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MITTHEILUiNGEN
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DES
fflSTORISCHEN VEREINES
FÜR
STEIERMARK.
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HER.\ US GEGEBEN
VON DESSEN AUSSCHÜSSE.
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2s:3::"vi. heft.
Graz, 1878.
Im Selbstverlage.
In Commission der k. k. Universitats-Biichhandlung
Leuschner & Lubensky.
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MITTHEILUNGEN
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STEIERMARK.
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VON DESSEN AUSSCHUSSE.
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Graz^ 1878.
Im Selbstverlaga
In CommiBsion der k. k. IJiiiTenitAts-BacIiIiandlnng
Leuschner & Lubensky.
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Drnekcr«! I.«7liaiii<Jtt««flilli«l I» Oras.
Inlialt.
A. Yereins-Angel^enheiteii.
Geschäfts -üebersicht.
Bmiim
Oxmak des Yeremes m
Ans den Beriditen der P. T. Befeirks-Gorrespondenten . XI
TeHndoimgeii im Personalstande des Vereines XIX
üebersiclit Aber die EmpfiUige und Ausgaben XX
Sammlungen:
A. Für die Bibliothek XXn
B. FQr das ArchiT XXX
C. Für die Knnst- nnd Alterthums-Sammlong . . . XXXI
B. Abhandlangen.
Jnham Bitter Ton Kalchberg. Ein Beitrag cur Literatorgeschichte
des achtsebnten Jahrhunderts, von Dr. A. Schlossar ... 3
Die „BeligioDshandlung^ zu Leoben 1676, von Dr. R. Peinlich . . 68
Rupradit TOD Eggenberg. Ein Osterr. Heerfahrer des 16. Jahrhunderts,
Ton Dr. Hans y. Zwiedineck-Sfidenhorst 79
€. Gedenkbncli.
Dr. Georg G6th. Eine biographische Skizse, von K. G. Bitter
T. Leitner 67
««■ Mm. yor«lM« f. SUicmark. ZZVI. Haft, 18T8
Register.
Di« B«il«nanffab«n nlt rSmlaehaa lahlmi beaeiohattm die det AdiBliiialr»tlTb«riehtei.
Anersperg Andree t., Relation 108.
B.
Barbara v. Cilli, Vortrag über in.
Basta, General 188.
St Beaedlcten, Kirche auXÜ^XYIIL
Btochofreld XYm.
Besichtigang angeblicher Wohn-
Btätten und Fundorte ältester
Zeit in der N&he von Graz, Vor-
trag Ober in, IV, V.
BocsUy Stefan 189.
Bresner Gottfried, Freiherr, Rela-
tion 131.
Bnunfeld bei Liezen XIV, XV.
Barkhardt Karl, Sparcassa-CaBsier,
Wahl zum Rechnungsrevidenten
IX
c.
Cablaetto della Minenra in Triest,
Schriftentansch mit demselben m.
Carl, Erzherzog 87.
Gassabericht XX.
Cobenzl, Hofkanzler 63.
Comiti der 8. Wanderversammlung
D.
Dobreng, Schloss XVI.
Donersperger M., Btbrger von Leoben
71.
E.
Eggenberg, Hans Ulrich 148.
Egcenberg, Ruprecht von, Abhand-
lung über 79.
Eggenberg, Ruprecht von, sein Te-
stament 151.
Eggenberg, Wolf von, 153 uff.
E^enberger, Stammtafel der, BeiL 2.
Eibeswald 149.
Ernst, Erzherzog 96 uff.
Ernst, Erzherzog, Schreiben 101.
Ernst, Erzherzog, Schreiben 118.
F.
Ferdinand, Erzherzog 125.
Ferdinand, Erzherzog, Schreiben
136.
Ferk, Prof. Franz, Mitglied und
Schriftführer des Comit^'s der
2. Wandervers. IV, V. — Vortrag
über Besichtigung angeblicher
Wohnstätten und Fundorte äl-
tester ZeH III, IV, V.
Frank Christ., P&rrer 72.
Függer, Bankhaus 85.
6.
fiablhoyer Michael, Ralhsherr von
Leoben 69.
Gärtner Wolf, Hammerwerksbesitzer
72.
fierdiliger Kasp., Rathsherr von
Leoben 70.
Iierreich Tiburtius 7i.
Gleispach 149.
Gloyach 149.
Gradisa, Weingebirgshfigel bei St.
Kunigund XV.
Grasswein Ste&n, v. in.
Grans Joh., Conservator, Austritt
aus dem AusschussIX; Mitglied
des Gomit^'s der Wandervers. IV.
Greif Sigm., Pfurer in Leoben 60.
Goggler Leonhard, Rathsherr von
Leoben 70.
H.
Hanner Hermann, RathsbUrger in
Leoben 64, 70.
HasUnger Wolf in Leoben 69.
Herberstein Sigmund, Freiherr 125.
Herberstein Sigmund Friedrich,
168.
Hess Gregor, Schulmeister in Leoben
76.
J.
Johann, Erzherzog 12 ff.
brl, Erzherzog 61 q. 0.
Iikblwrg Joii., Ritter v., Ablu
tiber— von Dr. A. ScUossar 8.
Inin JoIl, Berichte als Besirla-
GocRspondeDt XI ff.
Imes Dr. Franz, Prof. Vortrag
OberBttimra T. Cflüin. ~ Wahl
zom Ansachnsfl IX.
L.
LaskiiBh 149.
iMJei^BdigiooBfaandlaDgzu, 1576.
lotxflidirfer Aodr. 71.
lir^ SL bei Knittelfeld XI.
littMy StadtprSdkant von Leoben
61.
Iithias, Erzhersog 133.
■ix, Erzherzog 128.
lijer Dr. Franz, Prof., Wiederwahl
nm Sehriftf. IX.
Btteaberger Wol^ Rathsherr ?on
Leoben 70.
N.
ituarkt XIL
httbiuer Willibald 145.
P.
hjthi« Wühehn, Eathsherr von
uohen 65.
Hnai, Prinz T., Alezander Famese
b4 off.
hnJkh, Dr. Bichard, k. k. Regie-
nmgirath, Obmannstellvertreter
«t Comit^'g der 3. Wanderver-
Rttunlmigiy. Abhandlung: Die
.ReHgionahandlnng« zu Leoben
1576, 68.
[tttkreaze xn.
Jitli^Jt 126.
'•*k64er Job., Pfiirrer in Leoben
6t
'•!■« ICehael, Goldschmied in
uoben 71.
Jjeoer Adam 148.
™»«r Hans 149.
Pgdileltner Hieron., Mauthner in
Leoben 72.
Poduier Georg, Rathsherr 70.
Pnsterwaldgrabsn XIII.
B.
Raggnitz Moriz, t. 148.
Rtggnitz Gall. v. 149.
Raggnitz Franz, Freiherr 168.
Redem Melchior, Freiherr 101.
Redem Melchior, Freiherr 101, Re-
lation i08.
ReligionshaiidlnBg, die — zu Leo-
ben 1576. Abhandlung von Dr.
R. Peinlieh 58.
Rettsberger Erasm., RathsmitgUed
von Leoben 69.
Riser Barthhnä, Prftdicant in Leoben
61.
Royko Caspar 8.
Ruswormb, Feldmarschall 189.
8.
Sander Therese 10.
Schaombarg Georg, Graf 82.
Schenkble Franz, Pr&dicant in Le-
oben 61.
Schleiflbr Wolf in Leoben 71.
Schlossar, Dr. A., Abhandlung Ober
Job. R. V. Kalchberg 8.
Schmeltxer Matthäus, Stadtrichter
von Leoben 69.
Schneider Hans, Bürger von Leoben
60.
Schrotter Ignaz, k. k. Bezirksschul-
Inspector, Wahl zum Rechnungs«
revidenten IX
Seckan, Pfarrkirche zu XL
Seminar, das archäol.-epigraph. der
k. k. üniversitÄt zu Wien, Schrif-
tentausch mit demselben lU.
Sissek, Schlacht bei 108.
Spitt Kaspar in Leoben 69.
Speglia Oswald, Prädicant in Leoben
68.
Spork Eugen, Redacteur, Antrag auf
ausserordentliche Vorträge V. —
Erster dieser Vorträge: üeber
Burgen und Burgenbauverhält-
nisse in Steiermark VI.
Stabenberg Wolf, v. 66.
Salz, Graf Ludwig 141.
T.
T&ntter Fabian, Rathsherr von
Leoben 69.
Tenfanbacb, Gefecht bei XII.
Traboch 78.
Tfirkensasen XI ff.
V.
ViscUnger Hieron., Rathsherr von
Leoben 70.
Vorträge: von Dr. Fr. Krones, über
Barbara von Cilli lU; — von
Prof. Fr. Feric» ttber eine Besich-
tigung alterthfimlicher Wohn-
Btätten und Fundorte ältester Zeit
in der Nähe von Graz ni, IV, V;
— von £. Spork, Ober Burgen
und Burgenbau -Verhältnisse in
Steiermark; — von Dr. Hans
V. Zwiedineck-Sttdenhorst, ttber
den Erbhuldigungs- Landtag von
1564.
w.
Wagen 149.
Wagen Hans Sigmund, Freiherr 1 63
Waadenrersammliuig des bist Ver
eines ev. Ükr 1878 IV.
Warte, römische, bei St Ennigunc
XV, XVI.
Wasserberg, Schloss XI.
Wilferstor^ Hauptmann 148.
Windischgräx Christof Freiherr 148
Wolfjsang 8t, Kuxhe zu XVn.
Z.
lahn Jose^ v., Prof., Obmann des
Comit6's der Wanderversammliuig
lY ; Antrag, die Bezirkscorrespon-
deuten betreffend YH.
Z wiedineck-Sttdenliorst Hans, v., Dr. ,
Prof., Mitglied des Oomitö's der
Wanderversammlung IV; Vortrag
ttber den Erbhul^gungslandtag
von 1564 VH; Abhandlung aber
Ruprecht von Eggenberg 79.
A.
Vereins- Angelegenheiten.
IMdL 4«» hräC T«reto«a f. Stolcraark ZXVI. Haft, 1878.
Geschäfts-Uebersicht.
Chronik des Vereines
über die Zeit Ton der 23. Vierteljahres -TerBammlung mit den Rechten
einer Jahres -yersainmlang am 80. April 1877 his zur 28. Jahresversammlung
am 22. Jänner 1878.
1. In der Ausschuss-Sitzung vom 28. Mai 1877 nahm
der Aosschuss den ihm angebotenen Schriftentausch mit dem
archäologisch-epigraphischen Seminar der k. k. Universität zu
W i e n an und knüpfte die gleiche Verbindung mit dem Cabinetto
della Minerva in Tri est an.
2. In der Sitzung vom 1 1 . Juni referirte Herr Professor
J. V. Z a h n über einen von ihm und den Herren Professoren
Fz. Ferk und Fz. Mayer unternommenen Ausflug behufs
Besichtigung alterthümlicher Wohnstätten und Fundorte bei
Peggau. Der Ausschuss genehmigte, dass Herr Prof. Ferk
aber diese Besichtigung und deren Besultate in der nächsten
Versammlung einen Vortrag halte.
S. Die 24. Vierteljahrs- Versammlung fand am 4. Juli 1877
im Gebäude der Landes-Oberrealschule, 6 Uhr Abends statt
Der Bector maguificus der k. k. Grazer Universität, Herr Prof.
Dr. Franz Krones, hielt einen Vortrag „Über Barbara von
coli', der mehr als eine Stunde in Anspruch nahm und mit
grossem Beifall ausgezeichnet wurde.
Der Vortragende entwickelte zunächst den Begriff der soge-
A*
— IV —
nannten ^problematischen"* Naturen in der Geschichte, gab
sodann eine Skizze der Entwicklung des Hauses der Cillier Grafen,
mit besonderer Rücksicht auf den eigentlichen Begründer seines
Machtaufschwunges, Altgrafen Hermann n., um dann auf
die Verlobung und Vermälung Barbara's mit K Sigismund
von Luxemburg, als den Ausgangspunkt der Geschiebte
dieser Gillierin zu übergehen und aus dem Charakter beider
Gatten die Conflicte ihres ehelichen Lebens zu erklären. Das
Verhalten Barbara's zu der Familientragödie im Hause der
Cillier, welche die Ermordung der Gattin ihres Bruders Grafen
Friedrich n. zum Ausgangspunkte hat; B a r b a r a^s Ränke
gegen den Erbfolgeplan E. Sigmunds, ihre Gefangenschaft,
ihr späteres Witwenleben unter den hussitischen Böhmen, dessen
Freigeisterei und Sittenlosigkeit Aeneas Sylvius in den grellsten
Farben schildert, die Motive dieser Schilderung und das That-
sächliche daran, mit Rücksicht auf die gesellschaftlichen Ideen
jener Zeit, bildeten die Hauptpunkte des Vortrages.
Der zweite der angekündigten Vorträge, den Herr Prof.
Franz F e r k ȟber eine vorgenommene Besichtigung angeblicher
Wohnstätten und Fundorte ältester Zeit in der Nähe von Graz **
halten sollte, wurde wegen der bereits stark vorgerückten Zeit
für die nächste Versammlung verschoben.
4. In der Sitzung vom 9. October brachte, nachdem eine
Reihe geschäftlicher Angelegenheiten erledigt worden, Herr Prof.
J. V. Zahn die Frage in Anregung, ob es nicht zweckdienlich
wäre, im kommenden Jahre wieder eine Wanderversammlung
zu veranstalten. Der Ausschuss beschloss auf den Antrag Herrn
Dr. F. 1 1 w 0 f 8 ein Comit^ zu wählen, welches die Frage, ob
im Jahre 1878 eine Wanderversamralung zu veranstalten wäre
und unter welchen Modalitäten sie etwa stattzufinden hätte, in
Erwägung ziehen sollte. In dieses Comit^ wurden gewählt die
P. T. Herren : Prof. Franz F e r k , Conservator Joh. Graus,
Regierungsrath Dr. Rieh. Peinlich, Prof. J. v. Zahn und
Prof. Dr. H. v. Zwiedineck-Südenhorst Sänuntiiche
Herren nahmen die Wahl an und wählten Herrn Prof. J. v.
Zahn zum Obmann, Herrn Regierungsrath Dr. Peinlich
— V —
zum Obmann-Stellvertreter und Herrn Prof. F erk zum Schrift-
führer.
5. Die 25. Yierteljahrs-Versammlung wurde am Montag
den 29. October im gewöhnlichen Locale abgehalten Herr
Prof. Franz Ferk hielt einen Vortrag über alterthümliche
Wohnstätten und Fundorte in der Nähe von Graz, der auch
durch zwei grosse Abbildurigen der betreffenden OerÜichkeiten
imterstiltzt wurde. Der Vortrag wurde später in der „Tagespost"
veröffentlicht Auf die Frage um etwaige Anträge oder Wünsche
der Vereinsmitglieder ersuchte Herr Redacteur Eugen S p o r k
am das Wort. Er führte aus, dass in den Vereinsversammlungen
tias Interesse des Publikums, so wichtig auch Geschäfts- und
Cassabericbt seien, doch den Vorträgen sich zuwende; er
spreche daher den Wunsch aus, es möchte der Ausschuss in
jedem der Wintermonate eine ausserordentliche Versammlung
veranstalten, in welcher vom Geschäfts- und Gassabericht ab-
zusehen und nur ein Vortrag zu halten wäre.
An der Debatte über diese Angelegenheit, die sich sehr
lebhaft gestaltete, betheiligten sich die Herren Professoren
Arnold v. Luschin, H. v. Zwiedineck, Ignaz Bider-
m an n und Redacteur Eugen S p o r k. Der Wunsch des Letzteren
war übrigens in der Debatte zu einem Antrage formulirt worden,
der von der Versammlung mit allen gegen eine Stimme an-
genommen wurde.
6. Zu einer weiteren Besprechung über die Durchführung
dieses Beschlusses lud der Ausschuss für den 9. November
die Herren Redacteur E. S p o r k , die Professoren v. L u s c h i n
und von Zwiedineck ein. Auf Grund dieser Besprechung
beschloss der Ausschuss in seiner Sitzung vom 7. December
die Abhaltung von drei ausserordentlichen Vorträgen im De-
cember, Februar und März. Auch beschloss der Ausschuss,
die Frage, ob im kommenden Winter Cyclen von solchen
ausserordentlichen Vorträgen gegen Entgelt zu veranstalten
wären, in nähere Berathung zu ziehen. Für die Vorträge im
Winter 1877/78 wurden die Herren E. Spork, Dr. Rieh.
Peinlich und Dr. Arnold v. Luschin gewonnen.
- VI -
7. Am 17. December wurde dann der erste dieser ausser-
ordentlichen Vorträge gehalten. Herr Redacteur E. Spork
sprach „über Burgen und Burgenbau- Verhältnisse in Steier-
mark*' Der Vortrag berührte das Vorkommen alter Burgen
in der Carolinger Zeit, das Entstehen der meisten Burgbauten
verschluss des 11. bis im 13. Jahrhunderte. Erwähnung der
Georgenberger Handveste, in welcher Werth auf „Munitiones**
gelegt wird, und des Landfriedens von 1276, welcher auf die
räumliche Vertheilung der Burgen Einj9uss nahm. Römische
Befestigungsreste gaben die Grundzüge für Burgen. Holzburgen
mit Graben und Verhauen. Thürme. Steinbauten-Gharakter im
11. Jahrhundert. Andeutungen, wie man sich in Ruinen zu
Orientiren habe, um den alten Bauplan zu errathea (Hinweis
auf L e 0, V. S c h e i g e r , V. L e b e r.) Hofburgen, Wasserburgen,
Burgstall. Haupttheile eines Burgbaues. Zingeln, Graben, Burg-
hof, Viehhof, Brücken, Pforten, Palas, Bergfrit, Gadem. Unter-
schied zwischen Palas und Saal, Kemenaten. Sonderbare Thurm-
formen. Pladrung der Küche in verschiedenen Zeiten ; Nachweis,
dass in den ältesten Burgen die Küche ebenerdig war. Die
Baumeister blieben fast immer unbekannt. Felsen-Kammern,
Felsengräben. Bruchstein- und Quaderbau. Tonnengewölbe.
Einbettung des Quaderbaues in den Grundfelsen. Eigenthüm-
lichkeiten italienischer Steinarbeiten. lieber Burgbrunnen und
Cisternen. Wehrgänge ; Schiess-Scharten und Pechnasen (beide
vereint in Krems). Verliesse. Unterirdische Gänge; was über
solche, sowie über grosse Rittersäle und Turnierplätze gefabelt
wird. Beschreibung von mehreren bekannten Burgruinen, wie
Gösting, Thal, Krems, Ligist, D.-Landsberg, Kapfenberg, Rein,
Pfannberg, Eppenstein, Liechtenstein, Pemeck, Stadeck, Peggau,
dann der noch erhaltenen Burgen und Schlösser Hainfeld,
Komberg, Gleichenberg, Rabenstein, Holleneck, Greisseneck,
Plankenwart etc. Ueber den Bau der Wehrburg Schachenstein.
Burgbenennungen. Wie Burgen zu Grunde giengen. Brechen
der Burg. Stürme, Brand, Verlassenwerden. Rapider Verfall
der Burgen seit 200 Jahren.
Zum Schlüsse wurde dem Bedauern Ausdruck gegeben.
- VII —
dass so viele Adelsfamilien ihre Stammsitze verfallen lassen,
selbst solche, die auf leicht zugänglichen Höhen liegen und mit
geringen Kosten erhalten werden könnten. Schliesslich sei be-
merkt) dass der Vortragende nur Burgen und Ruinen schilderte,
die er selbst zu sehen und zu untersuchen in der Lage war.
8. In der Sitzung vom 3. Jänner 1878 berührte Herr
Pro£ J. V. Zahn den Umstand, dass manche der Bezirks-
coirespondenten, die nicht zugleich Veremsmitglieder sind und
wddie die Vereinspublicationen gegen die Verpflichtung be-
dehai, mindestens alle zwd Jahre einen Bericht über Vor-
kommnisse in ihrem Bezirke zu erstatten, solche Berichte nicht
einsenden. Der Verein habe also von solchen Correspondenten
ftlr seine Publicationen keine Gegenleistung, wesshalb er den
Antrag stelle, der Ausschuss möge diese Sache in der nächsten
allgemeinen Versammlung vorbringen und diese zu folgendem
Besddnsse zu bestimmen suchen:
j, Jeder Bezirkscorrespondent, der nicht zugleich ordent-
Kdies Mitglied des Vereines ist und der nicht binnen je zwei
Jahren einen Bericht über seine Thätigkeit sendet, welcher
Bericht aber auch blos die Mittheilung enthalten kann,
dass dem Bezirkscorrespondenten im Laufe von zwei Jahren
nichts Erwähnenswerthes vorgekommen, hört eo ipso auf,
Bezirkscorrespondent zu sein.**
9. Diesen Antrag brachte der Ausschuss der SO. allge-
meinen Versammlung, die am 22. Jänner 1878 abgehalten
wurde, vor und die Versammlung genehmigte denselben ein-
stimmig. Vor dieser Absinmiung hielt Herr Prof. Dr. H. v.
Zwiedineck-Südenhorst einen Vortrag „überdenErb-
huldigungslandtag von 1564, ein Beitrag zur Verfassungsge-
scfaichte der Steiermark''.
Der Vortragende hob Eingangs hervor, dass die deutschen
Erbländer und unter ihnen auch Steiermark in früheren Jahrhun-
derten ein sehr entwickeltes Verfassungsleben aufweisen können
und dass die Geschichte desselben den Beweis liefere, mit
welchem Ernste und welcher Charakterstärke die Rechte des
Landes von dessen berufenen Vertretern gewahrt worden seien.
-- VIII -
Bei Gelegenheit der Erbhuldigung, welche der März-Landtag
von 1564 über Aufforderung Kaiser Ferdinand I. dem Erben
von Innerösterreich, Erzherzog Karl, leistete, kamen zwei
Forderungen der Stände zur Discussion: Die Eidesentlassung
der LandesoSiciere, welche ohne Rücksicht auf den dem Lan-
desfürsten geleisteten Eid an den Berathungen des Landtages
über die Huldigung sollten theilnehmen können, und die Auf-
stellung einer Huldigungsformel, welche beiden Confessionen
entsprechen würde. In der ersteren Frage fügte sich der Landtag
dem Machtworte des Kaisers, jedoch nicht, ohne durch seinen
Sprecher Servatius von Teuffenpach gegen jede Beein-
trächtigung der Freiheiten und Gewohnheiten des Landes
Verwahrung einzulegen; in Bezug auf die Eidesformel beim
Huldigungsacte kam man den Wünschen der protestantischen
Ständemajorität entgegen. — Die Besprechung der Vorgänge
und Verhandlungen von 1564 brachte auch eine eingehende
Würdigung der Huldigung von 1521 mit sich, von welcher
eine ausführliche Schilderung erhalten ist. Der Vortragende
schloss mit der Bemerkung, dass die Treue und Beharrlichkeit,
mit welcher von so manchen Mitgliedern der ständischen
Vertretungskörper schon vor Jahrhunderten die verfassungs-
mässigen Rechte des Landes verfochten wurden, dem gegen-
wärtigen Geschlechte als leuchtendes Beispiel voi^ehalten
werden könne.
Der Bericht des Schriftführers zählte u. a. die verschie-
denen Geschenke, als Druckwerke, Handschriften, Urkunden
etc. auf, die dem Vereine in grosser Zahl zugekommen waren
und sprach den Herren Geschenkgebem nochmals den Dank
öffentlich aus.
Aus dem Vereine sind in diesem Vereinsjahre 9 Mit-
glieder ausgetreten, dagegen 11 zugewachsen; da nun aber
der Verein auch 4 verstorbene Mitglieder zu beklagen hat,
so beträgt die Zahl der Mitglieder 355. Ehrenmitglieder zählt
der Verein 26, correspondirende Mitglieder 15.
Die Zahl der Bezirkscorrespondenten beträgt 23, die
Zahl der Vereine, mit denen der historische Verein in Schriften-
— IX -
taosch steht, 190; die Zahl der Ortschronisten 51. Hier kann
der Aossehuss neuerdings constatiren, dass das von ihm in's
Leben gerufene Institut der Ortschroniken auch in der Schweiz
Anklang und Nachahmung findet An Herrn S t e r c h i , Biblio-
thekar des histor. Vereines in Bern, wurde auf dessen Wunsch
em Formulare unserer Ortschroniken abgesendet.
' An Publicationen erschienen im verflossenen Vereinsjahre
das 25. Heft der Mittheilungen und das 1 4. Heft der Beiträge.
Am zweiten Bande des Urkundenbuches wird fortwährend ge-
arbeitet und ist der Druck bereits bis zum Bogen 28 vorge-
schritten^ so dass also die Ausgabe des Werkes in nicht zu
langer Zeit erfolgen kann. Das hohe k. k. Ministerium für
Coltus und Unterricht hat in Anbetracht der Wichtigkeit des
grossen Werkes wieder 500 fl. zunächst fttr ein Jahr gewidmet
and hat der Ausschuss auch an den hohen Landtag und die
k. Akademie der Wissenschaften in Wien das Ansuchen um
eine XJntersttttzung des Werkes gerichtet
Von den Berichten der Bezirkscorrespondenten sind be-
sonders die von den Herren Karl P i c h 1 Ritter von G a m s e n-
fels und Lehrer Johann K r a i n z in Knittelfeld zu erwähnen.
Der Erstere sandte ein Verzeichniss von im Schlossarchive zu
Oberradkersburg befindlichen Urkunden ; über die Berichte
d^ Letzteren wird abgesondert eine Mittheilung erfolgen.
Die aOgemeine Versammlung nahm dann auch die Wahl
zweier Ausschüsse und des Schriftführers vor, da die Herren
Prof. Dr. F. Krön es, Conserv. J. Graus und Prof. Dr.
F. Mayer statutenmässig zum Austritte aus dem Ausschusse
verpflichtet waren. Gewählt wurden zu Ausschüssen die Herren
Professoren Dr. F. Krones und H. v. Zwiedineck-Sü-
denhorst und zum Schriftführer wurde Prof. Dr. Franz M.
Mayer, der dies Amt bisher bekleidet hatte, wiedergewählt.
Als Bechnungsrevidenten wurden die Herren Sparcasse-Cassier
Bnrkhardt und Prof. und Bezirks - Schulinspector Ignaz
Schrotter, welche dieses Amt schon seit einer geraumen
Zeit mit Sachkenntniss und Hingebung verwaltet hatten, wieder-
gewUilt
- X -
Herr Prof. Franz F e r k sprach hierauf den Wunsch aus^
der historische Verein möchte auch die Forschung beztiglich
der Römerzeit nicht aus dem Auge lassen und geeignete
Kräfte für diese Zeit gewinnen. Es entspann sich darüber eine
längere Debatte. Schliesslich sagte der Vorsitzende zu, dass
dem Wunsche des Herrn Ferk nach Möglichkeit werde ent-
sprochen werden.
Aus den Berichten der P. T. ßezirks-
Correspondenten.
Der Bezirktcorrespondent Herr Lehrer Johann Kr ainz sendete drei
Beiidite, die wir nachstehend folgen lassen.
L Bericht Tom 15. Augast 1877 :
1. In der Pfarrkirche £u Seckau, zwischen dem Mausolenm Carl II.
ood der Btschoftkapelle befindet sich an der Wand ein Votivbild, welches
wesentlich Folgendes versinnlicht: Maria schwebt in den Wolken über
dem Domstilte Seckau, im Vordergrunde knien Stiftsgeistliche und Bewohner
?0B Seckaa and beten. Rechts schwebt in den Lüften ein Schwärm Heu-
sdirecken, welche sich hier im Jahre 1478 einfeinden. Im Hintergrunde
links sieht man das Thal yon Marein, welches 1480 von den Türken heim«
g^ocht ward ; man erblickt die Kirche in Flammen und das Metzeln der
Türken unter den Bewohnern der Oegend. Darunter liest man: SVB-
T7VM PRAESIDIVM CONFECIMVS SANCTA DE! GENITRIX. Die
Yolkssage erzählt, dass die Türken die (hegend nicht finden konnten, weil
sie ganz in Nebel eingehüllt war. Unter dem Bilde befindet sich eine
Totivinschrifk in Rahmen mit Fracturbuchstaben, wahrscheinlich zu Ende
des 16. Jahrhunderts geschrieben.
2. Im Schlosse Wasserberg sollen noch Yor Jahrzehnten türkische
Engeln aufbewahrt gewesen sein, die aus der Zeit stammten, als die
T&rken Wasserberg, jedoch vergeblich, belagerten. Diese Kugeln wurden
sp&ter, wie so manches andere historisch Denkwürdige, verschleppt.
3. In der Pfarrkirche St Marein bei Knittelfeld befindet sich hinter
dem Hochaltare eine Inschrift auf einem kleinen Stückchen Pergament,
welche lantet*
Anno Christi Geburth Alss man hat Zalt
MCGCCLXXX an Sand Afran Tag haben
die Yerdamblichen Abgöttischen hintischen
Türkhen das Jungfreiliche Bildt Zerhakht.
Gott erbarme's 1
Mit dieser Inschrift in Verbindung steht ein etwas primitiv gemaltes
Oelbüd, das an der linken Seitenwand des Chores (Presbyteriums) hängt.
Es stellt dar die Kirche St. Marein (Maria im Paradiese), überragt von
— XII -
dem aus dunklem Waldgrunde hervorhigeuden Kirchlein St. Martfieii
an der Friedhofmauer lungern einige TQrken hertim, während eine ander
Schaar osmanischer Reiter thaleinwärts sprengt und an der Kirchttitl«
halten einige Moslems ein Muttergottesbild, welches von einigen TOrk.
mit Säbeln zerhackt wird. Oberhalb lesen wir die Worte: „Auxiliu
Chnstianorum**. Ueber die Sagen aus der Türkenzeit, welche sich ao d
hiesige Gegend, Knittelfeld u. s. w. knapfen, habe ich bereits im Feuilieto
der „Grazer Zeitung" Nr. 34 anno 1876: „TUrkenfeld und Blutsattel
berichtet, daher ich selbe hier nicht berücksichtige.
4. In der Kirche St. Benedicten (Pfarre St. Lorenzen) befindet sie
eine sogenannte Pestkerze. Die Sage erzählt: Heuschrecken hatten di
Saatfelder verzehrt, darauf kam der türkische Bluthund in's Land und'
hauste im Murboden gar schrecklich ; er metzelte Menschen undThiere nieder.'
I
plünderte Arme und Reiche, verbrannte Häuser und Dörfer und zerstörte
die Kirchen. Da entstand eine schwere Hungersnoth, dass die Leute
Baumrinde statt des Brotes essen mussten. Die Türken wollten auch die
Kirche St. Benedicten zerstören, konnten sie aber nicht finden, denn so
oft sie ihr nahten, wurde das Gotteshaus ihren Augen durch ein hohes
undurchdringliches Gebüsch entzogen. Die geängstigten Bewohner gelobten
zur Abwendung der Gefahren eine mehrere Centner schwere Wachskerze
zu opfern. Sie waren nachmals in ihrer Armuth nicht im Stande, eine so
schwere Kerze anzuschaffen und Hessen es mit der Nachahmung begnügen,
indem sie eine lange Stange mit einem Wachsstocke spindelförmig um-
zogen. Als nun später der Feind wieder einmal eingebrochen war und
in der Kirche zu St. Benedicten die merkwürdige Kerze sah, nahm er
dieselbe weg und vertauschte sie mit einer mit Pulver gefüllten Blech«
röhre, in der Absicht, dass sie, angezündet, ezplodiren und die Kirche
sammt den Andächtigen in die Luft sprengen sollte. Zum Glücke entdec kte
man rechtzeitig diesen ruchlosen Anschlag. Die Kerze aber wurde viele
Jahre aufbewahrt und erst 1713, dann später 1855 durch eine neue ersetzt.
Diese Sage sowohl, als auch Näheres über diese sonderbare Pest-
kerze habe ich, wie noch so viele andere Notizen und Mittheilungen über
die Pest, Herrn k. k. Regierungsrath Dr. Richard Peinlich mitgetheilt»
welcher sie auch in seiner ,, Geschichte der Pest in Steiermark** ver-
werthete. Nachträglich nun hnd ich in dieser Kirche ein Votivbild,
das vermuthlich mit der Sage, wenigstens zum Theil, in einigem Znsammen-
hange steht, obwohl ich über die Darstellung nicht recht klar werden
konnte. Selbes befindet sich hinter dem Hochaltare und zeigt : St. Florian
giesst Wasser auf eine links befindliche brennende Stadt (oder Festung ?) ;
rechts erblickt man türkische Fusstnippen mit Anführern zu Pferde; im
Vordergründe zeigt dies Bild einen Fluss, darinnen ein geharnischter
Ritter, auf dem Rücken liegend, schwimmt.
5. Bei Teufenbach hatten die Türken ein hitziges Gefecht zu be-
— xm —
fi^a, bfieben aber schliesslicb Sieger und metzelten die Uebriggebliebenen
^kier. Koch heisst der Ort, wo dies stattgefunden, die Blnttratte.
6. Aach im Pusterwaldgraben erzählt sich das Volk (nach Mittheilung
saaes Gew&hrsoiannes Herrn Franz Prull, Oberlehrer in Lind) eine
is*jeressante Sage aus der Türkenzeit, welche ebenfalls einen historischen
Kaa zo falben scheint:
«Ab die Türken aas dem Eämtnerlande in's obere Murthal vorge-
■inogeD, fielen ihrer Zerstörungswuth auch die Kirchen zu Allerheiligen
tmd PöU xmn Opfer and die Bewohner der umliegenden Ortschaften
Bossteo alle Grftüel einer osmanischen Invasion erdulden. Eine zahlreiche
Horde tfirkischer Mordbrenner durchstreifte auch den Pusterwaldgraben
Bod TerlÜite auf diesem Zuge alle erdenklichen Gräuelthaten. Darüber
a^orten sich die Herzen der tapfem männlichen Gebirgsbewohner. Ein
gewisser Mair in Gassbach versammelte die kräftigsten und muthigsten
Mäsoer, nnd mit diesen wollte er sich den Türken entgegenstellen. Da
aber den wackem Aelplem die Feinde an Zahl weit überlegen waren und
-iaher es voraassichtlich schien, dass sie den Türken unterliegen würden,
so dachten sie an List, welche auch gelang. Dort, wo der Graben von
steOen Felsen stark eingeengt ist und der Bach mit starkem Gefälle die
sdmuüe Schlucht durchbraust, errichteten die Bauern in Eile eine hohe
Mauer, welche, Ton der einen Felsenwand zur andern reichend, auch den
rssfcenden Wildbach in seinem Weiterlauf hemmte, indem man sein Bett
ihsperrte und mit schweren Steinen ausfüllte. Dadurch sammelte sich nun
kiater der Mauer das Wasser des WUdbaches an und zwar in einer Höbe,
& bald der der Mauer gleichkam. Als nun die Türken durch den Puster-
waldgraben zogen, stiessen sie auf die sonderbare Mauer, die ihnen eine
Schanze zu sein schien und das weitere Vordringen erschweren sollte.
Sie legten nun mehrere grosse Breschen in die Mauer, die nun der
ohnedies den dahinter angesammelten Fluthen kaum mehr widerstands-
Wgen Mauer allen Halt benahmen. Die Mauer stürzte zusammen und
(fie ent£esselten Wasserwogen brausten mm durch die enge Schlucht mit
rasender Schnelle, Alles mit sich reissend, Türken, Pferde u. s. w. Kein
Mann entkam; auch ein türkisches Zeltlager, welches nahe der Einmündung
fies Posterwaldgrabcns in das Pölsthal errichtet worden, wurde von den
reissenden Fluthen hinweggeschwemmt. Als sich endlich am darauffolgenden
Tage das Wasser allmälig verlaufen hatte, bedeckten zahlreiche Leichname
üen Erdboden und auch die Wogen der Mur schwemmten viele Todte
&Tt, die der Pölsbach bei seinem Einflüsse in dieselbe mitgeführt. Die
m selbiger Gregend üblichen Benennungen „Wehrofen'' und „Wehranger''
deuten noch anf diese Begebenheit hin.
7. Anch in Neumarkt leben im Volke sagenhafte Erinnerungen an
die TflrkeneinftUe, welche jedoch bereits von mir in der Grazer Zeitung
ad Xr. 41 t. J. im Feuilleton „Ans Neumarkt" veröffentlicht wurden.
- XIV ~
8. Ebenfalls recht intereBsante „TOrkensagen" theilte mir Herr Lehrer
Leopold Oschiel in Miesenbach mit:
a) Gleich oberhalb des Hocheuhofes bei St. Kathrein am Hauenstein liegt
ein sehr grosser Stein mit zwei eingeprägten Fasstritten, darin be-
ständig Wasser, welches merkwürdiger Weise keinen Zufluss haben
soll, sich befindet und zum Heilen der Zitterrochen dienlich sei; selbst
in der trockensten Zeit enthalten diese fussähnlichen Vertiefungen stets
Wasser. Daran knüpft sich nun eine Sage aus dem Türkeneinfalle
anno 1529. Nämlich die Pfarrpatronin St. Katharina stand mit ge-
zücktem Schwerte auf diesem Steine, als die Türken heranrückten und
blendete selbe derart, dass sie, als sie bis zu der 1 Stunde von hier
entfernten Grenze von Ober- und Mittelsteier gelangt waren, nichts
als ein grosses Meer sahen. Noch heisst der lange und breite Graben^
von dem aus die Türken das Meer sahen, der Türkenschanzgraben.
b) In der Ortschaft Hinterleithen liegt das sogenannte grosse Oedfeld,
auf welchem einst die Türken ihr Lager aufgeschlagen haben sollten.
Ein Türke wollte in's nahe Miesenbach reiten, um es anzuzünden ;
als er aber zu der circa 500 Schritte vom Dorfe entfernten „heil.
Brunnkapelle" kam, ward er mit sammt seinem Pferde erblindet.
c) Südwestlich von PöUau (bei Miesenbach ?) steht das sogenannte „rothe
Schlössl**, ein altes, aber gut erhaltenes Schlossgebäude, vor dem ein
weithin sichtbarer hellrother rundlicher Erdcomplex, mit circa 20 Meter
im Durchmesser sich befindet Hier soll der Sage nach der letzte
Rest der Türken, welche in dortiger Gegend gehaust, niedergemetzelt
worden sein.
d) Die auf dem hohen Pöllauberg gelegene Kirche soll bis in die Türkei
hinein sichtbar gewesen sein Die Türken wollten sie zerstören, konnten
aber wegen des einhelligen Gebetes der in der Kirche versammelten
Christen nur bis zu dem südlich, etwa 400 Schritte entfernt gelegenen
„Oelkreuze'^ gelangen, wo sie insgesammt das Gesicht verloren.
e) In Strallegg steht ein Votivkreuz mit einem Türkenkopfe, über dessen
Deutung jedoch mein Gewährsmann mir nichts mitzutheilen wusste.
H. Bericht vom 1. November 1877:
1. Nach den glaubwürdigen Mittheilungen des mir befireundeten und
durch mich zur Thätigkeit im Dienste der heimischen Geschichtsforschung
angeregten CoUegen Herrn Oberlehrer Job. Slana in Gaishom (früher
Liezen) befindet sich nördlich und oberhalb des Ortes Liezen eine schief
ablaufende, jetzt bebaute Ebene, das sogenannte „Brunnfeld **, auf welchem
der Sage nach einstens eine Römerstadt gestanden haben soll. Diese sei
durch eine ungeheure, in Folge eines Erdbebens herbeigeführte Bergab- '
rutschung gänzlich verschüttet worden. Das Haus des vulgo »Graf wird I
als der Platz bezeichnet, auf dem einst ein „Heidentempel'' gestanden I
— XV —
so. Die im Hinta'grunde des Branofeldes sich erhebende Berghöhe, „die
nteWmd^ gemeinhin auch die .Riith" genannt, zeigt noch in auffiillender
Weise das Meiianal dner Erdabrutschung. Die Leute, welche auf dem
Brnnnfelde arbeiteten, Btiessen hiebei snweilen, wenn sie etwas tiefer
ukuMn, aof Manerreste, ja es fielen sogar den Arbeitern, welche hier
uf den Aeckon znr Erntezeit mit dem sogenannten „Vorstecher**
ieia «diweres, eizemes, stangenartiges Werkzeug zum Schlagen von Löchern
a den Erdboden) Löcher schlugen, dieser Vorstecher zuweilen durch, was
auf hohle Bftome schliessen lässt.
Als im Jahre 1885—87 die „SahEstrasse'' überlegt, resp. neugebaut
vürden, wurde nftchst Liezen am Ausgange des Brunnfeldes das Erd-
BuUeriai flir dim Strassenban geholt und hat man dabei auf dieser gar
aicht so bedeutenden abgegrabenen Erdflftche verschiedene Funde gemacht,
so einen Bömerstein, welcher gegenwärtig in der P&rrkirche eingemauert
lAy ein Bdmergrab und Statuetten. Diese letzteren wurden nach Admont
gesandt» wo sie bei dem letzten grossen Brande zu Grunde giengen. Einige
Staa» des Römergrabes finden sich noch vor und liegen als Pflastersteine
ia einem Hofe des Herrn Fuchs in Liezen. Der zweite, ebenfalls in der
P&nridrclie (Choranfgang) eingemauerte Römerstein (von Muchar nicht
anrihnt) lag als Pflasterstein, mit der Schrift nach oben gekehrt, vor
^ncm Hanse und wurde durch den k. k. Baurath Herrn Job. Lieb ich
eatdeckt und conservirt. Auch Mttnzenfunde sollen schon auf dem Brunn-
fäde gemacht worden sein, leider wurden aber selbe verschleppt; nur
Dodi eine BronzemtLnze soll sich im Besitze einer Magd vorfinden, über
vekbe jedoch mein Gewährsmann mir nichts Näheres mitzutheilen wusste.
Die beiden oberwähnten Bömersteine wurden bereits vom Herrn Conser-
Tiior Dr. Pich 1er besichtig^ daher ich die Mittheiluug ihrer Inschriften
Pyhm (d. i. an der von Liezen nach Oberösterreich fllhrenden
Strasse) heisst ein Weg, der die jetzige Strasse durchschneidet und über
das BOgenamrte »Hassegg*' ftlhrt, der „Römerstieg''; auf diesem wurden
fon dem bei oberwähnter Strassenumlegung beschäftigten Ingenieur Po-
korny (adum gestorben) mehrere römische Münzen und Waffen ausge-
fraben, weldie leider sämmtlich in Privathände Übergiengen und zer«
^fittert worden.
3. Während meines ans Gesundheits - Rücksichten unternommenen
FerieDanfentfaaltes in Marburg machte ich gelegentlich der Theilnahme
ta Hospttantencnrse an der landsch. Obst- und Weinbauschule mehrere
Ezcorsioiien in die Umgegend von Marburg, darunter auch nach St Kuni-
end. Das Volk bezeichnet den hinter der auf einer Anhöhe malerisch
gelegenen Pfarrkirche anstrebenden Weingebirgs-Hügel mit dem Namen
GnMÜla, auch Oradifika, welcher Käme auf eine ehemals bestandene Be*
fcstignng deutet (gradifie, gradishzhe, gradifiie a= Schloss- Stätte oder
— XVI -
der Ort, wo vormals ein Schloss gestanden). Dieser so benannte HOgel
ist nach drei Seiten hin steil abfallend und besteht aus Weingarten-EIrde
(Merg^el), Lapor, auch Opok genannt. Das Plateau desselben misst nur
wenige Quadrat-Meter, kaum 10 — 16. Der Yolkssage nach soll hier eine
„römische Warte'' bestanden haben. Lassen die Bezeichnuni^en
Gradifie u. s. w. überhaupt auf einstige, meist römische, Befestigungen
schliessen, so scheint dies hier zur vollen Gewissheit zu werden, denn
hier ttber den Platschberg durch das Lahgenthal zog sich die Römer-
Strasse von der Mur an die Drau hinab und das Römerdenkmal in dem
benachbarten St Ober-Kunigund ist gleichsam das Bindungsglied zwischen
den römischen Monumenten in Gamlitz und Marburg. Anch war der Punkt
hier auf der Gradifie in St. (Unter-) Kunigund ein sehr passender, indem
man eine schöne Aussicht ttber das ganze Langenthai geniesst. Bemer-
kenswerth erscheint der Umstand, dass der vor wenigen Jahren verstorbene
Grundbesitzer Weingerl hier einige römische Münzen gefunden haben
soll; wo diese hingekommen, konnte ich nicht in Erfisiirung bringen. Ob
sie nicht vielleicht der Mttnzensammlung des hiesigen Herrn Pfarrers
einverleibt wurden, welche ich zwar wegen Abwesenheit desselben während
meiner Besuche in St. (Unter-) Kunigund nicht zu Gesichte bekommen,
die aber nach Versicherungen, die mir gemacht wurden, nicht unansehnlich
sein soll.
Scheint das Plateau dieses Gradi&eberges (mit einiger Sicherheit) ein
römischer Beobachtungsposten gewesen zu sein, so dürfte hingegen die
zweite Sage, welche auch das Schloss Dobreng auf diesen GradiSe
verlegt, weniger Glaubwürdigkeit verdienen. Immerhin konnte die frag-
liche Stelle den Zwecken einer einfachen römisdien Warte entsprechen,
schwerlich aber den grossen schweren Steinbau einer mittelalterlichen Burg
getragen haben; für diese meine Ansicht spricht sowohl die oberw&hnte
Bodenart, als auch die geringe Ausdehnung des Plateau's. Es mag sein,
dass die daranstossenden Weingartenbesitzer bereits einen Theil des Hügels
abgetragen und das gewonnene Erdreich für ihre Weingärten, weil hiezu
sehr tauglich, verwendet haben, wie es auch stellenweise als geschehen
erscheint, aber immerhin konnte durch die Abgrabnng der Hügel nur um
einen verhältnissmässig geringen Theil (der Augenschein zeigt es dentlich)
verkleinert werden und war demnach die denkbare Ausdehnung desselben
auf alle F&lle eine zu geringe, auf dass daselbst einst das Schloss Dobreng
(Dobereng) der Herren von Dobem (Dobringe, Dobrei\jie) gestanden haben
könnte. Vergebens suchte ich auch hier die nach der Schildemng einiger
Topographen von dichten Buchen überwachsenen Spuren einstmaliger
Bauten; ebensowenig schien mir die Lage (welche in drei Abschnitten
auf schwer zugänglichen Höhen das Gebäude sehr fest gemacht haben
sollte?) als Grund für die einstige Existenz des fraglichen Schlosses ein-
zuleuchten. Vielmehr glaube ich muthmassen zu dürfen, dass das Schloss,
— xvn -
CS virklich bier bestanden, an Stelle der gegcnwärtifren Kirche sich
befimden baben mag, wofür die Terrainbeschaflenheit jedenfalls mehr
sprkfat, als Akr die andere Annahme. Auch mochten hier die von den
a]l£ülsigen Bninen herstammenden Steine beim Baue der Kirche nnd
anfiegeoden GebSnde lichtere Verwendung gefunden haben, als auf der
E&t des Plftteao'B, wo der gänzliche Mangel von Bausteinen und Mauer-
Üwmsten etwas zu befremdend wirkt, als dass man der Annahme der
öosligea Existeos des Schlosses sogleich ohne jede genauere Prüfung
mtamDen kömite.
3. Gelegenilieh dieses meines heurigen Ferienaufenthaltes gelang es
mir, andi einige andere kurze Notizen zu sanmieln und zwar :
t) Hör Ferdinand Standinger, Privat in Marburg, erzählte mir, dass
jUbeiter in seinem Weingebirge (Stermez) an der steuisch-ungarischen
Grenze einen „römischen Legionsziegel'' gefunden. Selber wurde ihm,
obwobl zerbrochen, überbracht, kam ihm jedoch später abhanden und
Tendiwand spurlos; wahrscheinlich sei er ihm entwendet worden.
Zorn Glücke jedoch habe er sich eine genaue Zeichnung davon gemacht
nnd werde er mir selbe, wenn er wieder in die Gegend kommt, zur
Yerfftgong stellen.
b) UebnngBSchnnehrer Herr Job. Miclosich in Marburg fEuid in seinem
Wefaigarten (Gegend Luttenberg) ein Steinbeil und befindet er sich
noch in dessen Besitz.
c) Oberiehrer Herr Karl Valentin iö in Hrastnig a. d. SQdbahn besitzt
eine kleine Mflnzensammlnng, darunter eine keltische Münze und einen
r^ndsehen Ducaten.
d) Unterlehrer Herr WreÖar in St. Nikolai im Sausal theilte mir mit,
dass in dortiger Gegend in Wäldern sich auffallend geformte Hügel
beftoden, die vom Volke „Heidengräber^ genannt werden.
ni. Bericht vom 10. November 1877:
1. In der Kirche St Wolfgang am Zirbitzkogel fand der Bericht-
erstatter unter der Empore an der rechten Seitenwand eine Votivtafel.
Selbe ist durch zwei verticale Linien in drei Felder getheilt. Das erste
(rechte) Feld zeigt ein Wappen und einen knienden Rittersmann. Das
Wappen ist durch eine horizontale Linie in zwei, in ein oberes und unteres
Fdd getheilt. Das obere zeigt einen schwarzen rechts gewandten laufenden
Panther im blauen Felde; das untere zeigt zwei weisse, schräge von
Hnks nach rechts laufende Streifen im rothen Felde. Der Ritter ist in
fpanisdier Tracht des 16. Jahrhunderts gekleidet. Das dritte (linke) Feld
leigt eine kniende schwarz gekleidete Rittersfrau und das Wappen einen
(chwarzen, aafrechtstehenden Bären im braunen Felde. Das mittlere Feld
trlgt folgende Inschrift mit Fracturbuchstaben: „Zu Ehren der H. Drei-
hSiü^ai aoeh der hochgelobten immerwehrenden JVngfrauen Marien und
UMihmL de» fai«L T«r«laM f. Btelarmark. XZVI. Befl, 1876. B
— XVffl —
dem H. Bischof S. Wolfgang, Patron dieaes GotohauB hat lassen macbei^
dieses Cruxifix des Wolgeboraen Grafen Herrn Herrn Georg Grafen zti
Nagarol. Diser Zeit Pfleger der Herschaft Ehmföls Georg Nneber imc
auch seiner Lieben Haasfrauen zur Gedechtnis Anno 1593.''
2. Auf der Yulgo Rödlnuder-Hube, Eigenthum des Gastwirthes W e g-
schaider in Bischoffeld (Pfarre Gkdl), findet sich im Bienenständer hart
an der Strasse eine plastische Figur aus Stein, nett gearbeitet, einge-
mauert. Selbe Ist ungeföhr 1 Schuh gross und stellt einen Ghiomen mit
langem Barte, in hockender Stellung, die H&nde auf die Knie anfliegend,
dar. Schade nur, dass die Figur mit brauner Farbe, aum Theile auch
schwarzer, Übertüncht ist
Sicherlich hängt dieses sonderbare Monument, aa das sich gar keine
mir bekannte Tradition knüpft, init dem am Hochreichard bestandenen
Silberbergbau und der in Wasserberg erfolgten Einschmelzung des ge-
wonnenen Metalls zusammen. Ueber die Auffindung dieses Bergwerkes
hat der Berichterstatter in den jüngst you ihm in der Grazer Zeitung pub-
licirten „Mythen und Sagen aus Obersteiermark", spez. Nr. 249, eine
intei*cssante Sage, wie auch einige Notizen mitgetheilt.
8. In der Kirche St Benedicten (bei Knittelfeld), welche zwei Hoch-
altäre, des St Florian und des St Benedictus, enthält, trägt ersterer
folgende Inschrift : „Disen altar hat lassen Machen ein Löbliche Brtkder-
8cha£ft St. Floriani Zu ehr Gottes Unsers . Herrn, Und dess heiligen
Märtyrers Floriani Unsers Lieben Patrons Ynd Feyr Herms Alhir S.
Benedictn so Geschehen im Jahr Christi 1657.''
Neben dem Hochaltare links an der Seitenwand befindet sich ein
grosses Wandbild: Die heil. Maria mit den beiden Kirchenpatronen St.
Florian (rechts) und St Benedictus (links) zur Seite, ihren Mantel aus-
breitend über eine sie zu ihren Füssen umgebende, betende Schaar Menschen.
Darunter liest man: „Gott dem Allmächtigen zu Lob und Ehr, und der
seligsten Jimgfrau und Mutter Gottes, Maria, auch der ehrsamen Bruder-
schaft St Floriany hat lassen disen Altar machen der £rbar Sebastian
Elob, und seine Hausfirau Eva, denen Gott der Allmächtige, wie auch
durch die Fürbitt der seligsten Jungfrau Mutter Gottes, Maria, und St.
Floriany, den Himmel yerleihen wolle. Anno 1616.** Renovirt 1862.
Veränderungen
im
Personalstande des Vereines.
Tmn 1. Mai 1877 bis Ende December 1877 sind
Zugrewaolisen : Ordeniliohe Mitglieder.
Ebn er Johaon, Dr. and Prc^sBor in CzemowitE. — F alke Oscar,
Gstsbesitser. — Feigel Franz, Oberförster. — Ealtenbrunner Fer-
^inasd, Dr. — Kommer Karl, Professor in Wien. — Macber Fer-
dinand, Beamter. — Schmid August, Lehrer. — Simonis Franz, Dr.,
B€uiter. ^ Schuster Leopold, Dr., Professor. — So u van Johann,
PriTat — Wallner Julius, Professor.
Abgegangen: Ausgetreten.
Achats Anselra, Ci^itular. — Berger Othmar, Schuldirector. —
l^ejrer Alois, Gutsbesitzer. — Königsbrunn Sigmund, Freiherr. --
Mittarsch Josef, PÜEirrer. - Oberwelz, Stadtgemeinde. — Schwar-
lenberg, Student. — Tendier Mathias, Mechaniker. — Tschan et
Joiiaon, Professor.
Qestorben.
Brennner Augoat, Graf, senior. — König sbrnnn Anton,
^)t«nt — Linke nhöUer Karl, Gaplan. — Morzin Peter, Graf,
Feldmsrschall-Lientenant.
Yerblmbt der Mitgliederstand Ende December 1877: 865
Ortschronisten zugewachsen.
Merz Josef, Oberlehrer in Keuberg, für Neuberg. — Prangner
^inzenz, Lehrer in Radegund, f&r Radegund.
B*
— XX —
U e b e r
über die Empfänge unc
M
Em p f &nge
I Gassarest Yom 81. December 1876
II Beiträge der P. T. Mitglieder
III Erhaltene Interessen-
IV Subvention der hohen Landschaft pro 1877 . . ■
y Für verkanfte Yereinspablicatlonen
VI Subvention des hohen Unterrichtsministeriums pro 1877
Vn An Diplomgebtthren
Summe der Einnahmen . . .
Wird die Summe der Ausgaben von der der Em-
pfänge abgezogen mit
so verbleibt am 81. December ein Gassarest von
Dieser Gassarest zerfUlt in zwei Theile, als:
a) in angelegte Gapitalien 716 fl. 60 kr. und
b) in barem Gelde ... 886 fl. 16 kr.
also in Summa wie oben . . 1061 fl. 66 kr. ==
Graz, am 81. December 1877.
OesLWäbr.
fl.
1039
889
33
626
67
600
18
3078
2021
1061
1061
Ernst FQrst,
d. Z. C«Ml«r.
kr.
66
25
41
76
8
43
65
65
- XXI —
sieht
iosgaben im Jahre 1877.
JW
Ausgaben
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
11
12
13
14
15
• 16
17
I
> 18
19
I
I
Bemunciationen an die Yereinsbediensteten . . .
Für Slempelanslagen
DmcUosten der Beitrtge, 18. Jahrgang ....
Best der Drackkosten der Beiträge, 12. Jahrgang
fpkr die Umschläge) . .
Für die Beinignng der Kanzlei pro 1877 ....
FOr Porti nnd Speditionsaaslagen
SobTention an Herrn Joh. Krainz in Enittelfeld . .
Honorar an den Hil&beamten des Vereines . . .
Enüohnnng an den Yereinsdiener
Kosten der Yersanunlungen pro 1877
Mitgliedbeitrag an den Gesammtrerein in Darmstadt
pro 1877 mit 15 deutsche Reichsmark . . .
Bisherige Kosten der Mitthellimgen, 25. Heft . .
Kosten der Beiträge, 14. Jahrgang
Fflr die calligraphische Ausarbeitung der Diplome .
FOr I>mcksorten
Jahresbeitrag pro 1877 an das germanische National-
Mnsenm in Nflmberg
Auslagen der Untersuchung des prähistorischen Walles
bei Feistritz-Peggau
Ffir Kanzleibedfirfoisse
Theflbetragzahlung des Honorars für das Urkunden-
bucb der Steiermark, IL Band
Summe der Ausgaben . . .
24
—
6
84
410
10
14
-_
6
—
58
42
30
180
—
96
—
49
32
9
7
210
50
486
25
6
20
24
10
2
2
400
2021
70
93
84
Den Sammlungen des Vereines
sind Yom 1. Mai bis Ende Dezember 1877 zugekommen
A. Für die BMothek.
1. Duroh Sohenkung.
3959. Florianschitz, Arzt in Seckaa : Spitälsordnung des Spitals in Seckau.
(Auf Holztofel.)
8960. Graz, die Verwaltung des Anna-Kinderspitales : 83. Rechenschafts-
bericht des Jahres 1876.
8961. Hofrichter, Notar in Windischgraz: Ein Paket Zeitungsausschnitte.
3962. Kahlbacher in Seckau: Zunftconfirmationen und Acten, die Lein-
weber- und Schneiderzunft in Seckau betreffend.
3963. Oro2en Ignaz, Domherr in Marburg : Das Bisthum und die Diöcese
Lavant, recte das Dekanat Oberburg. II. Theil, 1877.
3964. Pirona G. A., Professor und Conservatore der Municipal-Bibliothek
in üdine: Index zur Geschichte von Friaul vom Jahre 1200 bis
1400; herausgegeben vom Abte Giuseppe Bianchi. Udine, 1877.
3965. Peinlich R., Dr. und k.k Regierungsrath in Graz: Nekrolog des
am 3. October 1876 verstorbenen k. k. Schulrathes und jubil. Gym-
nasial* Director's Theodor Gassner. (Separat- Abdruck aus dem
Jahresberichte des I. Stats-Gymnasiums in Graz, 1877.)
3966. Pils Jacob, Oberlehrer in Kraubat ob Leoben: a) Bibel oder die
ganze heilige Schrift, gedruckt Mainz 1609; — b) Hübner^s
Zeitungs- und Conversations-Lexicon; Leipzig 1709, dann Regens-
burg und Wien 1765; — c) Gebetbuch (llr Katholiken, Augsburg
1712; — d) Katholisches Gesangbuch, Grätz 1718; — e) Karte
von Griechenland vom Jahre 1741; — f) Lesser's Insecto-Theologia,
Leipzig 1758 ; — g) Caesar's Beschreibung von Steiermark, Grätz
1773 und 1786. 2 Bände, dann 2. Theil, 1. Abtheilung, Grftz 1786.
— h) Egyptische, griechische und römische Alterthümer, von Dr. Jos.
Ottetiberger. 1. Heft, Prag 1819; — i) Darstellung des politischen
— xxm —
der Terschiedenen Gattnngen von Hemchaften zur
SCMUsvenraltQDg etc. m der k. k. 68terr. Monarchie, mit beson-
derer fierftcksichUgung auf die Provinzen Steiermark, Kärnten
und Krain, von Jobami TBcbinkowitz. 3. Theil, Gr&tz, 1827; —
k) Steiermftrkische Zeitschrift, N. F. I. Jahrgang, 2. Heft, 1884 ;
— I) Die Ünbaltbarkeit des speciilativen Systems der Güntheri-
RTier, von P. Idelfons Sorg, Gr&tz 18 >1 ; — m) Provinzial-Handbnch
vom Erzherzogthnme Oesterreich ob der Enns für das Jahr 1868,
5967. Stillfried-Alcantära, Dr. Rudolf Graf, Geheimrath in Berlin: „Kloster
HeQebronn*' Berk'n 1877.
:^t)C8. Sdllaer Franz, BfirgerschuJlehrer in Fürstenfeld: Grosser Atlas
Aber die ganze Welt Nfimberg 1716.
'^69. Wiekenbaaser Franz Adolf in Czemowitz : „Moldawa**, oder Bei-
trige so einem Urknndenbuche der Moldau und Bukowina, 1877.
2. Im Schriftentausoh.
3970. Agraa, sftdslavische Akademie der Wissenschaften: a) Rad, 38.,
39., 40. Band, 1877; — b) Monumenta spectantia historiam meridio-
nalinm. Band 6, und Commissiones et Relationes Venetae, Bd. 1, 1876.
3971. AmienB, Gesellschaft der Alterthumsfreunde der Picardie: a) M^-
noirea, 3. Serie, tomo Y., 1876; — b) Bulletins, tomo XII., Jahr-
gang 1874, 1875 und 1876; — c) Documents Inedits conccmant la
Province, 8. Band, 1871.
9972. Amslerdam, königliche Akademie der Wissenschaften : a) Verhand-
famgen aas der Naturkunde, 10. Tbeil, 1877. — b) Yerslagen en
Hededeelingen ans d«r Letterkunde, 5. Theil, 1876; — - c) Jahr-
back pro 1875 und $ HoUandia, 1876.
3973. Baireath, histor. Verein fftr Oberfranken: a) Archiv, 18. Band,
3. Heft, 1877; — b) Dr. Theodorich Morung. Eine Jubilftums-
sdirift zur 50jfthrigen Feier des histor. Vereines. {Von Dr. Lorenz
Kranseold.) 1877.
3974. Bamberg, histor. Verein für Oberfranken: 39. Bericht über den
Bestand und das Wirken des Vereines im Jahre 1876.
3975l Berfin, königl. Akademie der Wissenschaften: a) Monatsberichte,
Jahrgg. 1877; — b) Abhandlangen der philos.-histor. Glasse aus
dem Jahre 1876.
3976. Berlin, Verein deatscher Herold: Zeitschrift deutscher Herold,
7. Jahrgang, 1876.
3977. Berlin, Verein fl&r die Geschichte Berlin's: a) Bericht über das
12. Vereinsjalir 1876; — b) Berliner Urkunden, Bogen Ih—ll,
3 B^^en; — c) Berliner Bauwerke, Tafel 8, V, Bogen, Tafel 9,
— XXIV —
2i't Bögen; - d) Berliner DenkmBler, Tafel 6, 1 Bogen; — e)
Berliner Medaillen, Tafel 14, 2 Bögen; — f) Berliner Siegel,
Tafel 4, 10 Bögen, zusammen 20 Bögen.
8978. Bern, histor. Verein des Gantons : a) Archiv, 9. Band, 2. Heft, 1877 ; --
b) Die Schlacht bei St. Jacob an der Birs (von Aagoat BemouUi) ;
— c) Aarberg bis zum üebergang an Bern. (J. Sterchi.) 1877.
8979. Bern, allgemeine geschichtsforschende Oesellschaft der Schweiz:
Jahrbnch fttr schweizerische Geschichte, 2. Band, Zürich 1877.
8980. Bonn, Verein der Alterthumsfreunde im Rheinlande: Jahrbflcher,
69. und 60. Heft, gedruckt 1866-77.
8981. Braunsberg, histor. Verein (fir die Geschichte und Alterthumskunde
Ermelands: Zeitschrift, 17. und 18. Heft, Jahrgg. 1875—76.
8982. Bregenz, Vorarlberger Museums -Verein: XVI. Rechenschafts-
bericht, 1876/76.
8988. Bremen, Abtheilnng des Eflnstler- Vereines ftUr bremische Geschichte
und AlterthOmer : a) Die bremischen Münzen (von Henn. Jungk) ; —
b) Der erste Schwurgerichtshof in Bremen (von Dr. Schumacher) ; —
c) Denkmale der Geschichte und Kunst der freien Hansestadt
Bremen, 8. Abth., 1. Liefg. 1876; ~ d) Die Stedingor (yon Dr.
Schumacher, 1865) und e) Bremisches Jahrbuch, 9. Band, 1877.
8984. Breslau, schlesische Gesellschaft vaterl&nd. Cultur: 64. Jahres-
bericht pro 1876.
8986. Breslau, Verein für Geschichte und Alterthum von Schlesien: a)
Zeitschrift, 18. Band, 2. Heft, 1877; — b) Scriptores rerum silesia-
carum, 10. Band, 1877.
8986. Carlsruhe, das grossherzogliche Conservatorium der badischen
Alterthümer-Sammlungen des Staates : Die grossL badische Alter-
thümersammlung in Garlsruhe, 1. Heft, Jahrgg. 1877.
8987. Chambery, sodet^ savoisienne dliistoire et d' arch^ologie : M^moires
et DocumentSi 16. Band, 1877.
8988. Christiania, Verein zur Erhaltung und Aufbewahrung nordischer
Vorzeitdenkm&ler: a) Foreningen, Jahrgg. 1876 und 1876; —
b) Register der ftbr das Jahr 1875 erschienenen Schriften, 1876; —
c) Norske Bygninger fra Fortiden (Von N. Nicolaysen.) 1877.
8989. Chur, die geschichtsforschende (jesellschaft ftür Graubünden: a)
7. Jahresbericht pro 1877 und b) Graubündens Alterthümer und
Eunstschatze. (Von Samuel Plattner.) Chur 1878.
8990. Gilli, die Gymnasial-Direction : Programm des Schu^ahres 1877.
8991. Czemowitz, k. k. Universit&ts-Blbliothek : I. Verwaltungsbericht der
akademischen Lesehalle an der Franz-Josefis-Uniyersitftt ftü: den
Sommersemester 1877.
8992. Dorpat, gelehrte estnische Gesellschaft: Verhandlungen, 8. Band,
4 Heft, 1877.
- XXV —
3993. EH>erfeid, bergiBcher GeBchiehtsterein: Zeitscbrift, 12. Band,
Jalirsg. 1876, gedruckt m Bonn, 1877.
3994. Emden, OeseDBclinft ftr bildende Kunst und Taterlindische Alter-
tbUmer: a) YeneichmBS der Gemftlde-Sanmilung; b) Yeneichnies
der Atterthflmer-Sammlung;-— c) Katalog der Bibliothek, gedruckt
1877.
3995. Franeofisldy histor. Yerein des Gantons Thurgau: Thurgauische
Behrftge snr Talerllndischen Geschichte, 17. Heft, 1877.
3998. Freiberg in Sachsen, AlterthnmsYerein : Mittheflungen, 13. Heft, 1876.
S997. Freiburg in Breisgau, Gesellschaft cur Beförderung der Geschichts-«
Alterthums- und Yolkakunde: a) Becnefl Diplomatique du Canton
de Fribourg, 8. Band, 1877 ; — b) Zeitschrift, 4. Band, 2. Heft, 1877.
3998. St GiAen, histor. Yerein: a) Mittheilungen snr Taterländischen
Geschiehte, N. F. 5. und 6. Heft, der ganzen Folge 15. und 16. Heft,
1877 ; — b) St Gallens AntheU an den Burgunder Kriegen, 1876 ; —
e) Der Canton St Gallen in der Mediationsseit, 1877 ; -^ d) Ur-
knndenbuch der Abtei St Gallen, 3. Theil, 2. und 8. Lieferung
(1241—1296). — St Gallen, 1876.
3999. Oca^e, Sod^t^ dliistoire et d'archMogie: M^moires et Docu-
nwDta tome 19, 2. LieÜBrung, 1877.
4000. Glanis, histor. Yerein: Jahrbuch, 14. Heft, 1877.
4001. Gilrlitz, Oberlansitsische Gesellschaft der Wissenschaften : Neues
Lanaitsisches Magazin, 68. Band, 1. und 2. Heft, 1877.
4003. GMmgen, königl. Gesellschaft der Wissenschaften: Nachrichten
ans dem Jahre 1877.
4003. Gras, Carl-Franaens-üniTersitftt: Personalstand der akademischen
Behörden ftbr den Wintersemester 1877/78.
4004. — techmsche Hochschule Joanneum: Programm des Studien-
jahres 1877,78.
4006. — Joanneum: recte steierm. Landes- Ausschuss : 65. Jahres-
bericht, 1876.
4006. — n. Staatsgymnasium: 8. Jahresbericht des Schuljahres 1877.
4007. — Staatsoberrealschule: 5. Jahresbericht des Schuljahres 1877.
4008. — steierm. Landes-Oberrealschule: 26. Jahresbericht des Schul-
jahzes 1877.
4009. — Yerein der Aente in Steiermark: MlttheUungen aus dem
Xni. Yereinigahr 1875 76, 1. und 2. Theil, Graz, 1877.
4(}10. — christlicher KunstTerein der DiOcese Seckau: Kürchenschmuck,
YEI. Jahrgg., 1877, Nr. 5^12.
4011. — Akademischer Lesererein an der.UniTersität und technische
Hochschule: 10. Jahresbericht pro 1877.
4012. ~ Die Handels- und Gewerbekammer: Statistischer Bericht
flir die Jahne 1871-1874.
- XXVI —
4018. Oreifswmlde, kHaif^. ümTeniCftts-BibUolhek: 42 StOek Inangnr^-
Dissertationen des Jak^s 1876.
4014. Greifewalde, Gesellschaft für Pommer'sGhe Geschichte: a) 88. und
89. Jahresbericht, 1877; — b) Pommer'sche Genealogien, 3. Band,
1878.
4015. Halle, thttringisch-silchsischer Verein zur Erforschung des yater-
Iftndlschen Alterthums: Neue llittheüangen ans dem Gebiete hiator.-
antiquarischer Forschungen, 14. Band, 1. Heft, 1876.
4016. Hambnrg, Verein fllr Hambnrgische Geschichte: Mittheilungen
Nr. 1—8, vom Monat October bis Ende Deoember 1677.
4017. Hannover, histor. Verein Ar Niedersachsen: Zeitschrift, Jahrgg. 1876
und 88. Nachricht, 1876.
4018. Harlem, Bureau sdentHlque central N^erlandeis: Ardiives N^r-
landaises, Tomo XD., 1877.
4019. Helsingfors, die finnlftndische Gesellschaft der Wissenschaften:
a) Förbandlingar, 18. Band., Jahrgg. 1876—76; — b) Bidrag tili
kännedom af Finnlands Natur och Folk, 20., 25. und 26. Heft; —
c) Observations M^t^orologiques, Jahrgg. 1874.
4020. Hermannstadt, Verein f&r siebenbOrgische Landeskunde: a) Pro-
gramm des Gymnasiums zu Hermannstadt des Schuljahres 1875 76 ;
— b) Jahresbericht des Vereines vom 1. August 1675 bis letsten
Juli 1876; — c) Archiv, N. F. 13. Band, 1.-3. Heft, 1876—77.
4021. Innsbruck, Ferdinandeum : Zeitschrift, 8. Folge, 21. Heft, 1877.
4022. Kiel, königl. schlesswig-hoUstein-lauenbnrgiscbe Gesellschaft ftlr
Geschichte dieser HerzogthQmer: a) Zeitschrift, 7. Band, 1877; —
b) Register zum Diplomatarium des Klosters Arensböck, 1877.
4023. Klagenfurt, Staatsobergynmasiam : Programm des Studien^jahres 1877 .
4024. Köln, histor. Verein (^r den Niederrbein: Annalen. 81. Heft, 1877.
4025. Königsberg, könjgl. und Universit&ts-Bibliothek : Altpreussiscbe
Monatsschrift, N. F. Jahrgg. 1877, 1.— 8. Heft.
4026. Kopenhagen, königl. dänische Gesellschaft ftU* nordische Alterthums-
künde: a) M^moires N. Serie, 187&— 76; - b) TiUseg, Jahrgg. 1876;
— c) Aarboger, Jahrgg. 1876, 8. und 4. Heft.
4027. Krakau, königl. Akademie der Wissenschaften: a) Bozprawy i
Sprawozdania z Posiedz^n, tomo III., V., 1876, VI. und VII., 1877 ;
— b) Rocznik Zarzadu, Jahrgg. 1876 ; - c) Zbiör Wiadomösci do
Antropologü Krakow^j, tomo I., 1877; — d) Monumenta Medii
Aevi Historica, tomo IL, 1876.
4028. Laibach, Obergymnasitun: Jahresbericht 1877.
4029. Lausanne, Soci^t^ d'histoire de la Suisse romande: M^moires et
Documents, tome 84, 1877.
4080. Leeuwarden, Gesellschaft ftir friesische Geschichte, Alterthums- und
Sprachenkunde: a) De Vrije Fries MetigetiHgen, 18. Band, 8. Folge,
— xxvn —
1. TheOy 2., 8. und 4. Stück; — b) 48. Yenlag der Handelingen
fltr dM Jahr 1875 76.
4031 . Leiden, Maatsclu^py der Nederlandscbe LeCterkunde : a) Verzeichnis«
der Mit^ieder rom 15. Juni 1876; — b) Handelingen en Mededee-
lingen vom Jahre 1876; -^ c) Levensberichten der afgestonrene
Medeleden, Beilage zu den Handelingen Tom Jahre 1876.
4032. Ijdpzig, deutsche morgenlindische Gesellschaft: a) Zeitschrift,
Register sn den Bänden 21--80; — b) Zeitschrift, 81. Band,
1., 2., 8., und 4. Heft, 1877; -- c) Catalog Nr. 9. Von Fried.
Andr. Perthes, 1877.
4033. Leoben, Realgymnasium: 11. Jahresbericht, 1877. Oberrealschule:
2. Jahresbericht, 1877.
4084. Lfibek, Verein Ar Lflbek'sche Geschichte und Alterthumskunde :
a) Zeitschrift, 8. Band, 8. Heft, 1876; — b) Jahresbericht pro 1875
imd 1876.
4035. Ltaebnrg, Ältertfanms-Verein : Urkundenbach der Stadt Lüneburg,
8. Band, von 1887—1402. Lfineburg, 1877.
4086. Lnxembourg, histor. Section des Institutes (Soci^t^ arch^ologique)
Charte de U Familie de Reinach vom Jahre 1221 -1455, Fascikel 1
Lozemboarg, 1877.
4037. Lnzem, histor. Verein der fhnf Orte Luzem, Uri, Schwyz, Unterwai-
den und Zug: a) Der Geschichtsfrennd, 82 Band, 1877; — b) Re-
gister zum 21. bis inclus. 80. Band des Geschichtsfreundes, 2. Band.
4088. Marburg, Staatsgymnasium : Programm des Stiidieigahres 1877.
4039. Mets, die Akademie der Wissenschaften: Memoires, 8. Serie,
5. Jahrgg., 1877.
4040. Mitan, die kurländ. Gesellschaft ftkr Literatur und Kunst : Sitzungs-
berichte aus dem Jahre 1876.
4041. Mons, Sod^t^ des Sciences, arts et des lettres du Hainaut: M4-
moires et Publications, 4. Serie, 2. Band, ]877.
4042. Montb^liard, Sod^t^ d' emulation : M^moires, 3. Serie, 1. Band, 1877.
4043. München, kdnigl.-bairische Akademie der Wissenschaften: a) Sit-
zungsberichte der philos.-philolog.-histor. Glasse, 5. Heft,
Jahrgg 1876, l., 2. Heft, Jahrgg. 1877; — b) Abhand-
longen der histor. Glasse, 18. Band, 2. Abth, 1877: —
c) Dr. R. Freiherr von Liliencron : Ueber den Inhalt der
allgemeinen Bildung in der Zeit der Scholastik, 1876.
4044. -* histor. Verem von und ftir Oberbaiem : Archiv, 80. Band,
8. Heft, 1870-71, 85. Band, 2. und 8. Heft, 1875-76.
4045. — Der Alterthumsverein : Die Wartburg, IV. Jahrgg, 1876/77,
Nr. 10—12; — V. Jahrgg., 1877 78, Nr. 1—6.
4046. — könif^. allgemeines Reichsarchiv : Archivalische Zeitsdirift^
1. Band, 1876.
- xxvni —
4047. Mnoster, literariBcher Handweiser: 16. Jalirgg., 1877, Nr. 4—18.
4048. Neuburg a. d. Donau, histor. Filial-Yerein : Gollectaneenblatt für
die Geschichte Baierns, 40. Jahrgg., 1876.
4049. Nflmberg, germanisches Museum : a) Anzeiger ftir Kunde der deut-
schen Vorzeit, N. F. 24, Jahrgg. 1877 ; — b) 23. Jahresbericht für
das Jahr 1877.
4050. Pettau, landschafU. Realgymnasium: 8. Jahresbericht, 1877.
4051. Pesth, königl. ungarische Akademie der Wissenschaften: Archaeo-
logiai l^sitö, Jahrgg. 1877.
4052. Petersburg, kaiserl. archeologische Gommission: Rapport, Jahr-
gang 1872, 78 und 74.
4053. Poitieres, Gesellschaft der Alterthumsforsch^r des westlichen Frank-
reichs: a) Bulletin des 1. bis 4. Quartal, 1877; — b) Mtooires,
40. Band, Jahrgg. .1876, Fase. 1.
4054. Porrentrui, la Sod^t^ jurassienne d'emulation: L' Emulation Joras-
sienne reyue mensuelle Utteraire et scientifique, U. Jahrgg., 1877.,
für die Monate April, Mai und Juli.
4055. Prag, königl böhmische Gesellschaft der Wissenschaften: a) Sit-
zungsberichte, Jahrgg. 1876 ; — b) Abhandlangen der philos.-
histor.-philolog. Glasse und der mathematisch-naturwissen-
schaftlichen Glasse vom Jahre 1875 und 76, sechste Folge,
8. Band, 1877; — c) Jahresbericht pro 1876.
4056. — Verein für die Geschichte der Deutschen in Böhmen: Mitthei-
lungen, 15. Jahrgg., 4. Heft, 1877, 16. Jahrgg. 1., 2., 3. Heft.
4057. — Lese- und Redehalle der deutschen Studenten : Jahresbericht
des Verein^ahres 1876/77.
4058. Roma, die königl. Akademie dei Lincei: Atti, Serie 3 ■*, Volume V\
Jahrgg. 1877, vom April bis Ende Juni 1877.
4059. Salzburg, Gesellschaft für Salzbnrger Landeskunde : a) Mittheilungen
des 17. Vereinsjahres 1877, 1. und 2. Heft; — b) Die Gefäss-
pflanzen des k. k. botanischen Gartens in Salzburg, H. Spezieller
Theil, 1. Heft, 1877; — c) Matsee. Eine Festgabe zum llhundert-
jfthrigen Gedächtnisstage des Stiftes Matsee, 1877. (Von Dr. F.
V. Zillner.)
4060. Schmalkalden, Verein für hennebergische Geschichte und Landes-
kunde: Zeitschrift, 2 Heft, 1877.
4061. Schwerin, Verein für mecklenburgische Geschichte und Alterthums-
knnde: Jahrbücher und Jahresbericht, 42. Jahrgg., 1877.
4062. Sigmaringen, Verein für Geschichte und Alterthumskunde in Hohen-
zollem: Mittheilungen, 10. Jahrgg., 1876/77.
4068. Speier, histor. Verein der PfieOz: Mittheilungen, 6 Band, 1877.
4064. Stade, Verein für Geschichte und Alterthum: Archir, 6. Band,
1877.
— XXIX —
40S5. StefiMumiiiger, lii8tor.-are]iftologi8cha> Verein: A Tasmegyei R6g6-
Bieti-Eforlet M Jelent^se, 6. Heft» 1877.
4066. Stetttn, die Gesellschaft ft^ Pommer'sche Oeschichte und Alter-
thimiskimde : Baltische Stadien, 27. Jahrgg., Doppelheft, 1877, und
39. Jahresbericht
4067. Strassbnrg, la Sod^t^ ponr la Consenration des Monuments histori-
ques d'Alsace: Sitzungsberichte des Jahres 1877 die Nr. 2—8.
4068. Stuttgart, königl. statistisch - topografisches Bureau: Württem-
bergische Jahrbücher ftlr Statistik und Landeskunde,
Jahrgg. 1876, l.>-4. Heft, und Jahrgg. 1877, 8. Heft.
4069. ~ württembergischer Alterthumsverein : Festschrift sur
Tierten Säcular- Feier der Eberhard -Karls -Universität
zu Tübingen, 1877.
4070. Triest, la Sodetk del Gabinetto di Minerva: Archeografo Triestino,
Jahrgg. 1876. N. S., 4. Band, Fasdkel 1—4 und Jahrgg. 1877,
5. Band, Fase. 1—4.
4071. Ulm, Yerem fikr Kunst und Alterthum: a) Correspondenzblatt,
2. Jahrgg., 1877, Kr. 5—12; — b) Ulm und sein Münster. Eine
Festschrift zur Erinnerung an den 80. Juni 1377 von Friedrich
Pressel. Ulm, 1877.
4072. Utrecht» histor. Genootschap : a) Werken, Neue Serie, Nr. 26, 1877 ; —
b) Register zur Krongk, Berichten und den Codex Diplomaticus, 1877.
4073. Venedig, L'istituto Yeneto di scieuze, lettere ed arti: Atti, tomo
2^, Serie quinta, dispensa 10»«, 1875—76; — tomo 8««, serie
quinta, dispensa 1**, und 7»*, 1876 77.
4074. Washington, Smithsonian Institution: Annual Beport ftlr das
Jshr 1875.
4075. Wernigerode, Harzverein ftlr (jeschichte und Alterthumskunde :
ErgSnzongsheft zum 9. Jahrgange der Zeitschrift des Harzvereines
illr Gesdiichte und Alterthumskunde, dann Zeitschrift, 10. Jahrgg.,
1877.
4076. Wien, kaiserl. Akademie der Wissenschaften: a) Sitzungsberichte,
82. Band, 8. Heft, 1876, 88. Band, 1.— 4. Heft, 1876 ; —
b) Archiv, 54. Band, 2. Hälfte, 1876; — c) Fontes Rerum
Aastriacamm, 89. Band, IL Abth., 1876.
4077. - k. k. Gentral-Gommission zur Erforschung und Erhaltung der
Kunst- und histor. Denkmale: Mittheilungen, Jahrgg. 1877,
N. F. 8. Band, 1.-4. Heft.
4078. — k. k. geografische Gesellschaft: Mittheüongen, 19. Band,
der neuen Folge 9., Wien, 1876.
4079. — Verein ftlr Landeskunde in Niederösterreich: b) Blätter,
N. F., 10. Jahrgg., 1876; — b) Topographie von Nieder-
österreich, 2. Bandy 1. und 2. Heft, 1876.
— XXX —
4080. Wien« Heraldischer Verein Adler: Jahrbuch, 3. Jahrgg., 1876.
4081. — Archäologisch-epigraphisches Seminar der k. k. UoiTersität:
Archäologisch-epigraphische Mittheilungen aus Oeeterreicfa,
1. Jahrgg. 1877, 1. und 2. Heft.
4082. — Alterthumsverein : Berichte und MittheQongen , 16. and
16 Band, Jahrgg. 1876 und 76.
4083. — Toofäst: 9. Jahrgg., 1877, 1. Band, Nr. 9—12, dann
2. Band, Nr. 1—12.
4084. — Deutsch-Österr. Leseyerein der Wiener Hochschulen : Jahres-
bericht des I. Yerein^ahres, 1877.
4086. — akademische Lesehalle an der Universit&t: 7. Jahresbericht,
1876/77.
4086. ~ Leseverein der deutschen Studenten: Jahresbericht über das
6. und 6. Yereumjahr 1875 und 76.
4087. Wiesbaden, Verein f&r nassauische Alterthnmskunde und Geschichts-
forschung: a) Annalen, 14. Band, 1. und 2. Heft, 1875—77; —
b) Römische Wasserleitungen in Wiesbaden und seiner Umgebung«
4. Heft. (Von Dr K. Reuter.) lo77.
4088. Würzburg, histor. Verein ftir Uuterfranken und Aschaffenburg :
a) Archiv, 24. Band, 1. Heft, 1877; — b) Die Geschichte des
Bauernkrieges in Ostfranken. (Von Magister Lorenz Fries.) 1876.
4089. Zürich, antiquarische Gesellschaft: Mittheiluugen, recte Neigahrs-
blätter, Nr. 40 und 41, gedruckt 1876-77.
3. Duroli Ankauf.
4090. Darmstadt, Gesammtverein der deutschen Gesehichts- und Alter-
thumsvereine : Oorrespondenzblatt, Jahrgg. 1877.
4091. Linz, Museum Frandsco-Carolinnm : ürkundenbuch des Landes ob
der Enns, 7. Band, 1876.
4092. Mainz, römisch-germanisches Gentral-Museum : Die Alterthflmer
unserer heidnischen Vorzeit Von Dr. L. Lindenschmit 7. und
8. Heft des 8. Bandes, 1877.
B. Für das Archiv*
1. Urkunden und Aoten.
Geschenk von den Herren :
1616. Aust Anton, Gewerksarzt zu Gaal bei Knittelfeld: 4 Stack Foto-
grafien, und zwar: Ansichten von Seckau und Judenburg.
1616. Meixner Anton, Gaplan in St. Veit am Vogau : Einige alte Urkunden
(Kaufbriefe).
— XXXI —
1617. Mulley Ednard, Gewerkinhaber zu Weitenstein: Ein Urbar von
Weitenstein n. a. und 4 Lehnbriefe.
1618. Othoniel .... in Graz, 2 Stück Kaufbriefe aus dem 17. Jahr-
hundert.
1619. Schönegger Oberlehrer: a) Yisitations-Bericht des lüosters
Neaberg Tom Jahre 1544; b) Protokoll zur Schule Neuberg gehörig,
Yom Jahre 1795.
2. Handscliriften.
1620. Andmth in Schwanberg schenkt eine Copie des Testaments der
Freifran von Ortenhofen im Schlosse Limberg bei Schwanberg,
▼om 19. October 1696 und Protokollsauszflge.
C. Für die Kunst- und Alterthums-
Sammlung.
Geschenk Ton den Herren:
1144. Machatschek, Dr. in Weiz: Ein metallenes Plättchen.
1145. Othoniel in Graz: Ein StQck Wiener Stadt-Bancozettel
per 10 fl., vom 1. Juni 1806.
1 146. Bazlag, Dr. und Gfiterverwalter in Rann : Mehrere alterthUmliche
Bruchziege] und ein Salzklumpen, aufgefunden in Tomovo an der
Stelle des römischen Neviodurum in Krain.
B.
Abhandlungen.
Johann Ritter von Kalchberg,
lii leilrag zar Lileralorgescbieble des achlzehnien JalirhoDderU.
Von
I>f. All ton SeliloHsai*.
JNicht immer blühte und grünte das Dichterleben in der
Steiermark so lebendig und frisch, wie zu den Zeiten der
Mimies&nger: Rudolf von Stadegge, Harrand von Wildon,
Ottokar, wie zu den Zeiten jenes Ulrich von Lichtenstein,
der zwar als phantastischer Abenteurer, nicht minder aber
auch als Dichter und zwar, so vielfach die Ansichten über
die Bedeutung der Dichtungen Ulrich's auch auseinandergehen,
Zugestandenermassen als einer der hervorragendsten Sänger
jener Zeit bekannt geworden ist. In der That hatten in der
Folge die Bitter bald Kühneres zu unternehmen, als zu „singen
und zu sagen*'. Die Zeit des Ernstes, des Eisens brach bald
nach der romantischen Periode der Kreuzzüge, in der sich
ganze Völker fbr die Wiedergewinnung eines kleinen Stückchens
«häUgen Landes'' begeistern konnten, herein, die Lieder,
wdehe froher in den schönen, grünen Gauen erklungen waren,
übert&nbte und übertönte das Waffengeklirr. Einbrüche von
Horden wilder Völker des Ostens, Fehden und Kämpfe her-
Torragender Geschlechter unter sich erstickten die edlen Künste
des Friedens und wenn auch der eine oder der andere Lieder-
mond seine Stimme erhob, so verhallte dieselbe doch bald in
den Wirren, in dem Tosen und Kämpfen der Zeit.
So zogen wohl Jahrhunderte vorüber. Das materielle
Leben einzelner Völker, einzelner Geschlechter hob sich auch
wohl, Regenten vergrösserten ihre Macht und waren für das
mihcU. d«s liist. VarclBcs f. 8t»lermark. ZZVL Heft, 1878. 1*
— 4 —
Wohl ihrer Unterthanen bedacht, aber eine ruhige Entwicklung
des Geisteslebens konnte nicht erfolgen, Künste und Wissen-
schaften mussten darniederliegen, bis nicht eine andere Zeit
gekommen war, eine Zeit, in der die Geschlechter auch im
Innern sich bilden, wachsen, gedeihen, erstarken konnten, eine
Zeit, die alles Niedergerissene wieder aufrichten musste
und darauf erst den Bau der Gesittung, der edleren Bildung
und Cultur weiter fortsetzen konnte. Lange, unendlich lange
dauerte es, bis diese Zeit einbrach, bis die Morgenröthe eines
neuen Tages herüberschimmerte, bis es sich in den Geistern
wieder regte und sie zum Bewusstsein ihrer selbst brachte.
Von bedeutenderen literarischen Bestrebungen auf steirischem
Boden weiss erst das achtzehnte Jahrhundert wieder zu be-
richten und auch von diesem Jahrhunderte sind es die
letzten Jahrzehnte, in denen einzelne Gestalten hervortreten,
die eine grössere geistige Regsamkeit bekunden, die gleichsam
den Nachhall bilden jener grossartigen ^ geistigen Bewegung,
welche sich zu derselben Zeit im nördlichen Deutschland
kundgab.
Man ist allgemein der Ansicht, dass das literarische
Leben auch das ganze vorige Jahrhundert hindurch, ja noch
zu Anfang unseres Säculums in der Steiermark ganz ohne
Bedeutung gewesen und derjenige, welcher es zu vergleichen
wagt mit dem jener genialen Geister, welche der ganzen Zeit
die Bezeichnung der classischen Literaturperiode gegeben,
welche als Neubegründer unserer Dichtung überhaupt aufge-
treten waren und von denen an man eigentlich ei*st wieder
von einer deutschen Dichtkunst sprechen konnte, mag
Recht haben; im Irrthume jedoch befindet sich jener, der
Steiermark noch zu jener Zeit als ganz öde und trostlos, als
in geistiger Beziehung, in literarischer Hinsicht todt betrachtet
Dass dies eben nicht so ganz der Fall, habe ich schon öfter
zu zeigen versucht ^), dass insbesondere eine literarisch, nicht
*) Vgl. mein Buch: Innerösterreichisches Stadtleben vor hundert Jahren.
(Wien 1877.) IV. Literatur. Dichtung.
- 5 —
nur für die Steierinärker interessante Persönlichkeit damals
auftaachte und seitdem in unverdiente Vergessenheit gerieth,
dies nachzuweisen ist der Zweck der nachfolgenden Blätter.
Schon Const. v. Wurzbach hat in seinem biographischen
Lexicon ^) die Aufmerksamkeit neuerdings auf Johann Ritter
V. Kalchberg gelenkt, allerdings nur insoweit, als es in dem
Plane dieses ausgezeichneten lexicalischen Werkes gelegen
sein konnte, eine eingehendere Besprechung K a 1 ch b e r g's ist
nirgends erschienen und selbst der Nekrolog, welcher im
Todesjahre des Dichters in der „Steiermärkischen Zeitschrift**
(VIII. Heft, 1827. S. 45 ff.) von Professor Appel verfasst,
das Wirken Kalchberg's schilderte, verwandte nicht viele
Seiten zu seiner Darstellung und davon wieder nur eine Zahl
von Zeilen möchte ich beinahe sagen, zur Entwicklung der
literarischen Bedeutung des Mannes, obgleich derselbe manches
Jahr hindurch Mitarbeiter, Mitherausgeber, ja Begründer dieser
Zeitschrift '^) gewesen und dieselbe ja gewissermassen berufen
erschien, die Bedeutung Kalchberg's für die Geschichte
des Geisteslebens seiner Zeit eingehend zu würdigen; schon
waren ja zwei Gesammtausgaben der Werke des Dichters er-
schienen und beide in der kürzesten Zeit vergriffen, schon
hatte derselbe die Aufmerksamkeit der weitesten Kreise auf
sich gelenkt und zahlreiche Anerkennungen des In- und Aus-
landes für seine Thätigkeit erhalten.
Ich habe mich nun schon seit längerer Zeit eingehend
mit dieser für die Steiermark nicht nur in literarischer Hin-
sicht, sondern auch in vielen anderen Beziehungen interessanten
Persönlichkeit beschäftigt und bin auf Grundlage dessen in Ver-
bindung mit einem mir von den noch lebenden Familiengliedern
Kalchberg's freundlichst überlassenen wichtigen Material,
welches den Dichter betrifft, im Stande, in dem Nachfolgenden
•) X. TM. S. 379 ff.
') Die interessantesten Aufschlasse hierüber gibt die im steierm. Landes-
Archire befindliche Sammlung einer grossen Zahl (aber 100) von Ori-
giiuübriefen des Erzherzog Jobann an Kalchberg.
— 6 —
eine etwas eingehendere Schilderung seines Lebens und Wirkens
zu entwerfen, insbesondere ist es die von der Tochter Kalch-
berg's: Emilie verfasste Biographie, die über so viele Ver-
hältnisse, welche man bisher nicht kannte, die trefflichsten
Au&chlttsse gibt 0-
In einer der lieblichsten Gegenden der oberen Steiermark,
in dem schönen Milrzthale, dort, wo in einer freundlichen
Erweiterung desselben die jugendliche Mttrz ihre dunkeln
Wellen durch lachende, waldumkränzte Wiesen und Felder
schlängelt und sich mit dem Veitschbach vereinigt, erblickte
Kalchberg, unser Dichter, das Licht der Welt Die Gross-
eltern desselben von väterlicher Seite: Veit Kalchegger,
Wirth in Wartberg (f 1726) und Johanna Katharina Kalch-
egger (t 1707), waren schlichte Bürgersleute. Deren Sohn,
Josef Jakob Erhard Kalchegger wurde 1704 geboren
und verehlichte sich nicht weniger als viermal, nämlich am
21. April 1727 mit Anna Maria Fasching, der Witwe eines
Wirthes Josef F a s c h i n g in Krieglach, eine Ehe, die kinderlos
geblieben zu sein scheint ^) ; die zweite Ehe schloss Kalchegger
mit Katharina Kippner von Kapfenberg, ein Bündniss, das
mit 5 Kindern: Maria, Anna, Josef, Katharina und Appolonia
gesegnet war; bei dem im Jahre 1756 geborenen Kinde Josef
steht im Taufbuche die Notiz : „Dass Herr Josef Kalchegger,
Wirth in Krieglach Nr. 75, anjetzo nobilisirt Herr von Kalch-
berg auf Pichl heisse*' ^). Nachdem im Jahre 1760 auch die
zweite Gattin in Folge der letzten Entbindung gestorben war,
*) Herr Joh. Rösch, Kaplan in Köflach, Mitglied des histor. Vereines
für Steiermark, hat mir ausserdem noch in liebenswürdiger Freund-
lichkeit seine Aufzeichnungen über die Familie des Dichters zur Ver-
fügung gestellt, welche er selbst aus den Kirchenbüchern in Krieglach,
woselbst der Herr Kaplan frither weilte, ausgezogen. Ich spreche
dem genannten geistlichen Herrn für diese Mittheilung hier meinen
besten Dank aus.
') Oder wohnte die Familie nicht in der Pfarre Krieglach? in dem Kir-
chenbuche erscheint kein Kind aus dieser Ehe verzeichnet
^ Diese Notiz ist jedenfalls erst später beigefügt worden, da Kalchegger,
wie Wurzbach richtig anführt, mit Diplom vom 30. Dezember 1760
— 7 —
verehlichte sich Kalchegger von Kalcliberg mit Frau Anna
Maria de la Mare, geb. von Kronenberg, verwitweten Baro-
nesse von Ghablkbofen. Zwei Kinder : Johann Franz und Johann
Nep. entsprossten dieser Ehe; am 6. August 1763 (gerade
am Geburtstage des zweiten Kindes) wurde Kalchegger von
Kakhberg unter die Stände Steiermarks aufgenonunen. Endlich
schloss er noch eine Ehe mit Anna Wampl Edle von
Summersdori^ welcher drei Kinder entsprossten: Johann,
unser Dichter, femer Alois und Franz. Dreizehn Jahre nach
der Geburt des ersteren starb Job. Erhard von Kalchberg
(1778), welcher an der Aussen wand der Pfarrkirche zu Krieglach
begraben liegt, ein roh gemaltes Kreuz und die Bilder Kalch-
eggef s und seines Schwiegervaters, der ebenfalls hier begraben
worden, bezeichnen die Grabstelle, die heute Übrigens schon
sehr vernachlässigt ist
Der 15. März 1765 ist der Geburtstag des Mannes, auf
welchen nachstehende Blätter wieder die Aufmerksamkeit lenken
sollen und der in der Taufe den Namen Johann Nep. Franz
Georg erhielt.
Johann von Kalchberg war von der Geburt an ein zartes
schwächliches Kind, dem die Pocken schon früh mit immer-
währender Blindheit drohten ; da er auf dem väterlichen Schlosse
Pichl mitten in der herrlichsten Naturumgebpg lebte, erstarkte
in den Adelsstand erhoben worden ist; die bezeichnende Stelle des
D^loms lautet: . . . „Wann Wir nun gnädigst angesehen, wahrgenohmeu
and betrachtet haben, die adeliche gute Sitten, Tugenden, Vernunft
und Geschicklichkeit^ deren uns der Josef Kalchegger zu Krieglach
inUnserm Erb-HerzogthumSteyermarckt besonders angerQhmet worden,
anbey auch zu Gemüth geführet, dass er nicht nur allein bey denen
während gegenwärtigen Krieg häülTig vorgekommenen Militär Märchen
sich willfährigst gebrauchen lassen, sondern auch das auf Tabac-
poBtinmg gestandene Garlst&dtische Militar-Gommando sowohl mit
der Ldhnniig, als mit dem Brod fast in die zwey Jahre versehen,
nod die hierzu erforderliche Mittel aus seinem Seckel vorgeschossen
. . . habe . . . Als haben Wir . . . ihme ... in den Grad des Adels
erhoben . . . ihme auch das Prssdicat von Kalchberg gnädigst beygelcgt.'*
Vgl. Original-Adelsdiplom im steierm Landesarchiv.
_ 8 - -
er aber bald. Den ersten Unterricht erhielt der Knabe mühsam
von einem alten Fräulein, das im Schlosse lebte. Nach dem
Tode des Vaters, der, wie oben erwähnt, schon im dreizehnten
Lebensjahre des Dichters erfolgte, wurde er einem benach-
barten Pfarrer in Hohenwang übergeben, um den ersten
Unterricht im Latein von diesem zu erhalten. Dieser Pfarrer
war aber ein übler Pädagoge und Misshandlungen aller Art
von Seite desselben flössten dem Knaben eine gewisse Scheu
gegen Jedermann ein, die sich erst spät verlor, ja im späten
Alter noch war es ihm nicht möglich, diese unangenehmen
tiefen Eindrücke seiner Jugend ganz zu verwischen.
Endlich im Jahre 1781 kam der nun dem Jünglingsalter
entgegenreifende Knabe in das k. k. Seminarium (Convict)
naoli Graz, dessen Oberleitung Caspar ßoyko, ein Mann
führte, welcher nicht nur auf dem Gebiete der Kirchengeschichte
als Gelehrter Ausgezeichnetes geleistet hatte, sondern der sich
auch als Bilder der Jugend hervorgethan O- Kalchberg floh
hier den munteren Kreis seiner Collegen, die ihn desshalb
auch nicht selten verspotteten und noch mehr gegen sich
erbitterten. Obgleich er sogar gegen die Lecture eine Abneigung
hatte, so brachte ihm doch Einer aus dem jugendlichen Kreise
einige der damals beliebtesten Dichter und Romane und bald
darauf wird im Lesen der Dichter dem Jüngling eine ganz
neue Zauber weit erschlossen. Freilich war es in der Anstalt
streng verboten, Bücher zu lesen, die nicht besonders bewilligt
worden waren und gerade die Werke der damaligen gährenden
Dichtergemüther gestattete man am wenigsten, doch Uess sich
Kalchberg durch das Verbot nicht abschrecken; er ver-
schlang förmlich insgeheim den Inhalt der ihm zugekommenen
Bände und lernte die hervorragenden modernen Literatur-
grössen : Klopstock, Uz, Lessing, Rabener, Herder und ihre Zeit-
genossen bald genau kennen und würdigen. Royko, der gelehrte,
trotz seines geistlichen Standes überaus aufgeklärte Mann,
erkannte in dem Jüngling bald den strebenden Geist, er
') Ueber Royko vergl. mein „Innerösterr. Stadtleben.** V. S. 20G.
— 0 —
würdigte ihn seines näheren Umganges, öffnete ihm seine
Bibliothek, die reich war an allen Werken der Gelehrsamkeit
qikI Dichtkunst und weckte durch Wort und That und durch
<!ie allgemeine Huldigung, die er genoss, in des Jünglings
Brust die ersten Triebe der edlen Ehrbegierde, die ihn bis
zum Grabe auf der Bahn des Wissens und Wirkens rastlos
Torwarts trieb.
Bas Feld, welches er ausser seinem Rechtsstudium, dem
^ieh K a 1 c h b e r g gewidmet hatte, am meisten liebte und auf
dem er schon früh zu arbeiten begann, war das der Geschichte
und insbesondere derjenigen seines engeren und weiteren
Vaterlandes. Noch verhältnissmässig jung, besass er auf diesem
fiebiete bereits ausgezeichnete , hervorragende Kenntnisse.
»Der Gegenwart fremd,* schreibt die Biographin des Dichters,
^e erwähnt, seine eigene Tochter, „in der sein aufstrebender
<^eist sich an so manchen altergrauten Vorurtheilen verwun-
dete, floh er gerne in das majestätische Reich der Yergan-
i^enbeit, in dem nur das Grosse und Erhabene uns entgegentritt,
während der Schleier der Jahrhunderte die Erbärmlichkeiten
des alltäglichen Lebens in seine Schatten hüllt. **
Die Heimatsgeschichte gab denn auch dem begabten
jungen Manne den Stoff zu seiner ersten dramatischen Arbeit
»Agnes, Gräfin von Habsburg". Ich komme auf den literari-
s<henWerth dieses Productes weiter unten zu sprechen, hier
sei nur bemerkt, dass dieses Stück um so mehr überraschte,
ab es auf eine Begebenheit einer hervorragenden Familie des
I^des gegründet und von einem Steiermärker geschrieben war.
Zu gleicher Zeit stand Ealchberg an der fUr das
W)en so wichtigen Wahl der künftigen Laufbahn. Seine Un-
kenntnis8 der Zeit- und Geschäftsverhältnisse und fremder
ßath verleiteten ihn leider hiebei zu einem Missgriffe, den er
stets bedauerte, er trat nämlich im Jahre 1785 in k. k. Bankal-
iienste, deren prosaische, trockene Geschäfte seinen strebsamen
^dichterischen Geist aber so wenig ansprachen, dass er sich
^*rin sehr unglücklich fühlte und sie auch schon nach einigen
•Jahren wieder verliess. Unterdessen war man selbst im Aus-
— 10 —
lande auf die liberarische Thätigkeit desJuDgen Mannes, van
dem 17f8 das Drama „Die Tempelherren'' und ein Band
„Gedichte" erschienen waren, aufmerksam geworden und die
arkadische Gesellschaft zu Rom sandte ihm ihr Mitglieder-
Diplom zu. Nachdem Kalchberg auch die Sammlung „Früchte
vaterländischer Musen "^ und noch einige dramatische Dich-
tungen, auf welche ich noch zu sprechen komme, vor die
OefiFentlichkeit gebracht hatte, war es die herzoglich deutsche
Gesellschaft in Jena, welche ihn, „dessen Liebe zu den schönen
Wissenschaften, dessen Eifer fHv die Ehre unseres Vaterlandes
den würdigsten Beifall der Kenner und den Ruhm eines edel-
müthigen und geschickten Beförderers der deutschen Literatur
ihm schon längst erworben hat, nach Verdienst und einer ihren
Gesetzen gemässen Wahl zu ihrem »vornehmen* Mitgliede**
ernannte.
Was die Familienverhältnisse betrifft, so vermählte sich
der Dichter schon einige Jahre vorher mit einer jungen Witwe,
die ihm aber in wenigen Jahren durch den Tod entrissen
wurde. Eine Reise, die er daraufhin unternahm, führte ihn
nach Italien, dem „Lande der Kunst", sein Geist wurde auch
wirklich darin wunderbar aufgerichtet ; er durchzog ganz Ober-
Italien, verweilte längere Zeit in den romantisch-freundlichen
Umgebungen von Görz und sah mit wehmüthigen Empfindungen
die letzte Vermählung des Dogen von Venedig mit dem Meere
und damit den Tod der Republik. Auf der Rückreise über
Triest lernte er Therese Sander, ein Mädchen kennen, das
ihm seine erste Gattin theilweise ersetzen zu können schien ;
ihre Einwilligung zur Verehlichung erhielt er bald, aber die
Familie des Mädchens legte ihm zahlreiche Hindemisse in
den Weg, die er freilich nach kurzer Zeit besiegte und sich
im September 1790 zum zweitenmale vermählte. Drei Jahre
verbrachte er mit seiner Gattin auf seinem väterlichen Schlosse
Pichl, an dem er viele Bauten vornehmen liess, das er aber
eingetretener Familienverhältnisse wegen darnach verkaufen
musste. Man kann sich denken, mit wie schmerzlichen Geftlhlen
er sich von dem ehrwürdigen Bau, den der Vater bewohnt,
— 11 —
trennte; hier, in den Armen der lieblichen Natur hatte sich
ja des Dichters Geist, sein Herz entfaltet, hier „hatten die
Musen zuerst dem jugendlichen Sänger gelächelt und die
Ruinen der grauen Vorzeit, die mit heiligem Ernste von der
Berge Spitzen den Lauf der Jahrhunderte betrachten, den
regen Sinn für Geschichte und Vaterland in des Jünglings
Brust geweckt," hier waren in der That auch die meisten der
lyrischen Gedichte entstanden, welche sich in der im Jahre
1788 erschienenen Sammlung finden.
Vom Jahre 1791 an datirt sich Kalchberg's öffentliche
Tfaätigkeit. Nachdem im Jahre 1790 das Schauspiel ;,Die
Grafen von Cilli^ erschienen war und Kalchberg's Name
als Dichter und Geschichtsschreiber schon einen hervorragenden
Rang behauptete, wählten ihn im Jahre 1791 die Stände
Steiennarks zum Ausschussrath. Er folgte diesem ehrenvollen
Rufe, allein das rege geistige Leben, in dem er sich bewegte,
die vielen unvollendeten poetischen Arbeiten, der literarische
Verkehr, in dem er schon damals mit ausgezeichneten Männern
des In- und Auslandes stand, nahmen seine Zeit und seinen
Sinn ganz in Anspruch, auch sehnte er sich nach einem
ländlidien Aufenthalt und so legte er diese Stelle schon ein
Jahr darauf wieder zurück und zog nach Wildbach, woselbst
er sich angekauft hatte, um dort ganz den Musen und Wissen-
schaften zu leben. Hier bearbeitete und vollendete er von den
später erschienenen Dramen „Die Ritterempörung" (Andreas
Baumkircher), ^^Maria Theresia'' und „Die deutschen Bitter
in Accon*.
Im Jahre 1796 abermals von den Steiermark. Ständen
zu ihrem Ausschussrathe gewählt, nahm er die Wahl an und
beschleus nun in dieser Eigenschaft sich ganz dem Dienste
des Vaterlandes zu weihen. Sowie er froher mit rastlosem
Streben sich der Kunst und Wissenschaft gewidmet, so betrat
er jetzt den neuen Weg mit allem Eifer und mit aller Energie,
die seinem Wesen innewohnte. Nachdem im Jahre 1806 noch
das Drama „Attila, König der Hunnen'' erschienen war, verliess
er damit das Grebiet der Poesie und widmete sich in der
— 12 —
Zeit, welche ihm seine Geschäfte übrig Hessen, dem Studium
der Geschichte, insbesondere derjenigen Steiermarks in der ein-
gehendsten Weise. Besonders untersuchte er fleissig und
gründlich die Entstehung und Entwicklung der ständischen
Verfassung. Eine Frucht aller dieser Studien und Arbeiten
waren die zwei Bände „Historische Skizzen*', welche 1800
erschienen und die treffliche Abhandlung „Ursprung und
Verfassung der Stände Steiermarks" ^). Auch eine andere
Arbeit Kalchberg's fällt in diese Periode, die seinen
eifrigen Sinn für die Geschichte des Vaterlandes und seiner
Denkmale bekundet, er hatte oft bei seinen historischen
Arbeiten die alten das Land betreflfenden Urkunden zur Hand zu
nehmen, dieselben befanden sich häufig nicht in der gewünschten,
für den Forscher gerade sehr nothwendigen Ordnung, und
Kalchberg, den „ Herzensdrang, Vorliebe und Patriotismus "
belebten, ^ seine Zeit und Geisteskräfte vorzüghch dem Dienste
der erhabenen Stände seines Vaterlandes widmen zu dürfen",
erbot sich, die Ordnung und zweckmässige Einrichtung unent-
geldlich zu übernehmen. „Die Wärme," womit er in der
betreffenden Eingabe vom 6. Februar 1800 „vom Gegenstande
seiner Wahl, von der Nothwendigkeit dessen Pflege, von der
Bedeutung desselben für die Landschaft und die Heimat
spricht, kennzeichnet den Mann und adelt seine Gesinnung." ^)
Auch später noch unterstützte er das Archivswesen auf das
eifrigste, er war es, der, als eine planmässige Einrichtung
dieses Archives unter Erzherzog Johann vorgenommen w^urde,
in einem Promemoria vom 18. März 1812 die Aufmerksamkeit
auf das Staats-Archiv in Wien lenkte, wohin gelegentlich der
Klosteraufhebungen so viele für Innerösterreich wichtige Ur-
kunden gewandert waren, er wies darauf hin: man müsse
Bereisungen organisiren, um selbst den wichtigsten Urkunden
») Abgednickt : „Sämmtliche Werke" (Wien.) V. Bd.
'^) Vg] J. V. Z all n's Arbeit: „ Zur Geschiebte des landschaftlichen Archivs -
wesens in Steiermark^ im „Jaliresberichte des steierm. Landesarcbives
zu Graz."* 1. Jahrg. 1869. Graz. 1870, S. 25.
— 13 —
nichziispOren, um zu ihnen zu gelangen, er endlich verlangte
ibmals schon die Vereinigung des ständischen mit dem Joan-
aeamsarchive und legte die Yortheile derselben in einem
ibennaligen Promemoria dar ^).
ADe diese Arbeiten hatten aber Kai chb er g's Anwesen-
heit in Graz zur Bedingung gemacht und so schwer ihm dies
auch fiel, verkaufte er doch seine Herrschaft Wildbach ebenfalls
Jüfi übersiedelte in die Hauptstadt „Von nun an," schreibt
seine Biographin flehte er ausschliessend den Geschäften und
aiff nur selten bei ausserordentUchen, meist patriotischen
Gelegenheiten noch in der Leier Saiten. ** Als wahrer Patriot,
iiber Steiermark war damals gerade die traurige „Franzosenzeit"
hereingebrochen, hasste und verabscheute er jene kriechende
Verehrung französischer Herrlichkeit und sprach seine Gesin-
DODgen immer laut und freimüthig aus. Von diesen Ansichten
zeigt auch sein Aufsatz „Die Franzosen der Vorzeit" *^, den
er später veröfifentlichte. In der That scheute er in den Tagen
der feindlichen Invasion weder Aufopferung noch Gefahr, um
^inem Vaterlande nützlich zu sein. HiefÜr und für seine
übrige eifnge Thätigkeit liefert den besten Beweis die schmei-
chelhafte schriftliche Anerkennung, welche der damalige Landes-
ßouvemeur Graf Attems an ihn richtete ^).
Kalchberg lebte noch immer gerne auf dem Lande und
benützte auf der Besitzung Feilhofen bei Deutsch-Landsberg,
welche er neuerlich angekauft hatte, seine Müsse dazu, um
sich der Wissenschaft zu widmen. Leider brachten ihn die
Finanzverhältnisse des Jahres 1811, da er kurz zuvor seine
loeisten Besitzungen verkauft hatte, in eine materiell traurige
h An demselben Orte. S. 81 u. 32. Man sieht darauSi dass Kalchberg
auch dnen Theil zn jener trefflichen Ordnung und Einrichtung des
steierm. Landes-Archives beigetragen, das heute als eine Muster-
Anstalt ihrer Art in Deutschland dasteht.
1 Derselbe befindet sich in der Zeitschrift „Der Aufmerksame*" Jahrg. 1817.
Nr. 78.
") Ein Theil des Wortlautes derselben findet sich in Appels „Nekrolog",
den ich oben im Eingange erwähnt habe. S. 5*2 f.
- 14 —
Lage, die für ihn um so drückender ward, als der zartfühlende
Mann früher im Besitze eines hübschen Vermögens, mit diesem
auch die Zukunft seiner Familie gesichert gesehen hatte und
nun die Seinen dem Ungewissen preisgegeben sah. Schon im
Jahre 1810 hatten ihn die Stände zum zweiten Verordneten
des Ritterstandes erwählt
Hier angelangt, komme ich zu einer Thätigkeit Kalch-
b e r g's , deren segensreiche P'olgen heute noch f^lr das Land
von so nachhaltig günstigem Einflüsse erscheinen. Es ist dies
die Theilnahme an der Gründung des „Joanneums", einer
Anstalt, welche ihr Entstehen bekanntlich dem erlauchten
Gründer Erzherzog Johann verdankt, zu deren zweckmässiger
Einrichtung und Fortführung aber Kalchberg's Vorschläge
unendlich viel beigetragen. Erzherzog Johann hatte vom ersten
Augenblicke an, da er auf Grundlage seiner hiefUr dem Lande
überlassenen trefflichen Sammlungen an die Errichtung dieses
Institutes gedacht, auch sein Augenmerk auf den thätigen
Geschichtsforscher gelenkt Welches Vertrauen er in Kalch-
b e r g setzte, zeigt der oben erwähnte Briefwechsel des Prinzen
mit dem Dichter, welcher im steienn. Landes- Archive aufbewahrt,
viele Details, welche die Anstalt betroffen behandelt. Den hohen
Werth derselben für die Bildung und Vervollkommnung seines
geliebten Vaterlandes tief erkennend, strebte Kaie h barg
nunmehr mit rastlosem Eifer die edlen Absichten des Stifters
zu fördern, jedes Hindemiss zu besiegen und sich so des
erhaltenen Vertrauens würdig zu zeigen. Von der Versteigerung
des Lesliehofes, in dem das Institut untergebracht wurde, an
(bei der im Jahre 1811 Kalchberg im Namen der Stände
dieses Gebäude für den gedachten Zweck erstand), hatte sein
Eingreifen in allen Entstehungsphasen der Anstalt den wich-
tigsten Einfluss. In einer Urkunde vom 26. November 1811
ernannte Erzherzog Johann die drei Curatoren des Joanneums
im Sinne der Stiftung; Männer, die das Vertrauen im hohen
Grade genossen, die durch allgemeine Verehrung ausgezeichnet
waren, sollten zu diesem Amte bestimmt sein. Des Erzherzog
Wahl traf den Landeshauptmann Ferdinand Grafen Attems,
— 15 —
dai Abt 2a Adnumt Gottbard Kughnayr und endlich ernannte
er yxum Curator aus dem Ritterstande den Herrn Johann
TOD Kaiebberg, bekannt durch seinen literarischen Ruf,
dorch seine Landes-Kenntniss und seine Denkart''. „Mit voller
Berobigong/ fährt der Erzherzog fort, „setze ich mein Vertrauen
auf diese Herren Curatoren ; durch eine mehrjährige Bekannt-
schaft, in ruhigen und gefahrvollen Zeiten, sah ich sie ihre
Vaterlandsliebe, ihre Treue gegen den Fürsten und ihren
Eifer ftkr aOes Gute und Nützliche erproben.^ — Kalchberg
war es, der die über dem Thore des Hauses, in dem das
Institut untergebracht ist, befindliche Inschrift festsetzte und
da^ea Errichtung vorschlug, er beantragte die Aufstellung der
Büste des Erzherzogs im Innern, er verfasste den Prolog,
wdcher bei der feierlichen Enthüllung dieser Büste und der-
jenigen dtö Kaisers Franz am 26. Mai 1814 von der Gräfin
Antonie v. Dietrichstein gesprochen wurde ^), er erstattete
sehoD auf dem Landtage am 23. August 1811 einen umständ-
liehen und geschichtlichen Bericht über die Entstehung und
bisherige Ausbildung des Joanneuros, er beantragte, um die
Bedeckung der nun immer mehr auflaufenden Kosten zu
sichern^ eine Revision des Mühllaufer-Geldes und des Musik-
Imposto-Getälles ^, er unterbreitete über Aufforderung des
Erzherzogs im Jahre 1814 einen ausgezeichneten Organi-
sationsplan der Anstalt, welcher zu vielfachen Verbesserungen
Gelegenheit gab. Kalchberg war 16 Jahre lang bis zu
seinem Tode als Curator unermüdlich für das Wohl und den
Nutzen dieser Anstalt und der Wissenschaft thätig. — In Ver-
bindung mit Dr. L. v. yest, Freiherm v. Thinnfeld und Dr.
F. S. Appel leitete er auch durch sechs Jahre von ihrer
Gründung an die „Steiennärkische Zeitschrift, welche mit den
>} Vgl. Merüber: „Dr. G. Göth: Das Joanneum in Graz.*' Graz. 1861.
S. 19 n. 263, sowie den I. Theil von Kalchberg's sämmtlichen
Werken S. 178, woselbst dieser Prolog ebenfalls abgedruckt erscheint.
^) Es wurden dadurch mehrere hundert frOher verschwiegene Mühlen
io die Veranschlagung gezogen, was den Ertrag von 6746 fl. auf
18000 fl. erhöhte. Göth. a. a. 0. S 20.
— 16 —
wissenschaftlichen Bestrebungen an der neuen Anstalt in so
engem Zusammeuhange stand. Kalchberg war es endlich
auch, welcher im Vereine mit dem st st Archivar Wartinger
ein Capital von 1000 Gulden hinterlegte, von dessen Zinsen
jährlich eine passende Medaille angeschafft und dem auf dem
Gebiete der Geschichte Steiermarks kenntnissreichsten der
studierenden Jünglinge übergeben wurde ^), und seiner Thä-
tigkeit ist auch die Gründung des Musikvereines für Steiermark
zu verdanken, in dem er in den Jahren 1819 bis 1826 als
Repräsentant d. i. Vorsitzender des Ausschusses hervorragend
wirkte. Das in jener Zeit an verdiente Männer ertheilte Ehren-
diplom des genannten Musikvereines hat, was den Text anbe-
langt, Kalchberg zum Verfasser. So sehen wir den Mann
allüberall auf künstlerischem und historischem Gebiete, ins-
besondere auf dem Felde der Heimatsgeschichte thätig und
rührig, diese zu fördern, zu unterstützen scheute er keine
Opfer.
Im Jahre 1816 wurde Kalchberg zum zweitenmale
als zweiter Verordneter der Stände gewählt, er rückte im
folgenden Jahre in die Stelle des ersten Verordneten vor.
Seine Gründlichkeit und Ausdauer im Arbeiten, wie nicht
minder seinen klaren Styl selbst in Amtsschriften zeigen die
heute noch im Archive zahlreich erliegenden Referate von
seiner Hand. Im Uebrigen lebte der Dichter nun sehr zurück-
gezogen, einige kleinere Reisen in Steiermark und eine Reise
nach Wien im Jahre 1818 2) abgerechnet, verliess er die
Hauptstadt fast gar nicht Seine literarische Thätigkeit be-
schränkte sich auf mehr oder weniger wissenschaftliche Publi-
cationen in dem „Archiv für Geographie, Historie, Staats- und
<) Appel's Nekrolog, a. a. 0. S. 53.
^) Eb scheiot sein erster Besuch in der Residenz gewesen zu sein, deren
Treiben ihm gar nicht gefiel. „Also hat Ihnen,'' schreibt Erzherzog
Johann an ihn nach Kalchberg's Znrückkunft, „die schöne Kaiser-
Stadt nicht gefallen — nachdem Sie sich dort einige Zeit aufgehalten,
begreifen Sie, warum ich jenen Aufenthalt nicht mag.'' Orig. Brief des
Erzherzogs an K. vom lö. Juni 1818 im steierm. Landesarchive.
— 17 —
Kriegdniiist", im ,; Aufmerksamen'', in der „Steierm. Zeitschrift''
und an anderen Orten. Seine öffentliche Thätigkeit fesselte
ihn oft ganze Nächte hindurch an den Schreibtisch. Aber
Trabsinn und Schwermuth bemächtigten sich Kalchberg's
m den letzten Jahren seines Lebens, die Uebernahme eines
sittierfa&lügen Bleibergwerkes in der Nähe von Graz verwirrte
seine ohnehin schon zerrütteten Vermögens Verhältnisse noch
mehr, eine lange Krankheit beugte seinen Körper und entzog
dem Geiste jene Elasticität, welche ihm bisher immer eigen
gewesen war. Im Jahre 1820 ernannte ihn das Vertrauen des
Monarchen „in Rücksicht seiner ausgebreiteten gründlichen
Landeskenntniss zum Referenten des neu errichteten Grund-
.^euer-Provisoriums*'. Aber seine einmal gestörte Gesundheit
konnte nicht wieder erstarken, obgleich er sich mitunter wohler
fahlte, quälte ihn doch meistens das heftige Brustleiden und
die dadurch hervorgebrachte Gemüthsstörung machte die
Schmerzen doppelt empfindlich, das Uebel verschlimmerte sich
im Jahre 1826 trotz der beispiellosen Pflege und Sorge der
Sdnen von Tag zu Tag, mit den sinkenden Blättern sank
auch seine letzte Kraft und als im Jahre 1827 die wieder
veijQngte Natur sich zum neuen Erwachen bereitete, da rief
sie anch ihren treuesten Freund hinüber in den ewigen Frühling
einer besseren Welt; am 3. Februar 1827 starb der von so
vielen Leiden heimgesuchte Mann.
Kälchberg's Grabstätte befindet sich auf der Südseite
der Leechkirche, er selbst wünschte an diesem historisch
merkwürdigen Orte, an einem der ältesten Denkmale der Stadt
Graz begraben zu werden und drückte diesen Wunsch in seinem
letzten Willen, sowie auch in einem schönen Gedichte : „Gesuch
um eine Grabstätte an der Leechkirche bei Grätz, 1823"^ ^)
aas. Eine Tafel mit Versen, die er selbst verfasste ^), bezeichnet
die Stätte.
*) Mao findet dieses Gedicht am Scblusse von Appel's Nekrolog. S. 56 ff.
^j Die aber wegen des geringen Raumes der Tafel gekürzt werden
raouten. Diese Kürzung nahm unser lieber Heimatsdichler K. G.
Ritter v. Leitner vor, wie er mir selbst erzählte.
MiMksfL <•■ ktoC T«r«l«ci t StoUniark. XIVI. H»fl, 18T8. 2
— 18 —
Ich übergehe nun zur Besprechung der literarischen
Bedeutung des Dichters und Schriftstellers. Die poetische
Tbätigkeit Ealchberg's kann man in zwei Abtheilungen
scheiden: in die lyrische beziehungsweise lyrisch-epische und
in die dramatische, letztere ist es aber vor Allem, die den
Dichter bedeutsam macht und die schon dadurch, weil er
hauptsächlich heimische Stoffe dramatisch bearbeitete, unser
besonderes Interesse in Anspruch nimmt
Es erscheint jedoch nicht überflüssig, bevor ich die ein-
gehendere Betrachtung des Dichters Kalchberg und seiner
Bedeutung für die Literatur seiner Zeit beginne, eine Uebersicht
des literarischen Lebens jener Jahrzehnte des vorigen Jahr-
hunderts selbst zu geben, in welche die Hauptthätigkeit
Kalchberg's Mt
Die Biographen des Dichters erzählen, dass Goethe,
Schiller, Uz, Wieland, Bürger, Lessing und E. v. Kleist schon
die Jugendlectüre des in dem k. k. Seminarium zu Graz aus-
gebildeten heranreifenden poetischen Talentes gewesen. In der
That culminirte das dichterische Leben am Schlüsse des
18. Jahrhunderts in den hier angeführten Namen. Lessing
hatte insbesonders schon 1767 der französischen Theater-
literatur durch seine „Dramaturgie^ den Krieg erklärt und
damit die letzten Reste jenes Einflusses vertilgt, den das
Theater Frankreichs auf Deutschland ausübte und dem selbst
ein Mann wie Gottsched ^) sich nicht entziehen konnte und
wollte 2). Eine Umwälzung des Geschmacks hatte sich plötzlich
geltend gemacht Wie ein Feuerbrand war Klopstock's „Messias"
(1747-1773) in die Gemüther gedrungen und machte alle
Behauptungen Gottsched's, dass sich Deutschland nie an ein
heroisches rehgiöses Gedicht, wie England (Milton's Verlornes
Paradies) wagen könne und kein Deutscher, wenn er dies
^) In der deutschen Scbaubühne 1740—1750.
^) In dieser Uebersicht folge ich beiläufig der Darstellung in meinem
Innerösterr. Stadtleben S. 112 ff, woselbst sich in den Ziffern leider
einige unliebsame Druckfehler eingeschlichen haben, die hier natOrlich
rectificirt sind.
— 19 —
Wagmss auch unternehmen wollte, Aussicht auf Erfolg hätte,
zo Dichte. Dazu bestimmte der 1766 erschienene „Laokoon"
I^ssing's die Grenzen der Poesie jener Ittderlichen Regel-
losigkeit, die bisher geherrscht hatte, gegenüber fest, während
Herder (Stimmen der Völker 1778) nach ihm den Ton des
Volksliedes anschlug und auf das Volksmässige in der Poesie
äk ein Hauptlebenselement derselben hinwies. Goethe hatte
in i&k Siebziger - Jahren auch schon seine Originalgenie-
Periode hinter sich, „Götz" (1773) und „Werther« (1774)
bezeichnen noch die Grenze derselben, darauf folgten die
dassischen Erzeugnisse der edlen Ruhe, j^Clavigo*" (1774),
Jphigenia« (1779 flF.) und ^Tasso« (1790), im „Wilhelm
Meister^ (1795 ff.) schenkte er seinem Volke einen Roman,
vie ihn dieses unter dem grossen Schwall der aufgetauchten
Romanliteratur nicht besessen und der als Muster der ganzen
Gattung aufgestellt werden konnte. Allerdings schlug selbst
Goethe in seinen ersten lyrischen Producten noch jenen Ton
an, an welchen man seit Gleim, J. G. Jakobi, Gerstenberg und
Ijz gewohnt war, anakreontische Anklänge finden sich ttber-
baopt noch zahlreich in der Lyrik des ganzen achtzehnten
Jahrhunderts und schlugen nur allenfalls in den Ton der
Sentimentalität, wie ihn ein Hölty (1748 — 76) oder Mathisson
anstimmte, um. Bekanntlich macht sich diese Sentimentalität
am meisten geltend in den Dichtungen des Göttinger Hain-
bimdes, dessen tolles Gebahren selbst im Leben und im Ver-
kehre ebenso charakteristisch für jene Literaturepoche, als
anbegreiflich für die heutige Zeit erscheint In emem solchen
Boden wurzelten die Tälente der Stolberge, eines Voss,
selbst eines Borger und nicht minder die süssliche Romantik
Martin Hülers. Die Romanciers selbst wandten sich ttbrigens
mit besonderer Vorliebe dem Lüsternen zu, schon Heinse
(1743 — 1809) in seinem «Ardinghello^ und «Laidion" hatte
darcii die Gluth seiner Sprache diese Richtung begründet,
ihm folgten unzählige Nachbeter und die grösseren und klei-
neren Erzählungen, in denen die Verfasser die Sinnlichkeit
za verherrlichen suchten, auch nur in der kleinsten Auswahl
2*
- 20 -
hier aufzuzählen, wQrde den Kaum dieser Uebersicht weitaus
überschreiten, ich nenne hier nur noch SchlegeFs „Lucindc^
(1799), welche beweist, dass noch am Ende des Jahrhunderts
diese lüsterne Richtung selbst von hervorragenden Talenten
nicht verlassen worden war. Von Schiller waren 1781 die
„ Räuber ** erschienen und hatten die Welt in ein seltsam
gährendes Dichtergemüth blicken lassen, das auch im „Fiesko^
(1783) und in dem „bürgerUchen Trauerspiel^ „Kabale und
Liebe*' (1784) fortschäumte, bis sich mit dem Erscheinen des
„Don Karlos" (1787) eine deutsche Dichtergestalt zeigte, wie
bisher so edel und formschön keine erschienen war. Was
Wunder, dass sich der Dichter der „Räuber" die Herzen der
Jugend, die Herzen seiner Nation im Sturm erobert hatte. —
Griechisches Schönheitsgefühl und deutscher Witz vereinigten
sich in den ebenfalls im gleichen Zeiträume erschienenen
Schöpfungen Wieland's, denen allerdings ein wenig französische
Lüsternheit, doch in erträglichem Grade beigemischt war, dafür
wusste der Dichter des „Oberon" im heiteren Gewände seiner
Romane Lebensweisheit zu predigen, die sich so unendlich
unterschied von derjenigen manches die Katheder beherr-
schenden Philosophen und die sich mit dem wirklichen Leben
so trefflich in Einklang zu bringen wusste. — Die poetische
Erzählung wusste vor Allem auch Bürger, besonders in dem
Gewände der Ballade neu zu beleben und seine „Leonore" gilt
bis auf den heutigen Tag mit Recht als unerreichte Muster-
leistung. — Besonders charakteristisch für die Literatur und
sehr wichtig für ihre Entwicklung und Förderung wurde damals
auch die Herausgabe der zahlreichen „Musenalmanache", als
deren Begründer und zwar nach französischem Vorbilde
der Herausgeber des Göttinger „Deutschen Musenalmanachs
für das Jahr 1770", Heinrich Christian Boie erscheint, dem
dann der ^Leipziger Musenalmanach" und aufgemuntert durch
den damit erzielten Erfolg, mehrere andere Concurrenzunter-
nehmen folgten. Die meisten Grössen der deutschen Poesie
fanden sich hier vereinigt und bot von Jahr zu Jahr der
Almanach eine Uebersicht von Producten deutscher Dichtkunst
— 21 —
Endlich hatte auch eine Gattung der Poesie um die Mitte des
18. Jahrhunderts Wiederbelebung erhalten, die bis dahin nur
in Frankreich durch Lafontaine und La Motte gepflegt worden,
ich meine die Fabel. Christian Fürchtegott Geliert war der
Erste, welcher die äsopische Fabel zur bedeutenden Geltung
brachte und wie auf dem Gebiete des geistlichen Liedes, so
auch auf diesem Felde sich unsterbliche Lorbeeren errang.
Lessmg, Pfeffel, Lichtwer und Andere folgten ihm auf diesem
Wege und es entstand eine deutsche Fabelliteratur, die sich
bald würdig der des Alterthums und der Frankreichs zur
Seite stellen konnte. Allerdings lag demnach der Schwerpunkt
des literarischen Lebens in Deutschland und wer wusste nicht,
vie schwer zu jener Zeit ein geistiger Verkehr zwischen dem
Üesterreicher und dem Ausländer möglich gewesen. Von einer
dh^cten Anregung konnte bei einem Schriftsteller Inner-
österreichs nicht die Rede sein, die Censur zog die engsten
Grenzen und die Freiheit des gesprochenen und geschriebenen
Wortes war ein Begriff, den man kaum dem Namen nach
kannte. Ein poetisches Talent musste sich daher schmiegen
und biegen und jedes Wort und jeden Reim den Zeitverhält-
nissen anpassen. Was Wunder, dass uns in der österreichischen
Literatur jener Zeit selten ein freierer Gedanke begegnet,
höchstens ein „Frühlingslied**, ein Erotikon oder die Verherr-
lichung irgend eines grossen Feldherm, Regenten u. dgl. im
hochtrabenden Odenstyle. Die Jesuiten waren zu Maria The-
resta's Zeiten die Träger des geistigen Lebens, sie leiteten
höhere und niedere Bildungsanstalten, sie genossen auch ver-
hältnissmässig noch die meisten Freiheiten in Wort und Schrift
So sehen wir die meisten schriftstellerischen Grössen jener
Zeit auch wirklich im Ordensgewande. Ich erwähne nur die
bedeutendsten Namen, imi rasch meiner eigentlichen Aufgabe
näher zu rücken. Der österreichische „Ossian'' Michael Denis
muss hier vor Allem an die Spitze gestellt werden, ein liebens-
würdiges Dichtergemüth, das keineswegs in der nebulosen
Poesie Ossians ganz aufgegangen ist, seine frischen Lieder
gemahnen oft an Goethe, neben ihm steht Karl Mastalier
— 22 —
(, Gedichte nebst Oden aus dem Horaz. Wien 1774*), kein
schöpferisches Genie, aber immerhin ein Lyriker, wie ihn
Oesterreich lange nicht gehört. Auf dem Gebiete der Epik
nahm Job. Bapt v. Alxinger (Nichtjesuit) einen hervorragenden
Platz ein, seinen und Denis Namen finden wir nicht selten
auch in den deutschen Musenalmanachen. Alxinger's Ritter-
gedichte »Bliomberis*^ und ^Doolin von Mainz ** werden heute
noch mit Interesse gelesen werden. Welche Gattung von Poesie
man besonders gerne in den österreichischen Landen begün-
stigte, zeigt der bekannte Exjesuit Alois Blumauer, dessen
Harmlosigkeit nur durch die Derbheit des Behandelten Über-
troffen wird. Uebrigens nimmt Blumauer nicht nur als humo-
ristischer Dichter eine hervorragende Stelle in jenem öster-
reichischen Literaturleben ein, sondern er gehört auch als
Mitherausgeber einem Unternehmen an, welches den deutschen
Musenalmanachen nachgeahmt, in Wien das für Oesterreich
sein sollte, was diese für Deutschland waren. Ich meine den
„Wiener Musenalmanach", welchen 1777 Jos. Fr. v. Ratschky
zuerst allein und dann zusammen mit Blumauer herausgab.
Auf diesen, beziehungsweise auf dessen Vorbilder in Deutschland
sind auch die von Kalchberg 1789 u. 90 herausgegebenen
„Früchte vaterländischer Musen" zurückzuführen, auf die ich
weiter unten zurückkomme. Ratschky selbst trat als Dichter
auf; neben ihm nenne ich nur noch den Beherrscher der
poetischen Sprache Gottlieb Leon (Gedichte, 1788) und den
Dichter J. Friedr. v. Hetzer aus Krems, beider Poesieen sind
in unverdiente Vergessenheit gerathen und insbesonders zeigt
sich in den Liedern des Freimaurers Leon eine glühende Liebe
zur Freiheit und Unabhängigkeit des Geistes , wenn es freilich
auch, nach damaliger Sitte, dabei nicht ohne einige maurerische
Spielereien abgeht
Soviel über den Stand der Literatur in Deutschland und
Oesterreich in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Ich
habe die Skizze so abgefasst, dass die Beziehungen zu dem
nun zu besprechenden Dichter in der Folge leichter anzudeuten
sind, daher vielleicht auf manches mehr, auf manches weniger
— 23 —
<jewicht gelegt, als es eigentlich hätte der Fall sein sollen.
Es ist natürlich, dass die geistig bedeutenderen Persönlichkeiten
is der ProYinz, also auch in Steiermark, vor Allem ihr Augen-
merk auf die Ihnen zunächst gelegene Residenz, auf Wien
richteten und mit den dort lebenden „Grössen der Literatur*
in Verbindung traten. Vermittelt wurde diese Verbindung wohl
auch durch die schon damals in Wien erscheinenden Zeitungen,
welche ja, besonders was die Politik, besser gesagt jene Nach-
richten, die wir heute politische nennen, betraf, hauptsächlich
aach Quellen für den in Graz erscheinenden „Grätzer Merkur **,
sowie für die „Grätzer Zeitung "^ darboten, zumal den Hof-
bericbten aus der Residenz eine bedeutende Glaubwürdigkeit
beigelegt wurde. Aber auch auf belletristischem Gebiete be-
gegnen uns in den zu Ende der Achtziger und zu Anfang der
Neunziger Jahre in Graz auftauchenden schöngeistigen Blättern^)
meist Namen der Wiener Schriftsteller, so der „beliebte"
Blumauer, Leon und andere Mitarbeiter des Wiener Musen-
almanachs, insbesonders auch Joseph v. Sonnenfels, „der Mann
ohne Vorurtheil", der in der Residenz nicht nur die politische
Bildung zu fördern suchte, sondern auch auf dem Gebiete der
Entwicklung des Theaterwesens daselbst überaus thätig war,
endlich auch selbst als geschmackvoller Dichter auftrat^).
Originalbeiträge steiermärkischer Dichter finden sich in
den Grazer Zeitungen bis auf Kalchberg fast gar nicht
Kai chberg's Lyrik ist allerdings nicht Original, sowohl
in der Fonn, als auch in vielen Wendungen ; selbst in manchen
Geschmacklosigkeiten lehnt sie sich an die Producte des herr-
schenden «Geschmacks*', an die Schöpfungen der in der
deutsdien Literatur damals auftretenden Dichter der Sturm-
') Vgl mein ^Innerösterr. Stadtleben. III. Journale u. Zeitschriften.*^
•) Es ist hier nicht der Ort auf die eminente Bedeutung, welche Son-
oenfelSy der grosse Mann, durch die Publikation seiner Schrift: «Ueber
die Abscbaffong der Folter** (Znrich 1775) ftkr die Humanität und
Befonn des österreichischen Strafrechtswesens gehabt, nfther einzu-
gehen, doch sei dieselbe wenigstens an diesem Orte erwähnt.
— 24 —
und Drang-Periode an M- Schon Klopstock's Oden hatten noch
vor dem Messias, seit dem Ende der Vierziger Jahre dem
deutschen Volke im antiken Gewände einen feurigen, genialen,
echten Dichtergeist gezeigt, hei dem man es gern übersah, dass
der Reim in seinen Poesieen fehlte. Auch auf den steiermärki-
sehen Dichter müssen die dahinfluthenden antiken Strophen des
„nordischen Barden'', der zur Zeit K a 1 c h b e r g's auf der Höhe
seines Ruhmes stand, einen tiefen Eindruck gemacht haben. In
der That eröffnet Kalchberg die Sammlung seiner Gedichte
(Ges. Ausg. L 3.) denn auch mit den alcäischen Strophen „An
die Steiermark" und wendet in der Folge die Klopstock'sche
Form antiker Strophen öfter an. Rein und tadellos in der
Form, entbehren diese Gedichte keineswegs jenes Schwunges,
der die Schöpfungen des Verfassers der Messiade erheht,
Phantasie und Kunstgeftthl beherrschen überall den Poeten,
Manches unter den früheren Gedichten Kalchberg's
erinnert an Schiller, jedenfalls ist es kein blosser Zufall, dass von
Schiller (jedoch nur in den Gedichten der „ersten Periode'')
häufig angewendete Metra bei dem steirischen Sänger eben-
falls nicht selten sind '^), Auch die wilde, etwas zügellose, in
ihrem genialen Fluge oft den Reim mehr oder weniger ver-
nachlässigende Sprache gleicht derjenigen des Dichters jener
*) Die ersten lyrischen Gedichte Kalchberg's sind in dem „Wiener
Musenalmanach'' und zwar in den Jahrgängen 1785, 1787 und 178S
desselben erschienen/ im letzteren Jahre kam die erste Sammlung
„Gedichte -* (Grätz) heraus, die bereits ziemlich umfangreich war.
') So mache ich darauf aufmerksam, wie bezeichnend die trochäisclien
Metra bei Schiller bis 178') überwiegen. Unter 26 Gedichten der
1. Periode sind 13 in trochäischen Ycrsmassen abgefasst. Z. B. Will
sich Hektor evrig von mir wenden — Schön wie Engel voll Wal-
hallas Wonne — Meine Laura, nenne mir den Wirbel — Wenn
dein Finger durch die Seiten meistert — Ewig starr an deinem Mund zu
hangen — Laura, Sounenaufgangsgluth — Laura, über diese Welt zu
fldohten — Banges Stöhnen wie vor'm nahen Sturme — Monnment von
unserer Zeiteu Schande — Horch, die Glocken hallen dumpf zusammen
u. s. w. Unter diesen wieder ist der f11n£füssige Trochäus am häufigsten
angewendet, besonders in jener Zusammenstellung, wie er auch in
dem oben citlrten Gedichte Kalchberg's erscheint.
— 25 -
Terzückten Lieder „An Laura"* u. s. w. Man vergleiche z. B.
aiis Schillers Jugendliedem die Gedichte: „Rektors Abschied,''
nLaura am Ciavier,*' „Die Entzückung an Laura, "^ „Die
Freundschaft* u. a. etwa mit Kalchberg's: „An Mariannen"
(1.12.):
Lange, lange sucht' ich stets vergebens
Unter Truggestalten dieses Lebens
Eine weibliche Vollkommenheit;
Nicht allein zum Durste niederer Sinne,
Auch gemacht zur hohem Geisterminne
Und zur wechsellosen Zärtlichkeit
Ach ! schon fing mein Hoffen an zu wanken,
Schon versank ich tief in den Gedanken
Dass mein Suchen ewig fruchtlos sei;
0, da sah ich dich, erhaVne Schöne!
Und der erste deiner Silbertöne
Machte mich von meinem Zweifel frei. U. s w.
Ebenso charakteristisch in diesem Sinne ist „Adolf an
Gabrielen*'. (I. 72.) Die kleineren Lieder Kalchberg's, welche
sich in der Sammlung finden, sind oft von ausserordentlicher
Einfachheit, manches überrascht durch einen originelleren
Gedanken, meistens ist die Form gut gewählt und streng durch-
geführt
Der Meister auf dramatischem Gebiete, im Zeichnen von
Figuren und lebendigem Handeln, tritt uns schon in der Ge-
dichtsammlung durch einige Balladen entgegen. Zumeist der
Landesgeschichte entnommene StoflFe weiss der Dichter mit
Wlrme und Lebhaftigkeit vorzutragen. Manchmal dringt köst-
licher Humor in einzelnen Strophen durch, an dem wir um
so augenscheinlicher die Ungezwungenheit erkennen, mit welcher
der Dichter erzählt Die erste Ballade „Hans von Stein und
Hedwig von Wagen" mahnt allerdings noch an die Stolberg-
Miller'sche Richtung, Geister, brausender Sturm, finstere Nacht
^d andere Schrecknisse sind nicht gespart, auch die Moral
fehlt nicht:
— 26 —
Euch, fühllosen Eltern! Euch wollt' ich die Mähr
Zur schaurigen Warnung besingen,
Der Schöpfer gab Freiheit dem Menschengeschlecht,
D'nrni; kalte Tyrannen! D'rum habt ihr kein Recht,
Die Liebe der Kinder zu zwingen.
Dagegen muss die Erzählung ^Andreas Eberhard von
Rauber und Helena Scharsäckinn " den besten von K a 1 c h b e r g's
Gedichten beigezählt werden. Der bekannte Sackkampf (daher
der Name »Scharsäckin") zwischen dem durch seine Stärke
berühmten steiermärldschen Ritter Rauber und jenem spanischen
Rittersmann 0 bildet den Vorwurf zu der mit grosser Schalk-
haftigkeit abgefassten Erzählung.
Von besonderer Bedeutung für die vaterländische, im
weiteren Sinne für die österreichische Literatur des 18. Jahr-
hunderts wurde auch eine von J. v. Kalchberg veranstaltete
Sammlung von Poesien, die im Jahre 1789 (und 1790) unter
dem Titel „Früchte vaterländischer Musen, herausgegeben
zum Besten der leidenden Menschheit" (2 Bändchen), erschien.
Diese Sammlung ist der damals auftauchenden ^ Musenalmanach-
Literatur" beizuzählen. Der Erfolg, welchen der Göttinger,
dessen Nachahmung der Leipziger und endlich der Wiener
Musenalmanach hatten, bildete jedenfalls auch in Kalchberg
den Plan zu einem derartigen Unternehmen, das freilich einen
mehr provinziellen Anstrich haben sollte^). So erscliienen die
beiden Bändchen und sie geben eine treffliche Uebersicht der
damals in Steiermark lebenden poetischen Talente. Als Mit-
arbeiter finden wir vor Allem Kalchberg selbst vertreten;
einige seiner besten Gedichte sind hier zum ersten Male ver-
I) Vgl.: YalvasBor's Ehre des Herzogthums Krain.
>) Vgl.: K. Goedeke, Eilf Bttcher deutscher Dichtung von Seb. Brant bis
auf die Gegenwart. Leipzig 1849| 1. S. 727. „Nun fingen die Alma-
nache schon an provinziell zu werden, denn znn&chst nach dem
Wiener entstand: Pfalzbayrischer Musenalmanach f&r das Jahr 17dl
bis 1782 u. s. w. — Lemberger Musenalmanach, herausgeg. von H.
G. V. Bretschneider u. s. w.** — Kalchberg's „Früchte v. M." er-
wähnt Goedeke nicht, jedonfalls sind sie ihm unbekannt geblieben.
— 27 —
öffentlichi, die weiteren Mitarbeiter, welche theils mehr, theils
weniger Beiträge geliefert, sind : Dr. Jos. Eustach König %
Franz Sehram, J. J. Scheiger, Xav. A. v. Unruhe, A** L**r
(Alois V. Leitner), Johanna Gr. v. W**d (Gräfin v. Wurmbrand ?)
und mehrere Ungenannte ^), die sich unter Anfangs- und End-
buchstaben ihrer Namen verborgen und wohl nicht aufzufinden
sein werden.
Wie schon erwähnt, gipfelte das Talent Joh. v. Kalch-
berg's im Drama. Die Theaterliteratur seit den Siebziger-
Jahr^i des 18. Jahrhunderts weist die schönsten Perlen unserer
dramatischen Poesie auf; sie zeigt aber auch an manchen
Orten, ich muss zu diesen leider auch Graz rechnen, einen
trostlosen Charakter. Der Ruhm, den sich ein Lessing, ein
Schüler und Goethe mit ihren ersten und späteren dramatischen
Werken rasch erworben, spornte zahlreiche kleine Geister zu
Nachahmungen an, es entstand dadurch ein Wust von Schau-
spiden, die selbst auf der Btthne Eingang fanden, ja, wie die
Ritterschaospiele eines Spiess, von dem Publikum mit Begierde
anfgenonunen wurden. Ich erinnere hier nur vorttbergehend
an die Nachahmungen von Goethe's „Götz von Berlichingen'',
weldies Schauspiel eigentlich die ganze nachfolgende »Bitter-
literator'' zur Folge hatte. Die Vorzüge Goethe's hatte keiner
erreicht; die Mängel, welche man dem „Götz** dagegen zum
Vorwurfe machen kann, wurden oft ftlr dramatisch wirksame
Schönheiten gehalten und der derbrealistische Anstrich des
Stückes eiferte die Nachahmer zu wahren Zerrbildern an, die
sidi in das Gewand des Bitterschauspieles kleideten^). Die
Ver&sser solcher Stücke blieben natürlich meistens unbekannt
and m^enannt und hatten dazu auch ihre triftigen Gründe. Dass
<) Advokat in Graz. „Seine Sinngedichte zeigten, dass er Laune, Witzi
Nahetft und fiberhaupt den Geist eines Mortials besass." Vgl. Wink-
lern: Kadirichten. S. 106 und 107.
^ Vgl. besonders mein Innerösterr. Stadtleben (Literatur. Pichtung).
S. 155 ff.
*) Man vergleiche hieau die ?on mir angeführten Schauspieltitel in
meinem öfter angeführten Buche. S. 41.
- ~ 28 —
dies übrigens nicht nur bezüglich der Provinzbühnen der
Fall war, beweist die Theatergeschichte jener Zeit. Unter
solchen Umständen musste ein auftretendes Talent, das mit
Fug und Recht ein bedeutendes genannt werden konnte, do])-
pelte Aufmerksamkeit erregen. Dies war auch wirklich der
Fall bei dem ersten Schauspiele Kalchberg's: „Agnes,
Gräfin von Habsburg" (Gratz, 1786), das der erst
21jährige Dichter veröffentlichte und später unter dem Titel:
„Wülfing von Stubenberg" umarbeitete. Der Stoff war schon
hier der vaterländischen Geschichte entlehnt, eigene Forschung
in Stubenberg^schen Familien-Urkunden hatte die Details der
Handlung den Dichter kennen lernen lassen. Und wenn auch
bei einer Begebenheit, die, wie diese, in den Anfang des
1 1 . Jahrhunderts fällt, Geschichte und Sage vielfach ineinander-
fliessen, so ist doch dem jungen Dichter ein farbenreiches,
dramatisches Gemälde gelungen, dessen landschaftlicher Hinter-
grund mit der etwas abenteuerlichen Handlung trefflich über-
einstimmt. Dass der Geschichtsforscher hinter den Dichter
vielfach zurücktritt, wird ihm bei der grossen Jugend des
letzteren Niemand verübeln, doch macht ein kurzer Vorbericht
den Leser zum Theile mit den benützten Quellen bekannt In der
Hauptsache bildet die Fabel des Schauspieles die Liebe der Gräfin
Agnes von Habsburg zu dem steiermärkischen Ritter WüUing
von Stubenberg, der auf einen Kreuzzug auszog, seiner langen
Abwesenheit wegen aber für verschollen gehalten wird, bei
seiner Rückkehr erfährt, dass der Burggraf Riedecker von
Kuenring sich mit Agnes verlobt hat und schliesslich in dem
bekannten Kampfe (von dem das „Rennfeld" seinen Namen
haben soll) den Burggrafen besiegt und sich die Braut erkämpft.
Erinnert auch die Sprache hier und da an die grosse Jugend
des Dichters '), so muss doch die Exposition eine klare und
durchsichtige, der Zusammenhang ein geschlossener genannt
werden. Die Gestalten der Frauen sind noch nicht fest gc-
1) Der erste Druck lag mir nicht vor, Rondern nur die Umarbeitung
der GesammtauBgabe.
~ 29 —
zeichnet, einzelne männliche Charaktere dagegen vortrefiTlich.
Nirgends eine psychologische Unmöglichkeit, wie sie bei Erst-
lingswerken so oft und so gerne yorzukommen pflegt.
Schon in dem nun folgenden dramatischen Gedichte
Kalchberg^s: »Die Tempelherren" (1788) tritt uns
das Talent desselben gereifter und mehr geklärt entgegen.
Aach diese Dichtung hat insofeme für Steiermark ihr specielles
literarisches Interesse, als sie das erste dramatische Gedicht
genannt werden kann, welches daselbst entstanden ist und
Au6nerksamkeit verdient Dass Lessing sein Vorbild gewesen,
geht aus Kalchberg's eigenen Worten hervor, die er im
Jahre 1616 an die „Freunde seiner Muse" richtete: „Nathan
der Weise und der Mönch von Carmel gingen als Vorbilder
meinen Tempelherren voraus in dieser Gattung dramatischer
Dichtung, die nun so viele Meisterstücke besitzt" 0- ^^^ Fabel
der „Tempelherren" bildet das tragische Schicksal Jakob von
Molars, des Grossmeisters der Tempelherren, den bekanntlich
Philipp der Schöne dem Scheiterhaufen überantwortete. Molai
ist denn auch die Hauptfigur des dramatischen Gemäldes, um
die sich alles andere gruppirt, seinem Orden treu bis in den
Tod, stösst er Alles zurück, was den Satzungen desselben
entgegen ist, selbst die Liebe der Königstochter Bianca vermag
es nicht, ihn seinem Gelübde untreu zu machen. Gedämpfter
und milder macht sich dieser edle Grundzug des Charakters
auch in dem greisen Gross-Prior Guido von Auvergne geltend.
Die Sterbescene zu Anfang des fünften Actes lässt so recht
in die sanfte, grosse Seele des sterbenden Greises blicken,
dessen letzte Worte ;, Vergib allen meinen Feinden" diese
Gestalt der jenes grossen Religionsstifters so ähnlich machen
und ihn in einem wahrhaft göttlich milden Lichte erscheinen
lassen. Kalchberg liebt es, in den Personen seiner Dich-
timgen sich diametral entgegenstehende Gegensätze zu zeigen-
Der abtrünnige Noffo Dei, „ein ausgestossener Tempelritter^
*) Archiv f&r Geographie, Historie, Staats- and Kriegskunst. Wien 1816.
(7. Jahrg.) S. C33.
— So-
und der charakterlose Kanzler Wilhelm von Nogaret, reprä-
sentiren diese Gegensätze hier. Nogaret scheut nicht vor
falschem Zeugniss zurQck, um den Untergang der Templer zii
befördern ; ihn leitet ja, wie er es seihst gesteht:
Das, was hiemieden jeden Weltmann macht,
Das grosse Triebrad aller Menschenthaten :
Der Eigennutz. Mit einem Geierauge
Sieht Philipp auf der Templer fette Uabe;
Strebt, ihre Schätze, die sie sich im Feld
Durch's Schwert erworben, zu erhaschen, und
Versprach von Allem auch ein Dritttheil mir.
Auch die Hospitaliter, die des Ordens
Verjährte Feind und Nebenbuhler sind,
Verhiessen mir den grössten Lohn, wenn ihnen
Der Tempelherren Commenthureien würden.
So bin ich dann nun beyderseits geborgen
Und meine Arbeit bringt gewisse Frucht.
1. Act, 12. Auftr.
Ihm würdig zur Seite steht die verbuhlte Mathilde,
Nogaret's Tochter, ein Weib, das nicht zufrieden damit, die
Beischläferin eines Königs zu sein, ihre Augen auch zuMolai
selbst erhebt und ihre ganze Verworfenheit kundgibt, da ihr
der Grossmeister die stolzen Worte zuruft:
Wenn jemals Jakob Molai,
Der Pflicht zuwider, einem Weibe fröhnt.
So ist doch seiner Seele Stoks zu gross.
Zu einer Buhlerin herabzusinken.
Und war' sie selber eines Königs — Metze. —
Indem sie ihm noch die unheilverkündende Drohung nach-
ruft ^), die mit den Worten schliesst:
Verderben über dich! Verruchter Bube!
Mein Auge soll nicht ruhn, bis du gestürzt.
Das Opfer meiner Rache bist!
I) 2. Act, 9. Anftr.
— al-
so Tereinigen sich alle bösen Mächte und bereiten dem
Tempelherrn den Untergang. Die Templer werden unter den
bekannten Scheinbeschuldigungen gefangen genommen, Jakob
von Molai, den Bianca noch aus dem Kerker erretten will, schlägt
dies Anerbieten aus. Schon hat Mathilde den König bewogen,
das Todesurtheil zu unterzeichnen und sie bricht, während
die Flamme des Scheiterhaufens vor ihren Augen auflodert
und der König schon den voreiligen Schritt bereut, noch in
die Rufe aus:
Will es dich vielleicht gereuen?
Pfui, Philipp! Wer ein grosses Werk beginnt,
Mnss keine kleine Seele haben. — Ha!
Wie schön zum Himmel auf die Flamme lodert. —
Allerdings sind alle diese Gestalten vom Dichter ktthn
gezeichnet, aber keineswegs mit allzugrosser Verletzung der
historischen Treue ^). Eine Dichtung^ wie diese, musste Kalch-
berg's Kamen bald auch ausserhalb der Grenzen seines
engeren Vaterlandes bekannt, berühmt machen, die Verworfen-
heit und den Edelsinn hatte der Dichter hier mit den grellsten
Farben dargestellt und sich gegen die Natur doch nirgends
versündigt
Die nächste dramatische Arbeit Kalchberg's nahm
ihren Stoff wieder aus der Geschichte des Vaterlandes. „Die
Grafen von Cilli.'' Eine Begebenheit der Vorzeit, besteht
eigentlich aus zwei Abtheilungen ^), die auch in verschiedenen
*) Vgl. anch Zach. Werner's dramat. Gedicht: „Die Söhne des Thals,
I.: Die Templer auf Gypern^, das 1808 erschienen ist.
*) Die erste Abtheilung (CiHi 1791) enthält den „Friedrich« und auf
dem Titel das Motto:
Steig nieder aus der Schilde Mitte von der Wand,
Darbender Seelen Erweckerin,
Harfe von Cona mit deinen drei Stimmen I
Komm' mit jener, die die Vorzeit anfhellt
Und empöre mir des Alterthums Gestalten
Ueber ihre dOsterbraunen Jahre. Ossian.
In dieser ersten Ausgabe ist das Stttck noch nicht in Acte, sondern
in 11 Abtbeilungen gegliedert Die Eintheilung in Acte findet sich
— 32 —
Jahren (1791 und 1793) erschienen sind und die sich in-
sofeme ergänzen, als die beiden fünfactigeu Schauspiele:
„Friedrich Graf von Cilli" und ;,Ulrich, Graf von
Cilli** unter dem erwähnten Gesammttitel Charakterbilder
der beiden bedeutenden Vertreter jenes rasch berQhmt ge-
wordenen Grafengeschlechtes zu liefern versuchen. Dass diese
Charakterbilder durch die Hand eines Mannes, wie Ealchberg,
auch ihre dramatische Abrundung erhielten, liegt um so mehr
auf der Hand, als die Geschichte beider Grafen an sich schon
den Gang einer gesteigerten dramatischen Handlung darbietet
Mit dem tragischen Ende der Veronika von Dessenitz schliesst
das erste, mit der Ermordung Ulrichs durch Ladislaus das
zweite Stück. Zum Vergleiche, in wie weit Kalchberg von
den historisch beglaubigten Thatsachen abwich, diene eine
kurze Darstellung zuerst des „Friedrich". Gegen den Willen
seines Vaters Hermann IL v. Cilli, der den Glanz und den
Ruhm des Cillier Grafengeschlechtes durch hohe Verbindungen
noch erhöhen und steigern wollte, vermählte sich Friedrich,
nachdem seine erste Gattin, Gräfin Elisabeth von Modrusch
im Jahre 1422 gestorben war, heimlich mit Veronika von
Dessenitz, einem Mädchen aus dem niederen Adelsstande und
lebte mit ihr auf seinem Schlosse Gurkfeld in Kärnthen. Der
steiermärkische Edle Jobst v. Helfenberg, einer der bittersten
Feinde Friedrichs, hat es ausgekundschaftet, dass Friedrich mit
Veronika vermählt sei, er schleicht sich in den Garten zu Gurk-
feld ein, Jobstens Blut selbst geräth beim Anblicke der schönen
Veronika, der er sich unerkannt naht, in Wallung und dop-
pelten Groll gegen Friedrich im Herzen tragend, eilt er zu
dessen Vater. — Unterdessen erscheint Friedrichs Freund:
Jakob von Edling, auf dem Schauplatze in Gurkfeld und er-
kennt mit tiefem Schmerze in der Gattin seines Freundes
erst in der Umarbeitung in den „Sämmtl. Werken". YIII., welche
Wurzbach unbekannt geblieben sein dürfte, da er a. a. 0. S. 380 b
sagt, das Stück sei '„eigentlich kein Drama, sondern eine Art geschicht-
licher Dramatisimng, worin die Dialogenform zur Belebung des Ganzen
beiträgt ''.
— 33 —
eine FraaeDgestalt, die er „bei einem grossen Banket" in
Graz gesehen hat und seitdem, in Liebe zu ihr entbrannt,
nicht mehr vergessen konnte, ohne sie aber, so viel ei auch
gesucht wieder aufzufinden. Ein Bote, von Hermann gesendet,
trifft ein und ladet Friedrich zu den in Cilli stattfindenden
Festen, welche zu Ehren der Ankunft der Tochter Hermanns,
der Königin Barbara von Ungarn, gefeiert werden. Eine solche
Einladung ist Befehl. Friedrich verlässt das Schloss, nachdem
er noch dieses und seine Gattin dem Schutze des Freundes em-
pfohlen. In Cilli folgen unterdessen Feste auf Feste. Stolz nimmt
Königin Barbara die Huldigungen entgegen, welche ihr darge-
bracht werden und übergibt in feierlicher Versammlung ihrem
Vater das vom König Sigumnd, ihren Gemahl, ausgefertigte
Pergament, durch welches Hennann die Grafschaft Sagor mit
voller Landeshoheit in's erbliche Eigenthum abgetreten erhielt.
Aber schon liat der Knappe Pietro auch der Königin
die niederschmetternde Nachricht von der Vermählung ihres
Kruders mit Veronika mitgetheilt, auf welche djis herrach-
süchtige Weib ihren ganzen Hass wirft ^). Hermann, der die
heimliche Vermählung Friedrichs nun auch erfährt, wüthet
liegen den zum Feste eintreffenden Sohn und verlangt stürmisch
die Trennung dieser Ehe. Jobst von Helfenberg schürt im
Verdne mit Barbara die Zornesflamme und Hermann lässt
seinen Sohn ergreifen und in den Kerker auf Ober-Cilli werfen.
Jakob von Edling auf dem Schlosse Gurkfeld muss alle Kraft
seiner Seele anwenden, damit nicht die Leidenschaft hervor-
breche, welche er zu der Gattin seines Freundes gefasst hat,
^r er widersteht mit echtem Mannesmuth. Da die Nachricht
▼on der Einkerkerung Friedrichs eintrifft und bei dem Stande
') Barbara'g „der zweiten Messallina'' Charakter tritt uns aus den
historischen Quellen ffut noch verworfener entgegen, als ihn Ka Ich-
berg hier dramatisch zeichnet. Man vergleiche Aeneas Silvius,
bist hohem. C. 69. — de vita Barb. S. 114 — " Supan a. a. 0.
S- 3 n. 4. Wenn auch Aen. Silvius schwarz malt. Vgl. die milde Auf-
&Bsang bei Krone 8 : ^^arbara von Cilli" in Rosegger's Heimgarten
11 Jafaig. S. 34 ff.
^^^vD. d. h. Yer«i»es f. Steiermaik. XXVI. Heft, 1878. 3
— 34 —
der Dinge Jakob einen Ueberfall der Burg befürchten muss,
setzt er Alles in deren Yertheidigung in Stand. In Bauem-
kleidem flieht Veronika, von dem ebenfalls verkleideten Knappen
Georg begleitet Aber auch Jobst der Todfeind Friedrichs,
hat durch einen treulosen Burgknecht von der Flucht Kunde
erlangt. Er und Pietro legen sich in den Hinterhalt und
Veronika wird von ihnen und den Reisigen aufgegriffen und
gefangen. Auf Veranlassung Barbara's wird nun Veronika auf
dem Schlosse Osterwitz gefangen gehalten. Jakob von Edling,
der bald Alles in Erfahrung gebracht, eilt zu Barbara und
beschwört diese, die Rettung seines Freundes und der schuld-
losen Gattin zu bewirken. Das lüsterne, verworfene Weib
verspricht ihm endlich die Kerkerschlüssel auszuliefern, aber
nur gegen den Preis — seiner Liebe. Der Knappe Pietro
war gegen hohe Verheissungen Barbara's bereit, nach Oster-
witz zu eilen und Veronika selbst zu vergiften; da er jedoch
Grund hat, an den Verheissungen zu zweifeln und den
wankelmüthigen Charakter der Königin zu gut kennt, schlägt
er sich auf die Seite Jakobs von Edling und verräth diesem
den ganzen schändUchen Anschlag ; Jakob hat bereits Hermann's
und Barbara's Vorgehen gegen Friedrich befreundeten Rittern
desselben mitgetheilt, welche beim Feste anwesend waren.
Diese befreien Friedrich aus seinem Kerker und Alle stürmen
dann nach Osterwitz. Offener Kampf zwischen Vater und Sohn
ist nun ausgebrochen. Auf Friedrichs Seite ist der Sieg; da
erhält Hermann die Nachricht von dem Tode seines Sohnes
Ludwig. Dieser harte Schlag wendet auch seine Gesinnung
Friedrich gegenüber, trotz Barbara's Einrede will er Alles ver-
gessen und verzeihen. Auf Osterwitz verfolgt Jobst Veronika
mit seinen Liebesanträgen stürmisch und da ihm diese jedesmal
stolz abweist, so zwingt er sie, einen Becher mit Gift zu
leeren, mit den Worten: „Bald komm' ich wieder, ist er nicht
geleert, so wandelst du mit mir nach einem Orte, wo weder
Freund noch Feind dich wieder finden und ich gemüthlich deine
Blüthen pflücke." Aber zur rechten Zeit ist Friedrich eingetroffen,
Pietro hat ihn gut geführt. Veronika ist befreit, schon auch
— 35 —
Hermaim eingelangt und die Versöhnung zwischen Vater und
Sohn ToUständig geworden. Da erscheint verschleiert in dem all-
gemanen Glücke Barbara — die Verworfene, und stösst der Ve-
ronika dneii Dolch in's Herz. Mit deren Tode schliesst das Stück.
Schon nach dieser Inhalteangabe wird Jeder mit mir darin
Qbereinstinimen, dass Kalchberg den historischen Stoif nach
allen Regeln der Aesthetik und Dramatik geformt, dass er
insbesondere ein Ganzes geschaffen, das in sich abgeschlossen
erscheint Von einem schönen Hintergrunde heben sich die
Gestalten der handelnden Personen hier ab. Friedrich ist der
liebeiide Sohn aber auch der treue Gatte seines Weibes, für
welches er eher des Vaters ganzen Zorn auf sich ladet, als
es veriässL Die Geschichte mag über Friedrich wie immer
urtheüen, allen Geschichtsschreibern haftet ein gewisses Vor-
urtheil an und es ist eine gewiss nur erlaubte poetische Licenz,
den Sohn Hermann's von Cilli so edel darzustellen, als er in
dem Drama erscheint, überdiess ist die Ermordung der ersten
Gemahlin Friedrichs durch diesen selbst und andere trübe
Schatten auf diesen Charakter werfende Handlungen keineswegs
vollständig historisch beglaubigt, in der That aber muss die
Leidenschaft gross gewesen sein, welche er zu Veronika ge-
fasst hatte ^). Kalchberg zeichnet mit Vorliebe hässliche
Fraueneharaktere. Ebenbürtig der in den „Tempelherren" vor-
kommenden Mathilde an Verbuhltheit und Verworfenheit ist
die Königin Barbara, deren Gestalt von dem Dichter mit
Meisterschaft entworfen erscheint. Ihre „Lebensweisheit" ist
gar seltsamer Art, stimmt aber mit der Mathildens ganz überein ^).
^) Seine „freigeisterische** Grabscbrift die er sich selbst schrieb, zeigt
eher Hamor, als Schlechtigkeit. Diese Grabschrift lautet: Hsec mihi
porta est ad infemos. Quid illic reperiam, nescio. Scio quae reliqui.
Ahundari bonis omnibus, ex quibus nihil fero mecnm, nisi quod bibi,
edi, quodque inexhansta voloptas exhaasit."
^ «Friedrich*', 2 Act, 2. Anftr. ,,Dieser blinde Gott (Amor) ist ein
Hatiger Republikaner, der allen Unterschied der Stände hasst und
dorch seine magischen Bande das Hohe an das Niedere knüpft. Gre-
nieisen seine Wonne, aber sich vor seinen Fessein baten, das ist
Lebensweisheit.^ — ,.Kein, nicht Eines für £tnes, Alle für Alle
8*
— 36 —
Rein und zart dagegen, das ideale Bild des liebenden deutschen
Weibes, zeigt sich Veronika, ihre Ermordung macht einen um
so erschttttemderen Eindruck, als dieselbe in dem Momente
allgemeiuer Freude plötzlich erfolgt Selbst Nebenfiguren sind
mit kräftigen Strichen gezeichnet; so besonders das Werkzeug
Helfenbergs und Barbara's : Pietro ; ein Zug zum Bessern zeigt
sich doch hier und da bei ihm und er gewinnt uns sogar für
sich, da ihn Friedrich reichlich belohnen will, er aber jede
Belohnung zurückweist: „Behaltet eure Schätze, Graf, ich
finde - zum ersten Mal in meinem Leben — in meinem
Herzen die Belohnung. Auch ich will euch nicht zumuthen,
mich in eure Dienste zu nehmen. Mein Entschluss ist gefasst :
Bis in's ferne Spanien wand're ich als Pilger, lege auf dem
Montferrate meinen Dolch zu den Füssen der Mutter ewiger
Liebe nieder und bitte sie, in einer der Einsiedeleien jenes
Berges wohnend, imausgesetzt auf büssendem Knie, mir die
Verzeihung ihres göttlichen Sohnes zu erflehen.''
Das zweite „Stück" der „Grafen von Gilli" behandelt
Ulrichs Kampf mit Ladislaus und des Grafen Untergang durch
die Ermordung, über deren Details die Geschichte so viele
Lücken aufweist, so dass dem Dichter hier ein weiter Spielraum
seiner Phantasie gegeben ist. Auch hier ist die verworfene
Königin Barbara der böse Geist, der unheilvoll in das Geschick
des letzten Grafen von Cilli eingreift. Sie entflieht dem Kloster,
das ihr als Aufenthaltsort angewiesen war und sucht Schutz
und Hilfe bei ihrem Neffen Ulrich. Auf die Zurückweisung
durch denselben schwört sie Bache und weiss durch ein tolles
Gaukelspiel den Hunyaden Ladislaus Corvinus unter der
Maske einer Zauberin gegen Ulrich auf das Heftigste aufzu-
hat die Natur geschaffen. Wenn der Blumenstrauss weUct, der deinen
Busen schmQckt, wirst du dir nicht einen andern pflQcken? Wenn sich
diese Männer-Schmetterlinge das Hecht anmassen, mit jeder weiblichen
Blume zu kosen, die ihnen gefällt, so kann man es auch diesen
Blumen nicht verwehren, ihren BlOthenschoss dem zu öffiien, den sie,
nach Geschmack und Laune, dessen werth finden. ' — Man vgl. hiezu
die „Tempelhen*en", l. Act, 9. Auftritt, Mathildens Gespräch mit Bianca.
~ 37 —
reizeo. Aber Ladislaus wird von Ulrich gefangen. Das edle
Auftreten des Grafen und seine ritterliche Gesinnung gewinnen
ihm jedoch auch das Herz des gefangenen Hunyaden, wie ja
dessen Bruder Mathias Corvinus lange schon den edlen Sinn
llrichs erkannt und sich ihm herzlich zugewendet hat Doch
Barbara macht ihren Einfluss gewaltig geltend. Ulrichs Gemahlin,
Catbarina, hatte schön früher Ladislaus in Begierde entflammt ;
diese zu entftüiren und die Borg zu überfallen, lässt Barbara
durch einen Boten dem Hunyaden rathen. Aber auch daran
wird Ladislaus durch das Dazwischenkommen Ulrichs gehindert.
Da erscheint der „König Ladislaus ** selbst auf der Burg,
zweimalhunderttausend Türken sind gegen Ungarn im Anzüge **,
der inächtige Graf von Cilli soll die Macht Ungarns mit den
Seinigen verstärken. Noch einmal weiss die königliche Witwe
Barbara durch einen Brief Ladislaus glauben zu machen, Ulrich
sinoe auf Verrath. Ladislaus tritt nun an die Spitze einer
Verschwörung gegen den Grafen von Cilli und der Letzte des
Stammes jenes berühmten Grafengeschlechtes wird durch die
Verschworenen ermordet Mit dessen Tode schliesst das Stück.
«Man brachte die Leiche nach Cilli,'' berichtet das beigefügte
Nachwort, j,der Herold zerschlug bei ihrer Begräbniss das
Wappen mit den drei Sternen und rief dreimal beim kläg-
lichen Schalle der Posaune: ^ Cilli und nimmermehr Cilli!" *)
So viel über die „Grafen von Cilli". Beide Dramen,
besonders aber das erste, wurden bei ihrem Erscheinen mit
Lobsprüchen von der zeitgenössischen Kritik empfangen. Die
«gewaltige" oberdeutsche, allgemeine Literaturzeitung schrieb
im CXn. Stücke des Jahres 1791 anlässlich der Besprechung
des „Friedrich'': „Ist die tragische Muse überhaupt reizend,
wenn sie ihren Stoff von der Geschichte entlehnt, so ist sie
es um so mehr in jenem Falle, wenn ein patriotischer Dichter
*) Rekbbaltige Literaturangaben und eine Kritik säromtlicber bistor.
Nachricbten Ober die Grafen von CUli findet man in der eingehenden
Arbeit: „Die zeitgenössischen Quellen zur Geschichte der Grafen von
coli, von I)r, Franz Krön es/ im 8. Baude der „Beiträge zur Kunde
steierm Gegchicbtsquellen".
— 38 —
vaterländische Begebenheiten der Vorzeit in ihrer Sprache
bearbeitet und die Sitten seiner Voreltern schildert
Man kann dieses Stück als ein dramatisches Gedicht ansehen,
besonders da die Schilderung der Charaktere trefflich, die
Sprache dem 15. Jahrhunderte anpassend und überall das
Costum beobachtet worden ist." —
Schon vor dem Erscheinen des zweiten Theiles der
„Grafen von Cilli" im Jahre 1792 hatte Kalchberg „Die
Ritterempörung, eine wahre Begebenheit der Vorzeit," ver-
öffentlicht. Das Stück erschien in Prosa abgefasst; in dem
9. Bande der sämmtlichen Werke ist es unter dem Titel:
„Andreas Baumkircher^ vollsändig umgearbeitet, versificirt
und mit einer vortrefflichen historischen Einleitung versehen,
von der noch im Jahre 1869 Professor Krones ^ sagt, durch
diese Arbeit habe ^Kalchberg das unbestrittene Verdienst,
über Baumkircher manchen wichtigen Beitrag zu dessen Ge-
schichte vor 1469 geboten zu haben, ohne sich von Erfin-
dungen beirren zu lassen". Kalchberg selbst erklärt in
der Vorrede zur ersten Ausgabe: „meine Absicht ging dahin,
das Schicksal dieses Helden nach historischer Wahrheit vor-
zustellen. Daher blieb ich der Geschichte, selbst in den meisten
Kleinigkeiten getreu und die erfindende Dichtkunst gab nichts
dazu, als ein einfaches wenig geschmücktes Gewand." Nun
waren allerdings des Dichters historische Quellen hauptsächlich
C. J. Csesar's Annales ducatus Styrise, handschriftliche Chroniken
der Steiermark und andere mit nicht genug Vorsicht aufzu-
nehmende Publicationen'-^). Wenn auch seine eigenen For-
schungen manches Dunkel^elichtet, manchen Irrthum aufgeklärt
haben, so waren doch diese Quellen für die Geschichte nach
1469 oft unglaubwürdig, auch mag der Umstand, dass Baum-
<) Andreas Baumkircher. Ein Lebens- und Zeitbild von Dr. F. K r o n e s, im
IT.Hefte derMitth. des histor. Vereines f. Steiermark. (S. 54) Graz. 1869.
^ Die ganze Literatur siehe bei Krön es a. a. 0. und insbesondere
auch desselben Historikers Aufsatz: „Zeugenverh'dr über Baum-
kirchers Thatenleben und Ende", in der Zeitschrift für österr.
Gymnasien. Jahrg. 1871.
— 39 —
idrcher schon seit lange gewissermassen als Nationalheld galt,
mit zu der Charakterzeichnung in dem Trauerspiele — ein
solch» haben wir ja vor uns — beigetragen haben. Die Sage hatte
lange Jahre hindurch um das geschichtliche Bild des Helden
ihren Schleier gewoben und wohl manchen Zug in demselben
veräDdert, natürlich zu Gunsten des steiermärkischen Ritters.
Selbstverständlich bleibt Ealchberg's „Baumkircher'^ im-
merbin ein dramatisch gegliedertes, in sich abgeschlossenes
Ganze. Die Fabel des Trauerspieles schliest sich, wie erwähnt,
an die Geschichte an. Im Kreise seiner Familie, an der Seite
seiner Gattin Margaretha lebt Baumkircher, fern von der stei-
rischen Heimath, auf der Bergveste Schlaiiing in Ungarn, in dem
ihm der König von Ungarn eine zweite Heimath bereitete ; längst
hatte er die Absicht, sich dem Kaiser Friedrich, mit dem er nun
ausgesöhnt ist, wieder zu nahen, denn er spricht es ja selbst aus :
Es neigt mein Herz, gewohnt der alten Liebe,
Sich noch dem Fürsten zu, für den ich oft
Dem Tode trotzte, dessen Angedenken
hl zwanzig Narben meinen Körper deckt.
Nur seine Höflinge entzweiten uns.
Unbezahlt zwar sind noch die Summen, die er dem Kaiser
geliehen, allein freundschaftlich dies mit ihm jetzt auszugleichen
nimmt er sich vor. Aber die friedliche Absicht Baumkircher's wird
heftig erschüttert durch die Klagen seines Eidams Hanns von
Stnbenberg gegen den Kaiser, durch das Erscheinen der beiden
Ritter Närringer, denen die kais. Vögte drei Gilter im Lande
entrissen. Sein eigener Sohn Wilhelm dringt in ihn, die Waften
wieder zu erheben. Erst, da auch der greise Greisenegger vor
Baumkircher erscheint und ihm die grauenhafte Mähr erzählt :
Als mich des Krieges wandelbares Los
In die Gewalt des Feindes brachte, stiessen
Sie mich in's tiefeste Verliess, und Hessen
Zwei Jahre schmachten mich im Erdenschoss.
Die Nachricht meines Todes ward gelogen. —
Man überliess mich der Vergessenheit
Und meine Güter wurden eingezogen.
— 40 —
entschliesst sich Baumkircher die Waffen gegen den Kaiser
zn ergreifen.
Um Leibnitz entbrennt nun der Kampf der „Empörer**
und der „Kaiserlichen'', Leibnitz selbst ergibt sich den ersteren.
Da kömmt die Nachricht, der Kaiser wolle Versöhnung ge-
währen und zugleich ein Gnadenbrief des Regenten, der Wieder-
gabe der verfallenen Güter zugesteht Dem Ritter Baumkircher
wird Geleit bis zur Vesperglocke gewährt. Trotz des Zuredens
der Freunde „Traue nicht!'' begibt sich Baumkircher nach
Graz. Hier weiss ihn der Kanzler bis zur verhängnissvollen
Stunde aufzuhalten, und gerade als er auf dem Rückwege be-
findlich, zwischen die beiden Thorgitter in der Murgasse gelangt,
ertönt die Vesperglocke. Schon waren auch die besorgten
Freunde aussen vor dem Thore angelangt, aber zu spät, hinter
dem geschlossenen Gitter wird Baumkircher (am 23. April 147 i )
enthauptet Der Charakter Baumkircher's erscheint von K a 1 c h-
b er g ganz im Sinne der Worte Valvassor's *) gezeichnet: „Ein
heldenmüthiger Kriegsmann, aber schlechter Staatsmann und
Politikus, der durch den endlichen Fall seines Kopfes erwiesen,
dass er keinen fürsichtigen Witz im Kopfe, sondern mehr vom
Leuenhim als Fuchshim gehabt^ Aber auch im Kreise seiner
Familie führt uns der Dichter den Helden vor, jener Familie,
die er so sehr geliebt und in deren Schosse er oft den Kummer
vergessen, den ihm sein Kaiser und sein Fernsein vom Vater-
lande bereitet hat, wir lernen in dem Drama den liebenden
Gatten und Vater ganz kennen. Zu Kalchberg's besten Ar-
beiten kann man den „Baumkircher^ trotz der Umarbeitung
nicht rechnen. Dazu fehlt den Gestalten zu sehr die drama-
tische Vertiefung, dazu ist er, man gestatte mir den Ausdruck,
zu streng historisch. f!in Anderes ist es ein getreues Geschichts-
bild zu liefern, ein Anderes eine Dichtung. Die ästhetische
Schönheitslinie und die Linie des Umrisses, den der Historiker
nach dem ihm vorliegenden Material zeichnen muss, fallen selten,
fast nie zusanunen, nur eine harmonische Verschmelzung der-
*) ValvasBor, Ehre des Henogthums Krain. XV. Buch.
— 41 —
selben rundet das dichterische Bild ab, gibt ihm Schönheit
and poetisches Leben. Dessenungeachtet wurde schon die
m Prosa abgefasste „ Ritterempörung " auf den heimischen
Btthnen oft und gerne aufgeführt. Der Grund davon liegt nahe,
die Gestalt Baumkircher^s lebte längst im Yolksmunde, war
im ganzen Vaterlande, besonders aber in der Hauptstadt durch
die Jahrhunderte nicht vergessen worden, andererseits haschte
man ja damals förmlich nach Ritterstücken und nun gar eine
^Bitterempömng^ mit so gräulichem Ausgange musste ja den
Theater-Director und das Publikum anlocken.
»Maria Theresia** benannte der Dichter das der Zeit nach
nun folgende dramatische Gedicht, welches im J. 1793 erschien,
aber trotz des bedeutenden patriotischen Gefühles, das ihn bei
der Abfassung durchwehte, wieder hinter die andern Arbeiten
der froheren Zeit zurücktritt. „Jahre lang"", schreibt Kalch-
berg in dem „Vorbericht" (der vom Jahre 1789 datirt er-
scbeintX finnig ich in meiner Seele den Wunsch, dass die Muse
eines unserer vortrefflichsten Dichter diesen schönen Stoff be-
arbeiten möchte. Allein meine Hoffnung ward nicht erfüllt Da
entstand endlich in mir der kühne Gedanke, dieses Wagestück
selbst zu unternehmen.*^ Allerdings ist der Versuch auch hier
gemacht, die Charakteristik der handelnden Personen mit festen,
sicheren Strichen zu geben, aber nur in der Gestalt der fast
allein in den Vordergrund tretenden Kaiserin gelungen. Das
ganze Drama liest sich, wie ein Kapitel in Verse gebrachter
Geschichte, die Scenen, in denen Maria Theresia nicht selbst
^ritt, scheinen nur zur Ausfüllung eingefügt zu sein. Freilich
Verden die schönen, edlen Charakterzüge der Kaiserin in ein
^ giftnzendes Licht gestellt, als sie es verdienen; so z. B. in
der ersten Scene des zweiten Actes, in welcher Theresia die
eingelangten Bittschriften erledigt, wie prächtige Fürstenworte
legt ihr der Dichter hier in den Mund :
Weh einem Fürsten, der sein reges Wirken
Dem Volke raubt, und die so edle Zeit
Im Schoss der Trägheit und der Wollust mordet
Ich will, gleich jenem grossen Kaiser, mich
- 42 -
Am Abend eines jeden Tages fragen:
„Therese! welches Gute thatst du heute?"
Der Himmel stärke mich, dass nie mein Herz
Mir sagt: Ich habe einen Tag verloren.
Der Inhalt des Stückes schliesst sich auch hier an die Ge-
schichte an, und zwar von der Thronbesteigung Maria Theresia's
bis zu jenem berühmten Tage zu Pressburg, an welchem die un-
garischen Stände begeistert ihre Säbel schwangen, unter dem
Rufe : Moriamur pro rege nostra Maria Theresia ! zu den Füssen
der in ihrer Mitte befindlichen Kaiserin hinstürzten und ihr
den kräftigsten Beistand gegen ihre Feinde zuschwuren. Glän-
zend sind die Schlusscenen des fünften Actes, rührend jene
Scenen, in welchen die Kaiserin den Purpurmantel abgestreift
hat und als die treue Gattin Franzen's, als die liebende Mutter
ihrer beiden Kinder Marianne und Josef erscheint. Für die
Vorgänge der höheren Politik aber war des Dichters Feder
nicht geschaffen, und dies wohl auch der Grund, dass die
Kaiserin und nur diese in den Vordergrund tritt, ohne dass
uns eine der handelnden Nebenpersonen länger fesseln oder
erwärmen kann. Uebrigens scheint mir dieses Drama allen An-
zeichen nach noch aus des Dichters früheren Jahren herzu-
rühren, dies schliesse ich aus der Abwesenheit jener kräftigen
dramatischen Züge, welche alle späteren Arbeiten des Dichters
mehr oder weniger charakterisiren, und aus dem Datum des
„Vorberichtes", sowie aus dem ganzen Inhalte desselben, der
schon darauf hinzuweisen scheint, dass dieses Stück wohl schon
vor dem Jahre 1789 abgefasst, von dem Dichter aber aus
Scheu nicht veröifentlicht wurde.
Kann man der „Maria Theresia" nicht jenes Lob spenden,
das Kalchberg's frühere Publicationen oft im reichen Masse
verdienen, so muss das im Jahre 1796 erschienene Drama „Die
deutschen Ritter in Accon" geradezu eine Meisterlei-
stung genannt werden 0- Dieses dramatiche Gedicht (in der
I) „Die deutschen Ritter in Accon, sagt sogar die ziemlich seichte und
oberflächliche Besprechung in dem Nekrolog der „Steierm. Zeitschrift,
1827" bilden den Gulminationspunkt seiner dichterischen Plastik."
— 43 —
Umarbeitang VIL 117: „Bertram von Dietrichstein") hatte
bd dem Erscheinen Auüsehen erregt, wie kaum eine Dich-
tung jener Zeit, welche in Oesterreich entstanden ist, und
reihte seinen Verfasser nun ohne Frage den ersten Talenten
seiner Z^ an. In keinem von Kalchberg's früheren oder
sfiHerea Stücken ist auch in der That der Dialog so meister-
haft behandelt, die Handlung so klar und doch so fesselnd,
IQ keiner sind die Ästhetischen Gesetze für das Drama so genau
beobaditet, wie hier. Der allerdings an Lessing's Nathan ge-
mahnende Hintei^rund, die Gegenüberstellung der theils christ-
lichen, theils den Sarazenen angehörigen Gestalten, die orga-
nische Gliederung der einzelnen Acte für sich und in ihrem
Zusammenhange muss das Interesse des Lesers und des Zu-
schauers erregen. Die Handlung selbst ist in keinem Drama des
IHehters so durchsichtig und klar, die Sprache in keinem so
edel. Das Stück spielt zu Accon im Kreuzzugsjahre 1291 und
Uetet zugleich ein Gesammtbild des Lebens und Kämpfens
der Ereuzffthrer im heiligen Lande. Der Inhalt gliedert sich
folgendennassen :
Erster Act. Der Ritter Heinrich Holzapfel kehrt aus dem
Kampfe zurück zum deutschen Hause in Accon; von dem
preisen Prior Conrad von Lichtenstein empfangen, berichtet er
diesem von dem siegreichen Gefechte der Brüder und gedenkt
Sonders des kühnen Bertram, dem an Tapferkeit keiner
gleich. Dennoch aber trägt Bertram ein tiefes Leid im Herzen,
te Leid hoffnungsloser Liebe. Vor zwei Jahren rettete er den
ßitter Otto von KhevenhüUer aus Türkenhänden, von diesem
Dach seinem Schlosse Eichelberg eingeladen, besuchte er ihn
ttnd entbrannte in dessen schöne Tochter Ida, „die falsche
Knieliess ihn hoffen", dass er geliebt sei, entfloh aber, während
^^rtram zum Heer des Kaisers eilen musste, mit Wrlhelm
^on Sensheim. In Pilgerkleidem erscheinen Wilhelm von Seins-
l^önj and Ida auf dem Schauplatze, zur Sühne, denn der greise
Vater starb aus Gram, nahmen sie den Pilgerstab und zogen
Ueher in's heilige Land. Indessen ist auch Bertram zurück-
g^k^ und seine erste That, da er erscheint, ist eine edle.
— 44 —
Reisige verfolgen Emina, die Geliebte des 6ultans Khalil, bis
hieher , schon ist sie verloren, da beireit sie der herbeieilende
Bertram und sendet sie zurück zu ihren Freunden. Zum Dank,
den sie ihm bietet, verlangt er nur, dass tausend gefangenen
Christenbrüdem die Last der Sclaverei vermindert^ abgenommen
werde. Eine prächtige Erkennungsscene zwischen Bertram, Ida
und Wilhelm beschliesst den Act.
Zweiter Act Der Ritter Heinrich von Holzapfel hat Emina
zum Sarazenen-Lager zurttckgeleitet, die jubelnd von dem über-
raschten Sultan Khalil empfangen wird. Sogleich giebt dieser allen
Christensclaven die Freiheit; aber schon im Verlaufe des Ge-
spräches mit Emina wird der Sultan misstrauisch und da ihm
diese ihren Retter mit glühenden Worten preist, donnert er
ihr die Worte entgegen: „Worin bestand wohl deiner Freiheit
Preis?" Emina ist empört, aber Khalil wütbet, den vielleicht
schon befreiten Christen befiehlt er nachzusetzen, sie zu fangen,
zu morden. Da ertönt Lärm, die Christen haben einen Ausfall
gemacht, gefangen werden aber Wilhelm und Bertram und
vor den Sultan gebracht. Um keinen Preis will dieser die
Gefangenen freigeben, da reisst Bertram dem Sultan den Säbel
aus der Hand und schlägt sich durch.
Dritter Act. Grässlich ist der Jammer, in den Ida um
ihren verlorenen Gatten ausbricht, auch der greise Conrad
und Heinrich klagen um die Gefangenen; da erscheint zur
allgemeinen Ueberraschung Bertram, der zurückgekehrt, in
ihrer Mitte; auf die flehenden Bitten der klagenden Gattin
verspricht ihr Bertram auch Wilhelm zu befreien und scheidet
mit den Worten:
Morgen siehst du mich
Mit Wilhelm — oder ewig nimmer.
Vierter Act. Nachdenklich weilt der Sultan mit seinem
Emir Omar im Lager, des morgigen Angriffstages und der
vermeintlichen Schändlichkeit des entflohenen Bertram geden-
kend. Indessen gelangt Emina durch Bestechung der Wächter
zu Wilhelm, um diesen zu befreien, beide werden aber vom
Mameluken Aga Hassan überrascht, der endlich Wilhelm nur
— 45 -
ante- der Bedingung freilassen will, „wenn dieser ihr Führer
sein wolle bei einem nächtlichen Besuch auf Accon". Natürlich
thnt dies liVilhelm um keinen Preis und wird abgeführt.
Bertram schleicht sich in das Sarazenenlager ein, er triift
Emina und erfährt von ihr:
Mein Vater war ein freier deutscher Ritter;
Auch Sarazenen raubten meine Mutter
Bei Askalon; nach Freiheit strebt ihr Kind.
Zu seiner Ueberraschung erfährt er, dass der Name von
Eminen's Mutter Khevenhüller, diese Ida's Schwester sei.
Nachdem sie ihm die Losung verkündet, gelingt es Bertram
in der Nacht den Sultan selbst zu rauben und fortzuschleppen.
Fünfter Act Emina gelangt zu Ida, eine schöne Erken-
nangsscene zwischen den Schwestern findet statt. Bertram und
Wilhelm kehren zurück, alle gefangenen Christen haben freien
Abzug gegen Auslieferung des Sultans. Emina und Bertram
gestehen sich ihre Liebe. Aber Khalil hat Emina*s Flucht erfahren,
er brach sein Wort und dringt stürmend in die Stadt. Da
erreichen noch die beiden Paare und die übrigen Ritter die
Schiffe, Bertram steht am Gestade und kämpft wüthend, bis
die Seniigen geborgen sind, springt sodann an Bord und schnell
entweicht das Schiff, während die Sarazenen den Ruf ausstossen :
^I>er Name Christ verhalle hier auf ewig!"
Dass Anklänge an Lessing's Nathan sich hier mitunter
finden, zeigt dieser Inhaltsauszug. Aber schon in diesem Um-
stände liegt eine gewisse literarhistorische Bedeutung für das
Stück.. Von einer Nachahmung ist natürlich keine Rede; die
Handhing ist ganz frei und sehr geschickt erfunden. Die
Darchfbhrung macht den Eindruck des Ernsten, Gereiften. An
Lessings Nathan erinnert der historische Hintergrund, die
überraschende Scene, in der in Emina die Schwester Ida's
gefunden wird, die Gestalt Khalils, welche freilich mit Saladin
nicht viel gemein bat. Die oberdeutsche Literaturzeitung widmete
d^ „deutschen Rittern in Accon'' eine eingehende Würdigung,
die mit den Worten schliesst: „Kalchberg verdiene unter
— 46 —
den deutschen Schriftstellem wirklich emen klassischen Rang^ ^).
Mag nun die genannte Besprechung auch vielleicht manchen
übertriebenen Lobspruch enthalten, so beweist sie doch, dass
Kalchberg einer der ersten Schriftsteller seiner Zeit in
Oesterreich und selbst in Deutschland genannt werden muss,
sie beweist, dass die Vergessenheit unverdient ist, welcher ein
Mann verfiel von dem man bei seinen Lebzeiten schrieb :
„Der Dialog seines Stückes würde dem grossen Schöpfer
Nathans des Weisen keine Unehre machen."
Noch ein dramatisches Gedicht erschien von Kalchberg:
Attila, König der Hunnen (Wien und Grätz 1806), es
war das letzte '^). Charakter und Inhalt des Stückes bezeichnet
der später geänderte Titel „Attila's Tod". Hildegunde und
Attila sind die beiden in den Vordergrund tretenden Gestalten,
um sie gruppiren sich Ardarich, Fürst der Gepiden, Walamir,
Fürst der Ostgothen, Edecon, Attila's Freund, Walther, Prinz
von Aquitanien. Die schönen Scenen zwischen Walther und
Hildegunde geben dem Dichter Gelegenheit, sein Talent hier
und da aufleuchten zu lassen; im Ganzen fehlt dem Stücke
die Einheit und das Interesse für die Hauptgestalt, nach der
es betitelt ist, kann nicht recht zur Geltung gelangen.
An dieser Stelle angelangt, bleibt nur noch übrig, den
Prosaschriften K a 1 c h b e r g's die Aufmerksamkeit zuzuwenden.
Gerade diese sind es ja, welche auch für den Historiker und
insbesondere fbr d e n Geschichtsschreiber interessant erscbeinen,
welcher jenes Feld cultivirt, das wir mit der Bezeichnung der
„innerösterreichischen Geschichte" auch heute noch umgrenzen
können. Dass in den Einleitungen, Schlussworten und ähnlichen
Beifügungen zu den einzelnen dramatischen Werken sich manches
nicht unwichtige, historische Datum findet, habe ich schon oben
an den betreffenden Stellen angedeutet, nicht selten hat Kalch-
^) Beilage II. gibt dis vollständige Besprechung der oberdeutschen
Literatar-2jeituDg wortgetreu wieder.
<) Der wildphantastische Zacharias Werner verüffeDtlichte 1808 seine
romantische Tragödie unter gleichem Titel.
— 47 —
berg auch hier Resultate eingehenderer Forschung nieder-
gelegt^). Im Jahre 1800 erschienen 2 Bände „Historische
Skizze n"*, welche meist im Gewände der Erzählung Dar-
stäluDgen zumeist aus der Geschichte der Heimat brachten;
diese Skizzen traten sehr anspruchslos auf, einige hatten dra-
Qiatische Form. Einzelne hatte Kalchberg schon früher
Teraffe&tlicht Es erscheint insbesondere von nicht zu unter-
schätzender Bedeutung für den Werth derselben, dass eine
derartige Skizze („Scene aus dem Leben Kaiser Heinrichs des
Vierten*") schon im Jahre 1793 Schiller der Aufnahme in seine
,Xeüe Thalia" gewürdigt hat^. Die Skizzen erfreuten sich
äoes grossen Leserkreises in ganz Oesterreich. Bezeichnend
^d dieselben hauptsächlich dadurch geworden, dass Kalch-
berg in ihnen versuchte, die Heimatsgeschichte in einzelnen
Bruchstücken und in der Form der einfachen nur hier und
<ia etwas ausgeschmückten Erzählung einem grösseren Leser-
^äse zugänglich zu machen, die Geschichte auf diese Art
voIksthQmlich zu gestalten.
Dass der Versuch auch wirklich gelungen, beweist der
Bei£dl, mit dem die Sammlung aufgenommen worden war^).
Idi führe einige Titel der darin vorkommenden Stücke an:
-Die Schlacht am Marchfelde", „Friedrich der Streitbare",
, Veit von Rotenhan", „Die Frauenburg", „Maria von Brabant",
'} Man Terglekhe beispielsweise die Einleitangeo zum „Wfilfing von
Stabenberg^', „Andreas Baumkircher", das N^cbwort zu den ,,Grafen
TOD Cnii« Tl. a. m.
^ Neue Thalia, berausgeg. von Schiller. Leipzig, 1793. Viertes Stück,
S. 3-15.
*) Kalchberg sagt selbst in der Ankündigung der vorbereiteten Ge-
ssmmtausgabe seiner Werke („Archiv für Geographie, Historie, Staats-
ond Kriegskunst", 1816, S. 684 und „Der Aufmerksame*', 1861,
Kr. 140): „Mein Zweck ging dahin, Liebe für schöne Künste und
Wissenschaften in meinen jüngeren Mitbürgern zu erwecken, sie mit
der Geschichte ihres Vaterlandes näher bekannt zu machen. Nicht
ganz irachtlos blieb dies Bestreben des Patrioten. — £r hatte das
Vergnügen zu bemerken, dass sich das Interesse an der Vaterlands-
geschichte bis zu deo unteren Ständen verbreitete.*'
— 48 -
„Die Edlen von Tüchern**, „Eva von Gall". Allerdings zeigen
diejenigen von diesen Erzählungen, in welchen Kalchberg
seiner Phantasie freien Spielraum gelassen, zeigt insbesondere
auch die Darstellungsgabe, dass er sich dem herrschenden
Geschmacke der Zeit anschloss und aus diesem Grunde müssen
auch einzelne Stellen, so z. B. der lüsterne Charakter, den
Liebesscenen annehmen und dergleichen vom Standpunkte
dieses Zeitgeschmackes aus betrachtet und beurtheilt werden.
Die Quellen, welche für die Abfassung dieser allerdings leich-
teren geschichtlichen Schilderungen benützt wurden, waren theils
schwerer zugängliche, seltene Geschichtswerke, tlieilweise auch
Originalurkunden, deren so manche höchst interessante Kalch-
berg hier irgend einer historischen Erzählung einverleibt hat.
Derartige Aufsätze, welche die Landesgeschichte betrafen, hatte
der Dichter auch später verfasst und in dem mehrerwähnten
„Archiv für Geographie, Historie, Staats- und Kriegskunst**, in
der Zeitschrift „Der Aufmerksame*^, in der „Steyermärkischen
Zeitschrift" und an anderen Orten veröffentlicht In dem er-
wärmten „Archiv** finden wir die Aufsätze „Die Siebenglocke
zu Grätz**, „Der Rauberhof in Grätz**, „Hector von Trautmanns-
dorf**, „Der kärnthnerische Uerzogsstuhl**, „Erasmus Lueger**
und die vortreffliche Arbeit „Ueber Ursprung und BeschaSien-
heit der Urbarialabgaben in Innerösterreich** (1818); im „Auf-
merksamen** stehen ausser einer Reihe von Gedichten die
Skizzen: „Die Inquisition in Deutschland**, „Die Franzosen
der Vorzeit**, „Der Reckthurm in Graz** u. a. m.; in der
„Steyermärkischen Zeitschrift** finden wir von historischen
Arbeiten: „Die Grafen von Sonnenburg** (I. 87), „Gründung
der ersten Karthause in Deutschland** (III. 65), „Ueber eine
seltene Münze im Joanneum*" (V. 155). Gesammelt erscheinen
die meisten dieser Aufsätze, welche bis 1817 erschienen sind,
im 2., 3. und 4. Bande der „Sämmtlichen Schriften*^, eine
Sammlung der übrigen veröffentlichten Arbeiten der besprochenen
Gattung existirt nur handschriftlich ^).
^) Sie befindet sich in meinen H&nden und enthält alle nach der Ge-
sammtausgabe veröffentlichten Ai'beiten, sowie auch eine Zahl unver-
— 49 —
Die letzte Gruppe von Publicationcn Kalchberg's,
welche ich noch erwähne, ist klein ; sie umfasst die Reiseskizze
.Das M&rzthal^ (zuerst abgedruckt im „Aufmerksamen", 1813,
Nr. 76 ff.) und „Ausflug nach dem Lasnitzthale'', femer die
«Pfttriotischen Vorschläge zur Errichtung einer Anzahl Getreide-
ilagazine in der Steiermark", ^Patriotische Wünsche" und die
bekannte treffliche Arbeit: ^^Ursprung und Verfassung der
Stände Steiermarks" ; alle diese Stücke sind gesammelt im
'^' Bande der sämmtlichen Werke. ^Das Mürzthal", eine in
Mefen abgefasste Reiseschilderung eines Ausfluges nach der
oberen Steiermark und nach Pichl, zu dem Geburtsorte des
I^ichters, gibt diesem Gelegenheit, in zahlreichen historischen
Excarsen die geschichtlich merkwürdigen Punkte, welche er
bei seiner Reise berührt, zu beleuchten, auch liefert dieser
An&atz zur Lebensgeschichte K a 1 c h b e r g^s nicht unwesentliche
^träge, hat er doch seine schönste Jugendzeit in dem von
(ier Natur so freundlich bevorzugten Thale zugebracht. Manches
Licht w^en die Reflexionen, welche der Dichter in seiner
Beisebeschreibung anstellt, welche uns auch über seinen gei-
%n Entwicklungsgang, über die Wahl der Stoffe zu seinen
Mtongen u. dgL Aufklärung verschaffen, auf dessen Lebensgang.
Ich »wähne beispielsweise nur jener Stelle, an welcher er auf
1^ Schloss Weyer in der Nähe von Frohnleiten zu sprechen
l^ommt ^, das einst die Tempelherren besessen haben sollen.
«Der edle Orden musste fallen, weil er dem Geiste seines
Zatalters zu weit vorausgeeilt war. Ewig merkwürdig wird in
i^ Geschichte der wichtigste Anklagepunkt seiner Feinde sein :
üffentlichter Gedichte, unter welchen sich sehr charakteristische
Stöcke befinden. Das Manuscript war zur Veröffentlichung bestimmt
ond der Censnrbehdrde auch vorgelegt worden, die es mit dem ,Jm-
primator** zwar versah, aber durch Streichen vieler Seiten so ver-
stlhnmelte, dass man die Lust verlor, die so sehr verstümmelte
Sammlang, deren gestrichene Theile übrigens anstandslos früher in
<1^ oben genannten periodischen Schriften schon abgedruckt standen,
dem Dmcke zu übergeben.
1 „Sammtl. Werke« V. S 98
*ttktil. i«g iiirt. Vercivvs f. 8t<>!erinarlr. XXVI. Heft, 1878. 4
— 50 —
Die Tempelherren leben so keusch und nüchtern; nun ist
aber dies der menschlichen Natur zuwider, also müssen sie
geheime Verbrechen begehen. Dieser so moralische Vernunft-
schluss, dem das Blut der biedersten Männer ihrer Zeit ge-
flossen ist^ ward in Gallien ersonnen.'' — Zur Ethnographie
des Landes wird man in dieser Beschreibung des schönsten
Theiles der Steiermark ebenfalls nicht minder wichtige Beiträge
finden, ja der Fussreisende selbst könnte, wenn er heute noch
von Graz aus zum Ausgangspunkte jener Wanderung eine
Reise unternehmen wollte, keinen in historischer, wie ethno-
graphischer Beziehung belehrenderen Führer finden, als Kaie h-
berg in seinem Aufsatze über „Das Mürzthal*, wobei freilich
der Titel als zu eng begrenzend unpassend erscheint, da, wie
schon aus meinen Andeutungen hervorgeht, auch ein grosser
Theil des Murthaies 'einbezogen ist
In der mit so grossem Fleisse ausgearbeiteten Abhandlung
über „Die Stände Steiermarks" hat Kalchberg nicht nur
das Material gesichtet und trefflich geordnet, sondern auch
eine ausserordentliche Detailkenntniss bewiesen und den Stoff
so tüchtig durchgearbeitet, dass man heutzutage noch diese
Abhandlung als die einzige in ihrer Art betrachten und zur
Kenntniss der ständischen Verhältnisse des Vaterlandes mit
dem grössten Nutzen verwenden kann.
Des Mannes und Patrioten warmes Gefühl für sein weiteres
deutsches Vaterland zeigt der Aufsatz: „Patriotische Wünsche^,
in welchem derselbe Vorschläge zur Feier der ruhmvollem
Tage des Jahres 1813 macht und auf einige andere den be-
geisterten Anhänger seiner Nation ehrende Einrichtungen hin-
weist. — Mehr veraltet erscheinen Kalchberg's „Vorschläge
zur Errichtung von Getreidemagazinen *^.
Meine Skizze über den Dichter Kalchberg, über diese
für die Literatur und Geschichte Steiermarks so interessante
Persönlichkeit ist damit zu Ende. Wurzbach ^) erwähnt ganz
richtig in seiner Besprechung Kalchberg's, dass unter den
0 A. a. 0. S, 3vS3 a.
— 51 —
Idterarfaistonkern keiner Kai chb er g's gedacht hat, obgleich
der Mann in den literaturgeschichtlichen Werken „eben so
gut einen Platz verdient hätte, als mancher obscure norddeutsche
Qubedeatende Autor, dem gewiss sein Plätzchen nicht entzogen
i3t\ In der That ist Kalchberg in dieser Beziehung auf-
fallend yemachlässigt Fast scheint es, als ob er im achtzehnten
Jahrhondert eine viel hervorragendere Stellung eingenommen,
ak man sie ihm in den Literaturgeschichten heute einzuräumen
Wülens ist. Mensel ^) führt die bis dahin erschienenen Werke
Kalchberg's ziemlich genau und vollständig an, auch die
literarischen Zeitschriften des achtzehnten Jahrhunderts wenden
ihm ihre besondere liebevolle Aufmerksamkeit zu, ihm, dessen
«Gfö^ammelte Werke "" ja schon im Jahre 1793 (allerdings erst
in wenigen Bändchen) erschienen waren. Die von mir oben
in der Biographie erwähnten Anerkennungen ausländischer
(resellschaften erweisen schon, dass man ihm viel Aufmerk-
samkeit erwies. Heutzutage erwähnen die literarhistorischen
Werke kaum seiner. Heinrich Kurz 2) führt an: „Job. Nepom.
von Kalchberg aus Steyermark (1765—1827) schrieb einen
..Attila« (Grätz 1806), welchen Stoff auch Zach. Werner be-
liandelte;" W. Menzel ^) führt in seiner Besprechung der
J>turm- und Drangperiode an, dass vaterländische Schau- und
Trauerspiele im Style des Götz etc. in Menge erschienen und
nennt unter den gegebenen Beispielen auch ;,von Kalchberg
^üe deutschen Ritter in Accon" ; Goedeke ^) zählt wenigstens
alle Werke des Dichters auf, wenn auch mit irriger Bezeich-
nung der Erscheinungsjahre einzelner. Die beste kurze Ueber-
^icht gibt Franz Brammers „Deutscher Dichterlexikon" (Eichst.
n-Stuttg. 1874—1877).
^ Das gelehrte Teutschland. Angefangen v. 6. Ch. Hamberger, fortge-
setzt ?on J. G. Meusel. (5. Aufl. 1797). IV. S. 22.
^) II. Kurz: Geschichte der deutschen Literatur. 4. Aufl. Leipz. 1865.
IIL B. S. 389 a.
*) W.Menzel: Geschichte der deutschen Dichtung. Stuttg. 1858. III. 6.
8. 190.
^) Oruiklrisis znr Geschichte der deutschen Dichtung. II. S. 1073.
4*
— 52 —
Es ist meine Absicht, eine Neuausgabe der Werke Job.
Ritter von K a 1 c h b e r g's zu veranstalten, nicht etwa in dem
Sinne, als ob es sich hier um einen Wiederabdruck der ganzen
Gesammtausgabe von 1816 und 1817 handelte, die natürlich
längst vergriffen ist; aber eine Sammlung der lyrischen, dra-
matischen und historisch-erzählenden, insbesondere aber aucli
der streng historischen Arbeiten des Mannes mit Einbeziehung
des Nachlasses, natQrlich in strenger Auswahl und unter ge-
nauer Revision und Durchsicht der verschiedenen Texte hat
nicht nur für den Literarhistoriker, sondem auch für den
geschichtsforschenden Vaterlandsfreund überhaupt einen be-
deutenden Werth ; eine solche Sammlung erst kann das Schaffen
des Vergessenen ganz klar vor Augen stellen und ihm wieder
jene Stellung in der Literatur Oesterreichs und Deutschlands
verschaffen, die er verdient Ich habe zu der genannten Aus-
gabe alle Vorbereitungen getroffen und einen der renommirteston
Verleger Oesterreichs auf dem Gebiete der Geschichte bereits
gewonnen, der auch, was das Aeussere anbelangt, dieser Aus-
gabe grosse Aufmerksamkeit zuwenden wird.
Beilagen.
L
Nachstehend folgt ein Verzeichniss der sämmUichen von
Johann Ritter von Kalchberg separat veröffentlichten Werke.
Hiezu bemerke ich, dass jenes, welches sich in J. B. v. Wink-
lem^s: „Biographische und litterärische Nachrichten von den
Schriftstellern und Künstlern, welche in dem Herzogthume
Steyermark geboren sind" u. s. w. (Grätz 1810. 8^*.) findet
(abgesehen natürlich davon, dass es nur bis zu dem Druck-
jahre des bezeichneten Buches reicht), keineswegs vollständig
und richtig erscheint Goedeke, der einzige Literarhistoriker,
welcher ausführlicher über Kalchberg handelt, weist an
der bezüglichen Stelle seines „Grundrisses zur Geschichte der
-- 53 -
deutschen Dichtung" (Hannover 1859. II. S. 1073) ebenfalls
mehrere wesentliche Verstösse auf, besonders, was die biblio-
graphischen Parthien anbelangt ^). — Die von mir in Klammern
aogefuhrten Titel und Ziffern beziehen sich auf den Band
and die Seitenzahl der neuesten Gesammtausgabe : Johann
Ritter von K a 1 c h b c r g's sämmtliche Werke. 9 Bände, Wien
1S16— 17. 12». Mit Kalchberg's Portrait und 8 (meist
historisch sehr interessanten) Titelkupfern, beziehungsweise
auf die von dem Dichter bei der Umarbeitung geänderten Titel.
1. Agnes, Gräfin von Habsburg. Schauspiel. Grätz,
1776 (VI. 1. Wülfing von Stubenberg).
2. Die Tempelherren. Ein dramatisches Gedicht. Grätz,
1788 (VI. 109).
3. Gedichte. Grätz, 1788. (I)
4. Früchte vaterländischer Musen. Herausgegeben
znin Besten der leidenden Menschheit 2 Bändchen.
Grätz. 1789 — 90. (Die in dieser von Kalchberg ver-
anstalteten Sammlung aufgenommenen, von ihm selbst
herrührenden Gedichte ebenfalls zu finden in I.)
5. Die Grafen vonCilli. Eine Begebenheit der Vorzeit.
1. Theil, Cilli und Wolfsberg, 1790. 2. Theil, 1793.
(Vin. Die Grafen von Cilli. 1. Stück: Friedrich Graf von
C51Ii. 2. Stück: Ulrich Graf von Cilli.)
6. "Die Ritterempörung. Eine wahre Begebenheit der
Vorzeit CQIi, Graz und Leipzig, 1792. (IX. 143. Andreas
Baumkircher. Ein dramatisches Gedicht. Poetische Um-
arbeitung der in Prosa abgefasstcn ;.Rittererapörung'^.)
7. Maria Theresia. Ein dramatisches Gedicht Grätz,
1793 (Vn. 1).
8. Cantate auf die Schlacht bei Mainz. Wien,
1795. (I.)
9. Die deutschen Bitter in Accon. Ein dramatisches
Gedicht Wien, 1796. (VH. 117. Bertram von Dietrichstein.)
*) BdspielsweiBe sind „Die Grafen von Cilli" als im Jahre 1827 er-
fchknen angefahrt.
— 54 —
10. An Joseph Adam, Fürstbischof von Seckau. Grätz,
1798. (I.)
11. An Franz IL Grätz, 1798. (I.)
12. Historische Skizzen. 2 Bände. Wien, 1800. (II.,
in., IV. Historische Darstellungen.)
13. AufdenTodderGrossfürstin und Erzherzogin
Alexandra Pawlowna, kaiserliche Hoheit etc. Grätz,
im Lenzmonat 1801. Gedruckt mit Kieureich'schen
Schriften. (I.)
14. Die Stände Steiermarks an Se. des Grafen Fer-
dinand von Attems Excellenz etc. bey dessen feierlicher
Installation zur Landeshauptmanns-Würde am 8. April 1801.
Grätz, 0. J. (I.)
15. Attila, Eönigder Hunnen. Ein dramatisches Gedicht.
Wien und Grätz, 1806. (IX. 1. Attila's Tod.)
16. Friedensgesang im Jahre 1814. Grätz, o. J.- (I.)
17. Dem erhabenen KaiserpaareFranz undCaro-
1 i n e zur Feier Ihrer allerhöchsten Anwesenheit in Grätz.
1817. Grätz, 0. J.
n.
Oberdeutsche allgemeine Litteraturzeitung im Jahre 1796.
(Salzburg.) — CLII. St., ddto. 21. Decemb. 1796. S. lli>8.
(Originalrecension von Kalcbberg^s ^^Die deutschen Ritter in Accou ^ .)
Die deutschen Ritter in Accon. Wien, bey Peter Rehm.
1796* 139 S. in gr. 8.
Unter den ziemlich mageren Geistesprodukten, die jet^t
zu Wien von Zeit zu Zeit erscheinen, raget gegenwärtiges
drammatisches Gedicht sehr vortheilhaft empor.. Der Verfasser
desselben ist der in Deutschland durch seine schönen lyrischen
Gedichte, durch die Tempelherren, die Grafen von Cilli, die
Ritterempörung, Maria Theresia, (ebenfalls ein dramatisches
Gedicht) und Wülfing von Stubenberg rühmlichst bekannte
Johann von Kalchberg, welcher in Unters teyermark auf
seinem Landgute Wildbach einsam lebt. Diese deutschen Ritter
— 55 —
in Accon in fünf Handlungen und fünffüssigen leichten Jamben,
mit Lessingischer Delicatesse bearbeitet, sind den würdigen
Literaturfreunden, Herren Grafen, Franz Joseph von Dietrich-
stdn (k. k. Obersten) und Moriz Carl (k. k. Major) zugeeignet
Ales, was man darüber zum Lobe des Hm. Verfassers sagen
könnte, würde vielleicht für diejenigen, die das Stück nicht
selbst gelesen, oder auf der Bühne gut YorgesteUt gesehen
baben, zu schmeichelhaft erscheinen. Der Stoff des Stückes,
aos der Geschichte des 13ten Jahrhundertes genommen, ist
roiirefflich gewählt, der Plan wohl durchgedacht, gut geordnet
und handlungsvoll. Der Dialog würde dem grossen Schöpfer
Nathans des Weisen keine Unehre machen. Die Charaktere,
worunter sich vorzüglich die des Bertram von Dietrichstein,
V. Seinsheim, von Lichtenstein, Sultan Khalils, Hassans und
der Emina und Ida auszeichnen, sind so treffend und natürlich
gezeichnet, dass man bey Durchlesung des Stückes ein leben-
diges Galleriegemählde dieser geschilderten Personen vor sich
sieht Wie richtig und wie fein der Dichter jede Nuance von
Leidenschaft gehörig mit dem Ganzen zu verflössen wusste,
beweiset das Gespräch zwischen Wilhelm und Ida im ersten
Akte, zwischen Emina und Bertram, und die rührende Szene
am Sddosse desselben zwischen Bertram, Ida und Wilhelm;
im 2ten Akte die Gespräche des Hassan, Omar und Khalil;
im Sten zwischen Conrad und Ida, wo diese tugendhafte Frau
um ihren verlorenen Gatten jammert ; im 4ten zwischen Emina
und dem verkleideten Bertram; im 5. zwischen Conrad, Emina
und Ida u. s. w. Wer lies't und bewundert nicht das steigende
Interesse von Akt zu Akt, die rührenden Situationen und die
herrliche Illusion zwischen Furcht und Hoffnung, worin man
bis auf den letzten Moment erhalten wird. Wie schön spricht
Conrad nicht in des letzten Aktes zweyter Szene :
Ha! wie die Freude meinen alten Knochen
So viele Stärke gibt! Ich wähnte schon,
Sie würde nimmermehr dem Greisen lächeln.
Doch strahlet sie so mild! . . . Was fällt mir ein?
— 56 —
(Zu Emina)
Du Mädchen musst der Schwester Schuld bezahlen,
Dem edlen Bertram geben, was sie nahm.
Nicht wahr, du wirst es ? Ja . . ! Da werden wir
Im Vaterlande dort ein Leben fuhren,
Worum uns Selige beneiden sollen.
Wir wollen Gutes thun, so viel wir können,
Beschützen jeden Unterdrückten und
Das Laster strafen — trüg's auch Königspurpur.
Wer wird Emina, diese Krone der Mädchen, nicht lieben,
wenn sie zu Ida von dem Helden Bertram sagt:
Viel sagst du? Alles — alles ist ihm möglich.
Ich glaube nimmer, dass in dieser Schöpfung
Ein Mensch gebohren ward, der ihn erreichte.
Wer mag bestimmen, ob Herz oder Geist.
Geist oder Herz bey ihm den Vorrang habe?
Erhaben steht er da, nicht Einer darf
Mit ihm sich messen, als allein er selbst
Ueberhaupt gibt es der schönen Stellen in diesem Stücke
zu viele, und des Baumes hier viel zu wenig, um noch meh-
rere derselben ausheben zu können. Nur noch ein Bruchstück
aus der 5ten Szene des letzten Aktes:
Heinrich (hastig).
Jauchzt! jauchzt! Wir sind gerettet! Wilhelm los;
Die Christen haben alle freyen Abzug.
Emina.
0 Himmelswonne!
Konrad (sich an Heinrichs Hals werfend).
«
Heinrich, sieh ich weine —
Ida.
Um Gottes Willen, Mann ! sagst du die Wahrheit ?
— 57 —
Heinrich.
Ich lüge nicht. Schon nach dem Untergang,
Entschloss sich Bertram zu dem Aeussersten.
Hin auf den Wall Hess er den Sultan führen,
Und drohte da den Schädel ihm zu spalten.
Diess wirkte. Wir erhielten, was wir wünschten.
Emina.
Der Held...!
Eines der entschiedensten Verdienste, welches wir .an
(ieni Hrn. Verfasser in diesem drammatischen Gedichte zu
nihmea nicht umhin können, ist die schöne, reine und durchaus
richtige Sprache, dessgleichen die Vermeidung der Zusammen-
iiUissung gleicher Vokalen, welche in den Poesien der meisten
ond grössten Dichter Deutschlands häufig angetroffen wird. Wir
unterschreiben dieses Urtheil mit der Zuversicht, dass der Leser
Ky Dordigebung der deutschen Ritter in Accon oder der
Keimer bey Vorstellung derselben es billig finden, und uns
gerne beystimmen werde : Kalchberg verdiene unter den
deutschen Schriftstellern wirklich einen klassischen Rang.
Schm.
-♦♦♦-
Die „Religionshandlung" zu Leoben 1576.
Ton
I>r. B. Pelnllcli.
Als die lutherische Glaubensneuening im sechzehnten
Jahrhunderte in Steiermark Eingang und Verbreitung fand,
war die Stadt L e o b e n unter den ersten Plätzen, wo dieselbe
Anhänger gewann. Als „Eisenverlags-Stadt" mit der auslän-
dischen Handelswelt im steten Verkehre befindlich, ergab sich
für ihre Bürgerschaft vielfach Gelegenheit, von der tief ein-
greifenden religiösen Bewegung im „ Reiche ** Eenntniss zu
nehmen, wenn auch das „ausreisen^ der Handelsherren zu
Leoben damals weder besonders üblich, noch nothwendig war.
Dafür kamen deutsche und wälsche Händler, namentlich aber
fahrende Handwerksgesellen und Schüler umso häufiger nach
Steiermark. Fand doch sogar die Sekte der Wiedertäufer
einzelne Ableger im Lande und auch zu Leoben, freilich nur
als ephemere Erscheinung, da man diesen Sekürern wegen
politischer Gefährlichkeit alsbald scharf zu Leibe gieng ^).
') In dem Befehle, welchen der Rath zu Leoben am Christi .Himmel -
fahrtstage 1513 ausrufen liess, heisst es unter anderem: „Nachdem
die römisch königliche Miyestät, unser allergnädigster Herr, nun zu
mehrmalen offen Befehl und Mandat der Wiedertäufer halben aus-
gehen lassen und befohlen, dass man keinen Taufer aufhalten, beher-
bergen, noch behausen soll, wie auch dann nun oftmals angezeigt,
verkündet und „beruft" worden ist, wollen ein ehrsamer Richter und
Rath hier zu Leoben nochmals und zum Ueberflusse nun jeden und
männiglichea treulich gewarnt, ermahnt und befohlen haben, dass
euer keiner, wer der sei, keinen Taufer aufhalt, behause, beherge,
noch tränke, noch sich derselben theilhaftig, anhängig oder verwandt
mache, dann wo man einen oder mehr, der dieser Secte anhängig
- 59 —
Bevor wir zu unserem speciellen Thema, der Religious-
handlmig im Jahre 1576, cL i. zur Darlegung der Erlebnisse
der BOrgerschaft in konfessioneUer Beziehung, schreiten, ist
es nothwendig, der Vorgeschichte derselben, wenigstens in
UmiisseD, Eiwähnung zu thun ^).
Zu Leoben machten sich schon 1529 „Ketzer" bemerkbar,
die Regienmg hatte davon Kenntniss erlangt und verständigte
hievon den Bath der Stadt, nämlich: „Drei Leute hätten die
Predigt im Dominicanerkloster (zn Leoben) öffentlich verspottet,
ein hergelaufener lumpiger Kerl, ein Schüler von Luther,
Zwingli und Oecolompadius werde von einem Verein Lutheraner
angehalten, der die Leute verführe, — endlich habe ein
Borger den Bichter (?) gezwungen, sein Kind ohne Chrisam
ond katholische Gebräuche zu taufen. Die Schuldigen sollten
ermittelt und in's Gefängniss geworfen werden.^
Ob dieses und was weiter geschah ist nicht bekannt ^).
oder theilhaftig wäre, oder der solche tauferische Leute, wie oben-
Btelit, aufhielte oder wüsete und dem Gericht nicht anzeigt, betreten
wUrde, den oder dieselben würde man nach Befehl hochgedachter
röm. königl. Miyjest&t an Leib und Gut schwerlich strafen." Der
Leobner Bürger Peter Schuster war 1526 sammt Frau und
Schwester der Wiedertäuferei beinzichtigt und vom Stadtrichtor in
Arrest genommen, aber nach gepflogener Untersuchung mit einer
Verwarnung entlassen worden. Derselbe machte sich jedoch das Jahr
darauf nebst dem Bürger Grinzinger abermals verdächtig. Beide
wurden, als man sie vor Gericht ziehen wollte, mit Hinterlassung
ihrer Habe fluchtig. Ein anderer Bürger, Namens Wiser, entsagte
vor dem Gerichte der Wiedertäuferei und blieb dann unbehelligt.
Der Lederer Ruprecht wurde 1545 zu Lcoben „mit der Tauferei
verwandt befbndcn'' und entzog sich der Untersuchung durch die
Flucht. Der Rath nahm die huiterlassene Habe in Obsorge und ge-
staltete, dass dessen unmündiger Sohn, der kein Wiedertäufer war
die Lederei erlerne.
*) Die Quellen dieses Bruchstückes der religiösen Bewegung in Steier-
mark sind im allgemeinen die Rathsprotokolle der Stadt Leoben.
^ Bei der Kifchenvisitation 152S war der Vicar (der Pfarre) zu Jjeoben,
H. Pauli bereits ganz lutherisch gefunden worden. Eine seiner
Reden war, „ihm sei Christus allein genug, "^ — „wer schwach im
— 60 —
Auch 1539 waren es noch immer nur einzelne Leute,
welche sich nicht zur katholischen Lehre bekannten, wenigstens
fügte sich der Rath den kaiserlichen Befehlen in Religions-
Angelegenheit ohne Wiederstreben. So schickte derselbe auf
Regierungsanorduung in diesem Jahre zwei Bürger in alle Häuser
der Stadt, um anzusagen, dass kein Bewohner der Stadt bei Strafe
an Leib und Gut in der Fastenzeit Fleisch esse, noch solches
anderen gebe, oder zu essen gestatte. Als der Bürger Hans
Schneider des Gebotes nicht achtete, wurde er vom Stadt-
richter eingezogen und eingesperrt, übrigens dann von dem
Rathe nach der damals üblichen Verbitte durch Angehörige
des Inculpaten wieder freigelassen, jedoch mit dem Auftrage,
„zum Pfarrer zu gehen und um Verzeihung zu bitten. Sollte
die kaiserliche Majestät aber eine Strafe über ihn verhängen,
so würde diese ihm vorbehalten". Dass es so glimpflich ab-
gieng, mochte wohl daher kommen ; dass im Rathe selbst,
wenn auch nicht offene, doch heimliche Protestanten sassen
und bei der Bürgerschaft überhaupt die Hinneigung zum
evangelischen Bekenntnisse im Wachsen war.
Dies geht aus einigen derben Reden des Leobner Pfarrers
Sigmund Greif hervor, derentwegen ihn seine Zechpröpste
1 540 bei dem Rathe verklagten, er habe sich verlauten lassen,
„der Stadtrichter schaffe nichts bei den Lutterlen" (Lutherischen),
und „die Bürger seien Schelme und Fleischfresser" ^).
Glauben ist, der mag wohl die Heiligen anrufen **. Er hatte sich auch
— wie derselbe sich ausdrückte — „mit Unterscheid" verheiratet.
Es wnrde ihm „ernstlich befohlen, die Dirne weg zu thun". (Yisitat.
Protokoll.)
<) Es wurde auch angegeben, „er hätte auf den Bischof Abel geflucht" .
Ueber dieses stellte man denselben zwar nicht zur Bede, aber man
merkte es sich, und als der ungeschlachte Pfarrer sich nochmals
hinreissen liess, auf der Kanzel gegen die Bürgerschaft und den Rath
von Leoben loszufahren, wurde derselbe 1642 bei dem Kaiser ver-
klagt und dessen ganzes Sündenregister beigefügt Die n&chste Folge
war dessen Suspension, der Rath nahm ihn über kaiserlichen Befehl
gefangen und überantwortete ihn seinem bischöflichen Ordinarius.
Ein GouTentual des Stiftes: Admont, P. Heinrich Pistori, verwaltete
— 61 —
1564 hatten die Lutheraner bereits das Ueberge>vicht in
der Stadt und hielten sich trotz des landesfürstlichen Verbotes
einen eigenen Prädicanten. Derselbe wurde in der innerhalb
der Stadt gelegenen St Johanneskapelle installirt und erhielt
100 Pfund Pfenninge als Jahresgehalt.
Von nun an beginnt ein hartnäckiges Ringen zwischen
dem Fürsten und der Bürgerschaft wegen solcher Prädicanten.
Der Fürst schafft sie ab, der Rath entlässt sie dann, um bald
darauf einen neuen anzustellen, der dann wieder wandern muss.
So gieog es 1565 dem Prädicanten Franz Sc henkhle,
1569 ersetzte ihn Barthlmä R i s e r. Die Regierung bezeichnete
jedoch diesen als „einen alten meineidigen Ordensbruder von
MQlstadt"; und derselbe musste 1571 entlassen werden.
Ueber den gezeigten Gehorsam von Karl IL belobt und
zttT Beobachtung der katholischen Lehre ermahnt, antwortete
die Bürgerschaft am 4. August 1571 damit, dass sie sich der
Augsburger (Konfession zugethan erklärte und um Bewilligung
2ur Haltung eines Predigers ihrer Confession anhielt.
Was der Landesherr anderwärts, wenn auch nicht zuliess,
doch wenigstens nicht hinderte, das wollte er aber nach dem
damals geltenden Princip ;, cujus regio, illius religio" in dem
landesfürstlichen Leoben, das noch dazu eine „Kammer-Stadt**
war, durchaus nicht dulden.
Ungeachtet des abschlägigen Regierungsbescheides wurde
1572 Herr Mathes als Stadtprädicant aufgenommen. Die
Bürgerschaft meinte es diesmal klüger eingefädelt zu haben.
die Pfarre, bis Greif restitnirt wurde und am 31. April 1548 die
Pfarre wieder eiDgeantwortet erhielt. Bei dieser Gelegenheit verhiess
ihm der Bürgermeister Ton Leohen „alle Freundschaft und guten
Willen^ wenn er auch gegen die Bürger sich so verhielte; wenn er
aber auf der Kanzel wieder sich ungebührlicher und unbescheidener
Worte gebrauchen würde, die mehr zur EmpÖnmg als zur Einigkeit
der Bürgerschaft und des Pfarrvolkes gereichen, würde der Rath
die oder andere Klage an den Kaiser diu-ch das Gericht machen
lassen, daraus ihm dann mehr Unrath und Strafe, als bevor, begegnen
möchte''.
— 62 —
indem sie den alten Pfarrer Johann Pockhleder ^) dazu
vermochte, denselben als Kaplan aufzunehmen.
Mathes war von dem Erzbischofe zu Salzburg ordinirt
worden, früher einmal Kaplan zu Yeitsberg bei Leoben gewesen,
war auch seiner Zeit bei der Synode zu Brück a. d, Mur
erschienen. Der Vogtherr, Abt Lorenz von Admont, hatte
diese Bestellung genehmigt Dass man es mit einem Apostaten
zu thun hatte, kam erst nachträglich auf.
Dieser Kaplan wurde aber nicht bei der Pfarrkirche,
sondern bei der Johanneskapelle installirt, unter dem Verwände,
dass die Bürger ihren Gottesdienst in der Stadt halten
könnten. Die Pfarrkirche lag nämlich ausserhalb, aber doch
imfern von der Stadtmauer. Die Bürgerschaft gab vor, dies
sei ein Uebelstand, „denn es seien während der Predigt schon
etliche Feuer in der Stadt gewesen, dessen dann andere Ge-
fahren mehr zu erwarten und dabei der fürstlichen Durchlaucht
Nachtheil zu besorgen". Uebrigens hielte sich der Pfarrer die
meiste Zeit in Göss auf und «wegen seiner Krankheit und
der Lage der Kirche hätten schon etliche kranke Personen
des Trostes des göttlichen Wortes und des hochwürdigen
Sacramentes, auch etliche junge Kinder die h. Taufe nicht
bekommen mögen, das denn hochschmerzlich sei".
Mit diesen Gründen suchte die Stadtgemeinde den Erz-
herzog zu beschwichtigen, als er 1573, von der wahren Sach-
lage informirt, befahl, „den Prädicanten alsbald wegzuthun^.
Ihre Supplik schloss mit den Worten: „Die fürstliche
Durchlaucht wisse, dass sie einer gottseligen Religion und der
Confession, so Kaiser Karl überreicht wurde, zugethan seien
und dass nun derlei Prädicanten im Lande schwer zu be-
kommen, und möchte daher geruhen, solchen christlichen
Seelsorger auf ihre Unkosten zu gestatten."
*) Pockhleder war seit 15G0 Pfarrer zu St. Jakob bei Leoben. £r hielt
schon seit Jahren keinen Kaplan, weil die Einkflnfte der Pfründe es
nicht zuliessen und die Stiftungsgelder f^r das Mumerstifitt, welche
die Bürger Gabel kover und Reitersperger (zufolge kais. Befehles vom
— 63 —
HH dieser Bittschrift giengen zwei Bürger (der Stadt-
ricfater hatte die Mission abgelehnt) nach Graz und händigten
dieselbe dem Hofkanzler Gobenzl ein. Sie wurden mit den
bofeehen Worten beschieden, ,,man finde es nöthig, verreren
Beridit einzuziehen*'.
Der Stadt blieb keine lange Zeit, sich in eitlen Hoffnungen
zu wiegen, schon am 7. November 1573 wurde ihr der lan-
desherrliche Bescheid kund gethan, des unliebsamen Inhaltes :
.Bei Vermeidung der Ungnade den Prädicanten wegzuthun
and sich nicht zu unterstehen, dergleichen Prädicanten, so
Ihrer fbrstlichen Durchlaucht katholischen Religion zuwider,
sufeunehmen."
Bekümmerten Herzens vernahm der Rath den Befehl
uBd stimmte in aller Eile namentlich darüber ab, was nun zu
than sei. Alle waren dafür, dass alsogleich eine neue Supplik
^geben sollte, aber nur zwei Rathsherren (Abraham Donnersperg
und Wolf Gärtner) stimmten dafür, dass . das Predigen unter-
dessen eingestellt würde.
Allein da auch dieses Gesuch am 27. November 1573 ab-
seblftgig beschieden worden war, so wurde dem Herrn Mathes das
I^redigen denn doch eingestellt. Doch sollte er seine Besoldung
behalten und in der Stadt verbleiben, denn nach dem Land-
tage verde man abermals suppliciren und einen Fussfall thun.
Man hegte nämlich die Hoffnung, durch die Intercession
des landschaftlichen Adels, der sich in Religionssachen ganz
unabhängig gestellt hatte, endlich doch zum Ziele zu gelangen.
Da aber auch die Verwendung der Landschaft keinen
Wolg hatte, zog der Prädicant Mathes 1574 mit einer Ab-
fertigung im Betrage von 24- fl. Reichswährung ab. Doch stand
dessen Stelle nicht lange leer, in aller Stille setzte die Stadt
J575 den Prädicanten Oswald Speglin *) dorthin und er-
freute sich wieder des „reinen Wortes Gottes".
Jahre 1542 pr. 40 Pfd. Pfenn. jährlich) h&tten zahlen sollen, längst
nicht mehr einflössen.
^) Oswild Speglin aas Nördlfaigen war 1664 zn Laningen cum Prediger
ordmnt worden. Zur Infectionszeit im Jahre 1572 stand er an der
— 64 -
Aus dieser Ruhe wurde die Bürgerschaft durch einen
landesfünstlichen Befehl aufgeschreckt, welcher im Jänner 1576
einlangte und in Erledigung einer Supplik der Stadt, den
Herrn Oswald abzuschaffen auftrug.
Hiermit sind wir bei der Religionshandlung des Jahres
1576 angelangt, welche eine eingehendere Darlegung erhalten
soll.
Zunächst fasste die Rathsversammlung am 27. Jänner
den Beschluss: „Nachdem das Elend nicht alles zu erzählen,
so die Zeit her, als man die christlichen Prädicanten nicht
prädiciren lässt, leider mit Schmerzen erfahren und Gott zu
klagen, so ist beschlossen, einen (des Rathes) alsbald abzu-
fertigen, der bei dem Hofkanzler um förderliche Erledigung
auf die diesfalls eingereichten Schriften anhalte und zufolge
des mit Stimmenmehrheit gefassten Beschlusses soll man noch ,
bis derselbe Antwort bringt, stillhalten und dem Herm Oswald
seine Besoldung monatlich reichen."
Wenn dann der Landesfllrst binnen kurzer Zeit, wie es
heisst, durch die Stadt reisen würde, sollte der Sitte gemäss
demselben „etlich schöner Stuckh Visch vnd zwelf Khandl
gueter Wein oflferirt" werden *) und soll durch die ganze
Bürgerschaft ein Fussfall geschehen und gebeten werden, dass
ihnen die Predigt durch den Caplan ihrer christlichen Religion
gestattet werde. Darüber sollte aber noch ^auf mererer Be-
sammlung zu handeln angestellt" werden.
Der in dieser und anderen Angelegenheiten nach Graz
geschickte Rathsbürger Hermann Hanner kehrte unver-
Stiftskirche in Graz als Aushilfsprediger in Verwendung. Von da
soll er nach Oettingen gekommen sein. Nach seiner Abschaffung von
Leoben fand er zu Trautmannsdorf in Oesterreich eine Anstellnng,
wo er 1680 noch lebte. (Waldau, Gesch. d. Protest. II. Bd. S. 565.
— Raupach, Presbyterium, S. 178.)
1) 1569 erhielt Karl II. bei demselben Anlasse von der Stadt Leoben
einen Stai'tin Wein, ein gutes Essen, Fische „Yerchen" (Forellen)
und wurde bei der Einreitung aus dem grossen Geschütze geschossen.
1578 erhielt derselbe bei seiner Ankunft zwei Ochsen, einen Startin
Wein und eine Parthie Fische.
— 65 —
richteter Dinge nach Leoben zurück, nachdem ihm der Hof-
kanzler bekannt gegeben hatte, es sei unnütz eine Erledigung
in Graz abzuwarten, der Bescheid werde schon nach Leoben
geschiekt werden. Da dies nicht tröstlich klang und mittler-
weile in der Stadt „eine abscheuliche, sonderlich schmerzhafte
Krankheit, vornehmlich unter den Kindern eingerissen ** war,
wodurch das Verlangen nach dem heilsamen Worte Gottes
gesteigert wurde, so berief der Bürgermeister für den 1 3. Fe-
bruar eine allgemeine Bürgerversammlung zur Beschlussfassung,
ob man den Prädicanten Oswald predigen lassen solle oder
nirJit.
Zu dieser erschienen sammt den Rathsherren nur 35
Bürger, von denen 24 samrot dem Stadtrichter dafür stimmten,
im derselbe am nächsten Sonntage seine Predigt halten solle,
11 aber nach Antrag des Rathsherrn Wilhelm P anthi er, dass
man bis zum ersten Sonntage in der Fasten, oder 2 bis 3
Wochen noch warten sollte.
Da aber so viele vom Rathe und von der „Gemein" nicht
zugegen gewesen waren, so schien es bedenklich, einen festen
^hluss zu fassen, bevor man nicht auch die Willensmeinung
•fieser vernommen hätte. Der Bürgermeister berief eine neue
Versammlung auf den 1 6. Februar. Nachdem er derselben dann
vorgehalten hatte, „wie sich ein Rath zu dero eines mereren
fiehorsamb versehen vnd inen het gebürth auf vorig Ersuechen zu
erscheinen," forderte er sie auf, sich „zu erklären, ob Herr
Oswald jetzt, zumal kein anderer Prediger vorhanden ist, oder
wann soll auf die Kanzel gelassen werden".
Nachdem sich „ein ersame Gemein" miteinander beredet
i^tte, gab sie durch Hermann Hanner die Erklärung ab :
»Dieweill sj sich hieuor oftmalls vnnd von Jugent zu der
Aagspurgerischen Confession bekhent, darüber auch geferttigt
^d als vill ir schreyben khunden mit aigen Henden vnndter-
^hriben, vnnd nachdem jetzo an christlichen Predicanten grosser
^ngel, wie alle tödtlich vnnd in der Forcht Gottes leben sollen,
soBüderlich bei disen Zeiten unnd gefärlichen Krankheiten, dero-
'egen vnnd anderer christlicher Vrsachen zu Trost irer Armen
^^^^'^^^ 4m blat V*rcinM f. Btelcnoftrk. XX Vf. Heft, 1878. 5
— Be-
seelen, solle man Herrn Oswalden auf negsten Suntag bey
Sant Johans predieciren lassen/
Dies geschah. Wenige Tage darauf, am 13. März nach
3 Uhr Nachmittags, kam Erzherzog Karl sammt seiner Ge-
mahlin gegen Leoben. Er befand sich auf der Reise zu den
Landtagen in Kärnten und Krain. Der Rath sammt etlichen
Vertretern der Gemeinde erwartete den Landesfürsten bei dem
grossen Kreuze vor der Stadt, wo der Stadtschreiber die
Empfangsrede halten sollte. Aber kaum hatte der Fürst die
Stadtvertretung erblickt, so ritt er auf dieselbe zu und „fieng
stracks mit starker Stimme diese Worte zu reden an: Geht
nur hinein und wartet meiner in der Burg, denn ich reite
jetzt mit meiner Gemahlin auf Göss. Ich will euch darinnen
selbst zusprechen."
Während ein Theil des Rathes den Fürsten nach Göss
begleitete, begab sich der Bürgermeister und der Stadtrichter
mit den übrigen zum „Lendthore", erwarteten denselben dort
und gaben ihm dann das Geleite bis zur Burg. Sobald der Fürst
vom Pferde abgestiegen war, empfing ihn der Stadtschreiber
„im Namen gemeiner^Stadt durch eine unterthänige Oration".
Karl erwiederte: „Wir nehmen euere Empfahung derzeit mit
Gnaden von euch an." Hierauf wurde durch den Stadtschreiber
„das Präsent, der Wein und Fisch oiferirt", worauf Karl aber-
mals mit den wenigen Worten replicirte: „Ich und mein Gemahl
nehmen die Verehrung mit Gnaden von euch an." Hiermit war
der Empfang abgethan.
Nach Verlauf von mehr als einer Stunde, als es sclion
fast Abend war, schickte Herr Wolf von Stubenber^ zum
Bürgermeister, er möchte einen oder zwei mit sich nehmen
und alsbald zu ihm kommen. Als dieser mit dem Stadtschreiber
gekommen war, eröffnete ihnen Stubenberg: „Die fürstliche
Durchlaucht, mein gnädigster Herr, begehren mit Ernst, dass
ein>e ganze hiesige Bürgerschaft morgen A-üh um 5 Uhr in
der Burg in der Tafelstube gewisslich vor ihrer Durchlaucht
erscheinen und allda Bescheid erwarten."
So versammelte sich die Bürgerschaft am 14. März um
-- 67 —
4 Uhr Morgens am Rathhause und begab sich beim Schlage
der fbnften Stande miteinander in die Burg und in die
Ritterstube. Der Fürst hatte befohlen, dass niemand von den
Hofleuten in dem Audienzsaale anwesend bleibe, als Herr v.
Stubenberg. Als dann die Bürgerschaft in den Saal getreten
war, einer der Kammerdiener aber hinter derselben auch
eintrat, rief ihm der Erzherzog selbst alsogleich in italienischer
•^Iirache zu, er soll draussen warten und die Thüre zuschliessen.
Als dies geschehen war, sprach er die Bürger also an:
„Mir zweiflt nit Ir liabt Euch zuerindem, wie offt ich
Euch beuolchen, die Secüschen Predicanten hinwegg zethuen
rund Euch solcher Sachen nit anzemassen. Nun habt Ir es
aber nit voltzogen, sonder fUrsetzlich dawider gehandelt, meine
Oebot vnd Verpot in Verachtung gestölt, vnd mir vnd
^üDser Landschaft in Steyr mit Euren Schriften vill Müehe
^d Arbaith gemacht vnd geben, derhalben ich woU Vrsach,
die Scherf gegen Euch fümemen zelassen, aber weill ich
jederzeit mer zu der Güette dann der Scherpf genaigt, will
ich Each dertzeit verschonen vnd daneben selbs persondlich
mündlich Euch ernstlich auferlegt vnd beuolchen haben, das
Ir meme Beuelch merers vor Augen habt, vnd Euren sectischen
vennunten Predicanten alsbald hinwegg thuet, vnd khein seines
gleichen weder iner noch ausser der Statt weiter aufnemet,
Euch auch in Religion Sachen an vnnser Landschaft nit henget,
dann ich hab auf Eur Beschwär, die Ir von wegen des Pfarrers
Alter vnd die Pfarrkhirchen, das die ausser der Stadt ligt,
^d bey nächtlicher Weyll die Statt zu eröffnen gefUrlich vnd
anders vemomen vnd darumben ine Pfarrer bemüessigt (ihn,
den Pfan-er entlassen) vnd einen andern Pfarrer aufgenomen,
den wil ich Euch hiemit selbs gestölt haben, der würdet die
Gothzdienst drausen in der Pfarrkhirchen vnd hinnen verrichten,
^ er mirs dann auch zuegesagt; so wist Ir, was mit Euch
^d andern zu Prugg gehandelt, dabey las ichs bleiben. Da
Ir aber dem nicht voltziehet, werd Ir mich verursachen, mit
sicher Straf g^en Euch zuuerfahren, das es mir selbs laid
sein würdte. Darnach wist Euch aigentlich zuehalten, vnd es
0*
— 68 —
bedarf kheiner Antwort" Nachdem der Fürst dies gesprochen
hatte, wendete er sicli alsbald von der Bürgerschaft ab undl
schritt der Thüre zu.
Der Stadtschreiber jedoch, vom Rathe und von der Ge-
meinde dazu „erkiest", schritt demselben nach und sprach :
„Durchleuchtigster Erzherzog, genedigister LanndtfÜrst vrnicl
Herr, weill vor andern Potentaten die Fürsten von Oesterreich
mit sonderer Güette begabt, so bitten Eure fürstliche Durch-
laucht wir vnndterthenigist, die wolle vnnss genedigiste Audienz
geben." Als der Fürst dies gehört hatte, wendete er sich
zurück, sagte: „Was, ich gib Euch der Zeit khein Audientz,"
und gieng durch die Thüre hinaus.
Bald darauf trat der gesammte erzherzogliche Ilof seine
Weiterreise an.
Man kann sich die Bestürzung, und nachdem die gehörten
Worte und die kurze ungnädige Abfertigung allentlialhen be-
kannt geworden war, die Aufregung der ganzen Stadt denken.
Um die hin und her rollenden Wogen der Reden und
Ansichten in eine geordnete Bahn zu leiten, den eigentlichen
Willen der Bürger zum geregelten Ausdrucke zu bringen, wolil
auch, damit einer für alle und alle für einen stehen könnten,
schien es geratlien, alsbald eine allgemeine Bürgervei*sammlung
abzuhalten. Noch desselben Vormittags kamen der Rath und
die Gemeinde auf dem Rathhause zusammen und beredeten
die Angelegenheit Dann wurde über das, was zu thun sei,
namentlich abgestimmt. Jeder sagte seine Meinung und alles
wurde vom Stadtschreiber zu Protokoll genommen. Es wurden GS
stimmfähige Bürger ^) gehört, jedoch nicht desselben, sondern
*) Wie viele Bürger Leoben im 16. Jahrhunderte zählte, lässt sich
nicht genau ermitteln. In dem Grundbnchc der Stadt yom Jahre 15G1
fand ich sammt dem Rathhause 120 Häuser in der Stadt und 34 in
der Vorstadt verzeichnet; aus letzterer genossen aber nur 13 (und
diese erst seit 1560) HauseigenthQmer das Bürgerrecht. Man dürfte
also im ganzen ungefähr 180 Bürger annehmen, da aber auf einigen
Häusern Bürgerswitwen oder unmündige Bürgerssöhne gesessen sein
werden, so dürfte die ganze Zahl der stimmfähigen Bürger nicht
— 69 —
erst des anderen Tages, nachdem auch diejenigen sich geäussert
haUen, welche bei der erwähnten Versammlung gefehlt hatten,
mit einer geringen Stimmenmehrheit beschlossen, jederzeit des
Herrn Oswalden Predigten einzustellen, bis der angehende
Pbrrer gehört worden wäre, alsdann weiter davon zu handeln".
Drd verschiedene Meinungen waren bei der Abstimmung
zam Vorschein gekommen. Die erste, für welche sich zunächst
der StedtTichter „Mathes '^ (Matthäus Schmeltzer, der schon
ld59 imllaüie gesessen und zu mehrmalen hervorragende Stellen
bekleidet hatte, so 1547 und 1561') als Bürgermeister) aus-
sprach, lautete : ^Man sollte mit den Predigten Verzug halten,
bis der neue Pfarrer eintritt."
34 Bürger stimmten auf diese Weise, darunter die nach-
b^iannten 6 Rathsmitglieder : Erasm. Reitsperger (schon
1559 im Ratbe gesessen), er fügte bei, dass beim Landes-
fhrsten ohnehin nichts zu erlangen sein werde.
Kaspar Spätt (bereits 1560 und 1573 im Rathe), doch
meinte er, man sollte aber unterdessen den Prediger Oswald
oicht entlassen. Dasselbe wollten Wolf H a s 1 i u ge r und Fabian
Tautter (auch 1573 im Bathe).
Michael Gablhover (1573 ebenfalls Rathsherr) be-
▼i«! aber 90 betragen haben. Wahlfähige in den Rath dürften kaum
mehr als 68 gewesen sein.
*) £8 ist bemerkenswerthy dass Schmeltzer 1561 die Bürgermeister-
Wahl nicht annehmen wollte und da seine Ablehnung von der Stadt
nicht beachtet wurde, einen diesbezüglichen Befehl des Yicedoms der
Steiermark erwirkte. Der Kath nahm es sehr Übel auf, dass er sich
weiter beschwert hatte und erklärte ihm, die Stadt sei in dieser
Sache vom Landesfürsten befreit. Wenn sie einen Bürger mit Stimmen-
mehrheit zu einem Amte gewählt habe, so müsse derselbe gehorchen
and erscheine „sodann ein Jahr auf einen Stecken gebunden '^. Man
bitte ihn also im Gehorsam zu verbleiben. Und so f^gto er sich auch.
Uebrigens war der Gehorsam der Leobner Bürger durchaus
keine alltägliche Sache. Von nicht wenigen der oben genannten
Männer, namentlich von den hervorragenden Stimmführern, finden
sich in den Rathsprotokollen hie und da Händel verzeichnet, in
welchen sie sich nicht leicht unter die Autorität des Rathes zu fUgen
geneigt zeigten.
— 70 —
merkte : „Wer verhaiTt bis an das Ende, der ist selig. Verhoflfe,
Gott wird alles zum Besten wenden. **
Hans Hanner (1569 und 1573 Bürgermeister) war
nicht persönlich bei der Versammlung erschienen, liess aber
melden: „Er sehe es für gut an, zu hören, wie sich der neue
Pfarrer in seiner Predigt wird anlassen und der ftii'stlicheii
Durchlaucht Trost zu erwarten; aber die Sacramente reichen
und taufen soll dem Herrn Oswald zugelassen werden."
Die Namen der in gleicher Weise stimmenden Bürger sind :
Sebast. Jaritz, Valthan Satler, Gregor Fischer, Clem. Lainegger,
Hans Weissmann, Hans Walch, Wolf Fleischhacker, Georg Ortner,
Kasp. Gott, Valthan Kholfasser, Phil. Waizinger, Paul Walch,
Pet. Gegner, Zach. Zechner, Blas. Poltzer; (am 15. März) Seb.
Tersch, Math. Schwär, Georg Weinheber, Roch. Messrer,
Georg Prandt, Leonh. Trünckher, Hans Rabler, Stef. Schwein-
bachmülner, Georg Pruner, Joach. Schmeltzer, Herm. Hanner,
Gilg Lasnitzhouer und Zach. Rabler. (Letzterer gab seinen
Rathschlag schriftlich.)
Die gegentheilige Meinung erhielt 29 Stimmen. Sie lautete
im allgemeinen: Man solle den Herm Oswald ohne weiters
auch femer predigen lassen.
Der erste, der seine Stimme dafür abgab, war der Raths-
herr Wolf Mittenberger (sass auch 1 573 im Rathe), derzeit
Eisen-Faktor der Stadt. Er sagte: „Man soll Gott geben, was
ihm gebührt, und dem Landesfürsten, was ihm gebührt, darum
soll man predigen lassen, Gottes Wort hören und dem Lan-
desfürsten in allen äusserlichen Sachen gehorsamen."
Rathsherr Leonh. Guggler (schon 1559 im Rathe ge-
wesen, deutscher Schulhalter) spricht sich fast mit denselben
Worten aus. Ebenso Rathsherr Georg Pu ebner. Rathshen*
Hieron. Vischinger ist ;,für das predigen, weil es jetzt die
grosse Nothdurft erfordert".
Rathsherr Kasp. Gerchinger (1560 und 1573 im Rathe)
äusserte sich: Es sei schmerzlich, dass sie keine Audienz
erhielten. Man soll also in Gottes Namen predigen lassen,
denn es steht geschrieben: „Wer verharrt bis an's Ende, wird
— 71 —
selig.* Man soll aber erwarten, wer der neue Pfarrer sei.
Inzwischen könne Oswald predigen „und sich darinen aller
^jebQhr gebrauchen und die Widersacher nicht besonders
nennen'^.
Von den Bttrgem sind bemerkenswerth : Mich. D o n e r s-
perger. Dieser äusserte sich * „ Gott will gebeten sein, darum
soll man alle Tage um 11 oder 12 Uhr bei St. Johannes
(Kapelle) länten lassen. Da sollte ein jeder Hausvater sammt
den Seinigen Gott bitten, seine Kirche und Gemeinde allhier
za eilialten.''
Wolf Schleiffer ist für das Predigen, ;, weil es besser
ist, in die Hände der Menschen zu fallen; als in die Hand
und Strafe Gottes \
Daniel Donersperger sagte: „Weil der Fürst ver-
meldete, der Prädicant sei sectisch, so rathe er Herrn Oswalden
za seiner Defension zu Verfassung seines Bekenntnisses und
seiner Meinung eine Schrift verfassen zu lassen, die der heil,
göttlichen Schrift gemäss soll gestellt werden.**
Da nun dieser Gedanke einmal aufgetaucht war, fand sich
bald wieder ein und der andere Nachtreter. Andr. L e u t z e n-
dorf er sagte, er habe in der Taufe geschworen, sein göttlich
Reich zu befördern, so könne er mit gutem Gewissen nicht
rathen, die Predigten einzustellen, sonderlich weil Herr Oswald
«keines Secten** überwiesen und er der heil. Schrift gemäss
jederzeit gepredigt habe.
Tiburtius 6 e r r e i c h ist für das Verfassen «einer Apologie
und Schutzschrift **, desgleichen Michael Schwär, Christof Khirch-
perger und Georg Staudinger.
Michael P o nm o n (Bonuomo, 1 573 im Rath), Goldschmied,
sagt, man solle das Wort Gottes nicht verhindern, sondern
fortgehen lassen.
Ebenso stimmten Hans Lemer, Wilh. Panthier, Christof
Holaus, Christof Frölich, Gregor Khoper, Hans Paur, Christof
Pruner, Urb. Vischcr, Steph. Schaur, Adam Khörer, Leonh.
Zwickh, Hans Ster (Hafner), Ambros Herman, Georg Grueber,
Christof Priewalder (Schneider).
— 72 —
•
Nur zwei B&rger wagten eS; die besondere Meinung zu
haben, dass man den Prädicanten Oswald abziehen lasse, beide
aber erklärten dies nicht persönlich. Hieron. Puchleutner,
der Mauthner, that es schriftlich und der Hammerwerksbesitzer
Wolf Gärtner (1569 und 1573 Bathsherr) liess dies durch
zwei Vertrauensmänner melden.
Der mit Einwilligung des Abten von Admont als Patrons
der Pfarre St. Jakob vom Herzoge eingesetzte neue Pfarrer
war Christoph Frank, vordem desselben Hofkaplan. Das
Anstellungsdecret war schon am 14. Februar 1576 ausge-
fertigt Zur Uebemahme der Pfarre hatte der Abt von Admont
den 8. April bezeichnet. Dies fiel aber dem alten Pfarrer
Joh. Pockhleder unbequem, „er hätte bald nach dem An-
tritte der Pfan-e am Pfarrhofe Feuerschaden erlitten, femer
den ersten Anbau und die Ansaat der Gründe aus Eigenem
bestritten und könnte daher nicht früher abtreten, bis er sich
nicht mit dem neuen Pfarrer verglichen hätte, auch gebühre
ihm noch der Dienst (die Urbarialgaben der Unterthanen)
bis Georgi". Derselbe erbat sich und erlangte die Intercession
der Stadt Leoben und so geschah es, dass der neue Pfarrer
erst zu Georgi die Pfründe bezog.
Nach Ankunft des Pfarrers Frank sah Oswald Speglin
selbst ein, dass es an der Zeit sei, sich um eine andere Stelle
umzusehen. Der Bath sicherte ihm, bis er eine solche erlange,
den Bezug seines Gehaltes zu (27. April 1576); allein, wiewohl
er eine Pfarrerstelle in Oesterreich erlangt hatte, verzögerte
sich sein Abzug doch so lange, dass der Landesfürst nochmals im
Juli ernstlich darauf dringen musste, ihn abzuschaffen.
Unzweifelhaft lag der Grund dieses erneuerten Aus-
weisungsbefehles in der Thatsache, dass Oswald noch fortwährend
in der Johanneskapelle heimlich Gottesdienst hielt und. die
Conmiunion reichte, wozu der Rath (8. Juni 1576) dem
Kirchenmeister zu St. Johannes, dem die Sache wegen des
landesfürstlichen Befehles denn doch etwas bedenklich schien,
ausdrücklich den Auftrag ertheilt hatte, den Prädicanten zu
diesen Verrichtungen ohne weiteres in die Kirche einzulassen.
— 73 -
Die Schrift, mit welcher Oswald von der Stadt „Urlaub"
nahm uod die „Vennahnung that, bei der christlichen Religion
beständig zu verharren'', liess der Rath aus „gutem Bedenken"
izofolge Beschluss vom 16. Juli) der ganzen Gemeinde öfifent-
lidi vorlesen.
Den Pfarrer Frank hatte der Rath sehr kühl empfangen
Qod ihm trocken zu verstehen gegeben, dass die Stadt nur
(l^n zu ihm halten würde, wenn er sich als ein Pastor ihrer
Confession bewiese. Selbstverständlich lehnte derselbe eine
solche Zumuthung ab. Nach wenigen Wochen war auch schon
der offene Zwiespalt vorhanden.
Warum es sich handelte, ersieht man aus dem Berichte,
welchen der Bürgermeister in einer am 2. Juni eigens hiezu
venmstalteten Bürgerversammlung machte. Derselbe enthielt
'He Eröflhung: Weil die kleine Zeit des jetzigen Pfarrers
Hiersem von wegen desselben ärgerlichen Predigten und an-
deren Ceremonien viel Beschwerden vorkommen und damit
ihm, dem Bürgermeister, später nicht etwa eine Schuld bei-
gemessen werde, so habe man dem Pfarrer durch den Stadt-
schreiber hn Namen der ganzen Bürgerschaft folgende Artikel
mündlich erklären und vorhalten lassen:
Für's erste sei es Thatsache. dass der Landesfürst sich
etliche Male erklärt habe, einen jeden in seinem Gewissen
^beschwert bleiben zu lassen und liieher zur Seelsorge solche
Personen zu bestellen, daran sie keine „Beschwerung haben,
sondern begnügt und zufrieden sem sollen. Und da wir übel
versehen, dies Ihrer fürsü. Durchlaucht oder dem Pfarrer
selbst anzubringen, so soll der Mangel gewendet werden. Weil
man dann mit dem vorigen Pfarrer etliche Jahre auch übel
vorgesehen gewesen, haben wir uns, wie männiglich wissend,
jederzeit zu der christlichen augsburgerischen Confession er-
kannt und bekannt und wissen davon, wie es öfter schriftlich
gelegt wurde, ohne Verlust unserer Seelen Seligkeit nicht
^ weichen."
nWir befinden aber, dass ihr, Hen' Pfarrer, bei eueren
Predigten, Taufen und Sepultur halten Ceremonien und an-
— 74 —
derer verbotener menschlicher Zusätze gebrauchet, welche
zur Verkleinerung des Leidens Christi und grossen Aergerniss
der christlichen Gemeinde gereichen und solchermassen nicht
zu dulden sind."
„Daher wollen wir ihn hiermit sammt und sonderlich
ganz christlich ermahnt und höchlich gebeten haben, er wolle
die Sachen, wie ein treuer Seelenhirt zu thun schuldig ist,
dem Grunde der heil. Schrift gemäss beherzigen und sich
nicht mit der Last der Verantwortung beladen, sondern uns
in unserm Gewissen unbetrübt lassen,"
„Somit habe er das Sacrament der Taufe nach der
Ordnung Christi (ohne alle menschlichen Zusätze) in deutscher
Sprache zu halten, nebst anderen Ursachen auch darum, weil
der Gevattersleute Seelen und Gewissen zum Zeugnisse und
auch zum Unterweisen in der christlichen Lehre hoch verob-
ligirt sind, so sei es billig, ihnen zu wissen, was hierin traktirt
und gehandelt wird. Hiedurch werden auch sie und alle Um-
stehenden zu desto mehr christlicher Andacht und eifriger
Liebe zu den „Gottlen" (Pathenkindem) gereizt und verursacht"
„Item, das Sacrament des Altars soll er sub utraque
specie nach der Einsetzung Christi (ausser der Messe) man-
niglich in der Kirche und den Kranken in den Häusern un-
weigerlich reichen, die Beichtkinder mit Fragstücken und
anderen Auflagen wider ihr Gewissen nicht beschweren."
„Seine Predigten soll er nach Grund der heil, prophetischen
und apostolischen Schrift dahin richten, damit aus denselben
Lehre und Trost genommen und der einzig seligmachende
Weg recht erläutert und durch Scallirung (Schelten und
Schimpfen) niemand geärgert werde."
^Bei den Sepulturen soll das Rauch- und Sprengwerk
abkommen, die Ceremonien zu vermeiden und dafür christliche
Leichenpredigten zu thun und die Prozession mit Psalmen
und christlichen Gesängen in deutscher Sprache zu halten,
auf dass die mitgehenden Personen des zeitlichen Todes und
der Bereitung auf ein christliches Abscheiden erinnert und
ermahnt werden."
- 75 —
^Item ist der Witten bergischc Katechismus zu exerciren,
wie es bisher im Gebrauche war.**
Auf diese denn doch etwas starke Anforderung, dass sich
der katholische Pfan*er in einen lutherischen Pastor umwandle,
erwiederte Frank besonnen und ruhig:
Er nehme ihr freundliches Gesuch mit Vergnügen auf,
es scheine ihm, dass solches aus besonderer Schickung Gottes
geschehen sei. Da er aber den Auftrag habe, die religiösen
Verhältoisse wieder in denselben Zustand zu bringen, wie es
Vorjahren gehalten worden war, so könne er „in der Substanz
nicht weichen**, wolle aber in Betreff der Ceremonicn, unge-
achtet sie nicht gegen die Schrift wären, einige Beschränkungen
vornehmen.
Die „Vertröstungen*', welche der Landesfürst gegeben
habe, seien aber nicht als allgemeine anzusehen, sondern nur
„in particulari" einigen geschehen.
Einen Katechismus wolle er schon halten, freilich nichts
einen solchen, der dem Wittenbergischen gleich sei, wer des-
selben Autor sei, werde man dann wohl hören.
Der lateinische Schulmeister Gregor Hess machte am
2T. April bei dem Rathe die Anzeige, der neue Pfarrer wolle
ihn und die Jugend verplSichten, seinen abgöttischen Ceremonien
beizuwohnen. Weil er dies unthunlich befinde, wolle er es zu
iseiner Entschuldigung zeitlich vermeldet haben, damit jeder
Vater seine Kinder vor Verführung zu bewahren wisse. Auf
dieses wurde dem Stadtschreiber aufgetragen*, er solle alle
'jßeschwerartikel gegen den Pfarrer memoriren und bei einer
mehreren Versanrailung vorbringen", den Pfarrer aber Hess
Dian auffordern, „sie unbetrübt zu lassen** *).
Als sich das Fronleichnamsfest näherte, stellte der Pfarrer
an den Bath eine Anfrage in Betreff der feierlichen Prozession.
£s sei ihm von der fUrstl. Durchlaucht bekannt gegeben
worden, dass dieser einen schriftlichen Auftrag gegeben habe.
0 Der Schulmeister Hess masste nachgehends auf landesfürstlichen
Befehl entlassen werden, bei welcher Gelegenheit dann die Stadt
die EimahnuDg erhielt, den Pfarrer unbeschwert zu lassen.
— 76 —
der Bürgermeister hätte ihn auf der einen, der Stadtrichter
auf der anderen Seite zu begleiten und vier aus dem Rathe
hätten den Traghimmel (über dem hochwürdigsten Gute) zu
tragen, und er begehre daher zu wissen, ob die Herren solches
thun wollten, oder nicht.
Der Rath antwortete hierauf, der landesfürstliche Befehl
sei verlesen worden und es stehe in jedermanns Belieben,
mit der Prozession zu gehen oder wegzubleiben, er wolle hier
weder etwa& verbieten, noch gebieten. Auf eine zweite Anfrage
erhielt der Pfarrer die offene Erwiederung, zum Himmeltragen
lasse sich niemand herbei.
Hatte der Rath hiermit indirect sein Festhalten an der
Augsburger Confession erklärt, so tbat die Bürgerschaft das-
selbe durch ihr Fembleiben von der „Corporis Christi Pro-
cession**. Frank beklagte sich bei Karl H. bitter, „dass sie
dieselbe verachtet und ihrer entäussert habe".
Nachdem nun die Bürgerschaft hinlängliche Erfahrung
davon hatte, dass der neue Pfarrer wohl ein eifriger katholischer
Seelsorger und nichts weniger als ein Prädicant ihrer Confession
sei, kam sie zu dem einhelligen Beschlüsse, den Landesfürsten
abermals in einer ausführlichen, sorgfältig redigirten Supplik
um „Zulassung eines oder zweier christlicher Prädicanten*^ zu
bitten. Mit dieser Supplik giengen der Bürgermeister nebst
zwei Rathsmitgliedem und dem Stadtschreiber (um den 10. Ok-
tober 1576) nach Graz. Letzterem war wieder die aktive Rolle
zugetheilt worden, vor dem Landesfürsten den Sprecher zu
machen. Derselbe überreichte die Schrift in der Ritterstube mit
dem Vermelden, dass er ^solches aus Befehl eines ersameu
Rathes thue"". Als der Erzherzog sie übernahm, äusserte er sich :
„Ich will es vernehmen, wofern es aber Religionssachen betriflFt,
lasse ich es beim vorigen Bescheide verbleiben, und nehmt
nur nichts neues vor." Auf den Stadtschreiber deutete er
aber mit der Hand und sagte: „Eben ihr seid der Rädels-
führer.** Dieser abschlägige Bescheid brachte noch immer keine
Entmuthigung in den Rath, sondern es wurde nun beschlossen,
„im geheimen auf den Herrn Kanzler em Missiv zu verfassen und
— 77 —
bei ihm die Erledigung von der flirstl. Durchlaucht wegen
Zuhssung eines Prädicanten zu erkunden **. (15. October 1576.)
Die abschlägige Antwort des Landesherrn langte bald
darauf ein und wurde am 2G. October in der Rathsversammlung
verlesen.
Hiermit schliessen auch die Verhandlungen über confes-
sionelle Angelegenheiten in dem Bathsprotokolle der Stadt für
das Jahr 1576.
Man darf jedoch durchaus nicht glauben, dass sich nun
die Bürgerschaft in den Willen des Landesherm gefügt hätte.
Dieselbe blieb nicht nur bei ihrem passiven Widerstände,
sondern ermüdete auch nicht, fast Jahr für Jahr die Regierung
mit der Bitte anzugehen, ihr zur ungehinderten Uebung ihres
Bekenntnisses die Au&ahme eines Predigers zu bewilligen, wie
auch Karl IL nicht ermüdete, dies zu verweigern, in seiner
Güte und Langmuth aber es nie zu der angedrohten Strafe
kommen liess. Solche religiöse Verhandlungen kamen im Käthe
der Stadt 1577, 1579, 1581, 1583, 1586 und nach Karl's IL
Tode 1593, 1594, 1595, 1597 und 1599 vor.
Bemerkenswerth ist die Einhelligkeit, mit welcher sich
die Bürgerschaft von Leoben 1581 öffentlich zur Augsburger
Confession bekannte.
Vom Hofe war der Befehl gekommen, es solle jeder sich
persönlich erklären, was für ein Bekenntniss er habe und es
solle dies zu Protokoll genommen werden. So erklärten denn
G4 Bürger Mann für Mann bei dem „Examen vnnder Rath
vnnd Gemain, was Bekhanntnuss oder Religion ein Jeder sei",
sie sden der christlichen Augsburgerischen Confession und
wollen dabei bestehen und bleiben Zeit ihres Lebens ^).
Bei einer so einmüthigen Haltung der Bürgerschaft wird
es erklärlich, dass aUe landesherrlichen Decrete wirkungslos
^) Es ist erwähnenswerth , dass bei dieser Abstimmung, wiewohl seit
1576 Dur 5 Jahi'e abgelaufen waren, 28 neue BOrgemamen vor-
kamen und selbst im Rathe zwei ganz neue Bürger, nämlich Michael
Mayr and Georg Mager 1 erscheinen. Auch der Bürgermeister
Wolfgang Henncz ist ein neuer Ankömmling.
— 78 -
blieben. Zwar wagte sie es nicht mehr, einen Stadtprediger
öffentlich zu halten, ^) dafür kam (1594) der von St Peter
heimlich in die Stadt, um Predigt zu halten und die Sacramente
zu spenden.
Zur Communion' in beiden Gestalten gieng man, war
dieselbe in der Stadt zu empfangen unmöglich, in die Nach-
barschafL '') Dem katholischen Pfarrer verbitterte man das
Leben derart, dass Frank zweimal (1581 und 1587) auf seine
Pfründe resigniren wollte, was jedoch weder der Patron, noch
der Erzherzog zuliessen.
Später pflegten die Leobner ihre Kinder beim Prädicanten
in Traboch taufen zu lassen. Als der Pfarrer 1595 darüber
bei dem Rathe Klage führte und Vergütung des „Abtrages **
forderte, wurde beschlossen, darauf keine schriftliche Antwort
zu geben und würde er um mündlichen Bescheid zum Bürger-
meister kommen, so solle ihn dieser wegen des „unfüeglichen
Begehrens ** abweisen und ihm bemerklich machen, dass er
froh sein solle, wenn man ihn nicht selbst vor das Stadtgericht
belange, weil er sich gegen diese Bürger im Leobner Burg-
frieden ärgerlich benommen hätte. Als 1595 wieder einmal
der Befehl erschien, katholische Bürger in den Rath zu wählen,
wurde dieser einfach bei Seite gelegt und lutherische gewählt.
Als aber endlich 1598 in Graz die Katastrophe einge-
treten war, dass sämmtliche Kirchen- und Schul - Personen
aus Stadt und Land verbannt wurden, da gab auch die
Leobner Bürgerschaft den activen und passiven Widerstand
auf und ihre Stadt war 1599 eine der ersten, welche wenigstens
äusserlich ruhig und willig sich der Gegenreformation fügte.
1) 1538 (26. März) ergieng an den Rath der Befehl, den in der Stadt
umschweifenden Prediger Hans H an n e r (wahrscheinlich ein Leobner
Bürgerssohn) nebst seinem Weibsbilde abzuschaffen. (Act im steir.
Landesarchive.)
') 1586 forderte eine landesfürstlichc Resolution, die Communion nicht
auswärts zu suchen und den lutherischen Schulmeister Mag. Thomas
Gamposser abzuschaffen.
Ruprecht von Eggenberg.
Ein östeneichisoheT HeerfühieT des 16. Jahrhunderts.
▼on
Dr. HanB v. Zwiedineck-Südenhorst.
1 lie Biographie Ruprechts von Eggenberg, welche hiemit
zum erstenmal in annähernder Vollständigkeit der Oeffentlichkeit
übergeben wird, beschränkt sich nicht auf eine gewisse Be-
deutung für die Genealogie oder die Provinzialgeschichte. Die
P<*rsonlichkeit, welche vor Adlern in ihrer öffentlichen Thätigkeit
geschildert werden soll nimmt nicht nur hervorragenden Antheil
AD der B^ründung des Ruhmes und des Einflusses der Familie
Eßgenberg, der mächtigsten, die seit den Cillier Grafen auf
d^m politischen Boden der Steiermark aufgetreten ist, sie ist
nicht nur jnit wichtigen Ereignissen einer der interessantesten
Perioden der steirischen Geschichte innig verknüpft, sie wird
Wh mit Recht unter den besten österreichischen Generalen
des 16. Jahrhundertes genannt, ihr Ruf gieng sogar weit über
<fie Grenzen unseres Staates hinaus und förderte nicht un-
wesentlich das Ansehen, welches die österreichische Waffen-
töchtigkeit in den Jahren genoss, welche dem denkwürdigen
Auftreten Wallensteins unmittelbar vorhergiengen. Namhafte
Kriegsleute der Landsknechtsperiode tragen überhaupt einen
^iversellen Charakter an sich, dies war in den eigenthümlichen
Errichtungen des damaligen Kriegswesens begi'ündet, ihre
— 80 —
Schicksale und Thaten greifen in Verhältnisse ein, die nicht
in unmittelbarem Zusammenhange stehen, das innerste Wesen
der Kriegführung und Heeresadministration jener noch immer
nicht genügend erforschten Zeit wird durch dieselben nach
verschiedenen Richtungen aufgeklärt, manche noch dämmerhafte
Vorstellung gewinnt Leben und Deutlichkeit. In diesem Sinne
düi-fte eine breitere Ausführung einzelner Details in dem
Wirkungskreise und den Beziehungen eines vielseitig verwen-
deten Officiers auch vor Demjenigen gerechtfertigt erscheinen,
der der fortgesetzten Anhäufung von Monographien, Skizzen
und Beiträgen mit einigem Bangen entgegensieht, wenn sie auch
auf der Erschliessung neuen Quellenmaterials beruhen.
In letzterer Hinsicht möge im Vorhinein die Mittheilung
gestattet sein, dass es insbesondere das gräflich Herberstein'sche
Archiv in Graz und das kaiserliche Kriegsarchiv in Wien ist,
denen ich die einschlägigen Acten entnehmen konnte. Das erstere
enthält das ehemalige Eggenberger Archiv als eine für sich
bestehende, abgeschlossene Abtheilung, und darin ein Fascikel
mit ausschliesslich auf Buprecht Bezug habenden Acten. An
diese, sowie eine grosse Zahl von Relationen, Befehlschreiben
und Briefen aus den Jahren 1592 bis 1606, welche ich im
Kriegsarchive vorfand, reihen sich Acten des steiermärkischen
Landesarchi ves und Materialien, welche mir vom Herrn Regierungs-
rath Dr. Peinlich, vom Herrn P. v. Radics und dem k. k.
Oberlieutenant B e ck h von Widmanstettenin freundlichster
Weise zur Verfügung gestellt wurden. *) Ausser den genannten
*) Von grösseren Druckwerken und Abhandlungen konnten berücksichtigt
werden :
Khevenhiller, Annales Ferdinande!.
Jacob! Franc! historia quinquennalis 1590 — 1595.
Ortelius redlvivus et cont!nuatus, oder Ungarische und siebenbür-
gische Ejiegshändel, so vom Jahr 1395 bis auf 16G5 mit dem Türken
fürgelaufen. Frankfurt. Dan. Fievet 1665. Derselbe enthält auch ein
Porträt Ruprechts von Eggenberg.
Decius Baronins Magyar historiäja 1592—1598 (Mon. Hung. hist.
Script. XVII).
Valvasor, Ehre Krains IV.
- ftl —
Herren f&hle ich mich verpflichtet an dieser Stelle Dank zu sagen
dem Herrn Sigmund Grafen von H e r b e r s t e i n , der mir den
Besuch seines Hausarchives in ausgedehntester Weise ermög-
lichte, dem Herrn Landesarchivar Professor von Zahn, sowie
«len Vorständen und Beamten des k. k. Kriegsar-
fhives. Nähere Angaben über Charakter und Fundort des in
dem nachfolgenden Aufsatze verwertheten Quellenmaterials sind
dem Texte angefügt Ich habe auch diesmal nicht selten die
QyeDen selbst sprechen lassen^ indem ich davon überzeugt bin,
(hss dadurch ein Hauptzweck der Geschichtschreibung, dem
lohenden Geschlechte die handelnden Personen der Vergangenheit
plastisch vor Augen zu führen, wesentlich gefördert wird ; dabei
var ich bestrebt, die Schreibung möglichst der modernen Ortho-
s^phie anzupassen, ohne der Stylisirung, die an sich charak-
teristLsch ist, Gewalt anzuthun.
Graz, im Februar 1878.
Y. Zwiedineck.
M. 6. Eovachich, Script, rer. Hnng. minor. Tom. I.
£rsch nnd Grober, Enciclopädie, Artikel „R. v. Eggenberg" (v.
Stimmberg).
Richter, Illyrische Grenzhelden in Hormayrs Archiv, 1819.
Hurtcr, Geschichte Ferdinand II. und seiner Eltern.
Ilwof, „EinfAlle der Osmanen in Steiermark«. (IV. 15. Heft der
Htttb. des hist. Ver. für Steierm.)
Höniscb, Ruprecht von Eggenberg (Grazer Zeitung v. 9. Aug. 1873).
lll«li*il. <!«■ bist Vereine« f. Steiermark. ttVI. Ilefl, 1078. ^
— 82
L
Abstammung. Kriegsdienste in den Niederlanden,
am Rheine und in Frankreich.
Ruprecht gehört der älteren Linie des Hauses Eggenberg
an, als dessen erster nachweisbarer Repräsentant Ulrich Eggen-
berger, Bürger zu Graz und Radkersburg (f 1448) bezeichnet
wird *). Dessen Söhne Hans Eggenberger, Bürger zu Radkersburg
(f 1481), und Balthasar, Bürger zu Graz und Münzmeister
Kaiser Friedrich HI. (f 1493), sind die Stammväter der beiden
Linien, deren jüngere in der vierten Generation den Fürsten-
hut und den Herzogstitel erwarb, um nach abermals vier
Generationen, die den Geschlechtem der deutschen Reichs-
fürsten beigezählt wurden und mit denselben in verwandtschaft-
liche Beziehungen traten, dem Schicksale des Aussterbens
anheimzufallen.
Der Enkel des obgenannten Hans war Christof von Eggen-
berg, der in den Jahren 1541 — 43 das Amt eines Landes-
Einnehmers in Steiermark versah und die Herrschaft Ehren-
hausen vom Grafen Georg von Schaumburg käuflich an sich
brachte '^). Er war adelig ^) und mit Benigna Helena Fueger,
<) Zur Verdeutlichung der Familien Verhältnisse, die insbesondere für die
Stellung Ruprechts zu Hans Ulrich von Bedeutung sind, erlaube ich
mir in Beilage II eine Stammtafel der Eggenberger beizulegen, die
zwar noch nicht vollständig genannt werden kann, jedenfalls aber
mehr und Richtigeres, als die bis jetzt bekannten, bietet Nebst meinen
eigenen, waren mir hiefÜr die Notizen des Herrn Regierungsratbes
Dr. Pe inlich massgebend. Siehe darüber auch des Letzteren „Egkenn-
berger Stifft" (Graz 1875). Das Herbersteiner Archiv enthält (L. 4.
43) einen Stammbaum, der überreich an älteren Mitgliedern des Hauses
Eggenberg ist, das bis auf einen Chonradus ab Heggenberg circa
annum 1190 zurückgeführt wird. Derselbe wird einem gewissen Dr.
J. L. Schönleben zugeschrieben und ist von Marcus a Perizhoff un-
terzeichnet, Laibach 27. März 1 688 datirt. Diese Daten, welche jeder
Beglaubigung entbehren, konnten jedoch nicht berücksichtigt werden.
2) !0. Jänner 1543 Verlass-Acten des k. k. Landes-Gerichtes in Graz.
') Die Adelserhebung der Gesammtfamilie oder der einzelnen Linien
^ «3 -
<ier Tochter des Hans Fueger von Melans ^) (Tirol) vermählt.
Als Sprossen dieser Ehe, welche für Frau Helena schon die
vierte war, werden uns genannt: Elisabeth (vermählt 1561 mit
Michael Rindsmaul von Frauheim), Hans Christof, Andreas,
Ruprecht und Barthhn« (Bartholomäus). Die Söhne erbten
& Herrschaft Ehrenhausen zu gleichen Theilen nebst einigen
Holten 5). Der älteste, Hans Christof, übernahm die Verwaltung
m Ehrenhausen und erscheint als Lehenträger seiner Brüder.
Teber die Jugendgeschichte Ruprechts sind keinerlei Daten
whanden. Bemerkenswerth ist nur der Umstand, dass er und
•^iü Bruder BarthlmsB bei der katholischen Religion verblieben *),
während der ältere Bruder Hans Christof, der allgemeinen
Bewegung des innerösterreichischen Adels folgend, zur evan-
?elischen Lehre sich bekannte. Ruprechts Erziehung war
Nenfalls nicht vernachlässigt worden, denn er schrieb ein
sehrcorrectes Deutsch, war auch des Lateinischen und Spanischen
mächtig und macht durch sein Auftreten in späteren Tagen
Wenfalls den Eindruck eines allseitig unterrichteten, gebildeten
ilannes. Die erste sichere Nachricht aus seinem beben stammt
der Eggenberge lässt sich auf keinen Adehbrief zurückführen; doch
ist die Thatsache des adeligen Standes bei den meisten Familien-
Fliedern unzweifelhaft Dafür sprechen insbesondere die Heiraten
mit dnrchwegs adeligen Frauen, sowie der Besitz von landständischen
Gütern und Gülten. Das Wappen mit den drei JElaben, die eine Krone
halten, führte schon Ulrich Eggenberger (s. Epitaphium an der Grazer
Domkirche). Das Epitaphium des Hans Eggenberger in Radkersburg
zeigt ausser diesem auch den Ritterhelm.
^} Epitaphium in der Pfarrkirche von Ehren hausen. Dasselbe nennt als
Oatten der Benigna Helena: Krasmus Schrott, Ruprecht von Herber-
stein, Christof von Mindorf, Christof von Eggenberg, Gregor Stadler
den Jüngeren.
^) Verlass- Acten des k. k. Land.-Ger. in Graz. Theil-Libell vom 1. Mai
1574, In dem Verzeichnisse der Gültpferdo und BUchsenscbntzen
vcm iriß-f erscheint „Herrn Christoflf von Eckenperg Wittib und Erben"
mit 4 Pferden und 20 Schützen veranschlagt Die jüngere Linie „Wölf-
in? Eggenperg Erben"* stellte nur 1 Schützen (Mittheil. d. bist. Ver.
XXV Heft).
*\ Si«»he das Testament Ruprechts in der Beilage T.
— 84 —
aus einer Zeit, in welcher er bereits das 34. Jahr erreidit
hatte. Wir finden ihn da als Hauptmann in spanischen Diensten
unter den Truppen Alexander Farneses in den Niederlanden.
Er mag sich wohl schon frühzeitig den Kriegsdienst zum Lebens-
beruf gewählt haben. Wenn man ein von ihm beeinflusstes
Schriftstück aus späterer Zeit berücksichtigt, so wäre er bei-
läufig im Jahre 1572 in spanische Dienste getreten. In diesem
Falle war seine Betheiligung an dem Kriege gegen die i)ro-
testantischen Niederländer nicht einem Zufalle zuzuschreiben,
sondern ein wohl berechneter Schritt, der geeignet war, ihm
Ansehen und grössere Bedeutung zu verschaffen, als wenn er
unter dem Banner des Kaisers oder der steirischen Landschaft
seine militärische Laufbahn an der Grenze gegen die Türken
begonnen hätte. Die Spanier galten damals als die ersten
Kriegsleute der Welt, die Wechsel vollen ^.Impresen'* in d(^n
Niederlanden boten Gelegenheit, sich sowohl für den Kamj^f
in offener Feldschlacht, wie für den Festungskrieg auszubilden.
Die Kunst der „Artollerey" war bei ihnen zur höchsten Voll-
kommenheit • gediehen. Der Prinz von Parma selbst war als
Meister der Kriegführung berühmt, unter ihm zu dienen war
ehrenvoll und lehrreich; er wird als der Begründer einer
Schule der Kriegskunst angesehen, deren hervorragendster
Vertreter nebst Georg Basta unser Ruprecht geworden ist.
Das Document, durch welches seine Anwesenheit in den
Niederlanden zuerst festgestellt wird, ist ein Schuldbrief, welchen
Alexander Prinz zu Parma und Piacenza, Sr. Majestät zu
Hispanien Gubernator - General der Niederlande dem Grafen
Florens von Barlaymont, als Obersten eines Regiments von
11 Fähnlein am 11. August 1580 ausgestellt hat, wonach
diesem und seinen Haupt-, Befehls- und gemeinen Kriegsleuten
in drei und zwei Jahresraten die Summe von 717.329 Gulden,
18 Stiber in Frankfurt a M. ausgezahlt werden sollen ").
') Herbst. Arch. Eggb. h 3. 24. Die Copia, welche sich Ruprecht aus-
fertigen h'ess, ist vom Grafen Barlaymont am 28 Mai 15S3 zu Namnr
ftusgcstellt
— 85 —
Rapieclit von Eggenberg erscheint darin als Hauptmann mit
mm Guthaben von 23715 Gulden, 19 Stiber (jeder Gulden
11 15 Batzen oder 60 Kreuzer gerechnet). Ein zweiter Schuld-
brief von demselben Tage im Gesammtbetrage von 55258 Gulden
^clireibt dem Rui>recht von Eggenberg 5448 Gulden zu. Diese
I'-^tri^'e enthalten zwar nicht ausschliesslich den persönlichen
Verdienst Ruprechts, sondern auch den Sold für die Knechte
mes Fähnleins, es ist aber mit Bestimmtheit anzunehmen,
Jass der grössere Theil davon auf ihn entfiel, denn die Kriegs-
itiute jener Zeit verstanden sich auf Berechnungen zu ihrem
Vortheil und wussten die momentane Zahlungsunfähigkeit ihrer
Kriegsherren, von der auch der König von Spanien trotz der
^^illierminen von Peru nicht verschont blieb, gehörig auszubeuten.
Im sicher zu gehen, cedirte Ruprecht schon wenige Monate
imach seine Forderung an das Bankhaus Fugger gegen eine
iVschalsumme von 15000 Gulden ^). Die Fugger hatten jeden-
Wls Mittel, sich bezahlt zu machen, doch scheint es nicht,
ils ob Ruprecht die Summe sogleich erhalten habe. Dagegen
spricht zunächst der Umstand, dass er sich fast 2 Jahre später
ß^Hrh eine Copie des Schuldbriefes ausstellen Hess und dass
^r noch lange, nachdem er den spanischen Dienst verlassen,
lie Realishiing seiner Forderungen zu betreiben genöthigt war.
Ein Jalir darnach wurde Ruprecht zum Obrist-Lieutenant
*-ines neu zu werbenden Regiments von 10 Fähnlein ernannt,
'las den Namen des Prinzen von Parma führen sollte ^). Können
^ir schon daraus den Schluss ziehen, dass der Eggenberger
'lern Prinzen von Parma bereits näher getreten war und dessen
Vertrauen erworben hatte, so erhellt dies noch deutlicher aus
Jer Mission, die ihm im Frühjahre 1582 zu Theil wurde. Das
Iranische Regiment Gonzaga wurde damals zu einer besonders
nichtigen, geheimnissvollen Expedition bestimmt, deren Ziel
Dicht angegeben wird. Eggenberg erhielt den Auftrag, das
) Vergleichsurkuode, von Ferdinand Freiherrn von Fugger ausgestellt,
16. October 1580 Verlass- Acten des Land -Ger. in Graz.
*} Decret vom 26. Aug. 1581. Herbst. Arch. Eggbg, L. 3. 24.
— 86 —
Regiment für dieselbe zu gewinnen. Die betieffende Ordre '•')
enthält folgende Punkte:
1. Obrist-Lieutenant Eggenberg soll den Hauptleuteu des
genannten Regimentes den Auftrag des Prinzen auseinandersetzen
und denselben nach seinem Ermessen begründen. 2. Dann soll
er sie auch mit dem vom Prinzen mündlich ertheilten Befelil
bekannt machen, damit die Hauptleute die Knechte bearbeiten,
auf dass diese willfährig werden, i^dass sie dem von Eggenberg,
den sie zuvor längst kennt haben, in seinem Vor-
tragen Folge thun und leisten''. 3. Das Regiment soll aus-
drücklich versprechen, während der Dauer des hochwichtigen
„Anschlages** im Dienste zu bleiben. 4. Für den Unterhalt
werden für 25 Tage und je ein Fähnlein 300 Gulden Kronen
erlegt und nach Verrichtung des ;, Anschlages"* 2 Monatsold
baar bezahlt 5. Sollte das Geld nicht gleich zur Hand sein,
so wird dem Regiment ein Quartier angewiesen, wo es die
Zahlung erwarten soll. 6. Für Proviant und Vorrath im Lager
wird genugsam gesorgt werden.
Im Jahre 1584 war Ruprecht mit dem spanischen Suecurs
unter dem Grafen von Arenberg zur Belagerung von Bonn
abgerückt Bonn war der Hauptwaifenplatz des Erzbischofs
von Göln aus dem Hause Truchsess von Waldburg, der der
schönen Agnes von Mansfeld zulieb evangelisch geworden war
und gestützt auf die protestantische Auslegung des Augsburger
Religionsfriedens sein Erzbisthum in ein weltliches Territorium
umwandeln wollte. Herzog Ernst von Baiern, der von katho-
lischer Seite zu seinem Nachfolger in der Würde und den
Besitzungen des Erzbisthums gewählt worden war, belagerte
Bonn mit spanischen Hilfstruppen. Ruprecht von Eggenberg
commandieile dabei die Artillerie und nahm an den Bemühungen
der Spanier Theil, die ohnehin schon entmuthigte Besatzung
von Bonn zur Uebergabe der Festung zu veranlassen. Er und
der Graf von Arenberg „Hessen sich oftmal bei Nacht und
Tag bei der Ringmauer finden und hielten mit der Wacht
'() Decrct vom 2. Mai 1682. Ebendaselbst
-> 87 —
Sprach'* ^0- Der Erfolg blieb nicht aus ; die Besatzung, welche
^on Ernst von Baiern Bezahlung ihrer Rückstände hoffte, nahm
den Befehlshaber Carl Truchsess gefangen und öffnete den
Baiem die Stadt
Es ist begreiflich, dass man in der Heimat auf Ruprecht
aufmerksam wurde uud dass man seiner auch am Hofe des
Erzherzog Carl rühmend gedachte. Dieser aber, der sich der
Wehrhaftmachung seiner innerösterreichischen Lande mit so
riel Ernst und Hingebung gewidmet hatte, musste wohl darauf
Ijedacht sein, Männer von der Tüchtigkeit Ruprechts nicht
$3112 dem Dienste des Vaterlandes entziehen zu lassen. Er
trug demselben daher eine Stellung an, die ihn verpflichtete,
in Tagen der Gefahr an der Vertheidigung Steiermarks gegen
den Erbfeind iheilzunehmen und es ihm dennoch ermöglichte,
so lange man seiner nicht dringend bedurfte, unter den spa-
nischen Fahnen Ruhm und Gut zu erwerben.
Erzherzog Carl hatte un Jahre 1574 die Befestigung der
Stadt Graz, seiner Residenz, begonnen und dieselbe durch
grossartige Bauten auf dem Schlossberge zu einem festen Platze
eisten Ranges gemacht Zum ersten Hauptmanne dieses « Haupt -
Schlotes Grätz*' und Hauptmanne der Leib-Guardi wurde nun
Rnprecht von Eggenberg bestellt. Die Instruction für das neu
geschaffene Amt, welche der Erzherzog am 1. Januar 1585
eriiess *^, motivirt die Ernennung Ruprechts durch das „gnä-
dige Vertrauen, sowie in Bedenkung seiner uns bekannten
Bedlichkeit) Schicklichkeit und aufrichtigen getreuen nützlichen
IKenste'' und normirt seinen Gehalt mit 1500 Gulden und
80 Gulden Beheizungspauschale jährUch. Sie enthält zugleich
die Zusicherung, dass er in des Königs von Spanien oder
anderen des Hauses Oesterreich Diensten eine Oberstenstelle
|<; KlieTenhiUer, Ann. Ferd. T. ü. 822.
*^ Berbent. Arcfa. Eggbg. L. 8. 24. Den Inhalt der Instruction, welche
in aasfthrlicber Weise die Obliegenheiten dieses Dienstes auseinander-
setzt, der tbeils militärischer Natur war> theils den Charakter eines
Hofamtes trag, werde ich seinerzeit an anderer Stelle zu besprechen
haben.
— 88 —
annehmen dtlrfe, „wofern wir änderst dann dazumal seiner
Person nidit selbst unentbehrlich bedürfen und fttglich cut-
rathen könnten**, unter der Bedingung, ,,dass er mitlerweil
seines Aussenseins und bis auf die Zeit, so wir ihm bestimmt,
mehrbertthrte beide Hauptmannschaften durch taugliche qiiali-
flcirte, uns dazu annehmliche Personen verwalten lassen möge,
ihm auch inzwischen obstehende seine deputirte Besoldung
einen als den andern Weg fortlaufen solle ^. Mit den beiden
vereinigten Hauptmannschaften erhielt Eggenberg zugleich den
Titel eines erzherzoglichen Rathes, den er bis zu seinem Ende
führte. Ob Ruprecht im Winter 1584 — 85 in Graz anwesend
war und den bezeichneten Posten thatsächlich angetreten hat,
lässt sich nicht mit Bestimmtheit behaupten ; doch ist es nicht
unwahrscheinlich, da er erst 1587 wieder in den Niederlanden
als Träger eines hohen Amtes genannt wird.
Auch von spanischer Seite suchte man den Eggenberger
sich zu verpflichten, denn es wurde ihm zugleich mit den
beiden Söhnen des Erzherzogs Ferdinand von Tirol, dem Cardinal
Andreas von Oesterreich und dem Markgrafen Carl von Burgau,
von welchen der erstere 9000, der letztere 4000 Ducaten er-
hielt, eine Jahrespension von 500 Ducaten ausgesetzt und ihm
der Oberstentitel verliehen ^^).
Im Frühjahre 1587 war Ruprecht jedenfalls wieder in den
") KbevenhiUer, Ann. Ferd. T. IL Die Bewilligung dieser Pensionen
wird der Intervention des kais. Gesandten am Madrider Hofe, Grafen
Khevenbiller zugeschrieben. Damacb scheint die Doppelbestallong des
Eggenbergers die Frucht eines Uebereinkommens zu sein, welches
die beiden habsburgischen Linien geschlossen haben, um diese tüchtige
Kraft ihrem Dienste zu sichern. — Am 20. December 1588 bevoll-
mächtigte Ruprecht von Eggenberg vor dem kgl. Notar Peter van der
Uove in Brüssel seinen Geschäftsfreund „Danielem Retclesium ner-
catorem, moram trahentem in nobili emporio et dvitate Antwerpiensi'^
zur Empfangnahme dieser Pension. Als Zeugen waren gegenwärtig:
Dms. Bemardinus Baro de Herberstein, liudovicus Baro de Crikinghen
et Emanuel de Montbroot. Legalisirt ist die Urkunde durch Ferdinand
de Salinas, Reg. Cath. Mtis. Gonciliarius et magister libellorum
supplicorum in suo supremo consilio.
— 80 -
Xiederlanden. Am 24. Mai stellte ihm der Herzog von Parma
•Jas EinennuTigsdecret als Oberster eines Regiments hocli-
ileuti<cben Kriegsvolks zu Fuss von 12 Fähnlein aus. Jedes
Fähnlein sollte 300 Mann stark werden und die Bestallung
•*) Monate dauern. Würde das Regiment vor oder nach Ablauf
der 6 Monate beurlaubt, d. h. entlassen werden, so sollten
die Officiere und Knechte einen halben Monatssold Abzuggcld
hekommen. Der Sold für den gemeinen Knecht war nach der
in j^amz Deutschland geltenden Norm mit 4 Gulden rheinisch
iür 1 Monat bemessen. Durch die Ernennung zum Obersten
war Ruprecht zunächst zur Anwerbung des Regimentes ver-
pflichtet, das ja noch nicht bestand ; der Bestallungsbrief galt
zi^leich als Werbepatent und diesem wurde ein genaues
Yerzeichniss aller Aemter, Befehlshaber und Parteien und
deren Bezüge beigegeben, zu deren Auszahlung sich der Kriegs-
herr, der König von Spanien und an dessen Stelle der Herzog
von Parma, verpflichtete *^). Für seine Person erhielt Eggen-
l>erg 400 Golden monatlich.
'^ Herbst. Arcb. Staat und Yerzeichniss, was Ihr Kön. Mait. zu Hispanicn,
mein Allergn&digster lieber Herr zn Unterhaltung und Besoldung
onsers besonders lieben Ruprechten von Eggenberg zu Ebrenhausen,
flSrstl. Durchlaucht Erzherzogs Carl's zu Oesterreich Rath, dero Leib-
guardi und des fürstlichen Haupt Schloss Graz Hauptmanns, als
Ihrer Maj. Obrister ttber ein Regiment hochteutsches Kriegs-Yolks
zn Fuss
Erstlich auf gedachts Obristen Leib- und Tafelgeld 400 fl , auf
einen Caplan, den er zu halten schuldig sein solle, 8 fl., auf einen
Schreiber 8 fl., auf 8 Trabanten 32 fl., auf einen Pfeifer und Trummcl-
scUäger 16 fl., G gemusterte Pferd 72 fl., einen Reisewagen 24 fl.,
einen Dolmetschen 8 fl., den Obrist Lcutenant 100 fl., dessen 2 Tra-
banten 8 fl., einen Profosen 40 fl., dessen Caplan 8 fl., Schreiber 8 fl.,
4 Trabanten 16 fl., des Profosen Leutenant 20 fl., dessen 2 Trabanton
5 fl., 8 Steckenknecht 82 fl., einen Stockmeister 8 fl., einen Nach-
ricbter 16 fl., dem SchuUheissen 40 fl., dem Gericht Schreiber 8 fl.,
10 Gerichtsleute 40 fl., einen Gerichtsweibel 4 fl., einen Trabanten
des Schultbeissen 4 fl., einen Wachtmeister 40 fl., dessen Trabanten
4 fl., einem Quartiermeister 40 fl., dessen Trabanten 4 fl., einen
Obristen Feldscheer B2 fl., einen Proviantmeister 32 fl., einen Hurer-
— 90 —
Auch diesmal war Eggenberg bestimmt, an einer Expedition
gegen Bonn theilzunehmen. Dort Iiatte sich der Parteigänger
Martin Schenk festgesetzt, nachdem er die Besatzung des
neuen Erzbischofs, des Herzogs Ernst von Baiem, vertrieben
hatte *'). Der Heraog von Parma schickte den Prinzen von
Simay, Carl von Croy mit 6000 Mann zur Belagerung des
Platzes ab. Unter ihm commandirten die Obersten Spineli,
Samblemont, Eggenberg und Don Juan de Cordua mit 300
leichten Pferden. Bei der Belagerung selbst war auch Oberst
Verdugo thätig. Ein allzuiascher Angriff brachte die Belagerer
in grosse Unordnung. Da legte sich Eggenberg mit seinem
Regiment „an die Schantz*' und unterhandelte mit den von
Martin Schenk geworbenen deutsclien Knechten mit so gutem
Erfolge, dass sich die Stadt ergab. Darauf zog Eggenberg
unter dem Grafen von Mansfeld (dem Vater des im 30jährigen
Kriege berühmt gewordenen Ernst) gegen die Stadt Wachten-
donk, nach deren Einnahme sein Regiment abgedankt wurde.
Die Knechte desselben fanden jedoch sofort wieder Beschäftigung :
sie wurden von der Liga in Frankreich geworben, die gegen
den König von Navarra im Felde lag.
Im Sommer 1591 beschloss Alexander Farnese, persönlich
der haltbedrängten Liga zu Hilfe zu kommen. Er wollte Ronen
entsetzen, das von Heinrich IV. und den deutschen Hilfsvolkern
unter Christian von Anhalt belagert wurde. Eggenberg erhielt
im Mai den Auftrag, ins Reich zu gehen und eine Fahne
Reiter zu 300 Pferden zu werben ^ % Nicht ohne Schwierigkeit,
da ihm die Pfalz den Durchzug verweigerte *•), gelangte er
auf den Musterungsplatz im Limburgischen '^ und zog dann
weibel 4 ü. Summa Sammarum aller obbeschriebenen Posten dieses
Staats auf einen ganzen Monatssold thut 1084 Qalden." Die 10
Feld^aibel wurden aus den Überschüssigen Sölden ,,gntgemacht".
^^) KhevenhiUer, Ann. Ferd. T. III. 644 ff.
««) Herbst. Arch. L. 3. 24.
1^) Ebendaselbst Siehe auch den folgenden Brief des Herzogs von Parma
an Erzherzog Ernst
**) Ebendaselbst
— 91 -
dem Herzoge nach. Die Ligisten in Ronen waren schon im
Begriffe, mit dein Könige von Navarra zu unterhandeln, als
die Na«hricht von dem Anzüge ParnicVs zu ihnen gelangte.
Sofort standen sie wieder davon ab ^% Parma hatte den Oberst
Eggenberg vorausgesendet, um Proviant in die Stadt zu bringen.
E^^nberg hatte '70 Pferde und ein „starkes Geleit" bei sich.
Die Protestanten legten ihm aber bei Capelle einen Hinterhalt,
nahmen ihm die Proviantwagen ab und „schlugen den mehrer-
theil todt Der Colonell selbst entkam mit aller Noth, nachdem
er sich tapfer gewehrt ^^).
Nach mehrfachen Kämpfen um Bouen erlitten die Spanier
im April 1592 eine bedeutende Niederlage und waren in Folge
grossen Mangels an Geld und Proviant genöthigt, in die Nieder-
lande zurückzuziehen. Eggenberg folgte dem Herzoge von Parma
dahin und musste volle 3 Monate zuwarten, bis er das Geld
erhielt, um sein Kriegsvolk befriedigen zu können. Nachdem
dies g^chehen, kehrte er in die Heimat zurück, von der er
länger fem geblieben war, als er in Anbetracht der Aemter,
die er dort zu versehen hatte, rechtfertigen konnte. Der Prinz
von Parma, dessen Vertrauen er im hohen Grade erworben
Iiatte, richtete daher ein eigenhändiges Schreiben an den Erz-
herzog Ernst, der seit dem Tode Erzherzog Carl's die vor-
mundschaMche Regierung in Innerösterreich führte , um
Eggenbergs wieder Erwarten ausgedehnte Abwesenheit zu
rechtfertigen. Ich theile dasselbe, da es als ein besonderes
Zeichen der Anerkennung und als Empfehlungsbrief betrachtet
werden muss, in Folgendem mit ^^):
An Darchleuchtigen Hochgeborncu Fürsten Uerni Ernsten,
Erzherzogen zu Oesterreich , Herzogen zu Bargond, Steyr,
Kärnten, Crain and Wirtenberg, Grafen zu Habsburg und Tyrol,
Unsem freundlichen lieben Herrn und Vettern.
'^ Jacobi Franc! Historia quinquennalis 1590 -95.
") Ebendaselbst und bei Khevenhüler, Ann. Ferd. T. III 929, der dem
Berichte des Jac. Franeus fast wortgetreu folgt.
*0 HeriMt Aich. L. S. 24.
— 92 —
Durchleuchtigcr, Ilochgeborncr Füibt, E. L. Miid un&ere
ganz willigen Dienst und was wir mehr Liebs und Guts ver-
mögen zuvor. Besonder lieber Ilerr und Vetter. £. L. werden
sich allen Zweifels ohn noch guter massen zu entsinnen wissen,
als wir nächst verwichuen Jahrs von der Egl. Maiestät zu
Hispanien, unscrm gnädigsten Herrn, Ihref Kriegsmacht mit
einer Anzahl Reiter und Knecht zu starkem Befehl, und unter
Andern den Gestrengen unsem lieben besondern Ruprecbten
von Eggenberg zu Ehrenhansen abermals zum Obersten über
zwölfhundert teutscher Reiter und Pferde in Dero Dienst be-
stellt gehabt, und obwol nun dieselbige Eggenbergischen Reiter
im heiligen Reich durch etzliche Ihrer Maj. Abgtlnstige also
behindert und aufgehalten worden, dass er Obrister nur mit
einer ringen Anzal dieser Ends angelangt, So hat er dannoch
seine bereitwillige Dienstbarkeit im letzt verrichten Feldzug
in Frankreich und Entsetzung der Stadt Ronen mit seiner
persönlichen Gegeuwärtigkeit unter uns bezeugen wollen. Und
seithero wir wiederum aus Frankreich hieher angelangt, iu
Verfolg sein und seiner Reiter praetension und Forderung
auch über drei Monat alhie zubringen müssen.
Wann uns aber gedachter von Eggenberg Oberster jetzt
und zu mehrmalen hiebevon unterthänig zu erkennen geben,
wie er von weiland des Durchleuchtigen Ilochgebornen Fürsten
Herrn Carls Erzherzogen zu Oesterreich hochseeliger Gedächtnis
hinterlassener Junger Herrschaft solche Aemter und Befehl
trüge, da sein langwieriges Abwesen E. L. als Administratorn
derselben Oesterreichischen Länder zu Ungnaden und Misfallen
besorglich gelangen möchte, wann wir ihm nicht unsere attesta-
tion über bedeutetes sein ehrhaftes langes Ausbleiben an £. L.
erth eilen wurden. Hierum ersuchen E. L. wir hiemit freundlich
die wolle des von Eggenberg Obersten aus angedeutten Hin-
derungen verursachtes Abwesen nicht allein in keinen Ungnaden
und Unguten vermerken, sondern ihn denselbigen seines tapfern
Gemüts, treflFlicher guter Kriegserfahrung und mehrerer Adelichen
Tugenden halber in allen seinen vorfallenden Sachen zu Gnaden
lassen empfohlen sein. Das sind nun E. L. wie inglcichen
— 93 —
and andern freumllirli nnd fleissig zu verdienen erbietig und
derselben olin das zu Bezeigung aller behaglicher Willfahrung
alle Zeit geneigt. Geben zu Spa, den ersten Tag Octobris,
anno 1592.
Alexander Herzog zu Parma und Placenz, Ritter vom
Orden des gülden Felles der Kön. Maitt. zu Hi-
spanien Statthalt er-Gubernator General und Oberster
Feldhauptmann in Niederland
Alex. Farnese m. p.
So schmeichelhaft dieses Schreiben fttr Eggenberg lautete
und so sehr er mit der Form seiner Entlassung aus spanischen
Diensten zufrieden sein konnte, so unangenehm musste es für
ihn sein^ dass es ihm nicht gelungen war, eine Befriedigung
seiner Geldforderungen noch bei seiner Anwesenheit in den
Niederlanden zu erreichen. Es ist nicht zu zweifeln, dass die-
selben sehr bedeutend waren, nachdem Ruprecht von Eggenberg
wie fast alle seine Standesgenossen damaliger Zeit, es sehr
gfit verstanden hat, die geschäftliche Seite des Kriegswesens
mit Vortheil zu pflegen. Die Gelegenheit hiezu war im reichsten
Masse geboten: Oberst und Hauptleute waren die Unter-
nehmer der Werbung, mit allen möglichen Mitteln und Prak-
tiken ausgerüstet, um sich den Sold für Leute zahlen zu
lassen, die entweder gar nie, oder doch nur wenige Tage bei
der Fahne waren. Je unregelmässiger die Zahlung war, je öfter
die Herren Officiere mit eigenen Mitteln aushelfen mussten,
desto oberflächlicher war die Controle, desto kühner waren
die Rechnungen, welche den Zahlmeistern vorgelegt wurden.
Selbstverständlich beeilten sich die Kriegsherren ihrerseits
nicht, solche Rechnungen zu liquidiren ; es kam äusserst selten
vor, dass sich die Gläubiger nicht irgend einen Abzug gefallen
lassen mussten, um nur überhaupt zu einem Gelde zu gelangen.
So ergieng es auch Herrn Ruprecht, obwohl er alle Hebel in
Bewegung setzte, um die Spanier zur Zahlung zu bewegen.
Sein Landesherr, Erzherzog Ernst von Oesterreich, richtete
selbst ein Schreiben an den König von Spanien, in welchem
er auf die zwanzigjährigen Dienste Eggenberg's „tarn in classc
— 94 —
maritima, quam in Inferiori Germania^ und auf seine Be-
mühungen bei der letzten Werbung hinwies. Er habe dabei
grosse Auslagen gehabt, die ihm in keiner Weise ersetzt worden
seien und vom Herzoge von Parma nichts anderes erreicht,
als dass ihn dieser an den König gewiesen habe. Der Erz-
herzog intercedire daher nur desshalb, damit dem Eggenberg
der erwachsene Schaden wenigstens vergütet werde ^'^). — Die
Wirkung dieses Schreibens scheint keine befriedigende gewesen
zu sein, denn in späteren Verhandlungen Eggenbergs mit dein
Kaiser wird ihm mehrmals die Zusicherung gegeben, man
wolle seine Abfertigung bei der Krone Spanien betreiben.
IL
Kriegszustand in Innerösterreich. Türkenkriege von
1592 und 1593 bis zur Sehlackt bei Sissek.
Als Ruprecht von Eggenberg im Herbste 1592 in die
Heimat zurückkehrte, um von da an in dieser einen seinen
Kenntnissen und seinem Rufe entsprechenden Wirkungskreis
zu suchen, schwebten die innerösterreichischen Lande, mit
deren Verwaltung auch ein Theil des von den Türken be-
drohten Grenzgebietes, nämlich die „windische und crabatische
Gränze** verbunden war, in grosser Kriegsgefahr. Der 1590
verstorbene Erzherzog Carl von Innerösterreich hatte zwar
mit dem grössten Eifer die Verbesserung des trostlosen Ver-
theidigungszustandes angestrebt, in welchem er seine Lande
beim Regierungsantritte antraf, seine unausgesetzte Thätig-
keit^^) war auch nicht ohne Erfolg geblieben; dennoch hatte
'*^ Herbst. Arcb. L. 3. 24. „Copia eines Schreibens, so Erzherzog Ernst
von Oesterreicb ibm Ruprechten Ton Eggenberg Obristen an die kön.
Mt. aus Hispanien getban. 1. Februar 1598."
^^ Eine eingehende DarsteUung derselben mfisste mit den gesammten
politischen Verhältnissen Innerösterreicbs in Verbindung gebracht
werden. Dieselbe würde in den Rahmen dieses Aufsatzes nicht passen ;
ich hoffe jedoch, in nächster Zeit diesen Gegenstand selbstständig
behandeln zu kCmnen.
- 96 -
eben nur das Allernothwendigste ins Werk gesetzt werden
höimen, nachdem es an eigenen Mitteln und an ausgiebiger
Hilfe gebrach. Niemand konnte in die Widerstandskralt der
GrenzbiUiser oder des zur Verfügung stehenden Kriegsvolkes
festes Vertrauen fassen, nachdem stets neue Klagen einliefen,
dass da oder dort die Mauern einer Feste eingestürzt, die
•Gebäu*^ im übelsten Zustande seien, Befehlshaber und Knechte
wegra mangelnder Bezahlung davonzugehen drohten und die
tOrkischen Raubexpeditionen unmer schon geglQckt waren und
grossen Schaden an Menschen und Gut angerichtet hatten,
ehe die nöthigen Streitkräfte versammelt waren, um ihnen mit
Erfolg in den Weg treten zu können. Zwar fehlte es nicht
an kohnen Handstreichen und siegreichen Angriffen auf Seite
der christlichen Truppen, sie waren aber niemals entscheidender
Natnr und man konnte das Gefühl nicht unterdrücken, dass
bei einem ernstlichen Angriffe der Türken so ziemlich Alles
auf dem Spiele stand.
Die Friedensschlüsse, welche ab und zu vom Kaiser mit
der Pforte geschlossen wurden, hatten für Innerösterreich und
dessen Grenzländer nur geringe Bedeutung. Führte auch der
Sultan keinen allgemeinen Krieg, so liesen es sich die Sand-
^ks der slavischen und ungarischen Territorien doch nicht
nehmen, auf ihre eigene Faust in das christliche Gebiet ein-
zufaUen und wenn diese Züge auch meist nur den Zweck
liatten, Beute zu liefern, so mussten sie doch in hohem Grade
beunruhigen, da man niemals wissen konnte, wohin und wie
^eit dieselben gerichtet seien. Klagen und Vorstellungen bei
der Pforte waren natürlich gänzlich fruchtlos, nachdem die
Würdenträger in Konstantinopel keinen Anlass fanden, auf
die reichlichen Geschenke zu verzichten, mit welchen die
iberischen Paschas ihre Zustimmung zu dergleichen kleinen
Friedensstörungen erkauften. Für Völkerrecht und politi-
schen Anstand haben die Türken jener Zeit kein Verständniss
gezeigt
Schon im Sommer 1591 hatten die Türken im Gebiete
^on Canischa mehrere Grenzhäuser wef^genoramen und Canischa
— 00 -
selbst bedroht -^), im April 1592 waren sie mit starker Macht
an der Sau erschienen und hatten einen Theil des steirischen
Aufgebots, nämlich die Mannschaften der Viertel Ensthal, Juden-
burg und Cilli, bei Brest, einem gegenüber Petrinia errichteten
Blockhause, am 19. Juli geschlagen '^) Sie machten hierauf
den Versuch, sich Sisseks zu bemächtigen; die Bestechungs-
versuche, welche sie bei den dort gebietenden Agraraer Dom-
herren anstellten, mislangen nicht nur, sondern gaben diesen
Gelegenheit, eine Kriegslist zur Ausführung zu bringen, indem
sie sich scheinbar zur Uebergabe des Platzes anschickten,
.000 Türken in die Festung einliessen und dann nieder-
machten •*). Die Niederlage bei Brest rief in den bedrohten
Ländern eine furchtbare Aufregung hervor. Nach allen Seiten
wurden dringende Mahnungen um Hilfe gerichtet Erzherzog
Ernst, der Kaiser und die steirische Landschaft schickten
. Gesandte an die Reichsstände, an Salzburg, Erzherzog Ferdinand
von Tirol, nach Schlesien, Oberösterreich u. s. w. Die Ursache
des Unglücks suchte man mit Recht in dem Mangel einer
einheitlichen Leitung und des Zusammenwirkens der ver-
schiedenen Truppen, die an der Grenze zerstreut lagen. Andrec
von Auersperg, der Oberst der crabatischen Grenze, deren
Hut nächst den kaiserlichen und erzherzoglichen Eriegsvölkem
den Krainem anvertraut war, mahnte nachdrücklich, man solle
vereint und nicht „zizelweis' anziehen ** *'). Am meisten fürchtete
man für Canischa, dessen Befestigung noch immer höchst
unvollständig war, obwol seit Jahrzehnten auf die Wichtigkeit
dieses Platzes auf das nachdrücklichste hingewiesen worden
war'^). Der Obderensische Landtag hatte zwar in seiner
**) Jacobi Franc! historia qninqaenn. Frankf. 1596.
2^) Wiener Kriegsarchiv. 1592. 18,2. Wahrhafter Bericht, Anfang und
Ursprung dieses jetzigen Hungarischen Kriegs Behandelt in
zusammenhängender Darstellung die Kriegsereignisse von 1592, 1593
und 1594. Abgedruckt i. d. Oesterr. militär. Zeitschrift (Schels) 1821.
12. Heft.
2^ Ebendaselbst und bei Decius Baronius Magyar instoriäja.
^"O Steir. Landesarchiv. Fase 8 der sogenannten 81 Fase.
^*) Siehe darüber meine Abhandlung „Ueber den Versuch einer Trans-
— 97 —
Session vom April 1592 eine bedeutende Summe als Bauhilfe
lur Canisclia bewilligt; davon war jedoch kaum die erste
Kate gezahlt und diese reichte nicht hin, um rasch alle Schäden
ausbessern und die nothwendigsten Zubauten aufiQhren zu
können ' *). Der Kaiser konnte auch nichts Erkleckliches thun,
der gleichzeitige Einfall der Türken in Ober-Ungarn nahm
seine Mittel ohnehin derart in Anspruch, dass sie bald voll*
standig erschöpft waren. Böse Nachrichten kamen aus Con-
stantinopel. Hassan Pascha, der Sieger von Brest, hatte dort
einen Triumph f](efeiert und der Sultan darüber nicht nur
eine grosse Freude gezeigt, sondern die Misachtung gegen den
Kaiser so weit getrieben, dass er dessen Botschafter, Herrn
Friedrieb Greckowitz sammt dem Botschaftspersonale gefangen
stützen «und ihm allen Despect beweisen^ Hess. Die Voran-
lai^ung dazu hatte der Verrath des Hofmeisters der Botschaft,
LaJislaus Martin von Altenburg in Schlesien gegeben, ;,der
dem Herrn Oratori über die Ziffer und seine geheime Sachen
kommen, dieselben den Türken vertraut und offenbart, er
alier, ein sodomitischer, gottsvergessener loser Bub, wird zum
Türken, lässt sich beschneiden und nimmt eine Türkin** ''').
Diese Vorgänge Hessen es glaublich erscheinen, was allgemeines
Gerede in den Landen war, dass in nächster Zeit ein allge-
meiner Kriegszug der Türken zu erwarten sei. Der gefangene
Ik»tschafler selbst fand Gelegenheit, eine Depesche abzufertigen,
die am 20. März in Prag einlangte und besagte, Sultan
Amurath wolle selbst gegen Wien ziehen " *). Das Kriegsvolk,
welches im Herbst 1592 an der Grenze zusammengekommen
war, scheint überdies nicht vom besten Geiste beseelt gewesen
zu sein. Der Markgraf von Burgau, Erzherzog Ferdinands
^hn, der die kaiserlichen, tirolischen und salzburgischen
Ifttion des deutschen Ordens an die ungarische Grenze'*. (Archir f.
öst Geieh. LVI. Bd. IL Hälfte, pag. 403—445 )
'^; Wiener Kriegsarchiv. 1592 IV. 12.
^ Wiener Kriegsarchiv 1592. I. 1.
-^ Ebendaselbst.
ttithmL de» bist Vercinci f. 8Ulerm«rk. XXVI. B«ft, 1878. 7
— 98 —
HQ&tnippen befehligte, war nach Innsbrack zurQckgekehrt
und hatte seine Leute in ziemlich desperatem Zustande in
Croatien zurückgelassen.
Unter solchen Verhältnissen musste Ruprecht von Eggen-
berg bei seiner Heimkehr als ein Retter in der Noth erscheinen.
Er war der Mann, um an dem zerfahrenen Kriegswesen an
der Grenze zu bessern, was überhaupt unter den gegebenen
Verhältnissen zu bessern war. An Kriegserfahrung und An-
sehen konnte sich keiner der im Dienste befindlichen Befelils-
haber mit ihm messen und man durfte daher erwarten, dass
sie sich ihm gerne unterordnen würden. Dass sich diese Er*
Wartung trotzdem zum Theil trügerisch erwies, werden wir
im Verlaufe der Erzählung leider constatiren müssen. Vor
Allem aber musste er geeignet sein, der gelockerten Disciplin
unter dem Kriegsvolke selbst zu steuern, hatte er doch in
den Niederlanden reichlich Gelegenheit gehabt, unter den
misslichsten Verhältnissen sich zurechtfinden zu lernen.
Erzherzog Ernst sandte den Eggenberger Anfangs Februar
des für diesen zu so grosser Bedeutung bestimmten Jahres
1593 nach Agram '^). Er sollte im Vereine mit Stefan Grass-
wein, Oberhauptmann zu Copreiniz und Verwalter des Obersten
Befehls auf der Windischen Grenze, sowie mit Hans Werner
und Jacob Hannibal von Reitenäu, Obristen „über das Kaiser-
lich und Salzburgisch wider den Erz- und Erbfeind gegen
diesen Windischen und Crabatischen Grenzen zu Hilfe ge-
schickten Kriegs Volk ^ als stellvertretender Commissär des nach
Tirol verreisten „Obristen Leutenant^, des Markgrafen von
Burgau, den „Befehl verwalten*", sich mit dem Obersten „in
Crabaten*' (Andree von Auersperg) und dem „Baan in Windisch -
land**, sowie mit allen Hauptleuten in Correspondenz setzen,
alles Wichtige dem Erzherzog als „General-Obersten^ melden,
in dringenden Fällen jedoch selbst das Nöthige vorkehren,
wenn auch einer von den Commissären von Agram abwesend
'*) Herberst. Arch. Eggenbg. L. 3. 24. Instruction des Erzherzogs an
Jliiprecht Ton Eggenberg.
— Ö9 —
sein sollte. Besonders betont die Instruction, „dass die armen
leut oder Unterthanen durch das Kriegsvolk mit gewaltiger
Hmwegnehmung des Ihrigen nicht beschwert^ und Meutereien
wegen rückständigen Soldes verhindert werden. — Die Be-
stellang von Commandanten unter dem Titel ^yCommissäre**
war eine damals häufig vorkommende Gepflogenheit Die Com-
missäre waren immer unmittelbare Vertreter des Kriegsherrn,
besonders bei der Musterung und Abdankung, wo sie in erster
Linie seine finanziellen Interessen zu wahren hatten. An die
Stelle selbständiger Commandanten treten sie meist dann,
wenn der Kriegsherr entweder den Rang des obersten Com-
loandanten sich selbst wahren will, oder wemi die eigen-
thümliche Zusammensetzung der Heere die Feststellung des
Wirkungskreises eines solchen erschwert Beide Fälle treten
liier em, besonders massgebend dürfte aber eben der Umstand
gewesen sein, dass die kaiserlichen, landschaftlichen und fremden
Ril&contingente nicht leicht ein Obercommando anerkannt
ti^n, wenn dasselbe nicht in den Händen eines Mitgliedes
des kaiserlichen Hauses gelegen wäre. Die Ciommissäre bildeten
mit den selbständigen Befehlshabern der einzelnen Zuzüge
den Kriegsraih, zu welchem häufig noch einzelne Persönlich-
keiten vom Hofe oder von der Landschaft abgeordnet wurden.
Im Torliegenden Falle ist Eggenberg unzweifelhaft zum Leiter
der Kriegsangel^enheiten bestimmt, durch die grössere Zahl
der Conunissäre ist nur der Form Genugthuung geschehen.
In der Wesenheit war Eggenberg mit der Aufgabe betraut,
io die Leitung des Kriegswesens auf dem voraussichtlichen
Knegsschauplatze des nächsten Jahres Einheit und Ordnung
zn bringen.
Am deroutesten war der Zustand der beiden Reitenauischen
^menter, wie aus der Instruction hervorgeht, welche Ruprecht
vofl Eggenberg und Amelreich von Eibiswald, Oberst-Zeug-
iQcist«, erhielten, als sie am 24. April 1593 nach dem Tode
<ies Obersten Hans Werner von Reitenau mit der Musterung
^nd Anszahlung seines Regimentes betraut wurden, dessen
Commando der Oberstlieutenant Jacob von Landenburg über-
7*
299l7r>\
— 100 —
nommen hatte ^'). Die Anordnungen, die da getroffen wurden,
lassen schliessen, dass die mannigfachen Unterschleife, die bei
den geworbenen Landsknechttruppen usuell geworden waren,
auch an der Grenze vorkamen, dass die Befehlshaber weit
mehr Knechte in ihren Listen, als unter den Fahnen führten,
um sich durch die „überschüssigen Solde" zu bereichem. Es
wurde den Commissären aufgetragen, sich durch keinerlei
Vorwände von der Musterung abhalten zu lassen und dieselbe
nach den Registern vorzunehmen, welche die früheren Coin-
missäre Christof Freiherr von Haimb und Alban Grasswein
verfertigt und die beeideten Feldschreiber in Händen haben.
Nachdem durch den verstorbenen Obersten berichtet worden
sei, dass mehrere Fähnlein dieses Regimentes nur 30 odei*
40 Mann stark sind, so soll von Namen zu Namen revidirt
und genau erhoben werden, seit wann die Plätze erledigt
sind. Was die Leute bereits an Proviant oder Munition be-
kommen haben, soll ihnen am Solde abgezogen werden. Die
„Atzungen^, die bei der letzten Abrechnung 4950 Gulden
betragen haben, sind neuerdings auf 10000 Gulden aufgelaufen,
wovon den Haupt- und Befehlsleuten noch gar nichts „aufge-
hebt"^ (abgerechnet) worden sei. Die Commissäre sollen auch
gegen diese nach „Discretion" vorgehen. Das noch übrige
Kriegsvolk soll neuerdings nach Erfordemiss in Fähnlein ge-
ordnet werden; was die Commissäre von den ihnen einge-
händigten 18000 Gulden ersparen, sollen sie dem Feldkriegs-
Zahlamtver Walter Stefan Schmidt gegen Quittung zustellen,
neue Muster-Register in duplo anlegen und über die ganze
Verrichtung ordentlich relationiren. Die Commissäre konnten
ihrer Aufgabe nicht ohne heftigen Widerstand zu finden, ge-
recht werden. ;,Nach folgenden Auszahlen*" entstand eine
Meuterei unter den Reitenauischen Knechten, die zu den
schärfsten Massregeln Anlass gab. Am 16. Mai richteten die
Commissäre ein Schreiben nach Graz, worin sie verlangten,
dass alle Knechte, die ohne Passport ihres Hauptmannes in
*^ Herberst Arcb. Eggenbg. L. 3. 24.
— 101 —
Stidten, Märkten oder Landgerichten betreten werden, ge-
fänglich eingezogen werden mögen.
Diese Angelegenheit konnte kaum geordnet sein, als die
tOrkischen Scbaaren bereits gegen die Grenze heranzogen und
von allen Seiten die Nachrichten eintrafen, dass diesmal nicht
nur der Pascha von Bosnien, sondern auch eine grosse Zahl
benachbarter tQrkischer Befehlshaber am Kriege theiluehmen
werde. Anfangs Mai gieng bereits ein türkisches Streifkorps
Ton 3000 Keitem und 200 Fusssoldaten unter Rustan Beg
bei Petrinia über die Kulpa und begann mit der Verheerung
von Tiiropolien, der Landschaft zwischen Sau und Kulpa.
Sofort wurden die innerösterreichischen Lande zum Anzüge
uk die Grenze aufgeboten. Die ersten am Platze waren, wie
immer, die Krainer '*) unter Andree von Auersperg, Oberst
der croatischen und Meergrenze und Commandant von Karl-
stadt. Von den Steirem waren nur die Besatzungen der
windischen Grenzfestungen unter dem Oberston der windischen
Grenze Stefan von Grasswein marschbereit Das steirische
Aufgebot, 2500 Büchsenschützen oder deutsche Knechte und
30O schwere Reiter, konnte vor einem Monate nicht erwartet
werden. Erzherzog Ernst betrieb die Rüstungen aufs eifrigste.
Er schrieb darüber nach Prag an den Kaiser ddo. 22. Mai ^^):
^Die Kundschafter continuiren noch fort, dass sich Bos-
nensis (der Pascha von Bosnien) zu Kostanowitz samblet und
gegen uns was furznnchmen willens sein soll : unser Herr, der
wehre ihm and zerstöre seine Anschläge ! Die Krainer sein zu
Ross schon angezogen, also halten wir dafür, dass die Karner
(Kärntner) auch ihre Pferd liinabgeschickt : der von Ködern ^ *)
^) Ueber die Organisation der Grenzvertheidigung in Krain siebe: Radios,
die Schlacht bei Sissek, pag. 8, Anm. 8.
*^ Ilandschr. Nr. 8966 der Wiener Hofbibliothek, fol. 581. Diese Handschr.
enthalt eine grosse Anzahl Copien von Briefen nnd Original-Relationen
ans dem Kriegsjahre 1593.
**) Melchior von Redem zu Ruppersdorf, Freiherr auf Friedland, geb.
1556 zu Breslau, Sohn des Friedrich v. Redem, Vicedoms und Kammer-
prindenten in Ober- und Kiederschlesien und der Salome v. Schönaich,
— 102 ~
wird auch gleichfalls dort zu Agram öeiii, desselbigeu gleichen
der Coutc de Montecuculi. Des Rcitcnaurisch Regiment, auch
der Salzburgischcn zweifeln wir etwas ^'). HcrrBaan wird auch
gewiss sein Bestes than. Der Grasswein hat auch Befehl hin-
zuziehen und Volk mitzufahren als viel möglich. Da Herr
Lenkowitsch ^^) seliger so viel Volks etwa gehabt, war er auf
Bauialnka damit gezogen. Unser Herr geh unsern Triumviris ^^)
die Gnad, dass sie es alles wol farkehrcn und waä stattliches
verrichten. Die Steirer haben wir auch stark vennahnt, dass
sie aufs wenigst das Viertl Cilli zu Boss nach Agram schicken ^^). "^
Es fehlte jedoch nicht nur an Mannschaft, sondern auch
an Geld und Proviant für die vorhandene ; so dass das Ver-
trauen auf Gottes Hilfe allein im Stande war, vor gänzlicher
Muthlosigkeit zu bewahren. In diesem Sinne äussert sich auch
der Erzherzog in einem neuen Schreiben nach Prag vom
23. Mai: „summa ipsa si salus vellit, non posset nos calvare,
wo wir nit anders zur Sach thun werden, Gott erbarm's!"
Noch immer wollte man jedoch in Prag an einen form-
lichen Kriegszug der Türken nicht glauben „des Fridstandis
kämpfte in Ungarn und Polen, 1581 in Livland gegen Iwan Wasil-
jewitsch; trat hierauf in die Dienste Rudolf IL und führte 500 schlc-
sische Reiter 1593 als Oberst nach Groaticn. Später diente er iii
Ungarn, starb 26. September 1 600 zu Deutschbrod. Sein Sohn Christiau
nahm am böhmischen Aufstande Theil, focht in der Schlacht am
weissen Berge und wurde geächtet. Die Redern'sche Herrschaft Fried-
land wurde darauf von Wallenstein gekauft. (Hormayr, Taschenbuch;
1825, pag. 185—149. Aufsatz von J. Ritter v. Rittersberg.)
'') Aus den früher angeführten Gründen. Eggenberg hatte aber doch,
wie aus Späterem hervorgeht, einige Fähnlein davon zusammengebracht.
3^) Hans Lenkowitsch von Freienthurn war 1555 Verwalter der obersten
Feldhauptmannschaft an der Grenze, 1557 Oberst; 1564 wollte er
abdanken, Kaiser Ferdinand aber bat ihn, noch ein Jahr im Dienste
zu bleiben. (St. Landesarchiv. A. und E. 6. 1555 und 1557. Land-
tagshandlung 1564.)
'*) Unter diesen ^TriumviriB*' mögen etwa Eggenberg, Auersperg und
Grasswein oder der Baan verstanden sein.
^ Die Gültpferde des Viertels Cilli, welche am nächsten zum Anzüge
— 103 —
luiber'' ; obwohl Hassan Pascha am 25. Mai bereits mit 30.00Ö
Minn bei Wihitsch stand.
Anfangs Juni (nach mehreren Ai^aben am 5., nach der
Rodenischen Relation am 14. dieses Monats) r tickte der Pascha
m Sissek, schlug am rechten Ufer der Kulpa ein Lager und
Hess, nachdem die deutschen Knechte der Sisseker Besatzung
die Uebergabe verweigert hatten, sein Geschütz dahin spielen.
Ue Vorgänge vom Beginne der Beschiessung bis zum An-
vmche des christlichen Heeres schildert am ausführlichsten
eine Relation Andree von Auersperg's * *), deren erstem TheUe,
als vollständig unparteiisch, ich das Wort überlassen zu können
glaube:
aWiewol ich seiner des Bassa Versamblnng willen zeitliche
Kandschaften und absonderlichen Thaten gehabt, hat man doch
vorher seinen Ausbrach, wohin er endlich bemeint sei, weilen
er es anch seinen geheimsten nit vertraut, nit erkundigen mögen.
Inmassen dann zwar sein des Bassa opinionem seines Ausbruchs
willen, weilen er den zweien Beghen, als dem in der Lika und
Hlenena etliche Tag, ehe sie zu ihm gelangt, bei Zaisin ^^)
ZQ erwarten befohlen, selbst contrarice gewesen, nichts desto
weniger, als er Bassa mit seiner völligen Macht, die man auf
50.000 Mann geschätzt, den . . Juni unter Sissek gefallen;
bin ich dessen stracks des andern Tags vom Burggrafen von
ScheHn (Belin) erinnert worden. Weilen ich aber etlicher roasseu
in Zweifel gestellt, ob diesem also oder nicht, sintemal mir
dieserseits weder vom Herrn Baan noch Herrn von Eggenberg,
die es doch vor andern wissen sollen, kein Wort zukommen,
sonderlich aber darum, weil ich gar wenig Tag zuvor Kundschaft
waren. Es waren jedoch nur 67, die man nicht unter ein selbststän-
<iige8 Commando stellen woHte.
^1 EiceDtliche Particularität, wie und was wegs die jüngste des Bassa
in Bossen Niederlag unter Sissek den 22. Juni dieses 93. Jahrs
<brgsngeo. ündatirt. Wiener Hofbibliotbek, Handschr. Nr. 8966, fol«
452-457 (a). Diese DarsteUung scheint eine Yertheidigangsschrift
Aaerqierg'B zu sein. Die mögliche Veranlassung werde ich später zu
^rtem Gelegenheit haben.
^? Vielleiclit Saanna am linken Ufer der Kulpa, nördlich von Petrinia.
— 104 —
von einem Zengger gehabt, der aus der Türkei (anangesehcu
gehabter Bürgschaft) zu Fleiss entloffen, der Bassa wäre mit
Geschütz unter Ottochaz zu ziehen bedacht, also hab ich dem-
nach auf gemeltes Burggrafen von Schelin (obwolen jederzeit
meine Meinung gewest, mit meinem unterhabenden Eriegsvolk,
wo es von Nöthen, zwar meinen Pflichten nach zu jedem Not-
fall das meinig treulich zu leisten) mich mit meiner Ritterschaft
alsogleich von dannen nit erhoben, sondern in all Wog von
gedachten Herrn Baan und Herrn von Eggenberg mehre Gc-
wissheit diesorts erwarten wollen und wie ich nun (neben dem
ich mein Kriegsvolk mittlerweilen in guter Bereitschaft gehalten)
mehrere Erinnerung erwarte, also werde ich gleich den IG.
heniach von Herrn Baan und Herrn von Eggenberg um Hilf
und meinen Zuzug (mit gleich Bericht der Belagerung von Sissck)
ersucht und gebeten, darauf ich mich also meinem hievor gc-
fassten Intento nach im Namen des Allmächtigen den 17. hernach
mit meiner Ritterschaft, denen 200 Crainerischen und 100
Carnerischen Pferden aufgemacht und denselben Tag bis St.
Johann, den folgenden Tag aber bis an die Schanz, so Herr
von Eggenberg an dem Fluss Sau ein halbe Meli von Agram
aufwerfen lassen, gerückt, nach dieser meiner allda Ankunft
haben sich Herr Baan und Herr von Eggenberg also auch der
Herr von Rödern den 19. früh bei mir befunden und mich
der leidigen Beschaffenheit Sissck mit mehreren erinnert.*^
Auersperg verlangte darauf, dass man möglichst rasch
zum Angriff schreite, da er fast gar keinen Proviant habe und
unmöglich im Felde still liegen könne. Wenn ihm der Oberst-
Proviantmeister, Herr Innocenz Moscon, nicht aus Freundschaft
einige hundert Gulden dargeliehen hätte, so dass er jedem
Reiter 2 Gulden hatte darreichen können, so würde er seine
Herreise aus Noth und Unmöghchkeit nicht haben unternehmen
können. Darauf wurde der Marsch gegen Sissek angetreten.
Als man benachrichtigt wurde, dass sich 300 berittene Türken
bei Brescowitz (dies war in der rechten Flanke des christlichen
Heeres) gezeigt hätten, wurde ihnen ein Streifcorps von 400
Reitern entgegengeschickt, das aus 200 Husaren des Baan,
— 105 —
100 krainerischen Husaren unter den Hauptleuten Mikia
Thodiolovitsch und Michael Miharinitsch, und 70 — 80 Monte-
oiculisdien Beitem gebildet worden war. Die Türken wurden
aogegriffen, in die Flucht geschlagen und ihnen 40 Rosse ab-
geDOimnen. Den 20. Juni verweilte das christliche Heer in
Schelin, um auf den Zuzug des Grafen von Serin (Zriny) ^^) zu
varten, der seine Hilfe zugesagt hatte. Da er jedoch nicht
anlangte, zog man am 21. nach Novigrad, schlug ein Lager und
onlnete ,gute Wachten*' an. Die ^eilende Post", es seien
türkische Reiter im Anzüge, alarmirte die Christen, stellte
sich jedoch bald als falsche Nachricht heraus.
Am frühen Morgen des 22. Juni fand ein Kriegsrath statt,
über dessen Verlauf sehr widersprechende Nachrichten vorliegen,
die nur darin übereinstimmen, dass sich zwei verschiedene
Meinangen gegenüber gestanden sind; indem ein Theil der
anwesenden Befehlshaber für, ein anderer gegen den so-
Mgen Angriff sich äusserte. Jedenfalls hat sich schon damals
eine Differenz zwischen Andree von Auersperg und Ruprecht
von Eggenberg ergeben, die sich später zu einer nachhaltigen
Verstimmung gestaltete. Aus diesem Grunde scheint es mir
anch nicht zulässig, über den Verlauf dieses Kriegsrathes
ausschliesslich die Mittheilungen Auerspergs zu Rathe zu
ziehen, die zwar die ausführlichsten, aber durchaus nicht un-
l^faogen sind, sondern das Bestreben zeigen, Eggenborgs
Verdienst an der Einleitung der Schlacht herabzusetzen und
Vorwürfe, die vermuthlich von diesem einigen Befehlshabern
i^emacht wurden, zu entkräften.
Auersperg erzählt *^), er habe gleich nach Tagesanbruch
'lurch den Baan erfahren, Eggenberg wolle zwar bis vor Sissek
)^inabziehen, um das Schloss zu besehen, dann aber sofort
vieder zurückziehen. Er, der Baan, sei nun der Meinung,
^'^i Die Zriny's besasBcn nebst anderen Besitzungen Rann und Csakaturn
und hatten eine selbständige militärische Stellung als Gapitäne der
Morinsel.
**) Wien. Hofbibl. Handschr. 8966,. fol. 452-457. .
— 106 —
dass dieses Vorgehen die Sisseker Besatzung entmuthigen und
das christliche Heer dennoch in die Gefahr bringen könne,
von den Tarken angegriffen zu werden. Auersperg habe nun
Eggenberg zu sich bitten lassen (?) und dieser habe dann
seinen Antrag damit motivirt, dass er für die Röderischen
Reiter und die Reitenauerischen Knechte nicht mit Proviant
vorgesehen sei und nicht länger im Felde bleiben könne, als
die Besichtigung Sisseks erfordere. Er protestire dag^en,
dass ihm der mögliche Fall der Festung zur Last geleg^t
werde. Dem entgegen habe der Baan protestirt, er wolle vor
Gott und der Welt unschuldig sein, wenn durch dieses Hinab-
und Zurückziehen das Haus Sissek verloren gehe.
,,Und dieses ** setzt Auersperg fort „sein beiderseits die
damals fbrgelofifenen beiden Protestationen gewesen, dass ich
aber sagen könnte, wie einer unter uns gewest, der nieht hins^
ziehen wollen und Herr von Eggenberg (als ich ethcher- massen
muss verstehen) dawider protestirt h&tte, davon kann ich,
sintemalen ich kein Wort gehört, nichts reden, dann ich zumal
zum Hinabzag kein einiges Bedenken gehabt, weilen ich eben
derowcgen mit meiner Ritterschaft von Garlstadt gezogen. In
solchen abgehörten zu beiden Theilen hin nnd wider Protestiren,
mit welchen man eine gute Zeit zugebracht, wird endlich von
allen Theilen (die recht Wahrheit zu bekennen) zwar gewiss
nicht aus unerheblichen sondern mehrern und nachfolgenden
Bedenken der Zurfickzug geschlossen, nftmlich weil des Feinds
Macht merklich gross, zudem er seine Brücke schon zum grossen
Yortbeil hätte, wir aber entgegen über 5000 nit stark, zumal
aber mit der Bedürftigkeit für das Volk sonderlichen so weit
nit fürgesehen wären. Eben in diesem hin und wider Wandeln
kommt der allmächtige Gott mit diesem gnädigen Rat inzwischen
und ordnet, dass von Sissek ein eilende Post anlangt, gleich
jetzt sei es Zeit, hinabzuziehen, das Haus Sissek zu entsetzen,
zu erretten oder solches ganz und gar zu überlassen und des
äassersten Verderbens dadurch zu gewarten, weilen es zum
Sturm so ganz und gar, ja solchermassen beschaffen, so dass
auch die,, so drinnen sein, einige Hoffnung haben, dasselbe
— 107 —
Aorh dicben Tag zu erhalten. Auf diese Pobt ohne allen Verzag,
äQi.'h ohne ^weitere fürgchcodc Reden in puncto, inmassen auch
schon alle Ross and männiglich zum Aufsitzen fertig, war das
Hinabrteken geschlossen und von Gott geordnet."
Eggenberg selbst hat sich in seiner Relation über den Vor-
zug am Morgen des Schlachttages nicht geäussert; dagegen
i^chi Melchior von Rodern in folgerder Weise darüber ^ ) :
^Den 21. seind wir auf Novigrad zuzogen, des Morgens,
wekhesist gewesen der 22., als wir fortrücken soUen, haben sich
widerwärtige Ratschläge begeben, indem ctzliche den Fort-
zog ganz und gar widerrathen und allerlei Verhinderungen und
l'ninöglichkeiten praetendirt, die andern aber stark auf den
Fortzag gedrungen.*
Unter diesen „Etzlichen" sind gewiss die croatischen
Befehlshaber zu verstehen, da ja auch Auersperg zugestehen
omss, dass der Baan und die von den windischen Ständen
Anwesenden gegen den „Hinabzug** protestirt haben, freilich
lüit der eigentQmlichen Motivirung, weil Eggenberg ,, stracks"
wieder zurückziehen wollte. Ich kann mich der Ueberzeugung
nicht verschliessen, dass Auerspergs Darstellung eine Ehren-
rettung des Bans und der Croaten auf Kosten Eggenbergs
beEweckte, mit dem Auersperg aus mehreren Gründen riva-
üsirte. Er sticht ja auch sein eigenes Anrücken als ein frei-
williges nnd aus eigener Entschliessung hervorgegangenes er-
H-heinen za lassen, während die t^brigen Relationen, besonders
die E^enbergs, von einer gleichzeitig an den Baan und Au-
ersperg ergangenen Aufforderung von Seite Eggenbergs sprechen.
— Es ist sehr wahrscheinlich, dass Eggenberg vorläufig nur
<lie Lage der Dinge vor Sissek recognosciren und für den Fall,
als dieses sich noch halten könnte, wieder zurückziehen und
^o lange eme feste Position an der Sau beziehen wollte, bis
wenigstens einigermassen für den Proviant gesorgt worden
wäre. Es hat sich später gezeigt, dass der gänzliche Mangel
^>) K. k. Kri^B-Axchiv in Wien. 1698 6. Juli. Relation Melchior von
Bddera's ao den Kaiser.
/
t
/
— 108 —
des letzteren die Ausnutzung des Sieges von Sissek verhindert
hat. Der Baan und die Croaten wollten jedoch überhaupt
nicht vor Sissek ziehen und sind offenbar erst im letzten
Momente dazu bewogen worden. So erzählt auch Khevenhiller^*^; :
„Den 21. Juni haben die Belagerten um eilende Hilf, weil
der Türk ein Pressa (Bresche), dass man ebnes Fuss zu heissen
hineinlaufen, und sie sich nimmer von so grosser Gewalt wehren
könnten, geschrieben, mit protestation, sie müssen sonst die
Festung aufgeben, darauf die Häupter, als Andree von Auers-
perg, Ruprecht von Eggenberg und Melchior von Rödem im
Rat, dass dem Feinde unter die Augen sollte gezogen und er
von der Belagemng womöglich abgetrieben werden, beschlossen. "
Die windischen und crabaüschen Befehlsleute hätten sich erst
auf Zureden der Obersten hiezu bequemt Jedenfalls wäre es
unbegreiflich, warum Eggenberg, dem doch mindestens das
entscheidende Wort gebührte, plötzlich, nach dem Einlangen
der „eilenden Posf* aus Sissek sich fbr die Entsatzschlacht
entschieden hätte, wenn er eine halbe Stunde früher geneigt
gewesen wäre, lieber Sissek aufzugeben, als sich mit den
Türken zu schlagen.
Die Schlacht bei Sissek.^')
Wie schon erwähnt, hatte der Pascha von Bosnien spä-
testens am 14. Juni die Belagerung von Sissek begonnen.
*^)Ann. Fcrd. T. IV. pag. 1094.
<'') Ausser den Monographien über die Schlacht bei Sissek vonRadics
(Laibar.h 1861) und Peinlich (Graz 1868), sowie dem schon er-
wähnten n Wahrhaften Bericht" liegen mir vor die ebenftills schon
genannte Relation Auersperg's, femer ein „Extract eines Schreibens
aus Wien so Herr Andreas von Auersperg an Herrn Ungnaden wegen
jüngst bei Sisseg türkischer Niederlag gethan, ddo. 8. Juli, die Re-
lation des Gurriers, so aus dem Lager von Sissek durch Herrn Ru-
prechten von Eggenberg an die Fürstl. Dl. Erzherzog Erast abgefertigt,
ddo. 28. Juni, die Relation Ruprechts von Eggenberg an Erzherzog
Mathias in Wien, ddo. 28. Juni, die Relation Melchior's von Rödem
an den Kaiser, ddo. 6. Juli (sftmmtlich im Wiener Kriegsarchiv) und
eine Handschrift: Geschichts-Erzfthlung und Beschreibung der wun-
derbaren . . . Victoria unter Sissek in Windischland, den 22. Juni 1593.
— 109 —
war damals keine Stadt, sondern ein festes Scbloss, das
fkm Agramer Capitel gehörte und bisher grösstentheils nur von
den Domherrn und zusammengeraiFtem Landvolk vertheidigt
vorden war. Schon 1576 hatten die innerösterreichischen
Lande^*^) auf die Bedeutung dieses Punktes für dieGrenzver-
tfaeidiguiig hingewiesen und die Notwendigkeit dargethan, die
Bewachung des Schlosses den Domherren abzunehmen und
dareh geworbenes deutsches Kriegsvolk verseben zu lassen,
denn es sei ^ein solches fQrtreflfliches Ort dem Feind Abbruch
m thnn, als man eins wünschen könnte, welches gar am Spitz,
da die Culp und Sau, beide schiffreiche Wasser, zusammen-
rinnen gelten und eine solche Gelegenheit hat^. Galt dies
schon zu einer Zeit, in welcher die Türken noch nicht alles
Land bis an die Culpa besetzt hatten, so war die Bedeutung
Sisseks seit dem Falle von Hrastowitza und Wihitsch noch
ODgleiefa grösser geworden. Die Befestigungen waren daher
erneuert und zur Verstärkung derselben ein Thurm erbaut
worden. Die beigeschlossene Skizze, welche einen im k. k.
Kriegsarchive befindlichen Plan getreu wiedergibt, lässt er-
kennen, dass diese Befestigungen der allcreinfachsten Form
angehörten und eigentlich nur den Charakter einer bastionirten
Sdiauze an sich trugen. Der Thurm, welcher auf diesem Plane
nicht ersichtlich ist, dürfte wol zur Deckung der offenen Wasser-
seite gedient haben. Die Festigkeit des Platzes log haupt-
sächlich in dem Umstände, dass er von der Kulpa und Sau
ond einem diese beiden Flüsse verbindenden kleinen Canal
ToUständig eingeschlossen war, also auf einer Insel lag. Den-
noch konnte er nur die Bestimmung haben, kleinere Streifcorps
aufzuhalten, einer Belagerung durch ein Heer, wie es Hassan
Pascha jetzt vor Sissek versammelt hatte, war er jedenfalls
nicht gewachsen. Es war nur dem Heldenmuthe des Abtes
Fintis und der aus etwa 100 deutschen Knechten bestehenden
^*) Areldv desDeatochen Ordens in Wien. Milit. 129. „Bedenken der dreier
Lande Steter, Kärnten und Krain." Siehe darüber meinen früher ei-
wähnten Aufsatz Qber die Translation des deutschen Ordens a. d. Grenze.
- 110 -
Besatzung zu danken, dass die Türken nicht schon davon
Besitz genommen hatten; denn das Feuer aus dem am jen-
seitigen Ufer der Kulpa aufgestellten Stücke musste verheerend
wirken. Einem Sturm konnte das Schloss nicht widerstehen.
Die Gefahr eines solchen war unvermeidlich, seitdem die Türken
eine Brücke über die Kulpa geschlagen hatten und in bedeu-
tender Zahl über dieselbe gezogen waren.
So standen die Dinge vor Sissek, als das christliche Heer
anrückte. Die Türken waren, einen Halbmond bildend, in
Schlachtordnung aufgestellt, hatten die Kulpa im Rücken^
lehnten sich mit dem linken Flügel an die Odra und reichten
mit dem rechten Flügel bis zu der von ihnen errichteten
Kulpabrücke ^*). Sie zählten über 18000 an regulären Truppen
in folgender Eintheilung, die Eggenberg selbst in seiner Re-
lation angibt:
Hassan Pascha mit 4000 Mann zu Fuss und Ross,
Rhamadan Beg mit 1000 Mann,
Opardi Beg von Kliss mit 3000 Mann,
Zivieri Memy Beg mit 1500 Mann,
Seffar Beg von Zernick, des Pascha von Bosnien Bruder
mit 700 Mann,
Der Beg von Herzegovina, des Achmet Bassa Sohn an
der Porten (Pforte) mit 3000 Mann,
Kurt Beg, des Ferat Pascha Sohn mit 1500 Mann,
Rustan Beg von Petrinia, mit 500 Mann,
•
^*) Die Schlachtskizze, welche in der Beilage vorliegt, ist die Copie einer
Handzeichnung des k. k. Kriegsarchives, die von einem Augenzeugen
und Theilnehmer (die Unterschrift ist unleserlich) wenige Tage nach
der Schlacht (am 1. Juli) an den Erzherzog Mathias nach Wien ge-
schickt wurde. Sie Übertrifit nicht nur die ziemlich ungenauen Dar-
stellungen bei Khevenhiller und Ortelius, sondern entspricht auch
weit besser den Angaben, als die von Radics reproducirte krainerische
Votivtafel. Diese lässt es kaum begreiflich erscheinen, wie die Türken
von der KulpabrQcke, die gerade hinter ihrer Aufstellung gezeichnet
ist, hätten abgedrängt werden können, wenn ihr Centrum nicht voll-
ständig durchbrochen worden wäre. Davon ist aber in keinem Berichte
die Rede.
- 111 -
Ibraluin Beg von Likan mit 2000 Mann,
Ca^tan von Gradiska mit 1000 Mann.
Dazu kamen noch 2000 Mann Spahis, Saym „und ander
Landvolk^ 9 Stock »grobes Geschütz''.
3000 Mann unter Kurt Beg und Oparti Beg waren jen-
seits der Kulpa bei den Stücken geblieben, so dass 15- bis
17000 ins Gefecht kamen.
Das christliche Heer gliederte sich folgendermassen :
1. Kramer: Andreas von Auersperg mit der Karlstädtischen
Ritterschaft, 300 Pferde.
Adam Rauber zu Weineck mit 200 Arquebusiren,
400 Hussaren.
1 Fähnlein (2—300) Knechte unter Georg und
Sigmund Paradeiser.
2.Eirnbier: Christof von Obritschan zu Altenburg mit 100
Pferden (stand unter Auerspergs Commando).
3. Steirer: Stefan von Grass wein **0 ^lit der Besatzung von
Kopreinitz und Ibanitsch (400 Mann zu Fuss
und Ross) [Hussaren].
4 Croaten: Der Ban Thomas von Erdödy mit 150 Pferden.
Die Haramier (bewaffnetes Landvolk) des Agramer
Capitels.
0. Kaiserliche und Hilfstruppen :
Melchior von Rödem mit 500 schlesischen Reitern.
100 Montecuculische Reiter.
Ruprecht von Eggenberg mit 4 Fähnlein Rei-
tenauischer Knechte (etwa 12 — 1600 Mann).
B^net man hiezu einzelne kleinere Abtheilungen ' '), so
) 'D mehreren Verzeichnissen wird Alban Grasswein genannt, in anderen,
^ s. B. bei Rödem Stefan Grasswein. Es Iftsst sich schwer be-
stimnien, welcher der Betheiligte war. Stefan erscheint als Oberhaupt*
o'UDi n Copreinitz und gleichseitig Alban als Oberhaoptmann zu
Iluuultcb. (Landsch. K. u. A B. 1594). Ebenso bald Stefan, bald
Alban als Verwalter des Oberstenamtes an der windischen Grenze.
U94 starb Steiui und Alban erhielt das Capitanat Ton Copreinitz.
') Ich habe mich in der Aufzählung an Rödems Relation gehalten. £a
- 112 -
waren es zusammen 4—5000 Mann. Sie waren in drei TreflFen
formirt: Das erste bildeten die Croaten und Hussaren unter
Anführung des Baan, das zweite unter Auerspergs Führung
hatte im linken Flügel die Karlstädtische Ritterschaft, im
rechten die kärntischen und krainischen Arquebusiere, das
dritte und grösste unter Eggenberg mit den Rödern'schen
und Montecuculischen Reitern und den deutschen Knechten
hielt sich in schiefer Richtung nach links von den beiden
ersten Treffen.
4
Diese Aufstellung war eine ftli* den damaligen Kriegs-
gebrauch nicht ganz gewöhnliche. Die Noth macht erfinderisch.
Die Formirung eines dicht geschlossenen Gewalthaufens, dessen
Centrum die Reiter, die Flügel die Schützen bilden mussten,
hätte die Schwäche der Christen zu augenscheinlich gemacht.
Sie trennten sich daher und zogen die Schlachtlinie möglichst
auseinander. Die daraus resultirende leichtere Beweglichkeit
hat den Sieg über die von zwei Flüssen eingeschlossenen,
zusammengekeilten Türken, die ihre Stärke nicht entfalten
konnten, ermöglicht, trotzdem die letzteren in vierfacher Ueber-
macht waren. Der Verlauf des Kampfes, der um die Mittags-
stunde begann, war ein ungemein rascher. Das erste Treffen
griff an und wurde alsbald zurückgeschlagen. Auei-sperg brachte
jedoch die fliehenden Croaten und Hussaren zum Stehen und
fahrte mit seinen schweren Reitern eine glänzende Attaque
auf das Centrum der Türken aus. Diese versuchten Anfangs
die kühnen Angreifer zu umzingeln, gerieten aber in Unordnung
und drängten auf ihren rechten Flügel und der Kulpabrücke
zu. Diesen Moment ersah Eggenberg und stürmte mit dem
dritten Treffen gegen den rechten Flügel der Türken, indem
er denselben umfasste und ihnen den Rückzug zur Brücke ab-
schnitt ^ '). Nun war das türkische Heer vollkommen eingekeilt,
werden anderwärts noch genannt: Peter Erdödy mit Hussaren und
ITaramiem, Stefan Tachy von Stattenberg mit Hussaren, Martin
Pietschnig zu Altenhof und Ferdinand Weidner mit deutschen Knechten,
Jacob von Prank mit deutschen Knechten der steirischen Landschaft.
'^) Eggenberg erzählt die Action mit wenigen Worten : ^Ihn (den TUrken)
— 113 -
die Christeil räumten mit ftlrchterlicher Wuth unter ihnen
auf und es blieb ihnen keine Rettung, als sich in die Kulpa
und Odra zu stürzen. Dies brachte jedoch den sicheren Tod,
da es anmöglich war, an. den steilen Ufern hinanzukommen.
Nor dner geringen Anzahl war es gelungen, über die Brücke
zu entkommen, bei 8000 Türken wurden zusammengehauen,
die Qbrigen ertranken. Der Pascha von Bosnien theilte das-
selbe Schicksal, sechs seiner Begs kamen theils im Treffen,
theils im Wasser um. Eine grössere Abtheilung türkischen
Fussvolkes unter Kurt Beg und Ferat Pascha, welche das
I^ger besetzt gehalten hatte, sprengte den Pulvervorrath in
die Luft und zog sich mit Preisgebung des Geschützes und
des ganzen Lagers eiligst zurück. Die Christen marschirten
&ber die Brücke und nahmen vom Lager der Türken Besitz.
Tebcr die Zahl der erbeuteten schweren Stücke schwanken die
Angaben zwischen 7 und 11, alle Berichte stimmen jedoch
darin überein, dass sich unter ihnen die berühmte „Katzianerin^,
die 1533 von den Christen verloren worden war, und die
rKniperin'' (!) befanden. Zu der Beute gehörten auch 2000
ledige Pferde, viele Zelte und prachtvolle Gewänder, 30 Schiffe
und 20 Fahnen.
in Gottes Namen alsbald angriffen und in die Flucht geschlagen Über
sein alda geschlagene Brücken salviren wollen, ist man doch theils
so hart auf ihn gedrungen, theils auch der Vortheil abgenommen
Verden, dass er nicht die Brücken erlangen mögen, sondern in der
Flucht dem Wasser zugeeilt.*' Eggenbergs Relation macht den besten
Eindruck, weil sie präcis, übersichtlich und jedes Selbstlobes bar ist
£ggenberg spricht von seiner persönlichen Betheiligung gar nicht
l^tgegen kann Anerspergs Bericht kaum als YoUkommen glaubwürdig
betrachtet werden, nachdem er den Erfolg der Schlacht ausschliesslich
der Ton ihm commandirten Reiterschaar zuschreibt und von Eggen-
bergs Abtheilung meint, sie hätte nur das gethan, was noch zu
thun übrig war. Dieses „Uebrige^* war aber eben die Entscheidung,
^ire Auersperg nicht so ausgiebig unterstützt worden, so hätte er
vohl schliesslich von der Uebermacht erdrückt werden müssen,
üebrigens nennt jener 0£Ficier, der die beiliegende Schlachtskizze an
Ercherzog Mathias gesendet hat, in seinem Begleitschreiben Ruprecht
von Eggenberg den „Autor und Director" der grossen Niederlage
(lea Erbfeindes. (K. k. Kriegsarchiv in Wien. 1593, 7, 1 '/,.)
''^••1. dM ktotor. V«r«lMB für BuicnMrk ZXVI. H«fl, ISTS. Q
— 114 —
Der Erfolg dieser Schlacht, die unter so wenig günstigen
Auspicien angenommen worden war, gestaltete sich zu einem
ganz ausserordentlichen. Die Türken sind in offener Feld-
schlacht zwar meistens geschlagen worden, wenn ihnen nur
annähernd genügende Streitkräfte gegenüberstanden, wie es
überhaupt nur Mythe ist, dass die türkischen Truppen, wenn
sie nicht in erdrückender Uebermacht wareU; von den Deutschen
je gefürchtet worden wären oder über dieselben Siege erfochten
hätten ; die Sisseker Schlacht blieb aber trotzdem für die Zeit-
genossen immer etwas Erstaunliches und die Nachwelt wird
der Kühnheit und Tüchtigkeit der christlichen Streiter ihre
Anerkennung niemals versagen können. Die fortgesetzten, jedem
Rechtsgefbhl Hohn sprechenden Raubanfälle der Türken, ihre
Grausamkeiten und gemeinen Schandthaten, die sie Jahr aus
Jahr ein an wehrlosen Greisen, Kindern und Weibern zw
verüben gewohnt waren, hatte in den christlichen Streitern
die gewaltige „Furia*' angefacht, die in dem Gemetzel an der
Kulpa sich endlich Bahn gebrochen hat. Selbst die Klerisei
war hinter den Kriegern nicht zurückgeblieben. Der Abt Fintis
hatte seine Hönche, die sich in Sissek befanden, ermahnt, auf
den Knieen den Allmächtigen um seine Hilfe anzurufen, er
selbst aber war mit seinen Haramiem in den Kampf gezogen
und hatte muthig mitgefochten. Evangelische und Katkoliken,
die in dieser Schlacht wol gleichmässig betheiligt gewesen sein
mögen, zollten ihm einstimmig ihre Bewunderung.
Von den Führern gebührt das grösste Verdienst unstreitig
Andree von Auersperg und Ruprecht von Eggenberg. Hatte
der erstere durch ungestüme Tapferkeit im Angriffe die Türken
zuerst zum Weichen gebracht, so war es andererseits wieder
Eggenberg, der den Vortheil des Terrains im richtigen Augen-
blicke ausnützte, durch sein Eingreifen entscheidend wirkte
und überhaupt durch die eigentliche Leitung der Aufstellung
und des Angriffes von seinem strategischen Talente Zeugniss gab.
Die Freude über diesen unerwarteten Sieg war eine all-
gemeine. Seit langer Zeit hatten die Feinde des christlichen
Glaubens und aller Kultur keine so derbe Züchtigung erfahren.
— 115 —
In Bild und Wort verewigte man die glorreichen Helden des
Tages TOD Sissek**). Der Kaiser, der schon am 28. Juni von
'"n In velcher Weise das Yolkslied in Krain seine Landessöbne gefeiert
hat, die bei Sissek mitgefochten, hat Radics in seiner mehrerw&hnten
Scbrift erschöpfend behandelt. Ein „Kunstpoef Gregorius Bregandt
«Höchstemannter ihrer fürstlichen Durchlaucht Erzherzogen Ernsten
zu Oesterretch etc. Steyrischen Hof Kriegs Cantzley Schreiber zu
Grätz* hat die ganze Affaire in zwar nicht sehr zierliche aber wol*
^ememte Reime gebracht, die unter dem Titel ^Newe Zeitung. Kurtze,
jedoch gründtliche und wahrhafte Beschreibung, dess nächst f&rgan-
genen Treffen, vnnd Sigreichen Lobwürdigen Yictori, so die Christen
mit dem Blutdürstigen, TOrckischen Hasan Bassa auss Bossen, vnd
seinen bey sich gehabten Beegen, auch anderm Kriegsvolck, den
22. Juny, lauffenden 93. Jahrs, in Crabaten Landt, bey Sissegg, am
Turopoliae, Gott lob, glOcklichen erhalten vnd obgesiget. Beschrieben,
TQd anss den von den Obristen vnd Hanptleuthen einkommen, vnd
ihrer ftrst. Dnrchl. vberschickten ordenlichen Farticularitäten, in
Teatsche Rbytmos gebracht** von Georg Widmanstetter in Graz 1593
gedruckt wurde. (4", 8 Seiten.) Das Gedicht ist dem Erzherzog Ernst
geiridmet und beginnt mit den Versen:
Mit was Angst, Koth vnnd grosser Pein,
Hat ein zeit herumb müssen seyn
Beladen, das Crabaten Land,
FOmemblich Turopolie genannt,
Von dem Bassa anss Bossen gross,
Der dasselbig ohne vnderlass,
Mit Raub vnd Brandt haimbgesuecht hat.
etc.
Unter den Anführern der Christen wird in erster Linie Eggen-
^g genannt «der Königkliche Mayestät
Bsteltr Obristr auss Hispania thät,
Der Edl, Gstreng, vnnd starcke Heldt,
Der zur Verwaltung ward erwehlt,
Dess Obristen Leutenambts Ampt;**
*iein Auersperg jedoch mutet der kühne Sänger sogar zu, dass er
mit semen 600 Reitern die 16000 Türken gleichzeitig in die Flucht
geicbU^^ und von der Brücke zurückgetrieben habe.
Die weiteste Verbreitung dürfte wol die Flugschrift gefunden haben:
«Eygendliche vnd Warhafftige Zeitung, Wie der jetzige Türkische
Keyser mit einer gewaltigen Kriegssmacht, nemblich dreissig tausent
Mann sich zu Feld Iiegeben vergangne Zeit viel FeBtungen vnd Stadt
8*
— 116 —
dem Siege in Kenntniss gesetzt war, liess zu Prag in der
Domkirche das Te deum laudamus singen „und die Heerpauken
in die Orgel schlagen". Die Erzherzoge Ernst, Maxmilian und
Ferdinand von Tirol sandten Dankschreiben an Eggenberg ^*).
Ersterer schrieb seinen Commissären, „sie würden vor der
ganzen Christenheit wegen dieser Victori langwieriges Lob und
Ruhm haben, der Kaiser und er werden sich derselben bei
jeder Gelegenheit dankbar erinnern". Eggenberg's besonderes
Verdienst hat er in einem Schreiben, mit dessen Inhalt wir
uns noch eingehend beschäftigen werden, besonders hervor-
gehoben.
IIL
Vorgänge an der Grenze nach der Schlacht bei Sissek.
Eggenberg'B Bernfnng nach Wien. Oberstenamt
zn Baab.
Zu einer ausgiebigen Ausnützung des Sieges kam es
leider nicht. Zunächst war es der mehrfach erwähnte Proviant-
mangel, der es den Christen unmöglich machte, sich noch
weiter von ihren Hauptstationen zu entfernen und in Land-
striche einzurücken, die von den Türken bei ihrem Rückzuge
verwüstet worden waren. Ausserdem aber gab es, nachdem
die ärgste Gefahr abgewendet war, gar kein Mittel, auch nur
eingenommen in Crabaten in Vngerlandt für Sissekh sein Lager ge-
schlagen. Dasselb mit Sturm vnd Afanlauff angegriffen in meinung
dasselb einzunemen, ja aber gefehlt wie Ritterlich vnd Dapifer sich
der Herr von Eggenberg gehalten mit seinem Kriegs volk den Feind
erschlagen, ersauft, verjagt vnnd sein Geschütz sampt tausent Pferdt
bekommen. Geschehen den 22. Jun^ Anno 1598. Gedruckt zu Colin
bey Wilhelm Letzenkirchen.** (4(> 4 Bl. s. Titelbld.) Es ist mb- nicht
gelungen, ein Exemplar dieser sehr seltenen Flugschrift zu Gesicht zu
bekommen; dem Titel zu Folge scheint sie an Unrichtigkeiten zu
leiden.
»*) K. k. Kriegsarchiv in Wien, 1593. 30. Juni. Herberst Arch. L. 8. 24,
5. Juli 1593} 15 Juli 1593.
- 117 —
iikse kleine Heeresmacht, die bei Sissek gefochten, beisammen
m behalten. Der Baan und die Grenzobersten zogen ihren
Standplätzen zu und den kaiserlichen Commandanten blieben
kaum 2000 Mann zu weiteren Operationen. Zu seinem grossen
Leidw^en musste Eggenberg aus diesen Gründen den Versuch,
Febinia zu gewinnen, aufgeben. Er meldet: Nicht für einen
klhen Tag habe das Volk Proviant bei sich gehabt, er habe
ihber. obwol er nach vorgenommener Besichtigung des Raub-
i^hlosses Hoffnung gehabt, es zu gewinnen, keine Belagerung
Tornehmen können. Auch Södem's Bericht constatirt, dass das
Vorrücken nach Petrinia vornehmlich des Proviants halber
eingestellt werden musste. Zur Abstellung dieses Mangels und
zur Betreibung der nöthigsten Vorkehrungen sendete Erzherzog
Ernst seinen Kriegsrath Hans Friedrich Freiherm von Traut-
maosdorf an die Grenze*'). Er hatte dem Baan, dem Bischof
tmd Kapitel von Agram und den daselbst anwesenden Land-
ständen Schreiben zu übergeben, worin sie ersucht werden,
Fütter und Victualien, wovon sie, wie man erfahren, Yorrath
hätten, dem Heere zuzuführen. Die drei Proviantverwalter sollte
er auffordern, den Proviant bei Tag und Nacht fort zu fördern,
Kapitel und Stände in Agram ermahnen, die durch die Bela-
gerung in Sissek verursachten Schäden rasch ausbessern zu
lassen, wozu ihnen der eben an der «Grenze sich aufhaltende
Baumeister Franz Märtl empfohlen wird.
Eggenberg scheint von der ersten grösseren Unternehmung,
die er in kaiserlichen Diensten mitgemacht hatte, trotz des
Rahmes, den er selbst dabei gewonnen, wenig erbaut gewesen
za sein. ^ Er, der gewohnt gewesen war, die Leitung eines
Kri^es in der Hand eines so hervorragenden Mannes, wie
Alexander Famese, zu sehen, musste über das Chaos von
BefeUshabem, Commandanten und Obersten, die alle von ver-
»hiedenen Herren bezahlt wurden und fortwährend andere
Befehle vorschützen konnten , in gerechten Unmuth gerathen.
^ K. k. Kriegs-Archi? in Wien. 1698, 29. Juni. Memorial an H. Fr.
T. Traotmansdorf.
— 118 —
Ausserdem scheint er sich persönlich,' sei es durch den Baan,
sei es durch Auersperg, verletzt gefühlt zu haben: er erbat
sich vom Erzherzoge die Abberufung von seiner Stellung als
Commissär und befürwortet die Ernennung eines General-
Feldhauptmannes. Es geht dies aus einem Schreiben des Erz-
herzoges hervor, welches ich, da es in ausführlicher Weise
die Verdienste Eggenberg's hervorhebt und die Verhältnisse
an der Grenze bespricht, hier folgen lasse ^^:
Ernst von Gottes Gnaden Erzherzog zu Oestcrreich etc.
Lieber Getreuer, Von unseren hinterlassncn Geheimen and
Kriegsr&ten haben wir verstanden, wess du dich ihnen erklärt
und entschaidigt, auch auf ihr Zusprechen darauf verharrt.
Nun könnten wir zwar wol erachten, dass du dessen zum theil
deine Ursachen und Bewegnisse haben möchtest, wie du uiib
dann mit solchen Gnaden gewogen wissen solltest, dass wir
dir selbst einige Ungelegenheit oder Beschwer nit gern gönnen,
weniger selbst zumuten wollten. Wann wir aber der uns ob-
liegenden Sorge und Verantwortung halber gegen Gott, der
Eon. Kais. Matt, und unserm Vaterland, den Sachen ihrer
auf sich habenden Wichtigkeit, was endlich den Landen für
ein Verderben und in widrigem Fall für ein Wolfahrt darauf
steht, nachgedenken, könnten wir nit befinden, wie der Zeit
deine Person bei dem vorstehenden Werk zu entrathen , wie
sich auch schicken und für eines Ansehens sein würde, dass
du neben den anderen redlichen und ritterlichen Obristen und
Kriegsleuten, bei nächster so ansehnlichen Victori so gute
OfiHcia gcthan, von dem Allmächtigen Gnad und Segen gehabt,
deinen ohne das bekannten Namen in der ganzen
Christenheit noch mehr bekannt gemacht, und
dass du dagegen gleich jetzo, da man dem Effect der Victuri
mit Petriuia nachsetzen solle, und alle Sachen schon beschlossen,
in praeparatoriis, und der Tag angestellt ist, aussetzen oder
dich davon absentieren sollest.
Dann ob wir ja wol dich allein auf sechs Wochen be-
»«) Herberst. Archiv. L. 3. 24.
— 119 —
handelt, du auch hieran und mit längerer Continuirang Ihrer
Kai. Mtt. und uns ein sonder angenehm Gefallen gethan, so
ist doch indessen dies GlQck zugestanden, mit welchem sich
die Sachen also verändert und geschickt, dass man ja aller
menschlichen Vernunft nach davon nicht aussetzen, noch des
Obribten Gonunissari Amt .und Directorium, so du mit sonderm
Ruhm und Ehren bishero getragen, ohne des ganzen Werks
höchster Confusion, Verhinderung und Gefahr, in einer solchen
EU und kurzen Zeit verändern kann, was auch endlich die
Stand des Reichs und andere christliche Völker, sowol unsern :
als deinethalben, ja^ der Feind selbst davon discurieren und
gedenken würden. Neben dem es denen Landen selbst, es
gienge die Sach hinaus auf was Weg es wollte, fast beschwerlich
fbrkäme, als bei denen du geliebt, befreundet, ein fflrnehmes
Mit^ed, der Zeit an der Hand, Gott lob an gesund und
anderen Qualiteten nit verhindert, der Gränz und des Kriegs-
Tolks bekannt und gewohnt, und hast du sonderlich zu bedenken,
da man vor Petrinia nichts richten sollt\ dass viel der Meinung
sein würden, da du als dergleichen Belagerung und Eroberung
erfahren, zugegen gewesen, es besser abgangen und daher die
Schuld gutentheils deines Abwesens wäre. Und dürften zu für-
fallenden Gränznöten alle Obristen und Kriegserfahrne im Reich
und andern Landen, die man künftig zu behandeln hätte, die
ungleichen Gedanken fassen, weil mau dich als ein Landsassen
in solcher Not, Gelegenheit und erhaltenen Vfctori nit hätte
an die Gränz vermögen können, dass ihnen viel weniger
ihunlich wäre, sich daher gebrauchen zu lassen, wie es auch
dem jetzigen Kriegsvolk bei diesem Anzug nit ein kleines
Nachdenken machen möchte, als ob du dir iechtes (irgend
ein) Zurichten nit getrautest, und daher sie der Sachen auch
desto weniger Lust und Hoffnung schöpfen, welches eines und
des andern du selbst (wie wir dich kennen) nit gern sehen
oder verursachen würdest. Es wäre zwar ja eines gegenwärtigen
General Hauptmannes jetzo alsbald vonnöten, wie du unsern
Geheimen Räten vernünftig vermeldest, aber in solcher Eil und
da der beschlossne Anzug nit warten kann, ist es ja nit möglich.
— 120 —
Weil dann der Allmächtige jüngstlich so reiche Gnad
gegeben und du dein Obrist Commissari Amt so glücklich
und wol getragen, so wollen wir uns versehen und dich von
Höchstgedachter Rom. Kais. Matt, wegen, auch für uns selbst
hiemit mit allen Gnaden, damit wir dir gewogen, ersucht und
vermahnt haben, du wollest noch weiter und bei dieser Imprcsa
Gott und dem christlichen Namen zu Ehren und von des
Vaterlands Wolfahrt wegen ein Uebriges thun und das Obrist
Commissari Amt unter dieser Belagerung mit Göttlichen und
der andern kriegserfahrnen Obristen, sonderlich des von Au-
ersperg und Baans Rath, Hilf und Beistand allermassen conti-
nuieren, wie wir es mit dir jüngstlich verlassen haben. Wie
solches dir bei Ihrer Kay. Matt, und bei menniglich zu Ruhm
und Ehren gereichen und einen ewigen Namen machen würde,
also würde an Mitteln nit mangeln, dir hin-
widerum mit gnädigster Contention zu begegnen.
Die hinterlassenen Geheimen und Kriegs Räte haben aach
allen Befehl, mit dir die Notdurft zu vorstehendem Werk
gehörig zu handeln, zu beratschlagen und äusserstcr Möglichkeit
nach in das Werk zu richten. So unterlassen wir nit, bei
eignem Currier Ihr Kays. Matt, um Geld und Zahlung des
Kriegsvolks anzuhalten.
Wien, 9. Juli 1593.
Postscriptum von des Erzherzogs eigener Hand:
„Lieber der von Eggenberg, über das, so eben vermcldt
wurde, habe ich auch mit diesen wenigen Worten selber euch
vermahnen und ersuchen wollen, dass ihr diess mein Begehren
nit abschlagen, sondern euch so gutwillig den Wünschen er-
zeigen wollet, das würde euch bei der Kays. Mtt. und mir zu
Gnaden und Wolgefallen reichen und bei menniglich euer Lob
und Ehr verursachen. Ernst. ^
Eggenberg blieb beim Coromando, vermochte aber den
in ihn gesetzten Erwartungen nicht zu entsprechen, weil die
vorhandenen Mittel allzu unbedeutend waren. Der Oberst des
steirischen Aufgebots. Freiherr Gottfried von Breuner, berichtet
— 121 —
.10 die steirischen Verordneten über die Expedition gegen
Petrinia ddo. 15. August ^')'
yEoer Gnaden zn berichten soll ich nicht unterlassen und
werden dieselben ans meinem jüngst von hier (Lager bei
Rann) abgangnen Schreiben mit mehrerem verstanden haben,
dass sowohl die andern Kriegshilfen als auch ich mit meinem
OQterfaabenden Steirischen Kriegsvolk im allhicrigen Feldlager
verscbienen Montag Abends ankommen, darauf dann nicht
unterlassen worden, die wolerbante Festung Petrinia mit starker
Macht bis an dritten Tag zu beschiessen, es hat aber durchaus
nichts damit können gericht(et) werden, weilen es Alles von
grossem Eichenholz und Bollwerk zugericht(et). Inzwischen hat
sich der neue Bassa aus Bossen auch mit seiner Hilf gegen
Petrinia w&rts gemacht und ankommen, also haben die diessorts
förgestellten und anwesenden Häupter dahin geschlossen, dass
oi&n sich fiber die (aber die) Kulp zugerichte Schiffsbrücken
begeben and nicht allein dem Bassa aus Bossen mit ganzer
Macht unter Augen ziehen, sondern auch mit ihm ein ernstliches
Treffen thun solle, also ist solches zu zweien unterschiedlichen
malen ins Werk gericht worden, und ist die ganze Ritterschaft
albereit aber dem Wasser Kulp und im Vorzug gcwest, so
sind doch alsbald solche gewisse und eigentliche Kundschaften
durch einen stattlichen gefangnen und entsprungnen Pribeggen ' ")
erlangt worden, dass albereit der Beglerbeg am Herauszug sei
and noch die heutige Nacht oder morgen frUh gewiss bei
Petrinia mit starkem Heer und grosser Macht ankommen werde.
Dasg man also mit dem versammelten Kriegsvolk aus allerlei
^gefollenen wichtigen Bedenken wieder zurück und nicht fort-
ziehen können, weilen dann die anderen vorhandenen Hilfen,
als Herr Graf von Serin, Herr Obrist in Krabaten mit ihren
Hilfen, nicht weniger auch die anderen Gränizen (Grenztruppen)
mn des besorgenden grossen Einfalls willen zu ihren eignen
und andern ihnen untergebenen Gränizen ihren Abzug nehmen
^^ Steienn. Land. Arch. BLriegsacten (81 fasc) fasc. 3. 27.
^ Penak : Oberhaupt, Dorfrichter, Anführer.
— 122 —
und über zwei Tag allhier nicht mehr halten werden , daher
dann nur das Steirische Volk und die Röderuschen Reiter
alhier allein verbleiben möchten, also w&re ich, doch mit
Yorwisscn und Gutheissen Euer Gnaden entschlossen, mich mit
meinem unterhabenden Kriegsvolk auch von dannen zu erheben
und meinen Weg gegen Rann wärts zu nehmen." ^*)
So stob denn Alles auseinander. Der Beglerbeg von Graecia,
des Sinan Pascha Sohn, rückte mit einem Heere von 40000 Mann
in „grimmigem Zorn'' vor Sissek und eroberte die Feste,
nachdem sich die Besatzung tapfer gewehrt und grösstentheils
den Tod gefunden hatte, am 24. August Darauf verwflstete
er ganz Turopolien, streifte bis Agram und Karlstadt, zog aber
dann, nachdem die Grenztruppen Miene machten, sich ihm
gemeinsam entgegenzuwerfen, nach Ungarn, wo sein Vater, der
zum Vezier ernannte Sinan Pascha, „ein alter, blutgieriger
Hund, über die 70 Jahre alt,"" einen heftigen Angriff gegen
die ungarische Grenze vorbereitete. Demselben wurde aber
diesmal mit ausreichenden Kräften begegnet, der Graf von
Hardegg schlug bei Stuhlweissenburg mit 18000 Mann ein
grosses türkisches Heer (5. November) und Herr Christof
von Teuffenbach eroberte in Oberungam die bedeutende Fe-
stung Fillek (27. November). Auch ein neuerlicher Einfall der
Türken in Groatien wurde durch Alban Grasswein, der 900 Mann
zusammengebracht hatte, mit Erfolg zurückgewiesen. (1 9. De-
cember.)
Mittlerweile war eine wichtige Veränderung in der Re-
gierung Innerösterreichs vorgegangen. Der umsichtige und
rührige Gubernator, Erzherzog Ernst, war als ein Opfer der
spanischen Diplomatie nach den Niederlanden gezogen, wo er
wenig Ehre, aber einen frühzeitigen Tod fand und an seine
Stelle war, da Karls Sohn Ferdinand noch in Ingolstadt seinen
Studien oblag, Erzherzog Maxmilian, der dritte Bruder Kaiser
^') Isthuanffis Behauptung, Breuner habe den Ausschlag zum Rückzuge
gegeben (Hurter, Ferdinand II. 3. 146), ist gänzlich unbegrflndet Breuner
beklagt sich im Gegentheil gegen die Landschaft, dass er gar keinen
EinSuBS besitze.
123 —
Rodolfn. getreten. Dieser 80wol, als Erzherzog Malliias, der
indessen das Generalat in Ungarn übemonnnen, bewarben sich
um Ruprecht von Eggenberg. Maxniilian trug ihm im Auftrage
des Kaisers das Amt eines General-Oberst-Lieutenant an der
vJDdischen und croatischen Grenze an*^), Mathias wollte ihn
zam Oberst - Zeugmeister aller kaiserlichen Königreiche und
Länder machen. Ruprecht entschied sich vorläufig für den
enstereo Antrag und erhielt demgemäss am 1. Mai 1594 einen
Bestallbrief als „General -Oberster Leutenänt über das auf
beiden Windischen und Crabatischen Grenzen dienende Ordinari
der Lande Aufbot, wie auch alles andere ausländische
Kriegsvolk zu Ross und Fuss, soviel sich anjetzo desselben
auf berührten beiden Grenzen befindet und noch künftig
i^eworben und aufgenommen wird, darunter auch der Baan
und sein unterbietig Kriegsvolk nit ausgenommen sind.'' Als
behalt wurde ihm die für damalige Verhältnisse enorme Summe
von 1000 Gnlden monatlich gewährt
Erzherzog Maxmilian begann den Feldzug von 1594 in
eigener Person und war anfangs glücklich. Sissek, Petrinia und
Hrastowitz wurden in den ersten Tagen des August ohne
S<^hwierigkeit erobert, mussten aber, weil Krankheiten bei den
Truppen einrissen und wegen mangelhafter Bezahlung und
Proviantzufuhr grosses Elend hen-schte, wieder aufgegeben
^^en * *). Des Erzherzogs Berichte über den Zustand seines
*) Herberst. Arcb. L. 8. 24. Schreiben Eggenberg's vom 18. Dec. 1593.
'*) I>ie ausführliche Darstellung dieses Feldzuges von Professor Richter
(ilUyrische Qren7.helden" Ilormayr's Archiv 1819) erwähnt auch Eggen-
bergs Theilnahme an demselben. Viele Angaben dieser Erzählung,
die sich aaf des Grafen Rudolf Coronini r Bellum Petriniensc'' (Görz
^79) st&tzt, widersprechen jedoch so sehr allen übrigen, dass sie
luunö^ch als vollkommen sicher angesehen werden könnten. Die
l^enronagende Bedeutung, welche dabei der Theilnahme der Familie
Coronini zugeschrieben wird, lässt die Absicht dieses Buches ziemlich
deutlich erkennen. Während hier von einem Sturmangriff von 600 2iengger
Utkoken, der den Fall des Platzes herbeigeführt haben soll, viel
Wesens gemacht wird, spricht sich eine Relation der steirischen Com-
oiiuäre Georg v. Stubenberg und W. v. Windiscbgräz ausdrücklich
~ 124 —
Kriegsvolkes an den Kaiser geben ein sprechendes Zeugniss
von der Art der Kriegfllhrung, wie sie an der Grenze schon
zur Regel geworden war ''). Die Ititterscbaft in der Carlstadt,
schreibt er, sowie das übrige Kriegsvolk klagen ihre Noth
wegen Nichtbezahlung, so dass sie, was sie besitzen, verkaufen
und versetzen müssen. Wenn sie nicht bezahlt werden, müssten
„diese redlichen Leute, die des Feindes Art und Gelegenheit
schon kennen'', ihre Aufstellung verlassen. Ebenso stehe es
mit dem Beitenauischen Regiment, das so elend, nackt und
mehrestheils krank sei, dass es einen erbarmen müsse. Er
beschwört den Kaiser als Gerhab (Vormund) der Erben Erz-
herzogs Carl, deren Lande in so grosser Gefahr seien, um
eilende Hilfe.
In Folge dieser unglückseligen Verhältnisse konnte es
zu dauernden Erfolgen nicht kommen; man musste es als
glückliche Fügung preisen, wenn man sich der übermüthigen
Feinde wenigstens einigermassen zu erwehren vermochte und
wenn persönliche Tapferkeit und Geistesgegenwart der christ-
lichen Commandanten von Zeit zu Zeit durch einen geschickt
ausgeführten Streifzug den Türken irgendwie Schaden zufügte
und sie dadurch in Athem erhielt. So gelang es auch in
diesem Jahre dem Herrn von Eggenberg; den Türken einen
Streich zu spielen. Der Beg zu Sissek, Ardropli, hatte einen
Einfall in Kroatien gemacht, Leute und Vieh davongeschleppt
und wollte eben die Beute auf türkisches Gebiet in Sicherheit
bringen, als Eggenberg rechtzeitig davon Kunde erhielt, dem
türkischen Corps nachjagte, ihm, als er es an der Kulpa ereilt
hatte, den Raub abnahm und eine grosse Zahl davon theils
niedermachte, theils gefangen nahm. Unter den Gefangenen
befand sich Ardropli-Beg selbst, der nach Graz gebracht wurde,
dahin aus, dass die Türken die Festung freiwillig ger&umt haben,
als sie den Ernst der Belagerungsarbieiten sahen. (St. L. A. Kriegs-
acten. Fase. 60. 50.) Auch die von Richter behauptete nSchlexfung''
Petrinias finde ich nirgends beglaubigt
«2) K. k. Kriegs-Archiy in Wien. 1594. 8. 25.
— 125 —
wdl ilm Erzherzog Maxniilian, da er auf seiner Grenze gefangen
worden war, als Beutestück für sich beanspruchte*').
Im darauffolgenden Jahre 1595 gelang Eggenberg die
Wied^reroberung Petrinia's. Er Hess den Freiherm Sigmund
Yon Herberstein, der in diesem Jahre das steirische Aufgebot
befehligte, einen Streifzug nach Zeniik und Posega unterneh-
men*^) und legte sich selbst mit Georg Lenko witsch vor
Petrinia. Am 22. September näherte sich Hauptmann Francol
mit 50 Pferden der Festung auf Schussweite und gerieth mit
80 Türken, an deren Spitze sich der Festungs-Commandant
Rnstan Beg selbst befand, in ein Scharmützel. Die Türken
kdirten zur Stadt zurük, da der Beg schwer verwundet worden
war. Die Kaiserlichen zogen sich gegen Sissek zurück. Den
oächsteD Tag erschien „des Hegen Jung^ im kaiserlichen
Lager, berichtete den Tod seines Herrn und ermuthigte die
Christen za einem sofortigen Angriffe auf Petrinia. Eggenberg
entschloss sich, obwol man den Angaben des jungen Wallachen
nicht yiel Glauben schenken konnte, einen Handstreich zu
wagen. Er rückte am 24. September vor die Festung und
nahm sie ohne Widerstand "'). Petrinia wurde von da ab eine
Hauptstütze der Yertheidigung an der kroatischen Grenze
and wurde von allen drei innerösterreichischen Landen ge-
meinsam unterhalten. Vom Jahre 1598 an erscheint das Gebiet
am rechten Ufer der Kulpa unter der Bezeichnung Kulpa-
oder Petrinianische Grenze *").
Erzherzog Ferdinand, der in demselben Sommer die Re-
gierung seiner liande provisorisch übernommen hatte, schrieb
**) £L k. Kriegsarchiv in Wien, 1594. 9. 8. Schreiben des Erzherzog
Mftxmilian an den Kaiser aus Radkersburg.
*^) Ebendaselbst. 1595. 9. 20. Erzherzog Ferdinand übersendet dem
Kaiser eine ausführliche Relation Herbersteins Über seinien Einfall in
das türkische Qebiet, die sich durch besondere Kunst der Darstellung
und stylistische Gewandtheit auszeichnet.
'') KheTenhiller, Ann. Ferd. T. IV. p. 1400. Hurter, Geschichte Kaiser
Ferdinands II., UI. Theil 808.
**) Siehe darOb» auch Yanidek, Specialgeschichte der Mflit&rgrenze 1. 77,
im Uebrigen ein für das 16. Jahrh. vollkommen unverlässliches Werk,
- 126 -
an Eggenberg folgenden Brief, der von der Gutherzigkeit und
dankbaren Gesinnung des jungen Prinzen ein schönes Zeugniss
gibt •').
„Lieber von Eggenberg, mein gn&digen Grass zuvor, Ener
Schreiben hab ich bei dem Hauptmann Francoll gar wol em-
pfangen, wie auch den Inhalt ond sein mündliche Relation gar
wol vernommen, was für herzlich Freude ich daraus vernommen,
könnt Ihr wol selbst erachten. Dem Allm&chtigen sei ewiges
liOb und Dank dafür gesagt, dass er Sein göttlich . . . '^^) überall
so gn&diglich erscheinen l&sst. Die Verordnung in einem nnd
dem andern hab ich schon gethan und soll mir auch der Haupt-
mann Francoll gar wol befohlen sein, und ich wüsst auch, die
Wahrheit zu sagen, kein bessern an sein statt zu finden ; ich
wünschet nichts mehrers, allein dass ich Geld genug h&tt, auf
dass ich Euch und das redlich Euch unterworfene Eriegsvolk
damit erfreuen könnte, wann ich*s gleich aus meiner
Haut könnte schneiden. Und bleib Euch wie bisher
mit aller landsfürstUch Gnaden ganz wol gewogen. Datum Graecii,
den 27. Septembris Anno 96.*'
Das Verhältniss, in welchem Ruprecht von Eggenberg
zu Erzherzog Ferdinand und der Erzherzogin-Mutter Maria
stand, war ein dauernd freundschaftliches. Es erklärt sich dies
nicht nur aus den Verdiensten, die sich Eggenberg um das
erzherzogliche Haus erworben, sondern wohl auch daraus, dass
derselbe unter den katholischen Adeligen der Steiermark da-
mals eine der hervorragendsten Persönlichkeiten war. In einer
Zeit, in welcher das Verhältniss zwischen der übereifrigen
katholischen Regierung und der überwiegend protestantischen
Majorität der Stände von Tag zu Tag gespannter wurde, mochte
die erstere wol Veranlassung haben, Männern von der Bedeu-
tung Ruprechts eine besonders gnädige Gesinnung zu bezeugen,
wenn diese treulich zu ihr standen ^ ^). Das Kriegswesen Inner-
<^ Hcrberst. Arch. Eggenberg. L. 8. 24.
*^) nllil^ scheint ausgeblieben zu sein.
**) Bei der Erbhuldigung des Erzherzog Ferdinand (Anfangs Decemlier
1596) wird Ruprecht von Eggenberg von einigen Schriftstellern
— 127 —
öfiterreiehs scheint Eggenberg während der Jahre 1595 und
1596 aussefaliesslich geleitet zu haben, soweit es dem Erz-
herzoge unterstand; auf die Truppen der Stände hatte er
känen Einfluss, ausser in dem Falle, als ein feindliches Heer
die Grenzen bedrohte. Nachdem sich ' aber in diesen Jahren
der Angriflf der Türken wieder mehr den ungarischen Grenzen
ZQwaBdte, war Innerösterreich minder gefährdet. Da ist es
d«m sehr begreiflich, dass man den bewährten Kriegsmann
auf dem Haupt-Kriegsschauplatze zu verwenden gedachte und
dass er selbst weiteren Wirkungskreisen zustrebte.
Schon im Frühjahre 1596 begannen die Verhandlungen
zwischen dem Kaiser, seinen Wiener Kriegsräthen, dem Erz-
herzöge Maxmilian einerseits und Ruprecht von Eggenberg
andererseits wegen Uebemahme eines neuen Commanders. Am
12. Mai richtete die kaiserliche Kanzlei eine Aufforderung an
den letzteren, sich nach ^^ Verrichtung seiner Ehehafften** bereit
zu halten, als Ihrer Majestät oberster General in Ungarn ge-
braocheD zu lassen '''). Damit war jedoch nicht die Stelle eines
oberst^i Feldhauptmanns des Kaisers gemeint, wie sie zwei
Jahre später Erzherzog Mathias übernommen hat, sondern das
Generalat an der oberungarischen Grenze. Dies geht mit aller
Bestimmtheit aus einem Befehlschreiben des Kaisers vom 1 1. JuU
eine besondere Rolle zugeschrieben. J. B. Winkler (St Zeitschr.
N. F. 1 p. 86) erzählt, Ruprecht habe als „Stellvertreter des Erzher-
zogs die Huldigung der Stände empfangen, bei welcher Gelegenheit
er mit königlicher Pracht in Graz erschien. ** Sartori (Pantheon, II. 3.
p. 323) fügt hinzu, er habe in seinem Stammschlosse den Ständen
«in königliches Gastgebot gegeben. Ritter y. Leitner (Mitth. d. h.
Yer. ly 132) erwähnt zwar nichts von der Entgegennahme der Hul-
dignng, wohl aber von dem Gastmahle im Eggenberger Schlosse, das
am 10. December stattgefunden haben soll. Ich kann dem nur ent-
gegenhalten, dass Erzherzog Ferdinand die Huldigung persönlich ent-
gegennahm und am 12. December in der Burg ein grosses Bankett
gab, bei welchem die Erbämter verrichtet wurden. Das Schloss Eggen-
berg hat Ruprecht niemals besessen, es wurde von Hans Ulrich er-
bant In den Eggenbergischen Papieren fand ich von diesem Feste
nicht die geringste Andeutung.
'^ Herfoerst. Archiv Eggenberg L. 3. 24.
— 128 —
*
hervor * \ worin er Eggenberg mittheilt, ilass er ihn an Stelle
des Freiherrn Christof von Teuffenbach zum Feldobersten in
Ober-Ungarn bestellen wolle, dass er jedoch erst im Herbste
an diesen neuen Bestimmungsort abzugehen habe. Inzwischen
solle er nach Wien kommen „und daselben nicht allein über
die Stadtguardi disponiren, sondern auch neben der Burger-
schaft und Ihr. Maj. deputirten Herren Räten die Stadt selbst
inwendig und auswendig an Mauern, Basteien, Courtinen,
Gräben und dergleichen reparieren, in omnem eventum, soviel
sich immer thun lässt, befestigen und versichern''. Die Noth-
wendigkeit, Wien in vertheidigungsiähigen Stand zu versetzen,
war in den letzten Jahren wieder mehr als je hervorgetreten,
als die Gerüchte von einer bevorstehenden Belagerung so
entschieden aufgetreten waren. Im August 1594 hatten „die
hinterlassenen Kriegsräte ** eine Reihe von Vorstellungen in
dieser Angelegenheit an den Kaiser gelangen lassen. Am
eindringlichsten spricht sich die vom 10. August aus ' ):
„Es sei dringend, das Erzherzogtum Oesterreich und sonderlich
die Stadt Wien zu schützen, weil es dazu gekommen, dass
Sinan Pascha nach Erobeiiing von Wesprim, Palota, Totis
und St. Martinsberg Raab mit grosser Gewalt belagere. Wenn
Raab gefallen sei, stehe zu erwarten, dass dieser alte, kriegs
erfahrne, listige Krieger, der seine Proben gegen Venedig,
Persien und die spanische Majestät abgelegt hat, sich gegen
Wien wenden werde. Obwol die Räte schon im October 1593
dem Kaiser die Vorlagen wegen Instandsetzung Wiens für
eine Belagerung gemacht hätten, sei bis jetzt doch gar nichts
geschehen. Seit etlichen Jahren sei an der Befestigung, mit
Ausnahme der Schottenbastei nichts erneuert worden. Es be-
dürfe vor Allem eines ansehnlichen Hauptes und Obristen,
eines Stadthauptmannes und zugleich Obrist-Leutenants, der
nach der bisherigen Gewohnheit und Instruction auch die Bürger
^<) Ebendaselbst.
8
'^ K. k. Kriegsarchiv in Wien. 1694. ß~~iQ~ö"
- 129 —
IQ r^eren habe, ferner Eriegsvolk, Baumeister, Verprovian«
tiemng, Munition.*'
War damals die Gefahr auch trotz des Verlustes von
Raab, das Hardeck an Sinan Pascha übergab, glücklich vor-
abei^egangen, so musste sie sich doch jedes Jahr erneuern
und der Kaiser konnte dem Verlangen seiner Käthe nicht langer
Stillschweigen entgegensetzen. Eggenberg äusserte sich schon
am 12. Juli auf das kaiserliche Befehlsschreiben in einer Weise,
die eilceiuien lässt, dass ihm der Plan, ihn mit der Armirung
von Wien zu betrauen, bereits bekannt geworden war^'). Er
schreibt an den Kaiser, er habe zwar gehofft, dass man ihn
wegen der von ihm vorgebrachten Motiven der Beschäftigung
m Wien entheben werde, habe aber darüber keine Erledigung
bekommen. Wegen der Verantwortung, welche er gegenüber
dem Erzherzoge Ferdinand und dem Kurfürsten von Cöln, der
ihm Güter anvertraut habe, trage, müsse er jedenfalls einige
Wochen Frist erbitten. Er sei bereit, dem kaiserlichen Auftrage
nachzukommen, müsse jedoch erklären, dass er hiezu Bau-
meister und andere erfahrene Leute brauche, die ihm bei Be-
schaffung des Proviants an die Hand gehen, ;,da er der Land
Gelegenheit ein Unbekannter sei^. Dass er jedoch ohne genaue
Instruction über die ihm zu Gebote stehenden Mittel und den
Umfang des Erforderlichen »solchen Carico, wie der Buchstabe
lautet , genügsamer Gegenwehr und .Defension absolute auf
sich allein nehmen solle, was zehn oder zwanzig seines Kopfs
Vermögens gleichen zu schaffen gebe^, das würde doch Se.
Majestät ihm nicht aufladen. Wenn ihm aUes Nothwendige
geliefert werde und er eine Specifidrung seiner Verrichtung
and Verantwortung erhalte, so wolle er mit Gottes Hilfe ans
Werk gehen. — Am 1 7. Juli fertigte der Kaiser in Prag den
Bestallungsbrief für Eggenberg aus^^). Im Eingange ist die
drohende Gefahr durch des Sultans persönlichen Anzug gegen
Wien erwähnt, woraus sich die Nothwendigkeit ergebe, Wien
^^ Herberat Arch. Eggenberg L. 8. 24.
'*] Ebendaselbst.
Kitikril. ätm Mut, Yercinea f 8f«ienBaHc. XZV1. Hefl, 1878. ^
— 130 —
als nächste Grenzfestung zu vertheidigen. Eggenberg solle seinen
„Ressort nach uns (dem Kaiser) auf unsem freundlichen ge-
liebten Bruder und Fürsten Erzherzogen Maximilian zu Oester-
reich haben". Bauverständige und Proviantmeister werden ihm
zur Seite gegeben, im Falle der Belagerung werde fttr die
fernere Notdurft Fürsehung getragen und ihm über sein Ver-
mögen nichts aufgetragen werden. Wegen einer Besoldung
werde mit ihm nichts verglichen, sondern er werde durch die
kaiserliche Gnade so bedacht werden^ dass er zufrieden sein
könne. Vorläufig hatte Eggenberg jedoch noch den grössten
Theil seiner Bezüge, die ihm als General der windischen und
croatischen Grenze gebührt hatten, ausständig. Der Kaiser
trachtete daher, um Eggenberg zur Annahme des neuen Com-
mandos zu bewegen, ihn wegen dieser noch offenen Forderung
zu befriedigen. Er schrieb daher am 20. Juli an Erzherzog
Ferdinand ''^): der Erzherzog möge die Bestellung Eggenbergs
zum Feldobersten in Ober-Ungarn nicht hindern, ihm auch
seine . Gnade nicht entziehen und nachdem Eggenberg, als
General- Oberstlieutenant der Grenze, sowie der von Auersperg
zu gleichen Theilen vom Kaiser; vom Erzherzoge und von den
Landen unterhalten wurde, solle er dafür sorgen, dass, nach-
dem ihn der Kaiser contentirt, auch die zwei anderen zur
Zahlung verpflichteten Theile den Ausstand begleichen.
Erzherzog Maxmilian billigte in einem Schreiben an den
Kaiser aus dem Feldlager vor Hatvän ' ') die Berufung Eggen-
bergs, es scheint auch, dass dieser sich sofort nach Wien
begeben und über den Zustand der dortigen Werke, sowie
des Kriegswesens der Stadt ein Gutachten verfasst habe. In
einem Berichte der Wiener Kriegsräthe an den Kaiser vom
12. August'') heisst es: Der Kaiser werde aus ihrem Bericht
und des von Eggenberg „Discurs"" ersehen, was die vornehmsten
Mängel seien. Dieselben könnten in der Eile nicht remedirt
^') Herberst. Archiv. Eggenberg. L. 8. 24.
'VK. k. Kriegsarchlr in Wien. 1596. 8. 19.
''^) Ebendaselbst.
— 131 -
werden und auf eine unausgebaute Fortezza köqne man sich
nicht verlassen. Sie, sowie der von Eggenberg und alle Kriegs-
erfahmen wQssten kein anderes Mittel; als dass durch männ-
liche, ritterliche Hand der Feind von Belagerung dieser Stadt
lüöglichst abgehalten werde. Ueber eine weitere ThäUgkeit
Ruprechts in Wien ist mir nichts bekannt geworden; seine
Berufung dahin war von Seite des Kaisers eben nur ein Be-
ruhigungsmittel gewesen, um der gewaltigen Angst vor einer
Belagerung doch etwas zu steuern. Für diesen äussersten
Fan glaubte man in Eggenberg den Mann gefunden zu haben,
dessen Ansehen und Kriegserfahrung den Bllrgern und Ver-
theidigungstruppen Vertrauen einflössen werde, der auch im
letzten Augenblicke die nöthige Energie und Kaltblütigkeit
besitzen würde. Sobald die äusserste Gefahr vorübergegangen
war, brauchte man Eggenberg nicht mehr in Wien, denn für
eine dauernde Instandsetzung der Festungswerke, für eine
sTKtematiscbe Behandlung des Vertheidigungswesens hatte man
kern Geld.
Im Frühjahre 1597 wurden daher mit Eggenberg neuerlich
Verhandlungen eingeleitet Dieselben galten jetzt der Ueber-
nahme des Feldzeugmeisteramtes in Ungarn. Der Kaiser schrieb
darüber am 28. Mdrz des genannten Jahres an Erzherzog
Maxmilian^^: Er habe Eggenbergs Erklärung wegen Ueber-
nahme des Feldzeugroeister-Amts vernommen, „^as er üun
anfangs von voriger Behandlung des Ober-Ungarischen Befehls
halber anrührt und insonderheit ihm denselben dergestalt, dass
er solchen nach vollendtem Feldzug antreten möge, vorzube-
halten vermeinen und begehren thut: Darauf wollen Euer
Liebden ihm zu verstehen geben, dass unsere gnädigste In-
tention jetzo dahin gestellt sei; dass er dies Jahr nicht allein
zu Feld unser Obrister Zeugmeister sein, sondern auch hernach
dasselbe stetig Amt bediene und also in solchen ein Ordinari
LHenst neben einer Kriegsrat-Stell zu Wien haben solle, daher
es sich dann nicht thun lässt, dass der Zeit und jetzig Läufifen
^ Herfoerst. Arch. Eggenberg. L. 3. 24
9*
— 132 —
nach bedenklicher Welt so ein vornehmen Befehl, als der
Ober-Ungarisch einer ist, unbestellter zu lassen.'' Was das
deutsche Regiment betrifft, welches Eggenberg zu dem Obrist-
Zeugmeisteramte begehre, so hält auch der Kaiser dies für
sehr nützlich, da aber kein Geld hiezu vorhanden sei^ so
könne er auch nichts Bestimmtes zusagen, es werde jedoch
der Erzherzog die zur Artillerie nöthige Mannschaft ^»nach
Gelegenheit verordnen". Bezüglich der Forderung Eggenbergs
von seiner crabatischen Bestallung her werde er sich erst mit
Erzherzog Ferdinand vergleichen. Aus diesem Schriftstücke
geht hervor, dass der Kaiser die höchst gerechtfertigte Absicht
hatte, das gesammte Artilleriewesen der gegen die Türken
aufgestellten Truppen unter die einheitliche Leitung eines
tüchtigen Fachmannes zu stellen. Ein Oberst-Zeugmeister, der
nebst dem Feldmarschall, d. i. dem Befehlshaber des reisigen
Zuges, der Ritterschaft, und dem Obersten der Fussknechte
ein selbständiges Amt unter dem obersten Feldhauptmanne
inne hatte, war für ein wolausgestattetes Heerwesen unbedingt
nothwendig. Ihm unterstand die gesammte Feld- und Festungs-
Artillerie, sowie Alles, was mit Belagerung und Vertheidigung
fester Plätze in Verbindung stand. Er hatte die Zeughäuser
einzurichten und zu ordnen, fQr Geschütz, Munition, Bedienungs-
mannschaft und Bespannung zu sorgen; er bedurfte desshalb
auch; wie Eggenberg selbst verlangt hat, eine genügende Be-
deckung zum Schutze seiner werthvollen Objecte, für die er
verantwortlich war.
Es dauerte geraume Zeit, bis man Handels einig war.
Eggenberg wollte vor Allem seine Forderungen von der letzten
Bestallung an der Grenze her gesichert wissen; er hat dies
jedenfalls zur Vorbedingung seiner Annahme gemacht, weshalb
ihm der Kaiser am 24. Juni 1597 '") mittheilte, er wünsche eine
Specification seiner crabatischen Prätensionen und dessen^ „was
ihm in Abschlag der 5474 fl. 15 kr., so er den Reitenauischen
Knechten, Francorschen Reitern zu Petrinia fürgeliehen,
'•) Herberst. Archiv. Eggenberg L, 8. 24.
— 133 —
bis auf diese Zeit erlegt worden". Erst aai 31. Juli d. J.
wQide ihm der kaiserliche BestaUungsbrief als General-Obrist-
Feld-Zeugmeister ausgestellt^"). Darin hiess es, er habe für
die Bereitung und Bewahrung der Munition zu sorgen, darauf
zu sehen, dass mit dem Pulver gespart und ohne Gefahr um-
gegangen werde, den Schlitzen solle Pulver und Munition
nicht nach ihrem Begehren, sondern nach Nothwendigkeit ge-
reidit werden ; er habe dahin zu wirken, dass die zum Artillerie-
^t gehörigen Officiere, Diener, Werkleute ihre Dienste ver-
seben, dass Fuhrleute, Geschütz- und Wagenpferde in völliger
Anzahl TÖrhanden sind. Wenn es zu einem Abzug kommt oder
im Felde nichts zu thun gibt, solle er das Geschütz und Zeug
in das Zeughaus in Wien, oder wo es ihm geschafft sein wird,
gut unterbringen und darüber ein Inventar anlegen. Er habe
den Erzherzog Maxmilian und dessen General-Oberst-Leutenant
wh ihm „anzusehen" und deren Anordnungen in Artillerie-
Aachen auszurichten. Dafür werden ihm fbr Leibsbesoldung und
iK)thwendige Staats-Personen, die in dem Artillerie-Staat nicht
passirt werden sollten, monatlich vom 1 5. August an, so lange
er im Felde dient, 1 200 Gulden zugesichert Wegen des ausstän-
digen Bestes, welchen Eggenberg zu prätendiren hatte, war die
Uoikammer schon früher angewiesen worden, ihn mit einem
Theil zu befriedigen, mit dem andern zu vertrösten. Für einige
Fähnlein zur Versehung seines Amtes sollte Erzherzog Max-
Qülian sorgen. Den Titel General-Obrist-Feld-Zeugmeister hatte
%enberg selbst verlangt^').
Als Erzherzog Mathias die Stellung als Ober-General in
Ungarn übernahm, behielt Eggenberg das Oberst-Zeugmeister-
^t and war dem General Basta, der als Feldmarschall dem
tlrzherzoge Maxmilian zur Expedition nach Siebenbürgen folgte,
gleichgestellt Der auf Eggenberg Bezug nehm<^nde Passus der
Iiaiserlichen Resolution für den Kriegsstaat des Erzherzog
^ Herberst Archiv. Eggenberg. L. 3. 24.
M K. k. Kriegsarcbiv in Wien. Schreiben des Kaisers an Erzh. Maxmilian
▼om 8. Mai 1597.
— 134 —
Mathias vom 3. August 1598^-) lautet: „weil nämlichen so
viel Zeit mit Abfertigung des angehenden Feldobristen in Ober-
Ungarn Herrn von Eggenberg fUraber, und derselbe diesmal
so eilends nit anziehen kann, soll Er, Herr Eggenberg, noch
diess Jahr solch Obrist Zeugmeistcramt zu Feld versehen
und dann nach geendter Feld Expedition sein Abzug in Ober-
Ungarn nehmen, mit welchem dann also Ihr Fttrstl. Durchl.
bei diesem Amt auch ein richtige und gute Ersetzung haben
werden. ** Eggenberg, scheint diese Stelle jedoch nicht früher
acceptirt zu haben, als bis ihm der ausständige Rest seiner
Geldforderungen gezahlt worden war. Dies lässt sich aus
einem Schreiben der Erzherzogin Maria an Eggenberg vom
21. Juli d. J. erkennen ** •)• Dasselbe beginnt: „Lieber von
Eggenberg, Ich hab euer Schreiben vom 14. d. M. wol em-
pfangen und daraus vernommen, wie euch der Kaiser bestellt
hat . . . Unser Herr geh euch in Allem Glttck. Ich ireu' mich
von Herzen, dass euch *der Kaiser euren Crabatischen und
Windischen Rest zahlen will. Er ist's euch vor Gott schuldig.
Ich hätt* es gern gesehen, dass ihr vor eurem Hinreisen zu
uns wärt. kommen ..."
Mit der Vertröstung auf die Besetzung des oberungarischen
Commanders im nächsten Jahre war jedoch der Wiener Hof-
kriegsrath nicht zufrieden. Er sprach in einem Gutachten über
die erwähnte kaiserliche Resolution ^^) die Meinung aus, es
sei sehr zweifelhaft, ob sich der von Eggenberg „zu einer so
langwierigen Tractation werde brauchen lassen^ und müsste
jedenfalls seine Antwort darüber abgewartet werden. In Ober-
Ungarn sei jedoch ein Befehlshaber dringend nothwendig, da
man sich auf die Verwaltung des Amtes durch Rakoczi durch-
aus nicht verlassen könne.
Zu dem Stritte des vielbesprochenen Generalates in
Ober-Ungarn kam es von Seite Eggenbergs nicht Es scheint
»*) K. k. Kriegsarchiv in Wien.
^^) Ebendaselbst
*^) KuDiar, Geschichte der Burg und Familie Herbersiein. II. 160.
- 135 —
Tielmehr, dass derselbe das Feldzeugmeister-Amt unter Erz-
heßog Mathias auch in den nächsten Jahren noch versehen
habe. Genauere Daten sind darüber nicht vorhanden, seine
Thätigkeit tritt erst wieder in den Vordergrund der Kriegs-
begebeDheiten durch seine Ernennung zum Commandanten
von Raab. Diese Hauptfestung war am 28. März 1598 durch
Adolf Freiherm von Schwarzenberg, Commandant von Comorn,
wieder erobert worden und das erste Commando daselbst war
^on Eggenbergs Kriegskameraden von 1593, Herrn Melchior
von Rödem, versehen worden. Im Jahre 1600 erhielt dieser
das Directorium in Ober- Ungarn und im Frühjahre 1602
erscheint Ruprecht von Eggenberg bereits in seiner neuen
Stellung in Baab. Dieselbe war von grösster Wichtigkeit. Raab
sammt den umliegenden Castellen und befestigten Orten galt
als die Vormauer von Wien. Das Commando des dortigen
Festangs-Commandanten reichte bis an den Plattensee und
bot Dicht nur Gelegenheit zur Yertheidigung, sondern auch
2u wirksamen Beunruhigungen des Feindes auf dessen eigenem
(S^biete, da sich jede Expedition auf eine feste Operations-
basis stQtzen konnte. Eine erschöpfende Darstellung des
Wirkongskreises, innerhalb dessen sich Ruprecht von Eggenberg
in Raab bewegte, bietet die von Erzherzog Mathias am 1. Februar
1602 ausgestellte „Instruction, was der Edl unser lieber ge-
^oer Ruprecht von Eggenberg, Freiherr zu Ehrenhausen,
der Kais. Htt unseres geliebten Herrn und Bruders Rat,
als der von höchstgedachter Kais. Mtt zum Obristen gegen
^b fOrgenommen worden, in solchem seinen Obristen Befehl
getreues Fleiss handeln und verrichten solle" "').
1. Er hat die Festung Raab sammt der „anrainenden Dition''
der Kais. Mtt. zu bewahren.
2' £r soll durch christliche Seelsorger Gottesdienst halten lassen
<u)d das Kriegsvolk zu christlichem Leben verhalten.
3. Er soll darauf sehen, dass die Besatzung genau dem „Ordinari
Status'' entspricht Bei offenem Kriegsfall kann sie auch
verstärkt werden.
") Herbent Archiv. Eggenberg. L. 8. 24.
— 136 —
*
4. Die Bürger sollen in ihrem Hab und Gut geschützt, im Kriegs-
fall jedoch zur Yertheidigang herangezogen werden.
5. Bischof and Capitel sollen in ihrer Jurisdiction und Reckten
beschützt werden.
6. Die Bauern und Freisassen um Raab sollen ebenfalls geschützt,
was ihnen vom Kriegsvolk abgekauft wird, nach Billigkeit
bezahlt werden.
7. Durch ein Gomit6 von zweien aus der Bürgerschaft, zweie u
aus der Gespannschaft, zweien vom deutschen, zweien vom
ungarischen Kriegsvolk soll Proviant undFourage in bestimmten
Z^eiträumen „beteuret" werden.
8. Damit das ihm unterstehende Kriegsvolk in Raab und den
Grenzhäusern immer in gehöriger Anzahl vorhanden und wohl-
gerüstet sei, solle er dasselbe entweder selbst oder in seiner
Abwesenheit durch einen Obristlieutenant fleissig „bereiten und
besichten*' lassen. Seiner Administration und Justitia soll
kein Eintrag gethan werden.
9. Die Feldschreiber sollen zu genauer Evidenzhaltnng des deutschen
und ungarischen Kriegsvolkes angehalten und daran nicht ge-
hindert werden.
10. Das „Kutschifahren*^ der ungarischen Reiter, sonderlich der
„Fellegien" soll hintaugehalten werden, weil dadurch die Reihen
nicht eingehalten und die Anzahl Pferde geschwächt werden.
11. Jeder „Dienstmann ^ soll seine schuldigen Pferde und Diener
halten ; wer dies nicht thut, soll dem Kaiser angezeigt werden,
damit dessen Stelle auf andere Weg ersetzt werde. Auch soll
Niemand von der Bürgerschaft oder den Kriegsleuten dabei
„eingebracht^ werden.
12. Er hat darauf zu sehen, dass immer genügender Yorrath von
Proviant vorhanden ist, eigennützige Proviantmeister „anhero"
anzuzeigen.
1 3. Pulver und Munition in Stand halten, nichts unnütz verschiessen.
14. Er soll sich mit Bau verständigen über ein „Modell^ der
Festung vergleichen, dasselbe dem Kaiser einsenden, die noth>
wendigsten Ausbesserungen und Befestigungen ohne über-
flüssigen Zierrath und Pracht ausführen lassen.
— 137 —
15. Wenn die ungarischen oder „andere^ St&ndc Hilfe oder Robbot
bewilligen, soll dieselbe gut angewendet und Niemand zu mehr,
als er schuldig, angehalten werden.
16. Plätze und Ausg&nge dürfen nicht verbaut werden, so dies
geschehen, solle- er wieder fftr Erweiterung sorgen.
17. Nachden jetzt die Gassen und Plätze von Koth und Mist
angefollt seien, und dies im Sommer leicht eine „Infection"
hervorrufen könnte, soll er nach Gutachten der Baumeister
die Unsauberkeit durch Diejenigen, welche sie gemacht haben,
wegf^ren lassen (!).
18. Fftr das Kundschafterwesen werden ihm 200 Gulden Steirisch
bewilligt. Die incorporierten Grenzen, als : die Oberhauptmann-
schafl zu Stuhlweissenburg mit den Grenzhäusern Tschohoki
und Schikvar, die Hauptmannschaften zu Pallota, Wesprim,
Papa, Tihan, Tscheben, Wäschön, Kestel, Szegligeth, Tscheswek,
St. Martinsperg, Tottes und Gestes sollen alle Kundschaften
sofort zu seiner Kenntniss bringen.
19. Den Kreishauptlenten zu Comom und Gran ist aufgetragen,
ihm, wenn nöthig, Hilfe zu bringen.
20. Mit diesen hat er stets vertraute Correspondeuz zu halten.
21. Stuhlweissenburg wird ihm untergeordnet, er hat daselbst
öfters zu visitiren.
22. Wenn der Kaiser mit den Türken Frieden schliesst, soll er
der Capitulation nicht zuwiderhandeln.
23. Keiner von den untergebenen Kriegsleuten darf mit den Türken
ohne sein Yorwissen in Correspondenz treten.
24. Das Qnnöthige „Streifen*', das gewöhnlich nur dem Eigennutz
dient, ist zu verbieten.
25. Wenn aber der Türke streift, oder „da die Üuterthanen
beiderseits gehuldigt, etwas befestigen wollen^, solle er ent-
weder allein oder mit Hilfe der benachbarten Grenzhäuscr
Widerstand und Abbruch thnn.
26. Wann sie dabei Glück haben und Beute machen, solle es
nach der gewöhnlichen Ordnung gehalten werden und jeder-
zeit die Paschas, Sandschaks, Begs und Beys der Kais. Mtt-
als Kriegsherrn frei „bevorgehalten werden*'. Der Oberst solle
— 138 —
sich mit einer „yerehraDg" begnügen and die armen Kriegs-
leaie fiber Gebühr nicht beschweren.
27. Die Freien und Haidncken, die sich nicht zum k. Eriegsvolk
begeben nnd auf eigene Faust rauben, soll er nicht dulden,
sondern znr Bestrafung anhalten lassen.
28. Wenn er ins Feld rückt, soll die Festung eine gehörige Be-
satzung und einen Commandanten behalten.
29. Er solle über alle Vorkommnisse an den Kaiser und den
Hofkriegsrath berichten und „summariter alles das thnn und
handeln, was einem' getreuen Obristen, der Kais. Htt. Rat
und Unterthan zu thun gebürt**.
Zusammenhängende Berichte über Eggenberg's Thätigkeit
in Raab sind nicht vorhanden, es sind nur Meldungen Über
vereinzelte Begebenheiten, aus welchen wir Anhaltspunkte für
ein Bild derselben gewinnen können. — Ich beschränke mich
darauf, dieselben in Kürze zu regestriren **).
9. Juni 1602. Bericht an Erzherzog Mathias, dass 100 un-
garische Freibeuter in Comom den Ali Pascha, der sich
zu Schiff nach der „Portten" begeben wollte, gefangen
genommen und nach Weissenburg gebracht haben. Der
Pascha habe sich stark gewehrt und zwei Schüsse
bekommen. Eggenberg habe ihn gleich verbinden und
ihm eine Kugel . herausschneiden lassen. Den nächsten
Tag werde er ihn nach Wien senden*').
1. September 1602. Bericht über die am 28. August erfolgte
Ueberrumplung von Weissenburg durch die Türken.
8. September 1604. Erzherzog Mathias ersucht den Kaiser,
Herrn von Eggenberg, der sich schon geraume Zeit in
^^ Sämmtliche zu Grunde liegende Actenstücke befinden sich hn k. k.
EriegsarchiTe zu Wien.
9^ Kheyenhiller (VI. 2668) erzählt, dass mit dem Pascha auch ein aus
dem Regunent des Obersten Kollonitsch entlaufener Aufnr&rter aus
dem Oeschlechte der von Pranckh gefangen worden sei. Er habe sich
jedoch verzweifelt gewehrt und sei ihm der Kopf abgehauen worden. —
Vom Jahre 1608 berichtet Ehevenhiller einen gludclichen Streifzug
Eggenberg's gegen Stublweissenburg.
— 139 —
Prag aufhalte und jetzt noth wendig bei seinem Befehle
in Raab sein solle, alsbald gnädigst nach Raab zu „ver-
schaffen und daselbst gute Anordnung und Bestellung
durch ihn thun zu lassen^.
1. October 1604. Erzherzog Mathias nimmt zur Eenntniss,
dass der Kaiser dem von Eggenberg „um seiner Leibs-
beschaffenheit willen des Obristen Befehls zu Raab mit
«
Gnaden erlassen und denselben Befehl seinem Rat und
Oberst Feldmarschall Christof Russwurmb verliehen
habe".
Die Enthebung vom Commando zu Raab war jedoch nur
eine zeitweilige, denn im Jahre 1606 finden wir Eggenberg
bereits wieder auf seinem Posten. Sein letztes Dienstjahr
brachte ihm jedoch viele Unannehmlichkeiten und es lässt sich
begreifen, dass der alte Kriegsmann den Entschluss fasste,
den Rest seiner Tage in Ruhe zu verbringen. Der Zwiespalt
QDd der immer schärfer hervortretende Gegensatz zwischen
dem Kaiser und Erzherzog Mathias mussten Eggenberg's
Stellung, durch welche er beiden verpflichtet war, jedenfalls
erschweren. Eine offene. Parteinahme für einen oder den an-
deren woUte er wahrscheinlich vermeiden und doch drängten
die Verhältnisse dazu. Am wenigsten scheint das Pactiren des
Erzherzogs Mathias mit den ungarischen Rebellen (unter
Boczkay's Führung) seinen Intentionen entsprochen zu haben.
Er hatte deren Unverlässlichkeit und Hinterlist längst durch-
schaut In seinem Territorium mögen die Zustände im Frühjahre
1606, als Mathias dem Uebermuthe der aufständischen Ungarn
Concessionen zu machen sich genöthigt sah, besonders un-
erquicklich gewesen sein. Eggenberg's Berichte darüber sprechen
deutlich genug. Er schreibt am
14. April 1606 an Erzherzog Mathias: Die in Raab garni-
sonirenden Ungarn erzeigen sich so stolz und mit
seltsamen Reden, dass er sich nicht mehr traue, mit
ihnen auszukommen. Obwol er sie bis jetzt im Zaum
gehalten und ihnen „Knopf und Spitz*' geboten, wolle
es jetzt doch nicht mehr gehen und werden diejenigen,
— 140 —
die bis jetzt gut kaiserlich waren, es von nun an mit
dem Boczkay halten. Gerade diejenigen, die nach Wien
reisen und den Erzherzog um Gnade bitten, seien die
Rädelsführer. Sie glauben, man wolle sie nicht bezahlen,
wenn der Friede seinen glücklichen Ausgang nicht er-
reichen würde. Man solle daher Raab mit Munition und
Proviant versehen. Schon seien 14 Tage über den ihm
bewiUigten Termin seines Abzuges verflossen. Da er
nothwendige Rechtssachen in Steier zu besorgen habe,
werde er dem Oberst Brenner das Commando übergeben,
denn er befürchte, vom Podagra befallen, wieder bett-
lägerig zu werden.
17. April 1606. Der Erzherzog möge den Oberst Breuner
herabordnen. Er (Eggenberg) liege bereits zu Bette,
könne weder fahren noch reiten und dem Wesen bei der
Festung nicht beiwohnen. Dazu erhebe sich zwischen
den Deutschen und Ungarn (unter der Besatzung) ein
Unwillen um den andern. Sein Wachtmeister sei gestern
mit Tod abgegangen, Oberst-Lieutenant habe er keinen
und da Hauptmann Tannhammer Gesundheits halber
nach Wien gereist sei, so sei die Festung von Befehls-
habern fast entblösst
19. April 1 606. Die Rebellen, die sich bisher zwischen Kaniscba
und Kopan aufgehalten, haben bei Tottis ein Lager
errichtet Es sei nothwendig, Mannschaft nach Raab zu
schicken, die Ungarn seien wegen der Zahlung unwillig,
er wisse nicht, ob man sich auf sie verlassen könne.
Wenn die Zahlung nicht erfolgt und der Friede ge-
schlossen werde, wisse er nicht, ob er sie nicht mehr
als Feinde, denn als ihrer Majestät getreue Freunde
in der Festung habe. Der Boczkay liege ihnen mehr im
Herzen, wie Ihre Majestät
Bald nach diesem Schreiben dürfte Eggenberg Raab
verlassen und damit seine militärische Laufbahn abgeschlossen
haben. Ein officielles Enthebungsdecret liegt jedoch unter seinen
Papieren nicht vor. Der Kaiser war in der nächsten Zeit mit
— 141 —
sanen eigenen Angelegenheiten zu sehr beschäftigt, als dass
er Eggenberg's noch besonders gedacht hätte; mit Erzherzog
Mathias scheint Eggenberg selbst nicht aaf dem besten Fusse
gestanden zu sein« FQr eine Pension hatte der Kaiser schon
bei Gelegenheit der Erkrankung Eggenberg's in Prag gesorgt^
indem er ihm einen jährlichen Betrag von 1 000 fl. auf Lebens-
dauer verschrieb.**) Keineswegs wQrde jedoch die Annahme
zolissig sein, als habe Ruprecht zu gerechten Klagen gegen
sein Commando Anlass gegeben oder er sei zu weiterer Be-
schäftigung nicht mehr geeignet gewesen. Ein Actenstück aus
dem Jahre 1604 beweist, dass er damals zu den hervor-
ragendsten Kriegshäuptern des Reiches gezählt wurde.
In einem Gutachten des Grafen Ludwig zu Sulz, Präsi-
denten des Hoikriegsrathes, beantragt derselbe die Bestellung
änes General - Commissärs des gesammten Kriegswesens, der
aDe kaiserlichen Befehlshaber in ihrer Administration zu con-
troliren und, wenn nöthig, zu bestrafen habe. Es mOsse zu
diesem Befdd ein erfahrner Kriegsmann erwählt werden, der
denselben mit Bescheidenheit und scharf versehe. Als hiezu
geeignet nennt er den Hofkammerpräsidenten Bemh. Leo Call,
den Freiherm Hans Friedrich von Mersperg, Hans von Mollart,
Christof von Egkh, Ruprecht von Eggenberg, Bar-
tolomae Pezzen, Hans Reichart von Schöneburg, Zacharias
Geizkofler und Ferdinand von Hoyos.
lY.
Erhebung in denFreiherrnstand.— Oekonomisches.—
Tod, Testament, Leichenbegängniss,
Nachdem ich die militärische Laufbahn Ruprechts von Eg-
genberg bis zu ihrem Abschlüsse verfolgt habe, erübrigt, eines
Ereignisses zu gedenken, welches fbr die Geschichte des Hauses
Eggenberg ebenso, wie für die unseres Kriegsmannes von be-
sonderer Bedeutung ist : die Erwerbung des Freihermstandes.
") Registratnr d. k. k. Landger. Oraz. Verla 88- Acten.
— 142 —
Im vorliegenden Falle haben wir darin nicht nur die
Vermehrung von Wappen und Titulatur zu begreifen, sondern
die Einreihung emer durch ein Jahrhundert im Lande Steier-
mark begüterten und den öffentlichen Geschäften sich wid-
menden Familie in den ersten der damals zur Theilnahme an
der Regierung berufenen Stände — den Herrenstand. Der
Sieger von Sissek und Petrinia, der langjährige, unverdrossene
Diener des Hauses Habsbui-g konnte von seinem Kaiser diese
Gnade erbitten, er konnte nicht nur seine eigene Person,
sondern das Gesammthaus der Eggenberge, dessen weitaus
bedeutendstes Glied er war, der kaiserlichen Huld empfehlen,
von ihm war es keine leere Phrase, wenn er dagegen versprach,
die Familie werde sich durch Thaten dieser Ehre würdig zu
zeigen, bestrebt sein. Ruprecht hat die Felsenstufe gehauen,
von der aus sein Vetter Hans Ulrich den Weg des Ruhmes
weiter wandeln konnte, denn auch diesen hat auf Ruprechts
Bitte der Kaiser in die Standeserhöhung einbezogen, als er
am 29. December 1598 das Freihermdiplom für seinen General-
Feldzeugmeister ausstellte. "**)
Das Dankschreiben, welches Ruprecht nach der ersten
Mittheilung dieser Gnadenbezeugung an den Kaiser richtete, ** )
bezeugt es ebenso, wie ein später noch zu berührender Briei
Hans Ulrich's an Ruprecht, dass nur auf die Intervention des
letzteren hin der künftige Fürst und Herzog von Krumau den
Freiherrnstand erwarb. Dasselbe lautet:
„Allerdarchlauchtigster, grossmächtigster Kaiser,
Ailergnädigster Herr!
Euer Kais. Mit. allergnädigste Resolution auf mein ehelängst
übergebenes gehorsamliches Supplicieren für mich , meinen
Namen und Stammen betreffend, hab ich mit gebürllcher
Uuterthänigkeit gehorsamst vernommen, thue mich auch für
mich und mein ganzes Geschlecht gegen Euer Kais. Msy. der
Kaiserlichen Gnad nnterthänigst und allergeborsamst bittend,
^*) Herberst. Arcb. Eggenbg. L. 4. 43.
•^ Ebendaselbst. L. 3. 24.
— 143 —
die gemhen Allergnädigst in deroselben Reichs - Hof - Kanzlei
zu verordnen, damit mir solche Kaiserliche Gnad in einem
schriftlichen Privilegio auf mich, meine Herrn Brfider Bar-
tholomä und Hans Christof, auch meinen Vettern Hans Ulrichen
sammt allen unsem Erben und Erbs Erben lautend, angehändigt
«erde. Solche Kaiserliche Gnad will ich neben und sammt
meinem ganzen Geschlecht um Euer Kaiserliche Majestät und
deroselben Hochlöbliches Haus jederzeit me bis dato in aller
Unterthänigkeit zu verdienen mich befleissen.*^
Der Brief Hans Ulrich's, auf den ich früher hindeutete, " ')
enthält folgende Stelle : „Weil ich auch verstanden, dass der
lierr jetzo mit Ihrer Kais. Mtt unsem gnädigsten Herrn nach
Prag verreiset, so bitte den Herrn ich dienstlichen vermahnend,
er wolle sowol des Wappens, als auch des andern, so ich dem
Herrn nach Ehrenhausen geschrieben und er sichs ohne Zweifel
wol erinnern wird, bei der Rom. Kais. Matt ingedenk sein.
Hernes Erachtens ist jetzo ein solche Occasion, die vielleicht
so bald hernach nicht kommen möchte." In Verbindung mit
dem Yorher mitgetheilten Schreiben Ruprechts lässt sich diese
Stdle, die noch durch eine in spanischer Sprache angefügte
Bemerkung ergänzt wird, wohl dahin auslegen, dass Hans Ulrich
dabei die Ausdehnung des Freihermpatentes auf ihn im Auge
gehabt habe.
Tbatsächlich begründet das Diplom selbst die kaiserliche
Gnadenbezeugung mit den Verdiensten Ruprechts, wie aus
nachfolgendem Abschnitte des Textes hervorgeht '-)
*>) Yom 21. April 1698. Herbst. Archiv. Eggenbg. L. 3. 24.
^ Das im Herberst. Arch. befindliche Original-Diplom ist auf einem
Pergamentblatt grössten Formats in Schwarz und Gold, den Haupt-
iarben der Eggenberger, ausgeführt. — Stadel gibt in seinem Ehren-
spiegel Ton Steiermark (I-Iandschrift des Landes- Archivs) als Tag der
Ausstellung des Diplomes den 20. Juni 1600 an, was wohl auf Yer-
wechslnng des Originals mit einer Yidimirung beruhen dürfte. Ein
kais. Diplom vom 8. Mai 1598 gewährte Ruprecht von Eggenberg und
AUen 9 des Kamens und Stammens Eggenberg** eine Wappenverbes-
termig durch Beilügnng einer blauen Reiterfahne mit dem Wappen vtfn
Bosnien, welche hinter dem Schilde links vom Helme hervorsteht.
— U4 —
„and Wir dann gn&diglich angesehen, wahr-
genommen und betracht, das alt adelich Geschlecht und Her-
kommen derer von Eggenberg, auch die Redlichkeit, Tapferkeit,
Geschicklichkeit, adeliche gute Sitten, Tugend and Vemanft,
darinnen wir nnsern getreuen lieben Ruprechten, unsern Rath,
Bartholomeen und Hans Christofen von Eggenberg zu Ehren-
hausen Gebrüder, auch Ihren Vettern Hans Ulrichen von Eg-
genberg erkennen. Dazu die angenehmen, aufrichtigen, redlichen,
treuen, fleissigen und willigen Dienste, so bemelter Ruprecht
Uns nun viel Jahr lang her wider gemeiner Christenheit Erb-
feind den Tarken, nit allein im jüngsten Feldzug als General -
Obrist-F*;ldzeugmeister, sondern auch zuvor verschienen 93. Jahrs,
als der unruhige Hassan Bassa aus Bossen die Festung Sissegg
belagert und zum Sturm beschossen, in dem ihm damals von
Uns commissionsweis' anvertrauten Qeneralat der Windischen
und Crabatischen Gränzen erlangten glück- und sieghaften
Victoij (darin obgedachter Bassa sammt dem mehrern Theil
seiner Ritterschaft und Eriegsvolk erlegt und zu Grund ge-
gangen) wie auch der Entsetzung solcher Festung, desgleichen
Anno fünf und neunzig in Bestreit — und glücklicher Eroberung
des Haus und Festung Petrinia, so der Türk zu höchstem der
ganzen Christenheit Nachtheil und Schaden von Neuem erbaut
gehabt, ungespart seines Leibs, Guts und Bluts ganz standhaftig
und ritterlich zu unserem gnädigsten Benügen und Wolgefallen
erzeugt und bewiesen, noch täglich thuet und hinfüro zu thnn
sammt seinen Brüdern und Vettern gehorsamst erbietig ist,
auch Sie sammt und sonderlich wol thun können, mögen und
sollen, so haben Wir demnach bemelten Ruprecht,
Bartholomeen, Hanns Christof und Hanns Ulrich von Eggenberg
sammt Ihren ehelichen Leibs Erben und derselben
Erbs Erben in den Stand der gebornen
Freiherm und Freulein erhebt als ob sie von Ihren
vier Ahnen zu beiden Seiten recht geborne Freiherrn und
Freulein wären Meinen, setzen nnd WQllen, dass oh-
genannte Ruprecht, Bartlmee, Hanns Christof und Hans Ulrich
von Eggenberg Freiherm und Freulein sein nnd sich hinfOro
- 145 —
Eggenberg Freiherrn und Frenlcin zu Ehren-
hansen und II er her stör ff ausgeben, nennen, heissen und
schreiben sollen.^
Herr Ruprecht hat dafllr gesorgt, dass sich seine neue
freiherrliche Würde auf eine ausgiebige materielle Basis stützen
konnte. Er wusste mit seinen Geldern trefflich umzugehen und
verschmähte kein Geschäft, durch das sich ein guter Gewinn
erzielen liess. So war er nicht nur nebenbei Pächter der
bischöflich Freisingischen Herrschaft Laak in Krain, sondern
trieb daneben auch noch einen ausgedehnten Getreide- und
Weinhandel. Rechnet man hiezu, dass er die Familienherrschaft
Ehrenhausen ganz an sich brachte, das Schloss völlig neu
aufbauen und befestigen liess, so muss man über die Viel-
seitigkeit dieses Mannes staunen, der bei so mannigfachen
militärischen Obliegenheiten so vielverzweigte ökonomische
Geschäfte zu bewältigen verstand.
Einige Auszüge aus dem Briefwechsel, den er führte^
werden geeignet sein, ein Bild von dieser Thätigkeit zu geben
die jedenfalls einen äusserst umsichtigen, energischen Mann
erforderte •*).
4. Juni 1603. Willibald Nussbaumer, Verwalter in Ehren-
hausen schreibt nach Raab, mit den Weinfuhren sei nicht
aufzukommen. Der Dimhofer in Strass gibt keine Fuhr,
87 Startin Wein seien bis dato geliefert und von Eggen-
bei^schen Unterthanen verführt worden. — Die Mauer
mit der Bastion sei bis zum Kranz fertig. Die Steinhauer
im „Bruch" wollen die Klafter um 45 kr. und des Tags ein
„Viertl" Wein machen. Der BärÜ Steinhauer hat ihnen
gedroht, jedem an Leib und Leben zu gehen, der die
Arbeit annimmt, bis er seines Ausstands von E. Gnaden
befriedigt ist. Er will die Arbeit unter 1 Gulden nicht
machen. (Ein passender Beitrag für die Geschichte der
Strikes zur Beruhigung derjenigen, die darin eine so
**) Die nachfolgenden Angaben entstammen Briefen des Herbersteiner
Archivs (Eggenberg. L. S. 24).
MütliefL de« kist. VeninM f. St«ierm«rk. XXVI. Heft, 1878. IQ
— 146 -
gefährliche Erfindung der Neuzeit erblicken. Alles schon
dagewesen !)
12. Juni 1603. Die Weiniuhren für Ihre fürstl. Durchl. sind
vollzogen. Herr Galler begehrt 5 Startin Wein. Dietrich
Mayens, Kaufmann zu Graz, will von den in Ehrenhausen
liegenden Weinkannen das Paar ftlr 80 fl. annehmen.
Das Khevenhiller'sche Interesse hofft Nussbaumer mit
ehestem zur Hand zu bringen.
17. Juni. Die Maurer brauchen 100 Starün Kalk und 3 Brand
Zi^el, ob der Herr die Ziegel brennen lassen wolle ? Der
Müllermeister sagt, er könne kein Paar Weizenstein
(Mahlsteine fbr Weizenkom) unter 50 fl. geben; vor
Zeiten möchte man's um 40 fl. haben geben.
1 8. Juni. Oswald Akher (Kaufmann ?) bittet um Erfolguug der
ihm schuldigen 700 fl.
24. Juni. Bericht des Verwalters von Laak. Der Verweser von
Idria, wohin Eggenberg eine Getreidelieferung über-
nommen, will für den Star Weizen nicht mehr als 3 fl.
8 kr^ far Korn und Hirse 2 fl. 20 kr. zahlen. Da maa
in Laak, Krainburg, Laibach nur 40 Batzen (2 fl. 40 kr.)
für Weizen, 30 oder 31 Batzen für Korn und Hirse
erzielen kann, so empfehle er obigen Verkauf, denn
er habe ohnehin nicht genug Raum für das Zinsgetreide
(177V* Star Weizen und 319 Star Roggen und Hirse).
28. Juni. David Heldt, gewesener Handelsmann in Graz, der-
malen in Wien, verlangt 784 fl., welche Eggenberg als
Rest einer Schuld von 1984 fl. dem Ackher zu zahlen
habe, nachdem Heldt das Geld seit 2 Jahren bei Ackher
ausständig habe.
Zu diesen Correspondenzen kommen noch fortwährende
Kaufs- und Verkaufsanträge von Gütern, deren Resultat sich
nicht verfolgen lässt, Betreibungen von Steuerrückständen,
Verhandlungen mit der Freisingischen Kammer, die dem Kur-
fürsten von Köln, Ernst von Baiern, unterstand, der zugleich
Bischof von Freisingen war — und so mag es nicht nur in
den wenigen Wochen, von deren Geschäftsgang wir hier einigen
^ 147 -
Einblick erhielten, sondern Jahr um Jahr zugegangen sein.
AuSiallend ist diese rastlose auf den Erwerb berechnete Be-
mQhoDg Ruprechts '^), da er doch für keine eigene Familie
zu sorgen hatte Er war unvermählt. In seinen) Testa-
m^ite •') setzte er seinen Neffen Wolf Freiherm von Eggenberg
an Kindesstelle. Derselbe war durch des Oheims Protection,
nachdem er schon an der Grenze gedient hatte, Beiteroberst
in Diensten des Grossherzogs von Toscana, Don Ferdinand,
geworden und trat auch in seiner militärischen Laufbahn
gewissermassen als Erbe Ruprechts auf. Er wurde Oberst zu
Earlstadt und an der Meergrenze, war als tapferer Kriegsmann
bekannt, folgte vier Jahre nach dem Tode seines Oheims und
zweiten Vaters demselben in das Grab und theilt noch heute
dessen Ruhestätte, das prachtvolle, leider dem Untergange
Preis gegebene Mausoleum zu Ehrenhausen, das er nach
Anordnung Ruprechts fUr diesen hatte erbauen lassen.
Ruprecht starb den 25. oder 26. Februar 1611. Sein
Leichenbegängniss wurde mit seltenem Gepränge in Graz
abgehalten. Eine ausführliche Schilderung desselben"^) gibt
Zeugniss von der ausgezeichneten Stellung, die Ruprecht unter
seinen Landsleuten einnahm und von dem Bestreben seiner
Standesgenossen, wie unstreitig auch des Hofes selbst, ihm
noch nach seinem Hinscheiden die höchste Ehre zu bezeugen.
Das erwähnte Actenstück berichtet:
„Folgendermassen ist Herrn Rnpr echten Freiherrn von Eg-
genberg^s Obristen seeliger Leichnam den 28. Febroar Vormittag
um halb nenn ans seinem Haas vor St. Paulas Thor getragen
and zu den Herrn Franciscanern in derselben Kirchen begleit
worden.
^) Aach Dach seuiem Rttcktritte vom Kriegsdienste machte Ruprecht noch
grossartige Geldgeschäfte. So erwähnt Harter (Ferdinand II. V. 7) eines
Darlebens von 84.679 fl. an die erzberzogliche Kammer, wofttr der Erz-
herzog am 24. April 1608 die Zahlung der 6% Interessen anordnete.
**) Siehe die Beilage I, welche den Wortlaut des Testamentes« als eines
fhr die Geschichte des Hauses Eggenberg hochwichtigen Actes, enthält.
*^ Steierm. Landes-Archiv. Handschrift Nr. 719, pag. 58-62.
10*
— 148 —
1 . Erstlichen giengen voran drei Befehlsleut mit üeberwehren
oder Helleparten gstaffiert.
2. Darauf ein Trommelschläger und ein Pfeifer mit überzogenem
Eggenbergischen Wappen.
3. Hernach folgten auch 39 Musketierer, welche ihre Rohr unter-
wärts getragen.
4. Dann so folgten wiederum 27 Franciscaner also oft ihr zween
nach gewöhnlicher Ordnung.
5. Wiederum nach denen 8 Augustiner Ordens, in gleichen Zug.
6. Item darauf 10 Dominicaner ebenermassen in Gang, wie die
andern.
7. Auf solche Partei sind die Pfarr- Assistenten gefolgt, nicht
weniger anstatt des Stadtpfarrers seine zween Gsellpriester,
deren Namen mir unbekannt gewesen.
S.Ist Herr Christof von Windischgräz Freiherr mit
einem in der Hand getragenen auch mit schwarz Sammt über-
zogenen Regiment (Commandostab) als ein Fuss-Obrister gefolgt.
9. Herr von Wilferstorf Hauptmann trug nach ihm ein
schwarzen Doppelsöldner Spiess auch mit Sammt bekleidet.
10. Sind 5 Tronmielschläger gegangen, dessen jede Trommel mit
schwarzem Tuch über und überzogen gewesen, dabei auch ein
Pfeifer war, so kläglich aufgemacht.
11. 13 Trommler in zween abgetheilten Haufen gerichtet, deren
jeden eine Klagfahn mit dem Eggenbergerischen Wappen geziert.
12. Inmitten war aber der Heerpauker mit überzogener Pauken
mit solchem Aufmachen gestellt.
13. Ist des Herrn von Eggenberg seeligen vom Erbfeind in Bossen
erlangte Reiterfahne durch Herrn Morizen von Raggnitz,
so blau und das Bossnerisch Wappen darauf, gefolgt.
14. Alsdann ein schöner, schwarzer Orabfahn, an welchem das
ganze Eggenberger Wappen entworfen gewesen, auch von
Herrn Adam Preuner getragen worden.
15. Darauf war ein ganzer Kürassier zu Ross gefolgt, welcher
mit zugethanem Helmelein und wolgezierten Federn auf ein
unter Pallido geschmückt gewesen, deren Federn Färb war
gelb weiss und schwarz.
— 149 —
16. Mehr so ward von Herrn von Tienghairab und einem
jangen von Gleispach ein Pferd geffthrt , welches mit
gutem schwarzen Sammt ttberkleidet und langen an der Ort
ziehenden Schweif gericht gewesen. Nota zu wissen, dass der
Schweif sowohl an der Trficken als im Koth fort passieren
müssen nnd nicht anfgehoben worden.
17. Mehr abermal das Klag Boss, mit schwarzem Pey(?) tiber-
zogen, welches nicht allein ein langen von Tnch gemachten
Schweif gehabt, sondern es waren an beiden Seiten desselben
die Eggenberger Wappen angeheftet gewesen, so an Zug Herr
Wagen nnd N. geführt haben.
18. Sodann folgte daranf der ordinari Klagfahn mit einer langen
nach sich ziehenden Spitzen, welchen Herr Hans P renn er
nachziehend getragen.
19. Weiter so gieng Herr von Eibeswald mit einem ver-
goldeten Paar Sporren, in der Hand aufrecht tragend.
20. In simili nach dem Herr Gall von Raggnitz, welcher
ein vergüldeten Rappier und. Dolch, mit Sammtscheiden über
sich geführt
21. Einer von Lenghai mb trug darauf ein Helm, so vergüldet
und mit 5 Stoss- oder Schiessfedem geziert war, auf ein End
stattlich.
22. Femer ist der Eggenbergerische Schild, so an einer Tafel
formirt war, durch Herrn von 6 1 o y a c h und einen andern
Landmann getragen worden, doch hatten diese beide Herren
zu Mitgehilfen 4 Diener, so zugleich hinten angriffen.
Nach obbeschriebnen Geremonien ist die Löbliche Ijeich
Herr Ruprecht von Eggenberg Obrister durch 16 ordentliche
bestellte Landsteierische Haupt- und Befehlsleut mit starker
angewandter Bemühung getragen worden. Bei welcher Leich
sidi dann beiderseits in die 40 Windlichter, welches jedes ein
Eggenbergerischen Schild gehabt und durch in Enttenweiss
gekleidete Knaben getragen worden. Weiter so folgt darauf
die ansehnliche Freundschaft (Verwandtschaft) sonderlichen
Herr Ferdinand, Herr Sigmund von Eggenberg, ingleichen Herr
Oberst-Hofmeister von Eggenberg, sammt dem hochwürdigen
— 150 —
Prälatenstand und einer ansehnlichen Anzahl Edler Steyrischcr
Landleut, wie nicht weniger etliche bedachte und in der Klag
gerichtete Frauen, so durch die Herren geführt worden. Nacli
diesem und wie nun gemeldete Löbliche Leich zu den Herren
Franciscanern begleitet, hat Herr Weinberger ein ansehnliche
Predigt gethan, darunter auch ein Gebet, so Herr von Eggen-
berg seeliger in seinem Sterbstflndlein zum oftermalen gebetet.
(Folgt der Text.)
Nach vollbrachter Predigt war ein Seelamt gehalten, wie
auch das Opfer durch die Catholischen ehrlicher besucht, das
Ross um das Altar geführt, und nach vollbrachtem Gottesdienst
ist die Leich stracks von der Kirchen auf ein Wagen, so über
und über mit schwarzem Tuch bedeckt und mit Wappen geziert
gewesen, gelegt und durch 6 auf schwarz überkleidete Ross
fort geführt worden. Nach welcher Leich auch die Adeliche
Freundschaft mit überzogenen Rossen gefolgt.
Hiermit zwischen aber und wie nun die Leich fort geführt,
haben die Soldaten zugleich ihre Röhr losgebrannt, dabei nicht
allein ein Fischor um des grossen Donnern und Geschalls
willen sein Lagl (Fischbehälter) fallen lassen, die Fisch ver-
haust (verloren) und neben einem Bauern, so um gleichen
Schreckens von einem Wagen herabgefallen und sich mit der
Flucht salvirt, also davon gelaufen, als ob ihrem Yermeiueu
nach der ganze Handel ihretwegen zur Furcht angesehen wäre
worden. Actum 28. Februarii anno 1611.*^
Die Leiche wurde nach Ehrenhausen gebracht. Dort ruht
sie im Mausoleum, das abseits vom Schlosse auf einer breiten
Steinterrasse aufgeführt ist. Ueber dem grossen Stein-Sarkophage
hängt das lebensgrosse Bildniss des vielerfahrnen Kriegsmannes,
dessen Andenken seinem Heimatlande, wie unserem Kaiserreiche,
dem er treu und bieder gedient, für immer erhalten zu werden
verdient.
Den Sarkophag ziert das Epitaph:
Mors
rapVIt DVCes.
^ 151 —
Beilaere I.
Testament Ruprechts von Eggenberg.
(Herberst Archiv, Eggenberg L. 8. 24.)
Im Namen der heiligen unzertheilten Dreifaltigkeit, Gottes
Vaten», Gottes Sohnes, Gottes heiligen Geistes, Amen, hab ich
Rnprecht von Eggenberg, Freiherr anf Ehrenhansen, Röm.-Kais.
auch zu Spanien Königl. Mi^. Rath nnd Obrister, die Gewissheit
des zeitlichen Todes and entgegen die Ungewissheit der Stande
desselben bei mir betrachtet, and demnach bei gnter Vernunft,
gleichwohl schwachen nnd podagraischen Leibes, alle künftige
Uneinigkeit meiner Erben nnd Blatsfreunden verbaten wollen und
desswegen diesen meinen letzten Willen verfassen.
1. Befehle ich erstlichen mein Leib und Seel in die grandlose
Barmherzigkeit des himmlischen Vaters, auf das bittere Leiden
and Sterben seines eingebomen Sohnes, unseres lieben Herrn
and Heilandes, Jesu Christi, durch die Gnade Gottes, des
heiligen Geistes, damit dieselben des Himmelreiches und der
ewigen Freuden und Seeligkeit theilhaftig werden. Amen.
2. Am Andern befehle ich meinen todten Leichnam, bis auf die
Stimme der Posaunen des Richters der Lebendigen und der
Todten unserer aller Mutter der Erde, als von deren er
genommen and herkommen, ordre beinebens und begehre, dass
derselbe nach löbl. christlichem Gebrauch zu Ehrenhausen in
meiner angefangenen Capelle am Schlossberg bestattet werde,
and so jetzt berührte Capelle und mein Begräbnis in meinem
Leben nicht vollendet würde, dass mein instituirter Haupterbe
dieselbe dem formirten Modell, und meines Baumeisters Johann
Walders Angaben gemäss, inner Jahresfrist nach meinem
tödtlichen Abgange vollführen und aufbauen, auch meine Fahnen,
Schild, Helm und Grabstein ordentlich auMchten lassen sollen.
Die Capelle aber soll zuvörderst Gott und seiner hochgebenedeiten
Matter, der heiligen Jungfrau Maria zu Ehren, dann zum Gedächt-
nis des heil Bischofs Ruperti da.'*um eben geweiht werden, weil
mir Gott der Alhnächtige, eben auf demselben Tag die glück-
— 152 -
selige Victory und Sieg gnädiglich verliehen, dass die Festung
Petrinia durch mich und mein damals untergehabtes Kriegsvolk
im 100. Jahr*), erobert und eingenommen worden; Au
welchem Tag dann jährlich mir und meiner Seele zumTrosto
die gcbrftnrhige Besingmes mit Vigilien Requiem und einem
Lobamt durch die umliegende Priesterschaft solle gehalten
und ihnen desswegen eine ehrliche Mahlzeit von dem Inhaber
Ehrenhausens gegeben werden, sonsten aber sollen ausser
meinem Leibe, einige (keine) Weibspersonen, sondern alle
Catholischen meines Namens und Mannsstammes, so auch
dergleichen als Generale und Obriste dienten, doch in ihren
absonderlichen Grüften, hinein bestattet werden.
3 Drittens; Mein zeitlich Hab und Gut betreffend erkenne ich
darin den Segen Gottes des Allm&chtigen mit dankbarem Herzen,
sintemalen ich von meinen lieben Eltern kein grosses Patri-
monium, weniger von andern Blutsbefreundeten einigen Heller
geerbt, dass mich doch der himmlische Vater zu meinem Stand,
durch meine langwierigen ritterlichen Kriegsdienste und hohen
bediente Obristen- auch Obristen General- und Leutenants-
befehlen in Un(?arn und Croatien gnädiglich gesegnet, dass
ausser des dritten Theiles vom Scbloss Ehrenhausen und weniger
Gfllt dazu als mein väterliches Erbtheil, das übrige alles mein
erworbenes, gewonnenes und erspartes Gut ist; derowegen ich
mich hierinnen der allgemeinen Freiheit eines freien letzten
Willens und Testaments, ohn eines Menschen Eintrag oder
Hindernis, zu gebrauchen allen Fug, Macht und Recht habe
und hiermit auch mit wohlgedachtem Muth gebrauche. Instituire
hierauf, ordne und benenne inbeständig allerbester Form, Mass
und Gestalt, als solches von Rechts- und Gewohnheitswegen
geschehen soll, kann oder mag zu einem rechten, wahren
*) Das Original des Testamentes, bei dessen Abfassung Ruprecht doch
selbst mitgewirkt haben musste, enthält auffallender Weise diese auch in
ihrer Unvollständigkeit falsche Angabe. Die Besetzung Petrinia' s durch
Eggenberg fand am *24. September (am Tage translationis S. Ruperti) 1595
statt. An einen Gedäcbtnisfehler ist kaum zu denken, da Ruprecht
im Jahre 1600 an der Grenze nichts mehr zu tbun hatte. .
— 153 —
Universal -Erben aller meiner Habe und Güter, liegender und
fahrender Baarschaft, aller verbrieften nnd anverbrieften Schul-
den and alles das, was in meinem Verlas s gefanden wird,
wie das Namen haben mag, nichts davon ausgeschlossen, inner
oder aasser Landes gelegen oder verschrieben, den wohl-
gebor ncn Herrn Herrn Wolffcn, Freiherrn von
Eggenberg auf Ehrenhansen und Strass, fürstl.
darchl. Erzherzogen Maximiliani Ernesti Kämmerer und des
Grossherzogs zu Florenz und Toscana bestellten Obristcn,
meinen lieben Herrn Yetter, als der sich wie aach sein Herr
Vater, mein liebster Herr Bruder seel. meines Willens, vor
anderen meinen Blntsfreunden sich höchlich beflissen, auch
meiner catholischen Religion and sich auch meines Willens
nach bis in mein und sein Graben angezweifelt gehorsam bc-
fleissen wird und sollen ; daher dann auf ihn, meinen lieben
Herrn Vetter, als in Kraft meines Testaments instituirtcn
Erben, in der Stunde meines seligen Absterbens alsbald ro
et facto ipso auch ohne einige körperliche Apprehension all
meine Verlassenschaft fallen und gefallen solle ; doch soll er,
mein freundlicher lieber Vetter, Herr Wolf, nachfolgende
onera tragen und die specificirten Legate davon entrichten
and bezahlen, wie auch den hernach ausgeführten Fidei-
Commiss Conditionen nnd Bedingnissen gemäss, für sich und
seine männlichen ehlichen Leibserben sicher halten und ver-
reversiren.
4. Als zum Vierten soll er nicht allein obvermeldte Capelle und
mein Begräbnis aufbauen und völlig zurichten lassen, sondern
aach zugleich allen andern Bestattungs-Unkosten, allein ohne Ent-
gelt der andern substituirten Erben und Legatorien entrichten.
5. Am fünften ; gleichfalls meine Diener abfertigen und treulich
aaszahlen und nach seiner Discretion und nach BeschaiTenhcit
redlichen Verdienens, jedem eine ehrliche Verehrung dazugeben.
6. Sechstens ; soll er, mein instituirter Erbe, alle andern meine
Schulden ohne meine Nachrede, zu Jedermanns billigen Con-
tentirung entrichten und befriedigen meinen und seinen an-
deren beiden Herrn Vettern.
— 154 —
7. Aber fttr's Siebente, als den auch wohlgebornen Herrn Fe r-
dinand and Herrn Hans Sigmund, Gebrüdern Frei-
herrn zu Eggenberg vermache ich zu einem Legat und
Geschäft, jedem derselben dreissig Tausend Gulden Rh. per
sechzig Kreuzer oder fünfzehn Batzen gerechnet, dasselbe soll
mein instituirter Erbe, ihnen von der Grafschaft Mitterburg,
auf etliche Jahre mir verschriebenen und verhypothecirten
Einkünften, so viel deren jährlich fallen werden, doch ohne
einiges Interesse des hinterstelUgen Rests, in gleichen Theilen
bezahlen und gutmachen bis beide dieses ihres Legats, zu-
sammen der sechzig Tausend Gulden völlig contentirt und
bezahlt sind ; jedoch was Einem und dem Andern in meinen
Lebzeiten durch mich selbst oder mein Geschäft in Geld ge-
reicht und für sie bezahlt würde, solches soll an vorerwähntem
Legat der sechzig Tausend Gulden proportionaliter defalcirt
abgeschrieben werden ; und von solchem Legat soll jeglicher
meiner gedachten beiden Herrn Vettern mit ftlnfzehn Tausend
Gulden, dieselben weiters zu verschaffen und zu vermachen
frei sein, ungehindert des andern; mit den andern fünfzehn
Tausend Gulden aber ein jeder seines Theils dahin verbunden
und verobligirt sein, wie dann ein Jeglicher, so er an diesen
fünfzehn Tausend Gulden wenig oder viel empfangt, sich ver-
reversiren und verschreiben auch auf namhafte gewisse Stücke,
Gült und Güter verweisen oder an sichern Orten anlegen
und ausleihen ; dass er nämlich und seine männlichen Leibes-
erben dieselben nur Fidei-Commiss oder leibgedingsweise zu
geniessen, nach dessen oder seines mannsstammlichen Erben
tödtlichen Abgang aber solche Summa der fünfzehn Tausend
Gulden wieder zurück auf andern nächsten Mannsstamm oder
in Mangel beider Gebrüder absteigender Linie wieder zu dem
Stammhause Ehrenhausen mit gleicher Fidei-Commiss Gondition
erben und fallen sollen.
8. Doch sollen zum Achten, beide meine lieben Herrn Vettern,
Herr Ferdinand und Herr Hans Sigmund, Gebrüder,
dieses ihres Legats eher nicht theilhaftig werden, sie haben
sich denn gegen meinem instituirten Erben als ihrem und
— 155 —
meinem Herrn Vetter, Herrn Wolf von Eggenberg, Freiherrn,
und seinen mannsstammlicben ehlicben Leibeserben ihres Theils
an dem -Schlosse Ehrenhausen, gftnzlich verziehen und Ober-
geben, wie ieh dann jetzt gedachtem Herrn Wolf vonEg-
g c n b e r g , meinem lieben Herrn Vetter, auch hiemit solche
Verwilligung thne; dass er mit zehn Tausend Gulden, aus
gedachtem meinem Verlasse, es sei nun zu Abzahlung seiner
Schalden oder anderw&rts damit zu disponiren und nach meinem
Abgang zu veralieniren nach seinem Gefallen steht, wie es
ihm gelastet oder verlangt, frei theilhaftig sei und werden
mag, allermassen als obstehet, meine zwei Herrn Vetter, je-
docli aber und damit kfinftig wegen des Schlosses Ehrenhausen
aller onnothwendige Disputat verbotet werde, ist hiemit zu
wissen, dass gemeldter mein lieber Herr Vetter, Herr Wolf
den dritten Theil vom Schloss am Gebäude zu verstehen, so
ihm von seinem Herrn Vater sei. erblich angefallen, mir Inhalt
anfgerichten Donation Briefs, dessen Datum steht Grfttz den
dritten Tag Mai, im sechzehnhundert achten Jahr, unterschied-
licher ihm wohlbewusster Ursachen willen, frei cedirt und
übergeben hat.
9. Weiters zum Neunten, will ich meinen instituirten Erben dahin
väterlich ersucht und ermahnt haben, dass er in meiner Be-
hausung zu Grätz vor St. Pauly Thor, so gleicher Gestalt
wie das Schloss und Herrschaft Ehrenhausen , dem Fidoi-
Commiss unterworfen sein soll, meine und seine Herren Vetter
Herrn Ferdinand und Herr Hans Sigmund von Eggeu-
lierg Gebrüder Freiherren, wann sie ihrer Ehehaften und
Nothdurft nach zu Grätz etwa auf vierzehn Tage zu thun
haben, doch nur als Gäste aus Freundschaft einkehren und
logiren lasse und dass sie sich und ihr Gesinde und Boss auf
ihre eigenen Unkosten unterhalten, sonsten aber dass sie sich
vetterilch, freundlich, schied- und friedlich also nebeneinander
beiragen mögen.
10. Insonderheit aber zum Zehnten, mit der Herrschaft Ehren-
hansen und mit allen derselben incorporirten Zugehör, Gült
und Gütern, die ich im Lande Steier habe liegend und wie
— 156 —
ich die bis dato genossen, dazu und was ich noch vor meinem
Ende dazu bringen, depntiren und hinter mir verlassen würde,
soll er dahin astringirt und gebunden sein, n&mlich dass er
eben beiden obgenannten meinen und seinen Vettern and
beiderseits erbetenen vertrauten zwei Herren Befreundeten,
alsbald in einem Yierte^ahr nach meinem Abgange, da anders
zum Falle ich mit dem zeitlichen Tode übereilt und solches
selbst wirklich nicht thun könnte, zwei ordentliche Urbarien
und Beschreibung aller solcher Herrschafts-Regalien, Hoch-
und Freiheiten und Gerechtigkeiten auch allem anderen Zu-
gehör und Einkünften, sowohl auch ein Inventar aller brieflichen
Urkunden, so über die Herrschaft und ihre Pertinentien und
auf unsern gemeinen Namen und Stamm lauten, die auch der
Munition und Rüst-Eammer aufrichten und verfertigen soll
und deren eines er behalten, das andere aber über einer
subscribirten Obligation, als dass er und seine m&nnlichen
Leibserben ausser Feindesnoth und überlegener Gewalt hiervon
nichts verabalieniren noch verwenden sollen, noch wollen,
seinem Herrn Vetter einhändigen und auf solche Weise ist
ein jeglicher künftiger Einnehmer und Besitzer dieses Gats
gleiche Vemeuerung des Urbary, Inventary und Obligation zu
thun und den anderen Interessirten zu geben schuldig, soviel
aber die Mobilien in meinem Hause zu Grätz, als Silberge-
schmeide, Tapeten« Teppiche, Seidenvorh&nge anbelangt sollen
gleichfalls nach meinem Ableben auf vorgegangene Sperr in
Beisein obgemeldter Herrn, gleichfalls ordentlich inventirt, zwei
gleichlautende Inventaria aufgerichtet, eines dem Herrn Wolf
verbleiben und das andere den gedachten beiden Herren
Vettern zu ihrer künftigen Nachrichtung eingehändigt werden.
11. Folgends am Elften, soll auch jeglicher Inhaber des Schlosses
Ehrenhausen an desselben Hause Tagwerk, Zimmern und
Basteien, Meierhof, Mühlen, Keller und Pressen, sowohl ancli
das Haus allhier zu Grätz nichts ab- oder eingehen lassen,
sondern in Hinterbleibung dessen auf der mit interessirten
Befreundeten als künftigen Successoren Anhalten nach Erkennt-
nis unpartheiischer erbetener Herrn und Freunde, all Bass-
— 167 —
fertigkeit möglichst wenden und verbessern und alles in gutem
wesentlichen Bau erhalten, also auch zu Vermehrung der Mu-
nitioo and Rastkammer jährlich hundert Gulden anlegen und
solche Verbesserung jedes Jahres in das Haupt - Inventary
bringen.
12. GleidiiaUs zum Zwölften soll auch kein kOnftiger vollmächtiger
Inhaber der Herrschaft Ehrenhausen ohne sonderbare Noth
und erhebliche Ursachen wie auch ohne Verwilligung der an-
deren Mitinteressenten nicht was von der Herrschaft Regalien
und Einkommen verkommen, verwenden und eutäussern wie
sich denn ein Jedweder so dies Fidei-Commiss Gut der hernach
vermeldten Substitutions-Ordnung einnehmen wird gegen den
andern Mitverwandten deswegen verschreiben muss, als dass
er ungeschmälert und unangegriffen des Hauptguts allein den
usmn fmctum und Fruchtgenuss ad dies vitae wie auch seine
ehelichen männlichen Leibeserben, innenhabe und besitzen
ui^ alles Stiftliche baulich wesentlich ungeringert erhalten
und den in diesem meinem letzten Willen einverleibten Con-
ditionen gehorsam nachleben wolle und solle; da sich aber,
wider Hoifen begebe, dass ein Verthuenlicher entweder die
Stenem oder andere Landes-Anlagen darauf anstehen und an-
wachsen zu lassen wie auch andere Schulden machen oder
Alienationen und Verkfimmeniisse und mutwillige Abödung
vorzunehmen oder hinlässig zu gestatten, sich unterstehen
wurde, so haben die anderen Interessirten das Recht, bei der
Landes Obrigkeit um ernstliches schleuniges Einstehen anzu-
rufen, dass die Herrschaft nämlich ihm so lange entzogen und
Interim sequestrirt und zu dritter Hand gegeben werde, bis
die daraufliegenden Steuern oder Schulden bezahlt und alle
Abödung erstattet; da aber ein solcher Verschwender, vor
solcher Enthebung oder Erstattung zeitlichen Todes verfahren
und andere eigenthQmliche Güter oder ein anderes Vermögen
in ausgeliehenem Gelde oder dergleichen neben dieser Fidei-
Commiss Herrschaft hinterlassen würde, so soll von demselben
seinen eigenthümlichenVerlass ohneEntgeld des Fidei-Commiss
oder denselben succedirenden Inhaber die völlige Enthebung
- 158 -
dieser der auf Ehrenhansen gelegten Last und Ergänzung der
Peterioration geschehen.
13. Und zum Dreizehnten soll solche Fidel Gommiss Herrschaft
mit jetzt erzählten Conditionen mein institnirter Erbe nicht
allein für seine Person die ganze Zeit seines Lebens inue-
haben und geniessen, sondern da ihm der Allmächtige mit
ehlichen Leibeserben segnen wttrde , deren ihm dann der
himmlische Vater nicht verziehen sondern ihm dergleichen
mildiglich bescheeren wolle, so soll sein ältester Sohn uach
ihm un so derselbe auch mit Tod abginge, weitershin also
fort and fort zu raiten, lUle Zeit der älteste in absteigender
Linie snccediren ; wann aber solche des Aeltesten Linie gar
abstürbe, alsdann solle es anf den nächsten ältesten und
seinen Mannsstamm nach and nach, gleichfalls Fidei Commiss
Erben kommen.
14. Im Falle aber zam Vierzehnten mein Herr Vetter Wolf, als
institnirter Erbe, and seine verhofften ehlichen mannsstamm-
liehen Leibs- als snbstitairte Erben, ohne Mannsstamm zeit-
lichen Todes verblichen, so sollen die weibsstammlichen Erben
dieser Linie an solchem Fidei Commiss and Mannsstammen
Gnt kein Erbtheil noch einige Oerechtigkeiten haben, sondern
dieses alles and jedes, vermöge obangedrOckter Urbary, In-
ventary and Revers soll alsdann aaf meinen aach lieben Herrn
Vetter, Herrn Ferdinand Freiherrn von Eggeuberg und
nach ihm allezeit anf seinen ältesten Sohn and also fortan
oder in Mangel derselben aaf den nächst ältesten manns-
stammlichen Erben, nach ihm, seiner absteigenden Linie, aller-
massen, wie es bei Herrn Wolfens Linie vorhin aasgefohrt,
fallen.
15. Also aach färs Fünfzehnte, wenn des Herrn Ferdinand!
Linie gar ohne Mannsstamm abginge , alsdann aaf meinen
lieben Herrn Vetter Hans Sigmnnd, Freiherrn von Eggen-
berg, and seine mannsstammlichen Erben, oberzählter Ordnung
nach, fallen.
16. Da es sich aber zam Sechzehnten aach begäbe, dass unter
obgemachter Ordnung and Snccession darauf denn dies Fidei
- 159 -
Comniiss der Herrschaft Ebrenhausen falten solle, noch uü-
mfiodig wäre, so solle alsdann der nächste Agnat, cier am
nächst«! hei der Saccession ist, und doch zugleich von der
Landesobrigkeit tauglich erkannt wird, des andern Minder-
jährigen» bis derselbe sein achtzehntes oder nach Gestalt
seines Verstandes das zwanzigste Jahr erreicht, Tntor oder
Curator und Crerhab sein.
17. Zum Siebzehnten aber wenn diese alle drei, als meine nächsten
Herrn Vettern und Herrn Brüder sei. Söhne und ihre manns-
stammlichen Erben alle stürben und der auch wohlgeborne
Herr Hans Ulrich, Freiherr von und zu Eggen-
berg und auf Adelsberg ihrer fürst-durchl.
Erzherzogen Ferdinand zu Oesterreich, ge-
heimer Eath und ihrer fürstl-Durchl. meiner
gnädigsten Frau Hofmeister und Landeshaupt-
mann in Krain oder Mannsstammen von ihm ausgehend
am Leben wären, so soll es alsdann auf ihn meinen Herrn
Vetter oder hernach seinem ältesten, mannsstammlichen Erben
obbestimmte Fidei-Gommiss in Bescheidenheit und Ordnung
nach fallen und erben; doch wenn es zu solchem Fall, als
auf Herrn Hans Ulrich, Freiherrn von Eggenbergs Linie
kommen würde, so soll er oder sein erbfähiger Descendent,
meiner lieben Frauen Schwester, Frau Elisabet Rinds-
maul sei Nachkömmling und Erben, so zu der Zeit vorhanden
sein werden, zehn Tausend Gulden Rh., welche von obgemeldten
zuräcklallenden dreissig Tausend Gulden Fidei-Commis Gelder
her genommen werden sollen, hinaus zugeben schuldig sein.
18. Im unverhofften FaU aber zum Achtzehnten aus Verhängnis
Gottes unser derer von Eggenberg Freiherrn Namen und
Stand und Geschlecht ganz und gar erlöschen und untergehen
würde ; so soll alsdann solches maunsstammliche Fidei-Gommis
aufhören und soll dem allgemeinen steirischen Landesbrauch
nach, auf die verzogne Eggenbergischen weibsstammlichen
Erben fallen und unter dieselben der Werth denen Ver-
zichten und Legitimationen in Stirpes ausgetheilt werden,
doch sollen obgedachte meiner lieben Frau Schwester sei.
— 160 —
Erben, nämlich den Rindsmaul die Ablösung solcher
Herrschaft Ehrenhausen wie die von der Landes Obrigkeit
geschätzt wird, vor andern weibsstammlichen Erben, bevor-
stehen; und da von meinem geliebten Herrn Vetter, Herrn
Hans Ulrich von Eggenberg, Freiherrn, keine mannsstammlichen
Erben zur Zeit sein, noch dies Fidei-Commiss auf sie fallen
würde, noch also die Rindsmaurschen Erben obbestimmtcs
ihres Legates, der zehn Tausend Gulden, noch nicht thcil-
haftig gemacht worden, so sollen alsdann in solchem Falle
des völlig abgestorbenen Eggenbergischen Mannsstammes die
Rindsmaurschen Erben die vorhin ihnen vermeinten zehn
Tausend Gulden Legat von den andern weibsstammlichen
Erben vor ein Praelegatsweise bevor nachmalen haben und
behalten.
19. Am Neunzehnten verschaffe ich meiner beiden Herrn Gebrüder
sei. verheirateten Frauen Töchter, wie viel deren nach meinem
Tode am Leben sein werden, jeglicher hundert Ducaten zu
einer Kptte, meiner dabei zu gedenken, in Erwägung sie
zuvor in andern Werken als mit Ausstaffirung und Haltung
ihrer Hochzeiten, durch mich bedacht worden; den ledigen
Freulein aber, so sich dieselben mit ihrer Herren Gebrfkder
und nächsten Beft'eundeten Rath und Willen verehlicheu,
jeglicher zur Besserung ihres Heiratsgutes, auch legatweise
zu verstehen, fünfhundert Gulden zu jedweder Hochzeit bar
von dem Inhaber Ehrenhausen zu verehren; und wenn nun
diese und alle andern vorbestimmten Legate durch meinen
lustituirten den Legatariis bezahlt und gutgemacht werden,
was sich dann darüber nach meinem Tode in Barschaft oder
ausständigen Schulden so man mir zu thun in meiner Ver-
lassenschaft befindet,
20. so ordne und disponire fürs Zwanzigste, dass solche ver-
lassene Barschaft und Schuldsunmien obgedachtem meinen
Herrn Erben Wolf, Freiherm von Eggenberg, wirklich er-
folgen und zustehen soll ; doch mit dieser Bescheidenheit und
Condition dass ermeldtes Geld an gewissen und sichern Orten
angelegt als an namhaften liegenden Stück oder Gült oder
— 161 —
la Bolchem Ende dass beim Hanptgat kei&e Gefahr zu ge-
wartigen; denn mein Erbe solches unverkttmmert und un-
alienirter nutzen und innehaben , allein mit der jahrlichen
Nntning frei sein solli allerdings als wie des Fidei-Gommiss
halber oben Tcrstanden and eingef&hrt worden.
Letzlidiens den Herrn Mitzengenfertigem dieses meines Testaments
will ich einem jeglichen ein Präsent von hundert Gulden bis in
hundert Thaler zu einem Zeugniss dieser ihrer Mitfertigung
und ihrer erhofften Ezecution und zu einer Becognition, dass
dieses alles ihnen und ihren Erben ohne allen Schaden und
Nachtheil sein solle ; wie denn meine ihnen Herren zugestellten
Bittzettel solche Schadloshaltung mehrers ausweisen, verehrt
und deputirt haben sie freundlich ersuchend mit dieser meiner
Bezeugung freundlich fbrlieb zu nehmen.
Will also hiemit diesen meinen letzten Willen im Namen
des Allmächtigen geschlossen haben und bitte hierauf untert.
im dnrciilauchtigsten hochgebomen Forsten und Herrn, Herrn
Ferdinand Erzherzog zu Oesterreich etc. meinen
oftdigsten Herrn und Landesfflrsten oder wer in zukünftigen
Zeiten allzeit LandesfOrst in Steyer, oder wo meine Verlassen-
'ebaft gelegen sein wird wie auch alle nachgesetzten Obrigkeiten,
üe hochlobliche N. Oe. Reg. die Herren Landeshauptleute, Landes-
^erweser oder andern Gewalthaber im Lande, dass ihre fflrstl.
I^hl. fikr sich und ihre nachgesetzte Instanzen ob diesen meinen
i^zten Willen gnadigst günstig und m&chtig halten und Hand-
^ben und da dieser etwa nicht als ein solennes Testamentum
iiscriptia gelten soll oder könnte, dass er doch als ein Testa-
Sputum nuncupativum oder als ein Godicill oder als ein Testa-
B^ntum ad acta sive Principi oblatum oder als ein Fidei-Commiss
o4er als ein Donatio causa mortis oder wie er sonst vermöge
geist- und weltlicher Rechte, auch in Kraft guter Gebrauche und
in Sottderiieit nach den löblichen steirischen Landesrechten, altem
Herkommen und ablieben Gewohnheiten am allerkraftigsten gelten
^n, kann oder mag, gelte und passirt werde; jedoch behalte
idi mir selber vor, diesen meinen letzten Willen zu vermehren,
u nmandem, zu verändern oder gar aufzuheben und da ich ein
Wt&tOL U» kM. V«r«toM f. Stoiarmwk. ZZVL B«A, 1878. 11
— 162 —
oder mehr Godicill oder Zettel mit meiner eigenen Hand anter-
schrieben Aber knrz oder lang hinein oder herzn oder an andern
vertrauten Orten legen würde, so will ich dass solch ein oder
mehr eben die Kraft und Wirkung haben soUen wie dieses ganze
vollkommene Testament; da ich aber bei diesem meinen letzten
Willen nichts verändern wflrde. so soll er allerdings bei gegen-
wärtiger Fassung endlich verbleiben.
Vermahne auch hierauf obgenannte meine liebsten Herrn
Vettern hiermit vetter- ja väterlich, sie wollen ob diesem meinen
ihnen väterlich wohlgeneigten letzten und guten Willen, auch ihres
Theils gehorsam und treulich halten, darttber einig und zulrieden
sein und diese meine v&terliche Gutwilligkeit mit schuldiger nnd
billiger Dankbarkeit erkennen und annehmen und nichts dawider
vornehmen, noch handeln thun und lassen, insonderheit bedacht,
dass ich mit meinem am wenigsten ererbten und doch auch dem-
selben sonst unverbunden, dann mit meinem meistentheils selbst
gewonnenen und mit Gefahr Leibs und Lebens und meinem in
Schweiss und Blut hart eroberten Gut, allerdings frei nnd keinem
noch Jemandes anderen einige Legitimam oder dergleichen nichts
schuldig bin. Im Fall nun wider VerhoiTen und Zuversicht meiner
Herrn Vettern oder anderer Blutsfreunde, einer oder eine diesen
meinen letzten Willen , entweder mit oder ausser Rechtens sn
fechten und umzustossen für sich selbst oder auch durch andere
sich unterstehen würde, der oder dieselbige soll alsdann aller
nnd jeder Portion, so sonst auf ihn oder sie in Kraft dieses
meines Testaments kommen möchte, facto ipso privirt und ent-
setzt sein und dieselbe Portion dieses meines wohlgeneigten
Legats den andern gehorsamen und friedlichen meinen in- und
substitituirten Erben oder Legatarii accresciren und zuwachsen.
Zu solches meines letzten Willens Execntion, n&chst gedachter
fürstl. Durchl. und deroselben nachgesetzten Obrigkeit und meiner
in- und substitituirten Erben und Legatarii, will ich auch inson-
derheit meine Herrn Zeugfertiger und andere n&chste Bluts- nnd
hohe Freunde erbeten haben, dass^ sie meinen in- und substiti-
tuirten Erben und Legatarii alle gnftdigste, günstige und freund-
liche Beförderung, Hilfe und Vorschub erzeigen wollen.
— 163 —
Dieses meines letzten Willens habe ich zwei Exemplare in
fkidiein Laa^ anfrichten lassen, dessen eines ich bei mir bis
n ffldnem seligen SterbstOndl behalten, das andere auf einen
TfTtraiiten Ort bis nach meinem Tode zn verwahren nnd hernach
^ der Landes Obrigkeit zn publiciren gegeben habe.
Und dessen alles znr wahren Urkunde habe ich dieses mein
Tfstament und letzten Willen mit meiner eigenen Handnnterschrift
QBd angehangenem Siegel bekräftigt auch zum grössern Zeugniss
^r Sachen habe ich besonders freundlich, fleissig durch Bittzettel
'rbeten die wohlgebomen Herrn Herrn Hans Sigmund Waagen zn
Wagensperg Freiherm auf Schönstein, Prftwald und Sannegg,
^iod-Inbaber nnd Hauptmann der Herrschaft Pettau, Röm.-Eais.
^j. Raul, auch fOrstl. Durchl. Erzherzog Ferdinand zu Oesterreich
^tc. geheimer Rath, Kämmerer und Statthalter der N. Oe. Fürsten-
iteier nnd Lande, Heim Sigmund Friedrich Freiherrn jsn Herber-
^tdo, Neaberg, Gutenhaag und Krems, Herrn auf Lancwitz, Erbkäm-
serernodErbtruchsess in Kärnten, hochgedachter Röm.-Kais. Maj.
^, auch fOrstL Durchl. geheimer Rath, Kämmerer und Landes-
ittoptmann in Bteyer, Herrn Franz Freiherm von und zu Räcknitz
^ Pemegg nnd St. Ulrich, auch fürstl. Durchl. Rath, meine
anders lieben Freunde und Herrn, dass sie solches Testament
Bit ihren eigenen Handschriften und Insigeln (doch solches ihre
Fertigung auch ihnen Herren und ihren Erben ohne allen Schaden
3sd Nachtheil) gleichfalls verfertigt haben ; Geschehen zu Grätz
letzten Tag Mai im eintausendsechshundert und neunten Jahr.
Ruprecht von Eggenberg, Freiherr.
Hans Sigmund Wagen, Freiherr.
Sig. Friedrich, Freiherr zn Herberstein.
Franz, Freiherr zu Räcknitz.
•»»
11*
GEDENKBÜCH
VEREil! Fl SIEIEIlMlIRK.
-•-O'-^
Zcfo]^ Beschlasses deg historischen Vereines f&r Steiermark in der
IV. ftllgemeincn Jahres -Yersammlung am 5. December 1864 für ver-
storfoene verdiente Vereins- Bfitglieder angelegt.)
Dr. Creorg &ötli,
^^luiien-Director der technischen Hochschale and Gustos am landschaftl.
Joaimeam zu Graz, Üirector des hist. Vereines ftkr Steiermark etc.
Eine biographische Skizze
K. O. Ritter ▼. Iieitner.
lldne alte Erfahrung lehrt, dass der Mensch, und wäre
^ der beste, wenn er einmal den Blicken der Welt entrUckt
^t bald aach aus ihrem Andenken verschwindet Vollends ist
üeR jetzt der Fall in unserer leicht und schnell lebigen Zeit,
^ ein Ereigniss das andere jagt und ein Strebender den
SDdem verdrftngt Darum ist es eine schöne Gepflogenheit, den
^läoneni, die sich um die Förderung des Wissens in irgend
Einern Fache oder um das öffentliche Wohl im Allgemeinen
(vorragende Verdienste erworben haben, nach ihrem Scheiden
^ uns einige Blätter dankbarer Erinnerung zu weihen. Dieser
^önen Sitte gemäss möge denn hier auch ein kurzer Lebens-
^riss eines solchen Ehrenmannes Platz finden, wenn er gleich
^h werthvolle literarische Leistungen selbst dafür gesorgt
K dass er nidit der Vergessenheit anheimfalle.
Georg Göth wurde am 29. December 1803* zu Beindorf,
^ jetzigen BudoUsheim, nächst Wien geboren, wo sein Vater
Johann Georg Göth als Besitzer eines Hauses und einer Glas-
li^diang ansässig war und in der dortigen Gemeinde das
Bürgermeister- Amt bekleidete. In dieser lägenschaft zeichnete
- 68 —
er sich während des feindlichen Einfalles der Franzosen im
Jahre 1809 durch ungemeine Thätigkeit so sehr aus, dass
ihm Kaiser Franz in Anerkennung derselben die silberne
Ehrenmedaille verlieh. Ein bösartiges Nervenfieber , dessen
Herrschaft die fremden Truppen bei ihrem Abzüge der Residenz
zurückgelassen hatten, raffte den wackem Mann schon im
nächsten Jahre dahin und seine Witwe stand nun, mdem sie
ihre beiden Töchterchen schon früher verloren hatte, mit
ihrem erst etwas über 6 Jahre alten Sohne Oeorg allein da.
Sie führte durch einige Jahre das Geschäft ihres verstorbenen
Gatten noch fort, vermochte aber nicht, der Ausbildung ihres
Sohnes Richtung und Ziel anzuweisen. Und so war er es denn
selbst, der alle Hindemisse, die sich ihm auf der Studien-
laufbahn entgegenstellten, durch Fleiss und ausdauernde That-
kraft endlich si^eich überwand und sich allmählig jene
ehrenvolle Stellung errang, die er in der Folge am Joanneum
in Graz und in der literarischen Welt einnahm.
Den Unterricht des Knaben begann der Ortsschullehrer,
indem er ihn aus alten ausgemusterten Kanzleiacten, die er
bei einem Krämer erhielt, lesen lehrte und ihn nebenher mit
ziemlich geringem Erfolge im Yiolinspiele unterwies. Im Jahre
1815 wurde Georg aber in die damals im besten Rufe ste-
hende Hauptschule der Vorstadt Neubau geschickt, wo er
sehr gute Fortschritte machte. 1816 trat er in das Gymnasium
bei den Schotten über, wohin er, ein schwächliches BOrschchen,
fast '; 4 Stunden weit zu wandern hatte. Schon damals machte
er in der Mathematik und Geographie gute Fortschritte, jedoch
bereitete ihm das Studium der lateinischen Sprache, für das
er damals noch zu wenig vorbereitet war, solche Schwierig-
keiten, dass er die Classe wiederholen sollte. Dazu . konnte
er sich nicht entschliessen ; er zog es vielmehr vor, nachdem
seine Mutter ihren Besitz verkauft hatte und nach Mariahif
übersiedelt war, 1817 in die 4. Classe der k. k. Normalschule
überzutreten.
In den beiden Jahrgängen dieser Classe, die damals eme
Art Bürgerschule bildeten, that er sich besonders in den tech-
— 69 —
nischeD Fächern hervor, wurde Oberhaupt ein Liebliug seiner
lidrer und erhielt wiederholt Schulpreise. Hierauf setzte er
seine Studioi an der eben erst neu eröffneten Realschule fort
Er widmete sich denselben mit eben so viel Freude als
durchaus Yorzflgliehem Erfolge, wobei ihn der Religionsunterricht
oadi den geist- und gemOthvoUen Aphorismen des evangelischen
Bischöfe J. H. B. Dräseke besonders anzog, so dass ihn
sein Professor dieses Faches, der zugleich Vicedirector war,
sehr lieb gewann und ihm eine Lection verschafifte, die dem
wenig bemittelten Jttnglinge eine willkommene Zubusse eintrug.
Im üebrigen betrieb er eifrigst das Studium der Mathematik.
Professor Josef B e s k i b a , durch mathematische Werke auch
als Schriftatelier ehrenvollst bekannt, nannte ihn seinen besten
Schtder; und der als geistiger Urheber der Kaiser Ferdinands-
Nordbahn hochverdiente Professor Franz R i e p 1 wendete ihm
sein besonderes WohlwoDen zu. 6 ö t h fasste nun den Entschluss,
sich für die Zukunft — ohne recht zu wissen, zu welchem
praktischen Zwecke — vollends dem Studium der Mathematik
zu widmen* So begann er denn den Lehrcurs der höheren
Mathematik an der Universität, hörte Beskiba's ausser-
ordenfliche Vorträge, sowie jene des berühmten Astronomen
J. J. von Littrow und machte ausgezeichnete Fortschritte.
Er sass gewöhnlich den ganzen Tag im Arbeitszimmer der
Sternwarte, machte Auszüge aus mathematischen Werken und
speicherte Analecten auf. Littrow, mit dem er und ein paar
andere Schüler an einem Tische sassen und auf Schiefertafeln
rechneten, veranlasste ihn auch, sich die analytische Geometrie
^igen zu machen. Er erhielt eine grosse Fertigkeit in der
Tnuuformation der Formeln, namentUch der trigonometrischen
vnd Differenzial-Ausdrücke und füllte viele Hefte mit diesen
Ausarbeitungen. Allein alles dies betrieb er ohne Aussicht auf
äne künftige Yerwerthung seiner erworbenen Kenntnisse, zumal
ibm zur gewünschten Erlangung einer Lehrstelle der Nachweis
der damals geforderten Vorstudien fehlte.
Director Littrow, dem er seine Sorge vertrauensvoll
nnttheilte, gab ihm nun den Rath, die vier Orammatikaldassen
— To-
des Gymnasiums privatim nachzuholen. Oöth gieng sog^dch
mit allem Eifer an die Ausführung dieses Bathes, nahm ftir
die klassischen Sprachen einen tüchtigen Gorrepetitor und
hoffte die übrigen Gegenstände, die ihm theilweise schcm von
der Realschule her bekannt waren, allein bewältigen zu können.
Er unterzog sich dann als PrivatschOler dieser Jahrgänge einer
Prüfung, erwarb sich bei dieser das Zeugniss über seineii
genügenden Fortgang und legte auf Grundlage dessdben später
in Pest auch die Prüfungen aus den Lehrgegenständen der
Humanitätsstudien mit Auszeichnung ab. Er meldete sich nun
im Herbste 1823 an der Wiener Universität zur Aufiiahme
in die philosophische Fakultät
Der Professor der Philosophie, L. Bembold, wdcher
im nächsten Jahre seiner freisinnig^! Vorträge wegtti vom
Lehramte entfernt wurde, gewann ihn bald lieb, weil er wusste,
dass Göth seine Vorträge fleissig und genau nachschrieb und
mehreren seiner Collegen erfolgreich Gorrepetitionen ertheüte.
Der Professor der Mathematik, Josef Jenko, beschäftigte
ihn bei der Ausfuhrung seiner Lieblingsidee, die Theorie der
Parallelen zu begründen; und vom Professor der Physik,
welcher ihm nicht sehr hold war, erzwang er sich bei einer
wiederholt begehrten Prüfung statt der ihm anfangs gegebenen
ersten eine Vorzugsklasse.
Im Jahre 1826 wurde der dritte Jahrgang der Philosophie
aufgelassen ; G ö t h besuchte aber dessenungeachtet den zweiten
Jahrgang der höheren Mathematik bd Ettingshausen,
hörte den Curs über Pädagogik und besuchte nebenhm* auch
den I. Jahrgang der Rechte.
Nach dem Tode seiner Mutter, die er im Späthorbste
dieses Jahres verlor, verweilte er während des Jahres 1827
noch in Wien, setzte seine mathematischen Studien ohne Un-
terbrechung fort und verfasste eine Theorie der Wahrschein-
lichkeits-Berechnung mit Anwendung der höheren Ajudysis.
Er gedachte damit bereits als Schriftsteller au&utreten und
sich zugleich eine Empfehlung für eine künftige Anstellung
zu erwerben. Aber trotz der günstigen Beurtheilung von Seite
— 71 —
Littron's, der ihn zu dieser Ansarbeitang «nfgefordert hatte,
änd sieh dafbr leid^ kein Verieger.
Zur aufheitemden Unterbrechung dieser ernsten Beschftf-
tignogeD vergönnte er sich am liebsten den Besuch des damals
eben in seiner Olanzperiode stehenden Hofburgtheaters, und
der Idihafle Eindruck dieser unvergesslichen KunstgenOsse
diente ihm flür sein ganzes Leben als Massstab dramatischer
Leistai^eB. Ein geistiger Genuss anderer Art bot sich ihm
dadurch dar, dasa ihm seine Privatlectionen Gelegenheit gaben,
in die Salons bei Caroline Pichler,Pilat, Klinkowström
ond Wilbehn Ai^;ust von Schlegel eingeführt zu werden.
Er £and auch Zutritt zu den phflosophischen Vorlesungen des
Letzteren, besuchte die berühmten Predigten Zacharias W e r-
ner^s und Johann Emanuel Veit's, und versäumte überhaupt
keine Gdegenheit zu geistiger und gemüthlicher Anregung
BDd Ausbildung.
Bei allem dem beschwerte ihn doch immer ernstlicher
die 8oif;e tOat seine Zukunü Da eröffneten sich ihm von
mehreren Seiten Aussichten auf eine Erziehersteile, und wie-
vohl flieh welche in hochadeligen Häusern ergaben, wählte er
doch zuletzt eine solche bei einer Beamtenfamilie im steierm.
Hochgebirge, in welches ihn, wie fast jeden Wiener, eine
agenthümliehe Vorliebe hinzog. So traf er denn im Anfange des
Deeembers 1827 in seinem künftigen Bestimmungsorte, dem
t k. Ousswerke bei Maria-Zeil em, wo ihm fortan oblag, zwei
Söhne eines dortigen Oberbeamten für die Bergakademie in
Schenmitz vonub^reiten. Die Bemühungen zur Lösung dieser
oicht unsehwierigen Aufgabe vergalt ihm der Genuss der ihn
^gebenden grossartigen Alpennatur und der tägliche Verkehr
mit dem dortigen Weiksvorstande Johann Hippmann, einem
iBteBigenten, ringsum in grossem Ansehen stehenden Manne,
der sSmähfig san bester Freund wurde.
Bin unbedeutender Zufall entschied hier, wie in manchem
Menschenleben, so auch in dem Göth's über sein künftiges
Schicksal.
Im Jahre 1828 hatte der Erzherzog Johann, der un-
— 72 —
vergessliche Gönner Steiermark's, den Bau des Brandhofes,
seines idyllischen Heimsitzes am Seeberge, beendet und den
24. August zur feierlichen Einweihung der Hauskapelle des-
selben bestimmt Da für die Ausschmückung des Festortes
noch einiges zu thun war, wandte sich der Erzherzog um
einen Sachverständigen an das Verwesamt im Gusswerke« Man
sandte ihm GötL Dieser wurde sehr gnädig aufgenommen
und zu Tische geladen. Während des Mittagmahles zeigte sich
aber der Irrthum, dass der erlauchte Festveranstalter eigenUich
einen Inschriftenmaler benöthigt habe. Göth war darüber
allerdings etwas betroffen, da er jedoch auch m der Ealigraphie
und im Zeichnen einige Geschicklichkeit besass, erbot er sich
doch es zu versuchen, den Befehlen des Erzherzogs nach
seinem besten Vermögen zu entsprechen. Er leistete auch
nicht nur in dieser Beziehung Genüge, sondern bei seiner
vielseitigen Anstelligkeit vermochte er auch noch manchen
anderweitigen Bedürfhissen abzuhelfen, wie er denn namentlich
damit betraut wurde, die Einweibungsurkunde auf Pergament
rein zu schreiben. Der Erzherzog lud ihn hierauf mit besonderer
Güte auch zum Feste und forderte ihn zugleich auf^ jedesmal,
wenn er von des Hausherrn Anwesenheit im Brandhof höre,
dort einzusprechen. Göth erhielt bald darauf auch die Aufgabe,
die Registratur der Landwirthschafts-Filiale Brandhof^ bei deren
Versammlungen der Ensherzog prftsidirte, in Ordnung zu bringen,
filhrte bei deren Sitzungen die Protokolle und gewann durch
verschiedene ähnliche Geschäftsbesorgungen inuner mehr die
Gunst des Erzherzogs, in welcher ihn auch sein Freund Hipp-
mann, der bei diesem ungemeines Vertrauen genoss, wesent-
lich befestigte.
Als darauf im September 1830 die Vertragszeit semer
Erziehersstelle zu Ende gieng, nahm ihn denn der Erzherzog
formlich in seine Dienste und Göth übersiedelte nun als
erzherzoglicher Archivar, Bibliothekar und zweiter Privatsekretär
nach Vordemberg.
Hier war es zunächst seine Hauptaufgabe, die zahlreiche
Bibliothek,dieUrkundensammlung, die Kupferstiche und Aquarell-
— 78 —
Gemllde des Enhensogs zu ordnen und zu katalogisiren. Die
erstere bestand ausser Werken der schönen Literatur vorzttg^ch
ns Schriften über Geschichte, Montan-Industrie und Land-
«irtfaschaft. In das Fach der letzteren wurde 0 ö th insbesondere
durch seine vielfidtigen Geschäfte bei den erzherzoglichen
Besiteangen und durch die Begleitung des Erzherzogs auf
dessen jslirfichen Bereisungen der Landwirthschafts-FUialen
mehr mid mehr emgeweiht Von diesen lernte er vor allen
jene zu Brandhof kennen, da der Erzherzog seine dortige
A^wirthschaft mehrmals^ besonders zur Zeit der Auerhahn-f
ffineh- und Gemsjagd zu besuchen pflegte. Von diesen Um-
sUnden begOnstigt^ yerfiuste Göth im Jahre 1832 seine erste
mm Drucke gehmgte Schrift: « Darstellung des landwirthschaft-
lichen Zustandes der Filiale Brandhof*, welche in den Yer-
haadlmigen und Aufi&tzen der steierm. Landwirthscbafts-
Gesdlschaft TerOffentlicht und zwei Jahre darauf als eine
Mostersehrift in zahhreichen Sonderabdracken im ganzen Lande
^ertfaeOt wurde.
Das Jahr 1882 erhielt für GOth aber auch in anderer
Beäehnng eine nachhaltige Bedeutung. Er fand gelegentlich
Zutritt bei der Familie des allgemein hochgeachteten Vorstandes
der Vordemberger Badgewerkschaft Prandstetter, und
oaeh sdner Rückkunft von einer im Frühling nach Triest und
Venedig unternommenen Reise erfolgte seine Verlobung mit
Josefinen, der ihm l&ngst theuer' gewordenen ältesten Tochter
des Hauses. Natürlich blieben diese Verhältnisse dem Erz-
herzoge nicht unbekannt und bei dessen gütigen Gesinnungen
fi)r 6 0 1 h eröffnete er ihm die Hoflhung auf eine Assistenten-
stdle am Joanneum, wo eben die Errichtung einer solchen
Ar Elementar-Mathematik im Antrage stand. Allein, da die
danudige Studien-Hofcommission überhaupt mit dem Lehrplane
an diesem ständischen Institute nicht ganz einverstanden war,
so gerieth die Gründung dieser Lehrstelle in Stockung und
Göth machte sich nun 1834 neben seinen pflichtmässigen
Geschäften mit allem Eifer an eine topographisch-historische
Arbeit, ibr welche ihm die Archive des Erzherzogs, des
— 74 -
Magistrates, der Commimität and der Gewerkschaft in Vor-
demberg reichliche Materialien darboten. Auf diese Weise
entstand unter seiner Feder eine Geschichte Ton Yordember^,
deren Hauptwendepunkt die 1829 durch den Erzherzog zu
Stande gekommene Union der Radgewerken bildete. Allein die
der Censnrbefaörde vorgelegte Handschrift derselben erhielt
nicht die Druckbewilligung, weil die Kundgabe gewisser Ver-
handlungen mit der dem Unionsprojecte widerstrebenden inner-
bergischen k. k. Hanptgewerkschaft Anstoss fand. Das Werk
mnsste nach Andeutungen der k. k. montanistischen -Hofkammer
umgearbeitet werden und konnte erst 1889 mit einem AUas,
dessen bedeutende Kosten der Erzherzog selbst bestritt, im
Drucke erscheinen. Dieses interessante Werk Ober das steier-
märkische Eisenwesen erhielt allgemeine Anerkennung und
der König von Schweden, welchem es vom Director in Fallun,
Professor Sefström, vorgelegt wurde, liess zehn Exemplare
desselben für die schwedischen Lehranstalten ankaufen und
dem Autor die grosse Goldmedaille für Kunst und Wissenschaft
zusenden.
Nachdem Gö th mit dem Erzherzoge 1835 in angenehmster
Weise eine Reise durch Kärnten und 1836 während des
strengsten Winters im offenen Schlitten eine solche durch das
obere Ensthal nach Radstadt, von dort über den Tauem nach
Turrach und dann zurück in das Murthal gemacht hatte,
begann er wieder die Ausflihrung eines neuen literarischen
Werkes, nämlich eines topographischen Lexikons von Steier-
mark. Hiezu hatten ihm seine Forschungen * zu dem vorigen
Werke, sowie die vom Erzherzog schon 1811, 1812 und 1813
gesammelten Notizen zu einer Landeskunde Steiermarks höchst
schätzbare Stoffvorräthe geliefert, die er nun dadurch zu ver-
vollständigen trachtete, dass er ein Yerzeichniss von Fragen
durch das ganze Land versendete, um deren Beantwortung
er Behörden und einzelne Private ersuchte.
Er benützte zu dieser umfangreichen Arbeit vorzüglich
die Müsse, welche sich ihm während der Zeit darbot^ da der
Erzherzog auf seiner Reise nach dem Oriente abwesend war.
— 76 —
Ab dieser bd seiiier Rttckk^r die Angdegenheit in Betreff
der beaBtragten Lehnteile am Joanneum noch immer nicht
weiter Torgeschritten fand, anderseits aber in 6ö th der Wunsch,
seinen e^^nen Herd grOnden zu können, immer lebhafter
wurde, gab ihm sein hoher GHVnner den Wink, sich um die
VeileihiiBg der bei der Landwthschafts-Gesellschaft in Wien
eriedigten BibUothekar- nnd Cnstosstelle m Bewerbung zu
setzen. Er befolgte diesen Bath und am 8. Februar 1838
wurde er fbr diese Stelle ernannt Er verliess nun, nachdem
er sieben Jahre und drei Monate in den Diensten des Erz-
herzogs gestanden und sieh bei seinem Austritte ein glänzendes
Zeogniss erworben hatte, das ihm zur Heimat gewordene
Verdemberg und ttbemahm am 19. M&rz 1838 sdn neues
Ami in Wien.
Ehn Jahr darauf, am 6. Februar 1839, f^erte er seine
Vennfthlung mit seiner theuem Verlobten in deren Vaterhause
mid ftlhrte sie dann in den neu gegründeten eigenen Haushalt
ein, dessen anftngliche Bescheidenheit das endlich vereinigte
junge Paar in seinem OlQcke nicht zu beirren vermochte.
65th widmete sich seinem neuen Berufe mit gewohntem
Eifer, setzte nebstbei seine Studien in der Mathematik un-
unterbrochen fort und brachte zugleich den I. Band seiner
Topographie von Steiermark zu Stande, der im Jahre 1840
im Drucke erschien und von Seite des ständischen Ausschusses,
dem 6öth ein Exemplar übersandte, durch ein sehr verbind-
liches Sehreiben volle Anerkennung erhielt
Mittlerweile erfolgte endlich auch die längst beantragte
Errichtung enier Professur fbr Mathematik am Joanneum, und
nachdem 60 th im Juni 1841 die ConcursprOfüng abgelegt
hatte, erfolgte am 17. Juli seine Ernennung für diese Lehr-
kanzel, worauf er bald nach Graz übersiedelte. Obwohl ihm
in seiner nraen Stellung nur der Vortrag über Algebra und
Arithmetik oUag, erbot er sich doch freiwillig dazu, auch
Geometrie zu lehren und da sich hiedurch ein vollständiger
Curs über Elementar-Mathematik, wie er auch am polytechnischen
Inulttute in Wien bestand, herausbildete, so wurde seiq
— 76 —
Anerbieten vom ständischen Ansschosse nicht nur gern an-
genommen, sondern ihm hiefilr auch eine belobende Anerkennung
ausgedrückt. Am 18. J&nner 1843 erhielt er zudem auch die
kaiserliche Bewilligung zum Vortrage über cameralistische
Arithmetik an der Karl Franzens-Universität zu Graz, für
welchen er sich schon durch eine 1841 in Wien abgelegte
öffentliche Prüfung fähig erwiesen hatte.
Nachdem im Jahre 1844 der dritte Band der Topographie
Steiermark's im Drucke erschienen war, votirten ihm die Stände
einen Betrag von 500 fl. zur Fortsetzung dieses allgemein
mit verdientem Beifall aufgenommenen Werkes, und die Uni-
versität Jena verlieh ihm 1845 mit Rücksicht auf seine
literarischen Leistungen das Doctorat der Philosophie. In den
Ferien dieses Jahres machte er mit seinem Freunde und
AmtscoUegen am Joanneum, dem berühmten Botaniker Dr.
Franz Unger, eine Reise durch Mittel- und Süddeutschland
und einen Theil der Schweiz bis Strassburg, und hielt bei der
damals in Nürnberg stattgefundenen 23. Versammlung der
deutschen Naturforscher und Aerzte einen Vortrag über eine
directe Auflösung der Aufgabe, den Stundenwinkel und die
Poldistanz eines terrestren Objectes zum Behufe der Zeitbe-
stimmung in grossen geographischen Breiten zu bestimmen.
Eine neue Gelegenheit, sein culturfreundliches Streben
nicht nur für die Wissenschaft, sondern auch für die Kunst
darzuthun, fand 6 ö t h im Jahre 1 846, indem er sich mehreren
Kunstfreunden, wie dem Landeshauptmann Ignaz Orafen von
A 1 1 e m s , dem Feldmarschall-Lieutenant Greorg Grafen T h u r n
und dem Gallerie-Director Josef Ernst Tunner anschloss,
um in Graz einen steiermärkischen Kunstverein in das Leben
zu rufen. Dieser Verein richtete zunächst sein Bestreben
dahin, vom Kunstverein in Wien einige Male im Jahre vor-
zügliche Gemälde zur Ausstellung m Graz zu erhalten. Mit
dem Ertrage der Eintrittskarten und der Percente für ver-
äusserte Bilder bestritt man die Kosten der Fracht und der
Schaustellung, kaufte Actien mehrerer auswärtiger Kunstvereine,
brachte selbst Gemälde an sich, verlooste diese sowie fremde
— 77 —
Prftmienbflder und entwickelte auf diese Weiso eine zumeist
Ulf dem ebenso uneigennützigen als unermüdbaren Eifer G ö t h'«
beruhende rege Thätigkeit, die dem Kunstsinne der steiermär-
kascben Hauptstadt einen erfreulichen Aufschwung verlieh.
Die politischen Stürme des Jahres 1848 brachten bald
in dieses friedliche Wirken, sowie in Göth's ämtUche und
literarische Yerhftltnisse manche Störungen. Wie jeder öster-
reichische Patriot hatte auch er die Gewährung freiheitlicher
Staatseinrichtongen mit grosser Begeisterung und mit kaum
mindo^r Freude auch die Reformideen des neuen Unterrichts-
ministers Freiherm von Feuchtersieben begrüsst. Allein
die bald hervorgetretenen Pöbelexcesse in Wien und selbst
die mehr und mehr gestörte Disciplin am technischen Institute
in Graz mSssigten allmählig seine überschwanglichen Hofihungen,
indem er sich durch den verminderten GoUegienbesuch von
Seite seiner nur von politischen Ideen erfüUten Zuhörer in
seinem Berufe als Lehrer behindert und durch Umänderung
fast aller bisherigen Landesverhältnisse und Einrichtungen in
der Fortsetzung seiner steiermärkischen Topographie gleich-
zeitig als Schriftsteller gehemmt sah. Abgesehen von der
Stockimg aller buchhändlerischen Unternehmungen musste
Qämlich die Herausgabe des 4. Bandes der Topographie zunächst
sdion desshalb vorläufig unterbleiben, weil die darin geschil-
derten bisherigen Verhältnisse, nämlich die politische Eintlieilung
des Landes in fünf Kreise und in eine Menge patrimonialer
Bezirksobrigkeiten, die nun den neuen Gerichts- und Ver-
waltungsbehörden gewichen waren, dem thatsächlichen neuen
Zustande nicht mehr entsprachen. Göth gieng dessenunge-
achtet eifrig an eine zeitgemässe Umarbeitung seines Manu-
äcriptes; allein, da stets neue Organisirungen einander verdrängten
und jede Hoffnung auf eine baldige' endgiltige Einrichtung des
Staates und Landes zerstörten, so musste der entmuthigte
Autor endlich die Vollendung seines höchst verdienstvollen
Werkes fQrderhin leider auf sich beruhen lassen. Dabei er-
kaltete aber sein Interesse fUr Kunde und Geschichte des
lindes keineswegs, und als ihn der historische Verein für
G
— 78 —
Steiermark, dem er schon 1847 als Mitglied beigetreten war,
1850 in seinen Ausschuss wählte, widmete er demselben
fortan durch viele Jahre seine aufopfernde Thätigkeit
In diesem und dem nächsten Jahre unternahm er mit
seiner Gemahlin mehrere Ferienreisen, so 1 850 durch Baiern
und Oberitalien, 1851 durch Mitteldeutschland bis nach Köln
und drei Jahre später nach Salzburg, von wo aus die gross-
artigen Hochgebirgs-Gegenden von Berchtesgaden und Gastein
besucht wurden. Das Jahr 1854 brachte ihm auch eine
angenehme Verminderung in seinen ämtlichen Obliegenheiten,
indem der ihm sehr lästige Unterricht im Zeichnen, den er
seit 14 Jahren neben seinen Vorträgen über Elementar-
Mathematik besorgt hatte, bei der steten Zunahme der Schüler
einem eigenen Lehrer übertragen wurde.
1856 folgte die gänzliche Auflassung der Vorbereitungs-
classe am Joanneum, an der G ö t h bisher gewirkt hatte und
die nach Errichtung einer eigenen Realschule überflüssig ge-
worden war. Ihm oblagen femer nur noch die Vorlesungen
über die höheren Theile der Elementar-Mathematik an der
technischen Lehranstalt, wodurch ihm der mühsame Untenicht
in den ersten Anfangsgründen dieser Wissenschaft' erspart
blieb. Dagegen ernannte ihn der Finanzminister im Herbste
desselben Jahres zum Mitgliede der Prüfungscommission für
Finanzbeamte, die auf höhere Bedienstungen Anspruch machen
wollten, welches Geschäft, da sich Anfangs eine Menge von
Bewerbern aus dem Beamten- und Militärstande meldeten,
einen beträchtlichen Zeitaufwand erforderte^ zumal bei den
praktischen Prüfungen in den Bierbrauereien, Branntwein-
Brennereien u. dgL
Ehe dieses veränderungsreiche Jahr ganz ablief, traf G ö t h
noch ein misslicher Unfall, der ihn Anfangs in grosse Besorgniss
versetzte. Er brach sich nämlich im Anfang des Decembers
durch einen Fall auf der glatteisigen Strasse den rechtseitigen
Vorderarm; die Heilung gieng aber glücklich vor sich und
nach dem Neigahr 1857 vermochte er bereits wieder seine
Vorlesungen zu beginnen; wobei er freilich den verletzten Arm
— 79 —
ßoch in der Schlinge tragen und noch mit der linken Hand
schreiben musste.
Das Jahr 1858 brachte hierauf einen wesentlichen Um-
schwung in Göth's ämtliche Verhältnisse. Er wurde nach der
Beförderung des Dr. Georg Haltmeyer zum Director des
polytechnischen Institates in Wien vom ständischen Ausschusse
an dessen Stelle provisorisch zum Studien-Ticedirector und
Costos am Joaimeum ernannt. Da er nebstbei seine Professur
wie bisher zu verwalten hatte, so verursachten ihm diese
beiden neuen Aemter, zumal Anfangs, grosse, oft bis tief in
(he Nacht hinein fortgesetzte Anstrengungen. Allein er über-
wand bald alle Schwierigkeiten und errang sich auch in dieser
Stellung das unbedingte Vertrauen des Curatoriums und der
Studiendirection. Insbesondere war es der Erzherzog, welcher
sich dadurch sehr befriedigt fand, dassGöth, der schon vor
28 Jahren sein Hausgenosse war und seither stets unter.
seinem Schutze stand, nun eine so hervorragende Stellung
am Joanneum einnahm und dadurch wieder in vielfältigen
Qod nahen Verkehr mit ihm selbst kam.
Es war am 7. Mai 1859 bei der letzten Sitzung, die der
erlauchte Stifter dieser herrhchen Landesanstalt mit deren
Curatoren vor seinem nur vier Tage später erfolgten allgemein
tief betrauerten Heimgange abhielt, wo Göth Sr. Majestät
dem Kaiser zum wffklichen Studien- Vicedirector vorgesclilagen
wurde, worauf am 2. August auch dessen a. h. Ernennung erfolgte.
Er legte nun seine Professur nieder und widmete sich
angetheilt den Geschäften, welche die Leitung der technischen
Lehranstalt und die Oberaufsicht über die Museen mit sich
brachte. Eines der letzteren, das Archiv, MUnz- und Antiken-
kabinet, verwaltete er auch, während die Stelle des Vorstandes
unbesetzt war, durch mehrere Monate unmittelbar. Eine be-
sondere Anerkennung sprach ihm der ständische Ausschuss
anch für die patriotische Uneigennützigkeit aus, mit der er
dem an Räumlichkeiten immer mehr Mangel leidenden Institute
die Freiwohnung, die ihm darin als Gustos gebührte, ohne
Entschädigung für die eigenen Zwecke überliess.
— 80 —
Das Jahr 1861 führte neuerlich wesentliche Veränderungen
in Göth's Verhältnissen herbei. Am 24. April 1861 erlag
der Abt zu Rein Ludwig Erophius von Kaisers sieg, durch
Humanität und Gelehrsamkeit eine Zierde seines Standes und
ein hochverehrtes und hochverdientes Mitglied der ständischen
KathscoUegien und des Joanneums - Curatoriums, unerwartet
einer Lungenentzündung. Er hatte schon beim Eintritte der
neuen Landesverfassung, acht Tage vor seinem Ableben auch
die Stelle eines Studiendirectors am Joanneum niedergelegt
und 6 ö t h , den er durch jahrelange genaue Erprobung sehr
schätzen gelernt, dem neuen Landes-Ausschusse zur Verwaltung
des von ihm heimgesagten Amtes bestens empfohlen und noch
an dessen Sterbelager empfing Göth das Decret mit der
provisorischen Ernennung zu dessen Nachfolger.
Durch das Ableben des würdigen Abtes von Rein kam
auch die Directionsstelle des historischen Vereines für Steier-
mark in Erledigung und es gereicht Göth zu hoher Ehre,
dass man ihn auch für sie zum unmittelbaren Nachfolger
eines Mannes wählte, der seit einem Menschenalter in so
hohem Ansehen und so allgemeiner Hochachtung stand.
Der 16. Juli dieses Jahres brachte den Gedächtnisstag
des fünfzigjährigen Bestandes des Joanneums. Göth verfasste
als eine höchst passende Festschrift, hiezu noch vom erlauchten
Stifter selbst aufgefordert, eine umfassende Geschichte dieses
schönen Institutes. Sie wurde sammt einer vom Professor
Karl Radnitzky gravirten Denkmünze Sr. Migestät dem
Kaiser von Oesterreich und mehreren dem verewigten Erz-
herzoge befreundeten Souverainen als ein Zeichen dankbarer
Erinnerung an ihn übersendet, auch sonst in den weitesten
Kreisen vertheilt und trug dem Verfasser nicht nur allgemeine
Anerkennung, sondern auch viele Ehrenbezeugungen ein"^).
*) So erhielt derselbe von J. M. M. dem Kaiser von Oesterreich und dem
Könige von WOrtemberg die grosse goldene Medaille ftbr Kunst uud
Wissenschaft; von den Königen Ludwig und Maxmilian von Baiem,
von Sachsen, Belgien, Schweden und Griechenland, sowie Ton denj
Grossherzogen von Sachsen- Weimar, Hessen-Darmstadt und Baden und
vom Herzog von Brabant schmeichelhafte eigenhändige ScCreiben.
— 81 —
Leider erschütterte die Anstrengung, welche diese binnen
einer kurzen Frist zu vollendende Uterarische Arbeit erforderte,
mm ersten Male Göth's bis dahin feste Gesundheit Aber
eine mehrwOchentliche Cur in Karlsbad schien sein Wohlbefinden
wieder hergestellt zu haben, zumal, nachdem er selbe im
Sommer 1862 mit gutem Erfolge wiederholt hatte.
Im nächsten Herbste wählte man Göth zum Obmanne
eines Comit^'s zur Gründung eines selbständigen Thierschutz-
Vereio^ in Steiermark. Er erkannte den Zweck desselben,
die rohe Behandlung der Thiere zu beseitigen, als einen sehr
liamanen und zudem geeigneten, um auch auf die Milderung
der Volkssitte überhaupt dvilisirend einzuwirken. Es gelang
ihm auch, einen solchen Verein thatsächlich in das Leben
einzuführen, und 1863 zu dessen Ausschussmitglied undCassa-
Mrer erwählt, besorgte er fortan nicht nur dessen sämmtliche
Geldgeschäfte, sondern war auch darauf bedacht, stets neue
Mitglieder anzuwerben, lieferte passende Aufsätze für das Ver-
einsblatt und bemühte sich insbesondere, ein schonenderes
Vorgehen bei der Verfrachtung der Stechthiere in Uebung
ZQ bringen. In Würdigung seiner grossen Verdienste um diesen
Verein zeichneten ihn die Thierschutzvereine zu München
und zu Graz in der Folge durch die Ueberreichung ihrer
Vereinsmedaillen aus.
Jm Jahre 1863 wurde Göth vor Allem durch wichtige
Obliegenheiten in seinem Hauptberufe in Anspruch genommen,.
Es galt die schon im vorigen Jahre angeregte neue Organi-
sirung der technischen Lehranstalt und deren förmliche Umge-
staltung zu einer technischen Hochschule vorzubefeiten, zu
welchem Zwecke der Lehrkörper unter Göth's Vorsitze die
Entwürfe zu den neuen Einrichtungen in vielfältigen Bera-
tbungen auszuarbeiten berufen war.
Nebenher war Göth aber über Ersuchen des k. baier.
Hauptmannes Carl Woldemar Neumann und des k. würtem-
bergischen Ober- Justiz-Revisors C. Grüner auch mit grosser
Emsigkeit bemüht, das Archiv und die Buchhaltungsregistratur
der steiermärkischen Stände zu durchforschen, um neue Be-
— 82 -.
helfe zu einer ausführlichen Lebensbeschreibung Keplers,
der bekanntlich von 1594 bis 1600 ständischer Professor an
der protestantischen Stiftschule in Graz war, an die Hand
geben zu können. Es glückte ihm auch, zahlreiche Beiträge
dieser Art in den alten Amtsschriften aufzufinden, und dem
zur Errichtung eines Kepler-Denkmales zu Weil der Stadt
zusammengetretenen Comit^ übersenden zu können, wofür ihn
dieses in dankbarer Freude zu seinem Ehrenmitgliede ernannte.
Im September darauf unternahm er einen Ferienausflug
auf den Pasterzengletscher bei hl. Blut und auf die herrliche
Yillacher Alpe Dobratsch; leider zog er sich aber dadurch eine
Drüsengeschwulst und eine Gelenksentzündung zu, welche hart-
näckige Uebel erst im Frühling 1865 wichen, aber im Sommer
doch noch eine Nachkur in Gastein nöthig machten.
Glücklicherweise erhielt der in seinen Gesundheitszu-
ständen doch immerhin Geschwächte bald darauf eine willkom-
mene Geschäftserleichterung. Gemäss dem neuen Studienplane,
welcher ein unter den Professoren alljährlich wechselndes
Studiendirectoriat einführte, gieng nämlich die bisherige stän-
dige Directorsstelle gänzlich ein. Göth übergab sonach am
15. September 1865 die Leitung der technischen Lehranstalt
an seinen neu gewählten Nachfolger und trat in Folge des
Landtagsbeschlusses vom 7. December 1865 mit dem ihm in
Anerkennung semer eifrigen Dienstleistung zugewiesenen Ge-
nüsse seines ganzen Gehaltes als emeritirter Director in den
Ruhestand, blieb aber noch femer in der Ausübung seines
Amtes als Gustos am Joanneum. Dieses beschränkte sich zwar
nur auf die innere Verwaltung und Cassaführung an demselben,
allein, da das vom Stifter eingesetzte Curatorium beseitigt
worden war und die Person des Studiendirectors jährlich der
Veränderung unterlag, so bildete die Custodie fortan gleichsam
den conservativen Vereinigungspimkt am Museum, der dessen
geschichtliche Ueberlieferungen zu erhalten und dessen Ge-
sammtinteressen wahrzunehmen geeignet erschien. Göth fühlte
sich in dieser wesentlich erleichterten und doch vielseitig ein-
greifenden Wirksamkeit ganz zufrieden, zumal ihn auch das
— 83 —
angeschin&lerte Vertrauen des Landes -Ausschusses mit er-
bebender Genugthuung erfüllte. Leider sollten diese ihm zu-
sagenden Lebensverhältnisse nicht von langer Dauer sein.
Mit dem Beginne des Jahres 1868 stellte sich bei Göth ein
hartnäckiges Eopfleiden ein, welches, wenn auch mit grosser
Schwierigkeit beschwichtigt, doch seine körperliche und geistige
Spannkraft so herabstimmte, dass er immer mehr das Bedttrf-
niss der Befreiung von allen geschäftlichen Mühen und Sorgen
wahrzunehmen anfing, und daher im Mai desselben Jahres
sich veranlasst üand, die Ehrenämter als Director und Secretär
des historischen Vereines ihr Steiermark niederzulegen.
Es ist vielleicht hier am Platze, auf Dr. Gothas höchst
verdienstliches Wirken für diesen Verein sonderheitlich einen
Rückblick zu thun. Er schloss sich demselben, wie schon er*
wähnt, 1847 als Mitglied an, und musste als solches um so
mehr willkommen seui, als er sich bereits durch umfangreiche
and gediegene Werke im Gebiete der Orts- und Landesbe-
schreibung, welche auch Ergebnisse historischer Forschungen
aufweisen, als üachverwandter Schriftsteller hervorgethan hatte.
Man vrählte ihn daher, nachdem er bereits 1850 in den Ver-
einsausschttss berufen worden war, nach dem Ableben des
kais. Bathes und Professors Dr. Leop. Hassler 1852 zum
Vereinssecretär. Von nun an versah Dr. Göth den ganzen
schriftlichen Verkehr des Vereines, führte das Protokoll bei
allen Sitzungen des Ausschusses und der allgemeinen Ver-
sammlung, verfasste die Jahresberichte aber den Zustand und
das Wirken des Vereines, sowie die Auszüge des Interes-
santesten aus den Berichten der Bezirkscorrespondenten, be-
sorgte die Drucklegung der vom Vereine jährlich veröffentlichten
eMittheilungen'* und betheiligte sich an diesem Jahrbuche
auch eifrigst selbst als willkommener Mitarbeiter, indem er
für selbes eine Reihe von werthvollen Aufsätzen, sowie eine
Anzahl von 1490 Urkunden-Regesten lieferte.
Auch später, als man ihn 1861 zum Director des Vereines
gewählt hatte, bewährte er den an ihm schon gewohnten un-
ermfiUllichen Eifer und verstand er es zudem, durch sein wohl-
— 84 —
wollendes Wesen und seine angenehme Verkehrsweise stets
ein freundschaftliches Zusammenwirken der Ausschussmitglieder
aufrecht zu erhalten. Darum fanden auch seine Vorschläge
geneigtes Gehör. Schon 1860 hatte er in der allgemeinen Ver-
sammlung den Antrag gestellt, man möge an jenen Häusern
der Stadt Graz, in deren Nähe historisch merkwürdige Gebäude
standen, wie z. B. das eiserne Thor, die Murthore u. dgl.,
oder welche die Geburts-, Wohn- oder Sterbestätten berühmter
Männer waren, steinerne Inschrifttafeln anbringen, und zwar
vor andern an dem Schlösschen Mühleck unter Graz, wo
Johannes Kepler für einige Zeit mit seiner Gattin Barbara
Müller von Mühleck sein Heim aufgeschlagen hatte. Dieser
Antrag wurde auch bald darauf in Ausführung gebracht, indem
man am südlichen Auslaufe der Herrengasse und am Guts-
gebäude von Mühleck Denksteine anbrachte. Ebenso veranlasste
Göth durch seine 1865 und 1866 wiederholt gestellten An-
träge, dass eine neu eröfihete Strasse, nämlich jene, welche
vom Südbahnhofe zur Ferdinands-Kettenbrücke führt, nach dem
grossen Astronomen benannt wurde. Er war es auch, der in
der allgemeinen Versammlung 1863 zuerst wieder auf das
Verdienst zurückwies, welches sich ein gebomer Grazer,
Dr. Leop. A u e n b r u g g e r, um die leidende Menschheit durch
eine Erfindung erwarb, die lange fast unbeachtet, erst in un-
serer Zeit zur vollen Würdigung gelangte, nämlich durch jene
der zur Erkennung gewisser Krankheitszustände jetzt allgemein
angewendeten Beklopfung der Brustkorbes, welche dieser schon
1762 in seinem Werke „Inventum novum &c" seinen ärztlichen
CoUegen angelegentlich empfahl.
Wie bereitwillig Göth seine Dienste dem Vereine in
jeder Richtung widmete, geht ferners daraus hervor, dass er
während der ganzen Dauer seiner Function als Director auch
die Cassageschäfte des Vereines mit grösster Genauigkeit führte.
Ebenso weisen die jährlichen Zuwachsverzeichnisse der Vereins-
sammlungen nach, dass er dieselben wiederholt durch werth-
volle Geschenke an Büchern und Archivsschriften bereicherte.
Es war nach allem dem nur ein Act gerechter Würdigung
— 85 —
ron Seite des historischen Vereines, dass er G ö t h beim Ab-
laufe seiner sechsjälirigen Wahlperiode im December 1867
neuerlich zum Director erkor, und ihm bei seinem schon im
nächsten Jahre erfolgten Rücktritte „über diesen bedauerlichen
Entschluss seine Betrübniss ausdrückte, sowie zugleich für
>ien regen Eifer, die stets wache Umsicht und die treue Sorgfalt,
womit er für das Oedeihen des Vereines patriotisch gewirkt
bat, seinen tiefgefühlten Daxäsi bezeigte".
Aber auch, nachdem Göth in die Reihe der einfachen
Mit^eder des Vereines zurückgetreten war, nahm er an dessen
Angel^enheiten noch lebhaften Antheil, betheiligte sich ein-
g^ehend an den Verhandlungen der allgemeüien Versammlungen,
and liess sich auch bereit finden, das Comitä, welches zum
Entwürfe neuer Vereins-Statuten, sowie einer Geschäftsordnung
und Instruction für die Bezirkscorrespondenten zusammengesetzt
vorden war, mit seiner auf reicher Erfahrung beruhenden
Saehkenntniss tu unterstützen. Der Verein zeichnete ihn in
Anbetracht alles dessen auch durch die Ernennung zu seinem
Ehrenmitgliede aus.
Im Sommer 1868 suchte Dr. Göth zwar seine Gesund-
heit durch eine mehrwöchentliche Trinkkur in Sauerbrunn bei
Rohitsch wieder herzustellen, allein diese vermochte ihm zwar
vohl einige Erholung zu gewähren , nicht aber ihm seine vorige
^zeistige Elasticität vollends wieder zu geben. Und so sah er
ach denn genöthigt, beim steierm&rkischen Landes- Ausschusse
im Versetzung in den vollständigen Ruhestand anzusuchen.
Nur mit Bedauern willfahrte man seiner Bitte, indem man
Sin am 16. Jänner 1869 auch von seinem Amte als Gustos
ies Joanneums enthob, nicht ohne ihm zugleich die volle An-
erkennung semer treuen Pflichterfüllung und den Dank für
seine unermadliche Hingebung bei seiner Dienstleitung wieder-
kolt auszusprechen.
Nun trat fbr Göth ein Zustand ein, der ihm bisher ganz
inbekannt war, der Zustand gänzlicher geschäftsloser Ruhe.
Jedoch er sollte dessen Annehmlichkeit, so sehr er es durch vor-
herige Anstrengungen verdient hätte, nicht mehr lange gemessen.
— 86 —
Eine im Jahre 1871 ausgebrochene neue Erkrankung,
die von einem Exsudate der Lunge herrOhrte, drückte seine
ohnehin nie vollends wieder gehobene Lebenskraft noch tiefer
herab. Nur dem in diesem und dem folgenden Jahre unter-
nommenen Curgebrauche in Gleichenberg und der aufopfernden
Pflege seiner geliebten Gattin verdankte er es, dass er noch
durch einige Zeit sein Leben fristete. Noch die letzte Neige
seiner Tage und Krftfte widmete er mit hingebender Unver-
drossenheit einem Geschäfte des historischen Vereines, zu
dessen Vollfbhrung er sich selbst angeboten hatte, n&mlich der
gewissenhaften Revision und Zusammenstellung des Registers
zu Albert v. Mu Charts achtbändiger Geschichte von Steier-
mark. Da es auf der Grundlage von Auszügen beruhte, welche
Herr Eduard Damisch auf 48.000 Zetteln verfasst hatte und
einen ganzen, den neunten Band fttUte, so geht daraus hervor,
welchen Aufwand von beharrlicher Bemühung eine so umfas-
sende Leistung erfordert hat
Göth hatte bei dieser seiner letzten literarischen Arbeit
die Wintermonate von 1872 auf 1873, wiewohl grOssten-
theils auf seine Wohnung beschränkt, in einem ziemlich be-
friedigenden Zustande hingebracht und konnte von dem bereits
nahe herangerückten Frühlinge eine neuerliche Belebung seines
Organismus hoffen. Allein diese Hoffnung sollte sich leider
nicht erfüllen.
Am 4. März 1873 machte er um die Mittagsstunde mit
seiner Gemaün noch eine Erholungsfahrt in das Freie und
befand sich dabei anscheinend ganz wohl. AUein er war kaum
zu Hause angelangt, so befiel ihn ein Unwohlsein und plötzlich
machte ein Lungenoedem seinem thätigen Leben ein rasches
Ende.
Zwei Tage daranf wurde die leibliche Hülle des um die
Wissenschaft und ihre Jünger hochverdienten und allgemein
hochgeachteten Mannes unter lebhafter Betheiligung der Be-
völkerung bestattet Eine Musikkapelle, die einen eigens dafür
componirten Trauermarsch anstimmte, eröffnete den ansehn-
lichen Zug ; dann folgte unter dem Yortritte von Chorsängern
— 87 —
md OrdensgeistUchen der Leichenwagen mit dem reich mit
Blomenkrftnzen geschmttckten Sarge, dem die verschiedenen
Medaillen, mit denen der Verstorbene ausgezeichnet worden
var, auf einem Sammtpolster nachgetragen wurden, und un-
aittelbar darauf schlössen sich die leidtragenden Angehörigen
ier Familie in mehreren Trauerwägen an. Ihnen folgten zu
Fuss in langer Reihe die Vorstände und Mitglieder des histo-
ru(Chen Vermes und anderer Gesellschaften, denen er ange-
tört hatte; Professoren der beiden Hochschulen und anderer
Lehranstalten; Doctoren und Schriftsteller; Studenten mit
iiren Verbindungsabzeichen und eine Menge anderer Verehrer
ind Freunde des Hingeschiedenen theils zu Fuss, theils in
Hnem zahlreichen Gefolge von Wägen.
G ö t h's irdische Reste ruhen nun auf dem Friedhofe bei
^L Peter in der Familiengruft, die in der nordwestlichen Ecke
ier dritten Abtheilung desselben neu erbaut wurde.
Ihn betrauert seine Witwe Josefine, geb. Prandstetter
mamt zwei verheirateten Töchtern, Hermine Freiin v. Zois
md Maria Edle v. Campi, an denen auch er bis an sein
Lebensende mit inniger Liebe hing. Erstere übergab dem
bistoriscben Vereine für Steiermark aus dem Nachlasse ihres
^tten eine Sammlung werth voller Bacher und widmete, um
^iD Andenken bleibend zu ehren, dem UnterstUtzungsvereine
är würdige und dürftige Hörer der technischen Lehranstalten,
am er als Präsidenten-Stellvertreter angehört hatte, ein Ca-
<ital von tausend Gulden zur Stiftung eines Stipendiums.
Wenn ihn seine Familie mit d&c liebevollsten Auhäng-
khkeit umgab, so schenkten ihm in den weitesten Kreisen
Qch Alle, die ihm als Vorgesetzte oder Untergebene, als
Freunde oder Berufsgenossen, oder bei zufälligen Anlässen
i&derswie näher getreten waren, volles Vertrauen, aufrichtige
Zuneigung und ungetheilte Hochachtung Die freundliche Miene
mes wohlgeformten Angesichtes, das ein nicht reichliches
'kmdes Haupthaar und in den letzten Jahren ein dünner
fangenbart umrahmte, und seine mittelgrosse in gefälligen
imgangsfoimen leicht bewegliche Gestalt machte ßcbon beini
— 88 —
ersten Begegnen einen günstigen Eindruck, der aber bei näherer
Bekanntschaft durch die trefflichen Eigenschaften seines Innern
noch weit mehr erhöht wurde. Er verband stete Höflichkeit
mit offener Geradheit, vereinte genaue Pflichterfüllung mit
grosser Herzensgüte, überwand oft schwierige Yerh<msse
durch kluge Mftssigung, führte Alles, was er einmal ergriffen
hatte, mit Eifer und Beharrlichkeit durch ; bewahrte bei aner-
kannter Yerdienstlichkeit stets gewinnende Anspruchslosigkeit
und verdiente wenigstens nie einen Feind, wenn er je einen
gehabt haben sollte. Ehre für immer seinem Andenken! —
Er war nicht in unserer schönen Steiermark geboren, aber
er hat vom Beginne seiner frühesten Mannesjahre bis zum
Hinscheiden im Greisenalter von siebzig Jahren in derselben
und für dieselbe gelebt und mit hingebendem Liebeseifer
gewirkt, wie einer ihrer besten Söhne.
Anhang.
A. Verzeichniss der Yon Dr. Georg Goth yeroffentlichteu
Werke nnd AiiMtze.
1. Selbstständige Werke:
Beschreibung des landwirthschaftlichen Zustandes der Filiale
Brandhof im Bracker Kreise. Sonderabdruck aas der Zeit-
schrift : Verhandlungen and Aufsätze der k. k. Landwirthscbafts-
Gesellschaft. Grätz 1834. Seiten 83.
Vordernberg in der neuesten Zeit, oder geschichtliche
Darstellung der Vereinigung der Radgewerken nebst Beschreibang
des Berg- und Hüttenbetriebes daselbst. Mit 13 lithographirten
Tafeln. Wien, im Verlage bei J. G. Heubner 1839. S. VI.
and 252.
Das Herzogthum Steiermark, geographisch - statistisch-
topographisch dargestellt und mit geschichtlichen Erlftuterangeu
versehen. Geweiht Sr. kais. Hoheit Johann Baptist, Erzherzog
— 89 —
von Oesterreich. Erster Band. Allgemeine Uebersicht. Bmcker
Elreis, Anfang. Verlag von J. 6. Heubner, Wien 1840, gr. 8.
S. XVI nnd 472. — Zweiter Band. Bracker Kreis, Ende.
Wien 1841, Verlag von J. G. Heubner. 8. VI und 464. —
Dritter Band. Judenburger Kreis. Selbstverlag des Verfassers.
Graz, 1843. Druck und Papier von J. A. Kienreich. S. V und
600. — Vierter Band. Grazer Kreis. Im Manuscript von der
Witwe Frau Josefine Göth dem historischen Vereine für Steier-
mark abergeben.
Das Joanneum in Gratz, geschichtlich dargestellt zur Er-
innerung an seine GrOndung vor 50 Jahren. Gratz. Druck und
Papier von A. Leykam's Erben. 1861. gr. 8. S. XI und 323.
2. Einzelne Aufsätze in Zeitschriften:
Im ämtlichen Berichte Ober die 23. Versammlung deutscher Natur-
forscher und Aerzte in N&rnberg 1845, p. 80. Vortrag Ober
eine directe Auflösung der Aufgabe, den Stundenwinkel und
die Polhöhe eines terrestren Objectes zum Behufe der Zeitbe-
stimmung in grossen geographischen Breiten zu bestimmen.
In „Naturwissenschaftliche Abhandlungen". Herausgegeben von
Wilh. EEaidinger. 1. Band. 10. 93. Wien 1847. Bei BraumOller
nnd Seidel : Deber die HagelstOrme in Steiermark. Mitgetheilt
am 19. November 1846.
In der „Steierm&rkischen Zeitschrift''. Neue Folge. 9. Jahrgang.
1. Heft, 1848. Das Schloss Feistritz bei Uz und dessen Besitzer.
S. 63.
hl den „Mittheilungen des historischen Vereines für Steiermark".
Historische Mittheilungen. Beschreibung steierm. Schlösser.
2. Heft, 1851. S. 74. Riegersburg. Mit 2 Abbildungen. —
3. Heft, 1852. S. 130. Waldstein. Mit 1 AbbUdung. — - 4. Heft,
1853. S. 73. Strechau. — 5. Heft, 1854. S. 103. Haus- und
Hofmarken. S. 177. GösUng. -> 6. Heft, 1855. S. 173. Pöllau.
— 8. Heft, 1858. S. 125. Zur Geschichte der Hansgrafen in
Steiermark. — 14. Heft, 1866. Gedenkbuch, S. HI. Erzherzog
Johann von Oesterreich. Seine Wirksamkeit far die steierm.
Geschichte. — 15. Heft, 1867, Gedenkbuch, S. XXIX. Carl-
— 90 —
mann TangL — Jahresberichte Ober Znsta4
des historischen Vereines. Hefte: 3, 4, 5, 1
(zwei) nnd 11. — Berichte über die allgemeii^
des bist. Vereines. Hefte: 6, 7, 8, 9 nnd 10 j
Züge ans den Berichten der Bezirkscorresponde^
4« 5, 6, 7, 8, 9 nnd 10. — Urkunden-Regesi
6, 7, 8, 9, 10, 11, 12, 13 nnd .14.
B. Ehrenbezengongen.
Dr. G. Göth wnrde 1833 durch Wahl Mitgli
Landwirthschafts-Oesellschaft ; 1836 Mitglied des k
Vereines; 1839 Mitglied der Landwirthschafts-
Odessa, des Vereines für Natnr- nnd Heilkunde in
Gesellschaft zur Förderung nützlicher Künste und
in Frankfurt nnd der Landwirthschafts-Gesellschaft
erhielt 1840 die schwedische grosse goldene Me
1841 Mitglied der Gesellschaft der Erdkunde in
Doctor der Philosophie der Universität Jena; 1
des historischen Vereines fbr Steiermark; 1850 d
National-Vereines zu Leipzig; 1855 des statistisc
Vereines ftkr Natnr- und Landeskunde in Brunn ; 1
Seilschaft der Wissenschaften in Grörlitz; erhielt 186
goldene kaiserl. österr. und die grosse goldene köni
Medaille und viele a. h. Handschreiben, sowie di
medaillen der Thierschutzvereine zu München nnd G
Ehrenmitglied des historischen Vereines in Krain; 1
mitglied des Kepler-Comit6*s zu WeU der Stadt und
rischen Vereines in Kärnten nnd 1871 des historisch
für Steiermark.
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16
Beilage II.
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Lotten- ▼.
(Thomas)
Bürger in Wien 1452.
Elisab ihasar
yermahlt mit . 1516}
vonBlndaolu ^^^ '^' ▼• Moi8<
Leim.
Ursula
ff 1519)
verm. m. Johann Zieg-
ler, Hub- a. Kellermeister
in Grai.
Margaretha
vermählt m. Leonhard v.
Bhmao, k. lUth u. Vice-
dom in Steier (151G).
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Balthan
(geb. 1503, t
er zu Angsb
zu Augsburg, 1
. 7. XII. lö«7
Walthetf
Seifried
^n- (geb. 15SG, f 1594)
1555 Bürgermeister
verm. m. Benlgna Qaller
1558.
Anna Benigna (t 1617)
ermShlt mit
Prh. ▼. Her-
dorf
ib. Frh. ▼. Her-
(teln.
vermählt mit
Heotor v. Sondendorf su
Kirchberg a. W. in Oesterr.
614)
ma Elisab.
oknltB.
^
^ang JiMaria Sidonia
rm. m. Jnl. Neldhard Oraf
Morberg.
jonore T^rfiied
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5. X. 1718
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Ichtenateln
von Roeenberg.
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VI. 1716)
3r&fln Stemberg.
Josefa
verm. m. Job. W. Qraf zu Slniendorf.
Josefa
\ XI. 1774.)
arl Oraf Leelle.
Johann Christian II.
(geb. 9. III. 1704, f 28. II. 1717.)
der leiste Eggenberg.
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MITTHEILÜNGEN
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DES
HISTORISCHEN VEREINES
FÜR
STEIERMARK
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HERAUSGEGEBEN
VON DESSEN AUSSCHÜSSE,
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"VII. HEFT.
Graz, 1S79.
Im Selbstverlage.
' sie** ^^^ ^' ''■ Universitäts-Buchhandliin
In CoBom«« ^^^^j^j^gp ^ Lubensky.
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MITTHEILUlSrGEN
DES
nSTOBISCHM TEREmES
FÜB
STEIERMARK.
HERAÜSGEOEBEN
VON DESSEN AUSSCHUSSE.
Xl-^II. HEFT.
Grau, 1879.
Im Selbstverläge.
In CSommistion der k. k. üniTenititts-Bnchluindliuig
Leuschner & Lubensky.
Lejkiim-Jn«cftith»l, OrA«.
Inlialt.
A. Vereins-Angelegenheiten.
Gesch&fts-Üebersicht.
S«iie
I. Chronik des Yeremes HI
II. YerAnderungen im Fersonalstande des Vereines .... XII
nL üebersicht fiber die Empf&nge und Ausgaben im Jahre 1878 XIV
IT. Sammlungen:
A. Für die Bibliothek XVI
B. Für das Archiv XXIV
C. FOr die Konst- and Alterthums-Sammlung . . . XXIV
B. Abhandlangen.
Zor Geschichte der ftResten, insbesondere deutschen Ansiedlung des
steierm&rkischen Oberlandes, bist. Skizze von Dr. F. Krones 8
Deber die letzte Ruhestätte des Christof Bauber, Administrators
des BlBthums Seckau etc., von F. J. Wichner 79
^ weiterer Beitrag zur Culturgeschichte des XVII. Jahrhunderts,
von Med. Dr. Job. Krautgasser 86
Ein Marburger Hexenprocess vom Jahre 1646, von Prof. Rud. Reichel 122
Zur Geschichte des Buchdruckes, der Büchercensur und des Buch-
handels SU Graz im 16. Jahrhunderte, von Dr. Rieh. Peinlich 136
ۥ Kleinere Mittliefluiigeii.
Die lotberische Kirche zu Scharfenau, von Dr. Ignaz Oro2en . . 177
Üitandenbuch des Herzogthums Steiermark. Ang. von Dr. F. Krones 188
Register.
Ateont 57.
IHer dentscher Ortsnamen 58 ff.
Andrl, Gesellpriester 187.
iuset* 57.
B.
Buhiamen, slavische 19 ff.
Bartsch Zachar., Formsdmeider 139.
BedeatBBg deutscher Ortsnamen
58 ff.
Beitrag» ^^ weiterer, zur Cultur-
geschichte. Abh. von Dr. Kraut-
gasser 86.
Bericht über das Jahr 187ß YTH.
Birkfeld 58.
Bischoff Dr., Ferd., Vn, Vin, IX.
BoMtfaisl Sigm. 166.
Brach 56.
C.
Cdeja 13, 54.
Ccrdoiis Math., Buchdrucker 137.
Chslins Kaspar 140.
Ghjtraens Darid 142.
D.
Dahnatin Georg 159.
E.
Eibeswalder Hanns 137.
Enns 19.
Enhofer Sigmund 157.
Ernst d. Eiserne, Vortrag von Dr.
Ä. Steinirenter TL
P.
Faderer Math. 162.
Feldhach 58.
Ferh Franz, Prof., Wahl in den
Ausschuss IX.
FUtHibi solyense 18.
Fhisnameii, slarische 19 ff.
Fersler Emerich 148.
Fraahh Andreas 188.
FriichllBg Nicodemus 155.
Fndst&tfeii, antike oder kelto-
römische 47 ff.
Fürst Ernst, Wiederwahl zum
Gassier IX.
Fflrstenfeld 57.
G.
Gegendnamen, kelto-rom. Ursprungs
28 ff.
Geschichte des Buchdruckes etc.,
Abh. von Dr. R. Peinlich 136.
Geschichte, zur, der ältesten An-
siedlung etc. Abh. von Dr. F.
Krones 3.
Graiimei8ter,Buchhändler inBegens-
burg 141.
Graus Job., Wahl i. d. Ausschuss X.
Graz 55.
Grosslohming, Grabm&ler in der
Pfarrkirche zu lü, IV.
H.
Heerbrand Jos. 160.
Hess Dominik 166.
Hezenprocess, ein Marburger, vom
J. 1546. Abh. von Prof. Reichel
122.
Holder, Stiftsprediger 161.
Hornberger Jeremias 148.
Höhennamen, kelto-rom. 28 f.
„ slavische 24 ff, 29.
J.
Jndenbnrg, Wanderversammlung V.
K.
Khnen Jörg, Magister 140.
Khnen Leonhard 169.
Knittelfeld 57
Krones, Dr. Franz, Vortrag aber
innere Zust&nde Steiermarks seit
dem Reformationszeitalter V,
dann VH, Vm, IX.
L.
Lange Joh., Ernennung zum Be-
zirkscorrespondenten m.
Laschitx Thomas 138.
Lanbtch Blasius 166.
Laaterbach Hieron. 138.
1
Leben and Wesen, über BtAdtischee
in Steiermark, Vortrag von Dr.
R. Peinlich TDL
Lebenwaldt, Dr. Adam von, Vor-
trag von Dr. R. Peinlich IV.
Lecluier Christof, Buchdrucker in
Graz 163.
Lefbnitx 54.
Leeben 65.
Leopold Alexander , Buchdrucker
138.
Leykam Andreas 159.
Luschin-Ebengreatli, Prof. Dr. A. v.,
Vortrag über die windische Wall-
fahrt an den Niedeirhein DL
Lttttenberg 57.
Harcofitsch Johann 151.
Mayer Franz, Prof., Vortrag über
volkswirthschaftliche Zustände im
17. JahrL VI.
MontegBana Polydorus de, erzherz.
Rath 151.
■ncUtsch Peter, Probst 161.
0.
Ortschrottiken, Comit^ zur Beur-
theilung der VII.
Ortsnamen, deutschbürtige 60.
n slavische 80.
Osins Hieronymus 142.
P.
Peinlich Richard Dr. VII; Vortrag
über Adam von Lebenwaldt IV;
Vortrag über städtisches Leben
und Wesen in Steiermark im
16. und 17. Jahrb. Vni.
PersiCQS Peter, Fürstbischof von
Seckau 138.
Plstor Job., Präceptor 165.
Posch, Stadtrichter 168.
B.
Rein Hans von 137.
Rnhestätte, über die letzte, des
Christoph Rauber, Abh. von P.
Wichner 79.
S.
Scharfenan, die lutherisdie Kirche
in, Abh. v. Dr. Oro2en 177.
Sebleipner Christoph 167.
Schmlat Hans, Buchdrucker 149.
Schober Jakob, Arzt 143.
Sitnikh Kaspar, n.-5. Regiments-
rath 145.
Sponreb Wenzel 140.
Steinmann Tobias 163.
Steinwenter Arthur, Prof., Vortrag
über Herzog Ernst d. Eisernen
VI.
Straaibtrger Mich., Bürgermeister
von Graz 154.
Strangs Jakob, Physicus Ifi.
T.
Tenkh Desiderins» Magister 153.
Thoner David 156.
Trftbenegkh Georg S. v. 159.
U.
ümformang slavischer Ortsnamen
46.
y.
Yenediger Adam 171.
Yorteäge: von Dr. A. v. Luschin-
Ebengreuth IE; — von Dr. R.
Peinlich IV und VHI; — von
Dr. Franz Krones V; — von Dr.
Arth. Steinwenter V; — von Dr.
F. M. Mayer VI.
w.
Waldbexeichnnngio, slavische 24.
Wallfahrt, windische, an den Nieder-
rhein, Vortrag von Dr. A. v.
Luschin-Ebengreuth IH.
Walther Bernhard, Regimentsrath
142.
Widmer Erhard, Buchhändler 141.
Widmerin Katharina 154.
Widmanstetter Georg, Buchdrucker
157.
z.
Zahn Jos. V. Vin, X.
Zinunennaan Wilhelm 157.
ZostSnde, über innere etc., Vortrag
von Dr. F. Krones V.
ZnstSnde, volkswirthschaftliche im
17. Jahrh.jVortrag von Dr. F.
M. Mayer VI.
Jt\.m
Vereins-Angelegenheiten.
^^Httcn. d«a hlirt. Ycreiai f. flUlcrmark, XXVll. Heft, 1870.
Geschäfts - Uebersicht.
I.
Chronik des Vereines
&ber die Zeit ton der SO. Jahresversammlung am 22. Jänner 1878 bis
zur 81. Jahresyer Sammlung am 30. Jänner 1879.
L In der Ausscbuss-Sitzung vom 21. Februar 1878 wurde
über Anregung des Herrn Bezirks - Correspondenten, Lehrers
Johann Krainz beschlossen, an das Vereinsmitglied Herrn
Baron V. von Sessler-Herzinger als Besitzer von Gross-
lob min g die Bitte zu richten, er möge Vorsorge treffen,
dass die in der Pfarrkirche zu Grosslobming vorhandenen
Grabmäler vor dem Untergange geschützt werden. — Auch
wurde in dieser Sitzung Herr Bürgerschullehrer Job. Lange
in Fürstenfeld an Stelle des Herrn Dr. L. Hund egg er zum
Bezirk8-C!orrespondenten ernannt
2. Am 15. Februar fand die zweite ausserordentliche
Versammlung des Vereines ') statt; in derselben hielt Herr
Prot Dr. Arnold von Luschin- Ebengreuth einen Vor-
trag tber die windische Wallfahrt an den Nieder-
rhein. Dieser sehr interessante Vortrag, der den lebhaftesten
*) Üeber die erste dieser ausserordentlichen Versammlungen und den
Ton Herrn Redactenr £. Spork gehaltenen Vortrag vgl. die Torig-
iilirigeD Hittheüungen (XXYI. Heft) p. V— YII.
- IV —
Beifall des zahlreich versammelten Auditoriums erntete, erschien
nachher gedruckt in der Monatsschrift ftlr Geschichte West-
Deutschlands, Band IV.
3. Am 22. März ward der dritte ausserordentliche Vortrag
gehalten. Herr Regierungsrath Dr. Richard Peinlich sprach
über Dr. Adam von- Lebenwaldt, einen steirischen
Arzt des 17. Jahrhunderts.
Adam Lebald von und zu Lebenwaldt, Doctor der PhQos.
und der Medicin, durch seine Studien und durch seine prak-
tische Wirksamkeit der Steiermark angehörig, wurde als Arzt,
Naturforscher, Gelehrter, Schriftsteller, Musikcompositeur und
gekrönter Dichter von seinen Zeitgenossen hochgehalten, aber
von der Nachwelt ganz vergessen. Wenn er sonst nichts ge-
schrieben hätte, als sein grosses Werk „Land-, Stadt- und
Hausarzneibuch **/ das ausführlichste Buch, welches je über die
Fest und pestilenziaUschen Seuchen in den Druck gekommen
war, so verdiente sein Name schon deshalb der Vergessenheit
entrissen zu werden. Für unser Land hat er umso grössere
Bedeutung, da er als Stiftsarzt zu Admont und als landschaft-
licher Medikus verdienstlich wirkte, nachmals zu Rottenmann,
am Stibichhof bei Trofaiach und zu Leoben weilend, auch als
Dichter in lateinischer und deutscher Sprache, wie als Musiker
sich hervorthat und durch seine Abhandlungen über den Aber-
glauben, wie er sich bei Gelehrten und beim Volke kundgab,
einen tiefen Blick in die kulturellen Zustände werfen lässt.
Diesem kulturhistorischen Bilde hatte der Vortragende eine
biographische Skizze (1624—1696) vorausgeschickt Der Vor-
trag dauerte fast 2 Stunden und wurde nach stenographirten
Aufzeichnungen im „Grazer Volksblatt" (24. und 29. März
1878, Nr. 69 und 72) ziemlich ausführiich wiedergegeben.
4. In der Ausschuss-Sitzung vom 27. April kam die Er-
wiederung des Herrn Baron Sessler-Herzinger (ddo.
6. April 1878) auf das früher erwähnte Ansuchen des Aus-
schusses zur Verlesung. Der Herr Baron erklärt sich bereit,
die materiellen Opfer für die Entfernung der Grabmäler von
ihrem gegenwärtigen Standorte auf sich zu nehmen, erklärt
— V —
aber, dass dieser Entfernimg noch verschiedene Hindernisse
^tgegenstehen. — Auch wurde in dieser Sitzung das Ansuchen
des Herrn Dr. Th. Menke, corr. Mitgliedes der k. bayerischen
Akademie der Wissenschaften, um Zusendung der Publicationen
des Vereines, soweit diese die historische Geographie des
früheren deutschen Reiches betreffen, erledigt.
5. Am 29. April fand die 26. Vierteljahresversammlung
statt In derselben hielt Herr Professor Dr. Franz Krön es
einen Vortrag tlber innere Zustände Steiermarks
seit dem Reformationszeitalter. Der mit grossem
Beifall aufgenommene Vortrag erschien nachher in Rosegger's
»Heimgarten'' 1878 gedruckt
6. In der Sitzung vom 7. October 1877 hatte der Aus-
schuss ein C!omite gewählt, welches die Frage, ob im Jahre
1878 eine Wanderversammlung stattzufinden hätte, in Er-
wägung ziehen und faUs diese Frage bejaht würde, die Mo-
dalitäten festsetzen sollte, unter denen diese Wanderver-
sammlung zu veranstalten wäre. Das Comite hatte sich fQr
die Wanderversanunlung ausgesprochen und die Stadt Juden-
burg als Ort der Versammlung in Vorschlag gebracht, der
auch genehmigt wurde. Als Zeitpunkt der Versammlung wurden
die Pfingstfeiertage (9.— 11. Juni) festgesetzt. Das Comite
traf mit dem Ausschusse die nöthigen Vorbereitungen, setzte
sich mit der Gemeindevertretung der Stadt Judenburg ins
Einvernehmen und sorgte auch für ein Geschenk an die Theil-
nehmer, bestehend in einer Nachbildung des Original-Oelge-
mäldes in der Kirche zu Maria Waitschach bei Frisach in
Kärnten, welches die Stadt Judenburg darstellt und aus dem
Jahre 1756 stammt Auch hatte die Direction der k. k. priv.
Kronprinz - Rudolfsbahn den Theilnehmem ermässigte Fahr-
preise zugestanden. Doch stellten sich der Ausführung dieses
Unternehmens im letzten Augenblicke unvorhergesehene Hin-
demisse in den Weg und konnte daher die dritte Wander-
versanunlung nicht abgehalten werden.
7. Am 10. Juli fand die 27. Vierteljahresversammlung
statt, in welcher Herr Professor Dr. Arthur Steinwenter
— VI -
einen Vortrag ttber Herzog Ernst den Eisernen von
Steiermark hielt. Der mit vielem Beifall aufgenommene
Vortrag wurde in Rosegger's «Heimgarten*' 1878 gedruckt.
8. Am 30. October fand die 28. YierteljahresyersammliiDg
statt. In derselben hielt der Schriftführer Dr. Franz M. M a y e r
einen Vortrag über volkswirthschaftliche Zustände
im 17. Jahrhunderte.
Der Vortragende hebt in Kürze die Einwirkung des
30jährigen Krieges auf Innerösterreich hervor und bespricht
dann die Verhandlungen zwischen der kais. Regierung und
den steirischen Ständen bezüglich der Einquartirung eines
Theiles der Armee des Feldmarschalls Grafen Joh. Aldringen,
welche im Jahre 1633 in Süddeutschland stand, im darauf-
folgenden Winter aber in den habsburgischen Ländern Winter-
quartiere beziehen sollte. Der Vortragende erwähnt auch die
Absicht Wallensteins, diese Armada in das Erzbisthum Salz-
burg zu verlegen, in Folge deren nachher das Gerücht entstand,
Wallenstein habe sich durch diese Einquartirung des Erzstiftes
bemächtigen wollen, um einen Stützpunkt für seine gegen das
Haus Habsburg gerichteten Pläne zu haben. Am 23. Februar
1634 erhielten dann die steirischen Stände eine Zuschrift des
Kaisers Ferdinand U., in welcher dieser erzählt, „dass unser
gewester Feldhauptmann, der von Friedland wider uns und
unser gesammtes löbl. Erzhaus einer höchst abscheulichen
und greulichen Verräterei sich vermessen, indem er unser
Kriegsvolk mit allerhand meinaydigen auch unkristlichen mittlen
wider uns aufzuwiglen und an sich zu bringen unterfangen
und dardurch sowol uns als unser aigen Person als unser
ganze angehorige liebe Posterität von Land und Land zu
vertreiben, nach unser Krön und Zepter zu greiffen^ sich aller
unserer Erbkönigreich und Länder zu bemechtigen und unter
seinen Gewalt zu bringen tractirt und versucht hat; nun ist
zwar hierauf solche eylfertige embsige Bestell und Fürsehung
gepflogen worden, dass wir uns durch die getreue Bestän-
digkeit und Eifer der vornembsten, wolerfahrensten hochen
Befehlshaber der meisten wichtigen Platz und Ortlen auch
- vn —
ihres nnderhabenden Kriegsvolkes versichert haben und daneben
st&ndlieher Nachricht gewertig sein, dass ebenfalls fast alles
andere übrige Eriegesvolk wider werde auf unsere Seiten ge-
bracht worden sein". Der Kaiser stellte in diesem Schreiben
hohe Geldforderungen, welche die Stände mit dem Hinweise
auf die einstweilen erfolgte Confiscation der Güter Wallen-
steins und seiner Anhänger ablehnten. Der Kaiser gab dies
in der Zuschrift vom 16. März mit den Worten zu: „Und ist
zwar nicht ohne, dass unser Volk die Prinzipaln der jüngist
ai^emassten abscheulichen Meineidigkeit und Yerraterei bereits
ans dem Weg geräumt und uns dadurch starke Confiscations-
mittel zugefallen*; aber trotzdem musste er auf den Beiträgen
der Stände Steiermarks beharren.
Nach Darstellung dieser Episode aus der steirischen
Geschichte skizzirt der Vortragende den Inhalt des Berichtes
zweier Commissäre, welche 1657 vom Erzbischofe von Salz-
burg zur Untersuchung der in Steiermark und Kärnten gele^
genen salzburgischen Besitzungen abgesandt wurden. Diese
CoDunissäre notirten getreulich ihre Wahrnehmungen, schlich-
teten Streitigkeiten, stellten Unregelmässigkeiten ab, wahrten
die Herrschaftsrechte ; ihr Bericht enthält eine Menge inte-
ressanter Einzelheiten und darf daher als Quelle für die
Kenntniss der volkswirthschaftlichen Zustände unseres Landes
im 17. Jahrhunderte angesehen werden.
9. Das Ende des Jahres 1878 war als Zeit der Einfor-
denmg der Ortschroniken behufs Beurtheilung und Prämihnmg
festgesteUt worden; m der Ausschuss-Sitzung vom 6. December
wnrde daher beschlossen, an die Ortschronisten die Aufforderung
^hen zu lassen, die Chroniken bis längstens Ende Jänner
1879 an den Ausschuss einzusenden. In das Beurtheilungs-
Conüt^ wurden gewählt die Herren Professoren Dr. Ferdinand
Bischoff, Dr. Franz Krön es und Joseph v. Zahn. An
Stelle des Letzteren, der wegen Zeitmangel dieses Amt nieder-
legte, wurde nachher Herr Regierungsrath Dr. Richard Pein-
lich gewählt Dieses Comit^ hat die Aufgabe, die eingelaufenen
Arbeiten nach den im Unterrichte, betreffend Anlage und
- vm —
Förderung der Ortschroniken (Mittheilungen XX. Heft p. CIV),
ausgesprochenen Grundsätzen zu beurtheilen und das Resultat
zu veröfifentlichen.
10. In der Ausscbuss-Sitzung vom 8. Jänner wurde die
Neuwahl der Mitglieder des Comites fbr die Beiträge zur
K st Geschichtsquellen vorgenommen, da die bisherigen Mit-
glieder schon 3 Jahre im Amte waren. Es wurden die seit-
herigen Mitglieder wiedergewählt (Prof. Dr. F. Bisch off,
Prof. Dr. F. Krones, Prof. Jos. v. Zahn).
11. Am 30. Jänner 1879 fand die 31. Jahresversammlung
statt, in welcher Herr Begierungsrath Dr. Bichard Peinlich
einen Vortrag über städtisches Leben und Wesen in
der Steiermark im 16. und 17. Jahrhunderte hielt Dieser
ungemein fesselnde Vortrag erschien vielfach erweitert und
ergänzt als selbstständige Broschüre (Graz, 1879).
Aus dem Berichte des Schriftführers über das abgelaufene
Vereinsjahr sei Folgendes hervorgehoben:
Auch in diesem Jahre sind dem Vereine namhafte Schen-
kungen an Druckwerken, Handschriften, Urkunden etc. zuge-
kommen, welche einzeln in diesem Geschäftsberichte verzeichnet
stehen. Den Spendern wurde der Dank des Vereines öffentlich
ausgesprochen, es sind dies die Herren : Jos. L. Bayer, Guts-
besitzer in Amthofen, Franz Habenbacher zu St. Stephan ob
Leoben, Destouches in München, Ferdinand Freiherr v. Eber-
stein m Dresden, Karl Bitter von Gamsenfels, Johann Erainz
in Eisenerz, Professor Dr. Franz Krones, Caplan Johann
Meixner zu St Veit am Vogau, Eduard MuUey, Güterdirector
in Weitenstein, Lehrer Jakob Pils in Kraubat, Baron Victor
Sessler-Herzinger, Archivar Jakob Wichner in Admont, endlich
die hochw. Ordinariats-Kanzleien zu Graz und Marburg.
Auch war das Ansuchen des Vereins an die k. k. Statt-
halterei um Ueberlassung eines Theils des Archivs der k. k.
Finanzprocuratur von Erfolg begleitet
Aus dem Vereine sind im abgelaufenen Jahre 13 Mit-
glieder ausgetreten, dagegen 1 6 zugewachsen ; es würde somit
trotz der Ungunst der Zeitverhältnisse eine Vermehrung der
— IX —
Mit^ederzahl zu constatiren sein, wenn nicht dem Vereine
13 Mitglieder durch den Tod entrissen worden wären % Die
Mitglied^rzahl beträgt demnach gegenwärtig 343. Ehrenmit-
glieder sihlt der Verein 26, correspondirende Mitglieder 15.
Die Zahl der Bezirkscorrespondenten beträgt 20, die der
Vereine, mit denen der historische Verein in Schriftentausch
stebt, 190; die Zahl der Ortschronisten 53.
An Publicationen erschienen das 26. Heft der Mittheilungen
und das '15. Heft der Beiträge. Der zweite Band des Ur-
kimdenbuchs, welcher die Zeit von 1192—1246 umfasst, ist
nahezu Tollendet'); das Zustandekommen dieses wichtigen
Werkes wurde durch die Spenden des hohen Ministeriums
fSüT Cultus und Unterricht, des hohen steierm. Landtages und
der löbL steierm. Sparcasse ermöglicht
Von den Bezirkscorrespondenten hat nur Herr Ludwig
Paar in Krieglach einen Bericht gesendet, worin er u. A.
auf die Antiquitätensammlung des H. Rittmeisters a. D. Al-
pboos Seh ük eil aufmerksam macht
Da am Tage der 31. Jahresversammlung das Mandat des
Vorstandes Prof. F. Bischoff, des Vorstandstellvertreters Direct.
Fr. Hwo^ des Cassiers E. Fürst, sowie der Ausschüsse M. von
FeUeetti-Liebenfels und Jos. von Zahn erlosch, so hatte die
Vereinsversammlung Neuwahlen vorzunehmen. Nachdem Herr
Dir. Dr. F. Ilwof wegen Ueberbürdung mit Geschäftsangelegen-
heiten eine etwaige Wiederwahl abgelehnt, wurden über Antrag
des Herrn Regierungsraths Dr. R Peinlich per acclamationem
gewählt: Herr Prof. Dr. Franz Krones zum Vorstand; Herr
^ Besonders zwei dieser verstorbenen Mitglieder haben an dem Ge-
deihen des Vereins stets sehr lebhaften Antheil genommen: Ober-
Landesgerichtsrath Job. Bei eher war einige Zeit Ausschussmitglied
und Director Dr. Gregor Fuchs hat sich durch seine historischen
Arbeiten, von denen einige in den Mittheilungen erschienen
sind, als ein gewissenhafter Mitarbeiter auf dem Felde der heimischen
Geschichte erwiesen.
*) Dieser Band ist in diesem Augenblicke ganz vollendet und kann
von Mitgliedern um*fl. 4 bezogen werden. Ladenpreis 7 fi.
- X —
Prof. Dr. Ferd. Bischoff zum Vorstand-Stellvertreter, Herr
Ernst Fürst zum > Cassier. Darauf erfolgte die Wahl dreier
Ausschasse durch Stimmzettel; gewählt wurden die Herren
Prof. Franz Ferk, Conservator Johann Graus und Prof. Josef
von Zahn.
Der Ausschuss besteht also jetzt aus folgenden Herren:
Vorstand: Prof. Dr. Franz Krön es; Vorstand-Stellvertreter:
Prof. Dr. Ferdinand Bisch off; Gassier: Ernst Fürst;
Schriftführer: Prof. Dr. Franz M. Mayer. Ausschüsse ohne
Function: Prof. Franz Ferk, Conservator Johann Graus,
Prof. Josef von Zahn, Prof. Dr. Hans von Zwiedineck-
Südenhorst
Auch wurde der Antrag des Herrn Regierungsraths Dr.
Peinlich, es sei dem bisherigen Cassier Herrn Ernst Fürst
für die ausgezeichnete Verwaltung seines Amtes der Dank
des Vereines schriftlich auszusprechen, einstimmig angenommen.
Auch dem abtretenden Vorstande Herrn Dr. F. Bischoff
sprach die Versammlung ihren Dank für seine Leitung aus.
Dem Herrn Sparcassa-Cassier Karl Burkhard, welcher die
Jahresrechnung seit langer Zeit auf die sorgfältigste Weise
revidirt hat*), sprach der Vorstand im Namen des Vereins
den Dank aus. Als Revidenten wurden dann gewählt die Herren
Cassier Karl Burkhard und Redacteur Eugen Spork.
In der Jahresversammlung steUte Herr Regierungsrath
Dr. R P e i n 1 i c h femer den Antrag : es sollen die historischen
und geographischen Publicationen von Mitgliedern und Nicht-
mitgliedem, insofeme dieselben Steiermark betreffen, eine
Anzeige in den Mittheilungen finden. An der Debatte über
diesen Gegenstand betheiligten sich die Herren Prof. Dr
Krones, Dr. Schlossar, Dr. v. Zwiedineck, worauf Herr Dr.
Peinlich den weiteren Antrag stellte: Der Ausschuss sei zu
*) Der zweite Revident, Herr Bezirksschulinspector Pro£ Ignaz
Schrotter masste im Laufe dieses Yereinsjahres wegen Ueber-
häufung mit Berufsgeschäften sein Amt niederlegen. Der Ausschuss
sprach diesem Herrn fOr seine langjährige und aufopfernde Mühe-
waltung schriftlich den Dank des Vereines aus.
- XI —
ersochen, Ober diese Angelegenheit zu berathen und darüber
iB der nächsten Yersammlung Bericht zu erstatten.
Herr Prof. Dr. v.Zwiedineck stellte hierauf den Antrag :
Es seien probeweise in diesem Jahre die Vierteljahrsver-
samnünngen in einem Grasthause abzuhalten und begründet
seinen Antrag in längerer Rede. Darüber entspann sich eine
Debatte, an welcher die Herren Prof. Erones, Redacteur E.
Spork, Dr. Peinlich und der Antragsteller sich betheiligten.
Schliesslich wurde Dr. v. Zwiedineck's Antrag in modificirter
Gestalt angenommen: Es seien versuchsweise neben den
Vierteljahrs- Versammlungen Vortrags- oder Geselligkeitsabende
in einem Gasthause abzuhalten und damit Anfangs März zu
beginnen.
Das Hauptmotiv für diesen Antrag war die Hoffnung,
dass durch Zusammenkünfte in einem Gasthofe ein freier,
ungezwungener Verkehr der Anwesenden untereinander sich
erzielen Hesse und dass dadurch ein grösseres Interesse an
dem Wirken des Vereins herbeigeführt werden könnte.
Veränderungen
im
Personalstande des Vereines
in der Zeit Tom 1. Jänner bis Ende December 1878.
Zugewachsen.
Ordentliche Mitglieder:
Blöder Franz Josef, Lehrer. — Buch ner Peter, Buchhändler. —
Bruch Heinrich, Major in Pens. — Fürsten feld, Lehrerverein. --
Hei ff Maxm., Schuldirector. — Hiecke Wenzel, Pfarrer. — KOhnelt
Leopold, Beamter. — Lipp Johann, Lederermeister. — Pokorny L.
E., Hofrath a. D. — Schmid Georg, Scriptor in Graz. — Schumi
Franz, Privatier. — Schütze Reinhold, Dr., Prof. — Sperl Rudolf,
Beamter. — Waidacher Alois, Lehrer. — Weiss Adolf, Literat. —
Weiz, Bezirks-Lehrerverein. Zusammen 16 Mitglieder.
Abgegangen.
Ausgetreten:
Bellegarde Heinrich, Graf. — Coreth Moriz, Graf. — F eiber-
bau er Leop., Pfarrer. — Ho ff er Franz, Dr., Advokat. — Hol 1er
Wilhelm, Pfarrer. — Ludewig Heinrick, Buchhändler. — Maren zi
Franz, Graf, F.-M.-L. — Mayer Karl, Statthaltereirath. — Monte-
cuccoli Max., Graf. — Prem Simon, Prof. ~ Schmid August,
Lehrer. ~ Tomaser Ubald, Gaplan. — Z ei dl er Prokop, Ober-
lieutenant a. D. Zusammen 13 Mitglieder.
Gestorben:
Aichelberg Franz, Notar. — Attems Ferd., Graf. -- Fuchs
Gregor, Dr., G.-Direct. — Jug Andreas, Pfarrer. — Legwar th Franz,
Pfarrer. — Lukacs Johann, Mil.-Pred. — Pauer Jacob, Superior. —
- xni -
Picbler Alois, Eanfmann. — Plessing Max., Migor. — Reicher
Johann, Ober-Landes-Gerichtsrath. — Schäfer Friedrich, Capitular. —
Schindler Heinrich, Oberlehrer. — Seunig Eduard, Dr. der Rechte.
Zusammen 18 Mitglieder.
Verbleibt der Mitgliederstand mit Ende December 1878: 845.
Bezirkseorrespondenten.
Ausgetreten:
Hundegger Leopold, Dr., Advokat — Rigler Johann, Pfarr-
proTiaor.
Gestorben.
Fuchs Gregor, Dr., Gymnasial-Director. — Pauer Jacob, Superior.
- XIV —
U e b e r-
über die Empfänge und
M
E m p f ft n g e
I Gassarest vom 81. December 1877
n Beitr&ge der P. T. Mitglieder
III FOr erhaltene Interessen
lY Für verkaufte Yereinspablicationen
Y Subvention der hohen Landschaft pro 1878 . . .
YI Subvention vom hohen Unterrichtsministerium . .
YII An Diplomgebnhren
YIII Unterstützungs-Beitrag der löblichen steiermärki-
sehen Sparkasse
Summe der Einnahmen . . .
Wird die Summe der Ausgaben von der der Em-
pfänge abgezogen mit
so verbleibt am 31. December 1878 ein Rest von
Dieser Gassarest zerfliUt in zwei Theile, als:
a) in angelegte Gapitalien mit fl. 1115*50 und
b) in baarem Gtelde mit . . fl. 247*14
Also in Summa wie oben . . . fl. 1362*64 =3
Graz, am 31. December 1878.
OesLWäbr.
fl. kr
1051
1129
79
288
525
500
2
100
8676
2818
1862
1862
Ernst FOrst,
d. S. Caatler.
65
44
64
46
19
55
64
64
XV -
sieht
Aosgabeii im Jahre 1878.
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
11
12
13
14
15
16
17
18
19
20
Remanerationen an die YereinsbedienBteten . . .
Ankauf von Büchern
Ffir die Beinigung der Kanzlei pro 1877/78 . . .
Für die Porti und Speditionsauslagen
Ffir Kanzleibedürfhisse
Für Stempelgebühren
Honorar an den Hilfsbeamten des Vereines . . .
Entlohnung an den Yereinsdiener
Druckkosten für das 25. Heft der ffMittheilungen*^
Kosten der Yereinsversammlungen pro 1878 . . .
Mitgliedsbeitrag ffir den Gesammtverein der deut-
schen Geschichts- und Alterthumsvereine in
Darmstadt pro 1878 mit 18 deutschen Beichs-
mark und 4 Mark an Bückstand, in Summa
17 Mark
Für Porto und Fracht der Versendung der Vereins-
schriften an au8wärtig[e Vereine durch den
Buchhandel pro 1876/7
Beitrag an das germanische Nationalmuseum in
Nürnberg pro 1878
Für die kalligraphische Ausarbeitung eines Diplomes
Kosten des 15. Jahrganges der „Beiträge'' . . .
Kosten des 26. Heftes der „Mittheilungen^ . . .
Bückrergütung des irriger Weise vom Stadtrathe
in Marburg eingesandten Geldbetrages . . .
Für Buchbinderarbeiten
Für die Lithographie und Druck von Judenburg .
Theilbetragszahlung des Honorars fllr das Urkunden-
Buch der Steiermark, H. Band
Summe der Ausgaben . . .
28
12
9
60
45
6
180
96
491
55
10
84
49
38
20
51
59
95
5
_
—
70
447
78
652
28
10
20
15
20
88
—
100
—
2818
56
Den Sammlungen des Vereines
sind vom 1. J&nner bis Ende December 1878 zugekommen
A. Für die Bibliothek.
1. Durch Schenkmig.
4098. Destouches Ernst von, Secretär in München: Münchener Gemeinde-
Zeitung, Festnummer. (Gedenkblatt auf die Säcular-Feier des
Hof- und National-Theaters in München.)
4094. Eberstein Louis Ferd., Freiherr von, königl. preuss. Ingenieur-
Hauptmann a. D. in Dresden:
a) Beigabe zu den geschichtlichen Nachrichten von dem reichs-
ritterlichen Geschlechte Eberstein vom Eberstein auf der Rhön,
und b) urkundliche Nachträge hiezu.
4095. Graz, die Verwaltung des Anna-Einderspitals : 34. Rechenschafts-
Bericht des Jahres 1877.
4096. Habenbacher Franz zn St. Stefan ob Leoben: Die europäische
Fama 219., 220., 221. und 226. Theil, gedr. 1719, 287. Theil,
gedr. 1720 und 268. Theil, gedr. 1728; femer ein Weihnachts-
spiel (Flucht nach Egypten) und das heilige Dreikönigspiel.
Letzteres eine Handschrift vom Jahre 1682.
4097. Krainz Johann, Lehrer in Eisenerz: a) Eisenerz und die Pfarr-
kirche St./ Oswald daselbst. Graz 1878; — b) Aarberg bis zum
Uebergang an Bern. (Von J. Sterchi), Bern 1877 ; — c) Zeitschrift
„der Hausfreund*" Nr. 48 v. J. 1876 und Nr. 26, 27, 28 v. J. 1876.
4098. Erones Franz, Dr. und Üniv.-Frof . in Graz : Studie zur (leschichte
des deutschen Yolksthums im Earpatenlande, mit besonderer
Rücksicht auf die Zips und ihr Nachbargebiet. (Festschrift der
k. k. Universität Graz aus Anlass der Jahresfeier am 15. No-
vember 1878.)
4099. Wichner Jacob P., Capitular und Archivar des Benediktinerstiftes
Admont: Geschichte des Benediktinerstiftes Admont für die Zeit
1297—1466, m. Bd., Graz 1878, und Separat-Abdruck aus der
archivalischen Zeitschrift, betitelt: Ein wiedererstandenes Kloster-
archiv in Steiermark.
- xvn —
2. Im Schrlftentansch.
4100. Agram, sfidslavische Akademie der Wissenschaften:
a) Rad, 41. bis 44. Band; — b) Monumenta spectantia historiam
Blarorom meridionalium, 7. und 8. Band; — c) Ljetopis (Prva
Bveska), 1867—1877; — d) An meinen jüngsten Becensenten (von
G. J. Dani£ic), 1878.
4101. Amiens, Gesellschaft der Alterthumsfreunde der Ficardie: „M^-
moires", 3. Serie, 4. Band, 1878.
4102. Amsterdam, königl. Akademie der Wissenschaften: a) Yerhande-
lingen Afd. Letterkunde IX. und XI. Deel, 1877; — b) Verslagen
en Mededeelingen Afd. Letterkunde 2« Reeks, VI. Deel, 1877 ; —
c) Jaarboek 1876; — d) Pastor Bonus, 1877.
4103. Ansbach, histor. Verein für Mittelfranken: 39. Jahresbericht für
1873 und 74.
4104. Antwerpen, königl. archeologische Akademie in Belgien : „Annales**,
Band 21 bis 30 oder 2. Serie, Band 1 bis 10, gedruckt zu Anvers
in den Jahren 1866 bis 1874.
4105. Augsburg, histor. Verein im Regierungsbezirke Schwaben und
Neuburg: Zeitschrift, 4. Jahrgg., Heft 1-3. 1877-78.
4106. Bairenth, histor. Verein für Oberfranken: a) Archiv, 14. Band,
1. Heft; — b) Dr. Theodorich Morung, der Vorbote der Re-
formation in Franken, 2. Theil, 1877. (Von Dr. Lorenz Kraussold.)
4107. Bamberg, histor. Verein für Oberfranken: 40. Bericht über
Bestand und das Wirken des Vereines im Jahre 1877.
4108. Basel, histor. und antiquarische Gesellschaft: i^Mittheilungen**
N. F. I. (Die Deckengemälde in der Krypta des Münsters zu
Basel von A. Bemoulli.) Basel 1878.
4109. Berlin, kgl. Akad. der Wissenschaften: a) Monatsberichte, Jg. 1878.
4110. Berlin, Verein „deutscher Herold«: Zeitschrift, 8. Jahrgg. 1877.
4111. Berlin, Verein für die Geschichte Berlins:
a) Statuten und Mitglieder- Verzeichniss Nr. 11 (1878); — b)
Berliner Urkunden, Bogen 78 — 86, 9 Bögen; - c) Berliner Bau-
werke, Tafel 10, 4 Bögen; — d) Beriiner Denkmäler, Tafel 4,
7 Bögen. Zusammen 20 Bögen.
4112. Ben, histor. Verein des Gantons: a) Archiv, 9. Band, 3. Heft,
1878; — b) Hettiswyl und das ehemalige Gluniaccnser-Priorat
daselbst, Bern 1878; — c) Gatalog der Bibliothek und Flug-
schriftensammlung.
4113. Bern, allgemein geschichtsforschende Gesellschaft der Schweiz:
Jahrbuch, 3. Band, 1878.
4114. Brandenburg (am Havel) histor. Verein: ^Märkische Forschungen'',
14. Band, Berlin 1878.
4115. Braonsberg, histor. Verein für die Geschichte und Alterthumskunde
B
- xvin —
Ermelandis: Zeitschrift, 6. Band, 3. und 4. Heft, der ganzen
Folge 19. und 20. Heft, Jahrgg. 1877/78.
4116. Bregenz, Yorarlberger Museums-Yerein: 17. Rechenschaftsbericht
des Yereinsjahres 1877.
4117. Bremen, Abtheilung des KOnstler-Yereines f&r bremische Ge-
schichte und Alterthttmer: a) Denkmale der Geschichte und
Kunst, S. Abth., 2. Lieferung, 1877 ; — b) Bremisches Jahrbuch,
10. Band, 1878.
4118. Breslau, Yerein fl!kr Geschichte und Alterthum von Schlesien:
a) Zeitschrift, 14. Band, 1. Heft, 1878; — b) Regesten zur
schlesischen Geschichte, 2. Lieferung bis zum Jahre 1221, gedr.
1877; — c) Scriptores rerum silesiacarum, 11. Band, 1878.
4119. Brunn, mährisches Landesarchiv: Mährens allgemeine Geschichte,
von Dr. Beda Dudik, 8. Band, 1878.
4120. Brüssel, königl. belgische Akademie: a) Annuaire, Jahrgg. 1877
und 1878; — b) Bulletins, 2. Serie, Band 41 bis 45.
4121. Carlsruhe, das grossherzogl. Gonservatorium der badischen Alter-
thttmer-Sammlungen des Staates : Alterthümer-Sammlung, H^Heft,
Jahrgg. 1878.
4122. Cassel, hessischer Yerein ftir Geschichts- und Alterthumskunde
Ton Cassel, Darmstadt und Mainz : a) Statuten des Jahres 1875 ; —
b) Mittheilungen, 1. und 4. Yierteljahresheft, Jahrgg. 1876 und
1. Yierteyahreshefk, Jahrgg. 1877 ; — Zeitschrift, N. F. 6. Band,
4. Heft u. 7. Band 1877 ; — d) Yerzeichniss der Büchersammlung 1877.
4123. Christiania, Yerein zur Erhaltung und Aufbewahrung nordischer
Yorzeitdenkmäler : a) Foreningen flir das Jahr 1877 ; — b) Byg-
ninger, 9. Heft, gedr. 1878.
4124. Cilli, die Gymnasial-Direction : Programm des Schu^ahres 1877 78.
4125. Darmstadt, histor. Yerein für das Grossherzogthum Hessen: Die
vormaligen geistlichen Stifte im Grossherzogthum Hessen. (Yon
G. J. Wilhelm Wagner.) 2. Band, 1878 mit 15 Tafeln Abbildungen.
4126. Dorpat, gelehrte esthn. Gesellschaft: Sitzungberichte, Jahrgg. 1877.
4127. Dresden, königl. sächsischer Alterthumverein : Mittheilungen 26.
27. und 28. Heft, 1877/78.
41 28. Elberfeld, bergischer Geschichtsverein : Zeitschrift, 13. Bd., Jg. 1877.
4129. Emden, Gesellschaft für bildende Kunst und vaterländische Alter-
thttmer: Jahrbuch, IIL Band, 1. Heft, 1878.
4130. Frankfurt am Main, Yerein für Geschichte und Alterthumskunde :
a) Archiv, 6. Band, — b) Neiyahrsblatt fllr 1877 und 1878; —
c) Mittheilungen, 5. Band, Nr. 3, Mai 1877.
4131. Frauenfeld, histor. Yerein des Cantons Thurgau: Thnrgauische
Beiträge zur vaterländischen Geschichte, 18. Heft, 1878.
4 1 32. Freiberg in Sachsen, Alterthums verein : Mittheilungen, 1 4. Heft, 1877.
- XIX -
41S3. St. Gallen, liistor. Verein: a) Der Hof Kriessern. (Von J. Hard-
egger und H. Wartmann.) 1878; — b) Joachim von Watt deutsche
lustor. Schriften, 1. und 2. Band, 1875—77 (von Ernst Götzinger);
— c) der Canton St Gallen in der Restaurationszeit, 1878.
4134. GenoYa, Societä Ligure di storia patria: „Atti^, Volume IX,
Fascikel IH, 1877; Volume XÜI, Fascikel II, 1877.
4135. Görlitz, Oberlausitzische Gesellschaft der Wissenschaften: Neues
Lausitzisches Magazin, 54. Band, 1. Heft, 1878.
4136. Graz, Garl-Franzens-Universität : Vorlese-Ordnung für den Sommer-
semester 1878, dann für den Wintersemester 1878/79.
4137.- — technische Hochschule Joanneum: Programm des Studien-
jahres 1878/79.
4138. — Joanneum, recte steierm. Landes-Ausschuss : 66. Jahres-
bericht, 1877.
4139. — Staats-Oberrealschule : 6. Jahresbericht 1877/78.
4140. — steierm. Landes-Oberrealschule: 27. Jahresbericht, 1877/78.
4141. — Christi. Kunstverein der Diöcese Seckau: „Eirchenschmuck**,
IX. Jahrgg., 1878.
4142. — academischer Leseverein an der Universität und technischen
Hochschule: 11. Jahresbericht, 1878.
4143. — steierm. Gewerbeverein: Bericht des 41. Verein^'ahres 1877.
4144. Greifswalde, königl. Universitäts- Bibliothek : 43 Stück Inaugural-
Dissertationen und 2 Vorlesungs- Verzeichnisse d. J. 1877.
4145. — Gesellschaft für Pommer'sche Geschichte: 40. Jahresbericht,
1879.
4146. Halle, thüringisch-sächsischer Verein zur Erforschung des vater-
ländischen Alterthums: Neue Mittheilungen aus dem Gebiet
histor.-antiquar. Forschungen, 14. Band, 2. Heft (Schluss.) 1878.
4147. Hamburg, Verein für hamburgische Geschichte: Mittheilungen,
Nr. 4 bis 12, Jänner bis Ende September 1878. I. Jahrgg.
4148. Hannover, histor. Verein für Niedersachsen: Zeitschrift, Jahrgg.
1877 und 39. Nachricht über den Verein.
4149. Harlem, Bureau scientifique central N^erlandeis : „Archives N^er-
landaises*^ Tome XIU. 1., 2. und 8. Lieferung, 1878.
4150. Hennannstadt, Verein für siebenbür'gische Landeskunde : a) Archiv,
N. F., 14. Band, 1. und 2. Heft, 1877/78; — b) Jahresbericht
über das Vereini^ahr 1876,77; — c) die Ernteergebnisse auf dem
ehemaligen Königsboden in den Jahren 1870, 71, 78 und 74
(von Martin Schuster), gedr. 1878; — d) Programm des evan-
gelischen Gymnasiums zu Hermannstadt für das Schuljahr 1876/77 ;
— e) Bericht über das Brukenthalische Museum in Hermann-
Btadt, 1877.
4151. Jena, Verein für thüringische Geschichte und Alterthumskunde :
B*
— XX --
Zeitschrift, N. F., 1. Band, der ganzen Folge 9. Band, 1. and
2. Heft, 1878.
4152. Innsbruck, Ferdinandeum : Zeitschrift, 3. Folge, 22. Heft, 1878.
4163. Kiel, königl. Schleswig - holstein - lauenburgische Gesellschaft für
Geschichte dieser HerzogthQmer : a) 35. Bericht zur Alterthums-
künde Schleswig-Holsteins. (Von H. Handelmann.) 1878; — b)
Zeitschrift, 8. Band, 1878.
4154. Klagenfurt, Geschichtsverein für Kärnten: Carintbia, Zeitschrift
ftlr Yaterlandskunde etc., 67. Jahrgg., 1877.
4155. Köln, histor. Verein für den Niederrhein: Annalen, 32. Heft;, 1878.
4156. Königsberg, königliche und Universitäts-Bibliothek: Altpreussische
Monatsschrift, N. F., 15. Band, Jahrgg. 1878.
4157. Kopenhagen, königl. dänische Gesellschaft für nordische Alter-
thumskunde: a) Aarboger, Jahrgg. 1877, 1. bis 4. Heft and
Jahrgg. 1878, 1. Heft; — b) Tillaeg, Jahrgg. 1876; — c) M^moires,
N. S., 1877.
4158. Krakau, königl. Akademie der Wissenschaften: a) Rocznik Zar-
zadu für das Jahr 1877; — b) Pamietnik wydzialy. Band 3,
1876; — c) Rozprawy i Sprawozdania z Posiedz^n tomo Y und
VHI, 1877—1878; ~ d) Scriptores rerum polonicarum, tomo IV,
1878; — e) Monumenta Medii Aevi Historica, tomo IV, 1878; —
f) Zbiör wiadomÖBci do antropologii Krigowej, tomo II, 1878 ; —
g) Sprawozdania Komisyi do badania histor]^ sztuki w polsce,
Heft 1 und 2, 1877 78; — h) Katalog Rekopisöw bibiyoteki
uniwersytetu Jagiellönskiego, Heft 1 bis 3 (von Dr. Wladyslaw
Wislocki), 1877/78; — i) Wykaz Zabytköw Przedhistorycznych
na ziemiach polskich, Heft 1, 1877; — k) Gieograficzne imiona
slowiiLnskie, 1878.
4159. Laibach, Obergymnasium: Jahresbericht pro 1878.
4160. Lausanne, Soci^t^ d'histoire de la Suisse romande: „M^moires
et Documents^ Tome XXXI, 1878.
4161. Leeuwarden, Gesellschaft für friesische Geschichte, Alterthums-
und Sprachenkunde: 49. Verslag der Handelingen für 1876/77.
4162. Leiden, Maatschappy der Nederlandsche Letterkunde: a) Hande-
lingen en MededeelingeA vom Jahre 1877 ; — b) Levensberichten
der afgestorvene Medeleden. Beilage zu den Handelingen vom
Jahre 1877; — c) Catalog der Bibliothek von der Maatschapp^j
der Nederlandsche Letterkunde, 1877.
4163. Leipzig, deutsche morgenländische Gesellschaft: Zeitschrift, 32.
Band, I. II. und III. Heft, 1878.
4164. — fürstlich Jablonowskische Gesellschaft: Preisschriften, 21.
Band, 1878.
4165. Lemberg, Graf Ossolinski'sches National • Institut : a) Katalog
— XXI —
Broni w Muzeam imienia Lubomirskich, 1876 77 ; — b) Dyftryusz
Legacyi Jerzego Ossolinfikiego posla Polskiego na Bien rzeszy
niemeckiei w Batyzbonie W. R. 1686, Lemberg 1877; — c)
SfHrmwozdanie z czynoosd Zakladu Naradowego imienia Osso-
linskich ftir das Jahr 1877/78.
4166. Leoben, RealgymnaBium: 12. Jahresbericht und Oberrealschule :
3. Jahresbericht, beide ft^ 1877/78.
4167. Linz, Museum Francisco- Carolinum: 85. und 86. Jahresbericht
nebst der 80. Lieferung der Beiträge zur Landeskunde von Oester-
reich ob der Enns.
4168. Lazembourg, histor. Section des Institutes (Soci^t^ arch^logique).
Pablications, Band 82 <X.) Jahrgg. 1877.
4169. Luzem, histor. Verein der fünf Orte Luzem, üri, Schwyz, ünter-
walden und Zug: „Geschichtsfreund", 88. Band, 1878.
4170. Marburg, Staatsgymnasium: Programm des Studieigahres 1878.
4171. Marienwerder, histor. Verein: Zeitschrift, 2. Heft, 1877.
4172. Meiningen, hennebergisch • alterthumsforschender Verein: Ein-
ladungsschrift zum Jahresfeste 14. Norember 1878.
4173. Metz, die Akademie der Wissenschaften: nM^moires**, 8. Serie,
6. Jahrgg. Metz 1878.
4174. Mitau, kurl&ndische Gesellschaft für Literatur und Kunst: a)
Sitzungsberichte aus dem Jahre 1877 ; — b) Erzbischof Adalbert
Ton Hamburg-Bremen und der Patriarchat des Nordens. (Von
Karl Dannenberg.) Mitau 1877.
4175. Montbäliard, Soci^t^ d'^mulation: „M^moires", 8.8erie, 2.Bd. l.Hft.
4176. Mlinchen, königlich bairische Akademie der Wissenschaften: a)
Sitzungsberichte der philos., philolog. und histor. Classe.
Jahrgg. 1877, Heft III, IV und Jahrgg. 1878, Heft 1—4 —
b) Abhandlungen der histor. Classe, 18. Band, 8. Ab-
theilung, 1877 und 14. Band, 1. Abtheüung, 1878; —
c) Aventin und seine Zeit. (Von J. ron Döllinger.) 1877.
4177. — histor. Verein von und für Oberbaiem: a) Archiv, 86.
Band, 1877; — b) 86. bis 88. Jahresbericht ftkr die Jahre
1873, 1874, 1875, gedr. 1876.
4178. — der Alterthumsverein: „Die Wartburg", 6. Jahrgg. 1877/78,
Nr. 7 bis 12.
4179. Mtknster, Literarischer Handveiser: 17. Jahrgg. Nr. 2—18.
4180. Keisse, die Gesellschaft „Philomathie"" : 19. Bericht vom Mai 1874
bis zum Mai 1877.
4181. Neaburg a. d. Donau, histor. Filialverein : „Collectaneenblatt für
die Geschichte Baiems'^, 41. Jahrgg. 1877.
4182. New-Tork, American Museum of natural history : Annual Report^
Jahrgg. 1877.
— xxn —
4183. Osnabrflck, Verein f&r Geschichte und Alterthumskunde : Mit>
theilangen, Band XI. Jahrgg. 1878.
4184. Faderborn, Verein für Geschichte und Alterthumskunde West-
phalens : a) Zeitschrift, 85. und 36. Band, Jahrgg. 1877/78 ; —
b) Localuntersuchungen , die Kriege der Römer und Franken,
sowie die Befestigungsmanieren der Germanen, Sachsen und des
späteren Mittelalters betreffend. (Von Ludwig Hölzermann.) Gedr.
Münster 1878.
4185. Pettau, Realgymnasium: 9. Jahresbericht, 1878.
4186. Pest, k^glich ungarische Akademie der Wissenschaften: a)
Archaeologiai Ertesitö, Jahrgg. 1878; b) Magyar Tört^nelmi Tär,
Band 25, gedr. 1878; c) Archivum Räköczianum, Abtheilung 1,
Band 5, 1877; d) OrszäggyQMsi Eml^kek, Band 3 und 5, 1877;
e) Aigoukori Okm&nytär, Band 1, 1878 ; f) Literarische Berichte
aus Ungarn, Band 1, Heft 1—4, 1877. (Von Paul Hunfalvy.)
4187. Petersburg, kaiserl. archeologische Gommission: Rapport, Jg. 1875.
4188. Poitieres, Gesellschaft der Alterthumsforscher des westlichen
Frankreichs: a) „M^moires**, tome 1«' (2. Serie) anne 1877; —
b) Bulletin des Jahres 1878, 1. bis 4. Quartal.
4189. Porrentrui, la Soci^t^ jurassienne d'emulation: Monatschrift, TL.
Jahrgg. 1877, August bis Ende December.
4190. Prag, königlich böhmische Gesellschaft der Wissenschaften:
Sitzungsberichte, Jahrgg. 1877.
4191. — Verein ftlr die Geschichte der Deutschen in Böhmen:
a) Der Ackermann aus Böhmen (von Johann Enieschek),
1877; b) MittheUungen, 16. Jahrgg., 1877/78, Heft 4 und
17. Jahrgg., 1878/79, Heft 1 und 2.
4192. — Lese- und Redehalle der deutschen Studenten: Jahresbericht
fttr das Vereinsjahr 1877/78.
4193. Regensburg, histor. Verein von Oberpfalz und Regensburg: Ver-
handlungen, 32. Band, 1877.
4194. Reval, die esthländisch - literarische Gesellschaft: Beiträge zur
Kunde Esth-, Liv- und Kurlands, Band 2, Heft 3, 1878.
4195. Riga, Gesellschaft für Geschichte und Alterthumskunde der
Ostseeprovinzen: Sitzungsberichte aus dem Jahre 1876, gedr. 1877.
4196. Roma, die königl. Akademie dei Lincei: »Atti**, Serie 3*% Volume
II, Fase. 1.-7. der anno 1877/78.
4197. Schaffhausen, histor. antiquarischer Verein: Beiträge zur vater-
ländischen Geschichte, 4. Heft, 1878.
4198. Steinamanger, histor.-archeologischer Verein : „A vasmegyei r^g^s-
zeti-egylet M jelent^se, 6. Heft, 1878.
4199. Stettin, .die Gesellschaft f&r Pommer'sche Geschichte und Alter-
thumskunde: Baltische Studien, 28. Jahrgang, 1878, in 5 Heften.
— xxni —
4200. StraBBborg, la Sod^t^ ponr la Gonserration des Monuments
historiqaes d^Alsace: a) Sitzungsberichte, Jahrgg. 1878, Nr. 1
bis 13; ~ b) Bulletin, X. Band, 1. Liefemng, 1878.
4201. Stattgart, kdnigl. statistisch-topograph. Bureau : Württembergische
Jahrbflcher f&r Statistik und Landeskunde, Jahrgg. 1877, Heft
1, 2, 4 und 6.
4202. Tettnang, Verein fOr die Geschichte des Bodensee's und seiner
Umgebung: Schriften, 8. Heft, 1877.
4203. Tougres, la Soci^t^ seien tifique et litteraire du Limbourg:
„Bulletin*", tome XIV., 1878.
4204. Triest, la Societä del Gabinetto di Minerva : Archeografo Triestino,
Jahrgg. 1878, N. S., 6. Band, Fascikel I., II., HI.
4205. Ulm, Verein ftbr Kunst und AUerthum: Münster-Blätter, 1. Heft,
1878.
4206. Utrecht, histor. Genootschap: a) Werken, Neue Serie Nr. 26; —
b) B^dragen en Mededeelingen, 1. Theil, 1878.
4207. Venedig, L'istituto Veneto di scienze, lettere ed arti: „Atti*"
tomo 3»«», Serie quinta, dispensa 8«, 9» e 10«* 187677, tomo
4*», Serie quinta, dispensa !•"• — 9*. 1877/78.
4208. Washington, Smithsonian Institution: „Annual-Report** für 1876.
4209. Wernigerode, Harzrerein für Geschichte und Alterthumskunde :
Zeitschrift, 11. Jahrgg. 1878, 1. bis 3. Heft und Schlussheft.
4210. Wien, kaiserl. Akademie der Wissenschaften : a) Sitzungsberichte
philos.-histor. Glasse, 84. Band, 1., 2., 3. Heft, Jahrgg.
1876, 86. Band, 1., 2., 3. Heft, Jahrgg. 1877, 86. Band,
1., 2., 3. Heft, Jahrgg. 1877, 87. Band, Jahrgg. 1877; —
b) Archiv, 55. Band, 1.— 2. Heft, 56. Band, 1. Heft; —
c) Denkschriften, philos.-histor. Classe, 26. Band, 1877.
4211. — k. k. Gentral-Gommission zur Erforschung und Erhaltung
der Kunst- und histor. Denkmale : Mittheilungen, 4. Band,
1. bis 4. Heft, 1878.
4212. — k. k. geographische Gesellschaft: Mittheilungen, 20. Band,
der N. F. 10, 1877.
4213. ^ Verein ftlr Landeskunde in Niederösterreich: a) Vereins*
blWter, N. F., 11. Jahrgg., 1877; — b) Topographie von
Niederösterreich, I. Band, Schlussheft (10.— 11. Heft), 1877;
n. Band, 3. Heft, 1876.
4214. — Heraldischer Verein „Adler" : Jahrbuch, IV. Jahrgg. 1877.
4215. — Archäologisch-epigraphisches Seminar der k.k. Universität:
Archaeologisch - epigraphische Mittheilungen aus Oester-
reich, Jahrgg. H, Heft 1 und 2, 1878.
^216. — Alterthumsverein : Berichte und Mittheilungen, 17. Band,
Jahrgg. 1877 (2. Hälfte), gedr. 1878.
- XXIV —
4217. Wien, Tourist: X. Jahrgg., 1878, I., n. Band.
4218. — deutsch-Österreichischer Leseverein der Wiener Hochschulen :
Jahresbericht pro 1877/78.
4219. — Leseverein der deutschen Studenten : Jahresbericht f. 1877/78.
4220. Wttrzburg, histor. Verein für ünterfranken und Aschaffenburg :
a) Fries, Geschichte des Bauernkrieges in Ostfranken, 2. Lieferung,
1877; — b) Jahresbericht pro 1877.
4221. Zürich, antiquarische Gesellschaft: Mittheilungen, Band XX, Heft 1,
recte Necgahrsblätter Nr. 42, gedr. 1878.
8. Durch Ankauf.
4222. Darmstadt, Gesammtverein der deutschen Geschieh ts- und Alter-
thumsYcreine : Gorrespondenzblatt, Jahrgg. 1878.
B. Für das Archiv.
1. Urkunden und Acten.
Geschenk yon den Herren:
1621. Meixner Anton, Caplan in St. Veit am Yogau: Einige alte Ur-
kunden und Manusoripte.
1622. Pils Jakob, Oberlehrer in Kraubat ob Leoben : 39 Stttck Urkunden
und 23 Stttck Manuscripte.
2. Handschriften.
1623. Bayer Josef Ludwig, Gutsbesitzer in Amthofen: Abschrift der
Hieber von Greifenfels'schen und Eisl von Eyselsberg'schen Wappen
und Adelsbrief.
1624. Schaboth Georg, pens. Pfarrer zu Windisch-Feistritz : Beschreibung
ttber den Ort Köbl am Bachergebirge in Untersteier.
0. Für die Kunst- imd Alterthmos-Sammlung.
Geschenk von dem Herrn:
1147. Krainz Johann, Lehrer in Eisenerz: Ein alter Atlas, bestehend
in 80 Tabellen, dann mehrere Pläne und Ansichten von Städten,
Schlössern und Personen.
B.
Abhandlungen.
HlttkcU. da* hl«t. Vereint f. Steiermark, XXVII Heft, 1979.
Zur Greschichte
der
0
ältesten, insbesondere deutschen Ansiedlung
des
steiermärkischen Oberlandes
mit nebenläuflger RücksioM auf ganz Steiermark.
SiBtorische Skizsse
TOB
Dr. F. Krones.
Benutzte Hilfsmittel (die topogr. Arb. v. Schmutz*, Qöth*,
Ortslexika* der einzelnen Provinzen, die neue Bearb. von Schau-
bacb d. deut. Alpen. Zollikofer-Gobanz* Höbenbestimmungen in
Steiermark (Graz 1864).
Mommsen. Corpus inscrr. latin.* Vol. m. 2. 1873. Knabl* der
Cetias als Grenze zwischen Norikum u. Pannonien. Mittb. d. bist. Y.
f. St. XIV. (Graz 1866) S. 72—86. Die Abb. v. Kenner* im Jhb. des
Wiener Altertb.-V. XI. Band u. i. Arch. f. ö. Gesch. 71., 74., 80. Bd.
Jang* Römer und Romanen in den Donaüländem (Innsbruck 1877).
Pich 1er* Repert. d. steierm. Münzkunde; Graz 1865 u. 1867 (Fund-
karte) I., n. J. Y. Zahn* Urkdb. d. Herz. Steiermark. I. Bd. Graz 1875.
Feiice tti* ▼. Liebenfelss Steiermark im Zeitr. vom achten bis zwölften
Jahrhundert. H. Abth. Btr. z. K. steierm. G. Graz 1873.
Förstemann* altdeut. Namenbuch u. die deutschen Ortsnamen.
Hiklosich* die bIot. Ortsnamen aus Appellativen. Denkschr. d. k.
Akad. d. W. bist. phil. El. 23. Bd. 1874. 141—272. Bacmeister
alem. Wanderungen (Stuttg. 1867 IL A. slavische Siedelungen). An-
dres enf* die altdeutschen Personennamen i. i. Entw. u. Erscheinung
all heutige Geschlecbtsnamen. Mainz 1873. W. Arnold Ansiedelungen
and Wanderungen deutscher Stämme I., H. Abth. Marburg 1875 f.
Aodresen. Ueber deutsche Volksetymologie. Heilbronn 1878.
Safarik slav. AltertbOmer L, H. Petter. Ue. die deut. OO.-NN.
BMmieiiß i. d. Mitth. des V. f. G. d. D. i. B. VII. Jahrg. Nr. 1—12.
1*
— 4 —
äembera Zäpadni Slovan^. (Wien 1868). ürkdb. d. L. o. d. Enns L,
IL Bd. Lamprecht Karte des L. o. d. Enns i. s. Gestaltung u.
Emth. y. 8.— 14. Jahrh. nebst bist, topogr. Matr. u. s. w. (1863)-
Meiller bist, topogr. Karte N.-Oe. bis 1100 i. Jbb. des V. f. Lkd.
Nie.-Oe. 11. 1867 u. Verz. jener 00. im Lande. Oe. u. d. E., welche in
ürkk. des 9., 10., 11. Jahrh. erwähnt werden. Jbb. f. L. K. N.-Oe. I. 1868.
(147—170). Kämmel. Die Anfänge deutschen Lebens in N.-Oesterr.
während des 9. Jahrh. Progr. des Dresdner Neust. Gymn. Sep. Abdr. 1877.
Die Arbeiten von L. Steub Über die Alpenetnisker und Tirol. Puff,
die Slovenen in Stmk. Marburger Taschb. f. Gesch. L. n. 8. Kunde I.
J. 1863 (3—118, insb. 10-13).
Ausserdem wurden gegebenen Falles die vorzüglichen Ortsrepcr-
torien* des steierm. Landesarchives bis zum Schlüsse des XIII.
Jhh. benützt.
Der Aufs, des Vf. in dem Album „Bausteine", h. v. Schrey 1872
Graz, „Ueber Bedeutung und Urspnmg deutscher Ortsnamen in der
Steiermark" (8. 199—216) behandelt einen Theil des Thema's von einem
besondem Gesichtspunkte aus. Vgl. auch von dems. „Ein Thalgan des
steir. Oberlandes im Wechsel der Jahrhunderte" in der Ztschr. „Heim-
garten", h. v. Rossegger (Graz 1877).
Bemerkung. Wo die verhältnissmässig älteste urkundliche Schreibung
(nrk. Sehr.) angeführt ist, so basirt sie auf v. Zahn 's Urkdb. I. Bd.,
stellenweise (f. d. XIII. Jhh.) auf den Ortsrepert. des stm. L.-A., anderer-
seits auf Felicettis Arb. Die slov. Grundworte sind grossentheils der
massgebenden Arbeit Miklosich' entnommen.
Die mit Sternchen bezeichneten Werke haben als eigentliche
Hilfsmittel zu gelten, die andern wurden nur der Methode der Forschung
wegen oder in vereinzelten Fällen der Analogie zu Rathe gezogen.«
Einleitendes.
Der Wanderer verlässt oft gern die langgewundene, ein-
förmige Heerstrasse, um anmuthigere Seitenpfade durch frisches
Wiesengrün und duftiges Walddunkel einzuschlagen. So frommt
es auch dem Historiker nicht selten, die gewöhnlichen Geleiso
der „Haupt- und Staatsactionen" mit dem weniger befahrenen,
ja mitunter kaum betretenen Boden von Studien ttber Land
und Leute der nächsten Umgebung zu vertauschen. Denn
dort ermüdet ihn bald die ewige Wiederkehr von JCampf und
— 5 —
Streit um Dasein und Geltung; es beengt sein Gemüth, Ver-
hältnissen und Thatsaehen gegenüberzustehen, deren Grösse,
Gehaltfülle und innerste Veranlassungen er als Kind einer
ferngerttckten oder umgekehrt als Genosse einer allzu nahen
Zeit nicht klar zu erkennen, als beschränkter Einzelmensch
nicht allseitig zu erfassen und verständnisssicher zu durch-
dringen vermag. Ganze grosse Zeiträume ruhen in unlösbarem
Dunkel vor seinen Blicken, und was er aus andern Epochen
kennt, muthet ihn wie em zerbröckeltes Gerippe an, ohne feste
Verbindung, mark- und leblos; — hier fllhlt er sich bald
heimischer, die kleineren Verhältnisse lernt sein Auge sicherer
beherrschen, an der Hand der freundlichen Gegenwart findet
er sich im Labyrinth der Vergangenheit zurecht, und Fragen,
'üe an ihm dort, auf der Heerstrasse der Weltgeschichte,
unbeantwortet vorbeiziehen, kann er hier, auf den Seiten-
pfaden der Landes- und Ortskunde, schärfer ins Auge fassen
und annähernd lösen. — Wie unendlich mannigfaltig sind aber
aach auf diesem beschränkteren Boden die Fragen, welche
der Geschichtsforscher lösen soll ! Die älteste Beschaffenheit
eines Landes, einer Gegend, — die Stammesart und Reihen-
folge oder Ansiedlungszeit der wechselnden Bewohner, die
%nthQmIichkeit, sowie die besonderen Umstände der An-
5iedlung, Bedeutung und Ursprung der heutigen Landes-,
hegend- und Ortsnamen — u. s. w., alle diese Fragen treten
lieran und fordern ihre Beantwortung.
ilan hat in unsern Tagen den Ortsnamen immer auf-
merksamer nachzugehen begonnen. In der That bleiben sie
^ft die einzigen Führer im Dunkel der Vergangenheit und
*ie mit einem Schlage vermag die richtige Deutung und Ver-
liQöpfiing solcher Namen einen Ausweg dort zu entdecken,
'ö sonst auch den berufensten Forscher jede schriftliche und
Mündliche üeberlieferung im Stiche lässt
Wie der Geologe nach der Gesteinschichtung und den
Äntologischen Vorkommnissen, anderseits nach der äusser-
ti^hen Gestaltung und dem Zusammenhange der Höhen und
Tiefen, die Bildungsgeschichte einer Landschaft sich zu voran-
— 6 —
schaulichen strebt und ihre Geheünnisse entfattllt; — so ähnlich
vei&hrt der Historiker mit den Ortsnamen znr Enträthselung
der Vergangenheit. Er untersucht die Ortsnamen in ihrer
gegenwärtigen Fassung und verfolgt sie bis in jene entlegenen
Zeiten, wo die letzte Spur aufhört So lernt er im Wechsel
der Namensform die ursprüngliche und eigentliche
Bedeutung kennen, welche in der gegenwärtigen Fassung
des Ortsnam^is eft gar nicht erkennbar ist^ oder er findet
auf diesem Wege die sprachliche und nationale Zugehörigkeit
des Ortsnamens, oder endlich — bei dem völligen Y^schwinden
des «ainen und Auftauchen des andern Namens für denselben
Ort nach vejrscfaiedenen Zeiträumen — eine förmliche Ge-
schichte des Ortsnamens und der wechselnden Be-
dingungen, unter denen er seine Wandlungen vollzog. Die
Schiehtungsverhältnisse der Ortsnamen, um ein geo-
lo^sches Bild zu brauchen, führen auf die historische
Reihenfolge der Bevölkerungen eines Landes, einer Ge-
gend; — anderseits lehrt uns der Zusammenhang und die
Vertheilung national oder sprachlich gleichartiger Ortsnamen
den Gang und die Sessbaftwerdung der bezüglichen Bevölkerung
überblicken.
Endlich lassen uns die Ortsnamen die ursprüngliche Be-
schaffenheit des Bodens erkennen, auf welchem die Ansiedlung
vor sich ging; — die bunte Mannigfaltigkeit der Ursachen
einer Ortsgründung findet an den Ortsnamen ihr Spiegel-
bild, und nicht selten vermögen wir aus der Gleichheit der
letzteren in verschiedenen Ländern deren Beziehungen
unter einander aus dem Gesichtspunkte der Colonisation zu
enträthseln.
Ich muss jedoch das in leichtem wohl gar leichtfertigem
Gedankenfluge Hingeworfene etwas unterbrechen und berich-
tigen. Wenn ich den Historiker als Ortsnamenforscher mit
dem Geologen verglich, so hinkt auch dieser Vergleich vrie
alle Vergleidie. Das Forschungsmaterial des Geologen ist das
mehr oder minder feste Gestein, das sich greifen, halten, mit
dem Hammer oder Meissel zertrennen, mikroskopisch unter-
— 7 —
«
Sachen lasst, und im kleinsten Bröckchen die Natur eines
mächtigen Ganzen abspiegelnd, sichere Sdilüsse auf die Bil-
(luDgsgeschichte grosser Landschaften erlaubt. Minder günstig
istnar zu oft das Material der Ortsnamenforschung;
es wandelt sidi oft, teh möchte sagen, unter der Hand wie
die t&uschende Gabe eines neckenden Kobolds, man glaubt
reiches Erz zirischen den Fingern zu haben und doch ist es
schliesslich eine taube, ausgebrannte Schlacke. Härter wie
Diamant ist mancher Ortsname ; er spottet jeder Anstrengung,
in seinen Kern zu gelangen, er flkiurt den Forscher durch
sein gleissCTMieB Farbenspid sehr oft nicht in's rechte Licht,
sondern leider hinter das Licht, oder er ist ein so wunderliches
mixtum compositum, dem vom rechten Ecke beizukommen er
schier vmweifelt Und hat der Forscher mit Mühe und Noth
auch diese schwierigen Ausscheidungsprocesse überwunden,
so hat er eben n«r iudb oder ganz unverständliche Namens-
demente vor sich.
Der Historiker muss aber noch ein anderes leidiges
Bekenntniss ablegen. Da er in den seltensten Fällen zugleich
PUtologe und zwar sprachvergleichender Philologe vom Fache
ist, 80 muss er in den häufigeren Fällen einen Autodidakten
«nd — wer mag mit dem Worte rechten — Dilettanten
in der sprachwissenschaftlichen Seite der Ortsnamenforschung
abgeben, also in allen Fragen, in denen der Ortsname k^e
andren Deutungskriterien als eben nur die sprachwissen-
schaftlichen. Er muss sidi da das „Ego autem censeo^^ und das
^Veto'' des Philologen gefallen lassen.
Un^eich vortfaeilhafter ist die Stellung des Historikers
in der Ortsnamenforschung überall dort, wo er mit der Ur-
kunde, dem geschriebenen Zeugniss, zur Hand und von den
auf solche Zeugnisse gestützten Wahrheits- oder doch Wahr-
scheinlidikeitsbeweisen unterstützt, die Ortsnamensfrage ent-
ächeidra darf.
Ist er in allen rein sprachgeschichtlichen Fragen an das
{adunäimische Verdikt des Philologen gebunden, so dient auf
diesem urkundlich gesicherten Boden umgekehrt der Ausspruch
- 8 —
des Historikes als heilsames Gorrectiv für manchen
gewagten Schluss, manche täuschende Hypothese, oder richtiger
gesagt — manche Selbsttäuschung des Philologen.
Denn „auch Vater Homeros und die Hörnenden irren". —
Nicht blos der kritische Philologe bekämpfte die Abentheuer-
lichkeiten der Kelto-, Germano- und Slavomanie; es war und
ist auch das Verdienst des kritischen Historikers, dabei den
wissenschaftlidien Keltologen, Germanisten und Slavisten unter-
stützt zu haben.
Je bescheidener und zurückhaltender der Historiker sich
in der Ortsnamenforschung geberdet, desto besser fährt er;
„möglichst festen Boden unter den Füssen!^ soll seine Losung,
sein Leibspruch auch da die halb ernst halb scherzhaft gemeinte
Devise des Juristen: „Quod non est iui actis *non est in
mundo!" — in einem gewissen, begrenzten Sinne bleiben.
Dies alles glaubte ich vorausschicken zu müssen, und
doch fühle ich recht gut, wie die Einleitung gar voll den
Mund nimmt, während das, was ihr folgt, nur bescheidene
Erwartungen einigermassen befriedigen dürfte.
. Was ich biete, sind eben skizzenhafte Vorstudien
zur Klärung einer der zweckwürdigsten Aufgaben inneröster*
reichischer Geschichtsforschung, einer Aufgabe, zu deren
Lösung bereits namhafte Leistungen vorliegen, weiche aber
immerhin Raum genug lässt ftkr den fleissigen Spaten und
ehrlichen Willen jedes Fachmannes im engem und weitem
Sinne. Diese Vorstudien werden sich auf zwei zusammen-
treffenden Pfaden bewegen, indem sie einerseits den histori-
schen Gang der Bevölkerung unseres Landes, insbe-
sondere Obersteiermarks verfolgen, andererseits die
Schichtung der Ortsnamen auf diesem Bod^ — als
Spiegelbild der Ansiedlungsverhältnisse — erörtern wollen.
Als chronologische Grenze ist beiläufig das zwölfte
Jahrhundert festgehalten, doch erheischt es die Natur der
Sache, Belege einzelner Namensformen auch aus dem 13. Jahr-
hunderte oder späterher anzuziehen. Ebenso ist es selbstver-
ständlich, dass, vergleichsweise, Gleichartiges in den Ortsnamen
— 9 —
der Schwesterlande Kärnten, Krain, gleichwie des Landes
Uesterreich o. u. u. d. E., Mährens, Böhmens oder auch Un-
garns seine Berttksichtigung finden muss.
Wie schon der Titel des Aufsatzes besagt, legt er auf
(üeDentschwerdung des steiermärkischen Ober-
land e s den Hauptton, somit auch auf die deutschgewordenen
oder umdeutschten und auf die deutschbttrtigen:
Berg-, FIuss-, Gegend- und Ortsnamen.
Eine wichtige Quelle solcher Forschungen, die Sammlung
von Flurnamen, ist leider auch hierzulande wie anderorten
— ein ungehobener Schatz.
Dass endlich dieser Aufsatz nichts Ganzes, Erschöpfendes
bieten kann, noch will, dies und überhaupt seine Selbstbe-
scheidung zeigt sich im Titel genugsam angedeutet.
I.
Wenn wir die aus der keltisch-römischen Ge-
schichtsepoche der Steiermark (einst Noricum [mediterraneum]
zu grossem, Pannonia [superior] zu kleinerem Theile) von der
antiken Geschichtsschreibung, Länder- und Völkerkunde, ins-
besondere aber von römischen Strassenkarten (Itineraria) und'
Inschriften uns überlieferten Ortsnamen mustern, so bringen
wir, abgesehen von den drei Vororten ersten Ranges : Petovio
(Pettau), Celeja (Cilli) und Flavium Solvense (b. Leibnitz),
nicht viel über ein Dutzend zusammen, welche halb der obem,
halb der untern Steiermark zugesprochen werden können und
in ihrer Lokalisirung dem Gelehrten noch immer zu schaffen
machen. Es sind fast sämmtlich Namen, deren Einer und
Anderer unschwer merken lässt, es sei in ihm eine Latini-
^ning oder Romanisirung der ursprünglichen norisch-keltischen
Bezeichnung vor sich gegangen ; so, wenn wir, die beiden erst-
genannten Römerorte ungerechnet, das oberländische Noreja
(b. Neumarkt — Grazlupp), Tarnasicum (b. Murau), Visc el 1 »
(b.Zeiring), Sabatinca oder Surontium (b. Rotenmann),
Styriate (b. Liezen, wo man auch Emolatia zu suchen
pfl^) und Vocarium (b. Hieflau) ins Auge fassen.
— 10 —
Vei^leichen wir aber ifiese überlieferten Ortsnamen der
kelto-remanischen Epoche niR der ungleich grösseren Summe
der bisher bekannt gewordenen antiken Fundstellen
der Steiermark, berücksichtigen wir den Umstand, dass unsere
wichtigste Quelle antike Ortsnamenkunde, die Strassen-
karten der Römer, insbesondere die Peutinger'sche Tafel,
überdies blos in einer mangelhaften Copie des 12. Jahrhunderts
erhalten, eben nur die Stationen der Hauptstrassenzüge an-
geben, dassy wie uns die archftologisdien Ftindkarten und
Ausweise der Oegenwart veranschaulichen, römische Inschriften-
steine in der ganzen Breite des Unterlandes, von Bohitsch
bis S. Johann bei Bietz im obern Santhal bis Voitsberg und
Piber, in den Oswaldgraben und ins Geistthal, so dann von
Murau an den ganzen Murboden entlang, durch das Ennstlial
nicht minder bis Schladming, andererseits über Liezen hinaus
und bis in die Gegend von Aussee, femer, um auch der öst-
lichen Steiermark zu gedenken, in dem Dreieck zwischen
Hartberg, dem Wechsel und Baabenwalde, so wie im ganzen
Baabgelände i^rstreut aufgefunden wurden; -- halten wir uns
vor Augen, dass die Fundstellen von Münzen und
anderweitigen Denkmälern römischer Kaiserzeit noch
entlegenere Punkte treffen, wie z. B. Edelschrott, Turrach,
das Sölkeijoch und die Sölk, Altenmarkt, Neuberg und MUrzzu-
schlag, während innerhalb dieser durch die genannten Orte
beschriebenen Peripherie mehr oder minder dichte Gruppen
von Fundstellen auftauchen — als deren Mittelpunkte von
Sttden nach Norden — Tüffer (Bömerbad), Olli, Pettau,
Windischgräz, Marburg, Maria Bast, Mureck, Leibnitz, Straden,
S. Martin im Sulmthal, Stamz, Wildon und S. Mai^arethen
an der Stiefii^, Yoitsbeng, Feldbach, Gleisdorf, Weiz, Buch
im Gebiete der der Baab zueilenden Feistritz, und Hartberg,
anderseits Graz, S. Stephan am Gradkom, Deutsch-F^stritz
und Adriach, Voitsberg, Brück, Leoben, Knittelfeld, Judenburg
und S. Lambrecht gelten können, so unterliegt es keinem
Zweifel, dass keine geringeZahl keltisch-römischer
Ortsnamen dem Wechsel der Zeiten zum Opfer
— 11 —
fallen uad spurlos yerschwinden mochte — oder
bis zur Unkenntlichkeit in einzelnen Orts-, Gegend- tmd
nurDamen verlarvt sdn durften; letzteres* aber gewiss nur
zu geringereoi Theile.
So wäre man beispielsweise verlockt, in dem Otts-
namen Terz ') im nordwestlichen Halltbal bei Maria-ZeH an
romiache Grundbenennung (tertia d. i. statio) zu denken, ähnlich
so, wie S t r ad e n an das lat strata, die obarakteristische Aipen-
pflanze Noricums der Speik (Valeriana celtica) an die rd-
mische Benennung Spica NanK mahnt.
Jenes Verschwinden erklärt sich also durch die Ver-
ödung der antiken kelto-römischen Kultur-
sitze in der Schlussphase der grossen Völker-
wanderung, die wir an den Ostgotenzug nach Italien, Ende
des 5. Jahrhunderts, knttpf^ und gemeiiüiin mit der Gründung
des Langobardenreiches auf wälscher Erde um 568 ab-
schliessen; anderseits durch die Verdeckung oder
Verwischung der alten Ortsnamen auf dem Wege der
Einwanderung neuer Bevölkerung, die sich mit begreiflicher
Vorliebe zunächst dort ansiedelte, wo es bereits Bodencuttur
and Wohnstätten gab, und die eigenen Ansiedlungen auf den
Trümmern antiker Orte neu benannte. Jedenfalls müssen wir
aaf das Mosient der Zerstörung oder Verödung das Hauplr
gewicht leg^B, denn nur die beiden politisch - kirchlichen Vor-
) Die Strasse Ton S. Egid Akhrt ttber die „Terz** oder den „Terzbauer''
in das Hallthal und es ist um so bestechender fttr die römiscke
Wurzel dieses Namens einzutreten, da nach Kenner's jüngsten
treff]ichen Ausführungen über die Topographie der Römerorte in
Nieder-Oesterreich (Jhb. d. Wiener Altth.-V. 1878, 277 ff. S. 288 f.)
eine uralte römische Salzstrasse aus dem heutigen Kieder-Oesterreich
in die Steiermark, u. z. Über die Schwarza« durch die Trausch und
ftbor den Gaisruck nach S. £gid am Neuwald mid von da durch
die Kwer und das gleichnamige Thal auf den Knollenhals und im
Sdzathal abwärts in das Hallthal führte; doch muss man solchen
Wahrscheinlichkeiten gegenüber möglichst zurückhaltend bleiben und
wir mdchten daher auch kein sonderliches Gewicht anf diese roma-
oiiche Oeutuig der »T^rz^ legen.
— 12 —
orte der antiken Steiermark haben ihre Benennung in s la-
vischer und d e u t s c h e r Fassung (Celeja, Öele^Cilli; Petovio.
Ptuj, Pettau) bis auf unsere Tage bewahrt, und wie gerne wir
auch einräumen, dass demKeltologen und Romanisten
allerhand wichtige Entdeckungen im Bereiche der gegenwärtigen
Ortsnamen Steiermarks noch bevorstehen, so mancher derselben
sich als ursprünglich norisch oder römisch ent-
puppen dürfte, jedenfalls wird die Ausbeute in der G e s a m m t-
m a s s e der heutigen Ortsnamen sehr gering sein und an dem
eigentlichen Sachverhalte wenig ändern.
Ein völliges Verschwinden einer gewiss
nicht unbedeutenden Zahl von Ortsnamen lässt
sich in der Regel aber nur durch völlige Zerstörung oder Ver-
ödung der betreffenden Orte erklären, da sonst, wenn auch
in andersprachiger Umformung, der ursprüngliche nachzuwirken
pflegt, wie wir eben an Gilli und Pettau gewahren. Und auch
diese Vororte müssen arg verfallen sein, wie wir anderorten
besprechen wollen. Dagegen behauptet sich das, was keiner
menschlichen Zerstörung verfallen konnte, auch in seinem
Namen. Die Drau, Mur, Enns und Raab z. B. — die Haupt-
flüsse des Landes ^ bewahrten ihre kelto-römische Namen-
wurzel bis auf unsere Tage, gerade so, wie der „Pyhm"-
Pass seine ursprüngliche Bezeichnung festhielt Ob, wie
schon von anderer Seite bemerkt wurde (Zollikofer — Go-
banz), bei der hohen Zez in den Fischbacher Alpen an den
MonsCetius der Alten gedacht werden könne, muss dahin
gestellt bleiben, ist jedoch immerhin beachtenswerth , doch
dürfte dagegen in's Gewicht fallen, dass bei Hüttenberg in
Kärnten urkundlich (1074, 1139 s. Zahn, Urkdb. Reg. 937)
ein Zezen, Zezzen, Zezze vorkommt (ebda.); allwo wir seit
1074 ein Silberbergwerk urkundlich bezeugt finden, und zwar
im Besitze des Kl. Admont, welches hier einen Hof (Urk. v.
1135) und einen eigenen Bergverwalter (magister montis) be-
sass (Urk. s. 1185....); ausserdem haben wir einen Zez-
bach in der Gegend von Frondsberg, Birkfeld und Anger,
dem wir den Zezinabach im slovenischen Unterlande, im
— 13 —
Gebiete von Plankenstein (Sbelo), an die Seite stellen können,
ümwandelbar behauptete sich dagegen, ebenso wie die all-
gemeine kelto - römische Bezeichnung Alpis: Alpe, Alm, der
keltische Name Taur, lat. Turo bei dem Rotenmanner „Tauem^,
ebenso wie bei dem Badstatter im Sabsburgischen.
Wir müssen aber einem in der That gewichtigen Einwurfe
bei Zeiten b^egnen. Es unterliegt nämlich keinem Zweifel,
dass der Römer Noricum, welches noch im zweiten Jahr-
bonderte unserer Zeitrechnung, vor Marc Aurel (161 — 180
n. Chr.), als „regnum*' galt und seit diesem erst zur eigent-
Bchen „provinda'' umgestaltet wurde, nur in bescheidenem
Masse colonisirte, und, was insbesondere den zugehörigen Boden
der Steiermarij: anbelangt, vorzugsweise als Feld strategi-
scher Massregeln, zweitens als Durchzugsgebiet seines wich-
tigen Strassensystems zwischen dem Po und der Adria und
andererseits dem Donau-limes, und drittens endlich als Fund-
and Werkstätte seines Eisen- und Salinenbetriebes
und binnenländiscben Handels ansah, wie die bezüglichen
antiken Funde auf dem steiermärkischen Erzboden und die
bereits oben erwähnte römische Salzstrasse in das steier-
märkische „Hall-Thal*^ (vgl. das Hallthal bei Admont) bezeugen.
Daher haben wir ausser dem pannonischen Poetovio
nur zwei römische S t a d t gründungen auf unserem Boden:
Celeja, zu deren Territorium als regio, „Stadtgau^, das ganze
Thal der San (Adsalluta) gehörte und Flavium Solvense,
die eine seit Kaiser Claudius (Claudia Celeja) 41 — 54, die
andere seit den Flaviem^ zunächst s. Flavius Yespasianus 69 — 79
n:Chr. entwickelt; letztgenannte war zunächst ein militärisches
Vertheidigungscentrum für die mittlere Murlinie. Die andern
keltoromanischen Orte, deren Namen uns Oberliefert wurden,
sind eben nur als Strassenstationen (mansiones) oder
Arbeitstätten für technische Zwecke obiger Art aufzufassen.
Dass jener militärische Gesichtspunkt vorwog, beweist am
besten die von einem der besten Kenner unserer römischen
Vergangenheit, dem hingeschiedenen Dr. R. K n a b 1 erwiesene
Tbatsache, derzufolge das steirische Norikum in seiner Ost-
— 14 —
gpesat auB mäitftrnchM RQcksiditen der RSn^ rom ersten
biB zum Aritten Jahrkiiidert unserer Zeitreebnung zweimal
sieh wesentlich änderte.
fc» ersten Jalirhundierte reichte Mittelnoricttm bis gegen
den Plattense» und Untemoricum bis an das paimoniscbe Pettau ;
im zweiten dag^[en veranlasste hauptsächlich die GelEdir vor
den Markomannen eine Ausdehnung Oberpannoniens oder des
gebiiigigea Westungarns bis an die Mur und an die Bacher-
und Gonobitzerhöhen, so dass der bekaonte Geograph Claudius
Ptolem&us Sedithatte, Flavium Solvense, unser Seckau-Leibnitz,
^oberpannonisch'* zu nennen, während wieder im dritten Jidir-
hunderte — bd der wachsenden Gefthrdung Itdiens durch die
in Gang kommende Völkerwanderung — einerseits die Provincia
Itafim gegen Pannonien und Norikum, andererseits Korikum
gegen Pannonien ^h vorschoben, so dass Ammianus Marcel-
linus, Zesimus und die späteren Strassenkarten oder Itmerarien
Pettau selbst als norische Stadt bezeichnen diHrften:
Abgesehen von diesem bisher entwickelten- Gesichtspunkte
muss noch ein zweiter hier Platz greifen. Der Römer vermied
als Colonisator nach Thunlichkdt das rauhe, hochgelegene,
von engen, verschlossenen Thälem durchkreuzte Bergland; er
Hess sich daher in Obersteier nicht häuslich nieder, das ist
er schuf hier keine Colonien od^ Municipien aaf keltischer
Grundlai^ oder unmittelbare neue Niederlassungen.
Man könnte daher mit Rttcksicht auf diese Thateaohen
dm EmwMiKl erheben, dass jenes Aiigument vom yerschwinden
ncdscher, keltoröraiseher und romanischer OHsnamen in den
ViAerstOitten nicht sonderlich ins Gewicht Men können,
denn ohnehin dürfe man im Oberlande an keine förmlichen
Niederlassungen der Römer, aber ebensowenig an
eine (fichtere norische Bevölkerung, sondern eher an
das Vorwiegen der Gebii^öde denken. Aber — (fies zuge-
geben — ist schon das Verschwinden von einem halben
Suteend noriseh - römischer Ortsnamen bezeichnend genug;
ttbcfdiesi kennen wir eben nur die Ortsnamen an den Strassen-
zfigen der Itinerarien und können eine gewiss grössere Zahl
— 15 —
ab noa unbekaimt geblieben und i^chfalh yerachwanden
aimdimen, da dooh hiefbr die antike Fundkaite der Steiermark
spricht; und endlich Iftsst sieh das fast gänzliehe ZurOck-
tretea der nerischen oder keltischen und rcMnani-
schen Ortsnamen des Oberlandes vor den slaviseh- und
deutschbürtigen nicht wohl durch deren Nicbtexistenz vom
Hause aus erklären. Denn wie dttnn auch hier die norische
Prorinzialbevdlkerung gesftet war, in den Haupttbalungen
mOssen wir sie denn doch als Torhanden, da und dort auch
tiefer ins Gebirge eindringend annehmen, da, abgesehen von
dem noch so gut wie ungehobenen und leider grosBentheile
auch Yorsehwundenen Schatze alter Flurnamen, doch noch
emzehe Ortsnamen und mehr noch Gewässer-, Berg-
odar Höhennamen sich als verlarvte norische oder ro-
muüflehe ahnen lassen. Wir werden deren Zusammenstellung
an anderem Orte, weiter unttti, vm^uchen.
Doch müssen wir noch zwei Momente fttr die Verftaderung
der Bevölkerungsverhältnisse der norischen Steiermark durch
die Völkerwanderung in Betracht ziehen. Sie betreffen
deren Richtung und Wirkung. Der nördbc^e Theil des
binnenlftndischen Norikums, unser Obersteiermark, war von
den Yölkerzügen der germanischen, z. B. iw marko*
loannisch-suevisohen und gothischen Wanderung sicherlich weit
weniger berührt als Pannonien, das südliche Norikum oder
BhäUen: Westungam, Untersteier, Krain (beziehungsweise
Karoten) und Tirol Abgesehen davon, daes der Semering-
pass als keine Gebirgspforte der Yölkerwnnderang zu gelten
hat and auch die nordsüdliche Handebstrasse erst im Mittel-
alter über ihn zog, — ein Beweis hiefbr ist der gänzliche
Mangel aUer Anzekhen: eines römischen Strassenzuges' an ihm
ond im Mürzthale und die mittelalterliche Ansiedlungsgeschiobte
des Letzteren, — kann auch der Pjhrnpass zwischen dem.
oberösterreiohischen Windischgarsten und dem steirischen;
Uelzen und der wdtere Römerweg landeinwärts gegen die
Mur hin — schoUi wegen, seiner Lage: nicht als Heerstrasse
^n Yölkerzügen gelten.
— 16 —
Die norische, kelto - romanische Provinzialbevöl-
kerung erlag somit gewiss nicht der Germaneninvasion,
sondern überdauerte ihre mehrhundertjährige Epoche, da ja
die Provinzialen des ungleich bedrohteren Ufernorikums (Oester-
reich), wie das Leben Severins beiweist, bis an den Ausgang
des 5. Jahrhunderts sie überdauerten.
Erst als vom Ende des sechsten Jahrhunderts an die
Slaveninvasiondes Ostalpenlandes begann, trat aller Wahr-
scheinlichkeit nach einerseits die Zurückdrängung der ohnehin
durch die Militäraushebungen in der letzten Römerzeit,
durch freiwillige Auswanderung und wohl auch durch
zeitweise Nothlagen gelichteten norischen Provincialen aus
den Hauptthalungen tiefer in das Gebirge ein, andererseits
wohl auch ihre Zersetzung und Absorbirung durch die herein-
dringenden Slaven, „Winden" oder „Slovenen*", als das stärkere
und nun herrschende Yolkselement Durch den ersteren Vor-
gang entstand die Verödung und slavische Neube-
siedlung von Gegenden, durch den letzteren die Slavi-
s i r u n g der sesshaft gebliebenen Bewohner und ihrer eigenen
Ortsnamen. Jedenfalls dürften sich beide Processe im Volks-
leben Obersteiers eine Zeit lang die Wage gehalten haben,
bis ihre Ergebnisse dann in einander verschwammen und von
uns jetzt nicht leicht unterschieden werden können.
n.
Der norisch - römischen Epoche schliesst sich also die
slavische an und zeigt ein ganz verändertes Bild der Be-
völkerungsverhältnisse Innerösterreichs überhaupt
Vom Friauler Gemärke und binnenländischen Istrien,
durch ganz Innerösterreich bis an die Drauquellen im Tiroler
Pusterthale, nördlich längs der Enns und über den Pyhmpass
hinüber nach Oberösterreich gegen „Windisch''- Garsten zu,
und jenseits des Semerings in das heutige Niederösterreicb
hinein verbreitet sich der Alpenslave oder j^Karantanier**.
Fortan grenzen im Ostalpenlande die Reiche zweier
Germanenstämme, der Baiern und Langobarden, an das
- 17 —
ümerösterreichiscbe Slavengebiet, seither „Carantanien'' genannt,
zusammen; dieser Name stammt aber aus der Eeltenzeit
Zwei Jahrhunderte lang beinahe begegnet uns, abgesehen
von den spärlichen Nachrichten über die Völkerkämpfe zwischen
Baiem, Longobarden und Slaven an den genannten Grenz-
punkten und innerhalb derselben, abgesehen femer von dem
räthselhaften Aufkommen und Verschwinden des samonischen
Slavenreiches (622 — 662), das auch für unsere Steiermark
eine nur vorübergehende Bedeutung gehabt haben muss, so
gut wie keine Nachricht über das mnere Geschichtsleben der
karantanischen Slaven. Erst für das Ende des 7. und das 8. Jahr«
hundert verdanken wir einer späteren, kostbaren Quelle —
der Schrift über die Bekehrung der Baiem und Garantaner
zum Christenthume (libellus de conversione Bajuwariorum et
Carantanorum), aus dem Schlüsse des 9. Jahrhundertes, einige
Namen carantanischer Slavenfürsten, und diese Quelle allein
wirft ein Licht auf die Wege, die alsbald das Christenthum,
getragen und verbreitet von dem bairischen Hochstifte Salzburg,
in das Garantaner Land einschlug und so den politischen
Anschluss desselben an das mächtige Nationalherzogthum der
Baiwaren oder Baiem unter dem letzten Agilolfinger Thassiloü.
(um 770/80 beil.), vorbereitete.
Aber erst seit den Tagen Karls des Grossen, nach-
dem dieser das bairische Nationalherzogthum zur fränkischen
Reichsprovinz umgeschaiTen, die Avaren, ehedem Zwingherren
der Nord- und Südslaven, vernichtet, die beiden grossen süd-
östlichen liarkeu; dieFriauler, und die Ostmark gegründet
und die den beiden entaprechenden Hochstiftsprengel,
den aquilejischen und salzburgischen, ausgebildet hatte, Ka-
rantanien (E[ämten und Steiermark) inmitten beider als
.Herzogthmn^^ entstand ; — erst dann , also seit den Anfängen
des 9. Jahrhunderts, beginnen die einzigen massgebenden
QueDen der historischen Topographie der Steiermark, die
Urkunden, spärlich zu fliessen, und aus ihnen schöpfen wir
unsem langsam wachsenden Vorrath steiermärkischer Orts-
namen der ersten Epoche.
muh*SL dM hisb VanliM f. Bt«i«rmark, ZXVII. ll«ft, IST». 2
— 18 —
Diesen Vorrath müssen wir aber mit Hilfe der Urkunden
vom 10. — 12., 13. Jahrhunderte ergänzen, um eine bessere
Ausbeute zu gewinnen, und wir dürfen dies umsomehr ver-
suchen, als spätere Urkundenzeugnisse vielfach weit früher
entstandene Orte betreffen. Abgesehen davon nimmt auch das
Ansiedlungswesen in unserem Lande seit den Tagen
der Karolinger bis zum Schlüsse der Traungauer Epoche (11 92)
einen ununterbrochenen und periodisch schwer zu theilenden
Verlauf.
Mustern wir aber diesen Vorrath an Ortsnamen
der bezeichneten Epoche mit Beiziehung der Fluss-, Thal-
und Bergnamen insbesondere, so drängt sich uns als
Thatsache auf, dass weitaus die meisten slavischen Ur-
sprunges sind.
Im unteren Lande, wo auch heutzutage wie einst der
Slovene in festgegliederten Massenansiedlungen sich behauptet,
liegt die Erscheinung auf der Oberfläche, versteckter und ver-
larvter zeigt sie sich im Bereiche des mittleren und
oberen Landes, wo seit Jahrhunderten ausschliesslich
deutsches Volkselement zu finden ist
Bevor wir jedoch das Gebiet der einschlägigen Beispiele
betreten, mögen einige allgemeine Vorbemerkungen unsere
Führer sein.
Der Alpenslave hat, dem Grundcharakter slavischer
Ansiedlung getreu, die Flussthäler und Niederungen
des oberenLandes zur Wohnstätte ausersehen und blieb
den Hochthälem und der steilen Bergwildniss der Alpen mög-
lichst fem. Bei seiner nicht übergrossen Masse und bei dem
Umstände, dass er im unteren Lande einen bequemeren,
altersher cultivirten Boden vorfand, verzweigte sich seine
Ansiedlung im Oberlande nur in dünneren, lockeren
Beständen, und so kommt es, dass die Namen der Ge-
wässer und ihrer Thal laufe und mit ihnen die Namen
der Ortschaften ungleich mehr slavische Anklänge darbieten,
als die Höhen und Winkel der inneren rauhen
Gebirgswelt, die in ihrer Masse vorwiegend deutsch-
— 19 —
bfirtige Benennungen offenbaren. Wir kommen darauf noch-
mals zurück.
Die kelto- romanischen Namen cier Hauptflüsse des Landes:
Drao, Enns, Mur und Raab und wahrscheinlich auch den
der Traun (Truna) hat der Alpenslave wenig verändert über-
nommen. Aus Dravus, Anisus, Murus, Arrabo bildete er seine
Drava, Enia, Muora und Raba. Die Flussnamen: Dran, San,
Sötte 1 (Sottla), — in der alten Schreibung : Treuina (Dreuina),
SoQQa, Zotla (Zontla, Zotel) scheint er selbst gebildet zu
baben; ziemlich zweifellos die beiden Ersteren, da die antike
Namensform der San : Adsalluta — mit „Souna'^ nichts zu
thun haben dürfte und ebensowenig auf die Sottla übertragen
werden kann (vgl die slav. Grundw. drevo: Gehölze und sot:
Einöde), obschon eine gleichartige Uebemahme nicht als absolut
andenkbar auszuschliessen wäre-). Entschieden aber gehört ihm
die Namensform der Rabnitz und Mürz zu, er nannte diese
Gewässer: Raba-n-ica, Muor-ica, d. i. die ;, kleine Raab*', die
skieine Mur'^. Dagegen scheint die Sulm, in der ältesten
urk. Schreibung „Sulpa'\ nicht aus dem Slavischen zu stammen,
sondern übernommen worden zu sein, gleichwie das den Ge-
wässernamen Lavant, Lafnitz (gemeinsam mit der Elbe) zu
Grunde liegende »Labe** (Elbe, Albis) ein keltisches Lehenswort
sein dürfte.
Mustern wir mit Hilfe der alten urkundlichen Schreibung
die Namen der Wasseradern und bezüglichen Thalungen und
»Gräben** des Oberland esim Westen und Osten, so begegnet
uns eine stattliche Reihe von Beispielen, die wir geordnet
vorführen wollen, mit Angabe der charakteristischen Namens-
fonn im frühen Mittelalter und des slavischen Grundwortes.
Auers-bach. In der Regel darf an das slav. Javor
(Ahorn) als Wurzel gedacht werden, entsprechend der analogen
) An die gleiche Wurzel in Dravus und Trewina, also an die Be-
deutung des letzteren als Nebcnfluss der Drau, „kleine Drau**,
ähnlich wie Muorica, Mürz, zur Mur, Mura, sich verhält, dürfte
nicht leicht gedacht werden können, da diese Bildungen regelrecht
auf ica, ice auslauten.
2*
— 20 —
NamensbOdung in den Sudetenländern; vgl. die Ortsnamen
w. u. Der öberösterr. Jaunitzbach ersch. urk. als Jowemicze,
was auf die gleiche Wurzel zurückweist.
Augstbach. Vgl. die mittelst 00. Aug, u. die unterst.
Augenbach u. Augenbachdorf — sl. VogouSka o. Ogo§ka-
gora, ves; das kärntn. Augsdorf neben den deutlich slavisch-
bürtigen OO.-NN. Selpritscb, Unteijersetz, Schlatten . . ; das nie.-
österr. Haugsdorf u. Augges-thal im Ober-HoUabrunner Bez.;
die ober-österr. Aug, Augen-thal ...
Dobers-bach u. Graben; sl. St. dob: Eiche. Vgl. die
unterst Bach- u. O.-Namen Dobema u. d. OO.-NN. Dobrin,
Dobrein u. s. w.
Feistritz u. Feistring (besonders häufig, an 40mal
vorkommend), Vustrice, Fiustrice (sL Grdw. bister: scharf,
frisch), vgl. Feisterbach, Faista-bach.
Fochnitz-Bachel, sl. Grdw. bahno: Sumpf = bahnica.
Vgl. d. OO.-NN. w. u.
F 1 a d n i t z — (slav. Grdw. blato : Sumpf, vgl. die Palten)
= Blatnica. Vgl. i. O.-Oe. die Flanitz urk. Vlenic, Vloenz.
Franz — (wahrsch. sl. Gr. brod: Furt) = Brodenica,
Vrodenice, urk. Sehr. Frodnic und Fruz-bach. Vgl. i. O.-Oe.
Frenz-bach i. d. urk. Namensform: Frudenize, Fruznik; Frud-
niz, Frodnitz.
Fresen-Bach, Friesing-Bachel, Fressnitz und
Fröschnitz (sl. G. breza, briza: Birke) = Brezanica. Vgl.
d. Frossnitzbach in Tirol.
Die Garns (auch O.-Name) urk. Sehr. Gameniz, Eameniz
(z. B. d. Gamsberg b. S. Florian, die Gams b. Marburg), Gemze
(d. Gams b. Hieflau) ; sl. Grdw. Kamenica, das Fels-, Gestein-
wasser, „Steinbach". Zahlreich i. d. Steiermark. Vgl. d. krain.
Kamenca, Eaonica u. s. w.
Gemsbach. Vgl. d. O.-N. Gams — sl. St Kamen: Stein,
ganz so wie die Gams: Kamenica = „Steinbach**.
Göllnitz b. Köflach (sl. Grdf. Gnilec: Faulbach, Faul-
Wasser). Vgl. die Göllnitz im Zipser Com. Ungarns, in d. urk.
Sehr. Gylnicha).
— 21 —
Zunächst wäre man versucht, an die Wurzel gola: kahle
Höhe, zu denken. Bestimmend für uns ist aber die urk. Form
des gleichen. Fl. i. d. ung. Zips. Dagegen muss der 60 lli t sch-
und Gulling-Bach b. Strechau der Wurzel „gola" zugewiesen
werden, vgL Hoch-GoUmg.
Göritz, Gornitz-Bach (sl. Gr. gora: Höhe, Berg) =
Gorica. Vgl. die OO.-NN.
Gössnitz (sl. Gr. gvozd, gost: Wald, Dickicht) = Go-
stenica. VgL d. O.-N. Gösting.
Grössenbach, Grössnitz-Bach; vgl. die Höhen-
namen'W. u.
Hz — (sl. Gr. ilov: Lehm, Koth) = Ilovnica. Ilnica,
urk. nienz.
I n g e r i n g, urk. Sehr. Undrima (wahrsch. sl. Grdw. drevo :
Baum, Gehölze).
Jahring (sl. Grdw. jaro: Frühling). Vgl. d. unterst
OO.-NN. Jahring i. Amfelser Bez. u. i. Marburger : slov. Jare-
nina. VgL Jahrings N.-Oe. i. Zwettler Bez.
Jassing- u. Jassnitz-Bach (sL Gr. jasen: Esche oder
jasno: hell, licht) = Jasenica: „Eschenbach" 0. «Hellbach''.
Kötschbach b. Maria-Zeil (sL Gr. Kot: Winkel) =
Kotica: ^Winkelsbach'^.
Lafnitz, urk. Sehr. v. Labenza, Lavence (sL Gr. lab, vgl.
Labe, Elbe). VgL Lavant = Labenta; s. 0.
Laming, urk. Sehr. Lominicha, Lomnicha (sL Gr. lom:
Bruch, lomit: brechen) = Lomnica.
Lassing und Lassnitz (b. S. Lambrecht u. Seckau),
urk. Sehr. Laznicha, Lazm'ha, Lazinich (sl. Grdw. laz : Gereut,
Rodung) = Lazenica : „Greutbach^-. VgL dagegen Lassnitz
b. Leibnitz urk. Sehr. Luonzniza, Losniza, Losnitz (sl. Gr.
luh, Au, feuchter Grund). ') Doch findet sich auch für den
Lassnitz-FL b. S. Lambrecht die Form Losniz vor.
^ Prof. n. L.-Arch.-Dir. y. Zahn, dessen ürkdb. d. Stmk. n. Bd.
(—1246) denm&chst erscheinen u. i. s. Registern neue wichtige
Gfnmdlagen fOr die hist. Topogr. d. Stmk. i. M. A. bieten wird,
lieferte mir einige dankenswerthe Beiträge u. Winke; welche ich
— 22 —
Laufnitz- Graben (b. Frohnleiten) : die urk. N. F. Lufhiz,
— itza, — ize und Luvenz scheinen auf die Wurzel: lov,
Jagd, Fischerei, zurückzuführen.
Liesing, urk. Sehr. Liestnicha, Lieznicha (sl. Grdw.
les, Ues: Wald). Vgl. die OO.-NN.
Leimbach im Baabgebiete, urk. Sehr. Luminicha ; somit
Leimbach = Zsmzhg für Laming-Bach s. o.
Lobming b. Knittelfeld und Kraubat, urk. Sehr, lom-
nicha — führen auf das gleiche slov. Grund w. wie b.Laming
zurück.
Moder, Modring und Mödriach-Bach (sl. Gr. mo-
dar : schmutzig) = Modrinja, vgl. d. 00. Modriach, Modritsch
i. Stm. Mödriach in Eä.
Möschitz ' Graben b. Judenburg (sl. Grdw. Mot : trübes
schlammiges Wasser, vgl Mo£ar: Sumpf) == Motica, vgl. Mö-
schach, Moschenitzen, Möschitz in Kämt, Moäe, Mosenik,
Mo§na in Krain.
Palten, urk. Sehr. Palta, Balta, Wzl. blato, vgl. o. Flad-
nitz, dgli Palta b. Göttweih i. N.-Oe. und Balaton, die altslav.
Bez. des Plattensees, welche der Magyare adoptirte.
Pinka, Fl. und Bach, urk. Sehr. Peinichaa, Peinihaha,
Penninichaha (sl. Grdw.? pena: Schaum, Gischt) = Penina.
Vgl. d. O.-N. Pengen, Pinggau, w. u.
PI e n i t z - Bach, sl. Grdw. planica : Aushobsung, Rodung. Vgl.
d. untersteir. Planitzen, d. 0. Plenzengereuth i. Baabgeb.
R a g n i t z, urk. Sehr., Bakanize, Rakkaniz (sl. Gr. rak :
Krebs) = Bakanica : „Krebs- (Krois-) bach^'. Vgl. Raknitz, Rako-
wica in Kä. Baka^ Baki potok, Bakitina, Bakitnica u. s. w.
Bez-Bach, Bötsch-Bach, Bötschitz in Kr. (sL Gr.
recica, demin. v. reka, rieka: Fluss) = Beöica; vgl. Betschgraben
in O.-St, Beka in U.-St, Be6ica in Kr., Rietschach, die Red-
schitzwand in Kärnten.
mit (Z.) bezeichne. Er meint, dass Lassnitz, Losnica — urk. Luonzniza
auch als nasale Nebenform von Laznica (vgl. loka u. lonka) gelten
könne.
— 23 —
Rudnig-Bach, sL 6rdw. ruda: Scholle, Erz. (rudenica).
SafcÄ, urk. Sehr. Sabniza (sl. Grdw. Zaba: Kröte). Vgl.
Sai&itz in Kä. und insbes. d. krain. Safhitz in der slov. Namens-
form: Zabnica; itaI.Campo rosso, (Z.) offenbar richtiger: Campo
rospo (rospo = Kröte): Krötenfeld.
Scharnitz-Bach (Wurzel?) vgl. d. O.-N. im Murauer
Bez. Scharings, neben Lassnitz, Predlitz ; d. kämtn. Schamitzen
(Pf. Patemion); die nordtirol. Schamitz (urk. Scaranica).
Schladring- Bach. Vgl. Schlatten, s. w. u.^ doch ist dies
zweifelhaft, da auch slate, mhd. „Schilfrohr'^ in Betracht kommt.
Silz-(Zelz-)Bach (vgl, Selz-thal b. Admont), urk. Sehr.
Cedelse, Zedelze, Zedilze. Zunächst mahnt es an den böhm.
Flussnamen Cidlina. Miklosich, dessen Etymologieen für uns
massgebend sein müssen, bezeichnet als Grundwort selo, sidlo :
Niederlassung, Ansitz und stellt Sehsach und Zedlach in Kä.,
Zellnitz in Stm. u. s. w. zusammen. Auch das kärntnische
Zeltschach (Celsah, zsgz. aus Cedilsah) fuhrt auf diesen Ur-
sprung zurück. In Kr. kommt als Ortsname Sola und Selo mehr
als 30mal, Selce 5mal, Selzach wiederholt vor.
Slizbach, offenbar nur andere Form von „Silz^-bach.
Stoll nig-Bach. Vgl. d. kärntn. Stollwitz im Kötschacher
G. Bez., Katastr. Gem. DöUach. Wahrsch. Wurzel : dol, dul ; iz-
dula: von unten. Vgl. Tolling, DöUach, Dulwitz w. u.
T a u p e r - Wasser, offenbar v. d. slav. dobra = gut (dobra
woda : Gutwasser). Vgl. d. kämtn. OO.-NN. Dobra (von Dobrawa
zu unterscheiden), d. krain. Dober-levo.
Die Thaya b. Lambrecht; hier darf man unbeirrt durch
die lateinische Urkundenbez. „Aqua Theodosia'^ an die Analogie
mit der mährischen Thaja (Dije) denken, um so mehr, als die
ganze Umgebung slavische Reminiscenzen birgt.
Toboweitsch- Bach. Vgl. d. untersteir. O.-N. Dobovec,
i krain. Dobovec, Dobovo. Vgl dub, dob : Eiche ; dobovec :
Eichengehölz.
Tobritsch- Bach. Vgl. d. untersteir. Dobritsch (Dobric) ;
dsgL in Kärnten. Stamm: dub, dob. Vgl. o. Toboweitsch und
die Namensform : f öbriach, Döbriach . . .
— 24 —
Tröschnitz, in d. urspr. slav. Namensform: trstenica^
Wzl. trat: Schilf, Röhricht
Ziernitz-Bach. Vgl. d. steir. Zierberg sl. Ceräak, kämtn.
O.-N. Ziemitzen; d. krain. Cimik. Sl. Wzl.? öer: Zer-Eiche.
Zimiz-Bach, d. slav. zimnica, zimica, Wzl. zima : Kälte,
Winter ^ „Kalt- o. Winterabach". Vgl. das unterateir. Dorf
Zimica, deutsch: Wintersbach.
Zittritz-Bach; sl. Wzl? jizkriti: funkeln, schimmern.
Diese keineswegs erachöpfeude Au£zählung genagt wohl,
um die Ausdehnung der slavischen Niederlassung im Bereiche
der Thalungen des Oberlandes darzuthun.
Wir haben in der Regel dabei alle jene Gewässernamen
ausgeschlossen, die durch Zusammensetzung eines Orts- oder
Gegendnamens mit ach oder bach entstanden sind, sobald
letztere weiter unten zur Erörterung gelangen.
Nicht minder reich ist die Ausbeute unter den Höhen-
wamen, theilweise Waldbezeichnungen Obersteier-
marks. Folgende Zusammenstellung möge genügen:
Augskogel. Vgl. 0. d. Augstbach.
Dulwitz (sl. Grdw. dul, dol, Grund, Senkung). Vgl. w.
u. DöUach, Tollinggraben.
Fladen- Alpe. Vgl. u. d. OO.-NN. Fladnitz und Fiatschach.
Girschitz- Alpe. Vgl. d. krain. O.-N. Jeräice, d. kämtn.
Jerischach. SL Wzl. jer o. jar: Frühling, Lenz.
Gl ad -Alpe. Vgl. d. krain. O.-N. Glad-Loka. Slav. Wzl.
glad: Hunger. („Hungeralpe'*?)
Glanzberg. Vgl. d. unterat Elanice „Gehänge, Abhang'^
G 1 e i n - Alpe — (sl. Gr. glina, Lehm, Laim) auch Elein-A.
geschr. Vgl. d. steierm. 00. Glemstetten, d. kr. Gleinitz (Glince),
d. kämtn. Glain und Glainach, d. oberö. Gleink (urk. Glunik
= GUnik).
G n a n i t z - Alpe. Vgl. d. krain. Goni£e (Gnanitsch) ? Wzl.
gon: Jagd, goniö Treiber, „Jagd- o. Treiber- Alpe" ?
G ollin g — (sl. Grdw. gol, hol: kahl). Vgl. Gohiik in
Er. und die vielen Zsmstzgen. mit Goli. Vgl. Golling in Salzb.
Gössenberg, Gösseck, Gos sing- Alpe u.Gössing
— 25 —
- (sl. Gr. gyozd, goßt: Wald, Dickicht). Vgl. die stm. 00.
Göss, Gossenberg, Gössendorf, Gössgraben, Gössnitz, Gösting
0. s. w. Vgl. die Gössnitzköpfe in Kärnten und den Hochgössing
dasdbst
Grebenzen — (sl. Gr. Groben: Felsenkamm). Vgl.
Gröbming (Grebenich, Grebenicha) 0. in O.-St Gleichen Urspr.
ist der Name der Krobenzer-Alpe im PöUagraben. Ob
auch der Bergname „Grinuning^ damit zusammenhängt, ist zweifel-
haft aber nicht unmögUch. Vgl die Grebenzen in Kärnten.
Grössenberg-Alpe am Guilingbach, Grössing im
Posterwalde, Gros sing -Alpe im Katschgraben und Johns-
bachergraben ; vgl. 0. Grössing-Bach und Grössitz-Bach, Gröss-
mtzberg b. h. Kreuz am Waasen. All dies stammt jedenfalls
aus dem Slav., wie schon die Umgebung in ihren Namen an-
deutet Wahrscheinliche Wurzel gruäa, gruska: die (wilde)
Birne. Darauf deutet das Vorkommen des Ortsnamens Grössing
neben Gruisla und Gorica im Radkersburger Bez.
Gurenberg(b. Schladming). Zusammensetzung aus gura,
gora: Höhe u. d. deutschen: »Berg".
Klogkogel — (sl. Gr. glog: Weissdom). Vgl. d. kr.
Clogowitz und Glogovbrod in U.-St
Lasawald — (sl. Gr. laz: Gereute, Rodung). Vgl. die
5 Laas und Dutzend Läse (Laze) in Kr. u. d. Flussn. o.
Lusa- und Lusatzgraben — (sL Gr. lug, luh: Au,
feuchte Niederung).
Mugel; die ^ v. slav. mogila: Hügel, insbesondere
Todtenhügel; vgl. den Mugilkahr im Radmergraben, d.
niederö. Mugl u. d. oberst. O.-N. Mochel.
Petschen, Pötschen, Pötschberg — (sl. Grdw.
pec: Felfiklippe). Vgl. d. anal. Bergn. in Kärnten z. B. Petzen,
Petzeck.
Planaikogel (wahrsch. d. sl. Grdw. planina: Fläche,
Ebenheit).
Pletzenkogel, Pletzen b. Seckau (sl. Gr. plaz: Sand-
lehne).
Plescbberg, Plescb-Graben, Plesch-Kogel
— 26 —
Plescheutz (sl. 6r. pleä, pleso Kahlbeit: kahler Berg =
Pleäivec, was der Bildung Plescheutz ganz entspricht). Vgl. i.
Kr. Pleäe, Pieäinza, Plegivic, Pleäica, i. Kämt Plesche, Plie-
schen, Pleschnitz.
P 0 g u s c h (wahrsch. zsgs. aus po und goät, guät Dickicht,
vgl. gvozd, gost).
Preberspitz (wahrsch. v. reber: Leiter, Poreber =
Preber; minder wahrscheinlich v. pfe-borje Föhren, Fichten-
wald).
Pretal, Predel, Predni, Pretul (sL Gr. dol, dul:
Grund, Tiefe), Vgl. auch die bezügl. OO.-NN.
Pressnitzgraben (sl. Gr. breza: Birke, vgl. die
Formen Pressing-Graben in K&mt, die Fresen, Friesach, Fres-
nitz u. s. w. Vgl. 0. die Gewässernamen.
Priebitzkogel, Pribitzmauer, SL F. Prebica (vgl.
d. krain. Pribinca).
Radmer. Vgl. die slov. 00. i. U. St. Radomeije, Rado-
mirje, in Kr. Radomilje, wahrsch. Urspr. ein Eigenname: Ra-
domir« Radoipil.
Rannachgraben (sl. Gr. ravno, rovno: eben). Vgl
Rannach i. Kämt, d. vielen Ravne in Kr.
Roga-Wald (v. rog = Hom, Ecke). Vgl. Rogatec =
Rohitsch.
Schaunitzer-Alpe. Vgl. Abtei Schaunik i. d. ungar.
Zipi^, slov. Söavnik. Femer d. steir. Stainz (urk. Stouwenz).
Wahrsch. Wzl. Stava : Sauerampfer, Sauergras ; s. w. u. Stanz.
S e m e r i n g — in d. alten Urk.-Schreibung : mens Semernik,
„Fichtenberg" (sl. Gdw. Semerek, smrk — Fichte). Die alte
deutsche Benennung: Cerewalt bezieht sich nur auf die süd-
lichere Zereichen- Waldung, innerhalb deren das Hospiz „Spital"
am Semering (hospitale ad Zerewalt, Cerewalt) entstand.
Sölk (sl. Grdf. selica, Wzl. selo). Vgl. Süzbach o.
Staritzen (sl. Gr. star, stary: alt), starica. Vgl. die
vialen Zusammens. mit star — i. OO.-NN. Stm. u. Kr.
Stodr mitanlaut G— : Gschtodr. (Vgl. „Gschloss" u. A.)
Sl. Gdw. stodor: kalt, unwirthlich. Vgl d. OO.-NN. in St, O.-Oe.
— 27 —
Strimitzen (sl. Or. strmic: hochragen. Vgl. die 00.-
NN. Stnnec, stennica in Kr. (urk. O-N. Strimizlee Z.)
Töltschen-Alpe, sl. Grdw. dol, dul = dolica. Vgl. d.
uotersteir. Dolifi, Dolite, d. krain. ToKane, d. kämtn. Töltschach.
Tatschgraben (tu£ : Finstemiss, Dunkel). Vgl. d. O.-N.
Tutschach w. u.
Trieb ein, Trienein-Alpe (sl. drevina), Triebenthal, Trieben-
graben, Triebenfeldalpe, Triebling, Gemeinde am Ruprechtsberg.
Vgl. die Ortsnamen.
Zah ring -Boden; vielleicht: Zagorie, Zagorina, d. slov.
,iIinterberg^^ Vgl. d. unterst. Zagorje, die zahlr. krain. Zagorica
und Zagorje.
Zats eher- Alpe b. Obdach. Vgl. d. O.-N. Zatsch b.
Pernegg in O.-St u. d. krain. Zatiäna.
Zeyritz-Kampl (der erste Theil des Wortes mit Surowec
zusammengestellt entspr. der urk. sicheren Namensform Soura,
Zoura für d. krain. Fl. Zeyer).
•Zinödel-Alpe sl. Grdw. seno-dul? = „Heu-Grund" A.?
Ebenso liegt der slavische Ursprung der Höhennamen
Zebeniz-Alpe, Zirbitz-Kogel, Zirmitz-Wald nicht
allzuweit Man braucht nur die wahrscheinlichen slavischen
Formen : Svibenica (sviben : Hartriegel , comus) Cerovec (cer :
Stein- oder Zer-Eiche), — vgl. das untersteir. Zierberg, Zieregg
(s). Ceräak) — an die Seite zu stellen. Doch können immerhin
der Zirmitzwald und Zirbitzkogel, trotz der an das sla-
vische mahnenden Ausgangsform gut deutsch sein, da
,,Zirben" und verkürzt „Zirm" : die alte Form der Zierbeikiefer
sind. Auf so schlüpfrigem Boden thut eben die äusserste
Vorsicht noth.
Gleiches gilt von „B ab eben", d. i. Baben-Eben (vgl.
Sommer-Eben als Ortsnamen) b. S. Lambrecht 'und b. Katsch,
vgl. d. untersteir. Babenberg (Babnih vrh) und Babnaberda,
Babnareka; JiUzern-Alpe" (sl. Wzl. luh?), Girschitz-
graben, G r a n i t z - Alpe, G o b i t z - Berg und Graben (Ger£e6ja in
Krain, Gonica^ Gobica), von: G rienz-Kogel (wahrscb. zusammei^-
— 28 —
gezogen aus Orebenzen), und der Plabutsch an der Mur bei
Graz, wird jedenfalls am natürlichsten von dem slov. plavuö
„Anschwemmung^ hergeleitet werden können.
Besonders charakteristisch erscheinen jedoch folgende
Höhen- und Gregendnamen des Oberlandes, welche wir in ihrer
Abstammung genau festzustellen nicht in der Lage sind, die je-
doch vorwiegend kelto-romanischen Ursprunges sein dürften
und mitunter auflfUlig an die rhätoromanischen Höhen-
bezeichnungen Tirols erinnern. Diese sind:
Byrgas, Pyrgas a. d. steir.-oberösterr. Grenze. Vgl. den
nahen Pyhmpass.
Furitz^-Alpen in der Gemeinde Fölz.
Gampyn- Wiese b. Aussee.
Die Gulfen b. Seckau? sl. golovina: Kahlung.
Die Jaudesalpe im Schladnitzgraben bei Pusterwald.
Kasses-Alpe im Rotenmanner Gebiete.
Eathal-Alpe im Weisskirchner Bezirke.
Kattigal-Alpe b. Fiatschach in der Gegend von Seckau.
Eerbis-Kogel b. Murau.
Elarumpf- und Kolli-Alpe im Gailgraben b. Gusterheim
(Kurzheim).
Krini-Alpe b. Aussee.
Die KOlprein im Predlitzer Bezirke a. d. obersten Mur.
Kumpitzwand'*' am Fresenberge, vgl. Kumpitzgraben, Eum-
pitzbach.
Labien-Alpe b. Aussee.
Latiner-Alpe b. Predlitz.
Der Laurig (Laurin?) im Gössgraben.
Lins-Berg b. Eisenerz. (SL? Glma: Lehm.)
Mais-Alpe b. Gössenberg u. Haus im Ennsthal.
Malais-Alpe, Wald u. Spitze b. SchötÜ in der Gegend
von Zeiring.
Mall-eben b. Botenmann. Sl. WzL? mali: klein.
Mini-Alpe, Bach, Graben L d. Murauer Gegend.
Missitul-Alpe ebendaselbst
— 29 —
Kerwein b. GrObming? sl. nerowina: Unebenheit.
Die Nojen, Bergspitze b. Steinach im Ennsthal.
Nom-Spitze b. Murau.
Der Nubn b. Haus im Ennsthal.
Paal-Bach, Graben.
Parsch — oder Paschlug (lu^).
Pe&U-Spitze.
Pergantschen* im Ennsthal b. Haus.
Perillen-Alpe oder Hochhaiden b. Rotenmann.
Pethal-Alpe oder Hochhaiden b. Rotenmann.
Die Piugaz-Alpe b. Seckau.
Plienten-AIpe b. Strechau.
Plimitzzinken* im Ennsthal.
Poderten-Alpe^ Graben b. Rotenmann.
Proles-Wand (Mürzthal). (SL? prolez-letzti : kriechen.)
Rosetm-Alpe* b. Predlitz.
Scbabiner-Höhe b. Tragöss.
SchaUaun, jetzt Puxerloch b. Frojach.
SQleek in der Jassinggau.
Tonion-AIpe im Mürzthal.
Toisitz-Graben*, Eahr-Bach b. Schladming.
Tschifall oder TschifuU b. Mixnitz.
Trog-Alpe, Troger-kahr im Gross-Sölk-Graben.
Tultsch-Graben"" oder Tultgraben b. Peggau.
Die Veitsch*-Alpe.
Wepritz-Alpe oder Wepperitz* - Alpe im Walchengraben.
Werchzirm-Alpe* und Graben.
Znschgall-Alpe i. d. Judenburger Geb.
Für die mit Sternchen * bezeichneten liesse sich an-
näherungsweise slavischer Ursprung annehmen. Bei Furitz-
Älpe kann an die Namensform bor-ica (bor: Fichtenwald, Haide),
bei Eumpitz an kuna, kunowica (s. Ortsn. Eumpitz), bei
Pergantschen an verch: Höhe undklanc, klanica: Abhang,
bei den PI imitz -Zinken an planina, plenina: Gereute; vgl.
den Ortsnamen Plenzen-Greuth im Raabgebiete, bei P o d e r t e n-
Alpe an dertina, Gerolle? bei der Rosetin-Alpe an die
— so —
Wurzel roz-sjeci : zerhauen = zerklüftete Alpe (??), bei dem
Toisitz- und T u 1 1 s c h - Graben an Doläica (dul, dol: Tiefe)
— bei W e p r i t z- oder Wepperitz- Alpe vielleicht an veperica
(vepar, veper, Eber, Schwein), „Eber- oder Sau-Alpe" bei
Werchzirm an vrh und cer, cerem gedacht werden, doch mahnt
das Fehlen älterer Namensbelege zur bezüglichen Vorsicht.
Auch die Bezeichnung: Teichen. Teichalm oder
Alpen im Ehmauer Gebiete und bei Mixnitz (Hochlantsch) —
darf nicht unbedingt, wie der erste Blick nahe legen möchte,
auf das deutsche „Teich" zurückgeführt werden, da darin auch
die deutsche Umformung des slav. ücho, ticha still, stecken
kann, und das deutsche „Teich" zu der Bodenbeschaffenheit
nicht immer passt. So heisst der T e i c h 1 fluss, der an Windisch-
garsten in O.-Oe. vorüberfliesst in Urkk. des 12. Jahrb. (Urkdb.
des L. 0. d. E. II. 165, 383) Tyecha, slavisch der „stille"
Fluss. Gleiches gilt vielleicht v. d. O.-N. T a c h e n- o. Teuchen-
berg (s. u.) urk. Tichen, Ticbin-perge.
Eine besondere Beachtung verdient der Höhenname. V e i t s c h .
Für den gleichen Bach b. Aflenz findet sich die urk. Sehr Vitscha,
Vischa, auch Fohte und Fluchte; letzteres übereinstimmend mit
der Namensform für „die Feuchten, Feichten". Dennoch kann
nicht leicht bei dem Höhennamen an diese Bedeutung gedacht
werden, und die urk. Sehr. Vitscha mahnt an die kärntnische
Vaitschach, an den nie.-österr. Witschkoberg. Liesse sich dem
Veitsch d. O.-N. Felgitsch bei Wildon, dessen urk. Bez.
V e 1 k i s auf die sl. Wzl. velka, gross, hoch zurückführt, an die
Seite stellen ; etwa Felgitsch = Feigitsch = Veitsch, so käme
man eher zurecht. Doch wäre dies jedenfalls gewagt
Verhältnissmässig am reichsten gestaltet sich jedoch die
Ausbeute an slavischen Ortsnamen des Oberlandes, da
sich hier veriiältnissmässig am meisten die Gelegenheit dar-
bietet, die ältere, urkundliche Schreibung als willkommenen
Pfadfinder im Irrgarten der Etymologie zu verwerthen. Wir
werden, ohne — wie dies bei dem Charakter dieser Skizze
und bei der Natur dieser Aufgabe leicht begreiflich ist —
- 31 —
erschöpfend sein zu können, die Orts-, beziehungsweise Gegend-
namen nach den Hauptgebieten des Oberlandes ordnen, um
beiläufig die Mengcnvertheilung dieser Namen anzudeuten.
Beginnen wir mit der nordöstlichen Landesecke, mit dem
Traunboden, oder mit dem Gebiete von Aussee.
Aussee. Obschon man naturgemäss zunächst an die
Lage des Ortes am See und somit an die Deutschbürtigkeit
seines Namens denken muss, so ist doch auch zu beachten,
dass die slov. Grundform des mährischen Ortes Aussee:
Usov lautet und die urk. Form deä steierm. Ortsnamens im
1 2. Jahrb. als : Oussa, Ossach, Ussach vorliegt, welches nicht
notbwendig auf Assach im Ennsthale bei Haus beschränkt
werden muss. (Vgl. Zahn Urkdb. Reg. S. 757). Wir bemerken
dies, ohne eine Entscheidung zu fällen. Die nicht geringe Zahl
von entschieden slavisch-bürtigen OO.-NN. in der Nachbar-
schaft fällt immerhin ins Gewicht
Lupitsch. Sl. Wzl. Hub, lub, lup: Rinde; lupen: Blatt,
Liub. Vgl. Graziup in St, Lippizach, Lippitzbach in Kä.
Gössl — sl. Gnlf. gvozd, gost Vgl. Göss als O.-N. w. u.
Stanitzen b. Aussee. Wahrsch. sl. Grdw. §tava: Sauer-
wras = Stavnica. Vgl. w. u. d. O.-N. Stanz und Stainz.
Treffen — sl. Grdf. trebez : Gereute, Rodung, (ähnlich
wie: laz u. planina) Treuina urk. F. f. Treffen in Kä. u. Kr.
Vgl. T r e v e n r e u t in Salzb. (Doppelwort : trevina = Reut.)
Rödschitz, Rötschitz — urk. Resica; sl. Grdf.re£ica,
vgl V. die Gewässernamen; Roschitschau, Roschitsch-Wrch.,
in Kr. Rothschitzen in Kä.
Zauchen — sl. Grdw. suh: trocken. Vgl. Sukdol,
Zugthal = Zuckerthal in O.-St b. Ober - Zeyring.« (Es bed.
Trockengrund, Trockenthal.) Zauchwinkl in Kä. Zauch-Bach
b. Amstetten in N.-Oe.
Kainisch, sl. kamenica?
Uebergehen wir zum Ennsthal.
Schladming — Schladming-Bach, urk. Form Slcebnich,
Slabenich, Slabnich, Slabenich ~ sl. Grdw. slab, slap, Strömung.
Vgl. Slap, Slape in Kr. Zlapp in Kä.
— 32 —
Gösse ober g. Vgl. o. Gössl und d. Bergnamen.
A SS ach, ? vgl. 0. Aussee.
Gleiming — sl. Grdf. glob, glib: = Tiefe, globovina:
urk. Namensf. Glibenich, Glimnic
Gröbming — sl. Grdf. greben. Vgl. o. Grebenzen, urk.
F. Grebenich.
Diemlern — urk. Namensf. Domelam sl. Grdf. dura,
dom: Haus Vgl. d. urk. N.-F. Domelach, Domlach fÜrDiem-
lach? (Doch kann auch an den deutschen Eigennamen:
Diemel, Stamm: Tum, Tom u.„lar" atid. „Grund'^ gedacht werden.)
Tipschern. ? Vgl. d. krain. Terpiane.
Strimitzen, vgl. o. d. Bergnamen.
Irdning, urk. Namensf. Jedenich. Die wahrscheinliche
Wzl. ist led: Eis; Ledenic „Eisdorf''; die Liquida 1 geht
öfters in j über.
Grimming, ? Tachen- o. Teuchenberg? s. o.
Gritschenberg. Vgl. d. slav. hrib, Hügel, die krain.
OO.-NN. Gritsch (Gri(), Gritschach in Eä. Gritschen in Mähren
u. s. w. Vgl. Greischern b. Lietzen, das eine ganz andere
Wurzel hat, nämlich: gru§a, hru§a Birne; wie die urk. Sehr.
Gruscam, Gruscham lehrt Vgl. o. d. Höhennamen.
Schlattheim, urk. Sehr. Slateheün, sl. Grdw. Slatina?
Vgl. Schladnitz w. u.; doch könnte auch an släte mhd.
„Schilfrohr'^ gedacht werden.
Ziem? lom, zlom: Steinbruch.
Kl ach au, sl. Grdf. Glog, in Kr. Glogovica.
Kl um, sl. CUum: Berghöhe.
Lantschern urk. Sehr. Lonsam (sl. Grdw. log, lo(n)ka:
Au, Moor, Wiese)? Vgl. Landtschach, Lantsch u. A. w. u.
Tauplitz — sl. Grdf. topla: warm = toplica. Vgl.
Teplitz, Töplitz (Toplice) in Kr., Topla, T^plach, Töplitsch, Top-
litzen in Kä., Töplitz in Bö. u. s. w. Vgl. den Tauplbach in Salzburg.
Wörschach sl. vres Haidekraut Vgl. Wirtschach in Kä.
L i e z e n, urk. Sehr. Luozen (sl. Grdf. luh = feuchte Au
— sehr bezeichnend für das Torfmoor um diesen Ort).
„Rotenmann^ Hebers, d. slav. „Crwena" (s. Yh u.).
— 33 —
Strechau, urk. Strechawa, Strechowe, whsch. sl. Grdw.
strecha: das Dach. Vgl. d. böhm. Strechow.
Lassing, s. o. die Flassnamen, urk. F. Lazenich.
Döllach, s. 0. die Dulwitz.
Wandern wir zur Nordostecke des Landes hinüber, in
das mittlere und obere Mürzthal und dessen nord- und
^südwestliche Nachbarschaft
Feist ritz -Berg, s. o. die Flussnamen.
Pretul, eig. Predfll; auch Bach, Alpe und Graben dieses
Namens, sL Grdf. Pre — dul, dol (Tiefe, Grund). Vgl. d.
ontersteir. Predel, d. krain. Predol. Vgl. o. d. Höhenn. Pretal.
Debrin, Dobrin — sl. Grdf. dob, dub: Eiche. Vgl o. Do-
bersbach u. d. 00. -NN. Dobreng in U.-St, Döbriach, Dob-
riach in Kä., der Dobema-Bach u. Dobreingraben in Stmk.,
Dobemik in Kr. und die vielen mit Dob anlaut Namen daselbst.
Fröschnitz, urk. Fresnic. Vgl. o. d. Gewässer-N.
Die Golrath, Gegend b. Maria-Zell^ Gusswerk, vom sl.
gola; kahl und rot: Gereute; gola rota: ;,kahles Gereute'^?
Grautschenhof. Vgl. o. Greischem.
Jauern, sL Wzl. javor: Ahorn s. o. Gewässer-N.
ImKindberger und Aflenzer Gerichtsbezirke
ündcn sich nachstehende Anklänge an^s Slaventhum:
Jasnitz — jasenice s. o. Jassing und Jassnitzbach, d
krain. O.-N. Jason, Jasovnik.
Selsnitz — sl. Grdf. selo, trifft in der Bildung mit
Zellnitz zusammen. Vgl. die untersteir. Sola, Se)o, Selovec,
Selzaberg, — dorf. Vgl. o. Silzbach.
W i e d e n, vgl. Wieden b. Mürzhofen und im Unterlande
b. Straden, im Sulmthale b. Holleneck, Wiedenberg, Wiedenhof
und Wiedenkogel im Oberlande; scheint nicht deutschen Ur-
sprunges, sondern auf das slovenische: Videm zurückzuleiten,
wie es sich im untersteir. Bez. v. Rann und in Krain z. B.
mehrfach als Ortsname vertreten zeigt. Ueberdies findet sich
<lieäer Ortsname in der Stmk. wiederholt und unter Anderem
^ch im slovenischen Unterlande, im Murecker Bez. vor.
Fressnitz, Fressnitzgraben, s. o. d. Gewässer-N.
HittktiL 4c« bUt. VtrciM f. 8t«ierm«rk, XXVI 1. Heft, 1879. 3
— 34 —
Fochnitz, von: bahno Sumpf. Bahnica? Vgl. o. d.
Fochnitzbachel.
Retschgraben, vgl o. Rötschitz u. s. w^ sl.Grdw. reka.
Stanz findet sich auch im Unterlande, z. B. im Murecker
Bez. und im Santhal als Stance. Die sl. Grdf. s. o. b. S t a n i t z e n.
Beweiskräftig ist die urk. Form: Stawenz. Vgl Stainz.
Trassnitz — wahrsch. von der Wurzel trata : Viehtrieb,
aber auch: Flur, Feld. Vgl. Tratten, slov. Trattna im Unterl.
Lutschaun (sl. Grdw. luh?). Vgl. die gleichn. Gegend:
Lutsch aun zw. der MUrz und dem Teitschbache und den
Lutsching graben zw. dem Roidesgraben und dem Tragössthal,
krain. Lutschna und Lu&ujev.
Aflenz, urk. Sehr. Avelonica, Ablanca u. s. w., sL Grdf.
jablo : Apfel. Vgl. Aflenz bei Leibnitz, Gaflenz, Gablitz in O.-Oe.
und die zahlr. Jablanica, Jablanca in Kr. Gablonz in Bö.
0 i s c h i n g — sl. Grdw. olöa, ol§e : die Erle, Vgl Olsnitz
(Alsniz urk. Z.) b. Preding, in Mittelsteierm.
Döllach, s. 0. Höhenname Dulwitz.
Grassnitz, desgl. ein Grassnitz b. Aflenz. Vgl. das
untersteir. Grassnitz und Grassnitzbei^. Die Wurzel ist das sl.
ker§ : Gesträuch, denn das untersteir. Grasnitz heisst im Slov.
Ker§nica.
J au ring, vgl. o. Jauem u. d. krain. Javomik, k&mtn.
Jauemigg.
Tutschach — sl. Wzl. tuö : Finstemiss. Vgl. die krain.
Tutschna, Kä. Tuzach. Vgl. o. Tutschgraben.
Gör lach — sl. Grdf. gora: Berg. Vgl. d. zahlr. Göriach
in Kä.
Turn au — sl. Grdf. dm: Rasen, tm: Dom. Vgl. d. O.-N.
Tyraau w. u., die Laib. Vorstadt Tyrnau, das ung. Tyrnau
u. s. w. das krain. dmova gorca, Turnava-Bach im Unterlande
u. s. w.
Noch sei mit einigen Worten des interessanten Thalbodens
Tragöss gedacht.
Nach Analogie mit Göss: Gussa, ist man veranlasst,
an Tragussa (urk. Sehr, vom 1 2. Jalirh. Tragosse) zu denken,
— 35 -
0. zw. übereinstimmend mit dem imtersteir. Tragutsch (urk.
Dragotsoy) b. Marburg. Vgl. auch das krainerische Drago^e;
jedenfalb scheint die Wurzel Drag — und zwar als Eigen-
name zu Grunde zu liegen.
Bevor wir den eigentlichen oberen Murboden betreten,
sei auch der weitläufigen Gebirgsgegend zwischen dem Enns-
und Murthale, der kleinen und grossen Sölk (Sölker-Bach,
Solker-Graben) gedacht. Die alte urk. Namensform: Selika,
Seliea spricht für das slav. Grdw. selo. Es stellt sich somit
dieser Name dem Selsnitz (Sölsnitz) s. o. zur Seite.
Uebergehen wir nun zum oberen Murboden, indem
wir mit der Murauer Gegend beginnen.
Das alte Graslub, Grazlup, Grazluppa b. Neumarkt,
s. 0. Luppitsch und Grassnitz.
Murau, urk. Sehr. Murovi, Murove. ? Vgl. u. Saurau.
61a ssenetz — sl. Gr. glas: Schall. Glasenica:
.Schall-Thal«.
Die verschiedenen K r a k a u. Vgl. die Laibacher Vorstadt
Krakau, das poln. Krakau, Erakaberg in Kä., das Kraka-
Köhr in Saksb. Vgl. d. sl. Wort Kraka: die Dohle.
Ratsch, urk. Sehr. Chatissa. Vgl. Katschidol in U.-St
und Katschwald im Bez. Obdach.? Sl. Wzl. Kot: Winkel.
Vgl Kötsch.
Lassnitz, s. o. d. Flussnamen.
Predlitz — sl. F. Predeüca. Vgl. Predlitz- Bach, Berg,
Graben, aus pre - dol : Vor - Grund. Vgl. Pretul, Pretal u. s. w.
Trieb endorf — sl. Gr. dreva, drevo: Gehöhse. Vgl.
(L Unterst Triebein, sl. Dervanja, und die Höhennamen.
(Neumarkter Bezirk:).
Scbeifling, Scbeufling, urk. Sehr. Sublich, Suphilich,
Scheuffig — (slavisch?)
Zeitschach b. Neumarkt, urk. Zizawa. Wzl?
Nieder- und Ober- Wölz, urk. Sehr. Velica (sl. Grdf.
VeliW: gross). Vgl. d. kämtn. Wölzberg, Wölzing.
Tratten — sl. Gr. trat: Flur, Grund. Vgl. die unterst
und krain. Tratna, Trata, die kärntn. Tratten, die oberösterr.
3*
- 36 —
Tratnad, Trattbach, Trattenbach, Trattenegg, den niederösterr.
Trattenbach u. s. w. Dsgl. o. Trassnitz.
Poneck (urk. Ponichi, Z.) s. w. u. d. O.-N. Pönegg, und
vor allen Ponikl im Raabgebiete.
R a n t e n (urk. Badentein, Radintin), sl. Wzl. rad. Vgl. d.
krain. Radaqa, Radna vas, Radoha vas. Radovna vas. (Gleicher
Wurzel ist Radmer s. a. a. 0.
Säur au; zweifelhaft, urk. N. Surowe, Surowi, sl. surowi:
rauh, hart, etwa wie Rauch-Eck, Rauch-Leiten (rauhe E., rauhe
L.), oder doch deutschen Urspr. Sürowe : sauere Au, ähnlich
wie Sauerberg, Sauerbach in Baiern, Sauerbühel in N.-Oe.
(Z. f. die sl. Abst) Es liesse sich da auch d. kämt Saureggen,
Saurwald, Saurachberg anziehen.
Seh öder, urk. Seder, analoge Bildung mit d. O.-N. So-
ding, urk. „Sedinge". Sl. Wurzel? (Z. f. die sl Abst.)
Pöllau b. S. Peter am Kammersberge, bei Lind, im
Wölzerthale (s. w. u. im Raabgebiete).
Feistritz s. o.
(Judenburg — Seckau — Zeiring — Obdach.)
Peistritz s. o.
K u m p i t z, auch — graben, — bach ; urk. auch Chuntuz,
vielleicht auf Kunowice^ vgl. d. untersteir. Gonobitz, zurückfahrend.
Pols — urk. Sehr. Pelissa, sl. Grdw. pleso: steh. Ge-
wässer. (Ein Vinsterpels findet sich als urk. N.-Form für Brett-
stein: Thal b. Zeyring Z.) In Kärnten Pleso: Teuchen. Vgl.
Plessdorf, Plessnitz in Kämt.
Lantschach, urk. Sehr. Lontsa, Lonsza, Lonsach (sl.
Grdw. lo(n)ka: Wiese, Moor. Vgl. die Lonka = Lak in Krain,
Latschach ebda. Lantschern; Landscha b. Leibnitz. (Z.)
In gering s. o. b. d. Gewässern.
Das h. Wasserberg a. d. J. hiess altersher Tr ige wie,
Trigewl (Z.) — etwa Triglav: Drei-Kopf, Dreieck.
Gr.- u. Kl-Lobming, s. d. Gewässer-N.
Kobenz, urk. Sehr. Chumbenza. Wurzel? vgl. Kumpitz.
Rassnitz — Raznica. Vgl. Rassthal b. Kathrein im
Mürzthal, Rasswald b. S. Lambrecht und vgl. d. untersteier.
— 37 -
Razbor, Razdel, Razwina, Stamm: raz: Schlag. Rassnitz =
^Schlägen«.
Fötschach, vgl. d. unterst Woina und Wotschdorf.
Vgl. ütsch.
Leiftach, urk. Sehr. Listach? Leäje in U.-St.
Preg u. Preggraben (sl. Gdw. brßg: Ufer). Vgl. die
versch. Breg in Kr., Frög in K&rnt.
Feistritz-Graben und Laas (vgl. Lassnitz) s.o.
Fressenberg, vgl. o. Fresen, Fressnitz u. s. w.
6obernitz,sl. Grdw. gaber, carpinus betulus ; vgl. Gaber-
thal m Kämt, Gaber, Gabemik in Er.
S e k k a u, urk. Sehr. Seccawe, Seccowe (sl. Grdw. sekat :
hauen, ausbauen, roden).
61 ein, vgl. o. Glein-Alpe.
ügendorf? Vgl. o. Augstbach.
In gering, s. o. die Gewässernamen.
0.- u. U.-Z e i r i n g. Man darf an die Analogie mit dem
krain. Zeier : Sora, an die slov. Grundf. des Fl.-N. Zeier u. s.
w. denken.
Zugthal, s. 0. Zauchen.
Mo derbruck, sl. Grdw. modar: schmutzig, schlammig.
Vgl. Möderndorf in Kämt, Modriach im Voitsberger Bez. in
Steierm., Modriö in U.-Steier . . . s. auch o. die Gewässernamen.
Winden, urk. Wineden nach dem altd. Vinada — ganz
JK) wie Winden b. Herzogenburg in N.-Oe. und die zahlreichen
Zusammensetzungen mit Windisch, bed. soviel wie Windisch- Dorf.
Pusterwald — Zusammens. aus d. sl. Grdw. pust:
Einöde und a. d. deu. Wald. Vgl. Pusterwald im Pölsthalgrund,
Pusterthal in Tir., Pustnitz in Kämt.
Rotsch, vgl. 0. Bötschitz.
Katschwald, vgl. o. Katsch: Chatissa.
Gr.- u. Kl.-Pr ethal s. o. Pretal, Predni u.d. Höhennamen.
Granitzen, sl. granica: Grenze. ? sl o. deutsch.
Z a n i t z e n, slov. Wurzel ? sani o. saA : Schlitten ; „Schlittern".
(Im Innerbergischen, Gebiet von Eisenerz.)
Ja 8 sing au, s. o. die Gewässer-N.
— 38 -
Radmer s. o.
(Gebiet von Mauterri und Trofäiach.)
Li e sing, Liesing-gau; s. o. die Gewässer-N.
Trofäiach: Dreuiach; Treuiach in der urk. Sehr. (sloy.
Grdf. drevo: Holz, Gehölze). Vgl. Treibach. Hier ist die alte
urkundliche Schreibung massgebend, und hindert in dem Orts-
namen einen dem tirolischen (rhätischen) Trafoi analogen zu
erblicken.
Seitz, vgl. d. untersteier. Seiz (zajec: Hase).
Möchel, vgl. 0. den Gew&ssemamen : Mugel.
Mötschendorf, vgl. o. Mötschitzgraben.
(Leoben-Bruck.)
L e 0 b e n, urk. Sehr. Liubana, liubina = volksth. Leuben
(sl. Gdf. lub, lup). Vgl. in Kr. Ljubgoina.
Dona Witz, urk. Sehr. Tunewize, Tunwize (sl. Grdf.
tuna, toune: Tümpel).
Tollach und D öl lach., vgl. o. die Gewässernamen.
Windisch-bichel.
Rotz, vgl. Retz b. Gradwein, urk. Sehr. Rseze, Reze.
Vgl. Retz, Rotz in N.-Oe. an der mähr. Grenze.
Kraubat, urk. Sehr. Chrouati, Crouuati — sl. Grdf.
Ghorvat, vgl. den Kraubatgau in Kämt und Krabathen ebda,
(urk. Chrowat).
Göss u. Gössgraben (s. o. Gössenbei^), urk. Sehr.
Gussa, Gussia (sl. Grdw. Gvozd, gost).
Sehladnitz- Dorf und Graben (sl. Grdw. slatina : Sumpf),
urk. Sclaietinz. Vgl. Slatnik in Kr., vgl. aber o. Schlatten.
Windisch-Berg und Windiseh-Bichl.
Jassing und Liesing, s. o. G«wässer-N.
Lainsach(2 00.), urk. Levsnich; wahrsch. sl. „Lu^nica"'.
Leising, urk. Lusnich = Lainsach. Vgl. die Fluss-N.
T 0 1 1 i n g - Graben, urk. N.-F. Tolnich. (Z.) (sl. Grdw. dol),
vgl. Döllach u. s. w. s. o.
Kletsehach (sl. Grdw. klet: dunkel). Vgl. Kletschach
in Kämt und die öfteren Kle£ und Kle£e in Kr.
P e n g g e n. Vgl. d. kärntn- die Pengg oder Penk, Penken
- 39 —
JD Kärnten (Ortsgem. O.-Vellach, O.-Feistritz im Bleiberger
Bez^ und Weisenberg). Offenbar in der Wurzel mit dem Fl.-N.
Pinka zusammenfaOend ; s. o.
Proleb, urk. Prileb (vgl. d. krain. Prilipe), erscheint
neben dem d e u t Namen „ Winchilen", Winkeln b. Leoben --
1148 genannt
L 0 b m i n g - - Lominicha, s. o. die Gewässernamen.
Z m ö 1 1 a c b, sl. Grdw. smola : Pech oder „Kranabet", wie
der Ort in Kärnten „na smole" verdeutscht erscheint Vgl.
ZiDölch b. Kaisersberg, ZmöU (Zmell) b. Trofayach in O.-Steier,
Zmole, Zmöln in Kämt, Smolnik in Kämt, Schmöllnitz in Ungarn.
Pressnitz s. o. Pressnitz-Graben.
Trab och, urk. Sehr. Treboch, Treuoch, sl. Grdw. drevo:
Baum, Holz. Vgl. Treibach in St u. Kämt, Trofajach u. A.
(Bruck-Kapfenberg-Frohnleitner Gebiet)
Brack a. d. M. als OerÜichkeit in den ältesten U^'k.
Muoriza-Kimundi : Mttrz-Gemünde ; deutsche Stadtgründung.
Laut seh, vgl. Lantschach b. Knittelfeld, Landscha b.
Leibnitz, Lantschera im Ennsthal; stammt auch der Hoch-
Lantsch von der gleichen Wurzel? ist zweifelhaft
Pischk und Pischkberg, sl. Grdw. pisek: Sand. So
findet sich in Kr. Peschenik (Peöienik) deutsch ; Sandberg. (Z.
erinnert auch an d. kämt Pisweg, urk. Pisiuich, Piswich.)
Graschnitz-Graben, s. o. Grasnitz.
Pötschach, sl. Grdf. potok : Bach. Das Kämtner Pott-
schach b. Huttenberg, urk. Potoschach. In N.-Oe. Pötschach,
auch urk. „Botoschach^^ geschr. Vgl. die Potote und Pototschen-
dorf: Potoiarska vas in Kr.
Rasthal, vgl. o. Rassnitz.
Lesing -les — lesina, vgl. o. Liesing, Lesach u. s. w.
Pogusch, s. 0. d. Höhennamen.
Pönegg, s. w u. Ponikl.
Utsch- Graben und Thal — fahrt auf das slov. Bu6e,
Vode — vgl. Wotschdorf in U.-St, die Vouöe, Woutschach,
Wutscb, Wutschka (Buika) in Kr. Vgl. Buie, die F a u t s c h in
Untersteier, Butsch in Mähren — die urk. Sehr, ist: Vtse,
- 40 —
Vts, Uttes, Uttis ; das Zeittes ist wahrscheinlich aus Ze Uttes
verballhornt. (Zahn Index S. 923.)
Göritz, s. 0. den Göritz-, Gomitz-Bach.
Gabraun = gabrowna, habrowna s. o. Gobernitz, vgl.
d. Gabrau, Gabrowo u. s. w. in Kr.
M i X n i t z — urk. Sehr, auch : Michsnitz. Dass der Name
aus dem slavischen stammt und vielleicht die Wurzel mecli :
Moos enthält — ist nicht wohl zu bezweifeln. In N.-Oe. findet
sich ein 0.- u. U.-Mixnitz und zwar im Eggenburger Bezirke
vor, auf einem auch sonst an's Slaventhum mahnenden Gebiete.
(Vgl. dort Straning, Theras, Dallein, Fladnitz, Fugnitz, Geras,
Kottaun, Sallapulka, Zettlitz u. a. 0.)
Trafo SS, urk. Sehr. Treuesse — wahrsch. sl. Grdw.
trebei: Gereute. Vgl. d. untersteir. und krain. Trebesch.
Vgl. TreflFen u. A.
Zatsch, wahrsch. Verkürzung des sl. O.-N. Zaticina,
welcher in Kr. vorkommt.
Schlatten ? sl. Grdw. slatina o. mhd. släte? s. o.
Mötschlach, vgl. o. Mötschendorf und Möschitz b. d.
Gewässernamen. Vgl. das krainische Möschnach (Moälno) und
Möschach in Kämt., Mantscha bei Strassgang.
Graschnitz s. o. Graschnitzgraben und Grassnitz.
Feistritz b. Peggau, bezeichnend genug als D e u t s c h-
Feistritz von Windisch-Feistritz unterschieden.
Laas, s. o. Laas und Lassnitz.
Mauritzen. Hier muss wohl an den Heiligen, dem das alte
Kirchlein geweiht ist und nicht an das sl. Grdw. muora-ica,
gewissermassen wie Mürzen, gedacht werden. Auch die Be-
zeichnung „Mauritzer- Viertel" findet sich.
Friesach — vgl. Fresach, Fresen u. s. w.
Peggau — urk. Sehr. Peca, Peccah u. s. w., sl. Gdf.
pec, peka, peöa: Felswand. Vgl. o. Petschen b. d. Höhennaiiien.
Vgl. die Pec, Peö, Peönik u. b. OO.-NN. in Kr. Petzen, O. u.
U. P. in Kämt
Gams und Gamsgraben, Laufnitz«>Dorf und Gra-
ben, vgl. 0. d. Gewässernamen Lafnitz.
- 41 —
Schrems, dgl w. u. (Weizör Bezirk). Vgl. die urk.
Namensform Scremesniz f. e. gegenwärtig unbek. 0. in d. Nähe
von Grazlup (b. Neumarkt) und Wölz (Zahn, Urkdb. S. 690).
Vgl. Schrems in N.-Oe. in dem Böhmen benachb. nie.-österr.
Geb. Vielleicht ist das anlautende S nicht wurzelhaft und d^nn
wäre die Wurzel Kremen: Kiesel. Vgl. Krems in Stm.
Krems in Nia-, Krems-münster in O.-Oesterr.
Semriach, vgl. Smerje, Smeijene in Krain und den
Bergnamen Semering (sl. 6rdw. smer-e^: Bothtanne, Fichte).
Tulwitz (Dulwitz) und Tyrnau, s. o.
6 r a d w e i n, urk. Sehr. Gradewin, Gredewin, scheint auf
die sl. Grd£ grad — zurückzuführen. Vgl. d. krain. Gradine.
Als Analogen fbr den Ausgang — wein möge das untersteier.
Rosswein, slov. Bazvina gelten. Die gleiche Etymologie scheint ,
auch den obersteier. 00. und Gegendnamen „Graden" zu-
zukommen und den bezüglichen Zusammensetzungen Graden:
Piber, Graden: Feld. Vgl. d. untersteier. slov. Gradenscheg.
Rein, urk. Sehr. Buna, Rune (sl. Grdw. ravno, rovno,
ravina: Ebene, Thalebene). Vgl. d. untersteier. Raune, Ravne,
Ravno und die vielen Ravne in Krain. Vgl. o. Rannach.
St ü hing, urk. Sehr. Stubenik, slov. Gdw. stup — stupen:
Stufe, Thalstufe. Vgl. d. untersteir. Stopce u. d. krain. Stop.
In der Nähe, zwischen dem Haundl- und Pleschen- Graben,
als Sekenthal des Stübing- Grabens findet sich der „Globoken-
Graben**, dessen charakteristischer Name aus den slov.
glubo- oder gluboki „tief" stammt. Vgl. d. Globogen- Graben
b. Hochenwang im Mürzthal zwischen dem Langenwangerberg
und Königsberg, d. untersteir. Globoko, Globoöe, d. krain.
Globoäice, Globoftica, Globoidol u. s. w.
6 ö s t i n g — urk. Sehr. Gestnic, Gestnich, Gestenich. Vgl.
Slcebenich, Jedenich = Sladmmg, Irdning. Noch im 1 2. Jahrb.
ianden sich hier slavische Ansassen vor. Auch der Burgherr
von Gösting um 1 1 90 führte einen slov. N. „Mogoy" de Gestnich,
neben „Negoy" de Pezniz (Pössnitz).
So näherten wir uns der natürlichen Grenzscheide des
Oberlandes, dem Grazerfelde, imd wollen nur noch einen Streif-
— 42 —
zug in das westliche Oberland, in das Raabgebiet, in den
Bezirk von Birkfeld, Pöllau, Hartberg und Weiz unternehmen.
Hier begegnen uns neben den bereits erwähnten Gewässer-
namen slavischen Ursprunges die Ortsnamen:
1. Bez. Birkfeld:
Fresen, Feistritz, s. o. die analogen Namen.
2. Bez. Pöllau:
Pöllau — sl. Gr. polje : Feld, po^ana : Ebene. Vgl. Pöllau
b. Kirchberg a. d. Raab, b. S. Stephan, b. Pfannberg, b. Ma-
rein u. s. w., untersteir. Polena, Polje, Polana, Polane und
insbea die Bezeichnung Windisch-Pöllau im Gleisdorfer Bezirke.
PöUa in N.-Oe., PoUein in Kä. u. s. w.
3. Bez. Hartberg. Hier finden wir ausser den OO.-NN.
Lafnitz, Safen noch den Einen Lungitz (lungviz urk. Z.),
dem die sl. Grdf. log, loka zu Grunde liegt Vgl. Lukowitz
in Kr. und Kä. Flattendorf? Vgl u. Fladnitz.
Reicher ist die Ausbeute im 4. Bezirke, Weiz:
Weiz (u. Weizberg), in der ältesten urk. Namensform Wides,
Vides, scheint mit dem krain. Witschje (Bi£je) und mit den
kämtn. Ortsnamen sl. Ursprynges : Witsch^ Witschach, Witsch-
dorf verglichen werden zu dürfen, doch bleibt dies sehr gewagt,
mit Rücksicht auf die gegenwärtige Namensform und den
Schlusslaut Sonst müsste an das altdeutsche Wit j. „Weit''
gedacht werden, doch auch ohne sonderlichen Erfolg.
Entschieden slavischen Ursprunges erscheinen jedoch die
OO.-NN.:
Fladnitz, Fladnitz-Berg, Schrems^ Feistritz,
Semering, Hz, Pinggau (s. o. d. Flussn. Pinka), aber
deren Wesenheit schon anderorten gehandelt wurde, überdies
L e s k a — sl. Gr. leska : die Hasel oder Haselstaude. Vgl.
die untersteir. und krain. Leskovec. Charakteristisch ist es,
dass sich neben Leska ein Haselbach findet und beide die
Ortsgemeinde Haselbach ausmachen.
Preding, findet sich auch im Wildoner Bez., die sl. Form
ist Predin. Vgl. Preding, P redin m Mähren, Predonin in Böhmen.
Ponigl, auch im Grazer Bez., sl. Gr. ponikva, ponkva.
— 43 —
Vgl. d. untersteir. Ponigl (Ponkva) im Cill. Bez. und die 5
Ponikve in Krain. Vgl. auch den Pnnkva-Bach in Mähren
(Adamsthal — Blansko). „Ponikva'^ bedeutet den Ort eines
uoterirdisdien Gewftsserabflusses. Vgl o. Pönegg.
Tob er — sl. Gr. dob: Eiche. Vgl. o. Dobrein, Dob-
reng, d. kämtn. Töbriach, Töbring, die krain. Dobema u. 8. w.
Mortantsch und Passail, letzteres in der urk. Sehr,
der ältesten Zeit Puzeil, Puzil, Poseyle, Posile, lassen sich
schwer bestimmen. Ob die Zusammenstellung des ersteren mit
Mörtscben in Kärnten, mit Moräutsch (Moravic) in Krain zu-
lässig, steht ebenso dahin, als die des letzteren mit dem krain.
Pttc (Puz). Haben wir es mit Torslavischen Namen zu thun?
m.
Wenn auch die vorliegende Zusammenstellung der Ge-
wässer-, Höhen- und Ortsnamen des Oberlandes keine
vollständige ist, da so Manches in seiner Verlarvung sich
dem Blicke auch eines gewiegteren Forschers entzieht und
auch nur unter dieser Voraussetzung in Angriff genommen
warde, so dürfte sie doch ausgiebig genug sein, um, abgesehen
von den Gegendnamen, über das Mengenverhältniss und
die Vertheilung der Ortsnamen slavischen Ursprunges, Andeu-
tungen zu gewähren. Allerdings ist eine solche Abschätzung
nur sehr bedingt in ihrer Richtigkeit und Geltung. Einiger-
massen aber ist denn doch eine Abschätzung möglich.
Zunächst möge das numerische Verhältniss der k e 1 1 i s c h-
romanischen Bezeichnungen zu den slavischen und
dann dieser wieder zu den deutschen in's Auge gefasst werden.
Was Erstere betrifft, so ist es charakteristisch, dass 0 r t s-
namen so viel wie keine sich vorfinden und ebensowenig solche
Gewässernamen, abgerechnet die Hauptflüsse (Mur, Raab,
Enns, Traun, Laihitz ?), in irgend massgebender Zahl uns begegnen.
Dagegen zeigen keltoromanische Anklänge zahlreiche Höhen-
namen, welche besonders im Traun- und Ennsgebiete
und in der Mur au er Gegend sich vorfinden.
Die slavischen Ortsnamen greifen weit Über anderthaU)
— 44 —
hundert hinaus; an Gewässernamen, die sich theilweise mit den
Höhennamen decken, werden Gegend- und Höhennamen in
mindestens doppelter Stärke aufgebracht werden können. Es
lässt sich daraus ermessen, wie sehr das ursprünglidie norische
Bevölkerungselement dem zugewanderten slavischen gegenüber
gering an Zahl war und andererseits, wie vielseitig der Slave im
Oberlande als unmittelbarer Ansiedler angesehen werden muss,
der Gegenden, Gewässer und Höhen in seiner Sprache benannte
und neue Ortschaften gründete oder schon bestehenden den
neuen Namen gab.
UmdasVerhältnissderdeutschbürtigenGewässer-
und Höhennamen zu den vom Hause slavischen zu würdigen,
genügt die Abschätzung eines nahezu zehnfachen lieber-
gewichtes der Ersteren. Dies beweist für das verhältnissmässige
Uebergewicht der ursprünglichen oder unmittelbaren
deutschen Ansiedlung in der Gebirgswelt, deren Bodengestal-
tung er neu benannte, indem er im Laufe der Jahrhunderte
stets tiefer in ihren Schoss eindrang.
Etwas ermässigter allerdings zeigt sich das numerische
Verhältniss zwischen den slavischen und den deutschbürügen
Ortsnamen des Oberlandes. Denn da der Slave sich durch
alle bedeutenderen Thalungen als Ansiedler verzweigte, grün-
dete er an den günstigsten, schon bewohnten, oder diesen
benachbarten Oertlichkeiten sein neues Heim. Ihm folgte darin
der Deutsche, welcher für seine Niederlassungen allerdings
ungleich mehr Gebiet sich friedlich eroberte, immerhin aber
weniger Boden für eigentliche Ortsgründung, als solchen für
Viehzucht, Holzung und Eisenbetrieb aufbrauchte.
Versuchen wir nun eine gegend- und bezirksweise
Abschätzung der slavischen und deutschbürtigen Ortsnamen.
Für dasEnnsthal und obere Traungebiet (Gegend
von Aussee), mit 140 Orten in runder Zahl die Summe von
beiläufig 30, also nicht ganz ein Viertel von Ortschaften sla-
vischen Grundnamens. Nach Bezirken abgestuft zeigt sich
nachstehende Scala: Gröbming hat nahezu Vj solcher Orte,
Aussee und Trdning über %, Schladming unter % Liezen Vin ;
— 45 —
der Bezirk von S. Gallen zeigt keinen solchen Ort. In
der nordöstlichen Steiermark, im Gebiete der Mttrz,
stehen beiläufig 90 Orte, in den Bezirken von Maria-Zeil, Mttrz-
zuschlag und Kindberg an 20 Orte, also über ein Viertel
gegenüber; auf den ersten Bezirk entfallen Vm &uf den zweiten
%, auf den dritten \k solcher Orte.
Der Kern des oberen Murbodens mit c. 250 Orte
zeigt an mehr als 70 Orte slavischen Ursprunges, also mehr als
ein Viertel. Auf die Bezirke Murau, Obdach und Leoben ent-
eilt je Vr, auf Oberzeiring, Knittelfeld und Mautem je y»
darüber oder darunter, auf O.-Wölz '/:,, auf Neumarkt Vm,
auf Judenburg '/, ; derselben. Der Rotenmanner Bezirk mit
dem Paltenthal weist auf 20 Orte an 3, somit y« auf.
Der mittlere Murboden weist in dem Brucker
Bezirke, die Tragösser Thalung eingerechnet, über 70 Orte
auf, von denen über 20, somit nahezu Ein Drittel slavische
sind. Diesem Bezirke tritt der Frohnleitner mit beiläufig
40 Orte, von denen an 15 der gleichen Art angehören, also
mehr als '/s ausmachen, an die Seite.
Das nordöstliche Raabgelände und zwar der letzt-
besprochene Hartberg - Pöllau - Weizer Bezirk weist unter
mehr als anderthalb hundert Orte an 1 5 slavischen Ursprunges
^mit Yio der ganzen auf
Wir werden auf diese Vertheilung, gewissermassen auf
die mittelalterliche Topik oder Statistik des oberländischen
Skventhuros noch einmal zurückkommen. Im Ganzen stellt
sich den sechsthalb hundert oberländischen Orten der Gegenwart
als Ganzem der thatsächlich bedeutende Bruchtheil von über
170 OO.-NN. slavischer Grundform gegenüber, also weit mehr
als ein Viertel, beinahe ein Drittel der vollen Summe.
Diese Ausführungen mögen genügen, um die Verbreitung
der slovenischen Nation während der ersten mittel-
alterlichen Epoche, seit dem Ausgange der grossen Völker-
wanderung in unserer obern Steiermark bis in den
änssersten Nordsaum nachzuweisen, und die slavische Grund-
- 46 -
fonn einer grossen Zahl deutscher Ortsbenennungen ans Licht
zu stellen.
Die alten Urkunden unterstützen uns hiebei in doppelter
Weise. Zunächst, aber nur selten — und wir nehmen die
bezüglichen Belege im weiteren topographischen Umfange —
findet sich der ältere slovenische Name deutsch übersetzt
oder von einem ganz verschiedenen deutschen Namen verdrängt.
So heisst es z. B. in einer Urkunde vom Jahre 879 : „Nidrinhof
(bei Leibnitz), was slo venisch: Uduleniduor genannt wird''; in
einer Urkunde von 1025 findet sich das slovenische „KobilinduP'
neben das deutsche „Merhental" (d. i. Mähren = Pferde-
Thal) gestellt.
Urkundlich wissen wir auch, dass „Rotenmanu'^ die
Benennung des Ortes wurde, welcher ursprünglich Cirminah
(offenbar fehlerhaft statt: Cirwina, Cerwena, slov. roth) hiess.
Das rothe Männchen im Ortswappen bezieht sich auf den
jüngeren Ortsnamen, der den ursprünglichen, slovenischen,
verdeutschte. Aehnlich stellt e. Urk. v. 1257 „Hannenstadt''
neben „Petelina dolina'* b. Hörberg. In der R e g e 1 findet aber,
wie an den vielen beigebrachten Beispielen erkennbar ist,
blos eine Umformung des slovenischen Orts-
namens statt und in den meisten Fällen ist diese an dem
charakteristischen Ausgange — itz, auch — enz, slav. ica, ice
ersichtlich. Oder es wird das slavische Grundwort mit
einem deutschen, z. B Ach (Ache), Thal, Berg, Leiten,
Graben, Wald u. s. w. zusammengesetzt (DöUach, Pötschach
— Liesingthal — Pleschberg — Dobraleiten — Feistritz-,
Graschitzgraben — Pusterwald u. a.) ; an das Erstere die Aus-
gangssylbe ing (z. B. Liesing, Ingering) gefügt, die slov.
Ausgangssylbe ussa, ossa in oes verwandelt (Göss, Tragöss,
Traföss) u. s. w.
Wir müssen jedoch zur Klarstellung der geschichtlichen
Ansiedlungsverhältnisse, d^ historischen Schichtung des Volks-
thums einen vergleichenden Blick auf die norische (kelto-
romanische), slavische und deutsche Epoche zurückwerfen und
daraus allgemeine Folgerungen zu gewinnen suchen.
— 47 —
Wenn wir nämlich die antike Fundkarte der Steier-
mark ans nochmals vor Augen führen, so stimmt in vielen
St&cken die Vertheihmg der antiken oder kelto - römischen
Fundstätten mit der urkundlich feststellbaren Verbreitung des
siovenischen Volkes im mittelalterlichen Steiermark überein.
Das Mürzthal zeigt noch äusserst geringe Ansiedlung,
die Masse des Gebirgslandes zwischen dem Binnsaal der Mürz
und der Palten, ausgenommen Aflenz und Tragöss, erscheint
als grösstentheiis ödes Gebiet, ebenso der Bodenraum zwischen
derEnns und obern Mur, abgesehen von den zerstreuten,
am Strome selbst sich verdichtenden Ansiedlungen, Thalgelände
des genannten Flusslaufes. Dasselbe gilt auch von der weit-
läufigen Gegend, die wir als Viereck durch die Punkte Brück,
Murzzuschlag , andererseits nordöstlich: Birkfeld, Passail,
Dechantskirchen und Friedberg begrenzen können.
Im Mittellande begegnet uns ein solcher leerer Raum
zwischen den Thalläufen der Kainach, Lassnitz und der
kärntnisch-steiermärkischen Gebirgsgrenze.
Wir können dies noch etwas näher bestimmen und zwar
mit Rttcksicht auf die wichtigsten antiken Funde, dielnscriptiones
latinaB auf dem Boden des Oberlandes, unter gleichzeitiger
Betrachtung der topographischen Angaben auf Felicetti's Karte
and der obigen Zusammenstellung der Zahlenverh<nisse von
Orten slavischer Grundform.
Im Ennsthale, beziehungsweise untern Palten-
thale, sind solche Fundorte: Admont, Liezen (Styriate),
Wörschach, Rotenmann, Trögelwang. — Man sieht, dass der
römische Strassenweg das Ennsthal nur im östlichen Theile
durchschnitt, um die Verbindung über den Pyhrnpass gegen
Ovflabis (Ovilaba : Wels) und die Donaustrasse offen und sicher
zu halten, und dass der Römer an keine eigentliche Colonisation
des Ennsthalbodens dachte.
Letztere Thatsache zeigt sich überhaupt im ganzen
Oberlande, wo es nur auf die Anlage oder Erhaltung der
norischen StrassenzOge, Vicinalwege und Saumpfade im Interesse
des Verkehrs, des Bergbetriebes (dehn im „Innerbergischen"
— 48 —
bestanden uralte Bergwerke, die „Ferrifodince Bomanorum^^) und
der militärischen Zwecke ankam.
Im mittleren Murgebiete vom Grazer Felde abwärts und
ebenso im norisch - pannonischen Raabgelände scheinen die
römischen Ortsanlagen etwas dichter, wie sich aus den Fund-
stätten schliessen lässt und auch in der Natur der Sache
gelegen zeigt Man beachte beispielsweise nur die hohe stra-
tegische Bedeutung des . römischen Vorortes Flavium Sol-
vense (Leibnitz) und dessen weitgedehntes Stadtgebiet
Kehren wir zum Ennsthal zurück, das, als Gau be-
trachtet, so ziemlich mit den heutigen Bezirkshptm. Liezen und
Gröbming zusammenfällt Hier begegnen uns im 12. Jahrh. mehr
als 30 urkundlich verbürgte Orte. Dagegen erscheint der grosse
Raum zwischen Admont, St Gallen und dem Mürzthal als förmli-
ches Wald-, Jagd- und Weidegebiet, mit höchst vereinzelten An-
siedlungen. Das ganze Sabsagebiet zeigt sich grossentheils als
eine Wildniss, nicht viel anders als in der Römerzeit Hinwieder
gewahren wir im M ü r z t h a 1, dem der Römer fernblieb, ebenso
wie er den Semeringer-Pass als grossen Verkehrsweg
nicht benützt zu haben scheint, an ein Dutzend Ortsgemeinden.
Diesem Mürzthalgau gehört auch das Aflenzthal zu.
Der obere Murboden bietet antike Fundstätten um
Neumarkt (Noreja), Murau (Tarnasicum ?) und deren Nachbar-
schaft, zu Katsch, Trübendorf, S. Peter am Kammersberge,
S. Georgen, sodann im Gebiete von Knittelfeld und Judenburg ;
zu Kobenz, S. Margarethen, Gr.-Lobming, Fohnsdorf, Weiss-
kirchen und Eppenstein, — endhch zwischen Leoben und
Brück: zu Pischk, Dionysen, Donawiz und Traboch. — Wir
begreifen daher auch, dass dieser kelto-romanische Kulturboden
den Slaven und dann den Deutschen zu zahlreichen Nieder-
lassungen einlud, welche schon im zwölften Jahrhundert auf
eine stattliche Zahl veranschlagt werden können. Der eine der
beiden Gaue, in welche der obere Murboden gegUedert
erscheint, — der pagus Undrimatale („Ingering- Gau"), umfasste
das Gebiet des Ingeringbaches; den Judenburg-Knittelfelder
Landstrich an beiden Murufern und das Gebiet von Zeiring —
— 49 —
letzteres höchst wahrscheinlich — mit weit über dreissig
urtnmdlich bekannten Ortsgemeinden, während der Leoben-
thaler Gau oder die Le ebner Grafschaft (pag. s. comit.
Liupinatal a. Liubenetal) ostwärts bis über Brück hinab gegen
den Rötheistein (Rotinstein — der Grenzberg des obersteier.
Erzpriestersprengels oder Archidiakonates) und den Plankogel
ausgedehnt, nordwärts (mit dem ihm zugehöreuden Geiser-
walde) beim Triebenthal an das Paltenthalgebiet, als
Theil des Ennsthalgaues, stossend: über zwanzig Gemeinden,
daninter das grössere Gebiet Chroat, „Kraubat^* (irrigerweise
froher mit dem kärntnischen pagus Crovati verwechselt)
aufweist '
In dem Murthale vom Rötheistein (Mixnitz) bis Gösting,
voD wo der Hengistgau, mit Graz (Hengistburg ?) anhub,
md: Adriach (urk. auch Agriach), Schi. Alt-Pfannberg, Wald-
stein, Brenning, Semriach, Feistritz, Kl. Stübing, Rein und
Gradwein durch römische Inschriftenfunde gekennzeichnet Im
12. Jahrh. treten hier: Adriacli, Steindorf, Uebelbach, Semriach,
Peggau^ Friesach, Rein, Gradwein, Strassengel und Gösting in
den Vordergrund.
Nicht klein ist endlich die Zahl der antiken Fundstätten
im östlichen Raabgelände. Hier begegnen uns im
eigentlichen Raabthal von Norden südwärts : F 1 a d u i t z, Than-
hausen, Weiz, Radegund, Kumberg, Enzersdorf, S. Ruprecht,
Freiberg, Gleisdorf, Gleichendorf; im Feistritzthale ; Alten-
markt, Hainersdorf, Picheisdorf, S. Johann, Wagnerberg, Stuben-
l>erg, Dech, Rossegg, Rabendorf, Heilbrunn; im Safenthale:
Waltersdorf, Kaindorf, U.-Tiefenbach, Hartberg und P ö 1 1 au;
im Lafhitzthale : Grafendorf und Voran und endlich im
Pinkathale: Dechantskirchen und Friedberg. Zeigen
erstlich die im Drucke hervorgehobenen Orte die nördlichste
Grenze dieser Fundstätten, so zeigt sich anderseits in den
Urkunden des neunten, zehnten bis zwölften Jahrhunderts
diese Gegend als bevorzugtes deutsches Colonisationsgebiet,
mit zahlreichen Ortschaften, unter denen grossentheils jene,
die wir als antike Fundstätten aufzählten, bedeutsam hervor-
X^nk«iL do hist. Vcrafni f. Bkalerniark, XXVIl. Heft, 1879. 4
— 50 —
treten. Dagegen gab es yerhältnissmässig dünne Slaven-
ansiedlung im Raabgelände, was als bedeutsame Thatsache
erscheint Halten wir diese kurzen Erörterungen im Zusammen-
hange mit den früheren Angaben über die numerischen Ver-
hältnisse slavischer Ortsnamen des Oberlandes fest, so ergeben
sich zwanglos nachstehende allgemeine Schlüsse:
1. Die Summe der antiken Fundstätten des steiri-
sehen Oberlandes steht in einem unläugbaren Gleichmasse
zu den Slavenansiedlungen und der deutschen Oo-
lonisation des 9.— -12. Jahrhunderts; insofeme von dich-
teren AnSiedlungsgebieten die Bede ist
2. Dieses Verhältniss tritt auf dem oberen und mitt-
leren Murboden und im Raabgelände in (reltung.
3. Ueberall aber zeigt sich das Slaventhum entweder
nur in lockeren gruppenweisen Beständen oder in zerstreuten
Einzelniederlassungen, vorwiegend in breiten Thalungen oder
an der Ausmündung der Thalgräben, — den Hochgräben und
dem Bergwalde fernbleibend.
4. Das Mürzthal und seine Nachbarschaft, noch mehr
das breite Gebirgs- und Waldgelände zwischen Enns und Mur
an der Wasserscheide beider und vor Allem dasSalzagebiet
erscheinen als grossentheils unberührt von römischer Kultur-
thätigkeit, als späterer Colonisationsboden der slavischen und
deutschen Ansiedlungsepoche. Gleiches gilt vom Ennsthal
in seinem Haupttheile, doch erscheint dasselbe zufolge seines
Zusammenhanges mit dem Traungaue Ober - Oesterreichs
und mit demSalzburger Hochstiftslande verhältniss-
massig rascher als deutscher Ansiedlungsboden mit slavischer
Grundlage entwickelt
5. Jedenfalls waren bei diesem landschaftlichen Gepräge und
dem oben erörterten Zahlenverhältniss zwischen den Ortsnamen
slavischer Wurzel und der Masse heutiger Ortsnamen im
Ganzen, gering gerechnet, zwei Dritttheile des jetzt
bewohnten Oberlandes erster oder neuer Ansiedlung
und Urbarmachung gewärtig.
G. Das obere Raabgebiet bildet eine scheinbare
— 51 —
Anomalie mit Rücksicht darauf, dass die antiken Fundstellen
offenbar auf dem wichtigen GrenzgemÄrke Norikums und Pan-
noniens dichter gesäet, derart gegen die slavischen Ortsgrün-
dungen überwiegen ; immerhin aber gewahren wir sie in Thal-
läofen von Flüssen slavischer Namensform, und das starke
Zurücktreten slavischer Ortsnamen gegen deutsche auf diesem
Boden erklärt sich einfach daraus, dass hier inmitten des
ilünn gesäeten Slaventhums verhältnissmassig früh der grösste
Grundbesitzer, nämlich die Salzburger Kirche, colonisi-
rend eingriff.
Bei diesen grossen Bodenmassen, die der im Oberlande
^ sich dünn gesäeten slavischen Bevölkerung so gut wie
ganz fremd blieben, gab es endlich Raum vollaufzurunmittel-
t^ar^n Colonisation durch das deutsche Volks-
element, — so zwar, dass sie jene Art von Ansiedlung
überwog, zu Folge deren der deutsche Ansiedler inmitten
bereits bestehender slavischer Ortschaften oder
in deren Nachbarschaft sesshaft wurde.
Die Urkunden des 10., 11., 12. Jahrhundertes lehren,
«^e viele Schenkungen an Grund und Boden deutschen Hoch-
stiften und Klöstern, Hochadeligen und Dienstmannen edler
Geburt durch die Karolinger und ihre Nachfolger, die deutschen
Könige, zu Gute kamen. Allgemach füllten sich auch die
Pngeren, früher unbewohnten Gebirgsthalungen mit Gehöften
und Ortschafben, in den gemischten, slavisch-deutschen Ge-
benden wurde die deutsche Nationalität die überwiegende,
herrschende, und assimilirte oder absorbirte allge-
inach die numerisch schwächere slavische Be-
völkerung, die eben keinen Nachschub erhielt, überdies
äich in ihrer sozialen Stellung, was die Grundunter-
^hänigkeit betriül, augenscheinlich minder berechtigt gedacht
'werden müss als der deutsche Ansiedler. Denn die slavische
Bevölkerung ward denn doch immer mehr einer fremden, der
«lentschen Herrschaft unterthänig, unter verschiedene geistliche
^nd weltliche Herren — sammt den von ihr behausten Boden-
gründen — vertheilt, während die deutsche Bevölkerung mit
4*
— 52 —
diesen Grundherrschaften ins Land kam oder dahin unter
günstigeren Verhältnissen verpflanzt wurde; jedenfalls also
bestimmte Colonistenrechte genoss. ^)
Wenn man auch annehmen wollte, dass ein Theil dieser
oberländischen Slavenbevölkerung auswanderte, etwa nach
Untersteier, was vielleicht als Argument für die Verdichtung
der unterländischen Anwohnerschaft verwerthet werden könnte,
so wäre eine solche Annahme theils problematisch, theils nur
in sehr beschränktem Sinne statthaft, da, abgesehen von der
Geräumigkeit des ohnehin dünn bevölkerten Ansiedlungsbodens
im Oberlande — der slavische Bauer fest an seiner Scholle
klebte und nirgendwo ein besseres Loos der Grundunterthänig-
keit gefunden haben würde. — Ergermanisirte sich im
Grossen und Ganzen. Dies konnte um so durchgreifender und
nachhaltiger vor sich gehen, je aUmäUger es eintrat, je länger
wir Slavisches und Deutsches im gesellschaftlichen Leben, in
Ilechtsbrauch und Sitte aneinandergrenzend gewahren.
So finden wir z. B. urkundlich noch um 1070 slavische Hüben
oder Ackermaasse in der Gegend von Leoben angeführt;
zahlreiche Hörige mit slavischen Namen neben deutschen
erscheinen um 1030 in der Gegend des obersteierischen Ortes
Lint, um dieselbe Zeit bei Scheifling, einzelne o. 1042
in der Gegend von Graz u. s. w., — und so wie jene Zeit
slavisches und bairisches Ackermaass ausdrücklich
scheidet, bairischenRechtsbrauch speziell hervorhebt ' ),
*) Einen beachtenswerthen Beitrag zur qaeUenmässigen Geschichte der
grundherrschaftlichen und Grundunterthänigkeitsverhältnisse lieferte
L.-Arch. Prof. v. Zahn i. s. Abh. „Die Freising. Güter i. d. Steier-
mark«* (Mitth. d. h. V. f. St. 11. Bd. 1861). Die von Prof. Dr. F.
Bisch off vorbereitete Weist hümersammlung wird hiefßr
eine massgebende Grundlage liefern.
^) So finden wir in der um 1030 ausgestellten Urkunde des B. Egilbert
V. Freising, worin er mit dem adeligen Herrn Sighart Güter
und Hörige zu Lint gegen andere zu Scheifling austauscht, folgendo
Namen von bischöflichen Hörigen oder Figenleuten : Ratigoi*, Sitiuit*,
Adalprcht, Wola*, Sitilaz, Bratreza*, Dobroziza*, Gelen*, Wito-
brater*, Uraniza*, Brazuta*, Radoz*, Steizemo*, Dridodrago*, Egizi,
— 53 —
so zeigt sie auch deutsches und slavisches Wesen als gleich-
berechtigt wenn neben den deutschen hochadeligen Herren
und Frauen auch slavische Güterbesitzer, freier und
edler Abkunft genannt werden, so z. B. um 1148 die edle
Frau Dobronega, um 1188 Tridizlau mit seiner Gattin Slava,
die Stifter der Kirche zu Liesing, 1190 Mogoy von Gestnich
(Gösting) u. a. Ob Gaugraf Turdegowo im 1 0. Jahrhunderte
dem slav. Adel zugerechnet werden solle, ist eher zu bejahen
als zu verneinen, da die andere urk. Namensform Durgowes
noch mehr dafür spricht.
Das Gleiche spiegelt sich in dem Vorkommen der Orts-
namai slavischer Grundform, dicht nebeneinander in Gegenden
durchaus jetzt deutscher Bevölkerung.
Die deutsche Bevölkerung hat jedoch nicht blos
das Gebiet der Steiermark bis gegen den Draustrom durch
friedliche Waffen, mit der Macht der Arbeit und Cultur er-
obert, sie hat sich auch im Unterlande heimisch gemacht,
UBd vor Allem in den Städten, die in der Regel um Pfalzen
oder Herrschaftssitze der Markgrafenherzoge als Ansiedlungen von
Gewerbs- und Handelsleuten erwuchsen. M a r b u r g, d. i. March-
Sicca, Otloch, Dridogoi*, Imiza*, Sigipurach, Aza, Gohza, neben
denen des Adelsherren : Peraman, Zato*, Adelhalm, Scizniz*, Woluolt,
Pero, Dietrich, Trebeiza*, Ruoza*, Imala*, Mirlaz, Penno, Dobriza*,
Anza^, Dietta, Dieza, Dietrat, Rihpolt, Meiza*, Adalsuint, Radonga*,
Ecegoi* ; die mit Sternchen bezeichneten sind entschieden slavischer
Herkunft. — Die „Hörigen", welche K. Heinrich HL dem Mkgfh
Gotfrid mit 2 Hüben zu Gestnic (Gösting) b. Graz schenkt:
Wengei, Stano, Trevino und Obolom sind — vielleicht mit
Ausnahme des Erstgenannten — ebenso Slovenen.
nSlavische" Hube (mansus, huba, sclavonicus-a) erscheint z. B. 1065
b. Katsch (Catzis), in Peterdorf, 1070 in der ^ Grafschaft Leoben
(Liobane)", 1140 zu Stegersdorf (Stoigoistorf) und Mooskirchen
(Mosen) im Kainachthaie, bei «Edilingen** im Liesingthale,
b. Traboch, 1160 zu Trausdörf (Trasmestorf) b. Graz, 1172 zu
Krotendorf b. S. Florian a. d. Lasnitz, u. a. m. Die nach b airi-
schem Rechtsbrauche beim Ohrläppchen herangezogenen
Zeugen (testes per aures attracti, testes auriculares) sind eine häufige
urkundliche Erscheinung.
— 54 —
Markburg, die „Burg der Mark" als „Stadt* seit dem Schlüsse
des 12. Jahrh. in Urkunden auitauchend, als „Burg^^ bereits
1164 genannt und unzweifelhaft älteren Bestandes, — zeigt
durchaus deutsche Altbürgerschaft*). Gleiches findet sich bei
Cilli. Allerdings war das einst blühende norisch-römische
Celeja seit der Völkerwanderung verfallen und klein geworden ;
der Chronist des 14. Jahrhunderts, Johannes Abt von Viktring,
spricht von der antiken Trümmerwelt im Umkreise dieses
Ortes, desgleichen im 15. Jahrh. Enea Silvio als Kosmograph.
Immerhin haftete an Cilli eine unverwüstliche Bedeutung. Es
blieb der Vorort des Santhales; der untermärkische
Graf Günther von Hohenwart (tll49) schreibt sich „Graf
von Cilli", die Heunburger Grafen nahmen hier ihren Sitz,
und ein kräftiges Gemeinwesen bestand unter den Grafen
von Cilli, wenn auch CiHi erst um 1451 das Recht der
Ummauerung als geschlossene Stadt erhielt — Selbst in
Pettau (Bettove, Petow, Pettaw), das als civitas im 9. Jahrh.
wieder auftaucht und als „untere" und „obere" Stadt unter-
schieden wird, deren Dritttheil einem „Karantaner" (d. i. einem
slovenischen Adeligen) gehörte, wegen dessen Hochverrathes
jedoch der Salzburger Kirche verliehen ward, wie der aller-
dings gefälschte aber in einer echten Kaiserurkunde vom
7. März 97Ö inhalthch erneuerte Gabbrief erzählt, wurde der
Kern des Bürgerthums deutsch, wie Urkundennamen des 13.
Jahrhunderts bezeugen.
So entwickelte sich auch ziemlich rasch auf aiitiker, norisch-
römischer und slovenischer Grundlage im „Mittellande" zwischen
der oberen oder karantanischen und der „unteren* Mark —
der Ort Leib nitz (Libenica, Lipnizza, Libenlc, Libniz, Libe-
nizze, Libenz) als salzburgische Colonie, dort wo einst
Flavium Solvense (Seckau - Leibnitz) stand und später der
") Darüber handelt Prof. Rud. Reichel in der beachtenswerthen
Abhandlung im Marburger Gymn. Progr. v.J. 1867: „Die deutschen
Geschlechtsnamen mit besonderer Rücksicht auf Marburger !Na-
men. * Es wäre wünschenswerth, wenn wir eine Reihe solcher spradi-
und lokalgeschichtlicher Monographien besässen.
— 55 —
Doppelort (?) Ziub (1051: Ziuip) und Lipnizza 890—970,
je als „civitas" bezeichnet, erwachsen war. Er und das ganze
Leibnitzer Feld wurden im Laufe der nächsten Jahrzehende
deutscher Ansiedlungsgrund. — In gleicher Weise, d. i. auf
slavischer Grundlage müssen wir uns im ;, Oberlande'' Leoben
(TgLo.), den alten Pfalz ort des pfakbairisch-traungauischen
Grafengeschlechtes, erwachsen denken, welcher als „Stadt''
aiierdfflgs erst in der letzten Zeit der Traungauer, seit 1160,
urkundlich auftritt Es verhält sich damit offenbar ganz ähnlich
wie mit unserer Landeshauptstadt Graz — Graz'), deren
Name gleichfalls aus slavischer Wurzel entspross und zunächst
nur die „Burgstätte*' (Burgstadt, castrum) — schlechthin be-
deutet Als solche mochte sie, wie dies schon di'e eigen-
thümliche centrale Stellung des Schlossberges in der breiten
Thalebene nahe legt, in dem alten mittelsteierischen Hengst-
me (pagus^ comitatus Hengist, Heingist — vgl. das Hengist-
feldon am Schi, des 9. Jahrb., woselbst K. Arnulf mit Brazlawo,
dem befreundeten Slavenfürsten, eine Zusammenkunft hatte),
eine hervorragende Stellung behaupten, und so hat die scharf-
jjinnige Conjectur Felicetti's Vieles für sich, der die um 1053
von den Ungarn als Bundesgenossen des auüständischen Baiern-
herzogs Konrad besetzte Hengistburg in „Karantanien^^, —
dessen Bestandtheil unsere heutige Steiermark damals aus-
machte, — als unser Graz auffasst, wenngleich die urkundliche
Bezeichnung der Gegend Hengstberg bei Wildon (1126 ff.
Heingist, Hengiste, Henngest) — mit den Pfarren S. Mar-
') Es ist nicht unsere Anf^abe, die Namensschreibung Graz oder
Graz zu erörtern. Schreiner und Jeitteles handelten davon
des Breitern, jener in der Steierm. Ztschr. Yll. 2. 123 f.; dieser
in den Mittb. 20. H. S. 54 f.
Schon in den Urkk. v. 1128—1189 findet sich Gracz, Grace,
Graiz, Graze, Grsece, Grseci, Grece, Gracce, Graeze neben und
darcheinander. Für die Berechtigung der Schreibung „Graz" spricht
das auch in den anderweitigen — Graz (wie z. B. Grätz b. Troppau,
Königgrätz, MQnchengrätz in Böhmen u. s. w.) wirkende Umlaut-
gesetz, fOr „Graz" das massgebende Yolksidiom. se c= ä)
- 56 —
gareth^n und S. Lorenzen — für die Gegend des Wildoner
Berges zu sprechen scheint. Felicetti's schwerwiegende Gründe
jedoch, andererseits die natürliche Sachlage, der zu Folge aus
dem Vororte des Hengistgaues, aus der Hengist-Burg, Gradec
schlechthin von den anwohnenden Slovenen genannt, die schon
seit 1128 urkundlich genannte und bevorzugte Pfalz der
Traungauer, die Landeshauptstadt, als bairische Kolonie
deshalb auch („Pairisch-Grez" , Gredum bavaricum ^) , zum
Unterschiede von „Windisch-Graz" genannt), amFusse der „Burg"
erwuchs, kämpfen jenie Bedenken nieder. Ueberdies lässt sich
ganz gut begreifen, dass der Name „Hengistburg" zu einer Zeit
auftauchen und ganz verschwinden konnte, während sich die
allgemeinere, slavisch- deutsche Benennung erhielt
Halten wir ferner Umschau unter den übrigen Vororten,
wie sie uns z. B. als „herzogliche Aemter" (officia) in „der
ältesten und wichtigsten Statistik^^ des Landes, in dem landes-
fürstlichen Hubbuche oder im Rationarium Styriae v. J. 1267.
der dankenswerthen Arbeit des Thüringers Hei w ig, Schreibers
oder Notars bei dem damaligen Landeshauptmanne K. Ottokars.
B. Bruno von Olmütz, begegnen, — so sind es im Ober-
lande: Brück, eine Stadtgründung des genannten Königes
an der wichtigen Mündungsstelle (Muoriza-Kimundi) der Mürz
in die Mur ; das weit ältere Judenburg (Judinburch, Juden-
pure) schon 1074 urkundlich genannt und ein frühes Zeugniss
von der Ansiedlung jüdischer Geschäftsleute als markgräfiiche.
dann herzogliche Kammerknechte, wie „Judendorf* bei Graz
und Gratwein (c. 1 1 28 schon : uilla Judeorum, Judendorf) der
Ansitz israelitischer Händler, welche vornehmlich den Handel
ach Oberooteier mit den unterländischen Weinen besorgten,
sobald diese die sog. „Weinzettel"- Brücke bei Graz als Ver-
zollungsstation (Weinzettel soviel wie Wein-Bollete) passirten
(urk. erscheint auch ein Judendorf bei Predlitz c. 1075, bei
Leoben? 1230, und bei Judenburg selbst c 1208); ferner
") So schreibt der Italicner Aeneas Sylvius im 15. Jahrb. zum Beweise,
dass wirklich Grez neben Graz als Lautform bestand.
— 57 —
Neumarkt, neben dem weit älteren Grazlupp (Grabsdorf),
eine jüngere Gründung, erst seit der letzten Babenberger-
Epoche um 1 240 genannt ; A u s s e e s. o. und das uralte A d-
moDt, dessen Name nicht von dem lateinischen: Ad montes,
.,Mi den Bergen", abgeleitet werden darf, sondern wie die
älteste urk. Schreibung aus d. JJ. 859—1187: Ademundis,
Ädamunta, Ademunt^ Admunt (vgl. das „Orment" im Munde der
Undbevölkerung) nahe legt, als „Mündung" des Aden-Baches
in die Enns gedeutet werden inuss, wie die Analogie mit:
Graanden, Gmünd, Lava- oder Lavant-gmünd u. s. w. lehrt.
Diesen Oertlichkeiten haben wir noch das alte Z e i r i n g
(s. 0.), urk. s. 1139 genannt, das noch früher auftauchende
Rotenmann = Cirwina (s. o.) — s. 927, 1048 und Knittel-
feld beizugesellen, ' das, weit jünger, urk. s. 1224 als „Chutel
— Cuttel — Chnutl — Chuettel - Felde" geschrieben, seine
reindeutsche Gründung sattsam verräth. Mürzzuschlag
<MUerzzuoslag) tritt erst s. 1235 urkundlich auf.
Im Mittellande als zum Murgebiete gehörig: Voits-
berg (Voitesperch, voit: Vogt), bei dem älteren Piber, als
sßurg" s. 1183, als „S. Margarethenkirche von Piber" be-
reits s. 1103 angeführt, das eine sehr haltlose Combination
gar mit Wogastisburg, dem Schlachtplatze zwischen dem
semonischen Slavenbunde und dem merowingischen Franken-
heere nach 622 in Verbindung setzen wollte, und Wildon
IS. 1147 Wildonie, Wildonia), auf dessen Namen wir noch
zurückkommen werden ; femer Radkersburg(1182 Rakers-
purch, Racherspurc, Radechspuch), dessen urkundliche Schrei-
bung in den Jahren 1211 — 1Ö69: Ratcoys-, Rategoys-, Ratigoys-
purch oder bürg auf den wahren Ursprung des Namens, die
Burg des Rategoy, Ratigoy, auf einen Slavennamen zurückführt
Dazu seien nochLeibnitz (s.o.), Fürstenfeld, eine
Gründung der Babenbergerzeit s. 1200 (1208 als Zollstätte
genannt) und Luttenberg, als Gegend 1174: Lutun werde
geschrieben Qnt oder liut und werder: Insel? mit Rücksicht
auf die Bodenstellung des Ortes) angeführt
— 58 —
Dem Raabgebiete gehören: Birkfeld (s. 1268 gen.)
und Feldbach (s. 1188? urk. gen.) an.
Die Vororte des Unterlandes, Marburg und Pettau,
welche in dem i,Rationarium^^ aufgeführt erscheinen, wurden
bereits behandelt, ebenso wie Cilli; noch seien Tiffer (als
„Tyuer" 1182 ein Name unklaren Ursprunges) und Sachsen-
feld (Sachsenuelde 1182) aus jenem Verzeichnisse angeführt
Man ersieht aus diesem Ueberblicke, wie sehr unter den
Vororten des Liandes die deutsche Namensbildung vor-*
herrscht und auf die deutsche Gründungsepoche zurückleitet
Anderseits darf uns der deutsche Name von Ortschaften
inmitten der zusammenhängenden Slavenbevölkerung des un-
teren Landes, wie z. B.: Schönstein, Weitenstein, Lands-
berg, Hochenegg, Lindegg, Drachenburg, Hörberg, Peilenstein,
Lemberg u. s. w. nicht beirren. Der Name rührt nämlich her
von den bezüglichen deutschen Herrschaftsbesitzern
und Schlossinhabem, welche durch Schenkungen, Kauf und
Tausch in rein windischen Landestheilen handsässig geworden,
Anlass nahmen, deutsche Namen ihren Burgsitzen und
den Ortschaften um dieselben zu geben.
IV.
Doch — wie müheselig auch so Manchem unsere
Wanderung erscheinen mag, noch sind wir nicht zu Ende;
noch stellen sich uns wichtige Fragen in den Weg, die wir
nicht umgehen dürfen. Der Boden dieser Fragen ist wieder
vorzugsweise das obere und mittlere Steierland.
Zunächst drängt es den Geschichtsfreund sowie den Lieb-
haber der Sprachforschung zu ergründen, wie geartet wohl
Ursprung, Bedeutung undAHer der deutschen Orts-
namen (beziehungsweise Gegend-, Berg-, Fluss- u. s. w.
Namen) des bezeichneten Gebietes seien?
Die Frage nach dem Ursprünge oder der Herkunft dieser
Namen ist bereits früher erörtert oder doch berührt worden;
wir brauchen also die gewonnenen Ergebnisse blos zusammen
zu fassen und zu ergänzen.
— 59 —
Wir begegnen erstlich höchst vereinzelten Benennungen,
die aus der keltisch - römischen Epoche in ihrer Grundform
sich erhielten ; — zweitens solchen, die nachweislich slavi-
schen Ursprunges sind und deutsch umgeformt wurden ; Namen
femer, welche, obschon deutsch auslautend, bezüglich der
Wurzel bisher eine sichere Deutung ihrer Herkunft nicht
erlebten und noch immer dem Scharfsinn der Keltologen,
Romanisten, Germanisten und Slavisten mehr
minder als artiger Rebus entgegentreten.
Wir haben oben eine bezügliche Aehrenlese unter den
Höhennamen des Oberlandes veranstaltet. Auch unter
den Ortsnamen gibt es solche offene Fragen, die der Kelto-
oder Rhätologe, der Germanist, Slavist und Romanist unter
das Messer seiner Forschung nehmen möge. Hier seien nur
beispielsweise angeführt:
Adriach in Oberst b. Frohnleiten (urk. 1066 ff. Agriah,
Ägrich, Adriach, Adria). Vgl. Adriach in Kä. Afram b. Wildon
{1147 ff. Averam,' Auram, Aueramsteten; ist wohl ein
Eigenname?). Andritz b. Graz (Enderz, Endrilz o. u. u. s.
1290 urk. aufl). Vgl Entriche — oder Enthristanne, urk. N.
iL Grebenzalpe b. Friesach. Vgl. aber auch d. untersteier.
Ändrenzen; slov. Eigenname? Floing und Floning — ?
slov. Wzl- : planina „Ausholzung, Rodung*'. Fo rmin in Unterst,
im Pettauer Gerichtsbez. ? Furrach in Oberst. Ennsthal. ?
sLbor: Fichten-Wald. Gralla b. Leibnitz (1170, 1190 urk.:
Graelaw, Grilow; slavisch oder slavisch umgeformt? Wurzel?).
Malleisten. (Vgl. Mallendorf [slov. Malna] in U.-St. Ger.-B.
S. Leonhard, Mallebam-in N.-Oe.) Wzl.? malena: Himbeere
etwa maleniStg : Himbeerenstätte ? oder von a 1 1 d e u t. „mal' :
Grenze und „leist": Weg, Spur. Mantrach b. Leutschach.?
Montpreis in Unterst, (urk. 1190: Munparis)? Mortantsch
s 0. Nug im Wildoner G.-Bez.? Passail s. o. Ramsau.
Sa Ha b. Köflach. Vgl. d. krain. Salla, slov. F. Zala; d. ungar.
Szala oder Zala-v&r, Zala-Egerszeg u. s. w. slav.? Sulb b.
Deotsch-Landsberg (1136: Sulba-, pa, pe), vgl. o. Grazlupp,
Grasulpa u. d- Flussn. Sulm (Sulpa). T o b i s Im Wildoner Bez ?
— 60 —
sl. Wzl. dob. Vgl. 0. den O.-N. Tober, die unterst Dobje.
Trafeng; wahrsch. slav. Wzl. drevo. Vgl. d. unterst Drevenik
u. 0. d. OO.-NN. Traboch u. Trofajach. Wildon. (Vgl Wüten:
Veldidena b. Innsbruck.)
Die Reihe liesse sich allerdings verlängern, doch wir
müssen es bei dieser hinreichend ausgiebigen Probe bewenden
lassen.
Den Schluss unserer Skizze haben jene Ortsnamen zu
bilden, welche vorzugsweise dem Ober- und Mittellande der
Steiermark eigenthümlich , die Hauptmasse bilden und als
echte Kinder der Mutter Germania, als deutschbürtigc
Ortsnamen uns entgegentreten.
Die Bedeutung der Ortsnamen, welche wir als d e u t s c h-
bürtig ansehen müssen, gliedert sich nach mannigfaltigen
Gesichtspunkten. Einmal sind es physische Verhältnisse, die
sich in der Localbenennung abspiegeln und an dem Boden
der Ansiedlung haften oder doch ursprünglich vorhanden waren.
So macht sich die Gestaltung des Bodens in den Namen
geltend, welche Berg, Bühel (Pichel), Alpe, Thal, Eben (z. B.
Sommer-Eben), Graben, Grube, Klausen, Winkel; Graden, Spitz,
Grschaid (Weggschaid), Krumpen, Leiten u. s. w. alleinständig
oder in Zusammensetzungen, z. B. Frohn-leiten, die schöne,
anmuthige Leiten oder Thalung (mhd. vröne), darbieten. Dahin
gehört auch z. B. Hangenberg, Gleichenberg, Himberg, Kind-
berg (urk. Chindenberc) d. i. hinter d. B. Vgl d. O.-N.
Hinterberg. — Oder spielt diese Rolle das belebende Ele-
ment der Landschaft, fliessendesWasser: Brunn (Quelle),
Bach, Ache erscheint im Namen ausgedrückt; noch häufiger
fällt der Eigenname des Baches und Flusses mit. dem
der Ortschaft zusammen. Man denke nur an die Mürzsteg,
Mürzzuschlag, Murau, Drauburg, Kainach (abgesehen von den
weit zahlreicheren Namen letzterer Art, die wie Feistritz, Lafnitz
u. s. w. slavischen Ursprunges sind, wie wir oben gewahrten).
Neben den Namen mit Wald, Hart, Haag, Forst, Feld,
Au, Wies u. s. w., die sich auf dieKulturbeschaffenheit
der Bodenfläche beziehen, finden sich auch solche, in denen
— 61 —
die klimatischen und atmosphärisclien Local-
verbftltnisse zum Ausdrucke gelangen, wie z. B. Sommer,
Winter, Kalt, Licht, Sonn, Schatt(en). So ist vielleicht Kall-
wang als Kalten wang (wang, wanc im Althochd. Bezirk, Nieder-
lassung) aufzufassen, wenngleich auch eine zweite urkundliche
Namensform: Cheichel. Chichel-wang für anderes („Kall-'^
keltisch?) zu sprechen scheint Femer spiegelt sich in den
Ortsnamen die besondere Bodenfarbe, die Anmuth oder Wild-
heit, also die P h y s i 0 g n 0 m i e der Gegend zur Zeit der Orts-
grOndung; wie die Zusammensetzung mit: grün, schwarz, roth,
schön, eben, wild, bösen — veranschaulichen. Namenbildungen
mit: Vorder, Hinter, Ober, Unter, Nieder, Hoch, Inner — beziehen
sich auf die L a g e der Ortschaften zu einander. Die Zusammen-
setzungen mit „Strass'' (Strasse) bei Orten an uralten Ver-
kehrswegen oder mit: Fürth, Steg, Brück (Biilcke) sind
ebenso selbstredend, wie anderseits die Benennungen: Oed,
Einöd (Str assgang, Strassengel, urk. Strazinolun,
Strazindel — wahrsch. Strass-zengelin (mhd. demin. v. zange),
die „Zange'' der Strasse, wo letztere einen engen Bug be-
sehreibt) Die Ortsnamen knüpfen sich auch an die Gesteins-,
Pflanzen und namentlich an die Thi erweit Die Metall-
schätze des Bodens, Wald- und Obstbäume, Gesträuche,
Blumen, Wald- und Hausthiere treten in ihnen zu Tage.
Beispiele liefert jedes Ortslexikon der Steiermark.
Man denke nur an die Ortsnamen Bircha (Birke) und die
bezüglichen Zusammensetzungen, an die : Buche, Eiche, Lerche,
Hasel, Kirsche, Bhue u. s. w. in ihrer namenbildenden Rolle,
an die Compositionen mit: Hirsch, Hase, Kuh, Geis, Gemse,
Eber, Fuchs, Geier, Rabe, Falke, Taube u. s w. Fisch, Krebs
(„Krois^' im Idiom : Kroisbach u. s. w.), an P f 1 i n d s b e r g (v. d.
altd. vlins: Kiesel, Fels) bei Aussee, an Erzberg bei Passail,
Bleiberg bei Alt-Irdning, Eisenerz, Eisenberg bei Hausmann-
stätten, Eiseneck in der Schladnitz (Göss), Silberberg (Gegend
bei Gradwein), Silbergraben bei Trofaiach, Goldsberg bei Kapfen-
berg, die Goldtratten bei Maria-Zeil, wobei aber immerhin es
zweifelhaft bleibt, ob nicht das „Gold" eine Umformung des
— 62 —
slov. goly: kahl, sei u. s. w. Hieher gehören auch die O.-N.
mit dem Grdw. bla, plä (blähen, blalien) z. B. Piaberg, Piahüten
u. A., welches letztere Eisen- oder Erzschmelze oder -Röste
bedeutet
Gerade aber die Musterung der T hier n amen in un-
seren heimischen Ortsbenennungen liefert sehr bedeutsame
Anhaltspunkte für die Oertlichkeiten oder den lokalen Charakter
der historischen Fauna, und zwar vor allem in Bezug
jener Thiere, welche gegenwärtig hierzulande als gegendweise
ausgerottet oder im ganzen Lande bereits ausgestorben zu
gelten haben. Schon der Gegendname Sausal,* der heute
eines der schönsten Rebengelände des mittelsteirischen Gebietes
trägt, fesselt unsere Aufmerksamkeit, denn die Urkunden des
10. und 11. Jahrhunderts bezeugen, dass damals diese Gegend
— - in der alten Form Süsil — in der That das war, was noch
der gegenwärtig bräuchliche Name bezeichnet, nämlich ein Jagd-
gebiet, ein Forst (nemus), in welchem das Wildschwein
neben dem Bären und Wolfe hauste.
Die Bärenthal, Bärendorf (Bemdorf), Bärenegg (Pemegg),
vgl. die benachbarte „Bärnschtttz^ beiMixnitz, Bärenau, Bernau,
Berngereith (Bemreith), bezeugen nicht in allen aber doch in
zaidreiehen Fällen die Zuständigkeit des Bären, jene ausge-
nommen, wo an den Personennamen Pero zu denken ist
(ein V. Z. mit Recht geltend gemachtes Bedenken), gleichwie
unter gleichem Vorbehalte die Wolfberg, Wolfdorf, Wolfgrub,
Wolfthal die seines länger ausdauernden Gesellen, des Wolfes.
Bei Auerbach muss man vorsichtig sein, denn wie nahe
es auch liegt, an den Ur, Auer zu denken ; man darf anderer-
seits nicht vergessen; dass das Auer in slavisch - deutschen
Landschaften auf das ältere slavische javor: Ahorn zurück-
fuhrt, wie die Formen Jauer, Jauerling (javor, javorina) neben
Auer, Auerling (s. N.-Oesterreich : Auerthal, Kärnten : Auerling,
Krain: Jauerburg, Jaurowic) beweisen.
Der gemüthliche, stilllebende aber kostbare Biber er-
scheint in den Ortsnamen Piber, Piberegg, Gradenpiber,
Hirschegg-Piber verewigt; während er auffällig genug — auch
— 63 —
nicht in der slavischen Namensform : bobr, de^man — keinem^
Ortsnamen der beiden anderen innerösterreichischen Länder
(wohl aber Nieder-Ocsterreich : Biberschlag, und insbesondere
Ober-Oesterreich : Biber, Piberbach und 3 Piberschlag) angehört
Um so leichter erklären wir uns das Aussterben des biederen
Castors, nach dessen Pelze und Geil man so eifng fahndete.
Immerhin war nicht blos im 15. Jahrhundert der Biber noch
hi uns heimisch, sondern ein Patent K. Karls VI. v. J. 1723
nennt unter dem Wilde, dessen Jagd verboten war, neben der
Fiischotter und dem Fasane auch noch den Biber. Doch muss
der Aermste wohl schon bald darauf verdorben und ver-
schollen sein.
Halten wir Rundschau unter den Vogelnameji, so
bietet sich uns ein komisches aber lehrreiches Exempel einer
der stärksten Yerballhomungen, die einem von Hause aus
i^lavischen Ortsnamen begegnen konnten ; und mahnt dies Bei-
spiel zu doppelter Vorsicht bei der Ortsnamenforschung- Be-
kanntlich gibt es im slovenischen Unterlande einen Ortsnamen
Kranichsfeld; wer würde da nicht an den Kranich denken?
Kranichsfelds slovenischer Name lautet jedoch R a 6 j e d. i. ra£je
polje, zu Deutsch Krebsen- oder mundartlich Kroisenfeld ; man
vergleiche es mit den zahlreichen steirischen und überhaupt
innerösterreichischen Kroisbach, Kroisendorf u. s. w. Wie kam
denn um alle Welt statt Kroisenfeld: Kranichsfeld zur Geltung?
^ranz einfach. — In einer alten Aufeeichnung wurde der
slavische Ort Raöje-pole als : campus „crois, cruis^^ bezeichnet.
£m Pfleger oder Amtmann, der sich besser auf sein haus-
backenes Latein als auf Urkundensprache verstand, las aus
dem campus „cruis^^ ein campus gruis also das Feld des
Kranichs (lat. grus, gruis) heraus und so prunkte fortan
ein ,9Kramch8feld'' unter den deutschen Ortsnamen der Steier-
mark.
Unwillkttrlich erinnert das an einen anderen analogen Fall
mit der Deutung des Gegendnamens K a i s e r a u bei Admont.
We alte urkundliche Form Chaiserowe bedeutet nichts an-
deres als Käserau, die Au der Stiftskäser oder Käs-
— 64 —
Schaffner; die spätere Zeit machte daraus eine Kaiser au
und zwar in dem Sinne, den wir mit dem Worte Kaiser ver-
binden. Dachte man doch bei dem harmlosen im slavischen
Idiome stammbürügen Af lenz an einen „Afien'^ (vgl. Affen-
berg, Affenthal; wahrsch. v. afia = aha d. i. Ache „Gewässer %
oder V. af (auf) dem Berg, af (auf) dem Thal) als Namensvater
und so Mancher will sich nicht mit der nächsüi^egenden Be-
deutung des Ortsnamens Judenburg zufrieden geben, son-
dern meint, es solle eigentlich Juden würg heissen, da man
daselbst seinerzeit die lästigen Juden „gewürgt^ hätte!
Nicht minder reich zeigt sich die Gruppe von Ortsbe-
nennungen, welche wir mit allgemeinem Schlagwort: social-
geschichtliche nennen möchten. Zunächst spiegelt sich
in ihnen, wie z. B. in den Namen mit Greit (d. i. Gereute,
Rodung), Gschwend, Brand, Acker, die primitiveCultur-
a r b e i t als Grundlage der Ansiedlung. Die : Siedel, Stift, Stätten,
Saz (Säz), Haus, Hof, Maier (Maierhof), Stadl, Stall, Dorf, Burg,
Markt, bezeichnen die Niederlassung nach ihrer ursprüng-
lichen Beschaffenheit und Form. Die:Schwaig, Jager-
berg, Gjaidhof (Jagdhof), Fischern, Mühldorf, Mülln u. s. w.
beziehen sich auf besondere wirthschaftliche und ge-
werbliche Bestände; die Mauthdorf, Mautern, Amtmanns-
doi*f, Hofamt, Kellerdorf ... auf grundherrschaftliche Ver-
hältnisse.
Die so zahlreichen Ortsbenennungen nach Schutzhei-
ligen oder Kirchenpatronen; man denke nnr an die
vielen Maria, Marein, S. Michael, S. Johann, S. Stephan,
S. Georgen, S. Peter, S. Lorenzen u. a w., erklären sich aus
der ursprünglichen Bedeutung der Kirchengründungen ; ebenso
wie die zahlreichen kirchen im Aus- und Anlaut der
Namen (Kirchfeld, Kirchberg, Feldkirchen, Mooskirchen . . .).
Der etwas beirrende Name Sinabelkirchen erklärt sich
leicht aus dem mhd sinewel oder sinwel, was rund, kugelrund
bedeutet, also die „runde Kirche" gab dem Orte den Namen.
Der gesellschaftliche Rang oder Stand des Be-
sitzers offenhält sich beispielsweise in : Bischofberg, Fischender f,
— 65 ~
Bischofedorf (Pischlsdorf s Abtsberg, Abtissendorf, Abtsthal bei
Mureck, Dechantskirchen, Pfarrsdorf, Pfaffendorf, Mönichwald,
io: BQi^erfeld, Herrenberg, Grafendorf, Fürstenfeld Doch
würde man sehr irren, wenn man z. £. Alpennamen Ober-
steiers, wie z. B. Königsreith, Königreich- Alm,
Königs- Au, Alpe, darauf zurückführen wollte. Ihnen liegen
entweder Eigen- oder Scherznamen zu Grunde.
Besonders willkommen, aber sehr vereinzelt sind Ortsnamen,
in welchen die Nationalität oder Stammbürtigkeit
der Ansiediung zu Tage tritt, wie z. B. in Windisch- Graz und
Bairisch-Graz (unser Graz), Windisch-Landsberg und Deutsch-
Landsberg, Frankenberg, Sachsenfeld, Schwaben (Hochschwab?),
Schwäbing scheint nicht hieher zu zählen, denn die urk.
Namensform Svebenich (Z.) dürfte auf die slav. Wurzel svibeni
(Haitriegel) zurückleiten.
Eine sehr häufige Namensbildung verewigt den Gründer
oder Besitzer der Ortschaft; ihre Wurzel ist also ein
Eigenname. Viele dieser Ortsnamen sind leicht zu deuten,
wie z. B. Matzlsdorf, Ottendorf, Dietersdorf; — in Petersdorf,
Wemersdorf, Meinhartsdorf liegt die Deutung auf der Hand;
nicht wenige jedoch sind auf den ersten Blick schwer erkennbar,
weil der Ueberfluss der altern deutschen Sprache an Kose-
formen (Verkleinerungen) und Abschleifungen der Eigennamen
den eigentlichen Namen oft räthselhaft versteckt.
Hier kann nur die urkundliche Namenschreibung des Mittel-
alters den richtigen Wink geben. Bei Algers dorf (Algerisdorf
1228), Arndorf in d. Laming b. Brück (c. 1066 ff. Arpindorf,
Arben-, Erm-Dorf), Arnfels (1212;, Ardning b. Admont (urk.
1074 ff. Arnich, Aernich, Arnieche), Bertelstein (Pertelstein),
Gründung Bertholds v. Emerberg (Z.); Enzersdorf b. Pels
(urk. 1170: Enzinesdorf), Gers dorf b. Gröbming (urk. c. 1144
Gerichesdorf) und Gers dorf b. Strass (urk. c. 1144: Geres-
thorp), Hauzenbichl b. Knittelfeld (urk. 1086 Huzinpuhli
1140 fl Hucenpuhelen . . . „Hauzen^^ die Koseform von Hugilo),
Heiners dorf b. Fürstenfeld (urk. 1140 ff. Heinrichesdorf,
sive: Nordenstat), Hennersdorf b. Marburg (urk. c. 1100
IGtthcil. d«i htot. Vereins f. Steiermark, XXVIJL Heft, 1879. 5
— 66 —
ff. Huonoldisdorf), Herb er stein (Herwigesstein), H erber s-
dorf b. Wasen (urk. 1139 f. Hartwigestorf, Herwigstorf),
Hetzendorf b. Judenburg (Hezindorf 1055)« Lasseisdorf
(urk. 1106 ff. Ladazlawistorf , Lazlaustorf) , Riegersburg
(urk. 1138— 1280 Ruotkerspurch, Ruotgeres-, Rutkers-, Rudi-
gers-purch, purg), Seibersdorf bei Leibnitz (urk. 1281 f.
Sibotsdorf, Seybotendorf), S i n g s dorf im Paltenthal (urk. 1 07 5,
1142 f. Sigenistorf, Siginsdorf, Sigenesdorf) u. A. — liegt der
Eigenname ziemlich nahe, obschon der Vergleich mit der äl-
teren urkundlichen Schreibung mitunter auch schon ziemliche
Abschleifungen des Namens in der gegenwärtigen Fassung zeigt
Die Kenntniss der deutschen Koseformen kann die Wurzel
der Ortsnamen nicht selten bioslegen ; so stecken ohne Frage
in Empersdorf, Enzersdorf, Ezzersdorf, Gerbers dorf,
Gillersdorf, Götteisberg, Habersdorf, Haders dorf,
Hitzendorf, Lanzendorf, Ludersdorf, Noppenberg.
0 e b larn, die Koseformen der altdeutschen Namen : Amperaht
(Erapert), Adalbert (Azzo), Andizo (Azzo, Ezzo), Garibald (Ger-
bert), Gislebert (Giller), Godefrid (Göttel), Hadubert (Habber,
Happer), Hademar (Hader), Heinrich, Heimrich oder Hildizo
(Heinz, Hinz, Hizzo), Landfiid oder Lantbert (Lanzo), Liudi-
hart (Ludher, Luder), Nodbert (Noppo), Otbald (Obel, Obil;
„Obilarn" = Obil-lären, der Sitz, die Stätte des Obil).
Ohne urkundlichen Fingerzeig würde man aber eine Reihe
anderer Ortsbeuennungen, von Personennamen gebildet, nicht
leicht in ihrer eigentlichen Wesenheit erkennen.
Bodendorf bei Murau, heisst z. B. 1152 urk. Babin-
oder Paben-Dorf, das Dorf des Babo oder Pabo;
Engelsdorf b. Graz urk. Engilboldesdorf, d. i. das
Dorf des Engelbold.
Eibisfeld b. Leibnitz ersch. urk. z. B. 1190 als Al-
boldisueld — als Feld des Albold.
Eibiswald, urk. Ybanswalde, zeigt sich als Wald des
Yban oder Iwan.
Fonsdorf, Fohnsdorf, Vohnsdorf, auf dem Murboden,
— 67 -
nrk. 1 1 74 : Fanestorf, Uanistorf geschr., zeigt den Eigennamen
Fanes, Uanis, wahrscheinlich d. sl. Ivan, also etwa „Ivanis-dorf*.
Kumberg im Baabgeb. heisst 1142 ff. Chuonberch,
Chunenberg, Chuniperge, der Berg des Chuno, Kuno.
Kunagrin im Ennsthal b. Haus findet sich urk. 1150,
1170 f. als Gundacheringen, Gondachringen, - und hat somit
den Eigennamen Gundaker als Inhalt.
Leitersdorf b. Horneck in der urk. Sehr. v. 1045:
Liutoldasdorf — verweist auf den Eigennamen: Liutold.
Nennersdorf, urk. 1196: Nentingesdorf, lässt als
Gründer oder Inhaber: Nenting erscheinen.
Metschendorf b. Judenburg heisst 1180, 1182:
Medwetstorf, Medwestorf, dem das slav. Medved: der Bftr,
wahrsdi. hier als Eigenname zu Grunde liegt.
Salchenberg im Ennsthal führt in der urk. Sehr. v.
J. 1110, 1120: Scalchinberge — auf das altd. Scale: Diener,
Knecht (Schalk) zurück, vielleicht als Eigennamen. Vgl. das
?erschollene „Parschalchesdorf' b. Premstetten, urk. 1126.
.Parschalk^S höriger, halbfreier Mann.)
Schmierenberg b. Amfels, urk. 1250 ff.: Smilenburch,
Sfflelenberch, Smelinburg geschr., leitet auf Smil, Smilo einen
sUt. besonders in Böhmen z. B. unter dem alten Adel ver-
irateten Eigennamen (mhd. smielen = lächeln kommt nicht
ifi Betracht).
Stangersdorf b. Leibnitz. 1138 ff. Stanegoistorf,
^tanigois-, Stanegers-dorf — verweist auf den slav. Eigennamen
Sunegoi-
Stögersdorf b. Mooskirchen hat sich, wie die urk.
Sehr. V. 1140 ff. Stoigoistorf zeigt, gleichfalls aus einem slav.
Eigennamen: Stoigoi — - gebildet.
Willersdorfb. Radegund, 1147 Wilhalmesdori, also
(üe Koseform von Willehalm, Wilhelm.
Wolferisdorf b. Pols zeigt in der urk. Sehr. v. 1030
i Uolfratesdorf und Wolfgersdorf den Eigennamen : Wolfrat,
Wotfger.
Wolfsdorf b. S. Georgen a. d. Stiefing, hat sich nach
5*
— 68 —
d. urk. Sehr. v. 1135 f. Uoluoldestorf aus dem Eigennamen
Wolvold gebildet.
Wolsdorf b. Preding heisst c. 1165: Walhestorf.
Wölmersdorf b. Pols bezieht sich nach Urk. v. 1074
£F. als Wilimaristorf, auf einen Wilimar.
V.
Wenn wir endlich nach diesen Erörterungen die Schluss-
frage über das Alter oder die zeitliche Abstufung
dieser deutschbürtigen oder deutschgeformten Ortsnamen an
uns richten, — so lässt sich beiläufig Folgendes feststellen.
Naturgemäss erscheinen jene Ortsnamen in erster Linie,
welche aus der römischen und slavischen Epoche
stammen. Unter den deutschbürtigen Ortsnamen zeigen
sich wieder relativ älter jene, die auf einen Eigennamen
zurückzuführen, als solche, deren Bedeutung mit der Boden- und
Gegendbeschaffenheit zusammenhängt; die auf den Gründer
oder Besitzer des Ortes zurückleiten, finden sich daher
urkundlich meist früher angeführt — Diese Erscheinung, deren
Regel allerdings auch zahlreiche Ausnahmen wider sich hat,
ist nicht sonderlich schwer zu deuten. Es erscheint begreiflich,
dass im Namen des Ortes der seines Besitzers oder Gründers
verewigt wurde. Da nämlich die deutsche Ansiedlung auf dem
Boden der Steiermark zunächst das Ergebniss massen-
hafter Schenkungen der Karolinger und ihrer
Nachfolger, der deutschen Könige und Kaiser,
war, und die so beschenkten Adeligen und Kirchen ihren
Besitz kolonisirten und weiter vergaben, so musste sich diese
Individuali sirung von Grund und Boden auch vorzugs-
weise in den Ortsnamen abspiegeln.
Versuchen wir es, die bunte Fülle der geistlichen
und weltlichen Besitzverhältnisse in der mass-
gebendsten Epoche, vom 10.-13. Jahrhunderte, aus dem
Gesichtspunkte der deutschen Guts- und Ansiedlungsverhältnisse
anzudeuten.
Von den auswärtigen Hochstiften fiel schon seit
— 69 —
dem 9. Jahrb. . der Löwenanttaeil kaiserlicher Schenkungen der
bairischen Hauptkirche, dem Erzb. Salzburg, zu. Seine
Besitzungen, wie dies die Urkk. seit 861, 890, 891, 977 flf. er-
weisen, waren im Enns-, Palten-, Liesing-, Murthal, im Pettauer
ond Leibnitzer Felde und im Hengestgau überhaupt, im Sulm-
nnd Lafhitzthal, an der Sottia und im ganzen Raabgelände zu
finden. Das in Innerösterreich überhaupt stark — besonders
in Krain — begüterte bairische Hochstift Freising zeigt
sich s. 1007 im Oberlande, auf dem Murboden: bei Eatsch, Lind
und S. Lambrecht, insbesondere in und um O.-Wölz und S.
Peter am Kamersberge mit grossem Grundbesitze bedacht
Das ostfränkisc^e Bisthum Bamberg war s. 1007, 1016
ff im Admont- und Paltenthale (wo b. Hall 1 1 80 eine bisch.
Saline bestand), um Rotenmann, begütert; das tirolische
Hochstift Brixen s. 1056 zu Oisnitz b. Preding, 1070 bei
Schwanberg (an der Sulm und Stulmegg, urk. Stulpnic),
106O zu Otemitz, im Sausal bei Kitzeck, besonders aber in
und um D.-Landsberg (urk. 1185: Lonsberch, Lonesberch!)
mit Besitzungen versehen. Das kärntnische Bisthum 6 u r k
hatte seit seiner Gründung (1073 — 5) einen Haupttheil der
grossen Friesach-Zelschacher Güter (Familie des slavischen Grafen
Wilhelm von Soune und der bairischen Hemma, wahrscheinlich
aos dem Hause der Seheyem) im Unterlande: in der Gegend
von Montpreis, Hörberg, Peilstein, Weitenstein, — und in Ober-
steier, so b. Zeiring und Admont, an sich gebracht
Die anderweitigen Einzelbesitzungen auswärtiger Klöster,
z.B. der bairischen Probstei Berchtesgaden im Enns-
thale (Haus) und zu Trahofen, der Abtei Rot bei Knittelfeld
und Kumberg, wollen wir ebenso nur kurz berühren als die
Gründung der Landesbisthümer Seckau (1218) und Lavant
(1 228). Selbstverständlich musste durch jene auswärtigen geist-
lichen Grossgrundbesitzer kein geringer Bruchtheil deutscher
Allsiedlung auf deren Gütern untergebracht werden, da
jedes Hochstift zunächst seine Pfleger, Wirthschaftsbeamten,
Schaffher und wohl auch eigene Arbeitskräfte auf den Boden
seiner Erwerbungen verpflanzte.
— 70 —
Dessgleicben darf die kolonisatorische Bedeutung der
Landesklöster nicht unterschätzt werden; einerseits in
Hinsicht der Stifter und noch mehr bezüglich der deutschen
Herkunft dieser geistlichen CoJonieen. Den Reigen eröffnen:
die Benedictiner Nonnen- Abtei Göss (1004), eine Stiftung der
bairischen Aribone; S. Lambrecht (1066 — llö3 gegr.), die
der Eppensteiner, welchem Benedictinerkloster das Brüder- und
Schwesterhaus in Admont 1074. die Schöpfung Erzb. Grebhards
V. Salzburg aus dem reichen Gute der h. Hemma v. Friesach-
Zelschach (s. o.), in Bezug des Güterbesitzes den Rang weit
ablief. Denn Admont, dessen erste Mönche aus dem schwäbi-
schen Mutterkloster S. Blasien im Schwarzwalde kamen, be-
sass, wie die Reste seiner Salbttcher s. 1087 lehren, im
Ennsthal, im^ steier.-salzb. Lungau, a. d. obern Mur, im mitt-
lem Murthal, am Grazer Felde, bei Strassgang und S. Martin,
im Sausal u. aa. 00. bedeutendes Gut.
Auch das Cisterzienkloster Renn, Rein (Runa), c 1128
vom Traungauer Mkgfn. Leopold d. St. aus dem Nachlasse
der Eppenstein-Reuner Grafen gestiftet — muss als bedeutend
an Grundbesitz gelten '*)• Ihm schlössen sich das Chorherren-
stift und Nonnenkloster zu W.-Fe istritz (1140), eine Grün-
dung Adelrams v. Waldeck, das Kl. Oberburg im Santhal
(11 40), das der Aglaier Patriarch Peregrin ins Leben rief, ferner
1151 — 1163 die Lieblingsstiftungen des vorletzten Traungauers
Mkgfn. Ottokar V.: die Karthause zu Seiz (sl. Zajec) und
das August. Chorh.-St. zu Voran (Vorowe), die Karthause
in Geirach („Geier-au"), und das Hospital im Cerewald
am Semering (1160), gleichfalls eine Gründung Ottokars V., als
die ältesten Landesklöster an. Auch in ihnen haben wir
ebensoviel deutsche Ansiedlungen zu gewahren.
Als weltliche Grossgrundbesitzer haben in erster Linie
jene hochadeligen Familien zu gelten, welche vermöge ihres
•) Es wäre za wünschen, dass wir für die Geschichte der Provenienz
der alten Ordensklöster, eine oft sehr verwickelte Sache, lauter
Werke besässen, wie Janauschek's Origines CistercienBes, eine
Arbeit von staunenswerthem Fleisse.
— 71 —
Allodial- und Lehensbesitzes, dessgleichen durch ihre ämtliche
Stellung als Grafen, Markgrafen, Herzoge — in den Vorder-
grund treten mussten und einen grossen dynastischen Besitz
grOndeten.
So erscheint um 860 Graf Witagowo im Ennsthale,
um 900 der bairische Pfalzgraf Hartwig im Grazer Felde,
um 931 Graf Alprih bei Obdach (die Eisenwerke bei Garaa-
oaron: Kammern), 938 Graf Rachwin als Grafschaftsinhaber
im Unterlande; Turdegowo, Turdogowi (Durgowes), der
allerdings zunächst an slavische Herkunft mahnt, — als Ver-
weser einer Grafschaft, in welcher Aflenz gelegen war.
Vor Allen aber ' entwickelte sich grosser dynastischer
Besitz im Schosse von vier Familien, deren letzte mit der
AnsbUdung der Steiermark zum geschlossenen Reichslande als
Xarkgrafechaft und Herzogthum zusammenhängt — Voran
stehen die Eppensteiner als Hauptbesitzer im MUrz und
Aflenz thal^ auf dem Murboden um Zeiring und Neumarkt»
im Gebiete von Rein, im Eainach- und Södingthal, als Mark-
grafen (Adalbero um 1000) und Herzoge von Karantanien
11012 bis 1035 und 1073—1122). Ihr Nebenbuhler war in den
Tagen Ädalberos von Eppenstein (f um 1038) die Dynastie
der Grafen von Soune-Friesach-Zelschach, von Wil-
helm I. dem „Slaven", Grafen im Santhale, und der bairischen
Gräfin Hemma von Scheiem (s. o.) begründet und bald in
deren Söhnen erloschen, welche die Tradition von den Erz-
knappen der Zeiringer Silbergruben erschlagen werden lässt.
Die Entsetzung Ädalberos von Eppenstein als Herzogs von
Karantanien von Amt und Würden durch seinen königlichen
Schwager Konrad H. (1035) kam auch der mächtigen Familie
der altbairischen Grafen von Wels-Lambach (i. O.-Oe.)
als (trafen der „karantanischen Mark" (Obersteier) zu Gute,
einer daselbst, femer im Ennsthale und Hengestgaue, z. B.
b Gösting (1042 Mkgf. Gotfried), reich begüterten Dynastie,
welche auch das ganze Gebiet von Hartberg und dem Wechsel
über den Semering hinaus bis W.-Neustadt, d. i. die sog.
Püttner Mark inne hatte. Das Aussterben der Wels*Lam-
— 72 —
bacher Grafen (1055) brachte ihre Verwandten, einen Seitenzweig
der bairischen Scheiern- Witteisbacher, verwandt mit den bairi-
schen Pfalzgrafen, den Aribonen, die sog. Traungauer oder
Grafen von Styraburg, St. Steier in O.-Oe. (s. 980 beil.), im
Oberlande altbegütert — empor. Denn ausser der reichen
Erbschaft im Traungaue, fiel nun auch die ^ obere Mark^ als
Reichslehen an sie. Der Beerbung der Eppensteiner (s.
1122) folgte die des Grafen Bernhard v. Sponheim, der
im Mittellande, so im Kainachgebiete, begütert war, 1149 die
Erwerbung der „untern Mark" von den Hohenwarl-An-
d e c h s, deren Vertreter Gf. Piligrim und dessen Sohn Günther
auch um Graz begütert erscheinen und 1158 endlich der
Anfall der Püttner Mark, welche 1055 -—1158 in den Händen
der bairischen Grafen aus dem Hause Neuenhurg-Form-
bach am Inn gelegen war Der grosse Allodialbesitz der
Traungauer Ottokare verbreitete sich im Ennsthal, auf dem
obem Murboden, um Leoben, Kraubat, im kämtnisch-steierm.
Grenzgebiete, im Liesing- und Palten-, im obem Mürzthal,
im Raabgebiete und zwischen der Mur und Drau.
Aber auch andere grosse Geschlechter des Reiches wurden
hierzulande begütert Schon der Name der untersteierischen
Märkte Peilstein und Hörberg mahnt an die mächtigen
Plain-Peilsteiner Grafen und deren Standesgenossen von Hörberg
oder Hörburg-TreflFen.
925 erscheint der edle Mann Reginhart mit ^seiner
Gattin Swanahild als Güterbesitzer im Mürzthale^ der Edle
G r a m a n als Grundherr bei Seckau ; 928 der Edle W e r i a n t
und dessen Eheweib Adalswinda als Grundherrn zu Haus im
Ennsthal, ein freieigener Mann S e 1 p r a t als solcher um In-
gering und Baumkirchen (Pouminunkirichun) ; 930 der Edle
Markwart ebendaselbst als Grundherr. 1025 schenkte K.
Konrad der „vornehmen Matrone Beatrix", Gattin seines
Schwagers Adalbero (v. Eppenstein), Güter um Aflenz. Die
Vollfreien Waltfrit und Eppo vertauschen 1050 Grund-
stücke in Kapellen bei Amfels gegen Zehendgut zu Kraubat,
Rein und von den „Weinbergen bei Hengist". 1055 verlor als
— 73 —
HochrerrÄther Graf Botho aus dem Geschlechte der b airi-
schen Pfalzgrafen seine Güter zu S. Martin bei Strass-
gang. 1118 war der Edle Pillung „ein Schwabe" (Suevug)
zu Ober-Haus und Prukham im Ennsthal begütert; desglei-
chen nach Urk. v. J. 1020 ein Grimolt zu Diemlem (Dome-
laren), der dies Gut dem Kl. Berchtesgaden schenkte. Gleiches
that der Edle Bernhard von Geppenheim mit seinem
Gate Trahofen (Drauhofen). Herr Adelram vonWaldeck
war nicht blos im Unterlande (s. o. Feistritzer Kl), sondern
auch l Urk. v. 1146 am Semering und bei Hartberg begütert.
Redeutend war auch der Besitz der Herren v. Machland
iOesterreich) , z. B. im Ennsthal (s. Urk. v. 1140). Hzg.
Heinrich v. Ravensburg besass Gut im Ennsthal, bei
Hau, Admont (Urk. v. 1145) imd Grf. Wolfrat (Urk.
T. 1166) im Gaiserwalde und in der Nachbarschaft (Chienai-
note: Kieneinöde); die mächtigen Grafen Heinrich und
Sighard von Schala (Burghausen) -machen 1179 eine
Sdienkung mit steirischem Gute bei Kaisdorf a. d. Kl. Reun;
W. Adalbert von Bogen erscheint bei Gurkfeld und 1188
Her wich der „Böhme", „Marschall des Steirerherzogs"
•Ot4)kar VI.) zu Velwinbach (wahrsch. Feldbach) begütert.
Stainz war durch längere Zeit ein Besitz der Weifen.
Diese Beispiele mögen genügen, um das bunte Mosaik
der Besitzverhälsnisse, aber auch zugleich die bedeutende Zahl
deutscher Grundbesitzer in der wesentlichen Epoche der
Deutschwerdung der Steiermark ermessen zu lassen.
Der Gegensatz slavischer und deutscher Ansiedlung wurde
in einzelnen Fällen durch das Beiwort „Deutsch oder Bairisch"
"nd „Windisch" bezeichnet, wie bereits erwähnt worden, doch
besitzen wir einen häufigeren und älteren Anhalts-
punkt, um die wichtigste, die altb airische Colonisa-
tion, ftir welche auch jene urkundlichen Angaben über Besitz-
verhältnisse das beste Zeugniss liefern, als die für Steiermark
so gut wie für Oesterreich, Kärnten, beziehungsweise Krain,
niassgebende zu erkennen. Es ist der Auslaut der Ortsnamen
^öf ing, für bairisches Stammwesen ebenso charakteristisch,
— 74 -
wie das verwandte i n g e n für alleinanisch - schwäbische
Vollcsart.
Er findet sich bei uns einerseits in Ortsnamen, die noch
mit der slavischen Epoche zusammenhängen und sicher
oder doch, wahrscheinlich eine slavische Wurzel enthalten,
andererseits in deutschbUrtigen Lokalbenennungen. Zur
erstem Art gehören beispielsweise : Dölling, Gleiming, Gö-
sting, Gröbming, Ingering, Irdning, Jauring, Jaring, Lassing,
Liesing, Lobming, Preding, Pribing, Schladming, Semering,
Sierling, Söding, Stübing, Zeiring Zetting, Zöbing, Zwaring
u. s. w. ; zur andern: Ardning, Dörfling, Ennsling, Essling,
Fehring, Feising, Feiting, Flöcking (Floing, Floning slav. ?), Flttssing,
Fölling, Fünfing, Gniebing, Hafing, Hofing, Hörbing, Kaibing,
Katzling, Klapping, Lebing, Moosing, Pichling, Prenning, (Ra-
ning slav. ?) Reifling, Reitting u. s. w. Natürlich muss auch die
Masse andersgeformter Ortsnamen deutscher Art zumeist für
ebenso gut bairisch angesehen werden.
Formen wie: Dörfla, Bergla sind nichts als Deminutiv-
formen, dem Volksmunde eigenthttmlich == Dörfel, Bergel u.
s. w. Wichtiger erscheinen die spärhchen Namensbildungen
auf —heim, die besonders im Fränkischen zu Hause sind,
doch auch im Bairischen und Schwäbischen versprengt vor-
kommen. In Steiermark begegnen uns in dieser Art: Kurz-
heim (12. Jhh. schon urk. gen., z. B. 1145 Gurzheiro; im
Volksmunde auch „Gusterheim'% Rechelheim, Schlatt-
heim oder Schlattham (Slatteheim, Sletten? c. 1110, flf.)
Thal heim (bei Judenburg, 1150 f. Talheim) im Oberlande.
Das untersteirische Sttssenheim (vgl. die „Süssen Thäler'' :
„dulces valles^S iin Sulmgebiete) erscheint als „Zu^em'S slovenisirt
Wir sind zu Ende. Das Studium der steiermärkischen
Ortsnamen ist keine gehaltleere Wortklauberei, —
es ist ein wichtiger Behelf der . richtigen Erkenntniss der
Vergangenheit unseres Landes. In den wechselnden Kreisen,
in der bunten Fülle der Ortsnamen spiegelt sich die historische
Völkerschichtung, ihr nationales Gepräge, die Ansiedlungsweise
- T5 —
iB ittren physischen und socialen Verhältnissen ab; ein Stück
Geschicbtsleben quillt aus diesen Namen.
Die Continuität der slovenischen Grundform
in so vielen Orts-, Gegend-, Fluss- und Bergnamen liefert
aber den besten Beweis, dass der deutsche Steiermärker
später einwanderte und dass sich seine Ansiedlung all-
mälig und ohne gewaltsame Vorgänge vollzog. Es
war kein blutiger Racenkampf, wie der einst in den- nörd-
lichen Elbe- und Oderlanden, welcher hierorts das slovenische
Vöikerelement einerseits im obem Lande verschwinden machte,
im untern kreuzte und schwächte, sondern — ähnlich wie in Kärnten
eine friedliche Massenansiedlung der Deutschen, vorzugsweise
des bairischen Stammes, inmitten und im Umkreise slovenischer
Orte und Gemeinden ; anderseits eine frische, ursprttng-
licheColonisation auf weitem, noch ganz ödem Wildniss-
grunde, der schier zwei Dritttheile des obern und weite Strecken
des untern Landes ausfüllte.
Mit reiner Hand, mit der unwiderstehlichsten Waffe, der
Cuiturarbeit, hat sich der Deutsche seine Heimat hierzulande
geschaffen und zu den alten CulturBtätten und Ansiedlungs-
räumen neue, friedliche Eroberungen der Civilisation im Kampfe
mit der Wildniss rastlos und unverdrossen gefügt.
Und noch Eines möge hier seineA Platz finden, um allen
Missverständnissen vorzubeugen. Der Verfasser ist nicht der
^^icht, dass das Keltenthum der Steiermark gleichzeitig
mit der Römerherrschaft vom Sturme der Zeiten weg-
gefegt ward, mit einem Male spurlos verschwand; denn das
Völkerleben folgt andern Gesetzen als das staatliche Dasein,
aber wenn schon in Folge der slavischen Invasion eine
starke Aufsaugung von Kelten und den gewiss örtlich ver-
einzelten Romanen stattfinden musste, so zwar, dass die
grössere Menge während der mehr als zweihundert Jahre un-
gestört bestehenden Slavenherrschaft imwindischenVolks-
thum aufging, von ihm assimilirt wurde, so konnte bei den
geringen Bestmengen fraglicher, nicht slavisirter, Keltenbevöl-
kerung eine völlige Absorption derselben innerhalb der
— 76 —
wachsenden deutschen als der ttbermftchtigen, bald auch die
Bergwildniss, die abgelegenen „Gräben^* des Oberlandes er-
obernden Nationalität — auf diesem Boden nicht lange ausblei-
ben. Wer könnte, wer würde die etwaigen örtlich reicheren
Tropfen Keltenblutes in den Adern des Steirers in Abrede
stellen wollen; aber für ihre regelrechte Spärlic^ik ei t, für
die massgebende Herrschaft des Deutschthums auf slavischen
Grundlagen legt nicht blos das steii^ische Idiom, sondern auch
der topographische Wortschatz Obersteiermarks sein
Gewicht ein, und das Keltische darf nur als schwacher Procent-
satz, als Ausnahme gelten, abgesehen von dem, was bereits vor
mehr als tausend Jahren einer gänzlichen Verflüchtigung oder
Assimilirung geweiht war.
Anhang.
1. Das Urkundenbnch des S. Pauler Bened.KI. in Kärnten (Fontes
rer. austr. 39 Bd. 1876). her. v. Kl. Archivar Seh roll liefert eine
Reihe beachtenswerther Analogieen und Belege fOr die richtige Auffassung
steierm. Ortsnamen.
Yanstorf b. Rabenstein (vgl. Fohnsdorf)-
Veustriz (vgl Feistritz).
Fresen, Vrezen (vgl. Fresen u. a.) Prezin „mons". Brezzecbu.
Pressek.
Gemz, Gsemtz, Gembs (vgl. Garns).
Gomelniz, Gomliz (vgl. Gamlitz).
Gorissendorf (vgl. Göriz, Gorizen u. s. w.).
Gr&dnich (vgl. die Bildgn. mit Graden).
Huntsdorf, Hunsdorf, Hundisdorf (vgl. Hundsdorf, Unzmarkt).
Libenz, Liubencz, Lubencz »rivus**, „in der Liebnitz". (Vgl. Leibnitz.)
Lint, Linde (vgl Lint).
Mochlik, Mohlik, Mohilich (vgl. Mochel, Mugel).
Plautzdorf (vgl. Plabutsch). ^
Platz „in dem" (vgl. Pletzenkogel).
Pusters (vgl. Pusterwald).
Rakkonich (jetzt Rain), Raklach, Rakkelach, Recolach (vgl. Ragnitz).
— 77 —
Radimlac, Radmilach, Redmil, —Bach, Radi, Radelach, Radilach,
R&dlach (vgl. Radmer und die Radi).
Ratcoyspurch -= Radkersbiirg.
Rlnitz, Rewntz, Revntz, Rftuz (jetzt Rainz) (vgl. Reun, Rein).
Sememik (vgl. Semering, Semriach).
Trestoniz, Tresteniz- (vgl. d. Fl.-N. Tröschnitz u. d. OO.-NN. i. u.
L Trestemitz).
Zaacby Zuchen-Fl. .vgl. Zauchen, ZuckdoU, Zugthal . . .).
Zelnitz, Celniz (vgl. Selsnitz i. o. n. Zellnitz i. u. L.).
2^eznitz (vgl. die Zez).
In Bezng des Bibers in Kärnten erwähnt Schroll S. 7, dass noch
1786 Otter und Biber an der Drau und Lavant gejagt wurden.
2. Nachträgliche Belege:
a) Zu den slavischbürtigen oder zweifelhaften OO.-NN. Gösting.
Wir traten o. C die Wurzel : gost, gvozd ein. Doch kann auch an das
Lehenswort gost, host = Gast (vgl. Hostin in Bö. Mä.) gedacht
werden. Ligist, urk. Lubgast, Liube, Leobgast „silva" Wzl. lub
und gost, gvozd. Vgl. Leoben, Grazlupp und Gösseuberg. ... Melling
bei Marburg, urk. Mugelnicb, Molnik. Meinich, Melnic, vgl. Mochel,
die Mugel. Rohitsch, urk. Rohas, Roats, Rohatsch, Wzl. roh, rog:
Hom, Ecke. Vgl. Rogawald.
(Sausal, das, urk. U. 10. Jhh. Susil, Susel, Sausul: dürfe die
alte Form auf sü: Sau und sül, sOl: Sumpf wasser zurückführen,
also „Sausftl" bedeuten. £ine slavische Wzl. ist unwahrscheinlich,
trotz des slavischen Grundcharakters der ganzen Gegend.
Da könnte höchstens an die Homonimität mit dem slavischen Volks-
namen der polabischen Siusler erinnert werden.) Strassengel. Wir
haben oben den deutschen Ursprung des Namens vertreten und
wollen nur noch beifügen, dass wir bei der Herleitung dem an gel
(mundartlich : engel) den Vorzug vor zengel (dem. W. Zange) — also
Strassangel, Strassengel : „Angel der Strasse" geben möchten. Wollte
man zufolge der urk. Schreibung Strazinola, Strazzinula (9. Jhh.) auf
slavischen Ursprung rathen, so könnte höchstens an den nicht seltenen
Gegendnamen Stracena u Straceny dfil (dol): verlorne, abseitige Ge-
gendy abgelegener Grund, g -dacht werden.
b) Zu den deutschbürtigen OO.-NN.: Gumpenstein im £nnB-
thale urk z. B. 1059 Gumprechtesteten, also: Gumprechtstätten. Ka-
pfenberg. Die gewöhnliche Herleitung dieses Ortsnamens, der der
nahen Burgruine seine Entstehung verdankt, nämlich: Eapf (kapfen:
schauen, gaffen) -den-berg „Gaffe, schaue, den Berg anl'* ist nicht
stichhältig Nahe liegt „Kapfe'' mhd. runder Berggipfel, Kuppe.
Krieglach scheint in der alten Form „Chrungilach*' (chrungil =
— 78 —
Grundl) geheissen zu haben. Lemberg i. IT -St. heissturk. Lewen-
berga; Lewenpurch; Lendorf bei Pettau, urk. Legindorf; Limberg
im Sulmthal, urk. Lindenberg. Lint stammt wohl von Linde. Vgl.
die vielen Lind, Linde in Kä. Madstein im Liesingthal O.-St
hei 88 1 urk. 1078: Meizzensteine =- Meisenstein. Niklasdorf bei
Leoben zeigt z. B. 1230 als „Michilindorf, Michelendorf' wesentlich
verschiedenen Ursprung. Singsdorf oder Sigersdorf im Paltentbal,
urk. Sigenistorf, Siginsdorf führt auf einen Eigennamen. Unz markt
ist jedenfalls gleichen Ursprunges mit Unzdorf bei Knittelfeld ,
nämlich ebensoviel als „Hnndsdorf'S „Hundsmarkt'', da die landes-
fürstlichen und grundherrschafblichen Bannforste auch Ansiedlungen
eigener Hundewärter erheischten. In der That erscheint auch Unzdorf
urk. im 12. Jhh. als „Hunts*'- und „Huntesdorf geschrieben. Als
Ortsgemeinde tritt Unzmarkt erst seit der zweiten Hälfte des 13. Jhh.,
um 1260, hervor. 'Vgl. das kärntn. Huntsdorf o.
üeber die letzte Ruhestätte des Christof
Bauber,
Administrators des Bisthüms Seckau und Gommendators
von Admont.
Von
P. J. W lehn er,
Zu den einflussreichsten Persönlichkeiten nicht bloss in den
niederösterreicbischen Landen, sondern auch in Deutschland, Ita-
lien und Ungarn zählte seiner Zeit Christof Bauber. Um 1470 in
Krain geboren, war er nach dem Familienbuche Sigmunds
von Herberstein ein Sprössling aus der Ehe des Niclas Rauber
mit Dorothea Lueger. Sein Bruder Leonhard war 1514—20
admontlscher Hofmeister zu Krems in Niederösterreich und
eine Schwester Margaretha war mit Friedrich Bräuner vermählt.
Von seinen Verwandten nennen wir nur noch den Oheim
Daniel von Gallenberg, 1514—51 Probst zu Admontbttchel, und
den Schwager Hans Wolf von Wezlisriedt, 1530 — 53 stiftischen
Hofmeister zu Krems. Christof machte seine Studien zu Padua,
wo er das Doctordiplom erhielt und wurde schon im jugend-
lichen Alter an den Wiener Hof gezogen. Kaum 1 8 Jahre alt,
wurde er 1488 zum Bischof von Laibach ernannt, da er aber
noch nicht Priester war, übernahm der Bischof von Pola,
Georg von Kirchberg die Administration jener Diözese. Am
17. Juli 1493 erfolgte die Priesterweihe Christof *8 und 1497
seine bischöfliche Consecration. Von nun an hatte er bis zu
seinem Tode Laibach's Infel und Stab in seinen kraftvollen
Händen.
— 80 —
1509 ward er zum C!oadjutor des Bischofs Mathias Scheit
von Seckau und zum Administrator dieses Bisthums ernannt
und blieb auch nach dem Ableben des Bischofs Mathias 1512
Administrator des Stuhles und Sprengeis Seckau*). Den
unwidersprechlichen Beweis für diese Behauptung geben uns
die mehr als 200 Urkunden des Admonter Archives, in welchen
sich Christof n i e Bischof von Seckau nennt. Sein Titel lautet
in denselben : Bischof zu Laibach, Administrator zu Seckau
und Commendator des Gotteshauses Admont
Christof erklomm die höchsten Stufen kirchlicher Würden
und weltlicher Macht und die Kaiser Max I., Karl V. und
Ferdinand I. verwendeten ihn zu den wichtigsten Missionen.
Er gieng 1504 als Botschafter nach Rom und 1518 als Ge-
sandter nach Polen, war einige Zeit mit dem Commando in
Triest betraut und fungirte 1511 als oberster Kriegscommissär
in Krain und Istrien. 1529—30 leitete er die Landeshaupt-
mannschaft in Krain und war zuletzt Statthalter der nieder-
österreichischen Lande. Ein im Oberburger Archiv befindliches
Actenstück ') registrirt eine Menge von Urkunden, Schriftstücken
und Briefen, welche sich auf seine politische Thätigkeit be-
ziehen. Wir gelangen dadurch zur Kenntniss, dass er in
Geschäften des Hofes nach Spanien, Neapel, zum Patriarchen
von Aquileja, nach Ungarn, nach Köln, zu den Landtagen in
Steier und Kärnten gesendet worden ist und den deutschen
Reichstagen beigewohnt hat
Ende Februar 1508 gelangte Christof zur Admonter
Prälatur. Nach kanonischem Rechte und kürchlicher Praxis
geschah sein Einzug daselbst nicht durch die rechte Pforte.
Die Wahlstreitigkeiten zu Admont, in deren Folge sich zwei
Aebte Michael Griessauer und Alexander von Kaindorf als
Rivalen gegenüberstanden und der Geist des Schisma auch
^) Vgl. Oroien „das Bisthum und die Diözese Lavant' II. 21. An-
merkung.
^ Durch Güte des Herrn Lavanter Domcapitularen Ignaz Oroien zur
Copirung erhalten.
— 81 —
das Capitel ergriffen hatte, boten dem Kaiser Max eine will-
kommene Handhabe, den um ihn und sein Haus wohlverdienten
Prälaten in die Abtei des h. Biasius einzudrängen. Es ist hier
nicht der Ort, Christofs Wirken als Commendatar-Abt von
Admont zu zeichnen % nur sei es auch erlaubt zu bemerken,
dass er auf Grundlage eingehender kritischer Quellenforschung
nicht in jenem trüben Lichte erscheint, mit welchem ihn
oberflächliche Chronisten und deren harmlose Nachbeter bisher
umgeben haben.
Ueber den Todestag des Bischofs machen sich zwei
Meinungen geltend. Ein „Catalogus episcoporum Seccoviensium^^
ans der Canonie Seckau, nach diesem Caesar „Staats- und
Kircbengeschichte. d. Hzth. Steiermark'', VII. 104, und der
alljährlich erscheinende „Geistlicher Personalstand des Bis-
thums Seckau^^ setzen den Sterbetag auf den 18. October 1536.
Far den 26. October sprechen in erster Linie die handschrift-
lichen Aebtereihen des Admonter Archives, dann Valvasor
^Ehre d. Hzth. Krain'^ L. 8. fol. 663, und Schmutz „Histor.
top. Lex. V. St." I. 15. Wir entscheiden uns für die letzte
Ansicht
Christof starb zu Wien. Nun drängt sich uns die Frage
auf: „Wo wurde sein Leichnam beigesetzt ? Im Dome zu Seckau
oder in jenem von Oberburg ? Darüber herrschte bisher auch
Meinungsverschiedenheit. Wir sind in der glücklichen Lage,
diese Frage endgiltig lösen zu können. Valvasor, Caesar,
Winklem, Schmutz und der Seckauer Diözesanschematismus
nennen Seckau, Caesar sogar die dortige Bischofscapelle. Nach
den von uns eingezogenen Nachrichten befindet sich zu Seckau
kein Epitaph des Bischofs Christof und hat sich auch dort
keine weitere Tradition über dessen allfälliges Begräbniss
daselbst und den näheren Ort der Sepultur erhalten.
Zahlreicher, älter und schwerwiegender sind die Stimmen,
welche sich für Oberburg aussprechen. Zu diesen gehören der
1 Ich rerweise diesbezüglich auf den seiner Zeit erscheinenden vierten
(letzten) Band meiner „Geschichte des Bened. Stiftes Admont".
Mltfbeil. 4«« hlit. Verein* f. 8t«lerni«rk, XX VII. lieft, 1870. (^
— 82 -
sogenannte „Liber I. manuscr. Admontensis (Ende des 1 6. Jhdts),
das „Chronicon Admontense" von Amand Pachler (17. Jhrhd.),
Wendtenthal „Austria sacra^^ V. 140, Marburger Taschenbuch
I. 154 und Oroi^en I. e. 16 und 21.
Oberburg gehörte zur Dotation der Laibacher Bischöfe
und war lange Zeit die Residenz derselben. Nun war Christof
wirklicher Bischof von Laibach und nur Administrator von
Seckau. Hier wäre schon ein Anhaltspunkt gegeben, seine
Gruft zu Oberburg zu suchen. Oberburg war aber auch sein
Lieblingsaufenthalt, sein Tuskulum, wo er den geräuschvollen
Pomp der Höfe vergessend in stiller Zurückgezogenheit neue
Kraft zum Schafifen suchte und fand. Das Admonter Archiv
birgt zahlreiche Briefe aus und nach Oberburg gerichtet Die
stiftischen Offizialen wurden häufig ad audiendum verbum
abbatiale dorthin berufen. Zu Oberburg verwahrte der Bischof-
Abt die wichtigsten Acten und Missive, seine Person betreffend.
Noch im Mai seines Todesjahres finden wir ihn daselbst. Also
nicht allein sein Amt als Laibacher Bischof, auch ein innerer
Zug des Herzens mussten in ihm den Wunsch rege machen,
zu Oberburg den letzten Schlaf zu schlafen.
Daher machte er auch Anstalten, noch bei Lebzeiten den
Ort künftiger Ruhe zu bestimmen und herzurichten. Ein
Visitationsprotokoll von 1631 sagt von der Oberburger Kirche:
„Ex parte epistolae capella s. Andreae. .in ipsa. . est sepul-
chrum episcopi secundi Rauberi ex marmore albo.'' Diese
Capelle, noch jetzt die Räuberische genannt, weiset sein
Epitaph mit der Inschrift: POSIT (um) A« CHRISTI 1527
DONEC IN GARNE VIDEAM SALVATOREM *). Christof
verband aber auch mit seiner Grabstätte eine fromme Fun-
dation. Denn in dem Index seiner einst zu Oberburg ver-
wahrten Schriften nennt er „Der khön. Mjst. Brief, darin sy
uns bewilligen, ein Stifft zu thuen zu unsern Grab zu
Obernburg".
Die bisher für Oberburg von uns gebrachten Gründe,
*) Oroien 1. c.
- 83 —
so plausibel selbe auch erseheinen, können erschüttert werden,
wenn man, was von Seite der Gegner auch versucht worden
ist, die Annahme in das Treffen führt, dass der Stein zu
Oberburg nur dem Ged&chtniss des Bischofs Rechnung
trage, dieser selbst aber zu Seckau begraben worden sei. Es
mangelt ja nicht an ähnlichen Fällen früherer und späterer
Zeit Vielleicht ist auch die Stiftung bei seinem (in Aussicht
genommenen) Grabe nur auf dem Papier geblieben und nicht zur
Ausführung gelangt, und wenn auch, konnte selbe nicht mit
dem Denkmal verbunden worden sein, ohne dass die wirkliche
Beerdigung zu Oberburg vor sich gegangen sei?
Solchen Einwänden, so berechtigt sie sein mögen, können
wir absolute Belege, ein historisches Factum entgegenhalten,
welche einmal für allemal Licht in die Sache bringen. Christof
starb am 26. October 1536 zu Wien. Seine Krankheit dürfte
längere Zeit gewährt haben. Den altbewährten Freunden, dem
Oheim Daniel von Gallenberg und Franz Kazianef, dem Nach-
folger auf dem Stuhle von Laibach, war es gegönnt, an das
Sterbelager zu eilen. Sein Testament') enthielt ohne Zweifel
Anordnungen über den Ort der Beisetzung,*) und wohl mag
auch der scheidende Bischof noch mündlich sein geliebtes
Oberbarg genannt haben. Am 2. November schreibt Gallenberg
von Himberg^) aus an Michael Valier'') : „Ich las euch wissen,
das wier mit mein Herrn saugen auff Obdach '') ziehen
und pin dieser Zeitt darzu veromet, mit jm auff Ober-
burg zu reiten." Ein am selben Tage von dem ueuge-
Wählten Admonter Abte Amand Huenerwolf an Gallenberg
gerichtetes Schreiben traf diesen (daher auch den Leichenzug)
zu Leoben. In Schotwien wurde Gallenberg von Sigmund
von „Hermlstain" (wohl Herberstein) zu Gast geladen. Zu
^) Ein Fragment in Abschrift im Stiftsarchiv.
•j Vollstrecker 3es letzten Willens war Niclas von Thum.
') Südöstlich von Wien.
') Domherr za Laibach und Schaffner zu Admont, Christofs Factotum.
•) hn Orig.-Brief war „Oberburg" geschrieben, aber durchgestrichen
und steht von gleicher Hand am Rande „ Obdach**.
6*
— 84 —
Brück w der Mur traf er mit dem Domdechant und meh-
reren Rätben von Salzburg zusammen und ritt mit denselben
bis Leoben. Von hier eilte er dem sich langsam bew^enden
Trauerzuge voraus, um zu Admontbachl bei Obdach, wo Gallen-
stein bekanntlich die Probstei inne hatte, die zum Empfange
der Leiche seines fürstlichen Herrn nöthigen Anstalten zu
leiten. Dem Sarge des Verblichenen folgten Franz Kazianer
und Gregor Zach zu Lobming und gewiss zahlreiche Geistliche
und Edelleute"). Am 4. November schreibt Gallenberg von
Obdach an den Abt Amand : „ . Herr Frantz Gantzianer will
mich nit ledig lassen, sonder vermaint, mit jme gar gen Ober-
wurg ze reiten, da hab ich mich bewilligt, durch W o 1 s p e r g
mit jm zu reiten.''
Erst am Samstag vor Leonhard (11. November) gelangten
die Ueberreste des Bischofs nach Admontbttchl ' '). Diese Ver-
zögerung erklärt sich nicht blos durch den Umstand, dass
solche solenne und daher schwerfällige Züge nur kleine Tag-
reisen machten und der Sarg vielleicht bei den einzelnen
Kirchen an der Strasse eingesegnet worden sei, sondern wir
dürfen mit ziemlicher Gewissheit annehmen, dass die Pforte
der Canonie Seckau, wo ja das Domcapitel der Diözese seinen
Sitz hatte, den Leichenzug aufgenommen und Probst Sebastian
Praegartner die feierlichen Exequien praesente corpore ge-
halten habe.
Hier hören unsere Quellen auf zu fliessen. Gewiss aber
ist es, dass Christofs Gebeine nicht zu Seckau verblieben,
sondern nach Oberburg gebracht worden sind. Unsere acten-
mässige Darstellung hat die Route Wien, Himberg, Schottwien.
Brück, Leoben, Admontbüchl und Wolfsberg nachgewiesen.
Der weitere Wej? musste über St. Andrä, Unterdrauburg,
Windischgraz, Prassberg nach Oberburg führen. Dass man
<^) In Christofs Gefolge erscheinen zu verschiedenen Zeiten als Dienst-
Gavaliere: Wilhelm von Trautmannsdorf, Adam von HoUeueck;
Christof Kazianor, ein Thum, Mosheim, Sigersdorf a. A.
'*) Notiz des Gallenberg in einer Probstrechnung.
— 85 —
aber die weitere Route durch Kärnten der kürzeren durch das
untere Murthal über Graz und Marburg vorgezogen hat, scheint
ans«^ Ansicht zu bekräftigen, nach welcher die Leiche des
Oberbirten am Sitze seines Metropolitancapitels, also zu Seckau
eingesegnet werden musste.
Wir erlauben uns zum Schlüsse noch einige Stiriaca aus
dem oben erwähnten Actenstücke des Oberburger Archives '
namhaft zu machen. Selbes führt die Aufschrift: „Obemburg
Registratur. Mecum gen Wien". „Kais. Mjstt. ol)risten Haubt-
mans BrieflF betreflfendt Jörgen Stainacher zu Gallenstein*-). ^
Instniccion, was wir von wegen khays. M. mit einer Landt-
schaift jn Steier hanndlen sollen.
Khays. M. Begem, das. wir den Zehendt, so Trientner
hat, dem Welczer lassen sollen.
Khays. M. Beuelch, das wir mit Graff Jörgen zu Schawn-
berg auff den Landtag jn Steir rewtten sollen.
Ain Fürdrung, das wir Herrn Hansen Stainacher bey der
Brobstey Zeyring lassen wellen*'). .
Khays. M. Begem, dem Hansen Tewffenbacher dy Brobstey
Obdach zu lassen.
Copey khays. M. BrieflF an den Verbeser in Steir be-
treflTend Jörgen Stainacher und das vns Sebaldt Pögl 12
Schlangen und 24 Hackhenpüchsen geben soll.
»
Unsers Brueders Jörg vom Thurn **) Brief, was wir zu
Schlamming verloren haben *').
'^ Georg Ton Steinach 1499 — 1525 Pfleger zu Gallensteio.
'*) JohanD von Steinach verwaltete zwischen 1505 und 1515 diese
Prohstei. Im letzteren Jahre verlieh Christof dieselbe dem Wilhelm
von Kaindorf, dem Bruder des Gegenabtes Alexander.
'^) Halbbruder des Bischofs.
'^) Der bekannte üeberfall zu Schladming 1525. Auch Daniel von
Galleoberg kam dabei zu Schaden.
Ein weiterer Beitrag
zur
Culturgeschichte des XVII. Jahrhunderts.
Von
Med. Dr. Johann Krautgasser.
Vorliegende Zeilen, geschöpft aus zwei Bänden Murecker
Rathsprotokollen von incl. 1663 bis incl. )667, mögen als
Fortsetzung des kleinen, im XIII. H. d. M. d. h. V. p. 153
enthaltenen Aufsatzes angesehen werden und stellen sich die
Aufgabe, das in den alten Aufzeichnungen zerstreute Materiale
fQr Beurtheilung des Culturgehaltes damaliger Zustände im
hiesigen bürgerlichen Leben überhaupt und seiner Gemeinde-
verfassung insbesondere übersichtlich zusammenzustellen, den
m
auch hier verspürten Wellenschlag grossartiger beängstigender
Kriegslagen anzudeuten und unter meinen Mitbürgern, die
Erinnerungen an unsere Vorfahren anzuregen und zu mehren.
Der Magistrat.
Der im letzten Wahlgange unter Einzelnabgabe der
Stimmen (T. IV, p. 304) „nach altem Herkomen" gewählte
Richter fungirt in unserem Zeitabschnitte, dem herrschaft-
lichen Decret T. III, p. 247. eigentlich entgegen, zwei auch
drei auf einander folgende Jahre unentgeltlich als „ordinary''
Richter, zum Unterschiede von dem Fall für Fall von ihm
ernannten „angesetzten" — auch — zum Unterschiede vom
„unparteiischen'S von einer höheren Instanz hier oder in Graz
bestellten. T. III, p. 181. Er legt wie „vor Uhralters her*'
— 87 —
gebräuchlich, in erster Sitzung sein Gelöbniss in den Schoss
des Rathsgremiums, er fordert entgegen von den Gliedern des-
selben mit Hinweis auf ihren geleisteten Eid, „ihme jederzeit
in begebenden FaD so viel möglichen Gehorsamb und Assistenz
zu leisten", T. IV, p. 2— 3, T. m, p. 1; er führt den Vorsitz
in den Yon ihm ausgeschriebenen Sitzungen, trägt die 6e-
schäftsstllcke vor, (proponirt) berufet in wichtigen Fällen die
Gesamtburgerschaft, auch wol die ganze Gmain auf's Bathaus.
Dagegen wird ihm die Ausfuhrung geMter Bathschläge
anbefohlen, er soll die „Mitl" aus den Ausständen herbei-
schaffen, T. IV, p. 459, dringende Auslagen im Nothfalle vor-
läufig aus Eigenem decken, so dass der Rechnung ^) legende
Richter Scargeth pro 1664 ein Guthaben von 380 fl. 5 ß aus-
mess, dem Bart Lorber d. Aeltem vom Magistrate den Rath-
haus- und Thurmbau zu bestreiten zugemuthet wurde , indess
Recbnnngsverstösse und incorrecte Ausgaben unnachsichtlich
blichen werden mussten, T. III, p. 164.
Dem wohlverdienten Richter B. Lorber d. Aeltem wurde
zn sagen in der Sitzung vorgeschlagen: „dass er sich in ge-
richtssache saumselig erzeigt, die gerichtlichen Ratschlag nicht
in Obacht nimt und nur sein aign Sach sich angelegen sein lasst,
auch jetzt alles gsind das zusamen hairathet in Herberge
nimt, den Tagwerkhem keine Sorg antut" etc. T. IV, p. 75.
Scargeth wurde als Amtsvorstand von einem Bürger vor einem
ad hoc angesetzten Richter förmlich angeklagt, ohne dass
dieser bei der Tagsatzung zu erscheinen wagte. T. III, p. 148.
Der Rathskö.rper mit dem Richter an der Spitze den
Magistrat darstellend, bestand ohne jenem aus 12 Assessoren,
auch Rathsfreunde genannt, aus denen alle zwei Jahre durch
die Führer zwei unter Belassung ihres Titels und Nachsendung
schöner Worte ausgeschieden und an deren statt vom Ma-
gistrate aus den Führern oder der Gemain zwei andere Per-
sonen in den Rath aufgenommen wurden.
') Richterrechnungen wurden durch ein Comit^ geprüft T. IV, p. 87.
— 88 —
Die Anitsdauer jedes Kinzelnen wurde Session genannt^
erledigte Sathsstellen waren allsobald (innerhalb 14 Tagen)
T. IV, p. 5 wieder zu besetzen.
In den Sitzungen herrschte Rangordnung nach Alter und
schon bekleideten Würden, gesetzwidrige Handlungen (niedemi
Grades) und verübte Scandale führten zur Suspension desi
schuldigen Rathsherren; nach Verbüssung seiner Strafe nahm
er seinen Sitz wieder ein. T. IV, p. 464.
Zu den in den Protokollen wiederholt gerügten Un-
tugenden der Rathsherm gehörte das Wegbleiben von Sitzungen,
in welchen heikle Angelegenheiten verhandelt wurden, bei der
Discussion von Dingen, die Freunde unangenehm berührten,
aufisustehen und die Fortsetzung der Berathung zweien oder
dreien zu überlassen, endlich das oft schwer verpönte Aus-
schwätzen, insbesondere von Seiten der Jungen.
Rathsherren, welche ob vermeintlich in der Curie erlittener
Unbill von den Sitzungen wegblieben, wurden aufgefordert
ihre Beleidiger im Rechtswege anzugehen, aber zu erscheinen,
T. IV, p. 42. Bezeichnend für die in unserem Zeitabschnitte
iungirenden Magistratsräthe ist es, dass sie sich nicht mehr
zu den Executionen bei den Landgerichten wollten gebrauchen
lassen und die Verrichtung dieses traurigen Geschäftes jedem
Einzelnen nach alphabetischer Ordnung anbefohlen werden
musste. Wie viele Stimmen zur Beschlussgiltigkeit erforderlich
waren, ist nicht zu ersehen.
Grossen Einfluss auf die Leitung der Communalangelegen-
heiten erlangte das Institut der Vierer oder Führer an der
Gmain, wahre Volkstribunen, welche mindest zu zweien jeder
Sitzung, sollten deren Beschlüsse Geltung haben, beiwohnen
mussten; sie hatten die Wahlen und numerische Int^rität
des Rathes zu überwachen, wenigstens einmal jährlich die
Wünsche und Beschwerden der Gesammtbürgerschaft , ge-
legentlich auch die Einzelner, T. IV, p. 8, vorzutragen, dem
Richter Ermahnung und Rüge zu ertheilen, ob eine bei einem
Rathschlage zu kurz gekommene Partei ihre Angelegenheit
— 89 —
gerichtlich weiter zu betreiben, zu „dingen" habe* zu ent-
scheiden, und Acht zu geben, ob ein Gewerbetreibender auch
wohl Bürger sei; sie wurden zu allen wichtigen, die Commune
lietreffenden Conferenzen auch im Schloss oben beigezogen,
lind ohne ihr Wissen und Gutheissen wagte der Magistrat
nicht zur Begleichung der dringendsten Ausgabe Geld aufzu-
nehmen. T. rV, p. 465. Dass dies Institut, welches gelegentlich
jeder Rathsstärkung von der ganzen Gmain entweder con-
lirrairt oder neu gewählt wurde, dem Magistrate oft unange-
nehm wurde, ist einzusehen und wird den Führern von diesem
in einem Falle der Vorwurf „des Difficultirens" (absichtlicher
Bereitung von Hindernissen). T. IV, p. 464, gemacht.
Vom Marktschreiber jener Tage erzählen seine
eigenen protokollarischen Aufschreibungen : dass er auf Com-
niando in Processangelegenheiten des Marktes zwischen Mureck
und Graz fleissig hin und her schob, selbstverständlich den
Sitzungen beizuwohnen und die beschlossenen Rathschläge
auszufertigen hatte. Er bezog Sportein und mitunter nicht
unansehnliche Schreibtaxen.
Die Sitzungen waren nicht öffentlich, sie wurden gewöhn-
lich im Gerichtshause, während des Baues auch in den Woh-
nungen der Magistratspersonen gehalten. Dazu wurde mitunter
rine ganze „Burgerschaft und Gmain" berufen, um über Polizei-
angelegenheiten zu berathen, Steuerherren zu ernennen, ferner
^ei Richterwahlen und Abhöning einer „Richterraitung", bei
^ ertheilung der Gemeindeämter zu Mittfasten, bei Herandrohen
ßß(!ewöhnlicher Gefahren, endlich um, ihre Führer an der
Spitze, ihre Beschwerden vorzutragen. Zuerst wurde da die
.Rolle" verlesen und der unentschuldigt Weggebliebene bestraft.
•ni Zeiträume von 5 Jahren vertheilen sich die 2 1 3 gehaltenen
Sitzungen mit 35 auf 1663, 36 auf 1664, 35 auf 1665, 56
aof 1666, 51 auf 1667.
Eine magistratliche Entscheidung führt in Rechtsangelegen-
iieiten den Namen „Decissio", sonst „Rathschlag" ; die be-
treffenden Urkunden wurden in der Kanzlei unter des
Magistrates grossem oder kleinem Insigel häufig gegen Taxe aus-
— 90 —
gefertigt, ActenstQcke, unter diesen „Spanzedl" und „Peteedl",
wurden in der Kammer deponirt. Es wiederholt sich die
Klage über verbrannte derlei Papiere.
Die Amtsthätigkeit unseres Magistrates umfasst:
A. Die Civil- und Strafrechtspflege;
er spricht von seiner Jurisdiction, von seinem GerichtstÄbe.
T. IV, p. 447.
Vormundschaftliche Angelegenheiten, Obervormundschaft-
liches Einschreiten, Verlässe, Schätzungen und Inventuren geben
den Sitzungen das dickste Materiale und wir finden in solchen
thätig: Curatores für abwesende Erben imd zur Prüfung
wichtigerer vormundschaftlicher Rechnungslegungen ; Curatores
ad lites, wenn an einen Pupillarverlass bestreitbare Forde-
rungen gestellt wurden; Bestellte, Rechtsconsulenten und
Advokaten, grösstentheils in Graz domicilirend, als Dr. Haller,
Dr. Wotko, Dr. Walluch, geschwomer Schrannenadvokat, Dr.
Heemerl in Marburg, Dr. Schrotter, Dr. Meegerle, die Herren
Erker Conrad, Fritz. Mit allen diesen Herren suchte der
Magistrat den Verkehr so wohlfeil als möglich zu machen. Ein
wohlberechtigtes Misstrauen in der Erkenntlichkeit des Magi-
strates wurde von einem der Rechtsfreunde ganz formel aus-
gesprochen, T. ly, p. 255, und am Ende wollte sich gar keiner
mehr brauchen lassen.
Der Vormund wird vom Gerichte bestellt und kann sich
dem Amte voll schwerer Verantwortlichkeit nicht entziehen.
T. IV, p. 350.
Gewöhnlich verlangten die Vormünder selbst Rechnung
legen zu dürfen; mitunter versäumte der Magistrat dies zu
fordern. Häufig bringen sie vor der Behörde ihre Klagen über
die Mündel vor.
Stirbt ein Vormund ohne gelegte Rechnung, so liegt den
Erben ob, dieselbe einem ad hoc ernannten Curator vorzulegen.
Eigenmächtiges Pactiren mit den Pupillen ohne „Begrüssung"'
des Gerichtes wird gerügt, T. IV, p. 7 1 ; ohne Wissen des
Magistrates an einen solchen verabfolgte Vorschüsse an Geld
— 91 —
werden bemängelt. T. IV, p. 245. Die eigene Mutter konnte
^Notgerhobm^* sein.
Die Folgen der FahrläBsigkeit in der Controle der „Ger-
hoben" trafen zuweilen die Obervormundschafts-Behörde selbst
recht nnangenehm.
Uebrigens hatte die Obervormundschafts-Behörde nebst
Vermögensverwaltung auch ftlr die Erziehung, Unterbringung
des Papillen behu& Erlernung eines Handwerkes und sofortigen
Betrieb desselben bei einem Meister zu sorgen, gieng gegen
leichtsinnige, arbeitscheue und ausschweifende Minorenne, sowie
deren Unterstandgeber mit Strenge vor, T. IV, p. 468, ver-
merkte es auch ttbel, wenn solche weiblichen Geschlechtes
(^ohne Begrassung des Gerichtes^') Verhältnisse unterhielten,
die zur Ehe führen zu wollen schienen. T. IV.
Mit an Verlässen Betheiligten musste durch Curatoren
oft in weite Entfernung hin, Wien, Nürnberg, Danzig, verkehrt
werden, der überlebende Ehetheil wird mitunter bei schwerer
Androhung verwarnt, einiges vom Verlasse zu verstecken oder
auswärts unterzubringen ; Stiefkinder werden gegen Rücksichts-
losigkeiten in Schutz genommen.
Alles, was im Lande Steier ausser den Immobilien „als
Vamuss angesehen,^^ Silbergeschmeide, Geld, aufgerichtete
Betten, Leinwand und was „in der Truchen'^ enthalten, bildet
als Theil des Verlasses Gegenstand der Inventur und
Schätzung. Ein Wunsch der Bürger spricht aus, ;,dass, wenn
hinftlro mehr Inventuren vorkhomben, jederzeit zwei Führer
darzu zu nemben". T. IV, p. 361.
Gerichtlich anhängig gemachte Schuldforderungen sind
häufig, imd wird dem Schuldner aufgetragen, innerhalb einer
Frist bei Vermeidung der Execution den Kläger zu befriedigen,
*.unclaghaft zu halten'^ oder so er solches nicht schuldig zu
sem vermeint, binnen — Tagen zur mündlichen Erkenntniss
peremtorie erscheinen zu wollen. Verinteressirt wurde mit
6 Procent. T. III. p. 264.
Gewaltsame oder eigenmächtige Pfändung ohne „Begrüs-
sung des Gerichtes" wurde bestraft. T. III, p. 261.
- 92 —
HÄuser Verschuldeter wurden ex off" verkauft und den
Expropriirten etwas Kleineres gekauft Bei Gelegenheit eines
solchen Häuserumkaufes lautet der bezügliche Leihkauf auf
„ein gebackenes Schweinenes" und 1 Thaler.
Auch Concurse über Verlässe wie über das Vermögen
Lebender kennt jene Zeit und werden allerorts die Gläubiger
durch Edicte aufgefordert, innerhalb einer bestimmten Frist
nach Einsichtnahme in das Inventarium mit Behelfen und
„Gerichtshelfern" zur Pribritäts - Disputation zu erscheinen.
Geübt wurde auch das Vergleichsverfahren. T. IV, p. 47.
Der Magistrat, nicht selten selbst Gläubiger, droht auf
die Häuser saumseliger Zahler „ZedP^ aufzukleben.
Beizulegen gab es Streitigkeiten der Innungen imd Innungs-
mitglieder, häufig hervorgegangen aus Rücksichtslosigkeit und
Gehässigkeit einzelner Genossen gegen einander und gegen
Andere, auch Uebergriffe der Zünfte aus willkürlicher und eng-
herziger Auslegung ihrer Privilegien.
Der untersagte Auskauf von Honig, der Verkauf von Heu
und Getreide werden nach Protokoll bestraft. T. IV. p. 362.
Das Ausstellen von Salz vor den Häusern nicht zu ge-
statten. T. IV, p. 332.
Winkeldepots von Waaren aufzuspüren und mit Beschlag
zu belegen. T. IV, p. 262.
Der Schneider Härnerl, in einen Kramladen dringend, be-
mächtigt sich eines Paares leinener Strümpfe, die, als nicht von
einem Schneider gemacht, unberechtigt auf dem Lager seien.
T. III, p. 150.
Der Frau Heemerlin entgegen wird wieder auf Betrieb des
Lebzelters die Wachsarbeit^ ausser für die Kirche und CJorpus-
christi-Bruderschaft .,weil umsonst", eingestellt. T. IV, p. 95.
Die Schneider wollen den Hausbesitzer Hakl nicht auf-
nehmen, weil er seine Schritte ohne Begrüssimg des Hand-
werkes gethan, auch weil vermöge Privilegium hier nicht mehr
als 6 Schneider sein dürfen. T. IV, p. 94.
Einer Witwe, die „aus dem Handwerk" heiratet, wird
die Ausübung desselben untersagt
— 93 —
Gegenseitige Auskäufe wurden laut Protokoll bestraft.
T. m, p, 156.
Der Schneider Lükner wird von einem herumziehenden
Arzt aus Hartberg beim Handwerk verklagt, dass selber bei
iliD) TeufelskQnste für sein krankes Kind verlangt habe und
wird dessbalb vom Handwerke ausgeschlossen. T. UI, pp. 61, 69.
Die Leinweber von hier werden als Corporation um
4 Rchst gestraft, weil sie einen ihrer Genossen und Mitbürger
auf des Herrn Sablutnik's, Verwalters von Strass, Begehreiv
wegen verübter Gewalt auslieferten. T. IV, p. 11.
Das strafrechtliche Verfahren
hatte laut der vorliegenden Protokolle zum Gegenstande:
a) Diebstahl, versucht von Dienstboten am Besitzthume
des Herrn.
b) Es klagt Bart. Lorber der Aeltere seinen Knecht und
dessen Theilnehmer der versuchten Enttragung von Wein und
anderen Sachen an, und wird vom Gerichte befragt, ob der
Beschuldigte „gütlich oder peinlich examinirl" werden solle, und
ob er die mit dem peinUchen Examen verbundenen Kosten
tragen wolle. T. III, p. 21.
c) Einen Ochsendiebstahl, verübt in H. Dreifaltigkeit,
entdeckt und angezeigt in Mureck, welcher zeigt, dass nach
QuaUfication des Schuldigen zur Malefizperson derselbe inner-
halb 3 Tagen an das^ Landgericht Obmureck abgegeben werden
Diusste. T. III, p. 21.
d) Einen Pferdediebstahl dürfte man anführen, weil
in einer Sitzung beschlossen wurde, im Schlosse anzufragen,
ob der geständige Dieb, ein heruntergekommener, hiesiger
ßücker, der nach dem Geständnisse schon 1 '/, Tage am Rath-
hause sitze und die AbUeferung hinauf gewärtige, nicht lieber
zur Ersparung von Unkosten und weil er ehedem Bürger ge-
wesen, einem „spanischen Werber' übergeben werden
möchte. T. IV, p. 109.
Injurien zu sühnen, ihre Folgen zu schlichten stand
— 96 —
3. Dec. 1663 anzukoramenden „starkhen" Gompagnie Reichs-
völker aufgetragen. T. III, p. 128.
T. III, p. 135. Rathschlag, „man möge den Herrn Com-
roisaryi bitten, weiln der Markt jetzt nach einander her mit
Völkher und zwei Stab belegt gewest, mit weiteren Einquar-
tirungen zu verschonen, wolle aber den ebn hier angekhombenen
Hauptman für seine Gompagnie'' den von ihm angesuchten
Rasttag gratis bewilligen.
T. IV, p. 28. Rathschlag, „weiln die Soldaten die hier
einquartirt werden sollen mit (wie man sagt) ainer üblen
Krankheit behaftet'S alles aufzubieten, um von ihnen verschont
zu bleiben.
T. IV, p. 256. „Was Comisaryi allda einquartirt, die
solln noch ihr Quartier habn, keinen andern nicht anzunemben,
und weiln vermög Kaiserl. Patent die Quartier zu verändern
kheinem OflScier nichts sondern denen Herren Comisarien ge-
burth, allso dem Korporalen diess zu sagen, und dass man
bishero wegen ihrem Pferdt die halt in guetem passirt, hin-
fliro aber nichts mer passiren will, sondern sie selbsten, weil Sye
ihr geldt darum habn, mit Pfert werden zu unterhalten wissen."
T. IV, p. 279. Soldaten liegen schon 7 Wochen an
einem Orte, wollen selbst weg, wäre ein leichtfertiges Mensch
von Obersteier nachgekommen, liege beim Corporalen im
Quartier, lasse sich nicht heben. Der Corporal weigere sich
ins Perkho'sche Haus zu übersidln, weil dort nur eine Stube,
und die Frau Kindbetterin geworden ; auch wegen der Pferde-
stellung. Propositio.
Am 25. JuU 1664 bekommt der Richter die Ankunft der
französischen Hilfsvölker mit dem gemeldet, dass die meiste
Zahl der Volontiers und Officiere hier im Markte unterzu-
bringen, und man sich mit Brod, Wein, Hafer, insbesondere
aber Fischen wohl zu versehen habe, „sonsten die Völker ser
übl hauseten'^
In das Unvermeidliche hiess sich's fügen, das Mögliche
musste geleistet werden ; allein man~ liest weiter :
Den 20. Juni 1664 bekommt der Richter in der Nach-
— 97 —
mittagssitzuDg einen Brief vom Herrn Obrist Jobann Scbmitt
Ton Hof „unvem Stradn, welcber begert, auf sein Regiment
Reiter welches beute alldort steben geblieben, noch beut
1000 fr Brot, 2 Startan Wein und etbche StQckb Yich hinaus-
zaschicken, widrigenfalls er 100 Reiter bereinkomandiren wolle''.
Solchen oft aus Notblagen entspringenden Uebergriffen
der Commandanten musste, wie auch laut Ratbscblag geschah,
verneinend, aber mit Klugheit entgegengetreten werden. Den
Fall, wo ein Marburger Proviantmeister den Murecker Bäckern
ihr erkauftes Getreide abnimmt, T. ÜI, p. 125, bei Seite ge-
lassen, scheinen diese aus dem Ausnahmszustande innerhalb
ihrer Mauern ziemlich heil davon gekommen zu sein. An
durch das Militär verübten Excessen finden wir mehrere ver-
zeichnet, z. B.:
T. IV, p. 107. Soldaten binden dem Hunde eines Bürgers
eine Blatter auf den Schweif, wodurch der Bürger öffentlich
zum Gespötte wird.
T. IV y p. 116. Der lange Corporal iqjurirt die Bürger
mit „Schehnb und Pembäuter^ dessgleichen thun die Soldaten,
die indess vom Freikorporalen dafür „priglt'^ werden, und
wurde eine Beschwerdeschrift an Herrn Hauptmann beschlossen,
weil die Soldaten auch Leute auf der Strasse angreifen.
T. IV, p. 167. Hauen ein Corporal und Soldaten einen
B&ckeijung.
Dass aber verächtliche Gewinnsucht einzelner Bürger
durch Verringerung des Brotgewichtes, T. lU, p. 131, und
wucbennässigem Vorgehen bei Verkäufen verschiedener Gegen-
stände an Officiere und Gemeine böses Blut erzeugte, ist er-
sichtlich, T. in, p. 209.
Dass während dieser Zeit die öffentliche Sittlichkeit litt,
zeigt z. B. die Klage der Soldaten weiber , dass sich ihre
M&nner inuner bei den Draxlerischen Töchtern aufhalten, und
T. m, p. 85 die Stelle: „Solle die Zimmerman'sche Tochter,
auch des Politsch Satler Tochter wegen Umganges mit den
Soldaten fort". Schliesslich hier noch ein Curiosum:
T. IV, p. 386 schreibt J. G. Herr Schrampf als Kriegs-
lOOktU. 4m klau V«r«iM f. SUlOTmark, XXTll. H«fl, ItT». 7
— 98 —
Commissär hieher, dass man insgeheim auf I. M. Verlangen
genaue Auskunft über Zahl und Adjustirung der bequartirten
Dragoner des Zach'schen Regimentes einlege und derlei Be-
richte fortsetze (es lagen damals 10 Mann mit 1 Corporalen
hier).
In der Sitzung vom 21. April 1664, T. HI, p. 191, pro-
ponirt der Richter, „dass ain landeshauptmannschafUiches
Patent angekommen, das anordnet, dass für die hier zusammen-
gesetzten zwei in's Lager vor Kani§a bestimmten Rüstwägen
die Bespannung zu stellen sei und wurde beschlossen, die
bestimmte Anzahl von 12 Pferden aus den Stallungen der
Bürger mit 4 den Tagwerkem entnommenen Trossknechten
sammt dem Bürger Hans Khulmitsch als Zahhneister mit dem
abzusenden, dass Alles, was nach vorläufig erhobenem Werthe
der Thiere über die täghche Passirung von 20 kr. pro Pferd
Mehraufgang sei, femer Abnützung und Schaden an Pferd und
Zeug aufgeschrieben und im Falle wider Erwarten die Hof-
kammer nichts vergüten sollte, die Summe der Aufschrei-
bungen seinerzeit als Gemeindelast im Wege der Umlage be-
glichen werden soUte.** '^)
Am 16. Mai 1664, T. III, p. 208, proponirt Herr Richter,
dass zur Hinwegführung der Rüst- und Heerwägen des Herrn
Oberst v. Monsforth eine Vorspann von 22 Pferden zu be-
schaffen sei, und wurde beschlossen, dass jene, so ehedem
noch keine Pferde abgegeben, solche jetzt zu stellen haben,
und dass ein Bürger mitgehe, der sie wieder zurückbringe.
NB. Die armen Tagwerker kamen nach 4 Wochen zurück
und baten, dass man sie ablöse.
*) Diese Aufsclireibungen hatten ein übles Geschick; der Kriegslärni
legte sich, die Bürger kamen mit ihren „Auszttgln", da hiess os,
„sollen warten, bis die von Leibnitz u. a. 0. solche einreichen'^, nnil
als man wartete und wiederkam, hiess es, „sei viel zu spät, die
KriegSYÖlker von dazumal wären schon alle abgedankt*^; und doch
belief sich der Gesammtbetrag der Forderungen für Verpflegung blos
der Reichs Völker und für durch diese erlittene Schäden in 4 Monaten
fi\T den Markt Mureck auf 858 fl. 40 kr. T. III, pp. 177—262. T. IV.
p. 23.
— 99 —
Zudem hielt der Magistrat von ihm Ausgerüstete (Land-
völker) auf den Beinen. T. III. p. 84.
Vorstehende Zeilen zeigen, wie Magistrat und Bürgerschaft
in harter Zeit mit Opferwilligkeit, Ausdauer, Muth und Klugheit
ihren Theil zn den Kriegsvorbereituugen des grossen Ganzen
beigetragen.
Ungeachtet solcher konnte der Feind siegen und in ein-
zelnen Haufen sich dem Markte nähern. Dieser Fall wurde
von der Behörde im Beisein der Führer und ganzen Gmain
ZOT Berathung vorgelegt.
Schon zuvor machte Herr v. Stubenberg der Bürgerschaft
den Antrag, bei Einbruch der Türken mit Weib, Kind und
Habseligkeiten in's Schloss Obmureck zu flüchten und mit
einem Theile Wehrhafter die dortige Besatzung zu stärken,
wurde aber Schmimberg, ebenfalls H. v. St gehörig, jedoch
einem Herrn Jeery verpachtet, vorgezogen. In Folge dieses
Antrages wurde in der Sitzung vom 5. Juli 1664, T. III, pp.
221 — 22, beschlossen: 1. „vor dem begebenden Fall das sei-
nige samt weih und Kint zu salviren, die Burger aber jeder
in Persohn krafft seines Aidtschwur bis auf die eyseriste noth
za verbleiben und zu halten wissen ^'^ 2. mit verschärften Mass-
nahmen die Befestigung der Umdämmung durch Palisaden
fortzusetzen und die darwider schmähenden Weiber mit der
Fidl zu bestrafen; 3. „Solle täglichen ain Viertl mit dem
Spüll zur wacht au£siehen und Herrn Verwalter zu Bathkers-
porkh anzuspröchen, weiln er täglichen Zeitungen bekhombt,
dass er uns dessen in begebender noth damit man Weib und
Kindt abobalten salviren konnte erindem thete, auch wacht
bei Halbenrain und andern orthen zu bestölln, sowoUn Herrn
Verwalter wegen wacht und Losungsschuss, mit Herr Pfarrer
nnd den anliegenden Dörfern wegen des Gloggenstraich und
Losnngsschuss gleichfalls zu unterreden und diess anzudeuten
nnd inmitten solle die Burgerschaft ihre Rüstung sauber putzen,
nüt Pulver und Bley versehen und aller beraithschaft stehen/'
Eine y orsichtsmassregel weiter, T. IE, p. 21 6, „weiln wegen
des Erbfmts grosse G^ar obhanden die gemainen Markhts
7*
— JOO —
Schriften und Freiheiten entweder in Ihr 6n. Haus in Graz
oder 80 es alldorthen nicht unterzubringen in ain anderes
sicheres orth zu führen und zu salviren'^
Dass aber nicht blos der Einbruch türkischer Heerestheile,
sondern auch Raubgesindel zu fürchten war, geht aus mehreren
Aufschreibungen hervor. So wurde auf die erlangte Nachricht,
dass der Türke anderwärts Brenner ausgesandt habe, T. III,
p. 92, „der Burgerschaft bei Straff und insonderheit den
wirthen auferlegt, achtung zu haben, die PedUeith und frembte
herkumbende verdächtige Raissente Persohnen nicht zu be-
herbergen"; weiters heisst es an einer Stelle: der Erbfeind
hat „an' die 500 Petler*" ausgesandt Und einen räuberischen
Ueberfall hatte Mureck, wie ein Steinbild (s. d. Beilage) hier
darzustellen scheint, vermuthlich erlitten. Dieses 92 Cmt lang,
61 Cmt breit gegenüber dem Eingange in den Thurm vom
Dachboden des Rathhauses aus — an der Innenseite der
nördlich gelegenen Mauer desselben eingemauert, stellt den
Markt mit dem alten Rathhause, also aus der Zeit vor unserem
hier behandelten Abschnitte dar; Narrenhäusl oder Narren-
kotier und Pranger finden sich vor selbem; mit einem Arme
an letztcrem angeheftet steht ein Bursche ganz so angethan^
wie eine Anzahl mit Beute Beladener und Bewaffneter am
Damme aufwärts zieht, und erwartet von einem Manne in
Amtstracht den Tod durch Pulver und Blei, den eine zweite
hinter ersterem stehende obrigkeitliche Person ausgesprochen
zu haben scheint, als zwei Reiter von unten herauf sprengend
mit erhobenen Händen, der wahrscheinlich von Obmureck als
unklug angesehenen Lynchjustiz Einhalt zu gebieten das
Ansehen haben. Mit der Deutung der Darstellung als eines
und zwar vor Kurzem erlittenen räuberischen Ueberfalls
stimmt das Geschrei der über den Palisadenbau erbosten
Weiber, T. III, p. 221, „das (ungeachtet der Palisaden) nicht
abermal Unhail über den Markht kombe wie schon beschehen
und die Herrn vom Gerichte selbst erlebt betten".
Vor Allem war man daher bedacht, den Ort hinter den
— 101 —
Gärten am Damme, um ihn „vor ain anlauft zu versichern", so
ToUständig mit Palisaden zu umschliessen, dass nicht einmal
ein Durchgang beim Fleischer Weberitsch (Nr. 64) für Per-
sonen aus dem Schlosse gestattet wurde.
Es wurde beschlossen, der Richter B. Lorber der Ä. solle,
nachdem er sich erboten 100 Klft Palisaden auf eigene Kosten
herzustellen, Baumeister beim Werke sein, im Einverständnisse
mit dem hier stationirten Hm. Lieutenant alles Zweckmässige
veranlassen und die Tagwerker und Tagwerkerinen zur Mit-
arbeit verhalten — alles bei militärischer Execution im Wei -
geningsfalle ; die Gassen sollen mit Ketten gesperrt, die Gewehre
geputzt, T. DI, p. 86, der Bartholomä Markt (1663), T. III,
p. 104, verschoben werden, alle Nacht „ain Viertl ohne Spül
auf die Wacht und meniglich sich mit Pulver und Blei ver-
sehen.' Auch einer Schiessstätte geschieht T. IV, p. 97, Er-
wähnung. Erst nach mehr als einem Jahre später wurde eine
von den Führern oft verlangte, vom Magistrate während der
Anwesenheit der Soldaten standhaft verweigerte Musterung
über die bewaffneten Bürger gehalten und in der Sitzung vom
27. Martii 1665 Herr Richter ftkr den Hauptmann Hm. Andre
Fugger, „weilns auch sein Vater gewesst, zu einem Leitenambt,
H. B. Lorber d. J. zum Febndrich und die Viertlmaister zu
Gemain Marktes Officiren verordnet".
Eine Polizeiordnung, deren T. III, p. 26 Erwähnung
geschieht, erfloss vom Herrn von Stubenberg ; von den 7 Punkten
derselben berührt unser Protokoll bloss den auf die Wirthe
bezüglichen.
Der Wirth Polania Hess den Nachts angekommenen Herrn
CoTDissär v. Maschwand und einen anderen Edelmann nicht
mehr ein; dafür drohte ersterer bei nächster Gelegenheit
200 Reiter in den Markt zu schicken und dem Wirthe ein
paar Kugeln in den Leib zu jagen. T. IV, p. 183. Um solchen
sehr missfälligen Vorkommnissen zu begegnen, wurde in der
Pol.-Ordnung 4 Wirthen befohlen, „ihre Tafln auszustecken"
und Fremde insbesondere zur Marktzeit aufzunehmen. Da
diese Schwierigkeiten machten und mit dem Vorwurfe an-
— 102 —
rückten, die Obrigkeit möge die Einkehrenden auch dazu
verhalten, ihren Hafer im Gasthause und nicht auswärts zu
kaufen und bei vorgenommener Wahl Anderer einige Bürger
sich den Spass erlaubten, verkommene Subjecte vorzuschlagen,
wurden ex oflFo die 4 B&cker zur Führung der Einkehrwirths-
häuser berufen.
T. IV, p. 183, wurde den Wirthen in Anbetracht des
drohenden Pestausbruches verboten, nach 9 Uhr Abends Wein
zu schenken, Tumulte oder Maskeraden zu dulden.
Die Bäcker hatten ihre Brodordnung, T. IV, p. 183,
welche das Backen unter dem Gewichte mit Geldstrafen und
Confiscation des beanständeten Gebäckes belegte und bestellte
„Brotwäger^^ führten die Aufsicht. Unter den Sorten desselben
kommen auch die Bretzen vor, von welchen der Magistrat
meint, dass sie grösser und reinlicher gebacken werden sollten.
Entschuldigung des zu geringen Gewichtes war immer
dieselbe: müssten so und so theuer von der Herrschaft ein-
kaufen, wäre überhaupt der Preis der Frucht wegen der
Verwüstungen in Ungarn sehr gestiegen, es möchte ihnen
also noch für ein paar Tage, bis sie das theure Getreide
verbacken, das geringere Gewicht „eingehenkt" bleiben. Es
wurden vom Magistrate aus nahegelegenen Städten und Märkten
Exemplare des Gebäckes zur Damachachtung den Bäckern
vorgewiesen.
Die Fleischhauer finden sich bereits als sesshafte
Bürger und scheint der passus T. IV, p. 360: Die Fleisch-
backer so wie früher jährlich aufnehmen und angeloben lassen,
schon mehr Formsache gewesen zu sein. Sie hatten eine
Ordnung, und was diese, sowie zeitweise Erlässe in dieser
Zeit befahlen, dürfte aus Nachstehendem zu ersehen sein.
Die Fleischbesichter hatten das geschlachtete Vieh wöchent-
lich der Versteuerung wegen zu specificiren, T. IV, p. 53. Es
wurde Rind-, Schaf-, Kalbs- und Castraunfleisch ausgehackt,
Kalbsköpfe und Füsse sollten nicht „zerhackt", sondern ganz
gegeben, das Kälberne in der „Penkh'* und nicht zu Hause,
die Kerzen pfundweise gegeben, die Bratwürste, welche 7» af
— 103 —
za wiegen haben und nur 1 2 Loth schwer sind, nicht so klein
gemacht, das Vieh bei Tag und nicht bei der Nacht ge-
schlachtet, die schweren Ochsen nicht weiter verkauft werden
and sollen sich die Fleischhauer mit gehörig visirten Gewichten
veiBehen, „alles Steinwerch" wegthun. T. IV, p. 300. Als dieöe
gegen mehrere dieser Verordnungen Vorstellung machten und
ersuchten, es möge das Hereinbringen von Fleisch durch die
^törer^, so auch das Schlachten von ^,Kälbemen und Schwei-
oenen'^ zum Verkaufe und Auskochen abgestellt werden, T. IV,
p. 445, aber hierauf zu hören bekamen, „hätten lange gute
Eiokaufezeiten gehabt um das Fleisch billiger zu geben, hätten
sieb durch die Kriegszustände bereichert*^ und ihnen weiters
gedroht wurde, dass, wenn sie um den bisherigen Preis nicht
ferner „ausbacken, jedem MänigkUchen nicht bloss an Wochen-
marktägen, sondern täglichen etc. Fleisch hereinzutragen erlaubt
sein solle", so remonstrirten sie durch Entlassung ihres Oe-
andes. T. IV, p. 34.
Die Fleischhackerordnung wurde am 18. Sept. 1667 ver-
lesen, fllr gut befunden, solche auszufertigen, auf eine „aigent-
liebe Tafl angemacht' vor den Penkhen'* aufzuschlagen, T. IV,
p. 460, und deren Besitzer (Pächter) für die Beschmutzung
selber verantwortlich zu machen befohlen. T. IV, p. 478.
Unter den Professionisten kommen auch Pflasterer, Bild-
und Steinhauer und Büchsenmacher vor. Sechs Schneider übten
im Markte ihre Kunst; wovon einer der a-la-moda-Schneider
hiess.
Ein wachsames Auge wurde auf die öffentliche Sitt-
lichkeit gerichtet. Dem Prix Schmit wird ernstlich verboten,
liederlichen Bürgersöhnen Unterstand zu geben T. IV, p. 395,
aud wird im Allgemeinen gerügt, dass Bürgersöhne auf der
nTratn* und im „Hart" dem „Ludern und Spielen" nach-
gehen. T. IV, p. 356. Einem Bürger wird bei der Behörde
gesagt, dass, wenn sich die üblen Gerüchte über die Aufführung
seiner Tochter bewahrheiten, man ihm ex offo sein Haus ver-
bofen und ihn selbst wegschaffen werde. T. IV, p. 356.
Wenn Bekanntschaften natürliche Folgen hatten, die allso-
— 104 —
bald durch die Ehe beglichen wurden, musste der Schuld-
tragende dennoch 3 Bebst zahlen. T. IV, p. 257.
Weiters sah man den Wucherern auf die Finger, T. IV^
p. 313, überwachte die Haltung der Sonntagsfeier durch
Schliessung der Verkaufsgewölbe während des Gottesdienstes,
endlich das Bettelwesen durch die Verordnung, dass kein
Bettler ohne seinem Zeichen von Haus zu Haus gehe und die
Aufstellung eines eigenen Bettelvogtes, da der Gerichtsdiener
wiederholt beschuldigt wird, Bettlern Unterstand zu geben.
Die Sanitätspolizei beschäftigte sich mit den Badern
und den Badhäusem, mit Massnahmen gegen epidemische
Krankheiten der Menschen und Thiere und öffentliche Un-
reinlichkeit
Das ärztliche Personale bestand aus den Badern : Georg
Friedrich Carl, Mathias Vogl und einer Hebamme. Dem ersteren,
von dem fast ausschliesslich die Rede ist, wird aufgetragen,
„zu reich und arm um ihr Geld gutwillig zu gehen und nicht
zu verwaigem, wie er es bis nun getan", T. IV, p. 211, das
häufige Hin- und Herreisen untersagt; er wird befragt, ob er
sich verpflichte, bei Ausbruch der Pest sich verwenden zu
lassen, und wird in einem Falle misslungener Heilung einer
Wunde verurtheilt, dem Patienten die für die Heilung vor-
hinein erlegten 22 fl. bis auf 5 fl. „film ersten Pant und
Brantlöschung'' zurückzugeben etc. T. IV, p. 448.
Mitunter kamen auch, besonders zu Marktzeiten, zuge-
reiste Heilkttnstler.
Obwohl zwischen Bader und Wundarzt bereits unter-
schieden und auf das „apprpbirt" ein Gewicht gelegt wurde,
T. rv, pp. 125, 312, so gab es hier wie gesagt nur Individuen
ersterer Sorte; die Baderei wird ein Handwerk genannt, die
solches ausübten, mussten ein Badhaus halten. T. IV; pp. 42
u. 359.
T. IV, p. 178 „khombt ain Pot von der Landschaft,
wäre im römischen Reiche die Infection (Pest) ausgebrochen,
allso allda im Lande allenthalben obsicht zu halten und von
selbigen orth ohne Fedy nimant passiren zu lassen, sondern
— 105 —
in deme die Infectionsordnung, wie es gebräuchig, zu
halten.''
Eine vorgekommene Viehseuche erforderte das amtliche
Einschreiten; es wurde auf Anregung der Führer dem Gerichts-
diener, seinem Sohne und dem Schweinhirten befohlen, die
^rey. Asspeiner vom verdorbnen Vieh allenthalben zusammen
za klauben, zu vergraben oder ins rinneude Wasser zu werfen,
ebendorthin (!) die Äser, statt in die Graben herum*'; zugleich
befohlen, den Hans Praunstein, „der mit ain paar Ochsen den
nn&hl verursacht'', zu bestrafen. T. FV; p. 26.
So wie Rinderpest und Kriegslage die Intervention der
Landschaft zu Gunsten der Versorgung des Grazer Fleischmarktes,
so scheint die Pestgefahr das Patent wegen Abschaflfung der
rZikeiner und anderer schlechter leit" veranlasst zu haben.
T. IV, p. 308.
Auch wurde aufgetragen, die „rev. Gail^ nicht an den
Weg vor's Haus zu legen. T. IV, p. 24.
Wiederholte grossartige Brände erfordern zur Ver-
hütung der Wiederkehr das Mögliche vorzukehren.
Den jungen BQrgem solle statt eines Gewehres ein lederner
Wassereimper abverlangt werden, T. IV, p. 24 ; bei Eindachungen
mit Stroh wird die Einrede der Nachbarn ob Feuergefährlich-
keit berQcksichtigt, das Vortragen von „brennenden Schaben"
ond Fackeln beim nächtlichen Durchfahren und das unvorsichtige
Sdiiessen nach Tauben auf Strohdächern wurde verboten, T. IV,
pp. 206 und 215; Brandstätten mussten ehestens aufgebaut
und die Besichter verhalten werden Acht zu haben, dass auf
den Dachböden die vorgeschriebene Menge Wasser in Bereit-
schaft gehalten werde. T. IV, pp. 206 u. 215.
Nachtwächter, welchen wiederholt erinnert wird, dass es
gegen ihre Verpflichtung sei, nach Mittemacht „schon wegen
der fremden durchraisenden leith'^ die Stunden falsch oder
wohl gar nicht auszurufen, werden auch „Feuerriefer" genannt
Der Ausbruch eines Brandes, heisst es, sei allsobald durch
den „Glockenstraich"^kund zu thun. T. IV, p. 24.
Das Spital, mit verarmten erwerbsunfähigen Bürgern
— 106 -
und altgedienten Dienstboten belegt, stand unter einem Spital-
meister und der „Spitalmarin" und wurde gelegentlich auch
mit alten, bei Lizitationen unveräusserbaren Effecten und
confiscirten Esswaren bedacht. Eine im Keller des Hauses 14
derzeit eingemauerte und dort bei einem Baue gefundene
I Steininschrift sagt: „Dieses Spital hat der Wolgebome Hans
Herr v. Stubenberg, Obrister Erbschenk in Land Steier, ge-
wesener Herr allhier zu sein und der Seinigen Gedachtnuss
Erpaut 1560.*
Die Schule stand unter der Aufsicht der vom Magistrate
aus seiner Mitte entnommenen „Schulvisitatoren", doch unter
Einflussnahme des Herrn v. Stubenberg. Diesem Umstände
scheint es zugeschrieben werden zu müssen, dass der Schul-
meister Bemardin Mantiano ungeachtet häufiger Klagen über
dessen mangelhafte Dienstleistung und zu hoch gestellte
Forderungen bei Conducten, T. IV, p. 213, ungeachtet wieder-
holter Scandalprocesse mit den Bürgern bei f&rmlicher Auf-
lehnung gegen den Magistrat, T. IV, p. 366, und dem Umstände,
dass er noch dazu wellsche Kaufleute „wiederrechtlich" in Kost
und Wohnung nimmt, erst nach Jahre langer Anstrengung
entfernt werden konnte, und nur gegen dem, dass die über
ihn verhängte „Peen" aufgelassen und die zur Begleichung
selber zurückgehaltene Besoldung (er hatte 11 fl. 15'/* kr.
jährlich) ausbezahlt wurde.
Auch der neu aufgenommene Schullehrer that seine
Schuldigkeit schlecht. Die Schule lag in Argem und — • wahr-
scheinlich schon seit Langem; Winkelschulen (eine des
Scheuchenapfl) erblühten und es darf nicht wundem, dass ein
zum Vormunde ersehener Bürger sich mit Unkunde im Lesen
und Schreiben auswiess und Führer der „Gemain" bei ihrer
Wiederwahl baten Andere zu nehmen, die besser lesen und
schreiben können.
T. IV, p. 184. Das Bittgesuch eines gewissen Paulus
Majus Hilperhussanus dto. Brunsee 1568 an den Magistrat
um Verleihung der hiesigen Präceptorsstelle, welcher verspricht,
die Kinder ausser dem für's bürgerliche Leben Nöthigen auch
— 107 —
nocli in : pietate et moribus, sowie im Griechischen und Latein
zu nnterricbten, dürfte die Annahme gestatten, dass hundert
Jahre froher die Schule besser bestellt gewesen.
Anf richtiges MassundGewicht scheint der Magistrat
weniger genau gesehen zu haben, da wir von der Beschlag-
nahme einer bedeutenden Menge derlei Objecte lesen, die der
Profoss und Cementer der löbl. Regierung verfügte und deren
Abiiihr die Behörde sich mit dem widersetzte, „dass vorher
jedes einzelne Stück genau beschrieben werde, damit nicht
hintentrein noch mehr heraus käme'^ T. lY, p. 272.
Zur Zeit der Gefahr wurde der Markt in Vierteln einge-
tbeilt, deren jedes einem Yiertelmeister unterstand. Obwohl
dieses Amt vorzugsweise einen militärischen Charakter trug,
waren diese Functionäre Vermittler politischer Anordnungen
überhaupt, T. III, p. 1 04, und hatten wie alle anderen unentgelt-
lichen Würdenträger wenig Lust, ihr Amt weiter als absolut
nöthig fortzufbhren.
C. Der ökonomische Theil
befasst sich:
a) mit dem Baumeister, welcher die nöthigsten Bau- und
Zimmermannswerkzeuge und Materialien in Verwahrung
und Verrechnung hat, die öfifentlichen Bauten, als Brücken,
Stege und Wehren vorzuschlagen und die genehmigten zu
Yollführen hatte.
Wir erfahren aus einer den Baumeister berührenden
Aufzeichnung, T. IV, p. 59, so von einer Art Strandrecht:
— ;,seye disser Tag in grossen Wasser ain Pletten herein
in gang am stög angerunnen, welliche der Paumaister- mit
denen hebern aufgefangen, die bette der hoffischer göstert
früe hinwekgefllrt mit Vorgebn, dass es Herr Verwalter
bevelch und zur herrschaft gehörte, was zu tun ? Ratschlag :
AHdieweiln Jeder Zeit was auf gemainen Markht Wibr
oder in Gang herein- oder aufgerunnen ist, dem gemainen
Markht gehört hat, Massen es auch in hiersein des gd.
Herrn und mit dero wissen wegen der Weitersfeldterischen
\»
- 108 —
Mill also beschehen, so solle Herr Richter bei Herrn Ver-
walter allda zur erhaldtung der alten Gerechtigkeit darob
sein und die Pletten zurückzubringen sehen.''
Der Baumeister hatte die Bezahlung des Kreuzers
für Verführung einer Klafter Holz durch das märktiscfae
Schiff zu überwachen und zu sehen, dass die Tagwerker
von selben keinen eigenmächtigen Gebrauch machen.
b) mit den Tagwerkern, welche gehalten waren, sich vom
Baumeister bei öffentlichen Arbeiten gebrauchen zu lassen.
Es wird ihnen ausgestellt, dass sie lieber fischen und zum
Bauern als zu den Bürgern in Arbeit gehen. Mitunter wird
ihnen mit Ausweisung gedroht und angedeutet, dass keinem
von ihnen, der nicht ein „HäusP hat, eine Kuh zu halten
gestattet sei, T. IV, p. 364;
c) mit den Hebern, die jährlich „in die Gelübde ** genommen,
eine Zunft bildeten, die so sehr auf Ehre hielt, dass sie
einen des Ehebruches beschuldigten Genossen ausschloss.
Sie hatten den geheimen Auftrag, dem Mauthner genauen
Bericht über auf- und abgeladenes Salz etc. und in die
Keller „ geschossene "^ Weine zu erstatten, dem Messner
aber beim Wetterleuten zu helfen, zudem auf die „Lendt**
Obsicht zu führen;
d) mit den Feuerriefern, die nebst ihrer bekannten Lau-
heit im „Ausriefen" ihrer Amtspflicht ausserhalb der Thore
schon gar nicht genügen wollen;
e) mit den Feldhütern, die wieder einzuführen man ge-
nöthigt war, weil das Kraut vom Felde weggestohlen
wurde, — mit den Kühhaltern, von denen das Protokoll
nie ohne Beisetzung des „feverendo" spricht; sie sind im
Verdachte, aus guten Gründen bei Freveln der Unterrakit-
scher Bauern durch die Finger zu sehen, während sie wieder
Klage führen, dass ihnen die vom Markte versprochene
Kost vorenthalten werde, endlich noch
f) mit den Verfertigern zu theurer Todtentruhen und
g) mit der Berainung. T. UI, p. 45.
— 109 —
D. Steuerwesen.
Die jährlich um „Mittfasten" zum Theile vom Magistrate
aus der „Gmain'*, theils von dieser aus dem Rathe gewählten
10 bis 14 Steuercommissarien, auch Steuerherren genannt,
repartirten die Gewerbesteuer, von welchex (als märktischem
Einkommen) vorwiegend die Rede ist. T. III, p. 43. Die Re-
partirung wurde ;,nach alten brauch angeschlagen, doch nach
Billigkeit, wehr im Aufhemben, mehreres, den abnemenden
aber zu mindern^'. T. IV, p. 369. Diese Steuer betrug (ob
nach einem Voransclüage des Bedarfes, ist nicht ersichtlich)
pro 1664: 399 fl. 3 ß 14 dl, pro 1665: 390 fl. 2 /5 2 dl.
Das Ausschwätzen aus den bezüglichen Berathungen wurde
mit 4 Rchst. gebttsst und suchten sich einzelne dieser Steuer
dadurch zu entziehen, dass sie auswärts Magazine und Ein-
lagerangskeller mietheten. T. IV, p. 383.
Ausserordentliche Ausgaben machten wiederholt die Um-
lage („Anlagt) nöthig, auch geschah es in solchen Fällen, dass
der Richter aus Eigenem die Mittel vorzuschiessen vom Rathe
aafgefordert wurde.
An Obmureck hatte der Markt Urbarialgiebigkeiten. Die
Landschaft erhielt den Ertrag vom Taz, der verpachtet wurde.
Auch der Leibsteuer wird T. III, p. 100 gedacht, welche
Benennung in einem Stiftbüchel der ehemaligen Herrschaft
Weitersfeld vom Jahre 17 22 gleichbedeutend mit Contribution ist
T. IV, p. 279 verlangt Obmureck bis Martini 1666 vom
Magistrate 300 fl. Nachzahlung an Steuern, weil vermöge Zu-
ddages von 3 Prc. auf die Urb.- Gaben von Seite des land-
^haftl. Rentmeisters ein solches Deficit entstanden und wurde
zur Aufbringung dieser Summe der doppelte Hausgulden aus-
geschrieben.
Mehrere auswärtige Herrschaften forderten von Murecker
Bürgern den Weinbergzehent.
Unklar sind die Aufzeichnungen über die Beschaffung
der Brandsteuer und findet sich in selben kein sicherer
Anhaltspunkt zur Definition des öfter benannten Brandsteuer-
eisens.
— 110 —
Fassbarer für den der damaligen Steuerverhältnisse Un-
kundigen ist folgende Stelle T. IV, p. 97 : ,,Herr Michas Flak,
landscfaafü. Pfentner zwischen Mur und Traw hat anheut eine
Intimation allhero geben, dass er den gemainen Markt und
Bui^erschaft mit allen Steuern und Anlagen in einer löbl.
Landschaft Namen punkto ausständiger Steuer und Ciontributio-
nen (ausständig von Obmureck wahrscheinlich) eingepfennt, daher
er es einem Er. Magistrat und ganzen Burgerschaft intimiren
wollen und dagegen den gehorsamb der gnädigen Herrschaft
verbiete" wogegen von dieser, T. IV, p. 279, ein Schreiben
bieher kommt, „dass Ihro Excellenz sich der landschaftlichen
Pfentung andermalig entwehrt und bei hoher Strafe gebietet,
weder dem Herrn 1. Rentmeister noch jemant von derselben den
Gehorsam zu leisten" etc.
E. Der bürgerliche und amtliche Verkehr.
Der Absatz handwerklicher und Bodenerzeugnisse im
Markte und auswärts, Handel mit Salz, Eisen, Weinen, auch
im Grösseren und Detailwaarenverschleiss wurde durch den
Wochenmarkt und die beiden Jahrmärkte zu „Bartlmä und
Micheli", durch die Marktfahrten, durch dieUeberfuhr an der Stelle
der heutigen Murbrücke, „Uhrfahr^^ genannt, die Strasse zur
Mauth an der „Tornlaken", die Ungarstrasse, endlich durch eine
Marktwage vor dem Rathhause, auf welcher „alles henig und
anders" abgewogen wurde, T. IV, p. 360, vermittelt
Einkäufe machten unsern Bürgern häufig Reisen nach
Linz, Eisenerz und Vordemberg nöthig und wurden hierzu auch,
vielleicht der mehreren Sicherheit wegen, die Strassen benutzt^
welche durch die an der Mur liegenden Dörfer führten.
Von einem geregelten Postwesen, wie zu Anfang dieses
Jahrhunderts, verlautet nichts, wohl aber werden „zween
durch den Magistrat aufgenomene aigne Pötten mit Tragung
ordentlichen Schildes'^ erwähnt.
Die Bürger von Mureck hatten das Recht, im Bereiche
des Landgerichtes einen privilegirten Handel mit Weinen zu
treiben ; diese durften jedoch nur mit des Gerichtes Vorwissen
— 111 -
in's Oberland feil geführt werden. Dieses hatte zu wachen,
dass nur wirkliche Bürger mit Wein handeln und dass diese
etwa nicht Fremden im Einkaufe Vorschub leisten.
Uebertretungen von derlei Satzungen führten im Betre-
tongsfalle zur Confiscation der „Conterbande".
Galt es häufig Verkehrsstörungen (p. 11) im Orte zu be-
gegnen, so war es auch nicht minder oft nothwendig, Schädi-
gungen, die denselben auswärts bedrohten, hintanzuhalten.
Wenn nun beispielsweise der Pfarrer von Abstal einem
unserer Haiher die nach altem Gebrauch dort feilgebotenen
„Häferl"^ zerschlägt, — die Radkersburger allen Ernstes ver-
laogen, dass die von Mureck ihre in den unteren Gebirgen
erbauten Moste und Weine nicht durch ihre Stadt, sondern
jeden andern nächsten Weg nach vorhergegangener Meldung
an ihre „üeberreitfcr" heimführen, — ebendieselben einem
hiesigen Bürger l4 Fuder Salz wegnehmen, T.IV, p. 139, —
die Leibnitzer mit Hilfe des Verwalters in Strass es dem
Lebzelier von hier mit seinen in St Veit am Vogau ausge-
botenen Wachswaaren ebenso machen, und dergl, und in allen
diesen Fällen der Schutz des Gerichtes in Anspruch genommen
wird, so ist da genügend Stoff zum nachdrücklichen Einschreiten
durch „Compas- und Intercesslonsschreiben^^ geboten. Der
Amtsverkehr überhaupt erstreckte sich weit aus •). Dieser Ver-
kehr förderte oft wechselseitige Amtsinteressen, veranlasste
aber auch mitunter neue Streitigkeiten.
Indem wir diesen auswärtigen amtlichen Verkehr in's Auge
iassten, bot sich die Gelegenheit, den Einblick zu thun in höchst
uogeuiüthliche Verhältnisse zwischen benachbarten Obrigkeiten.
Häufig wurde von Auswärts an den Magistrat das An-
suchen um Ausstellung von Geburtsbriefen gestellt, und obwohl
1651 anter Pfarrer Ferbeser bereits ein Taufbuch *) vorkömmt,
) Ans Florenz verlangt ein Herr Johannes Ruess, hiesiger Bürgerssohn,
greformirter Fehndrich unter des Grossherzogs Leibquarti", seine
Erbschaftsportion.
^) Der aufschreibende Messner soll» wie von Alters her, für Verzeichnung
einer Geburt 1 Kreuzer bekommen. T. lY, p. 182.
— 112 —
SO ist es doch nur immer die Behörde, die solche ausfertigt
Es galt die eheliche und bürgerliche Geburt (im Gegensatze
zu den Leibeigenen) zu constatiren, ohne welche Urkunde
man in keine Lehre aufgenommen werden, T. IV, p. 332, in
keinen bürgerlichen Verband eintreten konnte. T. IV, p. 302.
F. Mureck und Obmureck.
Altgeknüpfte Bande einerseits des Schutzes und Wohl-
wollens, anderseits der Dankbarkeit, Ehrfurcht und des Ge-
horsams, Bande des gewohnten amtlichen Verkehres und
wechselseitigen Interesses umschlangen das Gemeindewesen und
die Verwaltung, den Bürger von Mureck mit dem Dynasten
in Obmureck. Mit Stolz nennt sich unser Markt einen „Herm-
markt^^ und kein „Mitlaydn^\ die oben füngirende Gerichts-
barkeit die „mehrere Obrigkeit **, er nennt seine Gemeinde-
verfassung eine Gabe der Herren v. Stubenberg, bestätiget
durch Decrete von Seiten des jeweiligen Inhabers.
Diess eingelebte VerhälCniss findet sich bei der Generation
des Zeitabschnittes der vorliegenden Protokolle, frisch erhalten
durch fortdauernde Ausflüsse von Macht, Wohlwollen und das
Ansehen einer kleinen Hofhaltung im Schlosse; war ein
wichtiger Rechtsstreit im Markte im Gange, so wurde die
Verwendung Stubenberg's beansprucht; nach einem Brande
bewirkte er zu Gunsten des getroffenen Marktes eine Brand-
steuer; zur Zeit der äussersten Türkenbedrängniss bietet er
der Bürgerschaft Zufluchtstätten in seinen Schlössern, sucht
die Last der Einquartirung zu erleichtern, schenkt, T. IV,
p. 391, ein Stück von seinem Grunde zur Erbauung einer
märktischen Ziegelei; ermuntert den Magistrat unter Zusage
seiner guten Dienste zur Einführung einer Mauth ; ein Stuben-
berg erbaute hier ein Spital, — was Wunder die Freude, als
der regierende Herr k. k. Kämmerer und Excellenz geworden ?
die an Bestürzung grenzende Besorgniss unseres Rathskörpers,
es könnte demselben eine irgendwo gefallene respectwidrige
Aeusserung durch seinen Kammerdiener hinterbracht werden,
und die Bemühung, Miss Verständnisse, hervorgegangen aus
— 113 —
lüteressenbertthrung und dem amtlichen Verkehre ehestens
aus „dem Wege zu raumben"?
Die Bezüge und Vortheile Obmurecks vom Markte waren
nach den protokollarischen Aufzeichnungen das Zinsunschlitt,
das Zwangsrecht, welches die Bäcker verhielt, die Oetreide-
vorräthe der Herrschaft um den von ihr beliebten Preis zu
kaufen, Urbarial-Abgaben, T. IV, p. 38, wahrscheinlich ein
Schatzgeld und bei Vermittlung erheblicher Vortheile eine
abverlangte „Becompens^, T. IV, p. 355.
Obwohl Herr v. Stubenberg widerholt Magistrat, Führer
and Ausschuss der „Gmain'^ vor sich befahl, um eine gnädige
«.Resolution*^ zu hören, T. IV, p. 307, und überhaupt seiner
WQrde volle Geltung zu verschaffen wusste, so vergass auch
unser Magistrat nie, dem Bewusstsein seiner achtenswerthen
Stellung Ausdruck zu geben und der Hen*schaft gegenüber
das bürgerliche Interesse zu vertreten. T. IV, 346, 416 u. a.
Und gleich würdig vertrat der Magistrat den Markt anderen
Herren gegenüber. T. IV, 277.
G. Bürgersinn und Bürgerehre.
Der Betrieb von Handel und Gewerben neben der Land-
mrthschaft mit einem Achtung gebietenden Wohlstande, die
Verpflichtung, jedes übertragene Ehrenamt in der Gemeinde
zu übernehmen, Befreiung von der Roboth, Freizügigkeit im
Gegensatze zu den an die Scholle Gebundenen, der Besitz von
hnmunitäten des Marktes überhaupt und der Privilegien der
Zünfte, endlich Burschenwanderschaften in vieler Herren Länder
scheinen jenen Bürgerstolz erzeugt zu haben^ welcher unsere
protokollarischen Aufzeichnungen durchweht, und in den
Aeusserungen seines Bewusstseins dem Selbstgefühle höherer
Stände kaum nachstand.
Die Bürgerehre vertrug nicht den mindesten in damaligen
oft recht sonderbaren Anschauungen gegründeten Makel. So
konnte Beihilfe beim Verscharren eines Aases, T. HI, p. 260,
Losmacbung eines in einer Rauferei sich erhängt habenden
bereits todten Hundes, der geringste Verkehr mit fierichts-
MltikcU des bbi. V«relu f. Steiermark, ZXVII. Heft, 1879. 8
- 114 —
häschem die gleiche Strafe zur Folge haben, wie Diebstahl,
T. IV, p. 55, nämlich Ausscheidung aus dem bürgerlichen
Verbände. Darum war man auch bei der Aufnahme neuer
Bürger sehr vorsichtig und forderte von solchen, die nicht
hier geboren waren, Vorlage ihrer Geburtsbriefe und alien-
fälligen Entlassungsbescheinigungen, auch Niederlegung aller
auswärts bekleideten Aemter und Würden. Ein hies^es
Bürgerskind zu sein wurde betont und war vortheilhafL
Wenn nun schon dieses Standesgefbhl in lebenslanger
Verfolgung materieller Interessen, gestützt auf hochtönende
Privilegien, oft in rohe Leidenschaft dergestalt ausartete, dass
sich Bürger mit Maulschellen traktirten, einander in's Gesicht
stiessen, T. IV, pp. 15 u. 146, mit den obscönsten Ausdrücken
beschmutzten, wenn selbes Unduldsamkeit gegen Anfänger und
Unbotmässigkeit gegen das Gericht erzeugte, T. IV, p. 60.
so war es, gepaart mit Rechtssinn, nicht bloss die Grundlage
des moralischen Haltes, sondern auch mitunter die Quelle
eines muthigen Aufschwunges der Thatkraft, eines opferbereiten
Edelsinnes zu Gunsten eines Mitbürgers. T. IV, p. 49.
Das Bürgerthum von dazumal recrutirte sich auch aus
dem Auslande, namentlich der Schweiz, daher erklärlich, dass
man in religiöser Beziehung nicht eines Sinnes war. Während
die am Buder Sitzenden eine grosse Sehnsucht nach den
Capuzinem und vielfaches Wohlwollen gegen die Corpus
Christi-Bruderschaft kund thaten, regte sich abseits ein oppo-
sitioneller Geist, T. IV, p. 253, der namentlich von den
Mönchen nichts wissen wollte, und, indem einerseits der Aber-
glaube sich breit machte, konnte man anderseits mehrfach
frivole Aeusserungen hören.
Klatschereien, häufig die Ursache von Injurienklagen,
werden vom Gerichte „Fritschl - Fratsch Possen" genannt
Auskauf, Beeinträchtigung der Erwerbsteuer, wechselweises
Aufreden der Dienstboten werden als Verletzungen der bürger-
lichen Pflichten bezeichnet, deren Sammlung „das Protokol"
namentlich den jungen Bürgern vorzulesen, von den Führern
öfter verlangt wird. Dieses verbot auch den Bürgern, Tag-
- 115 —
werkern oder Inwohnern ohne Wissen des Gerichtes Unter-
stand zu geben.
H. Der Markt vor 1665.
Die protokollarischen Aufzeichnungen bieten eben ge-
nügend Veranlassung, um neben dem oben erwähnten Stein-
bilde einiges zur Veranschaulichung des Aussehens und Zu-
jjtandes von Alt-Mureck sagen zu können.
Den inneren Theil desselben (dargestellt durch das
Steinbild) schliessen nach Ost und West zwei Thore mit ihren
Thorhäusern ab vom aussenliegenden Unter- und Obertrum;
ilas erstere an Nr. 57 u. 85, letzteres zwischen Nr. 14 u. 136
von heute gebaut Ausserhalb des letzteren war „der Graben",
in welchen sich zum Oefteren die von den Unterrakitschem
aus ihren Feldern hereingesprengten Gewässer stürzten; jen-
seits der Brücke, die über selben führte, stand das Schulhaus,
heute Nr. 13, mit der Inschrift «Georg und Barbara Neil
1585" ober dem Eingange (XIII. H. d. M. d. h. V. p. 157);
(Itos Haus Nr. 14 war das Spital.
An Feldern besass Mureck viel weniger als derzeit; Edla,
Aclii, Hart bedeckten Waldungen, welche nahe an die Häuser
herein reichten und ein namhaftes Stück des jetzigen Acker-
landes nahm die obere und untere Tratten ein.
Wegen Zwistigkeiten mit dem Verwalter in Weitersfeld
wurde die obere Tratten verschränkt und ein Weg nur für
die Murecker über die Ueberfuhr in die windischen BUcheln
offen gelassen ; alles andere Fuhrwerk von Oben herab wurde
auf die Benützung der alten Strasse „zur Tornlacke" ver-
wiesen, T. IV, p. 348, „wo Weitersfeld (Gf. Trautmannsdorf)
wohl die Jahresmauth (einnimmt) doch nichts machen lässt".
An Stelle der heutigen schönen Strasse nach Unterrakitsch
scheint eine Abzweigung der vom Kathhause aus nördlich
verlaufenen Ungarstrasse dorthin geführt zu haben.
Das Steinbild stellt das alte Rathhaus mit dem Pranger
etc. und mehrere noch jetzt im Aussehen gleich gebliebene
Häuser dar.
8*
— 116 -
Wo die sudliche Klostermauer sich hinzieht, standen
Gärten und zwei Häuser, die des Klosterbaues wegen abge-
brochen werden mussten T. IV, p. 260. Von alten Namen
finden sich noch : Paul, Hofmann und Khulmitsch hier, Feiertag
bei St Anna und Reiter in Radkersburg.
J. Bau des Rathhauses und seines Thurnies
in chronologischer Reihenfolge der einschlägigen Momente.
T* IV, p. 25, 27. Febr. 1665 verlangen die Führer au
der Gmain unter Anderem: „Das Rathaus samt Urtum und
Ur zu bauen."
T. IV, p. 51 geben die Scargeth'schen Erben 36 fl. aus
der Erbschaft zum Rathhausbaue, femers unter Begleich ver-
schiedener Guthaben des Magistrates an den Verlass weitere
136 fl.
T. IV, p, 1 1 8 heisst es von Seiten des Magistrates : Wenn
im Gering'schen Processe ein Vergleich zu Stande gekommen,
wolle man zum Rathhausbaue schreiten ; der Richter solle in-
dess die Mittel hierzu aus den Ausständen der Bürger (be-
schaffen), auch Wein nehmen und ihn versilbern und mit H.
Verwalter von Weinburg wegen des Ziegeldaches (die Ziegel
in Pichla zu brennen) reden, auch Materialien „grechüen^^
T.' IV, p. 182 wird für den Bau eine Umlage und der
rücksichtslose Eintrieb der Strafgelder decreürt
T. IV, p. 210 wird der Magistrat wegen des Baues be-
trieben.
T. ly, p. 214 dto. „endlich einmal mit dem Gepäy ainen
anfang zu machn^^
T. IV, p. 231 erhebt Frau Spanring, Lebzelterin, Schwierig-
keiten beim Abbruche des alten RathhauseS; behauptend, die
Zwischenmauer, gehöre ihr. Ratschlag : „solle weisen, woher ihr
die Mauer gebiert, und ob es ihren auch gebirte, man's doch vom
Magistrate wegen befugt, und so sie viel darwider redt, das Haus
zu schätzen und zu bezahlen, davon die helft zu ainer Gmain-
stubn zu bauen und zu nemben, die helft wieder zu verkaufen."
T. IV, p. 258. Die Zimmerarbeit wird am 11. August 1666
— 117 —
mit Meister Urban Feiertag, Ziinmemiann in Oberradkersburg
,4as Dachgerüst mit Stuelwerk mit Ziegl einzudecken neben
aioer Persohn Maister oder Polier die Cost in Allem 35 fl.
und 1 Bchst. Leihkauf zu geben*^ abgeschlossen.
T. IV, p. 271 wird dem Richter anbefohlen, an dem Rath-
haus rev. ain Secret auch hinauf in die Hoch bauen lassen
zu sollen.
T. IV, p. 290. Herr Richter Barth. Lorber der Aeltere
sagt am Schlüsse seiner Amtsperiode 6. December 1666, als
ihm die Bürger erklärten, nicht eher zu den Wahlen schreiten
zu wollen bis er den Bau fertig habe: Wie er versprochen,
habe er den Turn „ain Gadn hoch — als bis auf den Dach-
bodeoraum (in dieser Höhe sieht man von Aussen derzeit sein
in Stein gemeisseltes Brustbild) aus aigenem Peitl erpaut" Was
er weiter noch aufgesetzt, dafür werd ihn (wohl !) die Burger-
schaft die Unkosten ersetzen. Er wolle auch den Bau voll-
enden, wenn ihm dieselbe für sich und seine Erben einen
20jährigen Steuemachlass bewilligt.
Und der Magistrat erwiederte: wenn B. Lorber den
BathhauS' und Thurmbau vollendet, wie auch „hinterwärts
hinaus zu einen Keller und Stubn khünftig fUr ain Markt-
schreiber^^ baut, solle er durch 16 Jahre steuerfrei und im
Falle seines früheren Todes derselbe verpflichtet sein, den
Erben bis zum Ablaufe der Zeit jährlich 100 fl. gut zu machen.
T. IV, p. 382. Herr Richter wird „Ratschlag'' beauftragt,
sich mit dem Spanring über Abtretimg eines Stückes Grund
aus seinem Hofraume zum Aufbaue einer Marktschreiberwoh-
nnng zu verständigen.
T. IV, p. 425. Zii Handlangem beim Rathhausbaue werden
auch straffällig gewordene Excedenten verwendet.
Wahrscheinlich behufs der Vollendung des Baues durch
B. Lorber d. Aeltem wurde dieser, obwohl Ruess pro 1667
zum Richter erwählt, von Obmureck für dies Jahr noch con-
firmirt und steht an der Nordseite des Thurmes unter seinem
Bnistbilde auf einer eingemauerten Mamorplatte folgendes
Chronograficum zu lesen :
— 118 -
l'i'fiBclaro ac Bene Merito Domino
BartoLoraaeo Lorber Seniori Ob
Majori ex Parte Propriis Sumpti-
bus Tempore Judicatus Sui A Fun-
Damentis Hujus Turris Exstruc-
Tionem Et Domus Curialis Ampli-
Ationem Ad Aeternara Sui Suorumque
Memoriam Hoc Marmor In Oflfcio
Successor Debitee
Gratitudinis Ergo
GlorgIVs AnDreas FVgger
Nono SepteMbrIs LoCaYIt 1669.
K. Der Bau des Capuzinerklosters.
T. III, p. 83. In der Sitzung vom 26. Juni 1663 kömmt
vor, dass am 8. Juli der Pater General der Kapuziner nach
Graz kommen werde, um das Capitel zu halten, dass ein paar
Tage früher die Aeltesten des Rathes, wenn der Richter nicht
abkommen kann, hinauf sollten, die Sache sei aber vor der
Hand geheim zu halten.
T. III, p. 89. Sitzung am 6. Juli 1663. ^.Herr Richter,
Herr Khurz, HeiT Lorber, Hans Grass, Jurschitz und Wein-
handl die sollen verordnet sein dennen Herren Capuzinem
aufzuwarten. ^
T. IV, p. 30. „Herr Marktrichter etc. sollen hiermit ab-
geordnet sein, mit Herrn Pater Provinzial wegen des Gepäy
halber ain und anders und der Unterhaltung wegen sich zu
unterreden, damit ainsten ein anfang des Gepäu gemacht könnte
werden, auch so es sein kann mit ein Essen Fisch zu regaliren.^^
T. IV, p. 104. „Herr Richter solle aufs ehiste die ganze
Burgerschaft aufs Rathaus zusamen erfordern, die sach propo-
niren und wegen der Unterhaltung unterreden, damit man
sodun zu ihrer Ankunft sich zu verhalten wisse.^*
— p. 114. „Item weiln die C. in das Gering'sche Hauss
beraith einziehen ob man ihnen ' '. Start alten Wein khaufen
und zulegen sollte. Rathschlag: tagUch 1 Flaschen zu schicken/'
— 119 —
— p. 204 werden Streitigkeiten unter den Bürgern beigelegt,
schon durch die Capuziner.
— p. 213 erbieten sich diese, alle Sonn- undFeiörtage eine
.,Khinderlehr" zu halten, allso mit Herrn Pfarrer zu reden,
ob es ihm recht sei.
T. IV, p. 233. „Nochmain ein höfBiches schreiben an das
Capitl abzugeben neben högster Bedankhung der schon be-
mgten christlichen Dienste, die hieher geordneten HH. C.
unterdänlgst zu bitten^ damit auch ainsten mit dem gebäu
anfaog gemacht werde."
— p. 251. „Item die Brief an das Capitl der H. P. C. nach
Agram sein verlessn und für das Klostergebäu für gut befunden
und solliche hinabzuschicken anbevolchen wordn."
— - p. 251. „Item proponirtH. Richter, dass der jetzt neu ver-
ordnete als der vorgewesste Provincial hieher geschrieben und
die Brief verlesen worden, dass das Closter erbauth und ehist
der erste Stain gelegt das Creutz aufgesetzt, und der Anfang
des Gepäu gemacht werden solle."
— p.253. Denjenigen, deren Häuser zum Klosterbaue abge-
brochen werden, muss mit anderortigen Bauplätzen vorgesehen
werden.
— p. 260 „hat der Richter auf eines Magistrates gestrigen
bevelch die interessirten wegen ihrer Garten und Häuser auf
heute dürt dass man darüber vornemben und sodann das
Orth ftdr die H. Cap. zum Kloster berathen khonte.^^
— p. 261 erklärt Lorber d. J. für sich und Khintl dass sie
den Garten zum Kloster schenken und das Haus alsobald
abbrechen lassen wollen, gegen dem, dass die Urb. -Dienstbar-
keit vom Garten ihnen abgeschrieben werde etc..
Der Bürger C. Gleich fordert für den abzutretenden
Garten Ersatz.
T. lY, p. 262. Dessgleichen ein anderer, der auf der
nnteren Trattn einen Ort zum Garten will.
— p. 270. Intimation von P. Lienhart an P. Aurelius hier,
dflss ein unechter Marktschreiber von Mureck fUr's neue
- 120 —
(Jebäudo sammeln gehe, welcher der Fr. v. Gloiach und einem
Richter bei St. Georgen ly« Thaler abschwindelte.
* — p. 288. Richter proponirt, dass sich die HH. Capu-
ziner bei ihm angemeldet „weiln sie das Creutz allberaith ge-
setzt und mit dem Clostergebftu verfam wird, begehrten sie
zu wissn, wie die Burgerschaft khünftig mit der Unterhaltung
sich gegen ihnen verhalten wollen wie oder was in der noth
etc.'\ worauf einzugehen der Magi9trat keine Eile zeigt
— p. 291. P. Aurelius, Superior, erscheint und langt an
im Namen seines ganzen h. Ordens, „weiln^ über so vielfältige
Bemühung der ganzen Burgerschaft diese Gnad erlangt haben,
dass Sye das Closter alhier zu Ehren Gottes und Meinigkh-
liches Seelenhayl auferbauen sollen, raassen schon der Anfang
hierzu gemacht allso und Sintimain sye vemomben dass Herr
Richter 100 und aine ganze Burgerschaft 100 zusamben
200 Klft. Stain darzuzugeben versprochen, haben sye nicht
allein diese jetzt ehisten darzuzubringen, damit man in Früling
mit dem Gebäu allsobaldlicher foftfaren könnte, sondern auch
dass man sie wie bishero mit der Unterhaltung jeder nach Ver-
mögen mit ain Stückhl brodt und Trunkh wein sein lassen
wollte, welches sye täglich und so lange das Kloster stehen
wirdet mit ihren Gebet und geistlichen Diensten zu erwidern
obligirt sein werden."
Rathschlag: Wenn Herr Richter sich erboten 100 Klft
Steine zu geben, so lasse sich dagegen nichts sagen, dass sich
aber eine ganze Bürgerschaft zu einer solchen Gabe ver-
pflichtet, sei dem Magistrate völlig unbekannt; man wolle indess
dieselbe befragen, wer das Gerede in Umlauf gebracht, dass
man „teils'^ die Capuziner nicht gerne sehe und wie viel jeder
einzeln geben wolle; womach sich alle „ainhellig jeder nach
sein Vermögen zu 2, 3, 4, 5, 6, 8, 10 und 12 Klft beizu-
tragen und zu verfüren" bereit erklarten.
— p. 347. Rathschlag: Solle Herr Richter das HakhnerVhe
Haus am „Capuzinerorth'- abbrechen und auf der Sybnmoser'-
schen Brandstätte aufsetzen lassen.
— p. 379. Auf Ansuchen der Capuziner verordnet der
- 121 —
Magistrat, dass die Bürger, „so Zug haben^S denselben Steine,
wenn nicht umsonst, doch gegen Bezahlung führen sollen.
— p. 388 habe täglich ein Bürger Sand zu führen und
möge den PP. zugeredet werden, den Tagwerkem keinen
höheren als den üblichen Lohn zu bezahlen, wollen sie was
inebreres thun, könne es mit einem ^.MassP^ Wein oder Ver-
sprechen eines Trinkgeldes am Schlüsse der Arbeit geschehen.
— p 344. Den Tagwerkem, welche den Capuzinem die
HolzabfiÜle davontragen, wird mit dem Narrenkotter gedroht
and die Bürger werden zu Holzfuhren aufgefordert.
Und so glaube ich die mir gestellte Aufgabe nach Mög-
lichkeit beendet zu haben, doch „errare humanum^, zu deutsch
Irren ist menschlich.
Mureck, im Mai 1878.
Ein Marburger Hexenprocess vom
Jahre 1546.
Von
Prof. Rudolf Reichel.
Die Handschrift des st Landesarchivs Nr. 3322 enthält
ein Protokoll über einen vor dem Marburger Stadtrichter
Georg Creatsch und „etlichen seiner Herren von Stadt und
Gemein** im Mai 1546 durchgeführten Hexenprocess, dessen
Besprechung mir um deswillen angezeigt erscheint, weil einer-
seits derselbe unter den steirischen einer der ältesten, viel-
leicht der älteste erhaltene sein dürfte und vieles wissen-
schaftlich nicht Uninteressante bietet, andererseits nach meiner
Meinung mit der Veröffentlichung solcher Materialien einmal
begonnen werden muss, soll eine umfassendere Würdigung
dieser Seite des Volks- und Geisteslebens der Steiermark er-
möglicht werden. Das Protokoll ist nicht vollständig erhalten ;
es umfasst nur die Bekenntnisse von 6 Hexen, nämlich Scham -
perlin, Starasuetin, Rosenkranzin, Margare ta, des Martin Cristan
Weib, Zigolitscha und Katarina von Nebova. Auch das Urteil
fehlt. Aus einem anderen erhaltenen, minder interessanten Proto>
koUe über ;,etlichemalefizische Weibspersonen" vom Jahre 1580,
das sich ohne eingehendere Mitteilung der Facta (die ab-
sichtlich verschwiegen sind) mit ähnlichen Hexenaffairen, Dieb-
stählen und Giftmorden beschäftigt und auf diese Vergehen
durch sententia communis den Strang, Ersäufen und Verbrennen
setzt, sowie aus der sonstigen Praxis jener Zeit ist zu schlieszen,
dass die Delinquentinnen von 1546 dieselbe Strafe traf. Der
Schauplatz der Handlung ist die nächste Umgebung von Mar-
— 123 —
barg: St Peter, Tepsau, Mettau, Zweinik, Krönich, Lassach,
Pernitzen, Nebova, St. Margareten an der Pesnitz, St. Kunigund
u. s. f. und das Treiben der Unholdinnen scheint ziemlich lange
unbehelligt geblieben zu sein, da einzelne Facta bis in die
Zeit vor dem „Türkentlberzug" (1532) zurückreichen. Zum
Tröste derer, die glauben könnten, die Angeklagten seien nur
ein Opfer der „Dummheit*' jener Zeit gewesen, will ich gleich
bemerken, dass dies nicht der Fall ist, da es recht bösartige,
raehsQchtige und gefährliche Personen waren, deren jede nach
ihrem eigenen Geständnisse Giftmorde, Vergiftungsversuche
oder auch Brandstiftungen auf dem Gewissen hatte. Gleich
die erste, Schamperlin, beschuldigt ihre Genossin Erainerin eine
.Jo^atschen" aus Nattern, Blindschleichen, grünen Eidechsen
nnd Kröten bereitet zu haben, um eine andere damit „zer-
schricken". (zerspringen) zu machen; sie selbst, Seh., habe
davon gekostet und habe sich ihr „der ganze Leib von der
Haut geschält".
Verweigerter Lohn, Lohnabzug, Confiscation verdächtigen
Gutes, verweigerte Heirat trotz vorausgegangener näherer
Beziehungen, ja oft nur ein Wortwechsel oder Schimpfworte
sind die Anlässe zu diesen Verbrechen. Der Bürger Haring
wird mit Wein vergiftet, weil er die Rosenkranzin überritten
hatte. Neben den erwähnten Ingredienzien spielen Fuchswurz
und Hüttenrauch die Hauptrolle.
Die Schamperlin bekennt, ein Weingarthaus, das nach dem
Tode ihres Mannes an einen Verwandten gekommen und ihr
so entzogen worden war, in Brand gesteckt zu haben, auch
dass sie die Absicht gehabt, so sie frei geworden, dem Herrn
I^hilipp in St. Peter sein Haus anzuzünden, weil er ihr einen
..Zocker*' mit Schmalz, Karpfen und Stockfisch confiscirt hatte.
Auf Diebstähle weist die Angabe, dass Schamperlin einen
groazen Bund Schlüssel, „schier zu allen Kirchen" gehabt habe.
Vielleicht erklärt sich so auch, woher den Hexen das vermeint-
lich von Geistern erhaltene Geld, Getreide u. s. w. kam. Wir
können uns also mit einer gewissen Beruhigung zu den uns
aUeiii interessierenden Facten der eigentlichen Hexerei wenden.
— 124 —
Zuvörderst sollen im Folgenden die wesentlichsten Aussagen
nach bestimmten Kategorien zusammengestellt und darauf der
Versuch gemacht werden, wenigstens einzelne Punkte etwas
näher zu erklären.
I. Wettermachen. Margareta Schamperl sagt
aus: 1. Wenn sie ein Wetter machen wollten, haben sie bei
einem Wasser 9 Steine genommen und dieselben wohl geputzt
„Welcher End^ sie dieselben in's Wasser geworfen, dahin sei
zur Stund' der Schauer gegangen. 2. Sie, die Rosenkranzin
und die Latschenbergerin haben vor St Bartholomä im 45. Jahr
als das Getreide zeitig geworden, auf einer „Botting^' in einer
Bachmulden gebadet Dasselbe Badwasser haben sie^aus Barm-
herzigkeit auf eine „Tratte^^ geschüttet; hätten sie es aber
auf Steine grossen, so hätte der Schauer alles in den Grund
geschlagen. 3. Sie haben allerlei alt' Getreid in einer „Stadel-
reiter^' gereitert und darunter haben sie getanzt Dann hat
jede ihren Teil Getreide mit heim genommen und sie haben
solches in die Nebel und Wolken schicken wollen. Alle Felder,
die aus solchen Wolken besprengt würden, würden keine Frucht
tragen. Sie habe das an ihrem eigenen Acker erprobt. Von
dem Badwasser habe sie etwas in ein Gehölz gegossen, da-
selbst breche das Erdreich immer ein und seien grosse Gruben.
Die Rosenkranzin gibt an: 4. Sie hätten auch das
Wasser, wo man das Vieh tränkt, angesprochen; da sei ein
Schauerwetter gekommen, das sie auf Deibling geschickt hätten.
5. Auch den Bach, .der aus der Zweinik und von Potschgau
kommt, hat sie mit gleichem Erfolge besprochen. 6. Einst
badeten sie in einer Bachmulde; das Badwasser nahmen sie
in einem Kruge mit und kochten darin Fleisch ; dieses hoben
sie auf, um damit später „ums Gut zu arbeiten'^ 7. Ein
gewisser Slepetz versteht sogar mit einem Schaff Wasser in
seiner Stube Schauer zu machen und sendet ihn gen Graz,
Pettau und Radkersburg.
Die Zigoliczin Ne§a (Agnes) erzählt ebenfalls von
einem Bade einiger Weiber in einer Bachmulde zu St Kuni-
gund; hier wird Wasser, Wein, Milch in die Bachmulde ge-
— 125 —
gössen (also wohl ein Backtrog, in dem auch sonst die Hexen
baden), auch Salz, Getreide und Würzen. Auch von diesem
Wasser trugen die Teilnehmerinnen etwas nach Hause, um
dasselbe auszusprengen, wenn sie „i h r G u t f e c h s e n^^ wollten.
8. Sie habe vor 4 Jahren am St. Marxentag Reif gemacht.
9. Sie hat aus dem Crucifix bei Kebova aus dem rechten Fuss
ein „Scheiten^ geschnitten, auch aus einem zweiten Crucifix
0 Scheiten und diese zur Krainerin und Schamperlin getragen.
Diese berufen die Rciniddn und Stai^asuetin und alle 5 machen ein
Wetter auf St Urbanstag, wobei die Schamperlin als Meisterin
aufs Dach steigt und mit einem Zaum und Glöckerl läutet.
Katarina yon Nebova erzählt: 10. Die Latschen-
bergerin habe auf einer Wegscheide ein Laken mit einer
Kotbe geschlagen und angesprochen, worauf Schauer und Regen
aber die Weinberge gegangen sei. 11. Auch sie hat am St
Margaretentag unter einer „Tennreiter^S in der Weizen und
anderes Getreide war, getanzt
Margareta, des Cristan Martin Weib, erzählt: 12. Sie
hätten am St Ulrichsabend gegessen, getrunken, getanzt und
i^nm den Wein gelost" (d. h. Zauberei getrieben).
n. Sonstige Beschädigung der Weingärten.
Schamperlin bezichtigt die Krainerin, gesagt zu haben, wem
sie Feind sei, dem wolle sie Quecksilber in den Weingarten
vergraben, dann mOsse der Weingarten dermaszen verderben,
dass er, auch wenn er früher 30—40 Startin Most getragen,
znletzt nicht über ein Viertel gebe. Sie und alle ihre Ge-
spielen, auch der Krainerin Sohn Gregor kennen diese Kunst
2. Zu Allerheiligen 1545 haben ihrer 15 oder 18 Weiber zu
St Kunigund in einer Bachmulde gebadet, mit dem Wasser
haben sie die Weingärten besprengen wollen, damit an jeg-
lichem Weinstock 2 Augen verderben sollten. 3. In den letzten
Jahren haben sie Weinreben, die im Treiben waren, genommen
und den Geistern übergeben ; so sind die Weingärten erfroren.
Die Geister haben ihnen dafür wenig Geld gegeben, weil sie
ihnen so „schlechtes Gut" übergeben, mehr Geld geben sie,
wean sie ihnen „zeitig Gut^^ überantworteten. Wenn sie von
— 126 —
einer Rebe ein Auge genommen, sei zur Stund ein grosser
Rebstock daraus erwachsen. 4. Nach Aussage der Rosenkranzin
hat die Trutscherin am Dreikönigstag Todtenbeine gestoszen
und damit die Weingärten eingeräuchert. 5. Etliche 10 Weiber
hat der Teufel oberhalb des Lebl Haus zu Woba (?) zusammen-
geführt, da haben sie den Wein verflucht; Lucifer hat jeder
einen Kreuzer gegeben.
ni. Getreidezauber. Schamperlin sagt aus : Am Weih-
nachtsabend 1 545 sei sie mit zwei Gespielinnen zu St Margareten
auf einer Wegscheid zusammengekommen und daselbst hätten
sie einen „Weizen'' (Maiskolben) mit einer Haselrute ge-
schlagen ; es seien 3 Kömer herausgosprungen, aus diesen sei
ein grosser Laib Brod gewachsen. Sie hätten diesen lieuer am
St. Jörgentag ansprechen wollen, so wäre er zu Stein geworden
und alles Getreide verderbt
IV. Mi Ich Zauber. Katarina von Nebova hat den Kühen
die Milch genommen; auch die Latschenbergorin kann das.
Die Starasuetin erzielt dies, indem sie das Gias auf der Weide
anspricht Scliamperl schickt ihren Geist zur Latschenbcrgerin,
mit dem Befehl, ihr die Milch zu verderben, so dass sie keinen
Käse daraus machen kann. Umgekelirt verdirbt der Latschen-
bergerin Geist der Schamperlin die Milch durch seinen Kot.
V. Windfüttern, Vertreibung des Wetters.
1. Starasuetin gibt an, die Latschenbergerin habe aus ihrem
Beutel ein Säckchen mit weiszem „Stupp" (staub- oder mehl-
artige Masse, Pulver) genommen und diesen mit einer hohlen
Weinrebe nach allen vier Weltgegenden geblasen, da seien
Wind und Wolken vergangen. 2. Einst wusch sie Hadern in
einer „Lacken" und schöpfte Wasser aus derselben, da fing das
Wasser in der Lacken zu sieden an und sogleich zog ein Schauer
und Regenwetter herauf. Sie lief heim, nahm ein Messer aus der
Scheide und schnitt kreuzweise gegen die Wolken und Nebel,
indem sie sagte, es solle in den Wolken alles todt und ver-
derbt sein, im Namen Gottes u. s. w. Sogleich vergieng das
Wetter und that keinen Schaden. (Ein anderes Mal, als ihr
Geist bei Wind und Regen kam und um Einlass bat, half
— 1 27 —
M'hon ihre Drohung, es den Herrn und Bürgern anzuzeigen,
TOD Stund an hörte Regen und Wind auf.)
VI. Regenlosigkeit erzielt. Die Bosenkranzin und
Latschenbergerin giengen auf den Bacher unterhalb St Wolf-
izang und banden dort den Geist Gasperl mit Frauenhaaren
in dem „Gupf ' einer Buche fest, damit es nicht regnen solle.
Ein Bauer, mit Namen Pangraz kam zur Stelle und wollte
den Baum umhauen, da schrie der Geist, er solle ihn befreien,
so werde es sofort regnen und so geschah es.
Vn. Zurückbringen gestohlenen Gutes oder
Entflohener, l. Der Rosenkranzin muss der Geist gestohlene
Rocke zurückbringen. 2. Als der Zigolitscha Gewand und
Hadern gestohlen wurden, gaben ihr die Krainerin und Scham-
perlin den Rat, sie solle Wasser durch eine Reiter gieszen
und dann die Reiter um das Haus kugeln, so müsse der Dieb
'las gestohlene Gut zurückbringen. Es entstand zwar ein groszer
Begen und Wind, der Dieb kam aber nicht. 3. Ein anderes
Mal giengen Starasuetin, Schamperlin, Krainerin und sie um
einer Gespielin gestohlenes Geld zurückzuverschaffen, auf eine
Wegscheide, wo sie einen „Hefen'' niederlegten und auf den-
^Iben einen schwarzen Pfennig. Darauf schlugen sie den Hefen
mit 3 Ruthen, so dass er anfieng umherzuspringen. Da kam
ein groszer Wind, der den Dieb, einen Knaben, auf der Weg-
seid niedersetzte und zugleich das Geld, das umherrollte.
4. Starasuetin, Schamperlin und Krainitza haben des weiszen
Juri Weib, so ihm mit einem Arbeiter Namens Thomasch
w^elaufen gewesen, mit einem Tüchlein, das sie angesprochen,
zurückgebracht. 5. Des Chrasch Bruder, der weggelaufen, haben
^ie voriges Jahr „im Pannt' (zur Zeit des Bindens) in einem
Wetter auf einer Wegscheide am Pemitzenberg wiedergebracht,
indem sie in seine zurückgelassenen Stiefel geblasen.
vni. Unsichtbarmacheu. Am St. Margaretenabend
1^45 bohrte die Krainerin einem Ereuzbild die Augen aus.
Wenn sie, äuszerte sie, diese Augen bei sich habe, so könne man
^ie nicht sehen, auch wenn ihr Feind neben ihr stehe oder
man sie fangen wolle.
— 128 —
IX. Sonstiger Zauber. l.DieJurazin in Kreinkh (Erö-
nich) und Latschenbergerin haben zu Weihnachten Most gepresst
und ausgetrunken. 2. Der Starasuetin hatte ein Dieb einen
Rock gestohlen. Sie besprach den Rock; soviel Fäden an ihm
seien, soviel Jahre und so lange er lebe, solle der Dieb stehlen
und seinen Lohn dafür empfangen. Er sei auch zu Wurmberg
justificiert worden. 3. Starasuetin hatte noch vor dem TUrkenzug
mit einem gewissen Peter Jug gestritten, weil er ihr etwas
vom Lohn abzog. Sie goss ihm Wasser vor die Kellerthür,
er gieug darüber und starb. Diese Kunst hat sie von der
Dragnaratscha und der Latschenbergerin gelernt 4. Der Mar-
garete, des Cristan Weib, gab einer dnen „Stupp^, den solle
sie auf die Kuna, des PröbsÜ Tochter, die es mit ihrem (Mar-
garetens) Manne hielt, werfen, so würde sie sich „sein vor-
weg en** (ihm entsagen, von ihm ablassen). Geschah auch
mit Erfolg.
X. Hexensalbe, Hexentrank. 1. Die Rosenkranzin
sagt aus, die Latschenbergerin habe ihnen eine gelbe Salbe
gegeben; wenn sie nun zusammenkommen wollten, h&tten sie
mit dieser Salbe einen Ofenkehrwisch angeschmiert und sich
daraufgesetzt, sogleich habe es sie gehoben und sie seien zu
ihrer Gesellschaft gekommen. Einstmals sei ein Bauer, Namens
Gregoritsch auf einer Bank gelegen und habe gethan, als ob
er schlafe. Er habe ihnen aber zugesehen was sie gemacht, dann
auch die Salbe genommen und einen Kehrwisch angeschmiert ;
so habe es ihn auch gehoben und zu ihnen in die Gesellschaft
getragen. 2. Die Neda Zigolitscha sagt aus, ihre Gespielinnen
hätten sie mit einem Trunk Wein beredet Wie sie
denselben getrunken, habe sie ihren Sinn und Gemüt von
der Kuppelei (im Protokoll stets für Hexenunwesen überhaupt
gesetzt) nicht mehr abwenden mögen.
X. Zusammenkünfte der Hexen, Verkehrund
Buhlschaft mit den Geistern. 1. Die Schamperlin hat in
ihrer Herberge ein „gaisens'' Hörndl und ein klemes Glöckl.
Wenn sie auf dem Hom blies, kam der Geist und trug sie
zu ihren Gespielinnen. J. Zigolitscha sagt aus, dass die Hexen
— 129 —
durch Schlagen auf eine Kette zusammengeläutet werden.
3. Starasuetin erzählt, die Latschenbergerin sei auf eine Weg-
scheide gegangen, habe einen Strick oder Kiemen genommen
und gerufen: Ptischek; Tanschitz; darauf habe sie etwas von
der Erde aufgenommen und nach aUen Seiten gesprengt ; da
sei ein groszer Wind entstanden mit Regen und Schauer, in
diesem Wetter sei der böse Geist zu ihr gekommen und habe
ihr Geld gebracht Die Latschenbergerin habe sich beklagt,
es sei zu wenig, sie wolle ihn ein anderes Mal mehr martern,
damit er mehr bringe. 4. Wenn sie zusammenkamen, nahmen
sie ein weiszes Tuch, die Latschenbergerin nahm dann ihren
Geist aus dem Glase, bauschte das Tuch zusammen und warf
den Geist darin umher und marterte ihn so lange, bis er eine
gute Summe zusagte. Dann speisten sie ihn mit Weizenbrod
QDd Wein. 5. Die Rosenkranzin übernachtete einst vor dem
T&rkenUberzug bei der Latschenbergerin ; da sah sie, wie die
ßeister in Gestalt einer Katze mit grossem Kopf hereinkamen und
Geld in die Stube schütteten. Dann haben die Geister unter
den Hefen gerumpelt und nach Essen gesucht, sind aber bei
Tagesanbruch aus dem Fenster geflohen. Sie hatte ihr Kind
bei sich, das sie fest an sich drückte, damit es ihr nicht ge-
stohlen werde. 6. Zigoliza sagt aus, die Schamperlin habe ihren
Geist immer in Gestalt eines Hundes an einem Bande mit-
gebracht. 7. Auch Margareta, des Cristan Weib, sah den Geist
in Gestalt eines schwarzen Hundes kommen. Die Latschen-
bergerin nahm ihn dann an einem Bande mit heim. Er ver-
sprach ihnen allerhand Getreide auf nächste Pfingsten. 8. Der
Schamperlin Geist hiess Tschemagel, der der Latschenbergerin
Tantschitsch und der der Rosenkranzin Prockwass. Von dem
Tschemagel hat die Krainerin 2 Kinder gehabt, er habe sie auch
im Gefängnis besucht und mit ihr zu thun gehabt, habe ihr auch
zugesprochen, sich zu erwürgen, damit ihm die Seele werde, dessen
sie sich aber geweigert. Er habe ihr oft Geld gebracht. 9. Der
Starasuetin Geist Peterl war ihr „ausgekommen^ Die Latschen-
bergerin brachte ihn wieder zurück ; sie hat ihn im Hause in
einem Tuche und in einem Glase, darin ist ein Steinchen und
HHth«il. d«s h\at Tercing f. Btoiermark, XXYII. Heft, 1879. 9
— 130 —
Baumwolle; bat auch mit ihm zu „schicken^. 10. Rosenkranzin
sagt aus, der Geist Kussmann sei zu ihr ins Gefängnis ge-
kommen und habe mit ihr zu thun gehabt 11. Des SIepetz
Geist heisst Sczttman, er soll 3 Geister in 3 Gläser gebracht
haben, die im Keller hinter einem Holzgitter sind. Das soll
geschehen sein 1529, ,;S0 die Türken vor Wien gelten"".
1 2. Der Rosenkranzin Geist sei zu Erich- und Pfinztag bei ihr
gelegen, aber am Samstag nicht 13. Der Zigolitschin Geist
sei in des JöbstI Haus unter dem Ofen in einem Winkel mit
Frauenhaaren festgebunden ; wenn man ihn mit 3 Haselruten,
eines Jahres alt,, schlagen würde, würde er frei. 14. Der
Krainitza Geist heisze Magert, der der Katharina zu Nebova
Gabrian, letzterer ist schwarz wie ein Kätzel und ist in einem
mit Wachs verstopften Glase.
Nachdem wir so die wichtigsten Aussagen zusammen-
gestellt, erübrigt uns noch die zweite Aufgabe, wenigstens
einige Punkte, die ein gröszeres Interesse bieten, näher zu
betrachten ; alles zu erklären, ist wohl derzeit noch nicht mög-
lich, auch würde der zugemessene Raum ungebührlich über-
schritten werden müssen.
Schon Jacob Grimm hat in seiner Mythologie darauf
hingewiesen, dass ^vir in den Hexengeschichten einen Nieder-
schlag uralten Volksglaubens vor uns haben und den Zusammen-
hang des Hexenglaubens mit der alten Götterlehre, des Um-
zuges oder Tanzes der Hexen mit dem Umzüge freundlicher,
Segen und Gedeihen spendender Wesen, der nächtlichen
Zusammenkünfte und Schmausereien mit alten Opferfesten mit
überzeugender Schärfe dargelegt
AUes Heidnische wurde aber durch den Einfluss des
Christenthums in unholdes, dämonisches Treiben verkehrt, in
dem der Teufel, der dem alten europäischen Volksglauben
ziemlich ferne stand, eine Hauptrolle spielt.
Zwei Kapitel aus der Geschichte des Hexentreibens sind
es, die uns besonders interessieren, das Wettermachen und der
Verkehr mit bösen Geistern.
— 131 —
Der Glaube an Wetterroacherinnen oder auch Wettermacher
ist sehr alt, scbon die römischen Zwölftafelgesetee bestrafen
den qui fruges excantassit sive alienam segetem pellexerit
TibuQ spricht von einem cantus vicinis fruges qui traducit
ab agris und Yirgil erwähnt: satas alio traducere messes. Die lex
Visigotorum kennt ebenfalls solche Uebelth&ter (immissores
teropestatum), welche durch Zaubergesänge Hagel in die Wein-
berge schicken, und ein Kapitulare Karls d. 6. v. 789 be-
schütigt sich mit demselben Aberglauben.
Der Glaube, dass Sturm und Hagel durch Steinwürfe in
einen See oder Brunnen erregt werde, findet sich bei Deutschen,
Kelten und Finnen. Von einem See in Catalonien erzählt
Gerrasiua von Tilbuiy (in seinen für Kaiser Otto lY. geschrie-
benen „Otia imperialia^'), dass, wenn man Steine oder sonst
einen fremden Gegenstand in denselben warf, der Sturm sofort
losbrach. Dasselbe erzählt der Volksglaube vom Mummelsee
in Deutsclilanjd, dem Pilatussee in der Schweiz, dem See von
Camerina in Sicilien, ja selbst vom See Ghiapa in Mexiko.
Aber auch den erquickenden Regen kann man herbei-
zanbem. Neu-Griechen und Serben begieszen zu diesem Zwecke
ein ganz in Grün gehttlltes Mädchen, offenbar ein Abbild der
grünenden Erde, mit Wasser. Nach keltischem Volksglauben
gieszen die bretonischen Jäger im sagenberUhmten Brezilian-
walde Wasser aus dem Barvatonbrunnen auf die Brunnensteine
und alsbald steigt erquickender Regen empor. Die Esthen haben
<»nen heiligen Bach Wohanda in Livland, in den zu demselben
Zwecke etwas geworfen wird. Wie kommt es nun, dass sich
bei den verschiedensten Völkern dieselbe Anschauung findet?
Erst seit man die primitivsten Vorstellungen sogenannter
nWSder"* Völker beobachtet und durch Vergleiche den Beweis
l^estellt hat, dass diese Vorstellungen einst allgemein
nienschliche waren, ist die Antwort auf diese Frage mög-
lich geworden. Es ist gewiss, dass es Vorgänge in der Natur,
fie oft wiederkehrenden; insbesondere aber die plötzlich auf-
^tenden wie das Gewitter, gewesen, die die Phantasie des
Katonnenschen mächtig ergriffen und in ihm die ersten Vor-
9*
— 132 —
Stellungen von etwas Göttlichem, Uebersinnlichem hervorriefen.
Alle Veränderungen und Erscheinungen in der Natur erschienen
aber als den irdischen analoge. Die leuchtende Sonne weckte
die Vorstellung eines glänzenden Steines oder funkelnden Auges,
der Regenbogen die eines Bogens oder Gürtels, die sich schlän-
gelnden Blitze werden zu himmlischen Schlangen; heult der
Wind, so ist es ein Wolf oder Hund, in der Donnerstimme glaubt
man das Brüllen der himmlischen Kühe zu hören u. s. f.
Nun sagt noch heute das Volk in Schleswig - Holstein,
wenn es donnere, so kegelten die Engel oder der liebe Gott
sei zornig und werfe mit Steinen um sich. Fallen nun diese
Donnersteine (von denen wohl auch manchmal einer zur Erde
fWlt) in den himmlischen Wolkensee, so flieszt dieser über
und sein Wasser kommt als Regen oder Hagel zur Erde herab.
Aus diesen Vorstellungen wird uns nun auch das Thun
unserer steirischen Hexen klar. Aller Zauber besteht
nämlich in der symbolischen Nachahmung einer
Handlung, welche in der Erwartung vorgenom-
men wird, dass sie denselben Erfolg habe, wie
die wirkliche nachgeahmte Handlung. (Man ver-
gleiche die Merseburger Zaubersprüche.) So wie also im
Himmel durch das Hineinfallen von Steinen in den himmlischen
Wolkensee Regen und Hagel entsteht, so glauben die Hexen
durch das Hineinwerfen von Steinen in irdische Gewässer
dieselbe Wirkung zu erzielen.
Auch eine andere Procedur unserer Hexen, das Peitschen
des Lakens mit der Ruthe (Aussage der Eaterina von Nebova)
erklärt sich aus ähnlichen Vorstellungen. Das Laken vertritt
die Wolke; die Ruthe den Blitz, der häufig als Rute oder Geisel
gedacht wird, mit der die wettermachenden Gottheiten die
himmlischen Gewässer peitschen. Eine dritte Vorstellung lässt
den Regen dadurch entstehen, dass die Wolkenwesen aus Krügen
Wasser ausgieszen. Die Peruaner rufen (s. Herder, Stinmien der
Völker) die Regengöttin mit den Worten an: Schöne Göttin,
Himmelstochter mit dem vollen Wasserkruge. Oder es sind durch-
löcherte Fässer, aus denen der Regen strömt In einem deutschen
— 133 —
Volksmärchen findet Meister Pfriem zwei Engel im Himmel damit
beschäftigt, das himmlische Wasser in durchlöcherte Fässer
zu gieszen. An die Stelle der durchlöcherten Fässer tritt nun
auch das Sieb. ( Aristophanes lässt in den Wolken den Zeus
ki xopctvou o»j^£5v.) Unsere Hexen tanzen unter einem groszen
Sieb (Stadelreiter oder Tennreiter) und gieszen Wasser hinein,
worauf sich ein Unwetter erhebt; all' diese Handlungen be-
nihen aber auf uralten religiösen Vorstellungen.
Unsere Hexen verrichten nun all' dies nicht aus bloszer
Bosheit, sie „arbeiten" mit ihrem Wetterzauber auch „um's
Guett". Wenn sie den Wein verfluchen, bringt ihnen Lucifer
Geld ; sie übergeben mittelst hervortreibender Weinschösslinge,
die sie in eine bestimmte Gegend schicken, den Dämonen die
betreffenden Weingärten und bekommen dafür Geld ; aber auch
Getreide wird ihnen zu Teil. In diesen Proceduren und den
mit ihnen verbundenen Schmausereien und Zechereien erkennen
wir unschwer alte Opfer, dargebracht, um von den Göttern
Segen für Saat und Wein zu erhalten, freilich in's Teuflische
verkehrt ; hier bringen die Dämonen die Frucht an sich. Bischof
Agobard von Lyon (f 840) erzählt in seiner Schrift contra in-
sulsam vulgi opinionem de grandine et tonitruis, das Volk
glaube, dass aus dem Lande Magonia Schiffe m den Wolken
kämen, die das aus d^n Körnern gehagelte Getreide an sich
nahmen und den Wettermachern dafür Geld zahlten. So er-
halten auch unsere Hexen Geld und Getreide zum Lohne.
Ganz heidm'sch ist auch die Art und Weise, wie die
Latschenbergerin, um das Wetter zu vertreiben, einen weiszen
Stupp in alle vier Wmde bläst; so füttert noch heute der
obersteirische Bauer den Wind, indem er Mehl in die Luft
streut, damit der Wind Haus und Saat verschone. Die Art
and Weise, wie die Rosenkranzin (s. IV.) Regenlosigkeit er-
Qelt, mahnt an den Glauben an gefangene oder schlafende
Wettergottheiten.
Dass die Hexen den Kühen die Milch entziehen, beruht
gleichfalls auf alten religiösen Vorstellungen. Ursprünglich sind
es die Ummlischen Kühe, deren Eutern der Regen entquillt
— 134 —
oder durch Wetterzauber entzogen wird; erst als diese Vor-
stellung sich verdunkelte, dachte man an irdische Kühe.
Ueber einige andere Punkte erlaube ich mir auf das
Capitel Schamanismus in Peschels Völkerkunde y.u. verweisen,
wo der Leser schlagende Analogien finden wird.
Ich wende mich zu dem zweiten Hauptpunkte, dem Ver-
kehr und der Buhlschaft mit Geistern. Hier ist zunächst die
Erzählung der Rosenkranzin (XL, 5.) von Interesse. Die Geister
erscheinen hier als Katzen, wie sonst im Volksglauben die
Hausgeister, Kobolde, Wichtelmännchen; manches weist nun
darauf hin, dass auch die Wesen, mit denen unsere Hexen
zu thun zu haben glaubten, elbische Wesen sind; schon
der Name Casperl klingt elbisch. Hausgeister bringen häufig
ihren Lieblingen Geld oder andere Dinge. Auch kennt die
Sage sexuelle Verbindungen derselben mit Menschen; so ist
Hagen eines Eiben Sohn. Die Hausgeister bekommen Essen
hingestellt, wonach sie in unserem Falle suchen-, sie stehlen
auch kleine Kinder, daher die Besorgnis der Rosenkitmzin.
Dass sie auch als Hunde erscheinen (XL, 6.), ist ein jüngerer
Zug, denn der Hund ist ein wesentlich teuflisches Thier, wie
der einst dem Wodan heilige Wolf.
Glaubten denn nun aber die Hexen an ihre Luftfahrten
nnd an ihren sexuellen Verkehr mi( Geistern? Daran ist,
glaube ich, nicht zu zweifeln. Zur Erklärung dieser merk-
würdigsten Thatsache hat man nun eine Berauschung durch
ein Narkotikum angenommen, welche die Hexen in einen Zu-
stand versetzte, in dem sie die geschilderten Dinge erlebt zu
haben glaubten. Es soll ein Absud vom Stechapfel gewesen
sein, ein Narkotikum, das die Zigeuner (aus der Heimat des
Opiums und Haschisch) aus Asien nach Europa brachten. Neuere
Reisende, die dieses Narkotikum versucht haben, berichten
übereinstimmend, dass man in einen äuszerst behaglichen
Zustand verfalle und zu fliegen, durch die Luft getragen zu
werden glaube. Ein solcher Trank wird nun fast in allen
Hexenprocessen erwähnt, auch in dem unseren (X., 2.). Auch
erzählt schon der alte Valvassor, dass zu seiner Zeit einige
— 135 —
das Hexentreiben auf diese Weise erklären wollten, was er
indes nicht lür richtig hält
Aoffallend ist allerdings, dass die Geister auch zu unseren
Hexen in's Gefängniss kommen. Benutzten Kerkermeister oder
Knechte den Volksglauben oder gelang es den Hexen auch
hier sich in solche Hallucinationen zu versetzen? Ich möchte
last das Letztere vermuten (obwohl in vielen Processen das
erstere ebenfalls vorkonmit), da unsere Delinqueptinnen öfter
von einem Verkehr mit ihren noch in Freiheit befindlichen
Genossinnen sprechen, von denen ihnen der Trank übermittelt
worden sein mag. Es ist bekannt, wie man sich an solche
narkotische Mittel gewöhnt, so dass man nicht mehr davon
lassen kann und sie sich auf alle mögliche Weise zu verschaffen
sacht Weitere Einzelheiten mögen ihre Erklärung in hysteri-
schen Zuständen der Betreffenden finden.
Das oben erwähnte Protokoll vom Jahre 1580 bietet,
vie schon erwähnt, wenig des Interessanten. Originell ist nur
die Aussage der Aniza Baderin, die, um sich beim Stehlen
unsichtbar zu machen, eine Kerze bei sich trug, die einem
Sterbenden „eingehalten" worden war und deren Docht aus
Fäden bestand, mit denen man eine Leiche eingenäht hatte.
Diese Kerze spricht sie mit den Worten an: ;,So wenig mich
der Todte vor dem jüngsten Tage sieht, so wenig mag mich
der Krämer sehen."
Ich glaube in Kurzem gezeigt zu haben, dass wir es
angesichts des Hexenglaubens allerdings mit einem Wahn zu
tlmn haben, aber nicht mit einem Wahn, der im Gehirne der
in Rede stehenden Uebelthäterinnen entsprungen, sondern ur-
altes Erbteil ist, mit einem Wahn, dem es nicht an einer
gewissen Methode fehlt Weitere Untersuchungen, zu denen
ich nur die Anregung gegeben haben will, werden uns noch
in vielen Punkten klarer sehen lassen.
Zur Greschichte
des
, der BOchercensur und des
zu Grraz
im 16. Jahrhunderte.
Von
Dr. Richard Peinlich.
Zu den bisher noch wenig beleuchteten Partien der Cultur-
geschichte Steiermark's gehört auch das Bttcherwesen derselben.
Wenn man den Verbrauch an Seife als Massstab des Bildungs-
Standes eines Volkes annimmt, so wird man den Bedarf an
Büchern als Massstab für die Bildungshöhe gelten lassen können.
Es tritt hiebei nur der missliche Umstand ein, dass uns zur
Schätzung und Beurtheilung für die ältere Zeit die statistischen
Daten über eingeführte und über im Lande selbst erzeugte
Bücher fehlen.
Nachdem aber gegenwärtig die früher mit sieben Siegeln
verschlossen gewesenen Archive den Geschichtsforschern offen
stehen, so lässt sich ein hinreichendes Material zu Tage fördern,
um auch auf dem Gebiete des Bücherwesens einen historischen
Aufbau zu versuchen. Die vorliegenden Blätter sollen hiezu
einige Bausteine liefern ^).
Hundert Jahre waren seit der Erfindung der Buchdrucker-
kunst verflossen, bevor unser Graz eine Buchdrucker-Officin
*) Der Aufsatz beruht fast durchgehende auf archivialischen Quellen,
die zum grössten Theile dem seinerzeit im Landhause gewesenen,
nunmehr im Landesarchive zu Graz aufbewahrten landschaftlichen
Actenmateriale angehören.
— 137 —
erhielt ). Man darf dies aber nicht als ein Zeichen geistiger
Unmündigkeit ansehen und vom Drucke der Finsterniss und
Unwissenheit niedergehaltenen Geistern fabeln, denn es fehlte
deshalb durchaus nicht an Büchern in Graz und in Steiermark.
Auswärtige und ausländische „Buechfbhrer^ (Buchhändler)
brachten dieselben zu den grossen Jahrmärkten nach Graz und
ebenso in die Landstädte. Bekannter massen war ja auch die
starke Einfuhr lutherischer Bibeln, Postillen, Tractate und
Flugschriften ein Haupthilfsmittel zur Verbreitung der Befor-
mation. Schon 1 528 fand die Kirchenvisitation derlei Schriften
in grosser Zahl im ganzen Lande verbreitet '). Das Verbot,
welches Ferdinand L 1551 gegen den Vertrieb von ;,sec-
tischen und verführerischen Büchern^ erliess, war auch sicher-
lich nicht ohne guten Grund gegeben.
Uebrigens ist Graz unter den österreichischen Städten,
welche schon in älterer Zeit eine ständige Buchdruckerei
besassen, wenn auch nicht die erste, doch auch weitaus nicht
die letzte gewesen. Unserer Stadt gehen nur voraus Cividale 1 470,
Ofen 1472, Prag 1478, Wien 1482, Brunn 1486, Olmütz 1500,
Hermannstadt 1529; Kronstadt 1533 und Innsbruck 1558^).
Da aber die Kunde hierüber von dem Umstände abhängt,
dass uns ein Druckwerk, oder doch dessen Titel aus dieser
^ Es ist bemerkenswerth, dass ein Steiermärker, der Magister Mat-
thäus Cerdonis, gebürtig von Windiscbgrätz, bereits in den Jahren
1481 bis 1487 zu P a d u a die Buchdruckerei betrieb. (Steierm. Zeit-
schrift, VIII. Heft, 1827, Seite 140.)
') Der Schulhalter Hans von Rein hatte „lutherische Büchel" ver-
breitet, zu Erieglach verkaufte solche der Gesellpriester Andrä,
zu Brück a. d. M. wurden sie am Jahrmarkte öffentlich feilgehalten,
man fand derlei zuRotenmann und M u r a u, wo ein Baderssohn
aus denselben predigte ; zu Oberwölz besass solche der Gerichts-
pfleger, nach Admont brachte Hans Eibeswalder etliche von
Graz her, zu Graz befanden sich solche in vielen Händen, ein
gewisser Stirich nahm selbe sogar in die Kirche mit, zu Windisch-
grätz, Marburg, Lembach, Radkersburg n. a. 0. wurden
solche confiscirt und verbrannt. (Robitsch, Geschichte des Protestan-
tismus in Steierm. a. v. 0.)
*) Gr&Bse, das 16. Jahrh. in seinen Schriftstellern und ihren Werken,
- 138 —
nun schon fernabliegenden Zeit erhalten blieb, so können diese
Angaben immerhin noch eine Berichtigung erfahren.
Die erste Buchdruckerei in unserem Lande besass der
Fürstbischof von Seckau Peter P e r s i c u s , welcher 1 550 starb,
Aus dessen Hinterlassenschaft kaufte der 6 r a z e r Büi^er und
Buchdrucker Alexander Leopold „das Druckzeug'', sowohl
i,Fundament als Buchstaben** mit von der steirischen Landschaft
vorgestrecktem Gelde '). Für diese drückte er die ämtlichen
„Generale^ und Kundmachungen, so auch 1559 das steirische
«Bergrechtbüchel** .
Für die Drucklegung von 400 Exemplaren „Aufgebotbriefe*'
und von 1300 Exemplaren „Anschlagbriefen** erhielt* er 1560
von der Landschaft 14^ 3ß 22 dl. Reichswährung Druckerlohn
ausbezahlt.
Im Jahre 1561 wurde in der Officin desselben der ers t e
Grazer Kalender gedruckt. Dieser ,,auf das Jahr 1562
gestellte** Kalender war sammt dem üblichen „Prognosticon'^
von dem Präceptor der Landschaftsschule in Graz, Magister
Hieronymus Lauterbach verfasst und der steirischen Land-
schaft dedidrt, welche ihm dafUr ein Honorar von 30 Thalem
zuerkannte ^.
Unterdessen gieng der Betrieb der Buchdruckerei nur
schwach, zwar kam Alexander in die Lage, der Landschaft
die entlehnte Geldsumme zu erstatten, aber für einen höheren
Au&chwung scheinen die Verhältnisse nicht günstig gewesen
zu sein. Alexander starb 1562. Sein Druckergeselle Andreas
Franckh führte das Geschäft fort, was aus dem Umstände
erhellt, dass 1562 ein Gedicht von Thomas Lasch itz, „Sub-
stituten an der landschaftlichen Particulärschule'' zu Graz,
„3reves aliquot elegiae illustri viro Sigismundo baroni in Her-
berstein dicatae** (4*", mit einem Wappenbild Herberstein's
^} Bericht der landscliaftliclien Verordneten in Graz an die Regierung
Tom 2. J&nner 1579.
*) Landschaft!. Ausgaben-Bücher. Von 1562 bis 1600 und von 1570
an erweislich alle Jahre erschienen zu Graz Kalender sammt
Practica.
— 189 —
ausgestattet), mit der Bezeichnung „Graecii Stiriae ex relieta
officina Alexandri Leopold^^ erschien.
Dass FrancUi hierauf die Druckerei ganz übernahm,
ersieht man aus dem Druckwerke : „Aequatorium omnis gencris
borarum, ostendens ortum et occasum solis etc., deque usu
aequatorii. Authore Hier. Lauterbachio , scholae provincialis
Styriae praeceptore. Excusum Graecii apud Andr. Franck
anno 1563.« (2 Blatt, in Folio)').
1566 verehelichte sich Franckh mitMargaretha, der Witwe
Alexanders, aber die Buchdruckerei fand einen so wenig ge-
deflilichen Fortgang, dass sich die steirische Landschaft be-
stimmen Hess, um dem gänzlichen Untergang des Geschäftes
zu begegnen, „den Franckh sammt seinen Leuten durch
Unterhalt und Yerlag^^ zu unterstützen. Auch dies scheint
wenig geholfen zu haben, denn wir finden, dass 1575 Franckh
sammt seiner Frau von Graz Abzug nahm, nachdem sie das
^Dnickzeug mit verbesserten Buchstaben^* um 160 fl. an die
Landschaft verkauft hatten %
Möglicher Weise hatte zu dem ungünstigen Geschäfts*
$;ange die Concurrenz beigetragen, welche der Bürger und
Formschneider Zacharias Bartsch verursacht hatte. Dieser
betrieb bereits 1564 eine Buchdruckerei zu Graz, denn die
Druckschrift „Sigismundi a Sauraw Oratio de Ferdinande"
gieng in diesem Jahre aus seiner Officin hervor*).
Bartsch, schon früher einmal mit dem Buchdrucker Tobias
Lauterbach in Verbindung gestanden, vergesellschaftete
sich 1565 neuerdings mit demselben, entlieh sich vom Ma-
gister Hieronym. L a u t e r b a c h 200 fl. zum Geschäftsbetrieb,
erwarb sich die Kundschaft der steier. Landschaft und ausser-
^ Die hier angeführten Buchtitel, so wie auch noch mehrere andere
im Verlaufe dieser Schrift citirte Titel von Druckwerken verdanke
ich der Mittheilung des hochw. Herrn Bibliothekars im Stifte IVein
P. Anton V^eis.
^ Landschaftl. Ausgabe-BOcher.
^ Griflse, das 16. Jahrh.
— 140 -
dem ein Anleihen von 100 fl. '% Da Tobias Lauterbach
1566 starb, so erschien das bekannte steierische Wappen-
buch, dessen Hohs^chnitte die bemerkenswertheste Arbeit des
Bartsch sind, unter dessen Firma allein. Der grössere Theil
desselben kam bereits 1566 heraus, denn Bartsch erhielt hie-
f&r von der steierischen Landschaft am 13. Mftrz 1566 30
Thaler Honorar ^ ^).
Aus den nächstfolgenden Jahren ist nichts von nennens-
werthen Drucksachen auf unsere Zeit gekommen, ausgenommen
ein Hochzeitsgedicht von Kaspar C h e 1 i u s, als der landschaft-
liche Begistrator Wenzel Sponreb die Jungfrau Apollonia
Christallnik ehelichte, welches Franckh 1 569 in Druck gelegt hatte.
M. Lauterbach gab als Landschafts-Mathematiker 1567
1570 und 1571 Kalender heraus, da dieselben aber nicht
erhalten sind, lässt sich nicht sagen, ob Franckh oder Bartsch
dieselben gedruckt hat
Was von religiösen Tractaten und Schriften zum Drucke
kam, scheint keine grössere Bedeutung gehabt zu haben,
bekannt ist nur, dass dieselben den Beifall der landschaftlichen
Verordneten nicht geftmden hatten, ungeachtet sie von Reli-
gionsverwandten stammten, denn diese fanden sich 1571 ver-
anlasst, die „Predicanten zur Bescheidenheit'' zu ermahnen
und ausdrücklich zu verbieten, „neue Sachen und Gebete ohne
Erlaubniss der Landschaft in den Druck zugeben'' ^-)« Selbst
als der übrigens hochgehaltene Pastor der steirischen Land-
schaft, Magister Jörg Khuen 1572 „etliche Psalmen und
Leichenpredigten ^ ohne Wissen derselben hatte drucken lassen,
wurde ihm dies strenge verwiesen "). Wir sehen also hier
'<*) ProtokoU der Rathschläge d. Landsch. am 18. Jani 1565 and am
16. Februar 1566. Für die KQckzahlung trat der Oberpräceptor und
Landschafts-Maihematiker Hier. Lauterbach als Bürge ein, welcher
dem Bartsch ausserdem 200 fl. lieh, welche derselbe jedoch (laut
landschaftlichen Actenstücken) niemals zurückbezahlte.
**) Landsch. Ausg.-Bücher.
'*) Landtagsbeschluss, Graz, 5. M&rz 1571.
^B) Aus einer Zuschrift der landsch. Verordneten an David Thoner
ddo. 28. April 1587.
— 141 —
aach bereits in Graz die ersten Anfänge einer Bttchercensur
auftreten und nach wenigen Jahren war gerade diese die
Hauptlirsache, dass das ganze Druckerwesen in eine kritische
Lage kam.
Nebenbei bemerkt, war es auch der Pastor Ebnen, welcher
den Kegensburger Buchhändler Hans Graumeister 1568 ^^)
und den Waidhofner Buchhändler Erhard W i d m e r (Widmaier)
1570 Teranlasste, durch Verehrung von Büchern die Protection
der Landschaft zu erwerben und ebenso war es Khuen, der
den Gedanken zur Errichtung einer eigenen rLiberei^ (Biblio-
thek) angeregt hatte, zu deren Errichtung er bis 1573 einen
Geldbetrag von 500 fl. von der Landschaft erhielt Es muss
aber auch berichtet werden, dass ebenderselbe bei seinem Ab-
züge von Graz (1574) sich den bedeutendsten Theil dieser
Liberei von der Landschaft zum Geschenke erbat und mit
sich fortftlhrte ").
Bemerkenswerth wegen der reichen Belohnung des Ver-
fassers (derselbe erhielt von der Landschaft 50 Thaler „Er-
götzlichkeit^) ist: „Ein Newer Historien vnd Schreibkalender,
der darin aufif alle tag, ausserhalb der gemainen Fest, was
sich etwan vorzeiten auch itziger zeit zugetragen, kttrtzlich
ver&sset ist. Gestellt auff das Jar 1572 durch Hieron. Lauter-
bach ainer loebl. Landschafft des Fürstenthum Steyr Obristen
Scbuelpraeceptor. Gedruckt durch Zach. Bartsch, Formschneider
in Raynhoff." Im Anhange befindet sich ;, Practica durch M.
Hieron. Lauterbach " etc. ").
Von hervorragender Wichtigkeit in topographischer Be-
*^) Graumeister war es auch, der den Pastor zum Antritte seiner An-
stellung in Graz von Regensburg „herabbeförderte" und hiefÜr auf
Beiscunkosten 1568 von der Landschaft 40 fE Pfenn. ausbezahlt
erhielt. (Extract aller ausgeunden und einkommenden Schriften und
Handlungen bei der Landschaft in Steyr, Kanzlei.)
•^) Dankschreiben des Khuen an die Landschaft. — Ausgabe-Bücher.
<^ Diese Angabe, so wie alle, wobei über Geldbeträge berichtet wird,
nach den landsch. Ausgaben-Büchern. Der erwähnte Kalender ist noch
vorhanden.
— 142 —
Ziehung ist die von Zacharias Bartsch 1572 gedruckte und
mit Holzschnitten ausgestattete „Warhafite Beschreibung -" des
Hochzeitseinzuges EarFs H., welche von dem oben erwähnten
Sponreb verfasst worden war.
ir>72 druckte Bartsch auch einen „Almanach durch Doc-
torem Jacobum S t r a u s s ainer Ersamen löblichen Landschafit
des Fürstentumb Steyer Physicum gestellt auf 1573 mit Sr.
Dr. Ertzher^og Carl Gnad und Privilegien*"; 1574 das
„Schatzkemmerlin wider gifft" von dem Grazer Arzt Dr. Jak.
Schober, und »Miscellaneornm ad jus perünentium 11. quatuor^
des i. ö. Regunentsratbes Bernhard Walther; 1577 die
;. Zehendordnung "", 1578 die »Landtrechtsordnung'', die ^Landt-
gerichtsordnung*', die i,Policeyordnung", sämmtlich fUr das
„Ertzhertzogthumb'' Kärnten i,neu aufgerichtete'' Ordnungen.
Andreas Franckh druckte 1574 die von dem berühmten
Organisator des evangelischen Kirchen- und Schulwesens in
Steiermark, Dr. David Chyträus verfasste „Schulordnung''.
Die Landschaft bezahlte für den Druck von 750 Bogen 10 fl.
4 ß (11. Bei eben diesem Hess der neue Rector der Stiftsschule,
Hieronymus Osius sein „Gymnasium recens instauratum in
metropoli Styriae Graecia^ (sie) in Druck legen.
Die letzte Arbeit aus Franckh's Officin war ^Scriptum
publice propositum in funere doctissimi viri M. Jacobi Tutmanni,
qui migrauit ex hac vita XI. Cal. Matij. a. 1575. Cum paucis
quibusdam amicorum epitaphiis. Graetiae in Styria excudebat
Andreas Franckh ").
Ungefähr um das Jahr 1 576 kam Bartsch bei der Land-
schaft bittlicl) ein, dieselbe möchte ihm das von Franckh bei
'') Nach Angabe des Bibliothekars P. Ant. Weis. - Jak. Turmann,
aus Mecklenburg gebürtig, kam 1574 als Präceptor an die Stifts-
schule. Jak. StrauBS, zu Laibach geboren, wurde 1558 an der Wiener
Universität Magister der Philosophie, 1560 dort Professor der Physik,
1571—1590 war er landsch. Physiker in Cilli, 1677 gab er su
Laibach eine Descriptio Gometae heraus. Er verfasste fast jedes
Jahr Kalender, nur nicht von 1583 — 1587 wegen des neuen Kalender-
Stiles. Gedruckt wurden selbe bald zu Graz, bald zu Wien.
— 143 —
dessen Abzuge erkaufte Druckzeug überlassen und ihm, da
er sonst nicht bestehen könnte, ein » Bestallungsgeld ** zuweisen.
Das Druckzeug wolle er entweder mit Arbeit abdienen, oder
wenn möglich mit baarem Gelde bezahlen.
Da es damals gerade mit „Steuerbriefen und Generale'^
(allgemeinen Anordnungen) viel zu thun gab, so wurde er ^als
bestellter und provisionirter landschaftlicher Diener in Be-
stallung (mit 20 fl. jährlich) und Gelübde genommen'' ''*).
Nichtsdestoweniger stand ihm jedoch das Recht zu, von
anderen Parteien Drucksachen zu übernehmen und es ist be-
merkenswerth, dass Bartsch den „ Almanach des Dr. Jakob
Strauss auf 1577" mit „fürstlichem Privilegium" druckte •*).
Uebrigens bewies sich das Jahr 1577 wegen der » ein-
gerissenen leidigen Infection" (Pest) für das Druckereigeschäft
wenig günstig, denn die Schulen waren längere Zeit geschlossen
und da Bartsch — wie er selbst sagte — „sich nur meisten- '
tlieils wegen der Landschaftsschule im Lande aufhielt^, so
war das Verdienst gering gewesen. Er erhielt daher von der
Landschaft bei Gelegenheit der Ueberreichung einiger Kalender
für die Kanzlei zu Beginn von 1578 eine „Ergötzlichkeit^^
von 9 fl.
Aber so ergötzlich das Jahr anfieng, ebenso unerquicklich
endete es. Bevor wir zu der tragischen Episode kommen, müssen
MF etwas weiter ausholen.
Auf dem historisch berühmten Landtage zu B r u c k a. d.
Mar zu Beginn des Jahres 1578, welcher durch die sogenannte
.Religions-Pacification'* eine nachhaltige Bedeutung erlangte,
wurde in Nebenverhandlungen, denen jedoch die geheimen
Käthe des Landesfürsten nicht, dafür aber delegirte Pastoren
und Schulrectoren von Steiermark, Kärnten und Krain an-
'*0 Beriebt der landscb. Verordneten v. 2. Jänn. 1579.
'^) Den Kalender von 1577 honorirte die Landschaft mit 15 fl., den
Tom vorausgegangenen Jahre, welcher derselben dedicirt war, mit
35 fl., während Lauterbacb fOr seinen Almanach auf 1576 25 fl.
erhielt
- 144 —
wohnten, organisirende Bestimmungen fttr das evangelische
Kirchen- und Schulwesen aller drei Länder getroffen, daninter
auch Verfügungen in Betreff des Buchhandels und der Buch-
druckerei (14. Febr. 1578). In Bezug auf den Buchhandel
wurde verordnet:
,.Weil die Buchhändler ohne Scheu allerlei sektische
Traktati und der evangelischen Confession zuwidere Bttcher
einführen und verkaufen und weil die Religions-Pacification
nur zwischen der römisch-katholischen und der Aügsburger
Confession geschehen und der Landesfürst, sowie die Landschaft
andere Secten im Lande nicht dulden wollen, so soll jedes
Land dies bei ihren Buchhändlern ernstlich abstellen, bei Ver-
lierung aller Bttcher, die sie haben.'^
Welche unter den „anderen Secten" gemeint wurden,
war schon in dem Kapitel „Kirchenordnung" erklärt worden,
. nämlich ,,die Anhänger Serveti, Arrianismi, Antinomorer, Wieder-
täufer, Sacramentirer, Osiandri,Stancari corruptelen, die Schwenk -
feldianer, Zwinglianer, Kalviner" und vornehmlich die „Fla-
cianer" die besonders in den österreichischen Ländern „ein-
zuschleipfen" suchten.
Noch mehr interessiren uns hier die Bestimmungen in
Betreff der Drucksachen, die wörtlich lauten:
„Weil beschlossen, zu Graz eine Buchdruckerei zu er-
richten, so soll ohne Wissen und Einsicht des Pastors und
der Subinspectoren für das Kirchen- und Schulwesen nichts
in Druck gefertigt werden und wird der Drucker hiezu mit
Eidespflicht zu verhalten sein."
Erst nachträglich (2. Jänner L579) gaben die landschaft-
lichen Verordneten als Zweck dieser Verfügung an, „damit
alle ungebührliche Antastung von beiden . Seiten (Katholiken
und Protestanten) verhütet und insbesondere nichts wider
die fürstliche Person und Autorität gedruckt werde". Die zur
Censur bestellten Personen hatten auch den Auftrag erhalten,
wenn in den Schriften „etwas beschwerliches" vorkäme, es den
Verordneten anzuzeigen.
Man wolle aber auch beachten, dass darüber gar nichts
— 145 —
bemerkt wurde, dass auch der Landesfürst diesbezügliche Rechte
hab^ kffnnte.
Die Sache fand rasch genug Anstände, deren jedoch nur
ganz kurze Erwähnung geschehen kann, nämlich nur insoweit
sie das Druckwesen berühren.
Der niederösterreichische Regimentsrath (modern ausge-
drückt Segierungsrath) Dr. Kaspar Sitnikh'^^) hatte dem
Badidrucker Bartsch ein Gedicht (in Distichen, der Titel ist
sieht bekannt) zum Drucke gegeben, das den landschaftlichen
Censoren durchaus nicht zu Gesicht stand, weil es ihnen „ein
famos Carmen'^ erschien, das ebenso als eine Schmähung Johannas
de Austria, als auch als ein „PasquilP^ auf die evangelischen
Doctoren, d. L die Kirchen- und Schul-Diener in Graz, zu ver-
dammen war * *). Die Landschaft verbot nicht nur den Druck
und confiscirte die Schrift, sondern machte auch bei Karl U.
eine Beschwerde anhängig, verlangte sogar die Bestrafung des
Ver&ssers nach dem I. Theile § 76 der Landesgerichts-
Ordnung.
^ Casp. Sitnickh (Sithius), 1563 Magister der Philosophie an der Wiener
ünirersität, J566 Professor der Ethik, 1567 Dec&n, 1569 Prior des
Ärchi-CoUegiums zu Wien und endlich von Carl U. zum Begiments-
rath der i.-ö. Regierung ernannt, war ein sehr gewandter Gelegen -
heitgdichter. (Denis, Buchdrucker-Geschichte.)
') Friedr. Pichler bringt in seinen „Typographische Erinnerungen"
(Grazer Tagespost vom 16. Mai 1870) einen hieher gehörigen Original-
brief des Sitnickh an Zach. Bartsch vom 18. Dec. 1578, in welchem
er das Manuscript seines Carmen zurückverlangt, da er sich von
den Sobinspectoren (den Censoren, worunter der aus einem calvini-
stischen Orte in Peutschland vertriebene Pastor Dr. Hornberger war)
nicht schulmeistern lassen wollte, „dan was ist mir daran gelegen,
wan hallt alle lutrische, flaccianische oder calvinistische Praedica-
büia (spöttisch f&r Prediger) oder vermeinte vertriebene doctores
bie wären, ich bin ihrer Sect nit, derwegen sie mir mein Carmen
anch mit Rhne lassen und Ire schützen und wachhanten (Bacchanten
- der flbliche Ausdruck für kleine und grössere Studenten) darfir
examiniren sollen'^ (Die Erklärung dieses Schreibens ist jedoch dem
gedachten Aufsatze nicht gelungen, da dem Verfasser der Zusammen-
bang anbekannt war.)
Minkdl. de* liUL Vareliii f. BUtermark, XZVII. Haft, 1870. 10
— 146 —
Die Regierungserledigimg vom 10. Jänner 1579 lehnte
nicht nur die Beschuldigung ab, dass das Gedicht ein PasquOI
sei, sondern eröffnete der Landschaft auch, dass die Buch-
druckerei ein „Regale^' sei.
Bezüglich derselben gelte: „Es sei dieselbe nicht den
Unterthanen, sondern dem Herrn und Landesfbrsten als
Begale zuständig, so sei es bei allen Fürsten und Potentaten
in der ganzen Christenheit und die Privilegia impressoria würden
nur von diesen gegeben. "^ Demnach verfügte Karl II. auch,
„nichts sollte ohne Erlaubniss der Regierung gedruckt
werden, als der Landschaft politische Landesordnungen und
Generale und dies auch darum, damit das mündliche und
schriftliche Schmähen eingestellt und kein Anlass gegeben werde
zu derlei Retorsionen und Schutzschriften/^
Man denke ja nicht, dass die Verordneten diese Er-
klärungen und Befehle der Regierung stumm entgegen ge-
nommen hätten, im Gegentheile erfolgte rasch die trockene
Einrede: Die Druckerei gehört der Landschaft, daber hat sie
auch das Recht der Censur, wie es auch in der „Brucker
Pacification" ausgemacht worden wäre. Von einem Eingriff in das
Regale sei keine Rede. Darüber bestünde bei der Landschaft
die Ansicht: „Nicht in allen Schriften sei unten der Name des
Landesfürsten intitulirt, sondern, da man eines gelehrten Marines
Bücher in etlichen Jahren bei anderen Officinen nicht nach-
drucken darf, darin begehrt man gemeiniglich der kaiserl. Maje-
stät besondere Privilegia, was aber bei dieser Druckerei, allda
man solche Bücher nicht drucken thut, und wo die Verlag
und auch die Buchstaben nicht vorhanden sind, nicht vonnöthen
wäre." I
„Selbst die Landschaft schicke, wenn etwas Namhaftes züj
drucken kömmt, dasselbe nach Augsburg; oder nach eined
anderen Stadt im Reiche, wie es auch bei dem Drucke del
Landsrecht-Reformation und Polizei geschehen sei."
Auf die Bezugnahme der Landschaft auf den die Druckeitl
betreffenden Artikel der Brucker Pacificaüon erwiederte dil
Regierung, bei Hofe erinnere sich niemand an eine solchl
— 147 -
Punktation, es solle daher angegeben werden, an welchem Tage,
dnrch welche Personen, in Gegenwart welcher Räthe ein solcher
Beschlass gefasst worden sei.
Das konnte die Landschaft freilich nicht, denn, wie be*
reits froher erwähnt, war dieser Beschlass nur in der Privat-
rerbandlung der Landstände erfolgt; statt dessen berief sich
dieselbe unter Anführung und Exposition des bezüglichen Artikels
darauf, dass der Erzherzog dagegen (am Brucker Landtage)
keinen Anstand erhoben hätte. „Wenn Ihre fbrstl. Durchlaucht
damals das wenigste gegen das eine oder das andere Bedenken
gehabt hätte^ so hätte es billig allda geschehen mögen, nun
lulte man dies fdr eine verglichene und abgethanene Sache/^
Diesem entgegen gab ein Hofdecret vom 22. April 1 580
der Landschaft zur Wissenschaft : „Der Erzherzog und die ge-
limien Räthe hätten in der That durchaus keine Eenntniss
voQ dem angezogenen Artikel am Brucker Landtage erhalten.
Ues wäre ein Irrthum der Verordneten und diese möchten
mehr Achtung auf sich geben und den Erzherzog mit derlei
verschonen. Dieselben könnten auch kein einziges Buch auf-
wehen, das hievor im Namen einer ehrsamen Landschaft ge-
druckt worden sei, oder ein solches, das beweise, die Druckerei
l^ätte derselben gehört. Es habe daher bei der alten Verord-
nimg bezüglich des Druckes von Büchern und Tractaten zu
verbleibend •*).
Wir sind in der Darstellung dieses Streites und Schriften-
wechsels den mitüerwefle stattgehabten Ereignissen voraus-
gekonunen und kehren nun zu diesen zurück.
Bei dem Vorfalle, wo die Drucklegung des von Sitnikh
verf&ssten Gedichtes verweigert wurde, kam der Buchdrucker
Bartsch glimpflich durch, derselbe erhielt nur von der
%ierung den gemessenen Auftrag, sich in Zukunft nichts
Uoliches zu erlauben. Allein es waren seit dem wenige Tage
verlaofen, als er sich abermals vor das Dilemma gestellt sah,
^^ Landschafts- and Regierungs- Acten vom 23. und 81. Dec. 1578,
2. Jinn. und 4. Febr. 1579, 22. und 29. März 1580.
10*
— 148 —
ob er der Regierung oder der Landschaft gehorchen solle
und entschied sich jfür das letztere.
Der Rector des Jesuiten-CoUegiums Emerich Forsler,
an dessen Schulen soeben die 7. Classe, d. i. die Logik^ er-
öffnet werden sollte, hatte den Lections-Index sanunt dein Lehr-
bücher-Verzeichnisse für 1579 dem Bartsch zur Drucklegung
überschickt Dieser weigerte sich derselben ohne Bewilligung
der landschaftlichen Censur und übergab die Schrift dem Pastor
der Stiftskirche Dr. Jeremias Hornberger, welcher unklug
genug war, den Druck zu untersagen. Dieser gab nachmals,
von den Verordneten zur Rede gestellt, die Erklärung ab : „Er
sei zwar nur ungeme zur Fällung eines Ausspruches geschritten,
indem er zugestehe, er hätte kein Recht gehabt über den Inhalt
der Schrift eine Censur zu üben, auch lasse sich an und fbr
sich daran nichts ausstellen ; allein da die katholische Religion
seinen eigenen Glaubenssatzungen zuwider wäre, so sei ihm
doch alles verdächtig gewesen und er hätte den Druck nicht
gut heissen können.^^
Ueber die Beschwerde der Jesuiten bei dem Erzherzoge
erfolgte als erste Verfügung, dass der Buchdrucker Bartsch
am 31. December 1578 durch die Stadtquardia aufgehoben
und in das Gefängniss abgeführt wurde.
Auf den Protest der Landschaft gegen diese Arretirung,
da Bartsch als landschaftlicher Diener unter ihrer Jurisdiction
stünde, und auf die Frage, aus welchem Grunde er gestraft
würde, erwiederte die Regierung : „Derselbe habe eigenmächtig
eine Druckerei in der Stadt errichtet, habe trotz des Verbotes
ohne Vorwissen und Bewilligung der Regierung ausser politi-
schen Sachen allerlei ohnediess strafmässige Tractätel zu drucken
unternommen und die erst kürzlich erhaltene Verwarnung nüss-
achtet Derselbe möge in landschaftlicher Bestallung sein, er
sei aber auch und zwar dies zuerst landesfürstlicher Unter-
than. Es wäre doch eigenthümlich, wenn die Regierung wegen
des Strafrechtes erst bei der Landschaft anfragen müsste, so
oft es landschaftliche Personen beträfe.^^
Der Buchdrucker wurde nicht lange im Arreste behalten,
— 149 —
zumal die Landschaft am 4. Februar 1579 nach Hof berichtet
hatte, dass demselben die Druckerei abgefordert und in Zukunft
in ihrem eigenen Namen durch eigene Leute verrichtet werden
würde '').
Bartsch scheint auch bald darauf gestorben zu sein,
oder doch den heissen Boden der Stadt Gmz verlassen zu
haben. Die zurückgebliebene Druckerei wurde ausser den Ma-
tritzen auf 400 fl. geschätzt und von der Landschaft gekauft ^^).
Zum Buchdrucker wurde Hans Schmidt (Joannes Faber),
früher Geselle bei Bartsch, mit guter Empfehlung „seiner Kunst
and Wohl Verhaltens wegen" (im April 1579) mit dem auf-
genommen, dass er — - wie es in dessen Bestallungsbriefe heisst
— «zu jeder Zeit alle einer ehrsam. Landschaft weltlichen
und geistlichen Kirchen- und Schulsachen, so viel ihm derselben
allein von uns oder in unserem Namen von einer ehrs. Land-
schaft Secretarius, oder auf unserem Befehl von den Herren
Subinspectoressen bei einer ehrs. Landschaft Stiftskirche und
Schule allhier und sonst von keinem anderen vertraut
and eingehändigt werden, treulich und fleissig drucke und
befördere, und vor der Zeit er sie uns, oder die es von
') Landschaftl. Acten und Socber, Historia prov. Austr. L, p. 218.
^*) Ob Bartsch bereits Anfangs des achtziger Jahres starb, ist mir nicht
bekannt, doch ist es wahrscheinlich, da bereits im Mai 1580 jene
Verlassabhandlung stattfand, bei welcher Dr. Adam Yenediger die
Abschätzung des Druckerzeuges im Auftrage der Landschaft vor-
nahm, weil der meiste Thcil der Landschaft gehörte und dies durch
Terbriefte Anforderungen erwiesen war. (Landsch. Registratur- Buch
T. 1580.) „Die von Graz'', d. i. der Stadtmagistrat, fanden dann später,
dass die Druckerei in einem zu geringen Werthe angeschlagen worden
war. Jedenfalls blieb ein grösserer Theil der von Bartsch hinterlassen en
Schulden ungedeckt, wiewohl die Landschaft auf die Rückzahlung der
1566 geliehenen 200 fl. verzichtete, und wahrscheinlich auch eine
andere Schuld per 1 75 fl. und den Kaufschilling für das „Puechdrukher-
Zeug". welches Bartsch von derselben überkommen hatte, verlor. Der
Buchführer Widmer. seh eint ebenfalls ein leer ausgegangener Gläubiger
gewesen zu sein, weil er sein Pfandobject, einen Theil des Drucker-
zeuges, erst 1068 der Landschaft verkaufte. (Siehe Pichler, Typogr.
Eriimemngen.)
— 160 —
unsertwegen abzufordern Befehl haben, überantwortet, in
Geheim halten und von denselben niemanden, wer er immer
sei, hohes oder niederes Standes, geistlich oder weltlich, ausser
unser Yorwissen nichts hinausgeben, sehen oder lesen lassen,
auch bei seinem Gesinde solches zu halten, mit Ernst ver-
ordnen solle. **
„Im Falle ihm auch diesfalls von einem anderen was
beschwerliches zugefÜgt^ werden wollte, soll er uns dessen
alsbald erinnern, damit wir ihn im Namen einer ehrs. Land-
schaft gegen deqjenigen in Schutz halten mögen. Solchem also
bei seiner Ehre, Treuen und Glauben festiglich nachzukommen,
hat er uns an Eides statt mit Mund und Hand angelobt
und sich mit einem besonderen Bevers gegen uns ver-
schrieben.'
Als Besoldung wurden dem Buchdrucker jährlich 52 fl.
ausgesetzt, sollte aber „der Landschaft durch seine oder seines
Gesinde Nachlässigkeit ein Schaden verursacht werden, soll
derselbe an seinem Leibe, Hab und Gut ersucht werden, davor
er sich aber zu baten wird wissen^^ -').
Wenn man den Wortlaut dieser Bestallung genau erwägt,
wird man leicht erkennen, dass die Spitze aller Verfbgungen
gegen einen Eingriff von Seite des Landesfürsten gerichtet ist,
und dass es diesem, der Regierung, insbesondere auch den
Jesuiten geradezu unmöglich gemacht werden sollte, bei Schmidt
etwas drucken zu lassen, wenn es nicht von den Verordneten
erlaubt würde.
Das gab auch die nächste Veranlassung, dass die Regie-
rung wenige Jahre darnach zur Errichtung einer katholischen
Buchdruckerei Anstalt traf, wovon später berichtet werden
wird.
Mit Bezug auf die oben gemachte Angabe, dass der jähr-
liche Gehalt des Buchdruckers mit 52 fl., also per Woche I fl.
berechnet wurde, ist zu bemerken, dass sich Schmidt damit
nicht „begnügt^' fand, indem er noch 1 599 der Landschaft zu
<') Nach dem Bestallungsdecrete der Landschaft.
— 151 —
verstden gab, dass sonst ein Druckergeselle nebst Kost und
Trunk wöchentlich 1 Krone zum Lohne hätte - ").
Bisher war das Druckereilokale in dem rückwärtigen
Trakte des Landhauses gewesen, hatte aber jedesmal, so oft
im Landhause eine Hochzeit abgehalten wurde, geräumt werden
müssen, was dem Zeuge schädlich wurde. Ks wurde daher
1580 die gesanunte Druckerei in die Stiftsschule übertragen
und dort in dem „neuerbauten Stocke'^ untergebracht. Hier
blieb dieselbe bis 1 593, wo eine grössere Zahl von Stipendiaten
im Hause unterzubringen war, und daher in den „Rauberhof '
in der hinteren Schmiedgasse Uberwandern musste, wo sie
bis zur Auflassung derselben blieb ^').
Dass die Regierung in dem kurz vorher erwähnten Streite
wenigstens theilweise einigen Sieg errang, geht daraus hervor,
dass die Verordneten es nicht mehr wagten, das Recht auf
eine eigene Druckerei zu betonen und daher am 9. November
1580 befahlen, auf dem neuen Kalender fUr 1581 die Bezeich-
nang ^n einer ehrs. Landschaft Druckerei^^ gänzlich zu tilgen
und allein zu setzen „gedruckt durch Hansen Schmidt^S An
dam Censursystem jedoch, den Druck der Landschaft miss-
filliger Schriften nicht zu gestatten, wurde strenge festgehalten,
^ozu in kurzer Anführung zwei Belege folgen sollen.
Als Dr. Jakob Strauss 1579 einen Schreibkalender
drucken Hess, welchen er dem Prälaten Poljdorus de
Montegnana, erzherzogl Rathe und Administrator des
Süftes Admont, gewidmet hatte, Hessen die Verordneten die
Vorrede, welche die Widmung enthielt, wegreissen und nicht
dnicken.
Als der Baccalaureus der Philosophie Johann Marco-
vitsch 1580 ein Lobgedicht in lateinischer Sprache auf den
genannten Polydorus gedruckt haben wollte, verweigerten die
-^ Aas dem von J; Schmidt bei seiner Entlassung aus dem landsch.
Dienste eingereichten Gesuche um eine Remuneration.
*') Landsch. Registratur-Bücher. — Der neuerbaute (1579) Stock bildete
den Kordtrakt des Gebäudes (jetzt „ Paradeis''), der rückwärts an
die Mauer des Admonterhofes anstösst.
— 152 —
Censoren den Druck unter Angabe : Es enthalte wenig Kunst
und viel Schmeichelei. Wenn man das Gedicht drucken Hesse,
käme es heraus, als läge ihnen etwas an dieser Schmeichelei
für Polydorus. Uebrigens müsse man es doch entgelten lassen,
dass die Regierung im vorigen Monate (November) die Druck-
legung eines evangelischen Tractates eingestellt habe*'^.
Inzwischen hatte auch Dr. Homberger Gelegenheit
gehabt, über die Unannehmlichkeiten einer Censursbehörde
Erfahrungen zu machen. Wir ersehen dies aus dessen Beschwerde-
schrift an die Verordneten vom 25. März 1580-*).
Der Buchdrucker wollte nämlich seine »Positiones über
das Symbolum apostolicum** nicht drucken, ungeachtet die
Kirchen- und Schulinspectoren und andere gelehrte Leute
dieselben gut geheissen hatten.
Das Druckverbot war von den Verordneten ausgegangen,
weil dieselben die darin vorkommenden heftigen AusAUe gegen
die katholische Kirche mit Rücksicht auf die damaligen Zeit-
verhältnisse für unklug und die Stellung des evangelischen
Kirchenwesens gefährdend hielten.
Bei dieser Gelegenheit brachte Dr. Homberger femer zur
Sprache, dass der Buchdrucker sich weigere, den Titel und
die Präfation zu einem anderen Werke in Druck zu legen,
das er 1579 zu Weihnachten habe drucken lassen, welches
„Historien enthalte, aus denen die Studiosen der Theologie
ersehen sollten, wie die Kirchengeschichte zu lernen sei."
Indem er nun diese Präfation den Verordneten übermittelte,
damit sie sich überzeugen, sie sei gut und ungefährlich, be-
merkt er weiter: „Es wäre billig, was theologisches vorkomme,
•*) Beriebt der Subinspectoren v. 29. Dec. 1580. — Die absonderlich
gereizte Stimmung gegen Polydorus schrieb sich von dem Umstände
her, dass derselbe 1579 gegen den Aufbau des 8. Gadens am neuen
Stocke der Stiftsschnle und gegen das Ausbrechen von Fenstern in
den Hofraum des Admonterhofes Protest eingelegt hatte, in Folce
dessen zwar der Aufbau gestattet, aber die Eröffnung von Fenstern
verboten wurde. (Act im Archive des Stiftes Admont.)
•^ Das Original ist im Landesarchive.
— 153 —
ihm sainmt dem Ministerium zur Beurtheilung zu überlassen.
Es wäre nicht gut^ wenn weltliche Personen (Dr. Venediger
und andere Inspectoren sind gemeint) die Prediger verhindern,
an welchen sie doch nichts auszustellen hätten. Wenn er
wüsste, dass es ohne Nutzen und Frucht und mit Gefahr von
ihm geschrieben wäre, so würde er es nicht veröflFentlichen,
aber er wisse es besser." Die Verordneten erwiederten, „sie
wollen schon glauben, dass alles gut sei, allein er möchte
doch auf die ordnungsgemässe Entscheidung der Censur warten,
welche erkennen werde, ob der Inhalt seines Werkes gefahr-
bringend sei oder nicht".
IÖ83 bekam Schmidt von der Landschaft ein Geschenk
von 20 f]. als Ei*satz dafür, dass sie die „Landtagshandlung
und Landrechtsrefonn^' nicht bei ihm, sondern im Auslande
hatte drucken lassen. Damals begann auch schon die Gepflogen-
heit, dass ihm für die den Verordneten zu Neujahr „offerirten"
Kalender 15 fl. jährlich als „Deputat" angewiesen wurden.
In diesem Jahre legte Schmidt auch eine Beschwerde-
schiift ein, weil er sich durch den Geschäftsleiter (Hans Linde-
mann) [Dintemann] des Buchhändlers Erhard Widmer da-
durch im Gewerbe beeinträchtigt hielt, dass dieser den Druck
von Buchtiteln nicht durch ihn hatte machen lassen, sondern
selbst vorgenommen hatte. (Das Nähere ist nicht bekannt)
Eben zu dieser Zeit hatte einer der vielen „fahrenden"
Pädagogen, der sich in Graz um eine Stelle an der Stiftsschule
bewarb, ein Magister Job. Desiderius Tenkh aus Laibach,
ein lateinisches Gedicht (mit dem Thema „Omnis homo quasi
flos campi") bei Schmidt drucken lassen und der Landschaft
dedicirt, wofür er 8 fl. „Ehrung" erhielt Dadurch kam aber der
Bachdrucker mit der Regierung in Conflict, weil er sich mit
der landes fürstlichen Druckbewilligung nicht ausweisen
konnte ^^.
Bald darauf gab es einen weiteren Anlass, dem Drucker
zu Leibe zu gehen. K a r 1 IL fahrte 1 583 trotz heftigen Wider-
*) Mach dem Berichte der Sabinspectoren.
— 164 —
Standes der Landschaft und zum gewaltigen Aerger des evan-
gelischen Ministeriums die Kalenderverbesserang, d. i. den
Gregorianischen Kalender, ein und erliess den Befehl an die
Buchdrucker und Buchführer, keinerlei Kalender mit alter
Zeitrechnung in den Verschleiss zu bringen.
Als aber der Bürgermeister von Graz Mich. Strass-
p e r g e r im Regierungsauftrage im Landhause eine Visitation
der „failhabenden^^ Kalender vornahm (wogegen freilich die
Landschaft als einer Verletzung ihrer Freiheiten protestirte),
wurden sowohl bei Schmidt als auch bei Widmer derlei ver-
botene Kalender gefunden, confiscirt und Schmidt als der Ver-
leger derselben ausserdem arretirt und ihm mit Landesver-
weisung gedroht
Bei dieser Erfahrang fand es auch Erhard Widmer,
der bisher ungescheut allerlei evangelische und verbotene
Bücher eingeführt hatte, in Erwägung der Thatsache, dass
diese Jahre her den Bürgern , welche sich zur Augsburger
Confession bekannten, die längst verbotene freie Religions-
übung sehr erschwert und durch Strafgelder geahndet worden
war, fbr räthlich, sich für die Zukunft des landschaftlichen
Schutzes zu versichern.
Die Sache ist zu charakteristisch, um nicht genau be-
richtet zu werden. Auf die Supplik der Katharina W i d m e r i n,
Buchführerin, ihrem Hauswirth Erhard Widmer (er hielt sich
gewöhnlich zu Waidhofen auf, wo er ebenfalls den Buchhandel
betrieb) eine S c h e i n - Bestallung als einer ehrs. Landschaft
Diener zu fertigen, erfolgte am 24. Mai 1584 der Rathschlag
der Verordneten: ^^Sie solle ein specificirtes Verzeichniss über-
geben, was für Bücher ihr Hauswirth jetzt zu verkaufen habe,
alsdann sind sie nicht dagegen, über diejenigen Werke, welche
evangelisch und der wahren unverfälschten Augsburger Con-
fession zugethanenen Gelehrten ausgehende theologische Bücher^
so weder mit den papistischen, calvinischen, zwinglischen,
fladanischen oder dergleichen abscheulichen Irrthümem nicht
vergiftet sind, dann auch diejenigen, was juristischen, medi-
cinischen und philosophischen Materiis anhängen, begehrter
— 155 —
massen emeo Schein mit zurückgestellten! Datum auf-
zariditen und zu fertigen." So geschah es auch in der That,
nachdem die voi^elegte Bttcherliste zur Zufriedenheit ausge-
fallen war ■*).
Sehr interessant ist die Censurstrenge, mit welcher die
steirische Landschaft am 14. Juni 1584 gegen den herühmten
Gelehrten Nicodemus Frischling, damals Rector an der
evangelischen Schule zu Laibach, verfuhr, als er derselben
einige Exemplare seiner neuen Grammatik der lateinischen
iSprache übersandt hatte. Der den Gegenstand erledigende
Ratlischlag, statt wie in anderen derartigen Fällen ein Ehren-
geschenk zu bewilligen, lautete: „Die weil sich diese drei be-
nachbarten Landschaften Steier, Kärnten und Krain der Augs-
barger Ck)nfes8ion zugethan, neben anderm im Brucker Uni-
Tersal-Landtage anno 78 gehalten, wohlbedächtlich beschlossen
gleicher Kirchen- und Schulordnung zu Verhütung allerhand
cinreissenden beschwerlichen Corruptelen, auch dahin verglichen,
dass sonderlich von Ihren bestellten und besoldeten Kirchen-
and Schuldienem ausser vorhergehendem Gutheissen und
Ratification wolgemeldter Landschaften nichts in Druck ver-
fertigt werden solle; also haben die Herren Verordneten
allhie nicht gern gesehen, dass der Supplicant für sich selber
ohne Vorwissen und Bewilligung einer ehrsamen Landschaft
in Crain, als seiner Obrigkeit, welches denn mehrerlei sonder-
bare Bedenken ob sich tragen, hierin vermeldtes Buch hat
^uisgehen und spargieren lassen, wie denn auch solches auf
Ihrer der Herren Verordneten Erachtens füglich hätte wohl
können vermieden bleiben.'^ In derselben Sache wurde auch
ein „nachdrüddiches Schreiben an die Verordneten in Crain^^
erlassen •*)•
") Nach den landBch. Registratur-Protokollen.
'^ Nach dem landsch. Registratur- ProtokoUe v. J. 1584 und einem
Berichte des Obersecretärs Matthäus Amman über Dav. Thoner v.
13. Mai 1588. — üeber Frischlin's Grammatik berichtet Näheres
Dimitz, Gesch. Krains, 3. Th., 8. I7h Mein Bericht bietet ein neues
Moment hieza.
— 156 —
Es ist nun noch eine andere Seite der censurirenden
Thätigkeit zu beleuchten, nämlich die Ueber wachung der Schriften
in Bezug auf die „Reinheit der kirchlichen Lehre".
Das evangelische Ministerium zu Graz pflegte hierin der
strengsten XJeberwachung, allein eines seiner eigenen Mitglieder
war es gerade, das demselben hierin Sorge und Aerger machte.
David Th 0 ner, ein gemüthlicher Schwabe aus Ulm, schon
1570 als Diener des Wortes Gottes an der Stiftskirche zu
Graz bestellt, war ebenso als Prediger, wie als Tischgenosse,
insbesondere bei den Bürgern beliebt, und scheute sich auch
nicht einen guten Trunk zu thun, wenn er auch über den
Durst gieng. Man hätte ihm dies gerne nachgesehen, wenn er
nur nicht gar so selbstständig aufgetreten wäre und sich über
manche Anordnungen hinausgesetzt hätte.
Dazu gehörte auch, dass er seine apologetischen Arbeiten,
es waren dies die Postillen, „die sonntäglichen Episteln" (1580),
„die sonntäglichen Evangelien" (1584) und „die feiertäglichen
Feste" (1587) ohne Bewilligung der Censur und der Verord-
neten in Frankftirt a. M. drucken liess. .
Zu diesem Zwecke unternahm er jedesmal eine Reise
in's Ausland, um bei Gelegenheit einer Cur in einem Bade
Würtemberg's seine Absicht in's Werk zu setzen* Das erste
Mal gelang ihm dies ganz vortrefflich, er erhielt sogar für ein
der Landschaft präsentirtes Exemplar 1 00 Thaler Ergötzlichkeit.
Allein das zweite Mal wurde dieser Vorgang sehr übel
aufgenommen, das von Thoner den Verordneten überreichte
Exemplar den Kirchen- und Schulinspectoren, respective dem
Dr. Hornberger zu Bericht übergeben, der es über 5 Monate
zurückbehielt und endlich ein sehr ungünstiges Urtheil flülte.
Das dritte Mal, 1587, wurde ihm, bevor er noch in das
Bad abreiste, die Drucklegung geradezu verboten, wenn er nicht
das Manuscript früher vorlegen würde und bezüglich zweier
in der ersten Postille vorkommenden Fehler die „ gebührliche
revocatio errorum Calvinismum redolentium" nachgetragen hätte.
Aber selbst die beigefügte Drohung mit dem Kirchen-
— 157 -
rathe hinderte Thoner nicht, seiq Werk drucken zu lassen und
der Landschaft von Kärnten zu widmen.
Das war nun selbst den Verordneten zu stark. Man be-
legte daher 1 588 die hieher gelangten Eisten mit den Büchern
iQit Beschlag und schrieb den Kärntnern, sie sollten das Buch
nicht öffnen und die Dedication zurttkweisen. Der Pastor Dr.
Wflhelm Zimmermann, Homberger's Nachfolger, erhielt den
Auftrag das Buch zu begutachten und Thoner das Verbot,
dasselbe früher auszugeben, bevor diese Begutachtung des Mi-
nisteriums erfolgt wäre.
Als dann dasselbe freigegeben war, fanden die Jesuiten
in demselben allerlei Anstössiges und P. Sigmund Ernhofer
schrieb einen Tractat dagegen. Thoner liess es an einer Gegen-
sdirift nicht fehlen, die jedoch vor dem Drucke den Verord-
neten vorgelegt, von den Censoren untersucht und erst, nach-
dem zwei vorgefundene Fehler verbessert worden waren, 1 589
gedruckt wurde.
Den Widerruf wegen der Calvinistischen Irrthümer leistete
Thoner erst 1590, als er auf dem Sterbebette lag'').
Das Jahr 1585 ist in der Buchdrucker-Geschichte deshalb
bemerkens weilh, weil der Buchdrucker Georg Widmanstetter
&QS München, ein Katholik, seine Officin und einen Buchhandel
in Graz eröffnete. Wie schon obep erwähnt, war es durch die
scharf begrenzte Bestallung des Buchdruckere der Landschaft
den Katholiken in Graz unmöglich gemacht, irgend etwas in
Sachen ihrer Religion drucken zu lassen und selbst die Re-
gierung war bei Drucklegung ihrer „Generalia, Mandata und
Patente** von dem guten Willen und Belieben der Landschaft
abhängig gemacht
Indem nun dies dem „landesfUrstlichen Regale abträglich*'
^^ Schriftliche Aufträge der YerordDeten an die Subinspectoren v. 6. Dec.
1584. 21. Juli 1585; Supplik Thoner's an die Verordneten vom
26. Jänn. 1585; £rlaBS der Verordneten an Thoner v. 28. April
und 13. Mai 1588 UAd Amman's Bericht über Thoner v. 18. Mai
und 4. Juni 1588; Registr. -Protokoll v. 21. April und 18. Juni 1587;
V 26. Juli 1589 und Landtags-Verhandlung v. 9. Dec. 1589.
— 158 -
erschien und ausserdem übel vermerkt wurde, dass „durch der-
gleichen widerwärtige (so viel als feindselige) Buchdruckereien
die Errores und Irrthümer am meisten unter dem gemeinen
Mann als mit Büchern und Tractäteln spargirt werden'^ so
wurde bei Hof beschlossen (gleichzeitig mit der Errichtung
der Universität) eine katholische Buchdruckerei zu errichten
und hiedurch auch den Gegnern zu verstehen gegeben, dass
„der LandesfUrst sein Regale aufrecht erhalten wolle und die
andere Druckerei niemals approbiren werde^'.
Widmanstetter wurde 1586 zum Hofbuchdrucker
mit emem Hil£sgelde von 100 Kronen jährlich ernannt
Allein da Widmanstetter sein Geschäft bald blühend ge-
macht hatte und keiner besonderen Unterstützung mehr zu
bedürfen schien, wollte ihm die Regierung 1591 das Hil&geld
nicht mehr auszahlen. Da aber Widmanstetter unter diesen
Umständen nicht mehr Hofbuchdrucker bleiben wollte, nahm
sich der damalige Rector der Universität Emerich Forsler
der Sache lebhaft an und machte es den unbedachten Spar-
meistem begreiflich, dass eine Entziehung der bisherigen Unter-
stützung einer Förderung der Landschafts-Druckerei gleich-
käme, was doch ganz gegen die Intention des seligen Erzherzogs
Karl wäre. Liesse man die jetzt bestehende Druckerei fallen,
so würde es sich bald ergeben, dass man zur Errichtung einer
neuen schreiten müsse und würde neue und grössere Mühe
haben **).
So blieb es denn noch für längere Zeit bei dem Hilfs-
gelde und Widmanstetter der Stadt erhalten. Dessen fiuch-
druckerei befand sich damals und bis in die neueste Zeit in
dem Eckhause der Herrengasse gegenüber der Hauptstadtpfarra
Von 1600 an bis gegen Ende des 18. Jahrhundertes war
•*) InneröBterr. Hof kammer- Acten v. 1586 und 1591. — Die Steierm.
Zeitschrift bringt im 8. Hefte (1827) S. 145 den Regienmgsbefehl
an den Buchdrucker ddo. 7. Juni 1588. Die dabei in der Anmerkung
gegebenen Daten Über die Orazer Buchdrucker sind vollends un-
richtig.
- 159 —
dieselbe (gewissermassen ein Fideicomiss), die einzige in Graz.
1785 gieng sie in den Besitz des Andreas Leykam ttber.
1586 war die auf Kosten der Landschaften Krain, Kärnten
and Steiermark im Auslande gedruckte windische Bibel des
Georg Dalmatin vollendet und zum Theile mit Verlust von
einigen zu Linz confiscirten Kisten auch in Steiermark einge-
ächwärzt worden. Eine Partie Exemplare wurde den in slove-
nischen Gegenden wohnenden Edelleuten zum heimlichen Ver-
schleisse übergeben; aber wie Georg Seifried v. Trüben egkh
berichtete, wurden wegen des zu hohen Preises wenig an Mann
gebracht ").
'^) Laut Schreiben desselben an die Verordneten v. 17. April 1587, ~
Sovie die Landscbaft sich seinerzeit auf Primus Trüberes Bitte und
•
auf des Wiener Bürgers Ambros Frölich Bericht und „Beförderung
des Crabatiscben Druckes dadurch die Bücher der h. Schritt in
solcher Sprache gedruckt werden **, lebhaft interessirte und n. A.
z. B. am 20. August 1561 hiezu 100 Thaler spendete (Ausg.-fiuch
V J. 1561), so förderte dieselbe noch mehr die Uebersetzung und den
Dnick der sloTenischen Bibel Dalmatin's. Der Pastor Dr. Hornberger
war eingebend mit der Prüfung des Textes beschäftigt gewesen, und
ein Beitrag Yon 1000 fl. zur Deckung der Druckauslagen war aus
der Landschafts-Kasse verabfolgt worden. (Registr.-Prot. a. m. 0.)
Im Landesarchiye findet sich auch die erste Berechnung der Druck -
Unkosten 1578, von dem Buchdrucker Hans Manneil (Manlius) zu
Laibach aufgestellt, welche jedoch vergeblich gemacht wurde, weil
Manuel den Druck nicht übernehmen konnte. Manuel, wegen der
Religion aas Krain vertrieben, erhielt bei dem Freiherm Balth. v.
Batthiany zu Güssing in Ungarn Unterstand und druckte dort die
»Postillen Joannis Spangenbergi nebst anderen Tractaten und nütz-
lichen Büchlein in windischer Sprache auf seine Unkosten**, die er
den Landschaften von Steiermark, Kärnten und Krain dedicirte,
ferner verlegte er 1588 eine , feine für den gemeinen Mann nützliche
Tafel, welche intitulirt ist : Antithesis quorundam praecipuorum vere
orthodoxae, que (sie) Augustanae Gonfessionis et papisticae doctrinae
quasi ex diametro inter se pugnantium et discidentium Articulomm
^. jetzunder neu unter der Landschaft Titel und Namen gedruckt^.
Hiefür erhielt er am 5. März 1583 ein Geschenk von 12 fl. (Sub-
inspect. Bericht). — 1584 überschickte Adam Bohoritch (1566 bis
1582 Rector der evangelischen Schule zu Laibach) der steier. Land-
schaft 10 Exemplare einer „;windischen Grammatik''. (Registr.-Prot.-)
— 160 —
Im Jahre 1 587 erschienen zu Graz bei Widmanstetter drei
von Jesuiten verfasste politische Tractate gegen den Katechis-
mus von Luther, von denen uns der zulezt edirte unter dem
Titel „Evangelischer Wetterhan" erhalten ist Dieselben er-
regten bei dem evangelischen Kirchenministerium zu Graz einen
grossen Aerger und der Pastor Dr. Wilh. Zimmermann
wendete sich an seinen Schwager den Dr. Jacob Heerbrand^
Superintendenten zu Tubingen, damii er die Jesuiten ^ ab-
fertige". Derselbe schrieb auch einen Gegentractat unter dem
Titel „Rettung" und „zerzauste den Wetterhahn mit Lust^'.
Als Autwort erschien (Graz 1587 bei Widmanstetter) von dem
Jesuiten Sigm. Ernhofer „Schutzschrift wider Heerbrand
und Zimmermann wegen der Rettung'^ etc.
. Mit Bezug auf diesen Tractat schrieb Heerbrand (5. April
1588) an die landschaftl. Verordneten in Graz: Weil es ein
gar „schandlich, teuffelisch böses BUchl'^ ist, so habe er diesen
Jesuiten „gezaust, seine Falschheit, Lug (mit ehren zu melden)
und Betrug entdeckt und meniglich, was er für ein loser leicht-
fertiger, nichts werther auch ungeschickter grober Esel sei, zu
erkenen geben und drucken lassen'^
Die Widerlegung, welche Dr. Zimmermann schrieb, sei
zwar männlich und künstlich, aber für Zimmermann bedenklich
zu drucken, „da er einen solchen Oberherm habe, der obwohl
er von Natur gnädig durch Anhetzung der teufelhaftigen Hetz-,
HöU- und Bluthund der Jesuiten dahin möchte getrieben
werden, dem Zimmermann das Handwerk niederzulegen oder
ihn gar zu veijagen".
Dies Schreiben gefiel den Verordneten sehr, sie verlangten
einige Exemplare von diesem Tractate und bedachten Heer-
brand mit der ansehnlichen Remuneration von 60 fl.
Der heftige Streit war jedoch hiermit noch nicht beendet.
Bei Widmanstetter erschien 1589 von dem gelehrten Jesuiten
Sigmund Ernhofer, den man „gezaust'^ hatte, „Druck und
Abdruck, welchen Jacok Heerbrand durch dreyerley Schreiben
. . . erlanget hat."
Einen neuen Streit erregte die bei Widmanstetter 1588
— 161 —
gedruckte Schrift des Pröpsten zu PöUau Peter Muchitsch
,,Paedagogia oder Scbuelfürang der wttrtembergischen Theo-
logen." Dieselbe war nach der damaligen gelehrten Kampf-
weise ziemlich derb geschrieben. Auf diese antwortete 1589
Mag. Wilh. Holder, Stiftsprediger in Stuttgart, durch ein
Buch mit dem Titel: ,3ericht von dem Uberkunstreichen Buch
des wahnwitzigen Propst zu Pellen in Steiermark Dr. P.
Jfuchitsch," der darin mit nicht minderer Derbheit als
Jiirnkrank, Esel, Stockfisch, Sau" bezeichnet wird.
Muhitsch entgegnete durch: „Anderer Theil Paedagogiae
• ., worin auch sonderlich der Würt Theologen und ingemain
aller lutherischen Predicanten abscheuliche Gottlosigkeit, Narr-
heit, Betrug und Falschheit entdeckt werden" (bei Widman-
stetter 1589) imd durch: „Gründliche und warhafftige Antwort
auf den weitspatzierenden Bericht der würtemb. Theologen" etc.
lauch bei Widmannstetter 1590 gedruckt).
Die steirischen Landstände vermeinten sich in diesen
S(hriflen von Muchitsch getroffen und fühlten sich so empört
und erbittert, dass sie ihm erklärten, sie wollten mit ihm nicht
mehr im Landtage zusammen sein und ihm das Recht der
.Session" entzogen. Es half nichts, dass Muchitsch darthat,
^<üe Schrift gehe die Landschaft nicht an'', auch seine Klage
f>ei Hof (J 590) brachte die Sache nicht zum Ausgleich. Erst
nachdem Muchitsch 1596* einen schriftlichen Revers ausgestellt
hatte, trat die Versöhnung ein '*).
Im Jahre 1 588 wurde die Verhandlung in Betreff der von
^toch hinterlassenen Schulden geschlossen und die Landschaft
kaufte von dem Buchftihrer Widmer die von Bartsch hinter-
lassenen Matritzen, die wahrscheinlich dort als ein Pfandstück
gelegen waren, für den Gebrauch ihrer eigenen Druckerei.
Es scheint, dass der alte Buchführer Wj d m e r 1 588 sein
Greschäft zurüklegen wollte, daher sich dessen Commis Matthäus
^*) Za diesem „Trac taten- Gefecht** finden sich Daten in Aqu. J. Caesar,
Staat- and Kirchengeschichte, Gap. YI., p. 396, in Dr. Robitsch,
Gesch. des Protestantismus, S. 163 und ActenstOcke (Landtags-
Verhandlnngen) im Landesarchive.
Mütbai. de« hnU Verein« f. Sulermark, XXVII. lieft, 1879. ] 1
— 162 —
Federer um die Uebernahme dieses Geschäftes bewarb..
Allein dazu gehörte, dass er zu Graz das Bürgerrecht erwarb.
Hiezu wollte er sich angeblich nicht entschliessen, weil er den
damals vorgeschriebenen katholischen Bürgereid als ein guter
Protestant nicht ablegen mochte. Er suchte daher eine Be-
stallung als Buchführer durch die Landschaft zu erhalten, indem
er als ein landschaftlich Bediensteter nicht unter der Juris-
diction der Stadt stehen und in seinem Handel von ihr un-
abhängig würde.
Die Landschaft hatte zu einer solchen Bewilligung und
zu einem solchen Eingriff in das bürgeriiche Gewerbe durchaus
kein Recht, aber sie gewährte doch und zwar unbehindert
durch den Magistrat das Ausuchen Federer's — und gab
ihm eine Schein-BestÄllung. Uebrigens führte auch Widmer
den Buchhandel in Graz noch bis 1599 fort").
1589 gab es zu Ende des Jahres einen Handel wegen
des Verkaufes von Kalendern. Es muss bemerkt werden, dass
eben der Verschleiss der Kalender ein gutes Geschäft gab
und dass damals sowohl die Buchdrucker Widraanstetter und
Schmidt, als die Buchhändler damit handelten. Widraanstetter
hatte den Kalender des Dr. Jak. S t r a u s s aufgelegt, der für
die Katholiken geschrieben war, Schmidt hatte den Almanach
des Georg Stadius im Verlage, der für die Evangelischen
bestimmt war.
Federer hatte nun auch den Kalender des Strauss feil,
und scheint damit guten Abgang gehabt zu haben, denn er'
wurde bei der Landschaft denuncirt und erhielt am 2 1 . October
das Verbot, solche Kalender feil zu haben, „bei Verlierung
seiner Scheinbestallung", und am 18. November, weil er sich
nicht gleich gefügt hatte, den Befehl; seinen Buchladen im Land-
'^) Das Concept dieser Scheinbestallung befindet sich im LandesarcbiTO.
— In der Tanfinatrikel der Stiftskirche zu Graz ist im J. 1589 als
Pathin verzeichnet „Katharina Erhard, gewesene Buchführers Fraii|
nun dem Buchhandel abgestanden und Handelsmann zu Steyor".
Unzweifelhaft ist Kath. Widmer, die Gattin des Erhard Widmer
gemeint.
— Iß3 —
<
haus binnen 8 Tagen zu räumen. Nun kroch derselbe zum
Kreuze, bat aber um die Erlaubniss, wenigstens andere Kalender
verschleissen zu dürfen, denn es kamen auch von Wien, Augs-
burg u. a. 0. derlei nach GrOz. Das wurde ihm am 2. De-
cember bewilligt; dagegen beschwerte sich aber drei Tage
darauf Schmidt über diese Bewilligung, weil dieselbe sein
Geschäft beeinträchtigte *").
Zu diesem Jahre 1 590 muss berichtet werden, dass sich
auch ein Christof Le ebner als Bürger und Buchdrucker in
Graz befand, der im Steuerbuche der Stadt mit 7 fi. 4 ß 6 dl.
beansagt war, aber von einem Buchdruck finden sich keine
Anzeigen, wohl aber vom Handel mit Schweinfleisch, Schmalz
und „Eäsmachet". Es scheint, dass ihm dass Geschäft mit leib-
licher Nahrung gewinnbringender dünkte, als das mit geistiger.
Federer wies in diesem Jahre eine Einfuhr von Druck-
sachen, die er von Linz und Augsburg bezogen hatte, im
Werthe von 438 fl. aus und zahlte davon 21 fl. Steuer''*).
Interessant ist auch die Berechnung der Druckkosten und
des Buch -Verlages, die uns in Betreff eines durch Dr. Hom-
berger edirten Buches erhalten sind.
Dr. H 0 m b e r g e r, unermüdlich in Verfassung von polemi-
schen und apologetischen Schriften, hatte zu Regensburg, wo
er sich seit seiner Verweisung aus Graz für gewöhnlich auf-
hielt, abermals einen „deutschen Tractat de justificatione''
gesehrieben und sich nach seiner Gepflogenheit wegen der
Dnickunkosten an die steirische Landschaft gewendet Die
landschaftlichen Kirchen- und Schulinspectoren berichteten hier-
über am 1 6. October 1 590 an die Verdordneten : Homberger
beabsichtige 1000 Exemplare zu 300 Druckbogen zu Jena
bei dem Buchdrucker Tobias Steinmann drucken zu lassen
und habe mit diesem dahin gehandelt, dass er ihm alsogleich
^ Registr.-Prot. der Landschaft. — 1590 druckte Schmidt (Faber), des
M. Stadias „Ephemeris latina, italica, gallica pro anno domini 1590*^.
'*) Stenerbescbreibung der Stadt Graz 1590 Über neu aufgenommene
Borger auf Grund der ^ Ansage** (des Einbekenntnisses) von den
Ton ihnen eingeftkbrten Handelsartikeln. (Im Archive der Stadt Graz.)
II*
— 164 —
200 fl. zum Verlage und nach Vollendung des Druckes aber-
mals 200 fl. bezahle. Dagegen sollten dem Hornberger 500
Exemplare ausgefolgt werden,, die anderen 500 aber dem Ver-
leger zur Deckung der weiteren 400 fl. Unkosten verbleiben.
Sie, die Inspectoreti, hätten zwar den Tractat nicht gesehen,
aber andere gelehrte Leute hätten ihn als ein gutes Buch
anerkannt, und da auch der Autor als ein „sehr hocherfahrner
Theolog gelte", sei zu erwarten, dass es „ein perfectum opus
sein wird, daraus des Papstthums meiste Hauptirrthttmer de
missa, de indulgentiis, de Purgatorio, de Peregrinationibus, de
Sanctorum meritis et inprimis de opariorum (sie) Justitia allen
Christen, (weil es deutsch ist) sehr heilsamlich zu lesen, wider-
legt werden."
Die Inspectoren stellten den Antrag, dass die Landschaft
ihm die jetzt benöthigten 200 fl. verehre, Hornberger hätte
dafür 200 Exemplare nach Graz zu schicken, die man dann
das Exemplar zu 2 fl. 30 kr. mit der Zeit leicht verkaufen
könnte, wobei der Druckbogen auf 2 Pfennige käme. Die
anderen 200 fl. würden dann vielleicht die „Lande" Kärnten
und Krain gegen ähnliche Bedingungen hergeben.
Die Landschaft bewilligte auch die angedeutete Summe,
wiewohl sie dem Hornberger schon am 11. Juli desselben Jahres
für ein Werk, das von den Inspectoren als ein „sehr nützliches
und lustiges Buch," bezeichnet war, betitelt „Granum sinapis'',|
150 fl. „Ehrung" gespendet hatte. Auch von diesen kamen
180 Exemplare nach Steiermark.
Als aber Homberger 1591 für die Drucklegung seiner
Schrift „Explicatio omnium locorum doctrinae Christianae" voa
der Landschaft abermals 300 fl. in Anspruch nahm, wurden ih
dieselben (am 30. December 1591) zwar bewilligt, jedoch n
dem Bedeuten, „er wolle die Landschaft hiefllr mit dei^leichei
Ausgaben verschonen"*").
Das Jahr 1592 ist in der Buchdruck-Geschichte nie
bloss merkwürdig durch mehrerlei poetische Sachen * *), die b
*®) Subinspeetoren-Bericbte und Ausgabe-Bilcher der Landschaft.
*') Darunter sind bemerkenswerth ein ^Carmen" und ein „Epioediui
— 165 —
Schmidt und bei Widmanstetter gedruckt wurden, sondern auch
durch mancherlei Belege für den herrschenden Geschäftsnoid*
Stadius hatte diesmal seinen Kalender auf 1593 bei Widman-
K>tetter drucken lassen und Schmidt erhielt von diesem keine
Exemplare zum Verkaufe abgelassen, angeblich weil es Stadius
verboten hätte. Schmidt klagte darüber bei der Landschaft, und
diese nicht wenig erzürnt, forderte am 1 9. September von Stadius
Bericht, „ob und was Ursache er dem Widmanstetter ver-
boten habe, seinen Kalender an Schmidt zu verkaufen '^. Gleich-
zeitig erhielt er den Befehl, „bei Verherung des Dienstes keinen
Buchstaben noch oder von neuem drucken zu lassen." Man
sieht, dass es damals mit der Freiheit und Unabhängigkeit
io Bezug auf literarische Production gar absonderlich aussah.
Desselben Jahres beschwerten sich die Meister des Buchbinder-
handwerkes zu Graz, dass der Präceptor der Stiftsschule Johann
P 1 8 1 0 r Bücher einbinde und dass Hans Schmidt einen Buch-
bindergesellen halte. (Der Präceptor suchte auf diese Weise
einen Nebenverdienst, da er mit seinem kargen Gehalte von
132 fl. jährlich mit Weib und Kind nicht leben konnte.)
Freilich war dies gegen das Gewerbegesetz, aber von
jeher besorgten die Buchdrucker in Graz und anderswo den
Einband ihrer Bücher in eigener Regie, trieben nebenbei
Papier- und Buchhandel, wie auch Widmanstetter als Buch-
aof Herrn Wolf von Sauraw Freiherm Gemahel selig" beide ge-
dichtet von Christ. Neminay; ferner ein „Gannen au die drei
Lande" nnd die Bearbeitung der sophokleischen Tragödie n^^^aig
Oedipus (?)" zur Aufführung durch die Studenten der Stiftsschule,
beides von dem Licentiaten der Hechte, Nicolaus Gabimann,
gekrönten Poeten und Professor an der Stiftsschule. Von der Tra-
gödie wurden 500 £x. zu 7 Druckbogen stark gedruckt und betrug
der Druckerlohn 28 fl. — Widmannstetter druckte 1593 „Hecaton-
stichon", dem Erzherzog Ernst gewidmet von Elias Corneus,
Schulhalter zu Voitsberg. Hieher gehört auch das Grazer Druck-
werk: Victoria Davidis contra Goliad, den Landschaften in Oester-
reich und Steyr und dem Erzherzoge gewidmet von einem Mecklen-
burgischen Ritter und coronirten Poeten Namens Hier. Schrötter
T. Güstrow.
- 166 —
händler deu Erzherzog, den Hof und die Prälaten zu guten
Kunden hatte.
Zu bemerken ist auch, dass der Buchfllhrer Widmer
(15. Jänner 1592) sein Gewölbe hn Landhause (im ersten Hofe
an der südlich liegenden Seite) räumen musste, weil die land-
schaftliche Registratur desselben zur Erweiterung ihrer Amts-
localitäten bedurfte^')-
Wiewohl es nicht in der Absicht dieser Darstellung liegt,
sämmtliche im 16. Jahrhunderte zu Graz gedruckten Bücher
anzuführen, was einer bibliographischen Schrift überlassen
bleiben muss, so darf doch hier noch eines oder des anderen
Druckwerkes Erwähnung geschehen, wenn es von cultur-
historischer oder literarischer Bedeutung ist.
So druckte Hans Schmidt 1592 die „Warhaftige Beschrei-
bung dess hochzeitlichen Ehrenvest", welches von Carl von
Harrach mit dem Fräulein Maria Schrattenbach am 24. No-
vember 1591 gehalten und von Sigmund Bonstingl ;,iü
deutsche Carmina gestelt*" wurde.
Georg Widmanstetter druckte 1592 einen Tractat von
Dominik Hess: „Gründtliche und aussiürliche Erweisung^, dass
die katholische Kirche allein die rechte, allgemeine und selig-
machende Kirche sei, und 1594 von demselben Verfasser
.,Synodus oecum. theol. protestantium in anüquissima Saxoniae
ducatu nuper inchoata jamque ad exitum ferme perducta ver-
sibus heroicis exposita inque sessiones octo digesta''.
Im Jahre 1595 druckte Widmanstetter „Historia von dem
hl. Krakawischen Bischofife und Martrer Stanislao, verfasst von
Blasius Laubich'' ; die nächstfolgenden Jahre mehrere theolo-
gische Schriften von Schriftstellern aus dem Jesuiten-CoUegiuiu
zu Graz.
Von höherem bibliographischem und literarischem Interesse
erscheinen die von Hans Schmidt gedruckten Kalender des Mag.
Johannes K e p 1 e r. Der erste war auf das Jahr 1595 gestellt
und der steirischen Landschaft gewidmet, welche ihm dafür
**) Landsch. Registr. und Expedit-Protokolle.
— 167 —
nur 20 fl. verehrte, während sein Vorgänger Georg Stadius
jedesmal 32 fi. erhalten hatte. Von diesem, wie von dem 1596
und 1 597 publicirten^ ist jetzt kein Exemplar auffindlich.
Der Kalender für 1598 führt die Aufschrift: „Schreib-
Calender anff das Jahr nach dess Herrn Christi unsers Erlösers
Geburt 1598, gestellt durch M. Joannem Kheplerum. Einer
Ersaoien Landschafift dess Herzogthumbs Steyr Matbematicum,
gedruckt zu Graetz in Steyer durch Hansen Schmidt." Darauf
folgt : „Practica auff die vier zeiten, auch andere Bedeutungen
der Planeten und Finstemussen. Gestelt auf das Jahr nach
Christi Geburt 1598 durch M. J. Kepleruui, einer ersamen
La&dschafft des Herzogthumbs Steyer Matbematicum."
Kalender imd Practica auf das Jahr 1599 haben fast den
gleichen Titel, nur ist bei der Practica bemerkt: „Mit ange-
hängtem kurtzem Bericht von der verflossenen Sonnen-Finster-
oiss den 7. Martij des verschinen 1598. Jahres.^ Beide sind
der steier. Landschaft gewidmet.
Ob Kepler's 1599 edirte Schrift „De coena Domini'' in
Graz gedruckt wurde, kann ich keine sichere Auskunft geben.
Wir kommen nun zum Berichte über das Ende der land-
schafU. Buchdruckerei. Das für die Augsburger-Confessions-
Verwandten in Steiermark verhängnissvolle Jahr 1 598 war be-
reits zur Hälfte verflossen, die Landschaft und ihr Kirchen-
niinisterium ohne Ahnung, dass die Tage der freien Religions-
übung bereits gezählt waren, hatten mancherlei Anstalten
i^etroffen, die auf längere Dauer berechnet waren, die Land-
^haft hatte ein Haus neben der Stiftsschule zur Yergrösserung
derselben angekauft, im Landschaftsgarteu in der Murvorstadt
^in Spital filr ihre Religionsgenossen zu bauen und einen
eigeoen Friedhof zu errichten begonnen, zum Ersatz fUr den
türzlich verstorbenen Hauptpastor der Stiftskirche Dr. Wilh.
Zimmermann war der berühmte Christof Schleipner,
Pastor zu Hildesheim, erwählt und berufen worden, der Buch-
drucker Schmidt hatte noch am 6. Juni 1598 den Auftrag
erhalten, die von Dr. Homberger verfasste Kirchenagende
in 300 Exemplaren neu in Druck zu legen, da gab gerade
— 1 68 ~
er, oder vielmehr das blöde und unbesonnene Verfahren seines
Ladendieners den ersten Anlass, jene Regierungs-Massregeln
nach einander in Wirksamkeit treten zu lassen, welchis schon
längst berathen und beschlossen waren.
Wiewohl der Verschleiss von Spott- und Schroähbildern
durch die Regierung und durch die Landschaft verboten war,
so war doch am 13. Juli^ 1598 ein Schmähbild gegen den
Papst in Schmidt's Laden im Landhause zum Verkaufe aus-
gehängt worden. Die Regierung, davon in Kenntniss gesetzt,
forderte die Verordneten alsbald auf, die Bilder zu confisciren
und den Verkäufer zur Strafe zu ziehen. Diese verboten zwar
den Verkauf, aber Hessen den Schuldigen ungestraft.
Als Schmidt von Toblbad, wo er während dieses Vor-
falles geweilt hatte, nach Graz zurückgekehrt war, wurde er
am 29. Juli zum Stadtricliter Stefan Posch in das Haus
berufen und da er sich wahrscheinlich nicht genügend recht-
fertigen konnte, im Namen der Regierung arretirt, auf das
Rathhaus geführt und von dort durch den landesfürstlichen
Profossen abgeholt und in dem Arreste im Burggebäude fest>
gehalten.
Der übliche Protest der Landschaft gegen diesen Eingriff
in ihre Gerichtsbarkeit blieb unbeachtet, die Entschuldigung
jedoch, die Schmidt vorbrachte, es sei ihm der Vorfall selbst
nicht lieb gewesen, sein Diener sei von einem Unbekannten
hiezu beredet worden und sei nun durchgegangen und er
wisse selbst nicht, wohin er gekommen wäre, fand wenigstens
diese Beachtung, dass man ihn nach einigen Wochen Haft
(gegen Ende September 1598) mit der Drohung enüiess, er
möge sich hüten und sich nichts mehr zu Schulden kommen
lassen, sonst würde man schärfer gegen ihn verfahren ''•').
Mittlerweile hatten aber die „Augsburger Confessions-
Verwandten" zu Graz die einschneidendsten Massregeln erfahren,
über sämmtliche Prediger an der Stiftskirche und Lehrer an
der Stiftsschule war die Landesverweisung verhängt und trotz
^^) Landsch. Registr.- Protokolle u. Actenstücke des Verordneten- Am tos.
- 169 —
aller Einreden und Proteste der Landesverordneten am 28. Sep-
tember in Ausführung gebracht worden. Den Bürgern von
Graz und den übrigen landesfürstlichen Städten blieb die
Hebung des evangelischen Religionsbekenntnisses verboten,
den Adeligen nur auf ihren Schlössern und Burgen gestattet
Was aber öffentlich zu thun verboten war, geschah von
mnnchem Bürger heimlich. Nicht selten schlich sich sogar ein
und der andere Prediger in Graz ein und hielt die Getreuen
darch Predigten und Spendung der Sacramente im Glauben
aufrecht. Freilich wurden diejenigen, welche dabei unvorsichtig
vorgiengen oder vorlaut sich benahmen, ertappt und zu Geld-
oder Geftagnissstrafen verurtheilt
Zu solchen, welche sich in dem standhaften Bekenntnisse
ihres Glaubens nicht beirren liessen, gehörte auch der Buch-
drucker Schmidt Hiezu dürfte der Umstand beigetragen haben,
dass er kurz vorher (16. August 1598) die Tochter eines
evangelischen Predigers geehlicht hatte**), deren Bruder
Leonhard E h u e n als Präceptor an der Stiftsschule zu Graz
von der Landesverweisung betroffen worden war.
Statt also, wie die meisten seiner Gesinnungsgenossen
in Graz, der kritischen Lage Rechnung zu tragen und jeden
Anstoss zu vermeiden, trug er kein Bedenken, den Regierungs-
verordnungen offen entgegen zu handeln. So geschah es denn,
dass er am 23. April 1599 abermals in das Gef&ngniss kam
und verurtheilt wurde.
Der Spruch lautete dahin, weil er „böse, verbotene, ge-
hässige und gleichsam aufrührerische Gebetlein und Sprüche
wider die wahre katholische Religion gedruckt und feil gehalten
und weil er sein verstorbenes Kind mit öffentlicher Besingnuss
<Qach evangelischem Eirchengebrauche) durch die Stadt habe
tragen und bestatten lassen'^; so habe sich derselbe „heute
bei Sonnenschein aus der Stadt und dem Burgfrieden und
binnen der nächsten drei Tage aus allen fürstlichen Ländern
**) Kimigunde, eine Tochter des Conrad Ehuen, evangel. Predigers im
Lande ob der Enns. (Ehepflicbtbuch der Stiftskirche zu Graz.)
— 170 —
zu begeben^, sonst würde man schärfere Mittel in Anwendung
bringen.
Da der Stadtmagistrat, dem die Vollziehung dieses Ur-
theils oblag, in jener Zeit mit der Ausführung yon landes-
fbrstlichen Befehlen nicht besonders rasch vorzugehen pflegte
und die eben damals am Landtage versammelten Landstände
sich fQr Schmidt bei Hofe verwendeten und ein Begnadigungs-
gesuch desselben vorlegten, so beeilte sich derselbe auch
keineswegs mit dem Abzüge, sondern blieb in seinem Hause,
ja er hielt sich sogar, da er einige Zeit nicht behelligt wurde,
fbr pardonirt. Aber dies war eine bittere Täuschung. Schmidt
wurde am 10. September 1599 wieder eingezogen, wegen
seiner Nichtbeachtung des ergangenen Urtheiles mit vier-
wöchentlichem Gefängnisse bestraft und die Landesverweisung
aufrecht erhalten. Am 2. October 1599 erhielt derselbe seine
Entlassung aus dem landschaftlichen Dienste mit lobender
Anerkennung seines treuen Verhaltens und seiner Leistungen.
Aus diesem Dienstzeugnisse wird ersichtlich, dass er auch
als „Hauptmann des gemeinen Mannes^ die Musterungen des
„Landesaufgebotes"' zu Rottenmann, Judenburg, Brücke Pettau
u. a. 0. getreulich verrichtet und auch gegen den Erbfeind
(die Türken) gedient habe*').
Schmidts Gattin blieb nach dem Abzüge ihres Mannes
in Graz zurück und führte das Geschäft, namentlich den
Bücherverkauf ün Landhause bis etwa 22. November fort, wo
auf Begierungsbefehl die vorgefundenen evangelischen Bücher
confisdrt wurden.
Auf eine von der Landschaft am 24. November 1599
eingereichte Beschwerdeschrift „wider die von Graz wegen des
mit allhiesiger Stadtquardi und der Jesuiten beschehenen Ein-
griffs in's Landhaus und Wegnehmung von evangelischen Büchein
den Bucbführem'^ gab die Regierung gleich des andern Tages
den Bescheid, „dass solches einer ehrsamen Landschaft an
ihrer habenden Freiheit unpräjudicirlich sein sollte'', die Buch-
^•^) Die bezUglichüU Actenistackc sind im Landesarchive.
/
— 171 —
fuhrer aber hätten sich um weiteren Bescheid bei der fürst-
lichen Durchlaucht zu melden.
Die abgenommenen Bücher wurden freilich nicht mehr
ausgeliefert, sondern mit anderen bei den Bürgern confiscirten
Bachern und Schriften der Augsburger Confession nachmals
am 8. August 1600 öffentlich verbrannt. Dieses Los traf zu-
nächst nur aUe Bücher, welche gegen den katholischen Glauben
waren, wie die lutherischen Bibeln, Katechismen, Postillen,
Predigten und Streitschriften, aber auch nicht alle, denn nicht
wenige Bücher entgiengen der Confiscation, namentlich alle,
welche im Besitze des Adels waren, so auch die landschaft-
liche Liberal m der Stiftsschule, welche von Dr. Adam Vene-
diger in Verwahrung genommen worden war.
Auch von den vom Buckdrucker Schmidt verlegten Büchern
eotgieng eine nicht unbedeutende Anzahl dem Feuertode, wie
dies aas einer Liste von solchen erhellt^ die er der Land-
:^chaft zu künftigem Gebrauche überlassen hatte und für welche
ihm dieselbe am 2. März 1600 einen Entsch&digungsbetrag
von 250 fl. anwies.
Die verzeichneten von Schmidt gedruckten Bücher waren :
1. Viola Martis Jeremiae Hombergeri in 8 1^ (1587 das Exem-
plar zu 7 kr. geschätzt)
2. ,Viol Bluemblein Jeremiae Hombergeri" (davon noch vor-
handen 735 Exemplare).
3- Examen theologicum Jeremiae Hombergeri, H. Auflage.
(134 Ex.)
4. Consilium Jeremiae Hombergeri de ediscendis Erasmi et
similium praeceptis, de morum seu extemorum gestuum
confirmatione. (269 Ex.)
5 Bucolica Publii VergiUi Maronis. Adjectis Scholiis Philipp!
Melanchtonis et aliquot Elegiis Ovidii de Tristibus.
(400 Ex.)
6. Vocabularium Analyticum Simonis Ostermanni (43 Ex.),
das seiner Zeit auf Bestellung des Rectors der Stiftsschule
Johann Pappius für die Schule gedruckt worden war,
— 172 —
7. Steyrische Polizey- Ordnung in Folio (240 Ex.)*'').
Auch der von J. Kepler verfasste und von Schmidt ge-
druckte „Schreibkalender" für 1600 wurde nicht vernichtet,
sondern über Kepler's Supplik durch ein Hofdecret vom 14. Dec.
1599 bewilligt, dass die BuchfUhrer seinen ,.im Landhause
gedruckten Kalender" verkaufen dürfen, „doch soll ihm hiemit
ernstlich eingebunden sein, hinfUr nichts in Druck zu geben,
es sei denn solches Ihrer fürstlichen Durchlaucht vorher zum
ersehen und gnädigster Approbation übergeben und dass dies
bei Ihrer fürstl. Durchlaucht Buchdrucker dem Widmanstetter
allhier gedruckt werde" * *).
Als die Landstände gegen Ende des Jahres 1599 mehr
und mehr die üeberzeugung erlangten, dass ihre Erwartung,
der Landesfürst würde von seinem Verbote des freien Be-
kenntnisses der Augsburger Confession doch wieder abgehen,
eine irrige sei, und als nun sämmtlichen Predigern und Lehrern
die landschaftliche Bestallung gekündigt wurde, da erkannten
auch die evangelischen Buchhändler, dass ihr Geschäft zu
*•) Nach den Eegistr.-Protokonen, dem Ausgabe-Buche v. 1600 uod
Berichten des Dr. Adam Yenediger als Bibliothek- Gustos und Sub-
inspectors. — Ich schliesse hier ein Verzcichniss an, das noch
andere Druckwerke Dr. Homberger's, welche bisher unbekannt
waren, aufführt; dieselben sind sämmtlich vor 1585 gedruckt iu)d
wurden von ihm bei seiner Verbannung aus Innerösterreich in Graz
zurückgelassen uud der Landschaft geschenkt, welche ihm dafür
160 fl. (am 25. März 1587) „Ergötzlichkeit- schenkte: 1. „Brund-
thal in 8":" teutsch, halt 7 '. Bogen, zu Marburg 1581 gedruckt,
das Ex. zu 5 kr." — 2. Granum frumenti, 8^'», 1588, das Ex. zu
12 kr. — 3. Examen theol., Heidelberg 1583, 8^r, 10 Bogen, das
Ex. zu 7 kr. — 4. Gommentatio de Chronologia, 8*", 15 Bog., das
Ex. zu 10 kr. — 5. Vehiculum sacrum, Heidelberg, 8^', b^/fBog.j
das Ex. zu 3 kr. — 6. Flosculus Eden, 8^, Gissingen, 8 Bog., d&a
Ex. zu 4 kr. — 7. Silvula verborum, 4 '/« Bog , 8*"", das Ex. zu
2 kr. und die „Spruch Salomonis, in 8^:", 39 Bog., gedr. zu Girätz",
das Ex. zu 16 kr. — Dessen 1586 geschriebenes „Trostbuch'' wagte
die Landschaft „wegen des darin enthaltenen Eifers '^ nicht drucken
zu lassen.
*•) Hofkammer-Act.
— 173 —
Graz zu Ende sei. Erhard Widme r, der hier 29 Jahre mit
landschaftlicher Bestallung den Buchhandel betrieben hatte,
zog mit einem ehrenvollen „Testimonium" der Landschaft ddo.
15. October 1599 von Graz freiwillig ab, um, wie er sagte,
Jn seinem Religionsbekenntnisse nicht beirrt zu sein".
Matthäus Feder er, der ein Haus am Graben besass,
wurde am 1 1 . August 1 600 wegen Beharrung bei dem evan-
gelischen Bekenntnisse von Graz ausgewiesen.
Da der Buchdrucker Schmidt die Druckerei in Graz
nicht eigenthUmlich besessen hatte, indem dieselbe, wie oben
berichtet war, der Landschaft gehörte und daher dieselbe
nicht mitnehmen konnte, so fand er sich genöthigt, das Buch-
druckergeschäft aufzugeben und übernahm irgendwo in Oester-
reich, wohin er sich gezogen hatte, ein Wirthshaus **).
Die landschaftliche Druckerei stand nun verwaiset und
das Druckerzeug lag in einem Gewölbe des Rauberhofes
verschlossen, bis es in späterer Zeit zum Verkaufe kam.
Dafür blühte die Buchdruckeret und der Buchhandel des
Widmanstetter immer mehr auf und gelangten die Nachkommen
und Besitzer derselben im Laufe der Jahre zu grosser Wohl-
habenheit und hohem Ansehen.
^*) Nach den Ausgabe-Bachern und Registr.-ProtokoUen der Landschaft.
c.
Kleinere Mittheilung.
Die lutherische Kirche in Scharfenau.
Von Igaai Oroien, Domherr.
Wie die alten steiermärkischen landschaftlichen Protokolle bekun-
den, hat
1. die gteierische Landschaft eine lutherische Kirche in Sachsenfeld zu
bauen begonnen und wurde dieses „Einer £. Landtschaift Ehirchen
gebew zu Sazenfeld Im Viertl Cilli" 1580 der öffentlichen Landes-
fireibeit zuwider (wie die Landschaft meinte) eingestellt;
2. zeigten im Jahre 1582 die steierilschen Stände ihrem Landesftkrsten
an, dass, nachdem der Kirchenbau zu Sachsenfeld eingestellt worden,
ne Toihatten, ein neues Kirchengebftude in der Herrschaft Cilli zu*
nichst bei dem Sitze, so man weiland Erasm Tumberger ein-
gezogen, zu errichten;
3. hat der Landesfftrst am 22. Oktober 1682 den Bau der Kirche in
Scharfenau, d. i. am Hofe Tumbergers untersagt, und zwar aus dem
Gnmde, weil die Landleute wohl ihre bestehenden Kirchen zum
Gottesdienste zu verwenden, nicht aber neue Kirchen zu diesem
Zwecke zo bauen berechtiget seien; und
4. haben demungeachtet die Stände im Jahre 1586 an den Landes-
ftrsten die Bitte gelangen lassen, dieser wolle gegen den Kirchenbau
in Scharfenau nichts attentiren lassen, nachdem die Geistlichen im
Viertel Giili der Sepnltur halber allerlei Neuerungen moviren und
den verstorbenen Lutheranern die Erde nicht gönnen.
Wie der Landesfllrst , Erzherzog Karl, diese letztere Bitte
l^cschieden habe, ist aus den Landschafts-Protokollen nicht ersichtlich;
K^88 aber ist es, dass die Landstände den Kirchenbau in Scharfenau
m Angriff genonunen und zur Vollendung gebracht haben.
Der Stainser Propst, Jakob Rosolenz, erwähnt dieses Kirchen-
^<Aoea in seinem in Graz 1607 gedruckten Buche: ,. Gründlicher Gegen-
licricfat^, mit folgenden Worten: ^Also haben sie (die Stände) neben der
&att Marburg, neben der Statt Gilli zu Scharffenau — newe Kirchen
gebawct."
Weit«* berichtet Rosolenz in seinem vorbezeichneten Buche
WUhca. dM Ud. Tarcina f. BUlenB&rli, XXVIL Heft, 1879. 12
— 178 —
aber die Kirche zu Scharfenau noch Folgendes: „Die Kirch zn
Scharffenaw, so vberauss ein schön, köstlich vnd stattlich Gebftaw, Ton
20 Pfeilern, mit Marmelstainern, Qaaterstacken erhebt vnnd in die Runde
geviert, vnnd auss gemainem einer Ersamen Landtschafft Seckel, wie
auch andere Kirchen mehr LandtsfÜrstlichen Bevelhen zuwider, aufPer-
bawt gewest, vnnd sambt einem viereckichten Freythoff, Streichwehren
vnnd Thum versehen, auch nach gemainer Sag in die 20000 Thaler
gekost, ist aber mit grossem Frolocken der vmbliegenden Pauerschafft
mit Pulver zersprengt, vnnd die Glocken von Herrn Martin von Säur au,
LandtsfÜrstlichen Verwalter zu Cilli, eingezogen vnnd behalten worden.
Durch diese Kirchen hat man vermaint, das Volk der weitberOhmbten
Graffschaft Cilli zum Abfall, vnnd vom Bapstthumb in das verderbliche
Lutherthumb zubringen. <*
So viel konnte ich ehemals, als ich mich in Cilli (1847 — 1854) mit
der Errichtung eines dortigen Pfarr-Gedenkbuches befasste, fiber die
Kirche zu Scharfenau in Erfahrung bringen. Vergebens aber war damals
all mein Forschen und Suchen nach dem Gute Scharfenau und nach der
dortigen Tempelstätte. Niemand, auch nicht die ältesten Leute in und
um Cilli wollten je etwas von einer dortigen lutherischen Kirche oder
den Namen Scharfenau gehört haben. Demungeachtet gab ich die Hoff-
nung nicht auf, endlich doch, vielleicht durch Zufall, diesbezflglich auf
die rechte Spur zu kommen.
Da wurde mir im Jahre 1857 von Freundeshand eine Broschfire,
betitelt: „Die Einweihung der neugegrQndeten evangelischen Andreaskirche
in Cilli am 25. März 1857. Laibach 1857*", zugesendet mit der Be-
merkung, der lange gesuchte Tempel von Scharfenau sei nun au^eftmdeo.
Mit vielem Interesse begann ich den mit E. unterzeichneten Vorbericht
dieser Broschüre zu lesen, staunte aber nicht wenig, darin folgende
Stellen zu finden:
„In der Andreaskirche stehen wir auf einem durch die Gteschichte
der evangelischen Kirche geweihten Land, denn dieses Kirchlein diente
schon im 16. Jahrhunderte dem evangelischen Gottesdienste und Primus
Trüber, der krainische [Reformator, predigte in ihr das Evangeliom.
Die Gemeinde Cilli besitzt somit vielleicht allein in der gesammten
evangelischen Kirche der deutschen Provinzen Oesterreichs ein Gottes-
haus, in welchem bereits in der Reformationszeit die evangelische Lehre
und Predigt eine Wohnstätte gefunden hatte.**
„Allein in der Ferdinandeischen Gegenreformation wurden alle diese
protestantischen Gemeinden gewaltsam unterdrückt und ihre kirchlichen
Anstalten zerstört. Die Andreaskirche in Cilli scheint dem Feuer preis-
gegeben worden zu sein, welchem aber die alten festen Mauern wider-
standen."
„Im Februar 1856 gelang es nun dieser jungen FiliaKGemeinde
— 179 —
mit Hilfe brüderlicher Unterstützung, die Andreaskirebe, die ehrwürdige
Wohnstitte des ETangeliums in Gilli anzukaufen und zu ihrer ehemaligen
Bestiomning, deren sagengeschmückte Erinnerung im Munde des Volkes
Bich bewahrt hat, wieder herzustellen.**
Diese Stellen machten mich, wie gesagt, staunen, weil ich in der
darin erzählten Vorgeschichte der Andreaskirche in Gilli nichts als eine
alles historischen Qrundes entbehrende Dichtung fand. Eine solche
Mystifikation war mir um so unbegreiflicher, weil der Verfasser des
Torberichtes doch wissen musste, dass Trüber in Gilli Beneiiciat von
St. Maximilian, nicht aber Yon St. Andreas gewesen, mithin mit der
St. Andreaskirche alldort nichts zu thun gehabt hat, und weil der Ver-
£u8er in Gilli ohne alle Schwierigkeit hätte erfahren können, dass die
Aodreaskirche daselbst eine uralte katholische Filialkirche gewesen ist,
Ttlche unter Kaiser Josef ü. gesperrt und sp&ter an einen Privaten
mkiaft, demnach in der Ferdinandeischen Gegenreformation gewiss
oicbt dem Feuer preisgegeben worden ist. Eine solche Mystifikation war
inir nm so auffallender, weil ich überzeugt war, dass eine Erinnerung
u eine ehemalige protestantische Bestimmung der Andreaskirche im
Mimde des Volkes weder bewahrt wurde, noch bewahrt werden konnte.
Mit dieser historischen Studie des £. war also die mich interessirende
Fnge nichts weniger als gelöst
Erst im abgelaufenen Jahre 1877, als ich Geschichts-Materialien über
^ P&rren des Dekanates Gilli zu sammehi anfing, trat auch die Frage
^ die Kirche yon Scharfenau für mich wieder mehr in den Vordergrund
ond Bchneller, als ich es erwarten konnte, wurde nun dieselbe gelöst.
Vorerst wurde, mir Ende Juli 1877 im 1. Landesarcbive zu Graz
w Urkunde bervorgesucht, laut welcher Hanns Tumperger von
Stermol am 12. August 1587 in Graz der steirischen Landschaft seinen
Hof Scharfenau sammt den dazu gehörigen „Gründen, Wum(?) und Weiden,
iten dreien daselbst Torhandenen Teichen** verkaufte, welcher Hof schon
^Erasm Tumperger, Hannseus Vater, wegen Rückständen ent-
zogen worden war.
Mit dieser Ausbeute war für meinen Zweck freilich nicht viel ge-
voimen; doch bald darauf erhielt ich Kunde von einem am Golöe-Hofe
^ Sachsenfeld bestehenden alten, verfallenen Gemäuer, welches der
^ge nach eine alte Tempelruine sein sollte. Ich muss gestehen, dass
^ auf diese Kunde kein grosses Gewicht legte, weil ich mich nicht
^fmem konnte, als Kaplan von Sachsenfeld (1842 bis 1844) von einer
solchen Rnine am Gol£e-Hofe, welchen ich damals einige Male besucht
katte ond an dem ich öfters vorüber gekommen war, je etwas gesehen
^ gehört zu haben. Auch dachte ich mir, die Buine, falls eine solche
<Q finden wäre, dürfte wohl eher von dem im Jahre 1582 zu Sachsenfeld
eingestellten Kirchenbaue, als von der nachmals in Scharfenau neben
12*
— 180 —
der Stadt Cilli, wie Hosolenz schreibt, erbauten Kircbe berrUhren.
Doch nahm ich mir vor, bei dem demnächst in das Sannthal zn machenden
Exkurse dieses alte Mauerwerk au&usuchen und in Augenschein xu
nehmen.
Am 9. August 1877 Nachmittags gieng ich Ton Sacbsenfeld auf den
kaum mehr als >/% Stunde Weges vom genannten Markte entfernten
Gol£e-Hof und wurde daselbst vom Herrn Josef Halm, pensionirten
Eatastral-Vermessungs-Ünterdirektor, Vater des Besitzers, freundlichst
zur Ruine geleitet*. Dort . angekommen, erkannte ich zu meiner Ueber-
raschung auf den ersten Blick die Ueberreste der Kirche von Scharfenau,
denn die Mauern, welche stellenweise noch Vt Meter hoch dastanden,
zeigten die central • polygone Anlage der Kirche, wie auch die den
Tempelhof im Vierecke umfassende Einfriedungsmauer mit ihren vier
Eckthflrmen. Kurz gesagt, es waren unverkennbar vor meinen Aug«i
die Ueberreste der Kirche, wie solche der Propst Rosolenz be-
schreibt Weiters wurde mir hier und zwar in nordwestlicher Richtung,
in einer Entfernung von 45 Klaftern von der Kirche eine Stelle gezeigt,
wo man Qrundmauem eines kleineren Gebäudes, wahrscheinlich eines
Wohnhauses geflmden und ausgegraben hat; und als ich mich endlich
auch um die drei Teiche erkundigte, deren in der obangeftlhrten Ver-
kaufsurkunde von 1687 Erwähnung geschieht, wurde ich auf die drei
am Fusse des TempelhOgels liegenden, vom Verfica-Bache bewässerten,
noch eingedämmten Teichwiesen aufmerksam gemacht, welche erst in
neuerer Zeit vom 6ol(e-Hofe hinweg verkauft worden sind.
Hiemit war es also vollends konstatirt, dass der 6ol6e-Hof wirklich
das ehemals Tumperger'sche und dann seit 1587 landschaftliche Gut
Scharfenau und das dort vorgefundene alte Mauerwerk die Ruine der
Scharfenauer Kirche ist.
Der Hof Golöe liegt in der Sachsenfelder Pfarrsgemeinde Unter-
Loschniz (Spodna Loinica) und kommt vor im Grundbuche der Herrschaft
Neucilli, Amt Hofrain, Dom. Nr. 1. Er war bis 1841 ein Eigenthum
des Johann Apnar. Spätere Besitzer dieses Hofes waren: Josef Ludwig
Hausmann, Inhaber der Herrschaft Neucilli, mit 1859 Anton Schein,
Bfirger in Cilli, dann mit 1861 Johanna Schwab, geb. Halm, ühr-
machers-Witwe in Cilli, von welcher ihn ihr Bruder der obgenannte Herr
Josef Halm überkommen hat. Der Hof mit seinem Grundbesitze liegt
auf einem langgestreckten Hügel, auf dessen Rücken sich die Kirchen-
ruine befindet. In der Absicht die Kirchenstätte urbar zu machen, hat
Herr Halm das Gebüsch, welches die Ruine zum Theile verdeckte, wie
auch einen Theil der Ruine bereits hinweg geräumt und ist er eben
daran, die noch vorhandenen Mauerreste zu beseitigen. So war es mir
demnach, so zu sagen noch im letzten Momente gegönnt, die Ruine der
lutherischen Kirche von Scharfenau zu finden und zu sehen.
— 181 —
Herr Josef Halm hatte die Gefälligkeit einen Situationsplan Yon
dieser Bmne aa&nnehmen, welcher hier folgt
Nord
u
4^
Massstab 1 Zoll » 10 Elftr.
Eben im Begriffe von der Ruine den Rückweg nach Sachsen-
feld anzutreten, sprach ich von den Glocken, welche Martin von Säur au,
1- f. Verwalter von Gilli, aus der Kirche in Scharfenau genonunen,
iber unbekannt wohin gebracht hat. Da meldete sich einer meiner Be-
lleiter, ein gebomer Gutendorfer, und versicherte mich, in seinen Kindes-
ithren gehört zu haben, dass die zwei alten Glocken der Pfarrkirche
in Gntendorf (Gotov^e) von Gol^e dahin gekommen wären. Auf diese
Aussage hin begab ich mich von Golöe geraden Weges nach Gutendorf
and als ich dort im Pfarrkirchthurme bei den Glocken angelangt war,
machte mich auch der alte Kirchendiener auf die zwei kleineren daselbst
hingenden Glocken aufinerksam, mit dem Beift)gen, dieselben seien von
einer ehemals in Golöe bestandenen Kirche hieher nach Gutendorf
Qbertragen worden.
Mit vielem Interesse besichtigte ich dann diese beiden Glocken und
fand auf denselben folgende zwei gothische Inschriften, und zwar 1. auf
der kleineren Glocke : „o rex glorie veni cum sancta pace", und 2. auf
^^ grösseren: ^des herren bort bleibt in ebigkeit mcccccxxxiii" (158S).
— 182 —
Schon die deutsche Aufschrift dieser letzteren Glocke deutet auf
ihren lutherischen Ursprung, w&])rend die erstere, jedenfalls Utere Glocke
vorerst einer katholischen Kirche gehört hat und von dort nach Scharfenau
gekommen sein wird.
Gestützt auf das, was ich gehört und hier gesehen, konnte und
kann ich ohne weiteres Bedenken annehmen, dass diese beiden, eben
besprochenen Glocken gerade jene Glocken sind, welche der Verwalter
Martin von Säur au im Jahre 1600 aus der Scharfenauer Kirche,
bevor diese in die Luft gesprengt wurde, hinwegnehmen Hess.
üeberaus befriediget mit dem Resultate dieses nachmitt&gigen Ex-
kurses kehrte ich Abends von Gutendorf nach Sachsenfeld zurftck.
So sind also nunmehr nicht nur die noch deutlichen Sparen des
lutherischen Friedhofes, der Kirche, des Pr&dikanten- und Todtengräber-
hauses zu Windenau >), sondern auch der Hof Scharfenau mit den üeber-
resten der dort bestandenen lutherischen Kirche und die Glocken desselben
aufgefunden.
<) Siehe: Das Bisthum und die Diözese Lavant 1. Theil, Seite 319
und 437.
Urkundenbuch des Herzogthums Steiermark,
bearbeitet von J. Zahn, unter Förderung seitens des k. k. Ministeriums
für CnltuB und Unterricht, des steierm. Landtages und der steierm. Spar-
casse in Graz, herausgegeben vom historischen Vereine für Steiermark.
I Band 798—1199 (Graz 1876, LVI und 984, 88. 8«). n. Band (Graz
1379, XXX und 759 SS.) Verlag des historischen Vereines, Druckerei
nLeykam-Josefethal.^ — Angezeigt von Dr. F* Krones*
Es kann nicht Aufgabe dieser Anzeige sein, den reichen stofflichen
lohait eines Yon der Grazer Druckfirma „Leykam- Josefsthal ^ tadellos
hergestellten Werkes, das nunmehr in seinen grundlegenden zwei Haupt-
theden torliegt, erschöpfend zu würdigen, und noch weniger stünde es
^ Schreiber dieser Zeilen an, der Lobpreiser einer literarischen Arbeit
2n werden, welche im Verlage des historischen Vereines erscheint und
eioen Mann der Wissenschaft zum Verfasser hat, dessen Verdienste um
^ Arehiyswesen der Steiermark und um deren Geschichte landbekannt
änd, dessen fachmännischer Ruf auch im Auslande feststeht.
Aber an*B Herz legen sollen diese Steilen dem Steierm&rker und
^ Freunde der Geschichte dieses Landes die Bedeutung und den
Notzen eines Werkes, das vor allem die inhaltliche Möglichkeit seiner
Aosftihrang in der opferwilligen Rücksicht der Landesvertretung für die
^^Organisation des heimischen Archivswesens, für seine systematische
Weiterung und Bereicherung fand, und andererseits durch die Muni-
ficenz des k. k. Ministeriums für Gultus und Unterricht, femer durch die
^liherzigen Spenden des Landtages und der in allen heimischen In-
teressenfragen hilfreich gesinnten Sparcasse in seinem Erscheinen wirksam
fpfördert wurde.
Nichtsdestoweniger waren und blieben die Opfer, die der historische
Verein dabei zu bringen hatte, für seine bescheidenen finanziellen Mittel
^8 genug. Er brachte sie freudig, denn sie galten einem verdienst-
^eu, in seiner Art unentbehrlichem Unternehmen. Allein er hoffte
auch, und Iftsst diese Hoffiiung nicht sinken, dass die Freunde seiner
^^strebongen und der Landesgeschichte Überhaupt durch die rege Ab-
Q^iune eines mit Rücksicht auf Umfang und Inhalt an sich nicht theuren
°ad den Veretosgenossen gegenüber im Preise bedeutend herabgesetzten
Werkes ihr lebendiges Interesse an der Landesgeschichte darthun und
^ witsensehaftlich-patriötischen Bestrebungen des Vereines werkthätig
QBtersttttzen, dessen ungeschw&chte Ausdauer ermöglichen werden.
— 184 —
Eine Umschau unter den bezüglichen modernen Leistungen der
deutsch-Österreichischen Provinzen liefert die für den steierm&rkischen
Geschichtsfreund erhebende Thatsache, dass, Ober-Oesterreich
ausgenommen und abgesehen von dem nur als Beilage der Zeitschrift
„Istria ** erschienenen, lückenhaften und kritisch nicht bearbeiteten Codice
Istriano ( — 1526), bislang blos die Steiermark für die qnellen-
mässige Begründung seiner mittelalterlichen Landesgeschichte durch ein
wissenschaftlich angelegtes und durchgeführtes Werk sorgte. Denn das
einst beilagenmässig angelegte Diplomat. Gamiolicum für Krain uod die
ähnlichen Publicationen Salzburgs können nicht veranschlagt werden.
Aber auch der Blick auf die anderen L&ndergruppen unseres
Staates vermag dies ehrende Selbstgefühl des steierm&rkischen Landes-
archivs und des historischen Vereines nicht herabzustimmen. Im Bereiche
der Sudetenlftnder hat Mähren allein das Verdienst, seinen Codex
epistolaris-diplomaticus noch in der vorm&rzlichen Epoche in Angriff
genommen und weiter geführt zu haben. Böhmen entbehrt bislang
seines Urkundenbuches, nicht minder Oesterreichisch-Schlesien.
Galizien besitzt, abgesehen von den wachsenden und stattlich ausge-
führten diplomatischen Einzelpublicationen, gleichfalls kein solches; der
ältere Dogiersche Codex diplomaticus Foloni» et Litthaaniie (1758—
1764) stammt noch aus einer Zeit, wo es ein Polenreich gab. Ungarn
kann allerdings mit seinem vor 1848 schon herausgegebenen Codex diplom.
unter Fej^rs Autorfirma, mit dessen Ergänzung für die Arpädenzeit durch
6. Wenzel , andererseits mit dem Codex patri», mit den jüngst er-
schienenen ürkundensammlungen zur Geschichte der angjoviniscben und
korvinischen Periode Staat machen, aber einerseits ist das Fed^r'schc
Grundwerk eine sachlich ungemein mangelhafte und formell unwissen-
schaftliche Leistung und trotz aller Ergänzungen in seinen Mängehi nicht
besser geworden, andererseits das Bedürfhiss nach einem den alten and
inzwischen aufgehäuften neuen ürkundenstoff systematisch und kritisch
zusammenstellenden, in der Einleitung und im Begister gemeinnützig
sichtenden Werke noch immer nicht befriedigt. Das verdienstliche Urkun-
denbuch für Siebenbürgen (für die Zeit —1301) musste in den
Publicationen der Wiener Akademie sein Unterkommen suchen und
bedürfte längst wesentlicher Ergänzungen. Die rührige Agramer Akademie,
besonders durch die patriotische Munificenz Einzelner gefordert, besitzt zu
einem allumfassenden Urkundenbuche Kroatiens sehr bedeutende und
fleissige Vorarbeiten und Einzelsammlungen, aber kein Ganzes.
Dies genüge, um die achtbare Stellung zu kennzeichnen, wekhe das
Urkundenbuch der Steiermark innerhalb der verwandten liCiatungen
anderer Kronländer Oesterreichs einnimmt.
Besehen wir uns flüchtig seinen Inhalt Die beiden Bände lunfitfsen
die ältesten, historisch-topographisch schwierigsten, aber auch wichtigstem
— 185 —
Epochen der Steiermark: die von 798—1192, also Yon den karolingischen
Epoche bis zum Aussterben der Traunganer, der ältesten heimischen
Dynastie, und die von 1192 — 1246, somit die babenbergische Zeit, die
Periode der Personalunion Oesterreicbs und Steiermarks.
In den beiden Bftnden ruht zun&chst der wichtigste Schlüssel zur
Territorialgeschichte und historischen Ortskunde unseres
Landes. Von den 783 Urkunden des I. Bandes sind 865, von den 470
des n. 264 bisher ungedmckt ; dazu 21 Nummern Nachträge zum I. Bande,
QDter denen 3 StQck gleichfalls erst jetzt veröffentlicht vnirden.
Yon den Urkunden des I. Bandes sind : Kloster Admont allein mit
416 Kmnmem, St. Lambrecht mit 40, Seckau 34, Göss 19, Rein 18,
Sehz 11, Yorau 10, Oberburg 6, Geirach 4, Spital a. Semmering 3 Ur-
kunden bedacht, unangesehen die zahlreichen Urkunden, welche inlän-.
disdie Besitzrerhältnisse und Bechte auswärtiger Hochstifte und Klöster
Aasserösterreichs und Oesterreichs , wie: Aquileja, Bamberg, Beligne
(Abtei bei Aquileja^, Berchtesgaden, Brixen, Formbach (in Baiern am
Inn), Freising, Garsten, St. Georgen a. Längensee, Gleink, Göttweih,
Gtnrk, Michelbeuern, St Paul, Reichersberg, Rot (a. Inn), Salzburg, Sittich,
Saben and Yiktring, femer den Deutschorden betreffen.
Nicht minder reich für die Kloster- und Landesgeschichte erscheint
der n. Band. Auch da nimmt Admont mit 99 Nummern den Löwen-
sntheil ftir sich in Anspruch ; ihm zunächst das Kloster und das Bisthum
Seckau. Ausser den schon beim I. Bande angeführten Landesklöstem
srschemen hier neu : das regulirte Chorherrenstift Stainz und das Domini-
IsuKrkloster Studenitz im Unterlande.
Neben der oberländischen Pfarre Irdning treten hier von auswärti-
ge Klöstern zu den bereits genannten : Diessen (Baiem), Heiligenkreiiz,
Hichelstetten (in Krain), Ebemdorf (Oebemdorf, in Kärnten) Prüfhing
(Baiern), das Spital am Pyhm und der Jokanniterorden ; überdies das
Hochstift Lavant. Ausserdem findet sich schon Material für die ein-
heimische Geschlechtergeschichte, wie der von Königsberg in Untersteier,
TOQ Peggan (Peckah), von Pettau und Stnbenberg.
Nun aber wollen wir der Bearbeitung dieses Urkundenschatzes
^ den Gebrauch des Buches gedenken. Darin steckt bedeutende, von
^ diplomatischen Wissenschaft der Gegenwart streng geforderte Arbeit,
^e Einleitung des L Bandes wird zunächst den Yerdiensten eines
Posch und Fröhlich, Cäsar, Muchar, der Munificenz Erzherzog
Job an n 8 und dem Zusammenwirken der Landschaft und des historischen
Vereines (1846) gerecht; sie gedenkt auch des vertrauensvollen Entgegen-
kommehs der Herren Aebte von St. Lambrecht (Suppan und Setz-
oageQ and der bezüglichen Gonivenz Admonts, vertreten durch seinen
•vortrefflichen'* Archivar W ichner. Sodann beleuchtet der Verfasser
s^ine kritische Arbeit mit den einzelnen Urkundenbeständen, die kritischen
13
- 186 —
Gesichtspunkte bei der Herausgabe der Urkunden und den Zweck der
erschöpfenden Register, beziehungsweise Repertorien, deren erstes
die üebersicht der Urkunden nach deren „individuellen Zugehörung'',
das zweite die nach den „Ländembetreffen*' ausser der Steiermark ver-
zeichnet, das dritte die gefälschten, interpolirten, rescribirten und ver-
dächtigen Urkunden zusammenstellt, während die drei eigentlichen Re-
pertorien oder Hauptregister den Zweck haben, in der erschöpfendsten
Weise die Massen der Personen- und Ortsnamen nadi allen ihren
abweichenden urkundlichen Schreibungen alphabetisch, mit Jahresangabe,
zu ordnen, andererseits in gleicher Weise sämmtliche sachliche
Ausdrücke vom Belange zu registriren.
Analog sind Einleitung, das dreifache Urkundenregister und die
drei Personen-, Orts- und Sachnamen-Repertorien auch im ü. Bande ge-
halten. Als neue Momente darin erscheinen die Charakteristik der poli-
tischen Verhältnisse der Steiermark 1192 — 1246 und die ausführliche
Antwort auf die fachmännischen Urtheile in massgebenden Zeitschriften.
— Soviel Ober das Gebotene, nun ein Wort an das geschichtsfreond-
liche Publikum der Steiermark.
Das Urkundenbuch ist allerdings kein Werk für weite Kreise, kein
landläufiges Buch, aber neben den Annalen und Chroniken eine grund-
legende Arbeit ftlr die Landesgeschichte im Allgemeinen und Einzelnen.
Dem Kenner, dem die Sprache der Urkunden und ihr Wesen vertraut
ist, brauchen wir die Bedeutung des Werkes nicht nahe zu legen, aber
auch fOr den der urkundliöhen Forschung ungewohnten Freund der
Landesgeschichte bieten die deutschen Regesten der Urkunden, die reich-
haltigen Repertorien, in denen eine Fülle von Aufschlüssen über Personen,
Orte und deren Namen u. s. w. steckt, bieten die Einleitungen des
Stoffes vollauf für vielseitige Belehrung.
Bei einem Werke, in welchem dynastische, territoriale, Kloster- und
Städte- Geschichte, Ansiedlungswesen u. s. w. die sicherste Begründung
erfährt, darf der historische Verein als der Herausgeber auch eines
zweiten Quellenwerkes von anerkanntem wissenschaftlichen und heimai-
ländischen Interesse, des steierm. Landrechtes, bearb. von Dr. F.
Bischoff, auf werkthätige Theilnahme des steiermärkischen Pub-
likums rechnen. Er wird darin den nothwendigen Antrieb zu seinem
weiteren gemeinnützigen Schaffen in dieser Richtung finden.
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HISTORISCHEN VEREINES
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VON DESSEN AUSSCHUSSE.
XISITT-III. HEFT-
Oraz^ 1880.
Im Selbstverläge.
Xo Cominission der k. k. Üniversit&ts-Buchhandlung
Leuschner & Lubensky.
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MITTHEILÜN6EN
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ESTOEISCHM VEREINES
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STEIERMARK.
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HBRAÜSOEOBBEN
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VON DESSEN AUSSCHUSSE,
TTIII- HEFT.
Graz, 1880.
Im Selbstverlaga
In CommiBsion der k. k. Univerait&te-fiuchhandlnng
Leuschner & Lubensky.
Lbykam-Josbpsthai., grax.
^*
Inhalt.
A. Vereins -Angelegenheiten.
S«ite
I. Chronik des Vereines III
II. Yeränderungen im Personalstande des Vereines . . . XV
III. Uebersicbt Ober die Empf&nge und Ausgaben . . . XVI
IV. Znw&ohse:
A. Fflr die Bibliothek XVIII
B. Für das Archif XXVI
C. Ffir die Kunst- und Alterthumssammlung . . . XXVI
Aas den Berichten der P. T. Bezirks-Gorrespondenten . . . XXVII
B. Abhandinngen.
Zar Geschichte des Jagd- und Forstwesens Steiermarks in der
Zeit Maximilians I., Ton Dr. Franz Martin Mayer . . . 3
Doctor Adam von Lebenwaldt, ein steirischer Arzt und Schriftsteller
des 17. Jahrb., von Dr. Richard Peinlich 42
Sigismnnd's Grafen yon Auersperg Tagebuch zur Geschichte der
firanzOsischen Invasion vom Jahre 1797. VerG£fentlicht Ton
J. Kratochwill, revidirt und mit Erläuterungen versehen
von Dr. F. R. v. Krones 106
C. Kleinere Mittheiinngen.
Zar Geschichte des Eisenerzer Aufstandes des Jahres 1683, von
Job. Krainz 218
Literarische Anzeigen, von Dr. F. R. v. Krones 219
Register.
A.
Anersptrg, Sigismand Graf von, 8.
Tagebuch vom J. 1797 106. —
Actenst&cke daraus 183. — Er-
läntemngen dazu 203.
B.
BangirtBer Sigm., kais. Waldmei-
ster 13.
BiKhoi; Prof. Dr. Ferd., Mitglied
des im Herausgabe einer Biblio-
gn^e eiogesetzten Comit^'s Y,
Mitglied des Comit^'s zur fienr-
thdlnng der Ortschroniken VI.
Bflser, prftm. Ortschronist VII.
D.
DieCrtcftiitaiB, Sigmund ▼., Landes-
bauptmann 16.
E.
Eisetschmidt, Dr. Samuel, Arzt in
Graz 98.
Erich, Herzog t. Braunschweig 18.
Ena«, Lienhard von, Vitzdom 16.
F.
Flnt Ernst, Gassier, Ausscheiden
»US dem Ausschüsse VI, VTII.
e.
(Sruf Joh., Conservator, Antrag IV.
Grab Wilhelm, oberst. k. Jäger-
meiater 81.
Greswefl Lukas 16.
GriusMar Michael 16.
6rUtl« Dr. J. C. 42.
H.
hrkamp Job., Ortschronist VH.
mg Hans, k. Forstmeister 14.
Hiuer Lienhard 37.
Jerbentaia, Hans von 16.
bteaii Hans 16.
J.
Jigd- und Forstwesen, zur Gesch.
des, Steiermarks etc., Abh. von
Dr. F. M. Mayer 3.
Jagdreviere, Beschreibung der, um
Eisenerz und Tragöss 81.
— - im Kammerthal 36.
— um Admont 36.
— im Ennsthale etc. 37.
~ auf dem oberen Murboden 40.
K.
Kahr Franz, Ortschronist VII.
Kal&dorf, Alexander von 16.
Krailis Job., Ortschronist VU.
~ der Eisenerzer Knappenaufstand
213.
KratochwUl J., Mittheilung des
Tagebuches des Grafen v. Auers-
perg 106.
Kraatgasser, Dr. Job., Ortschro-
nist vn.
Krones, Dr. Franz, R. v. M., Mit-
glied des zur Heransgabe einer Bi«
bliographie eingesetzten Comit^'s
V, Mitglied des Gomit^'s zur Be-
urtheilung der Ortschroniken VI.
Vortrag über ein Qrazer Strassen-
duell IX. Becensionen 219.
KtUuelt Anna, Ortschronistin VHI.
Kttmmel, Dr. Emil, Vortrag über die
Bolle des Bieres und Weines XH.
RttschaU Franz, Ortschronist Vlü.
lange Job., Bericht als Bez.-Gorresp.
xxvn. ^
Lebenwaldt, Dr. Adam v., Abh. von
B. Peinlich 42.
— seine Werke 44.
— Biographie 48.
— Conterfei 64.
— sein Wirken als Arzt und ge-
lehrter Schriftsteller 67.
Lebenwaldt, Dr. Adam tob, seine
Stellung zum Aberglauben seiner
Zeit 80.
Lechthaler Caspar, ob. Bergmeister
81, 37.
Laschin, Prof. A. v., Vortrag über
Balthasar Weidacher lY.
M.
Haitis, Hans von, ob. Bergmeister 1 2.
Mayer, Dr. Franz M., Mitglied des
zur Herausgabe einer Bibliogra-
phie eingesetzten Gomit^'s Y.
Vortrag über Jagden und Jagd-
reviere K. Maximilians in Steier-
mark YI. Neuwahl in den Aus-
schuss XIY. Abhandlung 3.
Meixner Ant., Bericht als Bezirks-
Gorrespondent XXYH.
N.
Kepol Adolf, Ortschronist YH.
Noe Heinrich, Wahl zum Gassier IX.
P.
Paner Ludwig, Bericht als Bezirks-
Gorrespondent XXYII.
Peinlich, Dr. Richard, Anträge HI,
XIY. Mitglied des Gomit^'s zur
Beurtheilung der Ortschroniken
VI. Vortrag über die Stadtwirth-
schaft von Graz vor 200 J. IX-
Yortrag über Sittenpolizei des
16. Jahrh. XL
Pezlederer A., Ortschronist YIII.
Pichl Reichsritter von Gamsenfels,
Karl, Ortschronist YIII.
B.
Raisp Ferd., Ortschronist YII.
Raober Ghristoph, Bischof von Lai-
bach^ 16.
I
Reghaltser Christoph 16.
RAich Job. YH.
S.
Sanraa, Erasmus von 15.
— Wolf von 16.
Schackhan Osann, Thiergartner in
Qraz 17.
Schmid Georg, Scriptor HI, Y.
sollner Franz, Ortschronist YII.
T.
Traopitx Heinr., Pfleger zu Pfann-
berg 15.
Y.
Tortrftge: von Prof. Dr. A. von
Luschin lY ; — von Prof. Dr. F.
M. Mayer VI ; — von Prof. Dr.
H. von Zwiedineck - Südenhorst
IX, XI; — von Prof. Dr. R. t.
Krones IX; — von Regierungs-
rath Dr. R. Peinlich IX, XI ; -
von Dr. £. Kümmel XII.
w.
Weidacher Balthasar, Yortrag über
lY.
Z.
Zahn, Jos. von, Antrag UI. Mitglied
des Gomit^'s zur Beurtheilung
der Ortschroniken lY.
Zolner Yeit, k. Rath 22.
Zwiedineck-Südenhorst, Dr. Hans v.,
Yortrag über die Gesandtschafts*
reise des Freiherm Adam von
Herberstein nach Gonstantinopel
IX. Yortrag über den gegenw&r-
tigen Stand der Wallenstcinfrage
XI. Neuwahl in den Ausscbuss
XIY.
i
A.
Vereins - Angelegenlieiten.
Mittheil, dos hist. Yereins f. Sieiennarlc, XXVIIII. Heft, 1880. A
Geschäfts -Uebersicht
L
Chronik des Vereines
über die Zeit Yon der 31. JahresTersammlung am 30. J&nner 1870 bis
zur 32. JahresYersammlung vom 28. Jänner 1880.
1. Ueber den in der 31. Jahres - Versammlung vom
30. Jänner 1879 von Herrn Regierungsrath Dr. Richard
Peinlich gestellten Antrag, die historischen und geogra-
phischen Publicationen, insoferne dieselbe Steiermark betreffen,
alljährlich in den Mittheilungen namhaft zu machen 0, berieth
der Ausschuss in den Sitzungen vom 19. Februar und
22. März 1879. Herr Prof. J. v. Zahn erweitert den Antrag
dahin, es solle zuerst eine allgemeine, nach wissenschaftlichen
Grandsätzen bearbeitete historische Bibliographie. Steiermarks
geschaffen werden, welche dann von Jahr zu Jahr durch Anzeige
der eben erschienenen Arbeiten in den Mittheilungen ergänzt
werden könnte. Der Ausschuss erklärte sich einstimmig für
diesen Antrag und beschloss femer diese Bibliographie in den
Mittheilungen nöthigenfalls in Verbindung mit einem Aufsatze
erscheinen zu lassen. Der Ausschuss gab sich der Anschauung
hin, dass eine solche Bibliographie einem Bedurfhisse des
gebildeten Publicums entgegenkomme und dass eben desswegen
durch einen grösseren Absatz die etwaigen grösseren Kosten
gedeckt würden. Auch wurde beschlossen^ Herrn Georg Schmid,
Scriptor an der k. k. IJniversitäts-Bibliothek in Graz zu fragen,
^ Ygl. die vorigjäbrigen Mittheilungen des hist. Y. f. Steiermark X.
- IV -
ob er die Ausarbeitung der Bibliographie tibernehmen wolle,
und im Bejahungsfalle ihn zu ersuchen, den Plan vorzulegen,
nach welchem er die Arbeit vorzunehmen gedenke.
In der Sitzung vom 19. Februar wurde in das Comite
zur Beurtheilung der Ortschroniken an Stelle des Herrn Prof.
J. V. Zahn, der wegen Abreise austrat, Herr Regierungsrath
Dr. R. Peinlich gewählt.
2. In der Ausschuss-Sitzung vom 16. April wurde über
Antrag des Herrn Conservators J. Graus einstimmig be-
schlossen, Sr. Excellenz dem Herni Statthalter die Glück-
wünsche des Vereines zur silbernen Hochzeit Ihrer Majestäten
durch eine hiezu gewählte Deputation auszusprechen.
3. In der am 30. April 1879 im Gebäude der Landes-
Oberrealschule abgehaltenen 29. Vierteljahres -Versammlung
hielt Herr Universitäts-Professor Dr. Arnold L u s c h i n Ritter
von Ebengreuth einen Vortrag über ;,Balthasar Weidacher,
eine Paduaner Studentengeschichte".
Der Vortragende, dem zufolge mehrjähriger Forschungen
an Ort und Stelle ein Material von seltener Reichhaltigkeit
über die innere Geschichte der Universität in Padua zur
Verfügung steht, bot aus der Fülle seiner stofflichen Vor-
arbeiten eine höchst interessante Episode des Paduaner Stu-
dentenlebens, die sich in der zweiten Hälfte des 16. Jahr-
hunderts abspielt und als Helden den geistlichen „Präceptor"
der jungen Herbersteine: den ehrsamen B. Weidacher,
uns vorführt. Der Vortragende begann die eigentliche Er-
zählung mit einer Erörtemng der Paduaner Universitätsver-
fassung und ihres Fremdenbesuches, insbesondere von Seite de.s
steiermärkischen Adels und Patriziates, und gewährte einen
orientirenden Einblick über die Gliederung der ^Nationen" an
derselben, mit Streiflichtern auf die kleinen Kriegslisten, die
man zu Gunsten des Stimmenübergewichtes bei den einzelnen
„Nationen^ versuchte. Die Stärke der „deutschen Nation" in
Padua und ihre von der geschäftsklugen Signoria Venedigs
gern gewährten Vorrechte kamen zur Sprache, insbesondere
der Umstand, dass man auch in Hinsicht des Protestantenthums
— V -
der deutschen Universitätshörerschaft gern ein Auge zudrückte
und ihn unter der Bedingung, dass er zu keinerlei Religions-
störungen führe, seine Wege gehen Hess. Auch der genannte
Präceptor der Herbersteine war ein dem „Lutherthum" be-
freundeter Mann, was den neuen und darun) doppelt scharfen
Paduaner Bischof bewog, ihn als ketzerisch gefährliches Indi-
viduum durch die Rettori der Stadt verhaften zu lassen. Die
lebendige Schilderung des darob erstandenen Unwillens der
deutschen Studentenschaft, ihres Entschlusses, die Sache des
Verhafteten als ihre eigene auszufechten und vor die Herrin
Padua's, die venetianische Signoria, zu bringen, der Absendung
der Deputation in die Lagunenstadt, deren erfolglose Wan-
derungen vom kaiserlichen Orator zu den Studienrectoren und
dann zum gefürchteten „Rathe der Zehn'', welcher in echt
^venetianischer Weise" den ohnehin aus eigener Einsicht
kleinlaut gewordenen Stadtrectoren von Padua eine Nase gab
und alles Weitere ihrer „Klugheit" überliess, dieser ScMl-
derung folgte der halb ernste, halb heitere Bericht, wie gross
die Verlegenheit des Stadtmagistrates und der Aerger der
deutschen Studenten angesichts der Halsstarrigkeit des glau-
benseifrigen, sich hinter alle möglichen Hindernisse verschan-
zenden Bischofs wurde. Selbst die erneuerte Deputation direct
an den Dogen brachte die Sache in kein besseres Geleise,
bis Wei da eher, mürbe geworden durch die Haft und deren
Unabsehbarkeit, „zum Kreuze kroch," das ist, einen Widerruf
etwaiger Abirrungen vom rechten Glaubenspfade in bester
Fonn leistete. Aber auch dann noch wickelte sich seine Frei-
werdung ungemein zähe ab.
4. Herr Scriptor S c h m i d hatte den Plan, nach welchem
er die Bibliographie auszuarbeiten gesonnen, dem Ausschusse
vorgelegt und wurde derselbe einem Comite, bestehend aus
den Herren Prof. F. Bischoff, F. Krones und F.Mayer
zur Beurtheilung überwiesen. Das schriftliche Gutachten, welches
dieses Comite in der Sitzung vom 24. Juni dem Ausschusse
vorlegte, wurde von diesem genehmigt. Auch wurde in dieser
Sitzung die von dem zur Beurtheilung der Ortschroniken auf-
- VI ~
gestellten Comite vorgelegten Prämiirungs- und Anerkennungs-
listen genehmigt
5. Der bisherige, langjährige Cassier des Vereines Herr
Ernst Fürst hatte schon bei Ablauf des vorigen Vereins-
Jahres die Absicht ausgesprochen, die Geschäfte wegen seiner
fortdauernden KränkUchkeit niederzulegen. Doch hatte er sich
bestimmen lassen, im Interesse des Vereines sein Amt wieder
zu übernehmen. Da nun aber die Gesundheit des Herrn Cas-
siers nicht in der Weise sich kräftigte, als es die Fortführung
der Cassiers-Geschäfte verlangte, so legte er das Amt nieder
und wurde daher die 3(K Vierte^jahrsversammlung mit den
Befugnissen einer allgemeinen Versammlung ausgeschrieben.
Sie fand am 10. Juli statt. Der Schriftführer Prof.
F. M. Mayer hielt einen Vortrag über ^Jagden und Jagd-
reviere K. Maximilians I. in Steiermark*', welcher mit
einigen Erweiterungen in den vorliegenden ;, Mittheilungen *"
zum Abdrucke gelangt ist.
In dieser Versammlung verlas auch der Herr Vereins-
vorstand Namens des Comite's zur Beurtheilung der Orts-
chroniken den Bericht über das Resultat dieser Beurtheilung,
woraus wir Folgendes hervorheben:
Im Ganzen meldeten in den Jahren 1873 — 1878 53 Orts-
chronisteu ihre Thätigkeit an, wovon so ziemlich die eine Hälfte
auf Ober-, die andere auf Untersteier entfällt Auf die Auf-
forderung, die Ortschroniken bis Ende Jänner 1879 zur Begut-
achtung abzuliefern, trafen 36 Chroniken ein, wovon jedoch eine
leer war. Das Beurtheilungs-Comite bestand aus den HeiTen
Prof. Dr. F. Bisch off, Dr. F. Krones und Regierungsrath
Dr. R. P e i n 1 i c h. Dieses Hess sich bei der genauen Prüfung
der Vorlagen von den gemeingültigen Grundsätzen leiten, wonach
Gewissenhaftigkeit, Ordnung der Anlage, ausdauernder Fleiss
in den Aufzeichnungen, Bündigkeit und Gewandtheit in der
Darstellung und relativer nicht blos durch die Natur der Oert-
lichkeit, sondern vornehmlich durch den Forschungs- und Mit-
theilungstrieb des Chronisten erzielter Stoffreichthum die
Bedingungen des Anspruchs auf Anerkennung, resp. Prämürung
— vn -
bilden müssten. Das Gomite hat sich die Arbeit nicht leicht
gemacht, es hat auch den localen Schwierigkeiten, dem Um-
stände, dass eine Chronik den Chronisten wechselte, Rechnung
getragen.
Das Comite und der Gesammt-Ausschuss constatiren mit
Genugthuung, dass in den meisten der eingesendeten Orts-
chroniken sich ein erfreuUches SU'eben nach zweckentspre-
chender Erfüllung der gestellten und selbstgewählten Aufgabe
kundgibt und dass 5 von den 35 geprüften Chroniken, also
\'i der Prämiirung und 8 weitere, also nahezu y« der Aner-
kennung würdig erklärt werden konnten.
Der Prämiirung ihrer Leistungen wurden nachstehende
Ortschronisten in folgender Abstufung theihaftig:
1. Herr Johann Krainz, Lehrer in Eisenerz und Bezirks-
Correspondent , für die Begründung der Ortschronik von
Oberwölz und die Führung der von Eisenerz — 7 Ducaten.
2. Herr Adolf N e p e 1, Lehrer in Leutschach, für die Chronik
des genannten Ortes — 5 Ducaten.
3. Hochw. Herr Johann R o e s c h, vormals Kaplan in Köflach,
gegenw. Pfarrer in Wörth, fUr die Chronik von Köflach —
4 Ducaten.
4. Herr Friedrich Böser, Director der Bürgerschule in Voits-
berg, für die Chronik des genannten Ortes — 4 Ducaten.
5. Herr Franz Söllner, Oberlehrer in Fürstenfeld, für die
Chronik des genannten Ortes — 4 Ducaten.
Die schriftliche Anerkennung ihrer Leistungen erwarben :
1. Herr Med. Dr. Johann Krautgasser, Bezirkscorre*
spondent des bist Vereines in Mureck, für die Chronik
des genannten Ortes.
2. Herr Ferdinand R a i s p, Güterverwalter in Pettau, Bezirks-
Correspondent des bist Vereines, für die Chronik des ge-
nannten Ortes.
3. Herr Jobann H a r k a m p, Lehrer zu St. Marein am Pichels-
baeh, für die Chronik des genannten Ortes.
4. Herr Franz Kahr, Oberiehrer in Leibnitz, für die Chronik
des genannten Ortes.
— vm —
5. Herr A. Pezlederer, Apotheker in Kindberg, für die
Chronik des genannten Ortes.
6. Herr Karl Pichl, Reichsritter von Gamsenfels in Kersch-
bach, für die Chronik des genannten Ortes.
7. Frau Anna Kühnelt geb. Pichl von Gamsenfels in Ober-
radkersburg, für die Chronik des genannten Ortes.
8. Herr Franz Kü sc hall, Oberlehrer in Schöder, für die
Chronik des genannten Ortes.
Da dem Ausschusse des historischen Vereines zur Be-
theilung solcher besonderer Leistungen eine Anzahl von Me-
daillen (der K. Franzens-Statue und Erzh. Johann-Medaillen)
bei Gelegenheit der Naturforscher -Versammlung übergeben
wurde, so beschloss er den beiden Erstgenannten unter den
mit schriftlicher Anerkennung bedachten Herren je eine der
beiden ersteren Medaillen und den vier anderen je eine der
zweiten als Erinnerungszeichen zuzuwenden.
Indem der Ausschuss diese Prämiirungen und Anerken-
nuugen mit Vergnügen kund macht, gibt er sich der ange-
nehmen Hoffnung hin, dass das Institut der Ortschroniken
auch in Zukunft seine der wissenschaftlichen Heimatskunde
erspriesslichen Früchte in gleichem und noch reicherem Masse
tragen werde und betrachtet das ErspriessUche der ihm zu
Grunde liegenden Idee für gesichert.
In derselben Vierteljahresversammlung legte der Ausschu&s
einen Bericht vor über die beabsichtigte Herausgabe einer
allgemeinen steierm. BibUographie und ersuchte die Versamm-
lung um ihre Zustimmung und Genehmigung der Kosten. Diese
gewährte Beides. Der Vorsitzende theilte hierauf mit, dass
der Vereinscassier Herr Ernst Fürst in Folge seines lei-
denden Gesundheitszustandes genöthigt sei, sein Amt nieder-
zulegen. Er dankt ihm mit warmen Worten für die langjährige,
opferwillige Verwaltung seines Amtes sowie für das Interesse,
das er stets dem Vereine entgegengebracht und lud die Ver-
sammlung ein, ihren Dank ^) durch Erheben von den Sitzen zum
1) Der Ausschass hat nachher auch schriftlich dem scheidenden Gassier
seinen Dank ausgesprochen.
— IX -
Ausdrucke zu bringen. Dies geschah. Herr Ernst Fürst
dankte hierauf für das ihm stets bewiesene Vertrauen, worauf
Herr Heinrich N o ö , Director der Staats - Oberrealschule in
Graz, per accl. zum Cassier erwählt wurde. Herr Director
Noö erklärte sich bereit zur Annahme der Wahl.
6. In diesem Vereinsjahre fanden auch drei Geselltgkeits-
abende (im Hotßl zur Stadt Triest) statt; am 15. März hielt
Herr Prof. Dr. H. von Z wiedineck-Südenhorst einen
Vortrag über die Gesandtschaftsreise des Freiherm Adam
von Herberstein nach Constantinopel im J. 1608. Am
19. April sprach der Vereinsvorstand Herr Prof. Dr. Franz
Krones R. v. Marc bland über ein Grazer Strassenduell
V. J. 1708; am 17. Mai handelte Herr Begioiungsrath Dr. R
Peinlich über die Stadtwirthschaft von Graz vor 200 Jahren.
Au diese drei Geselligkcitsabende schloss sich später eine ge-
sellige Zusammenkunft auf dem Rosenberge (beim Stoflfbauer).
Alle diese Versammlungen erfreuten sich eines zahlreichen
Zuspruches von Seite des Publicums. Es sei gestattet, eine
kurze Skizze der drei gehaltenen Vorträge hier anzuschliessen :
]. Adam Freiherr von Herberstein aus der von seinem
(jfossvater Wilhelm begründeten niederösten eichischen Linie
dieses weitverzweigten steirischen Geschlechtes wurde vom
Erzherzog Mathias am 6. Mai 1608 an die Pforte ent-
sendet, um die Ratification des Friedens von Szitva - Torok,
zu welchem Mathias die Zustimmung seines kaiserlichen
Bruders endlich erzwungen hatte, durchzuführen. Er begegnete
in Constantinopel grossen Schwierigkeiten, da man dort einen
anders stylisirten Text des Friedensinstrumentes vorwies, als
die kaiserlichen Functionäre in Szitva-Torok vereinbart hatten.
Der Umsicht und Festigkeit Herbersteins, der allen
Künsten der türkischen Diplomaten gegenüber standhaft blieb,
gelang es, die Ratification des ursprünglichen Textes dennoch
zu Stande zu bringen und die Interessen des Hauses Oester-
reich im vollsten Umfange zu wahren. Nach einer sehr be-
schwerlichen Balkanreise kehrte Herberstein am 3. Jänner
1609 nach Ofen zurück ^ wo er bis Herbst d. J. beschäftigt
- X —
war, die Ausführung der Friedens-BestimmungeD durchzusetzen.
(Eine ausführliche Darstellung der ganzen Mission auf Grund
der Relation Herberstein's an König Mathias findet
sich in der « Wiener Abendpost*', 1879, Beil. zu Nr. 129
und 130.)
IL Das Grazer Strassenduell oder richtiger der UeberfalK
welchen der jüngere Graf Säur au, unterstützt von seinem
Verwandten Grafen Herberstein gegen den Grafen lieopold
von Stubenberg in der damaligen Jesuiten- jetzt Büi^er-
gasse ausführte, als Letzterer aus dem geh. Rathe ahnungslos
heimfuhr, hatte den Anlass in abfälligen Bemerkungen des
Stubenberge r^s, welche kurz zuvor bei einer geselligen
Zusammenkunft des Adels im Garten des damaligen Lesliehofes
(j. Joanneum) über den sie provocirenden Saurau gemacht
wurden. Der Ueberfallene musste trotz tapferer Gegenwehr
mit seinem unzureichenden Prunkdegen der überlegenen Waffe
des Gegners und dessen Helfershelfers erliegen. Der Vor-
tragende besprach das Ganze und die criminelle Behandlung
des Vorfalles nach den im Joanneum, j. Landes-Archive ver-
wahrten Acten.
HL Der ärmere Theil der Bürgerschaft zu Graz wollte unter
den Ursachen seiner misslichen Lage auch die wirthschafUiche
Gebarung der Stadtbehörde finden. Hiedurch veranlasst, führte
der Bürger -Ausschuss 1660 bei dem Kaiser Leopold Be-
schwerde und bat namentlich zur Abhilfe der unverantwortlichen
Wirthschafb um die Wiedereinführung des vor Alters bestan-
denen „äusseren Rathes" und um Behebung mehrerer anderer
das gewerbliche Leben drückender Vorschriften, insbesondere
um Verringerung gewisser Steuern.
Kaiser Leopold ordnete die Untersuchung der Sachlage
an, in Folge welcher ein kleiner Theil der Uebelstände 1665
durch Regierungsverordnung zur Behebung hätte gebracht
werden können und sollen, in der That aber dauerten die
meisten Uebelstände und die Verhandlungen darüber bis in
die Mitte des 18. Jahrhundertes.
Hiebei lernen wir die finanzielle Lage der Stadt, Einnahme
— XI ~
aod Ausgabef die leichtfertige Buchfbhrang, die guten Grehalte
der Magistrats-Personeu , den Schlendrian in der Verwaltung
ziemlich genau kennen, da der Vortrag drastische Belege jeder
Art beibrachte. Das Hauptresultat der Einmischung der Re-
gierung war die gesteigerte Bevormundung der Stadtbehörde
darch dieselbe und ein noch mehr schleppender Geschäftsgang
durch die Ueberweisung aller wichtigeren Dinge an die Begut-
achtung durch die Regierungs - Commissionen in Graz und
in Wien.
7. Am 30. October 1879 fand die 31. Vierteljahresver-
sammliiog statt, in welcher Herr Regierungsrath Dr. Richard
Peinlich einen Vortrag über Sittenpolizei des 16. Jahr-
honderts in Steiermark hielt.
Der Vortragende gab zuerst die Quellen bekannt, aus
denen er seine Darlegung schöpfte ; es sind dies landesfürstliche
Verordnungen, Patente und Landtagsverhandlungen aus der
Zeit von 1495 bis 1604. Deren Inhalt erstreckt sich im All-
gemeinen auf Gotteslästerung, Schwören, Fluchen, Zutrinken,
Vollerlei und Spiel, uneheliche Gemeinschaft, Kleiderluxus,
verschwenderische Gastereien u. s. w.; denn in Berechnung
der fttr den Vortrag ausgemessenen Zeit beschränkte sich
derselbe Dur auf das gotteslästerliche Schwören und Fluchen
und auf das Zutrinken.
Zunächst wurden die Motive und die Art und Weise des
Entstehens der bezüglichen Verordnungen dargelegt, dann die
bezüglichen Laster definirt und die Quelle ihrer Verbreitung
und die stufenweise ernstere Bekämpfung derselben durch
Verbote und gesteigerte Strafen angegeben. Wo es zur Be-
leuchtung der Sache erforderlich war, verbreitete sich der
Vortrag auch bis in Einzelheiten.
8. Am 20. Deccmber fand der erste Geselligkeitsabend
in diesem Winter statt Herr Prof. Dr. H. v. Zwiedineck-
Stldenhorst hielt einen Vortrag über den gegenwärtigen
Stand der Wallensteiiifrage, wobei eine Uebersicht der durch
Hallwich's neueste Publicationen gewonnenen Resultate für die
Gesdiichte von 1632—1634 gegeben und dabei insbesondere
— XII —
auf die Stellung des Fürsten Hans Ulrich von Eggenberg
zu Wallenstein hingewiesen wurde.
9. Am 28. Jänner 1880 wurde die 32. Jahresversammlung
abgehalten, in welcher Hen* Dr. Emil Kümmel einen Vortrag
hielt über die Rolle des Weines und Bieres als Genussmittel
während des Mittelalters in Steiermark.
Die Weinrebe reichte im Mittelalter viel weiter nach Norden
hinauf, als man dies heutzutage für möglich halten würde.
Man wird aber darüber weniger erstaunen, wenn mau in Be-
tracht zieht, dass das gleiche Verhältniss auch anderwärts
bestand, ja dass sogar Brandenburg in alter Zeit Weinbau
hatte. Als die besten Weinsorten galten aber auch schon im
Mittelalter der Luttenberger , Pettauer, Radkersburger , Pi-
ckerer u. s. w. Auch der Hopfenbau war schon zur Zeit der
Hohenstaufen in unserem Lande heimisch. Es ist demnacli
irrig, wenn behauptet wird, dass die 1788 zu Hz gepflanzten
Hopfenreben überhaupt die ersten in Steiermark gewesen
seien.
Das älteste Bier hierzulande muss nach der Art seiner
Zubereitung Weissbier gewesen sein. Nach Einbürgerung der
Gerste machte dasselbe dem Braunbiere Platz, so dass es wie
eine neue Erfindung klang, als 1582 der steirischen Landscbnft
ein Recept zur Erzeugung des ;, köstlichen weissen Bieres"
nach Art des baierisch - sächsischen Gebräues oflFerirt wurde.
Der Consum dieser alkoholhaltigen Getränke war im Mittel-
alter ein so starker, dass der sonst keineswegs pessimistische
Spruchdichter Peter Suchenwirt in folgender Weise dagegen
ankämpfte :
„Nu, pfui Dich, Vras und Trunchenhait,
Mensch, dortzu pist Du beraitV
Dir tut die Vrashait also wol,
Daz Du kannst nimmer werden vol;
Die Trttnch durichvliezzen Dir den Slunt,
Daz Dir des Morgens smecht der Munt,
All Dein Chraft ist entwicht,
Dich wecht der Durst und anders nicht."
— xm -
In Cllli und im Sannthale herrschte im 15. Jahrhunderte
eine solche Trunksucht, dass die Bauern fUr je ein Hftfen Wein
firei Häfen Getreide gaben. Auch in Obersteier wurde zu Zeiten
^0 übermässig gezecht, dass die Regierung die schärfsten Ver-
ordnungen dagegen erliess. Das auf Bier und Wein gelegte
\ erbot trug aber wieder zur weiteren Verbreitung des Brannt-
weines bei.
Die frühere Art des Reisens sicherte gleichfalls den Markt-
und Landwirthen einen bedeutenden Absatz von Bier und Wein.
Der Herr Vortragende theilte ein Bruchstück eines Reise-
berichtes von 1585 mit, woraus hervorging, dass man von
Graz ans durchschnittlich 5 — 8 Tage brauchte, um die ober-
^teirische Grenze zu erreichen. Von der Billigkeit des Weines
zeugte auch jener Posten von sechs Kreuzern, womit zu Frohn-
leiten ausser dem Schmiedlohne noch eine Mass Wein gekauft
^urde.
Grosse Schwierigkeiten hatten die mittelalterlichen Wein-
reisenden zu überwinden. Der Strassenzwang und die Nieder-
lagsbefiignisse vieler Ortschaften wirkten sehr hemmend ein.
Der Binnenhandel mit steirischen Weinen war trotzdem recht
lebhaft Die Pettauer z. B. verführten theils nach Obersteier-
inark, theils nach Kärnten und Krain. Aus Kärnten nach Ober-
>teierniark hinein wurden die italienischen oder sogenannten
-Lag] "-Weine eingeführt Doch war dies nur gegen Rückfracht
mit Ausseer Salz gestattet Oesterreicher und ungarische Weine
unterlagen einem hohen Aufschlage und Einfuhrzolle und nur
u'ewisse Herrschaften, Klöster und Orenzorte genossen nach
<ieni diesbezüglich angelegten „Weinbuche'' bestimmte Begün-
stigungen und Nachlässe. So wurde eine gefährliche Concurrenz
vermieden und der Steirer Wein in seiner Existenz geschützt,
und dies mit vollem Rechte, denn — wie ein Volkslied singt —
„Reiner, feuriger und stärker
Sagt man, wachse er am Rhein,
Gleichviel, unser Steiermärker
Ist doch auch ein edler Wein!^
Darauf theilt der Ausschuss der Versammlung folgende
— XIV —
drei Beschlösse mit und ersucht um deren Genehmigung :
1. In Anbetracht der von Jahr zu Jahr anwachsenden RQck-
stftnde in den Zahlungen der Mitg^eder seien kQnftighin die
Jahresbeiträge gelegentlich der Zustellung der Publicationen
durch Postnachnahme einzubringen. 2. Es seien neueriiche
Mahnschreiben an die Säumigen zu erlassen. 3. Die eventuelle
Löschung säumiger Mitglieder sei vorzunehmen. Diese Be-
schlösse des Ausschusses werden mit einem Amendement des
Herrn Bedacteurs E. Spork, es seien die Mitglieder schon
nach einjährigem Rückstände zu mahnen, genehmigt
Hierauf sollten für die Herren Proff. H. v. Z w i e d i n e c k-
Sodenhorst und F.M.Mayer, welche nach den Statuten
aus dem Ausschusse zu scheiden haben, Neuwahlen vorge-
nommen werden. Herr Regierungsrath Dr. R Peinlich be-
antragte die Wiederwahl der beiden Herren per accl. , was
auch geschah. Herr Redacteur F. Spork erklärte im Namen
der Versammlung den beiden Herren den Dank für ihre Mühe-
waltung.
Schliesslich beantragte Herr Regierungsrath Dr. R. P e i n 1 i c h,
der Ausschuss möge erwägen, wie durch zweckmässigen Appell
an die den Zwecken des Vereines befreundeten Gesellschafts-
kreise eine Ergänzung des Mitgliederstandes erreicht werden
könnte.
Der Bericht des Schriftführers macht auch darauf auf-
merksam, dass vor 700 Jahren (1180) die Steiermark zum
Herzogthum erhoben worden ist, welches Ereigniss der Aus-
schuss etwa im April durch eine entsprechende Versammlung
zu feiern gedenke. Auch hat der Ausschuss für den Sommer
einen Ausflug nach Ehrenhausen und Gamlitz zur Besichtigung
des Mausoleums und des von dem Ausschussmitgliede Herrn
Prof. F. Ferk gegründeten Museums in Aussicht genommen.
Veränderungen
im
Personalstande des Vereines
in der Zeit Tom 1. Jänner bis Ende December 1879.
Zogewaehsen.
Ordentliche Mitglieder:
Blamentbal Riebard Heinrich , Repräsentant der Reunione
adriatiea di sicurtä in Graz. — P. G r i t z Karl, Dr. Th. in St. Lam-
breeht — Gurlitt Wilhelm, Dr. and Univ.-Prof. in Graz. — Hörnes
Rudolf, Dr. und Univ.-Prof. in Graz. — Kolb Josef Yon, Yerwaltungs-
rath des Museums in Linz und Director der Sparkassa in Linz-Ürfabr. —
Malfatti Ritter de Rohrenbach ad Dezza Leopold, k. k. General-
Stabsarzt in Pension in Graz. — Nugent Lava! Graf, k. k. Kämmerer
and Gutsbesitzer zu Haus am Bacher bei Marburg. — Sameditsch
l-ranz, UniversitätS'KanzeliBt in Graz. — Scubitz Eduard, Oberlieut. i. P.
in Graz. — Sing Josef senior, Kaufmann in Graz. — Walcher Ferd.,
Prof. in Graz. Zusammen 11 Mitglieder.
Abgregangen«
Au sgetreten:
Buchner Peter, Buchhändler. — Ebner Johann, Dr., Prof. —
Egartner Matthäus, Gutsbesitzer. — Fleck Josef, Yicar. — Gschirts
Andreas, Pfarrer. — Krzyzanowsky de Wola Sienenska Sta-
nislaas, Dr. — Kuefstein Karl Graf. — Müller Gottfried, Handels-
mann. — N 0 T a k h Ignaz , Beamter. — Paltauf Christian Sigd.,
Dr. Med. — Schachner Ambrosius, Kaufmann. — Schönbach
Anton, Dr., Univ.-Prof. — Schott Johann von. Major in Pension. —
Uranitsch Anton, Dr., Advokat. Zusammen 16 Mitglieder.
Gestorben:
B r n 8 c h Fried. , Dr. und Prälat. ~ Hammer-Purgstall
Kar] Freiherr von. — Kellersperg Ernst Freiherr von. —
Matzncr von Heilswerth Leopold Ritter, Dr — Pangerl Mathias,
l>r., Prof. — Parapat Johann, Pfarrer. — Reiche 1 Josef, Prof —
Schneemann Bruno, Kaplan. — Wurmbrand-Stuppach Her-
mann Graf, M^jor. Zusammen 9 Mitglieder.
Verbleibt der Mitgliederstand Ende December 1879: 338.
Bezirks -Correspondenten.
Gestorben:
Hablesreiter Yincenz, Benefiziat.
XVI -
U e b e r
Über die Empfönge and
1
2
3
4
5
Empfänge
Oesl.Währ.
fl.
1
kr.
Cassarest vom 31. December 1878
Beiträge der P. T. Mitglieder
Zinsen von den angelegten Capitalien
Für verkaufte Vereinspublicationen
Subvention der hohen Landschaft pro 1879 . . .
1362
875
42
209
1025
64.
1
88
61
96
1
~ i
9
97
Summe der Einnahmen ...
Wird die Summe der Ausgaben von der der Em-
nfänffc abcezoffen mit
3516
2672
so verbleibt am 31. December 1879 ein Rest von
Dieser Cassarest besteht in:
a) angelegten Capitalien . . 715 fl. 50 kr.
b) baarem Gelde 127 „ 62 „
843
12 >
121
Also in Snmma wie oben .... 843 fl. 12 kr
Graz, am 31. December 1879.
Heinrich Nc
d. Z. Gaader.
848
IS,
— xvn —
sieht
Ausgaben im Jahre 1879.
M
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
11
13
13
Ausgaben
■I. ■ —
Remunerationen an die Yereinsbediensteten . . .
Honorar an den Hilfsbeamten des Vereines . . .
Entlohnung an den Yereinsdiener
Kanzleibedfirfnlsse
Kosten der Yereinsversammlungen
Schriftsteller-Honorare
Bnchbinderarbeiten
Der Buchhandlung Leuschner & Lubensky ftür
Versendung der Yereinsschriften
Druck des II. Bandes nUrkundenbuch"
Ankauf von 24 Stack kaiserliche Randdukaten
behufs Prämiirung der Ortschronisten . . .
Mitgliederbeitrag für den Gesammtverein der deut-
schen Qeschichts- und Alterthumsvereine in
Darmstadt
Beitrag an das germanische National - Museum in
Kümberg
Ffir Ankauf Yon BQchem
Summe der Ausgaben . . .
Oesl. Währ.
fl.
32
180
96
98
44
885
63
24
1100
132
5
4
2672
kr.
63
9
50
42
91
96
76
80
97
KltlUU. 4m ktet. Veniu f. Steierntfk, XITUI. Heft, 1880.
B
Den Sammlungen des Vereines
sind vom 1. Jänner bis Knde December 1879 zugekommen
A. Für die Bibliothek.
1. Durch Schenkung.
4223. Graz: Das Ordinariat des Bisthums Seckau, den Personalstand
pro 1879.
4224. Marburg: Das Ordinariat des Bistbums Lavant, den Personalstand
pro 1879.
4225. Eberstein Louis Ferd., Freiherr von, königl. preuss. Ingenieur-
Hauptmann a. D. in Dresden: „Fehde Mangolds von Eberstein
zum Brandenstein gegen die Reichsstadt Nürnberg 1516—1522.
2. Auflage, 1879.«*
4226. Krainz Johann, Lehrer in Eisenerz : a) Albrecht von Haller. Ein
Lebensbild. Von 0. von Greyerz, Pfarrer in Bern ; — b) Albreclt
von Haller. Sein Lebenslauf. Von Dr. Emil Bldsch, Bern 1877; —
c) Wanderungen durch die Steiermark; — d) Sagen aus Steier-
mark; — e) Mythen und Sagen aus dem steir. Hochlande, 1. und
2. Heft.
2. Im Schriftentansche.
4227. Agram, südslavische Akademie der Wissenschaften: a) Rad,
45. Band, 1878. — 46., 47., 48. und 49. Band, 1879; -
b) Monumenta, 9. Band und Listine, 6. Band, 1878.
4228. — croatisch - archeologischer Verein: „Wiestnik,** 1. Band,
1.— 4. Heft.
4229. Amsterdam, königl. Akademie der Wissenschaften: a) Jahrbuch
pro 1877; — b) Verslagen en Mededeelingen der Letterkimdc,
2. Reeks, 7. Theil, 1878.
4280. Antwerpen, königl. archeologische Akademie in Belgien (Anvers):
a) Annales, 31. bis 34. Band, der 8. Serie 1.— 4. Band, gedr.
1875—1878; — b) Bulletin, 1. Band der 2. Serie, Fascikel 1-12,
vom Jahre 1868—1877. — 2. Band (3. Serie), Fascikel 1—3, vom
Jahre 1875—1877 und 2. Partie (3. Serie), Fascikel 1, 1879;-
c) Histoire du Peage de L'escaut, 1868.
-- XIX —
4231. Augsburg, hisior. Verein im Regierungsbezirke Schwaben und
Kfuburg: «Zeitschrift," 5. Jahrgang, 1., 2. und 3. Heft, 1878.
4232. Bamberg, hisior. Verein fOr Oberfranken: 86. und 41. Jahresbericht.
4233. Basel, histor. nnd antiquarische Gesellschaft : „Finanzrerh<nisse
der Stadt Basel im 14. und 15. Jahrhundert. (Von Dr. Gustav
Schönbeig.) 1879.
4284. Berlin, königl. Akademie der Wissenschaften: a) Abhandlungen
der philologisch, nnd histor. Glasse aus dem Jahre 1877
and 1878, gedr. 1878/79; — b) Monatsberichte pro 1879.
4235. — Verein «deutscher Herold": Zeitschrift, 9. Jahrgg. 1878.
4236. — Verein ftlr die Geschichte Berlin's: Schriften, 15. Heft, 1878.
4237. Bern, allgemein geschichtsforschende Gesellschaft der Schweiz:
Jahrbuch, 4. Band, 1879.
4238. Bregenz, Vorarlberger Museums-Verein: 18. Rechenschaftsbericht
filr das Jahr 1878.
4239. Breslau, schles. Gesellschaft vaterländ. Cultur: a) 55. und 56. Jah<
resbericht pro 1877 und 1878: — b) Fortsetzung des Ver-
zeichnisses der in den Schriften von 1864 bis incl. 1876
enthaltenen Aufsätze; — c) General- Sachregister der in den
Schriften der Gesellsch. von 1804 bis incl. 1876 enthaltenen
Aufsätze, 1878; — d) Statut vom 11. November 1878.
4240. — Verein ftlr Geschichte und Alterthum von Schlesien : a) Zeit-
schrift, 14. Bd., 2. Heft, 1879; — b) GrQnhagens Regesten von
1281—1290, — c) Die schlesischen Siegel von 1250-1300; —
d) Eine Audienz Breslauer BQrger bei Napoleon I. ao. 1813,
gedr. 1878.
4241. Br&nn, histor. Section der m&hr.-schles. Gesellschaft zur Beför-
derung des Ackerbaues, der Natur- und Landeskunde;
a) „Schriften," 23. Band, gedr. 1878; — b) Carl von Zierotin
und seine Zeit, 1564—1615. (Von Peter Ritter von Ghlu-
mecky.) 2. oder Beilagen-Band, Brunn, 1879.
4242. — mährisches Landesarchiv : a) Libri citationum et puhonum,
3. Band; — b) Codex diplomaticus Moraviee, 10. Band, 1878.
4243. Budapest, königl. ungar. Akademie der Wissenschaften: a) Ar-
chaeologiai ^rtesitö, Jahrgg. 1879.
4244. Cassel, hessischer Verein ftlr Geschichts- und Alterthumskunde
von Cassel, Darmstadt nnd Mainz : a) Zeitschrift, N. F. 8. Band,
1. und 2. Heft, 1879; — b) Mittheilnngen, Jahrgg. 1877, 3. und
4. Heft, Jahrgg. 1878, 1.-4. Heft, und Jahrgg. 1879, 1. Heft.; —
c) Bericht Qber die heidnischen AlterthQmer der ehemals kur-
hessischen Provinzen. (6. Supplement der Zeitschrift.) 1878.
4245. Christiania, Verein zur Eriialtung und Anfbewahrung nordischer
Vorzeitdenkmäler: a) Aktmsessige Bidrag til «Sveriges politiske
B*
- XX -
Historie 1812—1818; — b) AktmsBBsige Bidrag tU de nordiske
Rigers politiske Historie i 1818 og 1814. (Von Yngrar Nielsen;) —
c) Om norske Kongers Hyldiag og Kroning i seldre Tid, 1873 ; —
d) Undersgelse af Kongesagaens Fremvsext. (Von A. Gjassing.)
1. imd 2. Heft, 1876; — e) Pavelige Nuntiers Regnskabs — og
Dagböger, forte under Tiende — Opkrsevningen i Norden 1282 bis
1884. (Von Prof. P. A. Munch.) 1864; — f) Rune-Indskriften paa
Ringen i Forsa Kirke i Nordre Helsingland, 1877; — g) Fore-
• ningen til norske fortidsmindersmerkers bevaring, für das Jahr 1878,
. gedr. 1879; — h) Norsko Bigninger fra fortiden, 10. Heft, 1879.
4246. Darmstadt, histor. Verein für das Grossherzogthnm Hessen:
„Archiv," 14. Band, 3. Heft, 1879.
4247. Dresden, königl. sächsischer Alterthumsverein : jiMittheilnngen,"
29. Hef^ 1879.
4248. Elberfeld, bergischer Geschichtsverein: Zeitschrift, 14. Band, 1878.
4249. Emden, Gesellschaft ftkr bildende Kunst und vaterländische Alter-
thttmer: a) „Die heidnischen Alterthfimer Ostfirieslands," 1879; —
b) Jahrbuch, 8. Band, 2. Heft, 1879.
4250. Frauenfeld, histor. Verein des Cantons Thurgau: Thnrgauisrhe
Beiträge zur vaterländischen Geschichte, 19. Heft, 1879.
4251 . Freiberg in Sachsen, Alterthumsverein : Mittheilungen, 15. Heft, 1878.
4252. Freiburg in Breisgau, Gesellschaft zur Beförderung der Geschichts-,
Alterthums- und Volkskunde : Zeitschrift, 4. Band, 3. Heft, 1878.
4258. Gen^ve, Sociät^ d'histoire et d' arch^ologie : '„M^moires et Docu-
roents, tome I.,«* 3. Heft, 1878; - tome XX. livraison, 1. Heft, 1879.
4254. Genova, Societä Ligure di storia patria: Atti, Volume IX. Fas-
cikel IV und Volume XIV, gedr. 1878.
4255. Giessen, Oberhessischer Verein für Localgeschichte : 1. Jahres-
beiicht des Vereini^ahres 1878/79.
4256. GlaruB, histor. Verein: Jahrbuch, 16. Heft, 1879.
4257. Görlitz, Oberlausitzische Gesellschaft der Wissenschaften: Neues
LauBitz'sches Magazin, 54. Band, 2. Heft und 55. Band, 1. und
2. Heft, 1878/79.
4258. Görlitz, naturforschende Gesellschaft: Abhandlungen, 16. Band,
1879.
4259. Göttingen, königl. Gesellschaft der Wissenschaften: Nachrichten
ans dem Jahre 1878.
4260. Graz, Carl Franzens -Universität: „Vorlese - Ordnung*^ für das
Sommersemester 1879 und Wintersemester 1879/BO; dann
Verzeichniss der akademischen Behörden für das Studien-
jahr 1879/80.
4261. — technische Hochschule Joanneum: Programm für das Stu-
dieiu^hr 1879/80.
— XXI —
4262. Grasy Joanneam, recte steierm. Landes-AuBschuss : 67. Rechen-
schaftsbericht für das Jahr 1878.
4263. — Verein der Aerzte in Steiermark: Mittheilungen des 14. und
15. Yereinsjahres 1877/78.
4264. — Christ]. Kunstverein der DiÖcese Seckau: „Kirchenschmnck",
X. Jahrgg., 1879.
4265. — akademischer Leseverein an der Universität und teohnischen
Hochschule: 12. Jahresbericht, 1879.
4266. — steierm. Gewerbererein : Jahresbericht des 42. Yereins-
jahres 1878.
4267. — Historiker-Club: 3. Jahresbericht des Yereinsjahres 1878/79.
4268. Greifswalde, königl. Üniversitäts-Bibliothek : 38 StQck Inaugural-
Dissertationen und 4 Stück Yorlesnngs- Verzeichnisse des Jahres 1878.
4269. Hall in Württemberg, histor. Verein für das württembergische
Franken: a) Zeitschrift, 10. Band, 8. Heft, 1878; — b) Register
zu den Binden 1—9 oder Jahrgg. 1847—1873.
4270. Hamburg, Verein für hamburgische Geschichte: a) Mittheilungen,
2. Jahrgg. 1878/79; — b) Zeitschrift, N. F. 4. Band, 1. Heft, 1879 ; —
c) Verzeichniss der in- der Zeitschrift des Vereines Band 1—6
enthaltenen Aufsätze, 1880.
4271. Hanau, Bezirksverein für hessische Geschichte und Landeskunde:
«Die Grabmäler und Särge der in Hanau bestatteten gräflichen
und fürstlichen Personen aus den Häusern Hanau und Hessen.^
(Von Dr. Reinhard Suchier.) 1879.
4272. Hannover, histor. Verein für Niedersachsen : Zeitschrift, Jahrgg. 1879
und 41. Nachricht über den histor. Verein für Niedersachsen.
4273. Hartem, Bureau scientifique central N'eerlandeis : a) Archives
N'eerlandaises, tome III, 4. und 5. Lieferung, 1878, tome lY,
1. und 2. Lieferung, 1879; — b) Programm des Jahres 1879.
4274. Helsingfors, ünnländ. Gesellschaft der Wissenschaften: a) öfversigt
af Finska Yetenskaps Societetens Förhandlingar, Volume 19, 20.
und 21 ; — b) Bydrag til, kännedom af Finlands Natur och Folk,
vol. 27 bis 31; — c) Observations meteorologiques, ann^s 1875,
1876 und 1877; - d) Carl von Linnö Som Läkare. (Von Otto
E. A. ^jelt.) 1877.
4275. Hohenleuben, voigtländ. alterthumsforschender Verein: 47., 48.
und 49. Jahresbericht nebst 1 Jahresbericht des geschichts- und
alterthumsforschenden Vereins zu Schleiz, 1879
4276. Jena, Verein für thüringische Geschichte und Alterthumskunde : Zeit-
schrift, N. F. 1. Bd., der ganzen Folge 9. Bd., 8. und 4. Heft, 1879.
4277. Innsbruck, Ferdinandeum : „Zeitschrift«, S.Folge, 23. Heft, 1879.
4*278. Klagenfurt, Geschichtsverein für Kärnten : nCarinthia", Zeitschrift,
69. Jahrgg., 1879.
- xxn —
4279. Klagenfurt, Staats- Obergymnasium: Programm des Studien-
jahres 1879.
4280. Köln, histor. Verein f&r den Niederrhein : „ Anallen*", 33. Heft, 1879.
4281. Königsberg, königl. und UniTers.-Bibliothek : „Altpreussische Mo-
natsschrift, N. F. Jahrgg. 1879, 16. Band, 1. bis 4. Heft, dann
7. und 8.
4282. Krakau, königl. Akademie der Wissenschaften: a) Starodawne
prawa polskiego Pomniki tomo V., 1878; — b) Rozprawy i Spra-
wozdania z Posiedzen wydzialu filologicznego, tomo VI., 1878; —
c) dto. der histor. filosof. Klasse, tomo IX., 1878 und tomo X.,
1879; ~ d) Acta historica res gestas poloniae illustrantia, tomo I.
von 1546 >~ 1553, gedr. 1878; — e) Archivum do dziejöw litera-
tury i oswiaty w Polsce, tomo I., 1878 ; — f) Po ucieczce Hen-
ryka dzieje bezkrolewia 1574—1575. (Von Yinzenz Zakrzewskiego.)
1878; — g) Literarische Mittheilungen und bibliografische Be-
richte, Jahrgg. 1879; — h) Rocznik Zarzadu filr das Jahr 1878;
— i) Zbiör wiadomo^ci do Antropologii Krajowej, tomo UI., 1879 ;
— k) Sprawozdania Komisvji do badania historgi sztuki w polsce,
3. Heft, 1879 ; — 1) Katalog Rekopisöw, 4. Heft, 1879.
4283. Laibach, Obergymnasium: Jahresbericht des Schu^ahres 1879.
4284. Landshut, histor. Verein von und für Niederbaiern: Verhandlongeo,
19. Band, 3. und 4. Heft, gedr. 1877.
4285. Lausanne, Soci^t^ d' histoire de la Suisse romande : a) Memoires
et documents, tome 84, 2. livraison, 1879; — b) La Rose de la
Cath^drale de Lausanne, 1879.
4286. Leeuwarden, Gesellschaft für friesische Geschichte, Alterthums-
nnd Sprachenkunde: a) „Verslag der Handelingen" ftlr das Jahr
1877/78; - b) „De Vrye Fries. Mengelingcn«, 14. Theil, der
8. Serie 2. Theil, 1. und 2. Heft, 1879.
4287. Leiden, Maatschappy der Nederlandsche Letterkunde: a) Hande-
lingen en Mededeelingen vom Jahre 1878 ; — b) Levensberichten
der afgestorvene Medeleden. Beilage zu den Handelingen vom
Jahre 1878; — c) Gatalog der Bibliothek, 8. Ausgabe, 1877.
4288. Leipzig, königl. sächs. Gesellschaft der Wissenschaften: a) Ab-
handlungen der philologisch-histor. Glasse, 7. Band, Nr. 5,
6, 7 und 8, 8. Band, Nr. 1 ; ~ b) Berichte, Jahrgg. 1875,
2. Heft, 1876, 1877, 1. und 2. Heft, 1878, 1., 2. und 3. Hefl.
4289. — Verein für die Geschichte Leipzigs : ^Schriften", 2. Samm-
lung, 1878.
4290. — deutsche morgenländ. Gesellschaft: ,»Zeitschrift'', 32. Band,
4. Heft, 1878, 83. Band, 1., 2., 3., 4. Heft, 1879.
4291. — fürstl. Jablonowski'sche Gesellschaft: a) Jahresberichte,
1878, 1879; — b) PreisBchrift«n, 22. Band, 1879.
— xxm —
4292. LeiBnig, (jeschiehts- and Alterthums- Verein : Mittheilungen, 5. Heft,
1878.
4203. Lemberg, Graf Ossolinski'sches KationaMnstitut : a) Paraietnik
Zbigniewa Ossolinskiego f 1623. Lemberg 1879; — b) Sprawo-
xdanie z czynnoici Zakladu narodowego imienia Ossolinskich za
rok 1879; — c) die polnischen Ortsnamen der Provinzen Preussen
and Pommern und ihre deutschen Benennungen. (Von Dr. Wojciech
Ketrzyiiski.) 1879.
1294. Linz, Museum Francisco- Garolinum : 37. Bericht nebst der 81. Lie-
ferung der Beitrage zur Landeskunde von Oesterreich ob der Knns,
1879.
4295. Lübeck, Verein flQr LObeck'sche Geschichte und Alterthumskunde :
a) Verzeichniss ?ou Abhandlungen und Notizen aus Ittbecki sehen
und hansischen Blättern, 1879; — b) Jahresbericht pro 1877
und 1878.
4296. Marburg, Staatsgymnasium: Programm des Studiei\jahres 1879.
4297. Marienwerder, histor. Verein: Zeitschrift, 3. Heft, 1879.
4298. Metz, die Akademie der Wissenschaften: „Mömoires** 3. Serie
7. Jahrgg. 1877 78.
4299. Mitau, kurländische Gesellschaft für Literatur und Kunst:
Sitzungsberichte aus dem Jahre 1878.
4300. Mons, Soci^tö des Sciences, arts et des Lettres du Hainaut : M^-
moires et Publications, 4. Serie, tome UI., 1878.
4301. München, königl. bair. Akademie der Wissenschaften: a] Sitzungs-
berichte der philos. philologisch und histor. Classe, Jahrgg.
1878, 2. Band, 1.-3. Heft, Jahrgg. 1870, 1. Band, 1. bis
4. Heft und 2. Band, 1. und 2. Heft; -> b) Abhandlungen
der histor. Klasse, 14. Band, 2. Abth., 1878.
4302. ^ histor. Verein Yon und ftlr Oberbaiem : a) Archiv, 37. Band,
1878; — b) 39. und 40. Jahresbericht fOr die Jahre 1876
und 1877.
4303. — Alterthumsvereiu : «Die Wartburg", 6. Jahrgang, 1879.
4304. Münster, Literar. Handweiser: 18. Jahrgg. 1879.
4305. Neisse, die Gesellschaft „Philomathie^" : 20. Bericht vom Mai 1877
bis zum August 1879.
4306. Neuburg a. d. Donau, histor. Filialverein: „GoUectaneen- Blatt, ^
42. Jahrgg. 1878.
4307. NoTara, die Stadtbibliothek: „Statuta CommunitatisNovariae*' vom
Jahre 1277, gedr. 1879.
4308. Ntkmberg, germanisches Museum: Anzeiger für Kunde der deut-
schen Vorzeit, N. F. 25. Band und 24. Jahresbericht, 1878.
43(j9. » Verein für Geschichte der Stadt Nürnberg: Mittheilungen,
1. Heft, 1879.
— XXIV —
4310. OsnabrOck, Verein fikr Geschiebte und Alteribnmskunde : Yerzeicb-
Dies der Bibliothek und Handschrift -Sammlungen des Vereines.
(Von Dr. Hennann Yeltman.) 1879.
4311. Paris, Soci^t^ des antiquaires de France: a) «M^moires*', 38. Band,
der 4. Serie 8. Band, 1877 ; -• b) Revue de L' art Gfar^tien d' ar-
ch^ologie religieuse von J. Gorbiet, 1877.
4312. Pettau, Bealgymnasium : 10. Jahresbericht des Schuljahres 1878 79.
4313. Petersburg, kaiserl. archeologische Commission: Rapport, Jahr-
gang 1876.
4314. Poitieres, Gesellschaft der Alterthumsforscher des westlichen Fraok-
reichs: a) „Bulletin«, Jahrgg. 1879, 1.— 4. Quartal; — b) M«»-
moires, 40. Band, 2. Fascikel des Jahrganges 1876, gedr. 1879.
4315. Prag, königl. böhm. Gesellschaft der Wissenschaften: a) Sitzungs-
berichte, Jahrgg. 1878; — b) Abhandlungen, 5. Folge, 15. Band,
1866—75, 6. Folge, 9. Band, 1877—78; — c) Jahresbericht pro
1877 und 1878.
4316. Prag, Verein für die Geschichte der Deutschen in Böhmen: a)
Mittheilungen, 17. Jahrgg. Nr. IH, IV; 18. Jahrgg. Nr. I, H; -
b) Jahresbericht pro 1879.
4317. Regensburg, histor. Verein von Oberpfalz und Regensbnrg: Ver-
handlungen, der N. F. 25. Band, der gesaromten Verhandlungen
33. Band, 1878.
4318. Reval, die estländisch-literarische Gesellschaft: „Archiv*', N. F.
6. Band, 1879.
4319. Roma, die königl. Akademie dei Lincei: „Atti** Seria 3.», Volume
III. Fase« 10—7«.
4320. Salzburg, Gesellschaft für Salzburger Landeskunde : „Mittheilungen"
des 18. und 19. Vereinsjahres 1878, 1879.
4321. Salzwedel, altm&rk. Verein für vaterländ. Geschichte und Industrie :
19. Jahresbericht, 1879.
4322. Schwerin, Verein für meklenburgische Geschichte und Alterthums-
kimde: Jahrbücher und Jahresbericht, 43. Jahrgg., 1878.
4323. Sigmaringen, Verein für Geschichte und Alterthumsknnde in Hohen-
zollem: „Mittheilungen", 11. Jahrgg., 1877 78.
4324. Speier, histor. Verein der Pfalz: „Mittheilungen**, 7. und 8. Band,
1879.
4325. Steinamanger, histor. archeologischer Verein: „A vasmegyei Re-
göszeti-Egylet evi jelent^se", 7. Heft, 1879.
4326. Stettin, die Gesellschaft für pommersche Geschichte und Alter-
thumskundo: „Baltische Studien**, 29. Jahrgg., i:— 4. Heft, 1879.
4327. Strassburg, la Society pour la Conservation des Monuments histo-
riques d'Alsace: a) Sitzungsberichte, Jahrgg. 1879, Nr. 1. bis 12;
— b) Bulletin, 10. Band, 2. Lieferung, 1879.
— XXV —
4328. Stattgart, königl. Statist, topograiisches Bureau : a) WOrttembergische
Jahrbücher n^r Statistik and Landeskunde, Jalirgg. 1878, l.bis
5. Heft, Jahrgg. 1879, 1. Band, 1. Hälfte, 2. Band, 1. Hälfte;
— b) Yierteljahreshofte für württembergische Geschichte
und Alterthumskunde, Jahrgg. 1878 und 1879, 1.— 4. Heft.
4329. — württembergischer Alterthumsverein : „Die Cistersienserabtei
Maulbronn'', 2. Band, 8. Heft, 1879.
4330. Trier, die Gesellschaft ftür nützliche Forschungen: Jahresbericht
Ton 1874—1877, gedr. 1878.
4331. Utrecht, histor. Genootschap: a) Werken, neue Serie, Nr. 27 und
28; — b) Bijdragen en Mededeelingen, 2. Theil, 1879; — c) Wet. '
4332. Washington, Smithsonian Institution : Annual Report für d. J. 1877.
4333. Wernigerode, Harzverein für Geschichte und Alterthumskunde:
Zeitschrift, 12. Jahrgg. 1879, 1. und 2. Heft.
4334. Wien, kaiserl. Akademie der Wissenschaften : a) Sitzungsberichte,
88. Band, 1.— 3. Heft, 89. Band, 1.— 2. Heft ; — b) Sitzungs-
berichte, Register zu den Bänden 71—80; — c) Archiv,
56. Band, 2. Hälfte, 57. Band, 1. Hälfte; - d) Denk-
schriften der philos. - histor. Glasse, 27. Band, 1878; —
e) Fontes rerum austriacarum, 2. Abth. 40. Band.
4335. — k. k. Central- Commission ziu: Erforschung und Erhaltung
der Kunst- und histor. Denkmale: „ Mittheilungen ", N. F.,
5. Band, 1.— 4. Heft, 1879.
4336. — k. k. geografische Gesellschaft: nMittheilungen^ 21. Band,
Jahrgg. 1878.
4337. — heraldischer Verein „Adler** : Jahrbuch, ö. Jahrgg., 1878.
4338. — archäologisch • epigrafische Seminar der k. k. Universität:
„Mittheilungen«, S. Jahrgg., 1. und 2. Heft, 1879.
4339. — Tourist, 11. Jahrgg. 1879, 1. und 2. Band.
4340. — Lese- und Redehalle an der technischen Hochschule : Jahres-
bericht des 6. und 7. Vereinsjahres 1877/78 und 1878/79.
4341. Würzburg, histor. Verein für Unterfranken und AschaiTenburg :
a) Archiv, 25. Band, 1. Heft, 1879; — b) Die Geschichte des
Bauernkrieges in Ostfranken, 3. Lieferung, 1878.
4342. Zürich, antiquarische Gesellschaft: nMittheilungen*, 20. Band,
1. Abth., 2. Heft, 1879.
3. Durch Ankauf.
4343. Darmstadt, der Gesammtverein der deutschen Geschichts- und
Alterthumsvereine : Uorrespondenzblatt, Jahrgg. 1879.
4344. Mainz, römisch-germanisches Central- Museum : «Die Alterthttmer
unserer heidnischen Vorzeit", 8. Band, 9. und 10. Heft, 1878.
— XZVI —
B. Für das Archiv.
1. Urkunden und Acten.
Geschenk Yon den Herren:
1626. Jamnik Franz, Buchhändler in Graz : 17. StQck Original-Urkunden
(Handschriften) aus dem 18. Jahrhundert.
1626. Krenn Johann, Realit&tenhesitzer in Kaisersberg: 10 Stftck l.V-
künden. (Garbenzehent-Register der Herrschaft Kaisersberg bei
St. Stefan ob Leoben der Jahre 1638 — 1668).
1627. Sperl Rudolf, Realitfltenbesitzer in Leoben: Leobner Mauthrait-
brief vom Jahre 1607 und 7 Stück Original-Pergament-Urkundeii.
1628. Welsersheimb Karl Graf von, Domherr in OlmQtz: 80 Stück
Original-Pergament-Urkunden aus dem 16, 17. und 18. Jahrhundert.
2. Handschriften«
1629. Goehlert Yincenz, Dr. und Regierungsrath a. D. in Graz: ^Kine
Abschrift der ältesten Handfeste von Krain vom Jahre 1597."
1630. Meixner Anton, Caplan zu St. Veit am Yogau: „Historische und
topografische Notizen, Sagen und Märchen.'*
1631. Welsersheimb Karl Graf von, Domherr in Olmütz: 25 Fascikel-
Acten des 16. — 19. Jahrhunderts, betrefiend verschiedene steierm.
adelige Familien.
C. Für die Kunst- und Altorthums-Sammlang.
Geschenk von den Herren:
1148. Krainz Johann, Lehrer in Eisenerz: Zwei photographische An-
sichten, und zwar von Stadl bei Murau und Turrach.
1149. Waidacher Alois, Lehrer zu Pols bei Judenburg: £ine alte Kupfer-
münze, aufgefunden zu Frojach nächst Murau.
1150. Zinnauer Marcus, Oberlehrer zu St. Nicolai im Sausal: „Ver-
schiedene Gattungen versteinerter Meerm'uscheln und einen Zahn
eines Seethieres.
— xxvn -
Aus den Berichten der P. T. Bezirks-
C!orrespondenten.
YoD den drei eingelaufenen Berichten erwähnt der des Herrn Ludwig
Paner zu Krieglach einer hölzernen Gedenktafel zu Fressnitz, welche
die Anwesenheit der Franzosen daselhst am 2. Juni 1809 constatirt,
sowie der Sammlungen, welche Herr Alphons Schückell angelegt hat. —
Der Bericht des Herrn Bürgerschullehrers Hans Lange in Fürstenfeld
hcschäftigt sich mit den Rathsprotokollen dieser Stadt, aus denen er
sehr ausführliche Mittheilungen macht. — Der Bericht des Herrn Kaplans
A. Meixner zu St Veit am Yogau gibt Kunde von verschiedenartigen
Sagen, Gebräuchen oder Funden, die der Herr Berichterstatter selbst
gemacht oder von denen er Kenntniss erlangt hat. Wir heben aus dem-
selben das Nachstehende hervor:
Drassling. Die mitunter in der Dammerdc vorkommenden Berg-
krystalle werden im Seh war za- und Stieiingthale BHtz- oder Donnersteine
genannt. Zu Weinbnrg nennt man die durchbohrten Serpentinhämmer
und Beile Donnersteine, da man glaubt, dass sie beim Donner herunter-
fallen und einschlagen.
£bit8ch. Von £hrenhau8en weg zweigt sich von der alten Römer-
und späteren Landstrasse, die über den Platsch nach Marburg führt, ein
aralter Saumpfad ab, der in die Weingebirge von Ebitsch führt. Der
Saumpfad war einmal gepflastert und eine römische Anlage. 1874 fand
ein Weingartenbesitzer in seinem anstossenden Weingarten zwei Schuh
tief zwei alte sehr grosse Steigbügel von Eisen mit gelben Knöpfen. Auf
dem Saumwege wurden mehrere alte Hufeisen gefunden, wovon zwei auf
einem Baum stock kreuzlich aufgenagelt waren.
Gabersdorf. Beim Ghirurgenhaus daselbst, das einst ein herr-
schaftlich BurgstalHscher Keller war, ist auf der Kellerthttr ein mar-
morner Schlussstein mit einer Hausmarke zu sehen. Im Besitze der Chi-
nirgenfamilie Stamm befindet sich ein sog. Hohlehippcneisen, das aus dem
alten Schlosse Rabenho£ stammen soll. Die eine Platte desselben zeigt das
Paradeiser- Wappen mit dem fiügel verzierten Rittorhelm darauf und der
Umschrift: Augustin Paradeiser 1739. Die andere Platte hat das Pibracher
Wappen (einen Biber) mit dem gekrönten Biber verzierten Ritterhelm und
der Umschrift: Margreth van Pibrah Augustin Paradeiser Gemahl 1739.
Machar führt in seiner Geschichte Steiermarks 1467 Hanns und Bernhard
Kitter von Gabersdorf an; vielleicht ist dieses alte Herrschaftshaus,
dessen letzte Inhaber der Sage nach zwei ungarische Gräfinnen waren
und die dermalige St. Leonhardi-Kirche gebaut haben, ein alter Edelsit^
gewesen.
— xxvm —
St. Georgen an der Stiefing. Als 1875 das Aolipauerische
Haus gebaut wurde, musste um Platz zu gewinnen, der Bergabhang ab-
gehoben werden. Da gerieth man auf eine nicht zu grosse gemauert«
Kammer; mehrere Nägel, ein massives eisernes Thierband und verschiedene
Knochen fanden sich vor. Es mag daselbst am Fusse des Schlossberges
am alten Marktthor eine „Wachstube** gewesen sein, die sammt den
darin Befindlichen 1481 bei der ErstOrmung und Zerstörung von St Georgen
zu Gnmde ging.
Gersdorf unter Strass besitzt noch etliche alte GrabhQgel untor
dem Dorfe ; es mögen ursprünglich mindestens zwölf gewesen sein. Beim
Bauer vulgo Passer erwarb Herr Kaplan Meixner 1876 einen scbönen
17 Cent, bohen Majolikakrug, der den Doppeladler mit dem Bindeasch ild,
phantastische Schmetterlinge und Blumengewinde trug und auf der äus-
seren Bodenfläche die Buchstaben F. M. zeigte. Besonders schön war
der Henkel geformt. Dieser Krug wurde 1809 von den Franzosen mit-
m
gebracht, die viel schwarzen Wein (wegen der Ruhr) daraus tranken.
Durch die Güte des Herrn Josef Würz inger, pr. Arzt in Strass, erhielt
Herr K. Meixner zwei im Gersdorfer Walde ausgegrabene Waffen : einen
Morgenstern und einen Wurfspiess, eine sog. Saufeder.
Zu Gersdorf bestand bis 1875 ein sehr grosses Bauerngebofto,
vulgo Wirth geheissen, weil seit undenklichen Zeiten darauf das
Wirthsgeschäft betrieben wurde. Es war dies ursprünglich ein Edelhof:
das stockhohe Haus hatte eine Hauskapelle. Ueber die historische Erin-
nerung, die sich an dieses Haus knüpft, vgl. Peinlich, Geschichte der
Pest U, 450.
Ziere gg. Beim Winzerhaus des vulgo Thorwirth in Zieregg (Pfarre
Witschein) befindet sich ein Inschriftstein.
In Graz fand der Herr Kaplan an verschiedenen Orten vrerth volle
Gegenstände, darunter die Meisterkanne der Schusterzunft von Moos-
kirchen. Sie hat folgende Aufschrift:
SIMAN HARTNER
LAVRENZI WVRZINGER
GEORGIÜS WOLWS GRWER
PEI 8IZER HANS ZIMMERMANN
1736.
Sie ruht auf drei Löwen statt der Füsse und hatte unten einen
Krahn. Auf dem Deckel hielt ein Löwe einen Wappenschild, darauf ein
gespornter Stiefel mit der Zahl 1441 zu sehen war. Innerhalb des Deckels
war die Markung mit dem steierischen Pantherschild und einem zweiten
A P
Schild mit dem Zeichen ,-0^ Das Gewicht der Kanne betrug 12 Pfund.
GroBB-Florian. Zu Lassenberg in der Pfarre Gross - Florian
wurden silberne und kupferne Römermünien gefunden.
— XXIX —
Jenseits der Mflhle zu Höfla im Sassthale befand sich bis 1879
bei dem Brüm»l des vulgo Berggrögl ein merkwürdiger fast altarartiger
Zierstein, yod den Leuten Spielstein*) genannt. Er ist aus sehr feinem
Sandstein, der Länge nach durchbohrt, auf jeder Seite mit einer vier-
blättrigen stilisirten Rose geziert, die in den Mittelpunkten durchlöchert
äind. Unter denselben ziehen grössere Löcher durch den Stein. Da das
klassische Groggemfeld in der Nähe ist, so mag der Stein von dort
stammen. Vielleicht war er eine Ära fftr die Quellennymphe.
Auf dem Neubruch bei Labuttendorf fand man oft Hufeisen,
wfirfelformige Ziegel und 1879 auch einen Gamiol-Intaglio, einen Ringstein
von mittlerer Grösse; er zeigte das eingegrabene Bild des Merkur an
einer Säule stehend wie im Fortgehen begriffSen. Er hat den Flttgelhut
auf dem Kopfe, in der gesenkten Rechten einen kurzen Stab und trägt
in der flachen Linken eine Schüssel oder lange Rolle. Ein beständiger
Fundort von Antiken ist das Groggernfeld, auf dem die älteste An-
siedluDg war; es kamen dort selbst Trümmer eines Mosaik -Boden vor.
Auf der sog. Mitterlahn- Wiese (südlich an das Groggenifeld stossend)
befand sich ein einziger Kogel, der c. 1873 durchgraben wurde, wobei
man Ziegel, Scherben u. ä. fand, die man nicht achtete. Im März 1878
«urde der Rest abgegraben und man traf 3' unter dem Wiesboden schwarze
fette Erde, drei grosse schwarze Töpfe mit je 8 Füssen und zwei kleine
^)ehalen von terra sigilata, alle mit Deckeln geschlossen. In denselben
waren Knochen, Kohlen und je ein Bronzestück — von Fibeln : 2 Fibel-
dorne, 2 Fibelkniestücke und ein Obertheil. Die Terra sigilata-Schale
batte Spiral-Ornamente und eine lateinische Inschrift auf dem Innenboden
aus 6 Bachstaben bestehend, die aber verwischt wurden. Oberhalb lag
ein gebrochener Serpentinharomer, daneben eine steinerne Deckplatte von
gelbem Stein und ein gerundeter Tropfstein, viele gebrannte, gespaltene
Kiesel und ein breites Hufeisen. Etwa 3 Klafter entfernt fand sich eine
nicht unliedeutende Brandstätte.
Landscha. Bei dem grossen Strassen- Kanäle waren bis c. 1860
Hinf römische Denksteine eingemauert; sie wurden später herausgenommen
und von zweien Hess der damalige Gasthofbesitzer Sager in Wagna die
Figuren und Verzierungen abhauen, um sie als Tischplatten zu ver-
wenden. Als Tischplatten figuriren sie noch im Garten dieses (jetzt
Krenn^sehen) Gasthauses. Diese Steine sowie noch zwei andere bei dem
gen. Gasthause eingemauerte Reliefsteine wurden auf dem v. Amtmann-
^hwab'schen Acker gegenüber der Landschakapelle ausgegraben.
Lind. Als Johann Schögler, Bauer in Lind, 1875 sein Wohnhaus
äbriss, fand er beim Ausheben der Grundmauern auch den Grundstein
Qsd unter demselben zwei rothe Kerzen in Kreuzform gelegt und dabei
*) Er b«flndet lich jetzt Im JoanDenm.
— XXX -
eine grosse Kupfermünze von der französischen Revolntioii (c. 1798). Ein
ähnlicher Fund wurde gemacht, als Herr J. Schahlenz in Hart (Pfarre
St. Georgen a. d. Stiefing) c. 1846 das alte Wohnhaus abriss. £r fand
zwei kreuzweis gelegte gelbe Kerzen. Zu Seibersdorf sagt man, dass man
nach christlichem Gebrauche zwei geweihte rothe Kerzchen oder doch
zwei Weihpalmzweige in Kreuzesform unter den Grundstein nebst einem
Geldstück legen müsse.
Von der Domkirche von Marburg theilt Herr Kaplan Meixner
mehrere Steinmetzzeichen mit.
In der Umgebung von Radkersburg wurde eine Mesaingfigur
gefunden, halb Mann halb Ross. Die Füsse des thierischen Unterleibei>
sind wie bei einem hockenden Affen aufgezogen. Der Metallguss ist roh
und die Formen klappen nicht, die Zeichnung des bekleideten Obertheiies
ist jedoch gefällig. Bemerkt mag werden, dass das älteste Stadtwappen
von Radkersburg drei Affen als Wappenhalter zeigt.
Der Bericht erwähnt dann ausführlich der Funde auf dem Trattenfeld
bei Siebing, auf dem ^ antike Geschirrtrttmmer von den gröbsten bis zu
den feinsten und zierlichsten Mustern aufgefunden wurden **. Anch der
Markt Strass und seine Umgebung ist eine Fundgrube von verschie-
denen Antiquitäten. Auf der Strasser Mühle, ehemals der Hofmühle der
Herrschaft Strass, wurden die Porträte des letzten Eggenberger Fürsten
Christian H. (f 23. Februar 1717) als etwa 7jährigen Knaben in un-
garischer Magnatentracht dargestellt und seiner Schwester Marianna
Josefa (t 12. Oetober 1774) gefunden. — Schloss und Markt Strass hatten
früher grössere Bedeutung, der Markt war durch Gewerbe und Handel
blühend. Die bis 1850 bestandene Schusterzunft war nicht nur alten
Ursprungs, sondern auch von grosser Ausdehnung. Sie hielt alljährlich
ihre feierlichen Jahrtage zur Ordnung der Handwerks - Angelegenheiten,
wozu alle Meister der hiesigen Pfarre , die von St. Nikolai , Leitersdorf
und von St. Peter am Otters bach erscheinen mussten. Bis 1840 hatten
sie noch ihre zinnernen Ständer (Zunftkannen); die der Meister enthielt
7 Mass, die der Gesellen 5 Mass. Ihren christlichen Sinn und ihre Ver-
möglichkeit zeigte die Zunft besonders dadurch, dass sie bei der Pfarr-
kirche St. Veit am Yogau vier Quatember stifteten nnd dass sie vereint
mit der Schneider -Innung am 18. Juni 1778 ftkt den Kleriker Johann
Friedrich v. Stadimann den Tischtitel behufs seiner Ordination zum
Priester gewährten und zwar die Schuster mit 100, die Schneider mit
50 Gulden jährlicher Spende.
Das Sagenreiche Streit feld, wo ein römisches Municipium ge-
standen, das vom Volke „Stadt Fraunella^ genannt wird (auch Stadt
Muroell), gewährt noch immer reiche Funde, ebenso die Gegend hei
Till witsch. Vom Landgerichtskreuz auf dem Leibnitzerfelde erzählt
der Herr Kaplan eine hübsche Sage.
- XXXI —
Sehr ansfobrlich ist der Bericht Über St. Veit amYogau, ebenso
über Wage Adorf, wobei auch Yon dem alten Schlosse am Karberge
s^sprochen wird. Ebenso ausfDbrlieh handelt Herr Kaplan Meixner
Qber Wagna, wo fast auf allen Gründen Funde von Münzen gemacht
worden; besonders erweist sich der Grund des vulgo Kogelzenz alljährlich
alst eine reiche . Fundgmbe.
Schlirsslich iheilt Herr Kaplan Meixner noch eine Reihe Ton An-
sichten, Gewohnheiten und Anschauungen des Volkes aus der Gegend
von St Veit, St. Georgen a. d. Stiefing etc. mit, die zur Gharakterisirung
von Land und Leuten von Wichtigkeit sind. Den Beschluss der werth-
vollen Au&eichnungen des Herrn Correspondenten A. Meixner macht
<nDe Mittheilung über eine zu St. Georgen herrschende Ansicht vom
Untergange der Welt. Er soll im Jahre 1888 eintreten; auch wird dort
auf die Frage, wie lange die Welt stehen werde, die Antwort erfolgen :
Tausend und nicht mehr tausend Das heisst : Die Welt wird zu Grunde
geben, bevor sie zweitausend Jahre gestanden ist. —
Einer zweiten Mittheilung desselben Herrn Bezirks- Correspondenten
entnehmen wir, dass beim sog. Kogelzenz bei Leibnitz auf einem Acker
verschiedene Antiquitäten gefunden wurden, welche Herr Prof. Franz F er k
erwarb. Eine derselben, eine schwarze bauchige Urne massiger Grösse,
trigt die eingeritzte Inschrift:
matiirIa.
Diese scheint christlichen Ursprungs zu sein, wofür der Umstand
spricht, dass das eine I die anderen Buchstaben überragt; es deutet,
wie Herr Meixner ausführt, dieser Buchstabe auf den Namen Jesus,
wie das gleicher Weise oft grössere T auf das Kreuz Christi weise, ja
selbst schon eine Kreuzesform sei. Letzteres wurde erwiesener Massen
zor Zeit der Verfolgungen auf den Grabsteinen christlicher Körner als
Kennzeichen ihres Glaubens angebracht, so dass es wohl den Christen
oicbt aber den Heiden verständlich war.
Zu St. Veit am Yogau wurde im Herbste 1879 gelegentlich der
Neupflastemng des Presbyteriums der Pfarrkirche ein Römerstein entdeckt,
der von weissem Marmor ist und seitwärts einen wulstigen Rand hat,
der aber unten fehlt. Die Inschrift des nun in der Kirchhofmauer ein-
gemauerten Denkmals ist:
TITIAE
SECVNDAE
C 0 N I V G L
Als um 1865 die alte St. Josephikapelle am Kirchhof abgerissen
wurde, die ursprünglich eine Rotunde war, traf man dort und bei dem
alten gleichfalls demolirten Schulhause auf uralte, nicht zerstörbare
Grundmauern, in denen, wie es heisst „steinerne Heilige eingemauert
waren**, die wohl Römerdenkmale gewesen sein mögen.
- xxxn ~
Von den Funden bei Wagna (1879, beim ▼. Lori) S6i der too.
30 Römerm&nzen, bis auf einen silbernen Alezander Serems alle toze
Kupfer, erwähnt.
Beim y. Wiesler in Winterdorf bei Freiberg (Pf. Gleisdorf) befiaad
sich 1866 am Treppenwege neben dem Hause („der Greadn'') eine Platte
von weissem Marmor, 2 Schuh lang und 11 Zoll breit. Sie trug
Inschrift: Pro jurisdictione territorii castelli Freiberg anno 1646.
B.
Abhandlungen,
HiUlieil. dm Usk. Yereliu f. Staiermuk, XXYin. Heft, 1880.
Zur Geschichte
des
Jagd- und Forstwesens Steiermarks
In der Zeit Maximilians L
Toa
Professor Dr. Franz Martin Mayer.
iis ist eine allgeinein bekannte Thatsache, dass Kaiser
Maximilians I. liebste körperliche Erholung die Jagd gewesen
ist Während seine FeldzOge, seine staatlichen Einrichtungen,
seine kühnen Entwürfe, seine Förderung der Künste und
Wissenschaften in weiteren Kreisen vergessen sind, haben
sich seine Liebe zur Jagd, seine Abenteuer auf den Höhen
der Gebirge noch inuner im Andenken des Volkes erhalten.
Als die vorzüglichsten Quellen für die Geschichte des Jagd-
wesens zur Zeit dieses Kaisers gelten der Theurdank, der
Weisskunig, des Kaisers geheimes Jagdbuch und der gleich-
zeitige, auf Pergament gemalte grosse Triumphzug des Kaisers.
Im Weisskunig, jenem Werke, in welchem er die
Geschichte seines Lebens erzählt, wird seine Geschicklichkeit
im Schiessen mit der Armbrust und dem „Stächlinpogen*'
liervorgehoben und seiner Jagden an der österreichisch-steie-
rischen Grenze Erwähnung gethan. Der Triumphzug lässt
(Üe Ausrüstung der Jäger für die verschiedenen Arten der
«fagd erkennen. In dem allegorischen Epos Theurdank, das
vorzüglich durch den schönen grossen Druck, die von dem
Meister Johann Schäufelin herstammenden Holzschnitte und
vor Allem durch den Namen des Verfassers und Helden all-
gemeine Aufmerksamkeit erregte, werden die Abenteuer des
^ers erzählt, von denen er viele auch auf seinen Jagden
1*
— 4 —
bestanden hat. In diesem Werke wird auch Ton jener Gefahr
berichtet, in welche Max bei Gelegenheit einer Gemsenjagd
beim Dorfe Zirl in der Nähe von Innsbruck, an der sog.
Martinswand gerieth ; der einfache Bericht darüber wurde später
mit verschiedenen Zusätzen versehen und hat sich nach und
nach zu einer unserer schönsten Sagen ausgebildet Der Kaiser
war wieder einmal von dem Hauptmanne FUrwittig, der Per-
sonification des unbedachten Jugendübermuthes , verleitet
worden, eine Jagd auf steilen Felsen zu unternehmen. WirkUch
traf er mit seinem Speere eine Gemse, aber schon war sein
Standort ein sehr gefährlicher, ^ydann er auf einer platten
stundt, darin khein eysen hafften kundt^. Bei der nächsten
Bewegung brachen an einem seiner Fusseisen fUnf Zinken und
nur der sechste hielt, aber auch dieser bog sich schon in
bedenklicher Weise. Wäre auch dieser gebrochen, sagt das
Gedicht, so wäre der Tod des kühnen Jägers unausbleiblich
gewesen; aber ihm half Gott, „das er mit dem ein fiiss wider
hafftet, da er in setzt nider". Dieser einfache Bericht wurde,
wie erwähnt, später mit verschiedenen Zuthaten bereichert:
ein Engel, erzählte man sich im 17. Jahrhunderte, habe den
Kaiser, der auf der schroffen Bergwand weder vor- noch rück- i
wärts konnte, aus der gefährlichen Lage befreit, und das acht |
zehnte Jahrhundert verwandelte den Engel in einen Bergmann
oder Jäger *).
Die ganze Liebe des Kaisers für das edle Waidwerk
leuchtet uns aus einem Büchlein entgegen, welches der Kaiser
^) Vgl. darüber auch J. Newald, Kaiser Max, der Theurdank als
Oemsenjäger und Wahrheit und Sage von der Martinswand, in J.
N. VogPs Volkskalender 1879. — H. J. B(idermann), zur Ja^-
geschichte des deutschen Kaisers Maximilian I. in der Jagdzeitung^
9. Jahrg. (1866), Nr. 14 und 16. — Vgl. auch das Festblatt ftlr
Tirol« Schützen und Jäger, 1871. In diesen Blättern wird auf den
„Tiffolischen Adler" des Kanzlers Mathias Burglechner auf-
merkaam gemacht Zu vergleichen wären noch ü h 1 a n d's Schriften zar
Geschichte der Dichtung und Sage, 11.255 undHormayr's Archit
1818, S. 186, 298.
— 5 —
selbst yerfasst und eigenhändig niedergeschrieben hat. Dies
ist Kaiser Maximilian's ^geheimes Jagdbuch" ^). Es enthält
Rathschläge und Belehrungen über die Jagd ftlr eine Persön-
lichkeit, welche der Kaiser immer König Ton Oesterreich nennt
Einen König von Oesterreich gab es aber auch in damaliger
Zeit nicht und so wird es wohl einer seiner .Enkel, Karl und
Ferdmand, gewesen sein, zu dessen Nutzen er das Büchlein
zusammenstellte. Hat doch Max wu'klich eine Zeit lang die
Absicht gehabt, die österreichischen Länder zu einem König-
reiche zu erheben, ein Plan, der auch nach seinem Tode noch
einmal zur Sprache kam. In seinem Jagdbuche nun handelt
der Kaiser von der Ausrüstung zur Jagd, der Anordnung des
Zuges, von den Erfordernissen der Bequemlichkeit, von den
Gefahren, die den Jäger bedrohen; er spricht von der Aus-
rüstung zum Fischfange, beschreibt die kaiserlichen Reviere
in den tirolisch-baierischen Alpen und fügt schliesslich einige
lustige Jagdabenteuer bei.
Die Steiermark wird in diesem Büchlein nur einmal
erwähnt, und zwar da wo der Kaiser von den Bergschäften
(pirgsdiafft) handelt. Er gibt zuerst eine genaue Beschreibung
eines guten Schaftes und fährt dann fort : ;,Die Schäfte, König,
die dir gehören, die lasse in einen langen Kasten hängen,
damit sie nicht krumm werden und lass sie mit grober Lein-
wand überziehen. Diese Kästen mit den Schäften sollst du
haben in Innsbruck; zu Ehrenberg einen; zu Gmunden einen
in der Burg, unter dem Dache ; in der Neustadt einen, in der
Burg, in der grossen Kirche, bei der Orgel ; zu Rottenmann
einen im Zeugthurme, bei des Fürsten Haus. So viel magst
Du an einem jeden Orte Eisen und Schäfte haben : aufs
wenigste zwanzig. Aber zu Innsbruck sollst Da ihrer am meisten
haben, damit, wenn Dir an anderen Orten welche fehlen. Du
diese Orte wieder damit versehen kannst"
Die Schäfte waren fast die einzige Waffe, deren man sich bei
den Gemsenjagden bediente. Auf 14 Bildern des Theurdank sehen
') Ausgabe von Th. Q. v. Karajan, Wien 1858.
— 6 —
wir den Kaiser mit Wurfspeeren versehen, und ausser diesen trägt
er keine andere Waffe ; nur auf einem einzigen Holzschnitt tragen
der Kaiser und seine Begleiter Ä^rmbrusten. Schiessgewehre
scheint man damals noch nicht verwendet zu haben. Der Schaft
wurde geschleudert und man nannte das Erlegen der Gemse
durch denselben das ^.Auswerffen mit dem schaft". Auch wurden
grosse und starke Netze aufgespannt und die Gemsen gegen
sie getrieben und in denselben gefangen. Jedenfalls ist die
Gemsenjagd mit dem Schafte sehr mühevoll gewesen. Aber je
gefährlicher die Jagd, desto mehr Reiz muss sie auf den
Kaiser ausgeübt haben. Die HoQagden späterer Zeit waren
häufig Feste, die mit grossem Prunke ausgestattet waren und
wobei das Erlegen des Wildes keine schwere Sache war ; die
Jagden Maximilians dagegen sind Unternehmungen voll Gefahren
und Beschwerden gewesen; sie führten ihn nicht auf einen
grünen Wiesenplan oder auf einen eingehegten ebenen Jagd-
platz, sondern auf die grauen, zackigen Kalkfelsen unserer
Alpen, wo ausser den flüchtigen Gemsen kein lebendes Wesen
zu schauen war.
Ich kann mir nicht versagen, aus dem Jagdbuche noch
jene Stelle herzusetzen, in welcher der Kaiser mit dem grössten
Stolze von dem Wald- und Wildreichthum seiner österreichi-
schen Länder spricht und in welcher er auf eine hier ganz
unerwartete Weise der Jagd eine neue Seite abzugewinnen
weiss , welche bei der Beurtheilung seiner Charaktereigen-
schaften wesentlich in Betracht kommen muss : die Jagd
erscheint ihm als. Mittel , mit seinen Unterthanen in nähere .
Berührung zu treten, ihren Klagen ein auf horchsames Ohr zu |
schenken. „Du König von Oesterreich, '^ schreibt Max, „nut
Deinen zum Hause Oesterreich gehörigen Erblanden, sollst
Dich ewig freuen der grossen Lust der Waidmannschaft, deren
Du mehr hast, als alle Könige und Fürsten, zu Deiner Gesund
heit und Erholung, auch zum Tröste Deiner Unterthanen, weil
Du ihnen dadurch kannst bekannt werden, auch der Arma
wie der Reiche, der Reiche wie der Arme täglich bei diesem
Waidwerke Zutritt zu Dir hat, so dass sie sich ihrer Noth
— 7 —
zu beklagen und sie vorzubringen vermögen, Du ihnen auch
solche benehmen kannst mit Lust, indem Du während des
Genusses der Waidmannschaft den Bitten der Armen Abhilfe
gewähren kannst. Dazu sollst Du alle Zeit Deinen Secretär
und etliche Käthe auf die Waidmannschaft mitnehmen, damit
Du im Stande bist, den gemeinen Mann, wenn er Dich besucht
und sich Dir nähert, abzufertigen, was Du dann schöner am
Waidwerk als in den Häusern thun kannst Damit Du aber
keine Zeit verlierst, so sollst Du das niemals unterlassen,
ausser wenn die Falken fliegen oder die Hunde jagen."
Es sind noch eine Reihe kleinerer Quellen für das Jagd-
wesen unter Maximilian vorbanden, doch fällt daraus spedell
für Steiermark nur sehr wenig ab. Als König Mathias von
Ungarn im April 1490 zu Wien gestorben war, erschien König
Maximilian, der sich in Tirol befand, in den östlichen Alpen«
ländem, um diese Gebiete wieder zu gewinnen und nach
Ungarn vorzugehen. Am 13. Juni 1490 hielt er sich in Rotten-
mann auf, von wo er seinem Vetter Erzherzog Sigmund von
Tirol einen Brief schrieb *), in welchem er über seinen Auf-
enthalt berichtet. ,Wier sein," sagt er, „heut in den
Ratenmaner silberperg gevaren oder gesloffen, vnd haben darin
fast ain schonen anfank gefunden, gleich zu scheczen ain tag,
darin sunder zbeifl inderhalb Y oder sex jaren gar groslich
erscheinen mues und dy genk sind dik und prait aber gar
bert. Wier werden margen gemsen jagen, got geb das wier
mngen ain mit unser band vollen, wiet tragen besunderen hass
von langen zeiten zu denselben wilden tieren und wier richten
hie ain gejade zu mit wilden wurmen genant dy sbarczen
peeren, der seind gar vill hie umb.**
Der Brief ist nicht ganz verständlich; dies ist auch mit
einigen Notizen in des Kaisers Gedenkbttchem ^) der Fall.
Diese wichtigen Bacher enthalten Au£seichnungen über den
Kaiser interessirende Gegenstände: was er gehört oder was
0 V. T. KrauB, Maximilians Briefwechsel mit S. Prüscheok, S. 64.
') Hormayr's Taschenbuch, 1823, 1824, 1827.
— 8 —
er beschlossen und demnächst zur Ausführung bringen mll,
dictirt er seinen Geheimschreiben! oder schreibt wohl auch
selbst in seine Bücher ein. Man ersieht aus ihnen den ganzen
Umfang der Dinge, welche der Kaiser seiner Beachtung wür-
digt. Vom Abt von Sittich hat er gehört, dass er ein Buch
besitze, welches tausend Jahre alt sei ; er notirt sich dies mit
dem Gedanken, sich dies Buch zn erwerben. Von einem
Schmied in Weichselberg in Erain bringt er in Er&hrung,
dass er gute Hellebarden zu machen verstehe ; von der Stadt
Cilli hört er, dass sich dort alte steinerne Denkmäler befinden,
ebenso vom Kloster Seiz. Wo er einen Bau unternehmen, einen
Thiergarten anlegen will, notirt er. Besonders gerne merkt
er auffallende Leistungen auf dem Gebiete der Jagd und
sonderbare Vorkommnisse bei Thieren an. So will er in den
Weisskunig aufnehmen lassen, dass er dreimal auf einen ren-
nenden Hirschen geschossen und zweimal getroffen, dass er
27 Hasen nacheinander geschossen und niemals gefehlt.
Für Graz macht sich der Kaiser einmal folgende Notiz:
„Auf die alt und new altan zu Gretz vier tisch und penk von
Merbl zu machen und glender zu baiden altann under die
zynnen, damit man sich darauf laynen und zwischen den zynnen
aussehen mug. Es sollen auch auf die zynnen gertl und darinn
pluemen und andere kreutl geseet und gesetzt werden.^ Für
einen Bau zu Rottenmann bestimmt er einmal 300, ein andermal
1500 Gulden. Und zu Oppenberg (Noppenberg) liess er ein
ähnliches Haus wie zu Rottenmann auffbhren, offenbar ein
Jagdhaus.
Ueber eine Beobachtung, die er in der Umgebung von
Graz machte, schreibt er auf: „Item dy poeser der sparber
(Fangvögel) haben wind und vangen Hasen umb Gretz." Die
Ebene von Graz muss damals nicht reich an Wild gewesen
sein, weil sich der Kaiser notirt: „Item in das Graetzer Veld
hasen zu kauffen." Und eine andere Notiz, Graz betreffend,
lautet: „Nota zu jagen zu Gratz umb die hecken."
Der Biberfang war damals in Steiermark noch ergiebig.
Der Kaiser schreibt in sein Gedenkbuch: „Item dem Glacher
— 9 —
zu schmben Fiber zu hayen (hegen) von Wildon auf ain halbe
Meyl gegen Gräcz.'*
Andere derartige Anmerkungen sind folgende:
„Item nach den schönen Hiersghum (Hirschgeweih) im
Eysenarzt bey dem Vorstmaister zu fragen.
Prope Marpurgam in uno lacu sunt ultra mille anete in
uno loco ^).
Item den Selbnling zu Aussee mehr speysvisch in den
See ton lassen.
Den Weg im Eyssenarcz lassen pflastern und zu pessem
und all pei (Gebäude).
Item dem Tiergarten zu Gräcz und zu der Newenstatt
zuzurichten und in den zu Gräcz ain prunnen machen zu lassen.
Item Schespach Herr Caspar Winprer hess Sesmir und
Peterlin Valkner soDen die Slosser in der Grafschaft Cilli
besichtigen, welche zu der Waidnerey und Jegerey gelegen
sein und die andere zu lehen verkaufen und mit demselben
gelt die gejaidt und Waydnerey Slosser und sonderUch Saleck
nnd Osterwitz zu lösen.
Item Koldrer maller sol die Grafechaft Cilli, Friaul und
Ysterreich mit der Lanndtschaft abmallen.^^
Aus diesen dürftigen Notizen lässt sich höchstens erkennen,
dass Maximilian auch in Steiermark dem Jagd- und Forstwesen
seine Aufmerksamkeit schenkte.
Es verdient hier erwähnt zu werden, weil* es zu Verglei-
chen mit anderen Begierungsmaximen des Kaisers herausfor-
dert, dass er schon im Jahre 1500 von der provinziellen
Verwaltung des Jagd- und Forstwesens abzugehen anfing.
Sein Jagdpersonal blieb nicht von Land zu Land bestellt,
sondern er wies demselben weit umfassendere Gebiete an. So
ernannte er damals beispielsweise einen gewissen Wolflin zum
Unterjägermeister, dem er mehrere Jäger, Knechte, Knaben,
einen Koch, emen ^^ Windhetzer", einen Ross Wärter und ein
0 Bei Marburg in einem Teich gibt es mehr als tausend Enten aof
einem Flecke.
— 10 —
Oefährt beigab. Er befahl ihm, mit diesem Gefolge und hundert
in Innsbruck bereitstehenden Hunden an der Schiffslände ober
Hall am Inn ein Schiff zu besteigen und sich nach Wien zu
begeben. Von hier aus sollte er im kommenden Herbste im
Wienerwalde, im Leithagebirge und um Petronell Schweine
jagen, aber nicht mit Rüden, sondern mit geschulten Jagd-
hunden. Aber nur seclis Schweine dürfen jeden Herbst gespiesst
werden; die erlegten sind einzusalzen und auf Saumrosseo
den Statthaltern zu Innsbruck zu senden, welche die weitere
Beförderung an den Kaiser zu veranlassen haben. Im Frühjahr
wieder hat der Unterjägermeister diese Reviere der Hirsche
wegen zu durchziehen. Sobald aber die Hirschjagd beendet ist
soll er sammt seinem Gefolge nach Steiermark ziehen,
dort auf dem zwei Meilen von Graz entfernten Vasoldsberge
einen Hirsch „über Land hetzen, jagen und fahen^ und diesen
dem Reinprecht von Reichenburg als Geschenk des Kaisers
übergeben. Von da hat sich der Jagd^ug nach Cilli zu begeben,
wo sechs Hirsche zu erlegen sind. Einer davon ist wieder dem
Reinprecht von Reichenburg zu überweisen, auch Friedrich
von Stubenberg, Andreas Hohenwarter, Hauptmann auf Schloss
Cilli, der Burgpfleger zu Cilli und der ^ Suseiner Jager" sollen
bedacht werden. Hat die Jagd in Steiermark ihr Ende gefunden,
so soll sich Wolflin nach Wien begeben und dort die weiteren
Befehle des Kaisers erwarten *)•
Genauere Nachrichten über die Jagd- und Forstverhüt-
nisse Steiermarks zu Kaiser Maximilians Zeiten enthält eine
Handschrift des Landesarchivs zu Graz, auf deren Inhalt die
ganze folgende Darstellung beruht -y
*) Nach H. J. B(idermann). Zur Jagdgeschichte des deutschen Kaisers
Maximilian I. in der Jagdzeitung 1866, Heft 14 und 15.
-) Nr. 104 des Landesarchivs. Sie führt den Titel: In disem nach-
foligunden puech ist vermerekht vud aigentlich beschrihen der wildpan
vnd alle hierss vnd gambsjaid im Innemperg des Eysennertzt mit-
sarobt dem wildpan, so nu angeraint ist auch allem pirg holtz vnd
weld wie das gehaissen, wo das gelegen auch winter vnd siuner
sein stend hat vnd an welchen orten das zu yinden vnd zu jagen
— 11 —
Nach dem Tode Maximilians warde, wie noch ausgeführt
werden wird^ gegen die Massregeln des Kaisers in Forst- und
Jagdangelegenheiten, denen man, so lange er lebte, bald willig,
bald unwillig gehorchte, Opposition erhoben, Vieles von dem
was er angeordnet, umgestossen oder in Frage gestellt Dies
war um so eher möglich, als seine Erben nicht im Lande
waren. Bald nachher hat Erzherzog Ferdinand eine landes-
ftrstliche Commission zur Untersuchung und Regulirung des
landesfürstlichen Kammergutes in den niederösterreichischen
Ländern eingesetzt '). Um diese Zeit, etwa von 1524 bis 1528
muss es gewesen sein, dass unsere Handschrift abgefasst
wurde '^). Sie stellt sich als eine Art Denkschrift dar, gerichtet
an den Erzherzog Ferdinand, der immer als König angeredet
wird, wie dies ja auch im geheimen Jagdbuche der Fall ist
Der Plan, die fünf niederösterreichischen Herzogthümer als
Königreich zusammenzufassen und diesem den Erzherzog Fer-
dinand als Herrscher zu setzen, wurde damals wieder verhau*
delt Oder man könnte die Abfassung in die Zeit nach 1526
setzen, in welchem Jahre Ferdinand König von Böhmen und
Ungarn wurde.
Den Kern der Handschrift bildet die Beschreibung der
ist, nemlich den jaiden im Ennstal, Wolkenstain, Selckh, Strecbaw,
Paltental, Camertal, Steyr, Lewbm, Pruckh vnd Vordernperg, der-
gleichen die jaid im Tragosstal auch die admundischen jaide, so
kay. Mt. ror knrtzer zeyt vbergeben Tnd dem Eysennertzt angeraint
sein zusambt den vertregen vnd instruction darüber aufgericht auch
der hach vnd swartz weld vnd was darinn durch die kay. Mt vnd
auf irer Mt. beuelch gehandelt vnd wie die verrer in wesen zube-
halten sein vnd zu aufrichtung des wilpan vnd hayung der holczer
weiter zu thun ist mit vleis zusamen klawbt wie hernach volgt. Der
Ck)dez (Papier mit Pergamentumschlag) wurde nach Maximilians
Tode geschrieben.
») Mttchar Vin., 317. ^
-) Von Kaiser Max wird wie eines Verstorbenen gedacht. Hans Hang
wird als gewesener Forstmeister bezeichnet; er musste 1524 sein
Amt niederlegen und in demselben Jahre wird Erasmus Heidenreich
sein Nachfolger, der auch in unserer Handsch. erscheint. 1528 erhielt
Veit Zollner, der später en^ähnt wird, das Amt Münichthal.
— 12 —
Jagdreviere in Obersteiermark, wie sie unter Maximilian
bestanden, an welche sich Acten zur Geschichte der Streitig-
keiten des Kaisers mit den Klöstern Göss und Admont bezQglicb
dieser Reviere, Instructionen für die Forstmeister, Vorschläge
zu Verbesserungen anschliessen. Sie hatte den Zweck, den Erz-
herzog Ferdinand mit dem Zustande des Forstwesens unter
Max, den Veränderungen nach dessen Tode bekannt zu machen
und ihm Verbesserungsvorschläge an die Hand zu geben. Der
Verfasser war ein Mann, welcher mit den Massnahmen des
verstorbenen Kaisers vollständig vertraut und einverstanden
gewesen ist und den Uebergriffen, welche sich der Adel nach
des Kaisers Ableben zu Schulden kommen liess, abhold war.
Im letzten Abschnitte stellt er dem König Ferdinand sein
Werk anheim mit den Worten : „Hieinn hat nun ewr. ku. Mt.
den wilban mit dem gepurg vnd allen jaiden, wie die gelegen,
wie die gehaissen vnd wie die zu jagen auch zu hayen vnd
vor gewalt der menschen, thier vnd andern untziifer zuuer-
waren sein . . ."
Bald nachdem Maximilian die österreichischen Länder zu
regieren begonnen — der Zeitpunkt wird nicht genauer be-
stimmt — liess er durch seinen obersten Bergmeister Hans
von Maltis alle steierischen Prälaten nach Wien berufen
und ihnen dort auseinandersetzen, dass alle Bergwerke, Hoch-
und Schwarz Wälder „irer kay. Mt. Regalia*' seien, worin sie
ihm Schaden thäten '). Diese Betonung des obersten Berg-,
Forst- und Jagdregals kann man die ganze Regierung Maxi-
milians hindurch verfolgen ^). Es ist die Zeit, da das altdeutsche
') Im Jahre 1496 hatte E. Maximilian eine eigene Oommission abgeordnet,
welche alle landesfürsdichen Bergbauten in Steiermark besichtigen
lind darüber berichten sollte. An der Spitze dieser Gommission stand
der „obriste Bergmeister'' Hans Mallitz (offenbar derselbe wie der
oben genannte). Muchar YIIL, 196. Sein Name wird Iq dem von
Muchar citirten Werke „Malltits" geschrieben. Sollte die Benifung
nach Wien eine Folge der von der Gommission gemachten Wahr-
nehmungen gewesen sein? Dann wäre sie etwa in das Jahr 1497
zu setzen.
*) Die Stelle lautet: Im eingang kaiser Maximilion hochloblicber
— 13 —
Herkammen , wonach der Grundbesitzer das ausschliessliche
Recht besitzt, auf seinem freieigenen Grund und Boden zu
jagen, mit den Anschauungen der Romanisten, dass die meisten
Landesfürsten das Recht, überall im ganzen Lande zu jagen,
ersessen haben, im Streite lag ')• Zu Maximilians 7eit wurden
zunächst die Hochwälder als Gegenstand des Forstregais erklärt.
Noch vor Ende des Jahrhunderts hatte Maximilian Vor-
kehrungen getrofifen, um der Waldverwüstung in der Umgebung
von Eisenerz Einhalt zu thun. Nicht die Sorge um die
Jagd ^lein trieb ihn dazu an, sondern auch der Umstand,
dass bei der steigenden Holz- und Kohlennoth der Preis des
Roheisens ein höherer wurde. Er ernannte den Sigmund Baum-
gartner zum kaiserlichen Waldmeister in Inner- und Vordem-
berg*) tmd traf am 4. Februar 1499 noch die Anordnung,
dass die Waldungen, welche mittels Klausen- und Risswerken
für die Gewinnung des Erzes benützt werden können, ein-
gefriedet und von der Benützung durch die geistlichen und
weltlichen Herren, welche auf die Schwarzwälder um Leoben,
Vordernberg und Eisenerz ein Recht zu haben vermeinten,
gesichert werden sollen ^).
Es ist möglich, dass durch diese Anordnungen viele Rechte
gedechtnfiss der österreichischen lande regierung hat ir kay. Mt.
aU prelaten des Lands Steyr durch Hannsen von Maltis irer kay.
Mt. obristen pergmaister mit ladung vor der regierung zu Wienn
der perckhwerch, hach vnd swarcz weld halben fflrgenomen vnd
beklagt, dieweil alle perckhwerch auch hoch vnd swartz weld irer
kay. Mt regalia weren, darin sy in irung theten, also hat ir kay.
Mt. dieselben mit vrtl ynd recht erhalten laut der acta, so bei der
canntzley ligen soln.
*) H. J. Bidermann, V^aidmännische Erinnerungen aus Oesterreichs
Vorzeit 8. 24 ff.
-) Msc. 24. Von Muchar (VIII., 199) benützt.
') Msc. 28—29. Muchar VIII , 200. Wie vernünftig diese Anordnungen,
beweist schon der kleine Satz : £s ist nothwendig, dass „vorbestimbter
vnser waldmaister darob sey bey disen tellern vnd graben, damit
daselbs das eltist holtz angriffen, das jung gehayt vnd darinnen
nicht gereudt noch prandt gemacht werden ..."
— 14 —
Einzelner verletzt wurden, wesshalb denn auch von allen Seiten
her Einsprachen erhoben wurden. Es kam zu Streitigkeiten
und Verhandlungen, von denen besonders die mit der Aebtissin
von Göss und dem Bischöfe von Laibach hervorgehoben zu
werden verdienen.
In einem Briefe dd. Leiden 5. August 1 508 machte Kaiser
Maximilian seinem Forstmeister in Eisenerz, Hans Haug ') die
Mittheilung, er habe in Erfahrung gebracht, dass im Sommer
stets grosse Hirschen auf das Gebiet der Aebtissin „genant
die Vobis, Griesstain, Newnwalt vnd Ogsenwisen" •) schweiften,
wo sie von den Bauern erlegt würden. Der Forstmeister möge
sich nach Göss verfügen und einen Vertrag mit der Aebtissin
abschliessen : sie und die Ihren mögen von der Jagd auf das
kaiserliche Wild abstehen, wogegen ihr der Forstmeister all-
jährlich zwischen dem 12. Juli und 8. September einen Hirschen
fangen und nach Göss überbringen werde.
Dies geschah. Im Vertrage erklärte die Aebtissin, dass
sie i,in Tragosstall, den Griesstain, die Vobis, Ogsenwisen.
Newwald vnd denselben orten vmb weder hierssen, gembsen
noch peren*) durch sich noch ir lewt nit jagen, sich auch
aller sach den wilban vnd das waidwerch betreifend ausserhalb
des reisgejaid *) entslahen vnd dem vorstmaister darin in kai-
nerlay weg irrung noch eingriff" thun wolle.
Der Kaiser bestätigte den Vertrag und bezeigte seinem
Forstmeister mit einem Schreiben dd. Köln den 9. April 1 509
sein Wohlgefallen über die rasche Beilegung dieser Streitsache.
*) Msc. lO*' ff. Hans Haug heisst im J. 1501 noch „ku. Maj. Maotner
und Richter in Eisenerz''. Interessant ist es auch, dass derselbe
Haug bei dem Baue der Pfarrkirche St. Oswald in Eisenerz (1493 bis
1517) als Baumeister fungirte. Vgl. J. Krainz, Eisenerz und die
Pfarrkirche St. Oswald. 1878, S. 23.
*) Alle diese Bezeichnungen existiren noch; diese Oertlichkeiten befinden
sich auf dem Uebergange vom Tragössthal nach Eisenerz»
') An der einen Seite der Yobismauer gibt es eine Stelle, welche beute
noch das BArenloch heisst
^) Beisgejaid, Jagd auf kleines Waidwerk.
— 15 —
Anein nachher gab es doch wieder allerlei Irrungen. Die
Aebtissin hatte nicht die Absicht, sich dem Vertrage lange zu
fbgen und wehrte ihren Unterthanen nicht die Belästigung
des kaiserlichen Wildes. Sie sagte offen: „sy sey nit in der
zeit (zeil?) der preleten, sunder ain landtmanyn" und versicherte
sich auch des Beistandes jener Adeligen, welche Kinder oder
Verwandte zur Erziehung im Kloster hatten. Der Kaiser ordnete
endlich eine Commission ab, welche mit ihr einen neuen
Vertrag abzuschliessen beauftragt wurde. Der Landeshauptmann
Sigmund von Dietrichstein, der Vitzthum Lienhard von Ernau,
der Pfleger zu Pfannberg Heinrich Traupitz und Hans Hang,
Amtman und Forstmeister in Eisenerz, begaben sich demnach
nach Göss und unterhandelten mit der Klostervorsteherin und
ihren Beiständen den Herren Cristoph Rcghnitzer, Erasmus
und Wolf von Saurau, Hans Hoümann, Lukas Greswein, Hans
von Herberstein u. A. wegen der Jagdgebiete, welche die
Aebtissin als ihr Eigenthum erklärt, die aber ;,zu dem Eysen-
erzt beschriben vnd verordent sein''. Die kaiserlichen Abge-
ordneten verlangten ihr Privileg zu sehen, aber sie wollte
dasselbe nicht vorweisen, indem sie erklärte, sie dtlrfe dies
ohne Erlaubniss der Landschaft und des Erzbischofs von Salzburg
nicht thun. Erst als die Abgeordneten mit Entschiedenheit
auftraten, Hess sie sich zu einem neuen Vertrage herbei, worin
sie versprach, dass sie dem Kaiser die Wälder, so viel ihrer
bZuq) perckhwerch des Eysenerczt** nothwendig, überlasse, dass
sie ohne des Waldmeisters Wissen und Willen kein Holz zum
täglichen Gebrauche schlagen lassen und nicht gestatten werde,
dass einer ihrer Unterthanen Bäume niederschlage, Kohlen-
meiler anlege oder sonst den Wald verwüste. Könne sie aber
solche Verwüstungen nicht hindern, so solle der Waldmeister
die Frevler vor sich rufen und strafen, ohne von ihr gehindert
zu werden.
Der Kaiser war mit diesem neuen Vertrage zufrieden.
Doch war man darüber nicht in's Reine gekommen, wem die
Strafgelder zufallen sollen und sollte dies der Kaiser entscheiden.
In seinem an die Aebtissin gerichteten Schreiben dd. Ingol-
— 16 —
Stadt, 20. August 1517, entscheidet sich der Kaiser dahin,
dass diese Strafgelder zu seinen Gunsten eingezogen werden
sollen und ermahnt die Aebtissin, dem Vertrage genau nach-
zuleben ^).
Auch mit dem Bischöfe von Laibach, Christoph Rauber,
gab es Streitigkeiten. Im Jahre 1501 fand in Admont eine
doppelte Abtwahl statt: Michael Griessauer konnte die Bestä-
tigung des Kaisers nicht erlangen und Alexander von Kaindorf
hatte zu wenig Stimmen. MaximiUan setzte nun dem Stifte
den Bischof von Laibach und Administrator von Seckau, Chri-
stoph Rauber, als Commendatarabt von Aiit ihm schloss er
zugleich bezüglich der admontischen Jagdrechte einen Vertrag,
wovon er den Forstmeister Hang mit Schreiben vom 14. Juli
1508 verständigte. Der Bischof hat dem Kaiser auf dessen
Lebenszeit und seinem Nachfolger für drei Jahre nach des
Kaisers Tod „dieselbigen gejaid, so an vnser gejaid rueren vnd
stossen nemblichen vber die Ennspruggen auf die recht Strassen
vom Innerperg auf Admund zuegestelit^. Hans Hang versicherte
sich in Folge Auftrages des Kaisers des abgetretenen Jagd-
gebietes, kam aber sofort darüber mit Christoph Rauber in
Streit: der Bischof beklagte sich bei Max, dass Hang weiter
greife, als ihm der mit dem Kaiser abgeschlossene Vertrag
erlaube. In Folge dessen erliess Maximilian an Hang (Brüssel,
2. Februar 1509) den bestimmten Auftrag, „das du hinfuro
den vorgemelten des von Laybach hiersch vnd gembsgejaiden,
so an vnser hiersch- vnd gembsgejaiden im Eysenertzt stossen
wie vor angetzaigt ist, vngeverlich ain meill wegs vber landt
0 Msc. 18: . . nachdem aber in solchem vertrag der straff halben wer
hiewider handelt iming ist, wem die straff zuesteen vnd wir darinn
entscbidt thon sollen, kanst das bedenckhen, dieweiU aU hoch- vnd
swartz weld vnser fiirstenthumb regalia sein, das ist straff den oder
die, so wider den vertrag handien, holtz slahen, gereyt prennen vnd
ander verwuestung in den holtzen thun, niemandt pilUch alls vns
zuesteet. Vnd haben darauf bemeltem vnsem ambtman vnd vorst-
maister Hanssen Hawgen vnd vnserm waldtmaister in Steyr bevolhen,
das sy also die straff in vnserm namen eintziehen sollen . . .
— 17 —
vnd zwo meill vber joch von vnsern jetz gemelten hierss vnd
gembsgejaiden das wilbret hayest (liegest) vnd in demselben
getzirckh den von Laibach noch niemands andern kain wilbrets
nit jagen, schiessen noch vahen lassest vnd welche du in den-
selben Gegenden vnd getznerckhen begreiflfest, die das wflbret
jagen, schiessen oder fahen, dieselben nach vnsern bevelch
straffest^S Er wolle auch seinen Ueberreitern, die er nächstens
ernennen werde, befehlen, die kaiserlichen Waldungen durch
Steine abzugrenzen. Der Bischof könne in den Bezirken, die
za Admont gehören, Holz schlagen, Luchse^ Füchse und Marder
fangen, das kleine Waidwerk verleihen, aber nur mit Wissen
des Forstmeisters ; doch dürfe dadurch das grosse Wild weder
gejagt noch vertrieben werden; dieses müsse allein für den
Kaiser gehegt werden.
Mit dieser Auseinandersetzung des Vertrages erklärte sich
der Bischof einverstanden. Der Kaiser überliess ihm nun aus
Dankbarkeit einige Jagden in der Gegend von Cilli und in
Krain, die jedoch nicht näher bezeichnet werden.
Wie strenge der Kaiser auf Schonung seines Wildes sah,
mag man auch daraus ersehen, dass Osann Schackhan, der
1503 zum Thiergärtner in Graz mit einem Gehalte von 22
rheinischen Gulden jährlich bestellt wurde, versprechen musste,
niemals einen der Damhirsche („Tändl"), wenn schon einmal
einer sterben sollte, zu essen. Auch musste er auf die Füchse,
welche durch Löcher in den Thiergarten einkrochen und dem
Wilde nachstellten, Selbstgeschosse ^) anbringen, aber so, dass
diese nach auswärts schössen. Edicte gegen Waldverwüstung
and Wilderei wurden wiederholt erlassen 2). Man darf jedenfalls
annehmen, dass Eingriffe in das Jagdregale sehr strenge
bestraft worden sind. Wie vorsichtig selbst der Forstmeister
Hang in Dingen, welche das landesfürstliche Jagd- und Fischerei-
recht betrafen, vorging, ersieht man aus einer Stelle in einem
') Mucbar VIII., 216, wo „Selbstschloss*' steht, was jedenfalls „Selbst-
geschoss'* heissen muss, welches Wort öfter vorkommt.
^) Muchar VIIL, 207, 230, 239, 246.
Xütbeü. des bist Verein« f. Steiennark, XXVm. Heft, 1880. 2
— 18 —
Briefe des Kaisers au den Forstmeister dd. Köln, 9. April
1 509. Der kaiserliche Rath Herzog (Erich) von Braunschweig * )
hatte sich an Hang mit dem Begehren gewendet, er möge ihm
hundert Stück Selblinge zusenden. Der Forstmeister kam
diesem Begehren nicht sofort nach, sondern er berichtete
darüber zuerst dem am Rhein weilenden Kaiser und erbat
sich auch Verhaltungsmassregeln für den Fall, dass der ge-
nannte Herzog etwa auch den Wunsch äussern würde, in den
Bannforsten jagen zu dürfen. Der Kaiser sandte nun dem
ängstlichen Forstmeister den Befehl zu: „wo bemelter vnser
oheim hinfuro solchs weiter an dich begeren wurde, das du
denselben nachkhumest, damit berurter vnser oheim auch ain
ergeczlichkhait habe'^
Bald nachdem die Angelegenheit der admontischen Jagd-
reviere geordnet war, übersandte der Kaiser seinem Forst-
meister Hang eine Instruction bezüglich dieser Jagdgebiete ).
Sie besteht aus fünf Punkten. Dem Forstmeister wird daiin
aufgetragen, in den Admontischen Hirschrevieren alljährlich
nur einmal zu jagen und einen oder höchstens zwei Hirsche
zu fangen. Er hat strenge darauf zu sehen, dass die an dieseu
Revieren sitzenden Bauern sowie die im Kammerthal keine
dem Wilde schädlichen Hunde halten. Für die Admonter
Reviere und für die von Kammerthal soll er je einen Forst-
knecht bestellen mit einer Besoldung von 26 fl. rheinisch und
soll deren Thätigkeit genau überwachen.
Die Admonter Reviere machten dem Forstmeister noch
manche Sorge. Die Mönche wie die Stiftsbauem suchten ihm
in Wort und That die Ausübung seiner Pflichten zu erschweren,
worüber er getreulich dem Kaiser berichtete. Dieser trug ihm
einmal (mit Schreiben dd. : in vnserm beer bei Badua am
XVIIII. tag Augusti 1 509) auf, er möge sich durch ihre Reden
<) Der Herzog Erich von Braun schweig commandirte 1508 und 1509
die innerösterr. Truppen in Friaul, war 1510 Mitglied des Kriegrs-
rathes ftkr die n.-ö. Länder u. s. w.
s) Msc. 1Gb. Datirt Innsbruck 1. Juni 1509.
— 19 —
nicht beirren lassen und die Bauern, die sich etwa unter-
stünden, in den dem Kaiser überlassenen Revieren zu jagen,
gefangen nehmen und dem Landesverweser überantworten,
„dann du im Eysenertzt sterckher bist dann solch, die sich
desselben gejaidts dir zu weren vnderstanden^S
Ein Auftrag gegen die Mönche, welche ihrer Jagdlust
nicht zu gebieten vermochten, erfolgte am 21. October 1509.
Der Forstmeister sollte, da er stärker sei als die Admonter,
zu erfahren suchen, wann diese jagten und dann so stark als
möglich gegen sie ausziehen. Die er betrete, möge er gefangen
nehmen und sich von ihnen geloben lassen, „das sy sich zu
stundan an vnsem hof fuegen vnd sich vnserm hoffvnder-
marschalch ansagen vnd stellen^'. Wenn sie dann trotzdem
noch weiter jagten und er sie neuerdings in seine Gewalt
bekäme, so solle er ihnen ihre Kutten und Kleider wegnehmen
und diese an den Hof senden *).
Am 30. December 1514 wurde dann ein kaiserliches
Mandat ^) an alle Unterthanen zu Brück an der Mur, Leoben
vTrofayach im Kammerthal'^, Eisenerz „vnd derselben orten
vmb auch in den admundischen jaiden oder enden^^ erlassen,
in welchem ihnen verboten wird, in den angezeigten Revieren
^ch mit „puxen, stahlen oder andern geschucz'^ blicken zu
lassen, Wild zu erlegen, oder schädliche Hunde zu halten.
Dagegen müssen sie der Aufforderung zur Jagd auf Wölfe
Folge leisten.
Am 12. März 1518 erliess der Kaiser von Innsbruck aus
^ Hans Hang, seinen ßath, Amtmann und Forstmeister „beder
Eysenerczt des hindtem vnd vordem perg bey Leubm" eine
Instruction^), welche ihm die grösste Sorgfalt ftlr Erhaltung
0 Msc. 17b : ... ob aber die Admundischen munich in denselben
gejaiden auch weiter jagen weiten vnd du sy begreiffest, das du
alsdann denselben munichen ire chuten vnd klaider nemest vnd vns
die fuederlichen zueschickhest, dann sy vns ire khuten verfallen sein
vnd das nit lassest.
^ Msc. 18 • .
')M8c. 18»» — 19»>.
2*
— 20 —
der Wälder und des Wildes zur Pflicht machte. Niemand darf
in den kaiserlichen Revieren Roth- und Schwarzwild, Gemsen,
Reiher, „antfögl" und Hasen jagen. Sollte ein Prälat, Grat
Herr oder Edelmann dieses Verbot übertreten, so hat ihnen
Hang schriftlich Vorstellungen zu machen ; fruchtet dies nicht
so soll er den kaiserlichen Räthen oder dem obersten Jäger-
meister, wenn er im Lande ist, die Anzeige erstatten; falls
auch deren Einschreiten nutzlos, soll dem Kaiser berichtet
werden. Wenn aber Bürger oder Bauern sich vergehen, soll
„wo die handlung nicht gar zu grob^^ der Forstmeister mit der
Obrigkeit, unter welcher sie stehen, den Uebelthäter strafen
und von dieser Strafe soll die Obrigkeit den dritten Theil,
der Forstmeister das Uebrige erhalten. Bei grösseren Vei^ehen
soll dem Kaiser Bericht erstattet/ werden. Die Wälder sollen
nicht „verschwendet^^, die abgefallenen Aeste beseitigt werden,
damit „das wilpret darinnen nicht schaden empfahe^^ Die lieber-
reiter, Förster und Forstknechte sollen genau beaufsichtigt
werden, damit sie dem Wilde ordentlich die Sulzen machen.
Der Forstmeister soll anordnen, „das die rüden zwischen
s. Jörgen vnd Jacobstag geprügelt *) vnd die jagdhundt sched-
liehen rüden gar weggethan werden, damit das wilbret von
innen nit gejagt noch schadhafft werde^^ Mit Armbrusten oder
Büchsen in den Wäldern umherzustreifen , ist zu verbieten.
Hang möge da, wo der Jägermeister dies anordne, dem Wilde
Heu machen lassen, damit es im Winter nicht Mangel leide.
Die Kosten hat der Vitzthum im Lande ob der Enns zu
bestreiten.
Der Kaiser, der, wie ein Zeitgenosse sagt % „vmb nichts
zorniger worden als allein vmb wildbrats willen^', wird wohl
auch oft genug über Nachrichten seines Forstmeisters aos
Steiermark „zomig^^ geworden sein. Der Schaden, den das
zahlreiche Wild, welches nicht angetastet werden sollte, auf
den Feldern der Unterthanen anrichtete und mehr noch die
<) d. h. durch angehängte Prügel im Laufe gehindert werden.
*) G. Kirchmair's Denkwürdigkeiten in Fontes, 1. Abth., I., p. 442.
— 21 —
allgemein verbreitete Ansicht, dass zu jagen eigentlich Jeder-
mann berechtigt sei, bewirkten zahlreiche Eingriffe in die landes-
herrlichen Rechte. Von Tirol meldet ein Zeitgenosse, dass
gleich nach dem Tode des Kaisers die Bauern „unglaubliche
Zahlen^^ von Wild erlegt; sie erklärten, sie wollten das viele
Wild nicht länger dulden, und nicht allein 30- und 40jährige
Bauern ,jagten, luffen, vischten vnd viengen^^ sondern auch
die, welche vor Jugend oder Alter kaum gehen konnten, auch
Frauen und Mädchen zogen aus gegen die Thiere des Waldes.
Wir haben nun allerdings solche Nachrichten über Steiermark
nicht, gewiss aber werden hier ähnliche Zustände eingetreten
sein. Bestimmt wissen wir^ dass der Bischof von Laibach und
die Aebüssin von Göss nach des Kaisers Ableben sofort gegen
die abgeschlossenen Verträge gehandelt haben. Und viele Andere
mit ihnen. Im Sclilussabschnitte unserer Handschrift, eine Art
Widmung an den Nachfolger Maximilians in Oesterreich, wird
noch einmal erzählt, wie dieser Kaiser alle Hoch- und Schwarz-
wälder für sich in Anspruch genommen und jenen, die sich
dagegen aufgehalten, habe sagen lassen, sie möchten ihn ver-
klagen, er werde ihnen antworten. Damit habe er sie zum
Schweigen gebracht Jetzt aber träten sie wieder hervor und
erklären die Hoch- und Schwarzwälder für ihr Eigenthum und
zwar ernster und „trutzlicher'' als zuvor, und dabei verschweigen
sie die Verträge, die sie mit dem Kaiser abgeschlossen und
worin sie sich dieser Wälder begeben haben. Sie dulden nicht,
dass die Waldmeister und Amtleute die Waldfrevler bestrafen
und führen solche Reden, dass die Beamten erschreckt schweigen,
um sich nicht die Ungnade der Gewaltigen zuzuziehen. So,
heisst es weiter, werden ,,ku. Mt Sachen versaumbt, irer ku.
Mt freihält, gerechtickhait vnd aigenthumb als herin vnd lands-
fursten entzogen , gesmelert vnd der kloster vnd andern fleckhen
vnd einkhumen erweitert".
Und nun folgen verschiedene Vorschläge , um die Zustände
zu verbessern: der König müsse ebenso vorgehen, wie die
Kaiser Friedrich und Maximilian. Die Hochwälder müssen
Regal bleiben und wenn die, welche Ansprüche auf sie erheben,
— 22 —
nicht abstehen wollten, mttssten sie vor Gericht gezogen
werden.
Auch eingehendere Vorschläge zur Hebung des Wildbanne^
wurden gemacht und der Aufzählung der Ursachen des Nieder-
ganges des Jagdwesens angereiht ^). Dieser Abschnitt bietet
des Lehrreichen sehr viel, wesshalb ich den Gedankengang
desselben ausfuhrlich wiedergebe.
In der Seeau (Gegend am Leopoldsteinersee bei Eisenerz)
hat Hans Hang einen Fleck ausreuten, einzäunen und ftLr das
Wild eine Wiese daraus machen lassen. Sie wurde gemäht
das Heu in „Dristen" *) geschlagen und im Winter bei tiefem
Schnee geöffnet „da sich winterzeit das wilpret hintzue wie
die hert viech gelegt vnd des lansing (des Frühlings) erwardt
hat^^; auch Hess er die Seeau „ausschnaiten^^ und das dichte
Gestrüpp wegräumen, damit das Wild „dardurch hin vnd her
wechslen muge". Aber der Nachfolger des Hang Hess alle
diese Anordnungen unbeachtet, das Holz in der Seeau wurde
niedergeschlagen und abgekohlt; ja Veit Zolner') hat den
Münich thalern sogar erlaubt, ihr Vieh hinaufzutreiben; „on
zweifl nit vmbsunst", setzt der Bericht hinzu.
Auch auf der Fölz wiese wurde früher in gleicher Weise
für das Wild gesorgt und Heu hergerichtet „daselbst das
wilbret bey den dristen auf den snee hauff^enweis in grosser
anczall enhalb des erczbachs, wie jederman gesehen hat, gelegen
ist". Auch hier lässt Veit Zolner die Bauern gewähren; sie
haben auch eine Brücke über den Bach „zu nagst bey der
wisen geslagen , darüber faren sy, ist mit den alter nit her-
khumen vnd vormalen kain pruggen da gewesen und wirt des
') Msc. 25* — 27»>.
'^) Dristen, Tristen sind Haufen, Schober.
') Veit Zolner erhielt am 15. December 1528 das Amt Mttnicbthal
zu Pfand ; zugleich ist er k. Rath und Kammermeister. Nach Erasmiis
Heidenreich (1532) wurde er Amtmann in Eisenerz und Forstmeistei
zu Yordernberg. Im J. 1517 besass er das Schloss Massenberg bei
Leoben erblehensweise, das vor ihm Hans von Maltis und Hans
Hang besessen.
— 23 —
i;:eschrais halben das wilbret vom hey gejagt, das kumbt den pauern
zu guet, so die hirssen das hey nit essen^S Ebenso hat auf
der Stangelau das Wild keine Ruhe^ da die Bauern ihr Vieh
dahin treiben und das Heu benutzen. Und ähnlich verhält es
sich im Krumpenthal bei Eisenerz.
Der Kaiser hat von Hans Harlanger eine Wiese zu Radmer
,,bei dem jaidhaus" ^) gekauft ; das Heu soll auch dort für das
Wild liegen bleiben, aber die Amtleute fuhren es weg. Die
Burger von Eisenerz überlegen die Radmer, „so die mueter
des wilpan ist^, mit Vieh, lassen die Winterstände des Wildes
abhauen, wodurch dieses vertrieben wird. Haben sie doch
..enhalb des Hals^^ ') einen ganzen Wald abgetrieben, das Holz
verkauft und das Geld unter sich vertheilt. Da die landcs-
fUrstlichen Forstleute dazu geschwiegen, werden sie wohl im
Einverständnisse gewesen sein.
In der Hieflau fliesst ein Bach, der die besten Fische
hat: „verchen (Forellen) vnd äschen". Die kaiserliche Majestät
hat sie über die Saiblinge gelobt. Sie gehen von der Enns in
Jen Erzbach ; aber jetzt ist dieser Eingang durch zwei Wehren
verbaut, obwohl solche zu bauen verboten worden; die Amt-
leute haben auch dies übersehen.
Im Sommer laufen viele Knechte herum und schiessen das
Wild weg. Der Forstknecht zu Radmer ist zu schwach dies zu hin-
dern. Daher soll mit dem Herrn von Strechau, dem die Aemter
jjehören, verhandelt werden, dass er seinen Richtern und
Amtleuten befehle, „damit den ledigen vnd straiffunden knechten
mit armbrusten vnd püxen zu geen" verboten werde. Wenn
') Zu Radmer in der Stuben bestand also damals schon ein landesf.
Jagdhaus, in welchem besonders Kaiser Ferdinand IL wiederholt
verweilte. Die zweithUrmige Kirche dieses kleinen Ortes ist in ihrer
ersten Anlage von ihm gegründet worden. Seit einigen Jahren besteht
in der Nähe des Dorfes ein neues Jagdhaus, da auch unser Kaiser
häufig in dieser Gegend jagt.
-) Der Weg von Radmer nach Eisenerz führt Über den sog. Radmer-
hals (Einsenkung zwischen dem Kaiserschild und Zackenkogel), der
hier offenbar gemeint ist.
— 24 —
den 'Pflegern, Herrschaften und Forstmeistern die Erlaubniss
zu jagen gegeben wird, so soUen sie das Wild „an den äussern
orten, so nit der k. M. lusst ist, mit hundten vnd in beysein
verstendiger jager jagen, das mag das wilbret ee (eher) leiden,
wenn (als) das haimlich nachsleichen^S
Auch dürfen dem Rothwild nicht „selbgeschoss *) gelegt
noch grueben, peum vnd yallen gemacht" werdea In der
Strechau, in der Sölk, um Donnersbach und auf dem Tauem
sind treffliche Jagden, aber die Pfleger und die „Dietriecb-
steinischen" wollen keine Forstknechte dulden „vnd selbs
hueten ist gleich als so man ain pockh zu ainen gartner stellt"*
Die Forstknechte müssen, wenn der Schnee weggeht, die
Sulzen legen und dazu rothen Eemstein nehmen und nicht
weissen Pfannenstein, welchen die Bauern stehlen und ihrem
Vieh heimtragen. Sie sollen auch täglich auf den Bergen sein,
sich mit den Bauern nicht zu viel abgeben, um nicht als ihre
Kameraden zu erscheinen.
Wie früher erwähnt, wird die dauernde Ordnung des
Wildbanns von der Wahrung des obersten Jagdregalps und
der Zurückweisung aller Jener, welche auf die Hochwälder
Anspruch erheben, abhängig gemacht. Mit dieser Ansicht steht
eine zweite im engsten Zusammenhange, welche im Jahre 1 523
durch eine officielle Kundgebung in die OefFenÜichkeit trat.
Am 8. December nämlich erfolgte die Erklärung, dass „alle
Stifter und Klöster von undenklichen Zeiten her der kaiser-
lichen Majestät rechte Kammergtiter seien, mit welchen die
Fürsten zu Oesterreich nach Gefallen zu handeln und darob
keine päpstliche oder geistliche Erlaubniss zu begehren ver-
pflichtet seien"'). Die Begründung dieser Anschauung wird
*) Kaiser Max wird wohl das hinterlistige Tödten des Wildes durch
Selbstgeschosse verboten haben. In seinem Memoricnhuche von 1502
(Hormayr*s Taschenbuch, 1827, S. 197) notirt er sich ; Item der kunifj
sol fürkumen, das das wilpret mit den selbgeschossen nit geschossen
werde.
2) Muchar VUI, 820.
— 26 —
auch in unserer Denkschrift ausführlich versucht und es ist
hier geboten, den Gedankengang des Verfassers darzulegen.
Es bedarf, sagt der Verfasser % keiner „Disputation'^ und
weiteren Ausftlhrung, „das alle perckhwerch auch hoch
vDd swarcz w&ld an mitl aines yeden lannds-
fursten regalia sein, die auch an bewilligung des obristen
lehenherm, das ist ains romischer kaiser odor khünig auf
ewig zeit nit mflgen vergebeu, verstifft noch vom leben getaut
werden"; die Gründer der Klöster und Gotteshäuser haben
diesen nur das Recht gegeben, in den Hoch- und Schwarz-
wäldem für den täglichen Bedarf Holz zu schlagen, keineswegs
aber, „das sy sich der leben dermassen vndersteen vnd der
fürstlichen obrickhait vnd regalia annemen vnd in zuaigen sollen,
sonder ain jeder regierunder fürst desselben lannds ist in zu
ainer obrickait vnd vogt dieselben sti£ft vor gewalt vnd
Niirecht zu beschirmen vnd handhabung verordent. Sy wer-
den auch fflr des fursten camerguet gehalten,
deshalben in ir notturft dauon auszutzaigen was sy der zu
teglichen prauch bedurffen vnd nit mer ir ist'S In den
Stiftungsbriefen ist „selten*' mehr enthalten; es hat auch der
Stifter etwas anderes zu vergeben oder zu verstiften nicht die
Macht gehabt
Nach dieser Auseinandersetzung sind also die Hochwälder
Gegenstand des Jagdregals, die Klöster haben kein Jagdrecht,
ja sie gehören zum landesfOrstlicben Kammergut.
Gewiss interessirt uns hier zunächst die letzte Behauptung,
welche eine Theorie aufstellt, die den Rechtsanschauungen des
Mittelalters so ganz entgegengesetzt ist. Sie ist offenbar eine
Folge der Lehren, welche durch die Romanisten Verbreitung
fanden. Dieselbe Anschauung hat sich seit der hussitischen
Bewegung in Böhmen verbreitet und erhielt in den ersten
* Jahrzehnten des siebzehnten Jahrhunderts eine grössere Trag-
weite, als die Protestanten diese Anschauung zu der ihrigen
machten und den Katholiken gegenüber erklärten, dass die
') Msc. 21—23.
— 26 —
Kirchengüter königliche Güter seien, dass der Clerus nicht der
Eigenihümer, sondern der Nutzniesser sei und dass das Eigen-
thumsrecht dem Könige zustehe, der die genannten Güter
beliebig verschenken, verkaufen und verpfilnden könne ').
Jeder Landniann, fährt der Verfasser unserer Denkschrift
fort, in welches Fürsten Land er immer sitzen mag, ist ver-
pflichtet, auf des Fürsten Begehren „sein gerechtickhait brieflich
oder mundlich vrkhundt, welcher massen er vnd sein vor
eitern solche hach vnd swarcz weldt die sy ingehabt oder an
sich ^pracht haben . . furzubringen vnd antzutzaigen^, und
begründet diese seine Behauptung mit folgendem Satze : „Dann
dieweil ain jeder lanndtman den gewalt vnd prauch vbersein
vndertan hat, das er seinen holden vnd vnderthan all stund
erfordern vnd sein brieflich vrkhundt was er der vmb seine
gueter hat, f&r in bringen vnd sehen lassen mues, warumb dan
nit auch der landsfurst, so des landtman vnd seines vndertan
herr ist, solchs auch zu erfordern gewalt haben solt?*"
Da unsere Denkschrift so entschieden das Jagdregale
vcrtheidigt, so kam es darauf an, eine genaue Definition der
Hoch- und Schwarzwälder zu geben. Dies geschieht im dritten
Abschnitte. Diese Definition lautet wörtlich : Jene Wälder heissen
Hoch- und Schwarzwälder, „welche von den wilpechen vnd
wasserflflssen bis in die hoch vngepauen noch mit leben hueben
vnd Zinsen nit bewont werden noch eingefangen sind'*. Wälder.
welche bei den Höfen, Häusern und Lehen der Bauern liegen
und welche der Bauer für den täglichen Gebrauch nöthig hat.
heissen nicht Hoch- und Schwarzwälder, sondern „Fürhölzer':
diese „sollen nit abgeslagen noch gekolt, sunder zu der pauem
huoben, hofen, leben vnd aigen zu zimer- und prennholU.
gressen und andern notturften für gespart wordenes
Wenn Kaiser Maximilian Herrschafben, Schlösser oder
Aemter verpfändete oder verlieh, so nahm er immer die Hoch- ^
und Schwarzwälder, den Wildbann, die Fischwaide und alle
') Vgl. A. Gindely, Gesch. des böhmischen Aufstandes von 1618.
Prag, 1869, S. 63 ff.
— 27 —
Bergwerke von der Vergabung aus und behielt sie für sich;
die Pfandherren mussten gewöhnlich einen Revers ausstellen,
worin 8ie auf alle diesbezüglichen Ansprüche verzichteten. Sie
mussten die Anordnungen der landesfürstlichen Waldmeister
bezüglich der Wälder dulden, die Forstknechte mit dem Wilde
schaffen sehen, den Bergrichter betreffs der Bergwerke handeln
lassen. Aber sie hielten nicht immer, was sie im Reverse
versprachen. Sie Hessen Holz niederschlagen, um es zu ver-
kaufen und gestatteten Kohlen zu brennen und „machen sich
und iren pflegem damit vill einkhumen^S So findet man vom
Kammerthal herab bis eine Meile unter Leoben drei- oder
vierhundert ausgereutete oder ausgebrannte Stellen '); und
Niemand will beachten, dass solches Vorgehen verboten sei und
,,wirt die sachen so gröblich und trutzlich gehandelt, alls weren
^y dartzoe geboren, das sy irer kuniglichen Majestät camerguet,
die perckhwerch verderben und zu feiern pringen muesten,
dann die jungen weld selten gehait, so werden die guet und
das holtz auf dem stam verkawft und wer nit ain mensch, so
darauf siecht, so sein auch die Inhaber zu gewaltig, deshalben
sich jeder man vor in fürchten muess".
Niemand ist vorhanden, der sich der Sache des Landes-
fürsten annähme, weder der Vitzdum noch die andern vom
Kaiser eingesetzten Verordneten, die doch reichlich besoldet
werden. Aber diese Verordneten sind eben Landleute und
haben „so vill swager, veter vnd verwandten, davon sy plent
vnd dermassen betert werden, das sy romisch kunigliche Maje-
stät alls herm und Landsfürsten schaden vnd mengl weder
sehen noch h5ren ja auch nit wellen, das ander dauon reden
noch solchs melden sollen^'.
Die Klöster, heisst es in der Denkschrift weiter, denken
Dor darauf, ihren Besitz zu mehren und das Gut des Landes-
ftvsten zu schmälern. Man sehe nur, welche Unmasse von
Holz die Aebtissin von Göss in der Nähe der Stadt Leoben
lüederschlagen liess, nur um zu zeigen, dass diese Wälder ihr
') . . drey oder vierhundert gereit, prennt vnd sieg
1
— 28 —
Eigenthum seien; denn sie bedarf des Holzes nicht und lässt
es zum grossen Theile verfaulen. Auch auf der anderen Seite
der Mur nimmt sie alle Wälder für sich in Anspruch und
stützt sich dabei auf die Hilfe jener Landleute, die ihre Kinder
zur Erziehung in ihrem Kloster haben. Ja, sie hat sogar
erklärt^ sie wolle nicht eine „prelatin noch kuniglicher Majestät
camerguet sonnder ain lantmanyn gehaissen werden vnd mit
ihren guetem frey sein^ Die Anzeige hievon ward mündlich
und schriftlich der Regierung erstattet^ es kamen darauf Com-
missäre nach Leoben und blieben vier Wochen dort, ohne
etwas zu thun, weil einer von ihnen eine Tochter, der andere
eine Schwester im Kloster hatte. Desswegen wäre es gut,
wenn nicht die Mitglieder des hohen, weitverzweigten Adels
mit Aemtern bekleidet wtlrden.
Es ist dringend nothwendig, lautet der Schlussabschnitt
dass alle Klöster in den Erblanden und besonders Göss von
verständigen Leuten, die weder Kinder noch Schwestern noch
Schwäger im Kloster haben, „reformirt" werden; ihre Frei-
heiten und Privilegien sollen besehen und abgeschrieben werden ;
die Hoch- und Schwarzwälder sollen sie nur um den täglichen
Holzbedarf zu decken, benützen, die Jagd soll ihnen entzogen
und nur das Recht zu fischen gelassen werden. So würde die
GeisUichkeit keiue Ursache fiuden, ,;Wider sein Regel und den
Orden, so die heilligen Veter mit gotlicher Vorcht gemacht
und aufgericht, zu sündten^^ (sündigen). Das freie Leben der
Mönche und Nonnen, das sie bisher „vnverschombt triben haben'',
war die Ursache grosser Sünden ; dann werde auch der König der
fortwährenden Streitigkeiten mit den Klöstern los werden und
noch dazu Gottes Gnade ernten.
Die Erhaltung des Jagd- und Forstwesens in dem Zu-
Stande, in dem es sich zu Zeiten Maximilians befand, und
dadurch die Wahrung und Stärkung der landesfürstlichen Macht
den Ständen gegenüber, sind die Triebfedern, welche den Ver-
fasser bei der Zusammenstellung seiner Denkschrift geleitet
haben. Die Schilderung des Umfanges und der Beschaffenheit
dieser Jagdreviere nimmt einen bedeutenden Theil der Denk-
— 29 —
Schrift ein ') ; die folgende Skizze versucht eine üebersicht
über diese Reviere zu geben.
Wie noch heutzutage die Umgebung von Eisenerz zu den
wald- und wildreichsten Theilen der Steiermark gehört, so
war es natürlich auch in früheren Zeiten der Fall. Eben mit
diesem Markte und mit dem Tragössthale beginnt unsere
Denkschrift die Beschreibung. Auf dem Wege vom Tragössthale
nach Eisenerz finden sich zu beiden Seiten, an der Oriesmauer
zu Neuwald, an der Frauenmauer ■) viele Gemsen und Hirsche ;
die letzteren schweifen im Tragössthale bis gegen St. Kathrein,
wo sie von den Bauern und den Jagdbediensteten der Stuben-
berger stark mitgenommen werden. Dies ist das Gebiet,
bezüglich dessen mit der Aebtissin ein Abkommen getroffen
worden. An der Vobismauer gibt es Roth- und Schwarzwild,
Ilaren und Wildschweine. Auch längs des Gsoll- und Trofengbaches
stehen grosse Hirsche, welche gejagt, gerne gegen den Präbühl
hin laufen. Am Präbühl und am Erzberg haben sie von Seite
der Bauern und Erzführer wenig Ruhe. Auch an der „Veister'*
am Erzberge) und dem Lengnitzthal stehen treffliche Hirsche.
Dagegen ist die Umgebung von Vordemberg einem reichen
Wildstande nicht günstig. An einer Alpe, Weidau genannt,
stehen wohl zu Zeiten Hirsche, aber das viele Vieh, welches
hieher getrieben wird, die Hunde, welche von den Bewohnern
gehalten werden und vorzüglich der Umstand, dass letztere zu
«jagerisch'' sind, vertreiben sie wieder.
Aber die Gegend vom Erzberg zum Reichenstein ist reich
an Hirschen ; wenn die Wege auf den Höhen verstellt werden,
laufen sie gegen den Erzbach und selbst in den Markt Eisenerz.
Ebenso reich sind die Höhen und Abhänge, welche sich von
Eisenerz gegen Kallwang (Kheiclilwang) erstrecken, dann das
Iladmereck, der Radmerhals, femer die Gegend auf der Eisen-
erzerhöhe, am Wiking und Zargenkogel gegen Wildalpen hin.
Aber das an Gemsen reichste Gebirge ist die hohe, kahle
») Msc. 5—9. Vgl. die Beilage.
') Die .Mauer" der Haudscb. halte ich für die „Frauenmauer'*.
— 30 —
Fölzmauer (Veltzstain), nordwestlich von Eisenerz, deren Cul-
minationspunkt der Kaiserschild ist Dieses Gebirge ward ak
die Mutter der Gemsen angesehen, die hier ihren „Faks" haben.
Kaiser Maximilian hat nie erlaubt, dass hier gejagt werde, das
Gebirge war gefreit und gleichsam als äusseres Zeichen dieses
Umstandes liess der Kaiser einen goldenen Schild mit seinem
Wappen an einer Stelle dieses Gebirges anbringen. Damit wäre
nun auch die Bezeichnung des höchsten Berges dieser Gruppe,
des Kaiserschildes erklärt, einer Höhe, welche auch später
zu Ferdinands 11. Zeiten und selbst bis auf unsere Tage ein
beliebter Punkt für die kaiserlichen Jagden geblieben ist
Am meisten Genuss gewährte dem Weidmann die G^end
am Leopoldsteiner See. An der Seemauer kann man Gemsen, in
der Seeau Hirsche jagen und im See Fische fangen. Kaiser Maxi-
milian ist oft in dieser Weise seinem Vergnügen nachgegangen.
Im Gebiete der Gemeinde Jassingau und g^en Hieflau
hin, dann links hinein am Radmerbach und an vielen Stellen
in dieser Gegend gibt es Hirsche und Gemsen in grosser Menge.
Die Denkschrift geht dann zur Beschreibung der zur
Herrschaft Kammerstein im Liesingthale gehörigen Jagden
über; das Hauptthal wie alle Seitenthäler und Gräben, zumal
der Teichengraben sind äusserst wildreich.
Darauf folgt die Beschreibung der Jagdreviere, welche
der Kaiser vom Bischöfe von Laibach zugestellt erhalten hat
Sie finden sich vorzugsweise im Harteisgraben, um Lainbach,
im Schwalbelthal und im Landl.
Die besten Jagden im Ennsthal finden sich um Schladming.
Gröbming, Haus, am Grimming, am Triebenbach, am grossen
Griessstein, in der Strechau, am Tauem, wo Kaiser Maximilian
ein Jägerhaus erbauen liess *) ; dann um Oppenberg, Donners-
bach, in der Sölk und in vielen anderen Gegenden.
Viel Sorgfalt hat der Kaiser Maximilian auf die Jagd im
oberen Murthale verwendet; auch in Scheifling liess er ein
') Sollte dies das jetzige Gasthaus in Hobentauern sein, das recht
altcrthamlich ausschaut und wirklich aus dem 16. Jahrhundert zu
stammen scheint?
— 31 —
Jagdhaus bauen, er bestellte in der Person des Hans Harlanger
einen Forstmeister und einen Forstknecht in Judenburg.
Trotzdem aber Hess sich hier keine zufriedenstellende Jagd
erzielen. Einmal sind die Höhen allzustark mit Bauemgehöften
bedeckt, dann sitzen in diesen Gegenden zu viele Herren : der
Bischof von Seckau, der Abt zu St Lambrecht, die Herren
von Stubenberg, Liechtenstein, Teuffenbach, Pranck^ Greswein,
Galler u. a. m., welche viele Jäger haben, die das Wild
schonungslos erlegen. Auch an Wilderem fehlt es nicht, welche
das Wild verscheuchen. Die prächtigsten Hirsche verschwinden
und ihre Felle kommen bald nachher bei den Gerbermeistem
2u Judenburg wieder zum Vorschein. Obwohl die meisten
dieser Wälder an der Mur landesfürstlich sind, so nehmen sie
doch die genannten Herren für sich in Anspruch, wenn auch keiner
einen Beweis vorzubringen vermag. In diesen Gegenden, sagt
die Denkschrift, ist jede Mühe verloren.
B e i 1 a, j:^ e.
I.
Vermercklit die hierss- vnd jembssjaid, so zum vorstambt
im Innernperg des Eysnerczt beschriben vnd von kay .
Mt. etc. hochloblicher gedechtnuss zu kayen verordendt, auch von
lierrn Wilhalbn von Greis kays. Mt. obristen jagennaister
vnd Hannsen Hawgen irer kay. Mt. ambtmann vnd vorst-
maister baider Eisen erczt irer kay. Mt. rete vnd Caspar L ech-
taller beriten, beschriben vnd zum taill bejagt sein.
1.
Jaid im Eisennerczt vnd Trag? s.
Erstlich etliche lustliche hierss- vnd jembs jaid an ainem grossen
pirg haist am Griestain, Newbaldt, Ogsenwisen vnd der
(Isolegg, ligt, so man von TragÄss in das Eisennerczt
ziehen will , auf paid Seiten ; auch ain guet jembssjaid im Stain
vad der Maur darob ; diser jaid zeucht sich die fraw von Goss
an, bat aber nie nichts darumb zaigen noch furbringen wellen.
— 32 —
So stend samer zeit die grossen hierssen von dem jangen
wilbret hinaws in das Tragosstall bis gar gen sanndEathrein
auf des von Stnbenberg grant, die alsdann von den pawren vnd
rfiden nidergeworffen auch von der herschaft daselbs gejagt vnd
gefeit werden; deshalben ist auf der kay. Mt. beuelch lawt bic-
nach gestelter abgeschrift mit der abbtessin von G o s s gehandelt,
das sy der enden nit jagen soll, darumb ir die kay. Mt. jarlich
ain hierssen für ir vermainte gerechtickhait aus gnaden geben
vnd gen Goss antwurten lassen sol; das hat sy angenomen vnrl
zu thuen zuegesagt.
Mer ain lustig jembss jaid herein pas an der Vobismancr
hat auch daselbs vnden im wald herab rat- vnd swarz wild, peni
vnd wildswein.
Mer ain guct hierss jaid vom Gsolegg herein die wassersaig
gegen dem Eisenerezt von der hierssgrueben, krautlen, Ylbenlen
Wintereben ^) vnd pirg daselbst, lauft der Trafeng zue, deshalben
muessen die ort am Glatz vnd dem S a 1 1 ") woU besetzt sein,
sunsst lauft es dem Prepfthl zue.
Ain jaid vom Prep ftchl oderLeubmer auch dem Glatz
vnd vom erczperg stend zutzeiten guet hierssen sumer vnd wintor
zeit, haben aber daselbs von der pauren rüden, ertzfllrern vnd
andern nachsleicher wenig frits; wo man die jagt, dringen dem
kolperg oder dem erczperg zue.
Aber ain guet hierssjaid von der Veisster ^) vnd dem Lcng-
nitztall lauft alles auf den pach der TralTeng ^) vnd gar in das
Eysenertz, wo es ordenlich verwardt vnd bestelt werdt.
Im Yordernberg des Eysenertzt ist sich kains lustsjaids
noch wilpan zuuersehen . allain was an der W e i t a w ^) ist,
welcher alben zutzeiten hierssen stend, sein aber nit bleiblich,
dann sy mit viech vnd hundten zu vast vberlegt werden, so sein
die leut daselbst zu jagerisch vnd lassen in solchs nit weren vnd
Wirt das wilbret von den nachsleichern vertriben.
Ain treflich hierssjaid hinder dem Erczperg gegen dem
Reychcnstain werts hat albeg winter vnd sumer grass hirssen
daselbst, muessen die seitenpheder vnd die hoch vber den kogi
verstelt vnd verwart werden, so lauffen die hierschen all dem
ertzpach zue vnd gar in marckht, ist lustig vnd gewis.
^) Krautlehne, ülmlehne, Wintereben am Abhang des Polster.
2) Damit dürfte der Sattel des PräbOhl gemeint sein, der den Polster
mit dem „Rössel'' verbindet,
s) Feister, Gegend am Erzberg.
*) Trofeng, Bach und Dorf bei Eisenerz.
'*) Weidan, Alpe in der Gemeinde Vordernberg.
— 83 —
Ain gaet lustig vnd schon jaid vom Tuernfeld-thorl
vnd Teicheneckh ^), so man vber das pirg von Eheichl-
va n g ^) zeucht, herab für die albm der C a 1 i t z e n '), es mnessen
aber die ansleuff vber sich auch anf paiden Seiten anf aller
hoch woU verstelt werden, alsdann lanft es der Ramsaw oder
der Peraas^) zne auf den Ertzpach.
Mer ain lustig jaid vom Redmeregg vnd der EftchP),
lawft dem Hals ') vnd der Ramsaw zue hat guet hierss, man mnes
aach das phat an die vellsalbm verstellen.
Aber ain hierssjaid vnderm Halls vnd den Retten in dem
Zermech, stend albeg guet hierssen, soll oben in der want,
damit sy nit vber sich ausmugen, besetzt werden vnd gleich
darob ist das allerlustichist gembssjaid vom pesen Honhart ^)
hervber an den Retten, da muessen die jembsen auf die schut
herab, gar auf die eben vnd mag auch ain herr sy jagen, hetzen,
answerffen vnd in den neczen vahen oder schiessen sehen vnd
bedarf nicht steigen. Die kay. Mt. hochloblicher gedechtnnss ist
auf der senft dartzue gefaren vnd hat es alles gesehen.
Mer ain guet hierss jaid von der Galleiten ") vnd der Anas-
albm '), lawfft dem Tuell zue vnd vber den Tuelegg ^^) vnder dem
niarckh an Erczpach.
Aber ain hierssjaid von Muni cht all hinein vnder dem
Teltzstain ") hat guet hierssen lauft gern dem Seeperg oder
derWultzing^'^) durch dieSeawn^^) zue oder hinab an den Ertzpach
') üeber Teicheneck führt der Weg nach Kalwang.
^) Kalwang.
^ Vielleicht Lasitzen? Dies wäre ein Gegend-, Thal und Almname in
der Gemeinde Krampenthal bei Eisenerz.
^) Die Beres in der Ramsau bei Eisenerz.
^) Am Kaiserschild heisst heute noch eine Stelle die Kaiserkuchel,
welche Bezeichnung aber erst zur Zeit Kaiser Ferdinands U, ent-
standen sein soll, der dort manchmal den Imbiss nahm. Da kaum
eine andere Gegend hier verstanden sein kann, so mttsste diese
Bezeichnung älteren Ursprungs sein.
*) Radmerhals heisst allgemein einfach „der Hals".
^ Der Honhart in der Ramsau.
')6alleithen, Alpe in der Gemeinde Krampenthal, auch Galleithen-
graben mit der Beres am Eingange.
*) Vielleicht die Amensalpe (Krumpenthal).
'^0 Thal eck, eine Höhe bei Eisenerz, zu der man durch den Thul-
graben kommt. Wo sich der Thalgraben und das Miinichthal ver-
einigen, liegt der Bahnhof.
^0 Darunter werden wohl die Fölzmaaern gemeint sein, ein Gebirgszug
bei Eisenerz, dessen Gulminationspunkt der Kaiserschild ist. Ein
Fölzstein, Fölzbach, Fölzalpe, Fölzgraben finden sich auch bei Aflenz.
^*} Wilzing und Zargenkogel in der Nähe des Leopoldsteiner Sees.
'^ Seeau, ein grosses Thal hinter dem Leopoldsteiner See.
)(ittt«U. dM hbt. VmiBB f. Steiemutfk, XXVUI. Heft, 1S80. 3
— 34 —
Auf dem Yeltzstain ist das aller treflicbist vnd niaii^t
jembssjaid das höchst vnd gresst pirg, ist auch die mueter, daracf
sich die jembss meren vnd ireu valtz haben vnd werden der oft
vntzalper vill wie die hert viechs beieinander gesehen, sein auch
on menigen orten auf bemelter albm zu jagen, aber kay. Mt.
hochloblicher gedechtnflss hat die nie betrueben noch jagen lasseu
wellen, sonder alls die muetter der gembss, dauon alle vmblignnde
pirg mit gembsen beseczt werden, gefreit, es sein auf ain zeit
in dreyen khuplen oder schockh von dem vorstkhnecht genannt
Yeytl ob achthundert bis in tawsendt getzelt worden. Es hat anch
Kaiser Maximilion ain vergulten schilt mit ir kay. Mt. wappen
derselben ort in die mauer tragen lassen, so vindet man aucb
sumerzeit auf der Yeltz albm guet hierssen.
Etliche guete hierss jaid von der Wultzing, Zargen
vnd hindern Seeawn auch derWildalbm vnd demGroskogI
lauft alles auf den see oder dem seeperg zue oder hinder sich
an die Saltzaw, hat auch in der hoch der mauer vill jembseu.
Das jembss am Seestain ist auch ain treflicher lustjaid
vnd mag ain herr auf ain tag daselbs jembsen am Seestain.
hierssen in der Seeaw vnd guet visch im see mit einander jafren
vnd vahen, wie dann die ka. Mt. selbs gesehen vnd die kay. Mt.
hochloblicher gedechtnflss offt probirt hat.
Mer ain treflich hierssjaid von der Newstickl ^) vnd dar-
gegen vber von der M o r d a w, laufft alles auf den Ertzpach, ht
die wart in der Jessingaw zu bestellen.
Mer ain hierssjaid von der Tuernfels vnd dem Fridrirhs-
eckh laufft alles auf den Ertzpach.
Etlich treflich hierssjaid von der ra^en Maur'*^), der
Wannthawsch eiben '), hifl(?) vnd satl, laufft bei der hifl-
pruggen oder der wildpretwisen in der Hiflawn an.
Mer zway hierssjaid vom Pawngartvorst, Lainpachegg
vnd Ofengraben lawfft bey der khreutzprnckhen an das wasser
die Radmar vnd Ertzpach an.
Ain guet hierssjaid am Preslapm vnd Khrautgarten\)
laufft an den Redmerpach vnd dem Netztall gewondlich zue.
Ain guets jembsjaid am W e 1 d 1 vnd dem S t e n g l, so dar-
gegen vber ist, wegslen von ainem perg zum andern durch den
*) An der Grenze der Gem. Eisenerz und Jassingau.
^) Rothe Mauer, eine Wand bei Hieflau.
') Wand au, ein Pass mit Brücke über die Enns an der Grenze der
Bezirke Eisenerz und St. Gallen.
^) Der Krautgartenbach mündet in den Radmerbach, an dem die
folgenden Oertlichkeiten liegen.
— 35 —
Redmer pach, ist vasst lastig, mag ain herr auf der eben halten,
siecht ynd bort alle ding.
Aber ain guet hierssjaid vom Khirchperg, derStenglaw
¥nd der Scbatlenten, lauft an den rorpach oder an das hynder
XetztaL
Ain hierssjaid vom Houhart vnd Honhardts graben lauft
an Achernpach.
Mer etliche treffliche hierssjaid von Ah er nach demZey-
ersprwnn vnd Snechkar, lauft alles an Ahernpach.
Mer zway treffliche vnd schone hierssjaid von Kuepachkar
\üd des bertzogen Camer, lauft auf den Rorpach.
Trefflicher lustiger hiers&jaid zway von paiden seiten zu
jagen vom R o r heraus vnd Lebleusprwnn auf der ain seiten
vnd vom Neu bürg vnd der Yils, auf der andern seiten hat
albeg gross hierssen.
Ain treflich jembs auch hierssjaid am Nogaur auch am
Noganerkar vnd daselbst vmb stend albeg vil jembsen vnd hirssen.
Mer ain guet jembsjaid am S e g e n p a u m, ist lustig zusambt
dem jaid am weide daselbs.
2.
Die jaid imCamcrtall zu der herschaft Camerstain *)
gehorent, haben des von Dietrichstain erben in.
Im Camertall hat es vill treflicher jaid, sein aber, sider
damit von Trautmanstorf die herschaft dem Dietrichstainer abtreten
hat, nit gejagt worden, es stet aber in den hernach genanten
plrg weiden vnd greben vii rat hoch vnd swartz wildt.
Erstlich ain pirg vnd graben haist der Thurtin, stet
gewondlich rat vnd swartzwild.
Mer pirg vnd tall haist der Renach, hat auch allerlay
wilbret.
Mer ain tall zusambt ainem pirg auf paiden seiten, haist
der Hagenpach.
Mer von paiden seiten von der Redingawn, die magt-
^sen vnd tobergraben.
Mer ain trefflich pirg stosst binden an den Techenegg^),
welcher perg im Eisenertzt ligt, sein zwen trefflich greben, jeder
i&it ainen lustigen wasser haissen die kurtz vnd lang Techen,
hat vil Wilds.
Mer ain wald haist der Wolfsgraben.
*) Kammerstein, jetzt' Raine zwischen Kammern und Mantem. Die
Gegend von Kammern heisst noch Kammerthal.
') Teicheneck.
3*
— 36 —
Mer die teller an der L i e s i n g vntzt in den wald, so sich
iierr Hans Hofinan annymbt zu der Strechaw.
Mer die Melding bis in den wald sand Ehnniganden.
Mer. zway grosse pirg der Treffing vnd Trautersperg
susambt dem Yeitscher.
An welchen obgenanten orten allen vill wilbrets zn zuglen
vnd ain fürstlicher treflicher Inst zu machen wer, wo die herschaft
vnd inwoner derselben orten Ordnung dulden vnd leiden wolten.
3.
Dise nachgeschribne jaid . hat anfengklich her Alexander
Ehuendorffer, so abbt zu Admund erweit worden ist, kay. Mt.
hochloblicher gedechtnuss lawt ainer verfertigten verscfareiboDg
zuegestellt vnd geben; alls aber der bischolff von Laibach der
abbtey zn Admund zu Rom als ain Gomentator zu sein erlangt
hat, die kay. Mt. mit dem bemelten von Laibach auch handeln
lassen, das er die bemelten admundischen jaid mit im zuetellero
irer kay. Mt. auch bewilligt vnd voligen lassen, hat die auch
Hanns Hawg irer kaj. Mt. rat, ambtman vnd vorstmaister daselbs
lawt kay. Mt. bevelch vnd Instruction, so in diesem puech mit
vnd B 1 ') vertzaichent sein ingehabt, vorsstknecht daraufigesetzt
vnd gejagt hat.
Den Hartleinsgraben vnd Saltzpachkhar^) ist
albeg im streit gestanden mit den Admundischen.
Den Hartleinsgraben wiewol den vormalls albeg die vorst-
maister inngehabt vnd gehait, so ist er doch jetz durch den von
Laibach auch eintzogen worden, dann Haidenraich vnd Zolner
haben in die eintziehen lassen.
DerLainpach vnd SwelbltalP) sein auch gehait vnd
jetzund admundisch, sy haben aber bey des Hawgen Zeiten daselbs
nit jagen thuren vnd sunderlich des Lainpachegg der Scheiben
vnd daselbst vmb sich enthalten muessen, hat auch der Hawg
vorstknecht daselbst gehabt vnd nach beuelch kay. Mt. gejagt.
Das Lenntl vnd Khirchperg sein auch admandisrh.
haben aber nichts weniger an der grenitzen still halten muessen.
Vnd alle jaid so herdishalb vnd ennhalb der Enns pis auf
den R 0 s t a t vnd vbergang sein , welche jaid der von Laibach
«) Vgl. 8. 16.
^) Der Harteisgraben mündet in das Gesäuse, das Sulzkar, das unter
dem Saltzpachkhar verstanden sein dürfte, ein daneben liegendes
Hochthal.
*) In der Gemeinde Landl zwischen Hieflan und Reifling. Ist das (oV
gende Lenntl.
— 37 —
zu stoBd an nach der kay. Mi. abgang eingenomen vnd der jar
ansgang nach inhalt des vertrag nit gewart hat, haben vormall
still sten vnd dert orten so nachent njt jagen thnren.
Nw lawt der kay. Mt beneich vnd vertrag, so der von
Laibach bewilligt, selb dem Hawgen vberantwnrdt hat, nemlich
von irer Mt. grenitz vnd ain rain ain meill vber landt vnd zwo
meil vber joch vmb vnd vmb lant irer kay. Mt. brief vnd hie-
beilignnder copey mit B vertzaicht.
Wo nnn die kn. Mt. den bemelten vertrag mit dem von
Laibach nit vernewt vnd irer Mt. wilbret im Eysenertzt mit frid
der hayung zn hilff khnmbt, dann gedachts wilbret somerzeit
hinvber auf die bemelten admnndischen grnnt stet, do es alsdann
zu stnndan nider geworfen vnd gejagt wirdet, datnit solchs ab-
gesteh werde vnd den Orten so hitzig nit roer jagen, so ist irer
Mt. hayung alles vergebens vnd verloren vnd zugelt ir Mt. nuer
deo admnndischen jagem albeg zu jagen das wilbret, so von kay.
Mt. ans der hayung hinvber steet.
IT.
Yermerckht die hierss vnd jembssjaid so im £ n s t a 1 1 vnd
zunegst daselbst vmb in der herschaft Strechaw, Wolcken-
stain vnd Selckh gelegen vnd durch Casparn Lechtaler
obristen pirgmaister vnd Lienharten Hawser gejagt vnd
beschriben sein.
Hierssjaid im Ennstall.
Ain hierssjaid genandt die Ramsaw ob Sladming, hat sein
flacht an die Enns vnd mag die kay. Mt. zu Sladming ligen.
Ain hierssjaid genannt amEhochhof, fleucht an die Enns,
mag sein Mt. zu Sladming Grabming oder Haws ligen.
Ain hierssjaid genannt auf Startzen, hat auch sein flucht
an die Enns vnd mag sein Mt. zu Gstat ligen.
Ain hierssjaid genannt amNiderwald, hat sein flucht an
die Saltzaw, mag sein Mt. zu Grebming oder Miterdorf ligen.
Ain hierssjaid am Grimman, hat sein fluch(t) an die Enns,
mag sein Mt. zu Iming ligen.
Ain hierssjaid genannt imRormosim Weissenpach, fleucht
an die Enns, mag Ir. Mt. am Weissenpach ligen.
So sein zway hierssjaid ains genannt im Sali vnd das ander
gcnanndt am Schwartzenegg der kay. Mt. zuegehorig vnd
an der von Admunt grnnt gelegen, daran das rat vnd swartz
wild wynnter vnd sumer zelten seinen stand hat; die bejagen
die admnndischen jager.
— 38 —
Im Paltentall stet ancb etweoill, welchs auch die Ad-
mundischen bejagen vnd gantz Sdten.
Erstlich ain jembsjaid genanndt im Grnenpacfa in der
wilden Trfieben.
Ain jembssjaid genanndt am Ambtman auch in der wilden
Trieben.
Ain jembssjaid genanndt am Griesstain auch in der
wilden Trueben.
Die jaid sind alle fdr ku. Mt. vnd mag ir Mt/ dartzae
geen Reiten vnd am Tanren ligen.
Ain jembssjaid in der Strechaw am Hohen Henngst,
genanndt am Polster.
Ain jembssjaid am Hochen Henngst genanndt am Ziersst.
Ain jembsjaid am Nidern Henngst.
Ain jembssjaid genandt im Stainkar an hochen Henngst.
Der jaid amThanren, so trefSiche lustjaid sein deshalbeu
die kay. Mt. hochloblicher gedechtnuss ain haus hat pawn lasseu,
derselben jaid zeuchen sich die Admandischen diser zeit anch an.
In der Strechaw hat kay. Mt. auch ain hans pawn lassen,
sein vast treflich vnd lustige jaid , ist woll ain vorstknecht im
£nnstall, siecht aber wenig darauf, der phleger auf Strechaw lesst
im kain gewalt.
Die jembsen an diesen jaid haben all ir flucht an den hochen
Henngst, sind lustjaid vnd mag ir Mt. dartzue reiten vnd am
Tauren oder auf der Strechaw ligen.
Ain jembssjaid genanndt an der Rewteralbm.
Ain jembsjaid genanndt das Laufkhar, gelegen znnegst
an die Reuteralbm in der Strechaw.
Ain jembsjaid genannt am Haderkhar.
Ain jembsjaid genanndt das Jndnkhar.
Sein alle viere lustjaid vnd mag ir Mt. dartzue gen, reuten
vnd im jegerhaws in der Strechaw ligen.
Ain jembsjaid genannt am Pockhstain vnder dem hochen
khar, ist ain lustjaid für kay. Mt. vnd mag ir Mt. im Noppen-
perg oder in der Zeiring ligen.
Ain jembssjaid amPosen snee, mues man am Schadstain
vnd Pustereckh antziehen vnd hetzen, so hat dann das wild sein
— 39 —
äocht aa den posen snee, dartzae sein Mt. reiten vnd das gancz
jaid sehen vnd in Dornspach ligen mag.
Äin jembssjAid genannt am 61a t, ist ain lustig jaid far
kay. Mt. vnd mag ir Mt. auch in Dornspach ligen.
Ain jembssjaid genanndt am Gagler, ist ain lustjaid, mag
kay. Mt. zu Weltz oder im Dornspach ligen.
Ain jembssjaid genanndt an der Raten Wannt, mag sein
Mt. im Donrspach ligen.
Ain jembssjaid vom Hochstain, mag sein Mt. zu Iming ligen.
Ain jembsjaid genannt im Schrein auf michel Iming^
dartzue sein Mt. reiten vnd zu Irning oder im Donrspach ligen mag.
Ain jembssjaid in der Grossen Selckh, genannt an der
Glockhen.
Ain jembssjaid genanndt am Durren Ridl.
Ain jembssjaid genannt am Gruenen Ridl.
Ain jembsjaid genannt am Hochen Canall.
Zu disen vier jaiden mag ku. Mt. in der grossen Seickh zu
sand Nicla ligen.
Ain jembssjaid '). genanndt zu den Hasenoren.
Ain jembssjaid in der Klain Seickh an die Kerbein.
Ain jembssjaid in der Klainen Seickh genannt am
äQlauf, ist ain lust jaid, mag sein Mt. in der klain Selekh liegen.
Ain jembsjaid genanndt an der Graswaundt.
Ain jembssjaid genanndt in der Wildenstell.
Zu disen jaiden mag sein ku. Mt. zu Sladming oder Haws ligen.
Ain jembsjaid genanndt am G & 1 1 e e g g.
Ain jembsjaid genanndt an dem Hintern Ofennach.
Ain jembsjaid genanndt an den Vordem Ofennach.
Dartzae mag sein Mt. zu Sladmyng ligen.
Ain jembsjaid genannt am Nuetich, mag sein Mt. zu
Renten ligen.
Ain jembsjaid genannt in den Lachfeldern.
Ain jembsjaid genannt an Miterweg.
Dartzue mag sein Mt. auch zu Renten ligen.
Ain jembsjaid genanndt am Gruebstain in der guantz,
dartzae mag sein Mt. auf der purg ligen.
') Es steht: hasnbssjaid.
— 40 —
Ain jaid genanndt am Hoch^staiD, mag kay. Mi. baide
jagen vnd an der pnrg ligen.
Ain jembsjald genanndt am Melegg mag sein Mt auf
Wolckhenstain ligen.
Ain jembsjaid genanndt am Steg im Weissenpach.
Ain jembsjaid genanndt an Hochen Hörn.
Ain jembsjaid genanndt am Prwnnstain.
Ain jembsjaid genanndt am Gasennz.
Zn disen vier jaid0n mag sein Mt. za Luetzen oder im
Weissenpach ligen.
Ain jembsjaid genanndt am Rabenstain, mag kn. Mt
zu Lnetzen ligen.
Ain jembsjaid genannd der Adningstain vnd Pos-
ruckht, dartzue mag sein Mt. zu Spitell ligen.
Drew jembsjaid ains genanndt der Puechstain, das ander
der Reichenstain vnd das drit der Fritzstain, daran
steen etweail jembsen aber die admnndischen jager ftten es alles.
III.
Die jaid im Muerpoden hinaaf von Jndenbarg nach
der Muer vntzt gen Scheifling, auch auf Moraw vnd sand
Lamprecht.
Nachdem die kay. Mt. hochloblicher gedechtnoss die hajnng
des wllpan hinauf im Mnerboden auf J adenbarg vnd von
Jadenburg bis gen Scheifling vnd daselbs ain aigen jaid
haws hat pann lassen vnd von dann verrer bis gen Moraw auch
auf die selten hinein vntzt gen sand Lamprecht bestelt verordent
vnd ainen aigen vorstmaister aaf dieselben jaid nemlich Hannsen
Harlanger zu Irnfritzstorf, so ain grosse meill ob Moraw ist,
auch ain vorstkhnecht zu Judenburg mit namen Laiencz Hetinger
gehalten vnd besold, so hat sich doch derselben ort vmb vnd
vmb kain rechter fürstlicher lust bei vill vleis, mue vnd arbait
nit wellen aufrichten, noch ain wildpan wellen zuglen lassen aus
vrsachen, das die weld daselbst bis auf alle hoch an vill orten
mit hofen vnd paaren heusern auch derselben arbait vasst vber-
legt sein, zum andern so sitzen der art will treflicher prelaten,
herren vnd landlewt nemlich der bischolf vnd probst zu Sekhaw,
abbt zu sand Lamprecht, der herr von Stubenberg zu Fraanburg,
die Herren von Liechtnstain za Moraw, herr Sebolt Pogl zum
Reiffeustain, herr Seifrid Windischgretzer zu Ehetsch, herr Hanns
vnd Jörg von Teuffenpach, die Prangher, die Greswein, die Galler
— 41 —
vnd ander mer, die jager vnd knecht haben, so alle ding ersleichen
(las fliegnnd wild vnd reisjaid für ain vrsach antzaigen vnd sein
offt grass hirssen geschossen vnd nidergeworffen vnd die hewt
bej den ledrem zw Jndenbnrg vnd andern orten gefunden worden,
aber niemandt hat solchs wellen gethan haben, ist auch den
forstkhnechten offt generlich gestanden. Dann etlich sagen, sy
sein gefrejdt, aber ir kainer pringt sein freyhait ftir vnd ist die
freundtschafft vnd geselschafft zu gross vnd tar niemandt danon
reden auch die knecht sich nit allein wagen vnd sein der him-
liehen nachsleicher der orten gar vili, welchs das wilbret scheicht,
flewcht vnd verwegslt sein stend, deshalben alle hayung an dem-
selben ort verloren ist.
So sein die hoch vnd swarcz weld enhalb vnd herdishalb
der Maer der merem teill kn. Mt. vnd geboren zn dem gesloss
Epenstain, in welchen weiden daselbst man jecz mit arbait stet,
der anderen weld ziech sich an Graf Jörg von Montfort, der
pischolf auch der probst von Seckhaw, der abt von sand Lam-
precht, der.herr von Stnbenberg, der Windischgretzer, Prangher,
Teaffnpacber vnd ander mer sagen, sy sein ir; haben aber nie
nichts darumb fnrbracht noch ^ehen lassen, es hilfft auch kain hay ^).
0 Hegnng.
Anmerkung. Herrn Lehrer und Bezirks- Gorrespondenten Joh K r a i n z
in Eisenerz verdanke ich viele Mittheilungen aber die alten Benen-
nungen von Orten und Gegenden, deren neue Namen nicht immer
leicht erkennbar sind. Es sei nachträglich noch Folgendes bemerkt :
Zu S. 33: Betten ist heute ganz unbekannt; Zermech heisst
jetzt Z er mach und ist die Mauer, an deren Fuss der Weg vom
Bärenlocb zum Badmerhals fuhrt. Die Schutt ist die noch heute
bekannte B&renlochschutt.
Zu 8. 34: Zargen sQdl. vom „Roller'' und nö. vom Wilzing-
kogel. Es gibt eine Hohe Zargen mit dem Zargenkogel und eine
Niedere Zargen oder Rohrmauer. Unter Wildalbm ist jedenfalls
das Dorf Wildalpe und unter Saltzaw der Fluss Salza zu verstehen.
Unter Tuernfels ist die Dürre Fölz gemeint.
Zu S. 35: Kirchberg, Stanglau und Ach nach (das alte Aher-
nach) in der Gem. Radmer. Zeyersbrunn ist das Antonibrünnl am
Zeyres, im Finstergraben. Ror ist ein Sumpf auf Neuburg d. i. Berg
and Sattel hinter dem Schlosse Greifenberg in der hinteren Radmer,
wo sich auch der Lebleusprwnn d. i. das Brünnl am Loibner
befindet. Der Nogauer ist der Lugauer.
-(5S£>
Doctor Adam von Lebenwaldt,
ein steirischer Arzt und Schriftsteller des 17. Jahrhundertes.
Biographische and culturhistorische Skizze
von
Dr. Richard Peinlich.
Einleitung.
Als Lebenwaldt im Jahre 1694 sein bedeutendstes
Werk, das „Arzneibuch", in die Welt schickte -und seine
hervorragendsten Kollegen demselben neidlos ihren Beifall mit
auf den Weg gaben, da rief ihm der Marburger Physiker
Dr. Joh. Bened. G r ü n d 1 1 '), selbst ein gewiegter Schriftsteller
auf dem Gebiete der Balneographie, bewundernd zu:
„Dein grosse Wissenschafft kennt man in vielen Landen,
Dein unsterbliches Lob ist überall vorhanden :
Dein Ruhm verwelcket nicht, der Lorbeer-Zweig wird stehen.
So lang im obern Feld die Sternen werden gehen.**
Als dann Lebenwaldt zwei Jahre darauf die irdische Lauf-
bahn beschlossen hatte und die kaiserliche Akademie der
*) Dr. J. Bened. GrOndtl (geboren zu Glogau in Schlesien, gestorben
1705) war in der 2. Hälfte des 17. Jahrhunderts kaiserlicher Feld-
arzt, hernach landschaftlicher Physiker fUr das Viertel zwischen
Mur und Drau und practischer Arzt zu Marburg (Steiermark),
kaiserlicher Pfalzgraf, seit 1685 Mitglied der kaiserl. Akademie der
Naturforscher zu Breslau mit dem Beinamen „Coclius Aurelianus''.
Von ihm erschien 1687 im Drucke: „Boitschocrene , das ist Aus-
führliche Beschreibung dess In Ünter-Steyer weit-berühmbten Roitschcr
Sauerbrunn" etc. (Grätz bey denen Widmanstetterischen Erben.;
Der Physiker zu Schweinfurt Dr. Joh. Mich. Fehr feiert GrOndtl
und Lebenwaldt (1685) als r.Styriae duo lumina*.
- 43 —
I
Naturforscher zu Breslau ihm in ihren Jahrbüchern ') ein
Ehrendenkmal setzte, schloss der Nachruf mit den Worten:
„Corpus putrescat tumulo, mens vivat Olyrapo;
Solaque virtutis gloria semper erit.^
Wer hätte da nicht erwarten dürfen, dass Lebenwaldt's
Nachruhm wenigstens durch ein paar Generationen erhalten
bleiben würde! Aber mit dem Nachruhm und seiner Dauer
hat es ein gar absonderliches Bewandtniss, insbesondere auf
österreichischem Boden. Nicht selten erlosch das Andenken
einst hochgefeierter Personen in kurzer Zeit, weil eben die
Standesgenossen selbst kein Interesse daran nahmen. Ein
solches Los traf Lebenwaldt im eigenen Vaterlande, sowohl
dort, wo seine Wiege gestanden war, als in Steiermark, wo
er durch ein halbes Jahrhundert rühmlichst gewirkt hatte.
Vergeblich sucht man seinen Namen in der Heimatsgeschichte
auf der Liste jener Männer, die dem Lande zur Ehre gereichen.
Niemand weiss von ihm, selbst dort nicht, wo man einst seine
irdische Hülle in die Erde barg.
Bei meinen Studien zur „Geschichte der Pest in Steier-
mark* war ich — fast nur durch einen glücklichen Zufall —
auf Dr. Lebenwaldt's umfangreiches „Land-, Stadt- und Haus-
Arzneibuch" gerathen, welches, wie kein anderes Werk, die
Pestilenz nach allen Beziehungen behandelt Als ich aber in
gerechter Würdigung dieser merkwürdigen Leistung eines der
Steiermark angehörigen Gelehrten Umschau nach einer Auf-
zeichnung von dessen Lebenslauf hielt und fand ,. dass über
das Leben und Streben desselben die Lavine der Vergessenheit
') II Memoria Leben waldiana piis ejus Manibu's dicata per Ephemeridum
Directorem" (Dr. Joh. Paul Wurffbain, Physiker zu Nürnberg). Zu
finden im „Appendix ad annum V & VI. Decuriae III. Ephemeridum
medico-physicarom Academiae caesareo- Leopoldinae naturae curio-
sonim in Germania". (Norimbergae 1700.) Seite 207—216. Der darin
enthaltenen kurzen, aber anthentischen Lebensgeschichte (die Daten
stammen offenbar von Lebenwaldt selbst und von seinem Freunde
J. 6. Schlecht) habe ich mich in meiner Darstellung vollends bedient.
Wo meine Daten aus anderer Quelle stammen, wird diese citirt.
— 44 —
m
gerollt war, da schien es mir denn doch eine Ehrenpflicht der
vaterländischen Geschichtsschreibung, das Verdienst dieses
Mannes und dessen Leben und Wirken an das Tageslicht
zu ziehen.
Die mehrseitige Bedeutung desselben gleich im vorhineiu
ersichtlich zu machen, wird es dienlich sein, eine Uebersicht
der Berufsstellung und Amtswirksamkeit, so wie der Ehren und
Würden, welche derselbe bekleidete, und ein Verzeichniss seiner
Schriften an die Spitze zu stellen.
Johann Adam Christof L e b a 1 d t ') , nachmals geadelt
mit dem Prädicate von und zu Lebenwaldt, war Doctor
der Philosophie und der Heilkunde, practischer Arzt zu Graz,
hierauf Stiftsarzt zu Admont und Leib-Medicus des Abten von
Admont, zugleich landschaftlicher Physicus für das Enns- und
Paltenthal, endlich Arzt zu Leoben und Medicinalrath der
steirischen Landschaft. Vom Kaiser Leopold hatte er die
Würde eines Pfalz- und Hofgrafen, den Adel und die Lorbeer-
krone eines kaiserlichen Poeten, vom Papste den Charakter
eines öffentlichen apostolischen Notars erhalten. Die kaiserüch
Leopoldinische Akademie der Naturforscher zu Breslau, deren
Mitglied er war, erhob ihn zu ihrem Adjuncten. Seine Zeit-
genossen rühmten ihn als Schriftsteller auf dem Gebiete der
Arzneiwissenschaft und der Naturforschung, als Dichter und
Improvisator in der lateinischen und deutschen Sprache und
endlich als kunstreichen Musikcompositeur.
Von seinen in Druck ausgegangeneu Werken sind die
nachstehend unter Nr. 1 bis 6, 8 und 9 verzeichneten bereits
bibliographische Seltenheiten geworden.
1. „Adami a Lebenwaldt etc. Adagia selecta et illustrata, oder
Poetische Vebung vber 300 alt Teutsch-Lateinische Sprich-
wörter, alle mit Reimen erleitert, vnd den redlichen Teut-
schen zu Lob, der vnbetrieglichen Warheit zu Ehre an
') Der Name findet sich mehrfach variirt geschrieben : Lebalt, Lebwald,
Lewald, Leobaldt, selbst Lebolt. Er selbst schrieb sich regelmässig
„Adam Lebaldt" und nach seiner Adelung fast immer „Leben-
waldt''; daher ich hier diesem Muster folge.
— 45 —
Tsig gebracht vnd gewidmet Saltzburg, Bey Johann Baptist
Mayr, Hoff- vnd Academischen Buchtr." (Ohne Jahreszahl.)
Klein 8'». 54 Seiten.
2. „Adami a Lebenwaldt etc. Monostichorum extemporeanorum
Centnria prima, secunda et tertia.'' (Salisburgi, Sumptibus
Joann. B. Mayr. Ohne Jahreszahl. Jede Centurie erschien
zuerst für sich und jede einem anderen seiner Freunde ge-
widmet) 1 2. Alle drei Genturien zusammen zählen 46 Seiten.
3. „Lebenwaldt's Poetische Schimpf- vnd Ernst Reden. ** (Ohne
Druckort und Jahreszahl. 100 Nummern, zumeist epigram-
matische Gedichte.) 12. 62 Seiten.
4. » Leben waldt's 355 Leoninische Yerss, Mit Teutschen Reimen
erläutert'' (Ohne Druckort und Jahreszahl.) 12. 44 Seiten.
5. ,,Lebenwaldt's Poetische Reimgedicht, Von dem Lobwttrdigen
Stand dess lustigen Mayrschaüls-Leben." (4.'° 11 Seiten,
mit einem Titel-Kupferstich, den „Stibichhof" darstellend,
Ohne Druckort und Jahreszahl.)
6. „Poetischer FrUlings-Spaziergang.*' Auf der Rückseite des
Titelblattes findet sich: „A. L. V. V. Z. Lebenwaldt P. M.
C. P. C. N. A. P. P. L. S. R. J. C. N. C. A. D. Ae. S. (Initial-
buchstaben von Namen und Titel.) Poetischer Fraelings
Spatziergang Mit Alexandrinischen Versen entworfifen^ etc.
(Dedication.) 4.*** 5 Seiten.
7. „ Adami a Lebenwaldt , Philosophi et Medici etc. Erstes
Tractatel Von dess Teufiels List vnd Betrug In der He-
breer Cabala, Mit einem Vorbericht Wie der TeuflFel bey dem
Menschlichen Geschlecht auf vnterschiedliche Weiss einge-
schlichen. Klein 1 2. 80 Seiten. Saltzburg, Druckts vnd verlegts
Joh. Baptist Mayr, Hoff- und Academ. Buchdrucker. 1680."
„Andertes Tractatel, Von der List vnd Betrug dess Teuflfels
In der Astrologia Judiciaria, Oder zuvil urtheilenden Stern-
Kunst In welcher klar vor Augen gestellet wird, dass solche
Wissenschafft Grund-loss vnd von dess listigen Teufiels-
Schuelen ihren Urspmng nehme.*' 12. 95 Seiten (Druckort
und Jahreszahl wie oben.)
»Drittes Tractatel, Von dess Teuffels List vnd Betrug In
— 46 —
den Vier Elementen vnd vil andern abergläubischen
Dingen." 12. 149 Seiten. (Druck wie oben.)
„Viertes Tractatel, Von dess Teuflfels List vnd Betrug In
der Falschen Alchymisterey vnd Goldmacher-Kunst, dar-
innen aussführlicher Bericht gegeben wird von den so ge-
nanten Fratribus Roseae Crucis oder Rosen-Creutzem vnd
Theophrasto Paracelso. " 12. 129 Seiten. (Druck wie oben. j
„FünflFtes Tractatel, Von dess TeufFelss List vnd Betrug
In der Berg-Ruethen vnd Berg-Spiegl, Mit einem Vorst^tz
dess Menschenspiegls neroblich von der Physiognomia, Me-
loscopia vnd Chiromantia. '^ 12. 137 Seiten. (Druck wie oben.)
„Sechstes Tractatel, Von dess Teuflfels List vnd Betrug In
der WaflFen- Salben vnd so genannten Sympathetischen
Pulver." 12. 198 Seit. (Druck wie oben, aber 1681.)
„Sibentes Tractatel, Von dess Teuflfels List vnd Betrug In
der Transplantation oder Vberpflantzung der Krankheit''
12. 165 Seit. (Druck wie beim 6. Tractate.)
„Achtes Tractatel, Von des Teuflfels List vnd Betrug in
Verführung der Menschen zur Zauberey : AUwo auch vom
Antichrist als letzten Zauberer gehandelt wird, mit dem
Beschluss, wie man sich vor dess Teuflfels List, Anfechtung
vnd Verführung bewahren solle." 12. 362 Seit (Druck
wie oben, aber 1682.)
8. „Khurtzer Bericht von wunderlicher Tugent vndt würckhung
der Gämbssn Khugel per Adamum Christophorum von Le-
waldt, Philosophiae et Medicinae Doctorem" etc. (Format
Druckort und Jahreszahl unbekannt, der Titel nach dem
Original-Manuscripte des Verfassers.)
9. „Damographia, oder Gemsen-Beschreibung, In Zwey Theil
abgetheilet: Der Erste handlet Von dem Edlen Gemsen,
Der Andere von der Kraflft vnd Tugentvollen Gemsen-Kugel
In Track verfertiget durch Adam Lebwald von vnd zu
Lebenwald, etc. Cum permissu Superioram. Saltzburg. Ge-
. trackt bei Job. Bapt Mayr." 4^ 55 Seit Mit 4 Kupfer-
stichen. (Die Jahreszahl ist nicht angegeben, jedoch auf
1693 oder 1694 zu setzen.)
- 47 -
10. ^Landt- Stadt- und Hauss-Artzney-Buch, in welchem an-
gezeigt und erwiesen wird, wie man denjenigen Krank-
heiten, welche ein gantzes Land oder mehr Oerther
anstecken, sodann durch Contagion und Anklebung ander-
weitig fortgepflantzt und ausgebreitet werden, Als da seyn :
die Pest, Pestilentzial- und Petechialische Fieber, Un-
garische Kranckheit, rothe Ruhr, Kinds-Blattem etc. mit
Gottes- Gnad und Hlüff sowohl durch geringe als kostbare
Mittel Widerstand thun könne. Saromt einer Chronik Aller
denkwürdigen Pesten, sammt einer Information, was zu
solcher Contagions - Zeit I. Status Politicus und Land-
Obrigkeiten, IL Status Ciyilis oder Stadt - Obrigkeiten,
IIL Status Academicus, oder Schul-Vorsteher , IV. Status
Medico-Physicus, oder die Medici mit ihren Untergebenen,
V. Status Theologicus oder Seelsorger zu thun haben:
Dabey eine fünffache Cur zu finden, nämlich Cura Theo-
logica, Prophylactica, Curativa, Refectiva et Purificativa,
das ist: Geistliche Trost- Schutz- Heil- und Krafft-Cur,
sammt einer Anweisung die Häuser und Mobilien zu rei-
nigen: Wobey alle QuaestioneS; welche in dieser Materi
bey denen Practicis, als Theoreticis aller Facultäten vor-
fiülen und disputirlich seynd, möglichst erläutert werden.
Alles mit grossen Fleiss und Mühe zu der Ehre Gottes
und Liebe des Nechsten aus den besten Authoribus zu-
sammen getragen und durch viertzig Jährige Praxin mit
eigenen Experimenten bekräfftiget durch Adamum a Leben-
waldt etc. Nürnberg. In Verlegung Christoph Lochners
Buchhändlers. Anno 1695." (Folio, 720 Seiten, mit dem
Bildnisse und Wappen des Verfassers.)
In den von der kaiserlichen Akademie der Naturforscher
zu Breslau ausgegebenen Jahrbüchern „MiscoUanea curiosa,
sive Ephemeridum medico - physicarum" etc. finden sich von
1684 bis 1694 die nachbenannten 30 „Observationes" von
Dr. Lebenwaldt:
Im 2. Jahrg. der II. Decurie: „De ossibus draconum
vere existentium et eorum usu. — De caecitate ex remedio
— 48 —
superstitioso. — De sanquine caustico. — De miro Tabad
effectu. — De visci quemi admiranda yirtute.*'
Tm 3. Jahrgange: „De femina sine ventriculo vitali —
De admiranda calculi curatione. — De serpentis morsu pede
intumescente mirabiliter curato. — De claudicatione ex caiculo
curata. — De catarrho suffocativo ex constrictione colli.''
Im 5. Jahrgange: „De venaesectione noxia."
Im 6. Jahrgange: „De febri maligna in se ipso. — De Asth-
mate flatulento post febrem malignam. — De hemia varicosa.'*
Im 7. Jahrgange: „De vomitus diutumi cora. — De
morbillorum cura. — De dysenteriae cura.*^
Im 8. Jahrgange: „De remedio evporisto in faydrope
ascite. — De mirabili metastasi. — De sanquinis mictione
ex abusu myrrhae. — De duplici vesica."
Im 9. Jahrgange: „De singulari amnii cum foetu cohae-
sione. — De catarrho epidemico.^
Im 10. Jahrgange: „De foliis aini serpentom charactere
tinctis. — De mirabili diabete."
Im 1. Jahrgange der III. Decurie: „De spiritu comu
cervi in febribus malignis. — De hydropicae anatome. — De
bile comipta."
Im 2. Jahrgange der III. Decurie: „De utilitate Venae
sectionis in pede. — De Podagrae tyrannide.«
BiograpMsche Skizze.
Adam Lebaldt wurde am 25. November 1624 zu »Sair-
leinspach" (Sarleinsbach), einem Marktflecken im Mahlviertel
des Landes Oberösterreich geboren. Der " Vater Aegydios
Lebaldt, Rathsbürger und Marktschreiber zu Sarleinsbach,
hatte aus erster Ehe einen Sohn, Namens Tobias*). Seine
^) Lebenwaldt instituirte zu seinen Erben die drei Töchter seines Bruders
Tobias (selig), (nach dem YerlassenBchafts - Inventar im steirischen
Landesarchive) woraus zu ersehen war, dass er einen Stiefbruder
hatte. Die übrigen Familiendaten sind auf Grundlage der Pfarr-
Matrikel zu Sarleinsbach gegeben.
— 49 —
zweite Gattin Christiaa Hötzendorfer , Tochter eines Raths-
bürgers zu Rohrbach, gebar ihm sechs Kinder, die aber alle,
ausser unserem Adam, noch im Kindesalter starben. Der Knabe,
welcher schon mit der Muttermilch die Neigung zur Fröm-
migkeit eingesogen hatte, erhielt durch eine vortreffliche Er-
ziehung die Grundlage für jene Frömmigkeit, katholische Innig-
keit, Arbeitsliebe, Treuherzigkeit und Biederkeit, die ihn als
Mann auszeichneten.
Derselbe befand sich noch in den unteren Lateinschulen,
als sein Vater 1 640 starb. Dies brachte übrigens keine Aen-
(lerung in den begonnenen Studiengang, denn höchst wahr-
scheinlich war derselbe damals Sängerknabe in einem der
seiner Heimat nahegelegenen Stifte, oder an der Domkirche
zu Linz. Darauf deutet wenigstens Lebaldt^s musikalische Kunst-
fertigkeit hin, die sich in ihrer höheren Ausbildung bereits
frQhzeitig kundgab.
Nachdem er 1645 die Lateinschule zu Linz absolvirt
hatte, begab er sich zum Studium der Philosophie an die
Universität zu Graz, wo er aber erst am 14. Februar 1647
in die Matrikel eingetragen wurde ^). Die zu diesen Jahren
in Steiermark und in Graz herrschende Pest hatte nämlich
nicht unbedeutende Stöiningen in das akademische Leben ge-
bracht, vom September 1646 bis Ende Jänner 1647 waren
sogar die Schulen ganz geschlossen gewesen und auch die
nächste Zeit darauf nur jenen Studenten der Besuch der Col-
legien gestattet worden, welche von ihren eigenen Mitteln
lebten und innerhalb der Stadt wohnten"^.
Unter diesen war auch Lebaldt, der, sich fernhaltend
von dem übrigen rohen und excessiven Studententrosse, den
Stadien mit solchem Eifer oblag, dass er dieselben „cum laude '^
'*) Der Name ist in der Universitäts - Matrikel „Leboldt" geschrieben.
Ausser Lebenwaldt wurden damals nur 7 Physiker und 25 Logiker
inscribirt.
*) Siehe dazu meine ^Geschichte der Pest in Steiermark ''^ L, 525, und
meine „Geschichte des Gymnasiums in Graz'' im Gymnas. - Jahres-
berichte 1870, S. 42.
UittkeU. des bist. Verains f. St«iennark, JXYUI. Heft, 1880. 4
— 50 —
absolvirte. Uebrigens hatte ihm das Studium der Logik wegen
der damals üblichen Quälerei mit unnützen Spitzfindigkeiten
und Wortklaubereien wenig gefallen, da ihn die Neigung zur
Physik und Naturkunde, als den Grundlagen des medicinischen
Studiums, zog, dem er sich zu widmen beschlossen hatte.
Auf diesen Entschluss hatten Benedictiner aus dem Stifte
St Lambrecht massgebenden Einfluss genommen und noch 1 680
bekannte sich Lebaldt öffentlich diesem Stifte ,,als dem Ver-
anlasser seiner medicinischen Studien^ dankbar verpflichtet').
So bezog er denn im Herbste 1647 die damals hoch-
bertthmte und insbesondere von Medicinem stark besuchte
Universität zu Padua und widmete sich dem gewählten Fache
mit solchem Verständnisse, Eifer und Erfolg, dass er den
Professoren bald besonders lieb und werth wurde.
Aber das italienische Klima schlug dem an kömige
Alpenluft Gewohnten nicht gut an, ebenso wenig dem Er-
krankten die italienische Heilmethode.
Doch ich will diesen Vorfall Lebaldt selbst erzählen lassen,
und zwar zunächst deshalb, um eine Probe seiner Darstellungs-
weise zu geben:
„Mich hat in Welschland febris continua tertiana ergriffen,
welches sich bald in causonem et ardentem veränderte. Es
visitirten mich, weil ich beliebt war, drei Herren Medici. Das
bevor e mangiar puoco wurde alsbald verordnet, keine Ader
ist eröffnet worden. Was geschah ? Das Blut wurde also ver-
brent, dass wegen Dicke die Circulation nicht mehr von statten
gehen wollte. Man machte das Creutz über mich und ich
wurde auf den Weg der Ewigkeit geleitet Der Durst war
sehr gross, vox clangosa et ejulans, der Mund ganz ausgedörrt,
die Zunge schwartzbraun, aber der Verstand that sich nicht
verlieren. Ich schickte um den Barbierer und Apotheker, bittend,
dass jener Blut aus der Ader lasse, der andere mich mit gutem
Julep genügsamen Trankes erlabete. Dictum, factum ! Das Blut
"*) Lebenwaldt's „ Erstes Tractatel von des Teufels List** etc. in der
Widmungsschrift.
— 51 —
war schwartz, dick wie Pech, verbrent und nntüchtig eine
Circulation oder Lebens-Ümkreiss zu verrichten, musste mit
dem Finger aus der Ader gedruckt werden. Die Cur wurde
den Tag etlichemal wiederholet und gieng also glücklich von
statten, dass ich anfienge besser zu respiriren, um das Hertz
ganz leicht zu werden. Darauf folgte ein Schweiss und nach
und nach (Gott sey gedankt) die Gesundheit^ ^).
Mit dieser ersten glücklichen Kur nach eigener Ordi*
nation am eigenen Leibe hatte Lebaldt seinen ärztlichen Beruf
erprobt
Die Erprobung seines musikalischen Talentes fiel ebenfalls
noch in seine Studentenzeit zu Padua, indem er zur Feier des
Westphälischen Friedens ^ein gantzes Musicalisches Amt'' kom-
ponirte, das grossen Beifall fand und von der steierischen (?)
Landschaft mit einem Ehrengeschenk von 100 Thalern aus-
gezeichnet wurde *). Nachdem er bereits die Magisterwürde
der Philosophie*®) erlangt hatte, wurde er im J. 1652 in
der Kathedralkirche von Padua zum Doctor der Medicin unter
Ertheilung grosser Privilegien promovirt.
Bald darauf begann er zu Graz *') die ärztliche Praxis
^ Lebenwaldt's ^ItAnd- Stadt- und Haass - Artzneibuch" III. Theil,
VII. Cap., 8. 878.
^) Die Sache erzählt die „Memoria Lebenwaldiana'', jedoch konnte
beim Nachsuchen in den landschaftl. AusgabebUchem der betrefTende
Posten nicht anfgefunden werden. AIP mein Bemühen, diese Gompo-
sition irgendwo aufzufinden, war firuchtlos.
'^) In dem Diplome, durch welches dem Job. Sauer, ddo. Padua am 8. Aug.
1651, die Promotion zum Doctor der Rechte bezeugt wird, ist Adam
i^Lebald" Magister der Philos. und medicinae Cand. als Zeuge zu
finden. (Gopie im steir. Landesarchive.)
'') Da in der .Chronik Ton Maria Rast«* (Manuscript: „NotataRastensia''
etc. abschriftlich im st. Landesarchive und deutsch bearbeitet im
Drucke herausgegeben von Jos. Carl Hofrichter) unter dem Jahre
1653 Job. Adam Lebenwaldt nobilis graec. (med. Dr. in Leoben)
als Schtller der dort gewesenen Lehranstalt verzeichnet erscheint,
80 muss bemerkt werden , dass dies nur auf einer Verwechslung
beruhen kann, indem dieser, damals schon diplomirter Arzt, nicht
mehr Schaler sein konnte (und es auch nie war); wohl aber ist es
4»
— 52 —
unter Führung des dortigen landschaftlichen Arztes Dr. Hermann
Wamhauser und erwarb sich in kurzer Zeit einen so grossen
Ruf^ dass ihn der Abt des Stiftes AdmontUrban Textor 1655 zu
seinem Leib-Medicus und zum Hausarzte des Stiftes machte ' %
Wiewohl er aber nach seiner Dienstverpffichtung nicht
bloss die ärztlichen Visiten zu machen, sondein in der Apotheke
auch persönlich darauf zu sehen hatte, dass die Medicamente
genau und sorgfältig und jedesmal aus guten Substanzen frisch
gemacht wurden, so bot doch der Stiftsdienst dem thätigen
Manne nicht hinlänglich Beschäftigung. Er bewarb sich deshalb
bei der steierischen Landschaft um die Stelle eines Physikers
für das Enns- und Paltenthal, und überkam dieselbe 1656
mit einem jährlichen Gehalte von 300 fl. rhein. Währung '-).
wahrscheinlich, dass er 1653 auf der BQckreise von Italien den
damals berühmten Wahlfahrtsort Maria Hast besuchte und sich als
frommer Katholik in den coetus Marianus aufnehmen Hess.
1^ Dem Concepte zu einem Bestallungsbriefe des Dr. Joh. Joach.
Anomaeo in Steyer 1618 (im Admonter Archive) entnehme ich in
£rmangelung einer näheren Quelle die Verpflichtungen, welche dcoi
Leibarzte des Prälaten oblagen, nämlich: „so oft derselbe des Doctors
begehren würde, sei es, dass der Prälat inner oder ausser des
Landes weile, soll er jederzeit gehorsam und willig zu erscheinen,
demselben nachzureisen und in allen zutragenden Fällen seinem
besten Verstand nach mit getreuem Rath und ersprieslicher Hilf bei-
springen, dermassen dass er auch alle und jede verordnete Recept nit
allein in die Apotheke verordne, sondern auch sehe, dass sie daselbst
frisch, treu und mit allem Fleiss präparirt werde." Als Stiftsarzt
hat er jeden Monat wenigstens einmal, es sei jemand krank oder
nicht, im Convente zu erscheinen und Nachschau zu halten, „bei den
Patienten (den üeberfluss hindangesetzt) zur Erholung ihres Gesundts
die rechte Nothwendigkeit schleunig zu verordnen". Dafür erhält er
„zur treulichen Vergeltung , Bezahlung und "Erstattung seines ange-
wendeten Fleisses, Mühe und Arbeit" jährlich 100 Reichsthaler
(einen pr. 12 Schilling gerechnet) und zwei Startin Wein, „wie Ihre
Gnaden ihm Herrn Doctor nach seinem Wohl verhalten auch etwas
guten Trunks verordnen werden^. — Lebenwaldt dürfte als in Admont
sesshafter Arzt wohl einen höheren Gehalt und nebst freier Wohnung
und Lebensmittel-Provisionen bezogen haben.
**) Lebenwaldt's Gesuch erliegt im steir. Landesarchive. Die Erledigung
steht im landschaftlichen Registrat. - Protokolle.
— 53 —
Mit welcher Geschicklichkeit und mit welchem Glücke
Lebaldt seines Berufes gewaltet haben mag, beweist die kai-
serliche Auszeichnung, welche dem thatsftchlich noch jungen
Arzte zu Theil wurde, indem er in Würdigung „seiner in der
heilsamen Facultät und freyen Kunst der Arzeney habenden
guten experienz^' und in Anerkennung der guten Dienste, die
er „durch seine wohlerfahrene praxim roedicam bereits in das
siebente Jahr bei hoch und nieder .... erzeigte, am 30. Ok-
tober 1659 zu 7,der Ehren und Würde eines kaiserlichen
Pfalz- und Hofgrafen" erhoben und ihm das Prädicat „von
und zu Lebenwaldt" verliehen wurde '*).
Dass diese Auszeichnung eine aussergewöhnliche und nur
selten verliehene war, ergibt sich aus dem Umstände, dass
sich in der Zeit von 1670 bis 1692 unter den deutschen
Aerzten und Universitäts-Professoren sammt Lebenwaldt nur
acht finden, denen dieselbe zugekommen war, davon nebst
diesem nur zwei Gestenreich angehörten, nämlich der berühmte
Wiener Professor Dr. med. Wilhelm Mannagetta und der steie-
rische Landschaftsphysiker im Viertel Judenburg Dr. Job.
Seb. von Zoltenstein zum Weyer *^).
'^) Nach dem Concepte des kaiserl. Diplomes, welches beim Ministerium
des Innern im Adelsarchive erliegt. (Die Mittheilung verdanke ich
dem Herrn k. k. Staatsarchivs-Director Hofirath Ritter von Arneth.)
'^) Aus dem Verzeichnisse der Mitglieder der kais. Akademie der Natur-
forscher zu Breslau (1670—1692) ermittelt. — Der Gomes palatinus
war ein Kronbeamter des deutschen Kaisers mit der Vollmacht,
gewisse sonst nur dem Kaiser zustehende Rechte im Namen desselben
in reichsstandigen Ländern auszuüben, er besass also nicht blos eine
Würde, sondern auch ein Amt mit gewissen Taxeinkünften für die Aus-
übung desselben. In der Gomitiva minor, die eben Dr. Lebenwaldt be-
sass, gehörte hiezu das Recht, Wappenbriefe zu ertheilen, die Echtheit
von Abschriften kaiserlicher Documente zu bestätigen, nur nicht
bei Fürsten, Grafen und Freiherren ; ferner Unmündige zu beschützen,
unehelich Geborene von dieser Makel zu befreien durch die Erklä-
rung, dass sie ehelichen Kindern gleich zu achten und zu allen
Würden, Aemtem und Zünften zuzulassen seien. Die Nichtbeachtung
oder Verwerfung solcher von Pfalzgrafen ausgefertigter „Briefe" war
mit einer „Pön von 30 Mark löthigen Goldes** belegt, wovon die
— 54 -
Einige Zeit darnach zwischen 1665 und 1677 (das Jahr
konnte ich nicht ermitteln), wurde demselben auch eine hohe
Anerkennung seiner Frömmigkeit, kirchlichen Treue und Ver*
trauenswürdigkeit zu Theil, indem er von dem Papste zum
Notarius apostolicus publicus ernannt wurde.
Im Jahre 1671 löste Lebenwaldt sein Dienstverhältniss
zu dem Stifte Admont, das ihn als „einen sehr erfahrenen
hochverdienten Arzt^ **) mit Bedauern scheiden sah.
Nach einigen Andeutungen in seinen eigenen Schriften
lässt sich vermuthen, dass ihm die Ausübung seines Berufes
durch die zu stark angewachsene Leibesfülle zu beschwerlich
und durch seine leichte Empfänglichkeit für erblidie Krank-
heitsstoffe zu gefährlich geworden war '^).
In der Vorrede einer seiner poetischen PubUcationen *'')
(1679) berichtete er nämlich, „drei M, die anderen ein Vor-
gebirge übler Hoffnungen geworden wären, seien ihm zum
Heile und Hafen in seinen Sorgen: Musa, Musica, Mediana'^.
, Viele Jahre habe er die Medidn ausgeübt, eine gefährliche
eine Hälfte der kaiserlichen Hofkammer, die andere dem betrefTenden
Pfalzgrafen zufallen sollte.
Als Beweise, dass Lebenwaldt als Pfalzgraf fungirte, können
noch vorhandene Actenstücke dienen, nämlich aus dem Jahre 1665
ein Wappenbrief für Hans Gallmann, Hammerverwalter in Klamm
und Trieben, aus 1677 eine Befreiung von der Makel der unehelichen
Geburt des Handwerkers Hans Schwaiger , fius 1678 die Legalisirung
der Abschrift des Adelsdiplomes von Lor. Lauriga, aus 1695 ein
Wappenbrief fUr den Verwalter von Badkersburg Peter Khoppitsch
und ebenfalls aus 1695 die Legalisirung der Abschrift des Adels-
diplomes fOr Mosser Bitter von Mosshardt.
1^ Nach dem vom Admonter P. Urban Ecker angelegten „EUenchus
officialium*^ im Stifte Admont mitgetheilt durch den Stiftsarchivar
Jacob Wichner.
*^) In der damaligen Zeitperiode herrschten sehr oft Petechial-Fieber und
da Lebenwaldt eines ausnehmenden Bufes in Behandlung dieser Krank-
heit genoss, so wurde er hänfig zu Bathe gezogen und bei solcher
Gelegenheit selbst „dreimal per Contagium periculose inficirt''.
(Arzneibuch, Seite 482.)
<*) „Monostichorum extemporaneorum Centuria^ etc.
— 55 —
4
Praxis, deren Lohn sei: si non mors, saltem morbus; indem
nämlich der Kranke nach der Heilung dem^ Arzte die Hand
reicht, so wird er nicht selten der Todtengr&ber desselben.''
„Damit ihm nicht immer die Morbona (Krankheit) als Gast
auf dem Genicke sitze/^ habe er sich nun statt der Arznei*
pflegt der Pflege der Poesie ergeben.
Lebenwaldt übersiedelte von Admont in die benachbarte
Stadt Rottenmann, wo sein Freund Johann Georg Schlecht
von Schlechtenthall als kaiserlicher Mauth - Obereinnehmer
wohnte. Dieses Freundschaftsbündniss war so innig und un-
zertrennlich, wie einst jenes von Orestes und Pylades. Als
daher Schlecht 1674 die Stelle eines „Schaffers^^ im Frauenstifte
Göss (bei Leoben) übernahm und dorthin übersiedelt war,
verlies» auch Lebenwaldt Rottenmann und nahm auf dem Gute
Stibichhof bei Trofaiach, das er sich angekauft hatte, seinen
ständigen Wohnsitz, nur um wieder in der Nähe des Freundes
za leben.
Aus jener Zeitperiode, wo Lebenwaldt im frischen Genüsse
der schönen Natur und der geschäftlichen Unabhängigkeit sich
glücklich fühlte, stammt seine Parodie des Horazischen
^atus ille".
„Felix, qui potent privatam ducere vitam
Aulica Sit reliquis, rustica vita mihi^^ '").
In dieser Zeit des ländlichen Stilllebens und des traulichen
Verkehres mit bewährten Freunden, von welchen auch Johann
Christof von Reichenau in .,Ehrenhaimb" genannt werden soll,
lächelte ihm nicht nur die Muse der Dichtkunst und liess ihn
in fröhlicher Laune die harmlosen Pfeile seiner Epigramme in
die Welt schleudern, sondern drückte ihm auch der tiefe Ernst
der Gelehrsamkeit und Wissenschaft die schwere Waffe des
Geistes in die Hand, um auf Grundlage seiner vieljährigen Stu-
dien und Notaten die bei Gelehrten und im Volke herrschenden
Wahnideen und den Aberglauben seiner Zeit zu bekämpfen.
Rasch auf einander folgten im Drucke seine acht Traktate
'*) Monostich. eztemp. Gent, secunda, Nr. 56.
— 56 —
gegen des Teufels List und Betrug *% die seinen Namen auch
in weiteren Kreisen bekannt machten, ebenso rasch seine
dichterischen Publicationen, die aber mit Ausnahme der „Adagia
selecta'^ ohne Angabe des Druckortes gedruckt, nur für den
engeren Kreis der Freunde bestimmt waren.
Aber auch seine poetische Begabung sollte nicht ohne Aner-
kennung bleiben, indem ihm die Universität Wien die Krönung
mit dem Dichter-Lorbeer zuerkannte, demzufolge er vom Kaiser
Leopold 1 679 das Diplom als Po^ta laureatus caesarius erhielt - ').
In demselben Jahre schlich sich der unheimliche Würgengel
der Pest in die obersteierischen Alpenthäler ein. Flüchtlinge aus
Wien, wo die Seuche furchtbar wüthete, hatten dieselbe an
mehreren Orten eingeschleppt, unter denen auch solche waren,
die im ärztlichen Sprengel Lebenwaldt's lagen, ja sogar — wie
er selbst berichtet — „eine Meile Wegs um seine Wohnung
(Stibichhof) wurden gleich ein Markt und sieben Dörfer inficirt".
Zu Vordemberg und Trofaiach grassirte die Pest 1 680 abermals.
Nun war zwar unser Doctor nicht mehr als Pestarzt ob-
ligirt * % nichts destoweniger entzog er sich nicht, wie mancher
^'^) Die voUständigen Titel siehe vorne im Verzeichnisse seiner Publi-
cationen. Ich ftlge hier die interessante Notiz bei, dass dessen 6. Trac-
tatel Yon des Teufels List und Betrug in der Waffensalbe von der
österr. Regierung verboten wurde. (Catalogus librorum a commissione
c. r. aulica probibitorum. Viennae 1776.)
'^*) Das Diplom ist mit der Jahreszahl 1679 im Inventar der Hinter-
lassenschaft Lebenwaldt's aufgezeichnet, eine andere Quelle zur
Ermittlung des genaueren Datums war nicht aufzufinden.
'•) Nach dem Antrage der landschaftlichen Verordneten, ddo. Graz
22. April 1680, wurde Dr. Ghrysost. Müllauer zu Judenburg als ordent-
licher Physicus für Obersteier (mit 300 fl. Besold.) und Dr. Ferd.
Caccia zu Leoben als landschaftl. Medicus (mit 150 fl.) bestellt; dem
„Dr. Leobalt aber als einen um viel Landsmitglieder meritirten
alten Medico seine Kraft Landtagsbeschluss confirmirten jährl. 150 tl.
ad dies vitae — da sie ihm citra ii^juriam nit benommen werden
können — in Gnaden verliehen <'. (In der Höhe der Besoldung hatten
sich die Verordneten geirrt und wurde ihm die Gebühr von 300 fl.
über Reclamation 1681 zugesprochen.) Bei der Hochzeitsfeier des
Dr. Caccia 1681 zu Leoben erschien Lebenwaldt als Vertreter der
Landschaft und als Ueberbringer des Hochzeitpräsentes derselben.
— 57 —
andere Arzt, seinem gefährlichen Berufe, harrte nicht nur un-
erschrocken aus, sondern half mit Bath und That alle diejenigen
Vorkehrungen und Anstalten treffen, mit denen man damals
der abscheulichen Seuche zu begegnen pflegte, und bewies
sich insbesondere in der Fürsorge für die armen und gemeinen
Leute ungemein thätig.
Dazumal schrieb er auch „etliche Regeln für die Gemein^
welche (in Pestzeiten) nicht köstliche Mittel zu kaufen, oder
ein grosses Buch aufzuschlagen und zu lesen nicht Zeit und
Gelegenheit haben^\ wobei er sich zumeist an die Salzburgische
Infections-Ordnung hielt * ').
Gleichzeitig gab er eine „Particular - Instruction für die
Priester'^ heraus, „wie sie sich in expositione conserviren und
schützen sollen"**).
Kaum war die schwere Pestzeit überstanden, als ein
neuer Schrecken über die Steiermark hereinbrach, der Tür-
kenzug nach Wien im J. 1683. Ein Flügel des türkischen
Heeres nahm seinen Weg sengend und brennend durch den
nordöstlichen Theil des Landes. Ganz Obersteier lebte in
steter Angst vor dem Einbrüche der Kriegsgreuel, da durch
stets sich mehrende Schaaren von Flüchtlingen aus Nieder-
österreich und Wien allerlei Schreckensgerüchte mit gewöhn-
licher Uebertreibung bis in die abgelegendsten Thäler getragen
wurden. Lebenwaldt lebte damals auf seinem Stibichhofe. In
einem Schreiben vom 24. Juni 1683 »0 schildert er die Ver-
hältnisse: „Du möchtest gerne wissen, wie es bei uns zugeht?
Die Musen schweigen, Mars blitzt, Bellona triumphirt! Man
schmiedet Schwerter aus den Sicheln. Die Spiesse der Türken
träufeln vom Blute der Christen. Der Mond steht im Hause
der Erhebung (astrologische Anspielung), die Sonne Oesterreichs
erleidet eine Finsterniss. Nur wenige stehen bei uns waflfen-
gerüstet da , die meisten befinden sich auf- der Flucht Wir
^^ Im «Arzneibuch*" Seite 338 zu lesen.
'*) Ebendort Seite 111.
^^) DaB in lateiniscber Sprache verfasste Schreiben ist an den Präses
der Akademie in Breslau Dr. Lucas Schröck gerichtet.
— 58 —
haben leider keinen Horatius, keinen Cui*tius, keinen Mucius
Scävola. Was mich betriift, so stecke ich hinter den Mauem
meines Schlosses, täglich in Furcht vor Ueberfall, Plünderung,
Raub nnd Brand. Leider besitze ich nicht den Gleichmutb eines
Archimedes. Was ich fürchte, ist zwar nicht der Feind, nicht
der. Tod, aber das Joch der Tirannei."
Der gewaltige Sieg des Christenheeres vor den Mauem
Wien's hob zwar bald darauf jede Angst vor einem Türken-
einfall, dafür aber brachte noch desselben Sommers ein Volks-
aufstand inmitten der steierischen Alpen noch grössere
Schrecken. Holzknechte aus der Gegend von Landl, Berg-
knappen und Schmelzhütten- Arbeiter von Eisenerz erhoben die
Fahne des Aufruhrs, rissen einen Theil der Vordemberger
Eisenarbeiter, ja selbst einige Bauern mit sich und trieben
sich, bis zu 800 Mann angewachsen, drohend und brandschatzend
in der Gegend herum, überfielen Trofeng, plünderten namentlich
die Güter der Jesuiten, indem sie fast ärger als die Türken
wütheten ").
„Sie hätten auch mich geplündert" — schrieb Dr. Leben-
waldt am 3. September 1683 einem Freunde — „wenn nicht
die Wohlthaten, die ich ihnen als Arzt erwiesen hatte, die
raublustigen Hände zurückgehalten hätten** *'')•
Uebrigens hatten diese Vorfälle unserem Lebenwaldt denn
doch das frühere Behagen „an dem lustigen Mayrschaffts-
Leben'' auf unbeschützter Halde stark geschmälert, zumal er
sich in seiner literarischen Müsse und in seinen Studien durch
die wenig gesicherte Lage seines Hauses gestört gesehen hatte,
namentlich in einer chemischen Untersuchung des Salpeters,
über dessen medicinische Wirkungen er schon langjährige
Studien gemacht hatte, deren Resultat alsbald veröffentlicht
werden sollte, sobald er durch Experimente alles selbst
genugsam erprobt hätte.
«•) Nach den Aufzeichnungen vom J. 1683 im Tagebuche der Frau
Maria Elisabeth Stampferin zu Vordernberg (Manuscript) und im
RathsprotokoU von Eisenerz.
«') Schreiben an Dr. Schröck.
— 59 —
Dorcb den Tttrkenrummel wurde die Vollendung dieser
Arbeit gehemmt und verschoben und wie es schon zuweilen
zu gehen pflegt, nie mehr zu Ende gebracht '^).
1684 verkaufte Lebenwaldt den Stibichhof und zog nach
der Stadt Leoben, wo er sich im Mühlthal ein (zur Stadtpfarre
L«oben dienstbares) Haus mit einem kleinen Grundstücke an-
gekauft hatte * *). Hier lebte er als Hagestolz bis zu seinem Tode
in Gesellschaft mit seiner Nichte Katharina Lebaldt, der jüngsten
Tochter seines Stiefbruders Tobias, welche ihm die Hauswirth-
schaft führte.
Der Wohnungswechsel brachte übrigens keine Veränderung
in die unermüdliche literarische Thätigkeit unseres Gelehrten,
gewohnt, keinen Tag ohne Zeile vorübergehen zu lassen, mehrte
er fort und fort seine ausserordentliche Menge von Auszügen
aus gelehrten Werken und zeichnete auch jede seiner eigenen
EHahrungen in der medicinischen Praxis auf.
Daher war er auch einer der eifrigsten Mitarbeiter der
damals hochaufstrebenden kaiserlichen Akademie der Natur-
forscher zu Breslau, welche ihn am 7. Februar 1683 als Mit-
glied mit dem Beinamen Aeskulap H. aufgenommen und am
9. Jänner 1689 zum Adjuncten ernannt hatte. Jahr für Jahr
lieferte er für die akademischen Jahrbücher („Miscellanea
cnriosa") in die Abtheilung „Observationes*' Aufsätze, in welchen
entweder interessante medicinische Fälle und Erfahrungen oder
klimatische Vorkommnisse und naturhistorische Nachrichten
mitgetheilt wurden *'). Einzelnes darunter ist namentlich für
die Culturgeschichte der Steiermark von Bedeutung.
Das von Lebenwaldt gegebene Beispiel und sein Einfluss
regte auch mehrere seiner Collegen in Steiermark zu literarischer
*^) Memoria Lebenwaldiana.
^*) Nach dem Yeriassenschaft-Inventar. Uebrigens hatte Lebenwald 1680
vom Stifte Göss das „Gütl Ehrnhaimb** ob Leoben gekauft, aber
bereits 1681 wieder an Joh. Christof von Reichenau (kaiserl. Kammer-
gntbeförderer, Radmeister und einer des inneren Käthes) in Yordem-
berg Terkanft. (Beide Kaufbriefe im st. Landesarchive.)
^ Die Ueberschriften dieser „Beobachtungen^ finden sich vorne in
dem Verzeichnisse von Lebenwaldt's Werken.
— 60 —
Tbätigkeit an, so finden wir denn als Mitglieder der Akademie
aufgenommen 1685 den landschaftlichen Physiker zu Marburg
Dr. Johann ßened. GrOndtl, 1 690 Dr. Mart. Maxm. Pruggroair
1693 Dr. Friedr. Khem junior und 1697 Dr. Johann B.
von Wenkh, alle drei practische Aerzte zu Graz.
Wie schon oben angedeutet, hatte Lebenwaldt eine sehr
empfiingliche Natur für ansteckende Krankheiten, so geschah
es denn, dass er drei Jahre hintereinander derlei Uebel erbte.
Wiewohl nämlich bereits 1680 ein eigener Landschaftearzt
(Dr. Ferd. Caccia) für das Ennsthal bestellt war, der zu Leoben
seinen Sitz hatte und Lebenwaldt gewissennassen im Buhestand
lebte, so fehlte es demselben bei dem hohen Vertrauen, das
er allgemein genoss, nicht an Patienten, die seinen Rath suchten.
Bei solcher Gelegenheit überkam er durch den Athem eines
kranken Offiziers 1 685 ein böses Fieber, das unter den kaiser-
lichen Hilfstruppen grassirte, die in Obersteier ihre Winterquar-
tiere hatten; 1687 erbte er das zu Leoben grassirende Fieber
und 1688 die epidemische Dysenterie. Aus dieser Zeit stammt
das in seinem stets ungetrübten Humor hingeworfene Bon mot :
„Saepe aegri medicos non munere, fimere donant,^^ zu deutsch :
Nicht selten wirft ein Kranker zum Honorar
Den lieben Doctor auf die Todtenbahr. • *)
3') Lebenwaldt berichtete darüber in den „Observationes^. In seinem
M Arzneibuch'' erzählt er in der Abhandlung „von denen PetechiaJi-
schen Fiebern und ungarischen Krankheiten" (IV. Theil, 11. Cap.,
Seite 462), dass mehr als 30 Aerzte seiner Bekanntschaft, darunt(>r
5 in Steiermark (die Doctoren Latomus, Linus, Montanas, Brand
und Morell) sich durch die Ansteckung bei solchen Fieberkranken
den Tod holten. Von sich selbst berichtet er, „die Wahrheit (doch
ohne eitlen Ruhm) zu sagen, habe ich in 42jähriger Praxi medica
viel hundert mit dieser Krankheit behaffte in meiner Cur gehabt,
ja wann es Morbus epidemicus war, oft in einem Hauss 12 und
mehr Personen ohne absonderliche Scheu die Pulss gegriffen, den
Mund und Zungen examinirt, selbst Medicamenta exhibirt, excre-
menta alvi et urinae besichtigt, dcrowegen ich dreymal per Contaginm
periculose bin inficirt worden, doch mit der Holff Gottes und Gebrauch
der Artzney wieder restituirt worden relicta tamcn morbosa dispo-
sitione."
— 61 —
Ungeachtet dieser krankhaften Affectionen und des zu-
nehmende Alters finden wir Lebenwaldt nicht nur literarisch
thätig, sondem auch von poetischem Geiste angeregt. Seine
gemüthliche Freude an der Natur lässt ihn noch 1690 die
Lyra wieder zur Hand nehmen.
Ein ,,poeti8cher Fruelings Spatziergang mit Alexandri-
nischen Versen entworflfen^^ zeugt ebenso von seinem Fortschritte
im deutschen Rhythmus, als von seiner stets gleichen, feinen
Auffassung der Natur und von seinem Witze.
Insbesondere interessant und schon nach wenigen Jahren
als eine bibliographische Seltenheit gesucht ist die von Leben-
waldt 1693 verfasste „Damographia oder Gemsen-Beschreibung^',
worin er nicht nur mit der gewohnten Gründlichkeit alles ab-
handelt, was in naturhistorischer und sagenhafter Beziehung
hieher gehört, sondern auch von der wunderbaren von ihm
selbst erprobten Heilkraft der Gemskugel höchst merkwürdige
Dinge erzählt.
Im Jahre 1695 erschien endlich das Hauptwerk seines
Lebens zu Nürnberg im Drucke, sein „Land- Stadt- und
Hauss-Artzney-Buch" -*).
Dieses umfangreiche Buch enthält alles, was überhaupt
über Pest und pestartige Krankheiten gesagt werden konnte
in solcher Hülle und Fülle, dass demselben kein anderes
gleichgestellt werden kann. Der Gegenstand wird nach allen
Seiten hin behandelt und beleuchtet und enthält einen wahren
Schatz von auch culturhistorisch wichtigen Daten, die sonst
in hundert Werken zerstreut gesucht werden müssten. Im
"^ Siehe den vollen Titel, der fast ein Inhalts vorzeichniss ist, vorne. —
Der damaligen Gepflogenheit gemäss offerirte der Verfasser Exem-
plare seines Werkes dem Kaiser, der Landschaft, den Prälaten und
hohen Adeligen, die auch nicht ermangelten, mit einem stattlichen
£hren8old die Gabe zu erwiedem. Der Stadt Lcoben schickte es
Lebenwaldt 1G06 zu einem Neujahrspräsent und der Magistrat
beschloss, „da es ein treffliches Werk und ein wohlausgearbeiteter
Tractat sei, neben höflichem Danke ihm von gemeiner Stadt aus
24 Species-Keichsthaler durch den Herrn Bürgermeister zu präsen-
tiren''. (Leoben, Rathsprotokoll.)
— 62 —
eigentlich medicinisch^descriptivem Theile scheint die Masse
der angeführten ärztlichen Ansichten aller Zeiten über ein und
die andere Krankheits-Erscheinung nnd Heilart geradezu er-
drückend und die Auffassung l&hmend, so dass es einer ernsten
Sammlung und einiger Muhe bedarf, um sich den Gegenstand
zurecht zu legen. Diese Ueberfblle in der Darstellung, scheint
es, war auch die Ursache, dass das Werk von vielbeschäftigten
niedicinischen Practikem melir gemieden, als gesucht wurde,
daher man es auch in bezüghchen Abhandlungen selten
citirt findet
Da Kaiser Leopold I. die Widmung angenommen hatte,
so konnte es auch unter dem Schutze des kaiserlichen Adlers
im Drucke erscheinen und Lebenwaldt sprach deshalb die
Hoffnung aus, „dass es von der Zoilorum - Gesellschaft und
Theoninischen Zünfften (schmähsüchtigen Kritikern) unan-
gefochten bleiben werde''. Es war nämlich ein charakteri-
stischer Zug der Gelehrtenwelt jener Zeit, dass es eine
besondere Classe von neidigen und schneidigen Recensenten
gab, die es sich zum Geschäfte machte, jede neue literarische
Erscheinung auf das Heftigste anzugreifen, herunterzureissen
und so um alle Ehre zu bringen. Jeder Schriftsteller hatte
grosses Bangen vor solchen literarischen Folterknechten und
suchte sich auf diesem oder einem anderen Wege sicher zu
stellen.
Eben deshalb trug der Verfasser Sorge, dass sein neues
Werk von bekannten und berühmten Gelehrten empfohlen
werde. Das Titelblatt und ein Summarium wurde denselben
zu diesem Zwecke zugesendet und die hierüber erfolgten
„Aggratulationes" gedruckt und dem Werke vorangestellt
Da alle Gelehrten jener Zeit im Verfertigen lateinischer Ge-
dichte mehr oder minder gewandt waren, geschahen diese
Beglückwünschungen zumeist in poetischer Form mit über-
schwänglichen Phrasen und bei dem gedachten Werke mehr-
seitig mit der so bequem gelegenen Anspielung auf des
Verfassers Namen (Lebenwald, Löwenwald) und auf den
akademischen Beinamen Aeskulap.
— 63 —
Als Gratulanten sind zu nennen Dr. Luk. Schröck,
Physiker zu Augsburg, Dr. Job. Paul Wurflfbain, Pbys. zu
Nürnberg, der erstere Präsident, der letztere Director der
Leopoldiniscben Akademie; Dr. Job. Friedr. Khern, senior,
Dr. Job. B. Wagner, Dr. Job. Micb. Charis, Dr. Job. Jak.
Antonelli de Gonzales, Dr. Job. Friedr. Kbern, junior, sämmtlicb
Aerzte in Graz, Dr. Job. Georg Sixtus, Arzt zu Hartberg und
Dr. Job. Ben. Gründtl, Arzt zu Marburg, welcbe zwei letzteren
ihre Gratulation in deutseben Versen darbracbten.
Der Genuss der Freude am Gelingen seines Werkes
mrAe unserem Lebenwaldt jedocb durch schweres Leiden am
Podagra vergällt. Einst batte er derlei Patienten mit dem
bissigen Epigramm verspottet:
„Ira, Venus, vinum, quodsi sint causa Podagrae,
Cur plures non sunt filioli Podagrae"?")
Dan litt er selbst unter der Tiranuei dieser Krankheit, was
ihn jedoch nicht binderte, sondern vielmehr anfeuerte, dieselbe
zum Gegenstande seiner Studien zu machen, vielleicht gelänge
es denn doch noch zu rufen :
vlnventa est tandem curans medicina Podagram." '*)
In dem letzten Jahre seines Lebens wandte ihm das
Glück, das ihn bisher fast unwandelbar begleitet batte, den
Rücken. Ein schwerer Kummer (welcher Art Hess sich nicht
ermitteln) bedrückte ihn, der früher so humorreiche Mann
versank in Melancholie, die körperlichen Kräfte nahmen rasch
ab, das Blut gerieth in Zersetzung und die Wassersucht machte
seinem edlen Leben ein Ende. Er starb mit den Tröstungen
der heil. Religion versehen in seinem Hause zu Leoben am
20. Juni 1696 im 72. Jahre seines Alters, der letzte seines
Stammes und Wappens, wie er der erste desselben gewesen war.
Die irdische Hülle wurde am 23. Juni in der St. Floriani-
Kirche der Dominicaner zu Leoben begraben *^). Ein Grabstein
'*) Monosticha extemporanea.
**) Observatio Nr. 115 in „Miscellanea curiosa«. (Decuria III. ann. IL)
-^) Nach dem Todtenbuche der Lcobner Stadtpfarre.
— 64 —
und Epitaphium ist heutzutage nicht mehr aufzufinden, indem
die Kirche nach Aufhebung des Klosters im J. 1811 ver
schiedene profane Verwendung erhielt und später baulich
verändert wurde. Gegenwärtig befindet sich in dem Gebäude
das k. k. Kreisgericht.
Seine Hinterlassenschaft war die eines Gelehiten, sie
bestand zum grössten Theile aus Büchern. Er hatte sich
darüber vor Jahren schon oft lustig gemacht und dies ios-
besondere im „Testamentum cujusdam Doctoris^^ angedeutet:
Emptis Codicibus vacuata est bursa, quid inde?
Post mortem poterunt liberi habere libros.
Aber das hatte sich Lebenwaldt gewiss nicht gedacht
dass seine von ihm selbst auf 2000 fl. bewerthete Bibliothek
bei der Veräusserung der Verlassenschaft in der Stadt Leoben
„keinen Anwerth" fand.
Da er keine Kinder hatte, sollte nach seinem letzten
Willen Habe und Gut auf seine drei Nichten übergehen ; allein
nach Auszahlung einiger frommen und humanitären Legate blieb
nur ein unbedeutender Betrag für die Haapterben übrig **),
Zum Schlüsse dieser biographischen Skizze dürfte es —
schon der Kupferstich-, Portrait- und Wappen-Sammler wegen
— nicht unpassend sein, einiges über die äussere Persönlichkeit
Lebenwaldt's und was dazu gehört, beizubringen.
Ein, wie es scheint, wohlgetroflFenes Conterfei desselben im
Brustbilde sammt dem Adelswappenschilde von Philipp Kilian
'**) Lebenwaldt*8 sämmtliches Vermögen nach der Schätzung im Haupt-
inventar hetrug ohne Bücher und Haus 3318 fl. Das Haus von
Lebenwaldt selbst auf 1000 fl. bewerthet, wurde an den Leobn«r
Bürger und Lebzclter Johann Selzsamb um 634 fl. verkauft. Das
Summarium der besonderen Legate und Schulden bezifferte sich auf
2726 fl ; somit blieb selbst nach dem Verkaufe des Hauses und der
Bücher nur ein geringer Betrag für die Erbinen. Diese fanden den
Vorgang auch nicht recht geheuer, klagten über den Testaments-
executor (J. G. Schlecht), wollten wissen, wohin „das schöne Geld
und die Kleinodien" gekommen seien und beanständeten, dass die
Bibliothek nicht ordentlich inventirt worden sei.
— 65 —
in Kupfer gestochen, findet sich dem oben citirten „Arznei-
buche" vorgebunden*'). Die Proportionen des Bildes, das
jedenfalls zu einer späteren Lebensperiode aufgenommen wurde,
berechtigen zur Annahme, dass Lebenwaldt eine stattliche
Person von mittlerer Grösse und gedrungenem untersetztem
Körperbaue, so wie von nicht geringer Beleibtheit gewesen sei,
in der That ein Mann von Gewicht, da er nach seiner eigenen
Angabe über zwei Centner wog. Er ist in der Amtstracht,
seidenem Talar und pelzverbrämtem Doctormantel dargestellt,
eine schwere Goldkette mit einem Ehrenpfenning zieht sich
von der linken Achsel unter dem rechten Arm hindurch. Eine
mächtige Allonge-Perücke umwallt die ernste Stime und das
ganze kräftige Haupt. Das breite Antlitz ist glatt rasirt bis
auf einen äusserst schmalen, kurzgeschnittenen, kaum merk-
baren Schnurbartstreifen, welcher quer die Mitte der Lippe
theilt. Nase und Mund mit starker Unterlippe weisen sich
zwar derb geschnitten, aber in wohlproportionirten Formen.
I)as gerundete nicht besonders breite Kinn schmückt ein
ziemliches Grübchen, das volle und starke Unterkinn zeigt
keine Schlappheit, sondern ruht stattlich auf der weissen
Halsbinde, die in auf die Brust fallenden Schleifen von feinstem
Spitzengewebe endet. Die grossen Augen mit lichtfärbiger Iris
treten um so stärker hervor, da sie nur von schwachen blonden
Brauen umzogen sind. Ungeachtet ihres freundlichen Aus-
druckes spricht aus der ganzen Physiognomie die milde,
leidenschaftslose Gravität eines selbstbewussten entschiedenen
Charakters.
So entsprach die äussere Hülle ganz sicher der edlen
Seele und dem sittigeu Wesen, wodurch Lebenwaldt aus-
gezeichnet war. Eine seiner Herzenseigenschaften wurde schon
'") Das Wappen enthält einen aufrecht links schreitenden Löwen, der
einen entwurzelten Baum in den vorderen Tatzen trägt. Der kunst-
fertige Kupferstecher Phil. Kilian war auch bei dem Stiche des
steirischen Schlftsserbuches von Vischer betheiligt gewesen. (Siehe
J.V.Zahn, „J. M. Vischer** etc. in den Mitth. d. bist. V. f. Stm.)
MlitkeU. dM hUi. Vereins f. Steiermark, XXVm. Heft, 1880. 5
— 66 —
früher angedeutet, sein religiöser Sinn und die strenge
kirchliche Gläubigkeit. Er bekannte den katholischen Glauben
jederzeit mit Wort und That, ebenso in kirchlicher Andacht.
wie in seinen Schriften, in denen er bei jeder Gelegenheit Gott
die Ehre gab, die dargelegten Ansichten aber jedesmal der
kirchlichen Censur unterwarf. Charakteristisch ist, dass er 1693,
wo der Druck seines grossen Werkes begann, mit dem Betrage
von 100 fl. ein ewiges Licht vor dem Altar der h. Katharina,
der Patronin der Gelehrten (in der Stadtpfarrkirche von Leobon)
stiftete, das an Sonnabenden und Sonntagen brennen sollte '^').
Von semer unwandelbaren Freundestreue war schon die
Rede und wie es scheint, war es gerade seine Vertrauens-
seligkeit und Biederkeit, welche dem Freundschaftsbunde mit
Schlechtenthal die Dauer bis zum Tode lieh. Die Liebe zu
den Verwandten, Vettern und Muhmen und Pathenkindem.
die Gutherzigkeit für arme Leute bewährte sich noch zuletzt
in seinen testamentarischen Verfügungen. Wer ihm Wohl-
wollen und Neigung gezeigt hatte, dem blieb er stets dankbar
und bezeugte ihm dafür öffentlich Achtung und Anhänglichkeit
so den Aebten und Prioren von St. Lambrecht; Admont, dem
Probsten von Spital am Pihm, dem Dechante von Brück a. d M.,
dem Dr. Samuel Eisenschmidt, dem Vordemberger Badgewerken
Joh. Christoph v. Reichenau, dem Job. Josef Stampfer von
Walchenberg und dessen Schwester Constantia, dem Reichs-
grafen Carl Brenner und dessen Gattin Maria, geb. Gräfin
Dietrichstein, denen allen er sein treues Herz durch Widmung
des einen oder des anderen seiner Werke bewies.
Dass er trotz seines Arbeitsfleisses , mit dem er den
Wahlspruch der Breslauer Akademie „nunquam otiosus'' ins
Leben setzte, doch nicht zum grämlichen Gelehrten wurde,
dass er heiteren Verkehr über Tisch bei einem Glase Weine,
einen fröhlichen Sang, eine humoristische Anschauung und
ein scherzhaftes Wort liebte, verräth manches seiner Sinn-
gedichte, gilt doch ihm selbst die Anspielung:
'^) Uauptinventar der Verlassenschaft Lebenwaldt's.
— 67 —
Musicus et vates numquid par nobile fratrum!
Cantat uterque lubens, potat uterque libens.
Bei allem Ehrgeize, der ihn die äusseren Auszeichnungen
anstreben hiess, die ihm wurden, und die ihm ungesucht
sicherlich nicht zugekommen wären, zierte ihn doch die echte
Bescheidenheit in dem Masse, dass er von sich bekannte:
Triginta et plures studui didicique per annos,
Et tandem didid, me didicisse nihil.
Vor allem liebte er ein unabhängiges Leben und wie er
sieh nicht heVbeiliess, eine Anstellung bei Hof anzunehmen,
so wollte er sich auch nicht in das Joch der Ehe bequemen,
wie er eben in Beziehung auf sich selbst sagte:
Ter trinis nupsi Musis, decimamque recuso,
Ne mihi tunc dandae forte forent decimae.
Noch deutlicher spricht sich dieses aus, indem er einen
Bräutigam belehit:
Ducentem uxorem mala vel bona vincit illum;
Lux erit haec Domini, crux erit illa domini. ^")
Dr. Lebenwaldt als Arzt und gelehrter Schriftsteller.
Um die äussere Stellung eines Arztes im 1 7. Jahrhunderte
im allgemeinen und in der Steiermark insbesondere, richtig
zu erfassen, wird es nothwendig sein, einige allgemeine Be-
merkungen vorauszuschicken. Der Arzt dieser Zeitperiode
unterscheidet sich doch zu wesentlich von dem der Gegenwart
Zunächst ist bemerkenswerth, dass derselbe sich durch
eine besondere Tracht TOn anderen Menschenkindern abheben
konnte. Welcher Art diese war, kann aus der Beschreibung
ersehen werden, welche oben von Lebenwaldt's Conterfei
gegeben wurde. Uebrigens war aber auch in der „Kleider-
ordnung" dafür vorgesehen, dass in Beziehung auf Stoffe und
Schmuck die Standesgemässheit nicht überschritten werde.
'•) Alle vier cit. Epigramme aus den „Monast. extemp."
5*
— 68 —
Der „Bucharzt", d. i. der studierte und von einer Facultät
promovirte und diplomirte Doctor der Medicin, der sich au
irgend einem Orte ansässig machte, wurde hiedurch zwar im
allgemeinen verpflichtet, seine Hilfe Jedem ohne Unterschied
des Standes angedeihen zu lassen, allein in der That war er
doch nur für die höheren Stände und vermöglichen Bürger
da. Den gemeinen Leuten beizustehen, würde seine physische
Zeit kaum hingereicht haben, wenn diese seine Hilfe überhaupt
in Anspruch hätten nehmen wollen, was übrigens für gewöhnUch
durchaus nicht der Fall war.
Die Anzahl der practicirenden Doctoren stahd nämlich in
sehr ungenügendem Verhältnisse zur Menge der Bevölkerunfr,
zumal auf dem Lande» In Steiermark gab es in der besten
Zeit deren kaum mehr als 16 bis 20. Diese Zahl wäre noch
geringer gewesen, wenn nicht die Landschaft (schon seit Mitte
des 16. Jahrhundertes) um die Existenz der Aerzte sicher zu
stellen, aus ihren Mitteln für jedes Landesviertel einen Arzt
mit fixer Besoldung bestellt hätte, dem hiedurch die Ver-
pflichtung oblag, zunächist dem landschaftlichen Adel seines
Viertels jederzeit zu Diensten zu stehen, ohne denselben mit
der Anforderung eines zu hohen Honorars beschwerlich zu
fallen *")•
*") Nach der im 17. Jahrh. geltenden „Policey-Ordnung'* Ferdinand's 11.
(Art. 19.) konnte der Doctor der Medicin fftr einen Krankenbesuch
in der Stadt bei Bürgern 30 kr. rechnen, bei Adeligen mehr. Bei
Besuchen über Land konnte er bei freier Fahrt und Zehrung hin
und zurück für jeden Tag 2 fl. fordern. In den landschaftlichen
Bestallungen war bedungen, ftlr einen Besuch in der Stadt bei ver-
möglichen 15. bei gemeinen Leuten 71. kr. zu rechnen. Bei Fahrt*'ii
zu Kranken am Lande war die Taxe pr. Meile hin nnd zurück mit
30 kr. nebst freier Zehrung und für den Aufenthalt pr. Tag eben-
falls mit 80 kr. bestimmt.
Die Verpflichtungen, welche ein landschaftlicher Physiker üIht-
nehmen mnsste, kann man aus dem Bestallungsbriefe des Dr. IjcIkii-
waldt entnehmen, in welchem es nach dem überhaupt üblichen
Formulare heisst: „Er, Doctor, solle allen Herren und Landleuten,
deWiselben Verwandten und Dienern und den Ihrigen auf Elrforderun«
in ihren Krankheiten mit Arznei und seiner Kunst gehorsam und
— 69 —
In der Hauptstadt Graz stellte sich das Verhältniss
besser, indem daselbst nicht nur zumeist 5 bis 6 von der
Landschaft besoldete Aerzte practiclrten, sondern auch andere,
häufig in der Absicht, um hier abzuwarten bis etwa die be-
soldete Stelle eines Landschaft-Physiker frei wurde (so z. B.
1628 Dr. Hermann Wamhauser). Vertragsmässig für einen
gewissen Bezirk bestimmte und besoldete Aerzte hiessen
nämlich Physiker, andere und zumeist nur zeitweilig besoldete
Aerzte bezeichnete man als Medici.
Es mögen hier beispielsweise die landschaftlichen Aerzte
vom J. 1681 sammt ihren Jahresbesoldungen aufgeführt werden,
nämlich in Graz 1. Samuel Eisenschmidt (650 fl. Besold.),
2. Friedr. Khem (500 fl.), 3. Job. Plochinger (500 fl.), 4. Ant.
Kevilaqua (500 fl.), 5. Ferd. Anton Voglmayr (300 fl.); für das
Viertel Vorau mit dem Sitze in Hartberg Ant. Mison (500 fl.) ;
für das Viertel Judenburg Joh. Chrysost Millauer (300 fl.);
für das Viertel Ennsthal mit dem Sitze zu Admont Joh. Most
1300 fl.); für Leoben Ferd. Caccia (150 fl.) und Adam v. Leben-
waldt (300 fl.); für da^ Viertel Marburg Christof Prettermann
'300 fl.); für Radkersburg Joh. Kasp. Zollner (300 fl.); für
gewärtig, auch den Armen nicht minder als den Reichen treulich
und mit bestem Fleisse hilflich, rathsam und beiständig sein und
solches ausser genügsamen Ursachen niemand weigern, verziehen
and verkürzen ; insonderheit aber soll er verbunden sein, denen (von
der Pest) inficirten Herren und Landleuten oder derselben Verwandten
auf ihr Begehren zu ihnen reisen, fürderlich seinen Rath mitzutheilen
und menschlich mögliche Hilfe zu erzeigen. Von keinem Kranken
soll er ohne ehehaften (geschäftlichen) Ursachen nicht wegeilen,
sondern selben mit höchsten Fleiss warten, auch soll er selbsten
in denen Apotheken sein Aufsehen haben, dass nichts anderes, dann
was er verordnet hat und dem Kranken nützlich ist, genommen werde ;
tuid damit solcher Zeug in den Apotheken gefunden werde, soll er
alle Quatember einmal die Specereien besichtigen; da er nur alte,
verlegene oder untaugliche Materialien befindet, dieselben hinwegthun
und verwerfen ; mit keinem Apotheker eigenem Nutz keinen Verstand
haben oder machen in keinerlei Weise, dardurch die Herren und
Landleut und männiglichen desTaxcs halben beschwert sein möchten."
(Goncept im st. Landesarchive.)
— 70 —
Pettau Job. B. Wagner (150 fl.) und fllr das Viertel Cilli
Jak. Heipl (300 fl.). Zur Bestellung eines Magister Sanitatis
für die Stadt Graz gab «die Regierung gewöhnlich einen
Beitrag * ')•
Nach stabilen Aerzten an anderen Orten sieht man sich
vergeblich uro. Häufiger, aber im Ganzen ebenfalls spärlich
fand man „Wund- und Schnittärzte ^ hie und da im Lande
ansässig, dann auch Bader (Aderlasser und Pflasterstreicher),
obgleich ihr eigentliches Berufsgeschäft, das Halten von „Feil-
bädern'S im 17. Jahrhunderte bereits mehr und mehr einge-
gangen war.
Wer war es also, der den niederen Ständen für gewöhnUch
ärztlichen Rath und Hilfe eitheilte?
Dr. Lebenwaldt beantwortet diese Frage mit Uebersetzung
eines älteren lateinischen Distichons:
„Mönch, PfaflFe, Apotheker, Zahnbrecher, Barbierer,
Auch Bader, Marktschreyer und allerlei Schmierer,
Die Juden und neunmal verständige Weiber
Kuriren mit Stimpeln die kränklichen Leiber.'^**)
Und bei einer anderen Gelegenheit bemerkt derselbe hiezu :
„Oft kommen zusammen
Die ehrbarn mit Namen
Meister Bader Schmiertegel,
Apotheker guck in's Fass.
Jener saugt das Blut, wie Egel,
Dieser gibt das Sasafras.
Es muss alles N-arcanisch sein (Narr-kanisch),
Wann man nur schenkt wacker ein."**)
In grösseren und wohl auch kleineren Haushaltungen am
Lande übernahm es gewöhnlich die kluge und sorgsame Hausfrau
selbst nach alten Traditionen mit Hausmitteln die Kranklieiten
ihrer Angehörigen zu bekämpfen oder liess irgend Jemanden aus
^1) Nach dem landschaftl. Ausgalrenbuche v. J. 1681.
*») Arzneibuch, S. 127.
*») Im 7. Tractatel von des Teufels List etc., S. 116.
— 71 —
der Nachbarschaft kommen, der sich durch Kräuterthee, Salben
oder sympathetische Heilmittel einen Namen gemacht hatte.
Was nun die wissenschaftliche Arzneikunde betrifift, so
wurden ihre hervorragenden Träger im 17. Jahrhunderte in
hohen Ehren gehalten und — nach Dr. Lebenwaldt's Bericht —
..in Frey-Herren, Käthe und Adelichen Stand erhoben, auch
mit herrlichen Privilegien und Ehren-Titeln begäbet", wie mau
dies ja an ihm selbst ersehen kann. Es war aber auch — nach
desselben Mannes Erklärung — „diese Wissenschaft und Kunst
in weit grösiere Perfection kommen, wie auch per artem
Chymicara und Anatomicam exaltirt worden" *^).
Die ältere medicinische Schule (die Salernitanische) hatte
nämlich allein auf Hippocrates, Galenus und Avicenna ge-
schworen, bis im 16. Jahrhunderte der geniale, freiausblickende,
kecke Theophrastus Paracelsus Bombastus ab Hohenheim die
alten Fesseln der Facultäts-Dressur abzuschütteln gelehrt hatte.
Er wies den Forscherblick der Aerzte auf die geheimen Kräfte
der Natur, damit ihre Wunder studiert würden und wurde zum
Bahnbrecher für die Anwendung der Chemie im Gebiete der
Heilmittel. Sein Ungerzeig brachte freilich erst nach mehr als
einem Jahrhunderte auch in die starrgewordene medicinische
Doctrin der Schule eine tief ergehende und die neuere Schule
vorbereitende Reform.
Im 17. Jahrhunderte standen sich die alte und die neuere
vou Dr. Helmont in bestimmte Formen gefasste Schule (die
chemische und später iatrochemische) freilich noch schroff
entgegen, allein verständige Aerzte, wie eben unser Leben waldt,
strebten, ungeachtet sie der alten Schule anhiengen, von den
sichtbaren Vortheilen chemischer Studien und Erfahrungen
besonnenen Gebrauch zu machen, wenn sie auch das schwindel-
hafte Vorgehen mit aller Strenge verwarfen.
Leben waldt spricht mit hoher Achtung von Paracelsus ^^),
^^) Arzneibuch, in der Widmung an den Kaiser.
^^ Insbesondere rechnet er demselben zum Verdienste an, ndass er in
der Chirurgie ein helles Licht angezündet und in spagirischer Prä-
paration der Medicamenten viel schöne arcana an Tag gegeben.**
— 72 —
vertheidigt ihn gegen die erbitterten Angriffe seiner Gegner
beschäftigt sich selbst mit chemischen Arbeiten, und bekenot
sich ungescheut als „Alumnus Hermetis"; er rühmt es, dass
„Anatomie und Chemie ein grosses Licht angezündet hätten \
aber bei ihm heisse es:
„Non ideo amplector nova quod sint, sed quia vera.
Was neu und wahr werde offenbar,"**)
verurtheilt aber auch nicht minder energisch den beutelschnei-
derischen Schwindel der Alchymie, welcher sich zu seiner Zeit
auch im Gebiete der Medicin breit zu machen suchte.
Er geräth geradezu in einen heiligen Zorn, wenn er auf
die „herumziehenden alchymistischen Aerzte" zu sprechen
kommt, „welche einfältigen oder vorwitzigen Leuten beständige
Gesundheit und Nestorische Jahre versprechen, die Galenischen
und die ordentlichen Stadtärzte beschimpfen und ihre giftigen
Elixire, ihre schmerzenstillenden solarischen Medicinen und
chimischen Arzneien, aus Mercur, Antimon und Arsenik be-
reitet preisen und die Cur im voraus mit dem halben Honorar
bezahlen lassen, damit wenigstens sie nicht leer ausgehen,
wenn die Cur übel ausgeht"
(4. Tractatel von des Teufels List etc., S. 95.) Lebenwaldt gibt in
dem citirten Tractate eine kurze Lebensgescliichte und einen Einzel-
bericht über das Testament des Paracelsus. Ich kann nicht umhio,
das, was Steiermark betrifft, auszuziehen und hier beizuf&gen : Para-
celsus hielt sich oft in Steiermark, insbesondere zu Leoben und
Judenburg auf. Lebenwaldt besass selbst einen Brief im Original,
worin der „damals geweste Secretarius des berühmten hochlöblichen
fürstlichen Stifts Admundt pro instructione** an Paracelsus nach
Judenburg geschrieben hatte, wie man das Sulphur fixum rubrum
machen solle. Es ist auch denkwürdig, dass in dieser uralten Stadt
noch das Haus vorhanden, mit absonderlichen chymischen Zeichen
und Bildnussen gemahlt, in welchem er sein Chrysopaeam oder
Goldmachen geübt, auch den inwohnenden Apotheker als seioen
guten Freund die Kunst gelehrt, durch welches Mittel eine vornehm»'
Familie erhebt worden". Zu Leoben soll er etliche Truhen mit
Gütern deponirt gehabt haben, welche die „Geschaffter des letzten
Willens" von dort abforderten.
*«) Arzneibuch, S. 479.
- 73 —
Lebenwaldt erzählt, er habe nicht wenig Patienten gesehen,
die durch solche Mittel für ihr ganzes Leben lang zu Grunde ge-
richtet waren, wenn sie nicht der Tod alsbald ereilt hatte.
Solchen After - Heilkünstlem und Chemikern widmete er
die Grabschrift:
„Hier liegen-
Mörder in der Artzeney,
Betrüger in der Alchimey,
Ketzer in der Theologey,
Führer zu der Zauberey
TiefiF in der Erden begraben,
Sonst wurdens g'fressn von den Raben. *" *"')
Lebenwaldt zeigt sich, wie schon früher bemerkt wurde,
auf allen Wissensgebieten orientirt und seine gelehrten Ab-
handlungen beweisen nicht nur eine ausserordentliche Kennt-
niss und Belesenheit, sondern auch eine seltene Genauheit
und Sorgfalt im Ausziehen und Niederschreiben alles dessen,
was ihm Wissens- und behaltenswerth schien. Daher hatte er
auch bei Studien oder bei practischer Behandlung von Krank-
heitserscheinungen stets einen ausserordentlichen Vorrath von
Aussprüchen gelehrter Autoritäten zur Hand, deren Abwiegen
und Beurtheilen ihm nicht selten grosse Mühe gemacht haben
muss. In dem Manne findet sich nämlich eben ein seltsamer
Verein von klarer, scharf sondernder Intelligenz und von zähem
Festhalten an althergebrachten Vorurtheilen, sobald dieselben
durch berühmte Autorität gestützt wurden. In solchem Falle
begab er sich selbst dann, wenn er triftige Gründe hatte,
derselben entgegen zu treten, der eigenen entscheidenden
Stimme. Es scheint eben, als wenn ihm die allzu grosse Buch-
gelehrsamkeit den freien Ausblick beschränkt und die kritische
Kraft gelähmt hätte. So sieht man ihn auch von dem gelehrten
Wahne seiner Zeit nicht frei, es dürfte sich denn doch einmal
eine „Panacäa'^ finden lassen, womit man allen Krankheiten
zu Leibe gehen könnte.
*^ 4. Tractetel, 8. 129.
— 74 —
„Die Natur — schreibt er — ist keine Stieff-Mutter, man
hat bi8s dato sowol in dem Menschlichen Leib als in den
Medicinalischen Mitteln viel nutzliche Sachen erforschet, ...
man hofft auch noch eine Universal-Medicin zu erlangen, dero
Möglichkeit ii^h gänzlich glaube, dann warum soll unser Archäus
oder Spiritus Vitalis nicht können ab aliquo Symbolo conser-
virt und vermehrt werden usque ad tempus praefixum ?" * ' i
In dieser Beziehung scheinen auch seine mehrjährigen
Studien und chemischen Untersuchungen über das Sal nitruiii
gemacht worden zu sein.
Eine nicht mindere Aufmerksamkeit widmete er der Ana-
tonne des menschlichen und thierischen Leibes und der Physio-
logie. Ueber die Functionen des Magens und des Herzens,
über die Aufgabe und Thätigkeit des Geblütes waren seine
Studien so eingehend und ergiebig gewesen, dass er neue,
reformirende Ideen gefunden hatte, die er in einem besonderen
Tractate „de solutione et sequestratione corporis humani*
niederlegte. Die Publication desselben wurde nur aus dem
Grunde unterlassen, weil ihm Dr. Cornel Bontekoe (j 1685)
in der VeröflFentlichung der gleichen Ansichten zuvorgekommen
war ^ ").
Die weitaus reichsten Erfahrungen standen unserem Arzte
über die „giftigen" Volkskrankheiten seiner Zeit, nämlich das
ungarische Fieber, Petechial-Fieber oder die sogenannte un-
garische Hauptkrankheit, zu Gebote, deren Behandlung er in
einem besonderen Tractate •') weitläufig ausführte. Nach seiner
Ueberzeugung war dieselbe eine neue Krankheit, während
andere Aerzte behaupteten, dieselbe wäre schon in frttlierer
Zeit einmal (in Spanien) dagewesen, ja schon Hippokrates
hätte dieselbe gekannt.
Lebenwaldt bemerkte dagegen: „Es braucht aber kein
grosses Disputirens, dann es ist kundbar, dass viele neue
Krankheiten an den Tag kommen, das Gestirn bekommt einen
.*«) Arzneibuch, IL Th., 1. Cap., S. 136.
*») Arzneibuch, IV. Th., 1. Cap. S. 470.
*<') Ebendort, S. 471—579.
- 75 —
anderen Stand und Rand, die Manier zu leben in Speis und
Trank wird verändert, die Sitten und GemUthsbewegungen
seyn weit stärker, als vor Zeiten, Wasser, Luft, Getraid,
Frucht u. 8. w. nehmen oft eine schlechtere Natur an sich;
es ist also kein Wunder, dass neue Kränkelten einschleichen
und andere verwelken. Es kann ja auch die Welt und die
Naturen schwächer werden und also sich andere Krankheiten
hervorthun" u. s. w. ^ ')
Aus Dr. Lebenwaldt's Schriften geht deutlich hervor, dass
er sich in der Art und Weise der Krankenbehandlung von
seinen CoUegen unterschied, lieber das angemessene Verhalten
des Arztes am Krankenbette hatte er sich auch in einem
besonderen Tractate „de professione medica'' des weiteren
ausgesprochen '• •') , allein diese Schrift scheint nicht in den
Druck gekommen zu sein, wenn dieselbe nicht, wie so manche
andere, gänzlich in Verlust gerieth.
Lebenwaldt erwog bedächtig und besonnen alle Erschei-
nungen und Zustände an dem Patienten, bevor er sich zur
P'estimmung der Heilmittel entschloss, er behandelte die
Kranken mit einer gewissen Milde und Vertrauen erweckend,
er vermied es vor allem eine bedenkliche Miene anzunehmen
oder gar durch eine rücksichtslose Kundgebung der gefähr-
lichen Lage und der geringen Hoffnung auf Genesung zu er-
schrecken, was damals besonders bei solchen Aerzten üblich
gewesen zu sein scheint, welche in den Ruf von Wundercuren
2U kommen suchten. Dagegen versuchte er, wenn das eine
Mittel nicht half, alsbald ein anderes und alle, welche ihm sein
reiches Wissen zur Hand gab, denn, pflegte er zu sagen, „man
könne des Guten nie zu viel thun" ■* 7.
Man wird sich daher über den grossen Ruf nicht wundern,
den Lebenwaldt erlangt hatte.
Als ein absonderliches Heilmittel, welchem Lebenwaldt
durch die ganze Zeit seiner Praxis hohen Werth beilegte,
^ ) Arzneibuch, IV. Th. S. 471.
** ) 7. Tractatel von des Teufels List etc., S. 144.
'') Arzneibuch, UI. Th., 7. Cap., S. 395.
— 76 —
lernen wir die „Gemsenkugel" kennen, lieber ihre medicinische
Bedeutung und Wirksamkeit hnt er zu Beginn und zu Ende
seines ärztlichen Wirkens sich in besonderen Schriften ausge-
sprochen '**). Er schreibt derselben als dem steierischen Bezoar
eine ungemeine Heilkraft zu. Wenn er einerseits die im Volke
gangbaren abergläubischen Meinungen abweist, nämlich sie
schütze vor Vergiftung, vor Schwindel und Ohnmacht, sie
mache unverwundbar, ja sogar unsichtbar, sie verhelfe der
Büchse zu sicheren Treffschüssen u. a. m.; so behauptet er
anderseits, dieselbe sei ein köstliches und unübertreffliches
Heilmittel bei Haupt-, Herz-, Magen- und Gedänn-Krankheiten.
Er weiss 26 Krankheiten aufzuzählen, in welchen er die Geni-
senkugel mit bestem Erfolge gebraucht hatte, namentlich gegen
Pest, ungarische Krankheit und Petechien.
Bemerkenswerth ist die Cur, welche Lebenwaldt ,al^
einem noch jungen Practicus" mit einem vornehmen Patienten
gelang, den „die Gewalt Gottes" (der Schlag) berührt hatte.
Er bereitete demselben eine „köstliche Medicin" aus 60 üenis-
kugeln „digerendo, circulando, sublimando'^ und heilte ihn so
vollständig, dass er noch über 40 Jahre lebte.
Aber auch die anderen Körpertheile der Gerase fand
Lebenwaldt zur Bereitung von „herrlichen Medicamenten'
vortrefflich und er selbst hat derlei mit „gedeihlichem Effect*
bei verschiedenen Leiden verordnet ''•').
Die Therapie in der Gegenwart will freilich von diesem
Heilmittel nichts mehr wissen und wird auch über andere
Curen jener Zeit das Haupt bedenklich schütteln, so zinn
Beispiel als Lebenwaldt an sich selbst einen Beinbruch (iissurai
**) Siehe oben im BttcherverzeichDissc Nr. 8 und 9. — Von der erstcreii
Schrift berichtet Lebenwaldt in der Vorrede der letzteren, „<e\W
sei sehr beliebt und angenehm gewest, also dass etliche hundert
Excmplaria in kurtzer Zeit distrahirt wurden". In derselben bezitbt
er sich ausser auf seine eigene Erfahrung auf die Zoologie dos Pr.
Joh. Schröder, der die Gemskugel, «weil sie gleicher weis, wie in
den Indianischen Gaishirschen der Bezoar gefundten wirdt, tUa
Teutschen Bezoar nennt **.
^^) Damographia a. m. 0.
— 77 —
mittelst „Drachenknochen^^ heilte. Da nämlich die Entzündang
und der Schmerz sehr zugenommen hatten, liess er solche zu
Staub stossen und mit Eiweiss zu einem Teig anmachen. Dieses
Pflaster legte er auf die wunde Stelle und nach seiner Versiche-
rung schwanden Geschwulst und Schmerz in kurzer Zeit ^ '').
Als das grösste Werk von Lebenwaldt's gelehrter Thätig-
keit wurde bereits in der biographischen Skizze dessen „Land-
Stadt- und Haus-Arzneibuch'' bezeichnet und der vollständige
Titel desselben angegeben ' '). Da man schon aus der genauen
Beachtung dieses den Umfang und die Richtungen ersehen
kaou; in welchen die Zuchtruthe seiner Zeit, die Pestilenz,
behandelt erscheint, so kann hier von einem näheren Eingehen
auf diesen Stoff Umgang genommen werden ; aber davon muss
Erwähnung geschehen, dass Lebenwaldt bei gegebenen An-
lässen mit der ihm eigenthümlichen Gründlichkeit auch alle
Nebendinge behandelt, so dass man durch sein Werk vom
Stande der Wissenschaft auf den verschiedensten Gebieten
solche Kenntniss erlangt, wozu sonst das Studium von meh-
reren hundert Autoren gehören würde. So wird in der Frage,
ob die Pest ein „Ens astrale^^ sei, alles abgehandelt, was den
Mond, dessen Flecken und Wirkung betrifft^ femer die kriti-
schen Tage, die climacterischen Jahre, die Finsternisse, Ebbe
und Fluth, die Beschaffenheit und der Einfluss der Gestirne,
Mercur, Venus, Jupiter, Saturn, Mars, der Sonne mit ihren
Makeln und der Cometen nebst einer Chronik der Cometen-
jahre und das Firmament. In der Frage, ob die Pest ein
,,Ens elementare" sei, wird alles herangezogen, was von Feuer,
Wasser, Erde und namentlich von der Luft bisher bekannt
und gefabelt worden war. In der Frage, ob die Pest ein Gift
^ei, ünden sich weitläufige Abliandlungen über die Gifte aller
Art und ihre besonderen Eigenschaften mit einer Menge in-
teressanter Anekdoten.
In dem vierten Theile des Werkes, der von ansteckenden
''•) Observatio ^do ossilms Draconnm" in den Miscell. cnrios. Dec. II.
ann. IL (1683).
•') Im Vorzei( linisse der Werke desselben (Seite 44—47) Nr. 10.
— 78 —
Fiebern, von der rothen Ruhr und den Kindsblattern handelt
gibt Lebenwaldt einen „Vorlrab von dem Herzen und Geblüt**,
und im Verlaufe der Abhandlungen einen „Vorbericht von
Beschaffenheit des Magens, dessen Speissröhr und anhan-
genden Ingeweyds", welche beide Tractate ein klares Bild
von dem Stande der diesbezüglichen Wissenschaft geben. So
wird denn dieses Buch für die Geschichte der Medicm stets
von hoher Bedeutung sein. Für Juristen wird aber von Interesse
sein, was darin in Betreff der Abfassung von Testamenten
zur Pestzeit abgehandelt und mit mehreren thatsächlich vor-
gekommenen Fällen beleuchtet wird. Der Artikel wurde von
Lebenwaldt's Freund Doctor beider Rechte Job. Fr. Haid
„der kaiserlichen befreyten rauh Eisen -Verlag Stadt Leoben
hochmeritirten Syndicus* verfasst. Andere wichtige Rechts-
gewohnheiten und Gerichtsfälle, wie sie während einer Pest-
seuche vorkommen können, sind in dem Anhange zum ,,Status
politicus" verzeichnet *' '*).
Lebenwaldt war jedoch nicht bloss als Arzt Naturforscher,
sondern auch im weiteren Sinne des Wortes, daher auch ein
Liebhaber und Sammler von Seltenheiten jeder Art Er besass
eine grosse Sammlung („Museum'') von versteinerten Muscheln
und anderen Petrefacten, wie selbe damals theils im Lande
in reichlichem Masse gefunden, theils von Händlern aus fernen
Ländern gebracht wurden; z. B. „Natternzungen und Aeuglein
von Malta" (nach Lebenwaldt's Ansicht versteinerte Zähne des
Fisches Lamia), Agtsteine, Korallen, auch Moos und Gras, auf
welches „Tufftwasser geflossen und das hernach gleichsam zu
einem Steine geworden ist". „Solche coagulirende Wasser —
schreibt er — gibt es in Tirol, Kärnten, Pinzgau, auch in
Steiermark, wenn man Ruthen, Zweige oder Stöcke hinein-
wirft, werden sie voll Kröpfe." Ueber diese Materie wollte
er seiner Zeit in einem besonderen Tractat „de calculo et
rerum petrescentia" Erläuterungen geben.*') (Mir ist dieser
Tractat nicht zu Händen gekommen.
5^ Arzneibuch, S. 118 imd 46.
59) Arzneibuch, Hl. Th., VIII. Cap., S. 420.
— 79 —
Am reichhaltigsten war seine Sammlung von fossilen
Kooehen. Er hatte sich einmal aus der Drachenhöhle hei
Rotheistein ^^) eine grosse Kiste voll kommen lassen, worunter
vier ,,abscheuliche'' Köpfe (wahrscheinlich yon Höhlenbären,
Lebenwaldt hält sie für Drachenköpfe) von verschiedener
Grösse, aber alle von gleicher Gattung waren, in deren Rachen
Doch etliche grosse krumme Beisszähne staken. Ausser meh-
reren hundert Zähnen verschiedener Art erhielt er von dort
auch 4 Unterkiefer, 10 Klauen, einige Wirbelknochen, Schen-
kelknocben von merkwürdiger Dicke, Rippen und endlich ein
wie Elfenbein polirtes Stück, das einer menschlichen Hirn-
schale glich. Derlei Knochen giengen zu jener Zeit unter dem
Namen ,.Drachenbeine". Man benützte dieselben in medici-
nischer Beziehung, wie das insbesondere hochgehaltene so-
genannte Einhorn, welches als Heilmittel gegen Epilepsie,
l>ösartige Fieber, vagirende Gicht, Dysenterie u. dgl. verwendet
wurde. Diese Drachenbeine waren daher eine sehr gesuchte
Waare und wurden von betrügerischen Händlern auch für
echtes Einhorn ausgegeben und zu theueren Preisen verkauft.
Zu den nicht am wenigsten geschätzten Stücken der Samm-
lung Lebenwaldt's gehörten auch Hirsch- und Gemskugeln, von
welch' letzteren schon oben die Rede war. Seine Ansicht von
(ier Heilkraft der Gemskugel führte ihn auch dazu, Natur und
Leben der Gemsen überhaupt näher zu erforschen und veran-
lasste ihn die in naturgeschichtlicher Beziehung höchst interes-
sante Schrift „Damographia" zu verfertigen, in welcher eine aus-
führliche Beschreibung der äusseren Gestalt, der Lebensweise,
üer Nahrungsmittel, des Magens der Gemse enthalten ist und
*^') „De osßibus Draconum," Obscrvatio in den Mise, curios. Dec II.
«nn. II. und Arzneibuch S. 420. — Von der Draehenhöhle zu Röthel-
sti*in erzählt Lebenwaldt, dieselbe sei bei zwei Meilen Weges lang.
(iegenwärtiK w'eiss man nur von einer viertel stttndigen Ausdehnung
(Göth, das Ilerzogthum Steiermark, II., 433). Noch in den ersten
Decennien dieses Jahrhunderts kamen aus Oesterreich, Kärnten und
Ungarn Leute, welche nach den dort vorfindlichen Knochen gruben
und die Ausbeute unter dem Namen Einhorn als Universalmedicin
verkauften.
— 80 —
ausserdem alles, was von Jägern und Gelehrten über dieses
Thier und die nach ihm benannte Gemswurzel gefabelt wurde.
Einen nicht uninteressanten ..Zusatz'' bildet die Zusammen-
stellung aller Gefahren, welche Kaiser Maxmilian L als
passionirter Gemsjäger erlebte, zumal ein Bericht Über dessen
Versteigen an der Martinswand. Der 2. Theil der Schrift be-
handelt Gestalt (mit Abbildungen), Entstehung und Zusam-
mensetzung und endlich die famose Wirksamkeit der Gem-
senkugel. —
Mit dem Gegebenen, wiewohl hiedurch das Material fiir
die Charakterisirung Lebenwaldt^s in ärztlicher Beziehung
nichts weniger als erschöpft wurde, dürfte das vorgesteckte
Ziel erreicht sein, welches kein anderes war, als unseren
Doctor, zwar als ein Kind seiner Zeit, aber doch weitaus
seinen BerufscoUegen vorausschreitend, darzustellen.
Zur Vervollständigung des Bildes müssen eben noch
manche Conturen und Linien aus den folgenden Abschnitten
herbeigezogen und eingef> werden.
Dr. Lebenwaldt und der Aberglaube seiner Z*iit.
Die Eigenthümlichkeiten des 17. Jahrhundertes in cultur-
historischer Beziehung sind, wenigstens was unsere Steierniark
betrifft, noch wenig bekannt. Lebenwaldt's literarische Pro-
ducte charakterisiren aber nicht bloss seine eigene Bildung,
sein Wissen und seine Anschauungsweise, sondern bilden auch
eine reiche Fundgrube, um sich ein Bild von dem Culturleben
seiner Zeit zu machen.
Insbesondere in jener Beziehung, welche den Irrwahn und
Aberglauben seiner und der vorausgehenden Zeit betrifft^ erlangt
Lebenwaldt durch seine acht „Tractateln von dess Teurfels
List vnd Betrug" eine hervorragende historische Bedeutung.
Der volle Titel der Tractate, der bereits in dem vorne
gegebenen Verzeichnisse seiner Schriften angeführt ist, belehrt
uns hinlänglich über den Charakter dieser Abhandlungen und
über die systematische Weise der Behandlung.
— 81 —
Was nun zunächst den Verfasser betrifft, so bekundet
diese Arbeit seine ausserordentliche Belesenheit in allen den
Werken aller Zeiten, die von derlei absonderlichen JDingen
handeln und ihre Zahl ist wahrlich nicht gering. Er kennt
und citirt alle Gelehrten, welche für oder gegen eine Ansicht
geschrieben haben und zieht alles herbei, was er aus dem
Volksleben erfuhr und was er selbst erlebte. Aber zum grossen
Theile hat er es nicht mit dem gemeinen Aberglauben des
ungebildeten Volkes allein, sondern mit dem der gelehrten
oder doch gelehrt sein wollenden Welt zu thun.
Lebenwaldt schrieb dieses Wferk, aufgefordert von den
guten Freunden, die er sich durch seine (damals — 1680 — )
27jährige ärztliche Praxis erworben hatte, ;,yon denen viele
sich mit ihm in dergleichen Materie in Disput eingelassen und
von denen besonders die Unstudirten ziemlich weit vom rechten
Zweck und Weg der Wahrheit abgewichen und auf die aber-
gläubische Seiten zum Theil ex ignorantia crassa gelenkt
waren*. Wofern aber — fügt er bei — „auf einem oder dem
anderen Orte die Feder zu sehr gespitzt erscheinen sollte, so
ist er urbietig, wann ihm das widerige dargethan wirdet, ab-
zubitten und die Hand zu bieten, aber der Teuifel ist schwartz,
er braucht eine scharflFe Laugen".
Wie man sieht, ist Lebenwaldt geneigt, allen menschlichen
Unsinn, allen Irrthum und alles Böse dem Teufel unmittelbar
in den Schuh zu schieben, ohne zu fragen, ob dieser nicht
zuweilen in logischer Folgerichtigkeit seinen Antheil abweisen
könnte.
Lebenwaldt ist davon überzeugt, dass die bösen Geister
nicht bloss durch eine Gesichtstäuschung, sondern auch kör-
perlich erscheinen können. Er findet es unnothwendig darüber
viele Worte zu machen, da man „genugsam Zeugniss habe,
dass bei unseren Zeiten auf den Friedhöfen, Gräbern, auf
Oertem, wo «Scharfrecht" gehalten worden, oder Schlachten
geschahen, in alten Schlössern und Gebäuden, ja in bewohnten
Häusern abscheuliche Gesichte und Gespenster gesehen worden
sind. Es dürfte auch selten einer gefunden werden, der sagen
IGUhcU. dM ^8t. Vereins f. Steiermark, XXYlll. Heft, 1880. G
— 82 —
könnte, er habe in seiner Lebenszeit nicht etwas erschreck-
liches oder unmenschliches gesehen oder gehört" *^')-
Dieses Bekenntniss eines sonst nüchternen Denkers
charakterisirt genugsam die Voranlage und Vormeinung jener
Zeit, selbst bei ganz natürlichen Dingen einen Teufelsspuck
zu wittern, sobald sich der Zusammenhang nicht von selbst
klar legte.
Selbstverständlich kann ich mit Rücksicht auf den Zweck
dieser Blätter hier nur eine Aehrenlese aus dem durch Leben-
waldt gebotenen reichen Stoffe bieten und zwar zunächst gerade
nur von solchem, das zu culturhistorischen Umrissen dienlich
werden kann.
Zu dem absonderlichsten Irrwahne zählt die caballistische
Geheimwissenschaft, dieselbe hatte im 17. Jahrhunderte lebhafte
Anhänger. Lebenwaldt erzählt, er habe hochgelehrte Männer
(er wolle ihre Profession verschweigen, wahrscheinlich waren
es Geistliche) gekannt, welche in „die Caballisterei gerathen
und sich eingebildet haben, als ob sie nun mit ihrem Ver-
stände alle anderen überträfen".
Von dem gemeinen Volke berichtet er, unter demselben sei
»schier nichts gemeiner, als mit caballistischen Charakteren.
Figuren, Siegeln, mit gegossenem Metalle, mit Kugeln, Ringen«
Spiegeln, Zetteln mit hebräischen Buchstaben "-) oder Planeten-
zeichen und weiss nicht was für Teufelswerk sich unsichtbar,
schuss- und stichfrei zu machen, den Feind zu überwinden
und Glück, Gunst, Lob, Ehre und Gut nach Wunsch zu er-
erlangen".
•*) Im 1. Tractatel, S. G. Da in diesem Absrhnitte das Citiren jeder
einzelnen Quellenstelle zu oft nothwendig würde, erlaube ich mir
fernerhin die Abkfirzung, nur immer dann die Quelle zu bezeichnen,
wenn der benutzte Tractat scbliesst.
^•) In den „Miscellania curiosa" (Dec. II. ann. IL) erzählt Lebenwaldt
in der Observatio „de caecitate ex remedio superstitiosa^ einen Fall,
der ihm selbst vorgekommen ist : Ein Fieberkranker hatte von einrni
Jäger einen „Fieberzettcl" erhalten. Kaum hatte derselbe das
beschriebene Papier verschluckt, so ft^hlte er gleich ein grosses
Geläute im Kopfe und nach einiger Zeit erblindete er.
— 83 —
I
n Ja, sie loben sich noch untereinander — fährt Leben waldt
ärgerlich fort — und sprechen: Das ist ein braver Kerl, der
ist gewichst; der kann mehr als Biembraten; — er hat den
Teufel im Busen, im Hosensack, im Fingerring, und noch mehr,
es gibt viele, die sich solche Teufelsleibsclaven - Zeichen auf
den Arm, auf die Brust und auFs Herz eindrücken." *')
Keiner anderen Wissenschaft brachten im 16. und 1 7. Jahr-
hunderte die Laien eine solche Ächtung entgegen, wie der
Astronomie und ihrer im Ehebruche mit dem Wahne erzeugten
Tochter, der Astrologie. Lebenwaldt will aber zwischen einer
.wahrhaften' Astrologie und der falschen einen Unterschied
machen. Es sei ein verdammlicher Missbrauch — eifert der-
selbe — und ein teuflischer Aberglaube, aus den Sternen
das Geschick der Menschen lesen zu wollen, oder gar zu
glauben, es hänge von denselben ab. Es sei nicht ohne, dass
der Mondwechsel, die Stellung der Gestirne einen Einfluss auf
die Luft nehmen, „auch gar giftige Qualitäten den irdischen
Gtöchöpfen einführen können; es sei nicht ohne Fundament
und es zeige dies die Erfahrung, dass man in Arzeneien und
Blutlassen die Zeichen, worin der Mond seinen Gang hat, nebst
dem Wechsel desselben und die besten Aspect der Planeten
observiren soll.'' Daher tadelt Lebenwaldt, dass „etliche Ka-
lendersclimiede das arme nackende Lassmandl aus ihrem Al-
roanach bandisirt haben; denn so wie manche Erdgewächse
augenscheinlich unter dem Einflüsse der Gestirne stehen, warum
sollte dies nicht auch mit den Feuchtigkeiten im Menschen-
leibe sein. Dies erfahren genugsam die Mondsüchtigen, Epilep-
tischen und andere Bresthafte, welche ihren Kalender in Händen,
Füssen, Rücken und Haupt mit sich tragen^.
Manche Aerzte behaupteten auch, dass in gewissen Krank-
heiten die Heilung bei einem günstigen Planetenstande und
zoträgHcher Mondesphase rascher vor sich gehe, während üble
Constellationen, Kometen, Finsternisse schädlich wirkten. Man
schrieb es auch dem Einflüsse des Planeten Saturn bei seinem
**) Ans dem 1. Tractatel.
6*
— 84 —
Standpunkte im Sternbilde der Zwillinge zu, dass 1677 bis
1679 die giftigen Fleckfieber und die ungarische Hauptkrank-
heit so heftig grassirte und an verschiedenen Orten, namentlich
in Steiermark vor allem junge und starke Leute dahinraffte.
Dasselbe Verhältniss hatte 1625 und 1646 stattgefunden, wie
alterlebte Bauersleute unserem Lebenwaldt erzählt hatten.
Derselbe glaubt auch fest daran, dass „bösartige Sterne
durch ihre Ausdämpfung die Luft tingiren^, dass diese dem
Wasser, das Wasser der Erde, die Erde den Gewächsen das
astralische Gift mittheilen können und dass so eine „astralische
Pest" **) verursacht würde; freilich, weil die Empfänglichkeit
verschieden sei, nicht allerorts, und weil die „astralischen
Geister bald mit arsenicalischem , bald mit mercurialischem.
sulphurischem, antimonialischem und salinischem Brodero ver-
mischt sind", nicht überall und nicht immer in gleicher Weise.
Daher gibt Lebenwaldt zu, dass ein Medicus gar wohl zum
Heile seiner Patienten ein Astrologus sein könne, „allein dagegen
ist zu protestiren, dass einer auf die Sterndeuterei, dieses teuf-
lische Faxenwerk, etwas halte, oder sich gar darauf verlege".
In Betreff der Kalender sagt Lebenwaldt: ,Man muss sich
wundern, oder vielmehr darüber lachen, dass es jetzt mehr
Kalendermacher **') als Besenbinder gibt." Dabei machen aber
die wenigsten solche Berechnungen selbst, sondern schreiben
derlei ältere Schriften aus und solche habe man von ihm selbst
zu leihen begehrt Aber schändlich sei es, was sie für „pickel-
häringische Komödianten - Possen , Fabeln und alte Weiber-
Märchen beigeben und dem gemeinen Volke die Astrologia
judiciaria oder die zigeunerische Wahrsagung aus den Planeten
lehren. Das ist keinen Heller, aber wohl einen Schilling —
auf den hinteren Theil — werth".
^*) Im „Arzneibuch" findet sich darüber eine ausftlhrliche Abhandlnn.?.
^'•) Ein steirischer Kalendermacher war der Doctor der Heilkunde Job.
Michael Linus (1646—1676), Arzt in Graz. 1665 erschien von dem-
selben ein „Diarium catholicum" zu Augsburg. In seinen Kaiendom
von 1652, 1653 u. ff. findet sich eine kurze, aber sehr beachtens-
werthe Geschichte und Beschreibung steirischer Stadt« und Wildbäder.
— 85 —
Es herrschte auch der verwerfliche Utisinn, dass solche
Kalender , Wahltage und verworfene Tage, d. i. glück verheis«
iiQnde und unglückselige^ aufführten, so wäre z. B. der 3.
und 13. Jänner, der 5. und 25. Homung u. s. w. glückbrin-
•ieud für Kauf und Verkauf, Häuserbau, Reisen, Heiraten. Die
;;emeinen Leute hatten Scheu vor dem ersten Montag im April
(mit Bezug auf den Brudermord Kain's), dem ersten Montag
im August (wegen der Zerstörung von Sodoma und Gomorrha)
und dem ersten Montag im December (wegen Judas des Ver-
räthers).
Anderen Unsinn brachte die Aderlasstafel, indem sie auf
den Neumond reflectirend die Richtschnur gab : Wenn man
am 1 . Tage des Neumondes Blut lässt , verliert man die Ge-
sichtsfarbe, am 2. bekömmt man ein Fieber, am 3. eine andere
böse Krankheit, am 4. erfolgt gählings der Tod, am 5. ver-
schwindet das Geblüt — erst der 6. Tag ist gut
In diese ^Phantasey incapricirt" waren aber nicht blos un-
gebildete, sondern auch gelehrte und geistliche Männer, so dass
sie, wenn der Arzt eine Aderlass verordnete, zu dieser Tafel
liefen und guckten, ob es wohl rathsam wäre, und der Arzt
musste oft lange disputiren, bis sie nachgaben. Eine andere
Tafel im Kalender setzte die für Schröpfen und Aderlassen
überhaupt verworfenen Tage an — und zwar eine ziemlich grosse
Anzahl ; — sollte jemand diese nicht beachten, drohte allerlei
Uebel, wie Blindheit, Hauptwehe, Tollsucht, Krampf u. a. m.
Lebenwaldt verurtheilt dies als „Firlefanz", der aus der
alten heidnischen Sterndeuterei hervorgegangen sei, „wobei man
nicht wisse, wie weit der Teufel dabei sein Spiel getrieben
habe*. Auch das „Stellen der Nativität", wie man es noch zu
Ubenwaldt's Zeiten als eine Kunst betrieb, hielt derselbe für
m Uebel, und für einzelne Menschen sogar von verderblichen
Folgen ; es sei „höllisches Plunderwerk, das den Menschen zum
Sclaven der Sterne mächt" •''').
Was Lebenwaldt über Pyromantia, Capnomantia, Caromantia,
••) Aus dem 2. Tractatel.
— 86 —
A^roinanüa, Hydromantia, Geomantia; Necromanüa, Crystallo-
mantia u. a. m. mit grosser Gelehrsamkeit abhandelt, bei Seite
lassend, hebe ich nur einige in Steiermark tLbliche Gebräuche
heraus, die in dieses Capitel gehören.
Etliche alte Mütterlein schrieben das Erkranken einer
Person dem Einwirken eines bestimmten Heiligen zu, von denen
sie eben eine gewisse Zahl für so geartet hielten und daher
„Verletzer" nannten. Um nun zu erfahren, welcher aus diesen
die Krankheit geschickt habe, wurden die Namen derselben
auf Zetteln geschrieben und vor jedem ein besonderes Lichtlein
angesteckt Bei wessen Namen das Licht zuerst abgebrannt
war, das ist der recht«, der hat es gethan und den hatte
man hierauf mit gewissen Ceremonien zu verehren.
Um die Zukunft zu erfahren, wurde „in der Gemein"
folgendes „practicirt: man schlagt zu gewissen Zeiten ein fri-
sches Ei in das Wasser, dieses gibt unterschiedliche Bildnussen,
welche man den andern Tag beschauet und darauss von dem
zukünftigen Jahr, was mit ihnen geschehen soll, urtheilt^ —
„In gewissen Kirchen-Ceremonien merken sie auf das Glocken-
geläute, laufen zu den fliessenden Wässern und Brunnen,
waschen das Angesicht wider die LeberiSecken , andere tbun
aber das Gesicht nicht abtrocknen, sondern erwarten ihren
zukünftigen Liebsten oder Ehegemahl, welcher, wann sie in
die Kirche gehen, vor der Kirchenthüre erscheint."
Zu Lebenwaldt's Zeiten war auch noch die alte Losfrage
durch Stichomantia in Uebung. Wie man früher hiezu Homer
und insbesondere Virgil, später die h. Schrift (was aber ver-
boten wurde) befragt hatte, so bediente man sich jetzt des
Thomas a Kempis, oder auch ein und des anderen Reimbuches.
Lebenwaldt meint, wenn kein Aberglaube dabei sei, könne
man es thun. Verwerflich sei aber auf die Ars notoria und
Ars paulina Vertrauen zu setzen. Diese soll nämlich „ohne
Mühe und Studieren, ohne Lesen und Hören aUe Erkenntniss
göttlicher und menschlicher Dinge dem Hirn in kurzer Zeit
einpflanzen".
Lebenwaldt selbst kannte ein „nasenwitziges Bäuerlein^t
— 87 —
das alle ,,Schaden^ Wunden, Geschwüre, auch Beinbrüche und
Äuskegelungen, ohne die Knochen einzurichten, mit einer Salbe
zurecht brachte. Als er den Bauer fragte, woher er diese
künstliche Salbe hätte, antwortete derselbe, ein Engel habe
ihm im Schlafe die Bereitung derselben gelehrt Lebenwaldt
zeigte solches, als eine .,suspecte Sache'\ bei der Obrigkeit
an, aber diese liess den Bauer seiner Kunst halber un-
geschoren "').
Wir kommen zur Alchymisterei und Goldmacherkunst,
welche eben im 17. Jahrhunderte ihre Blüthezeit hatte. Die
Beschäftigung mit derlei entsprang bei einigen aus dem un-
stfllbaren Triebe, rasch Reichthum zu erwerben, sei es auf
was immer für einem Wege, bei anderen aus der Speculation
auf die Thorheit der Menschen, die ja eine der besten Erwerbs-
quellen abgibt
Diese unberufenen Chemiker werden von Lebenwaldt mit
derbem Griffel gezeichnet: ^^ Diese Lumpelzunft und Gesell-
schaft hat gemeiniglich unter sich ungelehrte Aerzte, ver-
dorbene Apotheker, versoffene Bader und Barbierer, verarmte
Juristen und Mauldrescher, faule Gold- und Kupferschmiede,
Glockengiesser, abgefühile Umschweifer und Landlaufer, Zahn-
brecher, bankerot spielende Kaufleute , vagierende Cleriker,
ausgesprungene Mönche, aus den Schulen gestossene Stu-
denten, schimmlichte Schulmeister, verroste und durch die
Länder gestürzte Hofmeister, leutverblenderische Gaukel- und
Taschenspieler, ausgerissene Soldaten, hofifärtige Aerzte und
Brunnengräber (Quellenfinder) ; ja ich habe Schneider, Schuster,
Bierbrauer , Rauchfangkehrer , Fasszieher und Besenbinder
gekannt, welche sich auf die Goldmacherkunst begaben. Sie
baben etwa ein Theophrastisches Büchel von solcher Materie
gelesen und obschon sie dasselbe nicht verstanden haben,
dennoch ihr Handwerk auf den Nagel gehängt und das mit
barter Mühe und Arbeit erworbene Geldl auf Materialien,
Gläser und Tiegel angewendet, Tag und Nacht angefangen
^ Aus dem 8. TractaieL
— 88 —
zu brandein, bis die Mittel »ammt der Hoffnung im Rauche
verschwanden."
Solcher Leute kamen einige, oft von weitem zugereist, zu
Doctor Lebenwaldt, um in ihrer crassen Unwissenheit sich bei
ihm Auskunft über allerlei Namen und technische Bezeichoun^
zu holen, z. B. was prima materia sei und wo es sich aulhalte,
was das Chaos fllr ein Thier sei, was Panspenuia, Terra
adamica, Gas, Blas, Mercurius, Sal, Sulphur etc. bedeute,
anderer dummer Fragen zu geschweigen.
„Andere zogen als verschalkte Gesellen unter dem Schdne
der Heiligkeit, ja gar in einen Mönchshabit vermummt einher,
giengen in lauter Demuth herum, bald einen Rosenkranz oder
ein Gebetbucli, bald eine charakteristische Alchymisten-Schrift
in den Händen tragend ; sie versprachen goldene Berge, warfen
aber heimlich ihre Augen auf das Geld, oder wohl auch auf
die Minerva oder Mineram Yeneris und Hessen dann gar oft
nicht einmal ein aurum potabile, sondern plorabile zurück,
wenn sie mit dem Mercurius Flügel an den Füssen bekamen
und flüchtig wurden."
„Wieder andere kamen in Pracht und Herrlichkeit daher
als graduirte Doctoren mit allerlei Titeln und falschen Zeug-
nissen, mit Ringen an den Händen und Dienern hinter dem
Rücken, das waren die noblen Betrüger, von denen manche
gar hoch kamen, nämlich — auf den helllichten Galgen.'^
Ueber die gefährliche Charlatanerie der herumziehenden
alchymistischen Aerzte wurde schon bei früherer Gelegenheit
berichtet, daher hier von denselben keine Erwähnung gemacht
wird. Was dann die Secte der berüchtigten Rosenkreuzer
betrifft, über welche Lebenwaldt weitläufig berichtet, so kann
auch diese hier füglich unbeachtet bleiben, weil dieselbe von
modernen Schriftstellern genugsam gekennzeichnet wurde, es
muss nur beigefügt werden, dass es deren auch in Steiermark
gab, wie man auch dort nach dem Stein der Weisen und der
Universal-Tinctur suchte "^).
«p) Aus dem 4. Tractatel.
— 89 —
Dass es thörichte Leute gab, welche auf die ^^igeuner-
Profession" des Wahrsageus aus den Linien der Hand Ver-
trauen setzten, bedarf keiner weiteren Beweisführung, aber
merkwürdig ist, dass sich auch „gelehrte Naturkundige^^ damit
befassten. Unser Autor erzählt: „Es seynd mir selbst Medici
bekannt gewest, welche ehenter dem Kranken nach der flachen
Iland als nach der Pulss gegriffen, darinnen mit aufgespalten
Augen, tiefsinniger Betrachtung, Wendung der Hand, Streichung
der Linien aller Krankheit Anfang, Ursach vnd End erforschen
VTid verkündigen wollen. Ob sie es pro vana gloriola captanda
vel confidentia excitanda gethan, will ich nit vrtheilen.^^
Die „physicalische Gesichtskunst^* (Physiognomik) lässt
Lebenwaldt gelten, wenn sie „intra limites eingeschränkt und
kein praejudicium der Menschen - Freiheit ist". Aber wie ge-
fährlich es wäre, auf dieselbe zu bauen, davon weiss derselbe
allerhand Beispiele anzuführen; anderseits bemerkt er: „Die
Reehtsgelehrten steuren sich selbst in theils Händel auff die
Physiognomia, also wann mehrer von einem begangenen Laster
suspect seint, wird derjenige zum ersten auff die Foltern
^(eworffen, welcher der Ungestaltiste ist von dem Angesicht,
weilen man vermaint, er sey auch in dem Gemüth boss-
hafftiger/*
Zu seiner Zeit — fährt Lebenwaldt fort — wäre es aber
ganz falsch, aus den „äusserlichen Anzeigen auf die Complexion"
zu scbliessen. „Man kann anjetzo bey diser pohtischen Welt
die lieut gar wenig aussnemmen, es kommbt offt ein guter
frommer Mann in einen bösen Verdacht, entgegen der schlimmste
Schelm wird für einen Ehrenmann angesehen, es steckt oft
^in gottloser verrätherischer Judas unter einem h. Pauli Gsicht,
6in Susanna-Bruder oder alter Maechaberis vnter einem grauen
Haupt, ein junger Bössewicht vnter einem weissen Bart ; wann
man schon dergleichen von der Schaitl an auff die Fusssolen
beschauen thete, so wurde doch gleichwolen kein grundrichtiges
Vrtheil können gefällt werden."
„Dahero hat nit vnlängst einer auss meinen getreuen
Pamassi-Brüdem also poetisirt:
— 90 —
0 cordata prisca fides
Wo last du dich jetzt hinbringen
Vnter falschen Zungen klingen,
Die das Hertz entzwey zerschneiden.
Vnd in diesem schweren Leyden
Cor fidele adhuc rides!"
An die Bergruthe und den Bergspiegel, dienlich zur Aul-
findung von Metall-Lagern in der Erde, welche Lebenwaldt im
Anschlüsse an den ,;MenschenspiegeP kritisch behandelt und
als Teufelwerk verwirft, reiht sich die Wasserruthe, mit welcher
Brunnadern entdeckt werden können. JEine solche, mit welcher
wirklich eine unterirdische Quelle aufgefunden worden war,
kam ihm selbst zur Hand und er machte mit ihr eine Probe,
aber nicht eher, bevor er nicht das Kreuz gemacht, die Ruthe
mit einer heiligen Sache berührt und wider alle teuflische Bei-
wirkung protestirt hatte. Als der Haselzweig in der That in
der Nähe der Brunnenquelle sich zur Erde senkte^ da erschreck
er so, „als ob ihm der Teufel eines flir das Ohr gegeben hätt^i".
Fünf Jahre bewahrte er diese Ruthe in seinem Museum, sie
war schon ganz dürr geworden, da machte er mit derselben
wieder eine Probe, in welcher sie ihre alte Kraft bew&hrte.
Das war ihm denn doch verdächtig, er erkundigte sich bei
dem Manne, der dieselbe gemacht hatte und erfuhr, sie sei
mit gewissen Sprüchen geschnitten und getauft, da befiel ihn
der Argwohn, es könnte denn doch der Teufel dabei etwas
zu thun gehabt haben, und er warf selbe augenblicklich ins
Feuer«")-
Zu den absonderlichsten sympathetischen Mitteln, denen
man auch noch im 17. Jahrhunderte viel Vertrauen schenkte,
gehört die Waffensalbe. Dieselbe dient unter anderem vorzüg-
lich zur Heilung von Wunden. Mit ihr wird aber nicht die
Wunde, sondern die Waffe oder der Gegenstand, welcher die
Wunde verursachte, gesalbt und sollte dieser nicht zur Hand
sein, so genügt es einen Stab aus Weidenholz zu nehmen, den
"^ Aus dem 6. Tractatel.
— 91 —
m&o mit der blutigen Stelle in Bertthrung gebracht hatte. „Es
thut's auch ein Stuhlfuss — bemerkt Lebenwaldt spottend —
die Wunde wird ohne weiters heil."
Wir haben auch einen I^andsmann aus einem viel ge-
nannten und zahlreichen Geschlechte der Stadt Leoben, den
Doctor der Medicin Oswald Gabelkhover (1512—1559), der
hiezu ein ganz vorzügliches Recept anrUhmt, dessen Haupt-
bestandtheile sind: Menschenfett, Fleisch, Mumia und Moos,
das auf einem in freier Luft verwitterten Todtenschädel ge-
wachsen ist
Aehnliches leistet ein sympathetisches Pulver, aus im
Wasser aufgelöstem Vitriol bereitet Ein vom Blute der Wunde
gefärbtes Tachlein oder Stück von einem Kleide oder vom
Hosenträger wird hergenommen und entweder mit diesem
Pulver eingestuppt und gut aufbewahrt, oder das blutige Stück
mit solchem Vitriolwasser benetzt und an emem vom Staube
freien Orte aufbewahrt Die Wunde soll in wenigen Tagen
bellen, wiewohl an derselben nichts zu geschehen hat, als dass
sie rein und bedeckt gehalten wird. „Wenn es wirklich hilft
— »agt Lebenwaldt — so hat der Teufel seine Bratzen dabei
gehabt" '^).
Ein bei dem Volke (ungebildeten und gebildeten) tief
eingewurzelter Aberglaube findet sich bei den sogenannten
sympathetischen und magnetischen Curen, von denen Leben-
waldt bei hundert kennen gelernt haben will ' '). Eine der merk-
würdigsten besteht in der Ueberpflanzung der Krankheit, welche
eine ganze Secte von Aerzten lehrte und behauptete, es ge-
schehe durch eine Art Magnetismus, dass der Krankheitsstoff
'^) Aus dem 6. Tractatel.
' ') Hieher gehört, was Lebenwaldt (im Arzneibuch, S. 283) in Beziehung
auf in Steiermark vorgekommene „Incantationes" berichtet: „Es gibt
bis dato noch viele alte Hexen, welche mit gewissen Worten, An-
blasen etc. die schwersten Krankheiten curiren und nennen es
»anbeten** (abbeten). Ich habe oft mit dergleichen Medusis und
Proserpinis Händel gehabt und sie wollten allezeit mit diesem trium-
pbiren, weilen bei ihrem Ansprechen heilige Worte sein.*
1
— 92 —
in Pflanzen, Thiere (Frösche, Krebse, Fische. Hunde u. a.i
ja sogar in Steine übertragen werden könne.
Eine ganz gewöhnliche Cur wird z. B. auf folgende Art
gemacht : Man nimmt Blut oder Schweiss, Harn, Speichel, aucli
Nägelabschnitte von dem Kranken , steckt dieses entweder
zwischen Rinde und Holz eines Baumes, oder bohrt eigens ein
Loch bis an das Mark des Baumes und verschliesst diesen
Unflat darin. Der Baum oder der Ast stirbt ab und der Kranke
wird gesund.
Aus den mancherlei von Lebenwaldt proscribirten mag-
netischen Hausmitteln, deren man sich in Steiermark bedienk.
sollen hier (wegen ihrer Gemeinnützigkeit!) drei beLspielswek<e
angeführt werden : Zahnschmerzen heilt man, indem man einen
Zweig von einem „Felberbaum" (Weide) abschält und damit
das Zahnfleisch so lange stochert, bis es blutet DanA hüllt
man über diesen Zahnstocher die Rinde wieder und steikt
ihn in die Erde. Dadurch werden die Zähne auch vor dem
faul werden behütet
„Hühneraugen" (Leichdornen) bringt man weg, wenn man
eine lebendige schwarze oder rothe Schneke, die kein Haib
hat, an dem Leichdom reibt und auf einen Zaunpfahl steckt.
Wenn derselbe verdorrt ist, sind auch die Leichdornen wefr.
Den Kropf bringt man weg, wenn man ein „Dampfe!"
(Sauerteig) um den Hals bindet und hernach dieses Pflaster
einem Hunde zum Fressen vorwirft, oder in einen knospenden
Baum steckt
Bei diesem Anlasse bemerkt Lebenwaldt, dem Anwürfe
eines anderen Schriftstellers zu begegnen, es sei durchaus un-
wahr, dass es in den steirischen Bergen viele Kröpfe pebe:
„die Luft sei rein und gesund, resch und körnig, die Leute
gesund, Wohlgestalt und sittenhaft/'
Was aber alle die magnetischen und sympathetischen
Mittel betrifft, so warnt derselbe vor ihrem Gebrauche. Man
sage nicht: „Hilft's nicht, so schadet's nichts, denn gar oft kt
der Teufel nicht weit davon. Wir lassen ihm ein Haar und
er fasst uns beim Schopf/'
— 93 -
„Freilich — fährt er fort — wäre es zu wünschen, wann
es ohne Verletzung des Gewissens sein könnte, dass (und
jetzt bekommen wir wieder ein helles Streiflicht auf ein an-
deres Gebrechen seiner Zeit) — dass bei dieser bauchsüchtigen
und verfressenen Welt, allwo das schlecker- und schlickerhafte
Maul mehr als der Magen und die Leibesgesundheit beachtet
wird, die Krankheiten von dem Menschen in die Hunde, Katzen,
Bäuiue, Kräuter und Steine bandisirt werden, alsdann wollte
irh selbst mit heller Stimme und weit aufgespertem Maule
schreien :
Weichet alle Galenisten
Apotheker und Chemisten,
Weil die Transplantation
Alles und jedes kuriren kann.'^ *' *)
In dem achten Tractate behandelt Lebenwaldt des Teufels
Lbt und Betrug in Verführung des Menschen zur Zauberei.
Man findet hier alles besprochen oder wenigstens angedeutet,
was in dieses Gebiet einbezogen werden kann. Mit den lächer-
li<*lien, meist unschädlichen Vorurtheilen der Menschen, mit
•len abergläubischen Meinungen, den „leichten Afterpossen"
hej^nnnt die Reihe und steigt auf bis zu dem grässlichsten
Aberwitz und Irrwahn, der sich im Hexenwesen breit machte.
Der Aberglaube im Allgemeinen ist nach Dr. Lebenwaldt's
Ansicht „der gerade Weg zur Zauberei, er vennummt sich in
ein einfältiges Kind, . betrügt unter dem Prätext heiliger Worte
nnd der Andacht, und der Teufel ist hier der Principal-Agent".
Am leichtesten würden die Weiber gefangen und sie halten
am hartnäckigsten' fest, denn wenn man auch noch so über-
zeugend in dieselben hineinspricht, sie bleiben dennoch bei
ihrer Meinung, besonders die alten Weiber. Es sei leichter,
r,dera Hercules den Streitkolben zu entwinden, als die ihrem
Hirn eingepresste Meinung".
Uebrigens fehlte es auch nicht an Gelehrten, die tief in
allerlei Aberglauben befangen waren.
"^ Aas dem 7. Tractatel.
— 94 —
Es kann hier nicht alles aufgezählt werden, was toi
Dr. Lebenwaldt als Aberglaube bezeichnet erscheint, die G^
betlein und Segenssprüche, Anhängsel g^en Leiden uol
Gebrechen, die Fieberzettel, der Hocuspocus nut dem Abra-
cadabra, das Kugelgiessen, Mannschauen, Lösein, die Zeitwahi,
die Kräuter für und gegen den Zauber, Amulete, Alraunwunei,
Gamswurzel, Passauerkunst, Feuersegen, Diebssegen u. s. w.
Das Material des Aberglaubens ist gross, vieles fast allen
Völkern Europas gemein, aber so wie jedes Volk seine beson-
deren Sitten hat, so hat es auch seinen besonderen Äber*l
glauben. Es ist Schade, dass Lebenwaldt hier nicht regel-
mässig und mit mehr Sichtung das bezeichnete, was der
Steiermark eigenthOmlich war. Doch lässt sich einiges her-
vorheben, was er als „Fautzwerk und Pickelhärische Possen*'
bezeichnet :
.,Gesetzt, es bekombt einer das Panaritium oder Wurm
am Finger, da kombt bald eine alte FeU mit diesem Spruch:
Gott Vater fahrt gen Acker,
Er ackert fein wacker,
Er ackert drey Wurm herauss,
Einer war weiss, der andere schwartz, der dritte rotb,
Hir liegen alle Würmer todt"
Gegen das Nasenbluten schrieb einer, der diese Kunst
verstand, gewisse Worte und Buchstaben mit dem Blute auf
die Stime; andere hatten die Kraft, die Stillung des Blutens
durch „Abbeten" zu bewirken.
In Obersteier war es üblich, dass man es nicht wagte.
die Raubthiere bei ihren eigenen Namen zu nennen, denn
sonst würden sie kommen und Schaden thun; so hiess man
den Geier „Flieger" oder „Stamperl", den Fuchs „Langschwanz',
den Wolf „Unziefer" und den Bären „Breitschädel".
Weitläufig lässt sich Lebenwaldt darüber aus, „l. was die
Zauberei sei; 2. was der Pact oder Vertrag mit dem Teufel
in sich halte ; 3. durch was für Gelegenheit man in das Laster
meistentheils gerathe". .
— 95 —
Es ist nicht am Platze, dem Verfasser hier auf allen Wegen
nachzugehen, ich hebe nur heraus, was sich für unsere Cultur-
^eschichte ergibt, nämlich, dass zu seiner Zeit viele Gaukler
und Taschenspieler unser Land durchzogen, darunter auch der
>ielbewunderte Sicilianer Blasius Monfretin, den Lebenwaldt
bald sdbst fbr einen Zauberer gehalten hätte, wenn er nicht
Zeugnisse vom Papste, Kaiser und vom P. Kircher (dem
hochgelehrten Jesuiten) vorgewiesen hätte.
Bemerkenswerth ist auch, dass die Schrift „Doctor Faust's
Leben schier Jedermann bekannt war^
Es muss auch der leidigen Thatsache Erwähnung ge-
schehen, dass die abscheuliche Hexenriecherei und der tolle
Glaube an Zauberei in der Steiermark gerade im 17. Jahr-
hunderte seine Blüthe- und Blutzeit gehabt hat.
Dass die Hexen und Zauberer Hagelwetter machen, den
Menschen und dem Viehe durch Anschauen, Anblasen oder
Anrühren etwas Böses anthun können, das glaubte und be-
schwor bei Stein und Bein nicht nur das gemeine Volk,
sondern auch die gelehrte Welt, Juristen und Mediciner und
namentlich unser Lebenwaldt'"*).
Selbst die Fahrten der Hexen auf dem Besenstiele oder
der Ofengabel, ihre Anbetung des Teufels, ihre Hexenmahle
und Tänze und ihre fleischliche Vertrautheit mit dem Teufel
hielt man für unbezweifelhafte Wahrheit
Wie am Harze der Blocksberg, im Neapolitanischen der
Beneventinische Acker, in Schwaben der Heuberg, in Ober-
'^ Ueber einen absonderlichen Zauber-Regen berichtet Lebenwaldt in
der 154. „Observatio" der Mise, curios. Dec. II. Ann. X. In einer
untersteierischen Gegend (ohne nähere Bezeichnung) war 1691 ein
sehr starker Regenguss über ein Erlenwäldchen niedergegangen,
nach welchem auf den Baumblättern deutlich Schlangenbilder ein-
geprägt gefunden wurden. Ein bald darauf eingezogener Mann, der
in allen Arten der Zauberei erfahren war, gestand im peinlichen
Gerichtsverfahren, er habe dieses Gewitter im Bunde mit dem Teufel
gemacht, damit eine Pest, heftig und wild, wie Schlangengift wirkend,
entstände.
— 96 —
Oesterreich der Traunstein, so war bei uns der Schockel S
als Schauplatz von teuflischen Lustbarkeiten verrufen^').
Wer sich auf diesem infernalischen Gebiete ex professc
genauer informiren will, wird in der berührten Schrift Leben-
waldt's genügsamen Aufschluss erhalten.
Lebenwaldt schliesst seine sämmtlichen „Tractatel" mit
einer Anleitung, wie sich der Christ vor den Anfechtungen
und der Verführung des Teufels behüten könne und solle und
mit einem Anhange über ein zu seiner Zeit viel besprochenes
Thema, nämlich über den Antichrist und das Ende der Welt.
Lebenwaldt als Dichter und Musiker.
Es muss im vorhinein ausgesprochen werden, dass es auf
diesen Blättern nicht am Platze sein kann, die Poesien Leben-
waldt's einer ästhetischen Würdigung zu unterziehen, da docb
selbst eine literarhistorische Besprechung die Tendenz der-
selben überschreitet. Hier kann nur, insoweit zugleicli allge-
meinen culturhistorischen Zwecken Rechnung getragen wird
dichterischen Schöpfungen Raum gestattet werden.
Man nimmt gewöhnlich an, dass die Steiermark in Bezug
auf Poesie im 17. Jahrhunderte gänzlich unfruchtbar gewesen
sei. Dass dies in Hinsicht der gelehrten (lateinischen) Dichtung
ganz und gar unrichtig ist, kann schon durch die Hinweisung
auf die vielen bei Gelegenheit der Promotionen an der Uni-
versität zu Graz erschienenen Gedichte gezeigt werden, unter
denen gar manches volle Beachtung verdiente ' *).
''^] Unter den Epigrammen in der Promotions-Ehrcnschrift „Apiarinm
e Panthera", die von den Studierenden der Poesie zii Graz 16JH
herausgegeben wurde, findet sich nachstehendes Sinngedicht auf dif
Schöckelhexen :
„Miror in hoc sagas tam multas monte morari.
Tarn vicina illis cum tarnen hie pyra sit*
(Ein regelrechter Scheiterhaufen [pyra] stand dort stets in Bereit-
schaft, um in Kriegszciten alsbald zum Kreuthfeuer zu dienen.)
'•'*) Aus dem 8. und letzten Tractatel.
^") Von Dichtern aus dem Orden der Gesellschaft Jesu, die sich zu Zeiten
des Dr. Lebenwaldt im Collegium zu Graz befanden, sind zu nennen :
— 97 —
Inwiefern der Schule längst entwachsene Männer ihre dort
erlernte Kunstfertigkeit im Verfertigen lateinischer Verse auch
auf steirischem Boden mit Erfolg geübt haben, wurde bereits bei
früherem Anlasse durch Anführung von mehreren gleichzeitig
1 1 094) thätigen, versgewandten steirischen Aerzten angedeutet.
Es ist aber auch gar nicht anzunehmen, dass in der zur
Zeit des Minnegesanges liederreichen Steiermark später der
(lichterische Mund je verstummt sei, ja es ist sogar gewiss,
dass die Dichter- und Sangeslust im Volke, namentlich im
Hochlande niemals erstarb. So hat es denn sicher an Dichtern
in der Mundart niemals gefehlt, wenn auch nur magere Bruch-
stücke von deutschen Dichtungen derzeit vorfindig sind und
nur wenig Namen genannt werden können, von denen ich bei
(lieser Gelegenheit jedenfalls des Stadtschreibers zu Judenburg,
Mathias von Pichel (1641 — 1670), nicht vergessen darf").
Während aber die Mehrzahl nur als Gelegenheitsdichter
auftrat und eben deshalb gänzlich verschollen ist, trat die
poetische Anlage und die Lust und das Gefallen an der
Pflege derselben bei Lebenwaldt mächtig genug auf, um der
Dichtkunst um ihrer selbst willen zu huldigen. Er flüchtete sich
Christof Kissenpfeniiing, (Epigrammatiker) f 1663, Christof Weiss
t 1682 (Dramatiker), Albert Capeniiles f 1694, Joach. Höller
t 1703, Leop. Rackensperger 1 1710, Joh. Despotovich f 1711, Christ.
Zenegg f 1712 (Epigrammatiker), Jos. Sellenitsch f 1712 (Dra-
matiker) u. a. m.
''') Als deutsche Poeten können auch genannt werden : Joh. Jak. Walch,
Stadtscbreibcr zu Judenburg in den neunziger Jahren des 17. Jahr-
hunderts, und Daniel Grabner, 1612 Stadtschreiber zu Voitsberg;
femer der Bergwerksbesitzer Johann Jos. Stampfer von Walchenberg
(ein Vordernberger), Mitglied des Pegnitzer Blumenordens unter dem
Namen Clitophon. Da Lebenwaldt von seinen „getreuen Pamassi-
Brüdem'* Erwähnung macht (5. Tract. v. d. Teuf. List, S. 102), so
kann sogar angenommen werden, dass möglicher Weise durch ihn
selbst angeregt, in Obersteier eine „getreue Parnassi-Bruderschaft"
bestand. Wahrscheinlich wollte er auch diese mit seinem Epigramm
„de poetis modemis'* (in Monost. extemp.) treffen:
„Sed quid de nostris dicendum vatibus? Omnes
Pnngendo cupiunt esse Epigrammatici.*'
MittheU. das bist. Tereins f. Bieiermark, XXVm. Heft, 1880. 7
— 98 -
sogar vollends in die Arme der Muse, als er gefunden hatte, dass
ihm die Uebung der Arzneikunde stets mit Todesgefahr bedrohte.
Und die Muse zeigte sich willig und huldreich und erklärte
ihm auf seinen Anruf: „Die Dichter seien ohnehin jetzt selten
geworden (rari nantes), verwahrlost stünden die Götterhaine,
verlassen der Gipfel des Pamassus. Es bedürfe gar nicht der
Finger, die Nase allem reiche aus, um die Nasones und Ma-
rones zu zählen. Daher solle er sich nicht scheuen, seine
Gedichte zu veröffentlichen; nur möge er dieselben nicht Epi-
gramme nennen, da ihnen Homg und Stachel fehle.^^
Er habe mit dem Dichter erwiedert, ,jedes Epigramm sei
gut, das aus zwei Zeilen bestünde; zähle es mehr so gelte:
Pangis non epigramma facis'^ Uebrigens sei er einer von
denen, „qui proficiendo scribunt et scribendo proficiunt*" • ^).
Demgemäss nannte er diese erste Sammlung vob latei-
nischen Epigrammen „Monostichorum extemporaneomm Cen-
turia prima" und zwar auch deshalb, weil er selbe ex tempore
im Gespräche mit oder in Briefen an Freunde gemacht hätte.
Drucken Hess er sie nur auf Verlangen seiner Freunde. Ge-
widmet war die erste Centurie (es folgte nachmals eine
zweite und dritte) dem berühmten Grazer Arzte Dr. Samuel
•®) Vorrede der „Monosticha extemporanea". (Den vollen Titel dieser
und aller anderen Dichtungen Lebenwaldt's findet man vorne Seite 45
verzeichnet.) Diese Sammlung von Sinngedichten wurde 1685 von
einem ungenannten Dichter in deutscher Uebersetzung publicirt unter
dem Titel : „Dess berümten gekrönten Poeten Adami a Lowenwaldt,
Monosticha extemporanea von einem auss der Gesellschaft Jesu der
Poeterey Liebhaber in das Teutsche Übersetzt und in Track gebracht.
(Durch Joh. B. Mayr, Saltzburgischen Hoff- und Academischen
Buchdrucker und Handlern. Anno 1685.) Die vorausgestellte Dedi-
cation in deutschen gereimten Jamben (Alexandrinern?) ist von
Dr. Lebenwaldt's Leib-Buchdrucker, dem genannten Mayr, unterfertigt
und schliesst ihre gewaltige Lobpreisung mit den Versen:
Indessen lebe wol! Gott wird dir ausserlesen
Dess Himmels Bezoar, die besten Edlgstein.
Leb' lang, frisch vnd gsnnd! lass (wie allzeit gewesen)
Mich, kluger Löwenwald! in deiner Gunste seyn/*
— 99 —
Eisenschmidt, zum Zeichen ungeheuchelter Aufrichtigkeit (ger-
mani candoris) in brüderlicher Liebe und collegialer Freund-
schaft. Diesen wählte er sich auch zum Gönner seiner Verse,
indem er das Distichon „contra Zoilum^^ voranstellte:
Metrorum Samuel quod si foret ipse Patronus,
Liber ab interitu fit mens iste liber.
Ich erwähne dieses, einerseits um zu zeigen, in welchem
Verhältnisse Lebenwaldt zu Eisenschmidt stand, anderseits
weil sich mir die Verrauthung aufdrängt, dass auch letzterer
ein Poet gewesen sei.
Diese Monosticha waren aber keineswegs die erste poeti-
sche Publication Lebenwaldt's, doch sind dieselben schon des-
halb bemerkenswerth , weil sie auf Kosten des Salzburger
Buchdruckers Job. Mayr erschienen. Daraus kann mit Sicherheit
geschlossen werden, dass Lebenwaldt bereits eines weiteren
Rufes genoss und sich daher mit dem Drucke seiner Werke
eine gute Speculation machen Hess.
Uebrigens war derselbe damals bereits Poeta laureatus.
Selbstverständlich galt der Lorbeerzweig, mit welchem Kaiser
Leopold des Poeten Stirne gekrönt hatte, nur der gelehrten
lateinischen Poesie, musste doch jeder Candidat des poetischen
Lorbeers nach dem Statute Maximilian's L und Ferdinand's L
an der Artisten - Facultät zu Wien von den Professoren der
Mathematik (!), Redekunst und Dichtkunst geprüft werden.
Lebenwaldt's Epigramme zeugen nicht nur von grosser
Gewandtheit im Gebrauche der lateinischen Sprache, von voller
Vertrautheit mit den alten Dichtem, von denen er Homer,
Virgil, Horaz, Ovid, Seneca, Juvenal, Catull, Martial, Lucrez,
Claudian, Statins, Lucan, Owen und Bälde mit charakteri-
sirenden Distichen bedenkt, sondern sie verrathen auch die
Bekanntschaft mit Opitz, Fleming, Peucker, Zesen, ZinkgreflF u. a.
Zeitgenossen, aber auch seine religiöse Gläubigkeit und den
ihm eigenthümlichen Humor, einen schlagenden Witz und wie
es beim Epigrammatiker sein soll, einen scharfen Blick für das,
was sich vor seinen Augen abspielt
7*
— 100 —
Der Literarhistoriker Gervinus erwähnt in seiner „Ge-
schichte der deutschen Dichtung^' (III. B., S. 306) Lebenwaldt's
„Adagia selecta et illustrata" neben Zinkgrefifs „Apophtbeg-
mata" und neben Bist, der ebenfalls eine Reihe von Sprich-
wörtern zu Epigrammen erweitert hatte, als Beleg, „wie Sprich-
wort und Epigramm, Anekdote und Sinngedicht vielfach in
einander verlaufen".
Es ist ein missgünstiger Zufall, dass diesem gewiegten
Kritiker nicht Lebenwaldt's andere epigrammatischen Dichtungen
in deutscher Sprache, die „Leoninische Verss" und „Poetische
Schimpf- und Ernst-Reden" zur Hand kamen, indem dieselben
(als Manuscript gedruckt) eben nur in dem engeren Kreise
der Freunde Verbreitung gefunden hatten. Gerade in diesen
Sinngedichten verräth sich der dichterische Beruf Lebenwalds
und seine Würdigkeit in der deutschen Literaturgeschichte
einen Platz zu finden.
Verlangt man aber mit Recht vom wahren Dichter nicht
bloss Verstandespoesie, sondern auch das Walten von Phantasie
und Gemtlth, so kann man eben in Lebenwaldt's „Poetische
Reimgedicht von dem lobwürdigen Stand des lustigen Mayr-
schafftsleben" (um 1674 gedichtet) und im „Poetischer Frülings-
Spaziergang" (etwa aus d. J. 1690 stammend) sehen, wie der
Anblick der Natur ihm das Herz erwärmt, die Sinne belebt
und die Objecto der Beschauung im buntfarbigen Lichte der
Phantasie erblicken lässt Bewundernd ruft er im erstgenannten
Gedichte aus:
„Schau, wie herrlich herfür blicket
Die Lilie, der Blumen Kron\
Steht mit weissem Atlas gesticket
Wie eine Königin im Thron,
Rund formirt und bundt geziert
Mit vielen gülden Zepterlein
In der Mitten pflanzet ein,
Vber alle triumphirt
— IM —
Werffe deine Augen-Straalen
Auf die zarten Tulipan,
So Apelles nit kann mahlen.
Schau auch die Narzissen an!
Jene sind Auffwarterin^
Diese aber Edelknaben,
Die air zu bedienen haben
Den König und die Königinn.'^
u. 8. w.
Dieses Gedicht zum Preise des „Mayrschaftsleben" hat
Lebenwaldt einer Rosamunda mit der Zuschrift gewidmet :
„Edle Frau, dass diss Gedichte
Ich zu Euren Ehren pflichte,
Geschieht, weil Ihr dem Mayr-schaiTt-Leben
Seyt gewogen und ergeben/'
Wenn man die absonderhchen Trennungsstriche in der
3. Verszeile und den dadurch bewirkten Doppelsinn beachtet
- eine Wortspielerei, die jener Zeit eignet — lässt sich
unschwer herausdeuteln, dass Amor denn doch den Poeten
in einem schwachen Augenblicke umgamt hielt, so sehr er
auch sonst von Frauenliebe nichts wissen wollte.
Der aus einer viel späteren Zeit stammende „FrüHngs-
spaziergang" bewegt sich im steifen Alexandriner, frohmuthig
des Lenzes Lust schildernd, wie z. B.:
„Der Lufft ist Lieder voll, die Lerch vnd Wachtel singen,
Gfabr ist, dass nit vor Lust die Berg und Thäler springen,
Der von dem Winter -Wind vor abgedorte Walt,
Wie auch der schwartze Busch wird grün und Wohlgestalt.
Der Baum krauset sich auff, last seine Locken fliegen.
Das Laub der Westen -Wind thut hin und wieder wiegen,
Der vor war grau vnd weiss gibt jetzt ein schön Gezelt,
Ach wie offt süssen Schlaff der Morpheus da anstelt"
Im Verlaufe dieses „Spaziergangs" theilt Lebenwaldt mit
dem Witze eines P. Abraham a Santa Clara die botanische
— 102 —
Spende des Frühlings aus, wie z. B. „Liebstöckel vnd Je-länger-
je-lieber den Eheleuten ; Ehrenpreiss dem Brautvolk ; Körbel-
kraut anstatt des Löffelkraut den Jungfrauen; Rittersporn, Aller-
manns-Harnisch, Sigmarwurtz, Löwenzahn den Soldaten^^ u. s. w.
Wie bekannt, halten epigrammatische Dichter nicht selten
ihrem Zeitalter einen Spiegel vor, um der Thorheit und Un-
sitte ihr Conterfei ersichtlich zu machen. Der Culturhistoriker
kann daher auf diesem Boden zuweilen nicht ohne Erfolg eine
Aehrenlese halten. Leben waldt selbst gesteht zwar von seinen
Sinngedichten, dass die Pfeile stumpf und die Witze harmlos
seien, da er Allusionen mehr als Elusionen liebe« doch findet
sich manches, was die Leute seiner Heimat und Umgebung kenn-
zeichnet, und es möge gestattet sein, einiges herauszuheben.
Die böse Welt seiner Zeit presst Lebenwaldt die „Ex-
clamatio^^ ab:
Tempora, prob Superi! proh quam perverse videntur!
0 mores, o res! ores, ut sint meliores ' '*).
Man hört stets nur Uebles:
Quae nova sint quaeris? Mala sunt; ergo nova non sunt;
Nam non sunt nobis haec nova, quae mala sunt.
^') Zur Krläuterung dieses Wehorufes. kann die Schilderung dienen,
welche Lebenwaldt (im „Arzneibuch", Seite 515) von seinen Zeit-
genossen bei dem Anlasse macht, wo er von den Ursachen der
Krankheiten zu seiner Zeit handelt: „Ich will hierin ein andere
Ursache herftirziehen, welche ein grösseres Fundament hat: Nemlich
die Gemtithß-Passionen, welche mehr und mehr steigen. Vor Zeilen
nahm man in den Mahlzeiten Speiss und Trank mit guter Einigkeit,
es wurde kein Judaskuss oder Stich in die Joppen gegeben, Prisca
iides gehalten, der Schlaff war ruhig etc. Anjetzo geht man oft mit
einem zornigen Rausch in das Bett, speculirt die ganze Nacht^ wie
man dem Gegentheil wieder eines versetzen möge. Ambitio, ira,
avaritia, vindictae cupiditas, odium, amor inordinatus gehen äi\jet20
so stark im Schwang, dass auch der, so gerne ruhig leben wollte,
beunruhigt wird, es crfahrens diese am meisten, welche in Officiis
sitzen. Dergleichen Discurs hab ich mir getrauet, auch bey hoben
Standespersonen vorzubringen und seyn nicht unrecht gesprochen
worden."
— 103 —
Die Gefährlichkeit chemischer Heihnittel geiselt er durch
das Wortspiel:
In chymicis firiuam mediis spem ponere noli,
Talia relinquunt mortuum crebro caput.
Die eitle Vorliebe deutscher Männer für ausländische
Tracht tadelt er zu wiederholten Malen:
Est modus in rebus, tarnen experientia raonstrat,
Germanis nuUum in vestibus esse modum.
Ex habitu quodsi Persona agnoscitur omnis,
Personam qualem, die mihi, Teuto gerit ? '*®)
In den „poetischen Schimpf- und Emstreden" wird der
(Nr. 13) „teutsche Frantzmann'* ermahnt:
„Ein Teutscher sucht herumb, was Kleyder er soll tragen,
Schier alle Länder durch thut er vmb Modi fragen.
Das Niederland die Haar, Spanien gibt den Bart,
Die andre Tracht muss seyn geformt nach Frantzen Art.
Sey es vnd gehe hin! Das sag ich nicht aus Schertz,
Ach halt vnd b'halt allein ein redlichs teutsches Hertz."
Die langen Röcke der Männer (von blauer Farbe mit
rothem Kragen war modern) persiflirt er (ebendort Nr. 42):
„0 kluger Männer Fund, der Rock verdeckt den Leib
Bis auf die Wadel; weil die Hosen hat das Weib."
In Betreff der steirischen Ehefrauen lässt uns Leben-
waldt manch' Schlimmes vermuthen, zumal wirft er denselben
Untreue und Herrschsucht vor. Er selbst blieb unverehelicht,
denn (ebendort Nr. 86):
„Freyen benimmt die Freud ; Freyheit benimmt das Freyen ;
Ach wie offt bringt es Leid den Leuten vnd gross Reuen."
Zarter drückt Lebenwaldt denselben Gedanken aus in
Uebersetzung des leoninischen Verses (Nr. 17): Quot campo
flores, tot sunt in amore dolores.
'^ Dieses, wie alle anderen hier angeführten lateinischen Epigramme
sind aas den „Monosticha".
— 104 —
„Tn den Feldern, in den Wäldern, wie viel man Blümlein findt,
In den Herzen, so viel Schmerzen, wo die Lieb' ihr Feuer
anzündf'
Vom „Weiber-Reichthurab" gilt (Schimpf- und Ernstreden
Nr. 36):
„Wann dir ein Weib zubringt vil Gelt vnd grosses Gut,
Gedenk nur, dass sie dich zum Gehorsam bringen thut
Dann, wenn sie schon auch war in aller Tugend fein,
Muss doch gleichwohl das Gelt allzeit der Meister sein."
„Epitaphium male conjugati."
Una mihi vitam dedit, dedit altera mortem
Femina, scire cupis! Mater et Uxor erat.
Böse ist die Forderung „ad Grammaticos" :
Grammatici, vestras-mutate ah! obsecro, leges,
Feminei haud virtus amplius est generis.
Auf absonderliche Vorkommnisse deutet:
Ancillae dominis nubunt, famuli dominabus.
Cur? Quia servitiis hoc meruere prius.
Dass es mit der Wahrheitsliebe und Ehrlichkeit nicht gut
ausgesehen habe, lehrt ein den Historikern gewidmeter Vere :
Historia est veri, dicis, narratio; dico,
Hujus sunt pauci temporis historici.
Konnte hier mit den gegebenen Proben der Dichter einiger-
massen und wenigstens insoweit charakterisirt werden, dass
man selbst von dem gegenwärtigen Standpunkte der Kritik ans
zugeben muss, er verdiene denn doch einige Beachtung; so
fehlt doch leider jede Probe, um die Angabe zu belegen, dass
Lebenwaldt auch ein guter Musiker und kunstreicher Coin-
positeur gewesen sein soll. Wir müssen es seinem gelehrten
Biographen in den oben citirten Ephemeriden aufs Wort
glauben, dass er ebenso vortrefflich die Vocal- wie die Instru-
mental-Musik verstanden habe, dass es ihm ausnehmend gelang,
den Liedertexten ebenso elegante als wohlklingende Melodien
anzupassen und dass er endlich schon als Student ein „gantzes
musikalisches Amt" componirt habe, dem der Beifall nicht fehlte.
— 105 —
Lebenwaldt selbst spricht von dieser seiner Kunst nur
einmal, indem er berichtet, er habe „1680, da die Pest gras-
sirete * V, ein Trostlied zu Ehren der h. Dreifaltigkeit und Maria,
der Mutter Gottes, in Krieg, Hunger, Pest und anderen Trüb-
salen zu singen, componirt", das „in der wunderthätigen Kirchen
der beil. Dreyfaltigkeit zu Trofaiach musicirt wordenes Höchst
wahrscheinlich war auch der Text dieses Liedes mit sechs
Strophen und Chor von ihm selbst gedichtet®^).
Hiermit möge diese Skizze geschlossen sein. Gelang es
meiner Feder auch nicht, ein klares und vollständiges Bild
unseres verdienten Landsmannes zu zeichnen, so wird doch
ein und das andere das Interesse für denselben geweckt
haben. Die Mängel in der Darstellung mag der leoninische
Vers (Nr. 78) entschuldigen : Qui pingit florem, floris non pingit
odorem, den Lebenwaldt übersetzte:
„Die Färb und Gestalt entwirfift der Maler nach Gefallen;
Aber des Blümleins G'ruch wird er nie können malen."
^^) Eben aus dieser Pestperiode stammt die an der Pfarrkirche zu
Vordernberg noch gegenwärtig eingehaltene Verbindlichkeit, am Feste
des h. Sebastian jedesmal fnr Dr. Lebenwaldt eine h. Messe zu lesen.
Laut einer im dortigen Magistratsarchive befindlichen Urkunde hat
nämlich Maria Elisabeth Gräfin v. Neidhart, damals Besitzern! von
Leopoldstein bei Eisenerz, dem Bürgerspitale zu Vordernberg 200 fl.
legirt mit der Verpflichtung, aus den Interessen die besagte Messen-
Stiftung zu bestreiten.
^-) Arzneibuch, Von der geistlichen Trost -Cur in der Pest, Seite 321,
wo auch der Text des Liedes zu finden ist.
7^^
Sigismiind's Grafen v. Auersperg Tagebuch
zur Geschichte der französischen Invasion v. J. 1797.
VeröfiFentlicht von J. KratochvriU.
Revidirt und mit Erläuterungen versehen von Dr. F. R. y. Krones,
d. Z. Vorstand des historischen Vereines.
Einleitende Worte.
Die Geschichte der französischen Invasion des J. 1797 ent-
behrt noch immer einer erschöpfenden actenmässigen Behand-
hing. Insbesonders gilt dies von der Thätigkeit der damaligen
provis. Landescommission als ausserordentlicher, die Regierung
vertretender Behörde und des Magistrates der Hauptstadt. Da^
in Rede stehende „Tagebuch" eines Zeitgenossen und Mitghedes
jener Landescommission, des Grafen Sigismund Auersperg,
für den wichtigsten Zeitabschnitt der Invasion, 29. März bis
4. Mai 1797 „auf Befehl der provisorischen Landescommission
verfasst", wie es im Eingange heisst — erscheint somit als eine
officielle Berichterstattung und Rechtfertigung der damals fun-
girenden verantwortlichen Organe des ständischen Körpers und
der Grazer Bürgerschaft, mit Beischluss aller darauf bezüglichen
Actenstücke als Belege der Darstellung, mit dem Zwecke der
Vorlage des Ganzen an Kaiser Franz II. Indem Herr K r a t o c h-
w i 1 1 dem Vereins- Ausschusse seine Abschrift und zur Revision
auch ein zweites in seinem Besitze befindliches Exemplar des Ta-
gebuches behufs der Textrevision und Veröffentlichung in den
Vereinsschriften zur Verfügung stellte, erwies er der Geschichts-
kunde der Steiermark und Oesterreichs im Allgemeinen einen
willkommenen Dienst.
Hier sei zur Erläuterung der geschichtlichen Sachlage io einer
chronologischen Skizze der Gang der französischen Inva-
sion gezeichnet, wie er sich vom März 1797 an ergibt. Vom 2.
— 107 —
bis 8. März finden wir das Hauptquartier des Oberfeldlierrn der
französischen Republik noch in Mantna; den 10. d. M. steht es
iüBassano; 11. — 16. März begleiten wir es über Asolo, Viana,
Conegliano nach S a c i 1 e, 16. — 20. März über Pordenone, Valva-
sone, Palmanuovay Viscone nach G ö r z. In den nächsten 6 Tagen
kommt es zu den Gefechten mit den Truppen Erherzogs Karl bei
Ponteba, an der Klause, bei Tarvis. Vom 26. — 30. März befindet
sich Napoleon Bonaparte in Yillach, 30. März bis 2. April zu
Klagenfnrt, von wo der General en chef (31. März) das salbungs-
volle Schreiben an £rzh. Karl als Beweis der „Friedensliebe^S ander-
seits (1. April) au das „Volk von Kärnten" den „Aufruf** erlässt,
der französischen Republik als „Freundin aller Nationen und ins-
besondere der braven deutschen Völker" zu vertrauen. Er verfügt
die Bildung eines „gouvemement Central" aus zehn Vertrauens-
männern, mit dem Fhm. von Ankershofcn (d' Ankershoven) an der
Spitze, zur Gesammtverwaltuug Kärntens. Ein gleiches soll General
Bcrnadotte, der in Krain eingebrochen war, hier zu Lande einführen.
General M a s s e n a erhält die Aufgabe, die Routen Klagenfurt-
Marburg und St. Veit-Neumarkt-Unzmarkt zu beherr-
Hben. 1. April wirft er die Oesterreichcr in der Gebirgsenge zwi-
schen Friesach und Neumarkt zurück. General Chabot wird von
Fricsach aus, wo Bonaparte 2., 3. April weilt, herangezogen,
Massena an die Mur, Guieu nach Neumarkt beordert, Bernadötte
soll mit Zurücklassung genügender Besatzung aus Krain herbei-
rucken, die Linie Klagenfurt - Laibach freihalten, die Strasse nach
Cilli und Marburg recognosciren. 4. April steht Bonaparte bei
Scheifling und dirigirt die Avantgarde des Gen. Bon gegen Murau,
Massena nach Judenburg. Letzterer hat die Rottenmann-Zeiringer
Passage zu halten und Knittelfeld zu besetzen. Der Feind steht
bald mitten im Lande. 6. April gibt noch von Scheifling aus Bona-
partc seine Befehle an Massena, Chabot, Guieu, Bon und Dom-
browski zur Besetzung des oberen Murthaies von Tamsweg bis Ju-
denburg und der beiden Tauernstrassen; 7. April steht sein Haupt-
quartier schon in Judenburg, von wo aus er an die österr.
Generäle Bellegarde und Merveldt des Waffenstill-
i^tand e s wegen schrieb. Derselbe wurde in der That für die Zeit
vom 7. — 13. April also auf 6 Tage abgemacht und die Dem ar-
<^ationslinie festgestellt. Als Punkte derselben auf französischer
Seite finden wir Windischfeistritz, Marburg, Ehren-
Jansen, Graz, Brück, Leoben, Trofaiach, Mautern,
S. Michael, Rottenmann und Irdning angesetzt.
— 108 —
Tage Buch über die Gfeschichte hey einitlGkuiig der feind-
lich französischen Truppen in dieser Haupt Stadt 6rraz bis
zum gsBnzlichen Abzug derselben. Im Jahre 1797.
Journal
oder
auf Ackten gegründete Darstellung alles dessen, was sieb in
dem Bezirke der Stadt Graz und dem lande Steyerraarks von
dem Zeitpunckte an, da alle Landesfürstliche Stellen aufgelöset
und abgerufen wurden, vor und während der besiznehmung
der Stadt von den französischen Kriegsherren und nacher
bis zur Wiederherstellung des K. K. Guberniums zugetragen
hat, nebst einer vorhergehenden Einleitung, die alle vorläufig
von den Ständen und dem Magistrate der Landesfbrstlichen
Hauptstadt diesfalls getrofenen Fürkehrungen enthält, ange-
fangen von 29. Märtz und beschlossen am 4. May des Jahren
1797. Auf Befehl der provisorischen Landes Kommission ver-
fast von Sigmund Grafen v. Aiiersperg.
Die Gegenstände, welche dieses Journal oder diese Historische
auf ackten gegründete Darstellung iu sich fassen muss, lassen sich
am ffiglichsten in vier Zeit Räume abtheillen, woraus eben soviele
Abschnitte dieses Journals entstehen.
Der erste Zeitraum oder Abschnitt enthält die vorlenfigen
von den Herren Ständen und dem löblichen Magistrate dieser
Haubstadt getrofenen Einleitungen für den Fall, wo die Landes-
fürstlichen Stellen und die denselben untergeordneten Landesfürst-
lichen Aemter aufgelöset und abgerufen und auch das K. K. Militär
General-Comando mit den mit selben verbundenen Militär Aemteni
und der hier bestandenen K. K. Garnison von hier abzoziehcu
befehliget wurden, dieser begint mit dem 29. Märzen imd endet
sich am 4. April.
Der zweyte Zeit Raum oder Abschnitt enthält die Masneh-
mungen, welche von der provisorischen Landes Kommission mit
beiwirknng des Magistrats in der Zwischenzeit von Entfehrnung
der k. k. Landesstellen und des Militärs bis zur y?ircklichen Ein-
rückung der französischen Kriegs Völcker genohmen wurden, be-
gint mit dem vierten und endet sich mit dem 10. April.
— 109 —
Der dritte Zeit Raam oder Abschnitt fasset in sich alle
Verhandlungen Farkehrungen und Anordnungen, welche die provi-
sorische Landes Kommission einverständlich mit dem magistrat
während des hierseyns der französischen Truppen von ihrem ersten
Einmarsch angefangen bis zum letzten Abzüge derselben getrofen
iiat. Solcher fängt mit dem 10. April an und dauert bis 30. des-
!^elben Monats.
Der vierte und letzte Zeit Raum oder Abschnitt endlich
begreift alles das in sich, was von dem Tage des Ausmarsches der
französischen Kriegs Völker bis zum Tag der zurfickkehr und
Widerherstellung der k. k. Landesstellen veranlasset worden, und
enthält die Zwischenzeit vom 30. April bis 4. May.
Der erste dieser Zeit Räume oder Abschnitte kan als vor-
hergehende Einleitung dieses Journals angesehen werden und ist
om so wichtiger und nötliiger, da selber so manche Fürkehrungen
aiid Masnehmungen enthält, deren nützliche Veranlassung einzeln
in den anderen Zeit Räumen zur Reife gediechen, und wurde aus dem
Grande um so ausführlicher behandelt, als solcher die ächten, ofe-
nen, biederen alle ihre Handlungen in diesen so betrübten als ge-
fahrvollen Zeit lauften bezeichnenden Gesinnungen und Gefühle der
Herren Ständen sowohl alss der gesamten Bürgerschaft und so vieler
einzelner Glieder derselben in das volle Liecht setzet und zum
unverfälschten Masstab dienen muss : nach welchem man alle ihre
Fargänge auf der gefahrvollen bei jeden Schritt mit Stöhnender
Ungewissheit schreckenden Bahn, auf welcher nur ihre unerschütter-
liche Treue gegen ihren Landesfürsten die gerechteste Liebe zu
ihren Vaterland, ihre Eigene Rechtschafenheit und Biedersinn zum
Wegweiser übrig blieb und Sie leiten muste, abmessen und beur-
theiUen kann.
Erster Abschnitt
Unterm 29. März 1797 versammelten sich die Bürger
der Landeshauptstadt unter dem Vorsitz ihres Bürgermeisters
zuin erstenmal in einer ausserordentlichen Zusammentretung
der ganzen Bürgerschaft, um jene Vorkehrungen zu entwerfen
und vorzubereiten, die für die Sicherheit der landesfürstlichen
Hauptstadt bei dem gefahrvollen immer näher rückenden Zeit-
punkt der möglichen Besetzung derselben von feindlichen Kriegs-
heeren nöthig und vortheilhaft wären.
Man berathschlagte :
1. wie der Emigration der vermöglichsten Inwohner vor-
— 110 —
gebeugt werden könne, weil durch deren Entfernung zu be-
fürchten wäre, dass die Kriegslasten hauptsächlich nur die
Anwesenden drücken dürften, und
2. welche Vorsichten zur Erhaltung der inneren Sicher-
heit und Ruhe bei dem Ausmarsche der k. k. Garnison zu er-
greifen wären.
Unterm 30. März wurden über diese beiden Oegenständo
an Se. Excellenz den Herrn Gouverneur das Ansuchen der
Bürgerschaft mittelst einer Deputation gestellt ^dass Niemand
von den vermöglichen Inwohnern der Stadt, mit Ausnahme
jener die von Amtswegen abwesend sein müssen, die Stadt
verlassen dürfe, ohne mit einem Abzugspass versehen zu sein.
welchen er nur gegen vorläufige Sicherstellung für den ihn
allenfalls trefenden verhältnissmässigen Requisitions- oder
Brandschatzungs-Antheil erhalten könne ^.
Da seine Excellenz Herr Gouverneur hierüber die Anzeige
nach der höchsten Behörde machen und die Allerhöchste
EntSchliessung abwarten zu müssen sich äusserte, so wurde
hierüber über diesen Gegenstand nichts weiter veranlaset und
jede diesfällige Masnehmung unterblieb auch in der Folge, da
keine weiteren höcheren befehle hierüber erfolgten.
In Ansechung der Vorsichten zur Erhaltung der inneren
Ruhe und Eigenthums Sicherheit wurde
1. von Seite des Magistrates an das Gubemium die
Bitte um Beibehaltung der bisher bestandenen k. k. Polizei
Direction sammt der ihr untergeordneten Mannschafft gestellt
2. Die bessere Organisirung der schon bestehenden
3 bürgerUchen Corps vorgenohmen und beinebst das 4. Corps
unter der allgemeinen Stadtfahne versammelt. Um selbe zu
dem für die eintrettenden Umstände nöthigen Fall zu vermehren,
wurde eine Vorladung an die Stadt - Inwohner verfasst, Herr
Franz Kaspar Dobler zum Obersten und Komandanten der
ganzen bürgerlichen Miliz von dem Magistrat und der Bürger-
schaft ernannt und von der provisorischen Landes Kommission
bestättiget ; und, um die nöthige Ausrüstung dieser Bürgerwache
zu erbalten, ein Theil der Rüstung vom k. k. Zeugamte um
— 111 —
den Preis von 572 fl., welche verschiedene Bürger und bür-
gerliche Stände und Innungen aus ihren Eigenem hergeschen-
ket, erkauft, ein Theil auch von den Herren Ständen aus
ihrem Zeughause erbetten.
An diesem Tage machten die Herren Stände in einigen,
mit mehreren Mitgliedern des Gubemiums unter dem Vorsitz
Sr. Excellenz des Herrn Gouverneurs gehaltenen Zusammen-
trettung den Vorschlag für den eintretenden Fall des Abzuges
des Gubemiums in der Hauptstadt des Landes eine Deputation
oder Kommission zu errichten und selbe mit einem fürnemlich
für die Zwischenzeit bis zum Einrücken des Feindes nöthigen,
und vielleicht auch zur Abwendung grösseren Schadens die-
nenden Geld Vorrath von etwa 40000 fl. zu versehen.
Diese Kommission sollte aus 5 — 6 angemessenen Mit-
gliedern vom geistlichen Herren und Ritterstande, dann einigen
Vertrauten und begüterten Männern aus der hiesigen Bürger-
schaft bestehen, für das Land das Wort führen, die von dem
Feinde verlangt werdenden Gontributionen oder Bequisitionen
so viel als möglich nach einem billigen Ebenmass vertheillen,
und ausschreiben, somit der sonst unvermeidlichen Anarchie,
Ungleichheit, zu Grunderichtung einiger, und unbilliger Er-
leichterung anderer Gültens Besitzer steuern, das Landesbeste
im allgemeinen und besonderen nach aller Möglichkeit be-
fördern, und Schaden, Nachtheil und unbilligen Druck bei jeden
vorkommenden Fall zu hindern suchen.
Dieser Vorschlag wurde an die höchste Behörde mittelst
eines eigenen Couriers abgesandt, und kommt die diesfällige
Erledigung weiter vor.
Den 31. März wurde in Erwägung: dass Salz und Toback
unter die nöthigsten Bedüiihisse des Lebens gehören, und
diese, da die diesfälligen k. k. Aemter ebenfalls mit ihren
Vorräthen abziehen sollten, nothwendiger Weise fehlen müssten,
von Seite des Magistrates und der Bürgerschaft einverständlich
mit den Herren Ständen, um dennoch das Publikum in der
Zwischenzeit damit hinlänglich zu versehen, die Vorsicht ge-
braucht, dass nämlich zwei Handelsmänner und Bürger der
— 112 —
Stadt, nämlich Herr Josef Dobler und Jacobin unter der
Uebersicht des Handelsmannes Johann Mitschek im Namen
derselben und der Bürgerschaft die in der hier befindlichen
löblichen Tobaksniederlage vorfUndigeu Vorräthe, nenilich an
gepeitztem Schnupftobak 26443 /f, an Hannauer und Anob
3409 ^, an Rollen und Stämmen 24482 ß und an Kreuzer-
biefen 505000 Stücke unter folgenden Bedingnissen über-
nehmen sollten:
a) um den auf die halbscheid herabgesetzten Preis, b) mit
Beibelassung des b^/o Gutgewichtes und der 5% Provision,
c) mit Ueberlassung zweier Manipulationsbeamten, d) gegen
Rückname des überbleibenden und bei Rückkunft des Amtes
vorhandenen Vorrathes, es möge solcher noch gut oder ver-
dorben sein um den oben bestimmten Preis, e) dass die Zali-
lung des abgesezten Betrages bei gänzlicher Verrechnung und
Wiedereintritt des Amtes zu bestehen habe, das in Feindes-
hand gerathene oder von demselben gewaltsam weggenohniene
aber nicht vergütet worden dürfte und f) dass für alle diese
Versprechen die Stände sowohl als der Magistrat und die
Bürgerschaft garantiren müssten.
Weiters erliess der Stadt Magistrat an alle gegen Ober-
steier liegenden benachbarten Magistrate und Werbbezirke ein
Sendschreiben um dieselben zu ersuchen, ihn von Zeit zu Zeit
jeden wichtigen Vorfall entweder durch die Briefpost oder durch
eigene Bothen zu berichten, um im Stande gesezt zu sein, zii
verhüten, dass die Inwohner dieser hauptstadt weder durch
falsche und ungegründete Nachrichten irre geführt, noch audi
durch Vorenthaltung der wahren Beschafenheit soi^los gemacht
und auch der Magistrat im Stande gesezt werde, in diesem
zwey deutigen Verhältnuss entsprechende Fürkehrungen zutreffen.
Am 1 . April versammelten sich die Stände in einem ausser-
ordentlichen Landtag, zu welchem auch der Bürgermeister der
Stadt Graz eingeladen wurde. Der Gegenstand desselben war
die Berathschlagung und gemeinschaftliche Uebereinkunft über
verschiedene von den Ständen und der Bürgerschaft voraus
bearbeitete Masnehmungen.
— 11^ —
Es warde darin vom Herrn Bürgermeister die Anzeige
aber die im Vergleiche mit dem öffentlichen Bedürfiiisse in
zu geringer Menge im Umlauf befindliche baare Münze gemacht,
and um diesfällige um so schieinigere Abhilfe gebeten, weil wirk-
lich schon die Bankozettel, welche in gehäufter Menge im
Umlauf waren, mit einigem auch nicht unbeträchtlichen Rabat
ausgewechselt würden.
Diesem zu Folge wurde der Herr Gouverneur durch eine
aus dem Landtag eigens abgesandte Deputation ersucht, dass
aus denen schon in Abzug begriffenen aber noch voriindigen
Kamendkassen wie nicht minder aus den hiesigen und hieher
geflüchteten und mit den ersteren wieder weiter zu gehen
habenden Krainerischen landschaftlichen Kassen der Vorrath
an baarer Münze zur Auswechslung der Bankozettel verabfolgt
werden möchte. Der Herr Gouverneur bewilligte es sogleich
und an eben dem Tage noch begann die diesfäUige öffentliche
Einwechslung.
Die Uebemahm aber aller in den k. Proviant Magazinen
heftlndlichen Vorräthe auf Rechnung der Stadt und Bürger-
schaft, und unter der Garantie aller 4 Stände wurde von dem
Bürgenneister ebenfalls vorgeschlagen, und da man durch die
vorsichtige Einleitung einestheils zu Gunsten des allerhöchsten
Aerars die beträchtlichen Vorräthe, die nicht leicht mehr
wegen der Menge fortgeschaffet werden konnten, und zu deren
Vernichtung auf diesem Falle die gemessensten Befehle nach
dem Beispiele anderer Länder ertheilt waren, erhalten, andern-
theils aber auch die Stadt sowohl, als die benachbarten Ge-
genden von der drohenden Gefahr aus Mangel an genügsamen
Vorräthen den viellfältigen nicht leicht abzuzwingenden For-
derungen eines übermüthigen uM zügellossen feindlichen Kriegs-
Volcks nicht genugthun zu können (ver)-sicherte, so wurde ebenfalls
dieser Uebemahm der Kais. Vorraths Magazine, so wie jener
des Salz und Toback unter die Garantie aller 4 Stände beschlos-
sen, und die diesfalls nöthige Vorkehrung mit Einverständniss
und Begenehmigung der Landesstelle mit vereinten Kräften ins
Werk gesetzt Endlich wurde auch beschlossen, dass die Be-
lIitUi«U. dM Uit Vereint f. SUiermftrk, XXVIU. Heft, 1880. 8
— 114 -
nennung der Glieder der Commission, welche die Leitung der
Geschäfte des Landes nach Abgang der landesfUrsUichen SteUen
übernehmen sollte, gemeinschaftlich von dem Herrn Gouverneur,
dem Herrn Landeshauptmann und dem Stadtbürgermeister zu
beschechen habe.
Dies waren die Hauptgegenstände dieser lezten Ver-
Sammlung der Herren Stände, in welcher so manche ver-
schiedene oft sich kreuzende Empfindungen die Herzen der
Anwesenden durchbebeten.
Der minder herzhaftere sach den Greul der Verwüstung
des ruchlosen Kriegs Volcks in so mancher deutschen Staiir
auch schon auf unsere Vaterstadt heranrücken und erwartete
mit thränendem Auge das Loos derselben, der beherztere
konnte sich doch des Gedanckens nicht erwehren, dass selbst
ein schonender Feind ftirchterlich seye, und die bedencklich-
sten Folgen nach sich ziehe. Dieser dachte auf persönliche
Sicherheits Anstalten, auf Rettung des Eigenthums, jener auf
Mittel die bevorstehenden Lasten für niemanden zu drückend
und so viel möghch gleich vertheilend zu machen. Dieser
strengte seine Geisteskräfte dahin an, die möglichen Fälle, die
da sich ergeben könnten, voraus zu ordnen und die möghch
nöthigen Vorkehrungen anzugeben. Jener fühlte den inern
Muth, der seinem Herze bei den Bild der Traurigen Zukunft
beinahe entsunken war, durch die gemeinschaftliche, jede Gefahr
trozende Entschlossenheit seiner Landesleute wieder gestärckt.
jeder der anwessenden hatte verschiedene ßegriefe, Empfin-
dungen und gedancken, aber der Punckt, auf den alle Herzen
zusamentrafen, der Gedancke, an den sich alle andern reyheten,
das Gefühl, was jede Bnist mit gleichlautenden schlage durch-
bebte, die Empfindung, die jedes Herz mit neuer Schneikraft
durchzitterte, war der Wunsch, der Gedancke, die Bitte, noch
einmahl zum Thron unsers geliebten Landes Vaters den Schwur
der unverbrüchlichsten Treue, der inigsten biedersten aufrich-
tigsten Anhängigkeit und des ewigen unverbrüchlichsten Gehor-
sames zu bringen, selben um seinen Schuz und Gnade dringenst
anzuflechen und die Ehrfurchtvolleste dringendste und aus
— 115 —
tliränenden Auge so vieler Tausenden entlokte Bitte an sein Ya-
terherz zu wagen, uns sobald möglich den Frieden zu schencken.
In der Versammlung selbst ward der Aufsacz, der diese
Gefühle und Empfindungen verdolmetschen solte, von Sr. Ex-
cellenz Grafen von Schrottenbach entworfen, zu Papier gebracht,
von samentlichen anwesenden Gliedern unterfertiget und durch
einen sich freiwillig darzu erbietenden Landstand, Herrn Leo-
pold FreiheiTn von Stubenberg, dem österreichischen Land-
marschall Grafen Khevenhüller mit der Bitte, als hiesiger
Landstand solche Sr. Majestät zu behändigen, überschicket.
An eben diesem Tage und in Verfolg der oben ange-
führten Masnehmungen wurde von der hiesigen Beckerzunft
in Corpore der vorfindige in beiläufig 1042 Ztr. bestehende
Salzvorath vom k. k. Salzamt unter folgenden Bedingungen
übemohnien: A. der Ztr. pr. 4 fl. B. dass selber bei jedes-
maliger Fassung zur haaren Zahlung des gehobenen Betrages
verbunden sein solle. C. dass selbe die Regie aus eigenen zu
bestreiten habe, und für die remanenz ausser den ausseror-
dentlichen Fällen von feyer und Feindesgefahr in Solidum zu
haften haben. 1). das nach Rückkehr des k. k. Salzamtes das-
selbe den in Natura verbliebenen Salzrest es möge selber gut
oder beschädiget sein, um den nemlichen dermaligen üebergabs
Werth zurückzunehmen verpflichtet sei.
Ebenso wurden über Ansuchung des k. k. Verpflegs Ma-
gazins zu dessen Uebernahme 5 Bürger u. z Herr Joseph
Stahl als Kommissär und die Herren Göttinger und Johann
Pfefer, Beckenmeister, Herr Diefenbacher und Lensacher, Brau-
meister und Gastgeber, bestimmt, welche den vorfindigen Ma-
|2[azins Vorrath ordentlich beschrieben, denselben in verschiedene
Orte überbringen Hessen, und das mit ämtlichen Gegenschein
zweifach ausgefertigte Uebemahms Inventarium vorlegen sollten.
^Qs diesem letzteren ergab sich, dass an Mehl 523 Fässer
und 3750 Säke mit 6791 Ztr., an Heu 3600 Ztr., an Haaber
1647 Säke, an Korn 3828 Metzen in 2550 Säken, an Gersten
^12 Metzen in 406 Säken, an Kleien 193 Ztr., an Bettfumi-
turen 243 Colli übernohmen wurden.
8*
— 116 —
Man vertheilte diese Vorräthe, so viel es die Zeit znliess,
und nahm mit der Yerfllhrung, wozu die Inwohner der Stadt
jeden Standes Bespannung und Wägen hergaben, aufkommen
konnte (sie!) in verschiedene Orte und Depositorien , um
durch diese Vorsicht bei eintrettenden Fall des Einmarsches
der französischen Truppen solche in die mehrere üeberzeigung
zu bringen, dass diese Yorräthe keineswegs dem Landesf&rsten
zugehörten, sondern dass sie nur Privateigenthum der Bürger-
schaft wären, und daher desto gewiser vor gewaltthätiger Weg-
nahme geschüzt werden. So wurde ein grosser Theil Mehl bei
dem Braumeister Rechenzan ein anderer bei den P. P. Francis-
canem und mehr als \\ des ganzen, bei 6 hiesigen Müllnem
verlegt Vom Haaber ward ebenfalls ein grosser Theil bei Herrn
Rechenzan verborgen, und mehrere Privatpersonen hatten kleine
Parthien in ihre Wohnungen unter dem Versprechen der ZurQk-
stellung übemohmen.
Am 2. April Erhielt der Herr Landeshauptmann vom
Minister Grafen Lasanzki den Auftrag, sowohl die an selben
angewiesene krainerische als auch die steierm. stand. Kassen
und die wichtigsten stand. Schriften und Blicher nach Wien
abzuschiken, dann die in dem stand. Zeughause befindlichen
brauchbaren Waffen an das Militär abgeben zu lassen.
Dem stand. Kollegium wurde Überlassen wenn der Feind nach
Graz kommen sollte, auseinander zu gehen und jeden Gtiede des-
selben an den Ort sich zu begeben, wo es seine Umstände und
Verhältnisse räthlich machten. Die ersten zwei Punkte dieser
Verordnung wurden in den folgenden Tagen in Erfüllung ge-
bracht, über die allfällige Entfei-nung der Mitglieder des stand.
Ausschusses und der Verordneten Stelle aber glaubte jedes Indi-
viduum derselben es seiner Pflicht gemäss zu seyn, seine Vater-
stadt nicht in den gefahrvollen Augenblick verlassen zu dürfen,
wo das Vaterland die dringendsten und gerechtesten Ansprüche
auf .iedes einzelnen Statsbürgers thättige und unermüdete ge-
w ^nschäftliche Verwendung zum allgemeinen besten, zu den
.rhabenen einzig zu beaugenscheinigenden Zweck, Ruch und
Ordnung zu erhalten, mit so vieler billigkeit machen könta
— 117 —
Gemeinschaftlich war also von sämmtl. Mitgliedern der stand.
Kollegien der Beschluss gefast, ihre Vaterstadt nicht zu ver-
lassen, und jeder insbesondere erboth sich, und war bereit,
das Seine zum allgemeinen Besten nach Möglichkeit und
Kräften beizutragen. Jeder blieb seinem Entschlüsse getreu und
erprobte bei jedem sich nacher ergebenden Fall, wenn sich
eine Gelegenheit dazu erboth oder man seine mitwirckung auf-
forderte, dass ihm jede Art, dem Vaterlande nützlich zu seyn,
erwünscht und willkommen sey.
Unser würdigster Fürstbischof als erster Landstand und
Ausschuss Rath gab das erhabene Beispiel der Standhaftesten
Beharlichkeit, und sein edles mahnhaftes und Einsichtsvolles
Betragen, mit dem er in diesen so zweifelhaft alss gefährlichen
Zeitpunckt der ihm untergebenen Geistlichkeit Lehrer und
Beispiel war, muste bei der seinen Hirtenstabe anvertrauten
Volksmenge, die Verehrung, Liebe und Anhänglichkeit ver-
mehren, die ihm dieselbe mit so vielen Rechte zollet und hatte
die Folge, dass auch die unterstehenden Seelsorger ihre Pfarr-
gemeinden nicht Verliesen und sie mit Leitung und mitwirckung
unterstüzten.
An eben diesem Tage erschien vom Magistrate eine ge-
druckte hier unter Nr. 1 beigebogene Nachricht, wodurch
sammentliche Bürger und Inwohner der Hauptstadt eingeladen
wurden, sich zu der Stadt und Sicherheitswache freiwillig ohne
Zwang selbst zu stellen, wobei es jedem freigelassen wurde,
einem der schon bestehenden Corps beizutreten, oder sich
unter der allgemeinen Stadtfahne ohne genauen Uniformirung
nur für die Dauer des Bedarfes einverleiben zu lassen.
Der Erfolg derselben war, dass eine grosse Anzahl Männer,
Adeliche und unadeliche Gültenbesitzer und Wirthschaftsbeamte
Hausinhaber und Bürger, mit einem Worte von jedem Stande
und Alter herbeieilten, um zu dieser jedem einzelnen Mitgliede
des Staates so wichtigen und erwünschten Veranstaltung der
Sicherheit der öffentlichen Ruhe und Ordnung nach Möglich-
keit beizutragen.
Das bürgerliche Cavalerie Corp vermehrte sich um
— 118 —
I 150 Mann, die Grenadiers auf 166 Mann und die Jäger auf
179 Kopfe, und unter der Stadtfahne versammelte sieb nicht
I unifomiirte Mannschaft die Zahl 1827 Köpfen so, dass die
ganz zur Sicherheit der Stadt und ihres Weichbildes versam-
melte Bürger Miliz 2322 Mann ausmachte.
j Sie besetzten an diesem Tage bereits schon das erstemal
I die Hauptwache und besorgten die anderen vom k. k. Militär
j eingezogenen Posten. Auch erbath sich die gesammte Bürger-
schaft der Hauptstadt durch eine eigene Deputation von S.
Excellenz dem Herrn Landes Gouverneur am gleichen Tage,
dass selber einige Gubernialräthe so wie den Provinzial Staat
I Buchhalter mit einigen seiner Beamten anweisen möchte, die
Aufsicht und oberste Leitung der magistratlichen Verhandlungen
für die Zeit als alle landesfürstlichen Stellen aufgehoben
würden, zu übernehmen. Da der Herr Landes Gouverneur aber
ihnen die Unmöglichkeit ihrer diesfalligen Bitte zu willfalireu
äusserte, da solches ohne ausdrücklichen Allerhöchsten Befehl
nicht in seiner Macht stünde, so musste die Bürgerschaft diesen
ihren, nur aus ihrer angewohnten und jede ihrer Handlungen
begleitenden Unterwürfigkeit gegen ihren geliebten Landes-
fürsten entsprungenen Wunsch unerfült sehen.
Am 3. April theilte das Gubernium den Ständen sowohl
als dem Magistrate die hoche General Directorial Verordnung
mit, wodurch die in Vorschlag gebrachte provisorische Lande>
Kommission mit dem Beisaze genehmiget wurde, dass S. Maje-
stät gegen den bekannten und in mehreren Fällen illhmlicb
erprobten patriotischen Eifer der Herren Stände gegen die
Liebe für ihr Vaterland und gegen die jederzeit beobachtete
unverbrüchliche Anhänglichkeit des durchlauchtigsten Erzhauses
Oesterreichs sich tröstlich versehen ; diese Repräsentation werde
in einer so kritischen Epoche wenn sie wirklich eintretten
sollte, keinen andern als lediglich den erhabenen und löblichen
Zwek wählen, dem Vaterlande und ihren rechtmässigen Son-
verain nützlich zu sein, dem Herrn, Bürger und Bauer, so viel
in ihren Kräften stehen würde, die möglichste Schonung und
Erleichterung von dem eisernen Druck des Feindes zu bewirken.
— 119 —
Dieser Verordnung zu Folge wurde nach vorher genoh-
menen Einverständniss , und nachdem die wahlfähigen Mit-
l^iieder aus dem Bürgerstande zu dieser Kommission von der
gesammten Bürgerschaft waren erwählt worden, vom Herrn
Landes Goavemeur, dem Herrn Landeshauptmann und Herrn
Btirgermeister folgende Beisitzer emannt, u. z. von Seite der
Herren Stände zuerst aus dem geistlichen Stande: S.
fürstl. Gnaden Fürst und Bischof von Seckau, Herr Abt des
Zisterzienser Stifts zu Rhein, Abund Kuntschack, Verordneter.
Von Seite des Herrnstandes: S. Excellenz Graf Brandisz,
Verordneter, Herr Ferdinand Graf von Attems, Verordneter.
Vom Ritterstande: Herr von Schick Ausschussrath. Herr
4
von Jacomini Verordneter. Von Seite der Bürgerschaft:
Herr Doctor Joh. Nep. Neuhold, Advokat; Franz Deyerkauf,
Handelsmann ; Franz Kasper Dobler, Handelsmann und Oberst
der bürgl. Kavalerie ; Dr. Ignaz Funk, Advokat ; Josef Stahel,
Bürger; Daniel Dereani, bürgl. Handelsmann; Johann Stiglitz,
Handelsmann und Oberstwachtmeister der bürgl. Kavalerie;
Andreas Leykam, Buchdrucker ; Ludwig Amerbacher, Direktor
der liiesigen Katonfabrik ; Josef Bauer, bürgl. Bierbrauer ; Johann
Mark, bürgl. Seifensieder ; Anton Wolfarth, bürgl Färbermeister ;
Franz Haass, Gastwirth und Representant der Städte und
Märkte des Landes; Herr Raspor.
Die Anzahl der Mitglieder vom Bürgerstande wurde aus
dem Grunde so vermehrt, weil ausser den zwei Advokaten
alle übrigen durch ihre eigenen Gewerbsgeschäfte, deren Stö-
rung nicht zugegeben werden konnte, jeder Sitzung ununter-
brochen beizuwohnen verhindert würden, in welchem Falle die
abwessenden immer in die andern Compromittiren musten.
Der Erfolg und die Kommissions Protokolle zeigten, dass
einige derselben nur wenigen Sitzungen beiwohnen konnten,
^iid H. Haass nur die einzige, wo der Gehorsams - Eid hätte
abgelegt werden sollen, besuchte.
An eben diesem Tage wurde von Seite des hiesigen Ar-
tillerie Komandos der stand. Verordneten der Augenschein der
iiu stand. Zeughause vorfindigen Armaturen vorgenohmen und
— 120 —
befunden, dass 1000 Stück ganz neu geschieftete und mon-
tirtc gezogene Jägerstutzen, 500 gezogene Kugelrohr Läufe
für das k. Militär brauchbar wären, welche auch demselben
übergeben wurden. Die übrigen Waffen betrefend so wurden
von Seite der Herren Stände 23 Stük metallene Kanonen Bohre
von verschiedenen Kalliber, 13 Stük metallene Bombenmörser
von verschiedenem Gewichte, 2 metallene Mörser zum Saliter
stossen, zu Wasser nach Hungarn abgeschickt
Auch wurden 50 Paar Pistollen, 1225 Musketten und alte
Patrontaschen im Einverständnisse mit dem hiesigen Artilerie
Komando zur Bewaffnung der Bürger Miliz an den Magistrat
der Hauptstadt, dann 100 Musketten an die Bürgerschaft von
Radkersburg und 50 Hellebarden an die Unterthanen der
Comende Leech gegen Empfangschein abgegeben. Bei dieser
Gelegenheit verdient der rühmliche Dienst Eifer, und das
wahrhaft patriotische Benehmen des Bau Inspektors und Stän-
dischen Zeughauss Oberaufsehers Heinrich Formentini in Er-
wänung gebracht zu werden, der verschiedene dem Feinde
willkommen gewesene Feldrequisiten u. z. 13 Stük metallene
Mörser, 30 Stk. metallene Gewichte, 295 Stk. kupferne Kessel,
505 paar Pistollen, 775 Pajonetten und 500 Seiten Gewehre
nebst allen Zugehör so vorsichtig zu verbergen wusste, und
dieses Geschäft mit Zuziehung nur zweier Vertrauensmänner
selbst ausführte, dass selbe aller Gefahr des Verlustes ent-
zogen wurden.
An eben dem Tage Nachmittags wurde die den st Herren
Ständen anvertraute krainer'sche stand Kasse nach Wien
abgesendet.
Hiemit schliesst sich der erste Zeitraum und Abschnitt
dieses Journals. Er enthält vorläufige von sammentlichen In-
wohnern dieser Stadt so wohl einzeln als vereint ergriefenen
Masnehmungen und Fürkehrungen für den eintrettenden Falle,
dass diese Stadt, verwaist, von jeder landesfürstlichen Leitungs
Stelle entblöst, von Beschützung der k. Truppen getrent, von
jeder nähern Hülfe ihren eigenen Schicksalle überlassen wurde.
Getrofen, verabredet und zum Theil ins Werck gesezt, unter
— 121 —
den Augen und mit Begnehmigung der Landesstelle ja unsers
gütigsten Landesvaters selbst, musste wahrer Patriotismus, und
Vaterlandsliebe, inige und aufrichtige erprobte Anhängigkeit
an den vielgeliebten Landei^fürsten und biedere Rechtschafenheit
vorsichtige Klugheit und überlegte Entschlossenheit das karack-
teristiscbe Gepräge derselben ausmachen, den Geist bestimmen,
der selbst die künftigen Handlungen leiten und zur Richtschnur
aller Benehmungen dienen solte.
Zweiter Abschnitt.
Der 4. April war der erste Tag des zunehmenden Kum-
mers, der bangen Erwartung der Dinge, die da kommen sollten.
Schon mit grauendem Morgen sach man bescheinigte
Anstalten zur Abreise mancher Privaten, die sich und ihre
besten Habseligkeiten der Gefahr des annähernden Feindes
entziehen wollten. Sammentliche landesfbrstlichen und stän-
dischen Stellen und Aemter waren aufgelöst; die Mitglieder
der ersteren, die nicht bleiben durften oder wollten, hatten
sich schnell entfernt, oder betrieben ihre Abreise auf das
wirksamste.
Der Landeschef Graf Wellsperg selbst glaubte auch nicht
länger dem allerhöchsten Orts erhaltenen Befehl gemäss sich
verweilen zu können, und verliess um 10 Uhr Morgens diese
Stadt
Das General Militär Komando hatte ebenfalls schon mit
Tagesanbruch die Stadt verlassen nur durch eine zurück-
gelai<seue Zuschrift an den hiesigen Stadt Magistrat, demselben
die Abrükung der hiesigen Garnison mit dem Beisatz erinnert,
derselbe möge die Veranlassung treffen, dass alle erübrigenden
nöthigen Wachposten von der Bürgerschaft ausgestellt und
übernohmen würden, zugleich aber die Mittheilung beigefügt,
dass der General Major Seckendorf und Hohenzollem mit
iliren unterhabenden Kriegsvölkem in wenigen Tagen hier
durchziehen würden.
Ein wonnevoller Trost für unsere Vaterstadt, weil vrir
dadarch die Gewisheit erhielten vor den bevorstehenden und
— 122 —
schon gefürchteien gänzlichen Verlassung alles Schuten den-
noch einmahl vaterländische Krieger in unseren Mauern zu
sehen, Männer zu bewillkonimen , die wir von dem lebhaften
unerschütterlichen Gefühle unserer inigen und biederen An-
hängigkeit an unseren Landesfbrsten, von unserer aufrichtigsten
ächtesten Gresinung des wärmsten Patriotismus der unver-
brüchlichsten Fürstentreue mit überzeigenden Worten und
sprechenden Handlungen versichern konten.
Alles, was noch von Kassen, Archiven und Kanzlei Akten
hier war, wurde meist noch an diesem Tage abgesant, und
die Abschückung mit möglichster Eyle befördert. Die Post-
wagenexpedition nahm auf ihre Diligenz nichts mehr an, und
die noch vor einigen Tagen nach Triest, Görz und Klagenfuri
abgegangenen, kehrten zurück. Flüchtlinge von wenig entfern-
teren Gegenden und Kreisstädten, ja selbst die KreisämUichen
Beamten von Marburg und Zilly sach man in Menge in der
Stadt einen Zufluchtsort wider den, wie es hiess, mit schnellen
Schritten vorrückenden Feind suchen. Der Magistrat dieser
Stadt suchte durch eine gedrukte an allen Orts angeschlagene
und vertheilte Currenda (die hier unter Nr. 2 beigebogen)
inerliche Ruche zu sichern und die Inwohner dieser Hauptstadt
über die Art des Benehmens dass sie in den bevorstehenden
Umständen zu beobachten hätten, bestmöglichst zu belehren.
Die provisorische Landes Kommission eröfnete an diesem
Tage ihre Sitzungen und begann damit, dass selbe das nöthige
untere Personal bestimmte: Zu Sekretärs: den ständischen
Sekretär Herrn von Schoupp, Herrn Dr. von Hoblnegg und
zur Führung der französischen Korrespondenz Herrn Sigmund
Grafen von Auersperg ernannte, ihre Kanzley Expeditur und
Registratur aus dem ständischen Kanzleipersonal besezte, zu ihrer
rückbehaltenen Operations Kassa einen Kassier ernannte , dem
als Adjunkten ein von der Bürgerschaft bestimmt wurden , zur
Kontroll eine Buchhalterey bestellte und ein Individuen hiezu
vorzuschlagen der noch anwesende k. k. Rath und ProvinciftI
Staatsbuchhalter Ehrler ersucht wurde. Weiters bestimmte die-
selbe die Art ihrer Geschäftsleitung und war besorgt durch die
— 123 ~
zurückgebliebenen k. k. Oberpostamts-Officiers den ununterbro-
chenen Postkurs so lang es immer thunlich sein wurde zu ver-
sichern und trug zugleich den hiesigen Postmeister auf, auch
ihn Hinkunft die Besorgung und Beförderung, so wohl der Post-
ritte als Estafette sich angelegen seyn zu lassen, auch traf selbe
die Veranstaltung, dass das den Herren Ständen zugehörige
aus Holz erbaute Sommertheater in der Vorstadt der
möglichen Feuersgefahr wegen, abgebrochen wurde.
An diesem Tage liess auch der Magistrat alle jene Schilde
iiiit dem kais. Adler, welche auf den verschiedenen Magazinen
und Aemtem sich befanden abnehmen, und dafür grosse ge-
diiikte Gartels über den Thoren aufmachen, welche in fran-
zösisch und deutscher Sprache die Bestimmung dieser Häuser
anzeigten. Man gab allen den Namen von „Magazins du
Magistrat et de la bougeoisi de Gratz**, um selbe der Gefahr
zu entziehen, das die darin befindlichen Vorräthe von dem
einrükenden Feinde nicht als landesfürstliches Eigenthum ange-
sehen und nach Kriegsrecht in Beschlag genehmen werden sollte.
Die auf verschiedentlichen Kaiserlichen Gebäuden und
Aemtern als Mautamt, Stempelamt, LottogeftUen-Administra-
tion, Postamt und dergleichen befindlichen k. k. Wappen hatten
die abziehenden Aemter bereits selbst eingezogen, und man
bat von Seite des Magistrats nur jene eigentlich abgenohmen,
welche den Verwahrungsort k. k. und landesfürstlicher Güter
bezeichneten ; andere, die entweder auf Häuser gemahlen waren
oder an solchen Orten sich befanden, wo man mit Grunde
hoffen konnte, dass sie keiner Beschimpfung oder Misshandlung
von Seite der feindlichen Kriegsvölker, wie solches wiederholten
Nachrichten zufolge in anderen benachbarten Städten und Pro-
vinzen geschehen seyn sollte, ausgesezt wären, liess man nicht
abnehmen, und so geschah es, dass der im stand. Theater
befindliche siechtbare und geschmükte kais. Adler, wie auch
auf der Hauptwache der Stadt die zwei auf den grossen
Schilderhäusern (Wachhütten) befindlichen grossen Adler nicht
Abgenohmen wurden, und die nachher einrükenden französischen
Truppen unter denselben die Wache verrichteten,
— 124 —
Endlich besorgte auch der Magistrat die Reinigung und
nöthige Herstellung der Kasernen, traf die Veranlassung, dass
die Feuerspritzen bei denen Thoren der Stadt und in den
Vorstädten auf den Hauptplätzen ausgestelt wurden und er-
neuerte alle nöthigen Feueranstalten.
Den 5. April wurde die hier sub Nro. 3 gedruckte Kund-
machung womit die provisorische Landes Komission den
Anfang ihrer wirklichen Amtirung erinnert, in der Stadt sovohl
als in den hiesigen und den beiden unterstehenden Krds-
ämtem Marburg und Ciili durch Bothen-Register publizirt
In Ansechung der obersteyerischen zwey Kreise aber, da
solche schon theils von feindlichen Kriegsvölkem , theils den
k. k. Truppen besezet waren, und also die Kundmachung nicht
mehr statthaben konnte, wurde ein diesfälliger Abdruck nebst
Abschrift des Gubernial Intim, vom 2. dieses und des Proto-
kolls von der letzten mit dem Gubernio abgehaltenen Concer-
tation an S. königl. Hoheit den Erzherzog Karl mit der aller-
unterthänigsten Bitte Uberschickt, dass hochderselbe dieser
Komission die Anleitung gnädigst zu geben geruchen moege,
wie sich selbe mit dieser Veranlassung in Ansechung der ober-
steyerischen zwey Kreise zu benehmen habe.
Da an eben diesem Tage, der hiebei dem Spitalskomando
zurückgebliebene Herr Oberst Lieutenant v. Izzo der Komission
erinnerte, dass selber die besorgung des von hier sich ent-
fernten k. k. Militär - General - Comando ttber sich habe, so
wurden selben die inzwischen eingelangten Militardepesdien
übergeben und derselbe um gefällige Mitwirckung bei vor-
kommenden allen fälligen, selben betrefenden Gegenständen
ersuchet.
Den 6. April wurden die nöthigen Anstalten zur endlichen
FortschafFung aller noch vorfindigen k. k. und ständischen
Kriegsgeräthschaften mit verdoppelten Eifer besorgt, und da
der transport zu Wasser der sicherste Weeg schien, Plöthen
und Flösserknechte aus Obersteyer herabgezogen und zu diesem
Geschäfte verwendet.
Am Abend dieses Tages trafen mehrere k. k. Offizier und
— 125 —
Quartiermacher von der Arriergarde unter dem Komando des
General Feldwachtmeisters Freiherm von Sekendorf und Grafen
von HohenzoIIem hier ein, und erfreuten die Stadt mit der
frochen Nachricht, dass an kommenden Morgen dieselben in
unsem Mauern eintreffen würden.
Am 7. April graute kaum die Morgenröthe, als schon der
Einmarsch der ganzen Kolone begann, das herbeiströmende Volk
dessen Gefühle bei dem Anblick dieser Krieger frohe Empfin-
dungen zeigte, sach seine Freude durch die Nachricht gemindert»
dass dieselben nur wenige Stunden bei uns verweilen und an
demselben Nachmittag noch ihren Marsch fortsetzen sollten.
Um 9 Uhr Vormittag traf Herr Feldwachtmeister Freiherr
von Sekendorf mit seinem Gefolge ein; er wurde an den
Grenzen des Weichbildes der Stadt von Herrn Grafen Sigmund
Auersperg, Offizier der bürgl. Gavallerie, im Namen der provi-
sorischen Landes Remission und der Stadt empfangen, und
nach seinem Absteigquartier im Gasthofe zur goldenen Sonne
begleitet.
Er war kaum da angelangt, als einige Glieder der pro-
visorischen Landes Eomission mit dem Herrn Bürgermeister
und dem Obersten der bürgl. Miliz ihn daselbst bewillkommten
Qod mit jenem innigen Vertrauen, das nur aus dem Gefllhle
ächter und biederer Anhängigkeit an seinen Landesvater ent-
springen kann, über verschiedene Gegenstände die die gegen-
wärtigen Angelegenheiten betrafen, sich mit selben besprachen,
über manche Punkte seinen wohlmeinenden Rath sich erbaten.
Diesem (der ebenso den edeldenckenden Menschenfreund
wie den biederen seinem Füi'sten ganz eigenen Staatsbürger
verrieth, den Muth der Stadtbewohner, welcher bei manchen
in diesen so gefahrvollen als zweifelhaften Umständen zu
sinken begann, aufs neue beseelte), seinen Kenntnissen; seinen
getreuen auf Erfahrung gegründeten Schilderungen der fran-
zösischen Kriegs Völcker und ihrer Befehlshaber verdanken
wir so manchen Leitfaden, der uns in der Folge die wichtig-
sten Dienste geleistet, so manche Massnehmung, wodurch
wir schädlichen und willkürlichen Erpressungen vorgebeuget;
— 126 —
die Standhaftigkeit , mit der wir den sich immer mehr
nähernden widrigen Ereignissen entgegensahen und ihre bald
darauf eintrettende wirkliche Folge zu bestehen den Miitli
hatten.
Dieses Journal würde an historischer Wahrheit un<l an
getreuer Darstellung aller vorgefallenen Ereignisse nur ver-
lieren, wenn es die Gefühle der Verehrung und Dank-
barkeit verschwiege, die alle Inwohner, und vorzüglich die
Herzen jener erfühlten, die diesen würdigen in jeden Anbetracht
so schätzbaren Mann näher kennen zu lernen die Ehre hatten.
Mit bangen Gefühlen sahen die Inwohner dieser Stadt
die kaum angelangten Kriegsvölker sich schon wieder zum
Aufbruche rüsten. Schon begann der Marsch, der ganze Zug
war in Bewegung und dehnte sich von einem Ende der Stadt
zum Andern. Mancher Seufzer, mit Segenswünschen begleitet
entquol der Brust der Verlassenen, manches thränende Auge
blickte den Abziehenden nach, — Todesstille! (das sicherste
Zeichen des bangen Gefühles) herrschte unter der häufig auf
allen Gassen veilheitten Volksmenge, die noch einmal an deni
Anblick ihrer vaterländischen Beschützer sich let^cen wollte, —
als auf einmal der Ruf erscholl, und mit ungläubiger Schnelle
von einem Ecke der Stadt zum anderen sich verbreitete, dass
ein Courier S. königl. Hoheit des Erzheraog Karl die Contre-
Ordre des Marsches gebracht habe.
Diese frohe Nachricht mit der sich die gerechte Hoffnung
zu noch fröhlicheren Berichten gesellte, wirkte mit unglaub-
licher Kraft auf das Herz jedes Anwesenden. Die herrschende
Stille unterbrach frohes aus vollem Herzen strömraendes Freuden-
geschrei, der auf jeder Stirn gezeichnete Gram heiterte sich
in hoffnungsvolle fröhliche Blicke auf, alles lief untereinander
jeder wollte der erste die fröhliche Botschaft verkünden, keiner
glaubte sie oft genug widerholen zu können.
Die ganze Kolone kehrte in die kaum verlassenen Stand-
quartiere zurück und die Inwohner freuten sich, zu ihrem
Nachtlager, zu ihrer Beherbergung zu ihrem besseren Unter-
lialt nach Ki^äften beitragen zu können.
— 127 —
Der Abend und ein Tbeil der Nacht war der Freude der
frohesten Hoffnung geweiht- Aber die Dauer dieser frohen
Gefühle war eben so kurz als sie lebhaft und innig waren.
Am 8. April mit Tagesanbruch war der 2. Courier Sr. königl.
Hoheit des Erzherzogs mit dem Befehl angelangt, dass die
Truppen über Gleisdorf sich nach Oesterreich ziehen sollten.
Schon um 7 Uhr hat die erste Abtheillung ihren Marsch dahin
angetretten, und Nachmittag um 3 Uhr folgte Herr Feldwacht-
nieister Graf von Seckendorf mit der Kavallerie dahin nach.
Der Oberste der Bürger Militz mit einigen Offiziers der
Bürger Kavallerie begleiteten selben bis an die Grenze des
Weichbildes der Stadt Segenswünsche und Dankgefühle der
Inwohner folgt ihm , und mit ihm verschwand auch die letzte
Hoffnung des Schutzes für unsere Vaterstadt.
Bürgerpflicht und FUrstentreue waren die einzigen Stützen,
die uns übrig blieben; aber durch diese Gefühle belebt, ge-
stärkt, durch die vollkommste, so nothwendige Uebereinstim-
mung aller Stände, dem allgemeinen Besten sich zu weihen
und für das Wohl des Vaterlandes und unserer Vaterstadt
nach Möglichkeit zu sorgen, fuhr man fort, die diesfalls noth-
wendigen Vorkehrungen zu treffen.
Eine der nothwendigsten schien der provisorischen Kom-
mission die Einsetzung eines provisorischen Kriminal Gerichts,
welches, da der Magistrat ohnehin mit Geschäften überladen
war und das k. k. Apellations Gericht sich getrennt hatte, die
Kriminal Verbrechen in der Stadt und selbe vom Lande zu
untersuchen und zu bestraffen, die Kriminalurtheile der Städte
und Märckte und der freyen Landgerichte zu revidiren und
die Oberaufsicht über die Straforte und die Züchtlinge auf
sich zu nehmen hätte. Hiezu wurde der k. k. Landrechtens
Rath Franz Edler von Feldbacher ersucht das Präsidium auf
sich zu nehmen und die Magistratsräthe Held und Kickl, dann
die landesfürstlichen Bannrichter Dr. Neubauer und Dr. Tei-
cher, die privilegirten Bannrichter Dr. Edler von Lederer und
l)r. Gänster als Examinatoren und Räthe nebst 3 Kriminal
Aektuars und einige Advokaten, Solizitatoren als Kanzlei-
— 128 —
Personale beigegeben. Dieses provisorische Kriminalgericht
wurde durch die sub Nro. 4 beigebogene Currenda im Lande
nachher bekannt gemacht
Am 9. April wurden noch einige mit Pulv^er und Munition
beladene Wägen, die dem Zuge der obbeschriebenen Kolone
folgten, gegen Hungern fortbefördort, und in Ansechung des
hier befindlichen Voraths an Pulver die Masnehmungen bestinit
um selbes, so geschwind, alss es bei dem sich immer meh-
renden Mangel an Vorspanswägen thunlich war, fortzubringen :
weiters bestättigte die provisorische Landeskommission in Hin-
sicht auf das Ceiisursgeschäft die von den Stadtmagistrat
vorläufig getrofene Veranlassung und bestelte eine Interims
Censur Komission in den Personen der Herren Dr. Hoblnegg als
Präsident, Dr. von Lederer, von Ercko, Kugelmeyr, von Va-
renna, Low und Strohriedl und Dr. Weizer als Actuar,
welche dieses Geschäft mit aller Vorsicht was Religion und
Staatssachen betreffe leiten sollten.
Hiemit schliesst sich der zweite Abschnitt und Zeitraum diesfö
Journals ; so wie die Gefahr des anrückenden Feindes immer
drohender, die ehebaldigste Besitznehmung der Stadt von feind-
lichen Kriegsvölkern immer wahrscheinlicher und gewisser war,
so erhob sich auch immer mehr der Muth des Landvolkes,
das Bewusstsein der Innern Kräften, die, vereint und gehörig
geleitet, auch einer beträchtlichen Macht zu widerstehen ge-
wachsen schien.
Selbst bei der schon bestehenden Besitznehmung der
obersteier'schen Gegenden wünschten die treuen und biederen
Bewohner Steiermarks noch (in) einem allgemeinen Aufgeboth
zur Vertheidigung ihres Vaterlandes sich zu sammeln.
Die Gewissheit des immerhin vorher als ein unglaubliches
Ereigniss angesehenen wirklichen Einbruches eines feindlichen
Heeres hatte den Geist der Nation gewecket, mit unglaublicher
Schnellkraft; ihre Vaterlandsliebe mit der unverbrüchlichsten
Anhängigkeit an ihren Landesfürbten verkettet, und den all-
gemeinen Wunsch, Gut und Blut für die Vertheidigung des
Vaterlandes und im Dienste des Vaterlandes zum Opfer zn
— 129 —
bringen, in den Herzen der Landesbewohner zur Reife gebracht.
Von mehreren Gegenden kommen Berichte und Anfragen ob ? und
in welcher Zahl sie zu diesem Ende erscheinen sollten? Das
gutmQthige Landvolk glaubte auch ohne Feuergewehr, mit ihren
selbst sich vorbereiteten Waifen dem Eindringen des Feindes
widerstehen zu können und unglaubliche Muhe kostete es den
Beamten Seelsorgern und Gültenbesitzern auf dem Lande, dem
Volk begreiflich zu machen, dass bei den so weit vorgerückten
feindlichen Truppen, bei ihrer Anzahl, bei der gänzlichen Ent-
fernung alles k. k. Militärs und ohne ihrer Anleitung, bei gänz-
lichem Mangel an ordentlicher Bewaffnung und Munition von
jeder Art, jeder gewagte feindselige Widerstand, jeder bewaffnete
Versuch, sich dem vordringenden Feinde entgegenzustemmen,
ohne Nutzen für den Landesfürsten und den Staat Tollkühn-
heit nicht Tapferkeit wäre, nur die gefährlichsten und schäd-
lichsten Folgen nach sich ziehen könne, und statt unser
Vaterland zu retten, und vor grösseren Unglück zu beschützen
vielhnehr dasselbe der gänzlichen Verwüstung, der grässlichsten
Plinderung der blutgierigsten Mordsucht preisgegeben würde.
Die provisorische Landes Kommission, der Stadt Magistrat,
ja selbst viele gutgesinnte Private mussten alle ihre Kräfte
aufbiethen, um diese in allen Gegenden schnell um sich grei-
fende kriegerische Stimmung in ihren Keimen zu ersticken, und
zu verhüten, dass ein unzeitiger und durch die Umstände ent-
kräfteter Vertheidigungs-Eifer keine noch schädlichem Folgen
nach sieh ziehe.
Dritter Abschnitt.
Am 10. April beginnt der 3. Zeitraum dieser Geschichte,
ein Tag der den Bewohnern der Hauptstadt Graz unvergesslich
blieb! Die schreckliche Ungewissheit ihres künftiges Joches,
die die Herzen aller die vorgehenden Tage her gefoltert hatte,
ward auch noch am Vormittage dieses Tags nicht beendet;
keine bestimmte Nachricht von der Annäherung und Hieher-
kunfl der französischen Truppen erfolgte, und immer sich
widersprechende Gerüchte konnten den Bewohnern diesfalls
Mitth«U. des bist. Vereins f. SteienaarV, XXVUII. Heft, 1880. 9
— 130 —
keine Grewissheit geben. Da jedoch die bfddige Einrükung
feindlicher Mannschaft immer wahrscheinlicher wurde, so be-
schäftigte die prov. Landes Kommission sich in ihrer Sitzung mit
den vorläufig diesfalls nöthigen Veranlassungen. Durch die hier
sub Nro. 5 beigebogene Verordnung ermahnte dieselbe die
Inwohner der Hauptstadt in wenig Worten, sich bei den an-
fälligen Einmarsch der französischen Truppen ruhig zu ver-
halten ; dann wurde der Herr Oberst der Bürger Kavallerie Franz
Kaspar Dobler beauftragt, eine Patrolle gegen Pef^u zu
machen um bestimmte Kundschaft von der Anäherung des
Feindes einzuziehen.
Die prov. Landes Kommission beschloss femer, den feind-
lichen Generalen bei ihrer Ankunft ihre Mitglieder bis an die
Grenze des Weichbildes der Stadt Graz entgegenzusenden, und
sie um Aufrechthaltung der Religion, und der Geseze dann um
Schonung für das Eigenthum und die Person der Bewohner
zu bitten.
Die Mitglieder, welche hiezu ernannt wurden, waren : Herr
Fürstbischof zu Sekau, Herr Graf von Brandis, Herr von Jaco-
mini, Herr Bürgermeister Dr. Steifn und Josef Stahel. Um sogar
der Möglichkeit eines Misverständnisses vorzubeugen, welches
die Feinde bei dem Anblik der bewaffneten Bürger Miliz hätten
schöpfen können, wurden gedruckte Zettel bei den Wach-
häusern angeschlagen, die wörtlich lauteten : „Corps de Garde
Civique pour maintenir La tranquillitä et Suret^ Interieure. "
Diesen Zetteln waren die Nahmen des Herrn Bürgermeisters
Dr. Steffn und Herrn Obersten Dobler beigedrukt, auch waren
sie „par ordre de La Commission provisorie, de la Stirie** von
den Sekretär dieser Kommission, Herrn Josef von Schouppe, un-
terzeichnet. Der Trompeter welcher die Patrolle gegen Peggau
mitmachte, war beauftragt, dem Komandanten der feindlichen
Truppen einen ähnlichen Zettel zu überreichen und die bürger-
lichen Kavalleristen, aus denen die Patrolle beslÄud waren
beordert, bei Ankunft der Feinde ihre Säbel zu versorgen.
So war die Lage der sich selbst überlassenen Stadt und
so waren die Vorkehrungen, welche die prov. Landes Kommission
— 131 —
und der Bürgermeister veranstalteten, um das Vermögen und
die Personen 80 vieler Tausende Menschen in dieser kritischen
Epoche zu sichern. Die Bewohner wurden durch die Thätig-
keit, der vom Magistrate und der Bürgerschaft zur Aufrecht-
baltung der Ordnung und innem Ruhe in Bewegung gesetzten
Wachen sehr beruhigt, und es herschte durchgehends eine in
solchen Umständen ungewöhnliche Stille. Die Gewölbe der
meisten Kaufläute und Krämmer waren offen, der Gewerbs-
und Handwerksmann besorgte ruhevoll und ungestört seine
Arbeit, alles erwartete mit einer bewunderungswürdigen Stand-
hafligkeit und Gelassenheit die drohende Zukunft. Um die
Mittagszeit erst erhielt der Oberst der Bürger Miliz durch einen
Expresen des Inhabers der Bergwerke in Peggau, Herrn Haipl,
die entschiedene Nachricht dass die Avant garde der franzö-
sischen Truppen noch sicher an diesen Tag in Graz eintreffen
würden.
Nachmittags um Vs^ Uhr kam ein Both von Wolfspurg
aus Kärnthen und überbrachte dem hiesigen Stadt Magistrat
ein Paket mit Proclamationen des französischen Ober Generals
an verschiedene theils in Steiermark theils in Ungarn liegende
Städte mit dem Auftrag, solche sogleich unter schwerster
Verantwortung durch eigene Bothen zu befördern. Da man
aber diese Beförderung von Seite des Magistrates für höchst
pflichtwidrig hielt, so wurde beschlossen, diese Proclamationen
dem zuerst eintreffenden französischen Generalen mit der
Aeusserung dieser Gesinnung wieder zurUkzustellen.
Um 5 Uhr erschienen die Generals Beaumont von der
Avant Garde der Division Gabot, Manscourt, von der Artillerie,
begleitet von einigen Offizieren und Jägern zu Pferde, an der
Weinzerlbrüke.
Kaum wurde sie das an der Brüke stehende Piket der
Bürger Kavallerie ansichtig, so sandte ihnen dasselbe durch
einen Trompetter das oberwähnte Katel (Cartel) entgegen, und als
die Generals durch ebendenselben zurükversichern Hessen, dass
sie nicht als Störrer der öffentlichen Ruhe, sondern als Freunde
kämen, so ritten ihnen der auf dem Piket befindliche Oberste
9*
~ 132 ~
der Bürger]. Kavallerie, Dobler, und der das Piket komman-
dirende OflSzier, Sigmund Graf von Auersperg, einige Sdiritte
entgegen, ohne ihnen jedoch militärische Ehrenbezeugungen
zu erweisen, unterrichteten sie ausführlicher von dem Bestand
der Bürger Miliz, und begleiteten sie gegen die Stadt
Eine halbe Stund später kamen die von der prov. Landes
Kommission ernannten Mitglieder bei Göstingan. Die französischen
Generäle waren, sobald sie selbe erblickten, vom Pferde ge-
stiegen, sie empfingen mit abgezogenen Hute die Mitglieder
der Landes Kommission, erklärten, dass sie nicht als Eroberer
sondern in Folge des zwischen- unseren allergnädigsten Mo-
narchen und der Republik abgeschlossenen Waffenstillstandes
in Graz einrücken würden. Den Bürgerkorps wurde vorläufig
die Beibehaltung ihrer Waffen bis auf weitere Befehle, und
die Fortsetzung ihrer bisherigen Dienstleistung zugelassen.
Sie versicherten, dass der General en chef Buonaparte
bei seinem Einmarsch den Bewohnern von Steiermark Schute
für Eigenthum und Person zugesagt habe. Ihre Aeusserungen
wurden von den Mitgliedern der Landes Kommission durch das
Versprechen erwidert, dass die Bewohner der Stadt Graz nicht
die Absicht hätten, ihnen sich zu widersetzen, und dass alle Wach-
samkeit der Landes Kommission und des Magistrates nur dahin
ginge, während ihren Aufenthalt die öffentliche Ruhe ungestört
zu erhalten. Zugleich überreichte der Bürgermeister dem Herrn
General Beaumont das vor kurzen aus Wolfspurg erhaltene Paket
mit den französischen Proklamationen, und stellte ihm die Unmög-
lichkeit der diesfälligen weiter Beförderung vor. Der General
antwortete ihm, er würde in seinem Quartier das Weitere
veranlassen. In diesen Augenblik traf ein Regiment französischer
Kavallerie bei Gösting ein, es war etwas über 20ö Man stark.
Die Deputirten der prov. Landes Kommission fuhren nun ein-
zeln zur Stadt zuruk. Die französischen Generals erwarteten
die nachkommende Manschaft ihrer Kavallerie, und gegen 6 Ulir
Abends zogen sie unter den Schall ihrer eigenen mitgebrachten
4 Trompeten über die Lend, den Gries und die neue Brücke
durch die Jakomini -Vorstadt, zum eisernen Thor herein.
— 133 —
Ihr weiterer Zug ging durch die Herrngasse auf den
Hauptplatz, wo die Mannschaft sich formirte und dem General
an den Stuffen des Rathauses die bereits bei Gösting ge-
machten Zusicherungen von den Mitgliedern der prov. Landes
Kommission wiederholt wurden.
Inzwischen, dass dieses geschach, war die prov. Landes
Kommission besorgt, den Liquidaturs Adjunkten WeitenhüUer mit
dem kurz vorher eingegangenen Geld-Ueberschuss pr. 33135fl.
über '^'' zurük zu behalten bestimmte Summe von 40000 fl.
nebst einem Bericht an die höchste Behörde, der die wirkliche
Verwaltung der prov. Landes Kommission und die Bitte um weitere
Verhaltungs Befehle enthielt, ttber die ungarische Strasse nach
Wien abzuschicken. Ein Beweis, dass selbe selbst in dem aller-
kritischesten Augenblick weder Fassung noch Muth verlohr
lind ihren geliebtesten Landesfürsten immer zum einzigen Augen-
merk ihrer Bürgerpflicht zum einzigen Leiter ihrer Handlungen
machte.
Die französischen Generäle betratten nun den Saal des
Rathhaa%)es, der die Avantgarde komandirende General Beau-
mont wurde in dem Hause des Herrn Ferdinand Grafen von
Ättems einquartirt und man beschäftigte sich mit der Unter-
bringimg der übrigen OflSziere und der Truppe.
Sie schienen über die Ruhe und Ordnung die überall
herrschte, noch mehr aber über die Volksmenge, die sie bei
ihren Einmärsche sowohl als auf den Strassen und an den
Fenstern wahrnahmen, nicht wenig betroffen. Es schien sie
besonders zu befremden, dass sie auf ihren ganzen Zuge nicht
einen Laut des Beifalls keinen Zuruf hörten ; und die ununter-
brochene Stille bei dem so grossen Zulauf bewies, dass man
sie ebensowenig fürchte als man über ihre unvermuthete An-
kunft, wie sie wahrscheinlich sich schmeichelten, erfreut war.
Nach einem sehr kurzen Aufenthalt im Rathhause ver-
langten die beiden Generäle gleich in das Spital, worin die
zurtikgebliebenen Kranken der französischen Gefangenen ver-
pflegt wurden, geführt zu werden. Sie nahmen daselbst alles
in Augenschein, und erkundigten sich sehr genau bei selben
— 134 —
über ilire Verpflegung und Wartung und waren sehr vergnügt
und zufrieden über die diesfalls erhaltenen Berichte.
Von da aus verfügten sich die beiden Generäle in die
für sie bestimmten Quartiere. Man übergab dem General
Beaumont die schon früher erwähnten für die ungarischen
Städte erhaltenen Proclaniationen mit der Äusserung, dasä
man sich nicht für berechtiget glaube, an der diesftliigen
Beförderung theil zu nehmen, und jede Mitwirkung für pflicht-
widrig hielt. Er sandte selbe gleich wieder auf das Rathaus
zurück, mit dem ausdrüklichen Befehl, solche alsogleich entweder
durch eigene Bothen oder wie immer zu befördern.
Da man aber von Seite des Magistrats sich dieser Pflicht-
verletzung nicht schuldig machen wollte, so wagte es der
Bürger Josef Stahel dieses Paket in seinem Hause zu ver-
bergen, und hatte das Glück bei einer Reise nach Wien das-
selbe Sr. Majestät dem Kaiser einzuhändigen.
Die Kavallerie wurde in die Bürgerhäuser auf den Griess
verlegt, und mit Fourage, Haber und Brod aus dem von der
Bürgerschaft übernommenen Verpflegs Magazin versorgt
Ungefähr um 8 Uhr kam der Kriegskommissär Armanet
nebst einer Menge von französischen Verpflegs Offiziern an.
Sie waren kaum in ihren Quartier gewiesen, als sie zu den
Magistrat zurükkehrten , um für die am heutigen in Frohn-
leiten eingerükte Division des General Chabot, die sie auf
8000 Mann angaben, für den 11. April und folgende Tage
bis auf Ordre täglich 9000 Portionen Brod 9000 Boutellen
(100 auf den österr. Emmer) Wein und 15 Schlacht-Ochsen
forderten.
Um die Gegend um Frohnleiten, die weder mit Mehl
noch mit Schlachtvieh versehen war, vor den Ausschweifungen
eines nicht zu befriedigenden Volkes zu schützen, wurden
sogleich die betrefenden Vorkehrungen ergriefen.
Es war noch ein kleiner Vorrath von Brod in den k. k.
Verpflegs Magazin bei dem Abmarsch des Sekendorf sehen
Corps zurükgelassen worden ; dieses nebst dem Brod, welches
die bürgerl. Bäckermeister zu liefem versprachen, deckte den
— 135 —
Bedarf dieser Forderung. Die Wirthe in Frohnleiten wurden
angewiesen, den Wein zu liefern und die hiesigen bilrgl Fleck-
sieder noch in derselben Nacht in die Gegend zum Einkauf
des Schlachtviehes ausgeschickt.
Die Vorspann von dem Grazer und umliegenden Werb-
bezirken wnrde hieher beordert und mit Brod beladen am frühen
Morgen nach Frohnleiten abgeschikt
Gegen 11 Uhr Nachts kam ein Corps von ungefähr
2000 Mann französischer InCänterie an. Es marschirte mit klin-
gendem Spiel durch das Murthor die Murgasse und die Spor-
gasse in das Seminarium, das selbem als Kaserne überlassen
wurde ; wo auch die sämmtliche Mannschaft mit Brod Wein und
Bier versehen wurde.
Die Truppen waren sehr ermüdet, sie hatten den Marsch
von Brück hieher um 9 Uhr angetretten. Die Nacht war sehr
ruhig; einzelne zwischen den feindlichen Truppen selbst aus-
gebrochene Uneinigkeiten waren Folgen des auf die Ermüdung
zu hastig genommenen Weines und wurden durch die Da-
zwischenkunft der bürgl. Sicherheitswache bald gestillt, welche
die Unruhstifter ohne Bücksicht der Hauptwache überlieferten.
Von der zulezt einmarschierten Infanterie blieben bei 1 00 Mann
beinahe die ganze Nacht vor der Hauptwache, lagerten sich
vor Müdigkeit auf dem Pflaster, und Tags darauf besetzten sie
gemeinschaftlich mit der bürgl Miliz die Hauptwache und die
Stadtthore. Noch vor Mittemacht erhielt der Magistrat ein
Schreiben, dessen Inhalt viel zu merkwürdig ist, um nicht
in seinen ganzen Inhalt hieher gesezt zu werden. Es lautet:
„Grätz, am 21"." Germinal, im 5'r Jahre der französischen
Kepublik, (10. April 1797), Armanet, Kriegscommissär und Ober-
ster Verpflegs Offizier der Division des General Chabot an die
Glieder des Magistrates zu Grätz. Mein aufhabendes Amt steht
in Verbindung mit allen Theilen unserer Verwaltung, ich muss
also alle die Gegenstände, die wir von dem Feinde erobern, genau
untersuchen, und beschreiben. Sie werden mir folglich anzeigen :
1 '":• Alle österreichischen Magazine in dieser Stadt nemlich die
Vorräthe von Mehl, Wein, Brand wein, Brod, leeren Säken,
— 136 —
Backöfen und zugehörigen Werkzeig, endlich alles, was
nur irgend Bezug auf die Nahrung der Soldaten hat
2'^? Alle zur Nahrung der Pferde vorfindige Fourage : Heu,
Haber und Stroh. 3''." Alles kaiserl. Schlachtvieh und Id-
schlicht. 4*: Alle Bettfoumituren und die für die Spitäler
gehörigen Einrichtungsstüke nebst den Medicamenten. 5"? Die
Kleidungs Vorräthe und Rüstung der Soldaten. 6*? Die
öifentl. kaiserl Kassen, von was für einer Art sie auch
immer seyn mögen, doch haben diese Kassen in ihren
Händen bis auf neue Anordnung zu verbleiben. IT Die
Salz und Tabak Magazine und alle übrigen zu den Re-
galien des Kaisers gehörige Anstalten. Einer der Syndiker
der Stadt wird mich begleiter, um alle diese Gegenstände
mit mir zu untersuchen und aufzuzeichnen.
Ich bitte Sie Ihre Einrichtung so zu trefen, dass Wir
Morgen Früh um 10 Uhr anfangen können.
Gruss und Freundschaft
Annanet."
Da auf die schleunigste Rückantwort gedrungen wurde, so
musste man dieselbe auf die wenigst verfängliche und schädliche
Art einzukleiden suchen. Es war kein Ausweg; man musste
entweder den Franzosen einen Theil verheimlichen, das war
sehr gefährlich, oder man musste sie ihnen entdecken, dann
waren sie verloren. Der erste Weg wurde vorgezogen, sosehr
uian auch die niederträchtigen Verräther fürchten musste, die
leider ! auch hier doch nur in kleiner Anzahl herumschliechen.
Auch konte man bei der Fladerhaftigkeit und dem Leichtsin
der Franckreicher in dem schlimsten Falle eine Ausflucht hoffen.
Die Antwort an den Kriegskommissär Armanet ward so
abgefasst:
Der Kaiser habe hier keine Magazine. Von Proviant in
Magazine, welches ein Eigenthum der Bürger sei, befänden
sich einige Vorräthe von Mehl, Korn, Haber, Heu und Stroh,
welche zur Verpflegung der französischen Truppen auf kurze
Zeit hinreichend wären.
Bettfoumituren seien für die Kranken in den Spitälern
— 137 —
bestimmt, Yorräthe von Wein, Brandwein fahret die kaieerl.
Armee niemals mit sich, ihre wenigen Schlachtochsen haben
sie bei ihrem Abmärsche fortgetrieben, und da niemals hier
eine starke Garnison gelegen habe, so fänden sich auch keine
Kleidungsstttcke für Soldaten. Die kaiserl. Kassen wären bereits
8 Tage vor den Einmarsch der französischen Truppen nach
Wien abgegangen. Von den von den Ständen zurükbehaltenen
Operations Kassen von 40000 fl. wurde keine Erwähnung ge-
macht, und auch in der Folge wurde selbe niemals abgefordert,
ja nicht einmal untersucht. Tobak und Salz seien bttrgl.
Eigenthum.
Der Kriegskommissär schien mit dieser Antwort zufrieden
zu sein ; es kommen aber bald Auftritte vor, die vom Gegentheil
überzeigten.
Gegen 1 Uhr nach Mittemacht kam der französische
Überbefehlshaber Buonaparte mit einem sehr zahlreichen Gefolge
von Reitern unter dem Nahmen „guides ä cheval^, die eine Art
von Leibwache vorstellten und mit den ganzen Generalstab
an. Seine Wohnung war im gräfl. Christian Stubenberg'schen
Hause bestimmt Der grösste Theil des Generalstabs ward
dort untergebracht, die Leibwache band ihre Pferde im Hofe
an, so gut es ging, die Reiter selbst lagen an der Erde, einiger
Vorrath von Heu und Haber war an der Hauptwache um
den schnellen Bedürfnisse zu steuern, aufgeführt, aber auch
beinahe im selben Augenblike geplündert.
Der Quartiermeister der Stadt Dr. Krasskowitsch hatte
von den Ungeheuern Schwallen der „Gommissairslnspecteurs**,
n Garde Magazins*^ und „Employes" so wie der noch ungleich
grösseren und im Verhältniss mit der Mannschaft überhäuften
Anzahl von Offiziere, die oft zu hundert auf einmal in den
Rathhaussaal drangen, sehr viel auszustehen.
Jeder war ein Vetter des Obergenerals, jeder war unent-
behrlich bei ihm, jeder wollte daher so nahe als nur möglich
bei ihm wohnen, und überhaupt weiten Sie gar niergend Woh-
nungen beziehen als auf dem Hauptplatz, sogar dem angeblichen
-Peruquier de Y etat Major •* musste eine Wohnung angewiesen
— 138 —
werden. Viele kamen sogar 3 — 4inal, und da es nicht möglich
war, ihre Person zu unterscheiden, so erhielten sie auch
wirklich im ersten Anlauf neue Quartiere so oft sie kamen.
Geg^n halb 3 Uhr war es ruhiger, die Wachstuben geschlossen,
einzelne Bürger suchten die Verirrten, Bedrunkenen und über-
haupt hie und da auf der Strasse zerstreuten französischen
Soldaten auf und lieferten sie in das SeminariunL
So schloss sich die Geschichte eines für Steiermark ewig
denkwürdigen Tages, an welchem die Stadt Graz von eineDi
feindlichen Heer besezt, aus dem Munde des feindlichen Gene-
rals selbst die Nachricht von einem Waffenstillstand empfing.
Diese Nachricht konnte erdichtet sein -- es konnten Absichten
im Hintergrunde verborgen liegen, die nicht leicht zu entdecken
waren. Ohne Nachricht vom Hofe, selbst bei dem durch Ungarn
niemals gesperrten Postlauf, war diese Stadt vom Feinde be-
sezt worden, und ganz ihrem Schiksale überlassen. In dieser
sehr traurigen Lage suchte sie ihre Rettung einzig in den
klugen Anstalten der Landes Kommission und des Bürger-
meisters, in der Thätigkeit und Wachsamkeit der bürgert. Corps
und in der vereinigten Mitwirckung aller Bürger und Inwohner ;
dadurch geschach es, dass die Bewohner ohne Furcht den
bewafheten Feind einziehen Sachen, dass sie diesem Feinde
Hochachtung gegen die Bürgerwache und selbst Besorgnisse
abdrangen, dass in den 1 9 Tagen des Aufenthaltes der Frank-
reicher der innere Fried nie wessentlich gestöhret ward.
Am 11. April. Kin Theil der am vorigen Abends einge-
zogenen französischen Truppen steckte am frühen Morgen ein
Lager auf dem Hügel aus, der an der Strasse nach Fürsten-
feld liegt und die Ries genannt wird.
Es waren ungefähr bei 400 Mann, der Rest derselben
wurde in die Citadelle verlegt Der Adel und die Bürger stellte
ihre Wägen - Pferde , zur Verführung des Strohes und der
Lebensmitteln ins Lager und in die Festung. Die Mannschaft
im Lager auf der Riess erhielt Bretter um ihre Paraquen
zu bauen, die Stangen und das Brennholz schlugen sie sich
aus dem dort befindlichen Walde selbst. Am selben Tage
— 139 —
verfügte sich die Landes Kominission zum General en chef Buona-
parte, um von demselben Sicherheit des Eigenthums und der
Persohnen, freye Ausübung der Religion und des damit ver-
bundenen Gottesdienstes sowie Aufrechthaltung der Gesetze
und Rechte des Landes sich zu erbitten. Sie wurden von
demselben mit einer Art empfangen, die nur zu sehr zeigte,
dass er sich seiner Macht bewusst sei, und die derselben sollte
glauben und ftthlen machen, dass er als Ueberwinder komme.
Seine Rede war kurz bestimmt und trocken. Da er die
Verfassung und Zusammensezung der prov. Landes Kommission
erfuhr, forderte er das Namens -Verzeichniss der Mitglieder
derselben und einen Ausweis des Betrages aller in Lande be-
stehenden landesfdrstl. Abgaben und Anlagen und entliess die
Kommission mit der Versicherung, dass er für das Beste des
Landes sorgen wolle. Die Kommission übersandte ihm gleich
darauf sowohl das Namens Yerzeichniss ihrer Mitglieder, als
auch den Ausweis der bestehenden Abgaben, in welchen selbe
aber keine andere als die Dominikai und Rustical Steuer und
den Betrag der landesfürstl. Städte und Merkte ansezte, bei-
fügend, dass von selben schon 2 Quartale in Voraus bezalt
wären, und dass die Kommission unvermögend wäre, über die sonst
noch bestehenden Abgaben Steuern, Mauthgefäble und ähnliche
Anlagen einen Ausweis zu verfassen, weil die diesfälligen
Rechnungen mit denen Kassen auf Befehl des Landesfürsten
schon längere Zeit abgeführt worden, und auch die dabei
angestellten Beamten und Rechnungsführer ebenfalls abge-
gangen seien.
Bald darauf erschien im Sitzungssaale der Kommission der
frankreichische General Kommissär Villemanzi (Villemancy), ein
feiner und talentvoller Mann, der bei seinem Eintritt sehr
genaue und bestimmte Fragen, über die hier befindlichen
Magazine, über die Bevölkerung und Sitten des Landes, über
die Kultur des Bodens und die verschiedenen Erzeignisse des-
selben, über die Manufacturen und Fabriken und überhaupt über
die Staatskräfte der Steiermark und über die Abgaben und
Steuern des Landes aufwarf,
— 140 —
Er erkundigte sich um die kaiserl. Magazinen besonders
um die Regalien auf eine Weise, die viele Kenntniss des Landes
voraussetzte.
Er war der deutschen Sprache kundig, es war alle Vor-
sicht nöthig die Aufschiasse, die ein so wohlunterrichteter
Mann mit so viel Bestimmtheit forderte, so zu geben dass
daraus kein Nachtheil für das übergebene kaiserl. Gut und das
Wohl des ganzen Landes erfolgen könnte. Wir blieben fest
bei dem Grundsatze, die Magazine seyen bür^. Eigenthum.
Wir verheimlichten allen Vorrath, der auf den Mahlen lag,
der ansehnliche Haber Vorrath, der in dem Gartensaal des
Braumeisters Rechenzaun war, blieb durch die Klugheit des-
selben unangetastet.
Die auf freier Strasse beim Rechenzaunischen Hause
gelegenen Fässer hatten die französischen Generäle bei ihrem
Einmärsche bereits gesehen, und das bei den Franciskanem
aufbewahrte Mehl wurde durch Verrath entdekt
Diese Vorräthe waren nun verloren, nicht mehr zu retten,
wurden indessen meistens an die bürgl. Beckenmeister abge-
liefert, welche durch die Thätigkeit ihrer würdigen Vorsteher
Gottinger und Pfefer mit ununterbrochener aeuserster Anstren-
gung nicht nur die in Graz eingerükten Frankreicher mit
Brod versorgten, sondern für die weit zahlreicheren Here in
Frohnleiten, Brück und Leoben die Ungeheuern Requisitionen
glücklich befriedigten.
Über die Volksmenge in Steiermark wurden solche Nach-
richten gegeben, welche die Franzosen sehr einschüchterten.
Man bestimmte den Stand der waffenfähigen Bewohner auf
mehr als 200.000 Mann; man vergass nicht den friedlichen
Karakter des biedern Volkes nach Verdienst zu rühmen, nichts
destoweniger erinnerte man die Franzosen an das Schiksal
der Jourdanischen Armee, für den Fall, wenn sie sich Aus-
schweifungen erlauben würden. Die Wirkung dieser Erinnerung
war sehr sichtbar und mag manche härtere Behandlung fllr
die Folge beseitiget haben.
Über die Kultur der Ei-zeignisse des Bodens war der
— 141 —
Gen. C!oinm. aus dem gedrukten Werken des verstorbenen Ka-
nonikus zu Voran A. J. Caesar, die wir in seinen Hsenden
sahen, gut unterrichtet. Die Kräfte des Landes gaben wir ihm
init Rücksicht auf den Geldumlauf und als Folge eines 6jahrigen
Kriegs als erschöpft an ; wirklich war auch seit Abwesenheit der
Kassen das haar Geld beinahe verschwunden und die Banko
Zettel von den meisten Menschen gar nicht angenohmmen, so
dass sich die Bewohner der Stadt oft in der grössten Ver-
legenheit befanden. Mit diesen meistens allgemeinen Antworten
schien der General- Commissair nicht sehr zufrieden. Gedachter
Commissair ordonateur en Chef machte sodan eine Requisition
von 60.000 par-Schuchen, 30.000 Hembder, ebensoviel Hossen
von blauem Tuch und leinwandenen langen Gadien.
Als man ihm die Unmöglichkeit, all diesen ungeheueren
Vorrath liefern zu können, vorstellte, begnügte er sich mit
der Zusage, man würde ihm in der kürzesten Zeit kundthuu;
was man an oberwähnten Forderungen zu leisten im Stande
wäre. Der General - Commissair forderte nun Jemanden ^ der
ihn zur Besichtigung aller öfentlichen Anstalten begleiten
sollte. Bei seiner Rückkehr schien er über die Verpfle-
gung der hier zurückgebliebenen kranken Kriegsgefangenen
zimlich zufrieden, doch schrieb er eine Requisition von 300
Heniäen, 1 50 Beinkleider, 1 50 Westen, 1 50 paar Strimpfe und
1 50 paar Schuchen aus. Dies alles wurde geliefert ; die Hemden
durch eine Sammlung, welche bei den Inwohnern veranstaltet
wurde, die übrigen Kleidungsstüke wurden neu angeschaft,
es ging damit so wie vorauszusehen war; am Tage nach der
Ablieferung war der grösste Theil bereits verkauft! und die
Kranken und Halbgenesenen eben so, wie sie waren.
Gegen der Mittagszeit kam eine Einladung des Ober
Generals an die Besitzer der Reitpferde. Sie wurden aufge-
fordert, die Pferde in die Reitschule zu stellen, damit sie von
dem Obergeneral besehen, und der Kauf gegen baare Bezahlung
abgeschlossen werden könne. Auch kaufte sowohl er als die
Übrigen Generäle beinahe alle in der Stadt befindlichen Pferde
vom schönem Schlag, alle wurden sogleich bar bezalt.
— 142 —
Gegen 3 Uhr Nachmittag ritt der Greneral en chef be-
gleitet von seinem ganzen Etat major, allen Generälen und ihren
Adjutanten unter Voraustretung seiner Leibgarde und bestän-
digem Blasen seiner vorausziebenden Trompeter, die Umgegend
zu besehen. Die beiden Ofliziere der bUrgl. Kavalerie, Graf
Sigmund Auersperg und Anton GadoUa, wurden ersucht, ihn
dabei zu begleiten. Er ritt um die Stadt, erkundigte sich nach
allen Strassen und fragte bei jeder derselben sehr genau, ob
auf selber Berge, Gorges oder enge Pässe vorhanden seien.
Um sieben Uhr hielt der Ober General offene Tafel wozu
der Herr Oberst Franz Kaspar Dobler, der Major Stigfiz, der
Lieutenant Leonardi und der Adjutant Klein, alle von dem Corps
der bürgl. Kavalerie, eingeladen wurden. Die Absicht dieser
zweideutigen Höfflichkeit ward bald offenbar; denn als die
Offiziere der Bürger Wache in das Vorzimmer des Ober Gene-
rals getretten waren, näherte sich ihnen der General der Ar-
tillerie, L' Espinasse, und befragte sie mit vieler Zudringlichkeit
ob sie nicht besonders mit dem Haupt General über verschie-
dene Gegenstände sprechen wollten? Sie antworteten, dass sie
blos zu Tisch geladen seien; er wiederhollte seine Frage öfters,
und als er immer dieselbe Antwort erhielt^ verlies er sie endlich.
Während der Tafel, wo der Oberst Dobler an des Haupt
Generals Buonaparte rechter Hand sass, — erkundigte' sich
dieser um die Aerarial Güter, besonders aber um den Ertrag
der Salzwerke zu Aussee. Die Antwort, die ihm der Obei'st
gab, war, ^dies ist mir unbekannt''. Der hiesige Verkaufspreis
des Salzes ward ihm auf sein Befragen ges^; aber auf die
Frage, wie viel der Hof bei diesem Preis gewinne, entschuldigte
sich der Oberst mit seiner unzureichenden Kenntniss dieses
Gegenstandes. Das fernere Gespräch bezog sich meistens auf
die Erzeugnisse des Landes Steiermark und auf den Handel
von Ungarn nach Innerösterreich; besonders wiederhollte der
Ober General die Frage, ob die Eisenbergwerke Privat-Eigenthum
seien ? darüber erhielt er die der Frage mit Wahrheit begrün-
dete Antwort, dass der Hof an den Eisenbergwerken in Steier-
mark keinen Antheil habe. Er fragte endlich, ob man hier den
— 143 —
Frieden wünsche, und waram? darauf ward ihm geantwortet,
dass alle den Frieden sehr wanscben, weil dadurch das
wehselseitige Band der Menschen, die Kultur des Landes und
der Handel neu belebt würden.
Nach dem Speisen kam ein Adjutant des Ober Gene-
rals ein TravaQleur d'esprit, wie ihn die Franzosen nennen,
zu dem Obersten; er sprach ihn deutsch an und sagte ihm
ohne Umschweife „Nun sei der Zeitpunkt sich von Oesterreichs
Herrschaft loszureissen, nun müssen die Steuermärker sich von
dem Hofe von den Ministem und dem Adel befreien; ein
Wort an den General würde dem Lande den Frieden schenken
und es frei machen **; worauf der Oberst antwortete „dass er
durch das traurige Beispiel Frankreichs seit 1789 nicht von
den Vortheilen einer republikanischen Regierung überzeugt
wurden sei, dass die Steiermärker mit ihrer Verfassung sehr
zufrieden wären, ihrem Landesfürsten treu anhingen, und nie
eine diesfällige Veränderung wünschen könten*".
Mit dieser Äusserung riess er sich von dem elenden
Verführer los und verliess den Speisesal. Auf gleiche Art
ward der Major Stiglitz von einen andern Adjutanten des Ober
Generals bearbeitet, aber der Adjutant ward auf die selbe Art
wie der erste abgefertiget So suchten sich die Franzosen durch
Verführung treu gesinnter Unterthanen den Bücken zu sichern.
Sie wollten die Bürger u. z. die wohlhabenden Bürger der
Ltoder, durch die sie zogen, zu Verbrecher machen, denen
die Rückkehr unmöglich würde, und die folglich für immer an
ibr Interesse festgebunden bleiben müsten.
Aber ihre grobe List scheiterte an den von Liebe für
unsern Fürsten und des Vaterlandes durchglühten Herzen der
biederen Bürger; die Verfuhrer wichen beschämt zurück vor
der unüberwindlichen Grundfeste des österreichischen Staates,
der Bürgertreue.
An demselben Abende wurde die Requisition des 10. Aprils
wiederholt und zugleich dem Magistrate aufgetragen, die Maga-
zine von Mehl Getreide, Haber und Heu dem Kriegskommissär
anzuzeigen; welches mit den schon früher bemerkten Ein-
— 144 —
schränkuDgen geschah, dafis iein sehr namhafter Vorrath gänz-
lich verschwiegen wurde.
Auch machte noch am selben Abend der General Com-
missär Villemanzi im Namen des General en chef das Ansacben
an die prov. Landes Kommission um ein Darlehen von 1 2.000 fl.
aus der stand. Kasse, die Halbscheide im haaren Gelde, die
Halbscheide in Banco Zetteln gegen dem, dass er diese Summe
alsogleich rUkzahlen wolle, sobald die französische Kriegskasse
anlangen würde. Man musste die Bewilligung dieses zweifel-
haften Ansinnens sich gefallen lassen und übersandte dem-
selben die ganze Summe, die er verlangte, durch die zw^ei
Komissions-Mitglieder, Herrn Dereani und Teuerkauf. Er nahm
aber nur den in Gold in 1288 Stück Dukaten übersandten Betrag,
für welchen er einen Rückzahlungsschein ausstellte und schikte
die ßanco Zettel und übrige Münze wieder zurük.
Der General der Artillerie Manscourt ging auch an diesem
Tage unter der Begleitung eines Majors vom Geniecorps auf
«
den Schlossberg in das Zeughaus und in das Pulvermagazin.
Es wurden alle Kisten geöffnet, alles genau aufgezeichnet,
und in der Folge 2 Wägen mit circa 20 Kisten scharfe Pa-
tronen nach Frohnleiten und 3 Plöthen mit andern Artillerie
Requisiten nach Ehrenhausen und von da aus zu Land über
Mahrburg nach Klagenfurth abgeführt. Das hiesige k. Artillerie
Komando hatte vor seinen Abzug diese Munition und Artillerie
Requisiten nicht mehr fortbringen können. Das rückgebliebene
Interims General-Komando hatte so viel möglich war und man
mit Fuhren zu Wasser und zu Land aufkommen konnte fort-
geschaft, ja selbst während des Einrückens der französischen
Avant-Garde noch 5 Plöthen mit Munition und anderem Aerarial
Gut nach Warasdin abgeschickt, aber die so schnelle Ankunft
des Feindes machte jeden fernem Transport unmöglich. Merk-
würdig aber ist es, dass der französische General bei dieser
Untersuchung am stand. Zeughaus vorüberging, es nicht ein-
mahl zu sehen verlangte, und keine Auskunft darüber forderte.
An diesem Tag kam der Syndikus von Mahrburg und brachte
der prov. Landes Kommission einige schon früher erwähnte
— 145 —
fihnliche französische Proclamationen, die dem Magistrat zu Mar-
burg zum Weitersenden übergeben worden waren. Er batt, man
möchte ihm diese Proclamationen abnehmen, damit der Magistrat
zu Marburg von aller diesfälligen Verantwortlichkeit entbunden
würde. Die provisorische Landes Kommission befahl ihm, selbe
dem Ober General zurückzustellen. Er gieng zu Buonaparte, der
ihm aber unter der strengsten Verantwortlichkeit befehlen liess,
diese Proclamationen dem hiesigen Magistrat zur weiter Ver-
sendung zu übergeben. Er kam nun auf das Rathhaus; der
Herr Bürgermeister war abwesendi und der Magistrat wollte
die Proclamationen die in 7 Gouvertz an die Stadt Magistrate
zu Pest^ Körment, Raab, Stuhlweisenburg, Pressburg, Ofen
und Eomom addressirt aber versiegelt waren, nicht annehmen.
In der Hofoung, den nach den Äusserungen des Syndikus
Menz in grosser Angst schwebenden Magistrat in Marburg zu
befreyen, und in der Zuversicht, diese Proclamationen so wie
die früheren in Sicherheit zu bringen, übernahm der Bürger
Stahel vom Syndicus Menz dieselben, und quittirte ihn dafür.
ADein da dieser Mann schon bei dem französischen Ober
General gewesen und von ihm mit den gemesensten Befehl,
diese Proclamationen zu versenden, an den hiesigen Stadtroagi-
strat gewiesen war, so durfte er es nicht wagen, selbe gerade
bei Seite zu schaffen. Er sigelte sie in ein Couvert und sandte
sie durch einen Mann von der Wache an den General Beaumont
Er batt ihn schriftlich, den Magistrat, der sich in der Unmög-
lichkeit befinde, die Proclamationen zu versenden, von der
Verantwortlichkeit zu befreien und sie bei sich zu behalten.
Oeneral Beaumont liess aber sagen, der Magistrat müsse in
Ermanglung anderer Gelegenheit die Versendung durch die
Post besorgen, und sich darüber ausweisen. Zugleich liess er
ihm bedeuten, künftig nicht mehr Aufträge zurückzusenden, die
dem Magistrate bei schwerster Verantwortlichkeit auszuführen
anbefohlen sei. Man war gar nicht in der Lage einem solchen
bestimmten Befehl widersezlich zu handeln; Bürger Stahel
nahm also die beiden Bürger, Herrn Ludwig Amerbacher, Di-
relitor der hiesigen Coton Fabrik, und Anton GadoUa, Spezerei-
VittktiL dM hiBi, Veniu t SUiernuk, XXVUl. Heft, 1880. 10
— 146 —
hftndler von Graz ; als Zeugen mit sich, gieng auf das Postamt
und Obergab gegen Recepisse die 7 versiegelten Schreiben,
jedoch mit dem ausdrücklichen Bedeuten, diese Schreiben ent-
weder hier oder sonst wo auf der Strasse nach Ungarn zurück-
zuhalten, damit sie nicht an ihre Adresse gelangten. In der
Nacht, die diesem Tage folgte, wurden mehrere Unruhstifter,
sowohl Frankreicher, als auch hiesige Einwohner, die aber
alle zur niedrigsten Klasse des Poebels gehörten, von den aus
Bürgern und französischen Soldaten zusammengesetzten Pa-
troullen eingebracht und der Hauptwach übergeben.
Am 12. April um 10 Uhr kam ein Adjutant des Ober-
generals auf das Rathhaus und meldete : dass der Obergeneral
um 11 UhrdieprovisorischeLandesEommission bestätigen wolle,
dass sich somit alle Mitglieder an dem Orte versammlen sollten,
wo bisher die Sitzungen abgehalten wurden, und dass man,
wenn die Eonmiission versanunelt sei, dem Obergeneral hieven
Nachricht geben möchte. Um 11 Uhr war selbe versammelt
und erwartete den zu ihrer Bestätigung vom Obergeneral
bestimmten General Berthier, als dieser aber gegen 12 Ulir
noch nicht erschienen war, wurde der Bürger Stahel, ein
Kommissionsmitglied, zum Obergeneral gesendet, um ihn zu
benachrichtigen, dass die Kommission versammelt sei.
Der Abgeschickte traf den Obergeneral mit Durchsehung
einiger Landkarten beschäftiget Der General Berthier ward
gerufen, und als sich derselbe wegen Geschäfte entschuldigte,
sandte der Obergeneral an den hiesigen Stadt - Comandanten
General Beaumont, um durch ihn die Einsetzung und Bestätü-
gung der Landes Kommission zu veranlassen.
Während der halben Stunde, die bis zur Ankunft des
Generals Beaumont verflos, war der Abgeschickte allein beim
Obergeneral; im anstossenden Kabinet schrieb ein Adjutant
an der für Steiermark bestimmten Proclamation. Der Ober-
general befragte den Abgeschückten der Landescommission
über die Volkszahl der Stadt und des Landes, über den Ea-
rackter der Bewohner.
Die erstere ward ihm nach der in der Kindermann'schen
— 147 —
Karte enthaltenen Tabelle angegeben, und über den Charakter
der Bewohner auf seine eigene Erfahrung während seines
Aufenthaltes in Steiermark und besonders in Graz verwiesen ;
doch sezte der Bürger hinzu, ,,die friedlichen Bewohner der
Gebiirge würden gegen gewalthätige Reizungen nicht gleichgültig
sein^. Darüber lächelte er, doch fragte er unmittelbar darauf
mit dem ihm gewöhnlichen Ernst, ob man hier mit der
österreichischen Regierung zufrieden sei? Diese gefährliche
Frage glaubte er (Stahel) nach dem Gefühle seines Herzens
beantworten zu müssen, und als der Obergeneral sich äusserte,
dass ihm viele Klagen gegen diese Regierung angebracht
worden seien, so erwiderte der Bürger wörtlich folgendes: „Un-
voUkommenheit sei das Los aller menschlichen Einrichtungen,
zwischen mehrem und mindern Vollkommenheit der Regierungen
entscheide der Wohlstand der Bewohner eines Landes. Es gäbe
in jedem Lande unzufriedene hier aber verhältnissmässig nur
sehr wenige. Die Unzufriedenheit einzelner Glieder der Bürger
Gesellschaft liege nicht in ihrem Eifer für das Wohl des
Ganzen sondern in ihren Egoismuss.^ Der Obergeneral schien
über diese Aeusserung ernster zu werden. Er tratt in das
anstossende Zimmer, in welchem sein Adjutant schrieb, und
las die Schrift fleissig durch. Der General Beaumont trat nun
ein, er empfing aus der Hand des Obergenerals die Schrift mit
dem Auftrage, die Landes Kommission nun zu bestättigen. Beau-
mont durchlas nun das Papier ebenfalls, und hier war es, wo
Bürger Stahel auf der verkehrten Seite den lezten Abschnitt
der Proclamation las, der lautete: „La Commission de la Stirie
pretera sennent d^ obeisance a tous les ordres de la republique
FranQoise.** Die Glieder der prov. Landes Kommission waren
dem General Beaumont bis zum Eintrit in den äusseren Saal
des Landhauses entgegen gegangen; während der Ceremonie
des Empfanges erzehlte der Bürger Stahel dem Grafen v. Brandis,
dem Bürger Dehler und Teuerkauf dass der Eid des Gehorsams
gefordert werden würde. In diesem Augenblicke war schon der
Entschluss fest in ihrer Seele, diesen Eid, dessen Folgen
unabsehbar waren, nicht zu leisten. Der General trat an den
10*
— 148 —
Tisch, die Mitglieder, wurden bei dem Abschnitte, der ihre
Namen enthielt auch namentlich aufgerufen; als der letzte
Abschnitt vorgelesen war, durchfuhr sie alle der Geist der
wärmsten Vaterlandsliebe, edler Unwille über den Stob des
Gallischen Befelchhabers, beleidigtes Gefühl eigener Kraft, die
laute Stimmen der Bürgerpflicht und die Bttrgertreue gegen
Fürst und Vaterland entschieden in diesem gefahrvollen Augen-
blick. Mitten unter seinen Tausenden ward dem französischen
Obergeneral der geforderte Eid abgeschlagen.
Der Fürstbischof war der erste, der dem französischen
General in kurzen und troknen Worten sagte, er habe seinem
Landesfürsten den Eid der Treue und des Gehorsams gdeistet,
würde diesen Schwur nie brechen, und könne daher keinen
ähnlichen mehr leisten. Alle Mitglieder unterstützten mit gleich-
lautenden Aeusserungen diese Worte, und erklärten, sie wären
bereit von dieser Versanunlung abzutreten, aber nie würde man
sie bewegen können, pflichtwidrig zu handeln.
Buonaparte war schon zur Abreise nach Obersteiermaric
bereit, er sass schon im angespannten Reisewagen, als General
Beaumont ihm die Nachricht brachte, der Eid sei verweigert.
Er gab nun den Befehl, die Mitglieder sollten den Eid ab-
legen, oder es würde die Kommission suspendirt Er brach in
unanständige Worte und Drohungen aus. Er reiste sogleich ab.
Gl. Beaumont kehrte wieder in den Saal zurück, vergebens
wandte er alle seine Künste der Beredsamkeit an, vergebens
zählte er die Gründe auf, die den Obergeneral der Franzosen
berechtigten, den Eid des Gehorsams von einem eroberten j
Lande zu verlangen. Die Mitglieder der Landes Kommission >
wankten nicht, und die Versammlung ward aufgehoben. Siechbar
war die Freude über diesen kühnen Schrit bei unseren Mit-
bürgern. Einige Bösewichte, aber zur Ehre dieser Stadt sey
es gesagt, dass ihre Zahl nur äusserst gering war, glaubten
zwar diesen Zeitpunkt zur Ausführung selbstsüchtiger Pläne
benüzen zu müssen, sie fühlten vielleicht selbst die Schwärze
ihrer Absichten, sie wagten nicht, damit hervorzutretten.
Während diesen Tagen gaben sich die französischen G
"
- 149 -
DerUe alle Mühe^ einzelne Mitglieder der Kommission zur
Ablegong des Eides unter dem Verwände zu bereden, dass
eine andere Kommission von dem Obergeaeral ernannt werden
d&rfte, deren Mitglieder nicht in demselben Grad das Zutrauen
des Landes besitzen dürften, wie die Bestandenen. Allein ihre
Gründe wurden standhaft widerlegt, die gedachte Einsetzung
einer andern den Absichten des Generals en chef sich fü-
genden Kommission unterblieb, aber er Hess uns bald filhlen,
dass er die Verweigerung des Eides sehr übel nahm.
Schon am Abend kam ein Brief von dem General-Kommissair
Villemanzi an den Magistrat der Stadt, dessen Inhalt sehr auf-
fallend war. Es wurde alles hier vorfindige Mehl, aller
Haber ohne Rücksicht auf die hier und in Frohnleiten lie-
genden Truppen, nach Leoben und Prugg zu liefern beordert.
Zugleich erschien ein sogenannter „Agent Militaire de la Re-
publique**, mit dem Auftrag, dass der Magistrat ihn in seinen
Verrichtungen unterstützen, und überhaupt sich in Alles fügen
sollte, was der Agent zur Erfüllung seiner Aufträge als dienlich
erachten würde. Der ersten Forderung konnte nicht wohl aus-
zuweichen sein, aber verhindern konnte man die Abführung
aller Vorräthe durch kluges Zögern, man konnte sich mit der
Unmöglichkeit entschuldigen, hinlängliche Vorspannswägen auf-
zubringen, man konnte den Vorspannswägen eine halbe Ladung
geben, und dadurch ward Zeit gewonnen.
Der Agent Militair hingegen war gefährlich, zwar kannten
wir noch nicht die ganze Ausdehnung seines Amtes, und sein
Beglaubigungsbrief war nur in sehr allgemeinen Ausdrücken
abgefasst, aber seine kalte Mine, seine Zudringlichkeit, sein
H. von Employ^ liesen alles fürchten, auch wurden die Folgen
semer Sendung bald fühlbar. Die Requisitionen dieses Tages
waren sehr unbestimmt, aber im Ganzen doch denen von beiden
vorigen Tagen gleich. Einige französische Offiziere fuhren umsonst
mit der Post nach Prugg, sie waren mit dem Kriegskommissair
einverstanden, der fttr sie die Pferde gefordert hat Die Unge-
wissheit, in der wir über die Verhältnisse und über den uns
gar nicht angekündigten Waffenstillstand waren, erlaubte uns
- 150 —
nicht, diesen kleinen Betrügereien dnen Damm entgegen-
zusetzen.
Den 13. April. Der Postkurs wurde nun auf Befehl des
Generals Beaumont geöffnet Wir hatten Hofoung, Verhaltungs-
befehle von unserem allergnädigsten Monarchen zu erhalten^ die
wir in so kritischen Zeitverhältnissen sehnlichst erwartet hatten.
Es war wenigstens möglich, etwas von den Anstalten zu er-
fahren, die zu unserer Befreyung gemacht wurden. Die Bothen
von den an den österreichischen und ungarischen Grenzen
gelegenen Städten Hartberg und Fttrstenfeld kamen an, die
Franzosen legten ihnen keine Hindemisse im Weg ; allein auch
diese süsse Hoffnung war vereitelt, wir erhielten nicht die
mindeste Nachricht und fanden nur in der Uebereiustimmung
der hiesigen Bewohner, in dem Muthe, der uns nie verliess,
und in unserer eigenen Empfindungskraft die Mittel, alle Pläne
der Feinde, denen wir ofenbar Gewalt nicht entgegensetzen
konnten, zu vereiteln.
Anstatt ihnen die hier gelegenen Vorräthe zuzuführen,
Hess man alle Becken fleissig Brod backen, und eine unglaub-
liche Menge nach Frohnleiten und Prugg versenden. Wir ver-
sendeten wenig Mehl auch noch weniger Haber. Jeder Lub
Commisbrod wurde um ein Pfund leichter gebacken, wir gaben
sogar den grössten Theil der vom Lande herein beorderten
Vorspannswagen den hiesigen Commissairs, die in das Lager
nach St. Leonhard unnöthige Fuhren verrichten Hessen, um uns
mit gänzlichen Mangel an Vorspannswägen zu entschuldigen,
und die anbefohlene Abfuhr von Mehl und Haber nach Prugg
und Leoben unmöglich zu machen. Vergebens drohten die zum
Magistrat gesandten Anschaffungs-Gommissairs, dass sie durch
Detachements das Landvolk zur Vorspann hereinzwingen würden.
Wir riethen ihnen, keine Versuche dieser Art zu machen, wenn
ihnen ihr Leben lieb sei, und wirklich zogen sie ihre Sicherheit
dem gefährUchen Mittel des Zwanges vor. Sie blieben in der
Stadt und sandten keine Detachements. An diesem Tage sti^
der Unwillen der Einwohner dieser Stadt gegen die unge-
betenen Gäste auf einen merkUchen Grad. Verschiedene kleme
- 151 —
Erpressungen an einzelnen Personen, Unfttge, die in namhafter
Anzahl an verschiedenen Orten mit dem weiblichen Greschlechte
verQbl worden waren, verweigerte und nicht geleistete Zah-
lungen für genossene Speiss und Trank, Unordnungen, die
von den meistens bedrunkenen gemeinen Soldaten begangen
worden, hatten die Oemüther in Gährung gebracht und den
Wunsch, sich zu rächen, und mit bewaffneter Hand zu schlitzen,
hervorgebracht Der Magistrat erhielt die bestinunte Kunde,
dass in einer der Vorstädte bereits wirkliche Anstalten hiefar
getrofen würden, und das Volk sich zu sammeln bereit wäre.
Um diesem in jedem Anbetracht gefährlichen Entwurf vor-
zubeugen und dem daraus nothwendig entspringenden Uebel
mit Gewalt zu steuern, sach sich der Bürgermeister, in dessen
Namen seit Auflösung der prov. Landes Kommission alle öffent-
lichen Verfügungen ausgehen mussten, gezwungen, durch die
hier sub Nro. 6 beigebogene strenge Verordnung, selbst mit
Drohung der Todesstrafe, das Geboth der inneren Ruhe zu
wiederhollen. Die nützliche Folge derselben war unverkenbar
und zwqrÜAch, denn es ward dadurch nicht nur die so noethige
Ruhe und Ordnung erhalten, sondern auch die französische
Hanschaft auf die Grundursache, die zu dieser Verordnung
Anlass gegeben, aufinerksam gemacht, und Sie konte ihre
zweifelhafte, vieleicht auch gefahrvolle Lage nicht miskennen.
Den 14. April. Mit unausstehlicher Plage und unaufhör-
lichen Drohungen wurden die Brodliefenmgen von den fran-
zösischen Kommissairs betrieben, unsere braven Beckenmeister
lieferten täglich 18 bis 20000 Portionen Brod. Der hiesige Be-
darf war nur gering, aber die Versendungen nach Frohnleiten
und Prugg erschöpften täglich den Vorrath. Siechbar waren die
Betrügereien der französischen Magazins -Verwalter. Sie hatten
sich gleidi bei ihrem Einzug in die Stadt des Verpflegsmagazins
bemächtiget, um, wie sie sagten, die Bürger der Mühe der
Vertheilung zu überheben. Sie trieben Handel mit Haber und
Getreida Sie verkauften einen Theil des auf ihre Requisitionen
gelieferten Weines, sie verkauften Fleisch.
Die Klagen, die wir darüber vorbrachten, konnten diese
— 152 —
Missbräuche nicht hindern, das ganze Heer dies^ Betrüger
war eine Kötte ohne Anfang und ohne Ende. Sie theflten den
Raub, aber sie wurden doch behutsamer, da Sie wahrnahmen,
dass wir Anstalten trafen, selbst von ihren Vorräthen zu kaufen,
um rechtliche Zeugnisse gegen sie in den Hftnden zu haben.
Vergebens schrieb der Kriegkommissair Armanet und der
Oberkommissair Pellizone beinahe alle Stunden, dass wir ohne
ihre Unterschrift kein Brod, Wein etc. abliefern möchten; ja
der Bürgermeister musste sogar die hier sub Nr. 7 beige-
bogene Warnung an das Publikum, nichts von den Franzosen zu
kaufen, eingehen und durch den Druck bekannt machen lassen,
allein alle diesfaellige Fürkehr war vergeblich.
Die Bürger hatten das Magazin nicht mehr in den Hftnden,
die französischen Employes kehrten sich nicht an die Befehle
ihrer Vorgesetzten. Selbst der General Beaumont war nicht
im Stande, die aus dem Hauptquartier zu Leoben heimlich
hieher gekommenen OflSziere zur Rückreise zu bewegen. Er
schrieb einen Brief an den Magistrat und forderte das genaue
Verzeichniss aller hier befindlichen und einquartirten Offiziere.
Um selbes mit Gewissheit liefern zu können, erliess der
Magistrat die hier sub Nro. 8 beigebogenen Ausweise und
übergab sie dem Herrn Generalen.
Aber die Offiziere blieben dennoch hier. ~ Oft war nur
ftlr einen Offizier Zimmer und Bett angewiesen, aber statt
einen kamen ihrer 4 und mehrere. Sie wechselten mit dem
Schlaffe, die andern spielten indessen. Manche trieben sogar
Handel mit den Quartieren.
Den 1 5. April. Der Kriegskommissair Armanet brachte einen
neuen Magazins Verwalter zum Magistrat, um die Vorräthe vom
Verpflegsmagazin zu übernehmen. Es ward ihm geantwortet:
dass diese Vorräthe sich schon in den Händen der französischen
Ofiiziere befänden, die während der 6 Tage ihres Aufenthaltes
darin viele Lücken gemacht hätten. Wir erinnerten ihn, dass bei
der üblen Wirthschaft und den Betrügereien der Untergebenen
das Magazin bald aufgezehrt sein würde, und dass wir alssdann
nichts mehr znr Erhaltung der Truppen beitragen könnten. Die
— 153 —
Frankreicher fiihren fort, tftglich eine Menge Wägen zur Abfllh-
rnng der Magazine zu verlangen; sie erhielten deren sehr wenige,
oft sogar nicht einen einzigen, wir gaben ihnen zu Yerstehen,
dass sie ihre eigenen Wftgen zum Transporte der Lebensmittel
hieherschaffen sollten; da man gut wusste, dass sie bei der
ganzen Armee nicht einmal hinlänglich Pferde zur Fortschaffung
ihrer wenigen Artillerie hatten, auch kämmen keine Wägen an,
und der Transport unterblieb.
Der Militär Agent der französischen Republik fing nun an
die ersten Schritte zur Vollziehung seiner Aufträge zu machen.
Er ersuchte den Magistrat, sich zu versammeln, und äusserte
sich, dass er von nun an nothwendig allen Sitzungen desselben
beiwohnen mttsse. Es wäre sehr leicht gewesen, diesen Kund-
schafter durch lange Weile aus dem Rath zu vertreiben, aber
wir sagten ihm geradezu : Die Glieder des Bathes glaubten in
seiner Gegenwart nicht die gesezliche Freiheit ihrer Meinungen
äussern zu dürfen. Er kam zu keiner Sitzung.
Wir fühlten nun erst ganz^ • wie seinem eigenen Vortheile
zu wider der französische Obergeneral gehandelt hatte, da er
die provisorische Landes Kommission aufhob. Wir nahmen diese
Trennung der Mitglieder und den Befehl des Obei^enerals,
sich nicht ohne seine Erlaubniss zu versammeln, zum Vorwand,
um sehr viele Forderungen abzulehnen, denen nicht leicht
auszuweichen war, wenn die Landes Kommission in ihrer
Wirksamkeit geblieben wäre. Die Frankreicher Sachen das
selbst ein, sie drangen in den Obergeneral, die Landes Kom-
mission wieder einzusezen, aber sein Stolz liess es nicht zu.
Er opferte den Wohlstand seiner Armee dieser Leidenschaft;
der reine Gewinn war fbr unser Vaterland.
Den 16. April. Die Feier des Osterfestes war von den
Frankreichem nicht gestört, so ward auch die Gharwoche hin-
durch der Gottesdienst in allen Kirchen mit den gewöhnlichen
Feierlichkeiten gehalten; die Kranken waren die ganze Zeit
hindurch mit dem Hochwürdigen öffentlich versehen worden,
es wurden Prozessionen gehalten, und die Frankreicher er-
laubten sich nie auch die mindeste Störung der Religions-
— 154 —
Übungen. Wir hatten am Vorabend bereits ihre Requisitionen
befriediget.
Es waren einige Wägen nach Frohnleiten abgefahren, um
der dort stehenden Division des Generals Chabot Lebensmittel
zu überbringen.
Die Becken arbeiteten unaufhörlich. Zu Leobra und Prugg
war alles aufgezehrt, die zahlreiche Armee der Frankreicher
musste von hier aus mit Allem versehen werden. An diesem
Tag ward auch auf ausdrückliches Verlangen des französißchen
Generals das Theater wieder eröfhet Man hatte sich vorläufig
schon von demselben den Verbot erbeten, dass das Marseiller
Lied oder das Qa ira und dergleichen nicht gesungen werdeo,
und niemand auf das Theater und in die Coulissen zu gehen
sich erlauben sollte und er gab die gemessensten Befehle, die
auch in der Folge in Rücksicht der Lieder nie überschritten
wurden. Den französische Gemeinen ward nur der Zutritt
auf den lezten Platz gestattet, welches freilich mit ihren Be-
griffen von Freiheit und Gleichheit nicht ganz zusammen
stimmen wollte, aber doch so ziemlich gehalten wurde, und
für die Stabs und Ober OfSziere mehrere Logen angewiesen.
Der Zulauf von Seite der Franzosen war sehr gross und wuchs
beinahe täglich, vorzüglich wenn Opera groben wurden, da-
gegen minderte sich täglich die Zahl der hiesigen. Bian konnte
ihr Betragen, dass doch im Grunde selbst bei den Ofiizieren
nicht sehr gebildet war, nicht gewöhnen und wollte lieber die
Gelegenheit zu unangenehmen Auftritten vermeiden. Die Bürger
Militz besezte auch hier gemeinschaftlich mit den Franzosen
in ziemlicher Anzahl die Wachen, und trug hier ebenfalls nicht
wenig zur Erhaltung der Ordnung und Buhe mit guten Er-
folg bey.
Am 1 7. April brachte ein Courier aus Leoben den in der
Beilage sub Nr. 9 in einer wörtlichen Uebersetaung beigebo-
genen Brief von dem General Kommissair Villemanzi an die
Mitglieder der aufgehobenen Landes Kommission, dessen Inhalt
eme Folge der Untersuchungen und Arbeiten des Militftr Agenten
war, und worin derselbe statt bisher den fi^mzöedschen Truppen
— 155 —
in natura gereichten Verpflegang zum eigenen Ankaufe der
Lebensmittel eine Abgabe in baarem Gelde von wöchentlich
30.000 Liyres forderte. Es war leicht abzusechen, dass der
französische General Kommissair das Wohl des Landes nur zum
Vorwand seiner unerschwinglichen Forderung mache; man
wusste, dass die Städte Leoben, Prugg, der Markt Frohnleiten
und die umliegenden Gegenden bereits von allen Lebensmitteln
entblöst waren, dass sogar die Bürger dieser Orte mit ihren
Hausgenossen von dem leben mussten, was ihre Gäste in den
Hotten der Landleute blUnderten.
(In dieser bedrängten Lage wurde von den Mitgliedern der
prov. Landes Kommission beschlossen, sich bittlich an die
Stufen des Thrones resp. dessen Stellvertretter zu wenden.)
Offenbar ward der Plan des General Kommissairs durch
den Militär Agenten Ruard ausgearbeitet, aber es war hier
kerne öfentliche Staatskasse. Der Mangel an baarem Gelde war
sehr drückend, es war kerne Möglichkeit bei der Abwessenheit
aller Kassen die Bancozettln in klingende Münz umzusetzen,
dass wenige Geld, dass aus dem täglichen Verkauf des Salzes
und des Tobacks erlöst wurde, war nicht hinreichend, die
täglichen Ausgaben zu bestreitten, und wenn auch die Mög-
lichkeit der Zahlungsleistung vorhanden gewessen wäre, so
würde die Gebahrung mit diesem Geld nicht minder nach-
theilligere Folgen nach sich gezogen habea Nebst dem, dass
die Bestimmung der höchsten Verkauipreisse der Lebensmittel
blos von der WiDkühr der Franckreicher abgehangen hätte
und sie selben immer nur zu ihrem Vortheille bestimmt haben
würden, so wären dabei die armen Unterthanen, deren vor-
zügliche Schonung sie zum Hauptschein-Grunde ihrer Forderung
angaben, dadurch nicht mehr durch (!) (vor) Plinderung und
Erpressungen sicher gestellt worden, und da man keiner ihrer
Worte und Verheissungen festen Glauben beimessen zu können
geschert ward, so wurde unsere Lage hierdurch auch nur
um 80 bedencklieher. In dieser kummervollen und kränckenden
Ungewissbeit glaubten die Mitglieder der provisorischen Landes
Kommission auch diesmal keine festere Stütze ihres Heilss,
— 156 —
keinen sicherern Schatz vor der sie betrohenden Oefiihr, als
an den Stuffen des Thrones ihres geliebten Landesvaters, und
da sie sich nicht unmittelbar an ihn selbst verwenden konnten,
so hofften sie doch ihren Zweck bei seinen Stellvertretern und
Begwalügten zu erreichen.
Wir hatten erfahren, dass m Göss kaiserliche Gesandte
mit dem französischen Ober General am Frieden arbeiteten.
Die Glieder der Landes Kommission versammelten sich auf
dem Rathhause, es ward eine Denkschrift an den Obergeneral
verfast^ und zween Gliedern der Landes Kommission, dem Grafen
V. Brandis und dem Bürger Stahel, aufgetragen, nach Leoben
zu den kaiserl. Gesanden abzureisen, ihnen diese Denkschrift
mitzutheilen, und sie um Verhaltungsbefehle bitten.
Das Original der Denkschrift, die unter Nr. 10 hier
beigebogen ist, ward durch den General Beaumont an den
Herrn Obergeneral Buonaparte abgesant Um Afittemacht
tratten die beiden Mitglieder der Landes Kommission die
Reise nach Leoben an. Ein französischer Chasseur begleitete
sie als Salve Garde ; ungehmdert traffen sie im Hauptquartier
ein, und sprachen mit dem von Sr. Majest&t dem Kaiser zu
dem Friedensgeschftft bevollmächtigten Grafen von Meerfeldt
in seiner Wohnung zu Göss. Sie erzählten ihm umständlich
die Ausdehnung der französischen Forderung und ersuchten
ihn um einen dem Wohl des Landes und der Monarchie
angemessenen Rath. Er hatte dazu keine Verhaltungsbefehle,
doch erfuhren die Deputirten aus seinem Munde die Nachricht
von der Unterzeichnung der Friedenspräliminarien, und er
unterstützte, wie wir später erfuhren, die Denkschrift bei dem
französischen Obergeneral mit der besten Wirkung.
Den 1 8. April. Belebt durch die glückliche Bothschaft der
Friedenspräliminarien, kehrten die Deputirten nach Graz zurQk.
Sie waren die Ersten, die ihren Landsleuten diese so lang
und so sehnlich gewünschte Nachricht verkündigten, frohe
Gefühle durchbebten die Brust jedes bieder denkenden bei
dieser Gewissheit Mancher stille Seifzer stieg zum Himmel.
Er war der Ausdruck des Dankes, und segnete unseren
— 157 —
Landesvater. Aber nur im StiUen konnte man sich dieser in
sich so berubigenden Bothschaft fronen. Umningen vom Getöse
der wilden und rauhen Krieger, die ihre ausgelassene Freude
ober die gewisse Hoffnung nun bald in ihr Vaterland zurück-
zukehren, nur mit bachanaUschen Freuden feierten, noch
fühlend den eisernen Druck ihrer angemassten Herrschaft, gleich
gequelt durch ihre Forderungen, wie durch ihre empfindlichen
Beweise ihrer geträumten Gleichheit und Freiheit, konnte man
sich den seeligen Gefühlen, die die Berechnung der goldenen
Fruchte eines sehnlich gewünschten Friedens in unseren Herzen
erweken sollte, nicht ganz überlassen, nur halb ihrem tröstenden
Einflüsse Gehör geben, nur in weiter Aussicht die Wohlthat
desselben erkennen. Doch waren fhr uns auch einige augen-
blikliehe Vortheile mit dieser frohen Gewissheit verbunden. —
Es war nun weniger von den Gewaltthätigkeiten zu fürchten,
womit uns die Frankreicher bedroht hatten, es Hessen sich
wieder neue Mittel erfinden, um ihren dringenden und stärker
werdenden Forderungen auszuweichen.
Sie hatten fbr diesen Tag 400 Centner Mehl und
400 Centner Hen nach Prugg und 1200 Centner Mehl nach
Leoben ohne Aufschub und unter schwerster Verantwortlichkeit
verlangt ; es wurden jedoch nur 360 Ztr. gesandt. Der Militär
Agent Richard forderte diese Lebensmittel mit dem Beisätze;
dass sie aus dem Verpflegsmagazin (welches ohnehin den
Franzosen gehöret) nicht genehmen werden sollen. Dagegen
versicherten wir ihn, dass die französische Armee, ÜBb wir
nicht ihre Verpflegung aus dem Magazin fortsezen dürften,
selbe keinen Bissen Brod, keine Portion Fleisch oder Wein,
kurz gar nichts mehr erhalten würde, dass wir uns in der
Lage befänden, Gewalthätigkeiten nicht zu fürchten, dass wir
uns übrigens gegen seine Forderung durch den General Kom-
nüssair und durch unsem Gesandten schützen würden. Er
verlangte dies alles schriftlich, wir verweigerten ihm dieses nicht
Der Kriegs Kommissair Armanet forderte über das ge-
wöhnliche Bedür&iss noch 30 Stück Schlachtvieh, um sie nach
Frohnleiten zu senden.
— 158 —
Wir schlugen ihm dies gladerdings ab, er eriii^ kein
einziges Stück ; wir wussten , dass die in Frohnleiteii liegende
Division mehr als 100 Ochsen und KQhe mit sich fbbrte^ wir
konnten, ohne sie geradezu in Mangel zu sezen, doch einige
Tage mit der Lieferung warten und gewannen dadurch wenig-
stens Zeit.
Die Festung war heut vom Kapitaine Loyarbe aufge-
nehmen, und ihm hiezu über sein schriftlichets Veriangen die
Instrumenten geliefert
Es war dies wieder dn neuer Kunstgriff, wodurch uns
die Frankreicher bethören und die Gemüther beunruhigen
wollten; sie wollten Furcht erwecken, um desto gewisser ffUi
ihre Sicherheit zu sorgen. Der Kriegskommissair Armanet, dem
man seine Forderung wegen Schlachtvieh abgeschlagen hatte,
wandte sich nun an den General Kommissair Villemanzi, wir
erhielten einen Brief, worin für den 21. und 23. April 100 Stück
Schlachtochsen unter der strengsten Verantwortlichkeit nach
Prugg zu liefern befohlen war. Vergebens wandten wir uns in
dieser Nothlage an die ungarischen Viehhändler, es wurde
geantwortet, dass die Ausfuhr des Schlachtviehes ans Ungarn
bei Todesstrafe verbothen sei. Das war weder mit dem Waffen-
stillstand, weder mit den darauf unterzeichneten Präliminarien
übereinstimmend. Wir hatten von hier bis Leoben eui Heer
von mehreren 1 000 Frankreichem mit Lebensmitteln zu ver-
sehen und die Quelle derselben war nun abgeschnitten. "V^r
waren gezwungen, das Schlachtvieh aus einer grossen Entfer-
nung hiehertreiben zu lassen, aber wir konnten doch nicht
die ganze Forderung der Franzosen befriedigen«
Für die hiesigen Spitäler musste Küchengeschier, Waag
und Gewichter, Hacken, Stühle und anderes Hansgeräthe geliefert
werden. Der Magazins Verwalter Monicault forderte sogar eine
vollständige Einrichtung seines Quartiers mit Spiegel, Soffen
u. dgl. aber er erhielt nichts. Der Vorrath von Heu war nur durch
die üble Wirthschaft der Franzosen erschöpft, so dass kaum
mehr 15 Ztr. ausgegeben werden konnten. Die benachbarten
und sogar entfernten Werbbezirke lieferten sehr beträchtlich;
— iBd -
manchen Tag kommen über 40 Fuhren an, aber sie ver-
schwanden ebenso schnell wieder, viele Fahren kommen gar
nicht in die Stadt, sie wurden ungeachtet der sie begleitenden
Wache geplündert
Den 19. April. Die französischen Kommissaire fuhren fort,
ihre Bedürfnisse sehr ernstlich zu verlangen. Sie dehnten solche
auf Gegenstftnde aus, die wir gar nicht kannten. Sie, die jahre-
lang in Italien das ellendeste Brod gegessen hatten, wollten nun
nicht mehr das gut kemichte Brod annehmen, welches ihnen
unsere Becken lieferten. Sie verlangten, dass alles vorräthige
Mehl noch einmahl durch die Beutel laufen sollte. Aber wir
stellten ihnen die Unthunlichkeit dieser Arbeit bei den starken
Brodbedarf vor und die Sache unterblieb. Ihre Forderungen
an Holz, Stroh, Bettfomituren, Wein und weissen Brod ftlr
die Hospitäler wurden befriediget. Sie beschworen uns im
Nahmen der Menschheit und plünderten die eine Helfte der-
selben, nm der anderen nicht das Bedürfhiss sondern Ueber-
fluss zu reichen.
Der Oberkommissair Buhot kam heute von Leoben. Er
war ganz das G^entheil von den bisher uns über den Hals
gekommenen Wüstlingen, ein feiner, wohlgebildeter Mann, dem
wir in mancher Rücksicht viel zu danken hatten ; er that den
ungewöhnlichen Neckereien der ihm untergeordneten Kommis-
sairen, wahrer Vampire, Einhalt, und sein bescheidenes und
höfliches Betragen war das vollkommste Gegenstück an den be-
leidigenden, immer mit Fluchen und Schmähworten begleiteten
Federungen aller andern. Sein erster Auftrag war, mehrere
Backöfen in den Magazinen errichten zu lassen, um die sehr
zahlreiche französische Armee leichter mit Brod zu versehen.
Auch bestellte er 1 000 baar Schuhe, welche nach einem Preiss
mit 1 fl. 42 kr. bezahlt werden sollten. Wir stellten ihm zwar
zu wiederholten malen .die Unnothwendigkeit der Backöfen, die
Unmöglichkeit, solche in so kurzer Zeit zu Stande zu bringen,
vor. Es war umsonst; es wurde eine ungeheuere Menge Ziegel,
Kalk und Bauwerkzeug in das Magazin geschafft, über 50 Maurer
arbeiteten Tag und Nacht an den 6 neuen Baköfen, in wenigen
— 160 —
Tagen waren selbe fertig. Aber die französischen Becken w^
gerten sich geradezu der Arbeit, weil sie ihrer Aeusseruog
nach seit 6 Monaten kein Geld erhalten hatten. Die grossen
Kosten, welche die Erbauung der Oefen verursacht hatten,
waren ganz umsonst und den bargerl. Beckenmeistem blieb die
Last wie bisher. Um die Bestellung der Schuhe zu befördeni,
wurden alle in Gräjs befindlichen Schuhmacher au%ebothai.
Sie versprachen des Tags 70 baar Schuhe zu Uefem. In allen
erhielten die Franzosen 1600 Paar.
Am 20. April. Von dem General Kommissair ViUemanzi
kam ein Schreiben mit der Nachricht, der Obergeneral wolle
den ihn bei seiner hiesigen Anwesenheit gegebenen Vorschuss
rückzahlen. Er forderte Jemanden zur Uebemahme nach Leobeo.
Die Glieder der prov. Landes Kommission versanunelten sich
auf dem Rathhaus und beschlossen, die Bürger Josef Stahel
und Franz Teuerkauf mit den Documenten, die über das
Darlehen ausgeferüget waren, in das Hauptquartier za sendai.
Sie tratten ihre Reise sogleich an und wurden von änen
französischen Ghaseur als Salve Garde begleitet Die am 16.
d. M. von den Franzosen geforderte Kriegssteuer von 300.000
Livers wöchentlich (vgl. o. S. 155 !) war zwar noch nicht geliefert,
aber sie war auch noch nicht wideiTufen, und man konnte mit
jeder Stunde fürchten, dass sie mit Strenge eingetrieben werden
würde. Man konnte zwar dieser Forderung viele Recbtsgründe
entgegensezen, allein die Frankreicher hatten 70000 Bigonettee,
und im Getümmel des Krieges schweigen die Gesetze, die Macht
des Stärkeren entscheidet hier allein, wir konnten uns gegen
sie nur leidend verhalten.
Die abgesandten Bürger beschlossen w&hrend der Rase,
die Vorstellung der Unmöglichkeit, eine solche Summe in baren
Gelde au&ubringen, und die Widerrufung dieser Forderung
zum ersten Gegenstand ihres Geschäftes zu machen.
Sie erschienen vor dem General Kommissair und machten
ihn mit der Lage der Stadt Graz bekannt. Er verlangte von
ihnen schriftlich das Versprechen, sich der ferneren Verpflegung
der französischen Armee zu unterziehen. Bei der ersten Reise,
— 161 —
die Baiser Stahel nach Leoben gemacht hatte, ward ihm mit-
getheilt, dass die Franzosen das kaiserl. SalziQagazin in Beschlag
genommen hatten, um es als Kriegsbeute verkaufen zu können.
Die Erkundigung der französischen Kommissairs um das kais.
Sälzmagazin in Graz hat diese Sache sehr wahrscheinlich ge-
macht. Es war der Zeitpunkt, wenigstens einen Theil dieses
kaiserl. Gutes zu retten.
Man machte dem General Kommissair den Vorschlag,
einige 100 Centner Salz aus den eroberten kaiserl. Magazinen
zu Leoben der Stadt Graz, die wirklich an diesem noth wendigen
Lebensbedürfnisse Mangel habe, (es waren aber noch 8000 Ztr.
in Graz vorräthig) gegen eine gleiche Quandität Mehl zu Über-
geben. Auch diesen Antrag verlangte der General Kommissair
schriftlich. Die beiden Bürger schrieben nun in des Kommissair
Zimmer folgende hier sub Nro. 1 1 beigebogene Note. Während
der Verfertigung dieser Note hatte der General - Kommissair
einen seiner Adjutanten zur Untersuchung der Salzvorräthe
abgeschickt Er war kaum zurückgekehrt, als der General-
Kommissair den beiden Grazer Bürgern die hier sub Nr. 12
beigebogene schriftliche Antwort gab; er gab ihnen zugleich
eine Anweisung auf 1 200 Ztr. Salz, die sie sogleich beziehen
solten und fragte, ob sie die Documenten, die über das Dar-
lehen des Obercomandanten ausgestellt waren, mitgebracht
bätten. Sie bejahten dies, er rief sogleich einen Adjutanten,
um sie zu dem Kriegszahlmeister zu begleiten. Dieser ent-
schuldigte sich mit Geldmangel und versprach dagegen die
Zahlung sicher in ein paar Tagen zu leisten; aber der dies-
falls abermahl abgeschickte Bevollmächtigte erhielt die nemliche
Antwort.
Die beiden Abgesandten, zufrieden mit dem Bewustseyn,
dem Monarchen einen ansehnlichen Theil des in den Händen
der Frankreicher befindlichen kaiserlichen Guts gerettet zu
haben, machten sogleich Anstalt zur Abführung des Salzes. Sie
i^chlossen einen Kontrakt über die Ablieferung von Salz nach
Uräz. Sie kehrten mit freudigem Herzen in ihre Vorstadt zurück.
Zwar hatten sie nicht den Vorschuss, der an den französischen
Ißtthftü. dM hist. Vereina f. Steiermarlc, XXVm. Heft, 1880. 1 1
— 162 —
Obergeneral gemacht worden war, wieder erhalten, aber sif*
hatten ihre Mitbürger von der traurigen Lage befreyt, in die
Sie die Eriegsbeisteuer der Frankreicher gesezt hatte. Sie hatten
ein nicht unbeträchtliches in feindlichen Händen gewesenes
Aerarial Guth gerettet, also weit mehr gethan, alss in ihrent
Auftrag war.
Bei ihrer Rückkehr aus dem Hauptquartier sahen sie
2 Abtheilungen der französischen Armee im Marsch. Es waren
die beiden Divisionen von Bernadotte und Massena, welche in
Folge der abgeschlossenen Friedenspräliminarien nach Gör/,
Krain und weiter nach Italien maschirten. Ihre Stärke bestaii<I
ohne den Tross ungefähr in 25000 Mann. Sie führten geu:en
40 Feldgeschütze und Haubitzen mit sich. Die Division vou
Serurier, vorher Chabot, war seit dem 10. April in Frohnleiten.
ihre ungefähr aus 300 Mann bestehende Kavallerie aber in
Peggau gelagert. An diesem Tage rückte sie in Graz ein. Die
Avantgarde von der Kavallerie wurde in das auf der Triester
Strasse nache gelegene Feldkirchen verlegt, die aus bif.
8000 Mann bestehende Infanterie aber in den hier befindlichen
Kasernen, Seminarien und der Kriegskanzlei untergebracht
Im Verpflegsmagazin wurden mehrere Kisten und Fässer
mit Fomituren erbrochen und geplündert. Der Bürger Pfeffer
machte dem Magistrat die Anzeige, der Bürgermeister wandte
sich sogleich um Abhilfe an den Plaz Comandanten. Die in's
Magazin abgesandte Wache fand die Plünderer nicht mehr.
Den 21. April. Da ein grosser Theil der französischen
Armee sich von Leoben in Marsch gesetzt hatte, so unter-
blieben nun die uns so lästigen Versendungen nach Ober-
steyermargkt Desto mehr wuchsen die Bedürfnisse für die (durcli
die) nun eingetrofene, aus 10000 Mann bestehende, Division von
Bernadotte, welche ein Lager auf dem Gräzerfelde nächst dem
Pulverthurm bezog, und wozu Stroh, Bretter und Holz in
ungeheurer Menge geliefert werden musste, auf etlich und
20000 Mann angewachsene Garnison der Stadt Graz.
Beide hier befindlichen Divisionen verlangten täglich
24000 Porzionen Brod, 100 Emmer Wein, 24 Schlachtochseu
— 163 —
uDd 4000 Rationen Haber und Heu, nebst 50 bespannten
Wägen, um diese Vorr&tbe in die Lager abzuführen.
Der Dienst der Btlrgerwache war sehr beschwerlich und
oft mit Lebensgefahr verbunden. Die Cavallerie machte ihre
Patrollen bis nach Peggau, Kallstorf, in die Einöde und eine
grosse Strecke über die Gleisdorfer Strasse Tag und Nacht ;
sie kam nie ohne Arrestanten zurück.
Die Bauern der Nachbarschaft waren zum Theil von den
französischen Marodeurs geplündert worden. Sie hatten sich
bewafhet und viele dieser Bäuber erschossen oder erschlagen.
Es gab Bösewichter, welche den Bauern gesagt hatten, die
Gräzer Bürger seyen mit den Frankreichem im Einverständnüss ;
von denen Bauern war vielleicht mehr für die bürgerl. Pa-
tronllen zu fürchten, als selbst von den Frankreichem. Es
gelang uns endlich dadurch, dass unsere Bürgerwachen die
Bauern, die mit Holz und Heu und andern Lebensmitteln in
die Stadt fuhren, vor den Misshandlungen der Frankreicher
thätig beschüzten, um ihre vorgefasste Meinung gegen die
Bürger zu ändern, sie brachten ihre Vorräthe wieder zum
Markt, sie versprachen sogar, uns in Masse zu Hilfe zu kommen,
wenn wir Lust hätten, uns der französischen Truppen mit
Gewalt zu entledigen. Wir wurden von ihrer Stimmung noch
mehr überzeugt, als wir genaue Nachrichten von ihrer kräf-
tigen Gegenwehr aus der Nachbarschaft erhielten.
In dem französischen Lager auf der Riess, welches anfangs
(nur) aus 700 Mann bestand, wurden bereits 100 und etliche
70 Mann vermisst
Den 22. April. Die Stadt war von Offizieren und ihrem
Gefolge so überladen, dass alle Zimmer doppelt und dreyfach
besezt waren, die Requisitionen wurden immer häufiger, oft
glaubten wir, es sey unmöglich, die Forderungen besonders an
Brod zu bestreitten ; aber unsere braven Beckenmeister und be-
sonders ihre Vorsteher Göttinger und PfeflFer zeigten sich in
diesen schweren Tagen als thättige Mitwircker zum allgemeinen
Wohl Durch ihre Betriebsamkeit ward nicht nur die Armee der
Prankreicher befriediget, sondern auch die Bewohner der Stadt
11*
— 164 —
und der Gegend litten während der ganzen Zeit des Aufent-
haltes der Frankreicher nie eine Stunde Mangel an irgend
einer Gattung von Brod.
Es wurden von dem Ober Kommissair Bahot 20 Becken-
knecht in das Yerpflegsmagazin gefordert, aber auf die Vor-
Stellung, dass diese bei ihren Meistern nothwendig wären, um
das für die französischen Truppen nothwendige Brod zu ar-
beiten, gieng der Ober Kommissair von seiner Forderung ab.
Von dem General Kommissair wurden 1 2000 par kurze Stifleten
von Zwilch gegen baare Bezahlung gefordert Auch verlangte
man eine Quantität Weinessig für die Truppen auf den Marsch.
Die Requisitionen (?) kamen jedoch weiter nicht in Anregung;
und wir erinnerten auch niclit die Frankreicher daran. Die
Requisitionen dieses Tages waren: 22000 Porzionen Brod,
24 Ochsen, 600 Ztr. Heu, 4000 Razionen Haber und 20000 Por-
zionen Wein.
Gegen 6 Uhr Abend traf der General en chef Buonapart«
mit seinem ganzen Generalstab und anderen Generalen hier
ein. Er nahm sein Absteigquartier wie früher im gräfl. Kristian
Stubenberg'schen Hause in der Herrngasse. Er Hess bei dem
Magistrate die Quartiere für den kaiserl. Gesandten Grafen
von Meerfeld; Bitter St. Vincent und für den königl. neapoli-
tanischen Bothschafter Marquis de Gallo ansagen.
Wohnetruncken über das Glück nach so langem vergeb-
lichen Sehnen endlich wieder einmahl begwaltigte unsers ge-
liebten Vaterlandes in unseren Mauern zu erwarten, Männer
zu sehen, vor denen wir den Drang unserer Herzen, den
wir so viele Tage her nicht laut äussern durften, erklären
könnten, ward kein Befehl des französischen Generals mit so
freudigem Entzücken, wie dieser befolgt
Bei der so Ungeheuern Menge von französischen Generalen
und Offizieren, die in unserer Stadt lagen, und deren ZaLl
die 2000 überstieg, ward es schwer, sie ihrer Würde und
unserem Herzenswunsche gemäss zu beherbergen. Man machte
einige französische Offiziere ausziehen und bereitete ihnen so die
verlangten Wohnungen. Der Oberste der bürgerl. Cavallerid
— 165 —
ritt ihnen bis an die Grenze des Weichbildes der Stadt ent-
gegen, um selbe einzuführen. Nach Mittemacht kam Herr Major
Graf von Meerfeld und den 2. Tag der Ritter St Vincenz, und
Marqnis de Gallo hier an. Diese Nacht war sehr unruchig, aber
die Ausschweifungen , die verübt worden , waren von der am
wenigsten schädlichen Art, sie beschränkten sich auf Weiber von
der liederlichen Klasse und auf einige Emmer ausgegossenen
Weines ; die Patroullen brachten die Ruhestörer in die Wache.
Den 23. April verfügten sich einige Glieder der prov.
Landes Kommission zum kaiserl. Gesandten Grafen von Meerfeld,
.um ihn im Nahmen der ganzen Stadt mit dem Gefühle der
inigen Verehrung, das nur aus der treuesten Anhänglichkeit
und Ehrfiirchtsvollesten Liebe seines LandesfUrsten gegen seine
Stelle vertretten entspringen kann, zu bewillkommen, ihn über
Alles, was sich in dem Verlaufe der so harten als langwierigen
PrQfungszeit zugetragen, und veranlasset worden, zu benach-
richtigen, und endlich die dringendste und mit dem heisesten
Wunsche jeder Stadtinwohner übereinkommende Bitte an ihn
zu tbun, er möchte nach Möglichkeit dazu beitragen, dass der
Aufenthalt des französischen Kriegsheeres, dessen unerschwing-
liche Forderungen wir nur wenige Tage mehr zu befriedigen
im Stande wären, so viel möglich verkürzet werde. Er ver-
sicherte sie, dass der Aufenthalt der Franzosen nicht mehr
über 3 Tage dauern würde, und ermahnte sie, alles mögliche
zu ihrer Verpflegung sowohl hier als auf ihrem Marsch durch
Untersteier beizutragen, und auf die Vorstellung, dass die Ver*
Sammlung der Landes Kommission, welche seit dem Tag, als
selbe den geforderten Eid dem französischen Befehlshaber
verweigert und von selben suspendirt wurde, sich nicht mehr
öffentlich zu versammeln getraut habe, zu diesem Geschäft
durchaus nothwendig seye, erhielten die Mitglieder den Auf-
trag, heute noch die Sitzungen anzufangen; auch rieth er
ihnen, sich selbst zu dem Ober Befehlshaber der französischen
Armee zu begeben und selben die Unmöglichkeit einer längeren
Verpflegung seiner Truppen, vorzüglich, weil dieses Land von
den benachbahrten keine Unterstützung erhielt, vorzustellen.
— 166 —
Diesem zu Folge begaben sich einige Mitglieder mit dem
Bürgermeister zum General en chef, und stellten demselbes
die kummervolle Lage und Verlegenheit in der sich die Stadt
Graz wegen längerer Verpflegung der französischen Truppen
bei den nun gänzlich erschöpften Lande und der gehemten
auswärtigen Zufuhr befände, von Ohne sich an die dies&lls
vorgelegten und aus Thatsachen gezogenen wichtigen Gründe
zu kehren, drohte er im Falle, dass seine Truppen nicht ge-
hörig verpflegt würden, eine Contnbution von 400.000 fl. aus-
zuschreiben. Er erneuerte die Vorwürfe wegen dem der fran-
zösischen Republik abgeschlagenen Eid des Gehorsams in dcD ^
beleidigensten Ausdrücken, und rühmte seine Grossmuth g^en
sie mit den Worten: „Ich hätte ihre Bürger- Wache entwafiien
nnd die Glieder dieser Landes Kommission nach Paris schiken
können, aber ich wollte lieber aus Uebermass der Güte fehlen,
als der Strenge der Gescze folgen.^ Belohnt durch den Beifall
ihres Herzens und ihrer gutgesinnten Mitbürger und gerecht-
fertiget für ihre kühne Weigerung durch die in den gefähr-
lichsten Prüfungsstunden ihrem Monarchen bewiesene Treue
ertrugen die Mitglieder der Landes Kommission mit gross-
müthigem Schweigen diese schnöden Vorwürfe und verliessen
schnell den stolzen Obergeneral.
Nachmittag um 4 Uhr sezte die provisorische Landes
Kommission ihre dem Besten des Landes einzig gewidmeten
Arbeiten im Landhause, Buonapartes Wohnung gegenüber, fort
Ihre erste, die ihrem Herzen angelegendlichste, Beschäftigmig
war, sich vor allem dem Throne, dem Vaterherze ihres so ge-
liebten, alss gütigen Landesftlrsten zu nächern, und in einem ganz
kurzen Auszuge ihm die Geschichte ihrer Bemühungen zum Besten
des Vaterlandes, ihrer Leiden wehrend der Zeit, alss sie sich
unter dem eisernen Joch der gallischen Kriegsvölcker befanden,
ihrer Veranlassungen zur befriedigung ihrer unmässigen For-
derungen vorzulegen und diesen Bericht durch einen von dem
Grafen von Meerfeld abgeschickten Courier zu den Stufen des
Thrones zu bringen, um weiter den bald anzuhofenden Ab-
marsch der französischen Kriegsvölker gehörig vorzubereiten
— 167 —
and alles zu leisten, was zu ihrer Verpflegung auf dem Marsche
erforderlich wäre ; die Gegenden, wodurch sie den Zug nehmen
wurden, so viel möglich zu schützen und zu verhüten, dass selben
kein Anlass zu etwaigen sich leicht erlaubenden Ausschweifün-
i:en, Planderungen und derley Unfüge gegeben werde, so wurden
nicht nur die Herren Ki-eisshauptleute der untersteyerischen
Kreisse sich wieder an ihre Standorte zu verfügen, und die
Leitung der Geschäfte in dem für ihre Kriege so wichtigen
als gefahrvollen und bedencklichen Zeitpunckte zu übernehmen
angeeifert, sondern auch die Magistrate, Werbbeziercks Komis-
sairs und . Wirtschaftsbeamten verschiedener Herrschaften, der
verschiedenen Oile, die auf der von den französischen Kriegs
Völkern einzuschlagenden Strasse, oder in der Näche derselben
gelegen waren, aufgefodert, die diesfalls getrofenen Veran-
lai^sungen und wegen Herbeischaifung und Verführung der so
Beträchtlichen zur Verpflegung so vieler Tausend nöthigen
Naturalien eingeleiteten Fürkehrungen ins Werck zu setzen
und zu vollziehen.
Endlich wurden auch der französischen Sprache kundige
Führangs Kommissaire, welche die abrükenden Truppen von
Btazion zu Stazion zu begleiten hatten, ernannt, und mit den
nöthigen Verhaltungs Aufträgen versehen.
Am Nachmittag Hess der oberste französische Befehlshaber
die ganze Infanterie der Division Serrurier vom äussersten
Imfang der Stadt ausrücken und auf den an der rechten
Seite der Triesterstrasse angebauten Feldern militärische
üebungen machen. Wie schmerzend es den Besitzern dieser
Grundstücke fallen musste, durch die unnöthige menschenfeind-
liche Laune des stolzen und übermüthigen französischen Ober-
generalen die Früchte ihrer Arbeit, ihres Schweises, ihrer
gesegnedesten Hoffnung in ihren ersten Keimen zemicht und
verwüstet zu sehen, lässt sich denken und fühlen. Diese Klage
^ar dadurch um so gerechter und gegründeter, als auf der
andern Seite der Strasse eine eben so grosse Fläche von
Wiesen lag, wo diese so unnöthigen Üebungen ohne minderen
Schaden hätten vorgenohmen werden können. An diesem Abend
— 168 —
besuchte Buonaparte das Theater; die Stille, die bei seiner
Ankunft herrschte, die wenige Bedachtnehmung, die man seiner
Gegenwart bewies, musste seinen Erwartungen nicht entsprochen
haben. Er entfernte sich nach einer kleinen vierti Stunde.
Den 24. April wurden mit Anbruch des Tages die mili-
tärischen Uebungen der Division Serruier wiederholt und da-
durch die lezte Hoffnung noch einen Theil der Saat der ani
vorigen Tage zertrettenen Feldern verschont zu sehen, zer-
nichtet.
Der Vortrab der französischen Truppen bestehend aus
ungefähr 400 Mann brach diesen Morgen von hier auf und
marschirte gegen Ehrenhausen. Dadurch sahen wir den Wunsch,
uns von diesen in jedem Betrachte so lästigen und unange-
nehmen Gästen bald gänczlich befreit zu sehen, zur tröstenden
Wircklichkeit reifen, und noch am selben Tag erhielten
wir von dem Grafen von Meerfeld die Marschruthe aller
Kollonen mitgetheilt und Sachen getröstet ihrem baldigen
gänzlichen Abzüge entgegen. Die Transporte von Heu und
Stroh für die Lager und die Cavallerie dauerten ununter-
brochen fort, der vorschnelle Charakter der Frankreicher ertrug
die ordnungsmässige Ablieferung dieser Naturalien nicht ; mehr
als die Hälfte der Vorräthe, welche von fernen Gegenden her-
geschafft wurden, fiel durch Plünderung in die Hände der
Reiterei, die die Bedeckung ihrer eigenen Wachen gar nicht
achteten. Nicht der 4. Theil von allen an diesen Tagen den
Frankreichern gelieferten Lebensmitteln ward von ihnen durch
Quittungen belegt.
Um 1 0 Uhr (Vormittags desselben Tages) erhielten wir die
traurige Nachricht von einem Mord, der von einem beiläufig
60 Mann starken Zuge französischer Volontairs bei der Stein-
wand, */4 Stunde ober der Weinzettelbrücke, verübt worden war.
Das unglückliche Opfer war der Amtmann Kogler aus dem
Dorfe St. Stefan. Er war mit 6 oder 7 Bauern auf das Ge-
schrei, dass sich in einem Hause an der Steinwand erhoben
hatte, zu Hilfe geeilt. Er war ohne Gewehr und entfloh, als er
die Uebermacht der Franzosen ersah. Er ward im Fliechen
J
— 169 —
erschossen und sein Körper hier gerichtlich untersucht und
begraben. Die Stimmung des Volkes Ober diesen Vorfall grenzte
an Verzweiflung. Es war der erste vorsetzliche Mord, der von
den Franzosen in dieser Umgegend begangen worden war.
Die hie und da von ihnen sich erlaubten Erpressungen und
kleinen Plünderungen hatten ohnehin so manchen zu bettler
gemacht, manche Wohnung des Landmannes geleert, manche
ohnehin nicht wohlhabende Familie zur äussersten Dürftigkeit
gebracht Manches Herz blutete bei dem Eilend seines Mit-
bürgers, ohne ihm hilfreiche Hände leisten zu können, und
sah sich gleichem Schicksaale ausgesezt. Aber noch konnte
man sich damit troesten, das doch wenigstens Menschenblut
geschont war, desto schrecklicher thönte im Ohre jedes gut-
gesinten diese sich so schnell verbreitende Nachricht. Sie
würde vielleicht die schedlichsten Folgen nach sich gezogen
haben, wenn die Gewissheit, bald von diesen jede Zucht und
Ordnung vergessenden Horden befreit .zu werden, und die
genaue auf jede Folgen haben könnende Handlung ein wach-
sames Auge tragende Vorsicht der Obrigkeiten die Ruhe und
Ordnung nicht erhalten hätte. Während dass diese Vorgänge
die Herzen der Inwohner dieser Stadt mit so martervollen
Gefühlen peinigten, äusserte sich der Oberbefehlshaber, der
diesen und alle von seinem Kriegsvolck begangenen Unfüge
nicht zu wissen das Ansehen sich gab, zu wiederholtenmahlen
den Wunsch, dass zur Belustigung seiner Offiziere ein öffent-
licher Ball veranstaltet werden sollte. Man stellte ihm vor,
wie wenig das Volk noch zur Freude gestimmt sein könnte,
da es die Folgen und schweren Lasten des Krieges noch zu
merkbar fühlen müsse ; dass sich femer die hiesigen Inwohner
an einer solchen Unterhaltung theil zu nehmen nicht ent-
schliessen würden, dass man vom Hofe noch keine bestimmte
Gewissheit der unterzeichneten Friedenspräliminarien habe,
dass man keinen Ort wüsste, der geräumig genug wäre, um
die so grosse Anzahl von französischer Offiziere zu fassen, und
man keine Art kenne, denselben Tänzerinen zu verschaffen,
da freiwillig nur die niedrigste Klasse auf einen solchen Ball
— 170 —
zu gehen sich entschliessen könnte. Buonaparte bestand all
diesen Gründen ohngeachtet auf Anordnung eines Festes,
musste es aber sich am Ende doch gefallen lassen, dass man
diesen seinen Wünschen nicht willfahren wollte.
Den 25. April mit Anbruch des Tages begann die Divi-
sion des Generals Bernadotte ihren Abmarsch. Sie war bei
10000 Mann stark. Die Offiziere trugen ihre Bagage selbst,
nur wenige Stabsoffiziere hatten Pferde, und der ganzen KoUone
folgten sehr wenige Wägen. Sie hatten nach der vom Obergeneral
bestimmten Marschroute' ihre erste Station in Wilden erhalten,
und in der dortigen Gegend lagern sollen. Allein bei ihrer
Ankunft forderte General Bernadotte von dem Landesführungs
Kommissair, dass seine Truppen alle in Wildon sowohl, als in
den herumliegenden Dörfern untergebracht werden sollen. So
sehr sich auch der Kommissair dawider sträubte, so half es
nichts, die Truppen cantonirten in Wildon, Neudorf, Lebring
und allen am Leibnitzerfelde liegenden Dörfern. Es lief dabei
nicht ohne Excesse ab, und der dortige Führungs Kommissair
verwandte sich an die prov. Landes Kommission, damit selbe
bei dem Obergeneral erwirken möge, dass ja alle nachfolgenden
Divisionen um so gewisser zum Biv(ou)aquiren verhalten würden,
als sonst das ohnehin aufgebrachte Landvolk hart in Schranken
zu erhalten sein würde, und alle hinsichtlich der Verpfle-
gung der Truppen gemachten vorläufigen Anstalten vereitelt
würden.
Die Landes Kommission erhielt auch vom General Quar-
tiermeister die Zusicherung, dass alle nachfolgenden Kollonen
nie mehr cantoniren würden.
Die französischen Kommissairs verlangten für diesen Tag
200 Stück Ochsen, um selbe ihrer Armee nachzuführen. Darauf
nahmen wir gar keine Rücksicht. Es war sehr unbescheiden,
zu verlangen, dass ein einziges Land, welches noch dazu ball>
ausgesogen, und dem die Zufuhr aus Hungam abgeschnitten
war, eine grosse Armee mit Fleisch versorgen sollte, und ynv
waren gewohnt, so manche gleichartige übertriebene Forderung,
die mehr Versuche als Bedürfnisse schienen, durch vorsichtige
— 171 —
Entschlossenheit nie zur WirkHcbkeit oder gänzlichen Erfüllung
erwachsen zu lassen. Noch eine qualvolle Ereignis sollte diesen
Tag das bisher erlittene Ungemach vollenden und mehrte
unsere gerechte Besorgnüsse um vieles.
Die Division Massena rückte diesen Abend um 1 1 Uhr in
das von der Division Bemadotte verlassene Lager am Pulver-
thurm. Der Marsch dauerte ununterbrochen bis am anderen
Morgen um 9 Uhr. 8ie war über 10000 Mann stark; ein an-
sehnlicher Artilleriepark begleitete sie, und über 100 Stück
Schlachtvieh wurde ihr nachgetrieben.
Der Ruf der Zügellosigkeit ward diesem meist aus frei-
willigen und aus den Züchtungen der italienischen Gefängnisse
und Gesindl aller Art bestehenden Heerhaufen vorausgegangen,
aber er war auch schon ziemlich von den Bauern zu Katharein
in der Laming bei Dragöss und im Gössgraben gereiniget
worden; hier machte diese Division zwar bei Tag und Nacht
viel Lärm, aber, wenige Ausschweifungen von Trunckenbolden
abgerechnet, geschah kein Unglück, nur unsere braven Bürger-
wachen hatten an diesem Tage die Hände voll Arbeit, und
konnten kaum mit der Mannschaft auslangen, um alle Unruhe-
stifter und Trunkenbolde fest zu machen, deren sie an diesem
Tage mehr als 100 auf die Hauptwache einbrachten.
Am 26. April. Die Division Serrurier marschierte diesen
Morgen nach Untersteier ab, sie lagerte des Abends auf dem
Leibnitzer Feld nahe an dem Gut Rezhof^ wo die Generalität
untergebracht wurde ; der aus der Kavallerie bestehende Vor-
trab zog sich bis Ehrenhausen. Die Requisitionen dieses Tages
für die noch hier befindUchen Truppen waren 30000 Portionen
Brod und Wem, 800 Ztr. Heu, 4000 Ztr. Stroh, 2800 Motzen
Haber und 30 Schlachtochsen. Wir lieferten an die hier
befindhchen Truppen 20000 Portionen Brod und soviel Wein;
10000 Portionen Brod wurden abermal nach Ehrenhausen
und Wildon zu Wasser gesendet, Heu und Stroh ebenfalls
m grosser Menge geliefert, die aber nicht genau bestimmt
werden kann, weil der grösste Theil auf dem Weg nach der
Stadt, ungeachtet der Bedeckung geplündert wurde. Haber
— 172 —
lieferten wir mehr nicht als 60 Metzen und an Schlachtvieh
24 Stück.
Der französische Obergeneral Buonaparte verliess endlich
diese Stadt ! er fuhr um 1 Uhr nach Mitternacht in aller Stille
mit der Post ab. Er verliess mit Unwillen die Stadt, in der
man ihm keine, auch nur die geringste Ehrenbezeugung er-
wiesen hatte, die Stadt, wo er keine einzige französische Co-
carde aufstecken, keinen Freiheitsbaum errichten sah, die Stadt
in der sich nicht einmahl eine Proclamation zu publiciren
Gelegenheit fand, die Stadt, in der ihm der Eid des Oehorsames
unter seinen Tausenden geweigert wurde, die Stadt, in der
man jede Gelegenheit benützte, um sich seinen Forderungen
entweder ganz zu entziehen oder doch wenigstens selbe so
viel als möglich zu schmällem, die Stadt, deren Volk er selbst
stolz und verwegen hiess, die Stadt, die er weder durch seine
angenommene Grösse blenden, noch durch seine Macht zittern
machen konnte, die Stadt endlich, wo seine travailleurs d'esprits,
seine Agenten und Commissäre vergebens ihre Netze der Ver-
führung auswarfen, wo sie keinen fanden, der sich durch ihre
Verheissungen blenden^ durch ihre Trugschlüsse irreführen liess.
Am 27. April reiste der kaiserliche Gesandte Graf von
Meerfeld nach Görz, der königl. Neapolitanische Botschafter
Marquis de Gallo und Ritter St. Vincent gingen nach Wien.
Die einzige noch in Graz befindliche Division von Massena
hielt Rasttag und bereitete sich zum Marsch für den folgenden
Tag. Die französischen Kommissairs hatten einen Anschlag auf
die im Verpflegsmagazine noch vorräthigen Lebensmittel, die
in circa 3000 Metzen Korn und 1485 Ztr. Mehl bestanden,
gefasst, und diese Gegenstände zum Verkaufe ausgebothen.
oder sie zu verbrennen gedroht. Noch war die bewaffnete
Menge ihres Kriegsvolks mit Einschluss der von der Serrurieri-
schen Division zurückgebliebenen Mannschaft 18.000 Mann
stark, es war nichts anders zu thun, alss diesen Verkauf auf
eine gute Art zu hindern. Ein kleines Geschenk zur rechten
Zeit angebracht und die Verwendung des Grafen von Meerfeld
bewirkte die Rettung dieser Vorräthe, die unsern nachrückenden
— 173 —
Truppen sehr notliwendig waren. Es wurden Angestalten zur
Transportirung der französischen Kranken gemacht. Sie fuhren
zu Wasser nach Ehrenhausen ab. Der dort angestellte Marsch
Kommissär erhielt durch eine Staffete den Auftrag, sie durch
Vorspami nach Marburg bringen zu lassen. Die Requisitionen
dieses Tages waren: an Brod 24000, an Wein 20000 Por-
tionen, 800 Ztr. Heu, 4000 Portionen Haber und 24 Schlacht-
ochsen. Es wurden abermahl zwey Plöthen mit Brod nach
Wildon und Ehrenhausen abgesendet Die KoUon Bernadotte
und Sermrier (welche ohne Rastag nach Laibach ihrer eigenen
Marschroute zu Folge angewiesen war) hielt in Marburg einen
Tag an. Dies vermehrte die Brodlieferung ansehnlich, die fran-
zösischen Kommissairs betrieben diese Lieferungen sehr ernstlich
uad wir durften ohne uns schweren Unannehmlichkeiten aus-
zusezen, sie an diesen ersten Lebensbedürfnissen nicht Mangel
leiden lassen.
Den 28. April. Sie erhielten so viel Brod, dass die am
28. April mit Anbruch des Tages in Marsch gesezte Division
Massena auf 2 Tag Brod fasste. Die von den obigen Divisionen
sowie von der Division Massena in Marburg gegen ihre Marsch-
route gehaltenen Rasttage waren für die Bewohner dieser Stadt
höchst drückend; vorzüglich litt dabei der Inhaber der Burg
und Herrschaft Marburg, Graf Brandis, in dessen beiden nicht
weit von einander befindlichen Schlössern nicht nur die Genera-
lität und viele Oflfiziers bewohnt wurden, sondern sich auch
auf seine Kosten verpflegen und herrlich bewürthen Hessen,
ja sogar einen Ball veranstalteten, anbei aber, da das Lager
meist gegen seinen Besitzungen lag, ihm an seinen Waldungen
und Gärten nahmhaften Schaden machten. Ueberhaupt erlaubten
sie sich Excesse aller Art und betrugen sich auf gleiche Weise
zwischen mehr und weniger verursachten Schäden auf der
ganzen Route. Es blieb nun niemand mehr in Graz zurück,
als der bisherige Plaz Komandant, der Oberst Voix, mit dessen
guten Anstalten wir sehr zufrieden waren, und der uns gegen
manche unbillige Forderung so wie gegen die Ausschweifungen
der Truppen sehr thätig geschützt hatte. Er zog die in vielen
— 174 —
Dache an der Stadt gelegenen Oftiten, einzelnen Häusern und
Schlösem auf jedermaniges Verlangen mit der grössten Bereit-
Willigkeit ausgestelten Sauve Gardes ein und bereitete sich zur
Abreise auf den folgenden Tag.
Gegen 10 Uhr kam die Nachricht, dass ein von Brück
hieher in Marsch gewesenes Detachement von ungefehr 80 Mann
von den Bauern beim Wirthshause „zum Thomahan^ angefaD^
und viele gedödtet worden seien. Der Oberst der Bürger
Gavallerie, Herr Dobler, ritt augenbliklich mit einigen Mitglie-
dern dies Corps dahin. Er fand von den reconvalescenten firanzö-
sischen Soldaten nicht mehr als 18 Mann, die übrigen waren
gedödtet, oder in die Mur gesprengt worden, wo sie alle
ertranken. Der Oberste Beranger, bisheriger Platz Eomandant
in Leoben, hatte das Detachement gefbhrt ; er hatte 3 schwere
Wunden, jedoch keine tödlichen; eine Kugel war ihm durch
die Hutstolpe gegangen. Oberst Dobler rettete ihn und die
noch übrigen 18 Mann mit eigener Lebensgefahr aus den
Händen der durch vorhergegangene Plünderungen aufge-
brachten Bauern, die ihren Verlust nun durch Mord und Raub
an unschuldigen friedlich auf der Herstrasse ziehenden Frank-
reichem rächneten. Das Gepäck des Obersten, seine Pferde
und Schriften wurde durch die Thätigkeit der Bürgerwache
gerettet, und hieher gebracht, der Unglückliche selbst der Pflege
des Wundarztes übergeben, man versorgte ihn auf die seinen
Umständen angemessene Weise; nach 10 Tagen folgte er mit
der ersten kaiserlichen Kolone dem französischen Heere nach.
An eben diesem Tage liess die prov. Landes Kommission zur
Beförderung des höchsten Dienstes und des allgemeinen Wohls
sämmtliche k. k. Behörden und Aemter vom Abmärsche der
französischen Truppen verständigen und ermahnte selbe, ihre
Geschäfte ungesäumt wieder fürzunehmen. Er erliess auch an
den Studien Concess die Verordnung, alle Professoren und
Studirende einzuberufen, damit mit 8. Mai die Schulen wieder
eröffnet werden könnten. Durch die hier sub Nr 1 3 beigebogene
Kurrende wurden alle Land und Stadtbewohner dessen belehrt
und an Se. Majestät hievon die Anzeige mit der Bitte gemacht,
— 175 —
dass sämmtliche nach Wien abgeführte ständische Kassen und
Akten ehemöglichst zurükgesendet würden. Herr Gubernialrath
und Kreishauptmann Josef von Marquet wurde ersucht, den
Schaden und die Verwüstungen, welche die Frankreicher in
dem Brugger Kreise veranlasst hatten, zu untersuchen, und
sodan die Mittel an die Hand zu geben, wie den äusserst Ver-
unglückten geholfen, oder doch wenigstens deren Eilend zum
Theil vermindert werden könnte. Diese Untersuchung war um
so dringender, als die dasige Gegend vorzüglich den Druck des
Feindes gefühlt und am meisten gelitten hatte. Die Kommission
wollte nicht die diesfälligen bestimmten Klagen und Beschwerden
abwarten. Sie waren kundig. Sie hielt es für ihre Pflicht, sobald
als möglich den Verunglückten zu Hilfe zu eilen. Herr von
Marquet hatte sich durch die kurze Zeit, als er dem Brugger
Kreisamte vorgestanden hatte, die allgemeine Achtung und
Liebe und ein ausgezeichnetes Zutrauen zu gewinnen gewust,
und von seinem Diensteifer und Thättigkeit konnte man sich
die bestmöglichsten Dienste versprechen.
Femers erliess die prov. Landes Kommission die hier
sub Nr. 14 beigeschlossene Kurrende, wodurch zur Wieder-
herstellung und Erhaltung der Strassen im guten Stande die
nöthigen Vorkehrungen eingeleitet wurden.
Am 29. April giengen der französische Oberst Voix und
einige wieder genesene Offiziers unter einer bürgert. Salve
Garde von 5. Grenadiers von hier ab. Der Oberst erhielt
ein Empfehlungsschreiben in deutscher Sprache, worin alle
Werbbezirke und Beamten angewiesen wurden, ihn in Schutz
n\ nehmen und allenfalls sicher bis zum französischen Heer
zu geleiten. Er hatte dies durch sein schon oben angertihmtes
biederes Betragen wohl verdient. Die bürgert. Grenadiere be-
gleiteten ihn bis Windisch-Feistritz, wo er zu der Massenischen
Division stiess. Am folgenden Tag erhielten wir durch eine
Estaffete einen Brief vom General Brune, der die Division
Massena komandirte, aus Marburg, vom (11. Floreal) 30. April
datirt, nach Graz. Er beschwerte sich darin sehr bitter über den
Anfahl der Bauern auf den Obersten Beranger und forderte
— 176 —
den Magistrat zur Bestrafung der Bauern auf, die diese Unthat
verübt hatten. Wir beruhigten ihn durch eine angemessene
Antwort und es wurde Alles aulgebothen, um künftig solche
Gräul zu verhütten.
Hiemit schliesst sich der 3. und wichtigste Zeitraum und
A4)schnitt dieses Journals.
Ein unbefangener Blick über die aneinander sich rei-
henden, und oft in grossem Widerspruche mit einander
stehenden Begebenheiten, die den Stof dieser Geschichte
ausmachen, zeigt einerseits die bedauerungswürdige höchst
zweifelhafte und gefährliche Lage, in der sich unsere Vaterstadt
befand; andererseits den Muth, die Entschlossenheit, den
Biedersinn, die unverbrüchliche Bürgertreue, den ächten Patrio-
tismuss, und die ungetheilte Anhänglichkeit an ihren geliebten
Landesvater, die alle Handlungen der Inwohner derselben
bestimmten. Umrungen durch 19 volle Tage vom feindlichen
Kriegsheere, getrennt von unserem Landesfürsten, in der
Ungewissheit der Friedensverhandlungen, deren erste Sage wir
nur aus dem Munde der Frankreicher hörten, bestürmt von
unzähligen immer sich mehrenden Forderungen, die immer von
schrekenden Drohungen (begleitet) waren, konnten nur unsere ei-
genen Gefühle unsere Handlungen bestimmen. Vereint bothen da-
her alle Bewohner der Stadt ihre Kräfte zur Erhaltung der öffent-
lichen Ruhe auf, das schwere Werk gelang über alle Erwartung
glüklich. In dem Bezirke der Stadt und der Vorstädte geschah
kein Mord, kein Raub. Neun Feuer, die im Magazine, in der
Kriegskanzlei, im Seminarium und im Erziehungshause dem
Ausbruche nahe waren, wurden glüklich gedämpft, die Sicherheit
der Personen war so gross, dass man zu allen Stunden der
Nacht allein und ohne Waffen in der Stadt umhergehen konnte
Aus den kaiserl. Magazinen von Salz und Toback wurde hier
kein Loth entwendet, nur ein Wagen, mit Toback geladen, der
von hier nach Leoben ging, von einer der Massenischen Divi-
sion nachziehenden Trupp Plünderer bei Frohnleiten ganz aus-
geraubt
Wir hatten den frankreichischen Obergeneral, umgeben
— 177 —
von seinem Heer den uns abgeforderten Eid des Gehorsams
an die französische Republik standhaft verweigert.
Wir hatten die uns auf die künftigen Einkünfte dieses un-
seres Monarchen vorhinein abgeforderte Eriegssteuer von wö-
chentlichen 300000 Livers so abzulehnen gewusst, dass gar nichts
bezahlt wurde. Wir hatten die Uebelgesinten und die Nieder-
trächtigen, die unsere Vorräthe an die Frankreicher verriethen,
in den Schranken gehalten. Wir hatten schon nach dem Ein-
rücken des Feindes einige 1 00 Ztr. Pulver nach Ungarn glllklich
abgesandt Wir hatten unserm allgeliebten Monarchen durch
einen Courier 33135 fl. Geld, die nach Abfuhr der Kassen
eingegangen waren, noch nach dem Einmarsch der Frankreicher
Qberschickt Wir hatten soni<t noch, wo es möglich war, mit
Gefahr aus den H&nden der Feinde manches zum Regale
Sr. Majest&t gehörige Gut gerettet
Sollten wir fllr diese zum allgemeinen Wohl mit Ueber-
einstimmung aller Stände, blos aus eigenem Antrieb unter*
nohmenen und glüklich ausgeführten Arbeiten uns die Gnade
unseres geliebten Landesfllrsten nicht erworben, und den Dank
unserer Mitbürger nicht verdient haben? — Wir hoffen das
erstere, und sind des andern gewiss.
Vierter Abschnitt.
Den 30. April traf die prov. Landes Kommission die
Einleitung, dass nach gänzlicher Räumung der Stadt von den
französischen Völckem die k. k. Wappen und Adler an die in
das bUrgl. Versprechen ttbernommene Magazine ßowohl als an
jene Orte und Gebäude, wo selbe von verschiedenen Beamten
aus Fürsorge, damit selbe nicht von den tollkühnen Frank-
reichem beschimpft zu werden, der Gefahr ausgesetzt wären,
abgenohmen waren, wieder aufgestellt wurden. Sie sorgte dafür,
dass zur Verpflegung der nachrückenden k. k. Truppen von
den hiesigen Becken die möglichste Menge Brod gebacken
und hiervon ungesäumt die erforderliche Anzahl von Brod-
portionen und die bestimmte Menge von Mehl, Haber und
Heu nach Prugg verführet und eben so auch hier in Bereit-
MiliUU. 4m hUL VmiBt f. Stolmnuk, XIVUL Heft, 1880. 1 2
— 178 —
Schaft gehalten werde. Sie veranstaltete, dass die noch erübri-
genden und geretteten Mehl, Haber und andere Naturalien-
Yorr&the in den verschiedenen Magazinen und Stationen dem
k. k. Verpflegsamte ordnangsmässig übergeben wurd^.
Der Hauptmann der Leibwache zu Pferd des französisches
Obergenerals war noch zurück und wollte die zur neuen Mod-
tirung der Leibwache nöthigen Tuche von den Grazer Kauf-
leuten gegen eine von ihm auszustellende und baldigst vom
Obergeneral mit barem Gelde auszulösende Quittung erhalten.
Der Handelstand glaubte solches ohne Bewilligung der
prov. Landes Kommission nicht eingehen zu können, welche
ihnen auf ihre Anfrage die Weisung gab, dass sie den fran
zösischen Kommissair die anverlangten Tücher liefern sollte,
weillen eine diesfällige Weigerung vielleicht für das Lani
welches die Franzosen doch noch nicht ganz verlassen hatten,
schädliche Folgen haben dürfte, und die gemachte feierliche
Zahlungszusicherung hoffen Hess, dass der Betrag hiefür toh
der französischen Kriegskassa in Görz oder Triest dürfte er-
legt werden, im schlimmsten Falle aber diese Lieferung als
eine für die französische Armee gemachte Requisition ange-
sehen werden müsste.
Diesem zu Folge wurde dem Garde Hauptmann 1 42 Stück
grüne und rothe Tücher, 16 Stück Leinwand und 14 Stück
Kameloth im Betrage von 19.898 Livres verabfolgt und von
selben der Armee unter Bedeckung der bürgl. Cavallerie nach-
geführt.
Am 1. Mai wollte die prov. Landes Kommission ihrer
vorzüglichsten Pflicht, ihrem gütigsten Landes Vater die getreue
Schilderung alles dessen, was selbe von dem 1. Tage ihrer
Einsetzung an veranlasset und bewirket habe, vorzulegeD.
dadurch Genüge leisten, dass selbe durch einen eigenen Courier
in der Persohn ihres Sekretairs Sigmund Grafen von Auersperg
ihre Geschäftsprotocolle über alle von dem Tage der Entfernung
der kaiserlichen Landesstellen an, vorgekommenen Gegenstände
an Seine Majestät übersandte. Nachdem aber der Abgesandte
unterwegs in sichere Erfahrung brachte, dass Se. Miyestät dem
— 179 —
Flerrn Landes Gouverneur Grafen von Wellsperg als landesflirst-
ichen Eommissair bereits abgeordnet hätten, und somit durch
ienselben diese Protokolle etc. überreicht werden mussten, so
ward diese Sendung für überflüssig angesehen und die Protokolle
dem Herrn Landes Gouverneur nachher behändiget.
Dem hiesigen Magistrat wurde die baldmöglichste Ver-
fassung der Rechnungen über alle von den Franzosen gemachten
Requisitionen und gegebenen Verpflegung aufgetragen und die
Kreiasämter angegangen, die von den französischen Rriegsvölkem
verursachten Schäden zu erheben und mit dem alfäUigen Vor-
schlag einzubegleiten, wie und auf welche Art die beschädigten
Insassen unterstützt und denselben aufgeholfen werden könnte.
An diesem Tage endlich war es auch, dass unsere Vater-
stadt sich endlich wieder des Anblickes vaterländischer Krieger
erfreuen konnte. Es zogen bei 1500 Kroaten und Gränitzer
durch Graz, um in ihre Heimat zurückzukehren.
Am 2. Mai erhielt die provisorische Landes Kommission
vom Herrn Landes Gouverneur, Grafen von Wellsperg, eine
Verordnung ddo. Wien den 29. April des Inhalts:
„Da ich nach erfolgter Räumung der Stadt Graz von den
französischen Truppen allemächstens wieder in Graz einzutrefen
and die Leitung der öffentlichen Geschäfte zu übernehmen
gedenke^ so hat die Landes Kommission über alle seit dem
Tage meiner am 4. dieses erfolgten Abreise in Graz bis zum
Tage Empfangs gegenwärtiger Verordnung sich ergebene sowohl
wichtige, als minder bedeutend scheinende Vorfälle einen stand-
haften, auf Pflicht und Schuldigkeit gegründeten Bericht in
Gestalt eines Journals vorzubereiten, und mir bei meiner nahe
bevorstehenden Zurükkunft ganz unverzüglich vorzulegen. **
Diesem zu Folge wurde von der prov. Landes Kommission
zur Zusammensezung eines solchen Berichtes ein eigener Aus-
schuss bestimmt, in den Persohnen der Herren Ferdinand
Graf V. Attems , Sigmund Graf v. Auersperg , Bürgermeister
ßr. Steffh und Stahel bestimmt, welche diese Arbeit auf sich
nehmen und solche in der im Verhältnis mit der Wichtigkeit
des Gegenstandes möglichsten Kürze der Zeit liefern selten.
12*
— 180 —
Am 3. Mai. Da an diesem Tage die prov. Landes Kom-
mission den lezten Hauptrapport der burgerl. Wachen erhielt
so glaubte sie, es ihrer Pflicht (schuldig) zu seyn, samm^itlicheD
Chören (Corps) in einem Zeignisse, das hier sub Nr. 15 bei-
gebogen liegt, ihre Zufriedenheit und den Dank aller Inwohner
für die so wichtigen und erspriesslichen Dienste zu bezeigen,
die selbe durch die ganze Zeit der Entfernung alles Eayserl.
Militärs in so manigfältigen Gelegenheiten mit so unerschro-
ckenem Muthe, strenger beobachteter Ordnung, unermiedeten
Fleise und pünktlichster Genauigkeit geleistet hatten. Der
strengsten Wahrheit gemäss und ungezweifelt ist es, dass
man der Wachsamkeit, dem unablässlichen Dienst Eifer nm\
dem so muthvollen als bescheidenen Betragen der Herren
Officieren sowohl alss ihrer untergebenen während der ganzen
Zeit des Hierseyns der Frankreicher, die nie gestöhrte Rah
und Ordnung die grössere Sicherheit der Personen und d^
Eigenthums, vorzüglich zu verdanken hat, und dass selbst die
Frankrciihcr ungeachtet ihrer so gehäuften Menge und lieber-
legenheit gegen die bürgerlichen Wachen Achtung verriethen
und selbe vorzüglich dadurch bewiesen, dass bei vielf<igeD
Yerhaftnehmungen einzelner Trunkenbolde und Ausschweifer
eine Zusammenrottung oder Widersetzung ihrer Landleithe
nie statt hatte, dafür lohnt aber auch diesen braven Bürgern
und biederen Männern, die oft selbst mit Gefahr ihres Lebens,
mit Zurücksezung ihres Gewerbes und Versäumniss ihrer hauss-
lichen Geschäfte sich ganz dem beschwerlichen Dienste zur
Schitzung ihrer Vaterstadt geweiht, in dem Herzen jedes
rechtschafenen das heiseste Dankgefühl, die gerechteste Hoch-
achtung, die lebhafteste Erkäntlichkeit, und wenn auch die
Namen jener, die sich vorzüglich hervorzuthun Gelegenheit
hatten, nicht besonders angeführt werden können, so finden
sie doch in den dankbaren Gefühlen ihrer Mitbürger da:>
sicherste und ehrenvollste Dennckmahl ihrer vorzüglich gelei-
steten Dienste.
Am 4. Mai erhielt diese Kommission ein Präsidial Schreiben
vom Herrn Landes Gouvenieur folgenden Inhalts: „Nachdem die
— 181 -
französischen Truppen zu Folge der geschlossenen Friedens-
präliminarien das Herzogthum Steiermark bereits verlassen
haben, und mir unterzeichnetem Landes Gouverneur die einst-
weilige Leitung der Geschäfte Presidialiter zu besorgen aller-
gnädigst aufgetragen worden ist, so hat die Wirksamkeit der
zur interimals Geschäfts Verwaltung aufgestellten Landes Kom-
mission von nun an aufisuhören, und werden demnach sämmt-
liehe Landesftlrstlichen, Ständischen und Städtischen Amter und
Privatpartheien in allen öffentlichen Angelegenheiten nach der
gesezmässigen Ordnung entweder unmitlbahr, oder durch die
wieder hergestellten Kreisämter und andern Mittelbehörden an
mich Landes Gouverneur und Präsidenten sich zu verwenden
haben."
Durch dieses Schreiben ward nun die prov. Landes Kom-
mission gerade nach einer Monatsfrist von ihrer Entstehung
aller ferneren Geschäftsleitung enthoben.
Wenngleich die Dauer ihrer Verwaltung nur kurz war,
so war sie doch um so wichtiger. Sie gleichte nicht einem
Vorübergehenden Metheore, dass mau anstaunt und bald wieder
vergist
In den Anallen der Vaterländischen Geschichte wird sie
immer unter die fürnehmsten Epochen gezählet werden können.
Sie wird immer unter die vorzüglichsten Monumente echter
Vaterlandsliebe, unverbrüchlicher Fürsten Treue, inniger und
biederer Anhänglichkeit an ihren Landes Vater, biederer und
redlicher Bürger Pflicht, die die Bewohner Steyermarks seit
vielen Jahrhunderten dem durchlauchtigsten Erzhause in ihren
Herzen errichtet, glänzen. Sie darf sich schmeicheln, dass alle
ihre Handlungen, ihre getroffenen Verfügungen, die von jedem
Untergebenen und allen Landes Insassen immer mit der grössten
und bereitwilligsten Folgsamkeit befolget wurden, All von ihr
veranlasstes, stäts das Gebräge der biedersten Anhänglichkeit
und Treue an ihren geliebten Landesfürsten, der gehorsamsten
lieförderung und Erhaltung des Wohls des Landes und ihrer
Mitbürger trug, dass sie in den gefährlichsten, zweifelhaftesten
und wichtigsten Situationen die Aechtheit ihrer Gesinnungen
— 182 —
und Gefbhle für Fürst und Vaterland erwähret und erprobet
hat. Sie konnte aus dem Grunde und gestärkt durch inneres
Bewustseyn die Verläumdungen, die niedrige Bosheit, Schmäh-
sucht und Unverstand wider unser Vateriand zu ?erbreiteo
sich bemüht, nur mit Verachtung und edlem Unwillen lohnen
Sie konnte es wagen, dissfalls die strengste Untersuchung zu
gewärtigen und hielt es für Pflicht, S. Majestät durch die hier
sub Nr. 16 beigebogene Bittschrift darum dringenst zu bitten.
Hiemit schliesst sich also der 4. Zeitraum, resp. der
lezte Abschnitt dieses Journals. Das ganze ist aus den sicher-
sten untrüglichsten QueUen geschöpft und man kann ftlr die
Echtheit und die gewissenvollste Authenticität bürgen. Man
wird nicht nur keinen vorzüglicheren Umstand darin vermissen,
sondern aus selben auch die Beweggründe mancher Thatsache
ersechen. Weder Partheiligkeit noch Missgunst haben die ver-
schiedenen Begebenheiten geschildert, jene (Landes-Komm.) der
Wahrheit getreu, mit der gewissenhaftesten Rechtsliebe hat di^e
Geschäfte, die verschiedenen Vorfälle, die sich in diesem i&r
unserem Vaterlande so wichtigen, unerwarteten und so vieler
Gefahr verbundenen qualvollen Zeitraum zugetragen haben, blos
erzählt. Tausende der Zeugen, unter deren Augen sie bewirket
wurden, können sie bewähren und ihre Gewissheit bestättigen. Sie
zeiget dass jedem Lande so preisswerthe und wohlthätige Bild
der innigsten und festesten Vereinbahrung aUer Stände zum ein-
zigen gemeinnüzigen grossen Zwecke der Beförderung des all-
gemeiaen Wohles, sie schildert die kraftvollen, thätigen, uner-
müdeten Bemühungen einzelner Glieder, zu diesem erhabenen
Zweck vorzüglich beizuwirken.
Sie zeichnet mit getreuen Umrissen das Gemälde der
ächtesten Vaterlandsliebe, Fürstentreue und Bürgerpflicht der
Steiermärker, die sie Jahrhunderte schon unter der Regierung
des durchlauchtigsten Erzhauses nie verläugnet, oft mit ihrem
Blute versiegelt, und unter den drohendsten Gefahren zu be-
haupten gewusst haben. Sie zeiget endlich, dass für Franz
und Theresien gleiche Gefühle die Herzen der hiesigen In-
s^assen durchbeben, dass nichts ihre Treue erschüttern, ihre
— 183 —
Anhänglichkeit mindern, ihre Liebe für Fürst und Vaterland
entkräften könne.
Graz den 12. Juny 1797.
In Abwesenheit des Herrn Landeshauptmannes Excellenz
Johann Graf und Herr zu Brandis.
Dr. Joh. Michael Stefih,
Bürgermeister.
Sigmund Graf Aaersperg,
Sekretär der prov. Landes Kommission.
Beilagen.
Nr. 1.
Nachricht.
Obschon dermals die Gefahr eines feindlichen Einfalles kei-
neswegs dringend ist, wäre es doch immer möglich, dass die
hiesige Militärgarnison von hier abziehen, und diese Hauptstadt
ohne innere Sicherheitswache verlassen mOste.
In diesem möglichen Falle wären die 3 Bürgerkorps allhier
nicht hinreichend, die innere Sicherheitswache vollkommen zu besezen.
Es ist dahero nöthig vorläufig dafür zu sorgen, dass diese
3 Bflrgerkorps so viel möglich vermehret werden, die übrigen
Inwohner dieser Hauptstadt aber sich ohne genauer Uniformirung
nnr für die Dauer des gegenwärtigen Bedarfes unter der allge-
meinen Stadtsfahne versammeln.
In dieser Voraussetzung werden die sämmtlichen Bürger und
Inwohner dieser Hauptstadt eingeladen , sich zu dieser Stadts-
and Sicherheitswache freiwillig und ohne Zwang selbsten zu stellen,
wobei es ihnen freystehet, endweder einem der ohnehin schon
bestehenden 3 Bürgerkorps beizutretton, oder aber sich unter der
allgemeinen Stadtfahne auf vorbesagte Art einverleiben zu lassen.
Nun wird hier zurBeruchigung des Publikums die ämtliche Ver-
s^ichemng feyerlichst beigerückt, dass diese Vorsicht keineswegs die
kriegerische Vertheitigung dieser Hauptstadt selbst, sondern blos und
lediglich nur den Schutz des Eigenthums, die Sicherheit gegen Streif-
partheien, die Unterdrückung der übelgesinnten, und die Abwendung
Alles Gesindel und Unfugs, kurz eine innere Nothwehre zum einzigen
l^ndzweck habe, nach dem Beyspiel der Stadt Triest und Laibach.
So eine Vorsicht fordert schon izt frühzeitige Anstalt, und
kann und darf keinen hiesigen Inwohner auf den Irrwahn bringen,
— 184 —
dass schon izt die höchste Gefahr ohwalteii mflsse, weil diese
Yorsichts Anstalten öfentlich eingeleitet werden.
Die Meldung zu diesem Beitritt geschieht entweder bei Herrn
Franz Kaspar Dobler, Komandanten der hiesigen Bürger Milii,
oder bei Herrn Stadthauptmann Franz Xav. Mayr.
Vom Magistrat der LandesfftrstL
■'•S'^ Hauptstadt GrÄz am 2. April 1797.
Hr. 2.
Wir Bürgermeister und Rath der Steyerm&rkischen Haupt-
stadt Graz können den Bürger und sämmtl. Inwohnern dieser
Stadt nicht verhellen, dass eine Armee der französischen Republik
um die Stadt zu besezen, wirklich in der Nähe anroke.
Wir finden es daher unserer obhandenen Pflicht gemäss
dieselben über das Benehmen, dass sie in den bevorstehenden
Umständen zu beobachten haben, bestmöglichst zu belehren.
Das erste und vorzüglichste Mittel ihrer Rettung ist innere
Ruche und Ordnung, die sie vor Allem unter sich selbst zu er-
halten, sich thätlich bestreben müssen. Höchst traurig wäre es.
wenn diese gestört würde., wenn Uneinigkeiten unter demjenigen
entstehen würden, die nie mehr Ursache gehabt haben gemein-
schaftlich zu handeln, und sich brüderlich an einander zu schiiessen,
wenn falsche Begriffe und schiefe Grundsätze sie zu Unordnungen
verleiten konnten ; denn alles dieses (würde) nur die bedauenmgs-
würdigsten Folgen nach sich ziehen.
Unter den Massregeln der guten Ordnung zählen Wir auch
die pünktlichste Vorsorge wegen Feuersgefahr, dass nemlich alle
Hauseigenthümer und Einwohner ihre Wachsamkeit dagegen verdop-
peln, auf verdächtige Leute ein wachsames Auge halten, das5 alle
Bäche und Wasserleitungen in den hiesigen Vorstädten in ihrem
Lauf erhalten, alte Feuer Requisiten in brauchbaren Stande gese2t
und die schon bestehende Feuerordnung in ihrer Wirksamkeit
erhalten werde.
Ruhige Fügung in unser Schiksal ist dermalen unser Loos,
eine männliche Standhaftigkeit und ein redliches Betragen soIleD
und werden uns durch diese Gefahr glüklich hindurch ftlhren;
ja werden uns selbst das Zutrauen und die Achtung unserer
Ueberwinder verschaffen. Wer kennt nicht die biederen Gesin-
nungen der hiesigen Einwohner? werden sie solche diesmal ver-
läugnen ?
Wir erwarten daher, dass sie der siegenden Armee der
französischen Republik nicht die mindeste Widersezlichkeit (die
nur Tollkühnheit genannt werden könnte) entgegenstellen werden.
— 185 —
Beleidiget auch keinen einzelnen Mann dieser Nation , sie
ist von jeher gegen jede Beleidigung ansserst empfindlich.
Befolget brave Gräzer jedes Standes diese unsere Anordnung
auf das Genaueste, lasset Euch, wir beschwören Euch, nicht ver-
leiten dagegen zu handeln und Ihr werdet die Gefahr gltlklich
überstehen. Habt vorzüglich das Zutrauen zu Uns, dass unser
ganzes Bestreben dahin gerichtet sein wird Euch bei dieser be-
vorstehenden Lage mit möglichster Klugheit zu leiten. Wir hoffen
zuversichtlich, dass Wir, noch bevor die französischen Truppen
hier einrüken werden. Euch schon die tröstliche Versicherung
von Seite des Befehlshabers werden bekannt machen können,*
dass, wenn Ihr Euch ruhig beträgt, Euer Religion, Euer Eigenthum
und Euere persönliche Sicherheit unverlezt erhalten werden sollte.
Sollten sich aber wider Yermuthen abelgesinnte unter Euch
befinden, welche da glauben, dass ihnen durch dieses Ereigniss
Spielraum gegeben wird, Unordnungen zu erregen, Uneinigkeiten
anzufachen oder Ausschweifungen zu begehen, so ermahnen wir
sie ernstlich , ihre ffir sie selbst verderbliche Anschläge fahren
zu lassen ; denn es ist von uns fest beschlossen. Jede derlei That
auf das schw^ste, nach der Grösse des Verbrechens zu ahnden
und zu bestraffen, und da wir schon so oft während dieses Krieges
gelesen haben, dass einzelne französische Soldaten ähnliche Ver-
gebungen mit dem Leben haben bezahlen mtlssen, so wären auch
wir verbunden, ihnen ähnliche Beispiele von Strenge, da sie die
Zeitumstände nothwendig machen würden, zu geben.
Endlich machen Wir bekannt, dass mit allgemeiner Ueberein-
ätimmung die hiesigen gutgesinten Einwohner, Bürger und nicht
Bürger sich entschlossen haben , nebst den noch bestehenden
3 bürgl. Korps sich in eine zulängliche Sicherheits Anstalt zu
bilden , welche vermögend sein wird , die gute Ordnung gegen
jedes strafwürdige Unternehmen mit Strenge zu handhaben.
Graz den 4. April 1797.
Von dem Magistrat der
Steyermärkischen Hauptstadt Graz.
Dr. Job. Michael Steffn,
Bürgermeister.
Hr. 3.
In den gegenwärtigen Umständen, da die französische Armee
bereits 2 Provinzen Innerösterreichs, nämlich Kärnten und Krain
nebst dem Litorale besezt hat, und nun auch in dieses Land
Steiermark einzurücken im Begriffe stehet, hat sich das k. k.
Landes Gabernium in allen seinen Abtheilungen auseinanderbege-
ben und hiedurch gegenwärtig hier Landes zu wirken aufgehört.
1
— 186 —
So sehr auch die Nothwendigkeit, denen Umständen nach-
zugeben, eintritt, so kann doch das Land Steiermark in dieser
I<age ohne aller Landes Verwaltung nm so minder bestehen und
blossgelassen werden, da die Umstände eine Torsichtige UebereiD-
stimmnng der Landes*Insassen nnd die Entfernung aller Willktlfar
eines jeden einzelnen nie nothwendiger gemacht haben.
Wir Landeshauptmann und Bürgermeister der Hauptstadt
Grftz haben demnach Uns in diesem Zeitpunkt der Landes Ver-
waltung provisorisch anzunehmen unseres Amtes zu sein befimden.
und haben unter unseren Vorsitz einen Rath aus allen St&nden
Von M&nnem, die das öffentliche Zutrauen yorzAglich besitzen
und dem Lande mit Rath nnd That nützlich zu sein die Fähig-
keit nnd guten Willen haben, unter der Benennung einer ,, Provi-
sorischen steyrmarckischen Landes Kommission'' zu diesem End-
zweck versammelt.
Wir machen daher alle Landes Insassen ohne Ausnahme,
vorzüglich den gesammten Werbbezirk-Kommissarien, die als unsere
untergeordneten Aemter in dieser prov. Landes - Verwaltnng za
wirken haben, hiemit bekannt, dass sich Jedermann in allen öffent-
lichen auf das Wohl des Landes bezugnehmenden Gegenständen
an Uns unter der Benennung ^der provisorischen steierm. Landes
Kommission in Graz" zu verwenden, auch Uns von Allen Vor-
fallenheiten in soweit dies, ohne sich gegen die Pläne der Armeen
verfänglich zu machen, geschehen darf, Nachricht zu geben habe.
Wir werden auch den sämmtl. Landes Insassen das Fernere
seinerzeit kundmachen.
Empfehlen Euch inmittels ein vorsichtiges und redliches
Betragen gegen Jedermann ohne Ausnahme, untersagen auch jede
eigenmächtige Vorkehrungen, und versehen uns eurer Folgeleistnng
und eures guten Willens.
Gegeben den 5. April 1797.
Karl Thomas Grf. v. Brenner,
Landeshauptmann.
Dr. Joh. Michael Steffn,
Bürgermeister.
Josef von Schouppe,
Sekretär.
Ir. 4.
Gurrende
an sämmtl. Landgerichte des Landes Steiermark.
Damit in dem gegenwärtigen Zeitpunkt, da das inneröster.
Appellationsgericht auseinander ging, für die mittels vorkommenden
Kriminalgegeustände Vorsehung geschehe, so hat die prov. Landes-
— 187 —
Kommission zn diesem Theile der Staatsverwaltung ein prov.
Kriminalgericht anter dem Vorsitz des k. k. Land Raths, Herrn
Edlen von Feldbacher, niederznsezen befanden, und demselben
seinen Wirkungskreis bestimmt.
In dieser Racksicht wird sämmtl. Landgerichten aufgetragen,
alle vorkommenden zweifelhaften und offenbaren Kriminalf&lle mit
Beilegang der Somarien an dies prov. Kriminalgericht ungesäumt
einzusenden, von dort aus die weiteren Anordnungen abzuwarten
und demselben in Allem die vollkommene Folgsamkeit zu leisten.
6r&z, von der prov. Steierm. Landes Kommission
den 29. April 1797.
Karl Thomas Graf Dr. Job. Michael Steffn,
von Brenner, Bürgermeister.
Landeshauptmann. Jos. von Schouppe,
Sekretär.
fr 5.
Von der prov. steierm. Landes Kommission.
Bei dem aHfälligen Einmarsch und Eintritt der französischen
Truppen in diese Hauptstadt oder ihre Vorstädte sollen alle
Einwohner sich ruhig verhalten, gute Ordnung beobachten und
sich aller UngebQhrlichkeiten so gewiss enthalten, als im widrigen
jeder XJebertretter oder Stöhrer ohne Unterschied an der Stelle
bchärfest bestrafet werden würde.
Graz am 10. April 1797.
Karl Thomas Graf von Brenner.
Dr. Job. Michael Steffn,
Bürgermeister.
Nr. 6.
Es sind schon jüngst die Einwohner der hiesigen Hauptstadt
auf das ernstlichste gewarnt worden, sich bei dem allfälligen Ein-
märsche der französischen Truppen gut und friedlich gegen selbe
zu betragen -und ihnen auf keine Art eine Beleidigung zuzufügen.
Da nun der Einmarsch derselben und die Besitznehmung
dieser Hauptstadt wirklich erfolgt, so wird hiemit neuerdings jedem
Einwohner von Graz, bei Leib- und im erforderlichen Falle auch
bei Todes Strafe aufgetragen, sich sowohl in Reden, als in Hand-
lungen sorgfältigst in Acht zu nehmen, dass kein französischer
Soldat aaf was immer für eine Art oder zum Zorne gereizet
werde.
Vorzüglich wird den bürgerlichen Wachen Bescheidenheit,
Verträglichkeit und genaue Dienstleistung eingeschärft und sowohl
den 3 bürgl. Chören als der unter der Stadtfahne versammelten
— 188 —
Bürgerwache eingeschärft, so oft sie zur Wache bestimmt werden«
die ihnen angewiesenen Wachposten so gewiss za beziehen, alss
sie im widrigen fOr Widersezer angesehen und ohne Unterschied
schärfstenst bestraft werden w&rden.
Die strenge Erhaltung der inneren Ruhe und Sicherheit ij»t
man im gegenwärtigen Zeitpunkt nicht allein sich selbst, sondern
auch dem guten freundlichen Benehmen der französischen Armee
mehr als jemals schuldig.
Graz den 13. April 1797.
Dr. Job. Michael StelTn,
Bürgermeister.
Josef Kessing,
Sekretär.
Mr. 7.
Warnung.
Nach folgender anher erlassener Verfügung hat sich Jeder-
mann ohne Unterschied des Standes bei schwerster Ahndung genau
zu achten und sich vor Strafe und Schaden sorgfältig zu hüten.
Vom Magistrat der Haupt Stadt Graz
am 14. April 1797.
Dr. Job. Michael Steffu,
Bürgermeister.
Die Unordnung, welche bei der Vertheilung der zum Gebrauch
der französischen Armee nothwendigen Lebensmittel herschet, die
doppelte Austheillung der Lebensbedürfnisse, welche durch ihre
Untergebenen an die Soldaten geschieht, die gegen Quittungen
ohne Unterschrift des Eriegskommissärs mancherlei Bedürfnisse
verlangen, ihre Klagen an Mangel an Quittungen für die Lebens-
mittel, welche sie an die Magazins Verwalter der Republik bisher
geliefert haben, Ihre Gefälligkeit, die Anfragen, die an Sie über
dergleichen Bedürfnisse geschehen, auf der Stelle und ohne Unter-
schrift des Kriegs-Kommissärs zu befriedigen : alles dies bestimmt
mich eine Ordnung zu entwerfen, nach welcher künftig dergleichen
Gegenstände zu behandeln sein werden.
1. Keine einzige Forderung, von wem es immer sei, ohne
Unterschrift des für die Stadt Graz im Dienste befindlichen Kriegs-
Kommissairs anzunehmen und zu befriedigen.
2. Von den verschiedenen resp. Magazins Verwaltern die
Bescheinigung für alle Arten von Bedürfnissen, für die Konmiissair
angeordnet hat, unachsichtlich zu fordern, nemlich von dem Ma-
gazins Verwalter der Lebensmitteln die Quittungen für Brod,
Wein, Hilsenfrücbte und Mehl, von dem Futter Inspektor die
— 189 —
Scheine für Hea and Haver nnd von dem Fleisch Inspektor jene
für das ihnen gelieferte Schlacht Yieh.
Die Unterschriften dieser sammentl. Magazinsanfseher müssen
ihnen bekannt gemacht ond von dem Kriegskomroissair für richtig
anerkannt sein.
3. Keine Yertheilung eines oder des andern Gegenstandes,
an wen es anch sei, oder unter was vor einem Vorwand es ge-
fordert werde, zu machen, weil die dafQr gegebenen Quittungen
auf keine Weise an zahlnngsstatt angenommen werden, indem
unsere Magazine errichtet sind, nm alles, was richtig ist zu
bescheinigen.
4. Da es keinen Verkäufer da geben kann, wo kein Käufer
befindlich ist, so werden Sie auf Befehl des General en chef
Bonaparte nnd in Nahmen der französischen Republik von mir
als Yertretter des General Kommissairs angegangen, den Einwohner
jeden Standes sowohl, als allen hier anwesenden Fremden zu
verbiethen, von irgend einem französischen Soldaten oder sonst
im Dienste der Republik angestellten Person etwa von Kleidungs-
stücken, Lebensmitteln oder andern Gegenständen von was für
einen Werth sie auch schon sein mögen, bei körperlicher nnd
militärischer Strafe zu kaufen.
Graz den 14. April 1797
unterzeichnet
Pellizone,
Commissaire ordinateur der französischen
Republic.
Hr. 8.
Auf ausdrückliche Anordnung des koroandirenden Herrn
Generals Bonapartc darf fürohin kein Hausherr oder Inwohner
einem Offizier oder Soldaten der französischen Armee mit oder
ohne Pferde ohne Vorweisung eines von mir Bürgermeister unter-
schriebenen Quartierscheines in sein Haus oder in seiner Wohnung
aufnehmen , bei seiner Ausquartirung aber den Abzug desselben
alsogleich anzuzeigen, damit man femers fürohin den Quartier-
stand genau wisse, hat der komandirende Herr General Beaumont
zugleich angeordnet, dass bis morgen als den Ostersonntag um
10 Uhr Vormittag jeder Hausherr der Stadt Graz oder ihrer
Vorstädte schriftlich in der hiesigen Rathsstube einlege und aus-
weise, was nach beiliegender Tabelle zu wissen nöthig ist. .
Jene Hausherren, bei welchen gar kein Mann oder Pferde der
französischen Armee einquartirt ist, haben blos anzumerken, dass
(Vermählen weder Mann noch Pferd inquartirt seien. Auf die Unter-
— 190 —
lassang dieser wichtigen ÄDzeigen bis morgen am 10 Ubr Yor-
mittog nach beiliegender Tabelle ist eine nnachsichtUcIie Strafe
eines Dakatens in Gold festgesezt.
Von dem Magistrat
za Gr&z am 15. April 1797.
Ir. 9.
Freiheit Gleichheit
Italienische Armee.
Leoben 27. Germinal im 5. Jahr der einzigen and antheil-
baren französischen Repablik.
Viliemanzy, General Commissair, an die Mitglieder der Central
Versammlang von Steiermark zn Graz.
Ich habe genaue Untersnchnngen über die directen und in-
directen Abgabe aller Art angestellt, welche die Provinz Steiermark
jährlich an die Kassen des Kaisers abführt.
Ich habe diese Summen mit jenen verglichen, welche den
Ankauf der nothwendigen Lebensmittel für die französische Armee
verursacht, und finde mit Vergnügen, dass jene Summen mehr
als hinreichend sind, diesen Aufwand zu bestreiten, wenn diese
Art der Verpflegung an die Stelle der bisher ausgeschriebenen
Requisitionen gesezt wird.
Nicht dieser Gesichtspunkt allein bestimmt mich, den Ankauf
der Lebensmittel den Requisitionen vorzuziehen, wichtigere und
dem Lande angemessene Bemerkungen überzeugen mich von der
Noth wendigkeit dieser Verfahrungsart, die blos dahin abzweckt.
unter den wohlhabenden Bewohnern aller 5 Kreise von Steiermark
die Last der Verpflegung unserer Armee gleich zu vertheilen.
Sie haben dazu mehr als hinreichende Mittel in den Händen,
denn die Verpflegskosten unserer Armee betragen ungleich weniger
als die öffentlichen Einkünften des Landes, allein auch in dem
Falle, wenn diese Kosten diese Einkünfte überstiegen, so würde
doch das Wohl des Landes Sie auffordern, meinen Vorschlag mit
Vergnügen anzunehmen.
Ich habe den Obergeneral die Bemerkungen mitgetheiit, die
ich ihnen hier vorlege. Er hat sie gebilliget und ich verhelle
Ihnen nicht, dass er mit Vergnügen den Ankauf der Lebensmittel
an die Stelle der bisherigen Requisitionen sezen wird. Sie, meine
Herren, werden mich in den Stand sezen, dieses zu unternehmen,
wenn sie sich entschliessen, wöchentlich eine Summe von 30.000
Livres an die Kasse des General - Einnehmers unserer Armee
abzuführen.
Wenn Sie betrachten, dass wir seit unserem Eintritte in
— 191 —
dieses I^nd die öffentlichen Einkünfte sowohl des Soayerains als
der StAdte und der Yersorgnngs Anstalten auf keine Art bezogen
haben, dass Wir ons in den Besitz der Gelder nicht gesezt haben,
die in allen diesen resp. Kassen befindlich waren, als unsere
Armee Steiermark erobert hat, dass wir ebenso wenig uns der
öffentlichen Magazine des Tabakes, des Salzes und der Metalle
bemächtiget haben, die wir nach dem Eroberungsrecht (uns) zu-
eignen konnten, dass ihre Manufakturen unversehrt geblieben
sind, dass wir Oberall Magazine angelegt haben, um den Bewoh-
nern von Steiermark weniger l&stig zu fallen, so werden Sie sich
ohne Aufschub bequemmen, die geforderde Summe an den General-
Einnehmer abzuffthren oder doch wenigstens Anstalten zu ihrer
Versicherung zu treffen, um den armen Landmann von der Last
der Lieferungen zu befreien, die ihn ohne Zweifel vernichten wird ;
der arme Landmann allein wird das Opfer werden, wenn Sie
was immer ffir Ausflüchten machen werden, um der Forderung
auszuweichen« die ich im Namen des Obergenei*als an Sie mache.
Ich bitte Sie, mir so schnell wie möglich Antwort auf diesen
Brief zn geben, dessen Inhalt allein das wäre Wohl ihres Landes
zum Zweck hat.
Yillemanzy.
Nr. 16.
Antwort auf den Brief des Bürgers Yillemanzy.
Die Glieder der prov. Landes Kommission in Steiermark
haben sich, obschon durch die Befehle des kommandirenden Gene-
rals getrennt, ihren Brief vom 16. April mitgetheilt, gehemmt in
ihrem Wirkungskreise sind sie ganz ausser Stand, über ihre An-
träge irgend einen Beschluss zu fassen; um Sie jedoch von der
Bereitwilligkeit zu überzeugen, mit welcher sie sich auch in dem
Zustande der Auflösung dem allgemeinen Besten widmen, erlauben
sie sich folgende Bemerkungen über die Depesche, welche sie
am 11. d. M. von dem Bürgermeister der Stadt Graz empfangen
haben. Die direckten Abgaben, die der Kaiser bisher aus dem
Land gehoben hat, belaufen sich nach einem ziemlich genauen
Calcul, mit Inbegriff der Grundsteuer, auf eine Million Gulden oder
3,000.000 französische Pfund. Yon diesem Betrage sind bereits
2 viert^ährige Quoten nach der hergebrachten Sitte der Yorein-
zahlung abgeführt, sogar noch etwas mehr, weil die meisten
Besitzer kleinerer Güter mit Anfang des Jahres ihren ganzen
Steuerbetrag vorhinein bezahlen, um das unangenehme des öfteren
Abschickens kleiner Summen zu vermeiden. Die Einhebungskosten
dieser Einkünfte betragen mehr als 10 von hundert und müssen
— 192 —
vom Ganzen abgezogen werden. Es lässt sich leicht übersehen,
dass die Einkanfte des 2. halben Jahres in dem kurzen Zeitranm
von 4 Wochen erschöpft sein müssen, falls Sie auf der Fordeningt
die ihr Vorschlag in sich fasst, wirklich beharren.
Wir können nicht in den Ertrag der indirekten Einkünfte
des Kaisers Einsicht haben, da in die Kasse, die von beson-
deren nnd ausser aller Verbindung mit dem Lande stehenden
Beamten verwalteten Regalien gehören; aber da diese Abgaben
auf Salz, Tabak etc. die Zölle auf ausländische Waaren, nnd was
dahin einschlägt, seit dem Einmarsch der französischen Truppen
in diese Provinz ganz aufgehöret haben, so kann von dem Ertrag
derselben, so lange die gegenwärtige Krisis dauert, gar nichts
in Anschlag gebracht werden.
Bereits 8 Tage vor dem Einmarsch der französischen Truppen
in Graz waren alle Kassen , und die darüber geführten Bücher,
ja sogar alles Geld und die Register der Landeskasse abgeftüirt.
Sie können sich von der Wahrheit dieser Behauptung durch das
Beispiel der Krainer und Kärnthner so wie der Görzer und Idrianer
Kassen und durch das Bekenntniss aller hiesigen Bewohner über-
zeugen.
Selbst die zur Abhilfe dringender Unglücksfälle zur Unter-
stützung des durch Feuer, durch Überschwemmung, des durch
Landesplagen zu Grunde gerichteten Unterthanes und endlich zur
Bezahlung der Interessen an jene Bürger, die meist in der Zeit
der Noth das Vaterland mit dem Erwerb ihres Fleisses gerettet
hatten, selbst die zu diesem erhabenen Endzwecke bestimmte
Hilfskasse ward nach Wien geführt, und uns in dieser höchsten
Noth eine Kleinheit von 40.000 fl. meist in Papiergeld überlassen.
Mit denen haben wir bis izt einige der dringensten Bedürfnisse
bestritten, ohne irgend einen Zufluss als aus dem kümmerlichen
Verkauf der unbedeutenden Vorrathe von Salz und Tabak, wäre
sie bereits erschöpft und wir in die traurigste Lage versezt,
nicht einmahl dem geplünderten und misshandelten Unterthan
ein Stücklein Brod, Kleidung und eine Hütte geben zu können.
An diesem Heiligthum der leidenden Menschheit wird sich die
grossmüthige französische Nation nicht vergreifen. Sie wird viel-
mehr künftig solche von dem Kriege unzertrennliche Fälle nach
Thunliclikeit durch die strengste Manneszucht zu verhindern suchen.
Selbst in der an das Volk in Kärnthen erlassenen Proclamation
sichert der edle Hauptgeneral der französischen Armee dem lei-
denden Unterthan den Ersatz seines Verlustes aus den Einkünften
des Souvrens zu. Hier wird er nicht mit sich selbst in Wider-
spruch stehen wollen.
— 193 —
Aas dieser Kasse haben wir auch das an Sie geleistete
Darleben von beiläufig 18000 französischen Pfunden in Gold
geDommen. Wir sind wegen den Ersaz dieser uns so unentbehr-
lichen Summe durch Ihr gegebenes Wort, und durch die Treue be-
rnhigty mit welcher Sie Ihre Zusicherungen zu halten gewohnt sind.
So sehr wir selbst eine durchaus gleiche und folglich weniger
lästige Yertheilung der Kriegslasten unter alle Bewohner der
5 Kreise von Steiermark wünschen, so ist doch diess eine un-
Üiunliche Sache, da die 2 Kreise in Obersteier wegen den bereits
erlittenen und noch wirklichen Druck des Krieges ganz erschöpfet
sind, die drei untersteirischen Kreise aber durch die h&ufigen
Durchmärsche die Last des Krieges bis zur Erschöpfung fühlen.
Der Reichthum des Landes besteht in den Erzeugnissen seines
Bodens, die Wohlfeilheit der Producte ist ein Beweis des Oeld-
mangels, den die durch 6 Jahre geleistete doppelte Kriegssteuer
noch bis zur gänzlichen Yersiegung alles Metall Geldes herbei-
gebracht haben.
Es bleibt uns nur noch die Berichtigung ihrer Meinungen in
E&cksicht der Anstalten und die dagegen gestellte Aufzählung dessen,
was wir Ihnen geleistet haben , ihrer Einsicht vorzulegen übrig.
Die hiesigen Kassen waren bereits einige Tage vorhero auf
landesfürstlichen Befehl abgeführt, als Sie diese Stadt betreten
baben. Niederlagen von Stahl hat der Kaiser nirgends im Lande,
sie sind also ebenso wie alle Bergwerke des Landes und die
einzige hier existirende Kottunfabrik Privat-Eigenthum.
Als die kais. Armee diese Gegend verliess, ward der Befehl
bereits gegeben, alle hier befindlichen Magazine der Zerstörung
nnd den Flammen preiszugeben, Tabak und Salz abzuführen und
die Yorräthe an Getreide und Haber in den Fluss zu schütten. Da
»tanden einige Männer auf, dennen die Vernichtung des Fleisses
der Landleute wehe that und bothen sich an, die noch nicht an
die Unterthanen von Seite des Hofes bezahlten Lieferscheine ins
Versprechen zu übernehmen und mit den dadurch erhaltenen Yor-
räthen die allenfalls auszuschreibenden Bequisitionen zu bestreiten.
Der Landmann sollte hiedurch vor Erpressungen gesichert
Qnd der Frieden im Lande erhalten werden.
Bei der Yertheilung der Kriegsschäden und Kriegs - Forde-
ningen sollten die Lieferscheine der Erzeuger anstatt des haaren
(^eldes angenommen, folglich jeder sosehr als möglich erleichtert
werden. Dem geringen Salz und Tabak Yorrath, welcher ebenfalls
abgeführt oder veroichtet werden sollte, ward noch ein weit edlerer
Zweck angewiesen. Er war ebenfalls ins Yersprechen übernommen
tind daraus bisher die Militär und Civil Spitäler, also blos der
»ttlifil. dM liiit. Vereins f. Steiermark, XXVIII. Heft, 1880. 13
- 194 —
unglflckliche and sieche Tbeil der Menschheit gekleidet, gen&hn
und verpflegt.
Auch die Kranken der französischen Nation erhielten davon
ihren beschiedenen Theil; sie erhielten besseres Brod als die
gesunden Krieger, sie empfingen ihren Umständen angemesseo«
Yorräthe an Fleisch und Wein, sie wurden alle neu gekleidet.
Nun erschöpften sich die Yorräthe, keine Zufuhr unterstfitzte sie
und wir werden uns binnen wenigen Tagen aus Mangel an Salz in
einer sehr traurigen Lage befinden.
Dies sind also die Magazine, deren sich die französische
Nation ihrer Meinung nach hätte bemächtigen können ; aber der
ganze darin aufgehäufte Yorrath war und ist noch nicht >od
unserem Souverain bezahlt ; es war weiter nichts ais ein Darlehen
von den Unterthanen in Naturalien erhoben, welches einst nach
geendigten Krieg bezahlt werden sollte.
Die Stadt Graz hat durch Uebernahme der Magazine ihren
Souverain von der nach geendigten Krieg dafür zu leistenden Zah-
lung entbunden, sie hat, da der Zeitpunkt des französischan Ein-
marsches nahe war, die Yerpflichtung Ober sich genommen, die»«"
Schuld zu bezahlen ; und wenn die französische Nation auf das
Yermögeu unseres Souvrains gegründete Ansprüche zu haben glaubt,
so kann sie sich der unbezahlten Magazine, die gar nicht zu den
Yermögen des Souvrains gehören auf keine Weise nnd nicht ohne
Eingrif in die Hütte des Landmannes bemächtigen.
Wir wollen von der kurzen Yerwaltung dieses Heiligthnm>
des Landes eine nur oberflächliche Rechenschaft ablegen.
Wir haben seit 8 Tagen diese sehr ansehnlichen Yorräthe nicht
nur allein für die Bedürfnisse der hiesigen Truppen geöflTnet, sondern
sogar die Stadt Prugg und den Markt Frohnleiten damit versehen,
damit die dort befindlichen Garnisonen vor Mangel gesichert waren.
Wir haben nebst diesen eine ungeheuere und mit dem Stande
der hiesigen Truppen gar nicht in Yerhältqiss stehende Menge
sehr guten Weines und in dem nemlichen Zeitraum 16 Schlacht-
ochsen in Graz geliefert, ohne die aus den Fleischbänken auf
Requisition gehobene Menge in Anschlag zu bringen.
Wir haben alles vorräthigo Leder von den Gerbern zusammen-
gebracht , um für die Truppen Schuhe arbeiten zu lassen. Alle
Yorräthe von blauen Tuch, die in einer Stadt ohne Fabrik ohnebin
nicht beträchtlich sein können, alle Leinwand, die hier, so wenis
erzeugt wird , befindlich war , ist in den Händen der Schneider
und der Näherinen, um für die französischen Soldaten Bein Kleider.
Westen und Hembde zu machen. Wir haben mit Mühe einige
lOOpaar Strümpfe zusammengebracht, um sie unter die dürf-
- 195 —
tigsten Soldaten zu vertheilen. Kurz, ?rir haben weit mehr gethan,
als alle jene St&dte, darch welche die Armee gezogen ist; und
die Ursache war einzig die, um in der Stadt und auf dem Lande
Ruhe zu erhalten Izt nach einer so langen und schweren Ver-
pflegung fordern Sie von uns noch einen wöchentlichen Geldbeitrag
von so ungeheuerer Ausdehnung, dass selbst die ftInQfthrigen
Einkünfte des Monarchen dadurch übertroffen werden. Man will
daraus die Requisitionen und bisherigen Lieferungen bezahlen und
nns mit denjenigen, was wir leisten sollen, auf künftige Einkaufte
unseres Souverains und sogar auf solche anweisen, die gar nicht
mehr vorhanden sind. Wenn wir durch Forderungen, die unsere
Kräfte in den gewöhnlichen Friedenszeiten 5fach übersteigen, izt
in der Zeit des Eilends, bei der Seltenheit des Metallgeldes, bei
der vorzusehenden Erschöpfung aller Lebensbedürfnisse gedrükt
werden, so sind wir der sicheren Hoffnung, dass die Grossmuth
der Nation mit der Heiligkeit ihres gegebenen Wortes gleichen
Schritt halten und uns davon befreien wird.
Würdigen Sie, diese mit dem Gepräge der Wahrheit ver-
sebenen und aus dem gepressten Herzen eines durch die gegen-
wärtige Lage bedrängten Volkes strömende Aeusserungen dem
Haupt General vorzutragen und die blos auf Voraussetzungen
gebauten Entwürfe zurückzunehmen.
Sie verhütten dadurch den Ruin eines Landes, dass Ihnen so
viel Beweise jenes Zutrauens auf ihr Wort, seiner Rechtschaffen*'
heit und seiner Liebe zum Frieden gegeben hat und das nichts
mehr wünscht, als Sie und alle Franzosen bald in dem Schoose
des Friedens und als seine Freunde zu umarmen.
Hr. 11.
Sie sehen hier, Bürger General Kommissair! zwe7 Bürger
und Privatleute von Gr&z, denen das Wohl ihrer Vaterstadt sehr
am Herzen liegt. Sie haben von Ihrem Briefe an die Glieder der
dorch den Haupt General Buonaparte aufgelöste Landes Kommission
in Steiermark Nachricht erhalten, und da bis zu der Zeit, wo der
Haupt General andere Massregeln für gut linden wird, keine Ver-
sammlung dieser Landes Kommission statt haben kann, so haben
sich blos einige Glieder derselben entschlossen, ohne öffentliche
Volhnacht Sie, Bürger General Kommissair ! um Ihre Verwendung
hei dem Haupt General über folgende Punkte zu bitten:
^"^ Dass die zu Bestreitung der Requisitionen uns aufgelegte
Summe pr. 800000 Livre wöchentlich wegen der Unmöglichkeit,
sie zu leisten, nicht gefordert werden möge Wir werden
diese Requisitionen, so weit unser Vermögen zureicht, wie
13*
— 196 —
bisher bestreiten^ jedoch gegen Quittungen, die uns zar Be-
deckung wegen der fibernommenen Verbindlichkeit die Liefer-
scheine an die Unterthanen zu bezahlen, bei der allgemeinen
Ausgleichung dienen sollen. 2 'V Dass die Magazine, die bisher
zum Theil von ihren Untergeordneten auf eine Art verwaltet
wurden, die dem Dienst ihrer Armee nicht zuträglich war,
künftig uns überlassen werden, jedoch mit der Bedingniss,
dass daraus wie bisher die Anschaffungen der Kriegskom-
miss&rs gegen seine Quittungen bestritten werden. 3*^ Dass
Sie uns für unser höchstes Bedürfniss einige 100 Ztr. Saiz
aus dem Magazin von Leoben zukommen lassen, die wir mit
einer gleichen Quantität von Mehl, die bereits von uns ver-
langt und zum Theil auch abgeliefert worden, ausgleichea
wollen. Für den Transport werden wir selbst sorgen.
Die persönliche Zuneigung, die Sie bei ihrer Anwesenheit
in Graz gezeigt haben, lässt uns hoffen, dass die Bitte, die wir
hier an Sie thun, nicht fruchtlos sein werde. Wir kennen den
grossen Einfluss ihrer Talente auf den komandirenden General
und bitten Sie , die gestern an ihn abgegangene Depesche mit
ihrer Verwendung und künftigem Vorwort zu unterstützen.
Leoben am 20. April 1797.
Johann Stahel.
Franz Deyerkaof.
Nr. 12.
Freiheit Gleichheit
Italienische Armee!
Leoben am 1. Floreal in 5. Jahre der einzigen und untheilbaren
französischen Republik.
Villemanzi, General Eommissair, an die Herrn Mitglieder des Bürger
Rathes der Stadt Graz.
Meine Herrn!
Ich beantworte zur Stelle den Brief, mit dem Sie mich heute
beehrt haben. Sie verlangen darinen die Lebensmittel, die Ihnen
unsere Kommissärs zum Unterhalt unserer Armeen abfordern
werden, wie bishero in natura zu liefern, anstatt den Betrag der-
selben in die Kasse der Republik im Baaren abzuführen.
Die Forderung, die ich in dieser Rücksicht an Sie gemacht
habe, schien mir dem Wohle ihres Vaterlandes angemessen, allein
da ihre dagegen gemachten Bemerkungen mich überzeugt haben,
die bisherige Lieferungsart sey mit dem Besten ihrer Mitbürger in
richtigcrem Verhältnisse, so beharre ich nicht länger auf meiner For-
derung, die ich an Sie auf Befehl des Hauptgenerals gemacht habe.
— 197 —
Ich thne dies mit desto grösseren Vergnügen, da ich über-
zeugt bin, dass die Absicht, die ich durch diese Forderung vor
Augen hatte, durch Ihre Aeusserungen gänzlich erfüllt ist.
Yillemanzi.
Nr. 13.
Gurrende.
Nachdem S. k. k. Majestät mittelst Direktorial Hofdekret
vom 1., erhalten 3. dieses die prov. Landes Kommission oder
Repräsentation begwaltet und bevollmächtigt haben, auf den Fall
der Abwesenheit der hoben Landesstelle einsweilen substitutiore
die Geschäfte im Lande zu leiten und für die gute Ordnung zu
sorgen, and nachdem man in dieser Absicht, da die französischen
Trappen heute von dieser Hauptstadt und bis zum 3. des künf-
tigen Monates vom Lande Steyer vollkommen abgezogen seyn
werden, zum besten desselben und zur unverzüglichen Herstel-
lung der vorigen Ordnung für nothwendig gefunden und selbst
mit Yorwissen des von S. Majestät anher abgeordneten Herrn
General - Feldwachmeisters Grafen von Meerfeld, die Einleitung
getroffen, dass das k. k. Laudrecht, die k. k. Ereisämter, die
k. k. Provinzial Bau- und Strassen-Direction, das k. k. Ober Post-
amt, das k. k. Versazamt, die hiesigen Armenversorgungs An-
stalten, das k. k. Bieraufschlags - Amt, dann das stand. General
Einnehmer- und Fleischaufschlags Ober- Amt in ihre vorige Wirk-
samkeit unverzüglich zurücktretten , so wird dieses hiemit allen
zeit- und weltlichen Obrigkeiten , den landesfürstlichen Städten
Qod Märkten, allen Freisassen, Gültens Inhabern und allen Unter-
thanen and Grundbesitzern zur Wissenschaft und Nachachtung
mit dem Bemerken bekannt gemacht, dass die gesammten Gültens-
Besitzer und Unterthanen und besonders jene, die dem unmittel-
baren Druck des Krieges wenig oder gar nicht ausgcsezt waren,
za Vermeidung der unliebsamen Zwangsmittel bei bereits einge-
trettenem dritten Eontributions Quartal sich äusserst und nach allen
Kräften sollen angelegen seyn lassen , ihre Schuldigkeit sowohl
au das ständische General Einnehmer Amt als auch übrige Wein-
anfschlags und Fleischaufschlags- Ober Amt ungesäumt zu Unter-
stützung der allgemeinen Bedürfnisse und Auslagen, zu entrichten.
Graz am 28. April 1797.
(L. S.)
Karl Thomas Graf Dr. Job. Michael Steffn,
von Bräuner, Bürgermeister,
Landeshauptmann. Josef von Schouppe,
Sekretär.
— 198 —
Hr. 14.
Gurrende.
Von der k. k. steierm. Landes Kommission wird hicmit be-
kannt gemacht: Indem es höchst nothig ist, die Strassen wieder
in einen guten Stand herzustellen und zu erhalten, so werden
hiemit
1. Alle Strassen-Aufsichts-Individuen, die sich von ihren StAtionb-
Oertern entfernt haben, aufgefordert, sich sogleich und* unver-
züglich in ihren Stationen wiederum einzufinden, besonders
da selbe
2. bei den bis zum 3. künftigen Monats Mai erfolgenden gänz-
lichen Ausmarsch der französischen Truppen aus dem Lande
Steyermark bei ihren Strassengeschäften und Arbeiten nichts
zu besorgen, sondern allen Schutz und Sicherheit sich zu
versprechen haben, zugleich wird
3. hiemit den sämmtl. an der Eameral- als Bankal - Strasse
liegenden Werbbezirken aufgetragen, auf dass selbe im Erfor-
derungsfalle den an sie sich wendenden Strassen Assistenten
auf jemaliges Begehren die nöthigen Arbeiten und Fuhren gegen
die bisher übliche haare Bezahlung zu stellen haben sollen.
Graz von der prov. steierm. Landes Kommission
den 29. April 1797.
(L. S.)
Karl Thomas, Graf von Brauner,
Landeshauptmann.
Dr. Johann Michael Steffn,
Bürgermeister.
Josef von Schouppe,
Sekretär.
Hr. 15.
Die von S. k. k. apostolischen Majestät unserem Allergnä-
digsten Landesfürsten für die Zeit der wegen Hieherrücken der
französischen Truppen erfolgten Trennung des k. k. Landes
Guberniums vermög höchster Entschliessung von 1. April d. J.
1797 angestellten prov. Landes Kommission findet sich verpflichtet,
dem löbl. Corps der hiesigen Bürger Miliz von allen sowohl nni-
formirt als nicht uniformirten Abtheilungen, sowie ihrem würdigsten
Herrn Obersten und Komandanten Franz Kaspar Dobler mit In-
begrif sämmtl. Herrn Staabs dann Ober und Unter Offiziers, dennen
Gemeinen den öffentlichen Dank für ihre rastlosen Bemühungen und
unermüdete Wachsamkeit durch die Zeit der aufgehabten und ftlr-
gewalteten Umständen selbst vorzüglich vom lö. bis 28. April d. J.
/
— 199 —
(wo diese Hauptstadt unter der Bothmässigkeit der oben be-
nannten Feinde sich befand) gefahrvollen Bewachung der hiesigen
Hauptstadt und umliegenden Gegenden in ihrem Eigenen und
aller Insassen Naramen hiemit abzustatten.
Die Kommission fügt zugleich das zeigniss bei, das selbe so
wohl die innere öffentliche, als auch die Privat Sicherheit der Perso-
nen und des Eigenthums den vortreflichen von dem Herrn Obersten
and Komandanten Dobler ergangenen Anordnungen, dem uner-
schrockenen Muth und unermüdet bereitwilligsten Verwendung
der gesamten so wie der einzelnen Glieder der bQrgl. Corps und
der unter ihnen fQr das allgemeine Beste stätts geherschten rühm-
lichsten Eintracht verdanke und sich es nicht nur zum Vergnügen,
sondern selbst zur heiligsten Pflicht machen, sich ihres unaus-
löschlichen Dankes so wohl für den gegenwärtigen Zeit Punkt,
als auch für die späteste Nachweld öffentlich zu entledigen.
Welches der Herr Oberst sämmtlichen unter seinen Commando
stehenden uniformirt und nicht uniformirten Korps bekannt zu
machen hiemit bevollmächtiget wird.
Graz von der prov. steiermärkischen Landes Kommission
am 3. May 1797.
Karl Thomas Gf. v. Bräuner m. p.
Dr. Johann Michael Steffn m. p.,
Bürgermeister.
Joseph von Schouppe m. p.,
Sekretär.
Nr. 16.
An
S. k. k. Apostolische Mtgestät.
Euer Migestät!
Die Mitglieder der nunmehro aufgelösten Steierischen prov.
Landes Kommission haben mit grössten Schmerz und äusserster
Betrübniss in sicherer und selbst durch den hiesigen Landes
Goavemeur in verlässliche Erfahrung gebracht, dass sie von bos-
haften Verläumdem gelegenheitlich des Einmarsches der franzö-
sischen Truppen in der Hauptstadt Graz und während ihres Auf-
enthaltes bei Euer Migestät beinahe als Verräther des Vaterlandes
verschwärzt und als solche in den benachbarschaften Provinzen
nnd in der Residenzstadt Wien geschildert worden sind. Unsere
im höchsten Grade verlezte Ehre und selbst die Pflichten, mit
welchen wir, Euer Majestät, ihrem durchlauchtigsten Erzhauses,
nnsem Vaterland und der gesammten Monarchie verpflichtet sind,
fordern uns auf, Allerhöchstdieselben um eine unpartheiische
— 200 —
Untersuchung der strengsten Art und um Gerechtigkeit zu bitten.
Werden wir strafhiässig befunden, so bestraffe man uns nach aller
Schärfe der Geseze, um ein warnendes Beispiel zu geben, ist
aber im Gegentheil durch eine unpartheiische Untersuchung unser
Betragen gerechtfertiget, so werden Euer Majest&t als ein ge-
rechter Monarch die boshaften Yerläumder nach den Gesezen zq
bestraffen wissen. Wir verlangen keine Nachsicht, keine Schonung,
keine Gnade, sondern nur strenge unpartheiische Gerechtigkeit,
welche Hochstdieselben auch den mindesten ihrer Untertbanen
nicht versagen. Die Verlftumder können nur vorzüglich von hier
sein, welche diese boshaften Lügen nach Wien und anderen Orten
überschrieben haben und welches Euer Majestät durch ihre wach-
same Polizey in Wien schon in Erfahrung gebracht haben werden.
Aus der unpartheiischen Untersuchung wird es und muss es
sich zeigen, dass man ob Seiten des hiesigen Bürgermeisters (dem
ich Landeshauptmann das unverfölschte höchst verdiente Zeigniss
geben muss, dass er sich bei allen diesen sehr kritischen Gelegen-
heiten als ein getreuer und aufrichtiger und Euer Majest&t von
ganzen Herzen zugethaner Diener betragen hat) durch die zweck-
mässigen Anstalten und durch die in den Zeitumständen nöthig
gewordenen sichersten Verordnungen mittels der durch den pa-
triotischen Eifer fast aller Stände vermehrten bürgl. Sicherheits-
wache , welche eine halbe Stunde weit von der Stadt bei den
Parieren ausgestellt wurde und PatrouUen vorrücken liess, um
die Vorausgesandten und nachkommenden Marodeurs vom Plündern,
rauben und Morden abzuhalten, vollkommen die gute Ordnung und
Ruhe und Sicherheit in dieser Hauptstadt und in den Yorst&dt^n
erhalten hat.
Es wird sich zeigen, dass die aus den Mitgliedern der prov.
Landes Kommission den gedachten Truppen bis zum Stadt Pome-
rium entgegengeschickte Deputation an den französischen General
Beaumont nichts anders, als Schutz für die Religion, dann Sicher-
heit für das Eigenthum und der Bewohner der Stadt und des Landes
verlangt und ihm die eben kurz vorhero angelangten französischen
Proclamationen nach Hungarn mit der Bemerkung zugestellt hat,
dass man solche anverlangter Massen nicht weiter versenden könne.
Es wird sich zeigen, dass die französischen Truppen nicht
in Triumph eingeführt worden sind, wohl aber, dass bei dieser
Gelegenheit viele 1000 Zuseher waren, die weder Furcht und
noch weit weniger ein Zeichen von Freude, ja vielmehr Verach-
tung blicken Hessen.
Es wird sich weiters bei der Untersuchung zeigen, dass die
Kommissions Mitglieder zu wiederholtenmahlen mit Gefahr ihrer
- 201 —
persöhnlichen Sicherheit nnd mit Gefahr der Beeinträchtigung
ihres Vermdgens den ihnen anbefohlenen Eid eines unbedingten
Gehorsames und zwar nach dem Wortlaut gegen die Befehle der
französischen Republic schlechterdings verweigert und mit diesem
standhaften Betragen erwirkt haben, dass für Steyermark keine
Proclamationen erschienen sind, dass die Feinde es nicht wagten,
ihre unmässigen Forderungen und besonders jene von 100.000 fl.
wöchentlich, welche auf Rechnung der landesfürsl. Einkünften des
Herzogtfanm Steyermarks zum voraus erhoben werden sollten, ein-
zutreiben, Kokarten auszutheillen oder tragen zu machen, Frei-
heitsbäume ausserhalb ihren Lager zu errichten und öffentliche
Redouten und Freudenfeste, welche der Gomandirende en chef zu
wiederholten mahlen ausdrücklich verlangte und welche von der
prov. lindes Kommission platerdings abgeschlagen wurde , mit
Gewalt zn veranstalten. Auch wird es sich zeigen, dass die Kom-
mission ungeachtet der persöhnlichen Beleidigungen des französi-
schen Comandirenden en chef und ungeachtet seiner Aeusserung,
dass es nur von ihm abgehangen hätte, die Mitglieder der Kom-
mission nach Paris abzuschicken, wehrend der noch nicht aufge-
hobenen Suspension sich am 23. April neuerdings seiner Wohnung
gegenüber im Landhause in Absicht auf die Beförderung des
höchsten Dienst und zum Wohl des Landes versamelte, und es
wird sieh zeigen, dass man den wohlgemeinten Rath des General
Feldwachtmeisters Freiherrn von Seckendorf und Grafen von
Meerfeld bestens zu Nutzen machte, und dass man sich sogar auf
den königl. neapolitanischen Bothschäfter Marquis de Gallo über
die hier befundenen zweckmässigen Anstalten und das standhaft
bezeugte Betragen der hiesigen Regierungs Verwaltung ohne Scheu
und ohne mindesten Bedenken beruffen darf.
Nicht minder wird es sich bei einer unpartheiischen Unter-
suchung zeigen, dass man nach der Weisung des General Gf. v.
Meerfeld zur Verpflegung der französischen Truppen, um keinen
Anlass zu Excessen zu geben und um solche nur vielmehr zu
verhindern, alles mögliche beigetragen, Führungs Kommissärs ab-
geordnet und die Kreishauptleuthe von Mahrbnrg und Cilli ersucht
habe, sich nach ihren Bestimmungsort zu verfügen, um die ge-
troffenen Anstalten zu unterstützen , und endlich wird es sich
zeigen und bestättigen, dass die Kommission zur Beförderung des
höchsten Dienstes nach Abzug der französischen Truppen alle
Stellen und Aemter ersucht und eingeladen habe, in ihre vorige
Wirksamkeit zurückzutretten, damit die Ordnung unverzüglich wieder
hergestellt und die Finanz und Kameral Gefühle ehemöglichst
in ihren vorigen Gang kommen mögen.
— 202 —
Schlüsslich wird sich auch zeigen, dass die Einwohner der
Stadt Graz and des Landes mit den Anordnungen dieser Kom-
mission vollkommen zufrieden waren; ein sicherer Beweis, dass
solclie ganz zweckmässig waren, weil das Puhlicum, welches nur
aus den Folgen urtheilt, immer der schärfste Richter ist.
Die Gewährung dieser allerunterthänigst gehetenen nnpar-
theiischen Untersuchung hoffen wir in tiefster Zuversicht von Euer
Majestät Gerechtigkeitsliehe, und zwar umsomehr, als hievon nicht
nur unsere, sondern auch die Ehre unserer Nachkommen und selbst
unseres Vaterlandes abhängt, wobei es aber fQr uns Pflicht ist
Euer Majestät offenherzig in kindlichen Vertrauen zu bitten, dass
allerhöchstdieselbe diese Untersuchung, um allen Anschein einer
Partheilichkeit zu vermeiden, einem eigenen anher abzusendeten
Hof Eomissär, welcher zugleich das vollkommene Zutrauen des
Landes besitzt, allergnädigst auftragen wollen.
Allergnädigster Monarch ! gewähren Sie doch unsere gerechte
Bitte, und Euer Majestät werden zu ihrer eigenen Beruhigung
tiberzeigt werden, dass höchstdieselben an uns getreue Unterthanen
haben, die an der Treue und Anhänglichkeit zu ihrem Fürsten
den Unterthanen anderer Provinzen höchstdero weitschichtigen
Monarchie nicht nachstehen und vielleicht vor vielen dieser Pro-
vinzen einen entschiedenen Vorzug verdienen, da sie mitten unter
dem feindlichen Heere, mitten unter den Drohungen des feind-
lichen Befehlshaber, mitten unter den Künsten der Verführung,
die doch so häufig angewendet worden sind, unerschüttert in der
ewigen Treue gegen Euer Migest&t und das Vaterland da standen;
und selbst, wenn nach der in Wien in Druck erschienenen aller-
höchsten Kundmachung vom 28. April durch widrige Umstände
der endliche Frieden ungeachtet der geschlossenen Präliminariens
Friedens Artikel vereitelt werden sollte, so zählen Euer Majestät
auf die biederen Steyermärker , auch wir sind zu Einem allge>
meinen Aufgebothe bereit, u. z. um so mehr, als die Stände Steyer-
marks schon in vorigen Jahre sich zu allem freywillig angebotheo
haben und ihre Schuld es nicht war, dass ihr allerunterthänigste^
Anerbiethen nicht berücksichtiget wurde.
Graz den 4. Mai 1797.
203 —
Erlänterangen zum yoranstehenden Tagebuohe
von Dr. F. Krone s R. v. M.
Der officielle Charakter dieses ungemein detaillirten Tage-
baches oder dieser Rechtfertigangsschrift der prov. Landescom-
mission erklärt so manche, den Gang der Tagesberichte unter-
brechende Kundgebung loyalsten Sinnes, so manche überschweng-
liche GefOhlsergiessung, anderseits den Mangel alles dessen, was
eine für die Oeffentlichkeit — wenigstens unmittelbar — nicht
bestimmte Privataufzeichnung unter den gleichen Umst&nden so
anziehend gestaltet ; wir vermissen vornehmlich den Ausdruck der
eigensten Gedanken und Empfindungen in ihrem durch die Ereig-
nisse bestimmten Wechsel, die Erzählung der Begebenheiten in
ihrer frischesten Unmittelbarkeit, die ungekünstelte Wiedergabe
der eigenen und der allgemeinen Anschauung von dem Stande
der Dinge, ohne sich viel mit dem Abwägen des Wortes, mit der
berechnenden Yertheilung von Licht und Schatten abzumühen. Da-
gegen bietet uns dieses Referat über die Thätigkeit der prov. Landes-
commission wieder das, was ein privates Tagebuch nicht bieten
könnte, eine genaue, allseitige, actenmässige Darstellung sämmtlicher
jene Thätigkeit beeinflussenden und regelnden Vorgänge, eine Dar-
stellung, welche überdies uns in die Lage setzt, manches, was die
Tradition legendenartig ausschmückte oder umwandelte, auf den
Thatbestand zurückzuführen. Dies gilt vornehmlich von der be-
kannten Scene des 12. April im Landtagssaale, auf welche wir
an betreffender Stelle zurückkommen.
In Bezug des Abdruckes dieser Quelle muss ich Einiges
bemerken. Herr KratochwiU stellte uns sein Manuscript und
die diesem selbst zu Grunde liegende Handschrift zur Verfügung.
Letztere ist eine gleichzeitig sehr rein und deutlich geschriebene
Parle des dem damaligen Kaiser Franz IL als Landesfürsten
unterbreiteten Schriftstückes, Papierband, Folio, 11 3 'A Blätter
stark, von denen 82 Vs Blatt auf den Text, 3 1 Blatt auf die Acten-
Beilagen entfallen. Herr KratochwiU legte dem Ausschusse ursprüng-
lich seine Abschrift vor, dann auf Ansuchen des Ausschusses jene
Handschrift selbst, die es mir ermöglichte. Alles von Herrn Kra-
tochwiU als nebensächlich weggelassene oder anders stilisirte zu
ergänzen, auf den Wortlaut jener Handschrift zurückzuführen und
so eine durchaus genaue Wiedergabe derselben als historischer
Quelle zu liefern. Hiebei wurde auch die Orthographie möglichst
treu gewahrt und nur dort, wo die Verständlichkeit des Textes ge-
litten haben würde, so bei der regelmässig wiederkehrenden glei-
— 804 —
cheu Bieguug des Dativ und Accusativ, fand eine Richtigstellnng statt.
Das „Bounaparte** der Handschrift warde durch Baonaparte ersetzt.
Der Verfasser dieses officiellen Berichtes der Commission,
Sigmund Graf v. Auersperg, war kein Mitglied derselben,
aber eine der wichtigsten ihr zugetheilten Persönlichkeiten, leistete
seinen Dienst im bQrgerl. Cavalleriecorps als Officier und wnrde
als federgewandter Literat und Eingeweihter in alle Angelegen-
heiten der prov. Landescommission, deren französische Cor-
respondenz er als „Secret&r** zu fahren hatte, mit dieser
Arbeit beauftragt.
Die nachstehenden Erläuterungen sind 1 . der Gorrespon-
dence de Napoleon I., IL Bd. (Paris 1 859), 2. der G r * 2 e r
Zeitung von 1797, 3. dem Sonnabendsanhang der Gräzer
Zeitung d. J. und 4. der fleissig gearbeiteten und meist richtigen
„Geschichte der merkwürdigsten Begebenheiten in der landesf.
Provinzial-Hauptstadt Grätz in Steiermark mit besonderer Bezie-
hung auf das uniformirte und militärisch-organisirte Bürgercorps
von seiner Entstehung bis zum Jahre 1842" ver£asst von
Peter Bald auf, frei resignirten Pfarrer der fürstbisch. Diöceso
Seckau, Grfttz 1843, 8^; in einigen Einzelheiten auch S c b 1 o s safs
^innerö. Stadtleben vor hundert Jahren, eine Schilderung der Ver-
hältnisse in der Hauptstadt Steiennarks im 18. Jahrb." .... Wien
1877, entnommen und ersch. als 1. Corr. N., 2. Gr. Z., 3.
S.-A.-A., 4. Baldauf und 6. Schlossar citirt.
S. HO. Das Grazer vereinigte Bürgercorps er-
langte seine einheitliche Organisation im J. 1790, insbesondere
aber auf Grundlage des mit Hofkanzlei-Yerordnnn g vom
16. Sept. 1791 sanctionirten Statutes, demzufolge seither a) ein
Jäger Corps, später Schützen-Bataillon, b) eine Grenadier-
Abtheilung von 2 Compagnieen in der Maximalstärke von
150 Mann und c) eine Cavallerie-Abtheilung von 2 Esca-
dronen in der Maximalstärke von 100 Mann die drei Einzelcorps
bildeten, die in ihrer Gesammtheit von einem Hauptansscbasse
unter dem Vorsitze des Bürgermeisters vertreten und verwaltet er-
scheinen und dessen Sitzungen als Central-Ansschusssitsongen jedes-
mal der Obercommandant des Bürgercorps (mit dem Ifilitftrrange
eines Obersten) und der Auditor beigezogen werden mnsste. (Bald-
auf S. 10—19.)
Das erste Anerbieten der Bürgerschaft zur Uebemahmc
des Wachdienstes fand 18. Jänner 1793 zur Zeit der starken
Inanspruchnahme des Militärs durch den Krieg statt. Der damalige
Landesgouverneur Philipp Graf von Welspe rg-Reitenao
— 205 —
öbernahm laut Zuschrift an den Bürgermeister Dr. Johann
Michael Steffn und an die Stabsofficiere des Bürgercorps (vom
11. Febr. d. J.)» die Vorlage dieses Anerbietens an den Kaiser.
(Baldauf S. 20—21.)
Den 1. April erliess der Magistrat an den Commandanten ^
uod zweiten Christen des Bürgercorps Franz Caspar Dehler die
Weisung, sich für die Uehernahme des allgemeinen Sicherheits-
dienstes vorzubereiten und zu ergänzen, (s. dieselbe b. Baldauf
S. 23—23.) Vgl. die 1. Beilage..
Die Bürgerwehr unter der Stadtfahne oder die sog.
Fahnenwache, ohne eigentliche Uniform, stand auch unter dem
Bürgercorps - Commando als Wachtruppe, aus Bürgern, Nichtbür-
gem, Studenten u. A. zusammengesetzt. Ihre Feldwebels, Corporäle
Qud Gefreite trugen Federbüsche, jeder Mann eine Gocarde mit
der Landesfarbe, um nicht vom Feinde als Insurgent angesehen
and behandelt zu werden. (Baldauf S. 26.)
S. 119* Mitglieder der provisorischen Lande s-
commission.
SeckauerFürstbi seh of war damals Graf J o s e f Adam
von Arco (f 3. Juni 1802).
Graf Ferdinand v. Attems, geb. 22. J&nner 1746 in Graz,
1770 K&mmerer, 1772 Reg.-Rath, 1780 Landstands- Verordneter,
1800 Landeshauptmann und geh. Rath, Curator des Joanneums,
t 23. Mai 1820.
Caspar Andr. £. v. Jakomini, geb. 18. Okt. 1726 in
S.Daniele (Görz), brachte es als Sohn eines k. k. Einnehmers durch
Fleiss und Speculationsglfick zu einem bedeutenden Vermögen,
siedelte dann nach C i 1 1 i über und wurde als unternehmender
Geschäftsmann und Geschäftsträger der Regierung ein Grossgrund-
besitzer und adeliger Laudstand, der 1778 in Graz sesshaft
wurde, 1 783 den Gedanken fasste, eine neue Vorstadt zu gründen
und dafür auch das ganze Terrain vor dem eisernen Thore an
sich brachte. Diese Vorstadt, die auch noch seinen Namen trägt,
kam bald als eine damals schmuck zu nennende zu Stande. Jako-
mini t 15. August 1805. (s. Schlossar S. 15 — 16 nach Ku-
nitsch, Biographien merkwürdiger Männer der österr. Monarchie,
IV. Bdch., Graz 1807.)
S. 121. Was das Flüchten von Privaten betrifft, so heisst
es in der Gr. Z. vom 4. April: „Hier in Graz ist es dermalen
äusserst lebhaft. Auf der Hauptcommercialstrasse, aus Untersteier-
mark und nach Obersteiermark und auf der Hauptstrasse, die von
hier nach Ungarn führt, ist es beynahe nicht durchzukommen."
S. 123. Das Sommertheater inderVorstadt befand
— 206 —
sich vor dem eisernen Thore, eine grosse BretterhQtte, in welcher
meist nur im Sommer 4 — 10 Uhr Abends gespielt warde. Ein
Director des landst. Theaters hatte 1701 diese Filiale für deo
grossen Hänfen als Stätte der ordinärsten Hanswarstkomddieo
gegründet. (Schlossar S. 34.)
S. 124. Vgl. fi. die Massregeln t. 5. April die Gr. Z. 1797.
Nr. 78.
S. 125. Feldwachtmeister (Gr. Z. nennt ihn Nr. 81, 8. April
Generalmajor) Freih. v. Seckendorf hatte 3. April sein Haupt-
quartier in Marburg und rückte mit 6000 Mann in Graz ein. (Gr. Z
6. April.) — 7. April (Gr. Z.) heisst es: „Als sie beyde (Seeken-
dorf und Hohenlohe) Abends eben von hier gegen Brack aaf-
brachen, kam bey erwähntem General ein Courier mit dem Bekhl
an , Halt zu machen und die frohe Nachricht : WalFenstillstaod.
Friede! wiederhallte durch die ganze Stadt."
Die Waffenstillst ands-Convention, auf welche sich
das Friedensgerücht bezog, war in der That zwischen den beidea
kriegführenden Mächten im Hauptquartier Bonapartes zu Juden-
burg den 7. April (18. Germinal), um Mitternacht, von General
Merveld und General-Leuten. Graf v. Bellegarde, auf der
einen , Bouaparte auf der anderen Seite unterzeichnet worden.
(Corr. N. S. 606—607, Nr. 1702.) Vgl. Bald auf S. 28— 29.
S. 129. Ueber die Aufstandsgelfiste des Landmannes
in der Umgebung von Graz gegen die Franzosen äussert sich
Baldauf S. 33, „es sei unter dem Bauernvolke die Sage ver-
breitet worden, es würde die grosse Glocke auf dem Schlossberge
zu einer ungewöhnlichen Stunde geläutet werden; dies wäre da&
Zeichen, dass man in der Stadt über die Franzosen herfalle, am
Alle umzubringen und das Landvolk aufgefordert werde , dabei
mit Waffen aller Art zur Mithülfe zu eilen. Der loebliche Sudt-
magistrat, da er Kunde von dieser gefährlichen Stimmung erhielt,
Hess das Läuten der grossen Glocke bis nach Abzog aüer
Franzosen einstellen, und schickte Männer aus dem Bürgercorps |
die theils Realitäten in den Umgebungen der Stadt besassen,
theils den Landleuten persönlich bekannt waren, zu ihnen hinaus. |
um sie von allen Gewaltthätigkeiten abzureden"
S. 131. Bezüglich des Pikette an der Weinzettelbrücke vgl
Baldauf S. 31—32. Division Gabot, richtiger G ha bot. Na-
poleons Befehl an diesen Divisionär d. v. 8. April 1797. (Corr.N)
Was das Verhalten der Franzosen betrifft, so findet sich io
der Gr. Z. vom 6. April, Nr. 79 in Bezug der von Süden heran-
ziehenden bemerkt: „Ueberall, wo sie durchziehen, wird strengste
Manuszucht gehalten.*'
— 20T —
S. 137. ADknnft Bonapartes 10. April. Nach der
uorr. N. befand sich Bonaparte 10. April in Brück (Nr. 1718,
S. 624) und traf Nachts desselben Tages in Graz ein. Die Gr. Z.
johrieb z. 10 April, Nr. 83 : „Eben heut am Morgen kommt auch
ier en chef conunandirende General Bonaparte. Er kommt nnd
bringt uns den Oehlzweig des Friedens; denn Grftz soll durch
einen hier zu schliessendcn Frieden seinen Namen verewigen.^
S 138. Ueber das gegenseitige Verhalten der Fran-
zosen und Grazer schrieb die Gr. Z. vom 12. April, Nr. 84
sehr viel Freundliches; namentlich Qber den freundschaft-
lichen Empfang der Landescommission durch Bouaparte !
S. 141. Die bezQglichen Werke des verdienstvollen Histori-
kers J. A. C&sar waren offenbar: Beschreibung Steiermarks,
2 Bände, Gr&z 1773, und Beschreibung der Stadt Graz, 3 Theile,
Salzburg 1781.
S. 148. Huldigungs frage 12. April. GegenQber dieser
aclenmüssigen, genauen Schilderang kann sich die Legende nicht
behaupten, welche bei Bald auf (S. 32 — 33) und in den Hand-
büchern über Landesgeschichte ihren Platz gefunden : Bonaparte
selbst sei in den Landtagssaal gekommen, habe zweimal den
Uuldigungseid gefordert und als Alle wieder einmüthig gerufen :
nWir schwören den Franzosen keinen Eid!^ — den Sftbel
aus derScheide gezogen, mit d es sen flacher Klinge
auf den Tisch geschlagen, einen Schimpfnamen
gegen die ste irische Nation ausgesp rochen und den
Saal mit seiner Generalität verlassen. Das ist somit eine
Entstellung des eigentlichen Sachverhaltes.
S. 151. Excesse der Franzosen betont sehr stark
Bald auf S. 33, die Gr. Z. hinwieder aus naheliegenden Gründen
die strenge französische Kriegsdisciplin. Zum 15. April, Nr. 87
heisst es hier: „Gestein sahen wir ein Beispiel der strengen
französischen Kriegsdisciplin. Sieben Mann von den hier liegenden
^nippen erlaubten sich Excesse ; sie wurden um die Mittagsstunde
vor das Paulusthor gebracht, nachdem ihr Vergehen und ihre Sen-
tenz laut abgelesen war, wurden zwei darunter von 16 Mann
erschossen, die flbrigen 5 mussten mit umgekehrten Röcken und
njit einer Schrift an der Brust, worauf Marodeur zu lesen war,
z^r Schau stehen."
S. 154. Wiedereröffnung des Theaters. DerS.-A.-A.
i^T. 87, 15. April) zufolge war das Theater am 6. April mit der
^^per: „Das unterbrochene Opferfest •* vorläufig geschlossen worden,
*ia die sechsjährige Pachtzeit des Unternehmers Jos. Bellomo
Pben damals ablief. Don Iß. (S.-A.-A. Nr. 92), am Ostersonntage,
1
— 208 -
eröffnete H.Domaratius, der neue Unternehmer den ersten Theater-
abend unter „Trompeten- nnd Pankenschall^ and bei „doppelter
Wacbsbeleuchtung^, mit einer langen Ansprache in Jamben, woram
dann der „Haasfrieden ^ von Iffland in Scene gieng.
(Wen es interessirt, findet dieselbe und das ganze Theater-
repertoire vom 1. J&nner 1797 nach dem S.-A.-A. bei
Schlossar u. A. 0. S. 66—80.)
Die anf Verlangen der Franzosen gegebene Oper war Mo-
zarts Zaaberflöte. Charakteristisch ist die Rflge des S.-A.-A.
in Hinsicht der vielen französischen Sprachschnitzer auf den An-
schlagszetteln, die in einer Stadt, wo es doch an Eondigen der
französischen Sprache nicht fehle, wahrlich vermieden werden
könnten. Am 27. April (6. Mai, Nr. 104) warde auf Verlangen
der Franzosen Zemire and Azor, Oper in 4 Aufzügen von
Gretry, gegeben, welche auch sehr zahlreich erschienen, sehr
wenige dagegen vom Stadtpublikum.
Die Vorstellung des Lustspiels: Soliman H. und die drei
Sultaninen, Lustspiel in 3 Acten aus dem Französischen vob
Favart — nach dem Abzüge der Franzosen, den 29. April
gegeben, nennt der S.-A.-A. „die erste ruhige Vorstellung".
S. 156. Friedenspräliminarien. WaffenstilLstands-
Verl&ngerung bis zum 16. April (27. Germinal) Mittemacht; ge^.
von Bonaparte und Meerveld. (Co rr. N. S. 631 — 632, Nr. 1726)
Bonapartes B e r i c h t andasDirectorium. (Leoben 16.Aprü
oder 27. Germinal). Meerveld sei 13. April 9 Uhr Morgens ein-
getroffen und der Waffenstillstand bis 20. April (1. Flor^) ver-
längert worden. Den 15. April traf Marquis de Gallo ein. Ueber
den Abschluss des Präliminarfriedens selbst, im £ggenwalder Garten-
pavillon, drückt sich in Hinsicht der Formalitäten Bonaparte sehr
geringschätzig aus ; das Ganze sei eine „Farce*', die er acceptirt
habe, „poar m^nager la puerile vanit6 des ces gens-ci'^. Diese
Berichte und die Art. prälimin. vom 29. Germinal oder 18. April
1747 s. Corr. N. S. 637—641, 648—650 und 651—653.
Die Gr. Z. feierte die Friedensbotschaft den 20. April, Nr. 9«^
mit nachstehendem Chronostichon :
GaVDete, IVbILate aVstrlaCI! Longe eXoptata
PaX nobis reDDIta
FrohLoCket, IVblLlrt OestrelChs VoeLker!
Der Lange sehnLICh geWVnsChte FrleDe Ist Vns zVrVCkgegcben.
S. 164. Bonapartes zweite Anwesenheit in Graz.
Die Gr. Z. Nr. 93 24. April bis 28. April 97, ziemlich wort-
karg, bezüglich der Abreise Bonapartes, der Diplomaten u. s. v
Als während der ganzen Invasionszeit in Graz weilende Genertle
— 209 —
stellt die Gr. Z. nachstehende zusammen : Bonaparte , Berthier,
Clarke, — Divisionäre : Dagna, Dnmas, Ney, — die Brigadiers :
Chasselonp, Doroartin, Manscourt, Beanmont, Meyer, Charron,
Marat, Davoast, Lasncs (Lannes), Fiorello, Lafont, Leclerc (Gen.-
Üj. bei Bonaparte).
Als die zwei unruhigsten Tage bezeichnet die Gr. Z.
die beiden letzten der französischen Occupation der Stadt.
S. 198— 199. Nr. 15, Beilage. Vgl. das „Zeugniss" der
Bürgerschaft bei Baldauf vom 1. Mai, S. 36 — 37.
S. 199 — 202. Nr. 16, Beilage. Dass die Regierung denn
doch die unlftugbaren Verdienste des Bürgermeisters Dr.
Steffn und des Bflrgercorps-Commandanten Dehler etc.
anerkannte, beweist die Verleihung der k. k. Rathswürde an den
Ersteren (Statth.-Erl. vom 26. Oct. 1797) im Geleite einer jähr-
lichen Personalzulage von 200 fi. und der Inaussichtstellung der
nächsten innerösterr. Appellations-Rathstelle. Commandant Dehler
erhielt eine Medaille. Die Gedächtnissfeier des Abzuges
der französischen Truppen aus Graz wurde gem&ss des Beschlusses
vom 28. Februar 1798 fQrder alljährlich auf den 28. April gelegt.
(S. Baldauf S. 38—48.)
Die chronolog. Uebersicht der französischen Invasion (o.
S. 106 — 107) ist den Actenstacken der Corr. de Napoleon I.,
II. Bd., entnommen.
- — -€"89—
MiitksU. dM Uft Veraivs t 8tei«nii«rk, ÜVm. fit«», 18S0. 14
c.
Kleinere Mittheilungen.
14*
Zar Geschichte des Eiseoerzer AafstaDdes des Jahres i683.
Ton loh« Kralni.
Es war im Jahre 1688. Nach neanzehnj&hrigem Waffenstillstände
hatten die Osmanen neaerdings den blutigen Krieg in des Herz der
österreichischen L&nder getragen. Mit 200.000 Mann war Grossvezier
Eara Mustapha sengend nnd brennend gegen Wien vorgerückt, vor dessen
Hauern er am 13. Jnli anlangte.
Die Furcht vor den wilden Osmanen war selbstverständlich eine
ungeheure. Schon das blosse Gerücht, die kaiserliche Reiterei sei bei Pe-
tronell von den Titrken überfallen und gänzlich niedergehauen worden,
wirkte auf die Gemüther der Bedrohten ungemein niederschlagend, und
bei der Kunde, dass die Barbaren bereits im Anmärsche gegen Wien
seien, entstand grenzenlose Verwirrung in der Stadt ; Wehgeheul erftUlte
die Häuser nnd Gassen, Viele wussten vor Furcht nicht, was beginnen
UDd liefen sinnlos hin und her. Bald aber ertönten auch Fluch- und
Scfaeltworte auf den Strassen, man verwünschte laut die Urheber dieses
Unglückes, zu welchen man blindlings auch die Jesuiten rechnete. Es
worde das Gerücht ausgesprengt, der Glaubens- und unzeitige Bekehrungs-
eifer der Jesuiten gegenüber den protestantischen Ungarn sei die Haupt-
Qisache an diesem Türkenkriege ; ja einige den Jesuiten Abgeneigte be-
haupteten sogar, die Habsucht dieser Ordensmitglieder nach den Gütern
der Bebellen hätte den Wienern die Feinde auf den Hals gehetzt. Kein
Wunder, wenn daher das mindere Volk, welches diesen Gerüchten bereit-
willig und ohne nähere Prüfung Gehör schenkte, an den Mitgliedern des
Ordens seinen Groll auszulassen sich bestrebte.
In Folge dessen sahen sich die Jesuiten genöthigt, den Gedanken an
eine Flucht, gegen welche sie sich anfangs sehr sträubten, dennoch zur
Aasftkhnmg zu bringen. Nur 15 Patres und 17 Laienbrüder blieben
anf Befehl des Provinzials zurück. Die Uebrigen zogen ohne alles Gepäck
u. dgl. von Wien ab, aber nicht ohne dass sich ihrer Flucht zahlreiche
— 214 -
HindemisBe entgegenstellten, denn auch unter die LandbeTÖlkenmg var
das Gerflcht von der angeblichen Schuld der Jesuiten an dem drohenden
ünglQcke gedrungen. Und da die Landleute bekanntlich nicht nur gleich
dem Stadtvolke sehr leichtgläubig sind, sondern auch zudem noch viel
zäher an einmal gefassten Meinungen und Vorurtheilen festhalten, so
grififen sie, sobald sie der Jesuiten ansichtig wurden, in blinder Wuth
zur nächstbesten Waffe und fielen Über die wehrlos Einherziehenden mit
Schimpfworten, Drohungen und Schlägen her.
Trotz dieser Gefahren erreichten die Flflchtlinge dennoch ihre Be-
stimmungsorte. Am schlimmsten ergieng es den Novizen von St. Anna,
circa 60 an der Zahl, die über Nussdorf durch den Wald nach Kloster-
neuburg flohen. Sie wurden unterwegs mit Steinwttrfen und Schlägen aus-
einandergesprengt und Einer auch arg verwundet. Die Flucht musste non
auf Seitenwegen fortgesetzt werden und auf diese Weise gelang es ihnes,
Ober St. Polten die Stadt Leoben in Obersteiermark zu erreichen, wo
sie zeitüber bis zum Entsätze und Beft'eiung Wiens verblieben.
Den in Wien zurQckgebliebenen Jesuiten war es gleichfaUs nicht
gerade am Besten ergangen. Doch erfüllten diese ungeachtet der ihnen
vom Pöbel angethanen Unbilden zur Zeit der Belagerung als Männer ihre
Pflichten, sowohl bei den Arbeiten an den Befestigungswerken und bei
der Yertheidigung , als auch an den Betten der Kranken nnd Yerwon-
deten *).
Den nach Leoben geflüchteten Jesuiten war ebenfalls das Gerficht
von den Wiener Vorgängen vorausgeeilt. Eine grosse Zahl der aus Furcht
vor den Gefahren einer harten Belagerung aus Wien Geflohenen suchte
ihr Heil und den Schutz vor den wilden Moslems in den Bergen der Ober-
steiermark. Gar manche dieser Flüchtlinge streuten nun die erwähnten
Anschuldigungen absichtlich aus nnd suchten die Bewohner gegen die
Jesuiten einzunehmen, was ihnen hie und da nur zu gut gelang. So scheint
auch Eisenerz unzweifelhaft vielen Wiener Gästen als Zufluchtsort gedient
zu haben, die durch ihre Umtriebe Veranlassung gaben zu einer Revolte
der am Erzberge bediensteten Knappen und anderer Arbeiter, die eben
gegen die Jesuiten gerichtet war.
Es befindet sich über diesen in der steiermärkischen Geschichte
bisher gar nicht berührten Knappenaufstand zu Eisenerz im Archiv der
k. k. priv. Actiengesellschaft der Innerberger Hauptgewerkschaft die hand-
schriftliche Aufzeichnung eines Zeitgenossen, welche von hohem Interesse,
insbesondere für die Culturgeschichte des Landes ist und es daher ver-
dient, an dieser Stelle zuerst wortgetreu wiedergegeben zu werden. Das
betreffende Document lautet:
*) Näheres darfiber siehe: aOeschichte des k. k. I. Siaafcsgf mnasioins is
Oras", TOD Dr. Richard Peinlich, k. k. Regierongsrath etc.
— 215 —
„Yerlaof der Anffinehr vnd Ranb, so am 14. vnd 16. Aug. 1683
durch die Vorder- ynd Innerbergeriscbe Pergarbeither vnd Pl&bauss-Leith,
wie auch Palfauerische Holz-Knecht so woll in der Jesuiter Mill als auch
in dem MayrluuiBB in Gsoll gewalttbetig verlebt worden. **
„£s8 ist ein zeithero ain allgemaine Sag herumbgangen , ob solte
von dem Leobnerischen CoUegio der Soc : Jesv ain grosamechtige Summa
Gelts, nemblichen bey dritthalb Startin voll hierhero Ober den Prepichl
auf obberierte ihre Gietter vnlengst geflecht sein worden, welches ihr
Mayr in Gsoll, Namens Simon Krempel (so ain hailloser Bössewicht vnd
gar bey Zeiten entflochen ist) das deme also seye, bejaet, vnd dem ge-
mainen Pdpl solches desto mehr zu glauben Anlass geben hat. Daraus»
dann ervolgt ist, dass am 14. dits sich nit allein alle Vorder- vnd Inner-
bergerische Aerztkhnappen , sondern auch vnterschiedliches Volckh aus
dem Camerthal, mit allerhandt Wöhr vnd Waffen, bey angehen ter Nacht
von dem Prepichl, vber siebenhundert starckh, herab vnd strags die Müll
vnd Mayrhoff zageloffen, vnd weillen sie in denen aufgeschlagenen Gässten
vnd Tnichen kain Gelt gefundten, haben sie alle Vahmusss, was sie von
Pdtt- vnd Leingewandt, ?rie auch Zfln vnd Kupfergschirr sambt andern
Mobilien an beeden Orthen gefundten, weggenomben vnd partiert. —
Darauf fiengen sie an in denen Kellern, Cämem vnd Ställen die Pödten
aofzuhöben vnd zu graben, fundten aber khain Gelt: Am Montag Vor-
vnd Nachmittag gienge der Handl noch weit übler an, dan es seint er-
melten Baubern mehr dan dritthalbhundert (von ihnen vmb Beystandt
citierte) Holz-Khnecht auss dem Admonterischen Gebiett über Per« vnd
Tall (weillen man selbe durch den engen Passs über die Wanda-Pruggen
nit gelasssen) am Sonntag zwischen 11 vnd 12 Uhr in der Nacht alhier
dorcberischcnt (?) zu Hilf komben, zu welchen sich mit anbrechenten Tage
vnsere Khnappschafft (ohne den Vorderbergeri sehen) vnd vasst alle Plä-
hauss Leith vnd vill anderes schlechtes Gesindl, Mannss- vnd Weibs-
Persohn, geschlagen, die in der Sambstag - Nacht fiberlasssene wenige
Vahrnuss, ja auch das Geringste, so nur eines Kreizers werth war,
geraubt, die Oefen eingeschlagen, die Glasfenster aussgehöbt, alle Ziemäss,
▼as von Schmalz, Butter, Schotten, Khäss, siess vnd sauerer Milch
vorhanden war, vleissig zu sich genomben vnd noch ärger alss vorhero
iiach gegraben, auch das Hey im Stadl klein durchauecht, ja sogar die
Balv: ven: Mistheuffen bis auf dem Grundt überstritt, es hat sich aber
yber alles disses Nachsuechen noch khein Gelt finden lassen. Dahero
sie noch mehr ergrimbt worden, schickhten von ihnen schockhweiss Par-
tbeyen auf die hoch vnd niedem Aelbmen, Hessen alle Ochsen, Khie,
Kölber vnd Schwein in ein Wissen zasamben treiben, schussen 5 tapfere
Schwein nider, stachen 2 Kölber ab vnd schlueg ainen Ochsen, welches
sie alles straggs verkhocht vnd verzölirten. Darauf wolten sie dass f ihrige
Vieh (so vber 2000 fl. werth ist) vntereinander verthaillen, khunten sich
— 216 —
aber des Handle nit voll vergleichen, schickten deroweeg (o kheeke Yer-
messenheit) zu denen Herrn Ob- vnd Yorgehern in den Markht herein
mit Begehm, man solle ihnen OfPicier hinauss schickhen, welche ihnen
das6 Vieh vnpartheylsch abthaillen möchten. Herr Obervorgeher schlaeg»
ihnen dises Begehm mit Manier vnd Glimpfr ab (zumahlen nit raths&mb
ist, dem rasenten Pöfl, in ipsa furia, einen Ernst ohne vberflisssiger
Gegenmacht zu erzaigen) vnd begerte hingegen (weill sie sich durch Renn
Maximilian Bischoff alss Waltmaister, so vber die Holzkhnecht zu gn-
bemieren hat, wie auch Herrn Abrahamben Abi, Rechenschreiber in der
Hiefelau von disem ihren vnsinigen Vorhaben abzustehen, nit bereden
Hessen) sie sollten wenigist ein Ausschuss von ihnen herein Bchickfaen.
mit welchen er reden vnd versuechen wolte, ob nit ein anderes medium
zu ergreiffien wäre, auf dass dise Vichverthaillnng (derfte nit sagen Ranb-
partirung) vermitten bleiben mOchte. Ess stunde gar nit lang an, da
khomben etlich vnd dreissig Abgesandte auf freyen Platz im Marckht^
den Vorhalt ad referendum zuuemehmen, der Ausschuss bestiindte in
dreyerley Partheyen, als Pergarbeither, Plähaussleithen vnd Holzkhnechteo,
welche ainhöllig meldeten, dass Vieh sambt dem Gsoll vnd aller ZaegehGr
gehöre nunmehr ihnen vnd ihren adhaerenten zue, betten Fueg vnd Macht,
solches der Gewerkschafft oder denen von Eisenärzt käufflich zu über-
lasssen, wollen derowegen bedeute Güetter hiermit gegen m/40 fl. fafll
gesprochen haben, vnd wann sie erfuehren, dass sich die Jesniter weiter
hierumben annemben wurden, so wolten sie mit sechssfach st&rckberer
Macht vnd Anzahl erscheinen vnd Alles, wass die Jesuiter zwischen hier
vnd Leoben possidieren, sich bemechtigen, wie auch dass Collegium selbst
vbergeweltigen, versicherent, dass sich in wenig Tagen, wann sie es nur
verlangen, vber 4000 Mann zu ihnen schlagen vnd ainhölUg mithalten
wurden. Dann die Societet wäre vnwidersprechlich die maiste Yrsach mit
ihrer zu Nutzen, denen Kay: Erb - Königreich vnd Lendem aber zum
Verderben eingerathenen Religions- Reformation, an der entstandenen
vngarischen Aufruehr vnd Rebellion, Verderbung Landt vnd Leith, vnd
mithin durch den jezigerweckhten bluetig vnd feurigen TQrckhen-Khrieg,
ein Gefahr der ganzen Christenheit. Welches alles von disen dem Ansehen
nach sonsten dalckheten, einfältigen Leithen gewiss mit Verwunderung
anzuhören war , vnd befundten worden , dass sich mit ihnen gar nit
vill disputieren lasse, dann die Vernunft hat dem Toben den Platz
raumben vnd dass Haubtquatier beziechen lassen miessen.
GleichwoU bemiehete sich gedachter Herr Obervorgeher (in Anhörung
einer grosssen Anzahl, so von der burglich. Gmain vnd Gewerckhschaffts
bedienten zusamben geloffen) auf alle Weiss dahin, wie er disen anf-
rüehrischen Tumult stillen vnd denen wiethenten Leithen ihr rasente
Weiss besanfftigen oder mildern möchte. Fienge deroweeg an, mit ihnen
allgemach zu tractieren, und khamc die Sach nach villen Wortwechssln
— 217 —
endlichen zam Bflchluss dahin, dass die Yichpartierung für disBmahl
niterlasssen vnd ainem Jeden, so sich zu diser Gonspiration de facto
bekhennt Tnd zusamben geschworen haben, (ausgeschlossen deijenigen,
«reiche nur das Wunder zu sechen Tnd vmb kheines Raub willen zue-
ereloifen sind) alsobalüen ein Reichstaller auf die Handt aussgethailt
«rerden solle. So auch beschechen vnd seint denen auss dem OsoU ab-
e:ezogenen Beballanten Tor dess Herrn Oberyorgehers Hanss durch den
Gwerkhschaffts Gassier gegen fünffthalbhnndert Reichstaller behendiget
worden auf guet Raittung vnd in Abschlag dess Jesuiterischen KoUfrey-
^Ites zu redimierung dess Viehes ynd Yerhiettung, dass die Gietter nit
in Brandt gestdckht werden.
Yor vnd in wehren ter Anssthaillung dess Gelts protestierten sie vill-
mahls, man solle nur das Yich vnd Guet nit denen Jesuitem lassen,
dann auf Yernehmung dess widerigen wurde Übl ärger werden vnd sie
mit vill stärkherer Macht zusamben khomben. Auf Befragen, wie sie
einen Abkaufer mit einem ordentlichen Kaufbrief versechen vnd mit ge-
miepamber Schermbtragnng versichern khunten, gaben sie alsobaldten
Tnd ohne weiteren Bedacht zur Antwortt, wass ein Feindt mit Fueg vnd
Macht einnimbt vnd selbsten nit besitzen will, dass kan er ainem Andern
rechtmesssig vberlassen, es solle ein löbl. Gewerckhschaft oder wehr
dise Güetter in Kauff nemben will, ihnen nur die geringste Turbierung
des Posess zu wissen machen, so dann wolten sie zu Schierm- vnd Schutz-
tragung zeitlich vnd starckh genueg vorhanden sein. Es wäre nur gar zu
^ill wissent, dass die Jesuiter dise Güetter auch nit mit giietten Titl
besitzen vnd an sich gebracht haben.
Auf khonnfftig Sambstag haben sie sich widerumben zusamben zn-
rotten vnd alhero zu komhen veranlasset, auch diejenige 500 fl. so dass
Collegium zu Leoben auss allhiesigen Kays. Mauttambt alle Quartall zu
erhöben hat, selbsten abzuhollen vorgenomben. Ob es beschechen wierdet
oder nit, stechet zu erwartten,-*
Damit endigt die Aufschreibung über diese Revolte. Weitere
Mittheilungen fanden sich bisher in den Archiven zu Eisenerz nicht vor.
Dagegen berichtet eine sehr interessante Aufschreibung im Besitze des
Herrn Grafen von Meran, das „Tagebuch der El. Stampferin", dessen
Wiederauffindung Herr k. k. Regierungsrath Dr. Richard Peinlich ver-
anlasst hatte, von dem Yerlaufe dieses Aufstandes der Eisenerzer Berg-
knappen. Nach der Mittheilung des Herrn Regierungsrathes geht aus
diesem Tagebuche hervor, dass die PlQnderung des Jesuitengates im GsoU
der Hauptact dieses Tumultes gewesen und dass darnach die Parole aus-
gegeben wurde, man müsse nach Leoben ziehen und ttber das dortige
Jesuitencollegium herfallen ; Einige wollten den Zug sogar bis nach Göss,
^'0 sich ein grosses Frauenstift befand, ausgedehnt wissen. Es gieng auch
das Gerächt, dass die Bauern mithalten wollten. In Yordernberg war die
— 21» -
Furcht vor diesen schlimmen Leuten mit dem Aerger Terbnnden, dass
man sich nicht mehr vor den eigenen Leuten sicher f&hlen konnte, und
da wegen des Torkenkrieges keine Soldaten zor Hand waren, so musste
man den Tumultuanten gute Worte geben, um sie zu besänftigen und sie
zu bewegen, von ihrem Vorhaben abzustehen. Es gelang dies auch ; der
beabsichtigte Raubzug wurde nicht vollends bis nach Leoben ansge-
dehnt, sondern es giengen die Leute schon früher Ober gfltliches Zoredeo
auseinander.
er
Literarische Anzeigen.
Von Prof. Dr. F. R. v. Krones, dz. V.-Voret.
1. Steinwenter , Dr. Arth: Beiträge zur Geschichte der
Leopoldin er. Arch. f. österr. Gesch., 58. Bd., S. 391— 508 und im
Sep.-Abdr., 120 Seiten, Wien 1879, 8**.
Dr. K ü m m e l's Abhandlung „ Zur Gesch. Herzogs Ernst des Eisernen*
im 25. Heft der Mitth. des hist. Ver. f. Stm. (1877) war ein willkom-
mener Beitrag zu der Geschichte eines Habsburgers, dessen Bedeutung
für das Geschichtsleben Innerösterreichs und insbesondere der Steiermark
ebenso anerkannt ist, als das Bedllrfhiss nach einer dem Standpunkte
historischer Wissenschaft gerechten Monographie über denselben. Ge-
wissermassen die Arbeit Kümmels ergänzend, an sich jedoch als Beitrag
zur Geschiebe der Leopoldiner — wenngleich mit besonderer Rücksicht
auf Ernst den Eisernen — stofflich umfassender, auf l.reiterer Grundlage
aufgebaut, erscheint die akademische Pablikation, deren Titel den Reigen
dieser kurzen literarischen Anzeigen eröffnet. Steinwenter's ebenso
(TTündliche als gnt lesbare Abhandlung bietet nicht bloss eine erschö-
pfende Yerwerthung des gcsammten im Druck vorhandenen Quellen- und
Literaturstoffes, sondern auch einiger Arcbivalien des steierm. Landes-
archivs. Die Untersuchungen des Thatbestandes im Texte und in den
aasfhhrlichen Excursen zeugen von grosser Gewissenhaftigkeit. Die chrono-
logische Streitfrage, betreffend Herzog Emst's Pilgerfahrt in's gelobte
Land, wird zu Gunsten des Jahres 1414 (zweite Jahreshälfte) gelöst.
2. Zeissberg^ Dr. H. R. y. : a)Der österreichische Erbfolge-
streit nach dem Tode des Königs Ladislaus Posthumus
(1457) im Lichte der habsburgischen Hausverträge, b)
Fragmente eines Nekrologes des Klosters Reun inSteier-
mark. Arch. f. österr. Gesch., 58. Bd«, 1. H., a) S. 1—171 und b)
217-229, und im Sep.-Abdr. (Wien 1879.)
a) Einer der massgebendsten Kenner der Geschichte Oesterreichs und
anerkannten Forscher auf ihren verschiedenen Gebieten hat eine der
— 220 -
unerquicklichsten aber wichtigsten Episoden derselben zum Oegenstande
der eingehendsten Untersuchung gemacht. Die Abhandlung, welche auch
das steiermftrkische Geschichtsinteresse unmittelbar bertkhrt, hebt mit der
Untersuchung der habsburgischen Hausverträge seit 1282 an, Torzugsweise
aber hat sie mit dem Wesen und den Folgen des TheilungSTertrages tod
1879 zu schaffen. Die Abmachungen der Leopoldiner insbesondere sät
1406 werden gründlich untersucht, vor allem aber die TerhängnissTolleo
Uebereinkünfte der beiden BrQder Friedrich (V.) und Albrecht VL seit
1440. Den Haupttheil der Arbeit bildet die ungemein detaillirte Schilderung
des Erbfolgestreites der beiden genannten Habsburger (1458), mit Zu-
grundelegung des Wiener Gopeybuches und aller einschlftgigen Quellen
bis zur Taidung des 2. Oct. 1458.
b) Die ^Fragmente eines Nekrologes des Klosters Renn in Stmk."
wurden aus der Pergamenthdschr. der Wiener Hofbibliothek 987 (TbeoL
290), durch Yergleichung mit dem Auszüge eines Renner Nekrolf^pes bei
Fröhlich, Diplom, sacra Duc. StyrisB H, 333, und zufolge der Nachrichten
Ober das dortige Archiv von Weiss (Beitr. z. K. stm. G.-Qn., 2. J.,
S. 10 ff.), mit Bruchstücken eines im Kloster Reun selbst befindlichen
Todtenbucbes, in ihrer Zugehörigkeit erwiesen und in Hinsicht des ältesten
Theües der Einzeichnungen in den Anfang des 14. Jahrhunderts gesetzt.
8. 0« Kämmel: Die Anfänge deutschen Lebens in Oester-
reich bis zum Ausgange der Karolingerzeit. Leipzig, Verlag
von Duncker und Humblot, 1879 j VTH und 327 Seiten, 8».
Kämmel, dessen gehaltvolle Programmarbeit von 1877 : „Die Anfänge
deutschen Lebens in Nieder- Oesterreich während des 9. Jahrb.* (Leipzig,
Teubner), als Vorläufer des grösseren Werkes, die freundlichste Aulnabme
bei den Fachmännern fand, liefert hier die erste Abtheilung eines gros-
seren Unternehmens, dem er den Titel: «Die Entstehung des österr.
Deutschthums" gibt. Der reiche Inhalt des auch für die älteste Geschichte
der Steiermark bedeutenden Werkes gliedert sich in drei Haupttheile: a) D i e
keltisch-römische Grundlage, b) Der Untergang der Römer-
herrschaft und die Einwanderung der Slaven und c) Die
deutsche Colonisation während des neunten Jahrhunderts.
Der erste Haupttheil zerfällt in 4 Abschnitte: L Die römische Er-
oberung, U. die Zustände Noricums und Pannoniens zur Zeit der Unter-
werfung, III. römische Verwaltung und Cultur bis auf Diocletianus und
IV. das Christenthum und die Vorboten der Völkerwanderung. — Der
zweite Haupttheil umfasst: I. Das Erlöschen des römischen Lebeos,
n. die Ansiedlungen der Slaven (spec. S. 148—169 auch im Gebiet« der
Drau, Mur und oberen Enns) und III. der Zustand des Landes unter
den Slaven und Avaren, während der letzte: I. Unterwerfung und Be-
kehrung, n. staatliche und kirchliche Organisation, UI. die Ansiedlungen
— 221 —
der Deutschen (8. 260—264 spec. in der Steiennark) und IV. die Cultur-
verhältnisse im Zeiträume des neunten Jahrhunderts in sich schliesst.
Die Beilagen des umsichtig und fesselnd geschriebenen, auf breiter
Literaturgrundlage abgefassten Werkes behandeln die Stftmme Pannoniens,
Fa?iana = Mautern und Aelium Cetium = S. Polten und liefern ein Yer- ;
zeichniss der am häufigsten citirten Urkunden.
4. Kummer^ Dr. Carl Fr. : DasMinisterialengeschlechtvon
Wildonie. Arch. f. österr. Gesch., 59. Bd., l. Hälfte, S. 177—322
(und Sep.-Abdr.), Wien 1879.
Die poetischen Erzählungen des Herrand von Wildonie
und die kleineu innerüsterr. Minnesänger. Wien 1880,
Holder, 8».
Die erstangeführte Abhandlung ist eine im familien- und güterge-
Bchichtlichen Theile sehr detaillirte und den Gegenstand in Hinsicht der
politischen Bedeutung des Geschlechtes erschöpfende Monographie. In
Bezug der genealogischen Vorgeschichte der Wildonier verhält sich Kum-
mer mehr negativ, indem er die Identität der Wildonier mit den früher
erlöschenden Herren von Hengest und ihre Verwandtschaft mit den Herren
von Ruckersburg in Abrede stellt. Eine Masse urkundlichen Materials
finden wir verwerthet und überdies im Anhange 26 Urkunden abgedruckt.
Kummer's Arbeit iet nach ihrer materiellen Seite hin eine willkommene
Bereicherung unserer mittelalterlichen Landes- und GeKchlechtergeschichte.
Die zweitangefülirte Publikation ist vorzugsweise literargeschicht-
lichen Charakters, aber auch als kulturhistorisches Essay von Bedeu-
tung und insbesondere ftlr die Eenntniss des geistigen Lebens der Steier-
mark im 13., 14. Jahrh. von Belang. Wir lernen den ganzen Kreis der
»kleineren** Sänger von Lenz und Liebe kennen, voran den Wildonier
und den Stadecker.
5. A. Wolf: Geschichtliche Bilder aus Oesterreich. II. Bd.,
Wien 1880, V und 409 Seiten.
Gerade dieser Band des an kulturgeschichtlichen Details reichen
und anziehend geschriebenen Werkes enthält Vieles was der Steiermark
zugehört. Berührt schon vielfach die „Einleitung" dieses Land, so ist
gleich die erste Biographie: Maria Elisabeth Stampfer (1687—1696)
die Lebensgeschichte der Vordernberger Radmeistersgattin, geb. De-
lator, ein Styriacum, welches mit der Charakteristik des innerösterr.
steierm. Bergbaues ein sehr anheimelndes bürgerliches Lebensbild ein-
leitet. Anch die Lebensgeschichte des Grafen Sigmund Joachim von
Trautmannsdorf (1686—1706) streift das steiermärkische Interesse
und Gleiches ist bei dem IV. Personen- und Zettenbilde: Graf Sigmund
FriedrichKhevenhüller (1666-1742) der Fall, z. B. was die Erbhuldi-
— 222 —
gongsfeier betrifft. Am meisten bietet nächst dem Anfangsst&cke da^
Schlu888tflck YIU. Städte and Bfirger 1650—1792 nnd zwar dorr}
den Abschnitt (889—409): Franz Schönbeck, Wachszieher in Grv
(1756—1883), seine Lehr- und Wanderjabre, die Stadt Graz im aeht-
zehnten Jahrhundert, Bericht Schdnbeck's Über dieFranzosenin Oest&*
reich (insbesondere in Graz) 1797, 1809, Leiden und Opfer des BOmr
thums (1792-1817), Schönbeck's Ende (der, unverschuldet in DOrftigkeit
verfallen, als einsamer PfrQndner im Münzgraben starb) und die Charik-
teristik des Stilllebens in Graz vor 1848.
6. Hans Y. Zwiedineck-Sfidenhorst: Hans Ulrich FfirstvoD
Eggenberg, Freund und erster Minister Kaiser Ferdi-
nand II. Mit zwei Medaillon-Porträts. Wien 1880, Wilh. BraumOller,
VI und 236 Seiten, 8».
Es ist ein Wechsel volles, an inneren Erschütterungen und äasserem
Waffenlärm reiches Stück der Geschichte Oesterreichs, innerhalb dessen
die staatsmännische Thätigkeit des bedeutendsten der Eggenberger ihre
Kreise zieht. Stiller ist ihre einleitende Phase, die auf dem Boden Inner-
österreichs verläuft, aber auch sie ist bedeutungsvoll, und gehört die
Gestalt Hans Ulrichs, des ersten Fürsten von Eggenberg, dem dynastischen
Oesterreich im Grossen und Ganzen an, so darf die Steiermark im Be-
sonderen ihn zu den Ihrigen zählen. In ihr wurzelte zunächst das Glück
seines Hauses, das Stammkapital seiner Erwerbungen, und bis an sein Lebens-
ende gewahren wir die vielgliedrige Kette persönlicher und amtlicher
Beziehungen, welche ihn und sein Heimatland aufs Engste verbanden.
Zwiedineck-Südenhorst's Buch ist die erste quellenmässige Monographie
über die Eggenberger, deren man bislang entbehrte, hier detailreicher,
dort skizzenhafter, wie das ihm eben vorliegende Material gestattete, und
ihre Form, der Styl fesselt das Interesse.
Die Einleitung gibt Rechenschaft über die persönliche Meinung des>
Autors von seinem Helden, seiner historischen Rolle und der G«Desi^,
der Natur des Buches. Der erste Abschnitt (1568 — 1608) fUirt uns in
das Jugendleben des Eggenbergers und zugleich in dessen besten Manoe>>
jähre ein, welche er als geheimer Rath und Hofkammerpr&sident Erz-
herzog Ferdinands von Innerösterreich am Grazer Hofe und als Diplomat
auswärts bis zum Tode der Regentin-Mutter Erzherzogin Maria von Baiem
verlebte. — Der zweite Abschnitt bebandelt die Jahre 1608 — 1618, die
Rolle Eggenbergs in der grossen Krise , die sich an den habsborgiscb-
österreichischen Bruderzwist und Mathias' Alleinregierung (s. 1611) knüpft ;
es zeigt ihn auch als gewinnstreichen Geld- und Güterspeculanten. Im
dritten Abschnitte 1618—1623 haben wir es mit dem Uebergange Ge-
sammtösterreichs an den steiermärkischen Ferdinand und der Entschei-
dung der grossen Krise durch die Schlacht am weissen Beuge an tbon.
— 223 —
Eggenberg's Gestirn steht im Zenith ; er, der Prinzipalminister Ferdinands,
Director des geheimen Rathes, erlangt die FOlle böhmischer Herrschaften,
die einst den Rosenbergem gehörten und anderen Besitz noch, sammt
der Fflrstenwürde. Von 1623—1631 (vierter Abschnitt) geräth der Eggen-
berger immer mehr als handelnder Vordermann in die verworrenen Kreise
der europftischen Politik, welche ein grösserer Name, der Wallenstein's.
seit 1626 beherrscht. Es war nicht Eggenberg's Schuld, dass der Fried-
länder im verhängnissvollen Jahre 1630 verabschiedet wurde, aber er wich
da stärkeren Verhältnissen. Als Generalstatthalter von Innerösterreich
bat er zumeist mit finanziellen Fragen zu schaffen. Der Lebensabend des
Eggenberger's (1631—1634, fünfter Abschnitt) verläuft in der grossen
Venricklnng, welche Gustav Atlolf und Wallenstein heraufbeschwören,
der Fall des Letzteren hat den «Staatsmann'' Eggenberg bei Seite
gedrückt, sein persönliches Verh&Itniss zu dem Kaiser bleibt ungetrübt;
aber er überlebte nicht lange die unselige Wendung.
An die „Noten*^ knüpft sich ein ziemlich starker „Anhang'' von
Briefen, Acten und Urkunden zur Geschichte des Fürsten Hans Ulrich
Ton Eggenberg (65 Stücke), von denen manches, z. B. das kais. Memorial
vom 12. April 1632 für die Verhandlung des Eggenberger's mit Wallen-
Btein, von bedeutenderem historischen Interesse ist. Die Ausstattung des
Boches ist geschmackvoll.
7. Br.F. M. Mftyor (in Graz): Untersuchungen über die öster-
reichische Chronik des Matthäus oder Gregor Hagen.
Arch. f. österr. Gesch., 60. Bd., 2. H., S. 295 ff. (Sep.-Abdr. 48 Seiten.)
Wien 1880.
Diese Abhandlung hat das Verdienst, eine ziemlich schwierige Quellen-
£rage ihrer Ldsoag entgegengeführt zu haben. Mayer untersucht mit Zu-
grundelegung eines allerwärtsher beschafften Handschriftenapparates die
in Rede stehende Quelle, welche sich eines allgemeineren Ansehens erft'eute
ond vielsdtig ausgeschrieben wurde. Die Ghrundlage bildet eine Welt-
cbronik, in welche die Landesgeschichte Oesterreichs eingefügt erscheint.
Die kuriose „heidnisch -jüdische Urgeschichte des Landes Oesterreich",
eine der abenteuerlichsten Fabeleien, wird von mehreren Handschriften
bezeichnend „ein sehr kurzer Auszug aus einer grossen österreichischen
Chronik^ genannt Für die Landesgeschichte Oesterreichs benützte der
sogenannte Hagen das Fürstenbuch Jansen BnenkePs, des Zeit-
genossen der babenbergischen Schlusszeit und ihrer Nachwehen, die Reim-
chronik des Steiermärkers Ottokar und ein Jahrbuch derhabs-
bargischen Klosterstiftung Königsfelden in der Schweiz, welches wir
jedoch nur mehr in dem Auszuge des Glevi Fryger von Waldshut kennen.
Hagen ist nur als Epitomator und Abschreiber des unter seinem Namen
laufenden Werkes anzusehen; als eigentlichen Verfasser macht Mayer
— 224 —
den Theologen Jobann den Seffner mehr als wahrscheinlich. Der-
selbe scheint identisch zu sein mit dem bei der Wahl des S. Lam-
brechter Abtes Rudolf Liechten eck er (1387, 5., 6. M&rz) urkundlich
genannten Johann Sefher, „Baccalaureus und Notar der aquilejer Diöcese*.
Seine Herkunft weist auf die Steiermark, allwo häufig in den Ur-
kunden des 14. Jahrhunderts Sefher yorkommen. Seine Bekanntschaft mit
der Stadt und Gegend G i 1 1 i spricht auch daftlr. Seit 1891 erscheiiit er
an der Wiener Universität.
8 Jahresberiehte der Gesehichtswissenschaft^ im Auftrage der
historischen Gesellschaft zu Berlin herausgegeben yon Dr. F. Ab r a h am.
Dr. J. Hermann, Dr. Edm. Mayer; I. Jahrgang, 1878. Berlin
1880, Vm und 663 Seiten, gr. 8".
Dieses Unternehmen soll einem unläugbaren Bedürfnisse der Histo-
riker Yom Fache und des geschichtsfreundlichen Publikums Oberhaupt
abhelfen. Durch Auftheilung des Referates Ober die Masse der jährlich
erscheinenden historischen Publikationen unter zahlreiche, dem unter-
nehmen gewonnene Fachmänner, Gruppirung der eingelieferten, nur das
Wesentliche und Neue hervorhebenden Berichte nach geographisch-staat-
lichen Gebieten und durch alphabetische Verzeichnisse der besprochenen Pu-
blikationen, gelang es nach mancherlei in der Natur der schwierigen Arbdt
begründete Hindernissen und Verzögerungen den Bericht über die Erschei-
nungen des Jahres 1878 fertig zu bringen. Diesem ersten Jahresberichte
dürfte der zweite über die Publikationen des J. 1879 noch in diesem
Spätjahre folgen. Das Alterthum erscheint in 12 Abschnitte geglie-
dert und unter 11 Referenten vertheilt. Das Mittelalter omfasst
38 Abtheilungen )nit eben so viel Berichterstattern, während der Neu-
zeit 24 Referate und Referenten zufallen. Von hierortigen Referenten
haben Director Dr.'Il wof für die sächsische Kaiserzeit bis 1002, Krones
ilXr die österr. Lindergruppe von der Urzeit bis 1526 und Prof. Dr. t.
Zwiedineck-bc^denhorst für die Gulturgeschichte der Neuzeit ihre
Berichte eingeliefert.
9. Historiselies Jahrbuch^ herausg. von der Görres-Gesellschaft, red.
von Dr. Georg Hüffer. I. Bd., 1. H., Münster 1880, 182 Seiten, 8^\
Wir finden darin ein Concurrenzuntemehmen, der histor. Zeitschrift
von Sybel an die Seite gestellt, welches einen stattlichen Kreis Ton Mit-
arbeitern zählt und in schöner Ausstattung sich ankündigt. Von Grazer
Mitarbeitern sind die Univ.-Professoren und Dr. Theol. B. t. Scher er,
Schuster, Stanonik, Regierungsrath Prof. Dr. J. B. Weiss und
Dr. V. Zahn, Landesarchivs - Director, verzeichnet. Noch einem Yereins-
mitgliede, P. A. Weiss, Bibliothekar des Cisterzienser - Stiftes Renn,
begegnen wir darin.
— 225 —
Der einleitende Artikel von Hü ff er: RZur Orientirung'', bürgt für
die Wissensclmftlichkeit des Programmes, das den katholisch-confessio-
nellen Standpunkt wahren aber jede polemische Tendenz ausschliessen will.
Unter den 5 Abhandlungen ist die umfangreichste die des Graz er
Mitarbeiten P. A. M. Weiss (0. P.): »Die Entwicklung des christlichen
Bitterthoms. Studien über die Rolandsage ", ein auf umfassenden historisch-
germanistischen Studien beruhendes Essay.
Recensionen und Referate bilden die 2. Abtheilung des Jahr-
boches, das jährlich in 4 Heften erscheinen soll.
10. Mittbellungen des Institates fflr österrelehlsehe Ge-
SChichtsforSChung^ unter Mitwirkung yon Tb. Sickel, M. Thausing
und H. R. T. Zeissberg redigirt von E. Mühlbacher. Innsbruck,
Verlag der Wagnerischen Buchhandlung, gr. &\ 1880, I. Bd., I. Heft,
176 Seiten, 2. Heft (S. 179—389).
Wir dürfen nach den beiden vorliegenden Heften, denen bald das
dritte folgen wird, das Unternehmen als die erste wissenschaftliche und
gesammt-österreichische Revue der heimischen Geschichtsfor-
schung and Geschichtschreibung auf das Freudigste begrüssen. Gehörten
doch dem genannten Institute in Wien, aus dessen Schoosse das ange-
zeigte Unternehmen hervorgeht und dessen Entwicklungsgeschichte Hofrath
Prof. Dr. Sickel (1. Heft, S. 1~19) liefert, Historiker in allen Theilen
Oesterreichs als Zöglinge an und zwar seit seiner Gründung (1854), als
einst und noch gegenwärtig in Graz wirkend, chronologisch an einander
gereiht: Erones, Univ.-Prof. Dr. Roh. Rösler (f 1874), Landesarchivs-
Director Dr. Josef v. Zahn, Prof. Dr. Pangerl.(t 1879 als Prager
Professor, früher im hierortigen Joann.- Archive an^t^stellt) , Dr. Hipp.
TauBchinski (einige Jahre in Graz weilend), Raim. Schubert (Archivs-
Beamter am Joanneum in Graz, f 1864), Prof. Dr. Th an er (zu Innsbruck,
früher Docent des Kirchenrechtes in Graz), Univ.-Prof. Dr. Arnold L u s c h i n
V. Ebengreath, Gymn.-Prof. und Univ.-Doc. Dr. Wilh« c h m i dt, Realsch.-
Prof. und Univ.-Doc. Dr. Fr. Mayer, dz. Schriftf. den bist. Vereines, und
Dr. Ferd« Kalten brunner, Univ.-Doc
Das Programm des Unternehmens kennzeichnet am besten seinen
Umfang und die bisher erschienenen Yierte^jabreshefte erweisen die ge-
wissenhafte und plangerechte Durchführung dieses Programmes.
»Der Richtung des Institutes entsprechend, soll in den Mittheilungen
Geschichtsforschung für Mittelalter und Neuzeit im weitesten Umfange
Vertretung finden. Die Abhandlungen werden ausser der allge-
meinen Geschichte auch Rechts-, Kunst- und Gulturgeschichte, sowie die
liistorischen Hilfswissenschaften (Quellenkunde, Diplomatik, Paläographie,
(^nologie, Siegellehre u. s. w.) berücksichtigen, und zwar ohne Be-
schränkung des Inhaltes auf den speciell österreichischen
VitthttU. dM hSflt. VereiBB f. Steiannwk, XXVUII. Heft, 18S0. 15
— 226 —
Stoff und ohne Beschränkung der Mi t arbeiter anf
den Kreis der ehemaligen Institutsmitglieder. Die
kleinen Mittheilungen sollen unbekannte Dokumente von all-
gemeinerem Interesse, Berichte über Funde in Archiven und Bibliotbeken
und Aufsätze zur Richtigstellung einzelner geschichtlicher Thatsacben
bringen.
Der Liter atur her i cht wird die wichtigeren neuen Erscheinonj^n
auf jenen Gebieten besprechen : besondere Aufmerksamkeit soll der nicht-
deutschen Literatur Oesterreich- Ungarns gewidmet werden, um dnrcfa
fortlaufende Referate über ihren jeweiligen Stand zu orientiren und ihre
Ergebnisse weiteren Kreisen zu vermitteln. Dem literarisch - kritischen
Thcile werden Inhaltsverzeichnisse sämmtlicher das Programm
berührender Zeitschriften Oesterreich-Ungarns und eine
möglichst vollständige Bibliographie der genannten Fächer beige-
geben werden."
Das erste Heft bietet program mgemäss : 6 Abhandlungen, 10 kleine
Mittheilungen , 8 Literaturanzeigen , deren Schluss die üebersicht der
periodischen Literatur Oesterreich-Ungarns macht, als „Personalien*
den Nekrolog des leider früh verstorbenen Dr. K. Foltz und ein Ver-
zeichniss der Mitglieder des Institutes für österr. Geschichtsforschunfr
Im 2. Hefte sind 3 Abhandlungen, 7 kleine Mittheilungen, 7 Literatur-
Anzeigen und die Üebersicht der periodischen Literatur Oesterreich-
Ungarns untergebracht.
11. Steiermärkische Oesehichtsblätter^ herausg. von Dr. J.v
Zahn, Landesarchiv- Director, I. Jahrgg , 1. Heft, Graz 1880, Druck und
Verlag von Leykam-Josefsthal, 64 Seiten, 8", mit einer Incunabelrepro-
duction als artistische Beilage. (Preis des Einzelheftcs 1 fl. 20 kr. 5. W.)
Diese von unserem Ausschussmitgliede herausgegebene Publication
heissen wir bestens willkommen. Sie möge als Nachbarin und Verböndetf
unserer Vereinspublikationen recht heimisch werden im Lande, den
Geschichtsfreunden zu Nutz und Frommen.
Der Inhalt des 1. Heftes bietet 1. als „Geschichtslogende" das Bruch-
stück einer deutschen Handschrift des Landesarchivs aus der 2. Hälfte
des 16. Jahrb., „wie die Herren von Liechtenstein und Stuben-
berg vor Kaiser Friedrich Gnade fanden ■*, mit einer erläuternden An-
merkung. Es ist dies ein interessanter halb historischer halb legenden-
hafter Beitrag zur Baumkirch er- Historie; 2. u. d. T. : „Vom Ilof-
lager Kaiser Friedrichs III. in Graz", zwei lateinische Briefe Dr. A
Scheue k's an B. Georg v. Chiemsee, Generalvicar von Salfbui*
aus dem Admonter Archiv (v. 29. Juni und 7. Juli 1484) ganz im cha-
rakteristisch geschraubten Style der damaligen Humanisten. Als 3. Rom-
fahrten im Interesse deutscher Prälaten, wird (I.) „Dr. Pfisters Reise
— 227 —
nach Rom beboffi Erlangung der Bestätigang für Bischof Moriz von
F r e i s i n g 1559 — 1560 (nach einer Abschrift aus Heckenstaller's
Frisingensia . . .) abgedruckt: ein lehrhafter, in gemQthlichem Deutsch
geschriebener Bericht, wie lange man in Rom herumgezogen werde und
was an allerhand Schwulitäten und Zehningskosten bei solcher Reise
auflaufen. Nr. 4 und 6 bietet zwei Gräcensia von allgemeinstem Interesse
fiir die Geschichte des Sanität swesens und der Projectenmache-
rei. Erstere Nummer enthält a) das „Promemoria des landschaftlichen
Pbysikus Dr. Jak. Schober, betreffend die liebelst an de bei den
Apotheken in Graz überhaupt und bei der Landschaftsapotheke im Be-
sonderen und die Mittel zu deren Abhilfe'' vom Jahre 1580, in welchem
den „welschen** Grazer Apotheker- „Gesellen" als „Spieler, Sauffer und
srortatores*' kein sonderliches Loblied gesungen wird und b) das nGut-
achten der drei landsch. Physiker (Gäbelchouer, Schober und Stoltz), be-
treffs Visitation der Apotheken in Graz überhaupt und Einrichtung
nnd Verwaltung der Landschaftsapotheke daselbst insbesondere" vom
Jahre 1582 (April). Die zweitangeftlhrte Nummer enthält überaus interes-
sante ^ Acten stücke , betreffend ein Project des reichsritterschaftlichen
Hauptmannes Job. Jac. v. Seeland in Graz, mittelst einer allgemeinen
Steuer auf sämmtliche Privatbedienstete im Lande und Zurelsende die
erste Stadtbeleuchtung einzuführen" (nach Original- Conceptcu und Copien
im steierm. Landesarch.) aus den Jahren 1718, 1719, 1723, 1724. Der
Projectenmacher drang aber nicht durch, wie sehr er sich endlich auch
bei dem Kaiser darum ansetzte. Zwischen diesen beiden Nummern findet
sich als V. unter der Ueberschrift : „Aus fernen-' Reichen: „Schreiben
eines österreichischen Jesuitenmissionärs an den Probst von Pol lau,
betreffend seine Reise nach Mexiko und seine Erfahrungen daselbst".
(Landesarch.) Interessant ist darin die Stelle, welche die Gegend von
Mexiko als in vielen Theilen der Steiermark ähnlich bezeichnet.
Die Vn. Abtheilung bilden Abdrücke der ältesten Privilegien von Juden-
hurg (1270, 1276, 1277) und Fürstenfeld (1277). Im „literarischen
Anzeiger" finden wir Besprechungen neuer Publikationen. Den Schluss
föllen historisch • bibliographische Notizen für Steiermark
(y. Jänner bis 15. März 1880). Eine sehr anziehende Beigabe ist die
typographisch treue Reproduction eines Abschnittes aus der sog. Nürn-
berger Chronik als deutscher Ausgabe des Chronicon Hartmanni
Schedelii, welcher dem lateinischen Originale, der Europa des Aeneas
Sjlvius, die Beschreibung der damaligen Steiermark entlehnt.
Die Austattung des Heftes gereicht der Druck- und Verlagsfirma
zur Ehre.
12. Job. Krainz: Mythen und Sagen aus dem steirischen
Hochlande, gesammelt und herausg. von — 1.— 4. Heft, Brück a.
15*
— 228 —
d. M., Druck und Vorlag von Carl Jilg, 1880, 8«. Preis je 36 kr. —
Wanderungen durch Steiermark, als 32. B&ndcben d«r Volks-
und Jngendbibliothek von Jessen, Verlag von A. Pichler'» Witwe
und Sohn (Wien 1880), 92 Seiten, 12^ — Sagen aus Steiermark,
als 35. Bändchen dieser Sammlung.
Krainz ist ein in literarischer Thätigkeit stetig wachsender Msaa
der Volksschule, welcher Land und Leute kennt, dem es um die heimat-
liche Geschichte, insbesondere nach der Culturseite hin, emstüch za thun
ist und der auch das Geschick besitzt, den verschiedensten Fanden seines
Sammlerfleisses entsprechende Gestaltung zu verleihen. Alle drei Publi-
kationen geben hieftkr Zeugniss. Insbesondere mOssen dem Geschichts-
freunde die zahlreichen historischen Sagen im erstangeführten Unternehmen
willkommen genannt werden.
18. Carl Jauker: Das Herzogthum Steiermark, als rV. Bd. der
Sammlung: Die Länder Oesterreich- Ungarns in Wort und Bild, herausg.
von Dr. Fr. Umlauft Wien, Verlag von G. Gräser, 180 Seiten,
kl. 8" (mit zahlr. Abbild, und einem Titelbilde in Farbendruck).
Ein fleissig gearbeitetes und lebendig geschriebenes BQchlein, das in
der Form einer Wanderung durch die Steiermark, touristische und meist
richtige Schilderung mit geschichtlichen Erläuterungen verknüpft. Den
Anfang macht die ^ geschichtliche Entwicklung des Landes **, ihr folgt eine
allgemeine Erörterung ttber „Land und Leute** und dann als Ausgangs-
punkt eine ziemlich ausführliche Skizze von Graz und seiner Umgebung.
OiT»,
^^
MIHHEILÜNGEN
DBS
fflSTORISCHEN VEREINES
FÜR
STEIERMARK
m^
HBBAU80B0BBSN
VON DESSEN AUSSCHÜSSE.
s.«^y^y^**
- HEFT.
Grai, 1881.
Im Selbstverlage.
In Commuisioii der k. k. Üniversitäts-Bachhandlung
Leuschner & Lubensky.
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,7
MITTHEILUNGEN
DBS
KESTOBISCHM TEBJIINES
rÜR
STEIERMARK.
HERAÜSOEOEBEN
VON DESSEN AUSSCHÜSSE.
HEFT.
Graz, 1881.
Im Selbstverläge.
In CommisBion der k. k. UniverslUtB-Biichhandlung
Leuschner & Lubensky.
Druck von Leykam-Josefsthal in Graz.
Inhalt.
A. Tereins - Angelegenheiten.
Chronik des Vereines III
Veränderungen im Personal stände des Vereines XI
Ausweis über die Cassa-Gebahrung XII
Zuwächse :
A. Für die Bibliothek XIV
B. Für das Archiv XXIII
C. FQr die Kunst- und Alterthumssammhing XXIV
B. Abhandinngen.
lieber steiermärkische Taufnamen, von Landesarchiv-Director v. Z a h n 3
Das stadtische Wirthscfaaftswesen von Graz im Jahre 1660, von
Dr. R. Peinlich 57
Erzherzog J ohann und das Joanneums- Archiv, von Dr. Emil Kümmel 106
Mittheilungen aus dem Fürstenfelder Stadtarchive, von Hans Lange 141
Achtzig Jahre (1665—1745) aus dem Gemeindeleben des Marktes
Kindberg, von Prof. H. J. Bidermann 153
G. Kleinere Mlttheilnngen.
I>ie Vesten Klausenstein und Holenstein, von Ignaz Großen . . . 235
Altes Messgewand in der Radmer, von Johann Krainz 237
Alte Bilder in Eisenerz, von Johann Krainz 239
Zu G. M. Vischer's Wirken in Steiermark 239
Das Jagd-Buch von Burgau, von Hans Lange 243
Aus dem Kriegsjahre 1809, von Hans Lange 247
Register.
ArchiT^ s. Joanneums- Archiv.
Aust y Bezirks - Gorrespondent in
Gaal. IX.
Anssielliing'.i s. Landes-Ausstel-
hing.
Baoernkriegr von 1525, s. Walcber.
Beitrftg'e zur Kunde Bteierm. Ge-
schieb tsqucllen, Nichterscheinen
derselben. X.
Bibliographie , historische , von
Steiermark, Nichterscheinen der-
selben. X.
Bidennann^ Achtzig Jahre (1665
bis 1745) aus dem Gemeindeleben
des Marktes Kindberg. S. 158
bis 232.
Bilder, alte, in £isenerz. S. 239.
BlsehofT, Dr. Ferd., Wahl zum
Ausschussmitglied. X.
Bfir^er - Anssehnss in Graz im
Jahre 1667. S. 72.
Borgmn, Jagdbuch von . . . S. 243
bis 246.
Barkhardt, Wahl zum Rechnungs-
revidenten. X.
C-
Chrifltopbsbmderschaft, Vortrag.
VIII.
Kggenbergrer Urkunden. III-
Ehrendiplom der Landes - Aus-
stellung. VII.
Einladungsschreiben zum Eintritt
in den Verein. V.
Eisenerx. S. 239.
Ferdinand II., Kaiser, S. 237 bis
238.
Ferky Wahl zum Ausschussmit-
mitglied. X.
Ferk-Mnsenm in Gamlitz, EröfiT-
nung und Besuch desselben. VI.
Festschrift zur Erinnerung an die
Erhebung der Steiermark zum
Herzogthum (1180). X.
Fradeneck, Franz v., S. 113.
Franzosen in Steiermark (1809).
S. 247—248.
Fflrstenfeld^ s. Lange.
GamlitZ; s. Ferk-Museum.
Geselligkeitsabende. VIII.
GraZ) dessen Wirthschaftswesen im
J. 1660, s. Peinlich. — Einkünfte
und Ausgaben der Stadt im J.
1721, S. 80—85.
GndenaSy Baron, Geschenk von 15 fl.
VI.
Garlitt, VortriiR über Reisen im
Peloponnes. VIII.
Höfisches Leben im Mittelalter,
Vortrag, s. Reissenberger.
Holenstein, Vcste, s. Orozen.
Hormayr, Jos. Freiherr v.,S. 109 f.,
130, 134, 139, 140.
I.
Ilwof, Wahl zum Vereinsvorstand.
IX.
— VI —
Jagdbnch von Burgau. S. 243—246.
Jeiiiill, Dr. Joh. S. 119.
Jomnneams • Archi? y Erzherzog
Johann und das..., s. Kfimmel.
Johann^ £rherzog, und das Joan-
neums- Archiv, s. Kftmmel.
Johanntter-Ordeng-Comthare in
FOrstenfeld. 8. 152.
Kaiser^ Glückwunsch des Vereines
zum 50. Gehurtsfest S. Maj. des
Kaisers. YII.
Kaiserfeld, Moriz von, KröfTuung
derFestversammlung am 29. April
1880 und Schlussworte. IV.
Kalchbergy Joh. Ritter von. S. HO,
112, 116, 110—123, 125 135,
138—140.
Karlmann , Schenkungsurkunde
Königs Karlmann von 977. S. 1 19.
Kindbergr^ s. Bidermann.
Klansensteln, Veste, s. Großen.
Kleiderordnuiigreii ^ steiermärki-
sche, des 16. Jahrh., s. Peinlich.
Kollmann Ignaz, S. 126. 129, 131,
133, 139, 140.
Krains, Bezirks- Correspondent in
Eisenerz, IX. — „Altes Mess-
gewand in der Radmer**, S. 237
his 238. — .Alte Bilder in Eisen-
erz", S. 239.
KriegTSjalir 1809. S. 247 248.
KroneSy dessen Vortrag über die
Vereinigung der Steiermark mit
Gesterreich, IV, dessen Schrift:
jyder hist. Verein f. Steiermark**
etc. V, — dessen Vortrag über
das Zauber- und Receptirbuch
Stangl's, VIII, Wahl zum Vor-
stand-Stellvertreter. IX.
Knmar Jos. Aug., S. 130, 181,
132, 133.
Kümmel, Erzherzog Johann und
das Joanneums - Archiv. S. 106
bis 140.
Landes- Aasstellangr» Betheilignng
an derselben. VII.
Landtagrs-SabTentloii, s. Subven-
tion.
htokgej Bezirks-Correspondent in
Fürstenfeld, III, IX. — ,Mit-
theilungen aus dem Fftrstenfelder
Stadtarchive**. S. 141-152., Das
Jagdbuch von Burgau*" S. 2ia
bis 246. — „Aus dem Kriegs-
jahre 1809« S. 247—248.
Leltner, AI. R. v. S. 112.
- K. G. R. V., 80. Geburtstag,
Glückwunsch des Vereins. VIII.
Leopold I., Kaiser, in Graz (1660j
8. 57.
Magristrat in FOrstenfeld. S. li'J
bis 151.
- von Graz im Jahre 1660. S. 5>iff-
Besoldunj! der Magistratsper-
sonen (1711) S. 81 85, Anm.
Messgrewandy altes, in der Radmer,
s. Krainz.
Museum in Gamlitz, s. Ferk-Mu-
seum.
Namen,Taufnamen,Bteiennarkisch€,
s. Zahn.
NoSy Wahl zum Gassier. X.
o.
Opemtexte^ Wiener, Vortrag, s.
Werner.
Oroien^ die Vesten Klansenstein
und Holenstein. S. 235—237.
Peinlich, Vortrag über steirische
Sittenpolizei im 16. Jahrh. VIII.
— Vortrag über steierm. Kleider-
ordnungen des 16. Jahrh. VIII.
— Das städtische Wirihschafts-
wesen von Graz im Jahre 1660.
S. 57 ~ 105.
Peloponnes, Gurlitt's Reisen im . . .,
8. Gurlitt.
Badmery altes Messgewand in der....
s. Krainz.
Beceptir- und Zauberbuch StangFs,
s. Krones.
Beissenberg'ery Vortrag über hö-
fisches Leben im Mittelalter. VUl.
— vn —
Rudolf 9 Erzherzog - Kronprinz,
Glückwunsch zu Höchstdessen
Verlobung. V.
s.
Sehlossar^ Vortrag Ober die St.
Cbristofsbruderschaft. VIII.
Sittenpolizei 9 steirische, im 16.
Jahrb., s. Peinlich.
Stadtriehter inFürstenfeld. S. 141
bis 149.
StangPs Receptir- und Zauberbuch,
s. Krones.
SteiermlrUsche Taufnamen , s.
Zahn.
Steiennark's Erhebung zum Her-
zogtbum (1180), Erinnerungsfest.
III-V.
Strass, Eggenberger Urkunden in
Strass. III. — Französische Trup-
pen in und um Strass (1809)
S. 247—248.
SabrenttoBy 600 fl., des Ministers
f. C. u. ünt. VI. — vom Land-
tage 625 fl. VII.
T.
TaBrnamen y steierm&rkische , s.
Zahn.
Unrahe^ Franz R. v. S. 138.
Vlseher'B, 6. M., Wirken in Steier-
mark. S. 239—243.
Walcher, Vortrag über den Bauern-
krieg 1525. VII.
Wartinger Josef. S. 1 11 , 120—125,
128, 130-140.
Werner, R. M. , Vortrag OberWiener
Opemtexte. VIII.
Wiener Operntexte, Vortrag, s.
Werner.
Wirthschaftswesen von Graz im
J. 1660, s. Peinlich.
Zahn, V., Vortrag Aber die Er-
hebung der Steiermark zum Her-
zogthum. IV. — Wahl zum Aus-
schussmitglied. X. — nUeber
steierm&rkische Taufnamen **. S.3
bis 56. — ^Zu G. M. Vischer*s
Wirken in Steiermark ^ S. 239
bis 243.
Zauber- undReceptirbuchStangl's,
s. Krones.
Zeidler, Wahl zum Rechnungs-
revidenten. X.
jCjL«
Vereins -Angelegenheiten.
Hittlteil. def hist. Vereines f. Steiermark, XXIX. Heft, 1881.
Geschäfts - Uebersicht.
Chronik des Vereines
über die Zeit yon der 82. Jahresversammlung am 28. J&nner 1880 bis
zur 83. JabresYersammlnog am 26. Jänner 1881.
1. Das VereiDsmitglied Herr BUrgerschuUehrer Hans
Lange in Farstenfeld machte mit Schreiben vom 17. Februar
1880 den Verein darauf aufmerksam, dass sich im Besitze
des Herrn Baron Albert Kulmer in Strass Urkunden und
Acten, die sich vielfach auf die Familie der Eggenberger
bezögen, befänden. Der Ausschuss, dem es u. A. auch obliegt,
alte Documente zu erwerben und dem Verderben zu entreissen,
sprach seinem thätigen Vereinsmitgliede Herrn Hans Lange
seinen Dank aus und richtete an Herrn Baron Kulmer am
6. März ein diesbezügliches Ansuchen, welches aber leider
ohne Erfolg blieb.
2. Der Ausschuss hatte sich seit längerer Zeit mit dem
Gedanken beschäftigt, ob es nicht zweckmässig sei, im Jahre
1880 durch irgend eine Feier an die vor 700 Jahren erfolgte
Erhebung der Steiermark zum Herzogthume zu erinnern. In
mehreren Sitzungen kam diese Sache zur Sprache und sie
wurde in der Sitzung vom 31. März 1880, in welcher der
Ehrenpräsident des Vereins, Sr. Excellenz der Herr Landes-
hauptmann Moriz von Kaiserfeld den Vorsitz führte, end-
gilüg beschlossen und die Modalitäten der Ausitlhrung fest-
gestellt Es sollte die 32. Vierteljahrsversammlung in feierlicher
- IV ~
Weise in der Landstube stattfinden ; auch sollten zu derselben
die Spitzen der Behörden eingeladen werden und der Ver-
waltungsbericht diesmal entfallen.
Der Vereinsvorstand Herr Prof. Dr. Franz Erones
Ritter von Marchland, der Vorstand - Stellvertreter Prof
Dr. Ferdinand Bisch off und der Schriftführer Prof. Dr.
Franz Martin Mayer luden am 26. April die Vertreter der
Behörden zu dieser Versammlung ein. Die gedruckten Ein-
ladungen lauteten: Der historische Verein für Steiermark halt
Donnerstag den 29. April 1880 um 6 Uhr Abends in der
Landstube seine 32. Vierteljahrs Versammlung als Feier der
Erinnerung an die im Jahre 1180 erfolgte Erhebung der
Steiermark zum Herzogthume.
Programm:
1. Eröffnung der Versammlung durch den Ehren-
präsidenten des Vereins Se. Excellenz den Herrn Landes-
hauptmann Moriz von Kaiserfeld.
2. Vortrag des Herrn Landesarchivars Prof. Josef von
Zahn über die Ausbildung und Erhebung der Steiermark
zum Herzogthume.
3. Herr Prof. Dr. Franz Krone s Ritter von March-
land über die Vereinigung der Steiermark mit dem Lande
Oesterreich und ihre Stellung im Geschichtsleben der Monarchie.
4. Schlussworte des Herrn Ehrenpräsidenten.
Die Feier verlief in durchaus würdiger Weise. Se.
Excellenz der Herr Statthalter von Steiermark, Baron K ü b e c k,
der Landespräsident Herr Hofrath My r b a c h, mehrere Herren
Landesausschüsse, Se. Excellenz der Feldzeugmeister Freiherr
Franz Kuhn von Kuhnenfeld, der Herr Bürgermeister
der Stadt Graz, Dr. W. K i e n z 1, Se. Excellenz der Präsident
des Oberlandesgerichtes Herr Ritter von Was er, der Finanz-
landesdirector Herr Hofrath Kor ab Ritter v. Mühlström,
Ihre Magnif. die Rectoren der beiden Hochschulen Prof. Dr.
Karl Blodig und Prof. W. Heyne u. s. w., sowie ein
ausserordentlich zahlreiches Publicum hatten sich zu dieser
Feier versammelt Die Vorträge legte der Ausschuss zur
bleibenden Erinnerung an dieses Fest in Druck und übersendet
sie heuer seinen Mitgliedern. Nach der Versammlung fand
eine gesellige Zusammenkunft im Hotel lloss statt, welche
aber unter der Ungunst des Wetters, das sich während der
Festversammlung sehr verschlechterte, stark zu leiden hatte.
3. Aus Anlass der Verlobung Sr. k. und k. Hoheit des
durchlauchtigsten Kronprinzen Herrn Erzherzogs Rudolf
sprach eine Deputation des Ausschusses Sr. Excellenz dem
Herrn Statthalter die Glückwünsche des Vereines aus mit der
Bitte, dieselben allerhöchsten Ortes zur Eenntniss zu bringen.
4. Der Ausschuss kam dem in der Jännerversammlung
vom Jahre 1880 zum Beschlüsse erhobenen Antrage der
Herren: Regierungsrathes Dr. R. Peinlich und Redacteurs
E. Spork, betreffend allseitige Einladungsschreiben zum
Vereinsbeitritte, nach. Es wurden mehr als 300 solcher Ein-
ladungen ausgeschickt und damit auch einiger Erfolg erzielt.
5. Der Vereinsvorstand Herr Prof. von K r o n e s -
Marchland hat sich der Mühe unterzogen, aus Anlass des
Umstandes, dass der historische Verein im Jahre 1880 das
30. Jahr seines selbstständigen Bestehens begeht, eine kleine
Geschichte des Vereines zu verfassen, welche unter dem Titel :
„Der historische Verein für Steiermark, sein Werden und
Bestand. Eine zeitgemässe Erinnerung von Dr. Franz K r o n e s
Ritter von Marchland", in mehreren Nummern der „Tages-
post", und nachher auch in separaten Abdrücken*) erschien,
welche der Herr Verfasser dem Vereine zum Geschenke machte.
Der Herr Verfasser macht in dieser Schrift darauf aufmerksam,
dass der historische Verein der Zweitälteste Fach-
verein im Lande Steiermark ist; er gedenkt der Pflege der
historischen Studien im Lande seit Beginn unseres Jahr-
hunderts, des Entstehens der „ Steiermärkischen Zeitschrift",
des Centralvereines für die Geschichte Innerösterreichs, aus
welchem dann der historische Verein für Steiermark hervorging,
welcher sein erstes Heft der Mittheilungen im Jahre 1850
*) Das Heftchen ist in der Yereinskanzloi um 25 kr. zu haben.
- VI -
erscheinen liess. Es ruht, sagt der Herr Verfasser in diesen
Vereine ein Stück des geistigen Lebens und Strebens der
Steiermark seit Tagen her, denen es nicht so leicht wie der
späteren Zeit ward, geistige Geselligkeit und wissenschaftliche
Forschung zu pflegen. An seinem Zustandekommen arbeü^en
Männer des Landes, welche die Intelligenz ihrer Zeit vertraten
und von denen Einzelne, die der Gegenwart noch erhalten
blieben, zu den Besten und Geachtetsten zählen; an seiner
Erhaltung und Führung bis zum heutigen Tage bethfttigten
und bethätigen sich Persönlichkeiten, denen die Wahrung der
berechtigten Traditionen und angestammten Ziele des Vereine
am Herzen lag, in deren Kreise die Förderer und Freunde
der Landesgeschichte im weitesten Sinne uns begegnen.
Die Arbeit des Herrn Verfassers hat u. A. auch den
Zweck, weitere Kreise über die mehr stille Thätigkeit des
historischen Vereines zu belehren und hebt hervor, dass der
Verein mit dem Fortschritte historischer Forschung im steten
Zusammenhange blieb und sich den gemeinnützigen Zwecken
derselben möglichst anzupassen suchte, dass er sich mit der
Oeffentlichkeit in thunlichst rege Berührungen zu setzen
bemühte und jeder engherzigen Verknöcherung fernhielt^ dass
endlich seine Leistungen trotz des engeren Bodens der
Forschung, auf welchem sie sich bewegen, die Aufmerksamkeit
und Anerkennung des wissenschaftlichen Auslandes erwarben.
6. Laut Erlasses vom 9. März d. J. gewährte Se.
Excellenz der Herr Minister für Gultus und Unterricht dem
Vereine den Betrag von 500 fl. zur Förderung seiner wissen-
schaftlichen Zwecke. Auch schenkte das neu eingetretene
Mitglied Freiherr Gudenus in die Vereinscasse 1 5 fl.
7. Am 20. Juni wurde in Gamlitz das von dem Aus-
schussmitgliede Herrn Prof. Franz F e r k gegründete Museum
eröffnet. Zahlreiche Mitglieder des historischen und anthro-
pologischen Vereines wohnten dieser Feierlichkeit bei und
bezeugten dadurch einem in selbstloser Hingebung geplanten
und glücklich zu einem vorläufigen Abschlüsse gebrachten
Werke ihre lebhaftesten Sympathien. Der Ort zeigte sich den
- vu -
Besuchern im Feiertagsgewande, die mit lebhaften Hochrufen
empfangen wurden. Herr Prof. Ferk schilderte zuerst das
Zustandekommen des Museums, worauf die Festgäste dieses
besichtigten. Es besteht aus dem eigentlichen Museum und
der Bibliothek, ersteres wieder aus einer landwirthschaftlichen
und einer historischen Abtheilung. Der Eindruck, welchen die
Fülle der in diesem Museum enthaltenen Gegenstände auf die
Festgäste machte, war die der Ueberraschung und Bewunderung
und gaben daher alle ihre Zustimmung, als nachher der Vor-
schlag gemacht wurde, diese neue Schöpfung nach dem Namen
des Gründers „Ferk-Museum** zu nennen.
8. Am 12. Juli 1880 fand die 33. Vierte^jahrsversammlung
statt, in welcher Herr Professor Ferdinand Wal eher einen
Vortrag über den Bauernkrieg vom Jahre 1525 hielt. Herr
Prof. Walcher gedenkt über dieses Thema noch einmal in
einer Versammlung des Vereines zu sprechen und wird dann
über den Inhalt der beiden Vorträge Bericht erstattet werden.
In dieser Versammlung theilte der Ausschuss auch mit, dass
der Verein in der diesjährigen Landtagssession Gefahr lief,
die ihm seit seinem Bestehen alljährlich gewährte Subvention
(von 525 fl.) in minderem Umfange zugewiesen zu erhalten.
Doch nahmen sich einige den Bestrebungen des Vereines
gewogene Herren Landtagsmitglieder der Angelegenheit des
Vereines in erfolgreicher Weise an und wurde die bisherige
Summe bewilligt Diesen Herren wurde der Dank des Vereines
öffentlich votirt
9. Der historische Verein hat sich mit seinen Publi-
cationen und Drucksorten auch an der Landesausstellung
betheiligt und kann der Ausschuss mittheilen, dass seine
Bestrebungen durch das Ehrendiplom ausgezeichnet wurden.
10. Am 18. August, dem 50jährigen Geburtstage Sr.
Majestät des Kaisers Franz Josef, hat der Verein durch zwei
Ausschassmitglieder dem Herrn Landespräsidenten Baron
Myrbach seine Glückwünsche ehrfurchtsvoll ausgesprochen.
11. Am 27. October fand die 34. Vierte^jahrsversammlung
statt, in welcher Herr Begierungsrath Dr. Richard Peinlich
- VIII -
einen Vortrag hielt. Er behandelte darin die steirischeSittenpolizei
im 16. Jahrhunderte in Betreff der Unsittlichkeit im geschledit-
liehen Verkehre sowohl lediger als verehelichter Pereonen mit
Andeutungen über die Zustände vor dem bezeichneten Zeit-
räume, sprach über Reformen durch Ferdinand I. und Karl IL.
wies auf die Polizeiordnungen von 1530 bis 1596 und die
Landtagsverhandlungen hin, und erwähnte der Strafen und
Mandate in Betreff einzelner Stände.
12. Am 18. November feierte das Ehrenmitglied des
Vereines Herr Gottfried Ritter von L e i t n e r , welchen der
Verein als Mitbegründer und eifrigen Mitarbeiter zu ehren
hat, seinen 80. Geburtstag. Der Ausscimss hat, um dem ver-
dienten Manne, dem bei dieser Gelegenheit von allen Seiten
Beweise der Anerkennung und Hochachtung zukamen , auch
seinerseits ein Zeichen seiner dankbaren Verehrung zu geben,
eine Adresse anfertigen lassen, welche ihm am 17. November
von dem gesammten Ausschusse überreicht wurde.
13. Auch in diesem Vereinsjahre erfreuten sich die
Geselligkeitsabende des Vereines der lebhaften Theilnahme
des Publicums. Solche fanden statt:
1. am 4. Februar. Herr Prof. Karl Reissenberger
sprach über das höfische Leben im Mittelalter;
2. am 18. März. Herr Prof. Dr. F. Krön es Ritter von
Marchland hielt einen Vortrag über das Zauber- unJ
Receptierbuch Stangl's;
3. am 17. November. Herr Prof. Dr. W. Gurlitt sprach
über seine Reisen im Peloponnes;
4. am 14. December. Herr Dr. A. Schlossar behandelte
in einem Vortrage die St. Ghristophsbruderschaft und
ihre Bedeutung;
5. am 24. Jänner 1881. Herr Dr. Richard Maria Werner
behandelte die älteren Wiener Operntexte.
14. Am 26. Jänner 1881 fand die 33. allgemeine
Jahresversammlung statt Herr Regierungsrath Dr. Richard
Peinlich hielt einen Vortrag über „steiermärkische Kleider-
ordnungen des 16. Jahrhunderts''; dieser Vortrag behandelte
- IX -
folgende Hauptpuncte: Vorgeschichtliches über den Luxus in
der Kleidertracht in allen Ständen ; Streben der LandesfUrsten
und Stadtbehörden demselben zu begegnen; Mandate Kaiser
Ferdinand's L, des Augsburger Reichstages, Karl's IL, land-
schaftliche Verhandlungen , Unterschied der Kleiderordnung
von 1542 und 1577, Schilderung einzelner Trachten und ihrer
Uebertreibungen , Urtheil der Prediger und Sittlehrer über
Pluderhosen und Halskrausen, Fruchtlosigkeit aller Massnahmen
gegen den Luxus.
Der Bericht des Ausschusses gedachte der nächsten
Arbeiten, der Geschenkgeber, der Bezirks-Correspondenten, von
denen besonders die Bemühungen der Herren Anton Aust
in Gaal, Johann Krainz in Eisenerz und Hans Lange in
Fürstenfeld hervorgehoben wurden , der Ortschronisten etc.
Der Cassabericht konnte einen sehr günstigen Stand
der Finansen berichten. Er wies auf die wohlthätigen Folgen
der Einhebung der Mitgliederbeiträge durch Postnachnahme
hin und hob hervor, dass fast alle Rückstände beglichen
wurden. Freilich hatte sich der Ausschuss in diesem Jahre
genöthigt gesehen, einige Mitglieder, welche trotz aller Mahnungen
ihren Verpflichtungen nicht nachkamen , aus der Liste der
Mitglieder zu löschen. Diese Einzahlung der Rückstände ist
für die Vereinsökonomie von der grössten Bedeutung, da die
Vereinscassa jetzt nicht mehr genöthigt ist, bezüglich ihrer
Haupteinnahmsquelle mit Zahlen zu rechnen, die sonst nur
auf dem Papiere standen und zum grossen Theile imaginär
waren.
Der Stand der Finanzen wolle aus der weiter unten
folgenden Zusammenstellung ersehen werden.
Da nach den Statuten sechs Ausschussmitglieder aus-
zutreten hatten, so wurden Wahlen vorgenommen, und zwar
wurden gewählt:
Zum Vereinsvorstande Herr Dr. Franz Ilwof, Director
der Landes- Oberrealschule; zum Vorstand-Stellvertreter Herr
Prot Dr. Franz Krone s Ritter von Marc bland; zum
- X -
Cassier wurde der bisherige Cassier Herr Heinrich Noe,
Dircctor der Staats - Oberrealscbole per accl. wiedergewählt
Zu Ausschossen wurden gewählt: die Herren Prof. Dr
Ferdinand Bischoff, Prof. Dr. Josef von Zahn und Prot
Franz Ferk.
Zu Rechnungsrevidenten wurden gewählt: Herr Cassier
Karl Burkhardt, welcher sich schon viele Jahre dieser
Mühewaltung unterzogen und Herr k. k. Statthalterei-Rechnungs-
Director Franz Z eidler.
Zuletzt sprach der bisherige Vorstand Herr Prof. Krön es
den Herren Cassier Director No6 und Schriftfbhrer Dr.
F, Mayer seinen Dank fQr den Eifer aus, den sie während
seiner Vorstandschaft an den Tag gelegt, worauf über Antrag
des Herrn Prof. Wal eher die Versammlung dem scheidenden
Vorstande ihren Dank für seine erfolgreiche Thätigkeit durch
Erheben von den Sitzen kund gab.
Statt der historischen Bibliographie von Steiermark,
welche der Ausschuss den P. T. Mitgliedern dieses Jahr über-
geben zu können hoffte, erscheint, weil der Herr Verfasser
der Bibliographie das Manuscript derselben bis zum heutigen
Tage (5. Juli 1881) noch nicht ablieferte, dieses umfangreichere
Heft der „ Mittheilungen **, welches diesmal auch die „Beiträge''
zu vertreten hat, da von der Publication der letzteren w^en
Kürze der Zeit abgesehen werden musste. Zugleich übermittelt
der Ausschuss den P. T. Mitgliedern die „Festschrift zur
Erinnerung an die Feier der vor 700 Jahren stattgefündenen
Erhebung der Steiermark zum Herzogthume (1180)*'.
Veränderungen
im
Personalstande des Vereines
in der 2^it vom I. Jänner bis Ende December 1880.
Zugewachsen.
Ordentliche Mitglieder.
Back Franz, Oberlehrer. — Blaschke Karl, k.k. Finanzrath. —
ßolfek Victor, k. k. Oberst i. R. — Budinsky Gustav, Rechnungs-
revident i. R. ~ Cilli, die Bezirkslehrcrbibliothek. — Grollolanza
Gustav, Ritter von, Bezirkshaupt mann. — DebuigneKarl, Advocaturs-
Concipient. — Eberl Josef, Postadniinistrator. — Fischer-Rolf,
Marie, Fräulein, Private. — Forchheimer Eduard, Privatier. —
Fraidl Franz, Dr. und Universitäts-Professor. — Gebell Wilhelm,
Dr. und Universitäts-Professor. — Gross Johann, Gaplan. — Gudenus
Ernst, Reicbsfreiherr. — Hofbauer Leopold, Yicar. — Holzinger
Josef Bonaventura, Advocat. — H u b k a Ernst, Pfarrer. - ■ Klammer
Josef, Privat. — Kor ab von Mühlström Franz Ritter, k.k. Ilufrath
und Finanz-Landes-Director. — Leiden fr ost Robert, Dr. und evangel.
Pfarrer. — Lukas Georg, Dr. und Gymnasial- Director. — Macherl
Feter, Dr. und Präfect. — Marzani Albert, Graf, Bezirks-Commissär.
— Maurer M. Floridus, Chorherr des Stiftes Yorau. — Moser
Georg, Lehrer. — M u r n i k Othmar, Dechant in Mariazeil. — Myrbach
von Rheinfeld, Franz Freiherr, k. k. Hofrath und Landespräsident. —
Palla Josef, Professor. — Pröll Clement, Lehrer. — Puster
Matthäus, Pfarrer. — Riezelmaier Josef, Oberlehrer. — Roiek
Johann, Landesschul - Inspector. — Staudenheim Ferdinand, Ritter
von, Privat. — Teichmeister Franz, Lehrer. — Tomaschek
Wilhelm, Professor. — Z i n d 1 e r Johann, Dr. und LandesschuMnspeotor.
Zusammen 36 Mitglieder.
Abgegangen.
Au sgetreten:
Brandts Anton, Graf. — Bruch Heinrich, Msgor i. R. —
Conrad von Eybesfeld Sigmund, Freilierr. — Findeys Ludwig,
Capitular. — Gross Johann, Caplan. — Guggen berger Josef,
Professor. — Haim Johann, Pfarrer. — He seh 1 Richard, Dr. Med.,
k.k. Hofrath und Universitäts-Professor. — Ilg Albert, Dr. und Gustos.
— Krone 8 Franz, Lehrer. — Kühnelt Anna, Private — Macun
Johann, Professor. — Mi kusch Alois, Lehrer. — Murnik Othmar,
Dechant in Mariazell. — Nedwed Anton, Notar. — Pauer Ludwig,
Lehrer. — Pils Jacob, Oberlehrer. — Pröll Ludwig, Bezirksrichter.
— Senior Karl, Dr. Med. — Stadl Ottokar, Freiherr. — Tech et
Kranz, Pfarrer. — Wurmbrand Ferdinand, Graf. Zusammen
22 Mitglieder. Gestrichen wurden statutenmässig 46 Mitglieder.
Gestorben:
Rosenberger Theobald, Dechant. — R a z 1 a g Jacob, Dr.
mjd Gfiterverwalter. — Säur au Anna, Gräfin, geb. Gräfin Go8s. —
Welsersheimb Karl, Graf, Domherr, undWimpffen Gustav, Graf,
k. k. F.-M.-Lieut. i. R. Zusammen 6 Mitglieder.
Verbleibt der Mitgliederstand Ende December 1880 : 296.
XII —
Ausweis über die
des historisclieii Vereines für
»r.
Eiiiuahinen
Oest. Währ,
11. kr. fl.
V-
7
8
1 Cassarest vom Jahre 1879
2; Zinsen von angelegten Capitalien
3 Beiträge der P. T. Mitglieder:
a) fllr das Vereinsjahr 1872
h) „ r, „ 1873
C) n n n 1874
d) n n » 1875
e) n n n 1876
f) „ n n 1877
9) n n n 1878
Ä) n „ „ 1879
i) n n n 1880
Kß n n n aOoI . • • • • * •
Summe der Mitgliederbeiträge . .
Subvention des h. Ministeriums f. C. u. U. • • •
„ » h. steierm. Landtages
Für verkaufte Vereinspublicationcn :
a) „Mittheilungen" und ^Beiträge"
h) „Muchar's Geschichte der Steiermark" . . .
c) rZahn, Urkundenbuch der Steiermark" . . .
d) ^BischofT, Steiermark. Landrecht"
e) „Schriften des hist. Vereines f. InnerÖsterr."
f) „Festschrift zur Feier der Erhebung der
Steiermark zum Herzogthme"
g) „Sigismund Graf v. Auersperg's Tagebuch
vom Jahre 1797"
h) „Krones, Geschichte des hist. Vereines für
Steiermark"
t) „Ansichten von Marburg und Judenburg" . »
— , 8431-2
-■ 4^•2I
lOr
10— —
16
37
77
136
246
339
97322 —
9 —
185S22
bOti —
525 —
14005 — —
4018 — -
30540; — -
8 -' — -
2 _ --
218 - I-
14
50
40.
Zusammen
Geschenk des Freiherrn von Gudenus ....
Taxe für 1 Mitgliederdiplom
Gesammtsumme der Einnahmen im Jahre 1880
50i;7o
15 —
9
428S30
xm
Cassa-Gebahrung
Steiennark im Jahre 1880.
Sr.
1
2
4!
5'
10'
Au Stäben
Oest. Währ.
fl. kr. fl. kr.
Honorar an den Hilfsbeamten des Vereines . . .
Jahreslöhnung des Vereinsdieners
Neajabrsgescbenke und sonstige Remunerationen
an die Vereinsbediensteten
Kanzleibedfirfnisse (Porti, Stempel, Papier, Tinte,
Drucksorten etc.) •
Reinigung der Kanzlei im Jahre 1879 und 1880
und Anstreichen der Kanzleithüre
Kosten der Vereinsversammlungen
Restzahlung für den Druck des IL Bandes des
„Ürkundenbuches der Steiermark**
Dmckkosten der „Mittheilungen*", XXVII. Heft (1879)
„ „ „Beiträge«, 16. Heft (1879) . . .
Kosten d. Herausgabe d. „Mittheilungen", XXVIIl.
Heft (1880) u. d. „Beiträge« (17. Heft (1880):
ä) Honorare der Autoren
b) Druckkosten der Mittheilungen
e) „ „ Beiträge
d) Buchbinderarbeit
11
12
13
14
15
,16
17
18
Zusammen . .
Kosten für Herausgabe der „Festschrift zur Feier
d. Erhebung d. Steiermark z. Herzogthume''
Kosten fQr 150 Separatabdrücke des „Sigismund
Graf V. Auersperg'schen Tagebuches v. 1807
(aus dem XXVIU. Heft der Mittheilungen'')
Für Versendung v. Vereinsschriften durch Leuschner
und Lubensky
Beitrag zum „Gesammtvereine« etc. in Darmstadt
„ an das german. Nationalmuseum in Nürnberg
Kosten der Theilnahme an der Landesausstellung
Adresse an R. y. Leitner zum 80. Geburtstag . .
Für das Abschreiben von Urkunden
Gesammtsumme der Ausgaben im Jahre 1880 . .
Bilanz
Summe der Einnahmen
Davon ab die Ausgaben mit
So verbleibt mit Schluss des Vereinsjahres 1880
ein Rest von .... •
Dieser Cassarest besteht aus:
a) angelegten Capitalien
b) barem Gelde
24050
480|50
23734
8327
180
96
42
117
16
69
193
402
295
18
25
15
50
99161
88
50
81
24
5
5
7
26
1
77
82
75
10
156550
14112
2581
4288
2581
68
30
68
170r.62
Zusammen wie oben . .
Heinrich NoS,
d. Z. Cusier.
— 1706.62
Den Sammlungen des Vereines
Bind Yom 1. J&nner bis Ende December 1880 ingekommen:
A. Für die Bibliothek.
1. Durch Schenkung.
4345. Grftz: Das Ordinariat des Bisthums Seckan, den geistlicheo
Personalstand pro 1880.
4346. Marburg: Das Ordinariat des Bisthums Larant, den geistlichen
Personalstand pro 1880.
4347. Admont: Die Benedictiner- Abtei , den geistlichen Personalstanil
(Gatalog) pro 1880.
4348. Este, ProY.Padua, die Manicipalität : j, Gatalog ihres Archires'^, 1 880.
4349. Graz, die Verwaltung des Anna-Kinderspitales: ,,86. Rechen-
schaftsbericht für das Jahr 1879^.
4350. Gelcich Giuseppe, Docent in Ragusa: a) „Le lettere e le arti
alle Bocche di Cattaro", Fase. I. 1879 ; — b) „Memorie storiehe
sulle Bocche diCattaro**, Zaral880;— c) „LeDisgrazie dt Cas-
pare Guzman Gonte d'Olirarez*', 1880.
4351. Krainz Johann, Lehrer in Eisenerz: a) „Mythen und Sagen ans
dem steier. Hochlande '^ , Heft 8 — 7; — b) „E. H. Johann der
Schutzengel von Steiermark", Wien 1880; — „Denkwürdige
Männer aus Steiermark^.
4352. Meixner Anton , Missar zu Gabersdorf : a) ninstrirten Volks-
kalcnder für das Jahr 1856, von F. Menk-Dittmarsch, 2. Jahr^g..
4. Auflage; — b) Kottowitz, Gurort Gleichenberg; — c) Schloss
Wildon , von Karl Lewohl ; — d) Steier. Nationalkalender yom
Jahre 1821; — e) etliche Urkunden des St. Georger Land-
gerichtes und — f) eine Sammlung yon Haus- und Eigennamen.
4353. Oroien Ignaz, Domherr in Marburg: nDtiS Bisthum nnd die
Diöcese Lavant«", lü. Theil, 1880.
4354. Wichner Jacob, Pater in Admont: „Schlussheft der Geschichte
des Benedictinerstiftes Admont vom Jahre 1466 bis auf die
neueste Zeit", gedr. Graz 1880.
— XV -
2. Im Sekriftentausclie.
4355. Aaraa, histor. Gesellschaft des Gantons Aargaa: „Argovia''^
Band XI, Aaran 1880.
4366. Agram, südslav. Akademie der Wissenschaften : a) Rad, Band 50,
51, 52, 53 ; — b) Monnmenta, Band 10 und Monumenta Bagusina,
Band I, 1879.
4357. Agram, croatisch-archeologischer Verein : a) „Wiestnik^ Band 2,
Heft 1—4, 1880; — b) Rechenschaftsbericht ftkr das Jahr 1879.
4358. Amsterdam, königl. Akademie der Wissenschaften : a) Jahrbuch pro
1878; — b) Yerslagen en Mededeelingen der Letterkunde,
2. Reeks, 8. Theil, 1879 ; — c) Yerhandelingen der Letterkunde,
12. Theü, 1879.
4359. Antwerpen, königl. archeologische Akademie in Belgien (Anvers):
a) ,Annales<<, 85. Band, (der 8. Serie Tome Y), 1879; —
b) »Bulletin«, ü. Band, 3. Serie, Fase 4 u. 5 ; - der II. Partie,
Fase. U-Y.
4360. Augsburg, histor. Yerein im Regierungsbezirke Schwaben und
Neuburg: „Zeitschrift**, 6. Jahrgang, Heft 1, 2 und 8, 1879.
4361. Bamberg, histor. Yerein für Oberfranken: 42. Bericht Aber
Bestand und Wirken des Vereines im Jahre 1879.
4362. Berlin, königl. Akademie der Wissenschaften : a) „Monatsberichte«
des Jahres 1880; — b) Abhandlungen philologisch - historische,
aus dem Jahre 1879.
4363. Berlin, Yerein „Deutscher Herold« : „Zeitschrift^ X. Jahrgg. 1879.
4364. — Yerein für die Geschichte Berlins: a) „Schriften«, Heft
16, 17, 1880 ; — b) ürkundenbuch zur Berliner Chronik,
Bogen 87 bis 129 des 1. Bandes.
4365. Bern, histor. Yerein des Cantons : „Archiv«, 9. Band, 4. Heft, 1 879.
4366. ~ allgemein geschichtsforschende Gesellschaft der Schweiz:
„Jahrbuch«, 6. Band, Zürich 1880.
4367. Böhmisch-Leipa, der nordböhmische Excursions- Club: a) Statuten
des Vereines; — b) „Mittheilungen«, 2. und 3. Jahrgang, 1879
und 1880, Heft 1—4; — c) „Zehn Excursionen im Jahre 1878«,
gedr. 1880.
4368. Bonn, Verein der Alterthumsfireunde im Rheinlande: „Jahrbücher«,
Heft 66-69, gedr. 1879 und 1880.
4369. Brandenburg (am Havel), histor. Verein : „MErkische Forschungen«,
15. Band, Berlin 1880.
4370. Bregenz, Yorarlberger Museums-Yerein : „19. Rechenschaftsbericht
des Jahres 1879«.
4371. Bremen, Abtheilnng des Künstlervercines für bremische Geschichte
und Alterthümer: „Jahrbuch«, Band XI, anno 1880.
— XVI —
4372. Breslau, schles. Gesellschaft vaterländ. Caltor: „57. Jabies-
bericht«, 1879.
4373. — Verein für Geschichte und Alterthum von Schlesien:
a) Zeitschrift, 15. Band, Heft 1; — b) Regesten zur
schles. Geschichte, 3. Lieferung, 1880; — c) Act»
Publica, Band 5, 1880.
4374. Brunn, historisch- statistische Section der mähr. -schles. Gesellschaft
zur Beförderung des Ackerbaues, der Natur- und Landes-
kunde: „Schriften**, 24. Band, 1880.
4375. — mährisches Landesarchiv: „Libri citationum et pühonum-»
lU. Band , 2. Abtheilung, 1880. (Von Vincenz Brandl^.
4376. Budapest, königl. ungar. Akademie der Wissenschaften: a) Ai-
chaeologiai Ertesitö, Jahrgang 1880, 14. Band, Heft 1 nnd %
dann 4 und 5; — b) Monumenta Hung. Historica, in oszt^ly.
(von Fraknoi), Band VI ; — c) Monumenta Hegni TransUv. (tod
Szilägyi), Band IV und V; — d) Archivum Räköczianum, I. oszUly.
Band VI und VII; — a) Literarische Berichte aus Ungam,
Jahrgang 1878 und 1879, je zu 4 Hefte ; — f) Szörenyi Bänsi^
(von Pesti Frigyes), Band I— IH, 1878.
4377. Cassel, hessischer Verein für Geschichts- und Alterthumsknndi
von Cassel, Darmstadt und Mainz: a) „Zeitschrift**, N. F., 8. Bd
3. und 4. Heft 1880; — b) „Mittheilungen ^ , Jahrgang 1879,
2. 3. und 4. Heft, Jahrgang 1880, 1. und 2. Heft.
4378. Chemnitz, Verein für Chemnitzer Geschichte: „Mittheilangen",
2. Heft, Jahrbuch für 1876—1878.
4379. Christiania, Verein zur Erhaltung und Aufbewahrung nordischer
Yorzeitdenkmäler: a) „Foreningen til norske förtidsmindesmerkers
Bevaring, für das 'Jahr 1879; — b) „Norske Bygninger fra
fortiden**, 11. Heft, 1880.
4380. Chur, geschichtsforschende Gesellschaft für Graubünden : . 9. Jahi^-
bericht«, 1879.
4381. Dijon, die Commission des Antiquit^s du departement de la Coti'
d'Or: „Mömoires" tomo 9 der Jahre 1874, 1875, 1876 u. 1677.
4382. Donaueschingen, Verein für Geschichte und Naturgeschichte:
„Schriften", 8. Heft, 1880.
4383. Dorpat, gelehrte estnische GeseUschaft: a) „Verhandlongeo*.
9. und 10. Band, 1., 2. und 3. Heft, 1880; — b) „Sitzungs-
berichte", Jahrgang 1878 und 1879.
4384. Dresden, königl. sächsischer Alterthumsverein: a) „MittheUiingen*,
30. Heft, 1880; — b) Jahresbericht 1879/80.
4385. -— Verein für Geschichte und Topographie Dresdens xmd
Umgebung: „Mittheilungen**, 3. Heft, 1880.
— xvn -
4386. Elberfeld, bergischer Geschichtsverein: „Zeitschrift^, 15. Band,
1. and 2. Heft, 1879.
4387. Frankfurt am Main, Verein für Geschichte undAlterthumskunde:
a) «Mittheilungen", 5. Band, 4. Heft, 1879; — b) „Neujahrs-
blaU** fbr das Jahr 1880;— c)Die Entwicklung der Gesellschaft
zur Beförderung nützlicher KOnste und deren Hilfswissenschaften
in Frankfurt am Main, 1879.
4388. Frauenburg in Ostpreussen, der histor. Verein für Ermland:
„Zeitschrift"', Band 7, Heft 1 und 2; der ganzen Folge 21. und
22. Heft, Jahrgang 1879,80.
4389. Fraaenfeld, histor. Verein des Gantons Thurgau: „Beiträgt,
20. Heft, 1880.
4390. Freiberg in Sachsen, AlterthumsYerein: „ Mittheilungen ", Heft 16,
1879.
4391. Freibarg im Breisgau, Gesellschaft zur Beförderung der Geschichts-,
Alterthums- und Volkskunde: „ Zeitschrift **, 5. Band, 1. lieft,
1880, 5. Band, 2. Heft, 1880.
4392. St. Gallen, histor. Verein : a) Joachim von Watt, deutsche histor.
Schriften, 3. Band, 1879; ~ b) Urkundenbuch der Abtei
St. Gallen, 3. Theil, (6. und 7. Lieferung, 1330—1859), gedr.
1879.
4393 Genovay Societä Ligure di storia patria : a) Indice degli Atti del
Volume Vn, Parte I ; — b) Atti, Volume VH, Parte U, Fase. I ;
- c) Atti, Volume XEI, Fase. HI, 1879.
4394. Glarus, histor. Verein: »Jahrbuch**, 17. Heft, 1880.
4395. Görlitz, Oberlausitzische Gesellschaft der Wissenschaften: Neues
Lausitzisches Magazin, 56. Band, Heft 1, 1880.
4396. Gdttingen, kOnigl. Gesellschaft der Wissenschaften: Nachrichten
ans dem Jahre 1879.
4397. Graz, Carl Franzens-Üniversit&t : a) Vorleseordnung für den
Sommersemester 1880 und fOr den Wintersemester 1880/81.
4398. — technische Hochschule am Joanneum: ^.Programm'* für das
Studieigahr 1880/81.
4399. — Steiermark. Landesansschuss: „68. Jahresbericht pro 1879**
des Joanneums in Graz.
4400. — Staats-Oberrealschule: 8. Jahresbericht des Schu^ahres 1880.
4401. — steierm. Landes - Oberrealschule : „29. Jahresbericht des
Studiei\jahres 1879/80**.
4402. — Verein derAerzte in Steiermark : „Mittheilangen**, 16. Jahr-
gang, 1879.
4403. — Christi. Kunstverein der Diöcese Seckau : „Kirchenschmuck**,
XI. Jahrgang, 1880.
MittheU. de« hirt. Yereines f. Steiermark, XXIX. Heft, 1881. B
— XVIII —
4404. Graz, akademischer LeBererein an der ünlTersitftt nnd technisdieD
Hochschule: „13. Jahreshericht pro 1880".
4406. — Historiker-Gluh: „3. Jahresbericht^' pro 1879^.
4406. Oreifswalde, königl. Universitäts-Bibliothek: a) 85. Inangiinü-
Dissertationen des Jahrganges 1879; — b) Yeneichniss der
Vorlesungen des Sommer- und Wintersemesters 1879.^80; —
c) Index Scholamm f&r dieselbe Zeit.
4407. Halle a. d. Saale, thüringisch- s&chsischer Verein zur ErforscboDg
des Vaterland. Alterthums: „Nene Mittheilungen^ , Band 15,
Heft 1.
4408. Hamburg, Verein für hamburgische Geschichte: „Mittheflnngen^,
III. Jahrgang, 1880.
4409. Hanau, Bezirksverein für hessische Geschichte nnd Landeaknnde :
„Mittheilungen'' Nr. 6, Jahrgang 1880.
4410 Hannover, histor. Verein für Niedersachsen: a) „Zeitschrift",
Jahrgang 1880 und „42. Nachricht des Vereines; — b) Syste-
matisches Repertorium der im Archive, in der Zeitschrift und im
hannoverischen Magazin enthaltenen Abhandlungen, 1880.
4411. Harlem, Bureau scientifique central N^erlandais: a) Archives
Neerlandaises Tomo XIV , Heft 3, 4 und 5 , Tomo XV, Heft 1
und 2; — b) Boletin de la Academiea Nacional de Ciencias de
la Republica Argentina, Tomo III, Entrega I (Cördoba), 1879; —
c) Programm pro 1880 für Preisschriften.
4412. Helsingfors, finnlftnd. Gesellschaft der Wissenschaften: a) Acta,
Tomo XI; — b) Bidragg tili k&nnedom af Finlands Natur och
Folk, 82. Heft; — c) Observations m^t^orologiques anno 1878,
gedr. 1880.
4413. Hermannstadt , Verein für siebenbOrg. Landeskunde: a) Archiv,
N. F. Band XIV, Heft 3 und Band XV, Heft 1— 3 ; — b) Jahres-
bericht für 1878 und 1879; — c) Programm des Hermannstidtcr
Gymnasiums für 1878 und 1879 — und d) der Hennannatidter
Musikverein, 1877.
4414. Heidelberg, Karl Bartsch, Hofrath und Professor zu: „Biblio-
graphische Uebersichf der Erscheinungen auf dem Gebiete der
germanischen Philologie im Jahre 1879.
4415. Innsbruck, Ferdinandeum : „Zeitschrift", 24. Heft, 1880.
4416. Kiel, königl. Schleswig - holstein • lauenburgische Gesellschaft für
Geschichte dieser Herzogthümer: a) „Zeitschrift**, Band 9, 1879;
— b) 36. Bericht zur Alterthumskunde Schleswig - Holsteins,
gedr. 1879.
4417. Klagenfurt, Geschichtsverein für Kärnten: „Carinthia", Zeitschrift,
70. Jahrgang, 1880.
~ XIX -
44 1 8. Klagenfurt, natarhistorisches Landesmuseum : „Jahrbuch" , 14. Heft,
27. und 28. Jahrgang , 1878 und 1879 , gedr. 1880.
4419. K5hi, histor. Verein für den Niederrhein: „Annalen**, 84. und
86. Heft, 1879—1880.
4420. Königsberg, königl. und Universitäts-Bibliothek : »Altpreussische
Monatsschrift'', N. F., Jahrgang 1880, 17. Band, Heft 1—8.
4421. Kopenhagen, königl. dänische Gesellschaft fQr nordische Alter-
thumskunde: a) „Aarboger**, Jahrgang 1878, Heft 2 — 4, Jahr-
gang 1879, Heft 1-4, Jahrgang 1880, Heft 1; — b) „Tillaeg",
Jahrgang 1877 und 1878.
4422. Krakau , königl. Akademie der Wissenschaften: a) Bozprawy i
Sprawozdania z Posiedzeü wydzialu histor. filozoficznego, Tomo XI,
1879 und filologicznego , Tomo YH, 1880;— b) Monumenta
Medii Aevi historica res gestas Polonise illustrantia , Tomo Y,
1879; — c) Sprawozdania Komisyi do badania historyi sztuki w
Polsce, zeszyt lY, 1879 und tomo H, Heft 1, 1680; —
d) Acta Historica, Yolume IH und lY, 1879; — e) Zabytki
Przedhistoriczne ziem Polskich, Seryja I, 1879; — f) Rocznik
Zarzadu, für das Jahr 1879; — g) Katalog rekopisöw, Heft Y,
1880; — h) Pamietnik wydzialy: filologiczny i historiczno-
filozoficzny, tomo lY, 1880; — i) Legenda Obrazowa o Swiet6j
Jadwizde ksieznie Szlazkiej, 1880.
4423. Laibach, Obergymnasium: „Jahresbericht^ des Schuljahres 1880.
4424. Lausanne, Soci^t4 d'histoire de la Suisse romande: „M^moires
et Docpmento'', tome XXXH, 1880.
4425. Leeuwarden, Gesellschaft für friesische Geschichte, Alterthums-
ond Sprachenkunde : a) Yerslag der Handelingen pro 1878/79 ; —
b) Gesta Abbatum Orti Sancte Marie (von Aem. W. Wybrands),
1879; — c) De Yr^e Fries. Mengelingen, 14. Theil, 8. Folge,
2. Theil, 8. Heft, 1880; — d) Register van den Aanbreng yan
1511 en verdere Stnkken tot de Floreenbelasting betrekklyk,
1.--4. Theil, 1879.
4426. Leiden, Maatschappy der Nederlandsche Letterkunde: a) Hande-
lingen en Mededeelingen Tom Jahre 1879 ; — b) Levensberichten
der afgestonrene Medeleden, 1879.
4427. Leipzig, königl. sächs. Gesellschaft der Wissenschaften : „Berichte'',
Jahrgang 1879, Heft 1 und 2.
4428. — deutsche morgenländ. Gesellschaft: a) Wissenschaftlicher
Jahresbericht über die morgenländischen Studien vom
October 1876 bis December 1877, Heft 1 und 2 (von
Ernst Kuhn und Albert Socin), 1879; — b) Zeitschrift
34. Band, Heft 1-4, 1880.
B*
— XX —
4429. Graf Ossolinski'sche National-Instisut : „Katalog Rekopis^Sw", ytm
Dr. Wojciech Ketrzytiski, Zeszyt I, Lemberg 1880.
44S0. Linz , Museum Francisco - Garolinum : 38. Bericht nebst der
32. Lieferung der Beiträge zur Landeskunde von Oesterreich ob
der Enns, 1880.
4431. Lübeck, Verein für iQbeck'sche Geschichte und Alterthumskuode:
,,Siegel des Mittelalters'', Heft 10, 1879
4432. Lüneburg, Museum sverein : 1. und 2. Jahresbericht pro 187 :<
und 1879.
4433. Luxembourg, histor. Section des Institutes (Society archeologiqQec
„Publications", 33. Band (XI) für das Jahr 1879, 34. Bajid (XII>
pro 1880.
4434. Luzem , histor. Verein der fünf Orte Luzem , Schwyz , unter*
walden und Zug: „Geschichtsfireund«', Bd. 34, 1879, Bd. 35, 1860.
4435. Middelburg in Holland, die Zeeuwsch Genootschap der Wetea-
schappen: a) Verslag, 1879; — b) Zelandia illustrata, 1., 2-,
3. und 4. Lieferung des I. Bandes und I.Lieferung des IL Bandes:
— c) 28 Stück Broschüren verschiedenen Inhaltes.
4436. Mitau, kurländ. Gesellschaft für Literatur und Kunst: „Sitzongs-
berichte-' aus dem Jahre 1879, gedr. 1880.
4437. München, königl. bair. Akademie der Wissenschaften: a) „Ab-
handlungen der histor. Classe**, Band 14, Abtheflung 3,
1879, Band 16, Abtheilung 1 und 2; — b) Sitzungs-
berichte, Jahrgang 1879, Band II, Heft 3, Jahrgg. 18S0,
Heft 1—6; — c) »Ignaz von Loyola an der römischen
Curie*' (von August von Druffel) , 1879 ; — d) .Das
Haus Witteisbach und seine Bedeutung in der deutschen
Geschichte«' (von J. von DöUinger), 1880; — e) »Die
Pflege der Geschichte durch die Wittelsbadier" (von
Dr. Ludwig Rockinger), 1880.
4438. — histor. Verein von und für Oberbaiem: a) Archiv,
88. Band, 1879; — b) 41. Jahresbericht fOr das
Jahr 1878, gedr. 1880.
4439. — Alterthumsverein : „Die Wartburg", 7. Jahrgang, 1880.
4440. Münster, Literar. Handweiser: 19. Jahrgang, 1880.
4441. Neuburg an der Donau, histor. Filialverein: nCoUectaneen-Blatt',
43. Jahrgang, 1879.
4442. New- York, American Museum of natural history: „Annoal-Report*^,
für das Jahr 1880.
4443. Nürnberg, germanisches National-Museum: „Anzeiger für Kunde
der deutschen Vorzeit**, N. F., 26. Jahrgang, 1879 and
25. Jahresbericht.
— XXI —
1444. Kflrnberg» Verein ftr Geschichte der Stadt Nttmherg: „Mit-
theilujigen% Heft 2, 1880.
1445. Paris, Soci^t^ des antiquaires de France: »M^moires", 89. Band,
der 4. Serie 9. Band. 1878, 6. Band, der 3. Serie, 1880; —
«Bulletin«, Tomo Xm, Jahrgg. 1877, 1878 u. 1879, gedr. 1879.
U46. Pettau, Bealgymnasinm: „ll'^fthreshericht des Schuljahres 1880^.
t447. Petersburg, kaiserl. archeologische Gommission: „Rapport*^ für
das Jahr 1877.
1448. Poitieres, Gesellschaft der Alterthurasforscher des westlichen
Frankreichs: .Bulletins«', Jahrgang 1880, 1.— 4. Quartal.
4449. Porrentnii, la Soci^tö jurassienne d'emulation : ^ Actes'' , 30. Session,
1879.
4450. Prag, königi. böhm. Gesellschaft der Wissenschaften: „Sitzungs-
berichte*', Jahrgang 1879.
4451. — Verein für die Geschichte der Deutschen in Böhmen:
a) .Mittheilungen", 18. Jahrgang, Nr. III und IV, 19. Jahr-
gang, Nr. 1, 2 u. 3; — b) .Chronik** der SUdt Elbogen
(1471—1604), von Dr. L. Schlesinger, 1879 ; — c) 18. Jahres-
bericht 1879/80.
4452. — Lese- und Redehalle der deutschen Studenten: .Jahres-
bericht" des Verein^ahres 1878/79 und 1879/80.
4453. Regensburg , histor. Verein von Oberpfalz und Regensburg:
a) „Verhandlungen", der N. F. 26. Band, der gesammten Ver-
handlungen, 84. Band, 1879; — b) „Bonifatius", eine etymo-
logisch-diplomatische Untersuchung (von Dr. Cornelius Will.),
1880.
4454. Reval, die estländisch-literarische Gesellschaft: ,. Archiv", N. F.,
Band VII, 1880.
4455. Riga, Gesellschaft für Geschichte und Alterthumskunde der Ost-
seeprovinzen: .Mittheilungen", 12. Band, S. Heft, 1880.
4456. Roma , die königl. Akademie dei Lincei : . Atti" , Seria 3,
Volume IV, Fase. I, a. 7.
4457. Salzburg, Gesellschaft für Salzburger Landeskunde: ^Mit-
theilungen^ des 20. Vereinfgahres, 1880.
4458. Schmalkalden, Verein für hennebergische Geschichte und Landes-
kunde: „Zeitschrift", 3. Heft, 1880.
4459. Schwerin, Verein für mecklenburgische Geschichte und Alter-
thumskunde: „Jahrbücher und Jahresbericht", 44. Jahrgg., 1879.
4460. Sigmaringen , Verein für Geschichte und Alterthumskunde
in HohenzoUem : .Mittheilungen" , 12. Jahrgang , 1878/79,
13. Jahrgang, 1879/80.
4461. Speier, histor. Verein der Pfalz: a) .Mittheilungen", Bd. IX; —
b) Gatalog des Museums, 1880.
— xxn —
4462. Stade, Verein fttr Geschichte nnd Alterthum: ^ ^jLrtMr',
7. Band, 1880; — b) die Mflnzen der Stadt Stade, Wien 1879.
4468. Steinamanger , histor. • archeologischer Verein: «A TaBm^ye
R^g^Bzeti-Egylet ^vi jelent^se", 8. Heft, 1880.
4464. Stettin, die GeBellschaft f&r pommer'sche Geschichte und Alter-
thamsknnde: „Baltische Studien", Jahrgang SO, Heft 1 — 1, 1880.
4465. Strassburg, die Universität and Landesbibliothek: a) Die Nen-
gründung der Strassbnrger Bibliothek, 1871 ; -^ b) die £inweihiuig
der Strassburger Universität, 1872; — c) der erste Rector der
Universität zu Argentorati , Johann Friedrich Bruch , 1872 ; —
d) der Rectoratswechsel an der Universität tu Strassburg am
81. October 1874; — e) 9 Stück Dissertationen ans dem Jahre
1877, 1878 und 1879.
4466. Stuttgart, kOnigl. Statist.- topographisches Bureau: a) Wfirttem-
bergische Jahrbacher fUr Statistik und Landeskunde, Jahrgg. 1879,
Band I, 2. Hälfte und Band 11, 2. Hälfte; — b) VierteUahres-
hefte für wOrttembergische Landesgeschichte , Jahrgang HI,
Heft 1—4, 1880.
4467. Tettnang, Verein für die Geschichte des Bodensee's und seiner
Umgebung: .Schriften**, 7. und 9. Heft, 1876—1879.
4468. Triest, la Societä del Gabinetto di Minerva: nArcheografo
Triestino-, N. S. Volume VI, Fase. IV, Febr. 1880, Volume VH,
Fase. I e n, Agosto 1880.
4469. Ulm, Verein für Kunst- und Alterthum: ^Münster - Blfttta^,
2. Heft (von If'riedrich Pressel), Ulm 1880.
4470. Utrecht , histor. Genootchap : a) B^dragen en Mededeelingen,
3. Theil, 1880; — b) Werken, neue Serie, Nr. 29 und 81.
4471. Venedig, L'istituto Veneto di scienze, lottere ed arti: nAtti«,
seria quinta, tomo IV, dispensa decima, poi tomo V, dispensa
1 sino 10, tomo VI, dispensa 1 a 9.
4472. Washington, Smithsonian Institution: „Annual-Report* für das
Jahr 1878.
4473. Wernigerode, Harzverein für Geschichte und Alterthumsknnde :
„Zeitschrift^ 12. Jahrgang, 1879, 8. und 4. Heft, gedr. 1880,—
18. Jahrgang, 1880, Heft 1, 2 und Schlussheft.
4474. Wien, kaiserl. Akademie der Wissenschaften : a) Sitzungsberichte
^ der philos.- histor. Glasse, 90. Band, Heft 1, 2 und S;
91. Band, Heft 1 und 2; 92. Band, Heft 1, 2 und S;
98. Band, Heft 1—4; 94. Band, Heft I nnd 2; 95. Band,
Heft 1—4 ; 96. Band, Heft 1 ; — b) Register hiezu zu d»
Bänden 81-90; — c) Archiv, 67. Band, 2. Hälfte;
58. Band, 1. und 2. Hälfte; 59. Band, 1. und 2. Hälfte;
60. Band, 1. Hälfte; — d) Fontes rerum austriacanim,
— xxra —
41. Band, Abtheilung n, 1. und 2. Hälfte; 42. Band, 1879,
2. Abtheilang; — e) Denkschriften philos.-histor. Giasse,
Band 28, 29 und 30.
4475. Wien, k. k. Central- Commission zur Erforschung und Erhaltung
der Kunst- und historischen Denkmale: „Mittheilungen ",
6. Band, Heft 1-4.
4476. — k.k. geographische Gresellschaft : „Mittheilungen", 22. Band,
Jahrgang 1879.
4477. — Verein fVa Landeskunde in Nieder- Oesterreich: a) Blätter,
N. F. 12. und 13. Jahrgang, Nr. 1-12, 1878-1879, —
b) Topographie von Nieder- Oesterreich, 3. Band, Heft 4,
5 und 6, 1879.
4478. — archeologisch-epigrapfiische Seminar der k. k. Universität :
ffMittheilungen aus Oesterreich'^ , 4. Jahrgang , Heft 1
und 2, 1880.
4479. — Alterthnmsverein: „Berichte und Mittheilungen", 18. Band,
1879.
4480. — Tourist, XH. Jahrgang 1880, 1. und 2. Band.
4481. Wiesbaden, Verein ftr nassauische Alterthumskunde und Qe-
schichtsforschung : „Annalen*', 16. Band, 1879.
4482. Zürich, antiquarische Gesellschaft : „Mittheilungen*^, 44. Bd., 1880.
3. Dnreh Ankauf.
4483. Darmstadt, der Gesammtverein der deutschen Geschichts- und
Alterthumsvereine : „ Correspondenzblatt ** , Jahrgang 1880,
Heft 1-12.
B. Für das Archiv.
L Urkunden und Acten.
Geschenk von den Herren:
1632. Althai 1er, Ingenieur in Graz: 6 Stück Original - Pergament-
Urkunden.
1633. Meixner Anton, Missar in Gabersdorf: Einige alte Urkunden,
Landkarten, Notizen und ein geschriebenes Gebetbuch ans Gross-
Florian.
1634. Sehn er ich Josef, Notar zu Wolfsberg in Kärnten: 92 Stück
Urkunden, theils Original-Pergament und theils Handschriften des
Gutes Bayerhofen.
- XXIV -
n. Handschriften.
1635. Herr Puff Herrn., Notar in Oberradkersburg : Tagesbefehlsprutokol]
der im Jabrc 1848 zu Marburg bestandenen Nationalgarde, ferser
ein Arrestanten-Protokoll vom Jahre 1809—1818 des 4. Dragoner-
Regiments und sonstige Handschriften.
C. Für die Kunst- und Alterthums-Sammlnng.
Geschenk von
1151. FrauK ähnelt Anna, geb. EdlePichlY. Garn 8 en fei 8, Telegrafen-
beamtensgattin in Graz: Eine Landkarte des Bisthums Bamberg
und 26 Stack Schlachtenpläne aus dem 18. Jahrhundert.
1 1 52. Herrn Pichl y. Gamsenfels Karl, Gutsbesitzer in Oberradkers-
burg: Ein Pferdehufeisen, gefunden im Jahre 1850 im Dorfe
Urschendorf bei Luttenberg, muthmassend aus der Zeit der
türkischen Kriege herrührend.
B.
Abhandlungen.
Mitthetl. d08 hint. Vereinai f. Steiermark, XXIX. Heft, 1881. 1
üeber steiermärkische Taufnamen.
Vom
Landesarchiv-Director v. Zahn.
£js geht die Sage, zu Hag bei Ebersberg in Baiem habe
gegen Ende des 10. Jahrh. ein Mann gelebt, der hiess
Huninger, Den Namen hatte ihm sein Vater gegeben, der
auch zu Hag bei Ebersberg in Baiem wohnhaft gewesen, in
einem Gehöfte an jener Strasse, welche die Nachkommen der
bekannten „Geissei Gottes ^^ die wilden Ungarn, bei ihren
Einfällen in Sttddeutschland zu ziehen pflegten. Dieser baju-
warische Mann muss Bitteres an ihnen erlebt und tiefer Grimm
wider diese neuen Hunnen sein Herz erfüllt haben. Es heisst
nämlich y er wollte seinen Hass in seines Sohnes Namen
widerspiegeln: der sollte des Jungen Lebensziel benennen,
und jeder Ruf ihm dieses wach erhalten. Darum nannte er
ihn Huninger. Mit dem einen Theile dieses Wortes, das später
Hernien lautete, bezeichnete man Heiden und Biesen im All-
gemeinen, ein gespenstisch Geschlecht der Yorwelt oder Mythe,
und im Besonderen waren die Vorfahren unserer östlichen
Nachbarn gemeint, blutgierig Beide und unwiderstehlich. Den
Sinn des ganzen Namens wird man sich aber leicht zurecht
legen, wenn man berücksichtigt, dass in dem Auslaute f^ger"
unser heutiges Wort Spiess seiner Bedeutung nach sich birgt
Hatte der Sohn des anonymen Vaters grimmen Segen voll in
sich aufgenommen, dann hat er wohl auch (955) bei Augsburg
mitgeholfen, die magyarischen Unholde aus den Gefilden um
den Lech und die Amper, die Isar und den Inn zu veijagen
1*
— 4 —
— auf Nimmerwiedersehen! Letzteres aber konnte Hunmger
damals nicht so sicher wissen und so baute er in seiner
Familie vor. Da sein Weib ihm der Söhne vier schenkte,
theilte er seines väterlichen Hasses Erbe vierfach aus, und
prägte jedem seiner Jungen den Stempel der Abkunft und
des Lebenszweckes in dessen Namen gerade so auf, wie er ihn
überkommen. So hiess er sie nach der Reihe Huninftar,
Huninwi, Huninleä und HunintoL
Das ist nun eines der seltenen Beispiele, dass die ge-
schäftige Sage aus unserer ältesten Volksgeschichte Sinn
und Meinung der Namengebung lebendig übermittelte. Wir
brauchen allerdings nicht strenge zu glauben, dass in diesem
tragischen Sagenbilde Alles sich so verhalte, wie es beriditet
wird; allein wenn auch, ist damit doch nicht Veranlassung
gegeben; dasselbe aus unseren Ueberlieferungen zu tilgen.
Dass es uns überkam, mag blos als Beleg vom Sinniren des
Volkes gelten, als Beweis des Strebens, Namen voll Klangs
auch voll im Inhalte sich zu gestalten, und grosse geschicht-
liche Ereignisse, sozusagen mit Detail von ihrer Scholle aus-
gestattet, zu sich sprechen zu lassen und doppelt sich der
Erinnerung einzuprägen.
Es kann als sicher angenommen werden, dass gar man-
chem unserer Personennamen aus alten Tagen ein Stück
Geschichte innewohne. Nur verrathen wird uns blos ausnahms-
weise, welche Dinge und Gedanken jeweilig den Pathenspruch
bestimmten. Doch ist weder nöthig; noch angängig, in j e d e m
Personennamen unserer Vorzeit eine Art von Ablagerung beson-
derer Begebnisse sehen zu wollen. Es genügt zu wissen, dass es
Zeiten gab, in welchen diese Producte des gesellschaftlichen
Lebens an Vielseitigkeit und Tiefe ihrer Bedeutung unseren
Tagen gegenüber vortheilhaft sich hervorhoben. Von dieser
Herrlichkeit hatte man schon vor Jahrhunderten lebhafte
Vorstellungen, und eben zur Zeit, als die Verflachung auf dem
Namengebiete unwiderstehlich sich breit machte, wiesen manche
Schriftsteller mit beredten Worten auf Jene, ohne aber damit
den Gang des Verfalles aufhalten zu können. Da sei zunächst
— 5 —
ein Herr von Pappenheim genannt, der für sich selber aller-
dings den wenig nationalen Taufhamen MaUhaeus führte und
zu Kaiser Max I. Zeiten als Domherr zu Augsburg lebte. ^)
Mit noch mehr Liebe zum Gegenstande und in liebevollem
Suchen nach Gelegenheit zur Aussprache äussert sich „der
Vater der bairischen Geschichte '^j Hans Thurmaier, gewöhnlich
Aventinus genannt, ein Zeitgenosse des Ersteren. „Unsere
Alten, ^ sagt er, „haben viel auf Namen gehalten; für sie lag
darin ein Mitwirken der angerufenen Gottheit, ein Hinweis
auf Glück und Lebensgang des Menschen. So unbesonnen,
wie wir pflegen, gingen sie in der Wahl derselben nicht vor ;
sie überlegten sie sich wohl an acht Tage, denn was der Name
des Kindes besagte, das sollte das Kind auch sein.** Diesem
Bedürfnisse, dem eigenen Denken und Wollen in dieser Rich-
tung freien Ausdruck zu lassen, stand eben in Vorzeiten nichts
im Wege — oder wir können auch sagen, nichts helfend zur
Seite, kein Heiligenverzeichniss, kein Dynastenregister, noch
sonst ein Schema, dem unschlüssigen Pathen die Namenwahl
bequemer zu machen. Wir haben diese Hilfen, und sind der
Schwierigkeit der eigenen Erzeugung von Namen für unsere
Kinder längst enthoben.
Vor 1000 und mehr Jahren war, lässt sich behaupten,
jeder Name — und man kannte damals nur Personennamen,
und soll auch hier von anderen nicht die Rede sein — war das
Namen wesen eine Art von Dichtung, und jeder neue ein neuer Vers
derselben. Unsere Zeitgenossen können begreiflich zu gutem
Theile diesen Hergang nicht mehr verstehen, und wir ihn
sämmtlich in grossem Umfange wohl auch nicht mehr üben.
Allein ganz fremd ist er ihrer Vielen doch wieder nicht, nur
kennen sie ihn blos aus femgelegenen Volksgebieten. Gar
Manche haben Geschichten aus den Prärien^ aus dem Leben
der Indianer Nordamerikas gelesen und sich vielleicht auch
an deren sonderbaren Namen dieser und ihrer Frauen erbaut,
*) „Von dem vralten Stammen ... der Herren von Calatin", Augsburg,
1554.
— 6 —
an deren bald kriegerischem Klange, bald gerollthlichem Tone,
weniger wohl an deren schwerfälliger Bildlichkeit Dabei dachte
indess man selten daran, dass die eigenen Vorfahren die
gleiche Weise gepflegt, wechselnd nur im Laute und meist
auch in den Voi*stellungen. Sie war eben dem sittlichen und
gesellschaftlichen Stande des Volkes entsprechend, angeboren
und ureigen. Wir selbst haben nur kein Verständniss mehr itlr
ihre Formen, allein das Wesen selbst ist, trotz allem Ab&rben
unter dem Einflüsse der Zeitläufte und der Anschauungen in
deren Gefolge, uns geblieben. Mit der alten Sprache ist uns
nur die genaue alte Weise abhanden gekommen ; der Gedanke,
der sie belebte, den üben wir, unbewusst dieser Geroeinschaft,
auf demselben und dem neu hinzugetretenen verwandten Ge-
biete noch immer.
Den Inhalt und historischen Charakter der alten Personen-
namen haben in vielen Fällen bei uns die Familiennamen
aufgenommen und jene darin gewissermassen ersetzt Noch
mehr lässt sich dies von jenen Adelsprädicaten sagen, welche
seit dem 16. Jahrh. hierlands in Aufnahme gekommen sind.
Es mtlsste ein Buch von hohem Interesse und gewaltiger
Vielfärbigkeit sein, das die Geschichte einer Centenniums-
gruppe solcher freigewälter adeliger Beinamen in ihren Veran-
lassungen darlegte. Man sieht, dass wir in neuem Gewände
der alten Sitte nicht gar so ferne stehen.
Und wie diese Beinamen in ihrer Gesammtheit ein Product
ihrer Zeiten und deren Anschauungen sind, so waren es auch
stets die Personen- oder Taufnamen. Nur versteht die eine
Zeit die andere, und würdiget die eine Anschauung die vorher
geltende nicht immer. Und so ist jeweilig die neue von sich
und der Vorzttglichkeit ihrer Weise derart eingenommen gewesen,
dass sie ganz übersah, wie ihre Grundsätze in derselben
Richtung die gleichen von vordem seien, und nur ihr Aus-
druck ein anderer — ob eine haltbarer, entsprechender, das
beirrte nicht.
Doch gerade dieser Wechsel in der Aeusserlichkeit belegt
die Bedeutung der Taufnamen in der Geschichte; dass der
nationale Standpunct dabei weniger erfreut wird, ist eine
andere Sache. Allein durch jenen Wechsel kennzeichnet sich
das Personennamenwesen, wie schon bemerkt, als Product von
Einflüssen, welche jeweilig ein Volk auf seinem geschichtlichen
Entwicklungsgange beherrschen, und die sonach gutentheils
immer in jenen förmlich sich ausprägen. Jede neue Weise
da, setzt einen Umschwung dort voraus.
Das gilt im Leben des Einzelnen, wie in jenem ganzer
Generationen.
Der junge Mann, der die klösterlichen Weihen nimmt,
streift den Taufnamen, den er als Laie trug^ ab; der bisher
bewährte Patron, dessen Schutz er in der Taufe empfohlen
worden, muss einem anderen von noch mehr ausgesprochener
Leitungsfähigkeit weichen^ und der Mönch soll fürder nach
des exquisiten Geistesvogtes Sinn und Beispiel wandeln und —
thut es manchmal auch. So prägt die Wandlung des Geschickes
in Personennamen des Einzelnen sich ab.
Noch greifbarer und breitspuriger erweisen sich derlei
Zeichen als Ergebnisse bedeutender geschichtlicher Ereignisse
und einschneidender politischer Umwälzungen. Das Facit
solcher ist durch „politische Taufnamen" ein vollständiger
Bruch mit dem bisher üblichen Personennaraenwesen, wenn
nicht für immer, so doch auf lange Zeit.
Um von kleineren Zeichen auf grosse Erscheinungen
überzugehen, sei zuvörderst der Thaten des modernsten
italienischen Guerillero gedacht, die manchem Jungen, dessen
Wiege nicht im „hesperischen Lande^^ schaukelte, den Tauf-
namen Garibaldi eintrugen. Hat doch des Zuluhäuptlings
Tschetewayo Freiheitssinn sogar in der Brust manch englischen
Vaters so viel Widerhall aufgelockt, dass der seinen gelegent-
lichen Sprössling mit diesem Kaffemamen belegte, und so
das Ereigniss vom Cap der guten Hofihung in seiner Familie
an der Themse abspiegeln liess. Wie ernst, trotz ihrer Ab-
sonderlichkeit, muthet aber nicht der Puritaner Weise an?
Ihnen genügte in ihrem Frömmigkeitssinne und ihrer Gotterge-
- 8 —
benheit nicht mehr der herkömmliche Name; deo Täufling
sollte auch ein kräftiger Bibelsatz im Leben geleiten. Da
drückte das politische und das confessionelle Glaubensbe-
kenntniss zugleich dem Namen seinen Stempel auf - allerdings
in etwas länglicher Weise. „Jonas 0 Herr erquicke meine Seele
denn sie dürstet Dein Smith^ oder ^^James Jehovah st&rcke
meinen Arm zur Vernichtung Deiner Feinde M'Kenzie^' —
mögen Proben einer Weise sein, die zwar keineswegs immer
so fadenartig, dafür jedoch im grossen Style die Taufhamen
Altenglands beherrschte. Angesichts unserer eigenen Vorfahren
haben indess wir gar keine Veranlassung, diese puritanische
Weise zu belächeln. Auch unsere Ahnherren in der PeirQcke
haben eine solche geübt, aber statt des langen BibeWerses
mit ganzen Gruppen von Heiligen, einer Art von Rettungs-
gesellschaft, unter deren Schutz der neue sündhafte Welt-
bürger gestellt wurde. Und wenn mit jenen Namen sich die
Zeit Cromwells kennzeichnet, so scheidet sich durch diese
wieder bei uns die jesuitische des geistigen Stilllebens von
der vorhergehenden und nachfolgenden Periode ab. Ganz
ähnliche Sprossen, aber sehr wenig frommen Charakters, trieb
zu Ende des vorigen Jahrhundertes Frankreich, und wider-
holte den Trieb anfangs dieses in zwei wechselnden Formen.
Die grosse Staatsumwälzung rief die Namen des republicani-
schen Alterthums, sowohl griechischer als römischer Abkunft,
wach ; ihnen folgten jene, welche die napoleonische Zeit, dann
jene, welche die Legitimität der Bourbons in Frankreich in
Zeugenweise belegten. Man konnte um 1795 herum seinen
Knaben nicht leicht Louis nennen, und um 1820 nicht leicht
Aristides, ohne verdächtig zu werden. Und selbst heute, und
in unserer eigenen Staatsgemeinde können wir den Einfluss
nationaler Bewegungen auf die Taufmatrikel beobachten.
Man sieht, der Personenname ist für das Bild der Ge-
schichte der Menschheit eine Art Staffage. Nicht an der Tracht
der Figuren allein ermöglichen sich Studien über die Nation
Trägers, sondern auch an den Namen, und damit über die
Zeit desselben; deren Strömungen, sein ^B^kenntniss, — nicht
— 9 —
mit absoluter Sicherheit, wohl aber mit gewisser relativer, wie
eben ein Abklatsch die Umrisse der Formen widergibt.
Aber nicht grosse und kleinere Zeitereignisse beeinflussen
allein das Namengebiet. Es machen sich dabei noch vielerlei
Umstände geltend, die mit den Territorien der Namenträger
in Verbindung stehen, und keineswegs mit irgendwelcher plötz-
licher Umwälzung. Die Bemerkuug haben wohl schon Viele
gemacht, wie sehr z. 6. in Deutschland der Norden vom
Süden im Allgemeinen sich bezüglich der Personennamen unter-
scheidet Allein das Gleiche gilt auch von einzelnen Ländern,
und manchmal sogar von solchen recht beschränkten Umfanges,
gleichgiltig ob sie den Fürsten - und der spielt bekanntlich
dabei keine geringe Rolle — gemeinsam haben oder nicht.
Es genügt die Verschiedenheit der Confession in Einem Lande,
jene der Diöcesen, der Pfarrpatrone sogar, um den da und
dort gebräuchlichen Namen bestimmte Abtönung zu verleihen ^).
Man erzählt von Leuten, welche sich darin übten, den Sonntags-
spaziergängem aus ihren Bewegungen von hinten das Hand-
werk abzulauschen, das selbe in der Woche trieben ; so Hesse
sich auch den Personennamen auf den Geschäftsschildem —
cum grano salis — absehen, unter welchem Principe jene den
') Das sind bleibende Ingerenzen, insoferne von Dauerhaftigkeit in
diesen Dingen die Rede sein kann. Eine andere dergleichen ist
das Heiligenregister in den Händen mancher Seelsorger, welche,
ohne Eltern oder Pathen zu hören, darauf halten, dass der Täufling
ja den Namen bekomme, welchen der Geburts- oder Tauftag im
Kalender ausweise. Allein diese Art basirt auf reiner Willkür, und
schliesst die freie Wahl und selbstständige Unterordnung unter irgend-
einen Zug nach Ort und Zeit gänzlich aus. Dass indess durch eine
solche Methode dem Namenwesen in gewissen Gegenden ein höchst
wunderlicher Charakter sich aufprägen muss, liegt auf der Hand.
In Tirol kann man derlei unschwer beobachten, und in neuester
Zeit wurde auf den Lechrain bei Augsburg als eine Musterstätte
dieser Art gewiesen. In gemischten Bezirken kömmt es wohl auch
vor, dass ein slavisch gesinnter Pfarrer das gewöhnliche Heiligen-
register mit einem Verzeichnisse slavischer Personennamen vertauscht,
die dann mit mehr Bereitwilligkeit auf der einen, als Vorliebe auf
der andern Seite auch Kindern deutscher Eltern zugetheilt werden.
- 10 —
Trägern geworden. Und die Wahl ist gross, denn der Principe
haben wir heute viele, und doch eigentlich kein Priacip —
und dabei durchaus weder Namenreich th um, noch Namen-
schönheit in jener Ausdehnung, wie jene unsere Vorfahren
mit ihrem Einen Principe damals besassen, als d»- Name
Steiermark noch nicht gefunden war.
Im Ganzen wollte ich damit nur gezeigt haben, dass die
Taufnamen, die bisher in sehr ausgedehnter Weise Gegen-
stand von Erörterungen gewesen sind, auch nach der Zeit
für ein einziges Land zu solcher sich eignen. Möge es mir
gelingen, in dieser Beschränkung der Aufgabe gerecht zu
werden! Das Gebiet sei hier die Steiermark; die zeitliche
Umrahmung reiche so weit, als die eigentliche Bewegung sich
abhebt. Allerdings hört dieselbe nicht gänzlich auf, allein die
grossen Anstösse und mit ihnen der scharf markirte Wechsel
ermatten. Dass in der Betrachtung dem Anfangsmomente des
Namenwesens bei uns weitaus der Löwenantheil zuiUlt, ist
begreiflich. Ist er doch der Ausgangspunct aller späteren Aende-
rungen im Gegenstande, und, soviel man sehen kann, inn Ring-
laufe auf diesem Blatte geschichtlichen Lebens, ebenfalls der
Endpunct, denn wir kehren zu ihm zurück. Seine
Fäden sind nicht abgerissen; sie haben sich nur vermindert
in der Zahl, mit der sie uns festhalten. Auch kennzeichnet
er eine Periode des Namenwesens voll sprachlicher Schönheit
sinnlicher Kraft und ethischer Tiefe, die uns stolz sein lässt auf
den Reichthum, den sie birgt, und der uns erst allmälich durch
philologische Mühen erschlossen wird. Es gewährt auch keinen
geringen Reiz, zu zeigen, wie etwa eine steirische Tauf-
matrikel im XII. Jahrhundert ausgesehen hätte, wenn sie da-
mals schon geführt worden wäre. Vielleicht irre ich darin,
aber fast möchte ich annehmen, dass in dieser Richtung noch
Einiges geboten werden könnte, Vergleichsstoff nämlich zwischen
der kahlen Nüchternheit und der fadenscheinigen Armuth des
Namenwesens unserer Tage, und dem bedeutungsvollen Farben-
reichthume in jener Zeit, da unser Land sein Staatswesen
allmälich klar bekam. Wie sollte aber da auch nationales
— 11 -
Fühlen nicht mit hineinspielen, wo das ureigene Volksthum in
unberührter Ursprünglichkeit, gedankenreich und kräftig, milde
und gewaltig sich ausspricht? Da beginnt man sogar die Slaven
zu beneiden, denen ihre Sprachentwicklung und die ihrer
Familiennamen es gestattet, die uralten volksthümlichen Tauf-
Damen wieder hervorzuholen, welche einzelne ihrer Stämme
übrigens fast gar nicht eingebüsst, Dank der nationalen Kirche.
Ein überfrommes Ohr mag freilich nicht ganz mit Unrecht aus
den Taufnamen unserer ältesten Zeit etwas heidnisch angemuthet
werden. Allerdings lag diese jenen Tagen noch näher, wo
statt des Einen Gottes die Götter, und statt der Heiligen
Dämone und Naturerscheinungen verehrt und gefeiert wurden.
Doch mag man in dieser Hinsicht sich trösten: dieselben
Namen trugen auch ■ — unbeschadet ihres Christenthumes —
die Priester, welche aus der Glaubensstätte an der Salza die
Jesuslehre an die Mur und Drau verpflanzten, welche den
Slaven Karantaniens das Evangelium predigten, und es trugen
sie auch Jene, welche vor sieben und acht Jahrhunderten
Klöster und Pfarren hierlands stifteten, somit unverdächtige
Leute einer weltlich und geistlich grundlegenden Zeit
Ein schöner Taufhame kann als ebenso inhaltsreiche,
wie billige Mitgift für's Leben gelten. Mit dem Pathenspruche
verknüpft sich für den Täufling meist auch ein Segensspruch.
Eine Persönlichkeit — in den meisten Fällen nur der Name
derselben, oder auch blos dessen Klang ~ bildet dessen Kern.
Der Persönlichkeit, deren Name entlehnt wird, soll das Kind
nachleben, oder was der Name bedeutet, soll es werden oder
ausführen, der Welt, den Eltern 'und sich zu Ehre und
Frommen. Heutzutage nimmt den Posten als Musterbild für
den Täufling (wenn die Sache ernst genommen wird und nicht
nur so, dass «das Kind einen Namen hat"), in der Regel ein
nichtverwandter Heiliger, oder ein verwandter Nichtheiliger
ein, eine bekannte Grösse aus irgendeiner Dichtung, oder
ein grosser Bekannter aus der Landes- oder Staatsgesellschaft.
Das mag dahingestellt bleiben, in welchem Masse die Segens-
wünsche und Vorbilder sich an dem Benamsten bewähren, und
— 12 —
ob die Verdrängung unserer volksthttrolichen Namen dunb
jene von Heiligen sittlich sich lohnte. Am Ende kann aller-
dings auch in alten Tagen ein Hadt4hrand ein höchst fried-
fertiger Mann gewesen sein, und anderseits will man beob
achtet haben, dass mit den Heiligennamen nicht auch die
Zahl der lebendigen Heiligen gewachsen seL
Allein von der Schönheit der ttbergrossen Mehrzahl jeU:
üblicher Tauinamen soll nicht die Rede sein. Sie werden
ja Vielen gefallen: dem Einen liegt ein Stück evriger Selig-
keit darinnen, die Anderen kennen nur diese Eormen, dif
Dritten scheuen ungewohnten Klang — aber Viele hatten doch
anders gewählt, wenn sie mitreden hätten können, und dar-
unter gibt es welche, die, von der ewigen Schönheit der
eigenen Sprache beseelt, jenen aus deren Schatze den Vorzug
geben. Mir haben, wenn ich in italienischen Documenten sie
begegnete, die Namen BenttvogUo, Nascinibene, Nasdngnfrrn
oder Crescimhme und Vincingtierra immer ganz absonderlich
gefallen — nicht ihres angenehmen Tonfalles halber, sondem
des ausgeprägt Individuellen wegen, das sie in sich schliessen
Dann liegt auch in ihnen ein Stück jener Schöpfungskraft,
welche gerade dem deutschen Namenwesen so eigen ist Aber
derlei Erzeugnisse sind, nebenbei bemerkt, auf romanischem
Boden recht selten. Weit häufiger — vorwaltend im Mittel-
alter — begegnen wir daselbst unseren volksthümlicheo
Personennamen, freilich hundertfältig entstellt Dieses Ent-
lehnen bietet uns nach mehrfachen Richtungen hin Belege:
zuvörderst, dass der Sinn eines Namens gar nicht verstanden
zu werden braucht, ohne dass die Beliebtheit des Letzteren litt«:
dann, wie sehr ein angestammtes Princip, wenn es sich eingelebt,
forterbe, trotz der nationalen Gegnerschaft, welche sonst dem
Gründer desselben nicht verheimlicht wird, und endlich, das$
in unseren Namensformen doch einigermassen Wohlklang aucli
für die Fremden liegen müsse, sonst hätten sich die darin so
heiklen Romanen damit nicht derart befreundet, wie es geschah^)-
1) Die Italiener haben wenig Ahnung davon, dass, namentlich im Norden
und im Gentrum ihrer Halbinsel, ein gut Theil der Personen-
— 13 —
Das' sind kleine Proben aus der Laienwelt eines sicher-
lich der positiven Religion gänzlich angehörigen Gebietes.
Aber auch die klerikale Welt, und selbst in später Zeit,
bindet sich nicht an die Namen eines Martyrologiums, und in
italienischen Kreisen, wie auch bei uas^ finden wir Personen-
namen eigener Erfindung, in welchen die Friedseligkeit der
Gesinnung sich abgelagert hat Doch ausschliesslich gehören
sie keineswegs der Gesellschaft der Geweihten an, wenn jene
obigen nur der ungebundenen Welt. Da treffen wir auf Bona-
rmturOy auf Omnebonum (Ognihme) und Grajsiadei, und bei
uns in deutschen Nonnenklöstern auf eine Bona, eine ÄmdbiUsy
eine Mirabilis, welche etwa ausserhalb der Elostermauern
Guota, Liüba und HimiUrud geheisseu haben könnten.
Es war also diese eigene Mache der Taufnamen in allen
Kreisen eine selbstverständliche. Man kannte es gar nicht
anders, als nach Gefühl und Gemüth, nach Sinnen und Streben,
nach Gelegenheit und Zweck — aller Verehrung für die
Heiligen weit unbeschadet — freischöpfend darin vorzugehen.
Das war dem deutschen Volke ebenso angeboren^ wie es im
Alterthume der Fall war, und bei vielen Völkern heute noch
geübt wird. Erst die Berahrung mit anderen Nationen und
neuen Ideen brachten und bringen allenthalben Abgehen von
der Regel zu Stande. Und überall ist auch der erste Vorgang
derselbe: man knüpft an gewisse örtlich geläufige Begriffe
aus dem Natur- und Seelen-, aus dem öffentlichen oder pri-
vaten Leben an, und „das Wort wird Fleisch'', d. h. die Be-
namen, die beute noch gang und gäbe, deutscher Abkunft sind, ferner,
dass eine Menge von Familiennamen bei ihnen existiren, die nichts
Anderes als deutsche Taufnamen vorstellen. Interessant ist, dass da-
selbst gerade unsere ältesten und besten Namensformen sich erhielten,
welche bei uns entweder auch als Familiennamen abgestorben,
oder lautlich ganz abgeschwächt sind. Das erklärt sich dadurch,
dass diese unsere Producta in deren Blüthezeit daselbst eingeführt
und gepflanzt wurden, femer dass die Vocalisation unserer Personen-
namen von damals weit mehr als die spätere dem Yocalismus des
Romanischen zusagte. Die Namen waren so leichter aussprechbar,
und das sicherte mit ihre Vererbung.
— u —
griffsbezeichnung wird der Name eines Menschen. Zuvörderst sind
einfache BegriiFe die gewählten, und wohl auch die eingehen
Namen die ältesten. Und zwar haben jene der ersterea den na-
türlichen Vorrang, welche auf grosse äusserliche Eigenschaften,
seltener auf innere, hinweisen. So adalf chrafl, berht, em».^.
grim, heri (hart), od, odai u. s. w. ^), und diesen entsprechend
treten Namen jenes Gethieres in den Wahlkreis ein, diL^
entweder gleichfalls besondere Stärke repräsentirt, mit dem der
Mann um das Leben ringt, an dem er seine eigene Kraft
erprobt, und das ihm gewissermassen als Massstab f&r sich
selber dünkt, — oder Gethier, mit dem er seine Sagenwelt aus-
gestattet. Solche sind ar, her, ebar, wolf, UrU und rabcm.
Damit wäre indess, auch bei grosser Zahl einfacher Begriffs-
Worte, nicht weit gereicht worden. Es halfen nun Zusammen-
setzungen derselben aus. Zwei Stämme fügten sich aneinander:
mancher liess bei manchem den Anschluss zu Kopfe oder zu
Ende oder zu beiden zu, und es erweiterte sich der Kreis der
Namen um Bedeutendes. Wir selbst üben in unseren Bei-
worten verschiedenen Charakters derartige Kuppelung, ontl
finden — hinsichtlich der leichteren Verständlichung der alten
Personennamen sei das gesagt — es ganz natürlich, dass das
erste der beiden gekoppelten Substantiva adjectivische Bedeu-
tung hat. So meinen wir mit Goldkind unser goldiges Kind,
mit Lichtpunct einen leuchtenden Punct; wir sprechen auch
von bärenhafter Kraft und von Löwenmuth. Benützen wir die
obigen einfachen Begriffsbezeichnungen zu solcher Verknüpfung,
so ergeben sich die Namen Ädalberkt und OdaUberhty Chrafiheri
und Oddlheri, Berhtheri und HeriberM, Ebarlieri und Wolfheru
Wolfpreht und Ebargrim. *)
Damit schloss aber die Findigkeit nicht ab. Der einfache
Name oder der zusammengesetzte konnten unter demselben
Zärtlichkeitsgefühle, das sie gab, noch mannigfache Modelungen
durchmachen. Es sind die Koseformen, die Jeder kennt, Jeder
») Hinsichtlich der Bedeutung dieser Worte sei auf das p. 20, Note «
folgende Vcrzeichniss gewiesen.
— 15 —
übt, und die wohl an Jedes Namen geübt worden sind, oder
an seinem Prädicate in der Einderstube. Diess ist das Beich
unserer modernen Pepi und Mucki. Aber die Alten ver-
kürzten nicht blos Namen, sondern auch (wie wir thun) ver-
längerten in erneuter Koseform wieder Verkürzungen. So
wurde aus Chunigund Chuna und Chunüa, aus Heinrich Hinzo
und HinaeUn, aus Irminfrid Tmmo und Imieo, aus Eber-
tcin Ebbo und Eherlin. Die Fülle dieser Abformen ist eine
überraschend grosse, und so wenig zu übersehen, wie jene der
reinen Namen, und diess ungeachtet der grossen Vorarbeiten,
die seit etwa 40 Jahren der Fleiss der Germanisten daran
gewendet hat.
Damit ist aber die Möglichkeit und auch der Brauch, aus
demselben Worte durch leichte Modelung einen neuen Namen
zu bilden, noch immer nicht erschöpft
Es ist vorher Mancherlei von Taufen die Rede gewesen,
und von persönlichen Vorbildern, für die Namenwahl aufge-
stellt. Auch unsere Vorfahren thaten, nachdem der Fond an
Namen einmal grösstentheils geschaffen war, das Gleiche.
Nichts war ja natürlicher, als dass dem neuen Familiengliede
neben dem Schutze auch der Name einer Person der Familie
gewidmet wurde. So nahm der römische Client seines persön-
lichen, und nimmt der fromme Christ seines Pfarr- oder
Landespatrons Schutz und Namen an. Die Neigung, Namen ganz
oder anklangsweise zu vererben, bestand bereits zur Zeit, als
es Familiennamen noch nicht gab; wenn mit einem Namen
etwas Geistiges zugleich eingeimpft werden sollte, so lag es
klar, dass vielfältig eine solche doppelte Uebertragung aus
dem Schosse der eigenen Familie den Vorzug erhielt. Es
heisst, man habe gerne den Vätern, noch mehr aber den
Grossvätern die Wahl oder das Vorrecht eingeräumt, ihre
Namen den Enkeln zu geben — eine Gepflogenheit, die so
sehr in der Menschennatur begründet erscheint, dass wir ihr
sogar bei den Turkmenen als einer althergebrachten begegnen.
Auf diese Art bildeten sich theilweise ständige Personennamen
in Familien. Zuweilen sogar lässt sich an ihnen die Zugehörigkeit
— 16 —
der Träger zu diesem oder jenem Hause mit relativer Sicher-
heit verfolgen, obgleich damit begeisterte Genealogen öfters
argen Missbrauch treiben. Aber die Frische der Spradie
gestattete, selbst ein Verwandtschaftsverhältniss im Namen
auszudrücken, „und sie bediente sich dafür eines Abiaales.
Wenn der Vater einen Namen mit einfachem Laute hatte
erhielt der Sohn denselben Namen mit gesteigertem Vocale.
Hiess also eine Mutter Ada, so konnte ihre Tochter Ida
heissen, wenn die Mutter Bäba, die Tochter Buoba*^ u. s. w. 'i
Später trat eine ausgiebigere Weise ein, die gewissermasseo
an die Alliteration erinnert. Es ist eine Form, deren Möglich-
keit im Allgemeinen kurz vordem angedeutet wurde, und deren
Verwendung fUr Haus-, Familien- und Verwandtschaftszwecke
hier genauer erwähnt werden soll. Die Sprösslinge erhielten
darnach nicht ganze ; in der Elternschaft bereits übliche
Namen, sondern Zusammensetzungen aus Theilen derselben.
Namensstämme der Grossmütter auf der einen, konnten mit
solchen der Grossväter auf der andern Seite zu neuen Namen-
gestalten verknüpft werden, je dem Sinne der Stämme, und
dem Geiste der Sprache angemessen. Wie das lautete^ sollen
wenige Beispiele aus dem Wiegenlande unserer deutschen
Bevölkerung, aus Baiem, zeigen. So nennt der freisingische
Kanzleischreiber Kozroh um die Mitte des neunten Jahr-
hunderts, und einer seiner Nachfolger des zehnten, uns einen
Vater Unfrü, der seinen Sohn Deotfrä nannte, einen Ilpranl.
der seine Tochter llpurc hiess, eine Mutter Deotwih^ die ihr
Mädchen Deoistvint taufte. Zwei Schwestern Liutswini und
Eüanswint lassen auf einen Vater LiutoU und etwa eine
Mutter EUanmut schliessen ; allerdings hätten die Eltern auch
EUanhart und Liuigart, oder Switbero und SwitUhiU heissen
können — begreiflich grosse Verlegenheiten für behördliche
Becherchen, wenn damals schon Fremdenpolizei bestanden
1) Weinhold, die deutsche Frauen, 21. •— um 1080 erscheint bei Teufen-
bach in Obersteier eine Frau Imaia, welche nach diesem Gesetze
auf einen Vater Amdlo, oder auf eine Mutter AmaHa scbiiessen Hesse.
— 17 —
hätte. Und diese Proben lassen sich aus ältester Zeit (denn
zuerst verkommt im Namenwesen diese feine Seite) von überall
her belegen, wo Deutsche sitzen : aus Frankreich nicht minder,
wie aus Italien, vielfach und zierlich. Und so muss man sich
schliesslich sagen, dass die eingangs erzählte schöne Sage von
Huninger und seinen Söhnen gleichfalls auf diesen Familien-
und Sprachgebrauch und nicht nothwendig auf ein weit-
erschütterndes Ereigniss zurückgeführt zu werden hätte. *)
1) l^ark hat in seinen „Kosenamen der Germanen '^ (Sitzangsberichte
der kais. Akademie 52, 345) einen FaU componirt, der witzig, klar
und lehrreich genug ist, um ihn hier als Beispiel zu verwerthen. Er
setzt Yoraus, dass zwei germanische Eltempaare, 0er und JEßZto,
dann BäU und BerhUi, je einen Sohn und eine Tochter hatten. Diese
hiessen Ehar und Swinta, heirateten, und übertrugen auf ihre Kinder
nach Yolkessitte die eigenen Namen und die ihrer Eltern in Zu-
sammensetzungen. Friede, Gesundheit und der Himmel begünstigten
ihren Bund absonderlich: sie konnte alle Mutationen aus den
sechs Namen auf ihre Kinderschaar verwenden, die 80 Köpfe zählte,
12 Knaben und 18 Mädchen — nichts Unmögliches, wenn auch
Seltenes. Fassen wir nun von den beiderseitigen Grosseltern zu den
Enkeln das Ergebniss in einen Stammbaum zusammen, so wird sich
an dem Massenbeispiele die Schmiegsamkeit unserer Sprache klar
erweisen. Der Stammbaum wäre folgender:
Ger HOta, BäÜ Berhia
I I
Ebur Swinta
BaUhOt, BaUgery BäUsunrU, Berhtger, BerJUhilt, BerJUswint, EbwrhiU,
Eburhälda, EburBwint, Eburberhta, EburhdU, Eburger, OerbaU, OerMU,
Gerbalda, Qerberht, Gerswitd, Oerberhla, HütebäU, HiUebaUda, Hüte-
SioifUj Hütd}erht, Hüteger, HHUberJUay Stointd)ur, StoinidtaM, SunfUe-
bcdda, Sunntberhta, Swintger, SwinthtU,
Diesem Beispiele sei angeschlossen, dass sich aus Förstemanna
althochdeutschem Namenbuche belegen lässt, wie ganz ungewönn-
lich reiche Kuppelungen manche Namensstämme ermöglichen. So
weist er auf berJU 869 Personennamen auslautend und 87 anlautend
nach, auf firid 225 und 70, auf ger 197 und 98, auf hart 259 und
54, auf heri 289 und 99, auf rod 15 und 112, auf rieh 210 und 85,
auf waü 290 und 80, und auf toolf gar 881 und 101 — also
fast 500 Namen, in welchen das Appelativ wolf zu Anfang oder
zu Ende vorkömmt! Und Förstemann ist noch keineswegs vollständig!
MitUi«a Ana hbt. Yeraines f. Steiermark, XIIX. Heft, 1881. 2
- 18 —
Doch air das Gesagte spielt in einer Zeit, welche mn
Jahrhunderte von der abliegt, die w i r im Namenwesen unsere
beste und reichste nennen. Gegenüber den westlichen Terri-
torien deutscher Zunge sind wir hierlands Spätlinge der
Cioionisation innerhalb des Rahmens des deutscht! Reiches.
Und da die Einwanderung unserer Vorfahren nicht in
grossen Massen und überschwemmend geschah, so entwickelte
sich das deutsche Element erst spät zu einer gewissen docu-
mentirten, für uns entsprechend zahlreichen Existenz. Dsa
Namenleben hängt für uns von jenem in den Urkunden ab, die
es bezeugen. Erst mit dem X. Jahrh. regt es sich da embryonen-
haft; auch im XL ist es noch unverwendbar, und erst im XU.
wird es ergiebig. In letzterem Zeiträume liegt für nnsereo
Zweck unsere Fundgrube. Aber deren Inhalt ist doch im Laufe
der Jahrhunderte etwas vertrocknet ; die ursprüngliche Frische
besitzt er nicht mehr, weder nach seinem Aeusseren, dem
Namenklange, noch bezüglich jener Feinheiten, die soeban
dargelegt worden, noch auch ist mit der Zeit die Zahl ge-
wachsen, — im Gegetftheile. Aber er repräsentirt eben unseren
Reichthum, und der Umstand, dass Andere dessen mehr haben^
darf uns den eigenen schmäleren Besitz nicht nüssachten lassen.
Und gross genug ist derselbe immerhin, um an dem Landes-
vorrathe zu zeigen, aus welcher Ideenwelt die Väter
unsererVäter ihre Namen heraus gegriffen. Wesent-
lich aber ist er es, um an ihm, an der stranunen Schönheit
der Männer-, und an der Lautmilde der Frauennamen unseren
heutigen Stand in der Sache in's rechte Licht zu setzen, nnd
dessen kümmerliche Armuth und schales Einerlei.
Was bei uns die allseitige Abschwächung des Namen-
wesens im XU. Jahrh. gegenüber dem IX. und X. in Baiem
hervorbrachte; ruht wohl zum geringsten Theile in Ursachen,
die im Lande selbst zu suchen wären. Die gleiche Erscheinung
zeigt sich uns nämlich in unserem Stanmüande selber. Sie ist
also keine örtliche, sondern eine organische, die das ganze
Wesen durchdrang, wo dasselbe immer leben mochte. Jede
geistige Strömung hat solche Phasen auf- und absteigender
- 19 -
Richtang durchzumachen, und so auch die Sprache, und mit
derselben ihr Product, der Name. Unsere Väter konnten nicht
festhalten, was ihren Vettern in der gemeinsamen Heimat trotz
ihrem massigen Zusammenleben abhanden kam.
Es ist auch nicht zu glauben, dass die Entwicklung des
Eirchenwesens durch den Import specifischer Heiligennamen
das germanische Namenwesen sonderlich geschädigt hatte.
Dass diese „fromme*' Gruppp die nationale schliesslich tOdtete,
wie der ^pheu den kräftigen Baum, das mag nicht geleugnet
werden. Aber das XH. Jahrh. war noch nicht die Zeit des
gefährlichen Anschmiegens der einen an das andere. Im Gegen-
theile zählen wir bis dahin und noch lange Zeit darnach unsere
Priester zu den besten Germanisatoren. Die Taufe voran
stempelten sie Leute in Menge durch die Namen zu Deutschen,
welche etwa bei einer Volkszählung unter unserem ersten
Herzoge ihre „ Umgangssprache'' mit allem Fuge als . windisch*'
hätten einzeichnen lassen können. Das Uebrige machten die
Predigten und der allgemeine Verkehr. Auch hat die römische
Kirche in solchen Dingen sich stets frei von Engherzigkeit
gehalten — von ihren kleinsten Organen kann man das viel-
leicht nicht behaupten. Zudem ist der Procentsatz der wirk-
lichen heiligen oder biblischen Namen im XH. Jahrh. gegenüber
dem X. keineswegs auffällig gewesen, obgleich eine so lange
Reihe geistlicher Mtthen dazwischen liegt ^).
0 Die Fremdnamen — jfldisch-biblischer, griechischer oder lateinischer
Abkunft — die im XII. Jahrh. in Steiermark vorkommen, sind un-
geflüir: Ähsohn, Adam, JJexander, Constantin^ David ^ Diony8,
Johcmnes, Jsak, Judas^ Lortne, Martin^ Fätr, Boman, Samson,
Thomas, Virginius, — dann für Frauen AgaÜha, Agnes, Benedicta,
Bewigna, ChrisUna, Clara, Elisäbähy Euphetniaf Hdena, JudUh,
Margardh, Petrissa und Sophia. Die Namen Abraham^ AlbinuSf
Amieiu, Leo, Magnus und Stephamus können ebensowohl fremde als
auch verfremdete deutsche Namen sein, nämlich Afiram, Albo, Amte,
Lewe, Magan und SUaeno, anderseits wieder Pügrimus eine Ver-
deutschung von PeregriniM. Obige Namen finden wir grösstentheils
blos bei Klosterangehörigen, Johannes nur bei solchen.
2*
— 20 —
Doch gehen wir an die Fundgrube selbst, was sie an
Personennamen für unsere Heimat bis gegen das Jahr 1200
uns bietet.
Sehen wir auch hier zuvörderst nach den einfachen
Namen oder Stämmen, die allerdings zuweilen von Ver-
kürzungen schwer zu scheiden sein mögen. Da haben wir
Ädalo, ÄJbo, Anno, Ävo, Pdbo^ Patto^ Pcpo, Boto, Bom^ Bwi>o,
Charl, Chraßo, Trunto, Tuto, Eber, Ekko, Eneo, Emust, Frodo,
Gero, Grimo, Gros, Hagino, Haimo^ Sinto, Huch^ Matmo.
MuGlo, Otto, 0/fo, Rabo, ScHcho, Spiso, Scroth, Sndlo, WaU/k
Wito und Wolfo für Männer, für Frauen dagegen Ädala, Ata,
Berkta, CKleina, Emcha, Engüa, Gema, Golda^ Guta, Süku
Himeila^ Itnalaj Xtefto, Pim, Sigen^ Truta, Tuta, Uta und
TTtütna. ^
1) Für die aufgeführten und aufzuführenden Namen folgt hier du
YerzeichnisB der Stämme, soweit möglich solche zu geben, and
ebenso deren Bedeutung. Den Zweck dieser Liste habe ich kaum
nöthig darzulegen. Aber wozu ich mich yerpflichtet fühle, ist hier
anzusetzen, dass in Einzelfragen, in welchen die Ansichten der
Forscher entweder gespalten oder unklar, Herr Prof. Dr. Schönbacb
mit gefälligem Rathe mir an die Hand ging. Zu erwähnen habe ich
noch, einerseits der Raumerspamiss und anderseits des Gr^branches
der Liste wegen, dass die meisten hier angeführten substantiTischen
Stämme aofjectiyische Verwendung haben.
aäcd, Adel, vorzüglich.
cA, sehr, gänzlich ; doch wohl auch
Verkürzung aus adai,
dB), wird auf Elfen bezogen.
aU, wohl aus toott; s. dieses.
ant, Eifer; als Auslaut = parti-
cipiell, wie das heutige — end.
ans (später m und os) = Ver-
stärkung, also: ausgezeichnet.
ar, Adler.
arheo (ori&o), Erbe.
arm (trw) = Verstärkung in ausser-
ordentlicher , überirdischer
Weise.
(MC, Esche, Lanze.
harn (bom), Kind.
her {hero), Bär; aber auch Hdd,
Krieger und s. auch pem,
perht {perty prekl^, ruhmroll, glän-
zend.
pem, geboren (männlich).
pa, 1. Beil, 2. Güte.
püd, Pfeil.
ptTfi, geboren (weiblich).
lad, haU>, Gebieter.
hold, häH kühn.
hortf Schild.
pram, Ruhm.
prant, 1. Schwert, 2. Flamme.
brod, Lanze.
— 21 —
Nebst einer kleinen Musterkarte von Lauten öfihet sich
hier bereits eine kleine Welt von Begriffen auf Personennamen
bruny RQstung.
bw>bo, Knabe.
purg (pire), Schutz.
charl, Mann.
her 8. ger.
Jus 8. gis.
Mein, klein.
€hrafl, Kraft.
diun, das Geschlecht (Familie),
aber auch kühn.
taga, Schwert.
dio (div, die\ Knecht (Dienerin).
diot (diet), Volk, Stamm.
trat, tapfer, schnell.
trag, Bote?
trigü, Lftufer.
trost, Trost.
intt, 1. Freund, 2. Kriegerschaar,
3. (im Auslaute nur) die Traute,
Geliebte.
Mä, Geduld, Ausdauer.
Umt, gepanzert.
eher, Eber.
ekki, Schwert.
egü (agüj, Schwertspitze.
dZofiy m&chtig.
de, wol = aiah, Heiligthum (auch
Hirsch).
emi, emicha, yon ama (em) 9 Fleiss.
engü, Engel.
emo, Riese; wohl auch Yerkfir-
zung eines Namens mit Engü — 9
era, Ehre.
erchan, vornehm.
emust, ernster Kampf.
vasi, fest.
wM^, 1. Volk, 2. Kampfesschaar.
frid, Schutz.
firo, 1. Herr, 2. froh.
frod, klug.
flrum, fromm.
ga9te, Schritt.
gcirt, 1. Gehege, Haus, 2. aneifemd.
gep, freigebig.
geU, 1. wild, 2. bedeutend.
gern {zuOemmund), aus^ep, s.dieees.
ger, Spiess.
gern, begierig, begehrt.
gis, Lanze.
gisH Geisel, Unterpfand.
gHs, glänzend.
gnan, Namensvetter.
gat, Gott
goUd, Gold, werthyoU.
goz, kluger Mann.
grim, Helm.
gros (von rtcodF = hrod, s. dieses).
guot, gut.
gund, Kampf.
hade, Kampf.
hag, —an, 1. Gehege, Haus, 2
geschickt.
haitn (JuMm), Haus, Heimat.
halm, 8. hdm,
Juan, s. haim»
hand, Hand, anfassend.
hart, kräftig.
hos, schön, glänzend.
h^ Person, Geschlecht.
hde. Haue.
hdf, Hilfe.
hdm (haim)j Helm.
her, l. Heer, 2. Krieger, 3. Schwert.
hUd, Kampf.
himeila, prächtig (weiblich).
hint9
höh, hervorragend.
huch, Geist, Sinn.
hun, Riese.
imdl {amälF)f Arbeit.
— 22 —
verwendet: dhrafl und wunna, eneo und Meina, enmsi und
engüa, scroth und himeila bilden Gegensätze aus dem krftftigeD
ing (anlautend.)
tmiy 8. CH"0l«
MfN» Eisen, Rüstung.
Iem<, Land.
lew, Löwe.
;A^ leicht.
lUb (fiop), Liebe, geliebt.
Unt, 1. die Schlange (Drache),
2. Linde, mit Lindenschild be-
wafhet, 8. weich.
Uueh (lofieft), Flamme.
Uut, Volk.
Kufr, auch Verkürzung von Namen
mit ImU- 7
lo^ (Iowdi), B. Ittidi.
kh, Hain.
Am^ laut, berühmt.
mäht, Macht.
mal {madaU) Versammlung.
man, Mann.
mant, freudig.
maneg, Manche.
mar {mer), Ruhm.
marh, Grenze.
megm, gross.
mut, Muth.
mmU, -Schutz.
nand, kühn.
nü, Hass.
not, Eampfesnoth.
nord = von Norden her?
oi, Besitz.
otag, Besitzer.
odäl, grosser Besitz (nach Einigen
auch Vaterland).
cü, s. toaU,
oif, s. UHjif,
ort, Schärfe, Schwert.
raban, ram, Rabe.
roh = rag, s. ragan,
rat, Rath.
raf, Eile.
ragan, klug.
ra$n, s. rafton; scheint aberaucL
noch eine weitere Bedeutiuig
zu haben.
rand, Schildesrand, Schild.
rieh, Herrschaft.
rinch (ring), Held.
rud (ruod), Ruhm.
run, Geheimniss, WisseD, Rune.
sal, 1. (freier) Hof, 2. dunkel
(gerüstet).
sola, freigebig.
sakho, 8. säl 2.
sar, Rüstung.
soakih, Knecht.
8cMd, SchUd.
scroth, Schnitt, Hieb.
scitri, Schauer, Kampf, Ver-
nichtung.
stark, stark.
stein. Stein, Hammer.
se, Meer.
sdp, YoUst&ndig.
Sit, Gewohnheit, Charakter.
sig, Sieg.
sint. Weg.
sneBo, 1. tapfer, 2. schnell.
sun, 1. wahr, 2. Rache,
swana, Schwan.
sware, schwarzgerüBtet
swint, 1. tapfer, 2. heftig.
unc = ine, bedeutet als Auslaut
die Abstammung des Benannten
vom Namenträger des Anlautes.
ur?
wcd, Wahlstätte.
loakh. Fremder.
— 23 —
Mannesleben zum milden Gestalten der Frau. Allein auch im
Kreise der weiblichen Namen zeigen Ueba und hiUa den
Wirkungskreis des Weibes zweigespalten: in Lieben und
Geliebtsein, und in Theilnahme an Wagniss und Wehre des
Mannes. Am gemütlichsten drückte sich übrigens jenes Eltem-
paar aus, welches seinem Söhnchen den Gruss WiUecum als
Name beilegte.
Wenn nun schon damit ein Stück Seelenleben unseres
Volkes sich offenbart, muss es umso reicher sich aus den zu-
sammengesetzten Namen darlegen. Nicht nur, dass neue Begriffs-
bezeichnungen damit auftreten, die sonst ausser der Zusammen-
setzung bei uns in Namen nicht sich zeigen, so erweitern sich
auch die Namenbegriffe durch die Verbindungen der Stämme.
Alle Namen aber, die bis zum Schlüsse des XII. Jahrb. in
Steiermark auftauchen, sind es nicht, welche hier zu Geltung
gebracht werden, doch ihr grösster Theil. Ebenso ist keines-
wegs bei allen gegebenen die Deutung möglich oder sicher.
Endlich kann man für diese Zeit die alte Weise der selbst-
ständigen Findung von Namen kaum mehr hoch in Anschlag
bringen. Es dürften ihrer wenige mehr neu geschöpft worden
sein. Dies ging wesentlich nur, als die sprachliche Bedeutung
loaU, Herrscher; davon in Ab-
dampfung wohl dUf ÖU.
wem, Meinung.
war, Vorsicht.
wart, Schatz.
UHU, scharf.
wentü {wandal), veränderlich.
wer, Schutz, Abwehr.
wie, Kampf.
wid, wü, 1. Wald, 2. Weide, 8.
Spiess.
wihf geweiht, fromm.
wü, Wim, Wille.
wQt, Wild.
win, Freund, freundlich, geliebt.
wis, klug, Führer.
woif, Wolf; davon in Abdumpfung
cHf und in Ümlautung aif, stets
mehr mit dem Sinne als un-
gemein stark, dann mit Bezug
auf das Thier.
wun, Wonne.
wurm, Lindwurm, Schlange.
£ei£, zart.
Es bedarf wohl keiner besonderen Begründung, wesshalb in
dieser von germanistischer Forschung absehenden Darstellung
obiges Yerzeichniss keineswegs durchaus in der einer bestimmten
Zeit angehörigen oberdeutschen Sprachform, sondern in jener wesent-
lich gegeben ist, in welcher die Namen selber erscheinen.
— 24 —
der Namen noch durchaus lebendig im Sinnen des Volkes,
und der Name nicht blos ein solchen sondern zuvördent
noch Begriff war. Mit der Zeit ergab sich aber der Erstere
für den Zweck als das Nothwendigere, und daraus folgerte
das Verblassen des Begrifiislebens in demselben, das Stocken
in der Findung neuer Namen, das Ausfallen alter. Man hatte
allerdings nicht vergessen, was Namen sagen wollten und wie
sie entstanden seien, allein man begann nur mehr vom Capitale
derselben zu zehren. Dass Ersteres der Fall, zeigt Hugo von
Trimberg (von Früheren abzusehen), der da singt:
„ Nemehari^
Nimmervol vnd Nagehart^
Schindengast vnd Luegenhart,
vnd sin hruoder Truegenhart,
Smeichart^ SweroU, Glihsenhart,
SUnOuifi, Eratjßhart, Judenbari^
Lcerenbitdd vnd FVIlenscie
pflegent des hoves naht vnd iac.^
Es war also das Gebiet des Spottnamens, auf dem die
alte Weise noch lebte, wie es noch heute der Fall, und wie
sie beim Aufkommen der Familiennamen sich vornehmlich mit-
thätig erwies. Daher ist nicht gemeint, als sollten in unserer
heimatlichen Glanzperiode die Taufnamen über dem Weihwasser
noch ganz im Bewusstsein und mit der Willensrichtung der
ältesten Zeit gespendet worden sein. Das muss wohl in dem
Masse gewichen sein, als die Gewöhnung an herkömmliche
Namen zu, und der Brauch des Neufindens abgenommen
hat Bei einer Anzahl mag die Lebendigkeit des Begriffes
kaum gelitten haben, wenn es nämlich ein solcher w^ar^ der
mit dem Denken des Volkes täglich vielfach sich verflocht
Wird doch wohl auch heute der Name Goifrid kaum g^eben.
ohne dass der Pathe im frommen Sinne an Gott dächte, an
Gottes Frieden und Frieden in Gott, und mehr noch an Gott
als bei Gothard^ weil ihm für das Wort hard der B^riff,
die Deutung verloren ging und weil er glaubt^ die Letzteren
— 26 —
fär den ersteren Namen ganz zu besitzen, was nebenbei gesagt,
bezQglich des Auslautes frid meistens irrig ist
Es ist also bei uns im 12. Jahrb. keinesfalls mehr bei
der Namengebung im vollen Sinne, wie etwa vier und fünf Jahr-
hunderte früher vorgegangen worden. Das Innere des Namen-
lebens ist gewissermassen eingeschlafen, das Aeussere ist —
soweit Schlaf und Leben sich decken und wieder unterscheiden
- geblieben. Oder wenn wir einen Vergleich mit unseren weit-
läufigen Schloss- oder Elösterbauten heranziehen wollen, bei
denen alle Räume, oft auch sehr viel Anderes noch aus diesen
erhalten, nur das Leben, das sie einst durchzog, ist gewichen,
und wer sie heute bezieht, denkt selten daran, welche Ver-
anlassungen die Bauten schufen, oder fuhlt sich gelegentlich
auch ungemüthlich darinnen. So Mancher, der heute Herbei
heisst, weiss nicht, was der Name sagen will, und fast Hesse
sich wetten, dass GrimoU jetzt für Manchen ziemlich unbe-
quem sich tragen würde. Dergleichen hindert aber nicht,
^ohlerhaltene Räume uns in dem Sinne und Leben, das sie
ernst schuf und schmückte, zu restauriren, und bei unseren
steirischen Namen des XII. Jahrh. zu zeigen zu versuchen,
nach welchen Anschauungen sie unvordenkliche Zeiten früher
geschöpft worden waren, in Formen, in denen sie zu jener
unserer Glanzperiode sich noch erhalten hatten.
Diese Anschauungen, doch von allgemeinerem Standpuncte
aus, schildert trefflich Andresen: „Die ursprünglichen Eigen-
namen des deutschen Volkes erfüllen einen grossartigen,
änsserlich aber verhältnissmässig kleinen Gedankenkreis; ihr
durchaus ehrender Inhalt ist so ausnehmend kriegerisch, dass
auch diejenigen Namen, welche nicht von Kampf handeln,
sondern den Frieden tragen, an dem Hauptcharakter, welcher
sie sämmtlich auszeichnet, theilzunehmen scheinen. Friede bedeutet
vorzugsweise Schutz und Schirm, und ist in alten Namen schwer-
lich als etwas Innerliches zu verstehen. Rath und Ansehn, Wille
und Gedanke, Treue und Anhänglichkeit sind unfehlbar Eigen-
schaften und Zustände, welche ebendahin passen, wo Ernst und
Männlichkeit, Macht und Stärke, Glanz und Ruhm, Besitz und
— 26 —
Adel dem Neagebornen als Zierden ftür seinen Lebensweg
gewünscht und gehofft werden. Allen diesen Begriffen über-
geordnet ist der Kampf; ihm sind fünf verschiedene (Wort-i
Stämme gewidmet aus denen sich die gangbarsten, gewicht-
vollsten Namen gebildet haben. Zum Kampfe gehören Wehr
und Waffen, Kühnheit und gerechter Zomeshass, geboren
Heer und Volk und Stammmesgenossenschaft, Land und Leute;
allen stehen Sieg und Siegesbeute in hoffnungsreicher Aussicht
Die Gottheit, deren Gnade und Hilfe der Krieger erfleht,
bleibt unvergessen, Elfen, Riesen und andere übermenschliche
Wesen mitbegriffen; den Thieren, welche den Göttern heihg
sind, wird bedeutsam gehuldigt. Ueberall sind Wald und Hain
das bevorzugte Land.^
Sehen wir denn nach den Gruppen, welche aus unserer
einheimischen Namenschar sich bilden lassen, gleichsam den
Fähnlein, welchen sie sich unterordnen.
Das ist zuvörderst die von Land und Leuten, und
bilden diese die Stämme hnd^ dann diot (didj, volch und lud.
Aus ihnen weisen sich bei uns die Namen Landprehty Landfrid
und LantrcU, femer Diotpato, Dietpöld, Diäpram, Dieiprant,
Didprehtj Dietger, Diähard, Dielher, Dietmar, Dietram, Dielrat.
Diärich^ Dietwich und Diämn, weiter Liuiperhtj lAutpcid,
Liutprand, Litdfrid, Liutger, Liuigoe, Lhdhard, lAutoU^ lÄuiraw
und Liuiwalch, endlich Volprehi^ Volker, Volchtnary VoldhoU
und VolchraJt — für Frauen aber Diäpirg (Diotpurg), Didkilt.
Diemuot, Liutgart und Litäpirg, und endlich Volchstcini. Kose-
formen aus diesen Namen sind und werden in unseren ein-
heimischen Schriften genannt Laiso, Diesa, DiejsiU und Die^o,
lAuea, und Liuzo, endlich auch Folchüo. — Der Fremde,
der nicht des Landes und Volkes war, hiess wdlch, und in
diese Kategorie ist wohl ein gewisser Liutwalch zu stellen.
Was den Stand anbelangt, waltet in den Namen stets
der Begriff des Vornamens vor, mit den Stämmen tidal, charl
und erchan, und wenn je solche erscheinen, die auf Dienest-
Schaft sich beziehen, wie die {dio, div, dei) und scalch^ so
weisen ihre Zusammensetzungen, dass nicht gemeine Hörigkeit
— 27 —
gemeint, sondern die Unterordnung unter Gott, das Vaterland
und das Heer. Indess tragen Namen, welche den Stamm adäl
in sich schüessen, keineswegs blos Freie. Es muss darunter
so wie bei erchan, metaphorisch auch blos edle Gesinnung
gemeint gewesen sein. Und charl^ das specifisch „Mann" be-
deutet, doch mit dem Sinne des besonders Hervorragenden,
ist desshalb eher hieher, als in die folgende Gruppe zu reihen.
Es mag als bezeichnend angesehen werden, dass die Namen
mit adal besonderer Beliebtheit sich erfreuen. Wie dagegen
jeder germanische Stamm Vorzugs-, oder ihm allein eigene
Personennamen gebrauchte, so ist auch der Name Giarl als
fränkischer bei uns ungewöhnUch, daher sehr selten. Wir be-
gegnen ihm also nur in ein paar Familien, und auch da
blos vereinzelt. Dagegen haben wir Ädah, ÄdaR>ero, Adilbolä^
AddlbrefUj AdaJfrid, Adaiger, Adilgog, AdeVialm, AdeOhorl,
Adühoh, AdaloU^ Adalram (jener hochadelige Mann, der aus
Aerger über seine Frau zum Stifter von Seckau wurde), Adäl-
rich^ Adahmc, Adahvart, Adalwic^ Addhvich und AdcUwin^
ferner ErchanpoU, Erchanpreht, Erchinger, Erchanhari und
Erchanrat, — für Frauen dagegen Adoda (die Verwandte
Kaiser Heinrich's U. und Mitbegründerin des Klosters Göss);
Addgart, AdeJheüj Adalpurch und Adcdsmni, vereinzelt endlich
emeErchanmid. Für die Bezeichnung eines Dienstverhältnisses
lassen sich bei uns nur Engilscdlch, Gotisccdch und OddUcdlch
{odal soll nach emzelnen Forschem auch die Bedeutung von
Vaterland in sich schliessen), dann Engildie, Hamideif Herideo
und Gatesdiu.
Das Geschlecht bezeichneten entweder einfache
Stämme, wie deren oben eine Anzahl schon vorgeführt
wurde, oder Zusammensetzungen mit den Auslauten man und
wipy und so begegnen wir bei uns Aeeman. Enffilman, Enei-
fnan, Gepman, Liupman, Salman, Siffgeman, Sunmany Swarz-
fnan und Trutman, dann Ajsawip, Gnanwip, Gruottmp und
Liuzi€ip, Doch versteht es sich, dass wie einzelne einfache
Stämme nur Männern zukommen, so auch Zusammensetzungen
gewisser Art blos Männern oder auch blos Frauen. So bedeuten
— 28 —
alle Namen, die auf bald, hart, olf u. s. w. enden, nur Erstere,
dagegen kommen die auf gart, gund, hüd und Unt nur Frauen
zu, und sollen Proben davon bei späteren Gelegenheiten
sprechen.
Das Verhältniss der Verwandtschaft ist in unseren
Denkmalen in grossväterlichem Grade vermuthUch durch Avo
Ava, nicht weniger vermuthlich von väterlicher durch AUo
und PabOj im nachkömmlichen durch Artbo (Arbo), durch
Barn und Suonüie^ in Auslauten durch bam und pim^ und
das seitUche durch Liebeswester vertreten. Auch Gnanno spricht
man als Verwandtschaftsbezeichnung zu, doch ist man seiner
eigentlichen Meinung noch nicht sicher. Bei uns wären
somit Grnannico, Gnannilo und Cfnanunp noch näher zu be-
stimmen. Und ist Sunekind etwa der Enkel vom Sohne ? Dieser
Name, den das grosse altdeutsche Namenbuch Förstemanns
nicht aufführt, hat bei uns eine eigenthümliche Geschichte.
Er ist uns nicht aus unserer reichen Periode und nicht ein-
mal unmittelbar als Personen-, sondern blos als Ortsname,
also mittelbar, und zwar erst aus dem Anfange des XV. Jahr-
hundertes erhalten. Da liegt nicht weit von Riegersburg, in der
Pfarre Breitenfeld; ein Dörfchen, das den wunderlichen Namen
Sanct-Eind fuhrt. Man war geneigt, die Erklärung in dem
Heiligencultus zu suchen, der sich den Heiland noch in der
Wiege vorstellte, und ihn abgesondert von seiner späteren
Thätigkeit, einzig als das heilige Kind xax 'e^o^^riv zur Ver-
ehrung heranzog. Erst das älteste urkundliche Vorkommen, im
Vereine mit dem Dialekte des Volkes, entwickelte den Vorgang
und zeigte, dass der Personenname Sunkind zu Grunde liegt
aus dem das Volk Sohkind machte, das die Verhochdeutscher
der Ortsnamen als Sand-Kind ansahen, und thatsächUch wurde
Letzteres dialektisch nicht anders als Songkind ausgesprochen ^).
Begreiflich spielt dasreligiöseMoment keine geringe
Rolle dort, wo überhaupt Naturanschauung und Gefühlsleben
1) Einige sehen in mtn eine Kürzung aus sundar = besonders, a'is>
gezeichnet u. dgl.
— 29 —
so sehr ausgeprägt sind, wie bei den Personennamen. Dass
hierin das alte heidnische Gebiet und das neue christliche
sich begegnen, mag ausser Zweifel stehen, nur ist es mehr
als wahrscheinlich, dass die Bedeutung der Namen aus
Ersterem, ihre persönliche Beziehung zur ehemaligen Götter-
welt in der Gesellschaft des XU. Jahrhunderts nicht mehr
lebte. Und so werden sich die betreffenden Namen entweder
blos erhalten haben, weil man die sprachliche Bedeutung des
Wortes irmino, tvidant u. s. w. noch inne hatte, noch mehr
aber, weil die betreffenden Namen einmal da waren. So geht
es ohne Zweifel auch manchen Namen von Thieren, da diese
Wesen um die genannte Periode gewiss für Namenschöpfung
jene bewegenden Anlässe den Pathen nicht mehr gegeben
haben können, wie in der gottlosen, aber götterreichen Urzeit
Was sollte auch in jenen Tagen, wo Klöster und Pfarreien,
die thätigen Stätten christlicher Glaubenslehre, unser Land
schon reich bedeckten, der mythische Riesenwurm Lind und
der Yorauseilende, ausspähende Götterrabe in den christlichen
Namen? Ihre Bezeichnungen mögen darin ungefähr jene Rolle
gespielt haben, wie heute gewisse Göttemamen des Alterthums
in unserer feineren Diction. Zum Mindesten wird Niemand
glauben, dass, wer von „Söhnen des Mars^ und von „ Jüngern
Mercurs^ spricht (leider gab es im Alterthume keine Gottheit
des Tintenfasses und der Bureaukratie), an diese Mitbeleber
des classischen Himmels weiter denkt. Immerhin aber waren
die Bezeichnungen aus dem Götterreiche unseres Volkes
während dessen Heidenthumes noch im XII. Jahrhunderte gang
und gäbe. Daher lassen sich die Äsen und Irmin und Ingo,
und Lind und Raban in der Anführung der Namen, welche
sie nennen, nicht wohl vermeiden, denn es ist ja weniger die
Gedankenwelt der Letzteren im XIL Jahrhunderte, welche hier
zur Anschauung gebracht werden soll, als vielmehr jene der
Urzeit, wie selbe — wenngleich meist nur mehr lautlich und
nicht mehr sinnlich oder verstanden — noch im XII. Jahr-
hunderte spielte. Und so illustriren dieselbe aus unseren
Schriftstücken Ansbert, Ansfrid und Anshalmy Irmbertf Jrmfrid
— 30 —
Ermgonf, Irmhart und Jrmstein, Baban, Babingerj Adakram,
Afram, Eberan, Gruntram, Wcdräbo und Ingram, dann ArtnlM,
PurcMinty TrtäUnt, BeüMint und Selint, wozu wir noch weiters
Irmgart und Irmpurch fügen. Auch die Namen Bi*go und
HübreM liessen sich dieser Gruppe einverleiben; zum Min-
desten ist ihr Stamm hug (Geist) sachlich damit verwandt
und dass derselbe in der Bedeutung eine hohe Stufe einnahm,
zeigt die Namensverbindung Hugideo, die man indess bei uns
vergeblich suchen, doch in einem der lieblichen Bilder Scheffels
desto sicherer finden wird. Möglicherweise sind die Namen,
welche von geheimnissvollem Wissen (run) sprechen, ebenfalls
der Götterzeit entnommen, wie Alrun, Friderufiy Waknm und
TFiZruM; und vielleicht auch Elegart^ als Schützerin des heiligen
Hains und des Heilthums {aiah). Dafür ist indess auch die
reinchristliche Welt in unseren heimischen Namen, und wohl
inniger vermeint als jene, vertreten. Das belegen Go^perU,
Got^old, Gotd>rot, Gotefrid, GotescaUh, Gotideo (Gotsdiu weibl.),
dann Engäpero, EngiJbrekt^ EngilpoU, Engädio, Engüfrid^ Engü-
ger^ Engdhart, Engilhelm, Engilmaot, Engilrat, Engäram, En-
gOrich, Engüscalch^ Engilwan und Engikoart, Ja, dem hohen
Begriffe, welchen auch wir gelegentlich dem Worte »Herr*
zuwenden, entsprechend, wäre es möglich auch den Namen
Frowin hieher zu beziehen — wie correlativ zu Godwin^ welche
Namensform wir übrigens nicht besitzen.
Vom Besitze, und zwar an eigenem und ausgedehnten
Gute, an welchen die Stämme od^ otag^ odal, hag, haim und
kam erinnern, sprechen Otperkt^ Otfrid, Otger, Otgoa, Oäoeh,
Otto und Ottvin, Otaker^ OdcUprdU, Odalhart, Odalrichy Odalscakh
und Gemot, Hagano, Hagd>am^ Haimberi, Haimo und Hämidtej
und vom Sitze im Walde Wido und Widman — obgleich
diese Namen sich auch auf den Weidenspeer und den damit
Ausgerüsteten beziehen können.
Reiche Auswahl bieten uns die Namen, deren Stämme
zum Theil auf Eigenschaften des Menschen Bezug nehmen.
Dabei sind allerdings jene in der Minderzahl, welche Güte,
Liebe und Freundlichkeit, Freundschaft und Friedfertigkeit
— 31 —
meinen, gegenüber denen, die in mehr oder weniger aus-
gesprochener Form an öfFentliches Auftreten Anderen gegenüber
oder über Anderen, und an den Kriegspfad erinnern. Für die
erstere Gruppe seien die Stämme pil, trost, tuUy era, fro,
frumj gep, gold, gut, Jms, heid, heJfy hug, UM, Ueb, lint, müt,
sä, wanj um und zeiz erwähnt, und die Namen Ermfrid,
Frobreht und Frowin, FrumoU, Oepehartj Gebeno, Gepman und
Gebolf, Guotman, Helfrich, Buch, FHälieb^ SUüieb, Liqpman,
Sämer, Engthoan, Äddhoin, Älbmn, Diäwin, Frowin^ Gozmn,
Litdwin, Nordwin, Otwin und Zeizolf, dann von Frauen TrostkiU,
TuUfMd, ErifUntd, Frogart, Fh'omut, Goldpurch, Hasmtd^ Adelheid,
LfJUtnut und MiUrtd. Allein schon bei diesen Namen macht
sich ein Umstand zum Theile bemerkbar, der auch hindert,
die Zahl derselben zu vermehren. Theoretisch genommen,
haben nämlich die genannten Stämme wohl im Ganzen den
Charakter der Friedensseite des gesellschaftlichen Lebens,
allein derselbe geht sehr häufig durch die Kuppelung mit
einem zweiten Stamme, der entschieden dieser Richtung nicht
angehört, gänzlich verloren. So nehmen selbst TtiUmut und
TrosthiU in der Gruppe eine kaum sichere Stellung ein, und
PilhiU wäre trotz seines unkriegerischen Anlautes wegen des
kampfhauchenden Auslautes schwer einstellbar, von TnMlüp
und Baidfvin u. A. zu geschweigen.
Kampf und Krieg, und was damit zusammenhängt,
haben nämlich den Löwenantheil an den Schöpfungen der
Personennamen. Mehr als zwei Drittel der Belege, die wir aus
unserem Lande für das Thema überhaupt geltend machen können,
gehören der Richtung an, wo Gesinnung und Waffe, oder
wie es heute heisst, „Blut und Eisend Zusammenklang und
Inhalt bilden. Und damit wir in der Fährte bleiben, wollen
wir auch hier die Anlagen der Menschen, die Eigenschaften,
in den Namenstämmen voransetzen. So wie eben gedacht,
tritt bei dieser Gruppe nicht minder der Fall ein, sonst harm-
lose Stämme, wie perJU, gern, rat u. s. w. der kriegerischen Ge-
sammtanlage des Volkes halber und auch der bedeutsamen
Kuppelungen wegen hieher beziehen zu müssen. Es ergeben
— 32 —
sich die Stämme ant, ans (a$, os), perht (preiht), boi, bM
(baJd). chun, ehraft, eUiin^ eng, vast, frid, frod, gtmc, gart, geti.
gerfij gUs, goz, hart, hun, irm, tnagm {megin), maJd, manty muL
mtmt, nant, nü, oU, olf^ rat, raf, rag, rah, rieh, stark, selp, sneK
sunntf waU, wart, tventil und unü. Sie geben uns für sich
und durch ihre Zusammensetzungen die charakteristischen
Eigenschaften für Mann und Frau für die bewegte Seite des
Lebens in den Namen Weriant und Wigant, Änspert, Ansfrid
und ÄnshaLm, Ädalprehi, Chuniperht, Diäpreht, Ellafiperhty Ikgä-
pret, Erchanpreht, VolbreM, FHdeberht^ Frohreht^ Grotapertj Goz-
preht, Liutpreht, Otpreht, Oddlpreht^ Beginpert, BerhloU und Berktotf,
Herhot, Merihot, Baibot und Beginbot, ÄdaJbdld, DidboJd^ EngObold.
Gotebold, LtutpoU, Meginbold, Sebold, Wiüibald, Baldraty Bai-
drich und Baldwin^ WaUchun und Chunipreht, Chraflo, JSBan-
perht und EUanhart, Enei, Enzo, Encikint und Ensiman.
AdciJfrid, Erchanfrid, Hartfrid^ Irmfrid, Landfrid, lAuifrid
Mahtfrid, Meginfrid, Otfrid, Bichfrid, Sefrid, Starkfrid, WaU-
frid und Friderich, Frodo, Wolfgang, Geümar, Gemat und
GemoU, Adalgoe, Ermgoz, Litäkoz, Megingoz, Otkoe, GroeprehL
Goehart und Goewin, Adalhart, Berinhart, TameJhart^ Diefhari,
EUanhartj Engühart, Erchanhart, LkUhart, Mcginhart, Odalhart,
Sunthartj Werinhart, Hartrut, Hartfrid, HariUep, Bärtman,
Hartmut, Hartnid^ Hartrat und Hartunc, Adühun und Sunprditf
Irmberty Irminfrid und Ermgoz, Meginbold, Meginfrid, Megingos^
Meginher, MeginoU und Meginwart, Mahtfrid und Germant,
Muio, Mutrich, Hartmut und Wolmtd, EgilmuM, GemmutU,
Bichmunt und Warmunt, Hartnit, AdaioU, AmoU, BerhioUy
VolchoU, Lifdold, ManegoU, MeginoU, Baio% BeginoU und
WoJfoU, Amdlf Berhtolf, GeboJf und BichoJf, Baldrat, Berdärat,
Diärai, Erchanrat, Volchrai, Frumraty Gisilrat, Hartraty Lomtrat,
Mahraty Selprai, Wolfrat, Batboto, Batkis, Bather, BaioU und
Batolf, BafoU und Bahwin, Bagmpoto, Beginpreht^ BegirAoh und
BeginoU, Adalrich, Engilrich, Helfrich, Bichfrid, BichoJf und
Bichwan^ Starkfrid und Starkhand, Selprat, Sndlo, Su?üb^o,
Switger und Swithart, WoMchm, WaUfrid, Watihery WaÜman.
WüUo, WaUricJi und WaUunc, Adalwart, Engilwart, Megmtcart
— 33 —
und B^mwart, WiUibM und WUÜher. Und in dieser gewiss
nicht schmächtigen Liste sind eine Anzahl Namen nicht auf-
geführt, trotz der einschlägigen Stämme, weil ihrer unten bei
kleineren und präcisen Gruppen noch gedacht werden soll.
Ferner ist der Frauen Berhta und Berktrat zu erwähnen, der
Adilspurch, Dietpirg, Frideburff, Gerbirg ^ Eädepurchy Vastpurch^
Heüenpurch, Herbirg, Hüteburch, Irimpurch, Litäpirgy Merburch^
Balburch, Wentilburg, Werinpurch, Wicpirg, WiUihirg^ Wolf'
pirg und Chunipurchy der Eüanhilt, ÄdaJgart, Liutgart^ Elegart,
Frogart, Irmgart, Liutgart und RicUcari, der Hunpurch, MakChüt^
MeginhiU, Addmut, Diemtd, Erchanmut, Herimtä^ GUsmtd^
Hademut, Hasmut und Snelmut, der Nantrtd, Engärai, JBVumrat,
Sigerat^ Wirai und Wilrat, der EcUpurch und Badegunä^ der
Adälsmnt, Escsumt, EngüswitU und Volchstdmdj endlich der
Wentilpurch und Wetdilmtä.
Nehmen wir an, der Mann tritt mit gesammter Kraft
und Wehr und Waffe in den Kampf, dessen Phasen er bis
zum siegreichen Schlüsse mitmacht Die Letzteren lassen sich
an den Namen erkennen, sowie des Streiters mannigfaches
Rüstzeug.
Das Letztere in seiner Gesammtheit ist uns angedeutet
in den Stämmen brun, isin und sar, seiner Farbe in perhty
sal und swarjs, und es entsprechen die Personennamen Bruno
und WaJbrun, Isinperht, Isihbold und Isinrich, Sarhilo, Salacho,
Salman und Swareman. Eine Brutihild — um diese Gruppe
auch durch eine Frau zu zieren — liess sich filr damals in
Steiermark nicht nachweisen.
Den Krieger deckt sein Helm {grim, heim), und beziehen
sich auf diese Schutzwehr die Namen ßtUegrim, Isingrim,
Wasagrim und Wo^grim, dann ÄdeJhdlm, Anshalm^ Ämhalmf
IHethalm^ Engilhdlm, ErcharMlm, Gerhalm^ Gundahalm, Megin-
hcdm, Beginhalmj WilUhehn und WoJßelm,
Nur möchte ich die Vermuthung aussprechen, als wenn
mit heim zuweilen die Verbindung nicht so sehr auf das be-
sagte Rüststück, als vielmehr auf die Idee des Schutzes,
und zwar des Geschütztseins, wiese.
MittbeU. des hist. YereiiiM f. Steiemuirk, IXIX. Heft, 1881. 3
— 34 —
Aehnliches mag auch bei den Stämmen hart, rant nnd
8€häd der Fall sein, welche den Schild des Kri^ers be-
deuten, und für welche uns die Namen Herbord^ Herrarä,
BantoU, Bantolf und Bantunn, dann Schilbunch (?) erhalten smd
Das Schwert bezeichnen die Ausdrücke prantj tagn,
ekkiy egil und egm^ öfters auch heri, dann orf, und wir finden
mit diesen Stämmen die Namen Alprard, Dietprantj Her^anL
HiUibrandy Liutprant, Scuribrant und Wurmprant^ Tagino und
Tagininus, Ekkebert, Ekkefrid, Ehhehard und Ekkenck, EgiUmmä
und Egilolf, E{g)inwic und Ortprekt, OrÜiq), Ortotf und Chiwin.
Aus der ältesten Zeit datirt die Bewaffnung ndt dem
steinernen Hammer {stein) in der Form einer Hammer-
hacke gebildet, wie solche gross und klein noch vielfadi
gefunden und im gewöhnlichen Leben Donnerkeile genannt
werden. Auf sie weisen die Namen Irmstein und Wolfstem.
Dieser Waffe folgte in der Zeit, und vor dem Schwerte
der S p i e s s , von der Weide genommen, oder aus der linde
geschaftet, oder von der Esche geschnitten (ose [esk], IM, wü
fram, ger, gis, spis, brat) und dass er eine Hauptwaffe ge-
wesen, darauf deuten die Zahl der Stämme, zugleich mit jener
der Namen, als Äscerich, Ascwin (Escwin), Widker^ Afidds.
Balkis und Framrich, Ädcdger, Diäger^ EngUger, Eberger,
Erchanger, Volker, Sdmger, Lkäger, Otager, Bäbinger, Budger,
Suntger und Wolfger, dann Gerbert^ Ghrbot, Gerbold^ Gerhakn,
Oerhoh, Gerloh, Germania Gero^ GeroU, Gerrich, Genme und
Gertüic^ und endlich Spiso und GotebroL Frauennamen aber
dieser Gruppe sind Escswind, Gerbirg^ Grertnä, und s&mmtliche
auf lifd, wie Amilint, PurcMint, TrutUni, EberUnty GerUnt, Beid^-
lint und Selint — wenn nicht, was, wie bei dem ersten und
letzten Namen sehr wahrscheinlich, einige davon eher auf die
Schlange, die mythische oder gewöhnliche, zu beziehen sein
sollten.
Den Pfeil, piü, nennt uns der Name W^dfpiU^ und er
weist auch zugleich darauf, wie wenig in der Zeit der Schöpfimg
dieser Namen der Femkampf mit dem Bogen geübt wurde.
— 35 —
und wie die eigentliche Handwaffe, der Speer und das Schwert,
die Lieblingswaffe der Germanen gewesen.
Die Kriegers chaar ist fertig; die Einzelnen (heri)
bilden die Truppe (folch^ truht, her), und von ihnen sagen die
Namen Dielher, Erchanher, CHsUher, Gundaher, Herbord, Her-
prehiy Herideo, Herinc, Herman, Hermutf HeroU, Herrich,
Herwic, Sicher, Bather, Eudkery WaUher, Werinher und WiUiher,
dann jener der Frau Herpurch. Vereinzelt erscheint auch
TnMliep {DnisUeb), und der in der Schaar kämpft, heisst
Haidfolch {Hadfolch).
Die kriegerische Unternehmung {sint, der Weg;
später reisa genannt) beginnt; wer sich darin hervorthut, den
bezeichnet der Name Sintperht.
Die Wahlstatt (wcd) ist gefunden ~ in der heidnischen
Zeit sollten die Götterraben voranziehen und den Feind
suchen und heimkehrend seine Stätte anzeigen — und weisen
auf diese Oertlichkeit Walbrun und WaJrabo.
Auf ihr tobt der E a m p f ; seine Benennungsstämme hadu,
hiä, gund, emust, scroih, scuri und toic sind in ihren feineren
Unterscheidungen noch nicht vollkommen klar gelegt Nach
ihnen sind die Namen Hadapreht^ Hadamar, Haderich und
HadoU gebildet, dann HiUebold, Hildebrand, HiUegog, BUte-
grim und HiÜewart, Ghmdahelm {Gandhalm), Crunfher, Chm-
daher, Gvmpdld, Oundhard, GundoU, Gundolf und Quntram,
Ernusi, Scroih und Scuribrant, daxin Ädaltvic, Eknoic, Qerwig, Hart-
wig, Hdmwigj Herwic, Ludwig, Wigant, Wiebot, WikboU, Wikhart,
Wikman und WtgoU, — und der Frauen Theilnahme an dieser
Seite des öffentlichen Lebens tritt erst recht hervor durch die
Namen AJbegund, Badegund und Oumpim, Hadepurch und
Hadelouch, PiJhiU, DiethiÜ, BUitAiU, EmihiU, Frohiü, LohhiU,
MahlhiU, MeginhiÜ, BichhiU, Swanehitt, TroslhiU xmd Wulf-
UU, Hütqmrch, HiUetrud und HiUewig, Hadewig, Wieburch
und Wi(c)rat.
Der Sieg (sig) ist errungen. Ihn wollen ebenso warme
als fachmännische Wünsche der Pathen in den Namen Sige-
perhtj SigibotOy SigiboU, Sigefrid, Sigehart, Sigäoh, Sigmar und
3*
— 36 —
Sigum an die Personen ihrer Schützlinge binden ; und Frauen-
namen dieser Färbung sind Sigen {Siguna\ S^qmrck und
Sigerat.
Damit verknüpft sich Ruhm und Ehre, aof welche ans
die Stämme pram, mar und rud (ruod) mit den Nam^
Didpram und Litdpram, DietmoTj EngibnaTy VoOanarj Sode-
mar, Regmmar, Sigemc^, GeUmar, Oisdmar, und WiUmar^
dann Rudpold^ Ruprehi, Rudger^ Rudhari, Rudlkbj Rudolfe Ru-
lant und Rudum verweisen, endlich Meriboto und die weib-
lichen Merpurdk und Merpim.
Was aus dem Worte gisil^ welches Geissei, Gefangene
bedeutet, in jeder Verbindung zu lesen sei, ist unklar. Wir
machen da bei uns für Männer die Namen Qisilpery Gisd-
mar und GtsloU namhaft. Sehr wahrscheinlich steckt die Wurzel
gis (Speer) in einigen derselben.
Noch bleibt uns die Gruppe der Thiere, welche für
Taufhamen den Leihstoff abgeben. Ks sind nur solche, welche
— wie schon gesagt — entweder der Götterwelt der Urzeit
dienten {InU und raban), oder solche, deren .Gewandtheit
Stärcke und Schönheit' sie in einem von strotzender Kraft
getragenen Volksleben „Göttern und Helden vergleichen lies^ \).
Diese Art Poesie würde unseren Tagen nicht mehr anstehen;
allein zwischen ihrer Zeit und der unseren liegt eine andere
im gleichen Brauche vermittelnd, die wir nicht aUein sehr
gefällig finden, sondern welche wir auch ausgiebig üben.
Das ist jene der Thiernamenwelt für Familiennamen und der
Thiere für Wappen. Und darin liegt nichts als die Ueber-
tragung alter Denkweise auf neue Gebiete gesellschaftlicher
Lebensformen, und wir mögen daraus sehen, wie wenig w
mit bestimmten Aeusserlichkeiten zugleich auch deren Grenius
abzustreifen vermögen. Vom mythischen Gethiere ist schon
zu Anfang die Rede gewesen ; wir bleiben bei jenem; mit dem
der Mensch in den ältesten Tagen auf unserem Boden um
Leben und Ueberhand stritt. So weisen auf den Adler die
1) WeMiMf deutsche Fraaen, 10.
— 87 —
Namen Arnhelm^ Arno und Artikis^ auf den Bären Permger^
Bernhart und Pemo% auf das Wildschein Eberan^ Eberger,
EberhaH, Eberolf und Eberwin mit dem Weibchen MerUnt,
und die Ciombination zwischen Wildschwein und Löwen in
Eberlev — vermuthlich die Bezeichnung des Ebermännchens.
Eine wesentliche Rolle muss der Wolf hierlands gespielt
haben, wenn nach der Zahl der Personennamen auf seine
Häufigkeit zu schliessen ist; von ihm reden Wolfpero, Wolfpreht^
Wolftrigü, Wolfgang, Wolfger, Wolfgrim, Wolfhelm, Wulfinch,
Wolftiee, Wolfo {Woffo), Wolfram, Wolfrat und Wolf stein,
dann die Namen der Frauen WulfpUt, Wolfpurch und WulfhiU.
Man mag sich vorstellen, dass in diesen Namen viel Aben-
teuerliches aus dem Jagdleben unserer Vorfahren stecken
mag, von dem gelegentlich zu erzählen gut wäre, aber auch
gleichviel Ernstes aus dem Ringen um das eigene Leben
und das der Familie zwischen dem Menschen und dem Raub-
thiere. Mit welchem ;, Drachen" der älteste Wurmprant ange-
bunden, und den er mit Schwertesschärfe erlegt, dass er den
Namen bekam, der dann weiterging, bis er als Geschlechts-
name überblieb, wäre nicht minder Gegenstand berechtigter
Neugier. Indess wollen wir diese rauhe Gruppe mit dem
wohlklingenden Namen Suandhüt beschliessen, der aber nicht
eine Frau bezeichnet; die mit einem Schwanen raufte, son-
dern eine schwanenweisse Kämpferin.
So weit der vornehmste, und der ' Hauptsache nach meist
heroische, Theil unserer heimatUchen Namen bis zum Jahre 1 200.
Dass dieselben aber nicht letzteren Ton allein anschlugen,
ist gleichfalls schon an mehreren Stellen der Erzählung klar
geworden. Nur sind die Koseformen in ihrer Existenz in
einer Zeile blos angedeutet worden. Sie mögen jetzt das Namen-
bild jener Zeiten abschliessen, gewissermassen zugleich als
Gegensatz des Freundlichen zum Ernsten, und um auch nach
dieser Richtung den Reichthum des Namenlebens und die
Modulationsfähigkeit der Namen in einer Art Probegruppe
vorzuführen. So kommen in Steiermark vor Acdin (Äcili,
Acin\ Arno, Azzo, Bahso, Petto, Petmo, Peao {PeciU), Picea,
— 88 —
Chfmga, Tagmmiy DieUa, Hemo^ Dieia
(Diego, Diezüi), EberUn, Eiszilo, Eszüj Friede, Fritd, Gfum-
nieo {Gnanmlo\ Ooei (Gojrin), GMi, GumpUo, Haiza {Heüo),
Eesü (Hesüaj Meäa), ho, Laizo, Laneo, Uußa (Lkufi, Uu£o).
Maedmj Magnufa^ Matuo, Mauso, Nansa, NoßOj Ozi, Baeo,
Bickmza {Biekiza, Bichsa), Büfili, Buzüo (Rußo), Sarhäo,
Sicca (Sicco^ Siccili), Sigila {Sigüo), Sirus^ SizOj Suonäie,
Waea {Waei, Wiuiduiy Wcuril, Wesil, WeciU), Wentikna,
WUdo, Wo/fo, Wulßo.
Man wird zugestehen, dass dieses Namenleben, das in
Musterkartenweise hier entfaltet wurde, den Vergleich mit
dem Brauche der Gegenwart nahe legt Dem Reize, ihm zu
folgen, soll aber weder gänzlich widerstanden, noch bereit-
willig gehorcht werden. Es ist in dieser Richtung ein gut
Theil dem Leser selber zu überlassen. Mir möge nur ein
Streifen Raum zu Ende der Schilderung fbr die Neuzeit bleiben,
dem mit thunlichst flüchtiger Feder zugestrebt werden soll.
So wie die Beispiele oben es belegten, stand es um
unser Personennamenwesen bis zu Ende des Xn. Jahrh. Auf
die 6 e s a m m tbevölkerung der Steiermark ist dabei aller-
dings insofeme keine Rücksicht genommen worden, als hier
blos des deutschen Elementes gedacht ist Aber unser Land
war damals zweisprachig, wie heute, nur im umgekehrten
Verhältnisse. Den 35% Wenden der Gegenwart mochten im
xn. Jahrh. etwa 35^-o Bajuwaren gegenüber stehen, eher
weniger als mehr, und keineswegs in der Vertheilung von
heute. Aber eine solche Hereinziehung fremdsprachigen Ele-
mentes liegt nicht allein nicht im Plane, noch würde die
Armuth des Materiales das Bild gewinnen lassen. Für das
Slaventhum in Steiermark war das deutsche Wesen das ton-
angebende, sowie, es überhaupt in allen Winkeln des Landes
dessen Gang in der Geschichte, in Cultur und Sitte bestimmte.
Und so fragt es sich denn für uns, wie dieses Namen-
wesen sich das Mittelalter hindurch gestaltet und wie die
reformatorische Neuzeit es behandelt habe?
— 89 —
Die fühlbarste Herrschaft auf Erden übt jene Veränder-
lichkeit, der alles Irdische unterliegt ; und namentlich was der
Mensch als Zuthat seiner Erscheinung in der Gesellschaft an
sich trägt, daran nagt und wischt die Zeit. So bietet uns denn
das XVI. Jahrh. einen wesentlich neuen Charakter des Namen-
lebens^ — sowohl nach Innen, was die Namenschöpfung, ihre
Tendenz und Quelle, als nach Aussen, was den Klang der
persönlichen Bezeichnungen anbelangt. Nicht anders ist es
mit der lieben Gegenwart, nur lässt es diese an der Innerlich-
keit des Reformationszeitalters fehlen, und in der Aeusserlich-
keit steht sie in Kahlheit auf derselben Höhe, welche ihre
Trachten einnehmen. Diese Wandlungen indess sind weder
plötzlich hereingebrochen, noch gänzlich ohne Zeichen und
Vorläufer gewesen: der Uebergang vollzog sich allmälig, im
Ebenmasse der Culturentwicklung, vom XVII. Jahrh. zu uns
wie zum XVI. aus dem Mittelalter.
Für uns, die wir das heimische Namenleben vom nationalen
Standpuncte aus betrachten, hat dasselbe begreiflich den
höchsten Wärmegrad zu einer Zeit, wo dieser Standpunct
die meiste Befriedigung für sich erzielt Die Temperatur ist
also im XII. Jahrh. darin auf ihrem Höhepuncte — Air uns,
die wir für den Zug nationaler Namen nur an dem Endpuncte
einer örtlich und zeitlich fernen Leitung vom Westen her
sitzen, und dieser Westen hat dann selbstverständlich in diesen
Dmgen einen anderen Wärmemesser. Wir nun können bereits
im Xni. Jahrh. die Wahrzeichen sinkender Namentemperatur,
das Abkühlen des Namenlebens deutlich spüren. Sie bestehen
nicht so sehr im Zurückweichen des Volksthümlichen und
Eingebomen vor Fremdem und Zugewandertem, als viebnehr
in der Abschwächung des Ersteren. Diess Moment macht sich
sowohl am Reichthume an Namen überhaupt, als an der sonst
scharf anklingenden Prägnanz ihrer Formen insbesondere
geltend. Es ist diess ungefähr dieselbe Wandlung, welcher
auch der einzelne Mensch mit wachsendem Alter an seinen
Gesammtkräften und einzelnen ihrer Uebungen unterliegt; er
selbst fühlt sie entweder nicht oder glaubt nicht an sie ; anders
— 40 —
aber Jene, die ihn in langen Pausen beobachten. Und was
die Namen anbelangt, so haben sie eben Antheil an jener
Veränderung, die an der Sprache im Ganzen sich voUzieht
an ihrem Geiste und an ihren Formen. Doch nicht, dass eine
solche erst mit dem XII. Jahrh. eingetreten wäre, sondern
dieselbe Macht arbeitete schon seit Jahrhunderten und hat
eigentlich nie geruht. Die Sprache ist eben ein Product des
menschlichen Geistes, für dessen Erzeugnisse und ihre fkit-
Wicklung es keinen Stillstand gibt Was wir daher vom XII.
zum Xni. Jahrh. an den Personennamen Auffälliges bemerken,
ist in gleicher Weise oder ähnlich schon seit Jahrhunderten
an sie getreten. Es mässigt sich der reiche Erfindungszug
bei den Namengebungen ; es schwächen sich die älteren
scharfen Vocalisationen und treten Zusammenziehungen und
Abdumpiungen , förmliche Verluste der Worte an Stoff, ein.
Ein Hroadhoc des IX. Jahrh. ist im XII. zu Rudhoh. ein
ChJoihahari zu Lothar und Luather^ ein Tagahhart zu Deginhari
und Demhart, ein Audachtr zu Otaker und Otger geworden.
Da die Namengebung zu allen Zeiten unter Einwirkung mannig-
facher Anschauungen und Verhältnisse stand, diese aber
wechselten, so fielen schon frühzeitig Namen aus, da ihre
StQtzpuncte in der Gesellschaft aufgehört hatten. So wie es
bei den verschiedenen deutjschen Stämmen verschieden Nam^s-
bräuchliches gegeben, so muss bei den Einzelnen schon zu
früher Zeit auch das bestanden haben, was wir Mode nennen.
„Blumennamen'' z. B., „wie sie Griechen und Slaven fbr
Frauen verwandten, scheinen sich unter den Germanen früh
verloren zu haben'' ^), und zwar bezieht sich das auf eine
Zeit, welche ferne jener liegt, die wir als die bajuvarische
Blüthepoche bezeichnen, und die sicher freier von äusseren
Einflüssen war, als spätere Tage es wurden. Der Wandel ist ein
steter ; seine Folgen au Früchten und Lücken lassen sich nur
aus den Vergleichen verschiedenaltriger Zeitbestände an Namen
erkennen.
1) Weinhold, a. a. 0. 10.
— 41 —
Für das Xm. Jahrh. gilt fortschreitend in Aenderung
an den Namen das Geiche wie vorher: es ist ein Zerbröckeln,
das scharfe Umrisse zerstört und stellenweise Lücken einreisst
Bis dahin sehr geläufige Taufnamen treten ausser Reih' und
Glied oder werden seltener ; die lautliche Abschwächung nimmt
mit jener der Sprache im Allgemeinen bei deren Uebergang
aus dem Althochdeutschen in's Mittelhochdeutsche zu. Der
Namenschatz verliert an Gewicht und Prägekunst Daftlr ge-
winnen einzehie Namen an Beliebtheit, während früher blos
einzelne Stämme sich solcher erfreuten, jedoch die Namen aus
ihnen vielerlei sein konnten. Das Wesen beginnt sich zu
vereinfachen, zu vemüchtem. Namen, die vordem bereits selten,
wie Charl, Germatit^ SiUebrant, Hudi, Scroth, Scuribrant u. a. m.
gehen vollständig verloren, oder treten in die conservativen
Kreise der unteren Volksschichten zurück, welche allmälig
nicht mehr so lebhaft im Urkundenwesen herbeigezogen werden,
und tauchen viel später endlich als Geschlechtsnamen in
bäuerlichen Kreisen wieder auf. Andere Namen, früher häufig,
werden seltener und rücken so gewissermassen zu gänzlichem
Verschwinden vor. Dafür bilden sich Gruppen solcher, mit
denen eifersuchtslos ein grosser Theil der Gebomen geschmückt
wird, so Chunrad, Dielmary IHderich, Heinrich, Liutpold, Uddl-
rieh u. s. w. Das sind indess keine Ausnahmsverhältnisse, die
blos für Steiermark Giltigkeit hätten: diese Zustände im
Namenwesen müssen, wenn nicht in allen, so doch in mehreren
deutschen Territorien gleichzeitig und gleichfarbig, doch mit
gewissen Stammesschattirungen, aufgetreten sein. Ihre Veran-
lassung hatte damals weder mit Politik, noch irgendwelcher
dynastischen oder Heiligenpatronanz zu schaffen, sondern ging
unbewusst aus der Gesammtheit selber hervor. Es wäre un-
zweifelhaft ein Verdienst, würden die Einzelgründe dieser
Bewegung der Geister für jene Zeiten erschöpfend dargelegt
Dass es von geringem Einflüsse auf unsere Kenntniss der
Dinge nicht ist, dass seit dem XIII. Jahrh. das Zeugenschafts-
wesen in den Documenten sich vermindert, dass nicht allein
weniger Personen, sondern auch weniger Glassen der Landes-
- 42 —
bewohner fbr diesen öffentlichen Dienst herbeigezogen werden,
dass somit Namentrftger von da ab zurückgedrängt werden,
die froher den Löwenantheil der Zeugenschaften trugen, ist
sicher. Dieser Umstand würde aber nur eine Lttcke im Materiale
erklären, und nicht jene in der Sache selbst. Ebenso wäre
es nicht richtig, das Eindringen der sogenannten HeiligennameD
um jene Zeit als den Wechsel bedingend für das nationale
Namenwesen anzusehen. Auch wenn dasselbe bedeutender
gewesen wäre, als es tbatsächlich war, würde dasselbe keines-
wegs alle Erscheinungen begründen lassen. In Wirklichkeit
ist dieser Zuwachs nicht einmal in den Conventen und noch
weniger in den Laienkreisen gegenüber früheren Jahrhunderten
auffällig. Bios der Name Johannes gewinnt, noch nicht beim
Adel und der Bürgerschaft, wohl aber bei den Priestern und
Hörigen. Es ist diess überhaupt ein bedeutsamer Name^ der
ungemein lange eine hervorragende Beliebtheit genoss, wie
etwa der Frauenname Maria vom XVI. Jahrb. ab. Damals
war mit ihm Johann der Täufer noch allein gemeint, der
„Rubmesbote'' {Merihoto) Christi und Vorläufer desselben, und
es mag nicht ohne tiefen Grund sein, dass gerade dieser
Name für die allmälig stärker eindrängenden Heiligennamen
der Bahnbrecher gewesen. ^) Namen anderer Nationalitäten,
deren Herrscher damals im Lande sich geltend machten.
1) Der Name langte aus Italien zu uns, und aus Italien kamen eben
auch mit dem XIII. Jahrh. die Bettelorden der Dominicaner und
Minoriten, um nachzuhelfen, wo die alten Orden der Benedictiner.
Augustiner u. s. w. sich angeblich nicht hinreichend erwiesen. Es
ist nicht unmöglich, dass von da ab in solchen klerikalen Kreisen
ein Hebel anzunehmen ist, der für früher mit Unrecht angesetzt
würde. So ganz Unrecht hat eigentlich der sonst katholische Historiker
und Prinzenerzieher Joh. Thurmaier (16. Jahrh.) nichts wenn er —
gleichwohl etwas bitter — sagt: y,dit$e Namen Peter, C^eorg, Bdns,
Pa/ui, Anna, Katharina, Margareth vnd dergl. seind bey den TeutsAen
nemoe, es haben sie vnsere Vorfahren nitht gd)raveht, haben ersi
nach Keyser Fridrichs des andern Tode eingedrungen, nctMiem da4i
heHige Bämische Eeich in AbfäU bracht ist worden, durch Anriehten
der Bömisehen G^eisÜigkeit, dur(^ wdeher List die Christen ffoch
heutiges Tages vneins seind, wider einander toben vnd wUten",
— 48 -
vermissen wir. Die Fremdherrschaften der Ungarn und Böhmen
haben sich in dieser Richtung nicht erinnerlich gemacht ; dazu
fehlte wesentlich das Durchdringen des ganzen Landes und
aller seiner Schichten von derselben.
Jener Zug, der fllr das XIII. Jahrhundert als tonangebend
hingestellt wurde, dauerte durch das ganze Mittelalter an,
namentlich was die Zunahme der biblischen und römischen
Heiligennamen anbelangt, mit steigendem Wachsthume.
Die Zahl der deutschen Tau&amen sinkt während des
XIV. und XV. Jahrhunderts mehr und mehr. Selbst im Xin.
Jahrhunderte beliebte, treten bis zur Seltenheit zurück: so
der Name Hsinrich. Aber das Volk, welches in dieser Rich-
tung, so wie in vielen anderen, Herkömmliches am zähesten
bewahrt, erh< von ihm die Koseformen Heina und HemaL
Der Name Konrad nimmt dagegen an Beliebtheit zu. Im
XIV. Jahrhunderte hat die deutsche Sprache die Kanzleien
— die geistlichen, und geistliche Angelegenheiten in weltlichen
ausgenommen — vollständig occupirt; sie hat ihr Thätigkeits-
gebiet erweitert, damit aber doch den Verfall des deutschen
Namenwesens nicht gehindert Die fremden Heiligennamen
wachsen fühlbar in der Zahl ; Johann wird nicht allein häufig,
sondern tritt aus den Kreisen der Priester- und Unterthans-
schaft auch in jene des Adels über, doch im Anschlüsse an
die bisher üblichen volksthümlichen Namen germanisch verkost
als Sans, Hoensel und Hensil Achaa^ Christian^ Christoph^
dann Georg ^ Jakob, Nikolaus und Simon lagern ein, zum
Theile auch beim Adel, wesentlich aber bei den Landleuten.
Man sieht, wo die Namenbewegung auf frommen Zuschnitt
zuerst in Gang gebracht wurde. Bei den Bauern sind Johann,
Georg und Jakob vornehmlich gerne gehört. Vielleicht steht
das damit in Verbindung, dass es sogenannte „Grundheilige^^
oder „Zinspatrone'^ waren, denn zu Georgi, Johannis und Jacobi
mussten die Bodenabgaben entrichtet werden — eine Ordnung
der Dinge, welche in ihrer Entwicklung sich auch nicht vor
dem Ende des XIII. Jahrhunderts, also dem Ansätze zur
Einbürgerung der biblischen und Heiligennamen, nachweisen
— 44 —
lässt Allerdings gehörte aucb Michael zu jenen drei bedeatungB-
vollen Namen; merkwürdig genug fällt jedoch dieser bttrger-
liche Name für das XIV. Jahrhundert — wie es scheint — gans
aus, und taucht selbst im XV. blos selten erst auf. Das ist
auch die Zeit^ wo die Namen Josef und Maria nur in höchst
vereinzelten Fällen uns begegnen, hundert und mehr Jahre
später als in Italien und selbst in Erain, der letztere
in Conventen, der erstere früher bei Juden als bei Laien-
christen. Neben diesen Fremdnamen spielt eine grosse Zahl
noch unserer volksthümlichen , allein des gewöhnlichsten
Schlages und mit starken Widerholungsgruppen, aber in diese
hinein doch manchmal ein origineller alter Name. So finden
wir im XIV. Jahrhunderte einen A sanger ^ einen Starläujmd.
in der Familie von Fladnitz den „Hammerschwinger" Stein-
wald, in jener von Pettau Herdegen, und in der von Emmer-
berg (Bertholdstein) Bidegen. Es hatte also alle Poesie in
Namen doch noch nicht geendet! Aber schon um jene Zeit,
die ganz gewiss den Import von Heiligennamen aus Italien
her betrieb, sehen wir bereits vereinzelte Fälle wälscher Tauf-
namen in unseren heimischen Familien. So um 1427 einen
Zesar bei den Sari; und es möchten ihrer mehr namhaft
gemacht werden können. Die Veranlassungen zu solchen
entschieden humanistisch gefärbten Namenswahlen sind an-
nähernd dieselben wie in der eigentlichen humanistischen Zeit:
Bekanntschaft mit italienischem Wesen durch Kriegsdienste,
durch Studien an den dortigen Universitäten und durch
Heiraten, manchmal Beides oder Alles zusammen. So sdilug
sich Friedrich von Stubenberg im Dienste Herzog Rudolfs auf
friaulischem Boden mit den Schaaren Franz^ von Carrara
herum, was ihn nicht hinderte, seines Gegners Schwester
1367 in seine Heimat an der Mürz und Feistritz als Gattin
zu geleiten. Die Dame führte den Namen Carraresia. Dieselbe
Zeit bietet uns auch den ersten Fall von Doppelnamen, und
zwar im Hause der von Liechtenstein, wo uns bald mit, bald
ohne Zusammenziehung BudoJf Otto (Kudatf) erwähnt wird.
Von einigem Interesse mag es sein, dass ganz im 6^en-
— 46 —
Satze zur Männerwelt, im XIV. Jahrhunderte bei den Frauen
der alte volksthttmliche Namencharakter fast unbeschadet blieb.
Während das Fremde in jener mehr und mehr um sich griff,
ist sein AntheU an Frauennamen sehr gering, kaum merkbar
höher als im XII. Jahrhunderte. Doch haben die nationalen
derselben selten jene Prägnanz und bildliche Schönheit, wie in
letztgenannter Zeit, sondern sind meist gewöhnliche. FQr diese
Betheilung der männlichen Sprossen mit den modischen frem-
den Namen, und die Vernachlässigung der weiblichen dabei,
muss es also doch wohl einen Grund gegeben haben. Die
Erscheinung gilt nämlich nicht für einen beschränkten Kreis,
sondern wird in grosser massgebender Vergleichungszahl auf-
fällig. Ob dabei jene Beiseitestellung von Einfluss war, in der
das weibliche Geschlecht in öffentlichen und wesentlichen Ange-
legenheiten gegenüber dem männlichen stand ? Bei dem Vor-
drängen der Heiligennamen wurde der Taufname ohnehin
bald Confessionssache, und so erinnert dieser merkwürdige
Umstand an einen Fall, der sich zur Zeit der Gegenreformation
(1600) in Pettau zutrug. Bischof Jakob Brenner von Seckau
leitete daselbst die Untersuchung. Er war bei einer vermög-
lichen Protestantin bequartiert. Sie wendete sich an ihn mit
der Versicherung, sie wolle bleiben was sie war, und nicht
katholisch werden. „Geh' sie nur kein Aergemuss, liebe Frau^\
sagte ihr der viel gelästerte ;, Ketzerhammer'', „an einem
Weibe liegt iiichts''. Sei dem wie inuner, der auffällige Unter-
schied zwischen der Männer- und Frauenwelt in deren Tauf-
namen liegt vor, und unter denen der Letzteren sind manche
schöne alte, und manche, mir nicht immer klare, fremde
Namen absonderlichen Klanges. Im XIV. Jahrhunderte finden
wir zu Admont eine Nonne Vreuday in der Familie v. Holeneck
eine Frau Tiffras; im XV. in der Gegend von Leohen eine
Osanna^ in Untersteier eine Baladesi (Paiatista\ bei der
Familie von Krotendorf eine Jrmenia, und im Kloster Admont
eine Lunäa.
Bis zur zweiten Hälfte des XV. Jahrhunderts hat die
Zersetzung des alten Namenstandes bei den Männern in
— 4« —
unserem Lande gewaltig mn sich gegriffen. Während im
XII. Jahrhunderte das Verhältniss der fremdoi zu den toQs-
thQmlichen Namen wie 2:50 gewesen, war es zu jener Zät
schon wie 4 : 5 ^). Das alte schöne Geb&ude war am Zerfalle.
Sollten nun künftig nur mehr biblische und Heilig^namen
Anrecht auf Christenmenschen haben? Vorläufig hielten sie
den nationalen das Gleichgewicht; diese kamen aus der Mode:
^man trug sie nicht mehr"*, kann man sagen, denn es musste
im Ganzen mit ihnen doch weit gekommen sein, wenn ein
Matthseus von Pappenheim zu Ende des XV. Jahrhunderts
an sich gewöhnliche deutsche Namen als Curiosität^i ,der
Alten'' auffasst Ablehnender hätte man selbst im vorigen
Jahrhunderte sich nicht stellen können.
Das Ergebniss der Herabminderong hat sich eigentlich
ziemlich rasch vollzogen, während die Anbahnung ersichtlich
blos langsam geschehen war. Ob auf den Eilschritt der letzten
Stadien nicht politisch-religiöse Verhältnisse Einfluss nahmen,
mag dahingestellt bleiben: erwähnt sei nur, dass der Haupt-
Umschwung in die erste Hälfte des XV. Jahrhunderts &Ut,
und das ist die Zeit der Beendigung der Kirchenspaltung,
der Concile von Constanz und Basel und der Hussitenkri^;e.
— doch eme wahrhaft fromme Zeit wird man sie, ungeachtet
ihres Cultus frommsinniger Namen, kaum nennen.
1) Zur Erlangung eines annähernd verwendbaren statistischen Resnltati^s
nehme man das ürkundenwerk irgend einer grossen Gremeinde, das
die Documente derselben für das XV. Jahrhundert enthält, and steUe
daraus die Namen zusammen. So kann Wiehner^s Gesch. von A.dmont
8. Bd. dienen, wenn man nicht etwa Muchars steir. Gesch. Torziefat.
Die Namen aus Wichnera Buche, und zwar von A — M und den
Jahren 1400-66 untersucht, geben für Männer 52 deutsche,
39 biblisch-römische und 1 slavischen Namen (natürlich in mehr-
hundertfachen Daten), und also das Verhältniss von 4 : 5. Johann
ist der beliebteste, ihm zunächst Nikolaus, zur Halbscheid Heiiirich,
znm Drittel Georg, zum Viertel Andreas, Friedrich, Jakob, Konrad
und Ulrich so beliebt wie Johann. Die Gruppirung nmfasst Priester
wie Laien; unter Ersteren ist eine wesentliche Bevorzugung der
nichtdeutschen Namen nicht zu merken. Darin haben sich die alten
Orden von den späteren stets unterschieden.
— 47 —
Nach Allem zu schliessen, falls die Ueberwucherung
des Alten durch das Neue fortdauerte, blieb für Ersteres
kaum ein Halt mehr - wenn nicht vielleicht wieder eine Mode
oder eine bessere geistige Strömung, oder Beides jenen Um-
schwung abd&mmte. Allerdings kam es dazu, doch in einer
Art, die man zu Ende des XV. Jahrhunderts kaum voraus-
gesehen. Da9 eine fremde Element wurde nämlich durch zu-
tretende andere förmlich paralysirt und das gesammte Namen-
wesen durcheinandergerüttelt.
Wenn je seine Fähigkeit, den Inhalt der Zeiten wider-
zuspiegeln, sich nachwies, so war das im XVI. Jahrhunderte
der Fall. Sein früherer Entwicklungsgang wurde aufgehoben,
und während er im XV. eine religiöse Richtung bezeugte,
so reflectiren jetzt politische und religiöse und rein hu-
manistische, eigen- und fremdnationale Bewegungen aus ihm
nach allen Seiten. Bei den Einen kennzeichnet der Taufname die
au&trebende Lehre des Protestantismus und die Verknüpfung
des neuen Lebens mit den gereinigten Glaubenssätzen durch
ein Symbol, und als das hat uns der Taufhame zu gelten.
Andere haben mit gleicher Betonung die bald als mehr oder
minder katholisch sich charakterisirenden Namen behalten.
Da hinein spielen die neutralen historischen, in Familien her-
kömmlichen, und bei der Zerfahrenheit der Dinge in einer
Zeit, wo das Alte mit dem Neuen rang, mögen wir in Einem
Hause öfters dreierlei Namencharakteren begegnen. Nur Johannes
scheint Allen gleich werth; er mag 30—40% der männlichen
Bewohner als Ruf- oder als Beiname gedient haben, und
inaugurirt bei uns den Brauch der Doppelnamen, welcher seit
der Mitte des XVL Jahrhunderts besonders in den Kreisen
der Vornehmen um sich greift. ^)
*) Ob der Name Johannes in der Zeit der Beformation Yon protestan-
tischer Seite nicht noch in anderem, der neuen Lehre angepassten
Sinne aufgenommen wurde, will ich nicht behaupten; es will mir
aber scheinen, als ob die Katholiken ihn eine Zeit lang weniger
gern gewählt hätten, ähnlich wie sie Maria bevorzugten, die Pro-
testanten aber lieber nach anderen Namen griffen. In dieser Richtung
— 48 —
Zu diesen drei tonangebenden Richtungen trat aber noch
die humanistische, entweder eine solche im Streben, oder in d^
Namen allein, ohne dass man mehr dahinter zu suchen hätt^,
als Behagen an fremdem Klang. Die erstere Art ergab sich
durch den Besuch auswärtiger Universitäten seitens der jungen
Leute aus den bemittelten Kreisen der Steiermark, nam^t-
lich jener Italiens, und überhaupt kam italienisches Wesen in
Tracht und Sprache und auch in Namen zu grossem Eanfluss.
Es vermittelte gewissermassen zwischen der damaligen Zeit
und dem Altertbume, und rückte die Verehrer durch die
verwandte romanische Sprache demselben näher. Und es ist
bekannt, wie sehr man es in Italien liebte, durch Annahme
und Nachahmung des römischen Namenwesens als mit der
classischen Zeit innig verbündet sich zu zeigen. Das Beispiel
wirkte durch die deutschen Besucher Italiens auf deutsche
heimatliche Kreise, und es erhielt noch kräftigenden Nach-
schub durch die lebhaften Verbindungen, welche seit des
Tagen der spanischen Habsburger z¥rischen Italien und deo
österreichischen Landen eintraten. Namentlich seit der Schaf-
fung Innerösterreichs (1564) wurde aus Oesterreichisch-Friaul
aus Görz und Istrien starker Zufluss aus allen Ständen nach
Graz geleitet: wälsche Sitte, wälscher Rath, wälsche Kunst-
fertigkeit, namentlich in dem regen Bauhandwerke, und wälscher
Handelsgeist gewannen hier breiten Boden. Die Vertreter
dieses fremden Elementes brachten gefällige Formen mi
Namen mit, welche nicht nur Sympathien, sondern durch Fa-
milienverbindungen auch Vervieliälügung in deutschen Kreisen
fanden.
müssten speciellere üntersucfaungen gepflogen werden. Gleicherweise
könnten solche zeigen, oh der Doppelnamenbrauch nar der Yorliebt'
für den Namen Johannes seinen Ursprung verdankt, oder deia
Importe vom „ Reiche ** her, oder der Erkenntniss der Noth wendig-
keit gegenüber der eingerissenen Namenarmuth, die zahlreiches
Familienmitglieder nicht anders als durch Namenkuppelungen anter*
scheiden zu können (ganz so wie man in alter Zeit Namenstämm^
zu neuen Namen verknüpfte), oder einem Zusammentreffen mehrerer
dieser Anlässe.
— 49 —
Die Personennamen dieser Zuwanderer hatten sozusagen
blos humanistischen Schliff, ohne gelehrtes Streben und dgl.
aber nichts mit der Humanistik zu thun. Eher hätten wir
gewisse alte deutsche, oder der deutschen Dichtung wenigstens
angehdrige Namen dieser Gruppe mit theilweisem Stämpel
feinerer Bildung anzufügen. Auch sie tauchen bei uns, doch
leider nur vereinzelt auf, dann aber selbst welche ganz eigen-
thamlicher^ neuer deutscher Findung — in Summa, es legt
sich eine wahre Musterkarte von Namen Systemen und Namen
im XYI. Jahrhundert bei uns dar. Wenn wir ursprünglich nur
von Einer Namenwahrung, im XIV. Jahrhundert beginnend,
und im XY. wachsend von zweien dergleichen im Lande sprechen
können, so hat im XVI. bereits eine ganze Gruppe solcher
sich eingestellt : die historische oder volksgerechte, die katho-
lische und protestantische, die classisch - humanistische, die
romanisch-fremde und die deutsch-poetische, daneben eine,
die man fast die neugermanische nennen mOchte, und die
wunderlich genug neben dem protestantischen Biblicismus
sich ausnimmt^ und neben slavischen Koseformen oder unga-
rischen von Heiligennamen.
Sehen wir euie Anzahl Proben.
Bei denen v. Stubenberg ist der Name Wolf oder Wiü-
fing ein ererbter seit dem Xu. Jahrh. Auch im XVI. tragen
ihn eine Anzahl Glieder der Familie. Andere dagegen der-
selben nennen sich, ihre Confession zu bezeugen, Davide Daniel
und Ahraham. Ein ungewöhnlich Ding um einen Abraham
von Stubenberg ! Vielleicht um es zu erklären, und da bereits
damals einzelne steirische Familien begannen, ihre Genealogien
aufzubauschen, hat man sich die Sage construirt, das Geschlecht
der t7. Siubenbtrg sei mindestens so alt „wie Christus am
Kreuz^^ und als der Heiland in Jerusalem starb, habe der
jüdische Edelmann Abraham von Stubenberg an seinen Vetter
TVulfmg in Steiermark geschrieben: „Lieber Vetter, heute
haben wir Einen gekreuzigt, und dabei hat es die Erde ge-
schüttelt^^ (Die Curse sind nicht angegeben.) Das steht aber
ganz im Einklänge mit der Belebung der mittleren Donau-
MiUheU. dM hirt. VereinM f. Stoiemark, XXIX. Heft, 1881. 4
— 50 —
lande in vorrömischer Zeit durch jüdische Herzogthflmer, vie
HageHy Thurmaier und Lounus sie tneben. Bei denen v. Jedm-
speugm klingt der Name Hclafemes blutig an; ihm können
wir eine ganz hübsche Auswahl von Judiths entgegenstellen,
so bei denen v. Badnumnsdorf^ Sehärfehbergy Stematk^ Traut-
numnsdorf^ bei den Bindscheida u. s. w. Die v. Sffersdarf
weisen Enoch^ die v. Witfersdürf Jonas^ die Buqap und
V. Scheyer Abraham^ die v. Staudach Danidf v. TftudmoMnsdorf
Davidf und so auch Lengheim, v, Moshekn Tobias nach mit
ganz flüchtigem Griffe in jenes volle Leben; die v. Sduraüen-
bach zieren sich mit einer Bebecea^ mit einer Esther die Galltr.
die V. Badmannsdorf und Scheyer, mit einer Eva die Hefmann.
die V. Windischgräjgf die Zebinger und ZdOner, mit einer Sarak
die von Teufevibadi, mit einer Z>a die Thümdl^ und die Namen
iSoIofite und Susawui sind ganz geläufige. Bei den Si&biths
finden wir den erzenglischen Dreiklang CMbrid, iZopAoel und Uri^
wie denn überhaupt eine greifbare Neigung herrschte, gewisse
Gruppen aus der biblischen und Heiligenwelt in Famili^i zu
reprftsentiren ; so die h. DreikOnige, die , JlifiiüäBner*^ u. s. w^
wie wir dergleichen bei den Familien Bremker^ Teufenbaeh und
Windischffräts treffen. Die humanistische oder italienisdi- fremde
Richtung finden wir in einem Septimius der Jörger, in JBdäor
bei denen v. Emau und von TriAeneck, in BannOHMl der
V. Eck, in Vespasian von Paar, in Frau Cassanek^ Babaäa
aus GOrz, und den Damen Lioia, Lucia, Ponlaaäla, Sidonia.
sämmtlich mit ihren Gatten aus dem Süden eingewandert^ und
namentlich Sidonia ist von da ab in guten Kreisen ein
sehr beliebter Name. Bei den letztgenannten Frauen wissen
wir, dass sie aus der Fremde stammen; den Kinfluas des
Fremden auf die Mädchennamen unserer Heimat sieht man
in Horeiüina Putterer^ Cordüla von Prank, Comdia von Kain-
berg^ Felicitas v. Kühnburg^ Helene Bued und Weiser, Pofyxem
V. Bogendorf und v. Backnite, Sabina v. Teufenbadij Sibitta
von Montfort, Verena von Lind u. A. Aber das ist nur ein
Ausschnitt, nicht blos aus der steirischen Namengesellschaft
überhaupt, sondern aus der des Adels im Besonderen; er
— 51 —
iesse sich noch vermehren, vorzüglich wenn man in die Kreise
ler Beamten- und Bürgerwelt, der Künstler und Handwerker
niffe, welch letztere beide Classen sehr stark fremde, wesentlich
talienische Elemente aufweisen. Denn auch der Kreis der
Beamten war zum grössten Theile aus Fremden gebildet.
Und unter Beamten im damaligen Sinne meinen wir nur jene
^nächst um die Person des Regenten, welche nicht noth-
ivendig Eingebome sein mussten; es wimmelte am Hofe von
Käthen und Secretären aus Baiem und Italien, und so auch
in den hochklerikalen Kreisen.
Die Namen Christian und Christoph werden, fbr das in
seinen Grundvesten bewegte Ghristenthum bezeichnend, unge-
mein häufig. In, sagen wir, christlich-germanischer Färbung,
muthet der Name Kirchfdda an, dem wir bei den Denen
V. Greissenegg und v. Lamberg begegnen. Jenen stellt sich
bei den v, Teufenbach im Oberlande ein Tristan gegenüber,
dessen Pathe wohl geistesverwandt mit den Urhebern des
Bilderschmuckes aus der deutschen Heldendichtung ist, welcher
in mehreren Burgen die Wände der Prunksäle zierte. Doch
eine IsoÜ ist uns noch nicht begegnet, dagegen ein AmaXarich
bei V. Eibiswaid und ein Esmarind bei der Familie Buepp\
Manche Namen verschwinden in fremdartiger Verkosung, wie
der sehr gewöhnliche von Margareth in Marusch^ oder in einer
Verstümmelung, welche belegt, dass jene Zeit die Namen der
Vorfahren längst nicht mehr verstand. So ist bei Denen v.
Badmannsdorf der Name Walchun ein herkömmlicher, und
das XVI. Jahrh. machte aus ihm einen Waücarn^ das XVH.
einen WoJkom — somit eine Art Benvenuto!
Aber auch diese Namenbewegung hatte ein Ende, und
zwar, da Gewalt in ihre Anlässe eingriff, theilweise ein
rasches. Von der Feme besehen und im Vergleiche mit einer
früheren oder späteren Periode, gleicht sie einer Art von
Wirbel, in dem eine Menge Elemente treiben, und der
schliesslich sich auflöst, eine Anzahl der Letzteren untertaucht
^nd in seiner Strömung nur einen Rest an der Oberfläche
^eiterträgt. Mit der Beseitigung des Protestantismus hörten
4*
— 52 —
die jüdisch-biblischen Namen gänzlich auf und die humanistischen
nahmen ab- Dafür kamen eine Menge früher nie genannter
Heiligennamen in Gunst, namentlich Ignag^ Cajdan^ Dismai
Liborius, bei Frauen ganz vorwaltend Maria^ und man b^ann
auch die Männer in den besseren Ständen mit letzterem
Namen zu schmücken. Die Zahl der deutschen Personennameii
ist verschwindend gegenüber den specifischen Heiligennamen.
Nur Eines hat aus dem XYI. Jahrh. sich intact fortgebildet
denn es war nicht nur Mode, sondern auch ein Ausdruck der
Frömmigkeit und Heiligen Verehrung : die Doppelung, auch
Vervielfältigung der Taufnamen. Die besseren Stände haben
diese durch das ganze XYH. Jahrh. geübt und sind mit dem
Schlüsse desselben auf sieben und mehr Namen gestiegen ^) —
die wunderlichsten, buntesten Gruppen — der kleine Adel
und Beamtenstand folgten ihm allmälig nach und wer uid
1 700 nur mit Einem Namen in der Taufmatrikel eingetragen
ist, gehörte anbedingt nicht annähernd zur „Gesellschaft''.
So wären wir denn beim XVIII. Jahrh. angelangt. Offen
gestanden ist das eine Stagnationsperiode ihren meisten Jahr-
zehnten nach, ganz so wie ihre Literatur — immer nur tob
Steiermark gesprochen — und wenn in letzterer Beziehung
dennoch bemerkenswerthe Ausnahmen auftraten, so waren das
wie krampfhafte Anstrengungen Einzelner, den Schleier der
Schläfrigkeit abzuschütteln. Im Namenleben herrscht jene ein-
seitige Macht, welche zu Anfang des XVn. Jahrh. das Scepter
1) Dabei wechseln aber dieselben Personen die ihnen Torgeschriebeoeo
Taufhamen nach Belieben, entweder in der Reihe oder mit anderen,
die ihnen gar nicht verliehen sind, aber besser gefallen. Eine AmA
Maria Äntania kann sehr wohl mit Maria Anna ÄnUmia, mit Asm
Äntonia und Äntonia gleich sein. Ein Graf Ignae AnUm Jose^
Katzianer betont, so lange er jung ist, den Ignag, als Mann sdireibt
er sich Anton Joieph^ und sonst redet man nur von ihm als Jb«^
Sein Sohn Joseph Anton beliebt als Jüngling sich Herbert and Smiert
Joseph, später aber Joseph Anton, wie er getauft ist, zu schreiben.
Ein voraussichtiger Pathe soll einmal das halbe Dutzend Namen
aller Farbenschattirungen motivirt haben; „Da kann sich dann der
Bub' heissen, wie es ihm je am besten passt.^
- 53 —
ergriffen ; der Uebergang zur Gegenwart liegt zur Betrachtung
zu nahe und fbr die Gegenwart kennt Jedermann den Stand
des Themas selber. Aber scheiden lässt sich von demselben
nicht, ohne an die Jetztzeit einen Massstab gelegt zu haben,
welchen eben der Ausgangspunct und zugleich Kern dieser
Darstellung an die Hand gibt.
Dem entsprechend wäre, sozusagen das Ende auf den
Anfang zu prüfen, und, oberflächlich mindestens, zu sehen,
welche Reste unserer Glanzperiode an Personennamen im
Lande noch gang und gäbe ? Dann ob das neuerliche Aufleben
unseres nationalen Denkens (gleich wie bei den Slaven) auch
bei uns in Namen schon ersichtlich reflectirt?
Bejahend kann in letzterer Beziehung die Antwort aller-
dings lauten; wäre die Vereins- und Bierbank-Kannegiesserei
jedoch haare Münze, so müsste allerdings das statistische
Resultat ganz anders lauten. Bescheiden wir uns damit, dass
vorläufig der Keim unbezweifelt im Treiben steht
Gewiss besitzen wir noch heute eine Zahl unserer eigen-
thümlichen Taufnamen im Brauche, sowohl solche, die schon
im XII. Jahrh. hier vorkamen, als andere, von der Feme
eingeführte. Das Angebome lässt sich eben nicht ausrotten,
und es ist keine Reaction auf Erden so mächtig und namentlich
keine so andauernd, um gänzlich und für immer zu beseitigen,
was im Volksblute stec^kt. Aber gesunken ist die Zahl jener
Namen auf eine sehr bescheidene Minderzahl und ihr ur-
sprünglich farbenglänzender Charakter ist matt und abgeblasst.
In diesen Rest müssen wir logischer Weise auch aufnehmen,
was, wenn auch nicht bajuvarischen, so doch immerhin deutschen
Gepräges, an Namen aus Italien und Frankreich oder sonst
aus fernen deutschen Stammesgebieten uns zuwanderte. Auch
das Xn. Jahrh. weist deren auf^. die entweder an sich oder
als stammfremde selten waren. So Chart, During, Hermann^
Ludwig u. s. w. Davon sind auch heute noch welche nicht zu
häufig, die einen in städtischen, die anderen in ländlichen
Kreisen, oder beiderseits. So wird man bei uns statt Ludwig
— H —
weit häufiger Älays begegnen, was doch nur eine franzödsch-
italienische Yerquetschung für lAtdwig ist, aber hinter ihm
steht ein heiliger Mann von grosser Schutzkraft; der italiraische
heil. Äbys ist uns auch örtlich näher, als der französische
heil. Ijudicig^ und das im Ganzen kennzeichnet den Genius
der Namengebung für weite unserer Kreise. Der Name Karl,
dem fränkischen Stamme angehörig, ist auf bajuvarischem
Boden nie recht zur Eingesessenheit gelangt, und auch bei
uns nicht, auf bajuvarischem Coloniallande. Bis zum XVI. Jahrh.
gehört er hier zu den grössten Seltenheiten, und audi die
Canonisation des grossen Frankenkönigs und ersten Kaisers
änderte an der Sache nichts. Erst durch Zuwanderer aus
Wälschland bürgerte er sich hier ein, und nach Carlo Graf
Borromeo^ dem segensvollen Erzbischofe von Mailand, den
Manzoni's schöner Roman „I promessi sposi** verewigte, gewann
er, unter dem eben gedachten Einflüsse, grössere Geltung. Im
XII. Jahrh. fremd und heute nicht selten sind Adolfe der vom
Rheine herkam, Eaimund und FranjB^ die aus Frankreich.
AJfons und Ferdinand, die aus Spanien, Alfred und Arthur,
die aus England einwanderten. Denn unser Adalfrid des
XII. Jahrh. ist ausgestorben, ohne aDes Erbe, scheint es,
selbst in Familiennamen. Und die Aufnahme an sich zwar
deutscher, aber von der Fremde zugemittelter Namen wirkte
auch auf gelegentliche fremdartige Staffirung sonst landsässiger
Namen. So hatte vom Metropolitanpatrone Salzburgs her
Ruprecht stets und in allen Kreisen älterer, und in den niederen
späterer Zeit seine Geläufigkeit; in den feineren zieht man
heute entschieden das französisirte Robert vor. Im Ganzen
jedoch wird man, wenn man die deutschen Taufhamen der
Gegenwart überblickt, nicht nur ihrer wenige im Vergleiche
selbst zum XIII. Jahrb., sondern auch nur matte E^Lemplare
derselben finden.
Und sollte diess der gesammte Nachlass jenes Namens-
lebens in dem unseren sein?
Nein, denn wir führen ein doppeltes, in Personen und
in Familien. Darauf habe ich schon hingewiesen, dass von
— Sb —
firsterem der beste, weil sprechendste Theil, ab^ venKjl^leiert,
im 4en Numra der Letzteren geborgen ist ^
Allein dieser Fond an deutschen Personennamen, di^r uttä
gevisseffmassen als Erinnerung utad als Mahnung gebfiebe'ijk ist,
hat bekatintlfch seine Concurrenz. Sie hatte sich uhs^em
Namenschatze wesentlich mit dem XlV. Jahth. Als sölthte
angeheftet, und ist bei der ihtn gewordenen inneren Sth'wftölm
immer grösser und kräftiger geworden ; sie hat mit atrdet'en
Concurrenten, die im XVI. Jahrb. hinzutraten, ihn förmlich
überwuchert, und weder aus der Gestaltung des deutschen
Reiches, noch jener des deutschen Geisteslebens oder der Sprache
ist ihm während des XVII. und XVIII. Jahrb. ein Ahstoss
gegeben worden, sich zu erheben und den £pheü utn seinen
Stamm abzustreifen. Mit dem XIX. Jahrb. ist diese Anregung
eingetreten. Doch steht das Namenleben unter Einflüssen, die
verschieden sind und auf den einzelnen Territorien deutscher
Zunge der Umkehr nur zaudernd Raum geben. Daher kann
von Gleichmässigkeit der Restauration auf dem Gesammtgebiete
nicht die Rede sein. Man wird sie im deutschen Norden mehr
als im Süden, auf protestantischen Gebieten mehr als auf
katholischen, in mittleren und höheren Kreisen mehr als in
den unteren yorgeschritten finden.
Wie steht nun das Verhältniss des allseitigen Namen-
verbrauches bei uns ? Zu wessen Gunsten schlägt da noch das
Zünglein der statistischen Wage aus? Und wenn in der
Namengebung Tendenzen liegen, welche derselben haben der-
malen die Oberhand?
0 Auf sie einzugehen, liegt ausser der Handweite der Aufgabe. Fttr
Jene, die erst wissen möchten, wie das gemeint ist, gebe ich Familien-
namen, heute meist wohlbekannt, die ursprünglich Taufhamen waren,
zur Probe in Eekhart, Erhard, Enefikd, Erkenger, EUd, FVcUdd,
Frank, Freismui, Friedl, JFVuhmann, Oimpl, HMsmann, Haim,
Haring, Earimann, Hetel, HiUdfrand, Kuhn, Knabl, KüssoU, Leifert,
Leypold, Manhardt, Meinert, Menhard, Nusshold, Peinhardt, PöUl,
PöUl, BiecU, Bupp, Schweiger, Seidl, Siegl, ürJep, Völkel, Walcher,
WaUi, Winter, die man noch um Vielfaches yermehren könnte.
- 56 —
Da lässt sich unter Zuhilfenahme der Statistik und des
eigenen Fohlens allerdings nur sagen, dass unsere volkstfaum-
lichen Namen es nicht sind, dass sie es aber sein werden,
doch langsam, langsam, gleich dem Pendel der Zeit, denn
allmftlig sind die Dinge so geworden, wie sie sind, und allmftlig
kehren sie wieder. Wir aber werden die Heimkehr der Namen
Hagebam und Schilbunthy Didpratit und Scuribraniy Lantfras
und Siatitfraz, Wasacrim und Wolfgrim nicht mehr sehen. M
t) Die Statistik bat zwar für absolute Scblüsse immer wenig Eignung,
fikr relative jedocb gewiss grosse. Cum grano salis mag auch Fol-
gendes nur mitgetheilt sein. Im Grazer Adressbucbe ftlr 1881 sind
von A— M die Familie Maier und MüBer, Haas und Gruber, Fudu
und Fischer, Egger, Berger und Bauer diejenigen, welche die meisten
eingetragenen Vertreter ibrer Namen aufweisen, nämlich 142,
1S8, 76, 71, 69, 61, 49, SS und 81. Diese 660 Individuen mbren
unter sich 102 verscbiedene Taufhamen, deren 41 deutsch, 27 römisch,
18 griecbiscb, 16 jüdisch - biblisch nnd 1 slavisch; 9S derselben
theilen sich unter 246 Personen und es bleiben 9 als die beliebtesten
für 414 Individuen übrig. Von diesen sind S deutschen Ursprunges
und 6 biblischen. Die Ersteren sind Alois mit 21, Karl mit 45 und
Franz mit 66 Stimmen; in der Gesammtzabl erscheint sonst kein
deutscher Name Öfter als zehnmal. Diese drei genannten beziehen
^sich auf Alois von Padua, auf Karl Borromäus und auf Franz
Xaver oder Seraphicus, haben also, was Beliebtheit anbelangt, mit
deutschem Wesen nichts zu thun. Sonst sind am häufigsten Joseph
mit 88 und Johann mit 80 Stimmen, und dass bei Frsterem auch
öfter an Joseph den Nährvater und Joseph den Landespatron gedacht
wird, als an Kaiser Joseph n., mag ausser Zweifel sein.
Das städtische Wirthschaffcswesen von
Graz im Jahre 1660.
Tob
Dr. R. Peinlich.
Die ökonomische Lage der steierischen Städte hatte sich
gegen die Mitte des XVII. Jahrhundertes fast überall gar
kläglich gestaltet Nicht nur, dass sich die Zahl von verarmten
Bürgern stetig mehrte, ging auch das Gemeinwesen selbst in
auffallender Weise zurück. Dazu hatten zwar mancherlei
Ursachen zusammengewirkt, von denen das genusssüchtige
Leben und Treiben der meisten Staatsbürger nicht die
geringste war, aber wie es schon zu gehen pflegt, sah man die
eigentlichen massgebenden Factoren nicht, sondern schob das
Gesammtproduct ohne weiters irgend einem in die Augen
fallenden Nebenumstande zu.
In der Hauptstadt Graz wollte man geradezu die Väter
der Stadt für den empfindlich merkbaren Rückgang der
städtischen Wirthschaft verantwortlich machen. Schon in
früheren Jahren hatte der ärmere Theil der Bürgerschaft,
der vom Handwerke und Kleingewerbe kärglich lebte, seine
Unzufriedenheit mit der Amtsverwaltung der zumeist reichen
Rathsbürger zu erkennen gegeben und bei derselben Abhilfe seiner
bedrängten Lage, aber vergebens gesucht. So ergriff denn die
Bürgerschaft, als Kaiser Leopold L 1660 zur Erbhuldigung
nach Graz kam, diese Gelegenheit, um ihre Beschwerden gegen
den Magistrat unmittelbar vor den Landesfürsten zu bringen,
— 68 —
in der vertrauensvollen Stimmung, dass sich nun alles nach
ihren Wünschen wenden werde. ^)
Es war bei solchen Huldigungen von Altersher Qblich,
dass so wie die Landschaft, auch die Städte beim Landes-
fttrsten um Bestätigung ihrer alten Rechte und Freiheiten
anhielten. Das war auch von Seite des Magistrates, als Be*
Präsentanten der Hauptstadt Graz am 8. Juli 1660 in aller
geachehen. ^)
1) Der Aufsatz beruht durchaus auf handschrifUichen Quellen,
grösstentheils OrigiDal-Acten aus dem steierm. Laadesarchire uod
aus den Registraturen der k. k. steierm. Statthalterei und der
Landeshauptstadt Graz.
*) Der Magistrat von Graz bestand im Jahre 1660 ans nacbbenannten
Mitgliedern:
1. Bürgermeister: Simon Gordin von Rosegg. Derselbe hatte die
phflosophischen Schulen absolvirt, war Hofmeister des Erzherzoirs
Karl gewesen, gelangte 1629 in das Rathsmittel, war von 1640 bis
1653 Marscball der landesfttrstl. St&dte und M&rkte in Steiensark.
fungirte 1640 und 1641 als Stadtrichter. 1644 bis 1646, 1649 bi«
1652 und 1657 bis 1661 als BArgermeister, erhielt 1653 den Adel
mit dem Prädicate „von Rosegg" und starb am 23. September 1661.
(Dessen Grabstein ist im Joanneum.)
2. Stadtrichter: Ferdinand WidmanstFiter, geboren zu
Graz den 4. April 1624, ein Enkel des 1585 von München einge-
wanderten Buchdruckers Georg Widmanstetter. Er focht in seiner
Jugend gegen die Türken, nach erlangter Grossj&brigkeit abernahm
er die von seinem Vater (Ernst f 1635) ererbte Buchdruckerei iii
Graz als kaiserl. Hofbuchdrucker, hielt auch eine Gastwirtbschtft,
wurde 1659 Mitglied des Käthes, war 1660, 1661, 1668 utid 1664
Stadtrichter, von 1665 bis 1667 Bürgermeister und starb kinderlos
am 10. Jänner 1668. Er vererbte die Buchdruckerei (fideicommis-
sarisch) an die Nachkommen seiner Schwester, welche den fürstlich
Eggenberg'schen Rath und Kanzler Dr. Job. Beckh zur Ehe hatte.
(Nach genealogischen Angaben des k. k. Hauptmannes Leop. von
Beckh^Widmannstetter.)
8. Stadtschreiber: Dr. juris Jakob Codrus (Sohn des Stadt-
schreibers von Judenburg Jak. Codrus) von 1658 bis 1682 im Raths-
mittel, starb am 25. April 1686.
Rathsherren: 1. Georg Friedr. Vögtlin (Sohn des Dr. juri^
Math. Vögtlin, Syndicus zu Schlettstadt im Elsass) von 1644 bis
— M —
Da die bezügliche Sehrift der 6q)flogenheit sach früher
in öffentlicher Rathsyersainmluiig der Gemdnde TorgeleBen
1664 im Rathsmittel, von 1654 bis 1660 Stadtkämmerer^ 7on 1654
bis 1656 Sudtrichter.
2. Andreas Fleischhacker, Bfirger und Handelsmann
(s«t 1617) von 1644 bis 1664 Ra^sverwandter; 1062 Stadtriehter.
8. Wolfgang Sartori, geb. von WQrzbuiig, kaoi aJb Bach-
druckergeselle 1620 nach Gras, wurde 1685 Leiter der Widman-
stetter'schen Druckerei, dann Gastgeb, 1645 Bathsherr, 1648 bis
1651 Sudtrichter, 1653 bis 1656 B&rgermeister. 1651 erhielt er
den AdelsUnd mit dem Prädicate „v. Ehrenpichl^ und starb am
22. Juni 1662.
4. Gabriel Bapha^l Khleinb erger, Gastgeb in der Mur-
vorsUdt, von 1646 bis zu seinem Tode am 16. Mai 1660 Raths-
bfli^er.
5. Sebastian Haupt kam 1630 als Buchbinder aus dem
deutschen Reiche nach Graz, kaufte 1638 die Papiermühle in Graz,
etablirte sich als Buchhändler und war Yon 1646 bis circa 1663
im Rathsmittel. 1646 und f. J. gab er die Schreibkalender des
I>r. Mich. Linus heraus,
6. Michael Ziege Imttller, Bürger von 1649 bis 1664 im
Bathe, 1653 bis 1657 Stadtkämmerer und Stadtbaumeister, 1657
bis 1659 Stadtrichter, 1662 bis 1664 Bürgermeister.
7. Hans Heinrich Hu eher, Hof- und Landschafts - Barbier
(seit 1638), von 1651 bis 1664 im Rathsmittel, 1652 und 1653
Stadtrichter, starb 25. Februar 1664.
8. Johann R a a n, 1624 Seidenstricker, Perlhefter und Handels-
mann, kam 1652 in den Rath, war 1665 Eirchenpropst der Stadt-
pfarre, starb 1669.
9. Peter Yolkh aus Vorheim im Bisthnm Bamberg, geboren
circa 1630, Sohn des dortigen Bürgermeisters (heiratete 1656 in
Graz die Tochter des gewesenen Rathsherrn Christof Ehnorr), war
von 1656 bis 1698 Rathsherr, starb am 17. Mai dieses Jahres.
£r war 1670, 1671 Stadtrichter, 1676, 1677, 1682 bis 1686, 1692 bis
1694 Bürgermeister und wurde 1694 wegen seiner Verdienste zum
kaiserl. Rath ernannt und geadelt mit dem Prädicate „von Yolkhens-
dorP*. (Ein Handelsmann Pet, Yolkh befand sich 1617 in Graz.)
10. Friedrich Grimb, Bürger, Rathsbürger von 1657 bis 1666.
11. Melchior Gelb (geb. wahrscheinlich zu München 1590)
Bürger und Handelsmann in Graz seit 1628, von 1657 bis 1678 im
Bathe, 1667 bis 1669 SUdtrichter, 1671, 1672 Bürgermeister; starb
am 81. August 1678.
— 60 —
worden war, hatten die unzufriedenen Gemeinde-Mitglieder
davon Kenntniss erlangt, dass man in derselben auf ihre
Wünsche keinen Bedacht genommen hatte. So nahmen sie
denn die Förderung ihrer Angelegenheiten in die eigenen
Hftnde und überreichten, durch die vier Yiertelmeister der
Stadt vertreten, am 13. Juli dem Kaiser eine Bitt- und eine
Beschwerdeschrift.
Mit welcher Zuversicht dieser Schritt gemacht wurde,
ergibt sich aus den Eingangsworten der Gesuche. Das eine
derselben hebt also an: „Dass Euere kais. Majestftt in das
Landt zu khomben sich allergenedigst entschlossen, vrierdt
zweifelsohne auss kheiner anderen Ursach auch nit geschehen
seyn, allein dass unter andern dess freudenreichen Acts der
Erbhuldigung die gravirte Burgerscha£ft in deroselben Stadt
und Märkht ihre Beschwemussen, in wessen sie sich beschwert
befinden, Euerer kais. Majestät als bey dem klaren Pruenen
Quellen voller Justitz iezt fürbringen und darüber dass reme-
dirlich hailsambe ganz unfailbarlich überkhommen sollen.^
Die andere Supplik gibt eingänglich die Sehnsucht zu
erkennen, mit welcher die Abhilfe erwartet wurde: „Wass-
massen wir arme mit Leib, Guett und Bluet unterworffene
und verpflichte gemeine Burgerschafft disser Lantsillrstlichen
Hauptstadt Gratz vill Jahr mit betrüebten Hertzen geseuflEzet
und mit Verlangen erwart, dass deren ainssmalss die Qnaden
Portten unseres Verlangen allhier angelangt"* u. s. w.
Die wichtigste und wesentlichste Bitte der Bürgerschaft
ging darauf hinaus, dass ihr ein besonderer Einfluss auf die
städtische Verwaltung, oder doch eine mehrere Einsicht und
thatsächlich eine Controle über die Geldgebahrung gestattet
werden möchte.
Zu diesem Zwecke verlangten sie vom Kaiser, dass der
Stadt das 1448 von Friedrich IV. ertheilte, aber längst ausser
(Zwei aus den genannten Rathsbürgern waren 1660 nicht mehr
in dieser Eigenschaft thätig, da die Zahl derselben sich stets auf
Zwölf beschränkte; welche zwei gewissermassen nnr mebr als
Titular-Rathsherren anzusehen wären, war nicht erfindlich.)
— 61 —
Uebung gekommene Privilegium „der jährlichen Raths ver-
kehrung'' (das ist Ausscheidung und Neuwahl von vier Mit-
gliedern), respective die Wiedereinsetzung eines „äusseren
Rathes* verliehen werden möchte.*)
Wir wollen diese an und für sich zwar wichtige Ange-
legenheit nicht in den Rahmen der vorliegenden Darstellung
einbeziehen und berichten nur, dass die Regierung das Gesuch
unbedingt abschlägig beschied (22. December 1660) und eben
dies auch später that, als die Bürgerschaft am 30. Sep-
tember 1722 mit demselben Ansinnen gekommen war.
Da aber das besagte Gesuch selbstverständlich bei den
derzeit fungirenden Rathsbürgern einen sehr üblen Eindruck
») Das Privilegium lautet: „"Wir Friedrich von Gottes Gnaden Rom.
König, zu allen Zeiten Mehrer des Reiches, Herzog zu Oesterreich,
zu Steier, Kärnten und Krain, Graf v. Tirol etc. haben diese
Ordnung nach unserer Räthe Rath fürgenommen und gemacht und
meinen, dass die ehrbaren, weisen, unsere getreuen, lieben Bürger-
meister, Richter und die Bürger gemeiniglich hie zu Graz dieselbe
Ordnung zu halten und der nachgehen, als hernach geschrieben
stehet, also dass nun fürbass jährlich die Gemein vier aus dem
Rath und zwei aus den Führern (Vierem) der Gemein verkehren
BoU und mag. Da entgegen mag dann der Rath vier aus der
Gemein auch hinwider zu Führern nehmen, also dass jährlich vier
aus dem Rath und zwei aus den Führern von der Gemein verkehrt
und vom Rath andere an derselben statt hinwieder gesetzt werden
sollen, doch dass sie derer keinen des Jahres, wo sie verkehrt
werden, desselben Jahres weder zu Rath noch zu Führern hin
wieder nicht setzen und dieselben sechs, so nun also von
Neuem zu Rath und Führern erkiest werden, sollen zu den
nächst künftigen Weihnachten zum erstenmal anfahen, uns zu
. schwören und Huldigung zu thun. Ob wir aber die Zeit im Lande
nicht wären, so sollen sie solchen Eid und Huldigung thun unserm
Landschreiber in Steier, wer der je zu Zeiten ist und demnach
jahrlich, so sich solche Verkehrung und Versetzung des Rathes
und Vierer thun sollen und mögen, der alte Rath an unserer Statt
solchen Eid und Gelobung selber von ihnen aufnehmen, als sie
vormals gethan haben und von Alters ist hergekommen. Gegeben
zu Graz am Erchtage vor St. Ulrichstag Anno Domini 1448, unsers
Reiches im neunten Jahre.*' (Nach einer Abschrift im k. k. Statt-
balterei- Archive. )
- 62 —
gemacht hatte und ganz geeignet war, die aufgebrachte Stirn-
mimg gegen die Bittsteller zu steigern, so möge Einiges aus
der Ablehnungsschrift des Magistrates vom 2. October 1660
hier Platz finden, was dazu dienen kann, die Art and Weise
erkennen zu lassen, wie der Magistrat Qber einen etwaigen
äusseren Rath und die Freunde desselben dachte.
In der bezQglichen Schrift heisst es unter anderem:
^Es ist zu bedenken und für eine gewisse Wahrheit
zu halten, dass der äussere Rath, bevorderst wann derselbe
mit deren Handwerkern ersetzt sein wird, alsbald dem Ma-
gistrat gleich sein und nach ihren hartnäckigen Köpfen dis-
poniren wollte, davon hätten die hohen Tribunalien ewige
Disuniones, Zwietracht, Gmein- und Rechtshändel zu erwarten :
die RathsbeschlQsse könnten nicht mehr geheim erhalten
werden, und es ist sogar ihre Absicht, der Gemein parte zu
geben, wie mit der Stadtcasse disponirt wird.''
Im Verlaufe der Darstellung bezeichnet der Magistrat
die Bürger als »personae inhabiles et plane indociles"" und
macht sich darüber lustig, wie es aussehen wird, wenn mit
der Zeit einmal nicht nur der äussere, sondern auch der
innere Rath aus lauter Handwerkern bestände, welche Vor-
mittags am Rathhause als Judices und Nachmittags in der
Werkstatt bei der Arbeit sässen, was der Hauptstadt zu
einem ewigen Spotte gereichen würde.
Schliesslich spielte der Magistrat in kluger Berechnung
einen besondem Trumpf aus, um die Regierung gegen die
Beschwerdefahrer einzunehmen. ;,Hat nicht die Regierung und
die Hofkammer immediate das jus inspectionis** in die städ-
tischen Rechnungen? Werden sich die beiden „hoch verstän-
digen Tribunalien'' von der Bürgerschaft in dieses Recht
eingreifen lassen?
Und wenn man dann die Petition, oder die Intention
derselben genau betrachte, so zeigt es sich, dass die „Bürger-
schaft ebenso die hohen Tribunalien wegen Unfleisses oder
nicht gehabter Inspection, wie den Magistrat wegen schlechter
— 63 —
Haushaltung und Untauglichkeit inculpirt und beim Kaiser
tradudrt" .
Somit wäre also den Bürgern ein hoher Verweis zu
geben, die „unnoth wendige, widerwärtige und zu künftiger
Schande und Confusion'^ führende Petition zu verwerfen, die
Aufwiegler und Rädelsführer aber sollten wegen der i,so hoch
ansehnlichen, hochverständigen und allergetreuesten Tribu-
nalien'' angethanenen Schmach und Unbil „ andern zum
Exempel der Billigkeit nach abgestraft werden**.
Die Regierung und Hofkammer stellte sich in ihrem
Berichte über das magistratliche Gutachten (2. October 1660)
im Allgemeinen auf die Seite des Magistrates. Sie hätte bisher
;, befunden, dass desselben Handlungen in civilibus, crimina-
libus, politicis und oeconomicis nichts erwinden lassen^; sie
halte nicht dafür, dass ein äusserer Rath vom Nutzen sein
werde, zumal wenn derselbe «mit plebe mechanica, quae lucri
semper avida est et communiter utilitatem honestati praefert,
unerfttUt würde, ohne jährliche Besoldung nicht dienen, aiudt
wohl ihrem Handwerke mehr nachgehen, als die Raths-Ses-
siones frequentiren dürfte;^ aber dass die Rechnungssachen
im Beisein eines von den Bürgern deputirten Ausschusses
aufgenommen werden, scheine ^ihr (der Regierung) nicht
uneben, sondern gar hoch nothwendig zu sein**.
Die in der zweiten Supplik der Bürgerschaft dargelegten
Beschwerden ergehen sich
1. über die Aufhebung der Mauthfreihe:it, welche
die Stadt durch ein Privilegium vom Jahre 1373 (1521 er-
neuert) genossen hatte. Vermöge desselben waren die Bürger*
von Oraz „mit ihrer Kaufmannschaft und Arbeit aller Orts*'
von Zoll und Mauth befreit gewesen, jetzt seien sie aber
«diesem Onere^ unterworfen. (Der Zeitpunkt, von welchem an
die Freiheit aufhörte, ist nicht angedeutet.)
2. Wird der Uebelstand beklagt, dass die adeligen
Gmundherrschaften die Schuldeneintreibung von Personen, die
auf ihrem Boden leben, sehr oft erschweren und verhindern,
während doch die Bürger von Graz durch ein Privilegium
— 64 —
vom Jahre 1357 befiigt sind, jeden Schuldner in der Stadt
anzuhalten und zu pftnden. Diese Freiheit ist auch j, davon
kommen, und so nun eines Herrn Unterthan bei einem Burger
etwas entleihen thuet, und welchen man's aus christlidier
Liebe und tragenden Mitleiden seiner Noth so gar auch nit
abschlagen kann, so pflegt seine Herrschaft dem leihende
Bürgersmann, wie man im Sprichwort zu sagen pflegt, aller-
band PrQgel unter die Füsse zu werfen. Bald wird fürgeben«
wie dass der Untherthan alles der Herrschaft schuldig sei
bald ein anderes um Geduld und also fortan, bis handgreif-
lichen gespürt wird', dass das Geld nicht zu bekommen ist
jySoUen aber Procuratores (Advocateu) aufgenommen und der
Process mit langer Hand ausgeführt werden*', so kostet da^
meist ebensoviel, als die Schuld austrägt, daher man sich zu
diesem nicht entschliessen kann und wül; „welches nun eine
Ursache ist, dass hierüber der Bürgersmann crepiren und
wider alles christliche Recht und Billigkeit um das seinige
kommen muss.^
3. Finden sich die Bürger durch die Wirthshäuser in
und vor den Vorstädten, welche im fremden Burgfrieden^)
(auf herrschaftlichen Gründen) liegen, in ihrem Erwerbe beirrt,
während doch das früher erwähnte Privilegium von 1357 den
Weinausschank den Stadtbürgem allein vorbehielt Die
^Zapfl- und Winkelwirth schneiden uns Bürgern das Brod
vom Maul ab und damit diesen Leuten ihr Handel um so
besser von statten gehe, pflegen sie dabei heilloses und laster-
haftes Gesindel zu halten. Da werden allerhand Sünden und
Laster geübt, und die göttliche Majestät also dabei offendirt,
dass nit zu fragen ist, warum so gefährliche Zeiten einlaufen
*) Im umfange des städtiBchen Weichbildes befanden sich vier fremde
Burgfriedsfreibeiten, seit 1358 die Gommende am Lech in der
St. Leonharder Vorstadt, seit 1699 der Münzgraben- Bargfried«
seit uralter Zeit der Weissenegger'sche (nachmals Fürsten von
Eggenberg gehörig) in der Murvorstadt und der 8 tadl ersehe
Burgfried am Graben. Die Berainung und Beschreibung geschah
zuletzt 1621.
— 65 —
und wir so gar nit mehr zu einem fruchtbaren Jahr gelangen
mögen.
Daher sollten die fremden Burgfrieden, welche bis weit
in die Vorstadt hineingehen, wieder aufgehoben und unter
die städtische Jurisdiction kommen, welche dann j, solches
Lumpengesindel apprehendiren** könnte.
4. Handelt von dem »Weinleitgeben durch unbllrgerliche
Leute*^. Die Stadt hatte ein altes Privilegium, „dass keiner,
welcher nit Burger ist, hat handeln oder Wein verkaufen
dürfen/) Jetzt aber geht alles über und über, der Herr, sein
Hauspfleger, Procuratores und dergleichen inwohnende Personen
pflegen indifferenter den Wein unter Reifen zu verkaufen, ja
auch gar darauf ihre Schnellen zu halten, damit sie nur desto
statthcher ihren Verschleiss promoviren können, nicht weniger
auch Kostgänger zu halten, die sonsten gar wohl bei der
Bürgerschaft unterkommen könnten. Diese befinden . sich ganz
in keinem Mitleiden, machen gleichwohl ihren stattlichen
Nutzen, entziehen also unser Gewerb und schlagen uns darmit
solcher Gestalt zu Grund und Boden, dass nachmalen ja nicht
zu fragen ist, warum dieser oder jener Burger bei der Stadt
nicht bestehen kann und nothgedrungener Weise zu Grunde
gehen muss*".
5. Wird um die Herabsetzung der städtischen Steuer
auf die Einfuhr von Wein, die mit 30 kr. per Startin
(das ist zehn Eimer) entrichtet werden musste, auf 15 kr.
petitionirt, da man in früheren Zeiten nur so viel bezahlt
hätte und die Erhöhung nur zu dem Zwecke eingeführt und
angenommen worden sei, um die Unkosten der Ableitung
des Grazbaches in den Stadtgraben zu bestreiten. Nun seien
aber diese 30 kr.- schon „perpetuirlich in ein ordinari
*) Das PriTilegiam in Bezog auf Weinhandel und Ausschank wurde
von Herzog Albrecht 10. August 1867 als ein von Alters her
gegebenes bestätigt, von Erzherzog Ernst am St. Margarethentag
1418 erneuert und von den nachfolgenden Landesf&rsten wiederholt
bestätigt, wurde aber fast ^ar nie beachtet.
lCitth»U. dM Uni. VerelBes f. St«l«mArk, XUX. Heft, 1881. 6
— «6 —
Gefiül** verwandelt, was gegen das Versprechen und die Ab-
rede wAre.
6. Beanstandet die Bürgerschaft, dass sie nebst der
Gewerbe und Handwerkssteuer die zum Handwerke und Ge-
werbe benOthigten Waarensorten besonders versteuern mOsse.
7. Wird gegen die vom Magistrat gepflogene Erhöhung
der Haussteuer protestirt. Wenn nämlich ein Bürger sein
Haus „in etwo erweitem oder erbauen thuet, damit er sich
mit seinem Gewerb desto bass geraumben möge, da er aber
em solches besser erbautes Haus einem andern Bürger weiter
verkauft, so werde geschwind ein höherer Zins und extra
ordinari Contribution daraufgeschlagen'', so dass Niemand von
den aufgewendeten Bauunkosten einen Gewinn ziehen könnte.
8. Wird verlangt, dass keiner „zu Burger nit aufge*
nommen werde, er habe sich dann, wie in anderen Städten
allenthalben gebräuchig ist, häuslichen ankauft, oder 100 Thaler
in die Kammeramts- Gasse erlegt, dass er sich jedoch in
einem gewissen Termm wirklich häuslich ankaufe, wenn nicht
solle sein Depositum verfallen und er wiederumben von der
Stadt beurlaubt werden'.
9 Wir begehren nichts" — heisst es schliesslich in d^
Bittschrift — „was nicht theils früher bei der Hauptstadt
als Privilegmm gewesen, theils dem gemeinen Wesen und der,
Bürgerschaft hoch nutz- und erspriesslich wäre und wo nichtl
zumal der kön. Majestät selbsteigenes Interesse hierunter!
liegen thuet; indem dadurch eine Stadt, als wie es nun allezeil
bey denen Hauptstädten sein solle, mit ihrem eigenen gemeinenj
Wesen so wandelbar gepflanzet wird, dass dieselbige nit
eme berüehmte Mutter aller anderen Städte sein und bldbeoil
auch sonst in anderweg eine wahre Vormauer und Schi
des Landes genannt werden kann'.
Kaiser Leopold übernahm mit seiner gewohnten Gflt
die gedachten Suppliken und befahl die Begutachtung der
selben derart zu beschleunigen, dass er dieselben noch vd
seiner Rückkehr nach Wien erledigen könnte.
— 67 —
Die Hofkanzlei gab dieselben am 28. Juli an die geheimen
Räthe, diese am 3. August an die i. ö. Regierung und Hof-
kammer, diese am 11. August an den Grazer Magistrat Dieser
fertigte sein Gutachten am 15. September, die Regierung
erledigte es am 2. October. Als aber Leopold I. in beschleu-
nigter Weise am 18. October nach Wien abreiste, lag die
Resolution noch nicht zum Abschlüsse vor, sondern blieb der
geheimen Stelle zur raschen Erledigung überlassen. Diese
ordnete neue Erhebungen an, bestellte mit kaiserlicher Ge-
nehmigung vom 4. November und 22. December 1660 eine
besondere XJntersuchungs - Commission , deren schliesslicher
Bericht am 17. April 1663 an den Kaiser ging und am
17. Jänner 1665 von den geheimen Räthen durch eine kaiser-
liche Hauptresolution zum Theile erledigt, zum Theil einer
weiteren Untersuchung und Behandlung überwiesen wurde.
1674 wurde wieder ein Theil der Beschwerdepunkte
erledigt, allein da die bisherigen Verordnungen wenig Gehorsam
und mancherlei Gegenvorstellungen gefunden hatten, 1700,
1706 neue Beschwerden vorgebracht wurden, so beschäftigten
sich 1711, 1719, 1722, 1723, 1728 Commissionen mit neuen
Erhebungen, die endlich 1733 zu einer Hauptresolution Kaiser
Karl VI., bestehend in 60 Punkten, führte. Weil aber Alles
beim Alten blieb, so erneuerten sich die Commissionen in
Wirthschaftssachen 1740, 1746 u. f. f. und fanden ein eigent-
liches Ende erst da, als Kaiser Josef IT. 1783 eine neue
Organisation der Magistrate und ein strammeres Regiment
einführte.
Zu unseren Bürgerbeschwerden zurückkehrendi müssen
wir zunächst das Gutachten in Beachtung nehmen, welches der
Magistrat darüber abgab.
llit Ausnahme der Sache, die Winkelwirthe betreffend,
die er auch mit allem Eifer zur seinigen machte, verhielt sich
derselbe gegen alle Punkte ablehnend und erklärte sogar
bezüglich der Limitirung der Weinsteuer, der Aufhebung der
Waarensteuer (des sogenannten „Ansagegeldes^'), der Steuer-
erhöhung bei überbauten Häuseiii und endlich der Abweisung
6*
— 68 —
nicht ansässiger Bürger ,fovire die BOrgerschaft das grösste
Unrecht in der Welt und handle in his punctis immediate
wider ihren geleisteten Bürgereid, der gemeinen Stadt Frei-
heiten zu schätzen und zu handhaben, den Nutz^i und
Fronunen zu befördern, Schaden und Nachtheil aber abzu-
wenden."
Am meisten empört zeigte sich der Magistrat gegen den
„Hauptaufwiegler der Borger, Hans Fritz, bOrgerL Schneider
und Hasenwirth in der Schmiedgasse ^), und seine 3 oder
4 Socii, seu potuis complices dieses Au&tandes contra Magi-
Stratum. Es wttrde ihm (dem Schneider) besser anstehen, er
würde bei seiner Scheere verbleiben, der cauponiae abwarte
und seine Gäste um ihr baares Geld besser tractiren, damit
sie nicht Ursache hätten, wegen der schlechten Tractation
andere Wirthshäuser zu suchen. '^
Aus den Einzelheiten der magistratlichen Schrift nimmt
vor Anderem das leidige Verhältniss der Winkelwirthe unsere
Aufinerksamkeit in Anspruch, da wir hierin ein ganz absonder-
liches Stück socialer Uebelstände im städtischen Weichbilde
enthüllt finden.
Es wird ganz erklärlich, dass dem Magistrate an der
Abschaffung „der unbürgerlichen, sich in und ausser der
Stadt in anderer Grundobrigkeiten dienstbaren Häusern auf-
haltenden Winkelwirthe und Gastgeber'' sehr viel gelegen sein
musste. „Es ist ein für allemal richtig und wahr*, berichte
der Magistrat, „dass diese Gott und der Welt und vornehmlich
der Bürgerschaft schädlichen Leute den Bürgern einen grossen
Eintrag thun, dem Tazherm (der Landschaft) seine Gebühr
verschwärzen, die arme Bauerschaft und den gemeinen Mann
•) Der erwähnte Hans F rit z ist derselbe, welcher 1666 das Kirchlein
zu Maria Grttn gründete und erbaute und der sich noch bei Leb-
zeiten im hiesigen Franziskanerkloster ein Grabmal herrichten Hess,
das die von ihm selbst rerfasste Grabschrift erhielt:
Steht auf ihr Todten, kommt Tor Gericht,
Denn Gott alles Gute und Böse sieht.
Empfange jeder seinen Lohn
Umb dasi was er auf Erd'n gethan.
— 69 —
betrügen und quod pessimum est et summe dolendum wegen
ihres Gewinnes aUerlei lasterhaftes Gesinde aufhalten und
mit einem Worte zu allen Uebehi und Lastern Anlass geben,
wie wir es täglich erfahren müssen. Ja sie frageten nichts
darnach, obgleich wissentliche Landesverräther bei ihnen ein-
kehren würden und wann man ihnen Geld verhiesse, würden
sie selbst Yerräther abgeben. Was diese Leute tempore in-
fectionis Uebles verursachen, hat die hochlöbliche Regierung
und Hofkammer ohne unser gehorsames Erinnern mit Betrübniss
zum öfteren Malen erfahren. **
„Es ist sich zu erbarmen, dass sich bei der Stadt Graz
dergleichen Leute dürfen aufhalten, welche anderwärts nicht
wurden passirt und dass ein jeder Herr und Landmann (Land-
stand) in dessen Gebiet, alle anderen Städte und Märkte in
ihrem Burgfried, ja ein jedes Dorf pro suo libitu disponiren
kann und dabei geschützt wird, und hingegen die Hauptstadt
Graz zuwider ihren habenden Privilegien durch die Finger
zuschauen muss, dass ein jeder aus dem zehnten Lande her-
gelaufene Mensch oder sonsten ein Hauspfleger in einem
Freihause, oder einer anderen Grundobrigkeit dienstbaren
Behausung sitzt, Leutgebt (Wein ausschenkt) und Kostgänger
hält, und diejenigen Mittel, damit sich ein Bürger erhalten
könnte, an sich zieht, hingegen aber keiner Contribution unter-
worfen sein will, welches ja wider die Vernunft und omnem
politicum statum militirt, und danenhero ex dictis rationibus,
motivis et fandamentis ganz biUig und recht abzustellen ist.^
Der Magistrat bittet daher um die Aufhebung dieser
Wirthschaften und um die Erlaubniss, „den Wein, den sie zu
dieser Wirthschaft erkaufen und in den Burgfried der Stadt
bringen, wo nicht unter dem „Dachtrapf^ (Dachtraufe), so
doch wenigstens im Burgfrieden hinwegzunehmen und zu
coii£sciren, dann es ist sonsten kein modus diesen bösen
Leuten das Weinschenken zu verbieten.'^
In Betreff der 30 kr. Steuer für einen in die Stadt
gebrachten Startin Wein legte der Magistrat unbezweifelhaft
dar, dass dieselben seit 1611 (also vor der Grazbach- Ableitung,
— 70 —
die 1618 geschehen neiii soll) emgehoben upd uoweig^Gh
bezahlt wurden.
Diese Steuer betrug 1560 bis 1562 45 kr., 1563 und
1564 35 kr., 1572 bis 1574 25 kr., 1575 bis 1579 24 kr.,
1581 bis 1582 25 kr., 1583 und 1584 22 V^ kr., 1585 und
1586 26 kr. und 1587 bis 1610 20 kr.
Somit war die sich beschwerende Bürgerschaft übel infor-
mirt und könne das seit 50 Jahren geübte Recht nicht
bestreiten.
üeber die Forderung, dass das sogenannte „Ansagegeld"'
d. i. die Besteuerung der zum Gewerbsbetrieb erforderiichen
Producte aufgehoben werde, äusserte sich der Magistrat:
„Dass der Bäcker vom Getreide, der Schuster, Sattler und
Riemer vom Leder, der Schmied und Schlosser vom Eisen,
der Wirth vom Hafer, der Kerzenmacher vom Wachs, die
Händler vom Honig, Weinstein, Salz u. s. w. der Stadt Steuer
zahlen, beruht auf altem Privilegium.^ Uebrigens ad das „eine
so vermessene Rede und Petitio, welche gestrax ohne alle
Barmherzigkeit auf das schärpfiste soUte abgestrafft werden.
Und zwar warum? Weil es so in ganz Deutschland, in allen
Erbländem, in allen Städten und Märkten von Steiermark
practidrt wird. Würde so etwas dort lautmärig, was hätte
man nicht für Ungelegenheiten, Klag^ und vielleicht noch
anderes Uebel zu erwarten.^ Die Stadt könnte mit ihren
Steuerbüchern vom Jahre 1560 bis auf 1660 erweis«, dass
dieses Ansagegeld ohne irgend eine Beschwerde in Schwung
gewesen sei. Und es müsse dabei verbleiben.
Die Stadt könnte überhaupt keines ihrer Steu^mittel
und „Intraden*' entbehren, da die Contribution ohnehin nicht
der thatsächUchen Ausgabe entspräche, das «Waehtgeld*" *)
nicht für die „Stadtguardi** erklecke und vom Mauthehikommen
wohl ein grosses Geschrei gemacht werde, aber irriger Weise,
weil was heute einkönmit, morgen auf Wasser-, Brücken- und
') Das V\rachtgeld (fraher Wacht- und Scartgeld geheissen) war eine
Ablösung fbr den Wacht- und Patrouillen -Dienst, den die Bürger
in alt^ Zeiten selbst leisten mnssten.
— 71 —
Stadt-Bauten, auf Besserung der Basteien und Mauern weg-
gehe. Die Erhaltung des gemeinen Wesens koste j&hrlich
etliche 1000 Gulden. Womit könnte man Proviant, Munition,
S&uberung des grossen und kleinen Geschützes bestreiten,
wenn man keine „media ** hatte ? Wo blieben die Besoldungen,
Becompensen und hundert andere gleichsam stündliche Aus-
gaben? u. s. w.
„Wenn das Einkommen verkürzt werde, so würde die
Stadt das erste Jahr labefactiren, das andere Jahr aber darauf
um Trauen und Glauben kommen und in gänzliches Verderben
gerathen müssen. Der Magistrat weiss es am besten, wie
schwer es zu hausen sei.^
Eben deshalb könnte auch nicht auf die nach dem Werthe
der Häuser modificirte Steuer bei einem Verkaufe verzichtet
werden, da dies ^eine hundertjährige in viridi observantia et
usque in hodiemum diem practicirter Modus und Freiheit ist**
In Bezug auf das „letzte Petitum, dass Niemand zum
Bürger aufgenommen werde, er habe denn sich angekauft
oder 100 Thaler depositirt", erklärt der Magistrat, „non est
opere pretium zu antworten, denn wir müssten diesen tnodum
nur bei denen Supplikanten anfangen, deren der Fünfzigste
nicht behaust ist und gleichwohl viele Jahre lang alda haust,
und viele deren ihre Steuern nicht bezahlen.''
Wie schon oben angedeutet wurde, konnte und wollte
der Kaiser, oder vielmehr die oberste Stelle (die geheimen
Räthe) in einer so weitläufigen und wichtigen Sache nicht
ohne eingehende Untersuchung entscheiden, sondern fand es
räthlich, eine besondere Commission, bestehend aus dem Vice-
Statthalter Johann Maxm. Grafen von Herberstein und
dem L ö. Hofkammerrathe Wolf Andr. von Ealtenhaussen,
za bestellen, welche die Frage der Regierung und Hofkammer
zarecht legen sollte.
Gleichzeitig wurde auch angeordnet, dass die Bürgerschaft
vier Vertrauensmänner (einen aus jedem Stadtviertel) wählen
sollte, welche einen bürgerlichen Ausschuss bilden und zunächst
in die Wirthschaftsverwaltung des Magistrates von 1653 bis
— 72 —
1660 genaue Einsicht za nehmen und der Regierung hierQber
Bericht zu erstatten hätte. ^)
Das war unzweifelhaft eine werthvolle Errangeoschait
der Bürger, zumal da in Aussicht gestellt worden war, einem
j&hrlich zu wählenden Ausschusse fortan das Recht zu geben,
von der wirthschafüichen Gebahrung des Magistrates Kenntniss
zu nehmen.
Die gewählten Vertrauensmänner, der schon erwäJinte
Bürger Hans Fritz, dann der Gastgeb Ludwig Heipl, der
Wachskerzler Michael Lueff und der Bürger Gbns Jörg
Pf äff unterzogen sich ihrer gewiss schwierigen Aufgabe mit
allem Eifer.
Die von ihnen gemachten Bemänglungen der städtischen
Rechnungen, die hierüber vom Magistrate gegebenen Auf-
klärungen, die von der oben genannten Wirthschafts-Com-
mission angestellte Ueberprüfung nebst Gutachten gaben der
Regierung eine ausreichende Grundlage, unterm 1 7. April 1 663
vor den Kaiser mit Bericht und Vorschlägen zu kommen.
Aus dessen Resolution vom 6. December 1664 und
21. Februar 1665 lässt sich der ganze Stand der städtischen
Wirthschaft und was für die Zukunft diessbezüglich verordnet
wurde, entnehmen und auf Grundlage dieser Ekborate und
Anordnungen soll hier ein getreues Bild des „Grazerischen
Wirthschafts Wesens ** gezeichnet werden.
Es ist jedoch im Vorhinein zu bemerken, dass im Ver-
laufe dieser Untersuchungs- und Berathungsperiode noch
andere Fragen, die von der Bürgerschaft ursprünglich nicht
in Anregung gekommen waren, zur Besprechung und Er-
wägung kamen, daher die schliessliche Erledigung über Aen
Rahmen der ursprünglichen Beschwerdepunkte weit hinausgeht
Die vom Ausschusse der Bürgerschaft gemachte Bemäng-
lung der Stadtkammer-, Bau- und Spitalmeister-Rechnungen
s) 1667 waren im Bürger- AusBchuss Ladw. Heipl, Wirth, Job. G. Pfaff,
Glaser, Christof ReiDgrueber, Lederer und Job. Mangolt, Bader.
Diese waren in Sacben des Gemeindewesens ebenso tbätig und
energisch, wie seinerzeit der Ausschuss 1660 und 1661.
— 78 —
vom Jahre 1653 bis 1660 umfasste zwölf Hauptpunkte. Wir
lassen jedem Punkte wenn nöthig, die magistratliche Ein-
sprache und die Regierungserledigung unmittelbar folgen, um
weitläufige Wiederholungen zu vermeiden und die zweckdien-
liche Uebersicht und Beurtheilung der Sachlage zu fördern.
Es fand sich
1. dass bei der städtischen Kammer niemals ein ordent-
liches „Ausstandsbuch'' errichtet gewesen war, so dass nicht
ersichtlich wurde, wie viel von einem Jahr auf das andere an
SteuerrQckständen verblieben war, und die Eintreibung bei
den Schuldnern schon aus dieser ämtlichen Ungenauheit
Schwierigkeiten verursachte.
Der Ober - Stadtkämmerer entschuldigte sich, er habe
niemalen eine schriftliche Amtsinstruction erhalten, sondern
nach der mttndlich überlieferten Observanz und Praxis die
Steuerzahlungen in dem Steuer-Buche bemerkt, die Beträge
den Bürgern quittirt und den etwaigen Rückstand am Rande
des Buches notirt. Dasselbe stünde jederzeit der C!ommission
zur Ansicht bereit
Die Gommissäre berichteten, „wiewohl diese Observanz
jederzeit ungefährlich ohne Verdacht des Ober-Kämmerers
tamquam boni viri im Schwung gewesen sei,'' so empfehle
es sich doch für die Zukunft, ordentliche Rechnungsbücher
einzuführen und nebst dem Protokolle über die Empfänge
ein besonderes Register über die Ausstände zu führen u. s. w.
und Anstalt zu treffen, dass die Ausstände zur rechten Zeit
hereingebracht würden.
Durch die Saumseligkeit des Magistrates war die Summe
der SteueiTückstände bedeutend angewachsen, da aber die
Abfuhr der Steuer an die Landschaft zu den bestimmten
Terminen im vollen vorgeschriebenen Betrage geschehen
musste,"*) so war die Stadt genöthigt, den nicht eingeflossenen
^ Darch Patent vom 10. Juli 1632 wurde zur Tilgung der „Schulden
des Kaisers" (so nannte man damals die Schulden des kais. Aerars,
z. B. ftkr Kriegszwecke) eine nextraordinari Gontribution* unter
dem Titel „Zinsgulden** auferlegt, wobei die Stadt Graz der j&hr-
— T4 —
Betrag Büt anderem Oelde zu ersetzen und geriefh hiedurch
in grosse Schulden, ohne in die Lage zu kommen» sich bei
den Steuerschuldnern Ersatz zu suchen, da die Einhebung
der Bfickstände bei denselben durch TodesftUe, Abzug aus
der Stadt, Bankerotte und andere Umstände unmöglidi ge-
worden war.
Die kaiserliche Resolution vom 6. December 1664 trag
dem Magistrate die Anlegung und die Art der Einrichtung
eines Ausstandbuches auf, allein merkwürdiger Weise war
dieses bis 1674 noch nicht geschehen, und 1706 wieder in
unpassender Form geführt vorgefunden; auch noch 1723 üanden
sich die Bücher nur summarisch geführt und 1733 musste
die Regierung energischer darauf dringen, dass ein neues
Steuerbuch angelegt werde, in welchem Landesanlagen, Zins-
gulden, Leibsteuer und Wachtgeld gesondert und so auch
die bürgerlichen Lasten, welche in die Stadtcassa gehörten,
gesondert und specificirt eingeschrieben wurden.
Schon 1706 erklärte die Regierung, das „Aufliegen der
Gemeinde^ rühre von dieser sträflichen Nachlässigkeit und
liehe Betrag von 1200 fl., zuweilen auch das Doppelte traf. Sonder-
barer Weise machte der Magistrat, in der Meinung, diese Steuer
dürfte nicht lange andauern, keine Umlage auf die Bürger, sondern
zahlte dieselbe bis zum Jahre 1649 Jahr (tr Jahr aus der Stadt-
casse. Bis dahin hatte sich diese Ausgabe für den Zinsgulden auf
19.260 fl. summirt. Erst jetzt (nach 16 Jahren) besann sich der
Magistrat, dass es denn doch nicht gehe, diese Steuer aus anderen
Mitteln zu bestreiten. Nun wurde sie freilich den behausten Bürgern
zur Haussteuer geschlagen, den übrigen Bürgern in besonderer
Weise repartirt, allein doch schon zu spät, da bereits schirerf
Schulden zu machen nothwendig geworden war. Dazu kam 1S4^
und 1649 die Bequartirung von drei Begimentsstäben (der Generali"
Johann de Werth, Tilly und Pappenheim) welche 40.000 fl. kostete
Von 1650 an betrug der einfache Zinsgulden für die Stadt 154S Am
doch wiu*de in einigen Jahren drei- oder vierfach abgefordert,
während you der Bürgerschaft mit Mühe nur 1100 fl. eingebracht
werden konnten. Daher masste der städtische Seckel jährlich Za-
schüsse machen und nahm zu diesem Zwecke Capitalien auf, wo
man selbe eben fand. So entstand der Ruin der städtischen
Wirthscbaft
- 76 -
schlechten Buchhaltung, von der „alleugrossen ConniTOiz und
dabei unterlaufenen verschiedenen Privatabsehen des Magi-.
strates, zuvorderist dessen Vorfahren' (1653—1660) her.
Im 2. Puncte beanständete der Ausschust, dass der
j&hrliche Beitrag der Stadt Pettau zur leichteren Erhaltung
der Stadtwache i^') (aus 50 Mann bestehend) in Graz im
Betrage von 500 fl. (seit 1653} nicht in Empfang gestellt
worden war.
Dieser Concurrenz - Beitrag wurde eigentlich (zufolge
Resolution vom 23. October 1633) vom Kaiser aus den Ein-
künften der Hofkammer gegeben und war die Stadt Graz nur
angewiesen, denselben aus der Urbarsteuer der Eammerstadt
Pettau (im Betrage von 1700 fl.) zu beziehen.
Diese war aber im Jahre 1660 bereits seit 9 Jahren
mit dem Beitrage im Ausstande geblieben und schuldete nun
4500 fl. In dem besagten Jahre schritt Pettau beim Kaiser um
Nachlass dieser Schuld ein, allein das Gesuch war 1667 noch
nicht erledigt und der Ausstand auf 7500 fl. angewachsen.
In diesem Jahre liess die Stadt Graz von dieser Schuld 2500 fl.
ein und wollte sich begnügen, wenn Pettau nur die übrigen
5000 fl. zahlen wollte (Abrechnungs-Act vom 18. Juli 1667).
Das war denn freilich auch eine bedenkliche Verfügung über
städtische Einnahmen, welche weder die Gemeinde, noch die
Regierung billigen konnte.
Uebrigens blieb die Entscheidung in dieser Sache in
suspenso (21. Februar 1665), bis hierüber genauere Infor-
mation erlangt wäre.
^^) Die Verlegenheiten bei Bezahlung der Stadtquardia dauerten bis
1702. Durch kais. Resolution vom 14. Februar 1708 wurde n&mlich
eine „Regierungs-Quardi'* von 80 Mann zu Fuss und 20 Mann zu
Pferd organisirt, wozu jährlich ans den extraordin&ren Landes-
anlagen 5000 fl. bewilligt wurden. Diese Mannschaft wurde der
frnher bestandenen Stadtwache von 50 Mann „aggreglrt und ein
Corpus gemacht". Der Magistrat sollte sich aber mit den 5000 fl.
„begnügen lassen" und damit nicht nur diensttaugliche Leute an-
werben, sondern auch mit Montur und Waffen und die Reiter mit
Pferden i^ersehen und fort und fort richtig verpflegen, (f)
— 76 —
Ferner fand der Ausschuss ungerechtfertigt,
3. dass der Stadtrichter zu Marktzeiten das Stadtgeld von
den „Kirchtagshütten '^ (Marktbuden);
4. den Ertrag ^der halben Murthor-BrQckenmaoth^ (die
zur Marktzeit im doppelten Betrage zu entrichten war), und
5. die volle Summe der einlaufenden Strafgelder bezog«
während demselben nach dem Gebrauche in anderen StAdteo
nur der dritte Theil davon gebühren sollte.
Der Ausschuss trug darauf an, dass diese drei j, Regalien "*
der Gemeinde zu ^^verraiten'' wären.
Der Stadtrichter replicirte, „er habe sonst fbr seine viel-
ftitigen labores, pericula vitae und sonsten zu Markt- and
anderen Zeiten habenden unglaublichen Bemühungen eine
andere Besoldung nicht, herentgegen aber die Malefizpersonen
jederzeit ex proprio zu alimentiren und justificiren zu lassen,
welches ihm jährlich viel Mehreres als diese Accidentien
kosten thäte."*
^Es wäre auch nicht practicirlich , oder rathsam and
ihre Bestrafung oder Verbrechen in die Rechnung einzusetzen
und der Gemeinde offenbar zu machen, alldieweilen es zu
Zeiten nicht der Mühe werth und e contrario eine weitläufige
Raitung und Arbeit auf sich tragen würde.''
Es wurde auch dargethan, dass bereits 1612 bei einer
Generalvisitation der Städte und Märkte von der betreffenden
Commission der Antrag gestellt worden war, die vorbenannten
Regalien dem Stadtrichter abzunehmen, allein der damals
regierende Landesfürst Erzherzog Ferdinand hätte seine Zu-
stimmung nicht gegeben und so sei es beim alten Gebraoche
geblieben und könnte auch derzeit so belassen werden.
Bei dieser Frage kamen auch die Besoldung und die
Accidentien der sämmüichen Magistratspersonen zur Berathung
(wovon an einer anderen Stelle die Rede sein wird), und
wurde in Betreff derselben vorläufig bemerkt, dass man es
im Allgemeinen bei der bisherigen Uebung bewenden lasse.
Nur sollte das „Netgahrsgeld", welches der Magistrat 1652
— 77 —
aus eigener Autorität von 1 8 fl. auf 24 fl. erhöht hatte, wieder
auf den vorigen Betrag redudrt werden. Und weil sie fast
Al]e ohnehin Nebendienste hätten, so wünscht die Commission,
„man möchte ihnen ernstlich einbinden, dass sie sich fürdershin
mit diesem Auswurf beschlagen, ihre eigennützige Steigerung
der Besoldung unterlassen und zu fernerem Einsehen keine
Ursache geben sollen. **
Dasselbe Bewandtniss sollte es haben
6. mit der „Eühtratte** (Grasplatz vor dem eisernen
Thore und Neuthore, jetzt Jakominiplatz uud Radetzkystrasse).
Der Ertrag der Grasnutzung fand sich in den Büchern der
Stadt nicht ausgewiesen, „wiewohl von jedem Hauptvieh, es
sei einer Bürger, oder nicht, das darauf gehalten wurde,
jährlich ein bestimmter Betrag zu bezahlen war."
Desgleichen fehlte 7. die Angabe, „was das Heu im
Stadtgraben und die Ochsenhalt vor den Fleischhackern (vor
dem Neuthore) ertrage, was doch billiger Weise der Gemeinde
verrechnet werden sollte."
Dieser Ertrag war bisher dem Bürgermeister als ein
Accessorium seines Amtes gelassen worden. Die Commissäre
gaben ihre Meinung dahin ab, man sollte „diese Accidentien
den Rathsbefreundten neben ihrer Besoldung um so viel
weniger entziehen, weil man künftig lauter in studiis versirte,
prncticirte und gelehrte Leute und Männer in den Rath zu
nehmen gedenke, welche sich bei entzogenen und geschmällerten
Regalien nicht gebrauchen lassen würden, massen denn ohne-
diess bishero, ungehindert solcher zugelassenen Unterhaltung
fast keiner zu bekommen gewesen, welcher sich hätte ge-
brauchen lassen wollen.*"
8. Begehrte der Ausschuss, dass „die Rosstauscher,
Maller und Mehlbauem in das gemeine Mitleiden gezogen
und die Bürgerschaft annehmen sollten ; indem sich dieselben
bei der Stadt mit ihrem Gewerbe ernähren^ die Müller und
Mehlbauer an den Wochenmärkten ihr Mehl, Gries u. a.
Pfenweriher verschleissen, so sei es billig, dass sie auch von
— 78 —
ihrem Gewerbe eine gebohrliche Anlage reichen und dass
dieselbe dem Gemeinwesen verrechnet werde. ^ ^^)
Magistrat und Regierung fand dies empfehlenswerth, in-
soweit es den «umliegenden Herrschaften nicht prl^didrlich
w»re.«
9. Wurde bemängelt, dass ,,derBruckhfar8ch" (die Brücken*
hirse), eine Abgabe, welche die Bauern am Grazerfdd der
Stadtgemeinde zu leisten hatten, dem Gemeinwesen nicht ver-
rechnet wurde.
Diese Abgabe, über deren Entstehen und Berechtigung
übrigens der Magistrat keine Auskunft zu geben im Stande
war, betrug im Ganzen ungefähr «15 Grazer Viertel Korn und
und 81 Viertel Hirse **. Dieses Getreide wurde aiyahrlich unter
die Rathsbürger und zum Theil auch an Magistratsbeamte
▼ertheilt. Mithin kam auf eine Person nur ein kleines Quantum.
Die Commission schlug vor, dasselbe als ein „altes Accisum*"
denselben zu belassen, zumal es »so schlecht und gering sei,
dass es nicht der Mühe werth ist, diessfalls eine Neuerung zu
introduciren^.
10. Fehlte in dem Empfangsausweise, was die .Fratschler
oder FOrkäufler contribuiren''.
Nach dem Berichte der Commission hatte es mit diesen
und den „Platzsitzern" eine solche Beschaffenheit, dass man
in das Verlangen des Ausschusses, dieselben ,in das st&dtische
Mitleiden einzubeziehen, nicht simpliciter einwilligen könnte,
indem die Regierung selbst unterschiedliche Patente zum
FQrkauf ausgetheilt und unterschiedliche Herren und Land-
stände ihre bestellten Leute auf dem Platze sitzen und feil
haben lassen, welche der Burgerschaft nicht unterworfen seien.
^) hm Jküira 1726 waren diese Kletnrerkäufer zum gröBsten Theile
«och Yon Abgshen frei» wodurch die stadtiacbe Cassa einen merk-
lichen Entgang haben rnnsste» denn man s&hlte 80 Eoestauscher,
58 Melbler, 88 Gärtner, 27 Hühnerfratocbler (diese zahlten 17S5
zusammen 90 fl. Steuer), 27 Obstfratschler, 7 Hnhnerfutter-Fratschler,
9 B)*anntweihbrenner, 84 Tandler, etliche Stftrkmacher und Lonte
„so mavbfl Gebäck feilbaben-*.
— 79 —
Uebrigens sei der Magistrat derzeit ohnehin daran, diese
Leute so viel sich thun lässt, zu Abreichung <nnes gewissen
Quantums anzuhalten*'. Man solle es also unterdessen beim
alten Gebrauche lassen
11. gab der Ausschuss an, „dass die Ratbsfreunde von
ihren Häusern keine Steuern, noch auch ordinari und extra-
ordinari Anlagen entrichten thäten^S indem solche nicht in
den Empfang gestellt und verrechnet erschienen, während
dieselben doch schuldig seien, „gleichwie andere Mitbürger
alle Anlagen, wie die auch Namen hätten^^, abzurichten.
,,Sintemalen aber der Magistrat, so mündlich, als schrift-
lich, vor den in Sachen verordneten Commissären syncirirt,
das sie einige Exemption diesfalls (ausser der Befreiung vom
Wachtgeld und dass sie 1 2 Startin Wein unversteuert in die
Stadt führen lassen dürfen) nicht prätendirten, hingegen die
Commissarien in den Raittungen befunden, dass sie gleichwohl
wenig oder gar nichts an ihren Steuern bezahlt'^ so sind die-
selben (wie auch die Regierung) der Meinung, dass die Baths-
freunde hiefür nicht allein ihre Steuern entrichten, sondern
auch, was sie hieran bisher ausständig blieben, nach und nach
abzahlen sollten;
12. endlich will der Ausschuss um die angelegten
Capitalien, durch welche etliche ,,Herren-Häuser^^ von den
aligemeinen bürgerlichen Lasten befreit wurden, Wissenschaft
haben und ersehen, wie die Interessen verrechnet würden.
Hiezu erklärte sich der Magistrat bereit und die Re-
gierung fand die Sache hiedurch geordnet.
Nach dieser in den 12 Hauptpuncten dargelegten Be-
mänglung der städtischen Wirthschaft, welche „specifice ftlr
alle Particular-Raittungen'^ Geltung haben, brachte der Aus-
schuss seine besonderen Bemängelungen einzelner Posten in
den Rechnungen über die Ausgaben Jahr für Jahr zur
Eenntniss der Regierung. Bevor wir zu einer Berichter-
stattung über diesen Act gehen, scheint es erspriesslich zu
sein, eine üebersicht der städtischen Einnahmen und Ausgaben,
insoweit sie uns vom Jahre 1653 bis 1660 vorliegen, vor
— 80 -
Augen zu legen. Es betrug in Beichswfthrung (1 fl« = 60 kr.;
1 kr.
1653 —
1654 — 18.861
1655 — 19.821
1656 — 28.461
1657 — 62.043
1658 — 35.164
1659 — 33.879
1660 - 33.303
4 ^).
der Empfang
24.085 fl. 1 ^ 27 ^
die Ausgabe
n
n
it
n
11
3
2
5
7
5
1
4
11
11
11
11
20 V.
28%
26
27
I
13
9
11
11
11
11
11
24.893 fl.
18.673
21.040
28.731
66.700
34.429
34.919
32.702
1 ß
11
11
11
11
W
n
7
2
7
2
3
w
11
18
6
19
11
21
20
26
10
.V
»»
H
Berechnet man hievon den achtjährigen Durchschnitt« so
stellt sich der jährliche Empfang auf 31.856 fl., die Ausgabe
auf 32.761 fl. und es ergab sich ein jährliches Deficit von
905 fl. Des Vergleiches halber möge auch der 8jährige Durch-
schnitt von 1703 bis 1711 hier bemerkt werden, wo der
jährliche Empfang 28.420 fl., die Ausgabe 29.275 fl. und das
Deficit 855 fl. beträgt.
Man sieht, der Unterschied ist fbr beide Jahresreihen
nicht so gross, dass man nicht aus den Zahlen der letzteren
auf die ersteren einen Rückschluss machen könnte. Somit sind
wir, da uns eine Specification von Einnahme und Ausgabe
von 1653—1660 fehlt, im Stande aus der vorliegenden Spe*
cificirung vom Jahre 1711 eine nahezu entsprechende Einsicht
von dem städtischen Vermögenstande zu gewinnen.
1711 betrugen
A. die unveränderlichen Einkaufte.
1. Haussteuer
2. Leibsteuer und Zinsgulden.
3. Interessen von Capitalien .
4. Landschaft]. Sanitäts-Beihilfe
5. Unterthanen-Urbarzins . .
6. Unterthanen-Robotgeld . .
7. Unsteigerlicher Grunddienst
5722 fl.
7
2799 „
2
2432 „
7
160 „
13 „
6
22 „
6
103 ..
3
^
»1
n
11
11
Zusammen . 12.237 fl. 1 ji 9 A
— 81 —
E veränderliche Einkünfte.
(Der Ansatz nach vierjährigem Durchschnitte.)
1. Leibsteuer und Zinsgulden von un-
behausten Bürgern 725fl. 6(i
2. Wachtgeld und Zinsgulden von un^
behausten Bürgern 491 „ 5 „
3. Wohnungs- und Gewölb-Bestand . 1282 „ 2 „
4. Waaren-Einfuhr der Bürger . . . 3739 „ — „
5. Gewerbe- oder Handwerkssteuer . 1947 » 5 ;,
6. Handlungs-Ansage-Geld (für Kauf-
mannswaaren) 1405 06»
7. Einfuhr-Steuer 4145 „ 3 „
8. Viehmauth 14 „ — ,
9. Niederlage (Gebühr fremder Kauf-
leute) 1264 „ 1 „
10. Wag-Geld 749 ^ 3 „
1 1 . Thorbüchse (Brückenmauth, Sperr-
geld) ..... 387 « 3 „
12. Bürger-Einstands-Taxe 184 ;, ß „
13. Platzgeld von den Fratschlem . . 64 „ — „
14. Zins für das Viehhalten auf der
Kühtratte 76 ^ 6 „
15. Zehnter Pfenning(Besitzwechseltaxe) 153 j, b „
16. Extra Einkommen verschied. Art . 42 „ 1 „
Zusammen . 16183 fl. 2 |i 26 ^
HiezudieunveränderLEinkünftepr. 12237 „ 1„ 9^
Hauptsumme . 28420 fl. 4 |i 5 ^.
C. Unveränderliche Ausgaben.
1. Steuer an die Landschaft .... 9068 fl. — ß
2. Remanenzgeld an das Yicedomamt 247 » 1 »
3. Magistratliche Besoldungen^^) . 4409 » 4 „
Fürtrag . 13724 fl. 5 (l
1*) Die Ausgaben aaf Besoldung der RathsbOrger und Magistrats-
Bediensteten stellen sich in besonderer Specific ation, wie folgt :
HittheU. dea hUi. Vereines f. Steiennark, XXIX. Heft, 1881. 6
— 82 —
Uebertrag . 13724 fl. 5 ß
4. Besoldung der roagistratlichen Be-
diensteten 2027 „ — ,.
5. Mahlzeit für die Rathshenen bei
der Votivprocession nach Maria
Femitz 30 „ — „
6. Almosen für das Franziskanerkloster 1 2 „ — „
7. Räucherung des Rathhauses an den
drei heiligen Weihnachtsabenden . 2 r — r
8. Zimmer-„Ausreiben" derRathsstube
und Stadtkämmerei 3 „ — ^
9. Schreiben und Einbinden der Stadt-
kämmerer-Rechnung 11
yt »
Zusammen . 15809 fl. 7 J! 22 A
. (Einschliesslich der nicht ausge-
setzten Pfenninge in den Einzel-
posten.)
Besoldung eines jeden Rathslierrn:
Recompens fl. 150.
Kirchtagsgeld & 12 fl ^ 24.
Neujahrsgeld, ein sechsfacher Ducaten »24.
Befreiung vom Wachtgeld (das ist) , 3.
Befreiung von der Weinsteuer auf 12 Startin ^ 6.
der „Bruckhirsch** in Geld angeschlagen , 5.
für Aufsicht des Bürgerspitales „ 3
vom Ertrage des slädt. Eiskellers „ 3.
vom Ertrage des städt. Fischbehälters ^ 3.
Zusammen . . . fl. 221.
Der Bürgermeister bezog dazu noch Functionsge-
bühr fl. 200.
Grasnutzung der „KQhtratte** in Geld angeschlagen auf . „ 50.
Brennholzgeld • . „ 12.
allerlei Accidentien ^ 200.
von einem neu erwählten Rathsherm 100 Spec.-Thaler • „ 200.
von jedem neu aufgenommenen Bürger bei der Eides-
ablegung , 4.
— 83 —
D. Veränderliche Ausgaben.
1. Interessen von 105.374 fl.Capitalien 5423 fl. — |i
2. Auf das Stadtgebäu (Baulichkeiten) 1305 ^ — ^
3. Allerlei kleine Ausgaben .... 4606 » — r
4. Baumateriale 1209 ;, — „
5. Futter für die vier städtischen Rosse 120 „ — ;,
6. Vermögenssteuer 200 » — „
7. Fürllekrutenstellung(30— 36Mann)
und für Contigent-Mannschaft . . 600 „ — »
Zusammen 13465 fl. 6 ß 29 A.
(Einschliesslich der bei den Ein-
zelposten nicht ausgesetzten Pfen-
ninge.)
Hiezu die unveränderl. Auslagen 15809 „ 7 „ 22 „
Hauptsumme 29275 fl. 6 ß 21 ^.
Endlich mag hier noch übersichtlich bemerkt werden, was
der Stadt am Einkommen entging:
Der Stadtrichter hatte nebst den Gebühren der Raths-
stelle per fl.221.—
das Standgeld von den Markthtttten, ungefähr „150.—
die halbe Einnahme von der Brückenmauth, ungefähr . . „ 20. —
von am Magistrat angelegten Capital ien Interessen-Gcnuss „ 15.—
Inventurs-Taxen, durchschnittlich „150.—
das „Schwertumgeld** per „ 40.—
von jedem neu aufgenommenen BQrger Taxe „ 1.— -
und s&mmtliche Gerichtsstrafgelder
Zusammen. . .fl. 596.—
Der StadtBchreiber hatte nebst den Gebühren der
Rathsstelle per fl. 221 —
Amtsbesoldung „ 200.—
Holzgeld „ 24.—
Für Haltung eines Schreibers •....„ 32.—
Sämmtliche Kanzleitaxen, durchschnittlich im Jahre • . . „ 850. —
Inventurstaxen, durchschnittlich im Jahre „150.—
Recompens von den „Städten und Märkten gemeines Mit-
leidens** ^ 76.—
Zusammen . . fl. 1052.—
6*
— 84 —
1. ,Buss und Wandel**, d. i. der Betrag der Geldstrafen
für Unzucht^ Frevel, Muthwillen, Antastung, Gewichtsgebrechen
u. a. m., wovon sonst gesetzlich der Stadtgemeinde zwei
Drittel gebührten.
2. Das Standgeld von Kleinhändlern am Platze.
3. Das Standgeld Dir die Kaufmannshütten zur Maitoeit
(Egydi und Fastenmarkt).
4. Der Ertrag der städtischen Eisgrube, des städtischen
„Fischkhalters** (Fischbehftlters) und des „Bruckhirsch*.
5. Der Ertrag der doppelten Mauth zu Marktzeiten.
6. Der Antheil an den Amtstaxen für Ausstellung von
,, Kundschaften** (Zeugnissen) und der „Fedi** (Gesundheits-
pässen zu Pestzeiten).
7. Der Antheil an dem » Bürger- Anleitgelde** (Einstands-
gebühr der von auswärts kommenden und sich ansässig
machenden Bürger).
Der „Städte und Märkte Mar schall** hatte neben
der Rathsstelle fl. 185.-
Der Stadtkämmerer nebst der Rathsstelle eine Be-
soldung per „ 120.—
Fttr Schreiben und Einbinden der Rechnung „ 11.30
Zur Schadloshaltung für eingelaufenes schlechtes Geld . . „ 5.—
Der Unterkämmerer nebst der Rathsstelle „ 80.—
Der Baumeister nebst der Rathsstelle Extra-Deputat . . „ 60.—
Jeder „Pupillar-Commissär** nebst der Rathsstelle Extra-
Deputat y, 50.-
8 Rathsdiener, wöchentlich ä 1 fl. 30 kr. . • „ 234.—
Holzgeld ä 12 fl „ 86.-
Der Stadttumer wöchentlich 6 fl „ 312.-
Der Turner am Schlossberg-Ührthurme ein Holzgeld per . . 49.30
Die 3 Stadt-Feuermfer zusammen jährlich 282.—
Der Markrichter jährlich , 48.-
Der Schrankenhater in der Prankergasse monatlich 4 fl. „ 48.—
„ « n n Schörgelgasse „ * » ■ 48.-
„ „ beim Lazareth „ 1 fl.
30 kr. und Freiquartier „ 18.—
Der Schrankenhater am Gries monatl. 8 fl. u. Freiquartier , 48.—
n T) in der Leonharderstrasse monatlich
2 fl. und Freiquartier „ 24.—
— 85 —
8. Die Steuer von den hofbefireiten Handwerkern und
von adeligen Einwohnern, die bürgerliche Gewerbe betrieben.
Da es denn doch etwas zu weitläufig vorkommen dürfte,
wenn aus dem vorliegenden Actenstücke sämmüiche Bemäng*
lungen der Ausgabeposten von 1653—1660 sammt den bezüg-
lichen Gutachten und Entschuldigungen oder Erklärungen hier
aufgeführt würden, halten wir es für angemessen, von dem
chronologischen und systematischen Gange der Berichterstattung
sowohl in den Artikeln des Büi*ger- Ausschusses als in den
Aufklärungen des Magistrates und in dem Gutachten der
Commissäre abzuweichen, einzelne Daten, die zerstreut vor-
kommen, zusammenzufassen, ändere, als unbedeutend ganz
wegzulassen und bei einzelnen Jahren gerade nur das Wich-
tigste und Interessanteste herauszuheben.
Der Landaufseher monatlich 2 fl • fl. 24. —
4 Thorw&rter beim Morthore nebst Quartier jährlich . . „ 80.—
Der „ „ eisernen Thore 24 fl. und 28 fl.
Qnartiergeld „ 52.—
Der Thorw&rter beim Sackthore nebst einer Besoldung von
der k. k. Hofkammer und Freiquartier jährlich . . . . „ 12.—
Der Thorwärter beim Paulusthore jährlich „ 24.—
6 „Spiess-Rathhäusler*' (die beim Bürgermeister und Stadt-
richter aufwarten und fUr aUe pro justitia et publico
vorfallenden Verrichtung zu dienen hatten) ä monatl. 4 fl. „ 288. —
Der nPestmedicus" als Recompens n 100.—
Der „Magister Sanitatis, weil er die Todten zu visitiren
hat und in casu Pestis immediate ezpositus est^ . . . „ 150.—
Der Gerichtsdiener nebst 9 fl. Holzgeld 72 fl. 50 kr.
Besoldung » 81.50
Der Stadtmeister nebst 12 fl. Hobsgeld 26 fl. Besoldung . . „ 38.—
2 Aufseher bei der Viehschlachtung an der Brücke ä 52 . „ 104.—
Beim Stadtbauamte der Stadtzimmermeister wöchentlich
Ifl. SOkr n 78.-
Beim Stadtbauamte der Anrescher wöchentlich fl. 15kr. . „ 65.—
Beim Stadtbauamte der Qassenräumer wöchentlich Ifl.. . „ 52.—
„ „2 Stadtfuhrleute wöchentlich pr. 2 fl.
15 kr. = 4 fl. 80 kr « 233.—
Beim Stadtbauamte „Schaittenklauber'' wöchentlich 1 fl. . „ &2.—
„ „ 2 Fuhrknechte ä 2 fl „ 50.—
— 86 —
1. Die Ausgaben für ßtadüscbe Baolicbkeiten von 1653
bis U)GO betragen zusammen 23.494 fl. Von diesen ist aber
nur ein Betrag von 11.020 fl. mit Rechnungen und Wochen-
zetteln ordentlich belegt, auch findet sich nicht angegeben,
wo, zu welchem Zwecke und was wöchentlich gearbeitet wonle.
Auch fehlt die Specification« wo das Baumaterial erkauft und
wo oder wie es verbraucht worden war. Der Ausschoss
beanständete daher die Rechnung und verlangte bessere Er-
läuterung.
Der Stadtmagistrat „demonstrirte, es wäre eine Unmög-
lichkeit alle Schindel, Nägel, Laden, Bäume, Ziegel, Staadach
etc. item die Tagwerker in speeie bei einem so grossen bei
gemeiner Stadt führenden Hauptgebäu, auch hin und wieder
bald verfallenden Ausbesserungen specifice zu benennen,
zumalen man die Baumaterialien auf Vorrat und in eventuni
und also ehe man dieselben in der Noth bedürfte erkaufen
und nothwendig das Vertrauen in den Baumeister (stets einer
aus den RathsbQrgern) tamquam praesumptive bonum virum
setzen müsse ^.
Die Commissäre finden diesen Punct nicht unerheblich,
aber wenn man auch das vollste Vertrauen auf die Redlichkeit
des Baumeisters hätte, so sei es doch wenigstens für die
Zukunft räthlich und in der Ordnung zu einer genaueren
Ausweisung und Rechnungscontrole Anstalt zu treffen. Daher
sollte auch nach dem Antrage des Ausschusses von dem
Magistrate aus drei von der Gemeinde vorgeschlagenen
Personen ein »Anrescher" oder Unterbaumeister gewälilt werden
und auch eine ordentliche Specificirung von allem und jedem,
wenn auch nicht Vis auf das allerkleinste gemacht und amtlich
vorgelegt werden.
2. Bei dem Ansätze von 214 fl. 45 kr. für Hafer für
die „2 Züge Stadtrosse** bemerkt der Ausschuss (zu 1653)
vor Alters hätte man nur einen Zug gehalten, und es wäre
auch gegangen, es sollte daher in Zukunft ebenso gehalten
werden.
— 87 —
Der Magistrat replicirte, dass dann auf die j, aufgedingten
Fuhren'' mehr Geld aufginge, als die Erhaltung des zweiten
Zuges koste.
Die Commissäre stimmten diesem bei und empfahlen, es
bei den zwei Zügen zu belassen, aber es sollte „ denen von
Graz eingebunden werden, dass sie sich der gemeinen Stadt-
pferde in usus privates, sonderlich zu solchen Zeiten, da sie
dem gemeinen Wesen etwas verabsäumen würden, keineswegs
gebrauchen sollten**.
3. Findet es der Ausschuss nicht zu billigen, dass jeder
von den Rathsherren nebst einer Jahres-Recompens von 150 fl.
ein absonderliches Kirchtagsgeld von 24 fl., ein Neujahrs-
präsent pr. 18 fl. und ausserdem andere Kanzlei-Regalien
geniesse. Vor 18 Jahren, also bis 1642, hätte jeder nur 50 fl.
Kecompens bezogen und in solcher Weise sollte es in Zukunft
wieder eingerichtet werden.
Es wurde diess mit der Angabe begründet, dass in Linz,
Klagenfurt, Laibach und anderen Städten die Rathsherren keine
Besoldung bezögen und nur »zu Neujahr mit einem geringen
Präsent sich beschlagen lassen müssten". Denen von Marburg
hätte die Regierung erst vor Kurzem das Ansuchen um eine
jährliche Besoldung von 25 fl. totaüter abgeschlagen, unge-
achtet dort die Magistratsräthe die Steuern und Anlagen
bezahlen müssten.
Der Magistrat remonstrirte selbstverständlich gegen diesen
Antrag, die Commissarien und die Regierung Hessen diese
Frage ganz und gar ausser Acht und übergehen dieselbe in
ihren Berichten. Aber aus der Resolution Karl VL vom Jahre
1733 ist zu ersehen, dass die Rathsherren ihre Bezüge und
Regalien bis dorthin ungeschmälert behaupteten.
4. Die Magistratsbeamten nahmen, ungeachtet sie ohnehin
ergiebige Besoldungen erhielten, für das Schreiben ihrer Amts-
rechnungen besondere Recompensen in Anspruch. Auf diesen
Titel erhielt der Mauthner jährlich 50 fl., der Registrator
30 fl. und der Stadtkämmerer 10 fl. Da aber diese Arbeiten
zum Dienst gehörten und das gemeine Wesen nicht schuldig
- 88 —
wäre, Extra-Belobnnngen zu geben, worden aHe diese Posten
bemängelt und deren Streicbung fbr die Zukunft beantragt
Aber die Commissäre nahmen sich hier der Beamten an
und bilfigten deren Angabe, dergleichen Schreiberei sei eine
„extraordinari Arbeit» zu welcher die Nacht dem Tage zu
Hilfe genommen werden mQsste. Da diese empfangenen Recom-
pensen fiberdiess ein bereits gegessenes Brot sei, so möge es
de praeterito dabei sein Bewenden haben, inskünftig aber
sollte es in Ansehung der schweren Zeiten entweder abgestellt
und den Stadtkämmerem, so derentwegen, wie aOe Raitdiener
ihre Besoldung haben, aufgebQrdet, oder aber, da etwa des
alten Gebrauches eine Consideration genonunen werden sollte,
auf die Hälfte limitirt werden könnte.^
In der That wurde auch diese Recompens dem Manthner
auf 30 fl^ dem Registrator auf 24 und dem Stadtkämmerer
auf 6 fl. herabgemindert
5. In den bezüglichen 8 Jahren waren der Gemeinde
906 fl. für Papier ^^) und anderen Kanzleibedarf aufgerechnet
worden, darunter 75 Buch gedruckter „Fedi". Da diese
Rechnungsposten der Stadtschreiber zu verantworten hatte,
der nebst einer jährlichen Besoldung pr. 200 fl. ausserdem
die Besoldung als Rathsberr pr. 150 fl. und die völligen
Kanzleitaxen genoss, so wurde die Extra -Verrechnung von
„Kanzleinothdurft** beanständet unter Hinweisung auf die
Thatsache, dass bei der Regierung die halben Kanzleitaxen
zur BeschafiFung des Kanzleibedarfis, bei der Landschranne,
wo der Schrannenschreiber keine ordinäre Besoldung bezöge,
dieser von den Kanzleitaxen zu bestreiten wäre und aus diesen
auch noch der Gehalt der untergeordneten Amtsschreiber.
11) Die Berechnung ergab in 8 Jahren Papierverbranch 768 fl. Auf
Grundlage meines Materiales für eine Geschichte der Preise machte
ich eine Berechnung. £in Riss Papier kostete 1 fl. 20 kr. (bis 2 fl.
10 kr.), somit waren 578 Riss erkauft worden, das wnrde jährlich
72 und monatlich 6 Riss geben. Rechnet man jährlich nach Abzug
der Sonn- und Feiertage und Gerichtsferien 300 Arbeitstage, so
würen am Magistrate täglich bei 40 — 50 Bogen Terschrieben worden.
— 89 —
Es wurde dem Stadtschreiber nachgerechnet, dass derselbe
von den Taxen für Ausstellung der Fedi (das Exemplar nur
auf 15 kr. berechnet) 1500 fl. eingenommen hätte. (?) Für
das „Rait-Commissariat'' erhielt derselbe 50 fl. Honorar und
endlich auch 24 fl. jährlich auf Brennholz.
Da aber der Stadtschreiber ohnehin gut besoldet sei^ so
wurde es für billig gehalten, ihm die genannten „Zubussen''
und die halben Kanzleitaxen zu streichen.
Darauf vermeldete der Stadtschreiber in seiner Gegenrede :
,,Von solchem Papier etc. wird das wenigste in die
Stadtkanzlei verbraucht^ sondern davon die Steuer-Contribution
und andere BQcher, item die ProtocoUa, Tagzettel, Quittungen,
Bescheinungen und dergleichen gemacht, davon zu schweigen,
dass bloss zu der Bathsbefreundeten Neujahr 12 Riss Papier
genommen werden, so er aus eigenem Säckl zu zahlen nicht
könne adstringirt werden in Ansehung auch die Taxen eine
so namhafte Summe; wie vermeldet werde, nicht eintragen.^
„So sei ihm auch der Magistrat in Kraft eines Special-
vertrages verschrieben, die Kanzlei mit allen Nothdurften ohne
sein Entgeld zu versehen. Davon könne er nicht lassen.^
Die Commission und die Regierung fand sich jedoch
nicht bewogen, in dieser Sache ganz und gar für den Stadt-
schreiber Partei zu nehmen. Da bei aUen Stellen, wo Secretäre
die Taxen geniessen, diesen obliege, für die Kanzleibedllrfhisse
zu sorgen, so sollte diess auch bei ihm in Uebung kommen.
„Es sei auch unwidersprechlich, dass der Stadtschreiber, ob
er auch nicht alles, was in der Rechnung einkomme (z. B.
Steuerbuch betreffend), doch gleichwohl davon einen guten
Theil in seinen Expeditionibus , so ihm überflüssig bezahlt
werden, verbrauche".
„Sintemalen er aber den Kanzlei Tax gar auf ein Geringes
extendirt, hingegen die Bürgerschaft vielfältig darüber Be-
schwerung thut, als ob er dieselbe steigern thäte, und aber
kein besseres Mittel auf die Fein zu kommen, vermeinten die
Commissarii nicht abs re zu sein, wann der Stadtschreiber
den halben Tax für sich behielte, den anderen halben Theil
- 90 -
aber der Gmain veraitten solle, und zwar darum , weil ihm
ohnehin ausser der grossen Besoldung, so er von sein^
Dienste und der Rathsstelle absonderlich zu geniessen habe,
auch den halben Inventurs-Tax, so nit wenig austrage emn-
nehmen habe."
a Jedoch sei ihm fürderhin auch die Rathsstelle neben
dem Stadtschreiberdienst zu belassen ex eo, quod sit notoriuin.
dass bei dem Magistrat und Stadtgericht gleichwohl unter-
schiedliche casus vorfallen, so in jure tarn civili, quam criminaG
fundirt sind, allwo der Stadtschreiber tamquam praesumptive
vir doctus et Jurisperitus infonnando et notando das Meiste
thun müsse. In Betrachtung, der Gemeinde doch wenig ge-
holfen sein würde, wann man ihm die Rathsstelle benehmen
und einem Anderen ad complendum numerum conferiren sollte.
wie er dann gleichwohl per indirectum mit seinen informationibus
dasjenige würde können zuwege richten, was man ihm directe
nicht vergunnen, oder gestatten wollte, dahingegen auf den
Fall, dass er etwas Unrechtes begehen würde, man ibm
propter sinistrum votum besser, quam propter informationem
sinistram zukommen könnte."
6. Unter den Ausgaben für die Rathsherren fand sich
verzeichnet im Jahre 1653 23 fl. und 1654 9 fl. 45 kr. far
„Confecf* ^»)i 1654 auch 7 fl. 30 kr. für mehrere Flaschen
wälschen Weines, 1658 gar 30 fl. für Confect. 1658 hatten
die Rathsfreunde zweimal einen Ausflug auf ^^Recreation^' nach
Toblbad gemacht und das eine Mal ^darauf verzehrt 11 fl.
32 V2 kr., das andere Mal 22 fl. 30 Vj kr.*^ 1657 wurden für
dieselben ^12 Paar seidene Klagstrümpfe (wahrscheinlich bei
Gelegenheit der feierlichen Exequien für Kaiser Ferdinand III.J
in Rechnung gebracht und desselben Jahres auch 30 fl. für
^*) Das gedachte Confect dürfte unzweifelhaft nicht als eine mOssiKe
Leckerei der Rathspersonen in die Rechnung gekommen sein, son-
dern als ein Pestpräservativ, wie es in jener Zeit häufig in üebuni^
war. In den AusgabebQchern der steierm. Landschaft vom 16. Jahr-
hunderte erscheinen zu wiederholten Malen im Ansätze .Scatl con-
fectionis überantis für den (bösen) Luft in die Rathsstobe*'.
— 91 —
2 Paar neue Pistolen (ohne Angabe, für wen sie bestimmt
waren).
Alle diese Posten wurden bemängelt, da man solche doch
nicht dem Gemeinwesen aufhalsen könnte.
7. Die an mehr oder minder hochgestellte Uegierungs-
beamte oder Advocaten (etwa 20 Personen sind benannt) im
Laufe von 8 Jahren unter dem Titel ;,Präsente oder Regalien*'
eingestellten Rechnungsbeträge geben eine Gesammtsumme
von 5000 fl. Diese Geschenke erschienen bald als eine Gabe
in baarem Geld, bald in der Form einer Nachsicht der pflicht-
mässigen Leistungen an Steuergeld, bald auch als Präsente
von Wildpret
Derlei Posten sind:
1654 Sr. Excellenz Herr Jöchlinger ein Steuernach- fl. kr.
lass per 440 —
Sr. Excellenz ein Präsent mit 341 —
1658 „ „ eine Verehrung von 307 45
Der Ausschuss bemerkt bei diesen, wie auch andern
Posten: „Wofür? Was für Dank würdiges hat er der
Stedt gedient ?<"
1654 An Valentin Specht's Tochter Kirchtaggeld . 11 —
1654 Für die Frau des Christof Thomani Steuer-
nachlass 43 —
(„Ist bemittelt und ohne Erben").
1656 An Herrn Hans MüUer's (Rathsbürgers) Hoch-
zeitspräsent 18 —
1656 Herrn Hans Heinrich Hueber v. Huebegg
(Rathsherrn) Hochzeitspräsent 33 —
1657 Herrn v. Webersperg einen Steuernachlass . 72 —
1658 Herrn v. Liechtenheimb Steuernachlass ... 74 —
1658 Herrn Grafen v. Tattenpach für das Haus in
der Hofgasse Steuernachsicht 210 —
1658 »Dem Tertschen wegen der Klingendrat'schen
(Rathsbürger selig) Raittung verehrt*' ... 11 —
(„Geht das Gemeinwesen gar nichts an".)
1658 Herrn von Domsperg geschenkt 305 -^
6
5>>
15
5
56
45
22
30
.06
Oii
36
30
43
e;
— 92 —
1658 Herrn v. Gabelhoven die Anlage für j,Soldaten- A ^^
Verpflegung* nachgesehen 30 —
(Hatte eiB Haus in der Sporgasse. Der Ausschuss
wundert sich Über diese Nachsicht, da die BOi^er
keine solche erhielten.)
1658 Herrn Dr. Carl Würzburger (Advocat) Haus-
steuemachBicht 139 —
1658 38 Schnepfen den Hof beamten in Wien verehrt
1660 86 Schnepfen den Hofbeamten in Wien verehrt
und dem Boten, der sie getragen hat . . .
1659 Dem Herrn Dr. Leitner Steuemachsicht . .
1659 Dem Hm . Dr. Tentius die Weinsteuer geschenkt
1659 Dem Herrn Valentin v. Webersperg (Kanzler-
amtsverwalter 1664) geschenkt 106 871
1659 Dem Herrn Dr. Kheller an Steuern nachgesehen
1659 Dem Herrn v. Liech tenhaimb Hochzeits-Präsent
1659 Dem Herrn Dr. Fleischhacker anWeinsteuer
geschenkt ^ . 31 —
1659 Den MttUer'schen Erben an Steuern, Laden-
zins und Tag- Ausstand zusammen nachgesehen 1354 —
(„Hatte sollen vor allen anderen Creditoren aus dem
Nachlasse hereingebracht werden.'' Der Ausschuss
protestirt ein- für allemal gegen solche grosse und
unbefugte Geschenke, „die das Gemeinwesen in den
höchsten Ruin stecken.*' Der Magistrat sollte zum
£rsatze des Nachtheiles verhalten werden.)
1660 Den Erben nach Bernhard Nidenaus (weiland
Rathshem) die angewachsene Erbsteuer und
den 10. Pfennig geschenkt, zusammen . . .
1660 Dem Herrn von Liechtenhaimb Steuemachlass
1660 Dem Herrn Wolf Ignaz von Ehaltenhausen
(Bruder des Vice-Statthalters) Steuemachlass
1660 Dem Herrn Dr. Wundegger die Steuer geschenkt
1660 Dem Peter Morell die Weinsteuer geschenkt
1660 Dem Herrn Regieruugsrath v. Marcovitsch
von der Morell'schen Haussteuer geschenkt . 48 ili
1660 Dem Herrn v. Sidenitsch Präsent 150 —
u. a. m.
134
—
10
21 i
189
30
45
—
33
45
— 93 —
Die Commissäre und die Regierung äusserten sich über
diese Verschenkungen, sie seien „einer aus den fümehmsten
Puncten, dass die Stadt in so grosse Schuldenlast einge-
runnen".
„In der That sei der Magistrat bisher allzu liberal mit
der Cassa umgegangen. Dieweilen aber die Meisten, so solche
Liberalität genossen, bereits abgestorben, auch sonsten res
nit mehr ihtegra ist,^ so liesse sich für die Vergangenheit
^ohl nichts mehr machen, als eben durch die Finger zu sehen.
„Es sei jedoch dem Magistrate mit allem Ernste und
bei Bedrohung mehreren Einsehens einzubinden, dass derselbe
fUrderhin etwas gesparsamer mit der Cassa umgehe, massen
dann von derlei Verschankungen fürohin der gemeine Aus-
schuss Wissenschaft haben und ohne desselben dergleichen
nit passirt werden solle ^.
8. Der Rathsherr Georg Friedrich Vögtlin war im Jahre 1657
vom Magistrate an den königlichen Hof, damals zu Prag,
geschickt worden, um in wichtiger städtischer Angelegenheit
(Cassirung der Hoffreiheiten) thätig zu sein und hatte fbr
seine Zehrung und Geschäfte 600 fl. mitbekommen. Der Bürger-
ausschuss wollte, bevor er diesen Posten gutheissen könnte, eine
specificirte Verrechnung desselben zur Einsicht bekommen.
Diese erfolgte denn auch nachträglich, wie folgt:
fl. kr.
Dem obersten Kanzler verehrt 1 50 —
Dem Herrn Sidenitsch (Secretär des geheimen Bathes)
verehrt 150 —
Herrn von Abele (Regierungsrath?) 16 Kronen, d. i. . 29 20
Den zwei Schreibern des Herrn von Sidenitsch wegen
zweier „Befelch** verehrt 11 —
Dem Schreiber des Herrn Würzburger, Namens Paul . 3 —
Dem Kammerdiener des obersten Kanzlers, Namens
Ferdinand 7 20
Dem Kanzleidiener 3 40
Bei der königlichen Audienz »denen Hartschiem, Tra-
bandten und Thürhütem'' 13 20
^ 94 —
Den Quardi-Soldaten bei der königlichen Residenz am fl- ^■
Ilradschin 1 30
Bei der erzfürstlichen Durclilaucht Audienz gegeben
in allem 9 40
Dem Tagen des Fürsten von Auersperg 3 —
Dem Pagen des Herrn Obrist-Hofmeisters 3 —
Item Reiseauslagen hin und zurück für 62 Posten
ä 1 fl. 30 kr . 93 —
Trinkgeld auf jeder Post. 18 kr. auch zu Zeiten
mehrers 18 36
Hin und her auf der Reise verzehrt 18 —
Zu Prag gewes3n fünf Wochen, jede Woche für
Zimmer, Licht, Heizen und Bettgewand sammt der
Kost 6 fl 30 -
Dann einem „Kerl, den ich zu Prag hin und wieder
geschickt, gegeben*' 3 40
j,Item bin ich unterwegs und auch zu Prag übel auf
worden, habe unterschiedliche Medicin und andere
Sachen gebraucht aus den Apotheken" .... 4 —
i,Als ich von Prag hinweg, in meinem Wirthshaus Trink-
geld gegeben" 1 30
j,Dann habe ich zu unterschiedlichen Malen ein und
andern guten Freund, welche mir in meiner ge-
habten Commission allen guten Beistand geleistet,
zu Gast gehalten* 9 —
i^Dann «uch für mich absonderlich extra, dann ich
genugsam habe müssen hin und wieder, ja zu
Zeiten zwei- oder dreimal auf das königliche
Schloss (am Hradschin) hinauf laufen, und der
Wein zu Prag, wie wissentlich (ich aber das Bier-
trinken im Winter nicht gewohnt) theuer genug ist G —
;,Item habe ich einem ehrsamen Magistrate unter-
schiedliche ihrer königlichen Majestät damalen
Bildnuss in Kupfer gestochen, mitgebracht, dafür
zahlt" 2 —
Dann für ein Windlicht bezahlt 1 —
— 95 —
„Dann auch absonderlichen für Briefgeld, dem Barbier, item
dem Bader für Köpfllassen (Schröpfen), für Wäscherlohn,
in summa wegen allerhand nothwendigen Ausgaben, welche
alle zu specificiren mir unmöglich und man wohl weiss,
dass einem auf solchen Orten nicht eine Spen-Nadel oder
nar einen Tritt umsonst thut, zumalen ich es genugsam
erfahren, als weiss ich deshalb nichts gewisses auszu-
werfen".
Es macht also die Summe der Ausgaben 571 fl. 51 kr.
Der Magistrat liess dem Vögtlin billiger Weise zunächst die
unverrechnet gebliebenen 28 fl. 9 kr. und belohnte ihn ausser-
dem f&r die glückliche Ausführung seines Auftrages mit einem
Recompens per 500 fl.
Die Regierung hatte 1664 bei der Superrevision der
Rechnungsbücher gegen diesen Posten nichts einzuwenden
und musste ilm daher auch der Ausschuss passiren lassen.
9. Mit aufmerksamem Auge hatten die Rechnungsrevi-
soren des Bürgerausschusses die Aufschreibung über städ-
tische Schulden (hinaus) und die jährliche Interessenzahlung
verfolgt, aber zu ihrem grossen Missfallen den Abgang aller
Erläuterungen bemerkt, wo die entlehnten Capitalien in Ver-
wendung gekommen waren, oder wer dieselben in Empfang
genommen habe.
Es wurde bemerkt, dass die Stadt an Zinsen bezahlte im
Jahre 1653 3257 fl. — 1657 3216 fl. 30 kr.
, 1654 1744 n — 1658 7191 n — „
„ 1655 1398 „ — 1659*5) 5533 ^ _ ^
„ 1656 3110 „ — 1660 4070 « — „
Es wurde herausgefunden, dass bei einer 67o Verzinsung
die Schulden im Jahre 1657 betrugen 53000 fl. — kr.
dazu kamen neue Schulden ...1657 7900»— „
„ ... 1658 5566 „ — „
„ ... 1659 5210 , 42 V2 ^
;, ... 1660 7800 „ — „
<fi) Inclasive der ROckzahlung eines Capitah.
— 96 —
Also in vier Jahren ein Schulden-
zuwachs von 26476 fl. 42 Va kr-
und ein Gesammtschuldenstand von . . 79486 „ 42 Vj ^
AUe diese Schulden seien ohne Vorwissen der Graieinde
gemacht, »ungeachtet alle bürgerlichen Anlagen so hoch
gestiegen wären, dass es nit erhört wird, dass in allen Erz-
herzog von Oesterreichischen Erbländem einige Bürgerschaft
so hoch, als in Graz belegt worden sei*'. Daher protesürt
der Ausschuss gegen die Bezahlung von Interessen und von
Capital durch die Gemeinde.
Selbstverständlich blieb es bei einem leeren Protest, da
der Magistrat am Ende doch in der Lage war, gehörige Auf-
schlüsse über die Entstehung der Schulden zu geben und
seine Gebarung genügend zu rechtfertigen.
Mit Uebergehung noch einiger anderer Mängelsposten
werden im Nachstehenden diejenigen Anordnungen der kaiser-
lichen Resolution vom 21. Februar 1665 angeführt und aufge-
zählt, durch welche und mit welchen die Regierung das städtische
Wirthschaftswesen wieder in's Aufnehmen zu bringen hoffte.
Durch diese Verordnung sollte ;,eine ganz heilsame und
höchst nothwendige Regul und Richtschnur gegeben sein, nach
welchen der Magistrat künftig seine Raittung legen und die
Hauswirthschaft anstellen soUe^:
1. „Soll jederzeit zu Ende des Jahres bei Bedrohung
schärfers Einsehens desselben Jahres Raittung gelegt, dem
Ausschuss zur Einsicht überreicht und mit des Magistrates
beschehener Ablehnung der i. ö. Regierung und Hofkammer
übergeben werden.^
2. „Sollen alle und jede Ausstände, sie haben Namen
oder rühren her, woher sie wollen, in dem gedachten Termin
aus ihren Büchern extrahiren und bei der vorgemeldeten
Raittung primo loco in Empfang nehmen, hierüber ein ordent-
lidies Ausstand- Verzeichniss aufrichten und halten, auch solches
jederzeit in Empfang und Ausgabe führen, Interim aber, weil
solche Ausstände zweifelsohne eine namhafte Summe aus-
tragen werden und diese die grösste Ursache der erwachsenen
— 97 —
Schulden ist, solches Ausstandbuch zur Regierung und Hof-
kammer Händen alsobalden einreichen.^
3. „Soll der Magistrat einen Extract aller gemeinen Stadt
Anlagen'^ und
4. ,,über das Steuerbuch (weil solches loco Urbarii ist)
jährliehen ein Stift-Register oder Anschlagbuch machen und
solches wie alle andern Anschlagbücher vom Burgermeister,
Stadtrichter, Stadtschreiber, dem jüngsten Rathsverwaudten
und dann auch von zweien des gemeinen Ausschusses unter-
schreiben lassen ; auch in demselben jederzeit die Extraordinari
Verwilligungen, Wachtgelder und Handwerkssteuern, wie auch
alle anderen ordinari Anlagen (darunter jedoch das Ansag-
geld in der Mauth und die Weinsteuer, so kerne Gewissheit
haben, nit verstanden sein) ordentlich setzen sollen, darmit
dergestalt der Bürgerschaft der bisher gehabte Argwohn der
Ungleichheit, so der Magistrat in Anschlagung der Steuer
gebrauchen möchte, benommen werde. Mit dem Leibsteuer-
Buche aber, allermassen sich solches anjetzo befindet, soll es
auch femers sein Verbleiben haben."
5. „Soll der Magistrat bei der Stadtkammer darob sein,
dass absonderlich von dem Steuerbuche, auch das Ansagegeld
und die Weinsteuer der unbehausten Bürger wie auch des
völligen Urbar in Empfang genommen und darin alsbald wann
und wie viel ein jeder Burger etwas erlegt, mit Namen ver-
mert werde. Dann weil sonder Zweifel der Stadtkammerer
diesen Bezahlem wegen solcher Abschlagszahlung entweder
eine Quittung gibt, oder solches in ihren habenden Auszügen
vermerken muss, also auch solche Vormerkung in dem Aus-
standbach geschehen kann, damit selbiges gegen sein, des
Stadtkammerers ihnen Burgern bei ihrer in Abschlag thuenden
Bezahlung von sich gebenden Quittung gleichlautend seien und
man untereinsten gleich wissen möge, ob und wem und was
und wie viel erlegt worden."
6. »Die Gefälle sollen zu keiner anderen Ausgab, als
wohin sie gewidmet, als zu Bezahlung der Landschaft ange-
wendet werden."
MittlieU. des bist. Vereines f. Steiermark, XlIX. Heft, 1881. 7
— 98 —
7. «Die von Graz sollen nicht Macht haben ohne Wissa
und Einwilligung der Regierung und Hofkammer Besoldung
und Regalien für sich selbst zu verbessern.^
8. ;, Denen von Graz werden die allzu gross verübten
Schankungen und Nachsehungen und was dergleichen unnoth*
wendige Ausgaben sein, diesmal verwiesen ; in's künftige aber
bei Bedrohung^ schärferen Einsehens nicht gestattet, ohne
Vorwissen des Ausschusses dergleichen namhafte Posten (dann
hierunter die geringere denen bene meritis beschebene gebühr-
liche Ergötzlichkeiten nicht verstanden werden) weder sie
ihnen Selbsten untereinander, noch anderen OfiBcieren oder
Bedienten, oder wem es wolle, zu schenken, zu präsentiren
oder nachzusehen. Und dahin fbro bei Revidirung der Raittung
dergleichen Excess wahrgenommen würden, solche entweder
cassirt, oder zum Fall die Auszahlung oder Nachsehung schon
wirklich beschehen wäre, die Gutmachung von den Parteien
wiederum begehrt werden solle; welches Verstandes dann
auch ebenmässig es mit denen Anticipationen und Entleihungen
haben soll, dass solche entweder mit Vorwissen der Gemein
gemacht, oder aber nidl und nichtig sein sollen."
9. ;,Weil fUrkömmt, dass der Magistrat das Ansaggeld
mehrerstheils sonderlich den vornehmen Handelsleuten bestand-
weise hinQbergelassen, dergestalten dass dieselben kaum die
Hälfte desjenigen, so sie sonsten bezahlen müssten, entrichten^
also ist dem Magistrat befohlen, dass er solche Bestand aof-
künden und solche wie alle anderen Gefälle einfordern und
der Gemein verraitten solle."
10. ;,und schliesslichen, weilen nicht alles so genau und
eigentlich vorgeschrieben werden kann und mit einem Wort
der Mangel guter Policei die mehreste Ursache ist, warum
zu Zeiten das gemeine Wesen zu Grunde geht, also wird dem
Magistrat hiemit alles Ernstes aufgetragen und anbefohlen,
dass er sich derselben nach Möglichkeit befleissen soUe.''
In Betreff einiger anderen bürgerlichen Beschwerden
und Wünsche, die erst nach bereits geschlossener Commission
— 99 —
eingebracht worden waren, wurden in derselben Resolution
vom 21. Februar 1665 nachstehende Erledigungen gegeben:
1. Dass der Ausschuss in allen Wirthschaftssachen ohne
Unterschied gleiche Session mit dem Magistrat habe, wird
nicht bewilligt, weil ihm eben die Errichtung eines äusseren
Käthes nicht gestattet wurde und ihm auch nicht auf diesem
Umwege zugestanden werden kann.
In welchen Fällen der Ausschuss zugleich mit Magistrate
im Rathe sitzen könne, wurde schon durch die obigen Artikel
angegeben und wird nun von der Regierung in den Puncten
2, 3, und 4 wiederholt ausgedrückt.
5. Dass ohne Beisein und Vorwissen des Ausschusses
keine Ausgabe oder Anschaffung giltig sein sollte, kann mit
Hinweisung auf Punct 1 nicht statthaben.
6. Ebenso kann nicht bewilligt werden, dass ohne ihr
Beisein und Vorwissen keine Inventur vorgekehrt werden solle,
weil eine solche ohnedies durch den Stadtrichter, Stadt-
schreiber, Registrator, Stadtwachtmeister und Viertelmeister
und zwar in Gegenwart der Erben und Interessirten vorge-
nommen wird, und dadurch aller Verdacht aus dem Wege
geräumt und weitere Unkosten verhindert werden.
7 . Die Aufnahme der Armen in das Bürgerspital gebührt
dem Magistrate allein und hat sich der Ausschuss nicht ein-
zumengen. **).
'^') Die Spitalmeister- Amtsrechnungen vom Jahre 1652 bis 1658 zeigten
in runder Summe:
Empfang : Ausgaben :
1653 — 32.083 fl. — 30.907 fl. -
1654 — 82.066 „ - 29.559 „ —
1655 — 31.655 „ — 30.341 „ —
1656 — 29.969 „ - 80.078 , -
1657 — 31.039 „ — 29.290 „ —
1658 - 81.214 „ — 31.214 „ —
Somit in Summa einen Activrest per 5163 fl. — Interessant ist der
Vergleich mit „Burger- Spital ^Raittung" (Hofbuchdrucker Georg
Widmanstetter war Spitalmeistcr) vom Jahre 1603, die uns voll-
ständig erhalten ist. Der sämmtliche Empfang stellt sich auf
7*
Bilanz
1176 fl.
Activrest
706 „
»
1314 „
n
109 „
Cassaabgang
1749 „
Activrest
326 „
j>
— 100 —
8. Auf die Beschwerde, dass der Stadtrichter und Stadt-
schreiber allzu grosse Inventurs-Taxen nehmen und daher
ihnen nur ein Ducaten per Tag und ein Schilling (zy^ kr.)
vom Blatt Papier passirt werden sollte, wird resolvirt: Nach-
dem es der Wille der Regierung ist, alle derlei Unkosten.
so viel möglich zu beschränken, so soll sich die Inventurs-
Taxe bei Erbschaften, die über Abzug der Schulden über
10.000 fl. austragen, nicht über 100 fl. erstrecken. Bei Erb-
schaften unter diesem Betrage hat es beim alten Gebrauche
zu verbleiben und soll von jedem 100 fl. nur 1 fl. Taxe ge-
nommen werden.
9. Dem Stadtschreiber ist die Rathsstelle neben seinem
Dienste zu belassen, wie es bereits früher verordnet wurde.
919 fl., 5 Schilling (ß), 22 ^; die Ausgabe auf 791 fl., 6 ß, U ^V
Diese „gegen einander gelegt und gehebf, befindet sich, dass der
Empfang die Ausgaben mit 127 fl. 7 ß, Q ^ übertreffen.
Empfang fl. ß ^
1. Rest so dem Spitalmeister von 1602 schuldig Terblieben 98 5 21
2. Summe der „Geschäft und Geschenk" in's Spital . 139 6 16
3. Sammelgeld 208 3 27
4. Zins und Steuer 264 7 20
5. Von n ausgelassenen Grundstücken" 19 9 —
6. „Fuhrgeldt'' (für geleistete Fuhren für Anbau auf
fremden Aeckern, Frachtfuhren) 11 4 7
7. „Haltgeld" (Weidezins für Kühe und Schweine) . 16 7 fi
8. Aus dem Maierhof verkauft Kälber und „Spanfadl** 3 5 4
9. „Gemeiner Empfang" (aus dem Verkaufe you allerlei
Yerlassenschaftsstücken der Spitäler, femer Lamm-
felle, Kühhäute etc.) 21 7 15
10. Für verkauftes „Kraut" 2 1 2C
11. Weinfechsung am Hühnerberg 8 Startin (= 10 Eimer)
„ „ Rosenberg 3«/, ,
„ „ Haberbach 6% n
„ „ Graben 8 „
„ „ Algerstorf 2% „
„ VöUing 1
„ „ Schilgestorf % „
Zehentwein von Feistritz 9V, „
zusammen 34 Va „
12. Verkauf von Wein 7 Startin ä 18—20 fl 1H2
Summe des völligen Empfanges . . . 919 5 ±2
— 101 —
10. Dass kein Bürger bezüglieh von Schulden unter 15 fl.
zu klagen verstattet werden sollte, scheint nicht unerheblich
211 sein, lässt sich aber nicht immer vermeiden. Da der Stadt-
richter und der Magistrat sich anerboten haben, ihr Möglichstes
zu thun, dass solche r geringe Klagen^ vermittelt und gütlich
beigelegt werden, so soll es dabei gelassen werden.
1 1 . Wird es der Discretion des Magistrates anheimgestellt;
dass auf Begehren der Gemeinde die Verhöre nicht gar so
spät, als bisher, nämlich um 1 0, sondern um 8 Uhr angestellt
werden ; dass die Parteien, alsbald es sein kann, vorgelassen,
oder die Tagsatzung, wann dieselbe ihren Fortgang nicht
haben kann, ex officio zu einer gelegenen Zeit und nicht blos
nach dem Belieben der Advocaten überlegt werde.
Ausgaben. ü, ß ^
1. Fflr Fleisch zum Tisch der Spitaler 184 6 28
2. Dienstboten-Lohn 45 1 18
3. Zins und Steuer so das Spital Yon seinen Gründen
dient 10 8 27
4. Auf „das Schnitt^ von Gerste, Korn, W^eizen, Hafer,
Hirsch, Wicken, Fenchel und Heidekom (ungefähr
484 Tagwerke k 7-8 kr. täglich) 61 7 18
6. „Madt^ (Tagwerker zum Heu und „Gramaf machen) 9 8 6
6. Weinbau-Ausgaben (Gruben, Schneiden, Lesen.)
Hühnerberg 21 6 28
Haberbach 29 4 8
Rosenberg . . . • 25 2 4
VölHng 18 7 22
Algerstorf 22 7 14
Graben 80 5 14
SchUUngstorf 19 5 6
7. ^Auf Handwerksleut, so in's Spital gearbeitet haben
(Glaser, Sattler, Wagner, Seiler, Zimmerer, Maurer) . 29 4 —
8. Allerlei „gemeine Ausgaben" (Kerzen, „K&smachet**,
Getreide, Stroh u. a. m. zur Hauswirthschaft, Medi-
camente, Weingartstecken, Metzger-Lohn, Küchen-
und Maierhof-Einrichtungsstücke etc.) 280 2 15
9. ff Um Holzhacken^ (Fällen, Schneiden und Klaftern
der Bäume) 81 Klafter 9 3 4
10. Quartal - Lohn für den „Sammler" des Spital-
almosens k d ß 14 —
Summe der Ausgaben . . . 791 6 14
— 102 —
12. Geringere („schlechte'') iDJuri-Händel sollen mOndlich
und gütlich beigelegt, oder deren Schlichtung dem r Handwerk'
überlassen und keine Appellation gestattet werden.
13. Das Begehren des Ausschusses, dass nicht alle
städtischen Aemter unter den Rathsbefireundten, sondern auch
unter den Bürgern ausgetheilt würden, dass daher ein Unter-
kämmerer, Unterspitalsmeister, ein Mauth-Gegenschreiber aus
der Gemeinde bestellt werden, kann nicht statthaben, weil es
neue Unkosten verursachen würde und dieses Begehren über-
haupt nur auf Misstrauen beruht. Aber ein Unterbaumeister
und »Anrescher* wird bewilligt
14. Dass bei der Wahl des Stadtrichters der Ausschuss
vorher resigniren uud zwei daraus durch die Bürgerschaft
verwechselt werden sollen, wird nicht bewilligt, weil der Ma-
gistrat dagegen einiges Bedenken hat.
15. Für billig wird gefunden und anbefohlen, dass der
Extract der Anlagen, welche der Bürger in das Amt zu zahlen
hat, und ebenso die Bescheinigung ordentlich specificirt werden,
damit jeder desto besser sehen und unterscheiden mag, was
und unter was für einem Titel er zu zahlen habe.
16. Es ist ganz in der Ordnung, dass die bei gemeiner
Stadt vorkommenden Contrabandfälle zu Nutzen des Gemein*
Wesens verrechnet werden.
1 7. Die Herabsetzung der Wein-Einfuhrsteuer von 4 Schil-
lingen (30 kr.) auf 2 Schillinge wird nicht bewilligt
1 8. Dass die unbehausten Bürger den ihnen aufgetragenen
Zinsgulden nicht bezahlen wollen, dart' nicht gestattet werden,
indem sie, wie die hausbesitzenden Bürger Gewerbe treiben
und daher auch mit diesen die gleichen Lasten zu tragen
haben, zumal der Zinsgulden ohnehin nur „ein Geringes aus-
trägt". Würde man die Steuerlast nur den behausten BUrgem
aufladen wollen, so würde sich bald kein Hausbesitzer mehr
finden lassen.
19. Die Beschwerde, betreffend die Steuersteigerung der
erneuerten und verbesserten Häuser und Bingerung der zu
Grunde gehenden wurde dahin erledigt, dass der Magistrat
— 103 —
diese Procedur wieder einzustellen habe, weil dieselbe ungerecht
und unbillig sei. So wie kein Grundherr von sich selbst
berechtigt ist, seine unterthänigen Gründe zu steigern, so
auch nicht der Magistrat in Betreff der Häuser. „Dergestalt
würde ein guter und fleissiger Hauswirth, der das Seinige
vom Leib und Maul erspart und solches auf Verbesserung
seines Hauses anwendet, wegen seiner guten Hauswirthschaft
mit der Steigerung gestraft; hmgegen der üble Hauswirth,
der das Seinige verthan und dadurch das Haus in Abbau
und Ruin gebracht hat, dieser seiner schlechten Wirthschaft
wegen durch die darauf folgende Verringerung der Steuer
gleichsam recompensirt und ergötzt" Uebrigens kann es schon
Ausnahmen geben, es ist aber in solchen Fällen die Genehmi-
gung der Regierung einzuholen.
20. Die vom Ausschusse erbetene Herabsetzung der
Handwerks- oder Gewerbesteuer, wie auch die Limitirung des
Wachtgeldes auf 15 kr. und die Abstellung der „Hafer-Mauth'^
kann derzeit noch nicht bewilligt werden.
21. Es kann für die Zukunft keinem Bürger erlaubt
werden, mehr als ein Gewerbe zu betreiben, Weinschank und
Salzhandel ausgenommen, was jedem Bürger in Steiermark
freisteht
22. „Dass an Wochenmarkt - Tagen ausser den Bürgern
Niemand, so lange der Fahn ausgesteckt ist, einzukaufen
verstattet werden solle ^, dieses Begehren des Ausschusses
findet die Regierung „nicht allein ungereimt und vermessen,
sondem auch derentwegen impertinent, weil sich in Graz viele
Stellen befinden und solche dergestalten in Erkaufung ihrer
Nothdurft allen Bürgern nachstehen müssten*'. Somit wird
dieses Begehren abgewiesen. ^^) Endlich
1^ Das Recht der Bürger, an Wochenmarkttagen vor allen anderen
Bewohnern der Stadt und ohne Gonciirrenz derselben ihren Bedarf
an Lebensmitteln, namentlich Getreide, Obst, Brennholz u. a. ein-
kaufen zu können, beruhte auf uralten Privilegien, die zu einer
Zeit gegeben worden waren, wo man in Graz keine Dicasterien,
keine landschaftlichen und Regierungsbeamten fand, die selbst ver-
— 104 —
23. ist es ein Unfug, wenn die Stadtsoldaten bei den
Stadtthoren von den hereinfahrenden Wägen mit Brennholz
mehrere Scheiter und von Ziegclfuhren sogar auch Ziegel.
gleichsam als einen NaturalzoII, abfordern und sich aneignen,
und ist daher vom Magistrate alsbald zu verbieten.
Diese kaiserliche Resolution (die jedoch noch einige
strittige Puncto unerledigt Hess) wurde am 28. März 1665
im Original durch die Ausschussmitglieder Hans Fritz und
Michael Lueff erhoben und den 8. Mai desselben Jahres im
Beisein der BQrgerschalt durch den Stadtschreiber Jacob
Codrus in der Rathsstube verlesen.
Wiewohl ersichtlicher Weise die Regierung den besten
Willen hatte, durch diese Verfügungen allen Missst&nden ein
Ende zu machen, den Magistrat und die Bürgerschaft mit
einander zu versöhnen und dahin zu bringen, dass sie in bester
Eintracht zur Hebung des Gemeinwesens zusammenwirken
und die städtische Wirthschaft in besseren Flor zu bringen;
so gelang ihr diess doch nicht. Die meisten misslichen Zu-
stände blieben in ihrem alten Wesen, der Magistrat selbst
schaltete und waltete, als wäre ihm gar keine bestimmte
Regel und Richtschnur vorgeschrieben worden und sonderbarer
Weise sah auch die Regierung diesem Treiben fbr gewöhnlich
ruhig und gleichmüthig zu.
So kam es denn, dass nach einzelnen ruckweise gege-
benen Anstössen zur Wiederaufstellung von wirthschafUichen
Commissionen (1700, 1706, 1711, 1722) im Jahre 1723 eine
solche Commission in Schilderung der tlblen Lage der Stadt
erklärte, so könnte die Sache nicht mehr belassen werdeo.
denn ,so ist wahrhaftig das praecipiüum zum Untergänge
schon geöffnet und genügt ein einziger Ungltlcksstoss, um das
ganze Gebäude des gemeinen Wesens auf einmal höchst be-
dauerlich Über den Haufen fallen zu machen^.
Leider kam auch diese Commission mit keiner Heilung
der ererbten Uebel in der städtischen Wirthschaft zu Stande,
Btändlich in gleicher Weise, wie die StadtbOrger, ein Anrecht auf
billigen Einkauf hatten.
— 105 —
und es ist unglaublich, aber wahr, dass aus der Resolution
des Kaisers Karl VI. vom Jahre 1733,*^) die sich in 60 Puncten
über alle Verhältnisse der städtischen Verwaltung erstreckt,
unzweifelhaft zu ersehen ist, dass sich die meisten im Jahre 1660
kritisirten und als unstatthaft erklärten Zustände bis in diese
Zeit fortgeschleppt und fast ungeändert erhalten hatten.
"*) Karl VI. Resolution bringt als Besserungsmittel für den wirth-
Bchaftlichen Zustand der Stadt Qraz nachstehende Rathschlägc:
„Natürliche Mittel einer Stadt aufzuhelfen bestehen in dem,
dass die BQrger selbst sich allerhand Handwerkskünsten und derer
Perfectionirnng befleissigen, sodann damit dermassen hantieren,
dass nicht allein das in der Stadt einmal befindliche Geld darin
erhalten, sondern auch noch mehreres Geld gegen allerhand gute
verfertigte Waren vom eigenen Land und von der Fremde hinein-
gezogen werde, als hat der Magistrat, die bestellte kaisei-l. Gom-
missiou und die Regierung selbst ob mehrere Einfuhr-excolir- und
Emporbringung aller zur menschlichen Nothdürften erforderlichen
Handwerkern eifrig zu dringen und inständig zu halten ; zu solchen
Ende dann seind aus dem magistratlichen Mittel selbst besondere
dem Werk gewachsene Männer zu benennen, welche auf sothane
Beförderung der Handwerker stets fort besonders invigiliren, denen
Meistern zusprechen, dass sie selbsten sich der Arbeit und fleissiger
Obsicht annehmen, damit solche auf das beste gerichtet und hernach
umb ein leidentliches, oder mit einem billigen Gewinn verkauft,
mithin die Kaufer zu Öfterem Kaufe veranleitet werden; besonders
sind jene Handwerker so bald als möglich in die Stadt zu bringen,
woran es bis dato sehr gebricht und deren Ermanglung halber
stets so viel Geld hinausgehet, e. g. die Tuchmacherei ; massen
solange diese nicht nach Nothdurft in der Stadt verlegt wird, die
Tnchkrammer das einheimische Geld gegen das einführende fremde
Tuch stets aus der Stadt und aus dem Lande führen werden,
welches die Burgerschaft selbst verdienen und erhalten könnte und
sollte. Desfalls auch der Burgerschaft die Ueppigkeit in Mahlzeiten
über ihr Einkommen, in Spaziergängen zur Arbeitszeit und in
Kleidung von auswärtigem Gewand, Spitzen oder dergleichen zu
massigen ist.
unterdessen wird der Magistrat, wenn anders die Vorsteher
ernstlich wollen, auch dem Publice (öff. Wesen) mit dem eine Er-
sparung zu bringen, dass nemblich die Passiv- Capitalien (so der-
malen k 6 pr. Cento liegen) auf 5 pr. Cento reducirt werden."
Erzherzog Johann und das Joanneums-
Archiv.
Yoa
Dr. Emil Kümmel, st. 1. Archivbeamter.
W ie der Wanderer hie und da gerne auf die zurQck-
gelegten Strecken zurückblickt, um mit dem Gefühle der
Befriedigung zugleich einen Antrieb zu fernerer Wanderung
zu erhalten, so möge es dem Historiker gegönnt sein, zu
gewissen Zeiten Rückschau zu halten über die bisherigen
Leistungen der heimischen Historiographie und nachzuspüren
den jeweiligen Lebensbedingungen derselben. Oft spriesst aus
solchen Erwägungen ein glücklicher Gedanke empor, nutz-
bringend für Gegenwart und Zukunft.
Drei Werke gibt es in der steirischen Geschichtsliteratur,
an denen vor Allem der Blick des Forschers haften bleibt:
C a e 8 a r's Annales ducatusStyriae(1768 — 1777), Schmutzes
historisch- topographisches Lexikon und Muchar*s Geschichte
des Herzogthums Steiermark. Die Annalen Caesar's ersetzen
für Steiermark einigermassen das, was Erain und Kärnten
schon längst mit Valvasor hatten. Wenn man sie mit Posch's
Chronologia s. ducatus Styriae (1715—20 erschienen) oder
mit der bei Gelegenheit der Erbhuldigung Kaiser Kari's VI.
im Jahre 1728 veröffentlichten Historia ducum Styriae ver-
gleicht, so muss man anerkennen, dass Caesar die Beiden
weit überflügelt hat. Die stete Bezugnahme desselben auf die
ihm zur Verfügung gestandenen und hier theilweise abge-
" 107 —
druckten Quellen und die daran geübte Kritik haben seinem
Werke einen unvergänglichen Werth gesichert. Aber mit
welchen Mitteln hatte Caesar gearbeitet! Ausser den zwei
Theilen der Diplomataria s. ducat. Styr. (1756) mit ihren
überaus fehlerhaften Urkundenabdrucken, der erwähnten Chrono-
logia von Pusch und emigen unbedeutenden Jesuiten-Disser-
tationen war fast ausschliesslich das Elosterarchiv von Voran
seine Hauptquelle. Bei einem so dürftigen Apparate ist es
demnach kein Wunder, wenn manchmal sein Gesichtskreis
sich verengte, und der nach Klarheit strebende Forscher
unbewusst in Irrthümer sich verwickelte und manches schon
Richtiggestellte von Neuem wieder verwirrte. Treffend wurde
der Stand der geschichtlichen Literatur über Steiermark im
Jahre 1811 mit folgenden Worten gekennzeichnet: ^Noch
immer haben wir keine kritische, noch viel weniger eine
philosophische Geschichte Innerösterreichs. Tiefes Dunkel hängt
schwer über jene Zeiten, wo die Mark Steyer und das karan-
tanische Herzogthum unter den deutschen Reichsprovinzen, in
vielfachen Verwicklungen mit Ungarn und Italien auftraten.
Die rühmlichen Bemühungen der beiden Petze, Coronin^s,
Fröhliches sind leider nur diplomatische Bruchstücke. Megiser
und Yalvasor — Stapelörter längst ausgemerzter Fabeln und
Aberglaubens — , den Annalen des Vorauer Chorherm Jul.
Aqu. Caesar — gebricht es ganz an jenem Geiste, durch den
allein die Geschichte die Lehrerin aller Zeiten, und etwas
mehr ist, als ein blosses Bepertorium von Namen und Zahlen
und unnützen Streitfragen. Unleugbar also, dass uns noch gar
sehr Vieles zu thun übrig geblieben ist"
Diese Kritik finden wir in einer — Gurrende vom 10. Sep-
tember 1811, worin sämmtliche Werbbezirke von Steiermark
und Kärnten aufgefordert werden, zur Förderung der Vater-
landskunde durch Einsendung von Archivalien an das neu
gegründete Landesmuseum in Graz beizutragen. Da in dieser
Note ein ganz neuer Gedanke mit der Sprache der Begeisterung
zum Ausdrucke gelangte, wodurch zugleich der erste Anstoss
zur Bildung des Joanneums-Archives gegeben ward, und da
— 108 —
eben bezQglich des letzteren das erste uns bekannte Programm
darin enthalten ist, so dürfte es geboten sein, zur Orientimog
über diese ganze Frage auch die Schlusssätze der Currende
hier zu reproduciren : „Sammeln ist zum hohen Ziele der
erste Schritt. Sandkorn für Sandkorn, Stein ftlr Stein machen
den stolzen Bau. In den Archiven der Klöster, der Städte,
der Herrschaften, der adehgen Familien, in Bibliotheken liegen
sonder Zweifel sehr viele noch ganz unbekannte Urkunden,
Correspondenzen, Acten. Diese der Vergessenheit zu entreissen
ist ein rühmlicher Zweck, ein ehrenvoller Auftrag. Es werden
sonach hiermit sämmtliche Stifter und Klöster, P&rreien,
Magistrate, Werbbezirke, Ortsgerichte, Gutsbesitzer und Insassen
aufgefordert, was sie von Urkunden, Archival-Acten, geschicht-
lichen Nachrichten, wichtigen Correspondenzen in Staats-
angelegenheiten etc besitzen, abschriftlich an ihr vor-
gesetztes Kreisamt einzusenden. Alles soll in das Landes-
Museum gebracht, geordnet, daraus sodann im Verein nait
der vollständigen Sammlung aller gedruckten Werke über
Innerösterreich eine Geschichte dieser Lande hergestellt werden,
von der Urzeit an auf die römische Eroberung, die Völker-
wanderungen, die slavisch-fränkischen Fehden, die Zeiten der
Herzoge und Markgrafen aus den Häusern Steyer, Mürzthal,
Sponheim, Görz; die Babenberger, der mächtige Ottokar, der
endlich die österreichischen Lande, Sieg und Leben Rudolphen
von Habsburg lassen müssen, wie Inner - Oesterreich unter
verschiedenen Linien durch Jahrhunderte mild und gerecht
beherrscht, endlich unter dem zweiten Ferdinand auf immer
mit dem Hauptstamm der Monarchie vereiniget worden und
unter mannigfaltigen Stürmen treu und fest gleich ihren
Bergen ausgeharrt: Alles dieses wird einst die Geschichte
wahr und warm schildern, zum ehrenden Andenken der Alt-
vordern, der Gegenwart und Zukunft zum Beispiele, zur War-
nung, zur Nacheiferung. — Dieses ist das Ziel Wer immer
den Boden, der ihn gebar und nährt, dankbar liebet, dem sein
Vaterland ist, was es Jedem sein soll, kann unmöglich die
geringe Mühe scheuen, dem Moder und der Vergessenheit
— 109 —
zu entreissen, was immer von Inner- Oesterreich erhalten und
fortgepflanzt zu werden verdient*^
Unterschrieben ist diese Gurrende von Erzherzog
Johann, dem Schöpfer des oberwähnten „Landes-Museums^*
Diese Enunciation ist, wie gesagt, der erste öffentliche Schritt
zur Ausführung einer Idee, mit welcher sich der Prinz schon
lange ernst und eingehend 'beschäftigt hatte. ^)
Als er den grossartigen, für Steiermark von weitreichenden
Folgen begleiteten Gedanken zur Gründung eines Bildungs-
Institutes grösseren Massstabes fasste und darüber in ver-
trauten Kreisen Rücksprache pflegte, da wurde auch nicht
vergessen , die Nothwendigkeit einer gründlichen Pflege der
historischen Vaterlandskunde zu betonen. Allem Anscheine
nach dürfte es besonders Josef Freiherr v. Hormayr — seit
3. April 1808 Director des k. k. Haus-, Hof- und Staats-
archives — gewesen sein, welcher mit dem ganzen Feuer
seiner Persönlichkeit für die angeregte Idee eintrat. Auch in
Steiermark gab es glücklicherweise einen Mann, welcher
*) Die folgende Arbeit beschäftigt sich einzig und allein mit der
Gründungsgeschichte und der ersten Entwicklung des Joanneums-
Archives. Es wurde daher so viel als möglich vermieden, die das
Joanneum im Allgemeinen betreffenden geschichtlichen Daten un-
nöthiger Weise hereinzubeziehen. Diese letzteren werden, seit dem
Vorhandensein der trefflichen Monographie Göth's „Das Joanneum
io Gratz geschichtlich dargestellt, Graz 1861", als bekannt voraus-
gesetzt. — Die hiezu benutzten Quellen sind: I. Die Aufschreibungen
£rzh. Johannas und die mit ihm hierüber geführte Correspondenz,
welche sich finden 1. im erzherzoglichen Archive selbst, welches dem
Verfasser Dank der Liberalität Sr. Excellenz des Herrn Grafen
Franz v. Meran offen stand, 2. im Steiermark. Landesarchive in der
Actensammlung „Joannea'', Fase. 33 und 34, und 3. in der von
Dr. A. Schlossar 1878 zu Wien bei BraumUller herausgegebenen
Sammlung von 117 Briefen des Erzherzogs Johann an J. R. von
Kalchberg ; II. die Acten der Custodie des Joanneums. — Bezüglich
der weiteren Geschichte des Joanneums-Archives und dessen Ver-
einigung mit dem landschaftlichen Archive zum „Steiermark. Landes-
archive" sei verwiesen auf J. Zahn : „Zur Geschichte des landschaftl.
Archivwesens in Steiermark^ im I. Jahresberichte des st Landes-
archives, Graz 1870, S. 27—45.
— 110 —
für das Project ein warmer und verständnissvoller Farsprecher
wurde — der Schriftsteller Johann Bitter v. Ealchberg, mit
welchem Erzherzog Johann längere Zeit hindurch correspon-
dirte. Der Staatsarchivar Hormayr musste natürlich der An-
sicht sein, dass eine gediegene Historiographie nicht möglich
sei, solange nicht eine geordnete Quellensammlung bestände;
ein Centralarchiv müsse geschaffen werden, worin die historisch
bedeutenden Urkunden und Acten aus den verschiedenen
Städten und Märkten, Burgen und Klöstern entweder im
Original oder in Abschrift deponirt würden. Auch was sich
ausserhalb des Landes befinde, müsse herbeigezogen werden.
In diesem Sinne legte er auch die im Staatsarchive befind-
lichen, auf Inner-Oesterreich bezüglichen Urkunden dem Erz-
herzoge vor. Mit rastlosem Eifer arbeitete nun der Prinz an
der Bealisirung seines Planes. Seinen Wiener Aufenthalt im
Jahre 1810 verwendete er dazu, die Hofbibliothek und das
Staatsarchiv durchzuarbeiten ; alles auf Steiermark und Kärnten
Bezügliche Hess er abschreiben. Zugleich wanderte er bei Händ-
lern herum und besuchte Licitationen, um „die alten Scri-
benten Oesterreichs "* zu sammeln. Zur selben Zeit ersuchte
er auch Kalchberg, die Acten des steirisch-ständischen Archives
durchzusehen und nach seinem Ermessen jene abschreiben zu
lassen, welche einem Geschichtschreiber nützlich sein können.
„In gleicher Absicht — schrieb am 27. Dec 1810 der Erz-
herzog an Kalchberg — werde ich dem Prälaten von Rein
schreiben, der in seinem Kloster manch' Schönes liegen hat:
was die Privat-Archive und jene der Städte betrifft, so ist
dieses ein Gegenstand, den ich künftiges Frühjahr durch Aus-
Sendung irgend eines Verständigen vorzunehmen gedenke.
Die ganze Sammlung will ich dann im Museum niederlegen,
damit, wenn einmal ein junger Mann sich über die Geschichte
seines Vaterlandes machet, er alles jene finde, was noch
bestehet. «
Auch der im obigen Briefe berührte Vorsatz, das Land
hinsichtlich seiner Archivalien bereisen zu lassen, wurde im
Auge behalten, und zwar hatte Kalchberg den Erzherzog
- 111 —
gleich von vorneherein auf jenen Mann aufmerksam gemacht,
welcher zu solchen Missionen am geeignetsten schien, auf
den ständischen Registraturs-A^juncten Josef Wartinger. Am
16. August 1811 erliess der Kreishauptmann zu Graz, Ant
Freih. v. Spiegelfeld, an sämmtliche Bezirks - Obrigkeiten,
Magistrate^ Dominien u. s w. folgendes Circulare : , Seine des
Erzherzogs Johann kaiserl. Hoheit haben verroög einem an
den unterzeichneten Kreishauptmann unmittelbar erlassenen
hohen Handschreiben dd. Wien vom 29. v. M., den Herrn
Professor und steyermärkisch - ständischen Archivar Joseph
Wartinger bestimmet, im Grätzer Kreis nicht nur das stän-
dische und städtische Archiv, sondern auch die Archive der
Magistrate und Dominien vom flachen Lande und nach Mög-
lichkeit auch die Privat-Archive fleissig durchzublicken und
zu sehen, ob sich daselbst bisher noch in geschichtlicher
Hinsicht für die Steyermark ungenützte Urkunden und
Schriften vorfinden. Sämmtliche Bezirks- Obrigkeiten, Magistrate,
Dominien und Jurisdizenten, sowie die Herren Pfarrer und
die Vorsteher geistlicher Gemeinden werden daher hievon zu
dem Ende in die Kenntniss gesetzet; damit dem gedachten
Herrn Joseph Wartinger bey seinen diessfälligen Unter-
suchungen nicht nur kein Hindemiss in den Weg geleget,
sondern demselben in diesem für die Steyermark so nütz-
lichen Unternehmen durch eigene Anhandlassungen allent-
halben hilfreiche Hand gebothen werde. Uebrigens wird zur
Erleichterung des Geschäftes wesentlich beytragen, wenn von
den Bezirks - Obrigkeiten , Magistraten, Dominien, Pfarren,
Stiftern, Klöstern u. s. w., bei denen sich Archive, alte Docu-
menta, Schriften oder Denkmäler vorfinden, die über die
Landesgeschichte einen Aufschluss geben können, hievon vor-
hinein die Anzeige hierher gemacht wird, um solche dem vor-
erwähnten Herrn Wartinger zum Leitfaden seiner diessfälligen
Geschäftsreise mittheilen zu können, daher auch diese Anzeigen
ehestens zuversichtlich erwartet werden."
Leider l^m es für den Augenblick nicht zu dieser
projectirten Archivsreise; wahrscheinlich wollte man vorerst
- 112 —
orientirende Erwiderungen abwarten, und wurden zur Be-
schleunigung derselben am 10. September und 28. October
1811 neuerliche Circularien ausgesendet Das Resultat der-
selben war jedoch gleich Null. Erst in der zweiten Sitzung
der Curatoren des Joanneums am 14. December 1811 konnte
Kalchberg von einem Erfolge berichten. Der Gubemialbeamte
Alois Ritter v. Leitner hatte 36 päpstliche, an den Hof zu
Graz gerichtete Originalbriefe ^) und einen gedruckten S^alender
von 1592 übergeben. Ebenderselbe war es auch, welcher den
2. und 3. Theil von StadFs ^hellglänzendem Ehrenspiegel'
abtrat, worüber Kalchberg in der dritten Curatorensitzung
am 21. December 1811 referirte. Diese Stücke bildeten den
Grundstock des Joanneums-Archives, indem die Sammlangen
des Erzherzogs erst später in's Joanneum gelangten. In einem
Briefe des Erzherzogs äusserte sich derselbe folgendermassen
über die historische Abtheilung des Museums: ;, Meine vorzüg-
lichste Aufmerksamkeit ist auf das Fach der Geschichte und
auf die Lesebibliothek gerichtet. Ersteres ist bis itzt äusserst
arm; im Museo sind erst einige Beyträge eingegangen, und
noch fehlen nebst denen im ganzen Lande zerstreut liegenden
Urkunden (die hoffentlich nach und nach einlangen werden)
die bereits über Innerösterreich gedruckten Geschichtsbücher
und jene der nachbarlichen Länder. Viele dieser besitze ich
selbst und werde sie nebst jenem ^), was ich bereits sammelte,
nach Graz bringen. Bis auf das Frühjahr lässt sich ihre Zahl
sehr vergrössem. Dadurch wird dann wenigstens das noth-
wendigste vorhanden seyn, wo ein wissbegieriger Leser nach-
schlagen kann."
Je bescheidener der Anfang, desto grösser war die Sorgfalt
die man für das Vorhandene verwendete. Am 28. December 1811
beantragte Kalchberg, dass es der Sicherheit wegen nicht
allein zweckmässig, sondern sogar höchst nothwendig sei, dass
') Zum ersten Male gedrackt 1880 in den „Steiermark. Greschichts-
blättem", I. Jhrgg. S. 69 flf.
>) Im Concepte stand: „nebst den Diplomen^; diess wurde aber ge-
strichen und durch Obiges ersetzt.
— 113 —
alle dem Museum übergebenen und geschenkten Manuscripte,
historischen Urkunden u. s. w. abgeschrieben und nur die
Abschriften zum Gebrauche verabreicht werden sollen. Dieser
Autrag wurde (möglicherweise mit Bücksicht auf die im
Wiener Staatsarchive über dessen Benützung bestehenden
Xormen) einstimmig acceptirt, und sofort auch die beiden
vorhandenen Bände Stadl's dem ständischen Expeditor zur
Besorgung einer Abschrift übergeben.
Einer der Ersten unter den Auswärtigen, welche sich
für die Sammlung von Archivalien ernstlich bethätigten, war
Franz v. Fradeneck, Kreishauptmann zu Klagenfurt Ueber
seine nächsten Erfolge in dieser Beziehung erstattete er am
11. Jänner 1812 an den Erzherzog folgenden Bericht: ;,In
Ansehung der zweyten gnädigsten Aufforderung Euerer kaiser-
lichen Hoheit zu Beiträgen für eine Geschichte Inneröster-
reichs habe ich dem steiermärkischen Landeshauptmann Grafen
v. Attems als ersten Gurator des Johanneums erst unter
3. (1. M. einen Auszug aus dem Steuerbuche der Stadt Villach
übersendet, welcher die merkwürdigsten Epochen dieser uralten
Stadt und das ebenso merkwürdige Testament des Grafen
V. Widmann gewesenen Bürgers von Villach und Nobile di
Venezia in sich enthält. Ich habe mich auch im vertrauten
Wege um ähnliche Beiträge vom Burgamt Villach, dann von
Millstadt und Amoldstein verwendet, ohne aber bis nun etwas
erhalten zu haben, daher ich meine Versuche erneuem werde.
Aus dem Klagenfurter Kreise ist an derlei alten Urkunden
wenig zu hoffen; schon für das Staatsarchiv sind die dies-
fälligen Nachsuchungen fruchtlos gebUeben. Die Archive der
Klöster und Stifter sind theils bei ihrer Aufhebung nicht
genug gewürdiget, theils in der Folge schon ausgemustert
worden; von den wenigen Privatdominien hingegen gehen
allenthalben die gleichen Berichte ein, dass sich in ihren un-
bedeutenden Schriftensammlungen (denn Archive lassen sie
sich nicht nennen) keine alten zweckmässigen Urkunden vor-
finden. Indessen werde ich nicht ablassen zu suchen und auch
den kleinsten Fund zu Euerer kaiserlichen Hoheit Füssen legen''.
Hittheil. dM Mut. Veraines f. Bieiennark, IXIX. Heft, 1881. 8
— 114 "
Einen nicht viel besseren Erfolg hatte vorläufig eine m
30. Jänner 1812 erlassene Aufforderung des Erzherzogs as
die Prälaten von Voran, Reun, St. Lambrecht und Admont
worin Jener ein förmliches Programm über die für vaterlän-
dische Geschichtszwecke zu entwickelnde Thätigkeit ansf&hrte:
„Nur Vereinigung der Kräfte kann hier durchdringen. Schon
die Sammlung der Materialien erfordert unverdrossenen Fleis&
Die Denkmale der Vorzeit richtig zu lesen und zu würdigen,
setzet der Vorkenntnisse manche voraus. Aber ein noch drin-
genderes Bedürfniss sind Männer, die sich der Geschichte
widmen und somit der Sammlung, und mit dem Verständnisse
der Urkunden zugleich auch ihre Anwendung zur Ausf&Ilaog
mancher Lücke in der vaterländischen Historie, zur Berichti-
gung manches eingewurzelten Irrthums, zu mancher neuen
Entdeckung in ihrer Gewalt haben. Wo könnten diese billiger
und zuverlässiger aufgesucht werden, als in der klösterlichen
Stille und Müsse, wo in BibUothek und Archiv die nöthigeo
historischen Subsidien fast immer mehr als zur Grenüge vor-
handen sind. Es muss selbst für den Bestand der Stifter die
besten Folgen haben, wenn man sieht, dass sie sich^s emstlicii
angelegen sein lassen, mit dem Geiste der Zeit fortzuschreiten.
,dass der Vorwurf ungerecht und hämisch sei : die Zeiten der
Bessel, der Petze, Klein, Rauch, Cäsar, etc. seien vorüber
und hätten einer gedankenlosen Ruhe oder blossen coDt^m-
plativen Studien Platz gemacht. Aber nicht allein, dass die
Bearbeitung vaterländischer Geschichten von der Congregation
S. Maure und von St Blasien bis nach Molk und Göttweili
stets eine den Klöstern gleichsam vorbehaltene Zierde war.
so ist es auch im Gebiete der Literatur, der Philosophie,
der Kunst — wieder nur die Historie, die alle andern An-
sichten in sich vereinigt Sie ist somit ohnehin auf jeden Fall
ein Hauptbildungszweig Ihrer jungen Leute. Der Wunsch.
den ich Ihnen hiermit ausdrücke^ ist ihrer Bestimmung eben
so verwandt als ehrenvoll, wenn gemeinnützige Früchte daraos
hervorgehen, und ruhmvoll für unsere innerösterreichischen
Klöster und ihre Vorsteher, wenn sie in itziger Periode
— 115 —
darinnen als Beispiel hervorleuchten. Dieser Wunsch ist nämlich,
dass Sie einige Ihrer jüngeren Conventualen, die nicht zu
anderen Functionen nöthig sind und Liebe und einige Vor-
kenntnisse dazu zeigen, vorzugsweise der Geschichte überhaupt,
vorzüglich aber der vaterländischen weihen möchten. Sie
können dann die Materialien ordnen, benützen, etwa vor-
handene schon frühere Arbeiten feilen und fortsetzen, dem
Museum und dadurch dem Vaterlande einen sehr wichtigen
Dienst leisten. Was Ihnen in gleicher Ansicht von Seite des
Herrn Gouverneurs zukommen wird, ist mit mir concertirt
Vornehmlich ersuche ich Sie zuvörderst um baldige und
erschöpfende Beantwortung folgender Fragen: 1. Ob eine
ungednickte Chronik Ihres Stiftes oder vielleicht der ganzen
Provinz oder andere historische Elucubrationen ehemaliger
Mitglieder vorhanden seyn? 2. Ob Ihr Stift einen codicem
traditionum besitze und zwar richtig abgeschrieben oder nur
im Original? 3. Welche Ihrer Documente über das Jahr 1300
hinaufreichen? Ob Sie überhaupt ein chronologisches Ver-
zeichniss über ihr Archiv und von den vorhandenen Urkunden
oder doch von den meisten und vorzüglichsten verlässige
Copien haben? 4. Vorzüglich wichtig sind die Urkunden,
genealogischen Nachrichten und andern Denkmale aus der
Zeit der Ottokare und Leopolde Markgrafen von Steyer und
der noch früheren oder gleichzeitigen kämthnerischen Herzoge.
Auf diese wollen Sie ein ganz vorzügliches Augenmerk richten
und mir darüber sowie überhaupt über den Gegenstand dieser
Zuschrift und über die Mittel zur Förderung des gemeinsamen
vaterländischen Zweckes Ihre Ansichten gefälligst mittheilen,
den wir Alle mit gleichem Eifer umfassen müssen^.
Im Zusammenhange mit den in dieser Einladung und in
jener ersterwähnten Gurrende von 1811 ausgesprochenen
Wünschen des Erzherzogs stehen die vier Preisfragen, welche
derselbe zu Beginn des Jahres 1812 ausschrieb und die —
trotzdem sie nicht vollständig gelöst wurden und auch nicht
gelöst werden konnten, solange das hiezu erforderliche Ur-
kundenmateriale nicht gesammelt war — ohne Zweifel sehr
8*
— 116 —
glQcklich gewählt waren, um eben die aOgemeine AnüoDerk-
samkeit darauf zu lenken, wie sehr es zur Ermöglichmig einer
gründlichen Landesgeschichtschreibung geboten sei, die in:
Lande zerstreuten Archivalien zu concentriren. Aber noch
musste eine geraume Zeit verstreichen, ehe sich diese richtige
Einsicht verallgemeinerte. Der am 18. März 1812 an des
Erzherzog erstattete Curatorenbericht meldet noch immer
keinen positiven Erfolg und enthält nur fromme WQnsche:
„Man hat unter Maria Theresiens und Joseph's Regierung
aus den ständischen Archiven und den Bibliotheken der
Klöster fast alle merkwürdigen Urkunden weggenommen und
nach Wien überschickt. Von diesen dem Vaterlande ^^
raubten Heiligthümem wenigstens getreue Copien wieder b
erhalten, ist der sehnlichste Wunsch aller Patrioten Steyer-
marks; allein die Erfüllung desselben kann nur durch Sr
kaiserlichen Hoheit Gnade geschehen, da Höchstdenselbeo
der Zutritt zu alP diesen verborgenen Quellen offen st^ht
Von der guten Gesinnung der Steyermärker ist andererseits
zu erwarten, dass sie dasjenige, was sie noch an historischen
Schätzen besitzen, dem Institute gerne überlassen werden
Die Anschaffung jener altem gedruckten historischen Werke.
aus denen die neueren Geschichtschreiber schöpfen müssen,
unterliegt ohnehin keiner grossen Beschwerde, sondern fordert
nur Zeit sie allgemach aufzufinden".
An der hier erbetenen Unterstützung liess es der Erzhenog
auch wirklich nicht fehlen. „Für die Sammlung geschichtlicher
Urkunden bin ich hier nicht müssig, ich fand manches
Schönes", schrieb er aus Wien an Kalchberg. „Im historischeu
Fache habe ich bey vierzig Werke bereits vorräthig, welche
die innerösterreichische, illyrische, ungarische, deutsche Ge-
schichte betreffen, eben so eine Anzahl Diplome und Maou-
Scripte". Und in einem dritten Schreiben aus Wien berichtete
er mit sichtlicher Freude: „An historischen Quellen erhalte
ich hier so manch gute, so z. B. Herrgotts vortreffliches
Werk, die Scriptores rerum Italicarum des Muratori, die
beste Sammlung über italienische Geschichte, alle auf Inner-
— 117 —
Österreich bezugnehmenden Urkunden aus dem Hausarchive,
die Diplome aus der Hofbibliothek und die dortigen Manu-
Scripte, von welchen zwei Cillyer Chroniken bereits abgeschrieben
sind.'' Dank dieser energischen BethUtigung konnte der Prinz
am Schlüsse des Jahres 1812 mit Befriedigung die Früchte
derselben überblicken: ;;Ein volles Jahr ist nun verflossen,
seit das innerösterreiche National-Museum, dem die dortigen
Herrn Stände meinen als des Stifters Namen beilegten, seinen
Anfang genommen hat. — Binnen dem kurzen Zeitverlaufe
haben sich hier einige tausend für die Provinz Innerösterreich
in mehrfacher Beziehung hochwichtiger Urkunden zusammen-
gefunden, theils aus den reichen Schätzen des kaiserlichen
geheimen Staatsarchives in Wien, theils aus den ständischen,
bischöflichen, städtischen^ montanistischen und Privatarchiven.
Dazu habe ich überall viele Bereitwilligkeit und nur an wenigen
Orten Zweifel und eine dem Geiste der Zeit ganz und gar
nicht mehr zusagende Schüchternheit gefunden, die oftmals
dem Einzelnen oder dem Ganzen nach Umständen überaus
wichtige Papiere lieber dem Moder und der Vergessenheit
als gemeinnützigem Gebrauche überliefern will. Es ist um
so Wünschenswerther, dass das Joanneum ein allgemeines
Depot der wichtigsten Urkunden und Besitztitel des Landes
nicht nur, sondern auch der Corporationen und Privaten werde,
je häufiger die Beispiele sind, dass feindliche Invasionen,
Feuersbrünste, Ueberschwemmungen, andere Elementar-UnfäUe
und Sorglosigkeit vielen geistlichen und weltlichen Körper-
schaften, vielen Familien ihre wichtigsten Auskunfts- und
Besitztitel entrissen haben '^. Darüber seien alle Besitzer mög-
lichst aufzuklären und dieselben zu ermahnen, ihre Adels-
diplome, Lehensbriefe, Stammbäume u. s. w. in beglaubigten
Abschriften zu deponiren und sich so durch diese Verdopp-
lung auch vor jeder Verlustesgefahr doppelt sicher zu stellen.
In welcher Weise der Prinz die Einlieferung von Ar-
chivalien und deren Bearbeitung arrangirt haben wollte, geht
um deutlichsten aus einer Zuschrift an die Stände vom
16. November 1813 hervor: „Unmögüch kann jemals eine
— 118 —
Geschichte des Landes verfasst werden, wenn nicht alle Ma-
terialien gesammelt sind. Und diese liegen zerstreut, fbr die
Nachkommenschaft verloren, wenn sie nicht jetzt henrorge-
zogen und gerettet werden. Dieses Ifisst sich nur dadurch
erreichen, wenn alle im Land zerstreut liegenden Urkunden
und Handschriften an das Institut eingesendet werden. Dort
werden selbe geordnet, gelesen, abgeschrieben und dann den
Besitzern zurückgestellt. Diesen soll es freygestellt bleiben,
das Original zurückzunehmen oder solches im InstitaU-
Archive gegen einen Empfangsschein, welcher ihm das Eigen-
thums- und Zurücknahmsrecht vorbehftlt — zu lassen und
sich mit einer vidimirten Abschrift zu begnügen. Letztere
werden ihnen auch den Gebrauch erleichtem, indem sich
wenige finden werden, die alte Schriften zu lesen im Stande
sind. So allein können oft sehr wichtige Familien-Documente
vor Verlust, Verderben, Feuer geschützt werden. So allein
können Familien schnell und leicht Aufschlüsse über Alles
finden, was sonst so manche fruchtlos suchet, so das Andenken an
manches Haus, an manche That der Vorfahren erhalten werden.
Ich hoffe mit Zuversicht, dass dieser mein Antrag beheiziget
keinen Schwierigkeiten unterliegen wird. Zu aufgeklärt sind
alle, um nicht das Wohlthätige und nützliche davon einzu-
sehen. Zu sehr liebt jeder sein Vaterland, um nicht
den Wunsch einer baldigen Geschichte desselben realisirt
zu sehen. Ich rechne auf die Bereitwilligkeit der Stifte,
Herren, Besitzer, Städte und Märkte. Erstere, welche so
herrliche Archive besitzen, werden gewiss mit dem Beyspiele
vorangehen, und ich hoffe bald die Folgen durch reichlich
eingehende Beyträge zu sehen. Bereits haben schon einige
die Bahn gebrochen; so Graf Stadl durch die Ueberreichnng
seines steyermärkischen Herrenspiegel, so die Magistrate
von MürzzuscUag und Eindberg durch die Einsendung des
Verzeichnisses jener Urkunden, die sie besitzen.**
Die zuletzt erwähnte Uebergabe des Stadl'schen Ehren-
spiegels war bereits im Jänner des Jahres 1813 erfolgt und
bildete einen würdigen Pendant zu der Abtretung einer Beihe
— 119 -
von Urkunden aus dem Familien-Archive der Gräfin Christine
V. Wildenstein. Ebenso bekundete das Stift St Lambrecht
ein werkthätiges Interesse. Aber auch aus Klagenfurt wurden
Beiträge (Urkundenabschriften u. s. w.) eingesendet, und ein
ganz besonderes werthvolles Geschenk machte Dr. Joh. Jenuli
in Elagenfurt, welcher am 3. September 1813 die vielbe-
sprochene Schenkungsurkunde Königs Karlmann vom 9. Sep-
tember 977 überschickte, bis jetzt noch die älteste
Originalurkunde im Steiermark. Landes- Archive. „Die
Arbeiten des Joanneums gehen ihren erwünschten Gang fort —
schrieb am 24. Februar 1813 der Erzherzog an den Kreis-
hauptmann in Cilli, Grafen Auersperg — ; die historisch-
archivaliBche Ausbeute ist ganz besonders bedeutend. Dieses
Frühjahr und diesen Sommer werden sich meine Bemühungen
ganz vorzüglich auf Untersteier und auf Kärnten richten.''
Andererseits wieder richteten die Curatoren Ersuchschreiben
an den Oberverwalter der fürstlich Schwarzenberg'schen
Herrschaft Murau und an Sigm. Frh. v. Königsbrunn, als
Eigenthümer der Herrschaft Liechtenstein. Um die Angelegen-
heit in noch besseren Fluss zu bringen, trug der ständische
Ausschuss die Archivsfrage im December 1813 dem Landtage
vor, und wurde auf diesem wirklich beschlossen, Auffor-
derungen ergehen zu lassen: 1. an sämmtliche Dominien und
Magistrate im Herzogthume Steiermark; 2. an die k. k. fünf
Kreisämter; 3. an die k. k. Domänen- Administration in Steier-
mark und Kärnten; 4. an die Prälaten von Renn, St. Lambrecht,
Admont und Voran.
Mit welcher Ungeduld Prinz Johann die Vorgänge am
Joanneum beobachtete, beweist die Erwiderung auf einen Brief
Kalchberg's. Dieser hatte (25. December 1813) den Erzherzog
erinnert, dass Fürst Schwarzenberg zu Murau ein sehr
interessantes Archiv habe; „eine unmittelbare Aufforderung
von E. k. Hoheit könnte ihn zur Herausgabe der unbenutzten
Urkunden bestimmen". Die Antwort hierauf lautete: „Mürz-
zuschlag und Kindberg haben geliefert; Leoben, Brück gaben,
was sie haben, die Staatsherrschaften, die Gewerke ebenfalls ;
— 120 —
es sind nur noch die Klöster und die Privathenren, — letztere
gar, die ihre Geheimnisse (oh bone deus !) lieber den Mäusen
und Ratten anvertrauen als dem Landes- Archiv ; vielleicht
ftirchten sie sich, dass eine Parallele zwischen ihnen und ihreD
kernhaften Voreltern gezogen, nicht sehr günstig ausfallen
möchte. Ich gedenke, dieses Frühjahr in jedem Kreise eraen
durch das Kreisamt und mich bestimmten CSommissär herum-
wandern zu lassen, der die Papiere durchsuchen wird. An
Fürst Schwarzenberg und Graf Stubenberg schreibe ich.* Ein
Monat später (23. Februar 1814) berichtete der Erzherzivg
schon: „Mit dem Fürsten Schwarzenberg habe ich gesprochen,
er versprach mir alles zu geben, was er hat; da hoffe ich.
da das Archiv in Ordnung ist, manches zu erhalten.* — Die
Anspielung auf den Grafen Stubenberg bezog sich aui
das Stubenberg'sche Schlossarchiv zu Wieden, auf welches
Kalchberg den Erzherzog aufmerksam gemacht hatte. Bei
dieser Gelegenheit brachte Jener von neuem wieder Archivs-
bereisungen in Anregung, welche bekanntlich schon 1811 an-
gekündigt waren. So schrieb er am 4. April 1814 in dieser
Beziehung an den Erzherzog: „Der arme, immer kränkelnde
Wartinger, der so sehr einer Aufmunterung bedarf, wird völlig
blind von dem ewigen Lesen alter Urkunden. Ich wünschte
ihn — welches zugleich eine kleine Lustreise wäre — auf
Wieden schicken zu dürfen, weil mir Graf Stubenberg sagen
Hess, er habe viele alte Urkunden, die er nicht lesen könne,
er wisse also nicht, was er zu schicken habe." Und schon
früher einmal (17. Februar 1814) hatte Kalchberg gemeint:
^Das beste Mittel, Urkunden zu erhalten, dürfte wohl sein,
die vorzüglichsten Archive des Landes zu erforschen, dann
dem Eigenthümer zuzuschreiben, und wenn man von ihm die
Zusage der Herausgabe erhält, den Wartinger abzusenden,
dass er selbst auswähle und mitnehme. Derley Zuschrifteo
werden aber nur von E. k. Hoheit selbst erlassen einen
Erfolg haben." Aehnlich drückte sich derselbe in seinem
ämtlichen Gutachten vom 8. März 1814 aus^ worin sich einige
treffende Bemerkungen finden, wie z. B.: „Die Menschen, an
~ 121 —
die man sich wenden muss, haben entweder keinen guten
Willen oder sind zu gleichgültig, oder zu unwissend. Der
letzte Fall ist der gemeinste, und viele würden gerne geben,
Nvas sie haben, aber sie wissen selbst nicht, dass sie etwas
Merkwürdiges besitzen. Ganze Archive nach Grätz zu über-
senden, ist ebenfalls zu beschwerlich. Es bleibt also nur der
Weg übrig, sich unter der Hand zu erkundigen, wo sich
etwas befinde und dann — nach erhaltener Einwilligung des
Eigenthümers, Jemand abzuordnen, der selbst die Besichtigung
und Auswahl vornimmt Wo grössere Archive bestehen, die,
wie zu Admont und Murau, Repertorien haben, kann freilich
schon durch die Einsendung der letzteren vieles erörtert
werden und aus ihnen die Wahl geschehen."
Mit dem Projecte der Archivbereisungen zeigte sich der
Erherzog vollkommen einverstanden. ^Wartinger soll nach
Kapfenberg und den Orten gesendet werden, wo etwas zu
finden ist, es gibt manch' alte Pfarren, die so etwas haben ^
— schrieb er an Kalcliberg (14. April 1814), und dann, als
Kalchberg (21. Juni 1814) von dem günstigen Erfolge War-
tinger's auf dem Schlosse Wieden berichtete und zugleich neue
Vorschläge erstattete, erwiderte er (25. Juni 1814): j,Ich
hatte nie gezweifelt, dass das Stubenbergische Archiv Ausbeute
geben würde. Wartinger soll alles abschreiben lassen und
wenn es nothwendig wird, dahin zurückkehren. Soll im Mürz-
thal nichts anderes zu finden sein ? Hat Aflenz nichts ? Ist
bey dieser Pfarre und bey mehreren noch alten nichts mehr
zu finden? Den Prälaten von Rein werde ich anreden, mir
scheinet, ihm wäre das liebste, wenn Wartinger zu ihm hinauf
gienge und dort die Auswahl träfe. Die Schlösser Trautenfels,
Steinach, das Salzamt zu Aussee, Wolkenstein und Admont
haben noch vieles. Nicht zu vernachlässigen sind die Pfarren ;
ich fand bey manchen schöne brauchbare Behelfe zur Geschichte.
Wartinger muss reisen, sonst gehet es nicht. ^ Später einmal
(26. Februar 1816, aus London) bestimmte der Erzherzog
den Reiseplan Wartinger's noch genauer: i,Hat Wartinger
vorigen Sommer und Herbst gesammelt? Diess ist höchst
— 122 —
wichtig, aber gut wäre es, wenn er darin gleichiuassig vor-
ginge, nemlich Gegend vor Gregend, Ort vor Ort** — Bezüg-
lich des Reuner Archivs hatte Ealcbberg folgenden höchst
beachtenswerthen Vorschlag gemacht: „Das Stift Rein hat m
4 grossen Bänden eine Abschrift aller seiner Urkunden bis
1600. Da das Stift die Originalien besizt so kOnnte es uns
leicht diese Abschriften überlassen oder wenigstens erlauben,
dass wir diese 4 Bände ftlr uns abschreiben dürften. Ich bitte
£. k. Hoheit hierüber mit dem Prälaten zu sprechen, der uns
auch die Wildenstemischen Documente überlassen könnte.
Der Prälat zeigt sich zuweilen gefällig, aber seine Entschlüsse
sind veränderlich.^
Bereitwilliger zeigte sich der Abt von St Lambrecht
der am 23. Februar 1814 auf die erhaltene Einladung zur
Uebersendung der merkwürdigsten Documente und Urkunden
erwiederte, dass von Seite seines Stiftes schon das Mögliche
zur Bereicherung des Joanneums geschehen sei, und selbes
nicht unterlassen werde^ künftig entdeckte Merkwürdigkeiten
dem Institute bereitwilligst mitzutheilen. Einen entschieden
günstigen Erfolg boten die Bemühungen um die Stubenberger
Archive. Am 1. Juli 1814 berichtet Kalchberg dem Erzherzoge,
dass Karl Herr v. Stubenberg seine Origmalurkunden mit Vor-
behalt des Eigenthurosrechtes abgetreten habe, dass WarUnger
nochmals nach Wieden geschickt werde und dass dieser dann
auch nach Aflenz gehen wolle. Zugleich bittet Kalchberg, der
Erzherzog möge den Fürsten Schwarzenberg bewegen, das zu
Murau befindliche Archivsrepertorium an die Curatoren einzu-
senden und die Urkunden zum Abschreiben zu yerabfolgen;
auch wäre es gut, wenn Warünger nach Murau ginge, da auch
der dortige Magistrat Urkunden habe. Der Erzherzog möge
sich vom Reuner Abte bestimmte Versprechen geben lassen.
Admont habe sein Repertorium eingesendet, doch meine War-
tinger, die Einsicht der Urkunden selbst wäre trotzdem noth-
wendig; somit sollte Wartinger auch nach Admont geschickt
werden. — Mit diesen Propositionen zeigte sich aber der
ICrzberzog nicht ganz einverstanden. „Was Murau und Rein
— 123 —
betrifft,* schrieb er am 6. Juli zurück, „werde ich besorgen,
Wartinger soll sich mit jenen Archiven und zerstreuten Ur-
kunden bey Dominien, Familien und Pfarren beschäftigen,
welche in Unordnung unbekannt liegen, die in den Stiftern
und in den grösseren geordneten Archiven sind immer zu
zu haben.'' Auf das hin meldete Ealchberg am 3. August 1814:
«AVartinger ist wieder im Mürzthale, um Urkunden zu sammeln.
Wir wollen auch zusammen eine Reise nach Deutschlandsberg
machen, wo sich riele von Salzburg angekommene Urkunden
befinden.''
Diese Archivsfahrten Wartinger's waren allerdings meisten-
theils von gutem Erfolge begleitet, doch traf ihn doch hie und
da so mancher misstrauische Blick, welcher den ausserordent-
lich sensitiven Mann oft bitter kränkte. Um derartigen Ver-
legenheiten für die Zukunft vorzubeugen, ersuchte Kalchberg
am 25. Jänner 1815 den Erzherzog, für Wartinger ein Creditive
auszufertigen, wodurch dieser dann legitimirt erscheinen könne.
Erzherzog Johann anerkannte das Zweckmässige dieses Vorschla-
ges und übersendete schon nach vier Tagen an die Curatoren
behuä Einhändigung an Wartinger folgendes Creditive : „Schon
bey der ersten Gründung des Joanneums habe Ich die Absicht
ausgesprochen, dort auch eine Sammlung alter Urkunden, die
auf die Geschichte, Genealogie und alte Geographie der
Provinzen Inner - Oesterreichs Bezug haben, zu veranstalten,
damit dieselben vor der Zerstörung verwahrt werden, zur
Kenntniss des Geschichtsforschers gelangen und einst zur
Verfassung einer pragmatischen Geschichte dieser Länder
dienen können. Aus diesem Grunde wurden bereits von Mir
und von den Curatoren des Institutes mehrere allgemeine
Aufforderungen und specielle Zuschriften erlassen, solche Ur-
kunden an das letztere einzusenden, und wirklich bewiesen
manche Besitzer derselben hierin eine nachahmungswürdige
Bereitwilligkeit Da jedoch die Erfahrung zeigte, dass manche
Archive zu reichhaltig sind, um ganz übersendet zu werden,
dass dne selbst zu treffende Auswahl für die Eigenthümer
derselben zu schwer ist, dass so mancher Besitzer auch ein-
— 124 —
zelner Documente deren wissenschaftlichen Worth selbst nicht
zu beurtbeilen vermag : so finde Ich es für nothwendig, einen
mit den erforderlichen Kenntnissen versehenen Mann die
Auswahl und Sammlung solcher Urkunden fbr das Joanneum
anzuvertrauen. Indem Ich nun diessfalls in den ständischen
Archivar Herrn Joseph Wartinger Mein volles Vertrauen setze,
so werden alle Adeligen, Güterbesitzer, Magistrate, Abteyen,
Klöster, Dechanteyen und Pfarrvorsteher von Mir eingeladen,
demselben die Durchsuchung ihrer Archive oder Durchlesung
einzelner Urkunden zu gestatten, und sowohl seinen Worten«
als auch seinen Zuschriften volles Vertrauen zu schenken.
Sie können sich ganz auf seine gewissenhafte Treue, fbr
welche das Institut bürgt; verlassen, und es soll vollkonunen
in Ihrer Willkühr stehen, diejenigen Urkunden, welche er als
für das Joanneum geeignet erklärt, demselben entweder un-
bedingt zu überlassen, oder sich das Eigenthumsrecht vorzu-
behalten oder aber zu fordern, dass nach genommener Abschrift
das Original wieder zurückgeschickt werde. So wie auf die
genaue Erfüllung dieser Bedingungen mit Zuversicht gerechnet
werden kann, so rechne auch Ich darauf, dass die biederen
Bewohner Inner-Oesterreichs diese Aufforderung zu würdigen
und Mir ihre patriotische Bereitwilligkeit zu erproben nicht
unterlassen werden.''
Auch die steirische Landschaft stellte am 3. Februar 1815
ein ähnliches Beglaubigungsschreiben für Wartinger aus, worin
dieser bei allfälligen Reisen allen Besitzern von Archivalien
empfohlen wurde. — Diese beiden Beglaubigungsschreiben
bilden einen bezeichnenden Abschnitt für die Popularishrung
des jungen Institutes. Man gewann nun im Allgemeinen zu
demselben umsomehr Vertrauen, je mehr man sich überzeugte,
wie uneigennützig und solide man an demselben vorging.
Zudem waren ruhigere Zeiten in's Land gekommen, die all-
gemeine Aufregung schwand dahin, und man fand wieder
Interesse an friedlichen Bestrebungen. Vom Jahre 1815 an
gingen nach Laut der Jahresbericlite des Joanneums die Bei-
träge an dieses mit einer erfreulichen Begelmässigkeit ein.
— 125 —
und aueh Wartinger wurde auf seinen Archivsbereisungen noch
freundlicher als zuvor aufgenommen. So schrieb einmal Ealch-
berg (am 4. April 1815) an den Erzherzog: ^ Wartinger ist
von seiner Reise zurückgekehrt. Er wurde fast überall gut
aufgenommen, knüpfte manche nützliche Verbindungen an und
brachte wenige Urkunden, aber viele Versprechungen der
Uebersendung von Abschriften mit"; und dann wieder (am
23. Aug. d. J.): „ Wartinger ist durch zwei Monate in der
obem Steiermark herumgewandert, ging, um dem Institute
keine grossen Kosten zu verursachen, fast immer zu Fuss,
und war an manchen Orten, besonders zu St. Lambrecht sehr
glücklich. Viele Urkunden aus dem XIII., einige aus dem XII.
und eine aus dem X. Jahrhunderte! Auf seiner Reise erfuhr
er auch, dass die ältesten Urkunden der aufgehobenen Stifte
sich in Wien befinden, und glaubt, es wäre gut, Abschriften
derselben zu erhalten. Vor allem von Göss, welches die ältesten
Urkunden hatte." Diese letztere Entdeckung war allerdings
keine neue mehr. ,Was in Wien ist," antwortete der Erz-
herzog, „habe ich abgeschrieben, nach Gratz gesendet; sowohl
aus unserem Archive als auch aus der Bibliothek. Da ist
nichts mehr zu finden; jene von Göss liess ich abschreiben
und liegt eine Abschrift in der Liceal-Bibliothek in Gratz."
Damit hatte es mit dem blossen unausgesetzten Sammeln
vorläufig ein Ende; eine andere Frage von nicht minderer
Wichtigkeit trat nun für die nächste Zeit in den Vordergrund,
und zwar die, das Archiv zweckentsprechend einzurichten. Bis
zum Jahre 1816 bildete es einen Anhang zu der am Joanneum
bestehenden Leseanstalt. Der Umfang dieser letzteren wurde
vom Erzherzog folgendermassen bestimmt: „Sie wird sich, da
in Grätz ohnehin schon eine Bibliothek bestehet, ausser den
Büchern, die zu den Lehrfächern des Joanneums gehören ~
vorzüglich, nur auf 2 Gegenstände beschränken^ nemlich auf
das Fach der Geschichte und der mit ihr in Verbindung
stehenden Wissenschaften im weiteren Sinne, dann auf die
Haltung der besten in- und ausländischen Journale. Indem
der Mensch immer des Menschen wichtigstes Studium bleibt,
— 126 —
80 gewährt die Geschichte eine eben so nQtzliche als ange-
nehme LectQre, und damit auch der Freund der Vaterlands-
geschichte seine weiterstrebende Forschbegierde befriedigen
könne, soll mit dem historischen Fache eine Sammlung alter
Urkunden, die auf die vaterländische Geschichte Bezug haben,
insoweit sie nur immer aufzufinden sind, verbunden sem.'
Die unmittelbare Verwahrung und Instandhaltung der Archiva-
lien oblag dem Scriptor Kollmann, einem begabten, aber derlei
inferioren Gegenständen gegenüber durchaus nicht begeisterten
Manne, lieber den Zustand des Ärchives unter seiner Ver-
waltung finden wir nur folgende kurze Notiz von seiner Hand aus
dem Jahre 1816: «Das Archiv verdankt der Liberalität des
Herrn Carl Schmutz 40 grosse wohlgeschlossene, eigens ver-
fertigte gleiche Cartons, in welchen die 1097 Stücke Stuben-
bergischen Urkunden und auch die Wildensteinischen aufbewahrt
werden. Von dem Wartingerischen, blos in der zufälligen Reihe
des Vorfindens entworfenen Verzeichnisse ist ein zweites chrono-
logisches der Stubenbergischen Urkunden verfasst worden.'
Je weiter die Sammlungen des Joanneums an Umfang
zunahmen, desto mehr stellte sich aber das Bedürfhiss heraus,
das Archiv von der Leseanstalt zu trennen, und in einem
eigenen Locale unterzubringen. Schon im Jänner 1815 hatte
der Erzherzog in einem Schreiben an Kalchberg die Bemer-
kung gemacht: „Rücksichtlich des Platzes für das Archiv gehe
ich neuerdings die Curatoren an." Doch so lange Jener
abwesend blieb, geschah nichts; nach fast anderthalb Jahren
schrieb er abermals an Kalchberg über diese Angelegenheit:
„Neugierig bin ich zu sehen, ob Bibliothek, Journale, alles in
Ordnung ist und was das Archiv machet, da sollte denn doch
einmal ein Platz gefunden werden — es ist einer der wich-
tigsten Zweige des Institutes. Schreiben Sie mir nichts, was
dasselbe betrifft, da ich nächster Tage auf das. Land gehe
und alles mit eigenen Augen sehen will, wenn ich einen
Augenblick dazu finde, dann wollen wir mündlich recht auf-
richtig sprechen, um bey nunmehr dauerhaft scheinendem
Frieden das angefangene Werk zu vollenden/ Prinz Johann
— 127 —
war kein Freund des Aufschiebens; noch im selben Monate
(29. Mai 1816) schrieb er an die Curatoren, worin er ihnen
seine Zufriedenheit mit ihren bisherigen Einrichtungen kund
gab, zugleich aber auch Vorschläge für eine Neuaufstellung
der Antiquitäten und Archivalien machte, indem er auf das
Gerücht hinwies, dass die ständische Buchhaltung aus dem
Landhause in die Caseme in der Färbergasse übersiedeln
solle. In diese im Landhause gewonnenen leeren Räume könnte
dann die bisher im Joanneum befindlich gewesene Zeichnungs-
schule einziehen. ^Das Institut gewinnt dadurch die von ihr
und von dem Zeichenmeister besetzten Zimmer, davon wären
die zwei an der Hauptstiege, von welchen eines gewölbet ist,
für das geschichtliche Archiv einzuräumen, wo dann Wartinger
ungetrübet seine Arbeit fortsetzen und die besitzenden Ur-
kunden ordnen könnte. Die Zimmer gegen der Raubergasse
können zur Aufstellung der Alterthümer, Münzsammlung
(welche auch geordnet zu werden verdient), der alten Ge-
mählde verwendet werden. Die bestehenden römischen Denk-
mähler wären dann auf dem Gange und Stiege einzumauern
und aufzustellen.^
Wie ernst es Erzherzog Johann mit seinem Vorschlage
nahm, beweist folgende Bemerkung in einem Briefe an Kalch-
berg (v. 1. Aug. 1816): „Rücksichtlich der zwei Zimmer itlr
das Archiv, da ich wenigstens diese haben muss, gehe ich
officiell an die Curatoren." Und wirklich erhielten letztere schon
am 3. August nachstehende erzherzogliche Zuschrift: „Ich
habe den Herrn Curatoren über die Nothwendigkeit der Ein-
richtung des Instituts -Archivs Meine Ansichten mitgetheilt
überflüssig ist es daher, dass Ich Mich in weitere Erörterungen
dieses Gegenstandes einlasse. Nun bietet sich aber durch den
Todfall des Zeichenmeisters Marder die Gelegenheit dar, den
bisher vergebens gesuchten Raum für dieses Archiv zu finden,
wenn man hiezu die zwei Zimmer an der Stiege einräumte
welche zu diesem Zwecke vollkommen geeignet sind. Es wäre
daher Mein Wille, die Zustandebringung desselben baldmöglichst
bewirket zu wissen, und Ich wünschte, dass Sie die nöthigen
— 128 —
Einleitungen treffen mOcbten, damit dieses Locale ordentlich
eingerichtet werde und Warünger — der allein hiezu fähig
ist — die zum Archiv gehörigen Schriften und Urkandeo
zum Gebrauche zweckmässig aufstellen und eintheiien könne.
Das Zimmer hingegen, wo das Archiv dermalen aufbewahrt
wird, könnte dann zur Yergrösserung der Bibliothek dienen'
Darauf erwiederten die Curatoren am 22. August, dass dorrh
die Ausführung dieses Vorschlages nicht viel geholfen sein
würde, indem durch die Ausdehnung der Archivsräumlichkeiten
die der Zeichnungsschule noch mehr beschränkt virürden. Sie
baten demnach den Erzherzog , er möge beim Kaiser die
Bewilligung erwirken, dass die Stände zum Ankaufe eines
eigenen Gebäudes für die Zeichnungsakademie etwa 20 bis
30.000 fl. aus ihrem Domesticum verwenden dürften. Diesem:
letztere Project fand aber der Erzherzog für undurchführbar,
wie wir aus einem Briefe an Kidchberg vom 29. September
1816 ersehen: ;,Der Vorschlag des Landeshauptmannes, ein
neues Gebäude zu erkaufen, um die wenig oder gmr nicht
dem Land nützende Zeichenschule unterzubringen, ist gar
nicht annehmbar, darüber erhalten die Curatoren meine be>
stimmte Antwort — ich getraue mich nicht, dem Kaiser mit
so einem Vorschlage zu kommen, da er mich gewiss abweisen
würde.''
Nun modificirten die Curatoren am 12. October 1816
ihren früheren Antrag dahin, dass sie den Erzherzog ersuchen,
derselbe möge, damit das ständische Domesticum nicht weiter
beschwert würde, beim Kaiser mündlich dafüi' interveniren,
dass es der Landschaft gestattet sein möge, eme ihr zum
Neuankaufe von Tafelsilber zur Verfügung stehende Summe
von 43.881 fl. zur Erwerbung eines passenden Hauses (doch
im privaten Wege, um die Forderungen der Verkäufer zu
massigen) zu verwenden. Die Veranlassung zu diesem neuen
Vorschlage war eine Zuschrift des Erzherzogs, die einige
Tage vorher eingetroflfen war und worin er in dürren Worten
auseinandersetzte, dass der Kaiser seine Einwilligung zur
beabsichtigten Benützung des Domesticalfondes nicht geben
— 129 —
werde. Er schlug daher vor, dass man hiezu einen günstigen
Augenblick abwarten möge und unterdessen die zwei Zimmer
der Zeichnungsschule für das Archiv herrichten solle, „was
doch ohne allen Anstand geschehen kann. Ich ersuche Sie
daher nochmals dringend, diesen Gegenstand zu beherzigen,
damit doch endlich unser Archiv organisirt und die Schriften
in Ordnung gebracht werden können, wozu es doch an der
Zeit ist, und die immer mehr sich anhäufenden Materialien
späterhin die Sichtung nur beschwerlicher machen würde".
Das Project, mit dem für Silberankauf bestimmten Be-
trage ein Haus zu kaufen, um daselbst die Zeichen-, Fecht-
und Tanzschule unterzubringen, lobte der Erzherzog in seiner
Antwort vom 19. December 1816: »Ich werde es Mir ange-
legen sein lassen, diesen Gegenstand Sr. Majestät vorzutragen
und von demselben die Bewilligung dazu zu erhalten. Da aber
dieses sich noch einige Zeit verziehen könnte, so ist das erste
und nothwendigste für die Sicherstellung des Archivs sogleich
zu sorgen; dieses mit der Bibliothek vereinigt kann nie in
Ordnung kommen und verdient seiner Wichtigkeit wegen eine
besondere Aufsicht''. Er dringt auf sofortige Abtretung der
zwei Zimmer für das Archiv. „Ehe dieses nicht geschieht,
wird man auf zahlreiche Einsendungen nie Anspruch machen
können, und ohne diese lässt sich nie an die für jeden Ge-
schichtsforscher und Geschichtschreiber so nothwendige chro-
nologische Sammlung denken ''. Auf das hin zeigten die Cura-
toren am 28. December 1816 dem Erzherzoge an, dass sie
die nöthigen Vorkehrungen behufs Raumerweiterung für das
Archiv eingeleitet hätten. Am gleichen Tage beauftragten sie
Wartinger zur Uebemahme der Archivalien, forderten den
Scriptor Ignaz EoUmann zur Uebergabe derselben auf, und
richteten an den ständischen Au8schuss das Ansuchen, den
ständischen Archivar von der Besorgung der ständischen
Current-Registratur zu entheben und diese an den ersten
ständischen Registraturs-Adjuncten zu übertragen.
Zur Sicherung vor Feuersgefahr und Einbruch machte
nun Kalchberg den Vorschlag, das eine gewölbte Zimmer mit
Mitiheil. des bist. Vereines f. Bteiennark, XXIX. Heft, 1881. 9
— 130 —
einer eisernen Thttr und mit eisernen Fensterbalken zu ver-
sehen, und die zweite Thür vom Gange herein zu yermanem.
Ganz zufrieden antwortete der Erzherzog am 1. März 1817:
^Die Herstellung des Archives freut mich sehr, es ist gnt
dass dieser Zweig in Ordnung kömmt Wartingers Fletss wird
ordnen, was da ist, und wird das Mangelnde zu finden wfesen*.
Wie konnte aber Wartinger dieser Hoffiaung entsprechen,
da doch seine Stellang zum Joannemnsarchiye noch immer
keine gesicherte war? Seit 1810, also überhaupt von allem
Anfange an war er gewissermassen das Factotum dieser Anstalt,
und trotzdem konnte er die längste Zeit nicht an demselben
Wurzel fassen. Der Grund hiefUr ist in seiner Stellung bei
der landschaftlichen Registratur zu suchen. In den ersten
Jahren der Existenz des Joanneums-Archives wäre es für ihn
entschieden ein schlechter Tausch gewesen» wenn er etwa
seinen Registraturs-Posten hätte aufgeben und die Archivar-
stelle am Joanneum, die übrigens erst creirt hätte werden
müssen, übernehmen wollen. Letztere hätte, wenn nicht etwa
Erzherzog Johann aus seinem Vermögen das Fehlende ergänzte,
kaum ihren Mann genährt Es war auch nur einmal im Ernste
ein Bewerber ' darum aufgetreten, obschon auch ein Brief
Hormayr's an den Erzherzog (vom 17. Jänner 1814) auf eine
vorübergehende Neigung des Ersteren, die Leitung des Archives
zu übernehmen, schliessen Hesse ^). Der k. k. Oberlieutenant
a. D. Jos. Aug. Kumar, der bekannte Monographist über
die Herberstein, war Ende des Jahres 1814 nach Graz
gekommen und suchte daselbst einen, seinen wissenschaftlichai
Neigungen entsprechenden Platz am Joanneum zu erhalten.
Erzherzog Johann war durchaus nicht abgeneigt^ seinen
Wünschen entgegenzukommen, doch er suchte zuvor sich zu
informiren und verlangte auch von Kalchberg über Kumar
0 n* • • • Dass man mir nicht einmahl jenes erbethne wissenficfaaft-
liehe Asyl und Exil nach Gratz vergönnte, zum gewisslich grossen
Vortheile des wenngleich seinem königlichen Gründer theuren
Johanäums, entlarvt am Besten die schmähliche Animosität, zu der
man den Kaiser hierinn missbraucht ....''
- 131 —
ein Gutachten. Kalchberg kam diesem Verlangen am 3. De*
cember 1814 in folgender Weise nach: ;,Kumar besitzt aller-
dings Fähigkeiten und vielen Eifer fUr das Studium der
Vaterlandsgeschichte. Er ist noch sehr jung und kann es,
wenn ihn seine Augen nicht hindern 0? in diesem Fache weit
bringen. Dass wir ihn in keinem Falle mit Kollmann in eine
Verbindung bringen dürfen, davon bin ich überzeugt; aber
wir müssen uns auch in Acht nehmen, den guten, edlen
Wartinger, der doch auch, wie alle Gelehrten etwas viel Em-
pfindlichkeit besitzt, zu kränken und zurückzuschrecken. So
viel mir scheint, wünscht Kumar, dass ihm das Archiv des
Joanneums in einem abgesonderten Locale ganz übergeben,
dabey ein Quartier zur Wohnung eingeräumt werde, und
seine fernere Hoffnung mag wohl darin bestehen, entweder
Kollmanns Stelle oder doch eine Zulage zu seiner Pension
zu erhalten. Ich muss bekennen, dass ich ihn allerdings für
das Institut benützt sehen möchte, auch wäre es unpolitisch,
ihn abzuweisen. Doch Wartinger darf darüber nicht verloren
gehen, sonst wäre der Verlust grösser als der Gewinn. Kumar
hat selbst für Wartinger viele Achtung, und übergab ihm,
als er in das Feld zog, seine Schriften und Urkunden mit
der Weisung, sie, wenn er bliebe, dem Joanneum zu über-
reichen. Gerade unter Wartinger's Leitung könnte der junge
Mann seine vollendete Ausbildung erhalten, und die Zeit
dürfte auch jenen jugendlichen Soldatenstolz massigen, mit
dem im Civilleben hart fortzukommen ist. Meine unmass-
gebliche Meinung besteht also darin, Kumaf s Gesuch sollte
den Curatoren ämtlich mit dem Auftrage mitgetheilt werden,
dass demselben bekannt gemacht werde: E. k. Hoheit hätten
sein patriotisches Anerbieten gefällig aufzunehmen geruhet.
Es sey bereits beschlossen, dem Archive einen abgesonderten
Platz zu bestimmen, und dasselbe der Aufsicht des ständischen
Archivars Wartinger anzuvertrauen. Sollte also Kumar mit
diesem vereint gemeinschaftlich wirken wollen, die Documente
0 Kumar hatte bekanntlich im Feldznge von 1813 ein Auge verloren.
9*
— 132 -
und Urkunden zu sammeln, zu vermehren und zu ordnen.
so wQrde diess als ein verdienstlicher Beweis seiner Vater-
landsliebe angesehen und auch nach Zeit und Möglichkeit
gewürdigt werden **.
Mit solchen Aussichten konnte sich aber Kumar nicht
befreunden. Am 14. Jänner 1815 machte Ealchberg den Erz*
herzog aufmerksam, dass Kumar gesonnen sei, in eine andere
Provinz zu übersiedeln und seine Urkunden mitzunehmen,
wenn sein Anerbieten nicht angenommen wQrde. Ganz solle
man ihn nicht fahren lassen; „er könnte allenfalls zum Steier-
mark. Topographen und Genealogen ernannt werden*. Es
könnte ihm vielleicht aufgetragen werden, mit den zu sammehideD
Vischer'schen Platten ein ähnliches Werk wie Valvasor zu
verfassen. Auf diese sehr beachtenswerthen Vorschläge ant-
wortete der Erzherzog ganz kurz (am 22. Jänner 1815):
x,Könnte ich nur Kumar helfen, schade, wenn er dem Lande
verloren ginge, ich erwarte Schell ^), um die einst bedachte
AuiForderung seinetwegen an den Landeshauptmann zu machen.
Ist denn schon ein Baum für das Archiv ausgemittelt oder
nicht ? Es wäre höchst noth wendig, damit Warünger ganz die
Aufsicht darüber erhielte.^ Man sieht, der Erzherzog reflec-
tirte nur auf Wartinger. Die Aussichten für Kumar verrin-
gerten sich, und dieser trat denn auch, doch entsprechend
seinem Charakter, den Rückzug an. Am 29. März 1815 stellte
er den Antrag, gegen Ersatz des Porto's seine gesammelten
Urkundenabschriften aus Inner- Des terreich von 1301 — 1530
dem Joanneum mitzutheilen : j, Obgleich der gehorsamst Unter-
zeichnete in seinem Vaterlande, der Steiermark, bei Aus-
führung patriotischer Gesinnungen nur Hindemisse und
Unterdrückung erfahren, obgleich seine Vorliebe für dieses
Land und der Kenntniss über dasselbe, die bisher jeden seiner
Schritte leitete, ihn bis itzt immer nur in Schaden und Nach-
theile versetzet hat, so ist doch in ihm noch nicht aller Kaim
der Liebe für sein Vaterland erstickt und er vermag doch
*) Adjutant und Secretär des Erzherzogs.
— 133 —
noch nicht; einem inneren Drange zu widerstehen, der ihn für
den Nutzen und die Ehre desselben zu wirken reitzet . . .^
Ein Jahr später (am 14. August 1816), als es sich um die
Beschaffung eines Copisten handelte, bemerkte Kalchberg in
einem Schreiben an den Erzherzog so nebenbei : „ Mit Eumar
ist nichts zu machen, er sucht uns nur Urkunden wegzu-
haschen, nicht welche zu verschaffen.^
Um so eifriger verfolgte Kalchberg das Project, War-
tinger an die Spitze des Archives zu stellen. Schon in seinem
Gutachten vom 8. März 1814 hatte er sich in dieser Be-
ziehung befürwortend ausgedrückt: „Fast wäre zu wünschen,
dass das Archiv des Institutes ganz dem Archivar der Stände
anvertraut würde, da nur von ihm zu erwarten ist, dass er
es in Ordnung zu bringen, so erhalten und Alles, was in
seinen Kräften steht, zu dessen Vermehrung beytragen werde."
Zwei Jahre später wiederholte er diesen Vorschlag in einem
Briefe an den Erzherzog (vom 2. Mai 1816): ;,Das neue
Archiv ist ebenfalls auf dem Puncto der Vollendung und ich
hoffe, mein gnädiger Herr werde damit zufrieden seyn. Desto
dringender muss ich die Bitte wiederholen, Wartinger's Er-
nennung zum Doppelarchivar doch bald zu einer günstigen
Entscheidung gelangen zu machen. Ich möchte ihm so gern die
Urkunden bald übergeben, denn in den Händen KoUmann's, für
den sie keinen Werth haben, sind sie wahrlich nicht gut
verwahrt.*' Am 9. October d. J. prädsirte er seine Meinung
hierüber noch genauer. Wenn Wartinger von den laufenden
Geschäften der ständischen Registratur enthoben werden
würde, so dass jene der erste Adjunct leitete, so könnte
Wartinger die Archivarstelle am Joanneum übernehmen. Nur
müsste ihm nothwendig ein Schreiber beigegeben werden.
Bequemer für Wartinger und sicherer für die Urkunden würde
es sein, wenn er sie alle, jedoch die des Joanneum abgeson-
dert, im Landhausarchive verwahren dürfte, welches geräumig
und vollkommen feuergesichert sei. Wer diese Urkunden ein-
zusehen wünschte, könnte diess auch bei Wartinger im Land-
bause thun, der ohnehin ein eigenes Zimmer habe. Das
— 134 —
ständische Archiv hänge ohnehin mit jenem des Joanneum
historisch zusammen, es sei schwer, sie immer getrennt zn
lassen. Ganz abgesonderte Archivare zu halten, sei zu kost
spielig und vielleicht auch wegen der Collisionen nicht ratb-
sam. — Vorläufig erreichte jedoch Kalchberg nur das Eine.
dass die Stände dem Archivar Wartinger ihre Anerkennanti
über seine bisherigen Leistungen am 18. November I&IG
ausdrückten : „Je edler Ihre Anspruchslosigkeit ist, womit Sie
sich der ehrenden Oeffentlichkeit entziehen wollen, desto
lebhafter ist unsere Anerkennung. **
Es unterliegt nicht dem geringsten Zweifel, dass alle
diese Bemühungen Ealchberg's im vollsten Einklänge mit den
Wünschen Erzh. Johannas standen; um so interessanter ist
es zu erfahren, dass Letzterer auch im entgegengesetzten
Sinne bearbeitet wurde, und zwar von Hormayr. Die Bedeutuni:
dieses Mannes für das Joanneum ist nicht zu unterschätzen, aus
einem Berichte desselben an den Staatsminister Mettemich
vom 22. November 1812^) ersieht man, was er persönlich
für die Copirung von Urkunden des Staatsarchives für das
Joanneums-Archiv gethan hat Hormayr schrieb nun 1814
folgenden merkwürdigen Brief an den Erzherzog: ,, Hätte mein
Antrag Gehör gefunden, so würde die historische Parthie des
Johannäums (wohin auch Genealogie, Diplomatik, Heraldik etc.
gehören) bald in anderem Schwünge sein. Darf ich etwas
aurathen, so lassen Höchstdieselben die einkommenden Ur-
kunden nach Wien wandern und im Geheimen untersuchen
und abschreiben — den ersten Geheimarchivar Enechtl^),
einen fleissigen, geschickten und stillen Mann zu sich rufen
und distinguiren ihn, wie er's verdient, so ist zwei schönen
Instituten geholfen, die Documente doppelt gesichert gegen
jede Verlustesgefahr — und sie werden doch nii^nds
richtiger copirt und besser gewürdiget* Merkwürdig sind auch
die Urtheile Hormayr's in seinen Briefen an den Erzherzog
<) Abgedruckt im „Tascheobuche für die vaterländ. Gescbichte'
25. Jahrgg. (Leipz. 1836) S. 479.
*) 1834—46 Director des StaatsarchiYS.
— 135 —
über die Thätigkeit Wartinger's als Sammlers und Schrift-
stellers: „Die Recherchen für den historisch-genealogischen
Theil des Johannäums sind trefflich. Zum Sammeln ist War-
tinger übrigens ein wahres Gegenstück zu Rabener's Nilson
scribenSv der die Chronik von 333 Nordlichtem in Versen
geschrieben hat" (Juli, 1814). „Die Fragmente von Wartinger
aus Steyermarks ältesten Geschichte im Aufmerksamen sind
weniger kokett geschrieben, aber eben so elend wie Kalch-
berg's Ikarusflüge in's Gebieth der Historie. Neugart, Eichhorn,
das sind Männer!'' (Februar, 1814). „Zeither erhielt ich
Wartinger's mageres Skelet, für die unteren Schulen denn
doch nicht so übel" (December 1814).
Am 28. December 1816 unterbreiteten die Curatoren
dem ständischen Ausschuss die Mittheilung, dass das Archiv
des Joanneums von der Leseanstalt getrennt und in ein ab-
gesondertes Locale übertragen, und dass die Aufsicht hierüber,
sowie über die Münzen und Alterthümer dem ständischen
Registrator und Archivar Josef Wartinger anvertraut worden
sei. ^So sehr die Curatoren sich zur Bestätigung verpflichtet
fühlen, dass das Institut seine Bereicherungen in diesem
Fache vorzüglich den Kenntnissen und der rastlosen Thätig-
keit Wartinger's zu verdanken habe, und derselbe so ganz
geeignet sey, dem ihm neu zugedachten Geschäfte zu ent-
sprechen: so fühlen sie sich doch zugleich zur Anzeige ver-
pflichtet, dass er bey dessen Besorgung nicht im Stande
bleiben werde, auch seinen älteren Dienstpflichten wie bisher
zu entsprechen. Um also eine GoUision der Pflichtverhältnisse
zu vermeiden, glauben die Curatoren vorschlagen zu müssen,
dass die Besorgung des ständischen und des Joanneums-Ar-
chives ganz und einzig dem Wartinger anvertraut, die stän-
dische Current - Registratur aber dem ersten ständischen
Registraturs-A^juncten zur Leitung übergeben werde. Es hätte
demnach der ständische Archivar auch zugleich Archivar des
Joanneum zu sein, und sein gegenwärtig auf 900 fl. systemi-
sirter Gehalt dürfte nur auf 1000 fl. erhöht werden. Da
andererseits der Gehalt des ersten ständischen Registraturs-
- 136 —
Adjuncten auf 700 fl. systemisirt ist, so dürfte derselbe nur
auf 800 fl. erhöht und diesem Adjuncten der Titel Registrator
gegeben werden. Auf solche Art könnten die Herren Stände |
für ihre beyden Archive auch in späterer Zeit immer einen
gelehrten Mann wählen, der mit allen ihm nöthigen Hülfs-
Wissenschaften, besonders Sprachkenntnissen versehen, sdoea
Fache ganz gewachsen wäre. Der Gehalt von 1000 fl würde
manchen geschickten Historiker bewegen, sich um die Stelle
zu bewerben." Die Stände wendeten sich nun am 2. J&nner
1817 mit ganz gleichen Vorschlägen an das k. k. Gubemium.
als die nächste Instanz, von wo am 26. Februar d. J. folgende
Entscheidung eintraf: „Von hoher Hofkanzlei wurde unter
6. d. M. dem Gubernium erwiedert: dass, wenn die Aufstellung
eines Archivars an dem Joanneum auch wirklich für noth-
wendig, nützlich oder erwttnschlich befunden werden wollte,
dieselbe dennoch nie in einer solchen Modalität angetragen
werden könne, dass hiebey eine Aenderung in dem ständischen
Registratur -Personale und den für dasselbe systemisirten
Gehalten nach sich gezogen werde. Daher könnte ein Indivi-
duum der ständischen steirischen Registratur das Archiv an
dem Joanneum alsdann und nur in der Art und Weise in
seine Obsorge nehmen, wenn dieses Individuum seine auf-
habenden Registratursgeschäfte nicht versäumte.^
Von dieser ungünstigen Erledigung setzten die Stände
den Erzherzog am 22. März in Kenntniss und baten ihn,
beim Kaiser die Bewilligung eines der beiden folgenden Vor-
schläge zu erwirken: 1. Entweder Wartinger der ständischen
Current - Registratur zu entheben und dieselbe auf den bis-
herigen ersten Registraturs -Adjuncten zu übertragen. ,Der
Archivar muss Genealogist, Historiker, Philolog, Geograph seyn
und eine besondere Uebung in Lesung und Entzifferung alter
Urkunden besitzen; der Registrator bedarf nur eine genaue
Kenntniss des Organismus, der inneren Einrichtung einer
Registratur, vereint mit einem glücklichen Gedächtniss und
einem besonderen Geiste der Ordnung. Letztere Eigenschaft^
bpsitzt der erste Adjunct in genügender Weise, während erstere
— 137 —
nur dem Wartinger eigen sind.** Oder, wenn dieser Antrag absolut
nicht zulässig sei, 2. dem ständischen Archivar und Registrator
Wartinger zu diesen beiden Geschäften auch noch das dritte,
nämlich die Einrichtung und Besorgung des Joannoums-
Archives beizufügen^ indem nur der ständische Archivar hiezu
die bereits erprobten Fähigkeiten besitze; ihm dafür aber
300 fl. seinem bisherigen Gehalte zuzulegen, indem gerade
so viel auch jene Professoren des k. k. Lyceums ex domestico
bekommen, Vielehe am Joanneum Vorlesung erhalten. **
Erzherzog Johann kam dieser Bitte nach, wie folgendes
Decret der Hofkanzlei vom 25. Juli 1817 beweist: „Eurer
k. Hoheit verehrter Erlass vom 20. April 1. J. gab der Hof-
kanzley die Veranlassung, jene Verhandlungen wieder anzu-
knüpfen, die schon früher wegen Besorgung der Archivars-
geschäfte am Johanneum zu Grätz gepflogen wurden. Seine
k. k. Majestät haben unterm 20. July hierüber zu entschliessen
geruht, dass dem ständischen Registrator und Archivar War-
tinger auch die Achivsgeschäfte des Johanneums gegen eine
Remunerazion jährl. 300 fl. aus der ständischen Domestikal-
kasse mit der Verbindlichkeit übertragen werden dürfen, dass
seine früheren Obliegenheiten keinen Abbruch zu leiden haben."
Somit war denn auch diese Frage abgethan.
Ehe noch diese Entscheidung eintraf, zeigte Wartinger
am 1. Juli 1817 an, dass die Urkunden bereits in den neu
zubereiteten Verwahrungsort übertragen worden seien und
bat, ihn in Hinsicht der Haftung für diese Urkunden auch
nur für Dasjenige zu verpflichten und verantworüich machen
zu wollen, was sich jetzt wirklich im Archive befinde, und
worüber, sobald es immer thunUch sein werde, in einem Ver-
zeichnisse eine kurze Uebersicht zur Kenntniss gebracht werden
solle. Dies wurde am 2. Juli seitens der Guratoren bewilligt,
mit dem Auftrage, dass Wartinger ein Verzeichniss der ihm
übergebenen Urkunden anlegen und jenes der Scriptor Koll-
mann als Uebergeber der letzteren unterschreiben solle.
In Folge der' Ueberbürdung Wartinger's stellte sich jedoch
bald die Nothwendigkeit heraus, ihm einen Copisten zur Seite
— 138 —
zu stellen. Schon ein Jahr zuvor hatte Kalchberg in einem
Briefe an den Erzherzog (vom 14. August 181G) das Bedflrfhiss
eines Absctireibers als dringend dargestellt Er hatte damals
einen gewissen PanfiUi, einst Besitzer von MQnchhofen und
durch Fallissement ein Bettler geworden, vorgeschlagen, der
gut Uteinisch könne und sehr gebildet sei. Der Prinz war
jedoch damals auf diese Frage gar nicht eingegangen. Jetzt
jedoch machte er sich anheischig, die Besoldungen des Zimmer-
Wärters und des Hausmeisters am Joanneum (zusammen 500 flL)
aus seinem Sacke zu bestreiten, wenn dafür m Copist von
den Ständen beigestellt werde. Die Curatoren nieteten nun
am 12. November 1817 ein diesbezQgliches Gresuch an das
Gubemium, worin sie unter Anderem dariegten, dass ein Copist
eribrderiich sei, da die meisten Urkunden nur zur Abschrift-
nähme geliehen werden, Wartinger aber, der zugleich die
Currentgeschalte der ständischen Registratur besorgen müsse,
unmöglich auch noch abschreiben könne. Das Gubemium er-
widerte am 25. Februar 1618, dass die Hofkanzlei die Anstel-
lung eines Copisten für das Archiv mit dem jährlichen Gehalte
von 400 fl. (gleich dem höchsten Gehalte eines Ereisamts-
kanzlisten) bewilligt und verordnet habe, dass die Besoldungen
des Zinmierwärters und Hausmeisters im Betrage von zusammen
460 fl. einzuziehen seien. — Auf Grund dieser Erledigung
bewilligten die Verordneten am 22. October 1818 das Gresuch
des ständischen Accessisten Franz Xaver v. Unruhe um Ver-
leihung der Copistenstelle am Joanneums-Archive, gegen £ides>
leistung und Liquidirung des Gehaltes von 400 fl. vom 1. No-
vember an, wonach sein bisheriges Adjutum auüeuhören habe.
Hiemit war der äussere Entwicklungsprocess für Decennien
hinaus abgeschlossen; jetzt konnte erst an eine Ordnung am
Archive und an Repertorien daselbst ernstlich gedacht werden.
Ein gut geordnetes Archiv war das Ideal für Erzherzog
Johann. Schon 1813 (1. November) äusserte er sich den
Curatoren gegenüber: „Nothwendig ist's, dass unverzü^ich
ein vollständiges Verzeichniss der bestehenden Sammlungen
verfasst werde. Wartinger soll, als jener, der die alten ^rächen
— 139 —
am besten kennt, das Verzeichniss der geschichtlichen Docu-
mente und Urkunden über sich nehmen^. Die Folge davon
war ein landschaftliches Decret vom 6. November 1813 an j
den ständischen Archivar Wartinger, die vorhandenen Archi-
valien zn registriren. Ein halbes Jahr darauf (14. April 1814)
schrieb der Erzherzog an Kalchberg: „ Wartinger tragen Sie
auf, dass er mir dass Verzeichniss der alten und neuen Be-
nennungen der Orte, so sich in den Urkunden befinden, mache,
ich bedarf es nothwendig!*' In welcher Weise Wartinger diesem
Auftrage nachkam, ist aus der oben erwähnten Aufschreibung
KoUmann's von 1816 ersichtlich. Seitdem nun das Archiv
auf sicherem Grunde stand, nahmen nicht nur die Arbeiten
an demselben einen erfreulichen Fortgang, auch sein Einfluss
nach aussenhin zeigte sich von Jahr zu Jahr in wachsender
Bedeutung. „Die vielen Besuche, die vielen mündlichen und
schriftlichen Anfragen von öffentlichen Behörden und von
Privaten, und die hierüber ebenfalls theils mündlich, theils
schriftlich gegebenen Auskünfte aus den verschiedenen Fächern
des Archivs beweisen immer mehr für die Gemeinnützigkeit
dieses Zweiges des Joanneums, und beweisen zugleich, wie
äusserst wünschenswerth für öffentliche Behörden und Privaten
die Bildung eines Landesarchives wäre^. (Jahresbericht
des Joanneums v. 1827, S. 8.)
Die Theilnahme Erzherzog Johannas am Archive seit seiner
Organisation war eine äusserlich kaum mehr merkbare. Ihm
genügte es, dasselbe auf die Beine gebracht zu haben, und
er freute sich über die guten Erfolge allda, doch liess er
es von nun im Allgemeinen seine eigenen Wege gehen. Mit
Recht konnte er es sein Werk nennen, denn wie wir gesehen
haben, hat er in allen Stadien der Entwicklung desselben
(Sammlung von Archivalien, Einrichtung des Archives, Arbeiten
daselbst, Anstellung des Archivars und des Copisten) ent-
scheidend eingegriffen. Allerdings haben auch Kalchberg und
Hormayr keinen unwesentlichen Einfluss hiebei auf den Erz-
herzog ausgeübt, doch war derselbe schliesslich durchaus
kein massgebender ; Hormayr fand im Grunde genommen sehr
— 140 —
wenig Berücksichtigung, und Kalchberg hatte bei aller Vor-
tre£flichkeit seiner Vorschläge doch immer nur im Auge, die
oft militärisch knapp gehaltenen Willensäusserungen des Erz-
herzogs verständig und sachgemäss zu erläutern und in ein
gewisses System zu bringen. Wie ruhig und objectiv der Erz-
herzog zu Werke ging, zeigt sich am besten aus der mit ihm
geführten Correspondenz. Die Briefe Hormayr's von 1814
strömen oft über von leidenschaftlichen Ergüssen über Kalch-
berg, Wartinger, Eollmann u. s. w. Diess hinderte aber den
Prinzen durchaus nicht, in unveränderter Stimmung über das
Archiv, das er selbst im Feldzuge uud auf seiner Reise nach
Grossbritannien nicht ausser Acht liess, zu correspondireo.
Nur unter so günstigen Auspicien aber konnte es möglich
sein, dass Werke, wie die eingangs erwähnten von Schmutz
und Muchar, zu Stande kamen.
Mittheilungen aus dem Fürstenfelder
Stadtarchive.
Von
Hans Lange, Bezirkscorrespondent in Fttrstenfeld.
1. Die Stadtriehterwahl im XYII. und XTIII. Jahrhundert.
An der Spitze der Stadtgemeinde -Vertretung stand der
Stadtrichter ^ der hier zugleich auch Landrichter war. Die
Wahl desselben fand bis zur zweiten Hälfte des XVIII. Jahr-
hunderts in der ersten Hälfte des Monates Deccmber statt
und währte die Functionsdauer bis zum Jahre 1760 ein volles
Jahr; im genannten Jahre wurde die Dauer der Amtszeit von
der Regierung auf drei Jahre festgesetzt
Der Stadtrichter wurde von den Bürgern aus der Mitte
der Rathsherren gewählt.
Vor der versammelten Bürgerschaft resignirte der alte
Stadtrichter „ alten Herkommens" auf sein Ehrenamt Darauf
forderte er die Bürger auf, ^zum ersten, zum andern vnd
zum dritten Male, wenn er einen oder den andern unbillige
Aufrichtung gethan oder das gleiche Recht nicht ergehen lassen,
der soUe vortreten und es anzeigen.^
Nun hatte Jeder das Recht, Beschwerden über den ab-
tretenden Stadtrichter vorzubringen, da später vorgebrachte
Beschwerden von demselben nicht mehr berücksichtigt zu
werden brauchten. Wenn sich darauf Niemand beschwerte, so
lautete die gewöhnliche Antwort des Sprechers der Bürger-
schaft, „sie hätten über ihn nur liebs vnd guets zu sagen".
— 142 —
Nun wurde der abtretende Stadtrichter von der Ver-
sammlung gebeten, ^zum ersten, zum andern vnd driten mahl
dass er sich auf das eingehende Jahr für ihren Vorgeber und
Stadtrichter gebrauchen lasse^. Gewöhnlich nach einif^en Ent-
schuldigungen willigte er ein, für das kommende Jahr wieder
Stadtrichter zu bleiben, was im Rathsprotokolle mit der fol-
genden Formel eingetragen wurde: „Ist also folgendts auf das
. . . Jahr Herr ... de novo zu einem Statt Richter confirmando
erkhüst worden. **
Nahm aber der resignirende Stadtrichter durchaas nicht
mehr eine Wiederwahl an, so schritt man sofort zur Neuwahl.
Der Syndicus machte im Rathsprotokolle so viele wagrechte
Striche als Rathsherren waren. Die Bürger nannten nun den
Namen des Candidaten, was der Stadtschreiber in der obei)
angedeuteten Weise im Rathsprotokolle bezeichnete. Die Mehr-
zahl der Stimmen entschied. Das Wahlergebniss wurde im
Rathsprotokolle mit dem Satze ersichtlich gemacht: folglich
wurde Herr mit . . . Stimmen zum Stadtrichter erwählt
Der neue Stadtrichter trat sein Amt aber erst mit 1 . Jänner
des kommenden Jahres an; in der Zeit zwischen der Wahl
bis zum Amtsantritte hatte er sich persönlich von der inner-
österreichischen Regierung zu Graz »nach fnrweisung der
Beichtzettel'' die Amtsbestätigung und den Bannbrief zu ver-
schaffen. Für den Bannbrief wurde zu Beginn des XVn. Jahr-
hunderts eine Kanzleitaxe von 4 fl. entrichtet und dem
Expeditor 1— 2 fl. verehrt. 0
Ein solcher Bannbrief lautete: „Wir N die von (Titel
des Regenten) allergnädigste angeordnete Inner-Oesterreichische
Regierung bekennen hiermit, dass wir den edelvesten, auch
fürsichtigen N. N., Bürgern in der landesfürstlichen Stadt
Fürstenfeld, zum Richter aufgenommen, ihme auch Bann und
Acht auf das Jahr . . . verliehen, wissentlich mit diesem Brief
also: dass er daselbst in der Stadt Fürstenfeld Oe<lo<^b nicht
weiter) über das Blut zu richten haben, dabei aber dem
1) Stadtrichter-Rechnung vom Jahre 1619.
— 143 —
Annen als dem Reichen, und dem Reichen als dem Aimen
ein gleiches Recht ergehen lassen und darinnen weder Müh^
Freundschaft oder Feindschaft, noch iechters anderes ansehen
wolle ; massen uns er dann auch solches gelobt und geschworen
hat ; Ohngefthrlich : Mit Urkhund dieses Briefe.
Geben in der landcsftlrstlichen Hauptstadt Graz den ....**)
Ein Stadtrichter sollte zwar nicht I&nger als drei Jahre
hinter einander dieses Amt verwalten, doch wurde davon oft
Umgang gepflogen. Von den dictirten Strafgeldern hatte der
Stadtrichter auf die Hälfte davon Anspruch.
2. Reihenfolge der Stadtrichter in Fflrstenfeld. ^)
1332 Friedrich Schneider* 1333 Ullrich Steger*. 1400
Nicklas Riegerstorfer* 1436 Peter Grill*. 1438 Friedrich
Schneider*. 1586 Willibald Zürfuss. 1602 Simon Paugkher.
1604 Hans Weiss. 1607 Max Ulbl. 1613—14 Hans Weiss
•
1615 Peter Kolb. 1618—19 Hans Weiss. 1620—21 Peter
Kolb. 1622—23 Lorenz Maninger. 1624 Georg Kummer.
1625—27 Peter Kolb. 1628 Georg Wirker. 1629—30 Paul
Fuchs. 1631—32 Lorenz Maninger. 1633—35 Georg Wirker.
1636 Peter Kolb- 1637 - 38 Georg Kummer. 1639-40 Georg
Würker. 1641—42 Georg Jacob. 1643-48 Kaspar Ruepp.
1649 Georg Jacob, 1650—52 ? 1653—56 Georg Schickh.
1657— 58 Georg Woyda. 1659—61 Georg Schickh. 1662—64
Adam Ackermann. 1665—66 Christof Hamerl. 1667—68 Adam
Ackermann. 1669—71 Georg Schickh. 1672 ? 1673 Michael
Sammer. 1674 Georg Jacob. 1675 Christoph Hamerl. 1676—77
Michael Sammer. 1678—80 Hans Georg Ruepp. 1681 Andreas
Ruepp. 1682—84 Georg Schedenegg von Ehrenegg. 1685—88
Reichardt Ankhter. 1689—90 Georg MauUer. 1691—92 Georg
Dellmor von Lilienfeld. 1693—95 Reichardt Andreas Ankhter.
*) Das Original der obigen Abschrift stammt aus dem XVIII. Jahrh.
2) Die mit einem Sternchen bezeichneten Namen wurden den Mitthei-
lungen des historischen Vereines oder ans Muchar's Geschichte des
Herzogthnms Steiermark entnommen.
- 144 ^
1696—99 Lorenz Rohrer. 1700—4 Johann Georg Kropf-
1705—7 Franz LandL 1708—9 Johann Sammer. 1710—13
Franz Landl. 1714—17 Andreas MauUer. 1718 — 19 Johann
Georg Christoph Neupauer. 1 720—27 Franz LandL 1 728—35
Johann Josef Dollath. 1736—40 Johann Georg Schrockk
1741—52 Johann Georg MauUer. 1753—58 Franz Josef
Santner. 1759—67 Johann Georg Mauller. 1768—74 Rudolf
Rohrer. 1775—89 Franz Hofstetter. 1790 Gottlieb Gamd
und 1791 Kaspar Greinitz.
S. Der Stadtrichter als Landrichter.
Der Fürstenfelder Landgerichtsbezirk umüasste die Beziike:
Magistrat Ftlrstenfeld , Johanniter - Commende Fttrstenfeld,
Augustiner - Herrschaft FUrstenfeld, Herrschaft Welsdorf und
Herrschaft Kaisdorf bei Ilz. Dazu gehörten folgende Gemeinden
mit Angabe der Häuseranzahl im Jahre 1614: Altenmarkt 22.
Aschbach 12, Bierbaum 19, Blumau 12, Dietersdorf 1 5, Fürsten-
feld 238, Gillersdorf 16, Gross-Wilfersdorf 25, Hartl 25, Hain-
feld 16, Ilz ?, Kaisdorf 10, Loipersdorf 24, Leitersdorf 45,
Magland 12, Maierhofen a. d. Feistritz 14, Neudorf 34, Raders-
dorf 6, Reigersberg 7, Stein 18, Söchau 32, St. Kind 25.
Speltenbach 14, Schwarzenhofen (jetzt Schwarzmannshofen) 5.
Unterlam 20, Uebersbach 38 und Waltersdorf 24.
Sobald eine Person dem Landgerichte eingeliefert wurde,
ward der Angeklagte vom Stadtrichter in Gegenwart von
mindestens zweier Rathsherren zuerst „gütlich^ verhört, woba
entschieden wurde ; ob der Beschuldigte auch peinlich zu
befragen sei. Das Torquiren geschah zumeist im sogenannten
Reckthurm, wo die Folterwerkzeuge aufbewahrt waren. Das
Protokoll beim Verhöre führte der Stadtschreiber, der hier zu-
gleich Landgerichtsschreiber war. Die Stadt hatte stets einen von
ihr besoldeten Rechtskundigen in Graz, der bei verwickelten
Processen um seine Meinung befragt wurde, welcher auch
in Form eines guten Rathes dem Stadtrichter das zu fällende
Urtheil mittheilte.
— 146 —
Wurde ein Verbrecher zum Tode verurtheilt, was nach
dem peiulichen Schlussverhöre geschah, so wurde das Todes-
urtheil zuerst geheim gehalten. Der Gerichtshof zum Fällen
des Urtheiles bestand aus allen Bathsherren und aus zwei
Gemeinführem oder Viertelmeistem.
Darauf wurde aus Graz der Freimann verschrieben,
wenn derselbe nicht schon beim peinlichen Verhöre zugegen
war. Sobald der Freimann ankam, trat der volle Gerichtshof
wieder zusammen, der Verbrecher wurde nun vorgeführt und
der Landrichter sprach zu ihm: Du werdest dich wohl zu
erinnern wissen, wie dass man Dir Deine Verbrechen verwichen
vorgelesen und Du alles bestätiget hast Also sage ich Dir
und kündige dir den Tod an, dass Du in dreien Tagen sterben
musst Bereue Deine Sünden, es wird Dir also ein Geistlicher
zugesellt werden.
Am dritten Tage nun versammelte sich der Gerichtshof
zuerst in der Gerichtsstube ; der Landrichter frug seme Räthe :
Ob dieser, wie im geheimen Rathe geschlossen wurden, annoch
des Todes sterben solle oder nicht ? Die gewöhnliche Antwort
der Bäthe war: Was in dem geheimen Urtheil geschlossen
worden, soll allerdings dabei sein Verbleiben haben, Grott
sei gnädig seiner armen Seelen.
Nun ging der Gerichtshof in die o£Fene Gerichtsschranne,
welche bei schöner Witterung am Hauptplatz, bei schlechtem
Wetter im Vorhause des Bathhauses eröffnet wurde.
Ehe sich der Zug in Bewegung setzte, fhig der Land-
richter den Verurtheilten : Ob er auch allen seinen Feinden
verzeihe, auch deigenigen, die ihn verurtheilt haben? Dieser
antwortete gewöhnlich mit „Ja**, worauf ihm der Richter mit
«sanften** Worten zusprach.
Nun setzte sich der Zug zur Gerichtsschranne in Be-
wegung; voran schritt der älteste Gemeinführer, das Richter-
schwert tragend, der zweite Gemeinführer folgte mit dem
Gerichtsstabe, dann kamen die Mitglieder des Rathes, zuletzt
der Stadtrichter in seiner Amtstracht; schliesslich der Verur-
theilte und dessen Wache.
]fit«]i«iL d«s hUt. YenlnM f.'Steiemiurk, XXIX. Heft, 1881. ^Q
— 146 —
In der offenen Gerichtsschranne verlas der Stadtacfareiber
mit lauter Stimme das Urtheil mit der EingangBformel: Auf
des armen Sünders gethanen nnd bekannten Ifissethatea
haben meine Herrn Beisitzer dahin beschlossen, dass er sdl
dem Freimann in seine Hand und Band übergeben imden,
der soll ihn nehmen und wohlverwahrter zu der gewöhnBcfaea
Riohtstätte hinausführen und alldorten ihm . • . (nun folgt die
zu erleidende Todesart).
Darauf rief der Landrichter: Ist ein kaiserlicher Fro-
mann vorhanden, der trete herein in die offene Halefiz-
schrannen zum ersten, — zum zweiten — und zum dritten Malel
Der Freimann trat nun vor den (xerichtshof und spradi:
Herr Stadt- und Landgerichtsverwalter in Fürstenfeld! Man
hat mich in die kaiserliche offene Malefizschrannen heran
berufen, zum ersten, zum zweiten und zum dritten Male, also
frage ich, was man von mir heutigen Tages will?
Der Stadtrichter antwortete: Freimann, hast Du das
UrtheQ vernommen?
Der Freimann: Ja!
Der Stadtrichter: So thue ihm einen Vollzug!
Bei diesen Worten brach er den Gerichtsstab und warf
denselben dem armen Sünder vor die Füsse. Der Freimann
übernahm den Verurtheilten, und der Zug setzte sich zur
Richtst&tte in Bewegung.
Nach vollzogener Hinrichtung versammelten sich die
Grerichtsherren und der Geistliche, welcher dem Venufheiltai
m den letzten Lebensstunden zur Seite stand, zur Gerichts-
mahlzeit, deren Kosten vom Landgerichte bestritten wurden«
Konnten sich Richter und Rath bei einem Processe nicht
einigen, oder der Magistrat hatte in einem Hexenprojsesa zo
richten, so wurde über Ansuchen der Bannrichter hierher
gesandt, welcher dann dem Gerichtshofe pr&sidirte; die durch
ihn auflaufenden Kosten hatte das Landgericht zu bezahlen.
Jeder Selbstmörder wurde dem Landgerichte eingdiefart,
und die Leiche verbrannt; der Landrichter berührte den
Todten als Zeichen der Uebemahme mit dem Gerichtastabe,
— 147 —
wofür ihm 1 fl. und 1 Pfenn. von jenem Bezirke, dem der
Selbstmörder zugehörte, zu entrichten war.
4. Amtsantritt des Stadtriehters.
Am 2. Jftnner eines jeden Jahres versammelte sich die
ganze Bürgerschaft Der neue Stadtrichter begrüsste die
Versammlung mit folgenden Worten: „Warumben anheunt
sowohl vor einen löblichen Magistrat als einer Ehrsamen
Bargerschaft die Zusammenkunft gepflogen würdet, ist ohne-
deme wissend, massen entweder die Aemter zu confirmieren
oder zu übersetzen seind. Ehe aber solches vorzunehmen will
ich sowol einem löblichen Stadtmagistrate als auch einer
ehrsamen Burgerschaft das neu gebome Jesu Kindlein zu
einer glückseligen, fried- und freudenvoll vergnügten neuen
Jahr angewunschen haben. Dieses neue Jesu-Kindlein gebe,
dass sie nicht nur allein das neuangefangene Jahr, sondern
auch noch viel dergleichen nachfolgende in Fried und Einig-
keit, in best&ndiger Gesundheit, in Leibs und der Seelen
Vergnügenheit, in Liebe gegen Gott und seinen N&chsten und
was ihm ein jedweder noch selbst eigen contendo zu wünschen
verlangete, zurücklegen möchte. Wann also diesen meinen
wolmeinenden Herzenswunsch ein jedweder in sein Herz
hinein druckete, auch selben haltete, so versichere ich gleich-
sam vor gewiss, dass wir nicht nur allein von dem neugebomen
Jesu Kind em gesegnetes und fruchtbares ein jeder nach
seinen contendo vergnügtes Jahr überkommen werde, sondern
würde auch uns dermalen einst mit selben in der ewigen
Glorie zu erfreuen haben; welches ich sowohl einen löblichen
Stadt Magistrat als auch einer ehrsamen Bürgerschalt grund-
herzig wünsche.^
Nach dieser Anrede resignirten die Bathsherren ihre
Stadtftmter, wurden aber gewöhnlich wieder damit betraut
Diese Stadtämter resp. die Functionäre derselben waren :
Der Stadtkftmmerer; derselbe hatte die Einkünfte
der Stadt zu verwalten.
10*
— 148 —
Der Spitalmeister besorgte die Verwaltung des
Spitales und des Pfründnerhauses,
Der Zechmeister oder Kirchenprobst verrechnete die
Em- und Ausgaben der Stadtpfarrkirche. Vom Magistrate
wurden fbr dieses Amt zwei Rathsherren dem jeweiligen
Johanniter-Comthur präsentirt, der davon einen w&blte. Als
zu Ende des 1 7. Jahrhunderts die Joseficapelle erbaut wurde,
kam noch ein besonderer Zechmeist^r für dieselbe hinzu.
Der Ziegelherr hatte die städtischen Ziegelöfen unter
seiner Aufsicht
Der Baumeister (einige Zeit war ein Ober- und Unter-
baumeister) hatte die Auüsicht über die städtischen Gebäude
und über den Stadtwald; ohne dessen Anweisung duifte
Niemand Holz aus dem letztem führen. Mit dem Stadtwacht-
meister hatte er sich stets von dem guten Zustand der Feuer-
herde und Rauchfiinge in der Stadt zu überzeugen. Zu diesem
Amte brauchte man nicht ein Baukundiger zu sein, denn es
kommt vor, dass Schuster, Schneider etc. dieses Amt verwalten.
Die Mauthschlüsselbewahrer, und zwar einer für
die Mauth bei der Stadt und einer für die der Stadt eigen-
thümliche Mauth zu Hz; beide waren die eigentlichen Rech-
nungsleger für die Mautheinnahmen und Ausgaben.
Im 18. Jahrhundert kam noch ein Mauthschlüsselbewahrar
für die neuerrichtete Mauth in Gross-Wilfersdorf hinzu.
Die beiden Thorschlüsselbewahrer; sie waren
stets für das rechtzeitige Oeffiien und Schliessen der beid»
Stadtthore verantwortlich.
Nach der Aemterbesetzung fand die Aufnahme der neuen
Bürger statt. Die vol^ährigen BürgerssOhne der Stadt wurden
ohne Anstand aufgenommen; dagegen mussten Fremde ihren
Oeburtsbrief vorzeigen und die Entlassung aus dem Verbände
der früheren Gemeinde oder Herrschaft nachweisen. Die Auf-
nahms-Taxe bestand in 2 fl. und Lieferung eins oder zweier
Feuereimer auf das Raihhaus. Zu Beginn des XVn. Jahrfa.
musste jeder Fremde auch noch hier hausbesessen und ver-
heiratet sein, um als Bürger aufgenommen werden zu können.
— 149 —
Durch begangene Verbrechen oder durch Ungehorsam gegen
den Magistrat wurde er aus dem Bürgerverbande ausge-
schlossen. Kam ein Bürger als Pfründner in das hiesige
Armenhans, so musste er sein Bürgerrecht selbst aufkünd^
er wurde als Bürger » beurlaubt^.
Hierauf ¥rurden die neuen Bürger vom Stadtrichter
beeidet; leider ist die Eidesformel nicht mehr auffindbar.
Nach der Bürgeraufhahme wurden die Polizei- und sonstige
Yorschriften vorgelesen, innere Stadtangelegenheiten geschlichtet
Bitten und Beschwerden entgegengenommen. Dann trat die
Bürgerschaft ab und der Magistrat hielt dann gewöhnlich
eine Bathssitzung.
5. Der Magristrat.
Derselbe theilte sich in den innem und äussern Rath
Der innere Rath bestand aus den Rathsherren, auch Raths-
freunde oder Rathsverwandte genannt, deren Zahl acht, zehn,
auch zwölf betrug. Sie wurden gewöhnlich über Vorschlag
des Stadtrichters vom Magistrate auf Lebenszeit hiezu
gewählt; der jeweilige abtretende Stadtrichter war der Senior
des innem Rathes. Mit Regierungsbefehl vom 23. Juni 1706
bedurfte auch die Rathsherrenwahl der landesfürstlichen Con-
firmation.
Der Eid, den ein Rathsherr bei seinem Amtsantritte
leisten musste, lautete: „Ich N. schwöre, dass ich einen
Durchl. unsem gnädigsten Herrn und Landesftlrsten, N., auch
einen Ersamen Magistrat, Richter und Rath dieser Stadt
Fürstenfeld, treu, gehorsam und gewärtig sein, und gemeiner
Stadt Freiheit nicht allein helfen hanthaben und vertheidigen,
auch ohne Vorwissen bemelt eines ersamen Magistrates nie-
manden davon offenbaren oder das Geheimnis aussagen, sondern
wider männiglich dieselben vertheidigen, schützen und aller-
dings verschwiegen und in Geheim halten, und Reichen als
den Armen, Armen sowohl Reichen, Urtheil und Recht ergehen
lassen, sowohl auch aller Versammlungen, so wider Ir Durchl.
und Einen Ersamen Richter und Recht seint, meiden, so alles
- 160 —
dasa einen Ebrliebenden Mann anstehet und gebührt, leisten
und gehorsam sein. So wahr mir Gott helfe und das hl. Etbd-
gelium'' ^).
Die Rathsherren bekleideten die bereits erwähnten Stadtr
ämter, sassen zu Gericht und bildeten zusanmien gegenüber
der Bürgerschaft in Civil-Streitigkeiten die erste Instanz.
Im Jahre 1628 wurden aus der Mitte der Bathsherm
zwei zu Steuereinnehmern ernannt, „die haben ein TrüchleiD
machen zu lassen und sie haben an bestimmten Tagen auf
dem Rathhause zu sitzen und die Steuern einzunehmen und
alsbald in das Trüchlein zu legend
Zum jeweiligen Landtage wurden zwei Rathsherren, ge-
wöhnlich aber der Stadtrichter und ein Rathsherr deputirt
Im Jahre 1736 erhielt jede Zunft emen Rathsherren
als jyZunft-Commissär^. Bei Verlassenschafts - Abhandlungen
und Concursen wurde immer ein Rathsherr als Commissir
oder Curator bestellt Vom Jahre 1642 an bezog jeder Raths-
herr 6 fl. jährlich als Remuneration aus der Stadtcasse.
Der äussere Rath bestand aus vier Gemeinführem und
dem Bürgerauschusse, welche von der Bürgerschaft jährlich
gewählt wurden. Die Gemeinftüirer mussten denselben Eid
leisten wie die Rathsherren, je zwei hatten den Rathssitzungen
beizuwohnen^ sie waren Vertreter der Bürgerschaft gegenüber
dem Magistrate.
Der Bürgerausschuss, aus zwölf Personen bestehend, war
nur bei aussergewöhnlichen Angelegenheiten thätig; er scheint
die Viertelmeister über die Wünsche und Beschwerden der
Bürger informirt zu haben.
Bei der jährlichen Steuerbemessung iungirten Raths-
herm, Viertelmeister und Bfitglieder des Bürgerausschusses.
0 Das Original dieser Eidesformel stammt aus der Zeit, als der
Magistrat bier protestantisch war, also vor 1600, denn nach dem
Worte „Versammlungen" oben folgte : „und die katholischa Kirche" ;
statt am Schlüsse „und das hl. £Yangelium<< wurde über landes-
fürstlichen Befehl gesetzt: „und alle Heiligen*'. Die Eidesformel
fUr den Stadtrichter und Syndicus konnte ich im Archire nicht
finden.
— 161 —
6. Tom Magistrate besoldete Amtspersonen.
Ein sehr wichtiges Amt war das des Stadtschreibers
oder Syndicus. Derselbe musste aus der Gesetzkunde geprüft
sein, wurde zwar vom Magistrate als solcher ernannt, bedurfte
aber der Bestätigung der Regierung in Oraz. Wenn sich ein
Syndicus seine Amtsbestätigung in Graz einholte, so bekam
er vom Magistrate ein „Credentialschreiben'' mit Ein Solches
lautete : „Euer . . . Gnaden und Gnaden thun wir gehorsamst
hinterbringen, wie dass (N.) gewester Stadtschreiber alda den (x)
laufenden Monates dieses Zeitliche gesegnet; wan nun wegen täg-
lich sowoll Landgericht als anderer gemeiner Statt Vorfallenheiten
solch Stattschreiberamt unersezt nicht kann gelassen werden, als
haben wir ein solches (N.) als einen indem Stattschreiberamts-
sachen wohl erfahrenen und praktizirten Mann yerliehen.
Gelangt demnach an Euer . . . Gnaden und Gnaden unser
gehorsamstes Bitten, ihme (N.) in Gnaden bei solchen Statt-
schreiberamt zu confirmiren, uns zu Hochgnaden Hulden unter-
thänigst empfehlend.
Euer . . . Gnaden und Gnaden
Unterthänigst gehorsamste
N. Richter und Rath.« *)
Der Syndicus hatte die ganze innere Verwaltung der
Stadt und die Stadtkanzlei in seinen Händen, er war die
eigentliche Seele der Geschäfte des Magistrates in jeder Be-
ziehung. Er hatte eine freie Amtswohnung und 50 fl. Jahresgehalt
Der Stadt Wachtmeister war stets ein Bürger; er
war das Polizeiorgan der Stadt Worin seine Besoldung be-
stand, konnte ich nicht finden.
Der Stadtbote besorgte die Postgeschäfte ftlr den
Magistrat.
Die Thorsperre r, welche in den über den Stadtthoren
erbauten Kanmiem wohnten, bewachten die Thore.
Der G e richtsdiene r, welcher die Aufsicht und „Atzung"
der Arrestanten besorgte, half auch beim Torquiren. Seine
Jahresbesoldung bestand in 20 fl. und „ein par Stiefeln".
0 Das Original stammt aus dem Jahre 1724.
— 162 —
Ueber mein Ansuchen erhielt ich vom Johanniter-Ordens-
Grosspriorate folgende Liste der FUrstenfelder Ordens-Comthure
mitgetheilt:
1232 Perhohus, alias Bemhocb, Priester und Meister.
1266 Leutwin. 1273 Heinrich. 1287 Rechwin, Comthur und
Prior. 1296 Nudunge. 1306 Wilhelm. 1332 Mathias Wetter.
1349 Otto. 1367 Johann Rinderschinck. 1398 Niklas von Prag.
1413 Stefan Ksodhase« Grosspriorats-Statthalter in Oesterreicli,
Steiermark, Kärnten und Erain. 1427 Martin Kever, alias
Kefer, Comthur und Pfarrer. 1448 Laurentius Herttenfelder.
1451 Johann Keser, Comthur und Statthalter in Oesterreich.
1464 Sobald Puechl. 1488 Andreas Wenig. 1504 Kaspar von
Stain. 1 509 Philipp Flachperger, decretorum Doctor, Comthur
und Pfarrer. 1520 Fabian von Maltis. 1535 Franz von Mindorf.
1538 Martin Vetter. 1556 Ludwig Freiherr von Poll weiller.
1565 Jacob von Gloyach. 1580 Furio Molza. 1594 Eneas
von Gonzaga. 1598 Felician Moschowsky von Morawczin^ alias
Mosch von Moriz auf Schönstein und Beneschau. 1614—24
Heinrich Freiherr von Logau. 1624 — 33 Rudolf von Paar.
1633 Niklas Cari (später Graf) von Gaschin. 1661 Wilhelm
Leopold von Rheinstein und Tattenbach. 1662 Ferdinand
Ludwig Graf von Kolowrat. 1684 Johann Josef Graf von
Herberstein. 1687 Wolfgang Sebastian Graf von Pötting. 170:^
Carl Leopold Graf von Herberstein. 1722 Gundacker Graf
von Dietrichstein. 1739 Michael Ferdinand Graf von Althan.
1748 Anton Graf von Coloredo. 1789 Vincenz Graf KoUowrat-
Liebsteinsky. 1820 Johann Josef Graf von St Julien. 1831
Franz Anton Graf von Hrian. 1838 Ludwig Graf von Pergai.
1851 Adolf Graf Podstatzky - Liechtenstein. 1862 Alexander
Graf von Attems. 1877 Gottfried Freiherr von Andrian-Werburp.
Von den Dorfgemeinden der Umgebung von FOrstenfeld
besitzt nur Uebersbach ein altes Gemeindebuch. Die Auf-
zeichnungen beginnen mit dem Jahre 1662; sie enthalten die
Reihenfolge der Dorfrichter, Lebensmittelpreise, UnglQcksftlle,
als: Viehseuchen, Heuschreckenschwärme , Cholera, Ueber-
schwemmungen und Brände; letztere aus der neuesten Zeit
Achtzig Jahre (1665—1745) aus dem
Gemeindelehen des Marktes Kindherg.
Von
Prof. H. J. Bidermann.
Jb asst man die geographische Lage des Marktes Kindberg
in's Auge, so ist man versucht, dessen Entstehung und Empor-
kommen dem Handelszuge zuzuschreiben, der vom Semmering
her und in entgegengesetzter Richtung seit vielen Jahrhunderten
das Mürzthal belebt. In Wirklichkeit verhält es sich aber
damit anders. Wenn schon der Fremdenverkehr und das
„Strassengewerbe** immerhin einigen Antheil an den Schick-
salen dieses Ortes haben, so sind doch diese Factoren nie
dafür entscheidend gewesen. Nicht, dass die Mürz in der
Gegend, wo Kindberg liegt, sich und so zugleich dem Verkehre
Bahn brach, sondern dass sie hier zum Frommen industrieller
Unternehmungen ein starkes Gefälle hat und sich zum gleichen
Zwecke in mehrere Binnsale abzweigen liess, ferner dass sie
hier in firüher Zeit Lehmschichten ablagerte, die znr Thon-
waarenerzeugung einluden, und dass in der Nähe verschiedene
Seitenthäler münden, deren Bewohner ihren Bedarf an gewissen
Gewerbeerzeugnissen am bequemsten aus Kindberg beziehen:
das sind die für die Entwicklung des Ortes von jeher mass-
gebenden Naturverhältnisse. Daneben spielten auch Elementar-
Ereignisse und politische Begebenheiten stets eine untergeord-
nete BoUe. Sie griffen nur vorübergehend, bald fordernd, bald
hemmend ein. Ihre schlimmen Folgen zu überwinden, ihren
— 164 —
günstigen Einfluss anszuntttzen, war jeweflen Sache der Be-
völkerung, die sich da zusammenfand. Inwiefeme diese dem
gewachsen war, hing von deren Thatkraft und Einsicht, aber
auch von den Yermögenskräften ab, über welche sie verfügte.
Damach gestaltete sich innerhalb des typischen Rahmens ihrer
Verfassung das Culturleben der Marktgemeinde, welches hin-
wieder auf die Bedingungen zurückwirkte, von denen es selber
abhing.
Hierüber geben die Rathsprotokolle des Marktes, so weit
sie erhalten sind, Aufechluss. Fehlt es gleich nicht an sonstiges
Behelfen zur Aufhellung der Geschichte von Kindberg, so
gewahrt doch Nichts tieferen Einblick in das Treiben und
Trachten, in die Tugenden und Laster, in die Leiden und
Freuden der vorzeitlichen Eindberger, als diese Protokolle
und das nachstehende Bild, zu dem ich ihnen ohne and»-
weitige Zuthat die Farben entlehne, zeigt, was aus einer
scheinbar so kargen und unerquicklichen Quelle sich scböpfec
Iftsst. 0
Dieselben umfassen die Zeiträume 1665 — 1667, 1677 bis
1683 (Februar), 1688—1691 (Februar), 1701 (März)— 1703
(Jänner), 1705 (Februar)— 1707 (Jänner), 1709 (Rebruar)-
1713, 1715 (August)— 1729 (März), 1742 (April) - 1754
(December). Obschon lückenhaft und stellenweise mit solcher
Eilfertigkeit niedergeschrieben, dass das Verständniss sehr
erschwert ist (was namentlich von den beobachteten Rechts-
formen und Bechtsnormen gilt), enthalten sie doch eine seltene
Fülle von Einzelnheiten, die vor Vergessenheit bewahrt 2U
<) Ich ftge nur in der Form von Anmerkungen einzelne Erläutenmgen
hinzu, welche aus anderer Quelle stammen, die ich jedesmal spedell
bezeichne. Dass ich mich auf wenige derlei Zusätze beschränke, hat,
von der Tendenz, den Werth jener Protokolle desto deutlicher her-
vortreten zu lassen, abgesehen, darin seinen Grund, dass ich den
ganzen Aufsatz, den Intentionen des Yereins-Ausschusses gemäss,
in der Zeit vom 10. Juni bis 1. Juli 1881 zu Papier bringen musstet
wenn nicht das Erscheinen des Heftes der „Mittheilungen'', filr
welches er bestimmt ist, eine ungeziemende Verzögerung edddes
sollte.
— 166 —
irerden verdienen und im Folgenden nach den hier zur besseren
Uebersicht verzeichneten Rubriken geordnet sind :
I. Verfassung und Verwaltung der Gemeinde (einschliess-
lich der Rechtspflege).
II. Beziehungen des Marktes zur Herrschaft Oberkindberg.
III. Oeffentliche Lasten.
IV. Truppenbewegungen und Reiseverkehr.
V. Handelsbeziehungen.
VI. Gewerbe- Thätigkeit und Gewerbe-Polizei.
VII. Vermögensverhältnisse und Armenpflege.
VUI. Zustand der Bildung und der Sitten.
Dass ich den meinen Lehrfächern (Statistik und Staats-
recht) verwandten Rubriken die meiste Aufmerksamkeit zuwende,
möge meinem Berufe zu Gute gehalten werden. Zu wissen-
schaftlichem Gebrauche ausgezogen habe ich die hier ver-
wendeten Daten grösstentheils während meines Ferienaufent-
haltes zu Kindberg in den Monaten August und September
1880. Ich verdankte die Möglichkeit, dies mit Müsse zu
thun, so wie die Nachholung eines Versäumnisses der von
historischem Sinne Zeugniss gebenden Bereitwilligkeit des Herrn
Bürgermeisters von Eindberg, Ant Pezledrer, und der
Dienstfertigkeit des dortigen Magistratsecretärs Herrn Andreas
Prinstl.
I. Yer&ssaiig und Yerwaltang der Gemeinde
(einschliesslich der Rechtspflege).
Die Geschäfte der Marktgemeinde, wozu auch die Burg-
friedens - Gerichtsbarkeit gehörte, wurden vom Magistrate
besorgt, der sich in den inneren und äusseren Rath
theilte und an dessen Spitze der Marktrichter stand.
Diesen erwählte alljährlich am St. Blasius-Tage (3. Febr.)
die gesammte Bürgerschaft aus ihrer Mitte. Wurde gegen
diese Wahl bis zum 22. Febr. rSt. Peters Stuhlfeier) von
keiner Seite eine Einwendung erhoben, so galt sie für con-
firmirt und empfing der neugewählte Richter an dem soeben
genannten Tage den landesfilrstlichen Gerichtsstab aus den
— 166 —
Händen seines Vorgängers. Einer aosdrOdfi^i
Bestätigung der Wahl durch die Regierung bedurfte es nicht:
ja es wohnte nicht einmal dem vorerwähnten Uebergab^cte
ein Commissär derselben bei. Der im Jahre 1665 erwiUtt
Marktrichter, Michael Dörer, übernahm den Gerichtsstab^ m
es im Bath8prot9kolIe vom 6. März 1665 heisst, «im Nasi»
der allerheiligsten, unzerthailten Dreifaltigkhait : Gottes des
Vaters, Sohns und heiligen Geists, wie auch der abeiigebeiie-
deitesten Himbelskönigin und Mutter Gottes Maria" and er
gelobte bei diesem Anlasse, mit Gottes Hilfe so seines Amtes
zu walten, dass er den Freiheiten und Gerechtsamen des
Marktes nichts vergibt Einer besonderen Verpflichtung gegen
den Landesfürsten geschieht da keine Erwähnung, wenn ^etck
bei anderen Gel^enheiten der Magistrat es gerne betonte,
dass er im Namen des Kaisers Recht zu sprechen berufen sei.
Der Marktrichter bezog keinen festen Gehalt, sondern Gerichts-
taxen und erhielt, wenn er darum ansuchte und der Magistrat
ihm wohl wollte, bei seinem Austritte aus dem Amte dne
Gratification, welche meist dazu diente, Rechnungsrückstände
zu begleichen. Dafür lag ihm ob, der Marktgemeinde aber
finanzielle Schwierigkeiten durch Vorschüsse hinwegzuhelfen:
wenigstens wurde vorausgesetzt, dass er diess thun könne und
wolle. Als Hanns Rainhalter am 3. Februar 1677 das Richter
amt resignirte und abermals zum Richter erwählt wurde,
ersuchte er die Bttgerschaft öffentlich, .mit Abzahlung der
alten Ausständt und Steuern hinfüro besser sich einzufindeo,
weillen sein Peutl gering ; sonsten, da ein Pfandtung einlaufen
sollte, wolle er dessen entschuldiget sein**. Bemitteltere Gemeinde*
Vorsteher leisteten mitunter namhafte Geldvorschüsse zu Gun-
sten des Marktes. So lieh z. B. im Juni 1720, als die steier-
märkische Landschaft mit dem Markte über Steuerrückstände
sich verglich, der damalige Richter 351 fl her, damit die
Landschaft bedungener Massen befriediget werden konnte
Häufiger noch überhob ein ehrgeiziger Richter, dem daran
lag, wiedergewählt zu werden, den ärmeren Theil der Bürg«-
Schaft des Steuerzahlens und trieb so Stimmenkauf oder es
- 157 -
gründete ein berechnender Kopf, wie der Marktrichter Mathias
Ebundtschakh war, auf diese Zuvorkommenheit ein reichliche
Zinsen tragendes Ausbeutungssystem. Der eben Genannte, ein
wohlhabender Fleischhauer, welcher schon im Jahre 1661 zum
Marktrichter gewählt worden war, gelangte im Jahre 1688
abermals zu dieser Würde. Unmittelbar darauf legte er eine
Uneigennützigkeit au den Tag, welche die ganze Gemeinde
in freudiges Erstaunen versetzte. Unter seinem Vorsitze fasste
der ehrsame Rath am 11. M&rz 1688 den Beschluss, dass
den sogenannten Richtertrunk, womit der neugewählte Markt-
richter die Bürgerschaft herkömmlicher Weise zu bewirthen
hatte, er aus seinem eigenen Sacke bestreiten sollte, statt ihn
der Gemeinde anzurechnen. Und am 1 2. October des nämlichen
Jahres war er es, der beim Pantaidinge den Antrag auf Ab-
schaffung des s. g. „Ladgeldt^'s (einer Yeränderungsgebühr, die
auch beim Tode eines behausten Bürgers für die Umschreibung
des Hausbesitzes zu entrichten war) stellte, indem er darin
eine Herabwürdigung der Bürgerschaft zu erblicken vorgab,
welche unter diesem Gesichtspuncte den zinspflichtigen Bauern
gleiche und dadurch Gefahr laufe, einem Grundherrn als
Municipal-Gemeinde überliefert zu werden. Dafür erbat er
sich von der Gemeinde den ihr zustehenden Gerichtshafer
als Remuneration, von welcher er jährlich 50 Gulden heraus-
zahlen wolle, u. z. 30 Gulden in Gestalt von Remanenzgeldem,
den Rest aber baar an die Gemeindecassa, wobei er sich
rühmte, das Yiertl Getreide mit so viel Gulden zu bezahlen,
als zu Graz am Markte dafür Groschen bezahlt werden.
Natürlicher Weise wurde Beides zugestanden und er am
3. Febr. 1689 zum dritten Male zum Marktrichter erwählt
Er dankte fUr diese Auszeichnung mit der Versicherung, dass
alle Steuerrückstände der Bürger beglichen seien. Das hiess
mit anderen Worten: er habe aus Erkenntlichkeit diese
Rückstände getilgt Die Bürgerschaft lohnte ihm diess im
folgenden Jahre mit seiner Neuwahl und nun setzten es die
ihm befreundeten Rathsherren trotz des Widerspruchs der
s. g. Vormünder (der Gemeinde) durch, dass die ganze Geld-
— 168 —
gebarung des Marktes, welche sonst Sache besonderer .Kiffi-
merer'' war, ihm anheimgegeben und selbst die YerwaltoBg
des Waisenvermögens ihm anvertraut wurde, ungeachtet er
die „Gerichts-Raitung"' für die vorausgegangenen zwei Jahre
noch nicht gelegt hatte. Er musste am 1. März 1690 hioan
erinnert werden und zOgerte auch dann noch mit der Bedi-
nungslegung bis zum October. Dies erweckte Verdacht, so dass
die Pantaiding- Versammlung vom 13. October 1690 zur PrOfoii^
der Rechnung die vier ehevor minder vertrauensseligen Vor-
münder und ausserdem drei Mitglieder des inneren Rathes
zur Revision derselben berief. Bei dieser Gelegenheit zdgte
sich, dass Khundtscbakh um 70 Achtl Zinshafer weniger io
die Einnahmsrubrik eingetragen hatte, als sich gebohrt haben
würde, und dass er die Gemeinde obendrein am Preise, za
welchem er die verbuchten Zinshafer - Quantitäten eintrug,
verkürzt hatte. Auch andere Mängel wurden offenbar. So hatte
er z. B. den Schützen, welche auf der Schiesstätte des Markt»
sich einübten, an Schicssprämien je 15 kr. verabfolgt, statt
der präliminirten 1 2 kr., femer für ein Festmahl, das er beim
Ausstecken der Marktfahne anlässlich der Eröffnung eines
Jahrmarktes der Bürgerschaft gab, 36 fl. 5 kr. in Aasgabe
gestellt, während die Rechnungsrevisoren blos 18 fl. dafiir
passirten, u. s. w. Diese Wahrnehmungen waren geeignetv
den gesammten Magistrat blosszustellen. Letzterer beschloss
daher, das Ausschwätzen mit einer ßeldbusse von 6 Ducaten
zu belegen, damit „ Alles und Jedes in gueter Verschwiegenheit
bleibe. ** Eine neuerliche Pantaidings- Versammlung sah dem
Khundtscbakh am 24. October 1690 von der bemängelten
Mehraufrechnung 57 fl. 56 kr. nach. Aber es blieben inuner
noch über 30 fl. unbedeckt und die Grazer Regierung beeilte
sich, mittelst eines bei jener Versammlung verlesenen Befehles
nicht nur auf die Wiedereinsetzung von Kämmerern, sondern
auch auf Verrechnung der Waisengelder zu dringen. Die Vor-
münder thaten, hiedurch ermuntert, desgleichen und protestirten
lebhaft dagegen, dass die Waisengelder mit Umgehung der
Gerhabschaften „zu gemainen Markt eingezogen werden'.
— 169 —
Sie verlangten ferner, dass über die Getränk- und Gewerbe-
steuer, welche Khundtschakh gleichfalls ohne jede Gontrole
eingenommen hatte, öffentlich Rechenschaft gegeben werde.
Derselbe erfreute sich aber immerhin noch eines derartigen
Anhangs, dass der Rath am 30. October 1690 ihm obigen
Rechnungsrest bis auf 7 Gulden nachsah, worauf er in der
Sitzung vom 29. Januar 1691 mit der Erklärung antwortete:
die Bestimmung des neuen 1. f. Kopfsteuer-Patents^ wonach
jeder Bürger mindestens Einen Gulden zu erlegen gehabt
hätte, sei in Kindberg unausführbar, „sintemahlen hier mancher
das ganze Jahr, ja in seinem ganzen Vermögen khaum Einen
Gulden Gelt vermag''. Als der Tag der Neuwahl des Markt-
richters kam, einigte sich gleichwohl die Mehrheit der Wähler
dahin, dass von Khundtschakh anzunehmen sei : er werde sich
nicht länger mehr (als Richter) gebrauchen lassen. Darauf
hin wählten sie statt seiner den Martin Pamer. Aber zehn
Jahre später gelangte er doch wieder auf jenen Vertrauens-
posten und es ist bezeichnend, dass damals Khundtschakh
einem Gläubiger seines Nachfolgers (Pamer) als Bürge für
den Betrag von 270 fl. haftete, von welcher Verbindlichkeit
er erst am 14. April 1701 enthoben wurde. Um seine Wieder-
wahl thunlichst auszunutzen, erbat er sich am 22. März 1701
ein Gemeindegrundstück ins Eigenthum und die bestandweise
Ueberlassung der Trank- und Gewerbesteuer - Einhebung.
Ersteres wurde ihm abgeschlagen, Letzteres dagegen bewilliget,
wenn schon mit der nicht gerade schmeichelhaften Ermahnung :
er möge die Menge des Weines, den er selber verbraucht, ohne
Hinterhalt eingestehen. Uebrigens ertrugen schon die Taxen
und Geldbussen, auf welche der Richter Anspruch hatte, ein
Erkleckliches. Jeder Kauf eines Hauses imWeichbilde des Marktes
war an die Zustimmung des Magistrats gebunden, welcher
insgemein von Fall zu Fall die dabei zu erlegenden Taxen
bestimmte. Als Georg Krassberger am 28. August 1715 vom
Achaz Schöpfer ein Haus sammt Acker, Garten und zwei
Hölzern (d. h. Waldantheilen) um 300 Gulden und 4 Gulden
„Leykauf^ erwarb, musste der Käufer 12, der Verkäufer
— 160 —
3 Gulden beim Marktgerichte erlegen. Von diesen 15 Gold«
erhielt der Richter l y^i. An den Strafgeldern, zu deren fin-
hebung fast bei jeder Rathssitzung Anlass sich darbot, parti-
cipirte der Richter mit zwei Drittbeilen; ja die Burgfriedens-
bussen fllr Ehebrüche und drgl Delicte flössen bis zum Aogißt
1716 ganz in seine Tasche, was allein schon in mancheai
Jahre mehrere hundert Gulden ausmachte. Jeder abtretende
Richter konnte wieder gewählt werden; doch nor drei Mal
nach einander. Dann musste dem Herkommen gemäss dss
Amt auf einen Anderen übergehen. Es kam auch vor, dass
die Bürgerschaft einen Marktrichter vor Ablauf der Functions-
dauer seines Amtes entsetzte. Solches widerfuhr am 2. Mai
1715 dem Richter Christian Georg Prugger, welcher aber
dadurch der Pflicht, am Schlüsse des eigentlichen Amtsjahres
jR^rmlich zu resigniren, sich nicht enthoben glaubte. Auch die
Bürgerschaft bestand auf feierlicher Uebergabe des Amtes
und wollte nicht einmal zugeben, dass Prugger sich dabei
durch einen Bevollmächtigten vertreten liess. Der neu ge?rählte
Richter wurde durch die Rathsherren und eine Anzahl Bürgen
welche paarweise vor ihm herschritten, feierlich einbegleitet,
d. h. dieser Zug bewegte sich aus der Kirche, wo ein Fest-
gottesdienst stattfand, zum Hause des Gefeierten.
Der sogenannte innere Rath, dessen Mitgliederzahl nicht
festgestanden zu haben scheint, ergänzte sich msgemein selbst
und zwar vorzugsweise durch Cooptirung von nVormCLndem'^.
Die jährlich wiederkehrende Resignation der Gemeindeamt«'
erstreckte sich auf ihn nur insofeme, als einzelne Mitglieder
desselben der Rathsherrenwürde überdrüssig waren oder von
ihren Collegen als unfähig, an den Rathssitzungen weiterhin
theilzunehmen, waren erklärt worden. So heisst es im Proto-
kolle vom 3. Februar 1702: „meldet der angesetzte (substi-
tuirte) Herr Marktrichter Ebner, dass jedesmahl am heutigen
Tag die vacierenden Rathsstellen wären ersetzt worden; also
befragt Er einen ersamen Magistrat, ob derselbe etwann mit
Räthen für genug besetzt (zu sein) vermainete oder aber
ain vndt anderes Subjectum hinein nemben wollte. Ist be-
— 161 —
schlössen, dass, wann Herr Drimmer und Herr Wieser herein-
geben wollten, der Rath schon damit ersetzet genug seye.**
Wer nicht ausscheiden wollte oder zum Austritt sich gedrängt
sah, blieb ruhig in seinem Amte. Aber es ereignete sich
sieht selten, dass Zerwürfnisse in Mitte des inneren Bathes
oder Beleidigungen, die einem Mitgliede desselben Seitens
emfacher Bürger widerfuhren, den Austritt zur Folge hatten,
sowie anderer Seits Bathsherren, über deren Vermögen der
Concurs eröffnet wurde, bis zu dessen Beendigung den Baths-
sitzungen ferne bleiben mussten.
Gleiches gilt von den „Vormündern*', welche übrigens
als die Anwälte ^^gemeiner Bürgerschaft*' unter Einflussnahme
dieser dergestalt gewählt wurden, dass die Bürger dem inneren
Rathe einen Temavorschlag erstatteten, aus welchem Letzterer
durch Mehrheit der Stimmen sich den ihm Genehmsten erkor.
So berichtet z. B. das BathsprotokoU vom 3. Februar 1717
hierüber Folgendes: „Umbweil Herr Mathias Lanzenbacher
aus dem Innern Bath mit Dott abgangen, also ist aus ein-
helliger Wahl des Bathes Herr Jakob Kolhoffier in den inneren
Rath eingenommen worden, anstatt dessen als eltisten Vor-
mündter seint dahero von der Bürgerschaft drei aus der
Gemem vorzustellen". Von den hierauf Proponirten erhielt
der Bürger Pofellner acht Stimmen, Pibermann sechs, Häntsch
eine. Der Erstgenannte trat daher in den äusseren Bath ein.
Auch ihre Zahl schwankte. Bald fimgirten vier^ bald blos
drei. Sie waren die autorisirten Sprecher der Bürgerschaft
und hatten hinwieder diese zu beschwichtigen, wenn sie dem
Magistrate grollte oder gar offen sich wider denselben auf-
lehnte. Ein solcher Tumult entstand am 14. März 1718 vor
dem versammelten Bathe aus Anlass der Bewerbung des
damaligen Marktschreibers um seine Belassung im Dienste.
Vergebens verwies der Bichter die Aufrührer zur Buhe und
drohten die Bathsherm, wenn nicht sofort Abbitte geleistet
i^erden würde, zu keiner Sitzung mehr zu erscheinen. Endlich
^ard im Bathe beschlossen, die Bürger einzehiweise vorzu-
rufen und von ihnen bündige Erklärungen zu verlangen. Da
MitUieil. dM Uffi. Vanines t Stoienurk, XXIX. Heft, 1881. 1 1
~ IM —
meldeten die i, Vormünder' : ;,die RebeUanten hätten sieh
geeinigt, draussen zu verbleiben ; die Uebilgen aber wOnschten^
aUe zugleich in den Rathssaal eingelassen zu werden.^ Diesem
Begehren wurde willMrt und nun leisteten die Vormünder
im Namen der Bürgerschaft vor dem inneren Käthe Abbitte,
womit der Gonflict beigelegt war.
Bis zum Jahre 1677 war mit den Bathsstellen keine
fixe Entlohnung, sondern blos der Anspruch auf einen Theil der
eingehenden Geldbussen verbunden. Damals (am 12. November)
wurde vom Magistrate beschlossen, dass künftighin jedes
Mitglied des inneren Rathes jährlich einen Ducaten und jedar
j, Vormund'' einen Reichsthaler als Becompens erhalten soll
Unter den Bediensteten der Gemeinde stand der Markt-
schreiber obenan. Er genoss ein Naturalquarüer im Baths-
hause und einen kleinen Gehalt (der im Jahre 1680 mit
60 fl. bemessen war); ausserdem bezog er allerlei Kanzlei-
gebühren, insbesondere Schreibe - Taxen, wogegen er, wenn
seine Kraft nicht ausreichte, einen E[anzlei-Gehilfen aus Eig^iem
zu unterhalten hatte. Zu Anfang der Periode, mit welcher
wh* es hier zu thun haben, oder doch bald nachher (1679)
war Primus Felician Fromblacher j^geschwomer Marktschrmber"
zu Kindberg. Derselbe prunkte mit dem Titel eines kaiser-
lichen Notarius publicus und dünkte sich dem löblichen Ma-
gistrate an Einsicht und Pflichteifer so sehr überlegen, dass
er ihn bei der Landesstelle zu Graz verklagte. Dadurch zog
er sich, nachdem er zuvor schon ein Zeit lang durch andere
Beamte ersetzt worden war, im Jahre 1700 abemuds die
DienstesenÜassung zu, und da er nichtsdestoweniger aus seiner
Naturalwohnung nicht weichen wollte, musste er auf geUnde
Weise delogirt werden. Das RathsprotokoU vom 22. M&rz 1 701
meldet dies und gibt als Ursache an: „weillen er ein so
übles Maull (hat), auch einen ganzen Magystrat bei der Re-
gierung also höchst schimpflich angegeben^. Desto besser vertrug
sich mit dem Bathe der aus Mureck herbeigerufene Maikt-
schreiber Lorenz Trimer, dem die Ehre zu TheQ wurde, am
9. März 1689 unter die Mitglieder des inneren Bathes auf-
— 168 —
genonunen zu werden. Fromblacher's Nachfolger im Jahre 1701
war Joh. Jos. Langenmantl aus einem berühmten Augsburger
Patrizter-Geschlechte. Diesem folgte im Jahre 1703 Gregor
Pottgorsberg (Podgorschegg ?) aus Erain, den der ihn im
Juli 1710 ablösende Marktschreiber Mathias Lakhner mit
Knittelversen, die er in's Rathsprotokoll eintrug, als einen
Ränkeschmied bezeichnet, welcher umsonst seine Abkunft aus
Krain verleugnet habe (.bleibt ein Crainer an sein letztes
Endf). Am 10. November 1712 wurde Lakhner durch den
Jos. Lorenz Prunner ersetzt, welcher bis zu seinem Tode die
Stelle bekleidete und dem ein Schreiber Namens Hanns Adam
Ehugleyssen zur Seite stand, welcher nach seines Dienstgebers
Ableben vom Magistrate sich eine „Becompens** erbat, worauf
ihm Tuch zu einem Rocke bewilligt wurde. Am 22. Februar 1720
gelangte Franz Mathias Khundtchakh zu jener Stelle. Der-
selbe war früher zu Brück an der Mur bedienstet gewesen
und beeilte sich nunmehr, den Titel so wie die Befugnisse
eines Notarius publicus zu erwerben Am 18. März 1720
verlieh ihm Beides der Hofkammer-Procurator Steitz zu Graz
in seiner Eigenschaft als Comes palatinus. Anfangs 1727 taucht
vorübergehend wieder ein Langenmantl als Marktschreiber
aof^ der jedoch die Protokolle nicht selber schrieb, sondern
durch emen Andern führen liess. Am 20. Mai 1728 ward
Jos. Ant Weckher in dieses Amt installirt und zwar mit
folgenden Bezügen: 80 Gulden Gehalt, 12 Klafter Hohs,
8 Gulden Reisepauschale, freie Wohnung sammt Zugehör.
Dabei war vierteljährige Kündigung bedungen. Die Stellung
des Marktschreibers hatte sich also seit dem Jahre 1680
einigermassen gebessert und es kam damals auch kaum mehr
vor, dass der Magistrat diesen Beamten vor beleidigenden
Uebergriffen des Marktrichters schützen musste, wie eis im
October 1678 geschah, wo der damalige Marktschreiber die
Intervention des Rathes wider Verletzungen des Briefgeheim-
nisses in Anspruch nahm, die sein Vorgesetzter sich ihm
gegenüber wiederholt erlaubte.
Sache des Marktschreibers war es, bei Rechtshändeln
11*
— 184 —
aller Art fbr die Emhaltung des herköminlichen, gerichtlichen
Verfahrens und fhr die dem Landesrechte entspredioide
Fonnulirung der Erkenntnisse des Marktgerichtes zu soigen.
Dun kam auch die ProtokoUirung aller wichtigen Voikomm-
nisse zu, welche Gegenstand von Rathsverhandlangen waren.
Häufig wurde er mit besonderen Biissionen nach Auswärts
betraut, namentlich nach Wien und Graz, wofbr er dann auch
eine besondere Entlohnung erhielt
DieRechtspflege gab dem Marktmagistrate überhaupt
und daher auch diesem seinen Functionär viel zu schaffen.
In erster Lüde waren es Ehrenhändel, welche ihn be-
schäftigten. Aber auch Verletzungen der ihm schuldigen
Achtung, eheliche Zwiste, von UnmOndigen begangene Dieb-
stähle, UnzuchtsMe, Thätlichkeiten, welche schwere Körperver-
letzungen nach sich zogen, und andere Vergehen wider
das Leben oder die Gesundheit der Menschen betrachtete der
Magistrat als zu seiner Gerichtsbarkeit gehörig.
Einige Beispiele mögen dies beweisen und zugldch über
die verhängten Strafen Aufschluss geben.
Am 5. Mai 1665 entschied der Rath über wechsdseitige
Injurienklagen des Bürgerssohnes Jacob Ehundtschackh und
des Gemeinde-Schafhirten, welche einander beschimpft und
durchgeprügelt hatten: Letzterer habe mit den empfangenen
Schlägen vorlieb zu nehmen und sie sich zur Warnung dienen
zu lassen ; Ersterer aber soll, weil er in eigener Sache Bichter
war, dem Marktrichter, in dessen Competenz er solcher Gestalt
eingriff^ zur Strafe einen Dacaten entrichten. In der Begd
lautete bei Ehrenhändeln das Urtheil dahin: dass der Belä-
diger dem Gekränkten vor Zeugen oder gleich im Grerichts-
saale j,ein gutes Wort geben solle^. War der Kläger nicht
anwesend, so erbat sich der Verurtheilte dann häufig die
Assistenz einiger Bathsheri*en, welche, damit der Kläger ihm
desto gewisser verzieh, bei diesem ihr Fürwort einlegten.
Am 23. Juli 1716 verklagte Peter Penggl den Orts-
chirurgen (Bader) Daniel Munggl, einen Stänkerer der sddimin-
sten Sorte, dass dieser ihm nachrede, er sei wie ein Verbrecher
— 166 —
in Eisen und Banden dem Landgerichte zu Widen eingeliefert
worden. Das Marktgericht ertheilte dem Kläger ein gutes Leu-
mundszeugni8s(Attestation seines ehrlichen Namens) und ver-
urtheilte den Geklagten zu ;, herzlicher Abbitte' sowie zum
Eostenersatze für den Zeitverlust, den der Kläger durch seine
Beschwerdeführung erlitten.
Diese milde Praxis rührte ohne Zweifel von der Häufig-
keit derartiger Klagen her, denen gegenüber der Magistrat
sich gewöhnte, in den Veranlassungen dazu „blosse Hitzig-
keiten'' zu erblicken.
War der Magistrat selber oder in ihm die gesammte
Gemeinde oder gar das kaiserliche Ansehen, in dessen Abglanz
er sich als Gerichtsbehörde sonnte, verunglimpft worden, so
entwickelte er freilich grössere Strenge. Der Gastwirth und
Bierbrauer Martin Dnteregger z. B., welcher im Jahre 1681
dem Marktrichter einen vollen Krug zum Kopfe warf und
denselben mit einem Küchengeräthe bedrohte, erhielt drei Tage
Arrest in Eisen andictirt, die er allenfalls mit 64 Gulden
ablösen konnte, vorausgesetzt, dass er auch im Geleite von
sechs Rathsherren Abbitte leistete. Der Wirth verstand sich
zu Letzterem und versöhnte sich schliesslich aus Grund des
Nachlasses der Hälfte jener Busse mit dem Marktrichter bei
einem Tractamente, dem er alle Bathsherren beizog. Er hatte
übrigens schon im Juli 1666 die gesammte Gemeinde ge-
schmäht und war darob damals zu einer Geldbusse von
30 Reichsthalem verurtheilt worden, vor deren Bezahlung er
das Gerichtshaus nicht verlassen durfte.
Als Anfangs April 1702 kundbar wurde, der Hammer-
schmiedmeister Prugger habe wegen eines Raufhandels, wobei
er im Burgfriedensbereiche des Marktes einen Bauer blutig
geschlagen hatte, sich mit dem Landgerichts-Verwalter zu
Krieglach und mit dem Beschädigten abgefunden, glaubte
der Magistrat seine Gerichtsbarkeit damit wahren zu sollen,
dass er auch seinerseits den Prugger wegen jenes Delictes
und obendrein wegen Verletzung der Gerichtshoheit ver-
urtheilte.
— 16« —
Das ,,Aeffeni" (Bekritteln) eines marktgerichtlicbea Ur-
tbeiles bedrohte ein Magistratsbeschluss vom 26. August 17 IG
mit einer Geldbusse von je einem Speciesthaler.
Wenn ein Marktinsasse Qbereilter Weise seinem Borger-
rechte entsagte und bei ruhiger Ueberlegung dies rOckg&ngig
zu machen suchte, so wurde das auch als ein der Gremeinde
angethaner Schimpf betrachtet und der Hitzkopf mit Arrest
bestraft, wie es am 15. October 1677 der „Pettenmadi^-
(Rosenkranz-Erzeuger) Caspar Mayr an sich erfuhr, der dess-
halb bis zum Beginne der Nacht auf dem Thurme geÜBBgen
gehalten wurde, ungeachtet drei Vormünder ihr Fürwort für
ihn einlegten, und er ^um Gotteswillen um Verzeihung bat".
Ein Bürger, der geäussert hatte : die Herren des Raths könnten
sich zu Lichtmess auch mit gelberen und kleineren Kerzen.
als welche ihnen damals auf Kosten der Gemeinde ausgefolgt
zu werden pflegten, begnügen, wurde im März 1690 für diese
n vermessene Scallierung" damit bestraft , dass er den Preis
jener Kerzen zu erlegen verhalten wurde.
Als im Februar 1720 der schon genannte Ortschirurg
(Munggl) den Pfarrkaplan Jos. Klein durch Verbreitung einer
Schmähschrift verunglimpfte und gleichzeitig das angesehene
Prugger'sche Ehepaar beschimpfte, ward er verurtheilt : 4 Species-
thaler der St Georgenkirche zu verehren, 8 Tage lang die
Bürgerstube nicht zu verlassen und Abbitte zu leisten. Dagegen
war er das Jahr zuvor mit geringer Ahndung davongekommen,
als zwei Bauern aus der Veitsch wider ihn die Klage vor-
brachten, dass er für einen Arzneitrank, nach dessen Genuss
der Patient sogleich gestorben war, vier Gulden verlangt habe.
Die Bauern wollten gegen Rückstellung der beiden „Oelgltssl-'
drei Gulden zurück ei halten. Das Marktgericht erkannte ihnen
aber blos zwei Gulden zu, welche Munggl ausliefern musste.
Sehr übel bekam einem rabiaten Weibe, der Gschmeidlerin,
dass sie im April 1677 mit der Frau des Rathsherm Ten-
halter in einen „Greünhandel** sich einliess und später sich
auch an diesem Würdenträger vergriff, ihn, der doch
^bezecht gewesen*', beim Barte zur Erde zog und sonst
— 167 —
schmählich tractirte. Dafhr wurde sie schon am 13. April 1677
„innerhalb vier Wochen mit Mann, Sackh und Packh sich von
hinnen zu begeben beurlaubt^ und als sie zu excediren fort-
fuhr, beschloss der Magistrat, es solle ihr »ein Stundt lang
die Fiedl im Gerichtshaus allda angelegt werden.**
Nur auf vieles Vorbitten und Lamentieren ward ihr diese
Strafe nachgesehea Aber sie musste sohin binnen drei Tagen
den Markt verlassen.
Das gleiche Loos hatte im April 1690 rein schlechtes
Weibsbild^, die Christine genannt, welche sich von einem
Nagelschmiedknechte an einen abgelegenen Ort hatte begleiten
lassen, wo ihr Mann diesen erwischte und ihm den Fuss
abschlug, lieber sie verhängte der Magistrat die Ausweisung,
aber ausserdem noch die Strafe des Tragens des
spanischenMantels, mit welchem angethan sie die Markt-
gasse entlang auf- und abgeführt werden sollte. Diese Strafe
kam auch noch im August 1726 zur Anwendung, wo ausge-
stossene Schmähungen an einem unverbesserlichen Weibe
damit geahndet wurden.
Unzucht (ausserehelicher Verkehr) wurde am Weibe,
auch wenn es nicht verheiratet war, strenger geahndet, als
am Manne. Am 18. Januar 1719 hatte eine Bürgerstochter
desshalb vier Gulden an die Markteasse zu zahlen ; ihr Buhle,
der Sohn eines Bürgers, aber nur 3 fl. 45 kr., wovon die
Kreuzer zu einem Trünke für die Gerichtsbeisitzer bestimmt
waren.
Einen 15jährigen fremden Burschen, welcher gestohlen
hatte, liess der Magistrat durch den Gerichtsdiener über die
Grenzen des Burgfriedens jagen, zuvor aber noch, wie es im
Protokolle vom 4. März 1680 heisst, »an der Cionfin woll
prüglen, woran er sich zu spüglen und hierüber inskonffdg
zu bessern Ursach haben sollte.^
Ein Weib, welches beschuldiget war^ in einer fremden
Behausung alle GriUen zusammengefangen und mit sich fort-
getragen zu haben, kam (Ende Mai 1681) mit einem blossen
Verweise davon, obschon der Ankläger behauptete: r,^ müsse
— 168 —
etwas Anderes darunter steckhen', und diesen Verdacht damit
begründete, dass auch ein „todter Rosskopf" in jenem Hause
vergraben gefunden wurde. Dagegen wurde (im September
1678) ein Mann, welcher einen Knecht beredet hatte, im
Stalle seines Dienstgebers unter dem Pferdestande einen Todten-
köpf mit lyLuststuckwurzen** (Levisticum) gefüllt zu vergraben
und damit eine Hexerei zu treiben (die Pferde sollten dadurch
zu reichlicherem Futtergenusse disponirt werden), zur Aus-
stellung am Pranger und zur Ausweisung verurtheilt u. z.
mit der Begründung: „er sei von jeher als ein loser Mensch
bekannt, der sein Leben lang Possen trieb/
Am 16. Juni 1689 verhandelte das Marktgericht über
ein Weib, welches beschuldigt war, ihr Kind „verschlafen''
(d. h. wohl im Schlafe erdrückt?) zu haben.
Am 14. Juli 1678 wurde ein Handelsmann aus München,
Moriz RuflFier, wegen Misshandlung des Wirthes Unteregger,
als wodurch er die Marktfreiheit gebrochen habe, zur Abbitt-
leistung und zu einer Busse von vier Ducaten verurtheilt Drei
davon wurden ihm auf sein höfliches Anhalten nachgesehea
Am 3. August 1716 sass der Magistrat über einem Bauer
von Spital am Semmering zu Gericht, welcher einen durch-
reisenden Knechte zu Kindberg einen tödtlichen Streich ver-
setzt hatte, an welchem dieser durch mehrere Tage, mit Lebens-
gefahr ringend, daniederlag. Der Uebelthäter wurde mit einer
Burgfriedensstrafe von 24 Gulden belegt, hatte aber ausserdem
an den Bader, welcher den Schwerverletzten behandelte, zwei
Gulden, an den Gerichtsdiener einen Gulden zu entrichten und
die „Atzungskosten" sowohl für seine Person als für den
Kranken zu bestreiten. Die eigentliche Busse wurde späterhin
auf die Hälfte ermässigt Ein kais. Gestütmeister, welcher aus
Muthwillen eine Pistole gegen die Wohnung des Gewerken
Prugger abschoss und dessen Gesicht mit Schrotkömem
verletzte, zahlte dafür einen Gulden Burgfriedensstrafe und
dem Verletzten einen Ducaten Schmerzensgeld (1717, 20. Mai).
Die härteste Strafe, welche das Kindberger Markt-
gericht während des hier in Betracht kommenden Zeitraumes
— 169 —
verhängte, war die des Verlustes der rechten Hand,
womit im Juni 1688 ein, der „Wendenspann" genannter Mann
dafür, dass er während des Jahrmarktes einige Streiche aus-
getheQt hatte, bestraft werden sollte. Allerdings war demselben
Yon Vornherein die Wahl gelassen worden zwischen dem
Verluste der Hand und dem Erläge von 32 Gulden, und
schliesslich begnügte sich das Gericht mit drei Thalem, wovon
zwei der Marktrichter behielt, der dritte aber in die Gemeinde-
casse gelegt wurde.
Der Verhaftung bediente sich der Magistrat auch als
eines Mittels, rückständige Gemeindesteuern einzutreiben, indem
er die säumigen Bürger arretiren liess und so lange festhielt,
bis sie mindestens einen Theil entrichteten. Solches wiederfuhr
z. B. im Mai 1717 dem Bäckermeister Helmreich. Endlich
machte er von diesem gewaltsamen Mittel Gebrauch, um Ge-
meinde-Insassen, welche nicht zu den behausten Bürgern
zählten, sondern blosse ^Angerer^, d. h. auf dem Gemeinde-
Anger mit Bewilligung des Magistrats sesshaft gewordene
Eeuschler waren, von eigenmächtigem Fortziehen abzuschrecken,
beziehungsweise dafür zu strafen. Denn er erblickte in dieser
Art Insassen Unterthanen der Marktgemeinde, welche es sich
wobl auch gefallen lassen mussten, auf deren Rechnung als
Recruten abgestellt zu werden. Dieser Auffassung gemäss
fällte er am 6. Juli 1723 das Erkenntniss: drei ohne seine
Erlaubniss nach Niederösterreich auf Arbeit ausgezogene
»Angerer^ seien ;,nach Befund in die Keuchen zu stecken^.
Dem wehrte jedoch ein Regierungserlass vom 3. August 1724,
der die Freizügigkeit der arbeitenden Volksclasse in Schutz nahm.
Zu den Polizei-Üebertretungen, welche mit Geldbussen
geahndet wurden, gehörten auch Verschleppungen von Einrich-
tungsstücken und anderen Mobilien, durch welche Eheweiber
ihre Männer in deren Abwesenheit schädigten, und Störungen
des ehehchen Hausfriedens durch liederlichen Lebenswandel
des einen oder anderen Gatten.
In privatrechtlicher Beziehung liefern die ßaths-
protokolle von Kindberg eine mmder charakteristische Aus-
- 170 —
beute; doch ist es immerhin von Interesse, den Gang des
bezüglichen Verfahrens zu verfolgen und die Entscheidungen
des Marktgerichtes kennen zu lernen, mit welchen einzebe
Processe ihren Abschluss fanden.
Zu einer sehr complicirten Aufgabe gestaltete sich die
Abwicklung eines Concurses, dafeme dessen Masse auch borger-
liche Realitäten in sich begriff, weil Niemand ein solches
Besitzthum erwerben konnte, der nicht VollbOrger war oder
vom Marktmagistrate die Dispens von diesem Erfordernisse
erhielt Um aber als VoUbUrger anerkannt zu werden, musste
der sich meldende Käufer das auf dem betrefifenden Hanse
radicirte Gewerbe oder ein dahin übertragbares selbstständig
auszuüben nicht nur gewillt sondern auch an sich befähiget
sein und im gegebenen Falle die Erlaubniss dazu erhalten.
Letzteres war oft dadurch erschwert oder gar unmöglich
gemacht, dass der Magistrat einzelnen Ankömmlingen gegen-
über sich verpflichtet hatte, keinen Concurrenten neben ihnen
zu dulden und selbst schon bestehende Gewerbsbefiignisse zu
ihren Gunsten einzuziehen oder doch deren Ausübung zu
sistiren. Demzufolge dauerte es oft lange, bis fCar ein zur
Concursmasse gehöriges Haus ein die Gläubiger halbwegs
befriedigender Erlös erzielt wurde, und noch länger verzögerte
sich zuweilen die Realisirung der in den gewerblichen Betriebs-
anstalten, Rohstoff- Vorräthen und Halbfabrikaten steckenden
Werthe. Hatte sich endlich ein Uebemehmer dafür gefunden,
so zahlte doch derselbe fast nie die auf diesen Vermögensob-
jecten haftenden Forderungen haar ab, sondern sie wurden ihm
Überbunden und er ging mit den Concursgläubigern Vergleiche
ein, wodurch ihm entweder Zahlungsfristen oder Nachlässe
gewährt wurden. Bis der Concurs sein Ende erreichte nnd die
Gläubiger zu ihrem Gelde gelangten, wechselten die von ihnen
mit Beschlag belegten Objecto mitunter viermal den Besitzer.
Es betheiligten sich dann also ausser dem Cridatar drei von
diesem verschiedene Capitalisten der Reihe nach an der
Befriedigung der Gläubiger, denen die Concursobjecte so
lange verhaftet blieben, bis auch der letzte Kreuzer ihres Gnt-
r
— 171 —
habens getilgt oder eine Abfindang mit ihnen getroffen war.
Die eigentliche Ursache dieser Aufschübe war die Unzuläng*
fichkeit des haaren Vermögens, das die einzelnen Besitznach-
folger mitbrachten, in Verbindung mit der hohen Einschät-
zung der Objecto. Wollte ein Besitzer, der an der Möglichkeit,
den übernommenen Verpflichtungen ohne gänzliche Erschöpfung
seines Betriebsfondes nachzukommen, verzweifelte, den ver-
hängnissvollen Besitz wieder los werden, so mussten seine
Freunde oder Verwandten für die successive Erfüllung Jener
Bürgschaft leisten. Dann erst wurde er seiner persönlichen
Haftung durch den Magistrat enthoben und aus dem Gemeinde-
oder vielmehr Bürger- Verbände des Marktes wieder entlassen.
Der förmlichen Concurs-Erklärung ging die Vermögens-Ein-
schätzung voraus. Der Marktrichter ordnete dieselbe an, sobald
ihn viele Gläubiger zugleich überliefen und die Summe der
von diesen angemeldeten Forderungen das Activvermögen des
eingeklagten Schuldners zu übersteigen schien. Ob ein solches
Missverhältniss obwaltete, hatte der Marktrichter allein zu
beurtheilen. Weigerte er sich, es als vorhanden anzuerkennen,
so konnte er die Concurs-Eröffnung auf Jahre hinausschieben.
Auch einzelne Klagebegehren liess er oft lange unberück-
sichtiget, so dass die Regierung zu Graz mit Erlass vom
23. August 1678 den Eindberger Magistrat zu besserer Ad-
ministrirung der Justiz aufforderte. War aber einmal das
Vermögen eingeschätzt, so galt es bereits als der freien Dis-
position des bisherigen Eigenthümers entzogen. Schon im
Jahre 1667 drohte der Magistrat einem Bürger, welcher der-
artige Vermögensbestandtheile schädigte, mit Abschafiung aus
seinem Hause und Sperre desselben. Einer der umfassendsten
Concurse, welche in der ersten Hälfte des XVUI. Jahrhunderts
vom Marktgerichte durchgeführt wurden, war der des Ge-
werken Josef Fraidt, den dieser dadurch abzuwenden suchte,
dass er am 9. October 1716 seinen Hammer nebst Schleiferei
und anderer Zugehör um 770 Gulden verkaufte, mit welchem
Erlöse er insbesondere seine Verbindlichkeiten gegen die
Waisencasse des Marktes erfüllte Aber mit Beginn des fol-
— 172 —
genden Jahres bestürmten den Marktrichter so viele GUliib^
desselben, dass die einleitenden Schritte zur ConcursyerhiD-
gung gethan werden mussten. Nach vielen Tagsatzungen wurde
am 28. Juni 1717 der Concurs als eröffnet erklärt und am
19. Juli das Edict verlautbart, welches die Forderungeo
rangirte. Nur die Prioritätsgläubiger waren mit dem bis dahin
realisirten Vermögen des Schuldners gedeckt Die übrigen
Gläubiger wurden auf den Erlös einer erst noch zu ver-
äussemden Mtthle verwiesen, deren Verkauf durch den ^io
Sachen eligirten Edicts-Curator'' im Namen Jener bewerk-
stelliget und volkogen wurde. Als Vorzugsposten wurden, wie
aus einem Edicte vom 7. Mai 1690 zu ersehen ist, in An-
schlag gebracht: rückständige Steuern, Taxen und Erbthefle.
Da nach diesem Edicte die übrigen Posten nicht ihre ToUe
Bedeckung fanden, sondern die betreffenden Gläubiger beim
Gulden 9 kr. verloren, so wurden dieselben hinsichtlich des
unbedeckten Restes ihrer Forderungen auf Dasjenige verwiesen,
was der Cridatar „wenn er heute oder morgen wieder zu
eigenen Mitteln käme^, aus diesen nachträglich abzuzahlen
in der Lage wäre.
Verhandelt wurde vor dem Marktgerichte durchweg münd-
lich. Muth willige Behelligungen hielt der ;, Klaggroschen'' hintan,
welchen jeder Kläger vor Allem zu entrichten hatte. Bemittelte
Parteien brachten einen Stadt- oder Marktschreiber aus der
Umgegend als ihren Sachwalter (Procurator) mit. Bei Concursen
erschien wohl auch schon im XVn. Jahrhunderte zuweilen
ein Doctor der Rechte vor den Schranken des Marktgerichtes,
wenn Kaufleute ihre Ansprüche geltend machten ; so z. B. im
Jahre 1677 Dr. Lucas Perko als Anwalt der Wiener Handels-
firma Lindtenberger beim Concurse des Gastwirthes und Kauf-
mannes Wemhardt. Ein gerne dahin entsendeter Parteien-
vertreter war damals und noch zehn Jahre später Jos. Wart-
egger. In den Jahren 1715 und 1717 fand sich in dieser
Eigenschaft wiederholt der Leobner Stadtschreiber Dr. Job.
Georg Reindl ein; so z. B. am 10. September 1715 auch zu
einer ^^peremtorischen Tagsatzung'. Die damaligen Urtheile des
— 173 —
Marktgerichtes in Civilprocessen tragen mitunter noch das
Gepräge grosser Naivetät. Am 26. März 1680 wusste der
Magistrat seinem Zweifel an der Rechtsbeständigkeit einer vor
ihm eingeklagten Zahlungsverpflichtung, die ihm andererseits
doch wieder begründet erschien, auf keine andere Weise Aus-
druck zu geben, als dadurch, dass er dem Kläger (einem
ungarischen Wirthe) die Hälfte seiner Forderung zusprach.
Vom Jahre 1731 ab werden die Interventionen der Doctoren
der Rechte (Murmayr, v. Apostelen u. A.) immer häufiger und
mehren sich auch in den Protokollen die Citate aus dem
Corpus Juris civilis (Romani). Vor dem Marktgerichte gelangten
weitläufige Satzschriften zur Verlesung, welche auch den Proto-
kollen theilweise eingeschaltet wurden, so dass der Uebergang
zum schriftlichen Verfahren sich allmählich ohne besondere
Anordnung vollzog. Ende November 1741 trat demgemäss an
die Stelle des Marktschreibers ein geschulter und geprüfter
Syndicus.
Von anderen Oemeinde-Bediensteten sind hier
zu nennen: die Kämmerer, die Täzer (Verzehrungssteuer-
Einnehmer), ein Gewerbesteuer-Einnehmer, vier Viertelmeister
(Polizei- Aufseher in den einzehien Abtheilungen des Marktes),
zwei Förster, der Schullehrer, ein Baumeister, ein Spital-
meister, ein Wachtmeister (Anführer der Bürger-Patrouillen),
zwei Wächter (auch ;, Feuerrufer'' genannt, das heisst: Nacht-
wächter), ein Wegmacher, zwei Brotwäger und Fleisch-
beschauer, ein Gerichtsdiener, ein Geiss- und Kuhhirt und ein
Sau-Halter.
Den Täzern wurde oft von den Wirthen die Thüre der
Keller gewiesen; ja sie sahen sich zuweilen am Leibe und
Leben bedroht und den Marktrichtem blieb dann nichts
Anderes übrig, als selber sich ins Mittel zu legen, wobei
ihnen einige Rathsherren und der Gerichtsdiener das Geleite
gaben. Die Förster bewirthschafteten die Gemeindewälder
und sorgten für die Auszeigung der Baumstämme, welche
daselbst gefällt werden durften. Der Baumeister leitete
die baulichen Herstellungen, deren Kosten die Marktgemeinde
— 174 —
bestritt Der Wachtmeister war der UDmittelbare Vorgesetzte
des Gerichtsdieners und hatte, wenn dieser unzulänglich war,
bei nächtlichen Streifungen so wie zur Delinquenten-Bewachoii?
Bürger aufzubieten. Er betheiligte sich auch an den feieiiiehen
AusrQckungen und Aufzogen der gesammten wehrfthig€D
Bürgerschaft, deren Waffenübungen (mit Ausnahme des
Scheibenschiessens) er wahrscheinlich leitete. Doch war ihis
für solche Fälle ein „Fähnrich'' voigesetzt und ein j, Führer^
zugetheilt, welche beiden Chargen nicht durch die Gemeinde
als solche besetzt worden zu sein scheinen.
Wenig Erbauliches ist über die Schullehrer tod
Kindberg aus der Zeit, mit welcher wir es hier zu thoc
haben, zu melden. Es wird davon später (im VUI. Abschnitte;
die Rede sein. Ebenso von der Armenpflege (im Vn. Absch.).
Vollbürger waren blos Diejenigen, welche im Markte
ein Anwesen, womit das Bürgerrecht verknüpft war, inne
hatten. Die Söhne Solcher wurden, sobald die das Alter der
Grossjährigkeit erreichten, zum Bürgereide zugelassen und
hiessen Junge Bürger". Das Recht, an den Magistratswahlen
theibsunehmen, stand ihnen offenbar nicht zu. Aber auch Voll-
bürger waren von diesem Rechte ausgeschlossen, so lange
ein über sie verhängter Concurs währte und endete derselbe
mit dem Verluste ihres Anwesens, so erlosch überhaupt ihre
Bürgerqualität. Derlei herabgekommene Leute zogen insgemein
die Auswanderung dem Verbleiben im Gemeindeverbande vor
und erhielten, wenn sie darum ansuchten, aus der Gremeinde-
casse einen Zehrpfennig, oder, falls sie der Gemeinde als
Bürger Dienste geleistet hatten, eine Remuneration. Setzeu
sie ihren Aufenthalt in der Gemeinde fort, so wurden sie wie
Fremde behandelt. Nicht einmal als „Haiczstaller*, was eine
Gtemeindeangehörigkeit untergeordneter Art bedeutete, liess
man sie gelten. Als im Jahre 1690 der verarmte Hafher-
meister Sebastian Khürschner den Magistrat bat, ihm min-
destens diesen Rang zuzugestehen, ward ihm diess für dermalen
abgeschlagen. Mit Mühe nur erlangte derselbe die Erlaubniss,
im Garten des Hauses, wo er zur Miethe wohnte, einen
— 175 —
Brennofen erbauen zu dürfen, mittelst welchem er sein
erlerntes Gewerbe auszuüben fortfuhr. Mit seinem Vorhaben,
den noch nicht vertheilten Rest des Vermögens, das er seinen
Gläubigem hatte abtreten müssen, eine Keusche zu kaufen,
welche als Pfand für deren noch unbefriedigte Forderungen
dienen sollte, wurde er vom Magistrate an diese Betheiligten
gewiesen, welche jedoch ihre Einwilligung verweigerten. So
blieb ihm die Gelegenheit, sich aus seiner gesellschaftlichen
Erniedrigung emporzuarbeiten, versagt. Vermögenslose Ge-
meindeinsassen bedurften zu ihrer Verehelichung der Zustim-
mung des Marktrichter«. Noch im Jahre 1742 beschied der
damalige Gemeindevorsteher ein hierauf gerichtetes Gesuch
abschlägig mit dem Bemerken : wenn der Pfarrer diese Braut-
leute jyzusammensprechen'' wolle, so stehe dies bei ihm;
wird aber das Weib .grossen Leibes **, so werde die Gemeinde
nie zugeben, dass sie im Marktbereiche niederkomme. Zu-
ziehende Gewerbetreibende mussten sich vor Allem in die
Gemeinde einkaufen. Ausnahmsweise wurden unter dieser
Bedingung auch Handwerksgesellen zum Hauskaufe zugelassen.
Neu aufgenommene Bürger waren gehalten, den Magistrat zu
bewirthen, was „das Hansen" hiess, und im XVIH. Jahrhunderte
lag ihnen auch ob, Feuereimer für das Löschrequisiten-
Magazin der Gemeinde beizustellen. «
Mehrere Male im Jahre fand sich die gesammte Bürger-
schaft zusammen, um mit den Angelegenheiten der Gemeinde
sich zu beschäftigen. Namentlich war diess bei den P a n t a i-
dingen der Fall. Diese wurden vierzehn Tage vor Michaelis
und vierzehn Tage darnach abgehalten. Eröffnet wurden diese
Versammlungen mit der Ablesung der Bürgerrolle; dann
wurden die Grenzen des Markt-Burgfriedens in Erinnerung
und verschiedene Gebrechen der Gemeinde- Verwaltung, Ueber-
griffe Einzelner, insbesondere Forst- und Weide-Frevel u. drgl.
zur Sprache gebracht Der anwesende Magistrat fasste unter
Mitvrirkung der Bürgerschaft die bezüglichen Beschlüsse.
Was da ein ftir alle Male verordnet ward, gelangte bei allen
folgenden Pantaidingen zur Verlesung, damit Jedermann sich
— 178 —
darnach zu benehmen wisse. ^) Das Wegbleiben Yon diesen
Versammlungen unterlag einer Strafe, welche bis zum Jahre
1740 von Fall zu Fall zuerkannt wurde; damals beschloss
jedoch der Magistrat (am 5. Mai), dass derartige Versäum-
nisse das erste Mal mit einer Busse von 15 Kreuzern, im
Wiederholungsfalle von 30 Kreuzern geahndet werden sollen.
Beim Pantaidinge, das am 15. November 1741 stattfand,
kam dieses Statut zur Anwendung und wurden ihm gemäss
sieben Bürger bestraft; ein Beweis^ wie gleichgiltig damals
bereits ein Theil der Bürgerschaft solchen feierlichen Pro-
ceduren gegenüber sich verhielt. Dass die Bürgerschaft
jährlich zur Aemter-Erneuerung und zur Installirung des
Marktrichters möglichst vollzählig zu erscheinen hatte, versteht
sich von selbst. Am 28. Februar 1709 gebot der Magistrat,
dass die Bürger, welche Mäntel besitzen, mit diesen be*
kleidet zu jenen Versanmdungen sowie zum Opfergange in
der Kirche sich einfinden sollen.
Die Marktgemeinde genoss die Vorzüge der Land-
standschaft, hatte aber daran wenig Freude, weil sie sich
durch die corelativen Lasten arg überbürdet fühlte. Sie
machte deshalb von den einschlägigen Rechten selten Gebrauch.
Als Anfangs 1683 an den Magistrat die Einladung, den Land-
tag zu beschicken, erging, leistete er derselben keine Folge.
Lange schon war kein Abgeordneter des Marktes mehr in
der Grazer Ständestube erschienen und er trug nichts zum
Unterhalte des sogenannten Marschalls der landesfürstlichen
Städte und Märkte bei, welcher diese permanent vertrat Von
neuerlicher Theilnahme an den Landtagsverhandlungen besoiigte
der Magistrat nicht nur die abermalige Heranziehung des
Marktes zur Bestreitung der Kosten, welche jener Marschall
<) „Burgfriedensbescbreibang und Statuten von Kindberg von circa
1665** sind in der Sammlung steiriscber und kärntnischer Taidinge,
welche (von den Grazer Professoren F. fiiscboff und A. Schönbach
herausgegeben) den VI. Band der von der YTiener kaiserlichen
Akademie der Wissenschaften veröffentlichten „Oesterreichischen
Weisthamer*" bildet, S. 77—79 abgedruckt.
\
— 177 —
vei'ursachte, sondern auch die Unterbrechung einer Verjährung,
mit Hilfe welcher er vom Markte die Verpflichtung, an die
Landschaft Steuern zu zahlen, abwenden zu können hoffte.
Anlässlich der Erbhuldigung jedoch, welche Kaiser Karl VI.
im Juli 1728 zu Graz entgegennahm, glaubte die Markt-
gemeinde es ihrer Ehre schuldig zu sein, dass sie gleich
anderen Trägern landschaftlicher Beftignisse Abgeordnete
entsendete, welche diesen zur Seite die Huldigungsacte mit-
machten. Die hiezu Erkorenen waren der Marktrichter Pankraz
Fürst und der Marktschreiber Weckher. Unter Führung des
Landeshauptmannes stellten sich Beide am 6. Juli dem
Monarchen vor. Und zuvor schon hatte der Magistrat kein
Bedenken getragen, an einer vom Marschall der landesfürstl.
Städte und Märkte, Leop. Friedrich Kopp, auf den 1. Mai
1717 nach Brück an der Mur einberufenen Conferenz
der obersteirischen Gemeinden dieser Art sich
zu betheiligen, deren Zweck die Ergründimg der Ursuchen
des ökonomischen Verfalles derselben, sovrie die Erstattung
von Vorschlägen zur Abhilfe war.
H. Beziehungen des Harktes znr Herrschaft Ober-
Elndberg.
Dass die auf ihre Bechte eifersüchtige Marktgemeinde
sich in mannigfaltige Conflicte mit der in ihrem Weichbilde
nistenden und eine besondere Gerichtsbarkeit beanspruchenden
Herrschaft verwickelt sah, lag in der Natur der Dinge.
Den meisten Anlass dazu gab die Burgfriedens-
Frage. Der Magistrat leugnete, dass das den Markt über-
ragende Schloss Ober-Kindberg ein Burgfrieden für sich sei.
Die dasselbe besitzende freiherrliche (später gräfliche) Familie
Inzaghi dagegen behauptete dies. Sie folgerte es aus dem
Umstände, dass dieses Schloss der Sitz der Verwaltung der
gleichnamigen, das Gebiet des Marktes theilweise umfangenden
Herrschaft war, und, hievon abgesehen, vindicirte sie es ihm
als einem adeligen Ansitze. Innerhalb der Dachtraufen des-
selben sich ereignende Unzuchtsfälle zog demnach ihr Ver-
Mittheil. des Ust. Yereinea f. Stfilenowk, ZXIX. Heft, 1881. 12
— 178 —
Walter vor sein Forum, gleichviel, ob die Bescbuldigtoa zum
Hausstande der Herrschaft gehörten oder Insassen des Marktes
waren. In zwei solchen Fällen begehrte der Verwalter die
Auslieferung des Thäters seitens der Marktobrigkeit. Diese
jedoch wendete obige Negation ein. Der erste Streit hierüber
dauerte von 1 7 1 4 bis 1717; der zweite hub im Herbste 1 724
an und wurde rasch beigelegt. Wahrscheinlich hätte auch der
erste Conflict einen rascheren Verlauf genommen, wären damals
die Gemüther der Kindberger Bürgerschaft nicht durch eine
parallel laufende Zwistigkeit besonders erregt und wider die
Familie Inzaghi eingenommen gewesen.
Diese betraf den Calvarienberg am linken Ufer der
Mürz, welchen Graf Abondio Inzaghi seinem Zwecke ent-
sprechend ausgestattet hatte und mit welchem er ein Armen-
haus in Verbindung zu bringen entschlossen war. Der Rector
des Grazer Jesuiten- Collegiums hatte als Ordinarius loci im Jahre
1677 seine Einwilligimg hiezu gegeben. Sieben Jahre später
widmete der Graf dieser Stiftung ein Capital von 6000 Gulden.
welches er beim Ausseer Salzamte deponirte (oder dort gut
hatte). Sein Sohn Johann Anton vermehrte dasselbe um 4000
Gulden; dessen Bruder Job. Philipp aber stiess diese Stifhin.::
zu Gunsten des Paulaner-Ordens um, dem er damit am Fusse
des Kindberger Calvarienberges ein Kloster zu gründen be-
absichtigte. In Ausführung dieses Planes erbaute er dort eine
Kirche und ein stattliches Wohnhaus. *) Geistlicher Seits wurden
ihm keine besonderen Schwierigkeiten bereitet. Desto heftiger
opponirte die Marktgemeinde, welche besorgte, dass das Be*
stehen eines Klosters in jener Gegend nicht nur das Ein-
kommen der Pfarrkirche im Markte (nämlich das an Opfer-
gaben und sonstigen Spenden) schmälern, sondern auch zu
einer Beeinträchtigung der dahin sich erstreckenden Burer-
friedens-Gerechtsame führen, somit die Gemeinde, welche als
») Nach G. Göth, Das Herzogth. Steiermark, I. Bd., S. 429, wurde
das Haus im Jahre 1682, die Kirche aber schon im Jahre 1674
erbaut. Die Bodeniläche, auf welcher Beide stehen, und der Calva-
rienberg gehören dermalen zur Landgemeinde Kindberg.
— 179 —
Patron besagter Kirche fllr den eventuellen Entgang aufzu-
kommen hatte, doppelt schädigen würde. Inzwischen hatten
Paulaner- Mönche das ihnen zugedachte Gebäude wirklich
bezogen und die gottesdienstlichen Verrichtungen m der damit
zusammenhängenden Kirche übernommen. Sie vergalten der
Marktgemeinde den vorerwähnten Widerwillen mit heraus-
fordernder Gehässigkeit. In den Jahren 1710 und 1711 wehrten
sie den von der Pfarrkirche des Marktes aus zum Calvarien-
berge wallfahrenden Processionen den Zutritt daselbst Sie
sperrten, obschon keine Seuchengefahr drohte, beim Heran-
nahen der betenden Volksmasse das Thor ab, durch welches
allein der Calvarienberg damals zugänglich war, und verhackten
es. Das empfand die Marktgemeinde als einen untilgbaren
Schimpf. Noch in einem Berichte vom 28. März 1716 (an die
Grazer Segierung) kam der Magistrat darauf zu sprechen.
Um so entschiedener legte er im Jahre 1711 gegen die An-
siedlung der Paulaner Verwahrung ein, als ein Erlass der
Grazer Regierung und Kammer vom 4. April 1711 ihn auf-
forderte, sich über das bezügliche Vorhaben des Grafen Joh.
Philipp Inzaghi zu äussern. Nicht einmal „ein Diversorium^
zu ihrer Erholung gönnte er ihnen dort. Er verlangte viel-
mehr die Wiedereinsetzung von Weltpriestem, denen der
Gottesdienst dort ursprünglich anvertraut war. In den folgenden
fünf Jahren kühlte sich die Erbitterung so weit ab, dass der
Magistrat in dem oben citirten Berichte sich mit der An-
siedlung der Paulaner einverstanden erklärte, vorausgesetzt,
dass diese die Burgfriedens - Gerechtsame des Marktes
respectiren, die Zahl von 6 nicht überschreiten, ohne förm-
liche Klausur dort wohnen, der Bürgerschaft die Lebensmittel
nicht vertheuem, keinerlei Gewerbe dort treiben, auch des
Bierbrauens und Weinauschänkens sich enthalten, jeglichen
Scandal unterlassen und der Pfarrkirche des Marktes kein
Einkommen entziehen, wofür nicht die Grafen Inzaghi Ent-
schädigung leisten würden. Da goss ein neuer Gewaltact
abermals Oel in die kaum gedämpften Flammen. Der Ver-
walter der Herrschaft Ober-Kindberg liess nämlich auf Befehl
12*
— 180 —
seines Gebieters am Ereuzerfindungstage durch 20 Baaen
alle Verkaufsstftnde niederreissen, welche auf der CalYarien-
berg- Wiese von Krämern mit Erlaubniss des Markt- Magistrat
errichtet worden waren. Damit verletzte er aufs Gröblichste
nicht nur dessen Ansehen, sondern auch die Burgfriedens-
Gerichtsbarkeit, die sich derselbe dort beilegte. Der Markt-
richter machte bei diesem Anlasse (in der Rathssitzung vom
5. Mai 1716) geltend, dass beim Einweihen der Kirche am
Fusse des Calvarienberges und seither bei allen kirchlichen
Festen, welche dort begangen wurden, die vom Magistrat«
zugelassenen Krämer dort unbeiiTt ihre Waaren feilboten und
dass unter dem Schutzdache derselben selbst der die Kirdie
weihende Bischof Zuflucht vor einem Regengusse fand, wodurch
diese Verkaufsstände gewissermassen geheiliget worden seien.
Der Verwalter hatte femer dem Gerichtsdiener des Marktes
verboten, auf dem Calvarienberge bewaffnet einherzugehen.
Graf Inzaghi wünschte, dass in Zukunft die fraglichen Ver-
kaufslicenzen bei den Paulanem an Ort und Stelle erwirkt
werden. Indessen legte sich auch die hierüber entstandene
Aufregung bald. Am 22. Mai 1717 beschloss sogar der Ma-
gistrat über Antrag des Marktrichters Pankraz Fürst, deni
Grafen Inzaghi zu seinem Namensfeste zu gratuliren und am
6. September des nämlichen Jahres theilte der vorgenannte
Gemeindevorsteher dem versammelten Rathe mit: er habe in
Begleitung des Marktschreibers den Grafen abermals im
Schlosse Ober-Kindberg ;,becomplimentiert*, bei welcher Ge-
legenheit derselbe die zwischen ihm als Herrschaftsinhaber
und dem Markte obschwebenden Differenzen besprach. Diese
betrafen damals 1. die vom Magistrate verfügte Demolierung
eines kleinen Hauses auf herrschaftlichem Territorium, in
welchem der Graf Leuten Unterkunft gewährt hatte, die durch
ihre Beschäftigung das Interesse der Bürgerschaft verletzten;
2. den schon oben erwähnten Unzuchtsfall, worüber der Graf
den im Markte ansässigen Thäter durch seinen Verwalter zur
Rechenschaft ziehen wollte; 3. das Recht, VerkaufslieenzeD
an die den Calvarienberg besuchenden Krämer zu ertheilen.
— 181 —
Der Magistrat von Eindberg war nun dermassen versöhnlich
gestimmt, dass er dem Grafen folgende Zugeständnisse machte:
ad 1 . das abgerissene Haus darf wieder erbaut werden, wenn
der Graf durch einen Revers zusichert, dass er weder einen
Schmied darein aulhehmen, noch eine Gastwirthschaft (Taverne)
in demselben dulden wird; ad 2. im Innern des Schlosses
vorfallende Vergehen wider die Sittlichkeit soll der herr-
schaftliche Verwalter zu ahnden befugt sein; dagegen wahrt
isich der Magistrat seine Gerichtsbarkeit in Ansehung der-
artiger Vorkommnisse, wenn sie in den herrschaftlichen Mair-
höfen, Scheuern u. s. w. sich ereignen; ad 3. beharrt zwar
der Magistrat bei seinem Ansprüche, dass die Verkaufslicenzen
für den Calvarienberg er zu ertheilen habe; doch will er,
weil der dortige Verkaufsplatz mit Schranken umgeben ist,
jährlich vom Grafen, als dessen Eigenthum er den Platz
betrachtet, durch einen Bürger sich die Zustimmung zur
Hinausgabe der Licenzen erbitten (ihn darob i^begrüssen^).
Noch zwei Mal traten acute Bückschläge ein. Zunächst im
Mai 1720, wo der Magistrat durch einen Regierungs-Erlass
vom 30. April überrascht wurde, der zu seiner Kenntniss
brachte, dass der Graf Inzaghi den Calvarienberg dem Paulaner-
Orden ins Eigenthum zu überlassen vorhabe, und dann im
November 1724 anlässlich eines neuen Unzuchtsfalles. Die
durch letzteren hervorgerufenen Verhandlungen endeten damit,
dass der Magistrat auf Zureden des Marktschreibers die Aus-
lieferung des Thäters bewilligte, u. zw. auf Grund folgender
Erwägungen : derselbe sei nur ein Knecht und das Eind eines
ünterthans ; er verging sich mit einer herrschaftlichen Dienst-
magd im Innern des Schlosses und wenn Derartiges vorfällt,
entspricht es dem Art. 1 des IH. Theiles der Landgerichts-
Ordnung, dass der Thäter der betreffenden Grundherrschaft
zur Bestrafung ausgeliefert wird. Dieser Entscheidung ging
ein Briefwechsel voraus, bei welchem der Marktrichter und
der herrschaftliche Verwalter sich wechselseitig ;, Monsieur,
hochverehrter Herr*' titulirten und Jeder selbst beim Zusam-
menfalten seines Briefes genau die Büge des anderen sich
— 182 —
zum Vorbild nahm. Neun Jahre zuvor, am 14. December 1715.
war das Verhältniss zwischen diesen beiden Functionären noch
ein so gespanntes, dass der Verwalter, um seiner V^ürde nichts
zu vergeben, vor Tagesanbruch auf dem Rathhause sidi
einfand und den beim FrUhgottesdienste anwesenden Markt-
richter nebst zwei BQrgem des inneren Rathes dorthin citiTte,
um seines Gebieters Ungnade ihnen zu offenbaren. Damals
bedeutete demselben der in Eile zusammengetretene Magistrat:
er möge sich gedulden und der Marktschreiber vervnes ihm
sein ungeziemendes Benehmen. Jetzt (1724) glaubte der
Marktrichter (Sensengewerk Joseph Messer) sein Ansehen
schon genug gewahrt zu haben, indem er seiner Antwort auf
des Verwalters Zuschrift die Bemerkung einschaltete : er hätte
es statt zu schreiben vorgezogen, dem Verwalter auf dem
Calvarienberge zu begegnen und ihm dort mündlich obigen
Magistratsbeschluss zu eröffnen. — Die letzten Zerwürfiaisse
wegen des Calvarienberges waren schon im Jahre 1722 durch
einen Regierungs-Erlass vom 22. Mai beglichen worden, welcher
dem Magistrate ankündigte: der Kaiser habe in Anbetracht
der oben angeführten Entstehungsgeschichte dieses Andachts-
ortes entschieden, dass dort ausschliesslich Weltpriester zu
wohnen und zu wirken haben. Vorerst sollte blos ein solcher
Priester als Vicar dort angestellt und von den Interessen des
Stiftungscapitals per 300 Gulden eine solche Zahl armer Leute.
als damit erhalten werden konnte, wirklich dort verpflegt
werden; würde aber das Einkommen der Calvarien-Kircke
sich vermehren, so sollte dem Vicar ein Hilfspriester beige-
geben werden. Das Patronat über den Andachtsort blieb der
Familie Inzaghi vorbehalten, aber unbeschadet aller Rechte
des Kindberger Magistrats und unter Aufsicht des Markt-
pfarrers, mit welchem im Jahre 1698 ein Abkommen hier-
über getroffen worden war Der Magistrat freute sich über
diese Entscheidung dergestallt, dass er seinen Agenten in
Wien, welcher ihn schon am 20. Mai hievon verständiget
hatte, einen Ducaten als ;,Recompens*' verehrte.
Ein viel Stoff zu Reibungen bietendes Ereigniss, nämlich
— 183 —
die im Mai 1682 vom Schlossbesitzer unternommene Erbauung
eines Thores an dem zum Schlosse emporführenden
Wege wurde gleich Anfangs seines bedrohlichen Charakters
entkleidet, indem Job. Philipp Freih. von Inzaghi unterm
10. August 1682 auf rechtsverbindUche Weise erklärte, dass
daraus für die Marktgemeinde keinerlei Nachtheil entspringen
soll. Es handelte sich dabei um einen uralten, den Möstling-
graben durchschneidenden Saumpfad; durch dessen Absperrung
eine der Lebensadern des Marktes unterbunden worden wäre.
Damit ja kein Zweifel daran bestehe, dass dieser Weg im
Burgfrieden des Marktes liegt, gab die Bürgerschaft dem Kaiser
Karl VI., als er am 22. Juni 1728 auf der Reise nach Graz
im Kindberger Schlosse zukehrte, mit fliegenden Fahnen und
klingendem Spiele bis zur oberen Schlosspforte das Geleite.
Auch präsentirte sich hier der Magistrat dem Kaiser, ob-
schon Graf Inzaghi durch seinen Verwalter dies rügte und
ihn abzuschaffen Miene machte. In des Monarchen Gegen-
wart durfte es der Graf auf keine heftigen Auseinander-
setzungen ankonunen lassen. So behauptete denn die Bürger-
schaft an einem wichtigen Gedenktage ihr diesfälliges Recht
und der damalige Marktschreiber verzeichnete diese Thatsache
obendrein im Rechtsprotokolle zum ewigen Gedächtnisse.
m. Oeflfentllche Lasten.
Bei Beginn der Periode, welcher die vorliegenden Angaben
entstammen, war der Markt Kindberg schon stark verschuldet
und mit einem namhaften S t eu erb et rageimRück Stande.
Letzterer belief sich am 26. Juni 1665 auf 1340 Gulden;
die Schulden des Marktes aber rührten vornehmlich von Dar-
lehen her, die derselbe ein Jahrzehent früher contrahirt hatte.
So besass damals der in Graz wohnhafte Dr. Job. Jacob
Weiss einen am 2. August 1654 ausgestellten Schuldschein
der Gemeinde über 550 Gulden; die Grazer Buchhändler
Mathias Fischer und Jos. Crist. Erhardt klagten im Jahre
1678 einen über 50 Gulden ein, der am St. Georgstage 1658
zu Händen des Georg Mägerl; eines gebomen Kindbergers,
— 184 —
ausgestellt und von diesem ihnen cedirt worden war. Dabei
litt die Gemeinde solchen Mangel an baaren ZahlungsmitteliL
dass sie den beiden Buchhändlern zu deren Befriedigung
Eisen anbot und dem Dr. Weiss seit sechs Jahren keine
Interessen hatte entrichten können. Vergebens untersuchte
die Regierung im Jahre 1665 durch Commissäre das Wirth-
Schafts wesen des Marktes. Im Jahre 1682 stak derselbe so
tief in Schulden, dass am 5. März die Mitglieder des äusseren
Rathes dem inneren Vorstellungen darüber machten. Eis war
das freilich eine Zeit, wo die Extrasteuern sich häuften und
die Ordinari-Abgaben mit jedem Jahre stiegen. Dies fiel dem
Markte um so schwerer, je weniger er von Alters her mit
solchen Auflagen in Anspruch genommen worden war. Denn
er stand bis in's XVII. Jahrhundert hinein unter dem Vicedom-
amte und hatte blos an dieses die sog. landesfbrstliche Urbarial-
steuer zu entrichten. Jetzt besteuerte ihn auch die steier-
märkische Landschaft, u. z. auf Grund einer Gttlteneinlage von
30 Pfund Pfennigen. Wie der Markt in das ständische
Gültenbuch gerathen war, wusste der Magistrat selber nicht
Daher betraute er unterm 16. Juli 1690 den Marktschreiber
mit den Erhebungen darüber. Vor Allem aber galt es, dem
Markte Schonung zu erwirken. Zu diesem Ende versprach der
Magistrat Mitte April 1678 dem landschaftlichen Buchhalter
Hochkhofler in Graz für den Fall, dass er die Belegung des
Marktes mit dem Extra - Zinsgulden abzuwenden vermöchte,
„ein gutes Essen Fisch*. Bereitwilligst ertheilte dieser pflicht-
getreue Beamte die Zusicherung, dass der Markt künftighin
diese Steuer nicht mehr zu zahlen haben würde, worauf ihm
die dankbare Gemeinde 50 Stück Fische verehrte (6. Mai
1678). Aber im Jahre 1690 wurde dem Markte der vierfache
Zinsgulden und eine Leibescontribution (Kopfsteuer) obendrein
auferlegt Das wiederholte sich Jahr um Jahr. Gezahlt wurde
nur wenig. Daher erschien am 22. September 1705 der land-
schaftliche Pfänder und drohte wegen i:ückständigep450 Gulden
Zinssteuer und 130 Gulden gemeiner Landschafbs-Contribution
seines Amtes zu walten. Der Magistrat wies ihm Gegenansprüche
— 186 —
vor, insbesondere Quittungen des Militärs über empfangene
Verpflegung, Rechnungen, welche die Gemeinde anlässlich der
Durchreise eines türkischen Gesandten (Gesandten nach der
Türkei ?) beglichen hatte, Vorspannsanweisungen u. s. w. Da-
durch liess er sich beschwichtigen. Der Markt zahlte nun erst
recht nicht. So erreichten dessen Steuerrückstände bis zum
10. Juli 1711 die Höhe von 1476 Gulden. Hierunter waren
wohl auch die 95 Gulden Vermögenssteuer-Pauschale begriffen,
welches die Bürgerschaft am 2. September 1710 im Wege
der Abfindung auf sich genommen hatte. Der Commissär, mit
welchem sie diesen Betrag vereinbarte, empfing von ihr unter
dem Titel der Zehrungskosten 5 Gulden 7 Kreuzer. Bezüglich
der mittlerweile wieder aufgetauchten Extrasteuer verlegte
sich der Magistrat gleichfalls aufs Unterhandeln; aber nicht
nach Graz wendete er jetzt sich deshalb, sondern nach Wien.
Das RathsprotokoU meldet zum 27. September 1715 darüber
Folgendes: „Ist ein Brieff von Wienn khomben, abgelessen
worden, worinnen angefiegt wierdt, dass wann der Markht in
totum ins Vizedombambt solle geben werden, erfordert es an
gnädigen Herrn v. Plöckhner ein Regal mit 800 Gulden, wofern
aber gleich wie andere Stött und Märkhter der Markht mit
billichen Onera in die Comudität gelassen (wird), ein Regal
per 400 Gulden." Darauf hin schickte der Magistrat den
Bürger Wielandt mit 500 Gulden nach Wien. Doch schon
drei Tage später ward derselbe zurückberufen. Die Unterhand-
lung zerschlug sich. Mit der Mission, sie wieder in Gang zu
bringen, betraute der Magistrat im folgenden Jahre den
Marktschreiber. Damit er eine freundliche Aufnahme finde,
gab ihm der Marktrichter zwei Auerhähne mit nach Wien.
Dieser fragt von hier aus am 22. Mai 1716 brieflich an, auf
welche Summe der Magistrat sich einlassen wolle und was
für Regale er den massgebenden Persönlichkeiten in Aussicht
stellen dürfe. Die Antwort lautete: ausser dem vierfachen
Zinsgulden und dem schuldigen Remanenzgelde wolle man
höchstens 80 Gulden zahlen; bleibt der Markt künftig mit
Mehrerem verschont, so wird er seinen F. T. Patronen „auf
— 186 —
alle mögliche Weis" sich erkenntlich zeigen und gelftnge es
dem Hofkanzlei-Referendär v. Pöckhner, den Markt unter die
Steuerherrlichkeit des Vicedomamtes zurnckzuverseizen, somit
ihn des Mitleidens an den landschaftlichen Umlagen zu flto-
heben, so sollte das dem gefälligen Hofrathe mit einer Extra-
Recompens von 50 Reichsthalem gelohnt werden. Indessen
auch dieser „ Accord*' scheint nicht zu Stande gekommen zu sdo.
Herr v. Plöckhner schied im October 1716 aus säner
einflussreichen Stellung. Der Kindberger Magistrat suchte noii
zwar denselben damals durch Zusicherung eines » guten
Khuchel- Regals^ zum Aushändigen gewisser Actenstücke an
seinen Nachfolger zu bewegen, und diesem some dem obersten
Hofkanzler verehrte er damals je einen Gemsbock ; allem von
der Steuer-Angelegenheit war da keine Rede. Um so nach-
drücklicher gedachte die Marktgemeinde derselben in ihrer
Beschwerdeschrift von 1717, in welcher sie anfühlte : sie habe
ausser dem vierfachen (Zins-) Steuergulden auf Grund einer
ihr angedichteten Einlage im Gültenbuche der Landschaft an
diese in manchen Jahren 200—400 Gulden Extrasteuem abzu-
führen und ihre Schuldenlast sei demzufolge bis zur Höhe von
3000 Gulden gestiegen. Hiezu kamen Anfangs September 1717
weitere 1000 Gulden, welche die Gemeinde damals beim
Pfarrer von St. Lorenzen im Mürzthale zur Tilgung ihrer
Steuerrückstände gegen vierpercentige Verzinsung aubahm.
Sie verglich sich schliesslich über diese Rückstände mit der
steiermärkischen Landschaft. Unterm 15. Juni 1720 wurde in
Form einer bis Ende 1718 reichenden Abrechnung Nach-
stehendes festgesetzt: Der Markt schuldet der Landschaft an
Extra-Steuer 900 Gulden (nämlich jährliche 60 durch 15 Jahre),
an Ordinari - Contribution (seit 1701) 1080 Gulden und an
sonstigen Auflagen 880 Gulden, zusammen also 2860 Gul-
den. Davon sind durch Gegenansprüche gedeckt 750 fl. 41 kr«
u. z. durch sein Guthaben beim landschaftlichen Zinsgulden-
Amte 108, durch Etappenforderungen (von 1702 bis 1707)
642 Gulden 41 Kreuzer. Der Rest mit 2109 Gulden 19 Kreuzer
ist sogleich baar zu erlegen. Künftighin soll der Markt an
— 187 —
Jahressteuer Alles in Allem nicht mehr als 200 Oulden zu
entrichten haben. Das Guthaben beim Zinsgulden -Amte per
108 Gulden resultirt aus Mehrleistungen der Gemeinde im
Verhältnisse zu den ihr vorgeschriebenen Beiträgen (Zinsgulden)
zur Vergütung solcher Leistungen, nämlich der Beherbergung
und Naturalverpflegung von ständig einquartierten Truppen und
der Beistellung von Vorspann für durchmarschirendes Militär,
sowie für andere auf diese Weise zu befördernde Personen.
An Service -Gel dem allein hatte der Markt 880 Gulden
zu fordern, an Vorspannsgebühren (von 1701 bis 1709)
748 Gulden 12 Kreuzer.
Damit ist eine öffentliche Last gekennzeichnet, welche in den
ersten Decennien des XVIII. Jahrhunderts zu Kindberg noch
härter empfunden wurde, als die eigentliche Steuerlast, und schon
früher dem Markte grosses Ungemach bereitete. Denn die Ver-
gütung, welche die Bürger dafür empfingen, entschädigte sie
nicht im Entferntesten für die Opfer, welche sie diesfalls
brachten. Dieselbe war eben an sich schon karg bemessen
und wurde zumeist blos von der auf sie entfallenden Zinsgulden-
Schuldigkeits - Tangente abgeschrieben. Was die Gemeinde
darüber hinaus Einzelnen baar bezahlte, milderte blos deren
Ueberbürdung, ohne sie zu beheben und musste alsbald wieder
in der Form von Gemeinde - Umlagen rückgezahlt werden.
Kaum dass der eine und andere mit Standquartieren sehr
heimgesuchte Bürger einen Ueberschuss in Händen behielt,
der bei der Grösse des gerade von ihm Geleisteten und Er-
duldeten kein annehmbarer Ersatz für ihn war.
Schon im Beginne der Aufzeichnungen, welche die noch
vorhandenen Kindberger RathsprotokoUe uns überliefert haben,
geschieht einer Zuschrift des landschaftlichen Kriegscommissärs
Georg Freiherrn v. Welsersheimb (vom 13. December 1665)
Erwähnung, womit derselbe dem Markte aufträgt, das dort
seit einem Monate (im Winterquartier) liegende Kriegsvolk
„gegen Wieder-Refundierung'' aus der vom nächsten Landtage
zu bewilligenden ;,Extraordinari-Contributions-Dargabe" den
Winter über zu verpflegen. Der Magistrat beschloss sohin
— 188 —
;,da88 man mit höchster Lamentation der Unmöglichkeit dem
Herrn Commissari zuschreiben und Entschuldigung thun
solle, sintemalen die Belegung (mit Truppen) dem gemaineo
Markhte gahr zu schwahr^. In der That war diese Einquar-
tierung mit grossen Auslagen verbunden. Dem Quartiertrager
z. B., welcher den Feldwebel beherbergte, mussten daftr
wöchentlich von seiner Steuerschuldigkeit 1 Gulden 15Kreuzer
abgeschrieben werden. Das Deprecieren half nicht. Am „heiligen
Abende "^ erhielt der Magistrat ein Schreiben des Capitän-
Lieutenants vom Coppy^schen Regiinente, welcher die zu Kind-
berg bequartierte Truppen -Abtheilung befehligte, womit ihm
eröfinet wurde, dass die steiermärkische Landschaft erst vom
Januar 1666 an die Kosten der Truppen Verpflegung trage,
folglich bis dahin der Markt entweder für jeden ihm zuge-
wiesenen Soldaten dessen Bedarf an Brot und Fleisch in natura
zu liefern oder diese Leistung mit einem Reichsthaler per
Kopf abzulösen habe. Der Capitän - Lieutenant erklärte sich
übrigens bereit, diese Requisitionen zu bescheinigen und stellte
es dem Markte anheim, darüber mit der Landschaft Abrech-
nung zu pflegen. Darauf hin willigte der Magistrat mit Bei-
ziehung der ^Gmain'', die da durch fünf Personen vertreten
war, in die Vorstreckung eines Zinsgulden - Betreffnisses per
30 Gulden, deren Empfang der Officier bestätigen wolle.
Dadurch verschaffte er sich und der Bürgerschaft für einige
Wochen Ruhe. Aber Anfangs Februar 1666 tauchten neue
Ansprüche auf. Am 4. dieses Monats meldete sich spät Abends
ein Capitän - Lieutenant vom Mochure'schen (?) Regimenter
Joh. Ernst Pramberger, auf dem Rathhause mit einer auf
30 Gulden lautenden Zahlungsanweisung der Landschaft. Da
die Markteasse leer war, musste in der Nacht nach Brück
an der Mur zu einem Helfer in der Noth geschickt werden,
damit der drängende Officier abgefertigt werden konnte. Am
folgenden Morgen begehrte der im Markte liegende Feldwebel
einen Vorschuss für seine Mannschaft, damit sie Brot kaufen
könne. Bis dahin hatte ihr der Marktrichter Schellowitz, seiner
Profession nach ein Bäcker, für mehr als 80 Gulden Brot
— 189 —
auf Borg geliefert ; nun weigerte er sich, dieses Creditgeschäft
fortzusetzen, und bat er den Magistrat, ihn für entschuldigt
zu halten, wenn aus seiner Weigerung ^ein Unglickh entstundte''.
Der Magistrat fand es durchaus i,unrathsam% dem Militär
baares Geld zu verabfolgen, und bewog daher lieber den
Marktrichter, noch durch etliche Tage das Brot in natura zu
liefern; späterhin sollte er durch einen anderen Bäcker darin
abgelöst werden. Eine Wendung zum Besseren trat erst im
April 1666 ein, wo der Kriegscommissär den Magistrat be-
nachrichtigte, dass er der schleunigen Einsendung einer „Ab-
raitung**, welche zwischen der Bürgerschaft und den Soldaten
im Beisein eines Officiers vorzunehmen wäre, entgegensehe,
und dass künftighin alle Monate diese Abrechnung zu wieder-
holen sein wird. Er forderte den Magistrat auf, die rück-
ständigen Rechnungen durch einen eigenen, ^bei Tag und
Nacht^ eilenden Boten ihm zuzusteUen. Es war auch hohe
Zeit, dass dieser Trost der Gemeinde zu Theil wurde. Die
Einquartierung dauerte bis in den Sommer hinein. Am 1. Juni
klagte der Kaufmann Hueber, dass der Feldwebel seit 40 Wo-
chen in seinem Hause sei; dieser aber zeigte sich, als man
ihm ein anderes Zimmer anwies, sehr wählerisch. Am 25. Juni
1666 begehrte ein neu angekommener Fähnrich Quartier. Das
war ein anspruchsvoller Mann, welcher der Gemeinde viel Ver-
druss bereitete. So muthete er ihr am 17. August zU; sie möge
ihm ein Zeugniss ausstellen, dass seine Soldaten in den Monaten
Juni und Juli Alles, was sie bezogen, auch bezahlt haben.
In Wirklichkeit waren sie jedoch in allen Wirthshäusern
Zechen schuldig gebUeben. Der Magistrat wich jener Zumu-
thung durch die Gegenbemerkung aus: dass eine solche Be-
stätigung Erhebungen voraussetze, welche erst gepflogen
werden müssten. Hierauf verlangte der Fähnrich, dass der
Stall für seine Pferde gedielt (mit Brettern belegt) werde. Der
Magistrat willfahrte dem. Zehn Tage später unterhandelte
Letzterer mit ihm über ein Service-Relutum. Drei Abgeord-
nete suchten seine Forderungen herabzustimmen. Schliesslich
gab sich der Fähnrich mit einer Ablösung von 1 Gulden
— 190 —
per Woche unter der Bedingung zufrieden, dass diese ihm
für die ganze Zeit, welche seit seiner Ankunft zu Eindberg
verstrichen war, nachgezahlt werde. Der Magistrat fügte sich
darein „zur Verhütung eines ferneren Unheils und w^en
pesseren Commando". Am 6. December übergab der Fähnrich
demselben ein Verzeichniss weiterer Ansprüche. Er stellte &
seiner Wahl anheim, ob man ihm ein leeres Haus, dazu aber
j^ein Mensch zum Auswaschen und Achtunggeben aufs Feuer"
beistellen, oder aber ein „bewohntes Quartier mit einem
accomodierlichen Zimmer, dem nöthigen Holze, Liegerstatt,
Bettgewand, Tischzeug, Handtüchern. Lichtem nach Bedarf
und Kuchelgeschirr einräumen wollte *'. Am 12. März 1680
notificirte der Kriegscommissär zu Brück dem Magistrat«,
dass er am folgenden Tage fünf Reiter dortselbst werde zu
übernehmen haben, wozu der Marktrichter abgeordnet wurde.
Die Lückenhaftigkeit der RathsprotokoUe gestattet nicht, diese
Drangsale des Marktes weiter zu verfolgen. Aus späteren
Jahrgängen erfahren wir, dass der Magistrat zu Geschenken
an die betreflTenden Commissäre seine Zuflucht nahm, um den
Markt von den Standquartieren der Truppen zu befreien. So
erhielt Niclas Schmidt zu Brück deshalb am 22. Mars 1701
drei Gulden und als der Marktrichter Mathias Lanzenbacher
am 3. Februar 1705 sein Amt resignirte, anerkannte die
Bürgerschaft dankbar, dass er es, wie kein Zweiter, verstanden,
dem Markt Erleichterungen dieser Art zuzuwenden. Er recht-
fertigte auch im folgenden Jahre wieder diesen guten Ruf, indem
er auf die commissariatische Ordre vom 3. April hin, wonach
ein Rittmeister, ein Corpora!, ein Trompeter und ein Ge-
meiner vom Martini'schen Kürassier-Regimente auf mehrere
Wochen zu Kindberg Standquartier beziehen sollten, am
.5. April nach Brück reiste und beim Kriegscommissär die
Zurücknahme dieser Ordre durchsetzte. Unter Kaiser Karl VI.
verlor die bezügliche Last viel von ihrer Gehässigkeit dadurch,
dass nun die umliegenden Bauerngemeinden den Markt mit
Futter für die einquartierte Cavallerie unterstützen mussten,
Am 9. März 1717 fand eine Zusammenkunft von Vertretern
— 191 —
dieser Gemeinden statt, welche unter sich ausmachten, wie
viel Fuder Heu und Viertl Hafer jede „Rotte" fbr die damals
im Markte Standquartier haltenden Cttrassiere des Martigny'schen
Regiments zu liefern hätten. Uebrigens hatte schon ein land-
schaftliches Patent vom 16. April 1710 der Bürgerschaft ver-
heissen, dass sie in Zukunft dem Militär selbst bei Stand-
quartieren blos „Dach und Fach^ beizustellen haben würden,
indem die Mannschaft so gut wie die Officiere zur Bestreitung
ihrer Verpflegung mit baarem Gelde versehen werden. Aber
gleich wie dieses Patent auf das unausgeführt gebliebene
Militär-Reglement vom 3. December 1697 sich stützte^ so
gelangte es auch selber nicht zur gehörigen Anwendung. Nur
dessen weitere Bestimmung, dass in Zukunft bäuerliche Ge-
meinden nicht mehr mit Truppen belegt, sondern dafür mit
einem VierÜ-Gulden zur Zinsguldensteuer herangezogen werden
sollten, erlangte praktische Bedeutung.
Andererseits fielen hie und da im Markte auch Soldaten -
Excesse vor, wie z. B. am 23. Februar 1715, wo mehrere
Leute vom Mannschaftsstande den Wirth Krieger mit ent-
blössten Bajonetten bedrohten. Der Stationscommandant be-
langte die Thäter vor dem Magistrate, welcher hinwider
ersuchte, die Soldaten künftighin nicht über 8 Uhr Abends
im Wirthshause zu belassen. Daher versah der Magistrat am
5. März 1717 einige abgedankte Soldaten der Garnison bereitwillig
mit einem „Laufgelde^ und beschwerte er sich im Mai 1717
u. A. über die dem Markte auferlegten vielen und lästigen
„Soldatenquartiere** mit dem Hinweise auf die Begüngstigung,
deren diesfalls Aflenz, Kapfenberg u. a. Orte fortwährend
theilhaft würden. Welche Summen der Markt in Folge der
Fortdauer seiner Belegung mit Soldaten im Jahre 1720 vom
Lande zu fordern hatte, und womit er sich schliesslich be-
gnügen mussten, wurde schon oben bemerkt Unwillkürlich
drängt sich da die Erwägung auf, welche Verwendung die
Zinsguldenerträgnisse des ganzen Landes fanden, wenn ein
an der Heerstrasse gelegener Ort, wie Kindberg, am Schlüsse
einer längeren Verrechnungsperiode nur um 108 Gulden mehr
— 192 —
vom Zinsguldenamte an Vergütung ftür Standquartiere zu
fordern hatte, als er demselben an Beiträgen zu solcher Ent-
schädigung schuldetet) Auch in den nächsten Jahren hatte
der Markt diese Last zu tragen. Am 27. März 1721 quälte
ihn wieder ein Fähnrich mit vielerlei Ansinnen. Derselbe
beanspruchte eine besondere Behausung, das obligate lyMensch-"
(ohne Bezeichnung des Zweckes) und einen „Extra-Boten
zum Hin- und Herschicken''; für seine Soldaten aber nahm
er, wenn sie Wache hielten, „Servicegelder'' in AnsprucL
Der Magistrat brachte ihn beim Bürger Kohlhofer gegen
eine Vergütung von 45 Kreuzer per Woche unter, und bewilligte
jedem Wache haltenden Soldaten 2 Kreuzer tägliche Zulage.
Am 9. März 1722 remunerirte er den Corpora!, der als Stations-
commandant bei froher Laune erhalten werden musste, auf sein
Begehren mit 1 Gulden 30 Kreuzer per Monat blos die Bitte
beifügend, dass er gute Mannszucht halten möge. Am 9. Juni 1723
<) Es wäre lehrreich, wenn sich ermitteln Hesse, welchen Geldbetng
ein Hausbesitzer für die Quartierlast, die er trug, als EntschSi-
digung vom Magistrate zuerkannt erhielt. Scheinbar liegt ein
Behelf, dies zu eruiren, auf Seite 114 des V. Bandes der Baths-
protokoUe vor, wo nftmlich die Beträge eingetragen sind, welche
den einzelnen Bürgern jener Last wegen von ihrer Steuerschuldigkeit
der Landschaft gegenüber in Abzug gebracht, also Tom ganzen
Lande bestritten wurden. Es heisst dort, dass jedem Bürger, der
das Jahr über nur Einen Soldaten aushielt, daftlr 30 kr. ange-
rechnet wurden. Sechs Hausbesitzer erhielten darnach einen Steuer-
nachlasB von je 2 fl., Andere von 1 fl. 30 kr., von 1 fl. 'und yoq
45 kr. Alleines ist leider nicht bemerkt, durch wie Tiele
Tage die Einquartierung getragen worden sein musste, um diese
Entschädigungsansprüche zu begründen. Wie gross aber die Zn-
zahlung der Markt gemeinde zu diesen Vergütungen, welche
auf die einzelnen Bürger im Verhältnisse zu ihrer Steuerkraft um-
gelegt wurde, war, gibt beiläufig die Liquidirung eines „Si>eseD-
auszügl's" zu erkennen, das der Gastwirth Lackhner im Februar 1706
dem Magistrate vorlegte. Von 20 fl. 58 kr., die er als Quartier-
entschädigung beanspruchte, schrieb ihm der Magistrat 14 fl. vod
seiner alten Schuldigkeit an Landessteuem ab. Der Rest wnrde als
sein Betreffniss an jener Gemeindeumlage nicht vergütet, sondern er
damit in 's gemeine Mitleiden der Marktgemeinde gezogen.
— 193 —
setzte dieser C!orporal eine Erhöhung des Service-Geldes, das
der Magistrat ihm zahlte, von drei auf vier Kreuzer durch.
Der Quartierträger (Bäckermeister Helmreich) sollte sie ihm
verabreichen. Als am 4. Januar 1724 die Frage entstand,
wie die Kosten der Bequartierung eines Lieutenants, welcher
damals in den Markt verlegt wurde, zu vertheilen seien, beschloss
der Magistrat, sie auf die gesammte Bürgerschaft zu repar-
tieren. Da Einzelne unter diesen sich sträubten, ihren Beitrag
hiezu einzuzahlen, drohte denselben der Magistrat am
7. März 1724 mit Verdoppelung der ihnen zugewiesenen
Mannschaft Jener Lieutenant fand es übrigens zuträglicher,
im April 1724 seinen Aufenthalt zu Brück an der Mur zu
nehmen und schrieb von dort dem Kindberger Magistrate:
er könne mit dem ihm von diesem bisher entrichteten
Service-Gelder per 8'/2 Gulden im Monate dort nicht sein
Auslangen finden. Er erhielt Vertröstungen zur Antwort.
Zum 30. September 1724 ist im Rathsprotokolle fol-
gendes notirt: „Herr Richter zaiget an, es wäre der roth-
kopfete Soldat zu ihm kumben, verlanget ein Hörberg, dann
der Kayser-Bäkh wolle ihn nit mehr behalten. (Beschluss:)
Magistrat will denjenigen Soldaten, welcher auf Unter-
Khapfenberg gehöret und ain grosskamerischer Befreiter ist,
abschaffen und statt dessen den obbemelten Rothkopf zum
Tümbacher einstöllen und den Zünnss davor bezallen*^. Unter
diesen Soldaten sind offenbar Invaliden zu verstehen,
welche der Markt zu versorgen hatte.
Ueberhaupt werden von da an die Standquartiere
activer Truppen immer seltener. Als der Kriegscommissär
am 28. Juni 1726 dem Markte die Ankunft einer Garnison
unter Commando eines Lieutenants ankündigte, setzte er
sogleich bei: das betreffende Regiment sei bereit, alle Soldaten-
schulden an dortige Bürger zu bezahlen; nur möge in Zu-
kunft kein Quartiertrager mehr ohne Vorwissen des Ober-
oder Unterofficiers einem Soldaten Etwas borgen. Und am
20. Juni 1729 lief ein vom 7. Mai des nämlichen Jahres
datirtes Patent der Landschaft ein, welches in Erinnerung
Mittheu. des bist. Veninea f. Steiermark, XZIX. Heft, 1881. 1 3
— 194 —
brachte, dass kein einquartierter Soldat, auch kein kranker
oder im Arrest befindlicher oder auf Wache stehender, baares
Geld zugewendet erhalten darf. Damit klingt die schwere
Heimsuchung der Vorzeit aus.
Unter Maria Theresia entfielen die Erpressungen des
Militärs von selbst mit ihrer vornehmsten Ursache: der Un-
regelmässigkeit seiner Entlohnung, für deren Folgen dasselbe
eben an den Quartierträgern sich schadlos zu halten gewisser-
roassen gezwungen war.
Diese Wirkung machte sich auch bei den Durchzogen
der Truppen geltend, welche an sich schon keine geringe
Bürde waren, nachdem weder der Staat noch das Land f&r
die bei solchen Anlässen dem Militär erwiesenen Dienste
irgend eine Vergütung zu leisten pflegten. Wie zahlreidh die-
selben im XVIIL Jahrhunderte waren, erhellt aus dem nächst-
folgenden Abschnitte (IV). Unter Karl VI. kam eine Beihilfe
des Aerars für Vorspann-Leistungen auf und waren die durch-
ziehenden Truppen gehalten, die ihnen verabfolgten Mund-
portionen baar zu bezahlen, wie mindestens ein Patent der
Landeshauptmannschaft vom 18. September 1723 verkündete.
Im XVII. Jahrhunderte hatte der Markt auch nodi an
der Beistellung der Landesrobot zur Befestigung
von Graz sich zu betheiligen. Eine Aufforderung hieza
erging an ihn seitens der Landschaft am 30. März 1665.
Hörte gleich diese Verpflichtung später auf, so traten
andere an deren Stelle, welche noch schwerer zu erfüllen
waren.
Hieher sind zu rechnen: die Beistellung von
Pferden für den Armeebedarf (ein hierauf abzielender
Befehl kam dem Markte am 16. Jänner 1703 zu), die unent-
geltliche Beförderung von Sträflingen und Häft-
lingen innerhalb des Burgfriedens, Streifungen wider
Vagabunden und Uebelthäter, Strassen - Er weite r nngen
und Reparaturen, Pestwachen, Beiträge zn den
Contagions-Kosten und Armenanstalten, wdche
im Gesetzgebungswege vorgeschrieben wurden.
— 196 —
Von Letzteren wird später (im VII. Abschnitte) die Rede
sein. Das von der Gemeinde aus freien Stücken von Alters
her verabreichte ^^Allgemeine Almosen'' war im Jahre
1677 (29. März) von ihr eingezogen worden, mit Ausnahme
der üblichen Unterstützungen an durchreisende Geistliche,
Edelleute und Gefangene. Als Motiv ist angegeben, dass „die
Anderen ohnedas gleich wollen hervmbgehen'* ; also lasse
man es beim » Hausiren" bewenden. Doch in das Gemeinde-
Budget für 1688 wurden unter obigem Titel doch wieder
16 Gulden eingestellt.
Pestwachen hatte der Markt, soweit die Raths-
protokolle darüber Aufschluss geben, in den Jahren 1679/80,
1710, 1716, 1738 und 1741 aufzustellen und zu unterhalten.
Im letztgenannten Jahre galt es, den Semmering zu bewachen,
zu welchem Ende der Magistrat am 23. September 1741 die
BUrgerroIIe verlesen und die Abwesenden aufzeichnen Hess.
Jeder Wachmann erhielt aus der Markteasse 2 kr. Tages-
zulage. Im Jahre 1738 ordnete die Regierung mit Befehl
vom 27. November eine strenge Beaufsichtigung des Verkehres
über den Almsteig und durch die Stainz an, damit einer Ein-
schleppung der Pest aus Ungarn vorgebeugt werde. Im Jahre
1716 aber stellte die Sanitäts -Hauptdeputation zu Graz schon
Anfangs September durch ein Patent, welches ein besonderer
Bote am 1 1. September Mittags dem Magistrate überbrachte;
alle Kirchtage und sonstigen Zusammenkünfte der drohenden
Seuche wegen ein. Zunächst achtete die Bevölkerung wenig
hierauf. Das Rosalienfest auf dem Georgenberge wurde nichts-
destoweniger von Krämern und Käufern besucht. Aber am
20. September verbreitete sich das Gerücht, die Pest sei in
der Stadt Brück zum Ausbruche gekommen. Nun stellte auch
die Gemeinde Kindberg Wächter aus, sperrte sie drei Strassen
durch Thore ab und liess sie Niemanden mehr aus der
Richtung von Brück her den Markt betreten, der nicht einen
zu Kapfenberg ausgestellten Gesundheitspass vorwies. Am
22. September untersagte der Magistrat allen Hausbesitzern
die Beherbergung von Fremden. Wer nach Leoben oder Brück
13*
— 196 —
reiste, musste bei der Rückkehr Quarantäne halten. Ende
September erging an die österreichischen und einheimischen
Gäuknechte wegen Pestgefahr das Verbot, in die Braitenau
(bei Pemegg) sich zu begeben. Am 30 September erhielt der
Magistrat die Nachricht, dass die Stadt Brück ringsam ab-
gesperrt sei und die Absicht bestehe, den Verkehr aus dem
Mur- und Mürzthale über den Greggerberg zu leiten. Nun
wurden auch Spione ausgeschickt, welche alles Verdächtige
melden sollten. Am 7. October requirirte die (Dontagions-
Landes-Commission zwei Wächter aus Kindberg für jenen
Gebirgsübergang bei Brück. Es wurden zwei Marktbüi^er:
der Gschmeidler Paul Türkh und Colman (Coloman?) Leit-
zinger dahin entsendet; doch kehrten sie rasch zurück, weil
inzwischen ein Pestcordon aus abgedankten Soldaten gebildet
worden und in Brück eine Abtheilung der Grazer Stadt-
Quardia zur Bewachung des Verkehres eingetroffen war. Am
13. October, wo die Pestgefahr schon sehr nahe gerückt war,
so dass am Vortage die Marktgemeinde das Gelübde geüian
hatte, im Falle ihres Verschontbleibens den Rosalientag fortan
als Festtag zu begehen und an demselben nach St Lorenzen
und Allerheiligen wallzufahren, — fand zu Rommersdorf (?) unter
Leitung des Pest-Commissärs Joh. Georg Ehrenn eine Con-
tagions-Conferenz statt, auf welcher böse Vorkommnisse zur
Sprache kamen. Zu Brück, hiess es, sei der Eidam des
Lederermeisters Graf an „den schwarzen Petetschen'^ gestorben,
de&sgleichen der Weissgärber und ein Weib im dortigen La-
zarethe. Man regelte darauf hin die Proviantzufuhr zu dieser
Stadt und den Krankentransport dahin (der von neun Uhr
Abends an über die Grazer Brücke seinen Weg zu nehmen
hatte), ordnete die Ausräucherung der Briefe an und unter*
sagte das Abhalten der Kirchtage. Die Marktgemeinde
erneuerte ihr Gelübde am 19. October in Gegenwart des
Pfarrers. Am folgenden Tage besprach der Rath die ihm
berichteten Resultate jener Conferenz, wobei des Ger&chtes
Erwähnung geschah, dass zu Ober-Eich bei Brück vier Per-
sonen an der Pest gestorben seien und zu Farrach (?) bei
~ 197 —
Judenburg die Seuche gleichfalls ausgebrochen sei. Erst
Anfangs Jänner 1717 wurden die Pestwachen auf dem Wurzl-
Berge redudrt. Contagions-Beiträge waren dem Markte
schon am 4. Februar und am 14. Mai 1716 vom betreffenden
Landes-Commissär, Primus von Eönigsbrunn, abverlangt worden,
und zwar im Betrage von 68 Gulden. Nach längerem Sträuben
bewilligte der Magistrat diesen Beitrag und berief er zu dessen
Repartition eine Versammlung der Bürgerschaft ein (18. Mai).
Aus dem Jahre 1710 liegt blos ein Regierungs-Mandat vom
1. August vor, das die Sämer von Pinkafeld in Ungarn vom
„Einfahren ins Land oder Mürzthal^ abzuhalten bezweckte,
damit nicht durch sie die Pest eingeschleppt werde. Im Falle
offener Widersetzlichkeit sollte auf sie geschossen werden.
Das setzt die Aufstellung von Wachposten voraus. Auch im
Jahre 1679 galt diese Massregel den Sämern, welche über
die Alm nach Krieglach zu ziehen pflegten. Sie wurde damals
durch ein Schreiben des Pest - Commissärs Zehentner zu
Liechtenegg vom 25. September angeordnet, welchem zufolge
der Magistrat die umliegenden Gebirgspässe zu verbacken
und Wächter bei Tag und Nacht zu unterhalten beschloss.
Uebrigens war schon am 1 3. September auf der Oberkindberger
Schlosswiese ein Mann gestorben und begraben worden^ der,
mit seinem Weibe aus Niederösterreich zugewandert, dort
fieberkrank durch vierzehn Tage im Freien gelegen und wegen
Pestgefahr in kein Haus Aufnahme gefunden hatte. Ein landes-
hauptmannschaftliches Mandat vom 3. October verhängte über
alle aus Niederösterreich zureisenden Personen eine vierzig-
tägige Contumaz; eines vom 11. October sistirte die Fremden-
aufnahme zu Eindberg, dessen Thore sohin von 6 Uhr Früh
bis 8 Uhr Abends sorgfältig bewacht, zur Nachtzeit aber
geschlossen wurden. Am 19. December trug der vorgenannte
Commissär dem Magistrate auf, im Markte eine Contumaz-
Anstalt für Cavaliere und ein Lazareth zu errichten, für
welches ein Magister Sanitatis angeworben werden sollte.
Denn der Markt selber stand nun im Verdachte, inficirt zu
sein, nachdem der Bürger SchadÜeitner, von einer Reise nach
— 198 —
Mureck zurttckgekehrt, einbekannt hatte, dort in einem Hau^.
aus welchem drei Personen an der Pest weggestorben vaien.
gewesen zu sein. Derselbe musste sammt den Seinigai im
eigenen Hause Quarantäne halten. Erst am 4. März 1680 zo^
der Magistrat, dem Beispiele der Stadt Graz folgend, die
Pestwachen wieder ein.
lieber die ihr aufgebürdeten Kosten der Strassen-
erhaltung beschwerte sich die Marktgemeinde bitter im
Jahre 1717. Sie machte geltend, dass im Burgfrieden vier
grosse und drei kleine Brücken sich befinden, deren Erhaltung
ihr obliege, dass diese im Jahre 1714 durch Hochwasser
grossen Schaden gelitten hätten u. s. w. Sie war genöthiget
bald darauf in der Person eines herabgekommenen Büi^rs
einen Wegmacher zu bestellen, dem sie vier Gulden Besoldung
nebst einigen Accedenzen auswarf (4. November 1717}). Wahr-
scheinlich hängt dies mit einem Patente wegen Erweiterung
der Strassen bis zur Breite zweier Wägen zusammen, welches
dem Magistrate am 6. August 1717 zukam. Einige Elrleich-
terung gewährte dem Markte die am 17. October 1717
ausgemittelte Concurrenzpflicht mehrerer Bauern - Rotten
Streifungen oder, wie man sie damals nannte, i^Rftuber-
und Bettler- Jagden^ wurden namentlich im Jahre 1716 wieder-
holt vorgenommen.
Von durchpassierenden Sträflingen und Häft-
lingen seien hier blos erwähnt: mehrere nMaleficanten",
welche am 8. Juni und 3. Juli 1716 auf Wägen durch den
Markt geführt wurden, ohne dass sie absteigen durften; fbnf
Galeeren-Sträflinge, welche am 9. Mai 1717 auf vom Markte
beigestellten Wägen bis MUrzhofen fuhren (woraus der damalige
Marktschreiber eine Prätension auf Erweiterung des märktischen
Burgfriedens ableiten zu können hoffte) und ein am 30. Sep-
tember 1705 vom Landprofossen über Langenwang dabin-
geleiteter Ketzer, seines Zeichens ein Schuster, welcher im
Lande ob der Enns Irrlehren zu verbreiten gesucht hatte,
woftlr er zur Galeerenstrafe verurtheilt worden war.
Weiteren Aufwand verursachten dem Markte die Ver-
— 199 —
zebrungSBteaer-AnaprQche der Finanzverwaltung, die
mit der Bestätigung seiner Privilegien verbundenen
Auslagen, im Gemeindeinteresse unternommene Bauten und
andere Veranstaltungen dieser Art So fasste z. B. die
Bürgerschaft am 6. März 1665 den Beschluss, nZweenSawpem"
aus Gemeindemitteln anzuschaffen und einem Bürger zur Pflege
zu obergeben. Am 19. Mai 17 IS düng der Magistrat den
Brucker Rauchfangkehrermeister mit einer Jahresbestallung
von 30 fl. 34 kr. zum Kehren aller Rauchfänge des Marktes,
was des Jahres fUof- bis sechsmal geschehen sollte. Die
Bürgerschaft war jedoch mit dieser Vorsoi^e keineswegs ein-
verstanden, sondern verweigerte dem im Juli 1718 Einlass be-
gehrenden Rauchfangkehrermeister den Zutritt in die einzehen
WohnhiUiBer ; ja die Tochter eines Tischlers beschimpfte sogar
aus Anlass dieser Vorsorge den Marktrichter öffentlicb^auf un-
fläthtge Weise. Und doch hatte die Regierung die Gemeinde
schon unterm 2. December 1705 aufgefordert, eine Feuerlösch-
Ordnung einzuführen und LöschgerAthe anzuschaffen.
Der »Regale", welche der Markt aufwendete, um si
in massgebenden Kreisen Gönner zu erwerben und der
Gunst zu sichern, geschah bereits Erwähnung. Es war d
nicht minder eine öffentliche Last, wie die von Staatsweg
verordneten Abgaben. Ausser den Geschenken, welche Letztet
willen sowohl nach Wien als nach Graz wanderten, ging
derlei Sendungen häufig ohne specielle Zweckbeziehung na
diesen beiden Städten, insbesondere aber an den jeweiUg
Hofkanzlei-Refendär für Inner-Oesterreich. So verehrte diese
der Mi^trat am 21. Januar 1716: 6 Schnepfen, 2 Has
und 2 Rebhühner, welche zusammen um 6 Gulden 32 Kreuz
in Graz angekauft worden waren, und dazu ein Kalb.
Gewissermassen gehören endlich hieher dieVerpflichtungf
welche der Markt in Ansehung der dortigen Seelsor^
und der dazu dienenden Gebäude hatte. Ihm stand d
Erhaltung des Pfarrhofs zu, und wenn ein Pfarrer starb oh:
seinem Nachfolger ein entsprechendes Inventar zu hinterlassf
so hatte der Markt das Fehlende zu ergänzen. Daher schlo
— 200 —
der Magistrat . am 7. Januar 1702 mit Dazwischenkunft des
Verwalters der Herrschaft Ober-Kindberg und auf Wunsch
des Besitzers derselben mit dem Pfarramte einen Vertrag,
wonach jeder Pfarrer statt des Inventars 200 Gulden seinem
Nachfolger zum Antreten der Pfarre testamentarisch zuwenden
und bei seinen Lebzeiten jährlich 10 Gulden zu baulichen
Reparaturen, so wie zu anfälliger Erneuerung des „Haupt-
gebäudes^ beim Magistrat hinterlegen sollte. Einige Jahre
früher schon hatte der Rector des Grazer JesuitencoUegiums
als Ordinarius loci die Dotirung einer Kaplansstelle bei der
Pfarrkirche des Ortes in Anregung gebracht- Er entbot zu
diesem Ende am 4. April 1690 fünf Rathsherren ins Schloss
Ober-Kindberg, wo er abgestiegen war, und stellte denselbea
vor, wie sehr der kränkliche Pfarrer eines Gehilfen bedürfe. Durch
Zusicherung eines Beitrags bewog er den Magistrat; dass dieser
bis zu des Pfarrers Genesung oder Tod seiner Seits gleichfedls sich
verpflichtete, dem anzustellenden Hilfspriester wöchentlich einiges
Geld zu reichen. Aber ganz erreichte der Rector seinen Zweck erst
im Jahre 1709, wo er anlässlich der Ueberprüfung der Kirchen-
rechnungen, welcher er beizuwohnen pflegte, den Magistrat
bestimmte, aus der Markteasse zum Unterhalte eines Kaplans
eine jährliche Subvention von 30 Gulden zu bewilligen. *) Im
März 1720 schloss der Magistrat wegen Vergoldung des Hoch-
altars der Pfarrkirche mit dem Brucker Maler Ignaz Marxer
und wegen Ausschmückung desselben durch Statuen mit dem
Neuberger Bildhauer Hanns Michael Luger (Lazer?) so wie
(bezüglich der Strahlen, des Gewölks^ eines Schildes) mit
dem Brucker Tischler Ant. Nagl Verträge ab. Auch den Altar
der Kirche auf dem Georgenberge (ausser dem Markte) liess
er im Jahre 1724 restaurieren. Es fehlte wenig, so hätte der
Gemeinde das Rechtsverhältniss, in dem sie zu jenen kirchlichen
Erfordernissen stand, eine Besteuerung durch die geistliche
Obrigkeit eingetragen, als diese im October 1716 zu Forti-
0 Der bezügliche Vertrag kam am 29. September 1709 zu Stande.
Siehe G. Göth, a. a. 0., I. 453, wo aber derselbe fälschlich als
einen zweiten Kaplan angehend bezeichnet ist.
— 201 —
ficationszwecken Geld aufzubringen in Verlegenheit war. Der
Bischof von Seckau muthete ihr damals zu, aus dem Kirchen-
vermögen, das sie verwaltete, 6 Gulden, und aus dem einer
Bruderschaft 4 Gulden jährlich an „Türkensteuer'' zu ent-
richten. Was sie hierauf antwortete, ist aus den Rathsproto-
koUen nicht zu ersehen.
IT. Truppenbewegungen und Beiseverkehr«
Sowohl für die Kriegsgeschichte als für die des Mürz-
thales ist es von einigem Belange, die Durchmärsche zu
kennen, welche in den RathsprotokoUen vom Jahre 1705 an
verzeichnet sind. Weshalb in früherer Zeit diese Aufzeichnungen
unterblieben, lässt sich nicht mit Bestimmtheit sagen. Vielleicht
hängt es mit der Aussicht auf theilweise Vergütung der
bezüglichen Quartierslast zusammen, welche sich gerade erst in
jenem Jahre dem Markte eröffnet haben mag. In Wirklichkeit
erhielt er freilich hiefür keine (sondern blos fttr die Stand-
quartiere eine dürftige), wie wenigstens noch im Jahre 1717
von seinen Repräsentanten behauptet wurde. ^)
1705, 4. Februar hält ein Hauptmann des Sereny'schen
Dragonerregiments mit 10 Mann durch 2 Tage Rast und
empfängt da täglich für seine Person 8 Mundportionen (ohne
Getränke) und 6 Pferdeportionen, wogegen die Mannschaft
per Kopf blos eine Mundportion und dazu den Trunk erhält.
1705, 5. März übernachtet ein Lieutenant im Dienste
des Greneral- Wachtmeisters Herzog von Würtemberg: Patriz
La Roche, ein Irländer, mit 8 Mann.
1706, 29. Januar, übernachtet ein Proviantolficier der
in Italien stehenden Armee mit den ihm beigegebenen Fuhr-
wesens-Knechten.
1706, 16. und 24. März, ,, grosses Quartier **.
1706, 22. April, ebenfalls.
1706, 7. Mai, Rasttag; 16. und 17. Mai abermals Rast-
tag u. zw. von Abtheilungen des Marquis Langallerie^schen
0 Dass der Umfang der Last seit dem Jahre 1710 eiDgeschränkt
war, ergibt sich aus den unten folgenden MittheOongen.
— 202 —
und Graf BonnevaTschen Begiments auf dem Marsche nach
Italien. Im Hause des Gewerken Prugger allein Hegen
5 Of&dera
1706, 11. Juni, königlich dänische Truppen.
1706, 1. Juli, ein Lieutenant und 13 Reiter vom Graf
Steinville'schen Cürassier-Regimente.
Der nächsten Eintragung dieser Art begegnen wir beim
Jahre 1710, wo am 5. April ein Lieutenant des Liehotzky-
schen Hussarenregiments mit mehreren Reitern zu zweitägiger
Rast eintraf. Bei diesem Anlasse sah sich der Markt (wie es
scheint zum ersten Male) der Nothwendigkeit, für Pferdefutter
und Streustroh selbst zu sorgen, durch den landscbafUichen
Kriegs-Commissär Freih. v. Teuffenbach überhoben, wddier
in Folge einer Weisung der Grazer Hofstellen zur Yerpflegong
der betre£fenden Pferde 32 Grazer Yiertl Hafer und 3 schwere
Heufuder ins Kindberger Fourage-Magazin schaffen liess. Der-
selbe zahlte auch dem Marktrichter am 26. April 1710 f&r
25 Mundportionen, die der zur Begleitung der Raccoria-
nischen (?) Bagage bestimmten Mannschaft verabfolgt worden
waren, 3 fl. 48 kr. und für 93 beigestellte Vorspannpferde
am 30. April 24 fl. 48 kr.
Am 23. Juni 1712 rechnete der Magistrat mit der Bürger-
schaft über die Einquartierung des Graf Mercy'schen Stabes
ab, welche nur eine transenale gewesen sein kann, wdl die
bezagliche Forderung der Bürgerschaft blos 14 fl. 30 kr.
betrug. Dabei wurde den Wirthen ^Service-Geld**, das ae
aufrechneten, nicht passirt
Am 14. December 1715 nächtigten zu Kindberg 70 Köpfe
des Wallis'schen Regiments, darunter 40 Ober- und Unter-
Officiere.
Dass auch in der Folge noch oft Durchmärsche statt-
fanden, unterliegt keinem Zweifel und es erklärt sich z. B.
hieraus die zum 16. October 1741 eingetragene Notiz, dass
damals ein Recrut des Pareyti'schen (Baireut'schen?) Regiments
aus dem Hause des Joh. Rendl entfloh. Allein die Raths-
protokolle schweigen darüber. Bios die in einer Rathssitzung
— 208 —
vom 26. März 1720 yorgekommene Beschwerde, dass der Markt
zur Baststation fast aller durchmarschlrenden Truppen aus-
ersehen zu sein scheine, ist angemerkt, dabei aber auch die
Erledigung, welche dahin lautete, dass diese Klage füglich auf
sich beruhen könne, nachdem die meisten Durchzüge vor-
über seien.
Was wir über den eigentlichen Beiseverkehr durch
die Protokolle erfahren, ist von geringer Bedeutung, obschon
in der Beschwerdeschrift von 1717 gesagt wird, dass vor
Zeiten die Wirthe zu Kindberg viel Fremde zu beherbergen
hatten und der Markt Zukehrstation für alle Beisenden war,
nachdem zwischen Krieglach und Kapfenberg keine Gelegenheit
zur Einkehr sich darbot. Das habe sich erst geändert, seit
zu Mürzhofen und Wartberg Gastgeber sind. Seitdem könne
auch der einzige Wagner im Orte nicht mehr bestehen, sondern
zehre von seinem Vermögen, so dass er mehr schuldig ist,
als er besitzt. In der That hatte der Wagner Philipp Ebrmann
aus Schwaben, der durch die Bakozy'schen Bebellen aus
Ungarn vertrieben und zuletzt zu Peterwardein als Geselle in
Verwendung, am 12. August 1709 nach Kindberg gekommen
war, um hier sein Gewerbe selbstst&ndig auszuüben, zwei
Monate später wieder zum Wanderstabe gegriffen und in
einem Bürgerverzeichnisse von 1716 erscheint neben 4 anderen
Wirtben ein einziger «Gastgeb^ (der Schwarzadler- Wirth Job.
Stöger). Sqhon im Jahre 1677 hatte der Magistrat auf An-
dringen des Wirthes Fritz, der das bis dahin erste Einkehr-
haus aus der Wemhardt'schen Concursmasse angekauft hatte,
den Beschluss gefasst, künftighin blos zwei »Einkehrungstafeh"
zu dulden. Am Schlüsse der Periode, mit welcher wir es hier
zu thun haben, gab es deren allerdings wieder drei.
Von hervorragenden Persönlichkeiten, welche in diesem
Zeiträume durch Kindberg reisten, sind vor Allen zu nennen:
die beiden Kaiser : Leopold I. (dessen Obersthofmeister am
9. November 1666 veranlasste, dass zur bequemeren Unterkunft
das Wernhardt'sche Haus mit dem angrenzenden Hueber'schen
durch einen hölzernen Gang und mittelst Durchbrechens der
— 204 —
Mauern verbunden, so wie für Erbauung zweier Hofküdien
gesorgt wurde) und Karl VI., zu dessen feierlichem Empfange
die BQrger am 22. Juni 1728, mit Ober- und Untergewehr
angethan, ausrückten. Letzterer kam in Begleitung seiner Ge-
mahlin und der ältesten Erzherzogin um 1 1 Uhr Vormittags
an, speiste beim Grafen Inzaghi im Schlosse und setzte um
4y2 Uhr Nachmittags die Reise fort Femer verdienen Er-
wähnung: die Königin von Polen, zu deren „Herauf-
reise*' die Landschaft mit Patent vom 4. Januar 1678 Zimmer
in Bereitschaft zu halten und die Strassen zu reparieren
befahl; der kaiserliche Gesandte bei der hohen
Pforte (Freih. v. Quarient?), welcher zur FortschaflFung semes
Gepäcks am 12. April 1706 an die 100 Pferde benöthigte und
dessen Gefolge auf drei Gasthöfe vertheilt wurde ; endlich der
neuemannte Hofkanzlei-Referendär (bisher Regierungskanzler
in Graz) Dr. Luid!, von dessen bevorstehender Ankunft der
Mttrzhofer Postmeister, ihm voranreitend, den Magistrat am
1 5. Juli 1716 benachrichtigte, worauf dieser Einige aus seiner
Mitte zu dessen Begrassung abordnete. Grosses und gerechtes
Aufsehen muss eine Schaar von 112 aus der tür-
kischen Gefangenschaft erlösten Christen ver-
ursacht haben, welche am 21. Febmar 1710 den Markt
passirte. Die Mehrzahl dieser Leute (wovon Viele auf Vor-
spannwägen transportirt wurden) war im Jahre 1683 bei der
zweiten TQrkenbelagerang Wien's in der Umgegend dieser
Stadt von Tataren gefangen genommen worden. Unter ihnen
befanden sich aber auch 22 noch ungetaufte Kinder, nämlich
Sprösslinge von Tataren, welche diese mit bei jenem Anlasse
erbeuteten Christenweibem erzeugt hatten. Dieselben sollten
erst in Wien feierlich getauft werden. Die ganze Schaar war
durch die Bemühungen des Trinitarier-Ordens in Freiheit
gesetzt worden und war ein lebender Beleg für die Erspriess-
lichkeit dieses Wirkens.
Y. Handelsbeziehungen.
So günstig gelegen Kindberg für die Theilnahme am
Waarenumsatze ist, und so sehr sich die hiesige Bürgerschaft
- 205 —
obendrein durch die Maathfreiheit, welche sie an allen Mauth-
stätten der Steiermark genoss, hiezu ermuntert fbhlen musste,
so findet sich doch in den Raths - Protokollen , aus welchen
ich den Stoff zu dieser Abhandlung schöpfe, von dem Titel
eines ^kais. Kammergutsbeförderers'' abgesehen^ den der
Hammermeister Prugger im Jahr^ 1717 führte, keine Spur,
dass hier eine Speditions - Unternehmung bestand, ja nicht
einmal der Sitz eines ansehnlichen Handelsgeschäftes war der
Markt Vielmehr erfüllte die wenigen Eaufleute, die sich
daselbst niederUessen, der kleinlichste Krämergeist Im Jahre
1665 trat Einer derselben, Namens Ho ff mann, klagend auf,
weil der Bürger Paul Kalchgruber Waaren aus Wien bezogen
hatte und weil zwei andere Bürger an Sonn- und Feiertagen
vor der Kirche ihre Waaren feilboten. Der Magistrat schenkte
aber dieser Beschwerde kein Gehör, sondern bedeutete dem
Kläger, dass er es nur dem Ueberhalten seiner Mitbürger
und seinem groben Benehmen zuzuschreiben habe, wenn seine
Yorräthe wenig Absatz finden. Neben ihm betrieben damals
Beruh. Caspar Wernhardt und Simon Hueber zu
Kindberg gemeinschaftlich ein Handelsgeschäft. Dasselbe war
jedoch in der Auflösung begriffen und die beiden Gesell-
schafter sahen sich von ihren Gläubigem bedrängt Unter
diesen war die Wiener Firma Lindtenberger einer der
bedeutendsten. Sie schuldeten dieser aus einer Obligation vom
21. Januar 1656 den Betrag von 279 Gulden 22 y4 Kreuzer,
welchen sie durch Ratenzahlungen per 35 Gulden auf jedem
Grazer Markte zu entrichten sich anheischig gemacht hatten.
Allein trotz einer im März 1661 erfolgten gerichtlichen Er-
mahnung war im März 1665 noch kein Kreuzer davon bezahlt.
Dem Handelsdiener Stephan Khenigstorffer, der sie im Auf-
trage jener Firma damals neuerdings belangte, wendete
Wernhardt ein: er habe den Schuldbrief ausgestellt, ohne
seinen Inhalt zu kennen und die Verbindlichkeit, welche er
betrifft, rühre noch von seiner Mutter her; auch sei es nicht
sein Verschulden, dass der Handelsdiener, welcher die erste
Einmahnung besorgte, auf einen Vergleich, wonach die Gesell-
— 206 —
schafter bereit waren, jene Schuld durch üebergabe tod
Waaren im Werthe von 400 Gulden und von Wein im Werthe
von 100 Gulden zu tilgen, zurQckwies. Dermalen habe das
Waarenlager allerdings keinen so hohen Werth mehr. Dennoch
anerkennt er die Schuld und will er sie ratenweise berichtigen:
nur mögen davon 40 Gulden, die er bei der klagenden Wiener
Firma für gelieferte 400 Stttck Sensen gut hat, davoB abge-
zogen werden. Als tlber Wemhardt der Concurs verhingt
wurde, meldete auch der Wiener-Neustadter Kaofiraann
Russ eine Forderung von 150 Gulden wider die Masse an:
eine Frau Maria Katharina von Gablkhoven, vormalige Be-
sitzerin der Herrschaft Kindberg, meldete 200 Gulden an u. s. w.
Der Cridatar war allerdings zugleich Gastwirth und es ist
daher nicht klar, ob Unfälle beim Betriebe seines Handels-
geschäftes oder der schlechte Gang des Wirthsgeschftftes seinen
Ruin herbeiführten. Der Magistrat mochte erstere Veranlassung
höher anschlagen. Denn er verbot unterm 28. April 1677, d. b.
gerade zur Zeit, wo jener Concurs endete, allen wälschen und
anderen fremden Krämern, im Markte mit Waaren zu hausier^
welche in hiesigen Kaufläden vorräthig waren. Den Simon
Hueber hatte am 23. September 1666 der Nürnberger
Handelsmann Zacharias Khrünner wegen einer Schuld von
20 Gulden belangt; die Hauptursache aber, warum auch Hueber
seinen Zahlungsverbindlichkeiten nicht nachkam, war ein Gut-
haben per 800 Gulden, welches die vorgenannte Frau von
ihm zu fordern und zu dessen Rückzahlung er im Jahre 1 662
den Gertrauds-Hof, welcher ihm gehörte, um 500 fl. verftussert
hatte. Er kam nicht einmal mit den Zinsen fikr d^i Best
dieser Schuld auf, und gerieth so gleichfalls in's Elend. Zu
Anfang des XVIII. Jahrhunderts war Anton Schmidt des
Marktes einziger Handelsmann. Wir machen seme Bekannt-
schaft anlässlich einer Klage, welche der Leobner Handelsherr
Job. Max Egger im Juli 1701 wider ihn anstrengte. Im fol-
genden Jahre war seine Zahlungsunfähigkeit eine entschiedese
Sache. Wer ihn ablöste, ist unbekannt. Keinesfalls war das
ein gefährlicher Concurrent in den Augen des Job. Melchior
— 207 —
Khienberger, welcher, Sohn eines Handelsmannes zu Füssen
im Allgäu^ im Mai 1706 zu Eindberg das BQrgerrecht an-
suchte, offenbar in der Absicht, hier dem Berufe seines Vaters
sich zu widmen. Ob dieser Ausländer wirklich hier sich
niederliess, geht aus den Rathsprotokollen nicht hervor ; wohl
aber ergibt sich aus folgender Eintragung mit ziemlicher
Gewissheit, dass der Markt eine Zeit lang eines ständigen
Handelsmannes ganz entbehrte, daher sich mit einem blossen
Krämer behelfen musste, der nebenher noch das Schneider-
handwerk betrieb. Als nämlich im October 1712 Joh. Georg
Kellner aus Kapfenberg sich erbot, in Verbindung mit seinem
Bruder, welcher Lebzelter zu Trofaiach war, das Fraidt'sche
Haus in Eindberg zu erwerben und hier ein Handelsgeschäft
zu eröffnen, stellte er laut Protokoll vom 27. October dem
Markte Bedingungen. Er verlangte vom Magistrate die Zu-
sicherung, dass er auch mit Ausschluss aller Savoyarden und
sonstigen „Umträger** der einzige Handelsmann hier sein und
bleiben werde. Dies wurde ihm zugestanden mit der Beschrän-
kung, dass der Schneider Pemhofer seinen Kramladen so lange
offen halten darf, bis er seinen Waarenvorrath „versilbert**
hat Damit war freilich Anlass zu kleinlichem Gezanke ge-
geben. Am ^2. November 1715 verklagte Kellner den Schneider,
weil dieser »breite Kleider** verkaufte, d. h. Tuch zu solchen
ausschnitt. Den einzelnen Gewerbetreibenden blieb es selbst-
verständlich unverwehrt, die erforderlichen Rohstoffe von
auswärts zu beziehen und ihre Erzeugnisse direct dahin
abzusetzen. Daher stand im Jahre 1716 der Kindberger
Kürschner Jacob Wieser mit den Oedenburger Kürschnern
Jacob Rapacher, Michael Kern und Daniel Windisch in Ge-
schäftsverbindung und legte er dem Magistrate die heikle
Frage vor, ob er sich für Forderungen, die er an letztere
Beide hatte, mit Geld bezahlt machen dürfe, welches er
Ersterem schuldete? Der ihm zu Theil gewordene Bescheid
ist nicht aufgezeichnet. Als jedoch der Schneider Pernhofer
im Jahre 1717 Felle aus Linz bezog, um sie weiter zu
verkaufen, erhob der Weissgärber Michael Mayr dagegen
— 208 —
Einsprache. Ebensowenig konnte es der Handelsmann Kellner
damals verwinden, dass der Marktrichter einem Savoyarden
erlaubt hatte, im Markte hausieren zu gehen. Der Magistrat
anerkannte in der Sitzung vom 22. Mai 1717, dass das dem
Kläger ertheilte Versprechen dadurch verletzt ward und be-
schloss, mit derartigen Hausierern es genau so zu halten^
wie man in Brück und Leoben mit ihnen verfährt Dass er
es vorher damit weniger genau nahm, geht schon daraas
hervor, dass am 10. August 1709 ein im Dienste eines Seiden-
waarenhändlers aus Holla in Savoyen stehender Kraxentr^er
seinen Herrn vor dem Marktgerichte verklagte. Vom Zutreiben
ungarischen Rindviehes seitens der Kindberger Fleisch-
hauer gibt ein Schreiben des Grafen Christoph Batthiany
Zeugniss, welches dieser am 17. März 1680 vom Schlosse
Rechnitz aus an den Magistrat richtete, um eine darauf bezQg-
liehe Geldforderung ungarischer Unterthanen zu unterstützen,
und welches dem betreffenden Rathsprotokolle eingeschaltet ist
Die ausgebreitetsten Verbindungen unterhielten ohne
Zweifel die Sensenschmiedmeister des Marktes. Daher wurde
das Regierungsmandat vom 15. Juni 1705, welches den Verkauf
von Sensen nach Ungarn verbot, auch speciell dem Kindbei^er
Magistrate zugefertigt. Die Zufuhr von Eisen erfolgte von der
Stainz her über den Calvarienberg; für die Erlaubniss hiezo
entrichtete Primus von Königsbrunn, der allein sich ihrer
erfreute, dem Markte jährlich einen halben Centner Eisen.
Die oben erwähnte Mauthfreiheit nutzten am meisten die
Wirthe und Weinhändler aus, indem sie aus üntersteiermark
grosse Quantitäten Wein bezogen, und einen ansehnlichen
Theil davon unter dem Reife abgaben. Ihnen bereitete es die
empfindlichste Sorge, dass um das Jahr 1678 verschiedene
Mauthämter, insbesondere das Grazer und das Wildoner, ihre
Weinfuhren nicht mehr mauthfrei wollten passieren lassea
vorgebend, dass das betreffende Privilegium wegen mangelnder
Bestätigung erloschen sei. Auf diese Nachricht hin schoss die
Bürgerschaft sogleich 200 fl. zusammen, um eilends diese
Bestätigung zu erwirken. Aber unter Kaiser Joseph I. wurde
— 209 —
auch die nachgeholte Bestätigung von den Mauthämtem nicht
mehr respectirt und daran änderte sich unter Karl VI. nichts,
so dass im Jahre 1717 dies einer der Hauptbeschwerdepunkte
des Marktes war. Ein anderes damals geäussertes Gravamen
betraf die Beeinträchtigung des Gäuhandels durch die Amtleute
in der Stainz und durch den Handelsmann Strasser zu Mürz-
hofen, welcher von seinem Gewinne schon ein kleines Schloss
sich erbaut hatte, während jene Amtleute in einem einzigen
Jahre mehr untersteirischen Wein in den Verkehr brachten,
als alle Kindberger Wirthe zusammen in zwei Jahren. Immerhin
gab es im Markte nach dem Bttrgerverzeichnisse von 1716
noch einen besonderen „ Weinhandelsmann ** (Mathias Angerer,
Haus-Nr. 84). Wenn es in den Protokollen wiederholt heisst :
dieser oder jener Bürger sei »in die March" gefahren, so
sind damit wohl Besuche von Jahrmärkten jenseits der Drau
gemeint. Den Salzhandel rissen allmälich die Bauern an sich,
welchen die Sämer dazu behilflich waren. Ein Regierungs-
erlass vom 14. April 1724, welcher den Stichhandel mit
Getreide und Salz zuliess, begünstigte diese dem Markte nach-
theilige Anmassung. Andererseits suchte die Handelsfirma
Kellner das ihr eingeräumte Monopol zu behaupten und liess
es nicht einmal ungerügt, dass im December 1724 ein Krämer
im Orte Knöpfe verkaufte. Am 19. August 1727 meldete sich
Joseph Dotter aus Gross-Höflein in Ungarn als
Käufer für das Kellner'sche Anwesen, auf welchem nun Kellner's
Witwe sass. Er wurde am 11. October zum Bürgereide zu-
gelassen (ge^en eine Taxe von 1 Gulden), musste jedoch geloben,
so lange diese Witwe das Geschäft fortführte, ihr in keiner
Weise Eintrag zu thun. Genau zwei Jahre später hielt der
Handelsmann Ferdinand Del tory um Verleihung des von
der Firma Kellner genossenen Monopols an und erlangte es.
Als jedoch derselbe, hierauf gestützt, im Jahre 1740 einem
Bürger Namens Leitzinger, welcher um etliche Groschen
Stockfisch verkauft hatte, dies für die Folge verwehrt wissen
wollte, wies der Magistrat in der Sitzung vom 28. Juli dieses
Begehren zurück und sprach er den Grundsatz aus : es stehe
KttheiL des hisL VeNines f. Steiemuk, XXIX. Heft, 1881. 14
— 210 —
der BQrgerschaft frei, »mit der Eleinigkheit zu handeln". Nur
Savoyarden durften sich auch jetzt nicht mehr als Krämer
im Markte blicken lassen ; dagegen erhob der Magistrat keine
Einwendung, als am 12. April 1742 Herr Johann Baptist
Fransen, „Sayvoiat in Leoben ", vor ihm von der venritweten
Webermeisterin Theresia Dittler 20 Gulden, welche diese der
falliten Firma „Emineth & Jordan ** (in Wien?) schuldig war,
zur theilweisen compensiven Begleichung einer Forderung,
welche er an letztere Firma hatte, ausbezahlt erhielt
Von auswärtigen Fuhrleuten 0 sind in den RathsprotokoDen
erwähnt: beim 16. December 1715 ein Villacher Frachter
(Blasius Lambrecht), dem der „WeinhUter'' von Mürzzuschlag
nacheilte, weil er hier fünf Fässer mit Leinwand durchzn-
schmuggehi gesucht hatte; beim 28. Juni 1728 ein Regens-
burger Landkutscher (Wolfgang Paumann), dessen Weib
zu Kindberg Misshandlungen erdulden musste, derentwegen
er vor dem Marktgerichte Klage führte.
Die nächste Poststation war Mürzhofen; als »Post-
beförderer ** daselbst erscheint 1665 Andrft von Peilstein,
1727 Joh. Georg Gössner.
Tl. Gewerbethätigkeit und Gewerbe-PoliseL
Die mehrerwähnte Beschwerdeschrift von 1716, welche
diesfalls den besten Leitfaden abgibt, schildert die Gewerbe^
thätigkeit des Marktes als in kläglichem Niedergange begriffen.
Die Zahl der Gärbereien war seit 40 bis 50 Jahren von
neun auf eine, die der Hafner- Werkstätten in den letzten Jahr-
zehenten von sieben auf zwei, die der Schneider- Werkstätten
von sechs auf zwei herabgesunken.^) Das Ueberhandnehmen
der Gäu- Arbeiter wird als Ursache dieses VerfaHs an-
f) lieber die Sämer 8. oben, Abschnitt L, die wider die Pest getrofieoeo
Vorkehrungen.
>) Die Erzeugung von Töpfen war einer der ältesten Industrienreige
des Marktes. Siehe: v. Zahn, Materialien zur inneren Geschichtt"
der Zünfte im 14. Jahrg. der Beiträge z. K. steierm. Geschieht»-
quellen S. 96.
I
— 211 —
gegeben. So hatten sich in gräflich Stubenberg^schen Markte
Kapfenberg vier Hafiaer niedergelassen und tu Krieglach
arbeitete einer in einem vom dortigen Postmeister ihm ein-
geräumten kleinen Hause mit zwei Gesellen und einem Lehr-
linge. Auch zu Langenwang bestand in einer dem Pichlwanger
Schmiede gehörigen Keusche eine Hafnerwerkstätte. Schneider
gab es in der Yeitsch, zu Wartberg, zu Krieglach, in der
Stainz, zu Mttrzhofen, Allerheiligen u. s. w. Die betreffenden
Herrschaften duldeten sie, obschon drei Regierungsbefehle
ergangen waren, welche ihnen auftrugen, dieselben zu besei-
tigen. Kam hinwider ein Kindberger Schneider ^auf die Stör^,
d. h. zur Arbeit in ein Privathaus im Bereiche der Stuben-
berg'schen Grundherrlichkeit, so ergriffen ihn die dortigen
Gerichtsdiener, sperrten ihn ein und nöthigten ihn, durch eine
Geldbusse sich zu befreien. Die Kindberger Tischler hun-
gerten und blickten voll Neid auf einen ;,Fretter* in der
Yeitsch, der in einer Flachsröststube dort seine Werkstätte
aufgeschlagen hatte und drei bis vier Gesellen beschäftigte,
wogegen Jene das ganze Jahr über nicht um 20 Gulden
„auf eigene Hand^, d. h. ohne Vorausbestellung Waaren
erzeugten. Dorfechmiede, Bauemschuster und Weber sassen
ringsum. Dazu trieben die Dienstboten mit den Fussbeklei-
dungen, die sie von ihren Dienstgebem an Lohnes statt
erhielten, einen die Markt-Schuster schädigenden Handel. Der
einzige Kürschnermeister von Kindberg hatte an dem von
Krieglach, der einzige Glaserer des Marktes an einem zu
Langenwang stümpernden, der Sattler an einem zu Krieglach
unbefugt arbeitenden einen gefährlichen Concurrenten. Den
Absatz der Bäcker schmälerten die zu Wartberg, in der
Yeitsch und in der Stainz ihr Unwesen treibenden Pfuscher.
Ein ^gelernter" Färber zu Krieglach, zwei „ungelernte" in
der Stainz, je ein derlei Unhold im Allerheiligen-Graben und
in der Yeitsch verbitterten dem zu Kindberg seit einigen
Jahren sesshaft gewordenen Färber Pankraz Fürst das Leben.
Nach dem Bürger- Yerzeichnisse von 1716 war übrigens
die Zahl der Gewerbetreibenden im Markte Kindberg immer
U*
— 212 —
noch beträchtlich. Es »timint dasselbe auch nicht durchwegs
mit jener grau in Grau gemalten Schilderung überdn. So
gab es z. B. darnach dort nicht zwei, sondern fbnf Schneider
(vielleicht zwar arbeiteten drei derselben ohne Gesellen und
verstand man unter einer ^ Werkstätte ** nur die mit Gesellen
besetzte Arbeitsstube). Noch behaupteten sich vier Weber,
vier Schuster, fünf Nagelschmiedmeister, zwei Sensenschmied-
meister (Jacob Zeillinger und Balthasar Kaltenbrunner), zwei
Hufschmiedmeister, drei Bäcker (Philipp Helmreich, Gabriel
Almosslechner, Martin Zwainzleithner), zwei Tischler und in
Uebereinstimmung mit der Angabe der Beschwerdeschrift;
zwei Hafner (Bernhard Perger und Mathias Häntsch). Bios
einen einzigen Vertreter hatten im Markte folgende Gewerbe:
die Schlosserei, das Wagner-Handwerk, die Lederei, das
KQrschner-Handwerk, die Sattlerei, die Riemerei, die Gärberei,
die Huterzeugung, die Erzeugung von Rosenkränzen (Feten-
macherei), das Fleischaushacken, das Bierbrauen, die Leb-
zelterei, das Pulvermachen, die Saliterbereitung, die „Gschmeid-
lerei'', die Glaserei und das Fassbinden. Ueberdiess ist ein
;,Hammermeister' ohne nähere Bezeichnung (Christian Georg
Prugger), und der uns seiner Stänkereien willen schon be
kannte „Bader'' Daniel Munggl aufgeführt Letzterer behelligte
fast mehr noch als die übrigen Gewerbetreibenden den
Magistrat mit Beschwerden wegen Gewerbestörung. Aber,
unbeliebt und wenig geachtet, wie er war, fand er damit auch
auf dem Pantaidinge vom 19. April 1717 kein Gehör, ob*
schon er gleich vier Curpfuscher (die Frau Prugger, die
„Wällischin'' und das Mayr'sche Ehepaar) auf einmal ver-
klagte. Vielmehr wurde ihm bedeutet, dass man „dieser dienst-
haften Frauen und Weiber Hilff höchst vonnöten hättet
Bei 10 Thaler Strafe wurde ihm untersagt, eine derselben
weiter zu bedrohen. Nur der Beinbruchscuren sollten sie sich
enthalten. Der „Wällischen'' räumte der Magistrat sogar eine
Wohnung im Kathhause ein dem Mungl zum Trotz, ^weillen
er die leith mit der überschwenglichen Bezahlung übertreibet'.
Dessen Vorgänger, Leonhard Leyss, stand in besserem Rufe.
— 213 —
Er war „Badknecht'' in Graz gewesen und hatte die Kind-
berger „Badstube'' im Jahre 1 665 erheiratet, indem er die'dieselbe
besitzende Witwe Maria Salome Henzehnann zur Frau nahm.
Nach dem Tode dieser ehelichte er im Jahre 1679 die bei
ihm bedienstet e „Kindermenschin^ : eine mit der damaligen
Gewerbe-Yerfassung zusammenhängende sociale Erscheinung.
Ein erheiratetes Gewerbe war auch das des Sensengewerken
Martin Mandlpauer, welcher, aus dem „Ländl" (Land ob der
Enns?) gebürtig und bisher Schmiedknecht, am 27. April 1720
vor dem Magistrate die Erklärung abgab : er wolle die Witwe
des Gewerken Zeillinger zum Traualtare fuhren und mit ihr
deren Seusenschmiede übernehmen. Zwei Monate später
(20. Juni) erläuterte er auf Befragen des Magistrats diese
Ankündigung dahin, dass er die Witwe nur dann heirate,
wenn sie ihm ihre Mühle verschreibt Letztere antwortete
auf die Frage, ob sie hiezu bereit ? — : sie thue es gezwungen.
Die solchergestalt vorbereitete Ehe war auch keine glück-
liche. Am 24. Januar 1724 musste der Magistrat den Mandl-
pauer ermahnen: er möge seinen „versoffenen, liederlichen
Wandel" ändern. Wie viel vom Niedergange der Gewerbe
im Markte auf Rechnung derartiger Vorkommnisse zu setzen
ist, lässt sich nicht ermitteln ; aber sie dürfen als mitwirkende
Factoren hier nicht unbeachtet bleiben. 0
0 Um eine Vergleichung der oben dargestellten, gewerblichen Zust&nde
mit denen der Gegenwart zu ermöglichen, theile ich hier Folgendes
mit: Nach der Liste der Gemeindewähler vom Jahre 1879 gab es
damals im Markte Kindberg 4 Sensengewerke (von welchen Jos.
Schmölzer nahezu 200 fl., jeder der übrigen 8 über 100 fl. an
directen Steuern — Zuschläge ungerechnet — zu zahlen hatte),
5 Besitzer von gemischten Waarenhandlungen (darunter Einen, dessen
Jahres-Schuldigkeit 252 fl. 96 kr. betrug), 1 Geschirrhändler, 1 Apo-
theker, 1 praktischen Arzt, 1 Bräuer (Franz Wolfbauer mit 231 fl.
06 kr. directer Steuerschuldigkeit), 8 Wirthe, 1 Bahnhof-Restaurateur,
3 Fleischhauer, 3 Bäcker, 2 Greisler, 1 Lebzelter, 1 Seifensieder,
1 Weissgärber, 1 Lederer, 1 Handschuhmacher, 2 Sattler, 1 Wagner,
1 Hufschmied, 1 Nagelschmied, 2 Schlosser, 1 Zimmermeister,
1 Anstreicher (zugleich Maler), 1 Sägemühlbesitzer, 1 Hafner, 1 Fass-
binder, 3 Tischler, 1 Seiler, 7 Schuhmaoher, 6 Schneider, 1 Weber,
— 216 —
Khundtschackh Alles auf, um diesen zu zwingen, dass er ihm
sein Haus mit dem darauf haftenden Gewerbe abkaufe, nicht
aber das des Christoph Morasch erwerbe. Setzte er dies durch,
so wich er nicht nur der Concurrenz dieses Ankömmlings, son-
dern auch den Intriguen des eigenen Sohnes und den Misshellig-
keiten aus, welche ein ehemaliger Kindberger Fleischer Namens
Landerl durch sein Bestreben, wieder in Kiudberg zum Betriebe
zugelassen zu werden, hervorzurufen drohte. Obendrdn scheint
der alte Khundtschackh kurz vorher in einer Anwandlung von
Missmuth auf die Ausübung seines Gewerbes verzichtet zu
haben, weshalb der Magistrat ihm nicht gestatten wollte, weiter
noch Fleisch auszuhacken. Hierüber erbosste er dergestalt
dass er in der Bathssitzung vom 12. November 1677 der
BathsherrnwUrde sich entschlug und mit der Drohung: er
werde den Kindbergem „einmal ein anderes Licht anzünden^ —
nach Hause eilte. LanderFs Geschäft übte nun Georg Höritz
aus. Es bestanden also gleichzeitig drei Fleischhauerei-Gerecht-
same im Markte. Aber der neu zugezogene Girstorfer, welcher
das Geschäft des Chr. Morasch übernommen hatte, fürchtete
sich blos vor den beiden Khundtschackhen und bat daher
am 7. Februar 1678 den Magistrat um Schutz vor denselben,
„damit er sich etwan alhier mit Ehre erhalten und sein
stückhlein Broth ruhebig geniessen möge"*. Der Magistrat
sicherte auch demselben seine Protection unter der Bedin-
gung zu, dass er die Bürgerschaft zufriedenstellt. Dem konnte
Girstorfer um so eher nachkommen, je bereitwilliger der Ma-
gistrat im folgenden Jahre auf zwei Steigerungen des Fleisch-
preises einging. Zu den Befugnissen der Fleischhauer gehörte
damals auch die Erzeugung von Unschlittkerzen. Unterm
1. März 1690 wurde die Verkaufstaxe für diese mit acht
Kreuzer per Pfund, die für Unschlitt mit sieben Kreuzer
per Pfund festgesetzt. Allein dieselbe muss nur zu Gunsten
der Bürgei*schaft gehandhabt worden sein; denn als Sigmund
von Leuzendorf, ein benachbarter Gutsbesitzer, dem Fleischer
Höritz drei Centner Kerzen als unbrauchbar zurückstellte,
gab er ihren Preis mit 330 Gulden an, wonach das Pfund
— 217 —
eilf Kreuzer kostete. Ein Regierungspatent vom 17. Januar 1691
ordnete folgende Verkaufspreise (per Pfund) an: Bindfleisch
zwei, Unscblitt sechs, ordinäre Kerzen sechs Kreuzer, baum-
wollene Kerzen sieben Kreuzer, zwei Pfenninge. Im Jahre 1716
war bis zum 5. März zu Kindberg ein einziger Fleischhauer
in Tbätigkeit. Damals setzte die Bürgerschaft dem Kolbacher
einen Zweiten, Anton Krieger, zur Seite. Beide sollten von
vierzehn zu vierzehn Tagen mit dem Ausschroten abwechseln,
die heiligen Zeiten ausgenommen, wo es sie gleichzeitig thun
mussten. Es ward ihnen auch verboten, die besten Fleisch-
zu Hause zum Auskochen zu verwenden.
Weniger Anstände setzte es mit den Bäckern ab,
obschon auch ihre Auffilhrung keine tadellose war. Der Re-
gierungserlass vom 28. März 1665, welcher die Steigerung
des Fleischpreises zu Kindberg untersagte, bezeichnete das
dort gebackene Brot als „gantz locherig, schwambig und nit
wol ausgepachen'' und den Preis desselben als nicht im ent-
sprechenden Verhältnisse zu dem des Getreides stehend. Am
10. Juni 1678 verbot der Magistrat den Bäckern, ausser den
Kirchtagszeiten Jemandem Brot ins Haus zu scliicken, welchem
Verbote sich jedoch die Bäcker Henneschmidt und Dörer
nicht fügen wollten, vorgebend, dasselbe betreffe eine Hand-
werkssache, die sie unter sich zu schlichten hätten. Der
gleichen Widersetzlichkeit begegnete die Anordnung des
Magistrats vom 12. November 1715, welche nicht nur das
Gewicht und den Preis des Brotes bestimmte, sondern auch
vorschrieb, dass dasselbe mit Tupfen zu markiren sei. Alle
drei Bäcker des Marktes wiesen diesen Auftrag mit Protest
zurück. Der Magistrat aber beharrte dabei und bedrohte
Jeden, der „ ungetupftes ^ Brot verkaufen würde, mit dessen
Einziehung zu Gunsten der Spitalsarmen, so wie mit einer
Geldstrafe von drei Ducaten. Eine weitere Verordnung des-
selben vom 28. März 1716 schrieb für die Kreuzersemmel
ein Gewicht von 11 Loth, 2 Quintel; für den Groschenlaib
1 Pfund, 31 Loth, ly^ Quintel vor. Beide Brotgattungen
sollten „getipfelt'' werden. Dass eigene „ Brotwäger ^ und
— 218 —
„Fleischbeschauer*' bestellt waren« wurde schon oben (Ab-
schnitt I) erwähnt Neben diesen ist unter den am 5. Matz
1716 B erneuerten'' Functionären des Marktes auch ein .Kandl-
zimentierer" genannt. Damals theilten sich in diese drei Ver-
richtungen das jüngste Mitglied des inneren Rathes und der
älteste »Vormund^ der Gemeinde.
AufiiEdlend schwach waren in Kindberg von jeher die
Baugewerbe vertreten. Ein zünftiger Maurermeister li^s
sich dort erst im Jahre 1716 nieder. Zwar erbot sich hiezu
schon im Jahre 1690 Georg Elbmayr aus St Lorenzen im
Mttrzthale ; allein er muss auf unaberwindliche Schwierigkdten
gestossen sein. Als es im September 1709 den Pranger des
Marktes zu repariren galt, wurde hiezu ein Maurer aus
Krieglach berufen, der aber seinerseits an diese ehrenrührige
Arbeit erst dann ging, nachdem zwei Delegirte des Maurer*
handwerks zu Brück dreünal mit ihren Hämmern an den
Pranger geklopft und ihn ausdrückhch ermächtiget hatten,
dieser Arbeit sich zu unterziehen. Da derselbe solchergestalt
einmal vor Verunehrung gefeit war, legte er sofort auch an
die jyKeuche'* im Rathhause Hand. Endlich kaufte sich am
26. August 1716 der Maurermeister Simon Viselli aus
Krieglach im Markte an. Eines Zimmermeisters geschieht
durch die ganzen 80 Jahre, welche wir vor uns haben, keine
Erwähnung. Dass es im Jahre 1728 zu Kindberg änen Maler
gab, erfahren wir anlässlich der Vorbereitungen zur Durch-
reise des Kaisers Karl VI. Der Magistrat übertrug demselben
— er hiess Martin Kienhoffer — die Aufsicht über das für
den Kaiser und dessen Gefolge bereit gehaltene Greflügel.
Ausser Krieglach war Aflenz ein Ort, aus welchem
Gewerbetreibende häufig nach Kindberg übersiedelten; so
1665 ein Kürschner, 1677 ein Weissgärber, 1709 ein Schlosser.
Aus entfernteren Gegenden zogen selten welche zu. Ich merkte
mir an: einen Tischler (Philipp FeisÜ) aus Wien, wdcher
im October 1718 das Haus des Webers Dietler um 150 Gulden
kaufte, und einen Schneider (Joh. Georg Eberschwanger) aus
Wels im Lande ob der Enns, welcher am 13. November 1741
- 219 —
die Behausung des , Schneider-Thomas" zu erwerben sich
bereit erklärte. Die Anfänge der of&ciellen Gewerbe-
statistik reichen in Kindberg wie anderswo bis zum Jahre
1726 zurück, wo zuerst ein Erlass der Begierung und Hof-
kammer zu Graz vom 20. März die Vorlage von Tabellen über
die im Markte befindlichen Manufacturisten und Professionisten
nebst dem Nachweise, ob dieselben zünftig oder nicht, wie
bemittelt ein Jeder ist und wie viel Schutzgeld Jeder dem
kais. Aerar jahrlich entrichten könnte, — verlangte. Eme Nach-
trags-Verordnung vom August beschränkte diese Erhebungen
auf die Zunftgenossen und Künstler. Am 22. October traf ein
dritter Erlass in dieser Angelegenheit ein, welcher die Ein-
sendung der begehrten Angaben urgirte und weder Kaufleute
noch Krämer zu übersehen empfahl, i)
TD. Yermögens-Terhältnisse and Armenpflege.
Die traurige Lage der meisten Gewerbetreibenden des
Marktes musste das aus besseren Zeiten überkommene Stamm-
vermögen erschöpfen und Erscheinungen hervorrufen, welche
deutlicher als statistische Ausweise die successive Verarmung
der Bürgerschaft offenbaren. Zwar erhielt sich die Zahl der
Steuerparteien ziemlich unverändert Sie oscillirte um die
Zahl 70. Auch ragten immer noch einzelne Familien durch
Reste ererbter Wohlhabenheit hervor. Allein die dürftigen
überragen diese weitaus und selten verging ein Jahrzehent
ohne wirthschaftliche Katastrophen, als was die Goncurse in
Mitte der Bürgerschaft fast immer sich darstellen. Der erste
Concors, dem wbr in den BathsprotokoUen begegnen, ist der
de? Nagelschmiedes Mathias MölÜ (1667). Von den Mitgliedern
des Magistrats, welche im Jahre 1688 um den Rathstisch sich
1) Diese statistischen Erhebungen erstreckten sich über die ganze
Monarchie. Ich fand darauf bezügliche Actenstücke im alten
Gerichts-Archive in Kitzbüchl in Tirol so gut wie im Säroser
Comitats-Archive und nicht minder in den böhmischen Cameral-
Acten des Beichfinanz-Archivs zu Wien.
— 220 —
gruppirten, hausten im nämlichen Jahre noch zwei (der Hafner
Sebast Khürschner und der HuÜBchmied Andr. Tenhalter) ab ;
zwei Jahre später sah Thom. Henigschmidt durch eine peca-
niäre Klemme sich gezwungen, aus dem öffentlichen Leben
zu scheiden; 1705 traf dieses Los den Martin Pamer.
Kharschner und Tenhalter verabredeten sich,
ihr GlQck in Ungarn zu versuchen. Sie wollten nach Stahl-
weissenburg ziehen. Ersterer erbat sich zuvor noch die
Meinung des Magistrats, ob er wohl gut daran thäte ? Darauf
erhielt er unterm 25. September 1688 folgenden gRathschlag^ :
j^Man kann ihn weder ein- noch abhalten; befindt er sein
mehreres und besseres Gltlckh in Ungarn zu Uberkhumben«
wirdt ein ehrsamer Magistrat nicht ermangln, ihme allen be-
förderlichen Vorschub zu erweisen; vermaint er aber lenger
hier zu verbleiben und das Haus zu renovieren, auch die
Creditores zu contentieren, wierdt er nit minder, wie vorhin,
noch jederzeit angenemb sein und in allem Werth gehalten
werden." Nun besann sich Khürschner eines Anderen. Er blieb
in Eindberg, wenn schon, wie aus dem Vorhergehenden
(s. oben Abschnitt I) sich ergibt, unter kümmerlichen Ver-
hältnissen. Wiederholt wendete er sich an die Marktgemeinde
um Unterstützung. Er machte seine derselben geleisteten
Dienste geltend, durch welche er das Seinige versäumt habe
und in ein liederliches Leben gerathen sei. Die Antwort hierauf
war, dass der Magistrat ihm „aus purer Barmherzigkeit^
sechs Reichsthaler bewilligte. Tenhalter scheint jenen Vor-
satz ausgeführt zu haben. Ihm hatten namentlich die Eingriffe,
welche ein gewisser Kalchgruber sich in dessen Hufschmied-
Gerechtsame erlaubte, den Aufenthalt zu Kindberg verleidet,
wo er ohnehin an Michael Neugepauer einen rechtmässigen
Concurrenten hatte. Vergebens war jener durch den Magistrat
auf Kessel- und Gitter-Arbeit beschränkt worden. Er wagte
es dennoch, sogar des Marktpfarrers Pferde zu beschlagen.
Thomas Henigschmidt verkaufte am 17. April 1690
sein Haus und nahm gleichfalls mit Berufung auf seine der
Gemeinde geleisteten Dienste deren Mildthätigkeit in Anspruch.
— 221 —
wurde jedoch auf die Zukunft vertröstet, dafeme er » einen
ruhesamben und friedlichen Wandel ftlhrt".
Martin Pamer, dem der Magistrat schon im Jahre
1678, als er das Wemhardfsche Haus an sich brachte, in
Ansehung seiner Rathsherrenwürde und Schuldenlast (da er
^(ohnedas ein grosser Gelter'^) mehr als die Hälfte der Besitz-
veränderungsgebtthr nachgesehen hatte, beschwor denselben
im August 1705, ihm zu den von seinem liederlichen Weibe
ihm nonttragenen*', d. h. hinter seinem Rücken theils ver-
kauften, theils verpfändeten Mobilien zu verhelfen und gestand
bei diesem Anlasse unumwunden: er sei durch dieses Gebahren
an den Bettelstab gebracht. Das betreffende Verzeichniss,
welches er überreichte, belehrt uns über den Comfort
eines Kindberger Bürgerhauses im Anfange des
XVni. Jahrhunderts. Pamer hatte darnach bis vor Kurzem
folgende Einrichtungsstücke besessen : einen „rothmarmel-
steinemen^ Tisch im Werthe von 4 fl., neun mit rothem
Leder überzogene und mit Messingnägeln beschlagene Tafel-
stühle (zus. mit 16 fl. 45 kr. bewerthet), drei weitere
Stühle dieser Art (zus. 4 fl. 30 kr.); zwei Stühle aus Nuss-
baumholz (1 fl. 12 kr.), einen grossen venetianischen Spiegl
in reichvergoldetem Rahmen und mit Silber belegt (den
er auf 8 fl. schätzte und in der bei St Polten gelegenen
Fabrik gegen ein Pferd eingetauscht hatte), Federbetten und
Polster in grosser Menge (zusammen mit 50 fl. bewerthet),
Himmelbett- und andere Bett-Sparten, eine rothsammtne
Polsterzieche, einen blauen Kopfpolster, einen rothen Vorhang
mit Fransen, Bilder an den Zimmerwänden, Silber- und Zinn-
Geschirr u. s. w. Auch einen schwarzen Mantel aus gutem
Tuche mit Sammtaufschlägen, welcher 20 fl. gekostet hatte,
zwei Silbergürtel und ein mit 8 Loth Silber beschlagenes
Gehänge beklagte Pamer als ihm durch sein Weib entwendet.
An diese Zusammenstellung reihe ich das Inventar über
das ^jSchatzgeld*', Silbergeschmeide, »End und Gependt**,
ferner über die Leibeskleider und das „Chrysambgeld", welches
die Töchter der Baderin Maria Salome Leyss aus deren erster
— 222 —
Ehe im Jahre 1679 nach dem Tode ihrer Mutter zugewiesen
erhielten. Dasselbe vergegenwärtiget uns Züge eines sinkesden
Wohlstandes, welche mehr noch an die besseren Tage als an
die schlechten Zeiten, die nun heremgebrochen waren, ennnem.
Der bezügliche Verlass begriff in sich: 12 Ducaten (wovon
8 freilich schon beim Lechner in der Stainz versetzt waren:.
11 Reichsthaler, 6 silberne Becher, darunter 2 rergoldete
(welche gleichfalls in der Stainz der Auslösung hantenX
3 silberne Gürtel^ 3 sübeme Löffel, 1 Halskette mit silbernem
Kreuze und 2 anderen Anhängseln aus Silber, einen gross^i ver-
goldeten Schatzpfennig mit der Jahreszahl 1541, einen «Pfiindt-
ner" -Thaler, 2 goldene Ringlein mit kleinen Rubinstein^L
3 silberne Agnus Dei (eines davon vergoldet), 3 Stücke sonstiger
Anhängsel aus Silber; femer an Kleidern: eine ansehnliche
Menge von Röcken (darunter 2 taffetne), »Hüllmänteln^,
Wämsern (darunter 2 „tamaschkene") und Yortttchem (dar-
unter 4 taffetne), 1 Mieder aus Tamask u. s. w. Als
Zeichen ungünstiger Erwerbsverhältnisse ist die 1716 auf-
tretende Erscheinung zu betrachten, dass HandwerksgeseDen
Soldaten wurden. Im folgenden Jahre bejammerte der Magistrat
in seiner mehrerwähnten Beschwerdeschrift die Verödung
des Marktes. An die 20 Häuser (von 89, die der Markt
damals zählte) waren zum Verkauf ausgeboten ; manche standen
leer und Niemand wollte sich ihrer annehmen. Im Gegensatze
hiezu kamen die Bauern empor. Dass der eine und andere
3000, 6000, 8000, ja 30,000 Gulden in baarem Gelde hinter-
liess, war nun keine Seltenheit mehr. Anlässlich der gewerbe-
statistischen Erhebungen von 1726 versicherte der Magistrat
abermals: die Zahl der bemittelten Bürger des Marktes sd
äusserst gering. Doch in einzelnen Familien erbte sich noch
immer ein ziemlich grosses Vermögen fort, an welchem
dann auch Personen niedrigen Standes zuweilen participirten.
So hatten z B. die Waisen des Bürgers Jos. Joachim Nery,
welcher im Jahre 1688 Raihsherr gewesen war, nach einem
Ausweise vom Jahre 1717 geerbt: von ihrer Tante, der Frau
Margaretha von Leuzendorf, 1618 Gulden 16 Kreuzer, von
— 223 —
ihrem Oheime, Jos. Ant. von Leozendorf, 250 Gulden 3 Schilling,
von ihrer Mutter, welche nach dem Tode des Nery den reichen
Hammermeister Prugger geheiratet hatte, einer gebomen von
Leuzendorf, 2400 Gulden. Ueberdies hatte Letztere ihrer
Tochter aus zweiter Ehe Kleider und Schmuck im Werthe
von 200 Gulden hinterlassen. Christian Georg Prugger
war ein Halbbruder dieses Mädchens. Als er im Jahre 1746
starb, veranschlagte man sein baares Vermögen zu 2 1,000 Gulden.
Aber wirklich vorgefunden wurden angeblich blos 8000 Gulden.
Ein beträchtliches Vermögen sammelte sich durch Ver-
erbung in den Händen des Back er jungen Franz Hafferl.
Derselbe besass demzufolge im Jahre 1718: 827 Gulden
39 Kreuzer. Davon waren 100 Gulden nAendl-Gut*^ (Erbtheil
nach dem Grossvater), 298 Gulden 55 Kreuzer väterliches
Erbe, 135 Gulden j^Mannsrüstung^, 183 Gulden „Extra-Zu-
bringen* des Vaters.
Zum Schlüsse seien hier ein paar Zahlenreihen mitge-
theilt, welche eine Uebersicht über die beiläufigen Ver-
mögens-Verhältnisse der Kindberger Bürger zu verschiedenen
Zeiten gewähren.
Als es im Jahre 1678 die Kosten der Bestätigung der
Marktprivilegien aufzubringen galt, steuerten dazu bei : Mathias
Khundtschakh 30 Gulden (damals ungefähr so viel, als eine
Keusche auf dem Gemeinde-Anger kostete), Martin Pamer
20 Gulden, der Marktrichter Hanns Rainhalter und der Sensen-
gewerk Hanns Messer je 15 Gulden, Jacob Khundtschackh,
Peter Tschörmann, M. Unteregger und Georg Höritz je
10 Gulden, der Hammermeister Hanns Eder 6 Gulden, der
Hauenschmied Lorenz PfeflFer 4 Gulden. Bei Umlegung der
Kopfsteuer im Jahre 1690 wurden mit je 1 Gulden 80 Kreuzer
blos 10 Bürger belegt, nämlich Joh. Nery, M. Unteregger,
M. Pamer, Mathias Pemer, Hanns Rainhalter, Carl Purck-
staller, Jacob Eberl, Joh. Georg Prunner, Mart. Khundtschackh
(der Marktrichter) und Simon Fürst. Mit je 1 Gulden wurden
damals 38 Bürger besteuert; der Best (22) theils mit 18, theils
mit 30, theils mit 45 Kreuzern, obschon das betreffende Patent
— 224 —
fbr Bürger nur zwei Abstufungen: 1 Gulden und 1 Gulden
30 Kreuzer kannte, was jedoch der Magistrat als auf Kind>
berg, wo „Mancher das ganze Jahr, ja in seinem Vermögen
khaum Aiuen Gulden Geld vermag^, vollkommen nnan-
wendbar bezeichnete. Weiber hatten die Hälfte der Steuer-
Schuldigkeit ihrer Ehemänner, Kinder den vierten Theil der
Steuer ihrer Väter, Gesellen je 30 Kreuzer, Dienstboten je
3 Kreuzer zu entrichten.
Zur Vermögenssteuer, deren Relutum im September 1710
zu zahlen war, wurden herangezogen: der Sensenschmied-
meister Balthasar Kaltenbrunner mit 10 Gulden 59 Kreuzer,
der Fleischhauer Andreas HoUerspacher, der Hammerschmied
J. J. Fraidt, der Bäcker Philipp Helmreich mit je 3 Gulden^
der Bierbrauer Jacob Kohlhofer mit 5 Gulden 30 Kreuzer,
der Sensengewerk Zac)iarias Zeillinger mit 5 Gulden 10 Kreuzer
und der Weinhändler Angerer mit 4 Gulden 30 Kreuzer.
Zur Versorgung verarmter Bürger diente das Bürger-
spital, in welches sich aber die Candidaten einkaufen mussten.
Am 23. Juni 1678 z. B. that dies das Wimberger'sche Ehe-
paar mit 20 Gulden und einer Kuh. Gleichzeitig fasste der
Magistrat den Beschluss, dass auch ^der blinde Ruepl' in
das Spital aufgenommen werden solle i, damit er sich nicht
etwan in ein Wasser vergehe^; aber auch nur dann, wenn
11 Gulden, die er bei dem Katzenstainer liegen hat, dem
Spitale zugewendet werden und wenn sein Bruder in der
Stainz keinen Platz für ihn hat.
Eine umfassende Regelung erfuhr die Armenpflege
im Jahre 1724. Damals legte ein Begierungs-Erlass vom
24. Januar der Marktgemeinde die Pflicht auf, die zu ihr zu-
ständigen Armen, welche ihr aus dem Lande unter der Enos
zugeschoben wurden, zu übernehmen und zu verpflegen. Am
23. Juni beschloss der Magistrat eine allgemeine „Bettler-
Visitation'' und ernannte er dazu vier Corporäle. Am 6. Juli
nahm er die „Sortirung^ der bei dieser Gelegenheit aufge-
grifi'enen Bettler vor. Es kamen 29 Weiber, 2 Männer und
2 Kinder in Frage. Davon wurden 18 nach ihren auswärtigen
— 225 —
Gebartsorten abgeschoben, darunter Agathe Ressl, eine 40 Jahre
alte Witwe aus Mooskirchen in Schwaben mit einem krummen
Buben und einem „närrischen Mädl*. Waren diese Schritte
schon durch Normative der Staatsbehörden veranlasst worden,
so verfügte die von der Grazer Regierung unterm 9. September
1725 verlautbarte rHaupt-Instruction* die Beherbergung der
ortseinheimischen Bettler in ihrer Heimatgemeinde. Dadurch
sah sich der Magistrat von Kindberg in die Nothwendigkeit
versetzt, aus dem Bürger-Spitale alle ortsfremden Pfleglinge
zu entfernen. Die Zutheilung Derjenigen, deren Heimat sich
nicht genau ermitteln liess, lag dem Landgerichte Widen ob.
Dieses wies mittelst der sogenannten Schub-Zettel derlei Indi-
viduen den umliegenden Dorfgemeinden und Herrschaften zu.
Andere erhielten die Weisung, Kindberg binnen einer bestinmiten
Frist zu verlassen, ohne dass ihnen bedeutet wurde, wohin
sie sich zu begeben hätten. Mehrere Arme letzterer Art wurden
im Marktburgfrieden noch länger geduldet, wenn sie fleissig
zu arbeiten versprachen. Bald machte sich der BUckschlag
dieser neuen Ordnung der Dinge bemerklich. Am 1 9. December
1724 meldete der Spitahneister Wielandt: die seiner Obhut
anvertrauten Spital -Armen wären jetzt sehr übel daran, da
sie in den Dorfgemeinden, welche ihre Armen dermalen selber
erhalten müssten, keinerlei Beihilfe mehr empfangen. Er
beantragte daher, entweder denselben zu gestatten, dass sie
an einem Tage der Woche im Markte Almosen sammeln
dür/en oder Jemanden zu bestellen, der dann statt ihnen
be'.teln geht. Der Magistrat bestimmte den Mittwoch zum
Tage, wo sie von Haus zu Haus die Mildthätigkeit anflehen
'iurften, nachdeni die anderen „hergeschobenen Bettler^ an
jedem Montage und Samstage diesen Rundgang zu unternehmen
die Erlaubniss erhalten hatten.
Vom „gemeinen Almosen*' des Marktes war bereits die
Rede (s. oben Abschnitt HI).
Hiithetl. des bist. Vereines f. Steiermark, XXIX. HeO, 1881. 1 5
— 226 —
ym. Zustand der Bildimg und der Sitten.
Wie der Verfall der materiellen Cultar überhaupt ins-
gemein mit dem der geistigen Hand in Hand geht, so war
auch zu Kindberg in den Zeiten der Verarmung des dermalen
im Aufschwünge begriffenen Marktes nicht viel von Intelligenz
und sittiicher Würde zu merken. Der Magistrat zwar hütete
sich, den auf Hexerei lautenden Anklagen beizupflichten;
aber unter der Bürgerschaft war, wie wir oben (im Abschnitt h
gesehen haben, der Glaube an derlei boshafte Beschädigungen
verbreitet Hieraus erklärt sich auch die im Juli 1677 von
einem Weibe wider die Frau des damaligen Schullehrers ans-
gestossene Drohung: sie werde ihr etwas anthun, dass sie
„erkhrumpen, erlamben und verdorben müsste*^, sowie der
durch die RathsprotokoUe beim Jahre 1869 constatirte Ge-
brauch des Schimpfwortes „Schögglfahrerin*', was so viel als
Wetterhexe bedeutete. Andere Prädicate, womit aufgeregte
Bürger und Bürgerinnen sich wechselseitig bedachten, um
ihrem Grolle Luft zu machen, waren: Bamhäuter(1665),
Schinder (1677), alter Schelm, Hurentreiber (1689) u. s. w.
Wenn die Wirthin Strobl im November 1689 den Bader Rneü
ausserdem einen „bayrischen Sauhalter^ schalt, so hatte diess
vielleicht in dessen Abkunft aus Baiem seinen Grund
Raufereien waren gegen Ende des XVH. Jahrhunderts
an der Tagesordnung. Bald prügelten sich herabgekommene
Bürger mit den Knechten ihrer Rivalen oder mit diesen selber
herum ; bald ohrfeigten und stiessen sich die Weiber. Letztere
nahmen wohl auch den Kampf mit Männern auf. So packte
die Frau des Lederers Ruprecht Gänzer, kaum umsonst «die
Spiessin" genannt, im Juni 1666 den Wirth Unteregger am
Halse und bei den Haaren. Der zu dessen Befreiung herbei-
eilenden Gattin desselben appliderte sie einen solchen Stos5
in den Unterleib, dass dieselbe rücklings in den Hofraum stürzte.
Wie die „Gschmeidlerin" im April 1677 den Bathsherm
Tenhalter misshandelte, wurde schon oben (im Abschnitt 1 1
berichtet. Ebenso manche andere hieher einschlägige Begeben-
~ 227 —
heit. Im Juni 1665 bedrohte der Handelsmann Hofmann seinen
Mitbürger Pamer bei der Kellerbeschreibung, die dieser im
Auftrage des Magistrates vornahm, mit dem „Oxenzem" (Ochsen-
ziemer). Der Sensengewerk Simon Fürst wurde im Januar
1690 von zwei Parteien wegen ehrenrühriger Aeusserungen,
die er zu Schottwien gethan hatte, belangt und musste sich
schuldig bekennen.
Den Vergehen wider die Sittlichkeit gegenüber legte
der Eindberger Magistrat zwar grosse Strenge an den Tag,,
wie aus den Beispielen erhellt, die zur Illustration seiner Art,
Recht zu sprechen, oben angeführt wurden. Dennoch waren
Ehebrüche so gewöhnlich, dass der ehemalige Markt-
schreiber Georg Pamer zur Zeit, wo er dieses Delictes halber
in Untersuchung stand, gleich als wäre er ein völlig unbe-
scholtener Mann, den Magistrat um eine Recompens fbr
geleistete Dienste anging (Juni 1665).
Von gottesdienstlichen Verrichtungen sind
die Fronleichnams - Procession, Bittgänge zum Erflehen des
göttlichen Segens für die kaiserlichen Waffen und ähnliche
feierliche Umzüge zu erwähnen. Das Pulver, welches 8 Schützen
gelegentlich der erstgenannten Procession verschossen, hatte
der im Markte ansässige Pulvermacher statt der Steuer zu
liefern (Magistratsbeschluss vom 17. December 1665). Die
Ehrerbietung, womit die Bürgerschaft an solchen Umzügen
sich betheiligte, bedurfte der Nachhilfe durch eine Verordnung
der Marktobrigkeit, welche am 28. Februar 1709 derselben
einschärfte, allen Processionen „bemäntelt, züchtig und ehr-
erbietig beizuwohnen.*' Zu den Pflichten des Organisten der
Pfarrkirche gehörte auch das Wetterläuten. Ausserdem
wurde durch Schiessen die Gewalt der Gewitter zu
zertheilen versucht. Zur Heiligung des Sonntags verbot
der Magistrat am 23. December 1728 das Abladen der Wein-
fässer während des Hochamtes. Die Fasten geböte wurden
dermassen lau beobachtet, dass die Grazer Regierung sie
unterm 19. October 1689 der Bürgerschaft in Erinnerung
brachte und auch die Beisenden ihnen unterworfen erklärte.
15*
— 228 —
Die sog. Lumpitänze wurden in Verbindung mit der den
Wirthen eingeschärften Mahnung, nach 10 Uhr Nachts in ihren
Zechstnben blos durchreisende Fremde zu dulden, erst am
5. Juli 1712 abgeschafft. Mummenschanz gereichte dem
Magistrate zum Anstosse. Mindestens musste ein Bäckenjunge,
der als Weib roaskirt herumgezogen war, zur Strafe daftlr
ein halbes Pfund Wachskerzen für den Bedarf der Pfsurkirche
erlegen (1. April 1721). Des Heiligendreikönigs-Spieles
geschieht beim 1. Januar 1682 Erwähnung, wo ein Bäcken-
junge aus Kapfenberg, der von hier am Vorabende mit mehreren
Genossen nach Kindberg gekommen war, um dieses Spiel
aufzuführen und dabei den Herodes darzustellen hatte^ wegen
eines Streithandels vor dem Marktgerichte erschien. Das
Scheibenschiessen war eine seit dem XVL Jahrhunderte
übliche Belustigung. Um zur Theilnahme daran zu ermuntern,
beschloss der Magistrat am 1. Juni 1740, dieselbe ohne Rück-
sieht auf die Qualität der angebrachten Schüsse zu honorieren,
u. z. sollten der Lieutenant der Bürgergarde, der Fähnrich
und der Schlosser für zweimaliges Mitwirken je 40 Kreuzer,
jeder Schütze und der Wächter im Schiessstande je 30 Kreuzer
erhalten. Gelage und Schmausereien bildeten den
gewöhnlichen Abschluss feierlicher Amtsacte, wie der Richters-
wahl, der Aufnahme neuer Bürger, der jährlichen Berainung
des Burgfriedens („Rain- und Stein-Schau"). Am 18. August
1716 wurde auch die Geburt eines kaiserlichen Prinzen damit
festlich begangen. Als es sich am 14. Mai 1705 zufällig
ereignete, dass in dem Wirthshause, wo die von der Rain- und
Stein-Schau Heimgekehrten zechten, ein quiescirter Hofkanzlist
aus Wien mit Frau und Jungfrau Tochter auf der Reise nach
Graz anwesend war, wurde auch diese Familie dem Festmahle
beigezogen. Die Bürgerschaft rechnete es sich „zu einer Ehre,
dieselbe zu tractieren^. Dass das Tabakrauchen in
Kindberg frühzeitig Eingang fand, ergibt sich aus einem mit
dem Lorenz Pfeffer am 11. April 1682 aufgenommenen Ver-
höre, bei welchem dieser aussagte : er habe, als ein incriminirtes
Ereigniss eintrat^ sich eben in seiner Stube niedei^esetzt und
— 229 —
„ein Pfeiffen Dowäkh trinkhen wollen''. Zum Lotteriespiel
verleitete die Bürgerschaft der eine und andere „Glückshainer^,
besonders zur Zeit der Jahrmärkte, und wie wenig Gewinnst-
chancen dieselbe dabei hatte, lehrt eine Gerichtsverhandlung
vom 30. Juni 1716, vnder einen solchen Glücksritter, welcher
der Tochter des zu Kindberg stationirten kais. Ueberreiters
(Gefiülwächters) einen von ihr gemachten Gewinn vorenthielt.
Derselbe erbot sich schliesslich, statt des Gegenstandes einen
Speciesthaler zu Messen für die armen Seelen im Fegefeuer
zu erlegen, worauf der Magistrat mit der Modification einging,
dass er 51 Kreuzer von diesem Gelde der Beschädigten als
Ei-satz zuerkannte.
Wenn die Bevölkerung von Kindberg gegen Ende des
XVII. Jahrhunderts und zu Beginn des folgenden kein Tugend-
spiegel noch auch der Markt eine Bildungsstätte war, so hatten
daran gewiss die gleichzeitigen Gebrechen des hiesigen Schul-
wesens grossen Antheil. Denn dieses bot damals ^ den
RathsprotokoUen nach zu urtheilen, weder durch die Art, wie
der Unterricht ertheilt wurde, noch durch den Ort, wo dies
geschab, noch vermöge der Persönlichkeiten der Lehrer irgend
eine Gewähr für gute Erziehung der Jugend.
Der erste Schullehrer des Marktes, dem wir in den
Protokollen begegnen, war Franz Ferd. Hoffory. Dieser
erbat sich am 16. October 1666, also zu einer Zeit, wo der
Wintercurs sicher schon begonnen hatte oder doch hätte
beginnen sollen, einen Urlaub zu einer Reise nach „alt teutsch
Ötenburg*^. Der Magistrat ertheilte ihm nicht nur die ange-
suchte Reiselicenz, sondern verabfolgte ihm auch einen Gehalt-
vorschuss von 4 Gulden. Da Oedenburg in jener Zeit der Sam-
melplatz zahlreicher steiermärkischer Exulanten und der Mittel-
punkt der protestantischen Religionsübung für einen weiten
Umkreis war, da femer diese Religionsübung einen nationalen
Hintergrund hatte, auf welchen mit der Bezeichnung der
Stadt als einer j, altdeutschen^ füglich angespielt werden
konnte: so drängt sich die Vermuthung auf, dass Hoffory
dem protestantischen Bekenntnisse anhing und daraus in Kind-
— 230 —
berg kein Hehl zu machen brauchte. Fehlt es ja doch sogar
in den RathsprotokoUen nicht an weiteren Anhaltaponkten
für die Meinung, dass der Protestantismus damals
im Mürzthale noch ziemlich verbreitet war. Ab-
gesehen von der Oberauüsicht über das Kindberger Eirch^i-
wesen, welche noch immer der Rector des Grazer Jesuiten-
GoU^ums führte, und von der oben erwähnten EinscbArfüng
des Fastengebots im Jahre 1689, geschieht z. B. beim eben
genannten Jahre (18. April) eines Fleischhauers aus Morz-
Zuschlag Erwähnung, welcher insgemein der „luthrische Hanssl''
hiess. War Hoffory wirklich protestantisch gesinnt, so musste
es ihm schwer fallen^ mit der Geistlichkeit des Marktes, die
dies unmöglich billigen konnte, in gutem Einvernehmen zu
leben und sein ganzes Verhalten war dann nicht ge^gnet,
Schulzwecke zu fördern.
Job. Ruprecht Pfeiffer, welchen die Bürgerschaft
im Jahre 1677 mit dem Lehramte betraute, war ein seiner
erotischen Gelüste wegen übel beleumundeter Mann, musste
schon bei seiner Anstellung ermahnt werden, nicht auf Winkel-
schreiberei sich zu verlegen, hielt die Schule nicht, wie be-
dungen war, in seiner Wohnung, sondern im geräuschvollen
Hause des Webers und kümmerte sich, da er zugleich Organist
und vor Allem überhaupt Musikus war, weit mehr um die
Sängerknaben („Discantisten^), denen er beim Ifagistrate
Belohnungen erwirkte, als um die übrige Schuljugend. Nach
seinem zu Anfang des Jahres 1690 erfolgten Tode wurde ein
Lehrer aus der Radmer bei Eisenerz berufen^ dessen in den
Protokollen nur anlässlich dieser seiner Berufung gedacht ist
Kläglich gestalteten sich die Kindberger Schulverhältnisse
auch unter dem Lehrer Peter Mayrhoffer (1709—1726),
welcher gleich nach Antritt seines Amtes ein grosses Haus
kaufte, jedoch, weit entfernt, die Schule in dieses zu verlegen,
vielmehr den Lehrdienst als Nebensache betrachtete, so dass
die Gemeinde ihn verhielt, einen ^Präceptor'' statt seiner zu
bestellen, welcher aber auch nicht entsprach. Um einiger-
massen dem abzuhelfen, verlegte der Magistrat mit Beschlus^
I
- 231 -
vom 5. März 1716 die Schule ins Rathhaus. Am 7. März
klagte die Bürgerschaft in öffentlicher Versammlung, dass
Mayrhoffer die Kinder nicht gut instruire, sondern es ihnen an-
heimstelle, sich wechselseitig zu unterrichten, und mit ihnen
höchst^is allerlei Possen treibe. Der Magistrat ermahnte ihn
daher, öfter in die Schule zu kommen und wenigstens ^zu-
zusehen.'' Aber das fruchtete wenig. Am 21. März 1726
rousste dem nachlässigen Manne abermals sein Unfleiss ver-
wiesen und er neuerdings aufgefordert werden, statt seiner
einen „Präeeptor^ zu unterhalten.
Zum Schlüsse will ich, und zwar thunlichst mit den
Worten des betreffenden Protokolls, eine Liebesgeschichte
erzählen, deren Held der obengenannte Schullehrer Pfeiffer
ist, weil sie das gesellige Leben in Eindberg, so wie es gegen
Ende des XVII. Jahrhunderts beschaffen war, insbesondere
aber den Verkehrston, welcher damals dort herrschte, gut
charakt^risirt Die meisten massgebenden Factoren sind darin
wie in einem Brennpuncte zusammengefasst
Am 8. Februar 1666 trug der Bürger Ruprecht Gänzer,
ein Lederer, dem Magistrate vor: sein Soldat (d. h. der bei
ihm einquartierte) Gapitän Armiss (?) habe ihm berichtet,
dass während er (Gänzer) in der March abwesend war, Herr
Pfeiffer sein Weib nächtlicher Weile abholte, ins Wirthshaus des
Jacob Khundtschackh führte und wieder nach Hause begleitete,
wo er sich mit ihr einsperrte und sie zusammen Wein tranken ;
Pfeiffer habe erst gegen zwei Uhr Morgens das Haus verlassen
und seinen Weg durch den Garten genommen. Dieser, über vor-
stehende Beschuldigung vernommen, sagte Folgendes aus : als
der Gänzer vormals in der March gewest, habe die Spiessin
(so hiess dessen Weib im Volksmunde) in einem Reindl etwas
zum Jacob Khundtschackh getragen; darauf hin sei er auch
hingegangen und habe er vermeldet: er besitze daheim ein
paar Stückhl Fisch; die wolle er spendieren. Hernach habe
er diese wirkhch hinübergetragen und aufgemacht (ausgeweidet).
Die Frau Khundtschackh gab ein Essen! Schnecken dazu und
das Alles verzehrten sie im Frieden. Später gingen er und
— 232 —
die Spiessin nach deren Wohnung. Sie trugen ein VierÜ Wein
mit sich, das sie in der Kammer zusammen austranken Un-
ehrbares sei nicht vorgefallen. Darauf könne er ein leibliches
Jurament ablegen. Der Zeuge „Capitan Armiss^ versicherte,
während der Abwesenheit des Gänzer wiederholt bencerkt zu
haben, dass ein Mann nächtlicher Weile dessen Hius und
zwar die Schlaf kammer betrat; wer es gewesen, wisse er
freilich nicht. Insbesondere habe das Weib in der Jfacht, wo
sie beim Wirthe Khundtschackh mit einem Begleiter zechte.
Besuch gehabt. Als er sie am folgenden Morgen deshalb zur
Rede stellte, habe sie Anfangs geleugnet, später aber doch
gestanden, dass ein Mann bei ihr war, und nur in Abrede
gestellt, dass Böses geschah. Dann schenkte sie ihm (dem
Zeugen) ein Hemd, damit er über das Vorgefallene desto lieber
schweige. Pfeiffer aber habe seine Besuche fortgesetzt »da
er sich der Spiessin nicht meiden khan". Vor vierzehn Tagen
betrat die Spiessin nach dem Rosenkranze den Pfarrhof. Das
„habe seine Wege.* Am nächsten Morgen war das Thor des
Gänzer'schen Hauses offen und stand die Spiessin ungewöhn-
lich früh auf, um es eigenhändig zu schliessen. Darauf hin
legte sich Zeuge in der folgenden Nacht auf die Lauer und
nahm er auch wahr, dass sich Einer, Namens Fischer, bei der
Spiessin eine Bratwurst briet Doch schlug der Versuch, diesen
abzufangen, fehl. Die weiteren Aussagen des Zeugen betreffen
drei Löcher, welche die Spiessin ihm aus Rache für ihre
Denuncierung mit einem eisernen Leuchter in den Kopf schlug,
wofür er zwei Thaler Schmerzengeld verlangte.
Pfeiffer, der damals Gemeinde- Vormund war und den
Gemeindestier bei sich in Verwahrung hatte, erhielt des durch
ihn erweckten Verdachts willen eine Geldbusse von zehn
Thalern zuerkannt und wurde vom Magistrate angewiesen,
künftig das Gänzer'sche Haus nie mehr zu betreten. Ob er dem
nachkam ist, wie überhaupt in der Regel ein guter Lebens-
wandel, den RathsprotokoUen nicht zu entnehmen.
c.
Kleinere Mittheilungen.
Die Vesten Klausenstein und Holenstein.
Von Ignaz Orolen^ Domcapitular in Marburg.
Klausenstein. Zu den älteren Testen des steirischen Unter-
landes gehörte die Yeste Klausenstein. Dieselbe haben König Ottokar
im Jahre 1270 und König Rudolf am 22. October 1279 dem Grafen
Ulrich von He nn bürg und seiner Gemalin Agnes, der Herzogs-
witwe, yerschrieben. *) Weiters erwähnen ihrer noch eine Urkunde vom
80. Mai 1831, in welcher der Aglaier Patriarch Paganus kundgibt,
dass er den Gleriker Jacobus de Patavia auf die Kaplanei
»ecclesie sive Gapelle S. Egidii de Ghlasennstain"
investirt habe, *) und die zu Wien am Perchentage 1336 ausgefertigte
Urkunde, laut welcher die Herzoge Albert und Otto die Yeste
Klausenstein u. a. dem Friedrich Freien von Seunock und
seinen Erben verpfändeten *). In späteren Urkunden ist mir der Name
dieser Yeste nicht mehr vorgekommen. Wahrscheinlich war dieselbe
schon im 16. Jahrhunderte verfallen, woraus es auch erklärlich wäre,
dass man jetzt schon lange her nicht mehr wusste, wo diese Yeste
gestanden war.
Schon der verstorbene, sehr verdiente Geschichtsforscher Dr. Earl-
mann Tangl ersuchte mich seinerzeit, ihm die Burgställe Klau-
senstein, Freudeneck und Sachsenwart ausfindig zum machen. Wohl
vermuthete ich schon damals, dass die Yeste Klausenstein sUdlich von
Cilli zu suchen sei; aber erst die obangefOhrte Aglaier Urkunde von
1331 brachte mir diessbezüglich die richtige Orientirung.
Da ich nämlich die aufgelassene oberwähnte Kapelle St. Egidii,
welche noch bis 1848 am rechten Sannufer neben der Steinbrücke und
nächst der Sannmttndung gestanden ist, noch gesehen und gekannt habe,
so konnte mir nach Lesung der erwähnten Urkunde nicht mehr fraglich
sein, wo ich Klausenstein zu suchen hätte.
Im Sommer 1878 kam ich in eben dieser Angelegenheit nach
SteinbrUcken und schaute dort lange nach den Felsenhöhen und nach
den umliegenden Bergen, konnte aber nirgends eine Spur von einer Yeste
erspähen. Schon dachte ich, dass mein Ausflug resultatlos bleiben werde.
1) Mnchsr. Oeach, d. St Y. 887. 428. *) NoüxenbUtt der k. k. Ak. d. W. 1858. *) Muchv.
0«ach. d. St. YI. 272.
— 236 —
Da theilte ich kurz vor meiner Abreise einem Herrn aas Ratschach
den Zweck meines Erscheinens in Steinbrilcken mit, und dieser erwiderte
mir, er habe von einer Yeste Klausenstein nie etwas gehört, wohl aber
wisse er, dass der Fels über dem Stationsgebäude alldort Klauenstein (sie)
genannt werde. Bei diesen Worten blickte ich nach dem Felsen und be-
merkte dort Über dem Stationsgebäude einen kleinen Felsenvorspmng,
auf welchem, oder vielleicht höh er oben die Yeste Elausenstein gestanden
sein muss. i) Dafür spricht die bisher im Yolksmnnde bewahrte, wenn
auch corrumpirte Benennung des Felsens und die Lage der ehemaligen
St. Kgidi-Capelle, welche da in nächster Nähe der Yeste Klausen st^in
stand und desshalb mit Recht Capeila S. Egidii de Klausenstein genannt
werden konnte.
Yielleicht wurde die Yeste Klausenstein auch vom Herzoge Leopold
und zwar mit der steinernen Savebrücke zugleich und zu ihrem Schutze
um 1222 erbaut >). Ohne Zweifel wurden die zu diesem BrQckenbaue
erforderlich gewesenen Steine von den dortigen Felsenwänden am linken
Saveufer hergenommen und wird bei den hiezu vorgenommenen Felsen-
Sprengungen auf den Bau der genannten Yeste Bedacht genommen
worden sein.
Unter den von den ausgestorbenen Qrafen von Gilli hintcrlassenen
Gütern wird auch ein Thurm bei Ratschach genannt. >) Sollte dieser
Thurm etwa die Yeste Klausenstein sein ? Den Burgstall der oberwähnten
Yeste Freudeneck konnte ich bisher noch nicht ausfindig machen, ver-
muthe aber, dass auch dieser im Tüfiferer Districte zu suchen, und dass
unter dem von der Cillier Chronik (Annales Duc. Stir. IH., 145) ange-
führten: „Freidenberg. Bei Tiferein Thurn", Freudeneck zu verstehen sei.
Holenstein. Das Notizenblatt des Jahres 1858 der k. k.
Akademie der Wissenschaften brachte ausser der oben besprochenen
Urkunde von 1831 noch eine zweite für Üntersteiermark interessante
Urkunde, nämlich die vom 19. October 1342, in welcher der Patriarch
Bertrand zu wissen gibt, es habe ihm Dietmar der P&rrer von
Gonowiz berichtet, dass Heinrich Tanarius auf seinem eigenen,
unter seiner Yeste „Holenstayn^ gelegenen Grunde, in der Pfarre
Gonowiz, eine neue Capelle S. Pancratii zu seinem, seiner Eltern und
anderer Gläubigen Seelenheil erbaut habe und nun Willens sei, zu
dieser Capelle ein Beneficium für einen Priester zu errichten; und e^
habe der Pfarrer Dietmar Namens des Tanarius hiezu um die
oberhirtliche Genehmigung gebeten, welche er, der Patriarch, mittelst
dieser Urkunde ertheilet.
<) Beim Baue der Eisenbahn nnd des Bahnhofes wnrden hier grosse FelseasprengaD^B
Toi^^enommen.
2) Diese Brücke wurde in der Fehde der Cillier Grafen mit Friedrich IV. 14»— 144i
sersMrt; der Gegend alldort ist aber der Name SteinbrÜoken geblieben.
S) Knchar. Gesch. d. St. VIl. 426.
— 237 —
Die gewiss schon seit Jahrhunderten verschollene ond in Vergessen-
heit gerathene Yeste Holenstein stand also in der Pfarre Gonowiz, aber
wo ? Wollen wir diese Frage lösen, bleibt uns nichts Anderes übrig, als
dass wir die von Tanarius errichtete Gapelle S. Pancratii ausfindig
machen.
Diese Gapelle stand neben dem Jamnik-Hofe in der aus dem
alten Pfarrsprengel Gonowiz exscindirten Pfarre St. Egiden in Rätschach
nod ist nebst dem Jamnik-Hofe in Vischers Bilderwerke abgebildet.
Ihr letzter Beneficiat war der Priester Michael Schlacker, welcher
dieses durch die Besignation des Priesters Johann Male vacant
gewordene Beneficium am 10. Juni 1784 verliehen erhielt und am
17. August 1808 als Pfarrer von St. Johann bei Unter-Drauburg starb,
worauf das Beneficium der Gapelle St. Pancratii zum steirischen
Religionsfonde eingezogen wurde.
Die Gapelle St. Pancratii, in welcher laut decanalämtlichem Berichte
vom Jahre 1795 schon seit 1775 nicht mehr Messe gelesen wurde,
begann Johann Weissmann, Inhaber des Jamnik-Hofes 1771 bis
1802, zu Wirthschaftszwecken zu benützen, wobei sie aber immer mehr
in Abbau gerieth und endlich Anfangs dieses Jahrhundertes gänzlich
verfiel.
Hier also muss die Yeste Holenstein gestanden sein und zwar
nicht an der Stelle des Gutsgebäudes Jamnik, d. i. nicht neben, sondern
ober der Gapelle S. Pancratii, weil ja diese Gapelle laut oben angegebener
Urkunde „in fundo sub Castro Holenstayn sito'' erbaut wurde. Eine
Localbesichtigung müsste hierüber verlässlichere Auskunft schaffen.
Altes Messgewand in der Radmer.
Von Johann Erainz^ Bezirks- Gorrespondent in Eisenerz.
Kaiser Ferdinand U. Hess in Radmer die gegenwärtige Pfarr-
und Wallfahrtskirche St. Antonius de Padua nach dem Muster der
gleichnamigen Kirche zu Padua erbauen, und die Einweihung dieses
Gotteshauses fand am 10. August 1602 in Gegenwart der erlauchten
Familie des fürstlichen Erbauers statt.
Bei dieser Kirche wird als Andenken ein Messkleid aufbewahrt,
welches von den Töchtern des Kaisers Ferdinand II. gestickt und hieher
geschenkt wurde. Dieses Messkleid ist in Bezug auf Reichthum, Farben-
pracht und Feinheit der weiblichen Handarbeit ein Meisterstück ersten
Ranges. Die Darstellung: „Pfaue, Hirschen, Eidechsen, Heuschrecken
(Gottesanbeterinnen) und Phantasiepflanzen'', zeichnet sich durch feine
Stylistik und klare Zeichuung aus, doch trifft die Gomposition einiger
Vorwurf, der einer Uebcrladung, eines unorganischen Aufbaues und
— 238 —
wohl auch — mit Rttcksicht auf den gegenwärtigen Standpunkt kirch-
licher Kunst — der einer yerfehlten StofFwahl; letzterefl findet jedoch
anderseits eine Entschuldigung, und zwar durch den Umstand, dass eben
die Widmung eine solche für Jagdzwecke gewesen sein dürfte. Kaiser Fer-
dinand II. oblag mit besonderer Vorliebe dem Waidwerke in der wild-
reichen Gegend von Radmer ; er hatte daselbst sein eigenes Jagdschloss —
dermalen Gewerkschaftsgebäude — und wenn er dann in der tob ihm
erbauten Kirche dem Gottesdienste beiwohnte, so wurde — der Tradition
nach — das Messkleid vom celebrirenden Priester benützt. Der Grand,
auf welchem alle dargestellten Gegenstände reliefartig mit Gold und
mit auf das Verschiedenste nüancirter Seide gestickt sind, ist indigoblaue,
leider schon sehr faltig gewordene Seide, von der sich die Figuren ins-
gesammt hell abheben. Die Arbeit selbst (Hochstickerei) zeigt eine
geradezu vorzügliche Technik und unermüdliche Geduld; die Stickerei
ist so bunt, dass z. B. jede einzelne Feder der Vögel in 3—4 Farben
schillert, ohne dass jedoch dadurch irgendwie die Harmonie des Ganzen
gestört erscheint. Die Vögel sind zwar als Pfauen gedacht, doch ist ihr
Gefinder ein vorwiegend helles und sind selbst die bekanntlich häss-
lichen Beine dieses Vogels in herrlichem Carmin ausgeführt. Zwei der
Pfauen sind dargestellt im Kampfe um eine Heuschrecke. — Die mit
feinstem Geschmacke zusammengestellten Farben des Messgewandes sind
wunderbar frisch erhalten, auch die Goldbordon sind intact geblieben,
da sie den Stempel des 17. Jahrhunderts an sich tragen ; dagegen zeigt
das herrliche Kleid deutliche Spuren barbarischer Verstümmelung. Nicht
nur dass man das Gewand in seinem ganzen Umfange gekürzt, es
wurden auch einzelne Stellen ausgeschnitten und die übrigen Theile ohne
Rücksicht auf die Zeichnung zusammengenäht! So fehlen z. B. die daran
angebracht gewesenen Wappen, die Buchstaben A. B. R. B. und V. H.
I. £. wie auch die Jahreszahl 1658. Sowohl die Buchstaben als auch
die Jahreszahl waren noch in der ersten Hälfte des Jahrhunderts
(ca. 1840) an dem Messkleide ersichtlich, während die Wappen um diese
Zeit schon schadhaft gewesen sein sollen. Jedenfalls mag die entstandene
Schadhaftigkeit die Ursache der Zerstücklung dieses Prachtkleides ge-
wesen sein. Die Stola zeigt an der Schmalseite recht hübsche Arabesken,
ist jedoch an beiden Enden gleichfalls aus mehreren Stücken zusammen-
gesetzt. Es erinnert somit dieses Messkleid sehr an jene herrliche,
uraltgestickte Bettdecke im Schlosse Guttenberg bei Graz, welche angeblich
von einer gebomen Baumkircher, verehelichten Stubenberg, herrührt,
aus welcher man sonderbarer Weise das grosse gestickte stubenbergische
Wappen herausgeschnitten, worauf sodann die beiden noch immer riesigen
Seitentheile zusammengenäht wurden. — Die erste photographische Auf-
nahme jenes Messkleides fand vor Kurzem auf Kosten des Herrn Josef
Arbcsser, Edl. v. Rostburg statt.
— 239 —
Alte Bilder in Eisenerz.
Von Joh, Erainzy Bezirks-Gorrespondent.
Im Kastengebäude der Innerberger Hauptgewerkschaft in Eisenerz
befindet sich ein aus dem 16. Jahrhunderte stammendes, bei zwei Meter
breites und eben so hohes, aber leider in seinen wesentlichen Theilen
ganz unkenntlich gewordenes Gemälde von Eisenerz, und die Hauptgewerk-
schaft bewahrt im Amtshause (an entsprechender Stelle) die in Oel
gemalten Portraits der Oberkammergrafen : Josef Freiherr von Haugwitz,
Johann Edler Ton Koflern, Franz Freiherr von Halleg, Dismas Franz
Graf von Dietrichstein, Emanuel Graf yon Schärfenberg und Franz von
Schüler wie auch der beiden k. k. Werksdirectoren Josef Fortunat
Sybold und Franz Ritter von Ferro. Die Bildergrösse beträgt mitsammt
der 21 Gm. breiten schwarzen Holzrahmen l'l Meter Höhe und
0-96 Meter Breite.
Zu G. M. Vischer's Wirken in Steiermark
haben, seit ich dasselbe in jenem grösseren Aufsatze im 24. Hefte dieser
»Mittheilungen'' (1876) dargestellt, sich eine Anzahl neuer, meist ganz
von seiner Hand geschriebener Acten im Landesarchive gefunden. Sie
tragen Einiges noch dazu bei, die Stellung dieses verdienstlichen Geo-
graphen im Lande und sein Streben und Ringen zu beleuchten, ohne
übrigens an dem Wesentlichen jener Schilderung irgend etwas zu ändern.
Es ist Sache der Pietät gegenüber dem Andenken des Mannes, solche
actenmässige Beiträge, welche bisher noch nicht in Verwendung gekommen,
der im Allgemeinen abgeschlossenen Darstellung seines Wirkens nach-
zuschicken. Denn darüber ist man sich im Klaren, dass mancherlei
Puncte desselben bis nun keineswegs geklärt werden konnten; diese
also sehen noch immer beleuchtenden Nachträgen entgegen. So wissen
wir bekanntlich nichts über Yischer's Abgang von Graz und die Weise
seines Abschiedes, und auch, was ich jetzt biete, wirft eine neue Episode
auf, nämlich einen förmlichen Process mit A. Trost. Ich kann also
wahrlich nur sagen, dass mit Gegenwärtigem ich blos die Reihenfolge
von Zusätzen eröffiie, welche regelmässig nach jeder Schilderung einer
Person oder eines Gegenstandes auf breiterer Grundlage einherznhinken
pflegen und welche ebensowenig zu vermeiden sind, als sie gewöhnlich
begrttsst werden, wenn ihr Object darnach ist. Und G. M. Yischer wird
man in seiner Richtung und für seine Zeit eine an sich einzige Stellung
kaum je aberkennen.
Nehmen wir die neuen Acten nach den Materien vor, welche sie
berühren.
— 240 —
Im Frfibjahre 1676 aberreicht er seine eben fertige nieder-
Österreichische Landkarte den steierm. Verordneten.
nYomemblich wird dess Menschen Aug (schreibt er [und ich lasse
alle Formalien weg]) mit dem Lobspmech Tners&ttlich beschriben, weülen
selbigess niemahlen noch mit der Fehme, noch mit der Hänge der
gegenstehenden Sachen khan ersättiget werden, sonder allzeit noch lieber
fehmer in die Weithe, zn deme dan absonderliche Hilfglässer gebraucht
werden, vnd geren, wo nur möglich, die gantze Welt mit allen dann
begriffnen Sachen vbersechen wollte, dass darumben yon Weissen Tnd
Hochvernunfftigen billich vnd rOhmblich dess Menschen Aug solch Bahn-
wort zugeschriben worden. Nun aber mit allergnädigister Yerwilligiuig
der Rom. kays. Majestät vnd von der löbl. Landtschafit in Oesterreieh
vnder der Enns vorgeschossenen Vnkhosten habe ich dem Aug des«
Menschen zu gefallen alle vomembe Orth, wie sie sich in ihrem Standt
vnd Wessen sechen lassen, eigentlich gezeichnet vnd inss Khnpfer bringen
lassen, welche £ur Excellenz, HochwOrden vnd Gnaden Gnaden ich
hiemit in dieffister Demueth vnd getröster Zuuersicht vortrage, sie werden,
weillen dero Befraindte, Verschwägerte vnd Bekhante selbige besitzen,
sich daruon nennen vnd schreiben, Eur Excellenz, HochwQrden vnd
Gnaden Gnaden annemblich vnd ihren genadig begürigen Augen gefällig
sein, vnd mich mit einer genädigen Remuneration also begnaden, durch
welche ich angemuntert werde, von meiner gemachten Arbeit ein Mehrers
vorzutragen."
Mit der Schwulst- und Gnadseligkeit von Bittschriften oder Wid-
mungen jener Tage muss man nicht zu sehr rechten ; es scheint manchmal
die Regel gegolten zu haben, je unverständlicher, in der Phrase gestreckter
und besteckter, desto demttthiger vor dem Auge der hohen Behörde und
desto sicherer ihrer milden Hand. Yischer^s nicht unklar gedachte abex
geschraubt gefasste Widmung wurde mit 80 fl. honorirt, und es waren
acht Exemplare der Karte gewesen, also 8 Thaler per Stück remunerirt
worden. Die Geldanweisung erfolgte am 20. Mai 1676.
Wie aus p. 14, Note 10 meines Aufsatzes ersichtlich, hat Yischer
auch einen Theil Ungarns, soweit er am rechten Ufer der Donan bis
zur Raab in den Händen des Kaisers, kartographisch au^enommen.
Diese Arbeit hatte ungefähr 12 Jahre nach ihrer AusflSJmmg die Ehre
einer neuen Auflage, und iin Jänner 1685 legt er „8 der neuen vngarischen
Landcarthen*' den steir. Verordneten vor, zu billigem Kaufe. Er sagt,
„auf mein vnderthänigess Anmelden, ob ich nicht der hochlöbl. Verord-
neten Stöll etliche von den neu aufgelegten Stierischen (II) Landtcarten
(welche dermahlen in höchsten Aestimo ist, also zwar, dass man eine
per 4 vnd 5 Ducaten bezahlt hat) ist mir solches verwilligt, vnd 8 dero,
iede vmb 8 Ducaten begehrt worden, welche ich hiemit liefere, vnd and)
entgegen das Versprochene, weillen ich mich in Verfertigung der Kupier-
— 241 —
stich gantz vnd gar meiner GeltmitU entplöst habe, in gehorsamer
Ynterthänigkheit solicitiere.''
Die folgenden Actenstücke betreffen die Steiermark. Land-
karte und reihen in meinem Aufsatze zu p. 20 uff.
Da ist zuerst ein „Memorial . . . pro gnädiger Anschaffung einer
Zöhrung zu fehrner vnd langwürigen Bayse die Mappa vber das Herzog-
thamb zu uerferttigen.** Er sagt: „Auf mir genädig zugeschikhtes Patent,
dass ich in diessem Herzogthum aller Ortfaen vngehindert eine recht-
mässige mappam oder Landtcarthen zu machen, raissen khönde, habe
ich mich nunmehr desselben bedient vnd den 20^"^° nechst verwichenen
Julii den Anfang meiner Baisse gemacht, vnd zwar ersten Ober-Steyer,
damit ich nit wegen nechstfallenden Sehne khonfftig in dissem Werkh
alda verhindert werde, vor mich genomben, verhoffe innerhalb etlich
Wochen meisten Theil dess Ennss- vnd Judenbnrger Yiertl zu zeigen^,
— und bittet um Geldanweisung, damit, setzt er fort, „ich dissen Herbst
vnd Winter hindurch souil möglich noch raissen khönde, vnd also mein
vorhabende mappam vngehindert eheistens heruorbringen^. Darauf wurden
ihm 300 fl. angewiesen und am 28. October 1678 zuvörderst 170 fl.
ausbezahlt.
Auf sein nicht erklärtes Säumen in der Unterschrift des Gontractes
(p. 22, Nota 26) bezieht sich das nachfolgende Schreiben.
„Eur Excellenz, Hochwürden vnd Gnaden Gnaden haben Ihnen
genädig belieben lassen, mein jüngsthin in Ynderthänigkheit vberraichtes
Memoriale, darinnen ich die vnendbörliche fernere Raissvnkhosten zu
Verförtigung der Mappen solicitiert, verbschaiden zu lassen, sofern ich
derentwegen gefertigten Contract werde in die Ganzley liferen, vnd ent-
gegen den andererseits gefertigten heraussnemben, werde weiterer Be-
schaid eruolgen.
Dissess ist nunmehr beschechen, gelanget deme nach an Eur
Excellenz, Hochwürden vnd Gnaden Gnaden mein vnderthftniges Bitten,
Sie geruhen zu Gewinnung der nunmehr tauglichen Fruelingszeit vnd
BefUrderung dess Werkhs mir die contrahierte 600 fl. vor die zwey
verförtigte Yiertl in Gnaden anzuschaffen, vnd befelchen, dass ich disses
Gelts vmb erstbemelter Yrsachen willen eheist möge handthabig werden.^
Man wies ihm die Summe an und bezahlte ihm am 19. März 1676
fOr's Erste 150 fl. und am letzten April abermals so viel.
Auf diese zweite Bäte bezieht sich das folgende Ansuchen:
„Eur Excellenz, Hochwürden vnd Gnaden Gnaden haben mir vor
etlich Wochen vor die zwey verförtigte Yiertl in Ober Steyer die contra-
hirtc 600 fl. in Gnaden angeschafft, vor welche Gnad ich mich vnder-
thänig gehorsamblich bedankhe. Weillen ich aber selbigem noch nicht
völlig (habe) khönnen habhafft werden, gelangt an Eur Excellenz, Hoch-
würden vnd Gnaden Gnaden mein abermahlig vnderthänig gehorsame
Mittlien. des hist. Yerainea f. Steiermark, XXIX. Heft> 1881. 16
— 242 —
Bitt, noch fehrnere gen&dige Anbefehlung zu than, dass ich zu denselben
möge khomen vnd meine nothwendige vnd langwirige Baissen dannit
bestreitten vnd mit meiner Arbaith eine hochlöbl. Landtscfaafft eheistcns
sobald möglich befridigen möge.**
Auch das ist im Aufsätze p. 35, Note ersichtlich, dass Yischer
auf sein Geld ftlr Geliefertes manchmal längere Zeit warten musste.
Namentlich war das zwischen 1682 bis 84 der Fall, in welche Pause
der grosse TUrkenkrieg und die Belagerung Wiens und wohl auch grosse
Ebbe in der steierm. Landescasse fiel. So bittet er im Herbste 1684:
„Eur HochwOrden vnd Gnaden Gnaden berichte ich in gehorsamer Ynter-
thänigkheit, dass ich vngefehr vor 2 Jahren der hochlöbl. Verordneten
StöU contrahierter Massen 100 Steyerische Landtcarthen per 50 Reichs-
thaler gegeben, die Anschaffung aber der Bezahlung von Herrn Grafen
vonLengheimb alss damaligen Herrn Präsidenten nicht bekhomen khönnen,
darumben auch mich wegen der Bezahlung gar nit anmelden derffen^ —
und jetzt wurden ihm auch am 21. October desselben Jahres seine 75 fl.
ausgehändiget.
Ungefähr vom Anfange März 1676 datirt Yischer's Vorlage seiner
grossen Ansicht von Graz. „Eur Excellenz, ^ sagt er, „HochwOrden vnd
Gnaden Gnaden haben auss dissen Beylagen genädig zuersehen, welcher-
gestalten ich die Haubt-Vestung von Statt Grätz deliniert vnd durch
meinen bestölten Eupferstöcher (habe) lassen inss Khupffer bringen, daruon
Eur Excellents, Hochwürden vnd Gnaden Gnaden ich in gehorsamster De-
muth ein Dutzet exemplaria präsentiere, mit vnderthänigster Bitt, mein ao-
gewendten Fleiss, MOhe vnd Vnkhosten in gnadige Consideration zu
ziechen vnd mir mit einer gnädigen Recompens zu begegnen, verspreche
in dero Werkhen auch absonderlichen Fleiss anzuwenden vnd solche
hoche Gnad nach Möglikheit abzudienen." Die Verordneten machten ihm
das Abtragen leicht, denn für 12 Exemplare betrug das Ehrengeschenk
ganze 8 Thaler oder 12 fl.
Auf Lieferung der Topographie und auf Forderungen aus der-
selben bezieht sich eine Eingabe von etwa Jänner 1685. Sie berührt
Verhältnisse und Differenzen, welche der im gedachten Aufsatze ali^
druckte Buchhaltersbericht, p. 133 berührt „Eur Hochwflrden vnd
Gnaden Gnaden haben sich auss dissen Beylagen genädig znersechen,
dass ich auf ein Neuess nunmehr 13 Kupfer an der Steyerischen Topo-
graphia verfertigt, aber weiter fortzufahren wider Geltmitl erfordert
werden. Gelangt deme nach an Eur Hochwürden vnd Gnaden Gnaden
mein vnderthanigs Bitten, mir die ausständige 55 Ducaten vor die o5
eingeraichte Topographien in Gnaden volgen zu lassen, sonsten wird
dass Werkh wider geseumbt, weillen ich alle: als Kupferschmid, Pallierer.
KhupferstÖcher, Druckher vnd Papierer gleich nach empfangener Arber
bezahlen muess.^
— 243 —
Schliesslich haben sich noch zwei lose Acten gefunden, welche auf
einen Streit zwischen Yischer und seinem Hauptarbeiter, dem Kupfer-
stecher And. Trost hinweisen. Der Zwist fiel mindestens in's Jahr 1679,
mag aber schon vorher geblüht haben; ich habe in den Gerichtsacten
der Landeshauptmannschaft, denen die zwei fraglichen Documente ent-
nommen sind, vergeblich nach mehr Aufklärung gesucht. Der Streit
betraf die Lieferung der Stiche. Yischer behauptete, Trost für's Ganze
verpflichtet zu baben, Letzterer erklärte, er könne gehen, wann er wolle.
Das erklärt wohl auch die Stockung und die Beiziehung anderer Kräfte
und die Vollendung des Schlösserbucbes nach Yischer. Dieser schwur
einen Gerichtseid, „dass Andreass Trost alle die Herrschaften vnd
Schlösser in Steüermarkht zu stechen yber sich genomben, vnd vor Voll-
endung dieser Arbeit von mir nit zu gehen versprochen, vnd doch selbe
nit perficirt habe.** Sein Rechtsvertreter war Dr. Georg Ruess, jener
Trostes Dr. Job. Andr. von Pettenegkh, der Ahnherr eines unserer jüngsten
Grafen im Reiche. Im landesbauptmannischen AmtsverhOre vom 16. Mai
1679 erfolgte die
„Decisio.
Der Fischer ist, dass der Andreas Trost alle die Herrschaften vnd
Schlösser in Steüermarkht zu stechen yber sich genomben vnd selbe nit
perficirt habe, darzue zu thuen schuldig, wie recht ist, inmittels hat das
Anrueffen sein anstandt.
V. beschwert sich, man habe von Stuckh zu Stuckh tractiert, also
dass er nach jedem Stuckh frey sey gewesen hinwekh zu gehen, ergo
billich die Beschwehr.
R. in dieser Sach werde requiriert. Personae webrc nit mieglicb,
einen gleich nach einen verrichten Stuckh loss zu lassen.
Fehrer erkhent,
Khan nit dingen" —
womit dermalen unser Actennachtrag schliesst. Zahn.
Das Jagd-Buch von Burgau.
Von Hans Lange^ Bezirks-Correspondent in Fürstenfeld.
In einem Inventur- Protokolle der ehemaligen Herrschaft Burgau,
das jetzt im Archive des Fürstenfelder k. k. Bezirksgerichtes liegt,
befindet sich im Anfange das „JaLgd Buech, Wass Bey der Hocbgräff liehen
Herschafft Burggau sich in Gwir Befindet, Vnd Von Jabr zu Jahr Auff
der Jagt Geschossen wirt.**
Dieses Buch zerfällt in zwei Tbeile; im 1. Theile werden die
Jagd- und Scheibengewehre der Herrschaft, im 2. Theile die Jagd-
ergebnisse aufgezäblt.
16*
— 244 —
An Jagdgewehren besass die Herrschaft im Jahre 1787:
a) 15 Flinten, meist mit Messing beschlagen, einige mit Silber oder
Gold eingelegt. Fast bei jedem Gewehre ist der Name des Ter-
fertigers, des BOchsenmachers , angegeben; diese waren: Der
BQchsenmacher von Fürstenfeld (ohne Name), Adam GrSzl ron
Wien, dann der Büchsenmacher von Judenburg.
b) Gezogene Flinten vier Stück; eine von Josef Wiesthaler, eine von
„Einen Extra Zeig smidf
c) „Birstuzen^ 3 Paar; ein Paar von Johann Nenreiter in Salzborg,
ein anderes Paar von Marcus Kellner in Wien.
An Scheibenrohren besass die Herrschaft im Jahre 1737: 4 lange
Rohre und 10 Paar kurze Stutzen, darunter ein Rohr «mit Ein gar
sehen aussgeschnitenen schloss So mit Hirsch Jagt Vnd Ynderscbitlich
Feltzeichen aussgearbeith, der Lauff aber mit Einem Z. und J. gezeichnet
Die kurzen Stutzen sind von Johann Neureiter in Salzburg, Franz Celner
in Salzburg, von Ferdinand Reiner und vom Fürstenfelder BQchsen-
macher.
Die Aufzählung der Jagdbeute beginnt mit dem Jahre 1737 und
endigt mit dem Jahre 1750. Dabei ist sorgfältig angegeben wann, von
wem und was erlegt ward.
Geschossen wurden im Jahre 1737 : 67 Hasen, 17 Füchse, 20 Rehe,
20 Rebhühner, 5 Wölfe, 58 Waldschnepfen und 43 Moosschnepfen. Unt^r
den Schützen kommen vor: Excell. Graf Trautmannsdorf, Graf „Sigerl-^,
der 10 Jahre später als Excellenz Graf Sigmund Trautmannsdorf erscheint,
Graf Max Trautmannsdorf, Graf Saurau, Excell. Graf Josef Wildenstein,
Graf Heinrichsperg, Graf Steinbeiss, der Pfarrer von Neudau, der Pater
Lector Augustiner, der Kammerdiener, der Lakai, das Forstpersonale
und als sehr guter und eifriger Jäger sehr oft der ^Hunzbue Wmstl'',
der einige Jahre später als „J^Lger Wastl*' vorkommt.
Im Jahre 1738 vnirden geschossen: 36 Hasen, 20 Füchse, 18 Rehe,
36 Waldschnepfen, 102 Moosschnepfen und 5 Wildschweine. Schützen:
der Excellenz Graf (Trautmannsdorf), Graf Erdödy, Excell. Graf Josef
Wildenstein, der Pfarrer von Neudau, „Pater Bretiger", der Hofmeister,
der Laufer, der Lakai, der Glaser von Pöllau, der Zimmermann von
Birkfeld und das Forstpersonale, als: Forstmeister, Obeij&ger, Jager,
Waldhüter und „Hunzbue Wastl". Ein Wildschwein wurde von Bauern
zerhauen.
Im Jahre 1739 wurden geschossen: 14 Rehe, 7 Füchse, 16 Hasen,
15 Waldschnepfen, 6 Moosschnepfen und 4 Wölfe. Schützen: Herr Baxa.
Lieutenant Mather, Lieutenant Rummel, Stadtpfarrer von Hartberg, Pater
Prior, der Schlosskaplan Petriner Gabriel Saurer, der Schreibeijungt^
und das Forstpersonale.
— 245 —
Im Jahre 1740 wurden geschossen: 9 Behböcke, 8 Behe, 18 Füchse,
oi Hasen, 83 Waldschnepfen, 3 Moosschnepfen, 84 Bebhühner. Schützen:
Die Excellenz Gräfin (Trautmannsdorf), das „Freülle von Auersperg^
schoss einen Waldschnepfen, Graf Max, Herr Baxa, der Prediger von
Fnrstenfeld, der Pfarrer Ton Nendau, der Marktrichter von Burgau, der
Richter yon Schweinz, der Schreibeijunge, der Mundkoch und das Forst*
personale.
Im Jahre 1741 wurden geschossen: 4 Hirsche, 4 Behböcke, 7 „Beh-
Schachteln^, 19 Füchse, 54 Hasen, 43 Waldschnepfen, 14 Moosschnepfen,
55 Bebhfihner und 23 Wild&nten. Schützen : Excellenz der Graf, Excell.
Graf Wurmb, Herr Prankh, Herr „phalvasor", Graf Marche, P. Antoni
von Fürstenfeld, der „Haiduken WastP und das Forstpersonale.
Im Jahre 1742 wurden geschossen : 2 Hirsche, 2 Behböcke, 6 Beh-
schachteln, 7 Füchse, 63 Hasen, 49 Waldschnepfen, äO Moosschnepfen,
70 Bebhühner und 84 Aenten. Schützen: Excellenz der Graf, Excellenz
Frau Gräfin schoss einen Hasen, der Bischof von Seckau Freiherr von
Firmian, Graf Prankh, Herr Baxa, Pater Lector, Pater Antoni, der
Pfarrer von Xeudau, Graf Max, „Ihro fürstl. gnaden gehöriger Capelen
Dienner", der kleine Laufer und das Forstpersonale.
Im Jahre 1743 wurden geschossen: 1 Hirsch, 9 Behböcke, 5 Beh-
schachteln, 7 Füchse, 65 Hasen, 68 Bebhühner, 28 Waldschnepfen,
20 Moosschnepfen und 30 Aenten. Schützen: Excell. der Graf, Graf
Prankh, Graf Galler, Graf Auersperg, Herr Baxa, der Schlosskaplan,
der Stadtpfarrer von Hartberg, Herr Fröhlich von Hartberg, der Pfarrer
von Waltersdorf und das Forstpersonale.
Im Jahre 1744 wurden geschossen : 2 Wölfe, 8 Behböcke, 4 Schachteln,
2G Füchse, 55 Hasen, 189 Bebhühner, 80 Waldschnepfen, 34 Moos-
schnepfen, 27 Aenten, 1 Otter, 1 Marder, 1 „Hassen Hiendl**. Schützen:
Excell. der Graf, Graf Prankh, Graf Auersperg, Herr Baxa, der Erz-
priester, der Hauptpfarrer von Waltersdorf, der Kaplan Steger, Doctor
Demarkh (?) und das Forstpersonale.
Im Jahre 1745 wurden geschossen: 8 Behböcke, 6 Behschachteln,
2 Wölfe, 9 Füchse, 63 Hasen, 86 Bebhühner, 35 Waldschnepfen, 98 Moos-
schnepfen, 28 Aenten, 8 Baubvögel, 2 Beiher, 2 Marder, 2 Haselhühner.
Schützen: Excell. der Graf, Graf Max, Graf Weichard von Trautmanns-
dorf, Graf Kottulinsky, Franz Karl Graf Wurmbrand, Graf Prankh,
Gräfin „Weyhärdin" von Trautmannsdorf, geb. Gräfin von Wagensperg
schoss einen Behbock, Gräfin von Wurmbrand, geb. Gräfin von Herber-
stein schoss einen Hasen, Pater Mathias Lector Augustiner, der Schloss-
kaplan Saurer, Pater Amadeus von „S. Joannes", der Stadtpfarrer von
Hartberg und das Forstpersonale.
Im Jahre 1746 wurden geschossen: 4 Behböcke, 2 Behschachteln,
17 Füchse, 33 Hasen, 32 Aenten, 14 Waldschnepfen, 18 Moosschnepfen,
— 246 —
27 Rebhühner, 9 Reiher, 15 Raabvögel, darunter 2 Steinadler. Schätzen:
Excell. der Graf, OrafMax, Graf Anersperg, GrafPrankh, Gräfin Traot-
mannsdorf, „Freylle Heinrieta gebohme Freylle gräffinVonPrankh* scbcs
einen Rehbock, das Forstpersonale.
Im Jahre 1747 wurden geschossen: 4 Rehböcke, 6 Rehschaditebi,
2 Rehkitze, 5 FQchse, 45 Hasen, 25 Aenten, 16 Waldschnepfen, 13 Moos-
schnepfen, 52 Rebhühner, 12 Reiher, 20 Raubvögel. Schützen: Graf Max,
Graf Weich ard, Excellenz Graf Sigismund von Trautmannsdorf, ExceU.
der Graf, Graf Prankh, Hauptpfarrer Josef Karl Aichinger and das
Forstpersonale.
Im Jahre 1748 wurden geschossen: 8 Rehböcke, 3 Rehschachteh^
47 Hasen, 2 Wildtauben, 21 Aenten, 16 Waldschnepfen, 9 Moosschnepfen,
52 Rebhühner, 16 Reiher, 11 Raubvögel. Schützen: Excell. der Graf,
Graf Auersperg, Excell. Graf Wurmbrand, der Hauptpfarrer von Walters-
dorf, der Schlosskaplan Petriner Josef Bigotti, das Forstpersonale.
Im Jahre 1749 wurden geschossen: 8 Rehböcke, 3 Rehschachteln,
10 Füchse, 42 Hasen, 26 Aenten, 27 Waldschnepfen, 30 Moosschnepfen,
26 Rebhühner, 3 Reiher, 13 Raubvögel. Schützen: Excell. der Graf,
Graf Karl Trautmannsdorf, Graf Gundaker Herberstein, Rittmeister
Baron Delanes vom Regimente Hohenzollem, die Lieutenants Baron
Ulmb und Rothkirchen vom Regimente Hohenzollem, der Feldscherer,
P. Januari, barfüssiger Augustiner von St. Johannes, der Kapellan von
Petersdorf, der „Kuechlschreiber'' und das Forstpersonale.
Im Jahre 1750 wurden geschossen : 1 Hirsch, 1 Hirschthier, 13 Reh-
böcke, 15 Rehschachteln, 10 Füchse, 60 Hasen, 35 Aenten, 3 Wald-
schnepfen, 30 Moosschnepfen, 2 Rebhühner, 1 Haselhuhn, 5 Reiher.
Schützen: Graf Weichard, Excellenz der Graf, Excellenz Graf Ernst
Sigmund Trautmannsdorf, Excell. General Nadasdi, Rittmeister Oivaiasi
und Lieutenant Baron ülmb • vom Regimente Hohenzollem, der Feld-
scherer Johann Kleber, der Kaplan Johann Koller von Kaltenbrunn nnd
das Forstpersonale.
Diese Aufzeichnungen wurden in den Monaten vom September bis
März geführt.
Eine boshafte Hand schrieb in das Jagdbuch: „Im Jahre 1823:
14 Rehböcke, 9 Schachteln, 7 Kitze, 18 Füchse, 97 Hasen, 120 Wald-
schnepfen, 146 Rebhühner, 130 Aenten, 7 Reiger hätte man schiessm
können, wenn sie wären dagewesen.^
— 247 —
Aus dem Kriegsjahre 1809.
Von Hans Lange^ Bezirks-Correspondenten in Fttrstenfeld.
Im Jahre 1809 wurde bei der ehemaligen Herrschaft Strass, u. z.
Kode Mai ein Yerpflegsamt errichtet, za welchem auch die Herrschaften
Miireck, Brunnsee, Weinburg und Wetzeisdorf Naturalien zur Verpfle-
gung der österreichischen und französischen Truppen liefern mussten.
Vcrpflegscommissär war Alois Edler von Eunsti.
Folgende österreichische Truppen wurden in der Zeit vom Mai
bis Juni von Strass ans verpflegt :9
Infanterie und Jäger: Triester Jäger, 1. Marburger Landwehr-
Bataillon, 2. Banal-Begiment, 2. Banderial-Bataillon, ein croatisches
Banderial-BataiUon, 10. Banal-Grenz-Begiment, Stabs-Infanterie, Otto-
<^aner Grenz-Begiment Nr. 2, dann der Geueral-Quartiermeisterstab und
der Generalstab.
Gavallerie: £rherzog Josef Husaren, Frimont Husaren, Hohenlohe
Dragoner, Banderial- Gavallerie und Savoyen-Dragoncr.^
Ferner: das 2. Artillerie-Regiment, das Bombardier-, Handlanger-
und Fuhrwesen- Gorps, Pioniere und Aerarial-Fleisch-Begie.
Für diese Truppen wurden in Strass geliefert:
5089 Brot-Portionen, ä l»/'* ff,
2818 Fleisch- „ , «4 »
4788 Wein- „ „ V« Mass,
1148 Hafer- „ » 1 Metzen,
3712 Heu- „ » 8 AT,
88 Gentner Stroh,
137 Waldklafter Holz (eine Waldklafter = % Wiener Klafter).
Am 19. Juli 1809 lieferte der Bezirk Strass allein an die öster-
reichischen Truppen: 88 Gtr. 22 ff Mehl, 214 Gtr. 40 ff Heu, 121 Gtr.
80 ff Stroh.
Französische Truppen kamen am 20. Juli nach Strass. Von diesem
Tage bis zum 10. October vrurden nacheinander in Strass verpflegt:
Infanterie: Das 9., 13., 25., 29., 35., 53. und 92. Regiment.
Gavallerie . Ein Ghasseur-Begiment zu Pferd, 6. Husaren-Regiment ;
dann das Detachement des di£ferens, das Detachement des divers Gorps,
das Detachement des Blessös und das Bataillon de marche.
Diese Truppen erhielten:
31485 Portionen Brot, ä ly, ff,
2101 Metzen Hafer,
22 Gentner 63 ff Kleie,
2408 „ 84 „ Heu,
*) Diese Truppen Is^erteii in dieser Zeit auf dem linken Manifer, u. z. bei Landscha,
Oberrogaa und Strass.
- 248 —
1039 Geniner 50 flf Stroh,
104 Klafter weiches Brennholz,
20 Ochsen, 1 Stier, 10 KOhe,
167 Centner 71% ff Fleisch,
40 Startin 5 Eimer 6 Mass Wein, und 10 Startuftss^r.
2lVc Metzen Bohnen, ^
183 „4 Massl Weizen,
252 « 2 „ Korn,
131 Centner 68 flf Weizenmehl, i woraus die Brotpor-
261 « 86i| n Kommehl, | tionen erzeugt wurd<*ii.
Dazu leistete der Strasser Bezirk:
825 Metzen 4 Massl Hafer,
1301 Centner 60 ff Heu,
538 „ Stroh; das Uehrigc leisteten die Bezirke
ürunnsce, Weinburg, Poppendorf, Laubegg und Wetzeisdorf.
In der Zeit Tom 20. October 1809 bis 4. Jänner 1810 marschirtes
durch oder lagerten bei Strass (französische Truppen):
Infanterie:" Das 1., 3., 5., 8., 9., 14., 18., 19., 23., 36., 52., 62..
84., 92 , 102. und 106. Regiment.
Cavallerie : Dragoner de la Reine, das 23., 28., 29., und 30. Dragoner-
Regiment, dann das 6. Husaren-Regiment.
Das 6., 14. und 19. Regiment des chasseurs k chevaL
Artillerie: Das 2. Regiment zu Fuss, das 4. Regiment zu Pfeni.
der Train d' Artillerie, des 1. und 14. Regiment Artillerie lögcre.
Ferner: das Detachement des troupes dltalie, das Detacfaemcüt
des diff^rens Corps, Marodeurs, Officiere der Genie, Fuhrwesen.
Diese Truppen fassten in Strass:
23446 Brot-Portionen, &
16057 Fleisch- „ „
2716 n Rationen „
23554 Wein- „ „
935 „ n n
10913 Hafer- „ „
10917 Heu- „ „
265 Centner 30 ff Stroh,
12V6 II »Greislwerk" und 76 Klafter weiches Holz,
Zwischen dem 14. und 17. December 1809 versammelten sich
zwischen Ehrenhausen und Marburg 12300 Mann Franzosen.
In Strass lag als Garnison eine Escadron der Dragoner der Königin
mit 220 Mann und 220 Pferden.
Alle vorstehenden Daten sind den Rechnungen des Yerpflegs-
commissärs von Kunsti entnommen, die sich gegenwärtig noch in
Strass befinden.
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Metzen,
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AoküodiguDg.
Die früher erschieDenen PublicationeD des historiscben Yereinfs
für Steiermark können von V er einsmit gliedern durch die Ver-
einskanzlei (Joanneum, I. Stock) bedeutend billiger als im BuchhaDdel
bezogen werden; nämlich:
1. Schriften des bist. Vereines fär Innerosterrelehy erst^
(und einziges) Heft, 1848, Preis für Mitglieder 50 kr., Ladenpreis
1 fl. 50 kr.
2. Hittlieilangen des bist. Yerelnes für Steiermark, »eit
1850. Preis für Mitglieder pr. Heft 50 kr., Ladenpreis pr. Heft 1 fi.
50 kr., Ladenpreis des XIX. Heftes 2 fi. 50 kr. (Vergriffen sind
Hefte I, V, XI, XII, XHI, XVII.)
3. Beiträge zur Kunde steierm. OeschiehtsqaeUen, $&^
1864. Preis für Mitglieder pr. Heft 50 kr., Ladenpreis pr. Heftlil.
50 kr., Ladenpreis- des 9. Heftes 2 fl. 50 kr. (Vergriffen ist Heft lO/i
4. A. T. Mnchar's Geschiclite der Steiermark^ 9 Bände (ind
Registerband). Preis für Mitglieder 15 fl., Ladenpreis 24 fl. Einzek-
Bände dieses Werkes kosten : der 2. und 8. Bd. hu Mitglieder & 2 ä ,
im Buchhandel ä 3 fl. 86 kr.; der 4., 5., 6., 7. und 8. Bd. in:
Mitglieder ä 1 fl. 50 kr., im Buchhandel ä 2 fl. 50 kr.; der :^
(Register-) Bd. für Mitglieder 8 fl., im Buchhandel 6 fl. (Der 1. Bd.
kann nur mit der vollständigen Ausgabe bezogen werden.)
5. Steiermärkisclies Landreclit des Mittelalters^ bearbfie'
von Dr. Ferd. Bischof f, Graz 1875. Preis für Mitglieder 2fi
Ladenpreis 3 fl.
6. Urkandenbnch des Herzogthums Steiermark^ bearbeitr
von Josef Zahn, I. Band, Graz 1875. Preis für Mitglieder 5 t!
Ladenpreis 8 fl. — II. Band, Graz 1879. Preis für Mitglieder 4 Ö .
Ladenpreis 7 fl.
7. Ansicht der Stadt Marburg. Nach einem Originale aus i^i
Anfange des vorigen Jahrhunderts fOr die Theilneluner an der 2. Win
derv'ersammlung (Pfingsten 1876) von Herrn K. Haas. Zu bezühtr
durch die Kunsthandlung des Herrn Jamnik (Hauptplatz) oder d^
Vereinskanzlei. Preis 1 fl., für Mitglieder 80 kr.
8. Ansicht der Stadt Judenburg Tom Jahre 1756. Zu u
ziehen ebendaselbst um 30 kr., oder ftlr Mitglieder in der Yemc-
kanzlei um 20 kr.
Ferner erschienen:
9. Festschrift zur Erinnerung an die Feier der vor 700 Jafr r
stattgefundenen Erhebung der Steiermark znm Herzogthum (ll^
Graz 1880. 50 kr.
10. Der historische Yerein für Steiermark^ sein Werden in
Bestand. Eine zeitgemässe Erinnerung, von Dr. F. KroDes l
V. M. 25 kr.
11. Sigisniund's Grafen y. Auersperg Tagebuch zur Gesciic;
der französischen Invasion vom J. 1797. Veröflfentlicht vonJ. Kn-
tochwill, revidirt und mit Erläuterungen versehen von Dr. F. i
V. Krön es, dz. Vorstand des bist. Vereines. Separatahdrnd *
dem XXVllI. Hefte der Mittheiluugen. Graz 1880. 80 kr.
*) Verg^riiTene Hefte werden am den Mitgliederpreis surAckgekaufl. ^
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