neuen Handausgaben
benützt worden. Dass auf S. 54 Anm. 147 eine »ältei'e Quelle ^'= angeführt
wird, der »etwas von maritimen Plänen Otto IL zu Ohren gekommen war^\
ist wohl nur in der Eile geschehen. K. U h 1 i r z.
Im Archiv für kathol. Kirchenrecht 79, 3 fl'. handelt L. Wahrmund
ohne Kenntnis von der Abhandlung Teiges, Mittheil. 18, 408 ff., aber
sorgfältiger und eingehender als dieser über die im Cod. vatican. lat. 2661
enthaltenen, dem Bonaguida von Arezzo zugeschriebenen >; Consuetudines
cancellariae "^^ aus der Mitte des 1 3. Jahrh. Beachtenswert ist, dass Wahr-
mund die Autorschaft Guidos, die Teige als erwiesen hinnimmt, nur mit
Vorbehalt gelten lässt. Von den Beilagen ist der grössere Theil (S. 9 — 18)
neu und für die Kenntnis des Geschäftsganges der römischen Curie wert-
voll: dagegen sind die S. 18 — 19 folgenden »Consuetudines« bereits kor-
rekter bei Teige gedruckt. T.
Eine »Ueber sieht der Judengesetzgebung in Oester reich
vom 10. Jahrhundert bis auf die Gegen wart<^< hat J. E. Scher er
als Separatabdruck aus dem »österreichischen Staatswörterbuche "^ heraus-
gegeben (Wien 1Ö95 Holder). Der Verfasser behandelt den Stoff nach den
Notizen. ' ßg9
einzelnen Kronländern, wobei eine Beschränkung auf die im Reichsrathe
vertretenen Königreiche und Länder (mit Ausschluss der Länder der un-
garischen Krone) durch den Charakte}- d<^r Sammlung, in der diese Ab-
handlung erschien, gegeben war. Li knapper Darstellung erscheint sorg-
fältig und mit grosser Sachkenntnis so ziemlich alles Wesentliche zu-
sammengestellt, was die vorhandene Literatur darüber enthält. Die Lage
der Juden und deren rechtliche Stellung in den einzelnen Ländern erfährt
damit zugleich eine entsprechende Beleuchtung. Dass der Verf. bei seinen
Ausführungen vielfach die innere Begründung verschiedener Gesetze und
Verordnungen, sowie deren Zusammenhang mit der historischen Gesammt-
entwicklung nicht berührt, mag wohl aus der im Titel zum Ausdruck ge-
brachten Beschränkung seines Zieles zu erklären sein. Manches ist so
allerdings recht wenig plausibel. So die Herabsetzung des Zinsfusses im
J. 1338, die keineswegs einer freiwilligen Verpflichtung der Wiener Juden-
gemeinde »zum Danke« für den Schutz des Landesherrn entsprang, son-
dei'n durch die Herzoge vielmehr angeordnet ward in Ansehung des
»grossen schaden und gepresten,« welche die Wiener Bürger in Folge »des
grassen ungewöhnlichen « Zinsnehmens der Juden erfahren hatten i). In
ähnlicher Weise erhalten auch die scharfen Massnahmen gegen die Juden
am Ausgang des 14. und im Verlaufe des 1.5. Jh. durch Heranziehung der
übrigen Quellen ihr bedeutsames Eelief. Unter andern möchte ich da auf
verschiedene bisher kaum beachtete Stellen einzelner Biinnteidinge auf-
merksam machen '^), in denen man einen Keflex dieser ganzen Bewegung
wahrnehmen kann. Zu berichtigen ist die Angabe, dass die österr. Herzoge
1331 das Recht Juden zu halten als Territorial-Hoheitsrecht von Ludwio-
d. Baier erlangt hätten. Es handelte sich damals bloss um eine Be-
stätigung dieses bereits von den früheren Herzogen geübten Rechtes. Ueber
die Ausübung des Judenregales (Judensteuern) und die Verwaltung der-
selben (Hofmeister) in der zweiten Hälfte des 1 4. Jh. hätten einzelne bei
Senckenberg, Selecta iuris TV. u. Schalk, Blatt, f. Landeskunde v. Nied.-
Oesterr. 2 1 Bd. gedruckte Urkunden noch wertvolle Daten gewinnen lassen.
Für Schlesien sind die Arbeiten Oelsners in Lieberman]is Jahrb. f. Israeliten
1S.34 und im Arch. f österr. Gesch. 31. Bd. nicht benützt. A. Dop seh.
In seinem Aufsatze »Das It ine rar Herzog Leopolds VI. im
Jahre 1 2 1 7 ^'^ (Blätter d. Ver. f. Landeskunde v. Niederösterr. 189S)
bringt M. Tan gl die Datirung und Einreihung der Urkunden Herzog
Leopolds VI. von Oesterreich aus der ersten Hälfte des Jahres 1217 in
scharfsinniger und überzeugender Weise in Ordnung, nachdem noch Juritsch
Gesch. der Babenberger 440 ff. mit recht haltlosen Annahmen daran her-
umgearbeitet hatte. 0. R.
Die Kämpfe Oesterreichs mit den Osmanen vom Jahre
1526 bis 1537. Von L. Kupel wieser, k. u. k. Feldmarschall-
Lieutenant. Mit 5 Karten-Skizzen und einer Beilage. Wien und Leipzig,
W. Braumüller 1899. Den Mittelpunkt der Kämpfe Oesterreichs mit
') Tomaschek, Wiener Rechte 1, 102.
-) Oesterr. Wiesthümer 1, 571 ff.
690
Notizen.
den Osmanen in den Jahren 15 26 bis 153 7 bildet die Belagerung der
Hauptstadt Wien durch Sultan Suleiman IL, den »Prächtigen«. FML.
Kupelwieser, der sich bereits durch seine, auch in diesen Blättern (l9. 735)
besprochene Studie über die Kämpfe Ungarn's mit den Osmanen bis zur
Schlacht bei Mohäcs 1526, als ein wohl unterrichteter Führer durch
diesen geschichtlichen Abschnitt bekannt gemacht hat, behandelt denn auch,
gestützt auf handschriftliches Material des Staats- und Kriegsarchivs die
kriegerischen Ereignisse in und um Wien während der Türkenbelagerung
1529 mit besonderer Sorgfalt und bietet darüber zahlreiche und inter-
essante Einzelheiten. Als ein Vorzug des ganzen, klar und anziehend
geschriebenen Buches, dem nebst fünf Karten-Skizzen im Texte die sorg-
fältig reproducirte Rundsicht der Belagerung von Wien im Jahre 1529
von Meldemann nach dem in der Albertina befindlichen Original beigegeben
sind, muss die fachmännische Beurtheilung der beiderseitigen Heere und
Operationen, insoweit letztere nicht eben die bei Türkenkriegen vergangener
Zeiten üblichen wüsten Plünderungszüge sind, hervorgehoben werden.
Wien. Oscar C r i s t e.
Ueber j,DJe Verwaltung de rinner österreichischen Länder
von 1564 bis zur Gegen war t« hat Ä. Star z er jüngst (Separat-Abdr.
aus d. Jahrb. d. Leogesellschaft, Wien 1898) gehandelt. Die kleine Skizze
(23 S. so) bringt nach einer aus der einschlägigen Literatur zusammen-
gestellten Uebersicht über die frühere Zeit eine kurze Darstellung der
Veränderungen, welche die landesfür stliche Verwaltung von Steier-
mark, Kärnten, Krain und d. Küstenland innerhalb des im Titel ange-
gebeneu Zeitraumes erfahren hat. Einzelne, allerdings ziemlich ungleich-
massig eingestreute Details beruhen auf Archivalien. Ohne den Versuch
zu machen, die innere Begründung und tiefere Bedeutung dieser Wand-
lungen zu erfassen hat sich der Verfasser darauf beschränkt, die äusseren
^'orgänge, in welchen dieselben zu Tage treten, darzustellen.
A. Dop seh.
Ein Gutachten mit Eeformvorschlägen über die österreichischen Central-
behörden aus den Jahren 1611 — 15 behandelt :\r. J. N e u d e g g e r : ;> G e -
heime Raths- und Hofexpeditions -Reformation in Oester-
reich unter Kaiser Mathias.« Der Inhalt dieses Gutachtens, das
(im bayr. geh. Staatsarchiv zu München aufbewahrt) über höheren Befehl
erstattet wurde, bezieht sich vornehmlich auf die inneren Verhältnisse und
Zustände bei den vier damals in Oesterreich bestehenden Centralbehörden
( Geheim-Eath, Hofrath, Hofkammer und Hofkriegsrath). Indem der un-
bekannte Autor desselben bei seinen Vorschlägen von den Mängeln und
[Missständen, die bei diesen Behörden hervortraten, ausgeht, ergeben sich inter-
essante Streiflichter für die Beurtheilung der Organisation und Wirksam-
keit derselben um jene Zeit. Ein Theil dieses Gutachtens, besonders über
'len Geheimen Rath, gelangt am Schlüsse der Abhandlung zum Abdruck.
:\Ian wird bedauern müssen, dass es dem Verf. nicht möglich wurde, den
Autor diese Gutachtens zu eruiren und festzustellen, ob die darin ent-
haltenen Reformvorschläge auch thatsächlich eine Berücksichtigung fanden.
Als Gutachten bloss eines Unbekannten (Referenten?) können diese Aus-
Notizen. ß9][
führungen doch nur einen beschränkten Wert, etwa in culturhistorischer
Beziehung, für sich in Anspruch nehmen. Das was der Verf. anhangs-
weise über die Herkunft des Hofmeisteramtes (Excurs I) und des Geheimen-
Eathes (Excurs II) bemerkt, ist nicht überzeugend. Man wird die Aus-
bildung dieser beiden Institute m. E. nicht ausschliesslich als Nachahmung
fremder Muster (Burgund?), zu erklären haben, sondern dabei auch die
organische Entwicklung der Verwaltungsbedürfnisse der einzelnen Länder
nicht ganz übersehen dürfen. A. Dop seh.
Im 85. Bande des Archivs für österr. Geschichte S. 359 — 378 ver-
öffentlicht J. Schwerd feger eine bemerkenswerte Denkschrift de&
Grossherzogs und nachmaligen Kaisers Franz Stephan von
Lothringen-Toscana vom Frühjahre 1742, deren Inhalt er in der
Einleitung näher beleuchtet. Der Grossherzog übersandte dieselbe an den
ehemaligen Reichsvicekanzler u.nd nunmehrigen Fürstbischof von Bamberg
Friedrich Karl Grafen Schönborn mit der Bitte im Sinne der darin nieder-
gelegten Anschauungen bei Kaiser Karl VII. vermitteln zu wollen. Er
empfiehlt den Friedensschluss der kriegführenden deutschen Mächte Baj-ern,
Preussen, Sachsen und Oesterreich auf Grund angegebener Bedingungen,
und hierauf den Zusammenschluss dieser Mächte und des ganzen Reiches
überhaupt, um nach Aufstellung einer Bundesarmee von 2 71.000 Mann
im Bunde mit den Seemächten, »welche die Noth erkennen, Frankreich
ein wenig zu stutzen ^'=, einen Angriffskrieg gegen den » Erbfeind <■= Frank-
reich zu führen und so »dem römischen Kaiser als Kaiser ein Patrimonium
zu verschaffen und dieses könnte die Landgrafschaft Elsass so ohnedem ein
ßeichslehn wäre, betreffen und [dieses müsstej allzeit eines erwehlten rö-
mischen Kaisers Patrimonium sein'^^ Dann »würde des teutschen Reichs
herrlichkeit widerrumb vorleuchten ^^. Ist dieser Gedanke auch ti'otz den
allem Anschein nach aufrichtigen Bemühungen Schönborns nicht durch-
gedrungen und seine Verwirklichung einer späteren Zeit vorbehalten ge-
blieben, so bleibt er doch beachtenswert namentlich im Hinblick auf
den hochgestellten Verf., der in dem Begleitschreiben an Schonborn sich
einen »wahren seinem Vatterland völlig ergebenen Teutschen ^^ nennt. Der
sorgfältige Abdruck erfolgte nicht nach dem schwer leserlichen Original-
concepte, sondern einer von einem Secretär angefertigten, das eigenthümliche
Französisch-Deutsch des Verf.. stilistisch umformenden Reinschrift. H. K.
Die Blätter des Vereins f. Landeskunde v. Niederösterreich bringen
schon seit Jahren eine höchst dankenswerte Bibliographie zur
nieder österr reichischen Landeskunde, Früher hat Wilhelm Haas,
für 1895 Donabaum dieselbe bearbeitet: für 1896 und 1897 hat
M. Vancsa sehr sorgfältige »Bibliographische Beiträge« zusammengestellt
und dem Jahrg. 1898 der »Blätter« beigegeben. Dieselben theilen sich
in die zwei Gruppen Niederösterreich und Wien ; die erste Gruppe ist in
sich gegliedert nach: Karten, Allgemeines, Geschichte und Geographie.
Naturkunde, Cultur, Literatur und Kunst, specielle Ortskunde: die zweite
Gi'uppe in: Pläne, Allgemeines, Geschichte und Culturgeschichte, Einzelnes.
Innerhalb der einzelnen Abtheilungen sind dann wieder in praktischer
Weise unter Schlagworten die Einzelwerke untergebracht. Zur grösseren
692
Notizen.
Uebersicht wäre vielleicht eine stärkere typographische Hervorhebung dieser
Schlagworte erwünscht. Bei den selbständig erschienenen Werken wäre
AniTabe des Verlegers empfehlenswert. 0. R.
Die früheren Arbeiten von Schönherr, Anton Zingerle, Kirchlechner,
V. Hofmann-Wellenhof und anderen i) über die Geschichte des künst-
lerischen und literarischen Lebens in Tirol in der zweiten Hälfte des
15. Jahrh. sind neuerdings durch wertvolle Studien von Heinrich Hammer
erfreulich weiter geführt worden. H. hat das reiche Material besonders
des Innsbrucker Statthalterei-Archives und die Literatur auf das sorg-
samste ausgenützt und in zwei Aufsätzen m der Ferdinandeums-Zeitschr.
1898 und 1899 (3. Folge 42. und 43. Heft) über »Die Bauten Her-
zog Siegmunds des Münzr. von Tirol und Literarische Be-
ziehungen und musikalisches Leben des Hofes Herzog Sieg-
munds von Tirol« in gewandter Weise verwertet. Stellt H. im Haupt-
theil des ersten Aufsatzes zum erstenmal den Antheil Herzog Siegmunds
an den zahlreichen Schlossbauten urkundlich fest, so interessiren uns in
der zweiten Abhandlung namentlich die Darstellung der Beziehungen des
Innsbrucker Hoies zur Universität Freiburg, neue Mittheilungen über
Johann Fuchsmagen, Petrus Luder, Johannes Tolophus und Heinrich von
Gundelfingen, sowie der Abschnitt über die Persönlichkeit Siegmunds und
seiner Gemalin Eleonore von Schottland. Der letzte Abschnitt über das
Musikleben beweist uns, dass die grossen Meister Paul Hofhaimer und
Heinrich Ysaac schon mit dem kunstsinnigen Hofe Herzog Siegmunds in
Beziehung standen, wie dann noch enger mit dem Erben Siegmunds, Kaiser
Maximilian I. In letzterer Hinsicht haben wir ebenfalls auf eine neue ver-
dienstliche Arbeit hinzuweisen, auf Franz Waldner, Nachrichten
über die Musikpflege am Hofe zu Innsbruck I. Unter
K. Maximilian I. von 1490 — 1515 (Monatshefte für Musikgeschichte
1897 — 98). Gleichfalls auf archivalischer Grundlage basirend bringt
Waldners Studie einen neuen Zug in das reiche Bild des vielbegabten
Herrschers. 0. R.
Emil Michael und seine Antikritik.
Vur kurzem erschirn : Kritik und Antikritik in Sachen
meiner Geschichte des deutschen Volkes. Von Emil Michael
S. J. Erstes Heft. Der Wiener Geschichtsprofessor Redlich. Freiburg i. B.
Herder 1899, 34 S. Die Schrift richtet sich gegen meine in diesem
Jahrgang der Mitth. des Instituts S. 313 — 325 veröffentlichte Besprechung
des ersten Bandes von E. Michaels Geschichte des deutschen Volkes vom
13. -Jahrh. bis zum Ausgang des Mittelalters. Ich hatte bei dem bekannt
streitbaren Charakter Emil Michaels gewärtigen müssen, dass er meine
Recension nicht unbeantwortet lassen werde. Ich hätte erwartet, dass wie
ich mich auf das strengste in rein sachlicher Erörterung bewegt habe,
auch Michael dieser selbstverständlichen Voraussetzung einer wissenschaft-
') Vgl. auch den Aufsatz von R. Stiassny über das Votivbild des Grafen
Leoidiard von Uörz in der Münchener AUg. Zeitung, Beilage vom 21. Dec. 1898.
693
liehen Discussion genügen würde. Allein die Schrift Michaels ist von
Anfang bis rjam Ende auf den Ton persönlicher Invectiven und massloser
Heftigkeit gestimmt. Weil ich die Ehre habe, als der erste in dieser
Weise von Michael behandelt zu werden und weil ich mich nicht darauf
verstehe mit gleicher Münze zu zahlen, so möge zunächst Michael sein
Opus mit seinen eigenen Worten cbarakterisiren.
Beim Entschlüsse »eine deutsche Geschichte des späteren Mittelalters
in der Art Janssens zu schreiben*, habe er, beginnt Michael, »gewusst,
dass ein derartiges Werk für viele ein Stein des Anstosses sein und in
diesem Sinne von der .Kritik' behandelt werden wird. Was vorauszu-
sehen war, ist eingetroffen*. Dann wendet er sich meiner Recension zu.
So supponirt Michael meiner Besprechung von vorneherein die bestimmte
Tendenz sein Buch um jeden Preis todt zu machen i). Allein er ver-
dächtigt nicht bloss meine Ehrlichkeit, sondern auch meine Fähigkeit.
»Redlich redet, sagt er S. 3, wie ein Fachmann auf dem Gebiete der
■wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und rechtlichen Verhältnisse Deutschlands
im 13. Jahrhundert; man hat von diesem Vorzug meines Kritikers bisher
nichts gewusst^^
Diesem Beginn entspricht alles weitere. Auf S. 8 lobt er meine
»zahlreichen selbst für einen Historiker von Durchschnittsbildung tief be-
schämenden Blossen*. Besser noch auf S. 13: »Was seiner (Redlichs)
nicht etwa auf ernsten Studien beruhenden Vorstellung vom Mittelalter
und im besondern vom 1 3- Jahrh. zuwiderläuft, das ist unwahr, ist un-
erhört. Redlich ist in dieser Materie nicht etwa Dilettant, das wäre zu
viel gesagt; er ist Laie und unterscheidet sich von einem gewöhnlichen
Laien, der sich seiner Unzulänglichkeit bewusst ist, in uuvortheilhafter
Weise durch ein geringeres Mass von Vorsicht und Bescheidenheit <^. Und
so noch eine schöne Auswahl. Das Beste aber blieb natürlich dem Schlüsse
aufgespart, wo S. 33, 34 folgendes zu lesen ist: »Als ich die ersten Seiten
von Redlichs Recension gelesen hatte, fragte ich mich, wie es doch mög-
lich sei, dass ein Mann, der doch offenbar ob seiner Wissenschaft nach
Wien befördert worden ist, der in Wien Carriere gemacht hat und nun
auch der Akademie als correspondirendes Mitglied angehört — • wie ein
solcher Mann derartiges schreiben konnte. Da der Historiker zu erklären
hat, nicht zu verschweigen, wie Redlich sagt, so wäre es angezeigt eine
solche Erklärung zu geben. Indessen sie würde sich möglicherweise den
Vorwurf persönlicher Färbung zuziehen. Darum soll sie doch verschwiegen
werden. Es mag genügen die von meinem Kritiker in Anspruch ge-
nommene und so stark betonte Wissenschaft seiner Recension einer näheren
Beleuchtung ausgesetzt zu haben. Das Ergebnis der Antikritik ist: Redlichs
Recension ist keine Leistung der Wissenschaft, sondern das Gegentheil.
Die Wissenschaft spielt in ihr eine sehr untergeordnete, wahrhaft klägliche
Rolle. Redlichs Besprechung ist einer Zeitschrift nicht wüi-dig, die ihr
Entstehen und ihr Gedeihen Männern wie Julius Ficker, Theodor v. Sickel
und andern Gelehrten verdankt*.
1) Michael schämt sich nicht bei diesem Anlass auch dem verewigten Huber,
dessen Hörer er ge\ve.sen, eine hämische Bemerkung nachzusenden. Auch die Art
und Weise, wie er S. .33 meinen imvergesslichon Chef D. v. Schönberr hereinzieht,
entspricht solchem Tactgefühl.
(394
Das ist die Art des Kampfes, wie sie Michael beliebt. Diese mass-
losen Angriffe auf meine wissenschattliche Leistungsfähigkeit, diese ver-
dächtigenden Invectiven auf meine wissenschaftliche Persönlichkeit, sie
lassen mich kalt. Er hat nicht mich gerichtet, sondern sich selber.
Mit einem solchen Gegner sich in eine Discussion einzulassen, ist
von vorneherein für die Förderung der Sache aussichtslos. Dies um so
mehr, als es um seine sachliche Antikritik ebenso schlimm bestellt ist,
wie mit seinem literarischen Anstand. Es genügen die folgenden Bemer-
kungen, um dies zu erweisen.
Ich sagte in meiner Besprechung S. 315, dass bei Michael »das Bild
von der Lage der Landwirtschaft und Stellung der Bauern viel zu viel
Licht, zu wenig Schatten enthalte. Das kommt von dem leidigen Ge-
neralisiren, von der Nichtbeachtung verschiedener Factoren, von der ein-
seitigen Heranziehung literarischer Quellen«. Ich gab dann S. 316 Proben
von dem ungerechtfertigten Generalisiren Michaels, sprach S. 317 über
eine Reihe von Momenten, die Michael nicht beachtet habe und belege
auf S. 3 1 8 die einseitige Benützung der literarischen Quellen. Gegen den
ersten Theil dieser meiner Beweisführung verwendet Michael S. 4 — 16
seiner Schrift und er legt das Hauptgewicht darauf, denn nach solcher
Vernichtung hält er es lür mehr als genügend, aus den übrigen acht
Seiten meiner Recension nur noch einige »Stichproben'^ zu geben.
S. 317 hatte ich folgende Sätze Michaels als in dieser Allgemeinheit
unrichtig und falsche Vorstellungen erweckend bezeichnet: Die Grund-
hörigen »waren persönlich frei und keineswegs so an die Scholle gebunden,
dass sie dieselbe nie verlassen durften. Hatten sie ihren Verbindlichkeiten
dem Herrn gegenüber entsprochen, so stand es in ihrem Belieben den
Aufenthalt zu wechseln und einen andern Herrn zu wählen. Diese Frei-
zügigkeit glich vollkommen der des freien Mannes«. Jeder Leser versteht,
mag jetzt nachträglich Michael S. 8 sagen was er will, diese persönliche
Freiheit in unserem heutigen Sinne, und jeder Leser muss glauben, dass
die volle Freizügigkeit gleich der des freien Mannes im ganzen 13. Jahr-
hundert in ganz Deutschland bestanden habe. Und das ist eben einfach
nicht wahr und deswegen liegt darin die leidige Generalisirung. Michael
meint mich mit Lamprechts Wirtschaftsleben wieder zu schlagen, das ich
• gegen ihn citirte, wirft mir mangelhafte Vorstellungen vom Begrifte des
Weisthums vor usw. Ich antworte ihm lediglich mit den Sätzen, mit
w^elchen Lamprecht 1, 1212 seine gesammten Erörterungen über diese
Dinge beschliesst: »Kein Zweifel, dass mit einem in der eben beschriebenen
Weise geregelten freien Zug noch nicht jene Freiheit der Person gewonnen
ist, welche uns heute unerlässlich scheint. Und auch die so vorhandene
beschränkte Freizügigkeit galt nur für die bestgestellte Klasse der
alten Grundhörigen, die nunmehrigen armen Leute. Neben der Freiheit
des Grundbesitzes war jetzt die Freiheit der Person, wenn auch nicht un-
getrübt, zum grössten Theile errungen«. Den ersten und den letzten dieser
Sätze will Michael merkwürdiger Weise wider mich verwerten, den zweiten
aber hat er verschwiegen! Michael kann sich über die Mannigfaltigkeit
der Abstufungen in der Situation der Hörigen, auch in Bezug auf Frei-
zügigkeit, jetzt bequem bei Inama-Sternegg Deutsche Wirtschaftsgesch.
3. 56 ff. orientiren.
695
Michael wehrt sich S. 9 f. ^) ferner gegen meinen Satz, dass das
Einwilligungsrecht des Herrn zur Heirat von Hörigen ausserhalb des Hof-
verhandes seine ganz reale Begründung besass und keines Hineinmengeus
von Sentimentalität bedarf, wie dies Michael thut. Ich kann Michael nur
nochmals aufiFordern, Lamprecht Wirtschaftsleben Seite 1203, 1204 und
1205 zu lesen und zwar genauer als bisher; auch mag er den ihm ja
so wohl bekannten Maurer Fronhöfe 3, 149 ff. noch dazu nehmen.
Wenn ich weiter fragte, wo der Beleg steht für Michaels Behauptung,
dass bei Heiraten von Hörigen derselben Herrschaft die Genehmigung nie
verweigert werden durfte, so unterschiebt mir Michael S. 11 zu meiner
Verblüffung, ich hätte gesagt, überhaupt bei Hörigen! Und doch citire
ich vorher seine eigene ganze Stelle! Ich wollte mit jener Frage wieder
das fortwährende Generalisiren Michaels kennzeichnen. Wenn er mir jetzt
Maurer Fronhöfe 3, KJT und Schmidt lus primae noctis .59 ff. entgegen-
hält, so habe ich folgendes zu erwidern. Es ist allerdings vorgekommen,
dass zu Genossenehen keine Erlaubnis notwendig war. Regel aber war
die Einholung der Erlaubnis und Zahlung einer Abgabe. Und aus den
Stellen der Weisthümer usw. lässt sich für diese Fälle nur das schliessen:
Wenn die Hörigen die bei Genossenehen gebräuchliche Abgabe zahlten,
so stand der Heirat im allgemeinen nichts im Wege. Aber schon die
Thatsache. dass da und dort bei Nichteinholung der Erlaubnis der Hörige
gestraft wurde, ja sogar das Hofrecht verlor (Maurer 3, 168, vgl. Grimm
Weisthümer 3, 146 und 159), lässt obigen Satz als viel zu allgemein
und bestimmt hingestellt ei'scheinen.
Ich hatte mich weiter gegen den Satz Michaels gewendet: wenn der
Herr die Hörigen pflichtwidrig vernachlässigt, »so wurden diese gleichfalls
ihrer Verbindlichkeiten ledig und konnten oder mussten frei werden ^^
Michael schöpft seine ganze Wissenschaft wieder aus Maurer Fronhöfe 2, 77-
Und wie weit reicht die! Eine Stelle aus dem Schwabenspiegel Landrecht
ed. Lassberg 7 1 , welche aber ganz ausdrücklich nur von dem einen be-
stimmten Falle handelt, dass wenn der Herr einem siechen Hörigen nicht
hilft und ihn von seinem Haus vertreibt, dieser, wird er gesund, i'rei sein
soll. Und eine zweite Stelle aus einem Weisthum von Essener Heiligen-
Leuten: hält die Aebtissin die Rechte nicht ein und will sie das nicht
bessern, so sind ihr die Leute nichts schuldig. Aus diesen zwei Stellen
macht nun schon Maurer in seiner bekannten Weise die ganz allgemein
hingestellte Behauptung: (die Hörigen) v. wurden sogar ganz frei, wenn der
Herr sie vernachlässigt oder selbst seine Verbindlichkeiten nicht erfüllt
hatte. Wenigstens waren sie sodann ebenfalls frei von Verbindlichkeiten
und brauchten auch ihrerseits nichts mehr zu leisten ^^ Maurer schränkt
selbst in seinem zweiten Satze den ersten so ein, dass dieser beinahe auf-
gehoben wird. Michael aber schreibt Maurer ab ^') und zieht dessen Sätze
1) Auf S. 8 benutzt Michael meinen Satz über vogelfrei und Wildfangrecht
(S. 316), um mir da eine »tief beschämende Blosse* aufzudecken. Ich gestehe,
ich hätte mich deutlicher ausdrücken, ich hätte sagen sollen, dass ein »vogel-
freier Mann"' nicht bloss der Herreulose ist, gegen den sich allerdings das Wild-
fangrecht richtet, sondern vor allem auch der wegen Missethat Geächtete, gegen
den sich eben das Wildfangrecht nicht richtet.
2) Ohne Maurer zu citireu ; vielmehr bringt er hier den von mir S. 316
gerügten Hinweis auf Ratzinger Armenpflege 227, dessen Berechtigung darzuthun
er nun in seiner Schrift S. 13 sich vergeblich abmüht.
G9G
in den einen oben angeführten zusammen, der sich als eine allgemeine in
ganz Deutschland im 13. Jahrhundert geltende Rechtsnorm gibt. Heisst
das nicht doppelt und dreifach generalisiren V
Ich habe endlieh Michael den Vorwurf gemacht, dass er die erbrecht-
lichen Bestimmungen des Sachsenspiegels über Bauerngüter als gemein
deutsches Recht in Anspruch nehme, und habe dies mit einem schlagenden
Beispiel bewiesen, welches Michael nicht zu widerlegen vermag. Es ist
mir aber nicht eingefallen zu behaupten, dass speciell die Untheilbavkeit
der Güter nicht auch ausserhalb Sachsens vielfach zu Recht bestanden hat,
und Michael hätte sich die Mühe erspai'en können, mir das mit einer
seitenlangen Belehrung auseinanderzusetzen.
So kümmerlich sieht die Antikritik Michaels aus I Ihrer Schwäche
entspricht nur der Hochmut, mit dem sie voi'getragen wird. Meinen Vor-
wurf des ;> leidigen Generalisirens^'^ hat Michael nicht entkräftet, sondern
nur noch stärker begründet.
Auf die letzten acht Seiten meiner Recension einzugehen, welche
»genau auf der wissenschaftlichen Höhe des Eingangs ^^ stehen, hält Michael
S. Ifi : vorderhand* für überflüssig; er fügt nur noch einige »Stichproben^^
bei. Ich halte es für überflüssig mich auch nur mit diesen Stichproben
Michaels abzugeben, ich will nur noch sagen, was alles er für überflüssig-
gehalten hat von meiner Recension nur irgendwie zu berücksichtigen.
Michael schweigt über das wesentliche meiner Darlegung (S. ;?17),
dass er eine Reihe von Factoren. die ich anführe, für die Beurtheilung der
wirklichen Lage der Landwii'tschaft und Bauern im 13. Jahrh. nicht
beachtet habe; er hilft sich (S. Ifi — 20) mit Spitzfindigkeiten und Wort-
klauberei. Michael schweigt über meinen Vorwurf (S. 317, 318). dass
er die literarischen Quellen zu einseitig ausgenützt habe. Ich hatte S. 319
hervorgehoben, dass er bei Besprechung der aufkommenden Geldwirtschaft
gerade die wichtigsten Materien bloss in einer Anmerkung gestreift habe:
hierauf erwidert er nichts, druckt aber durch fünf Seiten (S. 2ß — -:]0)
Stellen seines Buches ab um zu beweisen, dass er dies Thema vollständig
behandelt habe. Dass in dem Capitel über Handel und Verkehr vieles vom
wichtigsten fehle, dass in dem Abschnitt über das Ritterthum dieses über-
mässig idealisirt, das Fehdewesen schief aufgefasst und über die Entwick-
.lung der Ministerialität und des niedern Adels ganz ungenügend oder
vielmehr gar nicht gehandelt sei, dass der ganze letzte Abschnitt über
Verfassung und Recht an besonders starken Mängeln in verschiedenster
Beziehung leide — dem allen gegenüber, und das sind nur die Haupt-
sachen, hüllt sich Michael in seiner Antikritik in beredtes Schweigen.
Allerdings hat Michael nach seinen Andeutungen auf S. IG noch
nicht alles gesagt, was er über meine Recension sagen könnte. Er scheint
also seine Schrift geschi'ieben zu haben, um zunächst auf ihren 34 Seiten
gerade gegenüber den schwersten Bedenken, die ich erhoben, zu schweigen.
Oder er will sich die Möglichkeit offen halten, um aVtermals zwei Druck-
bogen mit Schmähungen und missglückter Abwehr voll zu füllen. Mag-
er das thun. Ich werde keinen Anlass mehr haben noch einmal darauf
zurückzukommen. Denn ich habe, wie ich hoffe für jeden billig Denkenden
schon diesesmal genue- cresagt.
Wien, Ende November 1899. Oswald Redlich.
INHALTSVERZEICHNIS
DER
MITTHEILÜNGEN DES INSTITUTS
h:k
ÖSTERRErCHISCHE GESCHK HTSFOHSCHUNG.
BAND XI— XX, ERGÄNZUNGSBAND IIF, IV. V i. i> ').
BEAEBEITET
V(JX
KASPAR SCHWARZ.
->*§§«<-
') In der systematiselien Zusammenstellung der Abhandlungen und Kleinen
Mittheilungeu sind die Titel jener mit Lettern Garmond und die fortlaufenden
]S[umm( rn mit fetten Ziffern, dieser mit Lettern Borgis und die fortlaufenden
Nummern mit gewöhnlichen Ziffern gedruckt, in der alphabetischen Liste der
Litern turanzeieren die Litfraturnrtikel mit Lettern Borgis, die Notizen mit Petit.
I. Quelleiipublicatioiien.
I. Erzühlendc^ (Quellen. Briefe, Berichte, historiselic Lieder
und AufzeichiHiiigeii.
1. Genealogische Notizen zur Geschichte des Hauses Hahshurg von Josef
Seemüller XIV, 120.
l. Historische Gedichte aus dem XV. Jahrh änderte. Nicolaus Pet-
schacher. Herausgegeben von Johann Huemer XVI, (333.
3. Friedrichs III. Aachener Krönungsreise von Josef Seemüller
XVII, 584.
Abdruck aus der Handschr. des brit. Museums lßö92 (Plut.
C XXXIII C).
4. Ein Brief des Wiener Stadtschreibers Hanns Menes torfer vom
9. Juli 148S von Karl Uhlirz XIX. r,'.>7.
5. Eine Pilgerfahrt in das heilige Land im Jahre 1494 von Theodor
Schön XIII, 430.
6. Venetianiscbe Brandstiftungen in Oesterreich im Jahre ] 5 1 G von
Michael Mayr XIV, 656.
Verbörsprotokoll 1516.
7. Drei liriefe des Johannes Bugenhagen von Rudolf Thommen
XII, 1.54.
Johannes Bugenhagen an Georg Spalatin 152:5 Juni 13, 1524
Juli 10, 1541 — 44.
8. Maximilian II. an Ferdinand I. Linz 1562 Mai 11 von Heinrich
Kr et Schill ayr XVIII, 620.
9. Das religiöse Testament K, Ferdinands I. von Ferdinand Mencik
XX. 105.
10. Zur Geschichte der Wahl Maximilians II. zum römischen König
von Wilhelm Altmaun XIIL 619.
Abdruck einer Denkschrift aus dem Berliner Geheimen Archiv.
II. Briefe des Kaiser Maximilian IL und Rudolf IL an Lazarus Schwendi
von Eduard Heyck XIII, 164.
Drei Schreiben Maximilians und eines Rudolfs an Schwendi,
Schwendi an Maximilian 156 9 November 19.
12. Zur Geschichte der Bartholomäusnacht von H. V. Sauer land XIII, 3.30.
3 Berichte vom Jahre 15 72.
r
IV
!'.{. Der türldsclie (jcsamlte in Pra;^' l(rJ(t und der Bricfwceliscl des
"Wiuterkönigs mit Suitau Osman 11. vou H. Forst XVI, öJiO.
Graf Slawuta au Graf Franz W. von Wartenberg \(\2'2 Sept. 2C->
sammt Beilage.
14. Ein Vorschlag zur Ermordung Walleusteins vom Jahre 1G28 von
Michael May r- Adlwang Erg. V, 1G4.
Aebtissin Katharina von Buchau an Erzherzog Leopold 1028
Juni 20.
15. Aus dem Berichte eines Fraiizoseu über den Wiener Hof in
den Jahren 1071 und 1(j7l^ von Alfred Francis Pribram
Xll, 270.
16. Die letzten Tage Kaiser Leopolds I. von Ferdinand Meneik
' XIX, .5 IS.
Mittheilungen des (!raf Ferdinand Bonaventura Ilarrach im gräfl.
Harracirschen Archiv.
17. Urkundliche Beiträge zur Geschichte des Jahres 17r)(j von Max
Lehmann XVI, 480.
Schreiben des geh. Cabinets-Secretärs Koch 175G Mai, Protokoll
über die am 8. und 9. Juli gehaltenen Berathungen der kais.
Küstungs-Commission.
18. Ein Brief des Freiherrn von Stein von Anton Becker XVI, 402.
Stein an Kriegsrath Kunth 1809 Mai 7
11>. Zur Sendung Metternichs nach Paris im J. 1810 von Adolf
Beer XVI, 115.
Denkschrift der Holkammer an Metternich 1810, le duc de Ca-
dore ä Metternich 1810 Juli 26, Metternich an K. Franz 1810
Sep. 5.
20. Zur Geschichte der Jahre 1806 — 1813 von Adolf Beer XIX, 170-
Knut Bildt an Metternich 1813 April 24.
21. Anonymes Schreiben aus dem Nachlasse des Herzogs von Reichstadt
von Hans Schütter XV, 672.
TTngedrucktes Quellenmaterial ist noch mitgetheilt in Nr. 73, 74, 8.'),
80, 87, 121, 127, 133, 135, 139, 164, 170, 173, 174. 181, 187,
18'J, lül, 198, 199, 201, 223, 227. 235, 236, 238—241, 243—248,
252, 254, 267.
2. UrkiiiidcMi und Actcnstiicko.
22. ünedirte Karoliugerdiplouie aus französischen Handschriften hg.
vou Alfons Dop seh XVI, 193.
Pippin 766, Karl d. Gr. 769 — 774. 806, Ludwig der Fromme
825—830, Karl 859, 856 — 862, Karl 111. 880, SS4. s86. Frag-
mente und Auszüge : LudAvig d. Fr. 8 19,839 — 840, 817, Lothar II.
863 — 869, Karl d. Gr. 778, 809, 777.
23. Entscheidungen des Hofgerichtes in Sachen der Abtei Beaupre
1174 (Kleinere Forschungen XVIII) von Paul Sclief fer- B oi-
chorst XIll, i:^,7.
V
Arnuld, Erzbiscbof von Trier für Ik-aupre 1174. Kaiser Friedrich
für JJeaupre 1174.
"14^. Uugedruckte Urkunden und Briefe zur ßeichsgeschichte des drei-
zehnten Jahrhunderts von Eduard Winkel mann XIV, 87.
Friedrich, K. von Sicilien für das Kloster S. Maria della Grotta
1209 Aug.; Friedrich IL für Perronus Malamorte 1218 Sept.; ders.
für Abt Mattheus von Fiore 1221 März; Roger von Peschio Lan-
zano für das Kloster S. Maria della (Irotta 1221 Dec. ; Albrecht,
Erzbischof von Magdeburg für Bischof Heinrich von Brixen (l228
Juli?); Friedrich IL lür den Deutschordensmeister Hermann 12.32
Jan 11; Jacobus de Concambio an Bologna (12.39 Aug ) ; Innocenz
IV. für Viterbo 124.3 Oct. 22; 1243 Nov ; derselbe für Bologna
(1244 Juni): Friedrich II. an die Richter von Tocco 1245 Febr. 8;
derselbe an das Capitel der Palastkapelle zu Palermo (l22r) — 1249)
Oct. 12.; derselbe an Siena 12.50 Juni fi ; Friedrich von Antiochia
an Siena 12,50 Juni 25; Alexander IV. an die Herzoge Ludwig
und Heinrich von Baiern 1255; derselbe für den Archidiacon von
Spoleto (12 55 Aug. 28); ders. an König Richard 1258/9; Clemens
IV. Bannbrief 1268 Juli 14.
25. Rechtssprüche des Trientner Lehenhofes aus dem XIII. Jahrhundert
von Josef Dur ig Erg. IV, 429.
Abgedruckt IG Rechtssprüche 1209 — 1230.
2(). Eine Urkumle Karls I. von Sicilien für ein polnisches Kloster von
Richard Sternfeld XIII, 327.
Karl I. für Heinrich, Herzog von Polen 1178 Juli 22.
27. Zwei Notizen aus der Trierer Stadtbibliothek von H. V. Sauerland
XIL 507.
Rudolf V. Habsburg für Nicolaus von Scharfenstein 1278 Mai
15. Ueber die Zusammenkunft des K. Eduard III. von England mit
Kaiser Ludwig IV. zu Coblenz 1338.
28. Die Treubriefe der Wiener Bürger aus den Jahren 1281 und
1288 von Karl ühlirz Erg. V, 76.
Abgedruckt 10 Treubriefe.
2i1. Die älteste Urkunde für die St. Salvatorkapelle im alten Rathliause
zu Wien von Karl Uhlirz XIL 653.
Ablassbrief 1298 Februar 20.
3(1. Eine Urkunde des Papstes Johann XXII. vom -Lahre 1317 von Franz
Zimmermann XIV, 330; vgl. dazu Berichiigung XIV, 530.
31. Drei Beglaubigungs- Schreiben der Herzoge Albrecht, Wilhelm und
Leopold von Oesterreich für ihre Gesandten an Papst Urban VI.
(1387) von H. V. Sauerland XIV, 124.
3 Beglaubigungs- Schreiben derselben 1387 Febr. 2, Febr. 13^
Febr. 14.
32. Urkundliche Beiträge zur Geschichte Kaiser Sigmunds von Wil-
helm Altmaun XVIII, 58«.
K. Sigmund für Burggraf Friedrici: VI. von Nürnberg 1410
August 5, an Heinrich v. Plauen, Deutschordenshochmeister 1413
Mai 17, für Paul Romerich 14 13 December 27, an Michael Küch-
VI
meister, DeutscliordeushocLmeister 1414 März 14, 1415 April 9,
für Johann Kirchheim 1415 März 9, für Erzbischof Johann von
Mainz 1415 Juli 24, für Burggraf Johann und Friedrich von Nürn-
berg 1417 Juli 20, für Filippo Maria Visconti von Mailand 1418
April 2, 142G Juli (5, für den deutschen Orden 1424 Nov. 23, für
Erzbischof Kaban von Trier 1434 Februar 1, für den Ulmer Städte-
bund 1437 Juli 30, für Marschall von Pappenheim 1437 Aug. 2.
33. Vergleich zwischen der Landgrafschaft Neuenbürg und der Hegauer
Eitterschaft im Jahre 15 40 von Georg Tumbu It XVII, 459.
Abgedruckt: Vertrag von 1540 März 31.
:J4. Die Facultäteu eines päpstliolieu Nuntius im IG. Jahrhunderte
von Samuel Steinherz XIX, 327.
Pius IV. für Bischof Hosius von Ermland 1560.
35. Kaiser Maximilians IL Erklärung vom 18. August 1508 über die
Ertheilung der Religionsconcession von Victor Bibl XX, 035.
üngedriickte Urkunden und Aetenstücke noch als Beilagen oder im
Anhang von Nr. 39, 41, 43, 45, 53, 59, 65. 6G, 68. 71, 72,
76, 97, 153, 156, 158, 162, 171, 177, 181, 204, 208, 217, 219, 252.
IL Bearbeitungen.
Hilfswissenschaften.
1. UrkinidenleliiT.
a. Kaiser- und Königsur künden.
30. Kaisenirkunde und Papsturkunde von Engelbert Mühlbacher
Erg. IV, 499.
37. Die Fuldaer Privilegieutrage vou Michael Tangl XX, 193.
38. Die Urkunden Karls d. Gr. für Bremen und Verden von Michael
Tangl XVIII, 53.
39. Die Urkunden Ludwigs des Deutscheu für das Glossindenkloster
in Metz von 875 November 25 von Georg Wolfram XI, 1.
Urk. K. Ludwig des Deutschen für das Glossindenkloster in Metz
S75 Nov. 25. Urk. Bischof Theodorichs von Metz für dasselbe '»02
Febr. 1. Urk. Papst Innocenz IL für dasselbe 113'J, April 2.S.
Urk. Bischof Adalberos von Metz für dasselbe 944.
4(h Die älteren Immunitäten für Werden und Corvey von Wilhelm
Erben XII, 46,
41. Eine neue Urkunde K. Arnolfs und die Schlacht an der Dyle von
A Ifons Dopsch XV 367.
König Arnolf für Priester Egwolf s!)l Nov 1.
42. Die falschen Karoliuger-Urkuiidou tür St. Maxiniin (Trier) von
Alfons Dopsch XVII, 1.
VIT
■4:5. Die Ebersheimer ürkaiKleut'älscliuiigvii iiud ein bisher uubeachtetes
Dieiiätrecht aus dem 12. Jahrhundert vou Alfons Dop seh
XIX, 577.
Abgedruckt: Bestimmungen über lUe rechtliche Stellung der
Ebersheimer Familia.
44. Ein Diplom König Rudolfs von Westfrancien für Orleans von Wolde-
mar Lipper t XI, 446.
45. Ein lueditum Ottos I. für den Graten von Bero-amo vou 770 von
Emil v. Otteuthal XVII. 235
46. Erläutenmgen zu dea Diplomen Otto III vou Theodor v. Sickel
XII, 2(»9, :369.
47. Excurse zu den Diplomen Otto III. von Wilhelm Erbau (mit
2 Eacsimile) XIII. 537.
48. Vier verwandte Arelatische Diplome Konrads III. von Richard
Sternfeld XVII, 167.
49. Ein unbekanntes Diplom Konrads III. von Richard Sternfeld
XVIII. 366.
50. Die Schenkung von Kemnade und Fischbeck au Corvey i. J. 1147
und die Purpururkundeu Corveys vou 1147 und 1151 von Th.
Jlgen XII, 602; vgl. auch XIII, -626.
51. Die Urkimden Konrads III. für Corvei vom J. 1147 von Paul Kehr
XIII, 626-, vgl XII, 60 2.
52. Zu den Fälschungen Eberhards von Fulda von Alfons Dopsch
XIV, 327.
53. Eine ungedruckte Urkunde Friedrichs I. und ein bisher unbekannter
Zug desselben ins Königreich ßurgund von Paul Scbeffer-
ßoichorst XII, 149.
54. Zur Datirung von St. 406 1 von Loersch XII, 311.
55. Angeblich eigenhändige Unterschriften deutscher Könige um die Wende
des 13. u. 14. Jahrhunderts von Max Vancsa XVII, f^6G.
56. Kanzleistuclien von Gerhard Seelig-er II.
Das Kammernotariat und der archivalische Nachlass Heinrich
VII. XI, 39>).
57. Die Eegisterführuug am deutschen Köuigshof bis 1493 von Ger-
hard Seeliger Erg. III, 223.
58. Zur Lebensgeschichte Johann's von Gelnhausen, Registrators der Kanzlei
Kaiser Karls IV. von F e r d i n a n d T a d r a XX, i 0 o .
59. Ein unbeachtetes Eegister König :^Friedrichs IV. (III.) 144» • — 1442
von Johann Lechner XX, 52.
Abgedruckt : Eid des Kanzleiverwesers für das Land Oesterreich
Hanns von Meirs, Pfarrers ' zu'^ Grai'S 1441 Juli 17, Formel der dem
ö>terr. Kammermeister Hans üngnad und dem Kammerschreiber
Bernhard Fuxperger auferlegten Eide I44i August — September.
60. Eine eigenhändige Unterschrift des Königs Ladislaus Posthumus von
Karl Uhlirz XIX, 517.
()1. Allbnso Cecarelli und seine Fälschungen vou Kaiserurkuuden von
Alois Riegl XV. 193.
6*2. Die Glaubwürdigkeit J. F. Falkes vou F. Philippi XIV, 47().
Vgl. Nr. 22, 23, llO, 177, 218.
Till
b. Pap stur kund eil.
63. Die Eut?tehuügszeit des Liber Diuvuus vuu Ludo M. Hartmaun
' XIII, 239.
64. Zur Beurtheilung der Bulle Johanns XIII. für Meissen von Karl
Ühlirz XVI, 508.
05. Das Taxwesen der päpstlichen Kauzlei vom 13. bis zur Mitte des
15. Jahrhunderts von Michael Tan gl XIII, l.
Beilagen und Anhang: Taxtabellen.
(>(>. Beiträge zum päpstlichen Kanzleiwesen des XIIT, und XIV. Jahr-
hunderts von Josef Teige XVII, 408.
Abgedruckt: Stellen aus den Aufzeichnungen Bonaguidas aus
Arezzo cod. Vat. Nr. 2661 nnd Kanzleiregeln Papst Johanns XXII.,
Benedicts XIL, Clemens VI., Urbans V., Verordnung Peters v. Pre-
neste 1347 Mai 11.
G7. Beiträge zur Kenntnis der Kladdenbände des 14. Jahrhunderts im
vaticanischen Archiv von JosefDonabaum (mit einem Facsimile)
XI. 101.
68. Die Eegister und Secretäre Urbans V. und Gregor XI. von H. J.
Tomaseth XIX, 417.
Anhang: I. Uebersicht über die Eegister. II. Urkunden Gregor
XI. 1371 October 18, 1372 Jänner 2s, 1374 December 10.
69. Rückdatirung in Papsturkuuden von Michael Tan gl XV, 128.
70. Die Kauzleiregister Eugen IV. von Emil v. Ottenthai Erg.
m, 285.
71. Ueber Expensenrechnuugen für päpstl. Provisionsbullen des 15.
Jahrhunderts von Michael Mayr-Adlwang XVII, 71.
Beilagen: Edictum positum pro exhibendis cedulis expensarum
provisionum 14 62 April 29, Expensenrechnungen aus den Jahren
146;]. 1481, Auslagen für die Konfirmation des Bischof Ulrich von
Trient 14^8, Trienter Aufzeichnungen über Provisionstaxen 156.5.
72. Die Berechnungsart der Minuta-Servitia von K. H. Karlsson
XVIII, 582.
Beeret Paul II. 1470 November 23.
73. Ein Ruolo di famiglia des Papstes Piiis IV. von Theodor v.
Sickel XIV, 537.
Abgedruckt: Famiglia della Santitä di N. S. Pio IV.
Vgl. Nr. 34, 36, 37.
c. Privaturkunden.
74. Urkundenstudien eines Germanisten von Edward Schröder
XVII], 1; XX, 361.
Abgedruckt: Hersfelder Zehnten- Verzeichnis.
?.■). Bemerkungen zum Codex Bavarus von Ludo M. Hart manu
XI, 361.
7 6. Studien zu doi Traditionsbücheru von S. Emnieram in Regensburg
von BerthoM Bretholz XII, 1.
TX
Beil. T. Traditio Go/perti adhuc canonici, II. Perehtoldi raarchi
comitis, III. Gotascalchi, IV. Complatitatiu Adalhardi et uxovis eius
ac Heislolfi filii eorum, V. Traditio eiusdem Adalhardi, VI. Rihholfi,
VII. venerande ac sanctemonialis feinine Judite, VIII. Pilil'ride.
77. Eine unbekannte Urkunde für das Kloster Waldliausen von B. Hammerl
XX, 6.31.
78. Ueber die angebliche älteste deutsche Privatiukunde von Josef
Seemüller XVII, :jl().
71». Aus dem Wiener Stadtarchiv von Karl Uhlirz XI, 4.50; XII, (')5L>.
2. Bemalte Urkunden.
3. Die Besiegelung der Urkunde des Grafen Albrecht von Habs-
burg vom J. 1281 für Wien.
Vo-1. Nr. 28.
2. Palaeognipliie.
80. Geheimschrift von Theodor v. Sickel XV, 37 2.
81. Eine päpstliche Geheimschrift aus dem 16. Jahrhundert von Josef
gusta XVIII, 367.
82. Zwei Initialen eines Wiener Grundbuchs aus dem Jahre 13S'.) von
Karl Schalk XII, 655.
Mit Abbild, der zwei Initialen.
3. Chroiioloaie.
83. Ein chronologisches Curiosum aus dem 1 4. Jahrhundert von Sigmund
Herzberg- Fr änkel XIII, 15 7.
Abgedruckt: Tabelle zu Berechnung der Wochenzahl.
84. Aus dem Wiener Stadtarchiv von Karl Uhlirz XI, 450.
1. St. Stefanstag nach Ostern.
85. Der Friczentag von Max Vancsa XX, 282.
86. Zur Kalenderreform auf dem lateranischeu Concil 1516 von Karl
Uhlirz XIII, 329.
87. Die Einführung des gregorianischen Kalenders in Wien von Karl
Uhlirz XII, 639.
Paulus Fabricius an Hieronym. Beck von Leopoldsdorf 15 83
Sept. 6.
88. Die Einführung des Gregorianischen Kalenders in Salzburg von An-
dreas Mudrich XX, 107.
i. Sphragistik iiud Heraldik.
8'J. Ein Siegelstempel Kaiser Friedrichs II. (mit Ablfiliung) von E d u ar d
Winkel mann XV, 485.
90. Ein Bullensterapel des Papstes lunoceuz IV. von Ludwig
Schmitz-Rheydt (mit einer Talel Abbilduugeul XVII. 64.
X
'.)1. Eine päpstliche Goldbulle von F. Pliilippi XIV, 12(5.
'.)2. Die sphragistische Sammlung des A. H. Kaiserhauses von Julius v.
Schlosser XII, 290.
i);'). Typarfälschungen in der von Smitmerischen Siegelsammlung des k. u. k.
Haus-, Hof- und Staatsarchivs zu Wien von 0. Posse XIV, 4KS.
t)4:. Das Wappenbuch der Stadt Wien von Karl ühlirz XIV. Kxi.
5. Arcliiv- und Bibliothekswesen.
i)5. Die ßeste des Archivs des Klosters S. Cristina bei Olonna von Theo-
dor V. Sickel XIT, 505.
9G. Der älteste Katalog der Prager Universitäts-Bibliotliek von Jo-
hann Los er th XI, 301.
i»7. Das Verbot Bücher der vaticanischen Bibliothek auszuleihen von Theo-
dor V. Sickel XVII, 293.
Breve Pius IV. ISfU Juni 20.
Vo-l. Nr. 5().
Geschichte.
1. Keehtsg:eschiclite.
1)S. Thierstrafen und Thierprocesse von Karl v. Amira XII, 545.
91). Die Heimat der lex Kibuaria von Julius F ick er Erg. V, 52.
100. Zur Geschichte des Chlotharischeu Edicts von 614 von Anton
Nissl Erg. III, 365.
101. Beiträge /Air deutsche]i Verfassungsgeschichte des Mittelalters von
Wilhelm Sickel.
I. Zur Organisation der Grafschaft im fränkischen Reiche
Erg. III, 451.
102. Geschlechtsvormuudschaft in den fränkischen Volksrechten von
Otto Opet Erg. III, 1.
103. Zur Frage der fränkischen Geschlechtsvormundschaft von Otto
Opet Erg. V, 193.
I(l4. Hatten die Franken ein Ordal des Flammengriffs von Otto Opet
XV, 47 9.
105. Zur Geschichte der Witwenehe im altdeutschen Recht von Martin
Wolff XVII. 369.
Excurs: Einiges über das Federwat in 1. Sal. 7 2, 73.
10(). Die Kaiserwahl Karls des Grossen. Fiue rechtsgeschichtliche Er-
örterung von Wilhelm Sickel XX, 1.
107. Geschichte des Institutes der missi dominici von Victor Krause
XI, 103, 6(')4.
Anhang: I. Ueberldick über die Tliätigkeit wandernder und .stän-
diger Königsboten. II. Ueberblick über die Thätigkeit der Königs-
bcfeu iür den Einzelfall.
10<S. Zu Pseudoisidor von Friedrick Thauer XI, (127.
XI
lOD. Die Zuverlässigkeit der rechtsgeschichtlieheii Augabeu der
Hraftikelssaga von Otto Opet Erg. lil, 586,
HO. Investitur des Kauzlers von Karl v. Araira XI, 521.
111. Das Würzburgische Herzogthuni von Otto v. Z a 1 1 i n g e r,
XI, 528.
ir2. Der Kampf um den Landfrieden in Deutschland während des
Mittelalters von Otto v. Zallinger Erg. IV, 443.
113. Der Elector und die Laudatio bei den Königswahlen in Frankreich,
im Vergleich mit den deutschen Verhältnissen von Theodor
Lindner XIX, 401.
111-. Neue Forschungen über die Entstehung des Kurkollegs von Ger-
hard Seeliger XVI, 44; vgl. XVII, 537.
115. Ueber die Entstehung des Kurfürstenthums. Eine Entgegnung von
Theodor Lindner XVII, 537. vgl. XVI, 44.
110. Zur Frage nach dem Entstehungsorte des Schwab euspiegels von Julius
Ficker XI, 319.
117. Zur Frage nach der Herkunft der siebenbürgisclien Sachsen von
Julius Ficker XIV, 481.
Vgl. Nr. 25, 219, 225.
2. Deutsche Keiehsgeschielite.
a. Quellen.
HS. Ueber die Herausgabe von geschichtlichen Quellen von Theodor
Lindner XVI, 501.
119. Zu Dyuamius von Massilia von M. Manitius XVIII, 225.
120. Die Zusätze zu den Chroniken Isidors von Bruno Krusch
XVIII, 362.
121. Zwei Heiligeuleben des Jonas von Su^a von Bruno Krusch
XIV. 385.
I. Die Vita Johannis Reomaensis.
Abgedruckt: Vita s. Johannis monachi et abbatis.
II. Die ältere V. Vedastis u. die Taufe Clodovechs.
122. Zu den Annales Laurissenses und Einharti von M. Manitius
XIII. 223.
123. Nachträge zu Eiuharts Stil von M. Manitius XVIII, 610.
124. Ueber das 9. Capitel der pannonischen Legende des heil. Methodius
von Bert hold Bretholz XVI, 342.
125. Zu den Verbrüderungsbüchern von St. (lallen und Eeichenau von
Alois Schulte XI, 123.
126. Die Quellen zur ersten Ronifahrt Ottos L von Emil v. Otten-
thul Erg. IV. 32; vgl. Erg. IV, 518.
Anhang: Zu den Ausdrücken Onillia und Saxonia.
127. Die älteste Magdeburger ßistlauns- Chronik von F. Kurze Erg.
III, 397.
Abgedruckt: Taglnos Chronik in iiruns Bearbeitung.
XTT
1 28. Uel>er ein Fragment der Annalcs Ottenljurani iiu Stifte Melk von
P. Eduard Katschthaler XVI. 125.
I2t). üeber die Eisenacher Doininikanerlegende von Martin Baltzer
Erg. IV, 12;].
130. Das Verhältnis der beiden Chroniken des Kichard von San Ger-
mauo von A. Winkelmann XV, ßOt).
131. Beiträge zur Hi-toriographie in deo Kreuzfahrerstaaten, vornehm-
lieh für die Geschichte Kaiser Friedriclis IL von Paul Kichter.
I. Das Geschichtswerk des Philippe de Nevaire XIII, 205.
II. Die Estoire d'Eracles XV, 5(')1.
III. Die Annales de teire saiute XV, 584.
Auhang: Die Memoiren Philipps und die spätere Geschichts-
schreibung XV. 593.
182. Die sogenannte Brevis nota über das Lyoner Concil von 1245
von Michael Tangl XII, 24G.
133. Die Schriften des Jordanus von Osnabrück. Ein Beitrag zur
Geschichte der Publicistik im 13. Jahrhundert von Franz W^il-
helm XIX, 615.
Abgedruckt : Noticia seculi.
134. Zur Biographie der Dominikaner Hermann von Minden, Hermann
von Lerbeck und Hermann Korner von Heinrich Finke XI, 447.
135. Die Habsburger Chronik Heinrichs von Klingenberg von Victor
Thiel XX, 567.
Anhang: Vorrede des Manbus zu seinem Geburtsspiegel Cod. ms.
30 7 2 der Wiener Hofbibl.
136. Zum Leben des Chronisten Jacob von Mainz von Aloys Schulte
XL 121.
137. Der Vicar Johann Kungstein ein Geschichtsschreiber des 14. Jahr-
hunderts (Kleinere Forschungen XX) von Paul Scheffer-
ßoichorst XIII, 152.
138. Zum Tagebuch des Kardinals Fillastre von Raimund Friedrich
Kaiudl XIV. 491.
139. Thcanas Ebendorfers Chronica regum Romanorum. Kritisch er-
örtert und herausgegeben von Alfred Francis Pribram mit
einem Orts- und Per.-.ünenregister und einem Facsimile Er<y
IIL 3s.
14-0. Thomas Ebendorfers „Liber pontificum- von Arthur Levinson
XX, 69.
b. Früheres Mittelalter.
(bis Ende des Interregnums).
141. Wo i;ind der erste Zusammenstoss zwischen Hunnen und Westgothen
.statt? von Kai m und Friedrich Kaindl XII, 304.
142. Samcj und die karantanischen Slaven von Jaroslav Goll XI, 443.
143. Die Proniissio Pippins vom Jahre 754 und ihre Erneuerung durch
Karl den Grossen von Ernst Sackur XVI, 385.
XIII
144. Die Piomissii) voJi Kiersy von Eni st Suclcur XIX, ;');").
145. Die tJraf'scliaft des Hegaus vou Georg Tumbült Erg. III, Gl*).
146. Die Stiidtegründungeu Heinrichs I . vou Carl ßodenberg XVII, 1 G 1 .
147. Der Ungarutribut unter Heinrich I. von Georg Caro XX, 276.
148. Zur Biographie des Erzbischofs Tagino von Magdeburg von Karl
Uhlirz XVI, 12 1.
149. Zur Chronologie der Päpste von Ludo M. Hartmann XV, 482.
150. Genealogische Untersuch uu gen zur Keichsgeschichte unter den
salischen Kaisern von Heinricli Witte mit 4 Stammtafeln.
I. Bertold von Zähringen und die Ezzoniden Erg. V, o09.
II. Die jüngeren Ariboneu und ihr Hausgut in Niederöster-
reich Erg. V, 371.
III. Zur Geschichte der jüngeren Aribonen Erg. V, 410.
151. Zur Abstammung des österreichischen Kaiserhauses von Hein-
rich Witte XVII, 389.
152. Zu den Anlangen des Kirchenstreites unter Heinrich IV. (Kleinere
Forschungen XVII) von Paul Seh effer-Boichorst XIII, 107.
153. Zwei Untersuchuugen zur Geschichte der päpstlichen Terri-
torial- und Finanzpolitik von Paul S cheffer- Bo ich or s t Ero-
IV, 77.
I. Die Ansprüche Gregors VII. auf Gallien als ziuspflichtiges
Land und auf Sachsen als Eigeuthum der Kirche.
Abgedruckt Kaiserurkunden für die Kanoniker der Vatikanischen
Basilika, Friedrich L 11.59 Juni — Juli, Heinrich VI. 1196 October
18, Friedrich II. 1234 Juli, Sigi:imund 14;}:}, Mai :}l.
II. Hat Papst Hadrian IV. zu Gunsten des englischen Königs
über Irland verfügt? Erg. IV, 101.
104. Zu den Vorgängen in Canossa im Januar 107 7 von Heinrich
Otto XVm, 61.5.
155. Die Sammlung des Kardinals Deusdedit und die Schenkung der
Gräfin Mathilde von Paul Scheffer- Boich or st XI, 119.
löij. Zur Frage nach der Heimat Walthers von der Vogelweide von Os-
wald Redlich XHI, 160.
Michael von Wolkenstein für Stephan von Vogelweid 1431 De-
cember 23.
157. Eine Episode aus der Geschichte des zweiten Lombardenbundes
von Georg Caro XVII, 397.
158. Die Legation des Kardinaldiakons Otto von S. Mcolaus in
Deutschland, 1229—1231 von Eduard Winkel mann XI, 28.
Urk. Ottos V. S. Nicolaus an das Metzer Domcapitel 1230 Jan. 24.
159. Die angebliche Ermordung des Herzogs Ludwig von Baiern
durch Kaiser Friedrich II. i. J. 1231 von Eduard Winkel mann
XVII, 48.
IßO. üeber die Goldprägungen Kaiser Friedrichs II. für das König-
reich Sicilien und besonders über seine Augustaleu von Eduard
Winkelmaun mit MünzenabbikUmgeu XV, 401; XVI, 381.
IGl. Der Werth der Augustalis Kaiser Friedrichs II. von Adolf
Schaube XVI, 545.
1()2. Friedrich III. von Zolleru-Nürnberg als Edler von Osterhofen ?
XIV
|]|)isu(lcii Hii.s (Ifiit int'raiiisclit'ii Erblitlgestreit (Kleiueiv Forsclmiii?*'!!
\IX) vou Paul Scheffer-Boicliorst XUI, 140.
Heinrich Bischof von Bamberg für das Capitel 125^ Mai 28.
1(>3. Alexander IV. und der deutsche Thronstreit vou Heinrich Otto
XIX, 75.
1()4. Zur Wahl des römischen Königs Alfons von Castilien (l257) von
Oswald Redlich XVI. 659.
Bischof Eberhard von Constanz an Dompropst Heinrich von Basel
I2r)7 Aug. 23.
16"). Die Datirung eines päpstlichen Briefes an deutsche Wahlfürsten
vou Georg Sievers XIX, 157.
Vgl. Nr. 22—25, 36—54. 64, 74. 76, 89. 9»». 100. 101, 106—108,
110-115, 212, 261.
c. Späteres Mittelalter.
1(>(). Zur Geschichte der Idee eines deutschen Erbreiches im 13. Jahr-
hundert von Carl Rodenberg XVI, 1.
107. Zur Vorgeschichte der Wahl Rudolfs von Habsburg vou Harry
Br esslau XV, 59.
1 68. Die neugefundene Briefsammlung zur Geschichte Rudolfs von Habsburg
von Oswald Redlich XIV, 653.
169. Die Verzichtleistung des Königs Alfons von Castilien von Heinrich
Otto XVI, 12S.
170. Die Einhebung des Lyoner Zehnten im Erzbisthum Salzburg
(1282 — 1285) von Samuel Steinherz XIV, 1.
Beilagen: 3 Münztabellen, Aufzeichnungen über die Revision und
Ablieferung der Salzburgischen Zehntgelder 12S3 Jänner 3 — 25;
Verzeichnis der vom päpstlichen Collector Aliron eingehobenen
Zehntgelder 1282 Xov. 26 bis 1285 Oct. 25.
171. Zur erbköniglichen Politik der ersten Habsburger von Sigmund
Herzberg-Fränkel XII, 647-
Appellation der Köln. Kirche an den päpstl. Stuhl 12 87 vor März 9.
17'2. Uelier das Geburtsjahr des Cangrande I. della Scala. Kritisches
zu Ferreto von Vicenza und Baute, Parad. XVII, 7o — 81 von
Gustav Sommerfeldt XVI, 425.
173. Bestechung und Pfrüudeujagd am deutschen Königshof im 13. und
U.Jahrhundert von Sigmund Herzberg-Fränkel XVI, 458.
Anhang: 4 Schreiben der königlichen Notare Otto und H.
174. Markgraf Friedrich der Freidige vou Meissen und die Meinhardiner
von Tirol 1296—1298 von Woldemar Lippert XVII, 2(»9.
Abgedruckt einzelne Rechnungen aus den Jahren 1288, 1289,
1296, 1297 und 1298 ans Cod. Xr. 279, 280, 282 des k. k. Statth.-
Arch. zu Innsbx'uck.
175. Friedrich, Manfreds Sohn, in Tirol von Arnold ]>ussonXUI, 521.
170. Die Reichssteuer der schwäbischen Reichsstädte Esslingen, Reut-
lingen und Rottweil. Ein Beitrag zur (ieschichte der Einkünfte
der deutschen Könige und Kaiser von Theodor Schön XVII, 234.
177. Zur Geschichte Kaiser Ludwigs des Baieru von Woldemar
Li]ipert.
1. IIcIkt Ludwige Alidaiikungsplaii XIII, OST.
II« Ein Besuch Markgr. Ei-iedrichs von Meksen beim Kaiser. J]ei-
trag zum Itinerar Ludwigs i:3;30. XIII. .598.
IIL Bemerkungen zum Urkundenwesen K. Ludwigs XIIL 6 0 2.
Beilagen : 4 Urkunden über die Beziehungen zwischen Kaiser
Ludwig und Markgraf Friedrich von. Meissen.
178. Karl IV. und die Wittelsbaclier von Theodor Liudner
XIT, 64.
179. Die Stellung der Lausitz als brandenburgisches Nebenland zu den
Bestimmungen der Goldenen Balle von Woldemar Lippert
XV, 657.
180. Ein Gutachten Zabarellas über die Absetzung des römischen Königs
Wenzel von H e i n r i c k F i n k e XI, 631.
181. Zar deutschen Geschichte im lö. Jahrb. von Theodor Linduer.
L Die Schlacht bei lirescia im October 14(»L XllT, ;)77.
IT. Der Binger Kurverein XIII, 394.
Beil. Urk. der Kurfürsten 1424 Januar 17.
IIL Schriftstücke zur Gesch. der Jahre (1383) 143;')— 144:)
XIII, 413.
Abgedr. Elisabeth, Königin von Ungarn an P. Urban VI. 13S3;
K. Sigmund an Hochmeister Paul von Kussdorf 1435 Januar 27,
März 15, August 29, November fi ; K. Sigmund an Grossfürst
Swidriglello 143f; Jan. 30; Bericht an Bischof Johann III. von
Meissen 143(i Juli 11; Herzog Sigmund von Litthauen an König
Albrecht II. 1439; Prälaten und Barone in Ungarn an Papst Eugen
IV. 1439; Bischof Nicodemus von Freising an denselben 1439 Au-
gust 30; Bericht an denselben 1439; Albrecht II. an denselben
1439 September 3; Erzb. Dietrich von Köln für das Baseler Concil
1442 August 26; K. Friedrich IV. an einen ungenannten 1443
April 8; Bericht an den Bischof von Krakau 1443 Mai 17.
18*2. Die Wahl Sigmunds zum römischen Könige von H. Scbrolie
mit 6 Sonderausführungen XIX, 471.
183. Das Itinerarium Martins V. von Constanz bis Eom (iG. Mai 1418 —
28. Sept. 1420) von F. Miltenberger XV, 664.
184. K. Sigmund und Polen 1420—1436 von Jaroslaw GoU XV.
441; XVI, 222.
185. Die Reise Friedrichs lll. ins Reich 1485 und die Wahl Maximi-
lians von Felix Priebatsch XIX, ,3()2.
Vgl. Nr. 3, 27, 28, 30— 3>2, 56—59, 217.
d. Neuere Zeit.
186. Zur Geschichte Maximilians I. von Josef Seemüller XVllI, 146.
187. Vier Poststundeupässe au.s den Jahren 1496 bis 150*» von 0 s-
wald Redlich XII, 494; vgl. XX, 284.
Abdruck von 4 Poststundenpässen.
188. Zu dem Poststundenpass von 1500 von Aloys Schulte XX, 284;
vgl XI, 494.
XVI
ISO. Die l>cstrcl)ui)gc'ii Ahixiiiiiruuis 1. um die Kaisei'kroiic ir)lS von
Haus V. Voltcliui XI, 41, r)74.
Papst Leo X. an K. Maximiliau 1 ö 1 8 Dec. 2 1 , Erasmus Ciolek,
Bischof von Ploek, an K. Maximilian 1 "> 1 S Dec. 27, 151S Dec. 30,
Papst Leo X. an die Bischöfe von Trient und Triest 1519 Febr. 2.
Erasmus Ciolek an den Bisch. Bernhard von Trient l ,"> 1 9 Febr. 14,
Antonius Quetta (?) an denselben lö23 Juni 18.
VM), Maruol als kaiserlicher Gesandter iu der Schweiz vou Theodor
Y. Lieben au Erg. IV, 166.
191. Archivalische Beiträge zu „Walleusteiu " vou Josef Hiru Erg,
V, 119.
Abgedruckt : Memorialzettel des Jacob Kurz von Thurn.
192. Das angebliche Gebet (xustav Adolfs bei seiner Landung auf deutschem
Boden 26- Juni 1630 von Bruno Stübel XX, 47fi.
IIK^. Die Flucht Johanns von Werth vou Laurenz Pro 11 XIII, oll.
VM. Curialistische Finauzpläne für K. Leopold I. von Emil v. Otten-
thal XI, 86.
lU."). Johann Philipp von Mainz und die Marienburger Allianz vou
1671 — 1672 von Moriz Landwehr v. Pragenau XVI, 582.
196. Bossuet und Kaiser Josef 1. von Eichard Fester XVIII, 147.
1{)7. Die europäischen Mächte in der Beurtheilung Friedrichs des
Grossen 1746 — 1757 von Ferdinand Wagner XX, ;>97.
108. Zur Geschichte des Jahres 1756 von Adolf Beer XVII, 108.
Anhang: Correspondenz zwischen Kaunitz und Starhemberg.
109. Der Herzog von Zweibrüeken und die Sendung des Grafen Goertz
(Januar bis April 1778) von Adolf Unzer XVIII, 401; vgl.
XIX, 343.
Beilage: Schlussbericht des Grafen Goertz 17 78 April 29.
2(»0. Zur Sendung des Grafen Görtz an den Zweibrückeuer Hof (Jan. —
April 177S) von Karl Obs er XIX, 343; vgl. XVIII, 40 1.
Vgl. Nr. 9, 10, 11, 13, 14, 17. 18, 33. 236, 237, 248.
3. Oesterreichische Grescliichte.
a. Quellen.
'H)l, Beiträge zu Böhmens Geschichte und Geschichtsquellen von Adolf
Bachmann.
I. Studien zu Cosmas XX, 39.
202- Zu Cosmas von Raimund Friedrich Kaindl XVI, 349.
2<>:). Zur Biographie des Annalisten Gerlach von Alton s Zäk XVI, 653.
•!()4. Henricus Italicus und Henricus de Isernia von J. NoväkXX, 25.-5.
Beilage: Urkunde Wenzels II. iür Protonotar Heinrich.
ti()5. Hernhard oder Sigmar von A. AI tinger XIX, 23)).
206. Eine angebliche Quelle zur Geschichte der Wiener Universität von
Victor V. Hofmann- Well enliof XIII, .'523.
207. Zaclmi'ias Tlicobald von AdoHLnd. Krejcik XIX. ;',47.
XVII
'1{)S. Dif' Fiilscliiijig.'ii Clir3sost(iiiius Uauthalers von M ichael Tangl
mit drei Facsimile XIX. 1.
Beilagen: Herzog Leopold VI. 1209 October 7, Wolfger von
Arnberg 1190. Wichard von Topel 1238 December 29, Gottschalk
von Neitperg 1251 October 7.
209. Zu Georg Zapperts Fälschung ,, Wiens ältester Plan« von Theodor
V. Grienberger XVIII, i.5o.
Vgl. Nr. 1—3.
b. Aeltere Geschichte bis 1526.
210. Die Entstellung der Gerichtsbezirke Deutschtirols von Josef
Egger Erg. IV, 873.
211. Zur Geschichte der Grafschaft Oberinnthal von Franz Ludwig
Bau mann XVI, 518.
'll'l. Die Königskrönung Wratislavs von Böhmen und die angebliche
Mainzer Synode des Jahres 1086 von H. Spaugenberg XX, 382.
213. Ueber die »tres comitatus ' bei der Erhebung Oesterreichs zum Her-
zogthum (ll5ß) von Alfons Dop seh XVII, 296.
'214. Beiträge zur Geschichte der Finanzverwaltung Oesterreichs im
13. Jahrhundert von Alfons Dopsch,
I. Das sogenannte Kationarium Austriacum und die landes-
herrliche Güterrevindicatiou unter König Otakar in Oester-
reich XIV. 449; XV, :\x-2.
II. Die Organisation der laudesfürstlichen Finanzverwaltung. Das
Landschreiber- und Hubmeisteramt insbesondere XVII l. 233.
215. Zur Entstehung des sogenannten Kationarium Austriacum von
Wilhelm Erben XVI, 97. 382.
21G. Ueber die Datirung des Landfriedens Herzog Otakars für Oesterreich
von Alfons Dopsch XIX, 160-
217. Zur Geschichte der österreichischen Frage unter König ßudolf I.
von Oswald Redlich Erg. IV. 133.
Beilagen : König Wenzel IL von Böhmen an Bischof Arnold von
Bamberg 1287 März 17, Herzog Albrecht von Oesterreich 1288
Mai 20, Bischof Landulf von Brixen an das dortige Domkapitel 1295.
218. Wien in den Jahren 1276—1278 und K. Rudolfs Stadtrechts-
Privilegien von Oswald Redlich XII, 05.
211). Die krainischen Landhandfesten. Ein Beitrag zur österr. Rechts-
geschichte von Wladimir Levec XIX, 244.
Abgedruckt: Urkunden des Herzog Albrecht IL i:33S September
16, Herzog Rudolf IV. 136 5 Jänner 16, Graf Albert IV. von Görz
1365 April 19, Herzog Albrecht IIL 1374 März 26.
220. Aeltere Urkunden österreichischer Herzoge aus dem Archive der Univers,
zu Freiburg i. Br. von Eduard Heyek XIII, 633.
221. Ueber die Beziehungen zwischen englischen und böhmischen
Wiclifiten in den beiden ersten Jahrzehnten des 15. Jahrhunderts
von Johann Loser th XII, 254.
xvni
Sir John Oldcastle au Woksa von Waldstein 1410 Sept. S, der-
selbe au König Wenzel von Böhmen undat.
Vgl. Nr. 4, 6, 2.'), 28, 29, :U, f)!), (')0, 117, 15U, 170, 174, 2(;3. 'Jm.
c. N e VI e r e Geschichte.
2*22. Die österreichischen Läiidercougresse von weiland H. J. ßider-
luauu. herausgegeben ans dessen Nachlass von Siginuud
Adler XVII, 264.
w*28. Studien über die finanziellen Verhältnisse Oesterreichs unter
Ferdinand I. von Alfons Hub er Erg. IV. 181.
10 Beilagen l.j'J2 — ].5n4.
'l'li. Vorarlberg zur Zeit des deutscheu Bauernlvriegs von Hermann
Sander Erg. IV, 297.
•2*^5. Das Gerichtsprotokoll der köuigl. Freistadt Kaschau in Ober-
Ungarn aus den Jahren lö.öG — l(iU8 von Franz v. Krones
XII, 618.
'l'Hi. Eine Fälschung des Vicekauzlers Wolfgang Schranz. Kritische
Untersuchung über die Entstehung der Brucker Pacification von
1578 von Johann Loserth XVIII, 341.
227. Zur Geschichte «1er Gegenreformation in Oesterreich von Emilv. Otteu-
thal XI, 322.
Bericht des Fr. Michael Alvarez an Papst Gregor XIII. 15 79,
Mai 26.
22S. Die Renuntiation des Deutschmeisters Maximilian auf Polen und
die damit zusammenhängenden Pläne von Josef Hirn Erg.
IV, 248.
2'29. Die Gegenreformation in Salzburg unter dem Erzbischof Marx
Sittich, Grafen von Hohenembs (1612 — 1619). Nach den Akten
des geh. Haus -Hof- und Staatsarchivs von Johann Lo serth
XIX. 676.
2oO. Zur Feststellung des Datums der üeberreichung der » Sturmpetition ^^
der protestantischen Stände Oesterreichs an Ferdinand II. (1619).
Thatsächliche Berichtigung von Onno Klopp XV, 394. Replik
von Alfons Huber XV, 396; vgl. XV, 664; XVI 662.
231. Zur Belagerung Wiens durch den Grafen Thm-n (2. — 14. Juni 1619)
von Alfons Huber und Josef Hirn XV, 664; vgl. XV, 394, 396.
232. Xeue Mittheilungen über die »Sturmpetition« der protestantischen
Stände Oesterreichs 5. Juni 1619 von Alfons Huber XVI, 662:
vgl. XV, 394, 396; XV, 664.
233. Zur Frage der böhmischen Verfassungsänderung nach der Schlacht
am weissen Berge von Michael Mayr-Adlwang XVII, 669.
284. Die niederösterreichischen Stände und die Krone in der Zeit
Kaiser Leopold I. von Alfred Francis Pribram XIV, 089.
235. Die Jugend Prinz Eugens von Aloys Schulte XIII, 470.
Beilagen: Freih. von Greiffen an Markgraf Hermann von Baden
16X3 August 2, August 9. Eine Stammtafel.
2tU>. Di»' Auerkeinmug der pragmatischen Sanction Karls VI. durch
(las «(leiitsclie Reitli von Hans v. Z w i ed ineck- S üdc nliorst
XVI, 27r..
Beilagen: Konferenzvorträge an den Kaiser 1731 Juni 5, August
l'j, December 14; Verzeiclmis von Flugschriften und Abhandlungen,
die sich mit der Reichsgarantie der pragm. Sanction beschäftigen.
237. Noch einmal das Pactum mutuae successionis und die pragmatische
Sanction von Ottokar Weber XIX, 6 99.
288. Zur Gründungsgeschichte der österreichischen Kriegsmarine von
Karl Lechner XV, 614.
Beilagen: 6 Schreiben aus den Correspondenzbüchern des Cardinal
Schrattenbach,
289. Zur Geschichte der österreichischen Haudelspolitik unter Kaiser
Karl VI. von Franz Martin Mayer XVIII, 129.
Abdruck aus dem Berichte über eine Handelsreise vom Jahre 1728-
240. Die Zollpolitik und die Schaffung eines einheitlichen Zollgebietes
unter Maria Theresia von Adolf Beer XIV, 237.
Maria Theresia an Graf Hatzfeld 1767 Dec. 12; 1769 Oct. 3.1;
zwei Resolutionen 1763.
241. Die Finauzverwaltung Oesterreichs 1749 — 181(» von Adolf Beer
XV, 237.
Beil.: 38 amtliche Correspondenzen der K. Maria Theresia und
Kaiser Josefs, Leopolds und Franz 1745 — 1806.
242. Die Entstehung der plälziseh-österreichischen Convention vom
,"). Januar 1778 vou Adolf Unzer XVI, ßs.
248. Das Gefecht bei St. Michael und die Operationen des Erzherzogs
Johann in Steiermark 1809 von Hans v. Zwiedineck-
Südenhorst XII, lOl.
Mit einer Umgebungskarte 1.) von Leoben 2.) von St. Michael.
Anhang: I. Aus der Selbstbiographie des Generalmajors Konstantin
von Ettingähausen. IL Erzh. Johann an FML. Jellacic 1809 Mai 17.
III. Kaiser Franz an Erzh. Johann !809 Mai 15. IV. Erzh. Johann
an FML. Jellacic 1809 Mai 19. V. dsgl. VI. FZM, Kerpen an Erzh.
Johann 1809 Mai 18. VII. Erzh. Johann an Erzh. Karl 1809 Mai
24. VIII. dsgl. undat. IX. Erzh. Johann an Erzh. Joseph 1809 Mai
26. X. Aus Erzh. Johanns Memoiren 1853 oder 1S54. XI. Opera-
tionsjournal 1809 Mai 27.
244. Die Brigade Thierry im Gefechte vou Abensberg am 19. und
20. April 1809 von Hans v, Zwiediueck-Südeuhorst mit
einem Plane. Erg. V, 173.
Abgedruckt: Bekenntnis des General Thierry über das Gefecht
bei Biburg und Abensberg, zwei Befehle Erzh. Karls an General
Thierry 1809 April 19, Relation des letzteren, Meldung desselben
an Erzh. Carl 1809 April 19.
245. Der Plan der zweiten Heirat Napoleons von AntonBecker XIX, 92.
Anhang: Instruction für Fürst Karl von Schwarzenberg 180 9
October 29, Bericht desselben 1809 November 30, Bericht der Be-
gegnung Floret's mit Champägny 1809 November 21.
XX
•24(>. Zur Geschiclite der poluisclieii Fnige 1S14 imd iSlf) von August
F o u r u i e r XX, 44o.
Beilagen: Metternich au Zicby 1S14 August 1, dazu Memoire
Metternichs über die polnische Frage, Zicby an Metternicli 18 14
August 12, Koller au Melleniich 1814 September 8,
•i4-7. Kirchliche Angeleoeuheiten in Oesterreich (181G — 42). Arehiva-
lische MittheiluDgen von Adolf Beer XVIII, 403.
Anhang: Einige Andeutungen über die älteren aus dem Kirchen-
staate gebürtigen Kardinäle. ■ — Votum des Hofrathes Meschular
1839 August 12.
248. Der Herzog von Keichstadt von Hans Schlüter XV, 114.
Marie Louise an K. Frauz ]s]6 Nov. 2 4, 1818 März 5.
'H9. Aus den letzten Lebensjahren von Gentz \on Hans Schütter
XIII, .".20.
Vgl. Kr. s— 11, i:;— 21, :i5, üM. I!t4, 107.
4. Westeuropa.
•250. Lucia Visconti, König Heinrich IV. von England und Edmund
von Kent von Karl Wenck XVIII, 69.
Excurs: Regina della ScaUi, Gemahlin von Bernabu Visconti.
251. Einige Kelationen über die Armada löSS von Bruno Stübel
XX, "619.
5. Osteuropa. Orient. Kreuzzü^e.
252. Amalrich 1., König von Jerusalem 1162 — 1174 von Reinhold
Röhricht XII, 4;'.2.
Anhang: Brief des Fürsten Bohemund III. von Antiochien an
die Christenheit 1187, Erbonis Carmen foL .31—31*', Bohem. III.
für Genua 1189 April, Bohemund IV. für Genua 1203 December,
Brief des Erzbischof A. von Nazareth undatirt, Hospitalitermeister
Garinus 1231 October 8, Richard Filangieri für Petrus Pennapedis
1242 Mai 17.
253. Der Krenzzug des Königs Jacob I. von Aragouicn (1269) von
Reinhold Röhricht XI, 372.
Anh. I. Regesten aus dem Arch. zu Barcelona. IL Auszug aus
Nekrologien.
254. Der Untergang des Königreichs Jerusalem von Rein hold
Röhricht XV, 1.
Beilagen : Kritische Bemerkungen. Abdruck aus Londoner Codex
addit 27895 fol. 5'*, col. 1 — 2.
255. Die Regel des Templerordens von Julius Gmelin XIV, 19:'..
VgL Nr. 5. i:U.
(). Kuiistgcschielite.
250. Die höfische Kunst des Abendlandes in byzantinischer Beleudi-
iunu" von Julius v. Schlosser XVII, 441.
XXI
257. Eiu fürstlicher Architekt und Bauherr von David v. Schöu-
liei'r mit 2 Abbildungen Erg. IV, 46* >.
258. Zwei unbekannte Arbeiten des Georg Hoeinagel von H. J. Her-
mann XX, 4 80.
'259. Ein vergessenes Werk Guido Keni's für die Kapuziuerkirche in
Breisach von David v. Schönherr Erg. V, 111.
7. Historische Greogiapliie.
2(>(). Organisationen Italiens vou Augustus bis auf Karl d. Gr. von
Julius Jung Erg. V, 1.
•2(>l. Bobbio, Veleia, Bardi. Topographisch - historische Excurse von
Julius Jung XX, ö21.
2()2. Zur Topographie und Organisation der umbrischen Bergdistricte von
Julius Jung XVII, 45 7.
263. Zur Geschichte der siebenbürgischen Pässe vou Julius Jung
Erg. IV, 1.
264. Corrigenda et Addenda zu Hegel, JafFe, Landau, Scriba, Stumpf,
Will von Franz Falk XI, 62 S.
•v(>5. Nochmals der geschichtliche Atlas der österreichischen Alpen-
länder von Eduard Richter Erg. V, 62.
2<)6. Zur Kunde der österreichischen Ortsnamen von Tb eodur v. (Ir i en-
berger XIX, 520-
267. Die Karte des ßartolonieo Colombo über die vierte Reise des
Admirals von Franz v. Wies er mit 8 Karten Erg. IV, 488.
Abgedruckt: Informatione di Bartolomeo Colombo della Navica-
tione di Ponente et Garbin di Beragua nel Mondo Novo.
8. Verschiedenes.
268. Bericht über das Istituto Austriaco di studii storici in Koni von
Th. V. Sickel XII, 200; XIII, 367, 663.
269. Bericht der Centraldirection der Monumenta Germaniae (1890) XI,
.3 12; (1891) XIT, 67 2; (l892) XIII, 655: (l893) XIV, 523;
(1894) XV, 553; (l895) XVI, 542; (1896) XVII, 531; (l897)
XVIII, 691: (1898) XX, 180.
270. Bericht über die Plenarversammlungen der histor. Commission bei
dt>r kgl. baier. Akad. d. Wissensch. (1889) XI, 186; (l890) XII,
194: (1891) XII. 676; (l892) XIII, 660 ; (1893) XIV, 527 ; (l894)
XV, 703; (1895) XVI, 699; (1897) XIX, 397; (l899) XX, 181.
271. Bei'icht über die Plenarsitzungen der badischen bist. Commission
(1889) XI, 189; (1890) XII. 197; (1891) XIII, 218; (1892) XIV.
187; (1893) XV, 189; (1894) XVI, 189; (1895) XVII. 534;
(1896) XVIII, 693.
272. Bericht über die wissenschaftlichen Unternehmungen der Gesellschaft
für Eheinische Geschichtskunde XL 516; XII, 679; XIV, 529;
XV, 556; XVI, 701; XVIII, 209, 400; XX, 183.
XXll
273. Die historischo Commissiou der Provinz Sachsen (l89l) XII, 683;
(1898) XX, 188.
274. Bericht über die Versammlung der kgl. sächsischen Commission für
Geschichte XX, 186.
275. Bericht über die Versammlung der historischen Commission für Hessen
und Waldeck (1898) XX, 185.
276. Historische Landescommission für Steiermark (1892/93) XIV, 190,
553; (1893/94) XV. 559; (1S94/95) XVI, 703; (1895/96) XVIII,
222; (1896/97) XIX, 398.
277. Commission zur Herausgabe der Acten und Correspondenzen zur
neueren Geschichte Oesterreichs (l897) XIX 735.
278. Einladung zur Versammlung deutscher Historiker in München XIII,
535; XIV, 191.
271). Preisaufgaben der Wedekindschen Preisstiftung für Deutsche Ge-
schichte XVIII, 400.
280. Personalien XI, 192; XII, 2o8; XIII, 221; XIV, l'.d; XV, 191;
XVI, 192; XVII, 207; XVIII, 224; XIX, 231; XX, 188.
281. Nekrologe.
Albert Jäger (von H. v. Zeissberg) XIII, 222.
Alfons Huber (von E. Mühlbacher) XX, 189.
Josef Emier XX, 191.
III. Literatur %
'2S'2. Adalbert hl, Zur Geschichte des (Kaindl) XIX, 536; XX, 641.
283. Adamek, Beiträge zur Geschichte des byzantinischen Kaisers Mauricius
582—602 (Prem) XII, 358; XIII, 360.
284. Ahrens, Die Wettiner und Kaiser Karl IV. (Lippert) XVIII, 162.
2.sr>. Akademie der Wissenschaften südslavische in Agram, historische Ar-
beiten (Stare) XIV, 171.
2.S(;. Albert P., Matthias Döring, ein deutscher Minorit des 15. Jahr-
hunderts (Holzer) XV, 152.
2.S7. — Zur Erklärung des Radolfzeller Markiprivilegs (Uhlirz) XIX, 17 4.
2s.S. — Geschichte der Stadt Radolfzell am Bodensee (Uhlirz) XX, 1 1 3.
2si>. Altmann, Regesta imperii XI, Die Urkunden Kaiser Sigmunds 1410
— 1437 (Loserth) XVHI, 386.
290. — und Bernheim, Ausgewählte Urkunden zur Erläuterung der Ver-
fassungsgeschichte Deutschlands im Mittelalter (Belovi^) XIII, 635;
zvFeite Auflage (Dopsch) XIX, 3 95.
291. Amman, Die Pest des .1. 1636 in Xeustift bei Brixen (Prem) XIII, 35s.
2;>2. — Die Wiedertäufer in Michelsburg im Pusterthale und deren Ur-
gichten (Prem) XVIII, 669; XIX, 7 23.
') Die nicht gezeiihneten Notizen 8iiid fast aussclilie&islich vom Kedaetour
geschriebeu.
XXIII
25);]. Antoniewicz, Ikonograpliiscbes zu Chrestien de Troyes (Schlosser)
XI, eoo.
•2!H. Anzuletti, Walther von der Vogelweide und der Innervogelweiderhof
oberhalb Klausen i. Tirol (Prem) XI, 35(i.
2i>5. Arnold, Repertoriuni Germanicum (Ottenthai) XIX, 377.
2yi;. Arras, Bilder aus der sächsischen Geschichte (Lippert) XII, 169.
2{)7. Aubert, Histoire du Parlement de Paris de 1' origine ä Fran(,ois I^^'
1250 — 1515 (Cartellieri) XIX, 365.
298. Baasch, Die Steuer im Herzogthuiu Baiern bis zum 1. landständischen Frei-
heitsbrief 1311 XI, 508.
299. ßattaglino et Calligaris, Indices chronologici ad Antiquitates Ital. JVI. Aevi
et ad opera Lud. Ant. Muratorii XI, 501; XV, 168.
:{00. Bader, Beiträge zur Geschichte des Kölner Verbundbriefes von 139 6
(TJhlirz) XIX, 175.
301. Bär, Der Koblenzer Mauerbau (Uhlirz) XVI, 5 25.
302. • — Zur Entstehung der deutschen Stadtgemeinde Koblenz (Uhlirz)
XVI, 525.
303. • — Urkunden und xVcten zur (xeschichte der Vei'fassung und Verwaltung
der Stadt Koblenz bis zum Jahre 1500 (Uhlirz) XX, 113.
304. Baglioni, Lo Studio generale di Vercelli nel medio evo (Luschin)
XI, 147.
305. Baltzer, Zur Geschichte des Danziger Kriegswesens im 14. und 15. Jahr-
hundert (Redlich) XV, 185.
30(>. Baran, Geschichte der alten lateinischen Stadtschule und des Gym-
nasiums in Krems (Prem) XVII, 683.
307. Bares, Die Adels- und Erbfamilien in der Stadt Jungbunzlau in den
Jahren 1471 — 1620 (Prem) XV, 393.
308. Bargetzi, Dido in der Geschichte und in der Dichtung (Prem) XX, 499.
30y. Bartelmus. Der vergleichende geographische Unterricht (Prem)
XVIII, 675.
310. Baudon de Mony, Eelations politiques des comtes de Foix avec la
Catalogne jusqu' au commencement du 14® siecle (Cartellieri) XIX, 364.
311. Bauer, Die Anfänge österreichischer Geschichte (Jung) XVIII, 202.
312. Bauernfeind, Geschichte des Stiftes Kremsmünster von 777 — 993
(Prem) XUI, 360.
313. Bauraaun, Geschichte des Allgäus (Redlich) XVII. 206.
314. — Ueber die Bezeichnung , Ewiger Abend ^ (Redlich) XV, 174.
315. — Mittheiluugen aus dem fürstenbergi sehen Archive (Kretschmayr)
XIX, 380.
31(>. Beiträge zur alten (ieschichte und Geographie, Festschrift zu Ehren
von Heinrich Kiepert (Jung) XX, 178.
317. Beiträge zur Geschichte der niederösterr. Statthalterei (Krones)
XVUI, 663.
318. Beiträge, Kleinere zur Geschichte von Dozenten der Leipziger Hochschule
1894, XVI, 175.
319. Below, Zur Entstehung der deutschen Stadtverfassung (Uhlirz)
XV, 488.
320. — Die Entstehung der deutschen Stadtgemeinde (Uhlirz) XV, 4S8.
321. — Der Ursprung der deutschen Stadtverfassung (Uhlirz) XV, 489 ;
vgl XV, 707.
«•}-.
.>•>'
XX TV
322. Below, Die städtische Verwaltung als Vorbild der spiiteren Territorial-
verwaltung (Uhlirz) XIX, 174.
323. — Die Entstehung des Handwerks in Deutschland (Uhlirz) XIX, 174.
321. Derliere, Monasticon Beige (Hauthaler) XI, 648.
325. Bern, Festschrift zur VII. Säkularfeier der Gründung von (Uhlirz)
XVI. .525.
326. Bernoulli, Acta pontifioum Helvetica I. Bd. (Tangl) XllI, H3h.
327. Berwick Herzogin von, Documentos escogidos del Archivo de la casa
de Alba (Pribram) XIII, 213.
32.S. üeschreibung des Oberamts Ehingen und des Oberamts Reutlingen
(Schön) XV, 153.
329. Bettgenhäuser, Die Mainz-Frankfurter MarktschifFahrt im Mittelalter
(Uhlirz) XIX, 17ß.
330. Beyerle, Die Konstanzer Eatslisten des Mittelalters (Uhlirz) XX, 114.
331. Bibliographie zur niederösteneichischen Landeskunde (Redlich) XX, 691.
332. Bidermann, Geschichte der österr. Gesammtstaatsidee (Fellner) XV, .517.
333. Biedermann, Die Wappen der Stammlande und Herrschaften des
AVettiner Fürsienhauses (Lippert) XII. 17 5.
334. Bieloblawek, Ursachen und Verlauf der Kriegsereignisse in Böhmen
im Jahre 1434 (Prem) XVI. 377.
3.'). Biermann, Geschichte des Herzogthums Teschen (Bretholz) XVI, fi92.
(>. — Geschichte des Protestantismus in Oesterreichisch-Schlesien (Bret-
holz) XX, 130.
337. fiilfinger, Die mittelalterlichen Hören und die modernen Stunden (Redlich)
XV, J74.
338. Binterim und Mooren. Die Erzdiöcese Kfdn bis zur französischen Staatsum-
wälzung (Holzer) XV III, 217.
339. Bippen. Die Hinrichtung der Sachsen durch Karl den Gros.-en XI. 506;
vgl. XVIIL 205.
340. — Geschichte der Stadt Bremen (Uhlirz) XVII, 317.
341. Bloch. Die Urkunden K. Heinrichs II. für Kloster Michelsberg zu Bamberg
(Redlich) XVI, I76.
342. Blochwitz, Die Wettiner und ihre Länder (Lippert) XII, 16 9.
343. Blondel, Etüde sur la politique de l'empereur Frederic II. en Alle-
magne et sur les transformations de la Constitution Allemande dans
la premiere moitie du XIIP siecle (Siegel) XV, 37 7.
344. Blunienstok, Der päpstliche Schutz im Mittelalter (Hörmann)
XVI. 140.
34.'». Blumer, Die Familiennamen von Leitmerltz und Umgebung (Prem)
XVn, 687; XVIII, 673; XIX, 728: XX. .302.
34(>. Böhmen, Mähren und Schlesien, Die historische periodische Literatur
1893— 1S97 (Bretholz) XVI, 157: XVII, 692: XX, 147, 506.
347. Böhmer H., Willigis von Mainz (Ottenthai) XVIII, 156.
34.S. Böhmer J. F., Regesta imperii II hg. von E. v. Ottenthai (Uhlirz)
XVI, 665.
34!>. Hoguth, M. Valerius Laevinus (Prem) XIV, 182.
350. ßormann, Die neuesten Funde in Carnuntum (Jung) XVIll, 202.
351. Bosni i Hercegovini, Glasnik zenialjskoy mu.cja u XI, 512.
302 Boye, ün roi de Pologne et la couronne ducalle de Lorraine. Stanis-
las Leszczynski et le troisieme Iraitc de Vienne (Lippert) XX, 678.
XXV
:J5.'j. Brandenburg, Konig Sigmund und Kurlüist Friedrich I. von Branden-
burg (Bachmann) XIII, 534.
rjöl. — Moritz von Sachsen 1. Bd. (Kretschmayr) XX, 674.
355. Brandstetter Kenward, Die Luzerner Kanzleisprache von 1250 — l(jO() (Red-
lich) XV, 173.
356. Brandstetter J. L., Repertorium über die in Zeit- und .Sammelschriften der
Jahre 1812 — 1890 enthaltenen Aufsätze und Mittheilungeu schweizerge-
schichtlichen Inhalts (Redlich) XV, 180.
3,57. Braudi, Die Reichenauer Urkundenfälschungen (Dopsch) XIV, 663.
;{.},S. — Briefe und Akten zur Geschichte des sechzehnten Jahrhunderts
mit besonderer Rücksicht auf Bayerns Fürstenhaus 4. Bd. (Steinherz)
XIX, 383.
359. Bre>slau. Erläuterungen zu Diplomen Heinrichs 11. (Redlich) XVf, 17(j.
360. — l'nedirtes Diplom und Placitum Heinrichs V. und Puqjururkunden für
Pomposa und Parma (Redlich) XVI. 177,
361. — Das älteste Bündnis der Schweizer Urkantone (Redlich) XVIII, 212.
362. Bretholz, Geschichte Mährens ]. Bd. (Huber) XV, 138; XVI, 540.
363. — Der Vertheidigungskampf der Stadt Brunn gegen die Schweden
164.5 (Huber) XVH, 501.
3<)4. Breyer, Bemerkungen über den LehrstoflP und den Unterricht in der
Vaterlandskunde in der 8. Classe (Prem) XII, 360.
36.». Bricka, Dansk Biografisk Lexikon (Schäfer) XIV. 382.
36(». Brosch, Geschichte von England 6. und 7. Bd. (Pribram) XVI, 368.
367. Bi'unelli, Dr. Lorenzo Fondra, Diario di Vienna 17 00 (Prem) XIX, 72 6.
368. Brunner Heinrich, Forschungen zur Geschichte des deutschen und franzö-
sischen Rechtes (Redlich) XV, 176.
3«y. Brunner Karl, Der piälzische Wildfangstreit unter Kurfürst Karl Lud-
wig 1664 — 1667 (Pribram) XVIII, 399.
370. Büdinger, Don Carlos' Haft und Tod insbesondere nach den Auf-
fassungen seiner Familie (Hirn) XV, 689.
371. — Die Universalhistorie im Alterthume (Jung) XVII, 204.
372. — Mittheilungen aus spanischer Geschichte des 16. und 17. Jahrhunderts
(Hirn) XV 111, '219.
373. — Festgaben zu Ehren Büdingers XX, 177.
374. Bukowina, Neueste Schriften zur Geschichte der (Herzberg-Fränkel)
XVII, 201.
375. Bulmerincq, Der Ursprung der Stadtverfassung Rigas (Uhlirz)
XVII. 3 IN.
376. Burdach, Vom Mittelalter zur Reformation (Vancsa) XVI, 178.
377. Buschbell, Die professiones fidei der Päpste (Holzer) XIX. 732.
37S. Butler. Pen Pictures of Dresden's Fast. (Lippert) XII, 164.
379. Cantarelli. Annali d' Italia dalla morte di Valentiniano 111 alla deposizione
di Romolo Äugustolo 455—476 (Jung) XVIII, 303.
Carducci, Lo Studio Bolognese (Luschin) XI, 14(i.
Carini und Palmieri. Spicilegio Vaticano di documenti inediti e rari estratti
dagli Archivi e dalla Biblioteca della Sede Apostolica Vol. 1. Fase. 1
(Tangl) XU. 363.
282. Carinthia Neue, Heft 1. 2, XI. 511.
283. Caro, Studien zur Geschichte von Genua (üttenthal) XV. 184.
384. Carreri, Del buono governo s])i]imbergese (Ottenthai) XV. 184.
385. — Spilimbergensia documenta (Üttenthal) XVIII, 690.
386. — Regesti Frmlani (Ottenthai) XVIIt, 690.
387. Cartellieri, Ein Donaueschinger Briefsteller (Kedlichj XX. 358.
3S0
381,
XXVI
388. Casanova, Trattative del coiuune di S. Gimignano con Clemente VI. dopo
Benovento 12b'6— 67 (Hampel XIX, 733.
:iSd. Cassani, DeU'antico studio di Bologna e sua oi'igine (Luschin)
XI, Uß.
:{i)0. Cavazza, Le scuole dell' antico studio Bolognese (Luschin) XIX, 355.
391. Celakovsky, Codex iuris municipalis regni Boheraiae Tom. II, (Mares)
XVIII, 168; vgl Vn, 17S.
:{{)'2. Chemnitz, Jahi-buch des Vereins für Chemnitzer Geschichte (Lippert)
XII, 162.
:V.y,i. Chiappelli, Lo Studio Bolognese nelle sue origini e nei suoi rapporti
colla scienza Pre-Irneriana (Luschin) XI, 146.
:{;)1. — e Zdekauer, Un consulto d' Azone dell anno 12(J5 (Luschinj
XI, 147.
ii*,K). Chociszewski, Swiety Wojciech (Kaindl) XIX, 53<S.
.'>!)(). — Ksiazeczka Jubileuszowa (Kaindl) XIX, 539.
397. Cbroust,' Bulle Hadrians V. (Redlich) XVI. 180.
'.V,)H. Chrzaszcz, Der heil. Adalbert (Kaindl) XIX. 53S.
;]yj). Cipolla, Di Rozone vescovo di Asti e di alcuni documenti inediti
che lo riguardano memoria (Erben) XIII. 211,
400. — Antiche Cronache Veronesi (Volteliui) XIII, 646.
401. — Di un diploma perduto di Carlo ILI (Erben) XV, 169; XVI. 379.
402. — Suir itiuerario di Coirado H nel 1026 (Erben) XV. 170; XVI, 379.
403. — und Filippi. Diplorai inediti di Enrico VII e di Lodovico il Bawaro
XII, 368.
40-1-. Giemen. Die Kun.stdenkmäler der Rheinprovinz I. Bd. I. (Laschitzer)
XIII, 6.51.
405. Collection de textes pour servir a 1' etude et ä V enseignement de
l'histoire (Cartellieri) XX, 3oi.
40(). Constantinische Schenkung, Neuere Forschungen über die (SchefFer-
Boichor.^t) XI. 128.
407. Coquelle, Histoire du Montenegro et de la Bosnie depuis les origines
(Jirecek) XIX, 203.
408. Criegern. Der Leumund der Sachsen (Lippert) XII, 167.
409. Dahlmann-Waitz, Quellenkunde der Deutschen Geschichte 6. Auflage (Hed-
lich) XVI, 175.
410. Dallari. I Rotoli dei Lettori Legisti e Artisti dello Studio Bolognese
dal 1384 al 1799 (Luschin) XI, 147.
411. Dal Ri, Dei mezzi di trasporto e di communicazione del principato
vescovile di Trento nel medio evo (Prem) XIII, 358.
412. Dalton, Beiträge zur Geschichte der evangelischen Kirche in Russland
III (Bidlo) XX, 342.
413. D'Arbois de .Tubainville. Rechercbes sur T origine de la propriete foncit're
et des noms des lieiix habites en France XH, 365.
414. Darmstädter, Das Reichsgut in der Lombardei und Piemont 568 —
1250 (Ottenthai) XIX, 351.
415. Daszynska, Stoff imd Methode der historischen Bevölkerungsstatistik
(ühlirz) XIX, 17 5.
416. Davidsohn, Fälschung einer päpstlichen Bnlle (Kedlich) XVI, 180.
417. Degani, 11 Comune di Portogruaro. sua origine sue vicende 1240 — 1420
(Ottenthai) XV, 184.
418. — Guecello di Prata (Ottenthai) XVlll, 689.
XXVII
419. Delaville le lioiilx, Cariulaire general de 1' ordre des Hospitaliers de
S. Jean de Jerusalem (Röhricht) XVI, 143; XVIII, 634.
419 a.Des Marez, Etüde sur la propriete fonciere dans les villes du moyen-
äge et specialment en Flandre (ühlirz) XX, 114.
420. Deutsches Städtewesen, Neuere Literatur (Uhlirz) siehe Stüdtewesen.
421. Dieckmeyer, Die Stadt Cambrai (Uhlirz) XVI, 524.
422. Diemand, Das Ceremoniell der Kaiserkrönungen von Otto I. bis
Friedrich IL (Tangl) XVIII, 031-
423. Diemar, Die Entstehung des deutschen Reichskrieges gegen Herzog
Karl den Kühnen von Burgund (Witte) XIX, 717.
424. Dierauer, Geschichte der Schweizerischen Eidgenossenscliaft 2. B.
(Huber) XIII, 352.
425. Diplomi imperiali e reali delle cancellarie d' Italia (Mühlbacher) XV, 131.
42(). Dittrich, Kloster Altzella und seine Ruinen, eine vergessene Fürsten-
gruft (Lippert) XII, i(-;6.
427. Dodu, Histoire des institutions monarchiques dans le royaume latin
de Jerusalem 1099 — 1291 (Röhricht) XVI, 538.
42s. — De Fulconis Hierosolymitani regno (Röhricht) XVI, 53S.
429. Doebner, Urkundenbuch der Stadt Hildesheim 5. Bd. 1 (Scliäfer)
XV, 687.
430. Domaszewski, Die Chionologie des bellum Germanicum et Sarmaticnm
166—175. n. Chr. (Jung) XVIII, 201.
431. Donadini, Das goldene Buch oder accurate Abbildungen der weitbe-
rühmten fürtrefflichen Sächsischen Fürsten nach Lukas Cranach
(Lippert) XII, 17 5-
432. Doren, Untersuchungen zur Geschichte der Kaufmannsgilden im
Mittelalter (Uhlirz) XIX, 174.
433. Dresdner, Kultur- und Sittengeschichte der italienischen Geistlichkeit
im 10. und 11. Jahrhundert (Hejck) XIV, 146.
434. Druttel, Briefe und Acten z. Gesch. des 16. Jahrhunderts 4. Bd.
ergänzt und bearb. von Brandi (Steinherz) XIX, 383.
43.'>. Ebei'stadt, Magisterium und Fraternitas (Uhlirz) XIX, 174.
436. Ebner, Die klösterlichen Gebetsverbrüderungen bis zum Ausgange des
karoliugischen Zeitalters (Herzberg-Pränkel) XIV, 129.
437. Effmann, Heiligkreuz und Pfalzel (Riegl) XII, 527.
438. Ehrle, Historia bibliothecae Romanorum pontificum Totnus I (Otteu-
thal) Xm, 208.
439. Eichler, Zur Umgrenzung der Sannthaleralpen (Prem) XX, 503.
440. Eigenbrodt, Lampert von Hersfeld und die neuere Quellenforschung (Otto)
XVill, 2(19.
441. Einert, Ein Thüringer Landptarrer im SOjährigen Kriege (Vancsa)
XVIII, 219.
442. Eiben, Vorderösterreich und seine Schutzgebiete im J. 1524 (F. M.
Mayer) XI, 483.
443. Emig, Vier Urkunden aus dem Dornbirner Gemeindegebiet (Prem)
XIX, 724.
444. Engelbrecht. Das Titelwesen bei den spätlateinischen Epistolographen
(Redlich) XV, 169.
415. Engelraann, Philipp von Schwaben und Papst Innocenz 111. während des
deutschen Thronstreites (Otto) XVIII, 211.
XXVTII
44f;. lü-ben, Untersuchungen zu dein Codex traditionuui Odalberti (T^edlicli)
XI, 503.
447. — Die Anfänge des Klosters Selz (Redlich) XV, 170.
418. — Quellen zur Geschichte des Stiftes und der Herrschaft Mattsee
(Herzberg -Fränkel) XX, 4o2.
U\h Erber, Storia della Dalmazia dal 1797 al ISI4, 4.-7. Thl. (Prem)
XI, 854; XII, 357; XllI, 359; XIV, 182.
450. Erbfolgekrieg österreichischer 1740 — 1748 hg. vom k. u. k. Kriegs-
archiv ]. u. 2. Bd. (Huber) XIX, 223.
451. Ermisch, Das Freiberger Stadtrecht (Lippert) XII, IGo.
452. Ernst, Denkwürdigkeiten von Heinrich und Amalie von Beguelin aus
den Jahren 18(i7 — 1813 (Krones) XVI. 153.
4.5:{. Erzgebirgs-Zweigverein I. Jahrbuch (Lippert) XII. 162.
454. Eschler, Die Heirat zwischen Herzog Rudolf IH. von Oesterreich und
Bianca, der Schwester Philipps IV. von Frankreich (Prem) XIII. 301.
455. Eubel, Zum päpstlichen Reservations- und Piovisionswesen (Tangl) XVI, 180.
45(j. — Registerband des (Jegenpapstes Nicolaus V. (Redlich) XVI, ISO.
457. — Hierarchia catholica medii aevi ab a. 1198 — 1431 perducta.
(Ottenthai) XIX, 546.
45.S. Eulenburg, Das Wiener Zunftwesen (Schalk) XVII, (;7*;.
45<)_ — Zur Bevölkerungs- und \'ermögensstatistik des 15. Jahrhunderts
(Uhlirz) XIX, 175.
4(;0_ — Städtische Berufs- und Gewerbestatistik Heidelbergs im k;. Jahr-
hundert (Uhlirz) XIX, J75.
4(51, Eulitz, Schloss Waldheim in der Zeit von 1588—1716 eine Be-
sitzung des Churhauses Wettin (Lippert) XII, 16 5.
4<;2. Fahre, Etüde sur le Liber Ceusuum de 1' Eglise Romaine (Tangl)
XI, 505: XIV, 494.
4(;:j. Faccioli, Archiginnasio di Bologna (Luschin) XI, 147.
4(}4. Fäulhammer, Politische Meinungen und Stimmungen in Wien in den
Jahren 1793 und 1794 (Prem) XV, 390.
4(;5. Fasching, I. Zur Bischofsweihe des hl. Virgilius von Salzburg. II. Zur
Rupertusfrage. III. Theodelinde (Prem) XVI, 374.
4(56. Fassl, Geschichte des Gymnasiums in Komotau 1591 — 1881 (Prem)
XIII, 362.
4(;7. Fejerpataky, Kaiman kiräly oklevelei (Die Urkunden König Kolomans)
(Äldasy) XIV, 507.
4(;>^ — Oklevelek IL Istvän kiräly ko)äb<Jl (Urkunden aus der Zeit König
Stefan IL) (Aldäsy) XVH, 184.
4G9. Feret, La Faculte de Theologie de Paris et ses docteurs les plus celebres
(Budinszky) XVIII, 690.
-i;(). Fester, Regesten der Markgrafen von Baden und Hachberg (Witte)
XVIII, 641.
4-1 _ Markgraf Bernhard I. und die Anfänge des badischen Territorial-
staates (Witte) XVIII, 647.
472. Festschrift zum llhundertjährioen Ju\)iläuin des deutschen Canipo Santo
in RouT XX. 178.
47:}. Ficker, Untersuchungen zur Rechtsgeschichte. Untersuchungen zur
Frbenfolge der ostgermanischen Rechte 1. Bd. (Zallinger) XIII, 1C)9:
3. und 4. Bd. (Opet) XX, 288, 4^4-
XXIX
4:4. Filek* Friiiul und s<'iiie Eiiclaven (Prciii) XX, öol.
4-7Ö. i'mke, Westfälisches Urkundcübuch, 4. und n. Bd. (Otteutlud) XI,
177; XVII, :54S.
476. — Konzilienstuflien zur Geschichte des 13. Jahrh. (Holzer) XV. ]8:>.
477. — Ungedrnckte Dominikanerbnefe (Tliommeu) XV, I4ri,
4;>i. — Acta concilii Coustantiensis (Loserth) XVIII, 652.
479. Fischer Auton Karl, Die Hunnen im schweizerischen Eifischthale und ihre
Nachkommen bis auf die heutige Zeit (Jung) XVÜi, 204.
480. Fischer Clebhard, Zur Geschichte des Schwedeneinfalls in Vorarlberg
im Jahre 1647 (Prem) XVI, 371.
4,S1. Fischer Josef, Der Linzertag vom Jahre 1605 in seiner Bedeutung
für die österreichische Haus- und Reichsgeschichte (Prem) XX, 498.
482. — Der Erbschaftsvergleich Kaiser Rndolf U. (Steinherz) XX, 520.
483. Fischnaler, Wajipenbuch der Städte und Märkte der gefür^teten Grafschaft
Tirol (Hedlich) XVIII, 221.
4,S4. Fittiug, Die Anlange der Rechtsschule zu Bologna (Luschin) XI, 14 6.
4.S.">. — Summa des Irnerius (Luschin) XV, 684.
4s(>, — Quaestiones de iuris subtilitatibus des Jrnerius (Luschiu) XV, 684.
4s7. Fleraming, Die Dresdner Innungen von ihrer Entstehung bis zum
Ausgang des 17. Jahrhunderts (Uhlirz) XIX, 174.
488. Focke. Theodoricns Pauli, ein Geschichtsschreiber des XV. Jahrhunderts und
sein speculum historiale (Hofmann-Wellenhof) XVI, 186.
4Si). Förstemann, E., Historische Untersuchungen zum 50jährigen Doctor-
jubiläum E. Förstemanns (Lippert) XVI, 133.
45X). — Novae Constitutiones audientiae contradictarum in curia Romana
promulgatae a. d. 1375 (Tangl) XVIII, 640.
491. Friedemann, Das Königreich Sachsen (Lippert) XII, 171.
492. Friedjung, Der Kampf um die Vorherrschaft in Deutschland 1859
bis 1866 (Zwiedineck) XX, 142.
493. Friedrich, Die Constantinische Schenkung (SchefFer-Boichorst) XI, 128-
494. Friess, Die Wappen der Aebte von Garsten XVI, 182.
49,5. — Die Reise des Hans Christoph Freiherrn von Teufel in das
Morgenland 15S8 — 1590 (Prem) XX, 499.
49<». Fritz, Deutsche Stadtanlagen (Uhlirz) XIX, 17 3.
497. Fromme, Die spanische Nation und das Constanzer Concil (Loserth)
' XVIII, 654.
498. Fürstenbergisches Urkundenbuch (Ottcnthal) XVI. 183.
499. Fürstenschulen, die Eigenart der (Lippert) XII, 168.
.5(M). Fugger, Eishöhlen und Windröhren (Prem) XITI, 364; XIV, 185;
XV, 392;
.501. Gädeke, Zur Feier des 800jährigen Regierungsjubiläums des Hauses
Wettin (Lippert) XII, 167.
502. Gallen St«. Mittheikuigen des historischen Vereines von Thommen) XV. 179.
503. Ganter, Bezelin von Villingen und seine Vorfahren (Kedlich) XVI, 380.
Ü04:. Gärtner, Johann Pauspertl von Drachenthal (Prem) XII, 359.
.505. Gebhardt, Handbuch der deutschen Geschichte (Krones) XIV, 493.
.50(>, Gelcich, Piero Sordini profugo a Ragusa (Prem) XVI, 373.
507. German. Museum zu Nürnberg, Kaiserurkundendes (Winkelmann) XII, 366.
.508. Geschicht-quellen Osnabrücker, 1. — 3. Bd. (Ottenthai) X\', 136;
XVI, 183; XVIII. 209.
XXX
.W.). (ilicrgcl, Zur (Jcscliiclite S'KilK'ubürgcus (Jung) Xfll, 52 Ti.
510. Uiese, Ivudolf I. von Hiibslnn«,' und die römische Kaiserkrone (Oito)
XVI, 185.
.')11. trindely, (reschichte der degenreformation in Böhmen (Huber)
XV. B93.
512. Giry, Manuel de diplomatique XVI, 176.
513. — Dates des deux diplomes de Cliarles-le-Chauve pour 1' abbaye des Fosses
(Mühlbacher) XVlll, 206.
514. — Etudes carolingiennes (Mühlbacher) XVIEl, 206.
515. Gitterraanu, Ezzelin von Romano (Vancsa) XVIII, 212.
öK). (rlagau, Die französische Legislative und der Ursprung der Revulu-
tionskriege (Schütter) XX, 346.
'Ai. Gloria, Autografo d'Irnerio e origine della Universitä lii Bologna
(Luschin) XI, 147.
.')l,s. — Monumenti della Universitä di Padova 12 22 — 1318 (Luschin)
XI, 147.
."iiy. — Monumenti della Universitä di Padova 13 IS — 1405 (Luschin)
XI, 147.
.V20. — Monumenti della Universitä di Padova 1222 — 1 3 1 .S difesi contro
il Padre Enrico Denifle (Luschin) XI. 147.
.■>21. Goldschmidt, Universalgeschichte des Handelsrechts (Schaube) XIII, 334.
522. Goll, Cechy a Prusy ve stfedoveku (Böhmen und Preusseu im Mittel-
alter) (Bretholz) XX, 33 1.
523. Gottlob, Aus der Camera apostolica des 1 5. Jahrh. (Ottenthai)
XI, 478.
.V24. — Die päpstlichen Kreuzzugs-Steuern des 1 3. Jahrhunderts (Stein-
herz) XIV, 500.
525. Grillitsch, Die Zusammensetzung des Kurfürstencollegiums (Prem)
XIX, 728.
526. Gropplero, Memorie storiche dei tre ultimi secoli del patriarcato d' Aquileia
1411 — 1751 (Ottentbai) XL, 509.
.')27. Gross K., Lehrbuch des katholischen Kirchenrechts (Höi'mann)
XV, 531.
r>2S. Grot, Iz istorii Ugrii i Slavjanstva v XII vjeke 1141 — 1173 (Aus
der Geschichte Ungarns und des Slaventhums im 12. Jahrhundert)
(Milkovicz) XIV, 359.
529. Grotefend. Zeitrechnung- des deutschen Mittelalters und der Neuzeit H, 1
(Redlich) XV, 174.
.'>30. Gstirner, Ueber die bambergische Waldordnung vom 22. December
1584 (Prem) XVII, 6 85.
.Vil. Gubo, Graf Friedrich 11. von Cilli (Prem) XII, 356.
r>32. — Der Cillier Erbstreit (Prem) XV, 387.
.'»33. — Steiermark während des österreichischen Erbfolgekrieges (Prem)
XVIII, 670; XIX, 725.
.')34. Günther, Geschichte des Feldzuges von ISOO in Ober-Deutschland,
der Schweiz und Ober-Italien (Criste) XVII, 506.
r)3.'). — Der Feldzug der Division Lecourbe im Schweizerischen Hochge-
birge 1799 (Criste) XX, 352.
536. Güterbock, Der Friede von Montebello und die Weiterentwicklnug des
l.diulmrdciibuudes (Vancsa) XX, 3,")!).
XXXI
.■);{;. riug-iia, Zur Geschichte einiger Reichsstädte in -len hjtzen Zeiten des
Keiches (Prem) XV, 38U.
.Vis. (Tuilhiermoz, Enquetes e proces. Etüde sur la procedure et le fonc-
tionnement du parlement au 14^ siecle (Cartellieri) XIX, 365.
.UO. (lundel, Die Wege Adalberts, des Bischofs von Prag im Preussen-
land (Kaindl) XX, 642.
Ö41. Gundlach, Heldenlieder der deutschen Kaiserzeit i. Bd. (Ottenthai)
XVI, 357. '
542. Grappenberger, Der Pagas (irunzwiti (Prem) XX, 5()o.
.543. Gutsche und Schultze, Deutsche Geschichte von der Urzeit bis zu
den Karolingern (Jung) XVTI, 673.
.">44. .Haake, Brandenburgische Politik und Kriegführung in den Jahren
1688—1689 (Pribram) XIX, 719.
.54.'). Halban-Blumenstok, Entstehung des deutschen Immobiliareigenthumes
(Schwind) XVUI, 37 2; vgl. Blumenstok.
54(;. — Zur Geschichte des deutschen Rechtes in Podolien, Wolhynien
und der Ukraine (Milkowicz) XIX, 559.
547. Hündcke Erw., Die mundartlichen Elemente in den elsässischen Urkunden
des Strassbuvger Urkundenbuches (Vancsa) XVI, 181.
.54s. Haffter, Georg .Jenatsch (Reinhardt) XVIII, 394.
54i>. Hagemans, Vie domestique d" un seigneur chätelain du moyen-äge
(Lippert) XI, 335.
5.50. Hagenmeyer, Galterii Cancellarii Bella Antiochena (Röhricht) XVIII, 635.
.551. Haller, Concilium Basiliense (Loserth) XVIII, 655.
5.52. Hamberger, Die französische Invasion in Kärnten im J. 1809 (Prem)
XI, 353; XIV, 181; XVI, 372; XVIII, 671.
552 a. Hammer, Die Bauten Herzog Siegmunds d. Münzr. von Tirol (Redlich) XX, 692.
552 b.— Literarische Beziehungen u. musikalisches Leben des Hofes Herzog 8ieo--
munds von Tirol (Redlich) XX, 692.
.553. Hampe, Geschichte Konradins von Hohenstaufen (Vancsa) XVII. 187.
.5.54. Hartel und WickhofiF, Die Wiener Genesis (Hann) XVIII, 193.
555. Harteliana Serta XVHl, 201.
556. Hartmann L. M., Eine Urkunde einer römischen Gärtnergenossenschafi; vom
Jahre 1030 XV, 169.
557. — Ueber die üatirung mit conside (Hedlieh) XV, 174.
.5.5s. — Ecclesiae S. Mariae in Via Lata Tabulariura 921 — 1045 (Tano-1)
XVIII, 6 26.
.5.59. — Geschichte Italiens im Mittelalter J. Bd. (Jung) XIX, 709.
560. — Iter Tridentinum (Jung) XX, 519.
.501. Hartmann V., Das seenreiche Keutschachthal (Prem) XII, 360.
.562. Haueis, Zur Geschichte des höheren Schulwesens in Baden (Prem)
XI, 356.
.563. Hauser, Die alte (beschichte Kärntens von der Urzeit bis Karl dem
Grossen (Jung) XVI, 136.
.564. Hauthaler, Ein salzburgisches Eesristerbuch des 14. Jahi-h. (Prem)
XV, 387.
.565. — Die Arnonischen Güterverzeichnisse (Prem) XX, 500.
566. Hauviller. Ulrich von Cluny (Holzer) XIX, 732.
.567. Havet, Lettres de (ierbert (983 — 997) (Erben) XI, 173.
XXXII
5(H. ILivct, (juestioiis Moniviiitficniics XII, 3()3 .
:,{ii), ilayn, Kitter Hilger Qaattermart von dor Stesscu (Uhlirz) XVII, :>;G.
r»70. Hechtellner, Zur Geschichte des Schlosses und Gerichtes Vellenberg
(Prem) XIX, 725.
071. Heck, Das städt. Archiv in Wadovvice (Prem) XI. 35 8.
r,;2. — Die Stadtarchive in den Fürstenthümern Auschwitz und Zator
(Prem) XIII, 364.
r>7:}. Hegel, Das erste Stadtrecht von Freiburg im Breisgau (Uhlirz)
XIX, 174.
074. Heger C, Zum (Gedächtnisse Adalberts, des ersten Apostels der Preussen
(Kaindl) XIX, 535.
:üö. Hein, Mäander, Kreuze, Hakenkreuze und urmotivische Wirbelorna-
mente in Amerika (Prem) XIII, 362.
576. Heinemann, Beiträge zur Diplomatik der älteren Bisehöfe von Hildesheim
1130—1246 (Redlich) XIX, 392.
577, Helfert. Staatliches Archivwesen (Redlich) XV. 175.
:üs. Henner, Beiträge zur Organisation und Competenz der päpstlichen
Ketzergerichte (Loserth) XII, 66'.
:u*j. Herbert, Der Haushalt Hermannstadts zur Zeit Karls VI. (Schalk)
XV, 157.
580. Herre. Ilseburcrer Aunalen als Quelle der Pöhlder Chronik (üttenthal)
XV, 181.
.'i.sl. Herrmann August, Zur Verwaltungsgeschichte der Stadt St. Polten
(Prem) XI, 353; XII, 356; XIV, ISO.
r,S2. — Zur Geschichte der Schulverhältnisse St. Pöltens von der Mitte
des 16. bis gegen Ende des 18. Jahrh. (Prem) XV, 386.
:,,S3. — Das Archiv der Stadt St. Polten (Prem) XVHI, 669, XIX. 723;
XX, 49 7.
r>S4. Hertzberg G,, Geschichte der Stadt Halle an der Saale von den An-
fängen bis zur Neuzeit (Uhlirz) XVII, 317.
5s.>. Hes, Ueber den Eintiuss des Johann Vite2 von Zredno und des Georg
von Podiebrad auf die VV^ahl des Mathias Corvinus zum ungarischen
König (Prem) XV, 392.
586. Hettner und Sarwey, Limesstudien (Jung) XVIIl, 202.
TtS't. Heyck, Geschichte der Herzoge von Zähringen (Ottenthai) XIV, 661 ;
vgl. XVI, 380.
.•),s8. — Urkunden, Siegel und Wappen der Herzoge von Zähringen (^Otten-
thal) XIV, 66 1.
.•),s!>. Heyd, Beiträge zur Geschichte des deutschen Handels. Die grosse
Kavensburger Gesellschaft (Heyck) XII, 351.
•V.M). — Bibliographie der württembergischen Geschichte (Schön) XIX, 230.
.V.U. Heydenreich und Knauth, Die Beziehungen des Hauses Wettin zur
Berghauptstadt Freiberg (Lippert) XII, 161-
592. Hidber. Diplomatisch-kritische Untersuchung der Berner Handfeste (Red-
lich) XV, 170.
.V.»;j. Hipler, Boga rodzica. Untersuchungen über das dem hl. Adalbert
zugeschriebene älteste polnische 3Iarienlied (Kaindl) XIX, 53S.
.V.>4. — Zum St. Adalbertsjubiläum 997 — 1897 (Kaindl) XIX, 539.
5!I5. Hirn, Die Tiroler Landtage zur Zeit der grossen Bauernbewegung (Red-
lich) XVI. 188.
.•»91». Hüldbaum, Hansisches Urkundenbuch 3. Bd. (Uhlirz) XI, 6 53.
xxxnr
,-»;>;. ^ ttünfger, KölufV Öcbjümciuikimdcn ties J 2. Jahrlmndrris ( ühlirz)
XIX, 173. ^ '
598. Hofraanii-Wellenhof, Leben und Schriften des Doctor Johannes Hinderbach
Bisehofs von Trient 1465— 148(; (Redlich) XV, 187.
.-)!«). Hofmeister, Das Haus Wettin von seinem Ursprünge l)is zur neuesten
Zeit (Lippert) XV, 174.
(}00. Holder, Die Designation der Nachfolger durch die Päpste (Holzer)
XVI, 360. ^
601. Holzer, Die geschichtlichen Hanrlschriften der Melker Bibliothek (Redlich)
XIX, 395.
(502. Holzhaus, Herzog Heinrich der Fromme, der (Gründer MarienberffS
(Lipiert) XII, 162.
(:o:{. Holzner, Die deutschen Schachbücher in ihrer dichterischen Eigenart
gegenüber ihrer Quelle, dem lateinischen Schachbuche des Jacobus de
Cersolis (Prem) XIX, 728.
(;()4. Hoogeweg, Die Schriften des Kölner Domscholasters, späteren Bischofs
von Paderborn und Kardinalbischofs von S. Sabina Oliverus (Röhricht)
XVI, .539. ^ ^
(50.'). Hopf, Anton Wolfradt, Fürstbisch, von Wien und Abt des Bened.
Stiftes Kremsmünster (Prem) XIII, 357; XIV, 180; XV, 385.
(JO«. Hopfen, Kaiser Maximilian II. und der Kompromisskatholizismus
(Steinherz) XX, 335.
607. Horcicka, Einige Ennser Urkunden der Neuzeit (Prem) XI, 354.
«OS. — Die Lateinschule in Schlaggenwald 1554 — 1624 (Prem) XVI, 371.
<;o;>. — Das geistige Leben in Elbogen zur Zeit der Reformation (Prem)
XVII, 684. ^ ^
(>10. Hossinger, Ein Beitrag zur Geschichte der ersten Türkenbelagerung
Wiens im Jahre 1529 (Prem) XIX, 723.
«;il. Huber, Oesterreichiscbe Reichsgeschichte (Schwind) XVII, 177.
012. — Geschichte Oesterreichs 4. und 5. Bd. (Zwiedineck)' XVIII, 390.
013. Hueber^ Michael Pfurtscheller von Fulpmes, ein Tiroler Schützen-
hauptmann aus dem J. 1809 (Prem) XIII, 358.
614. Hübner, Gerichtsurkiinden der fränkischen Zeit (Mühlbacher) XV, 167.
01.5. Hug, Die Kinder Friedrich Barbarossas (Scheffer-Boichorst) XI, 642.
OK». Hüttebränker , Der Minoritenorden zur Zeit des grossen Schismas
(Holzer) XV. 151.
617. Jacob Georg, Ein arabischer Berichterstatter aus dem 10. oder 11. Jahrh.
über Fulda. Schleswig, Soest, Paderborn und andere deutsche Städte
(Schulte) XII, 365.
(»is. Jacob Karl, Die Erwerbung des Elsass durch Frankreich im West-
fälischen Frieden (Hirn) XIX, 718.
010. Jäckel, Kirchl. und religiöse Zustände in Freistadt während des Re-
formations-Zeitalters (Prem) XI, 353; XII, 356.
020. — Zur Frage über die Entstehung der Täufergemeinden in Ober-
österreich (Prem) XVII, 687.
021. Jabr, Die Wahl Urban VI. 1378 (Holzer) XVI, 147.
622. Jahrbuch der Gesellschaft für Lothringische (Jeschichte und Alterthums-
kunde. (1888—89) XI, 510; (1890—92) XV. 178; (1893-96) XIX, 389.
62». Jahrbuch der kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiser-
hauses 14. — 16. Bd. (Laschitzer) XV, 159, 695; XVII, 356-
3
XXXIV
ti'24. Jal\8rh. l»ic iiltosieii Sii'gt"! <ler liisulu'il'e nml tles CnpÜclt; von (iurk iTIeil-
lich) XVI, 181.
(>25. — Monuraenta histor. ducatus Cariiithiae. Die Gurker (jcscbichts-
qiiellen 1. Bd. (Redlich) XVIII, 378.
()26. Jan, Das Elsass zur Karolingerzeit (Mühlbacher) XV, 182.
({2<. Jecht, Codex diplomaticus Lusatiae superioris 2. Bil. (Lippert)
XIX, 373.
()28. .lirecek Constantin, Das christliche Element in der topographischen Nomen-
klatur der Balcanländer (Juug) XIX, 888.
(;*Ji>. Jirecek Hermeiiegild, Tuser Reich vor zweitausend Jahren (Jung)
XV, 37 4.
(130. — Unser Keiih zur Zeit der Geburt Christi (Jung) XlX, 387.
«531. ilgen, Zur Herforder Stadt-Gerichtsverfassung (Uhlirz) XVII, 317.
(532. — Uebersicbt über die Städte des Bistums Paderborn im Mittelalter
(Uhlirz) XVII, 017.
(>83- — Geschichte und Verfassung von Soest (Uhlirz) XIX, 175-
634. Uwof, Zur Geschichte des Krieges von 1809 in Steiermark (Prera)
XIX, 576.
635. — Briefe des Erzherzogs Johann an die Grafen Ferdinand und Ignaz Attenis
(Prcm) XIX, 576.
t)36. — Franz Freiherr von Kalchberg 1807—1890 (Prem) XiX, 576.
($37. Inama- Sternegg, Deutsche Wirtschaftsgeschichte 3. Bd. 1. Theii
(Schalk) XX, 663-
038. Innerösterreicb, Die historische periodische Literatur 1892 — 1894
(Jaksch) XVII, 510-
(;3«). Joacbirasobn, Gregor Heimburg (Bachmann) XIII, 341.
(;40. — Die humanistische Geschichtschreibung in Deutschland (Hofmann-
Wellenhof) XVIII, 659.
641. Joerres, Die 6656 Hufen der Abtei St. Maximin XI, 503.
642. Joppi, Di Civedale del Friuli e dei suoi ordinamenti amministrativi, giu-
diziari e militari (Redlich) XV. 185.
643. — II castello di Moruzzo ed i suoi signori (Ottenthai) XVIII, 689.
644. Isenbart. Ueber den Verfasser und die Glaubwürdigkeit der l'ontinuatio
Reginonis XII, 364.
(J4r>. Jürgens, Die Quellen der stadthannoverschen Geschichte (Uhliiv.)
XIX, 175.
(;4(5. Juritsch, Geschichtliches von der kgl. Stadt Mies in Böhmen (Prem)
XVII, 683.
r.47- Kaemmei, Deutsche Geschichte (Krones) XI, 45 3.
(;4,S- — Ein Gang durch die Geschichte Sachsens und seiner Fürsten
(Lippert) XI] 17 7-
(;4{>. — Illustrirte Weltgeschichte (Krones) XV, 691.
650. Kaindl, Ueber den Verschluss der päpstlichen Documente im Xilb Jahr-
hundeit (Tangl) XVI, 180.
(;r>l. Kallsen, Die deutschen Städte im Mittelalter (Uhlirz) XVI, 52 4.
«J.V2. Kaltenbrunner, Aktenstücke zur Geschichte des deutschen Reiches
unter den Königen Rudolf I. und Albrecht I. (Busson) XII, 345.
<;r,3. Karäczonyi, Szent Istvän Kiräly oklevelei es a Szilveszter buUa (^Die
Urkunden König Stefans des Heiligen und die Silvesterbulle) (Aldäsy)
XIV, 50 9.
«54. Karschulin, Zur Geschichte der österr. Seidenindustrie (Prem) XD,
359: XIII, 35 S.
XXXV
er,,"». Katalu.i; ilcr BililiuUiek der cvaugolisclien J/afide^kiruhc A. 15. in
Siebenbürgen XI, 184,
(>,')(>. Katalog der Bibliotheks-Abtheilung des k. u. k. Kriegsarcbivs
(Donabaum) XX, 35().
(}54- Katschtbaler. Heber Beruhard Pez und seinen Briefnachlass (Prem)
XI, 354.
(}r>,S. Katz, Annalium Lauresliainensium editio emendata secunduni cod. St.
Paulensem XXV c/32 CA (Prem) XI, 35 4.
(»öt). — Der Gang der Erwerbung Kärntens durch die Habsburger und
die sagenhaiten Heereszüge der Margarete Maultasche (Prem) XIX,
72S; XX, 501.
HGO. Kauffer, Beschreibendes Verzeichnis der Handschriften der Stadtbibliothek
zu Trier XL 501.
(>(J1. Kaufmann, Die Geschichte der deutschen Universitäten (Thommen)
XI, 179; XX, 329.
(J(J2. — Zur Entstehung des Städtewesens (Uhlirz) XV, 48«.
6«3. Kaypers, Studien über Rudolf den Kahlen (Uttenthal) XYI, 184.
664. Kehr, Kaiserurkunden des vatic. Archivs XI, 501.
665. . — Leber den Plan einer kritischen Ausgabe der Papsturkuuden bis Inno-
cenz IIL cMühlbacher) XVIII, 205; XX, 357.
666. — L'eber eine römische Papyrusurkunde im Staatsarchiv zu Marburg (Mühl-
bacher) XVIII, 208.
({(>7- Kemetter, Flavio Biondos Verhältnis zu Papst Eugen IV. (Prem)
XVIII, 672.
({(>,<s. Kampf, Geschichte des deutschen Reiches während des grossen Inter-
regnums 1245 — 1273 (Vancsa) XVH, 187.
«>1)9. Ketrzynski, Najdawniejoze zywoty sw. Wojciecha (Kaindl) XX, 643.
(;ro. Keussen, Die Matrikel der Universität Köln l 3S9-1558 (Eichler) XIV, 671.
(J/l. Keutgen, Untersuchungen über den L^rsprung der deutschen Stadt-
verfassung (Uhlirz) XIX, 173.
(w"2. Khull, Des Kitters Hans von Hirnheim Reisetagebuch aus dem Jahre
1569 (Prem) XVIII, 669; XIX, 724-
()73. Kiem, Geschichte der Benedictinerabtei Muri-Gries (Redlich) XI, 507;
XV, 189.
(JT-t. Kindler von Knobloch . Oberbadisches Geschlechterbuch (Schön)
XVI, 688.
(>75. Klement, Einige Notizen über den Magistrat der kgl. Stadt Mährisch-
Neustadt im 17., besonders im 18. Jahrh. (Prem) XII, 356;
XV, 387.
({;<;. — Arion (Prem) XX, 499.
(h7. Klopp, Der dreissigjährige Krieg bis zum Tode Gustav Adolfs 1632
(Huber) XIV, 379; vgl XV, 394, 396, 664; XVI. 662.
(Ji8. Kluibenschedl, Erzherzog Ferdinand II. von Tirol als Schauspieldichter
(Prem) XIII, 861.
679. Kneer, Kardinal Zabarella (Holzer) XVI, 185.
(j80. — Die Entstehung der konzUiaren Theorie (Holzer) XVIII, 216.
«81. Kniecke, Die Einwanderung in den westfälischen Städten (Uhlirz)
XVII, 317.
682; Knott, Michael Stüeler, ein Lebens- und Sittenbild aus der Zeit des
30jährigen Krieges (Prem) XX, 499.
683- Kobell, Kunstvolle Miniaturen und Initialen aus Handschriften des
3*
XXXVI
4. bis 10. Jalirh. mit Berücksichtigung der iu der llul- und Slaats-
bibl. zu München betindlicben Mauuscripte (Schlosser) XI, Gös.
(J84. Koebiie. Der Ursprung der Stadtverfassung in Worms, Speier und
Mainz (Uhlirz) XV, 488-
(js.V — Das Hansgrafenamt (Uhlirz) XIX, 174.
0,S(>. Köln, Beiträge zur Geschichte vornehmlich von — und der Eheiu-
lande (Uhlirz) XVII, 316.
687. König', Die päpstliche Kanuiiei- unter Clemens V. undJohanu XXII. (Tanol)
XV, 173.
(J88. Kolberg, Bilder aus dem Leben des hl. Adalbert (Kaindl) XIX. 536.
^.gy . — Ein Brief des hl. Adalbert von Prag an den Bischof Milo von
Minden aus dem J. 993 (Kaindl) XIX, .536.
<;90. Kopallik, Regesten zur Geschichte der Erzdiöcese Wien (Dopsch)
XVIII, 648.
«Dl. Korth, Köln im Mittelalter (Uhlirz) XVII, 316.
682- Kozak, Ueber den Streit des österreichischen Herzogs Friedrich II.
(Prem) XVHI, 67 2.
693. Krackowizer, Ergebnisse der Besichtigung der vorzüglichsten Archive der
Städte, Märkte, und Comnninen von Oberösterreich (Redlich) XVIII, 209.
{;94. Kralicek, Hercynia, Fergunna, Krknose (Prem) XII, 35 8.
(.«)5 — Die sarmatis(;hen Berge, der Berg Peuke und Karpates des Clau-
dius Ptolemaeus (Prem) XVI, 374-
696. — Die Donauvölker Altgermaniens (Prem) XIX, 727.
697. Kretschmayr, Das Original der Reichshofkanzleiordnung Kaiser Ferdinands I.
vom Jahre 1559 XVIII, 219.
698. — Ludovico Gritti (Steinherz) XiX, 735.
(;99. Kretzschmar, Die Formularbücher aus der Canzlei Rudolfs von Habs-
burg (Redlich) XI, 330.
700. Krones, Tirol 1812 — 1816 und Erzherzog Johann von Oesterreich
(Prem) XII, 670-
701. __ Festschrift XVIII. 200.
702. Krüger, Der Ursprung des Hauses Lothringen-Habsburg (Redlich) XVI. 379.
703. - Zur Herkunft der Zähringer (Redlich) XVI, 380.
704. Krumbacher, Geschichte der byzantinischen Literatur von Justinian
bis zum Ende des oströmischen Reiches 2. Auflage (Jung) XIX, 199.
70:>. Kruse, Verfassungsgeschichte der Stadt Strassburg besonders im 12.
und 13. Jahrhundert (Uhlirz) XVI, 524.
-^^^^, — Die Kölner Richerzeche (Uhlirz) XVII, 316.
707. — Excurs ülier die ältere Gerichtsverfassung der Stadt Köln (Uhlirz)
XVII, 316.
TDK. Krzyzanowski, Dyplomy i Kancelaryja PrzemysJawa II. (Das Urkunden-
wesen und die Kanzlei Przemystaw's IL von Grosspolen, (Kratochwil)
XIV, 510.
709. Kubitschek, Vindobona (Prem) XV, 388.
710. — und Frankfurter, Führer durch Cavnuntum (Jung) XVIII, 202.
711. Küntzel, Ueber die Verwaltung des Mass- und Gewichtwesens in
Deutschland während des Mittelalters (Uhlirz) XIX, 174.
712. Kürschner. Regesten zur Geschichte Jägerndorfs unter den Herrschern
aus dem Hause Brandenburg 1523 — 1622 (Prem) XIV, 181.
713. Kimlcr. Eine neue Hfindsfhvift der Chronik Alberts von Aachen XV, 181.
XXXVTT
714. Kugimer, Die Bischofswahlen in üeui-schland zur Zeit des grossen
Schismas 1378 — 14 LS vornehmlich in den Erzdiöcesen Köln, Trier
und Main/ (Tangl) XV, 150.
715. Kuun, Relatiouum Hungarorum cum orieute geiitibusque Orientalis originis
historia antiqnissima (Jung) XVII, 205.
710. Kunsttopographie österreichische 1 . Bd. Kärnten (Laschitzer ) XII, 3 1 4.
717- Kuntze, Die deutschen Städtegründungen oder Kömerstädte und
deutsche Städte im Mittelalter (Uhlirz) XV, 488.
718. Kunz, Oesterreich und der spanisch-englische Heirathsplan vom Jahre
1623 (Prem) XVIL 684.
719. Kupelwieser, Die Kämpfe Ungarns mit den Osmaneu bis zur Schlacht bei
Mohacs 1526 (Criste) XIX. 735.
720. — Die Kämpfe Oesterreichs mit den Usmauen vom Jahre 1526—1537
(Criste') XX, 689.
721. Lampel, Salzburger Goldwert um 1284 XII, 368.
722. — Urkundenbuch des aufgehobenen Chorherrnstiites St. Polten (Ked-
lich) XV, 380.
723. Lamprecht, Der ürspi'ung des Bürgerthums und des städtischen
Lebens in Deutschland (Uhlirz) XV, 489.
724. — Deutsche Geschichte •^. Bd. 2. Th. (Rachfahl) XVIL 468.
725. Lange, Die Annales Pisani und Bernardo Maragoue (Vaucsa) XX, 3'jO.
72(t. LangL Die Habsburg und die denkwürdigen Stätten ihrer Umgebung
(Prem) XVII, 687.
727. LapOtre, L'Euvope et le Saint-Siege ä l'epoque Carolingienne (Ki-usch)
XVIII, 376.
728. Lastig, Beitrag ziu- Handelsgeschichte, über Markenschutz und Zeichenregister
(Schum) XI, 499.
729. Lau. Die erzbisch. Beamten in der Stadt Köln während des zwölften
Jahrhunderts (Uhlirz) XVII, 316.
730. — Entwicklung der kommunalen Verfassung und Verwaltung der
Stadt Köln bis zum Jahre 1396 (Uhlirz) XX. 113.
731. Lea, The Absolution Formula of the Templars (Gmelin) XV, 148.
732. Lechner, Ein Beitr. z. Gesch. der Hannöver'schen Mission (Prem) XII, 357-
733- — Zur Geschichte des ehemaligen Franciskanerklosters in Kremsier
(Prem) XVII, 685.
734. Lefranc, Histoire de la ville de Noyon et de ses institutions jus-
qu'ä la fin du XIII^ siecle (Uhlirz) XI, 468-
735. Leicht, I diplomi imperial! concessi ai patriarchi d' Aquileja (Mühlbacher)
XVIIL 207.
736. Leist, Urkundenlehve 2. Auflage (Redlich) XV, 169.
737. — Die Notariatssignete (Lippert) XVIII, 635-
738. Leitzinger. Die Bevölkerungsbewegung in Vorarlberg seit 1837 und
der Stand der Bevölkerung im Jahre 1890 (Prem) XVH, 689; XVIII.
674; XX. 502.
739. Lenel, Studien zur Geschichte Paduas und Veronas im Xlll. Jahrhundert
(Vancsa) XVIII, 213.
740. — Die Entstehung der Vorherrschaft Venedigs au der Adria (Vancsa)
XX, 359.
741. Lentner, Die Stadt Bozen in Feindeshand (Prem) XX, 520.
742. — Die Franzosen in Brixen (Prem) XX, 520.
743. — Die Weiberwacht zu Villanders (Prem) XX, .520.
744. — Der Separatfriede von Sähen (Prem) XX, 520.
XXXVIII
71.'}. Leutrum. Cieschichte des Keichsfreibeirlicljcn uud (h-äflicbeu Hauses
Leutrum von Ertingen fSchön) XV, 63B.
74«. Levec. Die Einfälle der Türken in Krain und Istrien (Prem) XIII, 3 Gl.
747. Lewinski, Die Braudenburgische Kanzlei nnd das Urkundeuwesen während
der Regierung der beiden ersten HohenzoUer'schen Markgrafen 1411 — 1470
(Redlich) XV, 173.
748. Liesegang. Zur Verfassungsgeschichte der Stadt Köln (Ublirz) XVII. 316.
;^cj. _ Eecht und Verfassung von Eees (Uhlirz) XVII, 317-
7,')0. Lindnor Tb., Deutsebe Gescbicbte unter den Habsburgern und
Luxemburgern 1273—1437 1. Bd. (Huber) XH. 350; 2. Bd. (Losertb)
XVI, 36 n.
751. — Die Fabel von der Bestattung Karls des Grossen XV, 182; (Miüdbaclier)
XVIII. 206.
7.-)2. Linbart, Das Prämonstratenserstift Strabow und seine Aebte (Prera)
XUl, 360.
7.-,:j. Lippert Julius. Die Knecbtscbaft in Böhmen (Milkowic) XV, 138-
754. Socialgescbicbte Böhmens in vorbussitischer Zeit (Bretbolz) XVIII,
624; XX. 667.
-,:iö. Lippert Waldemar. Die Wettiner und Wittelsbacher sowie die Kieder-
lausitz im XIV. Jahrhunderte (Steinherz) XVII. 350.
7.-,ü. Lobe. Der Staat;- haushält des Königreichs Sachsen (Lippert) XII. 176.
7.-)7. Lüher. Archivlehre (Budinszky) XII. 354.
7.',,s. Lössl. Das ßegensburger Hansgrafenamt (Ublirz") XX. 113.
7.V,». Lövinson. Beiträge zur Verfassungsgeschichte der vpestfälischen Reichs-
städte (Ublirz) XVII, 307.
7<;0. Loewe Heinrich. Richard von San (lermano und die ältere Redaction
seiner Chronik (Winkelmann) XVII. 185.
7G1. Loewe Victor, Die Organisation und Verwaltung der Wallensteiniscben
Heere (Huber) XVIII, 189.
7<52. Loserth. Beiträge zur Geschichte der Hussitischen Bewegung V. (Goll)
xvin. 170.
763. _ Das St. Pauler Formular (Redlich) XIX, 394.
7(}4. Ludwig Fi-iedricb. Untersuchungen über die Reise- und Marschge-
schwindigkeit im XII. und XIII. Jahrhundert (Tangl) XIX. 7 i 3.
7(5.-). Ludwig Hermann, Deutsebe Kaiser und Könige in Strassburg (Heyck)
XL 457.
7(',<;. Ludwig Karl, Die Gegenreformation in Karlsbad (Prem) XIX. 7 24.
7(17 . Ludwig Theodor, Die Konstanzer Gescbicbtsscbreibung bis zum IS.
Jal-Aundert (Holmann-Wellenhof) XVIII, 659.
7(;,s. Luginbühl, Aus Philipp Albert Stapfers Briefwechsel (Thummen)
XV° 702.
7,(J!>. Lulves, Die Summa cancellariae des Johann von Neumarkt (Milkovic)
XIV. 516; vgL XV. 398.
770. Luschin, Herbcrsteiniana (Redlich) XV, 188.
771. — Die Handelspolitik der österreichischen Herrscher im Mittelalter
(üopscb) XVI, 365.
7;.j. _ Oesterreicbische Reichsgeschichte (Sartori) XVII. 342; XVIII. 66 1.
77:;. Mang. Hab.«burgisches Urbar (Thommen) XVI, 381.
774. ]\laionica, Fundkarte von Aquileja (Prem) XV, 388.
xxxn
775. Mai^; G., Kes Raeticae (Prem) XIV, l,s2.
77({- — Jenseits der Rhipäen (Prem) XV. :5S9; XVI. :i74.
777. Maire. Manuel pratique du bibliothecaire (Donabauru) XX, 35.5.
77N. Malagola. Statut! delle Universitä e dei Collegi dello Studio Bolognese
(Luschin) XI, 147.
77t). — Monografie storiche sullo Studio Bolognese (Luschin) XI, 147.
780. Manitius, Deutsche Geschichte unter den sächsischen und salischen
Kaisern 911 — 1125 (Ottenthai) XU. 181.
7S1. Mare.s, Die gefälschten Diplome der Rosenbercre (Dvofak) XIX, 391.
7,S2. Maretich, Die zweite und dritte Berg-Isel-Schlacht (Egger) XVII. öos.
7s3. Matscheg, Storia politica di Europa dal cominciare del regno di
Maria Teresa alla sciogliersi della convenzione di Kleinschnellendorf
(Huber) XIX. 224.
7s4. Maurer, Kritische Untersuchung der ältesten Verfassungsurkunde der
Stadt Freiburg i. B. (ühlirz) XVI. 524.
7,sr). Mayer E., Zoll. Kaufmannschaft und Markt zwischen Rhein und Loire
bis in das 13. Jahrhundert (ühlirz) XIX. 174.
7,S(>. Mayer F. Arnold und Rietsch, Die Lieder des Mönchs von Salzburg
aus der Mondseer Liederhandschrift (Steinherz) XIX, 734.
7S7. Mayer F. M., Eine salzburgische Visitationsreise in Steiermark und
Kärnten im Jahre 1657 (Prem) XVIII, 670.
7,SS. Mayer Julius, Die französisch-spanische Allianz in den Jahren 1796 —
1807 (Schütter) XX, .?50.
;s\). Mayer Manfred. Leben. Kleinere Werke und Briefwechsel des Dr.
Wiguleus Hundt (Hofmaun-Wellenhof) XVI, 149.
7.90. - Baierns Handel im Mittelalter und in der Neuzeit (Hofmann-Wellenhof)
XV[, 187.
791. Mayr Michael, Der Genenillandtao- der österreichischen Erbländer zu Augs-
burg 1325—1526 (Redlich) XVI, 188.
792, — Cardinal Commendone's Klohter- und Kirchenvisitation von 1569 in den
Diöcesen Passau und Salzburg (Redlich) XVH, 206.
293. — Einiges aus den Berichten der ürazer Nuntiatur an die Curie (Redlich)
XVll, 206,
75)4. Meier Wilhelm, Compositions- und Successions- Verhandlungen unter
Kaiser Mathias während der Jahre 1615 — 1618 (Hirn) XIX. 386.
7yö. Meinecke, Die deutschen Gesellschaften und der Hofi'mann'sche Bund
(Prem) XIII. 534.
79(). Mengozzi, 11 monte dei Paschi di Siena e le aziende in esso riunite (Luschin)
XIX, 734.
7{)7. Mennell. (ioldene Chronik der Wettiner (Lippert) XII, 176. .
7J>S. Mensi, Die Finanzen Oesterreichs von 1701 — 1740 (Schalk) XII. 669.
7J)9. Menz, Johann Philipp, Kurfürst von Mainz (Landwehr) XIX. 2 20.
800. Menzel V.. Deutsches Gesandtschaftswesen im Mittelalter (Kedlich) XV, 181.
8()1. lleytr v. Knonau, Jahrbücher des deutschen Reiches unter K. Heinrich IV.
(Herzberg-Fiänkel) XVI, 379.
,S02. Michael Emil, Geschichte des deutschen Volkes seit dem dreizehnten
Jalu'hundert bis zum Ausgang des Mittelalters 1. Bd. (Redlicli)
XX, 313; XX, 692.
803. Michael W., Die Formen des unmittelbaren Verkehres zwischen den deutschen
Kaisern und den souveränen Fürsten vornehmlich im X.. XL und XII. Jahih.
(OttenthaJ) XII, 367.
XL
SOl- Michael Wolfgaug. Englische Geschichte im XVill. Jahrhundert (Pri-
bram) XIX, 721.
Süö- Miczkiewicz. Zywol swietego Wojciecha (Kaindl) XX, 643.
S0(}. Miklau. Franz IL Käkoczy (Prem) XVI. 376.
NOT. Milan. OesteiTeichs Stellung zur polnischen Insurrection und dritten
Theilung Polens (Prem) XVI, 376.
808. Milkowicz, Monumenta confraternitatis Stauropigianae Leopoliensis XVII, 207-
809. — Ein novd-russischev auf Holz gemalter Kalender aus der Zeit um 1600
(Redlich) XIX. 395.
slO. Mittag. Erzbischof Friedrich von Mainz und die Politik Ottos des
Grossen (Ottenthai) XVHI, 15 7.
811. Mittheilungen aus der dritten (Archiv-)Sectioi) der k. k. Centralcommissioii
für Kunst- und historische Denkmale 2. Bd. (Redlich) XVI, 182.
812. Mittheilungen der Gesellschaft für deutsche Erziehung?- und Schulj^-e schichte
(Redlich) XV. 176.
813. Mittheilungen aus dem Stadtarchiv Köln XI, 504; XV, 177; XIX. 390.
814. Mittheilungen des Musealvereins für Krain 1889 XI, 512.
815. Mitthedungeu des k. u. k. Kriegsarchivs N. F. 4. Bd. XI. 509.
816. Mommsen, Das Regenwunder der Markussäule (Jung) XVIII, 201.
817. Monod, Etudes d'Histoire du Moyen Age dediees a Gabriel Mouod XVIll, 204.
818. Montesquieu, Voyages de Montesquieu (Budiuszky) XVIIl, 220.
Siy. Moritz, Die Wahl Rudolfs IL. der Reichstag zu Regensburg 1576 und
die Freistellungsbewegung (Hirn) XIX. 385-
S20- Moschkau, Wettiner Besuche in Zittau und der südlichen Oberlausitz
(Lippert) XIL 163.
,V21. Moser, Der Karst (Prem) XII, 360.
822. Müller Joseph, Die Gefangenschaft des Johann Augusta und seines Diakons
Jacob Bilek (Hirn) XX. 519.
823. Müller-Mann, Die auswärtige Politik Kaiser Otto IL (Uhlirz) XX, 687.
824- Müller Moritz. Die Kanzlei Zwentibolds, Königs von Lothringen 895 —
900 (Dopsch) XV. 133.
,s2.>. Müller Theodor, Das Conclave Pius IV. (Wahrmund) XIV, 163.
S26. Murawski, Kurzes Lebensbild des hl. Adalljert (Kaindl) XIX. 537.
827. Murko. Deutsche Einflüsse auf die Anfange der böhmischen Romantik
(Prem) XX. 138.
828. Nagl, Gerbert und die Rechenkunst des 10. Jahrh. XL 500.
829. — Die Rechenpfennige und die operative Arithmetik, XI, 500.
830. — üeber eine Aloonsnuis-Schrift des XII. Jahrh. und über die Verbreitung
der indisch-arabischen Rechenkunst und Zahlzeichen im christl. Abendlande
XIL 367.
831. Neudegger, Geheime Raths- und Hofexpeditions-Reformation in Oesterreich
unter Kaiser Mathias (Dopsch) XX, 690.
832. Neuwirth. Die Wochenrechnungen und der Betrieb des Prager Dom-
baues in den Jahren 1372 — 137 8 (Horcieka) XL 462.
.s;{:{. — Peter Parier von Gmünd. Dombaumeister in Prag und seine
Familie (Horcieka) XII, 665.
s;U. — Geschichte der bildenden Kunst in Böhmen vom Tode Wenzels
III. bis zu den Husitenkriegen (Horcieka) XIV, 367.
.s:{.-). — Rudolf IL als Dürer Sammler (Prem) XV. 389.
,s:{(;. — Mittelalterliche Wandgemälde und Tafelbilder der Burg Karlstein
in Böhmen (Horcieka) XVIL 35 2.
XLI
S3». Ne^iwirtli, Der Bildercyclus des Luxemburger Stammbaumes aus Karl-
stein (Horcicka) XX. 494.
,S3S. — Der verlorene Cyklus böhmischer Herrsclierbilder in der Prager
Königsburg (Horcicka) XX. 494.
S39. Nevefil. Die Gründung und Auflösung der Erzdiöcese des hl. Me-
thodius. des Glaubensapostels der Slaven (Prem) XIX, 727.
n40. Nicoladoni. Johannes Bünderlin von Linz und die oberösterreichischen
Täufergemeinden in den Jahren 15 25—31 (ünger) XVL 14,S.
Sil. Nostitz-Kieneck. Textkritisches zum Investiturprivileg Calixtus II.
(Prem) XVI, 374.
.S42. Notation, The musical n. of the Middle Ages (Adler) Xlf. 342.
843. Noväcek, Prameny zakläd. listiny univ. prazske (Gründmigsurkunde der
Prager Universität) (Kratochvil) XV, 172.
844. — Karla IV. pobyt pfi dvofe papezskem r. 1365 (Aufenthalt Karl [V. an
dem päpstlichen Hofe zu Avignon im Jahre 1365) (Kratochvil) XV, 183.
845. — Veraeschriften aus dem Egerer Archiv (Kedlich) XV, 183.
Hiü- — Listäf k dejinäm skolstvi kutnohorskeho 1520 — 1623 (Akten-
sammlung zur Geschichte des Kuttenberger Schulwesens 1520 — 1623)
(Marcs ) XVIII, 180.
,s47- Nuntiaturberichte aus Deutschland mit ergänzenden Actenstücken
1. Abth. 1. und 2. Bd. bearb. v. Friedensburg; 3. Abth. 1 bearb. v.
Hansen (Starzer) XIV. 372.
,S4,S. — von 1560 — 1572 (2. Abth.) 1. Bd. bearb. von Steinherz (Volte-
lini) XIX. 565.
,s45). Obst, Ursprung und Entwickelung der Hamburgischen Rathsverfassung
bis zum Stadtrecht von 1272 (Uhlirz) XVIL 317.
s,')0- Oechelhaeuser. Der Bilderkreis zum wälschen Gaste des Tliomasin
von Zerclaere (Riegl) XII. 664.
S51. — Die Miniaturen der Universitäts-Bibliothek zu Heidelberg 2. Bd.
(ßiegl) XX, 353.
852. üefele, Unedirte Kavolingerdiplome (Mühlbacher) XV, 167.
853. — Vermisste Kaiser- und Köiiigsurkunden dos Hochstiftes Eichstätt (Mühl-
bacher) XV, 167.
854. — Nachtrag dazu (Mühlbacher) XVI 11, 208.
855. — Tradition-^notizen des Klosters Kühbach (Mühlbacher) XVIII. 208.
856. — Traditionsnotizen des Klosters ßiburg (Mühlbacher) XVIII, 208.
s,>7. Ortvay, Geschichte der Stadt Pressburg (Krones) XV. 533.
,S5.S- Ottenthai, Regulae cancellariae apostolicae (Tangl) XI. 33 7.
Soi). — Regesta imperii IL (Uhlirz) XVI, 665.
,S(JO- — und Redlicla, Archivberichte aus Tirol (Voltelini) XIX, 368.
,S(}1. Otto , Die Beziehungen Rudolfs von Habsburg zu Papst Gregor
X. (Redlich) XVn, 6 74.
.S(>2. Oxenstierna Skrifter och Brefvexling. Rikskansleren (Schäfer) XI, 181;
Xn. 193; XIV, 381; XVIIL 189.
s«:}. Paleograpbie musicale, heraursgeg. vom Kloster Solesmes (Adler) XI. 327.
8(>4. Panzacchi-Ricci-Ximenes, Bononia docet (Luschin) XL 146.
865. Paoli, Prograrama scolastico di paleografia latina e diplomatica (Miihlbacber)
XI, 499; XVI, 181.
86«. — II libro di Montaperti (Voltelini) XII, 658.
XLII
8V)7. Paoli. Le abbrcviatnre iiella paleografia (Miihlbacher) XVI, ]81.
,S(J8- Paris, L'estoire de la guevre sainte. Histoire en vers de la troisieme
croisade ll9ü — 1192 par Ambroise (Röhricht) XIX, 395.
8()f>. Parisio, Due docunienti greci inediti della Certosa di S. Stefano del Bosr-o
XI, 503.
870. Parisot, Deux diplomes inedits pour la coUegi^le S**^" Marie-Madelain de
Verdun XV. 168.
871. — Une intevpolation dans le diplörae de Charles le Simple pour Salone
25. jouillet 896 (Mühlbacher) XVIII, 207.
,S?2. Partsch, Philipp Clüver. der Begründer der historischen Länderkunde
(Jung) XIIL 353.
slli. Passler, Zur Geschichte der Heimesage (Prem) XV, 390.
.S74. Pastor. Geschichte der Päpste seit dem Ausgange des Mittelalters,
2. Bd. (Krones) XI. 656; 2. Auflage (Bachmann) XVII. 4H7.
875. Patsch, Durchfoi'schnng der römischen Leberreste in Bosnien und Herzego-
wina (Jung) XV [II, 303.
87(i. Paulus Diaconus, Milleniumsf'eier zu Ehren XX, .518.
Sil- Peisker, Die Knechtschaft in Böhmen (Milkowicz) XV. 138-
sis. Perlbach, Die Statuten des Deutscheu Ordens (Schäfer) XII. 1S5.
N?}). Perret, Histoire des relations de la France avec A'enise du XIIP siede
ä l'aveneraent de Charles Vlll (Cartellieri) XIX. 363.
SSO. Peter, Die gescbichtliclie Literatur über die römische Kaiserzeit bis Theo-
dosius I. und ihre Quellen (Jung) XIX, 387.
881. Petersen. Blitz und Kegenwunder an der Markussäule (Jung) XVIII, 201.
882. Petris, Lo statuto delT isola di Cherso ed Ossero (Prem) XII. 35 7.
883. — L'Archivio della Communitä di Ossero (Prem) XVI. 376;
XVn, 6S5.
884. Pfeilschifter. Der Ostgothenkönig Theoderich der Grosse und die katho-
lische Kirche (Jung) XVlIl, 303."
8S.')- Pfeilschmidt. Umschau über die Fürstendenkmäler des Hauses Wettin
(Lippert) XII, 169.
88(>. Pfülf. Brun von Querfort. Bischof der Heiden (Kaindl) XX, 643.
887- Philipp], Zur Geschichte der Osnabrücker Stadtverfassung (Uhlirz)
XVn. 317.
8.SS. — Zur Verfassungsgeschichte der westfälischen Bischofsstädte (L'hlirz)
XVn. 317.
■8h{). — Die Osnabrücker Laischaften (Uhlirz) XIX. 175.
SiK)- Osnabrücker Urkundenbuch (Ottenthai) XIX. 371.
8!)|. Philologenversammlung, Verhandlungen der 42. in Wien XVI, 174.
SU'2. Pichl, Kritische Abhandlungen über die älteste Geschichte Salzburgs
(Jung) Xn, 65S.
S9:{. Pichler. Die Beziehungen zwischen Oesterreich und Frankreich inner-
halb der Jahre 1780 — 1790 (Preml XIX. 729.
.S94. Pictet. Biographie travaux et correspondance diplomatique de C. Pic-
tet de Rocheraont (Krones) XIII. 649.
S'iKt. Pirenne, Histoire de la Constitution de la ville de Dinant au ^loyen-
Age (Uhlirz) XVI, 524.
S9(;. — L' origine des constitutions urbaines au mojeu age (Uhlirz)
XIX. 17 3.
897. i'isihek, Zur Frage nach der Kxistenz einer niittolhochdeutschen Schrift-
spraclie im ausgehenden 13. Jahrhundeit (Redlich) XV, 171.
XLITT
SyS. Pisoni, Cronaco del raonastero e della Chiesu della S. S. Trinita (Prem)
XVII, GS 5.
5<99. Plath, Die Königspfalzen der Merowinsjer und Karolinger (Mühlbachcr)
XVIII, 205.
900. Polaczek, Der Uebergangsstil im Elsass (Riegl) XVIII, 222.
901- Polek, Die Erwerbung der Bukowina durch Oesterreich (F. M. Mayer)
XI, 661.
y02- Polnisclie Geschichtsschreibung (Finkel) XI, 346, 489.
;i03- Posse, Die Hausgesetze der Wettiner bis zum Jahre 14S6 (Lippert)
XII, 173.
J)04. — l^ie Siegel der Wettiner bis 1324 irnd der Landgrafen von
Thüringen bis 1247 (Lippert) XVII, 191.
JM)5. — I'i*' Siegel der Wettiner von 1324 — 1486 und der Herzöge von
Sachsen-Wittenberg und Kurfürsten von Sachsen aus askanischem Ge-
schlecht (Lippert) XVII, 191.
yO(). Poullet, Le prenaieres annees du Royauine des Pays-Bas 1815 — 1818
(Schütter) XVIII, 191.
907. — La Belgique et la Chute de Napoleon L (Schütter) XVIII, 221.
908. Prem, Knfstein (Redlich) XV, 187.
909. — ]>er Tirolische Freiheitskrieg 1S09 XVIII, 671.
910. Priebatsch, Politische Correspondenz des Kurfürsten Alljrecht Achilles
(Bachmann) XA^II, 17 2.
911. Prochaska, Swi^ty Wojciech (Kaindl) XIX, 537.
yi2. Piöll, Ein Blick in das Hauswesen eines österreichischen Landedel-
mannes aus d. ersten Viertel des 17. Jahrh. (Prem) XI, 354.
913. Programme österr. Mittelschulen (Prem) (1889) XI, 353 ; (1890) XII,
355; (1891) XIII, 357; (l892) XIV, 179; (1893) XV, 385; (1894)
XVI, 370; (1895) XVII, 682; (1896) XVIII, 669; (1897) XIX, 723;
(1898) XX, 497.
914. Prybila, Antheil Salzburgs an der Volkserhebung im Jahre 1809
(Prem) XVL 372.
«>15. — Politik Oesterreichs im Jahre 1793 (Prem) XVII, 688.
«jKj. — Oesterreich im Jahre 1794. Der Verlust Belgiens (Prem) XVIII, 670.
917- Quellen und Forschungen aus dem Gebiete der Geschichte hg. von
der Görresgesellschaft 1. Bd. i. Theil. Nuntiaturberichte Giov. Morones
bearb. von Dittrich (Starzer) XIV, 372.
918. Quellen und Forschungen zur Geschichte, Literatur und Sprache Oester-
reichs und seiner Krouländer hg. von der Leo-Gesellschaft XV, ISfj.
919. Quellen zur Geschichte der Stadt Wien (Dopsch) XIX, 210.
920. Rachfahl. Die Organisation der Gesammtsstaatsverwaltung Schlesiens
vor dem dreissigj ährigen Kriege (Bretholz) XVHI, 177.
921. Rauch, Die Assyrer (Prem) XVIII, 671; XIX. 7 26.
922. Rebhann. Die Steuer- und Militärreformen Matthias Corvins (Prem)
XX, 501.
923. Reding-Biberegg, Der Zug Suworow's durch die Schweiz 24. Herbst-
bis 10. Weinmonat 17 99 (Criste) XVII, 504.
924. Regel, Leber die Chronik Cosmas' von Prag (Miikovit) XV, 142.
XLTV
*)2r>. Regesta epiacoporum Constantiensium. Regesten zur Geschichte <ler
Bischöfe von Constanz von 517 — 1496 (Ottenthai) XX, 490.
{>2<;. Rehme, Das Lübecker Oberstadtbuch (Uhlirz) XIX. I7ö.
{)27. Reinecke, Geschichte der Stadt Cambrai bis zur Ertheilung der lex
Godefridi 1227 (Uhlirz) XIX, 17 5.
;>2S- Reinhardt, Die Correspondenz von Alfonso und Girolamo Casati mit
Erzherzog Leopold V. von Oesterreich 1620 — 1623 (Hirn) XVIII, ISI.
J>2J>. Reinhold, Verfassungsgeschichte Wesels im Mittelalter (Uhlirz) XVII, 3 1 G.
•K}(). Reiter. Ueber kirchliche Kunst in Tirol in der zweiten Hälfte des
19. Jahrhunderts (Prem) XVII, 688.
931. Reusens, Elements de Paltäographie (Tangl) XX, 661.
!t32. Revue de 1' Orient hitin (Röhricht) XV, 18.9."
93:}. Rezek, Dejiny saskeho vpädu do Öech 163 1 — 1632 a nävrat emi-
grace (Marcs) XI, 487.
934- — D6jiny prostonärodniho hnuti näbozenskeho v Öechäch od vy-
däni toleraneniho patentu az na nase casy (Mares) XI, 487.
93.'). Ricci. I Primordi dello Studio di Bologna (Luschin) XI, 146.
93(». Richter. Litteratur der Landes- und Volkskunde des Königreichs
Sachsen (Lippert) XII, 170.
937. Richter und Kohl. Annalen der deutschen Geschichte im Mittelalter
III. Abth. L Bd. (Ottenthai) XII. 181.
93s. Rietschel. Die Civitas auf deutschem Boden (Uhlirz) XIX. 173.
939. — Zur Datirung der beiden ältesten Strassburger Rechtsaufzeichnungen
(Uhlirz) XIX, 174.
940. Ringsholz, Die Geschichte des fürstl. Benedictinerstiftes Einsideln unter
Abt Johannes I. von Schwandau 1298—1327 (OttenthaU XI, 507.
941. Ritter. Deutsche Geschichte im Zeitalter der Gegenreformation und
des dreissigjährigen Krieges (l555 — 1648) (Huber) XI. 180.
942. Rivaita. Discorso sopra la scuola delle Leggi Romane in Ravenna ed
il collegio dei giureconsulti Ravennati (Luschin) XI, 147.
943- Rocke. Die Sächsischen Landesfürsten und die Universität Leipzig
(Lippert) XII, 166.
M44. Rockiuger. Ueber Geheimsrhriftenschlüssel der bayerischen Kauzlei im 16.
Jahrhundert XV, 174.
945. Röhricht. Deutsche Pilgerreisen nach dem heiligen Lande (Hoogeweg)
XI, 482.
946. — Kleine Studien zur Geschichte der Kreuzzüge (Lippert) XII. 368
947. -- Studien zur Geschichte des fünften Kreuzzuges (Lippert) XIV. 365.
94s. - Regesta regni Hierosolymitani 1097 — 1291 (Hoogeweg) XIV, 670.
949- — Geschichte des Königreichs Jerusalem 1100 — 1291 (Hoogeweg)
XIX. 555.
9.")(). Rosenmund, Die Fortschritte der Diplomatik seit Mabillon vornehm-
lich in Deutschland-Oesten-eich (Redlich) XIX, 707.
9.">J. Rosenthal, Geschichte des Gerichtswesens und der Verwaltungsorgani-
satioii Baierns I, Bd. (Luschin) XII. 519.
9."J2. Roserot. Notiee sur les sceaux carolingiens des archives de la Haute Manie
i'Mühlbacher) XV, 174.
'.}:>:'>. — Diplomes carolingicns originaux des archives de Ja Haute-Marne (Mühl-
bacher) XVrU, 200. ^
9.")4. Rüge, Die (srste Landesvermessung des Kurstaates Sachsen 1586 —
1607 (Lippert) XII, 171.
XLV
l>.Vi. Säch.sisclie Fürdtcu und i'^Ärstiujien, Die ril(',i,'(,' der Wisseuscliul'teu
und sehünen Künste durch (Lippert) XU, IGR.
yr)(>. Sägmüller, Die Papstwahlen und die Staaten von 1447 — 1555 (Wahr-
mund) XIV. 157.
957- — r)ie Papstwahlbullen und das staatliche Recht der Exclusive
(Wahrmund) XIV. 516.
*.)5.S. — Zur Geschichte des Kardinalates (Holzer) XVIII, 216.
959. — Der Schatz Johanns XXIl. (Tnngl) XIX, 733.
<KJ(). Salamon, Ungarn im Zeitalter der Türkenherrschaft (F. M. Mayer)
XI, 344.
9(J1. Salchow. Der Uebergang der Mark Brandenburg an das Haus Wittels-
bach (Lippert) XVI, 145.
*)()2. Salvemini. La Dignitä Cavalleresca nel comune di Firenze (Voltelini)
XX, 123.
\){i?,. Sander, Beiträge zur Rechts- und Culturgeschichte des vorarlbergischen
Gerichtes Tannberg (Prem) XIV. 180.
9()4-. — Einige Actenstücke zur Geschichte Vorarlbergs im Zeitalter des
deutschen Bauernkriegs (Prem) XV, 387.
9)Jö. — Der Streit der Montafoner mit den Sonnenbergern um den Be-
sitz der Ortschaft Stallehr und um Besteuerungsrechte 1554 — 1587
(Prem) XIX. 7 24.
lM)<i. Sarti et Fattorini, De claris Archigymnasii Bononiensis Professoribus
a saeculo XI usque ad saec. XIV (Luschin) XI. 147; Neuauflage
XIX, 355.
.967. Sartori-Montecroce, Die Thal- und Geriehtsgemeiude Fleiins und ihr Statu-
tarrecht (Redlich) XV, 186.
968. Sauerland, Trierische Taxen und Trinkgelder an der päpstlichen Kurie
(Tangl) XIX, 733.
9(»9. Schäfer Dietrich, Württembergische Geschichtsquellen (Schön) XVI,
686; XIX, 226.
970. — Die Hinrichtung der Sachsen durch Karl den Grossen (Mühlbacher)
XVIII, 205.
971. Schäfer Friedrich. Wirtschafts und Finanzgeschichte der Reichsstadt
Ueberlingen am Bodensee in den Jahi-en 15 50 — ^1628 (Uhlirz)
XX, 113.
972. Schaller, Ulrich IL. Putsch, Bisrhot von Brixen und sein Tagebuch
1427-1436 (Redlich) XV. 187.
973. Schatz, Stellung Leopolds III. von Oesterreich zum grossen abend-
ländischen Schisma (Holzer) XVI. 186.
{»74. Schaube Adolf, Das Konsulat des Meeres in Pisa (Heyck) XI, 649.
975. Schaube Kolniar, Zur Entstehung der Stadtverfassung von Worms,
Speier und Mainz (Below) XIV, 143.
97(). — - Die Entstehung des Speierer Stadtraths (Ühlirz) XVI, 524.
977. . — Die Entstehung des Rathes in Worms (Uhlirz) XVI, 524.
978. Schaus, Zur Diplomatik Ludwigs des Bayern (Vancsa) XVI. 178.
979. Scherter-Boichorst, Zur Geschichte der Reichsabtei Erstein XI, 506.
980. — Der kaiserliche Notar Burchard und der Strassburger Vitztum Burkhard,
ihre wirklichen und angeblichen Schriften XI, 507.
981. — Veroneser Zeugenverhör von 1181 (Redlich) XVI, 177.
982. — Beiträge zu den Regesten der staufisclien Periode (Redlich) XVI, 177.
9,S3. — Zur Geschichte des XII. und XIII. .lahrhunderts (Redlich) XIX, 360.
XL VI
i)Si. Schcichl, Lu(ij)ulil 1. uinl du- ri.stiTri'iclii.sche LVilitik wJi liroiid des l'u-
volutionskrieges 16(57 — OS (F. M. Mayer) XI, 4.S6.
985. Scherei-, Uebersiclit der Judeiigesetzg-ebung in Oesterreidi vom 10. Jahr-
hundert bis auf die Gegenwart (Dopsch) XX, 688.
986. Schiaparelli, Diploma inedito di Berengario I in favore del monasterio di
Bobbio (Mühlbachor) XVllI, 207.
«>S7. Schütter, Kaiser Franz I. und die Napoleonideu vom Sturze Napo-
leons bis zu dessen Tode (F. M. Mayer) XI. 66 2.
;)S.s. — Die Reise des Papstes Pius VI. nach Wien und sein Aufenthalt
daselbst (Krones) XVI, 6-9.
ysi). — Pius VI. und Josef II. von der Rückkehr des Papstes nach Rom
bis zum Abschlüsse des Concordates (Krones) XVI, 689.
'.UM). — Briefe der Erzherzogin Marie Christine, Statthalterin der Nieder-
lande, an Leopold II. (Krones) XIX, .5 72.
J)5)l — Correspondance secrete entre le comte A. W. Kaunitz-Rietberg,
ambassadeur imperial a Paris, et le baron Ignaz de Koch, secretaire
de l'imperatrice Marie Therese 1750 — -1752 (Lippert) XX, 683.
9}>2. Schlosser, Die abendländische Klosteranlage des früheren Mittelalters
(Riegl) XI, 328.
993. — 'r.ypave und Bullen in der Mutz-, Medaillen- und Anükensammlung
de.s a. h. Kaiserhauses X\'. 175.
<)<)4:. Schmeisser, Beiträge zur Ethnographie der Schönhengstler (Prem)
XVII. 689; vgl. Vm, 16 7.
ih)r>. Schmelzer, Die Massenburg (Prem) XVII, 683.
<)9(;. Schmidt K. A., Beiträge zu einer Reform des geschichtlichen Unter-
richtes an der Oberrealschule (Prem) XII, 36().
997. Schmidt Valentin, Die Fälschungen von Kaiser- und Königsurkunden durch
Ulrich von Kosenberg (Dvorak) XIX, 391.
998. Schmitz, S. Chrodegangi Mettensis episcopi {742--766) regula canonicorum
(Sickel Th ) XI, 498.
«►99. Schneider A., Der Zürcher Canonicus und Cantor Magister Felix
Hemmerli an der Universität Bologna 1408 — 1412 und 1423 — 1424
(Luschin) XI, 147.
1000. Schneller Christian, Tirolisclie Namenforschungen. Orts- und Personennamen
des Lagerthals in Südtirol (Ottenthai) XVI, 187.
1001. -- Beiträge zur Ortsnamenkunde Tirols (Ottenthai) XVI, 188.
.1002. — - Tridentinische Urbare aus dem 13. Jahrb. mit einer Urkunde
aus Judikarien v. 1244 — 1247 (Lechner) XX, 325.
1003. Schneller Friedrich, Beiträge zur Oeschichte des Bisthums Trient aus dem
späteren Mittelalter (Redlich) XVH. 20o.
1004. Schön, Kurze Fundnaclirichten über eine altchristliche Basilika in
CiUi (Prem) XX, 5 00.
IDO.'). Schönherr, Alexander Colin und seine Werke 1562 — 1612 (ßiegl)
XL 343.
lOOlJ. Schoop, Verfassungsgeschichte der Stadt Trier von den ältesten Im-
munitäten bis zum J. 1226 (Uhlirz) XVI, 524.
1007. Schraut, Regestrum Bursae Hungai-orum Cracoviensis. Das Inwohner-
Verzeichnis der ungarischen Studentenburse zu Krakau 1493 — 15 58
(Eichler) XV, 68S.
1008. Zur Geschichte der Studentenhäuser an der Wiener Universität (Red-
lich) XVIH, 218.
1(»09. - und Hartl, Nachträge zu Aschbachs Geschichte der Wiener Universität
(lü'dlichj .\V, J88; XVIU. 218.
XLVII
KUO. .Scliröder. Wriclil)ild (L'liliiv.) XV, GTC).
1011. — Die Stellung der Rolandssäulfn in der lireliisgescliiclite (l"blirz)
XV, r,7fi.
1012. — - Die älteste Verfassung der Stadt Minden (Uhlirz) XVIT, 317.
1013. — Marktkreuz und Rolandsbild (Uhlirz) XIX, 174.
1014. Scliuliertb, Gvozdec-Grossenliain (Lippert) XU, 1(54.
1015. Schulte, Ueber Reste romanischer Bevölkerung in der Ortoiiau XI, 500.
1016. — üilg Tschudi, Glarus und Sacckingen (Redlich) XV. 185.
101 <■. — Ueber Reicbenauer Städtegründungen (Uhlirz) XV, 488.
lOlH. — Das Stadtrecbt von Neuenbürg i. B. (Uhlirz) XVI, 52 0.
1019. Schuster Leopold, Fürstbischof Martin Brenner (Loserth) XX, 124.
1020. Schuster R., Zapperts .Aeltester Plan von Wien* (Müblbacher) XV, 188.
1021. Schwarz Sebald, Anfänge des Städtewesens in den Elb- und Saale-
gegenden (Below) XIV, 145.
1022. Schwarz \V. E., Briefe und Akten zur Gesch. Maximilians II. (Huber)
XI, 485.
1023. Schwarzlose, Die Patrimonien der römischen Kirche bis zur Gründung
des Kirchenstaates (Hartmann) XI, 466.
1024. ■ — Die Verwaltung und die finanzielle Bedeutung der Patrimonien
der römischen Kirche bis zur Gründung des Kirchenstaates (Hait-
mann) XI, 466.
1025. .Schweizer, Geschichte des Zürcliev Staatsarchives (Redlich) XVI, 183.
1026. — Geschichte der schweizerischen Neutralität (Dierauer) XVII, 478.
102 r. Schwerdfeger, Papst Johann XXIII. und die Wahl Sigismunds zum
römischen König (Loserth) XVIII, 6.51.
1028. — Denkschritt des Grossherzogs Franz ."-tephan von Lothringen - Toscana
(Kretschmayr) XX. 691.
102}>. Schwind und Dopsch, Ausgewählte Urkunden zur Verfassungsge-
schichte der deutsch-österreichischen Erblande im Mittelalter (Luschin)
XVIL 345.
10;]0. Schwitzer, Urbare der Stifte Marienberg und Münster, Peters von
Liebenberg - Hohenwart und Hansens von Annenberg (Ottenthai)
XIV, 153.
1031. Schybergson, Svnringes och Hollands diplomatiska Förbindelser 1621
— 1630 (Schäfer) XI, 183.
1032. Seeliger, Erzkanzler und Reichskanzleien (Kehr) XIII, 528.
1033. Seelmann, Wiederauffindung der von Karl dem Grossen deportirten Sachsen
(Mühlbacher) XV 111. 205.
1034. Seemüller, Ottokars Oesterreichische Reimchronik (Redlich) XVI, 6 76.
1035. Segur, Le royaume de la Rue St. Honore (Lippert) XX, 678.
1036. Selb, Die deutschen Rolande (Uhlirz) XV, 676.
1037. Sforza. Fälschungen A. Cecarelli's (Ottenthai) XVII, 205.
1038. Sickel, Die Anfänge des Klosters Heeslingen (Erben) XII, 365.
IQgi), — Römische Berichte I. und IL (Steinherz) XVII, 6 7 9.
1040. Simonsfeld. Beiträge zum päpstlichen Kanzleiwesen im Mittelalter
und zur deutschen' Geschichte im 14. Jahrh. (Tangl) XII, 187.
1941. — Fragmente von Formelbüchern auf der Münchener Hof- und Staatsbib-
liothek''(Redlich) XV, 171.
1042. Slovenische historische Literatur der Jahre 1892 — 94 (Äpih)
XVII, 529.
1043. Sohm, Die Entstehung des deutschen Städtewesens (Uhlirz) XV, 488
XLVIII
lOU. SpaauT. Illiistriiic Wr.ltocscliiclilc 5. — S. Md. (Kvdiirs) X.V, f/» 1 ;
XVU, 5()-2.
1045. Spangenberg, Cangramle I. della Scala (Vaucsa) XIX, 3(j(;.
1046. Stadler, Der Todtenkultus bei den alten Völkern (Prem) XII, 35 7:
XIII, 359; XV, 387.
1047. Städtewesen, Neuere Literatur über deutsches St. (Uhlirz) XV, 488.
676; XVI, 524; XVII. 316. 368; XIX, 173; XX, 113.
1048. Starzer, Regesten zur Ges(,-hichte der Pfarren Niederösten-eichs (Redlich)
XVII. 205. '
104». — Regesten zur Geschichte der Klöster Niederösterreichs Redlich) XVII. 205.
1050. — Auszüge aus den Rechuungsbüchern der Camera Apostolica zur Ge-
schichte der Kirchen Steiermarks in der Aquilejer. Lavanter ued Seckauer
Diöcese (Redlich) XVII. 205.
10:-1. — Regesten zur Kunstgeschichte Kärntens (Redlich) XVII, 205.
1052. — Die Residenz des Nuntius in Graz Redlich) XVII. 206.
1053. — L'eber einen Visitationsauftrag an den Bischof Christoph von Gurk im
Jahre 1592 (Redlich) XVIh 206.
1054. — Die Verwaltung der innerösterreichischen Länder von 1564 bis zur
Gegenwart (Dopsch) XX, 690.
1055. Steffanides, Kaiserin Adelheid, Gemahlin Ottos I. des Grossen (Prem)
XV, 389.
1050. Steiger, Johannes Hus und das Constanzer Concil (Prem) XV, 389.
1057. Stein Friedrich, Die akademische Geiichtsbarkeit in Deutschland
(Thommen) XIII, 655.
1058. Stein Walter, Acten zur Geschichte der Verfassung und Verwaltung
der Stadt Köln im 14. und 15. Jahrhundert (Uhlirz) XIX, 173.
1050. — Zur Vorgeschichte des Kölner Verbundbriefs vom 14. September
1396 (ühlirz) XIX, 17 5.
1060. Steinwenter. Eine Episode aus dem Leben des Grafen Niklas von
Zriny (Prem) XI, 353.
lOiH. Stern Alfred, Geschichte Europas seit den A'erträgen von 1815 bis
1871 (Schlitter) XX, 136.
1062. Stern M., Die israelitische Bevölkerung der deutschen Städte (Redlich)
XV, 186.
1063. Sternfeld, Richard des Heiligen Kreuzzug nach Tunis i27o und die
Politik Karls I. vou Sizilien (Otto) XIX, 556.
■10(>4. Steurer, Die Eupertusfrage (Prem) XVII, 686.
1(W{5. Stieve, Der oberösterreichisehe Bauernaufstand (Mühlbacher) XIV, 164.
1066. Stiglmayr, Das Aufkommen der Pseudo-Dionysischen Schriften und
ihr Eindringen in die christliche Literatur bis zum Lateranconcil
649 (Prem) XVII, 686.
1067. Stippel, Die Herren von Landstein (Prem) XVI. 375; XVII. 683;
XVm, 669.
106^. Stockhorner von Stareiu, Die Stockhorner von Starein (Starzer)
XX, 686.
1069. Stoeckert, Beiträge zur Verfassungsgeschichte der Stadt Magdeburg
(LhUrz) XVII, 317.
1070. — Die Reichsunmittelbarkeit der Altstadt Magdeburg (l'hlirz)
XVII. 317.
1071. Stöhr, Dresdner historisches Merkbüchlein (Lippert) XII. 163,
1()7'2. Sirilssle, (»cstcrrcicli.s Auilicil ;iu deu l'VietleusvcrliaiK Illingen zu Uli va
(Prem) XVII, GS 4.
1073. tStraganz, Mittheilungeu aus dorn Archive des ClarissenklObters zu Brixeu
(Redlifh) XVI, 179, 370.
1074. — • Die Autobiographie des Freiherrn Jacob v. Boimont zu Pairsberg
1527 — 1581 (Prem) XVEI, 669.
10;.j. Strakosch-Grassmann, Geschichte der Deutschen in Oesterreich-Ungarn
(Jung) XVI, 352.
10*6. Strnad, Listär Krälovskeho mesta Plzne a druhdy poddan^ch osad
(Urkundenbuch der kgl, Stadt Pilsen und der ehemals unterthänigen
Ortschaften) 1. Thl. (Marcs) XIII, 532.
1077. Strnadt, Ueber die Unechtbeit des üabbriefes des Markgrafen Ernst für
Melk XfX, 392.
1078. Struck, Die Schlacht bei Nördlingen im Jahre 1634 (Huber)
XVI, 151.
1079. Stüve, Die llburger Klosterannalen des Abtes Maurus Rost XVIII, 209.
1080. Sturm, Die Anfänge der Habsburger in Oesterreich und der Wider-
stand der Adeligen und V^iener (Prem) XIII, 360.
1081. Susta, Zur Geschichte und Kritik der Urbarialaufzeichnungen (Lechner)
XX, 325.
1082. Sutter, Johann von Vicenza und die italienische Friedensbewegung im
Jahre 1233 (Vancsa) XVIIi, 214.
1083. Tadra, Kanceläfe a pisafi v zemich cesk;fch za kräln z rodu Lucem-
burskeho Jana, Karla IV a Väclava IV 1310 — 1420 (Die Kanzler
und Notare in den böhmischen Ländern zur Zeit der Luxenburger)
(Milkovic) XIV, 513.
1084. — Soudni akta konsistofe Prazske (Acta iudiciaria consistorii Pra-
gensis) (Marcs) XIV, 673; XVII, 207.
lOSö, — Summa Cancellariae (Cancellaria Caroli IV.) Formuläi" kanceläfe
ceske XIV stol. (Ein Formularbuch der kgl. böhmischen Kanzlei
aus dem 14, Jahrb.) (Bretholz) XVII, 198.
1086. Tamassia, Bologna e le scuole imperiali di diritto (Luschin) XI, 146.
1087. Tangl, Studien zum Stiftungsbuch des Klosters Zwettl (Erben) Xtl, 36G.
1088 — Die päpstlichen Kanzleiordnungen von 1200 — 1500 (Ottenthai)
XVI, 361.
1089. — Das Itinerar Herzog Leopolds VI. im Jahre 1217 (Redlich) XX, 689.
10«)0. Tarneller, Die Hofnamen des Burggrafenamtes in Tirol (Prem) XIV,
184; XV, 392; XVI, 375; XIX, 728; XX, 502.
1091. Tegläs, Neue Beiträge zu den Felseninschriften an der untern Donau (Jung)
XVIII, 202,
1092. Teichmann, Amerbachiorum epistolae mutuae (Luschin) XI, 147.
1093. Teige, Zpräva o pramenech dejin klästera Hradistskeho u Olomouce
az do roku 1300 (BericM über die Geschichtsquellen des Klosters
Hradisch bei Olmütz bis zum Jahre 1300) (Bretholz) XVI, 144.
1094. Tenckhoff, Der Kampf der Hohenstaufen um die Mark Ancona und das
Herzogthum Spoleto von der zweiten Excommunication Friedrichs 11. bis
zum Tode Konradins (Vancsa) XVIII, 215.
1095. Thoma, Die colonisatorische Thätigkeit des Klosters Leubus im 12. u. 13.
Jahrhundert (Bretholz) XVIII, 210.
1096. Thüna, Die Würzburger Hilfstrappen im Dienste Oesterreichs 1756 —
1763 (Dopsch) XVI, 152.
4
1(M)7. Thürheim, Ludwig Fürst Starhemberg. k. k. a. o. Gesandter an den
Höfen in Haag, London und Turin etc. (Pribram) XI, 345.
lÖÜS. Tille, Die bäuerliche Wirtscliaftsverfassung des Vintscbgaues (Otten-
thal) XVIII, 1(55.
109H. — Uebersicht über den Inhalt der kleinen Archive der Rheinprovinz (Red-
lich) XVIII. 209; XX, 179.
1100. Tocilescu, Das Monument von Adamklissi (Jung) XVIII, 303.
1101. Tomassetti, Della compagna Romana nel medio evo (Jung) XVIII, 15.3.
1102. — Inschrift aus Tusculum (Jung) XVIII. 201.
1103. Trampler, Die Mazocha (Prem) XIII, 3fi4.
1104. Treixler, Der nordöstliche Theil von Niederösterreich (Prem) XVII, (5S9.
llOö. : — Gödinger Urkunden I. (Prem) XX, 499.
llOß. Trenta, La tomba di Arrigo VII iniperatore (Redlich) XVIII. 216.
IIOJ. Trierer Ada-Handschrift bearb. von Menzel, Corssen, .Janitschek,
Schnütgen, Hettner, Lamprecht (Eiegl) XI, 460.
IKtS. Trubrig, Heinrich Wuest gemeiner Waldmeister zu Hall in Tirol 1511 —
1520 (Hedlich) XV, 189.
IIOS). Tumbült. Zur Geschichte der deutschen Stadtverfassung (ühlirzj
XIX, 175.
1110. Turba, Zur Verhaftung des Landgrafen Philipp von Hessen 1547
(Prem) XVI, 371.
1111. — Verhaftung und Gefangennahme des Landgrafen Philipp vuu
Hessen 1547 — 1550 (Kretschmayr) XVIII, 6(37.
1112. Turchänyi, Tabellae chronogruphicae ad solvenda diploraatura data (Hed-
lich) XIX, 394.
J113. Uhlirz, Die Continuatio Viudobonensis (Redlich) XVIII, 215.
1114. Uhlmann, König Sigmunds Geleit für Hus und das Geleit im Mittel-
alter (Loserth) XVI, 082.
1115. Llbricht, (xeschichte der kgl. Sachs. Staatseisenbahnen (Lippert)
XII, 177.
1116. Ulmann, Die Hinrichtung der Sachsen 782 XI, 506.
1117. — Kaiser Maximilian L, 2- Bd. (Huber) Xllf, 349.
1118. Ungarische Literatur neuere, Die Geschichte Nordost-Europas (Tlial-
löczy) XIV, 335.
1110. Ungarns Geschichtslitei-atur 1890 — 1896 (Aldäsy) XIV, 681 ; XV.
538; XVI, 693; XVIII, 677.
1120. (Jnterforcher, Rätoromanisches aus Tirol (Prem) XIII, 364; XIV,
184; XV, 392.
1121. Unzer. Die Convention von Klein-Schnellendorf 9. Oct. 1741, XI, 509.
1122. Urkundenbuch der Stadt Aussig bis z. .1. 1526 hg. von Hieke und
Horcicka (Bretliolz) XIX, 37 6.
1123. Urkundenbuch der Stadt Basel hg. von Wackernagel und Thommen
(Redlich) XII, 309; XVI, 540.
1124. Urkundenbuch Osnabrücker, herausgegeben von F. Philippi (Otten-
thal) XIX, 371.
1125. Urkundenbuch des aufgeholienen Chorherrnstiltes St. Polten hg. von
Lampel (Redlich) XV, 380.
1126. Urkundenbuch Westfälisclies 4. und 5. Bd. (Ottenthai) XI, 177;
XVII. 348.
1127. Urkundenbuch der Stadt uud Landschaft Züricli hg. von Escher und
Schweizer J. ßd. (Redlich) X[I, 509. '■ '
llils. Urvvalek, Diu griechischen (lelehrten zur Zeit der ]<]rob'orung* Con-
stantinopels 1453 (Prem) XVI, .{75. •
1129. Vancsa, Das erste Auftreten der deutschen Sprache in den Urkunden
(Redlich) XVIII, ISH. .,; .' '
1130. Vaiges, Stadtrecht und Marktrecht (Uhlirz) XV, 489. , , ^
1131. — Die Entstehung der deutschen Städte (Uhlirz) XV, '489.
1132. — Die (rerichtsverfassung der Stadt Braunschweig (Uhlirz) XVII, .317.
1133. -- Zur Entstehung der deutschen Stadtverfassung (Uhlirz) XIX, 173.;
1134. — Zur Verfassungögeschichte der Stadt Wernigerode (Uhlirz) XIX, 1 75.
1135. — Verfassungsgeschichte der Stadt Halberstadt im Mittelalter (Uhlirz).
XIX, 175.
113(J. Vogt, Dr. Johannes Bugenhagens Briefwechsel (Thommen) XII, ]9i.
113;. Voigt, Adalbert vOn Prag. Ein Beitrag zur Geschichte der Kii-che^
und des Mönchtums im zehnten Jahrhundert (Kaindl) XX, '(^41. . , ,
1138. Voltelini, Zur geistlichen Verwaltung der Diöcese Trieut im 12. und' i 3."
Jahrhundert (Redlich) XI. 508. •'
1139. Vucetic, Dubrovnik zz. Kandijskoy rata (Ragusa zur Zeit d^^s Kanciia-'
sehen Krieges) (Prem) XMI, 690. , ,,"'' <
1140. Wachsmuth Einleitung in das Studium der alten Geschichte f June 1
XVll, 204.
1141. Wahl, Compositions- und Successions-A'erhandlungen untej; Kaiser
Matthias während eler Jahre 1613 — 1615 (Hirn) XIX, 386.,
1142. Wahrmund , Das Ausschliessungsrecht der katholischen , Staaten,-
Oesterreich, Frankreich und Spanien bei den Papstwahlen (Thaner )
XI, 642. ;
1143. — Das Kirohenpatronat und seine Entwicklung in Oesterreich (Thaner),
XVI, 673. -J
1144. — Die constitutiones cmiae Romanae (Tangl XX, 688.
1144a. Waldner, Nachrichten über die Musikpflege am Hofe zu lunsliruck {Rod-.
lieh) XX, 692. •
1145. Walter Fr., Die Politik der Curie unter Gregor X. (Otto) XVI, 184.
114<J. Waneck, Die J'ühnenreform unter JCaiser Josef IL, ihre Vorgeschichte
und Bedeutung (Prem) XVII, 687. l -
1147. Waskowski, Aus der Vergangenheit von Olkusz (Prem) XIII, 36'5T'f
1148. Wattenbach, Ueber die mit Uold auf Purpur geschriebene Evangelienhand-.
Schrift der Hamiltouischen Bibliothek XI, 499.
1149. Weber Friedr., Das palatinische Pomerium (Prem) XVI, 373. „ • ■ -,
1150. Weber Ottok., Die Quadrupel-Allianz v. J. 17 18 (F. M.Mayer) XL 661.
1151. Weech, Inventar der Kaiserurkunden im grossh. General-Landesarchiv in
Karlsruhe 1379— 1437 XI, 502. ' •
1152. Weger, Teichwirtschaft und Fischerei der Herrschaft Pardubitz (Prem)
XII, 362. , i
] 153. Weihrich, Stammtafel zur Geschichte des Hauses Habsburg (Redlich)
XVL 381.
1154. Weiss, Die Entstehung von Städtewesen in den Rheinländern (Prem)'
XX, 500.
lloö. Werenka, Die Verhandlungen Oesterreichs mit der Türkei bezüglich
4.-
m
der Ei-werlaung des »Bukowiuer Districts* nach der Convrntion vom
7. Mai 1775 (Prem) XIV, ISJ.
lir»(». Werenka, Urkundliche Nachrichten über die Städte »Cecina^- und
5> Tschernowitz « und deren Besitzverhältuisse im Jahre 1782 (Prem)
XIX, 725; XX, 499.
1157. Wertheim, Matthäus von Trencsin während der ungarischen Thron-
kämpfe von 1300 — 1312 (Prem) XII, 359.
1158. Wertheimer, Geschichte Oesterreichs und Ungarns im ersten Jahr-
zehnt des neunzehnten Jahrhunderts 2- Bd. (Schütter) XIV, 1G8.
1159. Wettiner- Jubiläum in der historischen Literatur (Lippert) XII, 160.
1160. Wichner, Kloster Admout und seine Beziehungen zur Wissenschaft und
zum Unterricht XVI, 189.
1161. Wiclif- und Husliteratur, Neuere Arbeiten zur (Loserth) XX, 670.
1162 Widmann, Zwei Beiträge zur salzburgischen Geschichte (Prem)
XIX, 723.
1163. Wiegand, Das Melker Seelbuch der Strassburger Kirche XI, 509; vgl.
VIll, 629.
1164. — Die ältesten Urkunden für St. Stephan in Strassburg (Mühlbacher)
XVI, 176.
1165. Wiesner, Studien über angebliche Baumbastpapiere XV, 173.
1166. Wild, Johann Philipp von Schönborn (Brunner) XIX, 222.
1167. Wimmer, Kaiserin Adelheid. Gemahlin (ittos I. des Grossen (Ottenthai)
XII. 364.
116N. Winkelmann, Der Romzug Ruprechts von der Pfalz (Lindner)
XIV, 152.
1169. Winkler, Die Quellen des III. makedonischen Krieges der Römer
und seine Ursachen (Prem) XX, 500.
1170. Wintera, Geschichte der protestantischen Bewegung in Braunau
(Huber) XVI, 151.
1171. Wirz, Quellen zur Schweizer Geschichte (Kretschmayr) XIX, 3S1.
1 172. Wislicenus, Die Urkuudeuauszüge Eberhards von Fulda Tangl) XIX, 392.
1173. Witte. Genealogische Untersuchungen zur Geschichte Lothringens und des
Westrichs (Redlich) XVI, 380.
1174. Wlislocki, Vom wandernden Zigeunervolke (F. M. Mayer) XIII, 356.
1175. Wörndle, Dr. Philipp von Wörndle zu Adelsfried und Weierburg,
Tiroler Schützenmajor und Landsturmhauptmann (Krones) XVI, 156.
1176. Wolfram. Krit. Bemerkungen zu den Urkunden des Arnulf Klosters
XI, .502.
1177. — Ungedruckte Kaiser Urkunden der Metzer Archive XI, 502.
1178. — Die Regesten der im Bezirksarchiv zu Metz befindlichen Papsturkunden
XI, 502.
1179. — Die Reiterstatuette Karls des Grossen aus der Kathedrale zu Metz
(Schlosser) XII, 343.
IISO. — und Bonnardot, Les voeux de Tepervier. Kaiser Heinrich VII.
Romfahrt (Vancsa) XX, 360.
llsl. Wotschitzky, Beiträge zur Geschichte des Krieges Erzherzog Sigmunds
mit Venedig 1487 (Prem) XII, 355.
1182. Wretschko, Das österreichische Marschallamt im Mittelalter (^Luschin)
XIX, 715.
1183. Württembergische Geschichtsquellen herausgeg. v. Schäfer (Schön)
XVL 686; XIX, 226.
IJTl
1184. Wyss, Abliandluugen zur Geschichte des schweizerischen öfientlichen
Eechts (Dierauer) XV, 682.
11S5. Xenia Bernardina (Tangl) XVI, 139.
Il8(i. Zahn, Styriaca und Styriaca, Neue Folge (Starzer) XVIII, 688.
1187. Zdekauer, Statutum potestatis comunis Pistorii anni MCCLXXXXVI
(Voltelini) XI, 473.
1188. — Studi Pistoiesi (Voltelini) XI, 473.
1 189. — Codice diplomatieo Pistojese XI, 504.
irjO. — Lo studio di Siena nel rinasciniento (Voltelini) XVII, 482.
1191. — La vita privata dei Senesi nel dugento (Voltelini) XX, 123.
1192. Zeerleder, Die Berner Handfeste (Redlich) XV, 170.
1193. Zeitschrift des Vereines für die Geschichte Mährens und Schlesiens (Ued-
lich) XIX, 393. ^
1194. Zimmermann, Die Zeugenreihe in den mittelalterlichen Urkunden des
Weissenburger Kapitels XI, 504.
ll'J.i. — Leber Archive in Ungarn (Eedlich) XIII, 355.
liyß. — und Werner, Urkundenbuch zur Geschichte der Deutschen in
Siebenbürgen (Voltelini) XIV, 675-
1197. — Datirungsformel in Urkunden Kaiser Karls IV. (Vancsa) XVI, 129.
1198. Zingerle, Meinhards IL Urbare der Grafschaft Tirol (Ottenthai)
XIV, 153.
11{>9. Zisterer, Gregor X. und Rudolf von Habsburg in ihren beiderseitigen
Beziehungen (Eedlich) XIII, 640.
1200. Zösmair, Herzog Friedrichs Flucht von Constanz nach Tirol (Prem)
XVI, 370.
1201. Zukal, Beiträge zur Häuser- und Bürgerchronik des Oberringes von
Troppau (Prem) XX, 499.
Verzeichnis der Mitarbeiter ^),
Adler Guido (Uiiiv.-Piof., Wieu) S42, SGH.
Adler Sigruuad (Üniv.-Prof., Wien) 222.
Aldäsy Anton (Vicekustos am uugar. Nat.-Museuin, Budapest) 4<37,
468, ()53, mit.
Altinger P. Altmanu (Prof., am Stiftsgymu., Kremsmünster) 205.
Altmaun Wilhelm (Bibliothekar u. Privatdocent, Greifswald) 10, o2.
Amira Karl v. (Üniv.-Prof.. München) 1)S, 110.
Apih Josef, (Gymn.-Prof., Klageufurt) 1042.
Bachmann Adolf (Univ.-Proi, Prag) 201, :\h?>, 6o9, S74, '.HO.
Baltzer Martin (Gynmasialdirector, Marienwerder) 120.
Baumanu Franz Ludwig (Reichsarciävrath. München) 211.
Becker Anton (Gymn.-Prof., Wien) IS, 245.
Beer Adolf (Hofrath u. Hochschul-Prof i. P., Wien) 1'.», 20, IDS, 240-
241, 247.
Below Georg v. (Üniv.-Prof., Marburg) 200, '.»75, lo21.
Bibl Victor (Concipist am n.-ö. Lamlesarchiv, Wien) :)5.
Bidennann H. J. (y Üniv.-Prof., Graz) 222.
Bidlo Jaroslav (Prag) 412.
Bresslau Harry (üniv.-Prof., Strassburg) 1(37.
Bretholz Berthold (Landesarchivar. Brunn) 70, 124, oo5, ))o6, o4(i,
522. 754, 920, 1(»S5, 109:'.. 1095, 1122.
ßrunner Karl (Beamter am Gen. -Landesarchiv, Karlsruhe) 1166.
') Die beigefügten Zahlen beziehen sich auf die Nummern der voraus-
gehenden Verzeichnisse; die Xnmmern der einzelnen Schriften, welche in den
Referaten über Programme der österr. Mittel schnl<^n (Nr. 913), Neuere Literatur
über Deut.'^ches Stiidtewesen (Nr. 1047), Wettiner Jubiläum in der histor. Lite-
ratur (Nr. 1159), Zur Geschichte des hl. Adalbert (Nr. 282) besprochen sind,
wurden hier nicht aufgenommen.
LV
ßiidiuszky Alexander (Director des Archivs u. d. Bibliothek im Finaiiz-
niinisterium, Wien) 4(30, 757, 8lS.
l>usson Arnold (f Univ.-Prof., Graz) 175, 052.
Caro Georg (Privatdocent, Zürich) 147, 157.
Cartellieri Alexander (Privatdocent, Heidelberg) 2!>7, .310, 4<i5, 5;)8, 871).
(Jriste Oskar (Hauptmann im k. u. k. Kriegsarchiv, Wien) 584, 585,
711), 720, 923.
Dierauer Johannes (Prof. u. Bibliothekar der Stadtbibl., St. Gallen)
102(3, 1184.
Donabaiim Josef (Scriptor an der Univ.-Bibl., Wien) (n, 65(>, 777.
Dopsch Alfous (Univ.-Prof, Wien) 22, 41 — 48, 52, 218, 214, 21(3,
290, 857, ODO, 771, 824, 881, 919, 985, 1054, 1096.
Durig Josef (Pädagog.-Director i. P., Innsbruck) 25.
Dvorak Max (Assistent am kunsthistor. Institut d. Universität Wien)
781, 997.
Egger Josef (Gymn.-Prof., Innsbruck) 210, 782.
Eichler Ferdinand (Amanuensis der Univ.-Bibl., Graz) (37(», 1(J07.
Erben Wilhelm (Conservator des k. u. k. Heeresmuseums, Wien) 40,
47, 215, 399, 401, 402, 507, lo38, 10S7.
Falk Franz (Pfarrer in Klein -Winterheim bei Mainz) 2(34.
Fellner Thomas (Archivdirector im Ministerium d. Innern u. Privat-
docent, Wien) 382.
Fester Richard (Univ.-Prof., Erlange u) 19(3.
Ficker Julius v. (Univ.-Prof. i. P., Innsbruck) 99, 11(3, 117.
Finke Heinrich (Univ.-Prof., Freiburg i. Br.) 184, 180.
Finkel Ludwig (Univ.-Prof., Lemberg) 902.
Forst H., (Archivar, Coblenz) 18.
Fournier August (Prof. an der technischen Hochschule, Wien) 246.
Gmelin Julius (Pfarrer in Gross-Altdorf, Württemberg) 255, 731.
Goll Jaroslav, (Univ.-Prof., Prag) 142, 184. 7(32.
Grienberger Theodor v. (Scriptor an der Univ.-Bibl. u. Privatdocent,
Wien) 209, 2(36.
Hammerl P. Benedict (Stiftsbibliothekar, Zvrettl) 77.
Hampe Karl (Privatdocent, Bonn) 88!^.
Hann Franz (Gymn.-Prof., Klagenfurt) 554.
Hartraann Ludo Mtriz (Privatdocent, Wien) ()8, 75, 149, 1028, .1024.
Hauthaler P. Willibald (Gymn.-Director, Salzburg) 824.
Hermann H. J. (Assistent am kunsthist. Hofmuseum, Wien) 258.
Herzberg-Fränkel Sigmund (Univ.-Prof., Czernowitz) 83, 171, 178,
374, 486, 448, 801.
Hevck Eduard (Prof., München) 11, 220, 438, 589, 765, 974.
Hirn Josef, (Univ.-Prof., Wien) 191, 228, 231, 370, 372, 618, 794,
819, 822, 928, 1141.
LVI
Hörmauu Walter v. (Uuiv.-Prof., Czeruowitz) 344, 527.
Hofmann- Wellenhof Victor v. (Archivs- Concipist im Finanzministerium,
Wien) 2(>(i, 488, 640, 767, 789, 7<K).
Holzer P. Odilo (Prof. am Stiftsgymnasium Melk) 286, oo8, 377,
476, .566, 600, 616, 621, 679, 680, 958, 973.
Hoogeweg Hermann fStaatsarchivar, Hannover) 945, 948, 949.
Hofcicka Adalbert (Gymn.-Prof., Wien) 832—835, 837—839.
Huber Alfons (f Üniv.-Prof., Wien) 223, 230—232, 362, 363, 424,
450, 511, 677, 7.50, 761, 783, 941, 1022, 1078, 1117, 1170.
Huemer Johann (Landessehulinspector, Wien) 2.
Jakscli August v, (Landesarchivar, Klagenfurt) 638.
Jireeek Josef Constantin (Üniv.-Prof, Wien) 407.
Hgen Theodor. .50.
Jung Julius (Üniv.-Prof, Prag) 260—263, 311, 316, 350, 371, 379,
430, 479, 509, .543, 559, 560, 563, 586, 628—630, 704, 710,
71.5, 816, 872, 87.5. 880, 881, 884, 892, 1075, 1091, 1100—
1102, 1140.
Kaindl Kaimund Friedrich (Privatdocent, Czernowitz) 138, 141,
202, 282.
Karlsson Karl Henrik (Amanuensis an der Reichsbibliothek, Stock-
holm) 72.
Katschthaler P. Eduard E. (Prof am Stiftsgymuasium Melk) 128.
Kehr Paul (Üniv.-Prof., Göttingen) 51, lo32.
Kratochvil Vaclav (Concipist am Staatsarchiv, Wien) 708, 843, 844.
Krause Victor (f Mitarbeiter der Mon. Germ., Berlin) 107.
Krejcik Adolf Ludwig (Eom) 207.
Kretschmayr Heinrich (Archivar am Archiv des Ministerium d. Innern
u. Privatdocent, Wien) 8, 315, 3,54, 1028, 1111, 1171.
Krones Franz R. v. Marchland (Üniv.-Prof, Graz) 225, 317, 452, 505,
647, 649, 857, 874, 894, 988—990, 1044, 1175.
Krusch Bruno (Staatsarchivar, Hannover) 120, 121, 727.
Kurze Friedrich (Gym.-Prof, Berlin) 127.
Landwehr Moriz v. Pragenau (Gymn.-Prof, Radautz) 195, 799.
Laschitzer Simon (Bibliothekar der Akademie der bild. Künste, Wien)
404, 623, 716.
Lechner .Johann (Mitarbeiter der Mou. Gerra., Wien) 59, 1002, lo8l.
Lechner Karl (Gymn.-Prof. Kremsier) 238.
Lehmann Max (Üniv.-Prof., Göttingen) 17.
Levec Wladimir (Wien) 219.
Levinson Arthur (Königsberg) 140.
Liebenau Theodor v. (Staatsarchivar, Luzern) 19o.
Lindiier Theodor (Üniv.-Prof, Halle) 113, 11.5, 118, 178. 181, 1168.
Lippert Woldemar, (Archivrath am Staatsarchiv, Dresden) 44, 174,
177, 179, 296, 352, 392, 489, 549, 627, 737, 756, 904, 905,
94(), 947, 961, 991, 1014, 1035, 1159.
Loersch Hugo (Üniv.-Prof., Bonn) 54.
LVir
Loserth Johann (Univ.-Prof., Graz) !•(), 221, 22(;, 22tl. 28*J, 47S, 497,
551, 578, 75(1, 101<). 1027, 1114, llGl.
Luschin v. Ebengreuth Arnold (Univ.-Prof., Graz) :;o4, 3<S(), -38'.», ;VJ(),
393, 394, 410, 463, 484—486, 517—520, 778, 779, 796, 864,
935, 942, 951, 966, 999, 1029, 1086, 1092, 1182.
Mauitins Max (Dresden) 119, 122, 123.
Mares Franz (Vorstand des f. Scliwarzenberg'scheu Archivs, Wittingau)
391, 846, 93;'>, 934, 1076, 1084.
Mayer Franz Martin (ßealschnldirector, Graz) 239, 442, 9ol, 960,
984, 987, 1150, 1174.
Mayr Michael (Director des Statth. -Archivs u. Privatdocent, Innsbruck)
6, 14, 71, 233.
Mencik Ferdinand (Scriptor an der Hofbibliothek. Wien) 9, 16.
Milkoviez Wladimir (Univ.-Prof., Czernowitz) 528, 546, 753, 769,
877, 924, 1083.
Miltenberger F. (Pfarrer in Giebelstadt-Würzburg) 183.
Mudrich Andreas (Concipist am Regieruugsarchiv, Salzburg) S8.
Mühlbacher Engelbert (Univ.-Prof., Wien) 36, 281, 425, 513, 514,
(;14, 626, 665, (JGQ>, 735, 751, 852—856, 865, 867, 871, 899,
952, 953, 970, 986, 1020, 1033, 1065, 1164.
Nissl Anton (f Univ.-Prof., Innsbruck) 100.
Noväk Johann (Beamter der Univ.-Bibliothek, Prag) 204.
Obser Karl (Archivrath am Gen. -Landesarchiv, Karlsruhe) 2nO.
Opet Otto (Privatdocent, Bern) 102—104, 109, 473.
Ottenthai Emil v. (Univ.-Prof., Innsbruck) 45, 70, 126), 194, 227,
295, 347, 383—386, 414, 417, 418, 438, 457, 475, 498, 50S,
523, 526, 541, 580, 587, 588, 643, 663, 780, 803, 810, 890,
925, 937, 940, 1000, 1001, 1030, 1037, 1088, 1098, 1124, 112(5,
1167, 1198.
Otto Heinrich (Gymn.-Prof., Hadamar) 154, 1()3, 169, 440,44.5, 520,
1063, 1145.
Philippi Friedrich (Staatsarchivar, Münster) 62, 9L
Posse Otto (Ober-Regieruugsrath am Staatsarchiv, Dresden) 9:').
Prem S. M. (Gymn.-Prof;, Graz) 634—636, 700, 741—744, 795, 827,
S35, 9i;;.
Pribram Alfred Francis, (Univ.-Prof.. Wien) 15, 139, 234, 327, 366,
369, 544, 804, 1097.
Priebatsch Felix (Breslau) 185.
Pröll Laurenz (Gymn.-Director, Salzburg) 193.
Rachfahl Felix (Univ.-Prof., Halle) 724.
Redlich Oswald (Univ.-Prof., Wien) 156, 164, 168, 187, 217, 218,
305, 313, 314, 331, 337, 341, 355, 356, 359-361, 368, 387,
397, 409, 416,444, 446,447, 456,483, 503,529, 552 a,b, 557, 576,
577, 592, 595, 598, 601, 624, 625, 642, 673, 693, 699, 702,
LVIII
70.'), 722, 736, 747, 7()o, 77(), 791 — 7Üo, SOO, S02, S()9, ><1U
S12, 845, Sßl, S97, 9US, 9r)0, 9(i7, 972, 9SI— 983, 1003, 1008,
1009, lOK), 1020, 1034, 1041, 1048—1053, 10(32, 1073. 1089,
1099, 1100, 1108, 1112, 1113, 1123. 1125, 1127, 1129, 113s.
1144 a, 1153, 1173, 1192, 1193, 1195, 1199.
Reinhardt Heinrich (Univ.-Prof., Freiburg i. d. Schweiz) 548.
liichter Eduard (Univ.-Prof., Graz) 2ß5.
Richter Paul (Archivsecretär, Coblenz) 131.
Kiegl Alois (Univ.-Prof., Wien) (U, 437. S5(), S51, 900, 992, 1005, lln7.
Rodenberg Carl (Univ.-Prof., Kiel) 14(5, l()(i.
Röhricht Reinhold (Gymn.-Prof., Berlin) 252-254, 41'.), 427, 42s,
550, (;04, >^{\9,, <)32.
Sackur Ernst (Privatdocent. Strassburg) 143, 144.
Sauder Hermann (Realschul-Director, Innsbruck) 224.
Sartori Tullius v. Montecroce (Univ.-Prof.. Innsbruck) 772.
Sauerland H. V. (Trier) 12, 27, 31.
Schäfer Dietrich (Univ.-Prof., Heidelberg) 3>(35, 429, 8(i2, 878, 1031.
Schalk Karl (Custos an der Stadtbibliothek, Wien) 82, 458, 579. (i37. 79S.
Schaube Adolf (Gymn.-Prof.. Brieg) 1(')1, 521.
Scheffer-Boichorst Paul (Univ.-Prof., Berlin) 23, 53, 137, 152, 153,
1.1.5, 1(32, 40(3, 493, ()15.
Schlitter Hans (Archivar am Staatsarchiv, Wien) 21, 248, 249, 51(i,
788, 90G, 907, 10(31, 1158.
Schlosser Julius v. (Custos am kunsthistor. Hofmuseum u. Privatdocent,
Wien) 92, 25(3, 293, (383, 1179.
Schmitz-Rheydt Ludwig (Rheydt bei Düsseldorf) 90.
Schön Theodor (Stuttgart) 5, 17('), 32S, 590. (;74, 745, 909, 1183.
Schönherr David R. v. (f Archivdirector, Innsbruck) 257, 259.
Schröder Edward (Univ.-Prof., Marburg) 74.
Schrohe H. (Gymn.-Prof, Bensheim in Hessen) 182.
Schulte Aloys (Univ.-Prof, Breslau) 125, 13(3, 188, 235, (517.
Schum Wilhelm (f Univ.-Prof, Halle) 728.
Schwind Ernst Freih. v. (Univ.-Prof., Wien) 545, (511.
Seeliger Gerhard, (Univ.-Prof., Leipzig) 5(3, 57, 114.
Seemüller Josef (Univ.-Prof., Innsbruck) 1, 3, 78. 18(3.
Sickel Theodor R. v. (Section.-^chef, Director des Istituto Austriaco di
studi storici, Rom) 4(5, 73, so, !)5, •)7, 2(38, 99S.
Sickel Wilhelm (Univ.-Prof., Strassburg) 101, 106.
Siegel Heinrich v. (f Univ.-Prof, Wien) 343.
Sievers Georg (Leipzig) 165.
Sommerfeldt Gustav (München) 172.
Spangenberg H. (Osnabrück) 212.
Stare Josef (Univ.-Prof., Agrani) 2>^'^.
Star/.er Albert (Director des Statth. -Archivs, Wien) S47, 917, 1068, 1186.
St(inherz Samuel (Privatdocent, Wien) ;)4, 170, 358, 434, 482, 524,
f)0(;, 698, 755, 78(3, 1039.
Sternfeld Richard (Univ.-Prof., Berlin) 2(5, 4s, 49.
LIX
Stübul BruDO, (Obf-r-Bibliothekar an der kgl. Bibliotlick, Dresden)
1<»2, 2Ö1.
Susta Josef (Wien) Sl.
Tadra Ferdinand (Custos an der Univ.- Bibliothek, Prag) 58.
Tangl Michael (Univ.-Prof., Berlin) 37, 38, ßb, (iO, 132, 2(»S, :',2i;,
3S1, 422, 455, 4(52, 490, 558, (i50, ßM7. 714, 7(U, S58, •.»31,
<»50. 068, 1040, 1144, 1172, 1185.
Teige Josef (Adjunct am Stadtarchiv, Prag) (Ji;.
Thalldczy Ludwig v. (Director des k. u. k. iveichö-Fiuanz-Archivs,
Wien) 1118.
Thaner Friedrich (Üniv.-Prof., Graz) 108, 1142, 1143.
Thiel Victor (Concipist am Statth.-Ärchiv, Wien) 135.
Thomraen Rudolf (Üniv.-Prof., Basel) 7, 477, 502, (UdI, 7(5S, 77:5,
1057, 113().
Tomaseth H. J. (Beamter an der Albertina, Wien) 68.
Turnbült Georg (Archivar am f. Fürstenberg'scheu Archiv, Donuu-
eschingen) 33, 145.
Uhlirz Karl (Oberarchivar der Stadt Wien u. Privatdocent) 4, 2S, 2'.»,
<;o, ()4, 70, 84, 86, 87, 04, 148, 348, 506, 7.34,823,850, 1047.
Unger Theodor (f Adjunct am steierm. Landesarchiv, Graz) 840.
ünzer Adolf (Privatdocent, Kiel) 190, 242.
Vancsa Max (Custos am n.-ö. Landes-Archiv, Wien) 55, 85, 376, 441,
515, 536, 547, 553, 668, 725, 73!), 740, 07S, 1045, 1082, 1004,
1180, 1107.
Voltelini Hans v. (Concipist am Staatsarchiv, Wien) 180, 4oo, 84s,
860, 866, 062, 1187, 1188. 1100, 1101, 1106.
"Wagner Ferdinand (Göttingen) 107.
Wahrmund Ludwig (Univ.-Prof., Innsbruck) 825, 056, 057.
Weber Ottokar (Univ.-Prof., Prag) 237-
Wenck Karl (Üniv.-Prot;, Marburg) 250.
Wieser Franz v. (Univ.-Prof., Innsbruck) 267.
Wilhelm Franz (Concipist am Statth.-Archiv, Innsbruck) i;>3.
Winkeln! ann Alfred (Heidelberg) 130, 760.
Winkelmann Eduard (f Üniv.-Prof., Heidelberg) 24, 80, 15S — 160, 5o7.
Witte Heinrich (Gymn.-Prof., Hagenau) 150, 151, 423, 470, 471.
Wolff Martin, (Berlin) 105.
Wolfram Georg (Archivdirector, Metz) :)*.).
\/
Zak P. Alphons (Pernegg, Niederösterreich) 203.
Zallinger Otto v. (Üniv.-Prof., Wien) 111, 112, 473.
Zimmermann Franz (Königsberg) ;>().
Zwiedineck-Südenhorst Hans v. (Üniv.-Prof. u. Director der steierm.
Landesbibliothek, Graz) 23(;, 243, 244, 492, 612.
Verzeichnis
der
Facsimile, Kiiiistbeilageii, Abbilduiiiieu und Karten.
Facsimile.
Kladdenband 244 A Inuoceuz VI. n" 116 u. n*J 117 zu Donabaum,
Beiträge zur Keüiitnis der Kladdenbäude des 14. Jahrh. im vatik.
Arch. XI, 101.
Otto III. für Meissen 996, Dec. 6 u. 995 Juli 30 für Corvei zu
Erbeu, Excurse zu deu Diplomen Otto III., XIII, 537.
Ortilo, Codex Yindobonensis 635 fol. 8' — 9, Leupold, Codex Campili-
liensis .58 fol. 151' und Cod. Vindob. 13424 pag. 72—73 zu
Tangl, Die Fälschungen Chrysostomus Hantlialers XIX, 1.
Zwei Blätter aus der Chronik von Ebendorfer zu Pribram, Thomas
Ebendorfers Chronica regum Romanorum, Erg. III, 38.
Kunstbcilageii und Abbilduiijsreii.
Zwei Initialen eines Wiener Grundbuchs aus dem Jahre 1389 zur
Abhandlung gleichen Titels von Schalk XII^ 655.
Goldmünzen Friedrichs II. zu E. Winkelmann, lieber die Gold-
prägungen Kaiser Friedrichs II. für das Königreich Sicilien und
besonders über seine Augustalen XV, 401.
Ein Siegelstempel Kaiser Friedrichs II. zur Abhandlung gleichen
Titels von E. Winkelmann XV. 485.
Ein lUilleustempel des Papstes Inuocenz IV. zur Abhandlung gleichen
Titels von Schmitz-Rheydt XVII. (U.
Porträt Julius Fickers, Erg. IV, Titelblatt.
LXl
Al»bildiiiigeii zu Sehöuherr. Ein fiirstliclier Architekt und l>;uilierr
Erg.'' IV. 4G0.
1. Grundriss des Erdgeschosses des Sehlosseä Stern.
2. Schloss Aml)ras aus Merlans Topogiaphia proviuciarum Austria-
carum.
Karten.
Zwei Skizzen der Umgebung von Bruck-Leoben und St. Michael zu
Zwiedineck-Südenhorst, Das Gefecht bei St. Michael und die Ope-
rationen des Erzherzog Johann in Steiermark 1809, XII, 101.
Drei Kartenskizzen des Bartolomeo Colombo zu Wieser, Die Karte
des Bartolomeo Colombo über die 4. üeise des Admirals Erg.
IV, 488.
Plan der Umgebung von Abensberg zu Zwiedineck-Südenhorst, Die
Brigade Thierry im Gefechte von Abensberg am 19. und 2o. April
1809, Erg. Y, 17:5.
I
BINDING SECT. JUL 241969
DB Vienna. Institut für öster-
1 reichische Geschichtsforschung
V5 Mitteilung
Bd. 20
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