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Full text of "Mittheilungen der K.K. Central-Commission zur Erforschung und Erhaltung der Baudenkmale"

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IIH  J.  FAUL  Gtl  IV  AlUbhUM  LIBRARY 


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MITTHEILUXÜEX 


DKi; 


KAISERL  KÖNIGL  CENTRAL-COMMISSION 


zii: 


EKFORSCHING  IND   ERIIALTOf.  DER  RAIOEXKIIALE 


HERAVSGEGEBEN  IMER  DER  LErilNG  DE» 


K.  K.  SECTIONS-CHEFS  UND  PRÄSES  DER  K.  K.  CENTRAL-COMMISSION 

KARL  FllEIHERRN  TON  CZOERNKJ. 

REDACTEUR:    KARL  WEISS. 


II.    BAND. 

JAHRGANG  1857. 


Mir      12     TAFELN     l'  N  D      I  J  7     H  O  L  Z  S  C  II  .N  I  T  T  \;  N. 


WIEN,  18ä7. 

IN  COMMISSION  BEI  DEM  K.   K.  HOFBUCHHÄNDLER  WILHELM  BRAUMÜLLKK. 

AUS  DER  KAISERLICH-KÖNIGLICHEN  HOF-  UND  STAATSDRÜCKEUEI. 


• 


THE  J.  PA 


INHALT. 


i\r.  1.  Jänner. 


Seite 

Die  Rcslaiiiatioii  des  St.  Stephans-Domes  in  Wien.  Von  Dr.  Gustav 

Hei  der 1 

Die    romaiilsibc   Jilrrlie   zu    Lebeny   (Leirlen)    in   Unjrain.     Von 

A.   Essenwein.     (Mit  1  Tafel  u.  7  Ilolzsclmitten.)     ...         7 

Zur  Baiisesrbichlc   der  Kirche  Maria  am  Gestade  in  Wien.    Von 

Joseph  Feil  (Mit  1  Holzschnitte. J 10 

Die   Ilri'ifaKIgkcitsklrcLc   der  Dominicaner    in    Rrakaii.    Von  Dr. 

Schcnki.  (Vlit  4  Holzschnitten.) 17 

Notizen.  (Anregungen  zum  archäologischen  Studium  in  Oster- 
reich. —  Die  Kirche  St.  Sebastian  zu  Venedig.  —  Neu- 
entdeckte Pfahlgriiber  nächst  Csurgö  in  Ungarn.  —  Über 
die  Erbauungszeit  der  ersten  christlichen  Kirche  in  Kiirn- 


fhen.  —  Ergänzung  zu  dem  Aufsätze:  „Die  kirchlichen 
Gebäude  in  Hartberg."  —  Die  Rotunde  und  der  Glocken- 
Ihurm  zu  .Tahring  in  Steiermark.  —  Die  jüngsten  Aus- 
grabungen in  Gross-Pöchlarn.) 21 

Literarische  .4nzeigoii.  (Archäologische  Karte  des  Königreiches 
Böhmen.  Von  Anton  Schmitt.  —  Die  vorzüglichsten 
Rüstungen  und  Waffen  der  k.  k.  Ambraser-Sammlung.  Von 
Andr.  Groll  und  Dr.  Ed.  Freih.  v.  Sacken.  —  Pamätky 
arcbeologicke,  II.  Bd.  3.  Heft.  —  II  Duomo  di  Milano,  1.  und 
1.  Lief.  —  Allgemeine  Bauzeilung.  8.  u.  9.  Heft.  —  Organ 
für  christliche  Kunst,  Nr.  23.  —  Zeitschrift  für  christliche 
Arohäologie,2.u.  3.  Heft.  — Bildwerke  aus  dem  Mittelalter.) —     26 


Xr.  2.  Febrnar. 


Zur  Baiigeschichtc  der  Kirche  Maria  am   Gestade  in  Wien.    Von 

Jose])h  Feil.  (Fortsetzung.) ....       29 

Die  romanische  Kirche  zu  Lebeny  (Leiden)  in  Ungarn.  Von 
A.  Essenwein.  (Mit  1  Tafel  uml  H  Holzschnitten.) 
(Schluss.) - 33 

Die  Triichscsse  von  Emerberg.  Von  Joseph  Bergmann     ...      39 

Die   Stiftskirchen  zu   Grifi'en   und  Oberndorf  in   Kärnthen.    Von 

J.  Freiherrn  v.  Ankershofcn.  (Mit  4  Holzschnitten.)  .    .      41 

Über  einige  Bau-  und  Kunstwerke  in  Oberösterreich.  Von  Joseph 

B  a  u  m  g  a  r  t  n  e  r 43 


Über  die  neuesten  Ausgrabiingeu  zu  Gross-Pöchlarn  (Hit  3  Holz- 
schnitten.)        47 

Paniälty  archaeologicke  a  mistopisne 30 

Literarische  Anzeigen.  (Dr.  G.  Heider,  Prof.  Rudolph  v.  Eilel- 
herger  unil  Arebitekt  J.  Hieser:  Mittelalterliehe  Kunsf- 
denkniale  des  österreichischen  Kaiserslaates,  3.  Heft.  — 
Dr.  Flor.  R  i  e  s  s ,  Pfarrer  L a  i  b  und  Pfarrer  Dr.  .*!  c  h  w  a  r  z : 
Kirchenschninek,  ein  Archiv  für  weibliche  Handarbeit.  — 
Organ  für  cliristliehe  Kunst,  7.  .lahrgang.  Von  Fr. 
Baudri.) 31 


iVr.  3.  März. 


Die  Kleinodien  des  lieil.  römisch-deutschen  Reiches.  Von  F.  Bock     33 

Alte  RunstdenkMiale  in  Botzen  und  seiner  Umgebung.   Von  Alois 

Messmer.    (Mit  2  Holzschnitten  und  I  Tafel.) S7 

Die  Kirche  des  hell.  Michael  zu  Michelsberg  in  Siebenbürgen.  Von 

Ludwig  Reiss  enherger.  (Mit  4  Holzschnitten.)  .    ...       63 

Zur  Baugeschichte  der  Kirche  Maria  am  Gestade  in  Wien.    Von 

Joseph  Feil,  (Schluss.)  (Mit  1  Holzschnitte.) 68 

Pamätky  archaeologicke  a  mistopisne.  (Archäologisch  -  topo- 
graphische Denkwürdigkeiten.)  (Fortsetzung.) 79 


Biotiz.   (Über  den  Zustand  der  Altcrthümer  in  Siscia.  Von  Ivan 

von  Kukulj  evie.) Sl 

literarische  Anzeigen.  (Zeifschr.  f.  christl.  Archäologie  u.Kunst.Von 
F.  V.  Quast  u.  II.  Ol  l  e.  —  Scandinavische  Monumente  d,  Mit- 
telalters mit  iliren  Malereien  u.  anderen  Ausschmückungen. 

—  Organ  für  christliche  Kunst.  —  Kirehenschmuek.  —  Der 
Dom  von  .Mainz.  —  Verein  für  mecklenburgische  Geschichte. 

—  Über  Emailmalerei.  —  Kathedrale  St.  David.)    ....      83 


IVr.  4.  April. 


Die  kaiserlicheil  Anordnungen  für  die  Restauration  berühmter 
Kunstdenkmale  im  lombardisch  -  venetianiscben  König- 
reiche   

Die  Kli'iiiodicn  des  heil,  römisch-deniseben  Reiches.  Von  F.  Bock 
IL 


83 
86 


Über  die  Rüslnngen  und  Waden  der  k.  k.  Ambrascr- Sammlung. 

Von  Dr.  Ed.  Freiherrn  v.  Sacken 94 

Alte  Knnstdcnkinale  in  Botzen  und  seiner  Umgebung.  Von  .\lois 

Messmer.  (Mit  2  Holzschnitten.) 97 


—  IV 


über  die  Bedeulims  iler  im  .l-.ilnc  1106  iirkuiuUIcli  erwähn  teil 
capella  hnplismalis  auf  dein  Berge  Zozzen  in  Kärntlien.  Von 
Gotlliel.  Kreilierrn  V.  Ankcrshofeii 103 

Die  Rlrdii'uniiiii'  mhi  Zsiimhek  in  Ungarn.  Von  K.  Weiss.    (Mit 

1  Tafel  und  7  llob.selinillcn) 103 

Notiz.     (Ein   neu   entdeckter  Heidenkirchhof  zu  Grosspold    in 

Siebenbürgen.) 108 


Seite 

t'i)rres|)(iii{lciizi'ii.  (l'rag.KlagenfurI,  Hennagor  [Kämt. ],Seli\verin.)  1 10 
Lllerarlsriic  Anzcl?fii.  (Die  vorzügliclisten  Uüslungeii  und  Wallen 
der  k.  k.  Anibraser  -  Sammlung.  —  Denkmäler  der  Kunst 
zur  i'bersicht  ihres  Knlwickliingsgaiiges  von  den  ersten 
Versuchen  bis  zu  den  Stand[)unkten  iler  Gegenwart.  Von 
Dr.  W.  I, iibke.  —  Organ  für  christl.  Kunst.  —  Museum  zu 
Darmsladt.  —  Revue  du  Part  chretienne.  —  Bibliographie.)  111 


^r.  5.  Mai. 


Die  Rcstauraliun  iles  romanischen  Kreuzganges  am  bischötliehcn 

Münster  in  Brixcn 113 

Die  Erlülgo  der  Wirksamkeit  der  k.  k.  Central-Commission    ...     114 

Die  roinanlsflicii  KIrrheii  zu  Zäbof  und  St.  Jakob  in 
Böhmen.  Von  Dr.  .loliann  Eiasmus  Wocel.  (.Mit  7  Holz- 
schnitten.)    116 

Alte  Runstdciikinale   in  Botzeii  und  seiner  rmgebung.  Von    Alois 

Messmer 120 

Die  Rloinodien  des  heil,  römisch -deutschen  Keiches.    Von  Franz 

Bock.  (Mit  1  Tafel  und  3  Holzschnitten.) 124 


Pauiätky  archaeologieke  a  mistopisne  (.\rehäologiscli  -  topo- 
graphische Denkwürdigkeilen.)  (Fortsetzung.) 129 

Notiz.  (Die  Altertbümer  des  Gaisthales  in  Steiermark.)  .    .    .    .     133 

CoriTs|M(ndenzeM.  (Wien.   —  St.  Andrae  in  Kärntlien.  —  Pisek  in 

Böhmen.) 137 

Liteiarisilie  Aiizeigeii.  (Kpiphania.  ein  Beitrag  zur  rlirislliclien 
Kunst-Archäologie.  Von  Georg  Zappert.  —  .lahrhueh  der 
k.  k.  Central-Commission,  2.  Band.  —  Didron"s:  Annaics 
archeologiiiues,  6.  Lief.  —  Katakomben  von  Rom.  —  Biblio- 
graphie.)      139 


IVr.  6.  Jiiui. 


über  den  Wertb  von  Gralidenkinalcn  und  ihren  Inschriften,  wie 
auch  über  die  .Anlegung  eines  Corpus  Epitaphiorum  Vindo- 
bonensiuni.  Von  .los.  Be  rgma  im 141 

Die  ungarisrhiMi  Ri'irhsinsisnien.  Von  Franz  Bock 140 

Invenlarluin  der  l'ressburger  Domkirehe   vom  Jahre   1425.    Von 

Dr.  Gustav  Heider I-Jt 

.4.  Ubale  Masriiii  über  die  Chronologie  der  mittelalterlichen  Bau- 

denkiuale  von  Vicenza.   Von  U.  v.  Eit  el  b  e  rger    ....     1Ö3 

Die  roiiianisrheii  Kirchen  zu  Zäbof  und  St.  Jakob  in  Böhmen.   Von 

Dr.  Job.  Erasmus  Wocel.  (Mit  4  Holzschnitten.)   ....     löö 

Die  Rirrhe  zu  Bärncrk  in  Steiermark.  (Mit!  Tafel  und  1  Holz- 
schnitte.)   Von  J.  Scbciger 161 


Paiuätkj'   archaeologieke    a    mistopisne.    (.\rchäologiscli  -  topo- 

gra|ihische  Denkwürdigkeilen.)  (Schluss.) 163 

Notiz.   (Funde  römischer  Alterthümer  in  .Altofen.) 163 

Corres|iiiiidenzen.  (Wien.  —  Brixen  [Tirol].  —  Friesach  [Kärn- 
then].  —  Grosswardein  |  Ungarn].  —  Grossprobstdorf 
[Siebenbürgen] 166 

LUerarisrlie  .\nzclsen,  (l'amätky  archaeologieke.  —  Organ  für 
christliche  Kunst.  —  Venedig.  —  Dr.  W.  Lühke:  Denk- 
mäler der  Kunst. —  G.  G.  Kallenbach:  Dogmatisch- 
liturgisch -symbolische  Auflassung  der  kirchlichen  Bau- 
kunst im  Allgemeinen  und  insbesondere  der  Rundbogen 
Style.) 168 


!\r.  7.  Juli. 


ReslaurationcN.  Der  Kreuzgang  bei  der  Stiftskirche  zu  Milstat  in 
Kärnlhen  und  dicConfraternitä  di  S.Giovanni  Evangelista  in 
Venedig 169 

Die  ungarisrheii  Beirhslnsignlen.  Von  Franz  Bock 171 

Die  alten  llaiidenkmale  des  Iselthales  in  Tirol.  (Mit  1  Tafel  und 

.*)  Holzschnitten.)  Von  G.  Tinkhauser  .     • 174 

Über  den  Werth  von  Grabdriikiiiali-n  und  ihren  Inschriften,  wie 
auch  über  die  .Vnlegung  eines  Cor[iiis  Epitaphiorum  Vindo- 
bnnensi.im.  Von  Joseph  li  e  rgm  an  n.  (Mit  2  llolzschnillen.)   180 

Dielnsfhrifleii  und  Büsten  der  Galleric  im  Dome  von  St.  Vcitzul'rag  185 


Die  St.  Aniiacaptlle  des  Domes  zu  l'ressburg.    Von  .Vrnold  Ipolyi 

Stummer.   (.Mit  2  Holzschnitten.) 186 

Notizen.  (Fundamente  eines  römischen  Palastes.  —  Die  cliema- 
ligeii  Glasmalereien  in  der  Hofkirehe  zu  Innsbruck.)  .    .    . 

Correspoiideiizeii.    (Wien.  —  Prag.  —  Brixcn.  —  Schässburg.)  . 

Literarische  Anzeigen.  (Friedr.  Müller:  Archäologische  Skizzen 
aus  Schässburg.  —  Zeitschrift  für  christliche  Archäologie 
und  Kunst.  —  Fr.  Faber's:  Conversationslexikon  für  bil- 
dende Kunst. —  Revue  de  l'art  chretienne.  — Revue  archeo- 
liigii|ue.  —  Bibliographie.) • 


imt 

193 


194 


Nr.  8.  ViigHst. 


über  einige  neu  enlderkte  Wandgemälde  in  Verona.   Von  R.  von  '  Die  ari-häiiloKlsrlieiiPiibliratlniieii  iing.  Zellselir.  ( .Mit  I  Holzselmitl.)   216 

Eitclberger 197  ( iirri'siioinlcnzeii.  (\\ien.    -    Szl.  Mikliis  [Ungarn].  • —  Cividale.)  220 

Dienn.:arls<-heiiUeirlishi^lt;nlen.VonF.Bock.(Mit8Hi.lzschnitlen.)  201    |  Idlorarlsrlie    Anzeigen.     (Beliebte    uml  Mitlheilungen  des   Altcr- 
Die    Vcrlheldieungsklrchen      in     Siebenbürgen.       Von    Friedrich            |  Ihuinsvercines.  —  Szeksarder  Allerlhümer.  —  Baudenkmalc 

jlüllcr 211    I  Nicdcrsachscns.  —  Die  Kirche  zu  Grosslinden  bei  Gicssen.)  222 


Nr.  9.  September. 


Seite 

Die  Restauration  des  St.  Stephans-Üomcs  in  Wien 22d 

Die  Vcrliii'idisnnftskirchcii  in  Siebenbürgen.  Von  F'ricdr.  Müller. 

(llit  ö  Holzschnitten.) 227 

Die  Kroninsignien  Böhmens.  Von  Fr.  Bock.  (Mit  1  Holzschnitte.)  231 
Der  Elisabcllj-Koiii  zu  Kaschau  in  Unnjarn.  Von  K.  Weiss.  (Mit 

2  Tafeln  nnd  ö  Holzschnitten.) 236 

Die     arcliüologistheii     Pabllcalioncii     ungarischer    Zeitschriften. 

(Scliliiss.) 24S 


Der  Tassllükelch  nebst  Leuchter  zu  Krcmsmüuster.  Von  F.  Bock  247 

Mollz.  (Fund  eines  römischen  Meilensteines  im  Krappfelde  Kärn- 

thens.) 249 

Cürrespondenzen.    (Wien.  —  Aus    dem  Pongan    in  Salzburg.  — 

Prag.  —  Klagenfnrt.) 250 

Literarische  Aiizcise.  (Dr.  G.  Heider,  Professor  Und.  v.  Eitel- 
berger  und  Arcliitekl  J.  Hieser:  Mittelalterliche  Kunst- 
denkmale des  österreichisclien  Kaiserstaates,  4.  u.  ä.  Lief.)  2ö2 


IVr.  10.  October. 


Von  dem  Eindiissc  der  Pdanzen  auf  die  Zerstörung  der  Ruinen. 

Von  J.  Sc  beiger 253 

Der  Ifisf hofstah,   dessen  liturgisch -symbolische  Bedeutung  und 

alhiiüliliclie  Entwickelung  seiner  Gestalt.  (Mit  1  Tafel  und 

i2  Holzschnitten.)  Von  Adolpli  Lcop.  Ritter  v.  Wolfskron  2ö0 
Die    Vcrlhcidiguiigskircheii    in    Siebenbürgen.        Von     Friedrich 

Müller.  (Schluss.)  (Mit  ItJ  Holzschnitten.) 262 

Die  Rruiiiusignieii  Bühuiens.  Von  Franz  Bock.  (Schluss.).    .    .    272 


Der  Elisabeth-lldiM  zu  Kaschau  in  Ungarn.  VonK.Wciss.  (Schluss.) 

(Mit  7  Holzsehnilten.)    .        27.^ 

Corrrepondenzeii.  (Wien.  —  Prag.  —  Grossprobstdorf  [Sieben- 
bürgen].)      278 

Literarische  Anzeigen.  (Mittheilungen  des  historischen  Vereines 
für  Steiermark.  —  Lepkowski  v.:  Krakau  und  Nürn- 
berg.)      28t» 


]Vr.  11.  November. 


Die  rüiiiischeii  Bäder  in  Alt-Ofen.  Von  Dr.  Ed.  Freih.  v.  Sacken. 

(Mit  S  Holzschnitten.) 281 

Der  Taufbniiiiien  im  Museo  Correr  zu  Venedig.   Von  Rudolph  von 

Eitelberger.  (Mit  1  Holzschnitte.) 287 

Die  Wandgemälde    der   Kathedrale    zu  Gurk    in   Kärnthen.    Von 

Gregor  Schellander 289 

Über    die    Grafen     Ton     Altbrcgenz     und    jene     von    Monlfort. 

besonders    die    Linie    zu    Bregenz.    Von    Joseph    Bcrg- 
-  mann      298 


Über  ein  in  der  Burg  zu  Wiener-  Sieustadl   in  der  Georgskirche 

befindliches  Basrelief.  (Mit  1  Tafel.)  Von  Alb.  Camesina  3(H> 

Ein  niillirasdenkmal  in  Krain.  Von  Dr.  E.  H.  Costa 301 

Notizen.  (Margarelhen  am  Moos  in  Niederösterreich.  (Mit  i  Holz- 
schnitte.) —  Alte   Denkmale    in    Tüfter.    — •    Einige     alte 

Eisenarbeiten  in  Krakau.  (Mit  7  Holzschnitten.) 302 

Correspondenz.  (Wien.) 306 

Literarische  Anzeigen.  (W.  Wackernagcl:  Die  gold.  Altartafel 

von  Basel.  —  Revue  de  l'art  ohrctiennc.  Von  .\bbe  C  o  r  b  I  e  t.)  307 


Nr.  12.  December. 


Andeutungen   über  Malerei    und   Blidhanerei  des   Mittelalters  in 

Österreich.   Von  Karl  Haas 309 

Das  Floriani-Thor  in  Krakau.  (Mit   I  Tafel  und  13  Holzschnitten.) 

Von  A.  Essen  wein 313 

Vier  steinerne  Iteuksänlen  zu  Ödenburg  und  Mattersdorf.  Von  Karl 

Weiss.  (Mit  4  Holzschnitten.) 320 

Reisebericht  über  einige  Denkmale  zwischen   Rotzen,   Tirol  und 

St.  Pauls,    dann  des  Thaies   Mareit  und  Riednaun  in  Tirol. 

Von  G.  Tinkliauser 3'i2 


Die  üo|)|ieloa|ielle  und  der  Thurm  auf  der  Ruine  Grünhurg  in  Kürn- 

ihen.  Von  Max.  RiUer  v.  .Moro 327 

Correspondeiizen.  (Wien.  —  Prag.  —  Gratz.  —  Petlan.  —  Klagen- 
furt. —  Rrixen.  —  Grossprobstdorf  in  Siebenbürgen.)  .    .     329 

Literarische  Anzeigen.  Die  goldene  .\ltartafel  zu  Basel.  —  Gym- 
nasialprogranunc.  —  Die  keltischen  und  römischen  Antiken  in 
Sloicrmark.  —  Grgan  für  ehristl.  Kunst.  —  Zeitscbrifl  für 
cliristliclie  Arehiiologie  und  Kunst.) 330 

Berichtigungen 332 


Jeden    Monat  erscheint  I  Hefl  mit 
mindestens  3  Druckbog:en  und  mit 

Altbilduug-en. 
Der  Pränuiiierationspreis  ist  för 
einen  Jahrgang;  oder  zwtilf  Hefte 
nchst  Register  suwohl  für  Wien 
jiUdie  Kronläiider  und  das  Ausland 
4  (1.  r.  M..  hei  portofreier 
Z.nsenduiig  in  die  Krouländer  der 
osterr.  .M,.iiarohi.-4fi.  20kr.  CM. 


MITTHEILUNGEN 


DER  K.  K.  CENTRAL- COMMISSION 


Präoamerationen  ü  beruf  h- 
meo  halb-  oder  ^aozjähri^' 
allek.k.  Postamler  derMunarohie. 
welche  auch  die  purtofreir 
Zusendung  der  f  ioiplnru  |{pft*- 
besorgen.  —  Im  Wrge  des  Buch- 
handels sind  alle  Präuumerationeu 
und  zwar  nur  zu  dem  Preiae  too 
4  fl.  an  den  k.  k.  Hofbucbhäodler 
W.  Braumäller  inAVien  lu  richten. 


--^^^cf^cß^^QQ^^v 


lliM-aiisiM'üebpn  iiiiler  iler  Leiluii;!  des  L  k.  Sedioiis-Cliefs  uiid  Präses  der  k.  k.  Ceiilral-Coiuiiiissioii  Karl  Freilierrn  v.  rzoerniu-. 


Redacteur:    Karl  Weiss. 


m  1. 


II.  Jahrgang. 


Jänner  18o7. 


Inhalt:  Die  Restaunilion  dos  St.  Steph:ins-Domes  in  Wien.  —  Die  romanische  Kirche  zu  Lcbeny  (Leiden)  in  rng;ini.  -     Zur  Bau- 
geschichte der  Kirche  Maria  am  Gestade  in  Wien.  —  Die  Dominieunerlcirclic  zu  Kraliau.  —  Notizen.  —  Literarische  Anzeii^en 


Die  Restauration  des  St.  StephansDomes  Iq  Wien. 


Von  Ur.  Gustav  Heider. 


Es  ist  eine  traurige  Thatsaehe,  welche  nicht  ver- 
schwiegen werden  darf,  inid  alle  edleren  Geister  im  hohen 
Grade  beschäftigt,  dass  eine  Reihe  der  herrlichsten  Dome, 
welche  unsere  Vorfahren  erbaut  haben,  unter  dem  Einflüsse 
der  Jahrhunderte  in  einen  Zustand  gelangt  sind,  welcher 
für  ihren  weiteren  Bestand  ernste  Besorgnisse  erregen  muss. 
Zwischen  die  Zeit  ihrer  Erbauung  und  der  Gegenwart  hat 
sich  eine  Zeitperiode  eingeschoben,  welche  in  ilirem  Ablenken 
von  den  Traditionen  des  Mittelalters  und  in  ihrer  Rückkehr 
zu  den  Bildungen  der  Antike  mit  Gleichgiltigkeit,  oft  auch 
geradezu  mit  Geringschätzung  auf  diese  Überreste  herab- 
blickte, und  wo  sie  nicht,  wie  diess  in  vielen  Fällen  eintrat,  die 
Hand  zu  Verunstaltungen  und  l'mbauten  bot,  doch  sieh  um  eine 
Sicherung  des  Bestandes  dieser  Bauten  wenig  kümmerte. 
Auf  diese  Weise  ist  durch  einen  langen  Zeitraum  nichts 
geschehen,  um  die  nothwendigen  Spuren  des  allmählich  ein- 
tretenden Verfalls  zu  tilgen.  Erst  den  letzten  Decennien 
unseres  Jahrhunderts,  in  welchem  sich  ein  tieferes  Verständ- 
niss  dieser  monumentalen  Bauten  wieder  crschloss ,  war  es 
vorbehalten ,  mit  ernster  Willenskraft  an  das  Versäumte  zu 
gehen,  und  dafür  Sorge  zu  tragen,  dass  diese  uns  über- 
kommene Erbschaft  auch  unseren  Enkeln  noch  zum  Genüsse 
und  zur  Erhobung  aufbewahrt  bleibe.  Diesem  Zuge  der  Geister 
verdanken  wir  die  Wiederherstellung  so  mancher  Denkmale, 
welche  bereits  ihrem  Ruine  entgegeneilten ;  die  Dome  von 
Köln,  Bamberg,  Regensburg,  Speier,  Aachen,  Basel.  Ulm, 
Worms,  Xanten,  die  Elisabethkirche  zu  Marburg,  die  Frauen- 
kirche zu  Esslingen,  Katharinenkirehe  zu  Opjienheim  u.  a.  m. 
sind  sprechende  Zeugen  dieses  geweckten  Kunstsinnes.  In  der 
grossartigsten  Weise  hat  Frankreich  diese  Aufgabe  aufgefasst. 
Es  hat  den  Werth  seines  Besitzthumes  an  Kunstdenkmalen  in 

II. 


seinem  vollen  Umfange  erkannt,  und  beeilt  sich,  fasst  möchte 
man  sagen,  mit  fieberhafter  Hast,  sie  dem  Einflüsse  der  Zeit 
durch  die  umfassendsten  Wiederherstellungen  zu  entziehen, 
und  sie  auf  diese  Weise  der  Nation  zu  erhalten.  Die  diesem 
Zwecke  jährlich  gewidmeten  Geldmittel  übersteigen  den 
Betrag  mehrerer  Millionen,  und  mit  der  Leitung  der  Ar- 
beiten werden  die  besten  Kräfte  betraut.  Wir  erwähnen 
unter  letzteren  nur  den  genialen  Architekten  Viollet-le-Duc. 
der  unter  seinen  Fachgenossen  unzweifelhaft  den  ersten 
Rang  einnimmt,  und  einen  Umfang  des  Wissens  und  Könnens 
besitzt,  wie  es  bisher  in  der  Kraft  Eines  Menschen  vereinigt 
sich  kaum  vorgefunden  hat. 

Wenden  wir  unsere  Blicke  von  dieser  erfreulichen 
Regsamkeit  auf  unseren  Dom,  so  können  wir  es  einerseits 
zwar  mit  Befriedigung  aussprechen,  dass  der  Erhaltung 
dieses  Denkmales  seit  Jahren  die  Aufmerksamkeit  zuge- 
wendet war,  andererseits  aber  dürfen  wir  es  auch  nicht  ver- 
schweigen, dass  sich  erst  in  der  letzteren  Zeit  die  Begriffe 
über  die  eiffentliche  Aufgabe  einer  Restauration  vollkonuiifii 
abgeklärt  haben,  wie  auch  erst  jüngst  der  Wunsch  nach 
einer  systematischen,  den  ganzen  Bau  umfassenden  Wieder- 
herstellung sich  allgemein  festgestellt  hat.  Es  ist  diess 
gerade  nicht  zu  bedauern,  ja,  gestehen  wir  es  offen ,  es 
wäre  im  Gegentheile  zu  bedauern  gewesen,  Avenn  diese 
umfangreiche  Restauration  in  früherer  Zeit  (wir  meinen 
damit  eben  kein  Lustruni)  zur  Durchführung  gckduimen 
wäre,  denn  das  eigentliche  N'erständniss  des  niittelalterliclien 
Styles  und  damit  die  Fähigkeit,  die  Bildungen  desselben  in 
würdiger  Weise  und  den  gegebenen  Mustern  entsprechend 
zu  reproducircn,  ist  erst  ein  Ergebniss  der  jüngsten  Ver- 
gangenheit, und  gewiss  würden  umfangreichere,  auf  diesen 


15:111  in  früherer  Zeit  vorwi'iulete  Mittel  die  Nothwendiskeit 
einer  stylgemüsseii  Wiederherstellung  in  unserer  Gcjicnwiirt 
nieht  nur  nieht  beseitigt,  sondern  vielleicht  noch  dringen- 
der gemilcht  haben,  als  der  eigentliche  IJaustand  unseres 
Domes,  wie  er  sich  zu  unserer  Zeit  herausstellt. 

FJevor  wir  jedoch  letzteren  in  genauere  Betrachtung 
ziehen,  wollen  wir  mit  einigen  Worten  dasjenige  eiwahnen, 
was  im  Laufeder  letzten  .lahrc  an  Hestaurations-Ar- 
beiten  vorgenommen  wurde.  Wir  sehen  hiehei  von  jenen 
jährlich  wiederkehrenden  Erhaltungs-Arhciten  ab.  welche  im 
(lan/en  genounnen  mehr  dabin  abzielten,  losgetrennte  IJestand- 
theile  zu  befestigen  oder  gänzlich  zu  entfernen,  welche  sich 
jedoch  mit  eigentlichen  Ergänzungen,  oder  überliaupt  mit 
einer  tiefer  eingreifenden  Restauration  zu  beschäftigen 
weder  die  .Aufgabe  noch  auch  die  Mittel  hatten. 

Den  ersten  .\nlauf  zu  einer  grösseren  Restaurations- 
.Arbeit  bot  der  gefahrdrobcnile  Zustand  des  obersten 
Theilesdes  Hoch  thurnies  ,  welcher  trotz  mehrfachen 
.Ausbesserungen  für  sein  längeres  Bestehen  fürchten  Hess. 
Es  wurde  demnach  der  Beschluss  gefasst.  diesen  Theil  abzu- 
tragen und  neu  aufzubauen,  was  in  den  Jahren  183!) — 1842 
auch  glücklich  vollendet  wurde.  Es  ist  bekannt,  dass  man  bei 
dem  Wiederaufbaue,  um  dessen  Last  zu  vermindern,  auf  den 
(icdanken  verliel,  ein  eisernes  Gei-ippe  von  03  Fuss  Höbe  zu 
errichten  und  dieses  von  Aussen  mit  Steinwerk  zu  bekleiden, 
eineConstructionsweise,  welche  gleich  in  ihrem  Beginne  die 
Stinnnen  erfahrener  Bauverständiger  gegen  sich  hatte  und 
dem  Vernehmen  nach  auch  durch  die  seither  gewonnenen 
jiraktiscben  Erfabr\ingen  sich  nicht  sehr  em[ifcblens\verlh 
darstellen  soll.  Gewiss  ist  es,  dass  in  einem  zweiten  Falle 
ein  ähnliches  System  kaum  mehr  zur  Anwendung  kommen 
dürfte,  eben  so  wenig  als  es  für  die  Folge  in  der  Absicht 
eines  Architekten  liegen  wird,  irgend  einen  Monumentalbau 
aus  Gusseisen  herzustellen  und  ihm  sodann  durch  Anstrich  das 
erborgte  Aussehen  eines  Steinbaues  zugehen.  Die  Anschau- 
ungsweise, aus  welcher  derlei  Schöiifungen  hervorgingen. 
dürfen  wir  als  eine  überwundene  bezeichnen,  obwohl  sie  noch 
in  der  Erinnerung  der  Zeitgenossen  dämmert. 

Eine  zweite  Restaurations-.Arbeit  war  die  stylgemässe 
Herstellung  der  sogenaimten  T  i  r  n  a'schen  ('  a  p  c  1 1  e ,  welche 
von  dem  Architekten  Herrn  Ernst  auf  Veraidassung  des 
Fürsten  Liechtenstein  vorgenommen  wurde. 

rmfangreicher  und  unbestreitbar  von  grossem  Ein- 
flüsse auf  die  gesteigerte  Theilnahme  an  unseren  Dom  war 
der  Aufbau  der  fehlenden  Ziergiebel  an  der  Nord-  und 
Südseite,  welche  auf  .Anregung  der  Commune  Wiens  und 
zum  grossen  Theile  auf  Kosten  derselben  von  dem  Archi- 
tekten Ernst  in  den  beiden  letztverflossencn  Jahren  und 
zwar  in  einer  Weise  ausgeführt  w  urde ,  welche  in  jeder 
Beziehung  als  eine  höchst  gelungene  bezeichnet  werden 
mnss. 

Dieser  Giebclhau  war  jedoch  auch  nach  anderer  Seite 
bin  l'rnebtbar.  indem  er  die  Veranlassung  but,  mehreren  bei 


dem  Bau  derselben  bemerkbar  gewordenen  Schällen  Abhilfe 
zu  leisten.  So  wurden  im  Jahre  1 854  der  in  der  Nähe  des  Ein- 
ganges zur  grossen  Sacristei  belindliche  K ir e henpfei  1er, 
welcher  sich  als  so  sciiadhaft  erwies,  dass  der  Aufhau  eines 
Giebels  an  dieser  Stelle  Bedenken  erregen  musste.und  meh- 
rere andere  anstossendeBantbeile  einer  ausgedehnten  Restau- 
ration unterzogen.  Weiteriiin  boten  die  zum  .Aushaue  der 
Giebel  aufgeführten  (Jerüste  V^eranlassung,  den  Bauzustand 
sowohl  der  südl  ich  en  als  der  nördlichen  Lang  sei  te 
des  Kirchenschiires  genau  zu  untersuchen,  wobei  sich  als 
Resultat  herausstellte,  dass  eine  Restauration  derselben  nicht 
bloss  wünschenswerth,  sondern  geradezu  unerlässlich  sei. 
Scbailhafte  W^erkstücke  miissten  ausgewechselt,  ein  grosser 
Theil  der  Verzierungen  ausgebessert  oder  ganz  neu  ange- 
fertigt werden,  insbesonders  war  diess  bei  dem  Strebepfeiler 
der  Südseite  nothwendig.  Noch  umfangreicher  waren  die 
Gebrechen  der  Nordseite;  hier  zeigte  sich  der  Zustand 
des  dem  Thurme  zuiiäcbsl  betindlicben  Fensterbogens  mit 
seinem  Masswerke,  ferner  einige  Gewölberippen  im  Innern 
der  Kirche  im  hohen  Grade  sclnulhaft,  und  auch  der  im 
Laufe  der  Zeiten  entslandenen  Trennung  der  Haupt-  von  der 
Tburmmauer  musste  Abhilfe  geleistet  werden. 

.\lle  diese  Restaurationen,  mit  alleiniger  .Ausnahme  der 
an  diesen  Langseiten  befindlichen  Porlalbauteii.  sind  im  Laufe 
dieses  Jahres  nahezu  vollendet  worden,  und  es  steht  zu 
erwarten,  dass  die  Herstellung  der  Letzteren,  welche  bereits 
begonnen  hat,  nicht  lange  auf  sich  wird  warten  lassen. 

.Ausserdem  wurde,  um  dem  in  der  Barb  araeapelle 
aufgestellten  neuen  Votivaltar  eine  passende  L'mgebung  zu 
bereiten,  die  stylgemässe  Restaurirung  derselben,  nämlich 
die  Reinigung  der  Wände,  die  .Ausbesserung  sämmtlicher 
Slcinmetzarbeilen,  die  Erölfnung  eines  bisher  vermauerten 
Fensters  durchgeführt,  es  wurden  ferner  um  eine  völlige 
Styleinheit  dieser  Capelle  zu  erzielen,  die  vier  Fenster  der- 
selben mit  ornanientalcm  Glassclnnucke  verziert,  über  die 
an  der  rechten  Seite  befindlichen  Statue  der  heil.  Maria  ein 
gothischer  Baldachin  angebracht  und  überdiess  ein  neuer 
Opferstock,  eine  Lampe  und  einige  Leuchter,  gleichfalls  im 
gothischen  Style,  beigeschall't. 

Mii  den  bisiier  aufgeführten  Restaurationsarbeiten,  deren 
Werth  wir  gewiss  nicht  gering  anschlagen ,  ist  aber  nur  in 
beschränktem  blasse  den  .Anforileriingen  Geniige  gethan, 
welche  man  initRücksicht  auf  deiiBauzustaiui  und  inihiteresse 
der  Erhaltung  dieses  Denkmales ,  dem  die  Kunstgeschichte 
einen  bevorzugten  Platz  unter  den  hervorragendsten  Lei- 
stungen der  Golhik  angewiesen  hat,  zu  stellen  berechtigt 
wäre.  Es  sind,  mit  Ausnahme  der.  wenn  auch  nicht  vollstän- 
dig, doch  zum  grössten  Theile  durchgeführten  Restauration 
der  beiden  Langseiten  des  Kirchi'iiscbilles ,  nur  vereinzelte 
Anläufe,  die  sich  nicht  als  Glieder  einem  grossen  wohl- 
diirchdachlen  Plane  anreihen,  und  ein  sfufenweises  Vor- 
schreiten erkennen  lassen,  sondern  zum  grossen  Theile  ihre 
Durchführung  besonderen  .Anlässen  verdanken. 


—    3   — 


Wenden  wir  unsere  Blicke  von  diesen  Leistungen  auf 
das  hin,  was  noch  zu  tluin  übrig  ist,  so  wird  sicii  dieNothwen- 
digkeit  einer  durchgreifenden  .  alle  Bautheile  umfassenden 
Kestauration  wohlbegriindet  herausstellen. 

Die  Schäden  an  dem  Haue  sind  vorzugsweise 
zweifacher  Art :  entweder  sie  stellen  sich  als  eine  Verstümm- 
lung der  deeorativen  Theile  dar,  oder  es  sind  Gebrechen 
von  weit  grosserer  Bedeutung  in  dem  constructiven  Auf- 
baue. 

Fassen  wir  vorerst  die  Westseite,  den  bauältesten 
Theil  der  Kirche,  ins  Auge,  so  stellen  sich  die  Gebrechen 
derselben,  wiewohl  bedeutend  genug,  doch  mit  Rücksicht 
auf  das  hohe  Alter  dieses  Theiles  noch  als  minder  wesentlich 
heraus.  Die  im  Jahre  184(5  vorgenommene  Reinigung  des 
sogenannten  Riesenportals  hatte  nur  den  Zweck,  die  dichte 
und  in  vielen  Schichten  über  einander  liegende  Kruste  von 
Schmutz  und  Tünche  abzu])liitleru,  wodurch  die  feinen 
Gliederungen,  die  scharfe  freieTechnik  des  Siiulenschmuckes 
an  Schaft  und  Knauf,  die  derbe  Kraft  und  naive  Auffassung 
der  den  Fries  schmückenden  Gestalten  zum  ersten  Male 
seit  Jahrhunderten  wieder  zum  Vorscheine  kamen.  Allein 
diese  Restaurationsarlieit  beschränkte  sich  strenge  auf  das 
Innere  der  Portalhalle,  —  die  am  äusseren  Vorbau  ange- 
brachten Figuren,  theils  menschliche,  theilsThier-Gestalten, 
sind  im  hohen  Grade  schadhaft  und  verstümmelt.  Die 
zwischen  den  beiden  Heidenthürmen  angebrachte  Gallerie 
ist  nicht  minder  schadhaft.  Die  einzelnen  Glieder  derselben 
so  wie  die  Füllungen  des  Masswerkes  sind  zusammenhanglos 
geworden  und  dermalen  stellenweise  durch  Stricke  an  einandei' 
gehalten.  Der  Beschädigungen  an  den  Baldachinen  und  der 
unter  denselben  stehenden  Figuren  thun  wir  im  Einzelnen 
keine  Erwähnung;  die  Aufzählung  aller  Beschädigungen  an 
diesen,  wie  auch  der  fehlenden  deeorativen  Ausläufe  und 
anderer  Details  in  dem  Umfange  des  ganzen  Kirchen- 
baues wäre  ebenso  ermüdend,  als  diese  Mängel  ohnehin 
jedem  aufmerksamen  Beschauer  den  Genussder  Betrachtung 
unseres  Bauwerkes  fortwährend  verkümmern  und  ilesshalb 
seinem  Gedächtnisse  sich  einprägen. 

Die  Schäden  der  beiden  Thürme  entziehen  sich 
theilweise  dem  Auge,  sind  jedoch  bedeutend  genug,  um 
erwähnt  zu  werden.  An  beiden  sind  stellenweise  die 
Steine  sehr  verwittert,  die  aufsteigenden  Knorren  der 
Bedachung  sind  zertrümmert,  die  in  den  Ecken  des  südlichen 
Thurmes  unterhalb  der  Giebelbekrönung  angebrachten  vier 
Wasserspeier,  welche  merkwürdigerweise  die  Symbole 
der  Evangelisten  darstellen,  sind  sehr  schadhaft  und  kaum 
mehr  erkennbar.  Nicht  minder  haben  die  Details  der  beiden 
Tburmgallerien  gelitten.  Auch  die  Bedachung  beider  Thürme 
bedarf  einer  sorgfältigen  Renovirung.  Es  dürfte  eine  weniger 
bekannte  Thatsache  sein,  dass  unterhalb  der  gegenwärtigen 
Steinverkleidung  des  Daches  noch  die  ursprüngliche  Ein- 
dachung  aus  glasirten  Ziegeln  sich  befindet.  Letztere  tritt 
nunmehr   an    mehren  Stellen,   von  welchen  sich  die  Stein- 


verkleidung abgelöst  hat.  an  das  Tageslicht.  Auch  trägt  das 
Innere  des  südlichen  Thurmes  noch  alle  Spuren  eines  einst- 
maligen Brandes,  keine  Stiege  führt  zu  seiner  Spitze  empor. 
diese  ist  nur  mittelst  Leitern  und  nicht  ohne  Beschwerde 
zu  erklimmen. 

Die  beiden  äusseren  Travees  an  der  nördlichen  und 
südlichen  Larigseite  des  Kirchenschilfes,  welche  im  Inneren 
der  gegenwärtigen  Anlage  des  Musikchores  und  der  beiden 
Seitencapellen  entsprechen,  und  unstreitig  zu  den  schönsten 
und  durchgebildetesten  Theilen  des  ganzen  Kirchenbaues 
gezählt  werden  müssen,  sind,  mit  Ausnahme  jener  Schäden, 
welche  wir  bereits  als  an  dem  ganzen  Kirchenbau  in  reichster 
Fülle  vortretend  bezeichnet  haben,  verhältnissmässig  gut 
erhalten.  Nur  die  Pfeilerausläufe  der  Südseite  der  Gallerie. 
und  letztere  selbst,  eine  Bestaurationsarbeit  der  jüngeren 
Vergangenheit,  tragen  alle  Spuren  des  Unverständnisses 
gothischer  Bildungen  an  sich ,  und  eine  gewissenhafte  styl- 
gemässe  Restauration  wird  sich  der  Aufgabe  nicht  entziehen 
können,  diese  Theile  zu  beseitigen  und  durch  besser  gear- 
beitete sodann  zu  ersetzen. 

Der  durchgeführten  Restauration  der  an  diese  Travees 
sich  anschliessenden  Langseiten  des  K  irchenschiffes 
haben  wir  bereits  Erwähnung  gemacht,  und  schreiten  zu 
dem  n  e  u  g  e  b  a  u  t  e  n  T  h  u  r  m  e  vor.  Der  ungehem-e  Reicli- 
thum  von  Strebepfeilern,  Fialen,  Baldachinen  und  ornamen- 
talem Schmuck,  welcher  über  diesen  Bautheil  sich  verbreitet, 
lässt  wohl  vermuthen,  dass  ein  Theil  desselben  dem  Schick- 
sale alles  Endlichen  erliegen  musste.  Und  diese  Vermuthung 
wird  durch  einen  auch  nur  llüclitigen  t'berblick  dieses 
TluuMnes  bis  hinauf  zur  Höhe  des  Thurmhauses  bestätigt. 
Sehr  Vieles  an  diesem  Theile  bedarf  einer  gründlichen 
Restauration,  vorzugsweise  aber  die  äusseren  Strebepfeiler, 
welche  im  Laufe  der  Jahre  selir  verkümmert  und  ihres 
Schmuckes  theilweise  beraubt  sind.  Doch  ist  der  Zustand 
dieses  Hochthurmes  noch  ein  erfreulicher  im  Vergleiche  mit 
jenem  des  nördlichen  II  a  I  h  t h  u  rni  e  s  zu  nennen.  Letzterer 
gleicht  in  seinem  oberen  Aufbaue  einer  Ruine.  Die  äussere 
Steinlage  in  der  Höhe  mehrerer  Klafter  ist  verwittert  mni 
zerstört,  und  einzelne  ausgefallene  Steine  sind  durch  llolz- 
stützen  ersetzt,  welche  den  Zweck  haben  sollen,  das  Absinken 
der  oberen  Steinschichten  zu  verhindern.  Eine  Restauration 
dieses  Thurnies  wird  ohne  Zweifel  die  Nothwendigkeit 
bedingen,  den  schadhaft  gewordenen  Theil  abzutragen  und 
neu  aufzubauen.  Dass  bei  einem  derartigen  baulichen  Zustande 
der  Hauptmassen  auch  alles  decctrative  Detail  mehr  oder 
minder  gelitten  haben  muss.  ist  selbstverständlich,  und  wir 
nehmen  keinen  Anstand,  diesen  llalbtliurni  als  jenen  Theil 
aufzuführen,  welcher,  obgleich  der  jimgste  gothische  Bau 
der  ganzen  Kirche,  doch  am  meisten  unter  dem  Einflüsse  dei- 
Zeit  gelitten  hat. 

Das  Äussere  des  Chores  bot  in  seiner  Einfachheit 
und  Schmucklosigkeit  wenigen  Anlass  für  Zerstörungen. 
Doch  sind  auch  an  diesem  das  Masswerk,  die  Pfeilerausgänge. 


1' 


wie  auch  siininitliclie  Wiisserspcier  .scliadliiift ,  und  hedürfeii 
einer  llerstflliing. 

Das  ItiiHM-c  der  Kirche  hat  diii'cli  tUm  blossen  Ver- 
lauf der  Zeit  hegreitlicher  \A'eise  an  seinen  decorativen 
Theilen  weniger  Scliaden  geiumMuen.  Doch  tandien  in 
demselben  tbeilweise  Gebrechen  auf,  \\eiclie  bei  weitem 
« iciUiger  sind  ,  weil  sie  sich  in  den  constructiven  Tlieiien 
hefmden.  Eine  niihere  Untersuchung  stellt  nämlich  lieraus, 
dass  einige  Hippen  der  Gewölbe  tlieils  ges|U'ungen  sind, 
fheils  sich  gesenkt  haben.  Solchen  Schäden  im  linken  Seiten- 
sciiifTe  soll,  wie  uns  von  glaubwürdiger  Seite  berichtet  wurde, 
dadurch  begegnet  worden  sein,  dass  die  Gewöllieri])|)en, 
welche  sich  senkten,  mittelst  eiserner  Schienen  an  den 
Dachstuhl  befestigt  wurden.  Auch  die  Aidaufrippen  von  den 
Capitälen  der  Pfeiler  aufwärts  siiul  liäulig  sdiadhaft  und 
geborsten;  im  Jahre  1854  liiste  sieh  ein  derartiges  sciu' 
bedeutendes  Stück  von  dem  Pfeiler  des  rechten  Kirchen- 
schiffes (in  der  Nähe  des  F'riedrich-Denkniales)  los  inid 
bedrohte  durch  seinen  Sturz  die  unterhalb  Weilenden. 
Endlich  zeigen  sich  auch  au  dem  rechten  Pfeiler  des  Miltel- 
sebiffes  an  der  \  ierung  nicht  unbeträchtliche  Sprünge. 
Es  bedarf  keiner  näheren  Auseinandersetzung,  um  die 
Bedeutung  solcher,  v\ir  mochten  sagen,  das  innerste  Wesen 
unseres  Baues  betrettenden  Schäden  vor  Augen  zu  stellen. 
Sie  rufen  im  höheren  Grade  als  alle  Verstümmelungen  und 
Vernichlimgen  des  decorativen  Theiles  die  Besorgniss  für 
den  ungefährdeten  weiteren  Bestand  unseres  Domes  wach, 
l  nd  diicli  glauben  wir,  ist  das  bisher  Angefülu'te  mir  ein 
'J'lieil  jeMer  (ichreclien.  welche  sich  bei  einer  bauverständigen 
grürulliclien  Untersuchung  des  ganzen  Domes  herausstellen 
werden.  Alle  Hestaurationen,  welche  in  letzterer  Zeit  an 
demselben  vorgenonuuen  wurden ,  sprechen  für  diese  That- 
sacbe.  Jede  derselben  sah  sich  genüthigt,  aus  Rücksichten, 
welche  erst  während  der  \drnahnie  der  Heslauratioii  seihst 
sich  geltend  machten,  iibei-  das  vorgesetzte  Ziel  hinaus  zu 
schreiten. 

Diese  Gebrechen  erfordern  daher  dringende 
Abhilfe,  soll  sieb  nicht  der  Umfang  derselben  von  Tag  zu 
Tag  erweitern.  Vor  wenigen  .laliren  noch  wäre  ein  dahin 
abzielender  Wunsch  auf  uiuibersleigliche  Hindernisse  ge- 
.slossen  und  die  Xotlnvendigkcit  einer  durchgreifenden  He- 
stauration  nicht  ulme  Widerspruch  gehlitdien;  gegenwärtig 
darf  vorausgesetzt  werden,  dass  sich  mit  einem  solchen 
(H'danken  nicht  nur  die  Mehrzahl  der  Gebildeten  befreundet 
habe,  sondern  dass  die  Durchfidirung  desselben  sich  als  der 
lebhafteste  Wunsch  in  den  Gemüthern  aller  Jener  festgestellt 
liabe,  welclie  den  Werth  dieses  ehrwürdigen  Domes  erken- 
nen und  für  die  KrhallMiig  desselben  sich  begeislern. 

Dürfen  wir  daher  annehmen,  dass  die  nicht  unbeträcht- 
lichen Mittel,  welche  eine  solche  Gesaumitrestauration  in 
Anspruch  nimmt,  auf  eine  gleiche  Weise  werde  zu  Wege 
gebracht  werden,  wie  sie  für  die  Restauration  und  den  .\us- 
liau   lies   Kidner  Domes   zuflössen,   und  können  wir  voraus- 


setzen, dass  in  nicht  ferner  Zukunft  sich  vor  unseren  .Augen 
das  erhebende  Schauspiel  einer  rührigen  Bauthätigkeit  an 
allen  Theilen  unseres  Domes  entfalten  werde,  so  scheint  es 
nicht  ungeeignet,  einige  Worte  über  den  Umfang  dieser 
Restauration  uml  über  die  Stufenfolge  derselhen  aus- 
zusprechen. Es  ist  uns  nicht  iiuhekaimt,  dass  im  Jahre  1845, 
kurze  Zeit  nach  Vidlendimg  des  siidliclien  Thurmbaues,  die 
Frage  wegen  der  Wiederherstellung  unseres  Domes  im 
.Äusseren  und  Inneren  lebhaft  verhandelt  und  der  Entschei- 
dung der  Behörden  vorgelegt  wurde.  .\us  dieser  Verhand- 
lung, so  wie  aus  den  hie  und  da  auftauchenden  .Vnsichten 
einiger  Kunstfreunde  ersehen  w  ir,  dass  das  Ziel,  welches  der 
Restauration  vorgesteckt  wird ,  ein  sehr  verschiedenartiges 
sei.  Während  Einige  sich  damit  begnügen,  für  die  Erhaltung 
der  Kirche  in  ihrer  gegenwärtigen  (iesammtaidage  Sorge  zu 
tragen,  meinen  Andere,  es  müsse  gleichzeitig  an  den  Ausbau 
des  zweiten  Thurmes  gesehritten  werden,  es  müsse  die  vor- 
dere Fac^ade  der  Kirche,  welche  eigentlich  der  Überrest 
eines  früheren  Kirclienbaues  und  in  den  gothischen  Bau  nur 
mechanisch  eingeschoben  sei,  beseitigt  und  an  ihre  Stelle 
eine  Fajade  im  gothischen  Style  neu  aufgebaut  werden. 
Wieder  .\ndere ,  deren  Augen  durch  die  stylwidrige  Ein- 
richtung der  Kirche  im  iu)hen  Grade  beleidiget  werden, 
wünschen  in  dringender  Weise  eine  durchgreifende  stylge- 
mässc  Restaurirung  im  Inneren  durch  Entfernung  der  alten 
und  Aufstellung  yeuer  Altäre,  durcli  den  .\ufbau  eines  neuen 
Oratoriums  und  eines  neuen  Musikchores,  durch  Anbringung 
von  genullten  Glasfenstern  im  Chore  und  in  den  SchilTen. 

Vorerst  müssen  wir  einige  dieser  Wünsclu»,  denen  «ir 
uns  in  keiner  Weise  anschliessen  können,  näher  beleuchten 
oder  einfach  zurückweisen;  letzteres  in  Bezug  auf  die  Um- 
gestaltung der  Fa^ade.  Man  sollte  kaum  glauben,  dass 
ein  solcher  Wunsch  ernst  gemeint  sei,  welcher  eben  mir  in 
dem  sehr  moderiuMi  Bestreben  einer  allgemeinen  Nivellirung 
einet)  .Anhaltspunkt,  aber  durchaus  keine  Rechtfertigung 
limlet.  Allei'dings  neigt  sich  diese  Fa(,>ade  mehr  dem  roma- 
nischen als  dem  gothischen  Style  zu,  allein  sie  ist  ein  Kunst~ 
werk  um!  der  Zeitstellung  nach  von  dem  Baue  des  Mittel- 
scliilTes  nicht  weiter  abgetrennt,  als  letzteres  von  den  beiden 
Thurndiauten.  Ein  feineres  Kunstgefühl  wird  den  Zusam- 
menhang des  Fa(,'adenslyles  mit  jenem  des  Mittelschill'es 
ebenso  sehr  herausIliiilcM.als  es  andererseits  die  verscliii'dene 
Stylentw  ickelung,  welche  sich  in  dem  Baue  des  Mittelschill'es 
und  der  Thürme  auss|)richt,  nicht  unbeachtet  lassen  wird. 
Lässt  man  die  Verschiedenheit  zwischen  den  beiden  letzten 
gelten,  so  mag  man  unbekümmert  aui-li  ilrn  l'"ac;iiieiibaM  auf 
seinen  I' iMulam<Milen  beruhen  lassen. 

Einer  grossen  Populai'ität  erfreut  sich  der  Gedanke  des 
.Ausbaues  des  Halbthurmes.  Man  sieht  in  (iediuiken 
bereits  den  zweiten  Thurm  bis  zur  stattlichen  Höhe  des 
.Ausgehauten  sich  erheben,  ein  zweiter  Adler  soll  kräftig 
uiul  kiilin  an  der  Siiitze  desselben  den  Stin-men  trotzen  und 
als    ein  Wahrzeichen    der  Residenz    nucli    allen  Seilen    hin 


erglänzen.  Dieser  Aufschwung  der  Gedanken  lässt  sich  wohl 
durch  die  Kühle  der  Betrachtung  nicht  niederhalten,  dass  die 
zu  einem  solchen  Ausbau  nöthigen  Mittel  gerade  nicht  un- 
beträchtlich seien.     Ihn  beirrt  niciit  die  Betrachtung,  dass 
eine  Zeit,  welche  mitten  in  einer  lange  geübten  Bautechnik 
stand,  und  nicht  zu  reprodiiciren,  sondern  zu  schaffen  hatte  — 
wir  meinen  das  XV.  Jahrhundert  —  uns  eine  Reihe  fertiger 
Kirchen  hinterliess,  jedoch  an  dem  Ausbaue  ihrer  Thürme 
erlahmte.    Wir  erinnern  an  die  Münster  von  Bern ,  Kolmar, 
Frankfurt,  Strassburg,  Wetzlar,  I'rag.  Kuttenberg,  Regens- 
burg und  viele  andere,  deren  Thürme  entweder  kaum  zur 
Hälfte  oder  wenigstens  nicht  zu  jener  Höhe  emporgeführt 
wurden,  die  in  der  Absicht  des  Erbauers  lag.    Wir  lassen 
die  Betrachtung  bei  Seite  liegen,  dass  durch  den  Ausbau 
eines  zweiten  Thurmes  vielleicht  sogar  der  ästhetische  Ein- 
druck des  ganzen  Kirchenbaues  leiden  könnte,  aber  Eines 
müssen  wir  hervorheben,  welches  uns  bei  Entscheidung  die- 
ser Frage  allein  bestimmend  erscheint.    Wollte  man  wirklich 
an  den  Aufbau  dieses  zweiten  Thurmes  schreiten,  so  würde 
sich,  um  für  denselben  eine  feste  Grundlage  zu  gewinnen, 
die  Nothwendigkeit  herausstellen,  einen  grossen  Theil  der 
oberen  Hälfte,  welche,  wie  wir  gesehen  haben,  vorzugsweise 
zerstört  und  verwittert  ist,  abzutragen.    Allein  man  würde 
sich  irren,  wenn  man  sich  der  Meinung  hingeben  wollte,  auf 
dem  so  gewonnenen  Fundamente  dann  einen  Thurm  aufführen 
zu  können,  welcher  sich  ebenbürtig  dem  ausgebauten  an  die 
Seite  stellen  dürfte.    Die  Anlage  und  organische  Fintwicke- 
lung des  Halbthurmes  ist  durchaus  dem  Südthurme  nicht  zu 
vergleichen.     Nur  bis  zum  Beginne  der  Giebel  folgt  er  letz- 
terem annähernd  im  Grund-  und  Aufrisse.   Von  da  an  treten 
bedeutende  Abweichungen  ein,   welche  schon  dem  blossen 
Auge  sehr  wohl  erkennbar  sind,   dem  Verständnisse  eines 
gebildeten  Architekten  aber  sich  unabweislich  aufdrängen. 
Wir  wollen  nur  Einiges  davon  hervorheben.     Während  an 
dem   Südthurme    die    über   dem   Mittelschiffe    angebrachte 
Gallerie  in  gleicher  Höhe  um  denselben  umläuft,  erhöht  sie 
sich,  aus    der  Gesammtlinie   heraustretend,  an  dem  Halb- 
thurnie,  wie  auch  der  hier  angebrachte  Thurmgiebel  aus  der 
Linie  der  Scliiffgiebel  heraustritt  und  um  ein  beträchtliches 
höher  angebracht  ist,  abgesehen  davon,  dass  er  auch  durch- 
aus ein  verdorbenes  Masswerk   zeigt,   wie    überhaupt  das 
ganze  Detail  des  oberen  Theiles  an  diesem  Thürme  schon 
durchweg  die  Spuren  des  Stylverfalles  an  sich  trägt,  wenn 
gleich  die  überaus  sorgfältige,  beinahe  ängstliche  Ausführung 
von  Einzelnhciten  bei  näherer  Besichtigung  anerkannt  wer- 
den muss.  Auch  die  Massen  an  diesem  Tliurme  sind  unschön 
aufgelöst,    die    einzelnen    Glieder    ohne    ProClirmig.    Den 
Organismus  des  Aufbaues,  welcher  an  dem  Südthurme  unsere 
Bewunderung  in  so  hohem  Grade  in  Ans|U'uch  ninunt,  finden 
wir  hier  gestört,  mit  kurzen  Worten,  wir  vernn'ssen  an  diesem 
Halbthurme  die  Stylgediegenheit,  die  wir  in  so  hohem  Grade 
allen  übrigen  Thcilen  unseres  Domes  nachrühmen  müssen. 
Schon  die  Baugeschichte  dieses  Thurmes  gibt  ein  betrüben- 


des Bild  der  absterbenden  Bauthätigkeif  des  XV.  Jahrhun- 
derts.   Während  der  Hoehtliurm  im  Verlaufe  eines  halben 
Jahrhunderts  von  seinen  Grundfesten    bis    zur  Aufsetzung 
der  Bekrönung  vollendet  dastand,  erhob  sich  der  Halbthurm 
während  einer  44jährigen  Bauzeit  nur   /.u  einer  Höhe  von 
25  Klaftern.     Selbst   nach    der  im   Jiihi'e  1400    erfolgten 
feierlichen  Grundsteinlegung  verflossen  Tioch  17  Jahre,  bis 
an  den  eigentlichen  Bau  geschritten  wurde,  der,  wie  erwähnt, 
nur  sehr  langsam  und  stufenweise  vorschritt,  wie  die  ein- 
gehauenen Jahrzahlen  141)0.   1502.  1507,1511  darthun. 
In  letzterem  Jahre  soll  nach  Ogesser's  Zeugniss  der  Bau  für 
immer  eingestellt  worden  .sein.  Zwar  tauchte  unter  Bischof 
Anton  Wolfrath  (16^1—1639)  der  Plan  zur  Vollendung 
dieses  Thurmes  nochmals  auf,  und  es  lag  das  Erbieten  vor, 
denselben   in   Conformität  mit   dem    ausgebauten   Thürme 
innerhalb  des  Zeitraumes  von  vier  Jahren  herzustellen.  Allein 
der  Rückblick  auf  die  Baugeschichte  dieses  Thurmes  scheint 
diesem  kostspieligen  Unternehmen  nicht   günstig  gewesen 
zu  sein  und  so  unterblieb  es.  Wir  haben  keinen  Grund,  diess 
zu  bedauern,  denn  die  Bauthätigkeif  des  XVII.  Jahrhunderts 
bewegte  sich  auf  Bahnen,  welche  von  den  Traditionen  unserer 
Vorfahren   viel  weiter  abstanden,  als  unsere  Gegenwart. 
Das  Verständniss  für  die  Meisterwerke  der  Gothik  war  im 
XVII.  und  XVIIl.  Jahrhunderte  so  tief  gesunken,  dass  die 
Schöpfungen  der  Gothik  gerade  rnn-  Anlass  boten  sich  über 
„den   armen  verstand  selbiger   Zeiten    zu    verwundern".') 
Dass    einer   solchen   Anschauungsweise,    kein    gelungener 
Restaurationsbau  entsprungen  wäre,  bedarf  keiner  näheren 
Erörterung. 

Mit  dieser  Betrachtung  wollen  wir  jedoch  nur  einem  voll- 
ständigen Ausbaue,  keineswegs  aber  einem  stylgemässeren 
Abschlüsse  dieses  Thurmes,  welcher  sich  aus  den  gegebenen 
Elementen  ganz  wohl  entwickeln  Hesse,  und  welcher  an  die 
Stelle  des  1579  erbauten  kleinen  Thurmes  zu  treten  hätte, 
entgegentreten,  wenn  anders  das  reichliche  Mass  der  für  den 
eigentlichen  Restauratiousb;ui  zidliessenden  Jlittel  diess  ohne 
Abbruch  nothwendigerer  Herstellungen  zuliesse. 

Wenden  wir  uns  der  Betrachtung  dieser  letzteren  zu.  so 
ninunt  in  der  Reihe  derselben  die  eigentliche  Restaura- 
tion des  Baues  unbedingt  den  ersten  Platz  ein.  Es  wäre 
kaum  zu  entschuldigen ,  wollte  man  dem  Gedanken 
einer  styigemässen  Ausschniiickuiig  des  liiiicrn  Raum  geben, 
bevor  für  den  Bestand  der  Kirche  hiiueichend  vorgesorgt  ist. 
Wir  lassen  hiefür  einen  Gewährsmann  s]irechen,  dessen  Worte 
in  allen  Kreisen  Beifall  und  Anklang  gefunden  haben  und  die 
vorzugsweise  an  die  Kirchenvorstäiide  gerichtet  sind:  „Nur 
all/.iKift  sieht  man,  wie  für  das  Entbehrlichste  oder  doch 
ganz  Untergeordnete  zunächst  Fürsorge  getroffen,  und  das 
Wichtige  darüber  versäumt  «ird.  Man  versieht  die  Fen- 
ster  mit  farbigem  Glase    ohne   allen   Kunstwerth,  bezahlt 


1)  Sielii-   K  e  i  I  "s  Aufsat/.   über    .lie   Mi'ti  .iiMiritankirclie   St.  Sti.>[ih.in  in  iK'ii 
„üsteiT.  lilliUeni  für  I.itcriilur  ii.  Kuiisl-,  1814.  S.  137  u.  iC7. 


—  6  — 


»emaliingen  mit  Ölfarben  (nlor  Firiiiss,  Vergoldungen.  Sta- 
tiuMi,  Sculpturen,  ganz  übL'rttiissige  GcrUthschaften  oft  mit 
schwereni  Geklo,  wahrend  der  liegen  durch  die  Däeher 
driiif^t,  die  Wasserahleitnngen  den  Dienst  versagen,  die 
Gewülbe  dem  Einsturz  drohen,  üheiliaupt  der  Bau  in  stets 
steigender  Progression  dem  Intergange  entgegeneilt.  \No 
solches  nicht  geradezu  der  Wille  des  betretVendeii  \N  ohl- 
thäters  erfordert,  der,  einer  besseren  Einsicht  unzugänglich, 
gar  nichts  thun  würde,  falls  man  ihm  nicht  die  Freiheit 
Hesse,  etwas  am  unrechten  Orte,  oder  doch  zum  Ibertlusse 
zu  thun,  da  knüpft  sich  eine  schwere  Verantwort- 
lichkeit an  solches  Beginnen,  welches  um  einer 
Caprice,  einer  kleinlichen  Eitelkeit  oder  auch  nur  um  der 
Be(juendichkeit  willen  die  höchsten  Interessen  gefährdet, 
indem  es  sie  unberücksichtigt  liisst.  Überhaupt  müssen  Eifer 
und  Freigiebigkeit  von  der  einen,  mit  Geschmack  und  Ehr- 
furcht von  der  andern  Seite  sich  begegnen  und  einander  die 
Hiinde  reichen,  wenn  eine  Restauration  zum  guten  Ende 
geführt  und  nicht  vielmehr  eine  CalamitUt  für  die  Kirciie, 
um  welche  es  sich  handelt,  daraus  erwachsen  soll"  '). 

Überhaupt  ist  die  innere  stylgenüisse  Herstellung  der 
Kirche  keineswegs  als  ein  blosser  Kestaurationsbau,  sundern 
als  eine  selbstständige  Kunstschöpfung  zu  betrachten,  deren 
Lösung  auch  bedeutend  schwieriger  und  wie  uns  scheint  an 
die  Beobachtung  gar  mancher  Rücksichten  gebunden  ist. 
Die  Restauration  des  Äussern  hat  sich  nach  Mustern  nicht 
weit  umzusehen,  sie  flndet  dieselben  in  jedem  Augenblicke  zur 
Hand,  undderWerlh  der  Leistung  wird  um  so  höher  stehen, 
je  weniger  dem  Auge  die  Restauration  sich  aufdringt.  „Von  rein 
ästhetischem  Gesichtspunkte  aus  betrachtet,  nimmt  ein  Bau- 
werk als  hinsinkende  Ruine,  die  ihren  Charakter  in  keiner 
Weise  verläugnet,  das  Interesse  unvergleichlich  mehr  in 
-Anspruch,  als  wenn  dasselbe  durch  allerhand  \'urrielituugeu 
und  fremdartige  Zutbaten  künstlich  am  Leben  erhalten  wird. 
Da  indessen  solche  Zubauten  meist  zugleich  Bedürfniss- 
hauteu  sind ,  so  thue  man  denn ,  was  das  Bedürfniss  erfor- 
dert, eh  CM  auch  nicht  um  ein  Haarbreit  mehr. 
Eine  jede  Restauration  sei,  mit  einem  Worte,  so  conser- 
vativ,  wie  möglich"-). 

Diese  Grundsätze,  welchen  wir  vollkonuaeu  l)eistimmen. 
reichen  jedoch  für  die  W  i  e  d  e  r  h  e  r  s  t  e  1 1  u  n  g  d  e  s  Inno  r  n 
nicht  aus.  Hier  handelt  es  sich  um  die  Beseitigung  .\lles 
dessen,  was  der  Unverstand  und  Ungcschmack  der  letztver- 
tlossenen  Jahrhunderte  aufgespeichert  hat,  und  um  den 
Ersatz  desselben  durch  stylgemässe  Reproductioneu.  Hier 
eine  Gränze  zu  bestiuuneu  hält  schwer,  der  Beginn  drängt 
zum  Vorwärtsschreiti'u   und  dieses   zu  einem  vollständigen 


')  A.  Rci  c  hc  nsbcrgcr:  „Fingerzeige  auf  ileni  ficliicac  lior  kiicli- 
lichen  Kunst."  I.eipiig  ISSB,  .S.  42.  E.i  i.it  «lasseHic  Werk,  welches  erst 
kürzlich  der  hochwiirilig.ste  Bischof  von  Itriinn  dem  ("teriis  seiner  Uiiicese 
in  einem  —  auch  <on  den  „Mittheilungeii-  (\,  '>.]')  ciUrteii  —  Kriasse 
anempfohlen  hat. 

')  Am  mg.  Orte,  S.  3:1. 


Absehluss;  denn  das  Nebeneinander  des  Verschiedenartigsten 
scheint  uns  mehr  vom  Übel,  als  das  Belassen  des  Gegen- 
wärtigen, welches  w  enigstens  so  ziemlich  Einer  Zeitricbtung 
angehört.  Dieses  inuss  dem  Entschlüsse  einer  Restauration 
des  Innern  klar  vorschweben,  und  ehe  daran  gegangen  wird, 
von  dem  Bestehenden  auch  nur  den  kleinsten  Theil  durch 
Neues  zu  ersetzen,  nmssderPlan  der  ganzen  Restaura- 
tion nicht  bloss  wohl  durchdacht,  sondern  bis  in  das  Ein- 
zelnste festgestellt  und  dein  Bedürfnisse  des  Cultus  in 
Allem  und  Jedem  angepasst  sein.  Ein  Vorwärtsgehen  in 
andeier  Weise  würde  zu  einer  Reihe  von  ünzukömiidichkeiten 
führen,  und  das  Gelingen  der  ganzen  Aufgabe  in  Frage  stellen. 
Bei  der  Lösung  derselben  darf  nicht  der  blosse  Geschmack 
des  Gebildeten  massgebend  sein,  denn  es  handelt  sich  dabei, 
wie  nur  einige  Beispiele  zeigen  sollen,  um  die  Erfüllung 
schwieriger    und    umfangreicher  Kunstfragen. 

Die  Form  gothischer  Altäre,  wie  sie  den  gegen- 
wärtigen Cultusbedürfnissen  zu  entsprechen  haben,  ist 
keineswegs  schon  geläulig,  und  auch  über  das  Material,  in 
welchem  sie  anzufertigen  sind,  herrscht  eine  beachtcnswerthe 
Meinungsverschiedenheit.  Während  sich  die  Mehrzahl  unserer 
heimischen  .Vrchitekteii  für  llulzschnitzerei  entscheidet, 
fordern  rheinische  Kunstfreunde  für  den  Altaraufbau  eine 
kunstreiche  correcte  Steinhauerarbeit.  Sie  meinen,  den 
Holzschnitzereien  gebe  das  Phantastische  meist  ganz  und  gar 
ab,  es  sehe  an  ihnen  Alles  so  abgequält  aus,  Masse  und  Form 
lägen  im  Hader  mit  einander,  ein  Hiuler,  in  welchem  die 
F(U-m  ganz  gewiss  stets  den  Kürzereu  ziehen  müsse.  Mit 
dem  ersten  Altare  aber,  der  in  den  Kirchenräuinen  aufgestellt 
wird,  irmss  diese  Frage  bereits  gelöst  sein,  und  einer  besseren 
Einsicht,  welche  sich  später  durcharbeiten  würde,  bliebe 
nur  übrig  zu  bedauern,  dass  sie  sich  nicht  früher  geltend 
gemacht  habe.  Was  von  dem  Altare  gesagt  wurde,  gilt 
mehr  oder  weniger  von  allen  übrigen  Gegenständen  der 
inneren  Einrichtung  und  erstreckt  sich  selbst  auf  die  Kirchen- 
gewänder, welche  unter  dem  Einflüsse  des  Rococo  und 
modernen  Industrialismus  an  Form  und  StotV  sich  den  alten 
würdigen  Mustern  vorzugsweise  entfremdet  haben  und  einer 
Rückkehr  zu  demselben  dringend  bedürfen,  soll  ;mders  der 
Sinn  für  das  Bedeutungsvolle,  für  die  mystische  Sprache  der 
Kirche  wieder  aufleben.  Und  welchen  andern  würdigeren 
Zweck  hätte  eine  Restauration? 

Ein  nicht  geringerer  Zwiespalt  der  Meinungen  besteht 
bezüglich  der  gemalten  Fenster.  An  der  Wiederbelebung 
dieses  Kunstzweiges  hat  die  Technik  einen  hei  weitem  grös- 
seren Aiitheil  als  das  Versländniss  für  die  Form,  den  eigent- 
lichen Inhalt  derselben ,  welcher  bis  auf  unsere  Tage  noch 
nicht  zum  Durchbruche  gekommen  ist.  Anstalt  an  dem 
Gedanken  festzuhalten,  der  doch  so  nahe  liegt,  dass  die 
Fenster  zum  Verschlusse  dienen,  und  daher  nur  eine  Flächen- 
Malerei  zulassen,  behandelt  man  sie  wie  selbstständige  Kunst- 
werke, man  benutzt  die  Fläche  für  zusammenhängende 
(Jruppirungen  mit  perspectivischen  Hintergründen,  und  lässt 


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sidi  das  Störende  der  Durchsehneidung  und  Zerstörung 
der  so  getroffenen  Anordnung  durch  die  Fensterpfosten  ganz 
wohl  gefallen.  Zu  bedauern  wäre,  wenn  man  sich  bei  An- 
schatfung  gemalter  Fenster  für  unseren  Dom  von  so  verkehrten 
Kunstanschauungen  leiten  liesse.  Erst  in  neuester  Zeit  sind 
von  München  aus  derlei  Glasgemälde  in  die  Welt  hinaus- 
gewandert und  haben  reichlichen  Beifall  und  Bewunderung 
eingeerntet.  Wir  kennen  dermalen  nur  zwei  Anstalten  in 
Europa,  welche  nicht  nur  die  Technik  gehörig  zu  behandeln 
wissen,  sondern  eben  so  sehr  auf  die  alten  Muster  zurück- 
gehen. Es  sind  diess  die  Anstalten  von  H.  Baudri  in  Cöln 
und  von  Didron  in  Paris.  Bei  uns  in  Österreich  ergaben 
sich  bisher  für  die  Thätigkeit  dieses  Kunstzweiges  nur  ver- 
einzelte und  untergeordnete  Anlässe,  wobei  grösstentheils 
dem  modernen  Standpunkte  gehuldigt  wurde.  Doch  lässt 
sich  erwarten,  dass  bei  gegebenen  Impulsen  und  unter 
künstlerischer  Leitung  eben  so  gute  Leistungen  erzielt 
werden  können  als  im  Auslande.    Vor  Allem  wird  es   sich 


darum  handeln,  auf  Grundlage  des  einzig  richtigen  Principe«, 
der  vollständigen  Einordnung  nämlich  der  gemalten  Fenster 
iu  die  Architectur,  solche  Zeichnungen  für  dieselben  zu 
gewinnen ,  welche  aus  einer  V' ertrautheit  mit  den  Meister- 
werken des  XIII.  und  XIV.  Jahrhunderts  hervorgegangen 
sind. 

Mit  diesen  Andeutungen  müssen  wir  uns  vorerst  be- 
gnügen ;  ein  weiteres  Eingehen  in  das  Detail  kann  nicht  die 
Aufgabe  dieser  Zeilen  sein,  welche  nur  den  Zweck  haben  sol- 
len, einerseits  die  Dringlichkeit  einer  vollständigen 
Restauration  des  Baues  unseres  ehrwürdigen  Domes  vor 
Augen  zu  stellen ,  andererseits  aber  das  Verhältniss  zu  be- 
stimmen, in  welchem  diese  Restauration  mit  den  auf  die 
stylgemässe  Wiederherstellung  des  Innern  ge- 
richteten Wünschen  zu  treten  haben  wird.  Möge  der  Beginn 
des  nächsten  Jahres  uns  bereits  Gelegenheit  bieten .  den 
Lesern  Rechenschaft  zu  geben  über  die  begonnene  Bau- 
thatigkeit  an  unserem  Dome! 


Die  romanische  Kirche  zu  Lebeny  (Leiden)  in  Ungarn. 

Gezeichnet  und  besehrieben  vom  Architekten  A.  Essen  wein. 


Die  gesammte  Cultur  des  Mittelalters  stellt  ein  Ganzes 
dar,  das  sieh  um  Einen  Mittelpunkt  dreht  —  um  die  Kirche. 
Alle  Völker,  welche  an  der  christlichen  Culturentwickelung 
Europa's  theilnehnien,  standen  somit  in  einem  innigen  Zu- 
sammenhange mit  der  Kirche,  die  einen  gemeinschaftlichen 
Kreis  um  Alle  zog  und  sie  stets  mit  dem  Mittelpunkte  der- 
selben, mit  Rom,  in  Verbindung  brachte.  So  musste  bei  allen 
Völkern  und  in  allen  Gegenden  die  Entwickelung  nahezu 
gleichen  Schritt  halten,  und  jeder  Fortschritt  an  dem  einen 
Orte  übte  auf  alle  anderen  seinen  Eintluss  aus. 

Einen  sichtbaren  Beweis  dieser  gemeinsamen  Strömung 
gibt  die  Baukunst  des  Mittelalters,  die  nie  in  ihrem  Ent- 
wickelungsgange  bei  einem  Volke  vorausgeeiltwar,  ohne  dass 
die  anderen  davon  berührt  wurden;  so  dass  wir  also  deuEnt- 
wickelungsgang  einen  gemeinschaftlichen  nennen  köimen, 
da  fast  jedes  Volk  irgend  einen  Antheil  am  Fortschritte  gehabt 
hatte.  Das  Mittelalter  hatte  aber  nur  eine  Einigung  der 
Völker  zu  einer  Familie  im  Schoosse  derKirche  angestrebt, 
ohne  auf  völlige  Verwischung  der  jedem  zugehörigen  Eigen- 
thümlichkeiten  hinzuarbeiten,  und  so  zeigt  uns  auch  die 
Baukunst  in  ihren  Denkmalen  nicht  etwa  stets  zur  selben 
Zeit  und  in  allen  Ländern  einen  und  denselben  Typus,  sondern 
es  bilden  sich  einzelne  Kreise,  deren  Bauten  unter  einander 
eine  grösere  Übereinstimmung  zeigen ,  es  tauchen  in  ver- 
schiedenen Gegenden  bestimmte  Merkmale  auf,  die  nicht 
allen  diesen  Kreisen  gemeinsam  sind,  sondern  sie  wesentlich 
von  einander  unterscheiden. 

Wie  sich  nun  einst  alle  Cultur  um  die  Kirche  als  Mittel- 
punkt bewegte,  so  sind  auch  die  Mittelpunkte  der  kleinen 
Kreise  grossentheils  wieder  kirchliche;  die  unterscheidenden 


(.Mit  zwei  Tafeln.) 

Eigenthiimlichkeiten  gliedern  sich  eben  sowohl  nachDiöcesen 
als  nach  Staaten.  Bischofsitze  und  grössere  Klöster  üben  auf 
ihre  Umgebung  stets  einen  Eintluss,  der  aber  immer  auf  die 
Charakteristik  des  Volkes  Rücksicht  nahm,  so  dass  durch  den- 
selben, sowie  durch  örtliche  Eigenthündichkeiten,  durch  die 
Einflüsse  von  Klima  und  Material  entschiedene  Unterschei- 
dungen der  kleineren  Kreise  hervortreten.  Bei  gleichem  Ent- 
wickelungsgange  ist  darum  stets  die  Kunst  der  Deutschen. 
Franzosen,  Engländer,  Italiener  u.  s.  w.  eine  verschiedene. 
Aber  selbst  in  Deutschland  gliedert  sich  die  Kunst  nach  ein- 
zelnen Kreisen,  und  beispielsweise  besitzt  die  rheinische 
Baukunst  Eigenthündichkeiten  gegenüber  der  baierischen, 
sächsischen,  und  jener  die  im  Nordosten  und  Nordwesten 
sich  entwickelt. 

Einen  solchen  abgesonderten  Kreis  bilden  auch  die 
Bauwerke  des  deutschen  Südostens,  die  des  Stammlandes 
Österreich,  dem  sich  zunächst  Ungarn  anschliesst.  Hier  sah 
insbesondere  das  Ende  des  XII.  und  der  Anfang  des  XIII. 
Jahrhunderts  eine  Anzahl  Bauten  entstehen,  welche,  wenn 
auch  in  Bezug  stehend  auf  die  Kunstgehilde  anderer  Länder, 
sich  doch  als  Strahlen  zeigen,  die  von  einem  Mittelpunkte 
ausgingen,  utul  durch  gewisse  Eigcnlhümlichkeiten  eine 
geschlossene  Gruppe  bilden. 

Ein  bemerkenswerther  Theil  deiselben  ist  die  Kirche 
zu  Lebeny  in  Ungarn  (Raabor  Coiiiital). 

Sie  ist  der  Überrest  der  Benedictincr-Abtei  zum  Ihm!. 
Jakob,  welche  im  Jahre  1202  von  den  Brüdern  Cliepan 
und  Poth  vom  Geschlechte  der  Heder väry  gegründet 
wurde.  König  Andras  II.  bestätigte  1204  die  Stiftung  der 
Abtei,   welche   der   Martiusberger  Abtei   (Raaber   Comitat) 


—  8 


iiiiton\(irfi'ii  \v;ir.  welche  [letztere  damnls  ein  Mittelpunkt  beiden  iiiissersteii,  welche  vor  der  Witndflache  stehen,  sind 
gewesen  zu  sein  scheint,  von  welchem  die  Striddeii  der  iichtseilisf  ( nicht  ,ü:iiiiz  regelniiissi^e)  Prismen.  Die  Absiitze. 
Bildung  üher  einen  grossen  Tbeil  Ungarns  ausgingen.  welche  theiis  kantig,  theils  abgerundet  zwischen  den  Siiul- 

Die  Kirclie  besteht  aus  einem  dreischiftlgen  Laughanse      chen  vortreten,  .sind  mit  verschiedener  Ornamentik  bedeckt, 
mit  zwei  westlichen  Thürmen  (vgl.  denGrundriss  auf  Taf.  I).      Die  Blätter  derselben  haben  vollständig  denselben  Charakter 

der  im  Anfangi-  des  .MII.  .lahr- 
:1=  _L  huuderts    sich    in    Frankreich 

wie  in  Deutschland  zeigt:  die 
Zusammenstellung  derselben  ist 
jedoch  eigenthiimlich  .  indem 
an  einigen  Kanten  sich  förm- 
lich Laubguirhinden  bildcTi.  Der 
Ornamentzusanunensteihmg  der 
äussersten  Ecke  liegt  die  Zick- 
zaekform  zu  Grund,  die  inneren 
sind  Rankenversciilingungen , 
deren  Znsanmienstellimg  lebhaft 
an  dii^  spätrümischen  erinnert. 
Zwischen  diesen  stehenden 
Theil  und  den  Rundbogen  tritt 
ein  Kämiiferkranz,  der  ans  den 
weit  ausgeladenen  Knäufen  der 
Säulen  besteht.  (Vgl.  die  Ab- 
bildung dieses  Fortals  auf 
'i'af.  II.) 

Im  Allgemeinen  gleicht 
auch  die  Oriramentik  dieser 
Knäufe  den  gleichzeitigen  an- 
derer Gegenden ;  die  weite 
Ausladung  derselben ,  welche 
die  einzelnen  mit  einander  in 
schafTt  wurde,  da  sich  deutlich  zeigt,  dass  das  Flü.sschen  Verbindung  bringt,  sodass  sich  zwischen  ihnen  die  Kämiifer- 
Baabnitz  früher  unmittelbar  bei  Lebeny  floss.  Der  Stein  hat  theile  der  Ecken  gar  nicht  entwickeln  können .  ist  eine 
den  Uidiilden  der  Witterung  vollkommen  widerstanden,  von  Eigenthinnlichkeit  des  Kreises  dieser  Bauwerke.  (Vgl.  das 
Verwitterungsind  nirgends  Spuren  zu  sehen,  und  eine  präch-  Riesenthor  vonSt.  Ste]dian  inAVien.)  Eine  Eigenthümlichkeit 
tige,  theils  gelbe  theils  rötliliclie  Färbung  sind  die  einzigen  der  Capitäle  dieses  Portals  besteht  auch  darin,  dass  in  der  ■\Iitle 
Spuren,  welche  die  Wetterstürnie  der  vorübergezogenen  ein  förmlicher  Kranz  dieselben  umgibt,  der  auf  einem  sicht- 
.lahrhunderte  hinterlassen  hal)en.  baren  Plättchen  autliegt.  (Vergl.  Fig.  2,  die  Knäufe  der  drei 

Eine  Sage  erzählt,  dass  eine  .lungfrau  aus  der  Familie  Säulchen  an  der  Südseite.  Fig.  4  ist  der  Knauf  der  nörd- 
der  Gründer  .sehr  viel  zum  Baue  beigetragen  habe,  und  dass  liehen  achteckigen  Säule,  Fig.  3  der  der  Südseite;  bei« 
sie  nanieiitlich  jeden  der  Steine  mit  einem  Schafe  bezahlt  in  Fig.  4  war  eine  Thierligur.)  Die  Deckplatten  der  Knäufe 
"'d't'-  der    runden    Säulen  sind    achteckig,  der    sielilbare    Kelch 

Am  Äusseren  der  Kirche  charakterisirt  sich  der  ausge-  ist  nüt  wagrechten  Bingen  umgeben,  die  ISlätter  sind  tlieil- 
liildete  romanische  Styl.  Die  Westseite  (Fig.  1)  hat  zwei  weise  gedreht  und  um  den  Kelch  gewunden.  Am  Fu.sse  und 
I  hiirme,  die  in  ihren  unteren  Theilen  mit  Lesenen  eingefasst  unter  dem  Kämpfer  gehen  die  abgestumi)ften  Absätze  in  kan- 
sind,  welche  sich  nach  oben  verjüngen  und  in  der  Höhe  über  tige  Ecken  über,  der  Übergang  ist  im  Ornament  vernnttelt, 
dem  MittelschilTe  ganz  aufhören.  Zwi.'schen  ihnen  steht  die  unter  dem  Kämpfer  der  äussersten  Absätze  durch  Köpfe.  Die 
westliche  Schlusswand  des  MittelscbifTes  mit  einemdeniDaclie  Füsse  der  Säulehen  haben  das  attische  Pndil.  und  verkröpfen 
entsprechenden  Giebel  abgesiddos^en.  Ein  reich  gegliedertes  sich  um  die  eckigen  Absätze.  Eckblätter  vermitteln  auch  an 
llau[itportal,  das  sich  in  mehreren  reich  verzierten  .Vbsätzen  denSäulclien  einen  l'bergang  in  eine  vierkantige  Platte  unter 
einschrägt,  in  derem  jeden  ein  schlankes  Säulchen  .steht,  den  Säulenfü.ssen.  Ein  horizontal  geliederter  Untersatz  .steht 
nimmt  den  unteren  Theil  dieser  Schlu.sswand  ein.  Die  unter  diesem  Fu.sse  und  bildet  in  seinen  Verkröpfungen  die 
Säulchen  sind  aus  polirtem  Stein,  sämmtlich   rund,  nur  die      l'nti'rlaire  für   die  Füsse   der  Säulehen  unil  der  dazwischen 


die  auf  Pfeilern  stehen,  so  dass 
der  Baum  unter  denselben  den 
inneren  Raum  der  Kirche  ver- 
grössert.  .\n  der  Ostseite  schlies- 
sen  sich  diesem  Langhause  ohne 
(juerschitr  und  ohne  besonders 
bezeichneten  Chorraum  drei  Ab- 
siden  an,  deren  Fussboden  nur 
um  eine  Stufe  id)er  jenem  dei' 
Kirche  erhoben  ist,  da  unter 
dem  östlichen  Theile  keine 
Krypta  angelegt  ist,  somit  die 
Erhidiung  des  Fussbodens  sich 
nicht  von  selbst  ergab.  Der 
Mangel  des  (luerschifl'es  und  die 
Hinzuziehung  der  Thurmhallen 
zum  Innenraume  unterscheiden 
die  Kirche  wesentlich  von  den 
gleichzeitigen  deutschen  Bau- 
ten. 

Die  Kirche  ist  aus  Quadern 
von  sehr  schönem  feinem  Mu- 
schelkalk erbaut,  der  sich  zu- 
nächst in  der  Gegend  des  Neu- 
siedler Sees  findet  und  viel- 
leicht    zu     Wasser    herbeiiie- 


fFi?,  1.) 


9   — 


vortretenden  Ecken.  In  der  Kehle  am  Untersatze  der  süd- 
lichen achteckigen  Säule  ist  eine  krötenartige  Thier- 
gestalt  aiisge- 
hauen.Das  Ge- 
sinis|irofd  des 
Sockels,  wel- 
ches die  ganze 
Kirche  um- 
zieht ,  steigt 
an  den  äusser- 
stcH  Kanten 
des  Portals  in 
die  Höhe  und 
ist  unter  dem 
Kämpfer  auf- 
gelöst. 

Im  Bogen 
steht  über  je- 
dem der  drei 
Säulchen  ein 
Bündel  von  fünf 
Rundstäben  , 
der  immer  die 
gegenüberste  - 
henden  Säul- 
chen verbin- 
det und  dessen 
Dicke  gerade 
jener  der  Säul- 
chen selbst  gleich  konuut,  so  dass  die  Aiisladui 
Knäufe  gar  keinen  Dienst  leistet.  Die  dazwischen  stehenden 
Ecken  sind  im  Bogen  sämmtlich  abgerundet  und  setzen  die 
Ornamentik  der  stehenden  Theile  fort,  die  sich  nur  im 
2.  Absatz  ändert.    Über  die  äussersten  achteckigen    Säuleu 


der 


aufgesetzten  Zwickel  sind  mit  Kundstäben  umfasst .  die  zwar 
keine  Füsse,  aber  Knäufe  haben,  als   deren  Deckiilatte  das 

Abschlussge- 
simse des  Por- 
tals   sich    ver- 
kröpft.   Fig.  5 
gibt  den  Knauf 
des  nöriHichen 
Hund  st  a  bes. 
l'rspriingiicli 
hatte  wohl  das 
Portal  ein  ver- 
ziertes Bogen- 
feld,  vielleicht 
dem  des    Rie- 
senthores    von 
St.  Stephan   in 
Wien    ähnlich, 
das  jedoch  bei 
einer  Verände- 
rungiin  vorigen 
Jahrhunderte 
verscInMinden 
ist,  bei  welcher 
auch  die  inner- 
ste    Ecke    des 
Portals       ver- 
mauert wurde, 
um    eine    klei- 
nere iKithdiirftige  Thüre    einzupa.ssen.    Die  Gliederung  des 
Kämpfers    und  der  mittlere  Kran/,  der   Knäufe  winile  dabei 
über  den  Sturz  verlängert. 

An  den  unteren  Theilcn  der  Thürmo  ( Fig.   1 )  schliesst 
ein  Bogenfries  dieses  Geschoss  ab.    Die  MittelschilVwand  ist 


(FiS-3.)  (KiS-*.)  (FiSf.  5.) 

spannt  sich  ein,  wie  diese  Säulen  selb,st,    aus  der  Flucht  nur  durch  ein  kleines  Hundfenster  durchbrochen.  Im  (üebel 

vortretender  Gliederbündcl.   Über  dem  Bogen  und  Käm|)fer  sind    zwei    durchiirochene    Steinplatten    mul    ein    .>icluualer 

ist  das   Portal    weiter  aufgebaut    und    durch    ein  horizon-  Schlitz.    Die  unteren  Theile  der  Thiirme  haben   auch  nur 

tales  Gesimse  geschlossen.    Die  äussersten  Kanten    dieser  kleine  Schlitze  -.ils  Diu-clilirecliuMg. 

II.  2 


10 


Die  Tliiiinie  treten  oben  etwas  ülicr  die  Flucht  der 
innernLeseiien  gegen  das  iMitlelseliilV;  sie  werden  also  oben 
ein  wenig  i)reiler.  Sie  haben  an  jeder  Seile  ein  durcii  ein 
kleines  Saidchen  getrenntes  Doppelfenstei-,  das  mit  einem 
grösseren  Rundbogen  nmfasst  ist.  Ein  auf  ilas  Capital  auf- 
gelegter ausgeladener  Kampfer  vermittelt  das  Aufliegen  des 
breiten    Bogenanningers    auf    das    dünne    Säulelien,    eine 


(r,g.  0.) 

Anordnung,  die  im  XI.  und  XII.  Jahrhundert  in  der  deulscb- 
romanisehen  Baukunst,  bei  Thürmen  und  Kreu/.gängen  eine 
grosse  Holle  spielt.  Zu  oberst  sind  je  drei  Rundbogenfenster 
zu  einer  Gruppe  zusammengestellt,  und  ebenfalls  dureii 
Säulchen  getheilt,  auf  deren  Knäufen  die  ausladenden  Aufsäzc 
ruhen.   fVgl.  Fig.  6,  gezeichnet   im  Maassstabe  des  Portals 


'/io  «ahrc  Grösse.)  Die  Cajjitäle  der  Säulehen  in  den  beiden 
Stockwerken  zeigen  verschiedene  Modiiicationen  des  W'ürfel- 
capiliils,  so  dass  der  Cliarakler  des  Obertlieiles  der  'riiürme 
entschieden  an  die  fnihere  Zeit  erinnert  und  als  älter  an- 
genommen werden  müsste.  wenn  wicht  der  Unterbau  mit 
der  Kirche  gleichzeitig  wäre,  wie  die  ganze  Arebitectur 
zeigt  (Fig.  6  u.  7).  So  wird  dieser  einfache  Charakter  dem 

Schwinden  der  Geld- 
mittel zuzuschreiben 
sein,  welches  auch  NCr- 
anlassung  wurde,  dass 
der  südliche  Thurm 
inn  obern  Tbeile  zwar 
aussen  eine  Quader- 
verkleidung zeigt  , 
innen  jedocli  aus  Rack- 
steingciiiaucrlisl,  \\-,A\- 
rend  das  obere  Stock- 
werk des  nördlichen 
Tlrurmes  ganz  aus 
Backstein  gemauert  ist 
uml  MIHI  eine  Quader- 
ketteais Kckeinfassuiig 
(Fig.  7.)  zeigt.  Die  Mauern  der 

Tliiinue  sind  aber  nur  weniges  über  'i'/'s  Fuss  dick,  so  dass 
kaum  anzunehmen  ist,  dass  der  Körper  der  Thürine  noch 
ein  Stockwerk  bekommen  sollte;  die  ursprünglichen  Spitzen 
müssen  ebeiil'alls  von  Holz  gewesen  sein,  vielleicht  mit  vier 
sleinernen  Giebeln. 

(l)or  Si'hluss  des  AufMit/.es  saiiiiiit  TalV'l  II  folgen  im  ii:i<'listeii  Hefte.) 


Zur  Baugeschichte  der  Kirche  Maria  am  Gestade  in  Wien. 


Von   .Jose  |i  li   K  eil. 


Ein  gründliches  Studium  der  älteren  Arebitectur  kann 
der  geschichtlichen  Forschung  über  die  Zeit  di'v  Aiisfilbruiig 
der  eben  in  Betracht  gezogenen  einzelnen  Werke  nicht  ent- 
rathen;  nur  bei  probehältigem  Nachweise  auf  letzterem 
Wege  und  unter  Zurückführiiiig  auf  durchaus  gleichzeitige 
Belegstellen  wird  es  möglich  sein,  die,  gewisse  Zeitab- 
schnitte beherrschenden  Eigeiitbiiiiilicbkeilen  der  Rauweiscii, 
die  doch  nicht  wie  mit  einem  Schlage  nach  alle  n  Richtun- 
gen hin  sich  verbreiteten,  nach  den  einzelnen  Stadien  der 
Entwickeluiig  und  Verbreitung  zu  grösseren  Grupi)en  aus- 
zusondern, wie  dieses  .\ufgabe  der  wissenschafllichen  Be- 
handlung einer  Geschichte  der  Baukunst,  vorerst  in  den  ein- 
zelnen Ländern,  dann  erst  in  ihrer  Gcsammtheit  sein  niuss. 

Die  sich  wechselseitig  unterstülzenden  bislorischeii  und 
architeklcMiischen  Studien  iiber  die  einzelnen  Denkmale 
der  Baukunst  müssen  daher  festen  Schrittes  Hand  in  Hand 
gehen,  mul  dürfen  sich  nicht  eher  über  den  Absciiluss  der 
Forschungen  beruhigen ,  bis  ihre  Ergebnisse  aus  beiden 
riichliingen  mit  einander  völlig  in  Einklang  gebracht  sind. 


Bei  der  rnzulängliclikeit  der  meisten  bisherigen 
geschichtliche  n  Erörterungen  über  einzelne  Bauohjecte, 
gegenüber  den  in  raschem  Laufe  weit  vorangeschrittenen 
Studien  über  mittelalterliche  Arcbilectiir  überhaupt,  bedarf 
ein  Versuch,  auch  jene  dem  dernudigen  Standpunkte  der  For- 
schung entsprechend  darzulegen,  wohl  kaiiiii  der  Entschul- 
digung. Bei  der  Erkenntniss  der  iiiiziireicheii(leii  geschicht- 
lichen Würdigung,  web'be  bisher  namentlich  di'ii  älteren 
Baiideiikmaleii  Wiens  zu  Theil  geworden  ist.  keiiiite  die 
freundliehe  .Viiilorderiing,  zu  der  in  diesen  Blättei'ii  gelie- 
ferten Baubescbreibung  der  Kirche  Alaria  am  (iestade  in 
Wien  ')  auch  eine  baugeschichtliche  Darstellung  zu  liefern, 
nur  ein  erhöhter  Sporn  zur  .Vufsammlung  des  beglaubigten 
StiilTes  in  den  naehslebendeii  Zeilen  sein,  deren  tbeilweise 
Inergiebigkeit  wohl  wemger  der  Mangel  an  gewissenhaftem 


')  Siehe  ili'ii  .Viil'>lit/.:  „Die  gnlliiselle  hijehe  Muri«  iliil  (ieshele"  lle^elll  ielien 
\«iri  Kiirl  \N' e  i.s  s  irti  AiigU'.t-  iiiitl  Se|iteiiilMT-IIefle  iles  .liilires  l.H.'iti  ilei 
„Miltlu'iluiigen**. 


—  11 


Forschungseifer,  als  jener  an  ausreichendem  QuellenstofTe 
selbst  zu  Grunde  liegen  dürfte. 

Ob  an  der  Stelle  der  heutigen  Kirche  zu  „Maria-Stiegen" 
schon  damals  eine  Capelle  errichtet  war,  als  der  Platz,  auf 
dem  sie  sich  nun  erhebt,  noch  nicht  in  den  vom  engsten 
Mauerringe  umschlossenen  bescheidouen  Raum  des  ältesten 
Wien  einbezogen  war,  darüber  fehlt  es  an  sicherer  Kunde. 
Was  aber  bisher  auch  von  dem  Bostaiiilc  eines  Bctkirch- 
leins  an  jener  Stelle  schon  in  den  Tagen  der  Karolinger 
gefabelt  wurde,  hielt  der  ernsten  Forschung  durchaus  nicht 
die  Probe.  Das  älteste  bisher  bekani\te  Document,  welches 
für  die  Topographie  Wien's  aus  seiner  Wiegenzeit  bestimmte 
Kunde  bringt,  nämlich  der  älteste,  wenn  wir  so  sagen  dürfen, 
Plan  von  Wien,  erst  jüngst  von  einem  kenntnissreicheii 
Forscher  ■)  aus  langer  Vergessenheil  ans  Licht  gebracht, 
nennt  uns  im  Bereiche  des  damaligen  Wien  nur  die  ecclc- 
sia  S.  Ituoilperti,  gewiss  die  älteste  Pfarrkirche,  und  die 
capella  S.Stephani  alsgottesdienstliche Gebäude.  Das  mit 
Curia  nosfra  bezeichnete  Gebäude,  wohl  ohne  Zweifel  der 
älteste  Hof  des  Passauer  Domstiftes,  hart  an  dem  erhöhten 
Platze,  wo  heute  sich  das  Gotteshaus  Maria  am  Gestade 
erhebt,  zeigt  in  seiner  Nähe  keine  Capelle,  gibt  also  keinen 
Haltpunkt  für  die  etwaige  Annahme  des  Bestandes  einer  sol- 
chen an  der  Stelle  der  heutigen  Kirche  schon  zu  jener  Zeit. 

Die  älteste  Urkunde,  die  uns  Wien  bereits  als  Stadt 
(civitas)  erkennen  lässt, vom, lahre  11 37^), nennt  aber  schon 
die  Kirche  zu  St.  Peter  (ecc  lesiam  beafi  Petri),  welche 
Markgraf  Leopold  IV.  damals  dem  Bisthum  Passau  im  Wege 
des  Tausches  für  einen  Weinberg  am  Wartberg  und  für  den 
halben  Theil  des  Kirchengutes  nächst  der  Stadt  (dotis  jiixta 
civitatcmj,  mit  Ausnahme  des  Platzes  auf  dem  die  Ställe 
erbaut  wurden  (exceptis  curtilocis  uhi  stafmla  sunt  con- 
structa),  gegen  dem  übergab,  dass  von  nun  an  diese  Kirche 
und  die  übrigen  Bethäuser  in  demselben  Sprengel  dem 
Wiener  Pfarrer  untergeordnet  seien  (ut  supradicta  ecclesia 
et  cetera  oratoria  =)  in  eadem  barrochiu  consecrata 
deine eps  in  winnensis  plebani  sint  regimine). 


^)  Die  von  Dr.  Zapp  ert  der  k.  Akail.d.  WisseiischnCteii  in  der  Sitxung  vom 
9.  Juli  I8Ö6  sarmnt  einer  gescliielitliclien  Einbejjleitiinj  vorgelegte, 
wahrscheinlich  den  ersten  Decerinien  des  XII.  Jalirhiinderts  angehörige 
DELINEATIO  hreiüs  hortoriim  itinearum  domorum  ac  areurum  tinde 
habi'inits  reditus  •,  worunter  wohl  olme  Zweil'cl  die  Liegenschaften  in 
Wien  gemeint  sind,  von  denen  das  Stift  l'assau  Uenten  liezog.  Diese 
äusserst  interessante  CJruildzeichnung  wurde  von  der  k.  k.  llofhihliotliek 
angekauft,  und  in  treuer  Copie  durch  die  k.  Akademie  der  Wissenschaften 
samtnt  Zapp  ert's  Aufsalze  dazu  in  den  Sitzungsberichten  veröffentlicht 

2)   Wiener  Jahrb.  d.  Lit.  XL,  A.  ßl.  23—24;  Moh.  boica,  28,  b,  102—3. 

•*)  Unter  Orrt^ortHm  wurde  in  den  älteren  Zeiten  jedes  zum  ötrentiichen  und 
Privat-fiottesdienste  mit  Genehmigung  des  Uischofes  eingeweihte  Gebäude, 
auch  Capelle  genannt ,  verstanden  ,  welches  sich  nach  älteren  canoni- 
sclien  Satzungen  von  der  Kirche  ^ecc/t'S(rt^  insbesondere  dadurch  un- 
terschied ,  dass  das  oratorittm  der  Gemeinde  gegenüber  in  keiner 
bindenden  kirchenrechtlichen  Beziehung  stand,  und  nicht  zu  einem  regel- 
mässigen Gottesdienste,  nicht  zur  Ausübung  der  Seelsorge  in  einem  ge- 
wissen Bezirke  bestimmt  war,  nicht  einmal  die  bleibende  Bestellung 
eines  Beneficiaten  (capeUanas)  nothwendig  inaehle.  und  dass  in  demsel- 
ben zu  bestimmten  Festzeilen  kein  Gottesdienst  abgehalten  werden  durfte. 


Ob  unter  diesen  übrigen  Oratorien  auch  schon  die 
Mariencapelle  auf  dem  hier  erhöhten  Gestade  des  alten 
Donaubettes,  welches  einst  den  heutigen  Salzgries  überflu- 
tliete,  mit  einbegrifl'en  war,  ist  zwar  nicht  völlig  gewiss,  aber 
doch  wahrscheinlich,  denn  kurz  darauf  finden  wir  ihrer  schon 
urkundlich  erwähnt,  nämlich  im  Stiftbrie^e  Herzog  Hein- 
richs II.,  genannt  Jasoniirgutt,  fiir  das  schottischen  ^lönclieii 
gegründete  Kloster  vom  Jahre  1138'),  wo,  gleichwie  in 
einer  späteren  Urkunde  vom  22.  April  IKJl  2),  der  Marien- 
capelle am  Gestade  (capella  Sanctc Marie  in  littore)  unter 
jenen  innerhalb  der  Ringmauer  Wien's  befindlichen  Capellen 
ausdrücklich  erwähnt  wird,  welche,  gleich  jenen  zu  St. 
Pancraz,  St.  Peter  uml  St.  Riidbert,  dem  neiigestifteten 
Schottenkloster  geschenkt  wurden,  das  der  Herzog,  nach- 
dem er  quosdam  exules  et  siinplices  Scotos  in  frommer 
Absicht  aufgesammelt,  diesen  gewidmet  hatte  ^). 

Ohne  Zweifel  klein  und  unansehnlich  war  jene  älteste 
Capelle  auf  dem  Hügel  hart  am  Ufer  des  alten  Donau- 
bettes, und  wahrscheinlich  zunächst  den  nahean  wohnenden 
Fischern  als  Betkirchlein  bestimmt,  die  auch  hier,  auf  der 
damals  noch  ringsum  freien  Erhöhung,  den  zwischen  breitge- 
streckten Auen  die  Fülle  seines  Gewässers  vertheilenden 
Donaustrom ,  ihres  Erwerbes  unsicheren  Bereich ,  bald 
besorgt,  bald  hofTnungsvoll  überschaut,  und  vor  dem  Bilde 
der  Mutter  des  Erlösers  oft  in  brünstigeiiGebcten  um  Schutz, 
für  sich  und  die  Ihrigen  gefleht  haben  mochten,  wenn  die  auf- 
geregten Wogen  oder  das  vom  ersten  Frühlingshauche 
gebrochene  Eis  ringsum  Tod  und  Verderben  drohten. 

Die  Capelle  wird  immer  zu  unser  Frauen  am  Gestade. 
auf  der  Stetten  oder  Gestüten  (in  litore),  genannt.   Der 


heutigen  Bezeichnung:    als  Maria-St 


legen 


liest  aber  ohne 


Zweifel  die  Beziehung  zu  einer  Stiege  zu  Grunde,  die  nächst 


wie  namentlich  zu  Ostern,  Plingsten,  Weihnachten,  Epiphanie,  Himmel- 
fahrt Christi,  .Tohannes  Bapt.  Geburtsfeier  und  an  sitnstigen  Hauptfesten. 
zu  w'elchen  Zeilen  nämlich  alle  (jläubigen  den  P  f  a  rrgo  1 1  es  d  i  e  n  s  l 
besuchen  mussten.  In  Oratorien  der  Villen  durften  übrigens  h.  Heli- 
quien  nur  dann  aufgestellt  wenlen,  wenn  sich  ein  Cleriker  in  der  Nähe 
befindet,  um  bei  den  h.  Gebeinen  häulig  zu  psniliren.  Eigene  Cleriker 
durften  aber  nur  dann  für  Oratorien  ordinirt  werden,  wenn  für  den 
Unterhall  derselben  hinlänglich  gesorgt  war.  Ein  solcher  gehürte  nicht 
zum  Canon  (Cleriker-Katalog)  der  Stadt-  oder  Landpfarreien  und  miisste 
die  oben  erwähnten  Hauptfeste  in  der  Stadt  feiern.  Vergl.  die  Beweis- 
stellen hiefür  in  D  u  c  a  n  ge  -  H  e  n  s  ch  e  I,  Gloss,  med.  et  Inf.  liutiti.  H, 
12Ö— 0;  IV,  722;  Buss  im  Kreiburger  A'i>c/i.-)i-/^c.WA-oii  I,  S7S— S84, 
VIII,  3G1,  ujid  llefele  ConcUiiiii/escIiichtc  II,  03«,  (J4i;,  Utij.  74l).  ".'iS. 

')  Ilormayr,  ll'iVrt,  I,  e.  U.  B.  i:>— 21.  Die  Echtheit  dieser  Urkunde, 
verglichen  [nil  ,1/0«.  boica,  29,  b,  43t>,  uuti  den  in  .Mciller's  Baben- 
berger  Uegeslen  S.  227,  n.  221  augeregten  gegründeten  Bedenken,  vor- 
ausgesetzt. Worauf  sich  die  in  ii  ei  ff  e  ns  tuel's  Vienna  Gloriosa. 
Wien  1700,  Tit.  III,  S.  4  vorkonunendc  Angabe  des  .lahres  llj4  als 
jenes  der  Erbauung  dieser  Capelle  gründet,  ist  dort  nicht  angegeben. 
'^)  il  o  r  m  a  y  r  a.  a.  O.  S.  2ä — 27.  Diese  Schenkungen  wurden  am  27.  Febr. 
\ou  Herzog  Leopold,  im  Febr.  und  .Mai  12ö7  von  K.  Friedrich  II.  be^täli- 
get.  Ebenda  S.  4S,  7ü,  77. 

*)  Über  die  Scholtener  .Mönche  in  DculM-lilaud  ist  zu  vergleichen  Wat  ten- 
hach's  eben  so  grütnlliche  als  an/.ieliciule  Abhandlung  über  die  Con- 
fjregation  der  Seliotteitlitüsler  in  Deutse/tland,  in  t,t  u  a  s  t  und  0  t  le's 
Zeitschrift  für  ehristliehe  Arehäoloyie  and  Kunst ,  Lei|>zig  ISotJ.  I. 
21  8.  r 


—   12  — 


der  KirdiP  vom  alten  Dunaiiiifcr  zur  RrliiiliiiiiL;'  liiiiaiiriiliiti'. 
auf  der  (li('ra|it'lle  lag.  So  wird  schon  in  ciucr  IJ-kuiulc  vom 
20.  Dec.  13SI  eines  Chiirsner'.t  Haus  ausdriicklicli  als  (in 
der  Stieg  pey  rnser  Vroire  stetteii  ze  wicnn  gelegen 
erwähnt  ')• 

AlNnählieh  hatten  sich  um  diese  Marieneapelle  herum, 
so  weit  das.  hier  gegen  Norden  zu  steil  abfallende  Tfer 
nach  den  anderen  Riehtiingen  hin  Uanni  gewährte,  die  Au- 
siedlungen  und  dadiu-i-li  auch  der  licsuch  des  Kirehieins 
vermehrt.  Dieses  war  aher  chen  durch  jene  riuhauten 
mit  den  nahen  Stadtheilcn  in  ununterhroehene  Verbindung 
gebracht,  mid  hatte  mit  diesen  auch  das  Loos  des  Verderbens 
zu  theilen,  als  am  28.  April  1262  eine  furchtbare  Feuers- 
lirunst  das  eben  aufblühende  Wien  in  so  grässlichem  Um- 
fange eingeäschert  halte,  dass  kaum  der  zelmte  Theil  der 
Stadt  voui  veriieerenden  Elemente  verschont  geblieben  war. 
Nur  das  Schotterddoster  blieb  unversehrt;  die  übrigen 
Kirchen  und  Ca|ie!len  sanimt  der  Pfarrkirche,  insbesondere 
auch  das  Marienkirchlein  am  Gestade  (ecclesia  sancte 
Marie  in  littore)  wurden  ein  Raub  der  Flammen-). 

Zufäiliij  wurde  eben  zu  jener  Zeit,  als  das  Kirchlein  in 
seinen  veriidetcn  'rrüniniern  dalag,  ein  heftiger  Streit  zwi- 
schen dem  berühmten  W  iener  Pfarrer  (ierhard  und  ileni 
leidenschaftliehen  Schottenabte  Philip[i  liber  die  Ausübung 
der  [ifarrlichen  Rechte,  über  die  Zuständigkeit  der  Kirchen 
(ecclediie)  der  heil.  Maria  am  Gestade,  St.  Peter, 
St.  Rupert  und  St.  Pancraz  in  Wien,  über  Zehente,  Opfer- 
gaben uml  Sterbegelder  gefidirt.  «obei  aber  der  Al)t  die 
äussersten  Gränzen  der  Mässigung  weit  überschritten  hatte. 
Dieser  sclion  aus  der  Zeit  vor  12ö8  angesponnene  Streit 
ward  unter  ärgerlichem  Verlaufe  erst  nach  dem  Jahre  1269 
ausgetragen  ^). 

Der  Ends|irueh  über  diese  .Vngelegenheit  wurde  bis 
jetzt  noch  nicht  bekannt ,  im  Verlaufe  der  Verhandlung 
aber,  freilich  nur  laut  einer  etwas  verdächtigen  Urkunde 
vom  28.  August  1260*),  dem  Scliottenkluster  insbesondere 
die  Marieneapelle  am  Gestade  zugesprochen. 

Zu  welcher  Zeit  das  Kirchlein  eigene  Priester  mit  blei- 
bendem Wohnsitze  erhielt,  darüber  gibt  eine  Urkunde  vom 
27.  Februar  1276  bestimmte  .Auskunft.  Otto,  llaymons  von 
Neuenburg  Sohn,  gewesener  Stadtrichter  von  Wien  .  hatte 
in  seiner  letztwilligen  Anordnung  der  Mariencaiielle  am 
Gestade  (Capelle  sancte  Marie  super  Utas)  ein  Haus  pro 
sncrisfiapre/'nfe  capelle  facienda  gewidmet,  damit  die 
Priester  dieser  Capelle,  nändich  die  dort  den  Gottesdienst 
verrichtenden  und  Psalmen  sin^-enden  Capläne  und  Cleriker, 
daseliist    ihren    bleibenden   Wohnsitz    (residrntia)    haben. 


I)   MoH.  hoica,  .TO.  b,  359—60. 

')  Pfitz,  Mon.  Germ.  bist.  SS.  IX,  fii;;,  44—47  ;  vgl.  mil  728. 
•*)   Vergl.  Feil*»  niis  den  Dnciimcnten   der   .Von.  hoicn.  iiiid  HnrmBvr's 
Wien    gelierertc    Ühorsichf     iIcs     Verlaufes    dieser    Vorltnndliin^en     in 
•Sc  hmidl's  ö«<(Tr.  III.  f.   IM.  ii.   Kiinsl.    1844.   II.  2;;:!. 
*(    II  urm  a  y  r  a.  a.  I),  I.  T.  11  2.'i.   vpri.  mit  Keil  a.  a.  (1. 


Dieses  Haus,  s[iäler  des  Pfarrhofes  Ztihaus  genannt,  wurde 
ilcMii  auch  v(iM  seinen  SidiiM  n  und  Erben  .  Heymo  und  Otto. 
nach  der  uiildthätii:eu  Widnning  ( rlciiio-iiiiii)  und  zum  .See- 
lenheile des  versidrbeiieu  Naiers  für  jene  Mestiuiinung  von  dem, 
wegen  Schulden  zur  llindangabe  der  Realität  genötbigten 
Wiener  Rürger  VViernto  angekauft,  und  darüber  die  bemerkte 
Urkunde  vom  .lalirc  1276  ausgestellt').  Gegenüber  alllalli- 
gen  Ans|irüchen  des  Schotlenabtes  auf  dieses  Haus  sollten 
aber  Heymo  mu\  Otto  Gewähr  leisten. 

Dennoch  muss  die  Marienkirche  selbst  als  damals  noch 
dem  Schotteiikloster  zuständig  angenommen  werden,  denn 
am  20.  August  1302  vertauschte  der  Wiener  Bürger  GritVo 
(Greift"),  mit  Zustimmung  des  Passauer  Rischofes  Wernher 
und  des  Herzogs  Rudolph,  die  St.  Ulrichscapelle  in  Zais- 
mannsprunn  ausserhalb  den  Ringmauern  \\ieirs  (die  lieutige 
Kirche  zu  Maria-Tniat  in  der  Vorstadt  St.  Ulrich),  dessen 
Patronalsrecbt  ihm  und  seinen  Erben  zustand,  au  den  Schot- 
tener Abt  Wilhelm  für  die  l'apelle  zu  Maria  am  Gestade 
innerhalb  der  Mauern  Wien's  mit  allem  dem  Abte  auf  die- 
selbe zugestandenen  Rechte  2),  welchen  Tausch  der  Salz- 
bnrger  Erzbischof  Chuiirad  am  25.  October  1303  insbeson- 
dere bestätigte.  Als  Patron  dieser  (^apelle  hatte  dieselbe 
Ritter  (tniles)  Grift'o  unterm  2.  December  1302  zu  seinem 
und  seiner  Vorfahren  Seelenheil  mit  ergiebigen  Einkünften 
ausgestattet,  so  mit  einem  A\"eingartcn  nächst  der  Kirche  zu 
Otakring,  mit  Gidten  von  einem  Hause  des  .lägers  Richer,  von 
jenem  des  Schnitters  (stipulatoris)  Dietrich  vor  dem  Werder- 
Burgthor,  endlich  von  dem  der  Chornerin.  damit  der  Caplan 
davon  auch  einem  zweiten  Priester,  einem  Siibdiakon  und 
Scholaren,  den  l'iiterlialt  darrei(dien  kimne,  wogegen  jeditcli 
unter  bindenden  Verwahrungen  für  den  Unterlassungsfall 
gewisse  näher  bezeichnete  gottesdienstliciie  Verrichtungen 
abgehalten  und  feierlich  liegangen  werden  mussten.  Weiters 
gestiftete  Einkünfte  hatten  die  Bestimmung,  vor  dem  Marien- 
Altare  in  dieser  Uaiielle  ein  ewiges  Eicht  zu  unterhalten"). 

Els|)et,  die  Iiaul)eni)ergerin ,  ohne  Zweifel  des  Ritters 
(ireift"  Schwester,  hatte  zv  vnser  rrairrti  Chappellen  auf 
der  Sletten  ze  Wien  eine  Riirgrechtsgidte  von  (Jeislitzer's 
Hause,  pei  der  Golfsmid  ^elc<icn.  zur  frommen  Erinnerung 
an  ihre  Ellern  nnil  Vorvordern  gegeben.  Els]iet's  damals  noch 
minderjähriger  oder  wenigstens  zur  eigenen  \  ei-niögen.s- 
N'erwaltnng  nicht  reifer  .Sohn.  .laus  der  Ijaulieulieiger.  war 
aber  mit  seinem  Oheime  dem  Ritter  Greill'  über  den  Nachla.ss 
seiner  Mutter  in  einen  Streit  gerathen.  welcher  unterm 
6.  .Funi  130!l  dahin  ausgetragen  wurde,  dass  .lans  auf  die 
eigene  Gebaiuiiü    mit    dem   Vermöi;en  so  lange  verziiditet. 


')  Hormayr  a.  a.  (I.  \'l.  l'.  II.    0-8,   naeli    «lein    ikh-Ii   viMJiiiiitl'MU'ii   dri- 

g^iiialc  im  Wiener  Stadt-Archive  alipednickt. 
«)  llormayr's  Wien  II,  l'.  II.  »9— !)1. 
')  Mon.  hoicn,  30.  h,   13—14,  18— l!i      Vncli  die  Naehfolijer  iles  lliUers 

(JreiiT    wurden    nach    dieser    Capelle     /iilienanni  .     si>    Ritter    Jans  iler 

Grei/ff  pey  rnser  vrotrett  auf  iler  Stetten  zu  Wieune.  23.  ,Mai  I33!l. 

II  (tr  in  a  y  r's   Taxe/ieuhurh    IS44.  4111. 


13    — 


bis  seine  Verwandten  sehen  werden,  daz  ich  so  shmich  vnd 
so  witzich  worden  sei,  daz  ich  ez  seih  verwesen  mag  9- 

Ein  weiterer  Streit  luttto  sich  iinch  dem  Ableben  des 
Ritters  Greiff  zwischen  Dietricli  und  Jakob  Clintnnest  sainmt 
iiiren  Hausfrauen,  gegeniiber  Ofmcifen  hern  Grcyfen  wyth- 
wen  bey  v)iser  vrowen  auf  der  Steten  und  ihren  Erben,  die 
das  Lehen  und  Recht  der  Verleihung  an  dieser  Mariencapelle 
besitzen,  wegen  der  Mauer  zwischen  dem  Chrannester  und 
dem  Beneficiaten-Hause  (widem-Hause)  der  gedachten  Ca- 
pelle  entsponnen,  der  unterm  6,  December  1321  dahin  ent- 
schieden wurde,  dass  auf  dieser  Mauer,  soweit  sie  vom  hin- 
teren Garten  aus  an  das  ThorgewiJlbe  im  Hofe  reicht,  die 
Besitzer  des  Chrannester  Hauses  und  der  jeweilige  Inhaber 
des  Widemhaiises ,  nach  Belieben,  doch  ohne  Sehaden  des 
Nachbars,  an-  und  aufmauern  und  Balken  einlegen  (%e  trä- 
men)  dürfen;  soweit  jedoch  die  Mauer  vom  Thorgewölbe  bis 
an  die  Strasse  reicht,  wurde  keinem  Theile  eine  Fenster- 
oder Rinnen-Servitut  zu  Gunsten  des  Nachbars  auferlegt^). 

Da  der  Frauencapelle  am  Gestade  fast  ununterbrochen 
urkundlich  erwähnt  wird,  so  darf  mit  Sicherheit  angenommen 
werden,  dass  sie  nacli  dem  Brande  im  Jahre  1272  bald  wie- 
der hergestellt  worden  sei.  Sichere  Angaben  für  die  Zeit 
der  Ausfülirung  dieses  Erneuerungsbanes  sind  bisher  nicht 
zum  Vorschein  gekommen  ^J.     Es   wurde  zwar  in  neuerer 


V)  Mon.  hoica,  30,  h,  41— 43. 

2)  Diese,  für  das  Verfolgen  der  allniählicheu  Einbürgerung;  des  römischen 
Rechtes  in  die  alten  g-ermanischen  Satzung^en  anziehende  Urkunde  ist 
Mon.  boica,  30,  li,  94 — 97  abgedruckt.  Nachbarliche  Zugestandnisse 
zu  Gunsten  des  gedachten  Wideniliauses  ,  und  zwar  bezüglich  auf  die 
Servitut  der  Einleguug  von  Balken  in  die  Nachbarmauer,  von»  11.  Nov. 
1334,  und  zur  Wasserableitung  auf  den  fremden  linden,  vom  1.").  Aug. 
1333,  befinden  sich  ebenda,  S.  148—150.  Für  die  ältere  Tnpograiiliie 
der  nächsten  Umgebung  der  Marienrapelle  anziehend  ist  ;iber  die  Rr- 
wähnung  des  Otto-Haimischen  Hauses  ,  daz  da  teit  an  vnsev  vrowen 
Chappellen  Chor  auf  der  Steten  ae  Wienne,  12.  März  1343  (ebenda 
176—177).  Die  Urkunde  vom  19.  Febr.  1357(8.223—225),  laut  deren 
.Tans  der  Greyff  sein  Haus  gelegen  ze  Wienny  Niderhalh 
vnserr  Vruivn  Chappell  auf  der  Stellen  vnd  gel  niden  auz 
tmfz  an  den  Sallzgriezz,  sammt  Zugehör,  als:  das  Kirchlehen 
der  gedachten  Capelle  und  das  Gwelib,  daz  vnder  dem  vorgenanten 
Haus  stet  mit  dem  Gärtlein  ^or  dem  selben  GiveHh  vntz  für  daz 
läubel  hin  gegen  der  Padstuben  über ^  endlich  der  Stadel  bei  der 
Tu n a lo  vor  der  R i  n  c h m  a iv r  nnder  den  Ho  Itzzern  als  er  von 
alter  her  chömen  ist,  dazu  den  grossen  sogenannten  Turn-Garlen 
vor  dem  Werderthor  oberhalb  den  L  e  dr  aeren  sammt  den  zwei 
Herbergen  vor  demselben  u.  s.  w.  dem  Passauer  liischof  Gottfried  ver- 
kauft hat,  aus  welchen  Entitäten  der  nacbmalige  I*  as  sa  ue  r -H  o  f 
am  Salzgries  entstanden  ist. 

■)  Der  Ablassbrief  des  Baseler  Bischofs  Peter  vom  3.  Jnni  1305  zu  Gun- 
sten der  Capella  heate  virginis  Marie  noue  structure  in  ciuitate 
U'inensi  (H  orma  yr's  Taschenb.  1S43,  378)  konnte  vielleicht,  bei 
oberfliiclilichei'  Betrachtung,  auf  unsere  Cupellc  ,  somit  auf  einen  zu 
jener  Zeit  vorgenommenen  Umbau  derselben,  bezogen  werden  wollen. 
Allein  diese  Indutgenz  nimmt  offenbar  auf  den  ersten  Bau  der  Salvator- 
Cnpelle  im  heutigen  Wiener  Bathhause  Bezug,  die  um  1300  erbaut,  wühl 
urkundlich  ,  wie  z.  B.  S-  Jänner  1356  (a.  a.  0.  382)  als  :  Chappelle 
vnser  Vrowen^  in  der  Purger  Rathaws  ze  imenne  herrn  Otlen 
Hayn  Stiftung  sälig  bezeichnet,  spater  abei'  im  Volksmunde  allgemein 
die  Ottenhayn- Cupelle  genannt  wurde,  welche  Benennung  aber,  da 
sie  von  Unwissenden  auf  einen  Heiligennauien  bezogen  wurde,  in  Folge 
eines  Breves  des  Papstes  Leo  X.  vom   10.  .luni   1515,  zum  Unterschiede 


Zeit  die  Hypothese  aufgestellt,  die  älteste  Mariencapelle  sei 
nicht  auf  der  lliihe  der  heutigen  Kirche,  sondern  am  Fusse 
des  Hügels,  an  der  Stelle  eines  Theiles  des  früheren  Passauer 
Hofes  am  Salzgries  gelegen  gewesen;  allein  die  hiefür  vor- 
gehrachten  Griiiuh;  sind  keineswegs  überzeugend»). 

Vom  Belange  dagegen  ist  das  im  Testamente  Jansens 
des  Obristen  Chapp/ans  der  Chappellen  vnser  vrowji  gele- 
gen auf  der  Stellen  ze  wienn  vom  9.  August  1369  ent- 
haltene Legat  der  Widmung  gewisser  Einkünfte  zur  Stiftung 
einer  ewigen  Messe  a^//'.sYfw^/.l//^//Y's  aUur  gelegen  hinden 
in    der    alte  n    Chirchen   der    obgenanten    Chappellen. 


von  andern  Marien-ti'apellPn  in  Wien,  in  jene:  Capella  sancti  Sat- 
valoris  umgeändert  wurde  (Fischer,  ßr.  not.  urb.  Vindoh.  I. 
174 — lÖÜ).  Über  die  Geschichte  dieser  Capelle  ist  zu  vgl.  Fischer 
a.  a.  0.  I,  172 — 180,  mit  Berichtigungen  und  Nachtragen  im  Suppl.  I. 
29;  (Bergenstamm)  Ursprung  und  Geschichte  der  Kirche  St- 
Salvator  nächst  dem  Rathhause  der  k.  k.  H.  u.  R.  St.  Wien.  1812: 
Schlager}  Das  Wiener  Stadt  -  Rathhaus.  ( Wiener  Zeitung  vom 
7.  Nov.  1844.) 
1)  Von  Fürst  Lichnowsky  in  seinen  Denkmalen  der  liaukunsl 
und  Bildnerei  des  Mittelalters  in  dem  österreichischen  Kaiser- 
thumci  I,  13,  und  von  Böckh,  der  in  seiner,  im  .1.  1821  in  zwei 
Auflagen  erschienenen  Gesch.  der  Kirche  Maria-Stiegen  in  men 
(I,  4;  !1 ,  8 — 9)  Folgendes  anfuhrt:  Am  Zuhause  dieser  Her- 
berge (das  an  einer  Aue  gegen  den  Schottenberg  gelegene  Ein- 
kehnvirlhshausy  genannt  zum  Wulfe  in  der  Aue)  lag  die  Marien- 
Ca  pelle  hart  am  Fasse  der  Gesttitten  {heute  7ioch  ein 
Theil  des  Passauer  Hufes).  Von  ihr  steht  noch  ein  Pfeiler  aits 
Quadersteinen  mit  mehreren  gespannten^  heute  in  den  Passauer 
Hof  eingemauerten^  gothi  seh  e  n  Spitzgew  ölben ,  von  welchen 
noch  einige  in  der  Zugangsstiege  über  eine  Statue  des  heil. 
Johannes  von  Nepomuk  zu  sehen  sind.  Allein  absehend  davon,  das;, 
die  Anführung  von  Pfeilern  und  gothischen  Spitzgewölhen  jei\eahi\s  anf 
einen  Baustyl  hindeutet,  in  welchem  das  älteste  Gebäude  dieser  dpelle, 
nämlich  zum  mindesten  aus  <ler  Zeit  derMitte  des  Xll,Jaiirhundert>t  herrüh- 
rend ,  gewiss  nicht  ausgeführt  sein  konnte,  so  ist  die  Bemerkung,  dass 
die  obige  Annahme  von  der  Lage  der  ursprünglichen  l'apelle  a  m  F  u  s  s  c 
des  Hügels  aus  dem  Schottner  Stiflhrief  zu  folgern  sei,  durchaus  irrig,  in- 
dem dort  nicht  eine  Stelle  enthalten  ist,  welche  zu  dieser  Folge  berechtigte. 
Es  könnte  etwa  die  Vermuthung  angeregt  werden,  dass  die  erwähn- 
ten ,  1821  beim  Abbruche  des  alten  Passauer  Hofes  gefallenen  Reste 
von  einer  früheren  Capelle,  etwa  der  A7rc/i(?  Sanct  Pauls  herrührten, 
welcher  im  XIV.  Jahrhundert  öfter,  und  zwar  1333,  als  in  der  Nähe 
des  Teuffen  Graben  gelegen  (Hormayr's  U'iV«,  VII,  U.  B. 
219,  vgl.  231)  erwähnt  wird.  Allein  hierunter  ist  nicht  der  heutige 
tiefe  Graben  hu  Innern  der  Stadt  Wien ,  sondern  eine  ürtlichkeit  in 
der  heutigen  Vorstadt  Erdberg  zu  verstehen;  denn  1304  wird  dieser 
sand  Pawls  klrichen  ausdrücklich  als  gelegen  bey  Erdpurkvh 'gedacht. 
(Ogesser,  St.  Stephanshirche,  Anh.  Ü7;  vgl.  auch  ilormayr  I.  c. 
IX,  a,  24.)  —  (Jegen  die  Annahme,  dass  die  älteste  Mariencapelle 
nicht  anf  der  Höhe,  sondern  am  Fusse  jenes  Hügels  gelegen  sei.  anf 
dem  sieh  das  dermalige  Kirebengebäude  erhebt,  muss  jedenfalls  in  Er- 
wägung kommen,  dass  die  .Mariencapelle  in  einer  Urkunde  von  1276 
ausdrücklieh  als:  super  Utas,  sowie  späterhin  immer  als  auf  der 
Stätten  gelegen,  bezeichnet  wird  (I.  c.  VI,  {'.  B.  7).  Sollte  dagegen 
das  Bedenken  eingewendet  werden,  dass  es  tn  den  ältesten,  oben  beru- 
fenen Documenten  stets  in  litore  •,  alsa  so  viel  «Is:  hart  am  Vfer 
gelegen  bedeute,  so  weisen  wir  darauf  hin,  dass  auch  nach  127G 
die  Lage  der  Capelle  wieder  allenthalben  in  litore  bezeichnet  wird, 
so  /..  B.  1302  (I.  c.  II,  U.  B.  00)  n.  s.  w. ;  wonach  also  jenem,  eben 
einmal  zur  vÖMIg  genauen  Angabe  der  Lage  gewählten  super,  nicht 
etwa  eine,  auf  den  Eintritt  einer  Änderung  in  der  Lage  unserer  Ca- 
pelle hinweisende  Bedeutung  beigelegt  werden  kann.  1482  wird 
diese  Kirche  auch  ad  Reatam  Virginem  in  portu  i-enannt  (Pez. 
S.S.  2,  440). 


14  — 


-■¥■ 


>; 


welelier  or   (iberdiess  auch  ein    Messlnicli ,   zwei   Messge- 
wäiuler,  einen  Kelch  und  ein  Mctteniiucii  vcrinaeiite  '). 

Da  hier  von  einer  hinteren  allen  Kirche  die  Kede  ist, 
so  setzt  dieses  otFenbar  bereits  den  Bestand  einer  vorderen 
neueren  Kirche  voraus ,  und  die  W'ahrscheiidichkeit  spricht 
dafür,  tiass  diese  sogenannte  alte  Kirche,  zumal  wenn  deren 
innerer  iSanni  mit  jenem  des  neueren  (jchiindes  in  unmittel- 
barer Verbiiuiinig  stand,  in  der  dem  llau|ilaltare  der  letzte- 
ren entifesjeniicsetzteii  Richtung  sich  befand;  denn  man  ptlegt 
in  einer  Kirche  zum  Hauptaltar /hV/co;-  zu  gelien,  und  was 
diesem  entgegenliegt,  als  mit  rückwärts  (hinten)  zu  be- 
zeichnen. 

Wenn  wir  die  Bauanlage  des  dermaligen  Kirchengc- 
bäudes  und  mehrere  urkundliche  l$elegstellen  zusannnen- 
fassen.  so  diirftc  vielleicht  über  die  Zeit  der  Ausführung 
der  beiden,  scliarf  von  einander  abstechenden  Hälften  des 
derinaligeu    Kirchengebäudes    folgende    Annahme  gerecbt- 

fertiget  erscheinen ,  zu  deren 
Verdentlicluiug  \\\v  den  Grund- 
riss  unseres  Banid)jectes  hier 
neben  wieder  beifügen.  \\'ie 
in  diesen  Blättern  (I ,  ISO)  be- 
reits näher  besprochen  wurde, 
weiset  der  ganze  Bau  zwei,  ver- 
schiedenen Zeiten  entstammende 
Hanptbestandtheile  auf.  Es  zeigt 
sich  der  in"s  halbe  Achteck  ge- 
baute Chor  mit  vier  concen- 
trisch  gestellten,  weit  aussprin- 
genden Strebepfeilern,  und  dar- 
an schliesst  sich  in  der  Breite 
der  Choraulage  und  mit  diesem 
liarnu)nisch  ein  Langhaus  an, 
welclies  durch  vier,  ebenfalls 
nach  aussen  weit  vortretende 
Streben  in  drei  von  Kreuzgur- 
ten geschlossene  Gewölbfelder 
abgetheilt  wird.  Dieser  Bestand- 
theil  bildet  ein  für  sich  beste- 
hendes abgeschlossenes  Ganzes, 
von  dem  bei  dem  Znban  der 
Verlängerinig  des  SchilVes  nur 
die  ursprüngliche  Stirnseite  ab- 
gebrochen winde,  an  der  sieb  in 
der  Mitte,   entweder  über  einer 

Killgangsballe  aufbauend, 

■i^rl         i         I         1         I        J :   .     .    °° 

1       '        '       '        I        1  1     ein  höherer  'l'burin  oder 

*'''^''  '■'  etwa  ein  am   (iiebelfelde 

aufgesetztes   sogenanntes    Pfeiltbürmeben    befunden    haben 

mochte.  Dieser  Gebäudetbeil,   nämlich  der  bobe  ("bor    mit 

dem  zu  diesem  stiiriMicnden  'llieili'  des  heutigen  Langhauses. 


^m- 

m^'n 

V  y  y  \ 

1 

')  Man.  hole«,  30,  b,  28,1— 28S. 


also  mit  Ausschluss  seiner  Verlängerung,  die  vom  heuti- 
gen Tbnrine  an  beginnend  sich  bis  zur  dermaligcn  Stirn- 
seite erstreckt,  dürfte  nacii  unserer  .Annahnie  zur  Zeit 
Herzog Budoiidis IV.  (13d8 — 136S)  vollendet  worden  sein. 

Die  von  drei  grösseren  und  zwei  kürzeren  Gewölb- 
feldern mit  sternartiger  Verrippung  gebildete,  in  gebroche- 
ner Mittellinie  auslaufende  scbmälerc  Verlängerung  des 
Schilfes  in  der  eben  bezeichneten  Ausdebiuing,  deren  Trag- 
pfeilcr  nach  Innen  und  nur  an  der  Xordseite  etwas  weniges 
auch  nach  Aussen  vorspringen,  ist  oll'enbar  neuerer  Zuhau, 
zu  welchem  nach  unserer  Annahme  1394  der  Grundstein 
gelegt,  und  welcher  Bau  ungefähr  um  1412  vollendet  wurde. 
An  einem  Tbeile  desl'lalzes  dieser  Verlängerung  wäre  dem- 
nach die  13(!!t  urknndlieli  erwähnte  bintere  alte  Kirche 
mit  dem  Aiidreasaltare  gestanden,  und  unter  der  hiernach 
seilen  für  jene  Zeit  vorauszusetzenden  vorderen  neuen 
Kirche  wäre  dann  der  hohe  Ciior  mit  dein  zu  diesem 
stimmenden  Theile  des  Langhauses,  also  mit  den  sicli  jenen» 
unmittelbar  anschliessenden  drei  gleichartigen  Gewölb- 
feldern  zu  verstehen. 

\\  ir  wollen  nun  versuchen,  diese  Annahme,  durch  die 
uns  fiir  die  Baugeschichte  dieser  Kirche  nach  dem  dermaii- 
gen  Stande  der  Forschung  verfügbaren  gleichzeitigen  15e- 
weisstellen  näher  zu  begründen.  Dass  um  die  Mitte  des 
XIV.  Jahrliuiiderts  an  dieser  Kirche  wirklich  ein  Neubau 
vorgenommen  wurde,  ist  gewiss.  Im  Testamente  des  Grafen 
Cbunrat  von  Scbaiinberg  ddo.  Ort.  12.  Mai  I3.'i3  wird  näm- 
lich ausdrücklich  ein  Legat  von  30  Pfund  zum  Bau  von 
unser  Frau  auf  der  Statten  ausgesetzt  ').  Im  Zusam- 
menhalte mit  anderweitigen  gleichzeitigen  Belegstellen 
dürfte  sich  aber  unzweifelbaft  herausstellen,  dass  unter 
diesem  neuen  Aufbau  der  hohe  Chor  mit  dem ,  in  der  Bau- 
anlage damit  übereinstimineiiden  Theile  des  Langhauses 
gemeint  war. 

Zahlreiche  Belege  s[u-ecben  dafür,  dass,  wenn  irgend 
ein  Kirchenbau  eben  im  Werke  begriffen  war ,  in  den  letzt- 
willigen  .\iiordnungen  (Testamenten,  damals  Geschiifle 
genannt)  einzelne  Legale  nanientlich  zur  inneren  .■\us- 
schmückuiig,  zur  \'erzieriing  der  Fensterrämne  mit  farbigen 
Gläsern  u.  s  w.  vorkdiiinien.  Nun  linden  wir  im  'l'estamente 
des  rt'iclien  Wiener  Bürgers  Preclitold,  des  Scbützenmeisters 
gleichen  Namens  Solin,  vom  J).  .Uigust  1340  insbesondere 
folgendes  F..egat  an.sgesctzt:  Um  ein  Glas  in  das  erst 
{/fozzf  F  /■  n  s  Icr  in  Unser  Frauen  C  hör  <t  ii/'  iler  S fetten 
:('  W'ieiin  (in  (Irr  Zeil  (Gasse)  (/rle(jrn  i/cj/rn  des  Mdexrr- 
leinK  IJniix  iilicr  (/rcizzi;/  P/iuid  I'/'rn.-).  Dürfen  wir  wolil 
annebmen.  dass  damals  in  eiiiein  älteren  Kirchengebäude, 
welches,  wenn  die  Grniidsteiiilegiing  im  .Falire  13i>4  auf 
einen  Neubau  au  dieser  Stelle  bezogen  werden  will,  schon 
nach  ein  paar  Deccnnicn  abgebrochen  werden  miisste,  bereits 


')  SliiU.  im  Mol.  Hl./'.  Kimilc  öxlerr.  Getirli.  Quell.  I.  :Uj. 
»j  Mo  rill  n  y  i'n  iriV;i,  l.  lt.  231. 


15   — 


hohe  C  h  0  1-  f e  n  s  t  c  r  vorhanden  waren ,  für  deren  Äus- 
selimückung  noch  ein,  nacli  den  damalinenWerthsverhältnisseu 
so  anselmlielies  Legat  gemaeht  wurde;  würde  mit  der  An- 
nahme eines  älteren,  als  des  noch  heut  zn  Tage  vorhandenen 
Chores,  also  ohne  Zweifel  noch  romanischer  Bauweise  mit 
halbrundem  Abschlüsse  und  kleineren  rundbogigen  Fenster- 
räumen, die  Erwähnung  von  grossen  (d.  i.  hohen)  Fen- 
stern am  Chore  wohl  überhaupt  in  Einklang  gebracht  werden 
können? — -Betrachten  wir  nun  insbesondere  die,  leider  noch 
nirgends  umständlicher  gewürdigten  und  in  getreuer  Abbil- 
dung')  wiedergegebenen  herrlichen  Glasschildereien,  mit 
denen  die  drei  hohen  Fenster  am  Chore  unserer Marieiikiiche 
ausgefüllt  sind,  so  gewahren  wir  insbesondere  in  einer  unteren 
Reihe  des  an  der  E|iistelseite  des  Altares  befindlichen  Fen- 
sters die  gerüstete  Gestalt  des  österreichischen  Herzogs 
Rudolph  IV.  (1358  —  1365)  mit  zum  Gebete  aufrecht  gehal- 
tenen Händen,  darunter  die  Worte: 

Huo|J'olf  2  I  t'Mr  .  ö|uflr(ie). 

Wenn  nun  gleich  keine  einzige  der  die  Regierungs- 
periode dieses  Herzogs  beleuchtenden  zahlreichen  Urkunden 
eine  Andeutung  entliält,  dass  er,  der  in  Wien  so  manche 
grossartige  Stiftung  gemacht,  auch  das  neue  Kirchengebäiide 
zu  Maria  am  Gestade  selbst  ausführen  Hess,  so  dürfte  doch 
das  erwähnte  Glasgemälde  den,  wohl  kaum  mit  Grund  anzu- 
greifenden Beweis  liefern,  dass  dieser  Chor  wenigstens 
während  seiner  Regierungszeit  ausgeführt  worden  sei. 

Weiterhin  finden  wir  in  der  urkundlichen  Erwähnung 
von  der  Gründung  neuer  Altäre  in  dieser  Kirche,  und  namentlich 
im  Chore  derselben,  nicht  minder  gewichtige  Gründe  zur 
Annahme,  dass  dieser  Chor  vor  1394  bereits  vollendet  war. 
und  dass  die  Erbauung  desselben  noch  in  die  Zeiten  Herzog 
Rudolph 's  IV.  zurückreichen  dürfte.  So  stiftete  der  Wiener  Bür- 
KerNicIas  der  Drothlauf  laut  Urkunde  vom  18.  Juli  1363  inder 
Capelle  miscr  vrowcn  arf  der  Stetten  zc  wienu  in  dem 
clior  ainen  altar  in  den  cm  der  lieiligen  aiiidlef  Ttiwscnt 
Mayde,  und  dazu  eine  ewige  Messe,  deren  beider  Lehensherr 
(Patron)  er  selbst,  nach  seinem  Tode  aber  der  Wiener 
Stadtrath  sein  sollte 2).   Ferner  wurde  eben  noch  kurz  vor 


*)  Der  am  Z9.  Aug-ust  ISU.'J  der  Clioler.T-EpitkMuie  als  Opfer  g'erallene  \\W- 
lier  BlliUiauer  ThiiniRs  .Marzik  (yeb.  zu  l'i.sek  ii)  Itniiineit  19.  Oeceinlier 
1807).  welctier  als  früherer  Fi-aler  iler  Hedemtorislen  -  Conjj'reji'atioii 
(18'it; — 1847)  den  daiiiali}j;-eii  Mauptaltar  in  der  Kirche  7.«  IVIaria-Stief^eii 
1843  entworfen  und  184.'!  in  Ang:rin' genommen,  ni  Weilinaehteil  1846 
voUeniiet  hatte,  fand  sich,  durch  die  eben  hei  jenern  Altarliaue  gebotene 
gute  (ielegenlieit  zu  genauer  und  naher  lleschanung-  veranlasst,  diese 
Glasntalereien  in  der  Grösse  des  Originals  getreu  zu  copiren.  Dem  Ver- 
nehmen hat  der  Glaserracister  zu  Heiligenkreuz  nächst  Haden  diese 
Copien  aus  M  a  r  z  i  k's  Nachlasse  an  sich  gekauft.  Wir  können  den  lebhaf- 
ten Wunsch,  dass  getreue  Abbildnngeu  dieser  Glasscbildei-eien  in  ilirein 
Farbenschniueke  recht  bald  zum  Gemeingule  gemacht  werden  möchten, 
um  so  weniger  unterdrücken,  als  \\'ien  an  alten  Glasgemiilden  nur  mein' 
einen  luirgen  Überrest  besitzt,  und  ilie  liier  in  liede  stellenden  obi.c 
Frage  zu  den  schönsten  gehören. 

2}  Original-Urkunde  im  Wiener  Staill-Archi\.  Dieser  Messestiflung  wird 
noch  liJul,  als  zum  St.  Ursu  I  a  -  A  1 1  a  re  gemacht,  erwiibut. 


dem  Jahre  1394,  wo  der  Grundstein  zu  einem  Neubau  an 
dieser  Capelle  gelegt  wiii'de,  ein  anderer  neuer  Altar  in 
ilieser  Kirche  gebaut  und  reichlich  bestiftet,  was  wohl  eben- 
falls schwerlieh  in  einem  eben  der  Deniolirung  bestimmten 
Gebäude  stattgefunden  haben  dürfte.  liie  Gründung  dieses 
Altares  fand  in  folgender  ^^'eise  Statt.  Der  reiche  unil 
mächtige  herzogliche  Hofmeister  Johann  von  Liechtenstein 
hatte  sammt  seinen  Bnidern  das  Patronatsrecht  auf  die 
Marienca|ii>lle  auf  der  Steten  vom  Passauer  Bischöfe  gegen 
tlas,  bis  dahin  dem  Hause  l.,iechtenstfin  zuständige  Patronats- 
recht auf  die  Pfarre  zu  .Vltliechtenwarlli  (\ .  U.  M.  B.)  ein- 
getauscht, so  dass  von  nun  an  das  Patronat  der  Fiauencapelle 
ausschliesslich  denen  von  Liechtenstein-Xicolsburg  zustand. 
Joliann  von  Liechtenstein  hatte  sich  eben  auch  vorgenommen. 
da  ainen  Tum  zu  stiften  9,  also  die  Capelle  zu  einer  Dimi- 
oder  Kathedralkirche  zu  erheben.  Am  29.  November  1391 
stiftete  er  nun  unter  \Vidniung  von  30  Pf.  38.  Pfen.,  welche 
von  Gütern  zu  Altliechtenwarth,  Poisdorf,  Helma  in  der 
Pillichsdorfer  Pfarre  und  Wendling  dienstbar  waren,  ein 
f/esunt/enes  Fnihamt  mit  z«  ei  Steckkerten  zu  jenem  .\ltare 
in  der  gedachten  Capelle,  den  er  von  Ncwn  dingen 
gepawt  vnd  gestiftet  hatte,  zu  Ehren  unserer  Frauen, 
St.  Johannes  und  St.  Hieronymus^).  Es  ist  doch  wohl  kaum 
anzunehmen,  Joliann  von  Liechtenstein  werde  einen  11  e  u  e  n 
A  1 1  a  r  zu  so  besonders  solenner  Feier  in  einer  Kirche  errichtet 
haben,  deren  Gebäude  damals,  entweder  der  Baufälligkeit 
oder  der  beschränkten  Räumlichkeit  wegen,  bereits  der 
gänzlichen  Abbrechung  nahe  war,  was  doch  der  Fall  gewesen 
sein  niüsste,  wenn  die  Grundsteinlegung  im  Jahre  1394  sich 
auf  das  ganze  Kirchengebäude,  also  auch  auf  jenen  Thcil,  in 
dem  sich  der  neue  Altar  befand,  bezog,  während  alle  Beden- 
ken entfallen  ,  wenn  angenoininen  wird,  iler  neue  Altar  sei  in 
dem  damals  bereits  ausgeführten  neuen  Chore  gebaut  wortlen 
Des  bereits  erwähnten  Andreas-Altares  in  der  hinteren 
alten  Kirche,  die  also  damals  noch  immer  bestanden  haben 
muss,  finden  wir  noch  gedacht,  als  i\er  Passauer  Bischof 
Johann  unterm  28.  .August  1386  die,  vom  seither  verstorbenen 
Johann  Guemhartel  "■),  \\  alirscheiiilich  einem  Wiener  Bürger, 
zum  Andreas-.\ltai'e  gestiftete,  uiul  damals  eben  vacaiile  ewige 
Messe  (^e.v  certis  causis  et  motiuis  rucionabilibus)  mit  der 


M  Mon.  hnlctt.  iil.b,  81. 

-)  Mon.  hoicft,  30,  b,  41.3 — 418.  In  diesem  Stiftbriefe,  von  dem  sich  ein 
mit  jenem  Abdrucke  völlig  übereinstimmendes  gleichzeitiges  Pare  auf 
Pergament  mit  «laranbängcnden  Siegeln  im  Wiener  Stadtarchive  belin- 
dct,  sind  zugleich  sehr  umstiindliche  (>aulelen  zur  Aufrechthaltung  der 
Stiftung  sowohl  als  für  die  unversehrte  Erhaltung  desjenigen  enthalten, 
was  er  und  seine  Brüder,  ihre  Gattinnen  und  Krheu  der  gedachten 
Capelle  an  Monslriineen,  Hnllüin  oder  Clainat  i/eben  würden. 

3)  Wahrscheinlich  Gnemharlel  oder  Gitümhtirtel ;  im  .1.  1333  finden  » ir 
iiämlieb  einen  Wiener  Bürger  fViVrfi-io/i  Gnufmhnrrllfiii  evwähnt  (Hor- 
niayrs  Wien,  VII,  U.  B.  iHt)  und  ein  Otto  Gnämherlel,  auch  Giinm- 
herücin  genannt,  war  1321  — 1348  Caplan  ht'n  vnser  vrnwfn  auf  ttff 
Sh-h'H  (Uhu  Imica,  30,  b,  '.»4— il(J,  177  :  llormayr  1.  e.  231  ;  Faules 
Her.  Aiu^l.  \Dii>l.  et  actit]  VI.  29S.2'J'J.  302)  und  winl  insbesondere 
1348 /)/in)Vcr  vnd  Cliiipplan  riiser  vroweii  auf  der  Stetleu  geiianni 
(a.  a.  O.  2»!)). 


—    16 


Capelle  (beute  luaric  rirt/i/tis  in  litorc)  für  iiniucr  vereinigte 
(auurctimus  et  niimiisj  ')■  Selbst  diese  L'iiiriiiiy-  iii'mnte 
etwit  ilireii  Grund  darin  jvehabt  haben,  dass  der  Altar,  zu 
dem  die  Messe  gestiftet  war,  sicli  in  einem  damals  vielleicht 
bereits  baufälligen  und  der  baldigen  Abbreehinig  entgegen- 
sehenden (Jebfuulo  befand,  welches  Benelieium  unnniehr 
auf  die  ('a|ielle  iiliri'hau|it  idterlraneii  wurde. 

Wie  erwähnt,  wurde  im  .lahre  1348  der  ('a|il;ni  an  der 
Mariencapelle  Otto  (luamhartell  l',Vl\ — 1348)  /.ugleieh  auch 
l'farrer  genannt,  also  eben  um  die  Zeit,  wo  das  oben 
erwähnte  bemerkte  Verniächtniss  für  ein  (gemaltes)  Glas 
in  eines  der  hohen  Chorfenster  gemacht  wurde.  Wir  werden 
sdgleieh  eine  Beweisstelle  vorbringen,  der  zu  Folge  vor 
dem  .lahre  1394  die  Widmung  des  obersten  ("a|ilaiis  und 
der  ihm  beigegebenen  zwei  Priester,  welchen  seit  1391  für 
das  Liechtenstein'sche  Frühamt  ein  vierter  Priester  bei- 
gesellt war,  aucii  schon  als  l'/hrrhof  bezeichnet  wurde. 
Dennocli  darf  aus  diesen  Bemerkungen  nicht  gefolgert  werden, 
dass  die  Mariencapelle  am  Gestade  schon  damals  im  eigent- 
lichen Sinne  zur  Pfarrkirclie  erhoben  worden  war. 
sondern  der  oberste  Cajdau  und  Verweser  nniss  bis  dahin 
nur  als  Pfarr-Reetor  liciraehtet  werden,  der.  nicht  blei- 
bend als  Pfarrer  bestellt,  den  Gottesdienst  anzuordnen  und 
zu  überwachen  hatte,  keineswegs  aber  das  eigentliche  Seel- 
sorgeramt in  einem  angewiesenen  bestimmten  S|)rengel  im 
ganzen  Umfange  ausüben  durfte ").  Johann  von  Liechtenstein 
( Haro  Bnronie  de  f.i/clilentilein  Oloniiteeiisis  (lioeesi.i) 
hatte  sich  daher,  als  Patron  der  gedachten  Mariencapelle, 
an  Papst  lioiiil'az  IX.  mit  der  Bitte  um  das  Zugeständniss 
gewendet,  dass  der  Rector  dieser  Capelle,  für  dessen  an- 
ständigen Unterhalt  durch  zureichende  Austattung  gesorgt 
sei,  |)ersünlich  nächst  der  Capelle  wohne,  und  damit  irgend 
eine  höhere  geistliche  Würde,  ein  Kirchenamt,  oder  ein 
Curallieniiiciiim")  eilange:  der  l'apst,  geneigt  diese  Bitte  zu 
willfahren,  delegirte  unterm  20.  Jänner  1393  den  Schottener 
-Abt  in  Wien  zur  Erhebung  des  Sachverhaltes  und  er- 
mächtigte ihn  zugleich,  wenn  sich  die  angeführten  Umstände 
bewäliren.  das  diesem  Zugeständnisse  Ents|)rechcn(!e  auszu- 
führen (slatitere  et  ordinäre).  Und  in  der  Tliat  linden  wir 
bereits  unterm  28.  Juli  1393  des  Gerhart Salman  »Is  Pfarrer 
der  Clitipprllcn  diiez  niaer  frnini  auf  der  Stellen  erwähnt, 
welchem    ilanials   Johann   von  Liechtenstein   da.s,    zwisciien 


' )  Moii.  hoica,  30,  b,  ;i7{). 

')  Als  boachteiiswertlii'»  fiiifuni  fiiliiLMi  wiraii,  ilass  zu  jener  Zeit  (lliSl)) 
der  gelehrte  Theolüge  lleiiirich  Lniigeiisteiii  von  Hessen ,  der  zuerst 
den  neu  gegründeten  Katlieiler  der  fiottesgelchrsninkeit  an  der  WicncT 
lloclischule  liesliegen  halte,  in  der  Kirche  z.u  .llHri.i-Sticgen  einen  Scrmo 
rff  conceplione.  It.  räv/i/i/j  hiiK.  (Seriiilores  ViiivtrsUntis  VUiiii. 
I,  .•i2.) 

'I  Atiquiim  ili</iiiltilfni,  141I  (ilii/iiiiii  fursniialiim  (?)  seu  ulUiuod  ufßci- 
um  Hill  bniifiiiiim  curalum  jinri/lce  assiiiui  continiiiil ;  Iliirmiiyr. 
>»u'»j  II,  V.  li.  S.'i  — 80.  t  nler  CnruIhritr/icieH  werden  liekimnllich 
Kirchenäniler  verstanden  ,  mit  denen  in  Kdige  besonderer  bi>chülliclier 
Ermiiohligung.  die  Ausübung  der  Seelsorge,  jedoch  unter  gewis-seii  lie- 
scbränkungcn  verbunden  ist. 


seinem  grossen  Hause  ')  und  dem  zur  Capelle  geliörigen 
phiirrliii/f  gelegene,  vordere  Haus  mit  dem  Hofe  und  allen 
(lemächerii  (mit  Ausnahme  der  (je(/eu  der  Tirennir  gelegenen 
hinteren  Gemächer,  die  sieh  Liechtenstein  vorbehalten  hatte) 
ausdrücklich  ;«  t'/«67w  plut  rrlio  ff  nid  ininiiiit/  überliess, 
wofür  Pfarrer  Gerhart  dem  Liechtensteiiier  den  im  Pfarrhofe 
der  Capelle  Tireniiir  halber  gelegenen  Keller  mit  allen  auf 
demselben  beliiKlIichen  Gemächern  rnd  denselben  utokcli 
mit  allen  i/emerhen  auf  rud  auf  mit  daeli,  sainnit  dem 
hinter  demxelhen  Slulieli  gelegenen  Garten  abtrat'-). 

Sollten  nun  derartige  Zugeständnisse  und  l^egünstiguiigeii. 
sollte  die  Beigabe  von  vier  l'riestern  wohl  erklärlich  sein, 
wenn  das  Gebäude  der  Capelle.  auf  welches  sicli  dieses 
alles  bezog,  noch  raumliesehränkt  und  bereits  baufällig  war, 
so  dass  eben  zu  derselben  Zeit  ein,  die  gänzlit^he  Abbrechung 
des  bisiierigen  Bauwerkes  bedingender,  völliger  Umbau 
vorgenommen  werden  musste?  —  Denn  es  ist  durch  ein 
gleiclizeitiges  Zeugniss  beglaubiget,  dass  am  2.  Juni  1394"') 
der  erste  Stein  zur  Marienkirche  am  Gestade  duicli  eben 
jenen  Bau-  und  Steinmetzmeister  M  i  chae  I  gelegt  wurde, 
den  wir  aus  anderen  gleichzeitigen  Aufzeichnung<'ii  mit  dem 
Zunamen  Wei  n  w  u  rm  als  Hauseigcnthümer  in  Wien,  dann 
als  Herzog  .41breclit"s  III.  Baumeister  kennen,  der  das  herzog- 
liclie  Schloss  zu  Laxeniiurg,  die  schöne  St.  Wolfgangs- 
ca|)elle  zu  Kirchberg  am  \\'echsel,  die  gothische  Denksänle 
nächst  Wiener-Neustadt ,  die  Spinnerin  am  Kreuz  genaiiiit, 
erbaut  liatte.  und  der  1418  bereits  gestorben  war.  Aus 
der  allgemeinen  iVblässung  der,   die  Grundsteinlegung   bei 


')    Wahrscheinlich  au  der  Sicllc  des  heut  /.u  Taf;e  mit  .\r.  SOS  bezeichneten 

grossen  Hauses,  zum  h.  Christoph  benannt. 
')  Moii.  hoica,  30,  b.  424—425. 

■*)  Auf  den  Deckeln  eines  noch  vorhaiideneu  alten  Rent-  und  <iülteubuche8 
der  Wiener  Staillgcmeinde  linden  sich  nämlich  von  gleichzeitigen  Hunden 
rnlgcridc  lieaehtenswertbe  Angaben  niedergeschrieben:  Dir  10  7iii'iis(i)s 
jiilij  (leider  ohne  .lahresangabe)  jHcAoo(«(s)  poni(»s)  n(ntc  portum) 
stiiharium). 

Vif  2  jtinij  iMifr  (magisler)  ttipiviihi  michiihel  postiit  ;)(ri)»««m 
Iftpidein  cccc  (eccicsic)  scc  (sanele)  v(ir)tfini.^  mnric  i»  lilore  i39H 
1 1394).  (her  diesen  .Meister  Michel  ist  zu  vergleichen  die  Zusnnimen- 
sleliuug  der  auf  ihn  bezüglichen  urkundlichen  liewcisstcllen  in  den: 
Her.  und   Milth.  des  »icu.  .Mtrrlh.  IVr.  I.  291— 2il2. 

DifS  (4)  octohrdo  sUUeh  mau  lilifromii  tüi)  l  (  13!t7  (.  Wahrschein- 
lich wurde  damals  die  ölter  bei  l'"rauen  in  Aiuvendung  geki neue  Todes- 

slrafe  desKrtränkens  oder  Erstickens  auch  in  Wien  au  einigen  str:ifl':illigcn 
Weibern  vollzogen.  (Vgl.  (irinim,  Iti-clitnallfrlh.  090— O'.l»  ;  Wilda. 
Slra/'ivrhl  der  Geriiinnen  1,  .'106—7;  Schlager.  Wiener  Sliiz-icn, 
IV,  14—19:  Ziemann,  WB.  428;  (;r:iir  VI.  030  igl.  mit  027: 
Üiefenbach  H,  32:i;  Sehmcllcr  III,  010.) 

■S'fcfc»  (Sabbato)  aiiftc)  i/«i  (quasi-)  modo  geniti  (1.  April)  Riten 
ums  zc  wienn  indaz  ijerawH  A(err)  vir  (ich)  »o(n)  dafhsp(Kr)eh  di 
czelt  /rt)(()Hnr(schalih)  111  o«(i!r(reich)  /i(crr)  /'j-lVrfr(ich)  t!u(n) 
wulLie  A(err)  /i(ei )«)•( ich)  i-«(n)  zelkkliKj  i'iiiJ  (/(er)  oltensleiner  und 
ro(n)  (((er)  .tlat  (Wien)  7<.v7/c)i  zu-en  c/iM(a )/)(|ien)  (((er)  rurlauf 
vnd  nicias  (/(er)  phanzafiel  ISI)2  (1402).  Cher  das  Strafgericht  des 
(icrliuncs  z.V.  K  »r /.,  .Mlireehl  I  \'..  12.S— 137  ;  I,  ic  h  n  o  w  s  k  i  V,  43- 4.'». 

6.  Auiiusli  do  zovh  /((er)»»//  vher  meU-\)  zudem  //(■i7('.(/ch  (grab) 
.Ihho  etc.  I39fi.  —  chom  hinn  ii.die  januitrii.  (her  diese  l'ilgerreise 
Herzog  Albrechfs  IV.  ist  zu  vergl.  Kurz  a.  a,  ().  I,  33— 30;  I.ich- 
nowski   V.  ^2— 23:  die  Zeitangabe  wird  aber  hier  näher  liesliniint. 


17 


Maria  am  Gestade  im  Jalire  1394  bezeugenden  Steile  könnte 
obenliin  gefolgert  werden,  dass  damals  ein  gänzlicher  Neubau 
der  Kirche  stattgefunden  habe.  Allein  wenn  die  oben  an- 
geführten Verhältnisse  in  ihrer  Zusammenfassung  wirklich 
die  Annahme  zu  festigen  vermögen,  dass  der  noch  jetzt  vor- 
handene Chor  sammt  dem,  derAnlage  desselben  entsi)rechenden 
Schiffe  mit  seinen  von  Kreuzgurten  geschlossenen  Gewölb- 
jochen schon  der  Mitte  des  XIV.  Jalirhunderts  entsprechen, 
so  muss  der  Neubau,  mit  dem  1394  begonnen  wurde,  offen- 
bar auf  die  Fortsetzung  des  heutigen  Kirchenschiffes  vom 
Thurme  angefangen  bis  zur  Stirnseite  mit  der  von  einem 
Steinbaldachin  gekrönten  Eingangshalle  bezogen  werden. 
Um  dieser  Erweiterung  Raum  zu  verschaflen,  musste  dann, 
die  Grundhiiltigkeit  unserer  Annahme  vorausgesetzt,  die  alte 
hintere  Kirche  mit  dem  Andreas-Altare  abgebrochen  worden 
sein.  Diese  mit  der  Anlage  des  Chores  und  älteren  Schiffes 
keineswegs  übereinstimmende  und  in  gebrochener  Mittellinie 
auslaufende  Verlängerung,  welche  beim  ersten  Blicke  das 
Gepräge  eines  jüngeren ,  als  des  am  Chore  wahrnehmbaren 


ßaustyles  kundgibt,  beweiset  jedenfalls,  dass  nicht  schon 
beim  ursprünglichen  Baue  auf  diese  Verlängerung  Rücksicht 
genommen  wurde,  die  sich  nunmehr  nach  Norden  dem  dahin 
in  senkrechter  Linie  abschüssigen  Terrain  fügen,  an  der 
entgegengesetzten  Seite  aber  ohne  Zweifel  desswegen  nach 
innen  sich  verengern  musste,  weil  zugleich  für  den  Thurni 
Raum  gewonnen  werden  wollte,  der,  wenn  er  in  rcgei- 
richtiger  Verlängerung  des  älteren  Schiffes  an  dieser  Seite 
angebracht  worden  wäre,  durch  seinen  \'ürsprung  die  Gasse 
viel  zu  sehr  beengt  hätte,  welche  hier  die  Aussenseite  des 
Langhauses  mit  der  gegenüberstehenden  Häuserreihe  bildet, 
deren  Hincinrückung  bei  widerstreitenden  Besitzverhältnissen 
gewiss  nicht  in  der  Macht  des  Bauführers  der  Kirche  lag.  Eben 
aus  dieser  Rücksicht  für  die  ungeschmälerte  Gassenpassage 
wurden  an  dem  unteren,  neueren  Theile  des  Langhauses 
auch  nach  aussen  vorspringende  Strebepfeiler  angebracht. 

Dieser    Erweiterungsbau    wurde    gewiss    noch    durch 
Johann  von  Liechtenstein  unternommen. 

(Die  Foitsetiung  folgt  im  uächsten  Hefte.) 


Die  Dreifaltigkeitskirche  der  Dominicaner  in  Erakaa. 


(Mit  Benützung  eines  Bericlites  des  Herrn  Dr.  Schenkt,  k. 

Zu  den  älteren  kirchlichen  Gebäuden  der  Stadt  Krakau, 
welche  von  den  Folgen  des  grossen  Brandes  im  Jahre  18S0 
am  härtesten  betrofl'en  wurden,  gehört  die  Dreifaltigkeits- 
kirche der  Dominicaner.  Als  nämlich  bei  dem  gedachten 
traurigen  Ereignisse  nicht  nur  die  Altäre  im  Inneren  der 
Kirche  von  den  Flammen  verzehrt  wurden,  sondern  auch  die 
Pfeiler  des  Kirchenschiffes  derartig  gelitten  hatten,  dass  man 
den  Einsturz  mehrerer  derseli)on ,  namentlich  jener  der 
rechten  Seite  des  Kirchen-SchilTes  befürchtete,  entschied 
sieh  ein  Comite  von  mehreren  Bauverständigen  dafür,  drei 
dieser  Pfeiler  unter  der  darauf  ruhenden  schweren  Haupt- 
mauer herauszunehmen  und  durch  neue  zu  ersetzen.  Aus 
ökonomischen  Rücksichten  liess  man  sich  jedoch  bestimmen, 
die  neuen  Pfeiler  aus  Ziegeln  und  zwar  in  drei  Abtheilungen 
aufzuführen  und  nur  schichtenweise  Bänder  von  Quadern 
einzulegen.  Dieser  Vorgang  bot  nicht  die  erforderliche 
Solidität,  das  Materiale  nicht  die  nothwendige  Festigkeit  und 
so  geschah  es,  dass  am  10.  April  1853  in  später  Abendstunde 
der  mittlere  der  neu  erbauten  Pfeiler  mit  einem  Theile  der 
darauf  ruhenden  Hauptmauer  und  am  12.  April  der  zweite 
Pfeiler  gleichfalls  mit  der  darauf  ruhenden  Hauptmauer  zu- 
sammenstürzte; der  dritte  neu  erbaute  Pfeiler  stand  zwar 
noch,  jedoch  auch  an  ihm  wurden  Zeichen  siciitbar,  dass  er 
dem  Momente  des  Einsturzes  entgegen  gehe,  während  der 
vierte ,  dem  Presbyterium  zunächst  stehende  Pfeiler ,  der 
nach  dem  Brande  nicht  erneuert  wurde,  unberührt  blieb  von 
den  gewaltigen  Kräften  der  Zerstörung,  die  in  diesem  Ge- 
bäude thätig  waren  ')• 


k.  LandesbauJireitors  für  das  Ivrakauer-V'erwalfungsgebict.) 

Dadurch  wurde  nun  die  Kirche ,  deren  Wiederher- 
stellung eben  in  Angi'itf  genommen  worden  war,  zum  zweiten 
Male  in  eine  Ruine  umgewandelt  und  Alles,  was  man  bisher 
zu  thun  im  Stande  war ,  beschränkte  sich  darauf,  die  nötlii- 
gen  Vorsichten  zu  ergreifen,  um  den  Einsturz  neuer  Ge- 
bäudetheile  zu  verhindern.  An  eine  Wiederherstellung 
dieses  imposanten  kirchlichen  Baudenkmales  in  ihrem  frü- 
heren Glänze  konnte  bis  jetzt  nicht  gedacht  werden,  da  ein 
Aufbringen  der  bedeutenden  Kosten  —  so  gross  auch  die 
religiöse  Anhänglichkeit  für  dieses  Gotteshaus  in  und  um 
Krakau  ist  —  bei  den  gegenwärtigen  Verhältnissen  nur 
schwer  gehofft  werden  darf,  und  auch  die  schon  begonnenen 
Dcmolirungen  zeigen  —  dass  man  die  Absicht  hat,  nur  das 
Presbyterium  und  die  au  das  SchifT  angebauten  Capellen 
zu   erhalten. 

Um  indess  den  interessanten  Bau  wenigstens  in  der 
Zeichnung  zu  besitzen,  veranlasste  der  Herr  k.  k.  Lande.s- 
baudircctor  Dr.  Schenkl  im  J.  1833  eine  detaillirte  Auf- 
nahme der  Kirche  und  legte  dieselbe  sammt  einer  einge- 
henden Beschreibung  der  k.  k.  Central-Commission  vor. 

Durch  die  Benützung  dieser  Vorlagen  wurden  wir  in 
die  Lage  gesetzt,  nachstehende  Beschreibung  dieses  Baudenk- 
males zu  veröflentlichen.  \\obci  wir  bemerken,  dass  von  den 
Zeichnungen,    welche  grossentheils    durch    den    früheren 


*)    niese  verunglückte   WieJei-iiersteUung   gesclcili   ohiu'    irgend   welcljen 
Einflnss  der  B.iubehiii-de,  und  in  dem  vorliegenden  Bericiite  wird  dieselbe 


als  eine  „Privatsache"  hingestellt,  ohne  dass  hierüber  nähere  naleii 
angegeben  sind,  liei  den  Kinleilungen  zur  Verhütung  weiterer  Schäden 
inlcrvenirte  dagegen  die  k.  k.  I.andesbaudireetion,  und  ihren  schleunigen 
uJid  umsichtigen  Anordnungen  ist  es  zu  danken,  dass  zuletzt  nicht  auch 
der  neu  nurgesct/.te  7,ehn  Kialler  lange  Dachstuhl  eingestürzt  ist. 

Die  Red. 


-    18 


Beamten  der  k.  U.  LandeshiiiKlircctiiiii  in  Kriikau,  lli-ii'n  von 
Sti-ozecki,  mit  ausserordentlicliem  Fleisse  und  \  orstiind- 
nisse  aiisf^eluhrt  wurden,  liier  nur  jene  lieiiiitzl  wurden, 
welche  uns  für  eine  kunst<^escliielillielie  HeurtlieiluuL!  der 
älteren  Theilc  des  Kir- 
clienbaues  am  eharakte- 
ristisehsten    erschienen. 

Wir  entnehmen  nun, 
wie  erwiihnt.  dem  Be- 
richte des  k.  k.  Lan- 
desbaudircctors  Herrn 
Dr.  Sehen  kl  folgende 
Schilderung: 

So  weit  die  unver- 
bürgte Sage  zurückgeht, 
s(dl  vor  Einfrdiriing  des 
riiristenthumes  an  der 
Stelle,  wo  gegenwärtig 
die  Dreifaltigkeitskirche 
steht,  ein  Götzentempel 
gestanden  huhen.  Bruch- 
stücke des  hier  verehrten 
Götzenbildes  will  man 
noch  im  XV.  .lahrhun- 
derte  in  den  Kreuzgiin- 
gcn  des  Klosters  gese- 
hen haben  ;  gegenwär- 
tig aber  sind  sie  spur- 
los  verschwunden.  Der 
angebliche  Götzentem- 
pel mnsste  dem  christ- 
lichen Cultus  weichen , 
und  bescheiden  erhob 
sich  an  seiner  Stelle  ein 
hölzernes  Kirchlcin,  der 
heil.  Dreifaltigkeit  ge- 
widmet ,  dazumal  die 
Pfarrkirche  der  Stadt  Krakau.  Doch  nicht  lange  sollte  sie  die- 
sen Bang  einnehmen;  denn  der  Bischof  Ivo  Odrowaz  (Odro- 
wonsiusj,  im  .lalire  1218  zu  Krakau  zu  dieser  Würde  gelangt, 
beschloss  eine  ganz  n.'ue  Pfarrkirche  nnil  zwar  auf  dem 
llauptplatze  der  an  .\usdeliiiuug  wachsenden  Sladl  zu 
erbauen,  und  die  Dreifaltigkeitskirche.  welche  er  ebenfalls 
neu  zu  erbauen  beabsichtigt«',  dem  I'rediger-Orden  zn  über- 
geben. 

Zwei  Brüder  dieses  Biseliol's.  niimlii'h  llyacinthus  und 
Czeslaus  Odrowaz,  beide  l'riilaten  \nid  s|)ater  heilig  gespro- 
chen, nahmen  in  Rom  das  Kleid  des  luil.  Donnuicns.  um  als 
Prediger  ihrem  Vaterlandc  nützlich  zu  werden,  t'zeslaiis 
ging  nach  Böhmen  und  Sehl<-sieii.  Ilyaciulhus  kehrte  nach 
Krakau  zurück,  und  zog.  niiilidi'ni  kircln'  und  Kloster  im 
Jahre  1223  ausgebaut  war.  als  erster  Prior  mit  den  auf  sei- 
ner Reise  angeworbenen  Gelahrten  in  dasselbe  ein. 


Im  .labre  1227  wurde  die  vollendete  Marienkirche  auf 
dem  Bingplatze  zu  Krakau,  ein  herrlicher  gotbiseher  Bau. 
zur  Pfarrkirche  erhoben:  die  Dreifaltigkeitskirche  aber  aus- 
schliesslich dem  Gebraudie  des  Prediger-Ordens  idierlassen. 

llyacinthus  stirb  im 
Kloster,  und  seine  Zelle 
wurde  in  eine  t'apelle 
umgeschalfen  ,  welche 
noch  gegenwärtig  das 
Emporium  rechts  neben 
dem  Presbyterium  sein 
.soll. 

In  diesem  Zustan- 
de der  l'rsprüuglichkeit 
dürfte  die  Kirche  bis 
zum  .lahre  1408  geblie- 
ben sein,  wo  eine  be- 
deutende Veränderung 
nut  ihr  vorgenommen 
wurde.  Bichtig  ist  es, 
dass  in  diesem  Jahre 
Katbarina,  aus  dem  Hause 
Tarfo,  den  kleinen  Chor, 
nämlich  das  Presby- 
terium, einwölben  liess. 
Dieser  dürfte  daher  i)is 
zu  diesem  Zeitpunkte 
nur  mit  einer  ilolz- 
decke  versehen  gewe- 
sen sein. 

Im  Jahre  1462 
brannte  die  Kirche  ab; 
wie  gross  der  Schaden 
gewesen  sein  mag,  lässt 
sich  wohl  jetzt  nicht 
mehr  angeben,  jeden- 
falls dürfte  er  sehr  be- 
deutend gewesen  sein,  ja  vielleicht  so  gross,  dass  längere 
Zeil  au  den  NN'iederaufbau  gar  nicht  gedacht  werden  konnte, 
was  man  daraus  schliessen  kann,  dass  im  Jahre  1576  noch 
immer   daran  gebaut  wiM'de. 

Das  letztei'e  .lahr  kann  als  dasjenige  angemumnen  wer- 
den, in  welclieni  die  Kirche  die  gegenwärtige  Gestallung 
ei'hielt,  oder  in  dem  wenigstens  bereits  der  Plan  gereift  war, 
ilir  die  gegenwärtige  (iestall  uml  .Ausdehnung  zu  geben. 

Später  ward   noch  Mehreres  hinzugefügt,    verbessert, 

gekünstelt.   I   leider  manche  Schönheit  des  älteren  Baues 

verkümmert:  in  der  Mitte  des  XVII.  Jahrhunderts  mag  aber 
die  Kirche  schon  in  jenem  Stande  gewesen  sein,  w  ie  sie  ^or 
dem  Brande  im  .lalire  IS.'ill  war. 

Nach  dem  Brande  im  .labi-e  l!S."i(l  wurde  das  Presit)- 
terimiL  ganz  neu  gctünclit  und  mit  neuen  Kenstern  versehen, 
die    drei    schon    berülirtcn    Pfeiler   der   rechten    Seite   des 


19    — 


Kircheiisi'liiires  nou  !iiirij;efi]lirt  iiiul  die  Kirche  neu  gedeckt. 
Im  liiiipfPii  erfolgte  keine  wesentliche  Hestiiiinitidn.  Zur 
seihen  Zeit  wurde  auch  das  Kloster  zum  Theile  wieder 
restaurirt  und  wohnbar  gemacht. 

Ein  flüchtiger  Blick  auf  den  gegenwärtigen  Bau  mit 
seinen  gewaltigen,  in  die  Höhe  strebenden  Dimensionen  und 
den  grossarligen  Verhältnissen  zeigt,  dass  er  nur  sehr  wenig 
melir  aus  der  ältesten  Zeit  seines  Bestandes ,  aus  dem 
XIII.  Jahrhunderte  hesitzen  kann  (Fig.  1).  Die  Anlage  des 
ursprünglichen  Baues  ist  höchstens  noch  in  dem  geraden  Ab- 
schlüsse des  gegenwärtigen  Presbyteriums,  dann  an  der  Orna- 
mentik zu  erkennon  (Fig.  2),  die  von  aussen  auf  dieser  Ab- 

schiussmaner    und    an    den 
aiiiii  .  v-...^..  rpieilei'u     derselben 


llB'"^''""''illl!:  Fensterpfeil 


(Fig.  2.J 


n  der  Längenansieht  wahr- 
nelunbar  ist,  und  mit  Grund 
auf  eine  geringere  Hölie 
der  ehemaligen  Kirche  nnd 
i  ein  bei  weitem  flacheres  und 
niedrigeres  Dach  schliessen 
assen.  Auch  an  der  vor- 
deren Seite  der  Kirche  lässt 
sich  noch  jetzt  der  Ab- 
schluss  des  Giebels,  und  da 
die  Mauer    auch    hier  des 


Verputzes  entbehrt,   die  Höhe   des  alten  Baues   erkennen. 
Die  in  Form  von  Dreiecken  aufstrebenden  Ziorathen, 

so  wie  auch  die  im  Inneren  noch  sichtbaren  alten  Fenster- 
nischen und  die  zwischen 
ihnen  herabgleitenden 
schlanken  Gliederungen 
zeigen  deutlich,  dass  die 
alte  Kirche  ursprünglich 
im  Ubergangsstyle  er- 
baut war.  Diese  Amiahine 
unterstützen  auch  die  im 
Schilfe  an  den  gewaltigen 
Pfeilern  von  der  Höhe  der 
Kirche  bis  zum  Fussbo- 
den  herabgeffihrten  Pihi- 
ster,  so  wie  die  Gewölbe- 
rippen (Fig.  3 ) ,  die  bei 
der  Restauration  im  XV. 
Jahrhuiidcrlc  beibehalten 
wurden. 

Die  Fenster  waren 
ursprünglich  bei  weitem 
v<ui  geringeren  Dimen- 
sionen, ihre  Nischen  ganz 
glatt;  er.st  bei  der  Restau- 
ration wurden  sie  namhaft 
angefangen     vergrössert, 


und 


(Fig.  . 3.1 

zwar    von    jenem    Punkte 


wo  ihre  VN'andungen  gegliedert  erscheineu.  eine  N'erzierung, 


welche    die  älteste  Zeit    des    gothischen    Baustyles    gerne 
versehmälite. 

Dagegen  verschwand  manches,  was  damals  üblich  war, 
so  die  zwischen  dem  Presbyterium  und  dem  Kirchenschiffe 
bestandene  Wand  der  Lettner  (LectoriumJ ,  dessen  Sjiuren 
sich  nach  .\bfall  des  Vei-putzes  liei  dem  letzten  Brande  an 
dem  grossen  Bogen  vor  dem  hohen  Chore  erkennen  liessen, 
der  somit  schon  bei  dem  in'sprünglichen Baue  bestanden  haben 
mag.  DieseAbsclilussmaner,  welche gewöhnlich nurin  Kii'chen 
von  sehr  liohrm  ,\lter  vorkömmt,  deutet  mit  so  vielem  .\nde- 
ren  darauf  hin,  dass  der  ursprüngliche  Baustyl  dem  L'ber- 
gangc  zu  dem  rein  gothischen  Style  angehörte. 

Das  Schilf  ist  durch  zwei  Pfeilcrstelluugen  in  drei 
Theile  geschieden,  von  welchen  der  mittlere  die  Höhe  der 
Kirche  abgibt,  die  beiden  anderen  sind  bedeutend  niedriger, 
die  Constructionen  der  Gewöibungen  sich  ähnlich,  mit  schö- 
nen Ri[)pen  geziert,  die  aus  Ziegeln  mit  freier  Hand  geformt 
worden  zu  sein  scheinen.  Das  Gewölbe  des  mittleren  Theiles 
war  ungewöhnlicli  scliw  ach.  «  iderstand  jedoch  dem  Brande, 
wurde  sjiäter  durch  den  erfolgten  Einsturz  der  vorderen 
Giebelwand  eingeschlagen,  und  erst  nach  dem  Einstürze  ganz 
abgebrochen.  Das  noch  bestehende  Gewölbe  des  Presby- 
teriums ist  bei  weitem  einfacher  in  seiner  Construction  und 
ganz  wohl  erhalten. 

Zu  dem  interessantesten  Theile  der  Kirche  gehört  das 
im  schlanken  Spitzbogen  ei-haute  Portal  mit  der  reiiheo.  aus 
Wülsten  und  Einkehlungen  bestehenden  Proliliriuig  und  der 
geschmackvollen  Ornamentik,  wovon  wir  hier  eine -Abbildung 
beifügen,  welche  zugleich  einen  Einblick  in  das  Innere  des 
Schilfes  und  Chores  gewährt  (Fig.  4). 

An  das  Kirchenschilf  schliessen  sich  zu  beiden  Seiten 
Capellen  an,  die  wohl  dem  .W.  .lahrliunderteangehören  dürften, 
jedoch  erst  in  späterer  Zeit  zu  der  Ausstattung  gelaugt  sein 
werden,  die  sie  gegenwärtig  besitzen. 

Dass  sie  der  ursprünglichen  Kirche  nicht  cigenthiindicji 
waren,  lässt  sich  aus  der  Form  der  Ziegel  erkennen,  die  bei 
ihrem  Baue  verwendet  wurden,  noch  mehr  aus  dem  Umstände, 
dass  an  den  Seitenwäiulen  der  Capellen  noch  die  allen  Slrebe- 
pfeiler  der  urspniugliclien  Kirche  zu  erkcuneu  sind,  die  bis 
an  den  Boden  hinab  aus  gehauenen  Steinen  besleheu.  Die 
Mauern  der  CapelliMi  sind  au  diese  Strebepfeiler  angebaut,  ohne 
mit  ihnen  in  einen  l'eslen  Verband  gebracht  worden  zu  sein. 
Einige  dieser  Capellen  sind  im  Renaissaucestyl  ei-baut, 
was  namentlich  heim  Beschauen  der  äiissiMcn  Ansicht  einer 
gewissen  Unklarheit  des  Eindruckes  l!;iuin  giht  oder  über- 
haupt stöi-end  wirkt;  doch  eben  diese  Ca|iellen  sind  besser 
erhallen,  iheils  weil  sie  dem  XVI.  und  XVll.  Jahrhundertc 
angehören,  theils  weil  auf  ihren  Bau  mehr  verwendet  wurde, 
und  die  .\lläre  von  Stein  aufgeführt  wurden,  sonach  nicht 
so  leicht  deuFlannnen  Nahrung  geben  konnten. 

Denselben  ähnlich  sind  die  zwei  kleinen  l  aiiclltii, 
welche  rechts  und  links  au  die  Ndrhalle  slosseu.  jedoch  auch 
der  neueren  Zeit  angehören. 


20  — 


Links  vom  Eingange  in  die  Kirche  und  zunächst  dem-  Die  an  die  Rosenki-anz-Rapeiie  anstosscnde  Capelie  des 

selben  liegt  die  Katharinen-Capelie,  deren  Gründer  der  heil.  Doniinicus  ist  zugleich  die  Grabstätte  der  markgräf- 

letzte  Sprosse  des  fürstlichen  Haiises  Zharaski  ist,  der  im  liehen  Familie  Myszkowski,    welche  sie  im  Anfange  des 

Jahre  i(j31  starb.  Ihre  Wände  kleidet  weisser  und  schwarzer  XVU.  Jahrluiiiderts  erbaut  hat.     Sie  übertrill't  alle  anderen 


Marmor,  das  rei- 
che und  schöne 
Gesimse  wird 
von  vier  Säulen 
aus  Breceia  ge- 
stützt. Beide  Sei- 
tenwände der 
Capelie  zieren 
sehr  sehijn  ge- 
arbeitete Grab- 
denkmale zwei- 
er Fürsten  Zha- 
raski, deren  ge- 
harnischte Ge- 
stalten, aus  Ala- 
baster gearbei- 
tet, auf  den  mar- 
mornen Särgen 
liegen. 

Ein  beson- 
ders gelungenes 
Bauwerk  ist  die 
Hyaein thus- 
Capelle  ,  von 
der  bereits  be- 
merkt wurde, 
dass  sie  aus 
der  bescheide- 
nen Zelle  des 
Heiligen  ent- 
stand ,  und  nun 
ein  Emporium 
der  Kirche  ist.  - 
Zu  ihr  fidirt  eine  ' 
reiche  Marmor- 
Ireppe  in  schö- 


-^r 


iiiiii 


Capellen  an  mas- 
siver Bauart,  und 
trägt  eine  Kup- 
pel aus  Stein,  in 
deren  Tambour 
die  Büsten  der 
Glieder  der  ge- 
nannten Familie 
angebracht  sind. 


Vom  Feu- 
er völlig  unver- 
sehrt blieb  auch 
die  Capelie  des 
ii.  Sebastian 
und  der  heil. 
K  0  s  a  1  i  a ,  der 
fürstlichen  Fa- 
mile  L  u  b  o  - 
111  i  r  s  k  i  zuge- 
hörend. 

Dagegen  litt 
die  Capelie  des 
heil.  Nikolaus 
desto  mehr  von 
dem  zerstören- 
den Elemente, 
und  mit  ihr 
das  Grabmal  des 
1J;S4  gestor- 
benen Prosper 
l'rova  na,  eines 
an  sieh  unbe- 
denli'nden  Man- 
nes und  Aufse- 
hers der  Salz- 
bergwerke, des- 

nem  Renaissancestyl  aus  der  Kirche  empor,  welche  leider  sen  sehr  schön  gearbeitetes  Monument  seinen  Namen  auf  die 
bei  dem  Einstürze  und  den  Arbeiten  bei  den  Stützungen  Nachwelt  brachte.  Die  archäologische  Section  des  hiesigen 
gelitten  hat,   doch  der  Restauration  noch  immer  fähis:  ist.  Gelehrtenvereines  hat  es  reslauriren  lassen. 

Die  M  u  1 1  e  r  -  G  0 1 1  e  s  -  C  a  p  e  1 1  e  wurde  in  letzter  Zeit 
(Inrcli  den  Grafen  Przezdziecki  restaurirt.  enthält  jedoch 
ausser  dem  im  vorigen  .Iidire  angebrachten  schönen  Glas- 
gemälde des  Professor  Hühner  aus  Dresden  nichts  von 
Bedeutung. 

Beim  Eintritte  in  die  Kirche  fällt  besonders  die  tiefere 
fjage  des  Fussbodens  der  Kirche  auf;  es  ist  diess  jedoch 
eine  bei  vielen  (lebäuden  Krakau's  vorkommende  Erscheiiuing, 
und  dcntri  darauf  hin.  dass  sich  der  Boden  der  Stadt  fast 
durchaus  gehoben  hat,  leicht  erklärlich,  weim  erwogen  wird. 


(Kig.  i.) 


Die  Rosenkranz-Capelle  ist  die  grösste  von  allen, 
enthält  jedoch  keine  besonderen  architektonischen  Schön- 
heiten, dagegen  ein  Prachtstück  alter  Giesserei.  nämlich  das 
Bronzedenkmal  des  141)7  verstorbenen  Filippus  Callima- 
ehus,  eines  gelehrten  Italieners  aus  der  Familie  Buona- 
corsi,  der  Lehrer  der  Söhne  des  Königs  Kasimir  .lagello 
war.  Es  ist  vollkommen  wohl  erhalten  und  von  so  vor- 
trefilicher  Ausführung,  dass  man  ihm  einen,  den  Freunden 
der  Kunst  mehr  zugänglichen  als  den  jetzigen  Ort  wünschen 
möchte. 


21 


welche  Katastrophen  das  alte  Krakau  erleiden  musste.und  wie 
oft  die  Trümmer  seiner  Gebäude  Plätze  und  Gassen  deckten. 

Viel  des  Merkwürdigen  umfasst  noch  die  Kirche,  und 
würde  fleissigem  Studium  reiche  Ausbeute  liefern;  es  sei 
daher  nur  noch  des  historisch  wichtigen  Grabmals  des  Her- 
zogs Lesco  von  Polen  gedacht,  welches  leider  durch  den 
16S8  stattgefundeneii  J5rand  des  Hochaltarcs  so  sehr  litt, 
dass  man  auf  dem  schief  in  die  Wand  der  Kirche  einge- 
mauerten Steine,  welcher  die  Umrisse  der  Gestalt  des  Her- 
zogs sehen  lässt,  nur  einige  Worte,  wie  „Lesens  Niger," 
dann  die  Zahlen  26  und  1289  erkennen  kann. 

Spurlos  sind  die  herrlich  aus  Holz  geschnitzten  Chor- 
stühle des  Presbytcriums  verschwunden,  so  wie  der  der 
Kirche  gewidmete  Feldaltar  des  Königs  Johann  Sobieski, 
bei  welchem  am  Schlachttage  vor  Wien  die  Messe  gele- 
sen ward. 

Wie  der  Grundriss  zeigt,  schliesst  sich  das  Kloster  der 
Dominicaner  eng  an  die  Kirche.  Auch  dieses  Gebäude  ist 
das  Werk  mehrerer  Jahrhunderte.  Seine  mittelalterliche 
Gestalt  hat  es  am  meisten  in  dem  der  Kirclie  angränzenden 
Theile  erhalten,  in  dem  anderen  aber  ist  es  theilweise  Ruine, 
und  wurde  nach  neuerem  Style  und  zu  neueren  Zwecken, 
namentlich  zu  Miethwohnungcn  umgebaut. 

Hier  ist  es  nun  hauptsächlich  der  an  die  Kirche  stossende 


Kreuzgang,  gegenwärtig  dem  Gottesdienste  gewidmet,  wel- 
cher bei  dem  Alterthumsforscher  und  Arcliitekten  Interesse 
erregt.  Seine  schönen  Gewölbe,  die  uralten  Glasmalereien 
der  im  Spitzbogen  ausgeführten  Fenster,  welche  dem  Brande 
widerstanden,  zeugen  von  guter  Kunst. 

An  den  Wänden  des  Kreuzganges  belinden  sich  viele 
Denkmale  von  Personen,  die  in  der  Geschichte  Polens  eine 
bedeutende  Stellung  einnahmen  oder  für  seine  Literatur 
thätig  waren. 

An  eine  Seite  des  Kreuzganges  stösst  auch  das  ehe- 
malige Capitelhaus,  dessen  gothischer  Styl  der  früheren 
Periode  angehört. 

Aus  dem  Klostergange  des  neueren  Theiles  des  Gebäu- 
des gelangt  man  in  ein  Vestibül  von  sehr  schöner  Architectur. 
Die  drei  Säulen  mit  geripptem  Gewölbe  gewähren  einen 
herrlichen  Effect. 

An  dieses  Vestibid  reihen  sich  die  beiden  Refectorien, 
von  welchen  das  Fasten-Refectorium  im  schönsten  gotbischen 
Style,  das  zweite  im  Style  der  Renaissance  erbaut  ist. 

Die  ober  diesem  Refectorium  aufbewahrte  Kloster- 
bibliothek.  welche  10,000  Bände  stark  war,  ist  leider  ein 
Raub  der  Flammen  geworden ,  mit  ihr  und  den  dort  befind- 
lichen Handschriften  ging  für  die  Geschichte  Polens  ein 
grosser  Schatz  verloren. 


Notizen. 


(Anregungen  zum  archäologischen   Studium 
in  Österreich.)    Es  ist   eine    gewiss    sehr    erfreuliclie 
Erscheinung,   dass  neben  dem  bedeutenden  Terrain,  wel- 
ches in  unseren  Tagen  die    Naturwissenschaften  auf   dem 
geistigen  Gebiete  erobert,   neben   dem   masslosen  Vordrän- 
gen des  Industrialismus,  auch  die  archäologischen  Studien 
in  Österreich  eben  jetzt   einen  so  raschen  und  gedeihlichen 
Aufschwung  nehmen.    Das  Doppelgesicht,  mit  welchem  die 
Alten  sich  die  Zeit  versinnlicht  hatten,   blickt  uns  jetzt  kla- 
rer und  verständlicher  als  je  entgegen.  Fassen  wir  die  jüng- 
sten Erscheinungen  im  Gesanuntbild   zusammen  und   behal- 
ten wir  dabei  im  Auge,  von  welch  glücklichen  Folgen  die- 
selben begleitet  sein   werden  *  so  haben  wir  auch  Grund, 
unsere    besten  Hoflnungen  auf  eine   dauernde   Einwirkung 
derselben    zu    setzen.    In    Prag   hat   Seine    Eminenz  der 
Cardinal -Erzbischof  Fürst  Seh  warzenberg  die  Theolo- 
gen des    vierten  Jahrganges  angehalten,    den  Vorlesungen 
des    Herrn    Professors    und    Conservators    Wocel     über 
Archäologie  beizuwohnen.   ■ —  Der  hochwürdigste  Bischof 
in  Brunn,  Graf  Schafgotsch,    machte   —  wie  wir  be- 
reits im  November-Hefte  des  ersten  Jahrganges  mitgetheilt 
haben   —   durch  einen  Erlass   der   gesammten  Pfarrgeist- 
lichkeit   zur   Pflicht,    für    die  Erhaltung  der   altchristlichen 
Denkmale   im    Sinne   der   canonischen  Vorschriften   Sorge 
zü  tragen  und    hat  sich  entschieden  gegen  jede    Verun- 


staltung von  Kirchen  und  kirchlichen  Baudenkmalen  ausge- 
sprochen, welche  oft  unter  dem  Titel  .Restaurationen'"'  vor- 
genommen werden.  —  Auf  Anregung  des  Alterthumsvereines 
in  Wien  begann  ferner  Herr  Professor  v.  Eitelberger 
kürzlich  10  Vorlesungen  über  die  christlichen  Haustyle  des 
Mittelalters,  welche  von  einem  glänzenden  Auditorium  und 
darunter  auch  von  dem  Herrn  Präses,  so  wie  den  Mitglie- 
dern der  k.  k.  Central-Commission  besucht  werden.  —  Der 
Landes-Archäolog  für  Steiermark,  Herr  Haas,  eröffnete 
vor  Kurzem  in  Gratz  Vorlesungen  über  mittelalterliche 
Kunst,  welche  gleichfalls  ausserordentlich  zahlreich  besucht 
sind  und  solchen  Beifall  finden,  dass  der  bochwürdigste 
Bischof  von  Sekaii  denselben  aufgefordert,  ähnliche  Vor- 
lesungen für  die  Theologen  des  geistlichen  Seminars  zu 
erölfnen.  —  Nach  einem  an  den  Präses  der  k.  k.  Central- 
Commission  Herrn  Karl  Freiherr  von  Czoernig  gerichteten 
Schreiben  hat  Seine  Excellenz  der  Herr  Feldzeugmeister 
Freiherr  v.  Hess  die  ihm  unterstehenden  OfTiciere  des  Ge- 
neralstabes angewiesen,  auf  alle  sich  ergebenden  Funde  und 
Spuren  alter  Denkmale  aufmerksam  zu  sein  und  sich  bereit 
erklärt,  die  in  dieser  Richtung  ihm  zukommenden  Berichte 
zur  Kenntniss  der  k.  k.  Central-Commission  zu  bringen.  — 
In  Tri  est  hat  am  6.  December  der  Conservator  für  das 
Küstenland.  Herr  Dr.  Ritter  von  Kandier,  seine  Winter- 
Yorlesungen,  welche  von  Sr.  Excellenz  dem  Herrn  Statthalter 


99 


Freilierr  v.  Mertens  unci  (Ion  ersten  Notabilitäten  der  Stadt 
besucht  sind,  niit  einem  Vortratre  ülicr  das  l)erülinite  Amphi- 
theater in  I'ula  liejrorinen.  —  In  w  elcliem  (Irade  die  Auf- 
merksamkeit des  Anshindes  auf  dieTliiilii^keit  der  k.  k.  ("enlral- 
Commissiongerielitet ist,  beweisen  (h'e/aiih'eiehensclimeiehel- 
liaften  Zuseliriften,  die  dem  Herrn  l'räses  der  k.  k.  l'enlral- 
rommision  von  den  ersten  Gehdn-ten,  wie  von  D  idro  n,  Ca  u- 
mont,  K  ugler,  Fjübk  e,  Q  n  ast.  Se  hna  a  s  e  u.  s.  w.  zu- 
kiinunen.  —  Seit  dem  Beginne  derPnhhcationen  der  k.k.Cen- 
tral-L"ommission  \vur(h^  aneli  der  Sehriftenanstausch  mit  den 
meisten  Vereinen  imd  (Jesellschafleu  des  In-  und  Auslandes 
hergestellt,  inul  ein  gemeinsames  ISaud  der  liierarischen  In- 
teressen angeknüpft.  Es  befinden  si(di  darunter  im  lulande: 
Die  k.  k.  A  k a d e m i e  de r  W i s  s  e n  s c h a f  t  e n  ,  der  Alter- 
thumsverein  in  Wien,  die  bistor.-statistisehe  Section  der 
m  ä  h  r  i  s  eh  -  s  ehies  iseli.  A  eke  r  ha  uge  s  e  !  Ise  h  a  f  t, 
dasFcrdinandeum  in  Innsbniek,  die  süd-slaviselie  Gesell- 
schaft für  Gesehichte  und  Alterthuui  inAgram,  die  arehan- 
logische  Section  des  böhmischen  Museums  in  Prag,  des 
Francisco-Carolinum  in  Linz,  der  Verein  für  siebenhürgi- 
sche  Landeskunde  in  H  ermann  Stadt,  der  historische  Ver- 
ein für  S  t  eiermark,  die  Gesellsc'haft  der  Jagelionischen 
Universität  in  Kr  a  kau,  das  Karolinum-Augusteum  in 
Salzburg,  der  histor.  Verein  für  Krain,  der  Geschichts- 
verein für  Kärnthen;  —  im  Auslande:  das  germanische 
Museum  in  Nürnberg,  die  numismatische  Gesellschaft 
in  Berlin,  der  Verein  für  mittelalterliche  Kunst  in  Berlin, 
der  \vürtend)ergische  Alterthumsverein  in  Stuttgart,  die 
Gesellschaften  für  vaterlandische Alterthünier  in  Zürich  und 
Basel,  die Alterthumsvereine  zu  Münster,  Paderborn 
und  Hannover  für  West  [dialen ,  der  hislorisclie  Verein  für 
überbaiern  in  München,  der  Verein  für  .Mlerthumskunde 
im  Rheinlande,  der  Verein  für  mecklenburgische  Ge- 
schichte zu  Schwerin,  der  historische  Verein  der  fünf 
Orte  Luzern,  l'ri,  Schwyz,  Unterwaiden  und  Zug 
und  der  Alterthumsverein  für  das  Grossherzogthum  Baden 
in  Karlsruhe.  l)ie  Anknüpfung  mit  anderen  Vereinen 
und  Gesellschaften .  so  wie  mit  der  kaiserl.  Commission  für 
monumentale  Statistik  in  Paris  ist  eben  im  Zuge. 

(Die  Kirche  St.  Sebastian  zu  Venedig.)  Ge- 
legentlich der  in  Anregung  gebi-achten  Bestanration  der 
Fresken  del  P.  Veronese  in  der  Kirche  St.  Sebastian 
zu  Venedig  dürfte  folgende  Darstellung  über  dieses  Bauwerk 
inid  über  dessen  innere  Ausschmückung .  welche  Mai-cbese 
Scivaticoder  k.  k.  Cenlral-Commission  vorlegte,  von  grös- 
serem Interesse  sein. 

Bruder  .\ngelus  von  Corsica  gründete  im  .labrc  i;!'J3 
an  dieser  vStelle  ein  Kloster  der  ilieronymilaner,  welches 
jedoch  in  den  ersten  .lahreii  seiner  KnlstiliMiig  wegen  der 
heftigen  Anfeindung  durch  die  Plainr  der  benachbarten 
Kirche  zum  Frzengel  nur  wenig  gedieh.  Papst  Calixtus  III. 
beendete  diesen  Streit  dadurch,  dass  er  den   linideru  einen 


jährlichen  Tribut  an  W'aclis  für  den  Ptarrer  der  benannten 
Kii-clie  auferlegte. 

Die  Kirche  des  heiligen  Sebastian  wurde  im  J.  14oö 
erweitert:  da  aber  die  Kinkünfti'  des  Klosters  sich  vermehr- 
ten, begann  mau  in  den  ersten  .lahreu  des  X\  I.  .lalirhunderts 
sie  vom  (irmnie  aus  in  ihrer  gegenwärtigen  Gestalt  neu  auf- 
zubauen. Die  Aufschrift,  die  sich  an  der  Fa^ade  der  Kirche 
befindet,  beweist,  dass  dieser  Neubau  im  Jahre  1348  vollen- 
det wurde.  Diese  .\ufschrift  lautet:  „Hoc  templum  D.  Sei)a- 
stiani  a  fundamentis  instaiu'atum  fuit  —  anno  MDXLVIII." 

Die  (iuide  di  \  eue/.ia,  welche  meinem  \\  erke  über  die 
.Architectur  dieser  Stadt  vorangingen,  geben  an,  dass  die 
Fa^ade  eine  Arbeit  des  San  s  0  vino  und  das  Innere  jene  des 
Sebastian  Serlio  sei.  Emanuel  Cicogna  thut  dagegen 
im  4.  Bande  der  trefl'licheii  Iscrizioni  Venezianc  urkundlich 
dar,  dass  der  Erbauer  dieser  Kirche  der  aus  Cremona  gebür- 
tige Francesco  da  Castiglioue  war  und  bei  diesem 
Werke  von  Searpagnino,  vom  Meister  Bartolommeo, 
vom  Meister  Guglieimo  aus  Bergamo  und  vom  Meister 
Pietro  Lombardo  unterstützt  v\ui-de,  und  dass  der  Bau 
im  Jahre  ISOß  begann. 

Bezüglich  der  Erbauer  dieser  Kirche  schrieb  ich  in 
meinem  Werke  (sulla  scultura  ed  architettura in  Venezia  1 847) 
Seite  212  Nachfolgendes: 

„Dank  den  sorgfältigen  Untersuchungen  von  Cicogna, 
können  wir  jetzt  mit  einiger  Wahrscheiidichkeit  dem  Sear- 
pagnino noch  ein  anderes  preiswürdiges  Werk,  die  Kirche 
zum  heil.  Sebastian  zuerkennen,  von  webdier  die  Guide  ohne 
irgend  einen  sicheren  Nachweis  beliaupten,  dass  sie  im  Iiniern 
von  Sebastian  Serlio,  in  der  Faeade  aber  viui  Sansoviuo  aus- 
geführt worden  sei.  Die  Klosterurkunden,  V(Ui  denen  Cicogna 
Einsicht  nahm,  deuten  auf  Arbeiten  hin,  welche  unser  Bau- 
meister für  diesen  Bau  lieferte,  und  von  1511  bis  1549,  in 
welchem  Jahre  der  Bau  beendiget  worden  zu  sein  scheint, 
kounnen  sehr  häufig  von  ihm  bestätigte  (!eld-Em|ifänge  vor. 
Es  ist  siunit  wahrs<'heinlicli,  sagt  der  erwäluile  (ielelirte, 
dass  er  das  erste  Modell  dazu  geliefert  habe.  Bea(dite  i(di 
übrigens,  wie  aus  jenen  Documenten  selbst  deutlich  hervor- 
geht, dass  im  Jahre  150(5  bei  der  Legung  des  (irnndes 
Francesco  da  Castiglioue  aus  Cremona,  der  ^'eller  und  'l'lieil- 
nchmer  an  den.\rbeiten  des  Meisters  Bartolonuneo  (vielleicht 
der  Bon).  Maurer  war  und  an  seineu  .\rbeiten  Tlieil  nahm, 
beai'lile  ich,  dass  die  Zahlungen,  die  au  Searpagnino  im 
.lalire  1548  geleistet  uurilcn  .  rohe  und  lie  a  r  be  i  t  e  l  e 
z  u  r  F  a  9  a  d  e  der  Kirche  g  e  I  i  e  f  e  r  l  e  Steine  b  c  t  r  a- 
fen;  nehme  ich  darauf  Büeksicht,  dass  in  den  Bechnungen 
sowohl  der  Meister  Bartolonuneo,  vielleicht  der  Bergamaske, 
und  der  Moistcr  Piei'o,  viellcielil  ilrr  Lnuiliardc  ,  mit  ihm 
zugleich  und  als  seine  (i(diill'eu  benannt,  vorkounnen:  —  so 
gelange  i(di  zu  der  lly|iothese,  (hiss  vielmehr  das  Mod(dl 
von  dem  besagton  Francesco  da  Castiglione  (di'r 
gemeine  Name  Maurer  schloss  in  damaliger  Zeit  ni(dit  die 
Idee  des  Nichtversländnisses  in   Bezug  auf  die  eigentliche 


—   23 


Kunst  lies  Baues  in  sich)  herrührte  uiul  ilass  die  übri- 
gen IJenannten  die  Arlieiteu  für  die  Verzierungen  lie- 
ferten, SciU'pagnino  jedoch  den  vorzüglichsten  Thoil 
davon  übernommen  haben  mag.  Wie  die  Saclie  sich  aucli 
verhalten  möge,  so  ist  diese  Kirche  doch,  wenn  auch 
kein  Meisterwerk  der  Eleganz ,  wenigstens  mit  correeter 
Neuheit  des  Gedankens  und  mit  kunstgerechter  Harmonie  in 
den  Verhältnissen  des  Innern  ausgeführt  worden.  Sie  besteht 
aus  einem  einzigen  Schiffe,  welches  ein  Chor  mit  zwei 
Seitencapellen  absehliesst.  Im  Vordertheile  erhebt  sich  auf 
drei  Seiten  eine  Gallerie  von  sehr  zarten  viereckigen  Pfei- 
lern, die  einen  Geländergang  tragen,  —  ein  Gedanke, 
welcher  der  Masse  Leben  und  Leichtigkeit  gibt.  Die  Fa- 
fade  ist  leer  und  dürftig  und  verdient  keine  Erklärung." 

An  b  e  111  o  I-  k  c  n  s  w  e  r  ( Ii  e  n  Gegenständen  besitzt  das  Innere 
der  Kirclie  folgende  (derUmblick  beginnt  rechts  vom  KinlrilteJ  : 

1.  Altar.  Der  lieil.  Nikolaus,  dem  ein  Engel  ein  Buch 
hält:  ein  Werk  Tizian's,  als  er  schon  86  Jahre  alt  war. 
(stark  nachgebessert). 

2.  Altar.  Ein  kleines  Gemälde,  die  Madonna  mit  dem 
Kinde  und  zwei  Heilige  darstellend;  (halbe  Figuren)  von 
P  a  0 1 0  ('  a  1  i  a  r  i ,  genannt  V  e  r  o  n  e  s  e. 

3.  Altar.  Die  Jungfrau  mit  dem  Kinde  und  dem  hei- 
ligen Johannes;  Gruppe  in  Marmor  von  Tommaso  da 
Lugano,  Schüler  des  Sansovino,  welcher  hier  die  Gruppe 
derselben  Personen  nachbildete,  die  sein  Meister  für  die 
kleine  Gallerie  unter  dem  Glockenthurme  lieferte. 

4.  .\ltar.  Christus  am  Kreuze  und  die  beiden  Marien; 
Gemälde  von  Paolo  Caliari,  1563. 

Das  Grabmonunient  für  Livio  Podocatoro.  Bischof  v(m 
Nicosia,  ein  Werk  von  Jakob  Sansovino  vom  Jahre  1556. 

Die  grössere  der  Ca  pellen  enthalt: 

Das  Altarblatt:  die  Jungfrau  in  der  Glorie  und  sechs 
Heilige  unterhalb;  von  Paolo  Caliari,  1558. 

Das  Gemälde  rechts:  die  Marter  des  heil.  Sebastian; 
von  Pao  lo  Ca  liari. 

Das  Gemälde  links:  die  Heiligen  Marcus  und  Marcelli- 
nus, bei  ihrer  Marter  vom  heil.  Sebastian  ermuthigt;  von 
Paolo  Caliari  1),  1565. 

An  den  Seiten  des  grösseren  Altars  sind  zwei  Fresco- 
Figuren  im  llcllilimkel  von  Paolo  Caliari. 

Die  Kuppel  war  ganz  ein  Werk  des  Paolo,  da  aber  die 
Malerei  abgefallen  war,  wurde  sie  durch  Fresken  von  Seba- 
stian Hicci  ersetzt,  die  den  heil.  Sebastian  in  der  Glorie 
vorstellen. 

Die  Orgel  wurde  modellirt  von  Paolo  Caliari, 
geschnitten  von  Domenico  Maraegon  und  von  Ales- 
sandro   Vicentino,   1558.  Die  äussere  Seite  der  Thür- 


•)  Nach  Selvatico's  Ansiclit  ist  diess  dus  scliöaste  (jieinüliiu  des   ausgezeich- 
neten Malers. 


eben  stellt  Maria  Heinigung .  die  innere  Seite  der  Thürchen 
den  Teich  Bethoda  dar;   beide  Werke  von  P.  Caliari. 

An  den  Seiten  der  Orgel :  zwei  Propheten  al  fresco 
von  P.  Caliari. 

Links  von  der  Orgel:  Ehrendenkmal  für  Paolo 
Caliari;  mit  dem  Hrustbilde,  einst  von  Cam  illo  Bozzetti, 
neu  ausgeführt  von  Matte o  Carnero'). 

In  der  Saeristei  befinden  sich  in  der  Mitte  die  Krönung 
der  h.  Jungfrau  und  an  den  4Seitentheilen  die  Evangelisten; 
von  Paolo  Caliari-),  1555. 

An  der  mittleren  Wand  die  Taufe  unseres  Herrn;  das 
Opfer  Abrahams  und  Jesus  im  Garten;  von  Bonifaccio. 

An  der  Wand  auf  der  anderen  Seite:  Jonas  wie  er  aus 
dem  Wallfische  steigt,  und  die  Auferstehung  unseres  Herrn ; 
von  Bonifaccio. 

Die  Strafe  der  Schlangen  von  Jakob  Tintoretto. 

An  dem  oberen  Chore  ist: 

Links:  der  h.  Sebastian,  seine  Marter  mit  Stockschlägen 
ihililend,  rechts:  der  heil.  Sebastian  vor  dem  Tyrannen: 
beide  Fresken  von  Paolo  Caliari  dargestellt.  Bings  herum: 
Propheten,  Sybillen  und  die  Apostel  Petrus  und  Paulus; 
al  fresco  von  P.  Caliari.  —  In  den  vier  Ecken  vier  grosse 
Statuen  im  Stucke ,  sie  .stellen  die  Verkündigung  Maria  und 
die  Sybillen  von  Cumae  und  Erythra  vor;  von  Girolaino 
Campagna. 

Wenn  man  in  die  Kirche  zurückkehrt  und  seinen  Gang 
nach  rechts  verfolgt  : 

1.  Altar.  Styl  des  Sansovino,  an  den  Seiten  zwei 
Statuen,  der  heil.  Antonius  der  Abt  und  der  h.  Marcus;  von 
Alexander  Yittoria,   1564. 

Die  Büste  des  Procurators  Markanto  Gi'iiiKuii;  von 
Vittoria,  1564. 

2.  Altar.  Die  Taufe  Christi ;  Ölgemälde  von  Paolo 
Call  a  r  i. 

3.  Altar.  (Nichts  benierkenswerthes.) 

4.  AI  t  a  r.  Der  Fall  des  h.  Paulus ;  Mosaik  von  Antonio 
Zuccato. 

Deeke  der  Kirche. 

1.  Abtheihing:  Esther  zum  Alias  vorgeführt. 

2.  A I)  t  h  e  i  1  u  n  g :  Esther  gekrönt. 

3.  Abtheilung:  Der  Triumph  des  Mardochäus.  Alles 
Werke  von  Paolo  Caliari  s). 


')  Uiiterlialb  steht  die  Insclirift:  l':iulo  Cnliario  vcronensi  piotori ,  nülurae 
eiiuilo  strtis  niiracnli»,  superstite  fatis,  fania  victnro.  .\uf  dem  Estrich  stellt 
der  (iralistcin,  unter  welchem  die  Gebeine  des  herühniteu  Veronesen  auf- 
bewahrt sind,  geset/.t  von  seinem  Bruder  üenedeUo  und  den  /.wei  Sühnen 
rarb>  und  Tiahriele  im  .lahre  1588. 

'-')  niess  war  ilie  erste  ,\rbeil.  welche  den  Paolo  in  diese  Kirche  führte,  wo- 
hin er  von  KcrnardoTorlioni,  dem  Prior  des  Klosters,  seinem  l,andsmanne. 
berufen  wurde. 

3)  Paolo  war  damals  23  Jahre  alt.  Diess  sind  die  ein/.ii,'en  Kreskcn.  die  jel/.l 
von  Paolo  in  Venedig  nocii  bewahrt  werden,  und  darum  erscheint  es  um 
so  wichtiger,  sie  vor  dem  Untergänge  zu  bewahren. 


24 


(Neuentdecktc  Pfahlgräber  nächst  Csurtrö 
in  Ungarn.)  Nicht  weit  von  der  Strasse,  die  von  Stiihl- 
weissenburg  nach  Moor  führt ,  in  einem  Thale  niidist 
C  s  u  r  g  ö,  einem  Besitztbume  des  Grafen  Georg  v.  K  a  r  o  1  y  i, 
befinden  sieh  vonBäumen  umgeben  sieben  Hügel,  deren  jeder 
beiläufig  1 0  Klafter  im  Umfanghatund  4— 4</3  Klafterhoch  ist. 
Von  diesen  Hügeln  wurden  vor  Kurzem  zwei  aufgegraben  und 
man  fand  in  jedem  von  ihnen  vier  bereits  vermoderte  starke 
Pfahle,  von  starken  Balken  und  vielen  angehäuften  Steinen 
umgeben.  Zwischen  den  Pfählen  standen  mehrere  grössere 
und  kleinere  Urnen,  die  Asche ,  Thierknochen,  WatVenüber- 
reste  etc.,  aber  keine  Münzen  enthielten.  Herr  Pados, 
Erzieher  im  gedachten  grätliehen  Hause,  sammelte  Alles,  was 
zu  sammeln  war,  und  überlieferte  es  dem  gelehrten  Aiter- 
thumsforscher  am  National-Museum  in  Pesth,  Herrn  Krdy 
(Lutzenbacher) ,  und  wir  holTen  darüber  recht  bald  ausführ- 
lichere Nachricht  geben  zu  können,  indem  unseres  Wissens 
diess  die  ersten  in  Ungarn  entdeckten  Pfahlgräber  sind,  wie 

sie  in  Deutsehland  häufiger  vorkommen. 

Dr.  M.  Haas. 

(Ü b e  r  d i  e  E r b  a u u n g s z e i t  d e r  ersten  christ- 
lichen Kirchen  in  Kärnthen.)  Der  hochw.  Herr 
Pfarrer  und  Correspondent  der  k.  k.  Central  -  Commission 
Johann  Aberniann  in  Kolbnitz  bemerkte  in  einer  Beschrei- 
bung der  Kirche  auf  dem  üanielsber ge  im  IMöllthale, 
dass  dieselbe  auf  den  Trümmern  eines  heidnischen  Hereules- 
Tempels  und  wahrscheinlich  schon  im  VII.  Jahrhunderte 
erbaut  worden  sei.  Diese  Bemerkung  veranlasste  den  Con- 
servator  für  Kärnthen,  Herrn  G.Freih.  von  Ankershofen, 
zur  folgenden  Nachweisung  über  die  Erbauungszeit  der 
ersten  christlichen  Kirchen  in  diesem  Kronlande  mit  speciel- 
1er  Hücksicht  auf  die  Kirche  am  Danielsbcrge  : 

„Ob  die  Kirche  auf  dem  Danielsberge  der  Umbau  eines 
Heidentenipels  oder  ein  Neubau  sei,  zu  welchem  die  den 
Ruinen  des  alten  Heidentempels  entnommenen  Baumateria- 
lien verwendet  wurden,  könnte  erst  nach  einer  genauem 
Untersuchung  des  Kirchenbaues  beiirtheilt  werden.  Der 
Meinung,  dass  dieUmstaltung  des  Hercules-Tenipels  auf  dom 
Danielsberge  in  eine  christliche  Kirche  im  VII.  Jahrhunderte 
erfolgt  sei,  könnte  ich  in  keinem  Falle  beistimmen,  da  Kärn- 
then in  VII.  Jahrhunderte  durch  die  heidnischen,  dem  Chri- 
stenthume  feindlichen  Slaven  besetzt  war.  Wohl  lebte  schon 
in  der  zweiten  Hälfte  des  V.  Jahrhunderts  im  benach- 
barten Lurnfelde  eine  Christengemeinde  mit  ihrem  Bischöfe 
Paulin  ').  Allein  die  Unsicherheit  vor  den  Einfällen  der 
benaehbarlen  dcutsehen  Völker  musste  jede  Baulust  heniuien 
und  wenn  auch  in  dieser  Zeit  oder  auch  im  VI.  Jahrhun- 
derte bis  zu  dessen  Ende  (391)  die  Christengemeinde 
von  Tiburnia  als  bestehend  nachgewiesen  werden  kann=). 


nicht  blosse  Bedürfnissbauten  ,  sondern  auch  Steinbauten 
geführt  worden  sein  sollti'n,  so  sind  selbe  doch  gewiss  von 
den  heidnischen  Slaven,  welelie  gegen  das  Ende  des  VI.  Jahr- 
buPiderts  in  Kärnthen  vordrangen,  wieder  zerstört  worden. 
Erst  im  VIII.  Jahrhunderte  finden  wir  das  Christenthum 
in  Karantanien  wieder  aufkeimend,  und  eines  Kirchenbaues 
im  Lurnfelde  erwähnt').  Allein  auch  jetzt  war  das  Christen- 
thuni  in  Karantanien  zu  wenig  gesichert,  als  dass  man 
annehmen  könnte,  die  von  Modest  und  seinen  Gefährten 
aufgebauten  Kirchen  hätten  mehr  als  dem  dringendsten 
Bedürfnisse  ents|>rochen.  Erst  im  XI.  Jahrhunderte,  nach- 
dem die  Ostmarken  des  Karolingischen  Reiches  durch  die 
Siege  Karl's  des  Grossen  von  den  Avaren  geräumt  und  vor 
den  Resten  derselben  gesichert  Maren,  das  geräumte  Land 
dem  Salzburger  Erzbischofe  Ai'uo  zugewiesen  und  der  geist- 
lichen Pflege  des  Landbischofes  Theodorich  übergeben 
wurde  und  im  Innern  Karantanicns  dem  Christenthume  durch 
Herzog  Inguo  allgemeinerEingangverschalTt  worden  war=), 
konnte  zum  Wiederaufbaue  der  zerstörten  Kirchen  und  zu 
kirchlichen  Neubauten  geschritten  werden.  Ich  könnte  daher 
höchstens  nur  für  diese  Zeit  ilen  Aufbau  einer  christlichen 
Kirche  über  den  Ruinen  des  Hercules-Tempels  auf  dem 
Danielsberge  annehmen." 

(Ergänzung  zu  dem  .Aufsatze:  „Die  kirch- 
lichen Gebäude  in  Hartberg.")  in  dem  Aufsatze  des 
September-Heftes  der  „Mittheilungen"  (Jahrgang  1856) 
„Die  kirchlichen  Gebäude  zu  Hartberg  in  Steiermark  von 
H.  Grave"  werden  die  Angaben  des  Dr.  Macher,  Verfas- 
sers der  „Geschichte  von  Hartberg",  über  eine  dort  befind- 
liche alte  Capcllc  in  Bezug  auf  Baustyl  und  Bauzeit  sich 
wiedersprechend  und  auch  als  nicht  glaubwürdig  bezeich- 
net.—  In  einem  uns  zugekonuncnen  Aufsatze  gibt  nun  Herr 
Dr.  Macher,  Correspondent  der  k.  k.  Cenral- Commis- 
sion, über  die  Existenz  dieser  Capelle  folgende  That- 
sachen  an :  „An  unteren  Ende  der  Zopfgasse  in  Hartberg, 
rückwärts  westlich  gegen  die  bestandene  Stadtmauer  zu 
befindet  sich  ein  altes,  im  Jahre  1840  noch  mit  Stroh 
gedecktes  und  einem  Webermeister  gehöriges  Haus  mit 
der  Nr.  100.  Der  südliche  'i'heil  desselben  besteht  aus 
einer  alten  runden  lliurniähnlichen  Capelle  mit  einem  unte- 
ren und  einem  oberen  Räume,  wovon  der  erstere  als  Kel- 
ler ,  der  letztere  als  Speisekammer  benützt  wurde.  Da 
schon  viele  Jahre  verflossen  sind,  seit  ich  das  Gebäude 
zuletzt  gesehen, so  kann  ich  mich  auf  dieGestalt  dir  unteren 
liäundichkeit  nicht  mehr  erinnern,  dagegen  weiss  ich  noch 
recht  gut,  dass  der  (diere  Ramn  ein  Kreuzgewölbe  besass. 
dessen  Rippen  in  einen  rothbemalten,  eine  Rose  vorstel- 
lenden S(ddusssl(Mn  zusaunncnliefen.  Die  Fenster  waren  in 
Rundbogenform,  die  Mauern  ziendicli  dick  unil  das  (Janze 


')  Siehe  mein  llaiiilhiich  der  Gescliiclile  von  Kiirnlhcii  I,  S.  Gö2. 
*)  Ehendorl  II.  S.  GO. 


<)  Kkendort  S.  111. 
")  Kbeniloil  S.  343. 


25 


erschien  mir  eben  ein  roher  plumper  Bau,  dessen  Entste- 
hung ich  in  die  Karolingisehe  Zeit  versetzen  zu  müssen  glaubte. 
Meine  Bezeichnung  „altgotliisch"  war  offenbar  irrig.  Ich  bin 
erst  durch  die  „Mittlieilungen"  inKenntniss  gekommen,  dass 
das,  was  ich  für  altgothisch  hielt,  romanisch  ist,  und  gewiss 
waren  die  romanischen  Bauten  dieser  Gegend,  je  älter, 
desto  einfacher.  Da  übrigens  von  dieser  Capelle  weder  in 
den  vorhandenen  Urkunden,  noch  in  anderen  zahlreichen 
alten  Schriften  und  Protokollen  von  Anfange  des  XIV.  bis 
zum  XIX.  Jahrhundert  Erwähnung  gethan  wird,  so  scheint 
sie  schon  in  sehr  früher  Zeit  ausser  Gebrauch  gekommen 
und  desshalb  auch  gänzlich  unbeachtet  geblieben  zu  sein." 

(Die  Rotunde  und  der  Gl  ecken thurm  zu 
Jahrin  g  in  Steiermark.)  Hierüber  liegt  der  k.  k.  Central- 
Commission  folgende  Beschreibung  des  Herrn  k.  k.  Bezirks- 
Ingenieur  Fr.  Z istler  in  Marburg  vor: 

Die  Rotunde  befindet  sich  an  dem  südöstlichen  Theile 
der  Kirchhofmauer  und  unterbricht  dieselbe  in  der  Länge 
ihres  Durchmessers ;  sie  hat  zwei  Stockwerke,  wovon  das 
obere  nach  allen  Seiten  frei  steht,  das  untere  jedoch  gröss- 
tentheils  von  dem  höher  gelegenen  Terrain  des  Kirchhofes 
eingeschlossen  ist. 

Das  ganze  Gebäude  ist  aus  Bruchsteinen  und  Ziegeln 
erbaut,  mit  einem  Ziegeldache  und  einer  Hohlkehle  ver- 
sehen und  umfasst  einen  Raum  von  zwei  an  einander  ge- 
schobenen Kreisflächen  von  ungleichem  Durchmesser. 

Der  obere  Stock,  welcher  gegenwärtig  als  Deposi- 
torium  für  Kirchenparamente  benutzt  wird ,  hat  eine  Ein- 
gangsthür  vom  Kirchhofe  und  drei  Fenster,  dann  ein  Pflaster 
aus  quadratförmigen  Ziegeln.  Die  Thiir  liat  einen  steinernen 
Thürstock  sammt  Verdachung  aus  grobkörnigem  Sandsteine. 

Die  Decke  des  grösseren  kreisförmigen  Raumes  bildet 
ein  Kuppelgewölbe,  welches  mit  Spitzbogen-Lunetten  und 
mit  den  beiden  halbkreisförmigen  Gewölbsausschnitten  der 
Eingangsthüre  und  der  durch  den  Anstoss  des  kleineren 
Kreises  gebildeten  Unterbrechung  versehen  ist.  Der  kleine 
kreisrunde  Ausbau  hat  ein  Kreuzgewölbe  zur  Decke.  Die 
ganze  Etage  ist  innerlich  und  äusserlich  glatt  verputzt.  Der 
untere  Stock,  welcher  dermalen  als  Gemüsekeiler  benützt 
wird,  hat  seinen  Eingang  von  dem  zwischen  dem  Kirch- 
hofe und  des  Pfarrers  Garten  befindlichen  Wege. 

Die  Thüre  ist  in  dem  kreisrunden  Ausbaue  angebracht 
und  hat  einen  ordinären  steinernen  Thürstock.  Der  Boden 
ist  ungepflastert  und  die  Decke  besteht  in  einem  Kuppelge- 
wölbe aus  Ziegeln,  welches  von  der  Fensterlunette  durch- 
schnitten und  von  dem  Tonnengewölbe  des  kleinen  Aus- 
baues unterbrochen  wird.  Im  Inneren  ist  dieser  Stock 
unterputzt. 

Das  Dach,  so   wie  sämmtliches  Mauerwerk   befindet 
sich  in  gutem  Zustande,  nur  bei  der  unteren  Etage,  und 
besonders  nächst  der  Thüre  daselbst,  ist  der  Verputz  stel- 
lenweise scliadhaft. 
U. 


Der  Glockenthurm,  unter  welchem  sicli  der  Haupt- 
Kircheneingang  befindet,  steht  auf  drei  Seiten  frei  und  seine 
vierte  Seite  fällt  in  die  Stiriiniauer  der  Kirche.  Derselbe  be- 
steht aus  fünf  Stockwerken  mit  zwei  Ciu'don-  und  einem  Haupt- 
gesimse, hat  eine  kegelförmige  Bedachung  mit  mehreren 
Gliedern  und  Aufsatz,  ferner  4  massive  Eckthürmchen.  Die 
unterste  Etage  ist  ganz  aus  rein  zugearbeiteten  Sandstein- 
quadern erbaut.  Der  Haupteingang  zur  Kirche  hat  einen 
Thürstock  mit  zwei  Säulen  und  Gesimse  aus  demselben  Mate- 
riale  ;  neben  den  Säulenfüssen  läuft  ein  einHicher  Sockel 
beiderseits  bis  zur  Stirnmauer  der  Kirche;  der  innere 
Raum  ist  mit  Steinplatten  gepflastert  und  die  Decke  bildet 
ein  geripptes  Kreuzgewölbe,  wovon  dieHippen  auf  vier  ein- 
fachen Tragsteinen  ruhen.  Die  2.  Etage  steht  mit  dem  Kir- 
chen-Chor, die  3.  mit  dem  Kirchen-Dachboden  mittelst 
Thüren  und  steinernen  Thürstöcken  in  Verbindung.  In  der 
4.  Etage  besteht  eine  Ein  Wölbung  aus  Ziegeln,  welche  an 
der  Stelle  des  Stiegenaufganges  durchbrochen  ist.  In  der  S. 
Etage  mit  vier  grossen  Fenstern  befinden  sich  die  Glocken. 
Die  innere  Thurmdachfläche  bildet  zugleich  die  Decke. 

Das  Haupt-  und  die  beiden  Cordongesimse,  die  Fenster- 
stöcke, die  Ecken  des  Thurmes ,  so  wie  der  grösste  Theil 
der  äusserlichen  Flächen  desselben  sind  aus  gemeiseltem 
Sandstein,  äusserst  solid  gearbeitet,  im  Innern  des  Thurmes 
jedoch  sind  grösstentheils  Bruchsteinflächen  ohne  Verputz 
vorhanden. 

Das  Dach  bildet  einen  hohlen  Sandsteinkegel,  dessen 
ringförmige  Basis  die  Ecken  der  ein  Quadrat  formirenden 
Thurnunauern  nach  innen  übergreift:  an  den  äusserlichen 
Ecken  befinden  sich  4  massive  Tluirmchen  mit  Steinbe- 
dachung. 

Alles  ist  in  gutem  Bauzustande,  nur  sind  die  Verzie- 
rungen des  Stockes  bei  der  Ilauptcingangsthür  theilweise 
beschädigt  und  durch  eine  dicke  Kalkkruste  unkenntlich 
gemacht. 

(Die  jüngsten  Ausgrabungen  in  G r o s s p  e c h- 
larn.)  Der  Professor  und  Conservator  für  den  Kreis  V.O.W. ^^'. 
im  Erzherzogthume  Österreich  u.d.  Emis,  Herr  Ignaz  K  e  Ul- 
li ng  er,  legte  der  k.  k.Cenlral-Conmiission  zwei  Berichte  vor 
über  die  im  September  1836  durch  Dr.  W.  Gärtner. 
Professor  der  deutschen  Literatur  an  der  Pesther  Universität, 
bei  Harlan  den  in  der  Pfarre  G  ro  sspechlarn  angestellten 
Ausgrabungen,  um  über  die  Lage  der  alten  „Harlungenburg" 
und  andere  antiquarische  Gegenstände  zum  Belmfc  seines 
herauszugebenden  Werkes  über  das  „Nibelungenlied"  Nach- 
forschungen anzustellen.  Von  dem  hoehwürdigen  Herrn 
Beneficiaten zu  Grosspechlarn Franz  W  e  i  g  1  s  p  e  r  g  e  r  unter- 
stützt, Hess  Dr.  Gärtner  an  einer  besonders  aufl"allendeu 
Stelle  in  der  Nähe  des  Dorfes  Harlanden  zwischen  dem 
22.  —  2(5.  September  Nachgrabungen  anstellen ,  deren  Re- 
sultate von  Prof.  Dr.  Gärtner  unter  dem  Titel:  „.antiquari- 
sche Briefe  aus  Pöchlarn"  im  Feuilleton  des  Abendblatles  der 


—  26 


W  ioiR-r  Zeitung  (Xr.  231)  liis  242  des  J.  18öG)  verörteiitliclit 
wurden.  Auf  Ersuchen  des  Herrn  Conservators  K  e i b  I  i  n g e  r 
erstattete  auch  der  hüchwiirdige  Hr.  IJciiciiciiit Weiglsp or- 
ger iiii  Letzteren  einen  mit  Zeiclinungeu  versehenen  Bericht 
über  die  jüngsten  Ausgralunigen  hei  Grosspccldarn,  inid  da 
die  .\ngahen  des  l)v.  W.  ü  a  r  tner  so«  uliI  in  den  anti(|uari- 
sehen  üriel'en  als  auch  in  dem  inzu  isciien  erschiiMieiren  NN  erke  : 
..Cliuoiirad,  l'rähit  von  Gijltweih,  und  das  MIteiungenlied" 
(Pestli,  Wien  und  Fjcipzig  18ö7)  nicht  frei  von  manchen 
Unrichtigkeiten  in  der  Beschreibung  der  Alterthünier  von 
Pechiarn ,  v  ie  auch  in  den  historisclien  Angaben  sind ,  so 
ieute  der    Herr   Conservator  den  l]ericht   des  IJeneiiciaten 


Wei  gl  s|) erger  der  k.  k.Central-Commission  mit  dem  Be- 
merken vor.  dass  nur  des  Letzteren  Angaben  als  autlieii- 
tisch  angeselien  werden  können,  wofür  dessen  in  die  klein- 
sten Details  gellende  Ortskenntniss  und  seine  Vertrautheit 
nnt  den  .Xllertliiimern  in  Pechiarn  spreche.  Aus  diesem  Be- 
richte geht  nun  hervor,  dass  bei  den  Ausgral)ungen  am  22. 
bis  2(j.  Septendjer  die  Ülierreste  eines  zerstörten 
römischen  Bades  entdeckt  wurden.  Wir  werden  in 
dem  näclisten  Hefte  die  Beschreibung  und  Zeicluumg  der 
Funde  nach  den  Angaben  des  Herrn  Bcneficiaten  Weigls- 
perger  in  Vergleich  mit  jenen  des  Herrn  l'r(dessor  Dr. 
G  ä  r t  n  e  r  veroirentlichen. 


Literarische  Anzeigen. 


Archäologische  Karte  des  Königreiches  IJühiiieii ,    ziisainmen- 

gestelll  und  herausgegeben  \(in  Anton  .Scliniitt.  l'rag  In'iü. 

.1.  (i.  tahe'sciie  Verlagsbuehhamllung. 

Archäologische  Karton  haben  den  Zweck,  die  Rosullate 
kunstgcschichtlicher  l<"orschungen  für  denÜherhliek  bereit  zu  halten, 
und  vorzugsweise  die  gcograpbiselie  Verbreitung  der  verschiedenen 
Stylgattungen  anschaulieh  zu  machen.  Wir  besitzen  bereits  zwei  Ar- 
ohltecturkarten  von  Deutschland,  eine  von  l^ühke  und  die  zweile  von 
Müller,  und  es  sind  uns  ausserdem  aus  speciellen  Gebieten  die 
Lübke'selie  Architecturkartc  Westphalens  und  Siegharfs  Karte 
der  DiöceseMünchen-Freising  zuganglich  geworden,  üsterreieli,  inso- 
weit es  in  das  Gebiet  Ueutschlaiids  einbezogen  ist,  wird  auf  den  beiden 
ersleren  Karlen  nur  sehr  spiirlich  verlrcten,  es  war  eben  den  deut- 
schen Bearbeitern  kein  so  reicher  Stoft' zur  Verfügung  gestellt,  dass 
sich  daraus  etwas  annähernd  Vollständiges  hätte  gestalten  lassen, 
und  das  Wenige,  was  hiezu  hätte  benutzt  werden  kiinnen,  blieb  ihnen 
unbekannt.  Dieser  L'nkenntniss  iistcrreichischer  Kunstwerke  soll 
durch  die  archäologische  Karte  Böhmens  von  A.  Schmitt 
theilwcise  begegnet  werden.  .Allein  wir  vermissen  die  Begründung 
dessen,  wofür  diese  Karte  einstehen  will.  V.s  ist  uns  nicht  bekannt, 
weder  aus  des  Herausgebers  früherem  Werke  über  die  romanischen 
tiaudenkmale  Böhmens,  noch  aus  Wocel's  verdienstlicher  Übersicht 
der  romanischen  Kirchonhauten  Böhmens,  dass  der  kunstgesehicht- 
licbe  Stoff  dieses  Landes  derart  durchforscht  wäre,  dass  sieh  die 
llesultate  hiervon  in  verlässlicher  Weise  bildlich  darstellen  lassen. 
Jedenfalls  hätlc  diese  Karte  ,  insoferne  sie  auf  des  Herausgebers 
eigenen  Forschungen  bernhl ,  mit  den  letzteren  begleitet  in  die 
Welt  treten  müssen.  I^in  weiterer  Ühelstand  dieser  Karte,  welchen 
wir  nicht  verschweigen  dürfen,  besteht  in  der  Häufung  von  Zei- 
chen, wclclic  fast  ein  eingehendes  Studium  erfordern.  Mährend 
I.übkc  im  Ganzen  sechs  Zeichen  anwendet,  wovon  nur  drei  der 
Bezeichnung  der  Stylgattuiigen  dienen,  bringt  Schmitt  29  Zeichen 
in  Anwendung,  wovon  allein  7  den  Burgen  und  Ilillervesfen  gCHidmet 
sind.  Ks  mag  diess  mit  einiger  Beschränkung  allerdings  bei  dem 
Umfange,  welchen  der  lleraiisgchcr  dem  Stoffe  seiner  Karte  gab, 
nothwendig  gewesen  sein,  allein  damit  werden  wir  auf  ein  weiteres 
Gebrechen  dieser  Karte  geführt.  .Sic  will  näiidicb  nicht  bloss  die 
Werke  der  .\rchileclur  registriren  ,  sondern  zieht  auch  die  Werke 
der  Sculptur  und  .Malerei  in  den  Bereich  der  Darstellung,  und  bringt 
aus  den  letzteren  Gebieten  Flügclaltäre ,  Gesangbücher  mit  Miniatu- 
ren, Gemälde  überliaupt,  Tafelbilder,  gothische  Monstranzen  und 
schliesslich  noch  Schnitzwerke  ühcrliaupt.    Alles  diess   zu    geben. 


geht  jedoch  weit  über  die  eigentliche  Bestimmung  solcher  archäolo- 
gischer Karten  hinaus  und  es  tritt  damit  an  die  Stelle  der  Übersicht- 
lichkeit eines  gesonderten  Gebietes,  eben  nur  das  Gefühl  der 
Unklarheit  einer  grossen  Masse. 

Wir  haben  uns  veranlasst  gesehen,  auf  alle  diese  Gebrechen 
näher  hinzuweisen,  um  ähnliche  Versuche,  die  vielleicht  in  der  Folge 
auftauchen,  auf  richtigere  Wege  zu  leiten,  und  bedauern  nur,  dass 
wir  dem  verdienstlichen  Verfasser,  welcher  für  die  Kunstgeschichte 
seines  lleinratlislandes  in  anerkennenswc]  liier  Weise  thälig  ist,  mit 
keinem  günstigeren  ürtheile  über  diese  sonst  mit  grossem  Kleisse  und 
in  geschmackvoller  Weise  gearbeitete  Karte  hegegncn^konnten. 

G.  II. 


Unter  dem  Titel:  ,,Dic  vorzüglichsten  U  üslu  ngc  n  u  n  d 
Wa  ffen  der  k.  k.  A  mbra  s  er  Sajn  m  1  u  ng",  in  (Jri'4:inal-l'hotogra- 
(ihien  von  Andr.  (Irull  und  mit  historischem  uml  beschreibeinlem 
Texte  von  Dr.  Kd.  Frelh.  v.  Sacken,  kündigt  die  k.  k.  Ilofhuch- 
handlung  Willi.  Braumüller  in  Wien  das  Krselieinen  eines  sehr 
interessanten  Werkes  an,  das  als  ein  wichtiger  Theil  der  Cultur- 
geschichte,  Kriegswissenscliaft  und  Traehtenkunde  für  den  Künstler 
und  Geschiehlsforscher  ebenso  nothwcuilig  als  für  den  Kunst-  und 
Altcrthumsfreund  anziehend  und  belehrend  zu  werden  verspricht, 
und  wozu  wohl  keine  ähidiche  Sammlung  iler  Welt  als  die  k.  k.  Am- 
braser Sammlung  einen  so  reichhaltigen  Stoff  bietet.  Das  Werk  wird 
aus  130  Original-I'hotographicn  und  circa  '.i'i  Bogen  Text  besleben, 
welcher  letztere  von  allen  darijestellten  l'ersönliehkeilen  eine  Lebetis- 
und  Cliiirakterskizze  sowie  eine  Krklärung  des  Gebrauchs  der  Itüslun- 
geii  und  Waffen,  ihrer  künstleriselien  und  geschichtlichen  Bedeutung 
enthalten  und  auch  den  historischen  ICntHickelungsgang  berücksich- 
tigen wird.  Das  Werk  erseheint  in  10  monatlichen  Lieferungen,  deren 
jede  8  Tafeln  l'hotograi)hien  und  2  Bogen  Text  enihallen  wird  und 
im  Subscriplionspreise  7  II.  30  kr.  (ö  Thir.j  kostet.  Die  letzte  Liefe- 
rung wird  10  Tafeln  mit  Text  und  l'itcl,  sowie  ein  Vcrzeichniss  der 
Prä numera Uten  bringen. 


—  27 


seine  Uingebiiiifj.  Hisforiscli-iireliüolofrisclie  Beselircibun";  von  Anl. 
Norb.  Vlusak.  4.  Die  Gemeinden  im  siidlicben  lioluncn  bis  zum 
Jahre  1300.  Zusammengestellt  von  Dr.  Herni.  Jireeek.  ">.  Der 
Besuch  am  Rip,  von  K.  V.  Zap.  6.  Beschreibungen  iiml  Abbil- 
ilungen  böhniiselier  ^lünzen  ,  von  V.  Hanka  (von  Herzog  Boleslav  II. 
vom  JaiireOG? — 999.  HerzoginEmina,  desHoleslavGattin.  Boleslavll'. 
999—1003.  Herzogin  Vlailivoj  lOO'i— lOO:! ).  7.  Beriebt  der  archäo- 
logischen Gcsellsebaft  des  bohmisehen  iMuseums.  8.  Literarisches 
Repertorium.  —  .'in  Abbildungen  bringt  dieses  Heft:  das  romanische 
Portal  der  Kirche  zu  Hrusic,  welches  im  Jahre  18j3  durch  den 
Blitz  stark  heschiidigt  wurde;  eine  romanisclie  Säule  in  der  Capitcl- 
halle  des  Klosters  zu  Osseg.  wozu  der  Text  im  niiehslen  Hefte  gelie- 
fert werden  wird,  und  böhmische  Münzen  aus  der  Zeit  der  Herzoge 
Boleslav  IL  und  HL  und  der  Herzogin  Vladivoj. 

Die  I.  und  2.  Lieferung  der  von  Dr.  Ernesto  Serge  nt  gear- 
beiteten iMonographie,  beutelt:  11  Duomo  di  Milano  ilhistrato  e 
corredato  di  un  testo  storico  c  descrittivo  con  cento  tavole  circa, 
incise  en  Ranie  (In  Mailand  bei  Picfro  e  Giuseppe  Vallardi ,  1850, 
gr.  Fol.)  ist  bereits  erschienen.  Die  i.  Liei'eruiig  enthalt  die  süd- 
westliche pcrspectivisehe  Ansicht  der  Kirche,  den  Grundriss ,  eine 
obere  .\nsieht  der  steinernen  Daclibedecknng,  eine  Ansicht  des  oberen 
Theiles  des  westlichen  (iiebels,  ein  Fenster  der  Seite  und  eine  Fiale 
des  Baumeisters  Pe  st  ag  a  I  li.  Die  '.J.Lieferung  bi-ingt  eine  Haupt- 
ansiclit  des  Innern,  vom  westlichen  Eingange,  eine  Seitenansicht  des 
Innern,  ein  Haupifenster  hinter  dem  Chore  mit  dem  Denkmale  des 
b.  Carolus  Boromiius. 


Aufsätzen  enthalt  das  Hefl :  1.  Mittelalterliche  Glocken  in  Merseburg. 
2.  Steiiibecken  zu  Coiiselilz.  3.  Schnilzwerke  zu  Tammendorf.  4.  Stein- 
metzzeiclien  zu  Halle  und  Merseburg,  ö.  Melanehthon  als  Zeich- 
ner. 6.  Über  das  von  Alhrecht  Dürer  für  die  Deutschen  in  Venedig 
gemalte  .\ltarblatt,  welches  sieh  jetzt  in  Prag  befindet.  7.  Zur  Er- 
klärung der  „Duo  ligna"  in  den  Händen  der  AVilwc  Sarcpta ;  unter 
der  Rubrik  .,Erhaltung  und  Zerstörung  der  Denkmäler"  Notizen  über 
die  in  Preussen  in  jüngster  Zeit  vorgekommenen  Leistungen  zur 
Erhaltung  mittelalterlicher  Bauwerke  und  eine  literarische  Anzeige 
über  Baron  von  Roisin's  Abhandlung:  die  sogenannten  römischen 
Bäder  zu  Triir  als  Vorbild  der  Chor-  und  Kreuzwoehenanlage  der 
Kirche  St.  Maria  im  (,'apitol  zu  Cüln.  .\usser  den  genannten  Stahlstichen 
sind  dem  Texte  noch  7  Holzschnitte  beigegeben.  — Das  dritte  Heft 
enthält  einen  Aufsatz  von  G.  F.  Waagen:  „Über  byzantinische  .Mi- 
niaturen." Von  Fr.  V.  Quast  eine  Abhandlung  über  die  „Statue  Kai- 
ser Otto's  des  Grossen  zu  Magdeburg"  (mit  3  Stahlstichen)  und  den 
Schluss  von  dem  Aufsatze  desselben  Verfassers:  „Nochmals  Mainz, 
Speier,  Worms."  .\n  kleineren  Aufsätzen  bringt  dieses  Heft :  L  Über 
die  Dome  zu  Mainz  und  Speier.  2.  Premontre.  3.  Die  Kirche  der 
Abtei  Camp.  4.  Die  Heiligen-Statuetten  an  der  Kanzel  des  Doms 
zu  Merseburg.  In  Bezug  auf  Erhaltung  und  Zerstörung  der  Baudenk- 
male: Notizen  über  das  Rathhaus  zu  Aachen,  den  Dom  zu  Frankfurt 
am  Main,  die  Kirche  zu  Kecken,  das  Rathhaus  zu  Wesel,  die  Schloss- 
ruine Obrick,  dieBartholomiius-Capelle  zu  Paderborn  und  den  Dom  zu 
Halberstadt.  Den  Sehluss  bildet  eine  literarische  Anzeige  über  F  o  rc  h- 
hammer:  „Reinheit  der  Baukunst"  etc.  Hamburg  ISiiü.  Dem  Texte 
sind  ö  Holzschnitte  beigegeben. 


Das  dem  S.  und  9.  Hefte  des  Jahrganges  18ö(>  beigegebene 
Notizenblatt  der  in  Wien  erscheinenden  „Allgemeinen  Bauzeitung" 
des  Prof.  L.  Förster,  welches  s]ieciell  auf  archäologische  Interessen 
Rücksicht  nimmt,  bringt  folgende  Aufsätze:  i.  Ein  Besuch  in  der 
Omar-Moschee  in  Jerusalem.  Aus  dem  Berichte  des  Herrn 
L.  de  Castelnau  an  den  französischen  Cultusniinister.  2.  Dar- 
stellungen der  verschiedenen  Lrsaehen,  welche  die  sjiontanen  Ver- 
witterungen der  Monumente  veranlassen,  und  über  die  .Mittel 
dagegen,  durch  die  Siliealisation  oder  Kinführnng  von  Kieselsäure 
in  die  Poren  der  Steine  nach  dem  Verfahren  von  Rochas.  3.  Eine 
englische  Meierei.  4.  Zur  Lebensgesehichte  Bernini's.  Ein  Bei- 
trag zur  Kunstgeschichte  seiner  Zeit. 


Die  Nunnner  23  des  „Organs  für  christliche  Kunst",  herausge- 
geben und  redigirt  von  H.  Baudri  in  Cöln,  bringt  unter  anderen 
Aufsätzen  den  2.  Artikel  über  die  Kunstzuslände  in  Spanien;  die 
Fortsetzung  der  Aufsätze:  „Über  einige  mittelallerliclie  Kirchen  in 
den  Niederlanden"  und  „die  Verhandlung  des  Dombauvereines 
zu  Cöln",  über  die  von  dem  Baumeister  vorgenommene  Veränderung 
des  Grundrisses  bei  dem  Baue  des  nördlichen  Thurmes  des  Cölner 
Domes. 

Von  der  „Zeitschrift  für  christliche  Archäologie 
und  Kunst",  herausgegeben  von  F.  v.  Quast  und  H.  Otte  (Leipzig 
T.  0.  Weigel).  ist  das  2.  und  3.  Heft  erschienen.  Das  zweite  Heft 
enthält  den  Scbluss  des  Aufsatzes  von  Dr.  Wa  t  tenba  eh  über  die 
„Congregation  der  Scboltenklöster  in  Deutschland."  Fr.  v.  Quast 
beleuchtet  in  einem  .'\ufsatzc:  „Nochmals  Mainz,  Speier,  Worms" 
neuerdings  die  vielfach  erörterte  Untersuchung  über  die  Erbauungs- 
zeit dieser  Dome;  H.  Otte  besehreibt  den  „Kelch  der  Kirche  zu 
Werben  in  der  Altmark"  (mit  1  StahlstieheJ,  dessen  Anfertigung 
in  das  XH.  oder  den  Anfang  des  XIII.  Jubrliunderts  fallen  soll.  —  Von 
demselben  Verfasser  rührt  auch  die  Beselireibung  der  „Kanzel  in  dem 
Dom  zu  Merseburg"  (mit  2  Sfahlsticben)  und  eine  damit  verbundene 
archäologische  Abhandlung  über  den  Predigtstidil  her.  An  kleineren 


Im  Verlage  von  Hugo  Scheibe  in  G  o  tba  ist  von  dem  I.Bande 
des  schon  angekündigten  Werkes  „Marei  Vit  ru  vii  Pollinnis  de  Archi- 
tectura  libri  decem"  die  i.  Abtheilung  in  lateinischer  und  deutscher 
Sprache  erschienen.  (Preis  2  Tlilr.J  —  Von  F.  Sebweilzcr's 
„Mitlheilungen  aus  dem  Gebiete  der  Numismatik  und  Archäologie" 
ist  die  dritte  Decade  ausgegeben  worden.  (Preis  1  Thlr.  12  Ngr.)  — 
Von  J.  Gf.  Abr  Fre  nzel  erschien  eine  Monographie  über  die  „Kanzel 
in  der  Domkirche  zu  Freihurg."  Mit  1  Kupfertafel.  (Preis  1  Thlr. 
lö  Ngr.)  —  Bei  Jlatz  in  Bonn  sind  die  ersten  2  Bände  eines  M'er- 
kes:  „Die  Künste  des  Mittelalters",  jeder  Band  mit  0  Steintafeln  in 
Ton-  und  Farbendruck  versehen,  angekündigt.  Von  F.  W.  II.  \\' i  t- 
hoffs  „Archiv  für  Niedersachsens  Kunstgeschichte"  ist  in  Hanno- 
ver die  i.  Lieferung  der  3.  Abtii.  ..Millelalterliche  Kunstwerke  in 
Goslar"  erschienen.  (Preis  2  Thlr.) 

Die  Verlagsbuchhandlung  von  J.  L.  Lotzbeek  in  Nürnberg  hat 
unter  dem  Titel  „Bild  w  e  r  k  e  a  u  s  d  e  in  M  i  1 1  e  1  a  1 1  e  r"  das  Erschei- 
nen einer  Sammlung  auserwählter  Seulpturen  im  „byzantinischen" 
und  „deutschen"  Styl  nach  den  Original-tiypsabgüssen  der  Herren 
C.  W.  PMeischniann  und  L.  Rotemundt  im  .Maximilians-Museum 
zu  Nürnberg  angekündigt  und  auch  vor  Kurzem  das  erste  Heft 
erscheinen  lassen.  Die  Subscription  ist  vorläufig  auf  6  Hefte 
beschränkt,  deren  jedes  3  radirte  Blätter  in  Gross-Folio  mit  wissen- 
schaftlichem Texte  in  gleichem  Formale  enthalten  wird.  Zeiebnnng 
und  Stich  besorgt  J.  P.  Walther,  den  erläuternden  Text  Dr.  G.  W. 
K.  Lo ebner.  Das  bereits  erschienene  I.  Heft  enthält:  l.  Innere 
Ansieht  des  Portals  der  Frauenkirch  e  zu  Nürnberg  IS.'iö— Ol. 
von  Schonhnver.    zugleich  Titelblatt.    2.  Pictas   —  Johannes 

—  Magdal  cna,  drei  llolzbildwerke  in  der  Jakobskirehe  zu  Nürn- 
berg aus  dem  XV.  Jahrhundert,  von  unbekannten  .Meislern.  3.  Maria 
mit  d  e  ni  C h r  i  s  t  u  s  k i  n  d  e,  Hochbilder  des  P  e r  g e  n  s  t  o  r  f  e r'sclien 
Grabmals  in  der  Frauenkirche  zu  Nürnberg  (1499),  von  Adam  K  r  a  f  f  t. 

—  Für  die  demnächst  erschoinenden  llefle  sind  in  Aussiebt:  Das 
Abendmahl.  —  Der  ühlberg.  —  D  i  e  Ge  fa  n  gen  n  e  bmu  n  g. 
drei  Hochbilder  in  Stein,  von  A.  Kraffl,  in  der  Sebalduskirche  zu 
Nürnberg.  —  Portrail  ile  s  M  ar  kgra  f  en  Fr  iedrich  .  in  Stein. 

4' 


28 


in  der  Kirche  des  Kloster  Heilsbronn.  —  S  a  r  k  o  p  h  -.i  <^  der  AI  ;i  r  k- 
gräfin  Ann  a.  in  Stein,  ebend;iselbst. —  Kine  k  I  u  s  e  und  eine 
tliörich  te  Jungfra  u,  uneinem  Portal derSebalduskirche  zn  Nürn- 
bcrff.  Zwei  ritterliche  Fiffuren,  in  der  Kirche  zn  Kloster  Heils- 
bronn, von  unbekannten  Meistern.  —  Liidwij;  der  liayer.  in 
Stein,  im  grossen Ratbbaussaale  zu  Nürnberfj,  1323.  unbek.  Mstr.  — 
Das  Pergenstorfe r' sehe  Grabmal,  in  Stein,  von  A.  Krafft, 
in  der  Frauenkirche  zu  Nürnberg.  —  Zwei  sehr  schöne  Schluss- 
steine, in  der  Kirche  zu  Kloster  Heilsbronn.  Der  Subscriptionsprcis 
eines  Heftes  ist  2  fl. 


Das  September-  und  October-Heft  von  Didron's  ..Annales 
a  rc  ii  e  olo  f;i<]u  e  s"  (Tome  seizienie  ö.  Libr.  Paris,  Libraire  de 
V.  DidronJ  enthalten:  1.  Die  Abbildung:  des  im  byzantinischen 
Style  gearbeiteten  H  eliquiens  ch  r  e  ines  des  Abbe  Begon  aus 
der  Schatzkammer  von  C  o  n  q  u  e  s ,  beschrieben  von  Alfred 
D  a  r  c  e  1,  welcher  als  ein  Werk  der  ersten  Jahre  des  XII.  Jahr- 
hunderts bezeichnet  wird.  2.  Die  Beschreibung  der  in  Holzmosaik 
ausgeführten  Chorstühle  in  der  städtischen  Capcllc  zu  Sienne 
aus  dem  XIV.  Jahrhundert,  von  Didron,  mit  zwei  .Abbildungen 
der  Darstellungen  auf  einem  der  Chorstühle  im  Holzschnitte. 
3.  Die  Einleitung  zu  einem  Aufsatze  über  die  C  ivil-Arch  itect  ur 
des  Mittelalters,  von  F.  v.  Verneille,  welcher  speciell  die 
Monumente  zu  öffentlichen  Zwecken  in  Betracht  zieht  und  vorläufig 
die  Frage  über  die  Bedeutung  der  öffentlichen  Arbeiten  im  Mittelalter 
erörtert.  4.  Einen  Beitrag  zur  kirchlichen  Harmonie  im  Mittelalter 
ausAnlass  eines  Manuscriptes  zu  dem  Anfange  des  XHI.  Jahrhunderts, 
betitelt:  „Conductus  subdiaconi  ad  Epistolam".  von  E.  v.  Cousse- 
maker.  Unter  der  Rubrik  „Neues"  wird  wieder  eine  Lanze  für 
den  Ursprung  und  die  Nationalität  des  gothischen  Styles  in  F'rank- 
reich  eingelegt,  und  die  Abbildung  eines  aus  dem  XII.  Jahrhundert 
herröhrenden  Email-Kreuzes  —  der  Sammlung  des  Herrn  Abbe  Te- 
xi  er  angehörig  —  verölVcntlicht.  Eine  reiehhaltige  Bibliographie  der 
neuesten  Erscheinungen  auf  dem  Ocbiete  der  .Archäologie  beschlicsst 
diese  Lieferung. 

Von  den  CfClehrlen  deRoziere  und  Chatel  ist  in  Paris  (bei 
.A.Durand)  das  Erscheinen  einer  „Table  des  .Mcmoires  de  lAcademie 
des  Inscriptions  et  helles  lettres  et  de  l'Academie  des  sciencos  morales 
et  poütiques"  angekündigt.  Die  erste  der  beiden  Sammlungen  zählt 
bis  jetzt  70  Bände,  die  zweite  i4  Bände  und  beide  gelten  als  eine  Fund- 
grube ausgezeichnelcr  .Memoiren  von  französischen  Gelehrten  ersten 
Ranges.  Bei  der  Herausgabe  der  Memoiren  wurde  aber  bisher  keine  andere 
Eintheilung  beobachtet  als  die  chronologische  ihres  Erscheinens, 
daher  eine  Übersicht  des  reichhaltigen  Stoffes  sehr  schwierig  und 
ermüdend  war.  Die  Herausgeber  des  gegenwärtigen  Werkes  haben 
nun  versucht,  denselben  systematisch  zu  ordnen  und  mit  Nachsehlage- 
notizen zu  versehen,  so  dass  erst  durch  diese  .Arbeit  der  Schlüssel  zu 
der  ganzen  umfassenden  Sammlung  gegeben  ist.  Insbesonders  reich 
soll  hiebci  die  Archäologie  vertreten  sein. 

Der  Abbe  J.  B.E.  Pascal,  Verfasser  der  „Origines  et  raison  de 
la  liturgie  catholique"  hat  in  Paris  ein  neues  Werk  und  zwar  unter 
folgendem  Titel  erscheinen  lassen:  „Institutions  de  1' art  chreticn 
pour  rintelligence  et  rexccution  des  sujets  rcligieux;  ou  documents 


puisi's  aux  sources  de  l'Ecriture-Sainte ,  de  la  Iradition  catholique, 
des  legendes  et  des  attributs,  sous  le  point  de  vue  de  la  peinture,  de 
la  sculpture  et  de  la  gravure;  avec  un  traite  archeologique  et  pra- 
tique  sur  1'  architecture,  1' ornamenlation  et  1' ameublement  des 
egliscs"  (eliez  .And)r.  Brav,  2  Vol.  10  Francs).  Der  Verfasser  beab- 
siehtigl  damit  einerseits  den  Künstlern  in  der  Zusammenstellung  ihrer 
Werke  zum  Führer  zu  dienen  ,  andererseits  den  der  Wissenschaft 
fremden  Personen  eine  angenehme  Leetüre  zu  geben.  Das  ganze 
Werk  zerfällt  in  ü  Theile:  der  erste  Theil  gibt  Andeutungen  über  die 
Malerei,  Sculptur  und  die  Gravirkunst,  deren  Ursprung  und  P'ort- 
schritte;  der  zweite  umfasst  den  Fest-Cyklus  Christi  von  dessen  Ge- 
burt bis  zu  dem  letzten  Ereignisse;  der  dritte  gibt  den  Cyklus  der 
Marienfeste,  der  vierte  den  Fest-Cyklus  der  berühmtesten  Heiligen, 
nach  Monaten  geordnet,  und  der  fünfte  als  -Anhang  behandelt  die 
.Arehifectur  religiöser  Gebäude,  ihrer  verschiedenen  Formen  und 
deren  inneren  Einrichtung. 

VonEr  nest  F  cydea  u  sind  die  ersten  Lieferungen  eines  interes- 
santen Werkes,  betitelt:  „Histoire  des  usages  funebres  et  des  sepul- 
turcs  des  peuples  anciens,  avec  planches  et  plans  executes  sous  la 
direction  de  .M.  Alfred  Feydeau,  arehitecte  de  la  ville  de  Paris"  ver- 
öffentlicht worden.  Dasselbe  erscheint  unter  den  Auspicien  des 
französischen  Ministers  des  öffentlichen  Unterrichts  und  wird  2  Bände 
Text  in  Quart  mit  130  Holzschnitten  und  einen  .Atlas  von  10  KupIVr- 
stichen  und  Farbendrücken  (Preis  80  Francs)  umfassen.  Das  Werk 
enthält  die  Geschichte  der  Leichengebräuehe  und  Grabstätten  bei  den 
Ägyptern,  Assyriern,  Persern,  Hebräern,  Cyrern,  Phöniziern,  Char- 
tagern,  Trojanern,  Lydiern,  Phrygiern,  Lyceern,  Griechen,  Etruskern, 
Römern  und  den  Barbaren,  und  gibt  vielleicht  die  .Anregung  zu  einer 
ähnlichen  (lesehichte  bei  den  modernen  Völkern,  worüber  bis  jetzt 
noch  kein  grösseres  Werk  besteht. 

Zu  den  bemerkenswcrthen  Erscheinungen  der  jüngsten  Zeit  auf  dem 
Gebiete  der  .Archäologie  und  Kunst  in  Frankreich  .sind  noch  zurechnen: 
Willemain:  „Monumenis  franfais  inedits"  nach  Zeichnungen  von 
.Andre  Pottier,  welche  jetzt  in  Lieferungen  erscheinen.  (Preis 
.">00  Fr.)  —  Paul  Laeroix  gibt  eine  „Revue  universelle  des  arts" 
heraus,  die  in  monatlichen  Lieferungen  erscheint  und  sich  vorzugsweise 
mit  mittclalferlicher  Kunst  beschäftigt.  —  Von  Monsign.  Malou,  Bi- 
schof von  Bruges,  erschien  eine  Broschüre:  leonographiede  rimmaculee 
Conception  de  la  trcs  sainte  vierge  Marie  ou  de  la  meilleure  manicre 
de  representer  cc  mystcre."  —  P.  Garucci  hat  nach  der  einzigen 
Handschrift,  die  im  Besitze  des  Grafen  de  l'Escalopier  in  Paris  sich 
befindet,  die  Hagioglypta  :  „sive  ]iicturae  et  sculpturae  sacrae  anti- 
quiores  praesertim  qiiae  Romae  reperiunlur,  explicatae  a  Johanne 
I'  Heureux."  (8.  XH  und  2j6  mit  40  Holzschnitten,  Preis  li  Fr.)  her- 
ausgegeben. —  In  Strassburg  erschien:  „Le  symbolisme  de  la  cathe- 
drale  de  Strassbourg"  par  TAbbe  Straub.  —  Ausser  dem  in  Brüssel 
erscheinenden  grossen  Werke  von  Levy:  „Histoire  de  la  peinture 
sur  verrc  en  Europe"  erschien  die  Fortsetzung  der  „('alques  des 
vitraux  peints  de  la  cathedrale  de  Mons"  par  Hucher,"  dann 
„Notice  sur  les  vitraux  de  la  chapelle  Notrc  Dame-des-Roses  ä 
l'eglise  Saint  Sevrin  de  Bordeaux"  par  Mr.  l'abbe  Notibois.  —  In 
Paris  wird  jetzt  auch  eine  „luiitalion  de  Jesus-Christ"  durch  400  der 
schönsten  Miniaturen  aus  den  kostbarsten  französischen  und  fremden 
Handschriften  vom  VIII.  bis  XVII.  Jahrhunderf    illustrirl  ausgegeben. 


Aus  der  k.  k.  tlof-  und  Staatsdruckerei  in  Wien. 


Jeden   Monut  erscheint  1   Heft  mit 
miuileslena  3  Druckbogen  und  mit 

Ahbil<lnn[^en. 
Der  Pi*äiiuiiieiMtionsprei8  ist  für 
einen  Jalirgang  oder  iwolf  Hefte 
nebst  Rt'ijister  sowohl  für  Wien 
atsflie  Kruiiländer  iinil  das  Austaii«) 
4  II.  C.  M.,  bei  portofreier 
Zuseuilnog  in  die  Krunliinder  der 
österr.  -Monarchie  \  f\.  2U  kr.  CM. 


MITTHEILUNGEN 


DER  K.  K.  CEMKAL-COMMISSION 


Pränameratio  neo  überncb- 
mea  halb-  odtr  gaoKJähri^; 
allek.k.  Poslämler  der  Monarchie, 
u-elche  auch  die  portofreie 
ZoseoduDg'  der  eiaselnen  Hefte 
besarfea.  —  Im  We;,'e  deb  Buch- 
handeJB  «iad  aUe  PrjDiimerationeD 
und  zwar  nur  zu  dem  Preia^  too 
4  II.  an  den  k.  k.  HofbuehhäDdler 
W.  Uraumiilirr  >n  Wieo  tu  richteo. 


ZUR  EPIlSOIllIG  11 EIÜIALTIE  DER  B\ll)E!Kll\LE. 

lleraiisi^oitebcii  unter  der  Leiluiig  des  k.  k.  Seclions-Cliefs  und  Präses  der  k.  k.  [enlral-Coniniission  Karl  Freilicmi  v.  Czoerniir. 


Redaeteur:    K  a  r  1  "tt  e  i  s  s. 


N^-  2. 


IL  Jahrgang. 


Feliniiir  1857. 


Inlialt:  Zur  Baugeschichte  der  Kirche  Maria  am  Gestade  in  Wien.  —  Die  romanisclie  Kirche  zu  Lebony  (Leiden)  in  Ungarn. — 
Die  Truchsesso  vnn  Emerberg.  —  Die  Stiftsliirchen  zu  Griffen  und  Oberndoif  in  Kürnthen.  —  Über  einige  Bau-  und  Kunst- 
werke in  Oberösterreich.  —  Über  die  neuesten  Ausgrabungen  zu  Gross-I'iiolii^dn.  —  l'anuitliv  arcliaeologieiie  a  niestopisne. — 
Literarische  Anzeigen. 


Zur  Bangeschichte  der  Kirche  Maria  am  Gestade  in  Wien. 


Von  Joseph  Feil. 
(Fortselzaii^.) 


Als  der  herzogliche  Hofmeister  Johann  von  Liech- 
tenstein wegen  eines,  noch  nicht  völlig  aufgehellten  Verge- 
hens zu  Eiule  des  Jahres  1394  jilijtzlich  seiner  Würden 
entsetzt  und  durch  Schiedsspruch  vom  (>.  Fehruar  1305  mit 
dem  Verluste  der  Freiheit  und  des  hei  weitem  grössten 
Theiles  seines  reichen  Güterhesitzes  in  (tsterreich  hestraft 
wurde,  fielen  auch  dessen  Hiiuser  in  und  vor  der  Stadt 
Wien  ')  dem  herzoglichen  Fiscus  anheim ,  so  namentlich 
auch  das  grosse  Liechtenstein"sehe  Haus  nächst  der  Kirche 
zu  Maria  am  Gestade. 


•)  Kurz:  Alhrecht  tu. ,  II,  301.  Die  bisher  ausführlichste  und  g;rüiiillicliste 
DarsteUunp^  jenes  überraschenden  Vorganges  hat  Li  chno  w  s  li  y"s 
Ge«c/i.  des  H.  tHabshuni  IV,  269—273  geliel'ert.  Herzog  AU)recht  IV., 
welcher  sieb  unterm  lä.  .luni  1398  ausdrücklich  als  voi/t  vnd  her 
des  Ca[)laiis  an  dieser  Capelle,  so  wie  natnenUieh  der  vom  gewesenen 
Wiener  lliirgermeister  Miehel  dem  Getckrumacr  in  derselben  Ca- 
pelle gestifteten  ewigen  Messe,  erklärte,  um  sie  gegen  Gewalt  und 
Unrecht  zu  vo</ten  vnd  scltirmcn  [Moii.  B.  30,  b,  477 — 478),  gab 
laut  Urkunde  vom  22.  März  (nicht  .Mai)  1402  seiner  liemaljlin  .lolianna 
zu  Leibgeding:  vnser  /luiis  nflcj/en  hi'y  vnserer  Frawn  Kapellen 
(wf  der  Stetten  hie  ze  Wien»,  das  V  0  rmaln  H  anse  n  von 
Liechtenstein  des  alten  Hofmaister  ist  gewesen; 
nach  deren  Tod  soll  es  aber  wieder  an  den  Herzog  und  seine  Erben 
zurückfallen.  (Ilormayr:  Wien,  II.  U.  B.  87).  Da  hier  das  Bethaus 
Maria  am  Gestade,  ungeachtet  es  bereits  früher  als  ecclesin  bezeichnet 
erscheint,  dennoch  Capelle  genannt  wird,  so  zeigt  sich,  dass  die  bei 
strengerer  Sonderung  sicli  crgidiendcn  Unterschiede  zwischen  Capelle 
und  Kirche  im  diplomatischen  (iebrauche  damals  eben  nicht  "-e- 
liiulig  waren.  In  einer  Urkunde  des  Wiener  Stadtarchives  vom  19.  Nov. 
1397,  laut  deren  Niclas  der  Grinzinger  von  Nussdorf  in  diese  Marien- 
capelle  eine  ewige  Messe  stiftete  ,  heisst  es  wieder:  der  (Kaplan  soll 
einem  iyU'iehen  p  harr  er  dacz  vnser  vratvH  i/ehorsam  vnd  vnder- 
tenlfi  sein  uls  ander  Cupetlen  duselliens. 

IL 


Als  aber  im  J.  1394  der  Grundstein  zum  neuen  Baue  an 
der  Mariencapelle  gelegt  wurde,  war  Johann  von  Liechten- 
stein noch  im  vollen  Glänze  seines  Ansehens  und  Reichthiims. 
Da  er  Patron  der  Kirche  gewesen  ist,  die  er,  wie  erwähnt, 
zu  einem  Tum  erlieheii  wollte,  so  unterliegt  es  keinem 
Zweifel ,  dass  dieser  Bau  noch  durch  ihn  unternommen 
worden  ist.  An  eine  Fortsetzung  des  begonnenen  Werkes 
durch  das  Haus  Liechtenstein,  als  früheren  l'afron  der 
Kirche  '),  war  nach   den  erlittenen  grossen  (liilerveriusten 


')  In  der  erwähnten  Urkunde  vom  29.  Novcjuher  1391  (.Moii.  boica  .30,  h.) 
bemerkt  .lohanu  von  Liechtenstein  (S.  413—414)  ausdrücklich,  dass 
die  Cappelle'vnsei-er  frmrn  anf  der  Stellen  ze  tvienn  von  mir  (J.  v. 
Liechteuslein )  mein  lilitng  vnd  darnach  ron  meinen  zivain  pruedem 
Hertneiden  vnd  Jürgen  vnd  vnseren  leihserhen  zelehen  ist,  Vnd 
wann  wir  vnd  vnsere  lelherhen  nicht  mer  sein  darnach  alheq  von 
dem  eltisten  von  li  ec  hten  st  ain  «e  Ichen  sein  schol.  Fast 
seheint  aber  mit  der  wider  den  gewesenen  herzoglichen  llofjncislcr 
verbänglen  Gütereouliscation,  namenllich  mit  der  Eniziehung  der  Liech- 
tensteinischen llanser  in  Wien,  auch  der  Verlust  des  l'atronatsrcchles 
über  die  .Mariastiegen-Kirehe  für  das  ganze  Haus  Liechtenstein  verbun- 
den gewesen  zu  sein.  Denn  als  der  I'assauer  Bischof  die  erledigte 
l'farre  zu  Altlichtenwnrth,  in  Folge  des  bereits  erwähnten  mit  Jobann 
von  Liechtenstein  eingegangenen  Tausches,  verleiben  wollte ,  halten, 
laut  Urkunde  vom  2.  Mai  1409,  der  herzogliehe  Hofmeister  Heinrich 
von  Liechtenstein,  sein  Bruder  und  seine  Vettern  dagegen  Einsprache 
erhoben  und  sprachen  die  Lehenschafl  (l'atronatsrecht)  über  die  .\lt- 
lichlenwarlher  Kirche  als  ihr  ritterliches  Krbe  an;  denn  es  hätten 
der  lienant  Ilufmaisler  vnd  sein  Brüder  Ir  Vettern  nicht  macht 
nach  gewtttt  gehabt  dieselben  Lehenschaft  vherzegehen  (Mon. 
boica  :jl,  b,  82),  welche,  wenn  auch  von  den  Herzogen  Leopold  IV. 
und  Ernst  nicht  anerkannte  Einsprache  gewiss  nicht  erhoben  worden 
Ware,  werni  dem  Hause  Liechtenstein  in  dem  Patronatsrechle  über 
die    Kirche    zu    .Maria  -  .Stiegen    der    Ersatz    für    die    .Aufgebun"-    des 


—  30 


\iuii  niilit  iiirlii-  zu  ilriikcii.  Dafür  sciu'iut  sich  HiTzofj 
Albreelit  III.  mit  seinen  NachkommcMi  vini  mm  au  als  i'ati'du 
tlt-r  Kiri'lif  /.u  Maria -Stii'jii'ii  Iti'traclilct  zu  luilnu.  Ita  er 
seiuf  Kauuuur  (lurcli  die  am  (i.  Fi'hruar  X'S'.^ö  vcrriigtc  Kiu- 
zicluing  zahl-  uuil  ertratjsreicher  Lieehteiistein"scher  Güter 
naiuhiift  i)ereii-hert  hatte ,  so  hielt  er  es  in  seinem  fronimen 
Sinne  auch  für  Ge\visseMs|iflicht,  sieli  noch  auf  seinem 
Sterbebette  der  FortsetzuiiLt  und  Vollendinig  des  hei'eils 
1394  begonnenen  Neubaues  an  dieser  Kirche  zu  versichern. 
In  seiner  letztwillii;eu  .\uorduuni,',  die.  wenn  auch  nicht 
dutirt,  doch  nach  dem  Inhalte  zu  urtheilen  gewiss  kurz  vor 
seinem  am  2i).  .4ugust  1393  erfolgten  Ableben,  wühreud  der 
schweren  Krankheit  ahgefasst  wurde,  von  der  er  zu  Anfang 
desselben  Monats  befallen  worden  war,  ist  nändich  iiislie- 
soudere  fcdgeiide  liestimmuug  enthalten:  Audi  Hrlid/l'ci/  irir 
i/dz  r/iser  vcttwii  nid  vnscr  Siiii  diin  piiir  rast  er 
f'ruwn  Capelleu  auf  der  Statten  ze  Wieiin  vollbriu- 
gcii  als  das  ist  uHgehcbt  ');  nicht  also:  das  wir  haben 
angehebt,  wie  es  gewiss  lauten  würde,  wenn  der  Herzog 
selbst  den  Hau  micii  unternommen  hätte.  Die  Herzoge 
Wilhelm  und  AIhrecht  IV.  erklärten  sofort  iu  der  wichtigen 
Euiigungsurkunde  vom  22.  November  1395  ddo.  Hollenburg 
ausdrücklieh:  Auch  siiUen  vnd  tvellen  wir  das  paw  vn- 
ser  f'rawn  kirchcn  auf  der  Stctten  ze  Wien/i  rol- 
li  ringen  als  das  ist  aufgehaben  ungeuerleich-). 

I)ass  aber  während  des  1394  begumieiien  Neubaues 
ein  Theil  des  Kirchengebäudes  in  dem  für  gottesdienst- 
liche Verrichtungen  geeigaetcn  Stande  noch  aufrecht  geblie- 
ben, also  gewiss  nicht  etwa  das  ganze  ältere  Kirchengebäude 
iiiedergebrochen  worden  war,  ist  ebenfalls  urkundlich 
erwiesen.  Denn  unterm  2.  Oetober  1396  bekennt  Ulrich  von 
Wallsee,  zur  Capclle  Zu  Vnser  rrnwen  auf  der  Sfetfen  ze 
Wienn  vmb  ain  Eigs  Selanipt  alle  wachen  an  dem  Mon- 
tag und  um  eine  Vigil  an  den  vier  Quatembern  des  Jahres 
u.  s.  w.  4  Pfund  Geld  auf  seinem  Hause,  gelegen  gegen  dem 
Itathhaus  rber  das  rormalu  des  bcnikein  gewesen  ist. 
gegeben  zu  haben  2). 

Von  dem  erwäiinten  Meister  Michel  rührt  unzwei- 
lelliaft  der  Kutwin'f  zu  diesem  Erweiterungsbaue  her;  allein 


l'atrunalM'echles  auf  die  I'farre  Alt- l-iuchli-iiwarlh  ffi-bliilna  würe.  In 
der  TliHt  fimleii  wir  auch  vu»  da  iih  z«ar  ki'iiu'  wcitcreD  \ul'icMchiiurif;i'ii 
mehr,  welche  auf  die  Au.siiliuiig  des  l'atruiiatsreehtes  über  die  Kirche 
zu  .Maria-Stiegcii  von  Seite  des  Hauses  Lieehleiisteiu  hiudeuteii.  Laut 
der  im  Wiener  Stadt-Archive  noch  vorhandenen  Verhandlungen  erhöh 
späterhia  der,  wenige  Jahre  früher  zum  katholischen  ülaulienshekennt- 
nisse  zurückgekehrte,  regierende  KürstKarIv.Liechtenstein-Nieolshurg  in 
den  .lahron  IfiDT  und  l(iü8  den  Antrag  auf  liücklausch  des  l'atronals- 
rechles  auf  die  Kirche  zu  .Maria-Stiegen  gegen  Abtretung  des  l"atronat,s 
auf  Alt-Lichlcnwarth  bei  dem  l'assauer  Itiscbnfe  Erzherzog  Leopold, 
«eil  in  dieser  ,  wie  er  «agle,  von  seinen  Voreltern  gesliftelen  und 
erhauten  Kirche,  wo  sie  his  zur  Zeit  des  Ausbruches  der  filauben.s.s|>al- 
tung  ihr  Itegriibnis  hatten,  auch  er  und  seine  Nachkommen  um  liebsten 
ihre   Grabstätte  wählen  möchten.  Allein  sein  Ansinnen  blieb  ohne  Krfnlp. 

»)  P.auch:  Script.   Rcr.  Auslr.  \\\.  WJ. 

'')  Eben  daselbst  412. 

»)  Kot.  Blatt  f.  Kunde  österr.  Gesch.  Quellen.  I.  3Su 


volleiulet  wurde  der  lian  unter  seiner  unmittelbaren  Leitung 
gewiss  nicht:  deau  am  22.  Deta'inber  1403,  also  zu  einer 
Zeit  wo  derselbe  noch  am  Ijobeii  war'),  wird  bereits 
Conrad  der  Hampersdo  rfer  ausdrücklich  als  Haumei- 
ster des  neuen  Baues  an  der  Frauencapelle  auf  der 
Stetten  genannt'-),  ohne  Zweifel  tierselbe  Kunz  (Con- 
rad) Hampersdorfer.  welciier  am  11.  Juli  1 40S  mit 
dem  Hürgermeisler  Conrad  \'orlauf  und  dem  Hathsinauii 
Johann  Hock,  im  traurigen Hruderzwiste  zwischen  den  Her- 
zogen Ernst  und  Leu[iüld,  ein  ()|)fer  seiner  Treue  für  den 
rechtmässigen  Erbherni  dem  Schwerte  lies  Nachrichters 
(ieM).  Nach  Hampersdorfer's  blutigem  Au.sgange,  wenig- 
stens noch  im  Jahre  1417  (IXIA)  wird  Dietreich  Etzen- 
f eider,  dieezeit  P(iw meist  er  vnscrFriiwnCapell 
auf  der  Stetten  zu  Wien  genannt.  *) 

Der  Hau  scheint  jedenfalls  langsamer  fortgeschritten 
zu  sein,  als  Herzog  .\lbrecht  Hl.  (-[-  139ö)  noch  auf  seinem 
Todenbette  gewünscht,  und  die  Herzoge  Wilhelm  (-[■  1406) 
und  AIhrecht  IV.  (-j-  1404)  zugesichert  hatten. 

Auf  die  allmähliche  Vollendung  der  neuen  Bauführung 
deuten  aber  die  wieder  vorkonunenden  Legate  für  die  Glas- 
gemälde in  die  Fensterräume  hin.  Ein  solches  setzte  der 
Wiener  Bürger  Christian  Kendler  in  seinem  Testamente  vom 
Jahre  1412  aus:  item  ich  scha/f  zu  rnser  frawen  auf 
der  Stetten.   i/at  man  ein  glas  sol  maeben  vnd  mein 


')  1406  erscheint  niinilich  Michel  der  Weinburm  noch  als  Hausbesitzer 
in  dei'  Joliannesgassc,  141h  war  er  aber  gewiss  schon  verstorben 
( 1"  c  i  I  in  den  Itcr.  und  Mitlheiluntien  des  Wiener  Alterthums-  Ver. 
1,  •i'.ri). 

■-■)  Das  Wiener  Stadt-  Geschäften-  (Testamenten-)  Huch  I,  i;>l)  enthält 
nämlich  zum  Jahi'e  1403  folgende  .\uf/.eicbnuiig  :  des  nächsten  Samhs^ 
iaijs  vor  dem  hetjliijn  iveinitchltaif  (22.  I)ec.)  kam  für  den  Hat 
C  hunrat  der  Harn  p  er  sdo  rff:  die  zcyt  des  (äussern)  Hals 
der  Stat  sc  wienn  vnd  Puwmaist :  des  new  en  p  atv  es  v  nss : 
Fruwn  Kappeln  auf  der  Stettn  ce  wienn  vnd  hat  da  vor 
iilJ'em  rat  bechunt  das  In  Fraic  Ann  Vlreichs  seligen  des 
p  reit'feld:  witib  alles  das  gar  vnd  genczleich  verrichtet  vnd 
bezalt  hat  vnd  ausgegebn  hat ,  es  sey  vit  oder  wenig,  chtayn  od- 
gross  das  der  vorgenant  Ir  irirt  se  de  egeu  paiv  geschafft  hat 
vnd  hat  auch  sev  vnd  Ir  erbu  für  sich  ivirf  für  all  sein  nach- 
komme die  desselben  paws  nach  Im  pawmaist:  wer- 
denl  alles  das  daz  der  cgenunt  vlreych  p  regt' fei  der  SM 
demselben  paw  geschafft  (vermacht)  hat,  vor  dem  Hat 
ledig  vnd  los  gesagt  vor  all'  ansprach  mit  erkunt  dicz  gegenwur- 
iign  puchs.  (.\ach  dem  (triginale.)  Fast  scheint  es  hiernach,  doss 
Ulrich  der  lireitenfelder  selbst  eine  Zeit  hnig  Itaumeisler  dieses  neuen 
Baues  war. 

■*)  Eben  dorfer  bei  l'ez  SS.  II,  S3ä,  der  den  Hampersdorfer  als:  Vir 
canus  utroque  capite  corporis  et  mentis  bezeichnet.  Die  Grabsehrifl 
der  drei  Hingerichteten  «m  Hoden  nächst  dem  herrlichen  Grabnionu- 
mcnte  Kaiser  Friedrichs  IV.  im  St.  Stephansmünster  Wiens,  lindet  sieh 
in  Tsehischkas  Hletr.  K.  zu  St.  Steph.  in   Wien.   lS4:i,   lo.i. 

■*)  Im  lluche  der  Käufe  C  (Fol.  207).  welches  sammt  den  übrigen  Ge- 
währ-Satz-Kiiufe-  und  Grundbüchern  vom  Wiener  .Magistrale  gelegcn- 
beiliich  der  neuen  Organisirung  der  Gerichlsbeliörden  an  das  Grund- 
bucbsanit  des  Wiener  I.andesgeriehtes  abgegeben  worden ,  seitdem 
aber  verloren  gegangen  ist.  Die  obige  Anführung  v.  .1.  1417  konnte 
daher  nicht  nach  dem  Originale,  sondern  nach  einer  Aufzeichnung  im 
bandschriftlichen  Nachlasse  des  (Icissigen  Forschers  um  die  Vorzeil 
Wicn's  .  J.  Schlager,  mitgclheill  werden. 


31 


zeichen  ilarei/i,  duz  mtin  aiiirii  mcvliehtuin  vher  mein 
Grub  sol  kaufen ;  woraus  gefolcfort  wenlon  möchte,  dass 
wenigstens  tler  Hau  des  Langhauses  zu  jener  Zeit  be- 
reits der  Volleiuhing  nahe  war.  Noch  1427  im  Testamente 
des  Hitters  Weiivliard  Siiicz|ierger  ijiinunt  ein  iihnliehes  Legat 
vor,  nämlich  er  schafft,  thif!  sein  Schwif/ei-son  ain  G/ass 
machen  lass  zu  rnser  lieben  Fraw  hie  auf  der 
Stetteti,  vnd  darein  jjemult  die  lieben  Herrn  Sand 
Erasem  vnd  Sand  Sebastian  vnd  Fabian  vnd  vnden  meine 
Haus  fraw  71  vnd  mich  vnd  vnscr  beider  Schilf 
darzK  (jesact  ^).  Schade,  dass  diese  (ilasgemäi(h^  unn  nicht 
mehr  vorir.indeu  sind,  um  mit  Sicherheit  zu  erkeinieu,  an 
welchem ,  danrals  also  gewiss  l)ereits  ausgeführten  Theile 
des  Kircliengehiiudes  dieselhen  angebracht  wurden. 

Wenn  alle  Verhaltnisse  zusammengefasst  werden,  so 
ergibt  sich,  dass  der  neue  Bau  der  Veriäugcrung  des  Lang- 
hauses im  Jaliro  1394  begonnen  und  ungclaln'  zwischen  den 
Jahren  1412 — 1427  zu  Staude  gebracht  wurde,  und  das.s 
sich  vielleicht  die  1417  vorkommende  IJetheiligung  des  Bau- 
meisters Etzenf  eider  etwa  zumeist  auf  den  Aufbau  des 
Thurmes  beschränkt  Iiabe.  Leider  ist  bis  Jetzt  über  die  Zeit 
der  Vollendinig  des  letzteren  noch  kein  probehältiges  Datum 
zum  Vorschein  gekonmien;  denn  die  in  jüngster  Zeit  vor- 
gebrachte Anführung,  dass  der  Thurni  1437  ausgebaut  wor- 
den sei,  beruht,  wie  weiter  unten  angefidirt  wird,  auf  einem 
olfenbaren  Irrthum.  Wenn  vielleicht  schon  die  erwähnten 
Legate  zur  Beischatfung  von  Glasgemälden  für  die  Marien- 
capelle  1412 — 1427  zu  Gunsten  unserer  Annahme  über  die 
Zeit  der  Vollendung  des  1304  angefangenen  Baues  des  erwei- 
terten Laughauses  sprechen  miichte,  so  könnten  etwa  auch 
folgende  Stiftungen  darauf  bezogen  werden.  Der  Verweser 
und  Caplan  dieser  Capelle,  Andre  von  Grillenberg,  an  wel- 
chem Orte  er  vordem  Pfarrer  gewesen,  hat  in  diese  Capelle 
1411  ein  Frühamt  zu  Ehren  der  heiligen  Dreifaltigkeit 
gestiftet-),     und    in     einer    Urkunde    vom    23.    Februar 


')  Sclilasur   Wiener  Skizzen  V,  417— 4 IS.  4'il. 

2)  Andre,  ('hmheir  des  Doms  iiiiil  iler/.eit  OfTieial  des  Hofes  /.u  l'.issiiu. 
Pfarrer  zu  Crillenherg- ,  dann  Verweser  und  l'a|il.iii  tuiser  Frmpn 
Kappelten  auf  der  Stellen  hie  ze  Wienn,  hatte  in  diesellie  Capelle 
ein  Amt  ran  der  heiHj/en  driunltifikait  all  lai/  zu  Primzeit 
ze  sint/en  gestiftel,  und  /.nv  volprint/unfi  sötirlis  i/ntsdienstes  mehrere 
aus  seinem  Eij^enthume  angekaufte  Güter  gewidmet.  Ilerzos  Allireelit  IV. 
als  Lande.sl'iirst  heslätigle  diese  Stiftung-  unterm  10.  August  1411  uielil 
nur,  sonilern  gab  auch,  damit  dieselh  Slifft  dester  heleibleiciter  sei, 
zu  seinem ,  dann  zu  seiner  Vorfahren  und  Naehkommeii  Seelenheil. 
dazu  die  Gemee/i  in  dem  Stokeli,  die  etttvenn  zu  dem  Ph arr- 
ha f  derselben  Kappellen  (/ehuret  hahent,  mit  dem  garten,  al.i  der 
vormals  hei  rietnsellien  Pharrhof  ist  ijeji-esen  vnd  als  diesel- 
hen Gemeeh  daselhs  herürent ,  zum  bleilienden  Nutzgenusse  lies  .je- 
weiligen Caplans  und  Verwesers  dieser  Capelle  gegen  dem.  dass  man 
täglich,  u-enn  man  dasselli  umpt  sinr/ct.  seiner  Voi-fordei-n  und  iV.aeh- 
koumien  mit  ainem  ofj'enn  pet  ijen  dem  volk  audechtikteiek  i/edenk. 
(Notiz.  Bl.  f.  Kunde  iislerr.  Oesch.  Quellen.  III.  :i04.)  Derselbe 
Caplaji  Amlre  kaulte  unterm  20.  April  1412  zu  demselben  l'riiliamt  der 
heiligen  Dreifaltigkeit  von  den  liriideru  Hanns  und  Ulrich  Würffel 
noch  weitere  Gülten  und  Güter  zu  Gumpendorf,  worunter  auch  aiv 
Sttffran  Garten  erwähnt  wird.  (Man.  holen.  31,  b,  108  —  110.) 
Während  nun  hier  stets  von  einem  Krühamt    der    h.  Dreifaltigkeit  die 


1414  ')  wird  eines  ewigen  Lichtes  für  da.*  heilitj  Chreirlz 
von  luck  '-)  gedacht,  zu  dessen  Beleuchtung  weiland  Nicias 
Rorklob  hincz  cnser  frawn  auf  der  Stetteti  ze  wienn 
2  Pfund  Bnrgrechfsgeld  geschatft  hatte  -). 

Und  sonnt  wären  nach  dem  dermalinen  Standpunkte 
der  Forschung  die  Daten  erschöpft,  aus  welchen  für  die 
ältere  Baugeschichte  unserer  Kirche  Folgerungen  abgeleitet 
werden  könnten.  Was  insbesondere  unsere  .\nuahme  be- 
trifft, welche  die  Ausführung  des  noch  vorhandenen  hohen 
Chores,  sammt  dem  in  der  Bananlage  mit  diesem  überein- 
stiniiiienden  oberen  Theile  des  Langhauses,  der  zum  .lahre 
1303  urkundlich  erwieseneu  Haufilhruiig,  deren  Vollendung 
aber  iler  Zeit  Herzog  Budolph's  IV.  (1338— 13GÖ)  zu- 
weiset, —  die  Erweiterung  des  Kircliengebäudes  durch  die 


Rede  ist .  welches  .\ndrt  von  Grillenhery  in  der  Wiener  Krauen- 
eapelli^  am  Gestade  gestiffet  hatte,  zeigt  es  nach  einem  anderen  Docu- 
mente.  dass  .er  eine  ähnliche  .Stiftung  auch  in  ilem  Passauer  Dom 
gemacht  habe;  denn  unterm  3.  April  141.^  erklären  sich  der  Dompropst 
Wenzel  nnil  das  Dnmcapitel  zu  Passau  verbindlich,  die  llistory 
der  h  ei  li  </  e  n  Trinalt  i  c  h  a  i  t  die  ihr  korhruder  her  .\ndre 
von  Grillenpery  diezeil  vjisers  yenediyen  herrn  von  Passate  Offi- 
eial  ze  Wienn  ifestij'l  hat,  auf  vnserm  Tum  zu  Passaw  an 
naehslen  montar/  vor  ijotsleichnttmstuji  lohleieh  vnd  hochczeitleieh 
mit  aller  tat/zeit  (felütrtt  vnd  ander  zuijehörunij  als  dann  söthcr 
!/estifler  histor  i  daselhs  ij  e  w  o  n  halt  vnd  s  i  t  ist,  Järleieh 
hef/een  vnd  aufrichten  zu  wollen  für  2  Pfd.  Wien.  Pf.  etcigs  Gelts  die 
ens  oder  vnserm  Ohristen  Kellner  in  Oesterreich  ein  tjeder  Kapp- 
lan vn'Srer  Prnrven  Kuppelten  ze  Wienn  J'irleiehen  zu  der  vorhe- 
nanten  h ;/  stör  i  vnd  t  a  ij  vnuerezoijenlich  raiehen  sol  von 
dem  ytit  vnd  holden  zu  G  u  m  p  p  e  n  d  o  rff  da  cz  Sa  n  d  Gil  i- 
yen,  daz  er  vmh  sein  ait/en  ijut  von  Hans  und  l'lrich  Würfel 
gekauft  hat  (I.  c  132 — 3).  Die  hier  mehrmals  erwähnte  Historie 
derb.  Dreifaltigkeit  gehörte  sofort  unter  .jene,  auf  der  Pa.ssauer  Synode 
1437  erwähnten;  hisloriae,  quas  Kathedralis  Ecelesia  Patuviensis  e.r 
sinijulorum  institutione  ohservat,  decantat  ant  solemniaat  (H  a  ii  s i  i, 
Germ.  Saer.  1,  tiG4,  b.),  und  dürfte  hier  das  Wort  historia  im  Sinne 
pro  ipso  festi  officio  genommen  sein.  (  D  u  c  a  n  g  e  —  H  e  n  s  c  h  e  I,  Gloss. 
med.  et  inf.  hat.  III.  ti72.)  So  wurden  tür  den  Pa.ssauer  Dom  1447 
ain  ewir/e  Ht/stnri  Placeho  vnd  i/edechtnis.'ie,  unil  1473  drey 
ewiyhystorien  vnd  fünf  Jertey  vnd  yedechtnu.ise  yesliftet 
(Mon.  hoica.  31,  b.  3S4,  .121)).  Demnach  müssen  beiile  Dreifaltigkeils- 
Stiftungen  des  .Vndreas  von  Grillenberg  ,  nämlich  jene  für  die  .Marien- 
eapeili'  und  die  für  Passau ,  genau  uulerschieden  werden.  Derselbe 
Andre  von  (irillenberg.  Pa.ssauer  Domherr  und  Olücial.  obersler  Caplan 
und  Verweser  der  Kranencapelle  in  Wien,  kaulte  zu  dieser  t^apelle  noch 
unterm  li).  .luni  141.'>  weitere  Güter  und  (lullen  (I.  c.  136 — 141J.  Dass 
Andreas  im  Jahre  141.'!  gestorben  ist,  bewies  die  Inschrift  auf  seinem 
Grabsteine,  der  einst  in  dieser  Kirche  vorhanden  war.  und  von  welchem 
weiter  unten  noch  die  Hetie  sein  wird. 
^)  Original  auf  Pergament   im  Wienei"  Stadtarchiv. 

-)  Luck  heisst  eine  SladI  im  damaligen  Polen,  heutzutage  in  Kussisch- 
Volhiuien  gelegen.  Sollte  ilieses  Kreuz  etwa  von  dort  hierher  gelangt 
sein?  Hei  den  damaligen  Deziebungen  des  österreichischen  zum  jiolni- 
scIuMi  Kürsteuhause  wäre  eine  solche  Annahme  immerhin  möglieh.  — 
Oder  ist  vielleicht  das  Kreuz  vom  bestandenen  Prämonstratenser-Kloster 
liruek  im  Znainier  Kreise  hierher  überlmgen  worden;  denn  Kloster- 
hruck  hiess  im  Lateinischen  Lnca,  mährisch  Lanka  (Scliwov: 
Top.  V.  Mähr.  III.  2i(i.  Woluy  III.  InO;  vgl.  auch  .Archiv  f.  K. 
tht.  G.  Qnell.  II,  14.) 
')  Kiuzelner  Altäre  in  dieser  Kirche  geschieht  in  den  Urkunden  iles 
Wiener  Stadtarchives  öfter  Erwähnung,  so  13S0  des  St.  Andre-  und 
.Magdalenen- Altars;  140'.).  1434.  1444  des  St.  Annen-Altars  ;  1438—14.39, 
1481  lies  Hieronymus-Mtars,  noch  1474  des  bereits  erwähnten  Eilf- 
lausend  .lungfranen-Allars  u.  s.  \v. 


32 


Verlrmgerung  des  Liiiislwuses  Ins  zur  lunitigiNi  Slii-iiscito 
in  die  Zeit  von  1394 — 1427.  endlich  den  Aiifliau  des  Tiinr- 
mes  ins  Knde  des  zweiten  l)ecciiniunis  des  XV.  .Iidirliun- 
derts  verlegt ,  so  kiinn  nur  eine  einteilende  siiclikundige 
Würdigung  der  Bauweisen  an  diesen,  in  keinem  Fidle  nacli 
einem  genicinscliaftliclien  Plane  und  gleielizeitig  ausgeführ- 
ten Gebäudetlieileu  jene  .Annahme  festigen  oder  entkräften. 
Der  zur  .\uflieUung  der  Baugeseliichte  dieser  Kirciie  der- 
mal zu  Gehote  stellende  pruhehältige  StolV  dürfte  wolil 
zunächst  nur  zu  den  von  uns  vertretenen  Folgerungen 
bereclitigcn.  .Anderweitige  .\nnalimen  aber,  welche  etwa  den 
1394  begonnenen  Neubau  auf  den  dermaligen  Chor  bezieiien 
und  den  Bau  des  verlängerten  Schilfes  sammt  dem  Thurme 
einer  spätem  Zeit  zuweisen  möchten,  würden  aber  den  urkund- 
lich sichergestellten  Beweis,  dass  im  Jahre  13.t3  (s.  u.  S.  14) 
wirklieh  ein  Bau  dieses  Kirchengehäudes  im  Werke  war, 
negiren,  oder  auf  ein  nun  nicht  mehr  vorhandenes  Gebäude 
beziehen  müssen,  und  würden  sofort  schwerlich  jene 
Klippen  zu  iimschillen  vermiigeii,  die  solcher  .Annahme 
nach  den  vorangeschickten  gleichzeitigen  Beweisstellen 
entgegentreten;  denn  es  müsste  dabei  nothwendigerweise 
vom  XiV.  Jahrhunderte  ab  noch  eine  dritte  Bauperiode 
unterschieden  werden,  für  deren  Aussonderung  es  aber  an 
jedem  urkundlichen  llaltpunkte  gebricht.  Denn  wollte  der 
Bau  von  13S3  nicht  dem  dermaligen  Chore  zuerkannt,  sofort 
angenommen  werden,  aus  jener  Zeit  sei  dermal  nichts  mehr 
vorhanden,  so  dass  die  Grundsteinlegung  vom  Jahre  1394 
auf  den  Bau  des  heutigen  huheii  Chores  bezogen  werden 
müsste ,  so  hätten  wir  keinen  einzigen  urkundlichen  Beweis 
für  die  Zeit  der  .Ausführung  der.  olVeiibar  erst  später  vorge- 
nommenen Verlängerung  des  Langhauses  zur  Hand. 

Die  eben  auch  aufgetauchte  Annahme,  dass  wohl  gar 
der  untere  Theil  des  heutigen  Langhauses,  vom  Thurme  bis 
zur  dermaligen  Stirnseite,  jünger  sei  als  der  Chor  mit  dem 
ilim  zunächst  liegenden  Tbeile  des  SchilTes,  bedarf  aber 
bei  dem  zweifellosen  älteren  Gepräge  in  der  Bauweise  des 
letzleren  Gebäudetheiles",  schon  von  Standpunkte  architekto- 
nischer Würdigung  keiner  Widerlegung. 

Auf  die  Baugeschichte  uns  beschränkend,  haben  wir  nur 
noch  der  wesentlichsten  Beschädigungen,  welche  die  Kirche 
im  Laufe  der  Jahrhunderte  erlitt,  dann  der  A'ersuche  zur 
Wiederherstellung  und  iimeren  Ausstattung  zu  erwähnen. 

Die  auf  dem  Weihwasserkessel  nächst  der  Sacristei 
eingehauene  Jahrzahl  1  \90  (1490)  und  das  Jahr  lälS 
am  steinernen  Geländer  des  Musikchores  liefern  monumen- 
tale Beweise  für  die  Zeit  der  .\usfülirung  einiger  neuerer 
Herstellungen. 

Die  hohe  Lage  der  Kirche  hart  am  Bande  der  Stadt- 
begränzung  nach  Norden  hin,  setzten  sie  während  der  bei- 
den Türkenbelagerungen  zunächst  den  Zerstörungs-Ge- 
schossen der  Barbaren  aus.  Namentlich  hatte  der  Inxdiauf- 
strebende,  die  umliegenden  Gebäude  weit  überragende 
Kirchthurm  mit  seiner  zierlichen  Blumenkronc  wesentliche 


Besehäiligungen  erlitten,  obgleich  der  Feind  seine  llaupt- 
annrilTe  nicht  von  dieser  Seite  versucht  hatte,  wobei  schon 
wegen  des  nahen  Donauarmes  und  des  steil  ansteigenden 
Terrains  begreiflich  bei  einer  Belagerung  aU  iiieiit  Operations- 
basis gewählt  werden  konnte.  Während  der  ersten  Türken- 
belagerung 1S29  befand  sich  in  derUmgegend  iinsererKirche 
das  sechste  Quartier  Ernst's  von  Brandenstoin,  und  auf  der 
Höhe  nächst  der  Kirche  waren  einige  Grübgeschütze  auf- 
gefiilirt  ')•  Frst  nach  Verlauf  einiger  Jahre  wurde  zur 
Wiederherstellung  des  arg  beschädigten  Tiiiirnigehäudes 
geschiitten  und  die  .Ausführung  dem  Steininctzmeister  Be- 
nedict Kölb  1  übertragen,  der  die  mühevolle  .Arbeit  in  den 
Jahren  lö34 — 153G  zu  Stande  gebracht  hat.  Die  hierauf 
bezüglichen  Documente,  welche  sich  im  Wiener  Stadtarchive 
helinden,  theileu  wir  aber  ebenso  ihres  bezeichnenden  In- 
haltes wegen  als  insbesondere  desswegen  mit.  weil  in  jüng- 
ster Zeit  ein  arges  Versehen  .Anlass  gegeben  hat  3), 
beide  Documente  dem  Jalire  1437  zuzuweisen,  und  auf  die 
Vollendung  des  ersten  Baues  dieses  Thurmes  zu  beziehen. 

Supplication  Maistcr  Beiiedictn  Stainmessen. 

Fiiralclilif/  Ilochiri'is  f/i-iiiidific  Herrn.  Als  Ich  in 
(Ion  'J.  Jar  von  Xicioxcn  Spicshnmcr  vhJ  seiner 
Hausfrau  mein  Beliunsiuif/  crchaufft  rnnd  Er  300  P.  P. 
zu  Vnnser  Frauen  Klirr  eh  cn  auf  d'  f/cstetten 
allliic  scliidilit/  f/rirest.  Ist  mir  das  aiiiliiindcrf  P.  von  E. 
ijn.  (fCfjcn  empfthunfi  der  ywer  samlil  dem  Zins  also  satz- 
tveis  auf  zwai  jar  lieirilliyl  rnnd  vergint  worden.  In 
solcher  mittler  Zeit  hat  sich  zu  vnnser  Frawen  oln/emelt 
das  (je fürlich  vnnd  schivär  sorglich  thurmb 
(jepeic  zuetraycn,  des  ich  mich  auf  heder  herrn  Stat 
Camerer  vnd  des  Hern  Schachtner  Khirchmaister  anlan- 
gen rnnd  hegern  rnd' wunden,  wiewol  anfennghhileh  durch 
die  beed :  Stat  KItamrer  vnnd  Khirchmaister  mit  mir  vmb 
mein  hesoldung  uin  Red  beschehen  aber  nichts  entlichs 
beschlos:  leordeji.  dann  mir  nit  muglich  zu  wissen  gewest 
was  vnnd  wie  sich  die  sach  in  dem  werch  vnnd  in  was 
Zeit  die  Zuuolcnden  sich  zutragen  wirt ,  derhalh  lehe  bis 
Zuuolendung  ungestelt  darauf  nichs  hegert  noch  bisher 
ainicherlay  entpfangen.  Solehaber  drei  Jar  daran  gear- 
bait  vnnd  als  ain  Maistcr  St u y nmess  Hanndwerch 
alle  sorg  schwärn  lasst  Muhe  rnd  arbait  auf  mich  gcno 
men  den  getragen  rnnd  solch  thurmb  gepcw  mit  dem 


')  Vcrgl.  die  grosse  Runilansichl  Wims,  liiSO  zu  .Nüiiibor;;  iliiich  II»ns 
Ml' I  (I  e  nia  IUI  liermr-^'i'gcben,  IS.'il  «liiicli  A.  l'aiii  es  i  ii:i  in  treuer 
Copie  utiltelst  Farltendruek  uiedergegpjien.  Sr>nderlnirer  Weise  ist  dort 
das  (leliiiude  der  Kirche  zu  Maria-Stiegen  in  solcher  Art  verkehrt  ge- 
zeichnet, dass  der  Chorakschluss  dort  angekracht  ist,  wo  sich  eben 
die  Stirnseite  der  Kirche  belindet;  dagegen  ist  der  Thurni  mit  seinem 
kujipelarligen  Aufsatze  von  zierlich  gegliedertem  (iestein  hier  ebenso 
deutlich  zu  erkennen,  als  auch  aul'  der  ältersten  bisher  bekannten  An- 
sicht Wien's  vom  .labre  1483  (in  den  Her.  vnd  lilitthciliinf/cn  dfs 
Wien.  AllrrOi.  Ver.  I.  237  durch  C  a  m  e  s  i  n  a  mitgetheill)  und  aul 
jener  von  1403  in  .Schedel's  Huch  der  Chroniken  (I.  c.  3). 
>)  T  s  c  h  i  s  c  h  k  a :  Gfschiclilc  der  Stadt  Wien.  Stullg.  IS47.  S.  130—132. 


—   33   — 


geßrlichen  Russteii  ((ufiverff'unfj  der  Mass  Im 
Staynwerch,  Zurichtuny  vnnd  aufziehung  des 
Zeivgs  i'Hiid  f/eliuuttn  staiii,  Versetzinifj  vtind 
vevpinduHjf  der  selben, mit  meinen  gesellen  nacli  höch- 
sten ineiuen  Vleis  mit  aller  notturfft  das  Eysenwerch 
vnd  andren  versehen  vnnd  Ich  also  mit  d'  Hilf  vnnd  ans 
gcnad  Gottes  solch  gepew  vollendet,  des  berd Herrn 
Stat  CtiDirer  vnnd  herr  Khirchmeister  sumld  den  verstän- 
dige werchlewtte  alhie  besichtigt  vnnd  beschatvt  vnd  als 
Ich  ho/frnterdenlick  befunden.  Bin  Ich  wol  Innen  tcorden 
was  sich  Zutragen  mir  begegnet  vnnd  in  was  ge  färlick- 
hait  vnnd  veranntivortuiig  Ich  mit  dem  Thiirmb 
gestandn  vnnd  was  ich  für  arhait  gethvn  hab,  das  ich  mit 
warhait  wol  sprechen  khan  vnd  mag:  das  Ich  meer  als 
ain  werklimaisler  zu  sandt  Steffan  alhier  so  wö- 
chentlich 2  P.  P.  gehabt  verdient  hab.  welichs  sich  vber 
die  180  P.  lauffen  wurde;  damit  aber  E.  gyi.  vnnd  me- 
nigkhlich  spur  vnnd  einsehen  möge,  das  ih  E.  gn.  noch 
die  khirchen  nit  beschwüre,  sunder  noch  in  vil  weniger 
dann  Ich  was  verdient  hab  Nemhen  wil.  So  ist  mein  vn- 
ihcrtünig  bitt  <(n  E.  gn.  die  wollen  mich  vmh  solch  mein 
vorangezaiglcn  gefürlichhuit  sorglich  dienst  Muhe  vnnd 
arbait  vmb  solchen  langen  meinen  verzug  meins  solid  der 
dreier  Jar  hie  bey  d'geweer  in  E:g:  grundfpuch  der  schuld 
so  ich  zuthuen  mnessig  vnnd  ledig  zellen,  den  sntz  so  ich 
derhalb  gethan  ividerumb  auflhuen  lassen ;  das  wil  ich  vmb 
E.  gn.  als  meinen  genüdigen  Herrn  vnnd  vmb  gcmaine 
Stat  zu  khunftigen  Zeiten  verdienen  etc. 
E.  gn. 

williger 

Benedict  Khö'b  l 
Stainmess. 

Von  aussen  AuCschrift: 
Dein  khirchmaist'  aufd'  Gstett'n 
zuzvstellen  Burgermaister  vnd  Rat 
dieser  suchen  halben  furderlich 
seinen  bericht  zethun. 

Pfincztugs  29  Feb.  Ao.  37. 

Supplication  Jörg   Schachtner    kirchm  aistcr 
b  e y  V  n n  s  er  fr u  v  e n. 

Edel  hochgelert  fursichtig  hochivciss  genedig  herrn 
nachdem Eur gen.  aufs  wenedickht  kolbl  des  Stain- 
mezcn  Suplirennmier  beuolchen  Euer  gen.  rnndcrichl  zu 
thuen,  Nun  gen.  Herrn  der  herr  Schrantz  als  oberisten 
humrer  vnnd  Ich  haben  mit  dem  wenedickht  kolbl  des 
Turn  pauss  halben  vmb  sein  belonung  beschlossen,  nem- 
lich  als  vmb  Achtzig  P  gülden,  wiewol  sich  wenedickht 
kolbl  der  achczig  gülden  gewidert  hat  diess  gefcr- 
liehen  gepawss  halben,  N^un  hat  mir  doch  der  herr 
Schrantz  Allen  gewallt  mit  dem  wcnedickhl  kölbl  zu- 
hanndln  Geben,  So  hab  ich  als  kirchmaister  mit  dem 
wenedickht  kolbl  gehandelt  das   er  sich   das  paw  soll 


vnnd'wiyiden  vnd  sein  kunst  vnd  fleiss  daran  nit 
spar  n.  das  Im  ein  Err  sey  vnd  dem  Turn  rund  gemainer 
Stat  nutz,  souerho/f  ich  gegen  ainen  Ersamen  Rat  vnd 
meinen  gen.  Herrn  als  die  oberisten  kirchmaister  Ime  ein 
Böser ung  zuerbertven.  So  Nun  disess  gepaw  zum  be- 
schlus s  E r r aicht,  ist  Herr  Sewastia ii  S ehr antz 
auch  der  rnderkamrer  vnd  Ich  mit  sambt  den  werichf- 
maistcrn ,  so  disen  Turn  I nwcnd ig  vnd  auswendig 
besichtigt  und  bestigen,  so  ist  ainiger  mnngel 
oder  vnfleiss  disses  Tur n  gepewss  nit  befunden  irorden. 
ivie  den  Eur  gen.  Als  die  hochuerstendigen  nit  unnderst 
pefinden  werdt  Nun  Secz  Ichs  Eurn  gen.  haimb.  wellet 
solichs  alss  die  hochverstendigcn  die  weil  wenedickht 
kölbl  piss  Jnnss  drit  .Jar  disses  gefer liehen 
gepewss  an  seiner  besoldung  nichts  emphangen  das 
selbig  ivolle  Eur  gen.  auch  Erivegen. 
E.  Gen. 

Vnnd'thanig' 
Franz  S c h a chtner 
kirchmaister  bey  vnnser  fraw : 
auffd'  Gstetten. 
Vuu  aussen:    Burgermaist'  vnd  Rat  bewilligen  Mai- 
sler Benedict n  Kölbl  Stainmessen   in 
ansehen  seins  vleiss  vnd  muc,  die  ain 
hundt  Pf.  wie  Er  begerl  verfolgen  ze- 
lassen  vnd  den  ^atz  dargegfn  aufzetun. 
Sambstag  den  10.  Marcy  Ao.  37. 
Alienlings  sind  beule  auf  Papier  geseIu'iel)enoii  Doeu- 
niente  nur  mit  den  beiden  letzten  Zalilen  der  Jaln-eshezeicli- 
nung  (37)  verseben;  wenn  aber  schon  die  ganze  Form  des 
Inhaltes,  und  vor  allem  die  Sehriftzüge  selbst  nicht  dem  lei- 
sesten Zweifel  Raum  lassen,  dass  1ö37  das  Jahr  ihrer  Aus- 
fertigung war ,    so  bemerken  wir,    zumal  für  jene,    welche 
nicht  Gelegenheit  haben,   durch  die  unmittelbare  Einsicht- 
nahme sich  von  der  Form  der  Schriftzüge  zu  überzeugen, 
noch   insbesondere,   dass   der   im  letzteren  üocumcnte    er- 
wähnte Oberkämmerer  Schrantz  wirklich  in   den   Jahren 
1J)32,  1537,  1538,  1548  und  1S49  die  Würde  eines  Stadt- 
Oberkänunerers  ])ekleidete.   Zum  l'berllusse  wird  zur  Ent- 
kriiftung  des  letzten  Zweifels  nur  noch  bemerkt,  dass  auch 
die  Datirung  dieser  beiden  Documente  eben  nur  dem  Jahre 
1537  entspricht.  Dieses  Jahr  war  ein  gemeines,   und  kein 
Schaltjahr.  ^Sonderbarer  ^^'eise  ist  aber  das  erste  Uocument 
vom  29.  Februar  datirt:   der  28.  Februar  iiel    damals  auf 
einen  Mittwoch,  also  der  (oftenbar  nur  durch  ein  Versehen 
des  Concipieuten  statt  des  1.  Miirz  angenommene)  2'J.  Fe- 
bruar auf  einen  Donnerstag  (Pfincztag).  Auch  der  10.  Miirz 
des  Jahres  1537  fiel  richtig  auf  einen  Samstag,  wie  solchen 
das  zweite  Document  ansetzt.  Im  Jahre  1437  aber  fiel  der 
25).  Februar  (reclius  I.  Miirz)  auf  einen  Freitag,  der  10.  März 
auf  einen  Sonntag. 

Wir  wollen  vorübergehend    mir  erkühnen,    dass  der 
berühmte  Melchior  Khlesl    bei   seinem   ersten  Auftreten 


34  — 


in  Wien  pnss;iuisclier  ()fiK'i;ii  gewoseii  ist,  und  d;i(liucli  mit 
der  Kirche  zu  M;iri;i-Sti(\ut'ii  in  unniitteliiiirer  Hczieluiiig 
«leliiMclit  wiirdt'.  Es  ist  iifkiiimt.  diiss  der  dureli  Khlesi's 
Eiiifluss  zum  Aide  des  Cistercieiiserstil'tes  ZwetI  eriiuljene 
Ulricdi  lliickol  (läSCi— KiOT)  das  neben  dem  rassauer 
Hofe  gelegene  Haus  als  neuen  Stiftshof  ankaufte,  und  eine 
Thüre  unmittelbar  in  die  Ziunner  des  nebenan  wohnenden 
Khlcsl  diu-elibreehen  Hess,  um  mit  seinem  Freunde  den 
»unnittelbarstea  Verkehr  erleichtert  zu  haben  '). 

Aueh  bei  der  zweiten  Helagernng  Wiens  durch  liie 
usmanischeu  IJarbarcn  im  Jahre  1(583,  wahrend  welcher  der 
Passaucr  Hof  als  Spital  für  die  an  der  Ruhr  Erkrankten 
verwendet  wurde,  erlitten  Kirche  und  'Plnuni  neuerdings 
bedeutende  Beschädigungen. 

Wegen  Abganges  eines  eigcTien  Kirehenvermögens 
blieb  aber  die  Wiederherstellung  der  ruinirten  tiebäude- 
theile  durch  zwei  Jahre  aufgeschoben.  Erst  am  9.  Juli  lß85 
beauftragte  der  Stadtralh,  über  Ansuchen  des  Passauer 
Otllciais:  die  Eifnrdi'rciitc  llciKirlnait/  des  Kirdwu  Thurm 
allda  Hellen  ander//  l/iumlif/ei/f/l/'cl/rn  7iotturff'te// in  AngnW 
nehmen  zu  lassen,  den  rnferkammeier,  den  Augenschein 
vorziniehmen ,  und  über  das  Ergebniss  unter  Vorlage  des 
Kostenüberschlages  zu  berichten.  Endlich  wurde  über  die 
dringende  Vorstellung  des  Kirchmeisters  bei  unserer  lieben 
Frau  an  der  Gstotten .  wegen  baldiger  Vollendung  der  am 
14.  August  1680  bewilligten  Keparirung  dieses  Gotteshauses. 
damit  dises  In////  di//'eri)-te  i/;erkk  mu/riiehr  Jlir  endt  er- 
reiche// luid  de/n  (i/itd^hiiiiK  i/if  //ichreg  etwa  schade/i  u//- 
eri/jachüen  niöye,  und  üiier  die  Frage,  wie  sieb  namentlich 
in  Betrefl'  der  von  der  Kirclic//  abgesteml/ten  Staiu  die 
hereitliK  maistens  nertra/je//  werden,  zu  benehmen  sei, 
vom  Stadtrathe  unterm  IK.  September  lß8!>  beschlossen, 
dass  ZI/  /■cjiariruu//  l/esuf/te/i,  i/i  cerwiche/ier  Tü/'klien 
Belegerti/ij)  ruinirten  G/dtska/iscs  in  Ermanglung  eigener 
Kirchengelder  aus  den  vorlrandenen  Pupillengeldern  ein 
Vorscliuss  von  400  tl.  gegen  Ersatz  dargeliehen  werde. 

Im  .iahre  !(>!)(>  linden  sich  weiterhin  \'erhaiullungen 
wegen  Herstellung  der  ('auzel  und  Übertragung  des  Gna- 
dcnliildes  so  wie  in  IJetrelV  der  liegrabung  der  Verstorbenen, 
1(i!l7  hinsiehtlieb  der  Iteparalur  der  Orgel  "). 

iJer  Glockenstuhl  wurde  l(i!)8  hergestellt,  die  grösste 
der  drei  Glocken  170(5  aufgehangen  ').  Nachdem  unter 
Kaiser  Joseph  II.  unter  anderem    auidi    alle   bis  dabin  der 


geistlichen  Gerichtsbarkeit  des  Passauer  Bischofes  uiiter- 
standenen  Pfarren  vorn  Domstifte  zu  Passaii  losgerissen 
worden  \\  aren.  wurde  namentlich  die  Kirche  zu  Maria-Stiegen 
lT8I)di'r  Pfarre  bei  den  Schotten  incor[iorirt  ').  Im  niichsten 
Jahre  liess  dei'  Kaiser  dem  Wiener  Magistrate  bekannt 
machen,  er  wünsche,  dass  dieser  es  übernehme,  den  soge- 
nannten alten  Passauer  Hof  nebst  der  Kirche  von  Maria- 
Stiegen  ni  eil  erzure  issen,  und  ein  neues  Gebiinde  auf- 
zuführen, welches  zum  Versatzamte  dienen  sollte,  wogegen 
das  Haus,  in  dem  sich  dieses  bis  jetzt  befami,  dem  Magistrate 
zum  Geschenke  gemacht  werden  wollte;  welches  Aner- 
bieten der  Magistrat  aber  ablehnte,  da  er  ohnehin  mit  den 
Kosten  zur  Herstellung  des  (iebiindes  für  die  Criininal- 
justiz  und  des  Hürgersjjitals  allzusehr  bebürdet  sei '-).  So 
wurde  deim  dieses  ehrwiu'dige  Gebiiude  lediglich  aus  Hüek- 
sichten  der  Ökonomie  gerettet!  Bei  der,  namentlich  in  jener 
.\bolirungsp(MMode  hiidiinglich  bekundeten  Consistenz  des, 
den  feindseligen  .\bbrecluingsversuchen  mit  ott  kaum  zu  bän- 
digender Hartnackigkeit  widerstrebenden  Bauwerkes  an  alten 
Kirchen,  deren  viele  damals  um  den  i\laterialwerth  an  den 
Meistbietenden  lo.'gescblagen  wurden,  hätte  der  Wiener 
Magistrat  diu'ch  die  I  bernahme  der\'erptlichtung  die  Kirche 
abzubrechen,  gewiss  ein  sehr  iniökonomisehes  Geschäft 
gemacht,  wie  dafür  nach  anderweitigen  Erfahrungen  zahl- 
reiche Beweise  vorliegen'). 

Doch  blieb  das  Stift  Passau  in  dem,  bis  zum  Friedens- 
schluss  von  Lüneville  (1801)  selbstständigen,  1803  aber 
mit  iler  Stadt  im  l'mkreise  von  oOO  Toisen  u.  s.  w.  an 
Baiern  abgetretenen  Fürstenthume  gleichen  Namens  noch 
im  Besitze  der  Kirche  und  des  alten  Stiftshofes  in  Wien, 
bis  1805  ihncb  den  Pressburger  Frieden  alle  iiassauischen 
(jüter  in  Österreich  für  den  iisterreichischen.  und  die  in 
Baieru  gelegenen  (Jütei'  dieses  Stittes  für  den  bairisclienlieli- 
gionsfond  eingezogen  wurden.  Doch  ward  mx-h  mit  liilfe 
der  vorhandenen  Älessstiftungen  der  Gottesdienst  noch  bis 
zum  Jahre  1 80!)  fortgesetzt,  wo  aber  das  verlassene  Kirchen- 
gebäude dem  siegreichen  Feinde  als  Fruchlmagazin  über- 
lassen, und  liieilw(Mse  als  —  Pferdestall  benutzt  wurde! 
Altäre  mit  ihren  Statuen   und  ihrer  alten  lülderzier  wurden 


')  KircM.  Top.   v.   Osterr.Wt.     120;  1!  .■  r  riii  ;i  ii  ii :    Medaillen  W.   :»!) ; 
II  a  ni  in  e  r's    KlUesl  I,  M  u.  s.  w. 

-J  Wieiiti-  StaaU.irctiiv. 

')  liöclih  a.  11.  O.  i.->.  «11  lilierh^iiiiit  iiieliroru,  weil  zunächsf  nicht  auf 
Jir  llauKCSchichtf  lii'zii^'lirli,  Iikt  iiiilit  weiter  liiniilzlf  Aiilühniiifjin  zu 
linden  sind,  und  nnincntlicli  auch  (S.  *il)  dus  Zeichen  der  Lilie  in  einem 
Wappen  im  „fünf/mi  lichten  Glttsfcnslcr^  aligehihlet  ist.  Aueh  wird 
ilaseUisl  (S.  17  und  Kt)  eiwähnl  ,  dass  sich  nin  allen  l'redenztisehe 
an  der  linken  Seite  des  Hoehaltars  das  Wiener  Stadtwappen  mit  der 
Aufschrifl:  Lorenz  Hivhler  (das  andere  i^Ial  wird  er  Reittier  genannt) 
lies  äusseren  Käthes  Kirchenmeister  hey  unserer  Frauen  auf  der 
Gestalten  A.  D.  1044  befand. 


»)  A.  a.  0.  XII,   147— UN. 

2)  fieisler:  Skizzen  iiii.'i  dem  Chardkter  und  Ittindluniieii  Joseph'sll.. 
VII,  GS. 

■')  Erinnern  w  ir  uns  uur  heiläuli^'  an  die  Schwierigkeiten,  mit  ilenen  z.  B. 
die  .\htraf,ninj;  der  Frauenkirche  in  Ha  den  verbunden  war, 
(.Mayer:  .Viscellen  über  den  Curort  Baden  I,  (1811»)  iii)  dann  dass 
die  alte  Lud  w  i  gs  c  up  e  1  I  e  an  der  .Minorilenkirche  zu  Wien  nur 
dadurch  in  ein  Wohnhaus  umgestaltet  werden  konnte ,  indem  man  die 
allen  Slrelien  stehen  liess  und  sie  untermauerte  (Kc  11:  in  S  c  h  m  i  d  l's 
Österr.  liliitt.  f.  I.il.  u.  Kunst,  ISW.  S.  7.1) ;  dass  die  sehr  schline 
St.  W  o  1  f  g  a  n  g  s  e  a  p  e  1 1  e  zu  K  i  r  c  h  l>  e  r  g  am  Wechsel  nur  dess- 
wegcn  niirh  besteht,  und,  wenn  auch  cilnie  l>aeh.  noch  liingerhin  zur 
Uefriciligung  der  Anliipiare  den  l'iihilden  der  Zeit  trotzen  wird,  weil 
sich,  als  das  17S'i  entweihte  ehrwiirilige  fiebiiudc  licilaloriseh  aus- 
-  ehnlen  war,  wegen  der  ni  i  t  der  A  b  h  r  e  c  h  u  n  g  verbundenen 
Kosten  kein  Kauflustiger  gefunden  hatte!  (Feil  a.  a.  0.  "iXt) 
u.  8.  w 


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—   33   — 


verwüstet,  die  alten  Statuetten  unter  den  zierlielien  Dalda- 
cliinen  an  den  Pfeilern  verschleppt  und  zertrümmert ;  Grab- 
steine versanken  unter  der  Last,  welche  eine  rücksichtlose 
Magazinirung  ihnen  aufgehüi'det  hatte.  LSchon  früher  waren 
schüne  Einzelheiten  der  alten  Kirchenzier  zur  Ausschmückung 
des  neuen  Rittersehlosses  zu  Laxenburg  verwendet  worden; 
SU  wurde  das  eine  der  hohen  Fenster  des  sogenannten  Em- 
pfangsaales im  runden Thurm  mit  Glasschildereien  ausdicser 
Kirche  ausgefüllt,  wo  sie  noch  heut  zu  Tage  in  ihrer  ganzen 
Schönheit  wohlerhalten  prangen;  ebendort  sind  auch  die  an 
den  Wänden  angebrachten  Sitze,  Reste  des  alten  Chor- 
gestühls von  Maria-Stiegen  '). 

In  diesem  Zustande  der  Verwüstung  wurde  das  ent- 
weihte Gotteshaus  der  Redemtoristen-Congregation  über- 
lassen, und,  nachdem  dasselbe  eine  durchgreifende  Restaura- 
tion und  neuerliche  Ausschmückung  erhalten  hatte ,  am 
24.  Dec.  1820  feierlich  eingeweiht  ä).  Die  Kirche  verdankt 
der  Congregation  eine  Reihe  wesentlicher  Verschönerungen, 


und  wenn  auch  den  alten  Grabdenkmälern  •)  in  diesem  Got- 
teshause leider  jene  Sorgfalt  nicht  zu  Theil  wurde ,  welche 
das  Benedietinerstift  Schotten  i)eim  Umbau  des  alten  Kreuz- 
ganges den  dort  befindlichen  Grabsteinen  gewidmet  hat.  wenn 
ferner  auch  G.  Mohii's  Glasschildereien,  die  damals  hier 
angebracht  w  urdm,  und  über  welche  man  seiiiei'  Zeit  etwas 
zu  viel  Hühmens  gemacht  hat  •),  in  Dezug  auf  die  Dauerhaf- 
tigkeit des  F"arbenschmelzes  die  l'robe  nicht  bestanden 
haben,  so  gehört  doch  die,  allmählich  von  richtigerem  Tacte 
geleitete  schöne  Ausstattung  des  Gotteshauses,  vor  allem 
aber  dei-,  durch  den  Architekten  Thomas  Marzik  (s.  oben 
Seite  lö)  entwoi'fene  und  1843/6  ausgeführte,  schöne 
Hauptaltar  =),  an  dem  das  Zierwerk  soviel  als  möglich  mit 
dem  architektonischen  Schmucke  des  Gebäudes  in  Harmonie 
gebracht  wurde,  zu  den  dankenswertheren  Versuchen  der 
Restaurationen  alter  Kirchen. 

(Der  Scliluss  folgt.) 


Das  Langhaus  der  Kirche  hat  an  den  SeitenschifTen 
eine  Lesenentheilung.  Jede  Lesene  ist  an  den  Ecken  geglie- 
dert und  hat  einen  halbrunden  Pfeiler  auf  der  Fläche  (vgl. 

Fig.  8,  V«,  w.  G.),  der  jedoch 
nicht  den  Charakter  einer  Halb- 
säule hat,   da  der    Sockel   des 


Die  romanische  Kirche  zu  Lebeny  (Leiden)  in  Ungarn. 

Gezcic'linel  und  beschrieben  vom  Arehitckten  A.  Essen  wein. 

(Mit  zwei  Tafeln.) 

(Schluss.) 

Bogenform  ausgehauen  ist.  Das  MittelschifT,  das  nicht  sehr 
hoch  aus  den  Dächern  der  SeitenschitTe  heraustritt,  hat  eben- 
falls eine  Lesenentheilung.  Unter  dem  Gesimse  sind  die  Le- 
senen  horizontal  verbunden  und  bilden  so  Unu-ahmungen  der 
Wandflächen,  welche  die  rundbogig  geschlossenen  Fenster 
enthalten,  deren  Überdeckung  hier  aus  Keilsteinen  bogen- 
ganzen  Gebäudes  sich  ebenfalls  förmig  construirt  ist.  Die  Kanten  der  Lesenen  und  ihrer  Hori- 
um  ihn  verkröpft  und   derselbe      zontal- Verbindung  sind  ausgekehlt  und  in  der  Kehle  sassen 

Reihen  vonKugeln,diejezt  jedoch  fast  alle  abgeschlagen  sind 
und  sich  nur  am  östlichen  Giebel  erhalten  haben. 

An  der  Südseite  des  SeitenschitVes  befindet  sich  ein 
kleines  Portal,  das  in  der  Anlage.  Diirclibildiiiig  und  Orna- 
mentik dem  westlichen  ähnlich  ist.  Es  hat  indess  nur  drei 
Säulchen  zu  jeder  Seite;  die  Übereinstimmung  mit  dem  Rie- 
senthore  von  St.  Stephan  in  Wien  zeigt  sieh  auch  hier,  indem 
die  eine  zwischen  Säulchen  vortretende  Kante  ganz  dieselbe 
Stabdurchkreuzung  hat  wie  sie  in  einer  Kante  jenes  Portals 
vorkommt  (Fig.  9).  Das  Sockelgesimse  steigt  ebenfalls  wie 
am  Westportale  als  äusserste  Einfassung  l)is  zum  Kämpfer 
empor,  doch  stösst  sich  das  Prolil  an  demselben  ab,  ohne 
vorher  aufgelöst  zu  sein. 

Die  Ostseite  der  Kirche  (vgl.  die  .\bbildung  auf  Taf.  I) 
hat  drei  Absiden.die  niedriger  sind  als  die  ScliilVe,  ilenen  sie 
sich  anschliessen,  so  dass  namentlich  tiber  der  mitllera  eine 


oben  durch  eine  konische  Spitze 
bekrönt  ist.  Die  Eckgliederung 
der  Lesenen  löst  sich  über  dem 
Sockel  und  unter  dem  Gesimse 
auf.  Das  ursprüngliche  Haupt- 
gesimse ist  nicht  mehr  vor- 
handen. 

Die  Fenster  sind  klein, 
stehen  sehr  hoch  und  siiul  bloss 
mit  einfacher  Schräge  eingefasst. 
Obgleich  rundbogig  geschlossen, 
-  sind  sie  doch  am  niu'dlichen  Sei- 
teiischiffnicbt  bogenförmig  con- 
struirt, sondern  mit  zwei  Steinen 
überdeckt,  die  in  der  Mitte  des 
Fensters  mit  einer  Fuge  zusam- 
menstossen,  und  aus  denen  die 


1)  Weidmann  in  ilen  Beitrügen  zur  lAinilesk.  v.   Österr   ii.  d.  Enns 
II,  280,  2«7. 

2)  Das  Nüliere  liierüber  b«    Göckh  a.  a.  0.  27 — 32. 


*)    Über  \\X'lehe  im  Vpi-jaiife  dieser  Zeilen  die  niihere  Andeutung  folgen  wird. 

2)   Uormayr  Archiv.   1821,  S.  44 — 47  von  1' r  i  ni  i  s  s  e  r. 

■*)  Das  verkäutliehe  plastiscbe  lUodell  zu  diesem  Altäre  befindet  sich  der- 
mal noch  in  den  lliinden  der  Witwe  Marzik,  Wien,  (iuuipendorf, 
Mariahilfer  Ilauptstrasse  Nr.  407. 


36   — 


(Fig.  9.) 


hohe  mit  ili'in  Giebel  hedeekte  Schliisswand  des  SehitVes 
sich  erhebt.  Dadiireh  erhält  die  Kirehe  eine  htibsehe 
(_!iMi|ipiniiii,'.  die  bei  (leiii  M-aiigrl  eines 
(JuersebilVes  zu  einriirniig  geworden 
wiire.  wenn  die  Absiden  in  gleicher 
Höbe  als  Schhiss  des  Schiffes  ange- 
legt wären.  Die  mittlere  Apsis.  grösser 
als  die  beiden  seitliebeii.  hat  als  Wand- 
gliederung fiint"  Säiileben.  die  über 
einem  Gesimse  auf  ('onsulen  vor  die 
Wandfläcbe  vortreten;  ein  Bogenfries 
bekrönt  sie.  der  jedoch  nicht  wie  bei 
den  deutschen  Bauten  mit  der  Wand- 
gliederung in  Verbindung  tritt,  so  dass 
einzelne  Schenkel  etwa  auf  dem  Capi- 
tal der  Säulchen  aulliegen 'J.  Säulcheu 
und  Bogenfries  stehen  ganz  getrennt 
neben  einander.  Am  SeitenscbilV  der 
Kirche  zu  ileiligenkreuz  bei  Wien-) 
ist  der  Bogenfries  mit  einer  Lesene  in 
Verbindung,  auf  deren  Mitte  eine  Halbsäule  angel)racht  ist. 
welche  mit  der  Gesimsdeckplatte  als  deren  Trägerin  in 
Verbindung  steht,  liier  aber  ist  auch  diess  nicht  der  Fall: 
die  Gesimsplatte  verkrijpft  sich  um  das  Capital  der  Säule 
als  dessen  Deckplatte,   und  der  Bogenfries  ist  neben  dem 

Capital  geradezu  abge- 
schnitten, so  dass jedes- 
mal zu  beiden  Seiten  des 
Capitäls  eine  tiefe  Lücke 
bleibt.  Der  Bogenfries  ist 
gleich  den  deutschen  die- 
ser Zeit  aus  einzelnen 
Platten  zusammengesetzt, 
und  nicht  wie  viele  frü- 
(Fif.  10.)  here  deutsche  aus  klei- 

nen Keilsteinen  construirt.  Er  ist  an  den  Schenkeln  abge- 
rundet, wie  diess  auch  bei  der  Kirche  In  Heiligenkreuz  sich 
findet.  Bemerkenswerlh  ist  das  Profil  {^a  h  Fig.  llj.  das  so 
tief  eingekehlt  ist,  dass  der  Rundstab  ganz  frei  steht,  indem 
die  Kehle  bis  auf  die  Mauerfläche  zurückgeht. 

Die  Fenster  der  mittlem  Ajisis  sind  klein,  mit  einfacher 
Schräge  eingefassl  und  wie  die  des  nördlichen  ScitenscbilVs 
mit  zwei  bogenförmig  ausgehauenen  Steinen  überdeckt, 
deren  Bogen  jedoch  nicht  ganz  regelmässig  ausgefallen  sind. 
während  im  Allgeniciiu-n  die  Steinmetzarbeit  der  Kirche 
sehr  genau  und  sorgfältig  gefertigt  ist. 

Die  kleinen  Absiden  haben  ebenfalls  Bogenfriese  als 
Krönung,  deren  untere  Sehenkel  kreisförmig  sind.  Das  Profil 


ist  jedoch    nicht  so  tief  eingekehlt  als  an  dem  Friese  der 
mittleren  Apsis  (vgl.  Fig.    i  I ,  c  il).    Ein  kleines   Fenster 


')  Vgl.  KaMi-iilmrh'i  AUn»  v.m  «espliichtc  .li-r  iIculscIi-iniUrhiiterlichiMi  llim- 
kunst,  Taf.  IX,  Fig.  2.  Dns  Mittelscliiir  iIcs  Klosters  lliirgleiii  hei  Jena 
ilagegen  Fig.  1.  Seitenscliiir  iler  Kirche  niif. lern  Petersliergc  bei  Erfurl, 
wo  die  Anordnung  der  iinsri^cn  ähnlich  ist. 

*)  Vgl.  .Milteblll.  Kunsldenkmale  des  dst.  Kaiserstaates,  herausgegehen  von 
Kr.  Ileider,  Prof.  v.  Kilellicrgcr  n.d.  Architekten  llie«er,  S.  4.">,  Fig.  7. 


"^Kj^.jXjh 


1 


\^ 


(Fig.  11.) 

bringt  ins  Innere  der  Seiten-.\bsiden  Licht.  Diese  Fenster 
sind  mit  einem  reichen  Profil  umrahmt.  Der  Fugenschnilt 
ist  jedoch  ganz  derselbe  wie  am  nördlichen  SeitenschilVe  und 
der  grossen  Apsis,  so  dass  anzunehmen  ist,  dass  das  reiche 
Profil  jedenfalls  erst  nach  dem  Versetzen  der  Steine  gear- 
beitet ist,  da  die  Art.  wie  der  Fugenschnitt  das  Profil  durch- 
schneidet, für  die  Bearbeitung  geradezu  unmöglich  wäre. 
Das  Gesimse,  welches  die  Hauptapsis  umgibt  und  über 
welchem  die  Säulchen  beginnen,  setzt  sich  um  die  kleinen 
Absiden  fort,  wo  es  indess  so  hoch  sitzt,  ilas  es  sich  als  vier- 
seitiges L'berschlaggesimse  übci'  die  Fenster  wegziehen 
muss.  Bemerkenswerth  ist  dabei  die  Änderung  des  Profils 
(vgl.  Fig.  12),   da  das  Gesimsprofil   als  ("berschlag  nicht 

passend  ge- 
wesen wä- 
re, und  sich 
desshalb  in 
in  anderes 
auflöst. 

Iber  den 
Neben-Ab- 
sidcn  stei- 
gen zwei 
Halbgiebel 
gegen  den 
_  mittleren  in 

iii"   '-1  die     Höhe, 

als  Schluss  der  Pultdächer  des  Scilcuschill'es.  Der  über  der 
mittleren  .\bsidc  in  die  Höhe  steigende  Giebel  ist  in  einer  der 
Lesenentheilung  des  Mittelschiffes  entsprechenden  Weise  um- 
rahmt, hl  den  Kchlungen  dieser  rnirahmung  sind  die  Kugeln 
stehen- geblieben,  die  am  MittelsdiilV  fast  alle  abgestdilagen 
sind  (Fig.  13). 

An  der  nördlichen  Seite  des  Mittelschiffes  ist  unter  dem 
llauptgesimse  die  Zahl  120(!  eingehauen,  jedoch  in  modernen 
Zahlzeichen.    Sie   soll   indessen   alt   sein   und    nur  hei   der 


—  37 


letzten  Restauration  diese  Änderung  in  lieii  Zeieiien  erhalten 
haben  um  die  Inschrift    lesiiar   zu   machen.    Ob  nun  diese 

Inschrift  alt  sei  oder 
nicht,  der  Styl  des 
Bauwerkes    weist  es 


(Kijf.  IS.) 

romanischen  Styls,  den  Übergang  zum  gothischen  deutlich 
an.  Noch  mehr  Fortschritt  auf  den  gothischen  Styl  hin  zeigt 
das  Innere. 


I'l'eiiei-  getrennt,  die  einen  kreuztormigen  (iiiiiidriss  lialiiMi. 
mitHaIhsiiulen  auf  jedcrFliiche  und  dünnen  I>reiviertel-Säul- 
chen  in  den  Kcken  des  Kreuzes.  Die  Säulchen  haben  iinless 
ein  sdiches  t'bergewicht  gegen  die  Grundform  des  Pfeilers, 
dass  man  bereits  die  Pfeiler  als  einen  Dienstbiindel  betrachten 

in    den   .\nfang    des       kann,  um  s(i  mehr,  als  auch  das  Verhiiltniss  der  Halbsaulen 

XIII.      .lahrhunderts. 

Es    kann  nicht  iilter 

sein  als  die  Grün- 
dung   des    Klosters. 

wenn  auch  schon  der 

Gesammteharakter  an 

die  frühere  Periode. 

etwa     1150     lebhaft 

erinnert;  die  Einzel- 
heiten ,    die    Bogen- 

friese,  Gesimse,  die 

Portale    zeigen    die 

letzte     Periode    des 


(K.g.  14.) 

Die  bedeutende  Hohe  gibt  ein  ganz  dem  golliischen  Styl 
entsprechendes  Querschnittsverhältniss,  das  insbesondere  bei 
der  Kürze  der  Kirche  aulfallend  ist.  Die  Schilfe  werden  durch 
II. 


([•■ig.  1,"..) 
schon  so  schlank  ist,  dass  sie  Dienste  genannt  werden   kiin- 
nen.  Der  Fuss  der  Pfeiler  ist  jedoch  nicht  gemeinschaftlich, 
•leder  Dienst  hat  sei- 
nen eigenen  attischen 
Fuss    mit    Eckhlatt: 
die  Ecken   des  Pfei- 
lers sclmeiden  ohne 
weiteres  in  die  Füsse 
der     Säulchen      ein 
(Fig.  16,  gezeichnet 
im     Massstabe     der 
Portals;    die  Durch- 
schnitte Fig.  14  und 
15     sind     im   Mass- 
stahedcs  Grundrisses 
auf  Taf.  I  gezeichnet 
Vaoo)-    Die   Capitäle 
der    Dienste    sind    sehr  weit    ausgeladen,  doch  setzt    sich 
in    den    Arcadeid)ogen    genau    das   Pfeilerprolil    fort.     Die 


.Arcadenbogen    sind 


Halbkreise; 


den    Gewölben    über 
6 


—  38 


ilci-  \  iiiliiille  ist  jcilocli  (liM-  SpitzLügen  l)ereits  eingetreten, 
so  (liiss  er  iincli  für  die  ehemalige  Wölhiing  i)estiniint 
sein  niDclite.  da  er  in  der  niittelaiterliehen  Kunst  iilierh;ui|it 
zuerst  als  Cunstruetionsl'orin  auftritt.  Die  Ornanieiitiii  der 
Capitäle  ist  die  gleiche  wie  am  Portal.  (Fig.  17  gibleinen 
dieser  Knäufe;  dane- 
ben sind  die  l'ber- 
scblagkniis|ien  von 
einigen  Eekblättern 
gezeiehru't.  welche 
die  Übereinstimmung 
mit  den  gleichzeiti- 
gen deutschen  inid 
franzi'isischen  Blät- 
tern zeigen.  Das  P>ck- 
blatt  des  Siiulen- 
fnsses  ist  vom  süd- 
lichen Portal.)  Alle 
acht  Dienste  haben 
Knäufe  in  gleicher 
Höhe;  der  dem  Mit- 
telsehilVe  zugekehrte 
setzt  sich  jedoch  über 
demselben  fiirt  und  liiil  (ibeii  beim  Gewölbanfange  abermals 
einen  Knauf  Die  Fensler  stehen  im  ^litlelsebilf  sehr  hoch,  da 
die  SeitenschilTdaeher  hoch  gegen  ilas  MilteisehilV  ansteigen. 
In  tlen  Seitenschillen  stehen  je  drei  Dienste  als  Gewölbgur- 
tenträger  an  der  Wand.  Die  Gewölbe  sind  jedoch  weder  im 
Mitteischifl'  noch  in  den  Seitenschiffen  die  nrsiiriinglichen. 
Diese  waren  Hund-  und  Sjiitzbogenkreuzgewiilbe  mit  Diago- 
nalrippen.wie  die  noch  erhaltenen  Gewölbe  unter  den  Thür- 
men  und  über  der  zwischen  den  Thiirnien  in  der  Höhe  der 
Seitenscbilfe  abgeschlossenen  Halle,  über  welcher  sich  eine 
Kniporbiihne  als  Musikchor  befindet. 

Der  untere  Theil  des  nördlichen  Thurmes  ist  gegen- 
wärtig durch  eine  Treppe  verbaut,  welche  auf  diese  Musik- 
Itühne  fiilirl.  \'on  der  ursprünglichen  Treppe  ist  nichts 
mehr  zu  sehen,  so  dass  anzunehmen  ist,  dass  sie  in  den 
dicken  rmfassungsmauern  der  Thürme  in  die  Höhe  führte, 
wie  diess  bei  einigen  romanischen  Kirchen  der  Fall  ist. 

Die  .Absiden  sind  mit  einfachen  llalbknppcin  bedeckt, 
welche  über  einem  ringsumlaufenden  Kämpfergesimse  auf- 
sitzen. CDa  jedoch  der  Grundriss  der  Absideu  etwas  über 
den  Halbkreis  verlängert  ist,  so  sind  die  Gewölbe  nicht  bloss 
Halbkuppeln,  sondern  sie  haben  eine  kleine  tonnengewölbte 
Verlängerung  gegen  den  Triumidibogen.)  Die  Absidcn  sind 
nur  um  eine  Stufe  über  dem  Kircheufussboden  erliölit;  in 
jeder  derselben  sind  an  der  Südseile  zwei  kleine  rnndbogig 
geschlossene  Mauernischen,  die  zur  Aufbewahrung  der 
für  das  heilige  Messopfer  nöthigen  Gefässe  während  des 
Opfers  bestimmt  sind. 

An  der  Süd.seite  sehliesst  sich  im  Osten  die  Sacristei 
an.    welche   im     IniK'rii    ebenfalls     noch     die    Formen    des 


(KiV.  17.) 


Xlil..lalirhmiderts  zeigt;  ein  mit  s|iitzbogigem Kreuzgewölbe 
bedeckter  iiml  mit  Diagoiialrippen  versehener  Hanm.  dessen 
Diagonalrippen  dasselbe  Prolil  von  Fig.  IS«  zeigen,  welches 
die  liip|icn  imler  den  Thürmen  gliedert.  (Fig.  18  h  ist 
das    Prolil    der  Diagonalri[)pen  unter  der  Orgelbühne.)    An 

der  Ostseite  der  Sa- 
cristei ist  eine  kleine 
rmulbogig  geschlos- 
sene Nische,  in  wel- 
cher ein  .Altar  steht. 
Ein  kleines  Kund- 
feiistersclien  in  der 
üückuaiid  der  Ni- 
sche ,  zwei  kleine 
halbrund  geschlos- 
sene Langfenster- 
ehen zu  beiden  Seiten 
der  Nische  sind  nocli 
alt  .  wäbi'end  ein 
grosses  neues  Fen- 
ster in  die  Westseite 
gebrochen  ist.  Unter 
dem  südlichen  Fen- 
sterchen neben  der  Altarnische  ist  eine  grosse  viereckige 
Öffnung  in  die  Wand  gehauen,  die  einen  Falz  hat. so  dass  sie 
durch  eine  Thüre  geschlossen  w  erden  konnte,  und  die  somit 
ein  zur  .Aufbewahrung  bestimmter  Wandschrank  ist. 

Der  gegenwärtige 
Zustand  der  schönen 
Kirche  ist  sehr  ver- 
nachlässigt, das  In- 
nere oft  liliertünciit, 
(Kifj.  IS.)        »  so   dass    fast    keines 

der  schönen  Knaufornanumle  deutlich  ist;  Altäre.  Kanzel 
Kirchenstühle  siml  unpassend;  an  den  äussern  Profilen  sind 
alle  Ecken  abgeschlagen:  au  den  Ornamenten  fehlen  die 
meisten  HIattüberschläge.  Auch  die  jetzigen  (iewölbe  des 
MittelschifTes  und  der  Seitenschiffe  sind  eine  ungenügende 
spätere  Erneuerung  für  die  fehlenden  alten  Gewölbe.  Die 
Kirche  hatte  in  den  Türken-  uml  Hevolutionskriegen  viel 
zu  leiden  ').  Im  Anfange  des  XVII.  Jahrhunderts  wurden  im 
Kriege  die  Mönche  alle  ermordet  mit  Ausnahme  eines  Laien- 
brnders.  der  au fdei' Meierei  Rai'atIVdd  fiu'lwirllisi-baflete.  Spä- 
ter hatte  das  Stift  weltliche  t'ommendatorcn,  darunter  einen 
Georg  Himmelreich,  der  es  seinem  Schwager  schenkte. 
Dieser  übergab  es  den  damals  gerade  in  l'ngarn  eingeführ- 
ten Jesuiten,  welche  bei  ihrer  Einführung  den  nenedictiuern 
in  der  Seelsorge  aushalfen  und  auch  in  liaab  die  öffentlichen 
Schulen  besorgten,  woher  es  auch  kommen  mag.  dass  die 
Martinsberger  Benedictineräbte    es   nicht   reclamirten.     Im 


'j  Die  Ge.scliiclile  der  Entsleliiing  und  der  weitem  Scliiclisalc  des  Klosters 
verdanke  ich  der  güligcn  .Miltheiluiij,'  des  Imcliw.  Herrn  Pfarrer.s  zu 
l.eltenv. 


39 


Jahre  1772,  also  kurz  vor  Aufhebiinc;  des  Ordens,  „verschö- 
Tiei'ten"  die  Jesuiten  die  Kirche  und  veränderten  die  Ein- 
ffänse.  Nach  Auflilsunur  des  Jesuitenordens  kam  die  Abtei  in 
Besitz  der  ungarischen  Ilorkamnicr,  wo  sie  bis  in  die  20ger 
Jahre  verblieb.  In  diese  Zeit  fällt  die  Tünchung  des  Innern, 
wie  auch  der  Portale.  Durch  Tausch  kam  die  Abtei  dann  in 
Besitz  der  Familie  des  Ministers  Grafen  Zichy.  In  den  30ger 
Jahren  wurde  der  Kreuzgang  und  die  Abtei  bis  auf  einen 
kleinen   Flügel  ohne  architektonischen  Werth  abgetragen, 


der  jetzt  als  Pfarrhaus  dient.  1838  wurde  die  Kirche  zur 
Pfarrkirche  erhoben  und  um  diese  Zeit  die  alte  Pfarrkirche 
abgetragen.  Ein  Brand  beschädigte  die  Kirche  irn  Frühjahr 
1841.  Sie  wurde  notlidürftig  hergestellt,  die  fehlenden 
Gesimse  aus  Ziegeln  gemauert;  und  doch  wäre  sie  würdig 
durch  eine  gründliche  sachgemässe  Herstellung  im  alten 
Glänze  wieder  zu  erstehen.  Da  sie  aber  ohne  alle  Mittel  ist. 
muss  alle  Hoffnung  auf  die  Grossmuth  ihres  jetzigen  Patrons, 
Freiherrn  Simon  v.  Sina.  gerichtet  werden. 


Die  Truchsesse  von  Emerberg.') 

Von  Joseph   Bcrgiii  ;ui  ii. 


Zu  den  ältesten  uns  bekannten  Geschlechtern  Öster- 
reichs und  der  Steiermark  zählen  wir  das  der  Truchsesse 
von  Emerberg.  Seinen  Namen  führte  es  von  derBurgveste 
Emerberff,  die  auf  einer  zum  Theile  felsigten  .Anhöhe  uord- 
westlich  von  Wiener-Neustadt  in  Trümmern  liegt. 

Die  geschäftige  Volkspoesie  hat  aus  dem  Namen  Emer- 
berg eine  Sage  gedichtet,  die  wir  nach  W  o  I  f  g  a  n  g  Lazios 
de  gentium  migrationibus  Lib.  VI,  p.  194  in  Kürze  erzählen. 
.\uf  dem  Berge,  den  nun  die  Ruine  Emerberg  ziert,  stand 
einst  ein  Kirchlein.  Dessen  Messner  hatte  einen  schönen 
Knaben,  welcher  seinem  Vater  aus  der  herzoglichen  Burg  zu 
Neustadt  Wasser  holte.  Der  Herzog  sah  den  Knaben, 
behielt  ihn  bei  sich ,  liess  ihn  erziehen  und  beschenkte  ihn 
später  so  reichlich,  dass  er  dort,  wo  sein  Vater  Messner 
war,  eine  prächfige  Burg  bauen  konnte,  der  er  den  Namen 
Emerberg  (Eimerberg)  gab.  Zum  Andenken  an  jenen 
Wassereimer,  den  er  als  Knabe  getragen  hatte,  nahm  er  einen 
goldenen  Schöpfeimer  im  blauen  Felde  in  sein  Wappen  auf. 
Wir  finden  aber  die  Emerberge,  die  ersten  uns  bekannten 
Truchsesse  der  Steiermark,  zu  welchen  in  jener  Zeit  (bis 
zurTheilung  am  25. September  1379)  der  alte  Püttengau 
gehörte,  schon  früher  als  unter  Leopold  VI.  Wiener-Neu- 
stadt (1192 — 1194)  und  die  dortige  Herzogsburg  gebaut 
war.und  so  fällt  die  Erzählung  desLazius  wohl  ins  Reich  der 
Mährchen.  Der  fleissige  Wiss grill,  der  m  seinem  Schau- 
plätze des  landsässigeu  uiederösterrcichischeu  .\dels .  Wien 
179S.  Bd.  II.  393  f  dieses  Geschlecht  vorführt,  nennt  schon 
im  Jahre  1182  einen  Durinc  von  Emerberg.  Dr.  Andreas 
von  Meiller  weiset  in  seinen  mustergiltigen  Regesten  von 
llöG  bis  1246  oftmals  den  Namen  Berthold  von  Emer- 
berg als  Zeugen  nach:  so  nennt  er  S.  6J)  im  Jahi'e  1 18(): 


•)  Vgl.  den  Aufsatz  des  Coiiserviitors  flemi  Jos,  S  cli  i'i  g' c  r  :  „Ein  niTliän- 
logischer  AiisHuf;  nach   FeUlhacli .  Fehrtiig-  und   Pertlslein  in  Steiermark.  . 
(Mittheilungon  I.  248 — 251),  7.11   »elchem   wir  ülirigeiis   iKieii   lolgende 
Verl)Osseriiiigeii  iinehziitrageii  liai>en  : 

S.  ■iii),  l.Sp.,  /.eilf2()  v.obcii  livs  :  „Hic-(,'i>rsliilrt'"  slnll   „llieppLMsbiir^— . 

«..«..  n    13   „  unten   .,      „müclltiijen**  „        „liräfligeTl". 

«     M     '-.    ..         .,      S  „  obtjn     „     .,\vallfnil**  „       „i-olIeinI.- 

„ -*ji>,    1.    „  .,    24   „unten   ..      „wollto-*  ..        „konnte". 

n  2j1,  2.     „  ,.      1    „  olien     ..      „I»e\viilinl»:iren"       „        „liranclilnireii". 

n  251,  „     „  „    12   „     „        „     „Ooleh  uiul  Bu7.ogan)'".statt„Dolcliaus  üuzüjjaiiy". 

(ßuKogaily    wiiiile    .1er   unj^ai-iselie  Streilkollien    uiul    ('oniuiandostal»  .  ja    su[,-ar  <la> 

Sei'pter  lies  un^ariselien  Küiiiys  ^enaiiiil.)  |)    |{,.,I 


„Pertoldus  de  Embe  r  berc  h  et  tilius  eins:  dann  am 
28.  Aug.  1201  Bertholdus  de  Embirberch  dapifor  ducis; 
ferner  1202  Pertholdus  de  Enierbercb,  und  endlich  am 
5.  Jänner  1246  Bertholdus  de  Embe  rb  erch^).  den  ich 
für  den  gleichnamigen  Sohn  oder  Enkel  (Bertbidd  II.  oder 
gar  III.)  des  in  der  Urkunde  von  1186  genannten  Berthold 
halten  möchte. 

Nach  Wissgrill  schrieb  über  Emerberg  Professor  und 
der  Medicin  Doctor  J.  A.  Schul  tes  in  seinem  historisch- 
malerischen  Taschenbuch  von  und  für  Österreich,  Wien  1804 
bei  Degen,  S.  21  f.  mit  der  Abbildung  der  Veste  nach  einer 
Zeichung  von  Meillard  und  von  Duttenhofer  in  Kupfer 
gestochen;  dann  findet  man  von  dem  um  die  mittelalterliciieu 
Baudenkmale  Österreichs  und  der  Steiermark  vielfach  ver- 
dienten k.  k.  Conservator  Herrn  Joseph  Scheiger  einen 
gediegenen  Aufsatz  als  Resultat  eines  Ausfluges  in  einige 
Umgebungen  von  Neustadt  in  des  Freiherrn  von  Hormayr 
Archive  1826,  Nr.  1  und  4,  welchen  Herr  Maximilian  Fischer 
im  VIII.  Bande  S.  140  ff.  der  ersten  Abtheilung  der  kirch- 
lichen Topographie  Österreichs.  Wien  1832,  getreulich 
benützte.  Wir  erwähnen  hier,  dass  P  e  r  t  h  o  1  d  von  Emerberg, 
wahrscheinlich  der  oben  in  der  Urkunde  von  1246  erwähnte. 


2)  Die  alte  Sehreilning  enilier  weiset  auf  eiii-bar  »der  ein-par  hin. 
Ein-l)er  (von  li  e  r  :i  n  .  Iragen,  vgl.  Bahre,  pleon.  Tragha  hre), 
eimher,  emlier,  einhir  (vgl.  Aim-ber,  östr.  Ain-per),  jetit  Eimer 
bedeutet  seiner  Etymologie  nach  ein  Gefass  mit  einer  Hantl ,  wie 
Zu-ber  (d.  i.  zui-ber,  zui-per.  lat.  amphora)  ein  Oefäss  mit 
beiden  Händen  zu  tragen.  Der  Name  Emerberg  erinnert  mich  unwill- 
kürlich an  älinliehe  in  liaiern  und  Schwaben,  z.  B.  Em  ersacker,  Eniers- 
hofen  bei  lllerlissen  etc.,  aus  «eichen  Landen  in  alter ,  mittlerer  und 
neuer  Zeit  so  viele  Kamilien  stromab  nach  Österreich  eingewandert  sind. 
|Tberhan|it  erfordern  derlei  gründliche  Forschungen  ein  näheres  Ein- 
gehen in  die  ursprüngliche  Schreibung  und  Bedeutung  alter  Orts-  und 
]''aniiliennamen.  die  so  oll  in  innigem  Zusammenhange  sind,  und  man 
beginnt  allenibalben  denselben  grössere  Aufincrksainkeil  zu  widmen.  Der 
I.eser  möge  mir  ein  Beispiel  beizubringen  erlauben.  So  halte  S  t  o  t  z  i  n  g  e  ii. 
einige  Meilen  von  Ulm  gelegen,  ein  altadeliges  und  seit  29.  Juli  I.j!M 
freiherrliches  Geschlecht  des  gleichen  Namens,  das  im  .lahre  1592  in  den 
nietler-österreichi.schen  Ilerrenstand  aufgenommen  wurde  .  und  im  Jahre 
lfi51  erloschen  ist.  Diesellerren  von  Slot/ingen  führten  gleichfalls 
ein  sprechendes  Wappen ,  nämlich  einen  silbernen  Wasserkübcl  (wie 
eine  liulte  geslallet)  mil  drei  giddenen  Keifen  beschlagen.  Stotz  bedenlel 
in  einem  Theile  Sehwaliens  und  in  Baiern  Slainnt .  Kltitz,  wie  auch  einen 
Kübel,   so  noch   im   llre;;enzw:il.le  ein   Schmalz  s  I  o  |  7,  =  •Schmalzkübel. 


—   40 


UM  .liihre  I23(>  vnn  doiii  Herzoge  Friedrieh  dem  Strcitbiiren 
seine  Veste,  das  iiiilic  Stiirliemberg  und  mit  diesen  beiden  das 
ganze Gcl)ir?  erhielt.  Ein  spiiterer  Herthold  V(in  lüiierberff 
folgte  den  giiickliclieiiFiiliiien  K.  l!iulül[dr.s  in  Osterreicii.  Als 
König  Ottakar  in  iler  heissen  Sclilacht  auf  dem  Marchfelde 
den  2G.  August  1278  die  Todesw  imde  ein|iliiig  und  plün- 
dernde Krieger  ihn  seiner  Hüstung  und  Kleider  enthlösslen. 
nahm  der  von  Perchtoidsd  orf  von  seinem  lU'ithu!)en  eine 
Decke  und  deckte  die  Blosse  des  Sterbenden,  den  cv  mit 
Wasser  labte :  bald  al)er  lianehte  der  König  in  B  e  r  t  h  o  I  d's 
von  Emerberg  Armen  sein  Lehen  aus.  In  der  Reim- 
ehronikdesSteiermärkersOttokar's  von  Horneck  (f  gegen 
1318)  bei  Hieronymus  Pez,  Band  III,  S.  135.  Cap.  CLXllI 
heisst  es: 

„.\ii  iloi-  selliiiii;  Zeit 

Cliüiii  •jeriten  aus  iIpiii  streif 

Von  Enicrperig  Herr  Perich  lold. 

Als  (wenn)  er  dauun  nict)t  wissen  wolt , 

Sein  (des  Köni<fs)  liuiipt  legt  er  in  sein  Schoj. 

Er  clilagl.  d:i7,  er  waz  (war)  blo-;. 

Der  von  l'eiichiültslorfT 

Vber  in  do  warf 

Ain  Scliapprawii  ' ). 

Den  nahm  er  seinem  Garczawn  ~), 

Er  bcgund  in  mit  waj^er  laben. 


Dem  Druchsecz en   in  der  hend 
Der  Kunig  Ottakeber  starib." 

Fugger  nennt  in  seinem  Ehrenspiegel  S.  104  die 
Merenberger,  gleichfalls  aus  steirisehem  Adel,  uelehe 
dem  Könige  die  Todeswunden  beibrachten.  Palaeky  i.n 
seiner  (leseliiehte  von  Böhmen.  Bd.  11.  Abtheil.  I,  S.  275 
lässt  unsern  Berthold  Sehenken  (sie)  von  Emerberg, 
wohl  naeh  einer  andern  Quelle,  schlecht  wegkommen.  Er 
nennt  ihn.  wahrscheinlich  mit  dem  Mührenberger  verwech- 
selnd, „einen  Seh  ä  nd  I  ieheii,  indem  er  aii  Ottakar.  der  als 
Gefangener  sich  ihm  ergeben  hatte,  Bache  nahm,  weil  sein 
Bruder  einst  unter  des  Königs  Begierung  hingerichtet  wor- 
den war.  Er  und  andere  Österreicher  seines  Standes  rissen 
den  wehrlosen  König  zu  Boden,  durehhohrten  seinen  Nacken 
mit  einem  Speere,  tödteten  iiin  mit  siebzehn  Stichen,  höhn- 
ten dann  noch  den  Todten  und  trieben  verruchten  Spott  mit 
dem  selbst  aller  Kleider  beraubten  Leichnam  eines  könig- 
lichen Heiden."  Vorerst  nmss  erwiesen  werden,  dass  Ottakar 
einen  Bruder  Berthold"s  hingerichtet  habe,  liier  lindel  oiinc 
Zweifel  eine  Verweehsiung  mit  dem  von  Mährenberg  Statt, 
dessen  Bruder  oder  Vetter  Seifried  hingerichtet  worden  war. 
Vor  allen  wird  Mi  Iota  von  Dedie,  ehedem  Landeshaii|)tinarm 
in  Steiei-niark  und  nnmnehriger  Oberstkämmeier  in  Mähren, 


des  Verrathes  geziehen  ')•  Des  erstercn  gleichnamiger 
Sohn  Bertiiiild  naiiiii  lapfern  .\ntheil  an  den  Kriegszügen 
gegen  den  (irafen  Iwan  von  (uissiiigen  oder  Güns.  der  mit 
seinen  Brinlern  zu  wiederholten  Malen  (I28Ü — 128!»)  in 
Herzog  Albertus  angränzende  Lande  verheerend  eingefallen 
war^);  ferner  stellte  er  nach  Horneck  Cap.  (XCXCV  ein- 
hundert Mann  gegen  die  Ungarn,  als  sie  im  .1.  1291  unter 
König  Andreas  Ungarisch-I laslau  und  Heran  eingenommen 
hatten  lind  bis  Wien  Raub,  Mmd  und  Brand  auf  entsetzliche 
Weise  verbreiteten  (vergl.  Kurz  a.  a.  0.  1.  133).  Er  zog 
angeblieh  1304  mit  K.  Albreeht  gegen  die  Böhmen  und 
sehlug  die  nnt  ihnen  verbundenen  wilden  Cumanen  in  dieFlucht. 
Naeh  Horneck,  Cap.  DCCXCIl,  S.  800  war  Berthoid  ein 
Mann  „der  stets  darnach  warb,  dass  löblich  waren  seine 
Werke."  und  starb"')  im  selben  .lahre  mit  Ali)er<i  von  Puech- 
haim  und  llricli  II.  von  Paldan,  Bisehof  zu  Seekau.  der  als 
berühmter  Verhesserer  der  Kirchenzucht  genamit  wird  und 
am  4.  Februar  1308  starb.  Berthoid  kann  daher  nicht  auf 
dem  Beichstage  zu  Speyer  im  September  1309,  aufweichen! 
Herzog  Friedrich  der  Schöne  mit  einem  zahlreichen  Gefolge 
von  Edelleuten  erschien,  die  Anklage  gegen  die  Mörder 
seines  königlichen  Vaters  verlesen  haben,  wie  es  bei  Wiss- 
grill II,  395  heisst.  Auch  Horneck  meldet  hievon  nichts. 
Vom  Jahre  1331  bis  1349  war  Hartwig  von  Emerberg 
.Abt  des  Cisterzienserstiftes  Hain. 

Das  Wenige  über  die  spätem  Ti'uelisesse  von  Emer- 
berg,  Albero  und  Friedrieh  I.,  A  nie  1  rieh  und 
Friedrich  II.,  die  wir  nach  den  uns  de'rmals  bekannten 
(Quellen  nicht  mehr  im  Felde  oder  am  Hofe  der  Landes- 
fürsten nachzuweisen  vermögen,  ist  bei  Wissgrill  II.  395 
angeführt.  Sie  lebten  welil  meist  auf  ihren  Besitzungen, 
nändich  Emerberg.  Dunkelstein  und  llerrantslein  (Herrn- 
stein) in  ()sterreich.  dann  auf  der  \'este  Bertheldstein 
(j.  Pertlstein),  die  widd  von  einem  der  Emerhergiselien 
Bertholde  ihren  Namen  erhalten  hat.  Ilalliraiii  und  Kliieh 
inier  richtiger  Klech. 

Zu  .Vmeliiehs  Söhnen  zählen  wir  auch  Berllmld  l\.. 
den  Wissgrill  und  .Andere  niidit  kennen.  Er  ist  seiner  Le- 
benszeit nach  jener  Bertlndd,  der  im  .lahre  1403  starb 
und   dessen   Grabstein  zu    Fehring   in   der  Nähe   von 


*(   l>.  i.  ciparo  ,    (.■npi'rti    iiiiil  occitHnniseh   (*ii|Kiy  r  <>  ii ,  tej^iiMM)    enfiitis. 

ciieiina  nuchdii  Canf;e.  später  franiüs.  tliapcnin. 
''I  tiarcicnwn.    miltellioehileutseli    garzün,  franz.  ^'arfim.    KiKippi-, 

fage,  der  ilem  Itiller  Sdiitil  und  Speer  nnchlriigl  etc. 


')  (Jim  (Miliitül  'lis.siinulanto  .  fr;ilri.s  iniiili'in  aiiiinn  rexilveii-s.  ii 
jirclio  ri'trtn'ftssit.  et  fune  in  oonum  Ottakari  nn'sso  a  suis  seorsuin  «bnu- 
liilatus  sali  ^'alen  ducitur  et  relilii|uitui'.  Et  niox  all  A  us  t  rali  b  u  s  atque 
S  t  y  r  i  e  n  s  i  hu  s  in  ti  1 1  i  »i  ii  e  la  s  a  n  f^  u  i  n  i  s  a  tu  i  e  o  r  u  in  .  «pios  i  n  d  e- 
hite  necaveral  elanians  horribiliter  et  alTidationeui  promittens,  acu- 
tissiinis  ^ladiis  est  perlussus.  Vid.  Joliann.  Victoriens.  (f  eirc.  ann. 
1343),  edit.  Job.  Friedr.  Böhmer,  Stuttgart  1843,  pag.  311;  dann 
K<ipp"s  KöniK  Itudolph  und  seine  Zeit,  Leipzig  184Ö.  Bd.  I,  269  mit 
den  Anmerkungen. 

■')  Das»  llertliold  in  einer  Schlacht  gegen  die  Bühmen  umgekommen  sein 
»oll,  wie  Wissgrill  II,  3!!^  andeutet,  wird  von  lloriieek  in  der  anf;eriilirlcn 
StfUe  iiielit  erzählt. 

•)  Vgl,  Oslerreieh  unter  den  Königen  Ottokar  und  Allirceht  I.,  Linz  ISKJ, 
von  Franz  Kurz,  ThI.  I,  S.  ll'i— 11(>,  und  im  Oelail  bei  Morneek,  Cap. 
CCLXIX. 


41 


Hei'tlioldsteiii  in  diesen  Blättern  (I,  249)  beschrieben  und 
abgebildet  ist.  Dem  pensionirten  k.  k.  Hiiuptmann  Eduard 
Pra  tobe  Vera  in  Gratz  verdanke  ich  Auszüge  aus  zwei 
Verkaufsbriefen:  a)  Perchtold  der  Drugsatz  von  Em  er- 
be rch  verkauft  seinem  Bruder  Dietegeu  37  Pfd.  Gelt  in 
der  Sehrenz  und  Preitenau  um  103</o  Pf.  Zeuge  der  ehr- 
bare Kneelit  Hans  vnn  Chlech.  Geben  nach  Christi  Geburt 
dreizehenhundert  jähr  und  in  dem  zwai  vnd  achzigisten  an 
Sand  Valenteinstag  des  heiligen  Martirers  (14.  Februar): 

b)  Per  eilt  nid  Herren  Amel  rieh's  Sohn  des  drux- 
setzen  von  Emerbereh  verkauft  an  Anna  die  Fridwer- 
gerin  seinen  Antheil  an  dem  von  dem  Biseliofe  zu  Salzburg 
zu  Lehen  habenden  Wein-  und  Getreidezehent  zu  Diet- 
reiehstorf  um  67  Pfd.  W(ierier)  Pf.  im  J.  1384  am  pfintz- 
tag  (Donnerstag)  an  sant  valenteins  Tag. 

Friedrich  der  Jüngere  von  Emerberg,  Truchsess 
in  Steier,  war  auch  des  Herzogs  Ernst  des  Eisernen  Kü- 
chenmeister, welches  Amt  durch  seine  Tochter  K  a  t  li  a- 
r  i  n  a ,  Gemahlin  Lorenzens  W  u  r  m  b  r a  n  d  zu  Stuppach, 
an  dieses  uralte  Geschlecht  gelangte  ').  Dieser  Friedrich 
hatte  zwei  Söhne;  a)  Friedrich  III..  der  von  1441  bis 
zu  seinem  Tode  am  3.  April  1432  auf  dem  Stuhle  des  heil. 


Rupert  zu  Salzburg  sass  und  jS)  Die  leg,  von  Andern  auch 
Dietrich  genannt,  der  zugegen  war,  als  K.  Friedrich  Hl. 
am  10.  September  1432  seinen  Mündel  Ladislaus  Postumus 
an  l'lrich  Grafen  von  Cilli  vor  Wiener -Neustadt  bei  jener 
Siiule  an  der  Wienerstrasse  übergab. 

Dieser  starb  imi  1433  als  der  Letzte  seines  Namens 
und  hinterliess  von  Amalia  von  Limberg  die  Tochter 
Ursula,  welche  ihre  väterlichen  Güter  Bertholdstein,  Hal- 
benrain an  ihren  Gemahl  Leutold  von  Stubenberg, 
Landeshauptmann  in  Steier,  brachte.  In  den  Familieti- 
archiven  der  Grafen  von  Stubenbeig  und  Wurmbrand  dürfte 
Näheres  über  die  Emerberger  zu  linden  sein.  Auffallend  ist. 
dass  Reinprecht  III.  von  Walsee,  der  nach  Baron  von  Ilu- 
heneck  HI,  825  im  J.  1430  gestorben  ist.  schon  Truch- 
sess in  Steier  genannt  wird,  da  doch  noch  der  letzte  Emer- 
berg lebte.  Der  Letzte  der  Mächtigen  von  Walsee,  Rein- 
precht IV.,  starb  im  Mai  1483  und  iiierauf  ward  nach  des- 
selben Angabe  S.  829  dieses  Erbanit  Georgen  von  Potten- 
dorf verliehen  und  nach  dem  Erlöschen  dieses  Geschlechtes 
(nach  Wurmbrand  S.  314)  von  K.  Maximilian  1.  im 
Jahre  1308  dem  Grafen  Heinrich  von  Hardegg,  dessen  Nach- 
kommen dasselbe  noch  bekleiden. 


Die  Stiftskirchen  zu  Griffen  nnd  Oberndorf  in  Kärnthen. 


Von  J.  Ki'cilicrrn  v.  A  ii  k  ei'sli  ofeii. 


Ein  und  eine  halbe  Stunde  östlich  von  N'ölkermarkt, 
zwischen  der  alten  Heunburgund  dem  Markte  GritTen.  In  einem 
kleinen  abgeschiedenen  Nebenthaie  steht  in  einer  für  klö- 
sterliche Contemplation  ganz  geeigneten  Abgeschiedenheit 
die  Pfarrkirche  Obernd.orf  mit  der  dabei  aufgebauten 
Prä  mons  träte  nser  Propstci  B.  V.  M.  in  Gr  i  venthal. 
Unter  der  Regierung  K.  Joseph  II.  erlag  auch  diese  nach 
mehr  als  fiinfhundertjährigcm  Bestände  dem  Aufhebungs- 
lieber, wurde  mit  den  dazu  gehörigen  Gütern  eine  Religions- 
fondsherrschaft tnid  in  neuester  Zeit  an  den  Herrn  Ferdinand 
Grafen  von  Egg  er,  Besitzer  der  benachbarten  Güter  Haim- 
burg,  Markt  Grillen,  Ehrenegg  und  Weissenegg,  mit  Vorbe- 
halt des  Capitelgebäudes  als  Wohnsitz  der  Pfarrgeistlichkeit, 
veräussert.  Durch  einen  im  Anfange  unseres  Jabi-bunderts 
stattgehabten  Brand  wurde  ein  Theil  des  Stiftgebäudes  zur 
lialben  Ruine;  aber  auch  das  noch  Bestehende  bietet  neben 
den  Erinnerungen  an  einen,  wenn  auch  nicht  prachtlieben- 
denv  so  doch  eine  gefällige,  reine  Einfachheit  anstrebenden 
Baugeschmack  —  die  betrübenden  Spuren  eines  allmähli- 
chen Verfalles  dar. 

Die  urkundlich  Praepositura  Beate  Marie  Virginis  in 
griventhal  genannte  Propstei  Griffen  wurde  durch  den 
Bischof  Eckbert  von  Bamberg,  nachdem  er  biezu  die  Ein- 
willigung   seines   Capitels  bereits    am    14.    Februar   1233 


erwirkt  hatte,  gegründet  und  in  Folge  der  Stiflungsurkunde 
vom  3.  A|)ril  1336  mit  Gütern  dutirt,  welche  an  Bischof 
Eckbert  durch  seinen  Bruder.  Heinrich  Markgrafen  von 
Istrien  aus  dem  Geschlechtc  von  Andechs ,  gekommen 
sind  '). 

Sie  wurde  bei  der  alten  Kirche  in  Oberndorf,  welche 
an  die  neue  Stiftung  überging,  gegründet  und  hiess  daher 
ursprünglich  Praepositura  Oberndorfensis.  .\ls  Eckbert's 
dritter  Nachfolger,  Biscliof  Berthold  von  Bamberg,  au  die  von 
jenem  gestiftete  Propstei  im  Grill'eiitbale  das  Katharinen- 
hospital  zu  Villach  übergab,  erscheint  in  der  liierüher  am 
13.  Mai  1238  ausgefertigten  Urkunde  die  genannte  Propstei 
bereits  unter  dem  Namen  ecciesia  B.  Mariae  in  Grillental  =). 

Der  ursprüngliche  Name  Praepositura  Oberndorfensis 
imd  der  weitere  Umstand,  dass  Ulrich  Graf  von  Heunburg 
und  seine  Gattin  Agnes  die  neue  Sliflung  in  so  ausgezeich- 
neter V\  eise  beschenkten,  dass  sie  als  die  zweiten  Stifter 
bezeichnet  wurden  =),  hat  bei  Megiser*)  und  Valvasor*)  den 
Irrtluim  veranlasst,  dass  der  Prämoiistratenser  Orden  durch 
Herzog  Ulrich  von  Kärnthen  im  .launthaler  Eberndorf  einge- 
führt worden  sei. 


')   roiuitis  ili'   W  iir  inh  r;i  ml    C<illi'OhiiiiM    jj-elieiilcijjicn-liistorica.    Viciiiuie 
17li:;.   |ih;;.  32(1. 


')   Kopiei'bueh  von  Wolfübt'rjr  S.  178.  nun  iin  k.  k.  Staalsurchive. 

-)   Eiehlun-irs  Beitrüge  zur  ülteroii  (iesohieliti'  un<rr(i|i(t|;raj>Iiie  »Uw  H.  K:iiii- 

Ihen.  1,  S.  234—230. 
')   Wolfslicrger  Kn|iieiliiicli,  S.  177. 
* )   Kiirnthuer'sclie  Chrniiik,  S.  24. 
^)   T(ipo^r;i|ihu'  \ou  Kiirlitlifii.  S.  33. 


42 


Die  erste  Prämonstratenser-Colonie  erhielt  das  GrilTen- 
thal  aiis  lieiii  frit  iik  i  s  cheii ')  Pi'ämonstratenser-KIoster 
Vesera  oiler  Vesuera  •).  Von  dorther  kam  aueh  der  erste 
I'ropst,  Kourad,  welcher  jedoch  schon  im  vierten  .lalire  nach 
der  Stiftung  seiner  Propstei,  am  10.  Fehrnar  1240  gestor- 
ben sein  soll  s). 

Der  Beginn  dpsKlosterhaues  wird  dem  vierten  Projiste 
Pilgi'iin*).  welcher  seinem  Yorfahrer  Gottfried  im  .lahie 
I2ÖI  nachgefolgt  sein  soll,  die  Vollendung  des  Kloster-  und 
Kirc1ieTd)auPs  aher  dem  fünften  Prdjtste  Konrad  11.,  «eicher 
im  Jahre  12.*J2  urkundlich  vorkömmt-'),  zugeschriehen.  Die 
erste  Kirchenweihe  soll  Bischof  Herhort  von  Lavant  im 
.tahre  1271  vorgenommen  haben").  Von  späteren  Umbauten 
oder  Neuhaiiten  ist  aus  den  b  i  s  li  e  r  b  e  k  a  n  n  t  e  n  Gcschichts- 
([uellen  nichts  zu  entnehmen. 

Die  dem  Capitclgehäude  südlich  angebaute  Stiftskirche 
hat  die  Hichtung  von  ^^'est  nach  Ost  und  ist  eine  dreischif- 
lige  Pfeilerhasilica  mit  einem  um  vier  Zoll  über  dem  Fuss- 
boden  des  llauptschiires  erhölitcn  Chore  und  einem  um  drei 
Stufen  über  den  Chor  erhiditen  apsisartig  ausladenden, 
geradlinig  abgt  .^chlossenen  i'resbyterium  (Fig.  1).  .\uch 
das  südliche  NehenschilV,  dessen  Aussenwand  allein  sicht- 
bar ist,  da  dem  nördlichen  Nebenschüfc  das  Klostergebäude 
angebaut  wurde,  ist  geradlinig  abgeschlossen. 

Über  der  Vorhalle  befindet  sich  als  Empore  der  Musik- 
chor.  Das  MitlelschilV  ragt  über  die  Ijciden,  halb  so  breiten 
Nebenschiffe  beiläufig  um  ein  Drittheil  empcu',  und  ist  von 
denselben  durch  Pl'eilerarcaden  geschieden  (Fig.  2).  Die 
haihrumlen  Arcadenbögen  ruhen  auf  den  einfach  gegliederten 
Kämpfern  der  viereckigen,  kräftigen  Areadenpfeiler.  Ilaupt- 
und  Nebenschiffe  haben  das  Kreuzgewölbe;  nur  in  der 
Fortsetzung  lies  südlidien  NebcnscliilTes .  welches  jedoch 
ein  späterer  Zuhau  zu  sein  scheint,  ist  der  gedrückte  Sjutz- 
bogen  bemerkbar.  Gewölbeträger  sind  im  llauptschififc 
Wandstreifen,  in  den  NebenschifTen  Iheils  die  Käm|ifer  der 
in  jene  vortretenden  Areadenpfeiler,  theils  Consolen.  Beide 
NebenschilTe  setzen  sicli  zu  beiden  Seiten  des  Chores  fort, 
und  dem  nördlichen  ist  noch  weiters  zur  Seite  dos  Presby- 
teriums  eine  Capelle  zugebaut.  Aus  dem  nördlichen  \ehen- 
schifl'e  tritt  man  durch  ein  viereckiges  Portal  in  den  Kreuz- 
gang. Über  dem  Gewölbe  des  nördliciien  Nebenschiires 
befindet  sich  der  Capitelsaal,  welcher  sich  als  Empore  der 
Aussenwand  des  Hauptschiffes  anschliesst.  Die  kleinen  Fen- 
ster über  den  .arcadenbögen  und  die  grösseren  in  den 
Nebenschiffen  haben  den  Rundbogen. 


Ilem  südlichen  XebenschitVe  ist  die  Kosenkranzcapelle 
(lit. /'des  (Jrundrisses) angebaut,  sie  hat  das  Kuppelgewölbe, 
eine  aclifeckige  Fjaterni'  und  sehr  spitzen  Helm  und  dürfte 
ein  s[iäler  Zuljau  sein. 


')  Usermsinn  Eiiisc.  Wirzpli.  p.  480. 

-)   Ann»).  F*rnemon»trat.  in  »ii^.irirs  E|ii.sc.  L:iv:mt,  I*.  il,  S-  IX  (liiinilsrliril't 

in  der  Hnn(lscliriflen'»nmmliiii^  des  kämt.  Gesehiclilvereinps). 
■'(  Cat.iingus  rr-nepositorum  in  den  annal.  i'raeinonst. 
■•)   Der  Cnlalopus  Craeposilnrnm  scheint  das    Tmlesjalir  Pilgriin's   mit    1207 

anzndeiiten;  da  jedoch  sein  >'ai*hrn];^er   KiMirad    hereits    im  .lahi'c  tZ.'i'i 

nrknndllch  vorkömmt,  so  liegt  ohijj^er  Annah .iir.Miltnr  t-in  Irrlliiini  zu 

Grunde. 
*)  Trndpert  Nengnrt  llist.  mon  S.  Panli.  II.  p.  ;tö. 
^)  Calalog.  Priicp. 


(Fig.  1.) 

Wegen  des  .\nbaues  des  Klostergebäudes  ist  äusserlicli 
nur  die  Westfront,  dann  die  linfangsmauer  des  südlichen 
Nebcnscbiflcs  und  theilweise  die  des  Presbyteriums  sichtbar. 

Es  fehlt  jedes  Ornament  an  Gesimsen  oder  sonstigen 
liautheilen.  Der  iistliche  Tlieil  der  rmfatigsmaucr  des  süd- 
lichen iN'ebenscbilVes  ist  durch  einfache,  olfeniiar  der  Neu- 
zeit angehörige  Streber  verstärkt  ((/  des  Grundrisses  und 
//  des  .\ufrisses  A  H),  den  Fcken  des  Abschlusses  des 
Presbyteriums  sind  aber  die  kräftigen  Pfeiler  (lit.  c) 
vorgestellt.  Die  llauptfacade  war  hemall,  hat  Nischen  für 
Heiligenstaluen  und  erinnert  an  den  lienaissaiice-Giidiel. 
Das  llau|itpoitMl  in  dersellieii  ist  viereckig  und  sehmneklos. 
DasNebenschiir  iiat  das  Pultdach,  das  llanptschilf  das  Sattel- 
daih.  welches  sich  über  dem  .\ltscidusse  des  Presbyterioniv 
in  ein  gewöhnliches   Walmdach   abschrägt.   Thürnie  filden 


43 


iMiil  mir  über  dem  Cliore  heliiidct  sich  ein  Dachreiter  für  sehen  Stifte  haben  wir  eine  so  lückenhafte  Geschichte,  als 

(las  ("horo-löckcheii.  von  dem  Stifte  Griffen.  Dasselbe  scheint  keinen  heimischen 

Die  Kirche  ist  von  Briiclisteiiien  aufgeführt,  äusserlich  riironisten   geliabt  zu   haben,    .\lles   was   wir  bisher  über 

und  iminnern  weiss  übertüncht  undzeichnet  sich  durch  eine  selbes  erfahren  konnten,  beschränkt  sich  auf  die  Ergebnisse 

ungemein  gefällige  Einfachheit  aus.  Deutliche  Spuren  eines  entweder  aus  fremden  Archivsschriften,  oder  aus  den  dem 


Umbaues  sind  nicht  vorhanden. 

Wenn  erwogen  wird,  dass  der  Bau  der  im  Jahre  1271 
durch  den  Lavanter  Bischof  Herbort  eingeweihten  Kirche 
der  Periode  des  frühgothischen 
Styles  angeboren  würde,  an  der 
gegenwärtigen  Stiftskirche  aber 
keines  der  .\nzeichen  der  Bauweise 
jener  Zeit  wahrzunehmen  ist.  so 
muss  sich  der  Zweifel  aufdringen, 
ob  wohl  unter  der  gegenwärtigen 
Stiftskirche  die  verstanden  werden 
könne,  welche  im  Jahre  1271  ein- 
geweiht wurde,  oder  ob  nicht  der 
gegenwärtige  Bau  der  Zeit  der 
Wiederaufnahme  romanischer  Bau- 
weisen angehöre?  Nach  dem  gegen- 
wärtigen Stande  der  Forschungen 
kann  hierüber  mit  Sicherheit  nicht 
geurtheilt  werden.  Man  hat  zwar  in 
den  beiden    Opferstöcken  lit.  a   b, 

welche  sich  an  den  Stellen   a  b  des  Grundrisses  befinden, 
Gegenstände  erkennen  wollen,  welche  einer  älteren  an  der 


Verfasser  der  Annalen  des  Prämonstratenserordens  zuge- 
sendeten Mittheihmgen.  Wie  ungenügend  diese  letzteren 
waren,  zeigt  der  CatalogusPrae])ositorum.  welcher  überdiess 
theilweise  mit  anderen  Geschicht- 
quellen im  Widerspruche  steht.  Bei 
dem  im  Eingange  erwähnten  Brande 
soll  das  Stiftsarchiv  zu  Grunde  ge- 
gangen sein;  allein  ich  glaube, dass 
sich  noch  Manches  bei  dem  Rent- 
amte Ehrnegg.  der  Central-\  er- 
waltung  der  im  Griffnerhoden  ge- 
legenen Ferdinand  "räflich  von 
Egger'schen  Güter  bclinden  dürfte. 
Nach  jahrelangen  Bemühungen  ist 
es  mir  gelungen ,  den  Beweis  zu 
liefern,  dass  sich  nicht  nur  ein, 
den  Zeitraum  vom  XIII.  bis  in  das 
XVI.  Jahrhundert  betreffendes 
Griffner  L'rkundenbuch ,  sondern 
auch  eine  bedeutende  Zahl  von 
und    Notizenprotokollcn  in  Ehrnegg  befinden. 


Geschichts-    ....„    i,ui.o^n.>un,jvu..^..  i..  *.,... ..,.g,g, 
Allein   mein  Fund  lint   mir  bisher   keine  Früchte  gebracht, 

Stelle  der  heutigen  gestandenen  Kirche  angehörten,  allein  ich  indem  es  mir  ungeachtet  der  freundlichsten  Zusicherungen 

glaube,  dass  hierzu  kein  genügender  Grund  vorhanden  sei  des  Gutsherrn  Ferdinand  Grafen   von  Egg  er  bisher  noch 

und  für  keinen  Fall  der  Schluss  gereclitfertiget  wäre,  dass  die  nicht  gelingen  konnte,   den  Herrn    Güterdirector  dahin  zu 

Kirche,  welcher  die  7.\\v\  Opferstöcke  einst  angehörten,  eine  vermögen,   mir  jene  bisher  nicht  gekannten,  um  so  minder 

solche  gewesen  sein  müsse,  welche  an  der  Stelle  der  heu-  beachteten  Geschichlqnellen   zur  Benützung  zugänglich  zu 

tigen  Stiftskirche  gestanden  ist.  machen  '). 

Mehr  Beachtung  verdient  die  Hinweisung  auf  den  Rest  W^enn  der  Geschichtforscher  in  Kärnten  mit  solchen 

eines  Basamentes,  welcher  den  Abschluss  des  Presbyteriums  Hindernissen  zu    kämpfen  hat,    kann    man  es   nicht  seiner 

von  d  bis  e  des  Grundrisses  umzieht.  Man  glaubt  in  Griffen  Schuld  zuschreiben,  wenn  die  Vaterlandsgeschichte  Lücken 

hieraus  schliessen  zu  diu-fen,  dass  das  gegenwärtige  Presby-  bemerken  lässt. 

terium  und  der  Herrenchor  die  älteste  Klosterkirche  gewesen  Südwestlich   von  der    Stiftskirche,    der  Südfront  des 

und  die  weiteren  Bautheile  spätere  Zubauten  seien.  Wenn  Propsteigebäudes  gegenüber,  steht  die  alte  Pfarrkirche.   Die 

auch  zugegeben   werden   kann,   dass  das  Presbyterium  mit  ecciesia  Oberndo  rf«ird,  wie  ich  schon  oben  bemerkte. 


dem  Chore  dem  klösterlichen  Gottesdienste  genügt  haben 
könne  und  dass  die  ersten  Mönche  von  Griffen  bei  einer,  wie 
es  scheint,  ärmlichen  Dotation  kaum  in  der  Lage  gewesen, 
mit  ihren  Bauten  über  die  Befriedigung  des  nächsten  Bedürf- 
nisses hinaus  zu  gehen,  so  fehlt  doch  zur  Rechtfertigung 
obiger  Hypothese  an  den  vermeintlichen  primitiven  Kirchen- 


bereits  in  der  Stiftungsurkunde  des  Bischofes  Eckbert 
erwähnt.  Sie  bestand  sonach  schon  vor  der  Stiftung  der 
Propstei:  muss  jedoch  in  der  gothischen  Stylperiode  wesent- 
liche Zu-  und  rmbaiiten  erfahren  haben.  An  eine  Verwen- 
dung zum  Zwecke  des  klösterlichen  Gottesdienstes  dürfte 
wegen  des   kleinen  Raumes  im   ("bore   wohl  nicht  gedacht 


theilen  irgend  ein  Anzeichen  des  gothischen  Styles  und  jeder      werden.  Sie  mag  stets  nur  als  Laienkirche  verwendet  \>  iirdcn 
Behelf  um  den  Fortschritt  des  Umbaues  und  der  Zubauten      sein. 


nachzuweisen.  Vielleicht  gelingt  es  einer  künftigen,  der  Ge- 
schichtsforschung günstigeren  Zeit,  neue  bisher  ungekannte 
Geschiclit(juellen  aufzulindeii,  durch  deren  Ergebniss  die 
Baugeschichte  mit  den  archäologischen  Beobachtungen  in  Ein- 
klang gebracht  werden  können.  Von  keinem  der  kärntlineri- 


Sie  ist  einschiffig,  denn  das  scheinbare  Nebenschitf  D 
ist  ein  späterer    Zubaii  (Fig.  3).    Über  der  Vorhalle,   aus 


1)  Eine   solche  Englit'r/ijrkeit     uiui    solch    ein     unfreuiullieln' 
veiHÜL'iil  (lesshalh  aticli  ön'eiillk'li  jrtriijit  zu  woi-ik'll. 


liLMieiimeil 
D.  Itoci. 


44 


welcher  man 
Schnitt  3)  in 


unter  (li-eis|)itzen  Scheidebügen  (^^uerdureii-  /.(igen,  her  ;iiir  ileii  KüniiileiMi  der  W  imdiiiig  nilieiidi'  Tlnir- 
das  HiuiptschitV  tritt ,  ist  eine  Empore  für  den      bogen  ist  mit  ÜNndstidi.  i'liittelien  innl  ll(ildi<elile  gegliedert 

und  der  'riiiirstnrz  liegt  wiigereeht  auf.  in  das  IJogenfeld  ist 
ein  Kren/,  sc-idpirt.  l  her  dem  Han|)t|>i)rtale  ist  ein  kleines 
Hundt'enster  mit  einem  eingesetzten  Kiint'|iasse  und  im  spitzen 
Oiebel  der  Westfront  ein  viereckiges  stark  eingezogenes 
Fenster  angebraelit. 

Dem  nördlielien  Zubau  (/>  des  (irundrisses)  ist  eine 
neue  Vorhalle  E  angebaut.  Die  Strebc[)feiler  setzen  in  drei 
uneingeschriigten  Abstufungen  bis  unter  das  Dach  fort.  Der 
Thurm  über  dem  Chore  hat  spitzbogige  Fenster  imd  einen 
sehr  spitzen  Helm. 

Der  Friedhof  ist  mit  einer  Schutzniauer  umgeben, 
welche  sieh  an  die  lieiden  Feken  der  Südseite  des  Kloster- 
gebiiudes  anschliesst  und  daher  die  alte  und  neue  Kirche 
umfängt.  Der  Fahrstrasse  zu  ist  an  die  Mauerecke  ein  vier- 
eckiger, massiver  Festungsthurm  aufgefidirt.  und  hinter  den 
Mauorziniien  sind  hJdzerne  bedachte  Lanfgiinge  (Mordgal- 
lerien)  angebracht.   Diese  Scliulzbanti'M  iliirflen  der  zweiten 

Hälfte  des  XV.  .lalirl derts.   der  Zeil   der  Türkeneinfälle 

angehören. 

Für  eine  Baiigi'sidiichte  nnnigeln  gegenwärtig  in)ch  alle 
llilfsnuttel.  Der  Grundriss  scheint  mcdirere  Hauperioden 
anzudeuten.  DasPresbyterium  A  dürfte  ein  l'ndian  der  alten 
l'fai'rkirche  Oherdoi-f.  das  gegenwärtige  Chor  U  die  alte 
Vorhalle  nut  dem  über  ihr  aufgebauten  Gluckenthurm  sein. 
.\n  diese  ältesten  Baiitheile  mag  im  fünfzehnten  Jahrhundert 
das  Schiff  C  angebaut  worden  sein.  Her  Znban  D  gehört 
höchst    walirsclieinlich    dem    seclizebnlcn  .lalirhnnd<'rt   an. 


(Ki;j.:!.) 

^lusikclKir  anlgebaut.  Sie  hat  das  Nefzgeuöibe.  welches 
auf  llall)|ifeilern  ruht,  die  aus  der  rnifangsniaiier  hervor- 
treten, und  welcher  Hundstäbe  vorgesetzt  sind,  die  sieh  als 
Hippen  in  das  Netz  verzweigen. 

Der  Chor  B  hat  das  Tonnengewölbe  und  idjer  dem- 
selben ist  der  Glockenthurm  aufgeführt.  Das  Presby- 
leriiim  (Fig.  3  A)  ist  dreiseitig  abgeschlossen,  hat  das 
gothische  Kreuzgewölbe;  die  Wand  ist  durch  vorgesetzte 
Halbrund  Stäbe  verstärkt,  welche  sich  als  Rippen  in  das  Ge- 
wölbe fiirtsctzen;  zu  Schlnsssteinen  dienen  platte,  runde  Tel- 
lerchen. Die  Fenster  sind  spitzbogig  eingerahmt,  und  durch  du  imf  dem  Schhisssteine  und  auf  .'imMM 
Stabwerk  in  zwei  Lichtülfnungen  gctheilt.  welche  mit  dem  die  .lahrzahl  1538  zu  lesen  ist.  Die  V(0' 
Kleeblattbogeii  nach  oben  abschliessen.  Der  Kaum  unter  Zuban  aus  neuerer  Zeit.  .Man  siidil.  dass 
den  l'mrahmmigsbogen  ist  mit  einem  Vierpa.sse  ausgefüllt.  um-  und  zugebaut  wurde,  ein  Inistand,  wi 
Das  Hanptportal  in  der  Westfront  (Fig.  2)  hat  den  auf  die  Stiftskirche  möglieli .  ab.>r  lo-lier 
Rundbogen.   Die   Wandung  ist  in  zwei  .\bstufuMgen  eingc-      bar  ist. 


(Tii.  4.) 


(ieu  iillpi'träger 
lalle  E  ist  ein 
in  (iriflen  viel 
bdier  in  Rezug 
nicht    erweis- 


—  4I>  — 


Über  einige  Bau-  und  Kunstwerke  in  Oberösterreich. 


(Nach  einem  Bcriclite  des  Herrn  Jos.  naiinisar 

Die  B:iu-  und  Kunstwerke  iti  Oberösterreich  theilon 
sieh  in  jene  aus  der  Römerzeit,  und  solche,  die  dem  Mit- 
telalter angehören. 

Die  ersteren  sind  bedeutend  an  Zaiil  und  Kunstwerth. 
da  Oberösterreich  nicht  uui'  das  befestigte  Lager  zu 
Lorch.  dann  liiiigs  der  Donau  mehrere  Castelie  enthielt,  son- 
dern, wie  es  aufgefundene  Meilensteine  beweisen,  auch  eine 
Heerstrasse  hatte ,  welche  längs  dem  Strome  nach  Passau, 
so  wie  von  Linz  liber  Wels,  Schwanenstadt  und  Mondsee 
nach  Salzburg  zog. 

Die  aufgefundenen  Denkmale  sind  theils  in  dem 
Schlosse  zu  Enns  und  bei  Privaten,  grösstentheils  aber  in 
dem  Museum  zu  Linz  aufbewahrt,  weldies  bereits  so  viele 
werthvolle  Gegenstände  enthält,  dass  die  Localitäten  zu 
beschränkt  sind  und  ein  bedeutender  Umbau  in  Verliandlung 
steht. 

In  neuester  Zeit,  und  z\\ar  im  Jahre  1852.  wurde  mit 
Genehmigung  des  k.  k.  Ihmdelsnu'nisteriums  von  der  Bau- 
direction  auf  der  Stätte  des  römischen  Lagers  vouLaureacum 
eine  Aufgrabung  vorgenommen,  hierbei  nebst  Münzen  und 
Waft'enstücken  insbesondere  ein  römisches  liad  mit  einer 
auf  Granitsäulen  ruhenden  Leitung  der  erwärmten  Luft  auf- 
geschlossen und  deren  Bestandtheile  dem  Museum  einge- 
sendet,  die  Zeichnungen  aber  höhcru  Oi'ts  vorgelegt'). 

Bei  dem  gegenwärtig  in  Ausführung  stohoMdenStrasscn- 
bau  daselbst  fanden  sich  ebenfalls  mehrere  Münzen  und 
Waffenstückc  vor,  welche  von  dem  Museum  übernommen 
wurden,  jedoch  nur  geringes  Interesse  gewähren. 

Als  im  Jahre  1853  das  Felsenbett  des  Luegcanals 
neben  dem  Donau-Wirbel  tiefer  gesprengt  wurde,  sind  viele 
Metallstücke  aufgefunden  und  an  das  Museum  üborgoben 
worden;  diese  Gegenstände  bestanden  in 

35  Stück  Münzen  aus  Metall,  nur  einige  von  Silber, 
theils  aus  der  Kaiserzeit  der  Römer,  theils  aus  den  letzten 
Epochen  des  Mittelalters  und  aus  der  Neuzeit  herrührend, 
ohne  besonderen  Geschichtswerth; 

3  Spitzen  römischer  Waffen  aus  Metall,  4 — 6"  lang; 

3  Schmuckiiadcia  aus  Metall,  3"  lang. 

In  geschichtlicher  Beziehung  dürfte  auch  die  .Auffindung 
einer  römischen  Münze  bei  Hall  einen  Werth  haben.  Die- 
selbe wurde  nämlich  im  Juli  1854  bei  der  Jod(pielle  nächst 
Hall  10'  tief  in  der  Erde  gefunden,  als  die  Fundamente  für 
das  Quellenhaus  ausgehoben  wurden,  und  nachdem  sich  auch 
die  Reste  einer  eichenen  Quellen-Umfassung  daselbst  gleich- 
zeitig vorfanden,  so  liefert  dieser  Fund  den  Beweis,    dass 


')  Vgl.  Jos.  Arneth's  AlihaiuUunf?  „Über  (las  im  .1.  18jl  neu  Piildcekto 
Hypocaustum  bei  Enns"  im  .lalirlmchc  iler  k.  k.  Cenlrul-Commission 
(Wien  18Ö6). 

II. 


In  er.  k.  k.  L;inilesbaudircctor.s  für  Oberösterreich.) 

die  Römer  diese  Salzquelle  kannten  und  wahrscheinlich  zur 
Sidzbereitung  benutzten  ,    während    dieselbe   erst   bei   der 
Stiftung  vim  Kremsmünsler.  «  elches  sie  von  Herzug  Tassilo 
■    erhielt,  geschichtlich  vorkommt. 

Diese  metallene  Münze  stellt  Kaiser  .\ntoninus,  gut 
erhalten,  vor,  und  nach  bewährten  Geschichtsforschern 
dürfte  sie  eine  Opfermünze  sein;  sie  ist  dem  Museum  über- 
geben worden. 

.4uch  aus  dem  Mittelalter  enthält  Oberösterreich 
werthvolle  Denkmale  der  Kunst,  besonders  in  den  kirch- 
lichen Gebäuden,  weniger  dagegen  in  Schlössern  und  Bur- 
gen, da  dieselben  während  und  nach  dem  Religionskriege 
oftmalige  Zerstörung  erlitten  und  in  ihren  Ruinen  wenig 
Bemerkenswcrthes  darbieten. 

Die  in  grosser  Zahl  vorhandenen,  im  gothischen  Style 
erbauten  Kirchen  reichen  mir  selten  über  das  XIV.  Jahr- 
hundert hinauf,  die  Mehrzahl  entstand  im  XV.  Jahrhunderte, 
alle  leiden  aber  an  Zubauten  und  Änderungen  aus  der  Neu- 
zeit, da  diese  oft  weder  die  Kenntnisse  noch  auch  das  innere 
Gefühl  besitzt,  sich  zur  Erhabenheit  jenes  Baustyles  empor- 
zuschwingen ,  daher  viele  Renovirungen  und  sogenannte 
Verschönerungen  um  so  lebhafter  zu  beklagen  sind,  je 
eifriger  hierbei  vorgegangen  wird. 

Unter  diesen  Kirchen  verdienen  jene  in  Steyer, 
Efferding  und  Brau  na u  sowohl  wegen  ihrer  Grösse, 
Anlage  und  Bauart,  als  auch  wegen  ihres  Zustandes  eine 
besondere  Erwähnung;  sie  enthaUon  insbesondere  viele 
Details,  welche  der  Aufnahme  und  bildlichen  Darstellung 
würdig  sind. 

Einen  besonderen  Werth  haben  aber  jene  wenigen 
Altäre,  welche  der  Zerstörung  entgangen  sind,  und  in  den 
Kirchen  zu  Käfermarkt.  St.  Wolfgang.  Hallstatt. 
St.  Michael  bei  Freistadt  und  Waldb  urg  noch  gegen- 
wärtig die  Bewunderung  erregen. 

Im  Verliuife  der  letzten  Jahre  wurden  an  den  zuerst 
genannten  3  Altären  mehrere  .\rbeiten  zu  ihrer  Erhaltung 
vorgenommen,  welche  erwähnt  zu  werden  verdienen,  und 
hier  in  Kürze  angedeutet  werden. 

1.  Die  grosse,  zu  Ehren  des  he  iligeii  \\'ü1  fgang 
erbaute  Kirche  am  gleichnamigen  See  zeigte  im  Presby- 
terium  sehr  bedenkliche  Mauerrisse,  und  da  die  -Abtragung 
dieses  Presbyteriums  unvermeidlich  schien,  so  wäre  hier- 
durch der  werthvolle  Altar  in  (jcfahr  gerathen.  in  Trümmer 
zu  zerfallen,  da  dessen  Holzwerk  theilweise  morsch  ist.  Es 
gelang  jedoch  den  Bemühungen  der  Bauilirection  dieses 
Denkmal  der  Kunst  dadurch  zu  erhalten,  dass  die  ganz  ver- 
moderten Eichenpfähle,  auf  welchen  das  4  Klafter  tiefe  Fun- 
dament ruhte,  mit  Vorsicht  herausgenommen,  und  dasselbe 
mit    Steinquadern    in    kleinen    .\btheilungen    unterfangen 


—  46  — 


winde,  welche  äusserst  bedeiikliehe  Arbi'il  deu  giiiistigsteii 
Erfolg  hatte,  und  die  Standfestigkeit  dieses  Kirciientheiles, 
und  mit  ihm  den  Prai-htultiir  für  eiue  lange  Zeitdauer  sichert. 
Die  lii'bauung  dieser  elienialigeii  IVuJjstei,  nunuieiirigen 
Pfarrkirche,  gesehall  zwar  schon  im  Jahre  1084,  im  Jahre 
1421)  erfolgte  jedoch  ein  Neubau,  und  im  Jahre  14S1  Hess 
Abt  lieuedict  durch  Michael  IJlacher  vonPruuneck  deiiberiiluu- 
tenllocballar  erbauen.  Kr  ist  ein  Flügelaltar,  dessen  iMittel.stüek 
18  Fuss  hoch.  12  Fuss  breit,  mit  altdeutschen  Gemälden  auf 
Goldgrund  verziert  und  ringsherum  mit  Seliuitzwerk  eiu- 
gefasst  ist.  Die  Wirkungen  des  Alters  zeigen  sich  schon 
allenthalben,  und  eine  sachgemiisse  llenovirung  durch  die 
Hand  eines  Künstlers  erscheint  höchst  wüuschenswerth. 
nicht  minder  aber  auch  eiue  getreue  Aufnahme  und  Zeich- 
nung, da  von  diesem  allgemein  bekannten  und  bewunderten 
Meisterwerke  der  Kunst  zwar  bildliche  Darstellungen,  aber 
keine  genauen  Pläne  vorhanden  sind. 

2.  Der  Flügelaltar  in  der  Pfarrkirche  zu  Hallstatt  ist 
so  wie  der  vorige  vielseitig  bekannt;  im  Verlaufe  der  ver- 
tlossenen  Jahre  ist  derselbe  in  seinem  ganzen  Umfange,  so 
wie  die  Gemälde  seiner  beiden  Flügel,  auf  Veranlassung  des 
hochw.  Pfarrers  renovirt  und  mit  neuer  Vergoldung  so  wie 
auch  mit  einem  neuen  Tabernakel  versehen  worden,  und 
obschon  diese  Arbeit,  besonders  in  Beziehung  auf  den  gothi- 
schen  Styl  vieles  zu  wünschen  übrig  lässt,  so  ist  die  Rein- 
heit und  Emsigkeit  der  .Ausführung  doch  lobenswertli. 

3.  Den  bei  weitem  grössten  Werth  hat  der  Hochaltar  in 
der  Pfarrkirche  zu  Käfermarkt,  und  verdient  tun  so  mehr 
Erwähimng.  als  derselbe  im  J.  1854  ndt  grösster  Sorgfalt 
und  kunstgemäss  renovirt  wurde.  Dieser  .\ltar  scheint  am 
Schlüsse  des  XV.  Jahrhunderts  gleichzeitig  mit  der  Kirche 
vom  Grafen  Zelking  erbaut  zu  sein.  Der  Künstler  ist  leider 
nicht  verlässlicb  bekannt.  JJieser  .Altar  ist  42  Fuss  hoch 
und  gleicht  einer  Monstranze.  das  Postament  ist  durch  den 
Altartisch  verstellt,  das  Mittelstück  Ijildefr  einen  Rahmen,  über 
welcher  sich  der  reich  verzierte,  aus  vielen  Thürmchen. 
schonen  Baldachinen  und  lebensgrossen  Figuren  bestehende 
Giebel  pyramidenförmig  erhebt:  die  schönste  und  werth- 
vollste  Partie  ist  jedoch  das  Mittelstück,  indem  (hisselbe 
drei  ül)er  Lebensgrösse  haltende  Figuren  unifasst.  nämlich 
den  heil.  Wolfgang,  Petrus  und  (Christoph,  fast  freistehend, 
meisterhal^  aus  Lindenholz  geschnitzt.  Beidei'seits  sind,  in 
vier  Felder  abgetheilt,  schöne  Heliofbilder.  und  stellen  die 
Verkündigung  des  Engels,  das  Opfer  der  heil,  drei  Könige. 
die  Geburt  Christi  und  den  Tod  der  heil.  Jungfrau  Maria  in 
der  reinsten  Schnitzarbeit  dar. 

Zeit,  Barbarei  und  Verschönerungen  beschädigten  die- 
sen Altar,  dessen  Reuovirung  wurdi- jedoch  auf  Amirdnung 
Seiner  Excellenz  des  Herrn  Stalthalters  Freilierrn  vim  Bach 
in  Aiigritr  genommen,    und  dem  in  Sebnitzarbeil  bcwäbrieri 


Bildhauer  .loliann  UinI  in  Linz  übertragen;  ileiselbe  wid- 
mete sich  seit  dem  .lahre  1852  ausschliessend  der  Lösung 
dieser  »-ben  so  schwierigen  als  ehrenvollen  Arbeit,  so  zwar, 
dass  im  J.  18ö4  der  Giebel  und  ein  grosser  Thcil  der 
Mittelabtheilung  bereits  vollendet  und  die  .Ausbesserung  der 
drei  Hauptligureu  in  Arbeit  begrilVen  war.  luid  dir  gänz- 
liche Vollendung  im  Verlaufe  des  Jahres  ISö.'i  bewirkt  wiu'de. 

Mit  geringer  .\usnalime  ist  dieses  Meistei'wcrk  weder 
vergoldet  noch  angestrichen,  die  Holzarbeit  steht  ohne  aller 
Nebenhülfe  einfach  und  rein  vor  Augen,  und  in  dieser  Weise 
ist  auch  die  Benovirung  ausgeführt,  das  Holz  win'de  wegen 
des  Wurmstiches  in  Salzaullösung  getränkt,  und  mit  farb- 
losem Kopallirm'ss  überzogen. 

Gegenwärtig  prangt  w ieder  dieser  benihmte  Hochaltar 
in  seiner  urs|U'üngliclien  Schönheit,  und  bildet  nach  dem 
Urtheile  von  Sachkennern  eines  der  grössten  Mei.sterwerke, 
vielleicht  das  grösste  dieser  Art  in  Deutschland. 

4.  Hinsichtlich  der  Flügelaltäre  in  St.  Michael  bei 
Freistadt  uiut  in  Waldbnrg  kann  ich  mich  vorläulig  nur  auf 
die  Anzeige  ühev  das  Xdriiandensein  derselben  beschränken. 

Nebst  den  so  eben  bezeichneten  .Mterlhümern  dürften 
noch  zwei  Gegenstände  .Aufmerksamkeit  verdienen. 

Ein  Denkstein,  welcher  in  der  (neu  erbauten)  Pfarr- 
kirche zu  Schärding  im  Glockenhause  eingemauert  ist. 

Die  Figuren  in  halberhaliener  .Arbeit  erhalten  ihre  Er- 
klärung durch  die  .Aiifschritt  eines  zweiten  Steines,  welche 
jedoch  sebi'  schwiei'ig  zu  lesen  ist  und  von  einem  Kenner 
folgemlermassen  angegeben  wurde : 

„.Als  mau  zählt  nach  Christs  gepurdt  Xllll'  jähr  und 
XXVHI  jar  hat  herzog  Ludwig.  Herzog  in  Bayern  und  Graf 
zu  Wortaigen  der  Königin  in  Frankreich  Bruder  angefangen 
den  Zwinger  an  <len  Vorhof.  das  Tor  und  den  turn  von  Grund 
herausgemauert,  den  Graben  prächeu  von  beiden  Seiten  an 
das  Yhn  auch  den  statzwingerturn  das  Tor  genannt  .Aller- 
heiligen, um  das  Yhn  tor  und  den  Zwinger  von  den  aiciibüchl 
bis  an  den  Vorhof  der  Vest  von  Grund  herausgeniauert.  den 
Statgraben  prächeu  und  graben  lassen,  zu  beiden  seilten  in 
das  ihn  um  viel  andere  nützliches  pau  gethan,  den  Stat  und 
V(!st  schardinger  in  acht  jähr,  bit  got  für  sein  sei." 

Nicht  ohne  geschichtliches  Interesse  dürfte  endlicli 
auch  jene  hohe  Säule  sein,  welche  am  Innfhisse  neben  der 
Schlossruiue  von  W  ernst  ein  steht;  sie  ruht  auf  einem 
von  Stufen  umgeberK'ii  Postanuuite.  anderen  Ecken  4  Figuren 
sUdien  ;  die  Säule  ist  gewunden,  sie  trägt  eine  Marien- 
statue, und  die  Gesammthöbe  dürfte  12  Klafter  erreichen. 
.An  den  4 Seiten  des  Postamentes  sind  Inschriften  angebracht, 
wornach  Kaiser  Ferdinand  \\\.  eine  ähnliche  Statue  am  Indien 
Markte  in  Wien  aufstellte,  Kaiser  Leopold  l.  dieselbe  aus  Erz 
giessen  Hess  und  sie  dem  damaligen  Besitzer  von  Wernstein, 
Ludwig  Grafen  von  Sinzendorf,  schenkte. 


47   — 


Über  die  neuesten  Aasgrabungen  zu  GrossPöchlarn. 


Wir  haben  bereits  in  ilem  voraiisgegiiiigeiUMi  Hefte 
(S.  23)  bemerkt,  dass  die  Angaben  des  Herrn  Prof. 
Dr.  Wilhelm  Gärtner  in  seinen  „Antiqnarisehen  Briefen" 
(Abendblatt  der  Wiener  Zeitung  von  15.,  16.,  17.  und 
IS.Oct.  18S6)dann  in  seinem  kürzlich  erschienenen  Werke: 
^,Chuonrad,  Prälat  von  Gottweih  und  das  Nibelungenlied" 
(Pesth,  Wien  und  Leipzig  1857)  S.  325—332  nicht  frei 
von  Unrichtigkeiten  sind  und  dass  nach  der  Beurthoihmg 
des  Herrn  Conservators  Ignaz  Heinrich  Keiblinger  nur 
die  in  dem  Berichte  des  Herrn  Beneficiaten  Weigelsperger 
angeführten  Delails  als  authentisch  zu  betrachten  seien. 
WirAVollen  nun  die  wesentlichsten  Angaben  beider  Gewährs- 
männer hier  mittheilen,  um  eine  Ergänzung  in  der  !)isher 
erschienenen  Beschreibung  der  Funde  zu  ermöglichen.  Pie 
in  Frage  stehenden  Nachgrabungen  zu  Gross-Piichlarn  wurden 
auf  einer  Wiese  in  der  Nähe  des  Dorfes  Harianden  unter- 
nommen. Prof.  Dr.  Gärtner  gibt  an,  dass  zuerst  ein  nach 
drei  Seiten  ausgemauertes,  auf  der  Westseite,  d.  h.  nach 
aussen  hin  offenes  kleines  Viereck  von  7>/2  Fuss  Länge  und 
4'/;.  Fuss  Breite  blossgelegt  wurde,  welches  in  der  Höhe 
von  31/3  Schuh  mit  Steinen  und  Ziegelstücken  bedeckt  war 
und  mit  seinen  Mauern  bis  3  Schuh  tief  in  die  Erde 
reichte.  „Nur  die  nach  Osten  gekehrte  Mauer,  die  der  oirciien 
Seite  gegenüberstehende  Breitseite  setzte  sich  nach  rechts 
und  links  fort,  um  hier  und  dort,  je  nacli  einem  Zwischen- 
räume, abermals  einem  solchen  Vierecke  als  östliche  Breit- 
seite zu  dienen.  Wir  fanden  in  dem  Viereck  die  noch 
verbundenen  vier  eisernen  Hauptbestandtheile  einer  römi- 
schen Pickelhaube,  sodann  den  eisernen  Bing,  der  oben  in 
die  ()n'nung  derselben  hineinpasste,  ferner  mehrere  Eisen- 
stücke von  der  Form  der  beweglichen  Handhaben  an  etwai- 
gen Cassetten,  dann,  nebst  einigen  Bruchstücken  von  schwar- 
zen und  rötlilichen  Thongefässen ,  die  Eisenspitze  einer 
Lanze,  endlich  ein  eisernes  Band,  welches  trotz  der  Last 
des  Schuttes ,  der  darauf  geruht  hatte,  hohl  lag ;  es  passte 
vollständig  um  Unterleib  und  Hüfte  und  war  wohl  die  Ein- 
fassung eines  Panzers.  Besagte,  nicht  verbogene  Form  Hess 
darauf  schliessen,  dass  es  am  Leibe  des  getödtetcn  oder  ver- 
schütteten Eigners  festsass  und  wir,  wiewohl  wir  keine 
Spuren  von  Gebeinen  gewahrten,  die  Asche  eines  Menschen 
ausgegraben  hatten."  —  Herr  Weigelsperger  führt 
dagegen  an:  „Das  Mauerwerk  ist  1"  4'  lang.  5'  breit,  und 
dessen  innerer  Baum  mit  Erde  gefüllt.  An  der  südöst- 
lichen Seite  des  Mauerwerks  wurden  gefunden  mehrere 
verrostete  Gegenstände  von  Eisen,  darunter  eine  Eisen- 
schiene 23"  lang,  1"  breit,  nach  dem  Ende  zu  aber 
zugespitzt  und  gebogen.  Ein  Eiseustück  in  der  hier  abge- 
bildeten Form  (Fig.  1)  mit  Lappen  versehen,  von  denen 
jedoch  nur  einer  vollständig  ist,  und  welcher  Fund  Älndich- 
keit  mit  der  messingenen  Montirung  der  Gensd'armerie- 


£^ickelhaul)en  besitzt,   in    die  nn'ttlere  runde  (Krnung  passt 
ein  ebenfalls  gefnndenei-  l{ing.  •* 

Über  das  Besultat  der  weiteren  Nachgrabungen  liefert 
ferner  Professor  Gärtner  folgende  Darstellung: 

„Nebenan  (d.  i.  neben  dem  erwähnten  Mauerwerke) 
deckten  wir  in  der  gedachten  Bogen- 
linie  ein  zweites,  gleich  grosses 
Mauerwerk  auf.  .lene  Cnrve  deutete 
dadurch,  dass  sie  sich  fortsetzte, 
auch  durch  ihre  grössere  Breite,  die 
über  4  Schuh  beträgt,  während  die 
beiden  Längenseiten  des  Vierecks 
Muriyo  Schidi  Breite  haben,  darauf 
hin .  ilass  sie  die  eigentliche  Um- 
fangsmauer  des  Gebäudes  war. 
Ich  muss  gleich  hier  bemerken,  dass  wir  jedoch  noch 
2—3  Schritte  nach  aussen  hin,  in  der  Peripherie  um  jenen 
oberen  Haum  herimi,  auch  noch  auf  die  Spuren  eines,  wie 
es  schien .  ebenfalls  unterbrochenen  IMauerwerkes  trafen. 
Ich  habe  noch  nachzutragen,  dass  wir  im  zw  eiten  Viereck 
ausgiebige  Spuren  von  Verkohlung  bis  tief  in  den  Grund 
liinein  antrafen ,  auch  der  Überrest  eines  nicht  eben  grossen 
Bindshornes  fand  sich  liier.  Da  wir  vermutheten,  jene 
Vierecke  würden  sich  längs  der  ganzen  Vorderseite  fort- 
setzen, und  da  es  uns  darum  zu  thun  war,  uns  zu  über- 
zeugen, wieviel  von  der  Tiefe  des  Hügels,  auf  welchem  die 
Wiese  liegt,  der  Schnttdccko  und  wie  viel  dem  Grunde  des 
Hügels  selbst  angehöre,  da  wir  ferner  auch  eine  Einsicht  in 
den  Inhalt  des  mittleren  Baumes  gewinnen  wollten. 
so  begannen  wir  sofort  die  Nachgrabung  in  dem  Mittel- 
punkte des  Platzes. 

Wir  fanden  die  Schuttdecke  in  ihren  Bestandtheilen, 
ofi'enbar  die  Überreste  gewölbterMassen. hier  bis  I  '/^  Klafter 
tief;  wir  trafen  daselbst,  wie  ich  verninthet  hatte,  auf  keine 
Mauer,  aber  eben  so  wenig  auf  ein  Getäfel  oder  anderarti,^es 
Fundament,  sondern  auf  den  thonhaltigen  Hügelgrund, 
der  in  hohem  Grade  durchnässt .  und  mit  Eiseuoker 
geschwängert  war.  Ich  wusste  nun.  dass  die  Hügelform  des 
Wiesengrundes  nicht  durch  die  Trümmerhanfen  allein 
gebildet  war. 

Aufgefunden  wurden  an  dieser  Stelle  melirere  gewaltig 
grosse  eiserne  Nägel,  dann  einige  Bruchstücke  von  Eisengeräth 
und  eine  Kaisermünze  mit  der  Aufschrift  S.  C.  (Senatus 
Consullus):  von  der  Überschrift  um  den  Kaiserkopf  herum, 
der  sehr  edel  aussieht,  vermochte  ich  einstweilen  mn-  des 
Namens  Endbuchstaben  NVS.  zu  lesen;  der  nöthigen 
Beizung  unterzogen,  wird  sich  der  Trajanus  oder  Hadrianu.s 
wohl  bald  entzilVern.  Die  Aufimdung  dieser  Münze  in  einer 
Tiefe  von  1  '/j  Klafter  verursachte  uns  nicht  geringe  Freude, 
da  wir  bis  dahin  noch   keine  besondere  Gewährleistung  für 


48 


einen  Hönierliaii  gewonnen  liatten.  lläulige  l  beiTesle  vun 
N'eikolilungen  und  sogar  ganze  Stiiekc  wolilerlialtener,  wie- 
wohl zerfaserter  Brandkolile  in  iler  Tiefe  von  1  liis  1 '/., 
Klafler  gaben  aneli  li  i  er  Zengniss,  dass  diese  Statte  einst 
mit  Feuer  und  Sehweit  verwüstet  worden  war. 

Am  liebsten  hätten  wir  uns  eine  Diagonale  über  den 
W'iesengrund  gezogen,  um  säninilliehe  oder  die  meisten  ( )rt- 
liehkeiten  der  ehemaligen  Raumeinlheilung  zu  berühren: 
aber  das  Ende  der  Ferien  rückte  heran,  meine  Zeit  war 
gemessen,  und  \\  ir  versprachen  uns  von  der  südlleiien  Län- 
geiiseite  gute  .Aufschlüsse;  so  wurde  die  Aufdeckung  am 
westliehen  Ende  (eigentlich  Anfange  derselben)  begonnen. 
Wir  hatten  hier  auf  allen  Funkten  an  der  Spitze  des  Stoss- 
eisens  die  Spuren  von  Mörtel  und  Kalk  herausgezogen. 

Nach  einer  Reihe  von  Spatenstichen  klang  es  hohl;  wir 
überzeugten  uns,  dass  wir  auf  einer  Wollnmg  standen. 

Der  Schutt,  aus  Ziegelstücken  und  schwerem  Gesteine 
bestehend,  war  hier,  aber  nur  eben  hier,  das  ist  auf  D  Fuss 
von  West  nach  Ost  und  auf  4Fuss  von  Süd  nach  Nord,  über 
;5  Schuh  hoch;  denn  da  wir  in  verlängerter  Linie  in  die 
Tiefe  dieses  Gemiiuerzuges  vorwärts  rückten,  war,  wie  ich 
näher  angeben  werde,  die  Seluitllage  ungleich  seichter,  bis 
dieses  Verhältniss  wieder,  wie  ich  an  seinem  Orte  bemerkbar 
machen  will,  sich  gegen  das  Ende  hin  sehr  anders  gestaltete. 
Wir  waren  zwischen  zwei,  9  Fuss  von  einander  abste- 
hende von  West  nacli  Ost  sich  fortsetzende  Mauern  gerathen; 
wir  hatten  auf  4  Fuss  vor  uns  eine  1  Fuss  dicke  Quer- 
maucr  und  im  Rücken  ileii  dem  Viereck  entsprechenden 
Theil  der  an  die  Längen-  oder  Tiefseite  anstossenden 
äusseren  Breitseite.  Diese  letztere  und  jene  vorletzte  stellen 
sich  durch  Massenhaftigkeit  und  Anlage  als  Grundmauern 
dar;  die  Stärke  der,  jener  vorletzten  gegenüber  liegenden 
Mauer  blieb  im  Drange  der  Zeil  und  Arbeit  unerforscht, 
könnte  aber  nun,  nachdem  jeder  Zweifel  über  die  Bedeutung 
des  Gesammtbaues  gewichen  ist,  einstweilen  im  Wege  der 
.Analogie  construirt  werden. 

Wir  standen  im  besagten  Viereck  auf  einer  Decke  von 
Ziegelflötz,  die  zwei  Zoll  stark  war;  darauf  folgte  eine 
schneeweisse  Lage  Flötz  aus  Kalk  und  Gyps  von  ebenfalls 
1 '/o  Zoll  Dicke,  und  so  wiederholte  sich  dieses  abwechselnd 
noch  zweimal;  diese  Decken  alle  Hessen  sich  in  breiten 
ganzen  Stücken  ablösen.  Nach  Hinwegnahme  der  letzten 
Decke  trat  über  die  ganze  Bodenfläche  des  längliehen  Vier- 
ecks liin.  hellroth,  gleichsam  erst  gestern  hingelegt,  eine 
Lage  von  Ziegelröhren  hervor;  sie  diu'chselniitten  das 
Gemach  von  West  nach  Ost,  und  da  jede  einzelne  Röhre 
20  Zoll  Länge  mass,  so  waren  je  zwei  von  Ost  nach  West 
gegen  einander  gelegt  und  durchmassen  so  in  doppelter 
Länge  von  einer^uermauer  zur  andern  den  Raum.  Zwischen 
den  beiden  Ziegelrölircn  befand  sich  eine  Lage  absperrenden 
Kittes.  Diese  Riihren  waren  T'/q  Fuss  breit.  V^^'""  stark, 
im  Halbkreise  durchschnitten,  und  lagen,  als  llohlridn'en, 
also    mit    dem    Durclischiiitte    auf   einer    abermaligen    fast 


spiegelglatten,  sehr  festen  Lage  einer  Mischung  vtin  Kalk 
und  Gyps  auf.  Soleher  Röhren  lagen  12  neben  einander.und 
nur  au  ilen  beiden  Seiten  der  Ijängenmauer  hin  kamen,  dem 
Räume  sich  anbeipuineud.  auch  weniger  breite  und  starke 
Röliren  vor.  In  die  auslaufenden  Enden  dieser  l{öhren 
mündeten  ebenso  geformte  aber  convex  autliegende,  hori- 
zontal gelegte  eingemauerte  und  verkittete  Ziegelröhren; 
und  von  der  Mündung  dieser  Halbröhren,  also  an  den  Ecken 
des  Vierecks,  liefen  abermals  derlei  Röhren  in  die  Tiefe 
hinab.  Die  dicht  neben  einander  liegenden  12  Röhren 
hatten  in  den  Zwischenräumen  ihi'or  ('lu'ven  einen  .\ufsfrich 
von  Kalk  und  Kitt. 

In  der  besagten,  das  Gemach  nächst  Osten  abgräii- 
zenden  Quermauer  fanden  sich  kleine,  3 '/i"  weite  und  breite, 
aus  Thonplatten  gebildete  viereckige  Olfmingen,  die  in  die 
Tiefe  hinabführten  und  bewiesen,  dass  die;  hier  gestandene 
Wand  an  diesen  Punkten  hinauf  h<dil  war. 

Da  wir  die  Kalk- und  Gypslage.  auf  welcher  die  Röliren 
ruhten,  abgelöst  hatten,  standen  wir  unmittelbar  auf  der 
Wölbung.  Wir  hoben  den  starken  Scheitelstein  heraus, 
und  sahen  in  eine .  nur  1  Schuh,  in  der  Mitte  nicht  ganz 
2  Schuh  tiefe,  das  \'iereek  in  seiner  Länge  und  Breite  aus- 
füllende Ellipsen-Wölbung  hinein,  die,  wie  wir  bei  tieferer 
Grabung  sahen,  auf  den  beiden  Seiten-  (den  Längen-) 
Mauern  ruhte,  aber  wieder  unterbaut  war  von  zwei  klei- 
neren nebeneinander  lautenden  Hufwölbungen;  und  mir 
jene  erstere  Wölbung  war  es,  in  welche  die  letztbe- 
merkten h  inabi  cnkenden  Röhren  reichten,  wie  dann 
auch  die  Höhlungen  in  der  Quermauer  ebenfalls  von  hier 
aus  aufstiegen,  so  dass  die  beiden  Hufwölbungen,  welche,  wie 
wir  sehen  werden,  gleich  jener  ersten  elliptischen  fast 
die  ganze  hier  ins  Auge  gefasste  Längenseite  unterliefen. 
nicht,  wie  letztere,  der  Behälter  für  die  heisse  Luft  (denn 
ilass  wir  es  hier  mit  einem  Heiz-  und  fveitungs-.\p[)arat 
römischer  Thermen  zu  fliun  haben,  brauche  ich  wohl  kaum 
anzumerken),  sondern  eben  mir  der  unterirdische  Weg  für 
den  Luftzug  und  für  den  Heizer  waren.  —  Wir  fanden 
diese  Hufwölbungen  mit  einer  leichten  schwärzlichen  Erde, 
die  zum  grossen  Theile  Staub  zu  sein  schien,  vollgefüllt  und 
hatten  sie  bald  so  weit  geöll'uet.  dass  einer  der  Arbeiter  auf 
den  Knieen  hineinsciilüpfen  konnte.  Wir  standen  in  diesem 
Augenblicke  in  dem  aufgedeckten  Viereck  1  Klafter  tief. 
Ich  kürze  mir  das  Geschäft  dieses  brietlichen  Berichtes, 
indem  ich  sage:  dasselbe  Rölirensystem.  dieselbe  gehöhlte 
Querwand,  mit  einem  Worte  dasselbe  Gemach  fanden 
wir.  die  Aufdeckung  nach  Ost  fortsetzend,  zwischen  den 
beiden  Läugenmauern  noch  fünfmal  o  h  n  e  U  n  t  c  r  b  r  e  c  h  u  n  g 
wieder,  mit  dem  unterschiede  jedoch,  dass  diese  fol- 
genden fünf  Gemächer  voneinerQuermaucr  zur  andern  um 
'/s  Fuss  weniger  Breite  massen,  als  das  erste:  ein  Finstand. 
der  die  geringere  Stärke  uiiil  lireile  jener  quer  über,  zum 
Theile  unter  der  Querwand  versteckten Röbrenlage  mit  ver- 
mittelt wird;  ich  bemerke  ferner,  dass  die  Schuttdecke  der 


—  49  — 


andern  fünf  Gemächer  ungleich  seichter,  als  die  des  ersten 
Gemaches,  ja  stellenweis  kaum  1  Schuh  dick  war;  dass 
somit  die  Überreste  jener  ausThontafeln  eonstruirtenWand- 
hijhlungen  auch  ganz  knapp  an  die  iTinere  fjängenwand 
herantraten,  und  dass  die  oberste  Deckung  des  Fussbudens 
im  zweiten  Gemache  sich  von  dem  der  folgenden  vier 
Gemächer  unterschied;  während  letztere  weiss  war  und  aus 
der  Mischung  von  Kalk  und  Gyps  bestand ,  war  jene  viel- 
mehr ein  luxuriöses,  geschlill'enes  oder  doch  geglättetes,  fast 
tleischrothes  Cement  von  Thon  und  Gyps,  etwa  1  Zoll  stark. 
an  der  Wand  hin  mit  einer  1  y,  Zoll  hoch  aufstehenden 
Kante.  Es  gelang,  ein  1  %  Fuss  breites  und  langes  Stück 
davon  herauszuheben  und  den  übrigen  Funden,  bei  welchen 
die  gedachten  Ziegelröhren  des  ersten  Gemaches  hin- 
reichend vertreten  sind,  beizugesellen.  Im  Übrigen  Hessen 
wir  diese  fünf  Gemächer,  damit  sie  bewahrt  blieben,  unan- 
getastet. 

Noch  hatten  wir  keinen  Zugang  zur  Beheizung  und 
Feuerstätte  entdeckt.  Wir  hätten  Grund  gehabt  diesen 
tiefer  im  Räume  drinnen,  hinter  der  inneren  Längenseite. 
wo  ich  ihn  noch  jetzt  vermuthe,  zu  suchen,  eine  zweite  Linie 
aufzudecken  und  ihren  Anzeigen  Folge  zu  geben,  dazu  hätte 
aber  für  diessmal  meine  Zeit  nicht  mehr  ausgereicht ;  über- 
diess  wollten  wir  die  äussere  Längenseite  soweit  als  möglich 
erforschen  und  jedenfalls  damit  bis  zu  einer  merklichen  Ein- 
senkung,  hinter  welcher  sie  das  frühere  Niveau  aufnimmt 
und  bis  gegen  den  Saum  des  Waldes  hin  fortsetzt, 
gelangen. 

Das  erforderte  nun  kein  leichtes  Stück  Arbeit;  denn  von 
dem  sechsten  Gemaehe  ab  begann  massive  Mauer,  und  zwar 
in  der  ganzen  Tiefe  der  Gemächer  und  auch  noch  in  der 
Breite  der  beiden  Längenmauern  dieser  Gemächer. 

Da  wir  mit  der  Grabung  in  die  Tiefe  dieser  Mauer  etwa 
drei  Schuh   weit   vorgeschritten  waren ,  gelangten  wir   zu 
einer  Stelle,  die  wesentlich  anders  construirt  war.  Während 
in  der  Mitte  die  Steinmauer  fort  und  bis   l»/,  Klafter  tief 
in  den  Grund  hineinlief,  grif- 
fen die  Steine  derselben   an 
beiden  Seiten  in  eine  mulden- 
föi-mig  gebaute,  einen  Vier- 
telzirkel beschreibende  Ein- 
fassung hinein,  deren  Ziegel 
in   halb  aufrechter  Neigung 
vielmehr  standen  als  lagen, 
so  dass  das  Ganze  wie  ein 
Unterbau  irgend  einer  Wöl- 
bung aussah.  f''?- 

Sofort  wurde  dieser  Punkt  für  die  Ausgrabung  bis 
auf  den  Grund,  und  zwar  im  l'mfange  jener  muldenfi'ir- 
migen  Einfassung  bestimmt. 

Ich  nniss  beifügen,  dass  unmittelbar  hinter  dieser  Mulde 
jene  Einsenkung  der  Schuttdecke  beginnt,  in  welcher  man 
unschwer  den   Seitengang  in  das  Badehaus,  oder  auch  den 


''     I     I : L_ 


Ausgang    zu    dem,    wenige    Schritte    entfernten    Bäehlein 
wabrninunt. 

Bei  der  Hinwegräumung  von  Schutt  und  Gestein ,  das 
hier  mehrere  Fuss  hoch  lag,  fanden  sich  daselbst  noch  die 
Bruchstücke  von  den  verschieilensten  Gattungen  der  Thon- 
gefässe,  von  hochrothen,  ganz  feinen  blassrothen,  grauen 
und  schwarzen,  mit  und  ohne  Zierath,  in  grosser  Menge; 
ferner  fand  sich  hier  ein  Stück  von  dem  unteren  Theile  eines 
römischen  Schwertes. 

Nachdem  wir  die  Tiefe  von  1  Klafter  und  mehreren 
Fuss  gewonnen  hatten,  kam  die  gewöhnliche  Lage  von  Kalk 
und  Gypsmischung  und  nnter  ihr  das  Fundament,  einer 
3  Zoll  dicken  Lage  Ziegelplatten,  Quadrate  von  13  Zoll;  wie 
die  Röhren  hatten  sie  das  frischeste  .\ussehcn  und  waren 
von  einer  Feinheit  und  Glätte,  wie  sie  in  der  Neuzeit  nur 
selten  vorkommen  mag. 

Unter  diesen  Platten  war  abermals  eine  Lage  von  Kalk 
und  Gypsmischung  und  sodann  wieder  eine  Schicht  Platten 
von  der  Grösse  und  Feinheit  der  früheren,  jedoch  in  der 
Diagonale  durchschnitten,  oder  vielmehr  je  eine  Platte  aus 
2  Dreiecken  construirt;  alsdann  nochmals  die  Schicht 
gegypsten  Kalkes  und  endlieh  wieder  eine  Lage  Platten, 
ganz  wie  die  erste  Lage;  und  nun  erst  hatten  wir  das 
Ende  der  Fundamentirung  und  den  Erdgrund  erreicht." 

In  Bezug  auf  die  eben  geschilderte  .\usgrabung  legte 
Herr  Weige  Isperg  er  einen  hier  in  der  Abbildung 
ersichtlichen  horizontalen  Durchschnitt  des  Mauerwerkes 
(Fig.  2)  und  nach  der  Linie  A  B  einem  senkrechten 
Durchschnitt  der  Aidage  (Fig.  3)  vor.  Er  bemerkte 
hiezu:  „Das  Mauerwerk  ist  durch  Querniauern  in  sechs 
kleinere  Parallelogramme  getheilt.  im  Parallelogramm  VWYZ 
liegen  11  Stück  Hohlziegel  mit  der  Öffnung  nach  unten 
gekehrt  neben  einander;  von  9  Stücken  ist  jeder  21"  lang. 
8 '4"  breit  und  V*"  dick  und  halbrund,  von  2  Stücken  ist 
jeder  18"  lang,  fi"  breit,  V^"  dick  und  oben  etwas  spitzig 
zulaufend. 

Gleiche  Ziegellagen  lin- 
den sich  auch  in  den  Paralle- 
logrammen i  k  e  m,  u  0  p  q 
luul  r  a  t  u;  nur  mit  dem 
Unterschiede,  dass  in  diesen 
mehrere  solche  Ziegellagen 
hinter  einander  gereiht  sind 
und  so  das  ganze  Parallelo- 
gramm bedecken. 

1 1  I  Das  Parallelogramm  r  s 

■■*  tu    weist    überdiess    noch 

eine  Dopiielreihe  senkrecht  stehender  Ziegel  auf.  Diese  sind 
Mach  und  haben  an  zwei  Längenseiten  vorspringende 
Rämler  von  1  '/o  Zoll  Länge.  Rlit  diesen  Rändern  sind  je  zwei 
zusammengestellt .  so  dass  sie  einen  senkrechten  Uanal 
bilden.  In  mehrere  dieser  Zieirel  sind  Ollnungeu  geschnitten, 
welche  den  liegenden  Hohlziegeln  zugekehrt  sind. 


30 


Sämmtliche  horizontal  liegende  Ziegel  waren  bedecivt 
mit  einer  ',)"  dicken  compacten  Mörteli;ruste.  Ein  gleiches 
Mürtelflütz  befindet  sich  auch  unter  den  Ziegeln;  letzte- 
res ruht  auf 
^^-  einer  Erd- 
schidite  und 
unter  dieser 
Erdschichtc 
befindet  sieh 
Mauerwerk  , 
in  welchem 
zwei  parallel 
mit  einander 
(Fig.  3.)  laufende  Ca- 

näle  in  der  Richtungvon  Osten  nach  Westen  angebracht  sind. 
Jeder    dieser   Canäle    ist    gewölbt    und  mit    Steinen 
ausgemauert. 

In  der  Tiefe  des  Parallelogrammes  a  b  c  d  unter  der 
Mauer  c  d  c  f  fanden  sicli  vier-  und  dreieckige  Pflaster- 
ziegel. 

Sowohl  diese,  als  auch  die  übrigen  Ziegel  sind  ohne 

Bezeichnung. 

Eine  von  g  i  gegen  Süden  laufende  Mauer  zeigt,  dass 
dieses  Gebäude  nicht  isolirt  stand. 

Unweit  des  eben  beschriebenen   Gebäudes  wurde  im 


Lehmgrnnile,  ',V  tief  unter  der  Erde,  eine  Münze  des  Kaisers 
Hadrian  gefunden. 

Endlich  wurden  auch  bei  Gelegenheit  dieser  Nachgra- 
bungen ein  ganz  verglaster  Kieselstein  und  Geseliii'rscjiei'ben. 
von  den  verschiedensten  Farben  und  aus  verschiedenen 
Erden  verfertiget,  aufgefunden." 

in  einem  der  k.  k.  Central -Commission  vorgelegten 
Berichte  äusserte  sich  der  k.  k.  Hegierungsrafh  Herr  Joseph 
Arn  etil  bezüglich  des  Werthes  derAusgi'abuiigen.  dass  die 
Auffindung  des  Bauwerkes  mit  heizbareni  Fussboden  jeden- 
falls von  einigem  Interesse  ist.  „DieArf  der  üelieizung,  welche 
hier  angewendet  erscheint,  ist  die  einfachste,  nändich  durch 
Hohlziegel,  reihenweise  auf  dem  Fussboden  liegend,  in  deren 
hohlen  Haum  die  erwärnde  Luft  geleitet  wurde,  wodurch 
sich  der  Fussboden  erwännle.  Dasselbe  Verfahren  wurde 
bezüglich  der  holilen  \\  ände  angewandt.  In  imserem  kalten 
Klima  kiinunt  diese  Beheizung  bei  römischen  Wohn- 
häusern häufig  vor.  Interessant  wäre  es,  wenn  von  Herrn 
Professor  Gärtner  weitere  Nachgrabungen  angestellt 
werden  sollten,  nach  der  Heizkamnier  zu  suchen,  welche  an 
einem  Ende  des  Gebäudes  gewesen  sein  muss.  —  Übrigens 
dürften  Monumente  von  besonderem  Werthe  kaum  zu  erwar- 
ten sein  und  eine  weitere  Nachforschung  mehr  für  die  Topo- 
graphie als  wegen  der  wahrscheinlich  zu  lindenden  Objecto 
wichtig  sein." 


Pamätky  archaeologiche  a  mestopisne. 


Unter  diesem  Titel  erscheint  bereits  seit  Anfang  des 
.lahres  18U4  auf  Kosten  des  Museumfondes  für  Heraus- 
gabe guter  böhmischer  Werke  (Matice  ccskä)  in  Prag  eine 
periodische  Sclirift  unter  der  Redaction  des  als  Sammler 
historisch-toiiographischer  Notizen  über  Böhmen  seit  Jahren 
thätigen  böhmischen  Schriftstellers  Karl  Wladislaw 
Zapp,  Professors  an  der  Prager  k. k.  böhm.  Oberrealsebule. 
die  in  Bezug  auf  ihren  archäologischen  Theil  von  dem 
archäologischen  Comite  des  böhmischen  Museums  als  ihr 
Organ  adoptirt  wurde.  Das  Werk  erscheint  in  viertel- 
jährigen Heften  ä  6  Bogen  in  4.  mit  je  drei  Illustrationen  in 
Stein  oder  Kupferdruck.  Acht  Hefte  oder  zwei  Jahrgänge 
bilden  einen  Band,  dem  ein  ausführliches  Namen-,  Orts-  und 
Sachregister  beigegeben  wird.  Somit  sind  bis  mm  der  erste 
Band  und  4  Hefte  des  zweiten  Bandes  erschienen. 

Die  Masse  des  bereits  im  1.  Bande  gebotenen  Mate- 
rials ist  sowohl  dem  Inhalte  als  der  Form  nach  allerdings 
aller  Beachtung  werth,  zumal  als  der  Bedacteur  selbst  mit 
grosser  Umsicht  und  Thätigkeit  den  gegenwärtigen  Stand- 
punkt der  archäologischen  Studien  in  Bezug  auf  die  Kunst 
des  Mittelalters  zu  behaupten  anstrebt,  uml  auch  die  Sich- 
tung und  Zurcchtlegung  des  ihm  viui  zweiter  Hand  darge- 
botenen Materials  vernuttelst  seiner  Detail-  und  Local- 
kenntnisse  gewandt  durchzuführen  versteht.  Böhmen  und 
Mähren  sind  aber  auch  wahre   Fundgruben  für  Forscher 


mittelalterlicher  Kunst,  und  man  muss  erstaunen,  wie  viel 
Schätze  aus  dem  Bereiche  der  Architectur,  Malerei  und 
Sculptur  beide  Länder,  trotz  der  vielen  beispiellosen  Ver- 
wüstungen durch  Kriege  uml  den  krassesten  Vandalismus 
neuerer  Zeilen,  noch  inmier  aufzu«  eisen  haben. 

Da  das  von  den  Pamätky  Dargebotene  bisher  nicht 
über  den  Kreis  des  böhmischen  Lesepublicums  gedrungen 
ist,  dasselbe  jedoch  eine  weitere  Beachtung  jedenfalls  im 
vollen  Masse  verdient:  so  glauben  wir  im  Interesse  der 
Kunstgesehichle  und.Vrchäologie  nur  eine  angenehme  Pflicht 
zu  erfüllen,  indem  wir  über  die  im  ersten  Bande  besprochenen 
archäologischen  Objecto  eine  gedrängte  Übersicht  geben. 

Den  Eingang  der  Publicalion  bildet  eine  vom  Bedacteur 
unternommene  Bearbeitung  oder  eigentlich  Po[udarisirung 
des  L.  Vitet'schen  Aufsatzes:  „(bei-  die  Erhaltung 
der  Alterthümer  namentlich  der  Baudenk- 
inale",  dessen  deutsche  Ubei'setzimg  bereits  im  11.  uml 
12.  Hefte  von  .Försters  Allgemeiner  Bauzeitung  vom 
Jahre  1852  erschien.  Der  Bearbeiter  hebt  besonders  jene 
Partien  des  Aufsatzes  hervor,  die  den  Verhältnissen  unserer 
Länder  am  meisten  entsprechen,  und  sucht  durch  Ein- 
streuung passender,  einheimischer  Beispiele  das  Ganze  dem 
Interesse  seiner  Laiulsleute  näher  zu  bringen. 

Die  Altstädter   Haup  tpf  a  rrki  rc  b  e  zu  Maria 
Himmelfahrt  am  Teyn    in  Prag  (siehe  9,52,  101), 


51 


eine  erschöpfende  Monographie  von  Kitrl  Wladislaw 
Zapp,  in  welcher  zuerst  die  Geschichte  dieses  in  der  böh- 
mischen Kiruhengeschichte  eine  der  wichtigsten  Rollen 
spielenden  Gotteshauses  in  drei  Abschnitten  auf  anregende 
Weise  geboten  wird.  Dann  folgt  die  Detailbeschreibung, 
aus  der  wir  Folgendes  herausheben :  Das  jetzige  Kirchen- 
gebäude stammt  aus  dem  Anfange  des  XV.  Jahrhunderts, 
gehört  der  letzten  Periode  des  gothischen  Styles  an,  nimmt 
einen  Flächenraum  von  429  Q  Klafter  11' ein.  ist  von  Aussen 
192'  lang,  108'  breit,  und  besteht  aus  einem  im  Lichten 
168'  langen  und  bis  zu  den  Schlusssteinen  der  Wölbung 
96'  hoiien  Mittelsehilfe,  und  aus  zwei  um  die  Hälfte  niedri- 
geren und  im  Lichten  nur  ISÜV2'  langen  Seitenschiffen. 
Alle  drei  Schilfe  schliessen  gegen  Osten  mit  einer  |)oly- 
gouen  Ajisis  ab,  das  Mittelschiff  aus  dem  Zehnecke,  die 
Seitenschilfe  aus  dem  Achtecke.  Zehn  reich  protilirte  gothi- 
sche  Pfeiler  in  zwei  Reihen,  je  S  auf  jeder  Seite,  trennen 
die  drei  Schilfe;  31  mit  zierlichem  Mass  werke  versehene 
Fenster  ölfnen  sich  in  den  Mauertlächen ,  darunter  das 
grosse  Mittelfenster  ober  dem  VVestportale  13'  breit,  S2' 
hoch,  dann  die  vier  schmalen  aber  70'  hohen  Chorfenster  im 
Mittelschiffe,  die  eine  imposante  Wirkung  hervorbringen.  Stark 
vortretende  Mauerpfeiler  umgeben  die  Aussenseite  an  den 
Apsiden,  Seitenflächen  und  auch  an  der  Westfronte ;  das 
Baumaterial  ist  der  allgemein  übliche  Prager  Bruchstein. 
Plänerkalk  aus  den  Weissenberger-Brüchen,  nur  die  Rücken 
der  Aussenpfeiler  und  Fenstereinfassungen  sind  von  gemeis- 
selten  Sandsteinstücken  aufgeführt.  Äusserst  imposant  ist 
die  W^estfronte  mit  ihren  158'  hohen,  reicli  verzierten 
Quadergiebeln  und  den  zwei  sie  tlankirenden  253'  hohen 
Thürmen,  die,  erst  um  das  Jahr  1511  zu  ihrer  Vollendung 
gelangt,  mit  zierlichen,  gothisclien  Gallerien,  mit  je  8  Sei- 
tenthürmchen  versehen  und  mit  Schiefer  eingedeckt  sind. 
Der  nördliche,  um  mehrere  Fuss  schmälere  Thurm  brannte 
1819  ab  und  wurde  1834—1835  in  seiner  früheren  Gestalt 


erneuert.  Am  Giebel  prangen  an  der  Stelle  des  ehemaligen 
Utraquistenkelches  das  Marienbild  mit  ehernem  Scheine  vom 
Jahre  1626,  dann  die  Waiipen  von  Böhmen,  Mähren,  Schle- 
sien und  Luxenburg.  Auch  die  Vorderseite  des  südlichen 
Thurnies  zeigt  an  der  Gallerie  das  steinerne  Brustl)ild  eines 
Königs  (wahrscheinlich  Wladislaw  II.)  zwischen  zwei  klei- 
neren lialben  Figuren,  und  mehrere  Wajipen.  —  Von  den 
gothischen  Portalen  an  der  West-,  Süd-  und  Nordseite 
zeichnet  sich  das  letztere  durch  eine  besonders  reiche 
Anordnung  aus  und  gehört  jedenfalls  der  s]iätgothischen 
Periode  an  (etwa  aus  der  Mitte  des  XV.  Jahrhunderts). 
Ein  weit  gespannter  hoherRundbogen  umfasst  eine  guthische 
Überwülbung  und  stützt  sich  an  zwei  Aussenpfeiler  des 
niirdlichen  Seitenscbilfes.  Zierlich  gearbeitete  Tragsteine 
mit  'f  hiergestalten,  dann  schime  durchbrochene  Deckel  oder 
Baldachine  bilden  24  grössere,  kleinere  Nischen,  die  zur 
Aufnahme  von  Statuen  bestimmt  waren,  aber  leer  geblieben 
sind.  Auf  dem  Rundbogenfelde  ober  der  in  einen  Spitzbogen 
auslaufenden  Thüre  befiiulet  sich  ein  Hautrelief,  das  Leiden 
Christi  vorstellend  und  aus  vier  Plänerkalkplatten  zusam- 
mengesetzt, während  das  ganze  übrige  Steinwerk  des  Por- 
tals aus  hartem  Sandstein  gemeisselt  erscheint.  Der  \  er- 
fasser  glaubt  diesem  Steinbilde  ein  viel  höheres  Alter 
zuschreiben  zu  müssen,  und  versetzt  dessen  Ursprung  in  die 
Mitte  des  XIII.  Jahrhunderts,  dem  zu  Folge  es  aus  dem 
früher  bestandenen  Kirchengebäude  hieher  versetzt  worden 
sein  müsste.  Das  weiche  Material  des  Bildes  erheischt  einen 
sorgfältigeren  Schutz  gegen  die  Nässe,  und  dieses  hat 
bereits  ziemlich  viel  gelitten.  (Eine  minder  gelungene 
Lithographie  dieses  Portals,  dann  ein  sehr  tleissig  und  cor- 
rect  ausgeführtes  Tableau  mit  dem  Grundrisse,  der  West- 
fronte, mit  den  beiden  Thürmen  und  mehreren  andiitek- 
tonischen  Details  und  Profilirnngen  sind  willkommene  Bei- 
gaben zu  diesem  Aufsatze.) 

(Die  Fortsetzuiif;  folst  im  iiiichsteri  Hofte.) 


Literarische  Anzeigen. 


Das  dritte  Hetf  der  „Mittelalterlichen  Kuiistdenkmale  des 
österreichischen  Kaiserstaates",  herausgegeben  von  Dr.  G.  Heider, 
Prof.  Rud.  V.  Eitelberg  er  und  Architekten  J.  Hieser,  brin(,'t  die 
romanische  Kirehe  von  St.  Jiik  in  Unf^arn  —  einen  Hau,  welcher 
unter  den  bisher  bekannten  Kirchen  Österreichs  zu  den  bedeutend- 
sten des  romanischen  Styles  gerechnet  werden  kann  und  auch  bereits 
im  1.  Bande  des  „Jahrbuches"  der  k.  k.  Central-Commission  (Wien. 
W.  Braumiiller  1856)  Gegenstand  einer  kunstgeschichUichen  Abhand- 
lung des  Herrn  Professors  li.  v.  Kitel  berger  gewesen  ist.  Bezüg- 
lich der  Bauanlage,  im  Zusanuiienhange  stehend  mit  einer  ganzen 
Gruppe  romanischer  Kirchenbauten  zwischen  der  Drau  und  der 
Donau,  ist  sie  für  die  Kunstgeschichte  von  grosser  Wicliiigkeit, 
weil  sie  an  sich  in  ihrer  Anlage  sehr  bezeichnend  für  den  romani- 
schen Styl  ist,  der  ursprüngliche  Charakter  des  Baues  verhiiltniss- 
miissig  ganz  gut  erhallen  ist  ?unil  ilie  Kirche  zwar  theilweise 
unter  den  Türkenkriegen ,  aber  nicht  unter  Ueslaurationsversuchcn 
späterer    Epochen    gelitten    hat,    wie  dicss   leider    bei   so   vielen 


unserer  Kirchen  aus  dem  Mittelalter  der  Fall  ist.  Von  den,  diesem 
Hefte  beigegebenen  vier  Tafeln  bringt  die  erste  den  Grundriss  der 
Kirche,  dann  jenen  der  Bundcai>cllo.  die  zweite  eine  persi)ec(ivischo 
Ansicht  der  Vorderseite,  die  dritte  eine  perspectivischc  Ansicht  der 
Uiickseite  und  die  vierte  eine  Ansicht  des  Hauptportals  nach  Auf' 
nahmen  unilZeichnungen  des  Architekten  Hieser.  und  zwar  in  einem 
Grade  der  Vollendung  und  mit  so  feinem,  durehgebildetcm  Ge- 
schmacke,  dass  die  Abbildungen  selbst  den  strengsten  Anforderun- 
gen zu  genügen  im  Stande  sind  und  den  vorsüglichsten  derartigen 
Produetionen  des  Auslandes  an  die  Seite  gestellt  werden  können. 
Den  Text  zu  diesem  Bauwerke  hat  Prof.  v.  Eitel  berger  geliefert, 
und  diesen  Anlass  benutzt,  um  zugleich  ähnliche  Kirchenbauten  Un- 
garns zu  besprechen.  Kr  hat  damit  eine  sehr  anregende  und  äus- 
serst verdienstvolle  kunstgescbichlliche  Abhandlung  geliefert,  welche, 
in  der  geistv<dlen  Weise  des  Herrn  Verfassers  vorgetragen,  über  die 
frühzeitige  Culturentwickelung  Ungarns  ein  neues  Licht  verbreite». 
Dem  3  Bogen  starken  Texte  sind  26  prachtvolle  Holzschnitte   bei- 


—  ö'^ 


gegeben.  —  Nebst  dem  Texte  zu  Juk  bringt  dieses  Heft  ;uicli  jenen 
über  die  gothisehe  Monstranzc  zu  Sedlefz  und  den  AKarsehiMnk 
zu  Cilli,  von  Dr.  Gust.  Heider,  wozu  die  Abbildungen  sehon 
im  2.  Hefte  geliefert  wurden. 


Es  liegt  uns  das  Programm  einer  vom  Neujabr  18li7  an  im  Ver- 
lage der  Krauenzeitung  in  Stuttgart  crsebcinenden  Zeilscbrift  vor, 
die  für  die  christliche  Kunst  ein  besonderes  Interesse  besitzt.  Die- 
selbe betitelt  sieh:  „Ki  rch  cn.<;clnnuek,  ein  Archiv  fürweili- 
I  ic  be  IIa  ndarbeil'',  herausgegeben  unter  der  Leitung  des  christ- 
lichen Kunstvereines  der  Diücese  Rottenburg  und  wird  redigirt  von 
Dr.  Florian  Kies s,  Pfarrer  Laib  und  Pfarrer  Dr.  Schwarz.  Das 
Unternehmen  setzt  sich  zur  Aufgabe,  aufdie  Anfertigung  von  kirchlichen 
Ornaten  in  einem  ernsten  würdigen  Style  hinzuwirken  —  im  kirclilieh 
traditionellen  Style  gehaltene  Musterzeiehnungen  für  die  verschieden- 
sten weihlicben  Handarbeiten  zu  liturgischen  Zwecken  zu  veröffent- 
lichen und  einen  Führer  abzugeben,  der  sowohl  üelchrung  über  tech- 
nische Ausführung  und  über  jene  Arten  von  Stickerei  gibt,  welche  durch 
die  gegenwärtig  fast  ausschliesslieh  herrschende  Straminstickeret 
zurückgedrängt  worden  ist,  als  auch  über  die  liedeutung  und  ge- 
schichtliche Entwickelung  der  liturgischen  Gewänder.  Von  dieser  Zeit- 
schrift erscheint  monatlich  einmal  ein  Heft,  enthaltend  2  kleine  Quart- 
bogen Text,  1  Farbendruck  und  1  grossen  .Musterbogen,  und  zählt  zu 
Mitarbeitern  Conserv.  Dr.  Uock  in  Köln,  Uecfor  Fey  zu  .dachen, 
Dr.  Gicfers  zu  Paderborn,  Dr.  Job.  v.  H  ef  n  er-A  1  f  enec  k  zu 
München,  P.  Ildephons  zu  Regensburg,  Prof.  K reu s er  zu  Köln, 
Dr.  Sighart  zu  Freising,  Bildhauer  Stolz  zu  Innsbruck,  Caplan 
Zech  zu  Münster.  Preis  halbjährig  2  Thlr. 


Eine  der  verdienstvollsten  Unternehmungen  zur  Wioderbelehunf 
des  Geschmackes  an  der  uiiltelalferlichcn  Kunst  Deutschlands  ist  das 
von  Fr.  Baudri  in  Köln  herausgegebene  und  redigirte  „Organ  für 
christliche  Kunst,  welches  gegenwärtig  bereits  den  siebenten 
.labrgang  beginnt.  Getreu  seinem  Programme  —  die  Traditionen  der 
mittelalterlichen  Kunst  mit  der  Kunsttbätigkeit  der  Ge»enwart  auf 
kirchlichem  Gebiete  in  Verbindung  zu  bringen  — bat  dasselbe  bisher 
mit  anerkenneuswerther  liilhrigkeit  und  grosser  Umsicht  für  das  Stu- 
dium der  christlichen  Archäologie  ein  sehr  reicliballiges  Materialc 
angesammelt  und  zu  manchen  Kunstsehöpfungen  unserer  Ta^c  eine 
glückliche  Anregung  gegeben.  Bei  dem  Beginne  des  neuen  .lahrgan- 
ges    hallen    wir   es   desshalb    auch    für  eine  Pflicht,    unsere   Leser 
auf  das  Erscheinen  des  „Orgaus   für  chrisfliclie   Kunst"  besonders 
aufmerksam  zu  machen.  Die  uns  vorliegende  erste  N'unnncr  des  neuen 
Jahrganges  beginnt  eine  Abhandlung,  betitelt:  „Architektonische  Or- 
namente in  Blei"  (mit  einer  artistischen  Beilage),  welche  einem  Vor- 
trage entnommen  ist,  den  der  cnglische.Arehifekt  William  l!ur"es 
in  dem  .\rchiteclural-Museum  in  London  über  diesen  Gegenstand  "c- 
halten  bat;  die  Fortsetzung  des  Aufsatzes:    „Aus  Spanien"  mit  der, 
Charakteristik  mehrerer  der  hervorragendsten  Künstler  aus  der  älte- 
ren spanischen  Malcrscbule,  ferner  cineCorrespondenz:  „Aus  London" 
über  die  neuesten  Leistungen  englischer  Architekten:  eine  weitere 
Besprechung  der  Frage  über  den  Tburudiau  des  Kölner  Domes  (mit 
einer  Kunstbcihige);  endlich    verschiedene  Notizen  und  literarische 
Anzeigen.    —    Unter   den   crstcren    beben   wir  insbesondere   einen 
Erlass  der  Erzdiöccsc  Köln  an  den  Pfarrclerus  und  dieKirehen- 
vorstände  hervor,  der  wegen  seiner  praktischen  Anweisungen  bezüg- 
lich der  kirchlichen  Bauwerke  älterer  Zeit  auch  über  die  (Jräuzen  der 
Diöeese  Beacbtunir  verdient,  und  welelieni  wir  die  folgende  bezeich- 
nende Stelle  entnehmen  : 


„Im  Falle  ein  altes Kirebcngebäude  einer  durchgreifenden  Restau- 
ration bedürftig  erscheint,  gehört  zu  den  ersten  Erfordernissen  die 
.\nl'ertigung  eines  vollständigen  Restaurations-Plaues  über  alle 
der  Herstellung  oder  Erneuerung  bedürftigen  Bauthcile.  Dieser  voll- 
ständige Kestaurations-Plan  ist  auch  in  dem  Falle  nothwcndig,  wenn 
vor  der  Hand  nur  die  Herstellung  einzelner  liautheile  bezweckt  wird, 
welche  im  Interesse  der  Erhaltung  der  baulichen  Conslruction  oder 
aus  anderen  wichtigen  Gründen  zunächst  gewünscht  und  ausgeführt 
werden  niuss.  Nur  dadurch  kann  nämlich  crniöglicht  werden,  dass  die 
Herstellung  eines  in  verschiedenen  Beziehungen  schadhaften  oder 
versliinuneltcn  monumentalen  Baues  in  Einem  Geiste  und  nach 
Einem  ri  chtigen  Systeme  bewirkt  wird.  In  einem  solchen  aus- 
führlichen Restaurations- Plane  sind  die  einzelnen  Restaurations- 
Theile  je  nach  ihrer  besonderen  Dringlichkeit  systematisch  zu  ordnen, 
so  dass  die  notbwendigsten  .arbeiten  zuerst,  und  nach  Massgabe  der 
vorhandenen  Mittel  und  des  bauliehen  Bedürfnisses  die  einzelnen 
Bantheilc  nach  und  nach  in  Angriff  genommen  und  nach  dem  entwor- 
fenen allgemeinen  Plane  einheitlich  hergestellt  werden  können." 

„Es  liegt   in  der  Natur   der  Sache,   dass   bei   Entwerfung  des 
Kestauralions-Planes  der  Styl  des  kirchlichen  (Gebäudes  massgebend 
und  zu  Grunde  gelegt  werden  muss.  Lediglich  nach  den  Gesetzen 
und  im  Geiste  dieses  Baustyles  der  reslaurationsbedürftigcn  Kirche 
muss  das  Fehlende  wieder  ersetzt,  das  Schadhafte  hergestellt,  das 
Entstellte  oder  Modernisirtc  wieder  umgeändert  und  verbessert  wer- 
den. Nur  dadurch  kann  der  historische  Charakter  eines  monu- 
mentalen Baues  gewahrt  und  erhalten  werden.  Die  Restauration  bat 
demnach  die  Aufgabe,   so  viel  immer  thunlich,  den  nrsprünglichen 
Zustand  des  Gebäudes  wieder  herzustellen  und  desshalb  zuerst  die- 
jenigen Zuthaten,  welche,  aus  einer  späteren  oder  der  neueren  Zeit 
herrührend,  dem  Charakter  und  Style  des  Baues  widersprechen,  so 
weit  es  die  bauliche  Conslruction  zulässt,  zu  entfernen.  Bei  der  Her- 
stellung derjenigen    Bautheilc,   welche  schadhaft,   verwittert  oder 
durch  spätere  Hand  entstellt  sind,   ist  nicht  nur  die  priudtive  Form 
streng  im  Auge  zu  behalten,  sondern  auch  mögliehst  das  gleiche  Bau- 
material wieder  anzuwenden.    Zu  verwerfen  sind  desshalb  bei   Her- 
stellung monumenlaler  Bauten  alle  Surrogate,  welche  die  Schäden 
nur  verkleistern  und  dem  Auge  nur  momentan  verbergen,  z.  B.  die 
.■\n\vcndung  von  Gyps  oder  Sluck  statt  des  Steines,  die  Überziehung 
mit  Mörtel  und  Farbe,  statt  der  Einfügung  neuer  oder  der  Abglättung 
verwitterter  oder  abgebröckellcr  Steine,  .\nstatl,  dass  man  beispiels- 
halber, wie  es  leider  häufig  geschehen  ist  und  noch  geschieht,  die 
fehlenden  oder  schadhaften  Capiläle   an   den  Säulen  durch  Stück- 
arbeit ersetzt,  sind  dieselben  in  dem  allen  Material  (Stein)  wieder 
herzustellen  und  einzufügen;  anstatt,  dass  man  ferner  die  aus  glatt 
bearbeiteten  Steinen  bestehenden,  durch    die  Zeil  ausgebröckcltcn 
und  verwitterten  Ausscmvände  und  Pfeiler  mit  einem,   wenn  auch 
noch  so  guten  Mörtel  überzieht  und  so  die  schadhaften  Stellin  nicht 
verbessert,  sondern  verdeckt,  sind  diese  Aussenwände  und  Pfeiler, 
wo  es  thunlich  ist,  wieder  zu  ninigen  und  in  ihrem  ursprünglichen 
Material  blosszulegen,  während  die  Fugen  verkittet  werden;  eben  so 
wenig  kann  und  darf  im  Innern  durch  Farhenzeicbiumg,  Leistenzichcn 
oderGypsarbeit  die  ornamentale  Architectur  ersetzt  werden,  sondern 
wo  gutes  Baumaterial    sieb  vorfindet   (selbst  von  Baeksleinen),    ist 
dasselbe  wieder  herzustellen.    Kurz:   echte  Besfauration  kennt  keine 
Überkleisterung  und  Tünche,  sondern  sucht  möglichst  die  durch  das 
Alter  oder  durch   Unkenntniss  entstandenen  Fehler  und  Mängel   in 
primitiver,  dem  historischen  Charakter  und  Style  des  Gebäudes  ent- 
sprechender  Weise  wieder  herzustellen.      Auch  bei  IJeslatirationen 
ist,    wie   bei  Neubauten,  vor  Allem  das  Reeble  und  Wahre   zu 
erstreben;    jede    Blendung    und  Augen -Täuschung  ist    der    Kunst 
unwürdig  und  fördert  den  Verfall  und  den  Ruin  des  Baues." 


Aus  der  k.  k.  Hof-  und  Staatsdruckerei  in  Wien. 


Jeilrn    Monat  erscheint  1  Meft  mit 
mindestens  3  Druckbog-eo  und  mit 

Abbildungen. 
Der  Prünuinerationsfjreis  ist  für 
i.'iueii  Jabr^'iing  oder  zwulf  Hefte 
nebst  Reg'ister  sowohl  für  Wien 
jlsdie  Kronländer  und  das  Ausland 
4  il.  C.  M.,  bei  portofreier 
7.usHndung  in  die  Kruulinder  der 
osteiT.  Monarchie  4  n.  'iUkr.  CM. 


MITTHEILUNGEN 


DER  K.  K.  CENTRAL- COMMSSION 


Pränunierationen  überneh- 
men halb-  oder  g'anzjührig 
alle  k.k.  Postämter  der  Monarchie, 
welche  auch  die  portofreie 
Zusendung  der  einxelnen  Hefte 
besorgen.  —  Im  Wege  des  Duch- 
handeU  sind  alle  Prauumerationea 
and  zwar  nur  zu  dem  Preise  tod 
4  fl.  an  den  k.  k.  Hofbucbbandler 
W.  EtraumÜIIer  iu  Wien  tu  richten. 


ZUR  IFOßSCIIlIfi  11  MIIALTll  DER  BAlDEllIALE. 

Ilerausgegekii  unter  der  leiluDg  des  k.  k.  Sections-Cliefs  und  Präses  der  k.  k.  Cenlral-Coniniission  Karl  Freiherrn  v.  Czoernig. 


Redacteur:    Rarl  Weiss. 


m  3. 


IL  Jahrgang. 


Ii7  1837. 


Inhalt :  Die  Kleinodien  des  h.  rüinisch-dciitsclien  Reiches.  —  Alte  Kunsfdenkmale  in  Bolzen  und  seiner  Umgebung.  —  Die  Kirche 
des  heil.  Michael  zu  Mioheisberg  in  Siebenbürgen.  —  Zur  Baugcschicbte  der  Kirche  Maria  am  Gestade  in  Wien.  . —  Panuitky 
arehaeologicke  a  mi'stopisne.  —  Notizen.  ■ — ■  Literarische  Anzeigen. 


Die  Kleinodien  des  heil,  römisch  deutschen  Reiches. 


Mit  der  Rückkehr  zu  den  gepriesenen  classischen 
Formen  der  Cäsarenzeit  in  Italien,  der  sogenannten  „Renais- 
sance des  heaux  arts"  begann  allmählich  auch  diesseits  der 
Berge  eine  Verflachung  der  grossartigen  christlichen  Ideen, 
welche  die  Kunst  des  Mittelalters  inspirirt  hatte;  die 
schöpferische  Kraft,  die  im  Vollhesitze  dos  von  den  Vätern 
ererbten  Giauhens  jene  mächtigen  Kathedral-Bauten  geschaf- 
fen hatte,  die  wir  heute  noch  mit  Hochgefühl  die  deut- 
schen nennen,  erlahmte  von  jetzt  ah  immer  mehr  und 
mehr. 

Nachdem  nun  seit  den  Tagen  der  Humanisten  die  Kunst 
aufgehört  hatte  an  der  Hand  und  im  Dienste  der  Kirche  ihre 
Schöpfungen  im  grossartigen  Maassstabe  auszuführen  und  sie 
anfing,  selbstständig  geworden,  nach  der  Gunst  der  Höfe  und 
der  reichen  Patricier  sich  umzusehen,  da  gingen  auch  in 
Deutschland  allgemach  die  historischen  Traditionen  der  alten 
volksthümlichen  Kunstweise  verloren  nud  der  Künstler 
gewöhnte  sich  daran,  der  wechselnden  Laune  des  Zeit- 
geschmacks und  der  Mode  dienstbar  zu  werden.  Hatte  die 
Kirche  die  Kunst  stets  in  ihrer  Ganzheit  aufgefasst  und  einen 
harmonischen  Verband  zwischen  den  einzelnen  Kunstzweigen 
unter  Oberleitung  der  Architectur  zu  vermitteln  gewusst, 
so  fuhr  jetzt  der  Geist  der  Zwietracht  inid  des  Dünkels  in 
die  Künste,  die  sich  früher  Brüder  nannten  und  zur  Er- 
reichung des  einen  höchsten  Zweckes  einträchtig  sich  die 
Hand  boten.  Der  alten  Amme  und  Erzieherin,  der  Archi- 
tectur, an  deren  Hand  die  übi'igen  Kunstzweige  gross- 
gezogen worden  waren ,  wurde  der  Gehorsam  gekündigt 
und  das  Publicum  begnügte  sich  damit  seit  den  Tagen 
Raphaefs  und  Rubens  die  zu  Ansehen  und  Würden  empor- 
gestiegene Malerei  als  den  höchsten  Inbegrilf  der  Kunst 
zu  betrachten. 

II. 


Die  Verirrungen  der  Kunst  in  den  letzten  Jahrhunder- 
ten, in  welchen  die  Ölmalerei  beinahe  ausschliessend  den 
Thron  behauptet  hat,  liegen  heut  offen  zu  Tage  und  hat  man 
sich  allen  Ernstes  in  den  letzten  Zeiten,  wo  die  Industrie 
als  Todfeindin  alles  künstlerischen  Schaffens  aufgetreten  ist, 
gefragt,  ob  man  denn  Ijei  dem  heutigen  selbstgefälligen, 
kleinlichen  Schaffen  der  einzelnen  Zweigkünste  nicht  wieder 
zu  einer  grossartigen  Monumentalkunst  zurückkehren 
könne?  ^ 

Bei  Beantwortung  dieser  in  jüngster  Zeit  vielfach  ange- 
regten Frage  ist  man  denn  namentlich  auf  dem  Gebiete  der 
kirchlichen  Kunst,  wo  der  Abgang  ernsterer  historischer 
Kunstformen  fühlbar  empfunden  wurde,  zu  der  Überzeugung 
gelangt,  dass  man  vor  allem  nu't  der  Regeneriruiig  der  Bau- 
kunst zuerst  beginnen  müsse  und  dass  zunächst  auf  kirchlichem 
Boden  eine  Rückkehr  zu  den  Grundgesetzen  der  mittelalter- 
lichen Bauformen  nothwendig  sei. 

Die  Leistungen  eines  Pugin  und  Scott  in  England, 
eines  Viel  let-lc-Duc  uiul  Lassus  in  Frankreich  und 
der  am  Cöllner  Dome  enstandenen  rheinisch  eii  Bau- 
schule sind  lautsprccliende  Belege  dafür,  dass  man  heute 
ernstlich  bemüht  ist,  in  den  Geist  der  alten  Bauwerke  tiefer 
einzudringen,  ohne  desshalb  in  eine  geistlose  Imitation  der- 
selben zu  verfallen. 

Bei  diesem  Bestreben,  die  Gesetze  der  mittelalterlichen 
Baukunst  auf  praktischen  Boden  zu  übersetzen,  ist  man 
jedoch  nicht  stellen  geblieben,  sondern  man  ist,  in  folgerich- 
tiger Consequenz  bemüht,  auch  die  einzelnen  Zweige  der 
christlichen  Kunst  neu  zu  belebon  und  ihnen  einen  solche 
Stellung  anzuweisen .  dass  sie  den  fliorus  der  zusammen- 
wirkeiulen  Künste  harnumisch  vervollständigen.  Nachden  man 
nämlich  mit  der  Regenerii'ung  der  .Vrchitectur  als  l\Ieislerin 


der  übrigen  Künste  bcgoniioii  Iial,  ist  man  mit  Nothwendig- 
keit  ilaraiif  geführt  worden .  auch  in  der  Behandlung  von 
Sculpturen  und  Malereien,  so  « ie  in  der  stylgeniiissen  Coni- 
position  von  künstlerischen  Kirchen-L'tensilien  nach  den 
stetigen  Gesetzen  der  Litin-gie  die  Prineipien  der  mittel- 
alterlichen Kunst  zur  Geltung  zu  bringen.  So  hat  man 
in  Frankreich,  England  und  am  Rheine  in  neuester  Zeit  nicht 
nur  begonnen  die  Kirchen  nach  solchen  Grundsiitzen  bau- 
lich einzurichten,  sondern  man  hat  auch  das  Sliulium  des 
Kirchenmobilars,  der  Gewäinler  und  die  formelle  Kinrich- 
tung  derselben  in  Cbereinstimnumg  mit  der  Architectur  sich 
zur  Aufgabe  gestellt  ')• 

Um  nun  eine  gründliche  Kenntniss  und  eine  allseitige 
Übersicht  zu  gewinnen  von  den  alten  kunsthistorischen  For- 
men der  kirchlichen  (jefässe  und  Utensilien,  wie  sie.  aus  dem 
Mittelalter  stammend,  in  reichster  Abwechslung  und  in  den 
edelsten  Verhältnissen  lieute  noch  vielfach  angetrotlen  wer- 
den, hat  man  zur  Bildung  des  Geschmacks  begonnen 
nicht  nur  für  den  schatTendenComponisten,  sondern  auch  für 
den  ausübenden  Techniker  in  vielen  Diöcesen  Deutschlands 
und  Frankreichs  Sanmdungen  von  alten  Originalien  an  Sculp- 
turen, Goldschmiedewcrken,  Emails,  Gravuren  und  Ciselirun- 
gen,  dessgleichen  auch  Gypsabgüsse  von  schönen  mustergil- 
tigen  Geräthschaften  anzulegen;  man  forscht  ferner  angele- 
gentlichst nach  dem  Schlüssel  jener  reichhaltigen  symbolisch- 
figurativen  Darstellungen,  wie  sie  in  Sculpturen,  Minia- 
turen und  Wandmalereien  so  sinnig  zu  finden  sind,  nach  den 
Werkstätten,  woraus  jene  Meisterwerke  der  verschiedensten 
Kunstzweige  hervorgingen,  nach  jenen  modilicirenden  Ein- 
flüssen, wodurch  sie  sich  je  nach  Provinzen  formell  unter- 
schieden, nach  der  künstlerisch-technischen  Ausführung, 
wodurch  sich  die  Kunstwerke  des  Mittelalters  heute  noch  so 
vortlieilhaft  auszeichnen. 

Will  man  nach  diesem  anregenden  Vorgange  der 
Nachbarländer  auch  in  Österreich,  wo  in  jüngster  Zeit  ein 
überaus  erfreuliches  reges  Streben  nach  Erkenntniss  der 
inhaltsreichen  Formen  der  eigenen  schöneren  Vorzeit  erwacht 
ist,  nicht  einseitig  stehen  l)leiben ,  oder  nur  zur  Hälfte 
die  Lösung  der  gestellten  Aufgabe  herbeiführen,  so  darf 
man  auch  hier  nicht  abgesondert  als  alleiniges  Ziel  die 
Erforschung  der  alten  Baumonumente  sieh  zin*  Aufgabe 
stellen ,  sondern  man  muss  gleichmässig  dahin  trachten, 
alle  übrigen  der  Architectur  beigeordneten  Kunstzweige, 
die  ehemals  zu  einem  reichen,  schönen  Biülheukrauze 
verwebt  waren,  in  den  Kreis  wissenschaftlicher  Unter- 
suchmig  zu  ziehen.  Auf  diese  Weise  wird  man  allmählich 
zu   einem   wohlgeordneten    Inventarium   gelangen  von  den 


»)  Selbst  auch  auf  dem  Gebiete  <ler  Musik  ist  man  ,  aUerdiiigs  nach  harten 
Kümpfen,  zur  Überzeugung  gelangt,  ihiss  der  Inhalt  unserer  heuligen 
musikalischen  Conccplionen  vieir.ich  inhaltslos  und  tündelnd  gewcirden 
ist,  und  es  sind  inshesonders  Freunde  einer  ernsteren  Kirchenmusik 
bemüht,  den  ausgearteten,  an  muderncn  Kinfliissen  leidenden  Kirchen- 
gesang zu  seiner  alten  Würde  und  zu  seiner  Erhabenheit  hinsichtlich 
der  Form  und  des  Vortrages  wieder  zurückzuführen. 


Kunstschätzen  der  österreichischen  Kronländer,  und  man 
wird  auch  bei  der  heutigen  praktischen  Neuschafl'ung  ange- 
henden strcbsanieii  Künstlern  nicht  mir  die  rechten  Vor- 
bilder und  Anhaltsjninkte  bieten,  sondern  man  wird  ihnen 
auch  in  technischer  Beziehung  Muster  vor  Augen  führen 
können ,  die  geeignet  sind  vermöge  der  heute  viel  entwickel- 
teren Mechanik,  der  überhandnehmenden  geist-  und  kunst- 
lödtendeu  Fabrikarbeit  entgegen  zu  treten. 

Von  diesem  hohem  Gesichtspunkte  ausgehend,  halten 
wir  es  auch  gerechtfertigt  und  im  Einklänge  mit  der  Auf- 
gabe, deren  Lösung  uns  gestellt  ist,  nicht  ausschliesslich 
den  Baumonumeiiten  Österreichs,  sondern  auch  allen  übrigen 
Kunstzweigen,  welche  doch,  wie  jeder  Sachverstandige 
wissen  wini,  in  einem  inneren  geistigen  Zusammenhange 
mit  den  Formen  der  Architectur  stehen,  unsere  .Aufmerk- 
samkeit zuwenden.  Wir  glauben  damit  zugleich  den  viel- 
fach ausgesprochenen  Wünschen  competenter  Slimmen  nach- 
zukommen und  den  Gesichtskreis  der  Kimstanschauungen 
und  Forschungen  nicht  wenig  zu  erweitern. 

Indem  wir  daher  unsere  Aufmerksamkeit  auch  den  mit 
der  Architectur  verbuiulenen  Zweigkünslen  des  Mittelalters 
von  jetzt  ab  zuwenden,  wollen  wir  heute  schon  damit  begin- 
nen, auf  ein  Unternehmen  hinzuweisen,  dass  sich  unter  uns 
vorbereitet  hat  und  worüber  wir  durch  den  ausgegebenen 
Prospectus  und  durch  persönliche  Beziehungen  zu  dem 
Veranstalter  in    Kenntniss  gelangt  sind. 

Was  nämlich  der- — leider  kürzlich  verstorbene  gelehrte 
Abbe  Martin  in  Frankreich  für  das  Versländniss  der  alten 
kirchlichen  Kunstformen,  namentlich  auf  dem  Gebiete  der 
Paramentik  geleistet,  das  strebt  in  neuster  Zeit  in  Deutsch- 
land ein  Werk  an,  das  unter  dem  Titt'l:  „Geschichte  der 
liturgischen  Gewänder  des  Mittelalters"  von  Franz  Bock, 
Conservator  des  erzbiscliiitlichen  Jluseums  in  Cöln  (Verlag 
von  Henry  und  Cohen  in  Bonn,  ISS 6),  herausgegeben  wird 
und  auch  in  diesen  Blättern  bereits  eingehend  gew  ürdigt 
wurde.  Man  kann  mit  Zuversicht  erwarten,  dass  dieses  Werk 
einen  erheblichen  Einlluss  nehmen  wird  auf  eine  allmähliche 
würdigere  Umgestaltung  der  heute  so  sehr  entstellten,  modern 
zugeschnittenen  liturgischen  Gewänder,  und  dass  dadurch  der 
Weg  angebahnt  werde,  dieselben  mit  Hücksicht  auf  StolT, 
Gewebe,  Farbe,  Zeichnung  und  Schnitt  zu  ihrer  früheren 
Zweckmässigkeit,  Bedeutung  und  Würde  zurückzuführen. 

In  einem  der  Abschnitte  dieses  Werkes  sollen  nun 
auch  bei  Behandlung  des  bischöllichen  Pontilicaloriiates  im 
Mittelalter,  die  altehrwürdigen  ,  i)erülimten  Krönungs- 
insignien der  deutschen  Kaiser  eine  ausführliche  Beschrei- 
bung linden,  da,  wie  bekannt,  die  deutschen  Kaiser  am 
Tage  ihrer  feierlichen  Krönung  bischöfliche  Gewänder 
anzulegen  die  Auszeichnung  genossen.  Zu  diesem  Zwecke 
hat  der  Verfasser  • —  der  bereits  durch  längere  Zeit  in 
Europa  die  liturgischen  (iewäuder  des  Mittelalters,  durch 
Mittel  des  Fürsten  llohenzullern -Sigmaringen  unterstützt, 
zum  Gegenstand   wissenschaftlicher  Forschungen   gemaelit 


—  55  — 


hat  —  früliec  die  einschlagenden  kaiserlichen  Gewander  in 
Rom,  Aachen,  Bamberg  und  Metz  genauer  besichtigt  und 
sodann  die  Reise  nach  Wien  unternommen,  um  hier  die  noch 
keiner  kritischen  Würdigung  unterzogenen  Kroninsignien  in 
derkaiserlichenBurgzu  Wien,  welche  daselbst  seit  dem  Tage 
ihrer  Übertragung  von  Nürnberg  aufbewahrt  werden,  einer 
genauen  Besichtigung  zu  unterziehen.  Durch  die  anerken- 
nenswerthe  Liberalität  des  k.  k.  Oberstkämmereramtes  wurde 
demselben  zugleich  gestattet,  eine  stylgerechte  Copirung 
sämmtlicher  Kleinodien  vornehmen  zu  dürfen. 

Es  stellte  sich  jedoch  bei  dem  eben  gedachten  Archäo- 
logen bald  die  Überzeugung  fest,  dass  die  hohe  geschichtliche 
Würde,  der  gediegene  Kunstwerth  des  Gegenstandes,  dann 
aber  auch  der  beschränkte  Raum,  welcher  den  kaiserlichen 
Pontificalien  in  seiner  „Geschichte  der  liturgischen  Gewänder 
des  Mittelalters"  zugemessen  ist,  die  Herausgabe  eines  grös- 
seren selbstständigen  Werkes  verlange,  worin  die  historisch- 
artistiche  und  die  liturgische  Seite  der  altdeutschen  Kri'mungs- 
Insignien  ausführlich  behandelt  und  in  grösseren  bildlichen 
Darstellungen  veranschaulicht  werden.  Er  beschloss'daher,  die- 
selben unter  dem  Titel:  „Die  Kleinodien  des  heiligen 
römisch-deutschen  Reiches"  in  prachtvoller  Aus- 
stattung und  in  mustergiltigen  stylgetreuen  Abbildungen, 
angefertigt  durch  geübte  Künstler,  herauszugeben,  um  so 
mehr,  als  dieser  interessante  Gegenstand  auf  dem  Gebiete 
der  gesammten  Kunstliteratur  noch  keine  archäologisch- 
kritische  Würdigung  —  wie  diess  der  heutige  Standpunkt 
dieser  Wissenschaft  erfordert  —  gefunden  hat. 

Wir  haben  daher  —  und  hütfentlich  in  Österreich  — 
ein  Werk  zu  erwarten,  das  sowohl  durch  die  Wahl  des 
Stoffes  als  den  anerkannten  Beruf  des  Herausgebers  zu  den 
bedeutendsti  n  gerechnet  werden  dürfte,  worauf  wir  in  letz- 
terer Zeit  hinzuweisen  in  der  Lage  waren. 

Durch  die  Güte  des  Verfassers  sind  wir  in  die  Lage 
gesetzt,  von  dem  reichen  und  werthvollenMateriale  desselben 
theilweise  in  diesen  Blättern  Gebrauch  zu  machen. 

Wir  werden  daher  eine  Reihe  von  geschichtlichen  An- 
deutungen über  Entstehimg  und  Herkommen  und  eine  kurze 
Charakteristik  sämmtlicher  Reichskleinodien  mit  Bezug  auf 
ihre  formelle  artistische  Reschaffenheit  und  liturgische  Bedeu- 
tung in  den  nachfolgenden  Blättern  veröllenllichen,  welche 
aber,  wie  gesagt,  den  Forschungen  und  Quellenstudien  des 


Herrn  F.  Bock  vollständig  angehören. 


Die  Redactioii. 


I. 


Der  Text  des  ganzen  Werkes,  dem  man  von  vielen  Seiten 
mit  grösster  Spannung  entgegensieht,  wird  in  vier  Abthei- 
lungen erscheinen.  Der  erste  behandelt  das  Historische,  der 
zweite  das    liturgisch -Rituelle ,    der  dritte    das    artistisch- 


Materielle  des  Gegenstandes  und  der  vierte  Theil  wird  als 
Parallele  zu  dem  Krönungsornate  deutscher  Kaiser  die  übri- 
gen lieute  noch  vorflndlichen  königlichen  Insignien  des 
Mittelalters  beschreiben  und  deren  archäologischen  Werth 
in  Betracht  ziehen. 

Namentlich  dürfte  sich  der  erste  Abschnitt  zu  einem 
reichen  historischen  Bilde  gestalten,  das  im  Stande  ist  die 
erhabensten  Erinnerungen  an  die  grosse  Kaiserzeit  wachzu- 
rufen, denn  das  Materiale  ist  bei  den  alten  Autoren  im 
grossen  Umfange  und  theilweise  noch  ungehoben  und  unver- 
arbeitet zu  finden.  Nachfolgende  kurze  Andenliiiigen  des 
Verfassers  dürften  die  interessantesten  Anhaltspunkte  aus 
diesem  Abschnitte  bezeichnen. 

Von  welcher  Art  die  Reichskleinodien  bei  Stiftun" 
der  Weltmonarchie  durch  Karl  den  Grossen  gewesen  sein 
mögen  ,  darüber  Hessen  sich  zwar  viele  Behauptungen  auf- 
stellen; ihre  Begründung  aber  dürfte  durch  gleichzeitige 
Autoren  schwer  zu  ermitteln  sein.  .Auch  ist  es  eine  noch 
nicht  beantwortete  Frage,  ob  denn  überhaupt  bei  derschnell 
improvisirten  Krönung  Karl's  des  Grossen,  wie  Einige  wollen 
durch  Papst  Leo  HI.,  ein  eigentlicher  Krönungsornat  zur 
Anwendung  gekommen  ist.  So  viel  steht  wenigstens  fest,  dass 
von  den  heutigen  Krönungs-Insignien  nur  sehr  wenige  den 
Stempel  der  für  solche  Kunstsehöpfungen  ungünstigen  Zeit 
Karl's  des  Grossen  an  sich  tragen.  Von  einem  feststehenden 
Krönungsornate  kann  erst  von  jenen  Tagen  an  gesprochen 
werden,  als  mit  Heinrich  dem  Vogler  das  gewaltige  sächsi- 
sche Kaisergeschlecht  den  deutschen  Thron  zu  zieren  bet^ann. 
Diese  Annahme  ist  um  so  berechtigter,  als  nicht  zu  denken 
ist,  dass  die  glanzvolle  Regierung  der  Ottonen,  nachdem  mit 
Theophania,  der  Gemahlin  Otto  R.,  der  äussere  Luxus  und 
Schimmer  der  byzantinischen  Kaiser  theilweise  auch  auf  den 
deutschen  Kaiserstuhl  übergegangen  war,  solcher  kostbaren 
Reichs-Insignien  entbehren  konnte.  Mit  Erölfnung  der  Gruft 
des  gewaltigen  Kaisers,  dessen  Grabesstätte  später  Friedrich 
Barbarossa  mit  der  prachtvollen  heute  noch  erhaltenen  Poly- 
candela  schmückte,  kamen  jedenfalls ,  wie  diess  später  nach- 
gewiesen werden  wird,  einige  Reichskleinodien,  welche  sich 
in  der  Gruft  des  Stifters  der  Weltmonarchie  befanden,  zu 
den  heute  vorhandenen  Krönungs-Insignien.  Schenkungen,  die 
einzelne  Kaiser,  wie  diess  erwiesen  ist,  nnt  verschiedenen 
Theilen  der  Pontificalien  an  berühmte  Kirchen  machten, 
mehr  aber  noch  längere  Reisen,  ungeahnte  feindliche 
Überfälle,  ferner  auch  Brände  und  wohl  am  meisten  die 
innere  Zerrissenheit  und  wechselseitigen  Kämpfe  der  Ge"-en- 
kaiser  in  jener  traurigen  Zeit,  die  dem  Interregnum  voraus- 
gingen, waren  Ursache,  dass  bereits  unter  Kaiser  Fried- 
rich II.  oder  Koiirad  IV.  zum  Ersätze  der  Kleinodien,  die 
bei  Vittoria  nachweisbar  verloren  gingen,  und  zu  Braun- 
schweig, als  Wilhelm  von  Holland  daselbst  sein  Beilager 
hielt,  durch  Feuer  eingeäschert  wurden,  aus  dem  Schatze 
seiner  Ahnen  auf  Schloss  Trifels  dasjenige  für  den  feier- 
lichen Gebrauch  auswählte,  was  daselbst  von  den  reichen. 


—  56 


dort  wolilverwalirteii Kleinodien  der  siciliaiiisclien  Könige  um 
würdigsten  und  geeignetsten  erschien  '). 

Älteren  Urkunden  zufolge  scheinen  die  Gegenkönige 
W'illicini  von  Holland  und  Ri<'hard  von  Cornwallis  niemals 
in  Besitz  der  wahren  lleichskleinodieii  gelangt  zu  sein.  Denn 
als  durch  die  Wahl  des  ritterlichen  Rudolph  vonllabshurg  der 
babylonischen  Verwirrung  in  Deutschland  ein  Ende  gemacht 
war.  wurden  ihm  zur  Krönung  auf  seinem  Zuge  nach  Aachen 
in  Mainz,  nach  Anderen  in  lioiipard,  jene  kostbaren  Reiehs- 
kleinodien  feierlichst  überreicht,  die  sich  bis  auf  unsere  Zeit 
in  die  Kaiserbiirg  nacli  Wien  gerettet  haben.  Die  meisten 
derselben  macheu  sich  durch  ihre  kulischen  Inschriften  und 
die  arabischen  Currentschriftcn  (neschi),  nicht  weniger  durch 
ihre  Ornamentionen  und  die  technische  Ausführung  derselben 
als  jene  erkennbar,  die.  wie  bereits  angedeutet  wm-de,  aus 
dem  Schatze  der  sicilianischen  Könige  zu  Palermo  —  dem 
damaligen  Sitze  der  Stickerei,  Weberei  und  Goldschmiede- 
kunst —  gekommen  sind. 

]\lit  I{udolph  von  liabsburg  gelangten  dann  die  Reicbs- 
Insignien,  welche  früher  in  llammerstein  und  spater  inTrifels 
aufbewahrt  waren,  nach  Kyburg,  dem  festen  Schlosse  der 
Habsburger.  Audi  die  Schicksale  der  Rcichskleiiiodien  unter 
den  Nachfolgern  l{udolph's  von  Habsburg  sind  nicht  minder 
interessant  wie  die  Geschichte  des  Herkommens  und  der 
Entstehung  derselben.  Durch  Karl  IV.,  dem  Böhmen  wohl 
mehr  als  Deutschland  zu  verdanken  hat,  kamen  die  Reichs- 
kleinodien ,  nachdem  sie  ihm  erst  durch  Übereinkunft  mit 
Ludwig  von  Brandenburg  waren  ausg-ehändigt  worden,  auf 
die  Kronfeste  Karlstein  in  Böhmen ,  wo  mit  vielen  wcrth- 
vollen  Reliquien  und  anderen  Kostbarkeiten  auch  die  Kron- 
Insignien  des  Landes  „Böheim"  aufbewahrt  wurden.  Jedoch 
schien  es  später  rathsam,  sie  heindich,  der  wilden  hussiti- 
schen  Streitigkeiten  wegen .  nach  Ofen  in  feste  Gewahrsam 
zu  bringen.  Da  man  jedoch  allgemein  im  Reiche  murrte, 
dass  die  Kronschätze  nicht  einmal  im  eigenen  Lande  ein 
sicheres  Unterkommen  finden  könnten,  so  erinnerte  sich 
Sigismund  an  das  Versprechen ,  das  Karl  IV.  gegeben  und 
nicht  gehalten  hatte,  und  liess  heimlicli  von  der  Reichsstadt 
Nürnberg  zwei  Ehrenmänner  des  Ratbes  nach  Ofen  zu  sich 
entbieten ,  denen  er  daselbst  die  Kleinodien  und  Relicjuien 
des  h.  röm.  Reiches  aushändigte  ,  damit  sie  von  jetzt  an 
beständig  in  Nürnberg  sollten  aufbewalirt  bleiben.  Nach  vielen 
Mühen  und  Gefabren  langten  sie  endlich  imerkaimt  auf  einem 
ärmlichen  Fischerwagen  dort  an ,  und  wurden  am  2 1 .  März 
1424    in    feierlicher    Procession    von    der    Geistlichkeit, 


')  Wie  bekannt,  knm  Heinrich  VI.  nach  dem  Tode  seines  Gegners  Tankreil 
in  den  unbcslriltencn  Besitz  jener  Kostb.irkeiten  der  normannischen 
Könige  —  der  Nachfolger  des  Hobcrt  Guiskar  —  durch  Erbschaft,  die 
namentlich,  was  FeicrkleiderbclrilTt,  im  Hotel  de  tirazzo  durch  den  Kunst- 
Heiss  der  Mauren  angefertigt  waren,  wie  diess  weitläufig  bei  Otto  von 
Freisingen  zu  ersehen  ist.  Noch  sei  bemerkt,  dass  der  haushiilterische 
Heinrich  ungesäumt  Sorge  trug,  dass  sein  reiches  kostbares  Erbe  über 
die  Berge  geschafft  und  auf  dem  festen  Schlosse  Trifels  durch  seinen 
treuen  Dienstmann  von  Tann  sorgfältig  verwahrt  wurde. 


dein  Ratlie  und  den  Bürgern  der  freien  Roichstadt  Nürnberg 
in  ihren  Mauern  feierlichst  eingeführt.  Dort  blieben  sie  in 
guter  Verwaliriing  in  der  heil.  Geistcipelle  von  den  Tagen 
des  Kaisers  Sigismund  bis  zur  Auflösung  des  deutschen 
Reiches. 

Als  bereits  die  deutsche  Kaiserwürde  erloschen,  waren 
noch  immer  nicht  die  Schicksale  der  deutschen  Kaiser- 
Iiisignien  zum  .-\bschluss  gekommen.  Denn,  wie  es  heisst, 
hatte  der  französische  Gewalthaber  zur  Zeit  als  das  h.  römi- 
sche Reich  aus  den  Fugen  ging,  ein  lüsternes  .\uge  auf  die 
Kron-Insignien  der  alten  Kaiser  in  Nürnberg  gerichtet.  Kaum 
wurde  jedoch  der  damalige  Reichsconimissarius  in  Regens- 
burg, Freiherr  von  Hügel,  davon  in  Kenntniss  gesetzt,  so 
trat  er  mit  einem  Theile  des  Rathes  der  Stadt  Nürnberg  ins 
Einvernehmen  und  brachte  nicht  ohne  persönliche  Gefahr 
die  kostbaren  Überreste  einer  grossen  Vergangenheit  heim- 
lich nach  Regensburg.  Von  dort  gelangten  sie,  nachdem  die 
Zeiten  friedlicher  geworden  waren,  nach  Wien,  wo  sie  Frei- 
herr von  Hügel  —  dessen  Name  schon  allein  dieser  That 
wegen  in  der  Geschichte  Österreichs  mit  Ehren  verdient 
hervorgehoben  zu  werden  • —  dem  letzten  der  römischen 
Kaiser  aus  dem  Hause  Habsburg  -  Lothringen  übergab,  bei 
welchem  die  deutsche  Kaiserwürde  durch  Jahrhunderte  fast 
erblich  gewesen  war  und  daher  mit  Recht  unter  seinen 
Schutz  gestellt  werden  konnten,  zumal  Nürnberg  durch 
seinen  Übertritt  zur  neuen  Lehre  des  Ehrenrechtes  schon 
lange  sich  entäussert  halte  ,  die  Hüterin  der  Kleinodien 
und  jener  ehrwürdigen  Reichsreliquien  zu  sein  >). 

In  der  zweiten  Abtheilung,  dem  liturgisch-rituellen 
Theile  der  Krönungsgewänder,  den  wir  hier  nur  flüchtig 
berühren ,  w  ird  Nachriclit  gegeben  werden ,  woher  der 
Gebrauch  entstand,  dass  christliche  Kaiser  und  Könige  bei 
der  Krönung  mit  bischönichen  Gewändern  bekleidet  wurden; 
welche  liturgisch -symbolische  Bedeutung  jedes  einzelne 
Ornatstück  besitzt;  wie  die  deutschen  Kaiser  vor  derKrönung 
durch  Anlegung  der  „dalmatica  imperialis"  Canoniker  von 
St.  Peter  wurden,  wie  sie  ferner  in  der  tunicclla  imperialis  bei 
der  feierlitdien  Kröiiiingsmesse  im  Münster  zu  .\achen  die 
Epistel  lasen,  und  alsdann  mit  dem  bezeichneten  Gewände  als 
Mitglieder  des  kaiserlichen  Krönungsstiftes  daselbst  instal- 
lirt  wurden,  endlich  welche  Feierlichkeiten  bei  der  Krönung 
deutscher  Kaiser  nach  dem  „Caeremoniale  imperatorum" 
stattfanden. 

Zwei  Reichsslädte  —  nämlich  Xürnberg  und  .Aaclien  — 
hatten,  wie  schon  erwähnt,  das  Recht,  di(>  Kron-Insignien 
aufzubewahren.  Bei  jedesmaliger  Krönung  sandten  dann  diese 
Städte  eigens  erwählte  Krongesandten  ab ,  um  sie  dem 
neugewählten  Kaiser  einige  Tage  vor  seiner  Krönung  in 
feierlichem  Aufzuge  zu  überreichen. 


*)  Nach  den  Bullen  mehrerer  Päpste  wurde  Nürnberg  nusdriicklich  unter 
dem  Vorbehalte  die  Ehrenwache  der  Keichskleinodien  und  Beichsreli- 
«piieii  übergeben,  dass  es  dem  angestammten  katholischen  Glauben  seiner 
Väter  treu  bliebe. 


57  — 


Nach  vollzogener  feierlicher  Salbung  durch  den  Con- 
secrator  begab  sich  nämlich  der  Kaiser  in  die  Sacristei 
(vestiarium),  wo  ihm  die  bischöflichen  Gewiinder  in  nach- 
folgender Ordnung  unter  Assistenz  der  Krondeputation  und 
der  kaiserlichen  Bedienung  angelegt  wurden. 

Zuerst  wurden  die  Füsse  mit  Tibialien  bekleidet,  einer 
Art  von  Strümpfen  ,  wie  sie  aus  gewebtem  Seiden-  und 
GoUlstoffe  als  Pontifical-Tibialien  angefertigt  zu  werden 
pflegten  vor  der  Einführung  der  Strumpfwirkereien,  welche 
erst  anfingen  unter  Franz  I.  von  Frankreich  allgemein  in 
Aufnahme  zu  kommen. 

Alsdann  legte  man  Ihm  die  Sandalen  (calceamenta)  an, 
die  in  ihrer  Form  und  ihrem  Schnitte  noch  deutlich  an  die 
römische  Fussbekleidung  erinnern. 

Hierauf  wurde  die  kaiserliche  Majestät  mit  der  Tunica 
talarisangethan,  welche  desshalb  gewöhnlich  „Talar"  bezeich- 
net wird,  weil  das  Gewand  bis  zum  Knöchel  (talaris)  herab- 
reicht, ein  Kleidungsstück,  welches  mit  jenem  Gewände  das 
noch  heut  zu  Tage  der  Priester  bei  der  Feier  der  h.  Messe  in 
Formeines  Leibrockes  als  Untergewand  trägt,  Ähnlichkeit  hat. 

Über  der  tunica  talaris  legte  dann  das  zu  krönende 
Reichsoberhaupt  eine  reich  verzierte  camisia  oder  alba  an. 


welche  mit  der  heutigen  alba  des  pontificirenden  Bischofs 
übereinstimmt. 

Diese  faltenreiche,  weit  herunterreichende  Alba  wurde 
vermittelst  eines  güldenen  Gürtels  mit  silbernen  Spangen  so 
weit  aufgeschürzt,  dass  der  untere  reichgestickte  Goldsaum 
(praetexta)  des  Talars  noch  zum  Vorschein  kam.  Über  diese 
alba,  aus  weissem  schweren  Seidentaft'et  mit  reichen  Gold- 
stickereien am  unteren  Saume  und  an  den  .\rmen  verbriimt 
und  oramentirt  mit  zierlichen  arabischen  Inschriften  und 
Arabesken,  wurde  dann  dem  zu  krönenden  Kaiser  feierlich 
die  stola  imperialis  um  den  Hals  gelegt,  die  vermittelst  eines 
reich  verzierten  Gürtels  (cingulum)  kreuzweise  über  die 
Brust  zusammengeheftet  und  gefaltet  wurde. 

Nachdem  diess  geschehen  ,  traten  dann  die  ältesten 
Krondeputirten  Nürnbergs  an  die  kaiserliche  ^hijestät  heran, 
bedeckten  die  Schultern  derselben  mit  dem  kostbaren  Pluviale 
(pallium  imperiale).  In  diesem  feierlichen  Ornat  trat  nun  der 
zu  krönende  Kaiser  vor  den  Consecrator,  der  bei  den  Worten: 
„Accingeregladio  super  femur,  potentissime"  zum  eigentlichen 
Acte  der  Krönung  schritt  und  der  kaiserlichen  Majestät,  von  den 
anderen  geistlichen  Kurfürsten  unterstützt,  unter  feierlichen 
Caeremonien  die  Krone  des  heil,  römischen  Reiches  aufsetzte. 


Alte  EuQstdenkmale  in  Botzen  und  seiner  Umgebung. 

Von  Alois  Messmer,  Correspondenten  der  k.  k.  Central -Commission  in  Brixen. 


I. 


In  der  Gegend  von  Botzen  traf  Drusus  im  J.  1 4.  v.  Ch. 
mit  den  rhätischen  Gebirgsvölkern  zusammen  und  überwand 
sie  in  einer  grossen  Schlacht.  Zwei  Römerstrassen  liefen  von 
hier  aus  und  sicherten  die  Verbindung  mit  Deutschland; 
die  eine  über  Sublavio  (Sehen)  nach  Viptienum 
(Sterzing),  andererseits  nach  Aguntum  (Inichen);  die 
andere  über  Majae  (Mais)  durch  das  Thal  der  Venosten 
(Vinschgau).  Es  wäre  zu  verwundern,  wenn  die  Römer  an 
diesem  Kreuzpunkte  sich  nicht  angesiedelt  und  denselben 
befestigt  hätten;  auch  ist  bei  allen  unsern  älteren  Geschichts- 
forschern darüber  kein  Zweifel.  Eine  andere  Frage  ist  es 
freilich,  ob  die  Gegend  auch  heute  noch  Reste  von  Römer- 
bauten enthält,  worauf  wir  später  zurückkommen  wollen.  — 

Erst  geraume  Zeit  nach  den  Stürmen  der  Völkerwan- 
derung (um  680)  erscheint  Botzen  als  bedeutender  Ort  und 
als  Zankapfel  zwischen  bojoarischcn  Grenzgrafen  und  longo- 
bardischen  Herzogen,  ein  Streit,  der  sich  fast  durch  ein 
Jahrhundort  fortspann ,  bis  er  zu  Gunsten  der  Bojoaren  sich 
entschied,  unter  deren  Oberhoheit  die  Grafen  von  Eppan 
als  comites  Bauzanenses  standen.  Doch  nun  begann  der 
Streit  zwischen  diesen  und  den  Bischöfen  von  Trient, 
welche  1078  die  Eppaner  wirklich  aus  Botzen  drängten. 
Die  Bischöfe  erhielten  aber  gefährliche  Nachbarn  an  den 
Grafen  von  Tirol;  der  gewaltthätige  Meinhard  II.  warf 
1377  die  Stadtmauern  nieder  und  unterwai-f  die  Stadt  seiner 


Oberhoheit.  Unter  seinem  Sohne  Heinrich,  König  von 
Böhmen ,  kehrte  sie  nochmal  unter  trientinische  Herrschaft 
zurück,  bis  es  endlich  unter  Sigmund  1462  dauernd  an  die 
österreichisch-tirolischcn  Landesfürsten  kam.  IMan  kann  aus 
diesen  wenigen  Andeutungen  ersehen,  wie  in  Botzen  sich 
durch  das  ganze  Mittelalter  die  wälschen  und  deutschen 
Elemente  kreuzten  und  das  wälsche  übermächtig  zu  werden 
drohte. 

Der  Dominicanerbruder  Felix  Faber,  der  auf  seiner 
Reise  ins  heilige  Land  1483  durch  Botzen  kam,  erzählt  aus 
dem  Munde  seiner  daselbst  wohnenden  Mitbrüder,  die  Stadt 
sei  vor  wenigen  Jahren  wälsch  und  die  Umgangssprache  die 
wälsche  gewesen  und  erst  neuerdings  hätten  die  Deutschen 
überhand  genommen  und  der  Stadt  ihren  deutschen  Cha- 
rakter gesichert  ')•  Nur  der  deutschen  Zähigkeit  und  der 
endlichen  bleibenden  Verbindung  mit  einem  deutschen 
Fürstenhause  ist  es  zuzusehreiben,  dass  Botzen  statt  die  erste 
wälsche,  die  letzte  deutsche  Stadt  auf  dieser  Hauptstrasse 
nach  Italien  geblieben  ist.  Solchergestalt  darf  man  sich 
nicht  verwundern,  wenn  auch  an  den  noch  übrigen  Kunst- 
denkmalen, besonders  aus  dem  früheren  Mittelalter,  einige 
wälsche  Elemente  zum  Vorschein  k(unmen;  im  Ganzen  hat 
jedoch  zu  Botzen  auch  die  Kunst,  wie  Sprache  und  Volksart, 


*)    S.  Fratris  Fclicis  Fabri  Evagatorium.  Ein  Bruchstück  seiner  Reise  durch 
Tirol  betreffend  sieht  im  Phönix,  18äl,  27. 


58 


ihre  eiitschioileii  doutsche  Pliysiügnomie  bewahrt.  Von 
diesen  Kmistileukmalcn  wollen  wir  nun  in  dem  Nachfolgenden 
eine  Skizze  zu  geben  versuchen. 

Es  sind  noch  einige  lleste  aus  uralter  Zeit  übrig, 
niimlich  drei  Tliiirme  von  einer  fremdartigen  üauarf,  wovon 
einer,  der  sogenannte  gescheibte  (d.ii.  wohl  runde)  Thurni 
nordwestlich  von  der  Stadt,  einsam  auf  einem  Hügel  steht, 
ein  zweiter  mit  dem  Schlosse  Maretsch  in  Verbindung  ist 
und  ein  dritter  den  Glockenthurm  im  gegenwärtigen  Kloster 
Gries  bildet.  Die  älteren  Geschichtsforscher  haben  sie  einstim- 
mig (diiie  Bedenken  als Romerhanlen  bezeichnet:  erst  in  neue- 
ster Zeit  ist  diess  von  einigen  Seiten  bezweifelt  worden.  Für 
jene  Ansicht  spricht  die  Wahrscheinlichkeit  und  die  Tradi- 
tion, die  römischen  Münzen  und  andere  Denkmale,  die  in 
der  Gegend  gefunden  wurden.  Der  Franciscaner  Ferdinand 
Trojer,  der  lt)4S  eine  Chronik  von  Botzen  verfasste  und 
sich  vielfach  auf  .Aufzeichnungen  und  Documente  bezieht, 
die  heute  nicht  mehr  zugänglich  sind,  beschreibt  mit  aller 
Genauigkeit  ein  ganzes  rijmisches  Lager,  praesidium  Tiberii, 
mit  fünf  Thoren ,  welches  das  heutige  Gries  sammt  dem 
gescheibtenThurme  in  sich  begritfen  hätte')-  Thatsache  ist, 
dass  man  überall  in  der  Gegend  auf  uraltes  Mauerwerk  stösst 
uml  dass  tiefe  Gewölbe  unter  dem  I5oden  auf  eine  weit- 
iäullgc  Verbindung  hindeuten.  Ein  mehr  sicherer  Beweis 
jedoch  als  diese  glaubwürdige  Tradition  kann  nicht  gegeben 
werden  und  ich  muss  es  bei  dieser  Wahrscheinlichkeit 
bewenden  lassen,  um  mit  einigen  Worten  das  Eigenlhüm- 
liche  dieser  Bauwerke  selbst  zu  schildern. 

Der  gescheibte  Tliurm  erhebt  sich  nun  auf  einem  Hügel 
von  Schult  und  altem  Ahiuerwerk.  Im  .Mittelalter  .•stand  ein 
Schloss  dabei,  das  Tmjer  „Rundenthurm"  nennt  und  das 
von  Meinhard  II.  gebrochen  wurde.  Jenes  ist  aber  wohl 
nicht  der  alte  Name;  dieser  steckt  vielmehr  in  der  Benen- 
nung eines  neueren  Herrscliaftshauses  .Trujenstein"  am 
Fusse  des  Hügels;  Trojenstein  ist  aber  eine  zu  Ehren  des 
Geschlechtes  Trojer,  das  10(54  das  I.ieheii  erhielt,  vorge- 
nommene L'mlautung  des  alten  „Drusenstein."  Da  nun 
„Stein-  in  der  alten  Volkssprache  überall  so  viel  bedeutet 
als  Thurm  oder  Schlo.ss,  so  dürfte  das  als  Beleg  gelten, 
dass  wir  hier  die  turris  Drusi  zu  suchen  haben.  Der  Thurm 
hat  einen  Umfang  von  mehr  als  30  ScliriUcn  und  steigt  (dme 
Verjüngung  zu  einer  hedrulnidru  lliilic  cmpur.  Im'  hat  eine 
einzige  fensterartige  iXfimng  ungefähr  auf  dem  Drittel  der 
Höhe  vom  Boden  auf,  nach  Süden  schauend,  mit  gehauenem 
Sandstein  rundbogig  eingefasst,  ;)  —  (>  Scliuh  hoch  ,  etwa 
2Sciiuli  breit.  Das  Mauerwerk  ist  aus  diu  i'iir|iliyrkMgi'ln  vom 
Bette  des  nahen  Talferbacbi's.  die  in  genauen  borizonlaleu 
Schichten  auf  einander  liegi'u.  so  dass  man  sie  von  unten  bis 
oben   ohne  Mühe   zählen  kann,   aufgeführt  und  kräftig   mit 


Mörtel  verbunden  ').  Die  Dicke  des  Mauerwerks  ist  ungefähr 
6 — 7  Schuh  und  der  Thurm  ist  gegenwärtig  nur  mehr  eine 
hohle  Rühre,  aber  i)lfnungen  in  der  Mauer  auf  verschiedener 
Höhe  bezeugen,  dass  sich  ehemals  Gerüste  oder  Bodenlagen 
darin  befunden  haben  müssen.  Ob  das  Mauerwerk  römisch 
ist,  lässtsich  ohne  ein  Parallelstück  aus  dieser  Gegend  weder 
direct  behaupten  noch  läugneii ;  die  Vergleichung  mit  anderen 
Bauten,  wo  das  Material  ein  ganz  anderes  war,  scheint  mir 
nicht  statthaft.  Nur  das  muss  man  behaupten,  dass  die 
Technik  eine  andere  und  viel  geübtere  ist,  als  an  Schlossern 
und  Tliiirmen  der  rmgegcnd,  die  ins  XII.  Jahrhundert  imd 
noch  weiter  hinaufreichen ;  ferner  dass  der  i'uude  Thurm 
ein  Prachtstück  von  Mass  und  Vollendung  ist,  das  seine 
ernste  Wirkung,  die  man  fast  ästhetisch  nennen  könnte, 
freilich  erst  in  einem  grösseren  Ganzen  von  eiilsprechendcn 
Gebäuden  ausüben  könnte.  Was  seine  Bestimmung  war, 
lässt  sich  schwer  sageu;  am  wahrscheinlichsten  ist  es  eine 
Warte  gewesen,  die,  seihst  rückenfrei,  den  weiten  Kreis  der 
Etschebene  beherrscht.  —  Das  alte  Schloss  am  Thurm  hatte 
auch  seine  Capelle  und  war  hier  ein  Beneficium  zu  Ehren 
des  heil.  Achatius  gestiftet,  welches  nach  Zerstörung  des 
Schlosses  in  die  Pfarrkirche  übertragen  wurde  und  dort 
einen  eigenen  Altar  erhielt.  Sie  hiess  die  Oswaldcapclle  und 
wurde  nach  Trojer  1 323  wieder  eingeweiht.  Sie  steht  noch 
und  ^^urde  vom  Volk  zu  Ehren  der  heil.  Kumme  muss 
umgetauft.  Man  sieht  noch  die  halbrunde  .\psis  aus  dem 
frühesten  Bau,  das  Schilf  wurde  im  rohen  Spitzbogen  über- 
wölbt. Darin  befinden  sieh  zwei  Abbildungen  der  heil. 
Kummernuss,  der  gekrönten,  härtigen  Fürstentochter 
am  Kreuz,  von  dem  sie  einen  ihrer  goldnen  Schuhe  dem  zu 
ihren  Füssen  knieenden  Spielmann  fallen  lässt  *).  Der  Thurm 
in  Älaretsch  ist  viereckig,  von  ähnlicher  Bauweise,  wie 
der  gescheibte  Thurm,  doch,  wie  mir  scheint,  nicht  mit 
derselben  technischen  Virtuosität  ausgeführt.  .4ber  noch 
mächtiger  ist  der  Glockenthurm  in  Gries,  gleichfalls  im 
Viereck  über  gr(issarligen  Kellergewölben  erbaut;  man 
erstaunt,  wenn  man  die  Schichten  der  Porphyrkugcln,  vier- 
fach hinter  einander,  in  festen  Linien  auf  einander  ruhen 
sieht,  dass  kenne  Kraft  im  Stande  scheint,  die  Fugen  zu 
brechen.  In  frühester  Zeit  stand  hier  die  Burg  Praday 
oder  Pradein,  tue  erst  im  XIN.  ■lahrhimdert  durch  die 
Bischöfe  von  Trient  ihre  Furchtbarkeit  \('rlor  und  später 
unter  dem  Namen  ad  Porlam  clausam  an  die  .\ugustiner- 
Chorherren  übergeben  wurde,  wie  in  der  Felge  zu  bemerken 
Gelegenheit  sein  wird.  Der  Name  Pradein  kann  aus  dem 
oben  erwähnten  praesidium  Tiherii  entstanden  sein;  und  das 
ist  auch  die  Tradition  und  ^li'inuug  älterer  Berichterstatter. 
Einen  directen  Beweis  für  die  Identität  gibt  es  nicht. 


*)  Das  Originftl-Manoscript  der  Chronik  liegt  meines  Wissens  im  Ferdi- 
n.in(leiiin  zu  Inn.sliruck.  iMir  »Innd  eine  nnch  dem  Originale  oorrigirte 
Atischrift  bei  den  P.  P.  Franciscanera  in  Butzen  zu  (iehote. 


')  Diese  Constrnction  würde  für  rümischon  l,'rspriing  sprechen.  llieThürme 
in  Italien  eben  solchen  Ursprungs,  /..  B.  in  Verona,  hahcn  genau  dieselbe 
techiiischeAusführung:  Bnchsteine  auf  ihren  Kanten  aufgestellt,  in  regel- 
mässigen Schichten  mit  festem  Mörtel  verlninden  D.  Red. 

2)  Über  die  h.  Kummernuss  im  Juli-Ilefle  der  „Mittheilungen*  (I,  18!>6). 


—  S9  — 


Aus  dem  ersten  Jahrtausend  christlicher  Zeitrechnung 
hat  sich  in  der  Gegend  vonBotzen  kein  kirchliches  Denkmal 
erhalten,  was  an  dieser  unridiigen  Yölkerstrasse  nach  Italien 
wohl  nicht  zu  verwundern  ist.  Am  noi'dlichen  Gehirge  sieht 
man  einige  Kirchlein,  für  die  man  keinen  anderen  Tauf- 
schein hat,  als  dass  das  Volk  sie  uralt  nennt.  Da  sie  aber  an 
sich  nicht  bedeutend  sind  und  in  der  Bauart  sich  nicht 
wesentlich  von  ein  paar  spater  zu  nennenden  aus  dem 
XII — XIV.  Jahrhundert  unterscheiden,  so  werden  sie  wohl 
auch  schwerlich  iilter  sein  und  können  übergangen  werden. 
Von  Kirchen  im  alten  Umfange  der  Stadt ,  der  bedeutend 
kleiner  war  als  der  jetzige,  kann  überhaupt  vor  1224  nicht 
die  Rede  sein;  denn  in  diesem  Jahre  wurde  die  Stadt  durch 
Feuer  zerstört  —  combustus  est  burgus  Bozanensis  cum 
1500  hominibus — -wie  Trojev  aus  einem  alten  Kirchenbuelie 
entnahm  und  andre  Chroniken  bestätigen ,  welche  jedoch  in 
der  Zahl  der  Verunglückten  ditferiren.  Hingegen  werden 
wir  durch  eine  sichere  Nachricht  vom  Jahre  1180  über  die 
Einweihung  mehrerer  Kirchleins  in  der  Nähe  der  Stadt 
belehrt,  die  noch  theilweise  erhalten  sind  ')•  Eine  davon  ist 
die  s.  g.  alte  Pfarre,  damals  auser  dem  Burgfrieden,  eine 
unansehnliche  Capelle  neben  der  jetzigen  Pfarrkirche.  Aus 
alter  Zeit  hat  sich  darin  nur  die  halbrunde  Apsis  und  vielleicht 
auch  die  flache  Decke  das  Vorderraums  erhalten.  Das  Dorf 
Ren t seh  ward  bereits  im  XIII.  Jahrhundert  durch  einen 
Bergbruch  verschüttet  und  die  im  Jahre  1180  geweihten 
Kirchen  des  heil.  Paulus  und  des  heil.  Laurentius 
wurden  in  neuerer  Zeit  der  Art  verbaut,  dass  das  untere 
Stück  des  Thurms  in  der  letzteren  das  einzige  Überbleibsel 
aus  dem  ersten  Bau  sein  dürfte.  Hingegen  sind  die  Kirchen 
S.  Johann  im  Dorf  (in Villa)  in  S.  Martin  in  Cam- 
pill noch  so  gut  erhalten,  dass  man  sich  eine  deutliche 
Vorstellung  von  der  damaligen  Art  zu  bauen  machen  kann. 
Das  Hauptstück  von  der  Kirche  S.  Johann  bildet  ein  massen- 
hafter Vierecksthurm,  ohne  Gliederung,  aus  Bruchsteinen  auf- 
gemauert, die  in  minder  genauen  horizontalen  Schichten  auf 
einander  liegen,  als  bei  den  vorhin  genannten Thürmen.  Unter 
dem  Dache  befinden  sich  an  allen  4  Seiten  zwei  Fenster- 
öffnungen über  einaiuler;  die  untere  ist  durch  eine  roma- 
nische Säule  in  zwei  Rundbogen  getheilt;  die  obere  durch 
je  zwei  romanische  Säulen  in  drei  Bogen,  die  bereits  spitz 
zulaufen  • —  offenbar  eine  spätere  Erhöhung.  Darauf  ruht 
ein  vierseitig  gemauertes  etwas  stumpfes  Spitzdach.  Der 
untere  Theil  des  Thurmes  ist  von  der  Apsis  durchbrochen, 
deren  Halbrundung  auf  der  Ostseite  aus  der  Thurmmauer 
hervortritt.  Westlich  ist  dem  Thurme  ein  Rechteck  vorffe- 


1)  BoneUi:  Moniimenta  eccl.  Trid.  Vol.  U,  pars  alt.  p.  331:  nd  an.  1180: 
die  S  Maji  Saloinoii  episcopus  Tridentius  consecrat  antiquam  ccclcsiani 
parochialem  S.Nicolai  Bulsani;?.  Maji  consecrat  ecclesiam  s.  J  o  a  n  n  i  s 
in  Villa  prope  Bulsanu  m;  17.  Sept.  consecrat  eccicsiain  S.  Pa  u  I  i  in 
Rentsch;  eodein  anno  coiis.  ecclesiam  S.  Laurentii  iuRentsch: 
ecclesiam  ad  S.  Martin  um  in  Campill,  amhasjuxta  Uiilsanum.  — Tro- 
jcr  und  die  iilirigen  Chronisten  halicn  dieselbe  Angabe  mit  unbedeutenden 
Abweichungen  im  Datum. 


legt,  das  im  ersten  Bau  ohne  Zweifel  flach  gedeckt  war, 
wie  die  Kirche  der  gleichzeitigen  alten  Pfarre,  später  aber 
ein  Gewölbe  von  einfacher,  etwas  flacher  Spitzbogenform 
ohne  Rifipen  erhielt,  .\lles  Detail  ist  roh  und  verräth,  mit 
Ausnahme  einer  Säule  im  untern  Thurmfenster,  wenig  kün.st- 
lerische  Sorgfalt;  aber  die  Anlage  und  Construction  des 
Ganzen  ist  tüchtig  und  für  kleinere  Kircheiibauten  ungemein 
zweckmässig.  Sie  ist  daher  für  eine  Menge  kleiner  Kirchleins 
der  Umgebung  völlig  typisch  geworden,  die  mit  ihren 
gemauerten  Thurmdächern  ehrwürdig  von  den  Hügeln 
herabsehauen.  Ausser  dem  südlichen  Tirol  findet  man  kaum 
eine  Spur  dieser  Bauform,  man  möchte  sie  eher  für  einen 
Ausläufer  von  Italien  halten.  Um  den  Bericht  nicht  zu  sehr 
zu  zerstreuen,  will  ich  hier  gleich  der  Frescomalcreien 
gedenken,  die  sich  in  der  Johanneskirche  erhalten  haben. 
Sie  sind  leider  restaurirt  worden,  so  dass  man  ausser  der 
Anordnung,  Compusition  und  Zeichnung  von  ihrer  ursprüng- 
lichen Gestalt  wenig  mehr  entnehmen  kann.  Das  Gewölbe 
ist  blau  mit  goldenen  Sternen.  In  der  Mitte  ist  ein  kolossaler 
Salvator  im  ovalen  Regeiibogennimbus  dargestellt,  umgeben 
von  den  evangelischen  Zeichen  und  anbetenden  Engeln.  .\ii 
beiden  Seitenwänden  sind  je  vier  grössere  Bilder,  links 
(vom  Altar  her)  aus  dem  Leben  Johannes  des  Täufers,  rechts 
aus  der  Legende  Johannes  des  Evangelisten.  Die  Com- 
position  ist  trefflich,  von  einem  feierlichen  Ernste  durch- 
drungen, echt  kirchlich;  die  Zeichnung  lebendig  und  charak- 
teristisch, nichts  von  der  Kleinlichkeit  späteren  Fältelwerks 
daran  zu  bemerken;  den  Hintergrund  bilden  phantastische 
Gebäude.  Ihr  Charakter  ist  deutsch ,  der  Zeit  nach  möchte 
ich  sie  in  die  zweite  Hälfte  des  XV.  Jahrhunderts  versetzen. 
Das  Kirchlein  S.  Martin  in  Campill  hat  ganz  die- 
selbe Bauart;  das  Mauerwerk  des  Thurmes  ist  eben  so  alter- 
thümlich,  das  Doppelfenster  unter  dem  Dach  zeigt  bereits 
einen  stumpfen  Spitzbogen.  Die  halhriindc  Apsis  unter  dem 
Thurme  ist  vom  ersten  Bau  noch  erhalten,  das  Schilf  aber 
bekam  später  ein  rippenloses  spitzbogiges  Gewölbe.  Von 
aussen  an  der  Mauer  steht  die  Jahrschrift:  Anno  1303  in 
Vigilia  AssumtionisMariae  ecclcsia  consecrata  est,  1728reno- 
vata.  Es  ist  kein  Grund  diese  Angabe  zu  bezweifeln,  und  es 
rührt  das  Spitzgewölbe  ohne  Zweifel  von  1303  her.  Auch 
in  dieser  Kirche  haben  sich  höchst  merkwürdige  Fresken 
erhalten,  aber  die  Restauration  scheint  namentlich  mit  Jen 
Ornamenten  willkürlich  umgegangen  zu  sein;  dennoch 
gewähren  sie  noch  einen  überaus  Avohlthuenden  Eindruck. 
Den  Mittelpunkt  des  Gewölbes  nimmt  auch  hier  der  Salvator 
iinHcgenhogoniiinibus  auf  geinustortein  Goldgrunde  ein;  er  ist 
nach  der  Apokalypse  abgebildet,  Haupthaar  und  Bart  „weiss 
wie  Wolle".  Beiderseits  sind  anbetende  Engel.  Von  dem  .Nimbus 
aus  geht  ein  Kreuzhand  reicher  Ornamente,  das  sich  auch 
unten  um  den  Rand  das  Gewölbes  herumzieht  und  i\Iedail- 
lons  mit  Bildern  von  Propheten  und  Aposteln  enthält,  \m 
denen  einige  sehr  schön  sind.  Am  Triiiinphbogen  vor  der 
Apsis  ist  die  Verkündigung,  und  an  den  Seitenwänden  in  je 


—  GO 


4Biltlern  ilic  Leidensgeschichte  dargestellt  in  nachstehender 
Folge:  Einzug  in  Jerusalem,  Abendmahl,  ülberg,  Gefangen- 
nahme, Krönung,  Kreuzweg.  Kreuzigung  uiulKreuzalinahine. 
Die  Composition  ist  meisterhaft;  Zeichnung  und  Ausführung 
wenif'er  gelungen,  obwohl  alles  einen  tiefen,  milden  Geist 
athmet  und  voll  dramatischen  Lebendigkeit  ist.  Am  Falten- 
werk, das  bereits  etwas  knitterig  gehalten  ist,  sowie  aus 
dem  mehr  naturalistischen  Streben  merkt  man  bereits  den 
Einfluss  der  niederdeutschen  Malerschule.  Ich  halte  diese 
Bilder  für  etwas  jünger,  als  die  in  der  S.  Johanneskirehe, 
aber  noch  dem  XV.  Jahrhundert  angchörig.  ^■ielleicht  liesse 
sich  ein  noch  genauerer  Zusammenhang  mit  niederdeutscher 
Kunst  nachweisen;  mir  scheinen  sie  eine  mehr  als  zufällige 
Ähnlichkeit  mit  der  Lyversbergischen  Passion  zu  haben, 
was  besonders  im  Bilde  der  Gefangennahme  aulVallt.  Ich  will 
diess  bloss  andeuten,  um  competente  Forscher  darauf  auf- 
merksam zu  machen  »)• 

Wir  kommen  nun  zu  der  sehr  interessanten  Baugruppe 
des  Francis  can  er  kl  osters.  Die  zu  betrachtenden 
Bauwerke  haben  folgende  Situation:  die  Südseite  nimmt  die 
Kirche  ein,  von  Westen  nach  Osten  gerichtet,  daran 
schliesst  sich  nördlich,  längs  dem  Schiffe  der  ejuadratische 
Kreuzo-ang  an;  an  der  Ostseite  des  Kreuzganges,  dem  Chor 
der  Kirche  parallel,  befinden  sich  drei  Capellen,  zunächst 
der  Kirche  die  S.  Jodoks-  nun  Mariacapelle  .  in  der  Mitte 
dieAllerheiligencapelle,  nun  Sacristei,  nördlich  die  J(dianiics- 
capelle.  Im  Innern  des  Klosters  befindet  sich  imch  die 
Erhardscapelle;  andere  sind  verbaut  worden.  Die  Geschichte 
der  Franciscaner  in  Botzen  und  ihres  Klosters  ist  noch  nicht 
hinlänglich  aufgeklärt  und  man  muss  sich  in  Bezug  auf  die 
Baugeschichte  mit  einzelnen  zerstreuten  Angaben  begnügen. 
Nach  Beda  Weber  (die  Stadt  Botzen  u.  s.  w.  S.  208) 
sollen  sie  bereits  1242  hier  eine  Kirche  besessen  haben. 
Die  alte  Sage  will,  dass  das  jetzige  Kloster  ehemals  ein  Haus 
der  Tempelherren  gewesen  sei;  Trojer  hat  auch  noch  einer 
anderen  Sage  erwähnt,  als  wäre  an  der  Stelle  eine  Ansiedelung 
der  Kartliäuser  gewesen,  deren  in  einem  Testamente  von 
127;i  Erwähnung  geschieht.  Dem  sei  wie  ihm  wolle,  gewiss 
ist,  dass  ihre  erste  Niederla.ssung  1291  ein  Raub  derFlanunen 
wurde,  welche  die  ganze  Wangergasse  und  alle  undiegendeu 
Gebäude  zerstörten  und  das  berühmte  Geschlecht  der  Herrn 
von  Wangen  ruinirten,  in  deren  Besitzthum  nun  dU:  Herrn 
Vintler  einrückten.  Ob  dem  verheerenden  Elemente  gar 
nichts  entgangen  ist,  darüber  fehlen  die  Daten;  bezüglich  des 
Kreuzganges  habe  ich  gegründete  Zweifel,  die  ich  später 
vortragen  werde.  Nun  wurde  der  Neubau  rüstig  angegriffen 
und  fidite  mehr  als  ein  halbes  Jahrhundert  aus.  Des  Kreuz- 
ganges  geschieht  nirgends  Erwähnung,  so  dass  dieser  gross- 


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>)  Man  kilnnle  die  ProliP  fiiieh  in  Miincheii  macliPn.  Dort  in  ilor  Pinakolck 
befindet  sich  eine  Gcfangenn.nhme  Cliristi ,  die  Fürstei-  (deutsche  Kiiiisl- 
geschichte  II.  Theil)  einem  unbekannten  Niederländer  zuschreibt  und 
bedeutend  früher  als  die  Ljversbergcr-Passion  ansetzt.  Sie  gehört  aber 
dem  Meister  der  Passion  an,  wie  jeder  Vergleich  darlhut. 


artige  Bau  bereits  bestanden  zu  haben  scheint.  Von  der 
Allerheiligencapelle  sagt  Trojer:  Nikolaus  Vintler  habe  sie 
1292  erbaut  und  das  Geschlecht  der  Vintler  sie  l;]i;i  dotirt. 
Die  S.  Jodokscapelle  wurde  13;!7  von  Benedict  Xll.  mit 
Indulgenzen  ausgestattet;  und  liiidet  sich  noch  heute  ein 
Heilweiger'sches  Grabdenkmal  von  1349  darin.  Die  Capclle 
S.  Johann  „im  Kreiizgang"  erhielt  1386  Indulgenzen;  die 
Erhardscapelle  wurde  zwar  erst  1480  in  ähnlicher  Weise 
begnadet,  allein  sie  darf  ihres  Baustyls  wegen  auch  schwer- 
lich über  das  XIV.  Jahrhundert  herabgerückt  werden.  — 
Als  vorzügliche  Wohlthäler  des  Kirchenbaues  werden  die 
Grafen  von  Greifenstein  genannt,  deren  vier  von  1319  bis 
1380  hier  begraben  wurden.  Die  Einweihung  des  Haupt- 
altars und  Chors  geschah  laut  dem  Weihinstrument,  auf 
dass  sich  Trojer  beruft,  1348.  Die  S.  Annacapelle,  die  im 
Schiffe  gegen  das  Portal  zu  liegt,  haben  die  Vintler  1373 
und  1390  gestiftet.  Am  alten  Portal  befand  sich  unter  andern 
das  Wappen  der  Grafen  von  Greifenstein ,  die  am  Ende 
des  XIV.  Jahrhunderts  ausstarben.  Der  Thurm  ist  gleich- 
zeitig von  den  edlen  Botschen  erbaut  worden  und  so  kann 
man  sagen,  dass  der  grössere  Theil  des  Baues  um  die  Mitte 
des  XIV.  Jahrhunderts  stand  und  der  ganze  Bau  vor  1400 
fertig  war. 

Der  älteste  Theil  ist  offenbar  der  Kreuzgangg  (Fig.  1). 
Derselbe  bildet,  wie  gesagt,  ein  regelmässiges  Quadrat,  von 


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(Fi?-  1-) 

Aussen  durch  die  Kirche  und  die  Klostergebäude  einge- 
schlossen, während  die  Bogcnstcllungen  nach  Innen  in  ein 
zierliches  Gärtchen  gehen.  Diese  wollen  wir  zunächst  ins  Auge 
fassen.  Jede  Seite,  ungefähr  GO  Schuh  lang,  besteht  aus  vier 
Abtheilungenvon  einfach  gemauerten  viereckigen  Pfeilern  be- 
gränzt  und  spitzbogig  überwölbt  (Fig.  2).  Der  obere  Theil  des 
Bogens  ist  mit  Mauerwerk  ausgefüllt :  der  untere  ölTnel  sich 
in  je  vier  Kleeblatlbogen,  die  von  drei  schlanken  Säulchen 
getra"-en  werden.  Nur  an  der  Südseite  ist  die  Zahl  der  Säulchen 
4,  die  derBogen  S  (s.  Fig.  1).  Die  Säulchen  stehen  auf  einem 


—  61   — 

viereckigen  Sockel,  dem  die  Ecken  etwas  abgenommen  sind,  eigentlichen  Spitzbogen  Platz  macht')-  Ich  erinnere  unbe- 
was  ohne  Zweifel  eine  Art  Vermittlung  mit  der  darauf-  denklich  an  deutsche  Analogien,  weil  in  der  Lombardie  und 
stehenden  attischen  Basis  andeuten  soll, der  das  gewöhnliehe      in  Venedig,  von  woher  man  allenfalls   an  italienische  Ein- 


(Fig.  2.) 

Mittelglied,  das  Eckblatt  abgeht.  Das  Capital  ist  ein  schmuck-  fliisse  denken  könnte,  meines   Wissens  diese  Formen   in 

loserKelch.  Wenn  ich  die  darauf  ruhenden  Bogen  Kleeblatt-  solcher  Ausbildung  gar  nicht   vorkommen.    Man   wird   also 

bogen   nannte,   so   ist   das  nur  annulierend  richtig;   es   ist  auch  unsern  Kreiizgang  ungefähr  in  jene  Zeit  versetzen,  oder 

eigentlich  die  arabische  Bogenform,  die  aus  drei  Dreiviertel-  auch  angenommen,  dass  die  Übergangszeit  in  den  meisten 

kreisen  zusammengesetzt  ist.  Der  Rahmen  dieser  Bogen  ist  nun  österreichischen  Ländern  etwas  später  anzusetzen  sei 

sehrschönprofilirt.  Den  oberen  Rand  bildet  ein  kräftigerHund-  jedenfalls  nicht  sehr  viel  weiter  herabrücken  dürfen.   Dies 

Stab,  der  den  Bogen  vom  äusseren  Mauerwerk  abschneidet;  gilt  jeduch  nur  von  dem  inneren  Umfange;  die  ursnrinifHiche 

daneben  eine  tiefe  Hohlkehle;    ein  zweiter,  tiefer  einwärts  Bedeckung  kann  sehr  wohl  durch  den  Brand  1291  zerstört 

liegender  Rundstab  bildet  den  unteren  Rand.  Diese  Profili-  und  die  jetzige  gewandte  Einwölbung  erst  in  der  Folge  vor- 

rung  ist  auch  längs  der  Pfeiler  senkrecht  herabgeführt,  so  genommen  worden  sein. 

dass  die  Bogen  nach  allen  Seiten  organisch  geschlossen  Das  nächste,  was  sich  uns  nun  darbietet,  sind  die  drei 
sind ;  alles  Masswerk  daran  ist  scharf  und  kräftig,  das  Mate-  Capelleu,  die  östlich  an  den  Kreuzgang  stossen,  da  die  vierte 
rial  weisslicher  Sandstein.  Die  Überwölbung  des  freien  die  Erhardscapelle  nichts  besonderes  bietet.  Die  älteste 
Umgangs  ist  spitzbogig.  Die  Dienste,  aus  Ziegeln  gemauert,  die  Allerheiligencapelle  von  1292,  zeigt  noch  etwas  schwere 
springen  von  einem  achteckigen  Tragstein  vorn  an  jedem  Formen,  einen  gedrückten  Spitzbogen  und  breite  Rippen, 
Pfeiler  aus  und  senken  sich  in  einen  ähnlichen  an  der  gegen-  sonst  aber  keine  Reminiscenzen  an  einen  früheren  Styl.  Sehr 
überliegenden,  übrigens  nackten  Wand  herab.  Das  Ge-  elegant  ist  die  Mariencapelle  (um  1340);  sie  besteht  aus 
wölbe  zeigt  drei  verschiedene  Muster,  worunter  manche  drei  Gewölbjochen  und  ist  geradlinig  geschlossen.  Die 
seltsame,  rautenförmige  Verschränkung;  dennoch  macht  es  Rippen  springen  aus  Tragsteinen,  die  ziemlich  tief  an  den 
den  Eindruck  grosser  Einfachheit  neben  einer  spielenden  Seitenwänden  sitzen,  schlank  empor  und  bilden  Kreuzge- 
Leichtigkeit.  Überhaupt  ist  die  künstlerische  Wirkung  des  wölbe;  sie  sind  fein  prodlirt.  Auf  den  altdeutschen  Altar, 
ganzen  Bauwerkes  eben  so  ernst,  als  elegant  und  es  muss  der  nun  diese  Capelle  schmückt,  kommen  wir  später  zurück, 
als  eines  der  kostbarsten  Überbleibsel  alter  Architectur  in  Die  S.  Johannscapelle,  gleichfalls  aus  dem  XIV.  Jahrhundert, 
unserem  Kronlande  angesehen  werden.  Aber  aus  welcher  zeigt  am  meisten  architektonische  Gliederung,  doch  ist  nur 
Zeit  mag  es  herrühren?  Da  uns  bestimmte  Angaben  fehlen,  mehr  der  kleine  Chor  (wenn  man  es  so  heissen  darf)  im 
so  müssen  wir  uns  nach  analogen  Erscheinungen  auf  dem  alten  Zustande.  Er  ist  durch  einen  massiven  Bogen  von  dem 
Gebiete  der  Architectur  umsehen.  Nun  gibt  aber  Kallen-  Vorderraum  geschieden  und  dreiseitig  geschlossen;  Wand- 
bach in  seiner  „Chronologie  der  deutsch-mittelalterlichen  säulchen  tragen  die  Dienste.  Hier  hat  sich  noch  etwas  vom 
Baukunst"  mehrere  Erscheinungen,  die  an  diesem  Werke  Masswerk  der  Fenster  und  eine  Spur  alter  Glasgemälde 
vorkommen,  als  entschiedene  Merkmale  der  Übergangszeit  erhallen.  An  all  diesen  Capelleu  liegt  noch  das  alle^Mauer- 
1200—1220  an,  so  die  Formen  aus  mehreren  Kreislhcilen  werk  zu  Tage,  nicht  allzu  genau  gelegte  Schichleii  von  Por- 


unter einem  gemeinschaftlichen  Bogen,  besonders  die  ara- 
bische Bogenform,  die  Basis  ohne  Eckblatt  u.  s.  w.  Ganz 
ähnliche  Bogenforinen  erscheinen  am  Chor  der  Kirche  zu 
Gelnhausen  1210 — 20;  an  der  Fa^ade  des  Domes  zu 
Halberstadt  um  121ö;  um  dieselbe  Zeit  am  Unterbau  der 
Thürme  der  Katharinenkirche  zu  Braunschw  eig,  wo  die  Klee- 
blattbogen bereits  spitzbogig  überwölbt  sind ,  während  ein 
Jahrzehend daraufdiesc  Form allmählig  verschwindet  und  dem 


phyrgestein  durch  Mörtel  verbunden.  Nur  die  stark  vor- 
tretenden Pfeiler,  die  Halimen  und  das  Masswerk  der  Fen- 
ster sind  Hauslein.  Es  mag  noch  bemerkt  werden,  dass  die 
Schlusssteine  der  Gewölbripjien  in  diesen   Capellen  gerne 


')  Vgl.  aus  dorn  aiigef.  Werke  Taf.  XIX— XXV,  licsondeis  XXU,  XXIH, 
«flehe  ilie  Kirclie  von  Gelahauscn  enlliaHen.  —  Ein  I!eis|iii.l  aus  Ösler- 
riMi-h  giht   der  Ki-euzgang  des  Klusteis  Ueiligenkreuz  aus  dersellieii  Zeil. 


9 


62    — 


plastische  Vorslelliiiigon  tragen ,  irgeiul  ein  heiliges  Haupt, 
ein  Mysterium,  ein  religiöses  Symbol  oder  \v  enigsteiis  eine 
Blume. 

Gehen  vir  nun  zur  IJetraelitung  des  Äussern  der 
Kirche  und  zunächst  des  Chores  als  des  ältesten  Theiis 
liher.  Ein  Sockel  von  uiige  rühr  drei  Fuss  Höhe  gibt  den 
L'nterhauaii.  Den  Schliiss  bililen  drei  Seiten  eines  Achteckes. 
Starke  Pleiler  aus  Haustein,  in  dreilacher  Verjüngung  auf- 
steigend, stützen  den  schlanken  Bau.  Die  dazwischen  ver- 
theilten  Fenster  sind  hoch  und  schlank;  nur  eins  hat  sein 
!Mass\verk  behalten,  es  ist  von  unten  auf  zweifach  gethcilt 
und  trägt  oben  ein  schön  geformtes  Dreiblatt.  Die  Z«isclieii- 
fiiiking  ist  Mauerwerk  mit  einem  Mörtelanwurf :  ob  dieser 
ursprünglich,  oder  eine  spätere  Verschimerung  ist.  kann 
ich  nicht  sagen.  An  die  Südseite  des  Chors  schliesst  sich 
gegen  Westen  der  Thurm  an,  der  nichts  Ausgezeichnetes 
bat.  Er  bildet  von  unten  auf  ein  gemauertes  Viereck,  dessen 
(diersteAblheiluug  ein  haliirnmanisches  Doppelfenster  zeigt; 
darauf  sitzt  ein  kurzes  Achleck  aus  Hausteinen  mit  Klee- 
blattfenstern, das  ziemlich  stimipf  in  eine  acbtseitige 
gemauerte  Pyramide  endet.  Er  siebt  altertbündich  aus  und 
dürfte  wenigstens  theihveise  noch  aus  der  Zeit  vor  dem 
Hrande  herrühren.  Das  übrige  Äussere  zeigt  nichts  Beson- 
deres mehr.  Die  Facade  hat  ein  modernes  Portal  und  Ober- 
fenster erbalten;  nur  seitwärts,  die  beiden  SeitenschilTe 
beleuchtend,  sind  zwei  Hadfenster  geblieben  oder  vielmehr 
neuerdings  aus  dem  Mörtel  gegraben  worden. 

Das  Innere  hat  drei  Scbifle;  die  SeitenschifTe  enden 
geradlinig    am    Frontbogen;    der    letztere  ist   gleich   den 
Pfeilern    im    Schilfe  achtseilig    profilirt  und    Aon    ihm    aus 
streckt  sich  der  Chor  in  der  Breite  des  Mittelscbides  leicht 
und   tief  vorwärts.   Er   ist   der  scbJinste  'i'lieil  des  Baues. 
Die  Decke  bildet  ein  einfaches  Kreuzgewölbe  von  vier 
Jochen,  die  Rijjpen  sjiringen  von  Tragsteinen  der   Seiten- 
wände aus  und  sind  schön  lu'ofilirt;  den  Schluss  macht  ein 
tiefgeripptes  Sterngewölbe.  Die  \  erhältnisse  des  Eangbaues 
sii\d  weniger  gefällig;  die  geringe  Breite  im  Vergleich   mit 
der  bedeutenden  Höhe  und  F^änge  lassen  den  Eindruck  einer 
gewissen   Enge  zurück.    Das  ist  besonders  bei  den  Neben- 
schifTen  der  Fall,    die   iiei   gleicher   Höhe  mit  dem  Mittel- 
scbill'nin-  etwa  die  halbe  Breite  desselben  haben.  Acht  Pfeiler 
tragen   das  Gewölbe  und  schlanke  Spitzbogen   IVdiren  vom 
Mitlei-  in  die  Seitenschill'e.   Die  Pfeiler  sind  achtseitig,  ohne 
Basis  und  Capital,  waln-scheinlicb  wie  in  der  i)ominikaner- 
kirche  aus  Backsteinen  aufgemauert.   Sehr  eigentbündich  ist 
die  Formation  der  Gewölbe.  Die  Hauptdienste   wachsen  aus 
Tragsteinen  oben  an  den  Pfeilern  heraus,  und  enden  in  den 
NebenschilTen   in    ähidicben    Ti'agsteinen    der    Seilenwand. 
Zugleich  sitzt  aber  ein  Büiulel  von  Nebendiensten  beträcht- 
lich höher  auf  dem  Scheitel  der  Arkailenbögen  zwischen  dem 
Mittel-  und  den  Seiteiiscbiiren.   Ferner  sind  die   I'iillungen 
oder  Gewölbkappen   so    weit   herabgefübrt  als  ilii'  lüppen, 
was  ein  cigcnthündiches  System  vim  malerischen  Erliobungen 


und  NCrliefimgen  abgibt.  Zu  dieser  Mannigfaltigkeit  trägt 
endlich  ninii  die  netzförmige  N'erschränkung  des  Hippen- 
genechtes  bei.  N'ergegenwärtigt  man  sich  den  ästhetischen 
Eindruck  des  Bauwerkes,  so  nuiss  man  gestehen,  dass  es  gar 
wenig  von  der  Anmulii  und  Zierlichkeit  der  gothischen  Bau- 
kunst an  sich  trägt,  indem  jeder  irgend  entbehrliche  Schnmck 
vermieden  ist.  Aber  die  Einfachheit  der  .\nlage,  die  ernste 
allem  Prunke  ablicdde  Durclifilhrung,  die  kühne  und  sichere 
HühenricIituMg  des  Ganzen  verfehlt  denudcli  nicht  einen 
ernsten  nnii  erhebenden  Eindruck  zurückzulassen.  Und  so 
blieb  es  die  liauregel  der  Söhne  des  heil.  Franciscus,  die  es 
sich  ja  vorzugsweise  zur  Aufgabe  machten,  allen  irdischen 
Ui)erfluss  von  sich  zu  thun,  um  den  Ernst  des  Ewigen  unge- 
stört abzuwarten;  alle  ihre  Kiicben  aus  der  guten  Zeit 
erregen  ähnliche  Gefühle,  wie  ein  ernster  Choralgesang. 

Die  Kirche  hat  noch  ein  paar  Stücke  alter  Einrichtung 
bebalten.  Das  erste  ist  eine  silberne  Monstranze  mit  hübschem 
gothiscbem  Thurmaufbau;  sie  ist  aber  durch  mancherlei 
neuere  Zuthaten  der  Art  behängt  und  verhidit  worden,  dass 
man  den  scbi'inen  allen  Kern  kaum  mehr  wahrnimmt.  —  Hier 
llndet  sich  fei'ner  ein  altei' Flügelaltar,  eliemals  in  der  Erhards- 
nun  in  der  Mariencapelle.  Er  stammt  vom  Jahre  löOO'), 
doch  ist  leider  nur  der  Mittelschrein  und  Einiges  vom  Sockel 
übrig.  Er  besteht  wie  alle  äliidicheii  Werke  tbeils  aus 
Gemälden  theiis  aus  Scbnilzwcrken.  Der  Sockel  enthält  jetzt 
von  Gemälden:  Joacliim  und  .Anna,  dann  S.  Anna  noch  einmal 
und  wie  ich  glaube,  S.  Katharina;  in  Schnitzbildern:  S.  Jakob 
und  Johannes  den  Täufer.  Der  Schrein  enthält  inwendig 
Schnitzbilder  aus  dem  Leben  Maria's  in  Verbindung  mit  dem 
Älysterium  der  Menschwerdung.  Die  Hauiitdarstelluug  ist 
Christi  Geburt  in  einer  halbrunden  Umrahmung.  Den  Rahmen 
bildet  der  Staminbaiim  .lesu  Christi  mit  12  äusserst  zart 
geschnittenen  Figuren;  die  Darstellung  der  Geburt  ist  in 
runden  Figuren  ausgeführt;  im  Hintergrund  sieht  man  die 
Schaaren  der  heiligen  drei  Könige  herheireiten;  das  Ganze 
krönt  ein  äusserst  reiches,  zartverscbluugenes.  vergoldetes 
Nisclienwerk.  Die  Seilenllügel  sind  in  der  Milte  abgetheilt 
imd  enlliallen  f(di;ende  \ier  Darstellungen:  Maria  Verkün- 
digung, die  üi)ferung  im  Tempel,  die  .Vnbetung  der  Könige, 
Maria"sTod.  Die  Aussenseile  der  Flügel  enlbält  ein  Gemälde 
von  der  Trennung  der  Apostel,  die  der  Legende  gemäss 
nach  Maria's  Tod  stallfaml.  Dies  Gemälde  ist  äusserst  naiv  ; 
wie  hier  zwei  Scheidende  sich  lunarnien,  d(M'fzwci  andere 
in  eine  schöne  deutsche  Landschaft  liineinsteuern,  da  Petrus 
sich  durstig  zu  einer  Quelle  bückt  u.  s.  w.  .Mies  das  ist  so 
unschuldig,  ehrlich  und  iVdUim.  dass  man  unwillkürlich 
gerührl  w  ii-d.  wenn  die  (iemälde  sonst  aucli  viele  Härten 
zeigen.  .Auch  die  Formen  sind  keineswegs  schön.   S.  .Alma 


*)  Laiil  »IiM*  Ilüi'ksinle  IicfiiKlIicIuMi  Zusolirifl:  Anno  Diii.  l.'JOO  tempore 
Kr.  Luiloviei  Stolz  Giinrdiiiiii  positiim  est  lioc  opus.  Lbiis  Deo.  Ich  vor- 
daiike  die  Mittlieiluiig  dieser  Zuschrift  dem  Professor  I'.  Vinzeiw.  Gred- 
1er.  il(^v  wi'rthvnH«?  Studien  iiher  die  Kuiistsehütze  in  den  Kirchen  und 
Klöstern  dei-  nordtirol.  Franciscanerprovini  besitzt. 


—  63 


z.  B.  mit  Maria  und  dem  Christkind  auf  beiden  Armen  ist 
geradezu  hässlich.  Die  Schnitzwerke  scheinen  mir  über- 
haupt von  höherem  Werth,  besonders  wo  das  jCharakle- 
ristische  vorwiegt,  wie  in  den  Köpfen  der  Manner.  Die 
Gestallen  sind  meistens  etwas  breit  und  kurz,  die  Gewandung 
reich  mit  gebrochenen  Falten.  Das  Architektonische  ist 
durchaus  auf  maiensche  Wirkung  berechnet,  daher  ein 
anmuthig  phantastisches  Flechtwerk,  das  hie  und  da  fast 
einem  Wurzelgeflechte  gleicht.  Die  Bemalung  und  Ver- 
goldung endlich  ist  sehr  fein.  Mir  seheint  es  an  Werth  dem 
später  zu  besprechenden  Altar  von  Michael  Pacher  in  Gries 
nicht  nachzustehen ,  indem  es  an  Lieblichkeit  ersetzt,  was 
jenes  an  kirchlichem  Ernste  voraus  hat.  Auch  scheint  mir  die 
Weise   der  Ausführung    den   Pacher'schen    Arbeiten    sehr 


nahe  zu  stehen;  und  wenn  es  der  Zeit  nach  nicht  wühl 
statthaft  scheint,  diese  Arbeit  ihm  selbst  zuzuschreiben  (sein 
Todesjahr  ist  nicht  bekannt),  so  slimmt  sie  sicher  aus  seiner 
Schule.  —  Endlich  sei  es  noch  erlaubt  eines  neuern  \\  erkes 
zu  gedenken.  Das  sind  die  Gemälde  auf  dem  Orgelkasten 
vom  Jahre  1631.  Sie  stellen  die  Mutter  Gottes,  die  Anbetung 
der  Könige  u.  m.  a.  dar.  Man  erkennt  auf  den  ersten  Blick 
die  venetianische  Schule  und  die  Hand  eines  ausgezeich- 
neten Coloristen,  der  sehr  au  Paul  Veronese  erinnert.  Die 
Composition  ist  voll  Lust  und  Leben  ,  einzelne  Köpfe  von 
meisterhafter  Vollendung,  manche  Figuren  hingegen  über- 
mässig fleischig,  kurz  und  verzeichnet.  Es  wäre  wohl  der 
Mühe  werth ,  dass  man  diese  Bilder  reinigte  und  in  ihrer 
früheren  Farbenpracht  glänzen  liesse. 


Die  Kirche  des  heil.  Michael  zu  ffliohelsberg  in  Siebenbürgen'). 

Von  Ludwif;  Uels  senb  e  rarer ,  k.  k.  Conservatnr  in  Herniannstadt. 


Wenn  Deutschland  und  selbst  das  benachbarte  Ungarn 
eine  ziemliche  Anzahl  herrlicher  Kirchenbauten  aus  der  Bau- 
periode des  spätromanischeu  Styls  aufzuweisen  im  Stande 
sind,  so  muss  man  dagegen  Siebenbürgen  an  bedeutenden 
Denkmalen  dieser  Bauweise  sehr  arm  nennen ,  ja  man  muss 
sogar  eingestehen,  dass  es  auch  nicht  eines  besitzt,  welches 
hinsichtlich  desKunstwerthes  den  vorzüglicheren  Bauwerken 
dieser  Art  in  Deutschland  und  Ungarn  an  die  Seite  gestellt 
werden  könnte.  Der  Grund  hievon  liegt  unstreitig  zunächst 
darin ,  dass  die  wenigen  Bewohner  Siebenbürgens  vor  der 
Einwanderung  der  Sachsen  in  dieses  Land  einen  zu  geringen 
Bildungsgrad  besassen,  als  dass  aus  ihrem  Schoosse  irgend 
welche  Kunstschöpfungen  hervorgehen  konnten;  die  Sach- 
sen aber,  mit  welchen  —  nach  der  alle  Keime  eines  höheren 
Culturlebens  vernichtenden  Völkerwanderung  —  zuerst  wie- 
der Gesittung  ins  Land  kam,  erst  in  der  zweiten  Hälfte  des 
Xn.  Jahrhunderts,  ein  guter  Thcil  derselben  wahrscheinlich 
noch  später,  also  in  einer  Zeit  einwanderten,  wo  in  Deutsch- 
land die  romanische  Bauweise  ihren  Höhenpunkt  erreicht 
hatte  oder  wo  man  schon  in  eine  neue  Bauperiode  überzugehen 
begann,  und  die  neuen  Ansiedler  im  neuen  Heimathhinde,  das, 
wie  es  schon  die  Ansiedlung  voraussetzt  und  auch  urkund- 
lichem Zeugnisse  zufolge  2)  meist  nur  eine  Wüste  war,  bei 
ihrem  wohl  längere  Zeit  andauernden  Bemühen,  sich  den 
ihnen  von  den  ungarischen  Königen  überlassenen  Landstrich 
urbar  zu  machen  und  wohnlich  einzurichten,  nicht  sobald  an 
den  Bau  schöner  Kirchen  denken  konnten.  Aber  auch  nach- 


ij  Die  geschicltleu  Aufnalimen  des  Bauwerkes  und  die  Zeichnungen  zu  den 
Holzschnitten  sind  ein  Werli  des  Herrn  i\I.  Seyfried,  Assistenten  der 
k.  k.  Landesbaudirection  in  Uerinannstadt. 

2)  Der  r^egat,  firegorius,  welelier  unter  der  Hesicrung  des  ungarischen 
Königs  Bela  III.  (1173—1190)  den  Uiiieesenslreit  zwischen  dem  sielicn- 
Lürgisehen  Dischofe  und  dem  Ilerniaunstädter  Propste  enisehied ,  nennt 
das  Land,  weklies  den  deutschen  Ansiedlern  von  K.  üej-sa  verlieiicn 
wurde,  ansdriieklich  eine  „Wüste".  S.  Schlüzer's  Geschichte  der 
Deutschen  in  Siehenhürgen,  S.  27. 


her,  als  die  deutschen  Ansiedler  schon  einen  festeren  Be- 
stand gewonnen  hatten,  mochte  es  ihnen  noch  nicht  so  recht 
möglich  sein,  grössere  und  kunstreichere  Bauwerke  zu 
schallen,  da  sie  noch  lange  Zeit  ihr  Hauptaugenmerk  auf  die 
Beschützung  ihrer  mit  Jlühe  gewonnenen  Wohnstätte  gegen 
die  Angriffe  benachbarter  wilder  V'ölker  und  auf  die  Ver- 
theidigung  ihrer  Selbstständigkeit  gegen  mancherlei  innere 
Feinde  richten  mussten;  die  Kunst  aber  nur  da  zu  schönern 
Blüthen  sich  entfaltet,  wo  äussere  Sicherheit  und  eine 
gewisse  Behäbigkeit,  die  den  Geist  mehr  zur  Thätigkeit 
nach  Innen  als  nach  Aussen  veranlasst,  das  ganze  Volks- 
leben trägt.  Mit  diesem  der  Entwickelung  eines  höheren 
Kunstlebens  höchst  ungünstigen  Zustande  der  neuen  Ansied- 
ler, so  wie  der  nursuccessiveu  Einwanderung  derselben  mag 
wohl  auch  der  bemerkeiiswerthe  Umstand  im  Zusammen- 
hange stehen,  dass  die  wenigen  Bauwerke,  welche  Sieben- 
bürgen aus  der  Zeit  der  Herrschaft  des  romanischen  Styls 
besitzt,  fast  ausschliesslich  denjenigen  Theilen  Siebenbür- 
gens angehören,  wo  höchst  wahrscheinlich  ')  die  ersten 
Ansiedlungen  stattfanden,  nämlich  in  den  Kirchensprengeln 
des  Hermannstädtor,  Leschkircher  und  Unterwälder  evangel.- 
lutherischen  Kapitels,  so  wie  in  Karlsburg  und  seiner  Um- 
gebung. Vielleicht  hatten  die  Colonistengruppcu  dieser  Kir- 
chensprengel, wie  es  auch  in  der  Natur  der  Sache  liegt,  da 
sie  die  ersten  waren,  noch  in  einer  Zeit,  in  welcher  der 
romanische  Styl  vorherrschte,  einen  solchen  Bestand  gewon- 
nen, dass  sie  schon  damals  an  den  Bau  grösserer  und  scili- 
derer  Kirchen  gehen  konnten,  während  die  nachfolgenden 
Ansiedler  erst  später,  nachdem  schon  eine  neue  Bauweise  — 
die  Gothik  —  zur  Praxis  gekommen  war,  ihre  für  das  erste 


*)  In  der  vom  Legaten  Gregorius  iibei-  den  erwähnlen  Diücesenstreit  aus- 
gestelllen  Urkunde  werden  die  dem  Ilermannstjidter  Propste  untergeord- 
neten Ansiedler  —  wohin  die  Capitel  Herniannstadt,  Leschkirch  und 
(irossschenk  gehörten  —  die  „ersleren"  Gy-^anisehe  Einwanderer 
genannt. 


—  64  — 


Bcdiii-fiiiss  erricliti'teii  \vpiii,ü;ei-  (hiueiluifteii  Gottcshaiisi-r  in 
soliiliM-o  Kirclien  iinizuwandiilii  voniiochlen. 

Ist  ilemnacli  hieraus  die  geringe  Anzahl  romaiiisi-lier 
I!;tiulfiil<in;ilo  in  Siclienliürgcn  erklärlich,  so  miiss  man  auch 
noch  l'crner  eiiigcst.'iii'n,  dass  selbst  von  diesen  venii^en 
Denkmalen  häulig  nur  ürnclistiicke  und  oft  nnlHMltMilende 
Überreste  ihres  ehemaligen  Bestandes  vorliandcn  sind. 
Theils  hat  der  rohe  Yaiulalismus  früherer  Jahrliunderte  die- 
selben entweder  völlig  zu  Grunde  geriditet  oder  in  unbc- 
deutsame  Triinmicr  verwandelt,  Ihcils  hat  auch  der  Zahn 
der  Zeit  den  Verfall  derselben  so  sehr  herbeigeführt,  dass 
dieselben  einer  vollständigen  Ausbesserung  uulerzogcn  wer- 
den inussten,  wobei  aber  nicht  mehr  im  Geiste  des  alten 
Styls  verfahren  wurde.  Durch  solche  Ausbesserungen  erlit- 
ten daher  die  grössere  Anzahl  dieser  Baudenkmale  eine  sol- 
che Linwandlung,  dass  bis  auf  einzelne  Theile,  aus  denen 
die  ursprüngliche  Anlage  noch  erkennbar  ist,  der  ganze 
Charakter  des  Baues  verschwunden  ist.  Am  häufigsten 
erkennt  man  diese  ursprüngliche  Anlage  an  den  Thürmen 
der  kirchlichen  Bauwerke,  welche  wegen  ihres  massiveren 
und  solideren  Baues  sowoiil  dem  rohen  Vandalismus  als  auch 
dem  Zahne  der  Zeit  besser  widerstanden.  So  deutet  der 
Thurm  an  der  evangel.  Pfarrkirche  zu  Mühlbacb,  so  die 
Thürme  an  den  evangel.  Kirchen  in  G  rosspo  Id,  Gross- 
ludosch,  lleltau  und  Grossau  unverkennbar  auf  die 
ursprünglich  romanische  Anlage  der  ganzen  Kirche  hin.  An 
anderen  Orten  veriäth  dagegen  das  romanische  Portal  den 
ursprünglichen  Charakter  des  ganzenBauwerkes,  wie  in  H  o  I  z- 
men^en,  Szakadat,  Neudorf  und  Bätsch  und  noch  in 
andern,  wie  inThalheini,  Kle  inseheu  ern,  Rothberg 
n.  a.  lässt  sich  aus  den  niedrigen  und  finsteren  SeitenschilTen 
ihrer  Kirchen  sowie  aus  der  BeschalTenheit  der  Pfeiler  und 
Bö^en  zwischen  diesen  und  dem  Mittelschifl'e  auf  den  romani- 
schen Ursprung  dieser  Kirchen  scbliessen.  Ganz  unverändert 
oder  doch  nur  in  unwesentlichen  Theilen  umgewandelt  sind 
mir  nur  drei  kirchliche  Gebäude  bekannt,  nändichdie  biscliöf- 
liehe  Kathedralkirche  zu  Karlsburg,  das  s.diönste  I5au- 
denkuial  i-niiianischeii  Styls  in  Sii'beidiürgen,  ferner  die  alte 
Ber^kirche  in  l'rvegen  und  die  Kirche  des  h.  Michael 
zu  Michaelsberg.  Letztere  ist  wegen  der  mehr  interes- 
santen Ausführung  einiger  Tlieile  für  die  Geschichte  des 
romanischen  Kirchenbaues  in  Siebenbürgen  \ingleich  wi(di- 
tiger  als  die  Dergkirche  in  l'rvegen,  welche  überhaupt  fast 
nur  wegen  ihrer  beinahe  nnveriinderten  Erhaltung  in  der 
ursprünglichen  Aidage  bemerkenswcrtli  ist.  Sie  verdient 
daher  auch  vor  jener  eine  nähere  lieschreilinüg,  welche  die 
folgenden  Zeilen  zu  geben  versuchen. 

Die  Kirche  des  heil.  Midiael  zu  Michelsberg,  welche 
gegenwärtig  den  Bewohnern  dieses  Dorfes  nur  noch  zur 
Aufbewahrung  ihrer  besseren  Habseligkeiten  dient,  steht  auf 
dem  Gi|>fel  eines  isolirten  Gneisskegels,  welcher  auf  der 
Nordseitc  des  Dorfes  etwa  2i)0  Fuss  über  demselben  sich 
erhebt,   und  ist,  wie  die  meisten  Kirchen  im  Sachsenlande, 


(Fig.  l.) 


nu't  einer  Biiigniauer  umgeben.  Die  Kirche  zeigt  in  ihren» 
Grundrisse  (Fig.  1)  den  romanischen  Styl  in  seiner  ent- 
wickelteren Form,  doch  fehlt  liiei- das  sonst  häufige  Kreuzscbitr. 

Auch  lässt  sich 
nicht  verken- 
nen, dass  die 
Ausdehnung 
der  Kirche  in 
die  Breite  ge- 
gen ihre  Län- 
genansdehnung 
zu  stark  her- 
vortritt ,  was 
die  Massen- 
haftigkeit  und 
Schwerfällig- 
keit des  gan- 
zenBaues  nicht 
wenig  erhöhet, 
wozu  aber  die 
Erbauer,  da  sie 
wahrscheiidich 

von  der  sonst  üblichen  Weise,  die  Hauptachse  der  Kirche 
von  Ost  nach  West  zu  legen,  nicht  abgehen  wollten, 
durch  den  beschränkten  Raum  des  Berggipfels,  der  sich 
mehr  in  der  Richtung  von  Nord  nach  Süd  ausdehnt, 
gezwungen  waren.  Im  Allgemeinen  ist  der  Bau  sehr  ein- 
fach n  ml  entbehrt  jetzt,  mit  .\nsnahme  des  Portals,  jedes 
ornamentalen  S(dnnuckes ;  slarr  und  unbelebt  steigen  die 
Mauerwände  empor  und  vi'illig  ungegliedert,  ja  fast  roh 
erscheinen  Pfeiler  und  Bögen.  Vielleicht  mag  der  gänzliche 
iMangel  an  baufähigen  Bausteinen  in  der  nächsten  Umgebung 
und  die  Mittelbisigkeit  der  Erbauer,  welche  der  llerbei- 
schall'ung  geeigneter  Bausteine  aus  der  Ferne  himlerlich 
entgegenstand,  die  vorzügliche  Ursache  gewesen  sein,  dass 
die  Kir<'he  in  den  meisten  Theilen  so  ganz  ohne  allen  feinern 
architektonischen  Schmuck  erstand.  Das  IMateriale  daran 
besteht  daher  auch  liis  auf  das  Portal  uinl  die  Seitenein- 
gänge aus  lii-uchsleiiieii.  welche  in  der  nächsten  Nähe  im 
Gliunnerscliiel'er-  und  Gneissgebirge  gebrochen  ^n  urden  ; 
doch  ist  in  der  Zusanunenfiiguiig  derselben  das  Bestreben 
bemerkbar,  auch  uult-r  diesen  misslicbeu  N'erliällMissen  den 
Mauerwänden  eine  mögliciist  glatte  und  gefällige  Fläche  zu 
geben,  da  nach  .\ussen  die  Brucbsteine  so  viel  als  möglich 
mit  ihren  ebenen  Briiclillächen  übereinander  gefügt  sind. 

Die  Kirche  zerfällt  iliren  llaupttbeilen  nach  in  das 
Schilf  oder  Langhaus  und  das  Presbyteriinn  oder  den  Indien 
Chorsannut  Apsis  und  hat  eine  Gesammllänge  von  1 'i  Klaftern. 
Das  Schilf  theilt  sich  wieder  in  das  Haupt-  oder  Mittel- 
scliilV  um!  li;it  zwei  Seiteuscin'ITe  oder  Abseiten ,  an  welche 
letztere  sieb  zwei  (jinulratisclie  Bäume  als  wahrscheinliche 
Unterbauten  von  zwei  gleich  hohen  'riiürmen  auschliesscn. 
Das   Hauptschiir  iiat   bei   einer  Breite  V(Ui   4'/;;"  eine    Länge 


—  6S 


von  7"  und  eine  Höhe  von  5-/3"  und  war  ehemals,  wie  dieses 
bei  den  romanischen  Kirchen  iiäufig  der  Fall  war  und  an 
der  alten  Bergkirche  inUrvegen  und  der  evang.  Kirche 
inHiitsch  noch  jetzt  henierkhar  ist,  mit  einer  tlachen,  wag- 
rechten rioizdeckc  überdeckt;  jetzt  fehlt  jede  Üherdeckung. 
Das  Licht  empfängt  dieser  Theil  der  Kirche  durch  6  kleine 
Fenster,  wovon  je  drei  auf  einer  Seite  des  MittelschifTes  ohne 
irgend  eine  Gliederung  mit  glatt  abgeschrägten  VN'anden  über 
das  Pult<iach  der  Abseiten  sich  erheben.  In  dem  einen  süd- 
lichen Eck  des  Hauptschitfes  gegen  das  Presbyterium  hin 
befindet  sich  ein  steinerner  Aufsatz  von  geringer  Höhe,  auf 
welcher  einst  die,  wohl  nicht  zu  derselben  Zeit  wie  die 
Kirche,  erbaute  Kanzel  stand.  In  der  Nähe  des  Ilauptein- 
ganges  an  der  Westseite  der  Kirche,  der  jedoch  gegenwär- 
tig verschlossen  ist,  bemerkt  man  auf  jeder  Seite  desselben 
einen  schmalen  Mauergang  innerhalb  der  4  Fuss  dicken 
Stirnmauer,  wovon  der  eine  ehemals  auf  den  nördlichen 
Tluirm,  der  andere  in  den  oberen  Raum  der  südlichen  Ab- 
seite unter  das  Pultdach  derselben  liinaiilTiihrte. 

Von  dem  Hauptschiffe  sind  die  beiden  Abseiten  durch 
breite  aber  verhältnissmässig  niedrige  Bögen  von  breiter 
Laibung  geschieden.  Die  Breite  der  Abseiten,  welche  (Fig.  2) 


(Fiff.  2.) 

beiden  gleich  ist,  beträgt  10 '/a  Fuss  und  es  verhält  sich 
demnach  die  Breite  der  Abseiten  zur  Breite  des  MittelschilTes 
wie  die  Zahlen  105:27S;  ein  Verhältniss  welciies  nicht 
■wenig  von  dem  sonst  gewöhnlichen  (1  : 2)  abweicht  und  die 
oben  erwähnte  übermässige  Breitenausdclinung  der  Kirche 
bewirkt.  Die  Höhe  der  Abseiten  i)eträgt  beinahe  3  Klafter, 
wonach  diese,  wie  auch  sonst,  halb  so  gross  ist  als  die  Höhe 
des  Hauptschiffes.  Auch  die  Abseiten  scheinen  wie  das  Mittel- 
schiff nach  oben  platt  geschlossen  gewesen  zu  sein,  da  keine 
Spuren  von  unterstützenden  Gewölbstheilen  sichtbar  sind. 
In  jedeAbseite  führte  ehemals  ein  besonderer  Seiteneingang, 
wovon  der  eine  im  Norden  gegenwärtig  als  der  eigentliche 
Eingang  in  die  Burgkirche  benützt  wird,  der  andere  im  süd- 
lichen Seitenschiff  dagegen  bis  a\if  ein  kleines  vierecki- 
ges Fenster  zugemauert   ist.    Die  Thürstöcke   beider   sich 


diametral  entgegenstehender  und  im  Rundbogen  geschlos- 
sener Eingänge  bestehen  aus  demselben  Sandsteine,  aus 
welchem  auch  die  Steinarbeiten  an  der  evangelischen  Haupt- 
kirche in  Hermannstadt  gemacht  sind  und  sind  nicht  ganz 
ohne  Gliederung.  Beide  Abseiten  sind  gegen  Osten,  wie 
dieses  bei  den  späteren  und  vorzüglicheren  romanische:! 
Kirchenbauten  immer  der  Fall  ist,  mit  einer  kleinen  Nische 
geschlossen,  welche  unter  einem  besonderen  W  almdache 
steht.  Jede  dieser  Nischen  besass  ehemals  ein  Fenster, 
durch  welches  die  Abseite  ihr  Licht  empfing;  das  eine 
im  südlichen  SeitenschitT  ist  aber  jetzt  ganz,  das  andere 
im  nördlichen  Seitenschiff  bis  auf  ein  kleines,  viereckiges 
Gitterfenster  zugemauert.  Das  nördliche  Seitenschiff  ist 
ausserdem  durch  einen  späteren  Zubau,  bei  welchem  der  an 
das  Presbyterium  stossende  Bogen  des  Mitlelschill'es  zuge- 
mauert wurde,  in  eine  kleine  Kammer,  die  in  den  späteren 
Zeiten  zum  Theil  als  Gefängniss,  zum  Theil  zur  .Aufbewahrung 
alter  Kriegsgeräthe  diente,  und  in  einen  Vorraum  abgeschieden 
worden.  An  die. Abseiten  schliessen  sich  im  Westen  jene  oben 
erwähnten  quadratischen  Räume  an  ,  über  welchen  ehemals 
auf  massenhaften  Unterlagen  höchst  wahrscheinlicli  z\>ei 
viereckige  Thürme  sich  erhoben  oder  nach  der  ursprüng- 
lichen Anlage  doch  erheben  sollten.  Der  .Abschluss  der 
Fayade  zu  einem  vollständigen  harmonischen  Ganzen  for- 
derte diese  auch  sonst  auf  der  Westseite  der  roniaiiisclien 
Kirchen  häufig  vorkommenden  Duppeltiuirme.  Von  den  Thür- 
men,  welche  die  Fa?ade  der  Burgkirche  wahrscheinlich  tlau- 
kirten,  ist  der  eine  an  der  nordwestlichen  Ecke  noch  sehr 
wohl  zuerkennen,  und  es  lässtsich  auch  die  Höhe  desselben 
bis  zur  Bedachung,  welche  mit  der  Höhe  des  HauptschilTes 
übereinstimmt,  bestimmen;  der  andere  muthmassliche  da- 
gegen erhebt  sich  gegenwärtig  nur  bis  zur  Höhe  der  süd- 
lichen Abseite. 

Von  dem  Schiffe  ist  das  um  1'  höher  gelegene  Presby- 
terium durch  einen  hohen  mit  einem  einfachen  Gesimse  auf 
beiden  Seiten  gezierten  Rundbogen  geschieden.  (Fig.  3.) 
Dasselbe  bildet  ein  etwas  unvcdlkommenes  (Quadrat  und  w  ird 
von  zwei,  den  Fenstern  im  Mittelschiff  ähnlich  gestalteten 
Fenstern  erleuchtet.  Es  ist  mit  einem  einfachen  Kreuzgewölbe 
überdeckt  und  hatte  ehemals  an  seiner  südlichen  Seite  einen 
kleinen  Eingang,  dessen  Thürstöcke  gleichfalls  aus  jenem 
oben  erwähnten  Sandstein  nicht  ohne  Kunst  gehauen  sind, 
und  durch  welche  wahrscheinlich  der  Geistliche  in  den  f  bor 
trat.  In  diesem  Tlieile  der  Kirche  befand  sich  der  llaupt- 
altar,  worauf  auch  die  noch  vorhandene  quer  über  das  Chor 
gehende  eiserne  Unterstützungsstange  hindeutet.  Die  sonst 
in  romanischen  Kirchen  unter  dem  hohen  Chor  nicht  selten 
vorkommende  Krypta  fehlt  der  Michelsberger  Biirgkirche 
und  scheint  überhaupt  dem  romanischen  Kirchoiibaii  in 
Siebenbürgen  fremd  gewesen  zu  sein;  wenig-itens  habe 
ich  noch  in  keiner  der  vorhandenen  und  mir  bekannt  gewor- 
denen Kirchen  aus  dieser  Slylperiode  irgend  welche  Spuren 
einer   solchen   Krypta  aufgefunden.    In   der   Michelsberger 


—  66  — 


Kirche  koniile  natürlicli  wegen  des  felsigen  Bodens   keine 
Krypta  angelegt  werden. 


(Fig.  3.) 

An  den  iiolien  Cliur  schliesst  sieli  der  dritte  Ilaiipttiicil 
der  Kirciie ,  die  halbkreisförmige  Choriiische  an .  deren 
Durchmesser  2"  ö'  beträgt;  sie  empfangt  ihr  Lieht  diireh 
drei  radial  angebrachte  kleine,  jedoch  stark  abgeschrägte 
Fenster.  Ehemals  zierten  diesen  Theil  der  Kirche  schöne 
Malereien,  namentlich  waren  nach  der  Aussage  älterer  Män- 
ner mancherlei  Frauengesichter  und  ein  Christusbild  bemerk- 
bar; jetzt  sind  nur  noch  geringe  Spuren  unter  der  Tünche 
sichtbar,  womit  der  Unverstand  späterer  Zeiten  in  dem  Glau- 
ben, dadurch  dem  Innern  der  Kirche  ein  schöneres  und 
gefälligeres  Ansehen  zu  geben,  Schiff,  Chor  und  Wölbung 
der  Chornische  überzog. 

Das  A\issere  der  Kirche  entspricht  mit  Ausnahme  der 
Fafade  vollkommen  dem  Inneren  derselbiMi.  \tu\  einem 
gegliederten  Mauersockel ,  von  einem  zierenden  Kranz- 
gesimse, Friesornamenten,  Lesenen  und  ähnlichem  architek- 
tonischen Schmucke,  wie  sie  in  anderen  Ländern  der  roma- 
nische Baustyl  an  der  Aussenseite  der  Kirchenwäiule  in  den 
mannigfaltigsten  Formen  iiervortreten  liess,  ist  nicht  das 
Geringste  vorhanden;  das  einzige  was  hievon  bemerkbar 
wäre,  ist  ein  einfaches  Gesimse,  welches  an  den  Nischen 
der  Abseiten  aus  einem  einfachen,  an  der  Chornische  aber 
aus  einem  doppelten  Wulst  bestehend,  unter  der  Bedachung 
hinzieht.  Was  jedoch  hierin  dem  Gotteshausc  fehlte,  das 
suchte  man,  in  Cbereinstimmung  mit  dem  allgemeinen  Bestre- 


ben der  romanischen  Baukunst, an  der  Fa^ade  und  insbeson- 
dere an  ilcni Portale  so  viel  als  möglich  zu  ersetzen;  wodurch 
denn  dieser  Theil  der  Michaelskirehe  auch  der  schönste  und 
interessanteste  geworden  ist.  Und  in  der  That  man  muss 
gestehen,  dass  das  Portal  der  Michaelskirchc  durch  seine 
wenn  auch  nichi'  einfache  aber  doch  harmonisch  zusammen- 
klingenden Können  auf  den  Beschauer  einen  tiefen,  nran  möchte 
sagen,  innerlich  erwärmenden  iMiidruck  macht.  (Fig.  4.)  Das 
Portal  besitzt  zwar  nicht  die  reiche  Detailausschmückung,  wie 
sie  andere  romanische  Kirchen  in  Deutschland  und  Ungarn 
zeigen;  auch  fehlen  ihm  die  Beliefarbeiten,  welche  die  mit 
dem  Michelsberger  Portale  in  der  Prodliruug  übereinstim- 
menden Portale  der  Kirchen  zu  ilolzmengen  und  Szakadat 
interessant  machen;  aber  dafür  greifen  alle  einzelnen  Details 
desselben  so  harmonisch  zusammen  und  sind  die  Motive  dazu 
so  glücklich  gewählt,  dass  das  Auge  des  Beschauers  lange 
mit  innigem  Woldgefallen  darauf  verweilt.  Das  Portal  hat  im 
Lichten  eine  Breite  von  S'  und  eine  Höhe  von  8'  bis  zum 
Bogenfeld.  Die  weitabgeschrägten  Seitenwände  stufen  sich 
in  4  Pfeilerecken  ab,  welche  in  ihren  rechtwinkligen  Ecken 
abwechselnd  aus  Sandstein  und  Grobkalk  bearbeitete  Säulen 
tragen,  von  denen  die  beiden  innern  im  Octogon,  die  übri- 
gen rund  ausgeführt  sind.  Der  Mauersockel ,  auf  welchem 
die  Säulen  und  Pfeiler  ruhen ,  ist  in  Plättchen,  Schrägung 
und  Plättchen  gegliedert  und  setzt  sich  in  dieser  Weise  an 
der  Fafade  bis  zur  Scheidung  zwischen  dem  IMittelschiil"  und 
den  Abseiten  fort.  Die  Säulenfüsse  sind  dem  attischen  ähn- 
lich und  bestehen  aus  Plättchen,  Höhlung  und  Wulst;  die 
Capitäle  der  Säulen  schmücken  mannigfaltig  verschlungene 
Bänder  mit  kleinen  schneckenförmigen  Windungen  darüber, 
wodurch  dieselben  Ähnlichkeit  mit  dem  jonischen  Capital 
erhalten.  Über  diesen  ^^'indlmgen  sind  als  Krönung  dersel- 
ben unförmlich  gestaltete  Menschenköpfc  angebracht.  Die 
Säulen  überdeckt  ein  in  ähnlicher  Art  wie  der  Mauersockel 
gegliedertes  Gesimse  von  gleicher  Länge,  über  welchen! 
dann  die  zum  Theil  gefärbte  Wölbung  des  Portals  dieselben 
wechselnden  Formen,  wie  die\N  indungen  sie  zeigen,  wieder- 
holt, so  dass  die  Gliederungen  daran  genau  mit  den  unter- 
gestellten Säulen  eorrespondiren.  Das  Bogenfeld  über  dem 
wagerechten  Thürsturz,  welches  sonst  gewöhnlich  mit  schö- 
nen Reliefs  geschmückt  ist,  ist  hier  leer  und  scheint  auch 
nie  etwas  derartiges  gehabt  zu  haben;  auch  vermisst  man 
an  den  Säulenfüssen  die  der  ronranischen  Bauweise  eigen- 
thüinlichen  und  an  dem  Portal  in  Ilolzmengen  noch  ziem- 
lich wohl  erhaltenen  Eckknollen,  wodurch  der  Übergang  des 
eckigen  Basaments  in  die  liumlung  der  Säule  vermittelt 
wurde.  Anstatt  dessen  erheben  sich  aber  zu  beiden  Seilen  des 
i'ortals  halb  ei-liaben  und  V(Ui  demselben  Gesimse  wie  die 
Salden  der  \\  ;ui(luiigen  des  Portals  übenleckle .  in  ähnlicher 
Weise  wie  diese  Wandungen  gegliederte  Wandarkaden, 
welche  das  Ganze  des  Portals  erst  zu  einem  vollkom- 
men harm(Miischen  Abschlüsse  bringen  und  in  Verbindung 
nn't  di(,'seni.  i\i'n  sorgsam  zusammengefügten  Bruchsteinen, 


—  C7  — 


dem  Feilster  ülier  dem  Portal  und  dem  auf  der  Spitze  der 
Stirnmauer  angebrachten  Aufsatze  der  ganzen  Fa(,Mde  einen 
überraschend  schönen  Anblick  verleihen. 

Fragt  man  nun  nach  der  Erhauungszeit  der  in  dem 
Vorangehenden  beschriebenen  Kirche,  so  ist  man  zur 
Beantwortung  dieser 
Frage  fast  nur  an  die 
Bauweise  derselben 
gewiesen ,  da  kein 
urkundliches  Datum 
direct  auf  die  Er- 
bauung derselben  hin- 
weiset. Aber  auch 
wenn  man  die  Bau- 
weise zu  Grunde  legt, 
ist  man  doch  bei 
dem  gegenwärtigen 
Stande  der  kirchli- 
cheuKunstgesehichte 
in  Siebenbürgen  noch 
immer  sehr  schlimm 
daran,  da  die  Frage, 
bis  zu  welcher  Zeit 

in  Siebenbürgen  der  romanische  Baustyl  vorherrschend 
war,  noch  durchaus  nicht  gelöst  ist ').  Siebenbürgen  besitzt 
zwar,  wie  sclion  oben  erwähnt  wurde,  noch  manche  Über- 
reste und  Baudenkmale  aus  der  Stylperiode  des  Bomanis- 
mus;  aber  von  keinem  derselben  ist  meines  Wissens  die  Zeit 
der  Erbauung  auch  nur  annäherungsweise  constatirt.  Anderer- 
seits greifen  die  Bauten  der  in  Siebenbürgen  im  gothischen 
Styl  erbauten  Kirchen  ,  von  denen  die  Erbauungszeit  mit 
Sicherheit  angegeben  werden  kann,  nicht  so  weit  zurück, 
so  dass  wir  daraus  auf  das  Ende  der  romanischen  und  den 
Anfang  der  gothischen  Bauweise  schliessen  können,  da  diese 
Bauwerke  entweder  der  Blüthezeit  oder  dem  beginnenden 
Verfalle  der  gothischen  Bauweise  angehören.  Man  ist  daher 
bei   dem  gegenwärtigen  Stande   des   kirchlich-historischen 


*)  Dass  sieh  hei  dem  Mangel  urkiiiHliiohi'i'  Qui'Ueii  mit  einif^er  Voi-sielit 
über  die  Chronologie  der  Bauwerke  Sielieiihürgens  nur  Vei'imithuii^"ea 
aussprechen  lassen  ,  spricht  für  den  richtigen  Standpunkt  des  Herrn 
Verfassers.  Denn  wir  stehen  in  Siebenhiirgen  wie  in  melii-eren  Kron- 
tiindern  Österreichs  erst  am  IJeginne  der  areliiiologischen  Forschungen. 
Mit  Rücksicht  auf  die  cigentliiimlielien  Verhältnisse  dieses  Landes,  des 
änssersten  (>ren7.punktes  deutscher  Cultur,  hat  ülirigens  die  k.  k.  Central- 
Commission  bereits  im  Sommer  des  Jahres  I806  einen  Ingenieur  des  k.  k. 
Uandelsministei-iums  dahin  entsendet,  um  Aufnahmen  der  interessantesten 
mittelalterlichen  Bauwerke  Siebenbürgens  an  veranlassen.  Die  darauf  basir- 
ten  Zeichnungen  dürften  in  kürzester  Zeit  vollendet  und  von  den»  Herrn 
Cnnservalor  Fr  ie  dr  i  c  h  Müller  in  SchJisshurg  mit  dem  entsprechen- 
den Texte  versehen  werden.  Wir  holl'en  dann,  dass  durch  mehrere  Bei- 
spiele für  tlie  Zeitbestimmung  der  Daner  des  Itomnnisuius  in  Siehenhüi-geu 
befriedigende  Anhaltspunkte  gewonnen  werden  und  knüpfen  nur  noch 
daran  den  Wunsch,  dass  es  auch  der  historischen  I'or-seliung  gelingen 
möge,  mit  Bezug  auf  die  Kunstgeschichle  den  unnuterlirochenen  Zusam- 
menhang der  fernen  Colouien  mit  dem  deutscheu  Mutterlaude  durch 
urkundliche  Belege  nachzuweisen.  D.  Red. 


Kunststudiums  in  Siebenbürgen  nur  im  Stande  auf  Grund- 
lage einiger  anderer  Daten  hypothetisch  den  Zeitraum  zu 
begrenzen,  innerhalb  dessen  die  Erbauungszeit  der  Michaels- 
kirche wahrscheinlich  fallen  mag,  wozu  durch  das  Folgende 
der  Versuch  gemacht  wird.  Es  ist  zunächst  bekannt,  dass 

nach  der  oben  er- 
wähnten Urkunde  des 
Legaten  Gregorius 
aus  dem  letzten  Vier- 
tel des  XII.  Jahrhun- 
derts die  rnisrebuncr 
von  Hermannstadt  ein 
„desertum"  gewesen 
sei  bis  zur  Einberu- 
fung der  Sachsen 
nach  Siebenbürgen 
durch  Geysa  II.  Wenn 
nun  der  Ausdruck 
„desertum"  auch 
gleich  nicht  alle 
Bevölkerung  aus- 
schliesst ,  sondern 
noch  immer  zulässt, 
dass  dieser  Bezirk  von  nomadisch  lebenden  Hirten  zeitweise 
und  spärlich  bevölkert  gewesen  sei;  so  liegt  doch  gewiss  so 
viel  darin,  dass  in  dem  genannten  Bezirk  vor  der  Colonisiruno- 
desselben  durch  die  Flandrenser  keine  compacte  und  über 
die  ersten  Anfänge  der  Cultur  hinaus  gehende  Bevülkerun"- 
vorhanden  war.  Mit  Rücksicht  hierauf  und  mit  Bedachtnahme 
auf  den  Umsland,  dass  die  jungen  Ansiedler,  wie  schon  oben 
nachgewiesen  wurde,  nicht  sobald  an  den  Bau  grösserer 
und  soliderer  Kirchen  gehen  konnten,  lässt  sich  nun  der 
eine  Grenzpiinkt  jenes  Zeitraumes,  in  welchen  die  Erbauung 
der  Michaelskirche  fallen  mag,  mit  ziemlicher  Sicherheit 
bestimmen.  Da  die  Regierung  des  Königs  Geysa  II.  in  die 
Jahre  1 141  — llGi  fällt,  so  dürfte  demnach  als  dieser  eine 
Grenzpunkt  etwa  das  letzte  Viertel  des  XII.  Jahrhunderts 
bezeichnet  werden,  worauf  zugleich  eine  Vergleichuiif  des 
Baustyls  der  Michaelskirche  mit  der  Bauweise  romanischer 
Kirchen  in  Deutschland  aus  derselben  Zeit  hinweiset.  Schwie- 
riger ist  die  Bestimmung  des  zweiten  Grenzpunkles,  ja  nach 
dem  oben  Angeführten  ist  man  überhaupt  nur  im  Stande, 
eine  auf  weniger  sicherer  Grniullage  basirte  Vermnthunf 
auszusprechen.  Bei  dem  forldauernden  Verkehr  der  Culoni- 
sten  mit  ihrem  Mutterlande,  den  wir  wohl  auf  Gniiulla"-e 
verschiedener  urkundlicher  Zeugnisse  und  nach  der  Analogie 
der  späteren  Zeiten  annehmen  dürfen,  erscheint  es  vielleicht 
nicht  zu  gewagt,  anzunehmen,  dass  die  Herrschaft  des 
Bomanismus  auch  in  Siebenbürgen,  wenn  auch  etwas  länger 
als  im  fernen  Mutterlaude,  doch  nicht  um  Vieles  längerals 
da  gedauert  habe.  In  diesem  und  namentlich  in  den  österrei- 
chisch-deutschen Provinzen  kann  aber,  wie  Dr.  G.  Heider 
in  seinem  ausgezeichneten  Werke:  „Die  romanische  Kirche 


—  68  — 


zu  Schöngraheni  in  Niederösterreicli"  (Wien,  Verlag  von 
Geroll!,  18öö)  nachgewiesen  Irat.  mit  Bestimmtheit  das  Auf- 
hi')ren  der  überwiegenden  llerrscliafl  des  ronumisehen  Baiistyls 
in  den  Scliiuss  des  ersten  Drittels  des  XI II.  Jahrhunderts  gesetzt 
werden,  was  demnach  für  Siebenbürgen  als  ätisserste  Grenze 
der  vorherrschend  romanischen  Bauweise  daselbst  etwa  die 
Mitte  oder  höchstens  der  Schluss  des  XIII.  .lalirhunderts 
anziiiielinieu  berechtigen  mag.  Sonach  dürfte  also  die  Erbau- 
ung der  Michelsberger  Burgkirche  in  den  Zeitraum  von  1 171) 
bis  1300  fallen.  Eine  engere  Begrenzung  dieses  ziemlich 
grossen  Zeitraumes  wäre  möglich,  wenn  es  constatirt  wäre, 
dass  die  in  einer  Urkunde  vom  Jahre  1223,  worin  der 
„Priester  und  Meister"  Gocelin  das  für  ti-eue  Dienste  vom 
König  .\iulreas  II.  überkommene  Michelsberg  an  die  Kerzer 
Abtei  schenkte,  in  den  Worten:  „quod  cum.  .  .  .  montem 
Sancti  Michaelis  cum  exclesia  et  terra  sibi  pertinente  ... 

monasterlo  de  Kerch  contubisset "  erwähnte  Kirche  auf 

die  gegenwärtige  Micliaelskirche  zu  beziehen  sei,  was  ziem- 
lieh  wahrscheinlich  ist,  da  sicherlich  nicht  die  iiiitlen  im 
Dorfe  belindliche  einer  viel  spätem  Zeit  angehörende  Kirche 
damit  gemeint  sein  kann,  und  nach  der  BeschalVenheit  dieser 
Kirche  auch  nicht  angenommen  werden  kann,  dass  vor  der 
Entstehung  derselben  auf  demselben  Platze  eine  andere 
gestanden  sei.  Würde  man  aber  die  gegenwärtige  Burg- 
kirche mit  joner  in  der  Urkunde  cruälinten  als  identisch 
bezeichnen,  so  wäre  demnach  der  Bau  der  Michael>kirchc 
im  Jahre  1223  schon  vollendet  gewesen  und  es  fiele  die 
Zeit  der  Erbauung  derselben  in  den  weit  engern  Zeit- 
raum von  117Ö  bis  1223.  Sollte  es  nicht  zu  gewagt 
erscheinen ,  an  diese  Yermuthung  noch  eine  zweite  anzu- 
schliessen;  so  dürfte  vielleicht  aus  derselben  Urkunde  auch 
auf  den  Mann  geschlossen  werden,  der  zum  ganzen  Baue 
den  Grundplan  entwarf.  Berücksichtigt  man  nämlich  das  ia 
der  Urkunde  vorkommende  Prädicat  des  Priesters  Gocelin, 
welcher  darin  zugleich  „Magister,  Meister"  genannt  wird  und 
bedenkt  man,  dass  ia  der  romanischen  Stylperiude  die  kirch- 
liche Baukunst  eia  ausscldiessliches  Bcsilztbum  des  Klerus 
war,  so  scheint  es  wohl  gar  nicht  zu  fern  zu  liegen,  den  Ent- 
wurf zur  Michelsberger  Kirche  diesem  Manne  zuzuschreiben. 
Von  geschichtlich  constatirfea  Momenten  über  die 
Michaelskirche  aus  den  späteren  Zeiten  ist  blos  eines  noch 
bekannt;  iiäuilich  der  langwierige  Bechtsstreit  zwischen 
dem  Plcban  von   Michelsberg  und  dem  des  Nachbardorfes 


Heitau  über  die  Zugehörigkeit  derselben.  Der  erstere  suchte 
in  diesem  Streite  sein  Besitzrecht  auf  die  Kirclu'  durch  jene 
(d)en  er«ähiile  Urkunde  votu  Jahre  1223  zu  begründen  und 
behauptete,  die  Kirche  sei  ein  Filiale  der  Kirche  der  heil. 
Maria  in  Miciielsberg;  der  letztere  dagegen  stützte  sich  auf 
unvordenkliches  factisches  Besilzthum  und  behauptete,  es  sei 
die  Kirche  ein  Filiale  der  \N  alpurgiskirche  in  lielfau.  Die 
Entsdieidung  wechselte  bald  zu  Gunsten  des  einen,  bald  des 
andern  Theiles,  bis  cudlich  im  J.  1511  der  ileltauer  Pleban 
Wolfgang  Flaschner  an  der  päpstlichen  Curie,  woiiin  der 
Michelsberger  Pleban  Andreas  vom  Spruche  des  erzhischöf- 
lichen  Gerichtshofes  von  Gran  appellirt  hatte,  die  Bestäti- 
gung der  ileltauer  Plebanie  in  ihrem  Besitzthum  erlangte. 
Dodi  wurde  den  ^lichelsbergeru  auf  ihr  Bitten  zugestanden, 
sich  der  Burg  zur  Aufbewahrung  ihrer  Habseligkeiten  zu 
bedienen.  Dem  langen  Streite  machte  indess  erst  die  Refor- 
mation ein  völliges  Ende,  indem  diese  die  alte  Kirchenver- 
fassung und  die  darin  begründeten  ,\hliäugigkeitsveriiältnisse 
löste;  die  mit  jenem  Streite  verbundenen  Händel  zwischen 
Heitau  und  Michelsberg  über  die  Grenzen  ihrer  Feldmarken 
wurden  durch  Rechtssprüche  und  Vergleiche  geschlichtet. 
(Transilvania,  Jahrgang  1S44,  Nr.  73.) 

Seit  wann  die  Micliaelskirche  nicht  mehr  zum  Gottes- 
dienste benützt  wurde,  lässt  sich  nicht  bestimmen.  Soviel 
sclieint  aber  gewiss  zu  sein,  dass  dieselbe  schon  frühzeitig 
nicht  mehr  zum  regelmässigen  Golfesdienste  verwendet 
wurde,  indem  schon  ia  dem  vorhin  er«  ahnten  Rechtsstreite 
aus  der  vorreformatorischea  Zeit  die  Kirche  der  h.  Maria  im 
Dorfe  selbst  als  Hauptkirche  erscheint.  Wahrscheinlich  mag. 
dieselbe  vorzüglich  in  Zeiten  des  Krieges  und  der  Gefahren, 
ia  welchea  die  Bewohner  des  Dorfes  sich  hinter  die,  die 
Kirche  umgebenden  Ringmauern  zurückzogen,  zum  Gottes- 
dienste benützt  worden  sein. 

Ausbesserungen  wurden  an  dem  Gebäude  oft  vorge- 
nommen ,  denn  verschiedene  Jahreszahlen  und  Inschriften, 
die  sich  an  verschiedenen  Stellen,  vorzüglich  aber  an  der 
hohen  Scheidewand  zwischen  dem  hohen  t'hor  und  dem 
Schul',  so  wie  aa  der  innera  Seite  der  Stirnmaucr  vorlinden, 
weisen  darauf  hin.  Doch  alle  diese  .\usbesserungen  betrafen 
nur  unwesentliche  Theile  des  Gebäudes,  so  dass  der  Haupt- 
charakter desselben  unverändert  geblieben  ist  und  dasselbe 
noch  jetzt  als  ein  für  die  kirchliche  Kunstgeschichte  Sieben- 
bürgens wichtiges  Denkmal  des  romanischen  Baustyls  dasteht. 


Zur  Baugeschichte  der  Kirche  Maria  am  Gestade  in  Wien. 

Von  Joseph  Keil. 
(Schluss.) 

Ungeachtet  zur  Zeit  der  feindlichen  Invasion  im  Jahre  Denkmahlcn  der  BauJaind  und  Bihlncrey  des  Miltchdtcrs 

1809  ein  Theil  der  alten  Grabsteine  zerlrünunert  worden,  in  dem  ötitcrrficliisrlirii  Jüiiaerlhumi- (\\'\{^\),\8\1 — 1820) 

so    war   (loch    die    bei    wc^item    grösstc   .\nzahl    derselben  enthalleae  .Mibildimg  der  inneren  Ansicht  der  Kirche  Jlaria- 

nocli  vorhaadea   als  die  Kirche  der  Redemtoristcn-Congre-  Stiegen  vom  llauplaltare   zina    Musikehor   zurück,    von   .1. 

gation  eingeräunit  wurde.  Die  in  des  Fürsten  Lichno  wsky  Fischer  gezeichnet  und  mmi  J.  Hyrll  gestochen  (Taf.\  III), 


69 


zeigt  namentlich  im  Yorgrunde  noch  auf  einer  Reihe  solcher 
Grabsteine  die  Umrisse  von  Wappen,  Zimieren  und  Inschriften. 
Bei  der  1820  vollendeten  Erneuerung  dieses  Gotteshauses 
sind  diese  Grabsteine  leider  als  Baumaterial  verkauft  worden 
(Kirc/il.  Top.  von  Ösferr.  V.  109J,  um  einer  regelrechten 
Überkleidung  des  Bodens  mit  Kehlheimer  Platten  Raum  zu 
geben.  Der  Verlust  dieser,  für  die  Kunde  der  Vorzeit  in 
mannigfachen  Richtungen  anziehenden  Denkmale  wiire 
aber  noch  weit  empfindlicher,  hätten  nicht  einige  fleissige 
Sammler,  wie  der  Jesuit  Fischer,  Wissgrill  und  Böckh, 
wenigstens  einzelne  Inschriften  auf  den  damals  noch  vor- 
handenen Grabsteinen,  wenn  auch  nicht  durchwegs  richtig 
und  vollständig,  verzeichnet;  insbesondere  aber  hat  die  werk- 
thätige  Vorliebe  des  am  21.  Juni  1838  verstorbenen,  wissen- 
schaftlich und  künstlerisch  gebildeten  Grafen  Ignaz  Fuchs 
zu  Puchheim  und  Mitterberg  gßtreue  Abbildungen  dieser 
Monumente  durch  einen  Zeichner  Namens  Gartenschmid 
aufnehmen  lassen,  deren  Benützung  für  die  nachstehenden 
Zeilen  ein  günstiger  Zufall  miigiich  gemacht  hat '). 

Den  nachstehenden  Aufzeichnungen  liegen  also  zunächst 
die  Gartenschmidschen  Abbildungen  der  besprochenen 
Grabdenkmale  zu  Grunde.  Dort  ist  jedes  einzelne  Monument 
auf  einem  besonderen  Blatte  mit  sicherer,  in  Bezug  auf  die 
Richtigkeit  der  Zeichnung  und  der  mit  ängstlicher  Genauig- 
keit nach  den  Originalien  copirten  Schriftzüge,  Vertrauen 
erregender   Hand    • —    zum   Glücke    von    jeder    künstleri- 


*)  Graf  Fuchs  hatte  durch  einen  verlässiicheu  Zeichner,  Namens  G  arten- 
schmi  (1,  aUe  in  den  sämnillichen  Kirchen  Wlen's  ,  und  viele  der  auf  den 
Friedhöfen  nächst  der  Residenzstadt  hetiiidliehen  Epitaphien  und  Familien- 
Grabsteine  mit  grossen  Kiisten  durchaus  nacli  den  Originalien  zeiclinen 
und  malen  lassen.  Diese  sehr  werthvülle  Sammlung,  ein  L'uicuni  in  ihrer 
Art,  hatte  endlicli  den  Umfang  von  aclit  Foliohänden  erreiclit.  Als  nach 
dem  Tode  des  Grafen  Fuchs  »lessen  reicher  Bücher-  und  Musikalien— 
Nachlass  im  Mai  1839  licitatorisch  hindangegehen  und  so  wieder  eine,  mit 
vietjahriger  Vorliehe  plaumüssig  gepflegte  ,  reiche  Sammlung  leider  zer- 
splittert wurde,  hatte  Graf  Ladislaus  Feste  tics  von  Toina  (g.  178G) 
unter  anderem  auch  jenes  interessante  Werk  über  die  Wiener  Grahmonu- 
mente  erstanden,  welche  aus  widerruflichem  Titel  durch  sieben  Jahre  der 
Wiener  Anliquarbuchhändler  M.  Kuppitsch  (f  14.  iMai  1849)  inne- 
hatte, durch  dessen  Gefälligkeit  es  zu  jener  Zeit  dem  Schreiher  dieser 
Zeilen  möglich  gewesen  war,  einen  grossen  Theil  zunächst  der  seit  jenen 
Aufnahmen  bereits  verschwundenen  Grabsteine  zu  copiren.  Dass  darunter 
eben  siimnitliche  in  der  Kirche  zu  Maria-Stiegen  belindlich  gewesenen 
Grabdenkmale  aufgenommen  wurden,  hat  es  nun  möglich  gemacht,  die- 
selben nunmehr  hier  zu  verölfentlichen,  während  das  gräflich  F  u  ch  s'sche 
Werk  selbst,  vom  Grafen  F  e  s  t  e  t  i  c  s  eben  wenige  Wochen  vor  seinem  am 
12.  Mai  184G  erfolgten  Ableben  vom  langjährigen  Depositar  Kuppitsch 
eingelöst,  auf  eine  der  Herrschaften  des  Grafen  in  Ungarn  abgeführt  worden 
ist,  wo  es  nun  vielleicht  unbeachtet  und  ungenützt,  —  wenn  doch  ja  noch 
unversehrt! —  erliegt,  und  mit  der  Zeit  etwa  endlich  gar  verschollen 
hieihen  wird,  wie  das  vom  Jesuiten  Leopold  F  ischer  in  seiner  schätz- 
baren „Notitia  Urhis  Vindobonae"  reichlich  benutzte,  sogenannte 
Trautso/m' sehe  Manuscrifif,  vom  Wiener  Bischöfe  (IGSS— 1702)  Grafen 
Ernst  von  Trautsohn  herrührend,  welcher  ebenfalls  die  in  Wien 
befindlichen  Epitaphien  mit  vieler  Mühe  hatte  beschreiben  lassen 
(Ogesser:  M.  hirohc  zu  St.  Stephan  in  Wien,  238).  .Möchte  es  doch 
einer  der  ölfenllichoii  Bibliotlieken  gelingen  ,  das  in  gewissem  Sinne  wahr- 
haft unschätzbare  uMil  aufdicVorzeit  Wien's  so  unmittelbar  Bezugnehmende 
Fuchs'scbe  Werk  vom  dermaligen  Besitzer,  dem  Grafen  Tassilo 
Festeties,  k.  k.  Kämmerer  und  Obristen,  an  sich  zu  bringen,  und 
wissenschafilicher  Forschung  zum  bleibenden  Gemeingute  zu  erliallcu! 

II. 


sehen  Verschönerung  ferne  gehalten  —  abgebildet,  und 
durch  die  Colorirung  deutlich  die  Art  des  Steines,  ob  Sand- 
stein oder  Marmor  u.  s.  w.  ausgedrückt,  jedem  Monumente 
aber  zugleich  dieBeruerkiing  beigefügt,  an  welcher  Stelle  der 
Kirche  sich  dasselbe  befand.  Es  wurde  also  hier  bei  der 
Wiedergabe  der  Inschriften,  so  wie  bei  den  weiteren  Andeu- 
tungen über  Wappen  und  über  die  einstige  cirtlicbe  Lage  der 
einzelnen  Monumente  in  der  Kirche  zunächst  dem  Garten- 
schm  id'schen  Bilderwerke  gefolgt.  Die  Inschriften,  welche 
leider  hin  und  wieder  erkennen  lassen,  dass  der  Copist  der 
lateinischen  Sprache  gar  nicht,  oder  doch  nur  in  unzureichen- 
dem Grade  kundig,  und  überhaupt  in  der  Paläugraphie  nur 
Autodidakt  war,  wurden  hier  genau  mit  jenen  bei  Fischer, 
Wissgrill  und  Böckh  verglichen,  und  wo  dieselbe 
Inschrift,  oder  eine  nach  Gartenschmid  nicht  aufgenom- 
mene ,  also  damals  bereits  verschwundene  oder  bereits  völlig 
unleserlich  gewordene  Grabschrift  aus  anderen  W'erken  auf- 
genommen wurde,  ist  dieses  allenthalben  genau  angegeben. 
Da  also  hier  die  Copien  nicht  mehr  unmittelbar  nach  den,  seit 
1820  leider  verschwundenen  Originalien,  sondern  nur  aus 
mittelbaren  Quellen  angegeben  werden  konnten,  so  vermag 
der  Verfasser  natürlich  die  Richtigkeit  seiner  Angaben  nur 
in  Bezug  auf  diese  letzteren  zu  vertreten. 

In  der  Aufzählung  wurde  die  chronologische  Folge  ein- 
gehalten und,  wo  der  .\nlass  geboten  war,  auch  hie  und  da 
ein  kurzer  Excurs  in  Bezug  auf  die  durch  die  Inschrift 
bezeichnete  Persönlichkeit  beigefügt. 

A  bkürzunfTcn  werilen  in  der  nachstellenden  .Aufz.iilihin^ 
folgende  eingehalten  : 
B.  =  Böckh:  Geschiehte  der  Kirche  Maria  Stieyen  in  Wien. 
1821.  ZwcKe  .\uflage.  S.  41  — aü  sind  nntcr  liä  Alischnilfen  die 
damals  vorhandenen  Grabschrifton  niitgethcilt.  Die  hier  nnter 
dem  Biuhstahen  B.  (Böckh)  beigefügte  Nummer  bezieht  sich 
auf  jene,  unter  welehei-  die  heziigllehe  Inschrift  bei  B.  vor- 
kömmt. 

F.  =  Fischer:  Bre.cis  Notitia  Urbis  Vitidulionae.  Wien.  8. 
Vier  Bünde  (1767  —  1770)  und  drei  Sii|i|ilcnienl  -  Bändchen 
(1771  —  177;;). 

G.  =  G  a  r  tensch  mid's  Aufnahme  der  Grahdcnknuile  dieser 
Kirclie  in  dem  erwiihnten  Wiener  Epitaphien  -  Werke,  welches 
Graf  Fuchs  aufsammeln  Hess. 

W.  =  Wissgrill :  Sehnii/itatz  des  landsässigen  Nieder-Öster- 
reichischen Adels.  Wien,  ä  Bünde  in  4.  1704  -  1804  (der 
3.  Band  wurde  erst  1824  ausgegeben),  die  Geschlechter  von 
A.  bis  Lempach  enthaltend;  leider  unvollendet.  Wissgrill's 
Materialien  bis  zum  Buchstaben  Z  hellndcn  sich  bei  den  n.  ö. 
Stünden. 
•  =  Das  einem  dieser  liuchslahen  beigesetzte  Sternchen  zeigt  an. 
dass  an  der  berufenen  Stelle  nicht  die  ganze  Inschrift,  sondern 
nur  der  Name  und  das  Todesjahr  lies  Verstorbenen  ange- 
geben   ist. 

1 .  An  nicht  näher  bezeichneter  Stelle  ;  11 .  Mai  1316  (?). 
(B.  Nr.  1.) 

Hie  <)niesrit  in  Domino   Haria    Sybilla  Noblarhin   nata 
Schupekin II.  Ilay  litKi. 

2.  Im  SehilVe,  bei  den  Stühlen  an  der  Evangelium-Seite; 
22.  Juli  134:i.  (G.) 

10 


70   — 


iniiu  .  üoni  .  Mf  (TXLV  .  die  .  sanctt'  .  magdelene  .  obiit 
Yencrabilis  .  vir  .  Joseplius  de  Zinner  .  plsn  (presbyter?) 
i  .  cap  .  hie  sepultus. 

Rcillier  Maniioi'.  (ji'stalt  eines  l'riesters  mit  bedeekteni  llau|)le 
auf  einem  Polster  nihenil  ;  die  Hiinile  aus  weit  lioi'al)liaiif;eii(len 
Ärmeln  zum  Gebete  gefaltet. 

3.  Auf  tierEvangeliuiii-ScitL'.  i'ijfkwjirts  iici  deuStülilen; 
10.  Octoi)er  1345.   (G.) 

Ano  doni  nCffXLV  deeinia  mensis  octobris  obiit  air 
dons  lenboldus  de  ber  req.  in  paee. 

Hotlur  Maiiiuir.   Im  Waiipeiischilde  ein  aufrecht  stehender  Bär. 

4.  im  .Schule  iiiil'  dci-  i']v;iiigoliuni-Seilc:  24.  .\pril 
13Ö9.   ((i.) 


am  .  Us  ■  sant  .  seors 


gestorben  .  der 


Edl 


>est 


has 


anno  .  domi  .  .V.fCflVIlll 

des    .    ritters    .    ist 
Torebacher  dem  gott  gnad. 

Uother  Marmor.  Das  Wappenschild  nach  der  nebenstehenden 
Zeichnung  mit  einer  Wagengabel,  iibereiiislim- 
mend  mit  dem  bei  üuellius  (^E-vcerpt.  (jen.  hist. 
Tafel  XIU.  n.  170)  abgebildeten  Siegel  Johannes 
vonDucrcnbeek;  wonach  also  der  hier  Ruhende 
ohne  Zweifel  dem,  bei  W.  II.  2!)(> — 7  besprochenen 
nieder  -  österreichischen  Herrengeschlechte  der 
Dürrnbachcr  auf  Senftenegg  angehörte. 

S.  Eines  Grabsteiiie.s  ainFussbodeu  des  älteren  Tiieiles 
der  Kii'ciie  vom  Jahre  1379  mit  l)ereits  iinleserlieh  gewor- 
dener In.schrift  erwähntFürst  Lichno\vt.iiy,  Denk.l,  16 — 17. 

().  im  llintertheile  der  Kirche,  unferne  dem  Eingange; 

II.  August  1411.  (G.) 

.Inno  Doni  .  M  .  fCfC.XI  .  am  .  eriehtag  .  vor  .  unser  . 
lieben  .  Fraw  .  schidng  .  i .  starb  .  der  edl .  vest .  nicolans  der 
waldner  .  dem  .  gott  .  gnad. 

Ilother  .Marmor.  Wappen  :  aufrechtstehender  geflügelter  Creif, 
einen  gestielten  Ilaken  mit  abwärts  gekrümmtem  Wiederhaken  haltend. 
Derselbe  auch  als  Zimier  auf  dem  geschlossenen  Stechhelme. 

Ein  Konrad  Waldncr  erscheint  1401  [?lon.  li.  31.  b,  1);  ein 
Hans  Wal  dner  14'28  (Duellius  1.  c.  99);  eine  Anna  Waldner 
war  an  Andreas  llörleinsperger  (1412—1421)  vermählt  (llolieneck 

III,  281;  W.  IV,  437).  Ein  1002  vorkommender  kais.  Vicekanzlcr 
W  a  1  d n  e  r  soll  zu  Wien  ein  hüss  eud  genommen  haben  (II und.  linijr. 
Stamm.  B.  I,  348). 

7.  li.  Nr.  38  hemerlit  auch  den  Grabstein  des  Andreas 
Ton  (irillenberg  obersten  fappelans  bey  flaria  Stiegen  1415 
ohne  den  \\  orliaut  der  alten  Grahschrifi  zu  gehen,  wobei 
er  jedoch  das  Todesjahr,  welches  1418  oder  1419  gewesen, 
nicht  richtig  gelesen  zu  haben  scheint. 

Des  Andreas  von  Grillenberg  wurde  bereits  oben  S.  31.  Anni.  2, 
zu  den  Jahren  1411 — 141;j  erwähnt.  Andreas  von  l'ottenstein,  ohne 
Zweifel  nach  seinem  Geburtsorte  so  bezeichnet,  stiftete  als  Pfarrer 
von  Grillenherg  in  die  dortige  Kirche,  deren  Schutz-Patronin  (Jlans- 
frauj  die  heilige  Margretha  gewesen,  unterm  1 1.  Juli  i396  für  sich 
einen  Jahrtag  (Hueber:  Aust.  ex.  arch.  Meli.  ill.  94).  Als  sich 
Herzog  Wilhelm  mit  Johanna  von  Durazzo  vermählte,  befand  sieh  auch 
Andreas  Pfarrer  zu  Grillenherg  unter  jenen  ausgezeichneten  Männern, 
welche  der  Herzog  an  König  Karl  von  Neapel  abgesendet  hatte,  um 
die  Braut  abzuholen,  welche  sofort  am  21.  November  1403  in  einem, 
damals  noch  ungewöhnlichen  Wagen  mit  Glasfenslern  (in  vehiciilo 
ritreis   obstriicto  forihim)   zu  Wien  ihren  feierlichen  Einzug  hielt. 


(Kbeudorfer  bei  Pez  SS.  II.  82ö ;  Zeitangabe  bei  Aiioii.  \  ienn 
Chron.  I.  e.  S47. )  Noch  1407  entschied  der  Ofticial  des  Passauer 
Cunsistoriums  zu  Wien,  Leonhard  Schauer,  in  einem  Zclientstreitc 
zwischen  dem  Pfarrer  .Andreas  zu  Grillenberg  und  jenem  zu  Knzesfeld 
zu  Gunsten  des  ersleren  (Klrchl.  Top.  r.  Ost.W  108),  1409  erscheint 
Andreas  bereits  als  Passauiscber  Od'icial  (llanthaler:  Ren.  1, 
64 — tiö).  In  dieser  Eigenschaft  hat  er  sich  nicht  nur  durch  die  bereits 
früher  (S.  31  )  erwähnten  Stiftungen,  sondern  auch  durch  den  entschie- 
denen Ecuereifer  bemerkbar  gemacht,  mit  dem  er  gegen  die  höhmi- 
schen und  öslcrrciclilscbcn  Anbänger  der  Micliflischen  Irrlehre 
vorging.  Er  betrieb  nebst  dem  päpstlichen  Legaten  hei  dem  Passauer 
Bischöfe  am  wirksamsten,  dass  1412  das  Kreuz  gegen  die  Ketzer 
gepredigt  wurde  ;  er  veranlasste,  dass  mehrere  der  Ketzerei  beschul- 
digte oder  lerdächtige  Wiener  Bürger  eingekerkert  wurden,  und 
zog  die  Entscheidung  des  Falles  vor  ilas  Korujn  des  Pa.ssauer 
Bischofes  ,  als  der  Bürger  Gicsser.  nachdem  er  seinen  Irrthuni 
abgeschworen ,  vom  Wiener  Stadtrathe ,  einverständlich  mit  der 
Universität,  freigelassen  werden  wollte.  Er  zog  selbst  den  Hierony- 
mus  von  Prag,  Hussens  (jlaubens-  und  Flammentod  -  Genossen, 
vor  sein  Gericht  und  erklärte  ihn,  nachdem  er  aus  seinem  Gelang- 
nisse zu  Wien  enlllohen  und  auf  »eitere  Cilationen  nicht  erschienen 
war,  als  meineidigen  Ketzer.  (Cunspectus  hisl.  Univ.  Vie)m  I.  97 — 99 
und  Ha  ns  iz  G.  iS.  I.  49t — 92.)  Da  am  16.  November  1418  And  reas 
von  Po  tten  stein,  Canonicus  Pataviensis,  und  Nicolaus  Sev  frid  t 
in  Crossen  und  in  Grillenherg  noch  urkundlich  als  Bectoren  dieser 
Pfarrkirchen  genannt  werden  (.I/oh.  boica  4,  49o)  und  erst  1420 
Dr.  Johann  Siadrani  als  nächster  passauiscber  OfTicial  in  AVien  auf- 
geführt wird  (F.  Suppl.  II.  7),  so  dürfte  die  obige  Annahme,  dass 
1418  oder  wahrscheinlich  1419  das  Todesjahr  unseres  Andreas  war, 
wofür  sich  die  Kirchliche  Top.  von  Ost  V.  109  bereits  früher  ausge- 
sprochen hatte,  wohl  gerechtfertiget  erscheinen. 

8.  Zunächst  den  Stühlen  au  der  Evaugelium-Seite; 
15. August  142Ö.   (G.;  B».  Nr.  32.) 

Anno  .  doni.  MCt  CCXXV  .  in  .  die  .  asnmrionis  .  niariae. 
obiit  .  Ten  .  dominus  .  Joanes  p  o  1 1  .  ranonivus  .  ac  .  plbn 
(plebanus)  in  .  rapella  .  hie  sepultus. 

Rother  Marmor. 

9.  Im  rückwärtigen  'l'heile  der  Kirche  zunächst  der 
Stiege  zum  Oratorium ;  22.  September  1425.  (G.;  B*.  Nr.  21.) 

Anno.  doni.  MfffCXXY.  die  .  i  .  pria  .  p  .  sa  .  mathei  . 
apii  (aposloli)  obiit  virirus  pakner  de  darfier  (orga- 
nista?)  hui  .  cappclle  .  hie  .  sepultus. 

Rother  Marmor. 

10.  Ik'i  Lichnowsky  (I.  c.  17)  wird  der  Grabstein 
einer  Aura  von  Walsce,  f  1439,  augeführt. 

Ohne  Zweifel  der  einzige  in  der  Stammreihe  der  Walsee  vor- 
kommende weibliche  Sprosse  dieses  Slanniies,  nändich  die  1373  an 
Ilarlneid  (IV.)  V.Liechtenstein  vermählte  .Afl'ra.  Friedrich's  v.  Walsee 
und  Kunigundens  von  Liechtenstein  Tochter,  welche  sich  nach  dem 
Ableben  ihres  ersten  Gatten  ("l"  1390)  zum  zweiten  Male  mit  Albrecht 
Stüchs  von  Trautmannsdorf  verehelichte.  (Wurmbrand  Coli.  gen. 
202;  Hohencck  I.  C04  und  III,  810;  an  letzterem  Orte  jedoch 
von  I,  604,  wo  die  Angaben  die  richtigen  sein  dürften,  abwei- 
chend; vgl.  auch  W.  II.  347.) 

11.  lin  rückwärligeu  'l'lieile  di>r  Kirche  an  der  Evan- 
gelium-Seite; 7.  November  1440.  (G.;  ]i\  Nr.  22.) 

Ano  dni .  lSl\0  .  die  septima  .  novembris .  obiit .  VIrir .  u . 

^illholz. 

Rolher  Marmor.  Wappenschild:  ein  Bing,  oben  mit  drei  neben 
einander  befindlichen  runilen  Aufsätzen  (Ringsleinen). 


—  71   — 


12.  Im  Vordertheile  der  Kirche  nächst  den  Stühlen  an 
der  Epistel-Seite;  10.  Juni  1460.  (G.;  B'.  Nr.  34  las  irrig: 
Bornperger  und  1479.) 

Anno  dni .  nCCCClX  X.mensis .  Junij  .  obiit .  vene  .  pres. 
dons .  (Caspar)  .  hornp erger  .  pat  .  oflicialis .  et .  rector. 
hni  .  cnppelle  .  hie  sepultas. 

Rüther  Marmor.  Gestalt  eines  Priesters;  das  mit  einem  cylinder- 
artigen,  oben  sich  etwas  erweiternden,  ungekriinipten  Hute  bedeelcte 
Haupt  auf  einem  Polster  ruhend  ;  mit  den,  aus  weit  lierahhiintjenden 
Ärmeln  hervorragenden  Händen  ein  ßueli  liallend.  In  der  unteren 
Ecke  nächst  dem  linken  Fusse  ein  Wappenschild:  auf  einem  drei- 
hüheligen  Hügel  ein  Hüfthorn,  darüber  ein  Palmbaum.  —  Ob  derselbe 
dem  (bei  W.  IV,  440—442  für  den  Zeitraum  1332—1629  urkundlich 
nachgewiesenen)  kärnthnerischen  Adelsgcschlechte  der  Hornberger 
angehörte,  ist  ungesviss.  Auf  der  uns  vorgelegenen  Abbildung  des 
Grabdenkmales  ist  die  Sonderung  der  Jahreszahl  und  Angabe  des 
.Monatstages  nicht  deutlieh  genug  ausgedrückt.  Da  jedoch  Caspar 
Hornberger,  schon  1447  und  1448  als  pass.  Official  erscheinend 
(Hansiz  G.  S.  I,  Ö36:  Hanthaler  Ret:  I,  6."i ,  S.'JÖ) ,  noch  14S8 
als  solcher  zu  Wien  urkundlich  erwiihnt  wird  (Kischer  III,  7),  so 
dürfte  ohne  Zweifel  die  erste  Zahl  X  noch  zur  Jahrcsangabe  gehören, 
die  zweite  aber  den  Monatstag  bedeuten. 

13.  Im  Vordertheile  der  Kirche  nächst  den  Chor- 
stiilden  auf  der  Epistel -Seite.  (G.;  B.  Nr.  36,  jedoch  heide 
Inschriften  vermengend.) 

Oben  ein  aufgeschlagenes  Buch  :  darüber  Kelch  und  Hostie, 
darunter  ein  Todtenkopf,  und  unter  diesem  folgende  Inschrift  vom 
Jahre  1400; 

Ano  .  dni  .  MCCCCIX  .  obiit  .  döns  .  wilelmus  .  Swalb  . 
presbit  .  Cano  .  EccI.  sa"  .  stepiiäT.  i~.  wieä  .  et  .  plbn.  T . 
Ortenperg. 

Umschrift  am  Rande;  26.  August  146S: 

An  .  dii .  MCCCIXV .  XXVI  .  die  .  angu.  obiit  .  venrbilis  . 
atq.  illnminatu»  Doctor  .  dns  .  licbhardas  .Swalb  .  d.  sc.  nedi . 
et  .  am  .  pern.  plbiig  .  1  .  rnding .  a .  sca.  de  ,  i  .  pace.l. 

Rolher  Marmor.  In  der  letzteren  Inschrift  offenbar  der  Schluss 
falsch  gelesen.  B.  Nr.  36  las:  pliil.  magister,  was.  wegen  des  damals 
gebräuchlichen  artiitm  mayister .  in  diesem  Sinne  wohl  weniger 
wahrsclieinlich  ist,  als  dass  die  letzten  Worte  der  Inschrift  wohl 
wirklich;  ciiiiis  anima  reqiiiesvat  in  pi;ce.  (Amoi)  bedeutet  haben 
mochten. 

14.  Inmitten  der  Kirche  nächst  den  Chorstufen; 
13.  August  146;j.  (G.) 

Anno  dni  .  MCCCCCIXV .  in  .  die  .  assuinpc^is  .  niarie  . 
obiit  .  Tencrab.  domin  .  Joancs  .  de  .  »Schmitt  .  cano.  ac  . 
plbn.  in  .  capel.  hie .  sepultns. 

Rödler  Marmor.  Gestalt  eines  Priesters,  wie  oben  Nr.  2. 

15.  Im  rückwärtigen  Theile  der  Kirche  an  der  Epistel- 
Seite;  1470.  (G.;  B*.  Nr.  39.) 

Dominus  .  marcas  .  de  .  0  r  i  1  1  c  n  b  c  r  g  .  c au  .  c apt. 

et  oriclal .  (mrio?)  .  pataviensis  .et .nCfCClXX  . 

requicscat  .  in  .  pacc. 

RotherMarmor.  Marcus  war  Pfarrer  zu  GrillenhergV.  U.  W.W., 
wo  auch  andere  passauische  Ofh'eiale  wie  Andreas  von  PoKenstein 
(s.Nr.  7)  und  Johann  A  iche  1  b  er  g  er  (A'/rc/i/.  Top.  i\  Ost.  V.llü, 
vgl.  mit  Hansiz  I,  äüü  und  F.  Suppl.  111,7)  Pfarrer  gewesen  sind. 

16.  Im  Vordertheile  der  Kirche  nächst  dem  Altare  auf 
der  Evangelium-Seite;  22.  Decemher  1470.  (G.;  B'.  Nr.  55.) 


Hie  .  est  .  sepaltns  .  ven  .  sacerdos  .  dns  .  dns  .  Petras 
Warntin  .  de  .  lothurigia  sivarng  .  int .  tercij  .  ecciar  .  archi- 
diaconos  .  qondani  .  \t  .  coldarols  .  dni  .  paoli  .  pp  .  secnndi  . 
enpicnlarius  .  pop  .  nus  .  qui  obiit  anno  doai  .  ül'CrCLXXin  . 
die  .  XX  .  mensis  .  decembris .  euias  aia  .  in  pace  reqniescat . 
Amen. 

Braunrother  Marmor.  Uie  obige  Inschrift  gehört  zu  jenen  bei  G., 
welche  am  schwierigsten  richtig  zu  stellen  sind,  da  der  Original-Grab- 
stein nun  nicht  mehr  vorhanden  und  die  obige  .Aufzeichnung  gewiss 
ungenügend,  demnach  keiiie  Gelegenheit  mehr  geboten  ist,  mit  den 
Zügen  der  vertretenen  Inschrift  weitere  Combinationen  zu  versuchen. 
B.  Nr.  öä.  las:  Petnisvon  Wasdu  1370;  diese  Jahreszahl  dürfte  gewiss 
unrichtig  sein,  da  das  Pontiticat  Paul'sll.  die  Zeit  von  1464 — 1471  um- 
fasst.  Vielleicht  war  unser  Peter  bereits  Archidiakon  Papst  C'alixt  III. 
(1453  — 14ö8)und  befand  sich  sonach  das  in  der  obigen  Insehriftvor- 
kommende  Wort  tercij  mit  diesem  letzteren  Namen  in  Verbindung?  — 
Doch  muss  leider  jeder  weitere  Versuch  aufgegeben  werden,  in  die 
Fragmente  unverstandener  Schriftzüge  sicheren  Sinn  hineinzubringen. 

17.  An  nicht  näher  bezeichneter  Stelle;  6.  ,Iuli  1471. 
(B.  Nr.  8.) 

A.D.  1471  .  0  .  .Mensis  Jnlii  obiit  Tenerabilis  Magi- 
ster Caspar  Kirchberger  Offieialis  patariensis  et  rector 
hnins  capellae  hie  sepnitns. 

18.  Im  vorderen  Theile  der  Kirche,  unweit  vom. \ltare, 
auf  der  Evangelium -Seite;  19.  Juli  1473.  (G.  auch  F., 
Suppl.  II.  16  und  B.  Nr.  17,  beide  letztere  mit  dem  falschen 
Todesjahre  1474;  vgl.  Münch,  464.) 

Anno  .  doni  .  liCrCC  .  nd  .  im  .  LXXill  .  am  .  montag  . 
vor  .  Jacobi  .  ist  .  gestorben  .  her  .  haus  .  vo  .  lichtenstein  . 
To  .  nicolspurg  .  ud  .  ligt  .  da  .  begrabe  .  de  .  gott  .  gäd. 

Rüther  Marmor.  In  der  Mitte  des  Steines ,  zierlich  ausgeführt 
wie  die  beistehende  Abbildung  zeigt,  das  alte  Wap- 
ßX  pen  deren  von  Lieclitenstein -Nikolsburg:  der  quer- 
getheilte  Schild,  im  oberen  Felde  golden,  im  uuteren 
roth,  welche  Farben  sich  auf  dem  aus  der  Helni- 
i  kröne  emporragenden  geschlossenen  Adlerfluge  wie- 
hdcrholen.  Das  Blason  slimmt  vollkommen  mit  anderen 
'Abbildungen  des  Mappens  dieser  Linie  des  Hauses 
Liechtenstein  üherein,  wie  z.  B.  bei  S  i  e  b  m  a  eh  er- 
W  e  i  ge  1  I,  27.  Über  das  alte  Wappen  der  Liechten- 
stein-Murau  dagegen  enthalten  die  Berichte  des 
M'iener  Alterthumsfereiiis,  I,  221  nähere  Andeu- 
tungen. —  Dieser  Hans  von  Liechtenstein  war  kein  unmittelbarer 
.Abstämmling  des,  im  Laufe  des  vürliegenden  .Aufsatzes  öfters  erwähn- 
ten einstigen  Hofmeisters  Herzog  Albreclifs  III.,  Jobann  von  Liech- 
tenstein, welcher  1399  ohne  Descendenz  gestorben  war,  sondern  ein 
Abkömmling  seines  1392  verstorbenen  Bruders  Georg,  wie  dieses  die 
nachstehende  Staninilafel  zur  Übersicht  bringt (s.  nächste  Seite),  zu- 
nächst nach  lloheneek"s  Gen.  il.  o.  ii.  Stände  l,  603  —  620,  und 
nach  jener  handsehrifdichen  Genealogie  des  Hauses  Liechtenstein, 
welche,  ohne  als  (Juelle  genannt  zu  sein,  den  Angaben  über  dieses 
Geschlecht  in  Horniayr"s  Taschenbuch  iSVi,  S.  1  —  90,  zunächst 
zu  (irunde  liegt.  Bei  Sommers  berg:  SS.  Her.  Sil.  II,  lab. 
gen.  35  und  in  Hübner's  Gen.  Tab.  I,  246  herrscht  aber  eben  in 
der  hier  angeführten  Stammreihe  grosse  Verwirrung  und  ist  insbe- 
sondere Johann's  von  L.  und  seiner  Gemahlin  Rertha  von  Rosenberg 
gar  nicht  gedacht.  Eben  auch  nicht  vollkommen  verlässlicli,  wenn 
auch  brauchbarer  als  beide  letzteren  Slanimtafeln,  ist,  was  über  die 
hier  vorgeführte  Stanuureihe  Leupüld's  öst.  AdeUarchiv ,  433 
bis  45,'>  enthält. 


10« 


Johmiti  II.  i  1399. 


Grors  II.,  t  13Ü2. 
Gel»  ;  Dorothfn   voii  Purrhliaim. 


Heiiiricli  IV.,  t  14IS. 
Gem.  a.  Dorolliea  v.  Ei-k;irt«i 
b.  Anna  v.  /,,^lkni^. 


Christoph  111. t  U*5. 
Wilhelm,    t  1^59. 


Joii.inii  111..  i  m; 


i:iri.h.  J<.  h.iiiii  IV..  i   Uli 

Gern  :  Me.l «-!;.'  v.  l'i.tl.-iidi.rf 

(.  eo  r»  IV.  .  t   ■***• 

Gern:    Hedwig    v.    l'ottendorf ,    Witwe 

nach  Juhaitn  IV.  xuii  Liechtenstein. 


Gel.  rc.   IM.. 
l;)St    Di.tiipnib^t    /.u 

.St.  Me|)lian 

in    Wien:     139(1    lii- 

seliof    von     Trient  ; 

1411   Carilinal, 

t  «20. 


IIa 


IV 


IV.:; . 

Gein  :    lliirothea  von 

Cüpellen. 

IW7  —  1411. 


Knttineina, 

Gern:    lleinpreeht 

von  Wal-e. 


»•> — 


Drei  Toehler  : 
1.  eli.ialietli.    Klosterfrau     bei 

St.  Jakoll. 
i:.  Barliara ;  Gern  ;  a)  1455 
Stejitiaii,  Woiwod  in  Böh- 
men :  b)  1460  Heinrieh 
Strein  von  Sehwarzenau. 
S.  Mngaretlia  ;  Gem.  Geor^ 
Graf  von  Pösini:. 


Heinrich  V. . 

der  Hinkende.  |  14S.1. 

Gern  :   .\gnes  v.  Starlicni- 

berg .    geb.    14tll  .    venu. 

r.  147S.    

Weitere  Deseenden/, 


C  h  r  i  <  t  o  |,  h  IV., 
i  1501). 

Weitere  Deacendenz. 


Georg    V.. 

-t   14S4. 

Gem.  Agnes  v.  Eekartsau, 

dann  an  Otto  von  /elkiiig 

vermählt. 

Weitere  Deseendenz. 


Johann   V., 

t  14;:;. 

Gem.   144U;    Bertha 

von  Kosenberg, 

t  1476. 


Elisabeth,  Gern  :  Georg 
von  l'otleiidorf 


.liilianii  von  l,ieclitcnsteiii,  in  iler  .Stiimiiiifilie  seines  Hauses  als 
der  V.  dieses  Naineus  bezeichnet,  dessen  niiniiielir  vei'sehollenes  Grab- 
nionument  wir  ins  Auge  fassen,  hat  sich  dtireli  frbinzendc  Tliaten  im 
Felde  oder  im  Rathe  nicht  hervorgcthan,  um  in  den  .Annalen  der 
Geschichte  .\ntheil  zu  haben  an  dem  Hiihine  ,  mit  dem  so  viele 
Sprossen  seines  Hauses  den  Namen  Liechtenstein  verherrlichten.  Dass 
er  unter  jenen  sliindischeii  Gliedern  war,  welche  sich  unterm  13.  De- 
cember  146ü  bei  P.  Faul  II.  weg:en  der  Canoni.sation  des  Markgrafen 
Leopold  von  Österreich  verwendeten  (Pol  zm  a  n  n.  Comp.  Can.  1S91, 
a,  28)  und  1468  als  Uechlsbeisitzer  beim  landmarsehallischen  Gerichte 
funijirte  (Hohen  eck  1,  ti08).  bildet  so  ziemlich  die  Summe  der  auf 
uns  gelangten  Zeichen  seiner  Wirksamkeit  nach  aussen  hin.  Was  aber 
über  den  Charakter  des  Mannes  in  einer  langen  Reihe  sprechender 
Beweisstellen  von  der  unnachsichtig  richtenden  Geschichte  aufbehal- 
ten blieb,  liefert  nur  ein  höchst  trauriges  Bild,  —  Sein  leeres  Herz, 
das  selhstgcstiinclig  nie  die  Liebe  für  ein  U'iii  gefühlt  (Münch, 
402),  war  unter  vernachlässigter  Erziehung  und  ungezügelter  Lebens- 
weise zu  starrer  Sittenlosigkeit  verwildert.  Auch  sein  Bruder  Hein- 
rich, zubenannt  der  Hinkende,  machte  sich  zur  Zeit  des  unseligen 
Bruderzwistes  im  Regentenhause  als  vorragender  Parteigänger  gegen 
den  rechtmässigen  Landesherrn,  durch  arge  liedrückungen  der.\btei 
Baumgartenherg,  unberechtigte  Mauth-  und  Zollautlagen,  wesshalb  er 
auch  1477  vom  päpstlichen  Legaten  exconiniunicirt  wurde,  nur  auf 
unrühmliche  Weise  bemerkbar  (Hohen eck  I,  608  —  9).  Johann's 
Vermählung  (9,  Nov.  1449)  mit  dem  damals  24  .fahre  alten  Kdel- 
fräulein  Bertha  von  Rosenberg,  in  diT  Sage  als  die  weisse 
Frau  fast  weltbekannt,  zu  deren  Abschllcssung  ersieh  ohne  IS'eigung, 
nur  durch  fremden  Kinlluss  und  die  verlockende  Mitgift  der  Braut 
bestimmen  Hess  ,  brachte  in  sein  starres  Herz  keine  Wärme,  über 
das  unglückliche  Opfer  aber,  ein  Herz  von  sittenstrengem  Frauen- 
werthe  seltener  Art,  ein  sehinachvoll  verkümmertes  Dasein.  Die 
Schilderungen  ihrer  l^eiilcn '),  das  fast  immerdar  erfolglos  gebliebene 


*)  Das  fürstlich  Schwarzenberg*  sehe  Archiv  zu  \N'it(ing;ui  hewatift  ii:ih<?  an 
80  Urkunden  und  Briefe ,  welche  sich  itnf  die  iiii^liicklictie  Rcrtha  von 
Rosenberg  beziehen.  Der  Inhalt  derseJheu  ,  iianieiitl  ich  jener  der  U  riefe 
Bertlia's  sind  vom  liüchstcn  Interesse;  22  derselben  wurden  zuerst  dein 
ganzen  Inhalte  nach,  und  zwar  die  in  böhmischer  Sprache  ahgefassten 
verdeutscht,  mitgetheilt  durch  Karl  A  u  g  c  s  k  y  in  II  o  rin  ay  r's /Ire/ii» 
182».  2U;;,  343,  .'iOll,  091,  ."iOT;  1830,  44  und  107.  Der  lieuedieliner- 
Priester  zu  Neuhau»,  l",  C  U  u  d  i  u  s  ,  hat  in  seinem  l.S,';o  hei  Landfrass 
zu  Ncuhaus  anonym  erschienenen  Werkehen:  Vie  Herren  von  iS'euhaus 
im  Anhan^'e:  Perchla  vuti  lioaenherg  ( IS,'!  —  2I3J  auch  die  für  liertha's 
Schinerzcnsloos  be/.eichnendslca  Stellen  au5gezogen,  und  den  letzten  Brief 
unmittelhar  nach  dem  Originale  übersetzt.  Die  durch  Augesky  leider 
nicht  hinlänglich  getreu  veröircnlliihlCM  Briefe ,  mit  Ilinweglassung  der 
unter  >r.  3 — 3,  1 1  und  12  mitgetheilten,  und  mit  Benützung  der  besseren 
(Übersetzung  des  Briefes  Nr.  22  durch  P.  Cl  a  ud  i  us,  hat  Dr.  Legis  Glück- 
selig mit  Verschweigung  der  nächsten  Quellen  ,  aus  denen  er  schäpfle, 
in  der  von  ihm  herausgegchenen  llliiMrirten  Chronik  «0/1  B'i/imen.  I 


Ringen  nach  Hilfe  im  Kreise  ihrer  IJIulsverwanilteii ,  die  rübrenilc 
Stätigkcit  ihres  sittlichen  Wandels  inmilteii  cmpilrender  Zuchtlosig- 
kcit,  am  Leben  selbst  bedroht  durch  die  Ränke  ihrer  lasterhaften 
Schwiegermutter  (Hedwig,  zweimal  verwitweten  von  Liechtenstein, 
gcbornen  von  Pottendorf)  und  deren  um  nichts  besserer  Tochter  und 
Bastarde,  —  .tlle  diese  Züge  aus  [ierlha's  eigenen  vertrauten  Briefen 
an  Vater  uml  Bruder  aus  unverfälschter  Her7.eiis(]uelle  zu  entnehmen, 
enthüllt  eine  im  höchsten  Grade  anziehende  Schilderung  vom  inneren 
Leben  im  Mittelalter  in  allen  Licht-  und  Schattenseiten  mit  so 
bewältigender  -Anziehungskraft,  dass  der  geschichtlichen  Bildung 
wolil  kaum  so  leicht  eine  andere  Leetüre  anregcmlercn  Inhalls  geboten 
werden  konnte.  Dennoch  waren  zwei  Kinder,  Klisabeth  und  ein  Sohn,  die 
Früchte  dieser  unglücklichen  Ehe  (Münch:  392,409,422.433-435, 
438),  von  deren  Existenz  aber  die  bisherigen  Genealogen  des  Hauses 
Liechtenstein  nichts  wussten,  —  Der  Tod  trennte  endlich  nach 
24  .lalire  langer  Dauer  eine  Ehe,  deren  beklagenswerther  Inhalt  in 
den  schmerzerpressten  Worten  ßertha's  an  ihrem  Vater  liegt:  (f  halte 
(loeh  der  liehe  Coli  mich  au  jenem  Tage,  wo  ich  ihm  übergebe» 
wurde,  als  Leiche  gezeigt!  (Mönch,  412,)  —  Nun  ist  auch  der 


(Prag  18:>3)  im  Aufsatze:  Die  weixse  Frau  von  .Ven/inK.s  (419—486), 
vgl.  mit  71  —  77)  wieder  aligedrnekl.  In  Ernst  von  Müncb's:  MargO' 
riten;  Frauen-  Charaktere  aus  älterer  und  neuerer  Zeit  (Canstatt 
1840  — 1841)  ist  im  Artikel :  Uie  weisse  Frau  (1 ,  3:i7  —  470)  die  von 
Augesky  versprochene  aber  nicht  gelieferte  Fortsetzung  der  hiiehst 
:inziehenden  Correspondenz  in  weiteren  48  nach  den  Originalien  copirten 
Briefen  und  Urkunden  aus  dem  Wittingauer  Archive  initgelheilt ,  welche 
dein  Herausgeber  mit  Bewilligung  des  Besitzers  (unter  Vermittlung  des 
Freiherrn  von  Pr  0  k  eseh- Os  te  n  und  des  damaligen  llofliihliotheks- 
Custos  Kopitar)  durch  den  uuninehrigen  ersten  Custos  der  Wiener 
Universitiits-Biltliuthek ,  .Iiihann  Wusin,  zu^'ekommen  waren ,  so  dass 
die,  1830  mit  dem  .hihrc  14;J2  abgebrochenen  Briefe  nunmehr  bis  zum 
.liihre  1474  reichen,  und  sii  /.ieinlich  ersehiipfen  dürften,  was  sich  hierüber 
an  Sehriftdenkmaleu  erhalten  hat;  welche  sehr  willkuinmenc  Fortsetzung 
aber  dem  18j3  er.schienenen  Plagiat  entgangen  ist.  W:is  nun  insliesondere 
die  Sage  von  der,  seit  ihrem  Ableben  als  weisse  Frau  berunnv:indelnden 
Bertha  von  Ros  e  nberg  anbelangt,  an  deren  Erscheinung  vom  finsteren 
iMystieismus  mit  wahrhaft  liicherlicher  Zuversicht  zum  Theilc  noch  bis  in 
die  neueste  Zeit  geglaubt  wurde,  —  und  von  welcher  J  u  ng- Sti  1 1  ing 
(f  1817)  in  der  1808  ersehieiienen :  Theorie  der  (leisterkunile,  noch 
allen  Ernstes  sagte:  „den  huthilicismus  nniss  sie  (nämlich  die  seil  1470 
noch  nicht  zur  Ruhe  gelangte  weisse  Frau)  wtthl  ahijeleijl  haben,  weil  sie 
gegen  die  protestantischen  Familien  so  gut  jirsiniil  ist ! .'  — so  wurde 
hierüber  einiges  durch  .lohann  Sehiin,  in  llormayr's  Arrhiv  182j, 
;i87,  ans  dem  Teltseher  Urbar  mitgetheilt,  und  dassell.c  in  llormayr's 
Tasehenhueh  1850,  441  — 44ö,  mit  veränderter  Umkleidiing  wieder 
abgedruckt.  Ausser  den  oben  angeftihrten  historischen  Alihandlungcn, 
welche  auch  die  Sage  berühren,  sind  über  die  Literatur  der  letzteren 
seil  Bai  bin  (1087)  die  Angaben  hierüber  in  der  illustrirten  Chronik 
von  Höhnten  und  bei  M  ü  n  c  h  bcachtenswertb,  wozu  auch  H  oriuayr's 
Taschenbuch  1822,  04  —  00  und  dessen  Wien  VII,  a,  62  —  04  zu 
berufen  ist. 


73  — 


Mui'inorstein  vei'seliwundcn,  der  die  Reste  jenes  Mannes  deckte,  des- 
sen Herz  kalt  und  hart  gleich  jenem  Stein  gewesen;  und  wie  sein 
verödetes  Gennith ,  dessen  eisige  Rinde  ein  einziges  Mai,  docli  flüch- 
ti"er  Dauer  nur,  zu  scliniclzen  schien,  als  es  galt  in  einer  Geldverle- 
genheit die  Verbindungen  seiner  Gemahlin  iiutzhar  zu  maehen,  sich 
im  Leben  immerdar  nur  einsam  fühlen  konnte,  so  blieb  er  auch  im 
Tode  einsam  hier  vergraben,  und  keine  Thriine  mochte  diese 
Stelle  je  befeuchtet  haben. 

Bertba  selbst  überlebte  ihren  Gatten  kaum  drei  Jahre.  Sie 
starb  zu  Wien  am  2.  Mai  147G  und  wurde  bei  den  Schotten  daselbst, 
nicht  neben  ihrem  Gemahl  zu  Maria-Stiegen,  beerdiget.  Ihr  nunmehr 
verschwundener  Grabstein  hatte  folgende  Inschrift: 

Ao.  D.  1476  am  Phingstag  nach  Marc!  Evang.  ist  gestorben  die  Edl. 
Fr.  Fr.  Berlba  von  Rosenberg  des  Edlii  Brrin.  Hrnn.flanss  von  lieolilciislain 
von  Nicolsburg  Frau  (ieniahel. 

So  nach  Legis-Gl  ü  ckscli  g  a.  a.  0.  S.  420,  im  wesentlichen 
übereinstimmend  mit  dem  im  Archive  des  Schottenklosters  aufbe- 
wahrten Liber  Kpitaphiorum  Scot.  Fol.  136.  Unlerhalb  der  erwähn- 
ten Grabsehrift  zeigte  sich  zur  Rechten  (heraldisch)  das  Rosen- 
berg'sche  Wappen,  ein  in  drei  Bliitterreihen  entfalteter  Rosenkelch 
(s.  Bucelini  a.  a.  0.  111,  b,  196,  376),  links  ein  Wappen  in 
folgender  Theilung,  welches,  wenn  die  Copie  im  geilacliten  Lib. 
Epit.  richtig  ist,  weder  das  Liechtenstein'sche  der  Nikols- 
burger  Linie  (s.  oben)  noch  das  Wartenberg'sche  (Bucelini  I,  c, 
179)  AV'appen  ist,  welches  letztere  sie  etwa  nach  ihrer  Mutter  Katha- 
rina gebornen  Czeniek  vonW  artenberg  auf  Wessely  (-{"3.  Mai  1436) 
hätte  beifügen  können.  Es  ist  aber  auch  nicht  etwa  des  Wappen  ihrer 
Stiefmutter,  Elisabeth  von  Schwanberg  (1437,  -j-  14SI;  Bucelini  III, 
b,  197;  IV,  2S1),  welches  einen  weissen  Schwan  im  rothen  Felde  zeigt, 
ein  Wappen,  das  Bertha  ohnehin  nicht  wohl  gebrauchen  konnte.  Da 
die  handschriftliche  Genealogie  des  Hauses  Liechtenstein,  welche, 
wie  erwähnt  ,  der  in  Hormayr's  TascJienbuch  1822  (1 — 90)  enthal- 
tenen Ahnentafel  derLiechtensteinezu  Grunde  liegt,  den 27.  November 
(Mitwoch)iach  St.  Ka(harineiitag)  1499  als  ihren,  angeblieh  auf  dem 
Grabsteine  bei  den  Schotten  angesetzten  Sterbetage  angibt,  und  meh- 
rere Schriftsteller,  der  dieser  Angabe  zu  Grunde  liegenden  trüben 
Quelle  folgend,  Bertha  in  sehr  hohem  Alter  sterben  lassen  —  sie 
erreichte  in  Wirklichkeit  doch  nur  das  52.  Lebensjahr,  —  so  soll  die 
Richtigkeit  des  obigen  Todesjahres  1476  auf  Grund  einiger  bisher 
noch  nicht  benutzter  Documentc  im  Wiener  Stadtarchive  ausser 
Zweifel  gesetzt  werden.  Ihrem  Tode  nahe  richtete  sie  nämlich  am 
26.  April  1476  folgendes  Schreiben  an  Bürgermeister  Richter  und 
Rath  der  Stadl  Wien. 

Ich  fraw  Bertha  geporenn  von  Rosf  nnb  er  g  vnd  veglend 
herrn  Hannsen  von  Licht enstain  von  Nicolspurg  seligen  leitib 
Erleg  das  gegenwärtig  mein  gescheft  (Testament)  mitsamht  ain  Gelt- 
brief lauttund  von  den  von  liechtenstain  vmb  funfczehn  hundert 
vngrisch  guidein,  ain  Vidimus  des  geinechthrief  von  dem  benanten  herrn 
Hannsen  von  Liechtenstain  vieitn  gemachl  setigen,  atn  Satzbrief  von 
meun  Aidem  hern  Jörgen  von  potcndorf  vber  das  Darf  xvil- 
berstorfvnd  am  gegenbricf  luuttend  von  Jacoben  A  iv e  r  rnd  Mor- 
grethn  sein  huusfrawn,  »w  den  Ersameti  weisen  dem  Bürgermeister 
Richter  und  Rat  der  Stat  hie  %u  Wien  vnd  bit  sew  mit  vleis  Ob  der 
Almechtig  gnl  vber  mich  püt,  vnd  mit  tod  verschied  das  sg  das  bemelt 
mein  gescheft  vnd  die  benan.  brif  so  in  der  Gschutl  verpctschadt  sein 
vnd  In  von  mein  tcegn  geandwnrt  werden ,  das  sg  die  ISiemand 
anndrn  gebn  noch  antwurtn  dann  mein  herrn  und  frcwndt  dem  von 
Maidhur g  dieczeit  landmarschelh  In  Oesterreich  und  hrnJorgn  von 
potendorf  meint  aidem  darjn  Sg  hanndtn  suttn  nach  hinhält 
meins  geschefts.  Ob  sicft  aber  der  potendorf  mein  aidem  darumb 
nicht  wolt  annem  so  sulln  Sy  dem  von  Maidbnrg  die  brief  alain  ant- 
wtirtn  darjnn  wirdet  er  dannoch  nach  laut  meins  geschefts  hanndtn 
Als  ich  Im  des  vor  menielich  vertraw  mit  vrkund  des  brifs  besiglt  mit 
mein  aign  aufgedrugten  htsigl.  Gebn  an  Sambstag  nach  sand  Jorgn 
tag.  Anno  dorn,  eic-  septtiagesimo  sexto. 


Der  2.  .Mai  1476  als  ihr  Todestag  stimmt  nun  vollkommen 
mit  den  im  gedachten  .\rihive  weiterhin  belindlicben  Documenten 
überein. 

Unterm  10.  Mai  1476  (phingstag  vor  sannil  pangratzentag) 
dtfo.  Ebenfurt  ermächtigte  nämlich  Jorig  von  Potendorf  ohrister 
Scheiuikh  in  thterreich. — der  letzte  seines  Hauses,  dessen  Nachlass 
nach  seinem  Tode,  -1-1487  (Wurmbrand  Coli.  gen. 'l'il.'iü'^  — 
308;  Hanthaler  Rec.  II,  18ö,  188),  durch  seine  au  Christoph  von 
Zinzendorf  vermählte  Nichte  Sophie  an  das  Haus  Zinzendorf 
gelangte,  welches  sich  auch  von  da  ab:  von  Zinzendorf  und 
Pottendorf  nannte  (H  übner's  gen.  Tab.  III.  737  —  740) — dieser 
Georg  von  Pottendorf  ermächtigte  nun ,  nachdem  icellend  die  irol- 
gehorne  Fr.  Fr.  Percht  geboriie  von  Rosennbergkh,  herrn  Hannsen 
von  Liechtenstein  selign  witib ,  mei7i  liebe  Fraw  vnd  mtietter  mit 
tud  vergangen,  seinen  Diener,  den  Erbern  Petent  Krempeln,  das 
Geschäft  (Testament)  Bertha's  (seiner  Schwiegermutter)  bei  dem 
Wiener  Stadtrathe  zu  seinen  und  des  Grafen  Michael  von  Maidburg- 
Hardegg  Händen  in  Empfang  zu  nehmen. 

Unterm  12.  Mai  1476  (««  Sunlag  sunt  Pangratzentag)  bestä- 
tiget Peter  K  r  c  m  p  I  ein  geschafft  mit  eltliehen  briefen  in  ein  ver- 
petlsehafften  schattl  vom  Wiener  Stadtrathe  für  seinen  Herrn  Georg 
von  Pottendorf  cmplangen  zu  haben. 

An  demselben  Tage  bestätiget  auch  Michael  des  h.  röm.  Reiches 
Burggraf  zu  Maidburg,  Graf  zu  Hardegk,  Landmarschall  in  Oster- 
reich (Wissgri  II  IV,  116—119),  vom  Bürgermeister,  Richter  und 
Rath  der  Stadt  zu  Wien  die  Briefe,  so  weiland  Frau  Percht  u.  s.  w. 
der  got  genedig  sey,  ^H  In  nach  laut  ains  briefs  vniider  Irm  Insigl 
ausgangen  in  ainer  Gseliutll  verpedschadt  erlegt  hat,  durch  Peter 
Kr  e m  p  1  zu  vnser  beden Händen  geantivurtt,  empfangen  zu  haben. 

Aber  auch  noch  in  anderer  Beziehung  sind  uns  diese  letzteren 
Documentc  von  Interesse.  Es  wurde  oben  bereits  aus  den  Briefen 
Berlha's  nachgewiesen,  dass  sie  zum  mindesten  zwei  Kinder  halte, 
deren  eines  eine  Tochter  Elisabeth  (Etska)  hicss,  die,  wie 
ein  Brief  (Münch,  422)  erkennen  lässt ,  zur  Beruhigung  der 
Mutter  heranwuchs;  während  alle  Genealogen  der  Häuser  Liecht  en- 
stein  und  Rosenberg  die  Ehe  Bertba's  von  Rosenberg  kinderlos 
sein  lassen .  Die  zuletzt  angeführten  Documentc  beweisen  aber, 
dass  Elisabeth  an  den  oben  erwähnten  Georg  von  Po  ttcndorf  ver- 
mählt war,  welchen  Bertha  in  ihrer  letztwilligen  Verfügung  öfter 
ausdrücklich  als  ihren  Schwiegersohn  (Aidam)  bezeichnet,  während 
er  sie  seine  Fran  und  Mutter  nennt.  Bei  dem  bedauerlichen  Abgange 
einer  verlässlichen  Genealogie  des  Hauses  Liechtenstein,  und  bei  der 
argen  Verwirrung  in  den  bisherigen  Stammtafeln  desselben  kann  es 
nicht  befremden,  dass  seil  R  i  Hers  hu  sius  (Tab.  Gen.  Tübingen 
1668,  Tal'.  7)  eine  an  Georg  von  Pottendorf  vermählte  Elisabeth  von 
Liechtenstein  (-}- 1462),  ohne  Zweifel  die  erwähnte  Tochter  Bertba's. 
irrig  als  Kind  des  1412  (Wurmbrand,  206)  verstorbenen  Johann 
von  Liechtenstein  angenommen  ,  und  seither  in  dieser  vergrifl'encn 
Stamuu'cihung  aufgeführt  (Ho  he  neck  I,  606;  Leupol  d,  454). 
auch  wohl  gar  als  Tochter  Gcorg's  von  Licchlcnslcin  und  llcdwigens 
von  Potlendorf  (Buce  lini  HI,  b,  123),  der  Schwiegerältern  Bcrlha"s 
von  Rosenberg,  sonach  als  Schwester  ihres  Gemahles  angesetzt,  von 
anderen  aber  (Hübner  I,  246;  Hormayr'sTaschenb.  1822)  gänzlich 
übergangen  wurde.  Nehmen  wir  Elisabethen  nach  vorliegender  Wahr- 
scheinlichkeit als  das  älteste  Kind  iler  1449  an  Johann  von  Liechten- 
stein vermählten  Rerlha  von  Hosenberg  an,  so  könnte  sie  nicht  vor 
141)0  geboren  worden  sein,  sofort  aber  1462  als  ihr  Todesjahr  nichl 
angenommen  werden,  da  sie  dann  vor  erreichtem  12.  Jahre  vermählt 
worden  sein  niüssle.  Zur  Zeit  des  Ablebens  Bertba's,  ihrer  Mutter 
(1476),  war  sie  aber  gewiss  nicht  mehr  am  Leben,  da  sie  sonst 
wohl  in  der  lefztwilligen  Anordnung  Berlha's  genannt  worden  wäre. 
19.  Im  Yordertlieile  der  Kirdie,  unferne  dem  Altare  an  der 
Evangelium-Seite;  I.  Sept.  1482.(0.:  F.1V.:57;  B.  Nr.  M.) 


—   74  — 


AiTu  .  dni  .  iiiillesiiiin  .  quailrin^enlosimo  .  octuiii^osiino 
scrando  .  liie  .  sabati  .  Tirosinia  .  prima  .  mensis  .  srptebrh. 
in  .  die  .  saoctl  .  matliri  .  apostoli  .  onntfclistc  .  obiit. 
rt'verendg  ■  in  xpo  (Clii-istci)  palcr  et  dominum.  Dominus 
g('ort;ius  .miscratiuiic.  di>ina  .  liluii  .  S  .  Lncie  .  in  .  silire  . 
sacrosanetc  .  romanc  .  eiH'lesie  .  prespitcr  .  cardinalis  .  ot  . 
episi'opus .  pula>iensis .  ruiii'i .  aiiima .  requioscat .  in.paf  e .  amen. 

llolluM-  Jliinnor;  in  düi'  Mitte  der  liisehrilt  eiii  vier^'etliuilter 
Wappenschild;  in  1  und  4  ein  springender  Hase,  2  und  3  ein  springen- 
des Eicliliüriiclien.  Die  Inschrift  ist  niil  ^erin^'füfritrcn  Ahwi'ichunocn 
auch  abgcdriK'lvt  in  S  c  h  re  it  w  ei  n's  (Seliritoviiii):  Ephcopi  pntav. 
hei  Uaueh  Scriftt.  Her.  Aust.  II,  ä26  nnd  in  llansiz:  Germ. 
Sacra,  I,  jSj,  woselbst  er  bemerkt:  inscriptioitem  ipse  oculis 
1  usfraiam  slilo  in  tabellam  triinsltili.  Schreitwein  führt  in 
der  Inschrift  nebst  dem  TaufnaEuen  Oeorj^ius  auch  den  Familiennamen 
Hesler  an;  ebenso  auch  Böckh  Nr.  II  ,  welcher  den  Beisatz  bei  F. 
nämlich:  Murliiiis  nari  prope  lUi'llifinm  arihridile  (icorgiii.t  II. 
dicliis  für  eine  bereits  verschwundene  Stelle  auf  dem  Grabsteine  hielt. 

Georg  Hesler,  ein  Freund  des  berühmten  Johann  Capistran, 
durch  Talent  und  ernsten  Fleiss  7.u  seltenen  Kenntnissen  gelangt, 
wurde  zu  Rom  erster  päpstlicher  Notar,  und  hierauf  am  Kaiserhofe 
durch  zehn  .lahre  als  Ratli  in  der  Kanzlei  zu  den  wichtigsten,  auch 
gesandtschafllichen  Geschäften  verwendet,  so  namentlich  1477  bei 
der  Bewerbung  um  Maria  von  Burgund  für  Erzherzog  Maximilian; 
durch  die  wohlverdiente  Gunst  des  Papstes  und  des  Kaisers  wurde 
er  zu  seinem  Unglücke  1479  vom  Cardinalpriestcr  zum  Bischöfe 
von  Passau  ernannt.  Das  Domcapitel,  eifersüchtig  auf  sein  hiedurch 
beeinträchtigtes  Wahlrecht,  hatte  einen  andern  Bischof  erwählt,  und 
diese  Doppclwahl  die  unglürkliclisten  Folgen,  deren  Rückwirkungen 
auf  seine  Gesundheit  Georg  nach  kaum  3  Jahren  durch  einen  plötz- 
lichen Tod  erlag,  als  er  eben  auf  der  Reise  nach  Wien  zu  Schiffe  war. 
(Hansiz  i,ä74  — ö8ö:  Buchinger:  Passau  H,  181—188;  Pez 
S.S.  R.  Aiisl.  II,  440;  Schreitwein  I.  e.  32S-5a7.) 

20.  Zunäuh.st  den  Stufen  des  Seitenaltar.s  auf  der  Evan- 
gelium-Seile de.s  vorderen 'l'lieiles  der  Kirche;  10.  September 
1482.  (G.;  B».  Xr.  13.) 

Anno  doni  .  millesimo  ,  qnadringesimo  .  ortuagesimo. 
secundo  .  die  .  marlis  .  derima  .  mensis  .  septeinbris  .  oblit. 
reverendus  .  palor  .  dominus  .  Joannes  .  de  .  h  e  s  I  c  r  .  aposto- 

lice  .  sedis proliionotarins  .  cuias  .  anima  .  requiescat 

in  pacc  .  amen. 

Kother  Marmor;  zers])rungen. 

Der  hier  ruhende  Bruder  des  eben  neun  Tage  vor  ihm  verstor- 
benen Passauer  Bisehofes  Georg  II.  (s.  Nr.  19.),  ohne  Zweifel  in  das 
Schicksal  seines  Bruders  innigst  verflochten ,  erlag  nach  ernster 
Prüfung  wohl  gewiss  dem  (irame  über  den  Verlust  seines  Bruders, 
durcii  dessen  Loos  sein  eigenes  zunächst  bedingt  war. 

21.  Im  vorderen  Tlieile  der  Kirelie  nächst  dem  .\itarc 
an  der  Evanjjeliniii-Seite:  16.  November  1482.  (G. ;  F.  IV. 
37;  B.  Nr.  12.) 

Ano  .  dni .  I^SZ  .  an  .  sant .  othmars  .ta;;  .  ist  .  gestor- 
ben .  die.  Edl  .  Tran  .  Agatha  .  vu  .  haeszier  .des. 
hoch»ur{ii;;s(e  .  in  .  got  .  witcr  .  fiirstcn  .  ud  .  her  .  hern  . 
(ieor;;en  .  der  .  heiligen  .  roemischen  .  hirche  .  prister  .  Car- 
dinal .  et  .  Biscowen  .  zu  .  passav  .  mueter  .  der  .  sol  .  got. 
gnaedig  .  sey  .  Amen, 

Rother  Marmor;  zwei  ausgetretene  Waiipensehilde ,  in  deren 
einem  ein  springender  Hase  (?). 


Agatha  von  llässler.  also  wahrscheinlich  Gattin  eines  Adeligen 
von  Geburt,  die  Mutter  des  Passaucr  Bisehofes  Georg  II.  (s.Nr.  19)  und 
des  päpstlichen  Protonolars  Johann  von  Hesler  (s.Nr. 20),  starb,  wenn 
auch  schon  hochbejahrt,  doch  wohl  am  gebrochenen  Herzen  unter  den 
Rückwirkungen  des  Schmerzes  über  den,  innerhalb  neun  Tagen 
erfolgten  Tod  beider  Söhne,  deren  Verlust  sie  kaum  zwei  Monate  zu 
überleben  vermochte.  Die  Mutter  fand  nun  ihre  Ruhestätte  neben 
jener  der  beiden  Söhne  in  der  Kirche  zu  Maria  am  Gestade.  Schreit- 
wein (Rauch:  .S.S.  II :  021))  bemerkt  ausdrücklich:  Cuttsepiitti  sunt 
eodein  anno  (  1482)  e.v  latere  iii.iia  eiim  (Georgium  episcupum)  siib 
alio  lapide  Agatha  mater  J üayinesf/iie  fruler. —  Da  übrigens 
aufden  hier  erwähnten  Grabschriften  .Agatha  gleichwie  ihrSohn  Johann 
ausdrücklieh  als  von  llässler  bezeiehnet  sind,  so  dürfte  dieses  bei  der 
noch  in  Zweifel  gestellten  Herkunit  des  Bisehofes  Georg,  ob  er  nämlich 
gemeiner  Abkunft  war  oder  einem  Patriciergeschlechtc  entstammte, 
wohl  für  letzteres  sprechen;  es  müsste  denn  erwiesen  werden  können, 
dass  seine  Familie  erst  später  in  den  Adclsfand  erhoben  wurde. 

22.  Unfern  dem  Alt;ir  des  li.  .loliann  v.  Nep.,  wahr- 
seheiniich  dem  XV.  Jahrhundert  anj^chörif,'.  (G.;  B'.  Nr.  30.) 

hier  .  ligt .  begraben  .  der  .  edl .  Milhalm  .  der  ,  Oster- 

hoffer  .  der  .  am  .  eriebtag  .  vor  .  sant  .  Cat dem  . 

gott  .  gnad  .  Amen. 

ßindeiisehild ,  im  mittleren  Felde  eine  kleine  Scheibe  mit 
stralilenartigen  Strichen  umgeben  (Sonne?).  Geschlossener  Helm 
mit  zwei  Büffelhörnern.  W.  I,  3ö  führt  die  Osterhofer  wohl  unter  den 
n.  ö.  Herrengeschlechtern  auf;  in  der  handschriftlichen  Fortsetzung 
dieses  Werkes  bei  den  n.  ö.  Ständen  llridet  sich  aber  über  dieses 
Geschlecht  keine  Aufzeichnung. 

23.  Rückwärts  an  der  Epistel  -  Seite  ;  wahrscheinlich 
XV.   Jahrhundert.   (G. :   B°.   Nr.   li  las   Zeilermlorf.) 

hie  .  ligt  .  begrabe  .  pangratz  .  von  .  pellendorf. 

der  .  gestorb  .  ist  .  am  .  suntag  .  nach  .  Maria 

gott  .  gnad. 

Rolher  Marmor.  Wappenschild  mit  dem  Fragmente  eines  Rin- 
ges. Das  Wappen  der  Pellcndorfer  bei  Ilanthaler:  Rer.  II,  149, 
Tab.  .W,  Nr.  18;vgl.  auch  Schweickhart  V.  M.  B.  VI.  6.  -  i32ö 
wird  ein  Heinrich  ,  142Ü  Caspar,  14ti4 — -1477  Georg,  1464  Hans 
von  Pellendorf  genannt,  des  letzteren  Gattin,  Klise  geb.  von  Reichen- 
berg, war  1489  llofmeisterin  Katharinens,  Tochter  K.  Friedrieh's  IV. 

24.  Beinahe  in  der  Mille  der  Kirche.  ;in  der  Evangelium- 
Seile  des  Allars.  (G.;  B».  Nr.  42  las  1703.) 

Ano  Uni  I50.'{  die  derima  mesis  mal  obiit  venerabilis 
vir  dns  stepbanus  a  paldauf  ((<>  haid'  levin !)  rapellan' 
huiu'  capellc  hie  sepultus  est.  aia  deo  vivet. 

Rother  Marmor.  In  einer  nischenartigen  Umfassung  ein  auf- 
geschlagenes Buch;  darüber  Kelch  und  Hostie. 

Dem  Baldauf  zu  Brunn  (W.  I,  293)  V.  U.  W.  M'.  dürfte  er  wohl 
nicht  angehört  haben. 

2i>.  Im  Gange  zin- Kanzelstiege  links;  I  .'i  I  0.  (B.Nr.  19.) 

nemento  Jobannis  Berger  Fandatoris  l.'ilO. 

Grab-tein,  auf  welchem  Christus  auf  einem  Regenbogen  Ge- 
richt hält ;  unter  ihm  stehen  der  heil.  Johann  Bapt.  und  der  heil. 
Nicolaus;  am  Fusse  das  Angesicht  iles  Herrn  im  Sehwcisstuche; 
darunter  die  bemerkte  Aufschrift. 

2G.  An  nicht  angemerklcr  Steile;  5.  Jänner  ISlJj. 
(B.Nr.  7.) 

Hie  liegt  Maria  Mar::arrlha  des  edlen  Roman  Stei- 
dinger  eheliche  Toehler  gestorben  am  Frejtag  »or  dem 
heil.  .'{  könig  Tag.  A.  D.  l.'iir>  der  (iott  genadt. 


75  — 


27.  Im  Vordertheile  der  Kirche,  nächst  den  Stülileri  an 
der  Evangelium-Seite;  2).  August  1S15.  (G.;  B.  Nr.  29.) 

Anno  .  doni  .  1515  .  am  .  ain  .  und  .  zwanzigsten  .  tag  . 
angusti  .  ist  .  gestorben  .  der  .  Edl .  vest  .  Ritter  und  Doctor 
Telt  .  Yo  .  Fnrth  .  und  ligt  da  .  begraben  .  de .  got  .  gad. 

(B.  las  Füll  statt:  Fürth,  und:  des  merzen,  statt: 
A  ugusti.) 

Rother  Marmor;  geschmackvoll  verzierter  (rother)  Wappen- 
schild, längsgetheilt  mit  einem  aufrechtstehendfn  (weissen)  Sparren; 
über  der  Krone  auf  dem  offenen  Helme  zwei  (weisse)  liänder,  sparren- 
artig sieh  in  einem  Knopf  vereinigend,  aus  dem  ausgespitzte  (grüne) 
Blütterbüschel  nach  beiden  Seiten  auslaufen. 

Der  hier  Begrabene  gehörte  also  einem  älterenAdelsgeschleehte 
an,  als  jenes  der,  erst  1381  in  den  Adelsstand  erhobenen  Further  von 
Furtenburg,  deren  Geneologic  und  (von  dem  oben  blasonirtcn  völlig 
verschiedenes)  Wappen  sieh  bei  Hohe  neck  111,187—189  und  W.III, 
187—190  finden. 

Die  oben  in  Klammern  angegebenen  Farben  des  Wappens  von 
lälS  sind  aber  jener  runden  bemalten  Grabtafel  entnonnnen,  die 
sich  in  derselben  Kirche  an  einem  rückwärtigen  Pfeiler  unfern  dem 
Altare  des  heil.  Johann  von  Nep.  befand  mit  der  Umschrift: 

f  Jobann  .  Veit  Ton  Fürth  .  Ritter  .  und  .  Docter  .  der 
Rechten  .  ist  .  gestorben  .  den  .  ainundzwanzigsten  .  tag .  des 
monats .  Augusti  .  des .  I5I5  .  Jars. 

28.  Im  rüekwiirtigen  Theiie  der  Kirche  nächst  dem 
Seitenaitare  auf  der  Evangelium  -  Seite  ;  11.  Mai  1517. 
(G.;  B*.  Nr.  24.) 

Hier. ligt  .  begraben  ....  ach  .  im  Stainhaus  .  dem 
(iott  .  6nad  .  der  .  gestorben  .  ist  .  den  11.  tag  .  niay  .  im  . 
151A  .  Jar. 

Liebtrother  Marmor  zum  Tlieile  abgebrochen.  Wappenschild 
viergctheill ,  in  1  und  4,  sowie  auf  dem  offenen  Helm  zwischen  zwei 
Büffelhörncrn ,  ein  runder  Thurm,  mit  Thor  und  3  Mauerzinken; 
2  und  3  leer. 

Schloss  Steinhaus  in  Ob.  Österr.,  Traunkreis,  war  1249—1622 
im  Besitze  der  Pollheimer,  kam  hierauf  an  die  Katzianer,  1693  an  die 
von  Eyselsberg  (Höh  e neck  I,  96,  II.  63 — 117).  Keiner  jener  Poll- 
heimer, die  Steinbaus  besassen,  ist  aber  1517  gestorben.  Wer  also 
hier  begraben  war,  ist  bei  der  Unvollstiindigkeit  der  Schriftzüge 
eben  bezüglich  des  entscheidendsten  Wortes  nur  sehr  schwer  zu 
crrathen. 

29.  Im  rückwärtigen  Theiie  der  Kirche  unferne  dem 
Altare  des  heil.  .Johann  v.  Nep.;    11.  Octuher   1523.   (G.) 

Hie  .  ligt  .  begraben  .  die  .  Edle  .  Fraw  .  Appolonia  . 
mnlbangerin  .  weilent  .  des  .  Edl  .  gestrengen  .  ud  .  hoeh- 
gelarte  Ritter  .  ud  Docter  Veit .  vo  .  Fürth  .  verlassn  witib  . 
die  .  gestorben  .  ist  .  am  .  sutag  .  vor  .  sant  .  f  olmanstag  . 
anno  .  MCCCCCXXIII. 

Dunkelrotber  Marmor.  Im  Wappenschilde  das  Kanimrad  der 
Milhvanger,  dessen  obere  Hälfte  im  weissen  Felde  rolb,  die  unlere  im 
rothen  Felde  weiss  war.  Über  dieses  Geschlecht  s.  H  o  h  c  n  e  c  k  III, 
428 — 43Ö.  Die  liier  genannte  Apollonia,  Witwe  nach  dein  I.'JIS  ver- 
storbenen Dr.  Veit  von  Fürth  (s.  Nr.  27  ).  war  eine  Tochter  Steplian's 
Milhvanger  zu  Wolfstein  und  Margarelbens,  gehornen  von  Kirchborg 
(1.  c.  432).  Ihr  Gatte  wird  aber  hier  gewiss  irrig  Veit  Fürst  genannt, 
da  er  auf  unseren  Denkmälern  übereinstimmend  dreimal  Veit  von  Fürth 
genannt  wird,  während  das  österr.  Adelsgeschlecbt  Fürst  (bei 
W.  III,  143 — 144)  mit  einem,  von  jenem  Veit's  von  Fürth  völlig  ver- 
schiedenen Wappen  einen  Dr.  Veit  Fürst  nicht  aufweiset. 


30.  An  nicht  näher  he/.eichneter  Stelle;  20.  December 
1529.  (F.  IV.  37;  B.  Nr.  10.) 

Anno  Domini  152!)  am  20.  Decembr.  starb  der  Für- 
sichtig Ersann'  Meise  Herr  Hanns  Stossanhimmel  Burger 
zu  .  Wien  ...  hie  begraben. 

Schild  quergothcilt;  oben  ein  Stab,  unten  ein  Kreuz.  L'ber  das 
Haus  des  Wiener  Bürgers  Stossambimmel  nächst  der  Kirche  .Maria 
Stiegen,  nunmehr  bezeichnet  mit  Nr. 364,  vgl.F.  IV,  38;  Laz:  Vieima. 
138;  Abermann  1619,  IV,  10;  A'iVcÄ;.  Top.  von  Österr.  XI. 
388 — 390;  Hermann:  Capistraiiiis  (riiim/iliaiis  (Cöln  1700) 
102;  Schimmer:   Häiiscrchronik  von  Wien.  71—72,  339. 

31.  Im  Schilfe  an  der  Evangelium-Seite;  Aug.  1  531.  (G.) 
Hier  ligt  begraben  der  Edle  Reihard  Ton  Perg  ud  Etwan. 

zu  .  Sei. Ray.  Runig  .  .Hajestct  .  gegenschreiber  im  Salzat  und 
ist  gestorben  .  am  ptinstag  unser  lieben  Frawen  Schidung  dem 
Gott  gnaedig  sej  .  Anno  doni  .  1531. 

Da  im  Jahre  1331  das  Fest  der  Himmelfahrt  Maricns  (ü.  L.  F. 
Scbiedung,  Assumptiu  B.  l'..  vgl.  Hcllwig:  Zeitrechnung,  23) 
nicht  auf  einen  Donnerstag  (l'ßirMiii,  l'linijstag ;  1.  c.  46)  sondern 
auf  einen  Dienstag  fiel,  so  scheint  in  der  G'seben  Copie  der  Grab- 
schrift das  Wörteben  ror  oder  nach  (lt.  L.  F.  Sch.J  weggeblieben 
zu  sein,  je  nachdem  der  10.  oder  17.  August  l.i31  der  Sterbetag  des 
hier  Ruhenden  war.  Oder,  wenn  etwa  die  letzte  Einheilszahl  des 
Sterbejahres  unrichtig  gelesen  sein  sollte,  so  könnten  nur  die  Jahre 
1Ö32  oder  1  j38  substituirt  werden,  an  welchen  der  gedachte  Frauen- 
tag auf  einen  Donnerstag  fiel. 

Rother  Marmor.  Im  Wappenschilde  ein  aufrecht  stehender  Eber. 

32.  Im  Vordertheile  der  Kirche  nächst  dem  Altare  auf 
der  Evangelium-Seite:  20.  März  1551;  in  Lapidarletlern. 
(G.;  B*.  Nr.  35.) 

Anno  .  Dni  .  1551  .  am  .  20  .  tag  .  .Ilarci  .  starb  .  die  . 
Edle  .  tugenthafte  .  fraw  .  fathariua  .  geborne  .  Z  o  p  p  I  i  n  .  S  . 
Ray  .  Ron  .  Mt  .  Raths .  Anwalt .  vnd  .  Salzamts  .  Verwalter . 
ZV  .  Wien  .  Herrn  Christoph. Mayer  .  eheliehe  .  Havsfraw  . 
deren.  Seele  .  got .  gnaedig  .  sein  .  wolle  .  amen. 

Liebtrother  Marmor.  Bei  dem  Abgange  des  Original- Grab- 
steines ist  der  Widerspruch  schwer  aufzuklären  ,  der  darin  liegt, 
dass  hier  der  Gatte  der  am  20.  iMärz  lööl  verstorbenen  Katbarina 
geh.  Zopiiel:  Christoph  Mayer,  unter  Nr.  34  aber:  Andre  Lind- 
auer genannt  wird.  Da  G.  und  B.  unabhängig  von  einander 
Mayer  gelesen  haben,  so  wagte  ich  doch  den  Namen  Lindauer 
nicht  ohne  weiters  dafür  anzusetzen. 

33.  Im  Schilfe  an  der  Evangeliimi- Seite;    18.  April 

1551.  (G.) 
Woll'gang  S  ch  0  p  p  er  ist  gestorben  den  18. 

tag  Apprillis  anno  1551.  dem  gott  gnaedig  sey. 

Rolber  Marmor.   Das  hürgerliclie  Wappen  des' 
hier  Ruhenden  zeigte  fcdgcndes  Blason. 

34.  .\n  niclit  näher  bezeichneter  Stelle:  29.  October 

1552.  (F.  IV.  37;  B.  Nr.  13.) 

Hier  ligt  begraben  der  Edl  Ernvest  Herr  Andre  I,  i  n  d  a  u  e  r 
R.  R  .  .11 .  Rath  Stattanwalt  und  Salzamblmann  zu  »ienn  samt 
der  Edlen  tugenth.  Frau  fatharina  Zopplin  von  Hnus  seiner 
Ehl.  Hausfr.  Er  starb  29  .  8br.  Ao.  52.  Sept.  Sie  starb  den 
20.  Marlii  Ao.  1551.   (H.  versetzt  die  Sterbetage.) 

Zwei  Wappenschildc;  seines,  längsgelheilt,  zeigt  rechts  drei 
Lindenblätter,  links  einen  Low  cn :  jenes  der  Zopel   zum  Haus  vier- 


—   76 


CTcUicilt ;  1.  4.  im  i;olilt>ncii  Felde  ein  seliriiglinkcr  soliwaricr  lialken 
mit  einem  springenden  silhernen  Hirsch:  2.  3.  eine  (scliwiirzo  ?)  Binde 
im  weissen  Felde  (vgl.  auch  S  i  c  b  m  a  c  h  e  r  -  W  e  i  g  e  I  I,  39).  Katha- 
rina dürfte  eine  Tochter  des  1367 — iö78  erscheinenden  Kanzlers 
Johann  Zoppel  von  Haus  gewesen  sein  (Hu  eher :  Atisf.  r.v.arvh.Mell. 
ill.  I7S.  liS(l).  Christoph  ZoppI  von  Haus,  k.  Kaninierrath.  war  bereits 
1  jC!)  Besitzer  von  Raggendorf,  V.  U.  .M.  B.,  erscheint  1  j84  als  Kläger 
in  einer  Streitsache  wegen  des  abgebrochenen  Dorfes  Strass  (I.  c. 
178. 183)  und  vererbte  1573  das  Gut  Haggendorf  an  Ulrich  Christoph 
ZoppI  von  Haus  (Sehweickha  rt  U.  .U  ß.  V,  l'.tü).  Über  Andreas 
Lindauer  ist  7.11  vgl.  La z:  I7?)i«n,  Basel  i;>4r).  löl:  .A  b  e  r  ni  an  n's 
Übersetzung  lÖlO,  IV,  33,  äü;  .\ufl.  v.  J.  1692,  IV,  20,  29. 

3ä.  Im  vorderen  Theile  der  Kirche,  uiiferne  dem  .Mtiire 
iiuf  der  Evanoeliiim-Seite;  19.  Juni  lööO.  (G, ;  F.  Siippl  II, 
IT:  W.  I,  49;  B.  \r.  2.) 

Hier .  list .  begnibea .  der .  Edl ,  und .  s;est renge .  Ritter.  Herr. 
Hans  .  Ada  .  von  .  Ahainib.zue  .Mildena«  .  und.Nouhanss. 
vSeiner.iiaj. kunis.-flajestet .  gcwcster  (Erb  Ciiiumer  desHofh- 
stiffts  Passaw  ,  welcher  allhier  den  19.  Juni  Anno  fhr.  1559 
seeli?  verschieden.)  ((!.  in  der  eiiiückliiminertcn  Stelle  iiiieh 
F.  Siippl.  II,   IT.  und  \V.  1.  49  ergiinzt.) 

Rother  Marmor.  Zwei  Wappenschilde ;  rechts  auf  einem  drei- 
büheligen  Berge  ein  schreitender  gekrönter  (rother)  Löwe  mit  empor- 
gehobenem Seliwcife;  links  viergetheilt.  unkenntlich;  zwei  Helme, 
einer  mit  geschlossenem  Flug,  der  andere  mit  einem  Thierluiupte. 
Über  die  .\hani  oder  Ahaim  zu  M'ildenau  und  Neuliaus  ist  zu  vgl.: 
Hund:  Buyr.  Slamm.  B.  II,  48 — 33,  wo  1379  als  das  Todesjahr 
Hanns  .\danrs  angegeben  ist,  der  noch  löüG  Neuhaus  (Pillwein: 
hiiikri'is.  312)  an  sich  gekauft  haben  soll  (?),  und  Bueelini  III,  c, 
81,  82,  wo  auch  angeführt  ist,  dass  sich  .lohann  .\dam  1330  mit 
Ursula  von  Trcnbach  vermiihlte,  deren  Familienwappen  (l.  c.  190 
und  Siebmacher- Wcigel:  Grosses  IVappenbtich,  1734,1,83, 
V,  38)  wahrscheinlich  in  dern  auf  demselben  Grabsteine  befindlich 
i'cwesenen  Wappcnsehilde  enthalten  war. 

3(5.  Im  rückwärtigen  Theile  der  Kirche,  unferne  dem 
.\lt;ire  ;uif  clrr  Evausoliuui-.'-leite ;  Scptendicr  l.'JGO.  (G.) 

Hier  liegt  begraben  derEdl  und  gestrenge  Herr  Christoph 
Ramschissel  von  Schonegg,  wejient  R.Ferdinand  gewester 
geheimer  Ralh  so  den  8.  tag  Septembris  .  anno  15(;0  seelig 
verschieden  .  dem  got  gnad. 

Holher  Marmor.  Ijii  Wappenschilde  ein  vierspcichiges  Rad. 
Über  der  Krone  auf  dem  olVenen  Helme  ein  geharnischter  Mann,  der  in 
der  Rechten  einen  Busch  von  Schwungfedern  halt.  Die  am  9.  Sept. 
1633  in  den  Freiherrnstand  erhobenen  Herren  von  Ramschissel 
erscheinen  schon  vor  1378  als  Besitzer  von  Schönegg  im  Cillier 
Kreise  Sleicrmark's.  (Schmutz:  Uisl.  top.  Le.r.  v.  Sieierm.  \l\. 
262,  307.) 

37.  Im  rückwärtigen  Theile  der  Kirche  nächst  dem 
Altare  de.s  heil.  Johann  v.  Nep.;  löGlJ.  Lapidarschrift. 
(G.;  B".  Nr.  30.) 

Hier  ,  ntiler  .  diesen  .  stain  .  ligen  .  begraben  .  der  . 
ersamm.  vnd  .fVrnem  .  ( Iiristnpb  .  ßachinger  .  der.  den  .  4. 
tag  .  aprilis  .  des  .  KtlW»  .  jars  .  seelig  .  verschieden  .  and  . 
sein  .  eheliche  .  Hawsfraw  .  Barbara  .  die  .  den  .  1.  Seplembris  . 
I5G6  .  in  .  got  .  entschlafen  .  denen  .  got  .  gnädig  . 
sein  .  wolle. 

Lichtrother  Marmor.  Im  Wappensehilde,  wie  auf  dem  geschlos- 
senen Flug  über  dem  geschlossenen  Helme  ein  sehräglinks  gewelleter 
Pfahl. 


Nahe  an  diesem  Grabsteine  an  der  Wand  befand  sich 
eine  auf  Holz  gemalte  Gedächtnisstafd  mit  dem  Hilile  der 
.Vufersteluing  des  Herrn,  und  im  lichtgrauen  Sockelfclde  mit 
Lapidarlcttern  folgende  Inschrift: 

Anno  .  Domini  .  1566  .  den  .  i.  Tag  .  Aprilis  .  ist  .  in  . 
got  .  verschieden  .  der  .  ersam  .  vnd  .  fvrneni  .  Christoph  . 
ßachinger  .  Bvrger  .  alhier  .  i\  .  Mien  .  vnd  .  den  . 
ersten  .  .Septembris  ,  ermelts  .  66  .  Jars  .  ist  .  gestorben  . 
Barbara  .  sein  .  eheliche  .  Havsfraw  .  vnd  .  ligen  .  beide  . 
hier  .  neben  .  begraben  .  denen  .  got  .  gnad  .  >nd  .  inen  . 
samt  .  allen  .  rhristglaubigen  .  ein  .froeliche  .  Auferstehung, 
verleihen  .  wolle  .  amen. 

38.  Im  vorderen  Theile  der  Kirche  nächst  den  Stühlen; 
1Ö67,  1Ü71.  (G.;  B.  Nr.  37.  gibt  17.  Nov.  l!J7t>  als  den 
Todestag  Schauer's  an.) 

Hier  ligt  begraben  der  Edle  und  Vest  Herr  fieorg 
.Schauer  Bnrger  und  des  äosern  Raihs  tu  M'ienn  so  den 
7.  November  des  1571  Jahrs  in  Gott  Verschieden  und  flaria 
Salonie  sein  Eheliche  Uauszfraw  des  Edlen  und  Gestrengen 
Ritters  Herrn  (hristoll'en  von  Ramschissel  von  Schönegg 
weylend  kav.  Ferdinandi  gewesten  gcheimben  Ralhs  nachge- 
lassene Tochter  die  den  9.  Tag  Junii  in  1567  Jahr  Seeliglich 
verschieden  .  denen  Gott  ein  fröhliche  Auferstehung  verleihe. 
Amen. 

Rollier  Marmor.  Unterhalb  zeigt  sich  links  (heraldisch)  das 
obenNr.  3ti  erwähnte  Wappen  der  Hanischissel ;  rechts  das  Sehauer'- 
sehc,  ein  sehräglinks  getheilter  .Sehilil,  im  oberen  Felde  ein  sehreiten- 
der getlügelter  Greif,  ii\  der  Mitte  des  unteren  Feldes  ein  mit  diesem 
schriiglinker  Balken. 

39.  Im  Vordcrtheile  der  Kircln^  nächst  den  Stühlen 
auf  der  Evangelium-Seite;  i>.  August  1570.  (G.;  W.rV,226; 
ß.  Nr.  5.) 

D  .  0  .  M. 

GEOHGIO  .  SIGISMVNDO 

FILIOLO  .  DVLClSSiu 

lOANNES 

HEGEXMVILLER 

ET  .  CA(tharina)  WELSERINN 

l'AliE.XTES. 

ÄNl)    MDLXX  .  V  .  M.  AVG. 

P  .  I  .  P. 

Graugelber  Marmor.  Bei  W.  wird  insbesondere  angeführt,  dass 
sich  obige  Inschrift  auf  einem  kleiiwren  Steine  neben  dem  Grabmonu- 
ment des  Dr.  .lohann  Hegenmiiller,  Vaters  des  idjigen.  befand. 

Auf  dem  Grabsteine  zeigten  sieh  aueli  zwei  Wappenschilde; 
rechts  (heraldisch):  das  Ilegcnniüller'schc ,  ein  schreitender 
(g(ddener)  Löwe  im  schriiglinken  (schwarzen)  Balken  auf  (goldenem) 
Felde:  links:  zwei  nach  oben  und  unten  einander  entgegengestellte 
dreibliilterige  Lilien  von  einem  dreifachen  Hände  zusammengehalten, 
das  Welse  r'sehc  Wapjjcn,  nämlich  jenes  der  Mutler  des  hier 
ruhenden  Jünglings,  einer  verwitweten  Welser  (vgl.  Siebmacher- 
Weigel:  Wappvnhifh.  VI.  22,  vgl.  mit  I,  207:  IV,  194;  VI,  18).  Das 
Wappenzeiehen.  welches  sich  in  einem  hohen  Fenster  der  Kirche  in 
altem  Farbensehmelz  befand,  und  welches  einem  früheren  Besehreiber 
dieses  Gotteshauses,  dem  fleissigcn  Böekh.  so  viele  heraldische 
Scrupel   verursachte  (S.  21—22),  ist   wohl   nicht   das  Wciscr'schc 


77   — 


Wappen,  dessen  zwei  Lilien,  weiss  und  rolh  getheiil,  ein  rolhes  »ind 
ein  weisses  Feld  decken,  während  das  von  Böckh  besprochene 
Wappen  gelbe  Lilien  im  rothen  Felde  zeigt- 

40.  Im  vorderen  Tlieile  der  Kirche  an  der  Evangelium- 
Seite;  27.  Octol)er  1581.  (G. ;  F.  Siippi.  II,  17.;  W.  V, 
226;  B.  Nr.  3.) 

Hie  ligt  begraben  die  Edle  nnd  Tagendreiehe  Fraw 
fntharina  (Anna,  bei  G.)  Weiser  ein  gebohrne  Marschalk  (zu- 
letzt Herrn  Hans  HegenniüllerDoctor  kay  .  Maitt  .  Canzler  und 
Raths  Ehefrau-,  bei  W.  und  B.)  die  starb  den  27.  TagOctobris 
des  Jahres  1581  deren  nnd  allen  Gott  gnädig  sey  wolle.  Amen. 

Ob  ungeachtet  des  bei  allen  vier  Ahsebriften  übereinstiminenden 
Todesjahres  1381  doch  nicht  etwa  1387  zu  lesen  war?  Aul'  dem  Grab- 
denkmale Johann  Hegenmüller's  (s.  Nr.  43),  welcher  1384  im  86. 
Lebensjahre  (nach  W.)  starb,  ist  ausdrücklich  angemerkt,  dass  ihm  das 
Denkmal  von  seiner  trauernden  Gattin  gesetzt  wurde.  Oder  sollte  er  in 
seinem  80.  Lebensjahre  noch  ein  zweites  Mal  geheirathef  haben,  und 
das  Monument  von  seiner  zweiten  Frau  herrühren?  Wahrscheinlich  ist 
die  eingeklammerte  Stelle,  welche  diese  Katharina  als  J.  Hegenmüller's 
Ehefrau  bezeichnet,  nur  ein  von  B.  nachgeschriebener  Beisatz  W's. 
und  die  hier  Ruhende  war  dann  ohne  Zweifei  die  Mutter  der  an  J. 
Hegenmüller  verehelichten  Katharina,  welch'  letztere  nach  Bucciini 
(Gff«i.  (op.  chor.  stemm.  111.  3.  lit.  W.)  des  Ilieronj  mus  Welser  und  der 
Katharina  Marschalkin  Tochter  gewesen  ist.  Hegenmüller's  Gattin, 
welche  auf  Nr.  39  als  eine  gcborne  Welser  erscheint,  konnte  nicht  auch 
zugleich  eine  gcborne  Marschalk  sein. 

41.  Im  Vordertlioile  der  Kii'che  nächst  den  Stühlen. 
1582.  (G.:  B».  Nr.  44.) 

D.    0.  M. 
IIIC  .  lACET 

SIGISMVNDVS  .  DE.  VI 

IMPEHIALIS  .  VICE  .  CANCELLARIVS. 

NSIORVM  .  (PVB  .  .  VLVS  .  .  ?) 

1 582  (SINICFRAR  .      n        W  .  .  .  ?) 

QVONIAM  [zz'  Izzi  IPSORVM  EST 


REGNVM 


COELORVM. 


Links  das  Welser'sche  Wappen  (s.  oben  Nr.  39j,  rechts  ein 
viergetheilter  Schild,  1  und  4  ein  eiiikopfiger  Adler  mit  ausgebrei- 
teten Flügeln  ;  2  und  3  je  drei  Kugeln  :  eine,  unten  zwei. 

Ist  etwa  der  Zuname  des  hier  Ruhenden:  }\'elscr,  sonach  etwa 
jener  Sigismitndus  Welser  (U.ror  :  Ursula  Rothin),  dessen  bei 
Bucelini  11,  3,  lit.  AV  (B)  gedacht  wird,  und  der  ein  Bruder  des 
oben  Nr.  40  erwähnten,  mit  Katharina  Marschalkin  vermählten  Iliero- 
nynius  Welser  war?  Allein  das  Wappen  der  Rolh  (hei  Bucelini  I.  e. 
lit. R)  stimmt  damit  nicht  überein,  und  das  bei  S  i  ebina  ch  er  -  Wei- 
gel  I,  128  vorkommende  Roth'sehe  Wappen  mit  einem  Adler  gehört 
wieder  nicht  dem  Stamme  der  Ursula  Roth  an. 

42.   Im  rückwärtigen  Theile  der  Kirche  nächst   dem 

Seiten-Altare;   1584.   (G.;  B".  Nr.  23.) 

CHRISTOPH  HILUNGER 

V.l.  nOCTOR 

CANON.  PATA  .  FERDINANDI  .  I  . 

MAXIMILIANI  .  TT  .  RVDOLPIII  .  II  .  CMS  . 

A.A.  CONSILIARIVS  .  y.c  .  OBIIT 

.\NNO  .  ÜNI 

MDLXXXIV. 


Unterhalb  in  einem  breit-ovalen  Blätterkranze  das  HiUinger'sche 
Wappen  im   nebenstehenden  Blason,   darüber   der  Cardinalshut  mit 

zwei    nach    beiden    Seiten    bin    sich    verschlingenden 

Schnüren  mit  je  einer  Quaste. 

Es  ist  nun  der  merkwürdige  Fall,  dass  Wien  zwei 

Grahmonuniente  desselben  Mannes  besass,  wovon  das 
eine  an  der  Aussenseite  des  hohen  Chors  vom  S(.  Stephansmünster  an 
der  rechten  Seite  der  ofl'encn  sogenannten  .Armensünder- Halle  noch 
gegenwärtig  vorhanden,  an  demselben  aber  das  Sterbejahr  Hillinger's 
mit  MDLX  angesetzt  ist.  (Vgl.  hierüber  Fei  I  in  S  c  h  m  i  d  l's  iisterr.  lil. 
f.  Lit.  II.  Kunst,  1844.  271,  und  dessen:  Kunst  u.  Allerth.  in  Osterr. 
I,  8.)  Es  ist  kein  Zweifel,  dass  dieser  letztere  Grabstein  noch  bei  Hillin- 
ger's Lehenszeit  nach  dem  J.  1360  gesetzt,  als  er  aber  1384  starb  auf 
dieses  Denkmal  vergessen  und  ihm  an  einer  anderen  Steile,  nämlich 
zu  Maria  Stiegen,  ein  zweites  Epitaphium  mit  dem  richtigen  Todes- 
jahre gewidmet  wurde.  Dass  Hillinger  wirklich  bis  1384  lebte,  ist  aus 
zahlreichen  Aufzeichnungen  über  seine  spätere  Wirksanikeit  erwiesen. 
Wie  schon  früher  1333,  so  war  er  auch  später  1360 — 1581  die  Seele 
der  Commissioncn  zur  Visitation  der  Klöster,  so  wie  Mitglied  des  damals 
entstandenen  sogenannten  Klosterrathes,  wobei  er  aber  später  mit 
Khlesl  in  einenZwiespalt  der  Ansichten  gerieth,  sodass  letzterer  1383 
laut  über  die  Verunglimpfungen  klagte,  die  er  von  Seite  Hillinger's 
erfuhr  (Hammer:  Kldesl  I,  a,  26—34,  45:  b,  37,  39,  75). 

43.  An  nicht  näher  bezeichneter  Stelle;  27.  Septem- 
ber 1584.  (F.  Suppl.  II,  16;  W.  IV,  225;  B.  Nr.  4,  auch 
bei  Locher:  Spcruhim  ucad.  Vlenn.  433.) 

Nobili  Clarissinio  Yiro  Domino  Joanui  Hegenniüllero 
Juris  utriusque  Doctori,  Divi  IHaiimiliani  II.  Rom.  Imper. 
fonsiliario .  et  Rudolph!  II.  eiusdeni  filii  Rom  .  Inrivtl  Regis 
aulue  fanrellario  ,  quam  plurimnm  in  rernm  Rom.  Imperii 
trartatione  defatigato  et  tandem  pie  defuneto.  nior  moest. 
Memoriae  ergo  posuit.  Obiit  XXYII  Sept.  Inno  Dom.  MDLXXXIV. 

Ein  Georg  Hegenniüller ,  aus  Schwaben  eingewandert,  war 
bereits  1516  K.  Max  I.  geheimer  Hofkanzleischrciber.  Der  oben 
erwähnte  Johann  H.,  1499  geboren,  1368  in  den  Adelstand  erhoben, 
starb  am  27.  Sept.  1384  im  86.  Lebensjahre.  Mehreres  iiber  ihn  in 
Hammer's  Khlesl  z.  B.  I,  37  AT.  und  bei  \V.  a.  a.  0. 

44.  Im  vorderen  Theile  der  Kirche,  unfern  dem  .4lt:ire 
an  der  Evangelium -Seite;  12.  Sciitember  löitü;  Lajiidar- 
schrift.  (G.;  B».  Nr.  43  hat:  Hocki/i.) 

Den  .  12  .  tag  .  Septembris  .  ir>90  .  starb  .  die  .  edl  .  vnd . 
tTgendhafte  .  jvngfrav .  Mar .  fatharina  .  Rerkinn  .  vnd  .  ligt . 
alda  .  begraben  .  der  .  Gott  .  gnad. 

Braunrother  Marmor.  Wa])|ienschild  geviert,  I  und  4  ein  nie- 
derer Sparren  nach  aussen  gezinnt;  2,  3  ein  springendes  Einhorn. 

45.  An  nicht  näher  bezeichneter  Stelle;  25.  Februar 
1597.  (F.  Suppl.  II,  16:  B.  Nr.  16:  W.  III.  351.) 

Theophilo  Goldio,  Nobili  fanoniro  Pata>iensi  ingenuo, 
snb  disriplina  et  lonYirtu  .Sorjoiatis  JE.SI  hir  Viennar  literis 
operani  naTauti ,  immatura  febris  Hnngariae  correptione, 
25.  Febr.  A.  fhri.  1597.  aetatis  suae  l^.  non  adhuc  rom- 
pleto  anno  extinrto,  hirque  sepulto  Erasmus  (iold  in  halleri- 
stein  et  Parschenbrun  .S.  C.  iM.  ii  Tonsiliis  nee  non  lllnii  Rvdmi 
Episropi  et  l'rincipis  Pa<sa>iensis  fonsiliarius  et  aulae  Prae- 
fertus  parens.  moest.  Filio  bonar  spei,  memoriae  ergo  monu- 
mentum  bor  posuit.  XXVIII.  Febr.  A.  nDLWXWIII. 

Mehreres  über  das  aus  Salzburg  nach  Österreich  eingewanderte 
Geschlecht   der    Gold   von    Lamjioding   (auch    Lampatling, 

11 


78   — 


heut  zu  Tafjc  Laiii  perdint;  im  liinkreise  Oherösterieiclis  ,  unfernc 
dem  Ursprünge  des  sogenannten  Engel-  auch  Egenach-Baches)  bei 
W.  III.  3bO  — 852  um!  hei  Hohe  neck  1.  365,  II,  203,  223  und  III. 
412,  607.  720. 

46.  An  einem  PlVili'r  an  der  Kpi.stel-Scite  des  rück- 
wärtigen Theiles  der  Kirehe  eine  altarälinliehe  Tnnihe.  Im 
Mittelstüeke  zeigen  sieli .  vor  einem  personKieirteii  .\i)l)ilde 
der  ii.  Dreifaltigkeit  kniend,  auf  der  einen  Seite  drei  Männer 
und  drei  Knaben,  auf  der  anderen  Seite  drei  Weilier,  ein 
Mädchen  und  auf  einem  Tuciie  liegend  vier  Faseheukinder. 
Oben  ein  liingsgetlieilter  Schild  ,  rechts  ein  springendes 
Einhorn,  links  ein  Sparren  mit  drei  Kleestängeln.  Unterhalb 
dem  Mittelbilde  (G): 

AdÖ  doui  1Ö98  den  7.  IHiiy  ist  in  (lott  entschlafen  der 
EdlVest  Paul  Ernst  Burger  des  ilicrn  Uaths  und  «ber-Stadt- 
faineror  allhior  in  Mien  sleichfals  auch  sein  Ehliche  llausfraw 
Barbara  welche  vor  ihm  im  15S6  Jahr  am  15  Julii  seeliglich 
abgegangen  und  hier  samt  seiner  andern  Hansfraw  Anna  nd 
deren  bejden  leiblichen  Üindern  hier  begraben  ligt,  welchen 
Gott  und  uns  allen  ein  fröliche  Auferstehung  icrleihen  wolle. 

47.  An  nicht  bezeichneter  Stelle;  21.  Mai  IG  IT.  (B. 
Nr.  lö;  VV.  11,428.) 

Peter  Andreas  Erstenberg  zn  Frejenthurn  bey 
nannswörth  n.  ö.  Regierungsrath  starb  den  21.  Kay  1617. 

Dieses  i.')82  in  den  Ritterstand  erhohene  Geschlecht  ist  mit 
Georg  Andreas  nach  16j0  ausgestorben  (\V.  1.  c),  die  Herrschaft 
Freientluirn  aber  schon  i640  an  die  von  Teufel  gelangt  (n.  ö.  stand. 
Gült.  Buch). 

48.  An  einem  Pfeiler  des  rückwärtigen  Theiles  der 
Epistel  -  Seite;  4.  Mai  IG22.  \\'apjiensciiild  mit  drei 
Rosetten  im  sciirägreeiiten  Baiken.  Darunter  mit  Lapidar- 
schrift (G. ) : 

Ano  .  Dni  .  nDCXXII  ipso  sacrae  dominicae  asrcnsionis 
profesto  obiit  nobilis  honesta  et  devota  matroua  domina 
Catharina  Hilbrantin  annornm  aetatis  suae  XXXVII  culns 
aimae  bene  precato.  Westus  maritvs  fonradvs  lliltprant  V. 
I.  D.  .Scae  .  faesa  .  Majestatis  Ferdinand!  III.  a  .  consiliis  . 
ipp  .  avlicis,  qui  hoc  ehide  monvmentnm  fieri  curavit. 

Gelblichgraucr  Stein.  Im  ovalen  Mittelstiick:  Christus  am 
Olbergc. 

Dr.  Conrad  llillehrand,  dessen  Titel  sich  iui  Slatiis  pari,  regim. 
Ferd.  II.  p.  ii)4  findet,  gehörte  nicht  jenen  Hillcbrandcrn  an,  von 
denen  bei  \V.  IV.  329 — 331  gehandelt  wird,  und  deren  Wappen  von 
dem  oben  erwähnten  völlig  verschieden  war. 

49.  Im  rückwärtigen  Theile  auf  der  Epi.slel-Seite: 
22.  Juli  1 622.  (G.;  W.  111,832.) 

Hier  llgt  begraben  der  Wohlgebohrne  Herr  Erasmus  vo. 
Gold  auf  famp  (Lampodlnj!)  Freyherr  ^o.  Parsrbcnprun  Sr. 
Rom.  Mt.  und  llochfur>llicb  Passauischer  Uofralh,  «elcher 
gestorben  den  22.  Jnly  Anno  IG22.  Dem  Gott  gnädig  sey. 

Rotlicr  Marmor.  Obenauf  Wappenschild,  quor  getheiU:  im  oberen 
(silbernen)  Felde  7.wei  neben  einander  gestellte  (rolhe)  llüflhörner 
an  (rolben)  Schnüren  hängend,  im  unteren  (rothcn)  Felde  ein  solches 
Hörn  (silbern).  .\uf  dem  gekrönten  ofl'enen  Helme  ein  rolh  gekleideter 
Mann  mit  goldener  Krone  auf  dem  Haupte,  weisser  Binde  und  weissen 
Umschlägen  am  Hals  und  an  den  .\rmeln  /.wischen  zwei  rolben  Büfl'el- 


hörnern,  mit  der  Keelilen  ein  rothes  lliiflborn  zum  Munde  haltend,  dio 
Linke  in  die  Seite  geslemmt. 

Bei  W.  3.  8Ö1— 2.  ist  der  10.  August  1023  als  dessen  Todestag 
und  der  3.  August  1623  als  der  Tag  der  -Xusfertigung  des  Diploms 
angegeben,  womit  I']r;isinns  von  Gnid  in  den  Freilierrustanil  erhoben 
wurde. 

Xebstdem  befand  sieh  an  einem  Pfeiler  nahe  an  dem  obigen  Grab- 
steine eine  hölzerne  Grabtafel  nut  dem  oben  blasnnirten  Wappen  und 
einer  in  der  .Angabe  des  Todestages  auf  dem  Grabsteine  iiliereinstim- 
nienden  t'nischnfl: 

Hier  llgt  liegralirii  der  Molilgeboriic  Herr  Krasinu>  (iidd  I  ri',\lierr  von 
Camp  (sie)  und  auf  l'arsrheniirun  .Seiner  llüin.  hajs.  .Ilajesl.  und  Sei. 
Horbfiirstllrh.  II.  des  Erzherzogen  Leopold  Wllhchn  Ri>rtMir('ii  zu  Passaii 
Kath  dem  (iott  gnädig  sein  nulle,  geslorlien  den  22.  Jidli  1622. 

Es  kann  nicht  \jnbemerkt  bleiben ,  dass  Erzherzog  Leopold 
AVilhelm  erst  162.'>  zum  lÜschofe  von  I'assau  ernannt  wurde.  —  Par- 
schenbrunn  liegt  im  V.  U.  M.  B.  und  kam  1600  an  Erasmus  von 
Gold;  nach  dem  n.  ö.  stand.  Giiltenbuche  bei  Sehweikhart  V.  V. 
M.  B.  V,  70;   n.  W.  W.  13,  222. 

öO.  Stark  beschädigte  obere  Hälfte  eines  ruthmarniornea 
Gral)steines  im  rückwärtigen  Theile  der  Kirche  nächst  dem 
Seitenaltare  an  der  Evangelium-Seite ;  1632.  Lapidarscln-ift. 
(ti.:  B'.  Nr.  37.) 

Sepvltvra  .  nobilis  .  doniini  .  Adam! .  Job  st  .  sacrae  . 
Caesar  .  Maiestatis  .  in  .  camera  .  avslria  .  (et?)  dominae  . 
fatharinae  .  natae  .  Bvrchartin  .  conivgis  .  carissimae  . 
qnarvm  .  animarv  .  misericors  ,  Devs  .  cum  .  fidelibvs  .  in  . 
Christo  .  reqniem  .  aeternam  .  Amen.   HDCXXXII. 

i)i.  Nächst  den  Stufen  des  lldclialtars  an  der  Epistel- 
Seite,  Lapidarschrift;  26.  März  1637.   (G.;  B.  Nr.  9.) 

D  .  T  .  0 .  n  .  et .  piis  .  manibus  .  faroli  .  L.  Raronis  .  a  . 
Kirchperg  in  .  Ensegg  .  et  Vihofen  .  catcdralis  .  cecles  . 
Fassaviensis  .  canonici  et  .  sac  .  cacs.  Maiestatis  .  nee .  non  . 
sereniss""  .  Archidacis  .  Leopold!  .  \^'ilhelmi  .  Archiepiscopi  . 
Magdebvrgensis .  primatis .  per .  Germaniani .  et .  episrop! .  Argen- 
tinensis  .  Halberstadiensis  .  ar  .  Passovie  .  eonsiliarii  .  et .  oHl- 
Cialis .  generalis .  in  .  Arstria  .  infra .  anaslm  .  sacrum  .  qui .  obiit 
anno  .  lIDf  XXXYII  .  Vli  .  Calendis .  Aprilis. 

Wappenschild  viergetbeilt :  1  und  4  zwei  kreuzweise  über 
einander  gelegte  goldene  Streitkulben  im  rofhen  Felde;  2  und  3  auf 
Silber  sechs  stehende  blaue  Eisenbütchen,  3,  2,  1  unter  einander 
gestellt.  Über  den  erwähnten  Karl  F.  v.  K..  welcher  1631  mit  dem 
alten  Neudeggerhof  in  der  Wiener  Vorstadt  .St.  Ulrich  bidebnt  worden 
war,  ist  zu  vgl.  Hohcneek  II.  Suppl.  34  und  W.  V,  147  —  148. 

ö2.  Rückwärts  an  der  Epistel-Seite  auf  rothem  Marmor 
ein  grosses  Cruciflx,  diesem  zu  Füssen  die  (iestall  eines 
knieenden  Mannes  mit  kurzem  iMantel  und  ein  knieender 
Knahe  :  hinter  beiden  der  heil.  Chrislophorus  mit  dem 
Kinde.  .Auf  der  anderen  Seite  die  Gestallen  von  zwei  knie- 
enden Frauen .  ebenfalls  mit  kurzen  Radmänteln.  Rück- 
wärts zwei  weiblidu'  (iestallen  mit  Nind)us,  die  eine  den 
Kelch  mit  Hostie,  die  andere  ein  Weihrauch-Schiir  haltend ; 
9.   Septeniljcr  1(144.  (G.;  B.  Nr.  26.) 

Hier  liegt  begraben  der  Rom.  Ray.  May.  IMencr  und 
Horhfürstlirber  ücbt  Erzherzogen  Leopold  Wllbelni  zu  Oester- 
relch  geheimer  Hof  -  ( antzley  Expeditor  und  vo  ano  1609  bis 
dato   Erzherzoglicber  dicncr   (hristopb   ^letl,   so  gestorben 


—   T9 


den  9.  Septenibris  des  1644  Jahrs.    Dessen  Seel  Gott  gnädig 

sey.  Amen. 

Darüber  zwei  Wappen.  Rechts  vierfelilerig:  1  und  4  im  schräg- 
linken  Pfahl  eine  doppelte  Lilie,  3  und  3  liinfrsgethcilt.  Auf  dem 
Helm  ein  ofl'ener  Flug,  inmitten  die  Lilie.  Links:  Herzscliild  mit  drei 
aufrechten  Pfühlen  ;  in  1  und  4  ein  rechts  schreitender  Greif;  in  2 
und  3  ein  oben  gezinntcs  Thor  ohne  Thorflügel. 

53.  Am  Pfeiler  näclist  dem  Johiiiin  v.  Nep. -Altar  im 
rückwärtigen  Theile  der  Kirche  :  24.  April  1664;  Lapidar. 
(G.:B,Nr.  28.) 

D  .  0  .  n  .  Uic  .  req^iescit  .  nobilis  .  Donvs  .  Dominvs  . 
GeorgWs  .  a  .  B  r  e  n  d  t  .  dictvs  H  ö  p  fa  n  e  r  .  Franc o  .  SalicTs  . 
Tixit .  anis  IXVI  .  obiit .  anno  DnT.  MDCLYIV  .  die  XXIV  .  Apri- 
lis  .  CriTs  .  aninia  .  Deo  vivat .  nonTmentmi .  fratri  .  optiino  . 
posTit  .  lodocvs  .  episcopTs .  lanipsaeensis .  officialis  .  sTffra- 
ganeTS  .  passaviensis. 

Grauer  Marmor.  Wappenschild  vierfelderig:  i.  ein  sitzender 
Hund  (?) ;  2.  ein  schriigreehter  gewelleter  Pfahl  ;  3.  Segment  eines 
Regenbogens;  4.  doppeltes  Hirschgeweih.  Über  Jodok  B.  zu  vgl. 
Hansiz  G.  S.  1,763;  F.  Suppl.  H.  13. 

54.  An  der  Wand  an  der  Epistel-Seite.  Rother  Marmor 
mit  goldenen  Lettern  :2t.  April  1675.   (G. ;  B.  Nr.  25.) 

Hier  ruhet  in  Gott  der  Edle  Gestreng  Uerr  Georg  Sche- 
ue niarch  Ihrer  Rom.  Kay.  May.  gewester  Hatschier  wel- 
cher sein  liCbcn  geendet  am  21.  April  ao.  1670  seines  Alters 
68.  Jahre,  denie  der  Alniacchtige  gnaedig  sey  .  0  Gott!  Ich 
werde  ersettiget  werden  Durch  den  Schein  deiner  Herrlich- 
keit, weil  ich  Ton  dieser  Erden  Mich  gewendet  zur  Secli- 
keit  .  Psalm  .  18.  H. 

55.  Unfern  dem  Altar  an  der  Epistel-Seite.  10.  April 
1679.  (G.) 

Alhier  ruhet  der  wohledle  gestrenge  herr  Johan  Nico- 
lavs  von  Kingler  hochfvrstlich  passavischer  vnterenser. 
Consistorial.  Rath.  Ofl'icial  Cammerer  vnd  Lehen  Herr  Tnd 
Ton  18.  Martii  1669  in  hochfTrstlicher  Bedienvng  angestellt 
Tud  in  Gott   verschidcn  den  10.  April   ano    1679. 

Rother  Marmor.  Wappenschild  mit  4  Feldern:  1.  4.  ein  blosses 
Schwert,  schräg;  2.  3.  drei  Kleeblätter  auf  einem  dreihüheligen  Hügel. 

56.  Graurother  Marmor  ;  mit  goldenen  Lapidarhuch- 
staben;  22.  Juli  1722.  (G.;  B.  Nr.  31  hat  12.  Juli.) 

D  .  0  .  M  .  RD  "  D  .  Nathiae  .  W  v  r  z  e  r .  B""  .  et  R  '"^  . 
D  .  D  .  R  .  S  .  1  .  princ  .  et  .  epis  .  pat  .  consil  .  consist  . 
rector  .  ecclesiae  .  decauus .  et .  paroch  .  in  .  Mosprvnn  .  nunc  . 


nihil  .  orate  .  quam  .  ora  .  pro  .  sc  .  Obiit  XXll  .  Jnly  .  die  . 
Anno  .  HDCrXXII. 

Von  der  alten  Pfarrkirche  zu  .Moosbrunn,  V.  U.  W.  W.  nächst 
Fischamend,  wo  Wu  rzer  Pfarrer  gewesen,  ist  nur  noch  der  Thurni 
mitten  in  dem  von  einer  Mauer  und  einem  tiefen  Graben  umgebenen 
Friedhofe  vorhanden.  Das  dermalige  Gotteshaus  wurde  erst  1787 
zu  einer  Pfarrkirche  erhoben. 

57.  An  nieht  niiher  bezeichneten  Stellen:  (57 — 66  ;  B'. 
Nr.  45 — 54)  Franciscus  Graf  von  Thurn  27.  Oct.  1756. 

58.  Johann  Christoph  Graf  von  Kaenburg    1756. 

59.  Johann  Adolph  Freiherr  von  Nasch,  General-Feid- 
Waehtmeister.  1758. 

60.  Maria  von  Saufrein.  1754. 

61.  Maria  Antonia  von  Sanfrein.  1745. 

62.  Johann  Stephan  Bitter  von  Migetti. 

63.  Franz  Mayer,  Director  liier  und  l'farrer  zu  Rusbach. 

64.  Leopoldus  Pouget,  1750.  Viearius  hier. 

65.  Egidius  Casparus  Pelser.  1753. 

66.  Johann  Michael  lichtenegger.  1  752. 

67.  Im  Vordertheile  der  Kirche,  unfern  dem  Altare  an 
der  Epistel-Seite;  1779.  (G.;  B».  Nr.  33.) 

ftVji  .  HoC  .  saXVM  .  tIbI  .  DlCiT  .  Vlinm  .  If.ce. 

Hierauf  ein  Wappenschild  viergctheilt,  in  1  und  4  ein 
springender  Hirsch ;  in  2  und  3  im  sehrägrecbten  Pfahl  ein 
Fisch  (Schlange),   hierunter  mit  Lapidarsehrift. 

Bernardvs .  Nicolavs  .de  .  Gropper  .  consiliarins . eecle- 
siasticYs  .  pataviensis  .  ac  .  onnasi  ,  inferioris  .  oificialatTS  . 
notarlvs .  hie  .  jacet .  Visit  annis  XIVIII .  et .  X  .  dies  .  homo  . 
de  .  valide  .  optimis  .  qua  .  vita  .  nostra  .  svmns  .  et  .  a  . 
consiliarins  .  ecclesiasticus  .  omnia  .  agens  .  cvm  .  consilio  . 
Prov  .r.  13.  T  .  16  .  Hie  .(cxeblabit!).  in .  die  .  Tltimo  .  Uno. 
minus  .  esset  .  in  .  ccciesia  .  sanctorvm  .  mors  .  Erat .  oificla- 
latvs  .  notarivs  .  hac  .  vila  .  mortis  .  qvi 
officioso  .  erat  .  et  .  sedvlo  .  rationis  , 
hardvs  .  sit  .  in  .  morte  .  fhristi  .  bonvs 


I  negotio  sapienter  . 
Tita  .  sna  .  Bern- 
....  ab  .  de 


Tri 


Licht-schwarzrother  Marmor.  Die  wahrscheinlich  bereits  sehr 
beschädigte  Inschrift  wurde  offenbar  mit  riuersland  eopirt.  Wir 
konnten  natürlich  hier,  sowie  überhaupt  bei  den  übrigen  mitgetheil- 
ten  Grabschriften,  denen  nicht  mehrere  von  einander  unabhängige 
Lescarten  zu  Grunde  lagen,  nur  geben  was  sich  auf  der  uns  vorgele- 
gencii  Abbildung  befand,  und  enthielten  uns,  namentlich  bei  Nr.  67, 
weiterer  Combinationen  zur  Herstellung  eines  besseren  Sinnes.  Linzeine 
Stellen  sind  ganz  ijewiss  sehlechl  gelesen. 


Pamätky  archaeologicke  a  mistopisne.  (Archäologlscli-topographische  DtMikwürdlgkcIten.) 

(Fortsetzung.) 

Der  verkommene   Zustand   des    Inneren   der    Kirche  ist,    (wie     das    verstümmelte    Masswerk    der     herrliehen 

wirkt  aber  sehr  nachtlieilig  auf  den  Besucher,  der  trotz  den  Fenster   im   hohen   Chore   deutlich   erkennen  liisst)  ersetzt 

bereits   vorgenommenen,   theilweisen  AuflVischungen   ein-  wurde.    Ja  man  entblödete  sich  danuds  nicht,  die  von  den 

zelner  Partien  und  Gegenstände  nicht  befriedigt  wird.    Am  Pfeilern   sich   ablösenden,    ursprünglich  bis  unter  die  Wöl- 

meisten   zu  bedauern   ist   der   Verlust   der  ursprünglichen  bung  hinaufreichenden,  schmalen,  gothischen  Halbsauleii  in 

Wölbung  im  Hauptschilfe,  die  im  Jahre  1679  in  Folge  einer  Pilaster  nnt  jonischen  Capitiilon  zu  verwandeln.   Doch  gibt 

Feuersbrunst  einstürzte,  und  seihlein  durch  eine  ganz  styl-  es    der    merkwürdigen,     altcrthüniliehen    Ornamente    und 

widrige  Rundbogenwölbung,  die  um  mehrere  Fuss  niedriger  Kunstdenkniale   immer  noch  in  ansehnlicher    Menge.    Der 


—  80 


Hoflialtitr  i-l  fiii  im  IJeniiissiuiccstyl  im  .hihre  1649  iuis  Holz 
aufgeführtes,  roichvcizieitts.  nun  iilier  sein-  verkommenes 
Bauwerk  mit  einem  Himmelfiilii  Isbilde  von  K;irl  Skreta, 
dem  vorragendsteii  Meister  der  im  XVII.  J;ilirliiiiulerte  neu 
erwachten  Kunstperiode  Böhmens,  von  dem  mich  mehrere 
Werke  an  den  (ihrigen  Altären  der  Kirche  vorgezeigt 
werden.  .Mit  .\usnahme  des  St.  Johann  Tiiufers- Altars 
am  Pfeiler  nehen  der  Kanzel,  einem  sehiitzliaren  Schnitz- 
werke aus  dem  XVI.  Jahrhunderte  in  Form  der  alteren 
gothisehen  Flügelaltiire.  und  zweier  in  neuerer  Zeit  iiacli 
.Angahe  des  Malers  Joseph  Ilellieh  nicht  ganz  in  glück- 
lichen N'erliältnissen  errichteten  Altiire.  sind  alle  (ihrigen 
ziemlich  zahlreichen  Altiire  der  Kirche  ein  Werk  des  XVII. 
und  XVIII.  Jahrhunderts,  zum  Theil  in  älterer  Renaissance, 
zun»  Theil  im  Zopfstyle  in  seiner  widrigsten  Ausartung 
aufgeführt.  Nebstdeni  besitzt  die  Kirche  an  G  e  m  ä  I  d  e  n:  zwei 
althöhmische  Gemälde.  Maria  nnt  vier  später  zugemalten 
Fijjuren  und  ein  Ecce  lionio  mit  lateinischen  Legenden  aus 
dem  XV.  Jahrhunderte,  dann  zwei  altdeutsche  Flügelbilder, 
St.  Barbara  und  Sanct  Katharina,  in  Burgmaier's  Manier, 
die  Skrcta'schen  Bilder,  ausser  der  Hinunelfahrt  am  Hoch- 
altare, Maria- Verkündigung,  St.  Barbara  und  die  Rück- 
kehr aus  Ägypten;  drei  grosse  Gemälde  auf  Leinwand  von 
Johann  Georg  Heintsch  (-}•  1713)  von  geringem  Werthe, 
endlich  die  ausgezeichneten  Stairdeihilder  am  neuen  St. 
Lucasaltare  von  Joseph  Hellich,  aufgestellt  im  Jahre  1852. 
Holzsculpturen:  ein  Christus  am  Kreuze  in  Lebens- 
grösse  am  .Mtare  in  der  Apsis  des  linken  Seitenschifl'es  mit 
ursprünglicher  Farbenbenialung  aus  der  ersten  Hälfte  des 
XV.  Jahrhunderts,  eines  der  schätzbarsten  Kunstwerke  dieser 
Art  überhaupt;  eine  sitzende  Maria  mit  dem  Kinde,  beinahe 
in  Lebensgrösse,  am  Altare  in  der  .Apsis  des  rechten  Seiten- 
schiffes, ebenfalls  aus  der  ersten  Hälfte  des  XV.  Jahrhunderts, 
jetzt  durch  11  ej lieh  neu  bemalt,  ebenso  wie  ein  Haut- 
relief, die  Grablegung  Christi  mit  vielen  Figuren,  beiläulig 
aus  derselben  Zeit. —  Stein  seulpturen:  die  gothische 
Kanzel  an  einem  Pfeiler  der  rechten  Seite,  aus  dem  XV.  Jahr- 
hunderte, im  Jahre  1847  renovirt  und  nach  .Angabe  des 
Malers  Hei  lieh  mit  einem  neuen  gothisehen,  jedoch  ziemlich 
unglücklich  ausgefallenen  Pyramidaldeckel  aus  Holzscbnitz- 
werk  versehen;  der  capellenartige,  im  reichen  gothisehen 
Geschmacke  aufgeführte  Baldachin  ober  dem  St.Lueasaltare 
vor  einem  Pfeiler  gegenüber  der  Kanzel,  ein  Werk  des 
böhmischen  Baukünstlers  Matthias  Rejsek  von  Jahre  1493. 
eliemals  der  Bestundtheil  eines  prächtigen  Grabmals,  das 
die  Gemeinde  dem  utraipiistischen  Bischöfe  Augustinus 
Lucianos  setzen  Hess,  im  JhImc  1852  ziemlich  glücklich 
reslaurirt;  reiches,  gothisehes  Masswerk  an  den  rechten 
Wandfläeben  der  beiden  Seitenapsiden  mit  kleinen  Figuren 
und  Brustbildern  ;  —  41  meist  marmorne  Grabsteine  und 
Inschriftentafeln  an  den  Pfeilern  und  Seitenwänden,  zum 
guten  Theile  auch  im  Fiissliudcn  der  Kirche,  aus  dem  XVI., 
XVII.  uml  Will.  Jahrhunderte.   Das  merkwürdigste  ist  das 


oft  beschriebene  Grabmal  das  llofastronomen  Kaiser  Hu- 
doljdi's  II..  Tycho  Brahe  (-J-  1601);  die  idirigen  beziehen 
sieh  auf  manche  bekannte  Personen  des  hohen  .Adels.  Staats- 
männer, Kriegshauplleute,  Professoren  der  L'niversiiät, 
Magistratspersonen,  Geistliche  und  Patriciergeschlechter 
der  Altstadt  Prag.  Manche  am  Fussboden  liegende  Grab- 
steine sollten  der  besseren  Erhaltung  wegen  dringend  an  die 
Seitenmauern  gestellt  werden,  da  sie  ohnehin  bei  der  1721 
vorgenommenen  Unipflasternng  der  Kirche  aus  ihrer  nr- 
sprüngliehen  Lage  gebracht  wurden.  Ilieher  gehört  auch 
die  schöne  Marimirgruppe  St.  Cyrill  und  Method  von  Knian. 
Max  in  der  Apsis  des  rechten  Seitenschifl'es,  vom  Kaiser 
Ferdinand  I.  liieher  geschenkt  und  1846  aufgestellt.  — 
Gu  SS  werke:  der  zinnerne  Taufkessel  vom  Jahre  1414, 
das  älteste  bekannte  Denkmal  dieser  Art  in  Böhmen,  die 
grosse,  118  Wiener  Centner  schwere  Glocke  im  südlichen 
Thurme,  gegossen  im  Jahre  1553  von  Thiimas  Jaro.s  aus 
Brunn,  der  auch  die  grosse  St.  Siegmundsglocke  am  Prager 
Domthurme  verfertigte. 

An  die  Längenseite  desreeiiten  Seitenschifl'es  ist  neben 
dem  jetzt  versperrten  Südportalc  die  Sacristei  angebaut, 
deren  Bauformen  mit  denen  der  Kirche  übereinstimmen. 
Älittelst  einer  steinernen  Wendeltreppe  gelangt  man  in  ein 
Obergeniach,  das  wohl  ursprünglich  zur  .Aufbewahrung 
der  Kirchenschätze  und  Paramente  gedient  haben  mochte. 
An  die  Sacristei  stösst  noch  eine  gothische  Capelle,  deren 
Kreuzgewölbe  auf  schlanken,  gothisehen  llalhsäulen  in 
den  \N  inkeln  des  regelmässigen  Viereckes  ruht.  Die  mit 
reichem  Laubwerk  verzierten  Capitäle  der  llalhsäulen  fallen 
in  eine  frühere  Periode  des  gothisehen  Styles.  Die  Capelle 
mag  jedenfalls  150  Jahre  älter  als  das  jetzige  Kirchen- 
gebäude sein,  und  ist  ein  Überrest  der  früheren,  vor  dem  im 
15.  Jahrhunderte  stattgefundenen  Neuljaue  hier  bestandenen 
und  abgebrochenen  Kirche.  Sie  ist  der  heiligen  Ludmilla 
geweiht,  und  man  sieht  hier  den  vermauerten  Eingang  zu 
einem  unterirdischen  Gange,  der  in  ein  benachbartes  Haus 
führen  soll.  Die  Sage,  dass  im  nahen  Teynhofe  die  heilige 
Ludmilla  lebte  und  dieser  Gang  ihre  Wcdinung  mit  der 
Kirche  in  Nerhindung  setzte,  ist  späteren  Ursprungs  und 
beruht  auf  alberner  Erfindung. 

Der  .Aufsatz  schliesst  mit  dem  Winische.  dass  sich  der 
Prager  Kunstverein,  der  sieh  zur  Aufgabe  machte,  Prag  mit 
monumentalen  Kunstscböpfungen  zn  zieren .  nach  Beendi- 
gung der  Fresken  im  k.  k.  Belvedere  inid  Aufstellung  des 
B  a  d  e  t  z  k  y -Monuments  .  als  drittes  \\'ei'k  seiner  heilsamen 
Thäligkeit  die  w  indige  .Ausstattung  der  Teynkirche,  an  der 
so  vieles  gut  zu  machen  wäre,  erwählen  wollte;  —  ein  ^ 
Wunsdi,  der  jedenfalls  Beachtung  verdienl .  iiiiil  \on  jedem 
Kiiiheimischen  warm  bevorwortet  würde. 

Ein  Ausflug  über  Pilsen  nach  Tepl  und 
dessen  Umgebungen,  von  K.  Wl.  Zapp  (S.  21),  ent- 
hüll unter  anderen  eine  gedrängte  Schilderung  der  Pilsner 
Erzdekanatkirche     und    der     dortigen    Franciscanerkirche 


81   — 


daiiri  eine  mit  Documenteii  belegte  Gründungsgeschichte 
des  Pramonstratenserstiftes  Tepl  nebst  Beschreibung  der 
dortigen  Stiftskirehe.  Die  P i  I s  n e  r  E r  z d  e  k  a  n a  t  k  ir  c h  e 
ist  eines  der  bedeutendsten  Kirciiengebiiude  des  aus- 
gebildeten gothischen  Styles  im  Lande ,  dessen  boch- 
strebende  Verhältnisse  durch  die  sehr  vortheilhafte  freie 
Lage  auf  dem  grossen  Hauptplatze  der  Stadt  nur  noch  mehr 
gehoben  werden.  Sie  wurde  im  Jahre  1292  unter  Mitwir- 
kung der  Bürgerschaft  vom  deutschen  Orden  erbaut,  dessen 
Wappenschild  noch  an  den  meisten  Aussenpfcilern  des 
Chores  neben  dem  böhmischen  Lüwen  sichtbar  ist,  auch  hat 
es,  von  dem  Einflüsse  der  Zopfperiode  beinahe  ganz  unbe- 
rührt, vieles  von  seiner  ursprünglichen  Gestalt  behalten.  An 
den  niedrigeren  und  engeren,  vom  steilen  Schieferdache  über- 
ragten Ostchor  schliesst  sich  das  breite,  dreitheilige  Schiff 
an,  dessen  Westfronte  ursprünglich  mit  zwei  Thürmen 
geschmückt  werden  sollte,  von  denen  jedoch  nur  einer  aus- 
gebaut wurde.  Sechs  massive,  runde  Pfeiler  tragen  die 
gleich  hohen  Wölbungen  der  Schiffe,  deren  Gewölbrippen, 
ohne  auf  Tragsteinen  zu  ruhen,  unmittelbar  aus  dem  Körper 
der  Pfeiler  herauswachsen,  und  vielfach  in  einander  ver- 
schlungen ein  merkwürdiges  Gurtennetz  bilden.  Reich  ist 
das  Masswerk  in  den  hohen  Fenstern,  in  denen  sich  auch 
theihveise  hierlands  seltene  Überreste  alter  Glasmalerei 
erhalten  haben.  Die  gegen  Süden  und  Norden  gewendeten 
zwei  Nebeneingänge  sind  mit  ins  Dreieck  gebauten  Vor- 
hallen versehen,  deren  Mauertlachen  zierliches  Masswerk 
bekleidet.  Das  Innere  der  Kirche  ist  ziemlich  vernachlässigt, 
und  bietet  ausser  der  steinernen  gothischen  Kanzel  aus  dem 
XV.  Jahrhunderte  und  einigen  Inschriften  keinen  archäo- 
logischen Gegenstand  von  einiger  Bedeutung.  Der  ausge- 
baute Thurm  erhielt  nach  dem  Brande  1835  ein  neues,  in 
eine  sehr  dünne  Nadel  auslaufendes  Kupferdach  von  sehr 
unglücklichen  Verhältnissen,  und  erreicht  eine  Höhe  von 
312  Wiener  Fuss.  —  Die  Fra  nciscanerkirche  wurde 
nur  um  5  Jahre  später  als  die  vorbeschriebene,  nämlich  im 
Jahre  1297  ursprünglich  für  Minoriten  erbaut,  und  zeigt 
dieselben  Bauformen,  nur  ist  die  Anlage  eine  ganz  andere. 


Bei  fast  gleicher  Länge  ist  sie  viel  schmäler  und  niedriger 
als  die  Erzdekanatkirche:  aber  sechs  ebenfalls  runde  Pfeiler 
trennen  das  Mittelschiff  von  den  niedrigen  Abseiten,  und  die 
vielfach  verschlungenen  (jewölbgurten  wachsen  wie  dort 
aus  denselben  unmittelbar  hervor.  In  eine  nähere  Schilderung 
lässt  sich  der  Verfasser  nicht  ein.  • —  Die  Prämo nst ra- 
te nser-Stiftskir  che  in  Tepl  ist  eine  dreischiffige 
romanische  Pfeilerbasilica  mit  Kreuzvorlagen  und  zwei 
Thürmen  an  der  Westfronte,  unstreitig  das  bedeutendste 
und  wenigstens  in  der  äusseren  Ansicht  am  besten  erhaltene 
Bauwerk  des  romanischen  Styles  in  Böhmen  (wo  es  übrigens 
sicheren  Nachrichten  zu  Folge,  namentlich  in  Prag,  an 
grossartigen  Gebäuden  aus  der  romanischen  Bauperiode  nicht 
fehlte),  obwohl  es  im  Inneren  in  der  Mitte  des  vorigen 
Jahrhundertes  total  modernisirt  w  urdc. 

Der  Bau  begann  nach  sicheren ,  urkundlichen  Nach- 
richten im  Jahre  1197.  und  fällt  bereits  in  die  L'bergangs- 
periode,  wie  die  Thurmfenster  und  die  aus  dem  Zehneck 
geschlossene  Apsis  des  Mittelchores  darthun.  Die  Apsiden 
der  Seitenchöre  sind  halbrund.  Die  Baumverhältnisse  des 
Bauwerkes  sind  folgende :  die  ganze  Länge  von  Aussen 
beträgt  204  n.  ö.  Fuss,  die  Breite  des  Langhauses  57',  der 
Abstand  der  Kreuzvorlagen  90'.  Sechzehn  achtseitige,  jetzt 
modernisirte  Pfeiler  trennen  je  8  zu  beiden  Seiten  das 
Mittelschiff  und  Chor  von  den  Abseiten  und  tragen  die  gleich 
hohen  Wölbungen,  die  sich  47'  hoch  über  den  Fussboden 
erheben. 

Die  Abseiten  mit  ihren  halbrunden  Chorschlüssen  sind 
nur  um  M'enige  Fuss  kürzer  als  der  Mittelraum,  aber  ver- 
hältnissmässig  sehr  eng.  Das  Mittelschiff  und  der  Chor  haben 
einfache  runde  Kreuzwölbungen ,  deren  stark  vortre- 
tende Gurten  sich  auf  die  gegenwärtig  barocken  Capitäle 
der  Pfeiler  stützen.  Dasselbe  gilt  auch  von  den  Kreuzvor- 
lagen; die  Seitenschiffe  haben  aber  durch  Rundliogcn- 
Gurtcn  getrennte  Tonnengewölbe.  28  Bundbugenfenster, 
meist  modernisirt,  zum  Theil  höchst  styl  widrig  erweitert, 
verbreiten  ein  gleichmässiges  Licht  in  allen  Räumen. 

(Die  Forlsetziiiiy:  folf^t  im  iiäclisteu  Hefte.) 


Notiz. 


(über  den  Zustand  der  A 1 1 e r t h ü m e r  in  S i s c i a) 
erstattete  der  Conservator  für  Croatien  Herr  Ivan  v.  Ku  k  u  1- 
j  e  vic  der  k.  k.  Central-Commission  folgenden  Bericht : 

Die  uralte  pannonische  Stadt  Siscia  am  Zusammen- 
flüsse der  Sawe  Ruipa  und  Odra  gelegen,  daher  von  den 
Slaven  Sisek  oder  Süsek  (die  Schneide  der  Flüsse)  genannt, 
blühte  lange  vor  der  Herrschaft  der  Römer  und  war  die 
Hauptstadt  einer  ganzen  Provinz.  Schon  im  Jahre  117  vor 
Christi  Geburt  versuchten  die  Feldherren  Lucius  Cotta  und 
Metellus  diese  Stadt  unter  die  römische  Herrschaft  zu  brin- 


gen, konnten  sich  aber  daselbst  niclit  behaupten  (Appian  de 
Bello  Illyr).  Erst  im  Jahre  32  vor  Christi  Geburt  gelang  es 
dem  Cäsar  Octavianus,  nachdem  er  siegreich  aus  Japodien 
in  Pannonien  eindrang,  nach  30tägiger  schwieriger  Bela- 
gerung die  befestigte  Stadt  einzunehmen.  Er  Hess  daselbst 
unter  Fusius  Geminus  2ü  Cohorlen  als  Besatzung  zurück, 
woraus  man  die  damalige  Grösse  der  Stadt  enlnehmen  kann. 
Cäsar  Octavianus  machte  die  neueroberte  Stadt  zur  Vor- 
rathskammer  für  den  Krieg  gegen  die  Dacier  und  Bastarner; 
sdilug  zur  Zeit  der  Belagerung  eine  Brücke  über  den  Fluss 


—   82 


Colopis  (iiltslavisch  Iflpu  und  Rolpii,  jotzt  Rupa)  iiiul  er- 
richtete auf  allen  Seiten  Verschanzungeii  mit  Gräben.  Noch 
jetzt  sieht  man  in  der  Riilpa  die  römisehon  Griiiidmaiiorn 
einer  Uriicke  <),  mul  die  alten  Erdwiille  hinter  Milititr-iSisok, 
welche  von  den  Ufern  der  Rulpa  bis  zu  der  alten  Sawe  sich 
dehnen,  nennt  noch  jetzt  das  Vcilk  „riiiiski  Sanac" 
(Hönier-Schanze). 

L  iiter  der  Herrschaft  der  Römer  wurde  Siscia  nebst 
Sirmium  der  wichtigste  Platz  in  l'aiindnicn,  und  vnn  da  aus 
gingen  alle  Kriegs-  und  Ilandelsziige  in  die  Fjiinder  des 
Ostens. 

Zur  Zeit  des  grossen  pannonischen  Aufstandes  unter 
den  nationalen  Fürsten  ßato  und  Pinez  hatte  deren  Gegner 
Tiberius  seinen  Sitz  in  der  Stadt  Siscia  aufgeschlagen  und 
zog  einen  Canal  um  den  östlichen  Thcil  der  Stadt,  der  noch 
jetzt  sichtbar  ist  und  vom  Volke  „Kontraba"  (Contra  aqua) 
genannt  wird. 

Zur  römischen  Colonie  umgewandelt,  wurde  die  Stadt 
bedeutend  erweitert  und  verschönert,  war  der  Sitz  eines 
Landvogtes  (Corrector  Saviae)  und  zweier  Magistratsper- 
sonen, des  Schatz-  und  Müuzmeisters  (Praepositus  Thesau- 
rorum  Siscianorum  et  Procurator  monetae  Sisicanae).  Von 
den  unzähligen  in  den  Ruinen  Sisek's  gefundenen  Münzen 
tragen  die  meisten  das  Zeichen  der  Präge  von  Siscia,  so  wie 
viele  Monumeutalsteine  und  Ziegeln  mit  dem  Namen  von 
Siscia  prangen. 

Um  das  Jahr  300  n.  Chr.  war  Siscia  bereits  der  Sitz 
eines  Bistliums,  und  es  sind  Spuren,  dass  dieses  Bisthum 
noch  im  IX.  und  X.  Jahrhundert ,  bis  zu  den  Verheerungs- 
zügen der  Bulgaren  und  Ungarn,  existirte.  Zwar  wurde  die 
Stadt  durch  die  wilden  Horden  der  Hunnen,  Gothen  und 
Avaren  im  \.  und  \\.  Jahrhundert  sehr  hart  mitgouonnneii, 
ihre  Mauern  sammt  der  Festung  standen  jedoch  noch  im 
IX.  Jahrhundert  und  es  war  daselbst  derSitz  des  Kroatischen 
Grossfürsten  Ljudevit,  der  von  hieraus  seine  N'erthei- 
digung  gegen  die  mächtigen  Heere  der  Franken  leitete.  Die 
gänzlicheZerstörung  hat  die  Stadt  wahrscheinlich  den  ersten 
Einfällen  der  Ungarn  und  Bulgaren  zu  verdanken,  denn  nach 
dem  X.  Jahrhuiulert  geschieht  weder  der  Stadt  noch  des 
Bisthums  eine  weitere  Erwähnung.  Was  von  den  alten  Ruinen 
auf  der  Oberfläche  der  Erde  blieb,  dies  verheerten  nach  und 
nach  die  türkischen  Kriege;  und  was  die  Erde  seit  Jahr- 
hunderten barg  und  aufbewahrte,  das  zerstört  die  Gleich- 
giltigkeit  der  jetzigen  Generation  im  stolzen  Bewusstsein 
der  höchsten  Aufklärung. 

Von  diesen  Zerstörungen  im  Privatwege  unterrichtet, 
begab  ich  mich  im  Laufe  des  Monats  Juni  1856  nach  Sisek, 
konnte  aber  meiner  Amtsgeschäfte  wegen  leider  nur  drei 
Tage  daselbst  verweilen,   in  welch"   kurzer  Zeit  ich  mich 


•)  Diese  Brücke  slanil  noch  zur  Zeit  der  Kriege  zwischen  'onstiniliii  und 
Mapiit'iitlus.  der  .luf  derselben  zuerst  verwundet  wurde  ,  spiJler  .ther  die 
Stadt  einnahm  und  die  Festung  schleifte. 


jedoch  von  der  Verwüstung  der  daselbst  befindlichen  alten 
Monumente  und  Altcrthümer  liinreichend  überzeugte. 

Der  jetzige  Ort  Sisek  ist,  wie  bekannt,  in  zwei  Theile 
getheilt,  nändich  in  das  Civil-  und  Militär-Sisek;  die  beiden 
sind  getrennt  durch  den  mitten  durchlliessendenRulpa-Fluss, 
der  zum  grössten  Nachlheile  des  Handels  und  der  Ccnnniu- 
nication  anstatt  einer  stehenden  Brücke  mit  einer  herr- 
schaftlichen, im  schlechtesten  Zustande  bclindlichen  Über- 
fuhr versehen  ist.  Civil-Sisek,  an  welchem  Orte  der  grössere 
Tlieil  der  alten  Siscia  stand,  gehört,  ausser  den  Gründen 
der  Einwohner,  zur  Herrschaft  des  Agramer  Domcapitels; 
Militär-Sisck,  wu  bedeutend  weniger  Alterthiimer  vorge- 
funden wurden,  zählt  man  zum  zweiten  Baual-Grenz-Begi- 
mente.  Der  zum  grössten  Theile  unterwühlte  Boden  von 
Alt-Siscia,  in  dessen  Besitz  das  Agramer  Domcapitel  seit 
Jahrhunderten  steht,  wird  seit  einigen  50  Jahren  in  einzelne 
Gründe  ahgethcilt,  und  der  Grund  an  Private,  zumeist  Sise- 
ker  Kaulleute,  ä  300  bis  öOO  fl.  verkauft.  Das  erste,  was 
nun  so  ein  Käufer  auf  dem  erworbenen  Grunde  vornimmt, 
sind  die  Ausgrabungen  des  alten  römischen  Materials,  wel- 
ches er  nun  entweder  selbst  zum  Baue  verwendet,  oder  an 
Andere  verkauft,  und  zuweilen  als  eine  Handelswaare  an  der 
Save  hinab  bis  in  das  Banat  verführt.  Dass  nun  diese  Aus- 
grabungen, den  einzelnen  rohen  Gräbern,  die  per  Klafter 
3  bis  4  Gulden  für  das  Material  erhalten,  überlassen,  nicht 
eben  systematisch  und  wissenschaftlich  unterniniiuieu  und 
geleitet  werden,  kann  man  sich  wohl  denken;  aber  dass  man 
sich  für  die  Erhaltung  der  ausgegrabenen  Monumente 
weder  von  der  Herrschaft,  noch  von  der  Gemeinde  oder 
irgend  einer  Behörde  bis  nun  interessirte,  diess  ist  wohl 
nnverzeililich. 

Es  sind  iui  Laute  der  letzten  Jahre  die  alten  Stadt- 
mauern mit  d(Mi  Wällen.  Tliürinen  imd  Thoren.  einzelne 
Gebäude  mit  Säulen.  Architraven  und  herrlichen  Capilälen, 
Bäder  mit  bleierneu  und  Ziegelröhren.  Canalisirungen  und 
Mosaik-Bäder,  an  vielen  Orten  Urnen,  Grab-  und  Votiv- 
Steine  nebst  den  mannigfaltigsten  Kleinigkeiten,  ja  selbst 
eine  ganze  christliche  Kirche,  die  in  der  Länge  20  und 
in  der  Breite  !>  Klafter  betrug,  mit  Mosaikboden,  einem 
Altartisch  mit  marmorenen  Säulen,  Wandmalereien,  Sculp- 
turen,  Fenstergläsern  und  Fenstergittern,  einem  Taufbecken 
U.S.W,  ausgegraben  werden;  und  diess  Alles  wurde  entweder 
gänzlich  vernichtet,  zerbrochen  und  verworfen .  oder  nach 
dem  herausgehobenen  Baumateriale  in  Schutt  wieder  begra- 
ben. Es  sind  Fälle,  dass  ein  Boden,  dreimal  dm'ehwühlt, 
stets  ein  reiches  Material  geliefert  hat,  (dme  dass  man  auf 
den  untersten  Grund  der  alten  Mauern  gekommen  wäre. 

Das  Wenige,  was  in  dieser  Zerstörnngswutb  nicht 
gänzlich  zu  Grunde  ging,  liegt  grösstentheils  in  einzelnen 
Höfen  oder  Gärten  der  Einwohner  zerstreut,  oder  in  den 
Wänden  der  Häuser  eingemauert;  nur  ein  einziger  Bewoh- 
ner vonSisek.  Herr  Du  rieh,  gab  sich  dieMülie,  eine  kleine 
Sammlung    der   Siseker  Altcrthümer   anzulegen,    und    ihm 


83 


steht  würdig  zur  Seite  der  Ortspfarrer  und  Elirendomherr 
S 1 0  i  s  11  i  k ,  der  mit  einem  wissenschaftlichen  Eifer  und  Sach- 
kenntiiiss  für  die  Ausgrabungen  sich  iuteressirte  und  mit 
der  Geschichte  des  Ortes  und  der  Funde  seit  Jahren  sich 
beschäftiget. 

Um  dem  weiteren  Vandalismus  Einhalt  zu  thiin,  wen- 
dete ich  mich  daher  an  die  hohe  k.  k.  Statthalterei  mit 
folgenden  Bitten: 

1 .  Es  möge  dieselbe  das  lijbliche  Agramer  Domcapitel 
ersuchen,  dass  dieses  die  künftigen  Käufer  solcher  Gründe, 
wo  sich  römische  Alterthümer  befinden,  in  den  Kaufvertragen 
verptlichte,  keine  Ausgrabungen  zu  unternehmen,  bevor  sie 
es  der  k.  k.  Ortsbehörde  angezeigt  haben;  und  sollten 
sie  bei  Ausgrabungen  auf  irgend  ein  Monument  stossen ,  so 
sollen  sie  es  nicht  elier  ausheben  oder  vernichten  dürfen, 
bevor  von  dem  Funde  der  k.  k.  ßaubeamte  des  Bezirksortes 
oder  irgend  ein  anderer  zur  Aufsicht  der  Ausgrabungen 
Angestellter  davon  verstandigt  wird. 

2.  Für  jene  Gründe,  welche  das  Domcapitel  an  Private 
bereits  verkauft  hat,  oder  auf  denen  es  selbst  Ausgrabungen 
unternimmt  oder  unternehmen  wird ,  möge  die  hohe  k.  k. 
Statthalterei  dem  betrelfendeii  Bezirksbeaniten  die  iiöthigen 
Weisungen  zur  Verhütung  der  Monumental -Zerstörungen 
ertheilen. 

3.  Dass  solche  Muiiumcntal- Gegenstände,  die  einen 
kunsthistorischen  Werth  haben  und  von  einzelnen  Menschen 
wegen  der  Schwere  nicht  fortgeschleppt  werden  können, 
von  Seite  der  Behörde  gesammelt  und,  in  Ermangelung  eines 
andern  Ortes,  in  dem  geräumigen,   mit  Mauern  und  Thüren 


verschlossenen  Hofraume  der  Pfarrkirche  im  Orte  aufgestellt 
und  aufbewahrt  werden.  Auf  diese  Art  würde  der  Grund  zu 
einem  interessanten  Orts-Musoum  gelegt,  welches  den  Orts- 
bewohnern zum  Stolz  und  der  Wissenschaft  zum  grössten 
Nutzen  dienen  könnte.  Der  oberwähnte  Herr  Domherr  und 
Ortspfarrer,  mit  dem  ich  darüber  sprach,  würde  mit  Ver- 
gnügen das  Ordnen  und  die  Aufsicht  solcher  Gegenstände 
über  sich  nehmen. 

Es  wäre  nun  zu  wünschen  ,  dass  auch  die  Kosten  für 
die  Hebung  und  Fortbringung  sulcher  Gegenstände  bis  an 
den  bestimmten  Ort  von  irgend  einem  ärarischen  oder  Lan- 
desfond getragen  würden  ;  zugleich  könnte  man  aber  auch 
zur  Aufsicht  der  künftigen  Ausgrabungen  einen  wissenschaft- 
lich gebildeten  Fachmann,  wenigstens  auf  einige  Zeit,  im 
Orte  selbst  anstellen,  dessen  erste  Aufgabe  sein  müsste,  einen 
guten  Grundriss  der  ganzen  alten  Stadt  zu  liefern ,  und  die 
ohne  jedes  System  fortdauernden  Ausgrabungen  persönlich 
zu  leiten  und  zu  beaufsichtigen. 

Schliesslich  bemerke  ich ,  dass  während  meiner  An- 
wesenheit in  Sisek  auf  drei  verschiedenen  Orten  ein  langes 
bleiernes  Rohr,  von  einer  unterirdischen  Wasserleitung  her- 
rührend, im  Gewichte  von  mehreren  Centnern,  sodann  meh- 
rere massive  Steinplatten  und  Säulen-Capitäle,  und  endlich 
auf  einem  Felde  des  Ortspfarrers,  welches  mit  Sarkophagen 
ganz  besäet  ist,  ein  steinerner  Sarg  ohne  Inschrift  ausge- 
graben wurde,  welche  Gegenstände  ich  in  dem  Kirchen- 
Hofraume  aufzustellen  anordnete,  da  die  Eigenthümer  diesel- 
ben mit  Freuden  dem  öftentlichen  Zwecke  zu  ^^  idmcn  sich 
entschlossen. 


Literarische  Anzeigen. 


Von  der  „Z  ei  t  sclirif  t  für  christliche  A  rchiiolog  i  e  und 
Kunst",  herausgegeben  von  F.  v.  Quast  und  H.  Otte  (Leipzig, 
T.  0.  Weigel),  ist  das  vierte  Heft  des  ersten  IJandes  erschienen. 
D;isselbe  enthält  einen  Aufsatz:  „IJber  die  niittelaltcriiehe  ICunst  in 
Böhmen  und  Mahren"  von  J.  D.  Passavant  als  Resultat  eines 
Ausfluges,  den  der  Verfasser  im  Jahre  1849  dahin  unternommen  hat, 
um  durch  Selbstanschauung  eine  sichere  Kcnntniss  von  der  ehema- 
ligen Kunstblüthe  dieser  Länder  zu  erlangen.  Die  Darstellung  dürfte 
aber  kaum  den  Erwartungen  genügen,  welche  der  Titel  des  Aufsatzes 
anregt,  da  sie  zu  oherflächlich  und  mangelhaft  und  ohne  ernstere, 
tiefer  eingehende  Studien  über  die  hervorragendsten  Kunsterseheinun- 
gen  des  Mittelalters  in  Böhmen  und  Mähren  ist.  Da  nun  der  Hr.  Verfasser 
demungeachlet  über  den  Charakter  der  mittelalterlichen  Baukunst, 
Seulptur  und  Malerei  in  diesen  Ländern  sieh  mit  aller  Bestininitheit 
ausspricht,  so  behalten  wir  uns  vor,  bei  passendem  .anlasse  die 
Urtheile  des  Herrn  J.  D.  Passavant  über  die  mittelalterliche  Kunst 
in  Böhmen  und  Mähren  einer  etwas  strengeren  Prüfung  zu  unterzie- 
hen. Dem  Aufsatze  sind  zwei  Tafeln  beigegeben,  wovon  die  Eine 
eine  Ansicht  und  Details  der  sehr  interessanten  romanischen  Kirche 
zu  St.  Jakob  bei  Kuttenberg')  und  die  zweite  ein  Initial  aus  der 

*)  In  einem  der  nächsten  Hefte  werden  wir  gioieltfails  eine  uns  vorliegende 
arcliiiologisclie  Würdigung  der  Kirchen  zu  St.  .Takolt  und  Z aber  inßoliiiien 
vom  Conservator  Dr.  Eritsmus  Wocel  in  Prag  verölTenllielien.      D.  Ued. 


„Mater  verborum"  im  Museum  zu  Prag  enthält.  Bezüglich  der  erste- 
ren  gibt  Herr  Passavant  an,  dass  die  Kirche  St.  Jakob  von  ihm  im 
Jahre  1849  an  Ort  und  Stelle  aufgenommen  worden  sei.  Nun  ist 
es  aber  sonderbar,  dass  die  AufEiahme  eine  so  grosse  .\hnlichkeit  mit 
der  Abbildung  hat,  welche  in  dem  I.  Hefte  der  .\rchäologischen 
Blätter  des  böhm.  Museums  vom  Jahre  1848  enthalten  ist,  aber 
dabei  doch  mehrere  Unrichtigkeiten  in  den  Details  besitzt,  welche 
die  Kirche  weder  in  der  .Abbildung  des  böhmischen  Museums, 
noch  in  der  Wirklichkeit  aufweist.  —  Herr  v.  (Juast  beginnt  in 
diesem  Hefte  „Archäologische  Reiseberichte"  die  bei  der  Stellung 
und  den  reichen  Kenntnissen  des  Verfassers  sehr  anregend  zu  wer- 
den versprechen.  Das  vorliegende  Heft  bringt  einen  ausführlichen 
Bericht  über  die  Marienkirche  in  Magdeburg,  ein  Bauwerk,  dessen 
ursprüngliche  Anlage  in  den  Beginn  des  XL  Jahrhunderts  und 
dessen  Restauration  in  den  Anfang  des  XIII.  Jahrhunderts  fällt,  und 
welches  sich  durch  seine  ausgeprägten  Anklänge  an  die  nordfranzö- 
sischen  Bauten  des  Übcrgangsstyles  auszeichnet.  Zur  Erklärung  sind 
der  Darstellung  eine  Tafel  und  fünf  Holzschnitte  beigegeben.  Die 
Rubrik  „Jlaiinigralliges"  bring!  Notizen  über  die  liaptistorien  in 
Deutschland,  die  BetVstigungskunst  dos  Mittelalters,  das  sieinerne 
Haus  zu  Magdeburg  im  XII.  Jahrhundert  und  einen  Holzbau  aus  der 
Römerzeit.  In  Bezug  auf  den  Aufsatz  „Baptisterien  in  Deutschland" 
bemerken    wir.    dass    Herr    v.    (J  u  a  s  I   hiebei   die    Rundkirehe  zu 


84 


Petronoll  bcsprldit  iiinl  ilrr  AtisiiOit  ili-s  llr.  (!.  Ili'iilor')  bci- 
stimiiit,  dass  der  Rundbau  zu  l'etroiu'll  als  eine  Tauf-  und  keine 
Grabcapelle  anzusebou  sei. 

Von  dem  „0  rs  au  für  clirist  1  i  eli  e  Kunst",  lierausfjei^eben 
und  redij^irt  von  Franz  liaudri  in  ("öln,  ist  die  Nummer,'!  un<l  4 
erschienen.  Aus  dem  Inhalte  derselben  hoben  wir  hervor:  die  Beschrei- 
bung der  Kirche  zu  Altenberg,  welche  in  künstlerischer  lieziehung 
merkwürdig  ist.  weil  dem  Baue  der  auf  eine  geschickte  Weise  ver- 
einfachte Plan  des  C'ülner  Domes  zu  (Grunde  gelegt  wurde,  wodurch 
sie  ein  ähnliches  Meisterwerk  der  deutschen  Baukunsl  .  jedoch  mit 
Vermeidung  jeder  Fülle  von  ornamenlaleni  Beiwerk,  welche  oft  als 
unzertrennlich  mit  diesem  Bausljle  gehalten  wird,  und  ohne  Thürme, 
denen  bekanntlich  der  Cistercienserorden  abhold  war,  darstellt.  Der 
Grundslein  zu  dieser  Kirche  wurde  im  ,lahre  12ÖÖ,  mithin  um  sieben 
,Iahre  spater  als  jener  zum  Cölucr  Dome  gelegt.  Interessant  sind  in 
diesen  Nummern  auch  der  Schluss  des  Aufsatzes:  „Arcliitcklonisehe 
Ornamente  in  Blei",  dieCorrespondenzen  aus  London,  die  Besprechung 
des  Tliurmausbaues  im  Cölner  Dome  und  die  französische  Ilililio- 
graphie  der  christlichen  Kunst. 

Wir  haben  in  unserer  letzten  Nummer  den  Hauptinhalt  des  Pro- 
gramms einer  unter  dem  Titel :  „Kir  chensc  hmu  ek,  e  i  n  Arch  i  v 
für  weibliehe  Handarbeit"  in  Stuttgart  erscheinenden  Monat- 
sehrift  angezeigt.  Inzwischen  ist  das  erste  Heft,  herausgegeben  unter 
der  Leitung  des  christlichen  Kunstvereines  der  Diöcese  Rottenburg 
und  redigirt  von  Dr.  Florian  Riess,  Pfarrer  Laib  und  Pfarrer  Dr. 
Schwarz,  im  Verlage  der  Frauenzeitung  in  Stuttgart  ausgegeben 
worden.  Diese  Monatsehrift  verspricht  für  kirchliche  Paramcntik 
besonders  wcrthvoll  zu  werden,  da  ihre  Hauptaufgabe  dahin  gerichtet 
ist,  bei  .Anfertigung  neuer  kirchlicher  Gewander  an  die  Traditionen 
der  im  Mittelalter  gcbräuehliclien  .Muster  und  Formen  anzuknüpfen 
und  für  kireliliche  Stickereien  wieder  die  Liebe  und  Theilnalime  der 
F'rauenwelt  zu  gewinnen.  Das  vorliegende  Heft  beginnt  mit  „Briefen 
an  eine  edle  Frau"  vom  Professor  Kreuser  in  Coln;  dasselbe  ent- 
hält ferner  unter  dem  Titel  „Sonst  und  jetzt"  Betrachtungen  von 
Dr.  Schwarz  über  die  kirchlichen  Gcwiimler  der  Vergangenheit 
und  der  Gegenwart;  eine  Mittbeilung  von  .\ugust  Lewa  Id.  betitelt: 
„Jerusalem",  dann  Miscellen  und  Correspondenzen  vom  Hliciii,  aus 
Baiern  und  Tirol.  Dem  Hefte  ist  beigegeben  eine  Farbentafel  mit 
dem  Muster  einer  Stola  und  ein  Musterbogen  mit  Zeichnungen  einer 
Stola,  einer  Stramin- Stickerei,  einer  Palla  und  einem  kleinen  gotlii- 
scben  Alphabete.  Die  technische  Fikliirung  der  Beilagen  ,  nebst 
zwei  Vorbemerkungen  zur  Erkläruag  des  Musterbogens  überhaupt, 
hat  der  Conservator  Franz  Bock  aus  Cöln  geliefert. 

Nach  dem  Inhalte  eines  uns  vorliegenden  Prosiieclus  ist  es  die 
Absicht,  den  Dom  zu  Mainz  und  seine  bedeutendsten  Denkmiiler 
in  photographischen  Abbildungen  herauszugeben.  Das  ganze  Werk 
wird  aus  30  Blattern  mit  dem  entsprechenden  Texte  bestehen ; 
10  Tafeln  hievon  werden  sich  mit  der  Arehitcetur  dieses  merk- 
würdigen Bauwerkes,  2l)  Tafeln  mit  den  in  künsdcriscbcr  wie 
gcsehichllicher  Hinsicht  nicht  unbedeutenden  .Monujnenlen  beschäf- 
tigen. Die  Original-Pholographicn  besorgt  Hermann  Emden,  den 
historischen  Text  .lobann  Wetter,  die  Herausgabe  des  Werkes  hat 
Hr.  Vi  clor  von  Zabern  in  Mainz  übernonmien.  Letztere  geschieht 
in  sechs  von  Monat  zu  Monat  erscheinenden  Lieferungen;  für  sechs 
Blätter  ist  der  Preis  'i,  Thaler. 


Von  den  „.1  ab  rb  ü  e  li  ern  des  Vereines  für  M  e  c  k  I  e  n- 
burg'schc  Geschichte  und  A  I  ter  t  hunisk  u  nd  e"  (Schwerin 
ISüO),  herausgegeben  von  den  Secrelären  des  Vereines  G.  C.  P. 
Lisch  und  W.  G.  Beyer,  ist  der  k.  k.  Central-t'ommission  der 
21.  Jahrgang  zugekommen.  In  Bezug  auf  .■Mlerlbuniskunde  enihält 
dieser  Band  aus  der  vorchristlichen  Zeil  .Aulsätze  über  die  Zeit 
derllünen-Kegel  und  Wenden-t^iräber,  üherdie  Hausurnen  vom  Albaner 
Gebirge  (mit  7  Holzschnitten)  und  über  eine  Bronzestaluette  der 
Ubertas,  von  Lisch;  aus  dem  Mittelalter:  Aufsätze  über  die 
Kirche  zu  Gr.  Wokern  mit  Ufiekslcht  auf  die  Feldsleiiikirchen  roma- 
nisclieii  Sl\les,  über  dicKirclie.  den  Burgwall  und  die  Sladl  N  e  u  b  u- 
kow,  über  die  zweisebifllgen  Kirchen  zu  .Mestlin  und  Tarnowö, 
über  die  Nonnenklöster  zu  Neu-Ilö  bei  und  Mal  chow  und  über  das 
Giebelhaus  zu  Güstrow,  sämmtlich  von  Dr.  Lisch;  derselbe  Band 
enthält  gleielifalls  v.  Dr.  Lisch'dic  .Vufsätze:  Über  den  Maler  Erbard 
Gaul  r  a  p  .  über  die  Wap[)en  der  Grafen  von  D  a  n  n  e  b  e  r  g  ,  die  Siegel 
der  Herzoginnen  H  cd  w  ig  und  Elisa  belli  und  dii'  Siegel  der  Stadt 
G  r  a  b  0  w  . 


„Scandinavische  Monumente  des  Mittelalters  mit  ihrenMalereien 
und  anderen  .Ausschmückungen,"  ist  dcrTilel  eines  von  M.  Mandel- 
green  in  Paris  erscheinenden  Werkes,  welches  in  französischer  Spra- 
che herausgegeben  und  von  grossen  lilhographirten  Tafeln  begleitet 
sein  wird.  Die  gegenwärtige  Lieferung  enthält  eine  Monographie 
der  Kirche  zu  Bjerresjö  in  Schweden.  Letztere  ist  romanisch, 
und  als  deren  Erbauungszeil  würde  in  Frankreich  das  XII.  Jahrhundert 
anzuseheil  sein.  Das  Bauwerk  ist  von  kleiner  Dimension,  eine  Capellc 
mit  einer  Vorhalle,  über  welcher  sich  der  Gloekentliiirm  erhebt;  sie  hat 
ein  Schiff  mit  zweiTravees,  einen  Chor  und  eine  Apsis,  wovon  ersterer 
gleichfalls  zwei  Travees  lang  ist.  Ungeachtet  ihrer  vielfachen  Be- 
schädigung sind  doch  die  Malereien,  womit  die  Wände  dieser  kleinen 
C'apelle  ausgesclimückt  sind,  sehr  wertlivoll.  Die  Malereien  sind  von 
dem  ausgeprägtesten  byzantinischen  Charakter  und  ohne  Zweifel 
durch  russischen  und  griechischen  Einfluss  entstanden;  sie  stellen 
dem  Heiland  in  einer  elliptischen  Aureole,  umgeben  von  den. Attributen 
der  Evangelisten,  von  der  heil.  Jungfrau  und  dem  Evangelisten 
Johannes  begleitet  vor.  Die  Malereien  liefern  einen  wichtigen  Bei- 
lrag für  die  christliche  Kunst  des  Mittelalters.  Grundrisse,  Diircli- 
scbiiitte  und  Details  der  Ornaiiienlik  füllen  diese  .Monographie.  Der 
Preis  derselben  ist  35  Francs. 

Jnles  Labarte  in  Paris  imblicirt  so  eben:  „Reeherches  sur  la 
peinlure  en  email  daiis  rantiiiiiile  et  au  moyen  age."  Das  Werk 
umfasst  in  8.  280  Seiten,  eine  Doppeltafel  und  8  einfache  Tafeln 
in  Farben  und  Golddrucken.  Dieser  bcacbtenswerthen  Arbeit  über 
die  Emaillirkunst  werden  später  Arbeiten  über  die  Goldscbmicde- 
kiinsl,  i\en  Juwelenhandel,  die  Scbnilzcrei  in  Elfenbein  und  in  Holz, 
über  Glasgeiiiälde,  die  Malerei  auf  StolTen  und  über  Mosaik,  endlich 
überWachsgeniäldeunil  die  Sehlosserarbeiten  im  Mittelalter  folgen  — 
wir  haben  mithin  eine  t^ieschichtc  der  industriellen  Künste  des 
Mittelalters  zu  erwarten,  welche  für  das  Studium  der  Archäologie 
von  grössteiii  Wertlie  ist. 


«)  Vergleiche  den  Aufsatz:  „VUer  die  llesliinmung  der  roninnischen  Huiid- 
bautea  mit  Bezug  auf  die  Riindcapclle  zu  Ilartbcrg"  von  Dr.  G.  Hei  der 
im  I.  Jahrgänge  der  „Mittheifungen"  (S.  S6). 


Von  Basil  Jones  undVugust  Freman  in  Lonilon  ist  eine  Mono- 
graphie über  die  Kathedrale  St.  David,  mit  400  Seiten  Text  und 
23  grossen  Tafeln  erschienen,  welche  eine  der  schönsten  und  gelehr- 
testen Publicalionen  der  Engländer  sein  soll  und  selbst  die  Bewun- 
derung französischer  Archäologen  erweckt.  Die  Kathedrale  von 
.St.  David  hat  verschiedene  Baiiperioden.  Die  älleslen  Baiilbeile  sind 
vom  Jahre  1180  und  1220,  die  jüngsten  gehören  dem  XV.  und 
XVI.  Jahrhundert  an  und  reichen  selbst  bis  in  die  neueste  Zeit.  Auf 
einer  Tafel  sind  angedeutet  die  8  Perioden  des  Baues. 


Aus  der  k  k.  Hof-  und  Staatsdruckerei  in  Wien. 


Jeden   Munat  ersclit-iot  1  Heft  mit 
mindestens  3  Druckbogen  untl  mit 

Abbiiauu<;eu. 
Der  PranuiiieratiiiDspreis  ist  für 
einen  Juliij^au^  oiler  xwolf  Hefte 
nebst  Reg-ister  sowolil  für  Wien 
alsdie  Kn>uljnder  und  das  Ausbnd 
4  fl.  C.  M.,  bei  portofreier 
Zusendung  in  die  Kronljnder  der 
österr.  Monarchie  4il.  2Ukr.  C.M. 


MITTHEILUNGEM 


DER  K.  K.  CENTRAL- COMMISSION 


Pränumeralionen  überneh- 
men halb-  odrr  ^aotjährig 
aHek.k.  foslämler  der -Monarchie, 
welche  auch  die  portofreie 
ZasenduDg  der  eiiiielnrn  Hefte 
besorgen.  —  Im  Wetre  des  Bach- 
haiidf  Is  sind  alli;  Präuumerationeo 
und  zwar  nur  tu  dem  Preise  von 
4  fl.  an  den  k.  k.  Hofbuchbändler 
W.BraumüIleria  Wien  zu  ricbleo. 


ZU  EßFÖßSCIlll  11  mmm  der  B\löE\klI\LE. 

Herausgpj;etien  unter  der  Leitung  des  k.  k.  Sections-Chefs  und  Präses  der  k.  k.  Central-Couimission  Karl  Freiherrn  V.  fzoernig. 

Redacteur:   E  a  r  I  We  i  s  s. 


N^-4. 


IL  Jahrgang. 


April  mi. 


Inhalt:  Die  kaiserliclien  Anordnungen  für  die  Restauration  bcriiliinter  Kunstdonkmale  im  lonibardisch-vcnetianischen  Königreiche.  — 
Die  Kleinodien  des  h.  römisch-deutschen  Reiclies.  —  Über  die  Rüstungen  und  Wallen  der  k.  k.  Ambraser-Sanimlung.  —  Alle 
Kunstdenkmale  in  Rotzen  und  seiner  Umgebung.  —  Über  die  Redeutung  der  im  Jahre  1106  urkundlich  erwähnten  capella 
baptismalis  auf  dem  Rerge  Zoppen  inKSrnten.  —  Die  Kircbenruine  von  Zsambek  in  Ungarn.  —  Notizen. — Correspondcnzen.  — 

Literarische  Anzeigen. 


Die  kaiserlicheo  Anordnungen  für  die  Restauration  berühmter  Runstdenkmale  im  lombardisch-venetianischen 

Königreiche. 


In  der  Reihenfolge  der  kaiserlichen  Gnadenacte ,  wo- 
durch der  Aufenthalt  Sr.  k.  k.  apost.  Majestät  in  dem  lom- 
bardisch-venetianischen Königreiche  für  alle  Zeiten  denk- 
würdig bleiben  wird,  hat  insbesondere  die  Anweisung  jener 
bedeutenden  Summen,  die  zur  Restauration  und  Erhaltung 
alter  kunsthistorisch -wichtiger  Gebäude  und  Bildwerke 
bestimmt  wurden,  in  und  ausserhalb  Österreich  die  freu- 
digste Anerkennung  gefunden.  Diese  pietätvolle  Auffassung 
der  grossen  Erscheinungen  der  mittelalterlichen  Monumental- 
kunst, diese  Würdigung  des  Einflusses  der  Künste  auf  das 
Nationalgefühl  der  Italiener  bietet  einen  neuen  Beweis  des 
hohen,  der  Kunst  gewährten  Schutzes  unseres  Kaisers,  eine 
thatsächliche  Anerkennung  der  in  Österreich  sich  Bahn 
brechenden  archäologischen  Bestrebungen,  und  war  für  die 
k.  k.  Central-Commission  ein  bedeutungsvoller  Act  der  Auf- 
munterung, ein  willkommener  Anlass,  um  der  warmen  Fürsorge 
des  Kaisers  die  ehrfurchtsvollste  Dankbarkeit  zu  bezeugen. 

Nimmt  schon  die  Kunst  in  der  Geschichte  eines  jeden, 
zu  einer  intensiveren  Bildung  gelangten  Volkes  einen  bevor- 
zugten Platz  ein,  so  ist  diess  ganz  insbesondere  in  Italien  — 
jenem  cigenthümlich  fruchtbaren  Boden  der  Fall,  wo  un- 
mittelbar im  grossen  Massstabe  an  die  Traditionen  der 
heidnischen  Antike  der  christliche  Cultus  seine  künst- 
lerischen Gestaltungen  anknüpfte,  und  später  theils  die 
Araber  und  Byzantiner,  theils  die  Normannen  und  die  Deut- 
schen Beispiele  ihrer  Kunstthätigkeit  zur  Geltung  zu  brin- 
gen suchten.  Für  die  Kunst  des  christlichen  Mittelalters 
war  aber  insbesondere  Oberitalien  der  Schauplatz  einer 
überwiegend  hervortretenden  geistigen  Entwickelung  und  für 
II. 


das  Studium  der  Architectur,  Sculptur  und  Malerei  ist  noch 
heute  die  Lombardie  und  Venedig  das  ergiebigste  und 
interessanteste  Feld.  Desshalb  hat  auch  die  Bewilligung 
der  beträchtlichen  Summen,  welche  der  Kaiser  der  Erhal- 
tung einiger  der  interessantesten  lombardischen  und  vene- 
tianischen  Kunstwerke  zuwandte,  eine  erhijhte  Bedeutung 
darin,  dass  der  Marcusdom  in  Venedig,  S.  Ambrogio  in 
Mailand,  Leonardo  da  Vinci's  Cenocolo  im  ehemaligen  Kapu- 
zinerkloster daselbst,  und  selbst  in  gewisser  Beziehung  der 
Mailänder  Dom  specifische  Kunst-Erscheinungen  sind,  für 
welche  es  im  Auslande  an  gleich  hochstehenden  Analogien 
mangelt,  und  deren  sorgsame  Erhaltung  ganz  Europa 
unserer  Regierung  zu  Danke  wissen  wird. 

Wir  liefern  in  Nachstehendem  eine  kurze  l'bersicht, 
der  jüngst  erflossenen  kaiserlichen  EntSchliessungen,  welche 
auf  die  Restauration  und  Erhaltung  mehrerer  der  hervorra- 
gendsten Kunstdenkmale  im  loinliardisch  -  veuetianischen 
Königreiche  Bezug  haben,  und  hoffen  von  Zeit  zu  Zeit 
von  dem  Stande  der  .Vrbeiten  und  der  Art  und  Weise 
ihrer  Durchführung  weitere  Älittheilung  machen  zu  können. 

Für  die  Restauration  der  iMarcuskirche 
in  Venedig  haben  Seine  Älajestät  mit  Aller- 
höchster Entschliessung  vom  3.   Deceniber  v.  J. 

die  Summe  von  jährlichen 20,000  fl. 

mit  dem  Beisatze  angewiesen,  dass  für  den  Fall, 
als  diese  Summe  zu  diesem  Zwecke  nicht  tnehr 
nothwendig  werden  sollte,  die  Interessen  capita- 
lisirt  und  zur  Erhaltung  des  Domes  verwendet 
werden  soll. 

12 


—  86 


Für  Restauratiünen  im  antikuii  Style  uii  der 
St.  Ambrosius-Basilica  in   Mailand   wurde 

eine  jährliche  Dotation  von 10,000  fl. 

Allergnädisst  l)e\villigt  und  gleichfalls  verfügt,  dass  diese 
Summe,  falls  sieh  im  Laufe  der  Jahre  ihre  Iheilweise  oder 
ganze  Verwendung  zu  dem  gedachten  Zwecke  nicht  mehr 
als  nothwendig  herausstelleit  würde,  caiiitalisirt  und  die 
Interessen  zur  Erhaltung  der  Basilica  und  der  ihr  angehö- 
renden Monumente  zu  verwenden  sind. 

Mit  .Allerhöchster  Entschiiessung  vom  S.  Februar  be- 
fahlen Seine  k.  k.  apost.  Majestät,  dass  Leonardo  da 
Vinci's  Frescogemälde,  das  Abendmahl  im  Refectorium 
nächst  der  Kirche  Maria  delle  Grazie,  sowie  die  übertünchten 
anderen  Gemälde  und  Zeichnungen  herzustellen  und  diesem 
Künstler  ein  Denkmal  zu  errichten  sei.  wozu  20,000  fl.  aus 
dem  Staatsschatze  angewiesen  wurden. 


Mit  .\llerhiiclistem  L'abinetsschreiben  ^onl  ll.,länner 
wurden  für  den  Baufond  der  Pfarrkirche  in  Monteforte 
(Provinz  Verona)  eine  Unterstützung  von  2000  Lire  aus 
dem  Staatsschatze  zur  Restauration  des  Kirchendaches 
bewilligt. 

Wir  lassen  andere  durch  kaiserliche  Muniticenz  ange- 
regte Restaurationen  von  Baudenkmalen,  wie  jene  in  der 
Kirche  von  S.  Satiro  in  Mailand,  vorläufig  unberührt,  weil 
wir  noch  später  darauf  zurückzukonmien  Gelegeidieit  iiaben 
werden,  und  erwähnen  schliesslich  nur,  dass  Seine  k.  k. 
apost.  Majestät  auch  anzuordnen  geruhten ,  dass  für  die, 
von  dem  berühmten  Bildhauer  Canova  modellirte  und  in  Erz 
gegossene  Statue  des  Kaisers  Napoleon,  welche  in 
der  k.  k.  .\kademie  der  schönen  Künste  zu  Mailand  auf- 
bewahrt wurde,  ein  entsprechendes  Piedestal  angefertigt  und 
dieselbe  sodann    in  den  Giardini  pubblici  aufgestellt  werde. 


Die  Kleinodien  des  heil,  römisch-dentschen  Reiches. 


II. 

Die  artistisch -materielle  Bcschreibuug  der  Krou- 
lusignieui 

Von    Franz    Bock,   Conservator  dos  eizbischöflichen  Museums 
in  Cöln. 

Interessante  Ergebnisse  und  .Aufschlüsse  wird  die  aus- 
führliche Beschreibung  der  stofflichen  und  artistischen 
Seite  des  Krönungs-Ornates  der  römisch-deutschen  Kaiser 
unter  erläuternder  Hinzufügung  von  vielen  stylgetreuen 
Zeichnungen  im  Texte  liefern.  Bei  Aufzählung  der  einzelnen 
Ornatstücke  wird  die  Ordnung,  wie  sie  angelegt  und  dem 
Kaiser  bei  der  Krönung  dargereicht  wurden,  beobachtet  wer- 
den. An  dieser  imProspecfus  schon  angedeuteten  Reihenfolge 
festhaltend,  lassen  wir  hier  in  gedrängter  Kürze  einige  An- 
deutungen über  den  Charakter  jedes  einzelnen  Gewandstückes 
folgen  und  sehen  uns  nur  veranlasst,  die  Bemerkung  voraus- 
zuschicken, dass  unter  dem  Einflüsse  einer  an  den  Krönungs- 
Ornat  anzulegenden  wissenschaftlichen  Kritik  allerdings 
manche  herkömmliche  Annahme  über  das  Alter  und  das 
Herkommen  einzelner  Stücke  sich  als  unhaltbar  erweisen 
dürften,  dass  aber  nicht  im  mindesten  dadurch  das  hohe 
gescliichtliche  Interesse  des  Gegenstandes  alterirt  werden 
wird. 

Die  iieute  noch  vorhandenen  Tibialien  (caligae, 
tibialia)  in  Form  von  Strümpfen,  die  aus  rothen  Seiden- 
stoffen zusammengesetzt  bis  über  das  Kinn  reichten,  sind 
nach  Massgabe  einer  äusserst  kunstvoll  gewirkten  Inschrift 
an  dem  oiteren  Saume  durch  maurischen  Kunstlleiss  in 
Sicilien  angefertigt  worden.  Damit  stimmen  auch  überein 
die  meist  geometrischen  in  Gold  gestickten  Ornamente,  wie 
dieselben  auf  maurischen  Kunstwerken  des  Xii..Iahrhunderls 
häufig  gefunden  werden.  Der  L'ntertheil  dieser  Tibialien  ist 
von  rothem  SeidenstolTe  ohne  Ornamente.  Das  Legendariura 


in  arabischer,  mit  Laubornamenten  vermischter  Currenl-  oder 
Neschi  -  Schrift  gehalten,  ist  bis  zur  Stunde  noch  nicht 
erschöpfend  entziffert  und  gedeutet  worden.  Nach  .Ansicht 
eines  kenntnissreichen  Orientalisten  stellt  sich  die  Lesung, 
wie  sie  sich  bei  Murr  befindet,  „ein  prächtiges  königliches 
Strumpfband"  als  durchaus  unrichtig  und  nicht  vorhanden 
heraus.  Weil  aber  unserer  Ansicht  nach  diese  Einfas.^ung  an 
dem  oberen  Rande  der  Tibialien  nicht  als  besonderer  Spruch 
eigendsfür  diesen  untergeordneten  Zweck  angefertigt  wurde, 
sondern  vielmehr  diese  Charaktere  Bruchtheile  eines  län- 
geren fortlaufenden  Spruches  sein  mögen ,  so  dürfte  sich 
wohl  schwerlich  eine  für  sich  abgeschlossene  Sentenz  mit 
besonderem  Bezüge  auf  dieses  Bekleidungsstück  ermitteln 
lassen.  Die  bestinunte  Lesung  und  Feststellung  dieser  In- 
schrift, sowie  auch  das  Nähere  über  die  Technik  dieses 
merkwürdigen  in  Gold  brochirten  Gewebes  wird  später  des 
Weiteren  erörtert  werden. 

Die  Sandalen  (calceamcnta,  sandaliae).  von  älteren 
Schriftstellern  auch  „socculi"  genannt,  erinnern,  was  ihre 
äussere  Form  betrifl't,  an  die  älteren  römischen  Sandalen, 
die  den  Fuss  oben  freiliessen,  und  mit  schmäleren,  zuweilen 
reich  verzierten  Bandstreifen  (ligulae)  auf  dem  Fusse 
befestiget  waren.  Diese  kaiserlichen  Fussbekleidungen  sind 
aus  rother  Seide  angefertigt,  von  ähnlicher  Te.vtur  wie  die 
vorhergehenden  Tibialien  und  mit  reichen  Gold-  und  Perl- 
stickereien ornamentii't.  Die  kunstreich  gew  irklen  Goldborten 
mit  ihren  eingewebten  Thierornamenten  lassen  ebenfalls  mit 
Sicherheit  schliessen,  dass  dieselben  in  Sicilien  in  der  letzten 
liäll'li-  des  XII.  Jahrhunderts  ihr  Entstehen  gefunden  haben. 
In  diesen  Goldwebereien  (aureaelistae)  kommen  in  i^ledaillons 
abwechselnd  die  Darstellungen  von  kleinen  geflügelten  Grei- 
fen und  jene  der  Syrenen  vor,  wie  wii' sie  analog  in  ähnlichen 
Texturen  aus  dem  Begimie  des  XII.  Jahrli.  orientalischer 
Fabrication  meistens  angehörend,    häufig  gefunden  haben. 


—  87 

Die  vortindlichen  calceamenta  waren  offenbar,  da  sie 
auffallend  klein  sind,  auf  einen  jugendlichen  Fuss  berechnet; 
die  grösseren  bei  Weitem  reicher  ornamentirten  zwei  Paar 
Sandalen,  die  noch  gegen  Schliiss  des  vorigenJahrhunderts, 
den  Delsenbach'schen  Abbildungen  zufolge,  in  Nürnberg 
vorhanden  waren,  sind  leider  in  dem  Anfange  unseres  poli- 
tisch aufgeregten  Jahrhunderts  abhanden  gekommen ;  wir 
werden  es  nicht  unterlassen,  stylistiseh  reetificirte  Copien 
der  Delsenbach'schen  Abbildungen  unserem  angekün- 
digten grossem  Werke  beizufügen. 

Nach  Anlegung  der  vorhergehenden  Fuss-  und  Bein- 
bekleidung legte  der  Kaiser  seine  Profungewänder  ab,  und 
wurde  von  den  Ministranten  und  Assistenten  ')  mit  dem 
Talare  (tunica  talaris)  oder  Leihrock  bekleidet.  Der  Grund- 
stoff' desselben  gibt  sich  zu  erkennen  als  ein  stark  geköper- 
ter, ungemusterter  Purpurstoff  (samdallo)  vom  dunkelsten 
veilchenfarbigen  Violett;  der  untere  Saum  (praetexta)  zeigt 
auf  rothem  gemusterten  Seidenstoff  eine  reiche  Goldstickerei, 
deren  Dessin  und  Technik  maurischen  Kunstfleiss  deutlich 
erkennen  lässt.  Die  Einfassung  (bordure)  an  den  Ärmeln 
(manicae)  übertrifft  an  Reichlhum  bei  Weitem  noch  den 
unteren  Saum,  indem  zu  der  Gold-  und  Perlstickerei  hier  noch 
ein  kunstvoller  kostbarer  Schmuck  von  emaillirten  Gold- 
blechen in  der  Technik  der  Orientalen  (emaux  translucides) 
hinzugefügt  ist.  Was  das  Alter  der  tunica  talaris  betrifft,  so 
zeigt  die  Technik  und  die  Form  der  Ornamente,  so  wie  auch 
die  Farbe  und  Textur  der  daran  angewandten  Stoffe,  dass 
dieselbe  mit  den  entsprechenden  Details  der  später  folgenden 
Kaiserpluviale  identisch  ist ,  und  daher  wie  diese  dem  Be- 
ginne des  XII.  Jahrhunderts  angehört.  Es  unterliegt  keinem 
Zweifel,  dass  dieseTunica  durch  kunstgeübte  Hände  im  Hotel 
de  tirazzo,  dem  gazophylaceum  der  normannischen  Könige, 
angefertigt  wurden,  woraus  auch  die  übrigen  hervorragen- 
den Theile  der  kaiserlichen  Pontificalien,  den  Inschriften 
zufolge,  hervorgegangen  sind. 

Nach  Anlegung  des  Talars  wurde  dem  Kaiser  darge- 
reicht: die  Alba  (camisia),  ein  weites,  herunterfliessendes 
Obergewand  von  weissem  Seidentaffet  (uni),  welches  sich 
sowohl  an  den  Ausmündungen  der  Ärmel  als  auch  an  dem 
weiten  unteren  Goldsaume  (periclysis) ,  dessgleicheii  auch 
an  der  Öffnung  auf  der  Brust  durch  den  grössten  Aufwand 
von  Perl-  und  Goldstickerei  als  reiches  Pontificalgewand  aus- 
zeichnet. An  dem  unteren  breiten  Saume  wechseln,  was  die 
Ornamentation  betrifft,  Goldstickereien  in  Form  von  zierlichen 
Arabesken ,  mit  kunstreich  gestickten  lateinischen  Uncialen 
und  arabischen  Inschriften  (neschi)  ab.  Sowohl  die  noch 
leserlichen  lateinischen,  als  auch  arabischen  Inschriften  lassen 


mit  grösster  Deutlichkeit  erkennen,  dass  dieses  Prachtgewand 
für  die  Schatzkammer  der  prunkliebenden  normannischen 
Könige  durch  Künstler  maurischen  Ursprungs  in  Palermo 
unter  der  Regierung  \\ilhelm  II.  angefertigt  worden  ist  ')• 

Mit  dem  Studium  der  orientalischen  Sprachen  mochte  es 
in  der  letzten  Hälfte  des  vorigen  Jahrhunderts  ebenso  traurig 
bestellt  gewesen  sein ,  Avie  mit  der  Pflege  und  Übung  der 
Kunst;  denn  Murr  gibt  in  seiner  curiosen Beschreibung  der 
Alba  an,  dass  am  untern  Saume  derselben  auch  ersichtlich 
waren  „allerhand  Züge,  die  wie  gewässert  aussehen  und  die 
man  fast  für  altarabische  Schriftzüge  ansehen  sollte,  aber  es 
seien  blos  Züge  von  Seidengewebe. "  Ein  gewandter  Orien- 
talist, Dr.  Behrnauer,  Amanuensis  der  k.  k.  Hofbibliothek 
hatte  auf  unser  Ersuchen  hin  die  Gewogenheit  .diese  Züge 
von  Seidengeweben"  einem  längern  gründlichen  Studium  zu 
unterwerfen.  Dank  den  Bemühungen  des  ebengedachten 
gründlichen  Fachgelehrten,  hat  sich  jetzt  ergeben,  dass  diese 
Züge  gar  nicht  „gewässert"  sondern  von  fester  Hand,  sich 
achtmal  am  untern  Saume  wiederholend,  in  gezogenen  Gold- 
fäden gestickt  sind.  Trotz  der  entgegengesetzten  Ansicht 
des  guten  alten  Nürnbergers  sind  es  dennoch  arabische 
Currentschriften ,  deren  Lesung,  nach  gewissenhafter  An- 
gabe des  ebengenannten  Gelehrten,  wir  hier  zum  ersten 
Male,  nach  unserem  Wissen,  wörtlich  folgen  lassen : 

„(Dieses  GcAvand)  gehört  zu  dem,  was  anzufertigen 
befohlen  hat  der  hochgeehrte  König  Wilhelm  II.,  —  der 
Gott  um  Hilfe  anfleht ,  der  durch  seine  Allmacht  stets  unter- 
stützt werden  und  durch  seine  Fügung  und  Gewalt  stets  den 
Sieg  davon  tragen  möge,  der  Herrscher  Italiens,  Ungarns 
(sie)  Palermos  und  Siciliens,  der  Verehrer  und  (Anhänger) 
des  Imam's  von  Rom,  des  Beschützers  und  Wahrers  der 
christlichen  Religion  —  in  dem  königlichen  wohlbestellten 
Gewandhause,  das  stets  prachtvoll  ausgestattet  sein  möge  — 
nach  der  kleinen  Zeitrechnung,  der  Xllll.,  im  Jahre  1181. 
der  Zeitrechnung  unseres  Herrn  Jesu  des  Messias !" 

Zur  Aufschürzung  dieser  Alba  bediente  man  sich  dann 
des  Gürtels  (zona,  cingulum).  Er  besteht  aus  einer  eigen- 
thümlich  gewebten,  ziemlich  breiten  Goldborde  (aurea  lista), 
worin  die  Kunst  des  Webers  ein  freies  Ornament,  je  nach 
seiner  eigenen  Wahl  angebracht  hat.  In  der  Mitte  dieser 
Borde  befinden  sich  eine  Menge  jener  grotesken  Thier- 
gestalten,  wie  sie  in  der  romanischen  Kunstepoche  an  Sculp- 
turen  und  Malereien  im  XI.  und  Xll.  .lahrhundert  häufig 
vorkommen.  Obschon  die  Dessins  und  die  Technik  des  Ge- 
webes nach  vielen  uns  bekannten  Analogien  für  die  Anfertigung 
der  vorfindlichen  Kunstreliipiien  im  XI.  und  gegen  Beginn 


*)  Bei  den  Kaiserkrönungen  in  den  frülieren  .Jahrhunderten  des  Mittel- 
alters Itniete,  dem  caeremuniaje  itiiperatorum  i^emiiss,  der  zu  krönende 
Kaiser  in  dem  vestiarium  auf  einem  pu  Ivina  r  vordem  „dominus  papa" 
und  wurden  ihm  von  diesem  die  Gewänder  einzeln  ülerreieht ,  und 
unter  Beihilfe  von  Cardinaldiaconen  anj^eiefft. 


*)  Die  ausfiihrliehe  artistische  und  historische  Beschreibung  der  einzelnen 
Pontificalien  für  die  angekiindigte  Herausj^ahe  vorbehaltend,  lassen  wir 
hier  nur  in  Kürze  die  lateinische  Inselirill  toigen.  wie  sie  sich  an  dem 
Saume  in  achtmaliger  Wiederholung  mit  einigen  Abkürzungen  vorfindet: 
.,-|-  Operatum  felici  urbe  Panormi  XV.  anno  Pn.  W.  regis  Sicilie  diicat. 
apulie  et  principat.  Capue  Filii  regis  \V.  indictione  XIV." 


IZ' 


—  8S 


des  XII.  Jaliiluinderts  sprechen,  so  scheint  die  etwas  fehler- 
hafte Inschrift:  „("hiistus  riegnat,  Christus  vincit  imparat 
deus"  doch  für  die  karoiingische  Zeit  massgebend  sein  zu 
wollen,  wenn  wir  nicht  annelimen,  dass  im  Xll.  Jahrhundert,  um 
die  Abstanmiung  der  Reichskieinodien  von  Karl  dem  Gros- 
sen festzuhalten,  nach  dem  Verluste  eines  ähnlichen  Gewand- 
stückes das  vorliegende  mit  dem  karulingisehen  Spruche  neu 
angefertigt  wurde.  OllVnbar  tragen  auch  die  Schliesse  in  ihrer 
kleeblattformigen  Ausprägung,  einfach  silbervergoldet  ohne 
Ornamentation,  dessgleichen  die  drei  auf  der  Zone  betind- 
iichen  Silberspangen  Kennzeichen  des  Xll.  Jahrliunderts. 

Dem  zu  krönenden  Kaiser  wurde  alsdann,  gleich  dem 
celebrirenden  Bischöfe  nach  Aufschiirzung  der  Albe,  ver- 
mittelst des  unten  beschriebenen  Gürteis,  die  reiche  Kai- 
serstole (stola,  orariuni)  angelegt.  Sic  gehört,  wie  es 
der  Augenschein  offenbar  lehrt,  einem  zweiten  Complexe 
der  Reichskieinodien  an,  deren  Entstehung  in  die  erste 
Hälfte  des  XIV.  Jahrluinderts  fallen  dürfte.  Dieses  in  Rede 
stehende  prachtvolle  Ornatstück,  zu  dessen  Ornamentation 
sich  diei  Künste,  die  Goldschmiedekunst,  Stickerei  und 
Weberei,  die  Hand  gereicht  haben,  besteht  dem  Grund- 
stoffe nach  aus  einem  reichen  drap  d'or.  In  diesem  Goldge- 
webe mit  sehr  kleinen  arabeskenförmigen  Dessins  zeigen 
sich  in  Medaillons  stylisirle  Reichsadler  in  schwarzem  Ge- 
wehe auf  gelbem  Grunde,  umgehen  von  zierlichen  Laub- 
ornamentationcn,  deren  Form  und  technische  Ausführung 
noch  viele  Reniiniscenzen  an  die  Fabrication  der  Moslims  in 
Sicilien  oder  im  südlichen  Spanien  durchblicken  lassen.  Diese 
vielen  Medaillons  mit  dem  heraldischen  Thierzeichen  sind 
sämmtlicli  von  Doppelkreisen  in  orientalischen  Perlen  con- 
tourirt.  Sowohl  die  unregelmässige  stückweise  Zusammon- 
fügung  dieser  Stola,  als  auch  deren  aulVallende  Breite  lassen 
mit  Grund  vcrmuthen,  dass  dieser  Stoff  vielleicht  früher  an 
einem  andern  Krönungsgewande  angewandt  war,  und  dass 
derselbe  als  Stole  vielleicht  erst  zur  Zeit  Karl  IV.,  der.  wie 
später  nachgewiesen  werden  wird,  mehrere Mddificationcii  mit 
dem  Krönungsornate  vorgenommen  hat,  seine  Einrichtung 
erhalten  haben  dürfte.  Jedenfalls  spricht  die  ornamentale, 
sowie  die  technische  Ausführung  der  vielen  reichen  Email- 
lirungen  auf  zierlichen  Goldblechen  in  einem  ausgeprägten 
gothischen  Style  obiger  .Ansicht  das  Wort. 

Der  zweite  Gürtel  (zona),  der  sich  heute  noch  bei 
den  Reichskieinodien  vorfindet,  hatte,  wie  seine  zarte  Orna- 
mentationsweise  anzeigt,  blos  die  Reslinnnung,  die  vor- 
hergehende Stola  in  Form  eines  Kreuzes,  wie  der  Priester 
sie  heute  bei  der  Messe  trägt,  auf  der  Brust  zusammenzulegen 
und  zu  befestigen. 

Der  Grundstoff  dieses  interessanten  mit  Perlstickereien 
und  Filigranarbeit  reichverzierten  Gürtels  zeigt  einen  dichten 
blauen  Seidencendel  von  zarter  Textur.  Alle  Ornamente 
lassen  deutlich  erkennen,  dass  dieser  Gürtel  aus  jenen 
Kunstwerkstätten  hervorgegangen  ist,  denen  auch  die  vor- 
hin beschriebene  Alba  und  Tunica  angehört.   Dafür  sprechen 


auch  die  kunstreichen  en  jour  gehaltenen  Filigranarbeiten, 
die  sich  als  kleine  Goldbleche  in  gleichmässigen  Zwischen- 
räumen ,  stellenweise  die  Breite  des  Gürtels  einnehmend, 
auf  demselben  befestigt  vorfinden.  Auch  diese  zarten  Fili- 
granirungen,  in  dem  eigenthümlichen,  röthlich  gefärbten 
orientalischen  Goldlustre,  lassen  hinsichtlich  ihrer  geome- 
trisch geordneten  Ornanienfation  den  unverkennbaren  Ein- 
fluss  der  maurischen  Goldschmiedeknnsl  Siciliens  erkennen. 

Die  in  Hinsieht  ihrer  figurativen  Darstellungen  für  die 
Geschichte  der  Bildstickerei  des  Mittelalters  höchst  merk- 
würdige Tunicelle  (dalmatica,  tunicella)  dürfte  in  der- 
selben Zeit  entstanden  sein,  wie  die  oben  gedachte  Kaiser- 
stola. Bei  dem  heute  vorlindlichen  Krönungsornate  spielt 
die  Regierungszeit  Kaiser  Karl's  IV.  nicht  nur  hinsiehtlich 
der  stofflichen  sondern  auch  der  aus  Metall  angefertigten  Krü- 
nungskleinodien,  eine  grosse  Rolle  und  man  sollte  glau- 
ben, dass  auch  dieses  Gewand  in  der  an  Kunstschöpfungen 
ähnlicher  Art  ]u-oductiven  Zeit  Karls  W.  angefertigt  worden 
wäre,  weim  sich  nicht  in  der  Matrikel  der  Übergabe  der 
Reichskieinodien  von  Seiten  Ludwig's  von  Brandenburg,  dem 
Sohne  Kaiser  Ludwig"s  des  Bayern,  die  Angabe  befände: 
„auch  eine  pravne  Dalmatik  mit  Adlern  bestickt",  welche 
dafür  Zeugniss  abzulegen  scheint,  dass  sich  dieses  Gewand 
schon  damals  unter  den  Reichskieinodien  vorgefunden  habe. 
Dieses  Kaisergewand  erinnert  schon  deutlich  hinsicht- 
lich der  vielen  darin  gestickten  Figuren,  meistens,  unseres 
Dafürhaltens  nach,  Darstellungen  der  Könige  Israels  und 
Juda's,  an  die  analogen  Abbildungen  der  Könige  in  jener 
prachtvollen  Capelle  auf  der  Burg  Karlsfein  (auf  Gold- 
grund von  der  Meisterhand  Dietrirh's  von  Prag  gemahlt),  in 
welcher  zur  Zeit  Kaiser  Karl  IV.  die  Reichskieinodien  zu- 
gleich mit  den  Regalien  der  Krone  Böheim  aufbewahrt  waren. 
Diese  ausgezeichneten,  gut  erhaltenen  Plattstichstickereien 
an  den  äusseren  ^  erbrämungen  der  Dalmatik,  dürften  mit 
Sicherheit  in  den  Anfang  des  XIV.  Jahrhunderts  zu  setzen 
sein.  Dieses  Obei'kleid  ist  wohl  selten  bei  der  Kaiser- 
krönung gebraucht  worden,  sondern  scheint  ein  kaiserliches, 
reich  mit  heraldischen  Adlern  gesticktes  Gewand  gew'esen 
zu  sein ,  das  einzelne  Kaiser  bei  anderen  feierlichen  Ver- 
anlassungen angelegt  haben.  Auch  dieses  OrnatstUck  wurde 
bei  dem  Ausbruche  der  hussitisehen  rnruhen  mittlen  übrigen 
Reichskieinodien  nach  Ofen  geflüchtet  und  von  Kaiser 
Sigismuiid  den  nürnbergischen  Gesandten  mit  den  übrigen 
Reichskieinodien  ausgehändigt,  wie  das  im  vorher  gegan- 
genen Artikel  ausführlicher  angedeutet  wurde. 

Die  Entstehung  und  Beschaffenheit  des  äusserst  gross- 
artigen und  prachtvollen  K  rönnngsma  n  te  Is  (|iluviale, 
pallium  imperiale,  bei  Einigen  auch  tegumen.  [lalluda- 
mentum  genannt),  wird  im  nächsten  Artikel  ausführlicher 
besprochen  werden  '). 


*)  Der  Merausgclicr  des  angekiindiglcn  Werkes  war  so  gefalligf,  die  für  das- 
selbe angefertigten  /eielinungen  dos  Krünungstnantcis  uns  zur  Benützung 


—  89  — 


Auch  die  reich  verzierten  Handschuhe  (Chirothccae) 
beanspruchen  wie  die  Alba,  das  Pluviale  und  der  Krönungs- 
mantel dieselbe  Zeit  der  Entstehung.  Sie  sind  aus  einem 
dichten  rothen  Seidencendel,  einer  Art  Scrgcgewehe,  zu- 
sammengeniilit  und  nicht  gestrickt.  Die  innere  Handfläche 
dieser  Handschuhe  ist  mit  zierlichem,  romanischem  Laub- 
werk in  gezogenen  Goldfaden  reich  gestickt.  Auf  der  äusse- 
ren Handfläche  entfaltet  sich  ein  dreifacher  Schmuck,  beste- 
hend aus  reichen  Perlstickereien,  die  fast  an  Überladung 
gränzen,  aus  Laubornamenten  in  Goldfäden  gestickt  und  aus 
aufgenähten  emaillirten  Goldblechen,  die  nach  einem  System 
ornamental  vertheilt  sind.  Diese  kunstreiche  Arbeit  der„eniaux 
translucides"  war  zweifelsohne  früher  auf  anderen  Reichs- 
kleinodien beGndlich  und  wurde  als  Ornament  zur  Verzie- 
rung der  Chirotheken  später  angewandt,  wie  das  eine 
Besichtigung  der  Scheide  des  Schwertes  des  heil.  Mauritius 
mit  seinen  kostbar  emaillirten  Goldornamenten  deutlich 
erkennen  lässt.  Dass  schon  zur  Zeit  KarPs  IV.  eine  umfang- 
reiche Restauration  der  stofflichen  Reichskleinodien  vorge- 
nommen worden  ist,  unterliegt  keinem  Zweifel.  .\uch  sind 
nachweislich  mehrere  Ornatstücke  von  Klosterfrauen  im 
XV.  Jahrhundert  zu  Nürnberg  wieder  hergestellt  worden. 
Schon  aus  der  Sage,  dass  nur  Königinnen  und  Fürstinnen 
bei  vorkommendem  Schadhaftwerden  die  Krönungsgewänder 
hätten  wieder  herstellen  dürfen,  könnte  man  die  Folgerung 
ziehen,  dass  eine  Reparation  der  altehrvvürdigen  Gewänder 
und  darunter  auch  der  Chirotheken  im  Laufe  der  Jahrhun- 
derte wohl  öfters  vorgekommen  sein  möge. 

Die  Krone  Karl's  des  Grossen  (Corona  Caroli 
Magni),  dieses  historisch  merkwürdige  Kunstwerk,  hat  bis 
jetzt  in  der  Geschichte  ihr  Entstehen  mit  der  Gründung  des 
deutschen  Kaiserreiches  zu  identificirengewusst.  Aus  authen- 
tischen Geschichtsquellen,  nicht  weniger  aber  auch  aus 
der  formellen  und  technischen  Beschaffenheit  der  Krone 
selbst,  lässt  sich  mit  ziemlicher  Evidenz  der  Beweis  führen, 
dass  dieselbe,  ihrem  Hauptbestandtheile  nach,  im  XI.  Jahr- 
hunderte, im  südlichen  Italien,  dem  damaligen  Sitze  jener 
Kleinkünste,  die  eine  langjährige  manuelle  Fertigkeit  erfor- 
derten, ihr  Entstehen  gefunden  habe  und  zwar  nicht  unwahr- 
scheinlich durchKünstler  griechischen  Herkommens.  Die  Krone 
selbst  besteht  aus  zwei  Theilen,  die  hinsichtlich  ihrer  Tech- 
nik und  der  Beschaffenheit  ihrer  Ornamentationen  sich  deut- 
lich von  einander  unterscheiden.  Der  ältere  grössere  Theil 
derselben,  im  Octogon  angelegt,  zergliedert  sich  in  8  Fel- 
dern (areoli),  die  nach  oben  halbkreisförmig  ausgerundet 
sind.  Der  obere  bewegliche  Theil,  in  Form  eines  Halbbogens 
(arcus),  mit  der  Inschrift:  „Chuonrndus dci gratia  Ttomnno- 
rum  imperator  Augustus",  sowie   das  Kreuz  auf  dem  mitt- 


fiir  diese  Blätter  zu  überlassen.  Da  aher  die  xylograpliisclie  Ausfülirung 
der  Tafel  und  mehrerer  Details  viel  Zeit  in  Anspruch  nimmt,  so  kann  die 
Beschreibung  dieses  Prachtstückes  sammt  den  Abbildungen  erst  im  näch- 
sten Monate  veröffentlicht  werden.  I).  Bed. 


leren  grossen  Stirnfeld,   ist  offenbar  von  Konrad  IV.  gegen 
Schluss  des  XII.  oder  Beginn  des  XIII.  Jahrhunderts  hin- 
zugefügt worden,  für  ^\  eiche  .\nnaliine  nicht  nur  das  Zier- 
liche   der    Stein-    und    Filigranarbeit,    sondern    auch    das 
Charakteristische    der    spätromanischen    Majuskelschriften 
spricht.  Was  nun  die  künstlerisch-technische  Ausführung  des 
aus  acht   beweglichen  Compartimenten  bestehenden  älteren 
Theils  der  Krone  betrifft,  so  nmss  zugegeben  werden,  dass 
ausser  den  höchst  kunstreichen,  emaillirten  Figiirativ-Darstel- 
lungen  auf  den  4  kleinen  Bogenfeldern,  sowohl  der  gehäufte 
Schmuck    der    ungeschlillerien    und    unpolirten    Steine    als 
auch  ihre  derbe  Einfassung  in  Goldcordonlierungen  und  Fili- 
granarbeiten   eine    unbewältigte   und   einfach  künstlerische 
Ausbildung  zeigt.  Auffallend  bleibt  es,  dass  die  Technik  der 
Emails  in  vielfarbigen  durchsichtigen  Schmelzen   vollkom- 
men übereinstimmt  mit  der  technischen  Ausführung  und  der 
Farbenwahl    der  kostbaren  analogen  Schmelz-  und  Email- 
werke an  den   übrigen   sowohl  stofFlichen  als  metallischen 
Kleinodien,  und  ist  man  fast  versucht,  hinsichtlich  dieser 
Identität  in  der  Ausführung  eine  kühne  Schlussfolgerung 
hinsichtlich    der    chronologischen    Entstehung    zu    wagen. 
Sowohl  die  Composition  als  auch  die  artistische  .Ausführung 
der    Figuren  zeigt  viele  Verwandtschaft   mit  jenen  höchst 
kunstreich  emaillirten  Kreuzen   in  dem  reichen  Schatze  der 
Stiftskirche  zu  Essen,  die  der  Inschrift  gemäss  aus  der  Zeit 
derOttoiien  und  der  kunst-  und  prachtliebenden  Theophania 
herrühren.  BeiFeststellungderClironologie  werden  wir  ausser 
anderen    analogen    Goldschmiedewerken    später    auf   meh- 
rere sehr  ähnlich  gearbeitete  Relifjuiarien  des  ehemaligen 
Braunschweig-Lüneburgisclien  Electoralschafzes.  heute  noch 
unversehrt  befindlich  im  königlichen  Schlosse  zu  Hannover, 
als  Parallele  hinweisen,  deren  grössere  Zahl  aus  der  Zeit  der 
Hohenstaufl'en  herrührt.  Leider  scheint  das  Sudarium,  eine 
reiche  llgiirale    Gold- und  Perlsfickcrei,    das  in  Form  der 
Stolen  (fanones)  an  der  bischöflichen  Iiiful  von  der  Krone 
heruntcrfloss,  unmittelbar  vor  der  Übertragung  von  Nürnberg 
über  Regensburg.  Passau  und  Linz  nach  \Meii  mit  noch  meh- 
reren anderen  kleinern  Reichskleinodieii  verloren  gegangen 
zu  sein.  Zuverlässigen  Angaben  gemäss  war  dasselbe  noch 
gegen  Schluss  des  vorigen  Jahrhunderts   bei   den  übrigen 
Kleinodien   in  Nürnberg  vorhanden.    Noch  sei  hier  nur  in 
Kürze  vorübergehend   bemerkt,  dass  auf  den  vier  Schild- 
eben   der  Krone  des  heil,  römisch-deutschen  Reiches   sich 
in    kunstreichen    emaillirten    Darstellungen    Könige  Israels, 
als:  David.  Salomon.  Ezechias  heliuden,    die  S[iruclil)änder 
mit  Inschriften  in  ausgeprägten   spätromanischen  Majuskeln 
halfen.     Diese    Bilder    der    Könige    mit    den   betrelTendeii 
Sprüchen  respective  die  emaillirte  Darstellung  des  Heilandes 
auf  dem  4.  Felde,  sitzend  auf  dem  Throne  seiner  Herrlichkeit 
und  umgeben  von  zwei  geflügelten  Seraphen  (^iiaTrrepoc), 
über  dessen  llaui)fe    sieh    der  S|M'uch   beliiidcl :    „Per  nie 
reges  regnant"   dürften  hei  Bestimmung  des  Alters  und  des 
Herkommens  der  Krone  von  Bedeutung  sein. 


90 


Unter  den,  lieute  in  derKaiserburg  zu  Wien  aufbewahr- 
ten Reichskleinodien  figurirendrei  reiche  Seh  wert  er,  wo- 
von zwei  ihr  Herkommen  von  Karl  dem  Grossen  ableiten 
wollen.  Nach  genauerer  Besichtigung  dieser  buchst  merk- 
würdigen Schwerter  und  nach  Vcrgleicliung  ihrer  reichen 
technischen  Ausführung  mit  den  unschätzbaren  Überresten  der 
Goldschmiedekunst  in  den  Schatzkammern  zu  Aachen,  Essen 
undHaimover  etc.  etc.  und  der  reichen  Sammlung  des  Fürsten 
Soltikoff  zu  Paris,  ist  es  uns  einleuchtend,  dass  nur  jenes 
Schwert  seine  Entstehung  aus  den  Tagen  Karl  des  Grossen 
herleiten  dürfte,  welches  vor  seiner  Übertragung  nach  Wien 
mit  dem  Pieliquienkastchen  :  „noli  me  tangere"  und  dem 
Evangeliencodex  in  Aachen  aufbewahrt  war.  Bewährten 
Nachrichten  zufolge  soll  Otto  II.,  als  bei  ErotTnung  der  Gruft 
zu  Aachen  die  aufrechtsitzende  Leiche  Karl  des  Grossen 
bei  einströmender  Luft  zusammensank,  dieses  Schwert 
sammt  den  eben  bezeichneten  Kleinodien  dem  Kaisergrabe 
enthoben  und  den  deutschen  Reichskleinodien  einverleibt 
haben,  wie  das  im  Vorhergehenden  bereits  angedeutet  wurde. 
Seit  jenen  Tagen  hat  das  kais.  Kronungsstift  Aachen 
jene  Kleinodien  des  grossen  Kaisers,  dessen  Stuhl  in  Aachen 
aufgerichtet  war,  mit  Ehrfurcht  bewahrt.  Es  liisst  sich 
nicht  genau  bestimmen,  wann  zuerst  dieses  merkwürdige 
Schwert  mit  dem  Namen  Ha  run -ar-Raschid-Schwert 
belegt  wurde.  Jedenfalls  kommt  diese  Benennung  vor  dem 
XVI.  Jahrhundert  nicht  vor.  Nur  die  analogen  Formen  des 
Schwerfes  mit  älteren  arabischen  WatVcn  derselben  Gattung, 
ferner  noch  die  geschichtlich  verbürgte  Nachricht ,  dass 
Karl  der  Grosse  von  dem  eben  gedachten  Kalifen  ijfters 
mit  reichen  Geschenken  beehrt  wurde,  war  wahrschein- 
lich Chronisten  aus  Nürnberg  und  Aachen  in  XVII.  Jahrhun- 
derte Veranlassung,  dass  man  dieses  Schwert  als  herkom- 
mend bezeichnete  von  den  Geschenken,  die  Karl  der  Grosse 
von  dem  ebengenannten  morgenländischen  Fürsten  erhielt, 
und  in  der  That  möchte  der  ganze  Habitus  des  Schwertes, 
nicht  weniger  auch  die  technische  .\usführung  der  zierlichen 
Ormtmente  an  GrilTund  Scheide,  am  meisten  aber  die  für  den 
Orient  charakteristischen  metallischen  Verzierungen  der 
Damascenerklinge,  der  Ansicht  verschiedener  Gelehrten  des 
vorigen   Jahrhunderts  bekräftigend  zur  Seite  stehen. 

Schon  das  reich  angewandte  Metall  in  Gold  und  seine 
künstlerische  Ausarbeitung,  nicht  weniger  die  Ornamentation 
der  Scheide  und  der  Klinge  lässt  schon  auf  Zweck,  Her- 
kommen und  Bestimmung  der  in  Rede  stehenden  Kunstroliquie 
schliessen.  Was  nun  die  schwungvollen  Verzierungen  am 
Griff  und  an  den  Metallbeschlägen  der  Scheide  betrifft,  so  ist 
auch  hier  rücksichtlich  des  höchst  cigenthümlirbeM  Charakters 
dieser  Ornamente  an  der  orientalischen  Herkunft  dieses 
Stückes  nicht  zu  zweifeln.  Auf  eine  sehr  originelle  Weise 
wachsen  aus  zierlichen  Bandverschlingungen,  wie  wir  sie  in 
älteren  orientalischen  Stoffen  häufig  gefunden,  und  nicht 
weniger  auf  arabischen  (Jcräthschaften  im  Museum  Bnur- 
bonicum    in  Neapel  bewundert  hatten,   Pflanzenbildungen 


hervor,  die  in  ihrer  Formation  vollständig  den  Prototyp  jener 
„francica"  durchblicken  lassen,  die  nachweislich  durch  die 
Kreuzzüge  aus  dem  Orient  als  beliebtes  Ornament  gebracht 
wurden,  aul  die  „bipennis,  virga"  der  französischen  Könige 
überging,  und  schon  zu  Zeiten  Ludwig  des  Fronmien 
als  „tieur  de  lis"  im  Wappen  Frankreichs  ersichtlich  war. 
Ein  anderer  Umstand,  wodurch  von  competenter  Seite 
die  Walle  als  eine  orientalische  erkannt  wurde,  ist  darin 
zu  finden,  dass  die  ganze  mit  Goldblech  eingefasste  reich- 
verzierte Scheide  früher  in  ihren  Glattflächen  mit  einer  elfen- 
beinartigen llornplatle  belegt  war.  was.  mit  religiösen  Vor- 
stellungen zusamnienhängcnd,  an  älteren  arabischen  Wallen 
durchgehends  vorkommen  soll.  Bei  einer  Restauration  im 
XVII.  Jahrhundert  scheint  man  auf  eine  höchst  unkünst- 
lerische Weise  den  einen  Theil  der  Scheide  mit  einem  leder- 
artigen Stoff  versehen  zu  haben.  Auch  die  Flächen  des 
Griffes  sind  mit  einem  feinen  hornartigen  Überzuge  belegt, 
von  unverkennbarem  orientalischen  Charakter.  Merkwürdig, 
hinsichtlich  derTechnik,  wie  auch  der  Ornamentation,  ist  die 
Klinge  dieses  „Harun-ar-Raschid-Säbels".  Auf  beiden  Sei- 
ten der  Damascener-Klinge,  welche  durch  den  Hauch  der 
Jahrhunderte  ihren  früheren  Glanz,  ihre  Geschmeidigkeit 
und  Biegsamkeit  eingebüsst  hat,  laufen  zwei  Metallstreifen, 
auf  welchen  mit  starker  Vergoldung  schwungvolle  Orna- 
mente eingegraben  sind,  die  einen  vollkommenen  arabischen 
Typus  haben.  An  einzelnen  Stellen  hat  sich  diese  dünne 
Überlage  von  Metall,  die  auf  die  Klinge  im  Glühzustande  auf- 
geschweisst  worden  ist,  aufgeworfen.  Leider  fehlt  zu  die- 
sem Schwerte,  welches  dem  Kaiser  von  dem  botrelVenden 
Churfürsten  auf  der  Alba  umgürtet  wurde,  der  mit  Perlen, 
edlen  Steinen  und  Stickereien  reich  verzierte  Gürtel  (bal- 
theus) ,  welcher  zugleich  auch  einen  deutlichen  Beleg  für 
die  orientalische  Herkunft  des  „couteau"  selbst  würde  abge- 
legt haben.  Murr  spricht  noch  in  seinen  Nachrichten  von 
1790  von  dem  Vorhandensein  dieses  reichen  Gürtels;  der 
jetzige  im  Schatz  befindliche  Gürtel  kann  bei  Abgang  des 
.41ten  als  ein  unkünstlerisches  Surrogat  bezeichnet  werden, 
das  aus  Stoll'restcn  in  den  Zeilen  desUngeschniackes  höchst 
kümmerlich  zusammengesetzt  wurde. 

Auch  in  Bctreir  eines  zweiten  Schwertes,  womit  nach 
der  Krönung  die  Reichsritter  geschlagen  wurden,  behauptet 
die  Sage,  dass  es  von  Karl  dem  Grossen  herstamme.  Indessen 
steht  mit  dieser  frommen  Sage  die  Form  und  technische, 
reichverzierte  Ornamentation  des  Schwertes,  sowohl  in  Rück- 
sicht des  Griil'es  als  auch  der  Scheide,  im  grellsten  Wider- 
spruche. Scheide  und  Griff  haben  zweierlei  Verzierungs- 
weisen, welche  für  sich  vollständig  nuiurische  Kunstthäfig- 
keit  unil  normannische  Abstammung  aus  den  sicilianischen 
Schätzen,  dem  „gazophylaceum"  Palermo's  beanspruchen. 
Es  wechselt  nämlich,  namentlich  an  der  Scheide,  die  feinste 
Filigranarbeit  mit  äusserst  kunstreich  angefertigten  Emails  ab, 
wie  diese  vollkommen  analog  sich  auch  an  jenen  oben 
beschriebenen  Gewandstücken,  Alba,  Pluviale  undChiroteken 


Ul    — 


vorfinden,  die  durch  ihre  wohlerhaltenen  lateinischen  und 
arabischen  Inschriften  ihren  maurischen  Ursprung  ausser 
allen  Zweifel  stellen.  Merkwürdig  ist  jedenfalls  sciion  um 
diese  Zeit  das  Vorkommen  des  einköpfigen  Reichsadlers  im 
Email  translucide  von  eigenthümlicher  siciliauischer  Technik 
auf  feinen  Goldblechen  und  möchte  rücksiclitlich  der  An- 
bringung dieses  heraldischen  Zeichens  dieVermuthung  nicht 
ungegründet  erscheinen,  dass  dasselbe  als  Reichsschwert  in 
Sicilien  zur  Zeit  der  Hohenstauifen  angefertigt  worden  sei, 
worüber  später  nähere  Beweise  angebracht  werden  sollen. 
Leider  hat  der  Griff  in  Form  eines  Kreuzes  und  die  Parir- 
stange  durch  langen  Gebrauch,  häufige  Reisen  und  durch 
Ungunst  der  letzten  Zeiten  sehr  gelitten,  so  dass  aus  den 
Vertiefungen  sämmtliche  Filigranarbeiten  und  Emaillirungen 
verschwunden  sind. 

Zur  Zeit  KarKs  IV.  mochte  der  obere  Knauf  schon  sehr 
schadhaft  geworden  sein,  so  dass  dieser  in  seiner  bekannten 
Vorliebe  für  dergleichen  Kleinodien  ihn  durch  einen  Knauf 
ersetzen  liess,  worauf  der  unter  seiner  Regierung  unvermeid- 
liche böhmische  Löwe  im  Wappen  befindlich,  angebracht  ist. 
Die  Waffe  selbst  ist  glatt  und  glänzend  polirt  und  scheint  aus 
einem  der  letzten  Jahrhunderte  herzurühren,  wofür  die  Blut- 
rinne spricht,  die  sich  vertieft  auf  der  zweischneidigen 
spatha  befindet.  Auch  dieses  Schwert  scheint  als  Majestäts- 
und Prachtschwert,  wie  diess  schon  die  Fassung  und  reiche 
Oruamentation  der  Scheide  (vagina)  näher  bezeichnet,  bei 
feierlichen  Aufzügen  gebraucht  worden  zu  sein.  Ein  Gürtel 
zur  Anlegung  desselben  findet  sich  unter  den  Kleinodien 
nicht  vor  und  es  sprechen  auch  die  älteren  Matrikel  nicht 
von  einem  Vorhandensein  desselben  in  früherer  Zeit. 

Das  Schwert  des  heil.  Mauritius  (Gladius 
St.  Mauritii)  zeigt  in  seiner  äusseren  Einrichtung,  dass  es  eben- 
falls als  Ceremonienschwert  dem  zu  krönenden  Kaiser  als 
„Signum  potentiae  et  majestatis"  vorgetragen  wurde.  Der 
obere  sehr  einfache  Griff  des  Schwertes,  ein  Kreuz  bildend, 
ist  etwas  jüngeren  Ursprungs  und  liest  mau  auf  beiden  Seiten 
der  Parirstauge,  in  Silber  leicht  vergoldet,  den  bekannten, 
Karl  dem  Grossen  zugeschriebenen  Spruch,  wie  er  auch  auf 
der  Zona  vorkommt:  -Christus  regnat,  Christus  vincit, 
Christus  imperat  dcus'^  Auf  dem  oberen  Knopfe  der  den 
Griff  überragte,  erblickt  man  auf  der  einen  Seite  in  kräftiger 
Gravirung  zwei  romanisch  formirte  Wappenschilder,  wovon 
die  rechte  Hälfte  den  deutschen  einköpfigen  .\dler  zeigt; 
auf  der  linken  Seite  sind  abgebildet,  die  Darstellungen  dreier 
sehreitender  Löwen  über  einander  gesetzt ,  das  heraldische 
Zeichen  des  alten  Schwabenlandes,  des  Stammlandes  der 
Hohenstauffen. 

Beide  Seiten  der  Scheide  sind  mit  dünnen  Goldblechen 
belegt,  auf  welchen  in  getriebener  Arbeit  und  vollende- 
ter Technik  in  Basrelief  dargestellt  sind  auf  jeder  Seite 
die  Bilder  von  sieben  Königen,  und  zwar  sind  diese  Könige 
ohne  architektonische  Verbindung  über  einander  gestellt. 
Dieselben  sind,  was  Composition  und  Zeichnung  betrifft,  in 


einer  sehr  ernsten  Auflassung  und  Styli^irung  gehalten, 
verrathen  hin  und  wieder  rücksiclitlich  verschiedener  For- 
men noch  einige  Anklänge  an  gleichartige  byzantinische 
Vorbilder,  lassen  aber  eine  bereits  zur  Selbstständigkeit 
gekommene  Kunstweise  und  figuralisehe  Auffassung  des 
Occidentes  durchblicken.  Die  Deutung  der  Darstellungen 
dieser  Könige  möchte  wohl  noch  dem  Felde  der  Hypothese 
angehören  und  es  ginge  unsere  unmassgebliche  Ansicht 
vorläufig  dahin,  dass  durch  diese  vierzehn  Bilder  dar- 
gestellt würden  die  Könige  Israels  und  Judas.  Die  Könige 
selbst  erscheinen  in  dieser  getriebenen  Arbeit  im  voIIcb 
Krönungsornate,  angelhan  mit  dem  paludanientum  regale,  der 
Tunica  und  den  Tibialien.  Das  Haupt  ist  mit  einer  verschie- 
denartig geformten  Krone  geziert,  die  Rechte  hält  den 
Scepter,  die  bipennis,  welche  oben  mit  einer  Ausmündung 
in  Form  der  francica  geschmückt  ist.  In  der  Linken  ruht 
der  Reichsapfel.  Auch  hinsichtlich  des  Costüms  der  Könige 
des  XI.  und  XII.  Jahrhunderts  sind  die  vorliegenden  Dar- 
stellungen von  hohem  Interesse.  Sowohl  die  technische 
Einrichtung  der  verschiedenen,  auf  der  Scheide  applicirten 
Emailbleche  als  auch  die  geometrisch  geordneten  Dessins  in 
diesen  durchsichtigen  Schmelzen,  nicht  weniger  aber  auch 
die  vorkommende  Filigranarbeit  und  sonstigen  technischen 
Eigenthümlichkeiten  beurkunden  deutlich,  dass  auch  dieses 
Schwert  im  südlichen  Italien  durch  manuelle  Fertigkeit 
maurischer  Künstler  seine  Entstehung  gefunden  hat. 

Die  Klinge  selbst  möchte  vielleicht  ehemals  jene  Waffe 
gewesen  sein,  wodurch  der  heil.  Mauritius  das  Martyrium 
erlitten  hat;  in  einem  der  letzten  Jahrhunderte  scheint  aus 
Unkenntniss  diese  Reliijuie  entfernt,  und  durch  eine  moder- 
nere, scharf  geschliffene  Klinge  mit  Blutrinne  ersetzt  wor- 
den zu  sein. 

Von  allen  Kleinodien,  aus  edlem  Metall  gearbeitet, 
ist  unstreitig  der  Reichsapfel  (pomum,  globus)  das- 
jenige Stück ,  welches  mit  dem  grössten  Kunstfieisse  und 
mit  technischer  Vollendung  der  Detailformen  in  höchster 
Vollkommenheit  verfertigt  worden  ist.  Der  eigentliche  Apfel 
ist  im  Innern  mit  einer  harzigen  Masse  ausgefüllt;  das 
Äussere  mit  glatten  Goldblechen  ohne  Ornamente  überzogen. 
Diese  Kugel  umgibt  kreuzweise  ein  reiehverzicrter  Filigran- 
streifen, wodurch  dieselbe  in  Halbkreise  und  Viertelkreise 
zerlegt  wird.  Diese  Filigraiiverzierungen  von  höchst  zier- 
licher formeller  Entwickelung  sind,  namentlich  in  der  oberen 
Halbkugel,  die  das  Kreuz  überragt,  mit  unpolirten,  unge- 
schliffenen Edelsteinen  und  Perlen  in  künstlicher  Fassung 
verziert.  Die  untere  Halbkugel  entbehrt  dieses  Stein-  und 
Perlschmuckes  und  ist  blos  von  dünnen  Filigranringen 
durchzogen,  damit  die  innere  Handfiäche  durch  diese  Vor- 
sprünge nicht  behelligt  werden  konnte.  Der  grösste  Form- 
reichthum  entfaltet  sich  vollends  in  dem  Kreuze,  das  die 
Kugel  überragt  und  welches  in  lateinischer  Form  mit  verlän- 
gertem Unterbalken  gehalten  ist.  DieKreu/.flächeu  sind  nach 
beiden  Seiten  hin  gleich  reich  verziert.  Die  künstlerischen 


—  92 


Filigranarbeiten  dienen  auf  beiden  Seiten  der  Kreiiz- 
tlaclieii  dazn,  um  in  iliren  zierlichen  Windungen  nach  allen 
Seiten  hin  zait  entwickelte  ßlüttchen  zu  verästehi.  an  die 
sich  allenthalben  kleinere  Bliithenhildungen  in  Fdrm  von 
Rosen  ansetzen.  Sowohl  die  technische  Ausführung  dieser 
Filigranarbeiten,  so  wie  die  formelle  Auspriigung  und  Styli- 
sirung  dieser  ßliittchen  und  Bliithchen  weisen  die  Entstehung 
dieses  Kunstwerkes  unwiderleglich  der  Mitte  desXlI.  .lalirhun- 
derts  an.  Der  lU'ichthuni  der  Delailbildungen  auf  den  beiden 
Flachtheilen  dieses  Kreuzes  wird  noch  erhöht  durch  den  far- 
benreichen Schmuck  von  edlen  Steinen  mit  kunstreicher  Ein- 
fassung, worunter  sich  besonders  bemerklich  machen,  unge- 
schlilTeue  Rubine,  Saphire,  Plasma  di  Smeraldo  und  Perlen 
von  regelmassiger  Form  und  ziemlichem  Umfange.  Noch 
bemerken  wir  im  Vorbeigelien,  dass  viele  eigenthiindiche 
technische  Vorküiumnisse  an  dem  (ilobus  vüllkommeu  iden- 
tisch sind  mit  ähnliehen  Erscheinungen  an  dem  beschriebenen 
Schwerte  des  heil.  Mauritius  und  dass  die  Beweisführung 
nicht  schwer  fallen  dürfte,  das  Pomellum  sei  von  der  Hand 
desselben  Künstlers  angefertigt,  der  auch  Grill'  und  Scheide 
des  Mauritius-Schwertes,  hüclist  kunstgerecht  und  technisch 
gelungen,  verfertigt  habe. 

Unter  jenen  Kleinodien,  die  nach  vielen  Schick- 
salen die  Kaiserburg  unangefochten  jetzt  bewahrt,  sind  hin- 
sichtlich der  Form  die  beiden  sogenannten  Scepter 
(sceptrum,  virga)  wohl  am  einfachsten  und  anspruchlosesten, 
auch  hinsichtlich  ihres  Datums  die  jüngsten.  Das  eine  ältere, 
sogenannte  Scepter,  unter  welcher  Bezeichnung  es  auch 
unter  den  Matrikeln  von  Nürnberg  vorkiinmit,  möchte  wolil 
schwerlich  als  Scepter  gebraucht  worden  sein.  Der  Stab, 
aus  glattem  Silberblech,  ist  an  drei  verschiedenen  Stellen 
durch  kleinere  vergoldete  Knäufe  und  Ringe  unterbrochen. 
Auf  der  Spitze  dieses  silberneu  Stabes  befindet  sich  ebenfalls 
silbervergoldet  eincBlättcikrune  in  der  Weise  eines  Blumen- 
kelches mit  Blattbildungen,  formirt  nach  Art  des  älteren 
Akanthusblattes.  aus  dessen  Mitte  sieh  eine  Fruchtbildung 
erhebt,  gleich  einer  Pinie.  Diese  Fruchtbildung  ist  im  Innern 
hohl,  und  mit  vielen  Löchern  durchbohrt.  Auch  will  es  den 
Anschein  gewinnen,  als  ob  in  der  grössten  Peripherie  dieser 
rundeu  Kapsel  früher  eine  .\rt  Schraube  sich  vorgefimden 
habe,  die  jetzt  mit  Silber  zugelöthet  ist.  Die  Annahme  scheint 
nicht  unbegründet,  dass  dieses  sogenannte  lieichsscepter 
früher  bei  den  Kaiserkrönungen  als  „aspersorium,  aspergilum" 
in  einer  Weise  seine  .\nwendiiug  gefunden  bat,  so  dass  mit 
diesem  Aspergil,  eine  kunstreichere  Form  anstatt  des  heutigen 
Weihwedels,  dem  Reichsoberhaupt  bei  seinem  Eintritt  in 
die  Kirche  von  dem  Consecrator  das  geweihte  Wasser  dar- 
gereicht wurde.  Es  bestätigt  diese  .Annahme  auch  noch 
der  Umstand,  dass  in  den  alten  Verzeichnissen  der  Reichs- 
kleinodien, sicli  noch  ein  ,lhuribulum  aureum-',  goldenes 
RauehgelViss,  vorfindet,  womit  der  Kaiser  bei  seinem  Ein- 
tritte in  die  Krönungskirche,  gleich  dem  pontificirendcn 
Bischöfe,  incensirt  wurde;  dessgleichen  sprechen  die  älteren 


Jlatrikeln  noch  von  einem  Wärmapfel  (caletactorium  deaura- 
tum.  iKinnnn  ad  calefaciendas  manus),  der  wahrscheiidich 
im  erwäiinten  Zustamle.  dem  zu  krönenden  Kaiser  dar- 
gereicht wurde,  zumal,  wenn  der  feierliche  Act  und  die 
langen  Ceremonien  derselben  im  ^^  inter  stattfanden. 

Da  nun  auch  noch  ein  eigentliches  Scepter  vorhanden 
ist,  das  sich  durch  seine  Form  deutlich  als  solches  zu  erken- 
nen gibt,  so  liegt  keine  Nothwendigkeit  vor,  anzunehmen, 
dass  das  eben  beschriebene  hi'ichst  einfache  Utensil  einem 
so  hervorragenden  Zwecke  gedient  haben  soll.  Indessen 
wollen  wir  die  vorstehende  .\nnahme  blos  als  Hypothese 
aufgestellt  haben,  und  bemerken  nur  noch,  dass  den  Detail- 
bildungen nach  zu  urtheilen  das  in  Rede  stehende  Gefass 
der  letzten  Hälfte  des  XIII.  Jahrhunderts  angehören  dürfte. 
Das  eigentliche  Reichsscepter,  welches  nach  dem  Kri'mungs- 
diarium  fortwährend  bis  zur  letzten  Kaiserkrönung  im 
Gebrauch  war,  ist  nicht  nur  hinsichtlich  seiner  formellen 
techiiiselienDurchführung.  sondern  auch  in  seiner  Bedeutung 
vollständig  als  de\itsches  Kunstproduct  zu  erkeuTien.  und  es 
dürfte  nach  unserem  Dafürhalten,  von  Nürnberger  (Jold- 
sehmieden  angefertigt  worden  sein,  zur  Zeit,  als  die  deut- 
sehen Reichskleinodien  dorthin  in  Gewahrsam  gegeben 
wurden.  Die  Form  desselben  imitirt  auf  künstliche  Weise 
den  Zweig  einer  Eiche  mit  polygonem  Schaft  von  Ringen 
und  Knäufen  unterbrochen.  Die  Spitze  des  Seepters  ist 
bekrönt  durch  sechs  zierliche,  stylistisch  kräftig  geformte 
Eichenblätler,  wovon  drei  mit  ihren  Spitzen  sich  nach 
unten  anlegen,  die  drei  übrigen  mit  ihren  Ausmündungen 
nach  oben  hin  sich  wölben  und  daselbst  eine  kleine  Eichen- 
frucht umgeben.  Dieses  Scepter  ist,  wie  der  Augenschein 
lehrt,  ein  späteres  Surrogat  für  eine  ältere,  schadhaft 
gewordene  oder  verloren  gegangene  «virga,  bipennis",  die, 
was  Formenreichthum  hetrifl't.  Ähnlichkeit  haben  mochte 
mit  dem  eben  beschriebenen  Reichsapfel,  dem  Schwerte 
und  der  Krone.  Auflallend  ist  es  jedenfalls,  dass  bei  der 
Krönung  Rudolfs  von  llabsburg  verschiedene  Geschichts- 
schreiber bereits  angeben,  dass  das  Scejiter  gefehlt  habe, 
und  dass  der  grosse  Kaiser,  der  momentanen  Verlegenheit 
abhelfend,  das  Kreuz  vom  .\ltare  genommen,  und  desselben 
sich  als  Scepter  bedient  habe. 

Ein  anderes,  nicht  minder  ehrwürdiges  Stück  der 
Reichskleinodien  ist  das  berühmte  Evangelis tari  um,  das 
nach  der  Tradition  im  Grabe  auf  den  Knieen  des  grossen 
Kaisers  befindlieh  w  ar  inul  bei  der  ErölTnung  der  Kaiser- 
gruft zu  den  Reichskleinüdieu  gekonunen  sein  sidl.  Leider 
ist  gegen  Schluss  des  XV.  Jahrhunderts  der  alte  primitive 
Einband  (frontale),  vermutlich  seines  ruinösen  Zustandes 
wegen  entfernt  worden,  und  durch  ein  reiches  getriebenes 
Kunstwerk  im  Style  der  spät  Cölnischen  Schule  ersetzt  wor- 
den. Dieses  llantrelicf,  eine  äusserst  reiche  Arbeit  von 
hoher  Knnstvollendnng,  stellt  nämlich  auf  der  mittleren 
grossen  Fläche  den  Heiland  sitzend  auf  dem  Throne  der 
Herrlichkeit ,    wiederkehrend    als    Richter   mit   erhobener 


—   93  — 


Rechte  und  dem  „über  scriiitiis"  in  der  Linken  d:ir.  Zu  Lei- 
den Seiten  dieser  m;ijestiitisclien  Darstellung  des  „et  iteruni 
venturus  est,  cum  gioria"  erblickt  msin  unter  zierlichen 
Laubbiildachinen  auf  der  rechten  Seite  als  Hautrelief  den 
Engel  der  Verkündigung,  und  auf  der  andern  Seite  die 
seligste  Jungfrau,  wie  sie  kniend  dieBotschaft  der  Menschen- 
werdung  empfiingt.  An  den  vier  Ecken  sind  zur  Darstellung 
gebracht  in  gelungener  kräftiger  Stylisirung  die  vier  Sym- 
bole der  Evangelisten.  Die  Rückseite  des  Einbandes  (dor- 
sale) ist  einfach  mit  rothemSammt  überzogen  und  mit  silber- 
vergoldeten Knäufen  beschlagen.  Möglich  ist  es,  dass  nach 
Analogie  der  älteren  „Codices  purpurei"  der  frühere  Ein- 
band durch  reiche  in  Elfenbein  geschnitzte  Füllungen, 
vielleicht  Flügel  von  älteren  Consulardyptichen,  verziert 
war.  Das  grösste  historische  Interesse  verdient  jedenfalls 
das  Innere  des  mit  dem  eben  beschriebenen  Einband  ge- 
schmückten Evangeliencodex,  bestehend  aus  einer  grossen 
Zahl  von  Pergamentblätteru  in  klein  Quart,  die  durch  den 
Saft  der  Murex  violett  röthlich  auf  beiden  Seiten  gefärbt 
worden  sind.  Alle  Buchstaben  dieses  „codex  membrana- 
ceus  purpureus"  sind  geschrieben  in  reicher  Vergoldung, 
daher  auch  der  Name  „codex  aureus."  Wie  bei  allen  älte- 
ren Evangelistarien,  gehen  den  vier  Evangelien  vorher  der 
Prolog  des  heil.  Hicronymus  und  die  Evangelienconeor- 
danz.  Sowohl  die  Form  der  Säulen  und  Bogenstelhmg 
mit  reichverzierten  Ornamentationen,  wovon  die  Evangelien- 
harmonie umgeben  ist,  lassen  einen  engen  Anschluss  an 
die  classischen  Antike  noch  deutlich  erkennen;  dessgleichen 
die  in  goldgeschriebenen  lateinischen  Majuskeln  und  Minus- 
keln in  Form  der  älteren  römischen  Uncial- Buchstaben. 
Am  meisten  aber  lassen  die  grossartigen  Darstellungen  der 
vier  Evangelisten,  sitzend  auf  Sedilien  ohne  apokalyptischen 
Thiere ,  nach  den  vorhandenen,  authentischen  Analogien 
ähnlicher  Evangelistarien  mit  Sicherheit  den  Schluss  ziehen, 
dass  auch  dieses  zierlich  geschriebene  Evangelistarium  mit 
dem  oben  beschriebenen  Säbel  und  dem  nachfolgenden  Reli- 
quienkästchen aus  dem  Schatze  zu  Aachen  stammt  und  aus  der 
karolingischen Epoche  herrühren  könne.  Auch  dieDrappirung 
derGewänder  der  vier  Evangelisten  in  Weise  der  Toga  nach 
römischer  Anschauungsweise  gehalten,  dessgleichen  die 
unverkennbar  classische  Auflassung  und  Darstellung  der 
körperlichen  Formen  lassen  bei  aller  Rohheit  der  Technik 
des  VIII.  Jahrhunderts  eine  Grossartigkeit  der  Auflassung 
und  Conception  deutlich  durchblicken,  wie  sie  der  römisch- 
classischen  Kunst  eigen  war.  Den  Krönungsdiarien  gemäss 
legte  der  Kaiser  vor  der  Krönung  den  Eid  auf  diese  karo- 
lingische  Bibel  ab,  und  war  bei  der  Krönungsceremonie 
dieses  Evangelistariums  auf  dem,  auf  der  Epistelseite  be- 
findlichen Reliquienaltar  aufgestellt. 

Das   Reliquienkästchen     (hierotheca,    fcretrum, 

arcula)  gehurt  nicht  nur  hinsichtlich   der    geschichtlichen 

Sagen,  die  sich  daran  knüpfen,  sondern  auch  rücksichtlich  der 

vielgestaltigen  eigenthümlichen  Ornamentationsweise  seiner 

II. 


äusseren  Flächen  zu  den  interessanteren  Piecen  der  Kron- 
insignien  und  Reichsreliquien  deutscher  Kaiser.  Es  war  dies 
das  dritte  Stück,  das  sich  die  Reichsstadt  Aachen  rühmte 
zu  besitzen  und  worüber  das  freie  kaiserliche  Krönungs- 
stift zugleich  mit  dem  Magistrate  die  „concustodia"  ausübte. 
Rücksichtlich  der  äusseren  Decoration  dieses  Reliquicnküst- 
chens  gehört  die  mit  vergoldeten  Silberblech  ornanientirle 
Rückseite  unstreitig  dem  Schluss  des  Will,  oder  dem 
Reirinne  des  XIX.  Jahrhunderts  an,  wo  die  Kunst  wie  das 
aus  den  tändelnden  unschönen  Formen  in  getiiebener  Ar- 
beit ersichtlich  ist,  vollständig  Fiasco  gemacht  hatte.  Schon 
in  den  zwei  letzten  Jahrhunderten  herrschten  Meinungsver- 
schiedenheiten über  die  Identität  so  wie  über  Form  und 
Gestalt  dieses  ..scrinium",  und  soll  s|iäter  ausrührlich  das 
Weitere  angegeben  werden,  ob  Aachen  noch  das  sogenannte 
„noli  me  tätigere"  besitzt  oder  ob  wir  dieses  Reliquiarium 
in  der  in  Rede  stehenden  lipsanotheca  zu  suchen  haben. 
Eine  zweite  Restauration  und  Hinzufügung  dieses  Schreines 
fand,  nach  den  Detailformen  zu  urtheilen,  statt  gegen  den 
Schluss  des  XV.  Jahrhunderts,  und  zwar  von  einer  sehr 
ungeübten  Hand,  die  es  beabsichtigte,  die  vordere  Haupt- 
seite des  Reliquienschreines  mit  goldenen  Ornamenten, 
Edelsteinen  und  Perlen  in  unkünstlerischer,  derber  Fassung 
in  einer  Weise  zu  deeoriren,  dass  dadurch  eineElTectwirkung 
von  Weitem  erzielt  und  eine  .\hnlichkeit  der  Ausstattung  mit 
der  Krone  angestrebt  würde.  Aus  der  Zeit  der  ersten  An- 
fertigung stammen  oflenbar  die  dünnen  Goldplatten  an  den 
beiden  Schmalseiten  des  Reliquiariiuns  mit  getriebenen,  iigu- 
rativcn  Darstellungen  in  Form  von  Äledaillons.  Sowohl  die 
Technik  der  Arbeit  als  auch  die  Auflassung  und  formelle  .Aus- 
prägung dieser  Figuren  setzt  die  Entstehung  dieses  Reli- 
quienkästchens in  sehr  frühe  Zeiten  und  haben  Einige  diese 
getriebenen  .\rbeiten,  worin  sich  Formen  wiedcrllnden,  wie 
sie  auf  Münzen  aus  der  letzten  Cäsarenzeit  vorkommen, 
dem  VII.  wenn  nicht  VI.  Jahrhunderte  vindiciren  wollen. 
Diese  Figurationen  sind  in  einfacher  NN'cise  dadurch  erzielt, 
dass  über  Metallstücke  mit  hochstehenden  Formen  dünne 
Goldblättchen  gelegt  und  auf  mechanische  Weise  Abdrücke 
durch  Pressungen  erzielt  wurden.  Die  Darstellungen  selbst 
sind  sehr  originell  und  bieten  mit  christlichen  Darstel- 
lungen dieser  Periode  wenige  Analogien.  In  mehreren  Me- 
daillons erblickt  man  nämlich  einen  Engel  mit  erhobenen 
Flüi^eln  und  fliegenden  Gewändern,  unter  welchen  nach  clas- 
sischcr  Drappiruiigueise  die  kör[U'rliclien  Furmeii  noch  zu 
Tage  treten;  die  Rechte  des  Engels  hält  ausgestreckt  ein 
Schwert,  die  Linke  Pfeil  und  Bogen  und  über  dem  Haupte 
und  zu  beiden  Seiten  dieses  Rachegeistes  liest  man  den 
Spruch  in  römischen  L^ncialen  „malis  vindicta."  Die  Strafe, 
die  in  diesen  Worten  den  Ruchlosen  angedeutet  wird ,  lln- 
det  sich  sinnbildlich  vcranscha\dicht  in  den  übrigen  Medail- 
lons, wo  Jagden  auf  wilde  Thiere  in  verschiedenrn  Ab- 
stufungen bildlich  vorgeführt  werden.  Auf  einem  dieser 
Medaillons,  wie  alle  übrigen  von  getriebenen  Perlräuderii 

13 


94 


umzü^eii ,  erlilickt  mau  ciueu  Uciter ,  der  ciiuMii  vier- 
füssigen  Wild  nachsetzt.  Auf  einem  zweiten  Medaillon 
ist  der  Fischfang  dargestellt  und  auf  einem  di-ilten  die 
Vögeljagd. 

Ks  i.st  früher  darauf  hingewiesen  wurden,  wie  und  aus 
welcher  U  r  s  a  e  li  e  durch  die  äusserst  verdienstvollen  Bemü- 
hungen des  Freiherrn  von  Hügel  der  grijsste  Theil  der 
Reichskieinodien  von  Nürnberg  nach  Wien  übertragen  und  so 
gerettet  wurde.  NN  ie  jedoch  das  ebcubescliriebeuc  merkwür- 
dige Ueliquienkästchen,  welches,  in  dem  letzten  Jahrhundert 
„noli  me  tangere"liiess,dessg!eichoii  das  vorherbeschriebene 
Evangelistarium  und  das  Schwert  Karl  des  Grossen,  gewöhn- 
lich als  Geschenk  Harun-ar-Raschid  angegeben,  in  die  k.  Hof- 
burg nach  NVien  gekommen  ist,  darüber  diene  zum  Sclilusse 
nachstehende  kurze  Notiz.  Bei  dem  ersten  Andrängen  jener 
französischen  Raubhorden  an  den  Rhein,  welche  die  Geschichte 
mit  dem  bezeichnenden  Namen  Sansculotten  brandmarkt,  flüch- 


tete das  kais.  Krönungsstift  L'nserer  lieben  Frau  zu  .\aclien 
seine  grossartigen  in  kostbarer  reicher  Fassung  befindlichen 
Reliquienschütze  über  den  Rhein  und  liess  sie  durch  geistliche 
Abgeordnete  nach  .\rnsberg  und  Paderborn  in^VestIlllalen  in 
Sic'herlicit  bringen.  .Vis  die  Zeiten  ruliiger  geworden  und  die 
.Mliirlen  licrcils  in  Paris  eingezogen  waren,  wurden  auch 
jene  theuren  Schätze,  das  Palladium  .\aclieiis,  im  Triiimplizug 
wieder  in  das  Münster  Karl 's  des  Grossen  zurückgeführt. 
Bevor  jedoch  die  Reliquien  von  Paderborn  abgingen,  wurden 
auf  .\nsuchcn  des  kais.  österreichischen  Gesandten  zu  Hildes- 
heim und  mit  Bewilligung  der  königl.  |ireuss.  Regierung,  zu 
deren  Territorium  damals  NN'esliilialen  und  die  Rheinlande 
eben  gekommen  waren,  die  vorbenannten  Krönungs- Uten- 
silien, nämlich  der  Evangelien -Codex,  das  Schwert  Karins 
des  Grossen  sowie  das  eben  bezeichnete  Reliquiarium  abge- 
trennt und  zu  den  übrigen  Kleinodien  des  heiligen  deutschen 
römischen  Reiches  iiacli  \\  ieu  eingesandt. 


Über  die  Rüstungen  und  Waffen  der  k.  k.'Ambraser-Sammlnng'). 


Von  Dr.  lid.  Freiherrn  v.  Sacken. 


Die  Ambraser-Sammhnig  wurde  auf  dem  in  der  Nähe 
von  Innsbruck  reizend  gelegenen  Schlosse  Ambras  von 
Erzherzog  Ferdinand  Grafen  von  Tirol  zwischen  den 
Jahren  1570  und  lJ)i)ö  angelegt.  Dieser  eben  so  ritterliche 
als  kunstsinnige  und  hochgebildete  Fürst,  zweiter  Sohn 
Kaiser  Ferdinand's  I.,  erbaute  auch  den  grössten  Theil  des 
Schlosses,  schmückte  diesen  seinen  Lieblingssitz,  wo  er  mit 
seiner  geliebten  Gattin  Philipp  ine  Wels  er  so  gerne 
weilte,  nicht  nur  mit  Aufwand  und  Pracht,  sondern  auch  mit 
reichen  Kunstschätzen  aus,  die  sprechende  Zeugen  seines 
feinen  Geschmackes  sind,  und  begründete,  vielleicht  der 
erste  in  Deutschland,  ein  Museum,  in  welches  alles  aufge- 
nommen wurde,  was  in  Beziehung  auf  Geschichte  und  Kunst 
oder  als  Naturselteuheit  merkwürdig  und  bedeutend  erschien. 
Besonders  waren  es  die  WafFen  und  Rüstungen  seiner  hel- 
denmüthigen  Vorfahren  und  Zeitgenossen,  die  seinen  ritter- 
iichea  Sinn,  der  feierliche  Aufzüge,  Turniere  und  Rennen 
liebte,  anzogen,  l'.r  bi'aclite  130  Harnische  berüliiiiter 
Männer  zusammen,  —  er  selbst  besass  über  zwanzig,  meist 
von  höchst  kunstreicher  Arbeit  und  auf  das  prächtigste  ver- 
ziert —  ausserdem  eine  grosse  Anzahl  von  kostbaren  WalTen 
und  Reitzeugen.  Den  andern  Theil  des  Museums  bildete  die 

•)  Nachstehender  Aufs.-itz  liildet  die  „Einleitung"  zum  Texte  des  hi.stiirisclii>n 
i'rachtwerkes,  dessen  Ilerausgiilie  unter  dem  Titel:  „Die  vorzüglich- 
sten I!ü  s  t  ungen  und  Waffen  der  k.  k.  Ambr  ascr-Sani  ml  ung" 
in  Original-Phologra|ihicn  von  Andreas  Groll  und  mit  historischem 
und  hesi'hreihenden  Texte  von  Dr.  Ed.  Freiherrn  v.  Sacken  von 
dem  k.  k.  non>U(hhänillcr  W.  II  r  a  u  m  ü  1 1  c  r  in  Wien  vorhcreilet  wird 
und  auf  dessen  I'rospectus  wir  hereits  in  diesem  Jahre  (Ii'm)  hingewie- 
sen hahen.  Die  erste  Lieferung  wird  in  wenigen  Tagen  ausgegeben  und  wir 
verweisen  rücksichllich  ihres  Inhalts  auf  die  „Literarischen  Anzeigen" 
dieses  Heftes.  Die  vorzeitige  Benützung  der  „Einleitung"  verdanken  » ir 
der  Güte  des  Verfassers  und  Conserrators  Herrn  Freiherrn  v.  Sacken. 

D.  Med. 


Kunst-  und  NN'u  nde  r  kammer,  in  weldier  ein  Sehatz 
von  Schnitzwerken,  Natiirselteiiiieiten,  besonders  Mineralien, 
mittelalterlichen  Geräthen  und  Instrumenten,  Glasmalereien, 
geschnittenen  Steinen,  Gold-  und  Silbergeschirren,  Kleino- 
dien —  darunter  mehrere  Arbeiten  des  berühmten  Benvc- 
nuto  Cellini  —  aufgestellt  war,  ferner  die  höchst  interes- 
sante, uiiübertrorTeue  Sammlung  von  Porträten  berühmter 
Männer  (über  tlOO  Stück)  in  Ol  gemalt,  und  andere  aus- 
gezeichnete Gemälde,  eine  Älünzsanimlung  von  2iJ00 
Stücken,  endlich  die  Bibli  othek,  die  über  500  Maiiu- 
scripte  und  bei  400  Druckwerke  enthielt,  und  mehrere 
tausend  Kupferstiche.  \Vas  aber  diese  Sammlung  aus- 
zeichnet, ist,  dass  sie  fast  nur  Bedeulendes  und  TrelTliches 
enthält.  Schlechtes  gar  nichts;  sie  ist  keine  .\ufhäufung  von 
Raritäten  zur  Ergötzlichkeit  schaulustiger  Fremder,  sondern 
bietet  für  Kunst  und  NN'issenschaft  ein  reiches  Materiale  zum 
Studium  und  bekundet  dadurch  das  richtige  Gefühl  des 
Stifters.  Der  Erzherzog  ordnete  alles  selbst  an,  wandte 
sich  an  befreuiulele  Fürsten  ,  um  (legeiistände  für  seine 
Sammlung  zu  erlialtcu  und  leitete  diese  als  Liebhaber  und 
Kenner.  Durch  die  .Abfassung  von  beschreibenden  Inventa- 
rien  wurde  für  die  Controle  auch  in  späteren  Zeiten  Sorge 
getragen. 

Nach  Erzherzog  Ferdiiianirs  Tode  (1595)  lie!  die 
Sammlung  vermöge  testamentarischer  Bestimmung  an  seinen 
zweiten  S(din  Karl  Markgrafen  von  Rurgau  mit  dem  weitern 
Beding,  dass  bei  Erlöschen  des  .Mannsstainmes  seiner  Söhne 
„alles  dem  regierenden  Landsfürsten  vnseres  Hauses  vnd 
Geblüts  frey  heimfallen  vnd  bleiben  soll."  Nach  des  Stifters 
NN'unsch  sollte  "alles  unverändert  und  unzertheilt  beisammen 
erhallen,  wohl  verwahrt,  gcniehrl  und  \erlM'ssert  werden ; 
er  vidlle  also  die  Sammhiiii,',   auf  die  er  so  viele  Mühe  und 


—  93 


Kosten  verwendet,  seinem  Hause  siehern  und  deren  Integrität 
bewahren. 

Die  beiden  Sühne  Erzherzog  Ferdinand 's  waren  kinder- 
los, somit  tiel  nach  ihrem  Tode  Ambras  und  die  Sammhmg 
demLandesfiirsten  zu,  dennoch  kaufte  Kaiser  Rudolf  II.  von 
Karl  von  Burgau  noch  bei  dessen  Lebzeiten  beides,  wobei 
die  Sammlung  auf  100,000  Gulden  geschützt  wurde.  So 
sind,  da  mit  Sigismund  Franz  1G63  die  tirolisch-üsterrei- 
chische  Nebenlinie  erlosch,  und  Tirol  mit  den  übrigen  Erblan- 
den vereinigt  an  den  regierenden  Ilauptstamm ,  zunächst  an 
Kaiser  Leopold  I.,  überging,  die  habsburgischen  Kaiser  auf 
doppelte  Weise  die  alleinigen  und  rechtmässigen  Eigen- 
thüraer  der  Ambraser-Sammlung,  nämlich  durch  die  obige 
Testamentsbestimmung  des  Gründers  und  durch  Kauf  — 
Der  letzte  Wunsch  des  erlauchten  Stifters  wurde  aber, 
wohl  zum  Vortheile  der  Wissenschaft,  zum  Nachtheile  der 
Sammlung  nicht  eingehalten.  Denn  der  Zuwachs  war  seit 
Ferdinand's  Tode  in  der  ersten  Zeit  zwar  nicht  unbe- 
deutend, später  aber  äusserst  spärlich,  dagegen  kam  der 
grösste  Theil  der  Handschriften  und  Bücher  in  die  kaiserl. 
Hofbibliothek  nach  Wien  (1(563).  Die  meisten  Münzen 
(1715)  und  viele  Bilder  wurden  ebenfalls  den  betreflenden 
Sammlungen  zu  Wien  einverleibt.  Wahrend  der  Franzosen- 
kriege musste  die  Sammlung  mehrmals  geflüchtet  werden; 
als  im  Pressburger  Frieden  1805  Tirol  an  Baiern  abgetreten 
wurde,  kam  sie  als  ein  dem  durchlauchtigsten  Kaiserhause 
gehöriger  Schatz  nach  Wien,  doch  nahmen  die  französischen 
Bevollmächtigten  10  prachtvolle  französische  Rüstungen 
weg ;  in  Ambras  aber  blieben  manche  auf  das  Land  und  das 
hohe  Stifterpaar  bezügliche  Gegenstände  und  eine  Anzahl 
Turnierrüstungen  zurück. 

Die  ausgezeichnetste  und  interessanteste  Partie  der 
Sammlung  bilden  die  Rüstungen  undW'affcn.  Schon 
Erzherzog  Ferdinand  sehätzte  sie  so,  dass  er  125  derselben 
in  Kupfer  stechen  und  von  seinem  Secretär  Schrenk  von 
Notzingen  herausgeben  liess.  Seither  und  bei  dem  gegen- 
wärtigen Standpunkte  der  Kunst  und  Geschichtsforschung 
haben  sie  noch  mehr  an  Interesse  und  Bedeutung  gewonnen, 
indem  sie  ein  Gegenstand  wisssenschaftlichen  und  künstle- 
rischen Studiums  geworden  sind.  Denn  die  Harnischtracht 
hat  im  Mittelalter  ihren  ganz  bestimmten  Entwicklungsgang 
und  ist  in  ihren  jeweiligen  Formen  für  die  Richtung  der 
Zeit  und  des  Geschmacks,  wie  für  die  Art  der  Kriegführung 
charakteristisch;  auch  der  Zustand  der  Kunst  und  Gewerbe 
welche  bei  der  Waffentechnik  vielfache  Anwendung  finden, 
wird  an  ihr  ersichtlich.  In  der  kriegerischen  und  turnierlu- 
stigen Zeit  des  Mittelalters  waren  ja  gute  und  schöne  Waffen 
ein  Gegenstand  von  grösstem  Belang;  beim  Kampfe  von 
Mann  gegen  Mann,  bei  der  Wichtigkeit  der  Person  des 
Führers,  der  im  Gedränge  selbst  niilfocht,  war  es  noth- 
wendig  und  bei  der  damaligen  Beschaffenheit  der  Angriffs- 
waffen auch  zweckmässig,  sich  durch  eiserne  Umhüllungen 
zu  schützen.  Wie  viel  man  auf  die  Schönheit  liielt,  beweist 


der  Umstand,  dass  bei  den  Turnieren  ein  eigener  Preis  — 
der  Zierdank  —  für  den  am  prächtigsten  Gerüsteten 
bestimmt  war. 

Im  Beginn  des  Mittelalters,  wo  römische  Bildung  und 
Sitte  das  einzig  gebotene  Mittel  der  Civilisation  war,  schliesst 
sich  Tracht  und  Bewaffnung  einigermassen  der  vorhergehen- 
den Übung  an;  bis  zur  Mitte  des  X.  Jahrhunderts  trug  man 
Schuppenharnische  aus  Leder  mit  aufgenähten  Blech- 
schuppen und  herabhängenden  Lendenstriemen,  oder  das 
Kettenhemd  aus  verflochtenen,  auf  Stoft'  gehefteten  Ringen, 
runde,  beckenartige  Helme  mit  einem  Schilde  vorne  und  hinten 
und  mit  Backenschienen,  kleine  rundeSchilde.  kurze  Schwerter 
und  Wurfspiesse  ohne  Fähnlein.  Gegen  Ende  des  X.  Jahr- 
hunderts mit  der  Entfaltung  des  nationalen  Lebens  und  dem 
Entstehen  des  Ritterstandes  gestaltet  sich  die  Kriegs- 
tracht eigenthümlicher.  Der  Ritter  trägt  einen  Waffenrock 
(Brünne)  mit  aufgenähten  Eisenringen  —  seltener  Scheiben 
und  derlei  Hosen,  konischen  Helm  mit  schmalem  Naseneisen 
und  den  sehr  grossen  dreieckigen  Schild,  ausgehogen,  damit 
er  den  ganzen  Leib  schütze,  an  einem  Bande  am  Halse  hän- 
gend. Das  lange  Schwert  mit  um  den  Leib  geknüpftem 
Gehänge  hat  eine  gerade  Parirstange,  die  Sporen  sind 
lanzenartig  ohne  Räder. 

Auch  im  XII.  und  XIII.  Jahrhundert  besteht  die  ritter- 
liche Rüstung  in  einem  vollständigen  .Anzüge  von  Leder  mit 
aufgenähtem  Ringwerk  (halsberc);  das  Ringhemd  hat 
eine  Kapuze,  die  nur  das  Gesicht  frei  lässt,  an  den  Ärmeln 
Fäustlinge,  darüber  wird  der  lange,  faltenreiche  W^affenrock 
getragen.  Die  Helme,  anfangs  konisch  und  nur  das  Ober- 
haupt deckend,  werden  immer  grösser,  und  umschliessen 
zuletzt  topfartig  den  ganzen  Kopf;  auf  ihnen  wird  der  Hclm- 
schmuck  (Cimier)  in  verschiedener  Gestalt  als  Flügel. 
Hörner,  Geweihe  etc.  angebracht,  dann  auch  zum  Schutze 
gegen  Hitze  und  Rost  eine  Helmdecke.  Auf  den  grossen 
dreieckigen,  oben  abgerundeten  Schilden  erscheinen  gemalte 
Abzeichen  der  Ritter  —  die  Entstehung  der  \N'appen,  die 
Sporen  haben  Räder,  die  sehr  langen,  breiten  Schwerter 
hängen  an  einem  zusammengeknüpften,  später  geschnallten 
Gehänge,  die  Lanzen  erhalten  wimpelartige  Fähnlein.  Auch 
die  Pferde  werden  mit  Ringdecken  geschützt  und  mit 
grossen  fliegenden  Überdecken  behängt. 

Viel  schmucker  und  zierlicher  gestaltet  sich  die  ritter- 
liche Rüstung  im  XIV.  Jahrhundert.  Den  Ilaupitheil  bildet 
ein  fast  bis  an  die  Knie  reichendes,  aus  Ringen  gefloch- 
tenes Panzerhemd,  wie  solche,  wahrscheinlich  durch 
Bekanntschaft  mit  dem  Orient  schon  im  XH.  Jalirhundert, 
obwohl  selten,  vorkommen,  aber  seit  Erfindung  des  Draht- 
ziehens (zu  Nürnberg  um  1  SOG)  allgemein  wurden;  sie 
hatten  einen.  Hals  und  Hinterhaupt  schirmenden  Kragen,  der 
an  die  getriebene  Reckenhaube  (itassinet)  befestigt  war. 
Über  dem  Panzerhemd  trug  man  den  ärmellosen,  oft  blaso- 
nirten  Waflenrock.  Einzelne  Theile:  Brust,  Schultern. 
Ellbogen,    Knie   wurden   noch    durch   Lederschirnie    oder 


13' 


96 


üiuzelii  ;iurg(-si'liii;illti'  Eisciiiiliitti'ii  gfscliiitzl,  Hiuidschuhe 
und  Scliulie  aus  ge.selmlii'iirii  HlechschioiuMi  tvefcrti^t.  Hie 
siiitze  15('tktMili;iiil)e  hatte  kein  Vi.sicr,  es  wurde  dalier  der 
niiiehtit^-e  Kübel-  oder  Fasshelni,  der  auf  den  Seliultcrii  auf- 
sass,  darülier  gestürzt.  Erst  zu  Knde  dieser  Periode  erhielt 
das  Bassiuet  ein  bewegliches  Visier,  wo  dann  der  Kübeihelm 
wegliel.  Die  Seliilde  sind  in  dieser  Zeil  klein  und  dreieekig, 
Seh«  ertgrilV  und  J)oleh  sind  an  Kettehen,  die  von  der  brust- 
jdatte  ausgehen,  belestigt,  der  breite,  oft  mit  Metailverzie- 
ruufren  und  Edelsleiuen  besetzte  Gürtel  wird  tief  liiingend 
um  die  Hüften  getragen. 

Iiuleni  sich  die  sehülzenden  Eiscnplatten  mehren,  enl- 
stehl  im  XV.  .lahrhundcrt  der  ganz  geschlagene  Platten- 
liarniseh;  der  Panzer  und  der  WalTenroek  fielen  weg  und 
der  Ritter  glänzte  ganz  in  blankem  Eisen.  In  der  ersten 
Zeit  waren  die  Platten  noch  nicht  durch  Geschiebe  so  innig 
verliiinden.  die  einzelnen  Stücke  nicht  so  gross  und  aus 
Einem  getrieben,  als  später,  wo  die  Theile  und  Geschiebe 
so  in  einander  grilVen,  dass  selbst  bei  Bewegungen  fast  kein 
Theil  des  Korpers  ungeschützt  blieb.  Im  Anfange  sind  die 
Rüstungen  dünn,  mit  vielen  Spitzen,  Ruckein  und  Kelilungen, 
später  mit  .Üz  werk  geziert  und  an  den  Leib  passend;  je  mehr 
die  FeuerwalVen  ausgebildet  werden,  desto  dicker  im  Eisen 
und  plumper  sind  die  Harnische.  Bis  .in  die  zweite  Hälfte  des 
XVI.  Jahrhunderts  werden  vollständige  Rüstungen  getragen, 
dann  fallen  zuerst  die  Eisenscliuhe  weg,  dann  derRcinschutz, 
späterhin  das  Armzeug  und  Helm- Visier,  bis  nur  mehr  der 
Kürass  und  die  ofl'ene  Sturmhaube  übrig  bleiben. 

Sehr  zweckmässig  erscheint  übrigens  diese  llarnisch- 
tracht  nicht,  indem  das,  was  sie  an  Scliutz  gegen  die  feindli- 
chen Waffen  gewährte,  durch  das  Gewicht  und  die  ersehwerte 
Beweglichkeit  fast  aufgewogen  wurde;  zudem  Hessen  die 
Platten  an  den  Geleid<en  offene  Stellen,  während  das  frühere 
Panzerhemd  den  Leib  vollständig,  besonders  gegen  den  Hieb 
schützte  und  so  dicht  war.  dass  es,  wie  aus  verschiedenen 
Erzählnngen  liervorgeht,  oft  dem  Sieger  nicht  mijglicli  war, 
selbst  weim  der  Gegner  schon  auf  dem  Roden  lag,  durch  das 
Ringwerk  durchzudringen.  Die  glänzende,  prächtige  Platten- 
rüstung war  grossentheils  Sache  der  Mode;  man  trieb  damit 
einen  so  grossen  Luxus,  wie  frülier  mit  den  Waffenröcken, 
gegen  welche  besondere  .\uf\vandgesetze  erlassen  werden 
mussten.  und  mancher  minder  vermögliche  Ritter  geiieth 
durch  die  Anschaffung  einer  schönen  Rüstung  in  Sehiilden. 

Das  Gewicht  eines  vollständigen  Feldharnisches  be- 
trug zu  Anfang  des  XVI.  Jahrhunderts  ungefähr  40  Pfund, 


freilieii  mussten  untiT  diesem  noch  ein  dick  mit  \\'erg  uilvv 
^\(lll(■  abgesicppti's  liiterklfid  oder  Wanuns  und  Hosen  vun 
Rüll'elleder  gelragen  «erden;  so  litt  der  Ritter  von  Ilil/.e 
und  Reschwerde  seiner  Rüstung  oft  mein-,  als  durch  das 
feindliche  Schwert,  und  wir  dürfen  uns  nicht  wundern,  wenn 
wiederholt  erzählt  wird,  dass  an  cineni  heissen  Tage  mehr 
Lenle  verschmarhtelen,  als  lodl  geschlagen  wurden  (jjebens- 
beschreibung  Götzens  von  lierlieliingen).  Die  sjiäleren 
Rüstungen  im  XVll.  .lahrluimlrrt  sind  noch  seh«  erer  ;  die 
SturiTihanbe  allein  wog  13 — 20  Pfund,  Brust-  und  Rücken- 
stück 20 — 30  Pfund,  die  ganze  Rüstung  bisweilen  über 
100  Pfund,  daher  auch  der  französische  Iicriichingen, 
Fran(,-ois  de  la  Noue  (um  lüSO)  klagt,  dass  die  Reiter  oft 
ganze  ,\nd)Osse  auf  sicli  laden. 

Die  getriebenen  Rüstungen  zerfallen  in  drei  Abiheilun- 
gen: 1.  Feld- oder  Schlachtrüstungen,  meist  zienv- 
lich  einfach  und  wohl  geschlossen;  2. Turnierrüstungen. 
In  der  frülieren  Zeit  halle  man  für  die  verschiedenen  Arten 
von  Gesteehen  und  Rennen  besonders  geformte  schwere  Har- 
nische; später  waren  sie  nach  .\rt  der  Feldrüstungen  nur  mit 
Wedisel-  und  ^'erstärkungsstnckeu  nach  der  Galtung  des 
Turniers  und  der  dabei  angewendeten  Kampfweise  versehen. 
3.  Prunkharnische,  bei  Aufzügen  undFesten  gebraucht, 
oft  von  der  kostbarsten  und  kunstreichsten  Arbeit,  getrieben, 
mit  Gold  ausgelegt  mit  iiiul  Edelsteinen  besetzt,  meist  leicht, 
mit  offenem  Helme.  Als  Liebhaberei  und  Curiosität  « urdeu 
bisweilen  Panzerrüstungen,  Schuppeidiarnische  (Brigantinen) 
und  Corazinc  —  Schuppenhemden  mit  Sammt  überzogen  — 
getragen;  den  gewidinlichsten  llelmschmuck  bildeten  die 
Fcderliüsche,  welche  als  eine  französisclie  Mode  im 
XV.  Jahrhundert  aufkamen. 

.\uch  die  Pferde  wurden  oft  ganz  in  Eisenrüslungen 
gehüllt,  wenigstens  Kopf  und  Leib,  oder  ndt  Decken  aus 
steifem  Leder  (Parsche)  geschützt,  zur  Parade  mit  Decken 
und  kostbaren  Stoffen  (Caperation),  oder  Streifen  aus  Stoff 
und  Oiiasten  (Gerail)  geschmückt. 

Die  in  der  .Ainbraser-.Samndmig  befindlichen  Rüstungen 
stammen  sänuntlicli  aus  dei-  Periode  der  geschlagenen 
Plattenharnische  (von  c.  14ö0  an)  und  \\ir  können  an 
ihnen,  da  ihre  Authenticität  festgestellt,  daher  die  beiläufige 
Zeil  der  .\nfertignng  genau  bekatmt  ist  und  jede  ihre  i»eson- 
di'ren  Eigenthündichkeiten  hal.  alle  die  \iclfachen  Verände- 
rungen und  Milden  in  drr  llarnisehlrachl ,  bis  sie  durch  die 
inuner  mehr  vervollkununneten  Schiessu  allen  abkam,  kennen 
lernen. 


—  97 


Alte  Kunstdenkmale  in  Botzen  und  seiner  Umgebung. 

Von  Alois   Messmer,  Correspondeiiten  der  k.  k.  Cenlnil-Cojmnission  in  lirixcn. 

(Mit  einer  Tafel.) 

II. 


Eine  zweite  gothische  Kirche,  wciiigstons  iiocii  in  der 
Hauptsaclie  erhalten,  ist  die  D  o  minie  an  erkirc  iie.  Brü- 
der des  Preditfcrordeiis  kamen  1272  von  Piegensl)urg,  wo 
uugefiihr  gleiclizeitig  das  l)erühmte  Licht  des  Ordens, 
Alhertus  Magnus  lebte  und  lehrte,  liereits  im  folgenden 
Jahre  hauten  t'roMinie  IJürger,  darunter  die  gleichzeitig  von 
Florenz  eingewanderlen  Botschen  den  Brüdern  Convent  und 
Capelle ;  in  der  Folge  aber  reiche  Kaufleute  die  dem  heil. 
Dominicus  geweichte  Kirche.  Eine  nähere  Angabe  über  die 
Bauzeit  konnte  ich  nicht  auftrieben.  Nur  eine  Notiz  gibt  nocli 
einiges  Licht.  Anna,  des  Kimigs  Wenzel  von  Böhmen 
Schwester  und  des  Königs  Heinrich  von  Tirol  Gemahlin, 
welche  das  Kloster  in  ihrem  Testamente  bedacht  hatte  und 
1313  zu  Laibach  starb,  wurde  im  Chor  begraben').  Chor 
und  Kirche  ist  aber  ein  Bau  aus  einem  Guss  und  keines- 
wegs sehr  kostbarer  Natur,  so  dass  um  jene  Zeit  wohl  der 
ganze  Bau  gestanden  haben  wird.  Die  ursprüngliche  Anlage 
ist  einfach  und  streng,  wie  es  bei  den  Predigern  überall 
Regel  war.  In  der  Zopfzeit  sind  unschöne  Erneuerungen 
und  Zubauten  darüber  gekommen.  1783  wurde  das  Kloster 
aufgehüben  und  die  Kirche  gesperrt.  In  neuester  Zeit  wurden 
die  Capellen  weggeschlagen,  die  Fenster  vermauert  und 
das  Innere  zu  einem  Magazin,  das  Kloster  aber  zu  einer 
Kaserne  verwendet.  Dennoch  konnten  alle  diese  Unbilden 
den  ursprünglichen  Charakter  des  Gotlesbaucs  nicht  gänzlich 
vertilgen  und  wir  wollen  freilich  nur  mit  Wehmuth  und 
Unmuth,  die  Überreste  beschauen.  Voraus  sei  bemerkt,  dass 
diese  Kirche,  wohl  der  beschränkten  Lage  wegen,  von 
Norden  nach  Süden  schaut,  während  alle  anderen  Kirchen  die 
gewöhnliche  Orientirung  von  Westen  nach  Osten  erhalten 
haben. 

Der  älteste  Theil  ist  der  an  der  Westseite  belindliche 
Thurm,  bei  dem  noch  ein  capellenartiger  Raum  mit  Rund- 
bogenfenstern sichtbar  ist.  Er  steigt  im  Viereck  auf  und  ist 
für  die  Kirche  zu  niedrig,  oll'enbar  V(im  ersten  Bau  übrig 
geblieben.  Das  Dach  ist  vierseitig  aufgemauert,  die  Schail- 
öffnung  unter  demselben  zeigt  den  Übergangsstyl ,  zwei 
stumpfe  Spitzbogen  durch  ein  paar  hintereinander  stehender 
romainscher  Sänlchen  abgeschieden.  Er  wird  aus  dem  Ende 
des  XIII.  Jahrhunderts  stammen.  Die  Fa^ade  ist  unbe- 
deutend; das  Rundfenster  haben  noch  die  Dominicaner  ver- 
mauert und  vermalt,  der  Giebel  ist  schräg  zurückgelegt  und 
bildet  einen  stumpfen  Dachwinkel;    auf  der  Ecke   sitzt   ein 


kleines  Thürmchen.  Die  treie  Seite  des  Sehifles  gibt  von 
aussen  durch  die  wegrasirten  Capellen  und  die  vermauerten 
Fenster  einen  trostlosen  Anblick.  Am  Chor  treten  die  aus 
gehauenen  Sandstein  gebauten  Pfeiler  kräftig  hervor;  er  ist 
dreiseitig  aus  dem  Achteck  geschlossen.  Das  Mittelfenster, 
das  man  dem  Hochaltar  zu  lieb,  schon  früher  vermauert  hat, 
hat  auf  dem  Mörtel  zufällig  noch  sein  Masswerk  behalten 
und  dasselbe  ist  von  so  eleganter  Zeichnung  und  leichten 
Schwung,  dass  es  nach  meinem  Gefühl  die  beste  gothische 
Reliquie  in  Botzen  ist;  ein  Beweis,  was  die  Kirche  in  ihrer 
schönen  Zeit  gewesen  sein  muss   (Fig.  3).    Das  Innere  ist 


'J  Die  Notiz  saminl  einem  Auszog'  aus  dem  Testamente  bei  Trojan. 


(Fifc'.  a.) 

mehr  langgestreckt  als  hoch;  ciiifaclie. achteckige  ans  Ziegeln 
gemauerte  Pfeiler  scheiden  die  beiden  gradliniger  geschlos- 
senen Abseiten  vom  Mittelschifl";  jene  sind  übrigens,  wie 
hierlands  überall  mit  dem  MittelschilV  von  trieicher  Hube  und 


—  98  — 


das  Qucrscliitr  tVlilt.  Dio  l'lVilcr  liabcu  eist  in  neuer  Zeit 
unpassende  Capitäle  erhalten,  urspriinglicli  wachsen  die 
Rippen,  wie  in  der  Franciscanerkirche,  ohne  Vermittlung 
heraus  und  liilden  ein  lui])schos  Netzgewülhe.  Die  Fenster 
wurden  noeii  zur  Zeit  des  Bestehens  um  ihren  S[iit/.bo2;en 
gestumpft;  ebenso  erhielt  der  langgestreckte  Chor  eine 
dicke  Kruste  von  Stuceatur  und  plumpen  Gemälden.  —  Im 
Klostergebitude  seihst  hat  sich  noch  ein  einfach  schöner 
gothischer  Kreuzgang  erhalten, in  dem  besonders  die  leichte 
und  mantngfaltigeSpitzbogenwölbung  bewunderungswerth  ist. 
In  den  Kreuzgang  ilfl'net  sich  eine  hübsche  gofhiseherapelle, 
die  nun  in  eine  Soldatcnstube  umge«  aiulelt  wurde. 

Um  die  Aufzahlung  vollständig  zu  machen,  sei  noch 
des  kleinen  gothischen  Deutschordenskirchleins  zum 
heil.  Georg  erwähnt.  Die  Besitzungen  des  deutscheu 
Ordens  in  Tirol,  die  sogenannte  Bollei  au  der  Etsch,  reichen 
ia  ein  sehr  frühes  Alter  hinauf;  ihre  erste  urkundliche 
Niederlassung  war  das  Haus  in  Lengmoos  im  Jahre  1227')- 
Ihre  Niederlassung  in  der  Ebene  soll  zuerst  am  Eisack 
gestanden  haben,  aber  am  Ende  das  XIII.  Jahrhunderts  vom 
Flusse  verwüstet  worden  sein.  In  Folge  dessen  brachte  der 
Orden  1400  den  Viutlerschen  Edelsitz  Weggenstein  käuflich 
au  sich,  der  von  nun  au  der  Sitz  der  gleichuanugen  Laud- 
eommende  blieb »).  Ohne  Zweifel  bald  nach  dieser  Erwer- 
bung wurde  das  genannte  Kirchlein  erbaut,  wie  der  Styl  es 
mit  Sicherheit  schliessen  lässt.  Es  ist  mit  seinem  westlichen 
Ende  in  das  Haus  eingebaut  und  nur  gegen  Osten  frei. 
Sockel,  Pfeiler  und  Fensterstöcke  sind  von  gehauenem 
Sandstein,  das  Übrige  ist  IMaucrwerk.  Das  Innere  gewährt 
einen  leichten,  gefälligen  Anblick.  Es  bildet  nur  ein  SchilY 
mit  hohem  Gewölbe;  die  Rippeiibündel,  drei  an  jeder  Seite, 
sitzen  sammt  ihren  Gewölbzwickelu  auf  Tragsteinen  der 
Scitcnwände.  So  erhält  das  Gewölbe  drei  Joche  nebst  dem 
tiefgerippten,  sternfurniigen  Schhiss.  Die  Fenster  sind 
schlank  luid  haben  ein  etwas  nüchternes  spätgothisches 
Masswerk,  worin  bereits  die  länglichen  Fischblasen  zum 
Vorschein  kommen.  Die  Einrichtung  ist  modern,  doch  hat 
der  Bau  im  Ganzen  wenig  Schaden  gelitten.  Von  der  Cum- 
mende  Weggenstein  selbst  ist  wenig  zu  sagen,  indem  das 
Gebäude  gänzlich  uuiilernisirt  worden  ist.  Nur  der  nördlich 
angebaute  Tliurm  hat  wenigstens  einen  malerischen  .\ublick 
behalten.  Er  bildet  einen  viereckigen  Kern  von  mehreren 
Stockwerken.  An  den  vier  Ecken  sind  runde  Erkertlüirni- 
chen  angebracht,  die  mit  ihren  Spitzen  <las  hohe  Dach  des 
Mittelbaues  hübseh  und  trotziglich  umstehen.  Es  sieht  we- 
nigstens ritterlich  aus. 

Die  Pfarrkirche,  auf  die  wir  endlieh  unsere  Be- 
trachtung lenken,  ist  der  bedeutendste  gothische  Bau  nicht 
blos  in  Botzeu,  sondern  im  ganzen  Kronlande.  Ihr  Bau  ist 
auch  der  Zeit  nach  der  ausgedehnteste ,  dciiu  während  er 


')  Brandis:  Ehrcnkriinzcl  dos  Landes  Tirnl. 
«)  S.  Stafllcr,  Tirol  und  Vorarlhcrj.  U.    S.  887. 


Theile  eulhält,  die  über  die  golhisehe  Zeit  hinaufreichen  und 
aus  dem  Xll.  oder  dem  Anfang  des XIII.  Jahrhundert  stammen, 
wurde  ein  bedeutender Theil  davon  erst  im  XVI.  Jahrhundert 
aufgeführt,  so  dass  man  eine  Baugeschichte  von  mehreren 
Jahrhunderten  verkörpert  vor  sich  hat.  Der  Forlschritt  des 
Bauwerks  lässt  sich  aus  .Uigang  der  rrkuuden  leider  nicht 
in  allen  Theilen  mit  völliger  Sicherheit  nachweisen;  doch 
stehen  wir  überall  auf  dem  Boden  einer  überwiegenden 
Wahrscheinlichkeit,  womit  wir  uns  in  ähnlichen  Fällen  häufig 
begnügen  müssen  »)• 

Ihren  Ursprung  verdankt  die  Kirche  einem  Mutter- 
gotteshilde, das  bis  auf  den  heutigen  Tag  in  hoher  Vereh- 
rung steht.  Sein  Bekanntwerden  erzählt  die  Volkssage  auf 
folgende  Weise :  An  der  Stelle  der  jetzigen  Kirche  befand 
sich  vor  Zeiten  ein  Moos  (Sumpf),  daselbst  fand  ein  Fuhr- 
mann, durch  eine  himndische  Stimme  geleitet,  das  Bild  und 
hob  es  auf.  Es  wurde  nun  für  dasselbe  zuerst  ein  sogenanntes 
Bildstöcklein  errichtet,  später  eine  Papelle  mit  einem  .\ltar. 
Die  Capelle  wurde  vom  Bischof  Salomo  von  Trient  IISO 
wenige  Tage  nach  der  früher  erwähnten  alten  Pfarre  ein- 
geweiht. —  An  der  Stätte  dieser  Capelle  erhob  sich  allmäh- 
lich die  jetzige  Kirche,  deren  Baugeschichte  sich  etwa  in 
vier  Abschnitte  zerlegen  lässt.  Bereits  1194  geschieht  der 
Marienkirche  Erwähnung,  in  der  durch  Bischof  Konrad 
von  Trient  eine  Belehnung  der  Grafen  von  Eppan  vorge- 
nommen \\ird:  1203  ist  sie  bereits  Pfarrkirche,  auf 
deren  Freithof  eine  Pfandschaftsverhandlung  geschieht. 
Demnach  scheint  der  erste  Bau  am  .\nfange  des  XIII.  Jahr- 
hunderts bereits  fertig  gewesen  zu  sein.  Der  Brand  1223 
dürfte  ihm  wenig  luichtheilig  gewesen  sein ,  da  die  Kirche 
um  jene  Zeit  wahrscheinlich  noch  ausser  dem  Weichbilde 
der  Stadt  stand.  Wenigstens  wird  sie  in  den  Urkunden  von 
1224  und'1238  als  bestehend  vorausgesetzt.  Nur  dürften 
die  Glockenthürme  etwas  später  und  nicht  beide  gleichzeitig 
aufgeführt  worden  sein,  da  in  einer  Urkunde  von  1313  von 
einer  Testamentsverhandliuig  bei  der  Kirelilhiir  am  neuen 
Glockenthurm  unserer  lieben  Frauen-Pfarrkirche  die  Bede 
ist '-).  Von  der  Gestalt  dieser  ersten  Kirche  können  wir  uns 
aus  neueren  Untersuchungen  und  noch  vorhandenen  Theilen 
einen  ziemlich  deutlichen  Begrilf  macheu.  Fline  1832  vor- 
genouuneue  Tieferlegimg  des  Fiisshodens  im  Chor  enthüllte 
die  Grundmauern  also  den  Gruudriss  eiiuM-  dreischilTigen 
Basilica ;  die  Seitenschiffe  durchbrechen  die  Thürmc  und 
siiul  gleich  dem  etwas  länger  gestreckten  Chor  halbrund 
geschlossen.  Das  Haiipl|)ortal ,  das  noch  vorhandene  soge- 
nannte Lüwenthor,  ist  im  lombardisch -vcnetianischer  Styl 
unil  ein  kleineres  noch  vurhaudenes  Purfal  ist  einfach  roma- 
nisch. Es  war  also  ein  romanischer  Bau,  wie  kaum  zu  zweifeln 


')  Ii.Ti  bctrelTcndo  .Material  ist  (jMammelt  und  /.iisammcn^joslellt  von  dem 
nh  vaterliindisdicn  Ge.ichichlsforscher  rüliniliclist  anerkannten  Professor 
I'.  Justinian  Ladurner:  Beitrüge  zur  fiesehichlo  der  Pfarrkirche 
von  Botzcn.  Botzen  18!>1. 

2)  Ladurner,  a.  a.  O. 


99 


ist,  nach  lombardischem  Muster  angelegt.  Die  beiden Thürme, 
deren  Unterbau  bis  zum  Kirchendach  noch   im  gegenwär- 
tigen BaukiJrper  steclct,  geboren  der  Übergangszeit  an  und 
sind  wohl  erst  im  Verlaufe  des  XIII.  Jahrhunderts  entstan- 
den.   Das  beweist  unter  andern  der  Rundbogenfries,    der 
sich  aber  schon  der  Spitzbogenform  nähert  (wie  der  Fries 
unter  dem  Dache  der  Kuppel  von   St.   Geneve  in  Cöln  aus 
dem    Anfang   des   XIU.   .lalu'hunderts),  eine  Form   die   im 
gothischen  Styl  bald  verschwindet. —  Die  zweite  Bauperiode 
umfasst  ungefähr  die  erste  Hälfte  des  XIV.  Jahrhunderts  und 
betrilTt   das   gegenwärtige  Schiff  der  Kirche.    Bereits  von 
1317,1329,1330,1340  liegen  Sehenkungs-Urkunden  zum 
Neubau  von  unserer  lieben  Frauen-Pfarrkirche  (ad  novum 
opus  ecdcmte  jKivochialis  B.M.  V.)  im  städtischen  Archive. 
Doch  scheinen  solche  Sanwnluiigen  eher  zur  Vorbereitung 
geschehen  zu  sein.  Den  sichern  Anfang  zeigt  uns  eine  bei 
Trojer  und  in  anderen  Chroniken  enthaltene  Notiz  an :   „im 
Jahr  1340  um  Sonnenwend  war  das  erste  Geweih  an  U.  L. 
Frauen  -  Pfarrkirchen  erpaut  gen   den  Wendelstein  hinab" 
(südwestlich,   wo  jetzt  das  Kapuzinerkloster  steht).    1377 
ferner  wurde  der  Altar  des  heiligen  Aehatius  von  der  Capelle 
am  gescheibten   Thurm   in   die   Pfarrkirche   versetzt.     So 
dürfte  das  Schiff  wohl  gegen  13S0 — 1360  vollendet  worden 
sein.   Gleichzeitig  erlitt  aber  der  Bau  einen  bedeutenden 
Schaden,  indem  134S  der  Thurm  am  Wendelstein  (das  ist  der 
südliche)  bis  zum  vierten  Stockwerk  einstürzte.  Er  wurde 
später  nichtwieder  aufgebaut,  sondern  nochweitergestunipft, 
wie  er  heute  noch  steht.  —  Einer  dritten  Bauperiode  gehört 
der  Chor  an.    Das   zeigt  der  viel  reicher  entwickelte  Styl, 
der  sich  von  der  Einfachheit  des  Schiffes  auffallend  unter- 
scheidet,  obwohl  wieder  Formen  vorkommen,  welche  auf 
eine  Benützung   des  älteren   Chorbaues   schliessen   lassen. 
Genauere  Anhaltspunkte  über  die  Bauzeit  Hessen  sich   „aus 
Mangel  aller  darauf  bezüglichen  Urkunden,"  wie  Ladurner 
sagt,  bisher  nicht  gewinnen;  nur  die  urkundliche  Nachricht, 
das   Bischof  Georg  von  Trient   1390  den  neuen  Freithof 
hinter  dem  Chor  eingeweiht  habe;  und  die  Volkssage, 
die  Kirche  sei  um  1400  vollendet  worden,  kaim  dafür  ange- 
führt werden,   dass  der  Bau  in  die  zweite  Hälfte  des  XIV. 
Jahrhunderts  fällt.  Darauf  deutet  auch  das  an  einer  Säule 
hinter  dem  Altar  befindliche  Vintlerische  Wappen  ohne  den 
gekrönten  Turnirhelm,  den  Kaiser  Sigmund  141S  der  Familie 
verlieh  >). 


*)  P.  L  ad  um  er  ist  der  Meinung,  dass  die  am  Clior  auf  den  Quader»  hie 
uud  da  vi>i-küinmendeti  Steinriiet/.zeictieu  eiuiges  Lieht  übei-  die  liauzeit 
vei-breiteri  dürften.  Allein  die  Kunde  dieser  Zeichen  ist  heutzutag-e  wohl 
noch  zu  unsicher,  um  iihnliclie  Schlüsse  zu  erlauben.  Auch  bemerkte  ich 
sie  nicht  blos  am  Chor,  sondern  auch  dann  und  wann  am  Schiff.  Sie  sind 
aber  doch  interessant  genug  und  könnten  vielleicht  den  Zusammenliang 
mit  irgend  einer  Baubütte  —  wahrscheinlich  der  von  Wien  —  .inzeigen. 
Ich  co|)iere  sie  nach  Ladurner,  der  die  meisten  abgebildet  hat. 

F  ö  ^  c  [v^  X  M  "^  <S  rl  M  jI 

\7 1[   C  h   i 


Das  XV.   Jahrhundert  kann  eigentlich  in  die  Bauzeit 
nicht  mit  eingerechnet  werden,  es  wurde  zur  inneren  Ein- 
richtung und  zu  nothwendigen  Verbesserungen  verwendet. 
Altäre  wurden  errichtet,  darunter  der  Fronaltar  im  Chor  von 
Meister  Hans  Maler  von  Judenburg,  mit  dem  1421  der  Con- 
tract  geschlossen   wurde;    einen   andern    fertigte   Michael 
P  a  c  h  e  r    von   Brauneck    (in    den    Urkunden    gewöhnlich 
prawneck)    1482  und    1483.     Dr.  Förster   sah   im 
Jahre  18ä3    in   München    bei    Herrn    Inspector  Ainnn'iller 
einen  geschnitzten  Flügelaltar,   der  aus  Botzen   gekom- 
men war  und  den  er  für  den  verlornen  Pacher"schen  hält  ')• 
(S.  deutsches  Kunstblatt   18S3,  Nr.  13.)     Ferner  wurde 
eine  neue  Sacristei  gebaut  und  der  Giebel  der  Fa^ade,  der 
früher  wie  bei  den  Dominicanern  zurückuelegt  war,  senk- 
recht ausgebaut.  Der  Brand,  von  dem  der  früher  erwähnte 
Dominicaner  Felix  Faber  1483  die  Stadt  verheert  fand,  hat 
die  Kirche  zwar  nicht  zerstört,  aber  doch  beschädigt,  was 
mancherlei  Reparaturen  nothwendig  machte.    Endlich  weil 
das  alte  Portal  theilweise  die  Fensterrose  verdeckte,  wurde 
es  1498  abgebrochen  und  mit  möglichster  Beibehaltung  des 
alten  Materiales  und  der  alten  Form  in  kleinerem  Massstab 
wieder  aufgerichtet,  wobei  freilich  Manches  in  den  Verhält- 
nissen und  in  der  Anlage  eingebüsst  wurde,  wie  der  Augen- 
schein es  ergibt  (vergl.  Tafel  IV).    Bei  dieser  Gelegenheit 
wurden  auch  die  Löwen,  die  die  Säulen  tragen,  aus  Trienter 
Marmor  neu  gemacht,  da  die  alten  morsch  geworden  waren. 
Ein  Unglück  am  Schlüsse  des  XV.  Jahrhunderts  veranlasste 
den  jüngsten  Bau,   nämlich  den  des  schonen  Thurmes.  der 
dem  XVI.  Jahrhundert  angehört.    1499  entstand  im  Thurm 
eine  Feuersbrunst,  und  es  brannte  alles  Holzwerk  der  Art 
zusammen,  dass  der  obere  Theil  unbrauchbar  wurde.    Man 
dachte  sogleich  an  den  Neubau;    und  über  diesen  Theil  des 
Baues  haben  wir  alle  wünsehenswerthe  Sicherheit  urkund- 
licher Aufzeichnungen.    Burkhard  Engelsberg,  Stein- 
metzmeister zu  Augsburg,   lieferte  für  lOOfl.  den  Riss  des 
Thurmes;    als  Polier  empfahl   er  den  jungen  Steinmetzen 
Hans    Lutz    von  Schussenried,    auf  den  bald  die  all- 
einige Oberleitung  des  Baues  überging.     Er  ging  unver- 
drossen  ans  Werk  und   hatte  gewöhnlich  nur  7 — 8  Stein- 
metzen  als  Gehülfen,   mit  denen   er    in    verhältnissmässig 
kurzer  Zeit   das  schöne  Werk   zu  Stande   brachte.     1501 
wurde  der  alte  Thurm  drei  Stockwerke   hoch   abgetragen 
und   nun   schritt   man   zum  Neubau.    Von    unten   auf   ging 
dieser    Bau    rasch    vor    sich .    denn    als   Kern    wurde    das 
Viereck  des  alten  Thurmes  beibehalten  und  nur  die  Ecken 
mit  starken,  wohlgegliederlen  Pfeilern  vei'selien.   Willendet 
wurde  der  Thurm  laut  einer  Inschrift  „den  16.  Tag  lleibst- 
monats  1519."  Der  Meister  lebte  darnach  geehrt  in  Botzen 
(die  Erzählung  Aon  seiner  Flucht,  weil  der  Tluirin  sich  ein 


•)  Das  muss  freilich  noch  dabingeslelll  bleiben;  doch  ist  es  wohl  möglich, 
dass  es  einer  der  mehreren  alldeulschcn  Altäre  ist,  die  aus  der  Pfarre  ge- 
siball't  wurden  und  dann  verschwanden,  (brigens  ist  auch  bekannt,  dass 
ein  iilMilicher  Allar  von  Tr  a  ni  i  n  über  liol/.en  den  Weg  des  Schachers  ging. 


100  — 


wenig  geneigt,  ist  eine  Fiihcl);  sei»  IJiidiiiss  ist  noch  im 
Magistratsliause  aufbewalirt.  —  Die  Steirnnetzoii  liattcu 
noeli  Zeit  gefiuulon,  in  den  Jiihren  1513  und  löl4  die 
sehüno  KaiiZi'l  zu  nieissein,  die  mich  in  der  Kirclie  steht. 

An  den  li-.iu  des  zweiten  'riiiirmes  selieiiit  man  nie 
melir  gedacht  zu  halien,  und  so  wai-  der  Bau  vollendet.  — 
.\u.s  der  späteren  Zeit,  besonders  dem  XVIII.  Jaln-hundert, 
ist  nichts  mehr  zu  melden,  als  missverstandene  Verschöne- 
rungen. Die  alldeutschen  .Mtäre  mussteii  hinaus  und  Marmor- 
gebiiude  im  schlechten  italienischen  Styl  kamen  an  die 
Stelle.  Durch  diesen  Tausch  gingen  die  vurgedachten  Mei- 
sterwerke verloren,  die  kostbares  Gestein,  wie  es  am  Ibieh- 
altare  verwendet  ist  und  den  Bau  stört,  nimmermehr  ersetzen 
kann.  —  Ein  grösserer  Schade  gescliah  dem  IJaue  diu-ch 
die  Durchbrechung  des  Chores  und  dem  .\nbau  einer  neuen 
Capelle  für  das  Gnadenbild  in  ganz  unpassendeniStyle  174ä. 
—  .Am  andein  Ende,  niimlich  am  Eingänge  wurde  ahnliche 
Unbild  verübt,  indem  die  Orgel  dorthin  verpflanzt  und  auf 
unpassenden  Rinulbögen  aufgestellt  wurde.  Aber  es  man- 
gelte an  Licht;  darmn  miisste  die  liosc  zwei  plumpen  Rund- 
bogenfenstern weichen.  Auch  von  der  Seite  wollte  man 
Licht  und  brach  ein  ebenso  ungestaltetes  Paar  links  und 
rechts  in  die  Wand  —  längliche  Luftlöcher,  einen  bessern 
Namen  verdienen  sie  nicht.  Andere  Verschönerungen,  wie 
Cberweissen  und  dergleichen,  verstehen  sich  von  selbst.  — 
In  den  Dreissigcr -.Jahren  dieses  .rahrhunderts  wurden  Ke- 
staurationen  vorgenommen,  die  den  IJau  wieder  so  ziemlich 
rein  fegten  uiul  so  weit  es  möglich  war,  in  alter  Gestalt 
wiederherstellten;  die  grossen  Sünden  sind  freilich  geblie- 
ben und  von  dem  Neuen ,  was  hinzugekommen  ist,  ist  auch 
niehtallcs  tugendlich  zunennen,  nämlich  im  gothischenSinn. 

Nun  mag  dem  historischen  Zettel  als  Einschlag  die 
Beschreibung  folgen  (Fig.  4)  ').  Die  ganze  Anlage  hat 
drei  gleich  hohe  SchiiTe  ohne  Querschiff;  die  Seitenschiffe 
sind  als  freier  Umgang  um  den  Chor  herumgeführt;  den 
Durchgang  von  den  SeitenscbilTen  in  diesem  Umgang  bildet 
beiderseits  eine  etwas  gedrückte  Halle,  die  den  Cnterbau 
der  zwei  Thürnie  trägt,  von  denen  indess  bbis  der  iiönl- 
lich(!  ausgebaut  ist.  An  ihn  .schliesst  sich  gegen  Westen  der 
Zubau  der  Sacristci  an.  Ausser  dem  llauptportal  im  Westen 
führen  an  der  Süd-  und  Nordseite  der  SehifTe  je  zwei  Por- 
tale in  das  Innere,  ausserdem  belindet  sich  noch  eine  Tliür 
an  der  Nordseite  des  Chores.  Das  Baumateriale  ist  ausser 
der  neueren  Schlusscapelle  durchaus  ein  schöner,  gelblicli- 
röthlicber  Sandstein. 


»)  Die  Süssere  Länge  des  SchilTes'gibl  Ladiiroer  m  144  Fuss,  die  lln-ilo 
zu  73  Fuss,  die  Breite  des  Chors  /.u  G2  Fiiss  «n.  für  dessen  Länge  würden 
nacli  Abrechnung  der  zugebauten  CapeMe  ungefilir  52  Fu>s  bleiben.  Her 
mir  vorliegende  (irundriss  weicht  aber  von  den  angegelienen  Massen  so 
bedeutend  ab,  dass  ich  im  Augenblick  ausser  Stande  bin,  die  Angaben  zu 
piüfen,  und  daher  auf  jede  genauere  .Massbestinimung  rerzicbten  muss. 
Erklärung  des  Grundrisses:  .4  nau|it|,orlal,  R  das  sog.  ITanenlhürl, 
C  Seitenthore,  O  Thurmhallen  ,  Ä  Trep|ienthiirmehen  ,  /■'Hochaltar. 
G  neuere  Marlencapelle,  //  Sacristei. 


Betrachleii  wir  zunächst  die  .\ussenseite  des  Schilles. 
Der  ganze  lian  ruht  auf  einem,  zwischen  drei  bis  vier  Fuss 
hohen  Sockel,  dessen  idierer  Band  iii  der  Weise  der  atti- 
schen Basis  schliesst.  Der  Bau  ist  einfach  und  schmucklos. 
Die   Pfeiler  treten  wenig  aus  der    Mauerwand  heraus  und 

reichen  nur  bis 
zu  zwei  Dritt- 
theilen  der  Hö- 
be. Futer  dem 
Dache  ist  weder 
Fries  noch  an- 
dere Zier.  Die 
Fenster  sind  ver- 
hältnissmässiü 
klein,  meistens 
durchzweiStäbe 
getheilt,  derBo- 
genschluss  ge- 
wöhnlich durch 
einen  Vierpass 
geschmückt,  der 
die  Gestalt  des 
Kreuzes  zeigt ; 
von  Aussen  ohne 
Giebelkrönung. 
Von  denSeiten- 
thürcn  ist  die 
östliche  an  der 
Südseite,  das  so- 
genannte .,Pfaf- 
fenthürl  "  als 
ein  Iberbleibsel 
vom  alten  roma- 
nischen Bau  he- 
merkenswerth. 
Sie  bat  die  be- 


fFig.  4.) 


kannte  einfachste  romanische  Form;  den  Bahmen  bilden 
zwei  Säulen  auf  attischer  Basis  mit  korinthisirendem 
Capital,  \\ürüber  ein  starker  Ruiulstab  oder  Wulst  in  Halb- 
kreise gesj)annt  ist.  l'ber  dem  Thürslurz  ist  ein  altes 
Gemälde,  den  Gekreuzigten  darstellend.  —  Die  übrigen 
Seitenthoie  sind  spitzbogig,  die  Laibung  ist  mit  einfachen 
Stäben  und  Hohlkehlen  verziert.  —  Die  Faf ade  ist  an  ihrem 
id)eren  Tbeile  durch  die  Vertausebung  der  Rose  gegen  die 
modernen  Fenster  völlig  unbedeutend  geworden.  Das  Portal 
aber  (das  sogenainite  Löweulluir)  mit  seinem  alterthüm- 
lichen  Aussehen  ist  immer  noch  ebi'wiirdig  (TaflV,  Fig.  vi). 
Es  ist  ein  selbstständig  heraustretender  Ndrbau.  Vorne 
ruhen  zwei  Löwen  von  rothem  Trienter  Marmor  mit  aufge- 
sperrtem Rachen,  mit  den  Vordertatzen  ein  kleineres  Thier 
umkrallend,  von  einer  leblos  heraldischen  Bildung.  .Jeder 
trägt  auf  dem  Rücken  eine  achteckige  Säule  mit  korinthi- 
sirendem Capital.    An  der  IJinterwand  gegen   die   Kirche 


101   — 


entsprechen  dieser  zwei  ähnliche,  runde  Säulen,  die  aber 
bedeutend  dünner  sind,  so  dass  man  in  Zweifel  geräth,  ob 
diess  der  ursprünglichen  Anlage  gemäss  ist.  Diese  Vorder- 
und  Hintersäulen  sind  durch  einen  Architrav  verbunden,  so 
dass  links  und  rechts  ein  offenes  Rechteck  bleibt,  während 
der  mittlere  Durchgang  halbrund  überwölbt  ist.  Die  scliräge 
Laibung  des  Portales  ist  einfach  aber  sorgfältig  geschmückt. 
Auf  dem  weissmarmornen  Sockel  sind  Drachen  im  Kampf 
mit  anderen  Tliieren  abgebildet.  Darauf  stehen  je  vier 
eckige,  säulenartige  Stäbe  über  attischer  mit  dem  Eckblatt 
versehenen,  aber  die  eckige  Form  der  Schäfte  nachahmen- 
den Basen,  die  oben  ohne  Capital  in  Halbkreisbogen  enden. 
Hier  sieht  man  die  bei  der  Erniedrigung  des  Portals  ge- 
schehene Verschiebung  der  ursprünglichen  Baustücke  deut- 
lich. Das  Portal  bestand  ursprünglich  aus  regelmässig  wech- 
selnden Lagen  weissen  und  röthlichen  Marmors ,  wie  man 
ähnliche  zu  Salzburg  bei  den  Franciscanern  und  in  S.  Peter 
sieht,  die  einen  reichen  und  reizenden  Anblick  gewähren. 
Hier  gehen  die  Lagen  nicht  mehr  recht  aufeinander,  das 
eine  Stück  ist  zu  lang,  das  andere  zu  kurz,  wenn  man  auch 
das  Bestreben  wahrnimmt,  die  alten  Formen  zu  erhalten. 
Fragt  man  um  den  künstlerischen  Taufschein  dieser  Art  von 
Portalbau,  so  dürfte  wohl  die  Lombardie  als  seine  eigent- 
liche Heimath  zu  bezeichnen  sein.  Dort  ist  der  Vorbau  mit 
den  Löwen  die  Regel  und  gerade  die  vorzüglichsten  Kirchen 
des  benachbarten  Verona  (S.  Zeno,  Dom)  geben  die  besten 
Muster.  Von  dort  schlingt  sich  der  Faden  über  Trient  (Dom) 
heraus  nach  Botzen;  erscheint  wieder  an  der  romanischen 
Stiftskirche  von  Inichen,  wo  die  geschichtlichen  Verhält- 
nisse eine  Verbindung  mit  Italien  nicht  unwahrscheinlich 
machen;  und  kommt  nochmals  zum  Vorschein  an  der 
S.  Zeuokirche  zu  Reichenhall  *).  ^^o  schon  der  Titelheilige 
auf  Verona  hinweist.  Andere  Beispiele  an  jetzt  noch  ste- 
henden Kirchen  in  Süddeutschland  sind  mir  nicht  bekannt, 
Die  Thürflügel  sind  von  einem  Tischler  1S21  verfertiget 
und  mit  den  Bildern  der  vier  Evangelisten  im  Relief  verziert 
worden;  für  einen  Tischler  eine  tüchtige  Arbeit. 

Beim  Eintritt  in  die  Kirche  bemerkt  man  gleich,  dass 
das  östliche  Ende  gegen  das  westliche  bedeutend  von  den 
geraden  Linien  nach  Süden  abweicht,  wie  auch,  dass  die 
Seitenschiffe  nicht  völlig  gleich  sind  —  Fehler,  wie  sie  bei 
alten  Kirchen  nicht  selten  vorkommen,  ohne  der  Perspective 
des  Ganzen  wesentlich  Eintrag  zu  thun.  Das  Gewölbe 
erhebt  sieh  im  Schiff  zu  einer  Höhe  von  47  Fuss ,  ist  von 
einer  Doppelreihe  von  sechs  Pfeilern  getragen  und  bildet 
daher  eben  so  viele  Traveen.  Die  Pfeiler  (Taf.  IV,  Fig.  B) 
haben  eine  viereckige  Grundform  und  Säulchen  in  den  vier 
ausgeschnittenen  Ecken.  Die  Basis  ist  der  attischen  ähnlich; 
das  Capital  an  den  Säulchen  ist  korintliisirend,  von  einer 
dürren,    conventionellen  Bildung,    so   dass   das  Akanthus- 


*)  S.  ,.die  niittclnlteiliche  Kunst  in  der  Erzdiöcese  I^Iüucheu-Freisiiig''*   von 
Dr.  S  i  g- h  a  r  t.  Freising-  1853,  S.  90. 


blatt  stets  in  eine  Art  Blume  oder  Stern  oder  einen  Men- 
schenkopf endet.  Dieselbe  Art  des  Schmuckes  ist  sodann 
auch  über  die  Zv  ischenflächen  des  Pfeilers  herumgeführt. 
An  den  AN  änden  der  Seitenschiffe  entspricht  jedem  Pfeiler 
ein  Pilaster  mit  zwei  Säulchen  zur  Seite.  Die  Gewölbecon- 
struction  ist  äusserst  einfach.  Von  der  Pfeilerfläche  geht 
ein  breiter  Gurt  aus,  der  mit  dem  Gurt  des  gegenüberste- 
henden Pfeilers  in  einem  stumpfen  Sjiitzbogen  sich  verbindet 
und  so  die  Joche  scheidet.  \o\\  den  Ecksäulchen  springen 
die  Bippen  des  Kreuzgewölbes  aus.  Die  Gurten  sind  durch 
Hohlkehlen  an  den  Seiten  profllirt,  verlieren  dadurch  aber 
wenig  von  dem  Eindruck  ihrer  Breite ;  die  Profilirung  der 
Kreuzrippen  ist  birnförmig.  Man  sieht  wohl,  die  Con- 
struction  ist  in  all  ihren  Theilen  noch  sehr  primitiv  und 
unterscheidet  sich  wenig  von  dem  eines  massenhaften  roma- 
nischen Gebäudes. 

Der  Chor  liegt  gegenwärtig  noch  um  3  Stufen  höher 
als  das  Schiff.  Der  Durchgang  von  den  SeitenschilTen  in  den 
Chorumgang  ist,  wie  schon  oben  bemerkt,  etwas  gedrückt 
und  beengt,  weil  die  darauf  ruhenden Thürme  einen  massen- 
haften Unterbau  verlangten.  Dass  sich  übrigens  hier  vor  Zei- 
ten eine  halbrunde  Apsis  aiischluss,  sieht  man  noch,  indem 
gegen  Osten  noch  der  Rundbogen  steht  und  nur  durch  einen 
Spitzbogen  unterfangen  ist.  Der  Innenraum  des  Chores  ist 
vom  Umgang  durch  acht  Pfeiler  geschieden.  Diese  Pfeiler 
haben  eine  wunderliche  Gestalt,  die  sich  schwer  erklären 
lässt ,  ausser  man  nimmt  an ,  sie  seien  theilweise  aus  dem 
früheren  Bau  herübergenommen  und  dem  neuen  adajttirt 
worden  (Taf  IV,  Fig.  C).  Sie  haben  ursprünglich  wohl 
eine  achteckige  Grundform  gehabt  und  sind  von  unten 
auch  mit  Säulchen  umstellt,  die  ungefähr  auf  dem  dritten 
Viertheil  der  ganzen  Pfeilerhöhe  in  glatte  Kelchcapitäle 
enden  und  für  sich  weder  etwas  tragen  noch  bedeuten, 
wenn  man  nicht  annimmt,  sie  haben  vor  Alters  den  wahren 
Pfeilerschluss  gebildet  und  das  Gewölbe  getragen.  Diese 
ursprüngliche  Gestalt  wurde  beim  neuen  Chorbau  vernnitli- 
lich  dadurch  entstellt ,  dass  hinten ,  wo  sie  roh  aussehen, 
eine  Verstärkung  zugelegt  und  oben  eine  Verlängerung  auf- 
gesetzt wurde,  die  nicht  völlig  sonkreclit  steht,  sondern  sich 
etwas  gegen  die  \\'ulbung  überneigt  und  durch  rippeulür- 
mige  Einkehlungen  seltsam  genug  aussieht.  Oben  ist  der 
Pfeiler  von  einem  stark  ausladenden  aus  dem  .Achteck  gebil- 
deten Capital  gekrönt,  dessen  Schmuck  plumpe  Pflanzen-  und 
Thierformen  und  sonstige  Fratzen  bilden,  von  denen  man 
auch  nicht  weiss,  wie  sie  in  den  gothischen  Bau  kommen  und 
die  man  eher  als  einen  Rüekfall  in  romanische  Phantasiegebilde 
ansehen  könnte.  Itas  (iewölbe  macht  einen  prächtigen  Ein- 
druck: es  bildet  zwei  Sterne  mit  reich  profilirten  Rippen 
und  plastischen  Figuren  von  Engeln  und  Heiligen  auf  den 
Schlussstoinen.  Die  Fenster  sind  höher  und  breiter  als  im 
Schiff  und  mit  reicherem  Masswerk  verziert.  Vergegen- 
wärtigt mau  sich  die  ganze  Wirkung  des  Innern,  so  herrscht 
der  Eindruck  des  Ernsten  und  Schweren  vor.    wie  ihn  die 


11. 


14 


—    102  — 


massigen  Pfeiler  und  wuchtenden  Gewölbe  bei  geringer 
Hijhe  und  geringer  Massenauflüsung  der  Gewände  hervor- 
bringen müssen.  Nur  gegen  den  Chor  zu  wird  es  lichter 
und  freier  und  würde  es  noch  mehr  sein,  wenn  der  Hoch- 
altar nicht  den  Mittelbogen  verdeckte  und  wenn  nicht  das 
Schlussfenster  durch  die  Muttergottescapelle  verbaut  wäre. 

Nun  haben  wir  noch  das  .Äussere  des  Chores  zu 
betrachten,  das  nebst  dem  Tiun-me  mit  architektonisclien 
Schmuck  am  reichsten  bedacht  ist.  Die  Pfeiler  des  fünfsei- 
tigen Schlüssels  verjüngen  sich  in  mehreren  Abstufungen; 
sie  sind  am  Dachrand  mit  Spitzsäulea  gekrönt,  unter  denen 
wasserspeiende  Thiere  hervorragen.  Zwischen  den  Spitz- 
säulen ist  eine  hübsche  Gailerie  um  das  Chordach  geführt. 
Die  Fenster  entbehren  einer  eigentlichen  Giebelkrönung, 
dafür  haben  sie  aber  einen  andern  Schmuck,  es  ist  nämlich 
über  jedes  ein  überaus  reicher  Blätter-  oder  Blumenbogen 
gespannt.  Dem  Chor  dienen  ausserdem  am  westlichen  Ende 
beiderseits  zierliehe  Treppenthürme.  die  bis  zur  Gailerie 
hinaufgeführt  sind,  zur  Verschönerung,  sowie  zwei  blinde 
Thürbogeu  mit  schönem  Masswerk.  Es  haben  sich  auch  dort 
und  da  plastische  Figuren  erlialten,  die  aber  keinen  hohen 
künstlerischen  Werth  haben. 

Nocii  ist  die  Beschreibung  des  Thurmes  übrig.  Er 
steigt  in  vier  Abtheilungen  empor,  die  durch  deutliche 
Grenzen  von  einander  geschieden  sind  und  wieder  in  sich 
selbst  ihre  Gliederung  haben.  Die  unterste  Abtheilung,  die 
bis  zur  Hälfte  des  Kirchendaches  reicht,  ist  noch  das  alte 
Viereck  mit  dem  etwas  gespitzten  Rundbogenfries;  neu 
(d.  h.  vom  letzten  Bau  im  XVI.  Jahrhundert)  sind  nur  die 
reichgestalteten  Eckpfeiler,  die  in  Spitzthürmchen  enden 
und  so  den  Abschluss  anzeigen.  Darüber  erhebt  sich  ein 
zweites  Viereck  von  zwei  Stockwerken,  wovon  das  untere 
mit  blinden,  das  obere  mit  oflenea  Fenstern  ausgestattet  ist. 
Die  Fenster  sind  mit  schönem  Masswerk  verziert.  Eine 
Gailerie  schliesst  und  krönt  diesen  Theil.  Darauf  steht  ein 
Sechseck  gleichfalls  von  zwei  Stockwerken,  an  denen  die 
Flachen  dos  unteren  wieder  mit  Fenslerblenden .  die  des 
oberen  mit  nlfenen  reich  verzierten  Fensterbogen  versehen 
sind.  Die  Verbindung  des  unteren  Vierecks  mit  dem  Sechs- 
eck zu  vermitteln ,  dienen  die  Eckthürmchen .  die  vom 
Viereck  aufspringen  und  üppige  geschweifte  Bogen  zum 
Sechseck  hinübersenden.  Diess  ist  am  oberen  Ende  wie- 
der durch  eine  Gailerie  mit  Eckthörinclien  gekri'mt  und 
daraus  erhebt  sich  der  sechseckige  Helm  aus  durchbroche- 
nem Steinwerk,  der  durch  einen  Kranz  in  der  Mitte  gleich- 
falls abgetlieilt  ist.  Der  Thurm  muss  ein  Meisterwerk  der 
spätgotbischen  Baukunst  genannt  werden.  Besonders  macht 
die  einfache  Gliederung  und  die  conseifuente  Durchfüh- 
rung aller  Theile  einen  whIiIiIiücihIcii  EimlrMck.  Doch 
kann  der  Bau  in  manchen  Einzelheiten  die  Mängel  einer 
späten  Zeit  freilich  nicht  verdecken.  So  ist  der  Über- 
gang vom  Viereck  zum  Sechseck  entschieden  zu  mager 
und  zu  grell.     [)ie  .\lten  setzten   darum   regelmässig  das 


Achteck  auf,  als  das  Natürliche,  leichter  und  reicher  zu 
Vermittelnde.  Die  Vermittlung  war  ferner  eine  echt  archi- 
tektonische und  gerade  in  diesen  Cbergängen  kommen 
nicht  selten  die  glänzendsten  und  originellsten  Gedanken 
der  Meister  zu  Tage.  Hier  fehlt  eine  eigentlich  architekto- 
nische Vermittlung  ganz;  die  zarten  Ecksäulchen  mit  ihren 
Bogen  können  für  nichts  anderes  angeselien  werden  als  für 
einen  Schmuck.  Ferner  sind  der  Abthcilungcn  zu  viele, 
wodurch  eben  keine  zu  bedeutsamer  Geltung  und  grossar- 
tiger Entfaltung  kommt,  wie  denn  z.  B.  namentlich  die 
Schlusspyramide  etwas  stumpf  aussieht.  Das  späthgolhische 
Ornament  endlich  trägt  nicht  wenig  bei,  den  Eiiulruck 
des  Zierlichen  zu  erhöhen,  den  des  Grassen  hingegen  zu 
schwächen. 

Von  alter  Einrichtung  sind  der  Pfarrkirche  zwei  bedeu- 
tende Stücke  geblieben.  Das  erste  ist  die  1S13 — 1S14  ver- 
fertigte Kanzel.  Sie  ist  aus  Sandstein  gehauen  und  wurde 
theilweise  sogar  bemalt  (aber  wohl  in  späterer  Zeit).  Sie 
liat  die  aus  dem  .\chtecke  gebildete  Kelchform  und  ruht 
auf  einem  entsprechenden  Fuss;  die  Einfassung  bildet 
reiches  Ornament,  dazwischen  sind  im  Relief  die  Kirchen- 
väter und  andere  Heilige  angebracht.  Das  späthgothische 
Ornament  ist  hübsch,  ganz  wie  auf  Holzschnitzwerken  be- 
handelt, die  Figuren  hingegen  sind  sehr  ordinär  und  haus- 
backen. Das  andere,  weit  schätzbarere  Stück  ist  eine 
gothische,  über  vier  Fuss  hohe  Monstranz.  Aus  dem  schön 
ausgebreiteten  Blattwerk  des  Fusses  erhebt  sich  der  Stamm, 
welcher  die  Gestalt  einer  Quadermauer  nachahmt,  umso 
den  Gedanken  eines  kräftigen  Interbaues  auszudrücken. 
Darauf  steht  zunächst  der  Krystalleylinder  zur  .Aufnahme 
der  Hostie,  darüber  und  darneben  wächst  ein  herrliches 
olVenes  Thurmwerk  empor,  ein  hoher  Miltelthurm  und  zwei 
niedrigere  Seitenthürme,  ein  gothischer  Tempel  im  Kleinen. 
In  den  Thürmen  und  Nischen  sind  Figuren  angebracht:  der 
Gekreuzigte,  die  Mutter  Gottes  und  andere  Heilige  (ein 
Pelikan  vor  dem  Cylinder  ist  später  unpassend  angemacht). 
Das  Ganze  ist  von  Silber,  die  Figuren  vun  (lold  oder  ver- 
goldet. Letztere  sind  ziendich  kurz  und  plum[),  hingegen 
alles  Bauwerk  so  schi'in,  reich  und  luftig,  dass  es  eine  Ver- 
gleichung  auch  mit  den  besten  mittelalterlichen  .Arbeiten  der 
.Art  nicht  zu  scheuen  hat.  Das  Werk  wäre  einer  Abbildung 
und  Veröflcntlichung  im  hohen  Grade  würdig.  Iber  Zeit 
und  Ort  seiner  Entstehung  koiuite  ich  leider  keine  verläss- 
liche Kunde  erlangen.  Den  P'ormen  nach  halte  ich  es  für  ein 
Werk  aus  den  ersten  Jahrzelniten  des  XVI.  Jahrhunderts. 

Diess  ist  es  ungefähr,  was  von  mittelalterlichen  Denk- 
malen in  Botzen  noch  übrig  geblieben  ist,  nachdem  die 
Ungunst  der  Zeilen  manches  andere  weggeräumt  hat.  Es 
ist  für  die  massige  Handelsstadt  immeriiin  von  Bedeutung 
und  findet  sich  ausser  Trient  an  keiner  andern  Stelle  des 
Kroidandes  so  viel  Erwähnenswerthes  lieisammen.  Doch 
muss  man  gesteiicn,  dass  die  gothisclie  Baukunst,  der  die 
schönsten  dieser  Denkmale  angehören,  ihi'e  vollkommensten 


—   103 


Formen  hier  nicht  entwickelt  hat.  Überall  fehlt  im  Grund- 
risse die  Kreuzform,  im  Aufliau  jener  schöne  Wechsel 
zwischen  niedrigeren  Seitenschiffen  und  einem  mittleren 
Hochbau,  an  deren  Stelle  die  heitere  aber  auch  nüchterne 
Form  der  Jlallenkirche  tritt.  Nirgends  ist  die  Bündelsaule 
angewendet ,  daher  auch  keine  edlere  Ausbildung  des 
Capitäls  erreicht.  Die  Wand  bleibt  unaufgelöst  nach  Innen 
und  Aussen,  daher  der  Eindruck  immer  etwas  schwer  und 
mager,  wenn  man  etwa  den  Chor  der  Pfarrkirche  ausnimmt. 


Nur  der  Gewölbebau  wurde  leicht  und  meisterhaft  gehand- 
habt, besonders  in  den  Kirchen  und  Kreuzgängen  der  Fran- 
ciscaner  und  Dominicaner. 

Auch  die  nächste  Umgebung  von  Botzen  bietet  einem 
Freunde  alter  Kunst  noch  manche  wcrthvolle  (berreste, 
wovon  im  nächsten  Abschnitte  einige  erwähnt  werden 
sollen,  nämlich  Schloss  Kungelstein,  Kloster  und  Pfarr- 
kirche zu  Gries,  die  Pfarrkirchen  von  Terlan  und 
S.  Paul. 


Über  die  Bedeiitmig  der  im  Jahre  1106  urkundlich  erwähnten  capella  baptismalis  anf  dem  Berge  Zoppen 

in  Kärnten. 

Von  Gottlieb  Freiherrn  v.  Ankersho  f  en ,  k.  k.  Conservutor  für  Kürnlon. 


Im  April  des  Jahres  1160»)  bestätigte  der  salzbur- 
gische Erzbischof  Eberhard  I.  zu  Laufen  die  von  seinem 
Vorfahren  und  von  ihm  selbst  der  Abtei  St.  Blasien  in  Admont 
verliehenen  Güter  und  Rechte  mit  Beifügung  neuer  Verga- 
bungen. In  der  Bestätigungsurkunde  heisst  es  nun  wörtlich: 

Sanc  ex  auctoritate  credltae  vobis  a  Dco  dispensa- 
tionis  capellas  dtias  Baptlsmalcs,  in prncdüs Mona- 
sterii  sitas  scilicet  s  up  raZozzcn  et  apud  3Iukkirnovve 
cum  omni  jure  suo,  dote  videlicet  et  clave  Ecclesiae 
S.  Blasii  perpetuo  confirmamus.  Primam  earum  ex 
mundato  nostro  a  Veuerabili  fratre  nostro 
Romano  Gurcensi  Episcopo  dedicatam  jam 
dicto  Coenobio  cum  jure  sacerdotali  tradidmus,  ut  vide- 
licet homines  inter  dtios  rivos  Cortsiz  et 
ZIntovve  consistentes,  Baptisma,  sepidturam,  abso- 
lut ioneni  poenitentium,  caeteraque  divina,  a  sacerdote, 
qui  per  Abbatem  iti  ecclesia  illa  fuerit  institidus,  requi- 
rant,  et  decimas  eidem  Ecclesiae  persolrant,  nisi  forte 
Abbas  cum  plebano  de  Gut  ar  che  interdimi pro  tempore 
et  fratrum  suorum  quiete,  aliter  convenerit ,  quod  tarnen 
in  detrimentum  Monasterii  non  redundet.  Alteram  Eccle- 
siam  apud  Mukkirnovvc  praedecessores  nostri  Baptis- 
malem  esse  instituerunt,  quam  rursus  sub  prae- 
decessore  nostro,  domino  Chunrado,  Gotfridus  de  Wietinge 
ä  Jure  parochitano  exemit  quodam.  ^iraedio  suo  Salzpur- 
gensi  Ecclesiae  super  hoccontrudito,  ut  sacerdotem  ibidem, 
quem  vellet,  huberet,  cum  omnibus  attinentiis  et  xUilitati- 
bus  Ecclesiae.  Itaque  praedecessorum  nostrorum  pro  jam 
dicta  capella  institutum,  ad  Admuntcnscm  Ecclesiam  cum 
praedii  Makkirnovve  traditione,  manu  nnstra  dcrivatum, 
et  nos  dilecto  fratri  nostro  Gotfrido  Abbat i,  ejusque  fra- 
tribus  jure  jierpetuo  confirmamus,  ut  scilicet  dos  ipsius 
Ecclesiae  et  decimue  de  praedio  Golfridi  ex  toto,  dccimae 
quoque  ad  Chrotse  tarn  de  Vineis  quam  de  agris  ad  Eccle- 


1)  Actum  apud  Laufe  annn  MCLfX.  ludicliiiuc  X  rcijnautr  dominn  Friderico 
Uomanovum  Imperatore  et  scmpcr  Auf/usttt  anno  rcijni  cina  IX.  Imperii 
vcro  VI.  nostri  Pontificatus  anno  XIII.  —  Die  niutlimassliche  Angabe 
des  Ausstellungstages  nach  Hirnsitz  Germania  Sacra  11.  S.  261. 


siam  ipsam  persolvantur,  nisi  quod  plebano  de  S.  Flo- 
riano  quatuor  acervi  frumenti  et  quatuor  avernae,  certa 
de  causa  exinde  persolreulur.  Populus  etiam  qui  est  su- 
pra  collem  et  ad  Mukkirnocre  et  ad  Chrotse,  sepulturam 
et  Baptisma  et  omnem  Justitium  apud  Ecclesiam  S.  Xicolui 
habebit,  excepto  dumtaxat  placito  Christianitatis,  et  ju- 
dicio  fcrri  rcl  aquae,  quae  ad  plebunum  de  Libniz 
spectabunt  coaperunte  sacerdote  de  Makkirtiovve  '). 

Unter  der  Capelle  auf  dem  Zozzen  ist  keine  andere  zu 
verstehen  als  die  nun  zur  Pfarre  liüttenbcrg  gehörige  Filial- 
kirche St.  Michael  am  Zossen,  welche  östlich  von  Friesach 
drei  Stunden  ober  Guttaring  gelegen  ist.  Die  Capelle  in 
Mukernau  gehört  der  unteren  Steiermark  an,  muss  aber  hier 
desshalb  berücksiclitiget  werden,  weil  uns  das,  was  in  der 
Urkunde  über  die  Capelle  in  Mukernau  gesagt  wird,  den 
Leitfaden  für  das  geben  muss,  was  wir  in  Bezug  auf  die 
kärntnerische  Capelle  am  Zozzen,  über  welche  sich  die 
Urkunde  nicht  so  deutlich  ausspricht,  annehmen  dürfen. 

Da  die  bei  diesen  Capellen  bestellten  Priester  zur  Zeit 
obiger  Confirmations-Urkunde  bereits  das  Recht  zur  Spende 
der  heiligen  Sacramente  der  Taufe  und  der  Busse,  dann  das 
Begräbnissrecht  und  das  Recht  zum  Zehentbezuge,  somit 
Pfarrechtebesassen,  und  imMittelaltcr  öfters  auch  Pfarrkirchen 
ecclesiae  oder  capellae  baptismales  genannt  wurden  =),  so 
könnte  man  geneigt  sein,  zu  glauben,  als  habe  der  Erzbischof 


')  B.  Petz,  Tlies.  anecdol.  nov.  T.  III,  P.  111,  col.  7Ü6  u.  707. 

^)  Du  Cange    Glossarium    Edil.    Ilenschcl  III.  p.  4,  H.  p.  126.  Tho- 
mas in  i,  Dcscript.  eccles.  vel.  et  nova.  P.  1.  Lib.  II.  C.  XCV.  V. 

Ein  solches  Beispiel  ans  der  ersten  liälflo  des  XII.  Jahrhunderts 
enthält  eine  Gurker  Urkunde  mit  dem  iwtum  vom  6.  Dceeuiher  li;!G. 
Mit  derselben  verkündet  der  Bisehuf  Human  von  Gurk  den  Aufhau  der 
Kirche  von  Tigrinjj  (bei  Mooshurg)  die  EinHcihung  und  erste  Dotiruusr 
derselben.  Nach  AufiiiliJuEig  der  Zeugen,  welche  bei  dem  Acte  der 
Datirung  und  Einweihung  anwesend  waren,  fahrt  der  Bischof  fort,  zn 
erzählen :  I'oslea  vero  decus  et  lionor  eju.idem  ecclesie  ererit  et  ipse 
prefatus  dominus  Cunradus  Saliliurgensis  an/iiepiscopus  quod  factum 
fuerat  laudavit  baptismalem  inibi  ecclesiam  fecit.  jus  bap- 
titandi  et  sepeliendi  tradidit.  terminis  et  decimatio- 
nibus  ampliavit.  et  titutares  ecclesias  infm  subnotalas 
ditioni  iltius  subjugavit.  Ich  glaube,  dass  diese  Worte  in  keinem 
anderen  Sinne  genommen  werden  können,    als   dass  der  salzburgische 

14* 


—    104 


die  Kirchen  am  Zozzen  und  in  Mukernau  durch  den  Namen 
capcUnc  haptismales  als  Pforri;irchen  bezeichnen  wollen. 

Allein  so  oft  aiicli  Pfarrkirchen  in  der  ronfirniations- 
Urkunde  erwähnt  werden,  werden  sie  ausdriicklicii  ccclcsia 
plebisana  und  ecclesiu  purochialis  genannt»). 
Dass  an  Tanfcapeilen,  welche  Kathedralen  oder  sonstige  liaupt- 
kirchen  nehengehaut  waren  undHaptisterien  genannt  werden, 
nicht  zu  denken  sei,  geht  schon  daraus  hervor,  dass  keine 
Kathedrale  oder  Hauptkirche,  welcher  die  Capellen  am 
Zozzen  und  in  Mukernau  nehengehaut  gewesen  sein  könnten, 
nachweishar  ist.  Die  mehrerwähnten  beiden  Kirchen  können 
daher  nur  desshalb  capcllac  baptismulcs  genaiuit  werden, 
weil  sie  früher,  das  ist  bevor  noch  zu  ihnen  Pfarrechte  ver- 
liehen wurden,  solche  Capellen  waren,  in  welchen,  ohne 
dass  sie  Pfarrkirchen  waren,  vermöge  biscliöllichen  Con- 
senses  das  Sacranient  der  heiligen  Taufe  gespendet  werden 
durfte.  Hinsichtlich  der  Kirche  in  Mukernau  spricht  sich  die 
Urkunde  deutlich  dahin  aus,  dass  selbe  schon  von  den  Vor- 
fahrern Eberhard"s  und  Knnrad's  zur  Taufkirche  bestimmt, 
das  heisst,  das  Recht,  in  ihr  das  heilige  Sacrament  der  Taufe 
zu  spenden,  ertheilt  worden  sei  und  dass  selbe  später,  unter 
Erzhiscliof  Konrad  ausgepfarrt  und  dem  Gottfried  von  Wie- 
ting  das  Recht  ertheilt  wurde,  einen  beliebigen  Priester  zu 
bestellen,  dem  alles  Zugehör  der  Kirche  und  alle  Erträg- 
nisse derselben  zukommen  sollen.  Nicht  so  deutlich  spricht 
sich  die  Urkunde  hinsichtlich  der  Kirche  am  Zozzen  aus. 
Hinsichtlich  dieser  heisst  es  nämlich  in  der  ['rkunde  ledig- 
lich, dass  diese  durch  den  Rischof  Rmnan  von  Gurk  über 
Auftrag  des  Erzbischofes  geweihte  Capelle  von  dem  Erz- 
bischofe  dem  Kloster  in  Admont  mit  dem  Refugnisse  über- 
geben worden  sei,  da.ss  die  zmschen  den  Rächen  Cortsiz 
(Görtschitz)  und  Zlatowe  ansässigen  Leute  die  Taufe,  das 
Begräbniss,  die  Sündenvergebung  und  den  übrigen  Gottes- 
dienst von  dem  Priester,^  welchen  der  Abt  bei  dieser  Kirche 
bestellen  würde,  empfangen  und  an  diesem  auch  den  Zehent 
abführen  sollen,  falls  nicht  der  Abt  mit  dem  Pfarrer  von 
Gutarche  (Gutaring)  zu  dessen  Pfarre  die  genannte  Capelle 
dazumal  gehört  haben  dürfte,  ein  zeitweiliges  anderweitiges, 
den  Rechten  des  Klosters,  jedoch  nicht  präjudizirliches 
L'bereinkommen  trellen  würde. 

Da  der  Erzbischof  die  Kirche  am  Zozzen  so  wie  die 
in  Mukernan  eine  capella  haptismaUx  nennt  und  mit  der 


Krzliischof  Konrnil  di«  Kirche  in  Tigring,  welche  l.is  dahin  eine  ein- 
fache L,inilkirchc  war,  zur  Pfarrkirche  beslimmle ,  indem  er  ihr 
daj  Tauf-  und  ßegrühnissrecht  verlieh,  den  ZehenUieiug  gestattete  und 
die  Sprengelsgräuze  festsetzte.  Eine Copie  der  Urkunde  in  Hormaycr'.i 
Archiv  f.  Gesch.  1820,  S.  382. 
•)  Ecctesiam  pracicrca  S.  Marine  .Vinjilalcnue  itjuiii  Humum  lli,!i]nlalni, 
Frietaeh  memoralo  Coenohiu  jiista  pruedeccssnris  »oslri  Iraditioiirm 
confirmamut,  ul  videlicct  infirmi ,  quog  itii  contii/cril  decedere,  de  /"«- 
milia  ijiingiie  ejiisdem  Kcelesiite  obeunirs ,  Sepulturam  inihi  aecipiiml. 
l.icealijiie  »acerdoli  momchn  fralrihm  illic  consislenlihus  liliere  et  ple- 
naric  divina .  celehrare ,  »aira  jualilia  plelieaanae  Ecctesiae  — 
ParochiaU»  eccletiat  —  eidem  eoenobio  confirmamus  (B.  I' e  t  z, 
a.  a.O.  col.  707  u.  708). 


letzteren  im  Zusammenhange  aufführt,  so  ist  kauin  zu  zwei- 
feln, dass  die  beiden  Acte,  die  Kirchweihe  durch  den  Bischof 
Roman  und  die  l'hergabe  der  Kirche  sammt  Pfarrechten 
an  das  Kloster  .\dmont  nicht  einem  Zeitpunkte,  sondern  ver- 
schiedenen Zeiten  angehören,  so,  dass  die  Kirche  am  Zozzen 
zuerst  von  dem  Gurker  Rischofe  Roman  geweiht  und  von 
dem  Erzbischofe  nur  mit  dem  Taufrechte  begabt  und  erst 
später  sammt  den  übrigen  Pfarrechten  an  tias  Kloster 
-admont  übergeben  worden  sei ,  somit  ebenso,  wie  die  Ca- 
pelle in  Mukernau  in  dem  Sinne  eine  citpella  bapfls- 
mulis  genannt  werden  konnte,  weil  in  ihr  vor  der  Zeit,  als 
ihr  sämmtliche  Pfarrechte  verliehen  wurden,  nur  das  heil. 
Sacrament  der  Taufe  gespendet  werden  durfte.  Wie  es 
aber  konimen  konnte,  dass  zu  einer  einfachen  Capelle  das 
Recht,  das  heil.  Sacrament  derTaute  zu  spenden, ohne  sonstige 
Pfarrechte  ertlieilt  werden  konnte,  leliret  uns  eine  Urkunde 
des  Rischofs  Rudolf  von  Münster  vom  Jahre  1231  ')•  N^^ch 
dem  Inhalte  derselben  gestattete  der  Rischof  bei  der  Ein- 
weihung der  Schlosscapelle  von  Dulmene  auf  vieles  Ritten 
der  dortigen  Rurgleute  und  wegen  der  Schwierigkeit  nach 
der  Mutterkirche  (Pfarre)  zu  kommen,  mit  Einwilligung  des 
bei  der  Mutterkirche  bestellten  Priesters,  dass  die  Kinder  der 
in  und  ausser  den  Mauern  des  Schlosses  wohnhaften  Rurg- 
leute in  die  Schlosscapelle  zur  Taufe  gebracht  und  die  Wöch- 
nerinnen nach  beendetem  \\'ochenbette  in  derselben  recon- 
ciliirt  werden  dürften.  Wie  dort  über  die  Ritten  der  Rurg- 
leute und  aus  Rücksicht  des  schwierigen  Ganges  nach  der 
Pfarrkirche  der  Rischof  von  Münster  die  Rewilligung  er- 
thcilte,  dass  in  der  Rurgcapelle  den  Kindern  der  Rurgleute 
das  heilige  Sacrament  der  Taufe  ertheilt  werde  und  jene 
Capelle  dadurch  zu  einer  Taufcapelle  bestimmte,  so  mag  der 
Salzburger  Erzbischof  über  die  Ritte  des  .Abtes  von  .\dmont 
und  der  Leute,  welche  auf  dem  Klostergute  zwischen  den 
Bächen  Görtschitz  und  Zlatowa  gesessen,  dann  aus  Rück- 
sicht der  in  einem  Gebirgslande  sehr  beschwerlichen  drei- 
stündigen Entfernung  der  Pfarrkirche  in  Giiteriiig  die  Ge- 
nelmiigung,  dass  den  Kindern  der  erwähnten  Hintersassen, 
in  der,  wahrscheinlich  durch  das  Kloster,  auf  dem  Kloster- 
gute am  Zozzen  zum  Resten  der  dort  ansässigen  Leute 
erbauten  Capelle  das  heilige  Sacrament  der  Taufe  gespendet 
werden  dürfte,  ertheilt,  und  dadurch  jene  Capelle  zu  einer 
Taufcapelle  bestimmt  haben. 

Wie  sehr  besonders  die  Klöster  iiomüht  waren,  den 
auf  ihren  Gütern  ansässigen  Leuten  Kirchen  zu  verschalVen, 
zeigt  eine  Viktringer  Urkunde  vom  .lahre  1 160.  womit  der 
Patriarch  Udalrich  von  .\qiiileja  die  Kirche  St.  .bdiann  im 
Weiler  Goslindorf  (Gansdorf),  nachdem  sie  von  der  benach- 
barten Pfarre  Kappe!  im  Unterrosentliale  ausgeschieden 
wurde,  dem  Kloster  Viktring  übergibt ,  ;//  cor  um  (fra- 
trum  riet  oriensi  Ulli)  rn/oiii  rrfii  f/  i  um  Uli  dem 
habere  calcunt. 


')  Du  Cange  a.  a.  0.   II,  S.  120. 


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—   105  — 


Die  Kirchenrnine  von  Zsämbek  in  Ungarn. 

(Mit  einer  Tafel.) 

Wenige  Stunden  von  Ofen  entfernt,  erliebt  sich  auf  nicht  zu  entnehmen ').  Möglich  ist  es  sogar,  dass  er  nur  zu 

einem  Berge  in  der  Nähe  eines  von  Deutschen  hewohnten  einer  Besprechung  wegen  des  Domes  von  Canibray,  den  die 

Dorfes  die  Kirchenruine  Zsämbek,  welclie  von  Reisenden  Schwester  Bela's  IV.,  Elisabeth,  mit  besonderem  Eifer  unter- 

wegen  ihrer  pittoresken  Lage  sclion  in  früherer  Zeit  hautig  stützte,  nach  Ungarn  berufen  wurde,  was  aber  wieder  mit 

besucht  wurde  und  die  in  jüngster  Zeit  auch  wegen  ihrer  der  Bemerkung   Viiars'   in  Widerspruch  stellt,   dass  er 

Bedeutung  für  die  Geschichte  der  spätroniauischen  Kirchen-  „lange  Zeit"  in  Ungarn  verweilt  habe, 
bauten  Ungarns   die  Aufmerksamkeit   der  Arcliäologen  auf  Es  ist  indess  nicht  unwahrscheinlich,    dass  über  den 

sich  zog.  noch  unbestimmten Antheil  Viiars'  an  der  in  derRegierungs- 

Zulctzt  war  es  Professor  v.  Eitelberger,  weicher  zcitBela'sIV. besonders  starken BauthiitigkeitUngarns nähere 
in  seiner  Abhandlung:  „Die  romanisdic  Kirche  St.  Jak  in  Aufklärungen  erfolgen  werden,  wenn  einmal  das  ermähnte 
Ungarn  mit  Rücksicht  auf  ähnliche  Kirclienbauten  dieses  Skizzenbucli  der  Veriitlontlichung  übergeben  sein  wird.  Wir 
Landes"  >)»  bei  den  von  ihm  besprochenen  Bauwerken  wissen  bereits,  dass  in  demselben  nicht  allein  die  Grund- 
gleichfalls auf  Zsämbek  hinwies  und  nebst  einigen  ■vverth-  risse  und  Studien  dieses  Architekten  über  verschiedene  Kir- 
vollen  liistorischen  Daten  auch  eine  kurze  Beschreibung  eben  Frankreichs  entiialten,  sondern  dass  auch  viele  Blätter 
dieser  interessanten,  aber  leider  grösstentheils  zu  Grunde  der  Plastik  gewidmet  und  Blattornamente,  phantastische 
gegangenen  Kirche  lieferte.  Figuren,  Thierverschlingungen,  dann  grössere  Gestalten, 

Wesshalb  aber  diese  traurigen  Überreste  eines  an  sich  wie  Christus  am  Kreuze,  die  zwölf  Apostel  u.  s.  w.  aufge- 
nicht  unbedeutenden  Bauwerkes  speciell  zu  genaueren  Stu-  zeichnet  sind.  Eine  Vcrgleichung  der  in  Viiars"  Album  vor- 
dien auffordern,  liegt  in  dem  Umstände,  dass  man  die  um  die  handenen  Detailbildungen  mit  jenen  an  den  Monumenten 
Mitte  des  XIII.  Jahrhunderts  stattgefundene  Berufung  des  Ungarns  aus  der  ersten  Hälfte  des  XIII.  Jalirhuiiderts  wird 
französischen  Architekten  Viiars  de  Ilonecourt  nach  dann  vielleicht  Gelegenheit  geben,  den  Einfluss  dieses  Arclii- 
Ungarn  mit  dem  Bau  der  Kirche  zu  Zsämbek  in  Verbindung  tekten  auf  die  Kirche  von  Zsämbek  oder  andere  ähnliche 
zu  bringen   und  dadurch   den  Einfluss  französischer  Bau-  noch  bestehende  Bauten  dieser  Periode  festzustellen. 

Unter  diesen   schwankenden   Verhältnissen    über   das 


meister  auf  die  Entwickelung  eines  Theils  der  mittelalter- 
lichen Architectur  von  Ungarn  zu  documentiren  versucht 
hat.  Auf  ganz  zufällige  Weise  fand  man  nämlich  vor  weni- 
gen Jahren  auf  der  Bibliothek  zu  Paris  ein  Skizzenbuch  des 
Viiars  de  Honecourt  —  eines  vielseitig  gebildeten  und, 
wie  es  auch  scheint,  seiner  Zeit  sehr  angesehenen  Archi- 
tekten,worin  Studien  nach  Kunstwerken  und  nach  der  Natur 
und  auch  andere  auf  seine  Arbeiten  und  seine  Reise  be- 
zügliche Notizen  eingetragen  sind.  Unter  anderen  Bezie- 
hungen geht  auch  daraus  hervor,  dass  er  an   dem  Chor 


Vorhandensein  eines  fremdartigen  Einflusses  auf  die  mittel- 
alterliche Baukunst  Ungarns  im  XIII.  Jahrhundert,  war  es 
uns  desto  erwünschter,  dass  der  Architekt  und  Professor  an 
der  Pesther  Realschule,  Herr  Job.  Petschnig.  unserem 
Ersuchen  entsjirechcnd,  so  gefällig  war.  nebst  mehreren  No- 
tizen überdie  constructivenFormen,  einen  nach  eigener  Auf- 
nahme entworfenen  Grundriss,  sowie  mehrere  Details  der 
Kirchem'uine  von  Zsämbek  aus  seinem  Skizzenbuche  zur 
Veröffentlichung  zu  übersenden  ,  um  in  der  Lage  zu  sein, 
der  Kathedrale    von   Cambray   (1230^1231)   gearbeitet     zur  Erörterung  der  (d)eii  berührten,  noch  olVenen  Frage 


und  den  Grundriss  hiezu  in  Gemeinschaft  und  im  Wett- 
eifer mit  Peter  v.  Corbie  erfunden  habe,  dass  er  fer- 
ner die  Zeichnung  einer  Capelle  des  Chors  von  Rheims 
entworfen ,  und  zur  Zeit  der  Anfertigung  einer  Studie 
nach  dem  Muster  des  Triforiums  von  Rheims  nach  Ungarn 
gesendet  wurde  und  dort  lange  Zeit  (maint  jor)  verweilt 
habe.  Von  wem  er  jedoch  eine  solche  Mission  erhielt,  wo 
er  sich  aufliielt  und  was  er  daselbst  machte,  ist  aus  den 
bisher  verölTentlichten  Andeutungen  über  dieses  Manuscript 


einen  neuen  Beitrag  zu  liefern.  Unverkennbar  ist  die  Ähn- 
lichkeit des  Grundrisses  vmi  Zsämbek,  sowohl  riicksiehtlich 
des  dreisehilTigen  Langhauses  ohne  QuersehilT,  als  auch 
bezüglich  der  Anordnung  der  Hauptfafade  mit  der  doppelten 
Thurmanlage    und  der  Portallialle,    mit   mehreren  Kirchen 


')  Vergl.  „Mittelalterliche  Kunstdenkmale  des  österr,  Kaiserslaates".  her- 
ansgefjebeii  von  Dr.  Gust.  U  e  i  J  e  r ,  Prof.  Hud.  v.  Eitelberger  iinil 
Arcliiteeten  Hieser.  IM.  Lieferung;  (Stutigarl.  Eimer  ii.  Seuliert  I8ü0) 
S.  69  —  93 


')  Vergl.  Dr.  C.  S  c  li  n  .1  a  s  e,  Gesehielite  der  bildenden  Künste,  V.  Bd., 
I.  Abth.  S.  iSl  —  134.  Aus  derselben  ersehen  wir  auch  ,  dass  eine 
ziemlieh  ausführliche  Naebrieht  über  das  .\lbuin  des  Viiars,  .1  u  I  e  8 
Guieherat  in  der  Revue  arelieologique  Vol.  VI.  (1S49)  S.  0.^,  164, 
209  und  nach  ihr  L.  Fürster's  „Wiener  Bauzeilunj,'"  1849,  S.  309 
gegeben  haben.  Eine  Veröireutlichung  des  Kacsimile  des  ganzen  Buche» 
mit  ErkISruugen  ist  in  Kürze  von  dem  Architekten  I.  a  s  s  u  s  zu 
erwarten. 


106  — 


dieser  Epoche  in  rngarn  '),  über  anderseits  fehlt  es  wieder 
nicht  an  Fligenthüniiiclikeiten  in  den  Details,  w  odurch  sich 
das  erstere  in  Frage  stehende  Bauwerk  von  anderen  ähii- 
Hcher  Cnnstruction  unterscheidet. 

Bevor  vir  übrigens  die  grüsstentiieils  nach  den  iSo- 
tizen  des  Arcliiteiiten  Hrn.  .1.  Petschnig  entworfene 
Besehreibung  verüfrentlichen,  wollen  wir  die  historischen 
Daten  voranschicken,  welche  Herr  v.  Eitel  berger  in 
der  erwähnten  Abhandlung  über  die  romanische  Kirche  zu 
St.  Jak  ans  den  Werken  mehrerer  ungarischer  Schriftsteller 
zusammengestellt  hat. 

In  welchem  Jahre  der  Bau  der  Kirdie  und  des  Klosters 
zu  Zsambek  —  zu  welchem  erstere  gehörte  —  begonnen 
wurde,  darüber  fehlen  bis  jetzt  alle  positiven  Anludtspunkte 
und  es  kann  mit  einiger  Bestimmtheit  mu-  angeführt  wer- 
den, dass  das  Kloster  eine  Stiftung  der  l'riimonstratenser  aus 
der  ersten  Hälfte  des  XIII.  Jahrhunderts  gewesen  ist.  In 
einer  Urkunde  v.  Jahre  1208  werden  nämlich  dem  „Mona- 
sterio  B.  Joannis  de  Samboch"  bereits  mehrere  aus  früheren 
Jahren  herrühreude  Schenkungen  bestätigt  und  in  einem 
Sehreii)en  des  Papstes  Bonifaz  Vlll.  vom  Jahre  1293  wird 
Zsi!nü)ek  in  der  Beihe  der  Klöster  angeführt,  welclie  den 
Prämonstratcnsern  aiigeliören.  —  Nach  dem  Jahre  14To 
wurde  Kloster  und  Kirche  mit  Einwilligung  des  Papstes 
Sixtus  IV.  den  Eremiten  des  h.  Paulus,  welche  dieser  König 
vorzugsweise  begünstigte,  übergeben.  Nach  dem  für  die 
christlichen  W'afl'en  so  unglücklichen  Jahre  lö42  verschwin- 
det Zsambek  aus  der  Reihe  der  Klöster,  es  seheint  in  die- 
sem Jahre  gänzlich  verlassen  und  von  den  Türken  zerstört 
worden  zu  sein.  Die  Güter  des  ehemaligen  Klosters  wurden 
von  Kaiser  Leopold  I.  der  grätlichen  Familie  Zichy  mit  dem 
Hechte  des  Majorates  um  30,000  tl.  überlassen. 

Mögen  nun  schon  diese  ungünstigen  \'erhältnissc  auf 
den  Banzustand  der  Kirche  keinen  fiirderlichen  Eiiitluss 
genommen  haben  ,  so  vernichtete  ein  Erdbeben  am  28. 
Juni  1T<)3  um  halb  (>  Ihr  Morgens  gänzlich  die  Benützung 
der  Kirche  und  des  Klosters.  Letzteres  verschwand  fast 
vollständig  bis  auf  wenige  Kellerlocale,  die  Kirche  dagegen 
wurde  in  eine  Buine  umgewandelt. 

So  viel  aus  den  noch  vorhandenen  I'berresten  zu 
erseiien  ist,  gehört  die  Kirche  dem  Style  der  Lbergangs- 
periode  an  und  könnte  demnach  mit  Berücksichtigung  des 
l'mstandes,  dass  einige  Kirchen  im  Südwesten  von  Ungarn, 
die  zu  Anfang  des  XUl.  Jahrhunderts  erbaut,  schon  den 
Charakter  des  vollständig  ausgebildeten  romanischen  Styles 
an  sich  tragen,  allii-dings  in  der  Mitte  desselben  Jahrhun- 
derts entstanden  sein,  da   nach  dem  Maasse  der  bisherigrcn 


')  VcrglciclK!  zu  diesem  Zwecke  das  „.luhrhutli  der  k.  k  Ceutralcoiiiniis- 
sion"  (Wien,  in  Comiiiis.'iian  hei  W.  Ilraumiiller)  I.  91  — 140.  „Mitttl- 
allerliche  Kunstdciikmale  des  östejT.  Kaiserslaates",  herausgeg;ebcn  >oa 
Dr.  II  eider,  Kitelbcrger  und  II  i  c  s  c  r,  III.  Heft,  und  A.  E  s  s  e  ii- 
w  e  i  n's  Beschreibung  und  Zcichnurig;  der  Kirche  zu  I,  e  h  e  n  y  im  .liinner- 
und  Februarhefte  dieser  RliiUer  (II.  S.   7  und  Xö). 


Forschungen  anzimehmen  ist,  dass  in  Ungarn  die  architekto- 
nischen Formin  des  Bomanisnms  noch  in  der  zweiten  Hälfte 
des  XIII.  Jaluhinulerls  Anwendung  gefunden  haben. 

\A'ie  derOrund- 
riss  (Fig.  I)  zeigt, 
war  Zsändjek  ein 
dreischilViger  Bau, 
jedoch  ohneQuer- 
schift' ,  mit  zw  ei 
Thürmen  an  der 
Fa^ade  ,  einem 
stark  vors])ringen- 
den  P<irtalbau  und 
drei  Apsiden,  ähn- 
lich der  Ciruppc 
der  romanischen 
Kirchen  zu  Lei- 
den, Nagy-Karoly, 
Fünfkirchen  u.  s. 
w.,  wozu  Zzämbek 
gerechnet  wird. 
Von  der  Kirche 
stehen  aber  ge- 
genwärtig nur  die 
Hauptfa^ade,  dann 
(Fi-.  1.)  ilas  rechte  Seiten- 

schill' sanwnt  der  .\psidc  und  einzelne  Überreste  des  Lang- 
hauses, worüber  die  mit  schwarzer  Farbe  ausgefüllten  Theile 
des  Grundrisses,  dann  Seitenansicht  (Fig.  2,  s.  nächste  S.) 
nähere  Anhaltspunkte  geben. 

Das  Langhaus  der  Kirche  ist  aus  vier  Quadraten  gebil- 
det, an  welche  sich  am  nordöstlichen  Ende  unmittelbar  die 
Chornischen  arischliessen.  Die  Trennung  des  Mittel-  von 
den  SeitenschilVen  ist  durch  je  drei  Pfeiler ,  die  durch 
Scheidebögen  mit  einander  verbunden  sind,  bewerkstelligt. 
Die  Scitenschill'e,  bedeutend  niederer  als  das  Mittelschiff, 
haben  nur  eine  Breite  von  2"  während  letzteres  unge- 
fähr 2"  4'  Breite  inisst.  Wie  einzelne  Überreste  deutlich 
erkennen  lassen,  waren  ferner  die  Schiffe  insgesainmt  mit 
einem  spit/bugigen  Kreuzgewölbe,  und  nur  die  Apsiden  mit 
einem  halben  Kiipiielgewolbe  eingedeckt. 

Das  Pfeilersystem  ist  im  Innern  der  Kirche  vollständig 
durchgebildet  und  die  kräftige  Prolilirung  der  Gewölberippen 
und  .Sclieideliögen  an  den  Pfeilern  beibehalten.  Das  Gew  ölbc 
des  MittelschilVi's  hat  ferner  durcbgehends  I{ip|>eii  von  glei- 
cher Stärke,  die  auf  diumeii  vcm  unten  aufsteigenden  Dien- 
sten aufsitzen.  Nur  die  Diagonalrippen  der  SeitenscbilVe  sind 
schwächer  und  einfacher  und  die  Pfeiler  der  SeitenschiHe 
vorne  mit  einerllalbsäule  und  in  den  beiden  Ecken  mit  Bund- 
stäben profilirl.  ^^'ir  geben  hier  das  Pfeihr-Prolil  (Fig.  3, 
s. nächste  S.)  eines Seitenschill'es,  das  in  seiiicrEntwickelung 
ganz  entschieden  das  Gejiräge  der  schon  durchgebildeten 
Stylgattung  an  sich  trägt   und    in   Fig.  4   (s.  nächste  S.) 


107  — 


das  Sockelprofil  der  Halbsäulen,    das    in  ziemlich    reicher 
Gliederung  sich  erhebt. 

Was  die  Capiläle  betrifft,  so  scheinen  diese,  nach  den 
vorhandenen  Überresten  zu  urtheilen ,  mannigfaltig  und 
schön  ornamen- 
tirt  gewesen  zu 
sein.  Eine  be- 
sondere Eigen- 
thümlichkeit  in 
der  Ornamentik 
konnten  wir  aber 
aus  den  uns  vor- 
liegenden Bei- 
spielen (vergl. 
Figur  ij  und  7)  '^^g 
nicht  entdecken,  ja 
sondern  dievor- 
handenenBruch- 
stücke  tragen  j~ 
jene  Merkmale  f 
an  sich ,  wo-  g: 
durch  sich  dii'  r 
Gruppe  der  in  ^^,,_^--'- 
letzterer  Zeil  ^^sJt 
wiederholt  be- 
sprochenen ro- 
manischen Kir- 
chenbauten in 
Ungarn  kennzeichnete  und  wozu  insbesondere  die  von  dem 
Architekten  Herrn  A.  Essen  wein  mit  gründlichem  Ver- 
ständnisse beschriebene  und  gezeichnete  Kirche  von  Lebeny 
zu  interessanten  Vergleichen  Anlass   bietet.  Vorherrschend 

war,  wie  es 
r""  ^  scheint,  das 
Akanthusblatt, 
langgestreckt 
und  in  dop- 
pelter Eint\»s- 
(f'S-  3.)  sung   mit    der 

eigentbümlichen  über  die  Deckplatte  reichenden  Ausladung. 
Die  Wandflächen  des  Mittelschiffes  oberhalb  den  Arka- 
den, dann  jene  der  Abschlussmau- 
ern der  Seitenschiffe  waren  theils 
durch  Gesimse,  theils  durch  ein- 
fache Rundfenster  belebt.  Auch 
Spuren  von  Frescomalereien  sind 
allenthalben  zu  entdecken. 

Eine  cigenthümliche  .Anord- 
nung sind  die  Stützmauern  an  dem 
oberen  Theile  des  Mittelschiffes, 
welche  auf  den  Transversalbijgen 
der  Seitenschiffe  aufsitzen,  jedoch  nicht  über  das  Dach  der- 
selben   emporgeragt  haben.    Jede  dieser  Mauern  halte  im 


(KiK 


Dachraume  eine  thürartige  OtVnuiig,  wodurch  man  unwill- 
kürlich an  die  später  so  verschiedenartig  ausgebildeten 
Strebebögen  der  gothischen  Dome  erinnert  wird. 

Die  gegen  Nordost  liegenden  Chornischen  schlössen 

sich ,  wie  aus 
dem  Grundrisse 
zu  ersehen  ist, 
unmittelbar  an 
dasLanghausan. 
JenederSeiten- 
schiffe  waren  mit 
runden  Stein- 
dächern abge- 
schlossen und 
im  Innern  sehr 
reich  gegliedert, 
wie  aus  einem 
Bruchtheile  der 
Anordnung  der 
Pfeiler  und  Halb- 
siiuleneinerSei- 
lenapsidezu  er- 
sehen ist  (Fig. 
S).  Die  Aussen- 
seite  der  .Apsi- 
den ist  mit  Frie- 
sen geschmückt, 
dieschonAndeu- 
tungen  des  Spitzbogens  enthalten.  Die  Buiidfensfer  aber 
daselbst  sind  nicht  in  der  Achse,  sondern  in  schräger  Rich- 
tung angebracht.  Die  Apside  des  Mittelschiffes  tritt  bedeu- 
tend vor,  sie  ist  jedoch  bis  auf  einen  kleinen  Theil  verfallen. 


(Fig.  .1.) 

Ob  dieselbe  im  Halbkreis  oder  Pdlygon  geschlossen  war 
—  eine  Frage,  deren  Beantwortung  sehr  wesentlich  ist  — 
kann  erst  darni  mit  Bestimmtheit  angegeben  werden,  wenn 
die  Fundamente  untersucht  worden  sind,  was  im  bevorstehen- 
den Frühjahre  geschehen  soll. 


—   108  — 


An  diis  Wcsteiido  des  Lunghiuiscs  scliliesseii  sich  die 
TliurmHiilageii  saiuiiit  dorn  Haui)tporlale  an;  erstcre  bilden 
im  Innern  Yorhalk'n,  die  im  gedrüivten  Spitzbogen  geschlos- 
sen sind  und  üi)cr  welchen  der  Gesangschor  angebracht 
war. 

Die  südwestlich  liegende  Hauptfa^ade   —   der    noch 
besterhidtene  Theil  der  Kirclu —  hat  manche  eigenthüm- 
liche  Motive,  worunter  wir  inshcsondors  die  decorative 
Anordnung  des  —  die  beiden  Tluirme  vorbindenden  — 
Zwischenbaues  rechnen. 

Die  Thiirme  sind  im  Viereck  durchgeführt,  durch 
reiche  {{undbogenfriesc  iu  drei  Stockwerke  getheilt  und 
waren  mit  Steindächer  geschlos- 
sen. Die  Ecken  der  Thiirme  wer- 
den durch  einfache ,  jeder  Ab- 
schrägung entbehrende  Pfeiler 
verstärkt.  Gegenwärtig  ist  nur 
mehr  das  Dach  des  Thurmes  er- 
halten, welcher  an  der  rechten 
Seite  gelegen  ist.  Die  Thurm- 
(Fig.  c.)  fenstcr  sind  durch  dreifache  Säul- 

chen getheilt,  von  denen  jedoch  ein  Theil  theils  beschä- 
digt, theils  gänzlich  ausgebrochen  ist  (Fig.  6). 

Von  dem  eigenthiimlichen  Portale  und  dessen  Aus- 
schmückung hat  sich  leider  nur  wenig  mehr  erhalten; 
die  Gliederungen  dürften  in  mehreren  Wohnhäusern  oder 
Kellcrbauteii  des  Ortes  eingemauert  sein —  wie  dicss  aus 
einzelnen  jüngst  entdeckten  Spuren  entnommen  wurde. 
Wir  sind  nur  in  derLage.  dieFormen  und  einige  kümmer- 
liche Fragmente  der  Säulenstellung  sammt  deren  Verbindung 
mit  den  Pfeilern  der  Vorhalle  wiederzugeben  (Fig.  7). 

Über  dem  Portale  ist  ein  grosses  rundes  Fenster  ange- 
bracht. Die  Finfassuug  um  dasselbe  hat  Motive  des  Spitz- 
bogou-Masswerkes,  das,  wie  bekannt,  in  der  Hlüthezeit  der 
Gothik  an  den  französischen  Kathedralen  sehr  reich  und 
glänzend  in  Anwendung  kam.  Das  Rundbogenfenster  um- 
schliesst  ein  Spitzbogen,  der  nur  durch  die  Lage  der  Hau- 
steine und  die  winkelreclitc  Vertiefung  sich  markirt,  weiter 
aber  nicht  au.sgebildet  erscheint.    Den  Abschluss  der  Mittel- 


partie bildet  ein  doppelter  Giebel  in  verschiedenen  \N'inkeln 
aufsteigend.  Der  erste,  weniger  steile  und  das  Mauerwerk 
abschliessende  Giebel  ist  mit  einem  reichen  Uundbogenfriese 
geschmückt. 

Die  Kirche  war  durchgehends  mit  Hausteinen  verklei- 
det und  der  Mijrtel  selbst  in  letzterer  Zeit  so  fest,  dass  die 


(Fig.  7.) 

Leute,  welche  einen  Theil  der  Ruinen  zu  Rausteincn  benutz- 
ten, mehr  Mühe  hatten,  die  Quadern  auszubrechen,  als  die- 
selben in  dem  nahe  gelegenen  Steinbruche  zu  gewinnen. 
Man  erzählt  sich  übrigens  im  Orte,  dass  ein  Maurer  die 
Wette  eingegangen  sei ,  er  werde  es  veranlassen ,  dass  die 
Kirche  einstürze.  Hierauf  soll  wirklich  ein  Mitteljoch  unter- 
graben M'orden,  und  durch  dieses  barbarische  Kunststück  das 
Gewülbe  des  Mitlelschifl'cs  eingestürzt  sein. 

K.  Weiss. 


Notiz. 


(E  i  n  n  c  u  e  n  t  d  e  c  k  t  e  r  H  e  i  d  c  n  k  i  r  c  h  li  0  f  z  u  G  r  0  s  s- 
{lold  in  Siebenbürgen.)  Zu  derselben  Zeil,  alsdieTran- 
silvania  (Beiblatt  des  Siebenbürger  Boten)  inNr.  lö  d.  J.  die 
Grabeshügel  einer  dunkeln  Vorzeit  besprach  und  hierbei  den 
Heidenkirchhof  bei  Kastenholz  unweit  Hermannstadt  in  unserm 
Gedächtnisse  auffrischte,  hat  der  Zufall  inderXähc  voiiGross- 
pold  zu  ähidichen  merkwürdigen  Entdeckungen  gefidirt.  Die 
Sache  dieser  Entdeckungen  verhält  sich  folgendermassen: 

Ein  Gros-spoldner  Insasse,  der  aus  einem  im  Walde  ge- 
legenen Steinbruche  eine  Fuhr  Steine  nach  Hause  zu  bringen 


im  liegrille  ist,  erblickt  an  dem  Wege,  etwa  eine  halbe  Stunde 
von  dem  Dorfe  cntferni,  einen  Stein,  der  sein  .\uge  besticht, 
und  den  er  mit  nach  Hause  urlimen  w  ill.  Nach  vieler  Mühe  ge- 
lingt es  ihm  endlich  den  Stein  von  seiner  l'mhiillung  frei  zu 
machen.  Wie  pocht  sein  Herz,  als  er  nach  Beseitigung  des 
Steines  von  seinem  Platze  einen  ziendich  grossen Tojif  gewahr 
wird!  Voll  freudiger Hoflnung  sofort  einen  Schatz  zu  lieben, 
sucht  er  an  der  Stelle  eifrig  nach  und  k(unmt  zuletzt  anstatt 
auf  einen  Schatz  ,  auf  einen  viel  kleineren  Topf,  m  eichen  er 
aber  auch  nicht  ganz  unverletzt  nach  Hause  bringt. 


109 


Einige  Tage  darauf  kommen  zwei  Waiachen  aus  dem 
nahen  Gebirgsdorfe  Schinna  denselben  Weg,  um  in  Gross- 
pold  etwas  zu  veräussern ;  das  aufgewühlte  Plätzchen  fällt 
ihnen  auf;  sie  stehen  stille,  sehen  die  zerstreut  liegenden 
Scherben  des  grösseren  Topfes  und  der  Eine  sagt  zu  dem 
Andern:  „Sieh  nur!  hier  hat  Jemand  einen  Sehatz  ausge- 
graben, aber  gewiss  hat  er  Etwas  auch  für  die  Armen 
zurückgelassen.  Während  sie  hierauf,  um  das  von  demSehatz- 
gi'äber  Zurückgelassene  aufzufinden,  den  Platz  durchsuchen, 
fällt  ihnen  ein  im  Boden  aufrecht  stehender  Mauerziegel  auf, 
der  sofort  aus  seiner  Lage  und  von  der  Stelle  gebracht  wird; 
unmittelbar  hinter  diesem  Ziegel  finden  sie  ebenfalls  einen 
grossen  Topf,  welcher  aber  auch  nichts  Anderes  umschloss, 
als  einen  kleinen  Topf.  Aus  Missmuth,  sich  getäuscht  zu 
sehen,  zerbrachen  auch  sie  den  grossen  Topf,  während  der 
kleine  als  ein  niedlicher  Fund  mitgenommen  wurde. 

Nachdem  der  Ortspfarrer  hievon  Kunde  erhalten  hatte, 
veranlasste  er  sein  Kirchenkind  das  oben  erwähnte  etwas 
schadhafte  Töpfchen  ihm  zur  Abgabe  an  das  Baron  von 
BruckenthaPsche  Museum  in  Hermannstadt  zu  überlassen 
und  veranstaltete  überdiess  einige  Tage  später  eine  kleine 
Nachgrabung,  welche  jedoch  keinen  andern  Erfolg  hatte 
als  dass  einige  hier  und  dort  zerstreut  liegende  Fragmente 
von  Gelassen  verschiedener  Grösse  und  Qualität  aufgelesen 
wurden. 

Nicht  lange  darauf  ging  ich  auf  einige  Tage  nachGross- 
pold,  um  die  mir  befreundete  Pfarrers-Familie  zu  besuchen; 
auf  die  voranstehende  mir  gemachte  Mittheilung  begab  auch 
ich  mich,  begleitet  von  einigen  Personen,  auf  den  Platz,  wo 
die  Gefässe  aufgefunden  worden  waren,  um  wo  möglich  auch 
einen  antiquarischen  Fund  zu  machen. 

Der  Friedhof,  thalaufwärts  an  dem  kleinen  Pohanner- 
bache,  links  gelegen,  hatte  keine  grosse  Ausdehnung  und 
befindet  sich  an  einer  etwas  flachen  Stelle,  nicht  bedeutend 
hoch  über  dem  Bache  selbst.  Im  Verlaufe  der  Zeit  haben 
die  Hügel  sich  geebnet  und  aus  der  Physiognomie  des  Platzes 
lässt  sich  nicht  mehr  mit  Zuverlässigkeit  schliessen,  wo  die 
einzelnen  Grabhügel  gestanden  haben:  Einschnitte  jedoch 
welche  die  von  dem  Thalgehänge  herabfliessenden  Piegen- 
wässer  im  Verlauf  der  Zeit  bildeten,  haben  auch  Steine  von 
verschiedener  Form  und  Grösse  blossgelegt,  welche  nicht 
ursprünglich  an  dieser  Stätte  sich  befunden  haben,  sondern 
ei'st  hingebracht  worden  sind.  Die  unter  meinen  Augen  vor- 
genommene Nachgrabung  hatte  den  Erfolg ,  dass  wir  wirk- 
lich auf  ein  Grab  stiessen,  das  aber  nicht  mehr  in  seiner 
ursprünglichen  Integrität  sich  befand;  der  flache,  die  Decke 
bildende  Stein  war  nicht  mehr  vorhanden ;  die  aufrecht  um 
den  Aschentopf  stehenden  Steine  waren  ein  wenig  verscho- 
ben und  der  zerdrückte  Topf  hatte  ebenfalls  eine  etwas 
schiefe  Stellung.  An  einer  andern  Stelle  fanden  wir  die,  die 
Unterlage  bildende  Steinplatte  und  auf  und  neben  derselben 
noch  die  Überreste  von  Kohlen;  Fragmente  eines  Gefässes 
und    die  Umfassung   von  Steinen    fehlten    jedoch    gänzlich, 


woraus  ich  schliesse ,  dass  die  Grabstätte  zerstört  worden 
ist.  Hin  und  wieder,  wo  noch  versuchsweise  gegraben 
wurde ,  fanden  wir  theils  gar  Nichts ,  iheils  Fragmente  von 
Gefässen,  worauf  sich  jedoch  einige  weitere  Schlüsse  grün- 
den Hessen,  theils  endlich  auch  kleinere  und  grössere  Steine, 
im  Allgemeinen  von  flacher  Form. 

Die  diessjährigen  Funde  auf  dem  Grosspoldner  Heiden- 
kirchhofe sind  nach  der  vorausgehenden  Mittheilung  und  nach 
den  aufgesammelten  Fragmenten  folgende: 

«.  Ein  grösserer  Topf,  aufgefunden  von  dem  Grosspoldner 

Insassen;  zerstört. 
6.  Ein    Topf,    aufgefunden    von    den   beiden   W^alachen 

aus  Schinna;  ebenfalls  zerstört. 

Der  eine  dieser  beiden  Töpfe  war  von  grober  schwarz- 
zer  Masse  und  ohne  Verzierung  —  der  andere  ebenfalls  von 
schwarzem  Thon,  jedoch  dünn  ausgedreht  und  mit  einiger 
wiewohl  kunstloser  Verzierung. 

c.  Ein  Topf  von  schmutzig  gelbrothem  Thone,  verziert 
nur  mit  einigen  auf  der  Drehscheibe  gezogenen  Linien, 
aufgefunden  von  dem  Berichterstatter;  die  Fragmente 
nicht  ausreichend  zu  einer  Zusammensetzung. 

d.  Ein  kleiner,  etwas  beschädigter  Topf,  gefunden  von 
dem  Grosspoldner  Insassen,  von  etwa  y,,  Mass  Kubik- 
inhalt, nur  3"  hoch,  sehr  bauchig,  mit  einem  Boden- 
Durchmesser  von  i  '/i".  Mündung  etwas  über  2'  im 
Durchmesser;  mit  schmalem  Rand  und  kleinem  Henkel, 
aus  feiner,  schmutzig  gelbrother  Thonmasse,  etwas 
heller  als  bei  Litt.  C.  Im  Besitze  des  Bruckentharschen 
Museums. 

e.  Ein  kleiner  Topf,  gefunden  von  den  beiden  oben  erwähn- 
ten Waiachen  und  im  Besitze  des  einen  dieser  Finder. 
Über  Form  und  Masse  kann  ich  nichts  mittheilen, 
da  ich  denselben  nicht  zur  Anschauung  erhalten  konnte. 

f.  Ein  kleiner  Topf  von  aschgrauer  Farbe,  mit  sehr  klei- 
nem Boden  und  sehr  bauchig;  die  Mündung  etwa  li/j" 
im  Durchmesser;  nur  Fragmente  davon,  nach  welchen 
sich  das  halbe  Gefäss  etwa  wird  zusammensetzen  lassen. 
Im  Besitze  des  Baron  Bruckenthalschen  Museums; 
befand  sich  in  dem  grosseren  Topf  Litt.  C. 

(j.   Eine   sehr   flache  Amphora  mit   kleinem   Boden,    von 

schmutzig  gelbrothem  Thone;  nur  etliche  Fragmente. 
/(.  Eine  Amphora,   etwas  grösser  als  die  vorhergehende, 

von  aschgrauem  Thone;  Fragmente  davon. 
i  Eine  Amphora,  etwas  kleiner  als  jene   sub  Litt.  C  : 

ebenfalls  von  aschgrauer  Thonmasse. 
k.  Eine  grosse  tellorartige  Amphora :  lun-  Fragmente  vom 

Boden  derselben;  von  schmutzig  gelber  Masse. 
l.  Eine  ziemlich  grosse  Amphora  von  schmutzig  gelbem 

Thon.  Ein  Randstück. 
m.  Randstücke  von  einem  Topf  oder  einer  Amphora ,  von 

schmutzig  rothgelbem  Thone. 
/(.  Ein  Fragment  von  einem  antiken  Ziegel. 

J.  L.  Neugeboren. 


—    110 


Correspondenzen. 


Pi*a^<  Das  Schluss  Gross- Skal  (Hrubu  skala)  im  Bun/.Uiuir 
Kreise,  liesitztiiuiii  des  F'reiherni  Johuim  Friedrich  von  Aercutlial, 
wird  gegenwärtig  in  umfassender  Weise  nach  meinen  Plänen  und  unter 
meiner  persönlichen  Leitung  theils  reslaurirt,  theils  neu  aufgebaut. 

Da  die  Anlage  des  Schlosses  ursprünglich  golhisch  «ar,  ist  auch 
dieser  Styl  für  die  Gcsauinit- Restauration  7.u  Grunde  gelegt  worden; 
einzelne  Theilc  jedoch,  namentlich  eiu  aus  Walkristein's  Zeit  her- 
rührender Säulengang  in  Verbindung  mit  einem  Hiltcrsaale  und  einigen 
Gemächern  werden  dem  Charakter  ihrer  Zeit  gemäss  wiederhergestellt. 
Nebst  einigen  Gewölben  mit  sonderbaren,  eingerissenen  Ornamenten 
hat  sich  im  Rittersaale  ein  bemerkenswerther,  sehr  grosser  Kachelofen 
mit  vielen  Basreliefs  und  Figuren,  dem  XVI.  Jahrhundert  angehörig, 
erhalten').  Bei  Gelegenheit  dieses  Schlussbaucs  ergab  sich  vor  kurzer 
Zeit  (am  ti.  Februar  I.  J.)  ein  nicht  uninteressanter,  alterthümlicher 
Fund.  Man  musste  nämlich  eines  anzulegenden Canales  wegen  an  einer 
bisher  unzugänglichen  Steile  (einer  Kluft  zwischen  zwei  senkrechten 
Felsen)  hin  durcbgraben  und  stiess  hier  auf  zahlreiche  Menschen- 
knochen,  Waffenstücke  und  einige  Münzen.  Zwei  ziemlich  erhaltene 
Prager  Groschen  von  König  Sigismund  und  die  dem  XV.  Jahrhundert 
entstammenden  AVaffeutrüjnmer  legen  die  Verniuthung  nahe ,  dass  bei 
einem  der  zahlreichen  Kämpfe,  welche  in  der  Gegend  stattfanden, 
vielleicht  bei  der  Einnahme  des  Schlosses  durch  König  Podiebrad  im 
Jahre  1469,  einige  Leichen  kurzweg  von  dem  Felsen  herab  in  die 
Kluft  geworfen  und  von  oben  aus  mit  Erde  überschüttet  worden  sind. 
Besonders  wurden  viele  Sporren  grösster  Gattung  aufgefunden,  dar- 
unter mehrere  zusanuuenpassende  Paare.  Die  Aufgrabung  befindet 
sich  dermalen  in  Händen  des  Herrn  Wirthschafts-Directors  Melchior 
in  Gross -Skal.  B.  Grueber. 


IheiU  im  Vereine,  llieils  in  meiner  Privatsanunluiig  zu  (jobote  stehen- 
den Denkmalbilder  aiisehaulleh  zu  machen  sucht. 

Ich  selbst  habe  im  Schuljahre  ISöö  ö6  über  AuHorderung  des 
Herrn  Priester-Seminar-Directors  wöchentlich  eine  Stunde  dem  Vor- 
trage über  christliche  bildende  Künste  im  hiesigen  Priester-Seminar 
gewidmet.  Über  Anregung  der  Seminaristen  habe  ich  diesen  Vortrag 
auch  im  gegenwärtigen  Schuljahre  begonnen  und  erfreue  mich  eines 
zahlreichen  .\uditoriums,  ein  Umstand,  welcher  nur  dem  Seihsteifer 
der  Seminaristen  zugeschrieben  werden  kann ,  weil  der  Besuch  eines 
solchen  Vortrages  nicht  so  wie  in  der  Prager  Erzdiöcese  zu  einem 
Obligatgegenstande  gemacht,  sondern  jedem  Seminaristen  vollkomtncn 
freigestellt  ist. 

Der  k.  k.  Correspondent  für  das  Gurkthal  Herr  Üechant  Gregor 
Schellandcr  in  Gurk  hat  mir  niltgetheilt,  dass  in  seinem  Corre- 
spoiidenzbezirke  im  verflossenen  Jahre  für  die  Erhaltung  der  Bau- 
denkmale Nachstehendes  geleistet  worden  sei : 

1.  Wurde  die  Rundcapelle  (wahrscheinlich  eine  Todtencapclle) 
im  Friedhofe  der  Pfarre  Altenmarkt  bei  AVeitensfeld  aufKosten 
der  Pfarrgemeinde  neu  eingedeckt.  Diese  Vorkehrung  zur  Erhaltung 
dieses  Baudenkmales  ist  um  so  erfreulicher,  als  selbes  schon  lange 
ausser  kirchlichem  Gebrauche  war ,  somit  die  Pfarrgemeinde  nur 
durch  die  Beachtung  des  historischen  oder  archäologischen  Wcrthes 
zu  dem  gemachten  Kostcnaufwande    bestimmt  worden  sein  konnte 

2.  Wurde  die  alte  Kirche  St.  Johann  ob  Klcinglödnitz, 
welche  durch  einen  Gewittersturm  am  18.  August  v.  J.  ihres  Daches 
beraubt  wurde,  mit  einem  neuen  Dache  versehen  und 

3.  wurde  im  verflossenen  Herbste  die  Filiale  St.  Peter  ob 
Gurk,  ein  romanisches  Kirchlein,  theihveise  neu  eingedeckt  und  in 


Kla^enfiirt.  DieWerthschätzung  mittelalterlicher  Denkmale 
hat,  wie  ich  glaube  mit  Zuversicht  aussprechen  zu  dürfen,  in  unserem 
Kronlande  in  einem  erfreulichen  Grade  zugenommen  und  wir  gehen 
auch  hinsichtlich  des  Verständnisses  derselben  einer  frohen  Zukunft 
entgegen.  Es  sind  mir  mehrere  ältere  Seelsorger  bekannt ,  welche 
bemüht  sind,  die  archäologischen  und  Kunst-Kenntnisse  nachzu- 
holen, zu  deren  Erlangung  ihnen  früher  Anregung  und  Hilfsmittel 
fehlten.  Besonders  wohltbätig  wirken  in  dieser  Beziehung  die  ..Mit- 
theilungen", welche  von  einigen  Herren  Correspondenten  zum  Besten 
der  Minderbemittelten  in  Circulation  gesetzt  werden.  Auch  in  dem 
jüngeren  Curatclerus  zeigt  sich  mannigfach  ein  löblicher  Eifer  für 
das  Studium  der  Kunstgeschichte  und  ein  nicht  wirkungsloser, 
bezüglicher  Einfluss  auf  die  ihrer  Seelsorgc  anvertrauten  Gemeinden. 
Sowohl  auf  unserem  Staatsgymnasium  als  auch  unserer  k.  k.  Real- 
schule wird  keine  Gelegenheit  unbenutzt  gelassen,  die  lernende 
Jugend  mit  den  Kunstdenkmalen  des  Alterthums  sowohl  als  mit  denen 
des  Mittelalters  und  der  Neuzeit  bekannt  zu  machen  und  es  gereicht 
mir  zur  besonderen  Freude,  die  von  dem  kärntncrischcn  Geschichls- 
vcreine  seit  seinem  Bestände,  soweit  es  seine  geringen  Geldkräftc 
gestatteten,  gesammelten  diessfälligen  Lehrmittel  sehr  fleissig  benützt 
zu  sehen.  Ich  muss  diessfalls  ganz  besonders  des  Eifers  des  Herrn 
Geschichtlehrcrs  an  unserer  Oberrealsehule  ,  Peter  Pcrkmann. 
erwähnen,  welcher  hei  dem  Unterrichte  in  der  Geschichte  eine  beson- 
dere Aufmerksamkeit  auch  der  Kunstcultur  widmet  und  in  sehr  zweck- 
mässiger Weise  das  Vorgetragene  durch   die  Vorweisung  der   ihm 


'J  Das  Scliloss  erliielt  zwei  neue  Tliürrae,  eine  Capelle  .  verschiedene  Ter- 
rassen ,  Freitreppen  u.  dgl.  m.:  der  Bau  dauerte  bereits  drei  Jahre  und 
dürrte  1839  vollendet  werden. 


Schliesslich  stellt  der  Herr  Correspondent  für  das  nächste 
Frühjahr  einen  umfassenden  Bericht  über  die  letztgenannte  Kirche 
St.  Peter  ob  Gurk  und  über  andere  in  seinem  Districtc  befindliche 
alte,  noch  wenig  bekannte  Baudenknialo  in  Aussieht.  Ich  zweifle  nicht, 
dass  durch  selben  ein  erfreulicher  Beilrag  zur  kä.'nlnerisehcn  Denk- 
malkunde werde  geliefert  werden.     G.  Freiherr  v.  Ankershofen. 

Mcrniagor  (in  Kärnten).  Ks  dürfte  nicht  ohne  Interesse  sein 
zu  vernehmen,  was  im  Gailthale  Kärntens  während  des  Jahres 
ISüG  in  Bezug  auf  Restaurationen  von  Bauwerken  uml  auf  Neubauten 
Bemerkenwerthes  geleistet  wurde. 

a.  Am  Gotteshause  Sl.Mart  ini  zu  Fe  is  trit  z  ander  Gail  wurde 
von  einem  italienischen  Maler  das  Preshyterium  recht  gelungen  in 
Fresco  ausgemalt,  und  von  demselben  Künstler  daselbst  eine  neue 
Kanzel  aus  Holz  erbaut. 

b.  In  St.  Georgen  vor  dem  Bleiberge  ist  heuer  ein  neues 
Schulhaus  fertig  geworden. 

e.  Zum  Gotteshause  der  Marktpfarrc  Hermag  or  wurde  eine 
neue  Stiege  aus  Quadern  hinangeführt.  Diese  hat  12  Stufen  von  3  Klaf- 
tern Breite  und  ist  sehr  elegant  anzusehen. 

d.  An  der  Filiale  St.  Ath  an  asii  zu  Kuh  weg  wurde  das  Kir- 
chendach  neu  hergestellt  und  dadurch  ein  schönes  Deckengemälde  vom 
Untergange  gerettet,  welches  die  nunmehrige  Ruine  Mallenlein  oder 
Priesneg!;  darstellt,  wie  das  Schloss  noch  im  bewohnbaren  Zustande 
war.  Merkwürdig  ist  an  diesem  Gemälde  zu  sehen,  wie  ein  Priesnegg 
schon  früher  bestanden  hat,  an  dessen  Ruinen  das  spätere  nun  auch 
aus  grossen  schwarzen  Fensterhühlen  hcrabsehauende  Gebäude  ange- 
lehnt wurde. 

e.  Ferner  erhielt:  das  Preshyterium  der  Filialkirclie  St.  Katha- 
rina von  Radnigg.  im  Jahre  1040  (?)  nach  Christo  erbaut,  heuer 
ein  neues  Dach  und  eine  neu  ummauerte  Vorhalle. 


—  111  — 


/'.  Die  schon  liiilb  in  Uninen  liegende  Capelle  St.  Uduhicl 
am  Guggenbei'ge  gewann  einen  Process  mil  349  fl.  37  kr.  C.  M. 
Mit  den  entfallenden  Zinsen  wird  die  scliön  gelegene  Capelle  sich 
wieder  auf  die  Füsse  helfen. 

g.  Endlich  soll  die  fast  ganz  verkouiiueiie  Filiale  St.  Elisa- 
betha  auf  der  Plöcken  zur  Restauration  von  einenj  AVolillhiiter 
aus  Villach  einen  Beitrag  von  200  fl.  C.  M.  erhalten  haben. 

B.  Lev  it  sc  h  ni  g  g. 

Schu'Criu.  In  dem  Octoberhefte  iSäö  der  ,.Mittheilungen"lese 
ich  (S.  210,  Nr.  38)  die  Nachricht  über  den  zinnernen  Taufkessel 
(„Fönte"  Föns)  von  Tabor,  von  welchem  gesagt  wird,  dass  es  „über 
das  eigentliche  Alter  desselben  an  jeder  Andeutung  fehle."  Ich  finde 
die  Nachricht  über  das  Alter  dieses  Werkes  aber  in  der,  wie  es  seheint, 
in  der  Zeichnung  nicht  ganz  klar  aufgefasslen  Inschrift  ziemlich 
bestimmt  ang'egeben.  Die  durch  Lilien  getrennten  Worte  der  Inschrift 
lauten  nämlich: 

l):c  .  CHU5  .  CD  .  I);ii:rem  .  Dcd  .  et  .  epiritiis 
saiicti)  .  STigr  .  smcii  .«.£».  Slß.^^^Jki*  ■  (LX)  X. 

ii   {'!)  ■  fi-cttim  .  Cät. ,    das  ist: 
hoc    .    opus    .    ad    .    honorevi    .    (hi   .    et  .  s/Jiritiis 
sancti   .   mgr   .   smon    .    unno   .   domini  .  3ICCCC 

fLX)  X  .  II  (?)  factitm   .  est. 


Vorausgesetzt,  dass  die  Losung  und  die  Zeichnung  richtig  ist, 
liegt  in  der  Inschrift  wohl  ein  Constructions-Fehler,  indem  statt  mi/r 
smon.,  d.  i.  viagisler  (Meister)  smon  wohl:  a  mayistro  smon  hätte 
gesetzt  werden  müssen.  Ob  statt  smon  nicht  vielmehr  Simon  zu 
lesen  sei,  wage  ich  nicht  zu  etitseheiden.  Die  Buchstaben  c  .  f  sind 
ohne  Zweifel  durch  (tuno  domini  zu  erklaren. 

Dann  folgt  die  Jahreszahl,  von  welcher  SRAftiCivf  sicher  zu  lesen 
ist,  worauf  eine  Lücke  von  anscheinend  2  Zifl'ern  folgt. 

Die  darauf  folgende  Ziffer  wird  ein  r  =  X  sein;  es  würde  daher 
für  die  Lücke  entweder  l  r  oder  r  r  zu  ergänzen  und  die  Jahreszahl 
entweder  3ICCCCXXXX  oder  MCCCCLXX  (1430  oder  1470) 
zu  lesen  sein.  Das  hierauf  folgende  Zeichen  Q.  ist  vielleicht  die 
Ziffer  ZZ  (2)  oder  Jl  (ö).  M'enn  nun  auch  wegen  der  vorhandenen 
Lüeke  die  Jahreszahl  nicht  vollständig  herausgebracht  werden  kann. 
so  ist  es  doch  unbezweifelt  sicher,  dass  der  Taufkessel  nach  Sß^JvJvJ*^ 
(1400)  und  frühestens  im  Jahre  1430,  spätestens  im  Jahre  147ä 
gegossen  ist.  Daher  beruhet  die  Meinung  des  Einsenders,  dass  der 
„Charakter  der  Schrift  ziemlich  klar  auf  das  14.  Jahrhundert  hin- 
weise," auf  einem  Irrthume. 

Sollte  nicht  schon  eine  andere  Berichtigung  eingegangen  sein, 
so  bitte  ich  diesen  kleinen  Beitrag  als  ein  Zeichen  meiner  hohen 
Verehrung  anzunehmen. 

Dr.  G   F.  Lisch. 


Literarische  Anzeigen. 


Die  erste  Lieferung  des  interessanten  bei  \\'.  Braumüller  in 
Wien  erscheinenden  Prachtwerkes:  „Die  vorzüglichsten  Rü- 
stungen und  Waffen  der  k.  k.  Amb  raser-Samm  I  ung"  in 
Photographien  von  A.Groll  und  mit  beschreibendem  und  historischem 
Texte  von  Dr.  Ed.  Freiherrn  v.  Sacken,  bringt  acht  photographische 
Abbildungen  von  ausgezeichneten  fürstlichen  Rüstungen.  —  I.  und  IL. 
dem  Erzherzog  Sigmund  angehörend,  sehr  zierlich  gearbeitet  und 
chaiaktcrislisch  für  das  XV.  Jahrhundert  durch  die  im  gothischen 
Style  durchgeführten  Verzierungen,  dann  durch  die  ausgezeichneten 
Ränder,  Spitzen  und  Bückein;  III.  bis  VII.  enthalten  Rüstungen, 
welche  Kaiser  Maximilian  I.  im  Gebrauch  hatte;  darunter  scheint 
die  eine  aus  des  Kaisers  jüngeren  Jahren  herzustammen,  da  sie 
noch  die  zu  Ende  des  XV.  Jahrhunderts  übliche  Ornamentation 
besitzt,  die  übrigen  sindi  Feld-,  Pferd-  und  Turnierrüstungen  und 
die  einzigen  von  denen  man  mit  Sicherheit  behaupten  kann,  dass 
sie  bei  Kaiser  Maximilian  im  Gebrauehe  standen.  VIII.  zeigt  die 
Rüstung  des  Erzherzog  Philipp  L,  König  von  Kastilien,  welche  er 
wahrscheinlich  als  Oberhaupt  des  goldenen  Vliessordens  bei  der 
ersten  Ritterversammlung  in  einem  Alter  von  13  Jahren  abhielt. 
Am  Postamente  dieser  Rüstung  sieht  man  zwei  blanke  Kürasse, 
die  Philipp  der  Schöne  als  Knabe  von  9 — 10  Jahren  getragen  haben 
dürfte.  —  Die  Photographien  sind  mit  grosser  Präcision  und  einem 
richtigen  Verständniss  für  den  Gegenstand  ausgeführt.  Der  Text  ist 
sehr  gewandt  und  belehrend  abgefasst  und  die  äussere  Ausstattung 
geschmackvoll  und  splendid.  Der  Subseriptionspreis  einer  Lieferung 
beläuft  sich  auf  7  fl.  30  kr.  —  ein  .4usmass,  das  die  Anschaffung 
dieses  so  wichtigen  Werkes  leider  auf  einen  sehr  kleinen  Kreis  von 
Kunstfreunden  und  Anstalten  beschränkt,  wenn  man  berücksichtigt, 
dass  16  Lieferungen  das  ganze  Werk  abschliessen. 


Die  Verlagsbuchhandlung  Ebner  und  Seubert  in  Stuttgart 
lässt  eine  zweite  durchgesehene  Ausgabe  des  im  vorigem  Jahre  mit 
dem  glücklichsten  Erfolge  beendeten  Werkes:  „Denkmäler  der 
Kunst  zur  Übersicht  ihres  Entwicklungsganges  von 
den  ersten  Versuchen  bis  zu  den  Standpunkten  der 
Gegenwart"    erscheinen,    deren   Bearbeitung  Dr.  W.  Lübkc  in 


Berlin  übernommen  hat.  Bei  der  neuen  Ausgabe  wurde  mehr  auf 
äussere  praktische,  die  Brauchbarkeit  des  AVerkes  erhöhende  als  auf 
innere  Veränderungen  Rücksicht  genommen.  Die  Zahl  und  Anordnung 
der  Tafeln  bleibt  im  Wesentlichen  dieselbe,  wenige  AbweichungCEi 
abgerechnet  und  nur  die  im  vierten  Bande  enthaltenen  Ergänzungs- 
tafeln wurden  an  den  betreffenden  Orten,  wohin  sie  im  Entwicklungs- 
gange gehören,  eingeschoben.  Als  neue  Zugaben  sind  drei  Tafeln  zu 
betrachten,  eine  restaurirte  Ansicht  des  Tempels  zu  Olympia,  in 
malerisch  ausgeführtem  Stich,  eine  ebenso  behandelte  .Ansicht  der 
Fafado  des  Colner  Domes,  welcher  an  die  Stelle  der  früheren  Seiten- 
ansicht tritt,  sodann  eine  in  Farbendruck  ausgeführte  Darstelluni; 
einer  pompejänischen  Wandbemalung.  .Ausserdem  hat  die  Verlags- 
handlung in  ihrem  Streben ,  auch  äusserlich  das  Werk  seinem  Inhalte 
entsprechend  künstlerisch  zu  gestalten,  von  J.  Schnorr  in  Stuttgart 
ein  Titelblatt  entwerfen  lassen,  das  in  Stich  ausgeführt,  in  gothlscher 
Umrahmung  über  dem  Titel  die  allegorischen  Gestalten  der  Künste 
zeigt.  Sämmtliche  Tafeln  wurden  übrigens  sorgfältig  durchgesehen 
und  corrigirt,  damit  nichts  Mangelhaftes  und  Irriges  zurück  bleibt. 
Wer  eine  lebendige  Anschauung  der  kunstgeschichtlichen  Entw  icklung 
der  verschiedenen  Völker  gewinnen  und  sieh  mit  besonderer  Rück- 
sicht auf  die  Architectur  ein  getreues  Bild  ihrer  hervorragendsten 
Erscheinungen  verschaffen  will,  wird  von  diesem  Werke  vollkommen 
befriedigt  sein  und  insoferne  verdient  es  auch  nicht  blos  als  Atlas 
zum  Handbuche  der  Kunstgeschichte  und  zur  Geschichte  der  Bau- 
kunst von  Franz  Kugicr,  sondern  auch  im  .-Vllgemcinen  als  treff- 
liches Hilfsmittel  zu  ernsteren  Kunststudien  dem  gebildeten  Publicum 
auf  das  Wärmste  empfohlen  zu  werden.  Der  erklärende  Text  zu  den 
einzelnen  Tafeln  wird  von  Dr.  Lübke,  dem  Verfasser  des  Werkes 
die  „Mittelalterliehe  Kunst  in  Westphalen"  und  „Geschichte  der 
Architectur"  geliefert  werden  und  verspricht  daher,  sich  durch  geist- 
volle Auffassung,  durch  Vcrlässlichkeil  undeine  anziehende  Darstellung 
des  Gegenstandes  auszuzeichnen.  Das  ganze  Werk  wird  vier  Bände 
mit  154  Tafeln  in  1700  Abbildungen  umfassen  und  lieferungsweise 
erscheinen.  Jede  Lieferung  mit  ö  Tafeln  in  Stahlstich  oder  Farben- 
druck nebst  dem  Texte  kostet  1  Thlr.  C  Ngr.  Innerhalb  zwei  Jahren 
wird  das  ganze  Werk  zum  Abschlüsse  gebracht  sein.  Die  erste  Liefe- 
rung wurde  bereits  ausgegeben. 

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Das  von  Fr.  üaudri  in  Cöln  reiligirte  „Or<ran  für  christliche 
Kunst"  hiin'^t  in  'lo  beiden  letzten  Nummern  (ä  und  6)  Aufsiit/.e 
über  die  _Rostaur;ition  des  Münsters  zu  l'lni",  über  die  Doinbiiu- 
vereinc  zu  M  ü  n  c  h  c  n.  W  o  r  m  s,  S  p  c  y  e  r  und  M  a  i  n  z,  welche  sich 
zur  Wiederherstelluni,'  und  Vollendung;  der  Kathedralen  >;ebild(t 
haben,  eine  nekrolosische  Notiz  über  den  französischen  Gelehrten  und 
Archäologen  P.  Arthur  Martin,  einen  biof;raphisehen  Aufsatz  über 
jüngst  verstorbenen  englischen  Archäologen  John  Britton,  die 
Mittheilung  eines  Erlasses  des  Cardinal  Patrizi  in  Rom  zur  Kege- 
nerirun"  der  Kirchenmusik,  eine  Correspondenz  aus  London  über 
die  dort  eröffnete  „Architeetural  Exhibition''.  die  Fortsetzung  der 
Abhandlung  über  die  «Geschichte  der  Glasmalerei  in  Europa",  das 
Resultat  des  Concurses  über  die  Memorialkircbc  in  Konstanti- 
nopc  I,  zwei  literarische  Anzeigen  und  eine  reiche  Auswahl  verschie- 
dener Kunst  notizen. 

Die  Buch-  und  Kunsthandlung  Heinrich  Keller  in  Frankfurt  am 
Main  kündigt  an,  dass  sie  im  Vereine  mit  F.  Barrot  die  Blfen- 
b  e  i  n-  u  n  d  II  0  1  z  s  c  b  n  i  t  z  w  c  r  k  e  des  g  r  o  s  s  h  e  r  z  o  g  1  i  c  b- 
hessischen  Museums  zu  Darmstadt  in  Elfenbein- 
Gypsabgüssen  herstellen  wird.  Diese  Kunstwerke  bestehen  in  Relief- 
Darstellungen,  aus  Diptychen,  Triptychen,  Buchdeckeln,  Reliquien- 
behältern. Portativ-Altären  u.  s.  w.  und  sollen  in  möglichst  getreuen 
und  scharfen  Abgüssen  abgeformt  werden.  Die  Gegenstände  werden 
einfach  in  farbiger  Elfenbeingypsmasse  hergestellt,  an  den  Stücken, 
wo  sich  Metall  daran  befindet,  dasselbe  durch  Vergoldung  oder 
Bronzirung  nachgeahmt  und  die  daran  befindliche  Malerei  durch 
Farben  wieder  gegeben:  Die  Preise  der  einzelnen  Gypsabgüsse  sind 
sehr  massig  gehalten,  so  dass  deren  AnsehatTung  auch  minder  bemit- 
telten Künstlern  und  Kunstfreunden  nicht  schwer  fällt. 

Aus  dem  deutsehen  Buchhandel  sind  in  den  letzten  Monaten 
an  Neuigkeiten  hervorgegangen:  Lewy.  Dr.  M.  A.,  Pliönicische  Stu- 
dien. 1.  Heft:  Erklärung  der  grossen  sidonischen  und  anderer  phö- 
nicischer  Inschriften.  Die  ältesten  Formen  des  phönicischen  Alpha- 
betes und  das  Princip  der  Scbriftbildung,  mit  3  Tafeln.  (Breslau, 
Leukart.)  I  Thlr.  —  Zabn,  Prof.  W.,  Die  schönsten  Ornamente  und 
merkwürdigsten  Gemälde  aiisPompeji  Hcrculaneum  und  Slabiä.  3. Folge, 
S.Heft.  Berlin,  Reimer.  8  Thlr.  —  Dursch,  tJ.  M.,  .isthetik  der 
christlichen  bildenden  Kunst  des  Mittelalters  in  Deutschland.  2.  .Aufl. 
Tübingen  1856.  2  Thlr.  24  Ngr.  —  Holz,  F.  W.,  Details  griechi- 
scher llauptgesimsc,  zusammengestellt  in  40  Blättern.  2.  Auflage. 
l.  Lieferung.  Berlin  18Ö6.  ä  10  Ngr. 


Neben  den  fortlaufenden  literarischen  Leistungen  der  von  der 
französischen  Regierung  eingesetzten  Commission  für  Monumental- 
Stafistik  und  den  Publlcationen  des  Cnmite  für  die  Geschichte  und 
Künste,  neben  D  i  dron's  Annales  archeologiques  und  Caunionl's 
Bulletin  monumental,  neben  den  zahlreich  erselieincnden  Werken  der 
verschiedensten  Gelehrten  und  den  periodisch  erscheinenden  Schriften 
in  den  Departements  zur  Erforschung  der  französischen  Kunstdenk- 
male, ist  seit  Beginn  dieses  .lahres  in  Paris  nun  auch  eine  «Revue 
de  l'art  chretien",  herausgegeben  von  Abbe  .?ul.  Corblet  (bei 
A.  Pringuet  in  Paris)  ins  Leben  getreten,  welche,  nach  dem  ausser- 
ordentlichen Interesse  der  Franzosen  für  das  Studium  der  christlichen 
Kunst,  von  einem  nicht  geringeren  Erfolge  wie  die  schon  bestehenden 
periodischen  Schriften  begleitet  sein  dürfte.  „Seitdem  die  religiöse 
.-Vrchäologie".  beisst  es  in  dem  Vorworte  des  1.  Heftes,  „genau 
abgegränzt  durch  eine  bestimmte  Anzahl  unbestrittener  Principien, 
Stellung  genommen  hat  unter  den   positiven  Wissenschaften,    fand 


sie  eine  günstige  Aufnahme  in  den  Akademien,  in  den  gelehrten 
Gesellschaften,  in  den  literarischen  Revuen  und  selbst  in  der  Tages- 
presse. Sie  hat  spccicile  Organe,  welche  mit  löblichem  Eifer  das 
gesehichlliehe  Kcld  der  chrislliclien  Kunst  bearbeiten;  diese  archäo- 
logischen Sammlungen,  diese  .\nnalen  der  gelehrten  Gesellschaften 
zu  Paris  und  in  den  Provinzen,  diese  zahlreichen  Publlcationen, 
welche  während  dreissig  Jahren  in  Frankreich  und  im  Auslande 
erschienen,  sind  gewiss  wichtige  und  werthvolle  Elemente  zu  Stu- 
dien, aber  sie  sind  häulig  unzugänglich  jenen,  welche  am  meisten 
nüthig  haben  beim  Unlerriclite  daraus  zu  schöpfen.  Ks  war  daher 
der  Augenblick  gekummen  eine,  durch  ihren  massigen  Preis  Allen 
zugängliche  Publication  zu  unternehmen,  welche  in  gediegenen 
Artikeln  alle  erworbenen  Kenntnisse,  Entdeckungen  und  Arbeiten 
zusammenfassen  kann,  deren  Itesultate  niedergelegt  sind  in  den 
Memoiren  der  gelehrten  (Josellseliaften,  und  nicht  selten  die  Gränze 
des  provinziellen  Interesses  überschreiten.  Unsere  Revue  hat  daher 
den  Zweck,  die  christliche  Archäologie  zu  popularisiren,  sie  ver- 
ständlich und  praktisch  den  zahlreichen  Zeichnern  zu  machen,  die 
Leser  im  Gange  zu  halten  über  alles  das,  was  geschrieben,  gemalt, 
gemeisselt  und  gebaut  wird,  gemäss  der  gesunden  Traditionen 
der  christlichen  Kunst.  Indem  wir  unsere  Bewunderung  aussprechen 
für  die  Meisterwerke  des  Mittelalters  und  vor  .Allem  des  13.  Jahr- 
hunderts, wird  die  Revue  doch  kein  exclusives  Vorurtheil  haben 
gegen  irgend  ein  von  echt  religiösem  Geiste  beseeltes  Kunstwerk, 
mag  dasselbe  was  immer  für  einer  Zeit  und  einer  Nationalität  ange- 
hören." In  diesen  Worten  charakterisirt  sieb  der  wissenschaftliche 
Standpunkt  dieser  neuen  Erscheinung,  und  wir  ersehen  daraus, 
dass  sie  vorzugsweise  Gewicht  legt  auf  die  von  religiösem  Geiste 
erfüllten  Kunstanschauungcn  ,  dass  sie  die  archäologischen  For- 
schungen der  letzteren  dreissig  Jahre  übersiebtlieh  zusammenzu- 
fassen und  mit  den  Resultaten  derselben  die  weitesten  Kreise  des 
Klerus  und  der  Künstler  vertraut  machen  will,  dass  sie  sich  nicht 
ausschliesslich  auf  die  Style  des  Mittelalters  beschränken,  sondern 
auch  die  Kunstwerke,  der  Renaissance  und  der  Gegenwart  in  ihren 
Bereich  aufneliuicn  wird.  Wenn  sie  nun  hicbei  auch  wirklich  den 
nationalen  Vorurtheilen  zu  entsagen  und  mit  unbefangenem  .Auge 
die  monumentalen  Kunstwerke  des  Auslandes  zu  beurlheilen  im 
Stande  sein  wird,  so  wäre  diess  ein  grosses  Verdienst,  welches 
die  französischen  Gelehrten  bis  jetzt  nicht  immer,  namentlich  in 
Bezug  auf  Deutschland   zu   beanspruchen  bemüht  waren. 

Die  „Revue"  rtird  in  ihre  Studien  folgende  StolTe  einbeziehen. 
Unter  der  Rubrik  „Archäologie"  werden  Aufsätze  über  Ästhetik, 
die  Geschichte  der  Kunst,  Arehiteetur,  Seulptur,  Goldsehmiedekunst, 
Eisengussarbeilen.  Numismatique.  Emails,  .Mosaiken.  Tapeten,  alte 
(jcwänder.  priesterliche  Gebräuche,  Liturgie,  Iconographicn,  Grab- 
niäler,  .Musik,  religiöse  Poesie  des  .Mittelalters  u.  s.  w.  geliefert  wer- 
den. Eine.Abtheilung,  betiteil:  „Anwendung  der  Grundsätze  der  christ- 
lichen Ästhetik  auf  die  moderne  Kunst"  wird  Alles  das  enthalten, 
was  die  kirchlichen  Wissenschaften  von  der  Construction  der  Kirchen 
bis  zur  Anfertigung  der  Bildwerke  enthalten.  Die  Rubrik:  „Verschie- 
denes und  Chronik"  wiril  Correspundenzen,  Neuigkeiten,  Entdeckun- 
gen, Acte  des  Vnndalismus,  Neubauten  romanischer  und  gothischer 
Kirchen,  Nachrichten  über  die  archäologische  Bewegung,  die  kirch- 
liehe Industrie,  die  .Arbeiten  der  gelehrten  Gesellschaften,  wissen- 
schaftliche Congresse,  Programme  zu  Concursen  der  Arehiteetur  und 
Archäologie,  .Ausstellungen  der  Malerei,  Nekrologie  u.  s.  w.  und  die 
.Abtheilung  „Bibliographie"  Übersichten  der  vorzüglichsten  archäo- 
logischen Besprechungen  Frankreichs  und  des  .Auslandes  aufnehmen. 
In  und  ausserhalb  des  Textes  werden  zahlreiche  Holzschnitte  gegeben 
werden.  Jeden  Monat  erscheint  einlieft;  der  Preis  der  zwölf  Hefte 
ist  12  Francs.  Bis  jetzt  sind  zwei  Hefte  ausgegeben,  auf  deren  Inhalt 
wir  im  näelistcn  Hefte  eingeben  wollen. 


.\.U3  der  k.  k.  Hof-  und  Staatsdruckerei  in  Wien. 


Jeilen  Monat  erscheint  l  Hefl  mit 
miudestens  3  Drucklto^ea  aad  mit 

AbbilJiiD^^eB. 
Der  Pränunitratiunsprcis  ist  für 
einen  Jahr^an^  oder  zwülf  Hefte 
nebst  Reg-ister  sowohl  für  Wieo 
alsHie  Ki'oiilünder  und  das  Ausland 
4  fl.  C.  M-,  bei  p  o  r  t  ij  f  rt- i  e  r 
Zuaenduiijj  in  die  Kronländer  der 
üsterr.  Monarchie  4  11.  2Ukr.  CM. 


MITTHEILUNGEN 


DER  K.K.  CENTRAL- COMMISSION 


PräoameratioDen  überneb- 
men  halb-  oder  g'anijährig 
ittek.k.  Poslämlfr  der  Monarchie, 
welche  auch  die  portofreie 
Zuseodang  der  eiotelDeo  Hefte 
besorgen.  —  Im  We^e  des  Buch- 
handels sind  alle  HrJuatnenitioneO 
Qod  zwar  nur  zu  dem  Preise  von 
4  fl.  »a  den  k.  k.  Hofbuchhaodler 
V.  firaumüller  in  Wif  n  zu  richten. 


ZU  mnmwm  ii  iiialtiig  der  bude\kii\le 

Hcrausi^ca'lieii  unler  der  Leiluns'  des  k.  k.  Scelions-Cliefs  und  Präses  der  k.  k.  Central-Coiiiiiiission  Karl  Freiherrn  v.  f  zoerniii;. 


Redacteur:   E  a r  1  Weiss. 


N2=-:>. 


IL  Jahrgang. 


Inhalt:  Die  Restauration  des  romanischen  Kreuzganges  am  bischütliclien  Münster  in  Brixen.  —  Die  Erfolge  der  \Virksan)keit  der  k.  k. 
Central-Conimission.  —  Die  romanischen  Kirchen  zu  Zabof  und  St.  Jakob  in  Böhmen.  —  Alte  Kunstdenkmale  in  Botzen  und 
seiner  Umgebung.  —  Die  Kleinodien  des  h.  römisch-deutschen  Reiches.  —  Paniätky  arehaeologicke  a  mi'stopisne.  —Notiz.  — 
Correspondenzen.  —  Literarische  Anzeigen. 


Die  Restauration  des  romanischen  Kreuzganges  am  bischöflichen  Münster  in  Brixen'). 


Der  Conservator  für  den  Brixner  Kreis,  HerrG.  Tiiik- 
hauser,  lenkte  im  Jahre  I83ö  die  Aufmerksamkeit  der 
k.  k.  Centrai-Commission  auf  den  schlechten  Bauzustand  des 
alten  K  r  e  u  z  g  a  n  g  e  s  bei  dem  b  i  s  e  h  ö  f  I  i  c  h  e  n  Münster 
zu  Brixen  und  erklärte  zugleich,  dass  derselbe  eines 
der  schönsten  und  merkwürdigsten  Baudenkmale  von  Tirol 
sei,  welches,  mit  einer  Beihe  der  interessantesten  alten 
Wandgemälde  ausgestattet,  in  kürzester  Zeit  dem  unver- 
meidlichen l{uine  entgegen  gehen  werde,  wenn  nicht  daran 
einige  sehr  nothwendige  fiestaurations-Arheiten  vorgenom- 
men werden. 

Aus  der,  von  detaillirten  Plänen  begleiteten  archäolo- 
gischen Beschreibung  des  Kreuzganges,  die  der  Conser- 
vator zur  besseren  Würdigung  des  Gegenstandes  vorlegte^). 


')  Zu  dem  ersten  .\ufsatze  des  April-Heftes  (S.  8ö)  „Die  kaiserlichen  Anord- 
nungen für  die  Kestauratifin  herühniter  Kunstdeiikmale  im  lombnrdiseli- 
venetiaiiisclien  Königreiche"  hüben  wir  eine  Berichtigung  naehzulragen. 
Die  Allerhöchste  Elitschliessung  vom  8.  Fehruar  d.  J.  betrifft  niinilieh 
nicht,  so  wie  wir  mitgethcilt  haben  ,  die  liestauration  von  Leonardo 
da  Viiici's  Freseogemälde,  das  heilige  .\bend[iiahl ,  im  liefectoriuni 
nächst  der  Kirche  .Maria  delle  (irazie,  sondern  aus  dem  uns  jetzt 
vorliegenden  Wortlaute  der  .Mierhöchsten  Willensmeinung  ersehen 
wir,  dass  Seine  k.  k.  apostol.  Majestät  anzuordnen  geruht  haben, 
die  künstlerische  Restauration  der  an  die  Kirche  St.  Maria  delle 
Grazie  in  Mailand  anstossenden  Halle,  in  der  sieh  das  Frescogemälde 
von  Leonard  da  Vinci,  das  heil.  Abendmahl  vorstellend,  befindet,  in 
Angriff  zu  nehmen  und  zu  diesem  Zwecke  die  Kalktiinche  von  den 
übrigen  Wänden  und  vom  fiewölhe  zu  entfernen ,  die  darunter  beliudli- 
cheu  Zeichuungeo  und  .Malereien  aufzudecken  und  von  bewährter  Künst- 
lerhaiul  aufzufrisehen  und  zu  ergänzen.  —  Die  liestauration  von  Leo- 
nardo da  Vinci's  Frescogemälde,  das  h.  Abendmahl,  haben  Sr.  Majesiät  über 
Vortrag  Sr.  Excellenz  des  Herrn  Liiiterrichtsuiinisters  (irafen  I.,  e  o  'I"  h  il  n 
bereits  untern  7.  Juni  1834  genehmigt.  (Vgl.  „Mittheilungen"  1856,  S.  87.) 

D.  Red. 

')  Vgl.  „Millheilungen"  1850,  8.  17. 

II. 


entnahm  auch  die  k.  k.  Centrai-Commission,  dass  der  Kreuz- 
gang, wie  er  gegenwärtig  besteht,  aus  der  zweiten  Bau- 
periode des  Münsters  herstammend,  im  XII.  Jahrhundert 
aufgebaut,  und  nach  dem  dritten  Brande,  also  heiläulig 
um  die  Mitte  des  XIII.  Jahrhunderts  die  gothische 
Oberdecke  erhalten  habe  und  dass  die  Gemälde,  die  an 
den  Seitenmauern  in  den  Feldern  unter  den  Sehildbiigen 
und  auf  der  Oberdecke  angebracht  sind,  grijsstenlhcils  dem 
fünfzehnten  und  nur  einige  wenige  dem  vierzehnten 
Jahrlimidert  aiigehiiren.  In  kunstgeschiclitlieher  Beziehung 
war  desshalb  allerdings  das  grosse  Interesse  dieses  Baudenk- 
males nicht  zu  verkennen,  da  bis  jetzt  in  Österreich  ver- 
hältnissmässig  wenige  Kreuzgänge  im  romaiiisclu  n  Style 
und  von  so  edlem  arcliitcktoiiisclion  .\ufliaue  liekaiiiit  sind. 

Die  k.  k.  Central -Coinmissidii  wandte  sich  daher  an 
die  Landesbau-Direction  in  Innsbruck,  damit  diese  im  Kin- 
vernehmen  mit  dem  Conservator  einen  Kostenübersehlag 
rücksichtlich  der  vorzunehmenden  Bestaurations -Arbeiten 
vorlege  und  die  entsiireclienden  .Anträge  stelle.  Gleich- 
zeitig richtete  sie  an  die  k.  k.  Statthalterei  in  Innsbruck  das 
Ersuchen,  die  Erhchiiiigcn  über  tlie  l'atronats-  und  son- 
stigen ökonomischen  Verhältnisse  der  Domkirche  zu  Brixen 
zu  pflegen,  um  den  Fond  zu  ermitteln,  aus  welchem  die 
Kosten  bestritten  werden  müssen.  Nach  dem  Voranschlage 
der  Landeshau-Behörde  wurden  die  Kosten  der  iiothwen- 
digsten  Uerstollungcii  auf  14iS0  Gulden  festgesetzt.  Die 
Erhebungen  der  k.  k.  Statthalterei  fiiliiteii  dagegen  zu  dem 
Besullate,  dass  der  Dom  zu  Brixen  sieh  keines  Patronates 
erfreut  und  die  Kosten  der  Erhaltung  des  Kreuzganges 
weder  von  dem  Domcaiiitel  noch  von  der  Stadtgemeinde 
getragen  werden  können. 

10 


—    114 


Bei  (liesein  Sachverliiilte  war  daiior  die  k.  k.  Ceiitral- 
Coiiimissiüii  in  der  Lage,  im  Sinne  der  nnterni  31.  Deceni- 
ber  1850  a.  h.  genehmigten  Instrnctioii  lici  dem  holien 
k.  k.  Ministerium  den  Antrag  zu  .stellen,  dass  die  mehr- 
e  r  w  ahnt  e  1{  e  s  t  a  u  r  a  l  i  (i  n  n  a  c  ii  v  o  r  1  ä  ii  f  i  g  e  r  (_■  e  n  e  h- 
mlgung  Seiner  k.  k.  Ajiost.  Majestät  von  der 
hohen  St  aatsverwa  I  tung  ühernomnicn    werde. 

Nachilem  die  \'erliandlMiigen  des  k.  k.  Handels -Mini- 
steriums mit  den  k.  k.  Ministerien  der  Finanzen,  dann  des 
Cultus  und  Unterriclits  zum  Abschlüsse  gebraclit  waren, 
und  Fjetztere  ihre  Zustiniuuing  zur  Ibernahme  der  Restau- 
ration auf  den  Staatsschatz  ertlieilten ,  erstattete  Seine 
Excellenz  der  Herr  Handelsniinister  Hitler  v.Toggenburg 
über  Antrag  der  k.  k.  Central-Commission  einen  Vortrag  an 
Seine  k.  k.  .4j)ost.  Majestät,  um  von  .\l!erhöclistderselben 
die  Ermächtigung  zu  erlangen ,  dass  die  Bestreitung  der 
Kosten  für    die   Flrhaltung    und    Sicherung    des   in    Frage 


stehenden  ehrwürdigen  Baudenkmales  von  der  hohen  Staats- 
verwaltung ühernonmien  werden  dürfe. 

Mit  Allerhöchster  Entschliessung  vom  20.  März  d.  J. 
geruhten  Seine  k.  k.  Apost.  Majestät  allergnädigst  zu  be- 
willigen, „dass  die  für  die  Hestaui'alion  des  zur  Domkirche 
geiiörigen  Kreuzganges  veranschlagte  Kostensumme  von 
1480  (iulden  auf  den  Staatsschatz  iil)ernommen  und  in  den 
\  oranschlag  des  k.  k.  Ilandclministeriums  für  das  Jahr  1858 
einbezogen  werde.** 

Die  k.  k.  Central-Commission  fühlt  sieh  durch  diesen 
Act  der  a.  li.  Gnade  Sr.  k.  k.  a|i(ist.  Majestät  und  der  wohl- 
wollenden Unterstützung  der  hohen  Ministerien  um  so  glück- 
licher, als  hierdurch  die  kaiserliche  Regierung  neuerdings 
mit  einem  nachahmungswerthen  Beispiele  der  Fürsorge  zur 
Erhallung  der  monumentalen  Kunstsehälze  (»sterreichs  vor- 
angegangen  ist. 


Die  Erfolge  der  Wirksamkeit  der  k.  k.  Central-Commission. 


Unmittelbar  nach  dem  Erscheinen  des  ersten  Bandes 
des  „.lahrbuches"  und  des  ersten  Semesters  der  „Milthei- 
lungen"  unterbreitete  die  k.  k.  Central-Conunission  ptlicht- 
gemäss  diese  Publicationen  durch  Vermittlung  Sr.  Excellenz 
des  Herrn  Handelsministers  Allerliöchsten  Orts  mit  der  ehr- 
furchtvollsten Bitte,  dass  aus  densell)en  Allergnädigst  das 
Bestreben  der  ("(unmission,  der  ihr  mit  der  Instruction 
vom  30.  December  1850  gestellten  Aufgabe  möglichst  zu 
entsprechen,  entnommen  werden  möge. 

Seine  k.  k.  apostolische  Majestät  geruhten  diese  Publi- 
cationen mit  Wohlgefallen  aufzunehmen  und  mit 
.\llerhöehster  Entschliessung  vom  19.  Juli  1856  Se.  Excel- 
lenz den  Herrn  Handelsininisfer  zu  ermächtigen,  der 
('  e  n  t  r  a  1  -  C  0  ni  ni  i  s  s  i  o  n  die  Allerhöchste  .4  n  e  r  k  e  n- 
n  u  n  g  ii  b  e  r  i  h  r  k  bisherigen  L  e  i  s  t  u  n  g  e  n  aus  z  u- 
d  rücken. 

Nebst  diesem  beglückenden  Acte  kaiserlicher  Cnade 
erhielt  aber  auch  die  k.  k.  Conimission  von  Ihren  Excel- 
lenzen  den  Herren  Ministern  iiiiil  anderen  holien  W'üiilen- 
trägern  der  kaiserlichen  Regierung,  denen  die  erwähnten 
Publicationen  vorgelegt  wurden,  die  erfreulichsten  Beweise 
der  Aufmunterung  und  des  Wohlgefallens  und  es  zeigte  sich 
von  allen  Seiten  das  freundlichste  Entgegenkommen,  um  die 
Bestrebungen  dieses  kaiserlichen  Institutes  nach  allen  Kräf- 
ten zu  fördern  und  zu  UMterstiitzen. 

Damit  auch  die  .Uifmerksamkeit  des  .\uslandes  auf 
die  in  Osterreich  unter  dem  unmittelbaren  Schutze  der 
Regierung  ins  Leben  gerufenen  Institutionen  zur  Erforschung 
inid  Erhaltung  der  Kunstdenkmale  des  Kaiserstaates  gelenkt 
werde,  luiterbreitete  die  k.  k.  Central-Commission  anfangs 
dieses  .lalires  mehreren  kunslsimiigcii  deutschen  SouveräTien 
ihre  bisher  erschienenen  Publicationen  ,  worüber  in  jüng- 
ster Zeit  zwei  königliche  Handbillete  an  den  Herrn  Präses 


der  k.k.  Central-Commission  cingelangtsind.  welche  wir  hier 
nach  ilii'em  Worllaute  veröfl'enliichen  : 

Das    Erstere ,    V(m    Sr.    Majestät    dem    Könige    von 
P  r  e  u  s  s  e  n  F  r  i  e  d  r  i  c  h  \\  i  1  h  e  I  m  IV.  herrührend  ,  lautet : 

„leli  habe  die  mit  Ihrem  Selircihen  vom  i2.  v.  M.  Mir  i'inj^e- 
sandten  Kxem|iliiie  des  ersten  Jahij:;angcs  des  .lalirbuehes  und  der 
Monatschiift,  welche  von  der  unter  Ihrer  Leitung  stehenden  k.  k. 
Cenlral-Commission  zur  Erforsohun;,'  und  Erhaltung  der  Baudcnkmale 
voröflentlieht  werden,  mit  Interesse  entfjefrcii'^enominen  und  nicht 
unterhissin  wollen,  Ihnen  für  diese  Zuwendung  meinen  verbindlichsten 
Dank  hierdureh  zu  hczeifjen. 

Berlin,  den  2.  Ecbruar  1857. 

Friedrich  M'i  I  bei  m  m.  |(." 
Das   zweite   llandbillet  von  Sr.   Majestät  dem  Könige 
L  u  d  w  i  g  V  o  n  B  a  i  e  r  n  dagegen  enthält  Folgendes  : 

„Herr  Freiherr  v.  Czocrnig !  Habe  vermiffelsl  des  Slaatsmini- 
steriums  des  köni^liehcn  Hauses  uriil  des  Äussern  mit  Ihrem  fjefalligcm 
Sehreihen  vom  12.  Jänner  dieses  .lalires  zugleich  ein  Exemplar  des 
unter  Ihrer  Leitung  lierausgekominenen  ersten  Jahrganges,  bezüglich 
der  Erforschung  und  Erhaltung  der  Baudenkmalc  classischen  und 
christliehen  Allerihnms,  nebst  der  gedruckten  Monalsehrift  näm- 
lichen BelrellVs  eMi|ifiing('n.  Indem  ich  Ihnen,  dem  sehr  lohcnswer- 
tben  und  verdienstvollen  Leiter  dieses  interessanten  Unternehnicns 
Meinen  vollsten  Beifall  zollend,  für  die  Mir  durch  die  Übersendung 
bcfraglichen  Werkes  bewiesene  .Xufmcrksamkeil  gerne  Meinen  Dank 
ausspreche,  versichert  Sic  zugleich  mit  Vergnügen  der  Gesinnungen 
seiner  Wcrthschätzung 

Ihr  Ihnen  wohlgeneigter 

Ludwig  m.  p." 

I\Iünchen,den  7.  März  18a7. 

So  wie  nun  durch  diese  werthvollcn  Acte  der  Anerken- 
nung die  k.  k.  Central-Conmiiss!on  sich  im  höchsten  Maasse 
geehrt  fühlen  nmsste.  so  unterliess  sie.  dadurch  aufgemuntert, 
in  jüngster  Zeil  nicht,  neui'  Wege  anziibaliiirn.  um  den  v(ui 
ihr  vei'lretenen  Inti'ri'ssen  den  günsligslen  KrTiilg  zu  sichern. 
Da  in  früheren  .lahrbunderlen  die  Kirche  der  Mittel- 
punct  der  bedeutendsten  künstlerischen  Erscheinungen  war. 


—  113  — 


und  die  kirchlichen  Baudenkmaie,  als  das  kostbare  Erl)e 
einer  grossen,  von  dem  tiefsten  religiösen  Gefühle  beseelten 
Epoche,  noch  jetzt  den  vor/iigiichsten  Gegenstand  der  Sorg- 
falt zur  Erhaltung  und  stylgemüssen  Restauration  bilden,  so 
musste  es  die  k.  k.  Central-Commission  als  eine  sehr  wesent- 
liche Förderung  ihrer  Aufgabe  erkennen,  mit  dem  Clerus 
des  Kaiserstaates  in  Verbindung  zu  treten,  um  sich  der 
Unterstützung  ihrer  Organe  von  kirchlicher  Seite  zu  ver- 
sichern, und  für  die  Bestrebungen  der  k.  k.  Central-Com- 
mission die  möglichste  Theiliiahme  zu  erwirken. 

Zu  diesem  Zwecke  richtete  dieCommission  mitschrei- 
ben vom  26.  .länner  d.  .1.  an  das  gesammte  hochwiirdigste 
Episcopat  des  Kaiserstaates  die  Bitte,  dass  die  Mitglieder 
des  Uiöcesanclerus  gütigst  angewiesen  werden  fliögen ,  die 
Conservatoren  auf  die  historisch  oder  artistisch  merkwürdigen 
kirchlichen  Bauwerke,  und  deren  Einrichtung  aufmerksam  zu 
machen,  ihnen  bei  den  diessfiilligen  Eriiebungen  und  For- 
schungen behilflich  zu  sein,  so  wie  durch  Belehrung  und 
möglichste  Hintanhaltung  von  muthwilligcn  Beschädigungen 
an  der  ihrer  Aufsicht  unterstellenden  Denkmalen  den  Sinn  der 
Bevölkerung  für  dieKunst  zu  beleben.  Zugleich  wurde  jedem 
der  hochwürdigsten  Bischöfe  der  Name  des  Conservators 
bekannt  gegeben,  dessen  Wirkungskreis  in  die  einschlägige 
Diöcese  fällt,  damit  der  Diöcesanclerus  in  der  Lage  ist,  sich 
im  erforderlichen  Falle  mit  dem  betreil'enden  Conservator 
ins  Einvernehmen  zu  setzen. 

In  Folge  dieses  Einladungssclireibens  sind  an  den  Herrn 
Präses  der  k.  k.  Central-Commission  liereits  eine  grosse  Anzahl 
Zuschriften  von  den  hervorragendsten  Mitgliedern  des  öster- 
reichischen Episcopates  gerichtet  worden,  welche  insge- 
s  a  m  m  t  m  i  t  g  r  ö  s  s  t  e  r  B  e  r  e  i  t  w  i  1 1  i  g  k  e  i  t  dem  Ansin- 
nen der  k. k.  Central-Commission  zu  entsprechen, 
und  die  ihr  Allerhöchsten  Orts  zugewiesene 
Aufgabe  zu  fördern  sich  bereit  erklärten. 

Es  dürfte  nicht  ohne  Interesse  sein  zu  vernehmen,  in 
welch  zuvorkommender  Weise  mehrere  Kirchenfürsten  der 
Einladung  der  k.k.  Central-Commission  nachgekommen  sind, 
daher  wir  auch  einige  der  Schreiben,  die  an  den  Präses  und 
k.  k.  Sectionschef  Herrn  Karl  Freili.  v.  Czoernig  gerichtet 
sind,  in  so  weit  sie  die  Sache  berühren,  veröll'entlicben  wollen. 

Seine  Eminenz  der  Cardinal  und  Erzbischof  von  Prag, 
Fürst  Friedrich  Schwarzenberg,  gaben  bekannt: 

„Mit  Bezug  auf  Hochdero  geschützte  Zuscln-iffen  vom  December 
v.J.Z.389und26.J;innerl.J.Z.392,  beeln-e  ich  mich  Euerer  Hochwohl- 
geboren  die  Eröffnung  zu  machen,  dass  ich  in  den  gedruckten  Erläs- 
sen meines  Consistoriums  den  Diöcesanclerus  aulfordern  werde,  die 
Zwecke  der  k.  k.  Central-Commission  im  Sinne  des  hochverehrten 
Schreibens  vom  26.  Jänner  1.  J.  zu  fordern,  und  sich  an  der  Abnahme 
der  von  der  k.  k.  Central-Commission  in  Druck  veröffentlichten  „Mit- 
theilungen" nach  Kräften  zu  betheiligen." 

Seine  Eminenz  der  Cardinal,  Fürstprimas  von  Ungarn 
und  Erzbischof  von  Gran,  Herr  Johann  Scitovsky  von 
Nagy-Kers  beantworteten  die  Begrüssung  der  Comniission 
in  folgender  eingeliender  Weise: 


„Ich  beclire  mich  hiermit  in  Erwiederung  des  gescliätzten  Schrei- 
bens vom26.  Jänner  1.  J.Z. 392 Euere  Hochwohlgeboren  höflich  zu  ver- 
ständigen, dass  ich  in  Erwägung  und  verdienter  Würdigung  des  auch 
für  die  Kirche  hocliwiehligen  Interesses,  welches  die  Erforschung  und 
Erhaltung  der  Baudenkmale  bietet,  bereits  dasNötbige  verfügt  habe, 
damit  auch  mein  Diöcesanclerus  den  betreffenden  Conservatoren  den 
von  Euerer  Hochwohlgeboren  angestrebten  Beistand  leisten  möge. 
Damit  diess  aber  in  möglichst  erspriesslicher  Weise  geschehe,  glaubte 
ich  aus  dessen  Mitte  wieder  einzelne  Individuen  zu  dem  Ende  bestellen 
zu  müssen,  dass  diese  die  Eiiigabin  der  Einzelnen  einsammeln  und 
zur  bestimmten  Zeit  Behufs  weiterer  Beförderung  an  die  betreffenden 
Conservatoren  hierorts  ciidningen  mögen.  Namentlich  sind  liiezu 
sämmfliche  Dechante,  jeder  für  seinen  betreffenden  Bezirk,  bestellt. 

Da  diese  ohnehin  die  Kirchen  ihrer  Bezirke  Jahr  aus  Jahr  ein 
von  Amfswegen  zu  inspiciren  haben,  so  befinden  sie  sich  in  der  Lage, 
die  hie  und  da  vorhandenen  liaudeukmale  selbst  in  Augenschein  zu 
nehmen,  und  darüber  die  nöthlgen  Notizen  abzufassen,  die  Eingaben 
Einzelner  nach  Bedarf  zu  berichtigen  und  zu  ergänzen.  Auf  diese  Weise 
ist  der  Gan"  des  Geschäftes  also  einseleitet,  dass  ich  mich  der  lloff- 
nunof  hingeben  kann,  es  werden  die  Dienste,  welche  man  bestrebt  ist 
der  löbl.  Central-Commission  zu  erweisen,  nützlich  sein." 

Von  Sr.  Excellenz  dem  Erzbischofe  von  Kolocza  in  Vn- 
o-arn.  Hr.  J.  Kunszt,  liegt  ferner  folgendes  Schreiben  vor: 

„Je  höher  der  Sinn,  welcher  in  dem  Streben  aus  den  kirch- 
lichen Kunstdenkmalen  das  geistig-religiöseLcben  unscrer.Altvordern 
aufzuschliessen  und  den  so  ausgestreuten  Samen  der  vorzeitlichen 
Pietät  zur  Belebung  und  Stärkung  des  religiösen  Gefühles  aufzuneh- 
men und  zum  Gemeingut  zu  machen,  überhaupt  vorliegt,  um  so 
glorreicher  die  Allerhöchste  Fürsorge,  deren  sich  auch  dieser 
Abschnitt  der  Kirchengeschiclite  zu  erfreuen  das  Glück  hat,  um  so 
rühmlicher  jener  Antheil,  welchen  Euere  Hochwohlgeboren  in  tiefem 
Eindringen  in  den  Geist  der  Vorzeit  durch  vielfach  bewährten  Kunst- 
sinn und  belangreiche  Wirksamkeit  betliätigen. 

Während  ich  daher  Euere  Hochwohlgeboren  auf  diesem  Felde 
einer  vielversprechenden  Thätigkeit  mit  wahrer  Freude  und  Theil- 
nahine  hochachtungsvoll  begrüsse,  säume  ich  auch  keinen  Augenblick, 
in  Gemässheit  llochihrer  unterm  26.  Jänner  d.  J.  Z.  392  ergangenen, 
mir  am  I.März  zugekommenen  Zuschrift,  meinen  gesanimten  Clerus 
dahin  anzuweisen,  dass  derselbe  sich  angelegen  sein  lasse ,  die  etwa 
vorfindliehen  geschichtlich  artistischen  Denkmale  durch  mögliche 
Hintanhaltung  von  Verschleppung  und  muthwilllgen  Beschädigungen, 
wie  auch  durch  angemessene  Bewahrung  derselben  vor  dem  Verfalle 
zu  erhalten,  andererseits  aber  durch  Belehrung  den  Sinn  der  Bevöl- 
kerung für  die  Kunst  zu  wecken,  ferner  die  Conservatoren  wie  auch 
die  zu  ernennenden Correspondentcn  auf  die  historisch  oder  artistisch 
merkwürdigen  kirchliehen  Bauohjecte ,  deren  Theile,  Einrichtungs- 
stücke, Monumente  u.  s.  w.  aufmerksam  zu  machen  ,  und  ihnen  bei 
diessfälligen  Erhebungen  und  Forschungen  mit  Hath  und  That  eben  so 
gewissenhaft  als  kräftig  an  die  Hand  zu  gehen,  damit  so  durch 
ein  gemeinsames  Einvernehmen  ,  jene  Kunstschätze  der  Vorzeit .  die 
der  Verehiung  des  eben  in  diesen  Gegenden  am  längsten  und  ärgsten 
hausenden  Erzfeindes  des  t'hristenlluims  und  aller  Civilisation  ent- 
ronnen sein  mochten,  und  die  desshalb  an  Zahl  und  (1rt  allerdings 
spärlich  sind,  wohlbewahrt  und  erhalten  zur  Erbauung  kommender 
Geschlechter  dienen ,  mithin  die  darauf  bezügliche  Allerhöchste 
Absicht  ebenso,  als  die  von  Euerer  Hochwohlgeboren  auch  in  diesem 
Bereiche  in  voller  Thätigkeit  gedeihlich  entwickelte  Wirksamkeit 
vollends  in  Erfüllung  gehen  könne." 

Seine  fürstliche  Gnaden  der  Fürstbischof  von  liavant, 
Herr  Anton  S 1  o  m  s  c  h  e  k ,   äusserten  sich : 

„In  Erwiederung  der  verehrten  Zuschrift  vom  26.  v.  M.  Z.  392, 
womit  Euere  Hochwolilgcborcn   an  mich  das  Ansinnen  stellen,  den 

16* 


—   116    — 


unterstehenden  Diöcesanelenis  anzuweisen,  der  Erforschung  und  Erlial- 
tuni'kirelilieher  Baudenkinalc  seine  Aurinerksaml<cit  zuzuwemlcii,  und 
diessfalls  den  Conservatoren  und  Correspondonten  der  betreftenden 
U.  k.  Central-t'onimission  behülflleh  zu  sein,  kann  loh  versichern,  dass 
Euere  llocliwohlsjehorcn  damit  dem  eigenen  Wunsehc  und  dem  seit- 
heri^'cn  Bestreben  des  Ordinariales  eiitgejienkoinnien. 

Der  Herr  Conservator  für  K;irntlu'ii,  Freiherr  v.  Ankcrsholen,  hat 
diesbezüglich  bereits  wiederholt  seine  Wünsche  nun  eröllnet  und  ni;in 
ermangelte  nicht,  den  Clerus  des  kärnthnerischen  Antheils  darüber  zu 
belehren.  Ein  Gleiches  ist  das  Ordinariat  bereit  in  Bezug  auf  seinen 
Diöcesanantlieil  Steierniarks  zu  Ihun,  und  kann  nur  ersuchen,  den 
betreffenden  Herrn  Conservator  an  dasselbe  anweisen  zu  wollen,  so 
wie  es  auch  seinerseits  bei  sich  ergebenden  Restaurationen  diesem 
Gegenstande,  welcher  in  dem  Consistorial-Gremium  durch  einen  Cor- 
respoiideiilcn  der  k.  k.  Centrai-Commission  vertreten  wird, seine  voll- 
verdiente  Würdigung  und  Vorsorge  zukehret." 

Der   iiiifliwüi-digstc  liiscliiir  \im   Linz,    Hcmt  Franz 
J(isei)li  H  Ulli  gier,  entllicli  bemerkte: 

„In  Erwiederung  der  sehr  gescliülzten  Zuschrift  vom2R.  Jänner  1.  J  , 
Z.392,  habe  ich  die  Ehre  die  dienstlreundliche  Versicherung /,u  geben, 
(lass  ich  meinen  Diöcesanclerus  bei  jeder  Gelegenheit  anweisen  werde, 
gegen  die  Herren  Conservatoren  und  Corrcspondenten  der  k.  k.  Cen- 
tral-Commission  zur  Erforschung  und  Erhaltung  der  Baudenkniale  des 
österreichischen  Kaiserstaates  gefällig  zu  sein  und  kann  für  den  Erfolg 
um  so  mehr  bürgen,  als  sich  durch  dessen  Mitwirkung  in  Ober- 
Österreich  gerade  ein  katholischer  Diöcesan-Kunstverein  bildet,  der 
auch  schon  die  vorläufige  Genehmigung  Sr.  k.  k.  apostolischen 
Majestät  erhalten  hat. 

Ich  werde  auch  nicht  unterlassen,  diesen  Verein,    sobald  er  in 
Wirksamkeit  getreten  ist,  anzuweisen,  mit  der  k.  k.  Central-t'om- 


mission  für  Erforschung  und  Erhaltung  der  Baudenkmale  ins  Einver- 
nehmen zu  treten." 

In  gli'ioli  zuvürkoninipnder  Weise  und  mit  ploielier 
Bereitwilligkeit  zur  Flirdcrnng  der  wissenscliartiiciien  lU-stre- 
hungcn  der  k.  k.  Centrid-Commission  laiitendie  bisher  einge- 
langton Sehreiben  derErzhisLdiöfevon  Zara  und  Leniberg. 
der  Hischöfe  von  Laibach,  Breslau,  K  ii  n  i  ggriit  z, 
P  r  z  e  ni  y  s  1 .  N  e  u  t  r  a  mid  N  e  u  s  o  h  1. 

Sciiliessiich  erwälincn  wir.  dass  diek.  k.  Central-Com- 
missidn  ansAnlass  der  nun  V(dleii(h'ten  Organisation  und  der 
Cberseudnng  eines  E.\eni|)iars  der  Pubiicatidnen  des  .lalires 
1856  ,  aucii  die  Herren  Gouverneure  und  Statthalter  der 
Kronländer  um  kräftige  Fi'irdoruiig  der  Aufgabe  der  k.  k. 
Central-Coinmission  ersuchte.  Hierüber  haben  bis  jetzt  fnl- 
gend(!  IkM'ren  Ijäiiderehefs,  und  zwar  in  den  freundliclisten 
Worten  der  Zustimmung  geantwortet : 

Ihre  Excellenzen  die  Herren  Statthalter  von  Nieder- 
österreieh  Freiherr  v.  Emtninger,  von  Älahren  Graf 
Lazanski,  vonKrain  Graf  Chorinski,  tmd  des  Küsten- 
landes Freiherr  v.  Mertens,  Seine  Excellenz  der  Herr 
Gouveriu>ur  von  Sielicnbiirgen  Fürst  Karl  Schwarzen- 
berg,  von  Kärntlien  Fredierr  v.  Schi  oissn  igg,  der  Herr 
Landespräsident  der  Bukowina  Freiherr  v.  Schmück,  und 
die  Herren  Vorstände  der  Statthalterei- Abtheilungen  von 
Pressburg  Graf  v.  Attems,  von  Kaschau  Bitter  v.  Poche 
und  von  Grusswardein  Graf  Hermann  Zichy. 


Die  romanischen  Kirchen  zn  Zäbor  and  St.  Jakob  in  Böhmen'). 

Von  Dr.  Job.  Erasmus  Wocel,  k.  k.  (Konservator  für  Prag. 


I. 
Die  Kirelie   zu  ^Käbor. 

Nahe  an  der  Eisenbahnstation  Teinitz  liegt  in  waldiger 
Umgebung  das  Dorf  Zäbor  mit  der  Pfarrkirche  zum  heil. 
Prokiiii.  l"i)er  diese  Kirche  findet  man  in  Sonuners  To[io- 
graphie  von  Böhmen  (Cäslauer  Kreis ,  S.  332)  folgende 
merkwürdige  .\usserung:  „Die  Kirche  soll  schon  im  Jahre 
1080  von  König  Wratislaw  gebaut  worden  sein,  und  wie 
man  aus  einigen  Umständen,  z.  1$.  einem  am  'l'hurme  noch 
sichtbaren  Opferherde,  gewissen  Figuren  und  Zeicheti  am 
Portale  u.  s.w.  schliessen  will,   bereits  in  der  heidnisclien 


*)  Die  Kirche  zu  Zabor  wurde  vom  Verfüsser  des  gej^enwürtigi-n  Aufsatzes 
im  Casopis  reskt^'lio  Museum,  1840.  4.  lieft,  die  Kirciie  zu  St.  .Tiikoii  iu 
derselben  Zeitsehiift  (1S47,  2.  Heft)  beschrieben.  Eine  deutsche  Üher- 
setzuu^  di's  It'tzUTC»  Aufsatzes  erschien  im  ersten  Ileflr  dt-r  iwctiiiolojji- 
»chen  lllätler  (Prag  1848).  (;t'j;eiiwiirti);cr  SehildiTunt',  in  »i-iihcr 
alU'rdin(.'s  auf  die  neueren  FnrsctMiugru  auf  dirscui  ficliit'le  Iledacht 
genommen  wurde,  lie*^en  die  angedeuteten  höluniselu'n  Ahliaiidlungeu  zu 
Grunde.  Die  beif^efii^ten  Abbildungen  sind  von  Herrn  Hermann  Iterg- 
manu,  k.  k.  Oheringenieur,  gezeiehnct ;  die  Zeicliniuigen  zur  Zäborer 
Kirclie  waren  bei  dem  angeführten  Aufsatze  im  .lahre  t84G,  die  St.  Jakob 
belrelfenden  Darstcllungeu  im  Jahre  184S  in  drn  archäologischen 
ülättern  erschienen. 


Zeit  als  Tempel  bestanden  haben."  Durch  diese,  die  Neu- 
gierde im  hohen  Grade  spannende  Bemerkung  wurde  ich 
bewogen,  mich  nach  Zäbor  zu  verfügen,  um  das  räthselhafte 
Allerthumsdeiikmal  in  Augenschein  zu  ludimen.  Idi  begab 
mich  am  2.  August  184()  von  Knttenberg  nach  dem  etwa 
2  Stunden  enirerutcn  l)(U-fe.  iiber  dessen  Kirche  auch  in 
der  nächsten  Umgebung  gar  wunderliche,  an  das  iieid- 
nische  Alterlhum  mahnende  Sagen  verbreitet  waren.  Die 
Strasse  zieht  sich  liart  an  der  herrli(dien  Kirche  von  Sedletz 
nach  dem  Städtchen  Neuhof  hin.  das  aus  dem  Schoossc  der 
fruchtbaren,  einem  unabsehbaren  Garten  ähnlichen  Land- 
schaft mit  seinen  riptheii  Dächern  und  schmucken  Häusern 
sich  erhebt.  \Neiler  führt  der  Weg  durch  die  lange  Linden- 
allee zu  dem  grossartigon  Schlosse  Kacina,  wendet  sich 
dann  links  imd  zieht  sich  durch  Obstpflanzungen  und  am 
Saume  dunkler  Nadelgehölze  zum  D(u-fe  St.  Katharina;  hat 
man  dieses  Dorf,  dessen  massiver  altertbümliclier  Kirchcn- 
bau  die  Aufmerksamki'it  fesselt .  verlassen,  so  gewahrt  man 
bereits  den  weissen  Kinlithurm.  der  sich  über  die  iliilten 
des  nahen  Dorfes  Zäbor  eidudil. 

Zälmi-    breitet    sich    am    linken    Ufer    des    Flilsseliens 
Doubrawa  aus.  welches  dir  naiien  Elbe  zueilt;    die  nächste 


117   — 


Uingebiiiig  des  Dorfes  hilden  Kieferhaiiie.  die  Überreste  der 
weit  iiusgedehnteii  Kieferwälder,  von  weichen  das  Dorf 
(Za  bofi  =  jensoit  des  Kieferwaidos)  vor  alter  Zeit  den 
Namen  erhielt.  Als  ich  den  blank  geweissten  Kirehthurm 
mit  dem  Zwiebeldache  desZopfstyls  von  der  Ferne  erblickte, 
stiegen  in  mir  bedenkliche  Zweifel  über  die  Alterthiimlich- 
keit  eines  Banwerkes  auf,  dessen  Anstrich  und  Bekrönung 
die  Thiitigkeit  des  modernen  Barharismus  so  aulTallend  an- 
kündete;  je  deutlicher  sich  aber  der  Thurm  meinen  Augen 
darstellte,  desto  mehr  verschwand  meine  Befiirchtung.  denn 
ich  gewahrte,  dass  die  FensteröfTnungen  des  Thurnies  halb- 
rund geschlossen  und  durch  zwei  romanische  Säulchen  in 
drei  Theile  gesondert  waren.  Schade,  dass  auf  einer  der 
vierThurmfliichen  die  charakteristische  Siiulenstelkmg  in  der 
FensterütTnung  durch  ein  ungeheueres  Zilferblatt,  welches 
aber  die  Stunden  nicht  zeigt,  sondern  blos  als  eine  abson- 
derliche Zierde  sich  darstellt,  grossentheils  verdeckt  wird. 
Als  ich  der  Kirche  mich  genähert,  ward  ich  durch  den  An- 
blick des  reich  geschmückten  romanischen  Portals ,  welches 
den  Eingang  ziert,  freudig  überrascht.  In  Begleitung  des 
ehrw.  Herrn  Pfarrers  und  des  Kirchendieners  begab  ich 
mich  in  die  Kirche,  bei  welcher  Gelegenheit  der  Letztere 
es  nicht  unterliess,  meine  Aufmerksamkeit  auf  die  w'under- 
liehen  Tliiergestalten  am  Portale  zu  lenken ,  die  auf  den 
heidnischen  Ursprung  des  Baues  hinweisen  ,  welche  Mei- 
nung, seiner  Versicherung  nach,  durch  den  Anblick  des 
heidnischen  Opferherdes  im  Thurme  zur  Evidenz  gesteigert 
wird.  Als  die  Thür  gebflnet  ward  ,  erblickte  icii  vier  frei- 
stehende, schlanke  ronuuiische  Säulen,  die  ein  Kreuz- 
gewölbe tragen.  Durch  eine  hinter  dem  Altare  angebrachte 
Ofl'iiung  stiegen  wir  sodann   auf  einer  schmalen,    in  der 

Manerdicke  an- 
gebrachten stei- 
nernen Treppe 
zum  Dachstuhl 
hinauf,  wo  sich 
uns  der  Anblick 
des  vielbespro- 
chenen 0[ifer- 
herdes  darbot. 
Es  fand  siclniun, 
dass  über  der 
Kirchen«  iilhmig 
und  zwar  gerade 
über  den  vier  ro- 
manischen Säu- 
len der  Kirchen- 
halle sich  vier 
mächtige  Pfeiler 
_  erheben  ,     wel- 

(P'g-  1)  ~        che  die    Haujit- 

stützen  des  Thurmes  bilden.  Über  der  Wölbung  des  Mitlel- 
schiffes  sowohl,   als   auch  der  selmialen  Seitenschille  ruht 


eine  elwa  4  mächtige  Erilsehichle.  Di«-  mittlere  quadrat- 
förmige  Bodentläclie  /.wischen  den  vier  Pfeilern  erhebt 
sich  bedeulend  über  die  schmalen  .  iiuf  den  niedrigen  Wöl- 
bungen aufruhenden  Seitenilächen  (s.  Fig.  1  und  2).  Dieser 

erhöhte  Kaum 
zwischen  deti 
Pfeilern  sollte 
nun  der  heidni- 
sche (tpferherd 
gewesen  sein, 
welche  Meinung 
durch  Brandspu- 
ren, die  man  da- 
selbst gewahrt, 
und  durch  ei- 
nige rostformige 
Eisenfragmente, 
die  man  dort  vor- 
gefunden ,  be- 
stätigt zu  sein 
schien.  Ohne 
Zweifel  war  der 
Baum  zwischen 
den  Pfeilern  ehe- 
mals mit  Bret- 
tern verschalt 
(t''S--t  und  bililete   ein 

Gemach ,  das  dem  Thnrmwächter  zur  Wohnung  diente. 
Wahrscheinlich  vernichtete  aber  jene  \'erschaluug  ein 
Brand,  dessen  Spuren  man  noch  jetzt  gewahrt. 

Dass  übrigens  diese  Theile  des  Baues  in  späterer  Zeit 
restaurirt  wurden,  bezeugen  die  Strebebögen  neuer  Constrnc- 
tion,  welche  von  den  Pfeilern  zu  der  Hauptmauer  der  Kirche 
herüber  geschlagen  sind. 

Nachdem  ich  vom  Thurme  herabgestiegen  war,  wo  es 
mir  gelang,  den  Glauben  meiner  Begleiter  an  die  heidnische 
Bestimnuing  des  erhöhten  Bodenraumes  zu  erschüttern, 
begann  ich  die  einzelnen  Theile  des  Gebäudes  näher  zu  unter- 
suchen. Die  Kirche  besteht  ans  zwei  llauptlheileu.  welche 
auf  dem  beiliegenden  Grundrisse  deutlich  hervortreten,  iler 
schmälere ,  ohne  Zweifel  ältere  Theil,  dessen  Kreuzgewölbe 
von  vier  Säulen  gestützt  wird,  ist  32'  lang  und  27  breit; 
der  vordere,  wahrscheinlich  später  darangehaute  Hestand- 
tlieil  weitet  sich  nach  beiden  S(>iten  bedeutend  m\^  und 
misst  23'  Länge  und  42'  Breite.  \'iui  den  vier  sehlanken.  das 
^  Gewölbe  tragenden  Säulen  unterscheiden  sieh  die 
rechtsstehenden  in  der  Bildiuig  des  Capiläls  und 
der  Basis  von  den  beiden  gegenüber  helindliclien 
Salden.  Die  Deckplatte  der  Capitäle  bildet  die 
Plintlie  und  die  schräge  Selimiege:  das  unten 
{Vis-  ;!.)  abgerundete  \\  ürfeleapitäl  der  recht.>istehenden 
Säulen  (Fig.  3)  ist  an  den  Rändern  seiner  Flächen 
durch    Basreliefbänder    eingefasst.    und    wird  durch  einen 


—   118 


kräftigen  Ring  von  dem  Scliafti"  geschiedon;  dieser  Seludt 
ruht  aber  nicht  auf  einer  kuhischen,  sondern  auf  einer  eyhn- 
derformigen  Basis,  weU'he  bekanntlich  an  der  romanischen 
Säule  selten  vorzukommen  pflegt.  Anders  sind  die  ra])itide 
der  gegenüberstellenden  Siinliu  gebildet,  l'nter  der  schimik- 
iosen  Schmiege  der  Deckenplatte  der  vorderen  Siiule  ruht 
das  niedrige  unten  abgerundete  Würfelcaiiitiil,  dessen 
vier  abgerundete  Kanten  mit  vorragenden  Blattern  ornamen- 
tirt  sind.  Um  die  Schmiege  des  Capitiils  der  rückwärts  ste- 
henden Säule  (Fig.  4)  zieht  sich  aber  ein  aus  zwei  zusam- 
mengellochteuen  Strähnen  gefügtes  Ürnanieut 
(das  Tau-Ürnament):  die  unteren  Kanten  ues 
Capitäls  sind  gleichfalls  mit  vorragenden  Blät- 
tern bedeckt.  Die  Schäfte  dieser  Säulen  ruhen 
(Fig.  4.)  auf  einer  kuhischen,  oben  abgerundeten  Basis, 
welche  ein  Wulst  von  dem  Schafte  scheidet.  Die  Säulen  sind 
durcli  kräftige  Rundbogen  zusammen  verbunden,  aufwei- 
chen das  hoch  aufsteigende  Kreuzgewölbe  ruht;  von  jeder 
Säule  schwingt  sich  ein  Rundbogen  nach  der  gegenüberste- 
henden Mauer  hinüber,  und  wird  in  der  Höhe  der  Säulen- 
capitäle  von  einem  kräftigen  Kämpfer  aufgefangen,  aus 
dessen  Yordertheil  ein  Löwen-  oder  Menschenkopf  her- 
vorragt, der  aber  durch  Kalkanwiirf  bis  zur  Unkenntlichkeit 
bedeckt  erscheint.  Mau  kann  nicht  verkennen ,  dass  diese 
Construction  eine  wiewohl  entfernte  Ähnlichkeit  mit  dem 
byzantinischen  Cenfralbaue  hat.  Denn  über  der  Kreuzung  des 
quadratischen  ^liltelrauines  erhebt  sich  das  kiip[iell'örmige  Ge- 
wölbe und  an  die  mittlere  Kuppel  schlicssen  sich  Nebenkuppeln 
an.  Jedoch  scheint  diese  der  byzantinischen  Centralanlage 
sich  nähernde  Construction  bloss  zufällig  und  aus  dem  Um- 
stände hervorgegangen  zu  sein,  dass  der  Erbauer  eine  drei- 
schiffige  gewölbte  Kirche  aufTüliren  wollte,  und  dass  sicii  ihm 
bei  dem  geringen  Umfange  des  Kirdienraumes  füglich  koine 
entsprechendere  Constructionsweise  zur  Anlage  der  drei 
kleinen  Schiffe  und  der  ihnen  entsprechenden  Überwölbun- 
gen darbieten  konnte,  als  eben  die  vorhandene,  welche 
allerdings  an  die  Formen  des  Centralbaues  erinnert.  Aner- 
kannt nuiss  aber  werden,  dass  der  .\rcliitekt,  der  die  gewal- 
tige Last  des  Thurmes  auf  vier  scidanken  Säulen  setzte,  und 
den  Seitensciuib  der  Belastung  durch  kräftige  Bogen  und 
Gewölbe  auf  die  massiven  Hauptniaueruhinüberleitete,  eben 
dadurch  seine  Kenntniss  der  statischen  Grundsätze  und 
eine  für  jene  Zeit  ungewöhnliche  Einsicht  in  di(;  Regeln  der 
Bautechnik  bewährt  hatte. 

Die  Absis  scheint  ursprünglicli  halbrund,  und  an  jener 
Stelle  gewesen  zu  sein,  wo  späterhin  die  Sacristei  nach  Ab- 
tragung des  grössten  Theiles  der  Absis  angebaut  wurde.  Die 
wenigen  Mauerreste  des  Halbrundes  der  Tribüne,  die  man 
auf  den  beiliegenden  Grnndriss  gewahrt,  mahnen  an  die 
ehemalige  Beslinmiung  jenes  Raumes. 

Der  Eingang  der  kleinen  Kirche  mit  seinem 
imposanten  Portale  befand  sich  ohne  Zweifel  zwisdien 
den  zwei  mächtigen  Pfeilern,    welche  man  als  Überreste 


der  alten  Mauer  stehen  liess,  als  man  durcli  einen  neuen 
Anbau  die  Kirche  erweiterte.  Das  Portal  selbst,  dessen 
Schönheit  den  Restaurator  zur  Schonung  des  Meisterwerkes 
auffordern  mochte,  wurde  in  die  Fronleder  neu  hinzugefüg- 
ten Halle  versetzt,  wo  es  noch  jetzt,  wiewcdil  stark  beschä- 
digt, die  Bewunderung  des  Beschauers  weckt .  und  das,  lei- 
der   in    allzu    kleinem    Massstabe    in   Fig.    ö    abgebildet 


(Fi-.  5.) 

erscjieiiit.  Auf  der  linken  Seite  erheiien  sich  aufh(dien  Sockeln 
zwei  Säulen;  au  den  Füssen  derselben  gewahrt  man  das  seit 
dem  XI.  .lahrhundert  auftretende  cbai-akteristische  Ornament 
der  vier  vorragenden  Knollen  oder  Blätter.  Da  jedoch  die  Säu- 
len frei  vortreten,  so  weiset  dieser  Umstand  auf  die 
spätere  Entstehung  des  Werkes,  auf  die  zweite  Hälfte  des 
XU.  Jahrhundert  bin.  Der  Schaft  der  voi'deren  Säule  ist  mit 
verschlungenem  Blätterwerk,  jener  der  i'ückwärts  stehenden 
mit  Bandstreifen  verziert.  Das  Capital  der  Viu-dersäule  stellt 
sich  als  eine  Nachahmung  des  Korinthischen  Capitäls  dar. 


119  — 


während  dasselbe  auf  der  rückwärtigen  Säule  aus  breiten, 
schuppenförmig  auf  einander  liegenden  Blättern  gefügt 
ist;  gleich  dieser  ist  aueh  die  einzige  auf  der  rechten  Seite 
übrig  gebliebene  Säule  gebildet  und  ornamentirt.  Nur  der 
hohe  Sockel  dervorderenSäuleliat  sich  auf  der  rechten  Seite 
erhalten,  die  Säule  selbst  ist  weggebrochen.  Die  Richtung 
der  oberen  Bogen  des  Portals  zeigt  deutlicli,  dass  ursprüng- 
lich auf  beiden  Seiten  noch  eine  Säule  stand.  Üie  Meinung, 
dass  diese  Säulen  in  den  vortretenden,  das  Portal  einfassen- 
den Mauerpfeilern  eingemauert  sein  dürften,  wurde  durch  die 
Untersuchung  dieser  Pfeiler  widerlegt ,  wobei  man  zugleich 
zu  der  Überzeugung  gelangte,  dass  das  Portal  in  den  neuen 
Anbau  auf  eine  barbarische  Weise ,  wobei  der  bedeutsam 
vortretende  Portalschkiss  /erstört  ward,  hineingezwängt 
wurde.  Das  von  den  Säulen  ohne  Vermittelung  der  Deckplatte 
getragene  Gesims  wird  durch  das  breitblätterige  Fächer- 
ornament gebildet.  Die  Glieder  der  Überwülbung  des  Por- 
tals sind  mit  reichem,  überaus  zierlichem  Basreliefschmucke 
bedeckt,  dessgleichen  man  an  romanischen  Portalen  selten 
findet.  In  neun  Halbkreisen  schwingt  sich  der  Portalbogen 
hinüber;  vier  von  denselben  treten  wulstflirmig  vor,  während 
die  übrigen  sich  als  Hohlkehlen  darstellen.  Den  untersten 
Halbkreis  ziert  ein  dem  Geissblatt  ähnliches  Laubwerk ;  der 
folgende  VVulstbogen  stellt  sieh  von  Bändern  imischlungen 
dar,  während  die  Hohlkehle  des  dritten  Bogengliedes  mit 
Laubwerk  von  Distelblattform  (Fig.  (i)  ausgefüllt  ist;  den 
\^yk.A./  darauf  folgenden  Wulstbogen  zieren  fein 

^      '' ^         gebildete    Akanthusblätter.      Im   fünften 

3L_La Bogen    sind    Pferde,    Kühe  und   Schafe 

(Fig.  6.)  hinter    einander    schreitend    dargestellt, 

und  unter  ihnen  der  Hirt  in  ruhender  Stellung.  Den  sechsten 
Bogen  schmücken  von  Bänilern  zierlich  umschlungene  Pal- 
metteii;  im  siebenten  stellen  sich  gekerbte  Blätter  dar,  die 
gleichfalls  von  Bänderkränzen  eingefasst  sind  (Fig.  7),  im 
"ff^^  achten  Halbkreise  sind  Eidechsen  dar- 
gestellt, der  letzte  Bogen  ist  aber  mit 
liändern,  die  gitterformig  einander  diu-ch- 
flechten,  geziert;   leider  sind  die  oberen 


(Fig.  7.) 

Partien  des  Schmuckes  der  beiden  letzten  Halbkreise  bei- 
nahe unkennbar. 

Die  Portalbildung  der  romanischen  Kirchen  Deutscli- 
lands  beschränkt  sich  in  ihrer  Ausschmückung  meistens  auf 
die  Gliederung,  welche  zwischen  Wülsten,  Höhlungen.  Stäb- 
chen U.S.W,  wechselt.  Zu  den  Seltenlieitcn  gebort  die  reiche 
Ausschmückung  der  Arehivolte  des  Bogens,  wie  am  Portale 
der  St.  Jakobskirche  zu  Coesfeld  in  Westphalen  und  am 
Portale  der  Capelle  zu  Kloster  Heilsbronn  bei  Nürnberg. 

Das  Portal  zu  Zäbof  hat  nicht  die  kräftige  Ausladung 
und  die  massive  Form  der  romanischen  Kirchen  in  Sachsen, 
welche  dagegen  an  den  romanischen  Kirchenbauten  im 
Westen  Böhmens  charakteristisch  auftritt.  An  unserem  Portale 


gibt  sich  vielmehr  das  StiX'ben  nach  einer  zarten  und  ele- 
ganten Durchbildung  kund,  welches  noch  jetzt ,  trotz  des  arg 
verstümmelten  Zustandes,  in  dem  sich  dieses  Denkmal  befin- 
det, einen  ästhetisch  befriedigenden  Eindruck  übt. 

Auf  die  Frage ,  wann  und  von  wem  die  Kirche  zu 
Zäbor  erbaut  wurde  ,  geben  unsere  historischen  Quellen 
keine  .\ntwort.  Die  erste  Erwähnung  der  Kirche  zu  Zäbor 
enthalten  die  Libri  coutirniatioiiuiii ,  wo  erwähnt  wird,  dass 
im  Jahre  1 362  der  Abt  des  Klosters  Sedletz  der  Gemeinde 
zu  Zäbof  einen  Priester  wählte,  welcher  von  dem  Pfarrer 
zu  Kresetic  den  23.  Mai  desselben  Jahres  in  die  Zäborer 
Kirche  eingeführt  ward. 

Das  Cistercienserkloster  Sedletz  wurde  um  das  Jahr 
1142  gegründet.  Unter  den  Gütern,  welche  der  edle  Do- 
nator Miroslaw  dem  Kloster  übergab  *),  linden  wir  das  Dorf 
Zabof  nicht,  welches  höchst  wahrscheinlich  erst  am  Ende  des 
XIII.  Jahrh.  durch  Kauf  an  das  Sedletzer  Kloster  kam. 
Aus  der  bei  Schaller  angeführten  Originalurkunde  -)  erhellt, 
dass  der  Abt  Nikolaus  den  Wald  Bor  (Fichtenwald),  der  sich 
von  t'äslau  bis  Koliu  und  weithin  längs  der  Elbe  erstreckte, 
im  Jahre  1278  angekauft  hatte.  Zäboi-i  (d.  i.  hinter  dem 
Fichtenwalde)  lag  aber  an  dem  nördlichen  Saume  dieser 
Waldstreckc,  und  fiel  ohne  Zweifel  damals  sammt  der  be- 
reits daselbst  bestehenden  Kirche  an  das  Kloster.  Dass 
dieser  Bau  nicht  am  Schlüsse  des  XIII.  Jahrhunderts  aus- 
geführt ward,  erhellt  aus  der  Betrachtung  dieses  romani- 
schen Bauwerkes  selbst.  Ein  Beispiel  der  Art  und  Weise,  wie 
die  Sedletzer  Mönche  am  Schlüsse  des  XIII.  und  am  Anfange 
des  XIV.  Jahrhunderts  die  Dorfkirehen  aufzuführen  pflegten, 
hat  sich  in  der  im  Jahre  1307  erbauten  Kirche  des  nahe  bei 
Zäbof  liegenden  Dorfes  St.  Katharina  erhalten.  Dasselbe 
stellt  sich  als  ein  fester  Thurm  dar  mit  schmalen  Schiess- 
scharten ähulichen  Ollnungen  und  engen  gothischen  Fen- 
stern; das  vierseitige  Presbyteriuni  ist  im  Inneren  durch  ei- 
nen sehr  roh  gebildeten  gothischen  Bogen  von  dem  übrigen 
Baume  dieses  Thuruikirchleins  getrennt,  das  mit  seiner  ma.s- 
siven  Structur  und  seinen  Schiessscharten  sich  als  ein  festes 
Vcrtheidigungswerk  dar.stellt,  und  auf  den  von  ("astellum 
abgeleiteten  böhmischen  Namen  Kostel  mit  vollem  Hechte 
Ansprucli  macht. 

Die  bei  Souuner  ohne  Anführung  der  Quelle  vorkom- 
mende Angabe,  dass  die  Kirche  zu  Zäbof  im  Jahre  1080  vom 
König  Wratislaw  gegründet  wurde,  dürfte  sich  höchstens 
auf  die  ursprüngliche  (iründung  der  Kirche  beziehen,  keines- 
wegs aber  auf  das  Portal  derselben ,  dessen  Gliederung  und 
Ornamente  Formen  darstellen,  welche  bereits  dem  reichent- 
wickelten romanischen  Style  der  zweiten  Hälfte  des  XII.  Jahr- 
hunderts angehören. 


')   Stifluugsurkunde  in  Erbcn's  Regeslon,  S.  10.!. 
2)  ScIiaUer's  Topdirrapliii'  Bülimcns,  0.  TI».  CO. 


120   — 


Alte  Kunstdenkmale  in  Botzen  nnd  seiner  Umgebung. 

Von  Aloys   Messiner,  CoiTCspondcnten  der  k.  k.  Central -L'oinmission  in  lirixcn. 


III. 


Die  Veste  Runglsteiri  auf  einem  Felsen  hart  über 
dem  Talfcrbiioh  erbaut  und  den  Kinnaiis'  insSarntlial  beherr- 
schend, ki'iiiimt  als  Bauwerk  iiiclit  in  lietrachl,  indem  mit 
Ausnahme  eines  gothischenKandns  nichts  eine  ediere  Weise 
un  sich  trägt;  einzig  in  ihrer  Art  aber  sind  die  noch  tlieil- 
weise  in  derHurg  erliaitenen  (lemiilde.  DasSchloss  wurde  im 
XIII.  Jahrhundert  durch  die  Herren  von  Wangen  erbaut 
und  blieb  Lehengut  der  Bischöfe  von  Trient,  i380  kamen 
die  Herren  von  Vintler  in  Pfand-  und  i3i11  in  Lehenbesitz 
des  Schlosses. 

Tiiter  dem  mächtigen  Nikolaus  Vintler.  der 
von  da  an  bis  zu  seinem  Todesjahre  1413  im  Besitze  blieb, 
war  auf  Hungistein  ein  glänzendes  und  geistreiches  ritter- 
liches Leben.  Hier  lebte  Heinz  Sentlinger  von  München 
als  Bücherabschreiber  und  Diciiter;  hier  sammelte  Konrad 
Vintler.  des  Nikolaus  Vetter.  Haiidscliriften  zu  einer 
Bibliothek  und  schrieb  1411  das  „Tugentbuch"  <)•  l  nter 
JCikolaus  fand  eine  Erneuerung  des  Schlosses  Statt,  doch 
scheint  das  dalir  nicht  völlig  ermittelt  zu  sein.  Nach  einer 
von  Heda  Weber  (die  Stadt  Botzen,  S.  23S)  angeführten 
.\ufschreibung.  im  Uesitze  des  Karl  von  Vintler  in  IMeraii, 
wäre  es  im  Jahre  1388  geschehen;  Maeriiofen  in  seinen 
-Aufzeichnungen  über  die  tirolischen  Adelsgeschlecbter  hat 
die  Notiz:  „Nikolaus  Ritter...  Erneuerte  13!t(;  das  alte 
Schloss  Rnngistein"  •).  rngefähr  aus  dieser  Zeit  rühren 
also  ohne  Zweifel  die  erwähnten  Gemälde  her.  Sie  bedurften 
Anfangs  des  XVI.  Jahrhunderts  itereits  einer  Bestaui-ation  und 
Kaiser  Jlax  1.  bat  laut  seiner  Aufscbreibungen  eine  Suunnc 
Geldes  darauf  verwendet.  Seitdem  befand  sich  das  Schloss 
in  den  vcrscIiiedenstiMi  Iläiidcii.  nnd  ist  nun  als  Mensalgut 
des  Bischofs  von  Trient  verpachtet.  Die  Gemälde  blieben 
in  dem  inuner  bantalliger  werdemlen  Gebäude  jeder  L'nbild 
der  Wilternng  und  nmthwilliger  Zerstörung  preisgegeben 
und  sind  daher  beule  entweder  ganz  vernichtet  oder  Im 
traurigsten  Znstande.  Nur  der  poetische  Gedanke,  der  das 
Ganze  durchdringt  und  einen  Einblick  in  die  ritterliche 
Fühlweise  damaliger  Zeit  gewährt,  webt  noch  aus  i\i-n  zer- 
störten Darstellungen.  Mau  tritt  von  der  Südseite  durch  ein 
einfaches  .spitzbogiges  l'ortal  nut  der  Jabrzahl  lö31  in  einen 
nicht  sehr  geräumigen  Hof,  den  die  Schlos.sgcbäude  von  drei 
Seiten  einschliessen.  Gegen  Osten  befindet  sich  zu  ebener 
Erde  die  kleine  rundbogige  ('ajiclle.  Sie  hat  eine  Zeit  lang 
als  Stall  gedient,  nun  dringt  jeder  Hegen  ein;  dadurch  ist 


')  S.    ilas    l'riT;,'r;iinrii     des    OliLM-Gymnnsiuiiis    »mi    liiiisliruik    vun    l-ii;t/, 

Ziilgerl.-.    IS.JI. 
-)  .S.  das  »iigeriilirU-  l'rosriiiiini.  ' 


der  l'berwurf  mit  den  darauf  befindlichen  Gemälden  fast 
bis  auf  die  letzte  Spur  herabgefallen.  Darüber  siebt  man  an 
der  .\ussenseile  der  Mauer  eine  Stiege  und  oben  eincThiir- 
öffnung,  an  der  noch  ein  paar  Frauengestaltcn  sichtbar  sind; 
sonst  ist  dieser  ganze  östliche  Flügel  bis  auf  die  l'ndangs- 
niauern  verfallen.  .Auf  der  AN'estseite  des  Hofes  findet  sich 
die  nuinnehrige  l'ächterwohnuiig,  in  deren  Ohergesciioss 
sich  ein  paar  alte  Gemächer  erhalten  haben.  In  einem  der- 
selben sinil  noch  die  Gemälde  re(dit  gut  kenntlich.  Sie  stellen 
allerlei  ritterliche  Kurzweil  dar:  Tanz,  Balls[)iel,  Treibjagd 
und  Hochjagd.  Die  Bilder  tragen  den  alterthündichsten 
Typus;  die  Gestalten  überscblank, die  Bewegungen  gezwun- 
gen und  allectirt.  die  (iesichter  ohne  natürlichen  .Ausdruck; 
die  llnn'isse  sind  mit  schwärzli(dien  liinien  gemacht.  Für 
die  Costümkunde  würden  diese  Bilder  mehr  Ausbeute  geben 
als  für  die  Kunst.  Ich  halte  sie  für  die  ältesten.  .Am  besten 
ist  noch  der  nördliche  Flügel  erhalten.  Er  bildet  zu  ebener 
Erde  eine  gegen  den  Hofrauin  oll'euc  Halle;  darüber  geht 
der  ganzen  Breite  nach  ein  hölzerner  Söller,  von  dem  man 
in  zwei  Säle  gelangt,  die  auf  der  ermähnten  Halle  stehen. 
Die  Halle  zeigt  vorne  gemauerte  Pfeiler  und  Bogen,  die  ganz 
mit  sogenannter  grüner  Erde  gemalt  sind.  Die  Darstellungen 
auf  der  Innenseite  der  Bogen  sind  allegoriscir,  z.  B.  Musien, 
Philosophia,  Geometria  u.  s  w.  Die  Front  ist  mit  Bildern 
von  allerlei  Fürsten  in  Medaillons  bedeckt.  Sie  siiul  sehr  gut 
gezeichnet,  meistens  von  freier  llaltinig  und  ausdrucksvollen 
Mienen;  Namen  sind  nur  mehr  sehr  wenige  lesbar.  Der 
obere  Bau,  der  Söller  und  die  zwei  Säle  bilden  durch  ihre 
Darstellungen  gewissermassen  ein  Ganzes  von  allem  ritter- 
lich-poetischen Dichten  und  Trachten.  Die  Hinterinauer 
des  Söllers  ist  durch  die  Gestalten  der  ganzen  jioeti- 
schen  Chronik  bevölkert,  die,  mich  der  Dreizahl  geord- 
net, den  Eintretenden  begrüsscn.  Den  Anfang  machen  drei 
römische  Kaiser;  dann  konunen  drei  jüdische  Krieger,  die 
NamiMi  von  Josue  und  David  sind  nocdi  lesbar;  drei  Fürsten 
der  Heldensage  mid  Geseliichte .  lesbar  die  Namen  von 
.Artus  und  Gottliicd;  di-ei  Helden  der  Tafelrunde .  lesbar : 
Parcival  und  Gau  ein:  drei  Helden  deutscher  Sage:  Dietrich 
von  Bern  mit  dem  Schwerte  Sa<'lis.  Siegfried  mit  dem  Palla- 
urgg,  Dietlieb  von  Steier  mit  dem  Belsiing:  drei  Biesen, 
endlich  drei  weibliche  Ungeheuer  „von  allen  l'ngeheuern 
die  ungebeurigsten",  wie  die  Inschrift  lautet.  \n  der  Ecke, 
wo  sich  der  östliche  Flügel  anschliesst,  sieht  man  noch  ein 
räthselhaftes  Kampfspicl  und  eine  Dame,  die  Miiiiietrank 
credenzt.  Die  .Auslubrnng  dieser  Bilder  ist  ziemlich  hand- 
werksmässig  nnd  ausser  dem  grossartigen  Gedanken  wenig 
daran  zu  bewundern.  Nun  tritt  man  zunächst  in  einen  Sual, 


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—  121 


der  giiiiz  mit  Fresken  in  grüner  Erde  aus  Gottfried"s  „Tri- 
stan und  Isolt"  ausgeziert  war.  Leider  ist  eine  Hälfte  davon 
vor  einigen  Jahren  unverantwortlich  mit  Theaterdecorations- 
Figiiren  üherschniiert  worden  und  nur  rechtzeitige  Dazwi- 
schenkunft  rettete  die  übrigen,  die  mit  einer  Aufhöhung 
durch  weisse  Linien  davon  kämmen.  Was  noch  übrig  ist, 
sind  ungefähr  folgende  Bilder:  Tristan  erlegt  Moralt  von 
Irland;  Trislan's  Heimfahrt  nach  dem  Siege;  seine  Werbe- 
fahrt nach  Isolden  für  seinen  Oheim  Marke;  sein  Kampf 
mit  dem  Drachen;  Isolt  findet  ihn  ermattet  im  Walde;  sie 
belauscht  ihn  im  Bade;  die  Werbung;  die  Heimfahrt  und  der 
unbewusste  Liebestrank;  die  Hochzeit  von  König  Marke 
und  Isolt;  die  List  der  Liebenden  im  mehreren  Scenen; 
endlich  Isolt's  Unschuldsprobe  zu  Westminster.  Diese  Bilder 
sind  von  reicher,  lebendiger  Composition  und  charakteristi- 
scher Zeichnung.  Sie  sind  entschieden  das  Beste,  was  auf 
Rungistein  zu  sehen  ist.  Der  andere  Saal  ist  den  Helden 
der  Tafelrunde  und  ihren  Abenteuern  geweiht.  Man  sieht  sie 
gleich  am  Eingange  um  die  Tafel  versammelt,  dann  in  unter- 
schiedlichen Sehlachten,  Zweikämpfen,  Belagerungen,  Spie- 
len u.  s.  w.  beschäftigt.  Zeichnung  und  Farbe  sind  sehr  ver- 
wischt und  sonst  zerstört;  sie  haben  auch  entschieden  gerin- 
geren künstlerischen  Werth  als  die  vorerwähnten.  In  diesem 
Saale  befindet  sich  der  anfangs  erwähnte  Kamin;  der  Ober- 
boden ist  (wie  in  allen  Gemächern)  von  Ibdz  und  schup- 
penartig mit  Farben  bemalt  ')■ 

Eine  kleine  halbe  Stunde  westlich  von  Botzen  steht  das 
Kloster  Gries,  dessen  Glockenthurm  wir  oben  genannt 
haben.  Bis  ins  XV.  Jahrb.  bestand  hier  die  landesfürstliche 
Burg P radein,  dann  ging  sie  in  die  Hände  der  Augustiner 
Chorherren  über.  Diese  waren  bereits  seit  II CS  in  der  Au 
(inAugia)  amTalferbache  angesiedelt;  von  der  Talfer bedroht, 
erhielten  sie  1406  vom  Herzoge  Leopold  das  Schloss 
und  siedelten  1417  hieher  über.  Das  Stift  wurde  1808  auf- 
gehoben und  ist  seit  1841  den  Benedictinern  von  Muri  über- 
geben, die  sich  sinnig  und  geschmackvoll  eingerichtet  haben. 
Von  dem  Kunstgeschmacke  seiner  frühern  Bewohner  ist 
hauptsächlich  nur  die  im  vorigen  Jahrhunderte  gebaute  Stifts- 
kirche mit  den  herrlichen  Gemälden  Knoller'sein  Denkmal. 
Vom  Mittelalter  blieb  nur  noch  ein  hübscher  gotliischer 
Saal;  vielleicht  ein  Oratorium  oder  Capitelsaal,  in  dem  nun 
einige  alte  Bilder  und  Sehnitzwerke  angemessen  unterge- 
^/  rächt  sind.  Merkwürdiger  ist  die  alte  gothische  Pfarrkirche, 
die  auf  dem  Hintergrunde  des  üppig  grünen  Berges  ein 
wundei'liebliches  Landschaftsbild  gewährt.  Sie  hiess  vor 
Zeiten  zu  „Unserer  Lieben  Frau  im  Keller'-  von  einem  ver- 
ehrten Muttergottesbilde  ,  das  der  Sage  nach  in  den  Kellern 
der  landesfürstlichen  Burg  Pradein  gefunden  worden  sein 
soll   und  sich  nun  in  der  Stiftskirche  befindet.  Die  Pfarre, 


die  früher  von  Freising  aus  verwaltet  worden  war.  wurde 
auf  Verwendung   des   Herzogs   Friedrich    mit    der    leeren 
Tasche    bei    Papst    Johann    XXIII    im    Jahre    1411     den 
.Augustiner  Chorherren   übergeben.    Es    ist   nicht   unwahr- 
scheinlich,   dass    der  Bau    der   Pfarrkirche   um   jene    Zeit 
begonnen   wurde   und    gegen   Ende  des  XV.  Jahrhunderts 
vollendet  war.  Darauf  deutet  jedenfalls  die  Bestellung  eines 
kostbaren  Altars  im  Jahre  1481  hin,  wovon  die  Rede  sein 
wird.  Auch  der  Baustyl  stiuunt  überein,  während  die  Vorhalle 
vor  dem  Hauptportale,    die  die  Jahrzahl   1539  trägt,  kaum 
mehr  gothisch   zu   nennen  ist.    Diess    Portal    befindet  sich 
an  der  südlichen,  dem  Dorfe  zugewendeten  Seite.  Der  Clior- 
schluss  ist  aus  dem  Achtecke  construirt.  Am  Chor  südlich  ist 
die  Muttergottes-Capelle  herausgebaut,  die  wie  der  Querarm 
einer  Kreuzkirche  aussieht.   Der  Thurm  ist  viereckig  und 
zeigt  zwei   gothische  Schallfenster  über  einander,    die    ein 
hübsches  Masswerk  haben,  aber  unschön  sitzt  die  achtsei- 
tige, gemauerte,  überlange  Dachpyramide  darauf.  Chor  und 
Capelle  sind  aus  Sandsteinquadern  aufgeführt,  das  Übrige  aus 
Mauerwerk.    Das  Innere  der  Kirche  hat  nur  ein  SchilT  und 
den  Chor  von  gleicher  Weite.  Das  Schill"  mnfasst  drei,  der 
Chor   zwei  Bogenlängen  von   ungefähr   10  Schritten.  Der 
Chor  ist  in  sehr  reinem  Style  gebaut  und  besonders  das  Laub- 
werk am  Fronbogen   von  grosser   Schönheit.  Er  ist  ohne 
Zweifel  der  älteste  Theil  des  Baues.  Junger  ist  das  Schill', 
das  beweisen  die   Wandsäulchen,    die    ohne    Capital    die 
Rippen  aussenden.  Der  jüngste  Theil  ist  die  Capelle,  deren 
Gewölbe  bereits  mannigfach  gekriinunte  Rippen  zeigt  und 
Fenster  mit  spät-gothischem  Maasswerk.  Sehr  schön  ist  das 
an  der  Nordseite    angebrachte    Portal    der    Capelle;    zwei 
geschweifte  Spitzbogen  schlingen  sich  annuitliig  in  einander, 
von  Spitzsäulen  flankirt.    Die  Kirche  wurde  1808  bei  .Auf- 
hebung des  Stiftes  Gries   geschlossen;   nun  ist  sie  wieder 
in  ihre  alten  Ehren  eingesetzt  und  würdig  hergestellt.  Hier 
(in  der  Mariencapelle)  hat  sich  ein  schönes  .Altarwerk  von 
unserem   vaterländischen  Künstlern   Michael    Pacher   von 
Bruneck,  dem  Meister  des  herrlichenAltares  zu  St.  "Wolfgang 
in    Oberösterreich,    freilich  nur  theilweise  erhalten.    Über 
die  Identität  des  Werkes  kann  kein  Zweifel  sein,  da  sich  im 
städtisclieu    Archiv  zu  Botzen    noch   die    Vertragsurkunde 
befindet,  laut  welcher  die  Besteller  von  Gries  mit  dem  Meister 
eins  werden,  dass  er  für  U.  L.  F.  Pfarrkirche  zu  Gries  eine 
Tafel,  bestehend  aus  geschnittenen  uiul  gemalten  Bildern,  für 
die  Summe  von  vierthalbhuiulert  Mark  Perner  guter  Mera- 
ner-Münz  beschaire.    Sie   ist  ausgestellt   am  Montag    nach 
Urbani  1481  ')• 

Von  den  in  der  Urkunde  genannten  Bildern  ist  gegen- 
wärtig nur  noch  der  grössere  Theil  der  Schnitzwerke  des 


*J  Oer  Maler  Seelos  hat  von  den  meisten  dieser  llilder  Zeiehiuingeii 
genommen,  die  im  Ferdinandeitni  ?.u  Innsbruck  hinterlegt  sind.  Die  Ver- 
öffentlichung derselben,  von  der  einmal  die  Uede  war,  liess  bisher 
auf  sich  warten. 


•)  Ich  folge  hier  dem  Abdrucke,  den  Dr.  Förster  im  deutsche«  Kunst- 
blatt ISöli,  Nr.  Ijmitgclheilt  hat.  Ladurner  gibt  aber  S.  14  der  .Bei- 
träge** das  Jahr  1471  an.  Uas  Werk  selbst  macht  die  letztere  Jahr- 
zabl  wahrscheinlicher.  Denn  da  der  Altar  in  St.  Wollgang  laut  seiner 
Inschrift  1481   aufgestellt  ist,  so  niüsste  der  Griescr  Allar  unmittelbar 


II. 


ii 


122   


Mittelsehieines   sichtlmr:    Maiiii   Krilmiiic:  durch  Vator  und 
Sohn, St.  Barbara  und Katluuina,  St.  Michael  und  St.  Erasmus. 
die  heil,  drei  Könige  und  der  Engelgruss.  Von  den  Malereien 
ist   au.'iser    einigen   Engelgestalten  im  Hintergründe  nichts 
mehr  zu  sehen,  und  es  sind  hei  der  neuerliclien  Hostaurirung 
einige  Schnitzbilder  andern l'rsprungs  da/.\i  gekdiiimen.  Man 
kann  leider  auch   nicht  sagen,  dass    durcii    die    Bemalung 
überall  die  Zartlieit  des  .Vusdruekes  und  dtM-  Charakteristik 
gewahrt  wurde;  vielmehr  sind  manche  Köpfe  ziendich  nichts- 
sagend geworden.    Was  nun  den  künstlerischen  Werth  des 
Werkes  betrifft,  so  macht  das  Ganze  einen  ebenso  anniutliigen 
als    kirchlich    feierlichen    Eindruck :     die   Verbindung  des 
Architektonischen  und  Malerischen  thut  die  beste  Wirkung; 
die  Technik,  besonders  in  dem  zarten  spät-gothischen  Zier- 
und  Nischenwerk  ist  ausgezeichnet.    In  den  einzelnen  Ge- 
stalten verniisst  man  freilieh  eigentliche  Formschönheit   und 
und  Idealität;  es  ist  hingegen  ein  Streben  nach  naiver  Natur- 
wahrheit sichtbar.   Dadurch  hat  z.  B.  Maria  ein  allerliebstes 
Stimipfniischen  und  ein  ganz  mädchenhaftes  Gesicht  erhalten, 
und  manche  Jläinierköpfe  sind  frisch  aus  dem  Leben  genom- 
men;   am   besten   gelungen  sind   die   Kindergesichter   der 
Engel.  Diess  naturalistische  Element,  so  wie  die  hie  und  da 
audallend    starren    Faltenbrüche    der    Gewänder   vei'rathen 
deutlich  den  Eiiilluss  der  niederdeutschen  Schule.    Dennoch 
macht  er  vom  Zeit-Costüm  nur  einen  bescheidenen  Gebrauch 
und  hat  die  herkömmliche  kirchliche  Gewandung  meistens 
beibehalten.    Die  feierliche  Haltung  des    Ganzen  erhält  es 
weit  über  das  Genreartige  späterer  .\rbeiten  dieser  Art  und 
sichert    ihm    den    Werth    eines    kirchlichen    Kunstwerkes. 
Dennoch  hat  es  bei  Weitem   nicht  die  Grossartigkeit   und 
Durchbildung,  die  das  Altarwerk  zu  S.  Wolfgang  zeigt.    Es 
ist   diess  das  einzige  Werk,    das  bis  jetzt  diesem  vaterlän- 
dischen Künstler  in  Tirol  mit  urkundlicher  Sicherheit  zuge- 
schrieben  werden  kann  ;  aber  die  Bestellungen  für  die  Pfarre 
zu  Botzen,  die  Stiftskirche  zu  St.  Wolfgang,  und    manches 
ähnliche  Werk  im  Pusterthale,  so  wie  ein  gewi.sser  ihm  nach- 
gebildeter  Typus   späterer  Werke    zeigen   seinen  grossen 
Einfluss,  sowie  der  für  jene  Zeit  bedeutende  Preis  des  Altares 
zu  Gries  beweiset,  wie  sehr  man  seine  Arbeiten  zu  schätzen 
wusste. 

Anderthalb  Stunden  von  Gries,  an  der  Strasse  nach 
Meran.  liegt  das  Dorf  Terlan  mit  seiner  alterthündichen 
Kirche.  Sie  ist  ganz  aus  gelblichen  Sandsteinquadern  gebaut 
und  zeigt,  besonders  von  vorue,  sehr  elegante  Verhältnisse, 
leider  aber  ist  der  beste  Theil  ihrer  baulichen  Schönheit 
unrettbar  zerstört,  indem  der  BchIcu  innen  und  aussen  durch 


darauf  gefofgl  sein,  wozu  seine  enUehicden  geringere  Meisterschaft 
schlecht  stimmt.  Da  es  in  der  frkiinde  heissl,  er  soMe  unserer 
Liehen  Frauen  Krl.iiiing  machen  „in  aller  der  .Maass  als  im  U.  L.  K. 
Pfarrkirche  in  der  Tafel  ,.u  Bolien  steht" ,  so  he/.iel,l  diess  Fürster 
auf  denselben  Altar,  den  derselhe  I'acher  für  die  lli.t/.ner  Pfarre 
verfertigte.  I).i»  ist  ein  Irrthum ,  indem  dieser  Altar  erst  1482— «;i 
gemacht  wurde.  Es  wird  vielmehr  der  14'il  hei  .Meister  Hans  Mnler 
»on    Judenburg    bestelle  Altar  gemeint  sein. 


lue  Versumpfungen  der  Etsch  um  mehrere  Schuh  aufget'iillt 
wurde,   (her  die  Bauzeit  konnte  ich  kein  sichereres  Datum 
auftreiben,  als  dieAngabe  von  Beda  Weber,  dass  sie  gegen 
Ende  des  XIV.  Jahrhunderts  von  Bittern  von  Niederthor,  die 
in   dem   nahen  Schloss  gleichen  iNamens  hausten  und  deren 
\Vappenman  auf  einem  (irabsteine  sieht,  erbaut  worden  sei. 
An  der  Nordseite   der   Kirche   steht   aber   ein   Baurest  aus 
älterer  Zeit,  nämlicii  ein  viereckiger  nicht  sehr  hoher  roma- 
nischer tjlockenthurm  mit  drei  Beihen  rundbogiger.  säulen- 
getheilter  Schalll'enster  über  einander.  Er  gehört  olVenbar  in 
die    Classe  jeuer  älteren  Kirchenbauten ,  deren  w'iv  in  der 
nächsten    l'mgehung  von   Botzen    ein    paar  aus  dem    Ende 
des  Xll.  Jahrhundorts  genannt  haben.   Er  ist  aber  weniger 
massiv   als  jene   und  von  eleganteren  \'erliältnissen,  dürfte 
daher   ins  XIII.  Jahrhundert  zu  versetzen  sein.  Die  kleine 
Kirche,  die  er  überragt  haben  wii-d.   wurde  gleichzeitig  mit 
dem  Bau  der  grossem  Kirche  gotbiscli  iieiigehaiit  und  bildet 
nun   ein    nördliches   Nebensehiff  oder  eine  Seitencapelle  zu 
jener.   Der    Sockel    der   Kirche   von   aussen    ist  durch    die 
erwähnte  Bodenerhöhung  unsichtbar  geworden.    Die   ein- 
fachen  Strebepfeiler  sind   durch   dreifache  Schrägen  ver- 
jüngt: die  zwei  äussersten  an  der  Südseite  gegen  die  Front 
sind  zierlich  zn  Nischen  ausgearbeitet,  mit  Indischem,  gothi- 
hischem   Detail;   die  Statuen   aber  fehlen.    Die  Fajade  hat 
dadurch  ein  Missverhältniss  bekommen,  dass  die  nördliche 
Seitencapelle   mit   unter   das  Dach  genommen  wurde.   Das 
Portal  ist  niodernisirt,  darüber  ist  aber  noch  eine  gothische 
Einfassung   geblieben,    in  deren   Bogenfeld   man  nach  zwei 
verstümmelte  Statuen,  Maria  Krönung  darstellend,  in  alter- 
thündicher  Sleinarbeit  sieht.     Das  Innere  zeigt    ein  Schiff 
mit   der    erwähnten   Nebencapelle,    in    die    zwei    schwere 
Spitzbogen  führen.   Hier   zeigt  die  Anlage  mancherlei  Lau- 
nen und  Verschiebungen;    das  Detail  ist  nicht  ohne  Schön- 
heit.   Kräftig   profilirle  Bip|ien    kreuzen  das    Gewölbe   und 
hülfen  an  den  Seitenwänden  herab,  im  StdiilV  auf  Tragsteinen, 
im   Chor  auf  Wandsäulchen  mit    alterthündichen  Caiiitäien 
ruhend.  Die  ganze  Kirche  soll  ehemals  mit  Fresken  bedeckt 
gewesen  sein;  ein  sehr  beschädigti's  Fragment.  Maria  Ver- 
mählung darstellend,  hat  sieb  noch  erhalten.  Eine  besondere 
Merkwürdigkeit  ist  noch  der  zweite  grosse  Glockenthurm, 
welidier  an  der  Südwestseile  der  Kirche,    etwas  von    ihr 
abstehend,  gebaut  ist.  Er  bildet  ein  massives  Viereck,  aus 
Porphyr-tjuadcrn  aufgeführt ,  mit  einem  gothischen  Spitz- 
daclie.  Es  kommen  in  hiesiger  Gegend  nach  ein  paarBeispiele 
solch  is(dirler  Thürme  vor,  die  in  gotliisclier  Zeit  selten  sein 
dürften.   Der    hiesige  zeigt    die    Absicht   eines   imposanten 
selbstständigen  Baues  sehrdeutlich,  sowcdil  durch  dus  äusserst 
spröde  Material,  als  durch  seine  Maasse,  ilie  für  die  Kirche 
iinverhältnissmässig    gross    sind.     Er  steht    übrigens    sehr 
bedeiileiid  schief,  sodass  ängstliche  Seelen  zu  wiederhelten 
Malen  den  Einsturz  befürchteten  und  siiinreicdie  l*laiie  ent- 
warfen, solchem  rnheil    vorzuhengen.    .\iich    hat  man   sich 
die  Köpfe  zerbrochen,  ob  ilin  der  übcrmüthige  Künstler  sh 


123   — 


gestellt  oder  ob  er  von  selbst  in  diese  schiefe  Stellung 
gei'iitlien  sei.  Wer  aber  den  sumpfigen  Boden  und  das 
locker  gewordene  Gefüge  der  untern  Quaderstücke  in  Be- 
tracht zieht,  wird  darüber  keinen  Zweifel  hegen. 

Eine  der  gri'issten  Pfarrkirchen  in  der  Nähe  von  Botzen 
ist  die  zu  St.  Paulus,  die  in  ihrer  Anlage  einen  bed^uten- 
ilen  Aufwand  von  Ausdauer  und  Geschicklichkeit,  aber  auch 
inaucherlei  Seltsames  zeigt.  Über  die  Bauzeit  dieser  Kirche 
äussert  sich  Staffier  („Tirol  und  Vorarlberg"  2.  Tbl. 
S.  809)  „sie  sei  an  der  Stelle  der  alten  zu  den  12  Boten 
gegen  Ende  des  XIV.  und  Anfangs  des  XV.  Jahrhunderts" 
erbaut  worden,  doch  glaube  ich,  der  spät-gothischen  Formen 
wegen,  dass  sicher  der  grössere  Theil  ins  XV.,  die  Thurm- 
halle  vielleicht  sogar  ins  XVI.  Jahrhunderts  zu  setzen  ist.  Die 
Fa^ade  hat  eine  unschöne  Gestalt,  da  das  mächtige  Viereck 
des  an  der  Südwestseite  angebrachten  Thurmes  fast  die 
Hälfte  derselben  einnimmt  oder  eigentlich  verschlingt.  Das 
spät-gothische  Portal  ist  schön  profilirt,  besonders  2  Nischen 
mit  der  Laibung  aus  hübsch  gewundenem  Stabwerk.  Nun 
tritt  man  in  die  Vorhalle,  deren  südlicher  Theil  massig  und 
schwer  ist,  weil  hier  die  sehr  starken,  mit  kleinen  Säulchen 
umstellten  Unterpfoiler  des  Thurmes  stehen.  Das  hinere  ent- 
hält drei  gleich  hohe  Schifte;  die  Seitenschiffe  sind  als  freier 
Umgang  um  den  Chor  fortgesetzt;  MittelschilT  und  Chor 
von  den  Abseiten  durch  runde  Säulen  auf  hohem  achteckigem 
Sockel  geschieden.  Die  Säulen  des  Chores  sind  ohne  Capital 
—  schon  eine  spät-gothische  Form —  und  das  Gewölbe  zeigt 
ein  vielverzweigtes  Netzwerk;  die  llalbsäulen  an  den  Chor- 
wänden jedoch  haben  verschiedene  Capitäle  gothischer  Form, 
je  zwei  an  jeder  Seite  sind  zu  zierlichen  Nischen  ausgehöhlt. 
Die  Säulen  des  Schiffes  haben  ein  Capital,  das  der  umge- 
kehrten attischen  Basis  ähnlich  ist  und  einen  ziemlich 
modernen  Eindruck  macht;  so  auch  die  ihnen  entspre- 
chenden Halbsäulen  an  den  Wänden;  das  Gewölbe  ist  ein- 
facher als  im  Chor.  Von  der  alten  Einrichtung  hat  sich  die 
hübsche  alte  Kanzel  aus  Stein,  schlank,  ohne  Figuren,  aus 
dem  Ächteck  construirt,  erhalten.  Der  jüngste  Theil  ist  der 
Thurm,  an  dem  man  in  verschiedener  Höhe  der  Steinpfeiler 
die  Jahrzahlen  1510,  1513,  1519  eingegraben  und  oben  am 
Mauerwerk  1556  angeschrieben  sieht.  Er  bildet  ein  mehr- 
stöckiges Viereck  mit  gewaltigen  Eckpfeilern  aus  Haustein, 
die  sich  aufwärts  in  —  freilich  nicht  freistehenden,  sondern 
nur  reliefirten  —  Spitzsäulen  allmählich  erleichtern  und 
verjüngen.  Ein  neuerer  Geschmack  hat  den  Thurm  vollen- 
det, indem  er  ein  verdrücktes,  niedriges  Achteck  darauf 
mauerte  und  eine  riesige  Zipfelhaube  von  Kupfer  darüber 
stülpte.  Hinsichtlich  des  Baumaterials  ist  zu  bemerken,  das 
nur  Pfeiler,  Säulen,  Fenster  und  Tbüreinfassungen  Hau- 
stein sind  (prachtvoller  gelblicher  Sandstein),  das  Übrige 
Mauerwerk. 

Zum  Schlüsse  muss  ich  bemerken,  dass  auf  der  Strecke 
zwischen  Meran  und  Trient  noch  gar  viele  Schätze  mittel- 


alterlicher Art  und  Kunst  zu  heben  wären.  Hier  war  ja  vom 
frühesten  Mittelalter  an  der  vorzüglichste  Herd  der  Cuitur. 
der  Sitz  der  besten  Kraft  und  der  Tummelplatz  de^  glänzend- 
sten Lebens  vom  „Land  im  Gebirge".  Hier  erhoben  sich  die 
zahlreichen  Burgen  eines  reichen  Adels,  in  denen  die  alte 
Heldensage  und  das  zarte  Minnelied  erklang,  so  dass  das  Etseh- 
thal  in  dieser  Beziehung  einzig  nn't  dem  Rhointhale  zu  ver- 
gleichen ist.  Hier  lagen  die  besten  Städte,  die  sich  aller- 
dings sowohl  durch  die  Enge  ihrer  Lage  als  durch  den  Druck 
der  Aristokratie  nie  zu  der  Bedeutung  ihrer  italienischen 
und  deutschen  Schwestern  erheben  konnten,  aber  doch  eine 
rührige  Bürgerschaft  nährten.  Hier  erstanden  viele  Denk- 
male der  Frömmigkeit  in  Stiftern,  Klöstern,  Kirchen  und 
Capellen,  nicht  in  grossartigstem  Styl,  aber  nicht  selten 
von  einem  überaus  zarten  und  sinnigen  Geschmack,  und  die 
eiidieimische  Kunst  verstand  es  sehr  wohl,  sie  mit  ihren 
Werken  zu  schmücken,  vom  zarten  Miniaturbild  bis  zum 
grossartigen  Altarbau.  Nun  ist  freilich  unendlich  viel  zu 
Grunde  gegangen;  die  Burgen  sind  gebrochen,  viele  Kloster 
und  Kirchen  gewaltsam  vernichtet  oder  dem  Vorfalle  über- 
lassen worden,  ihren  Schmuck  hat  die  Barbarei  der  Säcula- 
risation  verschlungen  oder  die  geschmacklose  Verschöne- 
rungslust beseitigt,  jährlich  kann  man  diess  Sündenregister 
noch  vermehrt  sehen,  und  noch  immer  bekömmt  der  Jude 
etwas  einzuschachorn  und  zu  verschleppen.  Aber  trotz  alle- 
dem und  alledem  ist  doch  noch  so  viel  übrig  geblieben,  dass 
ich  nicht  zweifle,  man  könne  innerhalb  der  erwähnten  Strecke 
allein  die  Elemente  einer  mittelalterlichen  Kunstgeschichte 
sammeln,  die  ein  weit  reicheresBüd  gewährt,  als  es  Dr.  Sig- 
h  art  aus  der  Erzdiocese  München-Freising  zusammengestellt 
hat.  Da  ist  noch  manches  Schloss  von  einer  höchst  merkwür- 
diger Anlage  —  ich  nenne  beispielsweise  S  i  g  m  u  n  d  s  k  r  o  n, 
das  alte  Formigar,  an  dem  man  nach  deutlich  die  Gestalt 
einer  Trutzburg  aus  dem  X.  Jahrhundert  und  den  frühesten 
Rundbogenstyl  wahrnehmen  kann;  manches  enthält  sehr 
werthvolle  Baustücke,  wie  z.  B.  Schloss  Prösels  seine  Treppe 
und  Capelle,  die  nächstens  zerfallen  wird,  wie  so  manches 
von  den  Eigenthümern  nicht  gewürdigte  oder  vernach- 
lässigte Baudenkmal.  Manche  Kirche  und  Capelle  von  alter- 
thümlicher  Bauart  und  vielleicht  mit  uralten  Bildern  ist  so 
zu  sagen  erst  wieder  zu  entdecken,  weil  ausser  der  nächsten 
Nachbarschaft  Niemand  darauf  achtet.  Endlich  wäre  noch 
Mancherlei  von  alten  Altären,  Bildern,  Kirchensaclien, 
Büchern  mit  Miniaturgemälden.  Grabsteinen  u.  s.  w.  der 
Verborgenheit,  vielleicht  dem  Untergänge  zu  entreissen. 
Für  den  .\nfang  muss  die  Arbeit  getheilt  werden.  Es  war 
die  Rede  von  Errichtung  eines  Kunstvereins  für  diese  Ge- 
gend. Möchte  das  ins  Werk  gesetzt  w  erden  und  möchten 
die  Mitglieder  vor  der  Hand  das  als  ihren  ersten  Zweck 
betrachten,  die  Überreste  der  alten  Kunst  gründlich  kennen 
zu  lernen  und  diese  so  gewonnenen  Ergebnisse  übersicht- 
lich zu  sammeln. 


—   124 


Die  Kleinodien  des  heil,  römisch-deutschen  Reiches. 

Von  Franz   Bock.    Conservator    des    erzbischülliehen    Museums   in  Cöln. 


m. 

Der  KröiiiiiigNiiiniit«'!. 

(Mit  eiiiei-Tafi'l.) 

Über  die  Entstc^liiiiii;  uiiil  Aiitortii;un2:  des  äusserst 
grossartigen  und  |ir;K'litviilk'ii  Krü  n  ungsniu  nt  eis  dilu- 
viale, jialliuni  imperiale,  hei  Einigen  auch  teguuien.  jialltnla- 
mentuni  genannt)  kann  nr.ni.  Dank  der  erhaltenen  kulisehen 
Inschriftf>n,  das  Feld  derlly[iethese  vollständig  verlassen  und 
sichere  Daten  aufstellen,  wann  und  durch  wen  dieses  Pracht- 
stück angefertigt  worden  ist.  Den  sehr  deutlieh  gestickten  Ku- 
fen zufolge .  die  liereits  früher  von  niunhaften  Orientalisten 
und  in  jüngster  Zeit  von  Professor  Iteiiiaud  in  Paris  nach  einer 
Copieendgiltigfestgestelltwordensind'),  istdieserjirachtvolle 
Krönungsniantel  angefertigt  worden  für  die  Schatzkammer  des 
Norniannenkiinigs  Uoliert  Guiscard  im  Jahre  der  Flucht 
des  Propheten  ,j2S,  also  1 1 33  nach  Christus  durch  den  Kunst- 
fleiss der  Muslimen  in  der  „glücklichen  Stadt  Palermo"  wiees 
uns  scheinen  will,  als  Tribut  und  Anerkennung  der  Oberherr- 
lichkeit der  normannischen  Könige  von  Seiten  der  besiegten 
Araber  Siciliens,  die  durch  dieses  Geschenk  faetisch  Unter- 
werfung andeuten  und  die  Duldsamkeit  so  wie  den  Schutz 
der  ehrisdielienllerrselier  sich  siehern  wollten.  Darauf  scheint 
auch  hindeuten  zu  wollen,  die  schwungvoll  gestickte  Darstel- 
lung des  königlichen  Löwen,  der  Repräsentant  des  christ- 
lichen Königs  Siciliens,  als  Siegers  wie  er  eben  ein  Kameel 
„das  Schilf  der  Wüste",  das^^'allrzeicllen  des  Maiirenlhums, 
unter  seinen  Füssen  bewältigt.  Wann  und  durch  «eiche 
Veranlassung  dieser  ausgezeiclmet  gut  erhaltene  Krö- 
nungsmantel unter  der  Regierung  der  Hohenslaufeu  mit 
den  andern  sicilianischen  Schätzen  (vgl.  Art.  1)  auf  das 
Schloss  Trifels  gekommen  war,  darüber  wird  ausführlicher 
in  der  späterea  Beschreibung  dctaillirte  Nachricht  gegeben 
werden.  Für  jetzt  genüge  nur  die  einfache  lliuweisuug,  dass 
er  erst  unter  den  letzten  Kaisern  aus  dem  Hause  derllohen- 
staufen  zu  den  Reichskleinodien  gekommen  ist.  Was  ferner 
nun  die  technisch-künstlerische  Ausstattung  dieses  „pallium 
regale"  betrilTt,  so  kann  diese  Arbeit  unstreitig  als  das  bedeu- 
tendste Stück  der  Stickerei  und  GoldschmiedL-kiinst  aus  dem 
Anfange  des  XU.  .Jahrhunderts  bezeichnet  werden,  was  sich 
bis  auf  unsere  Tage  erhalten  hat,  denn  es  wechseln  hier  in 
harmonischem  Verbände  ab  die  zierlichsten  Perl-  und  Gidd- 
stickereicn  in  der  verschiedenartigsten  Technik  mit  dem 
ornamentalen  Seiimuck  der  Goldschuiiedekinisl  in  Kmail-. 
Filigran-  und  Niello-Arbeiten. 


Um  den  Lesern  dieser  Blätter  ein  Bild  der  Pracht  und 

des  Reiclithumsjenerkostbargesticktenkiiniglichen  Gewänder 
zu  versehalVeu,  wie  sie  für  das  „gazciphylazcum-  der  nor- 
mannischen Könige  durch  maurische  Künstler  im  Xll.  .lahr- 
himderte  sind  angefertigt  worden,  liaben  wir  es  für  notb- 
wendig  erachtet,  die  eine  Hälfte  des  Prachlgewandes  in  styl- 
getreuer Zeichnung  beizufügen  (vgl.  Taf.  V),  die  in  den 
Detailbeilagen  auch  ziemlich  genau  die  Technik  der  Stickerei 
und  Orr\amentation  des  fragliehen  Gewandes  veranschaulicht. 
Der  GrundstolV,  auf  welchem  die  ligurative  Gold-  und  Perl- 
stickerei dargestellt  ist,  bildet  ein  dunkelrothes,  starkes, 
dessinirtes  Seidengewebe,  das  bei  älteren  Autoren  des  XI.  und 
XII.  Jahrhunderts,  dessgleiehen  in  den  Nibelungen  und  beiden 
späteren  Minnesängern  als  eine  Seidencendel  öfters  bezeichnet 
wird.  Der  heutige  Fabrikant  würde  dasselbe  als  ein  schweres 
geköppertes  Croise-  oder  Serge-Gewebe  bezeichnen.  Das 
Dessin  selbst  ist  äusserst  klein  gehalten ,  M'ic  es  der  Holz- 
schnitt Fig.  1  in  dem  Stolle  unter  der  Pcristickerei  zmnTheil 
ü3 


')  Vgl.  nciiiiiihl.  Juunial  Asiatiiiiie  IS4G.  SiV.  IV.  Vul,  7,  p.  383. 


in  iiatiirlicher  Grösse  zeigt.  Die  fein  slylisirteii  Ornamenta- 
tiiiiien  zeigen  otrciihar  lieminiseenzen  au  die  .Vralii'sken  der 
Mauren  im  südlichen  Spanien  und  Sicilien  und  unterliegt  es 
keinem  Zweifel,  dass  auch  dieses  delieate  feine  Gewebe  aus 
ilri-  Ijliilicndcii.Scidi'ii-industriePalermos  hervorgegangen  ist. 
iielrells  der  liiiclist  interessanten  Perl-  uiuKiidd-Slicke- 
rcieii  (iipus  |iiilyiiiitiiiii,  acii  picliiinj  sei  hier  nur  in  Kürze 
liciiirikl.  ilass  in  liriiliMi  gleich  grossen  Hält'ten  des  fraglichen 


DEK  KEONUNGSMANTEL 


Isach  der  Origiualzcichnung  des  Jos.   SchÖnbrunncr . 


Taf.   V. 


125 


Paludamentums  gieichmassig  der  Sieg  des  Lüwen  über  dem 
bewältigten  Kamel  zur  Darstellung  gebraeht  ist.  Beide  gleieli- 
mässig  zurückkehrende  Darstellungen  sind  durch  eine  Dat- 
telpalme mit  sclii'm  stylisirtem  Laubwerk  und  Früchten  in  zwei 
gleiche  Hälften  getrennt. 

Die  Stickerei  dieser  figürlichen  Thierornamente  ist  in 
ihren  äusseren  Umrissen  durch  zwei  Schnüre  von  ungleichen 
echten  orientalischen  Perlen  von  mittlerer  Grösse  als  Con- 
tur  abgegränzt.  wie  das  auch  an  einer  Stolle  der  Zeichnung 
angedeutet  ist  ')•  ßie  übrigen  Compartimente  dieser  Stickerei 
sind  durch  eine  kunstreiche  mühevolle  Goldstickerei  durch- 


im  Dessin  bandförmig  zusammenhängend,  hat  ebenfalls  einen 
ausgeprägten  arabisch-  normannischen  Charakter  und  imponirt 
nicht  weniger  durch  ihren  Perlreichthiim  als  auch  durch  die 
kunstreichen  quadratisch  gefitrmten  Kmailplättchcn  (vgl. 
Holzsch.  Fig.  2,  «,  b,  c,  d.  <\  f)  mit  verschiedenartigen 
Miniaturdarstellungen  in  vielfarbigem  Email  auf  feinen 
Goldblechen. 

Als  besonders  reiches  Ornament  machen  sieh  die  pracht- 
vollen Medaillons  oben  in  der  Nähe  der  Schliessung  der 
Pluviale  bemerklich,  ausgeführt  in  ziemlich  grossem  Um- 
fange  wie   es  der  hier  folgende  Holzschnitt  Fig.  3  zeigt ; 


(Kig:-  2.) 


(l'iS-  3) 


geführt,  in  eigenthümlich  präparirten  Goldfäden,  die  sich  auf  auf  einem  ziemlich  starken  Goldbleche  ist   jener  vielfarbige 

den  ersten  Blick  bin  als  ein  „or  de  Uypre",  wie  es  die  späte-  Schmelz  eingelas.sen,  der  sich  nicht  nur  <lurch  seine  coni- 

ren  Schriftsteller   gleichbedeutend  als   orientalisches   Gold  plicirte   technische    Darstellung,    sondern    auch   durch    die 

bezeichnen,  zu  erkennen  gibt.  Ein   anderes  reicbgeslickles  äusserst  gelungene  Anordnung  der  vielen   kleinen   Dessins 

Ornament  zeigt  die  Bordüre  (aurifrisia),  zwei  schmale  Stäbe,  zu  einem  grossen  zusammenhängenden  Ganzen  auszeichnet, 

die  als  Randverzierung  an  der  vordem  Ölfniing  der  Pluviale  Das  Ornament  in   diesem   runden  Medaillon,  das   wiederuin 

herunter   laufen.    (Vgl.   Fig.    i.)    Auch  diese  Perlstickcrei,  durch  eine  Umfassung  von  Filigran  in  Vierpassform  umgehen 

')  Wir  i.edauern  c.  ,i=,ss  «eg.n  Kürz,  der  Zeit  .lie  el.en  .ngr,!..,,!.!,.  '■■*'•  '^t  ebenfalls  geometrisch  ge(M'dnet ,  in  eiuor  Verbindung 

Aiisnihruiig  auf  der  Tiiii-i  v  lei.icr  Miitiriii.ihoii  niiissie.           I).  itfii.  der  Krcisform  mit  dcui  Ooadrat.  eine  Zusanimenstellnn!'',  wie 


12C 


sie  sich  allwürts  in  maurischen  Ornamenten  vorfindet.  Wir 
werden  später  Gelegenheit  iuiben  uns  ausfüiirlicher  üi)er  die 
kunstreiche  mühevolle  Teciinik  zu  verhreilen,  und  nach- 
weisen, wodurch  sich  dieses  „email  translucide"  von  dem 
„email  cloisoniie"  unterscheidet,  das  sich  meistens  in  Liniou- 
siner  Schmelzen  des  Xll.  und  XIU.  Jahrhunderts  vorlindet. 

Der  weite  untere  Saum  der  Piuviale  ist  nach  Atuilogie 
orientalischer  Gewiinder  damaliger  Zeit,  die  meistens  mit 
Sprüchen  aus  dem  Koran  umrandet  waren,  mit  einer  tech- 
nisch kunstreich  in  (iold  gestickten,  äusserst  gut  erhaltenen 
knfischen  Inschrift  geziert,  welche  wii'  hier  folgen  lassen  und 
deren  Lesung  wir  der  Gefälligkeit  des  lierrn  Dr.  Hehr- 
nauer  in  Übereinstimmung  mit  früheren  Entzilferungen 
älterer  Orientalisten  verdanken  '). 

t=iii  iiJL  dj>^  o  -J  o  ll   d  I  ^-.  I  o  li    <Uij>jiJL  J  o  t-  I  o  o 

jU^U,^  j^^Jr^  jLo-^l^  ^^'^■'l-^  J'-'-^U^ 

a.J<_aJi  3    jl  1  ii  ll  _3    dJ'.l  o  nl  li  _g    jLa_9U|  3    J^J-äJi  _g 


a*-»!  ll  S    d-ßL-LiiUi  _g    I — ■  n  iil  li  ^   cul  o  -J.  J(   ^   1—  "  o  I 


L^ 


ü^ 


yJiJllC._g       ^Lo-J       d  I  lll       dl  I  OK      dJJ^o  J      H  ll  n  _ ^  ll  ^ 

(  „Dieser  Manie!)  geliiirlzu  dem,  was  gearbeitet  «drden 
ist  in  der  königlichen  Manufactin-,  in  welcher  das  Glück  und 
ilic  Ehre,  der  Wohlstand  und  die  Vollendung,  das  Verdienst 
und  die  Aiisiteicimung  ihien  Sitz  haben,  die  sich  guter 
Aufnahme  und  eines  herrlichen  Gedeihens,  grosser  Frei- 
gebigkeit und  iiohen  Glanzes,  Ruhmes  und  prächtiger  Aus- 
stattung, .sowie  der  Erfüllung  der  Wünsche  und  HulTnungen 
erfreuen  mag  und  wo  die  Tage  und  Nächte  in  Vergnügen 
verdiessen  mögen,  ohne  Aufhören  und  Veränderung  mit  dem 
Gefühle  der  Ehre,  der  Anhänglichkeit  und  fördernden  'l'heil- 
nahnie  in  Glück  und  Erhaltung  der  Wohlfahrt,  Unterstützung 
und  gehöriger  IJelriebsanikeit'-  -). 

In  der  Hauptstadt  Siciliens  im  Jahre  528  d.  II.  = 
li;i3n.Ch.G.) 

Dieses  sowohl  für  die  geschichlliche  Entwickelung  der 
Stickerei    als    auch    der  Goldschmiedekunst    höchst    nierk- 


')  Vjjl.  "p"  r  ä  h  n  ,  in  den  Me'iiioires  de  l'Ak:iili'iiiic-  liii|i.   iles  Sciences   de  St. 
iVtersli.  1822.  Tom.  VHI,  S31  —044. 

')  Die    fran/.iisische    Ühersetzung    des    OrienlaMstcn    l'rof.    H  i;  ii  :i  ii  il     im 
Journal  Asiatique  1846,  4.  Serie,  Vol.  7,  |).  38.T  hicvon  lautet : 

„Fabrique  dans  le  inagasin  rojal,  sejonr  du  Ijonlieur,  de  rillu»tr.ition, 
de  la  gloirc,  de  l.i  |icrfeotion  ,  de  la  duree,  de  la  hienfaisanee ,  du  bau 
»ecueil,  de  la  fe'lieile,  de  la  libe'ralite,  de  l'eclat,  de  la  repulation,  de  la 
beaule,  de  la  realisation  des  desirs  et  de»  espe'rances,  du  plaisir  des  jours 
et  des  nuit.i,  sans  cessation  et  saus  niulalion.  avec  le  sentinient  de  l'lion- 
neur,  du  devoncment.  de  la  conservatiDn.  de  In  »ynipaUiie.  du  iionheur 
de  la  »ante,  du  secour»  et  de  la  »atisfaetion  ,  dans  la  ville  de  Sicile, 
r»n  328." 


würdige  Pallium  im])eriale,  das  wir  in  gedrängter  Kürze  wie 
es  der  Haum  dieser  lilätter  gestattet  im  Vorhergehenden 
flüchtig  zu  skizziren  versucht  liaben,  ist  heule  mit  einem 
grünlich -gelblichen  Seidenfutter  ohne  Dessin  versehen, 
das  in  seinem  kunstlosen  Zustande  Spuren  eines  Jüngern 
Datums  verrieth,  und  desswegen  die  Frage  in  uns  erregte, 
ob  nicht  das  primitive  Futter  (doublure)  das  durch  die  Länge 
der  Zi'il  und  des  Gebrauches  sehr  gelitten  haben  mochte, 
durch  dieses  kunstlose  Gewtdie  verdeckt  worden  sei.  Nach 
eingeholter  Erlaubniss  l'and  sich  auch  bei  Auflrennung  einer 
Nath  in  der  niittlereii  Hälfte  des  Futterstoffes  ein  höclist 
merkwürdiger  Seidenstofl"  vor,  der  als  primitives  Futter 
(subductura)  die  ganze  Weite  der  Piuviale  ausfüllte.  Die 
Grundfarbe  dieses  delicaten  Seidengewebes  ist  dunkelgrün, 
die  schwungvollen  Muster  im  arabischen  Typus  sind  liciit- 
grün  gehallen  mit  hirnförmigen  Dessins  in  Gold  brochirt. 
Olfenbar  ist  dieses  kunstreiche  Gewebe  mit  der  Anfertigung 
des  reichen  Obcrstoffes  gleichzeitig  zu  setzen.  Da  nun  an 
den  reicheren  bischöflichen  Pluvialen  des  Mittelalters  ein 
zweifaches  Futter  in  der  Regel  sich  vorlindet,  ein  einfache- 
res, das  den  hinteren  ganzen  Theil  der  Piuviale  ausfüllt,  und 
ein  reicheres  Futferzeug  an  den  beiden  vorderen  Öffnungen 
als  Streifen  von  der  Breite  einer  halben  Elle ,  indem  das 
Gewand  an  diesen  Theilen  häufig  aufschlägt  und  ersichtlich 
wird,  so  führt  uns  dieses  Vorkommen  an  analogen  Gewän- 
dern später  auch  zu  der  Untersuchung,  ob  nicht  an  der  ent- 
sprechenden Stelle  nach  vorne  hin  ein  zweites  reicher(>s 
Fufterzeug  sich  vorfinde.  Dank  der  zuvorkommenden  Erlaub- 
niss wurde  auch  hier  eine  Trennung  der  Nath  eines  geblüm- 
ten Seiden-Damastes  mit  Goldbrochirungen,  eines  späteren 
reicheien Flitterzeuges  des  XV.  Jahrhiinderls,  vorgenommen 
und  halten  wir  die  ll  berraschimg  an  dieser  Stelle  ein  höchst 
merkwürdigeres  älteres  Goldgewebe  vorzufinden,  das  nicht 
nur  hinsichtlich  seiner  sehr  eigenthümlichen  figuraliveii  Dar- 
stellungen die  Aufmerksamkeit  der  Freunde  mittelalterlicher 
Kunst,  sondern  auch  hinsichtlich  seines  Goldfadens  und 
seiner  eigenthümliciien  Textur  die  Beachtung  der  Manufac- 
furisten  verdient. 

IV. 

Die   vor   <lcr  likorira^ini;;  abliaiiilen  gekoiumciicn 
Kcivlis-Klriiioilicii* 

Die  vorbenannten  17  Pieceii,  den  allen  Matrikeln  zu- 
folge zu  den  Reichskleinodien  gehörend,  befinden  siidi  gott- 
lob in  einem  ziemlich  gut  erhaltenen  Zustande,  in  ehren- 
vollem Gewahrsam  der  Kaiserburg  zu  Wien. 

Leider  geschah  die  Lbertraguiig  der  Iteichskleinudien 
nicht  nur  in  einer  drangvollen  Zeit,  sondern  aucli  in  einer 
Periode  wo  man  den  iiistorischen  und  artistischen  Werlh 
einzelner,  kleiner,  vielleiclit  schadhaft  gewordener  Stücke 
nicht  so  zu  schätzen  verstand.  Möglich  ist  es,  dass  bei  der 
\  {■rpackung.  die.  wie  es  uns  scheinen  will,  in  der  Eile  und 
lic'iiidi(  ll  geschah,  die  folgenden  Reichskicinodicn  übersehen 


127 


wurden  oder  auch  der  für  die  Übertraarung  gewählte  Kasten 
keinen  Platz  mehr  bot.  Genug,  es  sind  gegen  zehn  kleinere 
Gegenstände,  die  Murr  in  der  letzten  Hälfte  des  vorigen 
Jahrhunderts  noch  sänimtlich  in  Nürnberg  gesehen  hat, 
nicht  mit  zur  Aufbewahrung  in  die  Hofburg  gekommen. 

Dahin  gehören  ein  paar  Chirotheken,    die  in  den 
Delsenbach'schen  Abbildungen  so  wiedergegeben  sind,  dass 
man  höchstens  aus  der  Zeichnung  den  Schluss  ziehen  kann  : 
dieselben  seien  nicht  von  dem  Ornamentreichthum  und  der 
kostbaren  Ausstattung  gewesen,  wie  diess  bei  den  beute  noch 
vorfindlichen   prachtvollen    Kaiserchirotheken    der  F'ail  ist. 
Sodann  befinden  sich  in  den  Delsenbach'schen  Abbildungen 
vom  Jahre   17S8  noch  die  Copien  von  zwei  verschiedenen, 
prachtvollen    Sandalen,     die    auch  in    grösseren  franzö- 
sischen Bildwerken  aus  neuerer  Zeit  polychroniatisch  wie- 
dergegeben   sind:    dieselben  waren,     was    die  Ornamen- 
tation    in    Perlen    und    Edelsteinen    und    die  kunstreichen 
Stickereien   betrilft.  viel  reicher  und  vorzüglicher  als  die 
heute  noch  erhaltenen  Sandalen   (calcei).  Nach  den  unzu- 
verlässigen Zeichnungen  des  vorigen  Jahrhunderts  scheinen 
diese  Kaiserschuhe,  gemäss  der  Analogie  ihrer  Ornamente, 
zugleich  mit    der  oben    beschriebenen    Pluviale ,    der  Albe 
und  dem  Talar  aus  dem  Schatze  der  normannischen  Könige 
gekommen  zu  sein.   Wahrscheiidich  befiuulen  sich   bei   dem 
Krönungsornate  der  deutschen  Könige  desswegen  verschie- 
dene Handschuhe  und  Sandalen,  um  für  alle  Fülle  die  Gewand- 
stücke  in  verschiedenen  Grössenverhältnissen  vorräthig  zu 
haben.  So  scheinen  z.  B.  die  bei  Delsenbach  abgebildeten  und 
beute  nicht  mehr  vorlindlichen  Handschuhe  auf  eine  kleine 
zarte  Hand  berechnet  gewesen  zu  sein,  hingegen  verrafhen 
die  heute  noch  vorfindlichen  kostbaren  Fussl)ekleidungen, 
dass  die  übrigen  abhanden  gekommenen  zwei  Paar  Schuhe 
grösser  gewesen  sein  müssen,  indem  die  heute  vorfindlichen 
eine    geringere   Ausdehnung    hinsichtlich    der   Länge   und 
Breite  haben.  Man  muss  es  sehr  bedauern ,  dass  namentlich 
diese    reicheren    calceamenta    verloren     gegangen     sind, 
zumal  sich  aus  dem   XI.    und   XII.  Jahrhundert   heute  nur 
noch  sehr  wenige  „sandalia  pontificalia"  vorfinden  dürften, 
die  uns  den  Typus  der  Fussbekleidung  in  der  romanischen 
Zeit   veranschaulichen.   Der   um   die   Bestauration   und    die 
arcbätdogisch- kritischen  Bestimmungen  der  einzelnen  Bau- 
Compartimente   des    altehrwürdigen  Domes    zu    Trier    un- 
ermüdliche   Domcapitular    von  Wilmofsky   hat   das   Ver- 
dienst, bei  Nachgrabungen  im  Dome  zu  Trier  die   äusserst 
genaue  Abzeichnung  von  Sandalen    aufgenommen    und    so 
der  Wissenschaft  gerettet  zu  haben,  die  sich  in  dem  Grabe 
eines  Trier'schen  Erzbischofes  des  XII.  Jahrhunderts  befan- 
den;   dieselben     sind    sehr   ornamentreich    gebalten,    von 
höchst  eigeuthümlicher,  technischer  Beschatrenheit  und  hin- 
sichtlich der  Form  und  ornamentalen  Ausstattung  vollkom- 
menanalog mit  jenen  kaiserlichen  „socculi",  die  heute  leider 
verloren  gegangen  und  nur  noch  in  dem  Delsenbach'schen 
Werke  wenn  auch  ungenau  erhalten  sind. 


Ferner  muss  auch  beklagt  werden,  dass  unter  den 
Oriiatstücken  das  sogenannte  „sudarium"  gelegentlieh  der 
l'bertragung  abhanden  gekommen  ist.  Die  bei  Delsenbach 
gegebene  Zeichnung  lässt  nur  ein  schwaches  Bild  von  der 
eigenthümlichen  Seltenheit  und  von  dem  kunsthistorischen 
Werthe  dieses  merkwürdigen  Stückes  gewiimen.  Alteren 
Alltoren  zufolge  war  dieses  Sudarium ,  wie  das  auch  heute 
noch  durch  einige  Vorrichtungen  an  dem  unteren  Theile  der 
Krone  ersichtlich  ist,  nach  unten  hin  in  einer  Weise  mit 
der  Krone  in  Verbindung  gebracht,  dass  dasselbe  nach  Ana- 
logie der  Stolen  (fanones)  an  der  heutigen  bischöflichen 
Inful  als  „lamen"  in  Weise  eines  Tuches  den  Hals  und  den 
Obertheil  des  Bückens  über  der  Pluviale  bedeckte.  Dieses 
Sudarium,  von  schwerer  Seide,  war  in  der  Mitte  in  Perlen 
und  Gold  gestickt,  und  zwar  war  auch  in  Perl-  und  Guld- 
stickerei  abgebildet  das  „veroneicon'-.  Zu  beiden  Si'iten 
waren  nicht  weniger  kunstreich  in  Goldfäden  durch  Platt- 
stich zur  Darstellung  gebracht  die  Scenen  der  Geburt  Christi 
und  die  Anbetung  der  drei  Weisen.  Den  erhaltenen  bei 
Delsenbach  initgetheilten  Zeichnungen  nach  zu  urtbeilen. 
düifteii  diese  interessanten  Stickereien,  zugleich  auch 
das  ganze  Sudarium ,  gegen  Schluss  des  XII.  Jahrhunderts 
seine  Entstehung  gefunden  haben.  Es  muss  der  Verlust 
dieses  merkwürdigen  Kunstwerkes  auch  desswegen  um 
so  schmerzlicher  vermisst  werden,  als  aus  den  Zeich- 
nungen der  Stickereien,  respective  aus  dem  ganzen  Habitus 
dieses  Gewandstückes  auch  ein  wohl  motivirter  Schluss  auf 
die  Zeit  der  Entstehung  und  Anfertigung  der  Krone  selbst 
hätte  gefällt  werden  können. 

Nach  den  Matrikeln  der  I 'hergäbe  der  Ueichskleinodien 
durch  Ludwig  von  Brandenburg,  dem  Siduie  Kaiser  Liidwig's 
des  Bayer ,  an  Karl  IV.  waren  auch  g  u  1  d  e  n  e  S  p  o  r  e  n  (cal- 
caria),  die  von  Muve  noch  in  Nürnberg  gesehen  und  näher 
beschrieben  worden  sind,  vorbanden.  Es  scheint  jedoch  nach 
der  vorhandenen  Zeichnung,  dass  das  Materiale  grösseren 
Werth  batte  als  die  Form.  Diese  ^^•ar  höchst  einfach  ihm! 
zeichnete  sich  nur  dadurch  aus,  dass  an  dem  nach  hinten 
vorstehenden  Theile  der  Sporen  der  Kopf  einer  Tbierfratze 
sich  vorfand ,  in  deren  Bachen  das  bewegliche  Rädchen 
angebracht  war. 

Interessant  wegen  ihrer  Form  und  jeilenfalls  kunst- 
reicher, was  ornamentale  .\usstattung  betrill't.  waren  die  leider 
auch  verloren  gegangenen  Armspangen  (armillae).  Nach 
den  unzuverlässigen  Angaben  des  Murr  sollen  diese  Armspan- 
gen vergoldet  gewesen  sein  und  sich  an  denselben  reiche 
Ornamentationen  in  Email,  dessgleiclien  auch  mehrere  In- 
schriften'vorgefunden  haben,  die  vielleicht  über  die  Zeit  der 
Entstehung  und  die  Anfertigung  aiichviui  anderen  noch  beute 
vorgefundenen  Kleinodien  hätten  Licht  verbreiten  können. 

Zufolge  den  Nachrichten  aus  den  letzten  Matrikeln  befiind 
sich  unter  den  Kleinodien  des  deutschen  Reiches  auch  noch 
eine  Kopfbedeckung  (ca|)utiuin),  und  zwar  war  dieselbe 
befestigt  als  Anhängsel  an  der  heute  noch  in  der  kaiserlichen 


128  — 


Schatzkiiranicr  l)eliii(llicheii  Dalniatica  inipcrinlis.  die  im 
Obigen  näher  beschrieben  worden  ist.  Diese  K(i|il'bc(leckung 
bei  alteren  Sebriftstellern  aiieli  tMieiillus  (Tiiinel  im  mittel- 
alterlichen Deutsch)  genannt,  liisst  nicht  undeutlich  erken- 
nen, dass  das  Gewand,  mit  welchem  sie  in  Verbindung  stand, 
nicht  so  sehr  bei  feierlichen  Gelegenheiten  in  Gebrauch 
gewesen  sein  muss,  sondern  dass  man  sich  derselben  viel- 
mehr bediente,  von  der  Zeit  Ludwig  des  liaiern  beginnend, 
als  reicheres  Obergewand  bei  vorkdunneMdcu  Reisen  und 
bei  sonstigen  Veraidassungen,  wo  man  gegen  rauhe  Witte- 
rung sich  schützen  musste.  Diese  von  Murr  beschriebene 
und  von  Delsenbach  abgebildete  „Gugcl"'  hatte  beiliiulig  die 
Form,  wie  die  nach  hinten  hin  herabhängende  Kapuze  ander 
heutigen  Ordenstracht  der  Franciscancr  und  Kapuziner,  die 
nach  unten  in  eine  Spitze  ausmündet.  Diese  Gugel  war  von 
demselben  phönicischen  gemusterten  Purpurstofl",  wie  sich 
derselbe  noch  heute  an  der  oben  beschriebenen  Dalmatica 
vorfindet;  auch  war  dieser  Gewandtheil,  der  Zeichnung 
zufulge.  mit  denselben  iieraldischcn  Reichsadlern  ver- 
ziert ,  womit  das  eben  gedachte  Gewand  so  reich  aus- 
gestattet ist.  Im  Innern  scheint  dieses  caputium  als  wärmere 
Kopfbedeckung  mit  Hermelin  ausgefüttert  gewesen  zu  sein, 
vielleicht  auch  mit  blauem  Seidenzeug.  Wir  wagen  es  nicht 
zu  entscheiden,  ob  diese  Kopfbedeckung  an  dem  hinteren 
Theile  der  Dalmatica  befestigt  war.  oder  ob  dieselbe 
nach  Anlegung  des  dazu  gehörigen  Gewandes  als  getrenntes 
Gewandstück  über  den  Kopf  gezogen  wurde.  Die  oben 
gedachte  erhaltene  Zeichnung  lässt  das  Letztgesagte  ver- 
mutlien. 

V. 

nie   Reielisreliqiiien. 

In  den  vorhergehenden  Artikeln  haben  wir  es  versucht 
als  Prodromus  zu  einem  grösseren  Werke  eine  kurzgedrängte 
Übersicht  und  Beschreibung  der  Kleinodien  in  diesen  Hlät- 
vorauszuscndcn ;  es  lässt  sich  indess  nicht  füglich  eine  Be- 
schreibung dersell)en  anfertigen,  ohne  dass  man  auch  in 
Ehren  gedächte  jener  früher  so  hoch  gefeierten  Reichs- 
reliquien,  die  als  kostbares  Palladium  Deutschlands  (appa- 
ratus  pontificalis  et  imperialis)  von  unseren  Vorfahren  das 
ganze  Mittelalter  hierdurch  betrachtet  wurden.  Der 
Vorsehung  ist  es  zu  danken,  dass  auch  diese  merk- 
würdigen Reichsreliquien  in  dem  Sturme  der  Zeiten  zu 
Anfang  dieses  Jahrhunderts  nach  Wien  hin  geflüchtet  wor- 
den sind,  und  in  der  Burg  des  habsburg- lothringischen 
Kaisergeschlechtes  jetzt  ein  gesichertes  Inlcrkonunen  gefun- 
den  haben. 

Zu  diesen  Reichskleinodien  gehören  im  Ganzen  zwölf 
hervorragende  Stücke,  deren  Irsprnng  und  Herkommen 
sich  nicht  unschwer  nachweisen  lassen  dürfte;  die  ältesten 
dieser  Reliquien  werden  schon  theilweise  aufgeführt  in  den 
Verzeichnissen  der  Oltonen;  einzelne  derselben  sind  in  den 


Tagen  der  Ilolienslaufen    und  Habsburger  hinzugekommen. 
Die  jüngsten  derselben  wurden  hinzugebracht  durch KarllV. 

Schon  unter  den  salisehen  Kaisern  finden  wir  unter  den 
Reliquien  und  Kleinodien,  die  damals  noch  die  Kaiser  als  unver- 
äusserlichen Schatz  auf  ihren  Reisen  stets  mit  sich  herum- 
führten, bezeichnet:  „laneea  et  clavus  Domini".  Der 
glaubwürdigen  Tradition  zu  Folge  ist  dieses  die  Spitze  der 
Lan/.e,  wninit  Longinus  die  Seite  des  Heilandes  nach  seinem 
Hinscheiden  ölfnete.  Diese  vorzüglichste  unter  den  Reichs- 
reli([uien  wurde  zu  allen  Zeiten  in  höchsten  Ehren  gehalten 
und  wurde  sogar  im  XIV.  .lahrhundert  auf  .Ansuchen  der 
Kaiser  von  den  Päpsten  das  „  festum  de  lancea  et  clavo 
Domini "  in  der   ganzen  Christenheit   zu  feiern  angeordnet. 

„De  lintheo  Doniini."  Dieser  Theil  von  denivSchürz- 
tuche,  dessen  sich  der  Heiland  bei  der  Fusswaschung  bediente, 
wird  aufgehoben  in  einer  silbcrvergoldeten  Monstranze,  die 
in  formeller  Beziehung  keinen  grossen  Kunstwcrth  hat.  Die 
Jahreszahl  und  die  gravirten  Standbilder  des  h.  Laurentius 
und  Sebaldus  zeigen  deutlich  an ,  das  diese  einfache  Mon- 
stranze in  Nürnberg  angefertigt  worden  sei. 

„  D  e  m  e  n  s  a  1  e  D  0  m  i  n  i ",  einStück  jenes  Tuches,  das  bei 
der  Feier  des  Abendmahles  den  Tisch  bedeckte.  Auch  dieses 
ostensorium,  worin  die  obengedachte  Reliquie  includirt  wird, 
hat  keinen  hervorragenden  Kunstwcrth;  sie  ist  wie  die  vor- 
hcrgehemle  etwa  23  Zoll  hoch  und  befindet  sich  auf  der- 
selben gravirt  die  „coena  Domini-  in  Dürcr'scher  Manier  mit 
der  Jahreszahl  1S14.  Diese  Reli(juien  scheinen  früher  anders 
gefasst  gewesen  zu  sein  und  wurden ,  des  öffentlichen  Vor- 
zeigens  wegen,  monstranzförmig  eingefasst. 

„De  cruceDomini."  Diese  Partikel  des  h.  Kreuzes  hat 
eine  ziemlich  grosse  .\usdehnung,  die  nur  von  der  bedeu- 
tend grösseren  in  Rom  übcrtroflTen  werden  dürfte;  sie  misst 
nämlich  in  der  Länge  9'/o  Zoll  bei  einer  Breite  von  1 Y»  Zoll; 
der  Querbalken  hat  T'/a  Zoll  in  der  Länge.  Diese  kostbare 
Reliquie  ist  von  einer  silbervergoldeten  Einfassung  umgeben. 
Dieses  reli(|uiariiHn  war  früher  eingeschldssen  in  einer  inte- 
ressanten Kapsel  von  Lcder.  mit  zierlich  getriebenen  Orna- 
menten (Lederplastik)  und  der  Jahreszahl  1517. 

„De  Corona  Domini;"  diese  Dornen  von  der  Krone  des 
Heilandes  werden  in  silbcrvergoldeten  Ostensorien  von  gerin- 
gem Kunstwerthe  eingeschlossen.  Dieselben  scheinen  unter 
Konrad  111.  zu  den  Reiehsreliquien  gekommen  und  durch 
Karl  IV.  der  Zahl  nach  vermehrt  W(U'den  zu  sein.  Diese  im 
Vorstehenden  benannten  Reli(|uien  werden  bei  älteren  Schrift- 
stellern auch  „arma  Christi"  oderauch  „instrumenta Dominicae 
passionis"  desswegen  genannt,  weil  sie  mit  der  Person  des 
Heilandes  und  mit  seinem  Leiden  in  nächster  Beziehung 
stehen. 

„Dens  de  monto  S.  Johannis  Bapt."  Dieser  Zahn 
des  h.  Johann  des  Täufers  ist  in  feinem  Golde  eingefasst  und 
hängend  befestigt  in  einem  vas  crystalinum.  Diese  und  die 
oben  angeführten  Reichsreliquien  k(unmcn  schon  im  Testa- 
mente Otlo's  IN .  vom  Jahre  1218  vor.    Darin  heisst  es  u.  a. 


—   129 


Nds  igitiir  tc,  fratei-  Honiire,  Pstliitine  Comes  Rheni,  roga- 
miis,  ut .  .  .  .  saiictam  criicem,  lancoam  et  coronam,  dentem 
S.  Joannis  Baptistae  et  imperialia  insignia.  praeter  palliiim 
nostrnm  ,  qiiod  (laiulum  est  ad  sanctum  Egidiiim,  viginti 
septimanas  post  decessiim  nostrnm  eonservos  etc.  etc.  (ap. 
Meibom.  T.  111.  Rer.   Germ.  pag.    148.) 

„De  praesepe  Dom  in i."  Dieses  Überbleibsel  von  der 
Krippe  Christi  befindet  sich  in  einem  18  Zoll  langen 
Reli([niarium,  das  auf  seinem  Deckel  mit  mehreren  unge- 
sehlifFenen  Edelsteinen  besetzt  ist.  Dieser  Reliquie  geschieht 
erst  in  der  Übergabsurkunde  Kaiser  Sigismiinrl  Erwähming 
vom  Jahre  1423,  wo  es  heisst:  „Von  der  Krippen 
Gotes  in  eyner  langen  gul deiner  Beheltnisse 
gecziret  mit  edlen  steinen." 

Endlich  befinden  sich  noch  heute  unter  den  ehemaligen 
Reichsreliquien  ein  Stück  „de  tunica  S.  Joannis  Evang."; 
ferner  das  „brachium  S.  Annae,  matris  B.  M.  V."  und 
noch  drei  Glieder  von  verschiedenen  Ketten,  mit  denen  die 
Apostel  Petrus,  Paulus  nnd  Johannes  im  Kerker  gefesselt 
waren.  Weil  diese  Reliquien  auf  den  Kaiserzügen  meistens 
mit  herumgeführt  wurden,  namentlich  vor  der  Zeit  der 
l'hertragung  nach  Nüi-nberg,  so  ist  es  einleuchtend,  dass 
diese  Kaiserreliquien  des  leichteren  Transportes  willen  bloss 
einfach  in  Silber  und  Gold  eingefasst  sind  und  nicht  in 
grössern  reichverzierten  Reliquiarien   aufgehoben   wurden, 


wie  sich  solche  wohl  anderswo  vorfinden  und  für  die  Würde 
des  Gegenstandes  angemessen  gewesen  wären. 

Vorbenannte  Reichsreliquien  wurden  bis  zur  Einführung 
der  neuen  Ijclire  in  Nürnberg  jährlich  einmal  unter  Ziistri'imen 
einer  grossen  Volksmenge,  aus  allen  Theilen  Deutschlandsund 
unter  Zusammentritt  von  mehreren  Fürsten  des  heil,  römi- 
schen Reiches  auf  einem  eigens  dazu  erbauten  Reliquien- 
stiihl  mit  Beobachtung  der  vorgeschrielienen  Feierlichkeiten, 
ölVentlich  vorgezeigt.  Auch  bei  keiner  Kaiserkrünung  durften 
diese  Reliquien  fehlen  und  wurden  dieselben  als  „instrumenta 
essentialia  coronafionis"  auf  einem  besonders  liergerichteten 
Reliquienaltar,  der  sich  an  der  Epistelseite  des  Altares  befand, 
feierlichst  aufgestellt. 

Diese  sogenannten  Reichsreliquien  waren  ehemals, 
als  sie  noch  in  Nürnberg  de'ponirt  waren,  silmmflich  in 
einem  grösseren  Kasten  verschlossen.  Dieser  Schrein  mit 
einem  ansteigenden  Satteldach  war  mit  quadratischen  Orna- 
menten überzogen,  worin  abwechselnd  dargestellt  war  der 
einfache  Adler  (Jungfernadler)  und  der  doppelte  Reichs- 
adler. Diese  Kiste  wurde  jedesmal  nach  ihrem  Verschluss 
vermittelst  einer  Vorrichtung  in  dem  Chore  der  kleinen 
Hospitalkircho  in  die  Höhe  gewunden  ,  so  dass  der  Schrein 
mit  seinem  kostbaren  Inhalte  geschützt  vor  Diebsgefahr  an 
dem  Schlusssteine  des  Chores  schwebend  in  der  Höhe  zu 
ersehen  war  '). 


Pamätky  archaeologicke  a  mistopisne.  (Archäologisch-topographische  Denkwürdigkeiten.) 


(Foiisetzmig;.) 


Die  Westfrontc  mit  den  zwei  Thürmen  und  einem 
das  Dach  der  Kirche  überragenden  Mittelbau  zwischen  den- 
selben zeigt  höchst  einfache  Formen,  und  mir  die  in  zwei 
Absätzen  über  den  Mittelbau  sich  eriiebendcn  Thürme  sind 
mit  dem  charakteristischen  Rundbogenfriese  in  beiden 
Stockwerken  verziert.  EinWestportal  scheint  ursprünglich  gar 
nicht  da  gewesen  zu  sein,  das  jetzige  wurde  erst  im  vorigen 
Jahrhundert  im  Zopfjstyle  errichtet.  Ober  demselben  ötTnen 
sich  drei  Ruudbogenfenster,  in  ihrer  ursprünglichen  Gestalt 
so  ziemlich  erhallen.  Die  leere  Fläche  des  Mittelbaues 
zwischen  den  Thürmen  wird  nur  durch  ein  mittelst  eines 
Säulehens  in  zwei  Theile  getheiltes  Fenster,  und  ober  dem- 
selben durch  das  charakteristische,  vertiefte  Maueikreuz 
unterbrochen.  Das  ganze  Gebäude  ist  von  zugehauenen 
Quadern  aufgeführt,  und  hat  ein  sehr  solides  Ansehen.  Die 
beigegebene  Illustration  zeigt  die  Westfronte  der  Kirche 
mit  der  angebauten  Prälatiir.  Eine  Ansicht  der  Kii-che  von 
der  Nordostseite,  die  nicht  verbaut  ist,  oder  wenigstens  ein 
Grundriss  derselben  wären  sehr  erwünscht  gewesen.  Das 
Innere  ist  im  Geschinacke  des  vorigen  Jahrhunderts  sehr 
reich  und  prunkvoll  ausgestattet,  iiictet  aber  von  einzelnen 
Merkwürdigkeiten  aus  dem  Alterthume  nichts  als  einen 
kleinen  in  der  Mauer  neben  dem  modernen  Mausoleum  des 


Stifters  Hroznata  eingesetzten  Gedenkstein  vom  Jahre 
1334  und  in  der  Mitte  des  Chores  die  Gruft  des  Stifters, 
die  den  steinernen  bisher  unerötTiiet  gebliebenen  Sarkophag 
desselben  enthalten  soll.  Zwei  Antiquitäten,  die  einst  in 
dieser  Gruft  befindlich  waren,  werden  jetzt  in  dei-  liiMin- 
thek  des  Stiftes  aufbewahrt,  nämlich  eine  bronzene,  schön 
ciselirte,  mit  Email  und  einst  mit  reicher  Vergoldung  ver- 
zierte Schüssel  von  9"  5'"  im  Durchmesser  und  1"  4'"  Tiefe 
aus  dem  XII.  Jahrhundert,  dann  eine  kupferne,  vergoldete 
Ampel  der  heil.  Elisabeth,  Laiulgräfin  von  Thüringen.  Der 
W  ladyke  Hroznata  soll  während  des  Baues  der  Kirche  die 


^)  Mit  diesen  Autsiitzeii  ist  ilie  üeschrelhung  der  „Kleinodien  des  h.  röm. 
dent.sihcn  Reiches"  zwar  zum  .\bschlusse  gebiacht  worden  ;  durch  die 
freundliche  Theilnahme  des  Kenn  Caplans  F.  B  ock  hoffen  wir  jedoch 
in  den  folt^enden  ileltcn  auch  eine  Beschreibung:  der  unir  arischen 
Krönungsinsignien  veröirenllicheii  zu  können,  welche  Krslerer 
ni!tf;enehmi(;ung;Sr.  knis.  Hoheit  des  dun-hlauchtigsten  Herrn  Erzherzogs 
Alb  recht  vor  Kurzem  im  Sehatze  zu  Ofen  besichfipte  und  wovon  er 
ausführliche,  stylgetreue  Zeichnungen  anfertigen  liess.  Wir  sind  zugleich 
in  der  angenehmen  Lage  unseren  Lesern  mittheilen  zu  können  ,  dass 
Seine  k.  k.  aposl.  .Majestät  vor  wenigen  Tagen  auf  .\nlrag  Seiner  Excel, 
des  Herrn  Finanzministers  Freih.  v.  Brück  anzuordnen  geruht  haben , 
dass  das  beabsichtigte  I'racbtwerk  des  Herrn  Caplans  F.  Bock:  „Die 
Kleinodien  des  heil,  römisch-deutschen  Ileiches",  auf  Kosten  der 
knis,  R  egieru  ng  in    der  k.  k.  St  a  a  t  s  d  r  uc  ke  r  e  i  erscheint. 

D.  Ued. 


IS 


—   130 


voi-erwälinto  Schüssel  täglich  mit  Münze  vollgoluUt  den 
Arheiteni  mich  voiihrachtem  Tagwerke  hingehalten  haben, 
damit  sich  jeder  nach  eigenem  Ermessen  seines  Verdienstes 
seinen  Taglohn  aus  derselben  herausnehmen  mochte.  Sie 
scheint  ein  Erzeugniss  der  französischen  Kunstwerkstiitteii 
von  Limoges  zu  sein,  und  liroznata  mochte  sie  von  seinen 
Reisen  aus  Italien  heimgebracht  haben.  Auf  der  Hohlseite 
sieht  man  in  der  Mitte  ein  dreieckiges  Schild  mit  neun  gol- 
denen Lilien  auf  blauem  Emailgrunde;  um  dasselbe  herum 
drei  ornamentale  Drachen.  Auf  der  concaven  Flache  sind 
in  sechs  Halbkreisen  zwischen  ornamentalen  Schnörkeln  je 
zwei  erhaben  gearbeitete  Figuren,  immer  eine  miinnliche 
und  eine  weibliche,  wovon  erstere  ein  musikalisches  Instru- 
ment behandelt,  die  letzlere  aber  tanzend  dargestellt  ist. 
Die  Kehrseite  der  Schüssel  ist  nur  einlach  gravirt,  und  stellt 
neun  in  einander  verschlungene  Halbkreise  dar,  die  an  ihren 
Berührungspunkten  mit  Lilien  geziert  sind;  in  der  Mitte 
ist  ein  dreieckiges  Schild  mit  einem  einfachen  heraldi- 
schen Löwen.  Die  richtige  Zeichimng  und  reiche  Verzierung 
stellt  diese  Reliquie  in  die  ISeihc  der  schönsten  Kunst- 
erzeugnisse dieser  Art  und  jener  Zeit.  Die  Ampel  der  heil. 
Elisabeth  von  zierlicher  Form,  jedoch  ohne  besondere  Ver- 
zierung, ist  4"  8  "  hoch,  bauchig,  in  einen  engen  Hals  aus- 
gehend und  mit  einem  Henkel  versehen.  Sie  umschliesst  im 
Innern  ein  ahnlich  geformtes,  nunmehr  durch  gewaltsame 
Öffnung  zerbrochenes  Ihöiierncs  Gefäss.  Auf  der  Aussenseite 
liest  man  die  gravirte  Inschrift  in  gothischen  Minuseeln: 
ßllfra  (authentica)  0  clij»U'dl)i*.  Die  Abbildungen  beider 
Antiquitäten  sind  auf  der  ersten  Illustration  ersichtlich. 

Jankov  (der  Marktflecken  Jankau)  von  P.  Anton 
Norbert  Vlasäk,  Pfarrer  in  Hrädek  bei  Vlasim.  (S.36.) 
Jankan  im  Taborer  Kreise  erlangte  durch  die  in  der  Nähe 
im  Jahre  lG4ö  den  Schweden  gelieferte  unglückliche 
Schlacht  eine  traurige  Berühmtheit.  DerVerfasser  knüpft  an 
die  Geschichte  des  Ortes  eine  Beschreibung  der  Schlacht 
und  tlieilt  auch  ein  hierauf  bezügliches  historisches  Volks- 
lied mit  beigegebener  Melodie  mit.  Aus  der  Beschreibung 
des  Ortes  heben  wir  nur  die  Pfarrkirche  hervor,  die  von  ihrer 
ursprüngliidien  romanischen  Aidage  noch  den  runden  Chor- 
scliluss  aufzuweisen  hat. 

Chotoun,  Geburtsort  des  heil.  Prokop  von 
K.  VI.  Zapp  (S.  39.)  Chotoun,  ein  Dorf  zwischen 
Böhmisch-Brod  und  Planan,  ist  eine  der  ältesten  Ansie- 
delungen im  Lande;  der  heil.  Prokop  wurde  daselbst  zu 
Ende  des  X.  Jahrhunderts  in  einem  Freihofe  geboren,  der 
bis  jetzt  der  Prokopihof  genannt  wird.  Spätere  Besitzer 
desselben  errichteten  neben  demWohngebäudc  cineCapelle 
des  heil.  Prokop,  an  deren  Stelle  im  XVIII.  Jahrhunderte 
eine  zierliche  Kirche  entstand. 

Die  früher  im  Orte  bestandene  alte  Pfarrkirche  wurde 
im  laufenden  Jahrhundert  wegen  Baufälligkeit  mit  .\us- 
nahme  des  Glockenthurmes  eingerissen.  Am  Dorfplatze 
entspringt  eine  reichhaltige,  mit  der  Statue  des  heil.  Prokop 


gezierte  Quelle,  nächst  welcher  einst  eine  Badeanstalt  bestund. 
Ausser  diesen  volksthümlicheiiReminiscenzen  finden  sich  da 
nunmehr  keine  sonstigen  Alterthümer. 

Die  Schlossca  pelle  St.  Franz.  Ser.  in  Reich- 
stadt VOM  K.  VI.  Zapp.  (S.  41.)  Das  gegenwärtige 
Sonnner  -  Hesidenzschloss  Seiner  Majestät  des  Kaisers 
Ferdinand  I.  in  Beichstadt  wurde  um  das  Jahr  1541  von 
italienischen  Baumeistern  im  reichen  Renaissancestyl  erbaut. 
Der  Aufsatz  beschäftigt  sich  hauptsächlich  mit  den  herrlichen 
Kunstschiipfnngen,  die  in  der  erweiterten  Sc^hlosscapelle 
durch  die  .MuuilicenzSr.  k.k.  Maj.  in  den  Jahren  18i>l — 1853 
hauptsächlich  von  einbeimischen  böiunischen  Künstlern  aus- 
geführt wurden. 

Das  e  h  e  m  a  1  i  g  e  M  y  d  1  ä  r'sche  1 1  a  u  s  in  C  h  r  u  d  i  m 
von  Anton  Rybicka,  Beamten  beim  k.  k.  obersten 
Gerichtshofe  in  Wien.  (S.  68.)  Ein  merkwürdiges,  iniRenais- 
sancestyl  1573 — 15TG  aufgeführtes  Biu-gerhaus  nn't  olVenen 
Säulengängen,  Sculpturen  und  böhmischen  Inschriften  an 
der  Gassenseite  und  einem  räthselliaften  Thurme  an  der 
Rückseite,  der  fälschlieh  für  eine  Sternwarte  gehalten  wurde, 
wahrscheiidich  aber  nichts  weiter,  als  eine  Nachbildung  tür- 
kischer Minarets  zu  bedeuten  hat.  Der  Verfasser  gibt 
erschöpfende  Nachrichten  über  die  Erbauer  und  Besitzer, 
nebst  zwei  Abbildungen  der  Vorder-  und  der  Rückseite  des 
Hauses.  Wie  wir  eben  erfahren ,  soll  der  Eigenthümer 
mit  dem  Plane  umgehen ,  die  offenen  Säulengänge  auf  der 
Gassenseite  zu  verbauen ,  und  den  Raum  zur  Erweiterung 
der  Wohnzinwner  zu  benützen. 

Z  b  r  a  s  I  a  v ,  K  ö  n  i  g  s  a  1  (Aula  regia)  v.  K.  VI.  Z  a  p  p. 
(S.  71  u.  117.)  Die  Geschichte  dieses  auf  einer  Halbinsel 
zwischen  der  Moldau  und  deniBcraunflusse  liegenden  Marktes 
und  seiner  ehemaligen  berühmten  Cistercienserabtei  bildet 
den  Hauptinhalt  dieser  ausführlichen  Monographie.  Die  .4btci 
als  Begräbnissort  der  letzten  Pf  emysliden  und  einiger  Luxen- 
burger  war  in  der  Nähe  Prags  im  XIV.  und  zu  Anfange  des 
XV.  Jahrhunderts  für  Prag  das ,  was  Saint  Denis  für 
Paris ,  mit  dessen  Kirche  auch  die  hiesige  Ilauptkirche  den 
Vergleich  wohl  anshielt  ;  denn  Königsal  galt  vor  den 
Ilusitenzeiten  als  das  reichste  und  prächtigste  geistliche 
Stift  im  Lande  ,  dessen  Knnstschätze  luimentlieh  Aeneas 
Sylvius  einer  besonderen  Hervorhebung  wcrth  hielt.  Leider 
ist  von  air  den  Herrlichkeiten  nichts  übrig  geblieben  als 
ein  Madonnenbild  aus  dem  XIII.  Jahrhundert  und  ein  un- 
scheinbares Kästchen  mit  den  Schädeln  der  beiden  letzten 
Premysliden  ,  Wenzel's  II.  und  III.,  der  Königin  Elisabeth. 
Genialin  Johann's  v.  Luxend)urg,  inid  mit  wenigen  auf- 
gelesenen Gebeinen  aus  der  zerstörten  Königsgruft.  Die 
Gründung  des  Stiftes  durch  Wenzel  II.  an  der  Stelle 
eines  früheren  Jagdschlosses  Königs  Premysl  Otakar's  II. 
ges<diah  im  Jahre  I2!)2.  die  feierliche  Grundsteiulegnng  zur 
grossen  .Marienkirche  im  .lalire  l'ütT,  deren  Ausbau  durch 
die  Königin  Elisabelii  im  Jahre  I32'.t.  Nach  einem  zu 
Anfange    des    vorigen   Jahrhunderts    vor     der    gänzlichen 


—   131 


Beseitigung  der  Ruinen  dieser  Kirche  aufgenomn:ienen  und 
neuerer  Zeit  erst  aufgefundenen  Grundrisse  derselben  w:ir 
sie    ganz    nach    Art    der    alten    Cistercienscrkirchcn    im 
gothischcn  Style  aufgeführt,   vierschifTig  mit  rechteckigem 
Chorsehlusse,  Krcuzvorlagen  und  zehn  Capellen  im  Chore  ; 
33    Säulen   trennten   das   HauptschilT  von    den    niedrigen 
Abseiten,  und  12  Säuion  trennten  die  beiden  NehonschifTe 
an   der   Südseite.     Der   nördliche   Flügel  des  (JuorschilFes 
war  länger  als  der  südliche,  und  stiess  an  die  Sacristei  und 
eine  geräumige  St.  Bernhardscapelle.  Das  ganze  Gebäude  soll 
eine  Länge  von  180  höhmischen  Ellen  (etwa  3G0Fuss),  eine 
angemessene  Breite  und  Höhe  gehabt  haben.    In  dem  vielge- 
rühmten Kreuzgange  des  Klosters  war  an  den  Wänden  die 
ganze  Bibel  auf  steiuernen  Tafeln  zu  lesen  ,   deren  Schrift- 
züge in  der  Höhe  an  Grösse  zunahmen  zur  Bequemlichkeit 
der  Leser.  Der  10.  August  1420  machte  all'  der  Herrlichkeit 
ein  trauriges  Ende;  ein  Pöbelhaufen  der  husitischcn  Partei 
in  Prag  verwandelte  alles  in  eine  Brandstätte.    Das  jetzige 
Stiftsgehäude  stammt  ;ius  dem  Jahre  1720,  und  bietet  in 
seiner  gegenwärtigen  Profanation,  da  es  zu  einer  Zucker- 
fabrik   verwendet    wird,    einen    traurigen    Anblick;    das 
Prälaturgebäude  vom  Jahre  1739  dient  zur  Wohnung  der 
Herrschaft  (Fürst  Wallerstein  -  Öttingen)  und  die  spätere 
Stifts-  jetzt  Pfarrkirche  unter  dem  Titel  des  heiligen  Jakob 
dem  Älteren  wurde   aus  einer  ursprünglichen  Capelle    des 
Otakar'schen  Jagdschlosses  in  den  Jahren  1650  — ■  1654 
umgebaut,  erweitert  und  zur  Conventskirche  eingerichtet. 
Sie  ist  ziemlich  geräumig,  im  Benaissancestyle  gehalten  und 
wenn  nicht  prunkvoll,  doch  anständig  ausgestattet.    Nur  das 
Querschifl"  erinnert  in  ihr  an  die  Eigenthümlichkeiten  der 
Bauart  des  Ordens  ,   so  wie  der  Abgang   eines  grösseren 
Thurmes.    Das    bedeutendste  Altertlium    ist   das   erwähnte 
Madonneubild   aus   dem   XIH.  Jahrhundert,    das   einst  den 
Hochaltar   der  nun    spurlos  verschwundenen  Marieidiaupt- 
kirche  zierte,  jetzt  aber  hier  auf  einem  Seitenaltare  auf- 
gestellt ist.  Es  ist  auf  Holz  gemalt,  mit  Goldgrund,  und  wurde 
1661    ziemlich  unglücklich  restaurirt,    ohne  jedoch  seinen 
hohen  Kunstwerth  gänzlich  verloren  zu  haben.   Ausserdem 
sieht  man  noch  mehrere  Altarbilder  vonBrandel  und  Skreta, 
in  der  Sacristei  zwei  auf  beiden  Seiten  mit  heachteuswerthen 
Gemälden  bedeckte  Flügel  eines  Altarschreines  aus  der  ersten 
Hälfte    des   XVI.  Jahrhunderts    und    das   bereits   erwähnte 
Kästchen  mit  den  Reliquien  derehemaligen  königlichen  Gruft. 
Eines   der  vorzüglichen    Schnitzwerke    Böhmens    aus 
dem  XVI.  Jahrhundert,    wo  die  Kunstschnitzerei  im  Lande 
mit  besonderer  Vorliehe  gepflogt  wtu'de,  ist  der  Altar  in  der 
oberhalb  des  Marktes  auf  einer  Anhöhe,  wahrscheinlich  an 
der   Stelle    der   altböhmischen    Burg   Kasin   stehenden   St. 
Galluskircho.     Dieser   Altar  stand    bis    1744   in   der  eben 
beschriebenen  Conventskirche,  mnsste  damals  dem  gegen- 
wärtigen im   Zopfstyle  aufgeführten  Marmoraltare   daselbst 
weichen,  und  wurde  erst  vor  wenigen  Jahren  hier  aufgestellt 
und  restaurirt.    Leider  erlitt  das  Werk  dabei  eine  bedeutende 


Verkürzung  ,  da  es  die  Gewölbshöhe  seines  gegenwärtigen 
Standortes  überragte ,  und  erhielt  einige  zum  Style  nicht 
passende  Anhängsel.  Das  Ganze  ist  äusserst  zart  in  durch- 
brochener Arbeit  in  Form  eines  unbeweglichen  Tripartitum 
ausgeführt,  mit  drei  grösseren  Figuren,  der  llinunelskönigin. 
St.  Jakob  und  St.  Johann  der  Apostel  zu  beiden  Seiten  der- 
selben, dann  not  Brusthildei'n  aus  der  Genealos-ie  Christi,  die 
aus  Blumeukelcheii  hervorzuwachsen  scheinen,  geziert.  Eine 
gelungene  Abbildung  dieses  Alterthums  (Taf.  5)  ist  dem 
Werke  beigefügt. 

Ob  fi  st  vi    und  Li  bis    von    K.   VI.  Za[ip  (S.    111), 
zwei    Dörfer   am    linken  Elbeufer   unfern  von  Melnik.    Im 
ersteren  steht  ein  vom  General  Baron  Koller  1824  erbautes 
Schloss  neben  der  alten  übrigens  uniiedeutenden  Pfarrkirche; 
im  Dorfe  Libis  trilft  man  jedoch  eine  der  merkwürdigsten 
kleinen  Landkirchen  Böhmens  an.   Sie  ist  eine  Filiale  von 
Obi-istvi  und   zu  Ehren  des  Apostels  Jakob  d.  Gr.  geweiht. 
An   ihren    Standort  knüpfen  sich  uralte  Sagen,  und  in  der 
Nähe   stehen  noch  zwei  heidnische  Grabeshügel.    Das  Schiff 
der  Kirche  stammt,  obwohl  ganz  einfach  gehalten  und  ohne 
Wölbung,  aus  der  romanischen  Periode;  der  Eckthurm  an  der 
Westfronte  ruht  im  Innern  der  Kirche  auf  einer  romanischen 
Säule.    Das  niedrigere  und  engere  Presbyterium  ist  früh- 
gothisch  aus  dem  Achteck  geschlossen,  die  stark  vortretenden 
Gewölbgurten  ruhen  aufConsolen,  die  meist  bärtige  Gesichter 
vorstellen.    Beinahe  jedes  Inventarstück  der  Kirche  ist  ein 
interessantes  Alterthum,  vor  allem  aber  verdienen  die  Wand- 
malereien die  vollste  Aufmerksamkeit  und  Würdigung  des 
Archäologen.   Der  Styl  verräth  die  nach-karolinische  Zeit, 
etwa  das  Ende  des  XIV.  oder  Anfang  des  XV.  Jahrhunderts. 
Vornehmlich  ist  jetzt  nur  noch  das  Presbyterium  mit  Gemälden 
verziert,  wo  eine  Himmelskönigin  .   die  drei  Könige  und  die 
Verspottung   Christi  fast  ganz  gut  erhalten  sind  .   eben  so 
acht   Heiligenfiguren   auf  den    Seitenflächen   der   Fenster- 
nischen. Unter  dem  Kalkanstriche  der  unteren  Mauerflächen 
im    Presbyterium.    dann    im    Schilfe    der    Kirche    wurden 
in   neuester  Zeit  ebenfalls  Fragmente   von  Gemälden  des- 
selben Styles  entdeckt.   Der  gothische  Flügelaltar  im  Chore 
stammt  aus  dem  XV.  Jahrhundert,  zeigt  den  herkömmlichen 
Styl  jener  Zeit  sowohl  im  Schnitzwerke  als  in  der  Wahl 
der  bildlichen  Vorstellungen.    Die  Leidensscenen  auf  den 
Altarflügeln.  St.  Jakob  ober  dem  Mittelstücke,  St.  Wenzel 
und  St.  Ludniila  auf  der  Rückseite  verrathen  einen  kräftigen, 
gewandlen  Pinsel.  Auch  der  gothische  steinerne  Taufkessel 
und  die   Glocken   sind  beachtenswerth.    Drei  beigegebene 
Illustrationen  (Taf  6,  7,  8)    geben  Ansicht  und  Grundriss 
der  Kirche,  den  Flügelaltar,  die  Umrisse  der  Wandgemälde 
nebst  anderem  Detail. 

Der  V  las  im  er  Bezirk  (im  Taborer  Kreise)  in 
historisch-archäologischer  Hinsicht  beschriehen  von  P.  Ant. 
Norb.  Vlasak,  Pfarrer  in  Hrädek  au  der  Blanice  (S.  85, 
126,176.  214  und  262).  Diese  auf  Grundlage  fleissigcn 
Quellenstudiums   fusseude  Arbeit  enthält  die  Beschreibung 


i8* 


—   132 


aller  in  histurisflier  uiul  itrchiiolügischer  Beziehung  beiner- 
keiiswertheii  Orte  des  beiiiiiinteii  Amtsbezirkes,  aus  der 
wir  zu  unserem  Zwecke  nur  fuljjeiide  Noti/.eii   mittlieilen. 

—  Vlasim,  Stadt;  altertliiiniliclies  Scliloss,  gegenwärtig 
sehr  verbaut,  dessen  Hüupttluuni  auf  runijer  lUterlage 
ins  Aeliteek  übergeht  ;  Deeanatkirclie  im  einl'arh  gothi- 
sehen  Slyle  vom  Jahre  1522,  deren  Vordergiebel  mit 
einlaehen  Strebe  -  Pyramiden  geziert  ist  ,  wie  mehrere 
meist  kleiaere  Kirchen  im  östliehen  Böhmen  aus  dem- 
selben Zeitalter;  zinnerner  Taufkessel  vom  Jahre  1523, 
Grabsteine  der  Herren  Treka  und  Vostrovee  aus  dem 
\\l.  Jahrluuulert ,    schöne    Glocken    aus    derselben    Zeit. 

—  Radosovic,  Dorf,  im  Jahre    172?  umgebaute  Kirche 
mit  wohlerhalteneu,  erst  im  Jahre  18ii2  sorgfältig   in   die 
Seitenniauern    eingelassenen    Grabsteinen   der   ritterlichen 
Kaniilie  v.  Veznik  aus  dem  XVI.  und  ,\M1.  Jahrhundert.    — 
Kondrac,    Dorf,    Pfarrkirche    mit  romanischem    Schilfe, 
dessen  Westfiunte  von  zwei  runden  Eckdiiii'inen  auf  recht- 
winkeliger Grundlage  tlankirt  wird;  in  jedem  Thurme  öfl'nen 
sich  in  zwei  Reihen  Kuppelfenster,  zwischen  je  zweien  steht 
eine  kleine,  zierliche  Säule.   Von  sonstiger  Ornamentik  ist 
nichts  vorhanden.   Das  engere  Presbyterium  ist  gothisch,  im 
Viereck  geschlossen  und  mit  einem  zierlichen  Kreuzgewölbe 
versehen.    An  der   Nordseite   hängt  damit   die  geräumige, 
gothisehe  ,    gleichzeitige  Sacristei    zusammen  ,   einst   eine 
besondere  Capelle.  Darin  ein  altes,  steinernes  achtseitiges 
Taufbecken.    Die  beigegebene  Litiiographie  (Taf.  11)  zeigt 
die  Ansicht  und    den  Grundriss.  —  Stepanov,  Städtchen, 
einfache  gothisehe  Pfarrkirche,    noch  aus  dem  Xlll.  Jahr- 
hundert, mit    hoher   und   starker  Ringmauer  umgeben.   — 
Louuovic,  Städtchen,  in  dem  sich  von  dem  ehemaligen 
Prämonstratenser-Nonnenkloster  (gestiftet  um  1149J  keine 
Spur  erhalten  hat.   Erzbischö/lichesSchloss  mit  alten,  runden 
Eckbastioiien.  —  Nacerac,  Städtchen,  zierliche  gothisehe 
Deeanatkirclie  in  schlanken  Verhältnissen  auf  einer  Anhöhe, 
mit  romanischem  Thurme   an   der   Stirnseite.    Im  Thurnie 
geku(ipelte  Säulenfenster.    Schöne,  alte  Glocken   aus  den 
Jahren  1478  und  1512.  —  Soutic,  Dorf,  unbedeutende, 
verbaute    Pfarrkirche   mit  schönem,  romanischen  Thurme, 
dessen  achlseitiges  Ijach  mit  einer  schlanken  Spitze  endet. 
—  15  ö  limi  sch-Ste  rnberg.  Burg  an  der  Säzava,  eine  der 
ersten  nach  deutscher  .Art  erbauten  Ritterburgen  im  Lande, 
gegründet  im  Jahre  1242,  Stammhaus  der  Grafen  v.  Stern- 
berg, grosser  Ahnensaal  mit  Burgcapelle.  —  Me  chnejo  v, 
Dorf,  kleine   romanische  Filialkirche  mit  halbrunder  Apsis 
und    einem  breiten   niedrigen  Tbin-me  an  der  W'estfronte, 
in  welchem  sich  gekuppelte  Rundbogenfenster  mit  Säulchen 
öffnen.  —  Divisov,  Städtchen,  im  Jahre  1744  umgebaute 
Decanatkirche    mit    der   alten    Gruft    der   Sternberge.   — 
Olryby,  Dorf,  romanische  Filialkirche  mit  halbrunder  Apsis, 
übrigens  sehr  verslümmelt.    Alter  steinei'uer  Taufkessel.  — 
Sobesin,  Dorf,  romanische  Filialkirche  mit  halbrund  er  Apsis, 
deren  Wölbung  das  Schilf  um  1  y.  Fuss  überragt;  die  rund- 


bogigen  Wölbungen  udcli  ursprünglich  und  ruh;  in  der  Front 
ein  breiter  Thurm  mit  zwei  gekuppelten  Fenstern,  zwischen 
denen  das  übliche  Säulchen.  • —  Psäre,  Dorf,  ronumische 
Filialkirche  mit  halbrunder,  jedoch  ungewölbter  .Vjisis  und 
mit  Glocken  aus  den  Jahren  15U2und  1505.  —  Trebesic, 
Dorf,  roniauisehc,  jedoch  stark  verbaute  Pfarrkirche  mit  halb- 
runder Apsis  und  einem  breiten,  im  uiiregelmässigen  Sechseck 
aufgeführten  Thurme  an  der  Westseite.  —  Choty'san, 
Dorf,  ursprünglich  romanische  Pfarrkirche  mit  halbruiuler 
Apsis;  erst  im  Jahre  1844  wurden  Thurm  und  Schilf  im 
gothisehen  Style  umgebaut. 

Die  ehemalige  Herrschaft  Richenburg  (im 
Chnidimer  Kreise)  von  P.  Alois  Brychta,  Cooperator  in 
Richenburg.  (S.  102.)  Aus  diesem  Aufsatze  geben  wir 
ebenfalls  nur  die  in  das  archäologische  Fach  einschlagenden 
Notizen  im  Auszuge.  Richenburg  selbst  ist  eine  interes- 
sante, noch  bewohnte  alte  Buig  mit  einen  Rundthurme, 
deren  Räume  in  späteren  Jahrhunderten  jedoch  stark  \  erbaut 
und  modernisirt  wurden.  i\lan  zeigt  hier  unter  andern  nocli 
zwei  Schienbeine  eines  Fräuleins  aus  demllerrengeschlechte 
der  Berka's,  das  im  XVI.  Jahrhundert  hier  vermauert  wurde. 

—  Perälec,  Dorf,  Filialkirche  mit  gothisch  gewölbtem 
Presbyterium  vom  Jahre  1321.  —  Skuc.  Stadt,  interessante 
gothisehe,  einschifl'ige  Decanatkirche  uiit  niedrigerem  Pres- 
byterium aus  dem  Xlll.  oder  XIV.  Jahrliinulert.  Die  Kreuz- 
wölbungen des  Schilfes  zeigen  den  Typus  des  L'hergangs- 
styles  zur  Renaissance,  eben  so  die  steinerne  Kanzel.  Der 
massive  Thurm  an  der  Stirnseite  zeigt  mehrere  eingemauerte 
Köpfe  und  andere  Seulpturen.  wahi  scheinlich  Reste  eines 
früheren  Baues.  Die  Spitalkirche.  ein  kleines  gothisches 
Gebäude,  erbaut  im  Jahre  13iU.  mit  «  ohlerhaltenen  Grab- 
steinen dreier  Frauen  v.  Borovic,  v.  Meziiic  und  Zedtwitz 
aus  dem  XVI.  Jahrhundert.  —  Lazan,  Dorf,  alte  gothisehe 
Filialkirche  mit  romanischen  Reminiscenzen  am  Thurme,  mit 
der  Berkisehen  Gruft  in  der  Sacristei  und  vielen  Grabdenk- 
mälern der  llcrrenfamilie  Berka   aus  dem  XVI.  Jahrhundert. 

—  Otraduv,  Dorf.  Filialkirche  nut  gothischem Presbyterium 
aus  dem  Xlll.  Jahrhundert.  —  Svratka,  Markt  an  der 
mähiischen  Grenze,  Pfarrkirche,  deren  jetzige  Norhalle  einst 
das  Presbyterium  mit  gothischem  Kreuzgewölbe  bildete,  bevor 
im  .Ialirel788  hiezu  das  jetzige  Schiff  mit  Presbyterium  und 
zwar  gegen  Westen  liinzugebaut  wurde.  —  Rannä,  JJurf, 
einfache  gothisehe  Pfarrkirche,  ziendich  wohlcrhalten. 

Skizze  einer  Geschichte  des  slawischen 
B  e  n  e  d  i  e  t  i  n  e  r  k  1 0  s  t  e  r  s  E  m  a  u  s  in  der  Neustadt 
Prag  zur  Zeit  der  slawischen  M  önch  e  von  J.  W. 
K  V  i  z  e  k  ,  gegenwärtig  su|ipl.  (jynmasiallehrer  in  Varasdin. 
(S.  l',)3.J  Eine  gute  Arbeit  zeigt  fleissiges  Quellenstudium 
in  übersiclitliciier  und  anziehender  Form. 

E  y  I  e  ( J  i  1  o  V  e)  von  K.  VI.  Z  ap  p.  (  S.  2U0.)  Dieser 
Aufsatz  enthält  eine  sorgfältig  zusammengetragene  Geschichte 
und  liesrliiTibung  der  uMpi'nainitcii  k.  Goldlii'rgsladl  und  ihrer 
gegenwärtig  stark  heraligi'kdUimcMeii  liei'gwerke.  lieuii'i'kens- 


—   133 


wertli  ist  die  aus  guter  alter  Zeit  stammende  Ptarrkirche, 
eigentlich  deren  gothisches  Preshyterium  ohne  äusseren 
Strebepfeilern ,  mit  einem  ziemlich  verfallenen  Thurme. 
Der  reich  verzierte  gothisehe  Fiügelaltar  im  Preshyterium 
ist  eine  schatzhare  Kuustreliquie  aus  dem  Ende  des  XV.  Jahr- 
hunderts; schade,  dass  die  Gemälde  an  der  Vorderseite  vom 
Zaiine  der  Zeit  so  angegriffen  sind,  dass  sie  mit  iiöchst  inittel- 
mässigen,  schlecht  gewählten  neuen  Bildern  auf  Leinwand 
bedeckt  werden  mussten.  In  dem  nahen  Schlösschen  Vcelni 
hrädek  (Bieuenburg)  erbaute  K.  J.  Ritter  v.  Bienenberg, 
der  Vater  der  böhmischen  Archäologie  ,  um  das  Jahr  1786 
eine  kleine  St.  Prokuiucapelle,  Inder  er  eine  bronzene  Mon 
stranz  und  dergleichen  Weihrauchfassel  ältester  Form  aus 
dem  aufgehobenen  Benedictinerklüster  zuSäzava  niederlegte. 
DieAnfänge  des  Kreuzherreuordens  mit  dem 
rothen  Stern  in  Böhmen,  von  k.  k.  Prof.  VV.  \V. 
Tomek  (S.  210),  eine  urkundliche  Darlegung,  dass 
dieser  in  der  Folge  so  mächtig  und  berühmt  gewordene 
geistliche  Ritterorden  keinen  militärischen  Ursprung  aus  dem 
heil.  Lande  habe,  wie  bisher  behauptet  wurde,  sondern  in  Prag 
anfangs  als  eine  Hospitaliter-Congregatiou  entstanden  sei. 

Plaiian  und  dessen  Umgebung,  vonK.  VI.  Zap  p. 
(S.  227.)  Im  Markte  Plai'ian  steht  eine  Decanatkirche,  deren 
Schiff  uadThurm  an  der  Stirnseite  romanisch  aus  gehauenem 
Sandstein ,    das  Preshyterium  aber  gothisch  aufgeführt  ist. 
Thunn  und  beide  Längenseiten  des  Schiffes  sind  mit  Rund- 
bogenfriesen verziert,  und  ober  denen  der  letzteren  zeigt 
sich  auch  noch  der  keilförmige  Zahuschnitt.  Das  Innere  ist 
gänzlich   modernisirt.    —     Zabonos,    Dorf,    romanische 
Filialkirche,  mit  einfachem  Seitenportale  und  Empore,  die  auf 
einer  gewundenen,  jedoch  nur  halben  Säule  ruht.    Das  ins 
Viereck  gebaute  Preshyterium  ohne  Apside  ist  gothisch  und 
stammt  wenigstens  aus  der  zweiten  Hälfte  des  XIII.  Jahrhun- 
derts. Eine  ehemalige  gleichzeitige  Capelle  dient  als  Sacristei. 
In  der  Gruft  unter  dem  Preshyterium  steht  zwischen  JModer 
und  Geheinen  ein  irdenes  Aschengefäss  mit  Deckel,    1  Fuss 
hoch,  darin  noch  ein  Überrest  von  Kohlen  und  Asche.  Dieser 
Gegenstand  scheint  auf  stattgehabte  Leichenverbrennungen 
schon  nach  Einführung  des  christlichen  Cultus  im  Lande  zu 
deuten.  —  Vrbcan,  Dorf,  Filialkirche  zu  St.  Wenzel,  in  der 
im  XII.  und  XIII.  Jahrhunderte  die  Nationalfahne  des   heil. 
Wenzel  aufbewahrt  wurde;  gegenwärtig  zwar  ganz  umgebaut 
mit  gothischem  Preshyterium,   aber  bis  nun  noch  mit  einer 
runden  Mauer,  Wall  und  Graben  umgeben. —  Dobrichov, 
Dorf,  Pfarrkirche  aus  drei  Bauperioden;  die  Sacristei  (ehe- 
malige Capelle)   ist  romanisch  mit  halbrunder  Apsis,  durch 
welche  jetzt  der  Eingang  vom  Kirchhofe  gebrochen  wurde; 
das  Preshyterium  ist  fi'üh-gothisch  im  Viereck  geschlossen  mit 
Kreuzgewölbe,  das  Schiff  modern,  der  Thurm  an  der  West- 
fronte aber  sehr  alt,  ohne  Styl,  mit  eingemauerten  Ki)pfen,  einer 
Pflugschar,    einem  gekrönten  W  und  anderen  Steiutiguren. 
Licht enburg,  im  Caslauer  Kreise,  von  K.  VI. Zapp. 
(S.  241.)  Eine  ausführliche  Geschichte  und  Beschreibung 


dieser  imponirenden  Burgtrümmer  in  touristischer  Form. 
Dieser  stattliche  Dynastensitz,  dessen  Geschichte  durch  ein 
halbes  Jahrtausend  die  lebendigsten  Bilder  eines  weehsel- 
vollen  Schicksals  bietet,  wurde  nach  Beendigung  des 
dreissigjährigen  Krieges  wie  so  viele  andere  Burgen  Böh- 
mens auf  kaiserlichen  Befehl  gebrochen  und  der  absicht- 
lichen Zerstörung  ]>reisgegeben. 

Historische  Denkwürdigkeiten  des  Städt- 
chens Sträzov  (Drossau,  im  Pilsner  Kreise),  von  J.  W. 
Ki-izek.  (S.  252.)  Ein  bescheidener  Beitrag  für  die  histo- 
rische Topographie. 

Etwas  über  die  B  u  c  h  d  r  u  c  k  e  r  e  i  des  Adam 
von  W^eleslawin  vcui  Ant.  Kybicka  mit  einem  Anhange 
von  K.  VI.  Zapp.(S.  2^0.)  Weleslawin's  Druckerei  hatte  zu 
Ende  des  XVI.  Jahrhunderts  für  Böhmen  dieselbe  Bedeutung 
wie  später  Didot  bei  den  Franzosen,  Cotta  und  Brockhaus 
bei  den  Deutschen.  Sie  befand  sich  in  der  Altstadt  Prag  in 
dem  Hause  Nr.  471 ,  das  in  seiner  alten  Renaissance-Bauart 
noch  immer  wohl  erhalten  ist,  und  1853  mit  gebührlicher 
Schonung  des  Alterthümlichen  renovirt  «  urde. 

Votic,  Stadt  im  Taborer  Kreise,  von  P.  Ant.  Norb. 
Vlasäk  (S.  237),  wichtig  für  die  historische  Topogra- 
phie, in  archäologischer  Hinsicht  von  minderer  Bedeutung. 

Spaziergänge  in  der  Chrudimer  Umgebung, 
von  Anton  Rybicka.  (S.  2G7  und  311.)  Jlit  grosser  Sorg- 
falt gesammelte  und  sehr  ins  Detail  eingehende  Nachrichten 
über  die  Besitzer  und  Schicksale  der  Ortsciiaften  bei 
Chrudim ,  Tunechod,  Habrov,  Mezilesice  (Medleschitz), 
Mikulovic,  Slatinan  und  Yorel.  Die  Beschreibungen  der 
Kirchen  sind  erschöpfend  ,  vorzüglich  bietet  die  T  u  n  e- 
c  h  0  d  e  r  Kirche  dem  Archäologen  eine  ziemliche  Ausbeute. 
Ein  kleines  gothisches  Gebäude  aus  der  zweiten  Hälfte  des 

XV.  Jahrhunderts  mit  alter  steinerner  Kanzel,  schön  gegos- 
senem, zinnernem  Taufkessel  vom  Jahre  1611,  und  einer 
mit  vielen  Reliefbildern  und  Ornamenten  gezierten  Glocke 
vom  Jahre  1593,  einer  zweiton  kleineren  vom  Jahre  löOO 
und  der  kleinsten  vom  Jahre  löS6.  In  der  S  la  t  i  na  ner 
Kirche   sind  die  Inschriften   mehrerer  Grabsteine  aus  dem 

XVI.  Jahrhundert  erheblich.  Die  einschifligc  Kirche  St. 
Georg  bei  Vorel  aus  dem  XV.  Jahrhundert  hat  zwei 
neben  einander,  jedoch  unsymmetrisch  gestellte  Presbyterieu 
und  nur  ein  gemeinschaftliches  KirchenschilV.  In  dem  grös- 
seren steht  der  Altar  des  heil.  Georg,  im  kleineren  an  der 
Epistelseite  angebauten  ein  Altar  mit  dem  Bilde  Maiia-Ililf. 
Auch  befinden  sich  hier  7  Grabsteine  der  Besitzer  des  niilieu 
Vorel  aus  dem  XYI.  Jahrhundert. 

Burg  Svojanov  und  ihre  Umgebung,  von 
Mauriz  Trapp.  (S.  27ö,  321  und  343.)  Eine  in  Reise- 
skizzenform gehaltene,  sehr  anziehende  Schilderung,  worin 
der  \'erfasser  in  löblicher  Weise  vorzüglich  den  historischen 
und  archäologischen   Interessen   gerecht  zu  werden  strebt. 

Die  Beschreibung  der  sehr  interessanten  Burg,  die 
gegenwärtig,   meist   Ruine,  eine  moderne    HerreinMilinung 


—   134  — 


mitten  in  ihren  düsteren  Mnnern  birgt,  enthält  eine  Menge 
anziehender  Details,  von  denen  wir  nur  eines  in  (h'r  Hübe 
eines  Matiergiebeis  entdeekten  veriiKinert  gewesenen  Men- 
schengerip|ies,  anderer  derlei  Fun<le  nnd  des  grossen,  h(dilen 
Rnndtliurnies  erwähnen.  Die  geschichtliehen  Nachrichten 
sind  gut  geordnet,  erschöpfend,  und  handein  in  den  späteren 
Jahrliuriderten  vornehmlich  über  das  Herrengeschlecht  der 
Zäruha  von  llustii-aa,  denen  die  lUirg  bis  zum  Aussterben 
ihrer  Familie  gehörte.  Von  den  in  der  Umgebung  geschil- 
derten Orten  beben  wir  hervor  :  .\lt-S  vojano  v,  Dorf  mit 
einer  Filialkirelie,  deren  gotbisches,  im  Viereck  geschlossenes 
Presbvterium  ohne.\ussenpfeiler  mit  einem  Hundbogenfriese 
unter  dem  Gesimse  aus  der  zweiten  Hälfte  des  XIH.  .labr- 
bunderts  stammt.  Unter  dem  Friese  standen  einst  an  der 
Mauer  vier  Bildsäuleu,  von  denen  nur  die  des  heil.  Nikolaus 
und  der  Kopf  einer  andern  üi)rig  blieben.  Der  Kopf  des 
heil.  Nikolaus  ist  beinahe  zur  Hälfte  so  gross,  wie  der  ganze 
übrige  Körper.  Presbyterium  und  Schilf  haben  drei  hoch 
aufgemauerte  Steingiebel  mit  einfachen,  steinernen  Kreuzen. 
Die  schweren  Gurten  des  Kreuzgewölbes  im  Presbyterium 
ruhen  auf  Consolen,  die  fratzenhafte  männliche  Kiipfe  vor- 
stellen.—  In  Roboznä,  eineinDorfe,  steht  eincFilialkircbe 
aus  der  zweiten  Hälfte  des  XIII.  Jahrhunderts,  eine  der  inter- 
essantesten Dorfkirchen  des  fjandes,  deren  erst  18ö3  unter 
der  Kalktünche  entdeckten  und  von  ihr  befreiten  Wand- 
gemälde im  Presbyteriimi  die  Aufmerksamkeit  der  .Archäolo- 
gen im  hoben  Grade  erregten.  Das  Presbyterium  ist  recht- 
winkelig, die  zierliche  gothische  \\'öli)ung  aber  nach  dem 
Achtecke  angeordnet,  was  eine  iiübsche  Wirkung  macht.  Die 
Wandgemälde  bedecken  sämiutliche  Seitenwände  und  Ge- 
wölbsfelder  desPresbyteriums;  in  den  letzteren  erkennt  man 
die  Symbole  der  vier  Evangelisten,  an  den  Wänden  Scenen 
aus  dem  Leben  Christi.  Dem  Style  nach  gehören  sie  sämmtlich 
der  ersten  Hälfte  des  XV.  Jahrhunderts  an.  Eine  Ansicht 
der  Kirche  und  des  Inneren  gibt  die  beigegebene  Litho- 
graphie Taf.  15.  .A\icb  sind  die  alten  Glocken  der  Kirche  aus 
dem  XV.  und  XVI.  Jahrhundert  bemerkenswerth.  —  In  der 
Stadt  Bystra  steht  eine  schöne  geräumige  Pfarrkirche  vom 
Jahre  1712  mit  grossartiger  Gruft,  dann  das  Sehloss 
Frischberg,  ein  ziemlich  grosses,  im  Renaissancestyl 
aufgeführtes  Gebäude,  in  welchem  die  Gemäldesammlung 
der  ausgestorbenen  reichsunmitteli)aren  Grafen  von  Hoben- 
Kndis  aufbewahrt  wird.  Sie  wurde  nach  dem  Jahre  1710 
von  Vadutz  hielu'r  gebracht,  nachdem  Fürst  von  Liechtenstein 
die  Herrschaft  Bystra  gegen  Vadutz  und  Schellenberg  an 
den  Grafen  Jakol)  llannihal  von  Ilobeii-Finbs  tauschweise 
übergeben  hatte. 

Stadt  Benesiibau  ( licue.s  o  v)  u  nd  Bu  rg  Kono- 
pist,  von  P.  Aiit.  Vlasäk.  (S.  289.)  Beide  sowebl  in 
historischer  als  archäologischer  Hinsicht  wichtige  Orte  liegen 
im  Taborer  Kreise. 


In  Beneschau  steht  eine  gothische  Decanatkirche.  deren 
Presbyterium  ans  der  zweiten  Hälfte  des  XHI.  .lahr- 
hunderts.  das  iiöelist  simple,  di'eisehitnge  Langhaus  aber 
aus  der  zweiten  Hälfte  des  XVI.  Jahrhunderts  stammt.  .\uf 
dem  Hochaltare  steht  ein  schätzbares,  auf  Holz  gemaltes, 
ziemlich  grosses  Bild  der  llinmielskönigin,  das  ins  XIV.  Jahr- 
hundert zurückreicht,  nnd  aus  der  benacidiarten  im  Jahre 
1420  zerstörten  Minoritenkirche  stannnen  soll.  In  der 
Kirchengruft  ruhen  mehrere  Glieder  der  Herrenfamilie  der 
Hodejovsky  aus  den  ersten  Jahren  des  XVII.  Jalirliunderts, 
im  Glockenthurmc  hängt  eine  grosse  Glocke  vom  Jahre 
1483,  eine  kleinere  vom  Jahre  1430.  Von  der  ehemaligen 
im  Jahre  1246  gestifteten  Minoritenkirche  stehen  wonige 
hundert  Schritte  von  der  Decanatkirche  entfernt  nur  noch 
drei  hohe  Pfeiler  mit  zwei  gothiseben  Cliorfenstern.  die 
noch  als  Buine  von  der  ehemaligen  Grösse  und  Zierlielikeit 
des  Gebäudes  Zengniss  geben.  Im  Jahre  17!llt  fand  man  im 
Schutte  der  anstossenden  einstigen  Klostergebäude  in  der 
Tiefe  einer  Klafter  eine  schöne,  etwa  20  Centner  schwere 
Glocke,  die  laut  ihrer  lateinischen  Inschrift  in  gothischer 
Majuskel  im  Jahre  1322  von  Meister  Rndger  gegossen  wurde. 
Sie  hängt  nun  neben  der  Kirehenruine  nebst  einer  zweiten 
Glocke  vom  Jahre  159S  in  einem  eigens  aufgeführten 
steinernen  Giockenhause.  —  Die  Burg  Konopi.st  gehört  in 
baulicher  Hinsicht  unter  die  interessantesten  des  Landes; 
der  älteste  Bestandtheil  stammt  aus  dem  XIV.  Jahrliundert, 
und  es  geliört  hiezu  der  mächtige,  die  Gegend  weit  umher 
beherrschende  Rundthnrm,  ein  zweiter  kleinerer  (nach  dem 
Brande  im  Jahre  1SÖ4  im  alten  Style  erneuerter)  Rundlhurm, 
die  Burgcapelle  und  der  ehemalige  Ahnensaal. 

Das  Schlachtfeld  von  Kolin.  von  K.  VI.  Zapp. 
(S.  29cS.)  An  eine  detaillirte  Schilderung  der  am  18.  Juni 
1757  gelieferten,  denkwürdigen  Schlacht  knüpft  der  Ver- 
fasser eine  genaue  Beschreibung  des  Schlachtfeldes  und  der 
in  dessen  Bereich  liegenden  Dörfer.  Die  historischen 
Nachrichten  über  Ki-echor,  Chocenic,  Brezan,  Neudorf 
(Xovä  ves)  und  Velim  sind  flcissig  zusammengestellt.  Die 
im  Jahre  1847  von  Grund  aus  umgebaute  Filialkirche  von 
Kfechof  bewahrt  mich  zwei  alte  Glocken  aus  den  Jahren 
1481  und  1489,  dann  ein  schönes  gotbisches  Mauerorna- 
ment  an  der  Epistelseite  des  Hochaltars,  das  vom  alten  Baue 
übrig  blieb.  Die  Pfarrkirche  in  Neudorf  hat  noch  ein  recht- 
winkelig geschlossenes  Presbyterium,  über  dessen  schwer- 
fälliger gdtiiischer  Kreiizwölhiiug  aus  der  zweiten  Hälfte 
des  XIII.  Jahrhunderts  sich  dei'  'riiurm  erhebt.  Noch  älter 
scheint  das  Presbyterium  der  \'elimer  katludiscben  Kiridie 
zu  sein,  das  jedoch  aus  dem  .Achteck  geschlossen  und  stark 
verbaut  ist.  Mehrere  alte  Erdwälle  der  Gegend  deuten  auf 
einen  viel  älteren  Ursprung,  und  slelien  mit  der  Schladit  vom 
Jalire  1757  in  keinem  Znsanunenhange. 

(Der  Sohluss  folgt  im  iiiiuhstcn  Ucflc) 


—   135 


Notiz. 


(Die  Alterthümer  des  Gaisthales  in  Steier- 
mark.) Der  Correspondent  der  ic.  iv.  Centra-Commission 
Hr.  Dr.  Macher  in  Stainz  berichtete  an  die  k.  k.  Ceiitral- 
Coinmission,  dass  er  im  Juli  1836  eine  Bereisung  des  G  ais- 
thaies  in  Steiermark  unternommen  und  in  dem  dortigen 
Pfarrorte  folgende  bemerkenswerthe  Alterthümer  aufgefun- 
den habe  :  1)  an  der  Mauer  der  gothischen,  im  Jahre  1S39 
erbauten  Kirche  fünf  Steine  mit  römischen  Inschriften  aus 
Marmor.  2)  In  der  Friedhofmauer  ebenfalls  einen  Römerstein, 
welcher  ungefähr  1  '/j  Schuh  hoch  und  1  Schuh  breit  eine 
kleine  männliche  Gestalt  mit  einer  Lanze  in  der  Hand,  mit  einer 
baretartigen  Kopfbedeckung  und  einem  kurzen  Kittel  vor- 
stellt. 3)  Unfern  der  Kirche  ein  altes,  auf  einer  Seite  2  Stock 
hohes  Haus  mit  der  Jalireszahl  1538,  vor  welcher  gleich- 
falls ein  erst  im  Jahre  1855  aufgefundener  Römerstein  aus 
Marmor  steht,  der  2  Fuss  hoch,  1  Fuss  10  Zoll  breit  und 
6  Zoll  dick  ist  und  eine  äusserst  üppig  geformte  weibliche, 
mehr  kindliche  nackte  Figur  mit  einem  Schleier  um  den 
Lenden  und  einem  hammerartigen  Werkzeug  in  der  linken 
Hand,  dann  ein  Becken  in  der  rechten  Hand  haltend,  vorstellt. 
4)  In  einem  ebenerdigen  Zimmer  desselben  Hauses  einen 
grossen  steinernen  Tisch  mit  hebräischen  Inschriften,  welche 
von  jüdischen,  diese  Gegend  besuchenden  Gästen  eingekrazt 
sind.  5)  In  einem  gewesenen  Prunkzimmer  des  1 .  Stockwerkes, 
ausser  schönen  Tafeleien  und  Schnit/werken,  ein  geschnitz- 
tes Bild  der  h.  Kummernuss.  Letzteres  schön  gearbeitet 
und  in  prachtvollem,  reichgeschmücktem  Gewände  stellt  eine 
mit  ausgestreckten  Armen  ans  Kreuz  geheftete ,  blühend 
schöne  Jungfrau  dar,  mit  einem  langen  braunen  Barte,  einer 
goldenen  Krone  auf  dem,  mit  einem  Heiligenscheine  umge- 
benen Haupte,  mit  rothen  Strümpfen  und  einem  gelben,  wie 
zum  Herabfallen  gerichteten  Pantoffel.  Die  Füsse  hängen 
übrigens  frei  etwas  über  einander  gehalten.  Von  einem  gei- 
genden Manne  unter  dem  Kreuze  war  die  Rede,  aber  wie  es 
scheint,  wurde  er  weggenommen.  6)  Im  Friedhof  des  Gais- 
thales befindet  sich  auch  eine  runde  Grabcapelle  mit  einem 
unterirdischen  Gewölbe  zur  Aufbewahrung  der  Knochen. 
Auf  Grund  dieses  Berichtes  besichtigte  der  Conservator  für 
Steiermark  Hr.  J.  Sehe  ig  er  die  angeführten  Gegenstände 
des  Gaisthales  und  legte  der  k.  k.  Central-Commission  fol- 
genden ergänzenden  Bericht  vor: 

Das  sehr  kleine  Dorf  Gaisthal  verräth  durch  seine 
Kirche  und  durch  ein  gleichfalls  mittelalterliches  Herrenhaus 
sogleich  ein  höheres  Alter.  Ich  besuchte  vorerst  dieses  jetzt 
in  Privatbesitz  übergegangene  Amtshaus,  ein  mächtiges, 
gemauertes  Gebäude  des  16.  Jahrhunderts,  welches  von 
aussen  ganz  einfach,  im  Innern  eine  äusserst  solide,  dabei 
aber  winkliche  Bauart  zeigt,  im  Ganzen  wohl  erhalten  ist 
und  zu  dessen  Bau  theilweise  weit  ältere  Steine,  namentlich 


zwei  Säulen  verwendet  erscheinen,  deren  eine  romanische 
Formen  zeigt.  Der  überraschendste  Gegenstand  war  das  Bild 
der  heiligen  Wilgefort  is  (Kummernuss),  über  3  Fuss 
hoch  und  in  dem  Macher'schen  Berichte  meist  richtig  und 
genau  beschrieben,  bis  auf  den  Umstand,  dass  die  Heilige 
wirklich  noch  beide  gelbe  Pantoffeln  an  den  Füssen  hat.  Die 
Arbeit  ist  aus  dem  17.  Jahrhundert,  vielleicht  sogar  etwas 
später,  und  mehr  als  schön.  In  unserem  Jahrhundert  wurde 
die  Bemalung  der  Statue  erneuert.  Der  amFusse  des  Kreuzes 
befindlich  gewesene  Geiger  ist  verschleppt  und  es  war  nicht 
zu  eruiren,  wohin  er  gekommen  sei.  Interessant  ist  der  Um- 
stand, dass  er  nicht  frei  unter  dem  Kreuze  sass ,  sondern 
in  einer  Art  von  Hütte  oder  Käfig. 

Das  von  Dr.  Macher  erwähnte  Prunkzimmer  ist  eigent- 
lich kein  solches,  wohl  aber  ein  merkwürdig  erhaltenes, 
wenn  gleich  sehr  vernachlässigtes  Wohngemach  des  16. 
Jahrhunderts  in  voller  Originalität.  Das  Deckengetäfel  mit 
einem  in  der  Mitte  herabhängenden  Zapfen,  ein  stark  aus- 
geladenes geschnitztes  und  eingelegtes  Holzgesimse  einige 
Schuh  unter  der  Zimmerdecke,  die  zierliche  Thüre  mit  ihrer 
Einfassung  und  dem  alten  Schlosse,  darüber  auf  drei  höl- 
zernen Wappentäfelchen  die  Buchstaben  V.  K.,  dann  A.  P. 
und  die  Jahreszahl  1S96,  endlich  ein  vergitterter  Schüssel- 
kasten, sind  recht  wohl  erhalten,  ^ — eines  der  Fenster  (eigent- 
lich ein  Spälifenster)    hat  noch  die   alten  Pfennigscheiben. 

Die  Inschriften  des  steinernen  Tisches  scheinen  aus 
neuerer  Zeit  herzustammen  und  sind  nacli  Aussage  des  Be- 
sitzers von  durchreisenden  Juden  in  unserem  Jahrhundert 
eingegraben.  Der  Umstand,  dass  in  der  Umgegend  von 
Gaisthal  Höfe  mit  den  alttestamentlichen  Namen  Moises, 
Abraham  u.  s.  w.  vorkommen,  bestimmt  mich,  mir  dennoch 
Copien  dieser  Inschriften  zu  verschaffen,  die  ich  seiner  Zeit 
einsenden  werde. 

Der  Römerstein  vor  dem  Hause  (welches  übrigens  die 
Jahreszahl  1538  auf  einer  Schriftrolle  zeigt)  ist  von  Dr. 
Macher  richtig  beschrieben  und  dürfte  der  Hammer  oder 
das  Gefäss  in  der  linken  Hand  vielleicht  eine  Blume  vorstel- 
len. Wegen  Erhaltung  dieses  Steines  leite  ich  unter  Einem 
die  nöthigen  Schritte  ein. 

Die  Figur  an  der  Kirchliofmauer  ist  St.  Jakob ,  dem 
auch  die  Kirche  geweiht  ist,  mit  dem  Pilgerstabe,  eine  sehr 
alte  Arbeit. 

Die  an  der  Kirche  eingemauerten  5  Römersteine  sind 
in  den  Mittheilungen  des  liistQrischen  Vereines  für  Steier- 
mark, I.  Heft  1850,  pag.  59—64  vom  Pfarrer  Knabe!  aus- 
führlich beschrieben  und  gewürdigt. 

Das  Kirchengcbäudo  selbst,  ziemlich  gross,  besteht  aus 
einem  älteren  Preshyterium  und  dem  neueren  Schiffe  .  wel- 
ches aber  dennoch  älter  sein  dürfte,  als  die  ander  Aussenseite 


—   136 


angebraclite  Jahreszahl  1539.  Die  zwei  Fonstcr  tles 
Schiffes  (an  lUr  Wetterseite  befinden  sich  keine)  haben  ein 
selten  vDriioniniendes.aMtranerul  ärmliches  Masswerk.  Sowohl 
in  dem  iiltei'en  als  neueren  Theile  der  Kirche  sind  interes- 
sante Hippenträger,  aussen  am  Tluirme  rechts  und  links 
höclist  i)i/.arre  Figuren,  die  eine  alTen-,  die  andere  kröten- 
artig, deren  nähere  l'ntersuchinig  aber  der  störende  Regen 
veriiinderte.  Ein  (Jewölliscbluss  am  I*resl)vterium  zeigt  einen 
Christuskepf  1111(1  ;in  denselben  gedrängt  einen  Engel  mit 
einer  Sehriflrdlle.  leider  dick  libertiincbt.  Aussen  am  Pres- 
byteriiim  ist  sehr  niedrig  ein  Fi^escogemäldc.  Christus  am 
Kreuze  mit  den  beiden  heiligen  Frauen,  angebracht,  schlecht 
erhalten,  danmler  die  Jahreszahl  1530.  Im  Inneren  hat  die 
Kirche  nichts  Merkwiii'diges. 

Der  Karner  oder  die  l5otunde  am  Kirchhofe,  westlich 
von  der  Kirche,  ist  höchst  inerkwiirdig.  Im  Verhältnisse  zu 
ihrem  Durchmesser  (iimen  12  Fuss  und  mit  der  Mauerdicke 
von  3  Fuss  2  Zoll,  im  (Janzen  lölFnss)  erscheint  sie  unge- 
wöhnlich hoch,  auch  ist  der  Eingang,  eine  einfache  Thiire 
mit  liundbogen,  sehr  iioch  über  der  Erde  angebraclit.  und 
daher  nur  auf  einer  (neueren)  Holztreppe  zu  erreichen. 
Das  kleine  Gebäude  ist  ein  reiner  Cylinder  ohne  alle  Ver- 
zierung, mit  einem  einzigen  kleinen,  rund  überwidbten  Sei- 


tenfenster und  einer  ähnlichen  Offmnig  in  der  (i  Fuss  brei- 
ten Altarvoilage.  Diese  Vorlage  ist  jedoch  nicht  ein  an  den 
C\linderban  angeschlossener  imd  bis  zum  Fusse  desselben 
reichender  llalbrundbau,  wie  bei  den  meisten  dieser  Rotun- 
den, sondern  ein  auf  einem  Tragstein  ruhender  Erker,  der 
in  gleicher  Höhe  mit  dem  Fnssboden  der  Capelle  vorspringt 
(migefähr  wie  zu  Kunriiig  in  l'nterösterreich).  Das  nur 
hall)  nnlerirdiscbe.  bei  der  Höbe  des  (lanzen  aber  auch  über 
den  lliiri/.ont  hinaufreichende  Beinhaus.  dessen  Öffnung  am 
Horizonte  ebenfalls  rund  übcrv  ölbt,  sichtbar  ist.  birgt  einen 
Reichthum  von  Schädeln,  zu  dem  die  Hewohner  des  kleinen 
Ortes  mehrere  Jahrhunderte  coniribuirt  haben  müssen,  es 
konnte  daher  nicht  weiter  nnlersucht  wci'den.  Das  Gewölbe 
dieser  dem  heiligen  Kreuze  geweihten  Rotunde  ist  ein 
neueres  Kreuzgewölbe,  statt  des  alten  Kuiipelgewölbes,  die 
Bedachung  ein  achteckiges  spitzes  Schindeldach. 

Herr  Pfarrer  Knabel  hielt  dieses  Gebäude  für  ein  heid- 
nisches „Delubrum",  obwohl  keine  Spur  auf  römischen  Ur- 
sprung deutet,  und  die  .Ähnlichkeit  desselben  mit  den  zahl- 
reichen romanischen  christliehen  Rotunden  sehr  augenfällig 
ist.  \\'alirscheinlich  wurde  er  zu  dieser  Hypothese  durch 
den  hier  als  .Altarfusstritt  bclindlichen  Römerstein  verführt, 
den  er  auch  in  dieser  Weise  beschreibt. 


Correspondenzen. 


Wien.  Zur  npurlheilunu;  des  Wprfhcs  und  der  Bodpulunjr  der 
Bau-  und  Kunstdenknuile  Osleneiclis  ist  es  vor  Allem  nolhwendig, 
eine  Übersicht  des  Entwickclungsganges  der  Kunstgcsehlclife  in  den 
einzelnen  Kronliindcrn  zu  erhingen.  Diese  ist  aher  nur  auf  dem  Wege 
einer  areliiiologisehen  Dureliforscluing  der  verscliicdcnen  Gebiets- 
fheilp  zu  gewinnen.  Von  diesem  Gesielitspunkle  aus  luit  die  k.  k. 
Central-Conimission  schon  vor  zwei  Jahren  die  Noihwendigkeil  aner- 
kannt. Bereisungen  der  einzelnen  K  ro  n  lii  nd  er  vornehmen 
und  die  interessantesten  Ohjeete  aufnehmen  und  beschreiben  zu  lassen. 
Auf  diesem  A\  ege  ist  es  der  Commission  bis  jetzt  gelungen,  eine 
Charakteristik  der  Bauilenkmale  zwischen  der  Drau  u  n  d  <I  e  r  D  o  n  a  ii 
in  l'ngarn,  eine  .Monumcntul-Slafislik  der  Insel  Schutt  in  Ungarn, 
eine  archäologische  Würdigung  der  Kunstdenkmale  der  Stadt  Salz- 
burg, eine  Reihe  von  Aufnahmen  über  die  hervorragendsten  liaii- 
denkmale  Siebenbürgens  zu  erhalten.  .Ausserdem  gelangte  die 
Commission  in  dem  Besitz  von  eingehenden  Aufsätzen  und  Zeich- 
nungen über  die  BaudenkmaleBö  hm  ens,  über  die  romanischen  und 
gothischen  Baudenkinale  des  V.  Ü.-W.  W.  und  des  V.  0.  W.  W.  in 
N  ied  er  ÖS  t  erreicli ,  über  die  Kunsfdcnkmale  von  Steiermark, 
Sber  mittelalterliche  Bauwerke  in  der  Lombardie  und  in  Croa- 
tien.  —  Bei  dem  bisherigen  sehr  günstigen  Erfolg«  ist  die  k.  k. 
■  Central -Commission  entschlossen,  auf  dem  eingeschlagenen  Wege 
fortzufahren,  und  auch  in  diesem  Jahre  Bereisungen  einzelner  Ge- 
bietslheile  vornehmen  zu  lassen.  Zu  diesem  Zwecke  hat  sich  Prof. 
V.  Eitelberger  iiereits  auf  seiner  Heise  nach  Italien  naeh  (' i  v  id  a  I  e 
begeben,  um  über  die  dorfigen  Kunstwerke  Studien  anzustellen;  in 
derselben  Absicht  wird  die  k.'k.  Central-Commission  den  Architekten 
Lipper  t  beauftragen,  im  Einverncihmcn  mit  dem  Conservalor  Herrn 
G.  Frelberrn  v.  Ankershofeji  während  des  Sommers  Kärntbcn 
zu  bereisen  unil 'der  Conservalor  A.  .Stummer  in  Znbor  bat  die 
Absicht  ausgesprochen,   in  diesem  .lahre  gleichfalls  einen  Tlieil   des 


die  Resultate  der  Reise  wie  die  von  ihm  ausgearbeitete  Monumental- 
Statistik  der  Insel  Schutt  in  einem  grösseren  Aufsatze  der  k.  k, 
Central-Commission  vorzulegen.  Weitere  Entschliessungen  über  Auf- 
nahmen von  Bau-  und  Kunstwerken,  nauienllieb  über  jene  von  Tisch- 
nowitz,  und  Treliie  in  Mlihren.  hat  sich  die  Commission  noch 
vorbehalten. 

^Vien.  In  Folge  einer  Einladung  des  Herrn  Präses  der  k.  k. 

Cenlial-Ciimmission  wird  der  hoehwiirdige  Conservalor  aus  Cöln, 
Herr  I'\  Bock,  eine  ausführliche  und  von  Zeichnungen  begleitete 
Beschreibung  der  sehr  merkwürdigen  Domschätze  zu  Gran,  Prag 
und  Monza  ausarbeiten,  welche  in  den  Publicationen  der  k.  k.  Cen- 
tral-t^immission  zur  VerölTentlichung  gelangen  werden.  Gegenwärtig 
liegt  bereits  die  interessante  Beschreibung  des  Domsrhalzes  zu  Gran 
vor,  wozu  durch  Professor  llicser  und  .\rcliilel>leu  Zimmermann 
die  erforderlichen  Zeichnungen  geliefert  werden. 

Wien.  Die  unter  dem  Privatpatronatc  der  Gutsinhabung 
Grafen  v.  Kolonits  stehende  Pfarrkirche  zu  Jed  ens  p  eigen  in 
Niederösterreich  ist  für  die  aus  804  Seelen  bestehende  Pfarrbevöl- 
kerung viel  zu  klein,  indem  sie  nur  300  Menschen  fasst,  während 
ein  Raum  von  (iOO  Personen  erforderlich  ist;  dieselbe  bedarf  daher 
nothwenilig  einer  Erweiterung.  Das  Kirchengebäude  besieht  aus 
zwei  'Iheilen:  dem  Presbvterium.  welches  im  golbiscben  .Style  er- 
baut ist  und  dem  Schiffe,  das  Ende  des  XVII.  Jaiirhunderts  mit 
vielen  Verunstaltungen  und  Verunzierungen  dem  Ersteren  angebaut 
wurde.  An  den  Ort  knüpft  sich  selbst  ein  besondere;  geschicht- 
liebes Interesse,  indem  am  2fi.  Au!;usl  1278  in  dessen  Nähe  der 
Entsebeidungskampf  zwischen  Kaiser  Rudolph  von  llabsburg  und 
dem  Könige  Ottokar  von  Böhmen  stattgefunden  bat.  Auf  .Ansuchen 


—   i:i7 


des  hocluvüi-digen  Pfiirrers  der  Kirclie  Herrn  J.  U  e  i  ss,l  e  i  t  li  ne  r 
beschloss  das  hohe  Ministerium  l'iir  Cultus  und  Unterricht  nach 
dem  Projecte  des  Architekten  F.  Sitte  ei-nen  Erweiterungsbau 
vornehmen  zu  lassen,  wornach  der  alte  Bau  reconstruirt,  der  neuere 
Anbau  mit  dem  allen  in  Harmonie  gebracht  und  allen  Erforder- 
nissen der  local- kirchliehen,  der  künstlerischen  und  patriotischen 
Momente  entsprochen  werden  soll.  Der  Erweilerungs-  und  Restau- 
rationsbau wird  im  gothischen  Style  ausgeführt.  Die  Kosten 
des  Projectes  belaufen  sich  auf  1(5.705  fl.  und  sollen  im  .Samm- 
lungswege  grossentheils  aufgebracht  werden.  Die  k.  k.  Central- 
Conimission  hat  sich  von  ihrem  Standpunkte  aus  für  das  slylge- 
niiisse  und  gelungene  Projeet  des  Architekten  Sille  ausgesprochen. 

Wien.  Bei  dem  Bestreben  der  k.  k.  Central- Commission, 
für  die  Erhaltung  der  Denkmale  Sorge  zu  tragen,  halte  ich  es  für 
meine  Pflicht,  in  dem  Folgenden  die  Aufmerksainkeit  auf  den  Zustand 
der  römischen  Inschriften  und  ihre  Anhiiufung  in  Nieder- 
Osterreich  zu  lenken. 

An  der  Donau  und  am  Khein ,  der  C.renze  des  alten  Weltreiches, 
wo,  wie  bekannt,  schon  so  viele  Monumente  gefunden  wurden,  kommen 
solche  noch  immer  zum  Vorschein  ,  und  hei  uns  ist  es  besonders 
P  e  t  r  0  n  e  1  I  ,  das  alte  Carnunt ,  welches  durch  die  vielen  dort  ge- 
fundenen römischen  Überreste  seine  einstige  Grösse  bezeugt. 

Dem  k.  k,  Conservalor  ,  Freiherrn  Ed,  von  Sa  c  k  e  n  ,  gebührt 
das  grosse  Verdienst,  zuerst  an  Ort  und  Stelle  diese  Denkmale  be- 
schrieben und  In  den  Silzungs-Berichfen  der  Akademie  der  Wissen- 
schaften (November  18ö2  und  Juli  1853)  veröffentlicht  zu  haben. 
Der  Freund  der  Geschichte  wird  gewiss  beide  Schriften  mit  voller 
Befriedigung  lesen  und  froh  sein,  dass  endlich  auch  das  kleine 
österreichische  Pompeji  an  der  Donau  seine  Feder  gefunden  hat, 

(jegenwiirlig  werden  in  Pelroneli  noch  jährlich  bei  lÜO  Stück 
römische  Kaisermünzen  in  Bronze  und  Silber  (von  Goldmünzen  ist 
mir  seit  18  Jahren  nicht  eine  einzige  vorgekommen),  mitunter  auch 
eine  griechische,  eine  bis  zwei  Inschriften  ,  meist  Altare  oder  Grab- 
steine ,  dann  irdene  Lampen  und  Kleinigkeiten  aus  Bronze,  auch  ge- 
schnittene Steine,  gewöhnlich  von  untergeordnetem  Werth  gefunden. 
Auch  kommen  Schmucksachen  von  Silber  und  Gold  nicht  selten  vor. 

.\us  diesen  Funden  liesse  sich  nun  eine  ganz  anstündige  Samm- 
lung anlegen  ,  allein  es  ist  jetzt  die  Pflicht  der  Organe  der  Central- 
Commission,  Alles,  was  historischen  oder  Kunstwerth  hat,  für  das 
Museum  des  Landes  zu  erwerben,  damit  es  erhallen  und  würdig  auf- 
gestellt. Jedem  zur  Einsicht  und  Belehrung  dienen  könne.  Münzen 
und  kleinere  (jegenstiinde  sind  von  durchreisenden  Fremden  oder 
Alterthumsfreunden  aus  der  Umgegend  bisher  gern  gesammelt,  aber 
selten  systematisch  geordnet  worden,  sondern  werden  als  „echtes  und 
rechtes  Allerthum"  in  eine  Schaclilel  gesteckt.  Mit  den  Inschriften, 
welche  sie  selten  lesen  konnten  und  die  auch  schwer  zu  transportiren 
waren,  hatte  es  ein  anderes  Bewandtniss.  Früher  wurden  sie,  wenn  sie 
nicht  etwas  besonders  Auffallendes  an  sich  trugen  oder  sich  nicht  zu- 
fiilligJemand  ihrerannahm,  beim  Wasserhau  verwendet  und  als  Material 
/.um  Schulz  des  Ufers  in  die  Donau  geführt;  und  erst  seit  dem  Jahre 
1841!,  als  icli  die  noch  übrigen  im  (')rle  iisammenkaufte,  sie  spater 
dem  k.  k.  .\ntiken-Cabinet  übergab,  und  die  Leule  sahen,  dass  mit 
solchen  Dingen  auch  etwas  zu  verdienen  wiire,  wurde  alles,  was  von 
Inschriften  vorkommt,  sorgfaltig  geschont,  dabei  aber  auch  die  Lust, 
es  so  Iheuer  als  möglich  zu  verhandeln,  rege  gemacht.  Mehrere,  zum 
Glück  nicht  sehr  Jiicrkwurdige,  sind  ,  wie  bekannt,  zu  Petronell  am 
herrschaftlichen  Schüttkasten  eingemauert  und  wurden,  wie  ebeiifalls 
bekannt,  beim  Anschiessen  der  Kugelgewehre  als  Zielpunkte  gewählt. 
In  ähnlicher  Weise  verfuhren  die  Leute  in  Siebenbürgen.  Dort 
nennen  sie  sich  stolz  die  >'achkommen  der  Röjnor,  und  jede  alle  Mauer 
und  jedes  Feld,  wenn  man  darum  fragt,  heisst  hei  ihnen  Trajanski- 
grad  oder  Trajanskiprat ;  linden  sie  aber  eine  Inschrift  oder  Sculplur, 
besonders  wenn  es  weisser  Marmor  ist,  und  es  ist  nicht  gleich  Jemand 
II. 


da,  der  es  ihnen  recht  gut  hezahll,  so  brennen  sie  Kalk  daraus,  weil 
der  Kalk  aus  diesem  Marmor  gar  so  schön  weiss  macht.  So  war  es 
in  Siebenbürgen  ,  welches  aber  an  die  Türkei  grenzt  und  nicht  an 
Baiern  oder  an  Preussen.  Man  sieht  es  diesen  Selchküchen  von  Häu- 
sern, diesen  unreinen  Behältnissen  gar  nicht  an,  dass  ihre  Bewohner 
mit  dem  Kalk  solchen  Luxus  treiben.  Ich  selbst  habe  im  Jahre  185"i 
in  Gredistie  (SnrmingeihnKa)  eine  sehr  interessante  Inschrift, 
aber  nur  mit  Hilfe  der  k.  k.  Gensdarmerie  vom  Feuertode  gerettet, 
sie  nach  Orsova  und  dann  zu  Wasser  nach  Wien  bringen  lassen.  Es 
verdienen  daher  der  Pfarrer  Herr  J.  Aekner  und  alle  jene  Sammler, 
welche  dort  den  vielen  Verwüstungen  Einiialt  gclhan,  ein  um  so  grös- 
seres Lob  für  die  Denkmale,  welche  sie  im  Laufe  der  letzten  Jahre 
gerettet  haben.  Besser  wird  in  Dalmatien  damit  verfahren;  dort 
liegt  wohl  bei  den  bedeutenden  Ausgrabungen  manches  Stück  seit 
Jahren  auf  demselben  Fleck  unter  freiem  Himmel,  aber  es  wurde,  so 
viel  ich  erfahren  hatte ,  nichts  muthwillig  zerstört.  Dass  es  dort 
noch  an  Raum  fehlt,  alle  diese  (iegenstände  unterzubringen,  ist  zum 
Theil  durch  die  Armuth  des  Landes  zu  entschuldigen. 

Zahlreich  sin<l  die  antiken  Monumente,  welche  bei  uns  im  Kreise 
U.  W.  W.  aufgefunden  wurden;  denn  von  Petronell  allein  zählt  Frei- 
herr v(m  Sacken  bis  zum  Jahre  1853  71  Inschriften,  dazu  kommen 
noch  die  Meilensteine  von  S  c  h  w  ec  h  a  t  und  1  nz  e  rs  do  r  f  und  .Alles 
was  sich  in  Brück.  Neunkirchen  und  anderen  Orten  vor- 
findet, dann  sechs  neuere  Funde  (deren  Inschriften  ich  für  die  Mit- 
theilungen in  Bereitschaft  habe),  nämlich :  ein  Grabstein  in  L  a  n  z  e  n- 
d  0  r  f  ,  einer  in  M  a  r  g  a  r  e  t  h  e  n  am  Moos,  zwei  in  Petronell 
und  zw  ei  die  von  Petronell  nach  H  a  i  m  b  u  r  g  geschleppt  wur- 
den. Dies  alles  zusammen  ist  schon  eine  ganz  respectable  (beschichte 
in  Stein  aus  der  Römerzeit. 

Der  grösste  Theil  dieser  Monumente  ist  bereils  im  Besitze  des 
k.  k.  Antiken-Cahinets  und  es  wird  von  dieser  Seite  durchaus  nichts 
versäumt,  was  die  Erwerbung  und  die  Erhaltung  solcher  Gegenstände 
anbelangt;  allein  Eines  fehlt,  und  das  ist  der  Raum,  um  alle  diese 
merkwürdigen  Zeugen  der  Geschichte  unseres  Landes  so  aufzustellen, 
dass  die  Wissenschaft  in  weiteren  Kreisen  auch  einen  Nutzen  daraus 
ziehen  kann.  Eine  ganze  Reihe  römischer  .Meilensteine  und  viele 
andere  Inschriften,  in  der  nächsten  Umgebung  Wiens  gefunden,  sind 
an  einem  dunklen,  fast  unzugänglichen  Ort  aufbewahrt  und  warten 
dort,  um  das  dritte  Mal  das  Licht  der  Welt  zu  erblicken.  Mit  aller 
Muhe  und  Sorgfalt  hat  man  schon  versucht  sie  an  verschiedenen 
Orten  aufzustellen  ,  und  ich  muss  gestehen  ,  dass  der  geiren- 
wärtige  Ort,  ein  unterirdischer  Gang  im  oberen  Belvederc,  noch  der 
beste  für  ihre  Erhaltung  ist;  sonst  sind  sie  aber  dort  so  gut  wie 
begraben.  Zu  enge  ist  der  Raum  im  Bau  des  grossen  Eugen  von 
Savoicn  schon  seit  geraumer  Zeit,  und  wenn  wir  es  auch  nicht 
bemerken  wollten,  so  mahnen  uns  schon  unsere  Nachbarn,  beson- 
ders jene  im  Norden,  mitunter  sehr  empfindlieli,  dass  dies  bei 
ihnen  ganz  anders  ist. 

Bei  dem  jetzigen  regen  Lehen  auf  dem  (u-biete  der  Allcrthums- 
kunde  dürften  interessante  Funde  noch  zahlreicher  anrücken  als 
bisher,  und  es  wäre  doch  sehr  zu  bedauern,  wenn  die  Residenz  des 
österreichischen  Kaiserstaates  nicht  Platz  fände  für  diese  Erin- 
nerungen der  Vorzeit,  die  ein  günstiges  Geschick  oder  der  Schooss 
der  Erde  treu  bis  auf  unsere  Tage  bewahrt  haben.  Wien  ist  nicht 
mehr  das  alte  Wien,  es  ist  nicht  mehr  die  Hauptstadt  der  öster- 
reichischen Erbländer,  es  hat  einen  gewaltigen  Ruck  gemacht  und 
dürfte  sich  also  auch  in  diesem  Punkte  wenigstens  gleich  stellen 
mit  anderen  Städten,  die  lange  nicht  jene  Bedeutung  haben  als  der 
alte  Kaisersitz  an  der  Donau,  Ich  habe  weder  ilen  Willen  noch  das 
Recht,  mich  tadelnd  über  den  bedauerlichen  Zustand  der  .Auf- 
bewahrung unserer  antiken  Monumente  auszusprcclien,  sondern  lege 
nur  den  vielseitigen  Wunsch  offen  dar:  dass  nämlich  in  Einem 
G  e  b  ä  u  d  e,  d  c  n  V  e  r  h  ä  1 1  n  i  s  s  e  n  e  n  t  s  p  r  e  c  h  e  u  il ,  die  reiche 
Münzsammlung,    die  Vasen,    Statuen,   Inschriften    und 

19 


i;5,s 


der  i  n  t  c  r  e  s  s  a  ri  l  <?.  p  r  ji  c  li  l  i  <;  c  und  ;i  u  l  li  o  ii  t  i  s  o  he  \Wi  f  f  i'  ii- 
sclimuek  licr  VI"  rp;a  ng  en  e  II  .1  ii  li  rli  u  n  il  e  r  t  e  verein  ii;t 
werden  miieliten.  In  einem  M  us  eu  ni  würden  sieh  diese  reichen 
Schütze  gam  anders  ausnehmen  als  jetzt ,  wo  sie  in  };elrennten 
Localcn  untergebraclit  sind.  Man  sagt:  „wer  anklo])ft,  dem  wird 
aufgelhan,"  wenn  er  anders  nicht  etwas  L'nbillij;es  verlangt,  und 
das  Verlangen  nach  einem  Museum  für  Wien  dürfte  «olil  nicht 
zu  unbescheiden  sein.  Schon  regt  es  sich  in  diesem  l'unkte  in 
den  Provinzen  {.'cwalti^'.  auch  l*rivatsaininlun};en,  die  einen  sehr 
respectablen  Kanj,' einnehmen,  entstehen,  und  doch  ist  die  Erwer- 
bung des  Merkwürdigen  für  eine  Provinzsamnilung,  nocli  mehr 
aber  für  einen  Privaten  weil  schwieriger,  als  für  ein  Central- 
Museum  :  denn  wer  einen  Fund  oder  eine  Merkwürdigkeit  ver- 
kauft, denkt  so  etwas  in  Wien  an)  besten  anzul)ringen,  wer  etwas 
verschenkt,  gibt  es  gern  dorthin,  wo  es  von  Vielen  bemerkt  wird. 
nicht  aber  in  ein  Privathaus  oder  selbst  in  ein  ansehnliches  Scliloss 
auf  dem  Lande.  Und  in  dieser  Hinsicht  ist  es  jedenfalls  von  Nach- 
tlieil ,  wenn  solche  Funde  nicht  .ledermann  sielithar  aufgestellt 
werden  können;  denn  der  gemeine  Mann,  der  den  M'erlli  des  (be- 
fundenen nicht  kennt,  die  Verhaltnisse  nicht  beurtheilen  kann, 
glaubt,  wenn  er  aus  Neugier  in  die  Sammlung  kommt  und  ..sein 
Altertbum"  ilnrt  nicht  bemerkt,  es  sei  dasselbe  weiss  Cioll  wohin 
und  um   welchen  Preis  weggegeben  worden. 

Ich  erlaube  mir  nur  noch  etwas  über  den  Platz  für  ein  solches 
üebäudc  zu  bemerken.  Der  erste  geeignete  wäre  am  äussern  Hurg- 
platz ,  wenn  die  Fronte  des  (iebäudes  an  die  Stelle  des  Ein- 
gangs zum  Volksgarten  käme.  Dasselbe  konnte  so  gleichsam  den 
rechten  Arm  der  alten  Kaiserburg  bilden,  ohne  dass  der  Thcscus- 
Tempel  beirrt  werden  würde.  Der  zweite  wäre  der  gegen  den 
chemahligcn  Kalkmarkt  vorspringende  Theil  des  sogenannlen  „Jesui- 
tcr-Hofes",  wenn  nicht  schon  für  andere  Zwecke  darüber  verfügt 
ist.  leb  gebe,  wie  gesagt,  beide  Orte  nur  so  im  flüchtigen  Einfall 
an.  Ob  die  Kosten  vom  Staate  allein  oder  ndttelst  freiwilliger  Bei- 
träge bestritten  werden  sollten,  müsste  einer  hühern  Entscheidung 
vorbehalten  bleiben. 

Wenn  wir  dankbar  bemerken,  was  seit  liCopold  dem  Ersten, 
besonders  aber  in  der  kurzen  Zeit  der  glorreichen  Uegicrung 
Seiner  .Majestät  des  Kaisers  Franz  .losepb  an  herrlichen  Kauten 
entstanden ,  so  müssen  wir  gestehen,  dass  die  Schöpfung  eines 
Museums  nicht  gar  so  grosse  Anstrengungen  brauchen  würde. 

ich  lebe  daher  mit  vielen  Anderen  in  dem  angenehmen  (jedan- 
ken,  an  was  immer  für  einem  Platze,  noch  die  Hallen  durchwan- 
deln zu  können,  wo  dann  alles  vereint  ist.  was  die  Erlauchten  Vor- 
fahren des  hohen  Kaiserhauses  mit  Liebe  gesammelt,  und  wo  auch 
jene  Denkmale  der  alten  Welt  aufgestellt  werden  können,  von  wel- 
chen so  mancher  unansehnliche  Stein   mit  seinem 

„lüVI  OPTIMO  MAMMI»- 
uns  zuruft,  dass  der  Mensch  auf  einen  \Vahn  nicht  stolz  sein  darf. 

A.  W  idter. 

M(.  Andrnp  iii  Kärii(«'ii.  In  Liezug  auf  die  im  Lavaiittliale 
neuestens  in  .\ngrifl  genommenen  Uaudcnkiualc  i  erdient  vorerst  die 
Restauration  der  Kirche  St.  Leonliard  im  Dber-Lavanttliale  Erwäh- 
nung. Dieselbcstelitisolirt  in  der  Entfernung  von  nicht  ganz  einer  Viertel- 
stunde  ausser  der  gleichnamigen  Stadt  am  Abhänge  eines  Berges  und 
ist  mit  einer  einst  verlheidigungsfähigen  Ringmauer  umgeben  ,  inner 
welcher  zahlreiche,  aus  vieisscm  Sandslein  gehauene  Stufen  zu  den 
beiden  Portalen  des  (Jotleshanses  emporführen.  Die  Kirche  ist  ein 
Bau  aus  dem  Anfange  des  vierzehnten  Jahrhunderts  im  reinsten 
golhischcn  Style  gehalten,  drciscliillig,  mit  erhöhtem  MittelscIiilTe, 
im  (^lanzen  mehr  als  27  Klafter  lang,  jedoch  so.  dass  Chor  und 
Langhaus  sieh  gleiehmässig  in  die  Länge  llicilen.  Der  an  der  West- 
seite um  ein  Dritlheil  seiner  Dicke  vorstehende  viereckige  Tliurm, 
durch  welchen  eine  spitzbogige,  doch  etwas  kleine  Eingangspforte 


in  das  llotteshaus  fidirt.  weiset  auf  einen  Jüngern  Bau  und  ist,  statt 
in  seiner  ursprünglichen  Form,  gegenwärtig  mit  einer  schwerfälli- 
gen, mit  Blech  einircdeckten  Kuppel  saniint  Laterne  ausgeführt.  Da 
sowohl  dieser  Theil  dir  Kirche  im  hohen  Orade  baufällig,  ja  Ein- 
sturz drohend  befunden  worden  ist,  als  auch  das  schöne  stark  pro- 
lilirte  mit  \\  ind)ergen  gezierte  Seitenporlal  theilweise  unvollendet, 
da  feiner  die  ganze  inwenilige  Kirelienw and.  von  den  im  hohen 
(irade  sie  \erunstalteiiden  Anwiirfe  und  .Anstrich  zu  befreien  ist, 
und  die  herrlichen  (Ilasmalereien  sämnitlielier  den  Süden  zugekehr- 
ten Fenster  des  SeitcnschilVes  und  Chores  zu  restauriren  und  zu 
ergänzen  sind,  so  wurde  von  der  Kirchenvorslehung  eine  umfas- 
sende, harmonische  und  künstlerisch  entsprechende  Erneuerung  oder 
Vülleniluiig  dieser  Theile  heschlussen.  Den  Plan  hierzu  entwarf  der. 
als  Wiedererbauer  des  gegenwärtig  grällich  Henkel  von  Donners- 
markischen Schlosses  zu  Wolfsberg  im  ludor-StvIe  sehr  verdienst- 
liche Architekt  .'\nton  Bicrbaumer. 

Funde  an  Liehäudereslen,  Anticaglicn,  .Münzen.  \\  alVcn  und 
Schmiicksaclicn  wurden  im  Laufe  des  abgewichenen  .lalircs  nicht 
gemacht,  vielmehr  niuss  man  bedauern,  dass  die  am  .Schräge  1- 
liof  ausser  Wulfsberg  bisher  bewahrte  Sammlung  der  alt-adeligen, 
und  durch  Kricgshelden  besonders  im  sechzehnten  .lahrhunderl  aus- 
gezi'ii'lineten .  Familie  der  Freien  von  Teufcnbaeh,  bestehend 
in  Küstiingen  und  Porträten,  nach  (iörz  gewandert  ist.  An  Kirchen- 
Paranienlen  unddci'ällisehaften  hohen .4lterlliiiins  und  seltener.Schön- 
heit  bewahrt  das  im  Thale  gelegene  Benediciiner-Stift  St.  Paul  einen 
kostbaren  sehenswerthen  -Schatz,  welcher  jedoch  fast  gänzlich  sich 
aus  dem  Stifte  St.  ßlasien  im  Sehwarzwalde  herschreibt,  den  die 
Stiflsgliedcr  hei  ihrer  Einwanderung  im  .lahre  I.SO?  mit  so  vielen 
anderen  archivalis<'hen  und  bibliiigraphischen  (gegenständen  hierher 
nahmen.  Die  Stadt-Pfarrkirche  zu  Wolfsberg  wie  die  erwähnte 
Kirche  von  St.  Leonliard  besitzen  gothisch  geformte  au.s  Silber 
gegossene  Monstranzen  mit  gläsernen  Cylindern  und  geschmückt 
mit  Thürmehen.  kraiipeii  undKreuzblumen,  saimnt  ähnlichen  Kelchen. 

Das  Besagte  im  Tudor-Style  neu  aufgeführte  Scliloss  zu  \\  olfs- 
hcrg,  welches  alle  Baustylc  vom  zwölften  .lahrhundcrt  herauf  in  sich 
vereinigte,  nnd  von  dessen  älteren  Theilen  die  drei  vorzüglichsten 
Thürme  beibehalten  und  mit  in  den  Bau  einbezogen  wurden,  ist 
niinmelir  vollendet  und  durch  seine  herrliehe  Lage ,  beherrschend 
das  schönste  Thal  des  Landes  durch  seine  (Irossartigkeit ,  durch 
seine  sorgfältige  Ausführung,  und  man  kann  sagen,  königliche  Aus- 
staltung  im  Innern,  die  Perle  der  .Schlösser  und  Paläste  des  Landes. 
Eine  detaillirte  Beschreibung  läs.sl  sich  von  der  Feder  des  in  den 
verschiedenen  liauslvlen  liefeingeweihten  .\reliileklen  li  i  c  r  b  a  u  m  e  r 
erwarten.  II.   Hermann. 

l'iNOkin  Itöliinen*  .\nno  i:t!)G  den2.  Od.  licss  der  römische 
und  holimisehi'  König  Wenzel  der  IV.  für  sich  das  Bild  der  seligslen 
.lunglVau  .Maria,  die  er  in  hesundcrn  Ehren  hielt,  nach  jenem,  welches 
der  Prager  Erzbiseliof  Johann  \on  Genzenslein  in  seinem  Selilo.s.se 
zu  Rnudnitz  hatte,  malen.  Dasselbe  Bild  wird  noch  heutzutage  zu 
Breznie  inderSchlosscapellcdes  Herrn  Grafen  vonK  olow  rat  -Kra- 
kow sk  y.  auf  dem  llochallar  aullieuahrt  und  verehrt.  Es  ist  auf 
Holz  gemall,  schwarz  auf  lioldgiund.  etwas  über  einen  Schuh  hoch 
und  etwas  weniger  breit.  Auf  der  Uüekseile  ist  folgende  inschriri  zu 
lesen:  Hec  imago  gloriose  Virginis  Marine  tlepict  est  pro  sere- 
tiisxiini)  priiieipr  et  Douiiiiu  \'eiireslnii  linmntiotim  et  lioi'iuie 
illiislrissimo  rege  ml  siDiilitiiiliiiem  imiigi.is.  qiie  liulietiir  in 
Hiiiliiic,  ijuum  miiiclHS  Liiciis  /iropria  mann  ihpinxil.  anno  Do- 
mini  laOti.  Der  Anfang  der  . Aufschrift .  wahrschi'inlieh  das  Wort 
y/cc  (nach  damaliger  Art),  ist  abgebrochen.  Die  Wörter:  geri 
l'iirmi)  sinil  von  der  gohlenen  mit  Edelsteinen  besetzten  Krone 
bedcekl.  aber  näher  betrachtet,  gut  zu  lesen.  Der  .Maler  ist  unbe- 
kannt, vielleicht  ist  es  die  Meisterhand  Diel  ri  ch's  von  Prag. 

Bezdeka. 


U9 


Literarische  Anzeigen. 


Epiphaiiia,   ein  BeiLra?  zur  (•hnstJiclii'ii    kii[isl-\rcli;liilogic 

von  Gcoi'i^  Za  p  p  e  r  t.  Aus  dem  Üclnber-llrltr  des  ,)iilir;^aiiges 

1856  der  Sitzungsberichte  der  k.  Ai^ademie  der  Wissenschaften 

besonders  abgedruckt. 

Einer  AufTüideriinu'  der  Rediiction  der  Mittlieiliiiijjcii  eiits|ire- 
eliend  ,  gebe  icli  iiaelilulgend  eine  kurze  Sell)s(iiii7,eij,'e  meiner  oben 
genannten  Sebrill.  In  ilir  versucbte  ich  einerseits,  jenen  bildenden 
Künstlern,  denen  etwa  derartige  Stndien  abseits  liegen,  eine  Ent- 
wickelungs  -  Geschichte  der  bildlichen  Darstellung  der  beil.  drei 
Weisen  zu  bieten;  andererseits  arcliäologisehcn  Anforderungen  zum 
Tliei!  dadurch  zu  geniigen,  dass  ieh  Nachweis  zu  geben  anstrebte,  in 
welcher  innigen  Weise  .Schrift-  und  Kunstdenkniale  sich  gegenseitig 
stutzen  und  fördern  helfen.  Zu  diesem  Zwecke  stellle  ich  den 
bildnerischen  Einzelnbeiten  stets  die  ihnen  entsprechenden  schrift- 
werklichen voran,  worüber  folgendes  Seliema  eine  l'bersiebt  der 
Gliederung  des  Ganzen  gibt. 

A.  Sfliau|dalz.  I.  die  Anbetung  der  Magier  geht  bei  einem  Iluuse 
vorsicli;  ii)  vor  einem  Hause, /<J  im  Innern  des  Hauses.  II.  Oder  sie 
findet  Statt  in  einem  üiiillc,  III.  odei'  in  einer  lliiliU'.  (Italienische 
Künstler  wühlen  mi-ist  I.,  deutsche  meist  11.  zum  Schauplatze.) 

II.  Die  lieil.  JiMijsfrclii  sitzt  I.  auf  einem  S/ciHC.  II.  auf  einem  Lehii- 
stiihle.  III.  auf  einem  Timme,  \\\  ruht  auf  einer  Mntle  (letztere  Dar- 
stellung manifestirt  sieb  als  byzantinische). 

C.  Das  Ciiristiiskinil  I.  liegt  in  Gestalt  eines  Säuglings  a)  in  der 
Krippe;  b)  in  einem  Wiegenkorbe,  cj  in  den  Armen  der  heil. 
Jungfrau;  II.  SfVs.^  (schon  im  Wuchsthiiine  vorgeschritten)  in  dem 
Schoosse  der  heil.  Jungfrau  ;  III.  S  teh  l  a  u  f  re  c  h  t  in  dem  Scboosse 
Mariens;  IV.  aj  halt  einen  Brief  oder  eine  Holle  in  der  Linken,  h) 
hat  die  Hechte  segnend  gehoben,  cJ  langt  nach  den  dargebrachten 
Opfergeschenken  u.  s.  w. 

0.  Der  beil.  Jiisepb  erscheint  meist  in  passiver  Zuschaulichkeit. 

E.  Der  .Stern.  I.  Erseheint  als  5 — 12eckiger  Stern;  II.  als  Komet. 
III.  Einige  Kirchenlehrer  sind  der  Ansicht,  dass  der  Stern  ein  Enget 
gewesen  sei,  und  so  sehen  wir  in  Kunstmalern  diesen  aJ  im  Ganz  leib 
dargestellt:  a)  vor  den  Weisen  einher  schreitend,  ß)  über  sie  schwe- 
bend. •/)  oder  bereits  hinter  der  beil.  Jungfrau  siebend,  hj  Der  Engel 
ist  im  Hai  bleib  seliwcbend  dargestellt.  IV.  Der  Stern  zeigt  in  seiner 
Mitte  die  heil.  Jiiiigfiuii  mit  drm  Clirisli/skiitfle. 

F.  Die  Iiell.  Welsen  a)  Ihre  Zahl .  Ii)  ihre  lyUrdc.  u)  Als  Weise 
(Magi);  hy  Schriftmale  bczeiebnen  sie  späterhin  Ibeils  wie  früher 
als  Magi  aber  allmählich  auch  alsReges;  c)  ausschliesslich  als  Könige 
dargestellt,  r)  LeibesgesluU.  I.  Altersunterschied:  a)  Alle  drei 
als  im  gleichen  Alter  stehend,  bartlös;  h)  zwei  derselben.  11.  Der 
Alters  unterschied,  veranschaulicht  durch  die  verschiedene  Länge 
des  Bartes  und  der  letzte  der  heil,  drei  Weisen  meist  bartlos.  III. 
Leibesböhe:  a^  gleich  e,  6^  verschiedene.  IV.  Leibes  fa  rbe:  a) 
Alle  drei  wc  issfarbig,  i^  einer  von  ihnen  (meist  der  letzte)  seh  warz- 
farbig (diese  Darstellungsweise  scheint  zuerst  in  Italien  sieb  ein- 
geführt, und  von  dort,  vorerst  mit  Übergebung  Mitteldeutschlands, 
in  den  Niederlanden  Nachahmung  gefunden  zu  haln'u.  A)  Trnchl  der 
heil,  drei  Weisen.  1.  Kopfbedcku  n  g :  «^  phrygische  Mütze.  (Aus- 
nahmsweise sehen  wir  sie  barhaupt  dargestellt;  eine  V\'eise  die  sich 
aus  dem  wiederbelebten  Studium  der  Antike  erklärt.)  //^Persische 
Kegclmütze (byzantinisch),  cJ  Krone:  «)  alle  drei  in  gleichförmiger, 
ß)  in  verschieden  geformter.  <J  Nimbus.  Kunstmale  folgen  hierin  nur 
in  seltenen  Fällen  Schriftmalen,  welche  vom  XII.  Jahrhundert  an 
häulig  „beali"  ihrem  Königstitel  vorsetzen.  II.  Gewandung:  n)  In 
alt-christlieher  Zeil  in  phrygischer;  b)  in  nach  alt-cbristlieher  meist 
in  königlicher;  c)  alle  drei  in  gleichförmiger,  oder  ein  jeder  der  beil. 


drei  Weisen  in  einer  durch  Farbe.  Slofl  oder  Zuschnitt  u.  s.  w.  sich 
von  der  des  andern  unterscheidenden  Gewandung.  III.  Fuss- 
bekleidung.  Zuweilen  mit  Sporen,  e)  Slellinig.  I.  Vom  IV.  —  XIV. 
Jahrhundert  meist  links  dem  Beschauer.  II.  .\u-nuhm$weise  rechts. 

III.  Die  Gruppe  der  heil,  drei  Weisen  t  b  e  i  1 1  sich  um  die  in  der  Mitte 
thronende  Himmelskönigin,  in  eine  rechte  und  linke.  IV.  Profil- 
Stellung.  V.  Heibefolge.  VI.  Auf  g  I  e  i  c  h  e  r  Fusslinie  oder 
pyramidal  gestellt.  VII.  Aufrecht.  VIII.  (le  bückt.  IX.  Mit  ..ngc- 
deuteler  Kniebeugung:  aJ  der  Vorderste  im  Ijegrill  nieilerzuknien;  bj 
derVorderste  undMittlere.  X.  Knicend.o^DerVurdcrste:  o^aufeinem 
Knie,  ßy  auf  beiden  knieend;  Ä)  der  Vorderste  und  Mittlere  (auf  einem 
Knie),  vj  Alle  drei  kniend.  XI.  Körper  h  endung.  a)  .Wie  drei  dem 
Christuskinde  zugewendet,  bj  der  Mittlere  dem  Letzten  u.  s.  w..  i-J  der 
Mittlere  sieht  aus  dem  Bilde  u.s.  w.  XII.  H  a  n  dbcw  egu  ng.  bj  (In  der 
Druckschrift  ist  irrtbümlich  ein  b  statt  eines  o  gesetzt,  und  desshalb 
ersteres  auch  hier  beibehalten.)  Eine  Hand  zum  Stern  empor  gehoben: 
aJ  die  des  .Mittleren  der  heil,  drei  Weisen,  ^J  die  des  Letzten;  cJ  mit 
einer  Hand  iju  BegriHe  die  Kopfbedeckung  sich  vom  Haupte  zu  beben; 
et)  der  Mittlere  ßj  der  letzte  der  heil,  drei  Weisen  ilj  die  Hand  aufs 
Knie  gestützt:  aJ  der  Mittlere  ßj  alle  drei  der  beil.  Weisen  in  dieser 
Position,  ej  Der  Knieende  stützt  mit  seiner  Hand  die  Füsschen  des 
Cbristuskindes;  XIII.  oderküsst  ihm  das  Hand  eben:  XIV.  oder  das  Füss- 
chen (meist  in  Darstellungen  (lorentiniscber  Schule),  f)  (le/ässe. 
l.  Die  beil.  drei  Weisen  bringen  ibreOpfergesehenke  dar:  a)  in  strauss- 
förmigen  Gcfiissen;  b)  in  cylindrischen  Ilochbüchsen.  II.  In  Becher- 
förmigen, a.ß.-j.  etc.  III.  a)lnOpfersehalcn  artigen  Schüsselcben.  b)in 
liauchigbeckenförmigcn  Schüsseln  ;  c)  inFlachsehüsseln.  1\  .  InKörben. 
V.  In  viereckigen  Kästchen.  VI.  In  hornförmigen.  VII.  Alle  drei  der  beil. 
drei  Weisen  in  gleichförmigen.  MII.  In  bedeckten  u.  s.  w.  IX.  In  von 
einander  sich  unterscheidenden  Gefässen(in  meiner  eben  erschienenen 
Schrift:  Wien  ältester  Plan,  ging  ieh  p.  23—29  über  derartige  Gcfässe 
des  Nähern  ein),  s)  Die  Geschenke.  I.  Klein-Hunde:  nj  in  dem  Gefässe 
des  ersten  der  heil,  drei  M'eisen;  bj  in  dem  des  Mittleren  und  Letzten. 
IL  Gross-Kunde;  a.b.  c  III.  Sie  bringen  ihre  Kronen  dar.  h)  DieÜcisc- 
thiere  der  heil,  drei  Weisen.  I.  Heit-  und  Lastlbiere:  uj  Kamele,  bJ 
Pferde.  IL  Luxus-Thiere,  wie  z.  B.  All'en  und  Pfauen. 

Würden  Gelehrte  (wozu  sich  selbstverständlich  nicht  die  aller- 
entfernteste  .4ussicht  bietet),  würden  arcbäologischgelelirte  Kunst- 
kenner sich  über  ein  allgemein  giltiges  Schema  zu  verständigen 
vermögen,  so  könnte  man  zum  wahren  Heile  christlicher  Kunstarebäo- 
logie  ,  eine  Unzahl  von  Worten  ersparen,  und  es  würden  FaehmUnner 
das  archäologisch  (zum  Theil  auch  künstlerisch)  Ilauplsäehliehe 
einer  Kunstdarstellung,  kurz  und  scharf  in  Buchstaben  und  Ziflern 
sich  zu  signaüsiren  vermögen,  und  die  im  Schema  nicht  bedachten 
Fälle  durch  llinzufügung  einiger  Worte  sieh  verständigen.  So  würde 
z.  B.  die  Darstellung  der  heil,  drei  Weisen  im  Klosterneuburger 
Antependium  etwa  durch  folgende  Heihe  bezeichnet  werden  können: 

A  I  a.  —  B  II.  —  ('  11.  111  c.  —EI.  achteckig.  —  F  li  c.  r  A  IL  c  b 

IV.  tl  I  t'  ,S  (1  1  f   II.  s.  w  G.  ZappcrI. 


Der  z  w  e  i  t  e  Bund  des  „J  a  h  r  b  u  c  b  e  s  d  e  r  k.  k.  C  c  n  t  r  a  1  e  0  m  - 
mission.  dessen  Hedaction  dem  Commissions-Mitglied"  Ministerial- 
jSecretär  Dr.  Gust.  Heider  übertragen  wurde,  belindet  sich  bereits 
unter  der  Presse  und  dürfte  im  Herbste  laufenden  Jahres  erscheinen. 
Dieser  Band  wird,  reich  mit  Illustrationen  verseben,  folgende. •\ufsätze 
enthalten:  i)  Mittelalterliebe  Bauwerke  in  Salzburg  \on  Dr.t^i.  H  eid  e  r. 
2)  Die  Colonien  und  inilitärisehen  Staiidlager  in  Daeien  von  M.  J. 
Ackner.  3)  Mittelalterliche  Kunstdenkniale  des  Y.  O.W.W,  von 
Dr.  F.  W.  von  Sacken.    4)  Die  Glasgemäldc  des  XIV.  Jahrhunderts 

19* 


—    140   — 

aus  Klosleinpiibtiijj  von  A.  Camesina.  ä)  L'hcrsicht  der  mittel-  Siegel  der  (irafen  Artois  mit  zwei  Abbildungen.  Die  Abtiieilunfj 
allcrlicheii  Kunstdenknialc  in  Steiermark  von  dem  standiselicnAreliiio-  „Melanies  et  Nouvelles"  brinffen  nun  die  Abbildunj;  des  Knopfes 
logen  in  Gratz  E.  Haas.  6)  Eine  Abhandlung^  über  Cividale  von  von  dem  merkwürdigen  Leuchter  in  Mailand,  welcher  der  „Baum 
R.  von  Eitelb  c  r  gc  r  und  7)  die  ßeschreihung  des  Üomschatxcs  zu  der  Jungfrau"  genannt  wird  und  wovon  schon  im  XIV.  Band  der 
Gran  v.  F.Bock.  Ohne  Hinzurechnung  des  officicllen  Theiles  wird  ,\nnalen  Bruehstüeke  verölVentlieht  wurden.  Von  den  übrigen  Nofi- 
dieser  Hand  den  l'mfang  des  ersten  weit  überschreiten.  zen  heben  wir  jene  über  die  Ornanientirung  an  bürgerlichen  Ge- 
bäuden und  die  „Abbes  vdu  Berlin''  hervor.  Eine  sehr  umfassende 
Bibliographie  heschliesst  ilcnliihalt  der  beiden  hier  angezeigten  Hefte. 


Von  Didron's  ..Anjiales  a  r  eh  e  olog  i  que  s"  liegt  uns  die 
sechste  Lieferung  des  XVI.  liaiides  (November  u.  Deecniber  ISIiG) 
und  die  ers  t  e  Lieferung  des  XVII.  Bandes  (.Tiiniier  u.  Februar  1807) 
zur  Anzeige  vor.  —  Das  November-  und  Deecmber-Ileft  beginnt  eine 
grössere  und  vielversprechende  Arbeit  über  „Glocken"  von  Abbe 
Barraud  mit  der  .\bbildung  einer  Glocke  des  XIII.  Jahrhunderts 
aus  der  alten  Stiflskirelie  zu  Moissac.  Das  erste  vorliegende 
Capitel  handelt  über  die  Existenz  und  die  verschiedenen  Gebräuche 
der  Glocken  im  .\lterthunie.  Wenn  es  der  Raum  unserer  Blätter 
gestattet,  haben  wir  die  Absicht  nach  vollendeter  Veröffentlichung 
der.Xbhandlung  und  mit  Uücksiebt  auf  den  fast  gleichzeitig  imFehruar- 
Hcfte  der  „Kevue  de  l'art  chretien"  erschienenen  Aufsatz  über  die 
Glocken  von  Abbe  J.  Gorhiet,  darauf  in  einem  besonderen  Aufsatze 
zurückzukommen.  —  Hierauf  folgt  von  Didron  eine  Beschreibung 
sehr  nierkwürdigerDarstellungen  auf  deniFussboden  derKathedrale  zu 
Siena  mit  der  .\bbildung  eines  Stück  Pflasters  das  „Glücksrad  der 
Fortuna"  vorstellend,  und  soilann  eine  .Abhandlung  über  die  Siegel 
der  „Grafen  .\rtois  von  Despanys  des  Bas."  —  Die  Abtheilung 
„Melanges  et  Nouvelles"  enthält  eine  Notiz  über  den  Kirchenschatz  zu 
Mailand  mit  der  Abbildung  und  Beschreibung  eines  kleinen  trag- 
baren und  wie  es  seheint,  dem  XI.  Jahrhundert  angehörenden  kupfer- 
nen We  ihk  essel  s  ,  welcher  zu  den  archäologisch  interessantesten 
Gegenständen  dieses  Schatzes  gehört.  Er  ist  von  runder,  länglichter 
Form  und  an  der  äussern  Fläche  in  starker  Reliefarbeit  dargestellt 
die  heil.  Jungfrau  mit  dem  Jesukinde  sammt  den  vier  Evangelisten. 
Eine  ausführlichere  Beschreibung  steht  noch  zu  erwarten.  Von  den 
übrigen  Notizen  dieses  Heftes  heben  wir  jene  über  einen  Almosen- 
stock  in  Gestalt  eines  l'elikans  und  über  die  Beleuchtung  der  Kirchen 
im  XIII.  Jahrhundert  hervor. —  Das  Jünner-  und  Februar-Heft 
des  laufenden  Jahres  beginnt  mit  der  interessanten  .\hbiUlung  eines 
Teppiehes  des  Museums  Cluny  aus  dem  XVI.  Jahrhundert,  dann  folgt 
eine  .\bhandlung,  betitelt:  „Ikonographie  der  Schlösser"  von  Didron, 
wovon  der  erste  .\rtikel  vorliegt.  Bemcrkcnswerth  sind  die  folgen- 
den einleitenden  Worte  mit  denen  Didron  die  Abhandlung  und  den 
neuen  Jahrgang  eröffnet:  „Die  Sammlung  der  .\nnalcn,  welche  in 
diesem  Augenblicke  sechzehn  Bände  erreicht  und  die  beinahe  alle 
Zweige  der  kirchlichen  Archäologie  des  Jlittelaltcrs  umfasst,  hat 
uns  das  Recht  erworben  und  legt  uns  selbst  von  Zeit  zu  Zeit  die 
Pflicht  auf,  auch  Gegenstände  der  Civil-.4rchäologie  zu  besprechen. 
Wir  müssen  mit  Gott  anfangen  und  ihn  in  unserer  Jugend  und  unscrn 
ersten  Werken  heiligen.  Diese  Ohliegcidieit  haben  wir  erfüllt  mit 
grossem  Eifer  und  vielleicht  auch  mit  einigem  Erfolg.  In  unserem 
reifen  Aller  und  schon  an  der  Neige  des  Lebens  wird  es  uns  aber 
auch  gestattet  sein,  einige  Blicke  zu  werfen  auf  den  Menschen,  seine 
Vorzüge  und  seine  Leidenschaften,  auf  die  weltlichen  Ideen  und 
seine  rein  irdische  Kunst.  Uberdiess  wird  auch  diess  wenn  auch  indi- 
rccte  für  Gott  sprechen,  weil  der  Schöpfer  zurückstrahlt  in  seiner 
Crcatur,  wie  das  Licht  in  einem  Spiegel  mehr  oder  weniger  getreu." 
—  Hieran  schliesst  sich  eine  zweite  ikonographische  Arbeit,  nämlich 
die  Beschreibung  der  dem  XHI.  Jahrhundert  angehörenden  Krypta 
bei  der  Kathedrale  zu  .\nagni  mit  ihren  sehr  inleressantcn  Fresken, 
von  X.   Barbier  de  .MnnlauU  und  ein  zweiter  Aufsatz   über  die 


Es  sind  ungefähr  zehn  Jahre,  dass  L.  Perret,  ein  Künstler 
voll  Verehrung  für  die  allen  Monumenle  des  t^hristenlhums  hinab- 
stieg in  die  Kalakoinbcn  von  Korn.  Die  Majestät  dieser  ungeheuren  Ge- 
wölbe,  das  Interessante  der  Malereien,  welche  heinahe  alle  Wände 
der  mit  mehreren  Millionen  tiräbern  angefüllten  Friedhöfe  bedecken, 
und  wo  durch  mehr  als  drei  Jahrhunderte  der  erhabene  Cultus  des 
Christenlhunis  Zuflucht  fand,  haben  ihn  mit  Bewunderung  erfüllt. 
Durch  fünf  Jahre  hat  L.  Per  ret  die  Kalaknmben  beinahe  nicht  ver- 
lassen, er  hat  sorgfältig  untersucht  die  grosse  Zahl  von  sechzig 
Friedhöfen,  die  Rom  wie  ein  unterirdischer  Gürtel  im  Umfang  meh- 
rerer Meilen  umgeben,  er  hat  untersucht  die  Todtensäle.  Capellen. 
Sanctuarien,  die  Gräber  dieser  ungeheuren  Gallcrien,  deren  Länge 
durch  den  lielehrten  P.  Marchi  auf  mehr  als  1200  Kilonietres 
bestimmt  wunle.  Nach  vielfacher  Mühe,  Geduld  und  .\usdauer  soll 
er  mit  einer  sehr  glückliehen  Manier  die  Malereien,  welche  die 
Costüme,  Gebräuche  und  Symbole  der  ersten  ('hristen  wiedergeben, 
angefertigt  und  den  L'hergang  der  heidnischen  zur  christlichen  Kunst 
veranschaulicht  haben.  Die  Zeichnungen  sind  nun  gegenwärtig  zu 
Paris  in  einem  grossen  Werke  unter  dem  Titel  „Catacombes 
de  Rome.  Architecfure,  peintures  murales,  inscriptions,  figures  et 
synd)oles  des  pierres  scpulcrales,  verrcs  graves  sur  fond  d'or,  lamp, 
vases  anneaux.  Instruments  etc.  des  cimeticres  des  premiers  chrctiens 
par  L.  Perret"  veröffentlicht  worden.  Dem  Werke  ist  ein  streng 
historischer  Text,  welcher  eine  klare  Beschreibung  der  Ortlich- 
keiten  und  Gegenstände  gibt,  beigegeben,  für  deren  Wahrheilstreuc 
die  Namen  .Ampere,  Ingres,  Merimee  undVilct  bürgen;  die 
Inschriften  wurden  geordnet  durch  M.  Leon  Renier,  einem  der 
ersten  Kpigrai>histen  Frankreichs.  Das  Werk  ist  in  t!  Bänden  (Gross- 
Folio)  erschienen.  Preis  1300  F'ranken. 

Auf  dem  Gebiete  der  Kunstgeschichte  und  .Archäologie  sind  in 
letzter  Zeit  in  Frankreich  neu  erschienen:  Lc  livre  des  usaiges 
etanciennescoustumcsde  la  Conte  de  Guysncsavcc  une  intro- 
duction  et  des  notes  par  M.Tailliar  conseiller  ii  la  cour  de  Donai  et 
un  aperfu  histori(|ue  sur  lc  comte  de  guincs  par  .M.  Courtois  avocat 
etc.  In  8.  'i'i  Francs.  —  R  eprodu  c  t  i  o  n  s  p  ho  tog  ra  j»  hi  ques 
de  plus  beaux  t\pes  d'archilecturc  et  de  sculpture,  d'apres  pres 
des  monuments  les  plus  rcmarquables  de  l'antiquile  du  moyen-:\ge 
et  de  la  renaissance,  cxecutcspar  MM.  Bisson  fr&res  sous  la  direction 
de  MM.  Dnban,  de  Gisors,  IL  Labroustc,  La  ssus,  Lefuel, 
Vaudover  Viollet  -  le-Duc  etc.  Livr  I  ä  12  in  Folio, 
Prix  de  la  livraisnn  '.iO  Francs.  —  Lagoy:  Reeherches  sur  l'cxpli- 
catinn  de  monogrammcs  de  quelques  medaillcs  ineditcs  des 
derniers  temps  de  l'cmpire  d'Occidenf  et  ilc  l'epoquo  mero- 
vingieniie.  Aix  185(>,  4".  —  Judas:  Nouvellc  analysc  de  l'in- 
scriplinn  iihcnicienne  de  Marseille  Gr.  in  4.39  p.  — Lavergue. 
Restauration  de  l'eglise  Saint  Eustache  Mubilier,  dccoralion,  pei[iture, 
murales.  In  8.  34  p.  Paris  impr.  Bailly.  Diory  et  Comp.  —  Texier 
Dictionaire  d'orfcvreric,  de  gravure  et  de  ciseluro  chretienncs,  ou  de 
la  niise  en  oeuvre  artisti(|ue  de  Metaux  des  emaux  et  des  picrrerics, 
comprenant  ccc.  Gr.  in  8"  ä  deux  colonnes,  748  p.  et  figures.  Petil- 
.Montrouge  Mignc.  8  Francs. 


Aus  der  k.  k.  Hof-  und  Staatsdiuckcrei  in  Wien. 


Je<Ua   Monat  erscheint  !  Hofl  mit 
iniDilestens  3  Druckbog'en  und  mit 

Abbildungeu. 
Der  Priinunieratioiispn-is  ist  für 
finen  Jiihro:ang  oiler  /.wwlf  Hefte 
nebst  Register  sowohl  für  Wien 
jlsdie  Krouluiiiler  und  ilai>  Auilaiu] 
i  rt.  C.  M.,  bei  portofreier 
7.tist-D()uDg  in  die  Kronländer  der 
österr.  Mooarchie*«. '>01;r.  CM. 


MITTHEILUNGEN 

DER  K.  K.  CENTRAL- COMMISSION 


PränuiDfratioatfO  überoeh- 
nifO  liiili-  oder  gaotjahrig 
allek.k.  PüSlämlfrder.Moüirchie, 
■***lcbe  auch  die  portofreie 
Zukeodung  d^r  viiiei;iDeii  Hefle 
besorgen.  —  Im  Weje  de»  Uuch- 
haodeU  &iad  alle  Priuumrratianeu 
nod  zwar  our  zu  dem  Preis«  toq 
4  fl.  ao  des  k.  k.  Hoftiuchhäadler 
W-Br-tiimrilliT  in  Wien  lu  nchiea. 


ZU  mmmE  m  mmm  der  b\iüe\k]iile. 

flerausiteffebcn  unler  der  Leiluiii'  des  k.  k.  Seclions-Cliefs  und  Präses  der  k.  k.  Cenlral-Coniiiiissioii  Karl  Freilierrn  v.  rzoeriiiir. 


Redacteur:    &  a  r  I  Weiss. 


N^-6. 


IL  Jahrgang. 


Jlllll  lHo7. 


Inhalt:  Über  den  Weith  vonGi-ab(loiiknialcn  und  ihren  Inseliriften.  wie  ancli  über  die  Anlei,'ung  eines  Corpus  Epitapliioruni  Viiidobonen- 
sium.  AusAnlass  von  fünf  Grabsteinen  im  Franciseiinerkloster  zu  Neustadtl  in  Unlerkrain.  —  Die  ungarischen  Reielisinsignien. — 
Inventarium  der  Pressburger  Domkirchc.  —  A.  Abbate  Magrini  über  die  Chronologie  der  mittelalterliehen  Baudcnkmale  von 
Vicenza.  —  Die  romanischen  Kirchen  zu  Zabor  und  St.  Jakob  in  Böhmen.—  Pamätky  archaeologicke  a  nii'stopisne.  —  Xotiz.  — 
Correspondenzen.  —  Literarische  Anzeigen. 


Über  den  Werth  von  Grabdenkmalen  und  ihren  Inschriften,  wie  auch  über  die  Anlegung  eines 

Corpus  Epitaphiorum  Vindobonensium. 

Aus  Anlass  von  fünf  lirabsteinen  im  Fraiiciscanerkloster  zu  Neiistadtl  in  Unterkrain. 

Von  Joseph  Bergmann. 


I. 


Grabdenkmale  und  Grabsteine  mit  ihren  In- 
schriften zälilt  man  mit  vollstem  Rechte  zu  den  verläss- 
lichsten  Hilfsquellen  der  Geschichte.  Jene  sind  zudem  Denk- 
male der  gleichzeitigen  Kunst  und  Technik;  diese  geben  uns, 
wenn  sie  lesbar  erhalten  sind,  mehr  oder  minder  bestimmte 
Namen  undleiderso  oft  allzu  karge  Daten  über  einzelne  Per- 
sonen, ihren  Rang  und  ihre  Wirksamkeit  im  Staate,  in  der 
Kirche  und  in  der  bürgerlichen  Gesellschaft,  und  über  ihre 
Familien,  ihre  Herkunft,  Vermahlungen  und  Abzweigungen. 
Derlei  Inschriften  ergänzen  anderweitige  mangel-  oder 
lückenhafte  Angaben,  berichtigen  Irriges,  führen  alte, 
ehrwürdige  und  verdienstvolle  Namen  ins  Gedüchtniss 
zurück,  geben  manchmal  neue  Kunde  von  verschollenen  Per- 
sonen und  rufen  weitere  Forschungen  hervor.  Besondere 
Beachtung  verdienen  daher  solche  Denkmale  und  Inschriften 
aus  früheren  Jahrhunderten,  indem  man  keine,  oder  nicht 
sorgfältig  geführte  Todtenbücher  hatte  oder  dieselben 
zu  Grunde  gegangen  sind.  Als  Belege  mögen  dienen  die 
fünf  Grabsteine  im  Franciscanerkloster  zu  Neustadtl  in 
Unterkrain,  von  denen  Copien  der  k.  k.  Centralcommission 
eingesendet  wurden;  nämlich  die  Grabsteine  der  beiden 
letzten  alttirolischen  Vill anders,  des  Oberstfcldhauiit- 
manns  Hanns  Lenkowitsch,  Georg's  von  Sigisdo  rf, 
Christoph's  Gall  von  Gallenstein  und  der  Fann'lie  Rah, 
über  die  wir  die  gesammelten  Notizen  später  mittheilen 
wollen. 

II. 


Wie  viele  solcher  Denkmale  und  Inschriftsteine—  abge- 
sehen von  den  noch  entfernter  liegenden  Rümersteinen  — 
sind  im  Sturme  der  Zeit,  wenn  auch  nicht  gerade  durch  Ele- 
mentarereignisse, doch  durch  Abtragen,  durch  Um- und  Neu- 
bauten von  Kirchen  und  Capellen,  durch  Unwissenheit  und 
Sorglosigkeit  der  späteren  Generationen  zu  Grunde  gegangen 
oder  von  Füssen  schonungslos  betreten,  ganz  unleserlich 
geworden? 

Wie  alles  Irdische  wechselt  und  vergeht,  so  wechseln 
auch  oft  einzelne  Menschen  undFamilien,  ganze  Geschlechter 
und  Volksstämme  freiwillig  ihre  Wolinsitzc  oder  auch  aus 
Interesse  oder  gar  nothgedrungen;  sie  suchen  andere  Stätten 
in  demselben  Lande  oder  in  der  Nachbarschaft,  häufig  auch 
in  der  Ferne  und  treiben  in  der  neuen  Heimat  entweder 
frische  Sprossen  und  blühen  cin[ior  oder  erloschen.  Wir 
kennen  in  unserem  Osterreich  zahlreiche  Geschlechter  des 
hohen  und  niederen  Adels,  deren  Ahnherren  schon  vor 
mehreren  Jahrhunderten  eingewandert  sind,  so  aus  dem 
übi'igen  Deutschland,  vornehmlich  ans  dem  südlichen  und 
den  Rbeinlanden,  aus  Italien,  den  Niederlanden,  Frankreich, 
aus  Spanien,  von  denen  aus  der  Zeit  Kaiser  Ferdinand's  I. 
noch  allein  die  (>ralen  von  Hoyos  aus  altcastilischem  Blute 
in  verdienten  Ehren  blühen;  ja  aus  Portugal,  wie  die 
Grafen  von  Göess  und  Sylva  Tarouca.  Dagegen  wan- 
derten nicht  wenige  altheimische  Familien  zur  Zeit  der 
Hcformaliim  und  Gogenrcformafion  aus  (tsterreich,   Inner- 

20 


142   — 


OsteiTüich  und  IJLiliineu  aus,  wie  uns  nicht  allL-in  die  geschrie- 
bene Geschichte  lehrt,  sondern  ;nuli  mancher  Grabstein  in 
Regensburg,  Nürnberg,  Augsburg,  Tübingen  etc.  I)ezeugt. 
Herzog  Friedricii  von  Wiirtemberg  legte  für  protestantische 
Exuhuiten  aus  Inneri'isterreich  im  Jain'e  lö!)9  auf  einem  an 
Silber-,  KujitVr-  und  Eisenerzen  reichen  Berge  iniScInvarz- 
walde  Freudenstadt  als  Coloiiie  an,  welche  anfangs 
schnell  auf])lühte,  aber  durch  die  Pest  (ICH)  und  im 
dreissigjahrigen  Kriege  (1632  und  1034)  sehr  viel  litt. 
Dürfte  man  nicht  daselbst  und  in  der  Nähe  innerüsterreichi- 
sclie.  l)esonders  Kärnten'sche  Familiennamen  fiiidon?  Ferner 
lindet  man  Grabsteine  ausgewanderter  österreichischer  Fami- 
lien in  Dresden  und  anderen  Residenzen  deutscher  prote- 
stantischer Fürsten,  da  viele  Adelige  unserer  Lande  in  deren 
Diensten  standen  und  starben.  Der  Kürze  halber  seien  mir 
für  jetzt  weitere  Belege  erlassen. 

Wie  viele  Grabsteine  mit  den  ersten  Namen  des  Vater- 
landes lesen  wir  auf  den  alten  Jlonunienten  und  Sdirift- 
tafeln  in  unserem  Wien?  Zahlreiche  aussorheimisehe Namen 
weisen  auch  die  Grabmale  in  den  Kirchen  der  Besi- 
denz.  Grosse  Männer  haben  durch  ihre  Thaten  und  ihre 
Verdienste  um's  Vaterland  dafür  gesorgt,  dass  sie  nicht 
sobald  aus  dem  Gedächtnisse  der  Nachwelt  schwinden.  Wo 
ruhen  aber  ihre  irdischen  Beste,  wo  steht  ihre  Gedächtniss- 
tafel? Nur  Wenigen  sind  sie  bekannt.  So  rulit  Prinz 
Eugen  von  Savoyen  (-j-  21.  April  1736)  hei  St.  Stephan, 
Graf  Ernst  Büdiger  von  Starhemberg  (f  4.  Juni 
1701)  und  der  aus  dein  österreiehisciien  Successionskriege 
bekannte  FJI.  Graf  Ludwig  Anton  von  Klie venhüller 
(f  26.  Jännerl744)  bei  den  Schotten,  der  Fürst  Baimund 
Montecucculi,  der  Sieger  bei  St.  Gotthard,  der  am 
10.  üctober  lOSO  in  Linz  starb,  in  der  iiiesigen  Jesuiten- 
kirche am  Hof;  Wirich  Philipp  Graf  von  Dann,  Fürst 
vonThiano,  aus  der  Eitel  herstammend,  Kai.ser  Karfs  VI. 
Vicekonig  und  Generalcapitän  in  Neapel  und  Sicilien.  der  am 
30.  Juli  1741  hier  starb,  ruht  in  der  Todteiicapelle  bei  den 
.Augustinern,  und  dessen  Sohn  Fjcopold  Joseph  FM.  und 
Sieger  auf  den  Feldern  von  Kollin  am  18.  Juni  1757,  der 
am  5.  Februar  1766 dahin  schied,  ebendaselbst').  Graf  und 
seit  8.  October  lOöO  Beichsfürst  Ottavio  Picc  ol  om  i  iii. 
Herzog  von  .Vragoiia,  dem  die  Stadt  Wien  im  Jahre  I6ö0 
ein  Freihaus  in  der  Wollzeile,  wo  dermals  das  neugebaute 
Haus  Nr.  864  steht,  schenkte,  starb  am  11.  August  1656 
und  ruht  hier  in  derServitenkirche  in  der  Vorstadt    Bossau. 


')  Alj  iiinii  vor  clM-n  211  Jalin-ii  iliese  TodtiMH'iipeMe  ii-iioviile .  copiik'  i'iii 
.Maurer  (.■im!  Jer  lalciiiisclioii  liisehrillon,  um  sie  nii  Ort  iiiul  Sti-Ilv 
wieder  aiiiuhriiiiicn.  Nun  war  .nljfr  ilic  Abschrift  >ou  lU'rn  uiih  issi-uilen 
(■"|iisliMi  iu  i'iiii'iii  siiinlusfu  Wirrwarr  entstellt  und  (jän/.licli  unlirauidihür. 
.«an  brachte  sie  ins  k.  k.  .Münz-  und  Antikencabinct  /.ur  Durchsicht  und 
llerichti^un^.  Zum  Glücke  Tiel  mir  ein,  dass  die  lange  Inschrift  in 
W  iss  jrril  1'5  Schauidatz  des  land<Ü3sigen  niedcrüslcrrcichischen  Allels. 
Wien  179.1,  Bd.  II,  108  f.  corrcct  abgedruckt  sei,  worauf  sie  w  icder  her- 
gestellt werden  konnte.  Dieses  Iieis|iiel  niiige  zeigen,  welche  Vorsieht 
bei  ot»a  nolhwcndigem  Copircn  von  Inschriften  anzuwenden  sei. 


verbat  sich  aber  jegliches  Epitaphium').  Graf  Ni  klas  Salm, 
der  Ältere,  ^^'ien"s  Vertheidiger  im  Jalire  1529  hatte  sein 
Mausoleum  in  der  Kirche  des  St.  Dorotiiea-Sliftes  in  W'ien, 
das  nach  der  Auflösung  des  Stiftes  auf  die  fürstlich  Sal- 
inische  Herrschaft  llaitz  in  ^lähren  übersetzt  wurde  =).  Wie 
viele  interessante  und  gut  gearbeitete  Grabdenkmale  und 
Inschriftsteine  findet  man  in  Kloster-  und  I^aiui-Kirchen 
und  in  Familiengruften  hoher  und  niederer  Herrschaften. 
W'elche  epitaphische  und  geschichtliche  Ausbeute  bieten 
gar  oft  die  alten  Edelsitze  sowohl  des  altheimischen  als  ein- 
gewanderten .\dels  allenthalben  in  den  österreichischen 
Landen? 

Welche  Namen  entnehmen  wir  den  Grabmonumenten 
und  Denksteinen  in  der  Domkirche  und  deren  Seitenca- 
pellenzuSt.  Veit  in  Prag?  Wir  finden  daselbst  ausser  denen 
der  böhmischen  Landesfürsteit ')  und  der  alten  heimischen 
grossen  Familien  der  Czernin,  Kolowrat,  Ldhkdwitz,  Mar- 
tinitz,  Sla«ata.  Schlick,  Sternberg,  Trzka,  Waldstein,  \A'i'a- 
tislaw  von  Mitrowitz  u.  s.  w.,  das  in  der  St.  Sigmundscapelle 
auf  der  Erde  stehende  Denkmal  des  von  seinem  Throne 
gestossenen  siebenbürgischen  Fürsten  Sigmund  Bäthory, 
der  zu  Prag  am27. 51ärz  1613  starb,  das  laut  derBandschrift 
ihm  sein  in  allen  Glückwecliseln  unerschütterlich  treuer 
Landsmann  Georg  Nemes  de  Waradgia  setzte*). 

Aus  der  langen  lateinischen  Inschrift  eines  Grabmales 
lernen  wir  die  hohe  Herkunft  der  Gemahlin  Adams 
Freiherrn  von  Dietrichstein  kennen.  Ihr  Vater  war  Don 
Antonio  de  Cardona.  ein  Sohn  des  Don  Luis  Ramon 
Folk,  Herzogs  von  Cardona.  Grafen  von  Prades  und  Mar- 
chese  de  Pallas  und  der  Donna  .VIfonsa  Henritjuez:  ihre 
Mutter  war  Donna  Maria  de  Betiuesens,  Gräfin  von  Pale- 
mos  etc.  Er  war  vordem  Vicekonig  von  Sardinien,  kam  auf 
Kaiser  Karl's  V.  Befelil  mit  dessen  Tochter,  der  Infantin 
Maria,  (jcinahlin  Kaiser  Maximiliairs  11.  im  .\pril  1552  nach 
()sterreicli,  starb  in  \A'ien  iun  II.  .\|iril  Io.')3  und  witrd- 
später  mit  seiner  Gemahlin  ^laria,  die  als  Obersthofmei- 
slerin  der  Kaiserin  am  23.  Jänner  157  7  starb,  in  der  genaimteit 
St.  Sigmundscapelle  beigesetzt,  das  Grabmal  errichtete  deren 
Schwiegersohn  .\(lam  Freiherr  von  Diel  ric  lis  t  e  in  mit 
seiner  (lemalilin  Margaretlia,  Herzogin  von  Cardona. 
.\uch  ist  daselbst  an  der  \\and  oin  rollimarnioriies  Denkmal 
eingemauert,  das  der  Freiherr  .\ da  in  vun  Die  l  richstein. 
damals  Oberstkämnierer  Kaiser  Maximilian's  H.  und  dessen 
beider  ältesten  Söhne  Budolf  und  Ernst,  .\jo  oder  Oberst- 
hofmeister, und  seine  Gemahlin  ihrem  "■eliebteiiTöcliterchen 


>1  Vgl.  meine  .tledailleii  lid.  II.  :!38  t. 

'^1  S.  dessen  Ilesehreibung  und   gan/,e  volle   Inschrift  in  de-,  l'reilierrn  von 

lloruiayr  Archive.  Wien  IStö,  S.  o3i{. 
M   Die  (i  r:t  li  s  1  ii  1 1  e  n  und  Graliniüler  der    I.  a  n  d  es  f  ii  rs  t  e  u    It  u  h- 

mens  \on  ^laxinilliau  .M  il  la  u  er.  Prag  l.s:it»,  in  .S". 
*)   Die  k.  k. ,   dann  des  Künigreiclis  llöhnion  Haupt-  und  .Melrupulitankirche 

zu     St.    Veit    oh     dem     Präger   Schlosse    verfa.sl     von     Anton     K.  M. 

Honsatko.  Pr.ig  LSS.!.  kl.  S'.,  S.  I3j  und  WHi  Leiiler  slrotit  dieses  Duch 

von  groben  Satzfehlein. 


14?, 


Johanna,  das  im  neunten  Jahre  den  4.  April  ISTS  sein 
zartes  Leben  aushauchte,  setzen  liessen.  Freiherr  Adam 
von  Dietrichstein  starb  zu  Nikolsburg  am  13.  Jänner 
1S90  und  ward  nach  Kaiser  Rudolfs  11.  Befelil  im  Präger 
Dome  zu  des  Kaiser  Maximilian"s  II.  Füssen  begraben,  wie 
die  dortige  Inschrift  lehrt;  seine  Witwe  begab  sich  nach 
Madrid,  wo  sie  am  23. Februar  1(509  von  dieserErde  schied. 

Wir  nennen  beispielshalber  eine  in  der  St.  Wenzels- 
Capelle  der  Domkirche  zu  St.  Veit  erhaltene  Inschrift  und 
fügen  ihr  einige  liistorische  Notizen  bei.  Peter  und  Bern- 
hardin  de  Meneses  oder  de  Menesiis  aus  Toledo 
kamen  mit  Erzherzog  Ferdinand  Laus  Spanien  und  wohnten 
in  Linz  am  26.  Mai  1521  dessen  Beilager  mit  der  k.  Prin- 
zessinAnna  von  Ungarn  bei.  Beriihardin,  Kaiser  Ferdinands 
Oberststallmeistx^r  etc.,  ward  13.  Dec.  1542  Freiherr  mit 
dem  Prädicate  von  S  c  hwarzeneck  ,  erwarb  sich  durch 
Darlehen  Herrschaften  in  Krain,  wie  Adelsberg  1327,  in 
Österreich  1559  Laxenburg  pfand-  und  pflegweise.  Er  ver- 
mählte sich  laut  eines  Heirats-  Docunients,  Wien  am  14.  Dec. 
1550  mit  Katharina  Dersfi,  Wolf  Dietrich's  Rauber  Frei- 
herrn von  Plankenstein  ^^  itwe,  nach  Andern  mit  Isabella  de 
Guzmann.  was  wohl  in  erster  Ehe  gewesen  sein  mag.  Er 
liinterliess  drei  Töchter,  die  ihm  nach  Honsatko  S.  112  mit 
der  (Stief-)  Mutter  Dersfi  den  Gediiehtnissstein  setzten. 
Sie  hiessen  a)  Gasparina,  die  nach  Wissgrill  IV.  131 
mit  Bernhard  I.  Grafen  von  Hardegg  verehelicht  war; 
A^  Katharina  war  nach  Hübner  III.  Tab.  541  Scipio's 
Grafen  von  ,\ reo  Gemahlin;  r^  von  Elisabetha  vermag 
ich  nichts  beizubringen.  Endlich  finden  wir  noch  in  Augs- 
burg einen  Bruder  dieser  genannten  beiden  de  Meneses: 
AI  fo  US  US  Gonsales  de  Meneses,  im  geheimen  Cabi- 
nete  (?aseereto  cuhiculo)  des  Erzherzogs  Ferdinand,  stai'b 
daselbst  und  sein  Bruder  Bernardin  Hess  ihm  einen  Grabstein, 
leider  ohne  Angabe  des  Sterbejahres  und  Tages  setzen  (Vid. 
Dan.Praschii  Epitaphia  Augustana.  I.  pag.  74).  So  müssen 
oft  einzelne  Glieder  einer  Familie  gesucht  und  zusammenge- 
stellt werden.  Das  Geschlecht  de  Menesiis  erlosch  in  Oster- 
reich noch  im  X\'I.  Jahrhundert,  da  unseres  Wissens  Ber- 
nardin keinen  Sohn  hatte. 

Auf  dem  Fussboden  der  Vorhalle  der  heil.  Dreifaltig- 
keitscapelle  ist  der  Grabstein  des  berühmten  Malers  Johann 
von  Aachen  aus  Cüln ,  dem  Kaiser  Rudolf  II.  laut  den 
Reichsadels-Acten  am  1.  November  1594  den  Adelstand  und 
am  14.  Mai  1G05  noch  andere  Freiheiten  verlielien  hatte. 
Er  war  auch  der  Kaiser  Rudolf  und  Matthias  Kammerdiener 
(so,  nicht  aber  Kammerer  ist  das  lateinische  Camerarius 
der  Inschrift  zu  übersetzen),  und  starb  in  einem  Alter  von 
G3  Jahren  l(i  15.  Auch  hatte  er  nach  einem  anderen  dortigen 
Grabsteine  zwei  vor  ihm  verstorbene  Zwillingstochter 
Regina  und  Johanna;  seine  Gattin  hiess  Regina  de 
Joso  (s.  Honsatko  S.  G4  und  G5). 

Wie  oft  liest  man  den  vielgenannten  Namen  eines 
berühmten  Mannes  unvermuthet  an  ganz  fremder  Statte,  wo 


ihn  der  Beruf,  günstiges  oder  ungünstiges  Geschick  hin- 
führte; so  z.  B.  starb  Jakob  Jonas  von  Buch  (von  Götzis 
in  Vorarlberg),  Kaiser  Ferdinand's  I.  geheimer  Rath  und 
Hofvicekanzler,  auf  der  Reise  zum  Reichstage  nach  Augs- 
burg zu  .i^bensberg  in  Bayern  am  28.  December  1538  und 
ruht  in  der  oberen  Stadtpfarrkirche  zu  Ingolstadt,  wo  er 
seinen  Denkstein  hat  ')•  t  ber  andere  Personen  dieses  Ge- 
schlechtes fand  ich  1853  Notizen  in  einem  Manuscripte  des 
Klosterarchives  zu  St.  Gallen  und  mehrere  auf  dasselbe 
bezügliche  Grabsteine  in  einzelnen  Kirchen  dieses  Cantons. 
Mehrmals  beschäftigte  mich  bei  historischen  Arbeiten 
der  kaiserliche  Oberst  Alois  Baldiron.  Derselbe,  voll 
heissen  welschen  Blutes,  hatte  mit  seiner  zusammengelesenen 
Soldatesca  im  erbitterten  und  blutigen  Kriege  zwischen 
Österreich  und  Graubünden  im  Jahre  1622  im  Engadin  und 
Prätigau  arg  gehaust  und  als  Herr  von  Zierotitz  in  Mähren 
das  Incolat  in  Böhmen  und  den  Nebenlanden,  dann  am  30. 
Juli  desselben  Jahres  den  Freiherrnstand  erworben.  Wo 
und  wann  das  Ende  seines  Lebens?  Er  starb  am 22.  Jänner 
1632  wahrscheinlich  zu  Wien,  da  er  nach  Leopold  Fischer 
Suppl.Ill.  142  in  der  hiesigen  Minoritenkirche  ruht;  so  auch 
dessen  Sohn  Johann  Peter  J  akob  Freiherr  von  Bai - 
diron,  der  21  Jahre  alt  den  8.  Jiinner  1637  dahin  schied, 
und  dessen  Mutter  Metta  (Margaretha) ,  geb.  Freiin  von 
S  trollen  dorf,  die  in  demselben  Jahre  starb. 

Einen  Beleg,  welche  Männer  verschiedenen  Vater- 
landes und  Berufs  der  Schooss  eines  kleinen  DorlTriedhofs 
birgt,  bietet  uns  der  zu  Älaria  Enzersdorf  bei  Mödling 
unweit  Wien.  Dort  ruhen:  Maximilian  Hell,  k.  k.  Hof- 
Astronom,  geb.  zu  Schemnitz  1720,  f  14.  April  1792,  dessen 
an  der  nordwestlichen  inneren  Mauer  eingefügten  IMarmor- 
stein,  den  oben  der  Himmelsglobus  zierte,  Sorglosigkeit  ver- 
wittern und  in  jüngster  Zeit  wegriinmen  liess;  Franz  Joseph 
Freiherr  von  M  ü  n  c  h  -  B  e  1 1  i  n  g  h a  u  s  e  n ,  Reichsliofrath. 
geb.  zu  Worms  am  10.  November  1733,  gest.  amS.October 
1802  sammt  seiner  Gemahlin,  geb.  Freiin  von  Pen k  1er 2), 
geboren  zu  Pera  den  21.  Juni  1733,  gest.  13.  März  1840. 
desgleichen  deren  Fi'an Schwiegertochter  Theresia  Freiin 
von  Münch -Bellinghausen,  geb.  Freiin  von  Deuster  aus 
Cöln,  -[■  10.  Juni  1810,  deren  Gemahl  aber,  der  nachherige 
Staats-  und  Conferonzrath  Cajetan  Casimir  Freiherr  von 
Münch-Bellinghauseu  (Vater  des  Dichters  Friedrich  Halm), 
geb.  zu  Wien  am  1.  November  1776  und  gest.  27.  Juni 
1831.  auf  dem  Kirchhofe  des  Dorfes  Währing  ruht;  ferner 
P.Clemens  Maria  Ilofbauer.  Einführer  der  Redemptoristen 
Congregation  in  Östereicli.  geb.  zu  Dascliwitz  bei  Znaym  am 
2G.  December  1731,  gest.  zu  Wien  am  13.  März  1820;  der 
Dichter  F.  Friedrich  Ludwig  Zacharias  Wem  er.  geb.  zu 
Königsberg  am  18  Nov.  17G7.  gest.  nach  seinem   Anstritte 


'3  S.  dieGrabschiift  und  meine  liLsloi-.  Bemei-kunj  in  Dr.  .\i)olpli  Sohmidls 
Osten-.  Bliitter  für  Liter.itiir  und  Kunst,  1844,  Qu.irtal  IN,  Nr.  29,  S.  2;)0. 

«)  Ueinrich  Christoph  v.  l'enkler,  k.  k.  hiternuntius  liei  der  iuilien  Pforte 
erhielt  nni  4.  Oet.  1747  den  l"r  e  ih  e  rr  ns  t:i  n  d. 


20° 


—   144   — 


aus  ileiu  OriK'iuloi'liedi'iiiiitiii'isli'M  im  cheiuiiligcii  Augustiiicr- 
kloster  zu  Wien  am  17.  .Uiiiiior  182o;  Adam  Müller  Ritter 
von  Nitterdorf,  gel),  zu  Herlin  am  IJO.  Juni  1779,  gest.  zu 
Wien  den  17.  Janner  1829,  und  seine  Gemaliiin  Sophie, 
gel),  von  Taylor,  geb.  1774,  gest.  in  Wien  1849;  Kried- 
ricli  VOM  Kl  i  nko  wstr  öiu,  geh.  zu  LudMigshurg  bei  Stral- 
sund im  damaligen  Seliwedisch  -  l'onimern  am  31..Vugust 
1778,  Inhaber  eines  Erziehungs-Institutes  in  Wien,  gest. 
am  4.  April  183ö,  nebst  dessen  Gemahlin  Ludoviea  von 
Mengershausen,  geb.  zn  Göttingeii,  gest.  zu  Wien  am 
7.  Miirz  1821;  Franz  Bernhard  Ritter  von  Hucholtz. 
k.  k.  liegiernngsrath  und  Verlasser  der  (josehiehte  der  Re- 
gierung Kaiser  Ferdinand  1..  geb.  zu  Münster  am  10.  Juni 
1790, gest. 4.  Februar  1838;  Albert Rilt(>r  von  Hess.  Bruder 
des  k.  k.  Feldzengmeisters  Heinrieh  Freilierrn  von  Hess, 
k.  k.  staatsräthlieher  Referent,  gel),  in  Wien  am  3.  Februar 
1787,  gest.  12.  Juni  1838;  Thomas  Dolliner,  k.k.llofrath 
und  Professor  des  römischen  und  canouischeu  Reehtes,  geb. 
zu  Dörfern  in  Kraiu  am  12.  l)ee.  17(50,  gest.  zu  \\'ien  den 
15.  Februar  1839;  Karl  Ernst  Jareke,  k.  k.  Staatskanzlei- 
rath,  geb.  zu  Danzig  am  10.  November  1801,  gest.  zu  Wien 
den  27.  Dec.  1852;  der  ausgezeichnete  Bechtsgelehrte 
Karl  Freiherr  von  Pratobevera,  Yieepräsident  des  k.  k. 
niederösterreiebischen  Appellationsgerichts,  geb.  zu  Bielitz 
in  k.  k.  Selilesien  am  17.  Februar  17(»9,  gest.  zu  Wien  den 
6.  Oec.  18Ö3  u.  a.  m. 

Diese  .\ngaben  sollen  nur  als  Beispiele,  die  wir  ver- 
hunderlfachen  könnten,  dienen,  welche  Ausbeute  aus  derlei 
Monumenten  und  Grabinscbriflen  für  die  Orts-  und  Familien- 
geschichte sich  gewinnen  lasse.  (leistlicbe,  Bau-  und  andere 
Beamte,  Honoratioren  höherer  Bildung  würden  mit  ver- 
einten Kräften  nuihelos  den  etwaigen  StolV  ihres,  wenn  auch 
grösseren  Wohnortes  bewältigen.  Fine  schone  und  ehrende 
.\ufgabe  wäre  es  die  Inschriften  getreu  zu  eapiren  und  genau 
zu  be-scbreibcn,  oft  auch  mit  Beihilfe  anderer  in  den  Pfair- 
i)ücbern  und  Localurknnden  enthaltenen  Daten  klar  und 
einfach  historisch  zu  beleuchten.  Ausgezeielinete  Grab- 
male wären,  womöglich,  zu  zeichnen,  oder  zu  photogra- 
pliiren.  Durch  die  Decanate  oderConservatoren  wären  solche 
kleine  Sammlimgen  an  einen  Central])nnct  zu  bringen  und 
hi('r  in  ein  grösseres  planmässig  geordnetes  Ganzes  zusam- 
menzustellen. 

Welches  Interesse  und  welche  historische  Belelirung 
gewährte  ein  Corpus  Ep  ita|)li  io  rum  urhis  ^'indo- 
bonensis,  al)gesehen  von  den  dernndigen  neueren  Fried- 
höfen ausserlialb  der  Linien  Wiens!  —  Die  Stadt  Wien 
Iiesass  zwei  Sammlungen  von  den  Grabnn)numcnten  ihrer 
Kirchen  :  «y  die  grälhch  von  Tra  u  ts  u  n'sche  und  hj  die 
grätlich  von  F  n  (•  h  s'sche. 

aj  Ogesser  sagt  in  seiner  Beschreibung  der  St.  Ste- 
plianskirchc,  Wien  1779,  S.  303,  dass  zur  Zeit  des  V^'iener 
Fürst-Bischofs  Ernst  Grafen  von  T  ra  utson  (von  1685 — 
1702)   Mucli   filiiT  400  Grabmale  bei   St.  Stephan   ^(lrhan- 


ilen  gewesen  seien.  Dieser  Hess  nach  dem  Antritte  seines 
Hirtenamtes  ein  Verzeicbniss  aller  Grabmale  der 
hiesigen  Kirchen  zusannnenschreihen,  dessen  Existenz 
ai)er  dermals  unbekannt  ist.  Ogesser  nennt  namentlich  von 
S.303 — 31 3 noch  I  13  (jral)mäler  innerhali)  und  I  ff»  ausser- 
halb dieser  Metro])olitankirche.  Nur  ein  'l'lieil  dieser  von 
Trautsoirsclien  Sammlung  hat  sich  in  Abschrift  im  iiiesigen 
Schotteustifte  eihalteu.  Itasselbe  verwahrt  einen  geschrie- 
benen Folioband  in  drei  I5üchern  oder  .\bthcilungen  unter 
dem  Titel:  Tomns  Epi taiihiorum  Monastcrii  B.  V. 
M.  ad  Scotos  Yleiiune  in  (res  lilrros  ilivtsiitK,  qtiorum 
Primus  Inscriptiones,  tjuae  tum  in  Am/iifu '),  tum  in 
Ecciesin,  tum  etiam  in  Coemeterio  reteri  ni/t/o  Vogelge- 
sang, Srciunliif!  qiKtc  in  Cri/pfa  EcclcKitic,  Tai  Ina  ([iiac  ex 
Bililiotliacu  Celsissimi  6'.'  It:  I:  Princijiis  Juaunis  Wil- 
lu'imi  a  Trnuthsoji-)  dcsumptne ,  et  nd  Ännum  vsque 
jllDCl'XXX.  pcrdiictiic  sunt,  cnnlinti  —  cunsrriptus  anno 
Sn/ulis3ID('CLXXn: 

Mitnu  ('iddDKKjuc  Francisci  Ernesti  Mayr. 
.Aus  der  grossen  Zahl  von  Personen,  die  ihre  Ruhe- 
stätte in  diesem  Sciiotteustifte  gefunden  haben,  wollen  wir 
zwei  zu  ihrer  Zeit  ausgezeichnete  Männer,  deren  Namen  lieut 
zu  Tage  fast  ganz  verschollen  sind,  bei  unseren  Lesern  mit 
einigen  historischen  Beigaben  wieder  erwecken,  nämlich 
S.  79:  u)  Johann  Rudolf  Schmid  Freiherru  von 
Seh  war  zenhur  u  und  ä^  den  kaiserliclien  Kannnernialer 
Franz  Leüx  von   Luxen  stein. 

Johann  Rudolf  Schmid  Freiherr  von  Schwar- 
zenhorn,  Hei'r  zn  St.  Margrethen  an  der  Wien  und 
Nikolsdorf,  kais.  liofkriegsi'atii ,  dann  oberster  Waldmeister 
in  Niederösterreicli ,  im  Jahi-e  1590  zu  Stein  am  Rhein 
ceboren ,  wai'  nacli  llüclitiLifer  Junciid  und  feindlichen 
Schicksalen  unter  den  Kaisern  Ferdinand  11.  und  111.  durch 
fünfzehn  Jahre  Resident  bei  der  hohen  Pforte  =).  Am  30. 
März  I()49  brachte  er  als  Botsehafter  zu  Konstantinopel  im 
NanuMi  seines  Kaisers  dem  achtjährigen  Sultan  Mobanmied 
IV.  die  Glückwünsche  zu  dessen  'l'lncmbesteigung  dar  und 
überreichte  feierlich  die  Gesclienke.  Am  L.lnli  verlängerte 
er  den  Frieden  auf  22  Jahre.  Im  folgenden  Jahre  war  nach 
Baron  v(m  lianuncr  111.  395  Schmid  abermals  in  Stanibul 
und  überbrachte  mit  einem  Gefolge  von  42  Personen  die 
Bestätigung  dieses  Friedens  von  Seite  seines  Hofes,  wie 
auch  grosse  Geschenke   im  \N Crthe  von  nielir  als  100,000 


')  Ah  rii^iii  \c)iii  .hiliie  1H27  — 18:i'i  (l:is  weiUücifigc  Stiflsgcl»""'!«'  in  ilcr 
gegi'iiwliiligi'n  iiiiposaiiU'ii  CeslnU  neu  lier-stoUtL' ,  IiircIiIc  innii  ilio  lUtcn 
G  1- nb  steine  iiiil  aller  Sorgl'iill  in  ileii  neuen  Kreuzgung,  um  sie  der 
Nlichwelt  7,n  erliullpn. 

■-)  Da  der  I'ürstliiscliof  (Jraf  K  r  n  s  I  v.>n  'l'rautsiin  am  7.  .liiuner  ITü'i 
gestnilicn  isl.so  kam  ilns  olien  ci  «iiliute  V  c  nci  e  h  n  i  ss  ilcr  firali- 
niiilcr  walii-sclieinlirli  an  »einen  Diuiler  den  Kiiislen  ,1  o  li  b  n  n  Leopold 
«nd  von  diesem  (f  1724)  au  ilessen  Solin  .loliaun  Wilhelm  riirslen 
von  Trautson  ,  der  mit  seinem  Tode  nm  31.  Oetolicr  177;i  den  .Manns- 
stanim  dieses  alttiiolisciicn  (»eschlecliles  bcscliloss. 

')  Vgl.  Baron  von  II  u  ni  ni  e  r's  Gcschiclilc  des  usmanisclien  Ileiehes  183S. 
Bd.  IM,   120  und  :U8. 


US 


Gulden,  nämlich  silberne  Kühlkes.sel.  Leuchter,  getriebene 
Schalen,  durchbrochene  Rauchfiisser  und  Sprenggefiisse  zum 
Rosenwasser,  Uhren  und  Becher')  und  erwirkte  ein 
Schutzdiplom  für  die  Geistlichkeit  zu  Jerusalem.  Er  -wurde 
am  4.  April  ICäO  in  den  Fr eiher rnst and  mit  dem 
Prädicate  von  Schwarz  enhor  n  erhoben,  welches  Prä- 
dicat  er  von  der  Burgruine  S  ch  warzenhorn  bei  Sat- 
teins im  oberen  Vorarlberg  (s.  Blasius  Hueber's  Karte  von 
1783)  führt,  woher  sein  Geschledit  stammt.  Er  war  mit 
Helena  Feldnerin  von  Feldcgg  vereblicht  und  braciite,  nach- 
dem seine  drei  Sijbne  Johann  Rudolf,  Felix  Rudolf  und 
Julius  Albert  in  jungen  Jahren  vor  dem  Vater  gestorben 
waren,  sein  Prädicat  und  den  Freiherrnstand  mit  Kaiser 
Leopold's  I.  Genehmigung  an  den  Gemahl  seiner  Tochter 
Maria  Anna,  den  Hofkammerrath  Maximilian  von 
Seeau,  Freiherrn  von  Seh  warzenhorn.  Er  starb  am 
12.  April  1667.  Auch  war  er  Mitglied  der  Pegnitz-Schäfer. 
Seine  Vaterstadt  verwahrt  noch  einen  ihr  von  demselben  zum 
Andenken  verehrten  vergoldeten  Pocal ,  da  er  in  seiner 
Jugend  ein  Goldschmied -Lehrling  zu  Lindau  gewesen. 

h)  Nach  derselben  Sammlung  der  Epitaphien  im  Schot- 
tenstifte, Abtbeil.  I,  21.  ruht  daselbst:  Franz  Leüx  von 
IjU  xenstei  n,  Kaiser  Ferdinand"«  IlL  und  Kaiser  Leopold's  I. 
Kammermaler,  der  am  1.  Mai  1668  starb;  seine  Hausfrau 
Eleono  r  a  Cl  a  vens  starb  den  12.  Juli  16S1.  Nach  Nagler 
VII,  471  war  er  aus  Antwerpen  und  Rubens'  Schüler,  Hof- 
maler Kaiser  Ferdinand's  III.  und  Gallerie-Inspector  zu  Prag, 
sein  Sterbjahr  ist  aber  unbekannt.  Nach  dessen  Angabe  hatte 
er  zwei  Söhne,  die  ebenfalls  Maler  waren. 

Nach  den  alten  Hofkanzlei-Acten  erhielt  Franz  Leüx 
von  Lüxenstein,  Kanuiiermaler ,  für  sich  und  seine  ehe- 
lichen Leibeserben  sowohl  männlichen  als  weiblichen  Ge- 
schlechtes am  14.  August  1652  die  Befähigung  zum  Besitze 
des  Edelmannsifzes  zu  Pötzelsdorf  (oder  P  ötz  lein s- 
dorf  bei  Weinhaus  unweit  Wien)  gegen  das  Einstandsrecht 
der  Stände.  Diesen  Sitz,  der  im  feindlichen  Einfalle  der 
Schweden,  die  somit  im  Sommer  164S  die  Donau  bei  Wien 
zu  einem  Slreifzuge  übersetzt  haben  mögen,  abgeödet  (sie) 
und  verderbt  worden  war,  hatte  Leüx  von  den  Kloster- 
frauen zur  Himnielporten  in  NMen,  denen  er  gehörte,  abge- 
kauft und  zur  Hebung  von  dessen  Landwirthschaft  viel 
gethan. 


•j  Diese  feieillelie  Auf\vailun(;  und  ÜlieireieliuHg:  lier  lieschenke  wiirile  vom 
Maler  Joachims  in  einem  Gemälde  dargesteUl,  dessen  etwaijje  Existenz 
mir  aber  unbekannt  ist.  Dasselbe  ist  von  E  I  i  a  s  W  i  d  e  n  m  a  n  n  zu  Wien 
in  Kupier  gestorben  worden.  Schmid,  im  Costiinie  eines  ungarischen 
Magnaten,  steht  vor  dem  auf  dem  Divan  sitzenden  ,  von  Wiirdenlriigern 
umgebenen  ,  neunjährigen  Sultan,  hält  eine  oll'ene  Depesche,  zur  Seite 
sieht  man  eine  grosse  Uhr,  Becher  etc.  Auf  einem  Bande  oben  an  v. 
Schmid's  Wappen  liest  man:  lunctum  aqui  lae  miraredra  coneml6— ül. 
Diesen  seltenen  ,  somit  historisch  erklärten  Kupferstich  besitzt  die  k.  k. 
Hofbibliotbek,  so  auch  des  Freiherrn  von  Schmid  Porträt  einzeln  von  dem- 
selben Widenmann,  und  ein  anderes  Porträt  desselben  von  Peter 
Aubr  y  gestochen. 


Nach  Schlager ')  kommt  ei-  mit  einer  Monatsbesoldung 
von  50  tl.  vom  2.  Jänner  bis  Deceniber  1638  zuerst  vor. 
Im  Jahre  1646  reiste  er  nach  Grätz  und  erhielt  wegen 
gemachter  Contrafei  300  fl.;  1647  malte  er  das  Porträt 
Seiner  königlichen  Majestät  zu  Böhmen  (d.i.  König 
Ferdinand's  IV.,  der  am  o.  August  1646  gekrönt  und  16ö4 
von  den  Blattern  hingerafft  wurde)  und  erhielt  löO  fl.  Auch 
Kaiser  Leojtold  I.  behielt  Leüx  als  Kammermaler  im  Jahre 
1657.  Die  k.  k.  Bildergallerie  im  Belvedere  besitzt  von 
dessen  Hand  das  Porträt  Karl  Ferdinand's,  Cardinais  und 
Statthalters  der  spanischen  Niedeilande,  Infanten  von  Spa- 
nien, f  zu  Brüssel  am  9.  Nov.  1641,  dann  eine  .\llegorie 
auf  die  Eitelkeit  und  Vergänglichkeit.  Leüx  bezog  nach  und 
nach  für  seine  Hofarbeiten  die  bedeutende  Summe  von  8739 
Gulden  und  stand  bei  seinem  Hof  in  besonderer  Gunst. 

b)  Eine  zweite  besonders  werthvolle  Sammlung  legte 
Ignaz  Joseph  Graf  Fuchs  von  Puchheim  und  Mitter- 
berg an.  Dieser  keniitnissreiche,  wissenschaftlich  und  künst- 
lerisch gebildete  Edelmann    iiess   vom  Zeichner    Garten- 
schmid  aus  Bregenz  die  Grabmonumente  in  sämmtliehen 
Kirchen  der  Stadt  Wien  mit  grossen  Kosten  getreu  eo|)iren 
und  nach  den   Originalieii   sorgfältig   coloriren,   wie  auch 
jedem  Monumente   zugleich   die  Bemerkung   beifügen ,   an 
welcher   Stelle   der   Kirche   dasselbe   sich  befunden    habe. 
Über  die   Schicksale  dieses   so   interessanten  \A'erkes,  das 
nach  des  Grafen  Tode  (f  21.  Juni  1838)  auf  dem  Wege 
der  Versteigerung  an  den  Grafen  Ladislaus  Festeties 
von  Toina  (f  1846)  gekommen  und  nach  Ungarn  gebracht 
worden  ist,  s.  Feil's  Mittheiliing  in  der  trell'licben  Abhand- 
lung „Zur  Baugeschichte  der  Kirche  Maria  am  Gestade 
in  Wien"  2).    Herr    Feil  hat  von  S.  69—79    nach    diesem 
Werke,  das  nun  in  Ungarn  unbekannt  wo  liegt,  die  Inschrif- 
ten von    67  Grabsteinen,  die  diese    Kirche  bis  1820  hatte, 
zum  Theile  mit  den  Abbildungen  der  Wappen   niitgetheill 
und  aus  der  Fülle  seiner  historischen  Kenntnisse  beleuchtet. 
Wir  übergehen  die  Pfarrkirche  bei  St.  Peter,  in  der 
Dr.  Wolfgang  Lazius  (f  18.  Juni  1565)  seinen  Gedächt- 
nissstein hat,    ferner  die  bei  St.  Michael,  wo  die  gräflichen 
Familien  von  Trautson  und  Mollart.  der  Kanzler  Johann 
Baptist  Graf  von  Verdenberg  (f  1647)  ihre  Buhestätton 
haben,  und  verweisen  auf  das  Necrologium  P.  P.  Minorum 
ConventualiumVienneiisium  in  llieroiiym.  Pez  Script,  reruni 
Austriac.  Tom.  II,  471  — 518  und  auf  des  Jesuiten  Leopold 
Fischer  verdienstvolle  Arbeit:  Brevis  notitia  urbis  Yin- 
dobona'  veteris  ex  variis  documentis  collecta.  Vindobonse 
1767,jVII.  Bändchen  in  kl.  8"..  die  auf  K.  Joseph's  II.  Anord- 
nung erschien,  und  die  vorzüglicheren  E|)itaiihien  licr  Kir- 
chen in  der  Stadt  wohl  beachtet  und  manche  in  ihrem  vollen 
Texte  miltheili:  andere  sind  gelegentlich  einzeln  in  anderen 
W' erken  mehr  oder  minder  correct  abgedruckt. 


')  Materialien  zur  öslerr.  Kunstgeschichte  in  dem  von  der  kais.  Akademie 

herausgegebenen  Archive.  ISöO.  Bd.  V.  7;!9,  \gl.  OiVi. 
-)  Mitlheilungen   der  k.  k.   Centrül-Coaimission  11.  68. 


—   146  — 


Die  GriibmomiiiU'ute  mit  ihren  Inselirifleu  der  kiiiser- 
lichen  Fiimilie  hat  der  gelehrte  Fürstabt  Martin  Gerbert 
7.11  St.  Hlasieii  in  der  werthvoUen  Taphoi,M-a|iliia  Prin- 
cipuni  Austria>  in  Fol.  1772  herausgegeben. 

Wenn  nun  die  k.  k.  Hau|it-  und  Hesidenz.stadt  NVien 
ein  Corpus  E  jti  t  a  p  h  i  n  r  ii  ni  Vi  ii  d  o  b  o  n  e  n  s  i  u  ni  haben 
will ,  so  hat  sie  unseres  Eraehtens  die  vom  Herrn  Grafen 
Fuchs  angelegte Sanmilung  aut'zusuehen  und  als  Eigenthum 
oder  zur  Benützung  an  sieh  zu  bringen,  die  Zeichnungen 
und  Inschriften,  zumal  Gartenselimid  der  lateinischen 
Sprache  unkundig  war.  sorgfältig  mit  den  noch  vorhandenen 
Originalien  zu  vergleichen  und  zu  berichtigen  etc.  S(dlte 
aber  diese  werthvolle  Sammlung  nicht  mehr  aufzufinden 
sein,  so  müsste  diese  Arbeit  nach  einem  wcdilüherdachten 
Plane  von  neuem  begonnen  werden.  Wien  mit  seiner 
Hochschule  und  deren  historischem  Seminarium  einerseits 
und  mit  seiner  Akademie  der  bildenden  Künste  andererseits 
zählt  viele  junge  gesunde  Augen  und  kunstfertige  Hände, 
welche  unter  zweckmässiger  Oberleitung  sich  dieser  alle 
ehrenden  Aufgabe  unterziehen  künnten.  Die  Einen  besitzen 
die  Fertigkeit,  die  Grabmale  je  nach  ihrem  Kunst-  oder 
historischen  Werthe  zu  zeichnen  oder  zu  photographiren , 
die  Andern  die  Inschriften  mit  diplomatischer  Genauigkeit 
zu  copiren,  ja  auch  historisch  zu  beleuchten  und  ihre  fer- 
tigen Arbeiten  Männern,  wie  den  Herren  Birk,  Camesina, 
Feil,  V.  Karajan,  v.  Meillcr,  Baron  von  Sacken,  Karl 
Weiss  und  andern  geboruen  Wienern  zur  Durchsicht  und 
zu  weiteren  geschichtlichen  Commentationen  einzuhändigen. 

Vor  Allem  wäre  der  Wiener  Alt  e  rthums  verein 
berufen,  diese  Aufgabe  in  Fluss  zu  bringen,  im  Laufe 
der  Jahre  zu  fordern  und  als  vollendetes ,  wohlgeordnetes 
Werk  unter  dem  einfachen  Titel  „Epitaphia  Vindobo- 
nensia"  mit  einem  Register  herauszugeben. 

Welche  Ausbeute  bieten  die  beiden  Friedhöfe  zu 
St.  Peterund  zu  St.  Sebastian  in  Salzburg! 


Einige  deutsche  Städte  sind  uns  hierin  schon  längst 
vorangegangen,  besonders  die  ehemalige  Reichsstadt  Augs- 
burg, die  eine  gute  und  sorgfältig  gearbeitete  Sannnlungaus 
älterer  Zeit  aufzuweisen  hat,  nämlich:  Epitiipliia  Aiii/ii- 
stanu  Vi iidc l i Cd  ah  aiiiiis  ferc  scrcciilis  atl  miglram 
nsquc  iiettttem  conquisitn  laborc  et  impcnsh  Üanielis 
Priiscli  ii  Sa/ishnn/ —  llalcnaits.  Ai(f/iist(t  ViiK/flic.  J(124. 
in  4".  m  drei  Abiheilungen  in  einem  Bande,  gut  gedruckt 
mit  drei  Namensverzeichnisseu.  Die  1.  Abtheilung  S.  311  ff. 
enthält  noch  einen  Appendix  Percgrinorum  et  hono- 
r  (i  r  i 0  r  u  m  Ep  i  t  <i  p  h  i o  r  ii  m  Augustui'  scriptoriim ,  quae 
suis  quaeque  /ocis  rcponendn  enint,  darunter  mehi'ere 
welche  das  Fugger'sche  Schloss  Kirchheim,  Salzburg  und  die 
undiegenden  Orte  betreffen.  G  r  a  b  s  c  h  r  i  f  t  e  u  grosser 
Augsburger  s.  in  des  Freiherrn  von  llormayr  histor. 
Taschenbuche  für  1840,  S.  217  ff. 

Welche  .\usbeute  bietet  das  altehrwürdige  Nürnberg, 
dessen  Grabmouumente  und  Epitaphien  unter  dem  Titel: 
„N  0  r  i  s  c  her  C  h  r  i  s  t  e  u  F  r  e  y  d  h  o  f  e  ti  e  d  ä  c  h  t  n  i  s  s  etc. " 
mit  sonderbarem  Fleiss  zusammengetragen  und  mitgetheilet 
von  einem  Curieusen  Liebhaber.  Nürnberg  1682,  in  4*. 
Grab  Schriften  grosser  Nürnberger,  s.  des  Frei- 
herrn von  Hormayr  Taschenbuch  für  das  Jahr  183ö, 
S.  347  f. 

Auch  T  ü  b  i  n  g  e  n,  wo  wie  in  Stuttgart.  Ulm  etc.  mehrere 
österreichische  Exulanten  der  früheren  Jahrhunderte  (Vgl. 
S.  142)  ihre  Ruhestätte  fanden,  hat  eine  derlei  Sammlung, 
nämlich:  die  G rab Schriften  luid  Denkmäler  in  der 
Stifts-  wie  auch  in  der  Schloss-  oder  St.  Georgs- 
kirclie  zu  Tübingen,  von  Kümmerle.  Tübingen  1827. 
So  auch  die  Stadt  Dresden,  wo  gleichfalls  österreichische 
Exulanten,  besonders  vom  höheren  Adel  ruhen,  unter  dem 
Titel :  D  r  c  s  s  d  n  i  s  c h  e  I  n  s  c  r i  p  1 1  o  n  e s  und  E  p  i  t a  p  h  i  a, 
von  Johann  Gottfried  Michaelis.  Dressden  1714  in 
Quarto. 


Die  ungarischen  Reichsinsignien. 

Von  Franz  liiick,   ("onservator  des  crxbiseliünielien  Musciinis  in  Coln. 


I. 
Der  iin^arisrlir  Krönun^sinanlel» 

(„Cusiila   Gishic  rvyitiiie." ) 

Nach  der  Krone  des  heil.  Stepiian,  deren  ausführlichere 
Beschreibung  mit  Beifügung  einer  stylgetreuen  Zeichnung 
dem  nächsten  Hefte  dieser  Blätter  folgen  soll,  dürfte  vor 
den  anderen  Kleinodien  des  ungarischen  Kronschatzes  nicht 
nur  dem  Archäologen  von  Fach,  sondern  auch  in  mehr  als 
einer  Beziehung  dem  Lithurgisten  jenes  merkwürdige  Stück 
Interesse  bieten ,  das  gewöhnlich  als  Krönungsmantel 
(palludamcntnm  oder  palliimi  regale)  bezeichnet  wird.  Der 
Raum,  welcher  uns  behufs  einer  kurzgedrängten  Beschreibung 
zugewiesen  ist,  gestattet  es  nicht,  das  Ausführliche  über  dieses 


höchst  merkwürdige  ehenudige  Messgewand  hierorts  nnt- 
zutheilen,  was  uns  mit  Beigabe  einer  bestinnuten  Jahreszahl 
einen  deutlichen  Begriff  beizubringen  geeignet  ist  über  den 
Höhepunkt,  den  die  Stickerei  und  Weberei  bereits  im  Beginne 
des  XI.  Jahrhunderts  erreicht  hatte.  Hinsichtlich  der  Com- 
positiou,  der  vielen  Figuren  und  ihrer  technischen  Ausführung, 
(hircli  die  geschickte  Hand  der  Königin  Gisela  und  ihrer 
uäclislen  Umgebung,  dürfte  diese  sehr  interessante  Casula 
heute  nur  überlroffeii  werden  von  dem  analogen  Messge- 
wand, welches  in  ausgezeichneter  Erhaltung,  mit  vielen 
Scenerien,  im  cyprischen  Gold  gestickt,  sich  im  Domschalzc 
zu  Bamberg ')  vorfindet. 

')  niescs  ausgeiciclincl  ^ul  erh.iUi;iie,  koslbaie  .Mcssgi'« aml  slelll  in  seinen 
vielen  Scenerien,  kreisförmig  in  .Meil-iillons  eingefasst,     in    niiltel.iUer- 


—   147  — 


Leider  ist  durch  die  entstellende  Seheere  des  vorigen 
Jalirliunderts  das  merkwürdige  Gewand  an  Weite  und  Fal- 
fenreichthum  bedeutend  gescinnälert  worden,  indem  die 
frühere  Casuia  in  Form  einer  Glocke ,  die  den  Körper  in 
Weise  einer  kleinen  Hütte  umgab  und  umhüllte  (daher  auch 
der  Name  casa,  dim.  casuia)  durch  den  Ausschnitt  der  klei- 
neren vorderen  Hiilfte  zu  einem  olTenen  Mantel,  ähnlich  dem 
heutigen  Pluviale,  umgestaltet  worden  ist.  Wie  auch  der 
gelehrte  Jesuit  P.  Fröhlich  in  seiner  kleinen  ein- 
schlägigen Monographie  vom  Jahre  1774  richtig  aus- 
einandersetzt, ist  der  heutige  Krönungsmantel  noch  nicht 
sehr  lange  unter  den  ungarischen  Reichsinsignien  im  Ge- 
brauche. Nachdem  nämlich  das  alte  palludamentum  regale, 
vielleicht  unter  Soleini  an,  abhanden  gekommen  war, 
wurde,  wie  es  uns  scheinen  will,  bei  der  Krönung  der 
grossen  Maria  Theresia  das  im  Schatze  zu  Wien  seit 
dem  Jahre  1543')  aufgehobene  Messgewand,  dessen 
Inschrift  es  deutlich  als  Geschenk  und  Kunstwerk  der 
Königin  Gisela  zu  erkennen  gab ,  zur  grösseren  Bequem- 
lichkeit in  der  Weise  umgeformt,  wie  es  heute  zu  erse- 
hen ist.  Leider  ist  es  unbekannt  geblieben,  wohin  das 
unter  der  Seheere  fortgefallene  Stück  hingekommen  ist, 
wodurch  der  heutige  Bildercyklus  in  seiner  Ganzheit  ent- 
stellt und  verkürzt  wurde.  Dass  diese  Verkürzung  von  einer 
faltenreichen  Casuia  zu  einer  Art  von  Yespermantel  wirklich 
vorgenommen  worden  ist,  bezeugen  ausser  den  kleinen 
Resten,  die  sich  als  integrirende  Nebentheile  heute  noch  an 
dem  Gewände  befinden,  auch  noch  die  zur  Hälfte  durch- 
geschnittenen Heiligenfiguren  mit  dem  unterbrochenen  legen- 
darium,  die  vergeblich  nach  der  andern,  fehlenden  Hälfte 
sieh  umsehen.  Auch  das  kleine  Ornament  das  heute  mit 
wenigen  Stichen  aufgenäht  auf  dem  Mantel  sich  befindet 
und  die  Stelle  der  runden  cappa,  caputium  am  jetzigen 
Königsmantel  vertreten  soll,  dient  zum  Beweise,  dass  der  in 
Rede  stehende  Ornat  früher  ein  Messgewand  war.  indem 
dieser  Theil  als  Apparat  zu  den  übrigen  Utensilien  des  Cele- 
branten  gehörte.  Diese  4eckige,  längliche  Stickerei  bildete 
nämlich  die  „plaga,  oder  dieparura"  zu  einem  „humerale", 
dessen  ornamentaler  Theil  nach.\nlegung  des  Messgewandes 
in  Weise  eines  Kragens  sich  um  den  Hals  legte  und  so  den 
Halsausschnitt  der  Casel  verdeckte. 

Auch  die  übrigen  vier  Paruren,  die  sich  an  der  mittel- 
alterlichen Alba  als  darauf  applicirte  ornamentale  Thoile 
befanden,  haben  sich  nicht  mehr  erhalten,  dessgleichen  auch 


licIierAulTassunjd™  gnnzoii  orhis  |iicliis  leiinriiiu  ilur.  Der  Trajilion  iinj 
Inschrift  zu  Kolg-o  soll  dieses  (iewaiid  elieinuls  ein  Kaiseniiantel  Heiiiricli 
des  Heiligen  genesen  sein,  den  er  von  dem  Apulischen  Herzog  Belliis  zum 
Geschenk  erhielt.  Die  Anfertigung  desselben  dürfte  mit  der  in  liede 
stehenden  Casuia  der  Königin  Gisela  in  dieselbe  Zeitperiode  fallen. 
')  Nach  dem  begründeten  Dafürhalten  des  so  eben  gedachten  Geschichtsschrei- 
bers soll  das  fragliche  Me^sgewand  bei  dem  freien  Abzüge  der  Deutschen 
Hud  Italiener  mit  ihren  llabseligjieiten  auch  dieses  (iewaud  von  Stuhlweis- 
scuburg  nach  Wien  gebracht  und  so  vor  l'nifaiiirung  durch  Türkcuhorden 
gerettet  worden  sein. 


nicht  mehr  die  stola  und  das  Manipel,  das  von  der  Königin 
Gisela  zweifelsohne  zur  Vervollständigung  des  Messappa- 
rates mit  der  vorliegenden  Casel  angefertigt  worden  ist. 
Diesen  Verlust  als  unersetzlich  beklagend,  kann  man  sich 
wenigstens  heute  noch  Glück  wünschen,  dass  jener  bei 
Weitem  grössere  Theil  des  altohrwürdigen  Stuhlweissen- 
burger  Messgewaiides  sich  noch  erhalten  hat,  der  durch 
eine  so  historisch-merkwürdige  Inschrift  verziert  ist,  die  in 
deutlichen  Zügen  es  ausser  allem  Zweifel  feststellt,  dass  der 
vorliegende  Mantel  ein  Geschenk  war,  das  der  heil.  Stephan 
und  seine  fromme  Gemahlin  der  von  ihnen  gestifteten  Kirche 
von  Stuhlweissenburg  überwiesen  haben.  Es  lautet  nämlich 
diese  Inschrift  in  lateinischen  Kai)italschriften  mit  Goldfäden 
gestickt,  wie  folgt:  Casuia  haec  data  et  operata  est  eccle- 
siae  St.  Mariae,  sitae  in  Civitate  Alba  anno  ab  incarnatione 
Christi  MXXXI,  indictione  XIV  a  Stephane  rege  et  Gisela 
regina. 

Nach  diesen  allgemeinen  Andeutungen  über  den  Ur- 
sprung und  gegenwärtigen  Zustand  des  alten  ungarischen 
Krönungsmantels  wollen  wir  zu  der  sachlichen  Beschreibung 
des  Gewandes  und  der  darauf  gestickten  figürlichen  und 
ornamentalen  Theile  in  Kürze  übergehen. 

Den  äusserst  gnädigen  Anordnungen  von  allerhöchster 
Stelle  haben  wir  es  vorzugsweise  zuzuschreiben,  dass  wir. 
wie  keiner  der  vielen  Beschreiber  dieses  Gewandes  vor  uns. 
in  der  günstigen  Lage  waren,  mit  grösster  Umsicht  und 
Sorgfalt  nicht  nur  die  Zeichnung  sondern  auch  die  Beschrei- 
bung im  .\ngesicht  des  altebrwürdigen  Originales  mehrere 
Tage  hindurch  im  Schlosse  zu  Ofen  vornehmen  zu  können. 
Obgleich  in  jener  beklagenswerthen  Katastrophe  durch  die 
Versenkung  das  in  Rede  stehende  Gewand  von  allen  Klei- 
nodien Ungarns  durch  Nässe  und  Feuchtigkeit  unstreitig  am 
meisten  gelitten  hat,  so  war  es  uns  dennoch  möglich,  durch 
drei  geübte  Zöglinge  der  Realschule  zu  Pest  die  grossartigen 
figuralen  Stickereien  in  Goldstoff  auf  dem  Originale  selbst 
in  einer  Weise  durchpauseii  zu  lassen,  dass  wir  möglichst 
stylgetreu  und  genau  unmittelbar  viui  dem  Objecte  eine 
Abzeichnung  des  Krönungsmantels  in  seiner  ganzen  Aus- 
dehnung gewonnen  haben  '). 

Analog  mit  den  älteren  Messcascln  des  XI.  und  XII. 
Jahrhunderts  hat  die  Königin  Gisla  dieses  Messgewand,  das 
sie  der  bischöflichen  Kirche  zu  Stuhlweissenburg,  der  oben 
angegebenen  Inschrift  zu  Folge,  im  Jahre  1031  als  Geschenk 
übergab,  durch  ein  gesticktes  Ornament  verziert,  das  sich 
als  Reminiscenz  an  das  Pallium  der  Erzbischöfe  auch  noch 


*)  Durch  den  grossen  [thotogralischcn  Apparat  der  V.  k.  Hof-  und  Staats- 
druckerei wird  eben  jetzt  die  auf  dem  Original  gewonnene,  natur- 
getreue Durchpause  im  verkleinerten  .Masse ,  ohne  .Modtfication  eines 
Individuums  des  XI.V.  Jahrhunderts,  so  reproducirt,  wie  die  Contourcu 
auf  dem  Originale  im  Geiste  des  XI.  Jahrhunderts  kunstreich  gegeben 
sind.  Alle  i)is  jetzt  erschienenen  Darstellungen,  nicht  weniger  die,  welche 
jüngst  in  Leipzig  in  der  illustrirten  Zeitung  erschienen  sind ,  gehen 
nur  eine  höchst  mangelhafte  und  stylwidrige. Abbildung  von  dem  crwälinteu 
kunsthi>loriscbeii  iiewanile. 


—    US 


luiiifig  anderwiirts  vorfiiulet.  Auf  dem  liiiitereii  Tlieile  des 
Gewandes  erblickt  man  einen  breiten,  gestickten  Stab,  der 
sitli  in  Funu  eines  oiiianientai  gehaltenen  Bandslreifens 
von  unten  nach  oben  in  der  Mitte  durchzieht.  Dieser  theilt 
den  Jlantei,  der  in  seiner  jetzigen  Gestalt  einen  Ihdbkreis 
bildet,  in  zwei  gleiehgrosse  Kreisausschnitte.  In  diesen 
mittleren  Stab  münden  schräg  zwei  andere  Jiandstreifea  von 
trleicher  Breite  ein,  die  gabelförmig  ansteigend  sich  über 
die  Schultern  fortsetzen  •).  I£s  würde  uns  zu  weit  führen, 
wenn  wir  hier  in  langer  Reihe  alle  jene  ligurativen  Darstel- 
lungen mit  ihren  umfassenden  Inschriften  angeben  wollten, 
wie  sie  von  der  tleissigen  Hand  in  hiichsler  Kunstgerechtig- 
keit mit  „cypenschen"  Goldfäden  gestickt  worden  sind. 
Überdiess  würde  eine  ausführlichere  Beschreibung  auch 
weniger  Interesse  bieten,  da  die  Kürze  der  Zeit  es  verhin- 
dert hat,  eine  erläuternde  Zeichnung  hier  beizufügen.  Wir 
verweisen  desswegen  auf  die  ausführliche  Beschreibung, 
die  unser  Vorgänger,  der  oben  gedachte,  gelehrte  Jesuit 
davon  entworfen  hat,  sowie  auf  die  spätere  dctaillirte 
Beschreibung,  die  in  dem  kunsthistoriscben  Werke  gelie- 
fert werden  soll,  dessen  Ausarbeitung  wir  zu  unter- 
nehmen im  Begrilfe  stehen.  —  Da,  wo  die  eben  be- 
zeichneten Bandstreifen  gabelförmig  aufsteigen,  belindet 
sich  in  einem  ovalen  Medaillon,  in  dessen  Umrandung 
leoninische  Verse  gestickt  sind,  die  grossartige  in  Plattstich 
(petit  point)  gestickte  Darstellung  des  Salvators,  sitzend 
auf  dem  Hegenbogeu ,  mit  segnender  Rechten  und  einem 
Drachenungeheuer  unter  seinen  Füssen,  nach  dem  Spruche: 
„superasnidem  etbasiiiscnm  ambulahis  et  condulcabis  leonem 
et  draconem."  Cber  dieser  Darstellung  des  Erlösers,  wie  er 
wiederkommt  als  Welteuriehter,  erblickt  man,  von  dem 
Kiao'en  verdeckt,  der  heute  irrthürnlicher  Weise,  herkom- 
mend als  Verzierung  von  dem  früheren  „humerale",  an  dieser 
Stelle  unschön  aufgenäht  ist,  eben  noch  in  einzelnen  Bruch- 
theilen  die  symbolische  Darstellung  der  er.sten  Person  in  der 
Gottheit  =),  und  zwar  die  Hand  aus  den  Wolken  als  „dextra 
manus  Dei  omnipotentis'',  die  über  dem  Haupte  des  Sohnes 
anzudeuten  scheint :  _hic  est  filius  mens  dileetus,  quem  placui ;" 
unter  der  mittleren  Darstellung  des  Sohnes  ersieht  man  in  einem 
ähnlichen  Medaillon  das  goldgestickte  Bild  der  Mutter  Gottes 
mit  einem  leoninisclicn  Verse.  Dem  Medailhm  des  Heilandes 
zunächst  reihen  sich,  abgegrenzt  durch  einen  Halbkreisbogen, 
als  Bandstreifen,  worin  sich  die  oiien  angegebene  Inschrift 
gestickt  belindet:  Casula  haec  data  et  opera  etc.,  die  in 
Gold  gestickten  Standbilder  der  hervorragendsten  Propheten 


des  allen  Testamentes  mit  dabei  befindlichen  Namen  an, 
die  über  den  in  ihrer  Mitte  thronenden  Heiland  geweissagt 
haben.  Parallel  mit  dieser  gestickten  Inschrift  läuft  eben- 
falls im  Halbkreise  nacli  einem  ziendich  breiten  Zwischen- 
räume ein  anderer,  schmaler  Ornamentstreifen,  wodurch  ein 
zweiter  Rand  abgegrenzt  wird,  in  welchem  die  reichge- 
sticklen  Darstellinigcn  der  zwölf  Aiiostel  sich  bttiiiden, 
sämmtlich  sitzend  auf  der  „sella  Irininphalis"  nach  dem 
Spruche:  iudicantes  tribus  Israel.  Über  diesen  Aposteln, 
die  kenntlich  gemacht  sind  durch  beigestickte  Namen,  sind 
nach  Art  der  Byzantiner  architektonische  Aufbauten  im 
seh«  ersten  Rnndbogenstyle  angebracht  ,  die  einem  der 
jüngsten  Beschreiber  dieses  merkwürdigen  Gewandes  unbe- 
greiflicher Weise  Veranlassung  gaben  •) ,  hierin  etwas 
„Gothisches"  zu  erblicken.  Auf  diesen  byzantinischen 
Baldachinen,  die  sitzenden  .Apostel  überragend,  ersieht 
man  eine  grosse  Menge  von  kleineren,  in  Gold  gestickten 
^'igu^en,  meistens  in  känipfciuler,  feindlicher  Stellung 
einander  gegenüber,  wodurch  entweder,  unseres  Dafürhal- 
tens nach,  die  „ecciesia  militans",  oder  aber  auch  die  Lei- 
den und  Drangsale  der  Apostel,  die  sie  bei  Verkündigung 
des  Evangeliums  von  Seite  der  Heiden  erduldet  haben,  dar- 
gestellt werden  sollen.  In  der  äussersten,  schmalen  l'mran- 
dung  in  Halbkreisform  (periclysis)  zeigen  sich  endlich  viele 
runde  Medaillons,  in  «eichen  sieh  als  Halhfignren  mehrere 
griechische  und  lateinische  Heilige  gestickt  beliiiden,  wie 
sie  in  älteren  Mess-Canones  vorkommen.  Zu  beiden  Seiten 
des  mittleren  Trennungsstabes  befinden  sich  unten  in  dieser 
äusseren  Unnandnng  die  gestickten  Binstbilder  der  beiden 
frommen  Geschenkgeber ,  und  zwar  auf  der  einen  Seile 
das  Brustbild  der  Königin  Gisla,  wie  sie  das  Modell  der 
Kirche  von  Stuhlweissenhurg,  in  Händen  hält,  und  auf 
der  entgegengesetzten  Seite  ein  gleiches  Medaillon  mit 
goldgestickter  Darstellung  des  heil.  Stephanus,  des  könig- 
lichen Geschenkgebers.  Die  Namen  der  beiden  Donatoren 
erblickt  man  «ie  überhaupt  bei  allen  Figuren  auf  dem  rei- 
chen Gewände,  im  Plattstiche  beigestickt.  Nur  bei  dem  klei- 
neren Medaillon  in  der  Mitte  fehlt  dieser  Name,  und  lässt  die 
sehr  jugendliche  Darstellung  in  demselben  vermuthen.  dass 
es  das  Bild  des  jungen  Eunnericirs,  des  Sohnes  der  fronmien 
Geschenkgeber,  vorstellen  soll.  Es  kann  uns  diese  Darstellung 
der  Geschenkgeber  des  Gewandes  au  dieser  untergeordne- 
ten Stelle  um  so  weniger  Wunder  nehmen,  zumal  es  im 
früheren  Mittelalter,  aus  der  ältesten  Zeit  herstammend, 
Sitte  nntl  Brauch  war,  die  Feierkleider  der  Könige  mit  dem 
gestickten  Bildnisse  desselben  zuschmücken.  Diese  Medaillons 


*J  Auf  diese  Weise  suchte  man  bereits  itn  10.  Jiihrtiunilert  au  liiscltönichen 
Caselii  (lurcii  aufffeiiälite,  reicliverzierte  .,ligul:ie  inli-r  nurifi-isiae"  tue  äus- 
sere Form  und  die  oniiimeiitale  Aus.statluiig  des  er/.biseh<irticlu'n  Palliums 
zu  imitiren,  das  über  diu  Casel  in  Form  ciuer  „torques,"  über  die  Schul- 
lern liegend  und  heruntersteigend,  als  bewegliches  (Jewandslück  aul' 
dem  Messgewand  apiilicirt  wurde. 

^)  Diese  wurde  im  frühesten  Mittelalter  nie  figürlich  gegeben,  um  nicht  bei 
Darstellung  der  Trinilät  einem  gerihrlichen  Aadopomorpbismus  zu 
verfallen. 


>)   Es    erschien    nacnliih   von   einem  Ai \nius  in  ungarischer   Sprache     bei 

Gelegenheit  der  Wiederauflindung  der  Insignicn  eine  Deschreibung 
derselben,  namentlich  der  Kripiie  und  des  in  Hede  stehenden  Kriinungs- 
mantcls,  worin  binsichtliob  des  palliuni  regale,  deren  Beschreibung 
uns  in  einer  gedruckten  Übersetzung  zu  Gesicht  gekommen  ist,  viel 
Stylwidriges  und  technisch  Unrichtiges  aufgeführt  wird. 


149 


mit  kunstreich  gestickten  Halbfiguren  sind  von  zierlicii 
gearbeiteten  Arabesken  umgeben,  in  welchen  die  Thierwelt 
mit  Pflanzenbildungen  in  Verbindung  gesetzt  ist.  Es  kommen 
in  diesen  Arabesken  schwungvoll  gestickte  Darstellungen 
von  Pfauen  mit  Laubornamenten  vor,  deren  Ausmündungen 
schön  stylisirte  frühronianische  Blätter  deutlich  erkennen 
lassen.  Sowohl  an  diesem  Biätterwerk,  als  auch  an  den 
gestickten  Thierfiguren  befinden  sich  einzelne  Stellen  in 
farbiger  Seide  gestickt,  und  zwar  im  regelmässigen  Flech- 
tenstich; alle  übrigen  Figurenstickereien  jedoch  sind  in  Gold- 
fäden ausgeführt.  Leider  hat  das  interessante  Gewand  durch 
die  jüngste  Verschleppung  und  Versenkung  in  einer  Weise 
gelitten,  dass  man  sich  über  die  Art  und  Weise  der  Gold- 
stickerei heute  keine  deutliche  Vorstellung  mehr  machen 
kann. 

Da  man  in  den  meisten  oberflächlichen  Beschreibungen 
des  ungarischen  Krönungsmantels  das  Technische,  die  mate- 
rielle Seite,  völlig  unberücksichtigt  gelassen  hat,  so  wollen  wir 
hier  es  versuchen,  in  kurzen  Worten  das  Nähere  anzugeben, 
wie  die  Kunststicker  des  1 1 .  Jahrhunderts  (phrygiones,  bram- 
baricarii)  das  in  Rede  stehende  bedeutende  Kunstwerk  mit  der 
Nadel  ausgeführt  haben.  DerGoldfaden,  dessen  man  sich  beim 
Sticken  der  vielen  Figuren  bediente,  ist  äusserst  zart  und  sehr 
biegsam.  Es  scheint  uns,  dass  ein  halbgedrehter  seidener 
Faden,  in  dunkler  Purpurfarbe,  als  Grundlage  hierbei  gedient 
hat,  um  welchen  ein  Goldlamen  von  dünner,  aber  solider 
Prägung  gedreht  worden  ist.  Damit  nun  die  zarte  Unter- 
lage, ein  feingewebter  dessinirter  Seidenstoff,  durch  das 
Durchziehen  des  Goldfadens  nicht  verletzt  wurde  oder  riss, 
zumal  unter  diesem  Seidenstoffe  keine  gröbere  Unterlage  von 
Leinen  sich  befand,  wodurch  der  durchgezogene  Goldfaden 
Consistenz  gewonnen  hätte,  so  zog  man  es  vor,  die  Goldfäden 
beim  Sticken  nicht  durchzuziehen,  sondern  auf  dem  Ober- 
stoffe  in  einer  Weise  dicht  neben  einander  zu  legen,  dass  man 
durch  kleinere  Befesligungsstiche  in  zarter  Seide  stellenweise 
die  neben  einander  gefügten  Goldfaden  auf  der  Unterlage  zu 
befestigen  suchte.  Daher  zeigen  sich  auch  auf  der  Rückseite 
keine  durchgezogenen  Goldfäden.  Diese  Technik  desStickens 
in  Gold  ist  eine  sehr  alte  und  im  X.  und  XI.  Jahrhundert  sehr 
gebräuchliche.  Auf  diese  W^eise  sind  auch  die  reichen 
Goldstickereien  auf  dem  deutschen  Kaisermantel  ausgeführt, 
dessgleicheu  auch  auf  der  tunica  tallaris  und  auf  der  Alba, 
die  zu  den  deutschen  Reichsinsignien  gehören.  Dieser 
naturgemässen  Stickerei,  bei  der  man  zugleich  ökonomisch 
mit  dem  reichen  Goldfaden  umgehen  konnte,  ist  es  zuzu- 
schreiben, dass  bis  auf  den  heutigen  Tag  sich  diese  älteren 
Stickereien  noch  gut  erhalten  haben,  ohne  dass  dieselben 
den  darunter  befindlichen  zarten  Seidenstoff  zerstört  haben. 

Für  die  heutige  Fabrication  dürfte  es  auch  von  Inter- 
esse sein  zu  vernehmen,  von  welcher  Beschaffenheit  das 
Gewebe  ist,  worauf  sich  die  eben  angedeutete  kostbare 
Goldstickerei  befindet.  Leider  hat  der  Zahn  der  Zeit  dieses 
zarte  Gewebe  stellenweise  sehr  angegriffen,  so  dass  bereits 
II. 


in  früheren  Jahrhunderten  eine  Restauration  dringend  noth- 
wendig  geworden  ist  ')•  Man  kann  den  Stofi"  als  ein  leichtes 
Croisegewebe  bezeichnen,  das  im  Mittelalter  manchmal 
den  Namen  Zendal  führte.  Die  Kette  selbst  scheint  uns  aus 
einer  feinen,  ungebleichten  Seide  zu  bestehen.  Durch  den 
Einschlag  wird  ein  kleines  Dessin  erzielt,  das  streifenförmig 
sich  an  einander  setzt,  in  Purpurfarbe  theils  kleinere 
Sterne,  theils  kleinere  Rosen  bildend ,  deren  vier  herz- 
förmige Blättchen  mit  den  Spitzen  gegenüberstehend  sich 
berühren.  Durch  den  Hauch  der  Jahrhunderte  hat  die  Farbe 
sehr  gelitten,  so  dass  man  füglich  nicht  mehr  erkennen 
kann,  ob  die  herzförmigen  Blattbildungen  in  Form  einer  Rose 
in  dunkelgrüner  oder  bläulicher  Farbe  eingewebt  worden 
sind.  Die  Sternbildung  selbst  in  Purpurfarbe  ist  kaum  zu 
erkennen.  Jedesfalls  ist  dieses  interessante  Gewebe  ein 
Product  des  KunsfÜeisses  von  Byzanz,  indem  Herz  und  Stern 
in  dieser  Anwendung  und  Zusammenstellung  sehr  oft  an 
byzantinischen  Stoffen  und  Geweben  des  X.  und  XI.  Jahr- 
hunderts uns  vorgekommen  sind.  Eine  interessante,  reiche 
Formbildung  zeigt  die  Stickerei  auf  dem  Kragen,  der,  wie 
früher  schon  bemerkt,  ehemals  als  .parura"  auf  dem 
humerale  sich  befand.  Man  erblickt  nämlich  auf  einem 
schwer  gewebten,  ungemusterten  PurpurstofTe  eine  gestickte 
Cordonirung  in  gedrehten  Goldfäden  aufliegend,  wodurch 
einzelne  Bogenstellungen  forniirt  werden.  Unter  diesen 
Bogenstellungen  hat  die  Phantasie  der  Stickerin  Thier- 
bildungen  angebracht,  wie  sie  jedesfalls  dem  Physiologus 
des  Mittelalters  mit  moralischen  Nutzanwendungen  entlehnt 
worden  sind.  Es  würde  schwer  halten  unter  diesen  Thier- 
bildungen  einzelne  näher  zu  kennzeichnen.  Die  meisten  stel- 
len sich  als  Pfauen  und  Eichhörnchen  dar.  Sowohl  die  bei 
dieser  parura  eingehaltene  Technik  des  Stickens,  als  auch 
der  Goldfaden  selbst,  nicht  weniger  aber  der  abweichende 
Purpurstoff,  worauf  die  Arbeit  ausgeführt  ist,  und  das  Vor- 
kommen von  Perlenstickereien  am  Rande  dieses  Kragens 
machen  es  zweifelhaft,  ob  auch  dieses  Kunstwerk  von  der 
Hand  der  Königin  Gisla  gestickt  ist.  Es  ist  jedoch  nicht  zu 
verkennen,  dass  auch  dieses  interessante  Gewandstück  die- 
selbe Zeit  der  Entstehung,  wie  die  casula  selbst,  beanspru- 
chen kann.  Kenner  von  Fach  unterlassen  wir  nicht  auf  den 
merkwürdigen  Futterstoff  (subductura)  aufmerksam  zu 
machen,  der  sich  noch  primitiv  unter  diesem  kleinen  Kragen 
erhalten  hat.  Das  Gewebe  desselben  ist  sehr  stark  und 
schwer  und  stellen  sich  in  dem  Dessin  zicndich  breite  Kreis- 
medaillons dar,  durch  Verschlingungen  abwechselnd  zusam- 
men verbunden,  in  welchen  sich  höchst  merkwürdige  Thier- 
bildungen  zeigen,  welche  mit  den  bizarren  Gestaltungen  an 


*)  Schon  im  XVII.  Jührhundcrt  scheint  eine  nicht  unhedeutende  Hcstau- 
ration  des  äusserst  feinen  Grundstolfes  in  einer  Weise  stattgefunden  zu 
ha!)en,  dass  man  schadhafte  Stellen  mit  einem  anderen  ahnlichen,  diinkel- 
violettfarhij^en  SeidenstiilTe  helegte,  worin  sich  ein  farhverwandles  klei- 
neres Dessin  befindet.  Audi  von  diesem  Krönuiigsmaiitel  sagt  die  Tradi- 
tion, dass  nur  Königinnen  das  Ehrenrecht  gehabt  biitten,  nothwendig 
gewordene  Hestaurationen  eigenbündig  vurzunehmen. 

ZI 


—  ISO  — 

früh  romaiiisclicn  Capitiilen  in  Sciilptiii-pn  frappante  Ähnlich-  nigin    Gisla  als  Miistorvorlagc    und  so  zu  sagen   als  Farb- 

|;eit  haben.   In  der  Mitte  der  Utukreisung  erblickt  man  näm-  skizze  zur  Anfertigung  der  heute  als  Krünungsmantel  be- 

hch  einen   phantastischen  grösseren   Thierknpf,  an  weleliem  nutzten  Casuia.  gedient  habe.  Zu  dieser  Annahme  berechtigt 

nach  den   vier  Seiten   hin   groteske  Tliierkiirper   participi-  uns  vorläufig  nur  die  artistische  und  materielle  BeschalTen- 

ren.   Die  Grundfarbe  dieses  merkwürdigen  Gewebes,   das  heit   des   IMartinsberger    Gewandes,    das    sieii.    Dank   der 

Anastasius    Uibliothecarius    als     ^pallium    rotatum,    scutel-  sorgfältigen  Verwahrung,  noch  bis  auf  unsere  Tage  erhal- 

iatum"  cum   .histmia  bestiarum'-  bezeichnen  würde,  ist   im  ten   bat.    Es  besteht  nämlich    der  Stolf  dieser  Casuia   aus 

Fond  gell),  die  ansretreheneu  Dessins  hingegen  sind  purpur-  einem    so    zarten    Gewebe,    das    dasselbe    nur    vermittelst 

farbig  gehalten.   Heide  Farben  h-,iben  jedoch  sehr  gelitten,  einer  Unterlage   von    leichtem,  rothem  SeidentafTet  zusam- 

ünstreitig    ist    dieses    eigentiiümliche    Gewebe     ebenfalls  mengehalten   wird    und    als  Gewand  sieb  ausbreiten  lässt. 

orientalischen  Ursprungs   und    dürfte   nach  mehreren  Ana-  Das  Gewebe  selbst,  von  der  Textur.  Feinheit  und   Dureb- 

losrien  .     die    uns    vorgekommen    sind,    der  Frübzeit    des  sichtigkeit  unseres  heutigen  Crep  de  ("binc  iiat  eine  weiss- 

X.  .lahrhunderts  angehören.     Zu  bedauern  ist  es,  dass  bei  licbgelbe   Farbe   und   wurde    dieser  Stolf  in  der  Frübzeit 

der  obenerwähnten  Umgestaltimg  der  Casuia  der  primitive  des  Mittelalters  häufig  angewandt  als  Zwischenlage  bei  kost- 

FulferstofV  des  altehrwürdigen  Gewandes,   der  wabrschein-  baren  Miniatur-  und  Initialmalereien  auf  Pergament,  um  die 

lieh    gemustert  war,    verloren    gegangen    ist.     Der  jetzige  Friction  ferne  zu  halten. 

Futterstotr  von    violettlicb  röthlieher  Farbe,    ein  schwerer  Ältere  Schriftsteller  bezeichnen  diesen  äusserst  zarten 

Seidentafl'et,  beansprucht  olTeubar  kein  höheres  Alter,  als  Stoff  in  der  Regel  als  „byssus".  mit  welchem  Namen  in  der 

die  einfache  Goldborde  ohne    Dessin,    womit  der   Mantel  Frühzeit  des  Mittelalters  das  feinste  ägyptische  Leinen  mei- 

an  der  vorderen    OiVnung  eingefasst  ist.    Auch  die  beiden  stens  bezeichnet  wurde.  Von  einem  solchen  delicaten  Bys- 

Quasten   von    Goldbouillon,    mit   kleinen    Palleten    besetzt,  susgewebe  sind  auch  jene,  beute  selten  gewordenen  Snda- 

zeicen  deutlich  an,  dass  die  fornicileUmsgetallung.  resji.  das  rien.  die  früher  meistens  an  den  Stäben  der  infnürten  Äbte 

Hinzufügen  des  Seidenfutters,  iu)  vorigen  Jahrhundert  statt-  und  auch  mehrerer  bischöflichen  „peda-  hingen.   Auch  jene 

gefunden  habe,  zu  welcher  Zeit  auch  die  Modification  in  Bezug  Zwischenlagen  mit  eingewebten  Dessins,  wie  sie  in  mehr 

auf    den    Scliiiill    vorgenonunen   wurde.      Eine    auffallende  als  20  Variationen  in   dem  berühmten  Evangelistarium  des 

Parallele  zu  der  eben  beschriebenen  kuslliarcn  Kunsfreliquie,  Theodulph  aus  dem  XI.  .Jahrhundert  heute  noch  in  Le  Puy 

deren  Autbentik  durch  Inscbrirt.Teclinik  und  Form  vollständig  (Auvergne)  bemerkt  werden  können,   sind  wie  der  StolT  an 

gewährleistet   ist,  fanden  wir  in  dem  altehrwürdigen  Bene-  dem  in  Bede  stehenden  Gewand  zu  Martinsberg  im  feinsten 

dicfinerstifle    Martinsberg  bei    Baab   ein  zweites  Gewand-  Seidenbyssus  gehalten,  dessgleichen  auch  in  älteren  Beliqiiien- 

sfück,  das  bei  der  oberflächlichen  Forschung,  die  uns  nur  bebältern  jene  feinen  gazartigen  Stolle.  <lie  bezeichnet  wcr- 

vorübergehend   auf  sehr  kurze  Zeit  gestattet  wurde,   eine  den  als  Brucbtbeile.  herrührend  von  dem  Schleier  der  aller- 

zweite  Casuia  zu  sein  scluint.  deren  luschril't,  vollkouimen  seligsten  Jungfrau  (de  peplo  B.  V.  M.).  Auf  diesem  Byssus- 

identischmit  der  oben  angeführten,  deutlich  besagt,  dass  auch  slofl'scheint  uns  der  byzanliniscbe  Hofmaler  der  Königin  Gisla 

dieses  eigenthümlicbe  Kunstwerk  die  Tage  des  heil.  Stephan  in  penelraulen  vegetabilischen  Farben  seine  vielen  Figuren 

sesebcn  habe.    Auch  bat  es  uns  auf  den  ersten  Anblick  hin  und  Ornamente  vielfarbig  dargestellt  zu  liabrn  und   zwar  in 

scheinen  wollen,   dass  die  Anordnung  der  Figuren,  die  Ein-  einer  Weise,  dass  diese  Farben  den  leichten  durchsidiligen 

tbeiluiig  der  Ornamente,  so  wie  auch  der  Wortlaut  der  vielen  Stoff  ganz  durchdrungen  haben,  so   dass  sie  auch   auf  der 

Inschriften  in   leoninisclien  Versen   mit  den  entsprechenden  Bückseite  ersichtlich  sind.   Dass  man  zur  Darstellung  dieses 

gestickten   Ornamenten  des   eben  bescbriebmcn  KriWuings-  farbigen   Musfercarluns   als  Vorlage   IVu-  eine  Stickerei   den 

mantels  vollkommen  conform  sei.   Einer  gründlicheren  For-  Byssus  wählte,  kann  uns  nicht  wundern,  indem  damals  das 

schung  bleibt  es  vorbehalten,  miltelst  einer  strengen  Durch-  Papier  ja  noch  nicht  in  Gebrauch  war  und  auch  sich  dazu 

pause,  vorgenonunen  auf  dem  Originalgewande  zu  Martins-  das  Pergament  in  so  grosser  Dimension  nicht  eignete. 

barg  und  durch  einen  Vergleich  derselben   mit  der  in  unse-  Es  wäre  gewiss  dringend  zu  wünschen,  dass  die  höchst 

ren  Händen  befindlichen  Origiualpause  des    eben   bescbrie-  merkwürilige  Casida  iu  Martiusberg.  die  unerklärliche  Weise 

benen  Krönungsnr.uitels    zur   Evidenz  zu  erbeben,   dass  die  rlMMifalls  auf  die  Form  und  (irösse  wie  der  Krönnngsmantel 

Composilion    und     die    figuralen    Anordnungen     iu     beiilen  in  Ofen    Uv\\[r   niliu'irt   i-l  .   in    einem   eigens  construirten 

Gewändern    vollkommen  identisch  seien.    Würde   sich   bei  Schranke  mit  (ilasverschluss  eine  solche  zweckmässige  Auf- 

einem  solchen  Vergleiche  nicht  nur  eine  gewisse  Äbniicbkeil,  Stellung  und   wissenschaftliche  Aufbewahrung  fände,   dass 

sondern    eine    vollständige  Conformilät    constatiren    lassen,  man  nicht  behindert  wäre,  im  Angesichte  des  Originals,  ohne 

dann  läge  die  Schlussannahme  ziemlich  nahe,  dass  die  inier-  dasselbe  zu  berüliicn  .  drliiiHirte  Forschungen  anstellen   zu 

essante    Kunstreliunii'     in    M  irlinsberg   der    fidnimeu    Kö-  können. 


131 


Inventarium  der  Pressbirger  Domkirche  vom  Jahre  1425. 

MitKi-'theilt  \üii  iJr.   (J  ii  s  l  ;i  v   lleiiler. 


Für  dieKeiintniss  der  Kircheiischätze  uiul  Kirchengera- 
tlie  in  Güld  und  Silber  wie  auch  der  Mess-  und  Chorgewänder 
u.  s.  w.,  welche  sich  im  Mittehiiter  in  den  einzehien  Domiiirchen 
befanden,  sind  die  auf  uns  gekommenen  Inventarien  derselben, 
welche  bei  verschiedenen  Anlassen,  wie  z.  B.  dem  Antritte 
eines  neuen  Bischofes  oder  Kirchenvorstandes  aufgenommen 
wurden,  von  grosser  Bedeutung.  An  den  wenigsten  Dom- 
kircheu  hat  sich  dieser  reiche  Schatz  bis  auf  die  Gegenwart 
herab  vererbt,  Vieles,  wie  z.  B.  die  Kirehengewänder  unter- 
lagen dem  Einflüsse  der  Zeit,  und  Gelasse  aus  kostbaren 
Metallen  waren  zu  allen  Zelten  eine  willkommene  Beute  raub- 
gieriger Horden.  Wir  brauchen  nicht  daran  zu  erinnern,  wie 
Vieles  anKirchenschiitzen  in  die  Hände  der  sogenannten  Glau- 
bensvorkämpfer, der  Schweden,  fiel,  welche  sie  entweder  un- 
bekümmert um  die  Kunstform  zu  verwerthen  suchten,  oder  mit 
sich  in  ihre  Heimatli  zurückbrachten.  Nicht  unerwähnt  darf 
bleiben,  dass  gar  Manches  dem  veränderten  Kunstgeschmacke 
zum  Opfer  fiel,  und  so  ist  es  gekommen,  dass  von  dem 
einstigen  Reichthume  nur  vereinzelte  Überreste,  welche  uns 
den  Untergang  desselben  um  so  mehr  bedauern  lassen ,  auf 
uns  gekommen  sind. 

W^ährend  sich  an  dem  noch  Vorhandenen  der  Kunst- 
freund erfreut,  sucht  der  Geschichtsforscher  nach  den 
Quellen ,  welche  ihm  einen  Einblick  in  den  einstmaligen 
reichen  Besitzstand  der  Kirchen  eröffnen.  Die  wichtigste 
Quelle  hiefür  bilden  die  bereits  erwähnten  Inventarien. 

Aber  nicht  blos  dem  Geschichtsforscher  sind  sie 
interessant,  auch  dem  Archäologen  sind  sie  von  Bedeutung. 
Er  findet  in  diesen  Inventarien  die  in  früheren  Zeiten  übli- 
chen Bezeichnungen  für  die  liturgischen  Gewandstüeke  und 
Kirchengeräthe  ;  über  Stoff,  Form  und  Herkommen  geben 
oft  einzelne  Ausdrücke  die  gewünschte  Auskunft,  und  die 
Aufzählung  alles  dessen,  was  unsere  fronnnen  V^orfahren  für 
eine  würdige  Ausstattung  des  Cultus  opferwillig  herbei- 
schafften, gibt  einen  Einblick  in  die  Cullurverhältnisse  des 
Mittelalters,  und  ist  geeignet,  auch  für  unsere  Gegenwart 
mahnende  Winke  zu  ertheilen. 

Von  solchen  Kircheninventarien  sind  erst  wenige  voll- 
ständig zur  (")ffentlichkeit  gelangt,  und  das  Verdienst  auf 
dieselben  hingewiesen  zu  haben,  gebührt  der  kais.  Akademie 
der  Wissenschaften,  welche  in  ihrem  Notizenblatte  die  Tbcr- 
sicht  der  Kirehenschätze  der  Olmülzer  Dumkirche  vom 
Jahre  143ö  ')  und  der  Otten  und  Haymencapelle  vom  .lalire 
1431  -)  ihrem  ganzen  Wortlaute  nach  nn'ttheilte. 


')  Notizenlilall,  J;,liig-ang  I8j2,  Nr,  10,  S.  143— löl  ;  Nr.  11,  S.  108—172; 

Nr.  13,  S.  22Ö— 231. 
')  Nolizenlila«,  Jahrgang  ISül,  S.  300. 


Die  Reihe  dieser  Mitthoiliingen  wollen  wir  fortzuführen 
suchen  und  indem  wir  im  Nachfolgenden  das  Inventar  der 
Pressburger  Domkirche  vom  Jahre  1425  zum  Abdrucke  brin- 
gen ,  fordern  wir  zugleich  alle  Freunde  der  mittelalterlichen 
Denkmalskunde  auf,  die  ihnen  bekannt  gewordenen  Inven- 
tarien ähnliciier  Art  in  diesen  Blättern  entweder  selbst  nie- 
derzulegen, oder  sie  dem  Schreiber  dieser  Zeilen  zugäng- 
lich zu  machen ,  welcher  es  sich  zur  angenehmen  Pflicht 
machen  wird,  in  jedem  Falle  der  gütigen  Vermittlung 
gebührende  Erwähnung  zu  thun. 

Er  erfüllt  diese  Pflicht  sogleich  in  dem  vorliegenden 
Falle,  indem  er  dem  Conservator  der  k.  k.  Central -Com- 
mission,  dem  auf  dem  Gebiete  der  mittelalterlichen  Archäo- 
logie wohlbewanderten  und  für  die  Förderung  ihrer  Zwecke 
und  Aufgaben  in  unermüdlicher  Weise  thätigen  hochw. 
Herrn  .Arnold  von  Stummer  seinen  Dank  für  die  gefällige 
Miltheilung  des  Pressburger  Inventars  in  seinem  und  in  dem 
Namen  der  Wissenschaft  ausspricht,  in  deren  Interesse  die 
Veröffentlichung  erfolgt. 

Das  Original  dieses  Inventars  wird  in  einer  aus  meh- 
reren grossen  und  starken  Papierbogen  bestehenden  Hand- 
schrift in  dem  städtischen  Archive  zu  Pressburg  aufbewahrt; 
sie  ist  in  einer  ziemlich  gut  leserlichen  gothischen  Cursiv- 
Minuskelschrift,  jedoch  mit  vielen  eigenthünilichen  Abkür- 
zungen geschrieben. 

Des  .Anlasses,  welcher  die  Hinterlegung  des  Inventars 
in  diesem  Archive  herbeiführte ,  wird  gleich  mit  den  Ein- 
gangsworten in  folgender  Weise  Erwähnung  gemacht: 

„In frei  scriptum  iiivcntdrium  verum  ecclesie  beati 
Mitrtun  co/ifcssoriü  poao/iirusis  iilius  saiicli  sdlntforh  est 
prcseiitatiim  civitati  pusoiiieiiai  per  liuiiortihile  aipitnlttm 
ecclesie  supradicte  in  iiiio  regisiro  tempore  gwerarriim 
scilicet  Htissitarnm  qui  illo  tempore  circumvallarunt 
cicitatem  posouiensem  predictam  et  est  iiiscriptum  in  pre- 
sens  regislriim  anno  domini  millesimo  quiiilrini/entesimo 
tricesimo  secundo.  Pro  tiinc  Johanne  Eylausenrokch  jii- 
dlce  et  Jodoco  lascliport  magistro  eivium  civitatis  supra 
diele. 

Die  nachfolgende  Note  nennt  uns  die  Zeit  der  .\bfas- 
sung  dieses  Inventars  und  den  Namen  des  Domcustos,  wel- 
chem diese  Schätze  anvertraut  waren. 

Nota,  hirentariinn  reriim  saneti  »lartini  in  Posonio 
l'actnm  tempore  domini  Jacobi  ciistodi  (sie)  eiusdem 
ecclesie  posoniensis.  Sid)  anno  domini  MCCCCX.W"  Sab- 
bato  proximo  posl  diem  cinerum  (den  24.  Februar). 

Den  Eingang  des  nunmehr  folgenden  Verzeichnisses  bil- 
det die.\ufzählung  der  damals  im  Besitze  der  Kirche  befind- 
lich  gewesenen   handschriftlichen  Codices,  welche  wir,   da 

21« 


152 


sie  unserem  Zwecke  ferne  liegen  und  von  Herrn  Stumme  r 
bereits  vor  zwei  Jahreu  mit  AniiHM-kiingen  uiiil  Erliiiitorun- 
gen  in  der  Zeitschrilt  der  ungarischen  Akademie  „Mag. 
Muzeum,"  veröffentlicht  wurden,  übergehen. 

Das  weitere  Verzeichniss  der  kirchlichen  Geräthe  und 
liturgischen  Gewänder  umtasst  den  Haum  von  drei  Seiten. 
Dieses  führen  wir  im  Nachfolgenden  unseren  Lesern  vor: 

Pag.  1. 

Ilcm  quatuordeclm  Calices  cum  patenis  deauratis. 

Item  deccm  Corporalia  cum  custodijs  et  peris. 

Item  unam  peram  cum  leonibus  deauratis  pulchram. 

[fem  qunfunr  Ampulne  (sie}  arfjeiitee. 

Item  vnum  Turribulum  aryenteum  deauratum  cumquatuor 
Catenis  argenteis. 

Item  unam  Crucein  argcnteam  deaurntam  mngnam. 

Item  iterum  unam  Crucem  mngnam  dcnuratum  cum  dua- 
hus  ymaginihus  et  pede  argcnteo  deauratis. 

Item  una  magna  Monstrancia  argentea  deaurata  plena 
cum  Rcliquijs. 

Item  una  tnagna  Monstrancia  Cuprea  deaurata  cum  Sex 
ymaginibus  argenteis  pro  Corpore  Xpi  et  reliquijs. 

Item  quatuor  Monstrancias  argentcas  deauratas  cum 
Reliquijs. 

Item  una  ymago  argentea  deauruta  sancti  Vrbani  cum 
Reliquijs. 

Item  una  Crux  argentea  deaurata  cum  ligno  sancte  Crucis 
et  pede  argcnteo  deaurata. 

Item  Due  ladule  parvule  cum  Reliquijs. 

Item  ymago  lapidea  beate  Marie  virginis. 

Item  una  tahiüa  magna  cum  Rcliquijs. 

Item  una  magna  pclcis  pro  cena  dominj. 

Item  ima  parva  Crux  cum  ligno  dominj  a  superiorj  de- 
aurata cum  pede  argentea. 

Ilcm  quatuor  Cassini  serico  subducti. 

Itrm  unum  puluinar  magnum  cum  panno  serico  et  de- 
nuratn  (sie). 

Item  qninque  Altaria  portabilia  consecrata  et  unus  lapis 
non  conseeratus. 

Item  unum  Mensale  cum  serico  contextum  pro  Cena  do- 
minj. 

Item  Septem  panuj  de  serico  suhtili  in  modum  manutergi- 
orum  quorum  sex  sunt  deaurati. 

Pag.  2.  (Nota.) 

Item  Dccem  ornutus  festivales  infrascriptj. 

Item  primo  unum  ornatum  de  panno  rubeo   aureo  cum 

Cruce  magna  cum  ymaginibus  de  perulis  (Perlen  ?)  et 

humerale  simililer  de  perulis  et  eorum  atlincncia. 
Item  unum  ornatum  plauei  (sie)  coloris  aureo  (sie)  cum 

cruce  aurea  et  Clipeo  de  perulis  et  humerale  similiter 

de  perulis  et  eorum  attinencia. 


Item  duo  ornati  (sie)  cum  eorum  attinencijs  flauci  (sie) 
coloris  qui  habent  Duas  Cruces  de  perulis  et  humeralia 
de  perulis. 

Item  unum  novum  integrum  ornatum  Rubel  coloris  ex  sa- 
mito  cum  cruce  aurea. 

Item  unum  ornatum  integrum  brunati  coloris  cum  cruce 
aurea. 

Item  unum  ornatum  integrum  flauej  coloris  serictim  attlas 
vocatum  cu7n  magna  cruce  sericea  deaurata  cum  yma- 
ginibus aposfolorum. 

Item  umim  ornatum  integrum  Rubel  coloris  de  panno 
serico  cum  pretexta  de  perulis. 

Item  unum  ornatum  novum  flavej  coloris  aureum  cum 
magna  cruce  aurea  et  ymagine  cruci/ixi. 

Nota. 

Item  Decem  ornatus  feriales  integros  cum  suis  attinencijs 
ex  quibus  duo  vel  tres  dali  sunt  pro  sepultura  Sacer- 
dotum. 

Item  umim  integrum  ornatum  viridi  coloris  cum  cruce  de- 
aurata. 

Item  umim  ornatum  viridi  coloris  examito  (sie)  cum  suis 
attinencijs. 

Item  unum  integrum  ornatum  de  serico  viridi  coloris  cum 
pretexta  aurea. 

Item  unum  ornatum  integrum  de  integro  panno  aureo. 

Item  umim  ornatum  integrum  de  panno  serico  deaurato. 

Item  unum  ornatum  integrum  de  serico  viridi  coloris  cum 
cruce  aurea. 

Item  unum  ornatum  integrum  de  serico  rubeo  antiquo  cum 
cruce  flavei  coloris. 

Item  unum  ornatum  integrum  de  serico  Rubeo  diversi 
coloris  et  cruce  jiarva  aurea. 

Item  unum  or7iatum  integrum  de  serico  clauci  (sie)  colo- 
ris cum  cruce  sericea  aurea. 

Item  unum  ornatum  integrum  de  panno  serico  aureo. 

Item  due  Casule  quadragesimales  quarum  una  est  alba 
et  una  Rubea. 

Item  undecim  Cuppe  in  toto. 

Item  Trcdecim  Dalmatice  subsequentes. 

(Pag.  3.) 

Item  due  Dalmatice  flavei  coloris  sericeas  deauratas  (sie) 
cum  Clipeis  et  luminibus  argenteis  deauratis  pro  festi- 
vitatibus. 

Item  una  flavea  dalmafien  de  a.vamito. 

Item  ilue  dalmatice  viridi  coloris  de  axamito. 

Item  due  dalmatice  de  serico  viridi  coloris. 

Item  due  dalmatice  de  serico  Rubel  coloris. 

Item  quatuor  dalmatice  de  pannis  Aureis. 

Item  una  campanula  sacristie. 

Item  due  jyalme  pro  die  palmarum. 

Item  vclum  quadragesimale  cum  suis  funilms. 


153  — 


Item  iniits  longua  panmis  sericem  diversi  coloris  pro 
choro  ecclesie. 

Item  una  ymago  Crucifixi  que  portatur  in  die  purasceve. 

Item  in  Anno  domin.  142G  die  dominico  proximn  post 
festum  circumcisionis  dominj  Nobilis  vir  Maternus  de 
Ronsow  im  Bohemia  pro  animn  u.voris  sue  domine 
Magdalene  fiUe  domine  Borssonis  de  dicta  Bohemia  ad 
honorem  dej  et  gloriose  virginis  Marie  dedit  ecclesie 
sancti  Martini  in  Posonio  unam  Casulam  et  duas  dyal- 
maticas  (sie)  purpureas  dcauratas  Rubri  coloris  cum 
alba  humerali  Stola  et  omni  apparaln  Et  optavit  ac 
voluit  ut  in  omnibus  festivitatibus  beute  virg.  gloriose 
eisdem  divina  peragantur. 

A.  Abbate  fflagrini  über  die  Chronologie  der 

VonR.  V.  E 

Wenn  man  von  Vlcenza  und  seinen  Gebäuden  spricht, 
so  denkt  Jedermann  nur  an  Palladio.  Dieser  hervorragende 
Architekt  hat  durch  seine  ausgebreitete  Wirksamkeit  in 
Vicenza  seiner  Vaterstadt  den  Typus  der  von  ihr  in  den 
Gang  gebrachten  Baufornien  in  so  brillanter  Weise  ausge- 
drückt, dass  von  der  Architectur  des  Mittelalters  in  Vicenza 
selten  die  Rede  ist,  und  doch  hat  dieser  reizende  am  Fusse 
des  Monte  Berico  gelegene  Ort  eine  Reihe  von  Kunstwerken 
und  von  Architekten  und  Künstlernamen  aufzuweisen,  welche 
die  Kunst  des  eigentlichen  Mittelalters  in  ehrenhafter  Weise 
vertreten.  Wir  verdanken  die  Nachricht  von  dieser  mittelalter- 
lichen Kunst  Vicenza's  der  unermüdlichen  Thiitigkeit  des- 
selben Professors,  Abbate  Antonio  Magrini,  der  auch  über 
das  Leben  seines  berühmten  Mitbürgers  Palladio  ein  um- 
fassendes, auf  urkundliches  Studium  gegründetes  Werk  schon 
vor  mehr  als  einem  Jahrzehent  der  Üftentlichkeit  über- 
geben hat.  Wir  glauben  den  Lesern  dieser  Blätter  einen 
Dienst  zu  thun,  wenn  wir  einige  der  wichtigsten  Resultate 
seiner  Forschungen,  die  selbst  in  Italien  nur  in  wenigen 
Kreisen  bekannt  zu  sein  scheinen,  in  Kürze  darstellen. 
Von  den  Gebäuden  vor  dem  Jahrtausend  ist  keine  Spur  mehr 
übrig.  Nach  dieser  Zeit  lassen  sich  die  mittelalterlichen 
Gebäude  bis  zur  Zeit  der  Renaissance  unter  folgenden  Ge- 
sichtspunkten grupp  Iren: 

1.  Thürme  (torri  private).  Im  Mittelalter  zählte 
Vicenza  hundert  den  Nobili  angehürige  Thürme ,  die  in  den 
von  Parteiungen  des  Adels  herrührenden  Fehden  eine 
grosse  Rolle  spielten. 

Der  Thurm  stand  damals  mit  den  Palästen,  die  mit 
Zinnen  gekrönt  ein  festungsartiges  Ansehen  hatten,  in  Ver- 
bindung. Manchmal  bildete  der  Thurm  allein  zugleich  auch 
das  Wohngebäude.  Von  diesen  Tliürmen  sind  die  meisten 
zu  Grunde  gegangen,    doch  von  vielen  hat  man  geschicht- 


';   UeU' arehitettura  in  Vicenz.!.  Discorso    cnn  appcndice    critico  —  ero- 
nologico  delle  priofipale  sue  fabriche  iiegli  Ultimi  olto  aeculi  Padue  1855. 


Item  Dominus  Georgias  de  Rozgon  Comes  posoniensis  pre- 
sentavit  uiium  ornatam  nigrum  de  Sameto  cum  diiabus 
Crucibus  de  perlis  et  nnum  Calicem  cum  patenu  de- 
aurata  ob  memoriam  quondam  Nobilis  viri  Michaelis 
Jakchy  in  ecclesia  S.  Martini  tumulati,  qui  quidem  calix 
cum  patena  convumeratus  est  superius  infer  atios 
calices. 

Item  unam  Crucem  deauratam  cum  pede,  quam  donavit 
ecclesie  beatj  Martini  quidam  discalciutor  vulgariter 
abzieher ,  quam  Crucem  habet  dominus  Martiiius  ple- 
banus  pro  9  libris  magnis  et  denariis  quas  idem  dedit 
aurif'abro  pro  labore  et  deauracione  ac  complemento 
argenti. 

mittelalterlichen  Baudenkmale  von  Vicenza'). 

t  e  1  b  c  r  g  e  r. 

liehe  Nachrichten.  Die  Familien  Galli,  Pilei,  Petocchi, 
Tealto  und  Vivaro  hatten  ihre  Thürme  und  Paläste  in  der 
heutigen  Strasse  des  Corona;  auf  dem  grösseren  Platze  waren 
die  der  Familien  Verla to,  Bissarro,  Dexente,  Cer- 
naroli;  auf  dem  Corso  waren  die  der  Caldogno,  Capo- 
bianco,  Valmarano,  Braschi  und  Losch i  u.  s.  f. 
Ezzelino  hatte  seinen  Palast  in  der  erstgenannten  Strasse; 
der  grosse  Thurm  bei  der  Porta  castcUo  war  ein  Werk 
Ezzelino's  vom  Jahre  1243.  Alle  diese  Thürme  standen  in 
der  alten  Stadt  Vicenza,  welche  später  von  den  Scaligeri 
und  den  Venetianern  erweitert  wurde. 

2.  Die  Gebäude  im  romanischen  Style  (a  pleno 
sesto  anteriore  all  acuta).  Das  älteste  Gebäude  aus  dieser 
Stylperiode  ist  die  Kirche  und  der  Thurm  der  heil.  Felix 
und  Fortunatus.  Die  Zeit  der  Gründung  dieserKirche  ist  das 
Jahr  1154.  Der  Thurm  stammt  aus  dem  Jahre  1160.  die 
achteckige  Thurmspitze,  aber  aus  dem  XIV.  Jahrhundert. 
Die  Kirche  hat  vielfache  Veränderungen  erlitten;  der  Thurm, 
der  zu  gleicher  Zeit  den  Zwecken  der  Vertheidigung  diente, 
hat  noch  die  meisten  ursprünglichen  Bestandtheile  erhalten. 
Eine  Miglie  von  der  Stadt  entfernt  ist  die  Kirche  St.  Ago- 
stino  vom  Jahre  1322.  Überreste  vom  romanischen  Style 
von  Vicenza  finden  sich  nur  mehr  noch  in  einigen  Fenstern 
der  im  Jahre  1260  erbauten  Kirche  Sta.  Corona  und  in  der 
Casa  Bocchi. 

3.  Gebäude  imgothischen  Style  {asesto acuta). 
a^Civilgebäudemit  dem  sicheren  Datum  1311. 

Der  Thurm  am  Platze  bis  zur  Höhe  des  Glockenthurnies;  der 
achteckige  Aufbau  mit  dem  Thurmhelm  bis  zum  Jaiire 
1444  und  1446. 

1444.  Aus  dieser  Zeit  stammt  dessen  sogenannter  Pa/«r  so 
della  ragione  o  ba.'iilira  und  zwar  der  innere  Theil;  die  rund 
herumführende  Halle  ist  ein  Werk  Palladio's  aus  dem  Jahre 
1549.  Man  hat  den  inneren  Bau  des  Palastes  viel  älter 
gehalten,  Magrini  aber  hat  in  seinen  Werken:  Mcmorie 
sopra  il  scpolcro  di  Andrea  Palladio,  S.   11,  urkundiiehe 


—   134 


Beweise  für  die  angegebene  Jahreszahl  geliefert.  Über 
den  Architekteil  Toiiimaso  FornuMitonc  erwartet  man 
noch  von  demselben  (lejelirteii  ausriilirliclie  Aiil'schliisse. 

1481.  Aus  diesem  Jahre  sind  einige  Theile  des  Palazzu 
Porto  und  der  Casa  IJarrera.  Ausserdem  linden  sich  noch 
einige  Paliiste  z.  B.  Seliio,  Hraschi,  Tiene,  Cocconi  San- 
giovanni,  Menegliini  mit  gothisehen  Ornamenten,  theilweise 
in  Verbindung  mit  späteren  Stylformeii. 

h)  Kirchliche  Gebäude.  1222.  Die  Kirehe  des 
heiligen  Thomas;  aus  dieser  Zeit  ist  jedoch  nur  mehr  die 
Vorhalle  und  der  Tiinriii. 

1237.  Sta.  Francesco  Vecchio  und  zwar  die  westliche 
Seite. 

12Ö9.  Sta.  Giorgio  in  Nazaret. 

1260.  Sta.  Corona.  Diese  Kirche  gehört  zu  den  i)est- 
erhaltenen  golliiselien  Kirchen  in  ^'ieenza.  Sie  ist  ein  Ziegel- 
bau, welcher  in  Bälde  von  Magrini  aiisluhrlicher  beschrieben 
werden  dürfte.  Für  die  Geschichte  der  Kunst  hat  diese  Kirche 
noch  ihre  Bedeutung  durch  zwei  Gemälde,  welche  wir  der 
Betrachtung  von  Kunstfreunden  besonders  emjifehlen.  Das 
eine  ist  eine  ganz  vorzügliche  Tante  t'liristi  in  lebens- 
grossen  Figuren  von  Giov.  Hellini,  und  ein  Gemälde 
vonBartolomco  Mantagna,  dem  eigentlichen  Repräsen- 
tanten der  Malerei  des  Mittelalters  von  Venedig. 

12G3,die  Kathedralkirche  ').  Diese  Kirche  trägt  Spuren 
von  verschiedenen  Baustyleii  au  sich.  Die  früheste  Nachricht 
bis  vom  Jahre  1066.  Bedeutende  Vergrüsserungen  des 
ursprünglieiien  Baues  aus  den  Jahren  1263  und  1283.  Die 
Seitenthüre  nach  Süden  zu  ist  ein  Werk  des  Canonicus 
Pieega  vom  Jahre  1290.  In  späteren  Zeiten  u.  z.  in  den 
Jahren  1444,  1467  bis  1474  wurden  eine  lieihe  von  Ver- 
änderungen in  der  Kirehe  vorgenommen.  Die  grosse  Altar- 
nisclie  ist  vom  Jalire  1.tü4. 

1280.  Sta.  Lorenzo;  diese  Kirche  ist  im  ursprünglieiien 
Baue  gut  erhalten,  und  die  Fa^ade  nach  Burekhardt 
desswegen  beachtungswerth,  weil  sie  zeigt,  wie  man  sieh 
ungefähr  diejenige  von  Sta.  Giovanni  e  Paolo  zu  Venedig 
nach   der  ursprünglieiien  Absicht  vollendet  zu  denken  hat. 

1311.  Sta.  Maria  dei  Servi,  theilweise  erneuert. 

1343.  Das  grosse  Eingangsthor  zur  Kirche  St.  Lorenzo 

1366.  Sta.  Pietro,modernisirt  mit  Ansnahme  des  Chores 

1373.  Sta.  Giacomo  Maggiore,  niodernisirt  mit  .Aus- 
nahme des  Chores,  der  Seitenthüren  und  der  daran  stossen- 
dcn  Capelle. 

1428.  Die  Kirche  Monte  Bcrieo ,  theilweise  erneuert 
mit  dem  Kloster. 

1440.  Sta.  Girolamo,  erneuert  mit  Ausnahme  des  Klo- 
sters und  des  Thurmes. 

1447.  Sta.  Bartolomeo. 


1S22.  Sta.  Biagio,  beide  Kirchen  theilweise  zerstört. 

1530.  Das  Spital  der  heil.  Maria  und  des  heil.  Christoph 
genannt  di  Sta.  Mareello,  mit  dem  Eingangstliore,  welches 
mit  sehr  schönen  Ornamenten  und  Figuren  im  Style  der 
Heiiaissanee  geschnitten  ist. 

4.  Gebäude  im  Henaissa  nce-S  ty  le.  .\us  der 
chronologischen  Liste  dieser  (lebäude  heben  wir  nur  jene 
hervor,  welche  mit  Siclierlieit  entweder  i\^-n  Architekten 
Palladio  oder  Scamozzi  zugeschrieben  werden  ki'tnuen. 
Dem  Palladio  gehören  folgende  Civil-Gebäude  an:  die  soge- 
nannte Basilica,  1549;  —  die  Dogana,  der  ehemalige  Palast 
Tiene,  1556;  —der  Palast  Valmarana,  1566,  der  Palast 
Chiericati,  das  heutige  Musealgebäude  1568 ');  der  Palast 
Porto  Barbara,  1570:—  der  Palast  Albertini,  1570;  — 
Loggia  Delegatizia,  1576  —  das  Teatro  Oliinpico  1580;  — 
ausserdem  werden  dem  Palladio  zugesehrieben  die  gegen- 
wärtig zerstörte  Holzbrücke  über  den  Bacchiglione,  der 
Palast  Piovene  sull"  Isola  und  die  Kirche  Monte  Berico. 

Dem  Architekten  V.  Scamozzi  werden  tolgende 
Gebäude  zugeschrieben:  der  Palast  Xievo.  1569  ;  —  der  Palast 
Branzo-Loschi,  1577; —  der  Palast  Trissino,  1592  und  die 
Casa  Pavan. 

Dieser  Palast -Arcliiteetur  Palladio's  und  Scammozzi's, 
welche  sich  auf  die  ganze  Provinz  erstreckt,  verdankt 
Viceiiza  seinen  Ruhm  und  seine  bedeutsame  Stellung  in  der 
Architectur-Geschichte. 

Schliesslich  niuss  noch  erwähnt  werden,  dass  derselbe 
Gelehrte  Abbate  Magrini,  wie  uns  scheint,  mit  vollkommen 
zureichenden  Gründen,  die  Rialto-B  rücke  in  Venedig, 
dem  Architekten  Gio  va  n  iii  AI  vise  Boldii  vindieirt  bat, 
einem  Viceutiner  von  (iebiirt.  Die  Aiislnhning des  Projectes  von 
Boldü  zur  Bialto-Brüeke  wurde  deniFabro  .\iitonio  dal  Ponte 
übergeben  =)  ,  welcher  gewöhnlich  für  den  Architekten  der 
Bialto-Brüeke  gehalten  wird.  Statt  aller  Beweise  führen  wir 
die  darauf  bezüglichen  ^Vürte  der  Leichenrede  des  Dogen 
Pasijuale  Cicugna  an,  unter  welchem  die  Brücke  gebaut 
wurde : 

QixK/iiidcm  omnia  si  ma.vimam  tilii  admlrationem 
movriit,  sie  liabcto :  fiiisse  tanli  poiitis  /'ulinon  Antuiiium 
l'oiiliiiin  arrhitectiim  (iiitcm  Joaiincm,  A/oijsiiim  Uohlmim 
Pauli  filuiin,  liiiilo  liNjciiiu.  la/ilti  in  re/iiifi.  oniuibus  Arc/ii- 
tcvtoiiicd  (irli.s  pcritid.  Iiiiifii  jtiobitatc,  tuiititquc  in  jxifriiim 
picldtc  L'irum  iil  iiiliil  siipra.' 


')  Siehe  ilie  „notiiie  sinrico  descriplive  ileli.n  (liicsu  rnlteilrnlc  diVicenia 
fon   Ab.    A.   .Maprini.    Viccn/.a   1848. 


•)  Sii'ho:  .Ma|;r'''»'*s  »H  |ta!;r/,/.o  ilel  .Miisoo  civifo  in  Vicen/.a  deseritto  b<I 
Ulustrato."  Vicciua  IS:>ö. 
ä)  Die  ausriilirliclie  Beweisl'ühiunK  ist  in  dem  Vurlrag  ciithalleii,  den  Alibale 
Magrini  am  23.  April  18j4  in  den  J.  R.  Islilulo  Veneto  di  seienie 
lellere  ed  arli  (gedruckt  Vicenia  18j4)  goliallcn  hat.  Ilekanntermassen 
ist  darüber  scliun  niciir  als  einmal  geschrieben  woiden.  Gegenwärtig 
liegt  das  ganze  iiilercssaule  Verfahren  bei  dem  Haue  lU'r  Itriickc  vur. 
Die  Architekten  theillen  sich  in  zwei  Lager,  einige  projcctirtcn 
liriicken  mit  drei  lUigen  (V.  Scamoz/.i,  A.  dal  ennte  n.  s.  f.)  einige 
mit  Kiiiem  Uogen.   Zu  letzteren  gehörte  Glos.  Aluisc  lloldii. 


55 


Die  romanischen  Kirchen  zq  Zahor  and  St.  Jakob  in  Böhmen. 


Von  Dr.  Joh.  K  ra  siii  us  Woc  el .  k.  k.  Conservator  für  Prag. 


II. 


Die  Kirche  zu  St.  Jakob. 

Am  20.  September  des  Jahres  1846  begab  ich  mich 
nach  dem  etwa  eine  Stunde  von  Kuttenberg  an  der  Wiener 
Strasse  liegenden  Dorfe  Cirkwitz,  um  ein  in  der  dortigen 
Kirche  befindh'ches  altes  Gemälde  in  Augenschein  zu  nehmen, 
welches  in  Summer's  Topographie  Böhmens  mit  besonderem 
Lobe  hervorgehoben  wird  <)•  Dieses  Bild,  welches  um 
die  Mitte  des  XVII.  Jahrhunderts  von  dem  Herrn  Friedrich 
Swihowsky  von  Riesenburg  der  Kirche  verehrt  worden 
sein  soll,  stellt  sicli 
als  ein  niittelmüssi- 
gesKunst|iroduct  des 
XVI.  oder XVil.  Jahr- 
hunderts dar,  bis  auf 
das  liebliche  Antlitz 
der  Mutter  des  Hei- 
landes, in  welchem 
ein  tief  wehmiithiger 
Ausdruck  ruht. 

Die  geräumige 
im  verflossenen  Jahr- 
hunderte erneuerte 
Kirche  zu  Cirkwitz 
enthält  sonst  nichts, 
was  die  Aufmerksam- 
keit des  Archäologen 
fesseln  könnte;  nur 
an  dem  massiven,  aus 
Quadern  aufgeführ- 
ten Thurme  gewahrt 
man  noch  die  Spu- 
ren des  romanischen 
Styles,  in  welchem 
ursprünglich  der  ge- 

sammte  Kirchenbau  aufgeführt  ward.  Getäuscht  in  meiner 
Erwartung,  hier  ein  bedeutendes  vaterländisches  Kunst- 
denkmal zu  (luden,  beschlnss  icli  das  nahe  gelegene 
Dorf  St.  Jakob  zu  besuchen,  von  dessen  Kirche  Sommer's 
Topographie  Böhmens  erwähnt,  dass  es  ein  von  den  Sedletzer 
Cisterciensern  errichtetes  Gebäude  sei.  welches  viele  Stand- 
bilder und  Grabmäler  von  Gliedern  jenes  Ordens  enthält. 


')  Auch  bewundert  man  ein  AUarbild  der  selimeriliulten  .Mutier  (inlles 
von  einem  unbekannten  iMeister,  «elclies  der  Kirche  Herr  Friedriili 
Kaspar  S  vv  ihowsky  von  Uiesenhurg;  ^n'.sehenkt  hatte.  Der  Wertli 
desseliien  ist  vom  verstorbenen  Akademie-Direelor  Bergler  lu  l'ra;- 
aiif  400  Ouealen  jjesfhätz.t  worden.  Sommer's  Küuifjreich  Bübmeu.  II. 
Tb.  332. 


Bald  gewahrte  icli  die  in  der  Mitte  des  Dorfes  auf  einem 
Hügel  sich  erhebende  Kirche  mit  dem  hohen  Thurme,  und 
wurde,  da  ich  mich  derselben  genähert,  nicht  wenig  durch 
die  Wahrnehmung  überrascht,  dass  auf  der  Ostseite  die  halb- 
runde Apsis  mit  romanischen  Halbsäulen  bervorti'ete,  und 
dass  die  südliche  Langseite  des  SchifTes  mit  bedeutenden 
Sculpturen  geziert  sich  darstelle.  (Fig.  1.)  So  war  es  denn 
abermals  ein  glücklicher  Zufall,  dem  ich  die  Entdeckung 
eines  der  interessantesten  Denkmale  des  romanischen  Styles 
in  Böhmen  verdankte. 

Aus   dem   KirchenschilTe  tritt   die  Chornische  an   der 

Ostseite  hervor,  ge- 
ziert rm't  Halbsäulen, 
welche  durch  Kreis- 
bogen, die  sich  von 
einer  Säule  zur  an- 
dern hinüberschwin- 
gen, verbunden  sind. 
Das  Kranzgesinis  und 
die  Mehrzahl  derSäu- 
lencapitäle  ist  stark 
beschädigt.  Die  I'io- 
destale  der  Saiden 
ruhen  auf  dem  Bo- 
den auf,  den  niedri- 
gen Sockel  der  .\psis 
durchschneidend,  der 
sich  in  dei'selben 
Höhe  mit  schwacher 
Ausladung  längs  den 
i)eiden  Langseiten 
des  SchillVs  hinzieht. 
Die  südliche  Haupt- 
mauer ersclii'int  in 
der  Mitte  dnrdi  einen 
breiten  W'andstreif  in 
zwei  Abiheilungen,  eine  obere  und  untere  geschieden  ;  die 
obere  .\btheilung  ist  durch  eine  schön  geordnete,  von  Kreis- 
bögen überhöhte  Halbsäulenstellungin  sieben  Felder  abge- 
theilt.  Das  zweite  und  sechste  Feld,  vom  östlichen  Eck  des 
Schiffes  gezählt,  enthält  ein  Rundbogenfenster,  die  übrigen, 
das  mittlere  ausgenommen,  sind  durch  Basreliefscul|)turen 
von  beinahe  0'  Höhe  ausgefüllt.  Das  erste  Basrelief  stellt  einen 
Priester  in  langem  Talare  dar;  sein  Haujit  ist  unbedeckt. die 
rechte  Hand  hält  einen  Bischofsstab,  die  linke  ein  Buch.  Im 
dritten  Felde  erblickt  man  die  Gestalt  eines  Kriegers  in  der 
WalVentraclit  des  XI.  und  Xll.  Jahrhunderts.  Der  Helm  ist 
niedrig,  ohne  Visir  und  schnmcklos,  das  nackte  Schwert  in 


156  — 


seiner  Rechten,  lang  und  breit  mit  einfacher  gerader  Parir- 
stange ;  der  Schild  ist  herzförmig  und  ohne  Spuren  irgend 
einer  Wa{i[RMizipi-do.  Unter  dem  icurzen  WalTeni-ocke  ragt 
der  Saum  des  Dralithenulcs  hervor.  Das  bedeutendste  Bas- 
relief stellt  sich  im  fünften  Felde  dar,  welches  die  übrigen 
an  Breite  übertrilTt.  Es  ist  eine  hohe  Gestalt  im  langen 
faltenreichen  Gewände,  deren  rechte  Hand  zum  Segnen 
erhoben  ist,  wahrend  die  Linke  ein  Buch  an  die  Brust 
drückt;  zu  den  Füssen  derselben  kniet  ein  Mann  und  eine 
Frau;  beide  Figuren  sind  aber  so  beschädigt,  dass  man 
die  Details  derselben  nicht  mehr  wahrnehmen  kann.  Im 
siebenten  Felde  ragt  die  Gestalt  eines  Priesters  im  langen 
Talare,  dessen  Rechte  einen  Bischofsstab,  die  Linke  aber 
ein  Buch  hiilt;  sein  Haupt  ist  mit  einer  Mütze,  wahrschein- 
lich der  niedrigen  Infel  der  älteren  Zeit  bedeckt.  Das  Bas- 
relief in  dem  Halbkreisfelde  über  der  durch  die  später  ange- 
baute Vorhalle  verdeckten  Kirchenthür  stellt  das  Brustbild 
des  segnenden  Erlösers  dar.  der  in  der  linken  Hand  das 
geöffnete  Buch  des  neuen  Bundes  hiilt.  (Fig.  2.)    Sein  Haar 


(Fig.  2.) 

wallt  auf  die  Schulter  herab,  der  Kinnbart  ist  kurz,  das  Haupt 
mit  dem  Heiligenschein  umgeben.  Die  Engel  zu  beiden 
Seiten  mit  den  Weilirauchfasseni  und  den  Louchtern  oder 
Palmen  in  den  Händen  sind  zu  sein-  mit  Kalk  bedockt,  als 
dass  man  in  rinc  Dflailsiliildernng  derselben  eingehen  könnte. 
Die.\rchivulle  des  JiiinilljogenN,  der  dasTympanon  umspannt, 
i.st  schmucklos  uml  wird  blos  durch  zwei  breite  liundsläbe 
uiiil  einige  scliMiale   llulilleisten   gebildet.    Den  Fuss  jeder 


der  vier  Halbsäulen,  auf  welchen  die  Portalbogen  aufliegen, 
bildet  die  attische  Basis  mit  der  hohen  und  stumpfen  Behand- 
lung der  Hohlkehle  zwischen  den  beiden  schwachen  Pfühlen. 
Die  Eckblatter  werden  an  der  Säulenbasis  vermisst.  Die 
Capitäle  sind  schmucklos  und  werden  durch  die  attische 
Basis,  so  wie  sie  an  den  Säulenfüssen  erscheint,  jedoch  in 
umgekehrter  Lage  gebildet.  Diese  Portalsäulen  sind  hoch 
und  überaus  sclilank,  und  bilden  einen  merkwürdigen  Ge- 
gensatz zu  den  gedrungenen,  kräftigen  Portalstützen  der 
romanischen  Kirchen  im  Westen  und  Norden  Böhmens.  Das 
Portal  ist  übrigens  nicht  blos  durch  den  Anbau  der  Vorhalle 
verdeckt,  sondern  auch  barbarisch  verstümmelt,  indem  die 
Eingangsthür,  welche  früher  nach  innen  sich  ölTnete,  in 
späterer  Zeit  nach  aussen  zum  On'nen,  und  zwar  auf  die 
Weise  angebracht  wurde,  dass  man,  um  einen  guten  Schluss 
zu  gewinnen,  in  die  beiden  näher  an  die  ÖlTnung  stehenden 
Säulen  Fugen  hineinmeisselte.  Die  untere  Hälfte  der  süd- 
lichen Mauer  ist  in  vier,  durch  Rundbogen  überhöhte  Felder 
getheilt;  das  dritte  derselben  wird  durch  das  Portal  ausge- 
füllt. Die  nördliche  Aussenseite  des  KirchenschifTes  ist  auf 
ähnliche  Weise  wie  die  südliche  mit  Halbsäulen ,  über 
welche  sich  Rundbogen  spannen,  geziert;  jedoch  gewahrt 
man  in  den  dadurch  gebildeten  Feldern  keine  Spur  von 
Sculpturen.  Im  Westen  schliesst  sich  an  das  Kirchenschiff 
der  überaus  feste  aus  Sandsteinquadern  ausgeführte  Thurm 
an.  Jede  Seite  desselben  hat  eine  doppelte  Fensterreihe. 
Vor  ungefähr  25  .lahren  war  noch  jede  der  acht  Schall- 
öffnungen durch 
zwei  romanische 
Säulchen  in  drei 
Theile  geschie- 
den, wodurch  der 
Bau  einen  charak- 
teristischen male- 
rischen Ausdruck 
gewann,  l'm  aber 
dem  .Vndraiig  von 
Schnee  und  Re- 
gen zu  wehren, 
hatte  man,  wie  mir 
der  alte  Kirchen- 
diener erzählte, 
den  mittleren 
Theil  einer  jeden 
Schallöffnung  zu- 
gemauert, und  die 
alitheilenden  Säu- 
len zwischen  Zie-  (F'g-  3-) 
gehl  eingekeilt,  so  dass  gegenwärtig  blos  einige  derselben  in 
verstümmeltem  Zustande  im  Innern  des  Thurmes  aus  der 
Mauer  hervorragen. 

Wemlen  wir  uns  mm    zur  Betrachtung  des  inneren 
Raumes    der  Kii-clie,   An  das  Schiff  schliesst  sieh  ander 


1Ö7 


Ostseite  die  haJbriindeCliornische  an  (s.  den  GriindrissFig.  3); 
das  GewülLe,  weiches  sieli  über  dieselbe  spannt,  rührt  noch 
von  der  ursprünglichen  Anlage  her,  während  die  Wölbung 
über  dem  SchilTe,  welche  von  keiner  Säule  gestützt,  blos 
auf  der  Hauptmauer  aufliegt,  der  späteren  Zeit  angehört. 
Die  innere  Länge  der  Kirche  beträgt  6»  5',  die  Breite  3»  6  ', 
die  Mauerstärke  2'  6".  Der  Kirchenraum  wird  durch  vier 
schmale  Rundbogenfenster  und  in  seinem  unteren  Theile 
durch  drei  kleine  halbrunde  Fenster  beleuchtet.  In  diesem 
Räume  wird  die  Aufmerksamkeit  vorzüglich  durch  zwei 
stämmige  Säulen  gefesselt,  welche  die  Rundbogen  stützen, 
auf  denen  die  Empore  oder  der  Betchor  ndit.  (Fig.  2.) 
Diese  Sänlen  sind,  gleich  wie  die  Sculpturen  an  der  Aussen- 
seite,  aus  feinkörnigem,  weichem  Sandstein  gehauen,  ihre 
Capitäle  an  den  unteren  Ecken  abgerundet  und  niitAcantluis- 
blättern  geschmückt;  vorspringende  Leisten  umsäumen  die 
Halbkreisflächen  des  Capitäls,  von  denen  zwei  mit  einem 
Basreliefstern  geziert  erscheinen.  Unmittelbar  auf  den  Capi- 
tälen  liegen  die  Decken]ilatten,  auf  denen  die  Bogen,  welche 
die  kleine  Arcade  bilden,  ruhen;  ein  einfacher  Ring  trennt 
das  Capital  vom  Säulenschafte.  Der  Schaft  der  nördlichen 
Säule  ist  auf  eine  eigoiithümliche  Weise  verziert.  Es  ziehen 
.sich  nämlich  einige  Reliefbänder  von  der  rechten  und  andere 
von  der  entgegengesetzten  Seite  längs  dem  Schafte  hinab 
und  werden  durch  ein  zierlich  gefügtes  Flechtwerk  an  den 
Durchschnittspunkten   verknüpft.   (Fig.  4.)  Der  Schaft  der 

andern  Säule  stellt  sich  ganz 
glatt  und  schmucklos  dai-. 
Über  dem  Betchor,  den  die 
Arcade  stützt,  spannt  sich 
ebenso  wie  über  der  Chor- 
nische eine  Rundbogenwöl- 
bung. Zu  diesem  Betdior, 
welches  13'  lang,  8'  4"  bi'eit 
ist,  hat  der  Erbauer  durch 
eine  kunstreiche  Anordnung 
den  Raum  im  Innern  des 
Thtn-mes  gewonnen  und  die 
(f'g-  *■)  unter  dieser  Empore,  gegen- 

wärtig als  Sacristei  benützte  Halle  ist  gleichfalls,  wie 
auf  unserem  Grundrisse  ersichtlich,  im  Thurme  angebracht. 
Die  aus  Quadern  besonders  sorgfältig  hergestellte  Stiege, 
welche  auf  den  Thurm  und  zugleich  auch  zum  Betchore 
führt,  ist  in  der  Mauerdicke  des  Thurmes  angelegt.  Der 
Eingang  zu  dieser  Stiege  befindet  sieh  an  der  Westseite  des 
Thurmes  und  ist  so  hoch  angebracht,  dass  man  zu  demselben 
auf  einer  hölzernen  Stiege  gelangen  muss. 

Erwähnenswerth  sind  endlich  einige  Grabsteine,  welche 
in  die  Mauer  unter  dem  Betchor  eingefügt  sind.  Besonders 
zieht  einer  derselben  die  Aufmerksamkeit  an  sich  durch  sein 
meisterhaft  ausgeführtes  charakteristisches  Wappen;  die 
böhmische  Aufschrift  vom  Jahre  1S77  bezeichnet  dort  die 
Ruhestätte  eines  Ritters  MIadejowsky  von  Mladejowa. 
II. 


Die  lateinische  Aufschrift  des  zweiten  Steines  sagt,  dass  dort 
ein  Herr  Swihowsky  von  Ri  es  enb  urg  begraben  liegt; 
der  dritte  und  vierte  Grabstein  bezeichnen  abermals  durch 
böhmische  Aufschriften  die  Grabstätte  einiger  Glieder  der 
Familie  MIadejowsky  von  Mladejowa;  dereine  der- 
selben gewährt  durch  eine  trefTich  gearbeitete  weibliche 
Figur eininteressanfesCostumbild  aus  dem  XVI.  Jahrhundert. 

Aus  der  Anordnung  und  Bauart  dieser  Kirche  ist 
er.sichtlich,  dass  dieselbe  im  XII.  Jahrliundert  aufgefiihrt 
wurde;  ein  Urtheil,  das  wenige  Wochen  darnach,  als  der 
Sciireiber  dieser  Zeilen  zum  ersten  Jlale  das  Publicum  auf 
dieses  interessante  Baudenkmal  aufmerksam  machte,  voll- 
kommen bestätigt  ward.  Als  nämlich  im  November  des  Jahres 
1846  die  Brüstungsmauer  des  Betchors  in  der  Mitte,  wo 
man  eine  Orgel  aufstellen  wollte,  durchbrochen  ward,  fand 
man  in  derselben  einen  Altarstein  von  3'  9  '  Länge  und  3' 
Breite  und  unter  diesem  eine  Büchse  von  Blei,  auf  welcher 
ein  Wachssiegel  aufgedrückt  war.  Auf  dem  Siegel  gewahrte 
man  die  matten  Umrisse  einer  Figur  im  bischöflichen  Ornate 
und  die  Umschrift:  DANIEL  ....  GRA  ..  PRA  ...  SCOPVS. 
(Daniel  Bei  Grtitia  Pragensis  episcopttsj.  Die  Büchse 
enthielt  nebs*  vielen  Reliquien  eine  wohlerhaltene  Perga- 
menturkunde, aus  welcher  zu  entnehmen  ist,  dass  der  Altar 
am  Betchor  im  Jahre  1163  durch  den  Bischof  von  Prag, 
Daniel,  eingeweiht  wurde,  und  zwar  in  Gegenwart  des 
Königs  von  Böhmen  W  la  dislaw  I.  und  dessen  Gemahlin,  der 
Königin  Judith,  wie  auch  der  Erbauerin  der  Kirche,  Maria, 
und  ihrer  Söhne  Slawibor  und  Paul').  Da  aber  das 
Kirchengebäude  mit  dem  Hauptaltar  früher  gestanden  liaben 
muss,  ehe  der  Altar  im  Betchore  eingereiht  wurde,  so  muss 
man  einen  früheren  Zeitpunkt,  etwa  zwischen  1 160  und  1 163 
als  die  eigentliche  Periode  der  Aufführung  dieses  Kirchen- 
baucs  annehmen. 

Die  Urkunde  von  St.  Jakob  gewährt  einen  festen 
Anhaltspunkt  für  die  Zeitbestimmung  der  Architectur-  und 
Sculpturdenkmale  aus  der  früheren  Periode  des  Mittelalters 


*J  l)vv  Text  der  Uikunde,  deren  Faesimile  der  Abti.aiidlun^  im  Casop. 
cesk.  Mus.   1847  beigefügt  ist,  lautet: 

.■l«?io  UominUc  incariiatioiiis  millesimo  venlesimo  se.rai/esimo  quinlo, 
iutlict.  dcciitie  tcrtie .  epact.  dccime  Septime,  concurrent.  guarte,  etjo 
Vimicl ,  licet  indigmis.  Bei  tarnen  grütia  Praijensium  Episcopus  deci- 
jittfs  tei'tius ,  anno  ordinutionis  mee  decimo  (juintOj  vicnse  undecimo^ 
die  tiiensis  devimo  nono,  retjnante  Friderico  ylorionissimo  et  serenis- 
simo  linnuinoruni  Imperatore  et  semper  antjusto ,  temporibus  quoipie 
Wludiztai  i/toriosifininii  Boemornm  rei/is,  fias  retiqniiis  horvm  sancto- 
rum  in  hoc  uttari  decinui  tertia  calendttrum  liecembris  propria  manu 
recondidi. 

lie  lii/nti  üomini ,  de  ifcpnitttra  Domini j  S.  Marie  vin/inis,  S. 
Joanniif  Baptiste  etc.  etc. 

hti  et  omncs  Sancti  Dei  intercedere  diynentur  pro  nie  peccatorc 
ad  flominum  Detim  Amen.  Ego  Wladizlaus  rex  Boemorum  ejusdem 
temporis  idcm  oro.  Amen. 

Ego  Judittn  regina  Boemorum  ejusdcm  tetnporis  idcm  oro.  Amen. 
Ego  Maria  cons»actri.v  hnjus  eccleifie  cum  filiis  meis  Ziaveboro  et 
Pai'h  ejusdcm  temporis  idcm  oro.  Ainen.  Amen.  Amen. 

Tifulus  antem  im  jus  idturis  sancte  Marie  y  gloriose  et  perpetue 
Virgini  annotatnr. 


—  158 


in  Hiiliii.oii.  Mliglicli  ist  es,  dass  wir  in  dieser  rrkiiiule, 
welclie  der  Patron  der  Kirche  zu  St.  .lakoh.  Herr  Graf  Hein- 
rich (Miotek  dem  kirn,  hiihiii.  Museum  iiherjjah,  die  H;ia(l- 
schrift  des  vaterlandischen  Chronisten  V  i  n  e  e  a  t  i  u  s  I)esilzen, 
der  dem  grossen  Biseliof  und  Staatsmann  Daniel  als  Ge- 
heimsehreiber  diente.  —  Oh  die  Figuren  an  der  äusseren 
Kirchenwand  irgend  eine  He/.iehiing  zu  den  bei  der  Ein- 
ueihung  des  Betciioraltars  gegenwartigen  Personen  liaben, 
vermögen  wir  nicht  zn  entscheiden.  Ebenso  wenig  kann 
angegeben  werden,  welcher  Familie  die  Erbauerin  der  Kirclic 
angehörte;  jedenfalls  deutet  die  Gegenwart  des  Königs  und 
der  Königin  von  Böhmen  hei  dem  .\ete  der  Einweiiiung 
darauf  hin.  dass  jene  consb'uctrix  Maria  einem  der  ange- 
sehensten Grossen  des  fjandes,  wahrscheinlich  dem  Besitzer 
der  nächst  gelegenen  Landstreeke,  vermalt  war. 

III. 
Vci'gleiclicmle  t'liersiclit. 

Die  Kirchen  zu  Zäbof  und  St.  Jakob  stellen  sich  als 
Denkmale  des  Hiindbogcustyls  dar,  die  in  ihrer  Detailbil- 
duni'  EiKentluindichkeiten  weisen,  welche  die  meisten  roma- 
nischen  Kirchen  des  östlichen  Böhmen,  im  Gegensatze  zu 
den  romanischen  Bauten,  die  im  Westen  und  im  Norden 
des  Landes  vorkommen,  charakterisiren.  Der  Sockel,  die 
Lisenen  und  die  Halbkreisbogen  der  östlichen  Kirchen  haben 
eine  geringe  Ausladung,  während  die  Sockel  der  west- 
lichen und  nördlichen  Bauten,  namentlich  der  Kirchen  zu 
Potworow,  Rudig,  Liebsliau  sen,  i'odwinec  und 
Molielnic  hoch  und  .stark  ausgeladen,  der  Bogenfries  und 
<lie  Lisenen  derselben  kräftig  modellirt  erscheinen.  An  den 
letztgenannten  Kirchen  gewahrt  man  auch  die  Würfelver- 
zicrung,  und  au  den  Bauten  zu  Potworow  und  Pod  winec 
überdies  den  keilförnngen  Zahnschnitt,  welclie  Ornamente 
an  den  romanischen  Kirchen  im  östlichen  Böhmen  gar  nicht, 
oder  nur  sehr  spärlicli  vorkonuncn.  Das  Portal  der  Kirche 
zu  Zäbof,  mit  welchem  das  durch  den  Blitzstrahl  aiilge- 
deekte  Portal  dir  Kirche  zu  Hru.sic  in  der  Structur  und 
der  Verzierungsweise  seiner  Archivolten  grosse  Ähnlichkeit 
hat,  ist  fein  gegliedert  und  reicli  Ornament irt, 
während  die  kräftigen  schnuicklosen  Porlalbogen  der  west- 
lichen Kirchen  zumeist  auf  massiven  Halbsäulen  und  Halb- 
pfeilcrn ,  deren  Kanten  a  b  g  e  f  a  s  s  t  s  i  n  d  .  aiifrnhen.  Das 
überaus  stark  ausgeladene  ilalbkreisornament  erscheint  an 
den  westliehen  und  nördlichen  Kirchenbauten  auch  als  Ein- 
fassungsschmuck  im  Timpanum  der  Portale ,  und  zw  ar  im 
Portal  der  Kirchen  zu  Liebshausen,  Pod  winec  (wo  es 
auch  an  der  Archivolte  des  reich  gegliedc-rlcn  Bogens,  der 
sich  gegen  die  Empore  zu  ölfnet,  vorkommt)  und  an  der  Ein- 
gangsthüre  der  Bundcapelle  zu  Zelkowic.  Die  unverkennbare 
Ähnlichkeit,  welclte  sich  in  den  architektonischen  Motiven 
und  Ornamenten  der  letzterwähnten  Kirchen  kunil  gibt, 
weiset  offenbar  auf  eine  gemeinsame  Baupraxis,  auf  eine  und 


dieselbe  Schule  hin,  welche  den  böiimischen  Architekten 
die  Vorbilder  lieferte.  Die  Vergleichung  dieser  Bauten  mit 
ilen  romanischen  Denkmalen  der  westlichen  und  nördlichen 
Nachbarländer  Böhmens  setzt  es  ausser  Zweifel,  dass  dort, 
insbesondere  aber  in  den  sächsischen  Ländern  die  Vorbilder 
jener  böhmischen  Kirciienbauten  zu  suciien  sind.  Die  meisten 
jener  im  Nordusten  Böhmens  gelegenen  Kirchen  wurden 
aber  im  XI II.  .lahrhnndert,  somit  zu  einer  Zeit  erbaut,  wo 
im  westlichen  Euriip;i  die  Periode  des  romanischen  Styles 
bereits  abgeschlossen  Mar.  Die  Kirche  zu  Potworow,  das 
bedeutendste  unter  diesen  Baudenkmalen,  wurde  nach  einer 
aus  dem  Plasser  Cistercieuser  Kloster  herriiiirenden  Hand- 
schrift im  Jahre  1241  gegründet.  Das  Kirciilein  zul'odwinec 
scheint  sogar,  wie  Prof.  Gruel)er  im  Oetrdierlieft  1856 
der  Mittheilungen  nachgewiesen,  aus  dem  Xl\'.  Jahrhundert 
herzurühren.  Über  die  Gründung  der  Kirchen  zu  liud  ig, 
Liebshausen,  Molielnic  und  Zelkowic  liegen  zwar 
keinehistorischen  Daten  vor;  die  Verwandtschaft  der  Bauweise 
und  Ornamentik  derselben  mit  den  Kirchen  zu  Potworow 
und  Pod  winec  deutet  aber  darauf  hin.  dass  auch  sie  der 
spätesten  Periode  der  romanischen  Bauweise  angehi'iren. 

Über  die  Zeit  der  Erbauung  der  Kirche  zu  St.  Jakob 
gewährt  die  oben  angeführte  Urkunde  den  sicliersten  Auf- 
schluss:  es  ist  die  Mitte  des  Xll.  Jahrhunderts;  der  Styl  die- 
ser Kirche  entspricht  aber  jenem,  den  man  an  den  roma- 
nischen Bauten  im  östlichen  und  Centralböhmen  gewahrt. 
Es  geht  somit  daraus  hervor,  dass  sich  im  östlichen  und 
mittleren  Böhmen  im  XII.  Jahrhundert  eine  Baupraxis  ent- 
wickelt hatte,  welche  in  ihren  romanischen  Motiven  manche 
Eigenthümlichkeit  weiset. 

Die  böhmischen  Geschichtsquellen  lenken  die  Auf- 
merksamkeit des  Forschers  auf  das  Kloster  Saza  wa  (erbaut 
im  Jahre  1032 — 1039),  wo  die  Kunst  mit  besonderer  Vor- 
liebe gepflegt  und  von  einigen  .\bten  selbst  mit  bedeuten- 
dem Erfolge  geübt  wurde.  Bozetech,  der  vierte  Abt  des 
Klosters  (1091  — 109ß)  wird  in  der  Chronik  des  Sazawer 
Mönches  als  ein  vielbewundcrtcr  Maler  und  Bildlianer  ge- 
priesen, der  die  Sazawer  Kirche  grossartig  erweitert  und  mit 
reichem  Kirchensclimucke  versehen  hatte ').  Aus  der 
weitläufigen  Schilderung,  welche  Cosnias  von  der  Ein- 
weihung der  Altäre  in  der  Sazawer  Kirche  entwirft,  ist 
ersichtlich,  dass  dieselbe  ausser  dem  .\llare  in  der  IJnter- 
kirche  oder  Krypte,  siciien  .Mtäre  enthielt,  dass  sie  daher 
als  ein  bedeutendes  Bauwerk  des  romaiiisciicn  Styles  sich 
darstellte.  Nicht  blos  Bozetecii,  der  letzte  Abt  des  slawi- 
schen Ritus,  dessen  vielseitige  Kimstbegabung  die  staunende 
Bewunderung    der    Zeitgenossen  weckte"),   sondern    auch 


')  JUe  (liozctcfhiis)  ithiijprc  venUKtisniine  tunninit ,  /itii/rrc  vel  nvidperc 
ttijno  liiin'dctjnr,  ac  unnc  tontarc,  peroplimr  tinrif,  —  Ipse  sii/uidrm  lovtim 
iltum  (»umasterium  Sazapicitsr)  iaininbiliter  omni  ornatiiy  9iviili  hodi- 
erna  die  apparet,  dcvoravit.  Kcvlesiom  tuiif/itudiiir,  altititdiiie  venuntiS' 
simc  amptiaitdo  fundavit ,  imo  paUiis,  ctimpaiiis,  cntcibus  et  omnibM 
monastivis  rebus  adornavif.  Script,  i-er.  Iloh.  I.   100. 

2)  Über  Bozetvvh  vergl.  Palacky,  Gesch.  Biiliin.  I.  33t. 


159  — 


mehrere  der  nachfolgenden  Ähte  des  lateinischen  Ritus  wer- 
den der  bedeutenden  Kunstwerke  wegen,  die  sie  ausführten, 
von  den  Zeitgenossen  hoch  gepriesen,  so  dass  es  unbezwei- 
felt  erscheint,  dass  die  Benedictiner  zu  Sazawa,  eben  so  wie 
ihre  Ordensbrüder  in  Italien,  Frankreich  und  Deutschland 
sich  die  Pflege  der  Kunst  und  die  Verbreitung  der  Cultur 
wesentlich  angelegen  sein  Hessen.  Von  Silvester  dem 
sechsten  Abt  des  Klosters  (1134)  wird  geschrieben:  Uic 
capellam  S.  Dei  Genitricis  construxit,  monasterium  S. 
Joannis  Bapthtae  picturne  venustate  decoravit,  muros 
cum  nbs  idibus  in  mcdio  orntorü  ab  allnribus  sancti 
Stephniii.  et  sancti  Martini  interpoauit,  pavimeiiiiim  eccle- 
siae  lapidibus  politis  de  Petrino  monte  advectis  adornuvit, 
donnitoriiim,  refectnrium,  rellarium  et  coqniiinm  atrium- 
qiie  claiistri  per  circuitum  cum  columnellis  et  absi- 
diculis  venustissime  construxit.  In  villa  Mnichovici 
nuncupnfa  Basilicam  in  honorem  sancti  Michaelis  et 
omnium  coelestitim  virtutum  aedificavit.  (Script,  rer.  Bob. 
I.  3 IG.)  Und  Reginhard.  der  achte  Abt  des  Klosters  Sa- 
zawa (im  Jahre  1162).  wird  als  Künstler  gefeiert  mit  den 
Worten :  Fnit  in  eo  peritia  pingere  vel  sculpere  quoslibet 
imaffines  /i(/no,  vel  osse.  vel  etinm  diversi  generis  metallo; 
fabrilis  (juoqiie  non  ignarus  fuit  artis,  et  omnis,  quae  ex 
vitro  fieri  solet,  compositionis.  (Scr.  rer.  Bob.  363.)  Nicht 
unbegriindet  ist  daher  die  Meinung,  dass  am  Schlüsse  des 
XI.  und  im  XII.  Jahrhundert  das  Kloster  Sazawa ,  als  der 
Mitteljiunkt  einer  vielseitigen  bedeutenden  Kunsttbiitigkeit, 
einen  wichtigen  Einfluss  auf  die  Entwickelung  der  Kunst  im 
Lande  geübt  habe.  Von  dem  alten  Kloster  und  der  Kirche 
zu  Sazawa  ist  keine  Spur  übriggeblieben;  die  Kirche  zu 
Mnichowie  welche,  wie  oben  angefühlt  wurde,  Abt  Silvester 
erbaut,  wurde  im  Jahre  1734  eingerissen  und  an  ihrer 
Stelle  eine  moderne  Kirche  aufgeführt.  Doch  liegt  die  Ver- 
muthung  nahe,  dass  die  Kirche  zu  Hrusic  ein  Denkmal 
der  Bauweise  der  Sazawer  Mönche  sei.  Hrusic,  welches 
zu  den  Gründen  des  Sazawer  Klosters  gehörte,  liegt  in 
geringer  Entfernung  von  Mnichowie,  und  die  Kirche  des 
erstgenannten  Ortes  war  in  älterer  Zeit  eine  Filiale  der 
Mnichowicer  Pfarre.  Da  nun  der  romanische  Kirchenbau  zu 
Hrusic  das  Gepräge  des  XII.  Jahrhunderts  weiset,  so  kann 
man  mit  Recht  scbliessen,  dass  sich  insbesondere  an  dem 
reichgezierten  Portale  derselben,  welches  in  seiner  Structur 
und  Ornamentik  sich  dem  Portale  zu  Ziihoi'  nähert,  ein 
Überrest  der  Sazawer  Bautechnik  erhalten  hatte.  Damit  soll 
aber  keineswegs  behauptet  werden,  als  ob  diese  Kunstweise 
eine  durchaus  eigenthümliche,  ursprüngliche  sei;  vielmehr 
findet  man,  jedoch  in  weit  entlegenen  Ländern,  Bauwerke 
des  romanischen  Styles,  welche  mit  den  Portalen  zu  Zäbof 
und  Hrusic  eine  bedeutende  Ähnlichkeit  bähen ;  so  z.  B.  ein 
Seitenportal  in  der  Kirche  S.  Michele  zu  Pavia  und  das 
Portal  der  Kirche  Sancta Maria  zu  Toscauella  im  Kirchen- 
staate. Am  häufigsten  jedoch  gewahrt  mau  im  mittleren 
Frankreich,  namentlich  in  den  Provinzen  Poitou,  Saintonge 


und  Burguud  die  Arcliivolten  der  romanischen  Portalbogen 
mit  Rauten,  Perlen,  Arabesken,  Laubwerk  und  mil  Tbier- 
und  Menschengesfalten  geschmückt;  so  z.  B.  die  Portale  zu 
Surgere  (Dep.  Charan(c)  und  zu  .\valon  (Dcp.  Yonne) '). 
Diese  merkwürdige  Übereinstimmung  der  Structur  und 
Ornamentik  der  böhmischen  Portale  mit  den  französischen 
dürfte  darin  ihre  Erklärung  finden. dass  der  Abt  Regi  nhard 
in  der  Nähe  jener  Provinzen  Frankreichs,  wo  der  angedeu- 
tete Styl  vorzugsweise  herrsehte,  nämlich  zu  Metz  (Metensis 
geliere)  geboren  und  erzogen  war.  Diesem  kunstsinnigen 
Priester  verdankte  Böhmen  mehrere  grossarlige  Kirchen- 
bauten. Gerlach,  Abt  zu  Mühlhausen,  erzählt  in  seiner 
Chronik,  dass  Reginhard  als  Abt  des  Klosters  zu  Selau 
(Siloe)  daselbst  um  das  Jahr  1184  eine  Kirche  zur  Ehre  des 
heil.  Apostels  Peter,  und  eine  zweite  zur  Ehre  der  heil. 
Jungfrau  Maria  (die  Letztere  eine  Basilica  mit  zwei  Apsiden 
und  vier  Altären)  erbaut  habe  =).  Ausserdem  geschieht  häufig 
in  den  gleichzeitigen  historischen  Quellen  die  Erwähnung 
der  Anlage,  Erweiterung  und  gi'ossartigcn  Ausschmückung 
der  Kircbenbauten  im  XI.  und  XII.  Jahrhundert.  So  schildert 
Cosmas  den  Undjau  des  Prager  Domes  durch  Herzog  Spiti- 
hnew  im  Jahre  1060,  und  der  erste  Furtsetzer  des  Cosmas 
beschreibt  ausführlich,  wie  Herzog  SobesI  aw  im  Jahre 
1130  die  Wysehrader  Capitular-Kirche  erweitert,  mit 
Gemälden  und  glänzenden  Steinen  ausgeschmückt,  dieselbe 
mit  einer  Krone,  die  12  Mark  Goldes  und  SO  Mai'k  Silhers 
wog,  beschenkt 2)  und  überdies,  wie  aus  einer  Original- 
Handschrift  des  Wysehrader  Domcapitels  erhellt,  die  .Altäre 
mit  reichem  Gold-  und  Silberschmuck  ausgestattet  hatte*). 
In  der  zweiten  Hälfte  des  XII.  Jahrhunderts,  zumal  in 
der  Regierungsperiode  König  Wladislaw  I.  häufen  sich  die 
Nachrichten  der  böhmischen  Qucllenschrittsteller  über  die 
Aufführung  bedeutender  Kirchen-  und  Klosterbauten.  König 
Wladislaw  wird  vom  Abt  Gerlach  mit  den  Worten  geprie- 
sen: Rex  Wladislaiis,  quoad  vixit ,  dccorem  domus  Dei 
inlime  dilexit  et  ampliaril;  tum  inreligiosis personis.quas 
etiam  ex  exteris  nfdiouibus  adrexit ,  tum  et  in  ilaiiii/ius 
religiosis,  qnarum  exstructor  claruit  eximius.  D  o  b  n  e  r 
Monum.  1.84).  Wladislaw  erbaute  das  Prämonstratenser- 
Kloster  Strahow  zu  Prag,   welches  der  zweite  Fortsetzer 


*)   yioUct-lc-Di(c,  fUvtioniiire  de  V  archifccturc  frun^aise  I.  .tl. 
S)  Dobner,  Monum.  bist.  Boem.  I.  102. 

äj  Sobesltttis  —  paiietcs  depiniji  freit,  eoronam   tiiream  in  ea  siispcndit, 

griae  ponderut  XIL  viarcus  tittri ,    tirijenti   vcro    LXXX.  »es   et  fernnn 

sine    mimmeio  ,   puvimentiim  politis  lapidibus    e.xornavit ,    porticus  in 

circuitu  addidit,  ittijiwtiriii  in  Intcrihus  dnohns  nffixit  etc.   Script,  rer. 

Bob.  I.  295. 

**)   Monasterium  (Wissetjradfnsr)  Summa  vitjilantia   curaei  emendare ,    et 

.rcniis ,    ijuantis   dchui   quantisee  polui ,  exornare.    Ifani   ul  de  pictura 

parietam  et  painmento  politis  lupidihns  ornatOy  et  super iori  operimento 

aliisquc,  quae  intus  et  e.vterius  —  addidiy  taceam:  Corona  ex  »uro  et 

anjeuto  facta   faciem  tcmpli   decoravi ,    altaria  paliis    er  ucibusque  tarn 

aureiSf  quam  artjenteis  rxarnavi,  sacrarium  dicersis  libris  dotavi.  IC  r  h  e  n 

Uej^esta  Boem.  p.  y. 


22" 


—   160 


des  Cosmas  fuhricuin  venitstissimam  neuiil  ' ),  iiiiil  von  duin 
Gerlach  versicliert,  dass  der  I'riiiniinslrateiisei'-Ordcii  kaum 
ein  zweites  gleicli  prachtvolles  Klostei'  besitze-).  Üerseli)e 
König  gründete  ferner  die  Klöster  zu  Doxan,  l'las  und 
Leitomisehel,  seine  Gemalilin  .luditli  ainT  das  Frauen- 
kloster zu  Teplic.  Abt  Gerlaeli  lügt  hiezu ,  dass  die 
liöbniischen  Dynasten  von  dem  Beis|iiele  ihres  Königs  hin- 
gerissen, zahlreiche  Kirchen  erbauten,  und  dass  der  König 
ihnen  bei  der  Ausführung  dieser  Werke  getreulieh  beistand. 
Die  Consecrationsurkunde  von  St.  Jakob  liefert  einen  Beweis 
der  regen  Theilnahme,  die  Wladislaw  I.  bei  der  Errich- 
tung der  Kirchen  au  den  Tag  legte.  Eine  zweite  Urkunde 
ähnlichen  liilialls  «iirde  bei  dem  Umhaue  der  Kirdie  zu 
Bohnie,  einem  nahe  bei  Prag  hinterTroja  liegenden  Dorfe, 
im  Altarsteine  gefunden.  Aucii  dieses  Doeument  besagt, 
dass  Bischof  Daniel  die  Kirche,  welche  Gervasius  Propst  zu 
Wysehrad  eri)aut,  im  Jahre  Hö8  in  Gegenwart  des 
Königes  Wladislaw,  und  der  Königin  Judith  consecrirt 
habe^).  In  der  Kirche  zu  Recan  (im  Chrud.  Kreise)  wurde 
im  Jahre  1737  eine  Authentik  des  Bischofes  Daniel  ähnli- 
chen Inhalts  gefunden.  Der  Erbauer  der  Capelle  wird 
dominus  Predbok,  casteUanus  de  Lmlaw  genannt. 

Es  hat  sich  allerdings  bis  auf  unsere  Tage  eine  so 
bedeutende  Anzahl  romaniseiier  IJaudenkmale  erhalten,  dass 
kaum  auf  irgend  einem  andern ,  gleich  grossen  Flächen- 
raume  Deutsehlands  so  viele  kirchliche  Bauten  dieses  Styles 
vorgefunden  werden.  Doch  sind  es  fast  durchgehends  kleine 
Dorfkirchen,  die  meistens  entfernt  von  den  Hau|)tstrassen 
und  grösseren  Städten,  den  Sehlagadern  und  Knotenpunkten 
der  kriegerischen  \"erwüstungszüge  verllossener  Jahrhun- 
derte, in  abgelegenen  Theilen  des  Laniles  sich  bargen.  Von 
keinem  dieser  Baudenkmale  geschieht  in  unseren  historischen 
Quellenschriften  irgend  eine  Erwähnung,  mit  Ausnahme  der 
Klosterkirchen  zu  St.  Georg  in  Prag,  Tepl  und  Miihlhausen, 
die  aber  durch  neuere  Umbaue  ihren  ursprünglichen  Typus 
grossentheils  eingebüsst  haben. 

Die  vielen  in  Böhmen  noch  vorlianJenen  Dorfkirchen 
romanischen  Styles  erschienen  den  Zeitgenossen  zu  unl)e- 
deutend,  als  dass  die  Annalisten  irgend  eine  Nachricht  über 
den  Bau  derselben  aufgezeichnet  hätten.  Da  nun  mehrere 
dieser  unbeachteten  Bauten  sich  als  Denkmale  einer  achtens- 
werthen  Bautechnik  und  künstlerischer  Strebsamkeit  ankün- 
digen, so  kann  schon  daraus  geschlossen  werden,  dass  die 
zahlreichen  in  den  gleichzeitigen  iiistorischen  Quellensclirif- 
ten  gepriesenen,  grossen  Abteikirehen  und  Klöster  Böhmens 
und  Mährens  als  selir  bedeutende  .\rchitecturwerke  sich  dar- 
stßllten,  die  den  Vergleich  mit  den  grossartigen  Bauten  des 
.\uslandes  niciit  scheuen  dürften  *).    Die  westliclien  Länder 

')  Script,  rep    lioh.  I.  339. 

^)  Dobner,  Mon.   1.  84. 

')  Vergl.  .\I.  Jlillaiicr,  die  Kirche  zu   n,)liiiit/. ,   in  lii-n   Aliliniirlluiifcn   der 

k.   Iii'ihm.    Gcselhclinn   der  Wissensch.    vom   .lalire    1830. 
*)  Die  erst  in  neuolerZeilvom  kunMarcli.-iolosiscIieii  .Sland|Minl<le  lionchlelc 
Kirche  der  ehemaligen  ßcnedicUner-Ahlci  Trehic  in   Mahren  gewühlt 


Europa's  hatten  alu'i' keinen  Ueligionssturm  zu  bestehen,  der 
wie  der  lliisitenkrieg  in  B. dunen  gegen  die  Kirchen  und 
Klöster  gewütliet  und  dieselben  gleich  einem  vernichtenden 
Orkane  niedergeworfen  l\ätte.  Darum  stehen ,  wenn  auch 
von  den  Einflüssen  der  Zeit  und  iiäulig  von  der  nmstallenden 
Menschenhand  verdei'blicb  angelastet,  grossartige  romani- 
sche IVauten  in  Frankreich  und  Deutschland  aufi'eeht,  darum 
erheben  sieh  imeli  die  deutschen  Dome  zu  Mainz,  Worin  s. 
Speier  und  Bamberg  in  ihrer  alten  Majestät.  Vernichtet 
wurden  hingegen  von  dem  fiu-chlbaren  Flammenstrome  des 
Husitenkrieges  die  bereits  im  XII.  Jahrhunderte 
bestandenen  Kirchen  und  Klöster  zuBrewnow, 
0  s  t  r  ow ,  0  p  a  t  o  w  i  c ,  St  r  a  h  o  w ,  S  k  a  ü  c ,  Se  d  I  e  c  (von 
dessen  Klosterkirche  bericiitet  wird,  dass  Zi/.ka ,  als  er 
erfahren,  dass  dieser  herrliche  Bau  gegen  seinen  Willen 
in  eine  Brandstätte  verwandelt  wurde,  dem  Brandleger 
geschmolzenes  Silber  in  dieGurgel  giessen  liess),  ferner  das 
prachtvolle  Postelberg,  Sazau,  Selau,  Nepomuk, 
Doxan,  Teplic,  Sezemice,  Osek,  u.  s.  w.  und  zaldlose 
Kirdien,  Städte  und  Schlösser,  die  von  dem  Ileichthum  und  der 
Kunstrichtung  vergangener  Jahrhunderte  Kunde  gaben  '). 
Allerdings  könnte  ein  nüchterner  Forscher  einwenden,  dass 
eine  Vergleichung  der  längst  vernichteten  romanischen  Bau- 
werke Bölimens  mit  den  deutschen  imd  französischen  Domen 
des  romanischen  Styles  nicht  zulässig  sei,  weil  sich  von  der 
Herrlichkeit  der  ersteren  kein  Denkmal  erhalten  hatte:  ein- 
wenden könnte  man,  dass  die  Lol)|)reisungen,  welche  jenen 
Bauten  von  den  alten  böhmisclien  Chronisten  gespendet 
werden,  in  der  provinciellenSphäre,auf\N  eiche  ihre  Anschau- 
ung und  ihr  Urtheil  beschränkt  war,  ihre  Erklärung  fänden. 
Doch  nicht  blos  einheimische,  auch  fremde  Gescliichl- 
schreiber  schildern  mit  lebhaften  Zügen  die  Pracht  und  den 
Glanz  der  kirchlichen  Bauwerke,  welche  in  Bölimen  vor  dem 
Husitenkriege  prangten.  Als  Beispiel  möge  blos  der  ge- 
lehrte hochgebildete  Aencas  Sylvius,  der  nachmalige 
Papst  Pius  IL,  angeführt  werden,  der  die  Menge,  die  Pracht 
und  Grossartigkeit  der  Tempel ,  wie  sie  Böhmen  vor  dem 
Husitenkriege  besass,  mit  folgenden  begeisterten  Worten 
schildert:  Nnllum  rfjiircf/iin»!  aefnfe  nosfra  in  titla  Europa 
tarn  /'re<ju<;tili/>us.  tum  nufjuxtis,  tum  oniulis  tcmplis  dicu- 
lum  fuisse  quam  Bohemiam  rcor;  tcmpln  in  coalum  crcctn 
fo/H/itudine  ulque  umplitudinc  miruhili,  forniculis  tcqe- 
huntnr  lupideis;  ultariu  in  suhlimi  positu,  uuro  et  argento. 
quo  snnctorum  reliquiac  tegebantur,  onusta ,   snccrdotum 


einen  Beweis  für  die  Rieliliy^keil  dieser  Ansicht.  Dieter  grossarlige  Im 
rünianisehon  Styl  aufgeführte  Hau,  dessen  rcichgeiicrie»  Portal  im  .1.  Hefte 
iler  Paniiltky  arcliacol.  abgebildet  erscheint,  stellt  sich  auch  jetzt  in  seinen 
«escntliehen  llestandtheilen  wohlerhallen  dar. 
>)  Böhmen  besass  im  XII.  J^ihrhuudert  sieben  grosse  Collegiatkirchen, 
/.ehn  Klöster  des  BenedicUner-Ordejis,  acht  I'riimonslnilenser-Klöster, 
sechs  Klöster  des  Cistercieiisei'-Ordens  und  fünf  Kr-euzlierrenklöster ,  im 
Ganzen  20  Klöster,  die  beinahe  sfimmtlich  im  Husitenkriege  niedci'- 
gebrannt  wurden.  Über  die  Gründung  dieser  Klöster  s.  Palacky, 
liejinv  \\M.    eesk.    I).  1.    e.   2,  S.   34fi. 


5^-      / 


Taf.ll 


£f2  Ju/i/r  TTIfT, 


,^v*i^»"^';,;'V  '<i«4K^**' 


■m^z. 


—   161 


vestcf!  mtirf/arltiii  texlac,  ovnatus  omnis  dives ,  practiosis- 
sima  siqHdIe.v  etc. 

Will  man  ein  allgemeines  Urtheil  über  die  Kunst  und 
Cultiirzusliindo  eines  Landes,  wie  sie  in  einer  fernen  Zeit- 
periude  sich  gestaltet  haben,  fällen,  so  sind  zur  Begründung 
eines  solchen  Urtheils  die  aus  den  Geschiehtsquellen  ge- 
schöpften Nachrichten  allein  eben  sowenig  hinreichend,  wie 
die  blosse  Betrachtung  und  Durchforschung  der  bestehenden 
Kunstdenkmale.  Erst  durch  die  Verbindung  und  Combinirung 
solcher  Kunstreste  mit  den  historischen  Berichten  w  erden 
die  thatsächlichen  Zustände  gehörig  beleuchtet,  sicherge- 


stellt und  auf  ihren  wahren  Werth  zurückgeführt.  Eine  solche 
Vergleichung  und  Combinirung  ist  bei  der  Beurtheilung  der 
Kunstdenkmale  des  österreichischen  Kaiserstaates  insbeson- 
dere nothwendig,  indem  zumal  fremde  Kunsthistoriker  bis 
jetzt  zu  sehr  geneigt  waren,  die  meisten  Länder  Österreichs, 
in  kunsthistorischer  Hinsicht  als  tahulae  rasae,  als  öde 
Steppenländer  zu  betrachten,  wo  doch  die  noch  vorhande- 
nen Kuustdenkmale  sowohl  als  auch  die  geschichtlichen,  in 
dieser  Beziehung  leider  noch  nicht  gehörig  durchgeforschten 
und  gewürdigten  Quellenwerke,  uns  Perioden  eines  kräftigen 
Kunst-  und  Culturlebens  erschliessen. 


Die  Kirche  zn  Bärneck  in  Steiermark. 

(Mit  einer  Tafel.) 
Von  J.   Scheiger,   k.   k.   Conservator  für  Steiermark. 


In  einer  der  freundlichen  Partien  des  Murthaies 
zwischen  Brück  und  Gratz.  nahe  am  linken  Ufer  des  Flusses, 
noch  näher  an  der  gleichnamigen  Eisenbahnstation,  liegt  das 
kleine,  etwa  zehn  Gebäude  zählende  Dörfehen  Bärneck,  in 
Urkunden  auch  Pernegg  genannt.  So  klein  der  Ort  ist, 
finden  wir  doch  in  und  bei  demselben  drei  in  archäologi- 
scher Beziehung  nicht  unwichtige  Objecte,  eine  stattliche 
Kirche,  die  mit  ihrem  schlanken  durch  kein  Zwiebel-  oder 
Rettigdach  entstellten  Thurme  recht  freundlich  in  das  Thal 
hinaussieht,  in  massiger  Höhe  darüber  ein  wohlerhaltenes 
von  geschmackvollen  Anlagen  umgebenes  Schlossgebäude 
des  sechzehnten  Jalirhunderts,  endlich  hoch  am  Berge,  um- 
hüllt und  im  eigentlichen  Sinne  des  Wortes  zerdrückt  vom 
Walde,  eine  weit  ältere  Schlossruine. 

Das  Verhältniss  der  geräumigen  Kirche  zu  den  weni- 
gen ärmlichen  Häusern  erweckt  beim  ersten  Anblicke  den 
Zweifel,  oh  jene  nicht  einst  in  der  Mitte  einer  bedeuten- 
deren Ortschaft  gelegen  sei?  —  Aber  weder  Spuren  zer- 
störter Gebäude ,  noch  Sagen ,  noch  (soweit  dem  Schreiber 
dieser  Zeilen  bekannt)  urkundliche  Daten  bestätigen  die 
Vermuthung,  dass  einst  ein  grösserer  Ort  hier  gestanden  sei. 

So  haben  wir  denn  höchst  wahrscheinlich,  ja  beinahe 
gewiss,  eine  jener  grösseren  Kirchenbauten  vor  uns,  die 
nicht  das  Bedürfuiss  einer  zahlreichen  Gemeinde,  sondern 
der  religiöse  Sinn  eines  Einzelnen,  wohl  eines  Besitzers  von 
Bärneck  entstehen  liess,  um  ausseht  der  dem  Baume  seiner 
Burg  angepassten  Capelle  nach  ein  imposanteres,  vielen 
Gläubigen  zugängliches  Gotteshaus  in  der  Nähe  zu  haben. 

Die  Kirche  Maria  Bärneck,  oder  die  Frauenkirche,  von 
den  Umwohnern  auch  theihveise  Klein-Mariazell  genannt 
und  als  Wallfahrtsort  beliebt,  ist  eine  Filialkirche  der  nahen 
Pfarre  am  jenseitigen  Murufer. 

Die  Jahrzahl  1461  (zweimal  vorkommend,  nämlich 
in  einer  Fensternische  eingemeisselt  und  an  der  Bogenmauer 
des  Presbytcriums  mit  schwarzer  Farbe  angemalt)  zeigt  uns 
mit  Bestimmtheit  die  Bauzeit;  die  beiläufige  würden  wir  aus 


der  äusseren  Bauart  (Fig.  1)  und  einigen  Theilen  des 
Inneren  errathen  haben,  obwohl  letzteres  in  neuerer  Zeit 
ganz  umgestaltet  wurde. 


(Fig.  1.) 


Die  inneren  Ausmasse  sind  iO^/^  Fuss  Höhe,  115  Fuss 
Länge  und  64 '/^  Fuss  Breite  '). 

Durch  je  drei  achteckige  Pfeiler  in  zwei  Reihen  v  ird 
das  Gebäude   in   drei  Schifle   getheilt,    und   erhält    durch 


•)  Wir  lieiliiuerri    iiiclit  in    der  Lage /.u  sein,    einen  tirundriss  der   Kirche 
veröfFenUielien  zu  können.  D.  Red. 


—    16'i   — 


zwölf  Fenster  reielilii-hes  Licht.  Die  soiiüiiste  Partie  der 
Aussenseife  ist  diis  Westportal  (Hatipteingiing)  ein  ge- 
sclnvcifter  Spitzbogen  (Ereisriickon)  mit  in  der  Laibnng 
angebraciiten  Consolen  nnd  Bahiaeiiinen.  (Vgl.  Tal".  VI.) 
Anch  über  dem  Portale  erheben  sieh  als  äusserer  Schmuck 
vier  solche  Baldachine,  redits  nnd  links  von  demselben  ein- 
fache schmale  Strebepfeiler;  das  Ganze,  reich  mit  Krabben 
geschmückt  nnd  mannigfaltig  prolilirt,  gewährt,  wie  die. \bbil- 
dung  zeigt,  einen  freudlichen,  nicht  überladenen  Anblick. 

Das  Innere  ist  vom  Hofkammermaler  Molk  auf  Kosten 
Antons  Grafen  von  Ijcslie  gemalt,  «ie  die  Inschrift:  Joseph 
de  Molk  aul.  cam.  pictor  pinxit  ITTGnnd  das  Chronogra- 
phicum:  „eX  MV/ilf'ICoitla  Antonll  pro  Dco  pitLChr(f 
(letzteres  mit  dem  Leslie'sclien  Wappen)  nachweist.  Die 
Fresken  gehören  zu  Mölk's  besseren  Arbeiten,  sind  wohl- 
erhalten und  zum  Theil  von  lebhafter  und  täuschender 
Wirkung. 

Im  Presbyterium  ist  derGrabstein  Franz  Jak  ob's  Gra- 
fen von  Leslie,  •{-  170(),  nn't  dem  Familienwappen  und  dem 
bekannten  Wahlspruche:  Grip.  fast  (Greife  fest);  —  neben 
dem  südlichen  Seiteneingange  jenes  des  Grafen  Karl  Cajetan 
Leslie, •]•  I7G1,  eingemauert. In  der  Leslie"schen  Familien- 
gruft im  Mittelschitl'e,  ungerähr  drei  Klafter  vom  Eingange, 
wurden  nach  dem  pfarrlichen  Sterbprotokolle  acht  Glieder 
dieser  einst  weit  berühmten  Fann'lie,  welche  in  Steiermark 
viel  begütert  war  und  auch  Bärneck  durch  mehr  als  ein 
Jahrhundert  besass,  beigesetzt. 

Noch  ist,  wenngleich  in  Bezug  auf  Kunstwerth  unbe- 
deutend, ein  Gemälde  bemerkenswerth,  die  Mutter  Gottes 
Mariahilf  vorstellend,  unter  ihr  zwei  Väter  der  (lesellschaft 
Jesu  und  die  Inschrift:  „Bild  der  Mission  so  allda  zu  Bärnegg 
durch  8  Tage  von  zwei  Missionariis  S.  J.  gehalten  und  den 
24.  Mai  17ö0  beschlossen  worden". 

Die  Sacristei  birgt  ein  interessantes  Messkleid ,  auf 
dessen  Spiegel  Christus  am  Kreuze  mit  Johannes  und  Maria, 
unten  Magdalena,  links  ein  halbes  Pferd  und  rechts  der 
Panther  mit  der  Jahrzahl  li>2;5  erscheinen,  eine  kunstreiche 
und  ziemlich^  gut  erhalten'Stickerei. 

Unter  dem  Musikchore  befinden  sich  vier  wohlerhaltene, 
hölzerne  runde  Grabschilde  der  Familien  Peru  egg,  Backh- 
nitz  und  Leslie  ans  der  Periode  vom  Anfange  des  XVI.  bis 
in  das  XVII.  Jali  i  hundert. 

Der  Thurm  ist  etwas  neuer,  und  in  der  eigenthüni- 
lichen  Grundform  eines  schmalen  Bechteckes  an  die  Kirche 
angebaut. 

Ausser  der  letzteren  steht  ein  interessantes  Marmor- 
denkmal, das  Grab  Gallus'  Froiherrn  von  Backhnitz  und 
Pernegg,-{-  lööS,  mit  mehreren  Figuren  und  Bibelsprüchen 


geschmückt.  l>ie  lebensgrosse.  knieende  Statue  ist  sehr 
tüchtig  gearbeitet,  das  Beiwerk,  namentlich  die  schöne 
Büstung.  ungemein  tleissigausget'ührt  nnd  als  eine  an  solchen 
Denkmalen  seltene  Beigabe  trägt  der  Kückseitige  hier  ein 
wirkliches  Schwert  und  einen  solchen  Dolch,  wahrscheinlich 
Originalwall'en  des  Hingeschiedenen.  Eine  ähnliche  Beigabe 
kommt  in  Sekkaii  (di  Judenbnrg  vor,  wo  die  auf  dem  Sar- 
kophage ruhenile  Statue  Erzherzogs  Karl  II.  ebenfalls  ein 
wirkliches  Schwert  an  der  Seite  hat. 

Das  neuere  Schloss,  ein  regelmässiges  Viereck  mit 
geräumigem  Hofe  und  Bogengängen  im  Innern,  ist  durch 
die  Vorsorge  des  gegenwärtigen,  mit  liebevollem  Sinne  für 
die  Denkmale  unserer  Vorfahren  begabten  Besitzers  wohl- 
erhalten. 

Nach  der  über  dem  Eingange  angebrachten  Inschrift 
haben  jener  Gallus  von  Backhnitz,  dessen  Grabmal 
besprochen  wurde  (und  der  als  tüchtiger  Kriegsmann  bekannt. 
Erzherzog  Karl's  des  Zweiten  Kämmerei'  war)  und  seine  Ge- 
mahlin Anna,  geboi'ue  von  Trantmannsdorf,  das  Schloss  vom 
J.1Ö78  bis  1082  vom  Gruiule  aus  erbaut.  Es  mochte  ihnen 
wohl  die  alte  Burg  Pernegg  zu  hoch  und  steil  gelegen  sein. 
Im  Innern  ist  noch  mancher  interessante  Bantheil,  namentlich 
die  Capelle  interessant,  in  der  sogar  noch  Glasgemälde  mit 
dem  Lesiie'scben  Wappen  den  Vandalismus  früherer  Besitzer 
überlebten,  nnd  eben  so  sind  mehrere  Wandgemälde,  Origi- 
nale aus  dem  XVll.  Jahrlumdert  merkwürdig,  welche  steie- 
rische Schlösser  und  Höfe  vorstellen,  die  in  jener  Zeit  der 
Familie  Leslie  gehin-ten,  so  z.  B.  Oberpettau,  Bohitsch, 
Strass  u.  s.  w. 

Die  Ruinen  der  alten  Burg  sind  mit  Gesträuch  nnd 
Bäumen  so  bedeckt,  dass  ein  Verständniss  der  Bäume  und 
ihrer  Bestimnmng  schwer  wird,  und  dass  ohne  Entfernung 
der  Vegetation  bald  nur  spärliche  Trümmer  vorhanden  sein 
werden.  Übrigens  ist  die  .\nsdelinung  bedeutend,  und  einige 
Tlieile  sind  noch  kennbar  inid  ziendieli  erhalten.  Wenig  davon 
mag  übrigens  aus  jener  Periode  heri'üliren.  wo  .U)t  Hein- 
rich von  Admont,  Feind  des  Besitzers  Otto  von  Per- 
negg, die  Burg  im  Jahre  1284  zerstörte,  sondern  wahr- 
scheinlich wurde  sie  seither  wieder  aufgebaut. 

Es  darf  am  Schlüsse  dieser  Zeilen  die  Bereitwilligkeit 
nicht  unerwähnt  bleiben,  mit  welcher  der  hocliw  iirdige  Herr 
Pfarrer  Di  est  I  mii-  alle  ihm  zu  Gebote  stehenden  Notizen 
und  der  Landes- Archäologe  Karl  Haas  mir  ebenfalls  die 
von  ihm  gesammell<Mi  Daten  id)er  die  Kirche  zur  Beinilzung 
mittheilte. 

Käme denConservatoren  ähnliche Willfährigkeithänliger 
entgegen,  so  dürfte  mit  Gnmd  auf  ein  ei-giebigeres  Wirken 
derselben  gehofft  werden. 


163 


Pamätky  archaeolOgicke  a  mistOplsne.  (Archäologisch-topographische  Denkwürdigkeiten.) 

(Schiuss.) 

Kiiuiiiii.    von  K.  VI.  Zapp    (S.  149).  Die  Anfänge  Kirche  mit  den  mannigfiiltigsten,  durchgehildetcn  Bhittoriia- 

und  Sfhicivsale  dieser  merkwüi'digen  alten  Stadt  sind  kritisch  menten  geschmückt,  deren  Vorherrschen  den  ganzen  Cha- 

gcsichtet   und   anziehend    geschildert.    Eines    der   vorzüg-  rakter  des  Gehiiiides  bestimmt.   Beinahe  nirgends  wiederholt 

lichsteu  und  ältesten  Baudenkniaie  Bölunens  ist  die  hiesige  sich  dasselbe  Ornament  an  zwei  benacliharten  Wandsäulen, 

Decanatkirche  St.  Stephan,  seit  der  ältesten  hierarchischen  Wein-,  Eichen-,  Linden- und  Ahornblätter  kommen  aber  am 

Einllieiliing  des  T^andes  bis  zu  den  hnsitischen  Unruhen  eine  häufigsten  vor.  Die  Ausfiilirung  ist  durchaus  sorgfältig,  und 

Arcliidiakonatskirche.  Die  Anlage  dieses  Haiiwei'ks  ist  gleich-  verräth  eine  hohe  Kunstentwickelung,  die  besonders  im  Chore 

zeitig  mit   der  Anlage  der  Stadt  auf  ihrem  gegenwärtigen  der  Kirche  unsere  Bewunderung  erregt.    Hier  sind  nämlich 

Standorte,  und  fällt  beiläufig  in  das  Jahr  1230.  Die  Bau-  längs   den  beiden  Seifeinuauern  bis   zum    Hochaltäre  nach 

formen  sind  früh-gothisch  mit  romanischen  Reminiscenzen.  Art  der  Stallen  für  die  im  Chore  versammelte  Gciitlichkeit 

Das   Mittelschiff  ist  mit  dem   um   mehrere  Stufen  erhöhten  steinerne  Sitze  in  Spitzbogennischen  in  langen  Reihen  ange- 

Chore  62  Schritte  lang,  zwei  Thürme  nehmen  die  Stelle  der  bracht.  Zwischen  jedem  Nischensitze  steht  ein  gothisches 

Kreuzvorlagen  ein,  unter  denen  die,  die  halbe  Höhe  des  Mit-  Säulchen,  jedes  mit  einem  schönen  Capital  der  obbeschrie- 

telschilVes   erreichenden  SeitenschilVe  durchlaufen  und  sich  benen  Art  geziert.  An  die  Sitzreihe  zur  linken  schliesst  sich 

neben  dem  Chore  aus  dem  Achtecke  abschliessen.  Die  Apsis  das  im  gleiclien  Style  reich  verzierte  Sacramenthäuschen  an. 

des  Chores  ist  ebenfalls  aus  dem  .4chtecke  geschlossen.  Drei  eines  der  ältesten  seiner  Art  in  Böhmen.  Die  Kirche  ist  von 

Pfeiler  auf  jeder  Seite  theileii  die  Schiffe  ab ,  sie  sind  vier-  innen  und  aussen  mit  Kalktiinche    überzogen,  und  auch  die 

eckig,  ohne  Sockel  und  Gliederung,  und  nur  schlanke  Halb-  kunstreichsten  Sculptiu-en  mit  mehrfachen  Lagen  derselben 

Säulen  schliessen  sich  an  selbe  an  als  Gurtenträger  der  Wöl-  verunstaltet.    Hie  und  da  abgekratzte  Stellen  lassen  jedoch 

bungen.    An  den  beiden  letzten,  etwas  verstärkten  Pfeilern  die  schöne  Arbeit  erkennen,  und  zeigen  eine  spätere,  I)unte 

und  auf  Spitzbogenwölbungen  ruhen  drei  Emporen.   Enge  Bemalung.  Manche  Spur  führt  zu  der  Vermuthung,  dass  im 

gothische  Fenster  ohne  Stabwerk  öffnen  sich  sowohl  in  der  Alterthume  die  Wände  des  Chores  so  wie  die  Fenster  mit 

Höhe   des  MittelschilTes  ober  den  Pultdächern  der  Seiten-  Malereien  geziert  waren.  Von  Glasmalerei  haben  sich   hie 

schilTe  von  aussen,  als  auch   im  Chore  und  in  den  Seiten-  und  da  einige  Beste   erhalten.   Unter  den  vielen  monumen- 

schiffen  selbst.  Auch  das  mit  Masswerk  verzierte  Radfenster  talen  (jebäudeu  Böhmens,  die  einer  sorgfältigen  liestauratiun 

an  der  Westfronte  hat  nur  bescheidene  Dimensionen.  Durch  würdig   sind    und    derselben   dringend  bedürfen,   steht  die 

niedrige  Spitzbogenthüren  gelangt  man  ans  den  beiden  Sei-  Kaurimer   Kirche    ganz  gewiss   in   der   ersten   Reihe.  Alle 

tenchören  über  mehrere  steinerne  Stufen  von  zwei  Seiten  in  späteren  Hände,    die  sicii  an   diesem  Gebäude    vergriffen, 

eine   unter   dem   Mittelchore  angelegte  achteckige  Krypta,  haben  es  nur   verschlechtert.    .4m    übelsten   ist  die  Wesl- 

deren  schwere   Gewölbgurten  in   den   Ecken  auf  einfachen  fronte    davon  gekommen:    sie   wurde    um    das  Jahr   1836 

Tragsteiuen  ruhen,  in  der  Mitte  aber  in  eine  achtgliederige,  ganz  glatt  verputzt  und  ihr  ein  Giebel  mit  drei  Abstufungen 

gekuppelte  Säule  zusammen  laufen.   Die  Räumlichkeit  dieser  auf  den   schrägen   Seiten   aufgesetzt,    Avie    man  selelie  an 

gothischen  Krypta,    die   in  ihrer  Art  im  Lande  ein  Unicum  Dkonomie-  und  Fabriksgebäuden  sieht.    Um  den   prufaiun 

ist,  beträgt  IO-/3  Quadratklafter.  Im  Hintergrunde  steht  ein  Anblick  in  etwas  zu  mildern,  setzte  man  auf  die  Mauerabsätze 

steinerner  Altartisch,  und  diesem  gegenüber  führen  mehrere  winzige  Heiligenstatueii  aus  der  Zopfzeit  und  zu  obcrst  ein 

Stufen  noch  tiefer  hinab  in  eine  ehemalige  Gruft.  Drei  tiefe,  kleines  eisernes  Kreuz,    alles  im  ärgsten  Widerspruche  zu 

halbrund  geschlossene  Fensterchen,  die  sichgegen  dashinere  dem  ehrwürdigen  Gebäude.  Die  beiden  Thürme  waren  eiusi 

schräg  ausweiten,    verbreiten  ein  spärliches  Licht  in  die-  auch  viel  hidier.  und  noch  im  XVll.  Jalirhundert  ober  dem 

sem  einsamen   Orte.    So   wie  das   ältere  Kirchenschiff  der  Kirehendache  durch  eine  kühn  gespannte  Brücke  verbunden, 

nur  wenige  Meilen  von  hier   entfernten    Koliner   Decanat-  Im  Jahre  16T0  fiel  jedoch  diese  Brücke  bei  einer  Feuers- 

kirclie,  erfreut  sich  auch  dieser  Kaurimer   Bau  einer  ausge-  bruust  herab,  und  zerschlug  zwei  Jodie  der  Kreuzwölbung 

zeichneten   Ornamentik.   Das  nördliche    Portal  ist  einzig  in  imMiltelschill'e,  die  seitdem  sehr  slylwidrig  ersetzt  wurden, 

seiner  Art:    mehrere  gothische.  gegen  das  Innere  zurück-  Ein  drittel- 'riiuriu  mit  den  Glocken  steht  isolirt  vor  ilem  nörd- 

tretende   Säulen,    deren  Capitäle   mit  dem  schönsten  BIät-  liehen  Portale.   Die  beigegebenc  Lithographie  Taf   lU  stellt 

terschmuck  geziert   sind,    tragen  einen  hohen  Spitzbogen,  das  Innere  der  Krypta  vor.  Nebst  der  Kirche  fesseln  auch  die 

dessen  innere  krumme  Linien  vermittelst  kleiner  Rundbögen  Stadtmauern  Kaurims  die  Aufmerksamkeit  des  .\rehäologen. 

ausgeschweift  sind.  Und  wie  die  Capitäle  der  Portalsäulen,  Leider  werden  sie  von  den  Bürgern  selbst  leichtsinnig  ver- 

so   sind   in  ähnlicher   Weise  alle   Capitäle   im  Inneren  der  stümmclt  und  zum  Theil  ganz  abgebroehen:   aiieli  den  noch 


—    Iß4 


übrin'  cebliebeneii  zwei  Tliorthiirmeii  droht  von  Seite  des 
vandalisc-hcn  Sinnes,  der  noeh  immer  seine  Opfer  suelit,  die 
grösste  Gefahr.  Hiichst  interessant  nnd  für  das  Stndinm 
der  iiltesten  slawischen  Stadtanhisjren  sehr  wiehtiij  ist  die 
noch  zum  grössten  Theile  erhaltene  Erdiim«  aliniii;  der  frü- 
heren Stadt  nnd  Bnrg  Kiii-im  an  der  Ostseite  der  jetzigen 
Stadt,  die  einen  Umtang  von  •'■',  Stnnden  hat.  nnd  einen 
regehnassigen  Kreis  hihlet. 

Burg  Smecno,  von  lleinrieh  Otakar  Miltner 
(S.  325  nnd  339).  Dieser  .\ufsatz  hringt  vorerst  eine 
Beschreibung  der  im  Prager  Kreise  bei  Schlau  in  freier 
Lage  die  ganze  Gegend  beherrschenden  Burg  Smecno,  des 
Hauptsitzes  des  berühmten  Herrengesehleehtes  der  Marti- 
nice, und  beschäftigt  sich  dann  mit  der  Reihenfolge  und 
den  Schicksalen  der  Besitzer  auf  dem  Grunde  tleissiger 
Archivstndieu.  Die  Burg  entstaiul  in  ihrer  gegenwartigen 
Gestalt  erst  im  Jahre  14(50.  ist  im  Viereck  augelegt  und 
mit  Wall  und  gemauertem  Graben  befestigt.  Der  interes- 
santeste Theil  ist  die  Burgcapelle,  von  aussen  mit  mehreren 
Wappenschildern  der  ersten  Erbauer,  im  Innern  mit  alten 
Inschriften  und  einem  Flügelalt;ire  geziert,  dessen  innere 
Seite  schätzbare  Beliefbilder  aus  Liudenholz,  die  äussere 
aber  Gemälde  aus  der  Mitte  des  XV.  Jahrhunderts  zeigt. 
Wichtig  sind  auch  nebst  anderen  Seltenheiten  die  Ahnen- 
bilder im  grossen  Ahnensaal,  der  zugleich  die  schöne  Schloss- 
bibliothek enthalt.  Die  Ansicht  der  Burg  bringt  die  Tafel  14. 
Die  Collegi  a  t  k  i  rcli  e  zu  Maria  Himmelfahrt 
mit  der  St.  Kathari  na-Capel  le  in  der  Burg  Karl- 
stein, von  K.  VI.  Zapp  (S.  336).  Diese  Räumlichkeiten 
sind  nebst  der  Kreuzkirche  die  merkwürdigsten  Bestand- 
theile  des  berühmten  Karlsteins.  Der  VerAisser  versucht 
eine  ins  Detail  eingehende  Würdigung  aller  hier  hefiiidlichen 
Denkmale  der  Prachtliebe  Karls  IV.  zu  liefern,  namentlich 
die  für  die  Kunstgeschichte  Böhmens  unschätzbaren  Wand- 
gemälde aus  dem  XIV.  Jahrhundert,  dann  mehrere  Sculp- 
turen  und  sonstige  Knnstreliquien  zu  schildern.  Eine  1'  ö" 
hohe  Statuette  der  Mutter  Gottes  aus  carrarischcm  !Marmor 
( wahrscheinlich  italienischen  Ursprungs)  in  der  Marienkirche, 
dann  ein  auf  Kalk  gemaltes  .\nti[ieudiurn  (Christus  am  Kreuze, 
mit  zwei  Seitengruppcn,  wahrscheiidich  von  Nik.  Wnrmser) 
in  der  Katharinen-Capellc  sind  mittelst  zwei  beigegebeneu 
Lithographien  Tat".  18  und  19  versinnlicht. 

Die  kleinereu  .\ufsätze  sind:  Das  kaiserliche 
Sommerschloss  Plnskovic.  von  K.  VI.  Zap[i;  —  die 
Felsen  von  Prachov,  von  J(di.  Zaviulil  ;  —  Svatava's 
Bezirk  an  der  Säzawa,  von  Professor  W.  W.  Tomek 
(ein  Beitrag  zur  alten  Tnpograjihie  Böhmens);  —  das 
Francisca  nerklos  ter  in  Neuhaus,  von  Hieronymus 
Solar;  —  der  Svijane  r  Bronzefund,  von  K.  Vi.  Zapp  ; 
—  die  kaiserliche  Gruft  in  der  Prager  Dom- 
kirehe,  von  K.  VI.  Zapp;  —  das  byzantinische 
C  rucifi  X,  gefunden  i  n  de  n  Trii  mmern  de  s  Be  n  edic- 
t  i  ner-i  nsel  kl  osters  St.  Johann  d.  T.  be  i  Da  vle,  von 


Professor  J.  E.  W'ocel  (mit  Abbildung);  — die  Minia- 
tur e  n  d  e  s  i  m  b  ö  h  m  i  s  c  h  e  n  M  u  s  e  u  m  a  u  f  b  e  w  a  h  r  t  e  n 
M  a  u  u  Scripts  _ M  a  t  e  r  v  e  r  b  o  r  u  m  ",  von  Professor  J.  E. 
Wocel  (mit  Facsimile  des  ersten  Blattes);  —  das 
böhm  i  s  che  Cantionale  in  K  lattau,  von  J.  V.  Krizek;  — 
d a s  V 0  t i V b i I  (1  des  E r z b i s c  h o f s  0 c k o  von  VI a s  i  m 
in  der  Prager  Gemäldegallerie,  von  K.  VI.  Zapp  (mit  litho- 
grapliirter  Copie)  ;  —  das  lateinische  Gebetbuch 
des  Königs  Ladislaw  Posthumus  vom  Museums- 
bibliothi'kar  Wenzel  llanka  (mit  2  Tafeln  Facsiniile"s)  ;  — 
der  S  c h  n  i  t  z  a  1 1  a  r  von  Z  w  e  1 1  e I  in  d  e  r  A  u g  u  s t i  n  e r- 
k  i  r  c  h  c  i  n  W  i  e  n  ;  —  G  r  a  b  s  t  e  i  n  e  d  e  r  R  i  1 1  e  r  f  a  m  i  1  i  e 
der  Vrabsky  von  Vrabi  in  Strazist,  von  K.  Fryb  ;  — 
das  gothische  Oratorium  König  Wlad  isla  w"s  H. 
in  der  Prager  Domkirche,  von  K.  VI.  Zapp  (mit  Abbil- 
dung) ;  —  P r 0  m e m o r i a  in  B e  t r e f f  d e r  A 1 1 e r t h ü m e r 
in  Chrudim,  von  K.  VI.  Zajip  ;  —  die  alten  Fahnen 
und  Standarten  in  der  Emauskirchc  in  Prag,  von 
J.  V.  Kri'zek ;  —  die  Frescogcmälde    in  Rohoznä; 

—  das  ehemalige  deutsche  Haus  in  Pilsen;  — 
ein  Besuch  in  der  Burg  Klingenberg,  von  Joseph 
Houska  ;  —  eine   römische   Inschrift   in    Trencin; 

—  dieBerauner  Thorthiirme;  —  Bemerkungen 
über  die  Ruinen  der  Burg  Velis,  von  J.  B.  L. 
u.  s.  w.  n.  s.  \v. 

In  diesem  ersten  Bande  der  „Pamätky"  beginnt  auch 
eine  ausführliche  Beschreibung  der  böhmischen 
Münzen  mit  Abbililungen  .  deren  Znsauunonstelluug  der 
auch  als  Numismatiker  vielverdiente  Musoumsbibliothekar 
Herr  Wenzel  Hanka  übernahm.  Das  böhmische  Münz- 
wesen reicht  bis  zum  .Vnfange  des  X.  Jahihnnderts  zurück, 
und  zeichnet  sich  durch  eine  frühzeitige  Entwickelung 
vortheilhalt  aus.  .\nf  den  diesem  Bande  heigegebenen  vier 
Mimztafeln  wei'den  7  Münzen  des  Herzogs  Vratislav  (v.  912 
bis  92Ö)  ,  7  Münzen  des  Herzogs  Wenzel  des  Heiligen 
(v.  92.Ö  bis  931!) ,  24  Münzen  des  Herzogs  Boleslav  I. 
(v.  936  bis  967)  und  48  Münzen  des  Herzogs  Boleslav  II. 
(v.  967  bis  999)  abgebildet.  Die  Abbildungen  von  anderen 
;)6  bekannten  Münzen  des  letztgenannten  llei'zogs  folgen 
im  zweiten  Bande  des  Werkes.  Die  bezügliche  Beschrei- 
bung auf  den  Seiten  233,  283,  328  und  369  führt  sämmt- 
liche  Legenden  an,  und  strebt  nach  möglichster  Vollständig- 
keit. —  Sehr  beachtenswerth  und  mitunter  selbst  belustigend 
sind  die  Berichte  des  in  Buhestand  versetzten  Pfarrers 
P.  Wenzel  Knilnuis  über  seine  in  den  Sommermonaten 
der  Jahre  1833  und  1834  unternommenen  archäolo- 
gischen l'  n  t  c  r  s  u  eil  u  n  g  e  n  u  n  d  N  a  c  li  g  r  a  b  u  n  g  c  n 
(S.  90  und  283)  meist  in  den  Umgebungen  Prags  auf  eine 
Eiilfcrnung  von  höchstens  4 — 3  Meilen.  P.  Krolmus ,  seit 
etwa  dreissig  .laliren  ein  eifriger  Forscher  der  heidnischen 
Vorzeit  ,  unternimmt  seine  regelmässigen  archäologischen 
Excursionen  seit  eilf  Jahren  mit  I  uterstützung  des  archäolo- 
gischen Museum-Comite,  und  ist  imAuflinden  uml  Erkennen 


—  163 


ehemaliger  heidnischer  Opfer-  unJ  Begrähnissplätze  so 
sicher  und  meist  so  glüekh'ch,  duss  er  in  dieser  Hinsiclit  eine 
Art  Celehritiit  geworden  ist,  und  sieli  um  die  Bereicherung 
der  archäologischen  Sinnmlungen  des  höhmischen  Museums 
hereits  das  grösste  Verdienst  erworben  hat.  P.  Krohnus  hat 
in  seinen  Bestrehungen  viele  Ähnlichkeit  mit  dem  ehr- 
würdigen Pater  Cochet  in  Frankreich,  der  die  Resultate 
seiner  Forschungen  in  der  Normaiidie  vor  einem  Jahre 
unter  dem  Titel:  „La  Normandie  souterraine"  der  Oftent- 
lichkeit  ühergab.  Wenn  man  auch  in  Krolmus"  mythologi- 
schem Systeme  und  in  seiner  Erklärungsweise  des  altslawi- 
schen lieidnischen  Cultus  beinahe  keine  streng  wissen- 
schaftliche Begründung  findet,  so  sind  jedenfalls  die  von 
ihm  in  seinen  Berichten  niedergelegten  Nachrichten  über 
seine  Funde  und  diese  selbst  für  die  Altei'thumswissenschaft 
von  grossem  Nutzen. 


Herr  J.  V.  Kii'/.ek  lieferte  (S.  329)  einen  heschrei- 
h enden  Katalog  der  im  kleineren  Saale  der  archäolo- 
gischen Ahtheilung  im  bijhmis  eben  Museum  aufgestellten 
Gegenstände  (meist  ciuheiniische  und  ausländische  Curiosi- 
täten  und  ethnographische  Merkwürdigkeiten  ,  die  in  die 
systematisch  geordneten  Fächer  nicht  eingereiht  werden 
konnten).  Schliesslich  findet  sich  in  diesem  Bande  eine  von 
K.  VI.  Zapp  verfasste  Geschichte  des  archäologischen 
Museal-Comite's  (S.  42),  so  wie  fortlaufende  Berichte  über 
die  Sitzungen  desselheu,  dann  ein  literarisches  Kepertorium 
über  neu  erschienene,  in  die  Archäologie,  Geschichte  und 
Topographie  einschlagende  Schriften.  —  Einen  grossen 
praktischen  Nutzen  gewährt  das  dem  Bande  beigdruckte. 
sehr  vollständige  Personen-,  Orts-  und  Sachi'esister. 

Über  die  im  Laufe  des  J.  ISbß  erschienenen  vier  Hefte 
des  zweiten  Bandes  werden  wir  ein  anderes  Mal  referiren. 


Notiz. 


(Funde  römischer  Alterthümer  in  Altofen.) 
Im  J.  1833  wurden  die  an  den  Thermalbauten  der  Altofner 
Insel  durch  den  k.  k.  Baudirector  in  Ofen,  Hrn.  Menapace, 
vorgenommenen  Ausgrabungen  und  die  gemachten  Funde 
zur  Kenntniss  der  k.  k.  Cenlral-Conmiission  gebracht.  Diese 
übergab  die  eingesendeten  Gegenstände  dem  k.  k.  Münz- 
und  Antiken-Cabinete.  Der  Vorstand  dieses  kaiserlichen  In- 
stitutes, Herr  Regierungsrath  Jos.  Arneth,  hatte  die  Güte, 
die  sachffemässen  Erläuterungen  einiger  Funde  der  k.  k.  Cen- 
tral-Commission  vorzulegen,  welche  wir  hier  veröffentlichen: 
1.  Bruchstück  eines  flachen  Ziegels  mit  LEG.II.HAD 

^- ^ .  — Legio  secunda  Hadriana  —  (Fig.  1). 

i^L  EG  II  HA^Nur  auf  Monumenten  dieser  Art   (auf 

Fig.  1.  Ziegeln)  kömmt  unter  vielen  anderen 

diese  Legion  vor,  was  insoferne  begreiflich  ist,  als  Hadrian 

mac 
„Trajana"    unter 


dXf^^AM 


den  Feldzug  Traian's  gegen  die  Dacier  mitmachte.   Es  mag 
aber  auch  sein,    dass  die  legio  secunda 
Hadrian  eben  Hadriana  genannt  wurde. 

2.  Ein  dickerer,  S"  breiter  Mauerziegel  mit  dem  Stem- 
pel: EXER.PAN.INF  —  Exerci- 
tusPaunoniae  inferioris  —  (Fig.  2). 

'*''■ "'  Auch  dieses  Kriegsheer  kömmt  nur 

auf  Ziegeln  vor  und  schliesst  sich  wohl  an  die:  exercitus 
Brittannicus,  Cappadocicus,  Dacicus,  Germanicus,  Hispanicus, 
Ilyricus,  Judaicus,  Mauretaniens,  Moesiacus,  Norieus,  Parthi- 
cus,  Rhaeticus,  Syriacus  (auf  den  Münzen  vorkommend)  an. 

3.  Bruchstück  mit  dem  Stempel    COM. VII. BR   — 

* i^    Die  Breuci  waren  ein  Volk  in  Nieder- 

Pannonien  am  Savus,  deren  König  Bato 


Fig.  3. 


sich  dem  Tiberius  ergab.  Diese  Cohorte  erscheint  zum 
ersten  Male  auf  einem  Militärdiplome  von  Doniitian  aus  dem 
Jahre  95  n.  Chr.  (Jos.  Arneth,  Zwölf  Römische  Miiilär- 
diplome,  Nr.  XI,  p.  39,  40). 

4.  Ganzer  Ziegel  von  1'  8"  Länge,  10"  Breite,  I^J^ 
r—— 7^W^^^^^^  ™*  ilem  Stempel  COH.IV.P.P 

^CWJVf^^JJ_    cohors    quarta   Praetoria    Pia    — 
Kis-  4-  (Fig.  4). 

5.  Bruchstück  mit  zwei  geriffelten  Streifen  ohne  In- 
schrift. 

6.  Vier  Heizröhren  (eine  lOVa"  hoch,  7'/o"  breit,  4" 
dick,  zwei  9"  hoch,  6"  breit,  4Vj"  dick)  — eine  von  beiden 
an  den  Seiten  mit  runden  Löchern  versehen  — ,  die  vierte 
zerbrochen. 

7.  Bruchstück  eines  Mosaiks,  aus  unregelmässigen 
viereckigen  Stückchen  dunkelgrauen  Marmors  zusammen- 
gesetzt. 

S.  Sechs  grössere  und  viele  (ungefähr  30)  kleinere 
Bruchstücke  von  Malereien :  eines  sehr  schön  blau,  ein 
anderes  von  rother  und  blauer  Farbe,  durch  einen  weissen 
Streifen  getrennt,  eines  schwärzlich  mit  blauen  und  rothen 
Streifen;  auf  einem  brauneu  sieht  man  einen  Pferdekopf 
3"  hoch  en  grisaille  gemalt,  auf  einem  gelben,  flüchtig 
braunen  Ornamente.  Bei  vielen  bemerkt  man  unter  der 
Mörtelschiclite,  aufweiche  die  Farbe  aufgetragen  ist,  Spu- 
ren einer  früheren  Malerei.  Ähnliches  Vorkommen  gewahrt 
mau  aml{aMd^^  des  Ufers  bei  Petrouell  stehend,  so\\ie  auch  in 
Salzburgau  derStelle,  wo  jetzt  das  Mozart-Monument  ist, ein 
interessanter  Mosaikboden  einen  noch  interessanteren,  wohl 
erhaltenen  und  mit  Fechterspielen  geschmückten  zudeckte. 


II. 


23 


166 


Correspondenzen. 


^'ieiii  Durch  eine  Ueilie  voidic  nstvollor  IScscIiioiliiinfron  vim 
mährischen  AltcrlliiiiiiiTii  des  Conservatois  v.  l\liilireii  (liefen  Sylva 
Taroucca,  wololie  der  k.  k.  CeiitiBl-Commissioii  vorliegen  und 
wovon  wir  in  den  niichsten  Heften  Gebrauch  machen  werden,  —  auf 
die  frühere  Cistercienser-Abtci  Tischnowitz  auriuerksiuii  gemacht, 
unternulim  der  Corresi)on<iont  der  k.  k.  C'entral-l'oniuiissinn  lliTr  A. 
Widtcr  und  der  Gefertigte  Anfangs  Mai  einen  kurzen  Auslliig  an 
den  gedachten  Ort,  um  durch  eigene  Anschauung  von  dem  A\'erlhe 
dieses  viel  gerühmten  Baudenkmales  überzeugt  zu  «enlen.  Die 
Krwartungen  wurden  nicht  getauscht.  Sie  fanden  dort  eine  Kirche 
und  einen  Kreuzgang  von  hohem  kunstgcschichllielH'n  M  erllie.  welclie 
aus  der  ersten  Hälfte  des  XIII.  Jahrhunderts  hc]  rülireud,  noch  im 
grösstcntheils  ursprünglichen  Bauzustande  erhalten  und  durch  spätere 
Restaurationen  nur  wenig  gclilten  haben.  Hr.  Widter  veranlasste  sehr 
gelungene  Photoirraphien  der  interessantesten  Theilo  der  Kirche,  die 
von  einer  kurzen  Beschreibung  des  Oefertiglen  begleitet,  der  k.  k.  Ccn- 
tral-Commission  vorgelegt  wurden.  In  Folge  der  interessanten  Ergeb- 
nisse wurde  eine  genaue  .\ufnabuie  der  Kirche  und  des  Kreuzganges 
von  Tischnowitz  beschlossen.  Zu  gleicher  Zeit  soll  sodann  auch 
eine  vollständige  Aufnahme  der  sehr  merkwürdigen  Sehlnsskirche  zu 
Trebifsch  in  Mahren  in  .•VngrllV  gi-nomuien  und  beide  Objecle  in 
den  Publicationcn  der  Central-Comniission  verölVentlicht  werden. 
Bezüglich  des  Kreuzganges  in  Tisclmowifz  muss  nur  im  buhen  Grade 
bedauert  werden,  dass  derselbe  gegenwärtig  so  arg  vernachlässigt 
und  Alles  angewendet  wird,  um  dieses  Baudenkmal  seinem  Buine  zu- 
zuführen. Die  k  k.  Central-Coumiisson  hat  sich  aus  diesem  Grunde 
auch  bestimmt  gefunden,  die  erfordeiliehcn  Schritte  zur  Erhaltung 
dieses  ausgezeichneten  Bauwerkes  einzuleiten.  K.  Weiss. 

Rrixeii*  (Tirol.)  In  den  folgenden  Zeilen  erhallen  Sie  einige 
kurzgefasste  Nachrichten,  aus  denen  Sie  ersehen  werden,  dass  das 
Wirken  der  k.  k.  Central-Conmiission  auch  fiir  unser  Laiul  nicbt  ohne 
Erfolg  gewesen  ist.  Vorerst  verdient  bemerkt  zu  werden .  dass  sich 
bei  uns  der  Sinn  für  die  mittclalterlicbe  Kunst  immer  mehr  und  mehr 
aufschliesst,  und  bereits  ein  sorg.sames  Streben  erzeugt  hat,  von  den 
alten  Kunst-  und  Bauwerken  zu  retten  und  zu  erhalten,  was  noch 
gerettet  und  erhalten  werden  kann.  Dass  dieser  Sinn  wach  und  rege 
werde,  daran  ist  wohl  vor  Allem  gelegen,  wenn  der  Endzweck  eines 
Conservatoriums  erreicht  werden  soll.  In  der  That  bleibt  es  immer- 
bin eines  der  vorzüglichsten  Verdienste  des  k.  k.  Institutes,  dass  es 
ihren  Bestrebungen  gelungen  ist,  mit  redlicher  und  tliätiger  Bei- 
hilfe der  Conservatoren  diesen  Sinn  zu  wecken.  Die  Erfolge  davon 
zeigen  sich  in  unserem  Lande  schon  an  mehreren  Orten.  In  iMeran 
und  Bozen  haben  sich  Vereine  gebildet,  welche  tlieils  auf  die  Ver- 
breitung und  Förderung  archäologischer  und  kunsthistorischer 
Kenntnisse,  tlieils  auf  Erforschung  und  Erhaltung  der  allen  Monumente 
und  Kunstwerke  abzielen.  In  Naz,  einem  Pfarrdorfe  auf  dem  Mittel- 
gebirge hei  Brixen,  ist  die  gofhischc  Kirche  durch  die  Bemühungen 
des  Herrn  Pfarrers  Victor  Gattcrer  und  des  Herrn  Gvmnasial- 
Professors  Theodor  Meicrbofcr  sehr  anständig  reslaurirl,  und 
mit  einem  neuen  sehcnswcrthcn  gothischcn  Altar  unter  Anleitung  des 
kundigen  k.  k.  Baubeamten  Michael  Meier  ausgestattet  worden. 
Zu  Lazfons,  einem  Pfarrdorfe  IkjcIi  auf  der  nördlichen  Bergseite 
bei  Clausen,  wird  ebenfalls  an  der  Erweiterung  imd  Itestaurirung 
der  allen  goÜiischen  Seelsorsxskirche  gearheilcl.  Die  Ausführung  ist 
hier  einem  fähigen  und  tbätigen  Manne  anvertraut,  vom  dem  man  nur 
Gutes  hoffen  kann.  Im  Thale  M  ar  e  i  t  steht  noch  ein  golhiscbcs  Kirchlein, 
welches  schön  gebaut .  und  noch  gut  erhalten  ist.  Darin  befindet 
sich  eine  gothischc  aus  Marmor  gcmeisselte  Kanzel  von  sehr  seltener 
Gestalt,  imd  ein  schöner  gotbischcr  Altar,  «eleher  bisher  nicht  viele 


Beschädigungen  erlitten  bat.  DleBestauration  bat  der  k.  k.  Kämmerer 
Herr  Leopold  Baron  v.  Sternbach  auf  eigene  Kosten  über- 
nommen, und  will  sie  heuer  noch  zu  Ende  führen.  Ich  köimtc  noch 
einige  Orte  nennen  ,  wo  ernstlieh  an  Bcstauration  der  Kirchen  oder 
.Mtäre  gedacht  wird,  und  sehr  viele  wären  aufzuzählen,  in  denen  nur 
die  karge  und  ärndiche  Dotation  dergleichen  Bestrebungen  unter- 
drückt. 

Einen  merkwürdigen  Moment  in  den  Annalcn  unserer  vater- 
ländischen Kunstgeschichte  bietet  aber  die  Allerhöchste  Rntschlies- 
sung  Seiner  k.  k.  aposloliscben  Majestät  vom  20.  ^lärz  d.  ,1.,  wodurch 
die  von  der  k.  k.  t'entral-Couunission  zur  Erforscluing  und  Erhaltung 
der  Baudenkmalc  angeregte  Beslauralion  des  Kreuzganges  an  der 
Kathedrale  dahier  angeordnet  worden  ist.  Ich  lege  auf  dies  Ereigniss 
ein  sehr  grosses  Gewicht,  niclit  blos  weil  uns  ein  sehr  altes,  wegen 
der  Gemälde  die  es  enthält  besonders  merkwürdiges  Baudenkmal 
und  mit  diesem  die  beständige  Erinnerung  an  die  huldvollste  Gnade 
des  Kaisers  gegen  ein  treues  Land  erhalten  wird;  sondern  auch  weil 
ich  in  dieser  Allerhöchsten  Entschlicssung  einen  fruchtbaren  Keim 
zur  weiteren  Anregung  zu  finden  glaube.  Im  folgenden  Jahre  wird 
also  mit  der  Restauration  des  Kreuzganges  der  Anfang  gemacht 
werden.  Vorderhand  aber  wird  man  sieh  mit  jenen  Vorkehrungen 
und  Arbeiten  begnügen  müssen,  welche  zur  Conscrvirung  noth- 
wendig  sind.  Die  Bedachung,  welche  schadhaft  ist,  und  eine  zur 
Ableitung  des  Wassers  nicht  geeignete  Bauart  hat,  wird  umgeändert 
und  ganz  neu  hergestellt  werden.  Die  Grabsteine,  welche  allerdings 
für  die  vaterländische  Gcsehicbtc  sehr  merkwürdig  sind,  und  gute 
Schriftproben  aus  dem  XIV.  und  XV.  Jahrhundert  enthalten,  aber 
mehrere  Gemälde  ganz  oder  theilweiso  bedecken  und  die  Bauart  des 
Kreuzganges  sehr  entstellen,  werden  entfernt  werden,  und  einen 
ganz  passenden  Platz  im  nächst  gelegenen  alten  Friedhof  zwischen 
der  Kathedrale  und  Pfairkircbc  linden.  Der  Staub  und  Schmutz, 
welcher  sich  seit  Jahrhunderten  abgelagert  hat,  soll  beseitigt  werden, 
und  die  Wände  werden  die  ursprüngliche  Gestalt  und  Farbe,  die  sich 
noch  leicht  finden  lässt,  wieder  erhalten.  Ist  nun  einmal  der  Kreuz- 
gang geschätzt,  und  hat  er  seine  ursprüngliche  Gestalt  und  Ansicht 
wieder  gewonnen,  dann  wird  auch  an  die  llcstauration  der  schönen 
und  für  die  Geschichte  der  Malerei  sehr  wichtigen  Gemälde  aus  dem 
XIV,  und  XV.  Jahrhundert  gedacht  werden  können.  Und  es  wird 
dann  nicbt  an  Kcinstfreunden  fehlen,  welche  die  Beslauralion  von 
einem  oder  dem  anilern  Bildwerke  ühernchnien.  Wenn  irgendwo,  so 
gilt  auch  hier  der  Spruch:  Unilis  viribus! 

G.  Tinkhauscr. 

Friesat'll.  (Kärnihen.)  In  iler  Peterski  rehe  am  Pcter.s- 
berge  befinden  sieh  ausser  den  drei  A  1  ta  rsb  i  1  d  er  n  keine  anderen 
merkwürdigen  Bilder,  vielweniger  ein  Wandgemälde.  Am  Hoch- 
altäre ist  es  der  heilige  Kirchenpatron  Petrus,  sehr  schön  und 
rührend  in  der  Busse  dargestellt.  Beim  Seitenallare  ad  dextiam  ist 
das  herrliebe  und  kunstvolle  Bild,  die  Familia  sacra  darslellenil,  mit 
der  Jabrzahl  lli'ij,  noch  sehr  frisch  und  gut  erhalten.  Mil  Neben- 
schilderu:  1.  Wie  der  heil.  Jo;ichim  wegen  seiner  Unfruchtbarkeit 
vom  llohcnpriesler  vom  heil.  Opferaltare  hinweg  gestossen  wird. 
2.  Dem  Joachim  und  .Anna  wird  die  Verheissung  durch  einen  Engel 
gemacht,  dass  sie  eine  Tochter  .Maria  und  künftige  Mutter  iIcs  gött- 
lichen Welt-Erlösers  empfangen  sollen,  'i.  Das  herrliche  Bild,  die 
Gehurt  Maria  darstellend.  Alle  diese  Bildnisse  werden  von  Kunst- 
kennern allgemein  bewundert  und  hochgeschätzt.  Das  Bild  beim 
Altare  an  der  Epislelseite  stellt  die  zwei  beil.  Erzhischöfe  von  Salz- 
burg dar:  Tbiemo  und  Balduin,  die  oft  und  lange  zu  Friesach 
residirten. 


167   — 


Die  St.  Peterskirclie  besitzt  diei  Stücke  iille,  mit  heilifien 
Figuren  kunstvoll  gestick  te  u  iid  ausgenii  h  te  Casulae.  IJie 
erste  ist  von  weisser  Seide,  mit  dem  gekreuzigten  Heiliinde  in  erlioh- 
ter,  schöner  und  kunstvoller  Arbeit,  nach  der  ganzen  Länge  des 
kirchlichen  Gewandes. 

Die  zweite  roth  seidene  Casula,  mit  dem  Heilande,  an  die 
Martersiiule  zur  Geisselung  angebunden.  Zur  Seite  dieses  Bildes 
sind  trauernde  und  weinende  Engel  im  Fluge  und  sebwebend  ange- 
bracht. Unter  dem  leidenden  Erlöser  steht  das  schöne  und  rührende 
Biidniss  der  schmerzhaften  Mutler  Maria. 

Die  ganz  schwarze  Casula  ist  von  AVollcnstofl'.  Im  MIttelblattc 
erblickt  man  die  jungfräuliche  Mutter  Maria  mit  dem  Jesukinillein. 
Links  und  rechts  sind  sehwebende  Engel,  der  eine  mit  einem  Oster- 
fiihnlein,  der  andere  mit  der  Weltkugel.  Unter  diesem  Bilde  ist  der 
heilige  Apostel  Petrus,  und  weiter  hinab  der  heilige  Paulus;  beide 
mit  ihren  gewöhnlichen  Insignien. 

Die  Kirche  am  Petersberge  besitzt  auch  ein  altes,  künstlieh 
geschnitztes  und  reich  in  Gold  gefasstes  Bi  1  d  von  Maria  und  Anna, 
beide  in  ihrer  Mitte  das  Jesukind  haltend. 

Die  beiden  Glocken  im  Thurme  sind  ab  anno  ICO'J,  die  grös- 
sere mit  den  Bildnissen  Jesus,  Maria  und  Anna,  die  kleinere  mit 
jenem  St.  Job.  Bapt. 

Die  St.  Peterskirche  befindet  sieh  dermalen  im  guten  Bauzu- 
stande, nur  der  neugebaute  ungestaltete  Thurm  steht  zur  uralten 
schönen  Kirche  in  gar  keinem  Verhältnisse;  er  ist  mit  Wcissblech 
eingedeckt.  Übrigens  macht  er  wegen  seiner  leichten  und  einfachen 
Struetur  keinen  nachtheiligen  Einfluss  auf  das  riesenfeste  Kirchen- 
gebiiude. 

Wandgemälde  befinden  sieb  einzig  nur  in  dem  grossen 
Thurme  und  in  dem  Schlossgcbäude  am  Petersberge.  In  dem  Thurme 
war  die  Schlosscapellc ;  sie  war  ganz  mit  schönen  Freseogemälden 
geziert;  was  man  auch  noch  deutlich  sieht,  ist  das  heilige  Abend- 
mahl, dann  die  zwei  helligen  Bischöfe  von  Salzburg:  Uupertus  und 
Virgi  lins.  Dieser  Thurm  ist  ein  längliebes  Viereck,  12  Klafter  hoch, 
ö'/a  Klafter  lang  und  5  Klafter  breit,  hatte  3  Stockwerke  über  und 
2  Stockwerke  unter  der  Erde.  Auch  der  Hofraum  des  Burgschlosses 
bildet  ein  längliches  Viereck,  20  Klafter  Länge  und  18  Klafter  Breite. 
Der  südliche  Tbeil  des  Schlosses  war  die  Wohnung  des  Schlossbiuipt- 
mannes  oder  Vicedomes;  an  einer  Gangniauer  ist  das  schöne  Wappen- 
bild des  Salzburger  Erzbisehofes  Maximilian  Grafen  v.  Kühn  bürg, 
wahrscheinlich  auf  die  Restauration  des  Schlosses  Bezug  habend.  Auf 
der  gegen  Norden  zugekehrten  Frontseite  war  der  sogenannte  Ritter- 
saal mit  schönen  Fenstersäulcn.  Im  Hofe  befindet  sich  ein  cisternen- 
förmiger,  aus  schön  gemeisselten  Steinen  gleichsam  in  den  Felsen 
getriebener  Schöpfbrunnen. 

Es  muss  h'u;r  leider  bemerkt  werden,  dass  von  diesen  grossarii- 
gen  Schlossgebäuden  alle  schön  gehauenen  Steine,  Säulen  und  Pfeiler 
von  Thüren,  Fenstern  und  Stiegen  etc.,  selbst  die  in  herrlich  gemei- 
sselten Steinen  majestätische  Pforte  der  Schlosscapellc  nach  Mayer- 
hofen  abgeführt,  und  dort  zur  Aufbauung  des  Ungeheuern 
Viehstalles  sind  verwendet  worden;  ja  man  kann  sagen,  der 
ganze  Viehstall  ist  von  den  ehrwürdigen  Steinen  des  Schlosses  vom 
Petersberge  gebaut. 

Jobann  B.  Finster. 

Cii'0.s.«iwar(lein.  (Ungarn.)  Das  Verwaltungsgebiet  Grosswar- 
dein,  dessen  Baudenkmalezu  erforschen  und  zu  überwachen  mirzuTheil 
geworden  ist,  ist  so  arm  an  monumcnlalen  Überresten  des  römischen 
oder  christlichen  Alterthums,  wie  vielleicht  kein  Anderes  der  grossen 
österreichischen  Monarchie.  Es  scheint  nämlich,  dass  während  der 
römischen  Herrschaft  diese  flache  Gegend  des  ehemaligen  Daciens 
noch  wenig  bewohnt  und  cultivirt,  und  selbst  im  MittelaKer  die  ger- 
manische oder  romanisebe  Baukunst  bieber  weniger  vorgedrungen  sei, 
als  in  andere  Gegenden  Ungarns  und  Siebenbürgens ,   wo    deutsche 


Ansiedler  ordentliche  mit  Ringmauern  umgebene  Städte  gegründet 

und  in  denselben  Kirchen,  meistens  im  gothischcn  Style  gebaut  haben. 

Auch  hat  hier  die  Zerstöruiigswuth  barbarischer  Kriegsheere, 
sowie  die  unselige,  der  christlichen  Kunst  feindlich  gesinnte  Refor- 
mation mehr  Verheerungen  angerichtet ,  als  in  anderen  Gegenden 
des  Landes. 

Diess  dürfte  die  Ursache  sein,  dass  selbst  in  Grosswardein. 
dieser  vom  heil.  Kciiiig  Ladislaus  mit  einem  Bisthume  und  grossartiger 
Kathedrale  zu  Ehren  der  heiligen  Jungfrau  gegründeten  Stadt,  wo 
einstens  mehrere  Stifter  und  Klöster  vorhanden  waren,  heutzutage 
nicht  einmal  die  Spuren  ihrer  einstigen  Grösse  mehr  anzutreffen 
sind,  so  ist  Alles  in  dem  Gewüble  kriegerischer  Jahrhunderte  von 
der  Oberfläche  verschwunden. 

Ein  gleiches  kann  auch  von  anderen  Gegenden  des  Grosswar- 
deiner Verwaltungsgebietes  behauptet  werden.  Hier  kann  also  die 
Aufgabe  des  Conservalors  nur  darin  bestehen,  selbst  jene  wenigen 
Überreste  der  entschwundenen  Vorzeit,  welche  hie  und  da  noch 
übrig  gebliehen  sind,  sorgfältig  aufzusuchen,  und  wenn  gleich  solche 
in  monumentaler  Hinsieht  kaum  beachtenswerth  wären,  in  die  Kette 
der  von  der  Central -Commission  beabsichtigten  archäologischen 
Forschung  einzureihen,  damit  in  dem  zu  entwerfenden  grossartigen 
Bilde  der  ganzen  Monarchie  keine  leeren  Partien  bleiben.  So  musste 
ich  vor  allererst  Erkundigungen  einholen,  ob  nicht  denaoch  einige 
Kirebengcbäude,  Schlossruinen,  oder  sonstige  alte  Bauten  irgendwo 
in  diesem  Gebiete  anzutreffen  wären.  Dann  machte  ich  in  den  Jahren 
18.i5  und  1836  Rundreisen,  um  die  bezeichneten  Baugegenstände 
selbst  zu  besichtigen;  aber  leider  muss  ich  gesteben,  dass  meine 
bisherigen  Forschungen  wenig  Denkwürdiges  auszumitfeln  ver- 
mochten. T.  Fogaroschv. 

Cä[ro»4.s|>rol>Ntilorf.  (Siebenbürgen.)  Nach  langem  Schweigen 
bin  ich  endlich  wieder  einmal  so  glücklich,  von  einigen  archäologischen 
Funden  berichten  zu  können,  die  ich  im  Laufe  dieses  Winters  bei 
KleinschelkundGrossprobstdorf  gemacht  habe.  Ich  habe  bei 
KIcinschelk  (bei  der  sogenannten  ..alten  Burg")  aufgefunden: 
1)  Einen  runden  Klumpen  von  gebranntem  Thon,  7  Zoll  im  Durch- 
messer —  wahrscheinlich  zum  Glüliendmacben  und  Hinabscbleudern 
auf  die  stürmenden  Feinde  bei  Behigerungen  in  dieser  an  Steinen 
armen  Gegend  (S.  Meyer's  Convers.  Lex.  Bd.  IL  Art.  Altdeutsches 
Rüst-  und  Contingentwesen).  2)  Ein  thöncrncs  Rädchen,  oder  eine 
in  der  Mitte  durchbohrte  Scheibe,  4  Zoll  durchscbnittlieb  breit  und 
IV4  Zoll  dick  —  wahrscheinlich  von  einem  kleinen  Kinderwagen. 
3)  Eine  etwas  beschädigte  Schale.  4)  Eine  bauchige  Vase,  zu  beiden 
Seiten  mit  am  Bauche  horizontal  befindlichen  zwei  kleinen  Handhaben, 
welche  senkrecht  durchlöchert  sind,  ö)  23  Stück  thönerne.  an  einem 
Ende  durchlöcherte  und  gebrannte  Säulchen  von  1  ZollSLin.  bis  2  Zoll 
2  Lin.  Hiibo.  die  zu  irgend  einem  technischen  Zwecke  gedient  haben 
mögen.  6J  Eine  Silbermünze.  Advers:  IMP.  CXE.  L.  SEP.  SEV.  PERT. 
Lucii  Sept.  Scveri  Pertinacis  Caput  laureatum.  Avers  (ziemlich  stark 
verwischt) :  SECVLI  FELICIT.   Luna  bicornis  cum  Sepfentrionibns. 

Bei  Grossprobs  tdorf  habe  ich  gefunden:  1)  Viele  Form- 
überblcibsel  von  einer  Melallgiesserei,  vermittelst  welcher  das  über- 
Hüssigc  Metall  in  Stangen  aufgefangen  wird,  um  dasselbe  dann  leichter 
verkleinern  zu  können.  Auf  der  Stelle,  wo  ich  diese  Formüberbicibsel 
gewonnen,  dürfte  nach  der  Meinung  des  hochverehrten  Herrn  Pfarrers 
und  Correspondcnten  Mich.  Ackncr,  dem  ich  die  hier  angeführten 
Anticaglien  zur  Ansiebt  und  gefälligen  Erklärung  überscbickte,  noch 
manches  Merkwürdige  zu  Tage  gefördert  werden  können.  2)  Über- 
reste von  fossilen  Hirschgeweihen  (Cervits  prisciis  Kaup.).  3)  Eine 
etwas  beschädigte  Streitaxt  aus  Kalksfein,  was  selten  ist,  indem  die- 
selben gewöhnlich  aus  Serpentin,  Prcbnit,  schwarzem  Kieselscbiefer 
oder  lydlscbem  Stein  besteben.  4)  Eine  kleine  Streitaxt  —  wahr- 
scheinlich ein  Kinderspielzeug.  3)  Ein  Bruchstück  von  einem  Mahlzahn 
\o\\  Elcphus  primiyenitts  Blumenb.  C)  Einen  Spindelbeschwcrer. 

23* 


—   168 


7)  Eine  (lurclil)olirte  Perle  aus  Gliis|i;ist:\.  S)  Der  Huincrus  vom  lilii- 
iiocerus  ficliorhi/nus  Ciivier,  5  Pfund  schwor.  9)  Einen  antiken,  sclir 
oxvdirten  S|)orn.  an  dem  das  Stornrüdj-Iion  fehlt.  iO)  Viele  Bruch- 
stüokc  ;ilter  (lofässe.  Mi-rkwiirdisr  ist  os,  dass  die  Oefassc,  welche  hei 
Kleiiischclk  !j;ofunclcn  werden,  eine  viel  vi>llk()ninicncre  und  ^'clalli^cre 
Form  hahcn,  als  die,  welche  hei  Grossprohsldorf  .■;ieh  linden.  Jene 
sind  durch;»ängig  von  sehr  geübter  Hand  gemaclit  und  meistentheils 
mit  allerlei  Verzierungen  bedeckt,  diese  hingegen  dnrelischnittlich  so 
einfach,  grnh  und   unvollkommen,   dass  sich    aus    einem   Haufen    hei 


Klcinschelk  und  r.rüss])rolis(ilorf  gefundener  und  zusammengeworfener 
Scherben  die  dem  einen  und  dem  anderen  Orte  oigcnthüniliehen  Stücke 
sehr  leicht  wieder  ausscheiden  Hessen.  Offenbar  deutet  diese  auffallende 
Verschiedenheit  der  (lefassc  hinsichtlich  ihrer  Form  auf  verschiedene 
Volkerbt;inime,  oder  wenigstens  auf  verscliicdeiie  Zeiten  eines  und  des- 
selben Volksstanmies,  der  hier  gelebt  haben  wird,  hin.  Interessant 
wäre  es,  wenn  aus  allen  Theilen  Siebenbürgens  solche  kleine  Altcr- 
thümcr  gesammelt  und  mit  einander  verglichen  würden. 

M.  M  ö  k  e  s  c  h. 


Literarische  Anzeigen. 


Aus  dem  Inhalte  des  jüngst  erschienenen  ii.  Heftes  der 
„Pamatky  archaco  1  o  gicke  heben  wir  folgende  Aufsätze  hervor: 
Denkmale  des  Städtchens  Ueichcnau  von  Hugo  Toman.  Historisch 
topographische  Abhandlung  über  Zakrawi  und  R  i  ch  mwa  Id  von 
.?.  Itozka.  Die  Gemeinden  im  südlichen  Fiöhmen  bis  zum  XH.  .lahr- 
hundert  von  Dr.  H.  .lirfck.  Ein  Ueliquienscluein  mit  dem  .\rme  der 
heil.  Magarcthavon  K.  V.  Zapp.  Einige  Merkwürdigkeilendes 
Hathhauses  in  Königgrätz  von  M.  L.  Beschreibung  und  .Abbildung 
böhmischer   Münzen   von   AVenzel    Hauka   (1004—1037).      Des 

Pater  Krolmus    archäologische  Forschungen    und    deren    Gewinn. 

Archäologische    Nachrichten    aus  Chrudim  von   M.     L.    und     die 

archäologischen  Sam  m  1  u  n  g  e  n  des  böhmischen  Museums  von.Ioh. 

Hlawatv.  An  Abbildungen  besitzt  das  Heft:  den  Reliquienschrein 

bei    St.    Margareth.    die    Bruchstücke    eines   gothischen    Schlosses. 

böhmische   Münzen   und  das  Portal  des  Klosters  St.  Maria  zu'fre- 

hitsch  in  Mähreu. 

Von  der  neuen  Ausgabe  der  im  Verlage  von  Ebner  und  Säu- 
bert in  Stuttgart  erscheinenden  „Denkmäler  der  Kunst",  bearbeitet 
v.  Dr.  W.  Lübke  in  Berlin,  welche  wir  wiederholt  unseren  Lesern 
auf  das  wärmste  empfehlen,  sind  drei  Lieferungen  ausgegeben.  Sie 
behandeln  den  Absclinitl:  „Die  Kunst  auf  ihren  frühesten  Entwick- 
lungsstufen" und  zwar  die  Denkmäler  des  nordeuropäischen  Alter- 
thums,  jene  von  Südamerika  und  Mexiko,  die  Bildwerke  von  Oceanien 
und  Mexiko,  ägvptische  und  nuhische  Bauten,  ägyptische  bildende 
Kunst,  assyrische  Sculptur,  persische  Archileclur,  althindostanische 
Architectur,  spälhindostanische  Architcctur  und  indische  Bildnerei 
mit  erläuterndem  Texte 

(i.  G.  Ka  1 1  enha  ch,  der  Verfasser  des  Werkes  über  die  riirono- 
logie  der  deutschen  Baukunst,  hat  so  eben  in  Halle  hei  C.  E.l'ef  fcr 
eine  Broschüre  unter  dem  Titel:  Dogmatisch -liturgisch  -sym- 
bolische Auffassung  der  kirchlichen  Baukunst  im  All- 
gemeinen und  insbesondere  der  Rundbogen  Style" 
erscheinen  lassen ,  die  einen  heachtcnswerthen  Beitrag  zu  den 
„brennenden  Fragen"  der  Gegenwait  über  die  AVahl  des  zweck- 
mässigsten  und  liturgisch-berechtigtsten  Baustyles  für  kirchliche 
Gebäude  bildet.  Seine  Ansicht  geht  dahin,  dass  eine  Einigkeit  denk- 
bar ist,  sobald  man  auf  wissenschaftliche  Gründe  zurückgehen  und 
den  chrisllichcn  Tempel  als  ein  Spiegelbild  seiner  Kirche  betrachten 
will.  Die  Prüfung  der  Stylberechtigung  beruhe  daher  in  der  Kirche 
selbst,  in  der  Art  ihrer  Auffassung,  also  gewisser  Massen  ihrer  Dogmen, 
ihrer  Liturgie,  ihrer  Symbole  unil  nicht  minder  in  der  AVcisc.  wie  ihr 
innerer  geistiger  Gehalt  nach  Zeiten  und  Völker  Aufnahme  finden 
durfte.  An  diesem  inneren  Prüfsteine  gehalten,  kommt  Kallenbach  zur 
Überzeugung,  dass  das  Wesen  der  kirchlichen  Rundbogenstyle  allein 
schon  genügen  dürfte,  die  Unzulänglichkeit  derselben  darzulegen  und 
die  Aufmerksamkeit  auf  den  gothischen  Styl  liinzuleiten. 


l)as,.Fehr  uar-  und  Mä  r  zh  e  f  t"  der  in  Stuttgart  neu  erscheinen- 
den Monafsehrift,,K  irchcnschmuck,  ein  A  rchi  v  für  weibliche 
Handarbeit"  enthält  die  Fortsetzung  der  interessanten  „Briefe  an 
eine  edle  Frau"  v.  Professor  Kr  cu  sc  r,  einen  .\ufsatz  vom  Conser- 
vator  Bock  über  Entstehung,  Form  und  ornamentale  Ausstattung 
des  Höckleins.  eine  techniseh-künstlerische  Darstellung  v.  Alfred 
p"ey  und  die  Fortsetzung  der  Mittheilung  über  Jerusalem  v.  .\ug. 
Lewald.  .\n  Farbdrucken  enthalten  beide  Hefte  ein  Kaselkreuz  und 
die  romanische  Kaiserstole.  Zu  Muslerlafcin  wurden  gewählt:  ein 
Kaselkreuz,  ein  Medaillon  in  Form  eines  Pelikans,  Linnen-Ornameute. 
ein  golhisches  ABt^  und  die  romanische  Stole  aus  dem  kaiser- 
lichen Krönungsornate.  Die  technische  Erklärung  der  Beilagen  ist 
gleichfalls  eine  interessante  Arheit  des  .\rchäologon  F.  Bock. 


Die  zuletzt  erscliiencnen  beiden  Nummern  des  „Organs  für 
christliche  Kunst"  (Nr.  9  u.  10)  enthalten  folgende  Aufsätze:  „Das 
Erziehungshaus  Na])olenn  Eugenia  in  Paris",  ein  Denkmal  christlicher 
Kunst  und  Wohltliätigkeit .  eine  Corrcspondenz  „aus  r,ondon"  mit 
Anführung  der  Jüngsten  kirchliehen  Neubauten  und  die  dortigen 
Architeeturzustände,  die  Fortsetzung  der  Abhandlung  über  die 
Geschichte  der  Glasmalerei  in  lüiropa.  Als  Tafel  ist  der  einen 
Nummer  eine  Abbildung  der  Mariensäule,  welche  zur  Erinnerung 
an  die  Verkündigung  des  Dogmas  der  unbelleckten  Empfangniss  in 
Cöln    nach    einem   Entwürfe    von   V,    Stalz    crriehtet  wurde ,  bei- 


Von  dem  .Architekten  Oskar  Mothcs  dem  Verfasser  der  in 
der  Herausgabe  bcgriflencn  Gesehiehte  der  Baukunst  um!  Bildnerei 
A'enedigs,  auf  die  wir  zu  sprechen  konnnen,  wenn  das  Werk  mehr 
vorgeschritten  sein  wird  —  sind  bis  jetzt  mehrere  Lieferungen  einer 
Encyklopädie  der  Baukunst  unter  dem  Titel  ..Allgemeines deutsches 
BauHörterhucli"  im  Verlage  von  Heinrich  Mothcs  in  Leipzig 
erschienen.  Das  AVerk  liegt  uns  bis  jetzt  nicht  vor;  wir  müssen  uns 
daher  darauf  beschränken  anzuführen,  wie  das  „Organ  füi'  christliche 
Kunst"  sicli  darüber  ausspricht,  wobei  wir  voraussetzen,  dass  das 
äusserst  günstige  Urlheil  der  Sache  nach  auch  begründet  ist.  „Das 
AVerk  ist  durch  und  durch  po|)ulärini  edleren  Sinne  des  Wortes,  alle 
Artikel,  sowohl  die  historischen  als  die  rein  erklärenden  und  beleh- 
renden, bündig  und  duchaus  fasslich,  lassen  selbst  dem  mit  der  Sache 
V'ertrautcn  nichts  zu  wünschen  übrig,  bringen  gewiss  noch  manchen,  dem 
das  Studium  der  Baukunst  selbst  nicht  fremd,  viel  des  Neuen  Belehren- 
den, da  der  A'erfasser  die  Baukunst  aller  Völker  und  Zeiten  in  ihren 
Erscheinungen  und  Einzelnhcilcn  gründlich  belehrend  behandelt." 
Zum  Schlüsse  heisst  es  in  der  .Anzeige:  „Die  Ausstattung  ist  gut 
preiswürdig,  nur  hätten  wir  die  Ausführung  der  erklärenden  Tafeln 
mit  ein  wenig  mehr  Aufmerksamkeit  behandelt  gewünscht". 


Aus  der  k.  k.  Hof-  und  Staatsdruckerei  in  AVicn. 


Ipileu   Monat  orseheitit  1  Ht'fl  nm 
ntiiidestens  3  Druckbogen  und  mit 

Abbildungen. 
Der  Prüitumerati u  115 [I reis  ist  fiir 
einen  Julirgaiig  oder  rwolf  Hefte 
nebst  Register  sowohl  für  Wien 
als  dieKronljnder  und  das  Anstund 
■t  il.  C.  M.,  bei  portofreier 
/usi-nduQg  in  die  Kroolüniler  der 
osterr.  Monarchie  411.  20  kr.  CM. 


MITTHEILUNGEN 


DER  K.  K.  CENTRAL- COMMISSION 


PräDureeratioDeo  überBch- 
ftien  [)  a  I  b  -  oder  ganijäbrig 
all*'  k.k.  Posiämlpr  der  .Monarchie, 
welcbe  auch  die  portofreie 
Zu»eodün^  der  einzelnen  Heflp 
besorgt-ü.  —  liu  Wege  de&  Uuch- 
haudtfl»  sind  :ille  Pr^numerationeo 
und  zwjr  nur  zu  dem  l'reiae  too 
4  fl.  an  den  k.  k.  HofbuehhaDdlcr 
V.Braumüllcrio  Wien  za  richtea. 


ZUR  ERFÖßSCIIiG  iD  llIÄLTll  DER  BAIDOWIILE. 

Herausgegeben  unler  der  Leilung  des  k.  k.  Seclions-Cbefs  und  Präses  der  k.  k.  Cenlral-Comniission  Karl  Freiherrn  v.  f  zoernig. 


Keaacteur :    K  a  r  1  II  e  i  s  s. 


N^-7. 


IL  Jahrgang. 


Juli  1857. 


Inhalt:  Resfauiatioiien.  —  Die  uiigarisciieii  Reichsinsicrnicn.  —  Die  alten  Baiulerikmalc  des  Iselthalos  in  Tiinl.  —  Über  den  AVerth  von 
Grabdenkmalen  und  ihren  Inschriften,  wie  auch  über  die  Anlegung  eines  Corpus  Epitapliiorum  Vindohonensium.  Aus  Anlass  von 
fünf  Grabsteinen  im  Franciscanerkloster  zu  Neustadt!  in  Unterkrain.  —  Die  Inschriften  und  Büsten  derGallerie  desVeils-Domes 
zu  Prag.  —  Die  St.  Annacapelle  des  Domes  zu  Pressburg.  —  Notizen.  —  Corrcspondenzen.  — Literarische  Anzeigen. 


Restanrationen. 


Der  KreuKgaug;    bei   der    Stiftskirche 
in  Kärnten. 


zu    Milstat 


Unter  den  kirchlichen  Baiidenkmalen  Kärnton.s  nimmt 
der  Kreuzgang  des  vormaligen  Benedictinerstiftes  Milstat 
in  Oberkärnten  einen  vorzüglichen  Rang  ein.  Während  der 
Kreuzgang  des  Stiftes  St.  Paul  sich  nur  noch  im  Grundriss 
erkennen  lässt ,  der  des  vormaligen  Cistercicnscrstiftcs 
Viktring  den  Neubauten  des  XVI.  und  XVll.  Jahrliunderts 
weichen  musste  und  der  Kreuzgang  des  Doniinicanerklosters 
in  Friesach  der  Früh-Gothik  angehört  und  die  den  Bauten 
des  Dominicanerordens  eigentliiimliche  Einfachlieit  zeigt, 
ist  der  Kreuzgang  des  Klosters  Milstat  noch  in  seiner 
ursprünglichen  romanischen  Anlage  erhalten. 

Die  vorzüglichste  Bedeutung  hat  aber  der  Milstäter 
Kreuzgang  durch  die  Symbolik  in  den  Sculpturen  des  Por- 
tales ,  durch  welches  man  aus  dem  Kreuzgange  in  die 
Stiftskirche  tritt.  Sie  sind  grösstenlheils  der  Apokalypse 
entnommen  und  haben  desshalb  auch  eine  culturgescbicht- 
liche  Bedeutung,  weil  sich  in  der  Stiftskirche  noch  mehrere 
Fragmente  symbolisirender  Sculpturen,  welche  einem  älteren 
Baue  entnommen  sein  dürften  ,  eingemauert  befinden  und 
daher  auf  eine  besondere  Pflege  der  christlichen  Sym- 
bolik in  Milstat  um  so  mehr  geschlossen  werden  kann ,  als 
auch  der  von  Hrn.  v.  Karajan  edirte  Physiologus  einem 
Milstäter  Pergament -Codex  entnonnnen  ist  und  auch  in 
einer  anderen,  nun  bei  dem  kämt.  Gcsehichtsverein  befind- 
lichen Milstäter  Handschrift  das  letzte  Blatt  zu  Federproben 
benutzt  wurde,  zu  welchem  grüsstentheils  symbolische  Thier- 
figuren  gewählt  wurden. 

II. 


Das  Verständniss  der  Symbolik  in  den  Sculpturen  des 
Milstäter  Kreuzganges  ging  in  neuerer  Zeit  verloren  und 
man  glaubte  in  den  menschlichen  Missgestalten,  welche  die 
Portalsäulen  tragen,  die  Reste  der  Götzenbilder  zu  sehen, 
deren  Tempel  Domitian  in  eine  Kirche  umgestaltet  haben 
soll.  Diese  Ansicht  und  die  verkehrte  Verschönerungssucht 
der  Neuzeit  wirkten  gemeinschaftlich  dahin,  dass  die  Sculp- 
turen wiederholt  mit  Tünche,  fast  bis  zur  Unkenntlichkeit, 
bedeckt  wurden. 

Ein  noch  schlimmeres  Geschick  hatte  aber  der  Kreuz- 
gang selbst.  Ein  Theil  desselben  wurde  als  Kuhstall,  der 
andere  als  Niederlage  für  Bretter,  Wägen  und  alle  Arten 
von  Wirthschaftsgeräthen  verwendet.  Hiezu  kam.  dass  sich 
neben  dem  Eingange  aus  dem  Sliftshofe  in  dem  Kreuzgang 
ein  Schweinstall  befand,  dessen  Bewohnern  die  Arcaden- 
gänge  zu  ihren  Spaziergängen  angewiesen  waren.  So  kam  es. 
dass  der  Kreuzgang  beinahe  unzugänglich  wurde,  besonders, 
da  der  Hofrauin  desselben  das  Repositoriuni  alles  Uuratlies 
war,  dadurch  der  alte  Abzugscanal  verstopft  wurde  und  somit 
Schnee- und  llegenwasser  in  die  Aroadengänge  überströmm- 
ten  und  diese  kaum  nocli  dem  Viehe  zugänglich  machten. 

Der  neuesten  Zeit  war  es  vorbehalten,  diesen  Unfügen 
ein  Ziel  zu  setzen  untl  eines  der  vorzüglichsten  kirclilichon 
Baudenkmale  Kärntens  der  Kunstforscluing  zugänglich  zu 
machen.  Die  Zustände  des  Milstäter  Kreuzganges  wurden 
nämlich  von  dem  umsichtigen  und  äusserst  fhätigen  Coiiser- 
vator  für  Kärnten,  Freih.  v.  Ankershofeu,  der  k.  k. 
Centralconnnission  angezeigt.  Diese  unterliess  nicht,  sich 
alsogleich  an  das  hohe  k.  k.  Finanzministerium  zu  wenden, 
um  eine  sclinelle  Abhilfe  dieser  Ubclsläiule  zu  erzielen.  Noch 
im  Spätherbsle  v.  J.  wurde  auch  wirklich  diu-ch  die  k.  k. 

>4 


170   — 


Finanz-Bpzirksdiroction  in  Kliigenfurt  dem  Ver\v:iltiiiigs:imto 
dt'f  St.i:itsilnniiiiiio  Milstat  iiiifgptr.ififon  ,  don  KriMizgang 
imvorziiirlicli  zu  riuuiipii  und  boi  dem  Bi'ginne  der  giiiisti- 
irereii  .lalireszeit  mit  der  lieiniuuiiL;-  des  Ganges  und  Hofes 
wie  aiicli  mit  der  Ilerstelliiiig  des  Alizugseanals  vorzugehen 
und  diese  Hestauriruug  dem  ("unservator  anzuzeigen,  um 
sohin  bestimmen  zu  iiöiinen,  ob  und  weiebe  weitere  ller- 
steiUingen  nijtbig  seien.  Mit  grösster  Liberalität  erklärte 
sich  auch  das  h.  k.  k.  Finanzministerium  bereit,  die  Kosten 
der  Conser  V  i  rungs  -  Arb  e  i  I  e  n  aus  dem  Staats- 
sebatze  zu  bestreiten. 

Hierdiireb  ist  die  Erliaitiiiig  eines  blichst  interessanten, 
aber  jahrelang  sell)st  von  den  iieimiscben  Topograidien 
wenig  beachteten  Baudenkmales  gesichert  und  der  Kunst- 
forscher  ist  dem  Iciibafteu  Interesse  der  Regierung  und  ihrer 
Organe  an  der  Erhallimg  der  vaterländischen  Kiitistdenkmale, 
sowie  dem  Kifei'  des  {'uMservators  von  Kärnten  um  so  mehr 
zum  lelihafti'n  |t;inke  ver|itlielitet.  als  sich  die  Stiftskirche 
von  Milstat  unter  den  Denkmalen  befindet,  mit  deren  Auf- 
nahme der  Architekt  Herr  Lii)|tert  von  Seite  der  k.  k. 
fentralcommission  ei>en  betraut  ist.  und  also  mit  Zuversicht 
zu  holVeii  ist.  dass  in  nicht  ferner  Zeit  durch  eine  V'erölfent- 
liehung  dieses  Objecles  der  Kiinstferseher  in  die  Lage  kom- 
men w  ird,  sich  über  den  W'erth  des  Milstäter  Kreuzganges 
und  die  Bedeutung  seiner  Sculptiiren  ein  eigenes  Urtheil  zu 
verschaffen. 

II. 

Die   C'onfratci'uifä   di  S.    (liovanni   EvaiigcUsta   in 
Venediff. 

In  wenigen  Wociien  wird  in  Venedig  eine  von  den 
sechs  grossen  religiösen  Corporationen  der  sogenannten  Con- 
fraternitäs  '),  deren  Versammlungsorte  (scuola)  seit  .lahr- 
hinulerten  die  .Aufmerksamkeit  aller  Kunstfreunde  auf  sicli 
gezogen  haben,  wieder  restaurirt,  seiner  ursprüglichen 
Bestimnmng  zurückgegeben  worden  sein,  uml  von  nun  an 
wieder  « ie  früher  von  Freunden  der  .Architectur  und  Kunst 
mit  nicht  minder  lebendigem  Interesse  besucht  werden,  als 
die  scuola  di  S.  Bocco,  oder  die  confraternitä  dclla  Caritä 
(die  beutige  Accadcrtua  di  belle  arti)  und  die  von  S.Marco, 
denen  sie  .sich  ihrem  inneren  W'erthe  nach  umuiltelbar 
anschliesst. 

Die  Bestauration  des  flebändes  der  Confi'aternita  di 
S.  (jiovanni  ist  dnr(di  die  aufopfernde  Thäligkeit  der  Mit- 
glieder derselben,  welche  dem  Stande  der  Bauhand  werke 
angehör möglich  gemacht  worden.  Sie  iiaben  das  herr- 
liche (M-bäude  uui  rlic  unbedeutende  Summe  von  liO.OtM»  Lire 
dem  .\rare  abgelöst,  seit  einer  Reihe  von  .lahieu  Mittel 
herbeige.sehall't.  um  es  in  allen  seinen  'rhcilcn  in  «iirdiner 


')    jiiose  scM-lii  ColifintiTfiiU»  waren  ilic:    S.  Marco,  S.  Iliiro».  ili'Ua   Miseii- 
roritia.   tleU.1  C»i-iL:V    S.  T<?uiI(M-i)  uml  S.  (iiüv:uiili  Kvant^cliHln. 


Weise  wieder  herzustellen,  und  sich  seihst  unter  den  Aus- 
spielen des  Gouvernements  als  „corporazione  artistica  di 
mutuo  soccorso "  reconstituirt.  Die  W'iedcrherstelliing 
dieses  Monumentes  hat  in  Venedig  allgemeine  Freude  erregt. 
Conte  A.  Sagred  o  hat  sein  trelTliehes  eben  erschienenes 
Werk  -sulle  consorterie  dellc  arti  edilicatori  in  Venezia" 
jenen  chrenwerthen  Mitbürgern  gewidmet,  die  zur  Her- 
stellung dieses  Gebäudes  beigetragen  haben,  und  der 
würdige  F.  .\.  Ci  cogn  a  hat  eine  kleine  Broschüre  unter 
dem  Titel  „breve  notizia  intorno  alla  coniVaternitä  di 
S.  Govanni  Evangelista  in  Venezia"  veriilTentlicht. 

Ich  glaube  nicht  gegen  das  Interesse  Ihrer  Mitlhei- 
lungen  zu  liandeln,  wenn  ich  Ihnen  einen  .\uszug  aus 
Cicogna's  Broschüre  sende,  denn  es  scheint  niir,  dass  selten 
eine  L'nternehmung  in  so  Imliem  («rade  die  Aufmerksam- 
keit der  Freunde  der  Kunst  verdient,  als  die  der  Bestaura- 
tion der  genannten  Confraternitä.  Ihr  l'rsprung  ist 
folgender: 

Die  vcnetianische  Patricicrfamiiie  de  Ba  d  oari  grün- 
dete im  Jahre  !)7Ü  die  Kirche  des  h.  Fvangelisten  Johannes 
und  vereinigte  damit  ein  bis  zum  Eiide  des  .XIJI.  Jahrb.  beste- 
hendes Spital,  dessen  Prior  unter  dem  l'atronate  der  Familie 
stand.  Im  Jahre  1307  erhielt  eine  confraternitä,  die  sich 
in  der  Pfarrkirche  St.  .\|iollinarc  versanunelte  und  einen 
grösseren  Baum  bednrfle.  von  der  geniinnlen  Patricicrfamiiie 
und  dem  damaligen  Prior  des  Hospitals  St.  (Jiovanni  Buggero 
Cortesi  das  Recht,  sich  neben  der  Kirche  und  dem  Hospital 
St.  (jiovanni  niederzulassen  und  im  .lalire  1340  trat  der 
Prioi'  Jeremias  Badoaro  einen  Theil  des  Raumes  behufs  eines 
Neubaues  der  Confralernilät  ab,  welche  Cession  Tiach  dem 
Tode  des  Jeremias  von  Jakob  Bodoiiro  bestätigt  wurde, 
l'nter  ihm  wurde  im  .labre  1349  der  Bau  der  Scuola  di  St. 
Giovanni  unternommen  und  im  Jahre  14.S3  der  Bau  dersel- 
ben vollendet.  Die  Inschriften  aus  jener  Zeit  sind  noch 
gegenwärtig  erhalten.  .\uf  der  älteren  sieht  man  in  einem 
Basrelief  die  Mitglieder  der  {{rmlerscbaft,  kniend  vor  dem 
h.  Evaug.  Johannes;  Beide  sind  in  gdthisehen  Buchstaben  >). 


*)     Diesl!    IllM'lil'inct)    l:illtcll: 

1. 

Mcci:xf,nii.  i'o.  fato.  yvi:sTii.  i.AVoniEii. 

f.  .MISTIvIl.   I.AVAIiOIAN.  DE.  I.A.  srOI.A. 

nie.  .MisEit,  si:n.  zank.  van(;ki.ista.  ei'1':ii. 

LI  SOI.  ('{).Ml'A(iM.  ICIIEI.M.   ItKM.   DKI.A  .SCOl.A. 

K.  CON.  I.AIDA  (coll:ijiitu)'l»rLI.  NOSTIII.  FUAIU.  E  Fd  FaTO. 

LX).N'.   VOI.ETA   (iMin   voloiili'i).  DEL.  NÜIIEI.E.  OMO.  .MISIEIl.  lACO.W). 

BAIIOEIl.   DITO.  DA  l'EUAOA.  I'HKIII.  DEI.  DITO. 

i.nco.  K  co.N.sTisi'ni.MKTo.  dei.  nodem.  omem. 

MISIKIi.  MAIII.N.  ItADdEH.  DE  SEN.  lACO.MO.  DEI.  OHIO. 

E  .MISEIt.  .MTÜT.  llADOEIt.  DK  SENTO.STINA  (ili  s^iiila  (iiu»liMB)   E  MI.SER. 

ZAM.  llAIXIEIt.  DITO.   DA  I'E1IA(;A.  E  MISEIl.   MAFIO. 

liADOKIl    llE  STOSTI.NA.  SOFlun  (MIO  rnili'll.il.  TnTT.   (AVI,    E   l'AlTlTTf. 

DEI.  lilTi».  i.oco.  eT:  sieh.  l;7rroi,\Mio.  Dir. 

MAZVlO.   Cl  (II.AlOli   (proeoiulorc).    DKL.   .SOVIIA.    iTTTmIS,    Lnl'lUOIl. 

II. 

.MCCCCLIII.  ADI     Vin.    MAflZO.   FO. 

DIMDO.   LA.  I'IlKSEIK.   FAIUIKHA.    DE  OVKSTO. 

AI.IIKIKJO.    FATü.   TVTO.   DA.NVOVU.    DI   UE.M 


—   171   — 

I)amal.s   hat  die  Bruderseliaft  schon  das  Recht  erhalten  ,    im  Bclliiii.  Lazam  Sehastiani,  Hcneiletto  Diana,  ("arpaccio,  Man- 

oberen  Saale  einenAltar  zu  bauen,  die  Mysterien  der  Kirche  sueti  und  Palma  il  Giovanc)  in  die  Säle  der  Akaileiiiio  di-r 

daselbst  zu  feiern.  Schule  zu  halten  und  arme  Mailchen   bei  bildenden  Künste  iibei'tragen,  einige  wenige  nur  (so  «ie  die 

Heirathen  auszustatten.   Im  .lahre  II569  übergab  der  Kanzler  Heliijuieti  des  heil.  Kreuzes)  der  Scuola  erhalten  'J. 

des  Königreiches  Cypern  Filii)po   Masserio    ein  Stück   des  Bis  zum  Jahre   1830  blieb  die  Scuola   verlassen.   Da 

heil.  Kreuzes,  eine  Reliquie,  welche  die  Kirche  iiald  in  den  wurde  der  Gedanke  lebendig,  diese  berühmte  Scuola  wieder 

Kreisen  der  Gläubigen  berühmt  macht.   Die  Ornamente  die-  herzustellen;  und  im  Jahre   183a  wurde   der  Repräsentant 

ser  Scuola  sind  im  reinsten  Renaissancestyle  und  insbeson-  der  arte  edificatoria   Herr  G.  Bioadetti  von  der  Behörde 

ders  sind  es  das  elegante  Eingangsthor  mit  dem  Cortile  vom  eingeladen,  das  Gebäude  um  die  Summe  von  30.000  Lire 

J.  1481.  das  mit  Recht  dem  Pietro  Lombard o  zugeschrieben  für  die  Coafraternitä  zu   übernehmen,   eine  Summe  eben  so 

wird  1).  Die  herrliche  Stiege  und  der  obere  Saal  mit  seinem  gross    für  die  Confraternitä,    als  gering    für  das  herrlicln' 

vielleicht  in  Italien  einzigen  Marmorboden,  sind  Werke  die  wir  Gebäude   selbst;    die    Cunfraternitä's  ,    zu   einer   frommen 

derAiifmerksamkeitder  Architekten  undKunstfreundeempfeh-  Künstler-Gesellschaft   di  mutiio   soccorso  umgestaltet,    bot, 

len.  ÜieserBruderschaft  waren  ausgezeichnetePersonen  bei-  unterstützt  von  einer  Reihe  von  Patrioten  und  Kunstfreunden, 

getreten,  als :  Philipp  II.,  König  von  Spanien,  Don  Juan  alles  auf,  um  das  Gebäude,  das  von  nun  an  wieder  eine  Zierde 

d'Austria,  Diego  diGuzmano  u.  s.  f.,Maler  wie  Gentil,  Venedigs    sein  wird,   herzustellen.     Es  wird,  wie  wir  uns 

Bellini,  Carpaccio,  Lazaro   Sebastiani,  Tiziano,  überzeugt  haben,  mit  aller  Rührigkeit  an  dieser  Restauration 

Vecellio,  Palma  il  Giovane,  Giov.  Mansueti  u.  s.  f.  gearbeitet,   und  wie  anfangs  erwähnt,   in    einigen  Wochen 

schmückten  die    schönen  Räume,    und   ihre  Werke  trugen  vollendet  sein.  Eine  Marmortafel  im  Stiegenbause   wird  die 

nicht  wenig  dazu  bei,  diese  Scuola  berühmt  zu  machen.  Vor  Namen     derjenigen    bringen,     die    sich    um    die    W'ieder- 

eJnem  halben  Jahrhundert  wurden  die   Confraternitä's    und  herstellung  dieser  Scuola  besonders  verdient  gemacht  haben, 

viele  andere  aufgelöst,  die  berühmteren  Gemälde  (von  Gent.  Venedig,  April  18ö7.                                 R.  E.  v.  E. 

Die  ungarischen  Reichsinsignien. 

Von  Franz  Bock,  C-oiüeivator  des  eizljiseliofliclieii  iMuseums  in  Cöln. 

jj  (crystal  de  röche),  der  durch  3  Kreise  in  3  .4btlieilungeii  zer- 
legt wird.  In  diesen  drei  Cmrandungen  zeigt  sich  in  sitzon- 

Das  Scepter.  (Fenila,  virna.)  j      oi   u           i       ni  i     •         it       i                                  i     •             n 

derStellung  das  Bild  eines  Hundes,  wie  es  uns  scheinen  will. 

Dieses  Scepter  der  ungarischen  Könige  ist  in  Rücksicht  dreimal  zurückkehrend.  Diese  Figiirationen  im  harten  Kry- 
seiner  Anlage  und  Composition  sehr  originell  und  auch  hin-  stalle  sind  nur  wenig  erhaben  und  ziemlich  mli  ausgearbeitet 
sichtlich  seiner  technischen  Ausführung  äusserst  zierlich  und  und  tragen  denselben  Charakter,  wie  wir  ähiiliclicliautcrelief- 
reich  gearbeitet.  Es  besteht  aus  zwei  wesentlichen  Haupt-  artig  gearbeitete  Darstellungen  in  Krystall  au  i{elii|iiiarieii 
bestandtheilen:  aus  dem  Stabe  zur  Handhabe  (llstula,  sty-  (opera  crystallina)  in  kirchlichen  Schatzkammern  mehrmals 
lus),  und  aus  der  darauf  befindlichen  Kugel  von  Bergkrystali  gesehen  haben.  Wir  sind  der  Ansicht,  dass  in  dieser  Darstel- 
in  einem  Durchmesser  von  7  Centim.  Die  Handhabe  (Stil)  hing  ein  Hund  und  nicht  ein  anderesThier  zu  erkennen  ist,  was 
in  Form  eines  Rtindstahes  ist,  um  die  Monotonie  der  Fläche  auch  seinen  symbolischen,  tieferen  Grund  daiin  haben  mag, 
zu  heben,  mit  Filigranarbeiten,  romanisc-he  Rlättclien  bil-  dass  der  Hund  als  der  Wächter  aufzufassen  ist  und  das  Scepter 
dend,  belegt.  Diese  Filigranarbeiten,  in  vier  Reihen  geord-  den  königlichen  Wächter  auf  dem  Throne  andeuten  sollte,  dem 
net,  liegen  ziemlich  stark  vorspringend  auf  einer  glatten  der  Hort  und  Schutz  aller  Ihrigen  anvertraut  ist.  (Hieii  und 
Goldiilatte  in  einer  Weise  auf,  dass  in  den  Vertiefungen  sich  unten,  an  den  beiden  Polen  der  Kugel,  belindcn  sich  aus 
derHaucli  der  Jahrhunderte,  als  „aerngonobilis",  festgestellt  Goldblech  zwölfblätliige  Rosen  als  zierliche  Abschlussbelege 
hat,  wodurch  eine  angenehme  Farhschaltirung  gebildet  und  Ornamente,  die  durch  geradliniges  Sprossen«erk  in 
wird.  Der  Stab  mündet  nach  unten  aus  in  einen  kugelför-  Filigran,  das  zum  (\iitium  hingebt.  .Vliiilidikeit  halicii  mit 
migen  Knauf.  Auf  dem  filigranirten  Stabe  erblickt  man  das  den  Fensterrosctien  an  den  frühgothischen  Kathedralen  des 
„pomum  crystallinum,"  einen  ziemlich  grossen  Krystallknauf  nördlichen  Frankreii-hs.  Im  lunein  dieser  mehr  architcktoni- 
scheu  Verzierung  ergibt  sieh  eine  Randverscblingung  iiiFili- 

nE  NOSTRI.  FRADEIJ.  BATVOI.  DE  MIS  SANZVANE. 
EVANGELISTA.  IN.  fEFo.  DEL.  NODEI.E.  HOMO. 

MIS  MARCHO.  BADOER.  FO.  DE.  MIS.   MCIIOI.O.  PRIOR  ')  Die  erhaltem-n  fieniiilile    sind  von  Dom.  Tiiitorello  ,  Saiilo   l'ersii.hi    <iu<l 

DEL   DITO.   LVDGO.   E  DEL   I'ROVIDO.    E   DISIRETO.   OMO  Anilre.i    Vicoutini.    Die    ineiston    iI.t    in    die   Aka.lcniie    nluTffi'S.'iinKi'ni'n 

MIS.    LACUOMO.  TATAIiO.    VAITTha   CHANDO.  GeniüMe   bchandi-lii    ili,-    (Ji-siliiclil,.    doi-    Kren/paitiki'l,    die    sich    noL-h 

DE   LA   DITA.   SCIIVOLA   CON.   SVl)   CO.M'ACi.NI.  gCfCeliHÜrlifc   \m  liusit/;e    des  iillesU'n  t'uaidiano  j;i»"de ,    Conte  (iiovanni 

')  Siehe   Cicognara   fabbriche   Moniiiuenti  i'.isiiieui  di  Vene/.ia,  1840.  voL  Andri^helli    befindet.    Das    beiiihnite   (leniiilde    Ti/.ian's     die    ,esl«si   di 

II.  p.  227,  tav.  197.  S.  (iiovanni-  buni  im  Jahie  ISl'J  naeh  England. 

2i' 


172   — 


•M'an  aussjefühi-t,  wie  sie  bei  den  Orri:tnienteii  des  12.  Jiihr- 
huiidei-ts  sehr  oft  vorkommt.  Sowohl  siuiimtliche  Filigniii- 
veiziei'ungen  als  auch  der  Typus  der  sculptirten  symbolischen 
Darstellungen  in  dem  harten  ungefügigen  Crystal  de  röche 
lassen  vollständig  den  Charakter  des  12.  Jahrhunderts  erken- 
nen, dem  die  vorliegende  „virga"  ihre  Entstehung  zu  verdan- 
ken haben  dürfte.  Nucii  fügen  wir  hinzu,  dass  das  ungarische 
Scepter  dadurch  eine  eigenthümliehe  Gestaltung  gewinnt,  in- 
dem von  den  oberen  liligranirten  Guldlagen  mehr  als  zehn  Kett- 
clien  (ciilenuli),  woran  man  kleinere  Goldkügelchen  erblickt, 
herunterhängen.  Diese  kleinen  „bullae",  die  die  Stelle  der  „tin- 
tinnabuli"  vertreten  sollten,  haben  neben  ihrem  ornamentalen 
Zweck  gewiss  auch  noch  den  anderen  praktischen,  durch 
den  nicht  unangenehmen  Klang  (sonitus),  den  sie  beim  Tra- 
gen des  Scepters  verursachen,  das  Herannahen  des  Königs 
anzudeuten. 

Was  nun  den  ganzen  Habitus  dieses  Scepters  betrifl't,  so 
sei  hier  nur  in  Kürze  bemerkt,  dass  dasselbe  im  Gegensatz  zu 
den  übrigen  Sceptern,  die  sich  noch  aus  älterer  Zeit  im  Occi- 
dente  vorlinden,  nicht  so  sehr  denTrägerdesselben  als  unum- 
schränkt regierenden  Fürsten  und  Gesetzgeber,  der  durch 
das  Scepter  seinen  Willen  zu  erkennen  gab  und  mit  demsel- 
ben hinweisend  seine  Anordnungen  traf,  bezeichnet,  sondern 
die  Form  desselben  deutet  vornehmlich  auf  den  kriegerischen 
Sinn  der  Nation  hin.  die  in  ihrem  König  zunächst  den  Kriegs- 
helden erblickte.  Desswegen  hat  auch  offenbar  das  Scepter 
mehr  die  Form  eines  Streilkulben,  einer  Streitaxt,  wie  sich 
von  solchen  Streitkolben  im  Nationalmuseum  zu  Pesth  in 
reicher  Verzierung  und  meistens  in  edlem  Metall  mehrere 
ausgezeichnete  Exemplare  vorlinden,  welche  von  siebenbür- 
gisehen  Fürsten  und  ungarischen  Grafen  herrühren  sollen. 

III. 
Der  Reichsapfel.  ^Pomi'lliim,  glohiis.) 

Dieser  Reichsapfel  als  ein  „signum  potentiae  et  maje- 
statis"  findet  sich  in  analoger  Form,  wie  früher  schon 
bemerkt,  jedoch  viel  reicher  und  kunstvoller  ausgestattet, 
bei  den  deutschen  Reichskleinodicn  vor.  Es  wird  später 
ausführlicher  darauf  hingewiesen  werden,  wann  der  Reichs- 
apfel im  Occidente  zuerst  in  Gebrauch  gekommen  ist, 
welcher  deutsche  Kaiser  ihn  zuerst  als  ein  Gesckenk  von 
Rom  erhallen  hat  und  weiche  symbolische  Vorstellungen 
damit  zusammenhängen.  Hier  sei  nur  in  Kürze  bemerkt, 
dass,  älteren  Symbolikern  zufolge,  die  früheren  Reichsäpfel 
im  Innern  der  ausgehöhlten  Kugel  mit  Erde  ausgefüllt  waren, 
lierkonimend  vom  Ölberg  oder  Golgotha.  Durch  die  An- 
füllung  mit  dieser  Jlaterie  sollte  der  König  in  seiner  Majestät 
daran  erirmert  werden,  dass  alle  irdische  Grösse  und  Herr- 
lichkeit, wie  Staub  und  Asche  vergehe,  zugleich  sollte  ihn 
die  Erde  vom  Calvarienberg  auch  daran  erinnern,  dass  er 
vor  Allem  ein  christlichor  König  sei,  woran  denselben  auch 
das  Kreuz  mahnte,  mit  welchem  der  kleine  „Globus"  in  der 
Regel  geschmückt  war. 


Was  nun  die  Form  des  ungarischen  Reichsapfels  be- 
triirt  im  Gegensatze  zu  der  äusserst  reichen  und  zierlichen 
Gestaltung,  w  eiche  jener  der  deutschen  Kleinodien  besitzt, 
so   will  es  uns  hinsichtlich  seiner  höchst  einfachen  und 
schmucklosen  Gestalt  scheinen,    dass  vielleicht   der   ältere 
Reichsaiifel  deräusserlichdenselbcnReichthum  wie  das  eben 
beschriebene  Reichsscepter  gezeigt  haben  mochte,  schon  io 
der  Frühzeit  des  Mittelalters  durch  kriegerische  Zwischen- 
fälle   abhanden    gekommen    ist.     Der   jetzige    Reichsapfel 
bestehl  einfach  aus  einem  glatten  Apfel  von  silbervergoldetem 
Riech  im  Durchmesser  von  9  Centimetres.    Auf  demselben 
befindet  sich  ein  Patriarchalkrcuz  mit  doppelten  I5alken,  das 
sogenannte  „croce  hyerosolemmc",  in  derllöhe  von 8 Centi- 
metres, das  ebenfalls  wieder  in  einer  Breite  von  4  Milli- 
metres,  auf  beiden  Seiten  glatt  ohne  Steinschmuck  undFili- 
gran  gearbeitet  ist.    Das  einzige  Ornament,  welches  sich 
heute  noch  an  demselben  befindet,  besteht  aus  einem  klei- 
nen Wappcnschilde,  das  der  Form  nacli  zu  urtheilen,  aus 
dem  Beginne  des  14.  Jahrhunderts  herrühren  dürfte.  Dieses 
Wappenschild  nur  1  Centimetre  und  8  Millimetres  gross, 
zeigt  auf  seiner  Fläche  vier  Abtheilungen,  und  zwar  erblickt 
man  auf  den  sich  gegenüberstehenden  Feldern  auf  blauem 
Grunde  die  vergoldete   Lilie   (fleur  de  lis)   und  auf  den 
beiden  anderen  Feldern  von  der  Linken  zur  Rechten  hori- 
zontal laufende  Querbalken  vergoldet  auf  roth  emaillirtem 
Grunde.  Den  „fleurs  de  lis-  nach  zu  urtheilen  dürfte  dieses 
Wappen  zur  Zeit  der  Könige  aus  dem  Hause  Anjou  seine  Ent- 
stehunggefunden haben.  Noch  ein  zweites  Wappenschildchen 
fand  sich  auf  dem   Reichsapfel  vor.    Weil  jedoch  die  Auf- 
löthung  schwach  war,  ist  dieses  eine  \\'appenschild  bei  der 
letzten  traurigen  Katastrophe  wahrscheinlich  verloren  ge- 
gangen.  Das   eben   beschriebene  fand  sich  gleichfalls  bei 
WiederentdeckuMg  der  Reichskleinodien    Ungarns    abgelöst 
vor  und  wird  heute  getrennt  vom  Reichsapfel  sorgfällig  auf- 
gehoben. 

IV. 

Fussbekleulunjtoii.  (Ti/bialin,  saudaline.  socculi.) 

Diese Tybialien,  die  bei  dem  alten  Krönungsapparat  von 
Ungarn  die  Stelle  der  heutigen  Strümpfe  vertraten,  bieten 
kein  besonderes  Kunslinteresse,  da  sie  nicht  wie  an  den 
Tybialien  der  deutschen  Reichsinsignicn  mit  kunstreichen 
Goldstickereien  und  Inschriften  ornanienlirt ,  sondern  aus 
ungemustertem  ])urpurviolettem  schwerem  SeidentalTet  in 
Form  der  alten  Tybialien  zusammengefügt  sind.  Diese  Strümpfe 
in  herkömmlicher  Weise  aus  Seidenzeug  zusammengesetzt, 
wurden,  wie  es  uns  scheinen  will,  bei  Krömmgen  über  die 
anderen  Fussbekleidungen  gezogen  und  unter  dem  Knie 
befestigt.  Es  scheinen  zu  dem  älteren  Krönungsapparate, 
ausser  der  Alba  und  der  Tunica.  die  lieule  nicht  mehr  vor- 
findlich  sind,  auch  noch  reich  verzierte  Tybialien  gehört  zu 
haben,  die  wahrscheinlich  beim  Einfalle  der  Türken  in  die 
Hände  Sideiman"s  gefallen  und  verloren  gegangen  sind. 


173 


Die  heutigen  Strümpfe  sind  aus  demselben  gewebten 
Seidentaffet  angefertigt,  der  auch  als  Futterzeug  (doubiure) 
in  dem  heutigen  Krünungsmantel  im  Beginne  des  18.  Jahr- 
hundertsangewandt worden  ist,  und  scheinen  auch  aus  dieser 
Zeit  die  noch  vorfindlichen  Tybialien  herzurühren.  Auch  die 
heute  noch  aufbewahrten  Sandalen  bieten  nicht  das  geringste 
Interesse  für  die  Archäologie.  Dieselben  sind,  ebenfalls  ohne 
alle  Ornamentalion  und  Stickerei,  als  ein  dürftiges  Surrogat 
fiir  ältere  verloren  gegangene  socculi  zu  betrachten.  Der 
Form  nach  zu  urtheilen  scheinen  diese  „calceamenta"  die 
ebenfalls  wie  die  Tybialien  durch  die  beklagenswerthe 
Versenkung  in  neuester  Zeit  gänzlich  unbrauchbar  ge- 
worden sind,  aus  der  Zeit  König  Matthias  II.  herzurühren. 
Dafür  spricht  nicht  nur  die  breite  und  stumpfe  Form  ihrer 
Ausmündung  sondern  auch  der  röthliche  erloschene  schwere 
Atlas,  woraus  sie  angefertigt  worden  sind. 

Y. 

Das  Schwert.  (Gladitis.) 

Unter  den  Reichskleinodien  im  Schlosse  zu  Ofen,  von 
den  alten  ungarischen  Königen  herrührend,  bietet  unstreitig 
das  daselbst  aufbewahrte  Schwert  in  formeller  und  artisti- 
scher Beziehung  das  bei  weitem  geringste  Interesse.  Schon 
bei  der  jüngsten  Wiederauffindung  sämmtlicher  älterer 
Kleinodien  haben  sich  mehrere  competente  Stimmen  dahin 
geäussert,  dass  dieses  Schwert  wohl  kein  hohes  Alter 
beanspruchen  dürfe  und  dass  es  am  allerwenigsten  auf  die 
Zeit  des  heil.  Stephan  zurückgeführt  werden  könne.  Schon 
die  äussere  Form,  noch  mehr  aber  das  kleine  Ornament,  das 
an  dem  oberen  breiten  Theiie  des  Schwertes  eingravirt  ist, 
nicht  weniger  die  Handhabe  des  Schwertes  selbst,  ferner 
auch  das  Material  sind  auch  weniger  geübten  Augen  ein 
deutlicher  Beweis,  dass  das  Schwert  als  ein  einfaches  Rit- 
terschwert, herrührend  aus  der  Frühzeit  der  Reniiaissance 
etwa  aus  der  Zeit  Franeoi's  I.  oder  Henri  IV.  zu  betrachten 
sei.  Die  Schneide  des  Schwertes  selbst  misst  in  ihrer  gröss- 
ten  Länge  etwa  72  Centim.  Dieselbe  mündet  in  Form  eines 
Dolches  nach  unten  geradelinig  in  einer  Spitze  aus.  Oben, 
wo  die  Schneide  ihre  grösste  Breite  zeigt,  erblickt  man, 
wenn  auch  vom  Roste  stark  angefressen,  auf  beiden  Seiten 
eine  einfache  Gravirung  mit  nur  einigen  Spuren  einer  früheren 
Vergoldung.  Es  zeigen  sich  nämlich  von  Laubornamenten 
mit  Fruchtbildungen  umschlungen,  zwei  kleinere  Medaillons, 
mit  zwei  männlichen  Brustbildern  ,  wie  sie  im  Charakter 
und  Costümc  der  italienischen  Renaissance  aus  dem  Beginne 
des  XVI.  Jahrhunderts  immer  wieder  angetroffen  werden. 
Die  Scheide  des  Schwertes,  so  wie  der  rothe  Sammetüber- 
zug  am  Kreuzgriffe  der  Klinge  ist  neuesten  Ursprungs. 

VI. 

AltarkreiiK.  (Crux  aUaris  paciflcah.J 

Dieses  in  Filigran  reich  verzierte  Kreuz  ist  zugleich 
als  Reliquiarium  eingerichtet  und  sind  in  demselben  mehrere 


Reliquien  eingeschlossen.  Es  bedienten  sich  dieses  in  Gran 
befindlichen  Pacificales  die  Könige  Ungarns  bei  der  Krönung, 
wenn  sie,  dasselbe  erhebend,  den  Schwur   ablegten,   die 
Inmiunitäten  und  Gerechtsamen  des  Landes   nach  den  alten 
Satzungen  aufrecht  erhalten  zu  wollen.    Hinsichtlich  seiner 
kostbaren  künstlerischen  Ausstattung  erinnert  dasselbe  viel- 
fach an  die  Ferula,   die  unter  den  Insignien  der  Krone  Un- 
garns sich  heute  noch  vorfindet.    Dieses  Scepter  nämlich  ist 
wie  das  in  Rede  stehende  Kreuz  in  seinen  wesentlicheren 
Theilen  durch  Filigranarbeiten  im  feinsten  Gold  ebenso  reich 
ornamentirt,  wie  die  vordere  und  Rückseite  dieses  Pacificales. 
uiul  man  möchte  wegen  der  Analogie  der  Technik  fast  ver- 
sucht sein,  die  Anfertigung  dieser  beiden  Stücke,  einem  und 
demselben  Künstler  zu  vindiciren.     Das  Kreuz  selbst,  aus 
Goldblättchen  angefertigt,  misst  in  seiner  grössten  Länge 
27  Centini.,  bei  einer  Breite  von  fast  22  Centim.  und  hat 
die  Form  eines  lateinischen  Kreuzes.     Die  Ausmündungen 
der  vier  Kreuzbalken  sind  verziert  nach  der,  in  der  romani- 
schen Kunstepoche  gewöhnlich  vorkommenden  Weise   des 
Dreiblattes  (trifle),  und  es  tritt  als  weitere  Verzierung  noch 
eine  halbkreisförmige  Ausladung  in  den  Winkeln  hinzu,  wo 
das  Dreiblatt  sich  ansetzt;  auch  ist  das  dritte  Blatt  als  Aus- 
mündung seinerseits  in  drei  kleine  Blätter  getheilt,  wodurch 
dem  Ganzen  eine  zierliche  und  bewegte  Physiognomie  ver- 
liehen wird.    In  dem  Durchkrcuzimgspunkt  der  Querbalken 
ist  wieder  eine  vierblättrige  Rose  (Vierpass)  durch  Filigran- 
Cordonirung  angedeutet,  in  welehen  ein  Fiiigran-Kreuz  von 
gleich  langen  Querbalken,  den  vierten  Pass  ausfüllend,  sich 
befindet,   das  mit  einer  Krystallfläcbe  verschlossen  ist,  in 
welcher  sich  anscheinend  Reli({uien   befinden.     Leider  hat 
eine  ungeschickte  Hand,  die  den  Kunstwerth  des  primitiven 
Kreuzes  in  Filigran  nicht  zu  beurtlieilen  wusste ,  die  ^  icr 
Zwischenfelder,   die    durch   den  N'ierpass  mit   dem   darauf 
befindlichen    Kreuze   gebildet   werden  ,    mit  GoMbUittelu'ii 
ausgefüllt,  worauf  spielende,  nichtssagende  Ornainento  in 
vielfarbigem  Email  sich  befinden.    Diese  emaillirtcn  Gold- 
blättchen verdecken   die   älteren  Filigranverzierungen,  die 
sich  darunter  befinden,  wie  das  eine  genaue  Besichtigung 
ergeben  hat;  ebenso  ist  auf  eine  sehr  misslungeue  Weise, 
wie  es  den  Anschein  hat,  von  einem  italienischen  Künstler  aus 
Venedig  oder  Floi'eiiz,  gegen  Sclihiss  des  XVI.  Jahrhunderts 
ein  sehr  stilwidriges  Fussstüek  in  Gold  mit  nichl^s;^gellden 
Emailverzierungen  hinzugefügt  worden,  das  zu  der  fonnen- 
gerechten  Technik  des  prindliven  Kreuzes  schlecht  passen 
will.     Vielleicht  mochte  das    ursprüngliche  Pedalstüek   des 
Kreuzes  durch  langen  Gebraucli  Schaden  erlitten  haben,  so 
dass  diese  unglückliche  Erneuerung  für  nolhw  endig  erachtet 
wurde. 

Dass  das  Kreuz  als  Pacificale,  mit  welchem  die  Könige 
Ungarns  in  der  Vorzeit  den  Schwur  der  Treue  leisteten, 
früher  ebenfalls  mit  einem  Fuss  und  mit  derselben  techni- 
schen und  dem  Kreuze  übcreinstinmicnden  .\usstattung 
versehen  war,  bezeugt  die  Hinzufiigung  von  drei  länglichen 


-    174 


Raiitlrtiiclioii.  die  mit  Filigran  und  Perlen  reieli  verziert  sind, 
wie  sie  der  (idldseliinidt  um  d;is  XVI.  ■I:dirlinndert  an  dem 
:ilfen  sehadiiaflen  Fiisse  abirenonnnen  und  seinem  neuen 
MiicIiuiM-ke  auf  eine  iiiischieixlieiie  Weise  einverleilit  hat. 
Seihst  die  Form  (h\s  Fusses  selu'int  in  dessen  areliit<'ktoiii- 
seiier  Cünstruetioii  noeh  einitre  Uemiiiiscenzen  an  die  alten 
Formen  desshalh  zu  bieten.  Wir  haben  es  nieht  der  Mühe 
wertb  erachtet,  jene  Tliei!(>  des  |praehtvuiien  Kreuzes,  die 
viel  jünireren  l'rspruniis  sind,  und  mit  dem  Kreuzi^  in  keiner 
llariniinie  stehen,  in  einer  Zeichnuntr  zu  veiMMseliauliclien, 
es  sei  daiier  aiieli  n-eslattet.  iii  i\cv  nesehreiliun^-  davon  zu 
abstrahiren,  unil  dafür  einij^e  Amieutunjjen  über  die  orna- 
mentale Bes<-hafyenlieit  der  vorderen  und  hinteren  Facade 
des  Paeifieals  zu  geben. 

Ni<'lil  iiui'  duicii  die  zierlieh  entwiekelte  Filigranarlieit. 
sondei'u  auch  durch  den  sehiinsteu  Sehmuek  der  Kdejsteine 
zeichnet  sieh  die  vordere  Seite  hedeuleud  von  der  llüekseite 
aus;  siimmllirlie  FiliL;i'anarheiten  stehen  auf  d(M'  Mauptseite 
ziendieh  frei  und  hoeli  auf.  Das  aufgellitliete  Filigran  in  den 
(ioldideclieii  dient  iihnlicli  wie  an  dem  lieielisapfel  und  den 
Kleinodien  r)eutsehlands  blos  dazu,  um  als  Stilehen  hier 
zur  .\ufnahme  von  kleinen  Rosen.  Friiehtbildnngen  und 
Blattcheii  zu  dienen,  die  äusserst  fein  in  Gidd  aufgelölhet  sind. 
,ledes  der  vier  Pniseiiblattei-  ist  in  der  Mitte  mit  einem  läng- 
lichen Saphir  verziert,  der  in  Goldleisten  von  derber  Fassung 
befestigt  ist.  Diesen  umgeben  4  bis  S  grössere  orientalische 
Perlen,  die  in  einer  Filigran-Einfassung  contourirt  sind.  Die 
Amethysten,  welelie  indem  Blatt  auf  der  Ausmündnng  der  Rose 
angebracht  sind,  simi  nicht  pi-imitiv.  wie  das  nicht  nur  die 
Faeettirung  dieser  Steine  beweist,  sondern  auch  die  andere 
Einfassung  dei'selben.  Dessgleichen  sind  auch  auf  dem  Fili- 
grankreuz des  nnitleicn  \'iei'jiass  die  Smaragde,  wie  es 
scheint,  zur  selben  Zeit,  als  der  Fuss  hinzugefügt  wurde, 
angesetzt  worden.  Für  die  Eclitheit  derselben  wollen  wir 
vorliiulig  nicht  einstehen,  l'brigens  wurde  leider  das  schöne 
Kreuz  in  seiner  vordei-eu  .  reichgesclimückten  Fa(,'ade  sehr 
entstellt  durch  eine  ungeschickte  llinzufügung  V(Ui  4  kleinen 
Kryslallkreuzen,  die  auf  den  4  Fl;i(dn'n  der  Kreuzhaiken 
unscliön  angebracht  sind,  wo  früher  sidi  länglicli  geformte 
Amethysten  oder  Rubinen  befanden;  es  wird  dies  auch  durch 
die  Cordoninmg  und  Einfassung  angezeigt,  die  sich  unter 
den  Glaskreuzen  des  (d)eren  Ki-euzbalkcns  befimlet. 

I>ie  hintere  Seite  des  Pacificales  ist  einfach,  mit  Fili- 
granverzierungen in  gefälligen  Verscliliugnugen  ornainentii't 


und  es  befindet  siidi  hier  keiuSchnnick  V(Uil'erleu  und  Edel- 
steinen. Auf  der  rosenförmigen  Ausmündunff  der  4  Ralkeii 
erblickt  man  hier  ziemlich  stark  liervorlretend  vier  runde 
Kapselu  in  einem  Durchmesser  von  3-;5  Centim.,  die  sich 
in  Form  einer  Kapsel  ölVnen  lassen  und  olTenbar  den  Zweck 
trugen,  als  Repositorinm  zur  Verscliliessung  von  Reli(|uien 
angewandt  zu  werden.  Der  rnilllere  Vier[>ass  auf  der  Durch- 
kreuzung im  grössteii  Din-chmesser  von  8  Centim..  corre- 
spondirend  nnt  dem  älinlielien  Vier|)ass  auf  der  vorderen 
Flüche  ist  auch  hier  sehr  unschön  von  der  Restauration  des 
XVI.  Jahrhunderts  mit  einer  analog  gestalteten  Goldplatte 
verdeckt,  die  im  Innern  das  unkünstleriseh  getriebene  Stand- 
bild der  Hinunelskönigin  zeigt,  als  Immaculata  regiiia 
Stehemi  auf  dem  Monde,  umgeben  von  der  Sonne  mit  der 
ln>ichrift  in  blauem  Email:  Regina  eoeli  patrona  Hungariac. 
.\uch  die  ziemlich  breiten  Seitenwände  (\''i  Centim.)  diese.s 
reichverzierten  Paciticales  der  ungarischen  Krone  entbehren 
nieht  des  Detaiischmuckes,  denn  man  erblickt  dem  ganzen 
Kreuze  entlang  eine  kleine  Bogenstellung  von  Filigran,  in 
welcher  in  derselben  Technik  zugleich  die  Capiliile  und 
Sockel  durch  Goldpunkte  angedeutet  sind.  Auch  dürfte  e,s 
nicht  schwor  fallen,  bei  der  so  stylistisch  ausgeprägten  for- 
mellen Einrichtung  des  Kreuzes  res[iective  des  ersten  Auf- 
risses desselben  mit  ziemlicher  Sicherheit  die  .Jahreszahl  der 
Entstehung  desselben  annähernd  zu  fi.xiren.  Nach  .\nalogie 
mit  mehreren  anderen  kircldiclien  Kunstobjecten  in  Filigran 
dürfte  das  Kreuz  seine  Entstehung  zu  jener  Zeit  gefunden 
liaben,  wo  di<>  Goldschrniedekunst  den  iiöhepuidit  der  tech- 
nischen .\usbildung  erstiegen  hatte  ,  was  unstreitig  gegen 
Schluss  der  romanischen  Knnslepoche  unter  der  Regierung 
der  letzten  llohenstautVen  der  Fall  war.  Nach  Analogie  eines 
vollkommen  ähnlichen  Kreuzes  mit  Doppelhaiken.  das  die 
Pfarrkirche  St.  Johann  zu  Burd  scheid  bei  Aaciien  iieutc 
noch  l)esitzt  (herrührend  aus  einem  früheren  Kloster  der 
Krenzhen-en  in  dcrXähe  von  Mastricht)  wird  auch  das  unga- 
rische Pacilicale  zur  Zeil  der  Regierung  der  Arpaden  gegen 
Schluss  des  XII.  oder  Beginn  des  XlII.  Jahrhunderts  seine 
Anfertigung  von  der  Hand  eines  seiir  geübten  Goldschmiedes 
gefunden  hai)en.  Es  wäre  im  Interesse  dieses  merkwürdigen 
Pacificales  gerecht,  zu  verfügen,  dass  bei  einer  künftigen 
Restauration  sännntliche  Znlhaten  der  späteren  Zopfzeit  mit 
Einschliiss  des  Fusses  entfernt  und  von  Meisterhand  nach 
Analogie  von  allen  Pedalstückeu  in  Filigran  stilgemäss  wie- 
der ei-o;änzt  würde. 


Die  alten  Bandenkmale  des  Iselthales  in  Tirol. 

Von    'i      T  i  n  k  h  a  u  s  0  r  .    k.  k.  Conscrvalor    fiir    iliii    Hrixio-i-    Knis  in  Tirol. 

(Mit  einor  Tafel  ) 


Eines  der  grössten  und  merkwin-digsleu  'rliäler  von 
Tirol  ist  das  Iscilhal.  welches  sich  mit  den  Seiti'ulhiileru 
Virgen.  W  i  nd  i  seil  -  M  a  t  re  i  und  Kais  von  der  gewal- 
tigen Gebirgskette  des  Krinnnler,  Velher  und  Kaiser  Tauern 
Lei  Lienz  in    das  freundliciie  Drauthal  iierahsenkt.    Da   wo 


sicii  die  beiileu  Thäli'r  vereinigen,  breilel  sich  eine  schiMie 
und  «  eilgedchnte  Ebene  von  frucbtbaien  Feldern  und  grü- 
ueudein  Wiesengrund  ans.  Zahlreiche  Ortschaften  an  der 
Thalsidile  und  auf  dem  Miltelgebirge  beleben  die  F>and- 
schaft.    und    halbverfallene   BurL'eu    erinnern    an    die   edlen 


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—  173 


lind  mächtigen  Geschlechter ,  weldie  einstens  in  dieser 
Gegend  blühten.  Den  Eingang  in  das  Iselthal  beherrscht 
die  Stadt  Lienz;  rechts  thiirnien  sich  die  Mauern  des  stol- 
zen Schlosses  Brück,  links  ragt  auf  dem  llügelgclande,  die 
majestätische  Pfarrkirche  zum  h.  Andreas  empor. 
Wir  bewegen  uns  hier  auf  einem  classischen  Boden  für  die 
alte  und  mittlere  Geschiclite  Tirols.  Die  Stadt  Lienz  hat 
ihren  Namen  vom  alten  Loncium  entlehnt,  welches  sich 
nördlich  von  der  jetzigen  Stadt  auf  dem  mit  Dörfern  und 
Obstgärten  besetzten  Bergeshang  von  Oberlienz  bis 
Dewant  gelagert  hat.  Es  war  eine  römische  Municipal- 
stadt,  und  bildete  eine  Station  an  der  vielbesuchten  Handels- 
strasse ,  welche  Aquileja  mit  Augsburg  auf  der  kürzesten 
Linie  über  den  Kärntner  Kreuzberg,  Loncium,  Aguntiim 
und  Veldidena  verband.  Die  vielen  römischen  Münzen  und 
ansehnlichen  Denkmale .  welche  man  in  dieser  Gegend 
gefunden  hat,  und  die  zum  Theil  noch  aufbewahrt  werden, 
sind  die  treiiesten  Zeugen  römischer  Herrschaft  und  Cultur. 
Die  Spuren  derselben  rufen  uns  sogar  in  die  abgelegenen 
Thäler  Wi  ndisch-Ma  trei  und  Virgen,  ja  selbst  in  das 
Möllthal  zu  den  uralten  tauriscischen  Goldgruben. 

Gegen  das  Ende  des  VL  Jahrhunderts  drangen  die 
Wenden  in  das  Pusterthal  ein  und  besetzten  die  Gegenden 
bis  Anras  und  Windisch-Matrei.  Die  slavischen  Orts-  und 
Familiennamen,  denen  man  in  diesen  Gegenden  allerwärts 
begegnet,  beweisen,  dass  sich  ihre  Nachkommen  bis  auf  den 
heutigen  Tag  noch  erhalten  haben. 

Gewaltige  Kämpfe  wurden  zwischen  ihnen  und  den 
Bojoariern  geschlagen.  Ob  das  alte  Loncium  bei  dem  ver- 
heerenden Andrang  dieser  Völker  oder  später,  wie  die  Sage 
meldet,  durch  einen  Bergsturz  zerstört  worden  sei,  oder  ob 
beide  Missgeschickc  die  armen  Bewohner  getrollen  haben, 
lässt  sich  nicht  bestimmen.  Die  Trümmer  von  Säulen.  Bogen- 
gängen, Mussivböden  u.  s.w.,  welche  man  vor  einem  Jahr- 
hundert in  der  Nähe  von  Lienz  zwischen  Nussdorf  und 
Dewant  ausgegraben  hat,  sind  zu  wenig  untersucht  worden, 
als  dass  man  daraus  einen  Schluss  ziehen  oder  eine  Ver- 
miithung  schöpfen  könnte.  Unbekannt  ist  auch,  wann  die 
Stadt  in  ihren  jetzigen  Standort  an  den  [fem  der  Isel  ver- 
legt worden  ist.  Seit  der  Theilung  der  tirolisch-görzischen 
Lande  (1271)  war  Lienz  eine  beliebte  Residenz  der  görzi- 
schen Linie  und  schwang  sich  zu  hoher  Blüthe  und  zu  einem 
ansehnlichen  Wohlstand  auf.  Viele  Edlen  hielten  sich  hier 
im  Dienste  der  reichen  und  mächtigen  Grafen  auf.  Lienz 
erhielt  ein  Burggrafenamt  und  eine  eigene  Müiiko.  Mit 
dem  Tode  Leonhard's,  des  letzten  Grafen  von  Görz  (1500), 
sank  es  zu  einem  einfachen  Landstädtclien  herab.  Der  Adel 
verliess  nach  und  nach  die  Stadt,  und  die  meisten  Burghal- 
den  in  der  Umgebung  zeigen  nur  mehr  lUiinen  oder  kaum 
erkennbare  Spuren  dahin  geschwundener  Zeiten. 

.Aus  den  Zeiten  der  Grafen  von  Görz  haben  sich  in 
Lienz  nur  mehr  zwei  bedeutende  Bauwerke  erhalten,  näm- 
lich  die    Pfarrkirche    und   das   Sc  bloss   Brück.    Die 


Pfarrkirche  zum  h.  Andreas  .\postel  erhebt  sich  abseits  von 
der  Stadt  am  linken  Ufer  der  Isel  auf  einem  Hügel,  wo  man 
eine  sehr  freundliche  Aussicht  über  das  ganze  Thalgebäude 
geniesst.  Sie  bildet  einen  gothischen  Bau  von  anselinlicher 
Grösse  mit  drei  Schill'en  im  Langliaus,  wovon  das  mittlere 
die  beiden  anderen  überragt.  Im  Jahre  1444  brannte  die 
alte  Pfarrkirche  mit  der  Stadt  ab;  in  wenigen  Jahren  ward 
die  jetzige  erbaut,  welche  Benedict,  Erzbischof  von 
Tiberias,  am  9.  October  1457  eingeweiht  hat.  Weder  an 
den  Pfeilern,  worauf  die  .\rcaden  der  Schiire  ruhen,  noch 
im  Gewölbe ,  ja  nicht  einmal  an  der  steinernen  Kanzel 
bemerken  wir  schöne  Formen.  Die  masslos  grobe  Tiiiiclic. 
womit  man  die  ganze  Kirche  belegt  hat,  scheint  viele  Theile 
zu  verdecken.  Der  Chor  ist,  so  viel  ich  mich  erinnere, 
durch  Bauten  in  späterer  Zeit  verunstaltet  worden  und  das 
Presbyterium ,  welches  im  Jahre  1738  sammt  dem  Thiiiin 
durch  einen  Blitzstrahl  theilweise  zerstört  worden  ist,  hat 
nun  ganz  den  Baustyl  und  die  Ornamentik  der  damaligen  Zeit. 

Merkwürdig  an  dieser  Kindie  ist,  dass  sie  auch  zugleich 
als  fürstliches  Maiisulcurn  diente.  Diese  Bestiinniiing  findet 
sich  deutlich  in  den  Baulheilen  der  Seitenschille  ausgedrückt. 
Jedes  derselben  ist  nämlich  mit  einem  starken  Fronbogen 
quer  durchschnitten  und  gleichsam  abgetheilt.  Von  diesem 
Bogen  bis  zum  Abschluss  am  Presbyterium  sind  die  Seiten- 
wände der  Nebenschill'e  mit  zierlichen  Schrägen  ausgestattet, 
so  dass  diese  Räume  lorinlich  ausgeschieden  und  mit  Absiciit 
vor  anderen  ausgezeichnet  erscheinen.  Hier  befanden  sich 
auch  wirklich  zwei  vom  Boden  bedeutend  erhabene  Grab- 
monumente mit  kunstbarer  Steinarbeit.  Auf  der  Evangelien- 
seite  war  das  Grabmal  Leonliards,  des  letzten  Grafen 
von  Görz.  Darunter  lag  eine  kleine  Gruft,  in  der  aber  nie 
eine  Leiche  lieigesetzt  vdrdeii  ist.  \\'enigstens  hat  man  da- 
von keine  Spuren  gefunden.  Gegenüber,  nämlich  im  Seiten- 
schilVauf  der  Epistelseite,  erhob  sich  das  Grabmal  der  Burg- 
grafen von  Lienz.  Später  hat  sich  der  prunkliebende 
Gerichtsherr  Michael  Freiherr  von  Wolkenstein  ein 
ähnliches  Monument  im  Mittelschiffe  setzen  lassen.  Diese 
drei  Denkmale  erhielten  sich  in  der  Kirche  bis  gegen  das 
Ende  des  vorigen  Jahrhunderts,  um  welche  Zeit  sie  um  Raum 
zu  gewinnen  auf  Amirdiiung  des  Decaiis  und  Pfarrers  J  o- 
hann  Wilhelm  v.  Sterzinger  eingesenkt  worden  sind. 
Die  drei  prächtigen  Steine,  welche  mit  ihren  schönen  Wap- 
pen und  Schildimgen  die  Grabhügel  deckten,  sind  jetzt  in 
der  Kirche  aufgestellt  und  die  Trümmer  iler  kunstvoll  ge- 
meisseltcn  Sockel  liegen  zerstreut  im  Friedhof  heruiii.  Eine 
eigenthümliclie  Form  zeigt  sieh  au  den  Portalen  dieser 
Kirche  und  diese  Form  habe  ieli  in  der  ganzen  Umgebung 
von  Lienz  vorherrsebend  gefunden.  Das  innerste  Glied,  d. 
h.  die  eigentliche  Thür.  hat  den  Rundbogen,  über  «elehein 
sich  die  Stäbe  und  Ibdilkehlen  der  Einsehrägung  im  S|)itz- 
bogen  vereinigen. 

Aus  dem  Friedhof  gelangt  man  in  die  Krypta,  welche 
den  Unterbau    des    Presbyteriums    bildet.    Das   schmutzige 


—    176 


Aussehen  und  die  ganz  miserable  Einrichtung  sind  zwar 
nicht  ciiiiadend,  aber  w'iv  find(Mi  hier  die  liesle  Structur  im 
ganzen  Bau,  nändicli  ein  sehr  schön  gegliedertes  Netzge- 
wülbc.  welches  ein  vollständiges  Achteck  umgibt.  Die  fünf 
Seiten  des  Achteckes,  welche  den  Chor  der  Kirche  ahschlies- 
sen,  senken  sich  in  den  rnterbau  hinab  und  werden  hier 
durch  drei  Gurten,  welche  in  der  Wand  und  auf  zwei  vor- 
springenden Säulen  aufsitzen,  zum  ganzen  Achteck  fortge- 
führt. Über  dieses  schwingt' sieh  das  schiine  Gewölbe,  wel- 
ches von  einem  starken  Mittelpl'eiler  getragen  wird,  und  aus 
ganz  regelmässig  geometrischen  Figuren  zusammengesetzt 
ist.  (Vergl.  Tafel  YII,  Fig.  .1  und  B.) 

Uas  zweite  bedeutende  Gebäude,  welches  uns  in  I^ienz 
aus  der  Görz'schen  Periode  gezeigt  und  von  den  ncisenden 
sehr  liäufig  besucht  wird,  ist  das  Sc  bloss  liruck,  welches 
sich  am  rechten  l'for  der  Isel  auf  einem  zum  Tlieil  bebauten 
und  mit  Bäumen  bewachsenen  Felsluigel  erhebt.  Es  bewacht 
den  Eingang  in  das  Iselthal,  und  die  ganze  Gegend  weithin 
heherrschend  bietet  es  eine  herrliche  Fernsicht.  Die  weit- 
läufigen Gebäude,  wie  sie  jetzt  zu  sehen  sind,  gehören  ver- 
schiedenen Zeiten  an.  Einige  reichen  in  die  romanische  Pe- 
riode hinauf  und  stammen  wahrscheinlich  aus  der  zweiten 
Hälfte  des XIII.  Jahrhunderts.  Unter  diesen  nimmt  den  ersten 
Platz  die  romanische  Bürge apel  le  ein.  Der  Grundriss 
zeigt  ein  Quadrat  mit  der  anliegenden  Apsis,  der  Aufriss 
aber  zwei  Stockwerke,  wovon  das  obere  von  dem  untern  in 
der  .\psis  durch  ein  Gewölbe,  im  Quadrate  aber  durch  einen 
hölzernen  l'mgang  getrennt  wird.  Jedes  Stockwerk  hatte 
einen  Altar,  jetzt  sind  nur  mehr  die  gemauerten  Altartische 
zu  sehen.  Über  den  Apsiden  steigt  der  Rundbogen  auf,  das 
Quadrat  aber  wird  von  einem  gothischeu  Kreuzgewölbe 
umspannt.  Die  Capelle  wird  jetzt  ganz  vernachlässigt  und 
dem  Veifalle  preisgegeben.  Der  Umgang  ist  morsch  und 
das  Jlauerwerk  klüftet,  so  dass  die  Gefahr  des  Sturzes  nur 
durch  die  Verbindung  mit  den  andern  Gebäuden  vor  der  Hand 
beseitiget  ist.  Die  Capelle  ist  beinahe  ganz  bemalt.  Einzelne 
Bilder  haben  sich  noch  ziemlich  gut  erhallen:  sie  slammen 
nach  meiner  Meinung  aus  dem  XV.  Jahrliundert.  Die  vor- 
züglichsten sind  und  zwar  im  unteren  Stockwerke  einige 
Figuren  von  Heiligen,  zwischen  und  neben  den  engen 
romanischen  Fenstern,  dann  an  der  Wandfläche  des  Qua- 
drates rechts,  d.  i.  auf  der  Evangclienscite  das  Hinsehei- 
lien  Mariens;  im  oberen  Stockwerk  links  an  der  Wand 
Ciiristus  am  Olberg,  rechts  die  Vorstellung,  wie  Ma- 
ria über  ihre  Pflegekinder,  unter  welchen  die 
G5rz"sche  Familie  den  vorzüglichsten  Platz  ein- 
nimm t ,  den  S  c  h  u  t  z  m  a  n  t  e  1  breitet. 

In  der  Mauer  am  Schlosseingang  war  vor  einigen  Jahren 
noch  ein  römischer  Arastoin  zu  sehen,  welcher  in  zwciFtidern 
eine  Venus  Leda  und  Caslor  mit  der  Lanze  und  dcmPlVrde 
vorstellte.    Er  wurde  in  das  städtische  Rathhaus  übertragen. 

Von  Lienz  führt  eine  ziemlich  gute  Strasse  nordwest- 
hch  durch  das  äussere  Iselthal  neben  den  mit  Gesträuch  und 


ßäimien  bewachsenen  Ruinen  der  alten  Yeste  Kienburg  vor- 
bei nach  Win  di  sc  h -Ma  tre  i ,  und  von  da  gegen  Westen 
ein  steiler  ^^  eg  am  Bande  jähabschüssiger  Bergeshänge  in 
das  .Thal  Virgeu.  Drei  nicht  mianschnliche  Ortschaften 
lagern  hier  nach  einander,  nänilich  Mittcldorf,  Virgen 
und  Obermauern.  Im  letzteren  finden  wir  die  schöne 
gothische  Kirche,  welche  uns  nun  beschäftigen  soll.  Diese 
erhebt  sich  auf  einem  rasigen  Hügel ,  V(ui  wo  aus  man  das 
ganze  Thal  bis  gegen  Matrei  übersehaul.  Zahlreiche  Wall- 
fahrer konnncn  daher  zu  dieser  freundlichen  Stätte,  um  U. 
L.  Frau,  welcher  die  Kirche  geweiht  ist,  ihre  Verehrung 
darzubringen  und  den  mäclitigen  Schutz  derselben  zu  erfle- 
hen. Aus  den  Opfergaben  dieser  frommen  Waller  ist  auch 
die  Kirche  gebaut  worden.  Den  äusseren  .\id)lick  stört  der 
Thurm,  welcher  das  Spilzdach  verloren  und  dafür  einen 
Ku|.pelbau  erhalfen  hat.   (Vergl.  Taf  VII,  Fig.  C.  D.  E.) 

Der  Grundriss  zeigt  ein  einfaches  Schilf  und  das 
Presbyterium,  welches  mit  drei  Seiten  des  Achteckes  abge- 
schlossen wird.  Die  Massen  der  einzelnen  Theilc  sind  nach 
einem  bestimmten  G r  u  n  d  v  e r h  ä 1 1 n  iss  streng  durchget'ührt. 
Dieses  Grundverhältniss  ist  4:7.  So  verhalten  sich  die 
Traveen  des  Sciiidcs  zur  Breite  desselben,  die  Breite  des 
SchilTes  zur  Länge  desselhen .  die  Länge  des  Schilfes  zur 
Länge  der  ganzen  Kirche,  die  l^änge  des  Viereckes  im 
Presbyterium  zur  Länge  des  Schiffes,  und  die  Breite  des 
Presbyteriums  zur  Länge  desselben  mit  Einschluss  des  Fron- 
bogens.  Das  Gewölbe  ist  ein  leichter,  lebendiger  Bau;  die 
einzelnen  Felder  zeigen  strenge  geometrische  Figuren;  die 
Giebelpunkte,  wo  die  Rippen  sich  durchkreuzen,  sind  mit 
Heiligenbildern  oder  Wappenscliildimgen  ausgezeichnet. 

Der  Fronbogen  trägt  die  Jahreszahl  l,\ö6  und  das 
Monogramm  £^.  Die  Bauart  und  Gliederung  des  Gewölbes 
im  Schluss  des  Presbyteriums  ist  ganz  die  nämliche,  wie 
in  der  Krypta  zu  Lienz  ,  so  dass  sich  derselbe  Baumeister 
nicht  verkennen  lässt,  den  wir  übrigens  auch  in  den  Porla- 
ien wieder  finden  werden. 

Die  Wandsäulen,  sowohl  im  Laughause,  als  auch  im 
Presbyterium,  steigen  in  schöner  Gliederung  auf.  Die  erstem 
sind  aus  dem  halben  Würfel  mit  vorgelegtem  Stab  und  tief 
in  Hohlkehlen  eingezogenen  Kanten,  die  letzteren  aus  drei 
zusammengesezten  Stäben  gebildet.  Das  Capital  ist  durch- 
aus der  inngekehrle  attische  Fuss.  Sowohl  die  Säulen,  als 
auch  die  Rippen  sind  aus  feinem  Tufl' gcmeisselt.  Dasselbe 
Materiale  linden  wir  auch  an  der  Kanzel,  in  den  Fenstern 
und  am  schönen  West|iortal.  Fenster  erseheinen  nur  an  der 
Südseite  und  im  Schluss  des  Presbyteriums.  Diese  Anord- 
nung liiiilen  wir  bei  den  gothischeu  Kirchen,  man  kann 
sagen,  in  allen  kälteren  und  höher  gelegenen  Ortschaften 
unseres  Vaterlandes.  Offenbar  wollte  man  dadurch  die  kalten 
und  erstarrenden  Nordwinde  abhalten.  Die  Form  der  Fenster 
zeigt  fast  diu'cliaus  noch  den  reinen  gothischeu  Slyl.  Die 
Plosten  haben  eine  einfache  Gliederung,  das  Masswerk  ist 
verschieden   und  durchaus  sehr  schön  gebildet.  Wir  linden 


—    177    — 


diii-iii  (IcMi  Üi'eipass,  den  \  ierjuiss  uml  auch  die  Fischblasen, 
aber  von  der  besten  Art. 

Die  ganze  nördliche  Seite  ist  bemalt  mit  Vorstel- 
lungen aus  dem  Lehen  und  Leiden  unsers  Erlö- 
sers Jesus  Christus.  Die  einzelnen  Vorstellungen  bil- 
den vierseitige  Felder,  welche  hart  an  einander  gereiht  sind. 
Auch  die  Südseite  des  Presbyteriums  tragt  ein  grösseres 
Gemälde ,  da  wo  die  Fenster  fehlen.  Dieses  stellt  das 
Hinscheiden,  die  Himmelfahrt  und  die  Krönung 
Mariens  vor,  und  hat  die  folgende  Unterschrift: 

Hoc  op'  fecit  fieri  dn"  paulus  Schwein  acher 
cappella»"  in  Castro  rabnstain  anno  dominiM"CCCC. 
LXXXVL  Jar.  Diese  Gemälde  sind  von  verschiedenem  Werth 
und  stammen  wahrscheinlich  von  mehreren  Meistern.  Das 
schönste  ist  jenes,  welches  ein  Sacramenthaus  vorstellt  und 
neben  dem  Hochaltar  auf  der  Evangelienseite  angebracht  ist. 
Die  schönen  gothischen  Gebilde,  in  lebensvollen  Farben  mit 
grosser  Kunstfertigkeit  ausgeführt,  gewähren  wirklich  einen 
überraschenden  Anblick  und  fesseln  das  Auge  des  Beschauers 
mit  zarten  Banden.  Zu  beiden  Seiten  des  Leibes  sind  meh- 
rere Inschriften  zwischen  den  Stäben  und  Fialen  eingetloch- 
ten,  welche  sich  auf  das  heiligste  .\ltarsaeranient  beziehen : 
Kst  Dens  hie  tantus.  quantus  de  Virgine  natus  —  Te  ergo 
ijuae  sumus,  tuis  Famulis  suhveiii,  quos  pretiuso  sanguine 
redemisti  etc.  etc.  Auf  dersel])en  Seite  des  Presbyteriums 
sind  mehrere  grosse  Wachskerzen  aufgestellt.  Diese  bilden 
die  Abzeichen  der  Gemeinden,  welche  hieher  zu  wallfahren 
pflegten.  Einige  von  denselben  halten  noch  jetzt  die  fi'onmie 
Gewohnheit  ihrer  Väter  ein,  und  erscheinen  alljährlich  in 
feierlicher  Procession  bei  der  hilfreichen  Gottesmutter  in 
Obermauern.  Jede  Kerze  trägt  den  Namen  der  Gemeinde, 
welcher  sie  angehörte.  Die  folgenden  Namen  sind  noch  jetzt 
zur  Erinnerung  vorhanden  :  Gsiess,  Tilbach,  h.  Blut. 
Igelsdorf.  Villgraten,  Assling,  Kais,  Gilgen, 
Wind  i  seh -Matrei  und  Vir  gen.  Eine  Kerze  ist  (dine 
Namen. 


(Fig.  1) 

Die  Westseite  der  Kirche  zeigt  von  Aussen   ein  sehr 
schönes   Portal,  über,  welchem   man    ein  Rundfenster 
der  seltensten  Art  erblickt.    Das  Portal  ha(   eine  tiefe   Ein- 
II. 


schrägung  mit  reicher  Gliederung  von  Stäben  und  Hohl- 
kehlen. Hier  erscheint  wieder  die  nämliche  Eigenthümlich- 
keit,  wie  in  Lienz ;  dass  nämlich  das  innerste  Glied  den 
Rundbogen  trägt,  die  Einschrägung  aber  im  Spitzbogen 
aufsteigt.  Das  Rundfenster  ist  ein  artiges  mit  grosser  Fer- 
tigkeit durchgeführtes  Spiel  einer  reich  begabten  künstleri- 
schen Phantasie.  Es  umrahmt  sechs  gothische  Fenster, 
welche  sich  zart  zusammenschmiegend  unter  einander  ver- 
schlingen, und  mit  ihren  Pfosten  und  Pässen  das  Masswerk 
des  Rundfenslers  bilden.    (Fig.  1.) 

An  den  ülirigcn  Seiten  bemerkt  man  von  Aussen  meh- 
rere steinerne  Reliefs  und  das  an  den  Kirchen  in  Tirol  so 
oft  wiederkehrende  Gemälde  des  riesenhaften  St.  Christo- 
phorus.  Dieses  ist  nächst  dem  Eingang  an  der  Südseite 
angebracht  und  bietet  eben  nichts  merkwürdiges,  ausser 
dass  es  mit  einer  Inschrift  den  Namen  des  Meisters  kund- 
gibt :  .,D  a  s  G  e  m  e  1  h a  t  g e  m  a  c h  t  S  e  b  a  s  t  i a  n  m  a  1 1  e  r  . 
Purger  zu  Lünz  ( Lienz  j  M  .  CCCC  .  LXVIII.-  liiter  den 
Reliefs  ist  das  am  Thurm  wegen  des  sehr  hohen  Alters,  und 
das  an  der  Südseite  des  Presbyteriums  hart  am  Sockel  ein- 
gemauerte auch  wegen  der  künstlerischen  .\usführMng  zu 
bemerken.  Das  erstcre  stellt  die  göttliche  Mutter  mit  dem 
Jesuskindicin  vor  .  zu  den  Füssen  des  Heilands  kniet  der 
Donator.  Die  Arbeit  hat  in  künstlerischer  Beziehung  keinen 
Werth ,  reicht  aber  in  ein  sehr  hohes  Alter  hinauf,  wenig- 
stens in  ein  bedeutend  höheres  als  die  jetzige  Kii-ehe.  da 
man  noch  deutlich  die  bemalten  Flächen  des  Steines  erkennt. 
Bedeutend  älter  als  die  Kirche  ist  auch  das  andere  Relief, 
welches  wir  hier  im  Holzschnitt  abgebildet  wiedergeben. 
(Fig.  2.)  Man  erkennt  es  deutlich,  dass  es  nur  ein  Bruchstück 


ist,  welches  man  wahrscheinlich  von  der  alten  Kirche  erhal- 
ten,  und  heim  B:iu  der  jetzigen  verwendet  hat.  Dieses  hat 
aber  auch  in  künstlerischer  Beziehung  nach  meiner  Meinung 
einen  sehr  hohen  Werth.  Die  Composition  ist  gut,  der  Aus- 
druck mild  und  edel,  die  Technik  eben  den  Kenntnissen  der 
Zeit  entsprechend.  Unter  allen  Figuren  tritt  die  göttliche 
Mutter  mit  dem  Christuskindlein  heraus,  vor  ihr  ei'scheincn 
die  h.  drei  Könige.  Es  ist  sehr  zu  bedauern,  dass  der  Kopf 
des   Kindes  theilweise  zerlnliinnert  isl.    Ich  möelile   dieses 


178 


Helii'f  in  tl  i  c  letzte  Zeit  der  ro  m  ;iii  i  s  c  li  eii 
l'eriode  Ii  i  im  ufs  eil  i  el)  e  ii.  Die  tjaii/.e  Diirsteilmii;  iiiul 
Aiiorilming  ist  inieii  der  ilitesteiiArl,  und  gerade  so,  wie  niiin 
sie  in  der  iftixr,vsi»  Tijg  £o)yp«-litx.fig  vom  Berge  Athos  vor- 
ijeseiiriebcii  findet,  so  dass  icii  dureli  wortgetreue  Anfiilirung 
dieses  Textes  unser  IJildwerij  am  besten  beieueiiten  kann: 
„Anbetung  der  Magier.  Ein  Haus,  und  die  Heiligste  sitzt 
auf  einem  Sessel  und  iiältCbristus,  welcber  segnet,  als  einen 
Säugling.  Und  vor  ihr  sind  die  drei  Magier  und  halten  die 
Gesclienke  in  goldenen  Kistehen.  Der  eine  von  iiinen  ist 
„ein  Greis  mit  langem  Barte,  unbedeckt,  auf  den  Knien, 
schaut  auf  Christus;  mit  der  einen  Hand  hält  er  das  Ge- 
schenk und  mit  der  andern  seine  Krone.  Der  andere  ist 
mit  keimendem  Barte,  und  der  dritte  ohne  Bart.  Sie 
schauen  einander  an  und  zeigen  sich  Christum.  Hinter  der 
Heiligsten  steht  Joseph  und  staunt.  Ausser  dem  Hause 
hall  ein  Jüngling  drei  Pferde  am  Zaume.  Und  es  erschei- 
nen die  drei  Magier  wieder  auf  einem  Berge;  sie  sitzen 
auf  ihren  Pferden 
und  kehren  in  ihr 
Land  zurück  und  ein 
Engel  voran  zeigt 
ihnen  den\\'eg  ').'• 
Die  zweite  Darstel- 
lung fehlt,  da  der 
Stein  eben  nur  ein 
Bruchstück  ist. 

.\uf  dem  Wege 
von  Virgen  nach 
Windisch  -  Matrei 
schweift  das  Auge 
mit  Vergnügen  ül)er 
das  anmuthigc  Hü- 
gelland jenseits  am 
Ausgang  des  Tha- 
ies, wo  auf  einer 
sanft  aufsteigenden 
Bergeshalde  inmit- 
ten von  fruchtbaren 
Feldern  und  be- 
seliattenden  Bäu- 
men ein  altes  Kirch- 
lein zur  Einkehr 
einladet  und  dem 
Freunde  des  .Alter- 
thumsundilerKnust 
einen  angenehmen 
Genuas  bietet.    Es 


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')  Nach  der  Cbcrsrl/.ung  des  (Jodeh.  Schäfer.  Trier,  in  der  Kr. 
t,  i  n  I  /.'Hchen  liiiehhainlluiig  18j5.  Dieses  iiitercssaiilc  Werk  verdient 
voriiijjlich  Be.iehtung,  da  es  den  Tjpns  der  livzantinischcii  Kuiisl 
^'enau  bezeichnet ,  und  ungleich  das  VerhäUniss  und  den  EinRuss  der- 
selben auf  die  ramauischc  und  t;othi3che  Kunst  darlegt. 


ist  dies  das  alte  Wallfahrts-Kirchlein  zum  heiligen 
Nikolaus,  welelies  sich  über  dem  NN'eiler  ganz  südwestlich 
von  Windisch-Matrei  erbebt  und  eine  Filiale  dieser  Pfarre 
bildet.  Die  erste  Erwähnung  von  dieser  Kirche  finde  ich 
in  Urkunden  von  den  Jahren  1346  und  135S.  Ferner  meldet 
das  Pontilical- Protokoll  des  Chiemseer  Bischofs  Berch- 
told  Pürschinger,  welcher  zugleich  das  Amt  eines 
Weihbischofs  von  Salzburg  verwaltete,  dass  er  am  3.  Juni 
1516  diese  Kirche  sammt  dem  Altar  zu  den  vierzehn  Noth- 
helfern  eingeweiht  habe.  Die  nähere  Untersuchung  des 
Baues  führt  zur  vollkommenen  Übereinstimmung  mit  den 
oben  angeführten  Urkunden.  (Fig.  3  und  4.) 

Diese  Kirche  hat  nun  eine  ganz  cigentliümliche  Gestalt. 
Der  ganze  Grundbau,  also  di«  Umfangs  mauern,  die 
Apsis  mit  der  Empore  darüber,  das  Portal  an  der 
Westseite  und  ein  Tb  eil  des  Thu  r  nies  gehören  der 
romanischen  Periode  an,  und  stammen  nach  meiner  Meinung 
aus  dem  Ende  des  Xlll.  Jahrhunderts.  Hingegen  das  gothi- 

sche  Gewölbe,  wel- 
elies das  Langhaus 
umschlicsst  ,  die 
\\'andsäulen,  durch 
welche  es  getragen 
wird,  und  die  Em- 
pore an  der  West- 
seite, wo  der  Altar 
zu  den  14  Xoth- 
helfern  aufgestellt 
ist,  wurden  am  An- 
fangdesXVl. Jahrb. 
gebaut.  Daher  war 
eine  Einweihung 
der  Kirche  und  des 
letztgenannten  Al- 
tars nothwendig, 
und  wurde  ,  wie 
schon  oben  erwähnt 
worden  ist,  auch 
wirklich  vollzogen. 
Der  gotbische 
Bau  erregt  kein  In- 
teresse; aber  vom 
romanischen  haben 
sich  mitunter  sehr 
merkwürdige  Über- 
bleibsel erhalten, 
welche  uns  nun 
beschäftigen  stdien. 
Den  Bau  schliesst  gegen  Osten  ein  starker  mit  dickem 
Mauerwerk  versehener  Thurm,  woran  romanische  Überreste 
sich  nicht  verkennen  lassen ,  obgleicli  er  hei  der  Überwöl- 
bung  des  Langbaiises,  da  der  aufsirebende  S|iilzhogen  ein 
anderes  Kirchcndacii  forderte,   erhöht  worden,  und  wieder 


—    179   — 


im  Jahre  1778  wegen  der  Feuersbrunst,  welehe  das  ganze 
Dach  zerstörte,  mancherlei  Abänderungen  und  Umbauten 
erfahren  musste.  Den  innern  Raum  des  Tliurmes  nehmen  die 
zwei  übereinander  gelegten  Apsiden  ein.  Jede  derselben 
umschliesst  demnach  ein  Viereck,  über  welches  sicii  das 
romanische  Kreuzgewölbe  schwingt.  Der  obern  Apsis,  wel- 
che wir  früher  Empore  nannten,  ist  eine  Galierie  vorgelegt, 
welche  auf  zwei  in  die  Quere  gezogenen  Bögen  ruht.  Zur 
unteren  Apside  steigt  man  über  drei  Stufen  hinab  und  tritt 
durch  die  Bogen  der  Galierie  ein.  Hier  ist  der  Altar  des 
h.  Nikolaus.  An  den  Wänden  und  im  Gewölbe  sieht  man 
mehrere  Gemälde,  welche  aber,  so  wie  sie  jetzt  sind,  aus 
einer  Jüngern  Zeit  stammen.  Ich  möchte  hier  die  alte  Krypta 
finden  und  glaube,  dass  der  ursprüngliche  Eingang  vom 
Langhaus  erst  später  zum  weiten  Bogen  umgebildet  worden 
Ist.  Zur  obern  Apsis  gelangt  man  über  zwei  Stiegen,  welche 
zu  beiden  Seiten  der  Galierie  hinaufführen.  In  dieser  Apsis, 
welche  ein  romanischer  Fronbogen  vom  Langhaus  trennt, 
ist  der  Altar  des  h.  Georg.  Die  drei  Seitenwände  sind 
mit  sehr  merkwürdigen  Gemälden  geziert,  welche  durch  die 
Tünche  lierausleucliten  und  tlieihveise  sich  derselben  ent- 
lediget haben.  An  vielen  Stellen  nämlich  hat  sich  die 
Tünche  selbst  abgelöst,  und  so  sind  einzelne  Theile  der 
Bildwerke  wieder  deutlich  hervorgetreten.  Sie  bilden  an 
einander  gereihte  Tafeln,  von  denen  eine  jede  ein  Heiligen- 
bild umschliesst.  Für  die  Kenner  bringe  ich  einige  Schrift- 
proben von  den  beigefügten  Namen : 

s.imia  e  RT  i9, 

S.  S  ä  B  A  S  T  I  Ä(  9. 
M  JR  fl  9  LL9  VP. 

Sämmtliche  Figuren  haben  eine  steife  Haltung,  lang 
gestreckte  Gesichter  mit  orientalischem  Typus.  Die  Bi- 
schofsmütze,   welche    sie   tragen,    zeigt    die    Form    des 

XIII.  Jahrhunderts.  Nach  meiner  Ansicht  dürften  diese 
Gemälde  fast  gleichzeitig  mit  der  Kirche  verfertigt  wor- 
den sein ,    also  am  Ende  des  XIII.    oder  am  Anfange  des 

XIV.  Jahrhunderts. 

Vor  dem  Thore  an  der  Westseite,  welches  immer  ge- 
schlossen bleibt,  ist  ein  ärmliches  Vorhaus  angelegt,  welches 
nun  völlig  vernachlässigt  wird  und  dem  Ansehen  nach  jetzt 
den  Heerden  zum  Schutze  gegen  Regen  oder  Sturm  dient. 
Ober  dem  Thore  hat  sich  unter  dem  schützenden  Dach  ein 
Frescobild  erhalten,  welches  mir  sehr  merkwürdig  scheint. 
In  diesem  Bilde  sehen  wir  die  Wiege  der  Kunst  treulich 
abgebildet.  Bei  aller  Unbehilflichkeit  in  der  Zeichnung  sind 
die  Contouren  doch  mit  einer  gewissen  Kühnheit   srezoEren. 


Sie  formen  und  beherrschen  das  ganze  Bild.  Die  Farben, 
welche  beinahe  ganz  ohne  Schattirung  aufgetragen  sind, 
füllen  die  Räume  zwischen  den  Contouren  aus,  geben  aber 
einen  guten  und  ansprechenden  Ton.  Der  Bischof,  welcher 
neben  der  Mutter  Gottes  steht,  ist  ohne  Zweifel  St.  Niko- 
laus; er  trägt  eine  Mitra,  wie  sie  im  Xlli.  Jahrhundert  noch 
gebräuchlich  war.  Unten  am  Krciizesstainme  ist  ein  Apostel- 
zeichen, wahrscheinlich  vun  der  ersten  Consecration  erhal- 
ten. Mitten  in  diesem  Vorhause  steht  ein  hölzerner 
Pfeiler,  welcher  auf  einem  unförmlich  behauenen  Steine 
ruht  und  die  Kreuzung  des  Dachgebälkes  stützt.  Diesem 
Umstände  wird  man  es  auch  zuschreiben  müssen,  dass  er  sich 

so  lange  erhalten  bat.  Ich 
lasse  hier  eine  treue  Ab- 
bildung folgen.  (Fig.  5.) 
Nach  meiner  Ansicht 
linden  wir  hier  wieder  ein 
Überbleibsel  vom  ersten 
Bau,  also  aus  der  romani- 
schen Periode.  Die  ganze 
Arbeit  ist  roh,  ohne  schöne 
Form,  und  verdient  die 
Aufmerksamkeit,  welche 
wir  ihr  weihen ,  lediglich 
nur  Megen  des  Alter- 
thums.  Der  Schaft  ist 
achtseitig  und  trägt  eine 
.\rt  des  Würfelcapi- 
täls,  dessen  Kanten  an 
die  rück\\eicbenden  Sei- 
ten des  Achteckes  mittelst 
eines  knollenarfigen  An- 
satzes (Eckblatt)  sich  an- 
schmiegen. Die  gleiche 
Gestalt  hat  das  Fussge- 
sims  des  Pfeilers.  Auf  dem 
Sockel  sehen  wir  eine 
Art  des  romanischen  Rau- 


(Fig.  5.) 


tenschmuckes,  im  Uapitäl  und  im  Fussgesims  an  einander 
sich  schmiegende  Ringe;  über  die  Seiten  laufen  Schnüre 
herab.  Die  ganze  Gestalt  hat  etwas  phantastisches  und 
ungewöhnliches  an  sich,  wie  es  dem  romanischen  Styl 
eigenthümlich  ist. 

Hiemit  schliesse  ich  diesen  Bericht,  welcher  eben  keine 
andere  Bestimmung  hatte,  als  eine  kurze  Beschreibung  dei- 
genannten  Baudcnkmale  zu  geben  und  einige  Beiträge  zur 
vaterländischen  Kunstifoschichte  zu  liefern. 


80 


Über  den  Werth  von  Grabdenkmalen  nnd  ihren  Inschriften,  wie  auch  über  die  Anlegung  eines 

Corpus  Epitaphiorum  Vindobonensium. 

\  Oll  .1  OS  0  ph   Der  j; in  :i  ii  ii. 

II. 

flisiorisclu'  >otizen  über  die  l'ünf  Familion,  iliTcn  (irabstrine  im  Frani'iscanerkloslcr  zu  ^t'ustadtl  in  Interkrain  sind. 


nie  aKcrdiüiiiliolie  Fniiiilie  von  Villaiiiler.s. 

Zu  (loii  ältesten  Gcschlechtci'n  Tirols  geluirt  das  der 
Killenvüii  Vi I hl luler.s.  welchesseiiien  Niiiiieii  vom  Si)niien- 
berge  von  Villaiiilcrs  unweit  Klausen  tragt.  Die  Stelle,  an 
der  die  Veste  oder  der  Edelsitz  Villanders  einst  gestanden, 
ist  uuiunelii'  nielit  iiielir  iiacliweisbar.  Beda  Weber  und 
Dr.  Staffier  haben  in  ihren  trefl'lichen  ^^'erken  iil)er  Tirol, 
dann  ansfiiiirlieher  die  ..\eue  Zeitschrift  des  Ferdinandeinns 
für  'l'irol  und  Ndrarllicrg".  Innsliinick  184o.  Bdciien.  X. 
S.  121  IV.  über  dieses  Geseiileeht  gesproelien.  .\uf  Grund- 
lage   dieser   Arlieiten    wollen    wii' 

dasselbe  mit  mehreren  historisehen  

Beisätzen  in  diesen  Blättern  iin- 
sern  Lesern  vorfühi'en  ,  und  den 
Grabstein  des  Letzten,  der  den 
Namen  Villanders  trug  (Fig.  1). 


abgebildet  vorlegen. 


Dieses  Gesehleeht  theilte  sicli 
in  zwei  Linien,  als:  (i)  in  Edle  von 
V  i  1 1  a  n  d  e  r  s,  die  diesen  Namen 
bis  zu  ihrem  Erlösehen  mit  Wil- 
helm im  ,T.  1547  führten,  und  bj 
in  Villanders  zu  Pradell  (rich- 
tiger als  von  I'ardell.  vom  roinan. 
prato  oder  prado),  die  sieh  auch 
von  Trustliurg  iici  Küllmann 
nannten.  Aus  diesen  ging  das  Ge- 
schlecht der  Wolkensteiner 
licrvor.  Nach  Beda  Weber  'J  er- 
warb Band  nlf  von  Villanders,  der 
als  Dienstniann  Meinhards  II.  (jra- 
fen  von  Tirol  dem  K.  Budolf  gegen 
seineu  Neljcnbuhler  K.  Ottokar 
wichtigen  Beistand  leistete,  nach 
langen  Verliaiidlungon  1309  für 
sein    Haus    im    Hintergründe     des 

Thaies  (iröden  das  auf  steilem  Felsen  gelegene  und  hüuligvon 
Wolken  umlagerte  Schloss  Wolkensteiu  durch  Kauf  von 
dem  längst  erloschenen  Fldelgeschlecbte  der  Maulra|ipen. 
Nacii  dessen  Tode  1319  trat  sein  Sohn  Konrad  in  den 
Besitz  einer  ansehnlichen  Gülermasse  am  rechten  und  linken 


(Fis-  1.) 


')  S.  dessen  „Oie  Geilichk-   Us  »  alil's  uhi  Wul  k  ens  I  ci  n.    liiiisLiiick 
1847,  S.    1. 


Eisackufer.  vereinigte  I3'2ö  die  Wappen  von  Pradell  luul 
Wolkensteiu,  nannte  sieli  zuerst  von  Wolken  st  ein  und 
\\  ird  somit  als  Staninnatei'  des  heriihnitcii  lirädicii  von  Wol- 
kensteiu'schen  Geschlechts  gehalten.  Die  Namen  von  \  illan- 
ders,  Wolkensteiu  und  Welsperg.  welche  im  .1.  I."i(!4  das 
Wappen  der  v.  Villanders  annahmen,  erscheinen  13(51  unter 
den  Landstäiiden  in  Tirol. 

Das  ganze  Geschlecht   von  Villanders   in  seinem   Zu- 
sammenhange seit  der  Mitte  des  XII.   .lahrhundci'ts  darzu- 
legen .    führte  uns  von  unserem  Zwecke  zu  weit  ab  und  « ir 
heginnen  mit  Eckhard  IV.   Dieser  war  Besitzer  des  Schlosses 
Trostburg  am  Eisack,  von  dem  er 

sieh  bisweilen  ..von  Tros  tb  iirg" 

nannte,  starb  im.I.  138(5  und  fand  zu 
Neustift  oll  Brixen  seine  Buheslätle. 
Er  hiiilerliess  in  seinem  Testa- 
mente 1382  das  Schloss  Trost- 
burg mit  Leuten  nnd  Gütern  seiner 
einzigen  Tochter  Katharina,  Ge- 
mahlin Friedrichs  von  Wolken- 
steiu aus  dem  genannten  Thale 
Griiden.  Dieser  Ehe  entstammen 
alle  noch  blühenden  Wolkensteincr. 
Sie  gebar  ihm  drei  Söhne,  welche 
den  einflussreichsteu  tirolischen 
Zeitgenossen  des  Herzogs  Fried- 
rich mit  der  leeren  Tasche  bei- 
gezählt werden,  als:  dj  Michael, 
der  besonders  seine  llausmacht  zu 
vergrössern  bedacht  war;  er  ist 
der  Stifter  der  Linie  zu  Trost- 
burg, f  1440:  b)  Leonliard 
auf  .\i  eil  ach,  der  unvermiihlt 
starb,  nnd  cj  Oswald,  der  be- 
kannte, weitgereiste,  einäugige 
Älinnesänger  (ein  jüngerer  l'lrich 
•  von  Liechtenstein)  ,  w  elclier  der 
.Staats-  und  Lielieshändel  müde,  sich  auf  seinen  gelieb- 
ten 11  a  uiMisteiu  zurückzog,  wo  er  noch  lange  in  Bidic 
und  weiser  Stille  fortlebte,  bis  er  am  2.  .\ugnsl  144ö 
in  einen)  Alter  von  78  .lahren  starb  und  in  der  Klosterkirche 
zu  Neustift  begraben  wurde.  Hier  ruhen  auch  seine  beiden 
Hausfrauen  M  a  r  g  a  r  e  t  h  a  von  .S  c  h  \\  a  ii  g  a  m  und  .\  n  n  a  von 
ilohenems.    Der  ihm  daselbsl  gesel/tr  Gr;ilistcin  ist  beim 


181    — 


Unihiiu  ilei-  Kirche  aus  rnachtsamkeit  verloren  gegangen. 
Da  es  der  Zweck  iler  k.  k.  Centralcommission  ist,  auch 
Grabdenkmale  und  Gedenksteine  nicht  allein  zu  erhalten, 
sondern  sie  auch  in  Bild  und  Schrift  bekannt  zu  machen, 
SU  erachten  wir  hier  es  nidit  an  unrechter  Stelle  des  Denk- 
steines unseres  ritterlichen  Oswald's  im  Dome  zu  Brixen 
zu  gedenken. 

Er  liess  im  Innern  der  Kathedrale  die  Capellcn  und 
Altäre  zum  h.  Oswald  und  zum  h.  Christoph  hauen  und  ein- 
weihen und  stiftete  am  29.  Mai  1407  zwei  Beneficien.  Zu 
dessen  Gedaclitniss  liess  ohne  Zweifel  er  selbst  einen  Denk- 
stein setzen,  der  aber  im  Laufe  der  Zeit  von  seiner  Stelle 
gekommen  ist.  Im  Sommer  des  J.  1843  hat  Sebastian  Kögl, 
damals  noch  Lehrer  an  der  Normalschule  zu  Brixen,  seit 
1S51I  zu  Bregenz  und  Conservator  des  Kreises  Vorarlberg 
(f  30.  August  1856.  s.  Mittheilungen  8.239  ff.  des  I.  Jahr- 
ganges) dieses  Monument  aufgefunden.  Es  stand ,  wie  er 
mii-  brieflich  berichtete,  mit  vier  Grabsteinen  in  einer  Halle 
der  ßrixener  Donikirche  angelehnt,  die  zum  Altare  des  h. 
Cassian  führt.  Die  Figur  war  so  mit  Mörtel  und  Mauer  ver- 
kittet, dass  man  vermiitlien  nuisste,  der  Stein  sei  einst  wirk- 
lich vermauert  worden.  Erst  als  die  Steine  in  den  alten 
Gottesacker  hinausgesetzt  waren,  reinigte  Kögl  den  Stein 
sorgfältig ,  worauf  die  Figur  aus  dem  weissen  Marmor  her- 
vortrat. Ritter  OsAvald  ist  in  Lebensgrösse  stehend  darge- 
stellt, in  einem  Alter  von  41  oder  42  Jahren  ')-  'o  voller 
Manneskraft,  und  auf  dem  rechten  Auge  blind,  das  er  nach 
Beda  Weber  vor  oder  in  dem  J.  1408  bei  einem  Bolzen- 
schiessen auf  Trostburg  verloren  hat.  Sein  entblösstes  Haupt 
zieren  Locken,  die  über  die  Stirnc  niederwallen,  und  sein 
Kinn  ein  hcrahtliessender  Bart ;  die  Brust  deckt  der  Harnisch ; 
den  zierlichen  Leibgürtel ,  woran  ein  breites  Schwert  ein- 
geschnallt ist,  schmückt  ein  Schildzeichen  und  in  diesem 
das  Zeichen  des  Kreuzes  ") ;  der  \^'appenrock  ist  am  Rande 
mit  Pelz  verbrämt.  In  der  Rechten  hält  er  die  Fahne  mit 
demselben  Zeichen  des  h.  Kreuzes,  mit  der  gesenkten  Lin- 
ken den  geschlossenen  Helm,  auf  dem  zwei  BülVelliörner 
emporragen,  deren  heiden  Mündungen  Büsche  von  Pfauen- 
federn entsteigen;  so  ist  auch  jedes  Hörn  am  äussern  Hände 
mit  vier  Pfauenfedern  hesteckt.  Auffallend  lang  sind  die 
angeschnallten  Sporren.  Der  rechte  Fuss  steht  auf  dem 
Wappen  von  Pradell,  dem  Stammwappen  des  ganzen 
Geschlechtes  von  Wolkenstein,  der  linke  auf  dem  der  Herr- 
schaft Wolken  stein  in  Gruden;  zwischen  beiden  ruht 
ein  kleineres  Schildchen ,  w  orin  man  das  Wappen  der 
Mutter  (Katharina)  von  Villanders  erblickt.  Dieser  Denk- 
stein wie  auch  die  vier  Grabsteine  wurden  auf  Kosten  des 
nun   verstorbenen   hochwürdigsten    Herrn    Fürst  -  Bischofs 


')  Also    um    das  Jiihr   140S.    da  man  dessen  flelmrl   ins  .lahi'  I:)(i7  setzt. 

mich  sidl  die  Ijjsclil'it't  in  sog-enaunten  gotliiselien   Charaklei-en.   ilie  ieli 

nicht  niitzutheilen  vermag;,  die  .lahi'esy.aljl   140S  entliallen. 
2)   Er  hatte  im  Keibste  des  .lahi-es  13!I8  den  fiommeu  Herzog  AIhrecht  IV. 

von    Österreich    anf   dessen    Pilgerfahrt    über  Venedig    nach  .leru'.alem 

lipgleilet. 


Bernhard  II.  v.  Galura  in  den  dortigen  sehr  merkwürdigen 
Kreuzgang  übersetzt,  symmetrisch  aufgestellt  und  mit  Ein- 
fassungen versehen').  Durch  seinen  Sohn  Oswald  den 
Jüngern,  der  mit  Katharina  vonTrautson  vermählt 
war,  ist  er  der  Ahnherr  der  Wolkenstein,  die  später  die 
zu  Rodenegg  genannt  wurden.  Von  den  achtzehn  Kindern 
dieser  Ehe  ragen  Veit  und  Michael,  angeblich  die  ersten 
Freiherren  ihres  Geschlechtes,  rühmlich  hervor.  Sie  waren 
Lieblinge  des  K.  Maximilian  I.  \\  ir  finden  nach  Fugger"s 
Ehrensiiiegel  S.  933  Veiten  und  Georgen  von  \Nolken- 
stein  (Domherrn -zu  Brixen)  bei  des  Erzherzogs  .Maximilian 
Krönung  zum  römischen  König  in  Aachen  am  4.  April  1486. 
Veit  und  die  beiden  Herren  von  Polheim,  Martin  und  Wolf- 
gang, aus  dem  Lande  ob  der  Enns.  wurden  mit  diesem  ilirem 
Gebieter  im  J.  1488  von  den  meuterischen  Bürgern  von 
Brügge  gefangen  genommen  und  hart  behandelt.  Er  trug 
nach  S.  1014  am  Din.stag  nach  Misericordia.  d.  i.  am 
5.  Mai  1489  auf  dem  Reichstage  zu  Frankfurt  den  versam- 
melten Ständen  die  Bedrängnisse  des  römischen  Kaisers 
und  Königs  vor.  die  jener,  nämlich  K.  Friedrich  III..  an 
seinen  Erblanden  vom  Matthias  Corvinus  von  Ungarn,  dieser 
in  den  Niederlanden  vom  Könige  von  Frankreich  bisher 
erlitten  hätten  .  und  ging  in  deren  Auftrage  sie  um  ihren 
Beistand  gegen  diese  mächtigen  Feinde  an .  welche  Stände 
nach  langen  Rerathungen  die  verlangten  40.000  Jlann  auf 
6000  verringerten.  Am  31.  October  1493  erölVnete  er  das 
Reichskammergericht  und  setzte  den  Kaminerrichter  in  sein 
Amt  ein.  Am  22.  Juli  1491  verlieh  König  Jlaximilian  I.  als 
tirolischer  Landesfürst  ihm,  dem  vielfach  verdienten  Geschärts- 
manne,  das  Schloss  Roden  egg  mit  allen  dazu  gehörigen 
Herrlichkeiten.  Auch  linden  wir  Veit  von  \\'olkenstein  in 
Freidalls  (d.  i.  K.  Maximilians  1.)  Turnierbuche  in  der  k.  k. 
Ambraser  Sammlung  auf  den  Blättern  49  ,  133  und  166  im 
Turniere  zu  Pferde  mit  seinem  kaiserlichen  Herrn  aiigebil- 
det.  Als  Veit  (dem  Referenten  unbekannt  wann?)  vor  seiner 
Gemahlin  Hllisabeth  de  Roy  kinderlos  gestorben  war.  trat 
sein  Bruder  IMichael  in  seine  Erbscliaft  ein.  Dieser  war 
nach  Fugger  S.  962  einer  der  Hauptleute,  welciie  im 
Jahre  1486  Wiener-Neustadt  gegen  K.  Matthias  1. 
von  Ungarn  muthvoll  vertheidigten.  Im  Jahre  1300  wurde 
er  zum  Landhofmeister  der  Grafschaft  Tirol  ernannt  und 
erhielt  von  Karl  V.  am  23.  August  1317  den  Orden  des 
goldenen  Vliesses.  Seinem  Enkel  Ciiristoph  ei'lauhte 
nacli  den  Reichsadels-.Xcten  K.  Maximilian  II.  am  2.  .\ugiisl 
1364  das  Wa|i|H'n  der  Herrschaft  lioileiieck  iiiil  ilciii  seinen 
zu  vereinigen. 

\\\r  kehren  nun  zu  ilcii  letzten  Generationen  des 
Mannsstammes  der  Edlen  von  \i  11  anders  zurück  und 
führen  sie  bis  zu  ihrem  Erlöschen  herab. 


*)  Nach  meinen  .Millheilungen  iiliei- ..(»  s  w  a  1  d  \on  M' o  Ik  e  n  s  l  ei  n"  in 
dem  von  den  k.  k.  Professoren  Dr.  .Moriz  v.  S  t  n  h  e  nr  a  u  c  li  und  I>r. 
Kdiiard  Tomaschek  hei-ansg-egi'lienen  „Österreich.  Kalender"  für  tias 

Schaltjalii-    ISU.    Wien   liri   S  o  I  1  i  n  g  e  r.   S.  lil  —  6l!. 


—    182   — 


.loiii'liiiii  vuii  \  illaiKlcrs.  1  ;{88  Schlossliau|)tniiiiin  ;uif 
HiifhiMisteiii  1111(1  1413  in  sicii'luT  EigiMisi'liaCt  zu  Hniiicfkcii, 
stiftete  iin  Jiihro  1413  mit  seinem  Sohne  Ihiniis  eine 
Taplanei  beim  sogenannten  Saggerer  in  Brnneeken  :  Hanns 
enipting  1446  vom  Hoehstifte  Hi-ixen,  das  ihm  im  .1.  142(5 
Jie  Hen-sehaft  iUiehenslein  nrui  Thni'n  am  (Jader  um  llJttO 
Mark  abgelöst  hatte,  das  Kriimarseliall  umt  zu  Leiien. 
Seine  erste  Elic  mit  Dorothea  von  Liehtenstein-Castelcorno 
(vgl.  Ilübner  III,  Tat".  749).  die  um  1408  starb,  war  kin- 
derlos; in  zweiter  Khe  mit  ("lara,  Gotthai'd"s  von  Kreig 
und  .\nnens  von  (iufidann  Toehter.  erzeugte  er  Georgen 
von  Villanders,  der  mit  .At'ra  Trautsonin  von  Matrei  ver- 
mählt und  1440  schon  verstorben  war.  Sie  lebte  als  Witwe 
auf  dem  Schlosse  Anrensteiii '),  das  dt'v  Familie  v.  Trantson 
gehört  haben  dürfte,  und  war  nicht.  mIc  man  aus  nachste- 
hender Inschrift  folgern  will,  zum  zweiten  Male  mit  einem 
Herrn  von  Aufenstein  verehelicht,  zumal  nach  des  Freibcrrn 
Franz  Adam  von  Brandis  tirolischcin  Ehren -Kräntzel  II,  42, 
dieses  Geschlecht  schon  um  das  .lalir  140(1  erloschen  ist. 
Zur  Erinnerung  an  das  Unglück,  welches  dieser  Witwe  den 
Tod  brachte,  errichtete  man  einen  Bildstock  an  der  Land- 
stra.sse  von  Matrei  gegen  Steinaeh  nahe  bei  der  Brücke,  die 
ilber  die  Sill  gegen  das  Thal  Navis  führt.  Derselbe  ist  nach 
einer  älteren  ^littheilung  auf  allen  Seiten  mit  lleiligenbild- 
nissen  übermalt  und  hat  nebst  den  \\'a[i|ien  von  Villanders  und 
Trautson  folgende  In.schrift :  „Anno  Domini  MCCCCLXVIII 
an  St.  LucdKsten  Tay  ist  die  ti'ohlf/ehorne  Frau  Af'ra  von 
Villanders  \Vittiu'  zu  Aufenstein.  gchorue  Trautssonin  ob 
Matrei  über  die  liruygen  mit  dem  Pferd  fiefallen  und 
tjeslorben,  der  Gott  gnädig  .ley."  Vgl.  Dr.  Staffler's 
Tirol  und  Vorarlberg.  Innsbruck  1841,  Tbl.  II.  Bd.  I,  'J44. 
wo  irrig  \N  itwc  von  Aufenstein  gelesen  wird.  Wäre  Afra 
zum  andern  Mal  vereiielicht  gewesen,  so  hätte  man  sicher- 
lich auch  das  Wappen  dieses  Gemaiiles  gemall. 

Die  Kinder  dieser  Ehe  waren  Christoph.  Hanns 
und  .\ndrcas,  dann  die  Töchter  Barbara  und  Marga- 
retha,  über  welche  vier  letztere  wir  nichts  Näheres  anzu- 
geben wissen.  Christopb  war  im  J.  14ü4  zu  Haimburg 
oder  lleunburg  in  Interkärntcn  angesessen  und  1481 
seilen  gestorben.  Er  binterliess  von  Ursula,  des  Bitters 
Erhard  Überacker  von  Sighardstein  Tochter,  nur  den  Sohn 
Sigmund,  der  in  den  Jahren  1481  und  1490  noch  unter 
Vormundschaft  stand. 

Da  Sigmund  ausserlialb  des  Landes  Tirol  ansässig  war, 
gab  er  l.'J0O  das  E  rbni  arschal  I  am  t  des  Ilocbstiftes 
Brixen  zu  (iiinsten  Baltiiasar's  von  Welsperg  auf.  Nach  den 
Hofkanzlei-Acten  erhielt  er  lölü  das  Incolat  in  Krain  und 
starb  zu  WördI  hei  Neustadtl,  das  er  au  sich  gebracht 
hatte,  im  J.  1320=).    Seine  erste  Hausfrau   war  Amalia, 


llannsens  von  Leng  heim  Tochter,  die  zweite  Anna.  Chri- 
stophs von  Obritschon')  und  l'rsula's  Burggrälin  von 
Lienz  und  Lueg  Tochter.  Nach  Ilübner  111,  Tab.  758  war 
er  auch  mit  einer  N.  Auersperg  vermählt,  so  wie  nach 
Wissgrill,!.  234,  Barbara  v.  Villanders  (Sigismund's 
Schwester  oder  Tochter?)  die  (icmablin  .\ndreas'  Herrn 
von  Auersperg  Hausfrau  war.  Er  binterliess  (wtdil  aus  erster 
Ehe ,  da  ein  David  von  Lengheim  unter  W^ilhelm's  des 
letzten  Erben  genannt  \vird)  den  vSolin  Wilhelni  und  die 
Tochter  V  e  ro  n  i  c  a,  die  angeblich  mit  (jian  Francesco  Mark- 
grafen von  Gonzaga  sich  vermählte.  Nach  Litta's  Famiglie 
cclebri  Italiane  war  nach  Tav.  XVI.  der  Gonzaga  di  Mantova. 
derselbe  Gonzaga,  den  K.  Karl  V.  am  29.  Mai  lü2 1  mit  seinem 
Bruder  Luigi  mit  Liizzara,  Castiglione,  Castelgoll'redo  etc. 
belehnte,  nur  mit  Laura  diGaleazzo  Pallavicino  vermählt  und 
starb  am  18.  December  1324. 

Herr  Wilhelm  von  Villanders  zum  Wördl  war 
nachValvasor  Tbl.  III,  Buch  IX,  85,  im  .1.  1343  Ver- 
ordneter in  Krain.  Er  stürzte  nach  demselben.  Buch  XI,  059, 
gleich  seiner  Irgrossmutter  .\fra  vom  Pferde  und  starb  an 
den  empfangenen  Wunden  am  8.  April  1347,  wie  aus  der 
Umschrift  des  Grabsteins  sich  ergibt,  welche  lautet: 

Hier  .  liegt  .  begraben  .  der  .  Edl  .  und  .  Föft  .  Wil- 
liam (sie)  .  von  .  Villanders  .  zum  .  j  Wördl  .  der  .  letzt  . 
des  .  Zunamen  .  gest  .  [  orben  .  am  .  Charfreitag  1547  . 
und  .  sein  .  Vater  .  Sigmund  .  Mllander  .  j  ist  .  auch  .  hier  . 
begraben  .  dem  .  Gott  .  Gnade.  Oben  vom  Haupte  rechts 
liest  man  auf  einem  viereckigen  Täfelchen:  Sein  .  alter  .  54. 
Unten  in  fünf  Zeilen :  Kunigund  Vilandefin  eine  |  geborne 
von  Guettenberg  starb  |  im  lalir  1333.  Anna  ^'ilandersin 
eine  geborne  von  Trautsam  .  Oben  :  Sic  transit  |  gloria 
mundi  |  15.47. 

Diese  Anna  v.  Trautsam,  oder  richtiger  von  Traut- 
son war  eine  Schwester  .lohann's  II.  Freilierrn  von  Traut- 
son, kais.  geheimen  Batbes  und  Obersthofmeisters ,  der 
hocbbetagt  zu  Prag  am  29.  December  1389  starb  und  sein 
Denkmal  in  der  Pfarrkirche  zu  St.  Michael  in  \N  ien  bat  -). 
Dieser  Trautson.  der  in  Österreich  ausgcdchnic  Herrschaften 
(besonders  Falkeuslcin)  und  grosse  Einkünfte  sich  erwarb, 
erhielt  in  seiner  Heimat  Tirol  Sommersberg,  Gulidaun  und 
Villanders,  das  schon  früher  von  dem  mehrerwähnten 
gleichiianiigeii  Edelgeschlechle  weggekommen  war ,  als 
Pfandschafteii ,  welche  nach  dessen  Tode  dem  Cardinal- 
Bischofe  Andreas  von  Österreich  und  seinem  Bruder  Karl 
Markgrafen  von  Burgaii ,  den  beiden  Söhnen  des  Erz- 
herzogs Ferdinand  von   Tirol    und  der  schönen   Pbilip|)ine 


')   Von  <liesi>m  unweit  .Miilrri  in  il.-r  (ipiiiciinh'  >avis    gelegenen  Selilossc 

i^t  nichts  mehr  übrig. 
')  S.    Die    Ehre    des  IIcit/,ogthum»  CraiTi    vom    l'ieiherrn   v    Valhas.ir. 

I.nybaeh.   1089.  Theil   Ul.  Buch  XI.  S.  (Jj'.l. 


M  Diesem  in  Krnin  »nsitssigen  Gesehleehte  gehörte  das  Schloss  Alten- 
linrg,  eine  .Meile  von  Nen.stinltl.  Chri.sloph  der  Letzte  von  Ohrilschen 
stnrli   nach   v,    Vah.isor:   üncli   XI,    S.    !.'>   um   das  .1.    1C1I>. 

'^)  Er  und  seine  Nachkommen  hesassen  in  Wien  in  der  oheren  liriiiiner- 
strassc  das  Haus,  welches  suh  iS'r.  113S  dcrmals  Sr.  Exccilcnz  dem 
ürnfen  .Mori/.  von  Dietriehstcin  gehört.  —  Über  dieses  Ücnkmal  ». 
meine  ^Medaillen  auf  berühmte  und  ausgezeichnete  .Männer  des  üster- 
reichischcn   Kaisei-staates.    Itd.   II.   224. 


—  18;} 


Weiser,  im  .1.  1591  überlassen  wurden  (s.  meine  Me- 
daillen II.  221). 

Die  vorgeniinnle  verwitwete  Anna  von  \Mllanders 
vermählte  sich  wieder  mit  Joseph  Freiherrn  von  Egk, 
wohl  mit  jenem  Franz  Joseph  Freiherrn  von  Egk,  den  wir 
bei  V.  Valvasor  Buch  IX.  85  von  den  Jahren  15(53  bis  1573 
mehrmals  als  ständischen  Verordneten  von  Krain  lesen. 

Der  kaiserliehe  Rath  und  Kämmerer  Johann  Freiherr 
Welsperg  und  seine  Vetter,  der  kaiserliche  Rath  Bartho- 
lomäus, Balthasar,  Melchior,  Paul  und  Kaspar,  Gebrüder. 
Freiherren  von  Welsperg  mit  ihren  ehelichen  Nachkonunen 
erhalten  vom  K.  Ferdinand  I.  ddo.  Wien  am  19.  März  1504 
die  Erlaubniss  mit  ihrem  Wappen  ^7^  '  das  der  aus- 
gestorbenen von  Villanders  ')  \|,:jw/  zu  vereinigen, 
wie  auch  die  Befreiung  von  allen  bürgerlichen  Ämtern  und  das 
Recht  Landgüter,  besonders  in  Tirol,  zu  besitzen,  Burgen 
und  Schlösser  zu  bauen  und  sich  davon  zu  benennen  u.  s.  w. 

Hanns  L.eukovi<scli  zu  Freithiirin«   f  1569» 

Nach  des  Freiherrn   von  Valvasor  Angabe  Bd.  III. 
Buch  XI.  659  kam  nach  dem  Hinscheiden  der  beiden  letzten 
Herren  von  Villanders  deren  Herr- 
schaft Würdl   an  die  Herren  von  

Lenkovitsch.  Hanns  von  Lenko- 
vitseh  war  schon  im  Jahre  1556 
oberster  Feldhauptmann  der 
windischen  und  crabatischen 
Lande.  Ein  altes  Druckblatt  von 
dem  genannten  Jahre  nennt  unter 
den  Obersten ,  so  gegen  die  Tür- 
ken vor  Babocsa  nahe  an  der  Drau 
liegen,  Thomas  von  Nadasd,  Herrn 
Niklas  von  Palweil  (Polweiler)  mit 
seinem  Regimente  Knechte ,  den 
Grafen  Niklas  von  Seriii  (Zrinyi, 
der  zehn  Jahre  später  bei  der\'er- 
theidigung  Szigeths  den  Heldentod 
starb) ,  Banns  in  Crabaten ,  und 
unsern  Hanns  L  a  n  g  g  o  t  w  i  t  s  c  h. 
(Vgl.  Baron  vonHammer's  Ge- 
schichte des  osmanischen  Reichs. 
Wien  1833,  Bd.  II.  258.)  Nach 
den  Hofkanzlei -Acten  erhielt  er 
1558  das  Incolat  in  Krain  und 
.starb ,  wie  sein  hier  abgebildeter 
Grabstein  besagt  (Fig.  2),  am 
22.  Juni  1569  und  nicht  1059 
(wie  es  aus  einem  Versehen  des 
Setzers  bei  v.  Valvasor  1.  cit.  S.  487 
heisst)  und  ward  gleich  seinen 
beiden  Vorgängern  im  Besitze  von  WördI  im  Kranciscaner- 


(Fig.  2.) 


')  Auf  rothera  Felde  ein  ecki^'  g-ezogeiiei-  silberner  n  ii  e  r  h  ;i  I  b  e  n. 


klüster  zu  Neustadtl  beigesetzt.  Ein  späterer  Georg  von 
Lenkovitsch  (so  wird  der  Name  gewöhnlieh  geschrie- 
ben) erhielt  im  Jahre  1593  das  Incolat  in  Krain.  Katha- 
rina Freiin  von  Lenkovitsch  war  mit  Nikolaus  Frangi- 
pani  Grafen  von  Tersatz  vermählt.  Dieser  ward  wegen 
seiner  Tapferkeit  und  anderer  Eigenscliaften  vom  Kaiser 
Matthias  im  J.  1010  zum  Banus  der  Königreiche  Dalmatien, 
Kroatien  und  Slavonicn  ernannt  und  starb  kinderlos  1647 
in  Wien. 

Wir  können  nicht  umhin  bei  dieser  Gelegenheit  noch 
etlicher  Zeit-  und  WaHengenossen  desselben  zu  gedenken. 
Nach  Hanns  von  L.  war  Herbert  VII.  von  Auersperg 
Feldoberster  und  commandirender  General  an  den  croati- 
schen,  slavonischen  und  windischen  Grenzen,  der  am  22.  Sep- 
tember 1575  bei  Budüski  im  Kampfe  gegen  die  Türken 
ritterlich  fiel  und  dessen  Leichnam  bei  den  Franeiscanern 
in  Laibach  ruht.  Hat  er  daselbst  einen  Grabstein?  Dessen 
Porträt  verwahrt  die  k.  k.  Amhraser  Sammlung  Nr.  811. 
Darauf  linden  wir  Hanns  Ferenberger  von  Auer,  in 
Südtirol,  angeblich  eines  gemeinen  Soldaten  Sohn,  der 
dem  Schmalkaldenkriege  und  den  italienischen  und  ungari- 
schen  Fekizügen  ruhmvoll  beige- 

wohnt  halte.    Im  1500  erhielt  er 

das  Commando  der  croatischen 
Festung  Zeug,  ward  dann  vom  Erz- 
herzog Karl  von  Steiermark  zum 
Obersten  seiner  Leibwache,  wie 
auch  oliersteii  Feldhauptmanne  sei- 
ner innerösterreicliisclien  Lande 
und  Commandanten  der  nach  die- 
sem Erzherzoge,  dem  Gründer 
der  nun  so  grossartigen  Mililär- 
gränze,  genannten  Karlstadi 
ernannt.  Am  1.  August  löSO  be- 
rief ihn  K.  Rudolf  II.  zum  Stadt- 
commandanten nach  Wien,  wo  er 
im  J.  1584  sein  Leben  beschloss. 
Die  k.  k.  Ambraser  Sammlung  ver- 
walirt  dessen  weisse  Landskneclil- 
rüstung  im  Saale  II,  Nr.  05  uiiil 
dessen  Porträt  Nr.  808. 

Weickard     Freiherr     vuti 
Auersperg  warFeldoberster  und 
commandirender  General  in  Croa- 
tieii  und  starb  zu  Karlstadt  kinder- 
los 1581.  Noch  nennen  wir  dessen 
Vetter   Andreas    Freiherrn    von 
A  u  ers  p  e  rg,  1 350  geborenund  der 
christliche    Achilles    geheissen. 
Er  war  früher  Kai.ser  Rudolfs  II. 
Kriegsralli.  auch  Feldoberst  an  der  croatischen  und  petriiii- 
sehen  Grenze  und  starb  elielus  Iöll4.\\.i  nilicn  diese  beiden 
und  wo  haben  sie  Denksteine  V 


184 


Die  Familie  von  .'•»igisUorif  oder  Miger«itor(r. 

Diese  innerüstcrreicliisclie  Ailelsfamilie  hesass  nacli  Loo- 
pold's  Freiherrn  von  Stadl  Elireiispiegel  Hil.lX,ö38,  \vieIuil• 
He^l*  AloisKöiiig  aus  Gratz  niittheilt,  in  Steiermark  unter 
andern  das  Sehloss  und  die  Herrschaft  Sijjerstorff  oder 
Sigersdorf  im  Haal^lelde  nächst  dem  Scliloss  Kircld)erg. 

Thomas  von  SigerstorlT  lebte  im  .lahre  1520,  war 
Dentsehordens-Ritler  und  Ctunmeiidator  zu  (jrosssoiiiitaii  im 
.1.  1040.  Er  starl)  löGO  und  liegt  in  der  Ürdenskirche  zu 
Maria  Leeeh  in  Gratz  begraben.  Sein  Grabstein,  der  in  der 
äussern  Mauer  der  Kirche  gegen  Süden  eingesetzt  ist,  zeigt 
den  geharnischten  Hittor  mit  dem  Ordeuspanier  in  der  Hech- 
ten und  seinem  \\  appcnschiUie  —  einem  nackten  Manne 
mit  einem  Streitkolben  —  in  der  Linken.  Die  schon  sehr 
unleserliche  rmschrift  des  Grabsteins  lautet  nach  Staill 
S.  ö42:  „liier  Hueliet  der  Edl  gestrenge  Herr  Thomas 
von  Sigersto  rf  f  zu  gross  Winklern  Teutsch  Ordensritter 
vnd  gewester  Commendator  zu  gross  Suntag.  dem  golt 
gnädig  Seye.-  Ein  Schild  mit  dessen  gemaltem  Wappen 
und  der  ilahreszahl  ist  im  Fnijern  der  Kirche  aufgehängt. 

In  Kärnten  besass  dieses  Geschleclit  Klein-  und 
Gross  winklern,  wovon  es  seinen  Beinamen  führte.  Sig- 
mund Friedrich  von  SigerstorlT  zu  Gross wiidderii  erhielt 
nach  den  .Adelsacten  am  1(J.  ^hii  1G37  den  Frei  her  rn- 
stand.  Auch  das  Schloss  und  die  Herrschaft  Lichten- 
graben hat  Herr  Philip|»  Valentin  und  Jörg  Sig- 
mund, Freiherr  von  SigerstorlT.  Schloss  urul  Herrschaft 
Weisse nau  besessen. 

In  Krain  gehörte  dieser  Familie  nach  v.  Valvasor 
Buch  IX,  S.  IG  Schloss  und  Herrschaft  Alten  lack  bei 
Hischoflack.  Xach  desselben  Angabc  Bd.  111,  333  war  Herr 
Balthasar  von  Sigerstorff  mit  acht  Pferden  nebst 
anderen  neun  Herren  aus  Krain  im  Jänner  1527  bei  dem 
Einzüge  des  zum  böhmischen  Könige  gewählten  Erzherzogs 
Ferdinand  L  zu  Prag.  Die  Steiermärker  Christoph  Sie- 
gesdorf er  und  Theobald  Ziegler  fielen  nach  Baron  von 
Hammer  H,  239  mit  2ö9  Tapfern  bei  Baböcsa  um  den 
21.  .Iidi  lööG  im  Kampfe  gegen  die  Türken. 

Hanns  Jakob  von  Sigerstorff,  Vormund  der  von 
Herrn  Hermann  von  Hohenwart  hinterlassenen  Erben,  brachte 
nach  V.  Valvasor  Buch  XI,  282  deren  Schloss  Hofmanns- 
burg nach  .Auszahlung  aller  darauf  haftender  Schulileii  mit 
gerichtlicher  Genehmigung  im  J.  löS8  an  sich,  niusste  es 
aber  1C14  dem  ("dsmus  von  Hohenwart  wieder  abtreten. 
Ferner  besass  diese  Familie  Schloss  und  Herrschaft  Pres- 
eck  "der  Preiseck.  drei  kleine  Meilen  von  Neustadtl 
(v.  Valvasor  XI,  454).  Hier  zu  Neu.stadtl  im  Franciscaner- 
kloster  ruht  Georg  von  S.  und  wir  entnehmen  dmi  Grab- 
steine folgende  Inschrift: 

„Georg  von  Sigisdorif  zu  (i  ross  w  in  k  I  c  reu 
gwpster  Hauptmann  zu  Zeng  und  seine  Gemahlin  Anna  eine 
geb.    Semenishin.    der    gestorben    den    IG.    lanuar   im 


(15)73  lahr."  Er  ist  dargestellt  in  Rittertracht.  Dessen 
Wa|i|ieu  ist  in  v.  Valvascu'  Buch  XI,  llö  allgebildet,  und 
das  der  Familie  Semenitsch,  die  gleichfalls  zum  Hitter- 
stande  Krains  zählte,  daselbst  S.  118. 

Cliri.slopli  (iall  von  Gnllen»«lein«  -J-  i5?0< 

Die  (Jall  sollen  nach  Wissgrill  111.  207  aus  der 
Schweiz  bei'staunncn,  zählen  z\nn  .\tlel  des  Herzogthums 
Krain  und  führen  ihren  Beinamen  von  Gallenstein  in 
(tberkrain.  Das  Alter  dieses  Geschlechtes  erhellet  aus  einem 
\'idinms  Jakob"s  von  fjaniberg,  Freiherrn  zum  Stein,  kaiser- 
lichen Landeshauptmanns  in  Krain  vom  Jahre  15G2  lur 
(^hristoph  Gall  zum  Ijucg.  Hegiments-Halh  der  nieder- 
iisterreichischen  Hcgicrung  über  die  von  Herzog  Berthold 
von  Meran  im  ,1.  1  154  erfolgte  Bestätigung  der  vom  Grafen 
Bernhard  vnn  Kärnten  demKlostcr\iktring gemachten  Schen- 
kung des  Hofes  und  Gutes  zu  N'iuweidu)veii.  Dieses  \  idinms 
bestätiget,  dass  der  in  der  genannten  rrkunde  des  Herzogs 
Bertlidld  von  hieran,  welche  diesem  Vidinuis  eingeschaltet 
ist,  als  Zeuge  angeführte  .VI  her  t  (Jall  desselben  Namens 
und  Stammes  sei.  (Ngl.  Wissgrill  a.  a.  0.)  Christci]ih 
Gall  erhielt  nach  den  Adelsacten  das  Prädicat  v.  Gallen- 
stein am  18.  Jänner  15G3. 

Man  findet  die  Gall,  wie  mir  Herr  .\lois  König, 
Beamter  am  st.  steiermärkischen  Jubanneinn,  aus  Gratz 
berichtet,  daselbst  in  mitunter  nicht  unwichtigen  Urkunden 
V(m  den  Jahren  13GI  bisl57G,  in  welchen  sie  entweder  als 
.Aussteller  der  Urkiuulen  oder  als  Zeugen  vorkommen.  Nach 
einer  derselben  V(uu  1.  Jänner  1557  war  Christoph  Gall 
/.luu  Lueg  verordneter  Beisitzer  des  Landrechtens  in  Krain. 
dcssgleichen  ständischer  Verordneter  in  den  Jahren  1567 
und    15G9nach  v.   Valvasor:  Tbl.  111.   Buch  IX,  S.  85. 

Am  28.  März  1563  cedirt  (Miristopb  Gall  von  Gal- 
lenstein, der  römisch -kaiserlicluMi  Majestät  Hath,  einen  von 
Balthasar  II.  von  Gleinitz  zu  Gleinitzstetteu  ausgestellten 
Schuldbrief  von  600  fl.  an  seinen  Schwager  Sigmund  von 
\V  i  I  (I  e  ns  t  e  i  n. 

Erzherzog  Karl  von  Steiermark  crlheilt  ddo.  Gratz  am 
Weihnachtstage  15G5  dem  gesammten  Stauune  der  Gall 
von  Gallenstein  in  Aidtetracht  der  Verdienste  derselben 
und  insbesonders  der  seines  Begiments-Hathes  Christoph 
Gall  von  Gallenstein  das  Becht,  einen  goldfarbenen,  olTenen 
Tiuiiierhelm  zu  führen  und  sich  des  rothen  Wachses  beim 
Siegeln  zu  bedienen. 

Clirisldph  hatte  in  der  (irafschaft  C  i  1 1  i  mehrere  Be- 
sitztnigen  als  Lehen,  die  nach  deren  Hücklegung  von  seiner 
Seite  vom  genannten  Erzherzog  Karl  laut  Lehenbriefcs  ildo. 
Gratz  am  10.  Jniii  LiliSdem  Herrn  Sigmund  \on  \\  ilden- 
stcin  L;('gcben  w  iM'dcn. 

\ Du  demselben  Christ(i])h.  der  römisch-kaiserlichen 
Majestät  Halb  und  \'erwalter  ili'r  HaMptniannschalt  und  des 
Vicedomamtes  der  fiirstlichen  Grafschaft  Cilli.  ist  ein  Ver- 
zicht-Hevers  vom  IS.  Jidi  1570   an  die  (lebriider  Dielrieli. 


—   185 


Christoph  und  Adam  von  Wildenstein  als  Gerhab  oder  Vormund 
der  hinterlassenen  Tochter  der  Rosina  von  Wildensteiii  und 
des  Dionys  Hermann  über  die  für  selbe  empfangene  Erbschaft 
von  344  fl.  im  gräfl.  v.  Wildenstein'schen  Archiv  vorhanden. 

Am  selben  18.  Juli  1570  lesen  wir  ihn  zu  Wiidpach 
als  Zeugen  in  dem  Vertrage  zwischen  Lienhard  v.  Wilden- 
stein, und  dessen  Stiefbrüdern  Dietrich,  Christo[di  und  Adam 
V.  Wildenstein  über  die  Verlassenschaft  ihres  Vaters  Sigmund. 

In  einem  Vergleiche  ddo.  Wiidpach  am  19.  Juli  1570 
zwischen  den  Gebrüdern  Dietrich,  Christoph  und  Adam  von 
Wildenstein  eines  Theils,  und  der  Eva  von  Aichelberg,  Sig- 
mund's  von  Wildenstein  Witwe  ')  anderes  Theils,  in  Betreff 
einiger  obwaltender  Irrthümer  erscheint  Christoph  Gall  von 
Gallenstein  gleichfalls  als  Zeuge. 

Nach  Wissgrill  III.  210  war  dieser  Christoph  Gall 
auch  niederösterreichischer  Landmann ,  trat  sehr  jung  den 
28.  Mitrz  1561  als  Regimentsrath  in  das  niederiisterreichi- 
sche  Regierungsraths-Gremium,  verblieb  in  demselben  noch 
unter  K.  Maximilian  II.  bis  zu  Ende  des  Jahres  1568  und 
lebte  hernach  auf  seinen  Gütern  in  Steiermark.  Nach  obiger 
Angabe  finden  wir  ihn  um  1570  als  Verwalter  der  Ilaupt- 
mannschaft  in  Cilli,   wo  er  auch  mehrere  Lehen  besass.  Er 


hatte  nach  demselben  Wi.ssgrill  III.  210  und  267  Katha- 
rina von  Gera,  Georgen"s  von  Mordax  Witwe,  zur  Ehe, 
hinterliess  aber  keine  Kinder.  Nach  Hühner  III.  N.  974  in 
der  Stammtafel  der  Grafen  von  \\'ildenstein  war  seine  Ge- 
mahlin Helena,  Tochter  Sigmund's  von  Wildenstein 
und  dessen  dritter  Hausfrau  Anna  von  Falbenhaupt ,  wo 
Christoph  irrig  Greif  von  Gallenstein  genannt  wird.  Wie 
aus  obiger  Urkunde  vom  28.  März  1563  sich  ergibt,  war 
Helena  nicht  die  Tochter,  sondern  die  Schwester  SigmuniKs 
und  somit  Christoph  Gall  dessen  Schwager. 

Gregor  nah. 

Aus  dem  fünften  Grabsteine  erfahren  wir,  dass  Gregor 
Rah  am  3.  August  1599  gestorben  ist  und  einen  Sohn 
Namens  Martin  hatte,  der  am  11.  Juli  1622  starb,  ferner 
dass  des  letzteren  Sohn  Georg  vor  seinem  Vater  am 
9.  August  1621  dahingeschieden  ist.  Ich  vermag  nur  beizu- 
fügen, dass  ein  Georg  Rab  am  7.  Februar  1586  einen 
Wappenbrief  mit  Lehenbesitz-Fühigkeit  erlangte,  dessglei- 
chen  am  1.  December  1604  den  Adelstand  mit  dem  Prädicate 
von  Raben  stein,  und  ein  Johann  Rab  im  J.  1650  das 
Ineolat  in  Krain  erhielt. 


Die  Inschriften  und  Büsten  der  Gallerie  im  Dome  von  St.  Veit  zu  Prag. 

Wie  es  keine  andere  Kathedrale  in  Deutschland  und  auf  diesem  Grundton  mit  Kreide,  in  böhmischer  Siiraclu". 
Frankreich  aufzuweisen  hat,  finden  sich  auf  der  Gallerie  des  die  Namen  der  einzelnen  Standbilder  hinzuschreiben.  Rei 
Prager  Domes,  die  als  Trisorium  um  den  Chor  lierMiiigeführt  Gelegenheit  der  Abzeichnung  und  detaillirten  lieschreiliung 
ist,  aufgestellt  die  sculptirtcn  und  illuminirten  Rüsten  Karls  IV.,  des  reichen  Dumscliatzcs  von  St.  Veit,  die  wir  im  Auftrage 
seiner  Gemahlinnen,  Söhne,  Brüder,  ferner  der  Prager  Erz-  der  k.  k.  Central-C(unmission  zur  Erf  u.  Erb.  der  Baudenk- 
bischöfe, die  den  Bau  des  herrlichen  St.  Veit's  Münster  vor-  male  mit  unterstützender  Beihilfe  von  Seiten  des  hoch- 
züglich  begünstigten,  so  wie  auch  die  lebensgrossen  Büsten  würdigen  Domcapitels  unternommen  haben,  versuchten  wir 
der  beiden  Baumeister,  wovon  der  eine  den  Bau  begonnen  es  auf  eine  sorgfaltige  Weise,  den  schwarzen  L'berzug, 
und  der  zweite  den  Chorbau  fortgesetzt  und  vollendet  hat.  worauf  sich  in  weisser  Kreide  die  geistreiche  Inschrift 
Über  dieser  langen  Reihe  von  Büsten,  21  an  der  Zahl,  „Peter  Arier"  befand,  fortnehmen  zulassen  und  landen 
wodurch  die  ganze  Baugeschichte  des  Domes  von  St.  Veit  zu  unserer  nicht  geringen  Cberraschung,  dass  der  leidige 
und  sogar  die  Portraits  jener  hervorragenden  Männer,  die  Überzug  eine  Wasserfarbe  sei,  die  sich  fortschaffen  Hess,  ohne 
beim  Baue  vorzüglich  thätig  waren,  bis  auf  unsere  Tage  dass  im  mindesten  die  alte  darunter  befindliche  Minuskel- 
gerettet worden  sind ,  befanden  sich  ehemals  grössere  In-  schrift  in  ruther  Temperafarbe  tangirt  wird.  Bei  völliger 
Schriften,  die  ausführlicher  angaben,  in  welcher  näheren  Reinigung  ergab  sich  nun,  wie  auch  die  böhmische  Kreide- 
Beziehung  der  bildlich  Dargestellte  zum  Baue  stand-}.  schrift  andeutete,  dass  die  sciiöne  Büste,  in  luäunlifh  edliMi 
Leider  hat  nun  auf  eigene  Faust  vor  einigen  Jahren  ein  Zügen,  das  Portrait  eines  Gliedes  jener  berühmten  schwäbi- 
Glöckner  von  St.  Veit,  wie  uns  angegeben  wurde,  den  un-  sehen  Baufamilie  der  Arier  von  Gmünd  vorstellte,  die  im 
glücklichen  Einfall  gehabt,  sämmtliche  lateinische  Minuskel-  XIV.  Jahrhinidert  ausser  beim  Haue  des  Mailänder  Domes 
Schriften,  die  durch  die  Länge  der  Zeit  unleserlich  geworden  iJut^'i  bei  vielen  anderen  Kirchenbauten  diesseits  der  Berge 
sein  mochten,  mit  schwarzer  Farbe  zu  überschmieren  und  thätig  war.  Die  umfangreiche,  äusserst  merkwürdige  Inschrift 

mit  mehreren  Alikiirzungen  und  einigen  kleineu  orlhogra- 
phischen  Fehlern,  die  eingeschlichen  sein  können,  weil  der 
Maler  des  Lateinischen  ni<'ht  sehr  erfahren  sein  mochte,  gibt 
an,  dass  dies  die  Büste  des  Peter  von  Gemünd  in  Schwa- 

,.iner  .nein-  eresc.im.i,u,ch..n  .vu,nogr.,|,hie  des  Domes  bg,,  (de  Gcnuiudae  in  Scvia),  Soliu  des  Meisters  11  e  i  u  r  i  cd. 

von  St.  Veil  von  Dr.  Les-is  (i  I  iiekselit;;  eine  aieliii.ilogisch-kritlsche         .      .  .,         •    •     .    i      ■      i 

Al.sel.rift  nach  de,- ünsinalp.iuseau(|,l,otn(fn,|,l,isel,e.MWoi;i.  verkleinert,        ^ '' '  •' '''    "«-'HHCl    Arien    de    Polouia    (sic).   Und    zweiten    liau- 

wird  bis  heule  n. ich  venuisst.  mcistcrs  dieser  Kirclie,  den  Kaisei' Karl  IV.  von  dem  hesautcn 


')  Somit  war  nicht  Afra  von  Saurau,  « ie  Hühner  T.  974  anjjiht,  Sig- 
tnund's  von  W.  1  e  t  z  te  (jem ahlin.  sondern  diese  K  v  a  von  A  i  c  h  e  1  b  e  rg. 

^)  Vor  dem  Anstriche  wurden  mehrere  dieser  Zuschriften  vom  ISihliothekar 
Ritter  v.  II  a  n  k  a  entziU'erl  und  auch  in  neuerer  Zeit  wni'den  einige  der- 
selben  mitl^etheill  in 


II. 


•ili 


186   - 


Lande  Iiioiliin  t^efiilirt  luibe  iiiul  ihiss  or  ihn  gemacht 
lialie  zum  üaiiiiicistor  dieser  Kiiclie  dass  er  ferner  damals 
2',i  Jahre  all  jicwesen  sei,  als  er  aniiiig,  den  Bau  zu  leiten, 
im  Jahre  des  Herrn  1350.  Die  Inselirift  besagt  ferner,  dass 
der  grosse  sehwähiselie  üaumeister  im  Jahre  13Si)  den  Clior 
v(in  St.  Veit  vollendet  habe,  dass  er  in  diesem  .laiire  an- 
auiing  die  Sedilien  ')  im  C'liore  anfzuführen ,  und  dass  er 
wälirend  dieserZeit  am-li  den  Clior  derAllerlieiligen-Kirehe ') 
vollendet  habe.  Der  Sehluss  derselben  eudlirh  ti'ibt  an,  dass 
Arl  er  ebeul'alls  die  Leitung  bei  dem  IJaue  der  Moldaubriieke 
(rexit  pontem  Multaviac)  gehabt  und  dass  er  auch  den  Chor 
in  Kollin  an  der  Elbe^)  gebaut  inibe  (in  Colonia  circa  Alliiam). 
Wir  in'oilteii  uns,  Sr.  Kminenz  dem  hochwüi-digsten  Cardinal- 
Krzliischof  Fürst  Friedrich  von  Seh  warzenberg  von  dem 
Ergebnisse  Mittheilung  zu  machen,  und  erbaten  uns  die  Erlaub- 
niss,  den  schwarzen  (berzug  auch  bei  den  übrigen  Inschriften 
sorgfaltig  beseitigen  lassen  zu  dürfen.  Se.  Fminenz  gaben 
darauf  dem  hochwürdigsten  Domcajiitel  den  Wunsch  zu 
erl;eua('n,dass  sämmtliche  Inschriften  von  sachkundiger  Hand 
mit  griisster  Sorgfalt  wieder  zu  Tage  gelVirdert  werden 
möchten.  Das  hoch«  ürdigste  Metroiiolitan-Capitel  hat  bereit- 
willigst diesem  Wunsche  entsprochen  und  die  Mittel  entgegen- 
komnuMid  bewilligt.  Um  diese  für  die  Baug(>schichfe  von 
St.  Veit  äusserst  schätzbaren  Inschriften  vor  Unbilden  in 
Folge  zu  schützen  und  ihre  Lesung  imd  Feststellung  end- 
glltig  wissenschaftlich  zu  fixiren.  siiul  wir  eben  beschäftigt, 
von  geübter  Hand  auf  dem  Original  selbst  diese  Inschriften 
durchpausen  zu  lassen.  Wir  werden  dieselben  dann,  nach- 
dem sie  vorher  mit  dem  Original  sorgfältig  verglichen  wur- 
den, auf  grössere  Bogen  Papier  charakteristisch  genau  über- 
tragen lassen,  und  sollen  dann  diese  genauen  Copien  im 
Archive  des  Domes  deponirt  werden. 

Indem  wir  uns  beehren,  der  Redaction  dieser  Blätter 
von  dem  (>eschehenen  Nachricht  zu  geben,  fügen  wir  hier 
noch  die  !\littheilung  hinzu,  dass  wir  jedenfalls  jene  vier 
Büsten    auf   der    gedachten    Empore    mit    archäologischer 


Genauigkeit  abzeichnen  Hessen,  die  für  die  Baugeschicbte 
von  St.  N  eit  ein  grösseres  bistoi'isclies  Interesse  bieten.  Es 
sind  das  die  Brusibildei'.  die  zweifelsdline  als  getreue  Por- 
träte sculptirt  wurden,  von  Karl  1\'.,  von  seiui'm  Freunde 
dem  Präger  Erzbischofe  Arnest  von  Pa rd u b i  t  z ,  ferner  von 
dem  Altmeister  Matthias  von  Arras,  den  Carl  IV.  von 
Avignon  als  Haukünstler  heranzog,  um!  endlich  von  Peter 
Arier  von  Gemünd,  von  dem  die  oben  erwähnte  Inschrift 
interessante  Facta  angibt. 

Wir  horten ,  dass  in  einem  weichen,  lebensfrischen 
Holzschnitte  diese  auch  stylistisch  interessanten  Sculpturen  in 
den  geschätzten  , Mittheilungen  dcrk.  k.  Central-Comiuission" 
eine  charakteristisch  genaue  Wiedergabe  linden,  und  werden 
uns  beeilen,  nä'distens  der  k.  k.  ('(unmission  eine  kleine 
Abhandlung  über  die  „Bauherren  und  Baumeister  des  St. Veits- 
Münsters  zu  Prag"  als  Erklärung  zu  den  Hrustbilderii  ein- 
zusenden, bei  welcher  Veranlassung  wir  sännntliche  Inschrif- 
ten, die  noch  zu  Tage  gefördert  werden,  mittheilen  wollen. 
Audi  werden  w'w  in  den  fcdgenden  Notizen  anerkennen, 
dass  der  schwäbische  Altmeister  Peter  von  (ieniünd 
ni(-ht  nur  seines  Zeichens  eines  der  hervorragendsten  Bau- 
geiiies  seines  Jahrhunderts  war,  sondern  dass  er  auch 
selbsiständig  als  Meister  die  Bildhauerkunst  übte  und  mehrere 
Zeichnungen  für  Goldschmiede  angefertigt  habe.  Das  Letzt- 
gesagte wollen  wir  zu  erhärten  suchen  durch  Beigabe  einer 
charakteristisch  genauen  Copie  eines  jirachtvollen  ö  Fuss 
hohen  Standbildes  in  Saudstein,  vorstidlend  den  h.  Ilei'zog 
Wenzel,  böhmischen  Landespatron,  das  heute  unbeachtet  in 
der  Hasenburgischen  Capelle,  als  Torso  vielfach  mutilirt,  nach 
einem  Erretter  und  Wiederhersteller  sich  schon  lange  ver- 
geblich umgesehen  hat.  Dieses  unvergleichlich  schime  Stand- 
bild, im  kriegeriscdien  Costüme.  zeigt  auf  seinem  Sockel  das 
Familienzeichen  der  Arier,  wie  es  auch  auf  der  Büste  des 
Peter  von  G  e  m  ü  n  d  zu  ersehen  ist  und  auf  einem  besonders 
schönen  Reli(|uiariuin    in    dem  Domschatze    vorkönmit. 

Präs  den  15.  Juni  1857.  Franz  Bock. 


Die  St.  ÄDnacapelle  des  Domes  zu  Pressbnrg. 

Von    Ar  im;  1(1   I  [)  ii  I  j  i   Sluiiimcr.    k.    k.   ('(mscrvator   in   /oliur. 


An  der  Nordseite  des  spätgothischen,  noch  in  mancher 
Hinsieht  merkwürdigen  Pressburger  Ki'önniigsdomes.  dessen 


*)  Uiit(;r  Srililicii  sind  nicht  zu  vt-rsU'lien  die  Clinrsliihlc  tlcr  OoirtluMTen 
von  Eiclieiilinl/,  wie  IViihcr  Einige  rnciiilen,  »onilci-n  die  reicli  verzierten 
SiUe,  in  Stein  von  Buldaeliinen  iil)errngt,  im  enper(Mi  Presl»)tcrinin  ,  auf 
welelien  hei  feierlichen  Messen  der  Cehrlirftnt  und  die  l)eiden  l>i;ietini-n 
nn  der  K[ii8telseite  de»  AMnrs  IMiitz  nahmen. 

2)  niese  AUerlieilijren-Kirche,  die  Kirche  des  eltem.liij^en  Oeor^ien-Sliftes 
unniitleU>iir  hinler  dem  (Jliorsehlusse  von  St.  Veit,  erlitt  im  XVI.  .hdirh. 
durch  Ilrand  eine  grosse  Beschädigung  und  wurde  in  ihrer  heutigen  Koun 
gegen  Mitlc  des  XVI.  Jahrh.  wieder  hergestellt. 

')  Der  Chor  dieser  schönen  Kirche  existirt  heute  noch  in  Knlliii  uiit  einem 
Amhulatorium  um  den  Chorschluss  lieruni  und  zeigt  viele  Verwandtsehiift 
mit  den  Baufurmen  der  Arier,  wie  wir  sie  un  vielen  Kirchen  in  Sehwii- 
hen  kennen  gelernt  halten. 


Beschreibung  wir  nächstens  folgen  lassen,  steht  angebaut 
die  St.  Auiiaca])elle  ;  sie  bildet  jetzt  zugleich  eine  Art  Vor- 
halle für  den  iMiitritt  von  der  Nm-dseite. 

l'ber  den  Zeil|Hinet  ihrer  Erbauung  haben  wir  keine 
bestimmten  historischen  .Angaben,  da  solche  selbst  von  der 
Erbauung  lies  Domes  fehlen.  Alle  älteren  ungarischen  To- 
pografeu,  wie  Bei  (Notitia  Ilungariae  I,  ö7K),  Bonbardi 
(Topographia  Magni  Rog.  Hnng.,  280).  Balkis  (Pre.ssbnrg 
u.  s.  Umgebung,  82),  wissen  nichts  anderes  Miiv.ubrinj.;en, 
als  dass  die  jetzige  Dumkirehe  wahrseheiulieh  in  der  Zeit 
von  Karl  dem  Grossen  bis  Ladislaus  I.,  König  vdii  Ungarn, 
von  einem  der  damaligen  Herrscher  oder  ersten  Königen 
von  Ungarn  gestiftet  und  erbaut  worden  ist.  Es  gehörte  dazu 


—  187 


die  bis  auf  die  neueste  Zeit  iiilgemein  herrschende  völlige 
Unkenntiiiss  der  Geschichte  der  Bauiiurist,  dass  das  Entste- 
hen eines  Gebäudes,  welches  ohne  Ausnahme  durchgängig 
den  spätgothischen  Cliarakter  aufweist,  mithin  also  in  die 
Zeit  des  XV.  Jahrhunderts  fällt,  in  den  Zeitraum  von  791 
(Kari's  d.  Gr.  Avareniiriege)  bis  1092  (Tod  des  lieiiigen 
Ladislaus)  gesetzt  werden  konnte. 

Nach  den  uns  vorliegenden  archivarischen  Quellen  stellt 
sich  aus  den  Kirclienvisitationsprotokollen  der  letzten  drei 
Jahrhunderte  heraus,  dass  die  Kirdie  aller  Wahrscheinlich- 
keit nach  während  der  ersten  Hälfte  des  XV.  Jahrlnmderts 
gebaut  wurde.  Es  wird  nämlich  in  den  Visitationsjirutokollen 
eine  bisher  ungedruckte  Urkunde  aus  demCapitelarchive  an- 
geführt, wonach  die  Kirche  im  Jahre  1452  von  Gregor  Bi- 
sehof v.  Milkovien,  als  dem  Vicar  des  Graner  Erzbisthums, 
consecrirt  wurde. 

Mit  dieser  Zeit  würde  also  auch  schon,  wie  gesagt,  die 
Bauform  übereinstinmien,  wesshalb  anzunehmen  ist.  dass  der 
uralte,  aller  Wahrscheinlichkeit  nach  noch  vor  der  Bekeh- 
rung der  Ungarn  bestehende  Pressbui'ger  Propsteidom  um 
diese  Zeit,  etwa  in  der  Folge  des  während  der  Regierung 
Sigmund's  sich  erhellenden  städtischen  Gemeindesinns  des 
Bürgerthums  neugebaut  und  erst  viellfichtwährendderersten 
Jahre  der  Regierung  des  Matthias  Corvinus  —  dessen  in  stein- 
gehauenes Wappen  an  einem  mittleren  Strebepfeiler  des 
Chorabschlusscs  angebracht  ist  —  gänzlich  beendet  wurde. 

Es  soll  daraus  gefolgert  werden,  dass  auch  die  St. 
Annacapelle,  an  der  Seite  des  Domes,  aus  dieser  Zeit,  wenn 
auch  etwa  um  etliche  Jahre  später  herrührt;  indem  sie  glei- 
che Bauformen  mit  dem  Dome  gemein  hat.  Für  die  Zeit 
der  Spätgothik  spricht  auch  schon  der  Anbau,  als  ein  cha- 
rakteristisches Merkmal  der  Verfallszeit,  wo  an  die  flachen 
Langseiten  der  Kirchen,  zwischen  Strebepfeiler  die  unorga- 
nisch angelegten  Capellenbauten  angebracht  wurden  und  der 
Standort  derCapelle,  indem  sie,  wie  eben  gesagt,  in  der  Mitte 
des  Langhauses  zwischen  zwei  Strebepfeiler  gestellt  ist. 

Aus  diesem  Standort  und  dessen  näherer  Betrachtung 
ergibt  sich  zugleich  die  besondere  Bestimmung  und  der 
Zweck  des  Baues.  Wie  die  Capelle  noch  heute  dasteht,  stellt 
sie,  wie  eben  erwähnt,  eine  Art  Vorhalle  dar,  aus  welcher 
der  Eingang  von  der  Nordseite  her  in  die  Kirche  führt. 
Seiner  Anlage  nach  scheint  eben  der  Dom  im  Ganzen  nur 
zwei  solche  Haupteingänge  gehabt  zu  haben,  und  zwar  nebst 
dem  genannten  noch  einen  gegenüber  an  der  Südseite. 
Doch  entspricht  diesem  Zwecke  die  Anlage  der  Capelle 
nicht  am  besten;  da  wir  hier  anstatt  einer  gleichseitigen 
Vorhalle,  wie  eben  auch  die  erwähnte  an  der  Südseite 
ist,  mehr  einen  schnr.den  länglichen  Capellenbau  erhalten, 
der  die  Ülfnung  des  Hauptportals  ohne  alles  Verhältniss  zum 
G.'mzen,  anstatt  in  der  Mitte,  ganz  am  Ende  in  einer  Ecke 
seiner  Langseite  hat. 

Ersichtlich  diente  also  die  Capelle  auch  noch  zu  einem 
anderen  Zwecke,  nämlich  als  Eingang  in  die  Gruft,  der  sich 


auch  heute  an  ihren  Boden,  mit  vier  Steinplatten  gedeckt, 
befindet  und  zu  zwei  abgesonderten  Grüften,  diejenigen  des 
Capitels  und  anderer  Weltlicher  führt.  Zu  diesem  Zwecke 
scheint  sie  auch  wirklich  gedient  zu  haben,  indem  sie  später 
sogar  durch  die  Verbauung  des  schonen,  erst  neulich  wieder 
geöffneten  Hauptportals  von  Seite  der  Kirche  abgeschlossen 
und  blos  von  der  Gassenseite  durch  eine  niedere  Spitzbo- 
genthür  zugänglich  war  '). 

In  diesem  Zustande  befand  sie  sieh  bis  in  die  neueste 
Zeit,  da  der  Gottesdienst  darin  schon  längst  abgekommen 
war,  und  desswegen  finden  wir  bei  all  den  vorerwähnten 
Schriftstellern,  die  den  Dom  ausführlich  mit  .Anführung  aller 
Capellen,  Altäre,  Grabschriften  u.  s.  w.  beschreiben,  keine 
Erwähnung  von  unserer  Capelle.  Nur  die  Kirchenvisitationen 
erinnern  sich  noch  ihrer,  und  bezeichnen  sie  als  die  einstige 
St.  Annacapelle,  die  zu  dem  vorerwähnten  Zweck  abge- 
schlossen worden  ist-). 

Eine  unverbürgte  Tradition,  die  unsere  Capelle  auch 
mit  dem  Namen  Ordaliencapelle  bezeichnet,  will  noch  davon 
wissen,  dass  es  der  Ort  sei,  wo  einstens  die  Ordalien- 
gerichte,  Feuer-  und  Wasserproben  abgehalten  worden  sind. 
Bekanntlich  stand  nach  der  Verfügung  des  Königs  Colomann 
(Corpus  Juris  Hung.  Decretum  Colomanni  A.  1100.  I.  22), 
der  die  Ordalien  wegen  Missbrauch  allein  auf  die  bischöf- 
lichen Sitze  beschränkte,  noch  besonders  den  uralten  Prop- 
steien  zu  Neutra  und  Pressburg  (sonst  auch  mit  fast 
bischöflicher  Jurisdiction  bekleidet)  das  Recht  zu.  in  ihrer 
Capitelkirche  Ordalien  zu  halten.  Dieses  gab  wahrscheinlich 
den  An'ass  dazu,  im  Pressburger  Dome  den  Ort  der  ehe- 
maligen Abhaltung  der  Ordalien  zu  suchen,  und  führte  etwa 
auf  die  der  Propstei  zugewendete,  abgeschlossene  und  in 
Verfall  gerathene  Seitencapelle.  Es  braucht  kaum  bemerkt 
zu  werden,  dass  nach  Belegen  zur  Ermittlung  der  Wahrheit 
wir  vergebens  suchen  würden;  wenn  die  Tradition  einen 
Halt  hätte,  so  könnte  dieses  höchstens  von  einer  älteren 
Capelle  gelten,  an  deren  Stelle  der  spätgothische  Bau  ge- 
kommen; eben  so,  wie  die  uralte,  etwa  vor  den  Ungarn  oder 
von  den  ersten  ungarischen  Königen  gebaute  Kirche  diejenige 
mag  gewesen  sein,  an  deren  Platz  der  jetzige  Dom  steht. 

')  Ebenso  kommt  die  im  reiusten  golhischcn  Styl  g-ebaute  chemali^'e  St.  Jo- 
liiinnis  Pfarrkirche,  jetzt  aber  Seitencapelle  an  der  Nordseite  der  Fran- 
ciscauerkirche  —  deren  Beschreibung  wir  in  der  Folge  beabsichtigen  — 
vor,  die  gleich  unserer  Capelle  bis  auf  die  neueste  Zeit  nur  als  eine 
Todtencapelle  „Cappella  Gmortualis"  —  wie  sie  von  den  Chronographen 
des  Ordens  genannt  wird  —  bloss  zum  Todtengottesdiensl,  von  der 
Kirche  abgeschlossen,  verwendet  worden  ist,  und  aus  deren  Vorhalle  auch 
der  Eingang  in  die  Gi'uft  fiihrt.  Sollten  nicht  diese  Scitcncapetlen  ansUltt 
des  ehemaligen  romanischen  Karners  an  Fricdbilfen  und  oft  auch  neben 
der  vom  Friedhofe  umgebenen  Pfarrkirche  Iheilweise  zum  gleichen  Zweck 
gedient  haben  untl  als  Todtcncapellen  errichtet  worden  sein?  Siehe 
dazu  die  iu  der  unmittelbaren  Nahe  der  ü  d  e  n  b  u  r  g  er  Pfarrkirche 
stehende  Todtencapelle  ans  cl.  XIII.  Jahrb    Miftheilungen  I.  108. 

2)  Es  kann  daher  auch  ihre  Abschliessung  nicht  erst  von  der  bekannten  jose- 
pbinisehen  Massregel  gegen  die  Begräbnisse  in  den  Kirchen  abgeleitet 
werden.  Sie  war  schon  lüngst  vor  dieser  Zeit  abgeschlossen,  wie  ans  Bei 
und  den  Visitationsprotokollcn  zu  ersehen  ist.  Das  niimliche  gilt  auch  von 
der  .lohanniscapelle  der  Fraiiciscanerkirche. 


2ü« 


188 


Es  gebührt  übrigens  dein  hochwürdigsten  Doniherni 
K.  Heiller,  Abt  und  Stiidtpfiirrer,  das  hohe  Verdienst,  die 
bereits  verschollene  Cnpelle  wieder  hergestellt  und  thefl- 
weise  ihrer  früheren  ursprünglichen  ISestininuing  zugeführt 
zu  haben;  indem  er  bei  dcni  liuiuMi  Interesse,  welches  er 
für  die  gute  Instandluiltung  und  \  erscbilneriing  des  Domes 
an  den  Tag  legt,  bald  ausgemittelt  hat,  dass  hier  der  Haupt- 
eingang in  die  Kirche  gewesen  ist.  Da  auch  der  später  sehr 
unzweckmässig  am  äussersten  Winkel  der  Nordseite  ange- 
legte nothdürftige  Eingang  wegen  seiner  Hanfalligkeit  auf- 
gegeben werden  mnsste,  so  wurde  das  verbaute,  im  Inneren 
der  Kirche  mit  einen  Altar  verdeckte  Portale  geölTnet. 

Dem  ents|u-e('liend  ist  nun  die  ganze  Wiederherstellung 
der  Ca]ielie  mit  beträchtlichen  Kosten  und  zwar  durcli  den 
Eifer  des  genannten  Domherrn  und  Stadtpfarrers  im  Wege 
der  Sammlung  vorgenommen  worden. 

Die  Capclle  bildet  im  Grundriss  (Fig.  1)  ein  Iruigliches 
Viereck  ')■  -^Is  eine  Seitencapelle  ist  sie,  wie  natürlich,  ohne 


Kl 


li:ii 


(F!ff.  1.) 


alle  Bestandtlieile  einer  grösseren  Kirche :  also  ohne  Chor, 
Kreuzvorlage,  Thurmanlage  etc.  Alle  vier  Seiten  sind  ge- 
radlinig. Die  innere  Länge  beträgt  im  Lichten  37'  1", 
die  Breite  13';  (dine  das  äussere  Mauerwerk  gerechnet, 
welches  in  Folge  des  Anbaues  an  die  Kirchenmauer  und 
zwischen  ihre  Strebepfeiler,  an  allen  Seiten  verschiedene 
Masse  ergibt.  Das  Material,  wie  am  Dome  selbst,  besteht 
durchaus  aus  Saudsteinquadern.  Auswärts  sind  die  !\Iauern 
in  ilireii  nalürliclicii  Zustand,  ohne  allen  Alipntz.  Inwendig 
öfters  und  auch  bei  der  letzten  Renovirung  übertüncht. 

Die  Capelle  ist,  wie  schon  bemerkt,  an  der  nördlichen 
Langseite  der  Kirche,  ungefähr  in  der  Mitte  des  Langhauses 
zwischen  zwei  Strebepfeiler  hineingebaut,  und  zwar  so,  dass 
die  Letzteren  in  den  Bau  hineingezogen,  kaum  um  cliiclic 
Zoll  hervorstehend  ihre  Anlage  bemerkbar  machen.  Ein 
dritter  Strebeptleiier,  der  in  die  Mitte  zwischen  die  beiden 
zu  sieben  kam.  winde,  um  Baum  in  der  Capelle  zu  gewin- 
nen, abgetragen.  Die  freie  der  Gasse  zugekehrte  Langseite 
der  Capelle  wird  dnnh  drei  Strebepfeiler  unterstützt,  derer 


einer  in  die  Mitte,  die  zwei  anderen  an  den  Ecken  über 
Eck  gestellt  sind.  Die  äussere  schlichte  Mauer  hat  ein  ein- 
faches Haupt-  und  Fussgeslms,  und  ist  in  einer  Höhe  von 
beiläulig  8  Fnss  durch  einen  Wasserschlag  unterbrochen, 
der  sich  bei  den  Strebepfeilern  senkrecht  herablässt  und 
dann  wieder  seine  horizontale  Richtung  verfolgt.  Die  Stre- 
bepfeiler sind  nur  einmal  einfach  gegliedert  (bei  dem  obi- 
gen Wasserschlag  kommt  nift  eine  anscheinende  Gliederung 
vor,  wobei  aber  die  Mauer  nicht  zurücktritt).  Alle  drei 
Strebepfeiler  sind  ungefähr  in  der  Mitte  mit  rohen  und  ge- 
schmacklosen Baldachinen  besetzt,  die  dem  |iyrami(lalen 
mehrseitigen  Thurmhelm  gleichen,  und  oben  verjüngt,  mit 
einer  Bosse  endigen.  Darunter  stehen  auf  einfach  gegliederten 
Postamenten  drei  Statuen  aus  Holz,  die  Heiligen:  Joachim, 
Anna  und  Joseph.  Sowohl  diese,  wie  auch  die  Baldachine 
stellen  uns  schon  den  Verfall  der  spätgothischen  Kunst  vor. 

.\n  der  Ostwand  sind  die  Spuren  eines  verbanten.  mit 
Sprossen  und  Masswerk  getulllcn  spitzbogigen  Fensters  zu 
sehen,  das  sich  unsymmetrisch,  nicht  in  der  Mitte  befindet, 
sondern  mit  einer  Seite  an  den  Winkel  des  angrenzenden 
über  Eck  gestellten  Strebepfeilers  anlehnt.  Dem  Fenster 
gegenüber  an  der  Westseite  sieht  man  wieder  von  Aussen 
eine  verbaute  niedrige  und  schmale  Thür,  mit  plattem  Klee- 
blattbogen, von  Kreuzstäben  und  H(ddkeblen  ornamenlirt; 
sie  erscheint  aber  bereits  wie  bis  in  die  Mitte  im  Boden  ver- 
sunken ').  Das  Dach,  mit  Ziegeln  gedeckt,  ist  ein  Pultdach, 
welches  sich  an  die  senkrechte  Wand  der  Kirche  anlehnt. 

Die  rberdeckung  der  Capelle  geschieht  durch  zwei 
Kreuzgewölbe,  welche  aber  der  Länge  und  Breite  nach  von 
Querrippen  (Longitudinal-  und  Transversalrippen)  durch- 
schnitten werden.  Indem  sich  diese  Querrippen  am  Ende  in 
scharfen  Winkeln,  wie  Kreistheile  ausgebogen  abtheilen, 
bilden  sie  dadurch  in  der  Mitte,  sanunt  den  dort  zusammen- 
laufenden Kreuzgurten,  grössere  und  kleinere  Bautenformen, 
wo  sonst  am  anderen  Ende  die  Qiierri|ipen  blos  mit  halber 
ausgebogener  Bautenforin,  gabelartig  an  der  SchiUlwand 
scbliessen.  Durch  diese  anseh(>inlichen  Zierrippen  entsteht 
eine  ganz  eigenthümliche  Gewölbform,  die  eigentlich  weder 
ein  Stern-  noch  ein  Netzgewölb.  sondern  ein.  wie  es  scheint, 
selteneres  Muster  V(Ui  zwei  vierblättrigen  Blumen   darstellt. 

Die  zwei  Schlusssteine  des  Kreuzgewölbes  haben  die 
Form  eines  unten  abgerundeten .  an  beiden  Sebeidceln 
ausgebogenen  Schildes.  Die  Gewölbri|ipen  sind  einfach, 
jedoch  kräftig  aus  Platte,  llolilkeblenuiul  Plättchen  gegliedert, 
hie  Kreuzgurten  werden  von  sechs  (in  den  vier  Ecken  und 
in  der  Mitte  an  beiden  Seiten)  verschieden  geformten  Con- 
solen  getragen:  zwei  sind  den  besehrielienen  (iewJilb- 
schlusssteinen  gleich  schildförmig:  eine  nach  nnlen  spitz- 
laufend,    eine  amIiM'e   rund,    beide  (d)en  ausgekragt;    eine 


')  nie  Zfichliuiiu  des  (iruiiilrisscs  iiiiil  die  Dar.vtdluiii;  ilo«  Biit'rlircldc»  ver- 
daiikeii  wir  der  Güte  des  Corre»|M>iideiili'ii  der  k.  k.  (>iilr:il-('nniniissioii 
in  Pressliui-^  Herrn  K.  lierger.  ll.  Wt-A. 


>)  Ohne  ZweiiVI  riihrl  es  ii;dir-r.  d;iss  :in  die  iiordliclu'  Si'ite  des  Ouinfs.  wie 
aUgemein  inijii'nomnten  uird.  im  Kriegs*eileii  weyeu  der  iiiij^reiizenden 
K:)Htei .  mehrere  Fu-^s  hoch  Krde  »ntjeschiittel  worden  isl.  Oesswejien 
fuhren  ttuch  v<in  dieser  Seile  mehrere  Sttift-n  hinnh  in  den  Ooni 


189  — 


fünfte  ist  mehrseitig,  unten  spitzig  geendet,  oben  zickzaek- 
artig  gegliedert;  die  sechste  ist  bereits  abgefallen. 

In  der  äusseren  längern  Mauer  sind  zwei  Spitzbogen- 
fenster angebracht,  die  bis  in  die  Mitte  der  Mauer  hiiiab- 
reichen  sollten;  nun  ist  das  Eine  in  der  Mitte  von  der  höher 
geführten  neuen Thiiröftnung  durchschnitten.  Beide  verengen 
sich  etwas  von  aussen  und  innen  gegen  die  Mitte;  die 
Einschrägung  aber  bleibt  an  der  Fensterwand  ohne  alle 
Gliederung.  Das  aus  der  gleich  glatten  Fensterbank  sich 
erhebende  Sprosswerk  bildet  zwei  ausgekantete  Pfosten, 
wodurch  die  Fenster  dreitheilig  werden.  Das  Masswerk  der 
Bekrünnung  wird  von  mehrfachen  Kleeblatt-  und  Fischblascn- 
figuren  gebildet,  mit  dazwischen  gelegten  Nasen.  Zwischen 
die  Pfosten  und  das  Masswerk  sind  erst  bei  der  Benovirung 
verschiedenfarbige  Glasstücke  eingesetzt  worden. 

Die  übrige  innere  Einrichtung  der  Kirche,  wie  die 
neuen  Tluirtlügel,  Opferstock  u.s.  w.  sind,  wie  oben  bemerkt, 
ganz  neu  angeschafTt,  und  ziemlich  entsprechend,  wie  auch 
der  oben  angegebene  gothische  Altar  an  der  üstwand,  mit 
dem  Bilde  der  heil.  Anna  'J.  An  den  übrigen  flachen 
Mauerwänden  des  Innern  bemerkt  man  in  der  Mitte  der 
beiden  Langseiten  zwei  ältere  Grabmonumente  in  die  Mauer 
eingesetzt;  beide  sind  nur  etliche  Fuss  hoch,  im  Renais- 
sancestyl, mit  Postamenten,  Gesims  und  Schnörkelwerk 
eingefasst,  aus  weiss,  roth  und  schwärzlich  geädertem 
Marmor;  die  Umralimnng  ist  noch  dazu  mit  andersfarbigen 
runden  und  ovalen  kleineren  Marmorstückchen  eingelegt. 
Das  an  der  Epistelseite  bat  oben  im  ovalen  Schilde  ein 
Wappen  mit  rothem  Feld,  darin  auf  dreihügligem  Gebirg  ein 
rechts  (heraldisch)  schreitender  weisser  Greif  steht,  der  in 
der  erhobenen  Rechten  eine  Traube  hält.  Ober  dem  Schilde 
die  Standeszeichen:  Bischofsmütze  und  Krumnistab.  Die 
Inschrift  lautet:  Memento  Mori.  Anno  D.  1632.  Die 
28  Januari  Adm.  R.  D.  Geor.  Nagy  Praep.  Alben.  C.  Pos. 
Obijt  in  Domino.  Cui  hoc  Epitaphium  Lucas  Vatai  et  Consors 
Susanna  Nagy  higentes  curaverunt.  MDCXXXVl.  An  der 
Evangeliumseite  auf  dem  anderen  gleichen  Denkmal  hat  der 
ovale  Schild  das  wahrscheinlich  selbsterfundene  Wappen: 
im  quergetheilten  roth  und  grünen  Felde  einen  am  Baume  im 
Neste  sitzenden  Pelikan,  seine  Jungen  fütternd;  rechts 
(heraldisch)  den  Mond,  links  einen  Stern.  Die  Inschrift  hat: 
Adm.  Rndus.  Dnus.  Michael  Maurovitius  Praep.  Major  V.  C. 
Agriens.  Abbas  Triunifontinni  de  Bei.  Obiit  An.  Dni. 
MDCXXXVlII.  Die  XXI.  April. 

Den  merkwürdigsten  und  interessanten  Gegenstand 
unseres  Baudenkmales  bildet  das  in   der  Capelle  befindliche 

*)  Der  Altar  ist  die  Arbeit  fies  slrebsamen  Pri'ssburgpr  Kunsttischlers 
H.  A.  S  ta  u  di  n  {^- er  .  dei-  Itereits  in  diesem  ('"jiclie  <iureh  seine  uiiaiis- 
gesetzte  Streiisamkeit  einige  BeriilinitbL-it  erlangt  hat.  l'nliinj^st  hat  er 
entsprecliend  gotliisehe  Altäre  tiir  die  Pester  IM'arrkirehe  in  der  inne- 
ren Stadt  und  iurdie  Henninencajielle  verlertigt.  Alle  üljertritU  an  Soli- 
dität, Grösse  und  Schönheit  der  Couception  der  jetzt  noch  in  seinem 
Atelier  befindliche,  für  die  Wölfsleindori'er-Kirche  des  Heiligenkreuzer 
Cistercrenser-Stiftes  bestimmte  Altar. 


Portal,  welches  den  Eingang  in  die  Kirche  bildet,  und  da.» 
erst  nun  bei  der  Restaurirung  mit  der  reichen  Thürein- 
fassung  und  dem  Reliefbilde  des  Bogenfeldes,  welche  bereits 
ganz  unkenntlich  verklebt  waren ,  zum  Vorschein  ge- 
kommen ist. 

Dieses  Portal  öffnet  sich  der  Capelle  zu,  in  dem  sich 
die  schräge  Thürwandung  gegen  die  Kirche  vorengt;  acht 
Stufen  führen  in  die  letztere  hinab.    Die  schräge  Wandung 
hat  an   ihrer  ganzen  Fläche  eine  reiche  Gliederung  von 
mannigfachem    Wechsel    der    Wülsten ,    Hohlkehlen    und 
Plättchen,  die  sich  von  unten  bis  zu  der  beträchtlichen  Höhe 
der    spitzbogigen   Überwölbung    an    den    Seiten    ununter- 
brochen erheben;    nur  in  der  Mitte  bricht  etwas   die  Glie- 
derung ab  ,   sich  auf  beiden  Seiten  für  Nischen  erweiternd, 
über  denen  hübsehe  Baldachine  aufsitzen,  die  wieder  mehr- 
seitige   aber  schöngeförmte    pyramidale  Thurmhelme   dar- 
stellen,  an  jeder  Seite  mit  angebrachten  Giebeln,   die  aus- 
wärts   mit  Plättchen    und   Hohlkehlen  gegliedert,    an   den 
Kanten  mit  Bossen  geziert,  oben  an  der  Spitze  Kreuzblumen 
tragen.    Gleich  diesen  sind   die  Kanten  der  mehrseitigen 
Baldacliine  mit  Bossen  belegt,  oben  bekränzt,  verlaufen  sie 
sich  stets  mehr  verjüngt  und  abgerundet,  mit  ihrem  Ende 
in   die    mittleren    starken    Wulste.      Darunter    stehen    die 
Statuen    der    Heiligen    Johannes    des    Täufers    und    des 
Evangelisten,  die  aber  erst  bei  der  Wiederherstellung  des 
Portals  in  die  leer  gefundenen  Nischen  hineingesetzt  worden 
sind.    Die  Postamente  der  Statuen  bilden  schöne  Consolen, 
die    sich    eigentlich   wie   Capitäle   von    schlanken    Säulen 
ausnehmen,  deren  Schaft  von  dem  breiten  mittleren  Wulst 
der  Profilirung  unserer  Thürwand  gebildet  wird,    an  dem 
dann   die  Consolen  wie  Capitäle  aufsitzen;   beide  sind  mit 
hübschem   Laubwerk  bekränzt,    das   eine   sogar  mit   zwei 
Reihen  Blätterkrönung,  das  andere  mit  aus  grossen  Blättern 
gebildetem  einfachem  Laubwerk.  Ihre  Betrachtung  erinnert 
uns  an  die  schönste  Periode  der  Gothik.  wo  das  Laubwerk 
der  Natur   nachgeahmt   wurde;   und    sie   bieten   mit  ihren 
Reben-  und  Hederablättern  ein  ausgezeichnetes  Muster  und 
Beleg    für    die    bei    Caumont    (Abecedaire    ilArcheologie. 
Architecture  religieuse,  288),  zusammengesetzte  und  ange- 
führte „Flora  Muralis"  des  X  II.  Jahrhunderts. 

In  dem  von  einem  etwas  überhöhten  Spitzbogen  über- 
wölbten Tympanum  oder  Thürbogenfelde  erscheint  das  in 
Stein  gehauene  Reliefliild.  welches  jetzt,  vom  Anwiirf  befreit, 
wohl  etwas  auch  wieder  zu  stark  mit  grauer  (Ufarbe  ange- 
strichen worden  ist.  Das  Bild  gibt  uns  eine  Darstellung  der 
heil.  Dreifaltigkeit  (Fig.  2).  Wir  sehen  daran  in  der 
Mitte  (jolt  \'ater  auf  einem  Throne  sitzend,  den  Heiland  am 
Kreuze,  mit  beiden  Händen  an  den  Kreuzesarineiihalteiul.  Oben 
ist  der  heil.  Geist  in  Taubengestalt;  unten  zu  den  Füssen 
von  beiden  Seiten  sind  zwei  am  Postamente  kniende  Engel 
angebracht,  deren  einer  die  Hände  gefaltet  bat,  der  andere 
aber  eine  Hand  auf  die  Brust  legt,  die  andere  gegen  den 
Heiland  liervorstreckend ,  mit    erhobenein    Finger    auf   ihn 


190 


deutet.    An  den  Seiten  von  nnten  bis  an  die  Spitze,  und  von 
beiden  Seiten  gegen  die  Mitte  erstreckt  sieb  ein  stylisirtes 

Laubwcrit  ,  in 
dessen  Mitte  anf 
einer  Seite  ein 
Löwe  und  sein 
Junges  sicht- 
bar wird;  auf 
der  andern  Seite 
steht  ein  Peii- 
iian  über  sein 
Nest  geneigt,  aus 
welchem  seine 
3  Jungen  mehr 
oder  weniger 
sichtbar  hervor- 
ragen, die  er  in 
BegrilTzu  stehen 
scheint,  mit  sei- 
nem   Blute     zu 


(Fig.  2.) 


speisen. 
Die  ganze  Darstellung,  so  wie  auch  die  Ausführung 
desselben,  scheint  auf  eine  ältere  Zeit  zu  deuten,  als  es  die 
angegebene  unseres  spätgothischen  Baues  ist;  wahrschein- 
lich ist  es  dieXachbildung  eines  älteren  Musters  ').  Gott  Vater 
erscheint  daran  noch  ganz  in  dem  idealen  Typus  des  ursprüng- 
lichen Christusbildes,  mit  fast  jugendlichen  Aussehen,  mit 
gekräuseltem  langen  Haupt-  und  kurzen  Barthaar,  unbe- 
deckten Hauptes,  und  mit  unbekleideten  Füssen;  er  trägt  das 
lange  Untergewand  und  darüber  ein  kürzeres  Oberkleid, 
beides  mit  reichem  Faltenwurf. 


Der  Heiland  ist  bereits  mehr  in  dem  realen  Typus: 
sterbend  mit  geneigten  Haupt,  an  den  mit  Tituius  bezeich- 
neten Kreuze  gebildet.  Auch  das  Kre\iz  ist  schon  mehr 
Holzbalken  als  Baum;  wie  gewöhnlich  alle  diese  Formen 
schon  seit  dem  XH.  Jahrhundert  vorkommen.  Ganz  abson- 
derlich aber  konnnt  der  betiäclitlich  lange  Obertheil  des 
Kreuzes  vor,  so  wie  auch  die  gabel-  oder  scbächerkreuz- 
artig  sich  erhebenden  Kreuzarme.  Die  Engel  sind  auch 
noch  in  der  älteren  traditionellen  Form  gebildet ,  als 
reifere  Jünglinge  (nicht  v  ie  s|iäter  schon  als  Kinder) 
mit  gekräuseltem  Haar,  Flügeln  und  in  langer  faltenreicher 
Kleidung. 

Was  daher  die  Vorstellung  des  Bildes  betrifft,  ist  es. 
wie  gesagt,  eine  der  älteren  hergebrachten  Darstellungs- 
arten der  beil.  Dreifaltigkeit.  (S.  Mcnzel's  Symbolik,  S.216.) 
Es  ist  heute  leicht,  auch  die  übrigen  bedeutsamen  symboli- 
schen Thierfiguren  zu  deuten ,  nach  dem  Vorgange  des 
Kunstarcbäologen  Dr.  Heider,  indem  er,  wie  die  Leser 
dieser  Blätter  sich  erinnern  werden,  in  dem  trefflichen  Auf- 
satze über  die  „Symbolischen  Darstellungen  in  der  Cisler- 
cienserkirche  zu  Neuberg  in  Steiermark"'  bereits  unter 
andern  auch  die  hier  vorkommenden  nach  den  von  ihm 
herausgegebenen  Physiologus  aus  dem  XI.  Jahrhundert 
gedeutet  bat.  Darnach  ist  der  Löwe  das  l'rbild  der  Grab- 
erstehung Christi;  von  ihm  wird  erzählt,  dass  er  sein 
Junges,  welches  die  Löwin  todt  zur  Welt  bringt,  am  dritten 
Tage  durch  seinen  Anhauch  ins  Leben  rufe,  so  wie  der 
allmächtige  Vater  seinen  Sohn  am  dritten  Tage  von  dem 
Tode  erweckt.  Bekannter  ist  das  zweite  Sinnbild  des 
Pelikans,  der  seine  Jungen,  wie  uns  Christus,  mit  eige- 
nem Blut  speiset. 


Notizen. 


(Fundamente  eines  römischen  Palastes.  A  uf- 
g  e  f  u  n  d  e  n  i  in  .1  a  h  r  e  1 8JJ4  i  m  a  1 1  e  n  F  o  r  u  m  J  u  1  i  i  a  u  f 
dem  sogenannten  Campo  Marzio,  gegenwärtig 
Ma  Iva  so  na.)  .Auf  der  Strasse  welche  nach  l'dine  führt,  und 
zwar  links  wenn  man  von  C  i  vi  d  a  1  e  konnnt,  ist  das  sogenannte 
Mars  fei d  (Chiamarz),  zum  alten  Forum  Julii  gehörig,  wo 
die  Reste  eines  alten  römischen  Palastes  aufgefunden  wur- 
den, nämlich  5  unterirdische  Gemächer  mit  Mauer- und  Zie- 
gelgewölben, wovon  2  zur  Linken  3-75  Meter  lang  und 
2  Metr.  breit  und  2  zur  Rechten,  dann  noch  andere  3  in 
letzterer  Richtung  von  verschicdeMcn  Dimensionen,  durch 
einen  Feldweg  getreinit. 

Bei  ihrem  Anblicke  glaubt  man  behaupten  zu  können, 
dass  dieselben  (iberreste  von  2  römischen  Häusern  oder  von 
zwei  Gebäuden  sind,  welche  zu  verschiedenen  Zwecken 
dienten. 


')  Nach  unserer  Übcrzeii);ung  ist  das  Tympanon  ein  Überrest  ili'S  l'iirtale.i 
von  der,  vordem  XV.  Jahrliundi-rl  bestandenen  Kirche.  II.  Med. 


Als  man  die  .Arbeit  fortsetzte,  oiine  sich  jedoch  mit 
Nachgrabungen  zu  befassen,  fand  man  die  l'berbleibsel  eines 
ganzen  römischen  Palastes,  nämlich  mit  Mauern  bedeckte 
Gemächer  und  regelmässig  abgetheilte  Gänge;  und  zwar 
anfangs  einen  Gang,  hierauf  14  Geuiächer,  wovon  7  zur 
Rechten  und  7  zur  Linken,  alle  mit  Mauer-  und  Ziegel- 
gewölben, keines  jedoch  höher  als  \7li  Metr..  welche  die 
(•t'//i</«fc' iv'/wr/rtf  seinmussten,  wo  der  Wein  in  Krügen  oder 
Fässern  aufbewahrt  wurde,  inn  denselben  für  den  Sommer 
frisch  zu  erhalten. 

Die  Gemächer  zur  Rechten  haben  die  halbe  Höhe  der 
anderen:   den  grösslen  Itauni  iiiniint  ein  Gaii!;;  ein. 

Beim  Durchlesen  des  Vitruv  oder  anderer  Schrift- 
stellerwird es  nicht  schwer  sein  zu  entnehmen,  wie  der  Bau 
eines  regelmässigen  Palastes  sein  nnisste,  wobei  nur  die 
kleinen  Zellen,  welche  wegen  der  .Aufbewahrung  der  tägli- 
chen Lebensbedürfnisse  in  deii^-cHieii  auch  rclhtr  prniiridc 
genannt  wurden,  übrig  geblieben  sind. 


191   — 


Wird  jedoch  die  Niedrigkeit  dieser  Gemächer  berücii- 
sichtigt,  indem  ihre  Höhe  nur  1-7S  Metr.  beträgt,  so  schei- 
nen dieselben  die  eigentlichen  cellae  vinariae  gewesen  zu 
sein,  wovon  in  der  Beschreibung  des  Scaurischcn  Palastes 
(Mailand  1825.  pag.  121)  von  Meroveus ,  König  der 
Schwaben,  Erwähnung  geschieht. 

„Die  Keller  cellae  vinariae  sind  gegen  Norden  ge- 
baut und  es  werden  darin  alle  Gattungen  Weine  aufbewahrt, 
welche  nach  der  Aussage  einiger  Witzköpfe  eine  grössere 
Anzahl  Consulate  zählen,  als  alle  Vorfahren  des  Seaurus  zu- 
sammen genommen  gesehen  haben." 

Die  in  Rede  stehenden  Keller  scheinen  ihr  Licht  von 
keiner  anderen  Seite  als  von  dem  Gange,  welcher  zu  den- 
selben führt,  erhalten  zu  haben,  und  zwar,  damit  der  Wein 
seine  Stärke  beibehalten  und  durch  Gährung  nicht  trübe 
werden  sollte. 

Auf  solche  Art  sind  auch  die  heutigen  öffentlichen 
Keller  am  Fusse  des  Palatinus  zu  Piom  gebaut,  welche  an 
Private  vermiethet  werden,  und  wo  sich  der  Wein  friscli 
erhält  und  seinen  süssen  Geschmack  beibehält,  während 
man  in  den  Provinzen  ,  wo  keine  derlei  Keller  bestehen, 
denselben  gähren  lässt,  wodurch  er  jedoch  einen  bitteren 
Geschmack  bekommt. 

Es  ist  Jedermann  bekannt,  dass  unser  Friaul  und  vor- 
züglich die  Umgebungen  unserer  Stadt  eine  Menge  vortreff- 
licher Weine  hervorbringen.  Vorzüglich  geschätzt  und  von 
ausgezeichnetem  Geschmacke  ist  jener ,  welcher  auf  den 
Hügeln  von  Butrio  bis  Rosagza  wächst,  wo  man  den  berühm- 
den  Picolit  erzeugt,  welcher  dem  Tokayer  nicht  bedeutend 
nachsteht. 

Dann  kommen  die  anderen  Hügel  des  Coglio  bis 
Cormons,  wo  weisse  und  schwarze  Weine  hinsichtlich  ihrer 
Süsse  und  des  vortrefflichen  Geschmackes  mit  einander 
wetteifern. 

In  so  gebauten  Zellen  mussten  daher  diese  Weine  auch 
im  Sommer  ihren  guten  Geschmack  beibehalten  und  die 
etwas  herberen,  wie  jene  von  Tulliano,  mit  der  Zeit  so  an 
Güte  gewinnen. 

Diese  Entdeckung  bestätigt  auch  die  grosse  Sorgfalt, 
welche  die  Römer  bei  Aufbewahrung  ihrer  Weine  hatten. 

Es  scheint  vielleicht,  dass  ich  mich  über  diesen  Gegen- 
stand zu  weit  ausgelassen  habe,  und  dass  viele  von  diesen 
Gemächern  auch  eine  andere  Bestimmung  haben  konnten. 
Ich  will  nicht  läugnen,  dass  in  denselben  auch  andere  Gegen- 
stände enthalten  sein  konnten,  da  in  derlei  Gemächern  alles, 
was  man  zum  täglichen  Küchengebrauche  benöthigte,  auf- 
bewahrt wurde.  Wenn  man  jedoch  in  dem  oben  erwähnten 
Werke  über  den  Scauri'sclien  Palast  liest,  dass  sich  daselbst 
300/m  amphorae  von  beinahe  allen  bekannten  Wein-Quali- 
täten (195)  vorfanden,  so  sind  wir  geneigt  zu  glauben, 
dass  jene  Zellen  ausschliesslich  für  die  Aufbewahrung  des 
Weines  benutzt  wurden,  und  dass  oberhalb  derselben  das 
sogenannte  ^je«M>n  cellarium  gebaut  sein  konnte,  welches. 


wie  der  im  obigen  Werke  angeführte  Pignorius  angibt, 
seinen  Namen  von  der  Aufbewahrung  der  Lebensmittel,  als 
Ol,  Essig,  Salzbrühe,  Küchenkräuter  etc.  erhalten  hat, 
so  dass  nach  Cicero  alles,  was  zum  täglichen  Lebensunter- 
halt gehört,  penus  oder  penora  heisst. 

P.  Lo  reiizd  d  '(tr  I  iindi. 

(Die  ehemaligen  Glasmalereien  in  der  II  n  1- 
kirche  zu  Innsbruck.)  Das  tirolisclie  Künstler -Lexikon 
ninunt  aus  Ceschi's  Beschreibung  von  Innsbruck  die  Notiz, 
dass  der  Architekt  Nikolaus  Tb eu ring  oder  Thuring 
den  Bau  der  Hofkirche  angefangen  und  Mar x  della  Bolla 
nach  dem  Tode  des  Thuring  denselben  vollendet  habe. 
Näheres  ist  mir  über  diese  zwei  Haumeister  nicht  bekannt'). 
Die  folgenden  Nachrichten  entnehme  ich  aus  Manuscripten 
des  im  Jahre  1691  zu  Innsbruck  verstorbenen  Franciscaner- 
Provincials  P.  J  u  s  t  i  n  u  s  K  a  1 1  p  r  u  n  n  e  r. 

Gründer  dieser  Kirche  und  des  daran  stossenden  Klo- 
sters war  Kaiser  Ferdinand  I.  mit  dem  Zunamen  Impavidus. 
Der  Bau  begann  1 550.  Eingeweiht  wurde  die  Kirche  vom 
Bischof  von  Fünfkirchen,  Georg  Drascovic,  den  14.  Fe- 
bruar 15()3.  Kaiser  Ferdinand  selbst  wohnte  mit  seinem 
Sohne,  dem  römischen  Könige  Maximilian,  und  fünf  Töchtern 
dieser  Feierlichkeit  bei.  Im  nändichen  Jahre  liess  der  Kaiser 
durch  denselben  Bischof  auch  dieFranciscaner  in  den  Besitz 
des  Klosters  einführen.  Ober  der  Thüre  des  Speisesaales 
war  zur  Zeit  des  P.  Justinus  noch  eine  schwarze  Marmor- 
tafel zu  sehen,  welche  mit  vergoldeten  Buchstaben  folgende 
Inschrift  trug: 

D.  0.  M. 

Postquam  cruenta  proelia  atque  dissidia  universumque 
ürbem  faustiss:  ac  clementissimus  Divus  Ferdinandus  Rom. 
Inip.  Germ.  Hung.  Bohem.  Res,  Archidux  Austriae,  Dux  Bur- 
gundiae,  Comes  Tyrolis  etc.,  cujus  memoria  in  benedictione 
est,  favente  Numine  ad  pacem  reduxerat:  denique  coelesti 
erga  Orthodoxam  fidem  ardore  succensus  ad  exti'omum  vitae 
suae  hoc  coenobium  et  templum  lieri  curavit,  Ordinique  S. 
Francisci  de  Observantia  muniliee  dedicavit,  ([uod  Reverend- 
mus P.  F.  Franciscus  Zamora  Generalis  Ministor  Aimae  Divi 
Antonii  Provinciae  sedulo  connexit.  Fr.  Ludovicus  Malumbi-a 
Venetus  prinuis  Quardianus  ad  postcr.  monumenta  P.  C.  An. 
D.  M.DLXIIII  die  XIII.  Aug. 

Diese  Kirche  nun  war  mit  Glasmalereien  uiul  mit  Tape- 
ten, welche  in  gewebter  Malerei  die  Geheimnisse  des  Lebens 
des  Erlösers  darstellten,  geschmückt.  Von  den  Seitenmauern 
hingen  je  fünf  kriegerische  Fahnen  herab,  welche  zur  Be- 
gräbnissfeier des   Erzherzogs   Ferdinand  1505  angefertigt 


•)  Als  mun  niii'll  ili'ni  Erdlii'liiMi  1090  ili'ii  Thurmkiiopf  iH-mbnahni ,  fiiiiil  man 
in  seUtein  ein  Per{»nmt'nl  mit  fi)lj;t'niier  Si'lirift :  „Aiiss  Bcvelcli  des  aUer- 
(lurolih'ic'litiyisten  Fi'rililliindeu  Hörn.  Knysers  t'tc.  hat  Ihro  .Mayt.  Secre- 
tari  Hofhawuiaister  undSiiiu'riiilL'ndPlit  dieses  li)bliclieii  neuen  Stiitriliauss, 
Paul  Uschall  diseu  Knopf  lassen  süxen  in  seinem  Heisein  am  cilflen  TaJ 
<tes  Monaths  Oktnbris  Ainu^  l'ni    l.'itiU. 


—   192 


worden  waren,  und  von  denen  nenn  die  Insignien  der  ver- 
schiedenen Provinzen  Osterreielis  entliielten,  die  zehnte  aber, 
von  schwarzer  Farbe,  die  Trauerfahne  war. 

Etwas  weithiuOger  lässt  sich  P.  J  u  s  t  i  n  u  s  K  a  1 1  [i  r  u  n- 
ner  über  die  kleinen  und  grossen  Statuen  aus  Erz  und  über 
die  Glasmalereien  aus.  In  Bezug  auf  letztere  schreibt  er 
1()80:  „Cum  portentorum  classein  ingrediatur,  fragilitas  si 
non  frangatur,  eupidae  posteritati,  tenera  saltem  in  Charta, 
Basilieae  nostrae  S.CrucisOenipontanac  fencstras  encaustice 
pictas  ab  interitu  salvabo." 

Das  Fenster  nächst  dem  Hochaltare  zur  Evangolienseite 
war  horizontal  in  vier  Felder  eingetheilt.  Min  denen  die  drei 
obern  folgende  Vorstellung  enthielten :  \'ier  sehr  schon 
gemalte  Engel  trugen  ein  Kreuz  von  rother  Farbe.  Üer 
Raum  ringsum  erglänzte  wie  Gold  und  war  von  leichten  mit 
Engelköpfen  besetzten  Wölklein  umsäumt.  In  der  vierten 
oder  untersten  .^btheilung  knieten  rechts  Ferdinand  I,  im 
Kaiser-Ornate  nebst  seinen  Söhnen,  dem  riimischcn  Könige 
und  drei  Erzherzogen.  Links  kniete  ebenfalls  auf  einem  Kis- 
sen die  GcTuahlin  Ferdiuand's  Anna  mit  zum  Kreuze  erho- 
benen Augen  und  Händen;  vor  ihr  eilf  Töchter.  In  der  Mitte 
dieses  untersten  Feldes  stand  höher  liinaufreichend  der  heil. 
Apostel  Jakobus ,  angethan  mit  einem  grünen  Rocke,  einem 
groben  Mantel  und  dem  Mnschelkragcn,  in  der  rechten  Hand 
den  Rosenkranz  und  Pilgerstab,  in  der  linken  ein  Ruch  hal- 
tend. Zu  seinen  Füssen  befanden  sicii  die  kaiserlichen  und 
ungarisch-böhniisehen  Insignien. 

Das  entgegengesetzte  Fenster,  zur  Epistelseite,  hatte 
ebenfalls  vier  horizontale  AbtheiJungen.  Die  drei  obersten 
waren,  mit  Ausnahme  einer  Ecke,  die  dem  zu  spät  kommen- 
den Thomas  vorliehalten  war,  mit  der  lliminelfahrt  der  sei. 
Jungfrau  ausgefidit.  Üben  erblickte  man  Maria,  wie  sie  von 
Golt  Vater  und  Sohn  mit  der  Krone  geziert  wird;  die  Taube 
schwebte  über  ihrem  Haujite.  Inten  knien  auf  der  Krdi'  um 
das  (irab  herinn  die  Ajtostel,  sehnsilchtig  gegen  Himmel 
iilickend .  mit  Ausnahme  des  Thomas.  Im  untersten  Felde 
kniete  zunächst  am  Altare  im  Harnisch  Erzherzog  Ferdinand. 
Landesfürst  von  Tirid,  während  seine  Insignien  die  Mitte 
dieses  Feldes  einnahmen.  Zuletzt  erblickte  man  den  heil. 
Thomas  mit  Ruch  und  Lanze.  Er  reichte  mit  dem  obern 
Theile  seines  Körpers  noi-h  in  das  dritte  Feld  hinein.  Zu 
Unterst  war  in  einem  Streifen  der  Titel  Ferdinand's  in  deut- 
scher Sprache  angebracht: 

„Ferdinand  von  Gottes  Genaden,  Erzherzog  zu  Öster- 
reich. Herzog  zu  Burgund.  und  Graue  zu  Tynd  e(c.  und 
llocbsemelten  Kayser  Ferdinands  und  Frawe  Anna  Königin 
zu  Hungarn  und  Peheim  Soliii  et<'.'' 

Das  dritte  Fenster,  ebenf^ills  auf  der  Epislelseile,  war 
auch  in  4  Felder  eiiigelheilt,  jedoch  so,  dass  die  zwei  obern 
nicht  durch  eine  horizontale ,  sondern  durch  eine  verticale 
Linie  getheilt  waren. 

In  einem  dieser  idieru  Felder  (gegen  den  Altar  zu) 
erl)lickte  man  den  heil.  Apostel  Andreas,  wie  er  vom  Kreiizi' 


herab  das  zusammenströmende  Volk  lehret;  auf  dem  andern 
befand  sich  der  iieil.  Gcorgius  zu  Pferde,  wie  er  den  Dra- 
chen erlegt.  Diese  zwei  Heiligen  wurden  desswegen  hier 
dargestellt,  weil  Andreas  der  Patron  des  Ordens  des  golde- 
nen Vliesses,  Gcorgius  aber  jenes  Ritterordens  ist,  den  der 
Vater.  Kaiser  Frieilrich.  stiftete  und  der  Sohn  Maximilian  I. 
förderte. 

Das  dritte  Feld  dieses  Fensters  war  in  drei  Abthei- 
lungen eingetheilt:  die  mittlere  nahm  Kaiser  Maximilian  I.  auf 
einem  Kissen  kniend  und  geziert  mit  den  kaiserlichen 
Zeichen  der  Krone,  des  Mantels,  Scepters  uml  Reichsapfels 
ein.  Sonst  trug  er  noch  <len  Harnisch  und  den  Orden  des 
goldenen  Vliesses.  Die  Abtheilnng  dem  Reschaner  zur  Linken 
zeigtedie  zwei  Gemahlinnen  .Maximilian'sin  knienderStellung, 
nämlich  Maria  von  Rurgund  und  Bianca.  Auf  der  anderen 
Seite  erbickte  man  den  Sohn  Maximilian's,  Philipp|i  I.  und 
dessen  Gemahlin  .lohanna  voTi  Caslilien.  Im  untersten,  m  iede.r 
dreigetlieilten  Feidi^  dieses  Fenslers  waren  die  Insignien  der 
im  obern  Felde  dargestellten  fiirsllichen  Personen  enthalten. 
Unter  Maximilian  warder  doppelte  kaiserliche  Adler,  auf  der 
Rrust  das  österreichisch-  burgundische  Schild,  umgeben  vom 
goldenen  Vliesse  ,  dargestelll;  unter  den  zwei  Gennihlinnen 
das  burgundische  und  mailändische  Wapjien;  unter  Philipp, 
gleichfalls  von  der  colchischen  Zierde  umgeben,  der  Tliurni 
von  Caslilien  und  die  roth-goldenen  länglichten  Linien  des 
Königreichs  Arragonien.  l.'nter  der  Königin  Joiianna  waren 
ähnliche  Wappen  angebracht. 

Die  zwei  grossen  Fenster  au  der  rechten  Seite  des 
Langhauses  der  Kircln;  waren  ebenfalls  je  mit  zwei  Reihen 
Glasmalereien,  welche  Wappenschilde  vorstellten,  geziert. 
Das  obere  dem  .4llare  nähere  zeigte  die  8  ^\'appen  von 
Ungarn,  IJöbmen.  Dalmatien.  Croatien,  Xea|iel,  Alt-()streich, 
Neu-Östreich  und  Ruigund.  Auf  dem  zweiten  Fenster  sah 
man  die  8  Wappen  von  Caslilien,  Sicilirn.  licon,  Steiermark, 
Kärutlien.  Krain  und  Schwaben. 

Diese  Kirche  litt  sein-  durch  die  Erdbeben,  welche  im 
Decendier  (anfangend  am  22.  Dec )  l(i89  mnl  im  .läiuier 
lüDO  Innsbruck  heimsuchten.  Der  Thurm  mussle  bis  zu  den 
(jlocken  herab  abgetragen  werden.  Die  (Jewöllie  derSeilen- 
schilVe  der  Kirche  waren  sehr  beschädigt,  in  minderem  Grade 
das  des  Hauptschiires.  Das  Gewölbe,  wie  auch  die  NAäiide 
dei-  Kirche  wurden  dann  mit  reichem  und  walirliaft  schönem 
(iyjiswerk  geziert.  Die  Oberleitimg  bei  dieser  Arbeit  hatte 
ein  alter  Hofgoldschmied,  mit  iNanien  Fricss,  der  auch  die 
Zeichnungen  dazu  lieferte. 

Bei  dieser  Gelegenheit  mi'igen  auch  die  Fi-nster  sehr 
gelitten  liahen.  Im  .lalire  1710  uurden  die  Fenster  erneuert, 
in  wieweil,  weis  ich  nicht.  Im  .lalin-  I  7  I  I  loacli  am  1 4.  August 
ein  schreckliches  Ungewitler  aus.  Der  Wind  warf  einen 
Theil  der  Fenster  in  den  Garten  hinab.  Stntiin  juhrittc 
E.vcclxa  cnmrra.scmdtis  ciicnitsticis,  fenostrae  ovbicnlatne 
perticis  fcrreis  insertac  sunt. 

P.  Bertrand   Scliöpf. 


193   — 


Correspondenzen. 


Wien.  Seit  dem  letzten  Berichte  über  „die  Erfolge  der  AVirk- 
sjmkeit  der  k.  k.  Cenlral-Coniiiiission  (vgl.  Mitlheilungen"  II,  114) 
sind  derselben  wieder  mehrere  sehr  anerkennende  Schreiben  lioiier 
weltlicher  und  kirchlicher  Würdenträger  über  Ihre  Leistungen  und 
literarischen  Publicationen  zugekommen.  Wir  heben  aus  denselben 
hervor:  ein  Sehreiben  Seiner  Excellenz  des  k.  bairisehcn  Ministers 
des  Auswärtigen  Frelberrn  v.  d.  Pfordten,  worin  Se.  Exe.  dem 
Präses  der  k.  k.  Central-Commlssion  Hrn.  K.  Freiherrn  v.  Czocrnig 
eröffnet,  dass  Seine  Majestät  König  Maximilian,  laut  Entschliessung 
vom  30.  März  d.  J.  diese  interessanten  werthvollen  Mitlhellungen 
mit  Vergnügen  entgegen  zu  nehiuen,  und  ihn  zu  beauftragen  geruht 
haben,  für  die  hiedurch  bewiesene  Aufmerksamkeit  Allerhöchst 
deren  Dank  auszudrücken;  ferner  ein  Schreiben  Seiner  Eminenz  des 
Fürst-Primas  und  Cardinal -Erzblschofes  von  Gran,  Herrn  Job. 
Scitosky  von  Nagy-Kers,  worin  Seine  Eminenz  mit  dem  Aus- 
drucke des  verbindlichsten  Dankes  eröffnet,  dass  es  ihm  ein  hohes 
Vergnügen  gewährte,  aus  denselben  zu  entnehmen,  welche  Aufmerk- 
samkeit den  kirchlichen  Denkmalen  Im  Allgemeinen  und  jenen  von 
Ungarn  insbesonders  geschenkt  wird  und  bei  solch'  erspriessliehen 
Leistungen  verspricht,  gerne  beitragen  zu  wollen,  dass  sich  der 
Klerus  der  literarischen  Wirksamkeit  der  Commission  mit  reger 
Tlieilnahme  zuwende;  ein  Schreiben  Seiner  fürstl.  Gnaden  des  Herrn 
Fürst-Erzbisehofs  von  Olmülz  Friedrich  Landgraf  v.  Fürsten - 
berg,  worin  ausgedrückt  ist,  dass  Seine  fürstl.  Gnaden  niemals 
säumen  werde,  die  Bestrebungen  der  Conmiission,  kräftigst  zu  unter- 
stützen und  ein  Schreiben  des  hochwürdigsten  Bischofs  in  Dinkovar 
Herrn  Jos.  G.  Strossmayer,  worin  mitgetheilt  wird,  dass  an  die 
Geistlichkeit  dieser  bischöflichen  Diöcese  Im  Sinne  des  Ersuchens  des 
Herrn  Präses  der  k.  k.  Central-Commission  ein  Aufruf  erlassen 
wurde,  die  kirchlichen  Baudenkmalc  und  deren  Einrlehtungsgegen- 
stände  bekannt  zu  geben  und  durch  Belehrung  und  mögliehe  Ilindan- 
haltung  von  muthwilligen  Beschädigungen  an  den  ihrer  Aufsicht 
unterstehenden  Denkmalen  der  Vorzeit  den  Sinn  der  Bevölkerung  für 
die  Kunst  zu  wecken. 

Wien.  Das  Bedürfniss,  ein  Missale  zu  besitzen,  das  den  strengen 
Anforderungen  der  christlichen  Kunst  in  Bücksicht  seiner  typographi- 
schen Anlage  so  wie  der  xylographischen  und  polychromatischen  Aus- 
stattung vollkommen  entspricht,  ist  Veranlassung,  dass  sich  im  Laufe 
der  letzten  Monate  in  Wien  eine  provisorische  Commission  zur  Heraus- 
gabe eines  mustergiltigen  Missale  Rom  an  um  im  mittelalterlichen 
Style  gebildet  hat.  Wir  entnehmen  dem  uns  vorliegenden  Entwürfe 
der  statuarischen  Bestimmungen,  dass  dieses  Missale  hinsiebtiich  des 
Druckes  und  seiner  verschiedenen  Ornamentirungen  sich  strenge  den 
wahren  Principien  der  mittelalterliehen  kirchlichen  Kunst  anschliessen 
und  In  einem  einheitliehen  Style  als  ein  Ganzes  gehallen,  dicBlüthezeit 
der  deutschen  Miniaturen  repräsentiren  soll.  Die  Commission  ist  da- 
her auch  der  Ansicht,  dass  der  Schluss  des  XIV.  respective  der  An- 
fang des  XV.  Jahrhunderts  als  die  Blüthezeit  der  deutschen  Miniatur 
und  Initialkunst  zu  halten  sei  und  es  wird  sich  desshalb  das  fragliche 
Werk  möglichst  analog  den  mustergiltigsten  und  besten  Mtisterwerken 
der  deutschen  „burgundischen"  Miniaturen  vom  Jahre  1380  —  1430 
anzuschliessen  haben.  Die  Commission  stellt  sieh  zur  Aufgabe,  hin- 
sichtlich der  Typen,  Initialen  und  Miniaturen,  das  Beste  und  Gedie- 
genste aus  den  noch  vielfach  vorhandenen  Meisterwerken  ( Missalen, 
Laienbrevlercn,  Evangeliarien,  Gradualien,.\ntiphonarlen)  auszuwäh- 
len und  durch  geübte  Künstler  charakteristisch  getreu  und  im  (Jelste 
der  alten  Meister  copiren  zu  lassen.  Das  Missale  soll  in  dreifacher 
Ausstattung  und  zwar  In  Form  eines  einfachen,  reicheren  und  Pracht- 


Exemplars  ausgegeben  und  mit  einem  stylgeraässen,  der  alten  I.cdcr- 
plastik  entsprechenden  Einbände  verschen  werden.  Das  prov.  Comile 
Ist  gebildet  aus  den  Herren  Hofrath  Pbillipps,  F.  Bock  und 
Dr.  Brunner,  dann  aus  den  Herren  Essen  wein,  Klein,  Reiss 
und  Habenicli. 

Prag.  In  Eger  hat  sich  im  Laufe  dieses  Winters  auf  Veran- 
lassung des  k.  k.  Kreispräsidenten,  Grafen  von  Rotbkirch  ein 
Comite  gebildet,  welches  sich  die  würdige  Instandsetzung  und 
Restauration  der  dortigen  Decanat-  und  Sladfpfarrkirche  St.  Nikolaus 
zum  Ziele  gesetzt  hat.  Von  diesem  Comite  berufen,  die  Kirche  zu 
untersuchen  und  die  Art  und  Weise  der  Restauration  einzuleiten, 
habe  ich  nach  14tägigem  Aufenthalte  meinen  molivirten  Bericht  den 
14.  Mai  übergeben,  welcher  auch  heifällig  aufgenommen  wurde. 

Die  Kirche  zeigt  drei  verschiedene  Bauperioden,  und  zwar 
gehören  die  beiden  Thürme  bis  zur  Höhe  von  88  Fuss  der  Zeit 
Friedrich  des  Zweiten  von  Hohenstauffen  an.  Diese  Thürme,  beiläufig 
um  1230  erbaut,  haben  den  grossen  Brand  von  1270,  welche  ganz 
Eger  in  Asche  legte,  überdauert,  wie  sich  genau  am  Gebäude  nach- 
weisen lässt.  Das  Presbyterlum  dagegen  stürzte  zusammen  und  wurde 
gegen  1300  wieder  aufgebaut.  Die  Thürme  zeigen  den  Übergangs- 
styl  vom  Romanischen  zurGothik,  während  das  sehr  einfache  Pres- 
byterlum durchaus  gothisch,  mit  vorspringenden  Strebepfeilern  und 
einem  aus  dem  Achteck  construirten  Chorschlusse  erscheint. 

Das  Langhaus  endlich,  die  aufTallcndste  Partie  dieses  Gottes- 
hauses, schreibt  sich  aus  der  Mitte  des  XV.  Jahrhunderts  und  bildet 
eine  merkwürdige,  von  runden  Säulen  unterstützte  Halle  von  100' 
lichter  Weite  und  löO'  Länge  (gleichfalls  im  Lichten). 

Dieses  Langhaus  zeigt  keine  äusseren  Strebepfeiler  und  die 
Seitenschiffe  sind  seltsamer  Weise  breiler,  als  das  .Mittelschiff.  Die 
ganze  Kirche  wurde  Im  XV.  Jahrhundert  mit  Wandmalereien  aus- 
gemalt, von  denen  bisher  unter  einer  dicken  Kalkkruslc  mehrere 
wieder  aufgedeckt  wurden. 

Gleichzeitig  mit  dieser  Kirehenarheit  habe  ich  eine  vollständige 
Aufnahme  (die  erste  ganz  genaue)  der  weltberühmten  Egerer 
Schlosscapelle  gemacht  und  das  ganze  Sehlossgebiet  untersucht. 

Endlich  und  zwar  im  Augenblicke  meiner  Abreise  habe  ich  nnch 
einen  Fund  von  höchster  AVichtigkeit  gemacht,  welchen  ich  dem 
Bezirkshauptmann  von  Eger,  Herrn  Edlen  von  Her  gel,  zu  ver- 
danken habe. 

In  der  Nähe  von  Eger  befindet  sich  nämlich  eine  in  Buincn 
stehende  grosse  Capelle,  die  Ileiligenkreuzkiiche.  Palron  ist  die 
Stadt  Eger,  und  weil  einerseits  viele  in  dieser  Heiligenkreuzklrche 
gemachten  Messenstiftungen  vorhanden  sind,  anderseits  aber  das 
Gebäude  viel  zu  gross  und  zu  ruinös  erscheint,  beschloss  man,  das- 
selbe gänzlich  abzutragen,  und  statt  dessen  eine  neue,  kleinere 
Capelle  aufzuführen.  Gegen  diesen  Beschluss  kämpfte  nun  Herr 
Bezirkshauptmann  von  Hcrgct,  welcher  der  Ansicht  war,  dass  der 
alte  Bestand  nicht  ohne  historisches  Interesse  sei  und  erhalten  zu 
werden  verdiene. 

Nach  seinem  Antrage  besuchte  ich  die  Heiligenkreuzklrche  .  ein 
spätgolhisehes  Bauwerk  aus  jener  Zeit,  wo  der  llalhkreisbogcn 
wieder  Mode  wurde.  Es  fehlen  zwar  Thüre  und  Fenster,  aber  der 
Dachstuhl  ist  gut,  und  die  Umfassungsmauern  ziemlich  erhalten. 

Das  rechteckige  Schiff  ist  8"  lang  und  ti"  breit,  der  aus  dem 
Achteck  gezogene  Chor  3"  lang  mid  eben  so  breit;  beides.  Chor  und 
Schiff  nur  mit  einer  flachen  Brellerdecke  versehen.  Nachdem  ich  in 
vollster  Cbercinstimmung  mit  Herrn  von  II  er  gel  mich  von  der 
leichten ,     nur    geringe    Kosten    verursachenden    Herstellung    des 


194  — 


(iebäudes  überzeugt  und  den  gegenwärtigen  Bestand  aufgenommen 
hatte,  berichtete  uns  ein  uebenwohnender  Landmann,  dass  in  seinem 
Hause  noch  viele  Einrichtungsstücke  von  der  seit  70  Jahren  dem  Ver- 
fall preisgegebenen  Kirche  aufbewahrt  seien.  Herr  von  Hergct, 
dem  dieses  bekannt  war,  lud  mich  ein,  die  fraglichen  Kircheii- 
requislten  einzusehen  und  auch  darüber  ein  (Jrtheil  abzugeben. 

In  Erwartung  des  gewcilmlichen  Plunders,  den  man  in  solchen 
verkommenen  Dorfkirchen  trifft,  betrat  ich  das  hölzerne  Bauernhaus; 
in  welches  Erstaunen  gerieth  ich  jedoch,  als  Ich  hier  in  einem  finstern 
<lange,  von  Spinnweben  überdeckt,  die  herrlichsten  Schnitzarbeiten 
erkannte,  welche  man  nur  sehen  kann.  Es  sind  Uolzliguren  von 
3'  6"  bis  4'  Höhe,  bemalt  und  reich  vergoldet,  etwa  aus  der  Zeit  der 
-Nürnberger  Gebrüder  Rupprecbt  und  des  Schön  hofer.  Als 
Arbeiten  voll  des  tiefsten  Gefühls  von  bedeutender  technischer  Voll- 
endung, wüsste  ich  diese  Schnitzereien  nur  der  schönen  Maria  in  der 
Burg  zu  Nürnberg,  angeblich  von  Schönhofer  (13jO),  an  die 
Seite  zu  stellen.  Leider  konnte  ich  nicht  einmal  Alles  sehen ,  da  der 
Hausherr  mit  den  Schlüsseln  ausgegangen  war.  In  Kurzem  nach 
Eger  zurückkehrend,  werde  ich  Ihnen  diesen  Fund  ausführlich 
schildern.  B.  Grueber. 

Brixen.  In  meiner  letzten  Correspondenz  habe  ich  Ihnen 
gemeldet,  dass  in  unserm  Lande  der  Sinn  für  die  mittelalterliche 
Kunst  immer  mehr  und  mehr  erwache  und  rege  werde.  Heute  kann 
ich  Ihnen  wieder  einen  Beweis  für  diese  meine  Aussage  bringen.  Der 
Herr  Baron  Johann  von  Sternbach  in  Bruneek  von  der  Linie, 
welche  sich  im  Pusterthal,  der  Wiege  dieses  im  Lande  sehr  hoch 
geachteten  Geschlechtes,  erhalten  hat,  übergab  in  jüngster  Zeit  zum 
Baue  eines  gothischen  Hochaltars  in  dem  alten  und  theilweise  restau- 
rirten  gothischen  St.  Valentins-Kirchlcin  zu  innerst  im  Thale  Pretau 
tausend  Gulden  CM.  und  lässt  darüberhin  noch  ein  eigenes 
Altarblatt  dafür  malen.  Was  aber  der  edlen  Gabe  die  Krone  aufsetzt, 
ist,  dass  der  Herr  Baron  die  Ausführung  anerkannten  Künstlern  anver- 
traut hat.  Das  Gemiilde  wird  Herr  Franz  Hell  weger  von  St.  Lo- 
renzen  in  Pusterlhal  liefern  und  den  Altar  Herr  Joseph  Stauder, 
Kunsttischler  zu  Inichen,  ebenfalls  in  Pusterthal  bauen.  Beide  Künst- 
ler haben  bereits  durch  mehrere  Werke  ihren  Namen  in  weiten 
Kreisen  begründet.  Der  erstere  malte  an  der  Seite  des  berühmten 
Cornelius  an  den  Fresken  der  Ludwigskirche  in  München  und  mit 
Eduard  Steinle  im  Dom  zu  Cöln. 

G.  Tink  h  a  use  r. 

Seliässburg.  Bei  dem  theilweisen  Umbau  des  Hauses  Nr.  60,1 
des   ehemaligen    Stadtwirthshauses    (siehe    meine     archäologischen 


Skizzen  aus  Sehässburg  im  Archiv  des  Vereins  für  siebenbürgische 
Landeskunde.  Neue  Folge  II,  40it)  wurde  unlängst  eine  in  archäolo- 
gischer Hinsicht  nicht  unbedeutende  Entdeckung  gemacht.  Jenes 
im  grossen  Brande  von  107(1  nicht  beschädigte  Haus  bestand,  wie 
aus  der  Construction  des  Mauerwerks  und  des  Daehstuhls  ersiclidieh. 
aus  drei,  zu  verschiedenen  Zeilen  aufgeführten  Theilen.  deren  erster 
und  zweiter  fast  ganz  aus  mächtigen  Bruchsteinen  erbaut  waren.  Bei 
dem  Abbruch  einer  Scheidewand  des  zweiten  Theiles  nur.  fand  man 
mitten  in  dem  nur  nach  den  Aussenseiten  aus  regelmässig  überein- 
ander gesetzten  Steinen,  in  der  Mitte  aber  aus  Guss  bestehenden 
Gemäuer  einen  Silberdenar  des  ungarischen  Königs  Sigismnnd  I. 
(138'i — 1437)  mit  deutlich  lesbarer  Umschrift  und  so  blank,  dass 
daraus  zu  schliessen  sein  durfte,  derselbe  sei  sehr  wenig  im  Umlaufe 
gewesen  und  absichtlieh  an  diesen  Ort  eingemauert  worden.  Denmach 
stand  am  .\nfange  des  XV,  Jahrhunderts  nicht  bloss  ein  Theil  der 
Unterstadt  von  Sehässburg  bereits,  sondern  muss  auch,  da  wie 
erwähnt,  der  obige  Fund  in  einem  Zubaue  gemacht  wurde,  schon 
bedeutend  früher  gestanden  haben. 

Die  von  uns  in  den  oben  erwähnten  archäologischen  Skizzen 
p.  38S,  als  wahrscheinlich  bezeichnete  Route  der  alten  von  Apulum 
nach  Ponte  vetere  führenden  Uümerstrasse  hat  in  neuester  Zeit 
Sicherheit  gewonnen,  indem  es  mir  möglich  wurde,  eine  Anzahl  bei 
Mehburg  gefundener  Gefassbrucbstücke  zu  untersuchen;  dieselben 
zeigen  sieh  als  röniisclie  Arbeit  und  ich  hoffe  in  nächster  Zeit  durch 
Münzen  diese  Ansicht  noch  fester  zu  stellen.  Bei  Sehässburg 
wurde  in  diesen  Tagen  eine  Erzmünze  'l.  Grösse  mit  dem  Bilde 
Marc  Aurel's  auf  dem  Avers,  einem  Adler  mit  gehobenen  Flügeln 
auf  dem  Revers  in  einem  Garten  „unter  der  Burg"  gefunden. 

Von  Neubauten  habe  ich  wenig  zu  berichten:  das  hiesige  evan- 
gelische Presbyterium  hat  die  Wiederherstellung  der  im  Jahre  1849 
zerstörten  Orgel  in  der  Burgkirche  in  Angriff  genommen  und  es 
wird  dieselbe  nach  dem  vorgelegten  Risse  dem  Style  der  Kirche 
entsprechend  durch  den  tüchtigsten  Orgelbauer  in  Siebenbürgen. 
Karl  Schneider  in  Kronstadt,  in  Jahresfrist  vollendet  werden.  Über 
die  Erbauung  der  gleichzeitig  vernichteten  Orgel  der  Spitalkirche 
sind  die  Verhandlungen  ebenfalls  im  Zuge. 

Dagegen  wurden  im  Laufe  dieses  Frühlings  die  Stadtmauern 
zwischen  dem  Schneider  und  Schusterthurm  in  einer  Länge  von 
etwa  280  Schritten  bis  auf  4'  Höhe  über  die  Burg,  um  Steine  für 
einige  öffentliche  Bauten  zu  gewinnen,  abgetragen,  wobei  aus  einigen 
aufgefundenen  Ziegelinschrllten  ersichtlich  ward,  dass  die  letzte  um- 
fassendere Restauration  der  Befestigungswerke  der  Stadt  an  diesem 
Punkte  um  die  Jahre  1716  —  1725  stattgefunden  hat. 

Fr.  Müller. 


Literarische  Anzeigen. 


Der  II.  Band  (neue  Folge)  von  dem  „Archiv  des  Vereines 
für  siebenbürgische  Landeskunde"  enthält  (S.  381 — 430) 
einen  sehr  beaehtenswerthen  Beitrag  zur  Alterlhunisforschung  unter 
dem  Titel :  „.Xrchäologische  Skizzen  aus  Sehässburg"  von 
Friedrich  Müller  —  demselben  Verfasser,  von  welchem  wir 
schon  wiederholt  sehr  werthvolle  Beiträge  zur  Monumental-Kunde 
gebracht  haben  und  in  dem  nächsten  Hefte  einen  grösseren  Original- 
.\ufsatz  über  eine  Spccialiläl  siebenbürgischer  Kirchen  zu  veröffent- 
lichen heginnen  werden.  Von  dem  (jesichlspunkle  ausgehend,  dass 
es  wünschcnswerth  ist,  über  die  einzelnen  Funde,  Sammlungen  oder 
Untersuchungen  von  Zeil  zu  Zeit  Nachrieht  zu  erhalten,  stellte  Herr 
Fr.  Müller  in  den  „.Archäologischen  Skizzen"  alles  das  zusammen, 
was  auf  dem  Gebiete  der  Stadt  Sehässburg  in  den  letzten  fünf  Jahren 


entdeckt  oder  untersucht  worden  ist.  Der  Verfasser  beschränkte  sich 
bei  seiner  willkoiniiienen  Übersicht  nicht  blos  auf  die  l'berreste  der 
röiiiisch-dacisclien  Periode  sondern  beschäftigte  sieh  auch  mit  den 
Kirehenbauten,  Befestigungswerken  und  sonstigen  profanen  Bau- 
werken des  Mittelalters  auf  dem  von  ihm  durchforschten  Gebiete: 
letztere  bilden  im  Gegentheile  den  weit  ausfürlielieren  Inhalt  seiner 
Arbeit.  Solche  Specialstudien  sind  für  dir  .Mtertliuinsforschung  in 
Österreich  wirklich  ein  grosser  Gewinn,  und  wir  köimen  es  nicht 
unterlassen  bei  dieser  Gelegenheil  hervorzuheben,  dass  gerade 
Siebenbürgen  hierin  mit  einem  glänzenden  Beispiele  voranlcuchtel. 
Mit  einem  leider  noch  nicht  genug  gewürdigten  Eifer  und  Verständ- 
nisse, bereichern  dort  seit  Jahren  unsere  .Starnmesgenossen  dii' 
deutsche  Wissensehafl,  und,  beinahe  abgeschnitten  von  der  ganzen 


195 


geistigen  Bewegung  in  Deutschland,  wissen  sie  sich  doch  ununter- 
brochen mit  allen  wissenschaftlichen  Forschungen  vortraut  zu  machen 
und  pflanzen  dort  nicht  blos  die  Sprache  sondern  auch  das  Wesen 
und  den  Geist  der  mitteleuropäischen  Cultur  hart  an  den  Grenzen  des 
iiussersten  Osten  fort. 

Das  neueste  Heft  der  von  F.  von  Quast  und  H.  Otte  heraus- 
gegebenen „Zeitschrift  für  christliche  Archäologie  und 
Kunst"  bringt  eine  Fortsetzung  der  Abhandlung  von  J.  D.  Passa- 
vant: „Über  die  mittelalterliehe  Kunst  in  Böhmen  und  Mähren"; 
dieselbe  enthält  eine  kurze  Angabe  und  Charakterisirung  einiger  der 
bedeutendsten  Miniaturen  aus  der  Zeit  der  nationalen  Kunstentwick- 
luDg  der  Czeehen  zwischen  dem  XI.  bis  zu  Ende  des  XIV.  Jahr- 
hunderts, mit  Hinweisung  auf  die  ausführliche  Beschreibung,  welche 
darüber  schon  Dr.  Waagen  im  deutschen  Kunstblatte  (1830,  147 
und  289)  geliefert  hat.  Herr  J.  D.  Passavant  gibt  eine  Be- 
schreibung der  Legende  des  heil.  Wenzel  vom  Jahre  1006,  welche 
sich  in  der  Wolfenbüttler  Bibliothek  befindet,  der  Miniaturen  im 
Wy  SS  ehra  der  Codex,  wahrscheinlich  aus  dem  XI.  Jahrhundert;  einer 
mater  verborum  aus  dem  böhmischen  Museum,  die  im  XIII.  Jahrhun- 
dert nach  einem  Glossar  des  Bischofs  Salomon  von  Constanz  aus 
dem  Jahre  920  copirt  und  von  dem  Maler  Miroslav  mit  Miniaturen 
geschmückt  wurde;  einer  lateinischen  Bibel  aus  dem  Kloster  Jaromir 
vom  Jahre  1239,  gleichfalls  in  der  Bibliothek  des  böhmischen  Museums 
befindlich;  einer  Passio  Domini  mit  den  Miniaturen  des  Domherrn 
Benesch  aus  dem  Jahre  1312,  aufbewahrt  in  der  UnivcrsitUts- 
Bibliothek  zu  Prag;  ferners  die  Beschreibungen  eines  Mariale  und 
eines  Liber  viaticus,  welche  im  bömisehen  Museum  verwahrt  werden 
und  mit  Miniaturen  des  Zbysch  oder  Tbiseo  de  Zrotina,  des 
ausgezeichnetsten  Miniaturmalers  Böhmens  aus  der  Mitte  des 
XIV.  Jahrhunderts,  geschmückt  sind,  eines  Missale  im  Prager  Dom- 
sehatze  mit  Miniaturen  des  Peter  Brzuchaty  aus  der  zweiten 
Hälfte  des  XIV.  Jahrhunderts,  eines  missale  ollomucensis  im  Stadt- 
archiv zu  Brunn,  entstanden  um  das  Jahr  1360,  eines  Pontificale  in 
der  Strahover  Bibliothek  zu  Prag  aus  dem  Jahre  1373;  eines  Lehr- 
buches,welche  Thomas  von  Stitny  im  Jahre  1374  für  seine  Kinder 
verfasste  und  mit  Miniaturen  ausstattete,  endlich  die  Beschreibung 
der  Miniaturen  eines  eanonischcn  Rechtes  aus  der  ersten  Hälfte  des 
XIII.  Jahrhunderts  in  der  Prager  Museumsbibliothek;  eines  codex 
jurium  municipalium  civitatis  Brunensis  vom  Jahre  1334  im  Stadt- 
archiv zu  Brunn,  einer  bömisehen  Bibel  des  alten  und  neuen  Testa- 
mentes auf  dirBibliothek  zu  Ol  mutz,  geschrieben  um  das  Jahrl370; 
einer  deutschen  Bibel  des  Königs  Wenzeslaus  in  der  Hofbibliothek 
zu  Wien  und  eines  Missale  des  Laurinus  von  S  lato  wie  aus  dem 
Jahre  1409.  ■ —  Mit  der  Aufzählung  dieser  Miniaturen  sucht  J.  D.  Pas- 
savant zu  zeigen,  wie  seit  1312  bis  zum  letzten  Viertel  des 
XIV. Jahrhunderts  die  böhmische  Malerschule  sich  in  einer  nationalen 
Richtung  zu  schöner  Blüthc  entfaltet,  dann  aber  zu  sinken  ange- 
fangen hat.  Er  geht  sodann  auf  die  Kunstepoche  unter  Kaiser  Karl  IV. 
über,  wo  deutscher  Einlluss  bemerkbar  wurde,  und  nebst  den  natio- 
nalen Künstlern  auch  Deutsche  und  Italiener  sich  in  Prag  nieder- 
liessen.  und  gibt  zur  Erläuterung  eine  Charakteristik  der  ausge- 
zeichneten Gewölbe  und  Tafelmalereien  des  berühmten  Theodor  ich 
von  Prag  in  der  heil.  Kreuzcapelle  zu  Karlstein,  in  der  Maria- 
himmelfahrt- und  Collegiatkirche  der  Burg  Karlstcin.  in  der 
Wenzelscapelle  des  Veitsdomes  in  Prag  und  eines  Gemäldes, 
das  früher  in  der  Decanatskirche  zu  Raudnic  sich  befand;  ferner 
der  Krescomalereien  in  dem  Kreuzgang  des  Benedictinerklosters 
Emaus  zu  Prag,  und  einiger  anderer  Gemälde,  welche  jener 
Epoche  und  Richtung  angehören.  Von  der  zur  Zeit  Karl  IV.  in  Prag 
blühenden  deutschen  Malerschule  führt  Herr  J.  D.  Passavant  die 
Werke  von  Kunz  und  Nikolaus  Wurms  er  aus  Strassbiirg  und 
von  den  Werken  der  Italiener  jene  des  Thomas  von  Modcna 
an.  Ob  damit  die  Charakteristik  der  verschiedenen  Malerschulen  in 


Böhmen  während  des  XIV.  Jahrhunderts  erschöpft  ist.  werden  wir 
sehen,  wenn  der  Schluss  des  Aufsatzes  von  Herrn  J.  D.  Passavani 
im  nächsten  Hefte  dieser  Zeitschrift  erschöpft  sein  wird.  — •  Den 
zweiten  grösseren  Aufsatz  des  vorliegenden  Heftes  bilden  die 
„j^rchäologisehen  Reiseberichte"  von  Freiherrn  v.  Quast  mit  der 
Fortsetzung  der  kirchlich<n  Baudenkmale  der  Stadt  Magdeburg, 
wobei  Herr  von  Gunst  den  Kreuzgang  der  Liebfrauenkirche  sowie 
den  Dom  und  den  dazu  gehörigen  Kreuzgang,  —  Bauwerke,  welche 
für  den  Romanismus  und  die  Übergangsperiode  von  Norddeutschland 
von  grösster  Bedeutung  sind,  in  einer  sehr  anziehenden  und  kennt- 
nissreichen Schilderung  bespricht.  An  kleineren  Aufsätzen  und 
Notizen  enthält  dieses  Heft  eine  Beschreibung  des  Reliquienschreines 
zu  Mettlach  nach  einer  Mittheilung  des  Herrn  von  Cohausen. 
eine  Erklärung  über  den  Ursprung  des  griechischen  .Anagramms  von 
Karl  Jörfz,  die  Darstellung  der  Schlosserarbeit  an  einem  Wand- 
schranke im  Dome  zu  Magdeburg  von  Brandt  und  eine  nach- 
trägliehe Berichtigung  des  Herrn  J.  D.  Pa  ssa  vant  zu  seinem  Aufsatze 
„Über  die  mittelalterliche  Kunst  in  Böhmen  und  Mähren"  rücksichtlicb 
der  St.  Georgskirche  in  Prag,  wozu  ihm  der  im  I.  Jahrgange  unserer 
Blätter  erschienene  Aufsatz  des  Professors  B.  Gruebcr  in  Prag 
„Charakteristik  der  Baudenkmale  Böhmens"  Veranlassung  gab.  In 
der  Rubrik  „Erhaltung  und  Zerstörung  der  Denkmäler"  ist  die 
vielfach  besprochene  Angelegenheit  des  Umbaues  der  Mauritiuskirehe 
in  Cöln  berührt.  Dem  Hefte  sind  vier  Tafeln  und  zwar  Details  vom 
Dom  und  Domkreuzgang  zu  Magdeburg,  die  .\nbetung  der  Weisen 
und  die  Verkündigung  Maria  von  dem  Reliquiensehreine  zu  Mettlach 
und  6  Holzschnitte  beigegeben. 

Nach  langer  Unterbrechung  steht  nun  eine  Fortsetzung  und  Voll- 
endung von  Fr.  Faber's„Convers  ationslexikon  für  bildende 
Kunst"  zu  erwarten.  Wie  bekannt,  erschienen  von  diesem  Werke 
bisher  nur  sechs  Bände,  da  das  Erscheinen  der  übrigen  Lieferungen 
vorzugsweise  durch  den  plötzlichen  Tod  des  Herausgebers  Fr.  Faber 
unterbrochen  wurde.  Die  Verlagshandlung  E.  Graul  in  Leipzig  hat 
es  nun  unternommen  unter  Mitwirkung  namhafter  Kunstforseher  und 
Fachmänner  und  speciell  unter  der  Redaction  des  Malers  Lorenz 
C  lasen  fortzuführen  und  richtet  an  alle  Besitzer  der  Bände  die  Bitte, 
dem  Unternehmen  ihr  Vertrauen  wieder  zuzuwenden  und  durch  Bezug 
der  zur  Completirung  nöthigen  Bände  den  alten  Stand  der  Abonen- 
tenzahl  wieder  herbeizuführen.  Der  Rest  des  Werkes  wird  in  48  Lie- 
ferungen ä  10  Sgr.,  versehen  mit  Illustrationen,  bezogen  werden.  Die 
49.  Lieferung  (VII.  Bd.,  I.  Lieferung)  bringt  die  Fortsetzung  des  Ar- 
tikels „Haus  und  Palast"  in  einer  interessanten  Darstellung. 

Wir  haben  eine  kurze  Inhaltsanzcige  der  von  Abbe  Corblet 
herausgegebenen  und  von  uns  angekündigten  „Revue  de  l'art  chre- 
lien"  in  Aussicht  gestellt.  Es  liegen  uns  bis  jetzt  fünf  Helle  (.länner 
bis  Mai)  vor,  die  sehr  reich  an  Stoll'  und  Inhalt,  die  Erwartungen  des 
Programms  einzuhalten  bemüht  sind.  Ein  Aufsatz  von  Abbe  Corblet 
betitelt:  „Über  die  katholische  Kunst"  erölTnet  die  Reihenfolge  und 
präeisirt  die  Anschauungen,  welche  der  Verfasser  über  die  mittelal- 
terliche und  moderne  Kunst  besitzt  und  von  denen  er  bei  der  Heraus- 
gabe der  Revue  geleitet  wird.  Der  pseudonyme  Gelehrte  Petrus 
Schmidt  beginnt  eine  Reihe  archäologischer  und  künstlerischer 
Studien  über  „kirchliehe  Industrie"  in  der  Absicht,  um  die  Kcnntniss 
der  Meisterwerke  der  mittelalterlichen  Industrien  zu  erweitern  und 
eine  Anwendung  der  Princlpien  der  christlichen  Schönheit  auf  die 
moderne  Kunst  zu  erzielen.  Ausser  dem  einleitenden  mit  mehreren 
Holzschnitten  ausgestatteten  Aufsätze  ist  bis  jetzt  ein  zweiterArtikel 
über  das  „Pflaster  der  Kirchen"  erschienen.  Oaf  de  Meli  et  gibt 
einige  ,\ndeutungen  über  den  Geist  und  die  Weihe,  welcher  die 
„christliche  Malerei"  und  jene  Künstler,  welche  kirchliche  Gegen- 
stände zur  Darstellung  bringen,  erfüllen  soll.  Charles  de  Linas 
liefert  einen  interessanten  Beitrag  zur  Goldschmiedekunst  des  XIV . 

•iT 


—   196  — 


Jahrhunderts  aus  Anloss  des  „Einbandps  eines  alten  Manuseriptes  von 
St.  Omor".  Abbe  Corhlet  veröfl'enflieht  ferner  eine  Ahh;in(llun<; 
^über  das  Geschichtliche  und  Liturgische  der  Gioclien",  worin  er 
nebst  flüchtigen  Andeutungen  über  die  Namen  der  (^iloeken,  ihren  Ur- 
sprung, ihre  Coniposition,  ihre  Form,  ihre  Aufschriften  sich  vorzugs- 
weise mit  dem  liturgisclien  Thoile  dieses  Studiums  besehiifligt  und 
am  Schlüsse  des  Aufsatzes  einige  Nachrichten  über  mehrere  sehr 
merkwürdige  Glocken,  namentlich  über  jene  der  Pikardie  und  des 
nördlichen  Frankreichs  veröffentlicht.  Ein  Aufsatz  des  Abbe  J.  E. 
Dccorde  beschäftigt  sich  mit  einer  Ibersicht  der  ^alten  und  moder- 
nen Kirchen  in  der  IMöcese  liouen'".  M.  Doublet  de  liüisthibaud 
gibt  eine  „Beschreibung  des  interessanten  Grabmales  des  h.  Chale- 
tric  Bisehofs  von  Chartres".  X.  Barbier  de  Montault  beginnt  eine 
grössere  Abhandlung  über  die  -liturgische  Poesie  des  Mittelalters". 
von  .M.  Gal  0  |ipe  ddnqua  ire  finden  wir  eine  ("harakterislik  der  im 
mittelalterlichen  Style  neu  erhauten  Kirche  St.  t'lotiUlc  zu  Paris,  von 
Abbe  Aubcr  eine  Iconographie  der  unbefleckten  Empfängniss  Maria 
undvon  M.  Leo  Drouyn  eine  Monographie  von  St. Martin  zu  Sescus. 
Eine  Fülle  kleinerer  Aufsätze  und  Notizen  enthält  noch  die  Rubrik: 
„Mi-langes  et  Chronique",  welcher  sich  schliesslich  ein  hihliographi- 
sches  Bulletin  anfügt,  worin  nicht  nur  die  neuesten  Erscheinungen 
Frankreichs,  sondern  auch  jene  von  Deutschland,  Belgien  und  England 
berücksichtigt  werden.  So  finden  wir  auch  bereits  einen  Auszug  des 
Prospectus  über  das  in  Aussicht  stehende  Prachtwerk:  ..Die  Kleino- 


dien des  heil,  römisch-deutschen  Reiches"  von  Frz.  Bock,  welches 
bekanntlich  in  Folge  eines  Allerhöchsten  Befehles  auf  Kosten  der 
kaiserlichen  Regierung  in  der  k.  k.  Slaatsdruckerei  crselicinen  wird, 
und  aus  dessen  überreichen  Inhalt  wir  durch  die  ausgezeichnete  Güte 
des  Verfassers  fortwährend  in  die  Lage  gesetzt  sind,  Auszüge  zu  vcr- 
öfl'enllichen. 


Von  der  „Revue  archi'ologique"  (Paris,  A.  Lcleux)  sind  uns  die 
erste  und  zweite  Lieferung  des  XIV.  .lahrganges  zugekommen.  Aus 
dem  Inhalte  —  denn  ilieTendenz  dieser  periodischen  Schrift  ist  nichl 
blos  auf  das  Studium  der  Monumente  und  der  Numismatik,  sondern 
auch  auf  jenes  der  Philologie  gerichtet  —  heben  wir  hervor,  die  Be- 
schreibung und  Erklärung  eines  römischen  Basreliefs  aus  dem  Museum 
zu  Cherchcl,  welches  an  dem  genannten  Orte  vor  mehreren  Jahren 
gefunden  wurde,  und  —  wie  aus  der  Inschrift  hervorgeht,  das  Grab 
eines  Reiters  der  VI.  Cohorte  der  Dalmaler  schmückte.  Die  Dar- 
stellung „über  die  Münzsorten  in  mehreren  Städten  Frankreichs 
während  des  Mittelalters",  einen  Aufsatz,  betitelt  „Rechte  und  l'bun- 
gen",  welche  eine  Übersicht  der  ön'entliehen  und  Privalbauten 
unter  dem  driften  Geschicchtc  der  Könige  von  Frankreich  enthalten, 
eine  Abhandlung  über  den  Ambon  der  unterirdischen  Kirche  des 
heil.  Laurent  zu  Rom  und  eine  Notiz  über  den  Todtensoal  der  Abtei 
d'O  urs  angs. 


Bibliograpliie. 

Aus  den  literarischen  Neuigkeiten  der  jüngsten  Zeit,  weiche  auf  Altcrthumskunde  Bezug  nehmen,  heben  wir  folgende  uns 
V  bekannt  gewordene  Werke  hervor : 


ü  tt  e  lleinr.  .Archäologisches  Wörterbuch  zu  Erklärung  der  in  den 
Schriften  über  mittelalterliche  Kunst  vorkommenden  Kunstaus- 
drücke. Mit  löO  Holzschnitten,  8.  1V,2U8  S.  Leipzig,  T.  0.  Weigcl. 
1  Thir.  20  Ngr. 

Lassen  Ch.  Indische  Altcrthumskunde.  3.  Bd.  1.  Hälfte,  Leipzig  1837, 
Kittler,  Vlll,  416  pp.  2  Thlr.  16  Ngr. 

Levy  M.  A.  Phönicische  Studien.  1  Heft  Erklärung  der  grossen, 
sidonischen  und  anderer  phönicischer  Inschriften.  Die  ältesten 
Formen  des  phönicischen  Alphabets  und  das  Princip  der  Schrift- 
bildung in  3  Tafeln.  Breslau  1800,  Leukarl,  8».  IV,  68  S.  1  Thlr. 

Gregoro  viu  s  Fd.  Die  Grabmäler  der  rclmischen  Päpste.  Historische 
Studien.  Leipzig  1837,  Brockhaus,  Ki".  Vlll,  Zi'l  pp.  1  Thlr.  0  Ngr- 

Gasse  1  P.  Das  alle  Erfurter  Rathhaus  und  seine  Bilder.  Ein  akade- 
misches Programm.  Mit  2  litii.  Tafeln.  Erfurt  1837,  Villaret,  8».  V. 
Gl)  pp.  10  Ngr. 

■Mayer  R.  v.  Heraldisches  ABC-Buch,  das  ist,  Wesen  und  Begriff 
der  wissenschaftlichen  Heraldik,  ihre  Geschichfc,  Liferalur. 
Theorie  und  Praxis  mit  66  meist  Farbcntafcin  und  100  Holzschnitten 
im  Texte.  München  1837,  Finsterlin,  8».  XV,  323  pp.  10  Thlr. 

Münzstudien.  Neue  Folge  der  Blätter  für  Münzkunde.  Herausge- 
geben vonll.  Grote,  1  und  2.  Leipzig  1836,  Halm,  8".  2  Tbl.  20  Ngr. 

Riecio  G.  Primo  Supplemente  al  catalogo  delle  antiche  monete 
Consolari  e  di  Famiglie  Romane.  Napoli  1830,  4".  VI,  38  pp. 

F  i  o  r  c  I  I  i  J.  Monumenta  Epigraphica  Pompeiana  ad  lidem 
archetyporum      cxprcssa  ,      Pars      I.     Inscriptionum      Oscarum 


apographa  ,  Editio  altera.  Napoli  1836,  4».  XXXVIII  pp..  2  Thlr. 
12  Ngr. 

Avellino  T.  Monografia  storico-archeologica  sulla  Regia  Inscgna 
del  Giglio.  Napoli  1836,4».64Seiten,  mit  ZTafeln.  2  Thlr.  12  Ngr. 

Caristie  A.  Monuments  aiiticjues  ä  Orange.  Are  de  triomphe  et 
theäfre.  Public  sous  les  auspices  de  S.  Exe.  M.  le  ministre  d'Etat. 
Texte.  Paris  1837,  Fol.  97  pp.,  mit  31  Tafeln. 

Cohen  11.  Description  generale  des  monnaies  de  la  republique 
romaine  communement  appeices  medailles  consulaires.  Paris  18.S7. 
4".  XLVIII,  360  pp.,  mit  73  Tafeln. 

Goch  et:  Sepulturcs  gauloiscs  romaincs  franques  et  normandcs. 
faisant  snite  ä  la  Normandie  souterrainc.  Avec  Figures  intcrcalees 
dans  le  texte.  Paris  1837,  8".  XVI,  432  pp.  2  Thlr.  13  Ngr. 

M.  Pherson  Duncan.  Antiquilies  of  Kerlsch,  and  Researches  In 
the  Cimmcrian  Bosporus  ;  wifh  Rcjuarks  on  the  Efhnological  and 
Plijsical  llislory  of  the  Criniea.  London  1837.  4".  XIV.  Kiüpp.. 
mit  12  Tafeln  und  .Ahhililungen  im  Text.  14  Thlr. 

A  1 1  c  r  t  h  ü  m  c  r  der  Stadt  Lüneburg  und  des  Klosters  L  ü  n  e.  Heraus- 
gegehen von  dem  Alterthumsvercinein  Lüneburg.  1. — 3.  Lieferung. 
Lüneburg  1836,  mit  Abbildungen.  3.  Thlr. 

A  I  br  cell  t-l)ürcr-.Mbum.  Eine  Siimmlung  der  schönsten  Dürer'- 
schen  Holzschnitte  nach  den  von  dem  Künstler  gefcrfigfen  Origi- 
nalicn,  in  gleicher  Grösse  aufs  Neue  in  Holz  geschnitten,  unter  Auf- 
sicht von  W.  V.  Kuulbach  und  A.  Krcli  ng.  Nürnberg  1837,  1.  u. 
2.  Lieferung,  a  1  Thlr.  6  Ngr. 


Aus  der  k.  k.   Hof-  und  Staatsdruckerei. 


Jeden  Munal  erscheitil  1  Heft  zu 
1    liis   2   Dnirkliogt-n   mit    AbbiU 

Der  Pranuiiieralionspreis  ist  für 
einou  Jahr^^ang'  vier  zwülf  Hefte 
nel)fit  lleg-i.ster  sowohl  für  Wien 
als  ilieKruiilüiiiIerunil  d.is  Ausland 
4  il.  V.  M.,  Ix'i  puf  t ..  Ireier 
Zusendung  in  die  Kruuläuder  der 
osteiT.  Monarcliie  411.  2U  kr.  C.  M. 


MITTHEILUNGEN 


DER  K.  R.  CENTRAL- COMMISSION 


P  r  ä  n  u  tri  e  r  a  ( i  u  n  f  II  ülteriK-li- 
ui'-n  h  a  I  II-  oder  g  a  d  z  j  ü  ti  r  i  ^■ 
allek.k.  PoslEislerilerMoiiarcbip, 
welche  auch  die  portofreie 
'tuseoitiDg  der  eiozcIoeD  Hefte 
lifcfrorg^-n.  ^  Im  Wege  de»  Racli- 
handcU  sind  alle  I'ntDumeratiuoeo 
and  zwar  nur  zu  dem  i'reise  vuu 
4  11.  ao  den  k.  k.  Ilofbuchbindler 
W-  BrauinülleriD  Wirn  zu  richii  n. 


■I^w- 


HeraiisL^eiiebt'ii  unler  der  Leitung  des  k.  k.  Seclions-Chefs  und  Präses  der  k.  k.  Central-Coraraission  Karl  Freiherrn  V.  Czoernig. 


Redactenr:    Rarl  Weiss. 


W-  8. 


II.  Jahrgang. 


IIISl 


Inhalt :  Über   einige    neu  entdeckte  Wandgemälde   in  Verona.  —    Die  ungarischen   Reiclisinsignicn.  —    Die  Vertheidigungskirchen 
in     Siebenbürgen.  Die  archäologischen  Publicationen    ungarischer    Zeitschriften.  Cor  respondenzen.   —    Literarische 

Anzeigen. 


Über  einige  nen  entdeckte  Wandgemälde  in  Verona. 


Von  R.  V.  Ei  U'lbergei 


Keine  Stadt  Oberitaliens  hat  einen  solchen  Reichthum 
von  Wandgemälden,  als  Verona.  Es  gibt  kaum  Eine  grössere 
Strasse,  oder  einen  Platz  in  Verona,  der  nicht  mit  Fresken 
verziert  ist.  Einige  derselben  reichen  noch  in  das  XV.  Jahr- 
hundert zurück,  die  ntieisten  sind  aus  der  ersten  Hälfte  des 
XVI.  Jahrhunderts.  In  dieser  Zeit  war  Verona  an  Künstlern 
aller  Art,  Fresco-  und  Ölmalern,  Architekten  und  Bildhauern 
sehr  reich  und  der  Geschmack  der  wohlhabenden  Classe,  der 
herrschenden  Gesellschaft  liebte  es ,  sich  mit  Kunstwerken 
aller  Art  zu  umgeben.  Von  Werken  die  über  das  XV.  Jahr- 
hundert zurückgehen,  haben  sich  begreiflicher  Weise  Ge- 
mälde nur  in  Kirchen  erhalten,  und  von  diesen  älteren 
Gemälden  haben  sich  nur  sehr  wenige  erhalten;  die  meisten 
sind  dem  barocken  Zeitalter  und  der  Cbertünchs-  und  geist- 
losen Decorationswuth  unseres  Jahrhunderts  zum  Ojifer 
gefallen. 

Es  sind  uns  eine  Reihe  von  Künstlernamen  bekannt, 
die  vom  XIV.  Jahrhundert  an  bis  in  die  zweite  Hälfte  des 
XVI.  Jahrhunderts  als  Frescomaler  thätig  waren,  und  eine 
Reihe  von  Fresken,  deren  Urheber  unzweifelhaft  sind,  haben 
sieh  bis  auf  unsere  Tage  erhalten.  Zu  ersteren  rechnen  wir 
den  Stefano  da  Zevio,  Martinas  (v.  J.  1390),  Vit- 
tore  Pisano(1380 — 141)3), Dome nicoundFranceseo 
Morone,  Franc.  Ca  rotte,  Franc.  Buonsignori 
(1455—1019),  Liberale  da  Verona  (1459  — 1S34), 
Nicolo  Giolfino,  Franc.  Torbid  o,  Setto  il  Moro, 
Domen i CO  und  Fei ice  Ricci ,  Setto  il  Brnsasorzi. 
Paolo  Farineti  (1522  —  1600)  u.  s.  f. 

In  diesem  Jahre  ist  die  Zahl  der  Fresken  in  Verona 
durch  neue  Entdeckungen  vermehrt  worden.  Die  ältesten 
II. 


davon  gehören  der  Kirche  S.  Zeno,  dem  hervorragendsti'o 
Baumonumente  Verona"s  an.  Ihre  Entdeckung  verdankt  man 
dem  Fleisse  und  der  Sorgfalt  des  jüngeren  Kirchendieners 
Lodovico  Marchiori,  der  mit  grosser  Sorgfalt  und 
vieler  Mühe  die  Tünche  loslöste ,  welche  sich  oberhalb 
dieser  Fresken  befand.  Die  aufgedeckten  Gemälde  gehören 
dem  XIV.  und  XV.  Jahrhunderte  an.  Sie  befinden  sich  an  den 
Seiteuwänden  des  Langschilles  und  in  der  Kry|)ta,  uiul  haben 
sehr  verschiedenen  Werth.  Ihren  Ursprung  verdanken  diese 
Gemälde  insgesammt  der  Devotion  irgend  eines  frommen 
Veronesers.  Alle  Kirchen  Italiens,  insbesondere  alle  Kloster- 
kirchen, waren  mit  solchen  Devotionshildern  geschmückt. 
Sie  wurden  in  der  Regel  ohne  alle  Rücksicht  auf  die  künst- 
lerische Raumeintheilung  einer  Wandfläche  angebracht  um! 
unterscheiden  sich  wesentlich  von  jenen  Wandscmälden, 
die  von  den  Stiftern ,  Patronen  oder  Eigenthümern  der 
Kirche  mit  der  Tendenz  unternommen  wurden,  ein  Zeichen 
ihrer  fronnnen  Gesinnung  der  Nachwelt  zu  hinterlassen  und 
zugleich  die  Kirche  kunstgemäss  zu  schmücken.  Wurde 
irgend  ein  Gemälde  der  Art  vorgenommen,  so  wurd(>  einfach 
die  Wandfläche  mit  eiru'r  Kalkkruste  überzogen,  so  gross, 
als  es  für  das  Fresco  nölliig  war.  das  Bild  mit  einem  ein- 
fachen bunten  Rahmen  in  Farben  eingefasst,  dann  gemalt. 
Weder  das  XIV.  noch  das  XV.  Jahrhundert  zeigten  den 
geringsten  Respect  für  ältere  vorhandene  Bilder.  Wie  man 
imVatiean  die  Fresken  Perugino"s  niederwarf,  um  fiirRalael 
Raum  zu  schafleu.  so  hat  man  nalürlieli  in  kleineren  Kii'clien 
au  allen  Orten  ItalicTis  ein  Fresco  über  ein  anderes,  ein 
zweites  über  ein  drittes  gemalt.  In  der  Kirche  S.  Zenn 
findet  sieh  mehr  als  ein  Beispiel  von  diesem  Vorgange  hei 

28 


-     198 


Devotioiisbildern,  liinter  manchem  Fresco  aus  dem  XV.  Jahr- 
hundert sieht  die  Spur  eines  anderen  aus  dem  XIV.  Jahr- 
hundert hervur:  iiiMKinchen  anderen  jetzt  wiederhergestellten 
Fresiien  sind  die  Sehlüi^e  des  llanuners  sielitbar  ,  die  noth- 
wendig  waren,  um  derKalktünelie  für  ein  späteres  Fresco  die 
nöthige  Haltbarkeit  zu  verleihen.  Durch  diese  Übernialungen 
sind  uns  manche  Denkmale  aus  früher  Zeit  erhalten  worden. 

Diese  Devotionshilder  wurden  in  der  Regel  an  den 
Pfeilern,  den  unteren  Wandfliichcn  im  Inneren  und  Äusseren 
der  Kirche  angebracht,  und  oft  Künstlern  von  geringerer 
Kunsthildung  übergeben.  Sie  repräsentiren  daher  in  der 
Regel  nicht  den  Fortschritt,  sondern  die  Stagnation  in  der 
Kunst.  Es  ist  aus  diesem  Grunde  sehr  schwer,  aus  den» 
Kunstcharakter  dieser  Bilder  einen  Schhiss  aut  die  Zeit,  in 
der  sie  gemacht  worden,  uiul  das  Knnstvermögen  dieser  Zeit 
zu  ziehen.  Wir  haben  mehr  als  Ein  Wandgemälde  dieser 
Art  mit  der  Angabe  der  Zeit  und  des  Donators  aus  dem 
XV.  Jahrhundert,  seihst  aus  der  zweiten  Hälfte  desselben, 
die  im  Style  der  letzten  Jahrzehende  des  XIV.  gemalt  sind; 
und  es  kommen  insbesondere  in  der  Lombardie  eine  grosse 
Anzahl  von  Hildern  aus  dem  XII.,  XIII.  und  XIV.  Jahrhundert 
vor,  in  denen  sich  noch  der  Typus  des  X.  und  XI.  Jahr- 
hunderts erhalten  hat.  Bei  mehr  als  einem  Monumente  der 
Art  ist  durch  Ausserachtlassung  dieses  Umstandes  eine  Ver- 
irrung  in  der  Chronologie  und  Zeitbestimmung  des  Gebäudes 
eingetreten.  Man  glaubt  ein  Fresco  aus  dem  X.  oder  XI.  Jahr- 
hunderte vor  .sich  zu  haben,  und  daher  auch  ein  Gebäude 
aus  dieser  Zeit,  während  beide,  das  Fresco  und  das  Gebäude 
aus  dem  XIII.  Jahrhunderte  waren. 

Unter  den  in  S.  Zeno  aufgedeckten  W^andgemälden 
verdient  seines  Kunstwerthes  wegen  jenes  vorerst  genannt 
zu  werden,  das  sich  oberhalb  der  Sacristeithüre  befindet. 
Es  stellt  Christus  am  Kreuze  vor  mit  Maria,  Magdalena. 
Johannes,  und  rechts  einen  Bischof,  wahrscheinlich  der 
h.  Zeno,  mit  dem  knieenden  Donator  und  links  ein  Heiliger 
mit  einer  Rolle  in  der  Hand.  Letztere  Figur,  mit  rothem 
Barte,  grünem  Mantel  und  braunem  Ijitergewande,  hält  eine 
Rolle  in  der  Hand  und  scheint  einen  Propheten  vorzustellen. 
Der  h.  Bischof  ist  wahrscheinlich  Zeno,  der  in  dem  XIV. 
Jahrhundert  noch  ohne  sein  gewohnliches  Symbol,  den  Fisch 
mit  der  Angel,  vorgestellt  wurde.  Um  den  Körper  Christi 
fliegen  bekleidete  Engel,  die  entweder  klagen  oder  in  Kel- 
chen das  Blut  aus  den  Füssen.  Händen  und  der  Seitenwunde 
Christi  aulTangen.  Der  Ausdruck  in  den  klagenden  Gestalten 
der  Maria,  Magdalena  und  des  Johannes  ist  stark  markirt. 
und  hat  etwas  von  dem  Übertriebenen,  fast  Grimassirten, 
wie  man  es  häufig  in  Gemälden  aus  jener  Zeit  sieht;  er- 
mangelt aber  nichts  desto  weniger  einer  gewissen  imponiren- 
den  Grosse,  die  auch  in  dem  Propheten  und  h.  Bischöfe 
vorherrscht.  Der  Ki'irper  Christi  ist  scliön  gezeichnet  und 
fast  ohne  alle  Härte.  Alle  Figuren  ,  mit  Ausnahme  des 
Bischofs,  sind  mit  weiten  Mänteln  bekleidet,  die  sehr  scliiin 
angeordnet  sind.   Die  Behandlung  des  Colorites  zeigt  einen 


geübten  Meister  der  Kunst  und  des  Frescomalens .  und  die 
Abstufung  von  Lidit  und  Schatten  in  den  Mänteln,  sowie  die 
Carnation  in  den  Kö|»fen  ist  vortrell'üch.  IMan  ist  hier  geneigt, 
dieses  Werk  den  Stephano  da  Zevio  zuzuschreiben.  Es 
wäre  jedenfalls  eines  seiner  vorzüglichsten,  wenn  sich  für 
diese  Behauptung  positive  Nachweise  finden  Hessen.  Die 
Figuren  sind  fast  über  der  gewöhnlichen  Lebensgrösse.  — 
Es  ist  sehr  zu  beklagen,  dass  die  Inschrift  gänzlich  zerstört 
ist.  Kaum,  dass  sich  einige  Buchstaben  (OPVS)  und  einige 
Ziffern  (XX)  erhallen  haben.  Sie  gaben  ^^ahrscbeinlich  eine 
bestimmte  Zeitangabe,  wie  es  bei  einem  anderen  schon  be- 
kannten Wandgemälde  vom  J.  1396  der  Fall  ist,  das  sich  im 
Mittelschilfe  befindet,  dem  genannten  aber  weit  an  Werth 
zurücksteht.  Unterhalb  diesem  (lemälde  befindet  sicli  ein 
anderes,  von  dem  nur  die  romanische  Einfassung  sichtbar  ist. 

Zwei  andere  neu  aufgedeckte  Wandgemälde  beziehen 
sich  auf  das  Leben  des  h.  Bischofs  Nikolaus  von  Bavi. 
Auf  einem  derselben  sehen  wir  den  h.  Bischof,  wie  er  einer 
armen  Familie  einen  Geldbeutel  durch  das  Fenster  zuwirft. 
Diese  ist  durch  drei  Frauen  dargestellt,  die  mit  .\rheiten  in 
einer  Kammer  beschäftigt  sind;  eine  von  den  Frauen  nimmt 
das  Geschenk  des  Heiligen  wahr;  es  erheitert  sich  ihr  Ge- 
sicht, während  die  anderen  freudelos  bei  der  Arbeit  sitzen. 
Eine  andere  Scene  stellt  das  zweite  leider  nur  zur  Hälfte 
erhaltene  Bild  vor.  Man  sieht  auf  demselben  ein  Schill'  in 
einem  Seesturme,  das  durch  den  Heiligen  der  Gefahr  zu  ent- 
gehen scheint.  Beide  Gemälde  sind  weniger  geistreich  als 
das  früher  genannte,  haben  im  Vortrage  den  Charakter  der 
Fresken  der  Zeit  nach  Giotto.  In  dieselbe  Zeit  gehören 
andere  aufgedeckte  Fresken,  ein  Christus  am  Kreuze  mit 
Maria  und  Magdalena ;  ein  lebensgrosser  Sigismund  mit 
brauner  Tunica  und  grünem  Mantel,  zu  seinen  Füssen  kniet 
in  kleiner  Figur  eine  Frau,  wahrscheinlich  die  Stifterin  des 
Bildes  (der  Name  des  h.  Sigismund  ist  mit  gothischen  Buch- 
staben weiss  auf  dunklem  Grunde  angegeben);  ein  heiliger 
Georg,  im  Panzerhemde,  mit  Beinschienen  und  einer  Eisen- 
haube, zu  seinen  Füssen  ein  Drachen,  ein  knicendcr  Mann 
als  Donator  in  kleinerer  Figur,  zu  seinen  beiden  Seiten  je 
ein  Bischof,  eine  nur  wenig  sichtbare  Flucht  nach  .\gypfen 
(in  der  Krypta),  ein  kolossaler  h.  Christojdi,  ebenfalls  nur 
theilweise,  erhalten  und  ähnliche  meist  nur  wenig  erhaltene 
Bilder,  die,  theilweise  schon  früher  aufgedeckt,  Kunstfreun- 
den längst  bekannt  sind.  Unter  diesen  befindet  sich  auch 
eine  Taufe  per  hmiicruioiwm. 

Auf  einigen  dieser  Wandgemälde,  die  sämmtlich  einen 
blauen  Hintergrund  haben,  finden  sich  Namen  und  Inschrif- 
ten eingeäzt,  in  denen  Ereignisse  früherer  Jalirliundcrte  im 
Dialekte  derselben  verzeichnet  sind.  Sie  sind  selbstver- 
ständlich für  dir  Chronologie  der  Gemälde  von  Wichtigkeit. 

So    lesen    wir :    a  di  4  de  maio  fn  taci'a  el  colo  al  colo 
carniagnola  in  Vene.xia  1492, 
auf   einem    anderen:    148(J  muri  inj  lii 

Steven  a  ili  3  I  luijlid  , 


—   199  — 


auf   einem    dritten  :    1309  die  ines  .  ja  .  fiiit  hie 

CJirdinalis  de  jtleiiwitio  (die  mittleren 

Buchstaben  waren  mir  nicht  deuthch), 

auf    einem    vierten:    169S  vene  hi  cittä  dutta  in  processione 

a  S.  Zeno  p  11  tereniuto. 

Andere  solche  Inschriften  sind  schon  anderweitig  durch 

den  Druck  bekannt. 

Von  eben  so  grossem  und  vielleicht  grijsserem  Interesse 
sind  die  Fresken  in  dem  Thurme,  der  sich  links  von 
S.  Zeno  befindet  und  gegenwärtig  die  Wohnung  des  Küsters 
in  sich  schliesst.  Dieser  Tluirrn  ist  der  Überrest  eines 
grossen  Palastbaues,  von  dem  sich  noch  einzelne  Überreste 
(ein  grosser  Brunnen,  eine  Thüre,  die  Grundmauern)  in 
dem  benachbarten  Garten  erhalten  haben.  Es  ist  Tradition, 
dass  in  diesem  Gebäude  die  deutschen  Kaiser,  wenn  sie 
vom  Norden  kamen,  einkehrten,  eine  Tradition,  die  in  den 
vielen  Begünstigungen  der  Kirche  und  des  Klosters  S.  Zeno 
durch  deutsche  Kaiser  seit  Otto  den  Grossen  Indirect  ihre 
Bestätigung  findet.  Um  so  mehr  muss  man  es  bedauern, 
dass  im  Jahre  1812  ein  zweiter  Thurm,  in  dem  sich  Fresken 
mit  Figuren  und  Waffen  erhalten  haben,  niedergerissen 
wurde,  um  Ziegel  und  Steine  als  Baumaterial  zu  verkaufen. 
Ein  Thurm  steht  noch;  er  hat  mehrere  Stockwerke,  runde 
Bogenfenster,  theilweise  noch  das  alte  Holzwerk  mit 
Ornamenten,  die  alten  Zinnen,  und  nebst  einer  soliden  Con- 
struction  von  einer  Mauerdicke  von  4',  zugleich  ein  ganz 
vortreffliches  Baumaterial.  Die  oberen  Gemächer  sind  noch 
mit  Fresken  geschmückt,  die  der  früh-romanischen  Periode 
angehören.  Sie  dürften  zu  den  interessantesten  gehören, 
die  Verona  besitzt,  und  geniessen  gegenwärtig  keinen 
anderen  Schutz,  als  jenen,  den  ihnen  der  brave  Küster 
angedeihen  lässt.  In  dem  oberen  Gemaehe  sehen  wir  einen 
umlaufenden  ornamentalen  Fries,  und  eine  würfelförmige 
Benialung  mit  heller  Farbe  (in  der  Mitte  eines  jeden  Würfels 
eine  Blume),  in  dem  unteren,  bei  weitem  interessanteren  ist 
ein  historischer  Vorgang  dargestellt,  den  vielleicht  Geschichts- 
forscher werden  erklären  können.  Es  ist  nämlich  ein  Zug 
dargestellt,  der  mit  einer  Kaisergestalt  beginnt,  einer  blond- 
gelockten wenig  bärtigen  Figur,  en  face  dargestellt.  Dann 
folgt  ein  Zug  von  fremdländischen  Nationen,  Mohren, 
Figuren  mit  einer  der  chinesischen  ähnlichen  Kopfbedeckung, 
andere  mit  hohen  weissen  Mützen  nach  der  Art  der 
armenischen  Krieger,  und  endlich  einige  in  Mäntel  gekleidete, 
etwas  erhöht  stehende  Figuren,  ohne  Kopfbedeckung,  die 
ihrer  Ausdrucksweise  nach  etwas  zu  verlangen  scheinen. 
Dann  folgt  ein  Thurm  mit  Zinnen  und  einem  Thore.  Von 
diesen  Figuren  ist  nur  der  obere  Theil  liis  zur  Brust  cihalten, 
der  andere  Theil  theils  übertüncht,  theils  zerstört,  da  der 
Saal,  in  dem  sich  diese  Fresken  befiinden,  in  zwei  Stock- 
werken getheilt  wurde.  Oberhalb  dieser  Figuren  läuft  ein 
grosser  ornamentaler  Fries,  bandartig  mit  phantastischen 
Thierköpfcn,  wie  man  sie  bei  Miniaturen  und  Ornamenten 
aus  dem  XI.   und  XII.  Jahrhunderte  zu  sehen  gewohnt  ist. 


Die  Farben  sind  hell  und  bunt,  die  Vortragsweise  sehr  ein- 
fach; das  Ornament  ermangelt  aber  in  keiner  Weise  einer 
stylgemässen  lebendigen  Zeichnung.  Wer  da  weiss,  wie 
selten  Ornamente  aus  jenen  Zeiten  zu  finden  sind,  der  wird 
den  Werth  dieser  Decoralion  sicher  im  vollen  Masse  zu 
schätzen  wissen  und  \>ünschi'n,  dass  dieselbe  erhalten  und 
in  einer  Zeichnung  aufbewahrt  werde. 

Es  ist  eine  beklagenswerthe  Erscheinung,  wie  in 
ganz  Italien  Kunstmonuiuente  aus  der  deutschen  Kaiserzeit 
vergessen  und  zerstört  werden,  und  sicher  hat  diese  Gleich- 
gültigkeit gegen  deutsche  Mununieute  in  Italien  viel  dazu 
beigetragen,  dass  Deutsche  in  den  Augen  der  Italiener  als 
Barbaren  erscheinen.  In  Havanna  lassen  sie  das  Grabmal 
Theodorich"s  schmachvoll  zu  Grunde  gehen,  in  Pisa 
kümmern  sie  sich  nicht  um  das  Monument  Heinrich"s  Vil. ; 
und,  wenn  ich  nicht  irre,  zu  Verona  ist  der  Einzug 
Karl's  V.  mit  Clemens  VII.  in  Bologna  am  Jahrestage  der 
Schlacht  bei  Pavia,  trefflich  von  Brusasorz  1  im  Palazzo 
liidolfi  gemalt,  die  geringste  Sorge  der  vielen  deutschen 
Mäcenaten,  die  durch  Verona  wandeln,  hundert  anderer 
Fälle  nicht  zu  gedenken.  Der  einzige  König  Lud  wig  von 
Baiern  hat  Sinn  und  Verständniss  für  diese  Überreste  einer 
grossen  glänzenden  Zeit  gehabt  und  dem  letzten  Hohen- 
staufen,  dem  unglücklichen  Konradin,  ein  schönes 
Marmormonument  in  der  Kirche  am  Piazza  del  Mercato 
in  Neapel  setzen  lassen.  Alle  anderen  Monumente  erwarten 
noch  eine  Zeit,  die  sie  aufsucht,  sammelt  und  der  deutschen 
Nation,  der  sie  angehören,  erhält.  Verona,  die  alte  kaiserlich 
gesinnte  Stadt,  dürfte  insbesonders  reiche  Ausbeute  für 
solche  Studien  liefern. 

Andere  Fresken  wurden  in  der  Kirche  St.  Maria 
della  Scota,  die  am  Canal  grande  I  im  Jahre  1324 gebaut 
ist,  eben  von  der  Kalkkruste  befreit.  Diese  Gemälde 
schmücken  die  Seitencapelle  rechts  vom  Hochaltäre.  Sie 
sind  leider  nicht  vollständig  mehr  herzustellen,  da  diese 
Capelle  durch  eine  Mauerwand  in  zwei  Tlieile  getheilt  wurde. 
Der  rückwärlige  Theil,  in  dem  sich  die  Gemälde  am  besten 
erhalten  haben,  wird  als  eine  Kammer  benützt.  Sie  stellen 
das  Leben  zweier  Heiligen  von  ihrer  Geburl  an  dar,  auf 
viereckigen  Feldern,  die  durch  graugenialte  Stücke  geschieden 
sind.  Sie  erhalten  ihren  W  erlh  dadurch,  dass  der  Name  des 
Künstlers  angegeben  ist.  Er  ist  mit  weisser  Farbe  in  schöne 
Lettern,  in  der  Nähe  eines  Pfaues,  der  sich  öfters  bei  diesem 
Künstler  findet,  gemalt  und  heisst  ^.FANVS .  J.PICTOR 
d.  h.Stefanus  Jehetus  pictor.  Es  sind  dies  daher  unzweifelhafl 
Gemälde  des  Stefano  da  Zevio  (Jebetum  im  Latein  des  Mittel- 
alters), eines  kleinen  Ortes  in  der  Nähe  von  Verona.  Slephano 
da  Zevio  ..piUoic  ruii.ssimo  de  suoi  tempi"  wie  ihn  Vasari 
nennt,  der  seiner  mehrmals  Erwähnung  thut,  der  Lehrer 
Pisanella'.s,  des  berühmten  Künstlers,  dessen  Medaillen  in 
den  Fresken  dieser  Capelle  und  zwar  in  den  Waiidllächen 
des  Fensters  angebracht  sind,  war  einer  der  fruchtliai'.stcii 
und  einflussreichsten  Künstler  seiner  Zeit,    und  gehört  mit 


28» 


200     - 


Av;ifizii  lind  Aldigliicro  da  Zevio,  den  hokannten  Künstlern 
in  di'ii  Capellen  S.  Ziorzio  und  S.  Felieo  zu  Padua,  zu  einer 
lind  diM'solliiMi  Schule,  die  iilier  Giotto  und  die  Giottisteii 
hinaus  dui-ch  Aufnahme  neuer  Klenieiite  einen  grossen  Sehi'ilt 
weiter  in  der  Kunst  gethaii  liidieu. 

Auf  diesem  Gebiete,  insbesiindere  dem  der  Gesehiehts- 
dai-stelluug,  ist  dem  Stephano  da  Zerio  sein  Schüler  Viltore 
Pisa  im  gel'ülgt,  ein  Künstler,  der  von  seinen  Zeitgenossen 
als  einer  der  ersten  Genies  seines  Jahrimndcrtes  gerühmt, 
in  unseren  Tagen  noch  nicht  nach  Verdienst  gewürdigt 
wurde. 

In  Verona  gibt  es  sehr  viele  Gemälde,  die  dem  Stephano 
zugedacht  werden,  mehrere,  die  ihm  mit  Sicherheit  zuge- 
wiesen werden.  Die  umtangreichste.Vrheit  von  unzweifelhafter 
.VutheiUicitilt  ist  jene,  die  so  eben  in  S.  Maria  della  Scala 
bekannt  wurde.  Diese  Gemälde  zeigen  dem  sehr  gewandten 
(leschichtserzähler  die  verschiedenen  Vorgänge  auf  den 
Hildern.sie  sind  mit  grosser  Deutlichkeit  exponirt,  und  mit 
feiner  Charakteristik,  ohne  alle  Caricatur.  (dine  alle  Über- 
treibung der  Formen  gegeben.  Wir  sehen  auf  den  acht 
erhaltenen  Bildern  der  linken  Seiteiiwand  den  Tod  eines 
heiligen  l'abstcs,  zwei  Wasserfahrten  des  Heiligen,  in 
Gegenden,  deren  Ufer  gebirgig  sind.  An  einem  Bilde  schläft 
ein  Mann  am  Rande  des  Wassers.  .\uf  zwei  anderen  Bildern 
sehen  wir  die  Heiligen  einkehren  bei  vornehmen  Herren, 
und  sie  freundlich  vom  Herrn  des  Hauses  begriissen.  Auf 
einem  sechsten  Bilde  ist  in  einer  gebirgigen  Gegend  der 
Bau  eines  Klosters,  an  de^  Mönche,  wie  Laien  Autheil 
nehmen,  auf  einem  siebenten  der  Heilige  mit  anderen  in 
Herathung  sitzend  in  einer  Halle,  und  auf  dem  achten  der 
Heilige  mit  einem  Löwen  im  Studium  der  Bücher  versenkt.  Die 
Klostertracht  eines  der  Heiligen  ist  eine  braune,  des  anderen 
eine  graue  Kutte.  An  allen  diesen  Gemälden  sind  Bauwerke 
mit  besonderem  Geschmacke  dargestellt.  Sic  sind  sämmtlich 
gothiseli,  grau  und  hie  und  da  ist  der  rothc  veronesische  Mar- 
mor, wie  wir  ihn  heute  noch  gei)raucht  sehen  bei  fapilälen. 
Sockeln,  Balconen, angewendet.  Dieveischiedenen  Hallen,  die 
innere  Einrichtung,  die  Höhe  der  Capellen,  die  auf  vielen  dieser 
Bilder  vorkommen,  zeigen,  dass  der  Veroneser  Künstler 
in  seiner  Heimath  reiche  Vorbilder  vor  Augen  gehabt  hat. 
Das  Colorit  ist  in  allen  diesen  Fresken,  wie  in  der  ganzen 
Veroneser  Schule,  kräftig  und  harmonisch:  es  hat  nichts 
von  dem  Unbestimmten  und  Schwächlichen  vieler  KreskiMi- 
maler  unserer  Tage.  .\uch  die  Landschaft  ist,  wie  bei  allen 
Veronesern,  reich  bedacht;  olVenbar  hat  die  herrliche 
Umgebung  Vernna's  viel  dazu  beigetragen,  dieses  Element 
in  der  ganzen  Schule  auszubilden. 

All  diesen  kurze»  Bericht  über  neu  entdeckte  Fresken 
schliesse  ich  den  Bericht  über  die  Restauration  eines 
Ölgemäldes  an,  das  ebenfalls  in  der  letzten  Zeit  gewisser- 
massen  neu  entdeckt  wurde.  Es  ist  dies  ein  Gemälde  von 
Gio.  Batt.  Faleonetto,  einem  sehr  thätigen  und  viel- 
liescliäfligten  .Maler  und  Arcliileklen  ,  das  sich   in  der  Doin- 


kirche  von  Verona  unter  einem  barocken  Gemälde  aus  dem 
verflossenen  Jahrhunderte  befand.  Dieses  Gemälde  wurde 
jüngst  an  das  Tageslicht  gezogen,  und  wird  von  Herrn  Bai  bi 
gegenwärtig  auf  Anordnung  des  Herrn  Bischolls  U  i  c  c  a  b  o  n  a 
gereinigt,  der  schon  mehrere  dem  Dome  oder  dem  Bisthume 
angehörige  Bilder  (von  Benaglio,  Corot o  u.  s.w.) 
herstellen  liess  und  seinem  ("lerus  mit  gutem  Beisjiiele 
vorausgeht.  Giov.  Maria  Faleonetto,  dessen  Leben 
Vasa  ri  (Vol.  JX,  p.  203  ed.  Lemonier)  ausführlich  erwähnt, 
war  einer  von  jenen  Künstlern,  die  mit  Fra  Giocondo  und 
San  Michel  e  für  die  Henaissancc  im  hohen  Grade 
thätig  waren,  und  der  Ärchitectur  Verona's,  nachdem  die 
Traditionen  der  früheren  Zeit  nicht  mehr  den  Bedürfnissen 
der  Kunst  und  der  Gesellschaft  zugesagt  haben,  einen 
bestimmlen  bis  auf  unsere  Tage  fortdauernden  Charakter 
aufgeprägt  haben.  —  Das  Gemälde  befand  sich  in  der 
Capelle  de'  Mafl'ei.  Ihrer  erwähnt  Vasari  a.  a.  0.:  „c(//i 
imjiard  i  principii  della  piltura  dal  padre ;  egli  agtjrandi 
e  miglioro  assai,  ancor  che  non  fmse  unc  egli  piitorc 
di  mnito  reputazione ;  conie  si  vede  »el  duomo  d' Verona 
alle  capelle  de'  Maffei  c  degli  Emili  e  u  S.  Nazzaro  iiella 
parte  superiore  della  cupola"  ').  .\uch  Mallei  in  seinem 
„Verona  ilhistrati".  (ed.  17,  32)  erwähnt  des  Gemäldes  in 
der  Capelle  der  MalTei  im  Dome.  Es  stellt  die  Madonna  auf 
dem  Throne  vor,  umgeben  von  den  heil.  .Andreas.  Hanno. 
Hieronymus  und  .loluinn  dem  Täufer.  Die  Anordnung  und 
Gruppirung  ist  sehr  sclilin,  insbesonders  die  Zeichnung  des 
architektonischen  und  ornamentalen  Theiles.  In  der  Zeich- 
nung des  Nackten  ist  das  Gemälde  schwächer,  entweder  weil 
Faleonetto  vorzugsweise  Architekt  war,  oder  vielleicht 
weil  dieses  W^erk  einer  früheren  Zeit  angehört.  Sielit  man 
aber  von  diesen  Mängeln  ah,  so  hat  man  ein  würdiges  schön 
gedachtes  und  gut  gezeichnetes  (lemäldc  vor  sich,  in 
welchem  der  Künstler  die  Traditionen  der  Malerei  des 
XL  .fahrhuuderts  ungeschwächt  aufrecht  erhalten  hat,  wäh- 
rend er  später,  dem  Impulse  der  Schule  Roms  zu  sehr  folgend, 
allegorische   Elemente  antiken  Styles  aufgenommen  hat  ^). 

Ve  rona,  .'J.  .Iiili  ISST.  •'•) 


*)  Let/.lere .  zieinlioli  zerstört,  exislirci»  noch;  sie  .sinil  vom  .lahre  141t;* 
un.l  luihen  die  Iiisehrift  lo  .  M\IU.\  .  F.\LC(I.NKTUS  .  VEliON  .  I'I.VX. 

2)  .Vus  dieser  Zeit  dürfte  das  aUcguriscIie  Gemälde  in  der  Kirehc  S.  Piclro 
miirlyrc,  der  Gymnasiitlkirclic ,  slninmen,  in  dor  sich  die  Portrnite 
zweier  deutscher  Herren  der  Zeil,  .Maximilian  Caspar  Chyoifrcl  und 
Johannes  de  Dayncch,  beHnden. 

•*)  In  dem  Augenblicke,  als  ich  diese  Zeilen  schreibe  ,  werden  in  der  Kirche 
S.  Kerin«  mag^jjioro  l'resken  bloss|^elegt ,  die  nicht  i>hne  besonderen 
Wi'rlh  für  die  (lesehichte  der  Kunst  sind.  Ks  sind  dies  die  von  Vasori 
erwiihnten  Fresken  im  Innern  der  Kirche  oberhalb  der  Bin^nnf^sthüre 
ge{;eniiber  der  Kanzel,  die  Vasari  in  derselben  Weise  ilein  Stefano  da 
Zevio  zuweist,  als  die  Fresken,  weldie  die  Kanzel  umgeben,  Vasa  ri  hat 
bei  beiden  Fresken  einen  doppelten  Irrlhum  begangen,  er  si-breibt  die 
Fresken  um  die  Kanzel  dem  Zevio  zu.  dem  sie  nicht  angehören  .  und 
bczeiebnet  den  (legcnstand  über  der  Kingangstbiire  gegenüber  der  Kanzel 
nicht  der  Wahrhci(  gemäss.  Er  bat  in  beiden  Fällen  sich  offenbar  auf  die 
lieriehtc  dritter  Personen  verlassen.    Ilic  Freakcn   uni   der  Kanzel   sind 


—   20t   — 


Die  angarischen  Reichsinsigoien. 

Vou  Franz  Bock,  Oonservator  de»  erzbischüflichcQ  Museums  in  Cöln. 


VI. 

Die  Krone  des  heil.  Stephan. 

Unter  den  Kronen  der  Christenheit,  aus  dem  frühesten 
Mittelalter  herstammend,  dürfte  wohl  kaum  eine  gefun- 
den werden,  die  sowohl  in  historischer,  als  auch  in  arti- 
stisch-formeller Beziehung  ein  so  grosses  Interesse  hüte, 
wie  die  trotz  der  vielen  Drangsale  und  Stürme  heute 
noch  im  kaiserlichen  Schlosse  zu  Ofen  aufbewahrte  höchst 
merkwürdige  „Corona  St.  Stephani".  Zweck  dieser  ein- 
leitenden Mittheilungen  kann  es  unmöglich  sein ,  ein  aus- 
führlicheres Bild  der  grossurtigen,  historisch  merkwürdigen 
Erlebnisse  zu  entrollen,  die  dieses  Königsdiadom  im  Laufe 
der  Jahrhunderte,  wie  kein  anderes,  erfahren  hat.  Auch 
erwarte  man  es  nicht,  dass  wir  uns  hierorts  in  eine  um- 
fassende artistisch-materielle  Besprechung  und  Beschrei- 
bung dieser  Krone  einlassen  werden.  Da  uns  das  Glück  zu 
Theil  wurde  ■ —  Dank  der  entgegenkommenden  Erlaubniss 
von  höchster  Stelle  —  mehrei-e  Tage  lang,  behufs  der  detail- 
Jirten  archäologischen  Abbildung  und  Beschreibung  eine 
allseitige  Autopsie  mit  Müsse  vornehmen  zu  können,  so 
behalten  wir  uns  eine  ausführlichere  Discussion,  wie  sie 
der  hohen  Wichtigkeit  des  Gegenstandes  entspricht,  für 
spätere  Mittheilungen  in  dem  angekündigten  grösseren  Werke 
vor  und  werden  im  Folgenden  nur  eine  kurzgedrängte 
Skizze  des  eben  gedachten  seltenen  historischen  Kunst- 
werkes zu  entwerfen  versuchen,  wozu  wir  im  Voraus  um 
die  Nachsicht  der  Leser  bitten. 

Heute  noch  wird  von  der  ungarischen  Nation  diese 
Krone  als  eine  kostbare  Reliquie,  herrührend  von  ihrem 
ersten  grossen  König  und  Gesetzgeber,  betrachtet,  den  die 
Kirche  ihren  Heiligen  beigesellt  hat.  Seit  langer  Zeit  war 
daher  diese  Krone  das  Paladium  des  Landes  und  hat  in  den 
Augen  eines  jeden  Ungarn  einen  grösseren  Werth  als  selbst 


nicht  das  Werk  ties  Stefano  da  Zcvio ,  sondern  eines  Klostei-liriuiers,  fra 
Mai'tino,  und  untergeordnet  ihrem  VVerthe  nach,  im  Vergleiche  mit  den 
Fresken  Stefano's.  Der  Name  iles  kunstfertigen  Frater  liat  sich  olierlialh 
der  Fresken  erhalten,  es  ist  daselhst  denllieh  zu  lesen:  OPVR  MAHTLM. 
—  Die  neu  entdeckten  Fresken  stellen  Christus  am  Kreu/e  dar,  umgehen 
mit  Heiligen  und  Aposteln.  Sie  sind  mit  einer  Kalktiinche  üherzogen,  die 
man  in  Verona  vorzugsweise  zu  jenen  Zeiten  anwendete  ,  wo  die  Pest 
hauste,  da  man  damals  der  Meinung  war,  der  Ansteckung  durch  eine  neue 
Tünche  vorzubeugen.  Die  Kirche  S.  Fermo  ist  ira  Innern  ganz  mit  Fres- 
ken iiherdeckt  gewesen  ,  auch  der  herrliche  hölzerne  Dachstuhl  war 
hemalt  (ornanjental  und  auch  mit  Büsten  von  Mnuchen  und  Heiligen,  von 
denen  sich  noch  eine  grosse  Zahl  erhalten  hat).  Die  Figuren  dieser 
blossgelegten  Fresken  sind  voll  Leben  und  mit  der  Einfachheit  und 
Tüchtigkeit,  die  Stefano  da  Zevio  in  allen  seiTien  Werken  zeigt:  sie  sind 
auch ,  so  weit  man  es  gegenwärtig  erkennen  kann  .  zieinlieh  gut 
erhalten. 


der  ehemalige  sagenhafte  Gral  im  Besitze  der  Genueser:  sie 
war  desswegen  auch  seit  den  Tagen  des  Mittelalters  für 
viele  Schriftsteller,  die  mehr  Historiker  als  kritische  Archäo- 
logen waren,  ein  Gegenstsand  der  allgemeinen  Zuneigung 
und  der  vielfachen  Beschreibung.  Viele  Beschreiber  dieser 
Krone  haben  jedoch  das  gefeierte  Ohject  nicht  selbst 
angeschaut,  am  wenigsten  mit  kritisch -wissenschaftlichen 
Augen,  und  so  mögen  durch  diese  mehr  schwung-  und 
poesievollen  als  sachlich  reelen  Beschreibungen  viele  irr- 
thümliche  Ansichten  und  Meinungen  über  Ursprung,  Her- 
kommen und  Beschaffenheit  der  ungarischen  Krone  ent- 
standen sein ,  die  heute  auch  einer  nur  gelinden  Kritik  nicht 
Stich  zu  halten  vermögen.  Wir  haben  das  Einschlagende 
bei  den  meisten  Schriftstellern,  die  über  die  „heilige  Krone' 
geschrieben  haben,  durchgesehen  und  müssen  eingestehen, 
dass  wir  Angesichts  des  altehrwürdigen  Originales  mit  seinen 
deutlich  sprechenden  Inschriften  nur  die  mehr  gründlichen 
und  wissenschaftlichen  Behauptungen  eines  Einzigen  unter 
den  vielen  Autoren  tFieihveise  unterschreiben  können.  Das 
aber  steht  über  allem  Zweifel  erhaben  und  wir  sprechen  es 
hier  mit  vollster  Gewissheit  aus,  dass  die  heute  noch  vor- 
findliche  Krone  die  Zeiten  des  XI.  Jahrhunderts  gesehen 
hat,  und  dass  sie  als  die  alte  authentische  zu  betrach- 
ten sei.  Es  bezeugen  das  nicht  nur  die  griechischen  und 
lateinischen  Inschriften,  die  sich  im  Email  auf  derselben 
vorfinden,  sondern  es  spricht  dieser  Annahme  am'l»  das  Wort 
die  höchst  eigenthümliche  Technik  der  Arbeit  und  die  altehr- 
würdige „aerugo  nobilis",  die  über  das  Ganze  als  Hauch  der 
Jahrhunderte  unverkennbar  ausgegossen  ist. 

Die  Krone  selbst  besteht  ihrem  wesentlichen  Bestand- 
theilenach,  aus  zwei  Haupltheilen.  Das  unstreitig?  interessan- 
teste wenn  auch  nicht  älteste  Haupt-Compartiment  ist  in  dem 
unteren  Stirnreifen  zu  suchen,  der  eine  Spannung  von  2Ü  bis 
21  Centimeter  im  Durchmesser  hat.  Schon  diese  Kreisform 
der  Krone  erinnert  in  ihrer  äusseren ,  einfachen  und  doch 
kunstreichen  und  kostbaren  Ausstattung  an  die  ältere  tradi- 
tioneile Form  des  Diadems,  als  eines  anspruchslosen  Stirn- 
bandes 1),  Keifes  oder  Ringes  zur  Umfassung  und  Bekrönung 
des  Hau|ites.  Nur  an  der  vorderen  Hauptseite  ist  dieses  Dia- 
dem mit  neun  giebeüörmigen  Aufsätzen  bekrönt,  die  mit 
,  figurativen  und  ornamentalen  Schmelzarbeiten  verziert  sind. 
Auch  diese  Aufsätze  (piiniae,  areoli),  die  nach  hinten  fehlen. 


1)  Auch  die  Krone  der  Theodolinde  (VI.  Jahrhundert),  die  „Corona  ferrea" 
genannt,  zeigt  diese  primitive  Kund-  und  Kreisform.  Die  Krone  des 
heiligen  deutsehen  römischen  neiches,  auf  deren  skizzirte  Beschreibung 
wir  im  Vorhergehenden  verweisen,  hat  bereits  statt  der  runden  Kreisform 
die  Polygone,  achteckige  Form  angenommen,  wodurch  schon  eine  etwas 
spätere  Zeit  der  Entstehnug  .-ich  zu  erkennen  geben  dürfte. 


202 


sind  ebenso  primitiv,  wie  lias  Stirnband,  worauf  sie  als 
Unterlage  befestigt  sind.  Auf  diesem  Stirnstreifen  kehren, 
abwechselnd  mit  grossen.  ungesehlilVeiien  Saphiren,  aeht 
emaiilirte  vielfarbige  Darstellungen  von  Heiligen-Figuren  zu- 
niek,  wie  sie  in  natürlicher  Grösse  die  spiiterfolgendc  Detail- 
/.eichnung  veranschaulicht,  l'ber  ilein  mittleren  Saphir  als 
hervorragende  Frontaidecoration  erhebt  sieh  auf  dem  Diadem, 
als  an  der  llauptstelle ,  ein  mittleres  grösseres  Ciiebelfeld 
in  Weise  eines  kleineren  Rundsehildes,  das  mit  der  emaillir- 


metres  und  sind  geschmückt  mit  acht  Darstellungen  der 
Apostel .  die  in  Knr.iil  auf  rechteckigen  Goldblechen  zart 
ausgeführt  sind,  jedoch  in  einer  solchen  Composition  und 
Auffassung,  die  noch  deutliche  Heminiscenzcn  an  typisch- 
griechische Figurationen  und  durchaus  verwandte  Tcelmik 
mit  Byzaiiz  dincliblieken  lässt.  Die  figurativen  Darstellungen 
der  Apostel  iniigiben  zierlidie  Filigranränder,  worin  kleinere 
Perlen  und  Hubinen  eingefasst  sind.  Der  lUircliki'cn/.ungs- 
pinikt  dieser  Bogen  fällt  zusammen  mit  einem  ipiadratisclien. 


ten  Darstellung  des  Heilandes  in  segnender  Stellung,  sitzend  von  Filigranriindern   umfassten   Schildclien,  das    auf  Gold- 
auf dem  Throne  der  Herrlichkeit,  bildlich  geschmückt  ist.  blech  abermals    die    Darstellung    des    Heilandes,    auf  dem 
Diesem    liundschildeben    gegenüber    auf  der    hintern  Throne  sitzend,  in  „email  translucide"  zeigt.    Diese  bildliche 
Seite   des   Diadems    erblickt  man   ein    vereinzeltes   gleich-  Darstellung  des  Heilandes  iiat  in  der  Mitte,  wo  derselbe  segnend 


die  Hände  erhebt, 
eine  runde  ()lfnung 
erhalten,  worin  das 
auf  der  Spitze 
daselbst  befindli- 
che Kreuz  vermit- 
telst dünner  Gold- 
blechen angenietet 
und  nur  lose  be- 
festigt worden  ist. 
Dieser  auf  der 
Krone  beliiulliche 
Doppelbogen  ist  auf 
eine  ziemlich  un- 
künstlerische Wei- 
se durch  stärkere 
Goldstifte  (Gold- 
dräthe)  dem  un- 
teren .  eben  be- 
schriebene Theile 
der  Krone  einge- 
fügt. 

Eine  auch 
nur  flüchtige  Be- 
sichtigung ergibt, 
dass  die  ungari- 
sche Krone  aus 
diesen  beiden  an- 
gedeuteten Ilaupl- 
iind  dass  nicht  dieses 
Schriftsteller  meinen, 
aus  zweien  in  einander  geschobenen  Kronen  besteht,  die 
beide  für  sich  selbstständig  betrachtet  werden  könnten. 
Tusere  Aufgabe  iiei  der  späteren  ausfühilicheren  Beschrei- 
bung wird  darin  bestehen,  den  historiscliiMi  und  materiellen 
Nachweis  zu  fülu-en,  dass  die  sogenaunle  Knme  des  heiligen 
doppelte  Bogenstelhmg  Carcus),  die  sich  oben  durch-  Stephan  als  einzige,  aber  besteheiid  aus  zwei  der  Zeit  und 
kreuzt  und  in  ihrem  Durchkreuzimgspunkte  mit  einem  latei-  der  Technik  nach  ungleichartigen  Theilen  wirklich  zu 
nischen  Kreuze  abgeschlossen  wird.  Die  sich  durclikreu-  betrachten  sei;  ferner  wäre,  den  erhaltenen  Inschriften 
zenden  Bogen  haben  die  Breite  von  6  Centimetres  2  Milli-      zufolge,  der  factische  Beweis  zu  führen,    von  wem  dieselbe 


geformtes  Schild- 
chen von  Gold- 
blech, das  mit  dem 
Brustbilde  eines  by- 
zantinischen Kai- 
sers im  vielfarbi- 
gen Schmelz  orna- 
mental ausgestattet 
ist.  Rechnet  man 
zu  diesem  eben  be- 
schriebenen Appa- 
rat noch  die  Kett- 
chen hinzu  (cate- 
nulli).  die  nach 
drei  Seiten  hin  ge- 
häuft herunterhän- 
gen >ind  an  wel- 
chen kleinere  Or- 
namente (buliae, 
lintinabulae)  von 
vielfaibigen  unge- 
sehlilVeiien Kdel- 
steinen,  in  Klee- 
blattform gefasst, 
sich  befinden,  so 
hat  man  die  pri- 
mitive ungarische 
Krone  in  ihrer  ehe- 
maligen   Ganzheit, 

id)er  deren  ziemlich   unzweifelhaften  Ursprung  wir   gleich      bestandtheilen  zusammengesetzt   ist 
aus  den  Inschriften  selbst  die  näheren  Angaben   beibringen      Diadem.     wi(^    irrthündich     einige 
wollen.   (Vgl.   die  beifolgende  charakteristische  Zeichnung 
im  verkleinerten  Massstabe,  Fig.  1.) 

Über  diese  ursprüngliche  Krone,  das  alte  Diadem  mit 
seinen  Zierathen  ,  erhebt  sich  nun  ein  zweites  Compar- 
timent.    Es   befindet   sich    nämlich   über   dem  Diadem  eine 


(Fi?-  I.l 


—   203   — 


herstamme  und  wer  als  Empfanger  derselben  zu  halten  sei. 
Mit  Koller,  der  von  den  vielen  ungarischen  Schriftstellern, 
die  über  die  Krone  geschrieben  haben,  am  gründlichsten  zu 
Werke  gegangen  ist,  im  Wesentlichen  übereinstimmend  •). 
halten  wir,  uns  hierorts  nur  kurz  fassend,  dafür,  dass  Michael 
Dukas,  der  vom  Jahre  1071  —  1078  den  Thron  von  Byzanz 
inne  hatte,  als  Gesehenkgeber  zu  erachten  sei,  und  dass 
König  Geysa  I.  den  untern  Streifen  (regnum)  mit  seinen 
schildförmigen  Aufsätzen  als  ausgezeichnetes  Ehrengeschenk 
vom  byzantinischen  Hofe  empfangen  habe.  Wir  nehmen 
ferner  an,  dass  der  zweite  Theil  der  ungarischen  Krone, 
der  sich  durchkreuzende  Doppelbügel,  ein  etwas  höheres 
Alter  beanspruche  und  dass  er  mit  vieler  Wahrscheinlich- 
keit als  ein  integrirender  Haupttheil  sich  an  jener  Krone 
befunden  haben  mag,  die  der  heil.  Stephan  bei  seiner  Krö- 
nung getragen  hat. 

Diese  unsere,  aus  dem  Objeete  selbst  gefolgerte  Ansicht 
wollen  wir  nun  im  Folgenden,  soweit  es  der  Raum  gestattet , 
unter  steter  Berücksichtigung  der  auf  der  Krone  befindlichen 
griechischen  und  lateinischen  Inschriften  zu  erhärten  suchen. 

Sowohl  aus  dem  ganzen  Habitus  des  unteren  Stirnreifes, 
mehr  aber  noch  aus  der  Technik  der  vielfarbigen  Emails  (opera 
smalti)  geht  zur  Genüge  hervor,  dass  der  untere  primitive 
Haupttheil  der  Krone  ein  Werk  der  Byzantiner  sei,  und  zwar 
angefertigt  in  der  letzten  Hälfte  des  XI.  Jahrb.  Auch  selbst  die 
Rundform  des  Stirnreifes,  wie  oben  schon  bemerkt,  ist  iden- 
tisch mit  dem  alten  Diadem,  wie  es  als  Überlieferung  aus 
classischer  Zeit  traditionell  nach  Byzanz  gekommen  war. 
Die  Giebelfelder,  welche  hufeisent'örmig  im  Halbkreisbogen 
und  abwechselnd  pyramidal  in  dreieckiger  Form  (Zinken), 
auf  dem  vorderen  Stirnstreifen  primitiv  mit  emaillirten  Dessins 
angebracht  sind,  erinnern  an  ähnliche  architektonisch  geformte 
Giebel,  wie  sie  an  der  St.  Marcuskirche  zu  Venedig,  eben- 
falls ein  Bauwerk  griechischer  Künstler,  ornamental  gehal- 
ten, vorkommen.  Mehr  aber  noch  macht  sich  in  den  figurativen 
Schmelzwerken  der  byzantinische  Charakter  des  XI.  Jahr- 
hunderts unabweisbar  kenntlich.  Dieselben  sind  in  einem 
für  sich  abgeschlossenen  strengen  Typus  gehalten,  der  den 
traditionellen,  hierarchisch  ascetischen  Styl  der  Kunst  der 
Byzantiner  hinlänglich  charakterisirt.  Die  Technik  der  Emails 
in  einer  sehr  delicaten  und  schwierigen  Ausarbeitung  ist  von 
derselben  Construction ,  Farbengabe  und  Fügung,  wie  wir 
sie  aus  der  Zeit  der  Ottonen  an  zwei  prachtvollen  Kreuzen 
mit  dei'selbenEmaillirung  in  derStifskirche  zu  Essen  bewun- 
dert haben.  Auch  der  blasse,  kalte  Ton  des  Goldes  im 
Gegensatze  zu  dem  röthlichen  Goldton  der  Lateiner, 
namentlich  der  maurischen  Goldschniiedekünstler  in  Sicilien, 
ferner  noch  das  Fehlen  jeglicher  Filigranverzierungen  auf 
den  übrigen  glatten  Flächen  des  unteren  Diadems ,  was  um 
diese  Zeit  auf  analogen  Arbeiten  der  lateinischen  und  arabi- 


*)  J.  RoUer,  cathed,   eccles.  <^)iiiiii]ue  Ecclesieiis.   Leotor  el  Cnnüiiicus  de 
Rejjni  Himgnrii  Coion.T,  MDCCC. 


sehen  Künstler  niemals  fehlt,  setzen  es  ausser  allen  Zweifel, 
dass  der  untere  primitive  Theil  der  ungarischen  Krone 
in  Byzanz,  dem  alten  und  berühmten  Hauptsitze  der  orien- 
talischen Goldschmiedekunst  im  XI.  Jahrhundert  angefertigt 
worden  ist. 

Was  sich  für  den  aufmerksamem  Beurtheiler  schon  aus 
der  eigenthümlichen  Art  und  Weise  der  technischen  Ausfüh- 
rung ergibt,  das  wird  vollends  zur  Gewissheit  erhoben 
durch  das  Vorkommen  der  vielen  emaillirten  griechischen 
Inschriften,  die  deutlich  constatiren,  dass  das  gedachte 
Kunstwerk  den  geschickten  Händen  griechischer  Künstler 
seinen  Ursprung  zu  verdanken  habe,  indem  es  sich  niciit 
füglich  annehmen  lässt,  dass  Lateiner  sich  der  griechischen 
Charaktere  bedient  hätten. 

Nachdem  so  aus  der  formellen  und  artistisch-techni- 
schen BeschaHenheit  des  Objectes  von  selbst  sich  ergibt, 
dass  Byzanz  als  das  Vaterland  des  in  Frage  stehenden  Kunst- 
werkes zu  betrachten  sei,  so  fragt  sich  ferner  aufweiche 
Weise  und  durch  wen  diese  Krone  in  den  Occident  gelaugt  sei? 
Die  noch  deutlich  erhaltenen,  auf  dem  Originale  selbst  be- 
findlichen griechischen  Inschriften  setzen  uns  vollständig  in 
die  Lage,  hiereinmal  das  bedenkliche  Glatteis  der  Hypothese 
verlassen  und  den  Nachweis  führen  zu  können,  dass,  wie 
schon  oben  angedeutet,  Michael  Dukas  als  Geschenkgeber 
die  Krone  hat  anfertigen  lassen,  und  Geysa  I.  mit  diesem 
Geschenke  von  dem  besagten  byzantinischen  Kaiser  beehrt 
wurde.  Bevor  wir  jedoch  den  Beweis  zu  führen  versuchen, 
dass,  wie  gesagt,  Michael  Dukas  als  der  eigentliche  Ge- 
schenkgeher der  Krone  nur  allein  betrachtet  werden  könne, 
sei  es  gestattet,  hier  ausführlicher  zu  entwickeln  und  vor- 
auszusenden die  irrigen  Ansichten  eines  Horanyi  und  eini- 
ger, die  ihm  gefolgt  sind,  betreffs  des  Ursprunges  „der 
Krone  des  h.  Stephan",  und  sei  es  vergönnt,  vorerst  die 
Ursachen  des  Weitern  anzudeuten,  wie  es  gekommen  ist, 
dass  viele  ältere  Schriftsteller  zu  falschen  Schlüssen  hin- 
sichtlich des  Gescheukgebers  und  Empfängers  der  h.  Krone 
gelangt  sind.  Fassen  wir  desswegen  näher  ins  Auge  jene 
figürlichen  Darstellungen  (vgl.  Fig.  2  bis  8),  von  denen  die 
Beweisführung  des  Horanyi  ihren  Anfang  ninunt.  Es  befin- 
det sich  nämlich  auf  dem  Hintertheile  der  Krone  in  dem 
StirnstreilVn  —  zur  Rechten  jenes  später  durch  den  König 
Matthias  H.  neu  eingesetzten  grossen  facettirten  Saphirs, 
der  als  achter  dem  vorderen  Saphir  gegenüber  gestellt  ist  • — 
die  sehr  zart  enuiillirte  Darstellung  eines  griechischen  Kai- 
sers in  königlichen  Gewändern,  die  geschlossene  Krone  auf 
seinem  Haupte  und  in  der  Rechten  haltend  die  „ferrula", 
eine  Art  ..laharinn".  wie  sie  die  byzantinischen  Kaiser  auf 
alten  Abbildungen  innner  zu  tragen  pflegen.  Das  Haujil 
umgibt  als  ein  Zeichen  seiner  Macht  und  Herrschergewall 
eine  Aureole.  Zu  beiden  Seiten  dieses  Nimbus  liest  man 
deutlich  folgendes  Legendariuui  und  zwar  in  griechischen 
Majuskelschriften  (vgl.  Fig.  2):  „A'wvöTa'.TJVoc  ,5a(Tj/,cvr 
fjopauDv,    o    nofxpooojs-iirjTO!;'^    (Cunstantinus    rex  Roma- 


—   204   — 

noruni ,    purpura    natus).     Dieser    Kmail|)Iatte    gegenüber  tulirte:  _[iiirpiir.i  natus",  sei  derjenige  nach  ilircr  Meimiiig, 

befindet  sieh  an  der  linken  Seite  dieses   faeettirlen  Sa|)liirs  der  als  Gesehenkgeber  des  Diadems  gegenüber  gestellt  sei 

eine  zweite  Darstellung  im  vielfarbigen  Schmelz  als  Brust-  dem  zur  Linken  des  Saphirs  befindliehen  hartigen    Manne, 

hild.    Die  Gesichtszüge  dieser  Figur  lassen  einen  Fürsten  dem  Empfänger,  welcher  der  Inschrift  zufolge,  genannt  wird: 

im  vollendeten  Mannesalter  mit  herunterwallendem,  gespal-  .Geobitz '),  der  gläubige  Herrscher,  der  König  Tourciens". 


(Figuren  2  bis  8.) 


lenem  Barte  erkennen.  Diese  Darstellung  ist  nicht  wie  die  eben 
beschriebene  ober  dem  Haupte  mit  einem  Nimbus  umgeben, 
sondern  trägt  in  der  Rechten  den  Fhrenstab  eines  Patriciers 
(fasces),  woran  sich  nicht  undeutlich  ein  griechisches 
Doppelkreuz  erkennen  lässt;  aus  der  anderen  Hand  hervor- 
ragend erblickt  man,  wie  es  uns  scheinen  vill,  den  Grill' 
eines  Schwertes.  Zu  beiden  Seifen  dieser  ernsten  Darstel- 
lung liest  man  ebenfalls  in  griechischen  Majuskeln  folgende 
Inschrift:  Fsioßi-^  Jed-arr^^  ztaro^,  //>'/iijc  ToufiAi:;  (vgl. 
Fig.  3).  Es  entsteht  nun  die  Frage,  wie  diese  Inschriften 
zu  deuten  seien  und  welche  Folgerungen  sich  daraus  für 
die  Entstehung  der  h.  Krone  ergclien.  Ortenbar  handelte  es 
sich  bei  den  meisten  ungarischen  Schriftstellern  darum,  um 
jeden  Preis  bei  Bestimmung  des  Alters  und  Herkommens 
der  fraglichen  Krone,  die  altchrwürdigen  Traditionen  auf- 
recht zu  erhalten,  welche  dieselbe  mit  dem  heil.  Stephan  in 
directe  Verbindung  setzen.  Desswegen  war  ihnen  die  Ab- 
leitung des  I'rsprunges  der  b.  Krone  aus  den  Zeiten  des 
Michael  Dukas,  die  so  nahe  lag,  zu  unbequem  und  nicht 
zweckdienlich,  und  man  wandte  sich  desshalb ,  von  vorge- 
tassten  Meinungen  befangen,  zu  folgender  Erklärung,  wo- 
durch man  sich  ohne  Noth  Schwierigkeiten  und  Verwicke- 
lungen bereitete,  deren  Lösung  nicht  zu  ermöglichen  war. 
Die  zur  Rechten  des  geschlilTenen  Saphirs  befindliche 
jugendliche  Darstellung  des  Constantin .   der  den  Beinamen 


Geschichtlich  glaid)te  man  den  Sa(diverhalt  so  erklären  zu 
können:  Constantin  VH.,  der  Sohn  Leo's,  des  Philosophen, 
habe  den  Thron  mit  mehreren  Beikaisern  getbeilt  vom 
Jahre  913  —  959.  Dass  derselbe  ein  wachsames  Augi' 
gerichtet  habe  auf  jene  fruchtbaren,  seinem  Reiche 
benachbarten  Länder  <ler  Donau,  wo  durch  die  Strö- 
mungen der  Völkerwanderung  Avaren,  Hunnen,  Tartaren  ein- 
gewandert w'aren,  leuchtet  ein.  Es  balle  nun  den  byzantini- 
schen Kaisern  .Alles  daran  gelegen  sein  müssen  .  aus  diesen 
barbarischen  Völkern,  die  stets  mit  bewalfneter  Hand,  Ein- 
fälle versucheiul.  an  der  Grenze  staiulen,  sieh  ein  Volk  zu 
erziehen,  das  durch  .Vniiahme  des  Christenthums  die  rohe 
WafTe  des  Krieges  aus  Hätulen  legt  und  zu  den  fried- 
lichen Beschäftigungen  der  ('ullur\ lilkcr  herangebildet 
werde. 

Daherfändenuin  auch  hei  älteren  Schriftstellern,  nament- 
lich bei  Cedrenus,  die  Angaben,  dass  bereits  Bultzus  und 
Gyula.  zwei  Anfidirer  der  „Tourco-Ungres"  =),  sich  in 
Byzanz  unter  der  Regierung  fonslantius  ^'ll.    hätten  taufen 


')  llor  Annahme  eines  hefreundeten  Ethnogr.i|ihi'n  /ufnlge  kcinnle  niiin  in 
der  Anl)}ingungssyII>e  lii  tz.  gleiehhedeiilcnd  mit  deni  heutigen  »Invischen 
>  it7.,  d:)S  nrHl>i»e)ie  Abstiimniung.swiirt  hen,  gleichbedeutend  mit  dem 
sehwedi.sehen  oder  norwegischen  sen  um)  son  erkennen. 

';  Vergi.  Cedrenus  in  com|>endio  hislorinrum  328,  4.  tüjv  rciTptvttuv  ä£(a- 
Tijj.T,tki5    x^   TCXei3u>v  5(pT)(ioTü>v  UTTap^a;  xapi'/;  eit'  «uOk  oixaös  uro9pE-J.a;. 


205  — 


lassen  und  dass  diese  beiden  Prinzen  nach  ihrer  Taute  zu 
Patriciern  ernannt  und  mit  reichen  Geschenken  ausgestattet 
in    iiir  Vaterland  zin-iick  gesandt  worden  seien  ')• 

Der  eine  dieser  Fürsten,  obsehon  getauft,  habe  abtrünnig 
dem  Christenthuin  den  Rücken  gekehrt  und  soll  in  einer 
Sehlacht  auf  eine  jämmerliche  Weise  ums  Leben  gekommen 
sein;  der  andere  aber,  mit  Namen  Gyula,  sei  dem  Glauben  an 
Christus  getreu  geblieben  und  habe  mit  sieh  den  Priester 
Hieratheus  in  das  Land  Tourcien  genouuiien,  den  er  als  „epi- 
scopus  regionarius  Tourciae"  (Hungariae)  eingesetzt  habe. 

Die  Tochter  dieses  ungarischen  Fürsten,  der,  wie  oben 
bemerkt,  durch  Veranlassung  des  Kaisers  ConstantinPorphy- 
rogenitus  zum  Christenthume  sich  bekehrte,  habe  Saroltha 
geheissen  und  als  eifrige  Christin  auch  ihren  Gemahl  Geysa, 
einen  der  ersten  und  mächtigsten  Fürsten  Ungarns,  bestimmt 
sieh  taufen  zu  lassen.  Entweder  habe  nun  der  Schwieger- 
vater Gyula,  erfreut  über  die  Conversion  seines  Schwieger- 
sohnes Geysa,  von  dem  befreundeten  byzantinischen  Hofe  die 
Anerkennung  seines  Schwiegersohnes  als  „HsaTzozr^!;  und 
xpalr^:;^  erwirkt,  und  sei  von  Constantin  VII.  dem  bekehrten 
mächtigen  Fürsten  unter  anderen  Geschenken  auch  unsere 
Krone  als  vorzügliches  Ehrengeschenk  übersandt  oder  aber 
die  in  Rede  stehende  Krone  sei  von  dem  obengenannten 
byzantinischen  „Porphyrogenitus",  wie  Cedrenus  ausdrück- 
lich bemerkt,  dem  Fürsten  Gyula  bei  seiner  Conversion 
geschenkt  worden  und  als  Erbtheil  auf  seinen  Schwieger- 
sohn Geysa ,  den  Vater  des  heiligen  Stephan ,  über- 
gegangen. In  dem  letzten  Falle  wäre  dann  in  dem  Namen 
„Geobitz"  der  Name  Gyula  und  nicht  Geitza  oder  Geysa 
zu  suchen. 

Gewänne  nun,  der  eben  angedeuteten  Annahme  unga- 
rischer Schriftsteller  zufolge,  die  Ansicht  Raum,  dass  der 
Vater  des  heil.  Stephan,  der  Inschrift  gemäss,  durch  die  Zu- 
neigung des  Constantin  Porphyrogenitus  in  Besitz  des  vor- 
stehenden Diadems  als  auszeichnenden  Ehrengeschenkes 
gelangt  sei,  so  wäre  sie  in  directer  Folge  als  Erbtheil  vom 
Vater  auf  den  Sohn  gekommen.  Wie  bekannt ,  sei  Stephan 
nach  dem  Tode  seines  Vaters  öft'entlich  zum  Christenthume 
übergetreten  und  väre  es  in  den  Ehepacten  ausdrück- 
lich bemerkt  worden,  dass  er  vor  der  lleirath  mit  Gisla,  der 
Tochter  des  liavarenherzogs,  durch  das  Sacrament  der  Taufe 
in  den  Schooss  jener  Kirche  eingeführt  werden  sollte,  die  er 
später  durch  seinen  frommen  Lebenswandel  als  Heiliger  auf 
dem  Königsthron  verherrlicht  habe.  Da  sein  Vater  Geysa 
wohl  konigliclies  Ansehen  und  Macht  besessen  hätte,  jedoch 
nicht  den  Königstitel  geführt  habe,  so  seien  nach  seinem 
Übertritte  zum  Christenthume  von  seinem  Sohne  Stephan  im 
.1.  1000,  mehreren  ungarischen  Autoren  zu  Folge,  zwei  Ab- 
gesandte an  den  Papst  Sylvester  II.  abgeschickt  worden,  die 
vom  Oberhaupte  der  Kirche,  dem  Gebrauche  der  damaligen 


*)  Auch  in  den  „essai  de  olironograpliie  Byzautiiie  p:ir  EdiKud  Miiiidl"  wei-- 
den  sie  riuliti"  so  i^enaniit. 


Zeit  gemäss,  den  königlichen  Titel  und  die  königliehen 
Rechte  für  den  erwählten  Fürsten  des  ungarischen  Volkes 
begehren  sollten.  Diesen  Leiden  Abgesandten,  in  der  Person 
des  Dominieus  und  Astriscus,  hätte  nun  der  heilige  Stephan 
jenes  königliche  Diadem  zurSegimng  mit  nach  Rom  gegeben, 
das  sich  als  besonders  hervorragendes  Kleinod  unter  den 
übrigen  Schätzen  seines  Vaters  vorgefunden  habe.  Papst 
Sylvester  wäre  den  Bitten  des  bekehrten  Ungarfürsten  mit 
grösster  Bereit«  illigkeit  entgegen  gekommen,  und  hätte  die 
Krone,  welche  die  Gesandten  ihm  überreicht  hätten,  feier- 
lichst eingeweiht,  und  derselbe  durch  lateinische  Künstler 
die  überbrachte  Krone  durch  einen  sich  durchkreuzenden 
Doppelbogen  in  der  Weise  überspannen  lassen ,  dass  da- 
durch das  frühere  oflfene  Fürstendiadem,  als  einfacher  Stirn- 
reif, zu  einer  geschlossenen  König-  oder  Kaiserkrone  um- 
gestaltet worden  sei '). 

Mit  solchen  und  ähuHchen  Deducfionen  hatte  man  nicht 
nur  den  unteren  Haupttheil  der  Krone,  die  Arbeit  der  Byzan- 
tiner, sondern  auch  den  oberen  Kreuzbügel  glücklich  bis  auf 
die  Tage  des  h.  Stephan  zurückgeführt.  Den  eigentlichen 
Geschenkgeber,  der  auf  dem  hinteren  Tlieile  der  Krone  in 
dem  kloinen  Rundbogenfelde  als  Aufsatz  (vgl.  Fig.  3)  in 
Goldemail  zu  ersehen  ist,  und  zwar  an  der  Ehrenseite, 
gerade  dem  Heilande  auf  dem  mittleren  HauptschiKle  gegen- 
über, hatte  man  bei  diesen  forfirten  Erklärungen,  weil  er 
chronologisch  in  ihren  Context  nicht  passen  wollte,  bei 
Seite  geschoben,  und  diese  llauptschwierigkeit  mit  der 
Erklärung  umgangen;  „es  sei  dies  vielleicht  einer  der  Neben- 
kaiser gewesen,  und  die  fortschreitende  Wissenschaft  würde 
später  gewiss  noch  diese  kleine  Schwierigkeit  heben".  Im 
Gegensatze  zu  diesen  nicht  stichhältigen  Hypothesen  wollen 
wir  nun  im  Folgenden  den  Nachweis  zu  geben  versuchen, 
wer  als  der  eigentliche  Gesclienkgeber  der  heutigen  unga- 
rischen Krone  zu  betrachten  sei  und  durch  welche  irrthüm- 
liche  Voraussetzungen  verleitet,  Horänyi  und  Andere  zu 
jenen  gewagten  unkritischen  Behauptungen  gekommen  sind, 
die  wir  im  Vorhergehenden  ausführlicher  angi>deufet  haben. 

Die  Hauptschuld  an  diesen  Irrthümern  trägt  die  emai- 
lirte,  oben  beschriebene  Darstellung  im  unteren  Stirureif 
(vgl.  Fig.  2)  des  Constantin  mit  dem  Beinamen  ^Porphyro- 
genitus". Man  hat  diesen  Titel:  „der  im  Purpur  geborene", 
nicht  allgemeiner  aufgefasst  als  prunkendes  Beiwort  jener 
byzantinischen  Prinzen,  die  geboren  wurden,  als  der  Vater 
schon  den  Kaisertliron  —  den  Purpur  —  inne  hatte,  sondern 
man  hat  an  diesem  Epitheton  erkennen  wollen  Cons-tantin  VII.. 
der  diesen  Titel  catexochen  in  der  Geschichte  führt.  Dieser 
Constantinus  VII.  regierte  von  913  bis  939  und  halte 
man  auf  diese  Weise  chronologisch  einen  willkduimenen 
Anlialts[uinkt  gefunden,  um  nach  Cedren  die   byzantinische 

')  Ilorniiyi,  ein  Geistliclier  .ins  dem  Piarisleuoiden ,  Imt  im  vorige» 
.?iihrliunderte  in  einem  STösseieii  laU'inisclu'n  Werke  mit  einem  ziem- 
lioljeii  AulVande  von  Gek-lnsamkait  olii^e  angerührten  Ansichten  vertre- 
ten wollen. 


•19 


206   — 


Krono.  wie  oben  ungegeben,  mit  (iyiila.  dem  (Jros.s- 
vater  des  h.  Stephan ,  in  Verbindung  zu  setzen.  .Auch  kiiin 
zu  tieni  ganzen  Aufbau  der  Hypothescii  selir  bequem  der 
l'mstand.  dass  der  Vater  des  lieil.  Sle|iinin  (ieysa  liiess. 
welches  Wort  sich  nicht  uiiseh«er  aus  dem  .Namen  (ieo- 
bitz  eruiren  liess.  Nur  vergass  man  die  eine  llaM|itsaelie, 
dass  Konstantin  Porphyrogenilus  an  der  Krone  eine  unter- 
georibiete  Stelle  eiiiiialim  und  si-lir  jugendlicli.  fast  kindlich. 
Ml  den  Gesichtszügen  dargestellt  wai',  walirend  in  dem 
grossen  Kmailschild,  dem  Heilande  gegenüber  als  an  der 
hervorragenden  Khrenseite  die  wirklich  grossarlige  Dar- 
stellung eines  Kaisers  zu  ersehen  ist,  in  dem  auch  das  Auge 
eines  weniger  Geübten  schon  den  eigentlichen  Geschenkgeber 
(lesDiadems  Iciclil  ersehen  konnte.  Krkeniit  man  in  diesereben 
liezeichneteii  Darstellung  des  Michael  Du  kas  den  tieschenk- 
geber  des  untern  Stirnringes,  so  fallen  \iiu  selbst  alle  Schwie- 
rigkeilen weg,  und  mit  Heranziehung  einiger  geschicht- 
lich verbürgter  Daten  iiissf  sicii,  wenn  wir  so  sagen  sollen, 
eine  Genealogie  der  ungarischen  Krone  in  einer  Weise  auf- 
stellen, dass  dadurch  zum  grosscTi  'l'heil  die  alteiirwürdige 
Tradition  iiires  l'rsprunges  aus  den  'l'agen  des  h.  Stephan 
aufrechterhalten  wird,  und  dass  auch  mit  derselben  der 
untere  byzantinische  circnlm  aureus  in  formeller  kunst- 
historischer  Beziehung  gar  nicht  in  Zwiespalt  tritt.  Mit 
K  II II  e  r,  dem  gediegensten  der  vielen  Schriftsteller  unga- 
risclier  Nation,  die  über  das  Palladiinn  ihres  Landes  in  ge- 
reimter und  ungereimter  Hede  geschrieben  liaben,  vielfach 
ühereinstinmiend ,  wollen  wir  in  diesen  Blättern  es  vorläufig 
versuchen,  das  Resultat  unserer  Forschungen  mitzutheilen, 
die  auf  einer  neuntägigen,  allseitigen  und  genauen  ISesich- 
tigung,  Abzeichnung  und  Ausmessung  der  Krone  beruhen. 

Wie  wir  schon  im  Vorhergehenden  angedeufel  haben, 
kann  es  nicht  dem  geringsten  Zweifel  unterliegen,  dass  der 
Geschenkgeber  der  Krone  zu  erkennen  ist  in  der  Darstel- 
lung auf  jenem  Rundbogenschilde,  das  sich  auf  dem  hinteren 
Theilc  der  Krone  belindet.  gegenüber  dem  Slirnsdiilde, 
«clclies  die  Darslelhirig  des  Heilandes  mit  erhubeiier,  seg- 
nender Rechten  zeigt.  Von  den  Bildwerken  der  ungarischen 
Krone,  die  sich  auf  Regenten  beziehen,  ist  diese  Darstellung 
die  reichste  und  hervorragendste,  und  liefiiidel  sich  dieselbe 
zugleich  an  erhöhter  Stelle.  Zu  beiden  Seiten  umgeben 
dieses  Schaustück  im  unteren  Stirnreif  auf  der  linken  der 
Knipfanger  des  Diadems  und  auf  der  rechten  der  Sohn  des 
tieschenkgebers  selbst. 

Die  Inschrift  im  rothen  Kniail  kennzeichnet  die  Dar- 
stellung, wie  folgt:  Mr/KT)}.  iv  Xpi^rih  swro^  ßccadiug 
l'(ij;j.a;wv  6  Aovxa?  {Mlrhacl  in  C/iristo  fiilr/ls  flommionim 
imprralor  Diicfts).  Diese  I  berschrift.  «eiche  sich  in  über 
und  neben  einander  gereihten  griechischen  Majuski-ln  an 
beiden  Seilen  des  Brusibildes  befindet,  sagt  uns  mit  klaren 
Worten,  dass  es  das  Porträt  des  orthodoxen  Kaisers  Michael, 
aus  der  Familie  der  Dukas  sei.  Betrachtet  man  die  Cha- 
raktere,   womit   die   Inschrift  angedeutet  ist  und  zwar  im 


rothen  Email  auf  Gohlgrund  eingelassen,  so  ergibt  sieh 
deren  vollständige  Identität  mit  den  Schriftziigen  .  welche 
wir  auf  den  IMiinzeii  und  Darstellungen  aus  der  Zeit  des 
Michael  Dukas  und  seines  Nachfolgers  Nicephorus 
finden,  liigenduinilich  ji'dix'h  ist  es,  dass  Dukas  genannl 
wird:  „'sv  Xpiarö)  rrtarOb-"  Wie  uns  ein  französischer 
Nuniismatiker  angibt,  hat  i>nkas  diese  Bezeichnung  der 
Reclitsgläubigkeit  sich  zuerst  beigelegt,  wie  sich  dieselbe 
auf  einigen  Münzen  von  ihm  findet  ')• 

Auch  die  Darstellung  selbst  ist  eine  majestätisclie  und 
kaiserliche:  er  erscheint  in  sejir  kunstreicher  NN'eise  im 
Kmail  als  bärtiger  Mann  im  besten  Alter,  in  der  Rechten 
hält  er  das  lith<irtnn,  das  bei  lieii  Kaisern  iiiul  Königen  des 
.\bendlandes  durch  die  /rni/a  oder  das  xccplntm  ersetzt 
wurde,  und  ist  mit  kaiserlichen  Gewändern  bekleidet. 
Zum  Zeichen  seiner  \\'ürde  und  Macht,  ist  sein  Haupt  um- 
geben mit  einem  Nimbus,  der  in  der  griechischen  Kunst 
nicht  nur  den  Heiligen,  sondern  auch  allen  denen  zuerkannt 
wurde,  die  durch  Macht,  Ansehen  und  (iri'isse  ausgezeich- 
net waren.  Sein  Haupt  ist  gescbiinickl  luil  dein  kaiserlichen 
Diadem,  rcf/iiniii.  das  sich  in  seiner  l'"iuin  sehr  unterschei- 
det vom  circulKs  aureus,  ^^■(mlit  das  Haupt  des  dabei  be- 
findlichen Empfängers  der  Krone,  Geoiiitz,  geziert  ist. 
Zur  rechten  Seite  des  Kaisers  auf  dem  Diademe  selbst  zeigt 
sich  das  jugendliclie  Porträt  seines  Sidines.  und  zwar  nennt 
die  luschiifl  im  blauen  Bmail  ihn,  wie  scIkui  oben  bemerkt: 
K'jyj'jTo.vTL'jo;  ßaCTiXcK,  'Pw|jiatojv  6  Ilopwvpoysvri-Oi;  (vgl. 
Fig.  2).  .Ms  Sohn  des  Kaisers  und  zwar  gelieren  zur  Zeit,  als 
sein  Vater  schon  den  Thron  iiine  hatte  (desshalb  IIovjvpo- 
'/£v>;roi  genannt),  trägt  derselbe  alle  Zeichen  der  kaiserlichen 
Würde,  das  laharum,  die  Krone  und  die  Pimtilical-Gewändcr. 
Bestand  nun  die  Aufgabe  darin,  unter  diesen  beiden  Dar- 
stellungen den  Gescheiiku;eber  der  Krone  ausfindig  zu 
machen,  so  hätte  man  beim  ersten  Blick  schon  sehen 
können,  dass  dieses  jugendliche  Porträt  unmöglich  den 
Gcsclienkgeber  reprasentiren  kiinne,  nicht  nur  weil  dasselbe 
auf  der  Krone  einen  imtergeiu'diielen  Platz  einnahm,  son- 
dern, weil  der  Kiuisiler  üb(>rhniipt  die  Figur  des  Sohnes 
nicht  mit  dem  licichthiun ,  den  er  bei  dem  Vater  anwandle, 
ausgestattet  bat.  .\n  der  linken  Seile  des  Michael 
Dukas,  und  an  derselben  Seite  des  fa^etlirten  Stei- 
nes auf  dem  imlern  Stirnreifen,  zeigt  sich,  dem  Sohne 
des  Kaisers  gleichgestellt,  abi'r  nicht  an  der  Khrenseite, 
scmdei'ii  links,  die  männlich  ernste  Darstellung  des  EmiiTän- 
gers  ih'v  Krone,  dessen  Namen  die  Inschrift  angibt:  Teo/SiT? 
Aes/TOTr;?  morog,  xpalri?  Tovozt?  (vgl.  Fig.  S).  Gleichwie 
auf  der  vorderen  flauptseite  der  Heiland  erscheint,  nach 
"fi'iechischer  Weise  in    sitzender   segnender  Stellung,  um 


•  t  eelU'riiiiiis,  Supi>Iomnnt  IV.  .tut  äIx  Volnnirs  ile  rerucils  do  .Modaillo«  de 
n.iis  de  Villi'5  olc.  iiuIiHl's  en  ITfiZ.  3.  5.  n  Paris,  l'hinilie  11. ,  N.  VM,  ).. 
19:  ..On  Kiit  pnr  In,  <|ii<>  cel  Knipereur  t'lo.  »it  feinine  pretiuifiit  te  litre 
pic'ux  <Ie  IlICTfU,  c'esl  n  rfirc,  de  Kideies,  .le  ne  trouve  poiut,  que  ce  lilre 
ete  emploTif  9iir  aucune  autre  modaillp.* 


207 


aiiziidoutPi»,  diiss  von  ihm  alle  Gewalt  und  Grösse  auf 
Erden  ausgehe,  wie  diess  auch  auf  der  deutschen  Krone 
deutlich  angezeigt  ist  durch  die  Inschrift:  „per  nie  reges 
regnaut",  so  ist  eine  analoge  Darstellungsweise  auch  auf  der 
Rückseite  befolgt,  wo  sieh  das  Bild  des  GeschenkgeLers 
befindet,  und  zu  seinen  beiden  Seiten  diejenigen,  welche 
mittelbar  und  unmittelbar  durch  ihn  Ehre  und  Ansehen 
erhalten  haben,  d.  h.  sein  Sohn  und  jener,  den  er  als  den 
x.pctlr,<;  To-jpy.'.i  durch  Übersendung  des  Diadems  vorzüglich 
ehren  und  auszeichnen  wollte. 

Wenn  wir  nun  so  aus  der  Composilion,  Technik  und 
Aufstellung  der  Figuren  den  Geschenkgeber  und  Empfänger 
der  Krone  annähernd  bestimmt  haben,  so  wollen  wir  jetzt 
auch  den  geschichtlichen  Nachweis  zu  liefern  versuchen, 
dass  Michael  Dukas  und  Geysa  wirklich  Zeitgenossen  waren, 
und  dass  der  byzantinische  Kaiser  zu  demselben  in  freund- 
schaftliche Beziehungen  getreten  sei.  Michael  Dukas,  Sohn  des 
Constautin  Dukas,  gelangte  zur  Regierung  im  Jahre  1071 
und  ging  derselben  verlustig  im  März  107S.  Unter  seiner 
Regierung  verband  sich  einer  seiner  Feldherrn  mit  den  Bul- 
garen und  es  entspann  sich  ein  hartnäckiger  Kampf  gegen 
den  ungarischen  König  Salonion,  in  welchem  sich  die  unga- 
rischen Herzoge  Geysa  und  Ladislaus  so  auszeichneten,  dass 
die  Streitkräfte  der  Griechen  und  Bulgaren  bald  aufgerieben 
wurden  und  eine  grosse  Menge  von  Schätzen  den  Siegern 
in  die  Hände  fiel.  In  diesem  Feldzuge  bewies  sich  Geysa 
sehr  menschenfreundlich  und  gnädig  gegen  die  gefangenen 
Griechen,  die  nicht  die  Gnade  Salomon's  anflehten  ,  sondern 
unter  seinen  Schutz  sieh  begaben.  Geysa  schenkte  allen 
denen,  die  sich  unter  dem  griechischen  Anführer  Nieotes 
seiner  Menschenfreundlichkeit  freiwillig  anvertraut  hatten, 
die  Freiheit,  und  schickte  sie  ohne  alle  Beschwerde  dem 
Kaiser  Michael  zurück.  Der  Kaiser,  darüber  sehr  erfreut, 
schloss  mit  Geysa  Frieden  und  Freundschaft  durch  eigene 
Gesandte.  Die  Stelle,  welche  sich  auf  dieses  Bündniss 
bezieht,  und  aufweiche  bei  unserer  Beweisführung  vorzüg- 
liches Gewicht  zu  legen  ist,  lautet  nach  einer  alten  Chronik 
des  XIV.  Jahrhunderts,  die  sich  beim  Johannes  von  Thurocz 
abgeschrieben  befindet,  folgendermassen:  „Interea  Imperator 
Graecorum,  audita  liberalitate  Ducis  Geysae,  misit  ad  eum 
nuntios  ad  firmandam  pacem  et  amicitiam.  Dux  autem 
remisit  ei  omnes  eaptivos  et  omnes,  qui  ab  arce  descen- 
derant."  Auch  das  Chronicon  codicis  missalis  Posoniensis, 
das  im  Beginn  des  XIII.  Jahrhunderts  geschrieben  wurde, 
bestätigt  die  angeführte  Angabe  des  Krieges  der  Ungarn 
gegen  die  Bulgaren  und  Griechen  und  führt  noch  an  die 
grosse  Feindschaft,  welche  zwischen  Salomon  und  Geysa 
ausbrach,  und  die  ihren  Grund  darin  hatte,  dass  der  byzan- 
tinische Kaiser  mit  Geysa  den  erwähnten  Bund  geschlossen. 
Bald  darauf  verliert  Salomon  die  Regierung  und  Geysa  wird 
zum  Könige  gekrönt.  Das  Jahr,  in  welchem  die  Geschenk- 
gabe der  ungarischen  Krone  an  Geysa  erfolgte .  scheint 
erst  nach  der  Thronbesteigung  Geysa's  zu  fallen,  die  1Ü75 


stattfand.  Zweifelsohne  wollte  Michael  Dukas  mit  dem  unga- 
rischen Fürsten,  dessen  Macht  und  Grossmuth  er  kennen 
gelernt,  durch  Übersendung  der  Krone  ein  engeres  Bündniss 
schliessen;  desswegen  Hess  er  nicht  nur  sein  eigenes  Bild  auf 
dem  circulus  aureus  anbringen,  sondern  auch  das  seines  Soh- 
nes und  auf  der  entgegengesetzten  Seite  das  des  befreundeten 
Fürsten,  der  dadurch  die  Würde  eines  Senators  als  beson- 
dere Auszeichnung  erlangte.  Dass  aber  die  Geschenkgabe 
der  Krone  nicht  vor  dem  Jahre  1074  erfolgen  konnte,  geht 
eben  daraus  hervor,  dass  auf  ihr  das  Bild  Coustautin's,  des 
im  Purpur  gebornen,  als  er  bereits  zum  Mitkaiser  erklärt  war. 
zu  ersehen  ist.  Michael  verlobte  seinen  Sohn  im  Alter  von 
2  Jahren,  nach  Aussage  des  gleichzeitigen  Lupus  Protospata 
1076  mit  der  Tochter  des  Robert  Guiskard,  nachdem  er 
ihn  zuvor  als  „Augustus"  (jSÄff'.XE'Jf  'Ponxawj)  erklärt 
hatte.  Die  vorliegende  Krone,  natürlich  ohne  Bügel,  wie 
wir  später  zeigen  werden,  konnte  also  ihren  Inschriften  zu 
Folge  erst  zwischen  107G  und  1077  als  Geschenk  in  Geysa's 
Hand  gelangt  sein. 

Da  es  sich  so  geschichtlich  erhärten  liess,  dass  Geysa 
ein  Zeitgenosse  des  Michael  Dukas  war,  und  mit  ihm  in  inti- 
men Freundschaftsbeziehungen  stand,  dass  ferner  der  Sohn 
Michaels,  ebenfalls  der  im  Purpur  Gehörne  hiess,  und  schon 
vor  seiner  Verlobung  in  grosster  Kindheit,  wie  oben  erwähnt, 
den  Titel  „Augustus"  erhielt;  so  fallen  damit  alle  Schwierig- 
keiten, die  sich  bezüglich  des  Ursprunges  und  Herkommens 
des  unteren  Theiles  des  Diadems  zu  erheben  scheinen,  fort, 
und  es  wäre  nur  noch  nachzuweisen ,  dass  mit  dem  Namen 
Geobitz  wirklich  Geysa  identisch  sei,  der,  wie  obeu  gezeigt 
wurde,  in  freundschaftlichen  Beziehimgen  mit  Byzanz  stand. 
Auch  diese  Schwierigkeit  würde  leichter  aus  dem  Wege  zu 
räumen  sein,  wenn  man  annähme,  dass  der  griechische 
„aurifaber"  die  ungarische  Bezeichnung  Geysa  in  griechi- 
scher Weise  in  Geobitz  convertirt  habe .  was  um  so  eher 
wahrscheinlich  ist.  da  der  Name  Geysa  sehr  verschie- 
den gesprochen  und  geschrieben  wurde ,  als :  Geyza, 
Geitz,  Geycha  etc.  Es  dürfte  diese  fremdländische  Schreib- 
weise des  Namens  Geysa  nicht  Wunder  nehmen,  da  wir 
ohnedies  wissen,  dass  die  Griechen  sich  häufig  eine  Modi- 
fication  von  fremden  Eigennamen  erlaubten,  wodurch  die 
eigentliche  Form  des  Wort(!S  ganz  unkenntlich  gemacht 
wurde.  Vielleicht  auch  mochte  Geysa  noch  von  den  slavi- 
schen  Ureinwohnern  des  Landes,  das  er  als  xpexlr,g  rs'jixic 
beherrschte,  einen  andern  Namen  führen,  und  der  griechische 
artifex  diese  slavische  Aussprache  des  Namens  für  die  In- 
schrift benützt  ludien. 

Demjenigen,  iler  noch  an  dem  Epitheton  Kpa/rj?  'To'joxt^ 
etwelchen  .\iistoss  zu  nehnuMi  gewillt  ist.  geben  wir  zu 
beherzigen,  dass  die  Bezeichnung  ..x^caAv^i",  wie  die  Inschrift 
der  Byzantiner  angibt,  sich  in  der  heutigen  ungarischen  Be- 
zeichnung Kiräli  gleichbedeutend  mit  König  noch  erhalteti. 
In  mehr  als  einer  Beziehung  ist  es  auch  in  ethnographischer 
Beziehung    von    grossem  Interesse,    dass    die    griechische 


29- 


208   — 


liisflint't  dfiiGeysaals  König  von  roiin-icii  {T<j'jf>x!;)  iiiilier 
bezeichnet  1).  Als  solche  werden  die  Sieger,  die  nach  der 
Völkerwanderung'  in  das  Land  der  Slaven  und  Avaren  ein- 
gewandert waren,  ihrer  Abstaninning  nach  näher  bezeich- 
net —  als  jene  ost-asiatiscluMi  Stanuiie.  die  in  die  Ebenen 
der  Donau  und  der  Tlieiss  und  iiircr  Nobenfliisse  ein- 
gewandert sind.  Diese  Bezeichnung  (Tn'jpxc^  udcr  Tn6/txnc- 
(hrjYjtoi)  hat  sich  bei  den  byzantinischen  Schriftstellern  bis 
in  die  Spätzeit  des    Mittelalters  vorherrschend  erhalfen  •). 

Auch  dürfte  der  Titel  AC  ^  Zi'^r.orr,!;  nicht  im  minde- 
sten bcfrciuden.  Keineswegs  darf  man  dieser  Bezeichnung 
die  Bedeutung  beilegen,  die  der  Ausdruck  „Despot"  in 
unsern  Augen  heute  gewonnen  bat.  Dieses  hervorragenden 
Titels,  gleichbedeutend  mit  dominus,  bedienten  sich  die 
byzantinischen  Kaiser  vielfach  auf  ihren  Münzen  und  Ca- 
meen.  So  nennt  sich  auch  z.  B.  König  Boger  von  Sicilien 
in  einer  Unterschrift  „Vo-^spioq  sv  Xpt^rw  dsaTrorv;?".  Dass 
ferner  die  Inschrift  den  König  Geysa  im  cpitlicfon  oriians  als 
„dominus  fidelis,iT!3T0j"  bezeichnet,  kann  keinen  befremden, 
indem  der  byzantinische  Kaiser  den  König  Geysa  als  einen 
Fürsten  betrachtete,  der  durch  dieselben  Bande  des  Glaubens 
in  einer  Kirche  mit  ihm  verbunden  war. 

Es  ist  daher  dieses  „fidelis"  zu  beziehen  auf  „Christo" 
indem  ja  auch  die  Inschrift  bei  Michael  Dukas  deutlich 
angibt  „sv  /^pwToj  n;t(7r!)?  ßatJ'.Xsvg". 

Dass  Geysa  I.  in  Glaubenseinheit  mit  der  römischen 
Mutterkirche  stand,  unterliegt  nicht  dem  geringsten  Zweifel; 
dass  aber  Michael  Dukas  von  seinem  Standpunkte  aus  den 
Geysa  der  Inschrift  gemäss  klito^  oz'jr.ozrjq  nannte,  dürfte 
sich  daraus  erklären,  dass  Kaiser  Michael  im  freundschaft- 
lichen schriftlichen  Verkehr  mit  dem  grossen  Gregor  VII. 
stand.  Einer  dieser  Briefe  beginnt  ^Gregorius,  episcopus 
Srn-itx  Servontm  Dci ,  Micharli  Coiiatautiuopolilano  hn- 
pcratori  Salut  cm  et  Aposlolicam  bencdlctioncm"  ^^. 
Auch  Leo  von  Ostia,  ein  gleichzeitiger  Schriftsteller,  gibt 
an,  dass  Michael  im  Glauben  mit  der  lateinischen  Kirche 
verbunden  gewesen  wäre. 

So  schickte  auch,  dem  ebengedachten  Schriftsteller 
zufolge,    Kaiser  Michael    dem  Abte    Desiderius    von 


*)  Dem  Etymologen  dürfte  es  nicht  schwer  fallen,  den  tdiireischcii 
Namen  Geysa  aus  dem  griechischen  Worte  Geobitz  deriviren  zu 
lassen,  wenn  man  bedenkt,  dass  vielleicht  von  den  gebildeteren 
slavischcn  Ureinwohnern  der  Name  Geysa  als  Geobitz  ausgcsiirochen 
wurde,  abpesehen  davon,  dass  die  griechischen  Künstler  in  der 
orthographisch  richtigen  Schreibweise  eines  ungarischen  Mamens 
sich  leicht  geirrt  haben  konnten.  Streicht  man  bei  dem  Namen  Geobitz 
die  .\nhangssyllie  bit/.  —  vilz  ab,  so  bleibt  der  Slamnilaut  Gco,  worin 
man    Verwanrltsrhaft   mit  Gei   (Geysa)   finden   könnte. 

S)  AUe  älteren  by/.anlinisehen  Schriflsleller  bis  zum  XIII.  .lahrhumlerl 
nennen  forlwiihreiid  das  ganze  grosse  Gebiet  an  der  Donau,  der  Drau, 
der  Theiss  ,  mit  dem  Collcclivnamen  T'vjfxi;,  wie  das  deutlich  erhellt 
aus  einer  Stelle  des  Cedrenos,  wo  er  von  den  Castellen  M  oraho  und 
B  e  I  g  r  a  d  o  spricht,  die  gelegen  seien  in  Pannonien  jenseits  der  Ister.  als 
Grenzländer  des  Königs  von  Touffien  „fjupiiöi  Ti'jta  t7i;IIi/iohj;. 
xi-.t  TTiv  ripin'  lo'j  Ijp'i'j  äi3iii|i2<j.  nai  YsiT'.wJvTa  Toj  xii/.ij    To'jfj'nc;. 

S)  Mural.  Script.  Mal.  L.  I.  ep.  XVIII..  Col.  1209. 


Monte  Cassino  Gold  und  Silber  und  reiche  I'urpurstotre  mit 
der  Bitte  ^ut  pro  se  ac  liheris  et  pro  statu  impcrii  sui  Dci 
omniftotrntis  clementiam  assidiie  supplicarent"  '). 

Dem  Vorhergesagten  zufolge  leuchtet  es  ein,  dass 
der  untci-e  Ilaupttheil  der  ungarischen  Krone  einige  Jahr- 
zchendc  nach  dem  Tode  des  heiligen  Stephan  als  (Jeschenk 
für  den  König  Geysa  I.  angefertigt  worden  ist.  Es  wäre 
nun  noch  nachzuforschen,  wann  und  durch  wen  der  zweite 
Theil  der  ungarischen  Krone,  der  obere  Kreuzbügel,  seine 
Entstehung  gefunden  habe.  Wenn  vir  im  Vorhergehenden,  auf 
unwiderlegbare  Inschriften  gesliitzt.  nachzuweisen  gesucht 
haben,  dass  bei  dem  unteren  Slirnreif  Michael  Dukas  der 
Geschenkgeber  und  König  Geysa  der  Empfänger  gewesen 
ist,  so  glauben  wir  nach  mehrtägiger  genauer  Besichtigung 
und  .Abzeichnung  der  ungarischen  Krone  der  Meinung  Itaiiin 
geben  zu  dürfen,  dass  aller  Wahrscheinlichkeit  nach  der 
obere  Theil  der  fraglichen  Krone  als  der  ältere  zu  betrachten 
sei  und  dass  keine  Gründe  vorliegen,  die  uns  verhindern 
können  anzunehmen  ,  dass  dieser  reich  verzierte  zweite  Theil 
der  ungarischen  Krone  aus  der  Zeit  des  heiligen  Stephan 
wirklich  herrühre.  Bevor  wir  die  Gründe  weiter  entwickeln, 
die  der  oben  angeführten  Behauptung  das  Wort  reden,  wollen 
wir  im  Folgenden  vorerst  die  Beschreibung  dieses  zweiten 
ste[)baneischen  Tbeiles  der  ungarischen  Krone  einleitend 
voraussendeii. 

In  dem  Centrum  auf  der  oberen  Plallfläche  des  Bogens 
befindet  sich  wiederum  auf  einer  quadratisch  formirten 
Goldplatte  die  emaillirte  Darstellung  des  Salvators ,  sitzend 
nach  dem  Spruche:  ,.Ef  Herum  rcnturus  enf  cum  (jloria 
judictir'r  auf  der  „sella  majestatis-,  zu  beiden  Seiten  von 
zwei  Pinien  oder  I'almen  umgeben,  in  segnender  Stellung, 
ganz  analog  wie  diese  Darstellung  des  Heilandes  als  Wclt- 
richter  auch  auf  dem  grössern  Bogcnscliilde  (iiinna)  an  der 
Haupt-  und  Stirnfronte,  wie  vorhin  schon  bemerkt,  zu  er- 
sehen ist.  \\\v  lassen  es  hier  noch  unentschieden,  ob  von 
demselben  lateinischen  Künstler,  der  den  Bogen  mit  seinen 
emaillirlen  Darstellungen  geschafl'en  bat,  auch  das  in  seinen 
Formationen  ziemlich  rohe  Kreuz,  wie  es  die  Zeichnung  zeigt, 
ursprünglich  dem  Durchkreuzungspunkte  des  Doppelbogens 
eingefügt  worden  ist.  Wir  müssten  dann  annehmen,  dass  der 
Künstler  an  dii-  zart  emaillirte  Darstellung  des  Salvators,  wie 
sie  eben  beschrieben  wurde,  selbst  zerstörend  Hand  ange- 
legt hätte.  Denn  Behufs  der  Aufstellung  und  Befestigung 
dieses  Kreuzes  musste  jener  Körpcrtheil  des  Salvators  auf  der 
Brust,  da,  wo  er  die  segnende  Bcchte  ausgestreckt  hält, 
durchbrochen  und  angebohrt  werden,  damit  nach  Unten 
hin  einige  vom  Kreuze  ausgehende,  kleinere  Metall- 
bleche in  einer  Weise  umgebogen  werden  konnten,  dass 
dadurch  das  Kreuz  eben,  wenn  auch  unsuliil  und  für  die 
Dauer  unhaltbar,  auf  dem  Bogen  befestiget  wurde.  Bei  dem 
geringsten   Drucke  musste  sich   bei   dieser  unsoliden  liefe- 

'I  id.   I,.  111    C.   XXXIX.   lom.   IV 


—   209 


stigiing  das  Kreuz  schief  biegen.  Es  seheint  nun  wirklieh  die 
Krone  mehrmiils  durch  Füllen,  n;inientiich  ;in  einem  Theiie 
des  Bogens,  einen  Dnrclihruch  erlitten  zu  haben.  Bei  dieser 
Gelegenheit  ist  das  Kreuz  stark  verbogen  worden,  so  dass  es 
heute  nach  der  linken  Seite  hin  beteutend  schief  ausludet. 
Und  weil  man  nun  nach  dem  Unfälle,  der  schon  vor  eini- 
gen liundert  Jahren  statt  gefunden  haben  mag,  nicht  gleich 
die  nöthige  Restauration  eintreten  liess,  ist  diese  Schiefheit 
des  Kreuzes  im  Traufe  der  .Tahrliunderte  iiistorisch  geworden, 
so  dass  Viele  heute  die  Krone  des  heiligen  Stephan  nicht  als 
die  authentische  betrachten  würden,  wenn  auch  auf  der  styl- 
getreuen Abbildung  derselben  nicht  das  Kreuz  in  schiefer 
Stellung  ersichtlich  wäre  i).  Noch  fügen  wir  hinzu,  dass  zu 
beiden  Seiten  des  Hauptes  des  Salvators  in  der  Vierung  des 
Bogens  sich  nicht,  wie  bei  der  analogen  griechischen  Dar- 
stellung, das  bei  den  Byzantinern  nie  fehlende  Hierogramni 
in  Abkürzung  als  hau:;  Xficaroi:  zeigt,  sondern  man  erblickt 
an  dieser  Stelle  bei  der  lateinischen  Abbildung  jene  gewöhn- 
lich vorkommenden  Symbole,  die  den  Weltrichter,  wie  er 
in  seiner  Herrlichkeit  zum  zweiten  Male  wiederkonmit ,  als 
den  Herrn  der  Schöpfung  bezeichnen,  nämlich  die  einaillirte 
Darstellung  von  Sonne  und  Mond  zu  Häupten  des  Erlösers, 
Leidermusste  durch  die  ungeschickte  Einfügung  des  Kreuzes, 
wie  erwähnt,  ein  Theil  des  Körpers,  nändich  die  segnende 
Rechte  in  Email  fortfallen;  man  würde  sonst  zweifelsohne  im 
Gegensatze  zur  Darstellung  des  Salvators  der  Byzantiner  in 
dem  runden  Stirnfelde  an  der  Hauptseite  des  Diadems ,  die 
Haiul  des  Heilandes  hier  formirt  gefunden  haben  in  lateinischer 
Segnungsweise  mit  erhobenem  Zeige-  und  Mittelfinger.  Hin- 
gegen zeigt  die  fast  gleiche  Darstellung  auf  dem  oben  bezeich- 
ten Rundschildehen  deutlieh  die  griechische  Segnuugs- 
weise,  nämlich  den  erhobenen  Zeige-,  Mittel-  und  kleinen 
Finger  und  den  durch  den  Daumen  niedergehaltenen  Gold- 
finger. Gleichwie  auf  den  noch  übrigen  sechs  vieieckigen 
Emailschildchen  auf  dem  unteren  Stirnreifen,  dem  Geschenke 
des  byzantinischen  Kaisers,  die  Brustbilder  von  berühmten 
griechischen  heiligen  Kriegshelden  im  durchsichtigen  Email 
dargestellt  sind,  nämlich  der  Inschrift  zu  Folge:  der 
0  hiiaiia;  1),  U  Ja^iavoc  >  0  Jrj/iSTfjto::,  0  Fsiopj-cn^ ; 
dessgleiehen  an  der  vordem  Hauptseite  des  unteren  Stirn- 
bandes die  beiden  von  der  griechischen  Kirche  hochver- 
ehrten Erzengel  mit  der  abgekürzten  Inschrift  uml  zwar 
zur  rechten  Seite  des  Salvators  der  O'  Ap/.  Mt;(aYjk  und 
zur  Linken  Ap/.  ii  FaßpieX;  so  liess  Papst  Sylvester  II. 
den  Doppelbogen,  den  er  wie  oben  schon  bemerkt  im  Durch- 
kreuzungspunkte  mit   dem  Bilde    des  Erlösei's    scbinüekle. 


')  Wir  hahcn  Anstanil  genommen,  diis  Kreuz,  in  seiner  schiefen  Slellifiig  in 
der  beifolgenden  Zeichnung  dürzusleilen,  indem  das  schiefe  Kreuz  gewiss 
nicht  zum  Wesen  der  ungarisclicu  Krone  gehört.  Uurch  einen  leisen 
Druck  des  Fingers  kann  man  das  durch  Fallen  ausgeliogene  Kreuz  wie- 
der in  gerade  UichUng  bringen. 

')  Das  vor  dem  Namen  des  Heiligen  überall  befindliche  -0' '  scheint  eine 
Kürzung    für  Upoq  das  lateinische  St.  =  sunctus  zu  sein. 


um  die  Abstammung  der  römischen  Kirche  von  den 
Aposteln  zu  kennzeichnen  ,  mit  den  Bildern  von  acht 
Aposteln  in  folgender  Weise  ausstatten.  Es  folgen  näm- 
lich auf  kleinen  Goldschildchen  in  Form  eines  Parallelo- 
gramines  an  dem  Kreissegment,  das  sich  nach  der  Stirne 
hin  ausladet,  die  Bilder  des  h.  Johannes  des  Evangeli- 
sten und  des  h.  Bartholomäus,  auf  dem  diesem  entgegen- 
gesetzten Kreissegmente  nach  hinten  die  Standbilder  des 
h.  Apostels  Thomas  und  Jakobus;  auf  dem  Segmente  des 
Kreises  nach  der  rechten  Seite  hin  erblickt  man  die 
emaillirten  Statuen  des  h.  Apostels  Petrus  und  Philippus. 
und  endlich  nach  der  linken  Seite  hin  die  des  heil.  Apostels 
Paulus  und  Andreas.  Dass  dieser  Doppelbogen  unverkenn- 
bar später  eingefügt  worden  ist  und  nicht  mit  der  ursprüng- 
lichen Conception  der  Krone  harmonisch  passen  will,  die 
dadurch  auf  eine  nicht  glückliche  Weise  alterirt  wird,  dafür 
zeugt  auch  noch  der  Uiiistand,  dass  ein  Theil  der  emaillirten 
Darstellungen  der  Apostel,  namentlich  nach  dem  Vorder-  und 
Hintertheile  der  Krone  hin,  wo,  wie  früher  bemerkt,  die  bei- 
den primitiven  Rundschildchen  (vgl.  beiliegende  Zeichnung 
der  Krone)  angebracht  sind,  hinter  denselben  fast  ganz 
verschwinden,  so  dass  über  diese  Schildchen  hervorragend 
kaum  noch  die  Häupter  und  die  Inscliriften  der  beiden 
Apostel  Bartholomäus  und  Jakobus  ersichtlich  sind.  Dem 
Umstände,  dass,  wie  eben  bemerkt,  die  Bogen  mit  den 
Darstellungen  der  Apostel  geschmückt  sind,  verdankt  die 
heilige  Krone,  wie  ältere  Autoren  bemerken,  den  Namen : 
der  apostolischen,  und  weil  an  dem  byzantinischen  Werke 
neben  der  bildlichen  griechischen  Darstellungsweise  des  Sal- 
vators die  beiden  berühmtesten  Erzengel  imBilde  angebracht 
sind,  den  Namen:  der  angelisehen. 

Aus  den  Inschriften  der  beiden  Hauptbestandtheile  der 
Krone,  wovon  die  unteren  auf  dem  älteren  iiiul  primitiven 
Theiie  in  griechischen  Majuskeln  gehalten  sind,  hingegen 
die  auf  dem  Doppelbogen  in  lateinischen  Uharakteren,  geht 
zur  Genüge  hervor,  dass  die  Krone  in  ilner  Ganzheit  ein 
Werk  der  griechischen  und  zugleich  der  lateinischen  Kunst 
sei.  Kaiser  Michael  Dukas,  den  Portrait  und  Inschrift  als 
primitiven  Verfertiger  der  Krone  angeben,  kaim  unmöglich 
den  oberen  Bügel,  den  zweiten  Theil,  haben  anfertigen  lassen, 
indem  er  als  Byzantiner  an  dem  oberii  Theiie  bei  den  .\po- 
stelii  sich  auch  der  griechischen  Uharaktere  und  nicht  der 
lateinischen  würde  bedient  haben. 

Es  entsteht  nun  die  bereits  oben  angeregte  Frage, 
woher  rührt  der  obere  später  eingefügte  Kreuzbügel,  welcher, 
der  oben  angeführten  Beschreibung  zufolge,  sieh  in  seinem 
äussern  Habitus  so  ganz  und  gar  als  ein  lateinisches  Kunst- 
werk zu  erkennen  gibt?  Goliörte  dieser  obere  Aufsatz  und 
Schluss  ehemals  zu  der  Krone,  womit  im  Jahre  1(U)0  die 
Krönung  des  heil.  Stephan  vollzogen  wui'de?  Wann  ging 
der  ältere  untere  Theil  der  Stephan'scheji  Krone  verloren 
und  wann  und  durch  wen  wurde  der  lateinische  Doppel- 
bogen dem  untern  byzantinischen   Diadem  eingefügt?    Wir 


—   210    — 


gestphpn  es  offen,  dass  wir  houle  noch  nicht  in  der  Lage 
sind,  auf  alle  diese  Fragen  auch  nur  iialbwegs  eine  genü- 
gende Antwort  liefern  zu  köiiiiPii,  ohschonwir  die  gesaminte 
ältere  und  moderne  IjittM-atur.  die  über  die  inigarisclie 
Krone  erseliieuen  ist,  so  gut  es  sich,  auf  derfJeise  hegrillen, 
veranstalten  liess,  durchgearbeitet  haben.  Ein  weiteres  Kin- 
gehen auf  diese  interessanten  aber  sehr  verwickelten  Fragen 
bis  zum  Erscheinen  unseres  grösseren  angekündigten  Werkes 
uns  vorbehaltend,  genüge  für  heute  Folgendes.  Ollcnbar 
bestand  in  l'ngarn  für  die  feierlichen  Krönungen  der  ersten 
Könige  eine  ältere  Krone  lange  vor  der  Zeit,  als  von  Michael 
Dnkas  das  oben  beschriebene  byzantinische  Diadem  in  die 
königl.  Schatzkammer  gelangte.  Aus  mehreren  Schriftstellern 
lässt  es  sich  mit  ziendicher  Sicherheil  übereinstimmend 
erhärten,  dass  derb.  Stejiban  gegen  das  .I;dir  100((,  nachdem 
er  vier.lahre  bereits  die  Regierung  gefüiii't  hatte,  zum  Könige 
von  Ungarn  mitZustinnnung  des  Papstes  kirchlich  gesalbt  und 
gekrönt  wurde. 

Der  Bischof  llartuitius  der  gegen  Beginn  des  XII. 
Jahrhunderts  die  „vita  St.  Stephani"  schrieb  und  dieselbe 
dem  ungarischen  Könige  K(domanus  widmete,  erzählt  aus- 
führlicher, dass  Stephan  einen  Abgesandten,  den  Bischof 
Astricus  nach  Rom  gesandt  habe,  um  dort  an  der  Schwelle 
des  apostolischen  Stuhles  die  königlichen  Rechte  und  den 
königlichen  Titel ,  dem  Gebrauche  der  Zeit  gemäss,  für  sich 
zu  erbitten.  Der  alte  Schriftsteller,  der  als  einzige  Quelle 
hierfür  kann  bezeichnet  werden,  führt  weiter  an,  dass  der 
ungarische  Abgesandte  alles  nach  Wunsch  vom  römischen 
Pontifex  erhalten  habe,  dass  er  von  Rom  die  Bestätigungs- 
schreiben zugleich  mit  der  Krone  überbraciit  habe  und  dass 
Stejdian  endlich  mit  dem  überbrachten  Diadem  der  könig- 
lichen Würde  glücklich  gekrönt  worden  sei').  Der  bekannte 
Baronius  war  der  erste  der  die  .Xngaiie  in  Fudanf  gebraclit 
hat,  die  Krone,  womit  der  heil.  Stephan  feierlichst  gekrönt 
worden  ist,  sei  ein  Geschenk  des  Papstes  Sylvester  II.  ge- 
wesen. Baronius  fusste  bei  dieser  Angabc  auf  die  oben  citirte 
Stelle  des  llartuitius,  der  angibt,  dass  der  Vater  d(\s  heil. 
Stephan  J)!)G  gestorben  sei  und  dass  Slepli;ni  viei'  .lahre 
später  den  Astericns  nach  Rom  abgesandt  habe,  wie  vorhin 
weiter  mitgetheilt  wurde.  Diese  .Anfrage  in  Rom  fiel  min, 
den  oben  angeführten  Zahlen  zufolge,  um  das  .lahr  1000, 
und  da  um  diese  Zeit  Sylvester  II.  regierte,  so  folgerte 
Baronius,  dass  Sylvester  II.  die  fragliche  nngari-sche  Krone 
geschenkt  habe. 

Die  Legende  hier  bei  Seite  la.ssend,  die  sich  ebenfalls 
bei  llartintius  findet,  dass  der  Papst  durch  ein  Traunige- 
.siclit  gemahnt,  nicht  den  ebenfalls  erschienenen  Abgesandten 
des  polnischen  Herzogs  Mysco  die  in  Bereitschaft  gehaltene 
Krone,  sondern  da.ss  er  durch  dieselbe  den  frommen  König 


»>  ViU  St.  SIepbani,  edil  l'roiRnno,  p.ig.  1.30,  1.12,  1.14.  Auch  in  ncuMicr 
Zeil  ist  ilicae  viU  des  llürtiiiliiis  nach  dem  Wortlaut  de»  Origin.il- 
Tcxles  hcrausgi^gehen  worden  mit  gegenüberstehender  ungarischer 
Ühersetzunj;. 


Stephan  auszeichnend  bevorzugt  habe,  ergibt  sich  aus  dem 
Angefülirten  die  Folgerung,  dass  bei  der  Krönung  des  heil. 
Ste|)han  im  .hdire  1000  wirklich  eine  Krone  in  Anwendung 
kam  und  dass  dieselbe  wahrsrheinlich  von  Rom  zugleich  mit 
dem  köiiigliidien  Titel  und  Reclilen  als  (Jeschenk  übcr.sandl 
wurde.  Mit  dieser  Angabe  stimmt  nun  v(dlstäiidig  zusammen 
nicht  nur  die  oben  nälier  besciu'iebenc  Technik,  sondern 
auch  die  noch  ziemlich  nmheholfene  Compositi(Ui  und  Aus- 
führung der  figürlichen  Darstellungen  auf  dem  in  Rede 
stellenden  lateinischen  Doppelbogen,  womit  die  ungarische 
Krone  heute  noch  überspannt  ist.  Nach  Besichtigung  einer 
grossen  Menge  von  analogen  Schmel/.werken  in  der  edlen 
Technik  des  XI.  und  XII.  .labrluinderts  auf  ausgedehnten 
Reisen  haben  wir  bei  längerer  und  sorgfältigen  Besich- 
tigung des  obcrn  Krenzbügels  an  der  ungarischen  Krone 
nicht  im  mindesten  gezweifelt,  dass  derselbe  zu  Schluss 
des  X.  Jahrliunderts  angefertigt  worden  sein  müsse  und 
zwar  den  Inschriften  zufolge  von  lateinischen  Künstlern, 
die  hinler  ihren  gleichzeitigen  Vorgängern  und  altern  Lehr- 
meistern in  der  künstlerischen  .\iiferligung  der  Emails,  den 
Byzantinern,  noch  weit  zurückstanden.  W^ahrscheinlich  isl 
CS,  dass  mit  dem  eben  gedachten  Dop]>elbügel  der  altern 
Steidiairscdien  Krone  ursprünglich  auch  ein  unteres  Diadem 
als  „Cireiilus  aureus"  in  ähnlicher  technischer  Ausführung 
und  verwandler  Ornanicntation  in  Verbindung  stand.  Den 
Nachweis  zu  führen,  durch  welche  Veranlassung  der  untere 
Stirnreif,  formell  übereinslimmeiid  mit  dem  obern  Bügel, 
abhanden  gekommen  ist,  dürfte  äusserst  schwer  sein,  da 
uns  frühere  Schriftsteller  gänzlich  darüber  im  Unklaren 
gelassen  haben. 

Auch  wollen  wir  liierorts.  da  es  uns  zu  weit  führen 
würde,  nicht  in  zu  gewagte  Hypothesen  eingehen,  wann 
und  durch  ^^  eiche  Veranlassung  wdhi  der  heute  noch  vorfind- 
liche  Dop|ielbogen  der  iirimitiven  ungarischen  Königskrone 
dem  seciindären  byzantinischen  Diadem  eingefügt  worden 
ist.  Nur  Eines  wollen  wir  schliesslich  in  Kürze  über  den 
angeregten  Fragepunkt  hinzuziinigen  nicht  unterlassen. 

Da  vom  XI.  Säciiliiiii  bis  auf  unsere  Zeilen  sich  Schrift- 
steller (iiideii,  die  in  verschiedener  Weise  von  dem  Hcr- 
koinnien  der  ungarischen  Krone ,  als  eines  päpstlichen 
Geschenkes  für  Stephan  den  Heiligen  Zengniss  ablegen;  da 
ferner  aus  den  Tagessehriflstellern  aller  .lahrhiiiiderte  die 
grosse  Ehrfurcht  und  fast  kindliche  .\nhänglichkeit  deutlich 
zu  ermessen  ist.  welche  die  ungarische  Nation  dem  geheiligten 
Palladium  ihres  Landes,  das  iiiil  ihrem  erslen  grossen  Könige 
in  directer  Verbindung  stand,  in  allen  Zeitläuften  gewidmet 
ha(;  so  lässt  es  sich  niciit  füglich  annehmen,  dass  bei  Ge- 
brauchnahine  des  Jüngern  byzantinischen  Stirnreifes,  die 
etwa  im  Drange  der  Zeilniiislände  nölliig  geworden  war,  die 
noch  erhaltenen  Ilauptllieilc  dri-  liistorisch  geheiligten  Krone, 
des  heil,  Sle|)han  entbehrt  werden  konnten.  Man  nahm  also, 
unserer  .Ansicht  nach,  durch  nictht  näher  bekannte  Gründe 
genöthigl,  die  noch  vorlindlichen  brauchbaren  Theiie   der 


211    — 


saci-a  cnroiia  St.  Stophani.  niimlich  jenen  hervorragenden 
rJoppcllxigcn,  der  den  alten  „[lileiis"  überragte  und  mit  dem 
apostolischen  Kreuze  und  den  Bildern  derApostel  geschmückt 
war  und  fügte  dieses  |p;i]istliehe  Geschenk  dem  byzantinischen 
Ehrengeschenke  des  Michael  Üukas,  dem  untern  Slirndiadem 
hei.  Auf  diese  Weise  hatte  man  einen  Theil  zu  einem  Gan- 
zen wieder  umgestaltet  und  man  fuhr  ungestört  fort  den 
„pars  pro  toto"  zu  halten. 

Desswegen  benannte  man,  vor  wie  nach,  das  so  modifi- 
eirte  Künigsdiadem  „die  Krone  des  heil.  Stephan",  eben 
weil  jener  hervorragende  Theil,  der  do[)peUe  Kreuz- 
bogen, der  alten  authentischen  Stei>han"sehen  Krone  an- 
haftete. 

Wir  haben  im  Vorstehenden  den  allerdings  gewagten 
Versuch  gemacht,  mit  urdjegründeten  Sagen,  wie  sie  heute 
gang  und  gäbe  sind,  zu  brechen  und  den  Ursprung  der  aus  zwei, 
der  Zeit  und  Beschaffenheit  nach  wesentlich  verscliiedenen 
Theilen  bestehenden  hochberühmten  Krone  l'ngarns,  tlieils 
aus  geschichllichen  Doeumenten,  Iheils  aus  materiellen  und 
sachlich  formellen  Gründen   aufzuhellen    und    festzustellen. 


Wenn  wir  bei  Beschreibung  des  in  stylgetreuen  Zeichnun- 
gen beigefügten  altfhrwürdigen  Krondiadems  ausführlicher 
zu  Werke  gegangen  sind  als  das  bei  der  vorhergehenden 
einleitenden  Besprechung  der  übrigen  mittelalterlichen 
Kleinodien  der  Fall  war,  so  geschah  das  in  der  Absicht,  um 
den  Schriftstellern  der  ungarischen  Nation,  die  vielleicht 
duri^h  längere  Studien  näher  mit  der  eben  besprochenen. 
höchst  merkwürdigen  Kunstreli((uie  bekannt  sein  möchten, 
Gelegenheit  zu  bieten,  in  diesen  Blättern  eine  tiefer  einge- 
hende, wissenschaftliche  Discussion  über  diesen  noch  viel- 
fach dunkeln  Gegenstand  anzuknüpfen,  wodurch  vielleicht 
noch  manche  seither  unbekannte  Daten  sich  ergeben  dürften. 
Wir  werden,  auf  geschichtliche  Quellen  beruhende 
Aufklärungen,  von  welcher  Seite  sie  auch  kommen  mögen, 
gewiss  dankbar  entgegen  nehmen  und  es  dann  nicht  unter- 
lassen, dieselben  bei  Ausarbeitung  der  spätem  umfangrei- 
chem Abhandlung  über  „die  Krone  des  heil.  Stephan",  die 
als  Parallele  dem  grossem  kunsthistorischen  Werke  „die 
Kleinodien  des  heil,  römisch-deutschen  Reiches'-  sich  anrei- 
hen wird,  gewissenhaft  zu  benützen. 


Die  Vertheidigmigskircheii  ia  Siebenbürgen. 


Kill  Beitrag  zur  Proviiicial-Kunslgescliichtc  vom  (Jonscrvalor    Friedrich  Müller.    lilustrirt  vom  (JymnasialleJirer  .lohaiin  Orendi 

in    Scliässhurf;. 

I. 


Ungefähr  zu  derselben  Zeit  als  Mecklenburg ,  das 
Havelland  und  Schlesien  von  deutschen  Einwanderern,  deut- 
scher Herrschaft  und  Gesittung  gewonnen  wurden,  also  etwa 
um  die  Mitte  des  XII.  Jahrhunderts,  begann  der  damals 
nach  allen  Seiten  hin  sich  ausbreitende  Strom  germanischen 
Lebens  auch  die  fernen  Thäler  Siebenbürgens  zu  erfüllen. 
Vielfach  vorbereitet  seit  dem  ersten  christlichen  Könige 
1,'ngarns ,  Stephan  „dem  Heiligen,"  nahm  diese  Einwan- 
derung unter  Geysa  II.  (1141  — 1101)  und  auf  dessen 
Kuf  den  Charakter  massenhafter  Zuströniung  an  und  sicherte 
endlich  den  lange  streitigen  Besitz  der  entlegensten  Greuz- 
])rovinz  der  apostolischen  Krone.  In  einem  weiten  Ovale, 
dessen  Scheitel  die  gefährlichsten  Einbruchstalionen  im 
Norden  und  Süden  berührten,  setzten  sich  die  Ansiedler, 
welche  meist  vom  Niederrhein  kamen,  in  den  Thülern  der 
beiden  Szamos  an  den  Ufern  des  mittleren  Mieresch  und 
seiner  Nebeidlüsse,  endlich  auf  der  rechten  Seite  des  Altes 
fest,  und  erbauten  schon  vor  dem  Schlüsse  des  XII.  Jahr- 
hunderts eine  nicht  geringe  Zahl  von  Orten  auf  einem  Boden, 
der  seit  der  Bömcrherrschaft  wüste  geworden  und  damals 
nur  von  Barbarenhorden  durchstreift  war.  Bis  zum  Anfange 
des  folgenden  Jahrhunderts  bildete  der  Alt  die  südliche 
Grenze  dieser  Ansiedlungen  und  thatsäehlich  auch  der  Provinz. 
Erst  1211  überschritt  im  Auftrage  des  Königs  Andreas  II. 
der  deutsche  Ritterorden  dieselbe  und  colonisirte  die  süd- 


östliche Ecke  des  Landes,  das  „Burzenland,"  mit  Deutschen, 
worauf  auch  die  verbindende  Strasse  am  linken  Altufer 
gesichert  wurde  und  so  endlich  das  Land  seine  natürliche 
Grenze  in  dem  Höhenzuge  der  Südkarpaten  gewann. 

Aber  die  junge  deutsche  Pflanzung  hatte,  kaum  begrün- 
det, schon  schwere  Anfechtungen  von  inneren  und  äusseren 
Feinden  zu  bestehen,  und  der  Mongolensturm  von  1241 
brach  beinahe  die  kaum  geöffnete  Blütlie.  Die  Versuchung, 
die  schwer  erkämpfte  Heimat  wieder  aufzugeben,  ging  vor- 
über, und  durch  Nachzüge  verstärkt,  erwuchs  das  deutsche 
Gemeinwesen,  von  seiner  unverwüstlichen  inneren  Kräftig- 
keit getragen,  unter  den  Herrschern  aus  dem  Hause  .\njou 
zu  einer  festen  Säule  der  gesetzmässigen  Regierung,  zu 
einer  Culturstätte  des  deutschen  Elementes  in  Osteuropa, 
zu  einem  Grenzwalle  der  Christenheit  gegen  den  Halbmund. 

In  diese  weit-  und  culturgesehichtliche  Stellung  Sieben- 
bürgens vielfach  verllochten,  erscheint  die  darin  zur  Aus- 
bildung gekommene  Architectur.  Das  Land  mit  seinem 
durchschnittlich  grossen  Beichthum  an  solidem  Baumaterial 
—  Steinen  uml  Eichenholz  —  machte  es  nicht  schwer, 
schon  den  gewöhrdiehen  Bauwerken  eine  ungewöhnliche 
Festigkeit  zu  geben  und  Hess  den  in  andern  Gebirgsländern 
vorherrschenden  Holz-,  besonders  Blockbau  hier  nur  spora- 
disch —  im  Szeklerlande  ,  in  den  deutschen  Gebieten  fast 
gar  nicht  zur  Anwendung  kommen  oder  schnell  wieder  ver- 


212 


schwinden,  l'tui  wenn,  wie  iibrijfoiis  iiiclit  oiwoislich  ist, 
der  Hdl/.biiii  je  in  allgemeinerem  Gcbnuiclie  stund,  so  ciil» 
der  Mnngoleneinfall  einen  liinliinglich  doulliclien  Wink,  dass 
in  diesem  Lande  der  l'latz  niclit  sei,  das  schwor  erw<irl)ene 
Eigentlium  einer  gebreclilichen  Wohnung  anzuvertrauen. 
Wo  es  nur  immer  möglich  ■wurde,  begnügte  man  sieh  nicht 
einmal  mit  dieser  Sicherheit  des  Woiinhauses  und  suchte 
den  ganzen  Ort  —  (rciiöfte  um!  ^'nr\verke  gab  es  früher 
liier  gar  nicht  —  durch  Werke  verschiedener  Art  nocli 
nielir  zu  befestigen.  Au  einem  anderen  Orte  halie  ich  darauf 
liingewiesen  ,  dass  die  L  uimaueruug  mancher  deutscher  — 
sächsischer  — -  Orte  höchst  wahrseiieinlich  so  alt  sei ,  als 
deren  Anlage  selbst ')  :  und  nicht  die  lIau[)torte  der  Ansiedler- 
grupj)en  allein  befanden  sich  in  diesem  Falle,  sondern  auch 
minder  bedeutende  Orte  legten  mindestens  Burgen  in  ihrer 
Jlitte  oder  ihrer  Niihe  au.  Der  um  die  siebenbürgische 
Arehiiologie  hochverdiente  Correspundent  der  k.  k.  Central- 
Commission  Pfarrer  Michael  A  ckner  hat  in  seinem  Auf- 
satze: „Die  römischen  Alterthümer  Siebenbürgens"  (Jabr- 
i)Ueh  der  k.  k.  Central- Commission ,  18JJ6)  eine  nicht 
kurze  Reihe  solcher  liurgen  namhaft  gemacht,  und  ihre  Zahl 
liesse  sich,  wenn  man  alle  Kireheneastelle  in  dieselbe  ein- 
bezöge, nicht  unbeträchtlich  vermehren.  Diese  letzteren  sind 
meinen  Erfahrungen  nach  liier  eine  eigenthümliclie,  wenig- 
stens in  dieser  Ausbildung  und  Allgemeinheit  nirgends  vor- 
kommende Erscheinung.  Es  handelt  sich  dabei  nämlich  nicht 
um  eine  einfache  Ummauerung  des  Gottesliauses,  sondern 
um  ein  förndiches  Befestigungssystem  mit  Mauern  —  zu- 
weilen zwei-  und  dreifach  — ,  Thürmen,  Basteien,  Gräben 
und  Thorwerken,  mit  unter-  und  überirdischen  Wohn-  und 
Vorrathsräumen,  mit  Brunnen  etc.  Und  so  charakteristisch 
sind  diese  Anlagen  für  die  säclisisehen  Gebiete  des  Landes, 
dass  selbst  in  anderen  Gegenden  desselben  steinerne  Kirchen, 
die  mit  einer  Ringmauer  umgeben  sind,  geradezu  säciisisehe 
Kirchen  genannt  werden  =). 

Es  ist  kaum  wahrscheinlich,  dass  die  Erbauung  dieser 
Kirehenburgen  vor  der  M(mg()lenverheerung  im  Schwünge 
gewesen,  da  die  Vorbilder  zu  soleheu  Anlagen  aus  l)eutsch- 
land  nicht  mitgchraeht  worden  sind.  N'ieliuehr  erscheinen 
sie  recht  eigentlich  als  Resultat  der  ganz  speciellen  Lage 
der  Ansiedler,  die  mit  praktischem  Blicke  die  (Jewohnheit 
im  entscheidenden  Augenldicke  dem  Bedürfnisse  0])ferteu. 
Bis  gegen  den  Schluss  des  XIII.  Jahrhunderts  jedoch  waren 
sie  schon  in  solcher  Anzahl  vorhanden,  dass  sie;  theilweise 
sogardenStändenslaatsgefährlichsciiienenunddasInaugural- 
Diplom  König  Andreas  III.  vom  22.  Februar  I2!»I    die  Zer- 


•)  In  Hein  küiiUi-h  in  di-m  \rcliivc  ilcs  Vereines  für  sielii-iib.  I.anilcskuiidf 
erai'liieiicMi   Aiifsali«:  „Arcliäiilugistlic  Ski/.jcn  .lus  Siliäs.sl.urj,"-. 

^)  Über  die  mit  diesen  in  der  Anlüge  iiirhl  (,-an/.  iiliereiiisliinuieiiden  KireluMi- 
castelle  in  .Steiermark  hat  der  k.  k.  Conserialnr  .1.  Selieif,'er  in  den 
MiltlieilUMgen  der  k.  k.  Central -Commission  18;iO,  248  f.  einige  Anileu- 
tungen  \cr5irenllielit.  Uic  dort  erwähnten  liallerien  finden  sieh  auch  in 
Siebeuliürgen  und  sind  hier  vor  ilen  Selmriin  hinlaufende  gcdcekle 
Schiessstände. 


Störung  derselben,  soweit  sie  schälllich  seien,  befahl  ').  Zu 
solcher  Befestigung  der  Kirchen  scheint  eine  königliche 
Erlauhniss  nicht  erforderlich  gewesen  zu  sein;  sie  galt  als 
im  I'rinci|i  des  Kirclienhaues  gelegen,  als  .Migrenziiiig  des 
coemctcrium  und  war  und  blieb  stets  Eigenlliuiii  der  kirch- 
lichen, nicht  der  politischen  Gemeinde.  Wenn  daher  wirk- 
lich 1J)21  die  Befestigung  der  Kirchen  obrigkeitlich  anbe- 
fohlen wurde,  was  noch  zu  erweisen  ist  -),  so  bezeichnet 
ein  solcher  Befehl  eben  nur  einen  ('bergrill' der  weltlichen 
Gewalt  oder  die  Angst  der  Befehlenden  \or  dem  in  jenem 
Jahre  er f(dgten  Szekleraufstande  gegen  den  Wuiwoden  Johann 
Zäpolya.  Die  mit  entsetzlicher  Schnelligkeit  sich  wieder- 
holenden Türkeneinfälle  des  XV.  Jahrhunderts,  denen  nach- 
weislich mehr  als  eine  Kirche  zum  Opfer  fiel  '),  mögen 
deutlicher  als  obrigkeitliche  Befehle  von  der  Nolhwendig- 
keit  solcher  Befestigungen  überzeugt  lialieu.  DieBestimnuing 
des  Allerseelen  1S45  in  Neumarkt  (Maros-Väsärhely) 
gehaltenen  Landtages:  die  Befesligungswerke  der  sächsi- 
sclien  Dörfer  sollten  zerstört  und  aus  deren  Material  die 
Wehrkraft  der  Städte  llerniannsladt,  Kronstadt,  Schässburg 
und  Mühlbach  verstärkt  werden,  bezieht  sich  blos  auf  die 
Gemeinileburgen  und  ist  nie  zur  Ausführung  gekonimcii  *). 
Ausserhalb  des  Sachsenlandes  finden  sich  Schutzbauten 
dieser  Art  nur  selten;  wo  sie  sich  finden,  wie  bei  einigen 
Kirchen  des  Szeklerlandes  (Karezfalva.  Sz.  Tamäs. 
Sz.  Mihäly,  Sz.  Lclek,  Mindszent,  Sz.  Kiräly. 
Kozinäs,  Menasäg,  Käszon.  Alfalu  u.a.),  sind  sie 
jenen  nachgeahmt  und  erreichen  nie  die  S(didität  ihrer  Vor- 
bilder. In  deinCastell  (ler.\btei  Kolos  Monostor,  dessen 
Zerstörung  Könia:  Matthias  dem  Abte  P  e  t  r  u  s  1466  wegen 
seiner  Schädlichkeit  für  die  Stadt  Klausenburg  befahl,  kön- 
nen wir  um  so  weniger  eine  blosse  Kirchenburg  erblicken, 
als  jener  Befehl  unter  anderen  seinen  Inhalt  aus  der  nicht 
nachgehölten  königlichen  Erlauhniss  zur  Erbauung  desselben 
begründet '). 


')  Art.  24  :  „practtrrra  turres  sine  Ctistra  super  Ecdesiis  aedi/icata  ,  mtl 
locis  tilit's,  pro  iiocumciUo  constructa  penitus  eretlantur."  Fejer,  Cod.  dipl. 
llun^'.  Vll,  2.  l;t«. 

2)  Die  lielreiren<le  Itehanplnnj^  in  A.  Kurz,  .VIa;»-azin  für  (leseh.  etc.  Sieh'.s 
I,  42(i,  Note.  Ileruht  wahrseiieinlich  Iilos  auf  der  sehwankentlen  Angabe 
in  Mil  es  Sieb.  Würgenj^el  zum  .lahre  l.';21. 

')  Hj4  Iräfit  der  Erzhisehof  U  i  onysius  von  (irnn  den  Pfarrern  von  Snlz- 
l)urg,  Aguelhale  und  Alpen  auf,  das  Eigenihum  „eriiesinriim  callnpsuruiii 
et  destnictarimf'  in  den  Stühlen  Grossschcnk  und  Lcachkirch 
aus  l'rivathänden  7.u  revindiciren.  Sachs.  Naiionalarchiv  Nr.  ISG.  Dii' 
Verwüstung  wahrscbeiulicli  Folge  des  Türkeneinfalles  von  1442. 

*)  „Omiila  citslella  et  fortulilia  intcr  Diiminii»  Saaimea  in  pnijis  e.rslniclu 
drmiiUnntur  iie  e.v  eorum  rtiinis  Ciritiites  Cihiniensis ,  Hnissovieiisis. 
Seijcsrnr,  Sziist  Selies  forli/irenliir ;  inijenia  (J)  vern  et  pi.vide3  iina  tiiin 
ijiuhulis  et  ptilreribus  et  tifiis  insfriimeittis  heltivis  ad  eirittttes  infeninfnr." 
Abschriftlieh  aus  der  llalthran.  liildiothek  in  der  rrkundeusainnilung  von 
(i.  I).  T  eu  tscli.  —  (i  e  nie  in  d  e  li  u  rgen  nennen  wir  zum  rntersihiede 
von  den  KirehenhnrKcn  alle  zu  siiehsischen  Drirfern  oder  ]\Iiirklen  (lehii- 
rigen  llefesligungen,  welche  sich  nicht  um  die  Kirche  gi  U|i|>ircn,  sondern 

selhslslandige  ,     gewiihnlicl hen   den  (Irlschaflen   auf  liergbnhcn  sich 

erhebende  Werke  bilden. 

*)  Abschrifllich  aus  derselben  Quelle  bei  Ten  lach 


213 


Nicht  minder  interessant  als  diese  Kirehenburgen,  aut 
welche  seit  Miles  und  Timon  alle  siebenbiirgischen  Geo- 
graphen, Chronisten  und  Geschichtsschreiber  vielfach  hinzu- 
weisen Veranlassung  genommen  haben,  erschien  mir  eine 
Gruppe  von  Kirchen  selbst,  auf  deren  Eigenthümlichkeit 
noch  Niemand  die  öftentliche  Aufmerksamkeit  gelenkt  hat. 
Innerhalb  jener  Kirchenburgen  erheben  sich  nämlich  in 
nicht  geringer  Anzahl  Kirchen,  deren  erster  Anblick  zu- 
weilen ungewiss  lässt,  ob  man  wirklich  ein  Gotteshaus  oder 
nur  ein  ungewöhnlich  geformtes  Vcrtheidigungswerk  vor 
sich  habe,  Kirclien,  bei  denen  die  in  Colonien  nicht  seltene 
und  erklärliche  Vernachlässigung  des  Äusseren  mitunter  bis 
zum  vollständigen  Aufgeben  des  specifisch  -  kirchliehen 
t^harakters  getrieben  ist,  in  die  man  hineintreten  muss,  um 
von  der  religiösen  Bestimmung  des  Gebäudes  überzeugt  zu 
werden.  Ein  kurzer  Blick  auf  die  Geschichte  der  kirch- 
lichen Baukunst  in  Siebenbürgen  wird  indessen  genügen, 
um  zu  beweisen,  dass  auch  diese  scheinbar  durchaus  abnor- 
men Bildungen  organisch  aus  den  eigenthümlichen  Verhält- 
nissen und  Schicksalen  des  Landes  und  seiner  Bewohner 
hervorgegangen  sind. 

Der  altchristliche  Styl  der  kirchlichen  Baukunst  ist  in 
Siebenbürgen  nie  zur  Anwendung  gekommen;  der  Romanis- 
mus, dessen  Formen  den  deutschen  Ansiedlern  des  XII.  Jahr- 
hunderts geläufig  waren,  hat  in  dem  Karlsburger  Dom 
sich  zu  einer  nicht  gering  zu  achtenden  Höhe  entfaltet,  ob- 
wohl seine  Schöpfungen  nur  zu  einem  fast  unbedeutenden 
Theile  den  Zerstörungen  der  Zeit  und  der  Feinde  des 
Christenthums  überdauert  haben.  Erst  die  sociale  und  poli- 
tische Blüthe  der  Sachsen  unter  den  Anjou'schen  Königen 
verschaffte  der  Gothik  gegen  die  Mitte  des  XIV.  Jahrhun- 
derts hin  den  Sieg ,  den  sie  in  Deutschland  bereits  hundert 
Jahre  früher  gefeiert  hatte.  In  rascher  Thätigkeit,  getrageri; 
von  einem  allgemein  verbreiteten,  durch  Handel  undGewerb- 
fleiss  erzeugten  Wohlstand,  wandelten  die  bedeutenden  Orte 
des  Landes  die  alten  Bedürfnissbauten  in  Gotteshäuser  um, 
die  wenigstens  ihrer  Grösse  zufolge  immerhin  als  monumen- 
tale Arbeiten  bezeichnet  werden  können,  wenn  ihnen  der 
adelnde  Stempel  originaler  Auflassung  oder  genialer  Durch- 
bildung auch  meistcntheils  abging.  Dieser  kirchliche  Bau- 
eifer wurde  im  folgenden  Jahrhunderte  vielfach  gestört,  seit 
1420  zum  ersten  Mal  die  osmanischen  Türken  ilire  ver- 
heerenden Schaaren  über  das  vielgeplagte  Land  ergossen. 
Bauten,  zu  deren  Durchführung  unter  anderen  Umständen 
ein  Jahrzeheiid  genügt  haben  würde,  zogen  sich  in  das  fol- 
gende Jahrhundert  hinüber ,  und  die  Bauenden  standen 
wieder  auf  dem  Punkte,  wie  damals,  als  sie  dem  verwildeten 
Boden  die  ersten  Früchte  der  Cultur  abgerungen ,  und 
arbeiteten  wie  die  alten  Juden  beim  Wiederaufbau  des 
Tempels,  von  denen  die  alttestamentliche  Erzählung  sagt: 
„mit  der  einen  Hand  thalen  sie  die  Arbeit  und  mit  der  anderen 
hielten  sie  die  Waffen."  (Nehemia.  4,  17.)  Doch  erkaltete 
im  Allgemeinen  die  Thätigkeit  auf  diesem  Gebiete,  die  viel- 

fl. 


leicht  bei  dem  Verfalle  der  älteren  Kirchen  vielfach  eine 
gedrungene  war,  nicht;  und  es  lässt  sich  aus  dem  XV.  Jahr- 
hundert eine  fast  unglaubliche  Zahl  neugebauter  oder  erwei- 
terter Kirchen  nachweisen.  Kein  Wunder  aber,  wenn  unter 
solchen  Umständen  der  Styl  dieser  Bauten  verwilderte  und 
namentlich  auf  das  Äussere  immer  weniger  Rücksicht  genom- 
men wurde.  Auch  die  Gesetze  des  Baustyles  verstummen 
vor  dem  WafTengetöse :  man  beeilt  sich  unter  Dach  zu 
kommen  und  für  das  täglich  gefährdete  Heiligste  wenigstens 
die  äussere  Sicherheit  zu  schallen ;  den  Schmuck  übcrlässt 
man  besseren  Zeiten.  Von  diesem  Gesichtspunkte  aus  finden 
die  mit  jener  Roheit  scheinbar  im  Widerspruch  stehende 
Zierlichkeit,  mühevoll  ausgeführte  Portale,  Kanzeln.  Sacra- 
mentshäuschcn,  Altarbilder  und  Gcräthe  ihre  Erklärung,  die 
in  grosser  Anzahl  noch  vorhanden  sind  :  der  Steinmetz  und 
der  Maler,  der  Glockengiesser  und  der  Goldschmied  arbei- 
teten in  dem  Schutze  der  Werkstatt  und  der  städtischen 
Ringmauer,  während  das  luftige  Gerüste  des  Maurers  und 
Zimmermanns  jeder  Gefahr  blossgcstellt  war. 

Die  Verwilderung  des  kirchlichen  Baustyles  in  Sieben- 
bürgen zeigt  sich  zuerst  in  der  AufTührung  ungegliederter 
Mauerflächen,  die  oft  in  weiter  Ausdehnung  —  nach  der 
gefährdeteren  Seite  hin  —  nicht  einmal  von  Fenstern  durch- 
brochen werden,  und  endlich  in  der  mehr  oder  weniger 
vollständigen  Preisgebung  des  kirchlichen  Charakters  im 
Äusseren  des  Gebäudes  an  das  Princip  der  Vertheidi- 
gungsfähigkeit.  Ein  Haus  sollte  aufgeführt  werden, 
worin  nicht  allein  die  sündenbelastete  Seele ,  sondern  auch 
der  von  äusseren  Feinden  bedrängte  Leib  und  die  irdische 
Habe  eine  Zuflucht  finden  könne.  Nur  die  Grundanlage 
bewahrt  fast  durchgehends  den  in  diesem  Lande  allgemein 
gewordenen  Charakter:  den  dreiseitigen  Sdiluss  des  im 
Verhältniss  zum  Schilf  in  der  Breite  wenig  eingezogenen 
Chores. 

Es  sei  Glaubt ,  in  dem  Folgenden  auf  diesen  in  seiner 
Verwilderung  original  gewordenen  kirchlichen  Baustyl  des 
gachsenlandes  näher  einzugehen  und  denselben  in  einigen 
bedeutenderen  Vertretern  nach  seinen  verschiedenen  Rich- 
tungen zu  charakterisiren.  Nicht  überall  wird  es  mögiicli 
sein,  das  Alter  der  betreffenden  Bauwerke  mit  Sicherheit 
anzugeben  oder  dieselben  auch  nur  gleich  eingehend  zu 
behandeln.  Die  hierauf  bezügliche  Wissenschaft  ist  hier  zu 
Lande  noch  sehr  in  ihrer  Kindheit  belindlich,  und  das  diene 
auch  dem  vorliegenden  Aufsatze,  dessen  Iliustrirung  durch 
die  Unterstützung  der  k.  k.  Central-Conmiissidii  ermi.glicht 
worden,  einiger  Massen  zur  Entschuldigung.  In  Ermange- 
lung eines  besseren  Ausdruckes  bezeichne  ich  dabei  die 
Gesammtheit  der  in  ihrer  äusseren  Erscheinung  diesem 
unkirchlichen  Principe  folgenden  Kirchen  als  Verthe  idi- 
gungs  ki  rch  en. 

Das  Auftreten  dieses  Styles  wird  vurbereilct  (Inrcii 
eine  nach  meinen  bisherigen  Erfahrungen  nur  kleine  Anzahl 
von   Kirchen,    welche    blos   aus   einer  Verbindung   zweier 


214 


früher  schon  vorhandener  Thürme  bestellen,  tine  solche 
ist  die  evangeiisclie  Kirelie  von  Homorod  (IJe/.irk  Ucps). 
Sic  erscheint  zwisclicn  zwei  Thiirmen  von  ungleiclierStärlve 
und  liüiie  so  hineingeschohen,  dass  der  dreiseitig  geseidos- 
sene  Chur  aus  der  Seitcnllaclie  dersriheii  betriichtlich  her- 
austritt und  jene  die  Fa^'ade  /.u  begrenzen  scheinen.  Der 
höhere  und  ältere  derselhen  ist  sehr  fest,  an  den  Kanten 
aus  Werksteinen  gei)aut,  weleiie  wahrseheinlieii  aus  einem 
noch  benützten  Bruclie  bei  K  a  t  z  e  n  d  o  r  f  gekonnnen 
sind.  Sein  unterer  Theii ,  der  früher  rundhogig  gegen  das 
jetzige  Schill'  der  Kirche  sicii  öll'nete,  zeigt  ein  Gurtgewiilhe 
inul  W  aiiiiinali'reii'n  und  mag  eine  alle  Caiielle  gewesen 
sein,  da  gegen  die  gewöhnliciie  Anualnne.  welelie  den  Clior 
der  alten  Kirche  darin  sieht,  der  Abgang  aller  Fenster 
spricht.  Der  niedrige,  jenem  gegenüberstehende  Thurni  wird 
gegenwärtig  als  Glockenthurm  benutzt  und  gewährt  zugleich 
den  einzigen  Eingang  in  die  in  ihrer  jetzigen  Gestall  neue 
Kirche,  dit>  noch  von  der  alten  dojipelltii  IJingmaner  um- 
gehen wird.  .An  dem  hiilzernen  I  udanl'e  des  höheren  Thnr- 
nies  hat  eine  Inschrift  das  Andenken  eines  Brandes  erhalten, 
wodurch  derselbe  —  und  vielleicht  auch  die  ältere  Kirciie  — 
den  l;J.  April  1023  zerstört  wurde  '). 

Einen  nuderischen  Aiihliik  gewährt  die  denselben 
Charakter  noch  inuner  aus|)rägende,  auf  einer  Anhöhe  in 
Zied  (Bezirk  Agnelhale)  erhautc  evangelische  Kirche.  Die 
iiingmauer  starrt  hier  gleichsam  von  Thürmen  verschiedener 
l^onstruction  :  zwei  runde  und  zwei  viereckige  —  mit  Um- 
lauf —  gehören  der  Mauer  selbst  an;  zwei  andere  dagegen 
erheben  sieh  üher  dem  üsl-  und  W'estende  der  dreischifligen 
Kirche.  Die  Mauerfläche  des  höheren  östlichen  bildet  zugleich 
den  demnach  geradlinigen  Schluss  des  Chores,  der,  von 
einem  Kreuzgewölhe  ühers|)annt,  rundhogig  gegen  das  SchilT 
sich  ölTnet.  Dieses  wird  durcii  vier  viereckige  Pfeiler  — 
die  neu  sein  können  —  in  ein  MittelschilV  und  zwei  Seiten- 
sehill'e  getrennt.  I)ie  .\nlage  der  Kirche  in  dieser  F(jrni 
könnte  hoch  ins  X\  .  Jahrhundert  hinaufgehen;  die  runden 
Thürme  in  den  Bingmauern  und  das  Vorkommen  des  Rund- 
bogens in  der  Kirche  seihst  deuten  noch  weiter  zurück. 

Ähnlich  in  der  Anlage,  obwohl  weniger  malerisch  und 
schlechter  erhalten  ist  die  von  einfacher  Bingmauer  um- 
gebene evangelische  Kirche  von  iS'eit  hausen  (Bezirk 
.\gnetheln3.  i  her  dem  Chor  erhebt  sich  ein  massiver  vier- 
eckiger Thnrm  mit  iiölzerneni  L'ndauf.  während  der  ehemals 
über  dem  Westende  der  Kirche  aufgeführte  später  abge- 
tragen worden  ist.  Im  Inneren  zeigt  sich  kein  Unterschied 
zwischen  Chor  und  Schill";  beide  werden  von  einem  Stern- 
gewölbe überdeckt,  dessen  Gurten  unmittelbar  an  derW'and- 
fläche  ansetzen.    Die  Portale  sind  im  einfachen  Spitzbogen  -) 


')  „Anno  1623  die  13  AprilU  incendio  per  incuriam  Andreat*  Ilcnrivh  ortn 
confiagrala  haec  tuirit  reatauratur  1626  Jim.  IT.  paslorc  cxistenlc  Georgia 
Viulio.'   Die  Glocken  .sind  neu:  von  1792,  179.1,  179.'i  uikI  1802. 

-)  Ich  folge  dnrehsehriiUiich  der  win  Otlc  in  seinem  Hiindlillelie  der  kirehl. 
Kunsl-Arehäologie  des  deiilschcn  Mittelalters,  3.  Aufl.  18J4,  pag.  346— 
3S4  beseichneten  Terminologie. 


übcrwölht.  Diese  Kirche  war  dem  am  häutigsten  im  Sachsen- 
lande als  Palron  erscheinenden  S.  Nikolaus  gewidmet,  wie 
aus  einem  derselhen  unter  dem  20.  März  1448  in  Born  aus- 
gefertigten Alilassliriefe  ersichtlich  ist  ').  Es  ist  nicht  un- 
wahrscheinlich, dass  die  Kirche  damals  eben  im  Bau  hegrifTen 
gewesen;  wenigstens  deutet  auch  die  Einfachheit  der  deco- 
rativen  Theile  entschieden  vor  die  zweite  Hälfte  des  XV. 
Jahriiunderts. 

Wenn  sclnui  in  diesen  drei  Kirchen  die  hoch  hinan- 
slrebendi'u  und  zur  Veitheidignng  eingei'icliteleii  Thürme 
in  dem  (iaiizen  den  Charakter  von  Verlheidignngswerken 
ausprägen,  so  begegnen  wir  deiiselhen  noch  vollständiger 
entwickelt  in  einem  in  mehr  als  einer  Beziehung  zu  den 
interessanteren  siebenbürgischen  l)(M'fkirchen  gehörigen  aber 
vereinzelt  stehenden  Golteslnuise.  nämlich  der  evangelischen 
Kirciie  von  Seh  welscher  (Bezirk  Beps).  Dieselbe  liegt 
auf  einer  Anhöhe  ausserhalb  des  Dorfes  und  wird  von  einer 
einfachen  Bingmauer  umgeben.  Ausserlich  ist  kein  Unter- 
sehied  von  Chor  und  Schill' bemerkhar,  sondern  das  ganze 
Gebäude  steigt  thurmähnlich  empor.  Über  den  fünf  engen 
Fenstern,  welche  im  unteren  Theile  sichthar  sind,  laufen 
zwei  Beihen  von  Schicssscharlen  rings  herum,  über  denen 
noch  ein  steinerner  Umlauf  zum  Herabschleudern  von  Wnrf- 
walTenetc.  angebracht  ist.  Dort  oben  hängen  die  zwei  älteren 
Glocken,  von  denen  die  eine,  177G  neu  in  Holz  gebunden, 
mit  ihren  auf  sechs  Schildchen  angebrachten  Darstellungen 
von  Greifen,  Drachen  etc.  unhedenklich  bis  in  das  XV.  Jahr- 
hundert hinaufgerückt  werden  kann,  und  dort  liegt  auch 
noch  eine  grosse  Zahl  von  Bachsleiiien,  welche  zur  .\bwehr 
des  Feindes  herunter  geschleudert  zu  werden  bestimmt 
waren.  Während  so  das  Äussere  dieses  Baues  ganz  den 
Eindruck  eines  massiven  Thurmes  macht,  gliedert  sich 
der  untere  Theil  des  Inneren  zur  freundlichen  Kirche  mit, 
der  Höhe  nach,  sichtlich  unterschiedenem  Chor  und  Schiff, 
von  denen  letzleres  sogar  den  Schmuck  seines  alten  Gurl- 
gewölbes  gerettet  hat,  welches  dort  bei  der  letzten  Beno- 
vation  (1842)  einer  flachen  Stuckdecke  weichen  musste. 
Dagegen  erhielt  dieser  in  seinen  Altarbildern,  welche  noch 
in  reich  vergoldeten  Bahinen  |irangen.  ein  überaus  schönes 
und  wichtiges  Denkmal  der  deutschen  Malerei  in  Sieben- 
bürgen. Dieselben  sollen  der  Sage  nach  von  einem  in 
stürmischer  Türkenzeit  in  dieser  Kirche  verborgenen  Maler 
gearhcitet  worden  sein.  Das  Ganze  ist  ein  F^lügelaltar  :  um 
eine  Kreuzigung  als  Mittelhild  reihen  sich  auf  beiden  Seiten 
Scenen  aus  dem  Leben  des  h.  Marlinus  Episcopus,  welehera 
die  Kirche  wohl  gewidmet  war.  Die  Bilder  auf  den  Flügeln 
sind  aus  dem  Jahre  1522  —  diese  Zahl  ist  in  einem  von 
dem  Bischöfe  gehaltenen  olTenen  Buche  zu  lesen  —  und 
stellen  sich  durch  Gruppirung,    Zeichnung  und   Colorit  zu 


')  Es  war  ein  hunderltägiger  Aldass,  erlheilt  von  drei  römischen  Csrdinälen 
und  durch  den  sielienhiirgisrhen  Rischof  Matthäus  um  40  Tage  vermehrt 
für  die  ,T-i//n  AW/zMcn."  Das  Orig.  der  liczüi;lichen  l'rkunde  im  e>:iiij; 
Superintendentialarchive  zu  BirUiüUMi. 


—   213 


dem  schönsten,  was  die  altdeutsche  Kunst  auf  diesem  Ge- 
biete in  Siebenbürgen  hervorgebracht  hat  ');  das  Mittel- 
bild, welches  einer  unten  angebrachten  Inschrift  zufolge 
eine  Schwester  des  1731  — 1760  in  Schweischer  ange- 
stellten Pfarrers  Georg  Förderreuter  an  die  Kirche  ver- 
ehrte, trat  wahrscheinlich  an  die  Stelle  eines  dem  prote- 
stantischen Bewusstsein  unliebsam  gewordenen  alteren  Bildes 
und  ist  1520  durch  Paulus  Sartorius  von  Kaisd  gemalt 
worden  ,  in  welchem  der  Kunstgeschichte  demnach  einer 
der  ältesten  siebenhiirgischen  Malernamen  erhalten  ist  -). 
Auf  den  Namen  des  Malers  des  ungleich  werthvoUeren  Flügel- 
bildes könnte  vielleicht  der  achteckige  Stern,  der  als  Mono- 
gramm darauf  sich  findet,  leiten.  Dass  am  Anftinge  des 
XVI.  Jahrhunderts  die  kirchliche  Malerei  auch  von  Einhei- 
misclien  zunftmässig  betrieben  worden  sei,  geht  unter 
anderem  auch  aus  den  unlängst  erst  aufgefundenen  Artikeln 
der  vereinigten  Maler,  Glaser  und  Tischler  in  Hermannstadt 
von  1S20  hervor,  deren  genauer  Verölfentlichung  noch 
entgegengesehen  wird.  Eine  in  der  südlichen  Umfassungs- 
mauer hinauflaufende  Wendeltreppe  führt  über  das  Gewölbe 
der  Kirche  von  Schweischer,  wo  gegenwärtig  in  zwei  über 
einander  gestellten  Reihen  von  Kästen  die  Kirchenmitglicder 
ihre  Festkleider  und  ähnliche  Kostbarkeiten  aufbewahren. 
Auf  das  Alter  des  Gebäudes  wirft  ein  Schlussstein  Licht, 
welcher  hei  der  Renovation  von  1842  aus  dem  Chorgewölbe 
genommen  neben  dem  Eingange  in  der  Ringmauer  aufge- 
stellt wurde.  Er  zeigt  um  einen  achtstrahligen  Stern  die 
Inschrift:  „0  Maria  anno  (Inmi'ni  mih'simo-62"  in  Mönchs- 
minuskeln, wie  sie  seit  dem  zweiton  Viertel  des  XV.  Jahr- 
hunderts in  Siebenbürgen  vielfach  angewendet  erscheint ; 
und  es  ist  demnach,  besonders  da  auch  das  gothische  Mass- 
werk etc.  der  beiden  Chorfenster  dazu  vollständig  stimmt, 
kein  Zweifel,  dass  diese  Kircbenanlage  aus  der  Mitte  des 
XV.  Jahrhunderts  stammt.  Ihre  jetzige  Gestalt  und  nament- 
lich die  innere  Einrichtung  scheint  sie  der  in  den  Jahren 
1621  —  1629  erfolgten  Ausbesserung  zu  verdanken  "■), 
einer  Zeit,  in  welcher  auf  diesem  Felde,  hervorgerufen 
durch  die  friedlichen  Jahre  der  Regierung  Gabriel  Bethlens, 
im  ganzen  Lande  eine  ungemeine  Rührigkeit  geherrscht  zu 
haben  scheint. 


*f  Die  siebenbiirgisclien  Kirchen  sind  nicht  arm  nn  solchen  iiUeren  Gold- 
^rundgfemälden.  Dem  Verfasser  wurden  dergl.  noch  bekannt  in  Mch- 
burg,  Radeln,  Schässburg-,  Mediasch,  Miihlbaeh,  Gross- 
Kopisch,  Pretei,  Reussdorf,  Bogeschdorf,  Schmiegen, 
Tobiasdorf,  Reichesdorf.  Der  bisherige  Abgang  des  religiösen 
Fanalismus  bei  den  Massen  und  die  Achtung  der  Gebildeten  vor  ihrem 
Runstwerth  hat  sie  unversehrt  erhalten. 

*)  Jene  Widmung  ist  auf  einen  Papierstreifen  geschrieben  aufgeklebt  wor- 
den ,  während  „puuliis  Saytorius  Kisdcnsis"  und  li>20  auf  der  Leinwand 
des  Bildes  selbst  steht. 

')  Neben  dem  Eingange  steht  das  Distichon  :  „Pastor  ox'cs  Christus  custodil, 
cedite  fures y  lUe  aditum  ad  vcri  praehet  ovilc  Dei  162  f,"  an  einer  Em- 
pore im  Innern  1634,  am  Umlauf  1G29.  Auch  an  den  Ringmauern  wurde 
in  jenen  Jahren  gearbeitet:  der  .,Binnenthurni'*  zeigt  die  schwer  lesbare 
Jahr/.abl    1636. 


Ob  Kirchen  mit  mehreren  zur  Vertheidigung  ein- 
gerichteten Thürmen,  wie  die  von  Homorod,  Zied  und 
Neitliausen,  oder  mit  thurmähnlichem  Oberbau,  wie  die 
letztbeschriebene  von  Schweischer,  hier  in  grösserer 
Anzahl  vorhanden  gewesen,  ist  schwer  zu  erweisen.  Doch 
liegt  es  nahe,  eine  Stelle  in  einem  Schreiben  Papst  Eugen  IV. 
von  1436  darauf  zu  beziehen  <).  Darnach  hatte  der  Hermann- 
städter Dechant  nach  Rom  geschrieben,  die  meisten  Bewohner 
seines  Decanates  befänden  sieh,  besonders  wenn  die  Ungläu- 
bigen ins  Land  drängen,  auf  den  Kirchhöfen  und  errichteten  auf 
den  Thürmen  und  den  erhabenen  Punkten  der  Kirchen  Boll- 
werke gegen  die  Feinde.  Die  Stelle  ist  nicht  ganz  klar  und 
könnte  auch  blos  auf  die  Anlage  von  Kirchenburgen  bezogen 
werden;  da  aber  fast  zu  gleicher  Zeit  wirklich  mit  der 
Absicht  der  Vertheidigmigsfähigkeit  erbaute  Kirchen  sich 
finden  und,  wie  wir  sehen  werden,  dieser  Gesichtspunkt 
gegen  den  Schliiss  des  Jahrhunderts  für  eine  grosse  Anzahl 
siebenbürgisch-sächsischer  Dorfkirchen  sogar  massgebend 
wird ,  so  mag  jene  Stelle  sich,  wo  nicht  auf  diese  Anlagen 
allein,  so  doch  auch  auf  diese  beziehen  lassen.  Als  die  Ein- 
fälle der  Türken  und  ihrer  Bundesgenossen  in  der  zweiten 
Hälfte  des  XV.  Jahrluuulerts  sich  wiederholten  (1479, 1493) 
und  zu  gleicher  Zeit  auch  die  inneren  Verhältnisse  des  Landes 
sich  zerrütteten  und  Freund  und  Feind  oft  schwer  zu  unter- 
scheiden waren,  da  mussten  die  Sachsen  mehr  und  mehr 
darauf  bedacht  sein,  sich  gegen  unvermuthcten  Feindes- 
einfall zu  schirmen.  So  mehrten  sich  die  Kirchenburgen  und 
richtete  man  endlich  allgemeiner  die  Kirche  selbst  als  letzte 
Position  zur  Vertheidigung  ein.  Da  sie  immer  aus  solidem 
Materiale  erbaut  war,  so  bedurfte  es  blos  einiger  Ab- 
änderungen im  Style,  um  jenen  Zweck  zu  erreichen. 
Dadurch  bildete  sich  gerade  um  die  Scheide  des  Jahrhunderts 
eine  convenlionelle  Form,  welche,  das  kirchliche  Princip  im 
Inneren  strenger  beachtend,  als  dies  bei  den  vereinzelten 
ähnlichen  Versuchen,  von  denen  oben  ges|)rochen  wurde, 
der  Fall  war,  in  der  Behandlung  des  .\usseren  dagegen 
radical  verfuhr  und  sieh  blos  von  dem  fortificatorischen 
Gesichtspunkte  leiten  Hess. 

Das  Gemeinsame  und  Charaklerislisclie  dieser  Bauten 
lässt  sich  etwa  in  folgenden  Piinkli'u  zusanuiienfassen : 

a.  Die  Umfassungsmauern  werden  verstärkt,  theils 
durch  einfache  Zugabe  zur  Älauerdicke,  theils  durch  Anlage 
zahlreicher  massiver  Strebepfeiler; 

6.  die  Strebepfeiler  werden  sä  mint  lieh  oder 
th  eil  weise  durch  l{ii  ndliögen  oben  unter  einander 
verhunilen,  \\elclieilie  l  inrassiingsniauern  in  der  Weise 
verstürken.  dass  sie  gewöhnlich  zugleich  einen  geradeaus  von 
Schiessscharten,  abwärts  von  Pechscharten  durchbrochenen 


')  „Pleri(iuc  Imbitatnres  rt  iiwolne  dicti  Drmnatiis  (Clhinirnsis)  in  coemetr- 
His  dnlariim  ecetesiarutn  ac  tocis  vontiguis ,  et  prnefcrtim ,  cum  partes 
illas  infideles  inuadunl .  praptcr  maiorcm  securilalem  vioram  IrahunI ;  ac 
in  turribuset  Socis  nnineiitiorihus  dictanimmlrsiarum  dcfensionrs  et  pra- 
puffnacuta  contra  inimicos  faciunt."    Kiler-  ad  Kclrner   I!(0. 


:to  = 


216 


I  inl;iiir  l)il(i(Mi,  auf  welt-lieiii  erst  das,  wesentlich  indessen 
immer  auf  der  Hauptmauer  ruhende  Dach  seinen  Anfang  nimmt ; 

ß.  das  Gewölbe  der  Kirehe.  oder  richtiger  die 
darüber  liinziehende  Bundtriinie,  bilden  zugleich  den  Boden, 
von  dem  aus  die  Vertheidigung  jenes  Umlaufes  sieh  ordnet. 

In  der  sonstigen  Anlage  und  mehr  noch  in  der  das 
Innere  angehenden  ornamentalen  Detailhildiing  bleiben  diese 
Kii-clii'n  siininitlieh  der  spateren  (lutliik  ti'eu,  zeigen  fast 
:ille  den  dreiseitigen  Chorschluss  mit  dem  MittelschifTe, 
gleicii  hohe  Seitenschille,  den  Spitzbogen  in  der  Über- 
wölbiing  vonThüi'en  und  Fenstern,  in  den  letzteren  gewöhn- 
lich die   s]iäteren   Formen   des  Masswerkes,  das  einfacher 


oder  künstlicher  combinirte  Gurtgewölbe ,  seltener  das  reine 
Kreuzgewölbe  etc.  ete. .  so  dass  sie  wahrhafte  Doppel- 
naluren  sind:  Kirchen  und  Casleile,  Rund- und  S|iitzbogen- 
baulen.  Arcliitektonischen  Kunstwerth  können  alle  diese 
Bauwerke  nicht  beanspruchen;  aber  Kunst-  und  Cultur- 
geschichte  erblicken  darin  höchst  interessante  Beiträge  zur 
loeaien  Entwickelung  des  deutschen  Volksgeistes. 

Es  liiilt  nicht  schwer,  die  hieher  gehörigen  noch  vor- 
handenen Kirchen  zum  Behufe  der  leichteren  Übersicht  in 
drei  Gruppen  zu  theilen,  und  darnach  sind  sie  auch  in  den 
folgenden  Abschnitten  in  einigen  charakteristischen  Reprä- 
sentanten vorgeführt. 


Die  archäologischen  PnhlicationeD  ungarischer  Zeitschriften. 


Mehrere  ungarische  illustrirte  Wochenblätter,  wie  auch 
andere  periodische  Unternebnnnigen  dieser  Art,  wozu  sieb 
auch  noch  eine  sehr  rege  und  ausgebreitete  illustrirte  Alma- 
nach-  und  Kalender -Literatur  gesellt,  bringen  von  Zeit  zu 
Zeit  eine  ansehnliche  Zahl  von  Abbildungen  und  Beschrei- 
bungen verschiedener  vaterländischer  Baudenkniale,  mei- 
stens älterer  Kirchen.  Burgen  und  Schlosser,  oder  doch 
ihrer  zurückgebliebenen  Reste  und  Ruinen;  welche,  wenn 
auch  nicht  immer  der  Form,  so  doch  dem  Inhalte  nach  aller- 
dings eine  Beachtung  verdienen. 

Indem  sich  in  Ungarn  bis  jetzt  kein  eigentlicher  archäo- 
logischer Verein  bilden  konnte,  m>d  da  der  von  Zeit  zu  Zeit 
auftauchende  Vorschlag  wegen  der  vielen  Schwierigkeiten, 
mit  denen  die  Antragsteller  zu  käiiipfen  hatten,  wieder  auf 
einige  Zeit  aufgegeben  werden  musste,  nebstdem  aber  auch 
andere  fachgeniässe  archäologische  Unternehmungen  dieser 
Art  (wie  z.  B.  Sze  reim  ey"s  „llajdan  es  Jeien".  Ennne- 
ricii  Ileus  zl  man n's  Fublicationen  über  die  Baudcnkmale 
l'ngariis:  „Kassai  Egyhäzak'-  u.  s.  w.)  nicht  über  das 
.lahr  1848  hinüber  gelangt  sind;  so  kommt  man  jetzt  dem 
allgemein  gefühlten  Bedürfnisse  damit  entgegen,  dass  die 
VerölTentllchung  der  vaterländischen  Denkmale  in  einer 
Anzahl  von  volksmässigen ,  auf  einen  grösseren  Lesekreis 
berechneten  Zeltschriften  vorgenommen  w  ird,  womit  beson- 
ders Emmerich v.V ah ot  und  F.v.  Kubinyi  den  lobenswer- 
then  Anfang  gemacht  liaben  durch  ihre  grösseren  in  meh- 
reren Bänden  erschienenen  Werke:  Magyar orszäg  es 
Erdely  Kepekhen"  (Ungarn  und  Siebenbürgen  in  Bil- 
dern). Dieser  Unternehmung  ist  seit  den  letzteren  Jahren 
eine  Anzahl  von  illustrirten  Zeitschriften  gefolgt,  die  sich 
einer  bedeutenden  .-Vbnehmerzalil  erfreuen. 

Da  aber  diese  Unternehmungen,  wie  gesagt,  für  das 
grössere  gemischte  Publicum  berechnet  sind ,  so  ist  es  füg- 
lii'ii  niciit  zu  erwarten,  dass  sie  den  Fachkenntnissen  ent- 
sprechen. Die  Illustrationen  bestehen  meistens  aus  mehr  oder 
weniger  gelungenen  Holzschnitten,  welche  grösstentheils 
den  mehr  oder  weniger  ausführlichen  Text  bei  Seite  lassen. 


thcils  nur  den  Freihandzeichnungen  nachgebildet  sind  >), 
die  oft  eine  sehr  mangelhafte  Vorstellung  des  Gegenstandes 
bieten.  Eben  so  oberflächlich  ist  auch  die  meistens  nur 
historisch -topographische  Beschreibung  des  Gegenstandes. 
Immerhin  dürfte  es  aber  selbst  für  die  Facbmäinier  von 
Interesse  sein,  zu  erfahren,  was  in  dieser  Hinsicht  stets 
Neueres  von  vielen  Seiten  her  in  Vorschein  gebracht  wird, 
um  so  mehr,  da  Ungarn  auch  hierin  einen  noch  ungehobenen 
Schatz  bietet,  der  noch  lange  vieler  Hände  Arbeit  in  Anspruch 
ninmit,  bis  er  ganz  durcligeforscht  sein  wird.  Dass  sich 
aber  das  letztere  auch  lohnen  dürfte,  zeigt  die  beträcht- 
liche Ausbeute  der  interessanten  Gegenstände  ,  welche 
Professor  von  Ei telb erger  auf  seinem  kurzen  .\usfluge 
gemacht  hat. 

Wir  glauben  daher  im  Interesse  der  Kunstgeschichte 
und  der  Archäologie  zu  handeln,  wenn  wir  das  zerstreute 
Material  über  die  Bandenkmale  Ungarns  in  diesen  Blättern 
zusammenstellen,  und  dies  aus  dem  Grunde,  weil  das  in  den 
ungarischen  Publicationen  Erschienene  kaum  über  den  Kreis 
des  ungarischen  Lesepublicums  gedrungen  ist.  —  Sidltehic 
und  da  auch  minder  bedeutendes  darunter  laufen,  so  wird 
doch  die  Anzeige  des  bedeutend  grösseren  unbekannten  und 
interessanten  Theiles  ein  erwünschter  Wink  sein  zur  Orien- 
tirung  der  Fachmänner  und  Forscher,  was  in  der  einen 
oder  der  anderen  Gegend  von  Bedeutung  anzutrellen  und  zu 
erforschen  sei. 

Wir  machen  den  .\nfang  hiermit  dem  letzt  verflossenen 
Jahrgänge  (18ö6)  des  in  Pest  erscheinenden  illustrirten 
Wocherdilattes:  „Budapesti  Vi sz hang-,  redigirt  von 
Virgil  v.  Szilägyi,  uikI  geben  n;Kli  den  fortlaufenden 
NuMimerneine  gedrängte  Ibeisieht  der  darin  veröfTentlichten 
Baudcnkmale.    Wir  bemerken  nur  noch,   dass  wii-  überall 


'  I  Ki>  iiiü.sscn  (lui'ti  iii  (lit'srr  Hinsicht  tiosonders  die  guten  llilder  «Irr 
iwci  illustrirtL-n  Wochenbliiller  ,Vasii  rn.n  |ii  Ujsilg"  und  lluda- 
pesli  Viszhaug"  gerühmt  werden,  niil  deren  Desprechung  wir  hier 
den  Anfang  mnchen.  Sie  können  in  manchem  fiiglicli  an  die  StcUe  der 
hebten  illustrirten  Juurnale  lies  AusLindes  gestellt  werden. 


217 


den  mehr  uder  weniger  ausfiihrlichen  Text  bei  Seite  lassen, 
der  ohnedies  meistens  der  Berichtigung  oder  doch  der  wei- 
teren AiiiTührung  bedürftig  ist,  und  gedenlien  nur  die  Haupt- 
angaben  über  die  Entstehung  oder  Veränderungen  des  Bau- 
denicmales  zu  berücksichtigen.  Dem  entgegen  aber  fügen 
wir  dazu  die  fast  überall  abgehende  oder  doch  sehr  dürftige 
kunstgeschichtliche  Charakterisirung  und  Würdigung  des 
Gegenstandes. 

I.  (Nr.  7.)  „Die  Ruinen  der  Klosterkirche  z  u 
S  z  e  n  t  -  L  e  1  e  k  "  von  Emmerich  v.  V  a  h  o  t.  Im  B  o  r  s  o  d  e  r 
Comitate  unweit  von  Dios-Gyor  befindet  sich  auf  einer 
Anhöhe  zwischen  dichten  Waldungen  die  im  Bilde  darge- 
stellte anselinliche  Ruine  der  Klosterkirche  Szent-Leiek 
(der  Name  bedeutet :  h.  Geist).  Die  noch  hoch  hinaufragen- 
den Mauern  ohne  Dach  und  Wölbung  zeigen  die  Reste 
einer  dreischill'igen  gothischen  Kirche  aus  der  besseren 
Zeit  dieses  Styles.  An  den  schlanken  Pfeilern  sieht  man 
noch  die  reich  gegliederten  Dienstbündel,  oben  mit  stark 
hervortretenden  Capitälen  oder  Knäufen;  ober  welchen  die 
kräftig  gebildeten  Gurten  der  Spitzbogen  und  Arcaden  sich 
hinaufziehen.  Die  letzteren  sind  in  strenge  Spitzbogenfor- 
men gebildet.  Das  am  Bilde  ersichtliche  Fenster  zeigt  nebst 
starker  Wandschrägung  reiches  und  gutes  Masswerk.  Nach 
der  beigefügten  Beschreibung  gehörte  die  Kirche  dem  in 
Ungarn  entstandenen  reichen  und  ausgebreiteten  Orden  der 
Pauliner-Eremiten  und  soll  im  XIII.  Jahrhunderte  von 
dem  Banus  Er n est  aus  dem  Geschlechte  der  Akos,  spä- 
teren Reichspalatin,  gestiftet  sein ;  sie  wurde  öfters  von  den 
nachmaligen  Herrschern  Ungarns,  den  Königen  Ludwig  I., 
Maria  und  Sigmund  ,  Matthias  Corvinus  beschenkt. 
Richtiger  scheint  uns  dagegen  die  Angabe  der  „  A  n  n  a  I  e  s  E  r  e- 
m  ita  r:  S.  Pa  u  1  i"  (0  r  0  s  z,  Synopsis  p.  375),  nach  welcher  das 
Kloster  von  Stephan  Grafen  zu  Rorsod  erst  im  Jahre 
1313  gestiftet  wurde.  Also  nicht  im  XIII..  sondern  XIV. 
Jahrhundert;  was  auch  der  entwickelte  gothisclie  Styl  des 
Baues  wahrscheinlicher  macht,  in  wie  fern  nämlich  uns  die 
Epochen  der  Entwickelung  dieses  Styles  bis  jetzt  in  Ungarn 
bekannt  sind.  Es  dürfte  daher  die  Annahme  gelten,  dass  die 
Kirche  des  im  J.  1313  gestifteten  Klosters  etwa  erst  in  der 
zweiten  Hälfte  dieses  Jahrhunderts  ausgeführt  wurde;  und 
der  Prachtbau  mag  besonders  in  Folge  der  Unterstützung  der 
oben  genannten  Herrscher  entstanden  sein,  von  denen  bekannt- 
lich eben  König  Ludwig  um  die  genannte  Zeit  und  später 
Matthias  die  grössten  Wohlthäter  dieses  Ordens  waren. 

II.  (Nr. 8.)  „Sc bloss  Zölyom-Lipcse"  (richtiger 
Töt-Lipcse)  von  E.  v.  Vahot,  Oberhalb  des  gleich- 
namigen kleinen  Städtchens  im  Zoll  I er  Comitate  befindet 
sich  die  genannte  noch  ziemlich  gut  erhaltene  Veste,  auf 
einer  Anhöhe  auf  einem  SO  Klafter  hohen  Felsen  erbaut. 
Die  Zeit  ihrer  Gründung  ist  unbekannt;  doch  wird  sie  in  den 
ersten  Jahrhunderten  Ungarns  zu  suchen  sein.  Die  kleine 
Stadt  darunter  hat  ihre  Freiheitshriefe  vom  König  Karl  I. 
(1308—1342).    Aus   der  mehr   landschaftlichen   Darstel- 


lung sind  die  Bauformen  nicht  genau  zu  entnehmen.  Es 
scheint  uns  doch,  in  wie  fern  wir  uns  auf  einstiger  flüchtiger 
eigener  Anschauung  des  Gegenstandes  erinnern,  dass  der 
jetzige  Bau  die  Formen  einer  späteren  Restauration  aus  dem 
XVI.  oder  XVII.  Jahrhunderte  an  sich  trägt.  Nebst  den  weit- 
läufijren  Gebäuden  und  mehren  Thürmen,  besteht  darin  auch 
noch  eine  ältere  Schlosskirche,  ein  grosser  sogenannter 
Münzsaal  (wahrscheinlich  war  hier  unweit  von  den  Berg- 
städten Neusohl  u.  s.  w.  eine  ehemalige  Münzstätte)  und 
ein  in  den  Felsen  gegrabener  tiefer  Brunnen.  Das  Baudenk- 
mal dürfte  einer  noch  eingehenderen  Untersuchung  werth 
sein. 

ni.  (Nr.  9.)  „Die  Ruinen  der  Schi  osski  rche 
zu  Araes",  von  E.  v.  Vahot.  Die  .Abbildung  bietet  die 
Ansicht  der  interessanten  und  ziemlich  bedeutenden  Baureste 
der  genannten  Schlosskirche  unweit  von  B  e  o  d  r  a  im  T  o  r  o  ii- 
tal er  Comitate.  Das  Baudenkmal  scheint  aus  der  Zeit  des 
Übergangs-Styles  zu  sein.  Ein  hoher  Tluirni,  und  zwar  an 
den  Chor  der  Kirche  angebaut,  setzt  ober  dem  zweiten  Stocke 
aus  dem  Viereck  in  das  Achteck  über,  doch  ist  er  nur  bis 
ungefähr  in  die  Hälfte  erhalten,  es  fehlt  somit  auch  die  Beda- 
chung ,  etwa  ein  pyramidaler  Helm.  Die  Thurmfenster  sind 
im  ausgesprochenen  Spitzbogen  -  Styl  gebildet,  mit  reichen 
Masswerks-Füllungen  und  durch  Pfosten  in  mehrere  Felder 
getheilt.  Dagegen  zeigt  das  Portale  an  der  entgegengesetz- 
ten breiten  und  hohen  Westfront  der  Kirche,  mit  Rundbogen 
überwölbt,  romanische  Formen;  darüber  erhebt  sich  noch 
ein  eckiges  Gesims,  und  in  der  Mitte  der  Fa<^ade  ein  grösse- 
res rundes  Radfenster.  Der  interessanteste  Gegenstand  ist 
aber  der  noch  erhaltene  Theil  eines  Kreuzganges,  der 
wieder  ausgesprochene  romanische  Gestaltung  hat.  Die 
starken,  breiten  Rundbogen  der  Arcaden  werden  von 
einer  Gruppe  von  je  vier  gedrungenen  Säulen  getragen,  die 
auf  einem  hohen,  gemeinschaftlichen  Sockel  stehen;  sie 
haben  stark  hervortretende  Würfelcapitäle  (wenigstens  der 
Ansicht  des  Rildes  nach  wäre  die  Beschreibung,  die  korin- 
thische Capitälc  angibt,  nicht  berechtigt).  Nach  der  unver- 
bürgten Volkssage  sollte  das  Schloss  ein  Besitztliimi  der 
Templer  gewesen  sein.  Urkundlich  kommt  die  Pfarre  und 
Kirche  Aracs  erst  im  Jahre  1332  vor.  Vom  Jahre  1422 
geschieht  hier  die  Erwähnung  einer  Stadt  dieses  Namens. 
1551  kam  das  Schloss  auch  in  den  Besitz  der  Türken.  Doch 
soll  noch  die  Kirche  am  Ende  des  vorigen  Jahrhunderts 
grösstentheils  erhalten  und  unter  Dach  gewesen  sein.  Augen- 
zeugen berichten  auch  noch  von  zwei  darin  gewesenen 
Altären.  An  dem  einen  war  ein  eigcnthümliches  Gemälde  zu 
sehen,  welches  den  lieiligou  Erzengel  Michael  im  ungarischen 
Costume,  mit  Schnurrbart  und  Sporen- Stiefel  dargestellt 
hat.  Ini  Jahre  1827  nahmen  die  Stände  des  Comitats  die 
Ruinen  gegen  die  Bevölkerung,  welche  aus  ihnen  bereits 
einen  Steinbruch  gemacht  hatten,  in  Schutz,  und  Hessen  sie 
durch  einen  tiefen  Graben  absperren.  Es  sollen  hier  auch 
bei    .Ausgrabungen    Münzfunde    vorkommen  ;    so    wurden 


-   218   — 


unlängst  in  zwei  zusammen  gesetzten  silbernen  Schalon 
Goldstücke  aus  der  Zeit  Matthias  Corvinus  ausgegraben.  Die 
fachgemässe  Aufnahme  und  VcrörtVntlicIiuiig  dieses  Baudenk- 
males dürfte  sehr  erwünscht  und  von  hohem  Interesse  sein. 

IV.  (Nr.  11.)  „Die  Ruinen  des  Schlosses  Dezsb 
in  Siebenbürgen.-  Von  V.  v.  S/.ilägyi.  Sie  befinden 
sich  auf  einer  Anhöhe  an  dein  Flusse  Almas,  unweit  von 
Klausenburg.  Aus  der  landscliaftiichen  Darstellung  des 
Gegenstandes  ist  nur  ein  gewaltiger,  viereckiger  Schloss- 
thurm  mit  weitlautigen  Festungsmauern  zu  entnehmen.  Ge- 
schichtlich ist  der  Ort  aus  der  Zeit  des  Königs  Johann 
Zäpolya  bekannt,  wo  er  im  Jahre  1340  und  löol  mehr- 
mals belagert,  und  endlich  im  Jahre  1602  von  IJästha  zer- 
stört wurde.  Dem  grössten  Theilc  nach  sollen  noch  die 
Mauern  bis  zur  neueren  Zeit  aufrecht  gestanden  sein;  wo 
sie  am.\nfange  des  jetzigen  Jahrhunderts  behufs  der  Errich- 
tung ökonomischer  Gebäude  bis  auf  den  einzigen  Tliurm 
und  einige  Mauerreste  abgetragen  wurden. 

V.  (Nr.  13).  „S  c h  1 0 s s  S z a  1  ö  n  a  k"  (deutsch  Schlei- 
ning)  V.  G.  Nagy.  An  der  Grenze  Ungarns  im  Eisen- 
burger Comitat,  eines  noch  der  best  erhaltenen  Schlösser 
Ungarns.  Schon  im  Jahre  1271  in  dem  Friedensschlüsse 
zwischen  Stephan  V.  von  Ungarn  und  Ottokar  dem  11. 
von  Böhmen  erwähnt  als  eine  der  Grenzfesten  Ungarns. 
Später  kam  sie  durch  die  Besetzung  Kaiser  Alb  recht's  I. 
(1289)  an  Österreich.  Die  jetzige  Gestalt  des  mitThUrmen 
und  Basfeien  befestigten  Schlosses  dürfte  noch  grössten- 
theils  aus  dem  Jahre  I4ö0  sich  datiren,  wo  es  von  seinem 
damaligen,  auch  aus  der  Geschichte  ()sterreichs  genügend 
bekannten  Besitzer  Andreas  P  a  m  k  i  r  c  h  e  n  neu  hergestellt 
wurde,  wie  die  Inschri  ft  besagt :  .\  n  d  r  e  a  s  P  a  m  k  i  r  c  h  n  e  r  d  e 
Szal  (5  nak  Co  mes  Po  soniensis,  magnificum  hoc 
opus  fortissimorum  murorum  erigi  fecinius  1452. 
Später  kam  es  in  das  Bositztlium  der  Grafen  Batthyany, 
aus  welcher  Zeit  wieder  die  übi'igeii  Erneuerungen  her- 
rühren. Unter  dem  Berge  sollen  auch  noch  die  Biiinen  der 
vom  Pamkirchner  den  Paulinern  im  XV'.  Jahrhundert 
erbauten  Kirche  und  des  Kloster  sichtbar  sein. 

VI.  (Nr.  18.)  „  D  i  e  R  u  i  n  e  11  der  Dominicanerin- 
nen-Klosterkirche aufder  S.Margarethen -Insel 
zwischen  Pest  und  Ofen"  von  E.  v.  Vahot.  Es  sind 
dies  die  spärlichen  Reste  des  ehemalig  berühmten  könig- 
lichen Stiftes,  von  dessen  Kuiistdenkmalen  uns  noch  die 
gleichzeitigen  Aufzeichnungen  vieles  zu  berichten  wissen. 
Die  an  den  unteren  Theilen  der  Mauer  noch  hie  und  da  her- 
vorstehenden Reste  der  Dienstbündel,  wie  auch  einige  Spitz- 
bogen-ÖfTnungcn  zeigen  ofTenbar,  dass  das  hier  Dargestellte 
ein  gothischer  Kirclienhau  war. 

VII.  Dagegen  wird  in  der  Nummer  32  dieser  Zeit- 
schrift nach  einem  älteren  Bilde  die  .\nsicht  dieses  Klosters 
sammt  Kirche,  aus  der  Zeit  vor  deren  Zerstörung  durch  die 
Türken,  mitgetheilt.  (Da  die  Quelle  nicht  genannt  wird, 
entgeht  mir  jetzt,    woher  das  Bild  genommen   ist.)    Nach 


dieser  Darstellung  haben  wir  eine  zweithürmige  und  drei- 
schiffige  Kirche  mit  erhöhtem  Mittelschiff  und  niederen  Ab- 
seiten vor  uns.  Der  vielfach  an  der  Front,  an  den  Thürmen 
und  Gesimsen  der  Kirche  angebrachte  regelrechte  Ruud- 
bogenfries  und  die  Rtmdbogenfenster,  wie  die  ganze  Anlage 
zeigen  uns  olVenbar  eine  vollkommene  romanische  Basiliea 
in  der  vollsten  Entwickelung  dieses  Styles;  nur  wegen  der 
Front  und  Seitenansicht  sind  die  .Apsiden  nicht  zu  entneh- 
men. Es  ist  auch  urkundlich  und  historisch  bekannt,  dass 
das  Dominicanerinnen -Kloster  Bela  IV.  bereits  vor  dem 
Jahre  125ä  für  seine  Tochter,  die  heilige  Margaretha 
von  Ungarn,  gestiftet  hat;  also  inmierhin  noch  in  einer  Zeit, 
wo  der  romanische  Styl  in  Ungarn  üblich  w.iv.  wie  das  viele 
Beispiele  ausser  allen  Zweifel  erheben.  Der  gothische  Bau 
also,  dessen  Reste  das  erst  genannte  Bild  zeigt,  muss  ent- 
weder später  an  der  Stelle  dieser  romanischen  Basiliea  ent- 
standen sein,  oder  etwa  einem  anderen  Kloster  angehört 
haben.  Bekanntlich  hatte  die  kleine,  nur  918Klafter  langeund 
148  (in  der  Mitte,  am  Ende  nur  37)  Klafter  breite  Insel  im 
XIII.  Jahrhundert  nebst  zwei  Schlössern  —  das  des  Erz- 
Itischofs  von  Gran  und  der  Kreuzherren  (Cruciferi  domus 
hospitalis)  —  noch  ein  Dorf  und  mehrere  Klöster  beher- 
bergt; so  jenes  der  Prämonstratenser,  der  Minoriten,  der 
Dominicanerinnen  und  eine  Wohnung  der  Dominicaner.  Von 
all  dem  sind  jetzt  nur  hie  und  da  s[iärliche  Reste  zu  bemer- 
ken; deren  weitere  Erhaltung  und  archäologische  Unter- 
suchung sehr  wünschenswerth  wäre.  Es  kommen  auch  römi- 
sche Baudenkmalc,  Ziegel  u.  s.  w.  vor;  eine  sehr  interes- 
sante .Abbildung  eines  solchen  Ziegels,  mit  der  Gestalt  eines 
reitenden  Partlien  oder  Persers,  der  einen  Pfeil  rückwärts 
abschiesst  (siehe  in  dem  Werke  des  J.  v.  Jerney  „Keleti 
Utaziis").  Eine  entsprechende  archäologische To|)ographie 
der  Insel  hat  Dr.  Eedy  geliefert  in  der  Zeitschrift  „Uj 
Magyar  Muzeum". 

VIII.  (Nr.  20)  wird  die  bereits  öfters  abgebildete 
Ruine  des  Schlosses  Theben  bei  Press  bürg  mitgetheilt. 
Wir  übergehen  es  hiermit  und  verweisen  auf  das  beste,  was 
bis  jetzt  darüber  in  Bild  und  Schrift  verölVeiil licht  wurde  in 
Szerelmey's  „llajdan  es  Jelen'^,  obwohl  der  Gegen- 
stand noch  einer  eingehenderen  archäologischen  und  histo- 
rischen Untersuchung  würdig  wäre. 

IX.  (Nr.  22.)  „Das  Schloss  Küküllö"  in  Sieben- 
bürgen. Ein  eigentliümliches.  mit  vier  runden  Thürmen  be- 
festigtes Castell  auf  einer  Anhöhe,  noch  vollkommen  erhalten. 
Der  Besehreibung  nach  soll  die  Veste  im  XIV.  Jahrhundert 
entstanden  sein;  wofür  auch  die  ursprünglichen  Bautheilc 
sprechen  dürften.  Der  erste  ))ekannte  Schlossbefehlshaber 
wird  vom  Jahre  1352  genannt.  Nach  vielen  Kriegs- 
sehicksalen ,  die  es  erlitten,  kam  das  Schloss  an  die 
jetzigen  Besitzer  ,  die  Grafen  v.  Betbleu.  Unweit  von 
diesem  Orte  kommen  noch  w  cit  ausgedehnte  Ruinen  eines 
Schlosses  vor,  das  aber  nicht  einmal  dem  Namen  nach  mehr 
bekannt  ist. 


219 


X.  (Nr.  27.)  „Die  Kirc  lien  reste  von  Csomor- 
k  ä  n  y"  von  B  e  1  a  M  a  t  6  k.  Auf  einer  Ptiszta  ,  unweit  von 
Hod -Mczö  -  Vasärhely  kommen  die  spärlichen  Reste 
eines  Kirchengebäudes  vor.  Nur  die  halbrunde  Gestaltung 
eines  Tbeiles,  wie  jene  der  Apsis  ist,  und  die  einzelnen  rund- 
bogigen  Öffnungen,  so  wie  auch  ein  ungegliederter,  wenig 
hervorragender  Strebepfeiler,  dürften  etwa  auf  einen  ehe- 
maligen romanischen  Kirchenbau  deuten.  Geschichtlich  ist 
nur  so  viel  bekannt,  dass  der  Ort  sammt  der  Kirche  im 
Jahre  1S66  von  den  Türken  verheert  wurde.  Seitdem  ist 
er  auch  kaum  dem  Namen  nach  bekannt  und  gehört  zu  dem 
weit  ausgebreiteten  Felde  des  oben  genannten  Marktfleekes. 
Es  beanspruchen  solche  in  den  unbebauten  weiten  Puszteii 
Nieder-Ungarns  vorkommende  Ruinen  eben  auch  in  so  ferne 
eine  besondere  Beachtung,  indem  sie  fast  die  einzigen  An- 
haltspunkte bieten  für  die  Topographie  und  Geschichte 
dieser  einst  blühenden  und  bevölkerten,  nun  gänzlich  zu 
Heideland  verödeten  und  selbst  dem  Namen  nach  nicht  mehr 
bekannten  Ortschaften. 

XI.  (Nr.  34.)  „Die  St.  Stephanskirche  zu  Bör- 
zsöny"  (deutsch  Pilsen,  unweit  von  Gran).  Diese 
romanische  einschiffige  kleine  Kirche ,  mit  Apsis  und  Rund- 
bogenfries u.  s.w.  wurde  bereits  in  Szerejlmeys  „Hajdan 
es  Jelen"  vom  Dr.  Henszimann  beschrieben  und  im 
Bilde  mitgetheilt;  worauf  sich  auch  Professor  v.  Eitel- 
berger's  weitere  Angaben  (in  dem  III.  Heft  der  „Mittel- 
alterlichen Kunst  -  Denkmale")  bezichen.  Auf  eine 
gründlichere  Aufnahme  und  Beschreibung  darf  der  Gegen- 
stand noch  inunerhin  rechnen. 

XII.  (Nr.    35.)     „Das   Portale    der   Kirche  zu 
Rudobänya"  im  Borsoder  Coinitat;  mitgetheilt  aus  dem 
unter  der  Presse   belindlichen   ungarischen   Werke  des  S. 
Vereby    „Die   geschichtichen    Denkmale   Ungarns".    Wir 
wollen  dieses  in   seiner  Art   eigenthümliche  Kunstdenkmal 
hier  zugleich  im  Abdruck  mittheilen.  (Fig.  1.)  Es  ist  eigent- 
lich   eine    aus    Eisen  gearbeitete  Kirchenthür  (ob   in  erha- 
bener Arbeit  und  aus  Eisenblech  oder  sonst  wie  gearbeitet? 
vermissen   wir    in    der  Beschreibung).    Die  auf    der   Thür 
dargestellte   Inschrift    wurde  von   dem   bekannten  Epigra- 
phiker    J.   Paür    (verüffentlicht  im  „Magyar  Sajto")    auf 
folgende    Art    gelesen:      „Maria.    Caspar.    Melchior. 
Balthazar".  Die  folgenden  Schriftzeichen  lassen  sich  nicht 
enträthseln.    Wahrscheinlich  sind  es  die  Anfangsbuchstaben 
der  Namen   des  Donators   oder   der  Künstler   etwa.     Wir 
glauben  aber  auch  die  obige  Lesart  auf  folgende  Weise  zu 
ergänzen:   Das  M.  vor  Maria  dürfte   sich  auf  Mater  oder 
Mutter  beziehen;   und  das  in  der  obigen  Lesung  ausge- 
lassene Wort  nach  Maria  ist   „hilf"    zu  lesen,   indem  alle 
Buchstaben  dieses  Wortes  genau  zu  entnehmen  sind,  ausge- 
nommen etwa  das  verzeichnete  oder  umgestürzte  L.   Damit 
wäre  es :  „M  u  1 1  c  r  M  a  r  i  a  h  i  1  f " .  Es  ist  dies  eben  eine  sehr 
gewöhnliche  Anrufungs-Formel  in  der  kirchlichen  Epigraphik. 
wie  sie  auf  den  Glocken  u.  s.  w.  vorkommt :  und  eben  so  bekannt 


ist  die  kirchliche  Sitte,  die  Thür(  n  mit  den  Namen  der  hei- 
ligen drei  Könige  zu  bezeichnen.  Merkwürdiger  scheinen  die 
an  anderen  Feldern  der  Thür  vorkommenden  Gebilde.  Oben 

die  Sterne,die  Sonne 
und  der  H  a  1  b-  und  V  0 1 1- 
mond;  nach  dem  ersten 
Satz    „Maria   hilf"    aber 
das    planetarische    Zei- 
chen, wie  es  scheint  der 
.^^,    Skorpion,     oder    der 
^y^l^^  Pff-'ü-  Bekanntlich  kom- 
^^^^^^^^  men    ähnliche    Gebilde. 
t-^g^  j^\  oft  einen  ganzen  Kalen- 
[(^•^^  der-Cyklus   darstellend. 
.^Sx/^\  meistens  auf  dem  Bogen- 
felde  der  Portale,  an  dem 
sogenannten     Tympanon 
vor  (ausgezeichnete  Bei- 
spiele   aus   Frankreich, 
z.    B.    in     Caumont's 
Abeccdaire).  Die  weite- 
ren, wie  es  scheint,  statt 
liiterpunctionen     einge- 
schalteten Zeichen,  dürf- 
ten   entweder    Wappen 
d;irstellen,  oderauf  Schil- 
der angebrachte   Kiinst- 
lerzeichen    sein ,   ähnlich  den  bekannten  Steinmetzzeichen. 
Die  ausgebildeten  gothischen  Initialen,  so  wie  die  spitzbo- 
gige  Gestalt  der  Thür  lassen  übrigens  keinen  Zweifel  über 
die  Entstehungszeit  des  Kunstwerkes  ,   welches  hiermit  dem 
XV.  Jahrhundert  angehören  dürfte.   Nach   der  beigefügten 
ungenügenden  Beschreibung  sollte  es,  wie  gesagt,  die  Thür 
der    ehemaligen    Kathedralkirche    (!?)    von   Rudobänya 
sein,    welche   jetzt    theilweise    in    Ruinen  darnieder  liegt, 
theilweise    aber    noch    zum    Gottesdienste    der    hiesigen 
reformirten   Gemeinde   dienen    soll.    In   Rudobänya   (so 
heisst   nämlich   der   Ort,     der   in   der   Beschreibung  stets 
fehlerh  aft  Rudnobiinya  genannt  wird)  war  aber  weder  eine 
Kalhedralkirche,    noch    ein   Pauliner -Kloster,    von   dessen 
kunstfertigen  Mitgliedern  diese  Arbeit,  nach  der  Beschrei- 
bung, herrühren  soll.  Der  Ort  war  eine  ehemalige  Bergstadf, 
wie  das  noch  aus  den  verlassenen  Grnlieu,  Schmelzwerken, 
Hammern  und  dergleichen  zu  ersehen  ist;   auch  soll  dieses 
ein  altes   Ortssiegel   (nach  Thiele's  Angabe)   bestätigen. 
Wahrscheinlich    waren    also     die     vormaligen    Einwohner 
deutsche    Bergleute   (die  jetzigen   sind   Ungarn),    und   die 
fleissige  Arbeit    mit   der   deutschen  Inschrift    „Maria  hilf" 
dürfte  nur  von   ihnen  herrühren.    Nebst   diesen    gothischen 
Bauresten  sollen  aber  auch  noch  unweit  von  hier  wieder  die 
Ruinen  einer   alten  Kirche  vorkommen.    Auch  sind  in  der 
ersteren   zwei   ältere  Grabmale   vorhanden,   von  denen  wir 
aber  nichts  Näheres  erfahren.  (Der  Schiuss  foi^i.) 


-    220 


Correspondenzen. 


Wien.  Es  wurde  bereits  milgef heilt ,  dass  die  k.  k.  Centrai- 
Coiiimission  im  laufenden  Sommer  mehrere  Reisen  zum  Zweeke  der 
Erforschung  der  Kunstdenkraale  des  Kaiserstaates  unternehmen  iässt, 
die  auch  Iheils  ein  sehr  ^[lückliches  Ergebniss  srhon  geliefert  haben, 
theils  ein  solches  in  nahe  Aussieht  stellen,  Neueslens  hat  die 
k.  k.  Central-Comniission  den  Beseliluss  gefasst,  durch  den  Professor 
und  Conscrvator  Herrn  Dr.  Erasmus  Woecl  zu  Prag  den  süd- 
lichen Theil  von  Böhmen  und  einen  Theil  von  Mähren  zur  Förderung 
seiner  kunstgesehichtlichcn  Forschungen  in  den  Monaten  August 
und  September  bereisen  zu  lassen,  wodurch  neuerdings  für  die  Puhli- 
cationen  der  k.  k.  Central  -  Coniniission  eine  reiche  und  wichtige 
Ausheute  gewonnen  werden  dürfte. 

Tl'ien.  Der  Wiener  Alterthumsverein  hat  am  2ö.  Juni  seine 
zweite  rieneralvcrsammlung  abgehalten.  Aus  dem  Vortrage  seines 
Präsidenten  Herrn  von  Karajan  haben  wir  mit  Vergnügen  ent- 
nommen, duss  die  Theilnahme  an  diesem  Vereine  sich  immer  erfreu- 
licher gestaltet  und  der  Ausschuss  die  Interessen  desselben  mit 
unermüdetcr  Sorgfalt  fördert.  Bei  der  vorgenommenen  Wahl 
der  drei  statutenmässig  zum  Austritte  bestimmten  Ausschussmit- 
gliedcr  wurden  die  Herren:  Hofrath  Edler  von  Lewinski,  Professor 
Aschbach  und  Herr  von  Wolffarth  beinahe  einstimmig  wieder 
gewühlt  und  an  die  Stelle  eines  gänzlich  zurückgetretenen  Mitgliedes 
Herr  Passy  neu  gewählt.  —  Der  Minisferial-Secrctär  Herr  Jos.  Feil 
hielt  einen  Vortrag  über  die  Publieationen  des  Alterlhumsvcrcines 
mit  Berücksichtigung  der  anderweitigen  archäologischen  Erscheinun- 
gen in  üslerreich,  worin  auch  die  Schriften  der  k.  k.  Ccntral-Com- 
niission  eine  besondere  Beachtung  fanden.  Speeiell  heben  wir  aber 
aus  dem  Vortrage  die  Thatsaehe  hervor,  dass  der  Alterthumsverein 
durch  die  Güte  des  Herrn  Albert  Camesina  in  die  Lage  gesetzt 
wird,  den  ersten  geometrischen  Plan  der  Stadt  Wien,  welcher  im 
J.  i347  von  Bonifaz  Wolmuet  angefertigt  wurde  und  im  Wiener 
Magistrats- .\rchive  aufbewahrt  ist,  herauszugeben.  Derselbe  wird  in 
lithograiiliisclieni  Farbendruck  von  Herrn  Cam  es  i  na  ausgeführt  und 
In  acht  ülättern  erscheinen,  wovon  vier  Blätter  den  Mitgliedern  des 
Vereines  noch  auf  Itechnung  des  zweiten  und  vier  Blätter  auf  jene 
des  dritten  Vcrcinsjahres  nebst  den  laufenden  Publieationen  ausge- 
folgt werden.  Für  die  ältere  Topographie  Wiens  bleibt  diese  Arbeit 
von  ausserordentlichem  Werfhe.  -  Endlich  hat  die  Generalversamm- 
lung beschlossen,  dass  auch  Damen  als  Vereinsmitglieder  aufge- 
nommen werden  können.  Hervorgerufen  wurde  dieser  Besehluss 
durch  mchrfältigc  .\nfragen,  welche  in  dieser  Hiehfung  an  den 
Verein  gestellt  wurden. 

Wien.  Wir  entnehmen  der  „Wiener  Zeitung"  v.  22.  Juli  fol- 
gende Nachricht :  Das  hohe  k.  k.  Ob  ers  tk  änim  ercr  a  m  t  hat  dem 
Herrn  Professor  Karl  Kösncr  auf  sein  Ansuchen  7,u  Anfang  des  Monats 
Februar  die  Erlaubniss  erlheilt,  den  in  der  k.  k.  Schatzkammer  auf- 
bewahrten Burgundischen  Priester-Ornat  zeichnen  und  veröfTent- 
lichen  zu  dürfen. 

Dieser  Ornat  besteht  aus  einer  Casula,  zwei  Dalmatiken,  drei 
Pluvialen  nebst  zwei  Hängeteppichen  und  wurde,  wie  es  scheint,  zur 
kirchlichen  Feierlichkeit  der  Crijndung  des  Hitter-Ordens  des  golde- 
nen Vliesses  verfertigt.  Herzog  I'liilipp  III.  von  Bürgund,  Lothringen, 
Brabant  und  Limburg  etc.  etc.  sliflnte  mit  der  Intention:  „Damit 
christliche  Frömmigkeit  und  der  Zustand  und  die  Wohlfahrt  der 
heiligen  Kirche,  unserer  gcmcinsehaftliclien  Mutter,  und  der  Staat 
selbst  und  allgemeine  Ruhe  und  Sicherheit  aufrecht  erhalten  werde, 
zum  Lobe  und  Ruhme  des  höchsten  und  allmächtigen  Gottes,  unseres 


Schöpfers  und  Heilandes  und  zur  Verehrung  seiner  Mutter,  der 
heiligen  Jungfrau,  auch  zu  Ehren  des  göttlichen  Andreas,  des  berühm- 
ten Martyrs,  wie  zum  Schutze  und  zur  Förderung  unscrs  christlichen 
Glaubens  und  der  heiligen  Kirche,  zur  Tugend  und  Erweckung  und 
Vermehrung  guter  Sitten"  am  It).  Jänner  im  Jahre  des  Herrn  1429 
nach  dem  Ordensstatut  (nach  anderen  1430)  zu  Brügge  hei  Gelegen- 
heit seiner  dritten  Vermählung  mit  Isabella,  der  Tochter  König 
Johanns  I.  von  Portugal,  den  Orden  des  goldenen  Vliesses.  Die 
genannten  Gewandstückc  des  Priester-Ornates  nehst  den  beiden 
Hängeteppichen  sind  ein  Werk  iler  kunstvollsten  Stickerei  in  Gold 
und  Farbe.  Auf  diesen  acht  Stücken  belinden  sieh  2äO  Figuren, 
meistens  Einzelgestaltcn,  und  4  Gruppen,  alle  religiösen  Charakters, 
augenscheinlich  nach  Zeichnungen  von  Johann  van  Eyk,  auch  Jan 
van  Brügge  nach  diesem  seinen  Wohnorte  genannt ,  wo  er  an  dem 
glänzenden  Hofe  Philipp's  lebte,  bis  zu  seinem  wahrscheinlich  1445 
erfolgten  Tode. 

Bald  nach  der  ertheilten  Erlaubniss  von  Seile  des  hohen  k.  k. 
Oberstkämmereramtes  wurden  die  sehr  umfangreichen  Zeichnungs- 
arbeiten des  an  künstlerischer  Schönheit  eben  so  seltenen  als  an 
materieller  Ausstattung  reichen  Ornates  begonnenen  und  die  histori- 
schen Forschungen  eingeleitet.  Die  Copicn  werden  mit  grosser 
Pietät  und  strenger  Genauigkeit  angefertigt ,  die  historischen  Daten 
mit  Sachkenntniss  und  warmem  Eifer  gesammelt. 

Die  Absicht  des  Herausgebers,  Hrn.  Professors  Kösncr,  geht  dahin, 
ein  ganzes  Werk  in  zwei  Lieferungen  herauszugeben  und  zwar  gleich- 
zeitig in  zweierlei  Auflagen.  Die  eine  Auflage  soll  in  einer  beschränkten 
Anzahl  von  Exemplaren  in  Farbendruck  erscheinen,  die  andere  in  reinen 
Contouren,  damit  der  vorwiegend  künstlerische  Theil  desselben,  der 
eine  wahre  Schule  für  christliehe  Malerkunst  und  für  klare  Erkennt- 
niss  derselben  genannt  zu  werden  verdient,  um  massigen  Preis  bezo- 
gen und  in  weite  Kreise  verbreitet  werden  kann.  Die  Ankündigung 
des  Preises  für  beide  Auflagen  nebst  Probe-Exemplaren  wird  erst 
dann  erscheinen,  wenn  die  Arbeiten,  die  schnellmöglichst  vollführt 
werden,  so  weit  vollendet  sind,  dass  die  beiden  Lieferungen,  welche 
das  ganze  Werk  umfassen,  unmittelbar  aufeinander  folgen  können. 

Szf.  niiklos  (Ungarn.)  Wenn  man  von  Wieselburg  auf  der 
Landstrasse  hinunter  nach  Raab  führt,  zeigt  sich  andcrihalh  Stunden 
von  dem  erstbenannlen  Städtchen  abwärts,  dicht  an  der  Landstrasse, 
eine  aus  mehreren  Wirthsehaftsgebäuden  und  Dienerschafts-Woh- 
nungen bestehende,  gegenwärtig  Herrn  Baron  Johann  von  Sina  gehö- 
rige Meierei,  deren  ungarische  Benennung  Bariisföld,  auf  deutsch 
Mönchsgrund,  daher  stammt,  weil  dieser  Platz  zu  der  zu  Anfang  des 
XII.  Jahrhunderts  gestifteten  ßenedieliner- Abtei  Lebeny  gehört 
hat.  —  Nach  Stiftung  des  Collegiums  der  Gesellschaft  Jesu  in 
Raab  wurden  die  nicht  unbedeutenden  Ländereien  dieser  durch  die 
Türkenkriege  verödeten  Abtei  diesem  Collegio  zur  besseren  Dotation 
zugewiesen,  welches  sie  auch  bis  zur  .Vuflösung  des  ganzen  Ordens 
inne  hatte,  wie  denn  auch  nach  Ausweisung  der  Jesuiten  aus  den 
obigen  Gütern,  laut  einer  noch  im  Munde  des  Volkes  bestehenden 
Sage,  ein  alter  Pater  sich  die  Gnade  erbat,  da  er  sich  aus  dieser  ihm 
lieb  gewordenen  Gegend  nicht  trennen  konnte,  seine  letzten  Lebens- 
tagc  in  dieser  Meierei  besehlicssen  zu  dürfen. 

Dem  Allerlliumsforseher  dürften  die  neben  dieser  Meierei  auf- 
geschichteten und  neben  den  Strassengräben  herumliegenden  Trüm- 
mer von  römischen  Dachplatten,  Bruchsteine.  Kalk  und  Mörtelstücke 
auf  den  ersten  Blick  auffallen,  und  bei  einiger  Aufmerksamkeit  sich 
auch  die  Gewissheit  herausstellen,  dass  er  auf  classiscbcm  Boden 
stehe.  —  Schon  die  Unebenheiten  des  Platzes,  die  gegen  die  übrige 


221 


iian?.  tliiclip  limfjegcnil  conti üslircnden  Erliöhunfjcn  und  Verliefuiifrcn 
des  Bodens  zeigen  an,  dass  an  dieser  Stelle  in  der  Rönierzeit  eine 
dieser  befestigten  und  wohlbewaeliten  Orte  gestanden  liahen  mag, 
welche  dieses  gewaltige  Volk  zum  Schutze  der  nacliNieder-Pannunien 
(lurchlaiifenilen  Heerstrassc,  gegen  die  Einbrüche  und  Verheerungen 
der  am  jenseitigen  Donauufer  herumsehwänncnden  Barbaren  in  gewis- 
sen Zwisclicnräumcn  anlegte,  —  denn  noch  eine  ganze  Seite  des 
oberen  Wallgrabens  in  einer  Länge  von  wenigstens  100  Klaftern  ist 
vorhanden,  und  die  Umrisse  von  grösseren  und  kleineren  Gebäuden 
innerhalb  desselben  sind  deutlich  zu  erkennen ;  ja  vor  mehreren  Jahren, 
als  die  l'mgegend  dieser  Meierei  noch  als  Scliiifweide  benutzt  wurde, 
konnte  der  (iefertigte  sogar  mehrere  von  diesem  Platze  sirahlenfiirmig 
auslaufende  Gassen  in  den  Verliefungen  des  Wasens  deutlich  verfol- 
gen, und  die  Bemerkung  machen,  dass  es  ein  ziemlich  bedeutender 
Ort  gewesen  sein  mochte,  wie  denn  hie  und  da  auch  noch  Grund- 
mauern nach  Abhebung  des  Wasens  zum  Vorschein  kommen.  Bei 
Nachgrabungen  innerhalb  des  obengezeigten  Wallgrabens  stösst  man 
überall  auf  Trümmer  römischer  Ziegel  und  Dachziegelplatten,  meistens 
mit  dem  Zeichen  COH'"  A"I  versehen  und  vermischt  mit  den  Frag- 
menten irdenen  Geschirres.  Auch  kupferne  Münzen  aus  der  Kaiscr- 
zeit  werden  sehr  häufig  ausgegraben. 

Nicht  weit  von  diesem  Platze,  seitwärts  neben  der  in  die  gross- 
artigen Zuckerfabriks- Gebäude  des  Freiherrn  von  Sina  führenden 
und  erst  unlängst  angelegten  Strasse,  erheben  sieh  in  einer  kleinen 
Entfernung  von  einander  zwei  massig  hohe  Sandhügel,  dem  Land- 
volke unter  dem  Namen  der  Römerhügel  bekannt.  —  Als  bei  dem 
Baue  der  obigen  Zuckerfabrik  unweit  von  diesen  Hügeln  nach  Bausand 
gesucht  wurde,  und  man  den  Sand  dieser  Hügel  hiezu  geeignet  fand, 
Hess  man  die  schwarze  Erdkruste  von  selben  abgraben,  und  schon 
damals  fanden  die  Arbeiter  ausser  zahlreichen  römischen  Münzen 
verschiedene  andere,  offenbar  der  Bömcrzeit  angehörende  Geräthe, 
als  Dolehe,  Lanzenspitzen.  Fibeln,  Urnen  und  andere  Geschirre:  als 
man  aber  nach  Vollendung  des  Fabriksbaues  den  oberen  und  kleineren, 
durch  das  Sandgraben  verunstalteten  Hügel  auf  mehrere  Fuss  abgra- 
ben und  behufs  einer  englischen  Park-Anlage  planiren  Hess,  zeigte  es 
sich,  dass  derselbe  ein  römisches  Co  mete  riu  ni  sei,  indem  ausser 
zahlreichen  Urnen,  Vasen,  Aschen-  und  Thränenkrügen  auch  mehrere 
gemauerte  Gräber  bei  dieser  Gelegenheit  blossgelegt  wurden,  von 
welchen  das  Eine  noch  ganz  wohl  erhalten  und  geschlossen  war.  Bei 
Eröffnung  desselben  zeigte  sich  darinnen  ein  halb  vermodertes  Ske- 
let,  das  von  einem  anwesenden  Arzte  als  ein  weibliches  erkannt  wurde ; 
von  Schmucksachen  jedoch  war  ausser  einer  Fibel  von  Bronze  gar  nichts 
darinnen.  Die  anderen  Grüfte  waren  bereits  eingefallen  und  in  denselben 
ebenfalls  ausser  den  Resten  vermorschter  Knochen  nichts  enthalten. 
—  Auch  wurden  auf  diesem  Platze  zwei  männliche  Skelete  bloss- 
gelegt, die  noch  in  demselben  Zustande  waren,  wie  sie  der  Erde 
übergeben  wurden,  indem  die  Knochen  noch  fest  an  einander  hielten, 
so  dass  man  sogar  die  auf  der  Brust  gekreuzten  Armknochen  deutlich 
sehen  konnte.  Zu  Häupten  dieser  Skelete  lagen  hei  hundert  Stück 
römischer  kleiner  Kupfer  -  Münzen  (sogenannte  Obolen)  mit  dem 
Gepräge  der  nachstehenden  Kaiser,  als  Constantinus  magnus, 
Co  nstan  ti  nu  s  junior,  Galerius  und  Crispus,  sämnillieh  von 
einerlei  Grösse  und  in  dem  Sande  sehr  gut  conservirt.  Am  zahl- 
reichsten vorhanden  war  eine  kleine  Münze  von  Constantinus 
magnus  mit  der  Urbs  Roma  auf  dem  Averse,  und  der  Wölfin,  Konin- 
lus  und  Remus  säugend,  auf  dem  Reverse.  Die  sämmtlich  von  schwar- 
zem und  rofhem  gebrannten  Thon.  grob  geformten  und  mehrentbeils 
auch  so  verzierten  Urnen ,  Vasen  und  grösseren  Aschenkrüge  waren 
mit  Asche  und  Knoehenstücken ,  die  wegen  ihrer  Kleinheit  und  den 
darin  vorkommenden  kleinen,  wohlerhaltenen  Zähnen  und  Fragmenten 
von  Kinnbacken  —  Kindern  anzugehören  schienen  —  gefüllt  und.  das 
.\lterthuni  abgerechnet,  ohne  sonstigen  Kunstwerth.  —  Es  glückte 
mir,  mehrere  Exemplare  von  den  grösseren  Urnen  und  Vasen,  leider 
nicht  gänzlich  unbeschädigt,  jedoch  in  ziemlich  gulem  Zustande,  zn 
II. 


erhalten,  und  von  den  kleineren  Thongescliirren  viele  Stöcke  der 
mannigfaltigsten  Form  und  verschiedensten  Grösse,  worunter  mehrere 
sehr  zierliche,  sammeln  zu  können.  Auch  kam  ich  in  Besitz  zweier 
römischer  Kochtöpfe  von  grauem  Tlinn.  welche  ebenfalls  mit  Kno- 
ehenstücken und  Asche  gefüllt,  und  mit  einem  kleinen,  robgcformten 
Teller  von  eben  der  Thonmasse  überdeckt,  auf  eben  diesem  Platze 
ausgegraben  wurden.  Die  beiden  Töpfe  sind  von  äusserst  gefiilligor 
Form  und   zeigen  noch  Spuren  ihres  Gebrauches   beim  Feuer. 

Leider  wurde  durch  die  Ungeschicklichkeit  der  Arbeiter  vieles 
zerstört,  und  sehr  vieles  fand  sieh  auch  schon  in  — -vermuthlich  durch 
die  Wucht  der  Erde  — zerscbmelterteni  Zustande  vor.  Diese  Geschirre 
waren  bei  ihrer  Blosslegung  durch  die  .labrhundert  lange  Einwirkuns,' 
der  Feuchtigkeit  so  weich,  dass  man  sie  mit  dem  .Messer  wie  llroil- 
rinde  schneiden  konnte,  und  es  musslc  die  grösste  Behutsamkeit  beim 
Aufheben  derselben  angewendet  werden,  um  sie  nicht  zu  zertrümmern: 
sie  erhielten  jedoch,  eine  kurze  Zeit  der  freien  Luft  ausgesetzt,  als- 
bald ihre  vorige  Härte  wieder.  —  Neben  einem  grösseren  Gefässe 
als  einer  Urne  oder  Vase  .standen  immer  im  Kreise  2,  3,  manchmal 
auch  5  bis  G  kleine  Krüglcin,  welche  wieder,  je  nach  der  Grösse 
der  Krüge,  mit  einer  grösseren  oder  kleineren  Schale  überdeckt 
waren. 

Merkwürdig  ist,  ilass  auf  diesem  römischen  Begräbnisspia (ze 
nur  einzig  und  allein  Münzen  von  Constantinus  magnus.  Con- 
stantinus junior,  Licinius,  Cons  ta  nti  n  u  s,  Crispus  und  Con- 
stans,  und  weder  von  früheren  noch  späteren  Imperatoren  gefunden 
werden,  wo  man  doch  in  der  Umgegend  .Münzen  von  früheren  Kai- 
sern ausgräbt,  was  offenbar  andeutet,  dass  dieser  Hügel  erst  unter 
der  Herrschaft  dieser  Kaiser  zum  Cömeterio  verwendet  wurde.  .Auch 
sind  die  meisten  der  hier  gefundenen  Münzen  von  Kupfer  oder  Bronze, 
und  ist  mir  bisjetzt  nur  eine  einzige  Silbermünze  von  Maximianus 
kleinerer  Gattung  zugekommen. 

Die  diesen  Hügel  uriigebenden  Felder  mussten  übrigens  auch 
zum  ßegräbnissplatze  gedient  haben,  da  man  auf  selben  ebenfalls 
zertrünunerte,  gemauerte  Gräber  fand  und  der  Pflug,  dem  diese 
vielleicht  seit  der  Römerzeit  als  Weide  benützten  öden  Gründe  gegen- 
wärtig anheim  fielen,  alljährlich  Trümmer  von  römischen  Geschirren 
und  kleine  Töjife  in  Menge  an  das  Tageslicht  fördert;  ja  sogar  in  von 
diesem  Platze  entlegenen  Feldern  werden  häufig  Thränenkrüge, 
Fibeln,  riesige  Sporen,  deren  ich  im  Besitze  mehrerer  bin.  Dolche 
und  andere  Überbleibsel  dieses  gewaltigen  Volkes  durch  den  Pflug 
auf  die  Oberlläche  der  Erde  gebracht.  Überhaupt  birgt  jede  Anhöhe 
und  jeder  Hügel  in  dieser  Gegend  derlei  .Uterthümer. 

Leider  hat  der  Alles  ebnende  Spaten  und  Pflug  seit  einem  .lahr- 
zehend  die  früher  in  dem  öden  Hcidelande  kennbar  gewesenen  Spuren 
dieses  untergegangenen  Ortes  dermassen  verwischt,  dass  hiervon 
gegenwärtig  kein  genauer  Plan  mehr,  wie  es  im  Interesse  der  Wissen- 
schall zu  wünschen  wäre,  aufgenommen  werden  kann;  da  ausser  einem 
Theile  des  Wallgrabens  des  l'rätoriums  an  der  Lundstrasse  nichts 
mehr  kennbar  ist,  und  auch  diese  Spuren  sich  unter  dem  Fortschritte 
der  C'ultivirung  dieser  Gegend  jährlich  inuncr  mehr  und  mehr  ver- 
liere[i. 

Wie  dieser  einstens  nicht  uidicdcutende  Ort  geheissen  haken 
mag,  dürfte  eben  nicht  schwer  zu  ermitteln  sein;  meiner  Muthmassung 
nach  scheint  es  das  alte  Altavia,  das  zwischen  Mysium  (das  heutige 
Wieselburg)  und  Arabona  (das  heutige  Raab)  mithin  in  diese  Ge- 
gcnd'zu  sieben  konmit,  gewesen  zu  sein,  und  dessen  Name  daj  eine  halbe 
Stunde  abwärts  von  diesen  Überresten  gelegene  unbedeutende  Dorf 
in  seinem  deutschön  .Namen  „Hochstrasse"  bewahrt,  in  seiner  ungari- 
schen Benennung  „Olevin"  aber,  was  offenbar  das  corrumpirlc  Attavia 
ist,  noch  deutlicher  beurkundet.  Überhaupt  scheint  es,  dass  der 
Ort  entweder  noch  während  der  Regierung  der  conslanfinischen  Kai- 
scrfamilie,  oder  aber  kurz  ilarauf  zerstört  und  gänzlich  verlassen 
worden  sei,  was  der  Umstand,  dass  Münzen  von  früheren  und  diesen 
Imperatoren,    wie  eben   gesagt,   sehr   häufig  ausgegraben  werden. 

31 


222 


Münzen  von  späteren  Hcficntoii  aber  nicht  ircfiinrlen  werden,  zu  heslä- 
ti'.'eii  selieinl  ')• 

A  II  I  II  h   S  I  rii  n  z. 

Civirinlo.  Im  .hilire  ISiiti  miisüte  an  der  Restaiirirnn;,'  nieli- 
rercr  in  Fol^'e  der  iioliliselien  U  irren  des  Jahres  184S  beseliiiiliijfen 
und  stark  niitsenoninienen  Mosaik-Arheiten   Hand  ann;elej;t  werden. 

Itei  dein  Transporte  niiinlicli,  welcher  im  senannlen  .laiire  liei 
der  Llierlassun?  derHiinmllclikeiten  an  das  Militiii-t'ollefiiuin  <;eseliali. 
wurden  viele  Mosaikarlieiten  derinassen  iiliel  ziitreriehlet,  dass  an  don- 
sellien  weder  die  Zeielinnn^,  noeli  die  urspriiniilictie  Kurni  zu  erken- 
nen war.  Diese  deiren-sliincle  niussten  an  zwei  Individuen  zur  liepa- 
ratur  ab^'efieben  werden,  um  sie  im  i\Iuseuni  aufstellen  zu  kiinnen: 
diess  würde  iiucli  iiinsielitlieb  .Aller  freseliehen  sein,  wenn  man  uielil 
durch  (lelilmangel  daran  verhindert  worden  wäre. 

In  üetrefl"  dos  .Ankaufes  neuer  (ieffenstiinde  stellt  sieb  nebst 
der  .4ufliniUin<;  cini;;er  itlünzen,  welche  bei  den  .Arbeiten  unserer 
Landleute  •.illenllialben  zum  Vorschein  kommen,  die  Ausj^abiing  einer 
Ifronzcstatue  auf  dem  sogenannten  .Agro  dei  Villiei  fChiamary),  dem 
Marsfelde  unseres  alten  Porum  .lulii.  als  der  wichtigste  und  interes- 
santeste ['"und  dar. 

Diese  Statue  stellt  eine  schon  sjezeielinete  kriegerische  l'allas 
vor  (wovon  durch  den  Maler  Lui<;i  Mavero  eine  Zeichnung 
von  derselben  Grösse  ausgefübrl  wurde).  Dieselbe  musste  ohne 
Zweifel  auf  dein  l'lalze  aufgestellt  sein,  wo  sieh  die  Tribunen,  um 
Hecht  zu  Spreeben.  versammelten,  und  wo  die  Statuen  der  (^.iilter, 
iler  Imperatoren,  und  die  Kriegs-Abzciehen  aufgestellt  waren. 

Von  unserem  Marsfclde  wissen  wir  a>is  deniComment.  des  l'or- 
liiiiis  zur   Ode  7.    IIb.   III   des   lloraz.    dass  dasselbe  ein    dem  Mars 


geweihter  Ort  war,  wo  sich  die  .lugend  in  militärischen  Kvolutionen 
übte,  worauf  Sebwiiiiiniibiingen  folgten. 

Durch  denselben  erlaliien  wir  auch ,  dass  das  Marsfeld  in  linm 
nahe  an  der  Tiber  war,  und  dass  das  unsrige  im  Westen  der  .Stadt 
lag  und  sieb  bis  an  das  Ufer  des  Naiisonc  gegen  Premariacco  aus- 
dehnte, damit  die  .lugend  von  den  militärischen  l  biingeii  zu  den 
Scbwimmübungen  übergehen  konnte,  wodurch  bewiesen  wird,  dass 
sich  diejenigen  stark  irren,  welche  glauben,  die  S|iuren  iles  alten 
Komm  .lulü  anderswo  aufsiiehen  zu  müssen. 

W'essholh  die  Pallas  von  den  Kriegern  verehrt  wiiiile.  ersehen 
wir  aus  dein  Virgilius.  .\eneis  IIb.  \l.  wo  er  dieselbe  Armiiintciis 
pracuex  hell!.  Trituiiia    X'irijn  nennt. 

Im  Kricgcrcostume  gekleidet,  mit  einem  Helme  auf  dem  Kopfe, 
musste  dieselbe  in  dem  nun  verstiimmelten  rechten  .Arme  eine  Lanze 
und  in  dem  linken  einen  .Schild  tragen.  .Als  Vorsleherin  des  Krieges 
wurde  sie  angerufen,  um  die  l'eindlielien  Krie;;ssebaarcn  zu  Hoden  zu 
werfen  und  zu  zerstreuen. 


Frriiiyc  mann  tclinn  l'hrr/gii  praedn-nis  et  ipstim 
l'rnmun  sienic  solo. 


l'irgil 


Hier  wird  autdie  Irojanischen  Weiber  liini;cdcutet.  welche  in  den 
Tempel  derselben  gingen,  um  deren  Hülfe  gegi  n  dicTroja  belagern- 
den  (Irieehcn  anziitlehen. 

Schliesslich  wird  bemerkt .  dass  ilie  .Aufliiidung  dieser  schöni-n 
»Statue  ein  Beweis  isl,  wie  viele  andere  alte  Montnnente  noch  im 
Sehoosse  dieses  unseres  classiscben  Rodens  begraben   liegen. 

1'.  d'Orlaiidi 


Literarische  Anzeigen. 


Der  .A  I  ter  th  u  ms  ve  rein  zu  Wien  hat  für  die  Mitglieder  des 
zweiten  Vercinsiahres  die  erste  .Abtheilung  des  zweiten  Bandes 
-.einer  „Bericbli'  und  >l  i  t  th  e  i  I  u  n  ge  n"  ( inCommission  der  liucli- 
handliing  l'randel  und  .Meyer)  verülVentlicht.  .An  wissensebafl- 
lichen  Leistungen  bietet  diese  Publication  einen  Aufsatz  von  Jos. 
Sc  b  ei  gcr.  betiteil :  ..Von  dem  Einflus.se  der  Pflanzen  auf  die  Zer- 
störung der  Biiinen-,  eine  .Abhandlung  von  Jos.  Feil:  „Iber  das 
Leben  und  Wirken  des  deographcn  (leorg  Matthäus  Viseher 
und  den  Anfang  einer  historiscb-archiiologiscben  Monographie  über 
„Eggenhurg",  gleichfalls  aus  der  Feder  des  nesebiclitsforschers 
Jos.  Feil,  .An  .Abbildungen  enthält  diese  Ablbeilung  das  Portrait 
des  Gengraphen  Viseher  und  die  Ohoransicbt  der  Kirche  von 
Kggenburg  nach  einer  Zeichnung  des  Architekten  Lippert.  Den 
hohen  praktischen  AVcrIb  des  .Aufsatzes  aus  der  Feder  des  ver- 
dienstvollen Schriftstellers  J.  .Schciger  glauben  wir  am  besten 
dadiireh  anzuerkennen,  dass  wir  denselben  —  ungeachtel  der  i'ülle 
des  lins  znlliessenden  Stoffes  —   in  das  September-  oder  Oetoher- 


'  (  t)a»  ilie.äer  Orl  iit  iler  Itnnierzeit  nielil  unwielilij;  g(;wcseii  sein  mag, 
lieweisl  die  iiielit  weit  dnvnn  lieliiiilliclie  sogenannte  Itöinerseliaiize, 
ein  liiiiiim.  iler  sieh  vom  Klasse  Italinitz  bi.i  an  ille  kleine  Donaii  hinzielil. 
nnil  dessen  Traeen  man  iitieli  heute  .sehr  dcullieh  verfolgen  kann.  Dieser 
Kamm  ist  slellcnweise  nml  zwar  im  Leidener  Moore  noch  so  wohl  erhalten, 
dass  er  von  den  l.aiidlenlen  noch  henli(,'en  Tages  bei  Verfiibriing  ihrer 
Knli-hte  7.111- l>onnu  in  die  .Miihh-n  bi-niil/.l  wird.  Clo-r  den  Zweck  dieses 
niesonliaiies.  der  einige  .Meilen  in  der  Lunge  misal.  sind  die  Meinungen 
*erseliit'ileii ;  die  w;ih)*srlieii>[ieli9tc  ist.  dass  er  /.nr  Iteselilit/iin£r  dieses 
iirles  gegen  die  tlneliwässer  iles  Flusses  Leilha  ge.lieiit  Ik.Ih-ii  mag. 


lieft  der  „Mittheilungcn"  .lufzuncbmen  <lie  Absieht  haben,  um  die 
darin  ausgesprochenen  beherzigenswerthen  Ansichten  und  Wünsche 
den  weitesten  Kicisen  der  Allerlhumsfreiinde  zugänglich  zu  machen. 
Wir  sind  überzeugt,  dass  der  Mahnruf  eines  .Mannes  wie  .Schciger, 
welcher  seif  beinahe  einem  halben  Jahrhundert  mit  Liebe  und  Auf- 
merksamkeit die  Burgen  und  Schlösser  Oslerreichs  betrachtet,  nicht 
unberücksichtigt  Idelben  wird.  — Mit  der  Biographie  des  Geographen 
(!.  M,  Viseher  hat  der  rastlos  für  die  Zwecke  der  Alterlhiinis- 
forschnng  wirkende  Gelehrte  .1.  Feil  i'in<' Fhrensehuld  gelöst,  welche 
auf  der  wissensehafllielicn  Welt  in  Osterreich  rücksichtlicli  eines 
würdigen  literarischen  .Andenkens  an  den  ersten  vaterländischen 
Topographen  lastete  und  welche  J.  Sehniger  vor  mehr  als  zwan- 
zig Jahren  vergeblich  zu  bisen  versucht  hafte.  ,,!''.in  Mann",  schreibl 
Feil  am  Beginne  seiner  Biographie,  „der  im  unglaublich  kurzen 
Zeitraum  von  kaum  zehn  .lahren  drei  Provinzen  mit  einem  Gesnmmt- 
fläehenra\iin  von  nalie  an  tausend  (Jiiadralmeilen  inappirf  und  jede 
bedeiifende  Ortlicbkeit  in  der  Vogelperspeclive  eingezeichnet,  der 
nebsideiu  nahe  an  dreizehnhundert  grössere,  s-br  genaue  Zeich- 
nungen von  beinahe  allen  denkwürdigen  Burgen.  .Schlössern.  Huinen. 
Klöstern,  Kirchen.  Städten.  Märkten.  Dorfern.  Herrensitzen  in  eben 
diesen  Provinzen  mit  grosser  .Sorgfalt  aufgenommen  und  durch  den 
Kupferstich,  wie  eine  nun  schon  bald  zweihundirl  .fahre  alte  Daguerreo- 
typie  jener  drei  Provinzen  der  Nachwelt  überliefert  bat  zum  grossen 
Glücke  eben  noch  wenige  Jahre  früher ,  bevor  iler  letzte  Ver- 
w'üstnngseinfall  der  osmanischen  Barbaren  (I0K3)  hunderte  der  von 
ihm  dargestellten  Orte  niedergebrannt,  die  bei  weitem  grössle  Zahl 
der  Burgen  und  .Schlösser  in  Ituiniii  verwandelt  halte,  ohne  je  wie- 
der aus  diesen  zu  erstehen:  ein   Mann,   iler  dieses   alles  nur   mit 


—  2^;?  — 


karger,  meist  unergiebiger  Gekl-Unicrstiitzung,  blos  mit  eiserner 
Kraft  und  eigenem  eisernen  Willen,  ohne  überall  freiiii(llielier  Ermuii- 
lerung  begegnet  zu  sein,  oft  kaum  mit  der  Hoffnung  auf  Vergütung 
der  wirklich  aufgewendeten  Kosten,  viel  weniger  auf  ehenmiissigc 
Entlohnung  der  künstlerischen  Bemühung,  aus  reiner  uneigennütziger 
Liebe  zur  guten  Sache  unternommen  und  gegenüber  vielliiltigen 
natürlichen,  leider  aber  auch  demüthigenden  und  kränkenden  künst- 
lichen Hinderungen  mit  der  beharrlichsten  Ausdauer  allein  ausge- 
führt hat,  ein  Mann,  der  in  seinen,  wie  an  Uinf:ing.  sii  an  inlensivcr 
Treue  wahrhaft  staunensvverthen  bildliehen  Darstellungen  drei  Kron- 
liindcrn  eine  unschätzbare  Fundgrube  für  deren  ältere  Topographie 
zurüekliess,  ohne  welche  die  dadurch  nun  gebotene  Kennlniss  der 
Vergangenheit  dieser  Provinzen,  zumal  in  der  Eigcnthümlichkeit  der 
liauweisen  an  Kirchen,  Klöstern,  vnrnehnilich  aber  an  den  damals 
noch  zum  grossten  Thciie  wohlerhaltenen  Durgen  und  Schlössern 
für  immer  unwiderbringlich  verloren  wäre,  —  ein  solcher  Mann  der 
Kraft  und  That,  wieG.M.  Visch  er  es  gewesen,  verdient  es  wohl,  dass 
seinem  reichen  Wirken  von  einer  dankbaren  Nachwelt  aus  halber 
Vergessenheit  ein  sorgsameres  Augenmerk  zugewendet  werde."  Bei 
den  dürftigen  Nachrichten,  die  bisher  über  die  Lebensumstände  die- 
ses Mannes  bekannt  waren,  blieb  aber  die  Abfassung  einer  Biogra- 
phie dieses  Gelehrten  keine  leichte  Aufgabe,  und  es  bedurfte  der 
emsigsten  Forschungen  in  den  verschiedensten  Archiven  und  der 
eifrigsten  Unterstützung  von  zahlreichen  Alterthunisfreunden,  um  in 
der  Lage  zu  sein,  ein  mögliebst  vollständiges  Bild  der  Entwickelimg 
undTliätigkeit  Vise  b  e  r's  zu  liefern.  Wie  wohl  noch  manche  Lücken 
iitl'en  bleiben  mussten,  so  genügt  übrigens  schon  diese  Darstellung, 
um  mit  Bewunderung  auf  die  unter  den  ungünstigsten  Umstanden  zu 
Tage  geförderten  Resultate  der  Arbeiten  Viseher's  zu  blicken  und 
daraus  die  llberzeugung  zu  schöpfen,  dass  wir  in  unseren  Tagen  — 
trotz  der  reicheren  Mittel  und  der  erleichterten  Communicationen 
kaum  den  Mulb,  die  .\usdauer  und  Selbstverläugnung  besitzen  wür- 
den, solch  ein  reiches  Materiale  für  die  Geschichte  unseres  Vater- 
landes zu  hinterlassen.  Was  aber  der  gediegenen  Abhandlung  Feil's 
noch  einen  besonderen  Werth  verleiht,  ist  die  „Übirsieht  der  von 
Vi  scher  erschienen  Werke",  welche  der  Biographie  vorangeht  und 
wodurch  man  endlich  vor  buchliändlcrischen  Speculationon  geschützt 
wird.  Fisch  er"s  Karten  und  Topographien  kommen  bekanntlich  immer 
seltener  und  am  seltensten  in  vollständiger  Sannnlung  im  Anliquar- 
buchhandelvor.  und  wenn  hie  und  da  die  Ankündigung  einer  seiner  Topo- 
graphien erfolgte,  hatte  man  bis  jetzt  nie  eine  sichere  Grundlage,  um 
zu  beurtheilen,  was  das  vollständige  Exemplar  einer  Topographie 
enthalten  müsse.  Von  unseren  Alterthumsforsehern  dagegen  beiian- 
dellen  manche  diese  Frage  als  den  „Stein  der  Weisen",  gebeimniss- 
voll  und  aehselzuckend  erwiederten  sie  jede  Anfrage  und  wollten 
nicht  jeden  gemeinen  Sterblichen  in  die  Kunst  einweihen,  vor  man- 
gelhaften Exemplaren  Vis  eher'scher  Karten  und  Topographien 
sicher  zu  sein.  Die  von  Feil  gelieferte  Literatur  ist  nun  ein  ver- 
lässlicher und  kostbarer  Wegweiser  auf  diesem  Gebiete,  und  jeder 
Freund  der  vaterländischen  Alterthuniskunde  wird  dem  verdienst- 
vollen Gelehrten  dafür  gewiss  den  grüssten  Dank  zollen.  Das  der 
."Abhandlung  beigegebenc  Portrait  Viseher's  ist  gut  ausgeführt. 
Auf  „Egge  nburg"  können  wir  erst  nach  dem  Erscheinen  der  zwei- 
ten Al)lbeilung  des  zweiten  Bandes  näher  eingeben,  und  wir  bemer- 
ken nur,  dass  die  Choransieht  der  Kirche  uns  noch  inelir  befriedigen 
würde,  wenn  die  Tafel  weniger  maleriseb  gehalten  und  KggcTiburg 
mehr  in  den  Vordergrund  gestellt  wäre. 

Der  Direetor  des  ungarisclien  Nationalmuseums  Herr  August  v. 
Kubinyi  hielt  am  7.  April  dieses  .lalires  in  der  Sitzung  der  unga- 
rischen Akademie  einen  Vortrag  über  die  ..Szek  szä  rd  er  .Mter- 
thümer",  welche  er,  in  deutscher  und  u  ng  arisch  er  S|iracbe 
in  Druck  gelegt. Sr.  k.  k. apostolischen  Majestätgewidmetund  bei  der 
Anwesenheit  Allerhöclistdesselben  in  I'est  überreicht  hatte.  Das  kleine 


Werk,  prachtvoll  ausgestattet  und  mit  mehreren  Farbcndruekfafeln 
versehen,  ist  sehr  heachlenswerth.  Die   „Szekszärder  Alterthümer" 
bezichen  sieh  vorzugsweise  auf  einen  Fund,  der  am  23.  April  i84i»  in 
Szekszärd,  dem  römischen  Alisca,  in  einer  Tiefe  von  2"  2'  gemacht 
wurde   und   in  einem  grossartigen  Sarkophag  bestellt,   welcher  von 
dort  nach  Pest  geschickt  und  in  dem  .Museum  aufgestellt  wurde.  Der 
Sarkophag,  aus  weissem,  parischem  Marmor,  besieht  aus  zwei  Theilen. 
nämlich  aus  dem   eigentlichen   Sarge  und  dem  Deckel,  welche  an 
den  Theilen  gegen  Norden   und  Süden  mit  starken  eisernen  Ilaken 
versehen  und  mit  Blei  eingegossen,  an  dem  Rand  aber  mit  Kitt  zu- 
sammen gehalten  waren.    Die  Länge  des  Sarges  beträgt  7',  die  Höhe 
sammt  dem  Deckel  4'  ..':    an   der  Vorderwand  des  unteren  Theiles 
des  Sarkophagcs  sind  in  Basrcliefbildern  Amor  und  Psyche  zu  sehen: 
in  dem  Winkel  des   Deckels  sind  Basreliefsbrustbilder  neben  einem 
mit  Früchten  gefüllten  und  neben   einem  leeren  Korb.   An  dem  un- 
teren  Theile    des   Sarges   gegen    den  Kopf  auf  einem    mit  rother 
Kreide  bemalten  (Jrunde   sitzt   Apollo  auf  einem  Stuhle,  in  seiner 
linken  Hand  eine  Lyra  haltend,  deren  Saiten  sammt  seinen  herab- 
hängenden Haarlocken  bei  Entdeckung  des  Sarkophages  vergoldet 
waren.  Vor  ihm  schleift  der  phrygische  Jüngling  sein  Messer,  um 
den  an  den  Weidenhaum  gebundenen  .Alarsyas  zu  schinden.    Gegen 
die  Füsse   zu   sind   in    Basrelief  ferner   zwei   in    einander   gestellte 
Gefässe  mit  Blättern  undTrauben.  Auf  einer  anderen  Seite  des  Deckels 
vom  Sarkophage  ist  an  dem  einen  Eck  ein  junger  Männerkopf,  an 
dem  andern  ein  mit  Früchten  gefüllter  Korb;  an  einer  anderen  Seite 
des  Deckels  in  den  Ecken  ebenfalls  ein  solcher  Korb  und  ein  Delphin 
zu  sehen.  Der  ganze  hintere  Theil  des  Sarges  entbehrt  jeder  Figur 
und  ist  grob  gemeissclt.    Unter  den  13  Geräfhen,  welche  im  Sarge 
gefunden  worden,    waren  sehr   merkwürdig  die  Bruchstücke  einer 
Glassehale,  die  nun  zusammengefügt  ein  Glasgefäss  mit  griechischer 
Inschrift  bilden.    Die  Höhe  des  (iefässes  beträgt  sanunt  den\   Posta- 
mente 4' a".   der  Durchmesser  der  .Mündung  6".    Unten  dienen  drei 
Schneeken   und    drei  ganz  hervorstehende  Delphine  mit  geöffnetem 
Rachen   als  Postament.    Den    Unlertbeil   des  Gefässes   beim   Boden 
umgibt  ein  geschmackvoll  verzierter  Rand.    An  der  äusseren  Mitte 
des  Gefässes  ist  eine  aus  grossen  griechischen  Buchstaben  bestehende 
Umschrift  zu    sehen,   zwischen  welchen  ein  Zeichen   angebracht  ist. 
das  wahrscheinlich    zum    Zweck   hat,    den    Anfang     der  Umschrift 
leichter   aufzufinden.    Von  der  Umschrift    fehlen  zwar  fünf    Bueh- 
slaben  und  ein  Theil  des  T.    Herr  v.  Kubinyi   hat  indess  den  Sinn 
leicht  zu  entzitfern  gewusst  und   die  Umschrift  lautet:  AFJltE  Tfi. 
ttOIMENI.  HIE.  ZnSAlS.    Auf  lateinisch:  Liha  pastori.  hibe  vives, 
und  in  deutscher  Übersetzung:    ..üpIVc   dem    Hirten,   trinke  und  du 
wirst  leben."    Im  nächsten  Hefte  wenlen   wir   im   Holzschnitte  eine 
Abbildung  dieses  Glasgefässes  bringen  und  dabei  die  Beweggründe 
anführen,   welche  Herrn  v.  Kubinyi  bestimmen,   aus  dem  Sinne  der 
Umschrift  zu  erkennen,   dass  dieses  Gefäss  zur   Erinnerung 
an  ('hri  stus  vor  ter  tigt  worden  s  ei.  und  die  fraglichen  .Mler- 
thümcr  aus  dem   dritten   oder   vierten  Jahrhundert  des 
Cliristenlhunis,  mithin  aus  einer  Zeit  stammen,  wo  sich  in  dem  dama- 
li^'cn   Panonien   nur  noch    wenig  l'hristen  befanden. 

Von  den  „ni  i  1 1  e  1  a  I  t  e  r  I  i  c  h  e  n  li  a  u  d  e  n  k  m  ä  1  e  r  n  N  i  e  d  e  r- 
Sacbscns",  herausgegeben  von  dem  Architekten- und  Ingenieur- 
Verein  des  Königreichs  Hannover  liegt  nun  das  zweite  Heft  vor. 
Dasselbe  enthält  die  Beschreibung  und  Zeichnung  der  Kirche  des 
kaiserlichen  Stiftes  zu  Königslutter,  der  Krypta  und 
der  Kirchcnruinc  des  vornuiligen  Augustinerklosters  zu 
Riechenherg  hei  (loslar,  unil  der  Kirche  zu  N  i  ko  1  a  u  s  be  rg 
bei  Göt  tingcn.  Von  denselben  sind  die  beiden  ersteren  Bauwerke 
die  ungleich  wichtigsten  und  interessantesten  für  die  .Xrcbltectur- 
geschichle.  un<l  insbesonders  die  Würdigung  der  prächtigen  Pfeder- 
basiliea  des  kaiserlichen  Stiftes  Königslutter  wurde  bisher  nur 
iinirern  vcrmissl.     Kirche   und  Kloster  ist   eine  Gründung  des  Königs 

■:.\° 


224   — 


l.olhiir  aus  dem  Jaliro  II3Ö,  um!  ersterc  eiiio  l'l'eileihasilica  mit  einer 
Uoppcllluiimaiilage  im  Westen  u[id  einem  aus  drei  Quadraten  {gebil- 
deten QuerscliilTe  gegen  Osten,  über  welches  sich  hinaus  Mittel-  und 
SeitensohifTe  in  gleieher  Lange,  und  zwar  um  ein  Quadrat  des  Mittcl- 
sehilTes  hinaus  erstreeken.  Mittel-  und  Seitenscliille  seliliessen  im 
Osten  mit  Absiden  und  zeigen  die  seliiinsten  ryihmisehou  Veiliältnisse. 
Während  das  Langhaus  ursprünglich  für  tlaclie  Holzdet-ken  angelegt 
und  ausgebildet  ist .  sind  Querschifl'  und  Chor  in  einfacher  schöner 
Weise  auf  die  Anlage  von  Kreuzgewölben  bereehnet,  und  die  Wöl- 
bung ist  dergestalt  ausgeführt,  dass  die  Hau[)tgurfen  der  Kreuzes- 
vicrung  mit  vorspringenden  ITeilern  f;ctragen  werden.  Das  Langbaus 
erhielt  erst  im  XVII- .lalnhundert  eine  Wölbung ;  dagegen  sind  die 
u  rsprüngliehen  Gewölbe  des  Querschiffes  und  Chors  noch  heute 
vorhanden.  Die  Gliederungen  der  Kämpfer,  Gurten  und  Basen  sind 
überall  einfach,  aber  von  guten  Verhältnissen.  hnp».sant  ist  der  liin- 
druek  des  .\ussereii  der  Kirche  durch  die  glücklich  in  .Anwendung 
gebrachten  Verhältnisse,  während  die  Cborpartie,  namentlich  aber 
die  Chornische  selbst  durch  kraftvoll  profilirtc  Gesimse,  Bogenfriese. 
Consolen ,  Säulencapitäle  und  dureb  höchst  interessante  plastische 
Darstellungen  ausgezeichnet  ist  M.  Kine  Eigenthümlichkeit  besitzt 
die  Kirche  noch  an  dem  noidwe.stliclien  l'iirtale,  des.sen  dreifach 
geschwungener  Bogen  an  den  beiden  Knickpunklen  durch  Säulen 
gestützt  wird,  die  auf  liegenden  Löwen  ruhen.  Ktwas  sliefmütier- 
licli  sind  die  Thürnie  behandelt,  indem  hier  die  ganze  Masse  unge- 
gliedert in  der  viereekit;en  Gestalt  bis  zur  Firsthölie  des  iMittelschill- 
daches  sich  erhebt,  wo  dann  die  etwas  zu  kurzen  achteckigen Tburm- 
aufsätze  beginnen.  Das  ganze  Werk  ist  ein  Quaderbau  aus  Sandstein. 
.An  die  Südseite  der  Kirche  schliesst  sich  der  malerische  Kreuzgang, 
welcher  besonders  ausgezeichnet  ist  durch  seinen  ornamenlalen 
Keichthum,  so  dass  bedauert  werden  muss,  dass  aus  der  romanischen 
Periode  nur  zwei  Flügel  erbalten  sind.  Geräumiger  als  sonst  ist  der- 
selbe hier  zweischiffig  angelegt  und  mit  Kreuzgewölben  aus  dem 
Halbkreise  geschlossen.  Die  Fenster  sind  durch  eine  Miltelsäule 
irelheilt  und  zeiiien  zwei  rundbogige  Öffnungen  mit  einem  geschlos- 
senen Bogenfelde ;  an  mehreren  Stellen  ist  das  letztere  durchbrochen 


')  l'nler  den  plastischen  I)arstellnn«^pn  erregt  i^.^beson(^ere  die  Darslellunjr 
einer  J»s^«i  mif  ei^enliiiiniiiclien  Rpisndcn  in  den  Bo^enfetdern  des  Kuud- 
hogenfi  ipses  an  der  An-ssenseite  der  «^^rossen  Chornische  Aufnierksanikeit. 
All  den  heiden£ndcn  desßogenl'rieses  beginnt  sie  mit  einem  Jiij;:er,  dessen 
Ihinde  dem  Wilde  nue)iset/.l.  In  dem  einen  Bi>gen  sieht  man  einen  Hund 
im  K:tmpfe  n>it  dem  Wilde;  in  dein  andern  einen  Mann  mit  einem  Hasen 
auf  dem  Itiieken.  In  der  .Mitte  der  Apsis  ist  der  Jäger  auf  dem  ßnden 
gestreckt,  während  zwei  Hase»  auf  ihm  sitzen  tmd  mit  Stricken  seine 
Hände  hinilen.  linuinspeetor  Hase,  welcher  den  Text  zur  obigen  Be- 
sehreibung geliefert ,  gibt  dieser  Darstellung  die  symbolische  Bedeutung 
des  verfolgten  und  zuletzt  siegenden  Christenlhiniis,  während  Sehn  aase 
darin  nur  eine  .,Jflgd  mit  komischcu  Episoden**  ((ieschiehte  der  bildenden 
Künste  V.  74)  erblickt.  Jagdseenen  sind  bekaunllieh  au  mitlel;illej|iehen 
Kirchen  keine  seltene  Krsehcinung,  aber  es  wäre  allerdings  zu  weit  ge- 
gangen, wollte  man  jeder  derselben  eine  symbolische  Deutung  gehen. 
Auch  bei  der  vorliegenden  llarstellung  ist  es  niehl  so  leicht,  sieh  für  eine 
symbolisehe  Deutung  und  am  wenigsten  für  die  von  Bauiiispeelor  Hase 
gewiihlle  auszusprechen,  weil  das  h'er  verfolgte  Thier  in  der  mittelaller- 
liehen  Symbolik  gewöhnlieh  den  rnglauhen  oder  den  Teufel  repräsen- 
lirt  und  mithin  ein  Sieg  des  letzteren  dargeslellt  wäre.  (Vgl.  über  Jagd- 
seenen  im  .Mittelalter  auf  Srulpturen  Dr.  ß.  Heider's  Werk;  „Die 
romanisehe  Kirrhe  zu  Sehöngrahern  in  Niederösterreieh  (Wien  18ää). 

K.   W. 


von  zwei  kleinen  Fenstern  im  Klecblattbogcn.  Marmigl'altig  und  in 
höchst  eleganten  Formen  ist  die  Ornauienlation  der  Säiilencapiliilcben. 
Kinem  der  in  süehsischen  Kirchen  hüulig  vorkommenden  Fülle  begeg- 
nen wir  auch  hier,  dass  bei  den  grossen  Säulenseliäften  eine  plastische 
Verzierung  angewendet  ist.  Statt  der  Wandpl'cilcr  oiler  llallisäulcn. 
welche  die  Ueilie  der  Mittelsuulen  seliliessen  sollten,  ist  hier  abermals 
eine  Besonderheit,  indem  eine  sitzende  Figur  statt  des  Pfeilers  das 
Gewölbe  trägt.  —  Die  Krypta  der  ehemaligen  Klosterkirche  zu 
R  ic  eben  b  erg  ist  in  so  ferne  von  grösserem  Interesse,  als  damit  eines 
der  wenigen  Beispiele  von  derartigen  Anlagen  aus  dem  zwiilfteii  .lahr- 
liundcrt  vorgeführt  wird,  welclic  noch  vollkommen  gut  sind.  Sic  ist 
dreischilVig;  das  MiltelschilV  wird  durch  je  drei  freistehende  Säulen 
von  den  Seitenschiffen  getrennt  und  ist  gleich  nie  diese  mit  Kreuz- 
gewölben ohne  Gurtbögen  überwölbt,  die  Gewölbe  sitzen  an  den  l'm- 
fassungsniauern  auf  Wandsäulcn  auf.  .An  der  Oslselte  ist  die  Krypta 
im  Halbkreise  abgoscblnssen  und  in  der  gewöbnliclicn  einfachsten 
Weise  durch  Einziehung  dieses  Ilaihkreises  nach  innen  Kaum  znr 
.Anlage  der  Altarnische  gewonnen.  Drei  ähnliche,  aber  weniger  grosse 
Nischen  befinden  sich  in  der  westlichen  Mauer.  Den  so  umschlossenen 
Itauiii  erhellen  hinten  kleine,  naili  innen  wie  nach  aussen  scbniiegiscli 
erweiterte  Fenster  —  je  zwei  an  den  Seiten  und  drei  in  der  Cbor- 
Itundung.  Die  Wölbungen  sind  im  Rundbogen  ausgeführt:  eine 
besondere  Eigenthümlichkeit  ist  die  Behandlung  der  Wandsäulen, 
welche,  als  Halb-  oder  Vicrtelsäulcn  gelormt.  in  der  Chor-Bunduiid 
so  wie  an  der  wesilicben  Wand  gleiche  Höhe  mit  den  freistehenden 
Säulen  haben,  während  dieselben  an  den  beiden  Langwänden  auf  einen 
durchlaufenden,  etwa  1'  4"  hohen  Sockel  ruhen  und  um  dieses  Ma.ss 
daher  kürzer  sind.  Sehr  mannigfaltig  sind  die  Säulen  gestaltet.  Die 
Basen  zeigen  die  attische  Gliederung;  die  Schäfte  eine  polygone 
l'rofilirung  und  die  Capiläle  meist  die  Würfelform,  jedoch  mit  phan- 
tastischen Sculpturen.  —  Von  der  Kirche,  welche  sieh  über  der 
Krypta  erhob,  sind  nur  mehr  Bruchstücke  vorhanden;  die  Beschrei- 
bung und  Abbildung  derselben,  welche  von  Herrn  C.W.  Hase  abge- 
sondert geliefert  wurden,  bieten  jedoch  weniger  Anhaltspunkte  zur 
Charakteristik  inleressanfcr  Einzelnheiten.  —  Die  .Abbildung  des 
vierten  Baudenkmales,  welches  in  diesem  Hefte  vorgeführt  wurde, 
betrifft  die  Kirche  zu  N  i  ko  I  a  usbc  rg  in  tj  ö  Hingen.  Die  tlrün- 
dung  der  Kirche  fällt  in  das  XI.  oder  XH.  Jahrhundert;  aus  dieser 
Zeit  sind  jedoch  nur  wenige  Thcile  vorhanden,  und  es  ist  nur  inte- 
ressant, zu  verfolgen,  wie  die  Iberreste  einer  l'feilerbasilica  in  einem 
gothischen  Bau  des  XV.  .lahrhunderts  umgestaltet  wurden.  Dem 
Hefte  sind  im  Ganzen  t!  Tafeln  und  einige  Holzschnitte  beigegeben, 
welche,  wie  nicht  zu  läugnen  ist,  mit  grossem  Verständnisse,  aber  mit 
nur  geringem  Geschmacke  ausgeführt  sind.  Für  das  Studium  der 
sächsischen  Kirchcnbaulcii  bleibt  indess  diese  l'ublication  jedcnl'all.s 
sehr  enipfchlenswcrtli  und  belehrend. 

Als  neue  Erscheinung  im  deutschen  Buchhandel  kündigen  wir  an: 
„D  i  e  K  i  r  c  b  e  zu  (Crosse  n-L  i  n  d  e  n  b  ei  (^i  i  e  s  s  c  n .  in  Oberhessen. 
Versuch  einer  historisch-sjmholischen.Ausdeulun;;  ihrer  Hau  formen  und 
ihrer  Portal-Reliefs,  oder  verf;leichende.  durch  all  kirchlicb-hicrogly- 
phisehe  Sculptur  veranlasste  Beiträge  zur  Kunde  und  zum  Verständ- 
niss  der  Vorzeit,  zunächst  der  vaterländischen,  von  Joh.  V.  Klein." 
(Giesen  IS.'iT.)  Wir  müssen  für  heute  uns  darauf  beschränken,  das- 
selbe als  ein  „Curiosum"  zu  bezeichnen,  das  leider  zeigt,  wofiin 
irrige  Anschauungen  und  gewaltsame  Deutungen  ohne  ein  reli- 
giöses und  culturgeschichtliches  Verständniss  und  ohne  eine  wissen- 
schafflicbe  Kritik  in  dcrmilfehiKcrlichen  .Symbolik  zu  führen  vermöjjen. 


Aus  liiT  k.  k.   Hof-  und  Staatsdruckerei. 


Jeden  Monat  erscheint  i  Heft  zu 
I  bis  2  Druckbo^'en  mit  Abbil- 
dungen. 
Der  PränumorationFpreis  ist  für 
einen  Jahrgang  oder  zwölf  Hefte 
nebst  Register  sowohl  für  Wien 
als  die  Krunläiuler  und  dns  Ausland 
A  Ü.  C.  AI.,  bei  p  0  r  t  o  fre  i  e  t' 
Zusendung  in  die  KrunlandtT  der 
österr.  Monarchie  4  11.  20  kr.  C.  M- 


MITTHEILUNGEN 


DEH  K.  K.  CENTRAL- COmilSSION 


Prä  n  n  m  e  r  a  t  i  OD  e  n  übernoh- 
men  halb-  oder  g  a  u  tj  ä  b  r  i  g 
allek.k.  Postämlfr  der  Monarchie, 
welche  auch  die  portofreie 
ZnsonduDg  der  eiozetoeD  Heftf 
besorgen.  —  Im  Wege  de»  Bueb- 
handeU  »iod  alle  Prinumerationen 
und  zwar  nur  zn  dem  Preise  ron 
4  (I.  an  den  k.  k.  llofbucbhäDdler 
W.  BraQmülleriaVicn  zu  richten. 


ZUR  mmm%  Li 


Herausgegeben  unler  der  Leiliiiig  des  k.  k.  Seclions-Cliefs  und  Präses  der  k.  k.  Ceniral-Commission  Karl  Freiherrn  V.  Tzoemii:. 


Redacteur:   Earl  Weiss. 


N°=  9. 


IL  Jahrgang. 


Seplemlipr  i8o7. 


Inhalt:  Die  Reslauralion  des  St.  Stephans -Domes  in  Wien.  —  Die  Verthei(iifi;un;,'skirclien  in  Siebenbürgen.  —  Die  Kroninsisrnien 
Böhmens.  —  Der  Elisabeth  -  Dom  jax  Kaschau  in  Ungarn.  —  Die  archäologischen  Publicationen  ungarischer  Zeit- 
schriften. —  Der  Tassilo  -  Kelch  nebst  Leuchter  zu  Kremsmünster.  —  Notiz.  —  Corrcspondenzen.  . —  Literarische 
Anzeige. 


Die  Restauration  des  St.  Stephans-Domes  in  Wien. 


Nach  laiigdaueriuler  Gleichgiltigkeit,  nach  einer  Zeit, 
die  es  nicht  bloss  verscliinähte,  die  kostbarsten  Werke  der 
alten  monumentalen  Kunst  zu  erhalten,  sondern  die  selbst 
ohne  Seilen  und  Zagen  Hand  anlegte,  sie  zu  verstümmeln 
oder  durch  Zu-  und  Umbauten  zu  verunstalten,  zeigt  sich 
auch  in  Österreich  ein  immer  lebhafteres  Interesse,  eine  immer 
breitere  Wurzel  fassende  Rührigkeit  in  der  Erhaltung  der 
hervorragendsten  Kunstdenkmale  des  Kaiserstaates.  Ist  die- 
ses Durchdringen  einer  wahrhaft  edlen  Gesinnung,  einer 
ernsten  weihevollen  Pietät  auch  zunächst  das  Ergebniss  des 
mächtigen  Impulses,  welchen  seit  mehreren  Jahren  die  Re- 
gierung in  dieser  Richtung  gegeben,  indem  sie  wie  kein 
zweiter  Staat  in  Deutschland  eine  Institution  ins  Leben  rief, 
deren  wesentliche  Aufgabe  mit  der  Regenerirung  der  christ- 
lichen Kunst  zusammenfiel ,  kommen  ferner  hiebei  auch  die 
Restrebungen  jener  Männer  mit  in  Retracht,  die  seit  Jahren 
in  Österreich  in  stiller  Thätigkeit,  ohne  die  geringste  Unter- 
stützung, ohne  die  leiseste  Anerkennung  gearbeitet,  um  das 
Verständniss  der  mittelalterlichen  Kunst  in  weiteren  Kreisen 
zu  verbreiten  — so  kann  doch  nicht  geleugnet  werden,  dass 
diese  Restrebungen  durch  den  grossen  Aufschwung  des 
kirchlichen  Lebens  in  Österreich,  durch  das  Hinlenken  der 
Geister  auf  die  Rlüthecpoche  christlicher  Regeisterung  einen 
sehr  kräftigen  Stützpunkt  gefunden  zu  haben.  Denn  es 
genügt  wohl  auf  diesem  Gebiete  weniger  als  auf  jedem 
anderen  die  Form  allein  zu  bewundern,  welche  ein  Kunst- 
werk geschaffen  hat,  sondern  es  ist  eben  so  unerlässlich 
den  Geist  zu  erfassen,  der  es  ins  Leben  rief,  die  Redingun- 
gen  zu  kennen,  unter  denen  dasselbe  entstanden  ist.  Wer 
beides  ergründet,  kann  erst  sagen,  dass  er  ein  Kunstwerk 
zu  würdigen  im  Stande  ist.  Ihm  wird  aber  insbesondere 
II. 


erst  das  Wesen  der  mittelalterlichen  Kunst  klar  und  ver- 
ständlich werden,  welche  in  ihrer  Rlüthezeit  beinahe  aus- 
schliesslich von  religiösen  Anschauungen  erfüllt  war  und 
es  wird  für  ihn  Manches,  was  vom  Standpunkte  rein  ästhe- 
tischer Kunstkritik  als  Spielwerk,  als  Fratze  oder  als 
Ausgeburt  einer  ungebundenen  Phantasie  erscheint,  sodann 
Sinn  und  Redeutung  erhalten. 

In  die  Reihe  der  hochherzigen  Acte  kaiserlicher  Muni- 
ficenz,  welche  das  In-  und  Ausland  innerhalb  eines  Jahres 
in  Angelegenheit  der  Erhalluiig  der  monumentalen  Rauwerke 
Österreichs  zu  bewundern  Gelegenheit  hatte,  tritt  nun  ein 
neuer  edler  Act  Seiner  k.  k.  Apost.  Majestät:  die  Restau- 
ration des  St.  Stephans-D  omes  in  Wien. 

Seit  Jahren  blickten  schon  unsere  Kunstfreunde  tief 
bekümmert  auf  die  immer  neuen  Erscheinungen  seines  sich 
vorbereitenden  Verfalles.  Jener  Dom,  dessen  Gründung  in 
die  Epoche  fällt,  wo  Wien  noch  in  der  Wiege  seiner  nach- 
maligen Grösse  lag  und  welcher  in  dem  Masse  sich  ver- 
grösserte,  je  mehr  Wien  an  Macht,  Glanz  und  Au.'idoluuing 
zunahm,  jenes  Werk,  an  dessen  Formen  wir  der  Kunstent- 
wicklung von  drei  Jahrhunderten  —  von  Jasomirgotf  bis 
Ma.x  I.  —  zu  folgen  im  Stande  sind,  das  ruhmvolle  Erbe 
der  Frömmigkeit  unserer  Fürsten,  der  Stolz  und  die  Liebe 
der  Heimath,  das  Wahrzeichen  der  Grosse  Wiens  —  «ar 
nahe  daran  —  das  Schicksal  der  meisten  deutschen  Dome 
zu  thfiilen  und  sich  langsam  zu  zerbröckeln.  Die  Gefahr 
erschien  zwar  nicht  so  gross  wie  bei  den  Domen  zu  Speier. 
Worms  u.  s.  w.,weil  eine  geordnete  Kirchenverwaltung  von 
Jahr  zu  Jahr  Sorge  trug,  die  nothwendigsten  Gebrechen  zu 
beseitigen,  aber  die  Mittel  reichten  schon  lange  nicht  mehr 
hin,  um  zu  einer  gründliehen,  systematischen  Ausbes.serung 


226 


schreiten  zu  kijnneii,  man  verbesserte  eben  so  gut  es 
ging,  Jumit  die  eoiistructiven  Tlieile  des  Domes  erhalten 
lilicben,  an  eine  Ergänzung  der  fehlenden  Theile  seines 
inneren  und  äusseren  Suhnuickes,  an  eine  Beseitigung  der 
modernen  Zubauten,  weiche  in  so  holiem Grade  den  ernsten 
und  würdigen  Eindruck  des  Domes  schwäclien,  konnte  nicht 
im  Entferntesten  gedaclit  werden. 

Desshalb  war  auch  schon  vor  mehr  als  zehn  Jahren 
die  Aufmerksamkeit  der  Künstler  und  Kunstfreunde  auf  eine 
gründliche  Restauration  des  Domes  gerichtet.  Dass  dieselbe 
nicht  früher  zu  Stande  kam,  darf  im  Grunde  genommen 
nicht  beklagt  werden,  wenn  man  die  Anschauungen  kennt,  die 
>(U'wenigon.Iahren  über  die  monumentale  Baukunst  in  Wien 
herrschten  und  leider  noch  jetzt  in  manchen  Köpfen  sich  fort- 
gepflanzt haben.  Man  würde  damals  ohne  Zweifel  dieselben 
Feiilgriffe,  dieselben  Abnormitäten  zu  Tage  gebracht  haben, 
wie  in  Deutschland  und  selbst  in  Frankreich,  wo  doch  schon 
.si'it  zwanzig  Jahren  das  Studium  der  mittelalterlichen  Kunst 
die  Aufgabe  jedes  gebildeten  Architekten  war.  Es  ist  ein 
(jjiick,  dass  sich  diese  Angelegenheit  hei  uns  insolange  ver- 
zögert bat,  bis  das  Studium  der  Archäologie  die  nöthigen 
Vorarbeiten  geliefert,  und  den  Boden  zu  erforschen 
begonnen  hat,  auf  welchem  die  mittelalterliche  Bau- 
kunst ihre  Stützen  suchte  und  fand.  Jetzt,  wo  die  Kennt- 
iiiss  der  mittelalterlichen  Kunstschätze  des  Kaiserstaates 
sich  von  Tag  zu  Tag  erweitert,  wo  man  für  die  Chronologie 
der  Bauwerke  —  diese  so  wichtige  Frage  bei  einer  Restau- 
lalion  —  immer  festere  Anhaltspunkte  gewinnt  —  wo  die 
geistigen  Kräfte,  welche  sich  speciell  der  Kunstgeschichte 
widmen,  vermehren  und  die  Disciplinen  der  alten  Baukunst 
wieder  in  die  Bauhütten  der  Steinmetze  Eingang  gefunden, 
darf  man  wohl  mit  grösserer  Beruhigung  auf  eine  Restau- 
ration des  Stephansdomes  blicken.  An  Verlegenheiten  und 
Schwankungen,  an  Irrthümern  und  Fehlern  wird  es  auch 
jetzt  nicht  fehlen,  insbesonders  wenn  der  sich  überschät- 
zende Dilettantismus  unberufen  vordrängen  und  der  Fachmann 
in  den  Kampf  mit  eingewurzelten  Vorurtheilen  zu  treten 
genöthigt  werden  sollte. 

In  unseren  Tagen  erhielt  die  Frage  wegen  einer 
Restauration  des  Stephansdomes  einen  neuen  fördernden 
Anstoss  durch  den  Ausbau  der  Giebel  an  der  Nord-  und 
Südseite  der  Kirche.  Es  kann  nicht  übergangen  werden, 
dass  dem  Bürgermeister  und  Gemeinderath  der  Stadt  Wien, 
welche  das  schöne  Werk  begonnen  und  durchgefiihrl  haben, 
gewissermassen  das  Verdienst  der  Initiative  gebühren.  Eben- 
so wenig  dürfen  wir  verschweigen,  dass  der  Architekt 
L.Ernst  die  ihm  anvertraute  Aufgabe  auf  ausgezeichnete 
Weise  gelöst  hat. 

Aber  auch  im  Schoosse  der  k.  k.  Ccntral-Commission 
waren  schon  wiederholt  Verhandlungen  über  das  dringende 
üedürfniss  einer  umfassenden  Erhebung  der  Sehädeu  und 
Gebrechen  des  Domes  angeknüpft,  welche  im  ilerlislo  des 
Jahres  18ö6    durch   die  k.  k.  n.  ö.  Landesbaudirection  zu 


einer  vorläußgen  Feststellung  des  Thatbestandes  führten 
und  einige  Zeit  darauf  die  k.  k.  Central-Comniission  ver- 
anlassten, bei  dem  k.  k.  Ministerium  für  Cultus  und  Unter- 
richt weitere  Schritte  einzuleiten,  damit  die  Vorfrage  einer 
Restauration  —  das  ist  die  gründliche  rntersuchung  des 
Baustandes  des  Domes  in  Angriflf  genommen  werde.  Diese 
Blätter  endlich  —  das  Organ  der  k.  k.  Central-Conmiission 
—  glaubten  den  laufenden  Jahrgang  nicht  zweckmässiger 
erölVnen  zu  können,  als  in  einem  besonderen  Aufsatze  der 
in  Kunstkreisen  lebhaft  geführten  Erörterung  über  die  Frage 
der  Restauration  eine  bestimmte  Richtung  zu  geben,  die 
äusserlich  wahrgenommenen  Gebrechen  des  Domes  zu  schil- 
dern und  die  Gesichtspunkte  festzustellen,  von  dem  aus  eine 
Restauration  des  Domes  aufgefasst  werden  niuss.  Eis  dürfte 
dem  Verfasser  dieser  Darstellung  zur  besonderen  Befrie- 
digung gereichen,  dass  die  Hauptpunkte  seiner  Ansichten 
in  so  kurzer  Zeit  zur  Geltung  gelangt  sind. 

Inmitten  dieser  mannigfachen  Regungen  that  Seine 
Eminenz  der  Herr  Cardinal- Erzbischof  von  Wien  einen 
äusserst  glücklichen,  entsclieidenden  Schritt.  Dieser  erhabene 
Kirchenfürst,  dessen  Scharfsinn  und  Weisheit  die  Bedeutung 
der  dringenden  Wünsche  aller  Kunstfreunde  nicht  entgehen 
konnte,  richtete  an  Seine  k.  k.  .\post.  Majestät  die  Bitte,  um 
die  Anweisung  eines  Jahresbeitrages  zur  Restauration  des 
Domes  und  um  die  Genehmigung  zur  Bildung  eines  Dom- 
bauvereines, dessen  Aufgabe  es  sein  soll,  durch  freiwillige 
Beiträge  die  Geldmittel  zur  würdigen  Ausschmückung  des 
Domes  zu  erhöhen.  Seine  Eminenz  stellte  sich  damit,  wie 
es  der  Natur  und  Würde  des  Gegenstandes  entspricht,  an 
die  Spitze  des  preiswürdigen  Unternehmens  und  folgte  dem 
schönen  Beispiele,  welches  die  Kirclienfürsten  des  Auslandes 
früher  in  ähnlichen  Fällen  gegeben  haben. 

Auf  Antrag  des  k.  k.  Ministeriums  für  Cultus  und 
Unterricht  geruhten  Seine  k.  k.  Apost.  Majestät  zur  Restau- 
ration des  Innern  und  Äussern  des  St.  Stephansdomes  — 
und  zwar  mit  Ausschluss  aller  Zu-  und  Und)auten  ,  wie 
namentlich  des  Ausbaues  des  nördlichen  Thurmes  —  einen 
jährlichen  Beitrag  von  f  ü  ii  f  z  i  g  T  a  u  s  e  n  d  Guide  n 
auf  die  Dauer  von  fünf  Jahren  aus  dem  Staatsschatze  an- 
zuweisen und  die  Bildung  eines  Do  mb  au  Vereines  zur 
Einloitimg  von  freiwilligen  Sammlungen  (jedoch  nur  im 
inlande)  zu  genehmigen. 

Zugleich  ordneten  Se.  k.  k.  apost.  Majestät  die  Bildung 
eines  Comite's  —  bestehend  aus  Seiner  Eminenz  dem  Herrn 
Cardinal-Erzbischof  Ritter  V.  Rauscher  als  Präses  des- 
selben, aus  einem  Abgeordneten  des  k.  k.  Ministeriums  für 
Cultus  und  Unlcrrirht,  aus  Sr.  Excellenz  dem  Statthalter 
für  Niederöslerreich  Dr.  W.  Froiherrn  v.  Eminger  und 
dem  Rürgermeister  der  Stadt  Wien,  Dr.  J.  K.  Ritler  v. 
Seil I er  an,  welches  nach  seinem  Znsammentritte  sich  vor- 
erst mit  der  Ernciiiiung  eines  Dombaumeisters  zu  beschäf- 
tigen und  sodann  eine  umfa>isiMule  Erhchinig  des  Baiizu- 
standes  iitiil  iler  inneren  Gei)reclien  des  St.  Stephansdomes 


227 


zu  veranlassen  hat.  Die  Bestätigung  der  Wahl  des  Dombau- 
meisters  und  die  Genehmigung  der  Vorschläge  zur  Restau- 
ration der  Kirche  hat  sich  das  k.  k.  Ministerium  für  Cultus 
und  Unterricht  und  zwar  letzteren  Umstand,  wahrscheinlich 
in  der  weisen  Absicht  vorbehalten,  um  das  Gutachten  der 
dazu  berufenen  Organe,  sowie  das  Urtheil  der  Fachmänner 
zu  vernehmen.  Neben  diesem  Comite  unter  der  unmittel- 
baren Leitung  Sr.  Eminenz  des  Herrn  Cardinal-Erzbischofs 
von  Wien  wird  sich  dann  der  Dombauverein  constituiren. 

Es  kann  kein  Zweifel  sein,  dass  unter  so  glücklichen 
Ausspielen  das  seinem  Beginne  nahe  und  sehnlichst  erwar- 
tete Werk  einen  glücklichen  Fortgang  nehmen  wird.  Die 
edle  und  grossmüthige  Unterstützung  Seiner  k.  k.  Apost. 
Majestät  sichert  demselben  die  wärmste  Förderung   aller 


Behörden,  der  Schutz  und  Segen  der  Kirche  wird  die  Gläubi- 
gen aneifern  nach  besten  Kräften  beizutragen  ,  damit  in  kür- 
zester Zeit  das  herrliche  Gotteshaus  w  ieder  in  vollster  Pracht 
und  im  reichsten  Schmucke  erglänze;  Wien  selbst  und  seine 
intelligente  Gemeinde-Repräsentanz,  für  welche  die  Erhal- 
tung des  Stephansdomes  eine  doppelte  Bedeutung  hat,  wird 
gewiss  nicht  mit  einem  nachahmungswürdigen  Beispiele 
seiner  bewährten  Gesinnungen  zurückbleiben. 

Die  Wissenschaft  aber,  welche  wir  in  diesen  Blättern 
pflegen,  muss  vorzugsweise  dieses  Werk  mit  Freuden 
begrüssen,  weil  sie  durch  derlei  Unternehmungen  erst 
ihren  eigentlichen  Werth  —  ihre  priiktische  Bedeutung 
erhält. 

K.  \V. 


Die  Vertheidigungskirchen  in  Siebenbürgen. 


Ein  Beitrag  zur  Provinzial-Kunstgeschiclite  vom  Conservator    Friedrich  Müller.   Iliuslrirt  vom  Gymnasiallehrer  Joliann  Orendi 

in    Schässhurg. 

II. 


Chor  und  Schiff  erscheinen  äusserlich  gleich  hoch  und 
werden  von  einem  Dache  überdeckt.  Die  auf  den  Strebe- 
pfeilern aufsitzenden  Rundbögen  laufen  um  das  ganze  Gebäude 
herum.  Ein  Thurm  steht  damit  nicht  in  unmittelbarer  Ver- 
bindung. 

Der  bedeutendste  Vertreter  dieser  im  Ganzen  nicht 
zahlreich  vorkommenden  Richtung  ist  die  evangelische  Kirche 
von  Kaisd  (Bezirk  Schässburg).  Dieser  Ort  ist  höchst- 
wahrscheinlich der  Mittelpunkt  der  meisten  deutschen 
Ansiedlungeu  gewesen,  welche  später  zum  Schässburger 
Stuhle  vereinigt  wurden.  Der  Name  des  kirchlichen  Spren- 
geis (Kisder  Capitel)  bewahrt  noch  das  Andenken  an  seine 
dereinstige  Vorortschaft  und  nur  nach  langem  in  der  Volks- 
ansicht noch  vielfach  nachzuckendem  Streite  ist  dieselbe 
endlich  an  das  günstiger  gelegene  Schässburg  übergegangen. 
In  diesen  Kämpfen  schloss  sich  Kaisd  öfter  an  die  benach- 
barten Seklergrafen  an  und  erwarb  unter  anderm  durch 
ihreFürsprache  1419  von  König  Sigismund  dieBestätigung 
der  selbstständigen  Gerichtsbarkeit  in  Civil-  und  Crimiiial- 
processen,  die  erst  im  Appellationswege  nach  Schässburg 
und  an  die  VII  Stühle  gingen  i).  Das  bezügliche  Privileg 
nennt  Kaisd  eine  Stadt,  und  wirklich  mochte  der  Ort 
durch  seine  Ausdehnung  und  Einwohnerzahl  diesen  Namen 
verdienen,  der  —  vielleicht,  wie  die  Sage  erzählt,  von 
den  nächstgelegenen  Dörfern  unterstützt  —  auf  der  nahen 
Bergeshöhe  eine  so  tüchtige  Burg  aufzubauen  im  Stande 
war.  Aber  die  Freundschaft  des  mächtigen  .\dels  konnte 
nur  durch  materielle  Opfer  erworben  werden,  unter  Andern 
durch  gegen  das  Colonistenrecht  verstossende  Schenkungen 


von  Grund  und  Boden  an  die  Beschützer.  Um  die  Mitte  des 
XV.  Jahrhuuilerts  befreite  der  Ort  sich  von  den  letzten 
Spuren  dieser  kurzsichtigen  Politik,  indem  er  14ö0  die 
dem  Grafen  S  i ni  o  n  v  o  nT  e  u  f  e  1  s  d  o  r  f  geschenkten  40  Juch 
Äcker  von  dessen  Söhnen  für  20  Goldgulden  zurückkaufte  '): 
und  von  da  an  erfreute  er  sich  der  vielfachen  Gunst  der 
Woiwoden  und  Könige.  So  bestimmte  der  Woiwode  Johann 
Pangracz  de  Dengeley  1470,  dass  in  Zeiten  einer  all- 
gemeinen Landesinsurrection  die  Hälfte  der  Bürger  von 
Kaisd  zur  Vertheidigung  der  Burg  zurückbleiben  sollte  2)-. 
so  befreiten  König  Wladislaus  und  die  Königin  Anna  in 
besonderen  Freibriefen  dieselben  1503  von  der  Quartiers- 
[iflicht  und  allen  Gratislieferungen  an  die  Soldaten  =),  ein 
Vorrecht,  welches  in  sehr  gefährlicher  Zeit  später,  1326, 
von  der  Königin  Maria  erneuert  wurde*). 

Natürlich  war  eine  so  rege  Bevölkerung  auch  für  die 
Ausschmückung  des  Ortes  mit  Gotteshäusern  thätig  und  der 
Kaisder  erzählt  noch  mit  einem  gewissen  Stolze,  dass  in 
seiner  Heimath  ehedem  fünf  Kirchen  und  Capellen  gestanden. 
Vier  davon  sind  noch  mit  Sicherheit  nachzuweisen,  von 
denen  eine  -^  „Klosterkirche"?  —  unter  der  Burg,  vd  noch 
jährlich  Steine  aus  den  CirundiMauei'n  herausgegraben  werden 
und  frommer  Eifer  nach  der  alten  verschütteten  Glocke  sucht. 


')  Original  der  betreffenden  Urkunde  im  Kaisder  M;\rktarcliiv.    Abgedruckt 
bei  .Marienburg,  Geogr.  des  Grossh.  Siebenb.  H,  2ü3. 


>)  Originalurkunde  ddo.:  „Segeswar  fcria  tereia  proxima  ante  festiim  Jlf- 

siirmtiüiiis  Dunüni  Anno  eiusdem  M"  CCCC  quinipiaijesimn"  im  Kaisder 

I\]arktar<-hiv. 
'-')   Oiiginalurkniide  rldo.  Kaisd.:   ..in  fcsln  G  Dcmetrij  marliris  Anilii  Ihmini 

Mitc^hno  tjiuiilriitf/etttrsifuü  septiwifrvitno'^  ebd. 
')   lieidc  L'rkund.  ddo.:  „Bude  f.  IV,  p.p.  fest,  einiimriitionis  dinnini.  .1. 

I>.  M.  quiiKjenl.  tercio~  und  „i/jV  dorn,  dnm.p.  p.  fest.  Epiplmn.  dom.- 

<lessolben  .labres  ebd. 
^)   Originalurkunde  ddo. :  ..Hudr  Domiliiiii  Jubitiile  A.  P.  Stil.  Quillij.  Viije- 

simo  Stwur*  ebd. 


■i-i 


—  228 


und  eine  der  heiligen  Jungfrau  geweihte  Capelle  .lusserhalb 
des  Ortes  im  Dyrenfeld  bis  auf  wenige  Spuren  verschwunden 
sind.  Die  letztere  wurde  lö48  Gegenstand  eines  interes- 
santen Rechtsstreites.  Da  bei  der  Reformation  alle  Kelil- 
kirchen  beseitigt  wurden,  so  entstand  liier  die  Frage,  an 
wen  die  zu  dieser  Capelle  gehörige  Dotation  an  liegendem 
(Irunde  zu  fallen  habe,  und  ein  Adeliger  Antonius  Greb 
von  Klosdorf  beanspruchte  dieselbe  unter  dem  Verwände, 
dass  die  Capelle  sammt  ihrer  Dotation  von  einem  seiner 
Vorfahrer  gestiftet  sei.  Da  jedoch  in  mehreren  Zeugen- 
verhören die  Kaisder  die  Nicbtigkeit  jener  Behauptung  nach- 
wiesen iMul  wahrscheinlich  macliten,  dass  jene  Capelle  viel- 
mehr die  Stiftung  eines  Kaisder  Pfarrers  Johannes  Ringes  ') 
sei,  überdiess  der  Klager  bei  dem  Termine  nicht  erschien, 
so  sprach  der  Gerichtshof  die  Beklagten  von  der  Klage  frei 
und  verurtheilte  jenen  in  die  Kosten  -). 

Die  dritte  in  Kaisd  nachweisbare  Kirche  ist  das  soge- 
nannte Spital,  welches  ebne  Zweifel  die  Stelle  der  frühern 
Pfarrkirche  eiimimmt.  Diess  wird  nicht  bloss  wahrscheinlich 
durch  die  massiven  kaum  zerstörbaren  Mauertrümmer,  unter 
denen  ein  runder  Thurm  mit  einem  Strebepfeiler  und  zwei 
im  Spitzbogen  überwölbte  Fenster  noch  sichtbar  sind ,  und 
durch  die  Nähe  des  gegen  die  gewöhnliche  Sitte  von  dem 
jetzigen  Pfarrbof  weit  entfernten  Pfarrergartens,  sondern 
auch  erwiesen  durch  die  Aussage  eines  Zeugen  in  dem  oben- 
erwähnten Processe :  „er  habe  bei  dem  Pfarrer  Doktor 
Martinus  zu  jener  Zeit  gedient,  als  der  Pfarrhof  noch  an 
dem  Ende  von  Kaisd- 
Schiissburg  zu  gelegen 
gewesen-'  s).  Nun  stehe  in 
den  sächsischen  Dörfern 
überall,  wo  die  Kirche 
nicht  auf  einer  ausser- 
halb des  Ortes  befindli- 
chen ilöhe  erbaut  worden, 
die  Pfarrhüfe  unmittelbar 
an  der  die  Kirche  umge- 
benden Ringmauer  —  sie 
gehörten  gewissermassen 
Zinn  Coemeterium  und  ge- 
nossen dessen  Asylrecht; 
—  in  Kaisd  ist  diess  sicher- 
lich auch  der  Fall  ge- 
wesen ,  und  erst  der  Um- 
stand scheint  zur  Veränderung  des  Standortes  von  Kirche 
und  Pfarrhof  gcnöthigt  zu  haben,  dass  der  früher  tiefer  im 
Thale  sich  concentrirende  Ort,   vielleicht  in  Folge  der  hier 


*)  Sonst  nicht    nachgewiesen.  Kineri  Petrus  Itynjfosch  verzeiclinut  dit;  alle 

Kaisder  Cnpitiilflnnntrik  iius  dem  XV.  .Inhrliundert. 
')  Uric.  V.  23.  April  IJiül  in  einer  authent.  Cupie  im  Kaisder  .Miirltlarcliiv. 
3)  j^llem  Laureneitti  greb  de  XuU/taw  fntetur  sc  inseritisse liominiitn  dovlorem 

vutrtinitm  f/uoiidam  ptehannm  Kindensem  (emporibns  iUia  cum  adhuc  do- 

mu8  plcbani  esict  in  fiiie  Oppldi  zazkcnd  vcruua  Sclieijesicar.^'  Aus  dein 

Orig.  ebd. 


noch  jetzt  nicht  seltenen  Erdrulschungen,  sich  aufwärts 
gezogen  hatte  und  so  die  urs|)rünglieli  ohne  Zweifel  in  der 
Mitte  angelegte  Pfarrkirche  ans  Ende  zu  stehen  gekonunen 
war.  Als  dieser  Wechsel  stattfand,  «urdi'u  dann  die  ehe- 
mals zu  Kirche  und  Pfarrhof  gehörigen  (Jcbäude,  iiulem 
man  dem  damals  allgemeinen  Zuge  folgte 'J,  in  ein  Spital 
umgewandelt  und  die  jetzige  Pfarrkirche  in  den  Jahren  1493 
bis   1496  erbaut. 

Diese  neue  Kirche,  welche  ungeachtet  der  Renovationen 
von  1649  und  173)5  ihr  altes  (iepräge  fast  vollständig 
erhalten   hat  und   sich  noch   immer   durch  ihre  Festigkeit 

ausgezeichnet,  gehört  nun 
zu  den  grossten  Repräsen- 
tanten des  hier  in  Rede  ste- 
henden Styles.  (Fig.  1.)  Ihr 
Äusseres  sieht  ganz  ki-ie- 
gerisch  aus:  drei  und  zwan- 
zig jener  Bögen  schwingen 
sich  um  Chor  und  Schilf  von 
Strebepfeiler  zu  Strebepfei- 
ler, und  die  dadurch  entste- 
hende 1'  6"  starke  Mauer- 
fläclie  wird  über  dem  daran 
hinlaufenden  Gesimse  von 
'°'  mehr  als  vierzig  viereckigen 

Schiessscharten  durchbrochen  und  dient,  wie  aus  dem  Durch- 
schnitte (Fig.  2)  ersichtlich,  durch  ein  Kranzgesimse  abge- 
schlossen dem  Sparren- 
werke des  in  senkrechter 
Höhe  24'  messenden  Da- 
ches zur  Unterlage,  des- 
sen Hauptlast  jedoch  durch 
Säulen  undBundträme  auf 
der  eigentlichen  Crnfas- 
sungsniaiier  ruht,  welche 
unten  4',  oben  im  Chor  3' 
6  ".  im  Schür  3'  stark  ist. 
Durch  eine  kleine  Einzie- 
hung der  Füllinauern  an 
ihrem  obern  Ende  wird 
die  OlVnung  für  die  Pcch- 
scharlen  gewonnen,  wel- 
che die  ganze  Breite  der 
Bogen«  ölhung  einneh- 
men. Die  Umfassungsniauern  .selbst  werden  im  Chor  und 
SchifT  von  je  fünf  ungleich  hohen  in  gcwidinlichen  Sjutz- 
bogen  überwölhlen  Fenstern  mit  <la(dien  Schmiegen  durch- 
brochen, (leren  Krönungen  mit  s]iätgothischen).  aus  Kreisen. 
Drei-  und  \  ieihiigen  uiul  verschobenen  Vierpässen  bunt 
zusammengesetzten  Masswerk    ausgefiilll    erscheinen.    Der 


'J  Vergl.  des  Verf.  Aufsat/.:  „fieschichte  der  sielienl).  Uospilüler  his  /.um 
.lalire  HViö"  im  Schässltiirger  fivrnnasialprtigramm  IS^irt,  p.  18  h.  (.peciell 
über  das  Kaisder  Spital  und  dessen  Gesehiclite  ebend.  4'?,  43. 


229 


Grundriss  Fig.  4)  ist  sehr  einfach :  der  wenig  eingezogene, 
dreiseitig  ans  dem  Achteck  geschlossene  Chor  verhält  sieh 
zum  Schiffe  wie  3  zu  5;  jene/ hat  im  Lichten  gemessen 
eine  Lange  von  SO' 6" 
auf  26'    9"    Breite, 

dieses  67'  Lange  auf  ^^ -—..^  ^^. 

32' 9" Breite,  sodass        mj^'''\-''     \/   \/  j  !  W 
demnach   die   ganze  iW\     '■  i  ■   Ä 

Länge  des  Gehäudes  |  W/'''    /i  I  !    i', 

117' 6"  betrügt.  Ein        ^<Ä^|  A.      -•-'X     /X  U/l} 
nicht    geschmacklos 
combinirtes  Gurtge- 
wölbe, desscnRippen 

im  Chor  auf  säubern  ^y■,, 

ungleich  profilirten 

Kranzsteincnim  Schiff  auf  zehn  canellirten  Wandpfeilern  an- 
setzen, überdeckt  das  Ganze  und  erhebt  sich  in  wappenge- 
schmückten Schlusssteinen  24  bis  zu  37'  Höhe  >)•  Nur  in  einem 
Theile  des  Chores  hat  das  alte  Gurtgewölbe  bei  einer  Jüngern 
Restauration  einem  störenden  Tonnengewölbe  weichen  müssen. 
An  dem  Westende  der  Kirche  ruht  auf  zwei  viereckigen 
Pfeilern  die  Empore  für  die  Orgel,  und  in  den  beiden  Ecken 
leiten  correspondirende  Wendeltreppen  unter  das  Dach.  Im 
Äussern  halten  zvveiundzwanzig  Strebepfeiler  das  Ganze  zu- 
sammen, von  denen  die  meisten  2'  9"  breit  und  3'  6"  tief, 
jene  an  den  Ecken  stärker  sind.  An  der  Nordseite  des  Cho- 
res ist  die  geräumige  Sacristei  angefügt,  deren  Mauern 
(später)  zu  einem  ziemlich  hohen  Thurm  ausgebaut  sind. 
Zwei  Portale  gewähren  den  Eingang  in  das  Schilf,  eine 
Thüre  ist  später  in  die  östliche  Schlussmauer  des  Chores 
gebrochen  worden.  Das  südliche  Portal  ist  im  gedrückten 
Spitzbogen  überwölbt  und  zeigt  eine  zwar  einfache  aber 
gefällige  Profilirung  (eine  Hohlkehle  durch  Kanten  von  zwei 
sie  einfassenden  Halbsäulen  getrennt)  und  schöne  Propor- 
tionen (auf  5'  Weite  10'  2"  Höhe).  Im  Innern  verdienen 
Orgel  und  Altar  (1735)  kaum  Erwähnung;  dagegen  hat  sich 
an  der  rechten  Seite  des  Chores  der  obere  Theil  eines  recht 
hübsch  entworfenen  Soscramenthäuschens  neben  den  Grab- 
steinen des  Pfarrers  M  i  c  h  a  e  I C  o  n  r  a  d  u  s  (f  8.  Febr.  1  ä72), 
Lucas  Kuschius  (f  26.  Sept.  1631)  und  Martin  Ho- 
salerus  (f  21.  Aug.  1650)  erhalten.  Die  Glocken,  welche 
in  einem  neben  der  Kirche  in  der  Ringmauer  stehenden 
Thurme  hängen,  sind  jünger  (17IS,  1775  und  1784)  und 
oline  besonderen  Kunstwerth.  Doch  verdienen  unter  den 
zur  Kirche  gehörigen  Gerätncn  vier  alfe^von  hohem  Metall- 
und  Kunstwerth  um  so  mehr  hervorgehoben  zu  werden,  als 
sie  zugleich  über  die  Widmung  derselben  Nachricht  geben. 
In  ihrer  Form  bieten  sie  im  Allgemeinen  nichts  vom  Ge- 
wöhnlichen Abweichendes:  ein  rosenförmiger  Fuss  verjüngt 


sich  allmälig  zum  Schafte,  dieser  fasst  sich  in  einen  Knauf 
zusammen,  über  welchem  die  eigentliche  Kelchsehaale  steht; 
aber  die  .Ausführung  ist  äusserst  zierlich  und  namentlich  be- 
decken den  Sockel 
desselben  drei  grös- 
sere ciselirte  Figuren 
in  bunter  Mannigfal- 
tigkeit und  meist 
nicht  schlechtem  Ge- 
schmack. 

.An  dem  gröss- 
ten  bemerken  wir 
in  einem  umstrahlten 
Kreuz  eine  nach  la- 
teinischem Ritus  zum 
Segen  erhobene  Hand  und  zwei  M  in  Mönchsminuskeln  quer 
durcheinander  geschlungen  (vielleicht  Maria  mater)  und 
am  Knaufe  die  Inschrift: 

maria  n  v 
hilf  got 

a  b  c  d  e  p  q  '); 
am  zweiten  einen  König  mit  Kreuz  und  Reichs- 
apfel (S.  Stephan),  einen  zweiten  mit  Schwert  und 
Rad  (S.  Donatus),  Maria  mit  dem  Jesuskinde  von 
Arabesken,  Monogrammen  und  netter  Filigranarbeit 
umgeben,   ohne    eigentliche  Inschrift; 

am  dritten  einen  König  mit  dem  Mantel  über  der 
Schulter,  Scepter  und  Reichsapfel  in  der  Hand,  einen 
andern  in  Ritterrüstung  mit  dem  Mantel  darüber,  das 
Scepter  in  der  Hand,  und  einen  dritten  mit  Streitaxt 
und  Reichsapfel ,  an  der  Schaale  selbst  unter  einem 
Filigrankranz  die  Umschrift  in  Mönchminuskel:  Kalix. 
Sancti  .  rc(jis  .  Slephani  .  in  ■  Kyzd; 

der  vierte  ist  ohne  Schrift  und  Bild  und  minder 
bedeutend. 

Ging  demnach  die  Widmung  dieser  Kirche  schon  aus  dem 
dritten  dieser  Kelche  mit  Wahrscheinlichkeit  hervor,  so  wird 
dieses  gewiss  durch  zwei  Urkunden,  welche  zugleich  die 
Zeit  des  Baues  unwiderleglich  feststellen,  bestätigt.  Letz- 
tere war  bisher  bloss  durch  eine  an  der  äussern  Chorwand  les- 
bare alte  Jahrzahl,  1496,  welche  sich  vor  einigen  Juhi'cn  auch 
in  einem  alten  Dachziegel  eingeritzt  vorfand,  und  durch  den 
allgemeinen  Charakter  des  Gebäudes  unterstützt  wurde, 
bezeichnet.  Jene  beiden  Schriftstücke  besitzen  für  die  Ge- 
schichte der  siebenbürgischen  Kirchenbaukunst  um  so  grös- 
seren Werth,  je  seltener  hier  in  der  Regel  schriftliche  Zeug- 
nisse zur  öffentlichen  Kenntniss  gelangen',  welche  die  Bau- 
geschichte   älterer  Werke   beleuchten.  Beide    datiren   aus 


1)  Bei  der  Höhe  und  dem  groben  Verputze  dieser  Wappen  ist  es  k.Tum  miig;- 
lieh.  Näheres  darüber  ?.u  saj;en.  Die  gelireuzten  Sehwerler  lleriiiann- 
sladts  und  einige  Ziinft«-apperi  sind  darunter.  Das  (Irtswappen  wurde 
wabrseheinlich  im  Chor  angebraeht. 


»)  Das  Alphabet,  ganz  oder  theilwcise,  ordenUieh  oder  verwirrt,  erscheint 
auch  auf  siebenbürgischen  (ilocken.  so  an  der  Feldorfer  von  i4UG:  J.  N 
li.  J.  1.  4.  9.  (i,  r  q  p  o  m  h  s  a  b  c  d  c  f  g  k ;  au  der  von  Neustadt  im 
liurzenhiud;  vergl.  Marienburg,  (ieogr.  II.,  3S4u.  sonst,  deutselic  Gloekeu- 
inschriftcn  iu  iNadcsch,  SäcUsiseh-Pien. 


—   230   — 


dem  Jalii-e  1493;  in  dem  erston  hofreit  der  Woiwode  Bar- 
tholomäus Dragfy  de  Bcithewk  dieKaisder  auf  die  Zeit, 
;ds  sie  mit  der  Erhauung  ihrer  iieucu  S.  Stephanskirche 
heschaftigt  siud,  von  der  Pdieiit  der  Heeresf.ilge  <) ;  in  dem 
zweiten  bevolhnächtigt  derselbe  das  Amt  von  Kaisd,  alle, 
die  sieh  währed  des  Kirehenhaues  widerspcnslig  zeigten, 
gefangen  zu  setzen  und  deren  Vermögen  für  den  liaufond 
einzuziehen  =).  Demnach  dauerte  der  Bau,  da  nr.m  1493 
erst  anfing. vier  Jahre;  und  das  in  dem  Dachziegel,  als  der- 
selhe  noch  in  weichem  Zustande  sieh  befand,  eingeritzte 
Jahr  149G  kann  füglich  als  Vollendungszeit  des  Äussern 
angesehen  werden. 

Es  darf  nicht  wundern,  dass  die  Bauhist  der  Bürger 
von  Kaisd,  wie  aus  beiden  Urkunden  hervorzugehen  scheint, 
damals  nicht  eben  gross  gewesen;  das  Jahr,  in  welchem  die 
Türken  beim  rothenThurm  einfielen  und  mehrere  Tage  lang 
das  Sacbseiiland  verwüsteten,  mochte  wohl  kaum  einladend 
zu  solchen  luternehmungen  sein.  Pfarrer  war  damals  in 
Kaisd  Johannes  von  Kobor,  oder  Iheronimus  von  Schäss- 
burg,  da  die  alte  Kaisder  Capitularmatrik  unentschieden 
lässt,  ob  letzterer  1494  gestorben  oder  zum  Amte  gelangt 
sei.  Nach  seinem  Abgange  wurde  in  seine  Stelle  eine  in 
den  Annalen  der  siebenbürgischen  Kirchengescliiclite  nicht 
miherülimte  Persönlichkeit  gewählt,  Johann  Po  In  er.  der 
zwischen  den  Jahren  1503  und  1038  gleichzeitig  als  Pfarrer 
in  Kaisd,  Bischof  von  Neutra  und  Secretär  des  Königs  be- 
zeusrt  wird.  Mit  seiner  Unterschrift  befindet  sich  im  Kaisder 
Marktarchiv  ein  Inventar  der  zur  Kaisder  Pfarrkirche  ge- 
hörigen Grundstücke  aus  dem  Jahre  lä38,  woraus  hervor- 
geht, dass  dieselbe  damals  au  Ackern  2t  Joch  besass  ^j. 
Der  Baccalaureus  Agidius  llerMiann  war  der  (>rste  protestan- 
tische Pfarrer  derselben. 

Die  Entschiedenheit  und  Reinheit,  womit  der  bezeich- 
nete   Styl    in    der  Kaisder  Kirche    durchgeführt  ist,    lässt 


•)  „Oppidum  Zaarkijzdy  vocaliim,  Ciiicsijiir  in  endem  cxislciilrs,  er  cn  qiiud 
ipai  Ciues  in  codcm  oppidu  i:v  iiostro  consfnJtu  et  anmwntia  a-vlcsiam  in 
honore  heatitj  liet/is  Stppfiuni.  de  Xono  fundarc  et  cdißvarc  vellent  et  nite- 
renliir,  ab  onere  euin3cnnque  Ilelli  .irtr  inyrensiis  quovumlihet  crcrcitinim 
contra  Turcos  iiistauranduruin  iiifra  videlivet  cdi/icacionrin  prefute  ecdesie 
excmploa  fecimus  et  supportuloa  .  .  Datum  in  niipidu  h'eirliitlom  die 
dominico  p.  a.  fest.  Nativitat.  B,  Joh.  ßapl.  A.  D.  Mit.  Qiiudrinij.  Xuimy : 
Tereio."  Orig.  Papieriirk.  im  KaisiliM-  .MaiktTPcliiv. 

^)  .,  .  ,  ntandamiis  quatenus  .  .  .  quumprimtnn  hono  nrdine  jieri  potet'it, 
candem  ccclcsiam ,  a  suo  fiintltimento  inc/iouarc  et  incipere ,  taboresque 
rinsdein  vsqiic  finalem  consiipereaationem  eontinuare  casu  quo  ai  qui  ex 
riihi«  liuiusmodi  operi  aalutifero  et  saluhii  veetrc  intencioni  contradittorea 
fnrenl  vet  qiioquomoda  tontemplorea,  vel  si  qui  cciam  ab  huiuamodi  onere 
laboria  eiuadrm  ccclenie  aeae  ad  loca  atia  tranaferrent  moraturi ,  vel  Indi- 
ecm  aut  atiquoa  e.v  vohia'qui  ridelicet  hoc  aalutiferc  opua  conaumare  in- 
tenderentj  minareutur,  Krtunc  omnea  talca  in  pcraonia  eorwn  cuptiuare  et 
detincrct  caputqne  et  peraonaa  eorum  nobia  conaeruare  et  tcnere  vniueraas- 
quc  Itra  illornm  talinm,  a  minima  vsque  ad  »uwimum  ,  occupare  occupa- 
taaque  ad  lahorea  itliiia  cccteaie  per  rua  inrhouande  rrponere  et  aupererO' 
i/are  debeatia  et  teneamini."  Einl, 

■'*)  Das  Instniiiient  beginnt;  ^Item  Anno  Ftomini  Milleaimo  Quinijenteaimu 
Triijeaimo  oclauo  Si'jnati  aunt  at/ri  in  Territorio  h't/td  pro  cvrleaia  prrti- 
neittea'^  und  ist  unterzeichnet:  „J/.  Jo.  J'otnrr  I'leb,  h'ijad.  et  Secret.  Itrij.'^ 
und  cxistirtn.  n.  O,  in  /.wei  aullient.  Abschriften  von  lOjS  n.  17;J7. 


schliessen,  dass  der  sonst  nicht  bekannte  Baumeister  dabei 
nicht  erst  experinientirt,  sondern  demselben  eine  Beihe  ähn- 
licher Anlagen  bereits  zum  Muster  gedient  habe.  Auch 
stand  das  Werk  nicht  lange  vereinzelt.  In  dem  nahen 
Klosdorf  (Bez.  Schässburg)  erhob  sich  kaum  ein  Men- 
schenaiter  spater  eine  Kirche,  deren  Vorbild  die  Kaisder 
gewesen  ist.  Klosdurf  gehörte  mit  den  benachbarten  Orten 
Kreuz  und  Meschendorf  seit  unbestimmten  Zeiten  zur  Dota- 
tion der  unter  Bela  III.  (1 1 73—1 1 97)  gestifteten  Cistercicn- 
ser-AbteiKerz  mul  wurde  erst  spät  (  1204  und  1322)  ')  m't 
dem  Hermannstädter  Gau  in  politischer  Beziehung  vereinigt. 
Doch  behielt  die  Abtei  das  Recht,  die  Richter  einzusetzen, 
wie  sie  auf  die  Besorgung  der  Pfarrgesehäfte  wohl  lange 
Zeit  Einfluss  nahm.  Der  bezügliche  Geistliche  in  Klosdorf 
erscheint  blos  als  sacerdos  und  rectorä).  Ausdrücke  welche 
von  den  gewählten,  in  vielen  Beziehungen  selbst  vom  Doni- 
capitel  imabhängigen  Pfarrer  der  übrigen  sächsischen  Orte 
(plcbaiti )  in  der  Regel  nicht  vorkommen.  Ja ,  es  ist  nicht 
unwahrscheinlich ,  dass  erst  mit  der  Aufhebung  der  Abtei 
(1477)2)  auch  die  kirchliche  V'ereinigung  dieser  Güter 
mit  dem  Nationalkürper  erfolgte  und  deren  Pfarrer  vollbe- 
rechtigt in  den  Kaisder  Capitularverband  eintreten.  Von  der 
ältesten  Kirche  in  Klosdorf  hat  sich  blos  die  Glockenin- 
schrift erhalten,  welche  auf  die  1830  und  18öJj  neugegos- 
senen Glocken  schriftbildlieh  iierühergenommen  wurde.  Sie 
gehörte  den  Schriftzügen  zufolge  dem  frühen  Xlil.  Jahr- 
hundert an  und  lautet:  cliamjxtna  sanrli  f/fort/ii  tcfra  i/nt- 
maton.  M.  1  .8^;*).  Am  Anfange  des  XVi.  Jahrhunderts 
wurde  ein  Neubau  nothwendig,  und  bei  der  Nähe  von  Kaisd 
war  es  natürlich,  dass  man  den  dortigen  Bau  zum  Muster 
nahm  5).  So  entstand  lö24  die  jetzige,  wahrscheinlich 
(wie  jene  Glocke)  dem  ii.  Nikolaus,  von  dem  auch  das  Dorf 
seinen  Namen  trägt,  gewidmete  Kirche.  Sie  behält  im  Gan- 
zen den  Charakter  der  Kaisder   bei.  von  welcher  si(>  sich 


«)  fi.d.  Teutscli.  (Jescli.  der  Sieb.  S.ichsen.  7G.  102. Später  ging  dieSteuer 
dieser  drei  Orte  au  die  I.aiidskroii  (vaatrum  Talmats)  L'rk.  v.  1418  u.  1427 
im  N:it.  Arch.  Nr.  28,  31. 

'^)  Ui'k.  im  Kiilksburger  I.andesnreliiv.  In  einer  im  (iiiliernialarehiv  befind- 
lichen .\bscbrift  regislrirt :  „Protestatio  Omradi  ^itrerdotia  et  Iteetoris 
in  Villa  Nirolai  contra  Johannem  aacerdotein  ijiaum  tnrbare  conantem  inati- 
tuta." 

■■')  Teulseli  ii.  a.  ().  232.  [)ie  Kisder  rapitularmalrck  gilpt  vor  l.'iOl  am  die 
Namen  von  drei  l'farren  in  Kliisdorf  an,  was  /.n  dieser  Ilereehnung 
stimmt. 

*)  leb  hoire  später  ein  genaues  llild  dieser  in  ihren  vier  letzten  Zeieben  mir 
räthselbaften  Insclirift  mittbeilen  zu  können. 

^)  Sonst  eifersücliteln  die  .Nachbarn  seit  alten  Zeilen  mit  einander.  Die 
Kaisder  liehaiipten,  Klosdorf  sei  auf  ihrer  Mark  entstanden  ,  was  inso- 
fern vielleicht  auch  richtig  sein  mag,  als  wabrseheinlieb  sowohl  der  alte 
Kaisder  wie  der  .^lediaseber  u.  Hermannstädtcr  Stuhl  hei  der  für  die  Abtei 
anzuweisenden  Dotation  Theile  ihrer  Priidien  —  unaufgelbeilte  (iehiets- 
strecken  —  zu  diesem  Zwecke  ausschieden,  l'ber  die  vor  der  Stiftung 
eines  Cistercienser-Klosters  erforderliehe  Deckung  seines  rnterbnltes 
durch  die  Stifter  (demnach  hier  die  ("olonisten  und  der  König)  vergl. 
Mittheilungen  der  k.  k.  Ceutralcomm.  iS.'iü.  l'j'j.  So  erscheinen  in  einer 
kilni"!.  l'rk.  v.  1409  die  .sieben  Stühle  als  .,c.r  antiquo  rorum  Priuiiegio 
vcri  Patruni  eiuadcm  Mibatiae.-  .Nationalarcbiv,  Nr.  .12.1. 


231   — 


jedoch  dadurch    unterscheidet,    dass  Chor  und  Schiff  im 
Äussern  gar  nicht,  im   Innern   blos    durch  zwei   plumpe 
Wandpfeiler,  auf  denen  der  Triumphbogen  ansetzt,  getrennt 
sind,  kein  Thurm  sich  findet  und  nur  eine  in  der  südwest- 
lichen  Ecke  angebrachte  Wendeltreppe   unter   das   Dach 
führt.  Alles  Übrige  ist  analog:  rings  um  das  Gebäude  schwin- 
gen jene  charakteristischen  Bögen,  hier  schwarz  und  weiss 
angestrichen  sich  über  den  sechs  spitzbogig  gewölbten  Fen- 
stern von  einem  Strebebogen  zum  andern;  die  dadurch  ge- 
stützte Mauer  wird  über  einem  Gesimse  von  viereckigen 
Schiessscharten  durchbrochen  und  durch  ein  Kranzgesims 
abgeschlossen,  der  Chorschluss  ist  dreiseitig  etc.  Der  Raum 
ist  äusserlich  sehr  regelmässig  vertheilt,  so  dass  der  Ab- 
stand der  ersten  Absätze  der  Strebepfeiler  in  gleicher  Höhe 
mit  der  untern  Fensterschräge  von  dem  zweiten  Absätze, 
zugleich  dem  Einsatzpunkte  der  Bögen,  ebensoviel  beträgt, 
als  die   Entfernung   von    dort  bis  zum  Kranzgesimse.    Das 
ganze  Gebäude  misst  in  die  Länge  57'  6"  in  die  Breite  21', 
von  jener  kommen   3S'  9"  auf  das  Schilf,  21'  9"  auf  den 
Chor.    Bei  den  verhältnissmässig  geringen  Dimensionen  ist 
schon  die  Mauerstärke    von  2'  9 "  unten   und  2'  3"   oben, 
gross  zu  nennen.   Ein   einziges   im   platten  Kleeblattbogcii 
überwölbtes  Portal,  3'  6" 
weit,    6'   8"  hoch,    öffnet 
von  Westen  her  den  Ein- 
gang   in    die    von    einem 
Tonnengewölbe  mit  Schil- 
dern   überwölbte    Kirche, 
deren  Inneres  ausser  einem  Steinkästchen,  an  welchem  über 
den  Wappen  von  Klosdorf  die  Jahrzahl  1324  angebracht  ist 
und  dem  rechts  im  Schiff  befindlichen  verdeckten  Brunnen 
nichts  Bemerkenswerthes  bietet.    Der  letzte  trat  hier  ent- 
weder an  die  Stelle  des  in  Cistercienserklöstern  gewöhn- 
lichen Brunnenhauses  im  Kreuzgange  in  die  Kirche  selbst 
oder  diente  ebenfalls  dem  Zwecke  der  Vertheidigungsfähig- 
keit.  Dagegen  ist  auch  hier  in  einigen  zum  Altardienst  gehö- 
rigen Geräthen  der  Kunst-  und  Culturgeschichte  dankens- 
werther   Stoft'  erhalten.  Hieher  sind  zu  zählen  ausser  dem 


T  ISl  GC  P  VL  eC  hllO  fCeCRTlSl  TTD  OISIPRO 


alten  Kelche  mit  der  den  Schriftzügen  zu  Folge  über  den 
Anfang  des  XV.  Jahrhunderts  hinaufreichenden  Inschrift: 
„sepvlchrvm  cristi  nos  pro'*  und 
am  Schafte:  „s.  pvtn"  (Fig.  4  und 
o)  vornehmlich  einige  ganz  oder 
theiUveise  noch  erhaltene  Messge- 
wänder. Davon  ist  ganz  erhalten  ein 
roth  grundirtes  reichgeblümtes,  mit 
blauem  Futter  vorn  mit  einem  brei- 
ten Kreuz  aus  Silberborten,  in  w  el- 
chem  ein  grüner  Baum  mit  Blumen 
am  Schafte  hinläuft.  \m  Fusse  des- 
selben erscheinen  drei  Frauen 
(Marien)  und  ein  Geistlicher,  oben 
der  Gekreuzigte  und  darüber  Gott 

selbst  in  Wolken.  Hinten  ist  ein  einfaches  Kreuz  angebracht. 
Von  zwei  andern  ähnlichen  sind  die  Kreuze  mit  in  Seide  ge- 
nähten bildlichen  Darstellungen  aufbewahrt  worden;  auf 
dem  ersten  finden  wir  von  oben  nach  unten  den 
kreuztragenden  Heiland,  die  Dornenkrönung,  die  Kreu- 
zigung, die  Grablegung,  Christus  unter  seinen  Jüngern, 
Judas  mit  dem  Beutel,  den  ülberg;  auf  dem  zweiten  jetzt 
zur.\Uarbckleidung  benütz- 
ten: Maria  mit  dem  Jesu- 
kinde, anbetende  Frauen  zu 
beiden  Seiten ,  und  S.  Ka- 
tharina. Eben  so  bewahrte 
der  Raum  überdemKirchen- 


(Fig.  ä.) 


gewölbe  bis  vor  Kurzem  noch  wie  die  Kirche  von  Schwei- 
seher  die  zum  Herahwerfeii  bestimmten  Steine  und  herbergt 
noch  jetzt  manche  Erinnerungszeichen  an  die  kriegerisehe 
Bestimmung  desselben :  Harnische,  Helme  und  eine  hübsch 
gearbeitete  Streitaxt,  welche  selbst  den  jüngsten,  für  der- 
gleichen Alterthümer  gefährlichen  Zeiten  der  Zerstörung 
entgangen  sind.  Die  löT(J  gegossene  Glocke  bezeichnet  mit 
ihrer  Umschrift :  verbnni  domiiii  manet  in  aeternum.  opiis 
gporgh-s  lefflcr  1  .i).7 .0  bereits  den  Übergang  der  Kirche  an 
den  protestantischen  Gottesdienst.  (Schiuss  folgt.) 


Die  Kroninsignien  Böhmens. 

Von  Franz  Bock,  Coiiservator  des  erzbischöllichcn  Museums  in  Cöln. 


I. 


Die  Kroue  Kai-rs  IV. 


VDrauszuschicken  ,  imd  haben  in  den  letzten  Heften  auch 
die  Kroninsignien  l'ngarns,  da  sie  ebenfalls  dem  Mittel- 
alter angehören,  zum  Gegenstande  einer  vorläufigen  Be- 
Wir  haben  in  diesen  Blättern  den  Versuch  gemacht,  sprechung  gemacht.  Da  nun  in  dem  vierten  Theile  unseres 
als  Einleitung  zu  einem  grösseren  kunsthistorischen  Werke,  Werkes  als  Parallele  zu  den  allelir«  ürdigen  Reichsklein- 
das  auf  Allerhöchsten  Befehl  in  der  k.  k.  Hof-  und  Staats-  odien  der  deutschen  Kaiser  die  Aufgabe  gestellt  ist,  jene 
druckerei  erscheinen  soll,  eine  kurzgofassfe  Beschreibung  übrigen  Iiisignien  in  vergleichender  Beschreibung  näher  zu 
„der  Kleinodien  des  heiligen  deutschen  römischen  Reiches"      erläutern,    die    ebenfalls,  aus   den  Tagen  des  Mittelalters 


232 


stammend,  zu  dem  deutschen  Reiche  in  engfster  Beziehung 
stiiudcn:  so  erübrigt  es  noch,  in  den  naciifuiyenilen  Arliiichi 
die  Kroninsignieu  n(.ihniens  und  der  Lombardei,  insofern  sie 
chronologisch  den  deutschen  Heiehsiileinodien  analog  sind, 
einer  kurzen  Beschreibung  in  allgemeinen  Umrissen  zu  unter- 
werfen. Dank  der  unschätzbaren  Kriaubniss  des  hohen  Mini- 
sterium des  Innern  wurde  behufs  der  stylgetreuen  Abzeich- 
nung und  Beschreibung  eigends  die  feierliche  Eröflnung  des 
böhmischen  Kronschatzes  am  23.  Mai  d.  J.  vorgenonimen  und, 
ofl'en  gestanden,  hatten  wir  uns  der  frohen  Holfnung  hinge- 
geben, auf  mündliche  Aussagen  gestützt,  jene  Kleinodien  in 
[iriniitiver  Form  vorzulhideu,  die  Karl  IV..  der  Luxemburger, 
nachweisbar  für 
sich  und  seine 
Nachkommen 
auf  den)  Throne 
Böhmens  hatte 
anfertigen  las- 
sen. Bei  derEr- 
öflFnung  jedoch 
stellte  es  sich 
heraus,  dass  von 
den  verschie- 
denen Kleino- 
dien nur  allein 
noch  die  Krone 
die  Tage  Kai- 
ser Kiirl's  IV. 
als  ihre  Entste- 
liungszeit  bean- 
spruchen konn- 
te. Das  Scepter, 
der  Reichsapfel 
sammt  Pluviaie 
und  Stole  gehi)- 
rcii  ülfenbar  der 
Zeit  Rudolfs  II. 
an  ,  der  in  Hin- 
sicht seiner  arti- 
stischen l'nter- 
nchnningen    ein 

zweiter  Karl  IN',  für  Böhmen  und  insbesondere  für  Prag 
genannt  zu  werden  verdient.  Da  unsere  Aufgabe  nur 
darin  besteht,  die  Kroninsignieu  des  Mittelalters,  inso- 
fern sie  in  näherer  Beziehung  zu  den  deutschen  Reichs- 
kleiimdien  stehen ,  in  den  Bereich  einer  näheren  Beschrei- 
bung zu  ziehen,  so  mag  es  gestattet  sein,  im  Folgen- 
den die  Kroninsignieu  Böhmens,  die  dem  .Ausgange  der 
Renaissance  bereits  angehören,  bloss  flüchtig  zu  skizzireii  und 
bei  der  Besehreibung  der  äusserst  merkwürdigen  nnd  gut 
erhaltenen  Krone  Karfs  IV.  länger  zu  verweilen. 

Die  böhmische  Krone   ist  (vgl.  Fig.  1)   wie  überhaupt 
die  älteren  Kronen  in  Kreisform  angelegt  und  imitirt  die  alte 


(Fig  I.) 


Form  des  Diadems,  das  in  der  ältesten  Zeit  bloss  aus  einem 
einfachen  Stirnreif  (f(VcH/«s,  rcgnuni)  bestand,  und  in  der 
Spätzeit  des  Mittelalters  durch  einzelne  Aufsätze  (Zinken 
pintiul)  und  durch  Einfügung  eines  einfachen  oder  Doppel- 
bogens formell  weiter  entwickelt  und  ornamentirt  wurde. 
Dieses  runde  Stirnband  misst  an  der  böhmischen  Krone 
zwischen  19 — 20  Centim.  im  Durchmesser,  und  hat  das 
Stirnband  selbst  in  seiner  grössten  Breite  eine  Ausdehnung 
von  4  Centim.  8  Millim.  Dasselbe  besteht  aus  vier  beweg- 
lichen ausgerundeten  Compartimenten ,  wovon  jedes  in 
seiner  Ausbiegung  6  Centim.  misst.  Diese  vier  zerlegbaren  '} 
Theile  der  Krone   greifen  gegenseitig  durch  Charniere  in 

einander,  durch 
welche  zur  Be- 
festigung ein 
unten  umgebo- 
gener Goldstift 
gezogen  ist,  der 
auf  seiner  Spi- 
tze mit  einem 
blassrothen  Ru- 
bin knopITör- 
mig  verziert  ist. 
Durch  diese  be- 
weglichen Char- 
niere hat  der 
Künstler  es  er- 
zielen wollen, 
dass  die  Krone 
vorkommenden 
Falles  durch  ei- 
nen leisen  Druck 
entweder  ver- 
engert oder  er- 
weitert werden 
konnte.  Auch 
liess  es  die  an- 
gedeutete Ein- 
richtung zu,  dass 
hei  grösseren 
Reisen  die  Krone 
schnell  in  einzelne  Theile  zerlegt  und  leichter  verpackt 
werden  konnte.  Auf  jedem  einzelneu  dieser  vier  Compar- 
timente  erhebt  sich  in  der  Mitte,  aus  dem  Stirnreifen 
allmählig  heransteigend,  ein  stattliches  Ornament  in  Form 
einer  mittelalterlichen  Lilie  (tleur  de  lis),  die  in  ihrer  gröss- 
ten Ausdehnung  12  Centim.  misst  bei  einer  gleichen  Breite. 
Wie  das  bei  den  meisten  Kroneu  des  Millelalters  der  Fall 
ist,  wird  dieselbe  von  einem  Doppelbogen  (arcu.s)  überragt. 
Auf  dem  Durchkreuzungspunkte  dieses,  2  Centim.  7.  Millim. 


' )  Eine  hhulichc  Vorrichtung  fimlet  sich  jn  »iich  im  ilcr  »Udciitschiiii  Kaiser- 
krone, die  sich  uoch  dieser  Weise  iu  S  Theile  jerlej;cn  liisst 


233 


breiten  Doppelbogens  ei'bebt  sieb  ein  lateiniscbes  Kreuz  in 
Form  jenes  Kreuzes,  wie  es  beute  nocb  die  Ritter  des  deut- 
seben  Ordens  l'iibren,  dessen  grösste  Ausdebnung  8  Centini. 
betragt.  Im  Innern  der  bobmiscben  Krone  ist  jetzt  ein 
unbeweglicbes  Häubcben  („pileus")  eingefügt,  das  unmittel- 
bar in  seiner  äussern  Rundung  bis  unter  den  Bügel  ansteigt. 
Naeb  diesen  allgemeineren  Andeutungen  über  die  Grund- 
form der  Krone  Karl's  IV.  wollen  wir  jetzt  zur  Besebreibung 
der  einzelnen  Tbeile  derselben  übergeben  und  bemerken  zu 
diesem  Bebufe,  dass  jenes  Compartiment,  bestebend  aus 
einem  vierten  Tiieile  des  Kreises,  welcbes  sieb  unmittelbar 
über  der  Stirne  als  Fronton  befindet,  durcb  die  vermehrte 
Zabl  der  ungeseblitTenen  Edelsteine  reieher  vor  den  übrigen 
sieb  auszeichnet. 

An  dieser  „latus  frontalis-'  iiedndet  sieb  nämlich  in  dem 
Stirnreifeii,  unmittelbar  unterhalb  der  Lilie  ein  praebtvoller 
ungescblilfener  Saphir  von  hellstem  Wasser,  der  in  seiner 
grössten  Ausdehnung  fast  5  Centim.  misst  und  an  Gewicht 
mehr  als  40  Karat  hat.   Von  beiden  Seiten  dieses  ziemlich 
regelmässig  geformten  Saphirs  sind  durch  Stellung  von  ö 
ungescliliffenen  „rubis  balais"  (balassus)  auf  der  Fläche  des 
Stirnbandes    zwei    Kreuze    imitirt,    die   zu   correspondiren 
scheinen  mit  der  Formirung  eines  dritten  Kreuzes,  das  auf 
der  „fleur  de  lis'-  durch  grössere  blassrotbe  Rubine  dadurch 
erzielt  wurde  ,  dass   der  Künstler   den  mittleren  grossem 
Rubin  durch  vier  andere  gleichnamige  Edelsteine   ([uadra- 
tiscb   umstellte.    Jener    „faber  argentarius",   dem  bekannt- 
lich  in  Abwesenheit   Karl's   IV.    im   Auftrage   der   Königin 
Blanka  vorstehendes  Kunstwerk  zur  Ausführung  übergeben 
wurde,   scheint  absichtlich   sein  Kunstwerk  auf  das  Haupt 
eines  Königs  berechnet  zu  haben,  der  sieb  mit  Auszeichnung 
ein  christlicher   zu   sein   rühmte.   Er  hat  daher  nicht  ohne 
Absiebt  durch   die   symmetrische  Stellung  der  Steine  drei 
Kreuze  ander  vorderen  Hauptseite  der  Krone  erzielen  wollen, 
sondern  er  bat  auch  seinem  Kunstwerke  auf  seiner  höchsten 
Spitze  ein  Kreuz  eingefügt,  dass  in  seiner  Durcbbrecbung 
abermals  ein  kleineres  Kreuzchen  in  Form  einer  kostbaren, 
geschittenen  Camee  zum  Vorschein  treten  lässt,  die,  mit  der 
Darstellung  des  Gekreuzigten  als  Basrelief  in  älterer  byzan- 
tinischer Auffassung  geschmückt,  es  deutlich  erkennen  lässt, 
dass   dieser  in  Relief  geschnittene  Stein  von  jener   älteren 
Krone  herüber  genommen  wurde,  womit,  der  Angabe  älterer 
Schriftsteller  zufolge,  die  Krone  des  heiligen  Wenzel  ge- 
schmückt war,  deren  Material  Irrtbümlicher  Weise  von  der 
Königin  Blanka  zu  der  vorliegenden  Krone  verwendet  wm-de. 
Auch  die  viermalige  Anbringung  der  „tieur  de  lis"  scheint 
nicht  ohne  Absicht  von  dem  Künstler  gewählt  worden  zu  sein ; 
denn  bekanntlich    war    die    francica    oder    francisca,    die 
bereits  unter  Ludwig  IX.  in  dem  Wappen  von  Frankreich, 
nachweislich  vorkömmt  und  die  er  als  beliebtes  Ornament 
von    den    Kreuzzügen    heimgebracht      das    ganze   Mittel- 
alter hindurch  als  Symbo     der  Mutter  Gottes    auch  meist 
ornamental  angewandt.    Auch  der  ganze  Habitus  der  Krone 
II. 


ist    durchaus    ein    mittelalterlicher    und    olVeiibar    conform 
gehalten  mit  der  älteren  französischen  Krone  derKönige  aus 
dem  Hause  Valois,  die  bis  zur  französischen  Revolution  im 
Schatze  der  königlichen  Grabeskirche  zu  St.  Denis  aufbe- 
wahrt wurde.    Auch  diese  war,  älteren  Beschreibungen  zu 
Fidgp.  über  dem  Stirnreif  ^ierfach  mit  Anbringung  der  fran- 
cisca oder  francica  geziert,  deren  Formbildung  vollständig 
identisch  ist  mit  der  fleur  de  lis,  die  auf  den  vier  Selten  der 
böhmischen    Krone,    wie    idien    ber:icrkt,    angebracht    Ist. 
(Vergl.     obigen    Holzscbnilt.J     Es     kann    diese    Identität 
nicht  auffallend  erscheinen ,  indem  es  so  zu  sagen  die  fest- 
stehende ,    conventioneile  Oriramentatlon  der  Kronen   der 
christlichen  Könige  des  Occidentes  gegen  Scbluss  des  XIII. 
und  im  [/aufe  des  XIV.  Jahrhunderts  war.  Aucii  darf  es  nicht 
ausser  Acht  gelassen  werden,  dass  die  Genrahlln  Karl's  IV.,  in 
deren  Auftrag  und  Leitung  bekanntlich  die  Krone  angefertigt 
wurde,  eine  französische  Prinzessin  war  aus  dem  Hause  der 
Valois,  und    dass  es  niclit  unwahrscheirdich  ist,  dass  unter 
dem  bestimmenden   Einflüsse  der  Königin  der  „oplfex"  die 
vorstehende  Form  gewählt  bat.  Wir  unterlassen  es  nicht  als 
Parallele    zur  Krone  Karl's    IV.    noch  darauf  hinzuweisen, 
dass    auch    vollkommen   analog  mit  der  vorliegenden    böh- 
mischen  Krone  jenes   Diadem    geformt  ist,    das  sich    aus 
dem  Reginne  des  XIV.  Jahrhunderts  als  „Corona  funeralis"  in 
dem  Grabe  einer  ungarischen  Königstochter  von  dem  neapo- 
litanischen    Geschlecbte   der   Anjou   vorgefunden   hat    und 
heute  noch  Im  Natlonalmuseum  zu  Pesth  aufbewahrt  wird; 
dieses  Diadem  ist  jedoch  im  Achteck  gehalten  und  ist  keine 
Corona  clausa,  sondern  eine  Corona  aperta,  indem  an  dersel- 
ben der  überspannte  Doppelbogen  gänzlich  fehlt.  Auch  hat 
diese  Krone  statt  der  Zinken  in  Form  von  di-eieckigen  Gie- 
belfeldern  auf  dem   Stirnreif  jedesmal  eine  francisca,  die 
vollständig  conform  ist  mit  der  oben  besprochenen  fleur  de 
lis  an  der  böhmischen  Krone.  Dessglelchen  findet  sich  in  der 
reichen  Schatzkammer  des  ehemaligen  kaiserlichen  Krönuna-s- 
Stiftes  „Unserer  Lieben  Frau"  zu  Aachen  imd  zwar  auf  jenem 
kostbarenßrustbilde,  das  als  rellqularlum  den  Schädel  Karl's 
des   Grossen   birgt,   eine  Krone,  die  frappant  ähnlich  hin- 
sichtlich  ihres   äusseren   Aufrisses   und   ihrer   decoratlven 
Ausstattung  mit  der  In   Rede  stehenden  böhmischen  Krone 
gehalten  ist.  Auch  diese  zeigt  auf  dem  Stirnband  die  vier 
Lilien  in  derselben  Formation,  wiesle  an  der  Krone  Karl's  IV. 
vorkommen  und  es  fehlt  auch  hier  der  Doppelbogen. 

Dieselbe  eben  beschriebene  Ornamentationsweise,  die 
auf  eine  ElVectwirkung  in  die  Ferne  berechnet  ist,  ist  auch 
consecfuent  an  den  drei  übrigen  Compartimenten  der  Krone 
befolgt,  jedoch  mit  dem  Unterschiede,  dass  in  dem  untern 
Stirnreif  statt  der  Formation  von  zwei  Kreuzen  durdi  fünf 
Rubis  balais  hier  gleichmässig  drei  grössere,  derb  gelasste 
ungescbliirene  Edelsteine  in  Farbe,  abwechselnd  zu  drei  und 
drei  horizontal  gestellt,  angewa  ndt  sind.  Auf  den  drei  andern 
Lilien  hat  der  Künstler  ebenfalls  den  Schmuck  der  edlen 
Steine  und  die  Stellung  derselben  so   anzubringen  gewusst, 

:t:! 


234 


ihiss  liadiiirh  eboiiüilLs  wiL'ilcr,  wie  schon  (ibiMi  lieiiiL'rkt.die 
Kreuzesform  erzielt  wird.  Siimmtliche  vier  Mnrienlilien  lin- 
den in  einer  rejjelinassifit  fjefürinten  orientiilisclien  Perle 
(perle  liouton)  von  l)edeutendem  Inifange  ihren  Ahschluss. 
und  zwar  sind  diese  Perlen  auf  den  überhöhten  Spitzen  der 
franeica  so  gestellt,  dass  sie  durch  ein  aufgenietetes 
Goldblcoli  in  einem  Idiitterfürinigen  Ornament  einen  zier- 
lichen llintergrunil  erhalten.  Die  durehhuhrte  Perle  wird 
nach  vorne  hin  befestigt  durch  ein  Goldkuö|iffhen,  das  im 
Innern  mit  einem  kleinen  Smaragd  gesehmiickt  ist.  Was  nun 
die  Anbringung  der  ungesehlill'enen  Kdelsleine  betrilTt.  so 
muss  gesagt  werden,  dass  es  der  Künstler  nicht  verstanden 
bat,  binsichtlieh  der  Fassung,  die  er  wählte,  die  Einfügung 
des  reichen  Steinsehnmckes  so  zu  gestalten,  dass  sie  der 
böhmischen  Krone  als  hellglänzende  Zierde  diente.  Es  irat 
nämlicli  der  „aurifaber"  seine  iiracbtvollen  Saphire  und 
Hubine  nicht  cnjotir  gefasst  und  sie  vermittelst  einer  Cnrdo- 
nirung  auf  dem  darunter  ausgeschnittenen  Goldbleche  auf- 
gesetzt, wodurch  er  ähnlicli  wie  au  der  deutseben  Krone 
ihre  schimmernde  Durchsiciitigkeit  gewahrt  hätte ,  sondern 
er  bat  unbegreiflicher  Weise  seine  Edelsteine  von  bedeu- 
tendem l'mfange  in  Goldkästen  (leetulum)  gefasst,  die  sich 
nach  hinten  trichterförmig  zuspitzen  und  noch  zudem  auf 
einen  <juadratischen  Sockel  in  einer  Weise  aufgefngt  sind, 
dass  die  Fassung  allein  ohne  Stein  oft  l'/o — 2  Centimctres 
hoch  auf  der  Stirnplatte  und  auf  den  Lilien  hervorragt.  Es 
ist  niebt  zu  verkennen,  dass  dadurch  zwar  die  Steine  effcct- 
voll  und  kräftig  hervortreten,  dass  aber  auch  zugleich  durch 
die  Fassung  die  Durchsichtigkeit  derselben  gänzlich  ver- 
loren gebt  und  der  Krone  im  Ganzen  ein  schwerfälliges 
niibebolfenes  Äussere  verliehen  wird.  Auch  lässt  es  sich 
nicht  in  Abrede  stellen,  dass  durch  die  schwere  Fassung 
der  Steine  und  durch  die  Dicke  des  Goldbleches  eine  über- 
mässige Scbwere  unnötbiger  Weise  herbeigeführt  worden 
ist  ').  Die  Ornamcntation  und  Fassung  der  Steine  auf  den 
schmäleren  Guldblecheu  des  sich  durchkreuzenden  D(ip[iel- 
bogens  ist  viel  zierlicher  und  feiner.  Es  befinden  sich  näm- 
lich auf  den  schmalen  Goldstreifen  dieser  Doppelbögen  in 
der  oben  angegebenen  Breite  drei  schmälere  (joldbleche 
aufgenietet,  wovon  die  beiden  grösseren  eine  Länge  von 
IJ  Centim.  S  Millim.  haben,  bei  einer  Breite  von  1 '/j  Centim. 
.\uf  jedem  einzelnen  der  Viertclkreise,  wodurch  der  Doppel- 
bugen gebildet  wird,  zeigen  sich  zwei  grössere  solcher  auf- 
genieteten Goldbleche  von  einem  Filigranringe  contourirt. 
die  jedesmal  eine  kleinere  quadratische  Metallplatte  ein- 
fassen, auf  welcher  entweder  ein  orientalischer  Hnbin  oder 
ein  Smaragd  von  vier  grösseren  Perlen  umgeben,  eingcfassl 
ist.  Auf  dem  grösseren  Goldbleche  erblickt  man  als  Ornamente 
in  kleineren  Goldkapseln  gefasst  5  Edelsteine  von  derselben 


•}  Wäre  der  Goldschmicil  dir  liöliiiiisclien  Krone  mehr  KünslIiT  als  Seliinieil 
gewesen,  gewiss  würde  er  dann  niil  dem  ihm  von  Karl  IV.  ühcrlinforldi 
Materiale  atis;?ereic)il  liahen. 


Oualität,  Min  denen  der  mittli're  grössere  ein  nnbin  oder 
Smaragd  abwechselnd  ist,  der  auf  beiden  Seiten  von  vier 
kleineren  Edelsteinen  in  abwechselnder  Farbe  umstellt  wird. 
Diese  drei  schmälei-en  (loldsti'eil'en  als  l'nterlage  für  die 
Steinfassung  sind  durch  Cliarniere  liligrauformig  ausgear- 
beitet, mit  einander  verbunden  und  scheinen  dieselben  nicht 
primitiv  der  Krone  gehört  zu  haben,  sondern  et\Nas  später 
als  Ornament  auf  den  unterliegenden  breiteren  Metallstreifen 
aufgenietet  worden  zu  sein.  Auf  dem  Scheitelpunkte  der 
sieb  durchkreuzenden  Bogen  ist,  wie  oben  bereits  bemerkt, 
das  Zeichen  der  Erlösung  in  Form  eines  Deiitsebritter- 
Kreuzes  auf  eine  einfache  Weise  eingefügt.  Dieses  Kreuz- 
eben, auf  seinen  Flächen  glalt  gehallen,  hat  eine  Dicke  von 
kaum  '/j  C'entimeter.  Diebeiden  tjuerbalken  desselben  sind  mit 
einem  bohneuförmigen  blassen  Hubin  verziei't;  auf  der  Spitze 
desselben  befindet  sieb  ein  Sajibir  von  ziemlich  regelmäs- 
siger Bildung.  Auf  den  Flacbseilender  Dicke  dieses  Deutsch- 
ordeuskreuzes  liest  man  in  gotliischeu  Majuskelscbril'ten 
folgendes Legendarium :  „bic  est  spina  de  corona  domini."  Die 
Inschrift  besagt  also,  dass  das  Kreuz,  welches  die  böhmi- 
sche Krone  überragt,  als  eine  .Art  reliquiarium  zu  betrach- 
ten sei,  in  dessen  innerer  Höhlung  sieb  ein  Dorn  von  der 
Krone  Christi  befinden  soll.  Diese  Reliquie  ist  jedoch  nach 
aussen  bin  heute  nicht  ersicbtlich.  Der  unstreitig  älteste 
Brucbtheil  der  Krone  besteht  aus  einem  in  Relief  gesciinit- 
tenen  Saphir,  ein  kleines  Kreuzchen  formirend,  2% Centim. 
lang,  mit  gleich  langen  Querbalken,  das  auf  seiner  äussern 
Fläche  als  Basrelief  heraustretend,  die  Darstellung  des  Ge- 
kreuzigten in  byzantiniscber.Vull'assungsweise  zeigt,  stehend 
auf  dem  „suppedaneum" .  mit  geradlinig  ausgebreiteten 
Armen,  nach  dem  Spruche:  „stabaf  Christus  benediceiis  in 
cruce."  Wie  das  bei  den  meisten  Byzaulinern  der  Fall  ist, 
befinden  sich  zur  Seite  des  Gekreuzigten,  um  anzuzeigen, 
dass  der  Heiland  der  Herr  des  Weltalls  ist,  die  allegorischen 
llalbfiguron  von  Sonne  und  Mond,  die  beim  Scheiden  des- 
selben „ihren  Schein  verloren",  was  hier  bei  den  Kugeln 
durch  Verhüllen  des  Gesichtes  angedeutet  ist.  Über  dem 
Antlitz  des  HiMlandes  selbst  ist  ein  dritter  schwebender  Engel 
dargestellt,  ebenfalls  als  „plangens" ;  zu  beiden  Seiten  auf 
den  beiden  Balken  des  Kreuzes  erblickt  man  zart  eingeritzt 
die  bei  ähnlichen  griechischen  Darstellungen  selten  felilende 
Inschrill  in  .\bkiirznngen  IIIS  XPS  -rorv;:..  Was  die  ganze 
Aulfassung  und  Darstellung  des  Heilands  belrifl't  mit  tief 
herunterfallendem  Scbürztucb.  so  glauben  wW  mit  Grund 
annehmen  zu  müssen,  dass  diese  gescbnilleue  Camee  gegen 
den  Schluss  des  XII.  .lahrbumlerts  von  griechisclien  Künst- 
lern etwa  in  Mittelitalien  ihr  Entstehen  gefunden  haben 
dürfte.  .leuen.  iWv  lu'i  der  böhmischen  Krone  mehr  auf  den 
Wei'lh  des  Goldes  und  der  geschlilTenen  Steine,  als  auf  ilie 
Composilion  und  die  artistisch-formelle  Beschalfenbeit  der- 
selben Werth  legen,  diene  hier  naciifolgendc  Hinzufügung: 
die  Krone  Karl's  IV.  wiegt  mit  Einscbuss  der  Edelsteine 
und     Perlen     und    dem     llänbchen     im    Ganzen    4    Pfund 


23S   - 


ISVi  Loth').  Es  befiiiden  sich  auf  den  einzelnen  Compar- 
timenten  derselben  nach  der  Zählung,  die  wir  am  Originale 
selbst  vorgenommen  haben,  eine  solche  Menge  von  grös- 
seren Saphiren,  Smaragden,  blassrothen  Hubinen,  orientali- 
schen Perlen,  dass  der  reelle  Gesammtwerth  der  Krone  wohl 
auf  23,000  fl.  anzunehmen  ist.  Wir  wagen  es  nicht  zu 
bestimmen,  ob  vorliegende  Krone  Karins  IV.,  die  ohne  den 
geringsten  Zweifel  als  die  alte  authentische  zu  betrach- 
ten ist,  ursprünglich  mit  einem  befestigten  Haubehen  im 
Innern  (pileus)  versehen  war.  Wie  wir  an  anderer  Stelle 
bereits  früher  nachgewiesen  haben,  wurde,  da  die  Könige 
im  Mittelalter  häufiger  in  der  Krone  zu  erscheinen  pflegten, 
bei  jeder  neuen  Krönung  ein  bewegliches  caputium  eigens 
angefertigt,  das  für  sich  allein  frei  und  beweglich  bestimmt 
war,  vorAnlegung  der  Krone  aufgesetzt  zu  werden.  MitGrund 
steht  zu  vermuthen,  dass  auch  primitiv  an  der  vorliegenden 
Krone  dieser  ..pileus"  beweglich  war;  mit  Siclierheit 
kann  aber  behauptet  werden,  dass  das  heute  in  der  Krone 
befindliche  Häubchen  mit  eineni  unschönen  verworrenen 
Muster  des  Rococo  dem  XVIII.  .Jahrhundert  angehöre.  Eine 
nähere  Untersuchung  des  Innern  Futterzeuges  verschafl'te 
uns  auch  die  Gewissheit,  dass  der  ältere  pileus  aus  schwerem 
angemustertem  Rothsammet  bestand,  der  nicht  ohne  Absicht 
hier  seine  Anwendung  gefunden  hat,  indem  auf  der  roth- 
sammtenen  dunklen  Unterlage  als  Hintergrund  die  Gold- 
ornamente der  Krone  effeetvoller  hervortraten  als  dies  heute 
auf  dem  drap  d'or  der  Fall  ist. 

II. 

Enveloppe    in   Form    eine»«    kleinen    kreisförmigen 
Kastens    in    illiiminirter    Leilerplaslik    zur   Aufbe- 
wahrung  der  böhmischen   Krone. 

Dieses  „futrum"  stimmt  in  seinen  Dimensionen  ziem- 
lich überein  mit  der  „capsa",  die  auch  zur  Aufbewahrung  der 
deutschen  Reichskrone  fast  zur  selben  Zeit  angefertigt 
worden  ist. 

Die  zur  Bewahrung  und  zum  leichteren  Transporte 
der  böhmischen  Krone  dienende  Enveloppe  misst  in  ihrer 
grössten  Höhe  25 '/^  Centimetres  und  beträgt  der  Durch- 
messer derselben  32  Centimetres.  Dieses  in  Rede  stehende 
Futteral  besteht  aus  2  Theilen,  einem  unteren  Comparti- 
mente  zur  Aufnahme  der  Krone  und  einem  oberen  Tlieile 
als  halbkreisförmigen  Deckel;  die  untere  Lade  ist  im  Innern 
mit  einer  koplTörmigen  Erhebung  ausgefüllt  und  mit  einem 
gerotheten  Leder  als  Futterzeug  belegt.  Auf  dem  äusseren, 
9  Centimetres  hohen  Rande  des  unteren  Theiles  zum 
Einsetzen  der  Krone  sind  in  Lederplastik  Laubornamente 
angebracht,    in    grüner    Farbe    illuminirt,    durch    welche 


')  Da  in  fielegeiiheitsschriften  dem  böhmischen  Gran  immer  ein  bedeutend 
grösseres  üewicht  beigelegt  wurde,  so  sahen  wir  uns  veranlasst,  durch 
eine  Goldwage  das  eben  beieichnete  Gewicht  mit  üestimmthcit  ermit- 
teln zu  lassen. 


sich   roth  gefärbte  Adern  ziehen ,  die  Stengel  der  Blätter 
vortretend. 

Von  diesen  Laubornamentationen  umgeben,  deren  Con- 
toiiren  zur  .4btrennuiig  mit  einer  eingeritzten  \  ertiefung 
inarkirt  sind,  erblickt  man  auf  dem  unteren  Theile,  im  rothen 
Wappenschild,  die  vordere  Hälfte  eines  Pferdes  in  weisser 
Farbe.  Auf  der  gegenüberstehenden  analogen  Seite  zeigt 
sich,  von  ähnlichen  Laubornamenten  umgeben,  ein  zweites 
heraldisches  Schild,  das  auf  schwarzem  Felde  von  einem 
gelben  Querbalken  horizontal  diu-chzogen  ist. 

Die  beiden  Hälften  bilden  sich  durch  zwei  gegenüber- 
stehende Halter  oder  Ohren  von  Leder,  durch  welche  ein 
starker  Lederriemen  in  der  Breite  von  i\/..  Centimetres  sich 
durchzieht,  der  auch  durch  eine  entsprechende  ohrenformige 
Olfiiung  auf  dem  oberen  Deckel  durchgezogen  werden  kann. 
Wir  glauben  nicht  annehmen  zu  sollen,  dass  dieses  „futrum" 
vornehmlich  dazu  diente  die  böhmische  Krone  aufzunehmen, 
wenn  sie  nach  der  Krönung  eine  bleibende  Stelle  unter  den 
übrigen  Kleinodien  und  Reliquien  im  „armarium"  der  reichen 
Schlosscapelle  zu  Karlstein  eingenommen  hatte,  sondern  es 
scheint  dieser  Tragriemen  anzudeuten,  dass  sie  angefertigt 
wurde,  um  die  Krone  auf  Reisen  und  Umzügen  leichter  und 
sicherer  transportiren  zu  können.  Der  obere,  grössere  Theil 
der  „capsa"  ist  jedenfalls  in  formeller  Beziehung  reicher  und 
interessanter,  als  die  eben  beschriebene  untere  Hälfte  gehal- 
ten. Auch  dieser  Deckel  ist  durch  den  zu  beiden  Seiten 
durchgezogenen  Tragriemen  in  2  gleiche  Hälften  getheilt. 
In  jeder  dieser  Abtheilungen  liest  man,  in  je  4  Reihen  über 
einander  geordnet,  folgendes  Legeiidarium  in  lateinischen 
Majuskelschriften ,  die  bekannte  Künstlerschrift,  wie  sie  con- 
stant  das  XIII.  und  XIV.  Jahrh.  hindurch  gebräuchlich  war: 

„Anno  Doniini  MCCCXLVII  (1347)  Dominus  Carolus, 
Romanorum  Rex  et  Bohemiae  Rex  nie  fecit  ad  honorem  Dei 
et  beati  W^enceslai  martyris  gloriosi." 

Diese  Spruchbänder  sind  mit  schmalen  Streifen  abge- 
grenzt und  sämmiliche  Charaktere  sind  in  siegellackrother 
Farbe  auf  schwarzgebeiztem  Ledergrunde  mit  stumpfem 
Stichel  derb  eingeritzt.  Auf  der  oberen  Rundung  des  Deckels 
zeigen  sich  zwei  Wappen  von  einem  Kreise  eingeschlossen, 
und  zwar  erblickt  man  an  der  Ehrenseite  rechts  ein  gelbes 
Wappenschild  mit  der  schön  stylisirten  Darstellung  des  ein- 
köpfigen deutschen  Iteiclisadlers  in  schwarzer  Farbe;  in 
dem  gleich  grossen  dabei  belindlichcn  Schilde  zeigt  sich  auf 
rothem  Felde  der  aufrecht  stehende  gekrönte  Löwe  Böhmens 
in  weisser  Farbe  mit  gespaltenom  Schweif.  Die  übrigen  Flä- 
chen der  Rundung  sind  ebenfalls  wieder  durch  Laubverzie- 
rungen in  grüner  Farbe  mit  rothem  Blattnerv  ornamental 
ausgefüllt.  Da  der  Inschrift  gemäss  im  Jahre  1347  diese 
„bursa"  ihr  Entstehen  gofmulen  hat,  zu  einer  Zeit,  wo  Karl  IV. 
noch  nicht  die  Kaiserkrone  in  l{uni  empfangen  hatte,  so  lin- 
den der  einköpfige  deutsche  Reichsadler  und  der  böhmische 
Löwe  leicht  ihre  Deutung.  Das  oben  bezeichnete  \\'appen- 
schild  auf  dem  Fusstheil  der  Enveloppe,  ein  weisses  Pferd 


236  — 


iiiif  rotlieiu  Gniiui,  ist  (l;i.s  heraldische  Zeichen  des  edlen  Ge- 
scliieehtes  der  von  Pardubiz,  aus  welcher  Familie  Arnestus, 
der  erste  Erzhischof  der  Prager  Kirche,  hervorgcgaiicjon 
war.  welcher  den  erzliiscliötliciien  Stuhl  ziei'te  vom  ,i;ilire 
J343 — 11564.  Da,  wie  bekannt,  Blanka  von  Valois  die  Krone 
des  lieiligen  Wenzel  dazn  verwandt  hatte,  um  in  .Vhwesen- 
heit  ihres  Gemahls  Karl's  IV.  beim  .Migaiijj  des  noch  erfor- 
derlichen Goldes  die  böhmische  Krone  in  ihrer  jetzigen 
Gestalt  anfertigen  zu  lassen  und  Karl  IV  bei  seinem  Znriick- 
konuneii,  über  das  Versehwinden  der  Krone  vom  IlaM|ite  des 
heiligen  Wenzel  untriistlich ,  vom  Krzliischof  Ai-nestus 
den  Rath  erhielt,  die  neue  Krone  nach  der  jedesmaligen 
Krönung  eines  Königs  zu  den  Reliquien  des  eben  gedach- 
ten Landespatrons  zurückzusenden,  so  erklärt  es  sich, 
wie  der  Künstler  auf  dem  Futterale  das  eben  gedachte 
W'appen  des  Erzbisehofes  und  das  andere  des  Prager  Metro- 
nolitancapitels  (namüeh  ein  goldener  Ralken  in  schwarzem 
Felde)  anzubringen  sich  berechtigt  hielt.  Es  erübrigt  nur 
noch  die  Beantwortung  der  Frage,  ob  durch  die  angezogene 
Inschrift  das  Jahr  1347  als  die  Zeit  der  .4nfertigung  der 
böhmischen  Krone  soll  betrachtet  werden,  oder  ob  das  „me 
fecit-  zunächst  nur  auf  Anfertigung  des  „feretruni"  bezogen 
werden  solle,  worauf  dieselbe  sich  befindet.  Wir  unsererseits 
»■tauben,  dass  die  ijesagte  Inschrift  sicli  auf  den  Inhalt  der 
capsa  (das  ungleich  Wichtigere),  die  Krone,  beziehe  und  es 


jedenfalls  als  eine  l'nbescheidenheit  dem  schlichten  Verfertiger 
der  Envelopjte  gedeutet  werden  könnte,  wenn  es  weiter  in  der 
Inschrift  beisst:  er  habe  sein  einfaches  Kunstwerk  von  inin- 
(Icrer  Bedeutung  dem  höchsten  Zwecke,  nändich;  „ad  hono- 
rem Dei  et  beati  Wenceslai  martyris  glnriosi"  gewidmet  und 
ilie  Krone,  der  es  eigentlich  als  receptaculnm  dienen  sollte, 
als  Nebensache  dabei  betrachtet.  Dank  der  Vorsorge  und 
dem  Kunstgeschmacke  des  grossen  Luxemburgers,  wie  ihn 
das  dankbare  Böhmen  nennen  muss.  hätten  wir  also  von 
allen  Kronen  der  Cbrislenheit ,  die  noch  unversehrt  auf 
unsere  Tage  gekonnnen  sind,  nur  nodi  eine  und  z«ar  die 
böhmische,  bei  welcher  eine  glücklich  erhaltene  Inschrift 
inis  nicht  nur  den  Namen  des  Anferligcrs,  sondern  auch  das 
hestinunte  .lalir  der  Entstehung  deutlich  erkennen  iiesscn. 
In  Betreif  der  frappanten  Analogie,  die  diese  Capsa  mit  dem 
„futrinn-  hat.  worin  die  Krone  des  heiligen  deutschen  Reiches 
aufbewahrt  ^var,  und,  die  ebenfalls  mich  heute  im  Kaiser- 
schatze zu  Wien  vorlindlieh  ist,  so  muss  unbedingt  zugegeben 
werden,  dass,  wie  der  Augenschein  lehrt,  auch  dieses  futi'um 
der  ähnlichen  Vorsorge Karl's  IV.  für  solche  Kleinodien  sein 
Entstehen  zu  verdanken  hat  und  dass,  wenn  dieses  Futte- 
i'ale  nicht  aus  der  Hand  desselben  Kunsthandwerkers  her- 
vorgegangen sein  sollte,  es  doch  in  demselben  Systeme  und 
in  verwandter,  aber  delicatcrer  Technik  und  mit  grösserem 
Kunsttleisse  gearbeitet  worden  ist. 


Der  Elisabeth-Dom  zu  Kaschau  in  Ungarn. 


(Mit  zwei  Tafeln.) 


I. 


Je  weiter  die  kunstgeschichtlichen  Forschungen  auf 
dem  Gebiete  der  mittelalterlichen  .\rchiteclur  bei  uns  vor- 
schreiten,  desto  bestinunter  wird  die  Wahrnehmung,  dass 
wir  in  Österreich  an  bedeutenden  kirchlichen  Bauwerken, 
welche  das  Ge[)räge  der  e  r  s  t  e  n  B 1  ü  l  h  e  z  e  i  t  der  G  o  t  h  i  k 
an  sich  tragen  .  eine  verhältnissmässig  geringe  Anzahl  auf- 
zuweisen haben.  Nach  der  ersten  Hälfte  des  Xlll.  Jahrhun- 
derts, mithin  in  jener  Epoche,  wo  in  Österreich  noch  oft  rein 
romanische  Stvlformon  in  Anwendung  kamen  ui\d  der  Spitz- 
bo"-en  nur  in  Verbindung  mit  älteren  Bauformen  anzutref- 
fen ist,  scheint  im  Allgemeinen  die  früher  herrschende  Bau- 
thätigkeit  nachgelassen  und  ein  Stillstand  eingetreten  zu 
sein,  welcher  die  eben  erwähnte  Lücke  hervorrief. 

Man  kann  wohl  in  Betracht  ziehen,  dass  in  dem  Zeit- 
räume, welcher  die  zweite  Hälfte  des  Xlll.  Jahrhunderts 
und  die  erste  Hälfte  des  XIV.  Jahrbundorts  umfasst.  weder 
in  den  österreichischen  Slauuulandeii,  noch  in  rngarn,  Böh- 
men, Mähren  u.  s.  w.  so  gesicherte  politische  u\)i\  diu-ih 
Raub-  und  Verwüstungsziige  barbarischer  Vidker  nicht  be- 
rührte Verhältnisse  wie  im  westlichen  Deutschland  bestan- 
den. Das  .Aussterben  der  letzten  Babenberger,  die  in  Öster- 
reich das  Signal  zu  neuen  blutigen  Kämpfen  abgaben,  die 
erbitterten  Kriege  zwischen  Rudolf  von  Hahsburg  und  Ottokar 


von  Böhmen,  die  verheerenden  Züge  der  Mongolen  und  die 
Zerstörungswuth  der  Kumanen  ,  die  an  der  Seile  der  Tugarn 
in  Osterreich  erschienen ,  hatten  zwar  viel  Furcht  und 
Schrecken  für  jeden  Besitzstand  verbreitet  und  mehr  Sorge 
für  das  Bestehende  als  Lust  und  Liebe  zu  neuen  kostspie- 
ligen Schöpfungen  wachgerufen,  aber  man  kann  diese  Zer- 
störungen, weil  sie  nicht  aus  Giaubenskämpfen,  wie  später 
in  Böhmen,  hervorgegangen,  doch  vorzugsweise  blos  auf 
l'rofanbauten  anwenden,  um)  die  geringe .\nzahl  bedeutender 
gollesdienstlicber  .-\rchiteclurwerke  nach  unserer  Meinung 
aus  diesen  ViM'hältnisseii  allein  nicht  erklären.  Es  drängt 
sich  uns  vielmehr  in  dieser  Hinsicht  die  l.'berzeugung  auf, 
dass,  weil  nach  den  Kreuzzügen  die  ganze  grossartige  Erschei- 
nung des  riitterlhums  sich  in  weltlichen  (ienüssen  nml  Lei- 
denschaften zu  verflachen  begann,  auch  die  opferwillige  Begci- 
geisterungdessclben  für  religiöse  Zwecke  etwas  nachgelassen 
bat.  Es  scheint  uns  ferner  berücksichtigungswerth,  dass  bei 
inis  die  Gründung  der  meisten  und  grössten  Klöster  und 
Kirchenbauten  erst  ein  oder  zwei  JalnhuMdert  früher (unge- 
fiilir  zwischen  lOöfl —  12,)0)  erfidgt  und  daher  theils  die 
Aidage  neuer  .\bteien  und  Plärren  im  N'erhältnisse  zu  der 
vorsehreitenden  Vermehrung  der  Bevölkerung  nicht  \  orhan- 
den  war,  theils  Neu-  und  Erweiterungshaufen  —  besondere 
Ereignisse  ausgenommen  —  sich   nicht  als  ein  dringendes 


K; 


IM'llIMI  . 


TafVIU 


Licht  u>.^cd. id.'t k  Jfcf'  w. Sr^a:t--(/rs>cJc^rci' 


l  li  (I I  ;i  II N  icli  I. 


537  — 


Bedürfniss  herausgestellt  hittteii.  !ii  jenem  Zeitr;uiiiic  eiullich 
hielten  weltliche  und  geistliche  Fürsten  ihre  Blicke  vdrzngs- 
vveise  aufDeutschland  gerichtet,  wo  Macht,  Einfluss  und  Beidi- 
thum  zu  suchen  war,  und  sie  dacliten  wenig  daran,  in  dem 
fernen,  von  der  neuen  Cultur  noch  nicht  ganz  durchdrungenen 
Osten  eigentliche  Pracht-  und  Luxusbauten  aufzuführen. 

Um  so  wichtiger  und  interessanter  für  das  Studium 
der  Kunstgeschichte  wird  daher  jedes  einiger  Massen  bedeu- 
tende Bauwerk  sein,  dessen  Entstehung ,  der  Clironologie 
nach,  in  die  Zeit  fällt,  welche  bei  uns  die  erste  Blüthezeit 
der  Gothik  umfasst. 

Ein  solches  Denkmal  dürfte  theil weise  der  El i sah  et  h- 
dom  zu  Kaschau  sein,  ein  Bau,  welcher  bereits  von  den 
verschiedensten  Seiten  allgemeine  Aufmerksamkeit  auf  sicli 
gelenkt  und  Anlass  zu  den  interessantesten  Beobachtungen 
gegeben  hat. 

Das  Verdienst,  zuerst  von  kunsthistorischem  Stand- 
punkte aus  auf  dieses  schöne  Bauwerk  aufmerksam  gemacht 
zu  haben,  gebührt  dem  begabten  und  in  früheren  «Jah- 
ren auf  dem  Gebiete  der  ungarischen  Kunst  und  Alterthums- 
forschung  äusserst  fleissigen  Schriftsteller  Dr.  Henszl- 
mann.  Zu  einer  Zeit,  wo  in  Üsterreicli  nur  sehr  vereinzelte 
Bestrebungen  für  die  Pflege  der  mittelalterlichen  Kunst 
Sorge  trugen,  wo  man  kaum  über  die  Bedeutung  und  den 
Werth  der  christlichen  Archiiologie  im  Klaren  war.  hatte 
sich  sein  Geist  und  seine  Phantasie  schon  ausgebildet  in 
den  Werken  von  Stieglitz,  M  ol  1er,  Boisser  ec  u.s.  \v. 
und  angezogen  gefühlt  von  jenen  herrlichen  Schöjifungen 
des  Mittelalters,  welche  uns  zeigen,  was  die  Kunst  zu  leisten 
im  Stande  ist,  wenn  sie  grossen  und  erliabenen  Zwecken 
dient  und  sich  ihnen  mit  edler  glaubensstarker  Begeisterung 
anscbliesst.  Von  seltener  Liebe  für  die  Wissenschaft  erfüllt 
und  zu  nicht  geringen  Opfern  für  dieselbe  bereit,  begann 
er  im  J.  1846  ein  Werk  unter  dem  Titel:  ..Die  Kirchen  zu 
Kaschau,"  zu  veröftentlichen  '),  das  ein  treffliches  Zeug- 
niss  seines  Kunstverständnisses  abgibt  und  unter  den  uns 
bekannten  und  auf  diesem  Gebiete  in  Ungarn  erschienenen 
Arbeiten  vielleicht  die  einzige  ist.  welche  noch  jetzt  als  ein 
wirklicher  Gewinn  für  das  Studium  der  mitteliiltcrliclien 
Archäologie  angesehen  werden  kann. 

Das  Werk  erschien  —  ohne  jedocii  v(dlendet  zu  wer- 
den —  in  ungarischer  Sprache,  es  fand  desshalb  ausserhali) 
den  Grenzen  des  Landes  eine  sehr  geringe  Verbreitung  und 
bis  zum  heutigen  Tage  noch  nicht  die  verdiente  Beachtung. 
Aus  Gründen,  welche  zu  untersuchen  hier  nicht  am  Platze 
sein  dürften,  unterliess  Henszlmann  —  wiewohl  im  voll- 
ständigen Besitze  der  Sprachkenntnisse  —  die  Veranstaltung 
einer  deutschen  Übersetzung  und  daher  kam  es.  dass  sein 
Werk  in  der  deutsclien  Kunstgeschichte  nur  dem  Namen 
nach  bekannt  ist. 


')  In  ungarischer  Spraelie  lautet  der  Titel:  Kassa  viu-osänak  n  Nemel 
stjlü  templomai  rajzolii  es  magyar;;zii  Dr.  II  e  n  s  zl  in  a  n  n  hure. 
Pesten.  LanJerer  es  Ileckenast  1840. 


Bei  dem  schon  erwähnten  grossen  Interesse,  das  sich 
an  den  Elisahetlidom  zu  Kaschau  knüpft,  veranlassten  wir 
daher  eine  Ibersetzung  des  Hensziman  n'schen  Textes, 
die  Herr  Professor  Karl  Schröer  in  Preshurc;  so  gefällig 
war  zu  übernehmen. 

Die  einfache  Veröffentlichung  der  l'bersetzung  schien 
Ulis  jediich  weder  passend  noch  zweckmässig.  Passend  aus 
dein  (jr le  nicht,  weil  es  uns  ungerecht  scheint,  die  An- 
schauungen und  Hypothesen  eines  Schriftstellers  nach  zehn 
Jahren  erst  unter  ein  sachverständiges  Publicum  zu  bringen, 
\\elcbes  durch  die  rasch  vorgeschrittenen  Resultate  der 
Wissenschaft  in  der  Hauptsache  nicht  mehr  auf  leere  Ver- 
muthiiiigen  und  gewagte  Hypothesen  angewiesen  ist;  zweck- 
mässig desshalb  nicht,  weil  Manche  unserer  Freunde,  welche 
aus  diesen  Blättern  sichere  und  bestimmte  Resultate  schöpfen 
w(dlen .  durch  Henszlmann's  archäologische  Excurse 
leicht  zu  irrigen  Deutungen  veranlasst  werden  könnten. 
Wir  haben  daher  eine  Bearbeitung  des  Textes  mit  Bück- 
sicht auf  den  gegenwärtigen  Stand  der  Geschichts-  und 
Alterthumsforschung  unternommen ,  und  werden  die  An- 
sichten Henszlinanns  nicht  verschweigen,  wo  sie  für 
die  Begründung  einer  Thatsache  charakteristisch  erscheinen. 
Wir  verhehlen  uns  aber  hiebei  nicht  die  Schwierigkeit  des 
Unternehmens.  Einerseits  können  wir  nicht  unmittetbar  aus 
dem  Originale  die  Bearbeitung  des  Textes  schöpfen,  ander- 
seits fordert  man  in  unserii  Tagen,  und  zwar  mit  Becht,  die 
möglichst  delaillirte  und  genaue  Beschreibung  eines  Objectes. 
Jeder  aufmerksame  Beobachter  will  nicht  nur  aus  der 
Zeichnung,  sondern  auch  aus  der  Beschreibung  ein  leben- 
diges Bild  des  Gegenstandes  gewinnen,  um  selbst  Ver- 
gleiche anstellen  und  die  Stichhaltigkeit  oft  vager  Bt^hanp- 
tiiiigen  prüfen  zu  köiinen.  Dies  sind  wir  jedoch  nach  dem 
Hensziman  n'schen  Texte  höchst  unvollkommen  zu  liefern 
im  Stande,  und  wir  können  uns  nur  auf  einzelne  Ergänzun- 
gen beschränken.  Aus  diesem  Grunde  halten  wir  auch  die 
Beschreibung  und  Würdigung  des  Kaschaiier  Dtunes  mit  der 
nachfolgenden  Darstellung  nicht  zum  Abschlüsse  gebracht 
und  sind  geiMie  bereit,  auf  dieses  Object  zurückzu- 
kommen, wenn  eine  sachkundige  Feder  es  unternimmt  tluich 
an  Ort  und  Stelle  gewonnene  Überzeugungen  ein  erschöpfen- 
des Bild  dieses  herrlichen  Kunstdenkmals  zu  liefern  und  all- 
fällige Irrthümer  zu  berichtigen. 

IL 

Die  fromme  und  miliithätige  rjaiidgrällii  Elisabeth. 
Gemahlin  des  auf. einem  Kreuzzuge  zu  Otranto  1227  mit 
Tode  abgegangenen  Landgrafen  Ludwig  IV.  von  'l'hürin- 
gen  und  Hessen,  starb  nach  zahlreichen  Leiden  und  Verfol- 
gungen im  J.  1231  zu  Marburg  und  wurde  auf  Verwendung 
ihres  Schwagers,  des  Herzogs  Konrad.  Hochmeisters  des 
deutschen  Ordens  zu  Marburg,  der  sie  im  Leben  elien  am 
beftigstcn  verfiilgt  hatte,  im  J.  123ö  zu  Perugia  feierlich 
heilig  gesprochen. 


238 


Dio  Sühne  ilcsselben  FürsttMi  ging  noch  weilL-r,  iiulcni 
er  zu  lilireu  ili  r  i'Ihmi  heilig  gesprochenen  Elisabetii  im 
Anglist  (Icsselhen  .hilires  den  Grund  zu  einem  ihr  gew  cihteii 
Dome  in  Marburg  legte,  der,  in  dervcrhiiltnissnütssig  iiurzen 
Zeit  von  48  Jahren  vollendet,  noch  heute  besteht  und  zu  den 
schönsten  und  merkwürdigsten  Kirchenbanten  von  Deutsch- 
land gezählt  wird. 

Die  hohe  Verehrung,  deren  sich  die  heilig  gesprochene 
Fürstin  im  ganzen  Lande  erfreute,  und  die  engen  Bande  der 
Blutsverwandtsehat't,  worin  dieselbe  zu  den  Arpadeii-Ki'migeu 
in  l'ngarn  stand  '),  machen  es  Jlensz Iniann  wahrschein- 
lich, dass  die  unter  Bela  IV.  nach  Kaschau  eingewanderten 
Deutschen  aus  Thüringen  und  König  Stephan,  dessen  Gross- 
tante die  Heilige  war.  sich  vereinigten,  zur  Verherrlichung 
der  heil.  Elisabeth  den  Kaschauer  Dom  zu  erbauen  •).  Die 
Gründung  der  Kirche  würde  daher  nach  dieser  Annahme  in 
die  .Jahre  1265  —  1271  zu  setzen  sein. 

Mit  dieser  Behanidung  geräth  aber  Henszimaiin  in 
Widerspruch  mit  den  Angaben  aller  bisherigen  Geschicbt- 
schreiber,  welche  die  Entstehung  der  Kirche  der  Königin 
Elisaiietb,  Gemahlin  Karl  Hobert's  von  l'ngarn.  zuschreiben 
und  annehmen .  dass  der  Grund  zu  dieser  Kirche  um  das 
Jahr  1324  gelegt  worden  sei '). 

Gestützt  auf  zwei  Urkunden  aus  dem  Kaschauer  Stadt- 
archive sucht  jedoch  Henszimaiin  ilio  Glaubwürdigkeit 
seiner  Behauptung  ausser  Zweifel  zu  setzen  und  zu  folgern, 
dass  zu  Ende  de  s  XIIl.  Jahr  li  n  nde  r  t  s  ein  Tlieil  d  e  r 
Kirche  seh  o  n  volle  ii  d  e  t  w  a  r. 


*)  Sie  war  die  Tot-Iilei-  Kiiiiii;  Aiulreu.s"  II.  iiitil  die  Seliwestt'i-  des  Konij;s 
Bela  IV. 

-)  Wie  übrigens  einer  L'i-knnde  der  .Moiiiiiiieiital-Statistik  der  Insel  Schutt 
—  verfasst  von  Ciinservator  .\  r  n  o  I  d  v.  [  p  o  I  y  i  -  S  t  u  m  n)  e  r ,  welolie 
der  k.  k.  Central  -  C4)nunission  im  Manuscripte  \'orIiegt  —  zu  entnehmen 
ist,  so  wurde  schon  1244  die  erste  Elisahethkirelie  in  l'ngarn  eri-ichtet, 
und  zwar  durch  zwei  aus  Thüringen  /.ui*iickkehrendc  Diener  der  heiliy;en 
Elisaheth,  zwei  l'ng;aru  mit  Namen  Parkas  und  David. 

•*)  Die  von  uns  näher  untersuchten  historischen  Quellen  sind  :  Cassovin 
nova  et  vetus.  Chrouologice  preposita.  Cassoviac  1732.  nerausgegeheii 
von  dem  Jesuiten  Timou.  Derselbe  bemerkt  in  dem  Abschnitte,  wel- 
cher der  Elisaliethkirche  gewidmet  ist :  „llaee  igitur  vivente  eliatn- 
num  Carolo  niarito  annuni  circiter  MCCCXXIV  propria  cumpriniis 
pietale  tum  et  preeihus  civiuni  qtiihus  angustum  nimis  erat  vetus  Divi 
-Michaelis  tempellum,  inipiilsa.  prima  celebcrriniae  fahrieae  jecit  funda- 
menta ,  multiim  promovcnte  insigneui  cnnjnj^is  pielatcm  We^iii  viro." 
In  dieselbe  Zeit  und  zwar  wie  es  scheint  nach  dieser  Quelle,  ist  die 
Entstehung  dieses  l>i>mes  dalirl  in  R  o  m  ba  r  di  l'opographia  llungai-iiie, 
Szepesba'zy  und  Thiele:  .Merk«iirdigkeiten  des  Königreiches 
Tngarn  1825,  I,  107,  Korabinsky  Ocog.  bist.  Lexikon  von  l'ngarn. 
Prcsburg  1786.  Die  Crkundenwcrke:  Wagner,  Analeeta  Scepusii, 
Viennae  1774-  und  Kcjcr  Codex  diplomalicus  enthalten  zwar  einen 
grossen  Theil  der  Urkunden  aus  dem  Kaschauer  Stadtarchive,  wir 
haben  in  denselben  jedoch  über  die  Gründuugszeit  der  Kirche  keiner- 
lei genügende  .Xufschlüsse  finden  können.  Wie  wir  ferner  einer  brief- 
lichen Millheilung  aus  l.eulschau  entnehmen,  ist  der  grössere  Theil 
der  Urkunden  im  Kaschauer  Stadtarchiv  noch  ungedruckt.  Bei  dem 
Kleisse  und  eifrigen  Studiunt  Henszlmann  ist  jedoch  wieder  niclit 
anzunehmen,  dass  er  keine  der.<)ellieii  nnbeniilzt  gelassen  hat,  welche 
für  den  Bau  von  entscheidender  Wichtigkeit  gewesen  wäre. 


Die  eine  L'ikuiule,  eine  Anordnung  des  Bischofs  Martin 
vom  J.  1283  betrellend,  enthält  folgende  Stelle: 

„CniifiucnlKs  t'it  iioblx  Antoldiix  Hcclov  KcvIcsUte  St. 
Elimfn'lliae  de  Casm ,  quod  commc/idator  et  Fnitres 
liospitnlis  St.  Jodiinis  de  Jerosolymitani,  de  regn/i  Alba 
Vespiiiiiiensis  Dioecesis,  super  /lospilali  paiipenim  villae 
ilc Cass^a,  (•  idem  ecctesine  ah  antiquf  a i/ii c.vo.i/ui- 
hnsdum  rfditiliun  et  reliua  aUiixiiijuriantnr  cidcm.  idcoque 
discretioni  vestrae  de  iilriusque  pnrtis  Procuratonim  nssensu 
per  ttjtoi^tidled  sciipln  m(tiid((mu>i  quateiiiiH  pitvtibtat  con- 
rocati.i  uudiutls  cuunam  et  appclulione  remutu  fiiie  dcbito 
i/ecidatis,  facieiifes  quod  derrevistis  per  censurum  Eccle- 
siasticam  oblcmperari  elC' 

Aus  dersellieii  geht  nun  allerdings  hervor,  dass  im 
■I.  1283  schon  eine  Kirche  der  h.  Elisabeth  liestanden,  dass 
diese  bereits  einen  Rector  besass  und  der  Kirche  das  Armen- 
spital der  Stadt  Kascliau  von  Alters  her  angefügt  war  (^ab 
iintiquo  adne.v(i).  Die  \  ereiniguiig  einer  Kirche,  welche 
zur  Verherrlichung  der  h.  Elisabeth  bestiinint  war,  mit  einem 
Krankenhause  ist  ferner  um  so  mehr  angemessen,  als  diese 
Heilige  sich  durch  die  Pflege  von  Kranken  besonders  ver- 
dient gemacht  hatte.  Die  Bestätigung  des  gew'onnenen 
Besultates  liefert  nach  der  Ansicht  Hensze  Im  aiiifs  die 
zweite  l'rkuude  .  ausgefertigt  von  dem  Bischöfe  Andreas  v. 
Erlau  im  J.  1292,  dadurch,  dass  sie  von  demselben  plebanus 
Arnold  spricht  und  bezeugt ,  dass  die  Kaschauer  gegen  das 
Ende  des  XIH.  Jahrhunderts  sich  schon  so  kräftig  fühlten, 
um  vom  Zeheiit  befreit  zu  werden,  welchen  sie  tlem  Erlauer 
Domcapitel  zu  zalilen  verpflichtet  waren,  von  welchem 
Rechte  aber  der  Erlauer  Bischof  weder  gern  noch  frei- 
willig abstehen  wollte. 

Wir  glauben  iiidess,  dass  Henszlmann  ans  diesen 
ITrkiiiuleii  eine  l'alsche  F(dgcruiig  zieht.  Nach  unserer  Über- 
zeugung geht  daraus  nur  hervor,  dass  im  Jahre  1283  schon 
eineKirche  der  heiligen  Elisabeth  bestanden  hat;  es  ist  aber 
desshalb  nicht  gerechtfertigt  anzunehmen,  dass  unter  dieser 
Kirche  der  gegenwärtige  Dom  zu  verstehen  ist.  Bei  der 
später  folgenden  Baubeschreibung  werden  wir  im  Gegen- 
theile  als  sehr  wahrseheinlich  ersehen,  dass  an  der  Stelle 
der  jetzige  Kirche  eine  ältere  bestanden  hat. 

DaNeubaiiten  vim  inittelalterlichenKirchen,  den  Gesetzen 
der  Liturgie  entsprechend,  gewöhnlich  in  der  Biehtung  von 
Osten  nach  Westen  begonnen  wurden,  so  schien  es  auch 
H  e  11  s  z  I  m  a  n  n  gerechtfertigt  anzunehmen,  dass  in  Kaschau  mit 
dem  Bau  des  Chores  begonnen  und  derselbe  mithin  noch  im 
XIII.  .bilirhniidert  velleiidet  wurde,  indem  sonst  in  den  bei- 
den L  rkuiideii  nicht  von  einem  (»ottesbause  die  Rede  sein 
konnte,  welches  bereits  im  Gebrauch  .stand.  Als  eine  Be- 
stätigung derselben,  weist  er  auf  die  unter  dem  nördlich 
vorspringenden  Doppelgebäudc ,  das  jetzt  die  Stophans- 
capclle  heisst,  betiiidliche  luterkircbc,  „denn  Unterkirchen 
wurden  gegen  Ende  des  XIII.  .lahrhunderts  schon  selten, 
aber  noch  seltener  im  XIV.  .lahrhiiiidert  erbaut." 


—   239   — 


Nach  dem  Altarraum  und  den  nördlich  vorspringenden 
Theilen  folgen  dem  Alter  nach,  wie  II.  hemei-ict,  das  west- 
liche und  nürdliche  Thor.  „Urkundlich  ist  über  ihre  Ent- 
stehung nichts  aufzuweisen,  doch  lässt  sich  aus  verschie- 
denen Gründen  beweisen,  dass  insbesonders  das  nördliclie 
Thor  auf  Kosten  der  Gemahlin  Karl  Robert's,  Elisabeth  von 
Polen,  in  der  ersten  Hallte  des  XIV.  Jahrhunderts  erbaut 
worden  sei."  Er  schreibt  daher  dieser  Fürstin ,  welche 
nach  der  Beiianptung  der  übrigen  Gesehichtschreiber  um 
das  Jahr  1324  den  Grundstein  zu  der  Kirciie  gelegt  hat, 
nur  die  Erbauung  eines  Theiles  an  dem  schon  weit  vorge- 
schrittenen Dome  zu.  „Wiewohl  die  Urkunden  nichts  mel- 
den," schreibt  er,  „so  nennen  doch  schon  die  ältesten 
Geschichtschreiber  diese  Elisabeth  die  Erbauerin  der  gan- 
zen Kirclie,  die  als  Polin,  wenn  sie  in  ihre  Heimath  ging, 
oft  in  Kaschau  ausgeruht  und  der  Heiligen  ihres  Namens 
den  Dom  gewidmet  habe.  Wenn  wir  die  Wahrheit  dieser 
Annahme  auch  nicht  ganz  hinnehmen  können,  indem  die 
Bauart  und  zwei  Urkunden  ein  höheres  Alter  der  Kirche 
bezeugen  (?),  so  lässt  sich  diese  Aussage  doch  daraus  erklären, 
dass  Elisabeth  am  Ausbau  des  Domes  Theil  habe.  Kaschau, 
die  bedeutendste  Stadt  Oberungarns  in  jener  Zeit,  hielt 
anfänglich  mit  Matthäus  von  Trcntsin  gegen  Karl  Robert. 
Endlich  deutet  auch  das  Stadtwappen,  welches  Kaschau 
seit  der  Zeit  des  König  Wladislaw  (1440  bis  1444)  zu 
führen  berechtigt  und  über  der  Tbür  zum  Treppenhaus 
am  oberen  Theile  des  nördlichen  Thurmes  angebracht  war. 
darauf  hin,  dass  ein  Theil  des  Thurmes  durch  die  Stadt  erst 
nach  der  ersten  Hälfte  des  XV.  Jahrhunderts  gebaut  wor- 
den ist." 

Nebst  diesen  muthmasslichen  Angaben ,  welche  nur 
unklar  die  Bauentwickelung  des  Domes  erläutern,  ist  H. 
auch  in  der  Lage,  hiezu  einige  urkundliche  Nacliricbten, 
wiewohl  nur  aus  dürftigen  im  Stadtarchive  zu  Kaschau  auf- 
bewahrten Rechnungen,  zu  liefern. 

Diese  Rechnungen,  welche  der  unermüdliche  Schwai-- 
zenbach,  einstiger  Stadtnotär  von  Kaschau,  geordnet  hat, 
beginnen  im  Jahre  1430;  dort  geschieht  die  erste  Er^^  äh- 
nung des  Dombaues  und  der  Meister  und  Gesellen,  die  daran 
arbeiteten. 

1436  werden  erwähnt  „Frutres  htpidum,'-'-  welche  für 
ihre  Arbeit  3(5  fl.  erhalten,  was  für  jene  Zeit  immerhin  ein 
Betrag  war,  der  auf  eine  grössere  Bauunternehniung  schlies- 
sen  lässt. 

1446  erhält  Stephan  Crom  zum  Bau  des  Ober- 
thurmes  80  fl.  aus  der  Stadtcassa  ,  woraus  geschlossen 
werden  darf,  dass  bis  14G0  ein  beträchtlicher  Theil  des 
Thurmes  fertig  gewesen  sein  niusste. 

1480  heisst  es:  Item  Snbbulho  post  lucie  abgerech- 
net mit  Stephan  Steinmetz  von  wegen  der  Kirchenarbeit 
Sand  Elisabeth  hat  er  von  der  Stadt  empfangen  an  der 
Kirchenschult  f.  XXIH.  Derselbe  Stephan  hat  mit  einem  Mei- 
ster Namens  August  1480  die  „Rathhausstube"  eiugewölbt. 


Von  der  Unterstützung  des  Königs  Matthias  zur  Vollen- 
dung des  Dombaues  gibt  eine  Urkunde  vom  Jahre  1472 
deutlichen  Aufschluss.  In  derselben  heisst  es; 

Nus  Matliius civibus  et  commtinitati 

dictnc  civitatis  nostrac  Cassoviensis  illa  muncra  strennalia, 
f/nae  viiif/Hlis  nnnis,  circa  festitm  circiimscisioiiis  Domiiii 
c  media  ipsornm  Cieinm  proccnlrc  dchcnt,  a  die  diitiirum 
praesentium ,  ititru  spaliiim  decem  intef/rorum 
unnorum  post  sc  conscquenter  ((jfiituroniw  computando. 
remisimus  et  relaxavimus ,  imo  rcmitlimus  et  relaxamus 
praesentium  per  vigorem ,  ita  tarnen ,  qtiod  ipsi  Cives 
liujtismodi  mtmcra  strenalia,  r/uae  nobis  intra  ipsos  decem 
(innos  dare  et  solvere  deberent.  ad  f'abricam  ecclesiae 
ipsoram  e.vponere  et  dispensarc  debeaiil  et  tcneantur  etc. 

König  Matthias  Corvinus  enthob  daher,  wie  daraus  zu 
ersehen  ist,  die  Bürger  und  die  Stadt  innerhalb  eines  Zeit- 
raumes von  zehn  vollen  Jahren  von  der  Zahlung  der  Strenal- 
geschenke,  welche  sie  ihm  jährlich  zu  geben  verplüchtet 
waren,  zu  dem  Zwecke,  dass  dieselben  die  Strenalien  inner- 
halb des  Zeitraumes  zum  Baue  der  Kirche  verwenden  sollen 
und  durch  diese  wahrhaft  königliehe  Unterstützung  wurde 
diese  Arbeit  ohne  Zweifel  mit  doppelter  Kraft  fortgesetzt 
und  über  das  Jahr  1482  hinaus  gefördert. 

Fragt  man  nun,  bemerkt  H.,  welche  Theile  der  Kirche 
von  diesem  Gehle  gebaut  sind,  so  geben  die  angemerkten 
Jahreszahlen  und  Wappen  das  folgende  Resultat : 

„Auf  dem  niederem  südlichen  Thurm  über  dem  luihen 
Fenster  sieht  man  eine  grosse  W'appentafel,  aufdereniMillel- 
schilde  die  vier  Flüsse  Ungarns  und  darüber  die  königliche 
Krone  vorkommen.  Dieser  grössere  Schild  ist  von  sechs 
kleineren  umgeben,  von  denen  eines  das  Corvinisehe  Haus- 
w  appen,  die  andern  die  ^^'appen  von  den  Ländern  des  Königs 
Rlatthias  darstellen.  Es  spricht  nichts  dagegen,  anzunehmen, 
dass  der  oberste  Theil  des  Thurmes  von  dem  Gehle  gebaut 
und  als  Zeichen  der  Dankbarkeit  des  Königs  Wappen  ange- 
bracht worden  seien." 

,. Ferner  wurden  in  der  Zeit  des  Königs  Mattiiias  der 
Vollendung  nahe  gebracht  des  südlichen  Thoi-es  äus- 
sere Zierden,  indem  die  in  der  Höhe  der  nuttleren  Scheide- 
wand (välasztek?)  angebrachte Jahrzahl  1498  sich  wohlauf 
die  Beendigungszeit  derselben  bezieht.  Dass  die  Fafade 
über  der  Thoröfl'nung  damals  schon  vollendet  war,  das  be- 
zeugt eine  an  der  innern  Wand  des  Einganges  befindliche 
schön  geschriebene  alte  Inschrift:  ,,Anno  Domiiii  Millesimo 
Quadriiifieidesiino  Qiiadraf/esimt)  i/i  die  Catliedvae  Beali 
Petri  Ajiostnti  circa  auroram  in  catitro  Cornaron  e.v  prae- 
clarissima  /{effiim  prosapia,  vidcUcct  Domino  Alberto 
Uomanoriim.  Int/ariae,  Dalmatiae,  Croafiae  rege  et  Domina 
Elisabelha  Vidna,  eorundem  Ilcguni  llegina,  olim  filia  in- 
victissimi  Principi.i,  ac  Domini  Domini  Sigismnndi  lloma- 
iiorum  Imperatoris  natus  est  Princeps  gloriosissimus,  Do- 
minas Ladidans,  Veras  lie.v  ac  fiaeres  in  snccessionem  ho- 
rum  Ilegnorum,  et  Ducatuum  haereditaric  possidcndorum. 


:i40 


EotUm  cliam  anno  i/i  feslo  Pentecostes  Sticra  Heyn!  fluu- 
quriac  Corona  omni  cum  solennitate  in  Alba  Iteijali  Ictjitimc 
coronatm-''  Diese  Aufselnifl  ist  sichtbiir  auf  dei-  Zeichiiuiig 
des  nördlichen  Thores.   —  Auch   s|iater  noch  ,   seheint  es, 
iiaben  die  Kascliauei-  das  Andenken  ven  Matthias  verewigen 
wellen,  indem  sie  an  der  Seite  der,    der  Mitte  des  XVI. 
Jahrhunderts    angehijrigen    Vorhalle    des    süd  liehen 
'rhu res  ein  kleines  aus  Säulen  und  Fialen   beste- 
hendes Gebäude  errichtet  haben,  dessen  Giebel  auf  einer 
Seite  das  Wappen  des  Reiches,  auf  der  andern  des  Königs 
Matthias,  auf  der   dritten  aber  zwei  auf  einem  Schilde  sich 
kreuzende  Pfeile  zeigt,   welch  letztere  Einige  für  das  Zei- 
chen des  Meisters  halten.  An  der  Wand  der  Caiielie  yetzt 
des  h.  .lohann  v.  Nep.),   welche  sich  an  die  Westseite  der 
Vorhalle  stützt,   sieht  man  eine  Sonnenuhr  mit   der  .lahr- 
zahl  1477.   Eine  Aufschrift,  weiche  untenangeführt  werden 
soll,  spricht  nun  von    einer    1497  verfertigten  Sonnenuhr, 
jene  Sonnenuhr  aber  ist  erneuert,  und  es  ist  möglich,  dass 
bei  der  stattgefundenen  Erneuerung  aus  der  Neun  eincSieben 
gemacht  wurde.    Über    der  Thoröflnung  der  Vorhalle  neben 
der  Neponuikcapelle  befindet  sich  gleichfalls  eine  Sonnenuhr 
mit  der  Jahreszahl  1541  oder  47;  andererseits  findet  man 
auf  der    Westseite    der    Capeile   das    Jahr    1383    aufge- 
schrieben. Dies  gibt  zur  Vermuthung  Anlass,  dass  die  Son- 
nenuhr der  Capeile  von  einen  andern  Platze  hierher  versetzt 
wurde,  z.  B.  von  dem  Platze  unter  dem  grossen  Fenster  des 
älteren  südlichen  Flügels,  der  für  eine  Sonnenuhr  der  geeig- 
netste gewesen  wäre  bevor  die  A'orhalh^  ausgebaut  ward." 

„Endlich  scheint  das  Sacramenthäusehen  im  Innern  der 
Kirche,  von  welcher  später  die  Rede  sein  wird,  das  Haupt- 
bauwerk zu  sein  unter  denjenigen,  welche  von  dem  Gelde 
des  König  Matthias  gel«ut  wurden." 

„Wie  die  Nepomukcapelle,  so  kann  auch  die  Capeile, 
welche  östlich  an  die  Halle  angebaut  ist,  früher  gebaut  sein 
als  die  Halle  selbst,  indem  der  östliche  Pfeiler  derselben  die 
Westwand  dieser  Sacristei  bildet.  Alle  diese  späteren  Theüe 
sind  auf  den  Grundriss  nur  angedeutet,  indem  blos  die  we- 
sentlicheren ausgeführt  sind." 

„Aus  dem  Gesagten  erhellt,  dass  unter  Karl  Robert  und 
Ludwig  wahrscheinlich  mit  Hilfe  von  Elisabeth,  der  Bau  der 
Kirche,  wie  er  jetzt  ist,  bis  zur  ersten  Gal  lerie  (Karzat'.'j, 
d.  i.  46'  hoch  aufgeführt  worden  ist,  und  höchstens  noch  auf 
der  westlichen  Seite;  die  erste  Gallerie  vollendet  ward  ;  die 
Gallerie  der  nördlichen  Seite  zeigt  schon  spätere  Formen, 
wie  deren  im  XV.  Jahrhundert  üblich  waren.  Die  Wand  der 
südlichen  Faeade  endlieh  hat,  wegen  der  vorgebauten  Halle 
weder  grosse  Fenster  noch  eine  Gallerie.  Die  V^'rzierungen 
der  Bogenfenster  der  erwähnten  beiden  andern  Seiten  zeigen 
deutlich  den  sinkenden  Geschmack  des  XV.  Jahrhunderts." 
„Die  Giebel  der  zwei  Seiten-Fa^aden  von  der  südlichen 
Seite  sind  grösstentheils  gegen  Ende  des  XV.  Jahrhunderts 
erneuert  worden,  nachdem  nämlich  der  jüngereBruderWIa- 
dislans,  der  polnische  Albert,  Kaschau  längere  Zeit  belagernd, 


die  Giebel  mit  seinen  Kanonen  beschädigt  hatte.  Eine  Kano- 
nenkugel wird  noch  auf  der  Nordseite  /.um  .Viulenken  auf- 
bewahrt." 

„Eiii.Vndenken  an  diese  ikdagerung  bewahrt  auch  eine 
Aufschrift  unter  der  Galleric  (?)  der  Westseite.  Man  findet  mit 
rother  Farbe  auf  der  untersten  Stelle  des  Simses  aufgenutlt: 
„Anno  liVl  obsidio  erat  tirbis  Kassa  per  anniim." 
.\usser  dieser  Inschrift  findet  sich  noch  eine  längere, 
welche  gleichfalls  dieser  Belagerung  und  auch  der  darauf 
erfolgten  Erneuerung  der  KircheErwähnung  thut  und  in  die 
Hohlkehle  des  erwähnten  Simses  eingegraben  ist.  Sie  folgt 
hier:  „An7io  1497.  Christi  Ecclesiae  Nicolaus  Crompholtz 
de  JSissa  reedi/icavi  tarim  superiorem  ac  clipeos  tectnles 
omnes  tres,  quae  omnia  destructa  erant  per  obsidionem 
civitatis  per  Albcrtnm  Poloniae  Regem,  addo  liorulc  *  "  " 
tempore  plebani  Joannis  Crom  Doctoris  Vitrici  Joannis 
Ciimermann  d^Olzna.'^ 

An  jenen  Stellen  dieser  vier  Zeilen,  wo  dieselben  von 
Jen  Fugen  des  Simses  durchschnitten  wurden,  sind  die 
Buchstaben  schlecht  zu  lesen,  so  dass  die  Worte  Nissa, 
das  hinter  horale  und  Olzna  zweifelhaft  sind.  Feil,  dem 
llenszimann  eine  Nachbildung  der  Aufschrift  miltheilte,  hält 
den  Baumeister  Crompholtz  und  den  vilricus  (Kirchenmeister) 
Czimmermann  beide  für  Schlesier  aus  den  schlesischen  Or- 
ten Nissa  und  (Hziia  und  setzte  hinter  das  Wort  horale  in 
die  Lücke:  civile.  „Das  Zeichen  des  Baumeisters Crompholz 
besteht  aus  dem  schon  erwähnten  altern  Zeichen,  das  einem 
F  ähnlich  ist,  indem  auf  dem  Puidd  hinter  dem  die  Mitte 
lies  Stannnes  durchschneidenden  Strich  ein  schiefes  Kreuz 
gesetzt  wird  (F?).  Dadurch  wurde  eines  jener  selbstredenden 
Zeichen  gewonnen,  wie  sie  gegen  das  Ende  des  X\'.  Jahr- 
hunderts sehr  zahlreich  sind,  indeih  das  schiefe  Kreuz  oder 
Holz  Krununes  Holz  (Crompholz)  heissen  soll." 

„Dass  aber  das  schiefe  Holz  zu  einem  dem  F  gleichenden 
älteren  Meisterwerke  hinzugefügt  wurde,  lässt  sich  desshalb 
vermuthen,  weil  der  Eigenthümer  dieses  Zeichens  einem 
Krompholz  im  Kirchenbau  vorangegangen  ist.  Es  war  ein  be- 
deutsames Zeichen,  z.  B.  des  Meisters  des  schönen  Sacra- 
menthäusehen, welchen  man  in  jenem  Stefan  Crom  erkennen 
könnte,  der  so  oft  in  den  alten  Rechnungen  erwähnt  wird 
und  dessen  Name,  so  oft  wie  dessen  Meisterzeichen  einen 
Theil  ausmacht,  von  dem  Namen  und  Zeichen  des  .spätem 
Ki'ompholz." 

Ob  nun  die  Muthmassungeu  Felis  und  Henszimann's 
gerechtfertigt  sind  oder  nicht,  soviel  ist  gewiss,  dass  die  Familie 
Crompholz  in  Kaschau  als  einheimisch  nicht  nachweisbar  ist. 
Bei  alledem  ist  llenszimann  nicht  geneigt,  die  Inschrift 
buchstäblich  so  zu  verstehen,  als  ob  nach  der  Belagerung  von 
der  ätteriiFa^ade  nichts  übrig  geblieben  wäre:  imGegentheil 
sollen  einige  Bögen,  obwohl  von  einer  nur  um  ein  Geringes 
reinem  Form,  besonders  die  erwähnten  drei  Bildsäulen  des 
nördlichen  Bogens,  gewiss  durch  Krompholz  von  den  altern 
Bögen  in  die  erneuerten  herübergenommen  worden  sein. 


241 


Die  oben   erwälinten  Rechnungen  erwähnen  endlich 
unter  dem  J.  1483  der  Summe  von  90  fl.,  weiche  aus  dem 
Weinertrage  der  Stadt  gespendet  wurden.    Und  /wischen 
den  Jahren  1490  —  1500  des  XV.  Jaln-hunderts  flndet  man 
verschiedene  Namen:    Schwarz,    Jurgh,    Benedict, 
Plotzel,  PeterKewl,  Paul  Gross,  Pfuhlschussei 
als  „Steinbrecher,"  dann  Simon  und  Johann  Platfuss  als 
„Steinmetze."  In  derselben  Zeit  wird  mit  dem  Titel  „Mei- 
ster" noch  ausser  Stephan  und  August,   ein  gewisser 
Niclas  Tyma  beehrt,  der  jedoch  nicht  bei  dem  Dombau 
beschäftigt  war,  und 
eineVerrechnung  von 
grösserem     Betrage 
für  Kalk  und  „Szwr- 
doker"  Steine  ange- 
führt,   aus   welchen 
letzteren    auch     die 
grosse  Kirche  gebaut 
ist.    Derselbe    Stein 
wird  noch  heute  bei 
dem  4 — 5  Stunden 
vonKaschau  entfern- 
ten  Orte  Surdock 
gefunden. 

Die  äusseren 
Schicksale  der  Kir- 
che vom  XVI.  Jahr- 
hundert angefangen 
sind  folgende:  1S54 
unter  Zäpolya  wurde 
die  Kirche  protestan- 
tisch. 15S6  brannte 
das  Dach  ab.  1603 
kam  sie  wieder  in 
Besitz  der  Katholiken. 
1604  unter  Bocskay 
ward  sie  wieder  pro- 
testantisch bis  1618. 
1620  verlieh  Beth- 
len  sie  wieder  den 
Protestanten.  Nach 
seinem  Tode  wurde 
sie  wieder  auf  kurze 
Zeit  von  den  Katho- 
liken behauptet.  Ge- 
org Räkotzy  verlieh 
sie    jedoch     alsbald 

wieder  den  Protestanten,  die  bis  zum  Jahre  1671  im  Besitze 
blieben.  Von  da  an  war  sie  bis  1682  in  den  Händen  der 
Katholiken,  wurde  jedoch  von  Toköly  wieder  für  die  Prote- 
stanten in  Beschlag  genommen  und  bis  1687  behauptet. 
Seit  der  Zeit  blieb  sie  ununterbrochen  den  Katholiken. 
1690  erhielt  der  nördliche  Thurm  ein  Kupferdach.  177ö 
II. 


brannte  die  Kirche    ab    und  erhielt  seine  abgesckniackte 
Bedachung. 

m. 

Wenn  man  den  Grundriss  des  Domes  nach  der  beige- 
fügten Zeichnung  (Fig.  1)  ins  Auge  fasst,  so  überrascht  vor 
Allem  die  Eigenthümlichkeit  der  Anlage,  die  kunstgeübte 
und  complicirte  Entwicklung  der  constructiven  Verhältnisse, 
weiche  eine  tüchtige  Schule  und  tleissige  architektoni- 
sche Studien  verrathen.    Anderseits   lässt  sich  aber  an  den 

Unregelmässigkeiten 
einzelner  Theile  im 
Schiffe  erkennen, 
dass  nur  im  Allge- 
meinen an  dem  Plane 
des  ersten  Meisters 
festgehalten,  und  von 
späterenArchitekten, 
welche  den  Bau  lei- 
teten, an  demselben 
willkürliche  Unre- 
gelmässigkeiten vor- 
genommen wurden. 

An  dem  verhält- 
nissmässig  schmalen 
und  kurzen  Chor,  be- 
stehend aus  einem 
halben  Quadrate  und 
dem  fünfseitig  aus 
dem  Zehneck  ge- 
bildeten Abschlüsse 
schliesst  sich  in  un- 
gewöhnlicher Breite 
das  Langschiff,  an 
dessen  mittlem  Theil 
sich  zu  beiden  Seiten 
die  bedeutend  niedri- 
geren Nebenschiffe 
anschliessen.  Letz- 
tere besitzen  die  Be- 
sonderheit ,  dass  sie 
sich  an  den  Chor 
nicht  rechtwinklig, 
sondern  zu  beiden 
Seiten  ,  vermittelst 
'■  '^'    '  zweier  aus  vier  Sei- 

ten des  Achtecks  ge- 
bildeten und  diagonal  gestellter  Capellen  anschliessen. 
dadurch  in  symmetrischer  Abstufung  die  Verbindung 
herstellen  und  den  unangenehmen  Eindruck  mildern,  wel- 
chen sonst  die  unterschied  liehe  Breite  zwischen  Lang- 
schiff und  Chor  hervorgerufen  hätte.  Diese  konchen- 
artigen  Ausbauten   treten  dadurch   zugleich    an  die   Steile 

34 


—  242  — 


eines  Querschiffes  und  haben,  wie  wir  weiter  uiiton  darauf 
ZMriii'kiiDiniiien  werden,  zu  der  Veriniithuiii;  gefiilirt,  dass 
der  cM>to  IJaiiiiieister  des  Kasdiauer  Domes  aus  Fraiiiireicii 
staiiuiit,  oder  doeh  wenijjstens  aus  einer  der  iVaiizösisehen 
IJausiduiien  des  13.  Jahriuiuderts  iiervorjjeijanjfen  ist,  weil 
eine  Reilie  von  Kirehenhauten  dos  nlirdliciien  Krankreichs, 
die  jener  Epoche  und  einer  hestininilen  liaiisciiiilc  ani'chij- 
ren,  ähnhche  Capelienanhauten  tlieils  im  Clioi-e.  tiieiis  an  den 
Verbindungspunkten  zwisclien  Larit;s('hilV  inid  Chor  auf- 
weisen. 

Der  Ciior,  in  einer  Liinge  von  4°,  in  einer  Breite  von 
;i°  J)'  und  einer  Höhe  von  ungefähr  12°,  zciciiiiel  sich  im 
Innern  durcli  seine  schlanke  Gliederunji:.  seine  Leichtigkeit 
und  zierlichen  .\ufiiau,  nach  aussen  durch  den  reichen 
Schmuck  seiner  Pfeiler,  die  diirclidaidite  Belebung  der 
äusseren  Wandtliielien,  dann  durch  die  kunstvolle  Bekrijnung 
der  Gesimse  aus.  Die  Hippen  der  Gewölbe,  von  denen  jenes 
im  Chorahschlusse  sternförmig  und  das  im  Quadrate  netz- 
förmig gebildet  ist,  stützen  sich  auf  die  auch  nach  innen 
vortretenden  Pfeiler,  ohne  dass  jedoch ,  wie  es  wenigstens 
nach  den  Grundrissen  den  Anschein  hat,  sich  besondere 
Stützglieder  wie  Halbsäulen  oder  Dienste  anlegen.  Es  gibt 
im  Texte  Henszlmann  hierüber  keine  Aufschlüsse,  sondern 
wir  linden  nur  über  das  Äussere  des  Allarraumes  folgende 
Schilderung  (vergi.  dazuTaf.  Vlllj:  „Die  Grossartigkeit  und 
der  Schmuck  des  Ganzen  entspringt  besonders  aus  den  Ver- 
hältnissen der  einzelnen  Tlicile.  Indem  der  Raum  zwischen 
den  Pfeilern  ungefähr  8'  ausmacht,  haben  sie  eine  Höhe 
von  76',  so  das  die  Breite  zur  Höhe  in  einem  Verhältnisse 
wie  I  zu  9 1/2  steht.  Dadurch  wird  die  grösstmöglicbste 
Schlankheit  der  Pfeiler  erreicht,  welche  duicli  die  hohen 
Fenstei-  über  äO  Fuss  noch  erhöht  wird.  Die  Steinwaiul  «  ird 
darüber  so  schmächtig,  dass  sie  gar  keines  Zieratlis  bedarf. 
Dadurch  entstand  eben  so  viel  unverzierter  Zwischen- 
raum als  nothig  ist,  die  Vcrziennigen  gehörig  hervorzuhe- 
ben. Inten,  wo  die  Kraft  der  unduiehbrochencnGruiulmauer 
hervorgehoben  werden  soll  ,  sind  nur  einige  wagrechte 
Simse  angebracht.  .Auf  der  Mauer  über  dem  Fenster  sehen 
wir  balberhabene  Zierathen,  die  mit  der  Gallerie  darüber 
und  den  Spitzen  der  Pfeiler  zusammengenommen  eine  Krone 
des  Ganzen  bilden,  bei  welcher  diePfeilerspitzcn  den  Saum, 
das  Sims  den  um  das  Haupt  der  Krone  laufenden  Reif,  die 
erhabenen  Zierathen  aber  von  der  Kriuie  herabhängende 
Bänder  bilden.  Der  .\ltarrauui  wird  mit  fünf  Seiten  des 
Zehnecks  abgeschlossen,  darum  linden  wir  auch  auf  den 
Pfeilern  fünfFialenreifen  über  einander,  welche,  je  höher  sie 
sind,  um  so  mehr  zurückstehen,  so  dass  die  obersten  aus 
dem  Sims  kaum  mehr  hervorragen.  Diese  taetvolle  Anordnung 
des  einfachen  Schuuickes  der  Fialen,  aber  noch  mehr  die 
consequent  diagonale  l'hcrciiiaudcrstellinig  derselben  —  eine 
besondere  Eigenthümliehkeit  des  Kaschauer  Domes  —  geben 
den  Pfeilern  eine  so  ausserordentliche  Ijcichtigkeit,  dass  in 
dieser  Hinsicht  der  Altarraum  mit  Recht  unter  die  ausge- 


zeichnetsten gezählt  werden  muss."  —  Wie  schon  aus  die- 
ser etwas  gezierten  Darstellung  zu  entnelunen  ist,  bean- 
spruchen an  dem  Chore  die  durchgebildeten  Strebepfeiler 
ein  besonderes  Interesse ,  und  da  Henszlmann  die  Erbauung 
des  Chores  noch  dem  ersten  Baumeister  des  Domes  zuschreibt, 
so  müssen  wir  eben  bedauern,  dass  er  in  seinem  Werke  so 
geringen  Werth  auf  das  Detail  gelegt  und  weder  über  die 
Rippenprolile  und  die  Anordnung  der  Pfeiler  im  Innern  des 
Altarraumes,  noch  über  die  b(dien  prachtvollen  Chorfenster 
und  ilcn  detaillirten  .Vufbau  der  Strebeiifeiler  geometrische 
Details  noch  auch  Durchschnitte  geliefert  hat,  die  von  so  grosser 
Bedeutung  für  die  Beurtheilung  des  Bauwerkes  sein  würden. 
Denn  aus  dem  ungewöhnlich  hohen  und  leichten  Auf- 
bau der  ganzen  Anlage,  aus  den  dadurch  hedinglen  mehrfach 
abgeschrägten,  nn't  Fialen  und  Stabwerk  reich  verzierten 
Strebepfeilern  und  aus  den  Veiv.ierungen  an  den  Strebepfei- 
lern selbst  erkennt  man  die  Gesetze  einer  schon  vollständig 
entwickelten  Gothik,  die  alle  Traditionen  der  vorausgegan- 
genen Stylgattung  längst  aufgegeben  und  am  Schlüsse  der 
zweiten  Hälfte  des  14.  Jahrhiuulerts  in  Deutschland  und 
Frankreich  sich  zu  entwickeln  begann.  Aus  diesem  (Jninde 
ist  es  sogar  sehr  zweifelhaft,  ob  in  Kaschau  gerade  mit  dem 
Chorbau  begonnen  wurde,  da  derselbe  in  der  ersten  Hälfte 
des  XIV.  .lahrhunderts  (1324)  vollendet  worden  sein  musste. 
Dagegen  bildet  der  zinnenarlige  Abschluss  der  Strebepfeiler 
über  der  Dachgallerie  eine  Besonderheit  des  Kaschauer  Do- 
mes, welche  an  anderen  Kirchen  selten  in  Anweiulung  gekom- 
men ist  und  die  sich  nach  unserem  Wissen  nur  an  der.  mit  Ka- 
schau auch  in  anderer  Beziehung  aufi'allend  ähnlichen  Stifts- 
kirche zu  X  a  n  t  e  n  wiederholt.  Es  ist  übrigens  nicht  glaubwür- 
dig, dass  diese  Anordnung,  wie  ungarische  Schriftsteller  be- 
haupten, die  Vertheidigungsfähigkcit  der  Kirche  gegen  äus- 
sere Feinde  andeuten  sollte.  An  einem  ernsten  bestimmten 
Zweck,  wie  denselben  ähnliche  Conslructionen  bei  den  Ver- 
theidigungskirchen  in  Siebeid)ürgcn  gehabt  haben,  ist  wohl 
hiebei  nicht  zu  denken,  w  eil  in  diesem  Falle  auch  die  ganze 
Daehbekrönung  einen  anderen  Charakter  besitzen  müsste.  Der 
ungarische  und  dacianische  Siui]dicissimus.  eine  Nachbildung 
des  deutschen  Simplicissinius,  der  1(J83  von  einem  anonymen 
Verfasser  in  Druck  erschien  und  erst  kürzlich  bei  Otto  Wi- 
gand  (Leipzig  1854)  von  Dr.  Seiz  herausgegeben  wurde, 
bemerkt  zwar  von  der  Kaschauer  Kirche ,  dass  auf  der 
,.Kirchaltan,"  wie  er  die  (lallcrie  bezeichnet,  etliche  hun- 
dert Mann  oder  wohl  gar  tausend  mit  bewehrter  Hand,  als 
mit  r>opiiclhakcn  stehen  kömien,  und  im  Xothfalle  mögen  auch 
die  Rürgei-  von  Kaschau  in  den  zahlreichen  Kämpfen,  welche 
die  Stadt  zu  bestehen  hatte,  davon  Gebrauch  gemacht  haben; 
aber  diese  „Altan"  ist  nichts  anderes  als  der  bei  vielen 
anderen  gothischen  Kirchen,  wie  z.  B.  bei  der  Stephans- 
kirche in  Wien,  angebrachte  Cmgangder  (Jallerie.  Was  end- 
lich der  Spitzhogenfrics  initcr  dem  Gesimse  anbelangt,  so 
ist  dies  eine  einfache  Verzierung,  wie  sie  auch  an  säch- 
sischen  und    rheinischen    Bauten    der    gothischen   Periode 


243   — 


7uwei\en  vorkommt  und  nur  eine  Reminiseenz  des  roma- 
nischen Ruiidbogenfrieses.  Dass  der  lescnenartige  Stab  zwi- 
schen den  Spitzbogen,  welcher  nach  unten  in  Kieeblatt- 
form  abschiesst,  an  dem  Kaschauer  Chore  ungewöhnlicli 
lang  herabreicht,  ist  eine  Anordnung,  wozu  der  Archi- 
tekt ohne  Zweifel  dazu  veranlasst  wurde,  um  die  breite 
Mauerfläche  zwischen  den  Fenstern  und  den  Dachgesimsen 
zu  beleben.  Wir  sehen  an  der  Seitenfa^ade  des  Schiffes, 
dass  diese  Verzierung  fehlt,  weil  hier  die  Fenster  höher 
gestellt,  beinahe  bis  an  das  Gesimse  reichen. 

Von  dem  Laughause  ist  das  mittlere  Schiff  —  mit 
Einschluss  der  Vorhalle  —  aus  fünf  Quadraten  gebildet,  die 
jedoch  nicht  von  vollkommen  gleicher  Grösse  sind;  insbe-  r^ 

sondere  ist  das  mittlere  um  fiinf  Fuss  im  Quadrat  grösser 
als  die  übrigen.  Getrennt  wird  das  Mittelschiff  von  den  Sei- 
tenschiffen durch  vier  verschiedenartig  construirte  Pfeiler- 
paare und  durch  ziemlich  niedrige  Spitzbögen,  welche  die- 
selben mit  einander  verbinden.  Die  Spitzbogen-Gewölbe 
des  Mittelschiffes,  welche  von  den  Pfeilern  getragen  werden, 
sind  auffallend  gedrückt  und  erhalten  nur  den  Charakter 
derZierliehkeit  und  Leichtigkeit  durch  die  mannigfachen  und 
kunstvollen  Hippenbildungen. 

Eine  besondere  Aufmerksamkeit  verdient  im  Mittel- 
schiffe die  Anlage  und  Stellung  der  Pfeiler.  Vorerst  ist  es 
auffallend,  dass  die  Pfeiler  des  mittleren  Quadrates  bedeu- 
tend stärker  als  jene  der  übrigen  sind,  dann  weicht  aber 
vorzugsweise  die  Grundform  der  freistehenden  Pfeiler  des 
ersten  und  fünften  von  jenen  des  mittleren  Quadrates  auf 
ganz  eigenthündiche  Weise  ab. 

Betrachten  wir  einen  der  letzteren  (Fig.  2),  so  sehen 
wir,  dass  derselbe  ein  regelmässiges    über  Eck   gestelltes 

Quadrat  von  mehr  als 
6'  bildet.  An  den  Kern 
desselben  legen  sich 
im  Mittelschiffe  gleich- 
massig  angeordnet  und 
als  Fortsetzung  der 
Gewölbsrippen  meh- 
rere rtienste  an,  deren 
Auflösung  wir  jedoch 
nach  den  Angaben 
Henszimann's  nicht  zu 
bestimmen  im  Stande 
sind.  An  den  beiden 
;;:;   i,     i;       '  Seiten,  wo  die  starken 

Scheidehögen      einen 
(Fig.  2.)  ^ 

kräftigen     Stützpunkt 

benöthigten,  ist  der  Pfeiler  durch  bedeutend  hervortre- 
tende Halbsäulen  verstärkt.  In  der  Richtung  gegen  das 
Seitenschiff  legen  sich  dagegen  wieder  an  den  Pfeiler  die 
zur  Stütze  der  Gewölbsrippen  erforderlieben  Dienste  an;  die 
gleichmässige  Anordnimg  hat  jedoch  durch  den  Umstand 
eine  Änderung  erlitten,  dass  das  Gewölbe  des  Seitenscliiires 


sehr  nnregelmässig  gebildet  ist  und  daher  die  Stützglieder 
dort  angebracht  werden  nmssten,  wo  der  bizarre  Geschmack 
des  Baumeisters  die  Rippen  auslaufen  Hess. 

Ganz  verschieden  von  diesem  Pleiler  sind,  wie  schon 
bemerkt,  jene  des  ersten  und  fünften  Quadrates.  Wir  geben 
hier  den  Grundriss  eines  dieser  eigenthünilichen  Glieder 
(Fig.  3).  Der  Pfeiler  hat  anscheinend  eine  ovale  F(U'm;  bei 

näherer  Betrachtung  er- 
gibt sich  jedoch,  dass 
derselbe  gleichfalls  eine 
rautenförmige  Gestalt  be- 
sitzt. Henszlmann  ist  sich 
dieses  Lmstandes  nicht 
vollkommen  klar  gewor- 
den, indem  er  bemerkt, 
dass  die  Gestalt  des  Pfei- 
lers nicht  viereckig  ist; 
aber  im  Nachsatze,  wo  er 
sagt  „dass  alle  Viertel 
(vig.  3  )  des  Schaftes   sich  gleich 

sind,  d.  i.  dass  der  Pfeiler  symmetrisch  ist-',  liegt  scjioii 
indirect  eine  Bestätigung  der  obigen  Anschauung.  Inder 
Symmeterie  des  Pfeilers  findet  aber  Henszlmann  zugleich 
den  Beweis,  dass  derselbe  schon  dem  ursprünglichen 
Bauplane  angehörte  und  dass  der  Meister  hier  ein  Bei- 
spiel der  .verwegensten  Baukunst"  aufstellen  wollte.  „Nir- 
gends wandte  er",  wie  es  weiter  lieisst,  in  den  stützenden 
und  tragenden  Tlieilen  eine  grössere  Dicke  an  als  unumgäng- 
lich noth wendig  ist.  Dies  sehen  wir  an  den  sehr  schwa- 
chen und  schlanken  Pfeilern  des  Altarraumes,  in  den  verhält- 
nissmässig  zur  Höhe  sehr  dünnen  Schlussmaueru,  aber  am 
meisten  in  jenem  Pfeiler.  Indem  sich  auf  den  Scheidebögen 
zwischen  dem  Mittel-  und  dem  Seitenschiffe  eine  hohe  Mauer 
erhebt,  musste  nach  dieser  Seite  hin  auch  der  Pfeiler  stärker 
sein,  daher  der  Längendurclischnitt  grösser  ist,  als  der 
Breitendurchmesser,  auf  welch'  letzterem  nur  ein  niederes 
Gewölbe  ruht.  Dann  müssen  wir  bemerken,  dass,  indem  der 
Breitendurchmesscr  kürzer  ist,  viele  Punkte  gewonnen  wer- 
den, von  denen  aus  man  den  Altarraum  sieht.  Dass  der 
Meister  dies  nicht  ohne  Bewusstseiu  so  eingerichtet,  zeigt 
sich  zum  Theil  auch  daran,  dass  er  hier  keine  llohlkeiilen 
anwendete,  wodurch  der  Schaft  massiver  wird,  sowie  daraus, 
dass  die  Pfeiler  nicht  zu  nahe  zu  einander  stehen  als  sonst 
in  solchen  Kirchen,  sondern  so  weit  von  eiinuider  als  nur 
immer  gestattet  ist."  Diese  Motivirung  llenszluiann's  in 
Bezug  auf  die  schwächere  Gestaltung  des  Pfi'ilers  scheint 
uns  jedoch  nicht  ganz  erschöpfend  und  zum  Tlieil  auch 
unrichtig  zu  sein.  Richtig  ist  es,  dass  die  Pfeilerslellung 
schon  in  dem  ursprünglichen  Bauplan  einbezogen  war,  und 
der  Baumeister  in  den  stützenden  und  tragenden  Glie- 
dern überall  Ökonomie  bewährt  hat.  Wenn  wir  aber  bei 
den  Pfeilerpaaren  des  ersten  uml  fünften  Quadrates  ins  .\nge 
fassen,  dass  sie  die  im^isle  Stützkratt   iVu'  die  in  diagomder 

34' 


—   244 


Richtung  auslaufenden  Gewölbsrippen  beuölhigten  und  den 
Druck  so  starker  und  breiter  Gewölbe,  wie  jene  des  mitt- 
leren Quadrates  nicht  auszuhalten  hatten,  so  scheint  es  uns, 
dass  gar  nicht  dieXothwendigkeit  zu  stärkeren  Pfeilern  vor- 
handen war  und  der  Architekt  auch  solchen  auf  geschickte 
Weise  dadurch  auswich,  dass  er  die  breiteren  Seitenflächen 
in  jene  Hiclitung  stellte,  woher  der  verhültnissmässig  inten- 
sivste Druck  kam.  Dadurch  geschah  es  aber  auch,  dass  die 
quadrate  Anlage  dieser  Pfeiler  eine  verschobene  Anord- 
nung erhielt.  Überdies  müssen  wir  hiebei  noch  wiederho- 
len, dass  jene  Gewölbe,  welche  auf  den  schwächeren  Pfei- 
lern ruhen,  die  kleineren  des  Mittelschifles  sind,  und  dadurch 
ebenfalls  die  Spannkraft  vermindert  wurde.  Aus  ökononii- 
scheii  Kücksicliten  aber  wurde  der  Baumeister  gewiss  nicht 
bestimmt,  schwächere  Pfeiler  anzulegen. 

Was  fernerdiegrösserenquadraten  Pfeiler  im  mittleren 
Theile  des  IhiU[itschines  anbelangt,  so  ist  die  massive  .An- 
lage allerdings  durch  die  ungewöhnlich  starken  Gewölbe 
des  Haupt-  und  der  NebenschilVe  gerechtfertiget.  Es  drängt 
sich  aber  hiebei  unwillkürlich  die  Frage  auf,  wie  es  ge- 
kommen, dass  das  mittlere  (Juadrat  eine  so  grosse  Ausdeh- 
nung erhielt,  wodurch  die  Pfeileranlage  auch  eine  stärkere 
werden  musste.  Welche  Motive  könnten  bei  dieser  Ver- 
schiedeniieit  der Raumeintheilung massgebend  gewesen  sein? 
Wir  wissen  kein  Anderes  anzugeben,  als  dass  man  von  der 
älteren  Kirche  die  an  der  Stelle  der  gegenwärti- 
gen gestandenhaben  mag,  die  vorhandene  Pfeilerstel- 
lung benützte,  ohne  Rücksicht  auf  die  dadurch  entstehende 
Ingleichheit  der  <^luadrate.  Dass  an  dieser  Stelle  eine  ältere 
Kirche  bestanden  hat,  schliessen  wir  eben  aus  den  beiden 
Urkunden,  welche  wir  nach AngabeHenszlmann'sfrühercitirt 
haben  und  woraus  letzterer  —  freilich  ohne  Grund  —  den 
Schluss  zieht,  dass  der  gegenwärtige  Dom  bereits  in  dem 
siebenten  Decenniuni  des  13.  Jahrhunderts  erbaut  worden 
sei.  Würde  dies  der  Fall  sein,  so  müsste  man  annehmen, 
dass  in  Kaschau  die  Gothik  zu  einer  früheren  Entwicklung 
gelangt  ist,  als  in  den  Rheinlanden  und  selbst  in  Frankreich, 

Indem  wir  noch  bemerken,  dass  die  Construction  der 
(Jewölhe  des  Mittelschiffes  bereits  das  Gepräge  einer  voll- 
ständig entwickelten  Gothik,  und  nur  eine  etwas  gedrückte 
Spannung  besitzen, gehen  wir  auf  die  Besprechung  der  Sei- 
tenschifTe  über,  die  leider,  was  die  Constructionsverhältnisse 
anbelangt,  keinen  günstigen  Eindruck  machen,  und  in  späterer 
Zeit  bedeutende  Verunstaltungen  erlitten  haben  dürften. 

W^ir  haben  bereits  bemerkt,  dass  die  konchen-  oder 
capellenartigen  Abschlüsse  der  SeitenschilTe  zu  der  Vermu- 
thiiiig  gefülirt  haben,  dass  der  erste  Baumeister  des  Ka- 
schauer^Domes  aus  Frankreich  stammt,  oder  doch  wenig- 
stens aus  einer  der  französischen  Bauschulen  des  13.  Jahr- 
hunderts hervorgegangen  ist.  In  neuester  Zeit  war  es  ins- 
besondere Lenoir'),  welcher  bei  dem  Anlasse,  wo  er  die 


nordfranzösische  Bauschule  der  Frühgothik  und  die  an  den 

Chören  der  Kirchen  in  der  Isle- de -France  auffallend  ent- 
wickelten t'apellenkränze  charakterisirt,  den  KaschauerDom 
mit  der  Abteikirche  von  Lagny  in  Parallele  zieht  und  liiebei 
bemerkt,  dass  man  die  Erbauung  des  Elisabeth-Domes  dem 
Architekten  der  Picardie  V  i  1 1  a  r  s  d  e  H  o  n  e  c  o  u  r  t  zusdireibt 
und  in  der  t'oniposition  seines  Planes  alle  Charaktere  der 
Schule  in  der  Isle-de-France  erkennt.  Wir  schicken  dieser 
Behauptung  des  französischen  Gelehrten  dieThatsache  vor- 
aus, dass  llenszlmann  über  den  ersten  Baumeister  des  Ka- 
schauer  Domes  nicht  die  geringste  Yermuthung  ausspricht 
und  uns  daher  unbekannt  ist,  woher  Lenoir  zu  der  Annahme 
konnnt,  dass  die  Erbauung  des  Kaschauer  Domes  dem 
.\rchitekten  Vilars  de  Honnecourt  zugeschrieben  werde  '). 
Nach  unserer  Überzeugung  ist  übrigens  ein  Vergleich 
der  Abteikirche  von  Lagny  mit  Kaschau  nicht  statthaft.  Das 
Hervortreten  der  Capelleniüschen  an  sidi  genügt  niciit,  um 
einen  directeuEintluss  der  französischenBauschulen  geltend 
zu  machen,  weil  zur  Zeil  der  Gründung  des  Kaschauer  Do- 
nies  das  System  der  östlich  gelegenen  Ca|>ellenausbauten 
nicht  blos  in  Frankreicii  angenommen,  sondern  bereits  in 
Deutschland  stark  verbreitet  war.  Das  erste  Beispiel  in 
Deutschland,  wo  der  Anbau  von  Capellen  im  Chor  in  .\nwen- 
dung  gebracht  wurde,  ist  der  Dom  zu  Magd  eburg  (1208) 
und  jenes  von  geschlossenen  Capelleukränzen  die  Liebfrauen- 
kirche zu  Trier  (1227),  eine  .\rt  Rotunde  mit  einer  Chor- 
vorlage im  Osten,  dierings  mit  polygonförmigenNischenabge- 
schlossen  ist,  und  deren  Anordnung  gegen  den  Chor  zu  heinahe 
vollständig  mit  jenem  der  Kaschauer  Kirche  übereinstimmt. 
Dagegen  kennen  wir  unter  den  französischen  Kirchen  nur  jene 
von  St.  Yved  in  Braine,  welche  nn't  dem  Grundrisse  des 
Kaschauer  Domes  wirklich  Ähnlichkeit  besitzt.  Zwischen 
der  Erbauung  von  St.  Yved  und  dem  Kaschauer  Dome  liegt 
aber  mehr  als  ein  volles  Jalirhundert.  innerhalb  welchem 
am  Rhein  die  Stiftskirche  zu  Xanten,  die  Marienkirche  zu 
Lübeck,  die  Kirchen  zu  Alirweiler  unil  Oppenheim, 
in  Belgien  die  Kirche  St.  Caro  zu  Gent,  und  in  Lothringen 
St.  Gengoul  in  Toul  entstanden  sind.  Beis[)ielsweise  lassen 
wir  hier  eine  Skizze  des  Gruiulrisses  des  Chores  der  Kirche 
St.  Victor  zu  Xanten  (Fig.  4),  dann  jenen  von  Set.  Martin 
zu  Ypern  in  Belgien  (Fig.  J>)  folgen^).   Wir  sehen  daraus» 


')  ArchiUclure  monasUijue  (Piiris  18361.  H.  207. 


^)  Ks  iHSst  sich  (liess  höchstens  daduroli  crklürcii.  «I.iss  Lenoir,  wahrschein- 
lich tihereinstimmend  mit  Menszlninnn  .  .itun'nimt .  der  (irunil  zum  Ka- 
schauer Dom  sei  im  J.  1283  gelegt  worden.  Wir  Indien  schon  liei  Hespre- 
chong  der  Kirchenruine  Zsamheek  (.Mittheilun^'en  U,  103)  erwiihnt, 
dus»  Vihir.s  de  Honnecourt  in  der  .Mitte  des  13.  .lalirliuudei-ls  nach  Tngarn 
herufen  und  an  dem  Hau  der  T.saniheekcr  Kirche  mitgewirkt  hahen  soll. 
Nun  ist  es  aher  hereits  festgestellt,  dass  Vilars  den  (irundriss  der  Kirche 
von  Cainhray  (1230 — 12;>1)  gemeinschaftlich  mit  Peter  v.  Corhio  erfun- 
den hat.  Würde  er  den  (irundriss  von  Kaschau  entwoi-fen  hahen  ,  so 
müsste  er  jedenfalls  ein  sehr  hohes  Alter  erreicht  hahen  —  vorausge- 
selit.  das»  der  Neuhau  von  Kaschau  wirklich  in  das  XIII.  Jahrhundert 
faUen  würde,  was  aher  gar  nicht  wahrscheinlich  ist. 

')  Üher  Xanten,  dessen  ösUicher  Chorhau  12:i(i  begonnen  wurde,  ver- 
gleiche Seh  n  aase  ,  Geschichte  der  hild enden  Künste  V,  347  u.  IT. ;  üher 
Ypern  in  Ilelgien.  dessen  Chorhau  1221  hegann,  findet  mau  Niiheres  in 


—   ^45  — 


dass  die  Anordnung  von  Chor  und  Schiff  bei  den  genannten 
Kirchen  mit  den— beideTheiie  verbindenden  Capellenausbau- 
ten  dieselbe  ist  und  ziehen  wir  bei  Xanten  die  Beisrönung  der 


Strebepfeiler  an  der  Vorderfa^ade  insbesonders  in  Betracht, 
von  welcher  wir  bereits  erwähnt  haben,  dass  dieselbe  mit 
jener  der  Strebepfeiler  des  Chores  zu  Kaschau  im  Ein- 
klang steht,  so  liegt  die  Vermuthung  weit  näher,  dass 
dem  Erbauer  des  Kasehauer  Chores  die  Stiftskirche  zu 
Xanten  nicht  unbekannt  war.  Nicht  unerwähnt  können  wir 
aber  hiebei  auch  lassen,  dass  in  Frankreich  die  Choranlage 
von  St.  Yved,  welche  keinen  Capellenkranz  besitzt,    son- 


dern zu  deren  beiden  Seiten  Nischen  angebaut  sind,  ohne 
Nachahmung  blieb.  Man  wandte  zwar  häufig  geschlossene 
Capcllenkiänze  um 
den  Chor  an,  es  ist 
aber  sehr  selten  der 
Fall,  dass  der  letz- 
tere freistehend  an- 
getroffen und  an  die 
Vorlage  sich  erst 
in  radianter  Einzie- 
hung die  Poligon- 
nischen  anschliessen. 
Sehn  aase  erblickt 
auch  desshalb  in 
letzterer  Anordnung 
eine  Vermischung 
deutscher  und  fran- 
zösischer Elemente 
und  kommt  aus  die- 
sem Grunde  zu  der 
nicht  ungegründeten 
Annahme ,  dass  St. 
Yved  das  Werk  eines 
deutschen  aber  in 
französischer  Schule 
gebildeten  Meisters 
gewesen  ist.  K.  Weis  s. 

(Der  Sclilu8s  folgt  Im  nSchsten  Hefte.) 


Die  archäologischen  Publicationen  nngarischer  Zeitschriften. 

(Schluss.) 


XIII.  (Nr.  36.)  „Die  Domkirche  zu  Szepes- 
värallya"  Inder  Zips,  sonst  deutsch  auch  Kirchdorf 
genannt;  der  Sitz  des  Zipser  Bisthums.  Wie  aus  der  Abbil- 
dung zu  ersehen,  besteht  der  Dom  aus  zwei,  verschiedenen 
Bauperioden  angehörenden  Theiien.  Der  vordere,  nämlich 
die  Front  mit  den  zwei  Thürmen  und  dem  angebauten 
niederen  Schiff,  hat  ausgesprochene  romanische  Formen; 
an  den  Thürmen  gewahrt  man  die  gekuppelten  rundbogigen 
Fenster  und  Rundbogenfriese;  über  den  fünften  Stock  setzen 
die  viereckigen  Tliürme  in  dem  pyramidalen  achtseitigen 
Helm  über.  Dagegen  ist  der  höhere,  später  zugebaute  Chor 
durchaus  in  dem  reinsten  gothischen  Style  aufgeführt.  Von 
der  Seiten-Ansicht  werden  uns  die  reich  gegliederten  Strebe- 
pfeiler und  mit  Masswerk  gefüllten,  die  ganze  Länge  der 
Wand  einnehmenden,  spitzbogigen  Fenster  dargestellt.  Der 


A.  G.  B.  Schay  es:  llisloire  de  l'archUeiliirc  en  Bclijiijuc  II,  58. 
Charakteristisclie  Beispiele  über  diese  Capellenaushaiiten  enthält  auch 
das  Werk  von  A.  Essenwein:  „Norddeutsehlands  Backsteinbau  im 
Mittelalter".  Kallenbachs:  „Chronologie  der  deutschen  Baukuusf-' 
n.  6.  w.  Wir  konnten  d:irauf  nicht  näher  eingehen,  um  nicht  die  (irünzen 
dieser  Darstellung  zu  überschreiten. 


Dom  wurde  im  Jahre  1189  von  dem  Könige  Btjl  a  III.  gestif- 
tet, und  soll,  nach  der  Boschreibung,  ursprünglich  eine 
dreischiffige  romanische  Basilica  gewesen  sein,  die  eine 
Ähnlichkeit  mit  der  Freiburger,  Naumburger  und 
Magdeburger  Kirche  hatte,  nach  deren  Vorbild  sie  von 
den  eingewanderten  Zipser  Sachsen  damals  errichtet  wurde. 
Aus  diesem  ältesten  romanischen  Baue  ist,  wie  gesagt,  nun- 
mehr nur  der  vordere  Theil  der  Kirche  zurückgeblieben. 
Der  spätere  gothische  Bau  des  Chores  wurde  in  den 
Jahren  1462  und  1478  vollendet,  wie  die  darauf  bezüg- 
lichen, in  der  Kirche  ersichtlichen  Inschriften  beurkunden. 
Im  Innern  sollen  die  Chorstühle  ein  ausgezeichnetes  Schnitz- 
werk sein,  von  dem  Künstler  Thomas  Kesmarky  im 
Jahre  1478  angefertigt.  Ebenso  sind  auch  Altäre  mit  Schnitz- 
werken vorhanden,  wie  auch  altcrthümliche  Kirehengeräthe : 
Kelche,  Bischofstab,  aus  Silber  getriebene  Statuen  der 
Apostel,  der  Mutter  Gottes,  des  heiligen  Marlin.  Auch  sind 
viele  Grabdenkmale  der  berühmtesten  Männer  Ungarns  aus 
dem  XV.  und  XVI.  Jahrhundert  erhalten;  wie  die  der  Grafen 
Szäpolyai,  Thurzo,  Räkoczy,  Erdödy.  —  Unweit 


—  246   — 


von   dem  Orte  erheben  sich  die  grossartigen  Ruinen   der 
ehemaligen  Z  ipserbnrg  (Szep  esvär)  auf  einer  Anhlihe. 

XIV.  (\r.  38.)  „Die  Kirche  zu  Donnersmark  in 
derZips."  Ein  kleiner  ausgezeichneter  gothischerCapeilen- 
bau  aus  dem  XV.  Jahrhundert,  von  Isabel  hi  und  ihrer 
Tochter  Hedwig  Szäpolyay  erliaut.  Man  sieht  von 
aussen  die  reich  mit  Giebel,  Masswerk,  Haldaeliinen 
gegliederten  Strebepfeiler,  und  die  mit  3  Pfosten  in  sechs 
Felder  getheilten,  und  mit  prächtigem  Masswerk  gefüllten 
Fenster.  Der  Chorschluss  erscheint  dreiseitig.  Ehen  so  reich 
soll  der  Bau  inwendig,  mit  dem  vollen  Schnnicke  der 
Gothik,  mit  Diensten,  Gurten  u.  s.  w.  ausgestattet  sein.  Das 
Merkwürdigste  ist  aber,  dass  dieser  spatgutliische  Hau.  wie 
auch  sonst  noch  einige  uns  in  Ungarn  bekannte  Bauten 
dieser  Zeit  eine  Ausnahme  ist  von  der  sonst  fa.st  ausnahin- 
losen  Regel,  welche  bei  einer  gothischen  Kirche  keine 
Krypta  oder  Unterkirche  zulässt.  Die  Donnersmarker  Capelle 
hat  ihrer  sogar  zwei ;  iiusserlich  zeigt  sie  schon  zwei  Stock- 
werke, der  untere  niedere  erhält  die  Beleuchtung  durch 
spitzbogige  gekup]ielte  Fenster,  die  knapp  von  dem  Boden 
aufsteigen.  Unter  dieser  Unterkirche  befindet  sich  eine 
dritte,  wir  glauben  die  eigentliche  Gruft,  welche  ihr  Licht 
nur  von  üben  erhält. 

XV.  In  derselben  Nummer  ist  auch  eine  Ansicht  der 
Stadt  K  es  mark,  mit  der  berühmten  T  ö  kül  y"schen  Burg 
mitgetheilt.  Die  letztere,  welclie  einst  prächtig  ausge- 
stattet war,  wenn  auch  bis  jetzt  erhalten,  doch  bereits 
baufällig,  geht  ihrem  nahen  Untergange  entgegen.  GriJssten- 
tlieils  «urde  sie  zwar  schon  in  dem  Geschmacke  des 
XVIl.  Jahrhunderts,  im  Jahre  1628  von  Stephan  Tököly, 
restaurirt,  doch  bietet  sie  noch  manches  Berücksichtigungs- 
werthe,  wie  die  Capelle,  die  Gruft  u.  s.  w.  Jetzt  werden 
alle  diese  Räumlichkeiten  zu  den  profansten  Zwecken 
benützt. 

Ein  zweites  Baudenkmal  allhier  ist  die  gotliische 
Kirche,  vom  Grafen  Szäpol  yay  in  Jahren  1444 — 148G 
erbaut.  Bemerkenswertb  ist  daiin  ein  aufgezeichnetes 
Sacramentshäuschen,  ein  Flügelaltar  mit  (johlgrund- Gemäl- 
den, und  andere  Schiiitzwerke,  Statuen  und  Malereien. 
Doch  soll  sieh  auch  hier  alles  im  beklagenswertlien  ver- 
wahrlosten Zustande  belinden .  indem  es  an  den  niilhigeii 
Rütteln  zur  Bestreitung  der  liestanratiiinskosten   fehlt. 

XVI.  (Nr.  44.)  „Die  St.  S  tepliansk  irchc  zu 
Miskolcz."  Ein,  dem  Bilde  nach  schon,  vcrMalirlost 
scheinender,  spätgothischer  Bau,  mit  ziemlich  rohen  (wenn 
nicht  die  späteren  Umgestaltungen  daran  die  Schuld  tragen) 
Formen.  Flache,  jeden  Schmuck  enibehrende  Strebepfeiler 
erheben  sich  (ihne  Giebel,  mit  schräger  Ahdacluiiig  iiiid 
einmaliger  Gliederung.  .Vucli  die  Mauerniasseri  sind  zwischen 
den  Strebepfi'ilern  und  Kenstern  stark  vorherrschend  ;  und 
die  letzteren  sciieinen  auch  ohne  Masswerk  zu  .sein.  Auch 
fehlt  jetzt  der  Timrm;  anstatt  dessen  dient  als  Glocken- 
haus  ein  eigentlüimlicher  Holzbau.    Übrigens   erwähnt   die 


Beschreibung  nicht  einmal  das,  wie  viele  Schiffe  die  Kirche 
hat.  und  wie  sie  im  Inneren  aussieht  oder  erhalten  ist:  nach 
ihrer  Angabc  soll  aber  die  Kirche  aus  dem  Xlll.  Jahrhundert 
herrühren.  Richtiger  scheint  uns,  selbst  nach  der  einfachen 
.\nsicht  der  oben  beschriebenen  Abbildung,  dass  es  ein  spät- 
gothischer Bau  des  XV.  Jahrhunderts  sei.  Und  daher  dürfte 
die  Stelle  einerUrkundeS  igmu  nd's  vom.Iahre  141 1,  welche 
die  Miskolczer  Kirche  als  einer  uralten  und  seit  lange  beste- 
henden gedenkt,  sich  auf  einen  vormaligen  älteren,  vielleicht 
romanischen  Bau  beziehen,  an  deren  Stelle  im  XV.  oder 
XVI.  Jahrhundert  der  jetzige,  wie  es  scheint  auch  nicht 
ausgeführte  gotliische  Bau  errichtet  wurde.  Seit  dem 
Jahre  \ö'6i  ist  die  Kirche  im  Besitze  di'r  refnrmirten 
helvetisclien  Confession. 

XVII.  (Nr.  4(5.)  „Die  Kircbenriiine  von  Zsäm- 
bük."  Eine  gute  Ansicht  dieses  ausgezeichneten  Baues. 
Indem  aber  der  Gegenstand  bereits  vielfach  beschrieben 
und  im  Bilde  dargestellt  ist  (wie  von  Vabot:  MagyarfiW  il. 
und  neiiestcns  in  dem  III.  Heft  der  „Mi t teralt er- 
lichen  K  u  nstd  enk  mal  e  "  von  Professor  von  Eitel- 
bcrgor)  und  auch  die  „  Mi  tthe  il  un  gen  "  dessen 
Besprechung  von  dem  Redactcur  dieser  Blätter  gebracht 
haben,  so  wollen  wir  es  hier  übergehen,  und  bemerken 
nur,  dass  der  interessante  Gegenstand  mit  der  bisherigen 
Bei'ührung  doch  kaum  als  gänzlich  erschöpft  betrachtet 
werden  kann. 

XVIII.  (Nr.  51.)  „Das  Seh lo SS  Nagy-Vazsony" 
von  Sere  b  y.  Eine  alte  Zwingfestc,  welche  bereits  grössten- 
theils  in  Ruinen  niederliegt  und  nur  ein  mächtiger  Tburm. 
etwa  das  Berchfrit  der  Burg,  steht  noch  unversehrt  unter 
dem  Dache.  Die  plattüberdeckten  Kleeblalthogenwiilhiingen 
der  Thürüniumgen  scheinen  die  Zeit  der  letzten  Bau- 
Ihätigkeit  an  d<'r  Bin-g  zu  verkünden;  die  also  in  die 
spätgothische  Periode  fällt.  Eben  in  dieser  Zeit,  nämlich  in 
der  zweiten  Hälfte  des  XV.  Jahrhunderts,  hatte  auch  das 
Schloss  eine  seiner  bekanntesten  (Glanzperioden .  indem  es 
damals  der  Sitz  des  berühmten  Türkenbesiegers  Paul  K  i  n  i  z  s  i 
war.  Er  soll  auch  das  angrenzende  Kloster  gestiftet  haben: 
wo  noch  sein  verstümmeltes  Ei)itaphium  —  ergänzt  —  wie 
folgt,  zu  lesen  ist: 

..lirexit  Vasonia  Clausfra  Kiniuhm  heron, 
J/Iiiix  hoc  iiniii  »larnioris  osfiii  riihaiil." 
Das  Kloster  ist  gegenwärtig  a\icli  eine  Ruine.  Es  soll 
aber  noch  unweit  eine  kleine  alte  Kirche  bestehen,  die 
angeblich  auch  aus  der  nämlichen  Zeit  mit  dem  Kluslcr 
herridiren  soll.  Sie  würde  also  auch  ein  gothischer  Bau  sein, 
doch  fehlen  alle  nähere  Angaben. 

XIX.  In  den  letzten  Nummern  folgt  noch  ein  gnl.T 
Grundriss  der  ehemaligen  beriiliinliMi  Königslnirg  UngaiMis 
Visegräd,  sammt  einem  Sitnatioiisiilan  imd  anderen  hier 
noch  befindlichen  Denkmalen  imd  Inschriften.  \\"\r  verweisen 
aber  in  BetrelT  dieses  Gegenstandes  auf  die  in  ungarischer 
und  deutscher  Sprache  herau.sgegebene  treiVliche  historische 


—  247   — 


und  archäologische  Monographie  Hau flers:  „Visegradi 
Album". 

XX.  Obwohl  nicht  als  Baudenkmal,  doch  immerhin  als 
ein  sehr  erfreuliches  Zeichen  der  vaterländischen  höheren 
Monumental -Baukunst  und  des  kunstgesehichtlichen  Ver- 
ständnisses wollen  wir  erwähnen  die  Kirche  zu  Kaplony 
im  Szath märer  Comitat,  unweit  von  Nagy-Kärol  y, 
deren  Abbildung  die  Nummer  7  dieser  Zeitschrift  bringt. 
Es  ist  dieser  Monumentalbau,  auf  die  Veranlassung  der 
Grafen  Kärolyi,  von  dem  rühmlichst  bekannten  Architekten 
der  im  romanischen  Basiliken- Style  errichteten  Kirche  zu 
Füt,  Herrn  Ybl,  ausgeführt  worden,  und  zwar  in  den 
charakteristischen  Formen  des  Übergangsstyles.  Die  zwei- 
thürmige  Kirclie  zeigt  von  aussen  den  Spitzbogenfries  des 
Übergangsstyles;  darnach  bestehen  auch  die  Fenster- 
öflnungen  im  Schilfe  aus  je  vier,  am  Chor  aus  je  zwei 
schmalen  Fenstergruppen ;  ihre  Umrahmung  und  die 
Aneinanderkuppelung  wird  von  Säulchen  gebildet,  die  sich 
dann  als  Bogen  fortsetzen,  und  mit  dieser  Spitzwijibung 
schliessen.  An  den  Chor  schliesst  sich  unmittelbar  ein 
prächtiges  Mausoleum,  eigentlich  eine  dreischilfige  Säulen- 
halle, mit  etwas  erhöhter  Mitte  und  niederen  Abseiten. 
An  der  Seite  überragt  das  Gebäude  eine  erliöhte  Fafade, 
unter  dem  Giehelgesims  mit  den  eigenen  länglichen  Formen 
des  Bundbogenfrieses  des  Übergangsstyles,  und  in  der  Mitte 
mit  einem  grossen  spitzbogigen  und  mit  Masswerk  gefüllten 
Prachtfenster  geziert.  In  diesem  IMausoleum  sind  die  metal- 
lenen, kunstvoll  gezierten  Särge  der  verstorbenen  Mit- 
glieder dergrätlicheiiFamilieKärolyi  aufgestellt.  Kaplony 
ist  nämlich  der  Stanunort  dieses  Geschlechtes,  dessen  Namen 
früher  die  Familie  geführt  hat.  Das  an  die  neue  Kirche 
anstossende  Kluster  der  Franciscaner  ist  eine  ältere  Stiftung 


der  Familie.  Dem  hier  beschriebenen  Äusseren  soll,  nach 
der  Beschreibung,  auch  das  Innere  der  mit  Fresken  und 
dem  Style  entsprechenden  architectonischen  Schmuck  gezier- 
ten Kirche  würdig  entsprechen. 

XXI.  Zuletzt  wünschen  wir  noch  die  Aufmerksamkeit 
der  Archäologen  und  besonders  der  Epigraphiker  auf  den 
folgenden,  in  der  Nr.  3S  dieses  Blattes  enthaltenen  Aufruf 
zu  lenken.  Im  Jahre  1SÖ4  wurde  bei  den  FortiCcations- 
Arbeiten  zu  Karls  bürg  in  Siebenbürgen  eine  kleine 
2'  lange  und  1"  6"  breite  Steinplatte  ausgegraben;  an  den 
vier  Seiten  hat  sie  die  folgende  Bandschrift,  überall  zwei 
Zeilen  unter  einander  gestellt : 

I.  Seite:  &'  AIDIT  XIVIQITTAT 

II  —  l'IMIT  JOlfaAdlM^, 
II.  Seite:  flATATXIVdlT  TAf 
ITTEMID  AMVVPIIl 

III.  Seite:  IVIAID.  ITXIVia.  IT  ATI. 

013  sanaTvaA .  jv^ 

IV.  Seite:  AiaTXIVIU  .  ITTAT 

VoXa  c  MIDAVNAlall. 

Der  Gegenstand  kam  in  das  Besitzthum  des  Dr.  Otvös 
in  Karlsburg  (er  ist  bekaiuit  als  ein  tüchtiger  Paläograph 
und  Entzifferer  der  von  ihm  herausgegebenen  in  Geheim- 
zeichen  zurückgebliebenen  Schriften  des  Bäküczy).  Bis 
jetzt  sind  alle  seine  Bemühungen,  die  Inschrift  zuenträthseln, 
ohne  Erfolg  geblieben;  er  theilte  sie  auch  anderen,  ihm 
befreundeten  und  bekannten  Archäologen  ohne  Erfolg  mit. 
Errichtet  nun  einen  .\ufruf  an  alle  Fachmänner,  und  bietet 
demjenigen,  dem  die  Inschrift  zu  lösen  gelingt,  als  Gegen- 
dienst eine  gut  erhaltene  Corvininische  Goldmünze. 

In  den  Folgenden  werden  wir  das  Bemerkenswertheste 
aus  dem  vergangenen  Jahrgange  des  „Vasärnapi  Ijsäg" 
mittheilen.  ". 


Der  Tassilokelch  nebst  Leuchter  zu  Kremsmünster. 


Auf  der  Rückkehr  an  den  Rhein  begriffen,  uiiterliessen 
wir  es  nicht,  bei  der  Durchreise  durch  Linz  die  in  der 
Nähe  belindliche,  altelirwürdige  Stiftung  des  bekannten 
BavarenherzogsTassilo,  Krems m  ünster,  zu  besuchen.  Der 
entgegenkommenden,  gastfreundlichen  Aufnahme  von  Seite 
des  hochwürdigsten  Herrn  Prälaten  daselbst  hatten  wie  er 
zu  verdanken,  dass  uns  sofort  noch  jene  kostbaren  Kunst- 
reliquien aus  der  Frühzeit  der  Stiftung  mit  grösster  Libera- 
lität vorgezeigt  wurden,  die  sich  unstreitig  als  die  ältesten 
kirchlichen  Gefässe  in  Deutschland  aus  den  Säcularisations- 
stürmen  der  letzten  Jahrhunderte  in  diesem  allberühmten 
Sitze  der  Cultur  und  Wissenschaft  gerettet  haben.  Es  ist 
das  nämlich  ein  vollständiger  „apparatiis  altaris'' ,  wie  er 
vom  Herzug  Tassilo  seiner  Lieblingsstiftung  Cremif'anmn 
zum  Geschenke  gemacht  wurde,  und  gehören  zu  dieser  Aus- 
^  Stellung  des  Altares  der  Messkeleh,  zwei  Leuchter  (cero- 
f'cralia)  und  der  Evangeliencodex  (plcnarlum).  Diese  drei 
grossartigen,  reich  ausgestatteten  Kunstwerke  aus  den  Tagen 


des  Tassilo  haben  sich  in  der  Abtei  Kremsmünster  als  die 
einzigen  Ueberreste  der  Kunst  einer  grossen  Vergangenheit 
ziemlich  unverletzt  und  primitiv  erhalten.  Vor  allem  verdient 
eine  besondere  Beachtung  jener  interessante  „calix  ahha- 
tialis",  der  eigenthümlicher  Weise  heute  nur  noch  bekannt 
ist  unter  dem  Namen  „der  Slifterbecher",  und  dessen  ehe- 
malige liturgische  Bestimmung,  wahrscheinlich  seiner  eigen- 
thümlichen ,  pocalartigen  äussern  Form  wegen  bis  heute 
unbekannt  geblieben  ist.  Dieser  seltene  Messkelch  des 
8.  Jahrhundei'ts  erinnert  noch  deutlich  an  die  traditionelle  Form 
der  Trinkschalen  und  Becher,  wie  sie  in  der  classischen 
Cäsarenzeit  im  alten  Rom  in  Gebrauch  waren,  und  die  für 
die  Bildung  der  frühchristlichen  Kelche  in  Glas  und  Metall 
massgebend  geworden  ist.  Nicht  nur  aus  der  wohlerhaltenen 
primitiven  Inschrift,  sondern  mehr  noch  ans  der  biblisch 
gehaltenen,  reichen  Ausstattung  geht  zur  Genüge  hervor, 
dass  der  sogenannte  „Stifterbecher"  ursprünglich  als  Kelch 
in  kirchlichem  Gebrauche  war,  wie  sich  das  auch  deutlich 


)<    Aun'iicML 


T 


X  .. 


248    - 


erhärten  lässt  durch  die  vielen  Analogien,  die  sich  als  Zeich- 
nungen von  ähnlichen  frühchristlichen^  Kelchen  in  Bildwer- 
ken bei  älteren  Schrif^slcllern,  vollkommen  übereinstimmend 
mit  dem  humpenartigen,  pocalfürmigen  äussern  Aufriss  des 
Tassilokelches,  heute  noch  vielfach  vorOnden.  Was  die  orna- 
mentale Ausstattung  und  technische  Ausführung  dieses  merk- 
würdigen Gefässes  betrifft,  so  kann  mit  grosster  Sicherheit 
behauptet  werden,  dass  auch,  abgesehen  von  der  deutlich 
erhaltenen  Inschrift,  aus  diesen  beiden  Factoren  des  Kelches 
sein  hohes  Alter  sich  constatiren  Hesse.  Es  tragen  nämlich 
die  Ornamentationen,  sowohl  an  dem  Kelche,  als  auch  an 
den  beiden  dazugehörigen  Leuchtern  vollständig  das  Gepräge 
der  Kleinkunst,  wie  sie  in  Grossgricchenland,  dem  früheren 
byzantinischen  Exarchat  in  Italien  im  karolingisihen  Zeit- 
alter geübt  wurde.  Das  Material,  woraus  Kelch  und  Leuch- 
ter angefertigt  sind ,  besteht  aus  Rothkupfer,  in  welchem 
eine  Menge  Thier-  und  Pflanzenornamente  äusserst  tief  und 
energisch  eingravirt  und  ausgestochen  und  darauf  stark 
in  Feuer  vergoldet  worden  sind.  Stellenweise  hatder  Kunst- 
ler  nun  sowohl  an  dem  Kelch,  als  an  den  Leuchtern  den 
Raum  fi;ir  kleinere  und  grössere  figurale  Darstellungen  aus 
dem  Rothkupfer  vertieft  ausgegraben  und  mit  dünnen  Silber- 
platten ausgelegt,  die  durch  Feuers  Gewalt  auf  dem  Roth- 
kupfer aufgeschweisst  worden  sind.  In  diesen  Silberblechen 
hat  der  «//n/ci' alsdann  sämmtliche  Umrisse  vonMenschen- 
und  Thierflguren  cn  niello  kunstreich  eingelassen.  Diese 
Verbindung  des  Rothkupfers  mit  Silber  und  Niello  und 
starker  Vergoldung  fanden  wir  auch  an  einigen  ähnlichen 
Überresten  aus  der  karolingischen  Zeit.  Was  die  Form  der 
Leuchter  (cerostnti)  betrifft,  so  lässt  sich  mit  Grund  be- 
haupten, dass  sich  von  diesem  Alter,  von  dieser  Grösse  und 
reichen  formellen  Ausbildung  nicht  leicht  im  österreichischen 
Kaiserstaate  ein  ähnliches  Exemplar  mehr  vorfinden  dürfte, 
und  bieten  diese  beiden  Leuchter  in  artistisch-formeller  Be- 
ziehung ein  grösseres  Interesse  als  seihst  die  bekannten 
merkwürdigen  cerofernlia  aus  der  romanischen  Kunstepoche 
in  Le  Mans  und  im  Dome  zu  Hildesheim.  Leider  hat 
das  zu  diesem  Allarsapparate  des  Herzogs  Tassilo  gehörige 
ple)iarium,cin  kostbarer  co^fer  mcmfirauaceux  mit  vielen  Ini- 
tialen, seinen  ehemaligen,  reichverzierten  Einband  mit  dem 
kostbaren  frontale,  wahrscheinlich  in  derselben  kunstrei- 
chen .\usführung,  wie  wir  dieselbe  an  Kelch  und  Leuchtern 
bewundern,  bereits  im  16.  .lahrliundert  verloren. 

Die  Deckelverzierung  an  diesem  evangelistnrium  ist 
bereits  aus  der  Spätzeit  des  16.  Jahrhunderts  und  hat  kei- 
nen besonderen  Kiinstwerth ,  desto  mehr  aber  das  darin 
enthaltene  Manuscript,  das  mit  den  Charakteren,  den  Initialen 


und  den  Ornamenten  des  bekannten  karolingischen  codeje 
in  der  k.  k.  Ilofbihliothek  zu  Wien,  dem  bekannten  evan- 
ficliariitm  Karl's  des  Grossen  im  k.  k.  Sehatze  zu  Wien 
(integrirender  Theil  der  deutschen  Reich.skleinodien),  so- 
wie mit  den  übrigen  uns  zu  Gesichte  gekommenen  karolin- 
gischen Handschriften  vollkommen  identisch  ist.  Beweis- 
führend für  die  gleiche  Zeit  der  Entstehung  dieses  seltenen 
„codex  milh'tinrius'',  mit  dem  Tassilokelch  und  den  Leuch- 
tern ist  der  Umstand,  dass  dieselben  Ornamente,  wie  sie 
an  den  Initialen  desselben  vorkommen,  vollkommen  überein- 
stimmend auch  an  einzelnen  Ornamenten  des  Kelches  und 
der  Leuchter  gefunden  werden.  Wir  freuen  uns  zugleich 
der  Redaction  die  angenehme  Mittheilung  machen  zu  kön- 
nen, dass  der  Hochwürdigste  Herr  Prälat  von  Kremsmünster 
bei  seinem  grossen  Interesse  für  kirchlich-mittelalterliche 
Kunst  uns  alle  erwünschten  Erleichterungen  gewährt  hat, 
um  eine  möglichst  detailiirte  Beschreibung  des  fraglichen 
Tassilokelches  und  der  Leuchter  im  Beisein  der  altehr- 
würdigen Originale  mitMusse  vornehmen  zu  können.  Auch 
äusserte  der  Herr  Prälat,  dass  er  auf  Wunsch  der  k.  k.  Cen- 
tral-Commission  zur  Erhaltung  und  Erforschung  der  Bau- 
denkmale nicht  abgeneigt  sei,  behufs  der  Abzeichnung 
und  Abformung  Kelch  und  Leuchter  durch  einen  Capitular 
des  Stiftes  nach  Wien  zu  senden,  damit  eine  Photographie 
in  Naturgrösse  von  diesen  höchst  merkwürdigen  Kunstge- 
genständen genommen  werden  könnte')-  Nach  diesen  Photo- 
graphien liesse  sich  dann  mit  wissenschaftlich  archäologi- 
scher Genauigkeit  von  geschickter  Hand  eine. Abzeichnung  ") 
entnehmen  und  würde  durch  die  Veröffentlichung  derselben 
in  den  „Mittheilungen"  der  Kunstliteratur  des  Mittelalters  ein 
höchst  dankenswerther  Beitrag  gegeben  werden.  Wir  sind 
gern  bereit  die  ausführlichere,  vergleichende  Beschreibung 
dieser  beiden  liturgischen  Utensilien,  die  wir  in  Krems- 
münster anzufertigen  erwünschte  Gelegenheit  fanden,  der 
k.  k.  Cenlral-Commission  behufs  der  Publicalion  in  diesen 
Blättern  zur  Verfügung  zu  stellen. 

Kremsmünster,  den  10.  August  1857. 

F.Bock. 


')  Der  Präses  der  k.  k.  Ccntritl-Comniission  und  Sedionschef  Freiherr  vor» 
Czoernig  liat  sich  bereits  nn  den  hochwürdi^en  Herrn  Abi  von 
Kremsmiinster  mit  dem  Ersuchen  g-eweodet ,  diese  interessanten  Gcg-oo- 
struidc  nach  Wien  transportiren  zu  lassen,  um  eine  Ahformung  und 
Zeichnung  derselben  bewerkstelligten  zu  kiiiinen.  A.  d.  Red. 

*)  (legen  Anfanj;  dieses  .Jahrhunderts  erschien  eine  Abzeichnung-  des  so- 
genannten „Slifterbechers"  in  natürlicher  UnVsse.  Diese  Copie  jedoch 
hat  nicht  den  iiiindesleii  kritischen  Wertli  und  mochte  eher  als  eine 
Carricatur  (?)  statt  eines  Facsimiles  des  fraglichen,  höchst  merkwür- 
digen Origintilea  anr.usehen  sein. 


—  249 


Notiz. 


(F 11 II  (I  eines  r  ö  iii  i  s  c  li  e  ii  Meilensteines  i  m 
Krappfe  1  de  Kärnthens.)  Nicht  ohne  Interesse  für  die 
Kunde  römischer  Strassenzüji;e  durch  Karnthen  ist  derirn  Friih- 
iinge  des  vorigen  Jahres  im  Krappfelde  (zwischen  St.  Veit 
und  Friesach)  im  Dorfe  Krumfelden  gemachte  Fund  eines 
r  ö  m  i  s  c  li  e  n  Meilensteines.  Es  ist  ein  ruh  hearheiteter, 
grobkörniger  fünf  Fuss  iioher  Sandstein,  welciicr  wegen  seiner 
vielen  Vertiefungen  und  Eiuhöhlungen  sowohl  dem  Meissel  als 
auch  der  Erzielung  eines  Abklatsches  nicht  wenige  Schwie- 
rigkeiten verursachte.  Die  durch  letzteren  controlirte  Lese- 
art der  Inschrift  am  Obertheile  des  Steines  ist  folgende: 

IMP.     CAES.     M. 
IVLIVS    PHILIPPUS 
P.  EINVICTVS  AV 
PONT.  MAX.  TItIB.  POT 
P.  P.  PROCOS 
XV. 
Um  den  wissenschaftlichen  Wertli  dieses  Fundes  heur- 
theilen  zu  können,  müssen  die  Lage  des  Fundortes,  die  in 
dessen  Nachbarschaft  früher  gemachten  Funde  und  die  bis- 
herige Annahme  für  den  Staudort  der  in  der  Peutinger"- 
schen     Strasscnkarle     verzeichneten     Station     Matucajum 
berücksichtiget  werden. 

Krumfelden  liegt  von  der  Gewerkschaft  Treibach  nord- 
östlich ungefähr  eine  Viertel-Stunde  entfernt,  nordöstlich 
in  einer  beilitulig  halbstündigen  Entfernung  liegt  Althofen, 
nordwestlieh  von  Krumfelden  aber  in  einer  Entfernung 
von  ungefähr  einer  halben  Stunde  die  Gewerkschaft  Zwi- 
schenwässern oder  Pöckstein.  In  Treibach  befanden  sich 
seit  unvordenkliclier  Zeit  zwei  Meilensteine  am  dortigen 
gewerkschaftlichen  Meierschafts-Gebäudc ,  welche  später 
zur  Rechten  und  Linken  des  Hauptlhorcs  des  gewerk- 
schaftlichen Schlosses  aufgestellt,  vor  ungefähr  dreissig 
Jahren  dem  Medicin-Doctor  Johann  Kumpf  in  Klagenfurl 
überlassen  und  von  diesem  in  neuester  Zeit  dem  kärnthne- 
rischen  Geschichtsvereine  abgetreten  wur'den.  Der  eine  die- 
ser Meilensteine  ist  sehr  beschädigt  und  lässl  nur  mehr 
die  Schriftcharaktere:  IMP.  CAESAR  ELVS  und  MAX 
deutlicher  erkennen  und  hieraus  und  aus  seiner  Form  auf 
einen  Meilenstein  schliessen.  Der  zweite  ist  besser  erlialten 
und  lässt  folgende  Inschrift  entnehmen: 

IMP.  CAESAR 

ELIVS.  SEVER  .  .  . 

PI  ...  E  

PONT.   MAX.  TRIB. 
POTESTATI  II   P.  P.  COS 
PROCOS.  E.  M.  OI'ELVS. 

DIADVMENIANVS 
NORILISSIMVS.  CAES 
PRINCEPS  IVVENTVTIS 
AVGG.  FECERVNT 
A.  VIRVNI.  M.  P. 
XV. 
II. 


\\'enn  es  keinem  Zweifel  unterliegen  k;!nn,  dass  der 
Krunifeldner  Meilenstein  an  seinem  ursprünglichen  Stand- 
orte aufgefunden  wurde,  so  ist  dieses  in  Rezug  auf  die 
Tieibacher  Meilensteine  nicht  so  ausgemacht,  ob  sie  in 
Treibache  aufgefunden  oder  ziun  durligen  Meicrscliafts- 
Gebäude  anderswoher,  vielleicht  von  dem  nahen  Knuiifelden 
gebracht  wurden  seien.  Die  Zahl  XV  auf  dem  Krunifeldner 
Steine  ist  olfenbar  eine  Distanzangabe,  und  da  der  zweite 
Treibacher  Stein  die  Distanz  von  Virunum  ebenfalls  mit  M.P. 
XV.  angibt,  so  ist  es  wenigstens  sehr  wahrscheinlich,  dass 
auch  für  die  Treibacher  Steine  Kruinfeldeu  der  ur.sprüng- 
liche  Standort  gewesen  ist. 

In  Pöckstein  oder  Zwischenwässern  Avird  die  Stelle 
gesucht,  an  welcher  die  römische  Station  Matucajum  ge- 
standen, welche  nach  der  Peutinger'scheu  Karte  M.  P. 
IUI.  von  Virunum  entfernt  angegeben  wird  >).  Zwisehen- 
wässern  ist  von  Krumfelden,  wie  bereits  bemerkt  w  urde, 
eine  halbe  Stunde,  somit  von  Treibach  drei  Viertelstunden 
entfernt.  Schon  der  Fund  der  Treibacher  Meilensteine  lei- 
tete auf  die  V^ermutbung,  dass  die  Station  Matucajum  in  der 
Nähe  von  Treibach  zu  suchen  sei.  Der  Fund  des  Krunifeld- 
ner Jleilensteines  dürfte  eine  genauere  Restimnning  zulassen 
und  zur  Annahme  leiten,  dass  die  Station  Matucajuui  an  der 
Stelle  des  heutigen  Krumfelden  gestanden  hiibe. 

Dieser  Annahme  könnte  nicht  wohl  entgegenstehen 
dass  die  Peutingersche  Karte  die  Distanz  der  Station  Matu- 
cajum von  Virunum  mit  M.  P.  IUI.  angibt,  während  auf  den 
Treibacher  und  Krunifeldner  Meilensteinen  nur  eine  Distaiiz- 
angabe  von  M.  P.  XV.  zu  lesen  ist.  Denn  die  unter  dem 
Namen  der  Peutingerscben  Strassenkarte  bekannte  mittel- 
alterliche Copie  einer  älteren  Strassenkarte  ist  namentlich 
luden  Distanzangaben  ungenau -').  Der  Ansicht,  dass  die 
Treibacher  Meilensteine  und  der  von  Krumfelden  demsel- 
ben Standorte,  nämlich  Krumfelden  angehören,  dürfte 
auch  nicht  entgegenstehen,  dass  sie  verscliiedenen  Zeiten 
angehören.  Der  eine  der  beiden  Treibacher  Meilensteine 
gehört  in  die  Zeit  des  Kaisers  M.  Opelius  Macrinus  und 
/.war  in  Folge  der  Angabe  Trib.  Pot.  II.  in  das  Jahr  V.  C. 
i)71.  nach  Chr.  Geb.  218,  wogegen  der  Krunifeldner  Mei- 
ieiislein  der  Zeit  des  Kaisers  M.  Julius  Philippu.s,  vielleicht 
dem  .lalire  nach  Chr.  244  angehört.  Diese  Verschiedenheit 
lässt  sich  nämlich  dadurch  erklären,  dass  unter  Kaiser 
Philipp  bei  (Jelegenheit  einer,  nach  einem  Zeilraiime  von 
27  Jahren  leicht  erklärhaien  Strassenausbesserung  auch 
eine  neue  Meilensteinsetzung  ohne  Distanzen  -  .Änderuu'i' 
statt  gehabt  haben  dürfte.  Für  die  Annahme,  dass  der  Stand- 
ort des  römischen  Matucajum  in  dem  heutigen  Krumfelden 
zu  suchen  sei,  dürfte  noch  eine  weitere  Erwägung  sprechen. 


')  Siclu'  iiii'iii  Uanilliiuli  (liM-  (ii'siliiiht.'  Kiiniili,.|is.  I.  S.  5(>0.  ii.  o. 
'')  FiMliiffi-i'»  li:ihillju(.ii  cliT  allen  (;i'ü^'ra|iliio  I.  S.  472.  ll.  TS. 

35 


—   230 


Das  sogeiiaiinto  Antniiinisdio  Roisi'lMuh  vcrzoichnet 
die  Slutioiien  auf  der  Reiseroute  von  Aqiüleja  bis  Ovilabis 
mit  Vi;i  n<'l",io  (Wolfsbcpfr).  Lavix  (bei  Tarvis),  Saiitieum 
(bei  Tillacli),  Viriimiin  (im  Zollfelde),  Caiidalieae  (bei  Iliit- 
tenberg)  u.  s.  w.  ').  Ist  die  angefidirte  llestimniuiii?  der 
Standorte  der  in  dem  Antoninisclien  Reisebuelie  aiigeijebe- 
nen  Stationen  ricbtig,  so  war  die  Strasse,  deren  Stationen 
das  Reisebiich  verzeicbnet,  wenigstens  bis  Viriiniinu  walir- 
scheinlich  aber  noeb  bis  über  dasselbe  binaiis  dieselbe  Strasse, 
deren  Stationen  aiu-b  die  Pentinger'sciie  Karte  verzeichnet. 
Der  Umstand,  dass  die  Karte  mit  Ansschluss  von  Virnniun 
andere  Stationen  verzeicbnet,  als  das  Reisebuch,  dürfte  sieh, 
abgesehen  davon,  dass  die  Karte  gerade  auf  der  Route  von 
Aquileja  bis  Virunum  mehrere  Stationen  unbestimmt  Hess. 
sieh  auch  dadurch  erklären  lassen,  dass  die  Peutiuger'- 
sche  Karte  als  eine  Postkarte  die  Stationen,  an  welchen 
ein  Pferdewechsel  statt  hatte,  die  Mutatinncn  verzeicbnet. 


wogegen  das  Reisebuch  als  ein  }landl)m-h  für  reisende 
Staatsbeamte  nur  die  Xachti|uartierstatiouen,  d.  li.  die  Man- 
sioneu  verzeichnet.  .Vueh  noch  über  N'irunum  hinaus  mag 
die  Strasse,  deren  Mansionen  das  Reisebuch  verzeichnet,  die- 
selbe gewesen  sein,  deren  Mutationen  die  Peutinger'sche 
Karte  angibt,  und  erst  bei  Matueajnin,  wo  sie  von  der  nach 
Xoreza  und  Rcicandruui  abgewiclieu,  die  nordiislliclic  Rich- 
tung gegen  Candalicae  (Hüttenberg)  genommen  haben. 
Kine  solche  Abzweigung  lässt  sich  aber  mit  Rücksicht  auf 
die  Örtlichkoit  viel  natürlicher  erklären,  wenn  der  Standort 
für  die  Mutation  IMatucajum  in  Krumfelden  gesucht  würde, 
als  wenn  man  scllicn  in  Zwischenwässern  aimimmt,  weil 
die  Strasse  von  Krumfelden  in  beinahe  gerader  Richtung 
nach  -Althofen  und  von  dort  nördlich  iiber  Gullaring  nach 
Hüttenberg  l'ülirt.  \\ogegen  der  Weg  von  Zwisehenwässern 
nach  Hüttenberg  erst  zurück  nach  Krumfelden,  und  von 
dort  über  .Altliofeu  weiter  gemacht  werden  müsste  '). 


Correspondenzen. 


M'icn.  Der  Arcliitekt  J.  Lippe  rt.  welcher  im  Auftrage  der 
k.k.  Central-Commission  eine  Reise  nacli  Kiiintlien  unternommen  tiat. 
ist  vor  Kurzem  zurückgekehrt  und  hat  derselben  die  detaillirtesten 
Aufnahmen  des  Domes  vonGurk,  und  der  Kirchen  zu  Set.  Paul. 
Fries  ach  und  Millstatt  vorgelegt.  Diese  Objecte,  welche  sehr 
viel  Neues  und  kunstgesehiehtlieh  sehr  Interessantes  bieten  dürften. 
sind  zur  Veroftentlichung  in  den  Publicationcn  der  Commission 
bestimmt  und  werden  von  dem  Herrn  Conservator  Freiherrn  von 
.\nkershofen  mit  dem  entsprechenden  historisch -archäologischen 
Texte  versehen  werden. 

Aus  «lein  I'onsaii  in  Salzburg.  Das  Interesse  für  Erhaltung 

und  Restauration  alter  Baudenkmale  und  ein  besserer  Geschmack  in 
.\ufl'ührung  von  Neubauten  bricht  sieh  nach  und  nach  auch  in  unserem 
verborgenen  C.ebirgslande  Bahn.  Es  ist  dieses  wohl  zuniichst  der  Auf- 
merksamkeit zu  danken,  welche  der  knnstsinnitco  Fiirsterzhiscliof 
Maximilian  von  Salzburg  und  der  unermüdliche  Domcapitnhir 
Stolz  der  Sache  zuwenden,  und  seit  etwa  ö  .Jahren  ist  Erhebliches 
"eschchen.  Wir  wollen  diesmal  auf  eine  Restauration  näher  eingehen. 
Im  fürstlich  Schwarzenbcrg'schen  Cergsclilosse  Sehermberg, 
wo  gegenwärtig  der  Cardinal-Erzbischof  von  Prag  eine  wohllhätige 
Versorgungsanstalt  für  alte,  gebrechliche  Leute  aus  der  Umgegend 
unterhält,  befindet  sich  eine  gothisch  gebaute  Capelle  von  mittlerer 
Grösse.  Sie  wird  um  die  Mille  des  XV.  .lalirhundcrts  das  erstemal 
urkundlich  genannt  und  war  das  erste  mittelalterliche  (Jebäude  ijii 
Pongau ,  das  neuester  Zeit  einer  gründlichen  Restauration  unter- 
zogen wurde.  —  Zwei  zopfige  Altäre,  eine  nachträglich  angebrachlc 
Empore  und  schwerralligc  Betstühle  verunzierten  sie ,  wie  auch 
die  ursprünglich  spitzen  Fenster  den  Rundbogen,  und  eine  uralle 
als  Gnadenbild  vereiirte  Muftergottes-Statue  über  die  geschnitzten 
Kleider  noch  einen  unförmlichen  Sack  von  StolT  und  Borden  halten 
annehmen  müssen.  Die  Capelle  ist  nun  von  jeder  fremden  Zuthat 
gereinigt,  besitzt  einen  niedlichen  gothiselicii  Flügclaltar,  ent- 
sprechende Fensler,  Tbürcn  und  Retstühle,  eine  einfach  schöne 
golhisehe   Monslrauze    und    überhaupt    durchaus    stvigercehte  Ein- 


richtung. Die  Altarflügeln  (vorne  Basrelifs:  Maria  Verkündigung, 
Christi  Geburt.  Anbetung  der  Weisen  und  Tod  Maria,  rückwärts 
Tem])eragemälde:  Christus  am  (Jlberg,  Geisselung,  Krönung  und 
Tod  des  Herrn)  hingen  vormals  getrennt  im  Glockenbausc  der  Kirche 
Werfenweng  und  dienten  den  Bauern,  um  ihre  Gabeln  hineinzu- 
stecken und  während  des  Gottesdienstes  die  Hüte  daranzuhängen. 
Die  Monstranze  lag  unter  verschiedenem  Gerumpel  in  Vagrain  und 
der  Messner  hielt  das  Ding  für  ein  altes  sonderbares  Lampengefäss. 
Sie  ist  nun  vergoldet  und  gehört,  nach  der  Construetionsühnlicbkeit 
mit  der  ])räehtigcn  Taxenbachcr  Monstranze  zu  schliessen,  der  ersten 
Hälfte  des  XIV.  .lahrhunderls  an.  Ein  liebliches  Basrelief:  die  Kreuz- 
crtinduiig  vorstellend,  lag  in  Stücken  am  Dacliho  len  zu  .Sehermberg 
und  ziert  nun  in  einem  entsprechenden  Rahmen  ilie  Rückwand  der 
Capelle.  Der  Bildhauer  Scheidet  in  Salzburg,  der  .Maler  Stief, 
Steinmetz  Haslauer  und  Vergolder  E  ttl  daselbst,  dann  der  wackere 
in  Baiern  crebildete  Tischlermeister  Oberniayer  von  .Sl.Veit  hatten 
sich  in  die  Arbeit  getheilt  und  die  vollste  Zufriedenheit  des  kunst- 
liebenden Cardinais  sowohl  als  des  Herrn  Furslerzbischofs  dafür 
geerntet.  Die  Capelle,  zu  der  einst  lleissig  gcwallfahrtet  wurde, 
besitzt  hinreichend  eigenes  Vermögen,  um  den  Kostenaufwand  der 
Restauration,  der  sieh  auf  etwas  mehr  als  3000  fl.  belief,  selbst  leicht 
zu  beslreiten.  Übrigens  blieb,  wie  Eingangs  bemerkt,  das  Beispiel 
Schermbcrg's  nicht  ohne  Wirkung.  Die  Restauration  der  Pfarrkirche 
St.  Cyriak  nächst  Werfen  trat  die  nächste  in  die  Reihe.  In  wenig 
Wochen  wird  dieselbe  vollendet  sein  und  Anlass  zu  einem  neuen 
Berichte  geben.  S.  Bittersani. 

Praj;;.  Ich  habe  zu  berichten,  dass  die  Rcstaurirung  der  Tumba 
der  beil.  Ludmila  in  der  St.  Georgskirche  durch  den  Bildhauer 
(^amill  Böhm  und  den  Steinmetz  Swoboda  im  verflossenen  Monate 
vollendet  wurile  und  allgemeinen  Beifall  lindet.  Wenige  Tage  nach 
Vollendung  dieser  Arbeit  starb  der  würdige  Pater  K  r  bec,  der  die 
Restaurirung  dieses  Kunstdcnkmals  in  der  archäologischen  .Section 
angeregt,  und  sodann  mit  aufopferndem  Eifer  geleitet  und  gefördert 
hatte. 


')  Siehe  mein  IIan<lliuc)i.  S.  ■Hü  —  jiJrt. 


<)  Das  10.  BliiM  der  Gencrnlslnbs-Karle  von  Steierniiirk  »ml  lllvrien. 


251  — 


Die  in  der  St.  Lurlmila-Capelle  aufgedeckten  Wandmalereien 
sind  gceignci,  die  Aufmerksamkeit  der  Freunde  vaterländiseher 
Kunstdcnkmale  im  hohen  Grade  zu  fesseln.  In  der  Deckenwöllinng 
sind  die  vier  Evangelisten  und  vier  Kirehenlelirer,  ferner  ('hristus 
und  ihm  zur  Seite  zwei  Apostel  (?)  dargestellt.  Die  Seitenwiinde 
enthalten  die  Figuren  einiger  Landespatrone.  Die  Wand  an  der 
Westseite  ist  duroli  eine  bedeutende  Composition,  welche  walir- 
scheinlieh  die  Ibertragung  der  leililiehen  Reste  der  heil.  Ludmila 
darstellt,  gesclimiiekt.  Schade  dass  ein  Theil  dieser  Darstellung 
durch  einen  neueren  Kalkanwurf  verdeckt,  und  ein  anderer  durch 
eine  in  dieselbe  durchgebrochene  Fensteröffnung  vernichtet  ist.  Im 
Bogen,  der  sieh  gegen  das  Presbyterium  der  St.  Georgskirche  öffnet, 
stellen  sich  die  ziemlich  «ohlerhaltenen  Figuren  der  lieil.  Ludmila 
und  der  ersten  Äbtissin  bei  St.  Georg,  der  seligen  Mladu  (Mariaj, 
Tochter  ßoleslav  1.,  dar.  Die  Bilder  sind  a  la  tempera  gemalt  und 
wurden  öfters  übermalt;  trotzdem  ist  es  augenscheinlich,  dass  bei  den 
späteren  Übernialungen  die  ursprüngliche  Zeichnung  und  Anlage 
geschont  wurde.  Die  Erhaltung  dieses  interessanten  Capellen- 
schmuekes  wäre  allerdings  höchst  wünschenswertli;  da  aber  die  (Jrund- 
lage  dieser  Malereien  allzu  locker  und  schadhaft  ist,  als  dass  auf  die- 
selbe die  neuen  Farbenlagen  fixirt  werden  könnten,  so  dürfte  es  wohl 
am  zweckmässigsten  sein,  dass,  im  Falle  es  zu  einer  Renovirung  der 
Capelle  konnnen  sollte,  die  alten  Gemälde  sorgfältig  copirt  und  nach 
diesen  Copien  die  neuen  Bildwerke  möglichst  genau  ausgeführt  werden. 
Doch  würde  allerdings  die  Art  und  Weise  der  Ausführung  dieser 
Arbeit,  wenn  es  überhaupt  je  dazu  kommen  sollte  —  von  dem  Gut- 
achten compctenter  Fachmänner  abhängen. 

Die  Reslaurirung  der  Kirche  zu  Maria-Schnee  auf  der  Neustadt 
schreitet  rüstig  vorwärts.  Der  eifrigen  Bemühung  des  hoehwürdigen 
Pfarrers  zu  Maria-Schnee  ist  es  gelungen,  die  Mittel  herbeizuschaffen. 
dass  die  Restaurirung  nicht  blos  auf  die  Altäre,  sondern  auch  auf 
die  Frontseite  der  Kirche  sieh  erstrecken  dürfte.  Derselbe  theilte 
mir  daher  seine  Absicht  mit,  das  in  artistischer  Beziehung  aller- 
dings unbedeutende  Uenaissanee-Portal  der  Kirche  von  dem  ver- 
stellenden, rohen  Vorbaue  frei  zu  machen,  und  die  Portinncula- 
Capelle,  welche  die  Mitte  des  Hofraumes  vor  der  Fafade  einnimmt, 
abbrechen  zu  lassen,  wodurch  die  Frontseite  der  Kirche  allerdings 
gewinnen  würde. 

Diese  nach  dem  Vorbilde  der  Capelle  zu  .\ssisi  am  Schlüsse  des 
XVII.  Jahrhunderts  erbaute  Porliuncula-Capelle  ist  ein  unbedeu- 
tendes Bauwerk,  welches  unbenutzt  und  den  Zugang  zur  Kirche  ver- 
engend, dasteht.  Ich  konnte  daher  kein  besonderes  Bedenken  gegen 
diesen  Plan  einwenden,  dessen  Ausführung  übrigens  von  ferneren 
Commissions-Untersuchungen  und  meiner  Ansicht  nach  auch  von 
der  Zustimmung  der  P.  P.  Franciscaner  abhängen  würde. 

Der  Prager  Magistrat,  durch  dessen  Patronatsfürsorge  die 
Kirche  zu  Maria-Schnee  im  Innern  neu  ausgetüncht  ward  ,  hat  an  mich 
die  Anfrage  gestellt,  ob  die  gothischen  Fenster  jener  Kirche,  die 
einer  neuen  Verglasung  bedürfen,  mit  viereckigen  oder  sechseckigen 
Scheiben  zu  versehen  sind;  ich  glaubte  mich  aus  mehreren  Gründon. 
vornänilieh  aber  darum  für  die  sechseckigen  entscheiden  zu 
müssen,  weil  bei  gothischen  Fenstern  niemals  viereckige  Gläser  ver- 
wendet wurden. 

Ferner  muss  ich  erwähnen,  dass  die  Gedenktafel  des  Marmor- 
denkmals der  Karlsbrücke,  an  dessen  Stelle  die  Statue  des  heil. 
Christophs  aufgestellt  werden  soll,  an  der  von  mir  vorgeschlagenen 
Stelle  aus  dem  Grunde  nicht  angebracht  werden  konnte,  weil  die- 
selbe etwas  breiter  als  die  Seitenfläche  des  Brückenthurmcs  erscheint 
und  über  dieselbe  vorragen  würde.  Auch  der  Vorschhig,  dass  die 
Tafel  im  Inneren  der  Thoröffnung  des  Thunnes  aufgestellt  werde, 
stiess  auf  mphrfache  Iliiulernisse.  Da  nun  Seine  Excellenz  der 
Herr  Statthalter,  dessen  Wohlmeinung  über  diesen  Gegenstand  ich 
einhülle,  dem  früheren  Antrage  des  Herrn  Bürgermeisters,  dass 
man  nändieh  die  Gedenktafel  an  der  Anssenseite  des  Erüekentliuinus, 


dem  Kreuzhcrrnklostcr  gegenüber,  anbringen  möge,  sich  anschloss, 
so  blieb  nichts  übrig,  als  diesen  Platz  zum  künftigen  Standorte  der- 
selben zu  bestimmen.  Ich  sprach  mich  jedoch  in  meiner  Zuschrift 
an  den  Magistrat  dahin  aus,  dass  die  .Marmorplatte  etwas  über  eine 
Klafter  vom  Boden  erliüht  angebracht  und  das  Gesträuch  unter  der- 
selben entfernt  werden  möge. 

Ich  brachte  ferner  eine  lateinische  Inschrift  in  Vorsehlag,  in 
welcher  der  Ort,  wo  das  Monument  früher  gestanden  und  die  Ver- 
anlassung der  Übersetzung  desselben  verzeiclmef  ist,  und  die  unter 
die  monumentale  Aufschrift  der  Tafel  hinzuzusetzen  wäre. 

Über  mehrere  Vorschläge,  die  ich  in  Betreff  einiger  dringender 
Reparaturen  an  der  Tejnkirche  dem  .Magistrate  gemacht,  gedenke 
ich  später  ausführlicher  zu  berichten,  bis  die  anderweitigen,  mit 
den  meinigen  zusammenhängenden  .4nträge  des  hochwürdigen  Herrn 
Pfarrers  am  Teyn,  über  welche  die  Verhandlung  gegenwärtig  im 
Zuge  ist,  erledigt  sein  werden.  Dr.  E.  Wocel. 

Hla^enfiirt.  Im  .lahre  i8^.">  wurden  von  einer  Dilettanten- 
gesellschaft .Ausgrabungen  im  Zollfelde  begonnen,  welche  im 
Sommer  1830  an  derselben  Stelle,  nämlich  in  der  Nähe  des  Schlosses 
Töl  tsch  ach,  im  Soumier  des  vorigen  Jahres  fortgesetzt  wurden.  Die 
-Aufgabe  war,  die  halbkreisige  Einhöhlung  hinter  der  obersten,  mit 
einer  Reihe  von  kammerartigen  Nischen  bekrönten  Terrasse  zu  unter- 
suchen. Es  slollle  sich  ein  halbkreisiger  Raum  heraus,  welcher  mit 
einer  dünnen  Mauer  umfangen  war,  die  jedoch  nicht  geeignet  sein 
konnte,  irgend  eine  Last  zu  tragen.  Der  innere  Raum  war  in  gerader 
Richtung  von  Nord  nach  Süd  mit  Mauern  durchzogen,  welche  rund- 
bogig  überwölbt  gewesen  sein  müssen,  und  in  den  Zwischenräumen 
scheinbar  unterirdische  Gänge  bildeten.  Die  Gewölbe  sind  sämmt- 
lieh  eingestürzt  und  man  konnte  den  Rundbogen  derselben  nur  an 
den  Spuren  desselben  bemerken,  die  sieh  an  der  halbkreisigen  Um- 
fangsmauer,  von  welcher  die  Durehschnittsmauern  ausgingen  und 
an  welche  sie  sich  wieder  auf  entgegengesetzter  Seite  anschlössen. 
Die  Durehschnittsmauern  waren  unverkennbar  ein  gewölbter  Unter- 
bau, auf  welchem  sich,  die  Nischen  der  zweiten  Terrasse  überragend. 
Woimgebäude  erhoben  haben  dürften,  und  zwar  in  derselben  Weise,  wie 
sie  an  der  in  Overbck"s  Pompeji  S.  248  abgebildeten  Villa  cnbnr- 
bana  zu  entnehmen  ist.  unter  dem  Fnssboden  des  Unterbaues  zog 
sich  ebenfalls  von  Nord  nach  Süd  ein  zweigeschossiger,  theilweise 
im  rollen  Spitzbogen  überwölbter  .Abzugscanal ,  welcher  sich  in  den 
Niederungen  der  Glan  ausgemündet  haben  mag  und  welchem  mehrere 
andere  Abzugscanäle  das  Wasser  aus  den  noch  höher  gelegenen 
Gebäuden  Virunums  zugeführt  hatten.  Von  den  über  dem  erwähnten 
Unterbaue  aufgebauten  Wobngebäuden  ist  keine  Spur  mehr  vor- 
handen und  selbst  der  Unterbau  ist,  offenbar  von  den  ünternelimern 
der  benachbarten  Neubauten,  alles  noch  brauchbaren  Materials  in 
der  Art  beraubt  worden,  dass  sich,  ausser  den  Mauerresfen  und 
einigen  schwer  verführbaren  massiven  Steinwürfeln,  weder  an  Mand- 
und  Hohlziegeln,  noch  an  einem  sonstigen  Baumaterial  irgend  etwas 
vorgefunden  hat. 

Da  die  Ausgrabungen  weder  das  gewünschte  noch  das  gehoffte 
Resultat  ergaben,  der  Fond  zu  weiteren  Versuchen  und  auch  die 
Theilnahmc  für  solche  nicht  weiter  ausreichte,  so  wurde  ilie  Ein- 
höhlung verschüttet  und  nur  die  kammerarligen  Nischen  wurden 
stehen  gelassen.  Diese  eilen  jedoch,  nun  den  Einflüssen  des  M'etters 
ausgesetzt,  in  auffallender  Weise  dem  Verfalle  zu  und  in  Kürze  wird 
nur  noch  eine  Ruine  über  Ruinen  von  dem  verunglückten  Unter- 
nehmen Zeugniss  geben. 

Der  Erfolg  dieser  .Vnsgrabungen  ist  scheinbar  ein  sehr  geringer 
und  scheint  nur  in  einigen  Funden  von  Fragmenten  römischer  Wand- 
malereien, eines  toscanischen  Säulenfusses  und  einiger  Reste  des 
Archilravcs  zu  bestehen,  welcher  die  mchrerwähnten  Nischen 
bekrönte.  Indessen  glaube  ich  doch,  dass  das  Unternehmen  nicht 
ohne    Gewinn    für   die    Wissenschaft    war.     Vor    Allem    lernte    der 


Dilettantismus  einsehen,  dass  zu  einer  systeniatisclicn,  wissenschiift- 
lichen  Ausgrabung;,  als  welches  das  Unternchmon  angekündet  «  urde, 
viH  "russerer  Pond  an  (jeld,  wissenschaftlicher  Vorhcrcitunf;  und 
Krfahruns  j;ehöre,  als  in  Klii^enfurl  aufzulrelhcn  i»l.  Weilers  haben 
die  fraglichen  Ausgrahuiigcn  jedenfalls  so  viel  ergehen,  dass  an  der 
Stelle  derselben  ein  in  mehreren  torrassenfürniigcn ,  stufenweise 
zurücktretenden  ,  an  der  M'estfront  mit  mehreren  durch  einen 
sculpirtcn  Arebitrav  gekriinteii  Nischen  und  theilwcise  auch  mit 
einem  Saulenporlicus  und  zierlichen  Wandmalereien  ausgestatteter 
Bau  gestunden  habe,  welebiM-  auf  einen  hoben  (5rad  von  Kunst- 
geschmack  und  Wohlhabenheit  des  betreffenden  Bauherrn  sehliessen 
lässt  und  daher  im  Uüekhlicke  auf  die  älteren  in  den  Ruinen  Virunums 
gemachten  arehaologiscben  Funde  einen  neuen  Beitrag  liefert  ,  um 
mit  Beruhigung  behaupten  zu  können,  dass  in  Virunum  auch  die 
bildenden  Künste  eine  würdige l'tlege  gefunden  haben,  und  demselben 
daher  auch  in  kunslarehäologischer  Beziehung  eine  grössere  Bedeu- 
tung zugesproelien  werden  müsse.  Endlich  baben  die  neuesten  Aus- 
grabungen   im    Zollfelde     die    schon    bei    Gelegenheit    der    alteren, 


wenigstens  durch  arcliüologiscbe  Funde  mehr  begünstigten  Aus- 
grabungen gemachten  Erfahrungen  bestätigt  ,  dass  nämlich  die 
Verwüstung  Virunums  nicht  einem  überraschenden  Elementar- 
ereignisse und  nicht  einem  unvorhergesehenen  feindlichen  i  her- 
falle zuzuschreiben  sei,  sondern,  dass  die  Bewohner  Virunums, 
durch  den  seit  dem  V.  Jahrhundert  sich  immer  mehrenden  Andrang 
der  Völkerzüge  cingesehüchtert,  ihre  Heimalb  mit  Hinwegfübrung 
ihrer  verführbaren  Habe  verlassen  ,  gesicberlere  Wohnsitze  im  Süden 
gesucht  und  die  Bauten  und  Baudenkmale  Virunums  dem  Muthwillen 
der  Barbaren  und  den  zerstörenden  Folgen  des  Vcriassenseins 
preisgegeben  haben,  wo  dann  endlich  die  diesen  Übeln  noch  entgan- 
genen Baureste  seit  der  Zeit  der  ersten  Ansiedlung  der  Slaven  im 
VI.  .lahrhunderte  und  bis  herab  in  das  XVI.  .lahrhundert  für  die 
benachharlen  Kirchen-.  Häuser-  und  Seblösserbaulen  in  der  Art 
ausgebeutet  wurden,  dass  selbst  die  Grundmauern  nicht  verschont 
blieben  und  das  Baumaterial  für  die  bcnachhartcn  Neubauten  liefern 
nuisslen. 

G.  Kreih.  V.  .A  nk  ershofcn. 


Literarische  Anzeige. 


Von  den  „itlitteralterlichen  Kunstdeukmalen  des  österreichischen 
Kaiserslaates",  herausgegeben  von  Dr.  G.Heide  r,  Professor  Rud. 
von  Eitelberg  er  und  .\rchitikten  .1.  Hieser  (Stuttgart  F^bner 
und  SeuhertJ  ist  im  verllosscnen  .Monate  ein  Doppelheft  (4.  und 
ö.  Lieferung)  erschienen.  Dasselbe  enthält  die  Darstellung  „der  Dom- 
kirehe  zu  Parcnzo  in  Istrien"  von  Professor  llud.  von  Eitel- 
berger  mit  4  Tafeln  und  15  Holzschnitten;  jene  „des  Patriar- 
chensitzes und  der  Kanzel  zu  Grado  und  des  Baptisterium  zu 
Aquileja",  gleichfalls  von  Professor  Rud.  von  Eitelherger  mit 
'i  Tafeln  und  i;!  llolzscluiiltcn;  eine  Abhandlung  über  FlügolaUärc 
mit  der  Beschreibung  und  Abbildung  (1  Tafel)  des  Flügclaltars 
zu  Set.  Wolfgang  inObcröstcrrcich  von  Dr.  Ed.  Freiherrn  vonSack  en 
und  eine  Abbildung  des  U  e  li(]  u  ien  schre  i  nes  zu  Salzburg,  wozu 
der  Text  aus  der  Feder  des  Domcaplan  F.  Bock  aus  Köln  im  nächsten 
Hefte  nachfolgen  wird.  Die  beiden  gediegenen  und  sehr  lebendig 
geschriebenen  Abhandlungen  des  Herrn  von  Eitelberger  führen 
uns  diesmal  an  die  Küste  des  adriatischen  Meeres,  und  bringen 
Beispiele  jener  Kunstentwicklungen,  die  ihren  Ausgangspunkt  vor- 
zugsweise in  Ravenna  und  Venedig  hatten.  In  der  Einleitung  zur 
Domkirchc  zu  l'arenzo  berichtigt  der  Herr  Verfasser,  welchem  es 
wiederholt  gegönnt  war  einen  Theil  dieser  Küsfenpunktc  genauer 
zu  durchforschen,  die  irrigen  .\nschauungen,  welche  bisher  über  das 
Kuiistleben  I.striens  im  ersten  Jahrtausend  verbreitet  waren;  er  weist 
nach,  dass  es  unrichtig  sei  die  ganzeKunsIbowegung  jener  Epoche  als 
eine  rein  byzantinische  zu  hetraeblen,  die  den  Künstlern  jener  (Jegend 
gewisser  Massen  nur  von  aussen  aufgedrungen  worden  sei,  und  die 
Impulse  ganz  unil  gar  zu  ignoriren,  die  von  den  Orten,  an  welchen  sich 
die  Munumenle  befinden,  selbst  ausgegangen  sind.  Hierauf  folgt  eine 
Geschichte  der  mannigfachen  Schicksale  der  Stadt  und  des  ICiiiseo- 
pate.s  von  Parcnzo  unter  vorzugsweiscr  Berücksichtigung  jener  Monu- 
mente, die  auf  den  Ooni  Flinfluss  gewonnen  haben.  Am  ausrübriiehsten 
ist,  wie  begreiflich,  die  archäologische  Würdigung  dieses  hervorra- 


genden kirchlichen  Monumentes.  Der  Dom  besteht  aus  einem  acht- 
eckigen Baptisterium  mit  dem  Brunnen  zum  Untertauehen  in  der 
iMitte,  einem  Atrium  und  der  eigentlichen  Basilica,  welche  drei- 
schiffig  ist  und  mit  einer  nach  innen  runden,  nach  aussen  zu  poly- 
goneuAp.sis  geschlossen  ist.  Sehr  anziehend  und  belehrend  ist  die 
Beschreibung  des  Patriarchensitzes  und  der  Kanzel  zu  Grado,  sowie 
des  Baplisteriums  zu  A  qui  lej  a,  da  sie  uns  mit  einigen  Specialitätcn 
der  frühchristlichen  Kunst  vertraut  macht,  welche  diesseits  der  Alpen 
sehr  selten  anzufrcfVen  sind.  —  Ein  nicht  geringeres  Inferesse  nimmt 
die  ausgezeichnete  und  kenntnissreiebe  Beschreibung  des  prachtvollen 
Flügelaltars  zu  St.  Wolfgang  von  Dr.  Freiberrn  von  Sacken  in  An- 
spruch, da  sie  zugleich  eine  historisch -archäologische  Entwicklung 
des  Altars  in  der  christlichen  Kirche  überhaupt  enthält  und  daher 
einen  besonderen  Nutzen  gewählt.  Der  Reli<iuienschrein  zu  Salzburg 
bildet  dagegen  ein  ganz  eigenthündiehes  Werk  dieser  Gattung, 
wovon  in  Deutschland  kaum  viele  Beispiele  aufzuweisen  sind  und  ist 
unzweifelhaft  von  bedeutendem  Kunsfwertbc.  Von  den  Tafeln  und 
linlzschnittcn  ^  worunter  auch  eine  .Mosaik  a>is  Parcnzo  in  Farben- 
druck sich  belindet  —  sinil  alle  wirklich  mit  seltenem  Geschmackc 
und  ilcm  genauesten  Verständjiissc  gezeichnet  und  die  Mehrzahl  der- 
selben auch  so  vorzüglich  ausgeführt,  wie  sie  kamn  ein  zweites  Werk 
in  Deutschland  aufzuweisen  im  Slande  sind.  Mit  Vergnüg<n  wird 
gewiss  Jedermann  dieTafeln  mit  den  herrlichen  (\>pitälen  von  Parcnzo 
(gezeichnet  von  J.  Hieser,  ge,-<tocben  von  P.  It  iller),  niitdcr  Kanzel 
von  Grado  (gezeichnet  iniAtclier  Hieser,  gestochen  von  (.'.Poltz). 
mit  ilem  Innern  von  Parcnzo  (gezeichnet  von  Hieser,  gestochen  von 
E.  Ritter),  mit  dem  Ueliquienschrein  zu  Salzburg  (gezeichnet  im 
.Melier  Hieser,  gestochen  von  P.  Ritter)  und  uiil  dem  Flügcl- 
altar  (gezeichnet  von  Eippert  und  gestochen  von  P.  Ritter) 
betrachten.  Hei  solchem  Zusammenwirken  vorzüglicher  Kräfte  ist 
wohl  die  lebhafte  Thcilnahmc  des  kunstliehendcn  Pnblieums  eine 
\  erdiente. 


Aus  der  k.  k.  Hof-  und  Staatsdruckerei. 


Ji'ileii  Monat   erscheint   1    Heft  zu 
1    l)is   3   Druckbog'ea   mit    Ahbü- 

dunyen. 
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haudeU  siod  alle  Präuumeratiooeii 
und  iwar  nur  zu  dem  Preise  »on 
4  fl.  an  den  k.  k.  Hofbuchhäadler 
W.  Braumüllprio  Wien  IQ  richten. 


m  wmmM  m  umiE  der  mmmmi. 

Herausgegeben  unter  der  Leitung  des  k.  k.  Seclions-Cliefs  und  Präses  der  k.  k.  Cenlral-Commission  Karl  Freiherrn  v.  Czoernig. 

Redacteur:    Rarl  Weiss. 


N^-  10. 


IL  Jahrgang. 


öclober  lHo7. 


Inhalt:  Von  dem  Einflüsse  der  Ptlaiizeii  auf  die  Zei'störunjr  der  Ruinen.  —  Der  Biseliofstiil).  dessen  liturgisch-symbolisohe  Bedeutun<; 
und  allniLihlicIie  Entwiekflung  seiner  Gestalt.  —  Die  Vertheidiffungskirchen  in  Siebenbürgen.  -  DieKron-Insignien  Böhmens.  - 
Der  Elisabeth-Dom  zu  Kasehau  in  Ungarn.    -     Correspondenzen.   —   Literarische  Anzeigen. 


Von  dem  Einflüsse  der  Pflanzen  auf  die  Zerstörung  der  Rainen. 

Von  J.  Seheiger,  k.   k.  Conservator  in  Steiermark'). 


Wenn  man  die  feindselige  Vorsieht  beti-iielitet,  mit  der 
im  gemeinen  Leben  die  Pflanzenwelt  beinahe  überall  ausge- 
rottet wird,  wo  sie  angerufen  auf  Erzeugnissen  der  mensch- 
liehen Arbeit  erscheint  —  so  z.  B.  das  Moos  auf  Dach- 
rinnen, der  Schimmel  und  Schwamm  vom  Holzwerke  über- 
haupt, ja  gar  das  zwischen  den  Ritzen  des  oft  ziemlich 
kunstlosen  Pflasters  entspriessende  Gras  —  so  möchte  man 
glauben,  der  Vorwurf  dieser  Zeilen  sei  ein  ziemlich  müs- 
siger und  betrefte  eine  res  judicata. 

Wenn  wir  dagegen  die  Sorgfalt  sehen,  mit  der  an 
manchen  Landhäusern,  Gartengehäuden  u.  s.  w.  Pflanzen 
grösserer  Art,  namentlich  Wein  und  Epheu,  so  nahe  als 
möglich  an  der  Mauer  liebreich  gepflegt  werden ,  so  kann 
wohl  ein  leiser  Zweifel  entstehen ,  ob  die  gedachte  Feind- 
seligkeit auch  gerechtfertigt  erscheine. 

Wenn  wir  endlich  in  unsern  älteren,  verlassenen 
Bauten,  namentlich  in  und  auf  unsern  Burg-  und  Kirchen- 
ruinen undurchdringliches  Gewirre  von  Sträuchern  und 
Schlingpflanzen,  ganze  kleine  Wäldchen  und  zum  Theile 
hochstämmige  Bäume  finden,  und  bemerken,  dass  diese 
üppige  Vegetation  selbst  bei  sogenannten  „Erhaltungs-  und 
Restauriitionsarbeiten"  sorgfältig  geschont  wird ,  so  dürfte 
der  Gegenstand  um  so  weniger  als  gänzlich  ausgemacht, 
sondern  einer  kleinen  Erörterung  werth  erscheinen. 

Mit  den  modernen  Land-  und  Gartenhäusern  u.  s.  w. 
habe  ich  es  liier  durchaus  nicht  zu  thun.  Es  ist  Sache  des 
Besitzers  sich  durch  Weinhecken  oder  was  immer  für 
Pflanzen  Licht  und  Luft  mehr  oder  weniger  rauben  zu 
lassen,  allerlei  Insecten  zum  häufigeren  Besuche  einzuladen, 


dem  Gemäuer  mehr  oder  weniger  gedeihliche  Feuchtigkeit 
zuzuführen,  und  an  die  Verbesserung  der  Gesundheit  in  so 
ausgestatteten  Wohnungen  zu  glauben. 

Neueren  Gebäuden,  w^elche  nicht  zu  Wohnungen  be- 
stimmt sind,  namentlich  den  künstlichen  Ruinen  (unschätz- 
bare Erfindung  der  Neuzeit)  gönne  ich  sogar  ganz  unbe- 
denklich diesen  malerischen  Schmuck,  besonders  den  letz- 
teren, welche  gerade  nur  die  Pflanzenwelt  am  sichersten 
und  schnellsten  der  verdienten  Vollendung,  d.  i.  der  gänz- 
lichen Zerstörung  und  ünsichtbarkeit  zuführt. 

Ich  widme  diese  Zeilen  bloss  den  Ruinen.  Nahe  an 
ein  halbes  Jahrhundert  habe  ich  mit  Liebe  und  .Aufmerk- 
samkeit diese  ehrwürdigen  Denkmale  betrachtet;  schon  in 
früher  Jugend  hat  sich  zu  dieser  Liebe  der  Wunsch  ge- 
sellt, nach  Kräften  zu  ihrer  Erhaltung  mitzuwirken,  daher 
wenigstens  durch  Veröflentlichung  meiner  einschlägigen 
Erfahrungen.  So  entstand  bereits  vor  mehr  als  dreissig 
Jahren  in  Hormayr's  Archiv  mein  Aufsatz  über  Ausbesse- 
rung und  Herstellung  alter  Baudenkmale,  so  auf  der  Basis 
weiterer,  beinahe  durchaus  trauriger  Erfahrungen  im 
Jahre  18ä3  die  Broschüre:  „Andeutungen  über  Erhaltung 
und  Herstellung  aller  Burgen  und  Schlosser  =).  Ich  habe 
über  diese  beiden  Aufsätze  manches  billigende  und  freund- 
liche Wort  gehört  und  gelesen,  aber  was  mir  lieber  ge- 
wesen wäre,  eine  praktische  Wirkung  derselben,  nament- 
lich in  der  Richtung  auf  die  Entfernung  der  verderblichen 
Pflanzen  aus  den  Ruinen,  ist  mir  nicht  ln-kannt  gewoiden. 
Wahrscheinlich  werden  diese  vorliegenden  Blätter  ebenfalls 
wenig  wirken,  aber  verölTenflicht  sollen  sie  dennoch  werden. 


')    Aus  den  Berichten  und  Mittheilungen  des  Altertliumsvereines  zu  Wien. 
Bd.  11,  Ablli.  1.  (Wien,  in  Coinmission  liei  Prandel  und  Mayer. 


^'j  Grats  bei  Aug.  II  esse. 


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2S4 


tiainit  sich  der  u;riino  Viindalisnuis  wenigstens  iiiclil  g;ir 
zu  behaglich  und  ungestört  breit  mache. 

Die  Pflanzenwelt  scluulet  den  Ruinen  1.  durch  Feuch- 
tigkeit, 2.  durch  Auseiuauderdriingen  der  noch  zusanunen- 
hängenden  Theile,  endlich  3.  durch  Verhinderung  ihrer  An- 
sicht, der  Erkenntniss  derselben,  theilweise  auchder  Aussicht. 

t.  Von  den  mikroskopischen  Moosen  an  bis  zu  dem 
hochstammigen  Baume  lebt  jede  Pflanze  zum  grossen  Theile 
von  Feuchtigkeit,  die  ihm  durch  Luft  und  Boden  zugeführt 
wird,  und  nimmt  und  gibt  fortwälirend  Feuchtigkeit  ab. 
[He  Stelle  daher,  auf  oder  an  welcher  Pflanzen  wachsen, 
wird  bei  übrigens  gleichen  Umstünden  schon  feuchter  sein, 
als  eine  von  Pflanzen  entblösste.  Dazu  bildet  sich  unter  den 
meisten  Pflanzen,  seien  sie  auch  dem  dürrsten  Gestein  ent- 
wachsen, schon  durch  ihr  theilwcises  oder  gänzliches  Ver- 
welken, die  abgeworfenen  Blätter  u.  s.  w.  fruchtbare  Erde, 
die  ebenfalls  Feucbtigkeit  begierig  anzieht  und  länger  be- 
hält. Die  Pflanzen  geben  Schatten  und  wehren  dem  freien 
Luftzuge,  zwei  Umstünde,  welche  dem  schnelleren  Auf- 
trocknen der  vom  Thau,  Regen  oder  Schnee  herrührenden 
Nässe  durch  Sonne  und  Wind  hindernd  und  verzögernd  ent- 
gegentreten. An  den  Wurzeln  der  auf  den  Mauern  wach- 
senden Pflanzen  dringt  das  von  den  Stengeln  oder  Stämmen 
derselben  herahrinnende  Wasser  in  daslnnere  des  Gemäuers 
oder  Holzwerkes,  erzeugt  dort  Mauer-  und  Holzschwamm 
und  löst  besonders  durch  das  Gefrieren  die  festesten  Ver- 
biiulungeii.  Pflanzenwuchs  überwuchert  und  verstojift  Rinnen 
und  Caniile,  ündert  durch  den  unter  ihm  entstehenden  Hu- 
Muis  die  auf  den  regelmässigen  Wasserablauf  berechneten 
alten  Horizonte  der  inneren  Räume,  stört  daher  diesen  ge- 
regelten Ablauf  und  führt  Pfützen,  oder  -  in  die  Grundmauern, 
(icwölbe  u.  s.  w.  dringende  unregelniässige  Abläufe  herbei. 

So  erzeugen  und  erhalten  die  Pflanzen  die  den  alten 
und  rissigen  Mauern  weit  mehr  als  den  neuen  glatten  Wänden 
schädliche  Feuchtigkeit. 

2.  Noch  grösser,  noch  leichter  erkennbar  ist  der 
Schaden,  welchen  die  Vegetation  durch  das  Auseinander- 
drängen der  Mauertheile  herbeifiihrt.  Mit  scheinbar  beschei- 
dener Genügsamkeit  entspringt  in  der  feinsten  Mauerritze 
ein  künunerliches,  auf  die  Entfernung  weniger  Schritte 
kaiun  dem  Auge  erkennbares  Prtänzchen.  Betrachten  wir 
den  so  harndosen  Eindringling  in  einigen  Jahren,  er  hat 
sich  zu  einem  ganz  hübschen  Stännnchen  ausgebildet,  seine 
Wurzel  hat  mit  stiller  aber  unwiderstehlicher  Kraft  die  feine 
Ritze  zur  tüchtigen  Spalte  erweitert,  in  die  sich  zum  Über- 
flüsse Regen-  und  Schneewasser  festsetzt,  angesogen  von 
einer  Lage  seihsterzeugten  Humus,  der  sich  wieder  mit 
einem  Walde  klcim-r  Gräser  bedeckt.  Noch  ein  paar  Jahre, 
es  ist  nun  aus  dem  kleinen  Pflanzchen  ein  Baum  geworden 
mit  einer  tüchtigen  Krone.  Gegen  diese  stürmen  die  Winde, 
die  den  Stamm  in  die  heftigste  Bewegung  versetzen;  er 
und  die  Wurzel  wirken  nun  als  mächtige  Brechstange  mit 
unwiderstehlicher  Hebelkraft,  der  nächste  Stin-m  erweitert 


die  Spalte,  der  Baum  stürzt,  zerreisst  <lie  gespaltene 
Älauer,  zertrümmert  vielleicht  noch  im  Falle  ein  Paar  nahe 
Bautheile.  So  zerstört  ein  anfänglich  ärmliches  Pflanzchen 
eine  Mauer,  die  JahrhumleVlen  getrotzt  hat .  so  kämpft  die 
Natur  siegreich  gegen  das  Menschenwerk. 

Die  im  Innern  der  Gebäude  anwaciiseiiden  Büume 
treiben  ihre  Wurzeln  unter  die  (irinnlmauern  und  sprengen 
dieselben  mit  jener  unwiderstehlichen  Kraft,  der  auch  der 
stärkste  Fels  weicht,  selbst  einzelne  Äste  werden  so  krüf- 
tig,  um  im  Wege  stehende  schwüchere  oder  beschüdigte 
Mauern  umzuwerfen.  Und  diese  Büume  wachsei\  um  so 
schneller  und  kräftiger,  weil  sie  gegen  Winde  und  gegen 
die  heftigste  Kälte  geschützt  sind,  weil  ihre  abgefallenen 
Blätter,  gewöhnlich  von  Niemandem  benützt,  liegen  bleiben 
und  gut  düngen. 

3.  Nur  wer  die  Versuche  wiederholt  hat,  Ausdehnung, 
Gestalt  und  Besfinnnung  der  Theile  imserer  Ruinen  zu  er- 
forschen, wenn  diese  so  recht  gründlich  mit  malerischem 
Gestrüppe,  Schlingpflanzen  und  Bäumen  din-ch-  und  über- 
wachsen und  in  Wald  eingehüllt  sind,  gelangt  zur  Kentit- 
niss.  in  welch  unglaublichem  Grade  ein  üppiger  Pflanzen- 
wuchs  Ansicht  und  Verständniss  einer  Ruine  und  ihrer 
Theile  zu  hemmen  vermag.  Es  gibt  viele  bedeutende  Ruinen, 
die  man  durchaus  nicht  sieht,  bis  man  unnnttelhar  vor  ihnen 
stellt,  noch  mehr  die  klein  und  unbedeutend  erscheinen, 
ohne  es  zu  sein,  von  denen  man  aber  nur  theilweise  oft 
ärmliche  Ansichten  gewinnen  kann.  Es  gibt  solche  Ruinen, 
in  deren  Innern  mit  Beschwerde  und  sogar  Gefahr  herum- 
zuirren  ganz  ohne  lohnenden  Erfolg  bleibt,  da  man  fort- 
während über  Wnrzeln  strauchelt,  ober  sich  ein  dichtes 
Laubdach,  neben  sich  ritzende  Dornen  und  verwachsenes 
Gestrüpp  und  vor  sich  dieAussichtauf  Dickicht  oderSchling- 
pflanzente|)piche  hat,  nebenbei  auch  die  erfreuliche  Mög- 
lichkeit, durch  einen  zurückgebogenen  Zweig  einen  Stein- 
hagel auf  sich  zu  ziehen,  oder  in  einen  v(un  malerischen 
Gesträuch  verhülllen  Brunnen  oder  Keller  zu  stürzen. 

Und  all  diese  Freude  verdanken  wir  dei'  an  unrechli-r 
Stelle  wuchernden  Vegetation,  sowohl  der  gegenwärligen. 
als  den  früheren,  in  Dannnerde  ver«an(lelt(Mi  Generationen 
derselben. 

Dass  ein  solches  Chaos  von  Bäumen  und  Gesträuchen 
oft  auch  die  schönsten  Aussichten  aus  den  meist  weitaus 
schauenden  Ruinen  verschleiert,  ist  der  mindere  Schaden, 
aber  doch  bedauerlich  genug. 

Eines  Nachtheils  der  Pflanzenwelt  in  Ruinen  muss  ich 
hier  noch  gelegentlich  erwähnen.  Fresken,  Wa])pen.  In- 
schriflen  und  seihst  erhabene  Sleingehildc  werden  entweder 
von  Steinmoiiseii  verdorben,  oder  dir  an  ihnen  anliegenden 
Äste  scheuern  dieselben  bis  zur  l'nkeiintlichkeit  ah.  bei 
Regen  auf  nassem  Wege,  im  Winter  aber,  wn  sie  trocken 
und  härter  sind,  als  scharfe  Besen. 

Das  wären  nun  Gründe  genug,  die  Pflanzenwelt  aus 
unseren  Rninrn  zu  entfernen,   besonders  da   die   diesfällige 


—   233 


Arbeit,  seltene  Fälle  ausgenommen,  in  der  prosaischen 
aber  wicbtigen  Riehtinig  des  Kostenpunktes  eine  niebt  sehr 
bedeutende  wäre  und  unseren  Ruinen  ein  paar  Jahrhunderte 
mehr  garantiren  würde. 

Und  gegen  alle  diese  Gründe  erhebt  sich  nur  eine  ein- 
zige bemerkenswerthe  Frage:  Wo  bleibt  dann  das  Male- 
rische? 

Wer  vermag  es  zu  läugnen,  dass  die  Mischung  der 
Natur  mit  der  Kunst,  der  Pflanze  mit  dem  Gemäuer  eine 
den  Schönheitssinn  angenehm  aufregende  Wirkung  habe? 
Wer  mag  verkennen ,  dass  eine  Ruine,  zwischen  welcher 
Gebüsch  und  Raumpartien  hervorblicken,  die  zum  Theile 
mit  einem  Teppiche  von  üppigen  Schlingpflanzen  bekleidet 
ist,  angenehmer  aussehe  als  ein  nacktes  altes  Gemäuer? 

Die  Engländer,  denen  man  Geschmack  in  Beziehung 
auf  Naturschönheiten  nicht  absprechen  kann,  erhalten  in 
ihren  Ruinen  die  oft  kolossalen  Eplieuwände  mit  wahrer 
Pietät;  bei  mehreren  allgemein  gepriesenen  Restaurationen 
an  den  schönsten  Ruinen  der  Rheinufer  hat  man  die  gleiche 
Pietät  beobachtet. 

Aber  sind  die  Engländer  bisweilen  nicht  zu  weit  ge- 
gangen? Sollte  nicht  die  Überschrift  so  mancher  Abbildung 
englischer  Ruinen  statt  „Ansicht  der  Abteiruine  N.  N." 
heissen:   „Ansicht  des  Epheu  in  der  Abteiruine  N.  N.?" 

Auch  jene  rheinländischen  Restaurationen  haben  in 
dieser  (vielleicht  auch  in  mancher  anderen)  Hinsicht  iiiclit 
immer  das  schicklichste  Maass  eingehalten. 

Meine  Absicht  ist  nicht,  aus  unseren  Ruinen  alle  Vege- 
tation zu  verbannen.  Ich  habe  in  meinen  „Andeutungen"  •) 
nicht  unterlassen,  darauf  hinzuweisen,  wann  und  wo  man 
sie  schonen  müsse,  und  wie  man  z.  B.  jene  Prachtexem- 
plare alter  schöner  Bäume  vor  den  Burgen  oder  in  weiten 
Höfen  derselben,  wo  sie  nicht  schaden  können,  erhalten  solle. 

Aber  diese  Fälle  ausgenommen  erkläre  ich,  selbst 
englischen  und  rheinländischen  Autoritäten  gegenüber,  aller 
Vegetation  auf,  in  und  um  den  RuinenKrieg  bis  zum  Messer 
nebst  Säge,  Axt  und  ähnlichen  Zerstörungswerkzeugen. 
Man  muss  sich  entscheiden,  ob  man  die  Ruinen  sehen,  ver- 
stehen und  erhalten  wolle,  oder  Gartenanlagen,  oder 
eigentlich  Gartentöpfe  im  riesigen  Maassstabe  aus  ihnen  zu 
machen  beabsichtige.  —  Und  darüber  muss  man  sich  bald 
entscheiden,  wenn  man  in  einem  Jahrhunderte  noch  Ruinen 
haben  will,  denn  das  Menschenwerk  unterliegt  im  Kampfe 
mit  der  still  aber  furchtbar  mächtig  und  in  besorglicber 
Progression  fortschreitenden  Natur. 

Ich  habe  die  Frage  über  das  „Malerische"  die  einzige 
bemerkenswerthe  genannt,  muss  aber  dennoch  eine  zweite 
Einwendung  berühren,  welche,  so  paradox  sie  ist  und  so 
leicht  sie  lächerlich  gemacht  werden  könnte,  dennoch  Ach- 


tung und  Erörterung  verdient,  weil  sie  wohlgemeint  ist, 
ferner  weil  sie  in  einem  speciellen  Falle,  wo  es  sich  um 
die  Ausführung  der  Reinigung  einer  Ruine  von  dem  Un- 
rathe  *)  der  Vegetation  handelte,  zur  ämtlichen  Sprache 
gekommen  ist,  endlich  weil  an  derselben  ein  ebenfalls  nicht 
zu  verachtendes  Corollarium  sieherheitspolizeilicher  Art  klebt. 

Man  hat  nämlich  ausnahmsweise  dem  Epheu  (hedcra 
lielix)  die  dankenswerthe  Eigenschaft  zugeschrieben ,  die 
Mauern  zu  erhalten,  welche  er  bedeckt,  man  hat  sich  gegen 
das  Aushauen  der  eine  hochgelegene  Burgruine  umgebenden 
Bäume  aus  dem  Grunde  ausgesprochen,  weil  diese  die  tiefer 
liegenden  Gebäude,  Gärten  und  Wege  und  die  sich  daselbst 
bewegenden  Menschen  gegen  das  Abrollen  der  Steine  aus 
den  Ruinen  schützen. 

Ich  will  vorläufig  dem  Epheu,  diesem  pittoresken  V'an- 
dalen.  zu  Leibe  gehen.  Man  behauptet,  dass  diese  zähe 
kräftige  Pflanze  mit  ihren  zahllosen,  netzartig  sich  ausbrei- 
tenden und  fest  anklebenden  Verschlingungen  die  von  ihr 
bedeckten  Wände  zusammenhalte  und  vor  dem  Zerfallen 
bewahre.  Dieser  Gedanke  sieht  von  ferne  nicht  übel  aus. 
Aber  wer  wird  glauben,  dass  ein  Gemäuer,  welches  der 
grösstentheils  anerkannt  treffliche  Mörtel  unserer  Vorfahren 
nicht  zusammenzuhalten  vermag,  das  sich  mit  der  ganzen 
Wucht  der  schweren  Masse  zum  Einstürze  neigt,  von  einer 
wenngleich  zähen  ,  aber  doch  in  ihren  dünneren  Asten 
schwachen  Pflanze  werde  aufgehalten  werden? 

Alles  was  ich  zugeben  kann,  ist:  dass  ein  Epheugewebe 
einer  starken,  noch  gut  erhaltenen  Quadermauer  wenig  und 
äusserst  langsam  schadet,  dass  sogar  ein  recht  dichter  und 
starker  Epheuteppich  ein  Stück  zerbröckelndes  Mauerwerk, 
wenn  es  nicht  zu  ausgedehnt  und  daher  zu  schwer,  und 
noch  nicht  zu  sehr  auf  der  Seite  des  Epheus  aus  dem  Lolhe 
gewichen  ist ,  einige  Zeit  vor  dem  gänzlichen  Zerfallen 
schützen  könne.  Von  eigentlicher  Erhaltung  ist  aber  auch 
nicht  die  leiseste  Spur. 

Wäre  diese  Pflanze  aus  in  Gestalt  und  Ausdehnung 
unveränderlichem  Stoffe  gebildet .  daher  eine  beständige 
und  feste  Netzwand ,  so  könnte  sie  günstiger  wirken.  So 
aber  ist  sie  gegen  barometrische  und  hygrometrisehe  Ein- 
wirkungen empfindlich  ,  ändert  Gestalt  und  .Vusdehnung 
besonders  beim  Wechsel  der  Jahreszeiten,  und  äussert  daher 
gegen  die  Mauern,  mit  denen  sie  durch  ihre  tausend  ansau- 
genden Haftwurzeln  fest  verbunden  ist,  ein  (sit  venia  verbo) 
Bestreben,  diese  Mauern  wechselweise  anzuziehen  und 
abzustossen,  d.  h.  zu  erschüttern.  Dieses  Schütteln  wird 
weder  bei  dem  bekannten  Epheu  an  der  Pyramide  desCaJus 
Cestius  in  Rom,  noch  bei  dem  leider  weniger  bekannten 
Epheu  =)  in  den  Ruinen  von  Sehenstein  in  Niederösterreich 
oder  jenem  am  Friedrichstluirm  der  Burg  Alt-Cilli  viel  und 


*)  Man  möge  mich  entschuldigen,  d.nss  ich  mich  selljst  citire,  da  mir  in  der 
vaterlündischen  und  der  niii-  ÄUgünglichen  .nusUindischen  Literatur  keine 
andere  und  ans  diesem  Grunde  keine  bessere  Schrift  iiher  diesen  Gegen- 
stand bekannt  ist. 


•)   KalTee  auf  einem  Kleide,  sagt   Lichtenberg,  ist  nicht   mehr   Kall'ee. 

sondern  Fleck. 
2)   Ad  quae  noscenda  itor  in!^ri*di.  transniiltere  inaria  solemus.   ea  sub  oculis 

inisila  neglimijs. 


36" 


256  — 


baltlige  Gefahr  bringen,  da  das  iMatoriale  nnd  die  Masse  der 
Bauwerke  dies  verliindern.  Ai)er  hetraeliten  wir  die  Wir- 
kuny:  dos  Epheu  an  einer  Wand,  welelie  iieinen  aiisge- 
zeieiineten  Mörtel,  oder  denselben  durch  die  Unbilden  der 
Zeit  zum  Theil  eingebiisst  hat.  Wir  werden  da  unter  dem 
Epheu  am  Boden  besonders  im  Frühjahre  eine  Menge  von 
abgebröckellem  Mörtel  und  Mauerstiicken  linilen;  welchen 
die  angesaugten  Zweige  durch  ihre  Bewegung  abgelöst 
haben.  Und  diese  Ablösung  setzen  sie  ununterbrochen  fort, 
und  langsam  ,  aber  sicher  verririgern  sie  die  Dicke  der 
Mauer!  Feinere  Steinzierathen,  namentlich  Fensterrosen, 
werden  bisweilen  duicli  das  Gewicht  der  an  ihnen  hängen- 
den Epheumasse,  besonders  wenn  diese  nass  ist.  und  durch 
ihrZiisamnienziehen  bei  Temperaturwechsel  im  eigentlichen 
Sinne  zerbrochen.  Übrigens  hat  auch  der  E]ihcu  Wurzeln 
und  zwar  recht  kriiftige,  und  diese  bedürfen  Raum,  und  wenn 
sie  ihn  nicht  linden,  schallen  sie  sich  denselben  mit  Gewalt. 
—  Da  nun  solche  Gewalt  dem  alten  Gemäuer  Gefahr  bringt, 
da  der  Epheu  die  Feuchtigkeit  an  den  Mauern  sehr  nährt, 
die  Tünche  oder  Bemalung  derselben  und  ihre  Verzierungen 
zerstört,  weniger  guten  Mörtel  ganz  abbröckelt,  überdies 
aber  oft  sehr  interessante  Gebäudetheile,  Verzierungen  u.  s.  w. 
der  Ansicht  entzieht,  so  kann  ich  ihn  von  der,  über  die 
Ptlanzenwelt  in  den  Ruinen  ausgesprochenen  Verbannung 
nur  in  höchst  seltenen  Fällen  ausnehmen,  wenn  er  nämlich 
in  naturhistorischer  Beziehung  eine  ganz  besondere  Merk- 
würdigkeit bildet,  und  auch  dann  nur  dort,  wo  er  wenig 
und  sehr  langsam  schadet,  oder  wo  das  hinter  ihm  ver- 
borgene, ein  bereits  dem  Untergange  verfallenes,  bedeu- 
tungsloses Gemäuer  ist. 


Das  Bedenken  wegen  der  abrollen<len  Steine  schein 
ein  wesentlicheres,  beirrt  jedoch  meine  Wünsche  keines- 
wegs emplindlich.  (Jrösstentheils  wird  für  die  Sicherheit 
der  unter  den  Ruinen  liegenden  übjeete  gegen  Steingeröll 
hinreichend  gesorgt,  indem  man  in  gehöriger  Entfernung 
von  den  Ruinen,  daher  ohne  ihre  Ansicht  zu  verhüllen, 
einen  Raum-  oder  Waldgürtel,  oder  Gesträuche  stehen 
lasst.  und  tia  die  Steine  nicht  gleich  ursprünglich  von  den 
Ruinen  weg  durch  die  Lüfte  (liegen.  S(mdern  anfänglich 
blos  niederfallen  und  dann  erst  crescendo  Sprünge  machen 
so  genügt  zurDeckung  näherer  Gegenstände  auch  ein  Zaun, 
eine  Hecke,  eine  Steinmauer,  oder  selbst  ein  Graben. 

Wer  sich  übrigens  von  der  Wahrheit  des  in  diesen 
Zeilen  Gesagten,  und  wie  sogar  keine  (bertreibung  in  der 
Schilderung  des  zerstörenden  und  überhaupt  nachtheiligen 
Einflusses  der  Pflanzenwelt  vorhanden  sei,  überzeugen  will, 
der  besteige  die  nächst  beste  unserer  Rurgruinen ,  und  er 
wird  bei  nur  geringer  Aufmerksamkeit  sehen,  dass  dieser 
Einfluss  schädlicher  als  jener  von  Regen,  Schnee  und  Stür- 
men sei,  den  er  übrigens,  wie  oben  gezeigt  wurde,  auch 
bedeutend  unterstützt. 

Ob  übrigens  nicht  bisweilen  unter  dem  Mantel  des  gut- 
gemeinten pittoresken  Vandalismus  auch  die  Unlust  ihr  Spiel 
treibe,  selbst  die  geringsten  Kosten  für  die  Erhaltung  der 
Denkmale  unserer  Vorfahren  aufzuwenden ,  oder  gar  der 
Wunsch  ,  unter  der  schönen  grünen  Pflanzcnhülle  desto 
md)emerkter  gewimireiche  Steinbrecherei  treiben,  oder  das 
nutzlose  Gebäude  möglich  bald  in  Trümmern  zu  sehen,  und 
das  Materiale  in  kürzester  Zeit  zu  ökonomischen  Zwecken 
abführen  zu  können,  ist  mir  nicht  bekannt. 


Der  Bischofstab,  dessen  liturgisch-symbolische  Bedeutung  und  allmähliche  Entwickelung  seiner  Gestalt. 

Mit  einer  Alibildung  und  Beschreihung  des  Pastorale  im  Benedietiner-Stlfte   zu  Raigern  in  Mähren. 
Von  Adolph    Leopold    Hiltor    v.  Wol  Csk  lon. 

So  weit  uns  die  Geschichte  zurückführt,  ja  selbst  im  Und  wieder  tritt  uns  der  Stab  in  der  Hand  des  Feld- 

Berei(du'  der  Mythe  begegnen  wir  dem  Stabe  als  syndio-      berrn.  Richters  '),   Heroldes  und  Gesandten,  ja  selbst  bis 
lischem  Abzeichen    der   Kraft,    Macht    und    Herr-      zum  Frolmboten  herab  entgegen  als  Abzeichen  ihrer  Gewalt 
s  c  h  a  f  t.  So  finden  wir  den  alles  befruchtenden  und  belebenden      und  Sendung. 
Sonnenstrahl  als  Stab  verkörpert  in  der  Hand  des  Osiris.  Vergleichen  wir  nun  die  verschiedenen  Anwendungcsn 

Hiemit  übereinstimmend  Sinnbildern  die  zwölf  Stäbe  in  dieses  Syndtols,  so  lassen  sie  sieh  sowohl  in  rechtshistori- 
der  Bundeslade  der  Israeliten  eben  so  viele  Stammfürsten  scher-)  als  sonstiger  Hinsicht  auf  zwei  Ideen  zurückführen, 
derselben  (Moses  IV,  17,  2  und  S).  und  Aron"s  Stab  wird  auf  die  des  Besitzes  oder  Aufgebens  der  Gewalt.  Werden 
sogar  zum  blühenden  Mandi'lbaMme,  als  Zeichen,  dass  ihm 
der  Herr  das  segenverbreitende  Priesteramt  übertragen  habe. 

Die  Götter  Griechenlands:  Jupiter,  Mercur,  Juno, 
Ceres  u.  A.  tragen  Stäbe  als  Abzeichen  ihrer  überirdi- 
schen Macht;  Könige  und  Fürsten  erscheinen  in  ältester 
Zeit  mit  dem  einfachen  Stabe,  dem  Scepter ,  welches 
später  eine  zierlichere  Gestalt  annimmt,  aber  seine  Grund- 
form durchgehends  beibehält  '). 


«)  Hefner:    „Trachten  d.  christl.  .Mitlelaltcrs"  I,  Tiif.  7,   lä,   19.  23.  25. 
21»,  76.  89,  9:>.  —  J.  (irimm's  „UeclilaalUirn."  134,  3. 


•)  Grimm  „R.  A."  7(il  f.  —  Vgl.  \V  ii  Ifsk  r  o  ii :  ..nie  Bilder  der  Hed- 
wigslcgeude"  (Wien  inid  Lcijuig  184t>,  Fol.)  piig.  lOü  T«f.  37.  — 
„Ri-iiiuiur  Sladtrcclit  vom  Jahre  13.'>3"  Fol.  h.  a.;  dasseihe  vom  J.  144R. 
Fol.  2  n,  1'»  n,  .'J?  a.  Basilius  II.  erhält  von  einem  seliwehenden 
Kngel  den  Stob  fscrplrum)  ,  withrend  ein  zweiter  ihm  tue  Krone  nnfs 
Mau|it  set/.t.  Miniatnre  eines  Psalters  aus  der  ...Mare.  Itiht.  /..  Venedig" 
X.  Sei.  d'A  g  i  n  e  o  u  r  t.  Taf.  42.  4.';. 

')  firimni  ,1t.  A."  137.  ihid.  133— 13;i:  „Dii.r  Tassilo  rcddit  ei  fCarnln) 
ipsiim  piitriam  cmn  ffurulo'*.  .\uti.  ^\ic\(tirh.  dt  nuMi:  n.  a.  787  I*  e  r  t /.. 
—  „hanitijravius  T/ntrini/inc  Imruliim  in  mimu  mm  dcxtra  ijcstans ,  et  ul 
judex  sedenit  ad  aententiandittn'*.  Legn.  It  c»n  i  f  ac  i  i. —  «ein  geschwo- 
rener Krohnc  soll  so  frei  sein,  das/,  er  soll  tragen  einen  weissen  stock 
und  Ihnen  gebot  und  verbot"  Boc  h  ums  „l.audrecht"  §.  19. 


—  257  — 


Stock  hält,  trägt,  ü  1j  t  G e w a 1 1  aus,  w  e  i-  ihn  hin- 
gibt, lässt  seine  Gewalt  fahren  —  oder  überträgt 
sie  an  Andere. 

Alle  jene  Beziehungen  vereinigen  sieh  aber  in  dem 
Stabe  des  Bischofs  (baculus  episcopalis ,  pusto- 
rnlis)  ')• 

Wie  der  Herr  zu  Moses  sprach:  „Gehe  vor  dem 
Volke  her  und  nimm  die  Ältesten  Israels,  und  den  Stab, 
womit  du  den  Fluss  geschlagen,  nimm  in  die  Hand"  (Moses 
II,  4,  17  und  16,  S),  und  wie  Christus  den  Aposteln  die 
priesterliche  Gewalt  ertheilte  als  er  sie  aussandte  um  zu 
lehren  und  ihnen  befahl  Stäbe  -)  zu  tragen,  eben  so  tritt 
der  Bischof,  Kraft  der  ihm  von  Gott  übertragenen  Gewalt, 
umgeben  von  den  helfenden  und  berathenden  Ministerialen 
mit  dem  Hirtenstabe  in  der  Hand  sein  hohes  Amt  an  als 
Führer  und  Richter  der  Gläubigen  s),  als  Herr  der 
ihm  zugewiesenen  Priesterschaft. 

Die  über  das  Irdische  weit  erhabenen  Rechte,  so  wie 
die  heiligen  Pflichten  des  Bischofs  sind  in  den  Worten  klar 
dargelegt,  nach  denen  der  zu  Weihende  den  Stab  mit  der 
Lehre  empfängt  „mit  frommem  Eifer  zu  bessern,  ohne 
Zorn  und  Vorurtheil  Gericht  zu  halten,  die  Zuhörer  durch 
einschmeichelnde  Gewalt  der  Rede  zur  Tugend  zu  erwecken 
und  den  Ernst  und  die  Strenge  der  heiligen  Würde  nie  zu 
verläugnen"  *). 

Die  ursprüngliche  Form  des  Pedums  stimmt  mit  jener 
des  gewöhnlichen,  oben  gekrümmten  Hirtenstabos  überein, 
und  so  wie  dieser  „soll  er  mit  der  Spitze  die  Trägen 
stacheln,  durch  die  gerade  Mitte  die  Schwachen  schirmen 
und  mit  dem  oberen  Haken  die  Abirrenden  zurückziehen 
und  sammeln"  ^). 

Mit  Absicht  wurde  der  Bischofstab  aus  Bein  und 
Holz  zusammengesetzt,  welche  beiden  Theile  mit  einem 
Knopfe  verbunden  waren,  welcher  oft  durch  reiche  Ver- 
goldung und  Krystalle  (Fig.  1)  verziert  wurde.  Das  zurück- 
gebngene  Bein  sollte  die  Strenge  des  Gesetzes,  das  Holz 
die  Milde  des  Evangeliums  andeuten ,  welche   beiden  ver- 


1)  Von  den  Kirchenvätern  und  den  Theologen  des  Miltelaltei-s  auoh  pcduin, 
virga,  fertda,  stimbuca  g^enannt. 

2)  Vgl.  „DuranddS  rational  divinorum  (jfficiorum"  lib.  III.  15  ,  auf  welelu'3 
Hauptwerk  diese  Abhandiunj;' durcliaus  gegründet  ist.  Auch  die  Engel 
als  Himinelshoten  tragen  Stäbe;  liieher  gehört  auch  dei-  Lilienstengel  des 
Erzengels  auf  den  üarstellungen  seiner  Sendung  an  Maria  die  (jottge- 
bärerin. 

■*)  „yw^'rf  vuUis?  in  virija  veniuiii  ad  (Jos,  an  in  eharitate  et  spiritti  mansuc- 
Uidinis?^  Paulus  ad  Chor.  I,  4,  21. 

*)  „Aceipe  baculum  pastoralis  officii,  et  ais  in  vorritjendis  vitiis  pie  saeviens, 
Judicium  sine  ira  tenens,  in  fovcndis  virtutibus  auditorum  anirnon  deinui- 
cens,  in  tranquiliitate  sevcvitatis  censitram.  non  dcserens^  vgl.  K  r  e  u  s  e  r 
„Kirchenbau"  II,  154  IT. 

^)  Der  Schäfer  zieht  das  entlaufene  Thier  mit  dem  Krumnistahe  am  Beine 
(pesj  zurück,  wovon  der  Name  pedum  abgeleitet  wird.  —  y,<^ulliije, 
sustenta,  stimuia^  vatja^  morbida,  tcnta.  —  CoUiijf  per  !iitnunitm  ,  media 
reye,  pitnf/e  per  ijnuni.'*  Inschrift  auf  dem  Stabe  Berward's  zu  Hilders- 
heim.  —  ^Sterne  resistente.ff  stantea  reije^  falle  jarentc.f."*  Stal»  fi  u  d  e- 
bard's. 


(Fig.  i) 


bunden  sind  durch  den  Knoten  (spliaerula)  der  Göttlichkeit 
Jesu  Christi.  Dessgleichen  wurde  das  Bein  für  die  Härte, 
Strenge  ,  das  Holz  für  die  Milde  des  Bischofs 
gedeutet,  welche  er  bei  seinem  Urtheile  mit 
der  Nächstenliebe  verbinden  soll. 

Zuweilen  wurde  auf  den  Knopf  das  Wort 
„liomo"  gesehrieben,    auf  dass  sich  der  Bi- 
schof erinnere,  „wie  auch  er  ein   schwacher 
irrender    Mensch    sei ,    sonach   von   seiner 
kirchlichen  Gewalt  keinen  Missbrauch  machen 
möge.  In  eben  diesem  Sinne  wurde  auf  den 
unteren   Beschlag  des  Stabes   „parce"  ge- 
setzt, damit    der   Bischof    seine    l'nterge- 
benen    schone  und  gegen  sie   Mitleid   übe. 
(Durand US  a.  0.) 
Diese  Andeutungen  dürften  hinreichen,  um  .\ufschluss 
zu  geben  über  das  durchgängig   erkennbare  Bestreben  der 
mittelalterlichen  Kunsttechnik ,  welche  sich   darin  concen- 
trirt,    das    Pastorale    durch    symbolische    Ornamente,  In- 
schriften und  andere  Zuthuten   als  ein   Attribut   der   hoch- 
priesterlichen    Gewalt    zu    kennzeichnen    und    damit   ver- 
schiedene biblische   und  dogmatische   Begriffe  harmonisch 
zu  verbinden.   Mit   welchem   Geschicke,  mit   welcher  reli- 
giösen Weiiie  dieses  durchgeführt  wurde,  davon  geben  uns 
die  noch  vorhandenen,  dem  X.  bis  XVI.  Jahrhunderte  ange- 
hörigen  Originalstäbe,  so  wie   deren    überkommene  Nach- 
bildungen ein  glänzendes  Zeugniss,  und  es  ist  Zweck  dieser 
Abhandlung,  ein  derartiges  Kunstwerk  unseres  Vaterlandes 
zur  Kenntniss  der  Alterthumsforscher  zu  bringen,  welches 
beide  Richtungen  deutlich  und  in  einer  sehr 
glücklichen   Conception   wahrnehmen    lässt. 
Bevor    wir   jedoch  darauf  weiter  eingehen, 
wollen  wir  die  ursprüngliche  Gestalt 
des  Pedums  und  die  allmählichen  späteren  .Ab- 
weichungen davon  auf  Grundlage  der  Denk- 
male betrachten.  So  bringt  uns  ein  Missale 
des    XI.   Jahrhunderts    zu    St.   Peter  in 
Salzburg  die  eigentliche  Type  des  Hirten- 
stabes '),  welche  mit  der  eines  lateinischen 
langen  f  zusammenfällt  (Fig.  2)   und  völlig 
mit  der  Beschreibung  des  Diirandus  über- 
einstimmt, wo  er  zugleich  von  der  mystischen 
Bedeutung  der  drei  Bestandtheile  (Bein,  Holz,  Knopf)  des- 
selben spricht.  Jene  Form  wiederholt  sich   auf  zahlreichen 
Siegeln  des  XII.   und   XIII.   Jahrhunderts  =),  dessgleichen 


(Fig.  2) 


')  Hefner:  „Tracblen"  1,36.  —  Vgl.  M  ü  I  I  e  r's  „Beiträge  zur  teutschen 
Kunst  und  Geschichtskunde'*  Taf.  VI.  Das  Grabrnonument  des  Erzbisch. 
S  iegf  rie  d  III.  im  Dome  zu  Mainz  1249,  —  die  Bilder  des  „/lorliis  deli- 
riarum"  der  Herra<i  von  Landsperg ;  berau^gegelten  durch  Engel- 
hardt,  Taf.  V,  VII. 

*)  Hergott:  „Monument,  aug.  dorn.  .Xustriacae"  Tom.  I:  „Siijiltti  et  in- 
siijnin.^  Viennae  1750,  Fol. 


—   2  ÖS 


auf    Grabsteinen,  anderen   Seulpturen,   Wand-  und   Tafel- 
geiniilden  jener  Zeit  '). 

Wiewohl  mit  einiger  Verzierung,  sonst  aber  obiger 
Zeichnung  entsprechend  slyh'sirt,  ist  ein  Peduni,  welches 
nach  einer  Miniature  des  Sachsenreehtes  in  der  Heidel- 
berger Hundsclirift  (XIV.  Jahrhundert)  von  einem  Papste 
geführt  wird.  Die.'-e  in  mehreren  Werken  aufgenonunene  Dar- 
stellung =)  ist  auch  in  anderer  Hinsicht  hervorzuheben,  da 
das  eigentliche  Mittelalter  kein  päpstliches  Pedum  kennt  "■). 
Statt  diesem  wird  dem  Papste,  jedoch  kaum  früher  als 
im  XIV.  Jahrhunderte,  der  Stab  mit  dem  dreifachen  Kreuz 
vorgetragen,  so  wie  die  Patriarchen  das  doppelte,  die 
Erzbischöfe  das  einfache  Kreuz  fidiren ;  den  Ähten  und 
Äbtissinnen  kömmt  eben  sowohl  das  Pedum  zu,  nur  wurde 
es  von  diesen  mittelst  eines  sehmalen  Tuches, 
„sudarium"  auch  „orarium"  genannt,  ergrif- 
fen, welches  am  oder  unter  dem  Kopfe  des 
Stabes  befestiget  war  *). 

Hierzu  diente  eine  eigene  Vorrichtung. 
So  bemerken  wir  auf  dem  Stabe  des  Abtes 
Günther  von  Lubyn  in  den  Bildern  der  Hed- 
wigslegende vom  Jaln-e  1 353  s)  an  der  Stelle 
des  Knopfes  einen  kronenartigen  Ring,  wel- 
cher ohne  Zweifel  dazu  diente,  um  das  suda- 
rium  zu  halten  (Fig.  3).  Eben  diese  Hand- 
schrift enthält  auch  mehrere  Stäbe  von  Bi- 
'°'  '  schöfenuudÄbtissinnen.dochfehltan  den  letz- 
teren, gleichwie  bei  jenem  Gü  nt  hor's,  das  orarium  selbst  •). 
Auf  einem  Ölgemälde  aus  Düror\s  Schule  in  Hef- 
ner's  Besitz  (vergl.  dessen  Trachtenwerke  III,  55)  ist  das 
Schweisstuch  an  einem  dreieckigen  .\nsafze  des  Stabes  be- 
festiget (Fig. 4).  Ein  Bild  in  der  Gallerie  zuAschalfenburg') 
stellt  Albrecht  IJ.,  Kurfürsten  von  Mainz  als  St.  Erasmus 
dar.  Dort  ist  das  Tuch  in  eine  rautenförmige  Metallzwinge 
geklemmt  (Fig.  5).  Hiemit  stimmt  eine  Miniature  des 
Behami'schcn  Gebetbuches  vom  Jahre  1531  aus  der 
Hofbibliüthck  zu  Aschaifenburg  überein  s)  (Fig.  6}. 


•)  Hefner  I,  9.  „Das  Siegel  von  Astliairenliuif;-  ibid.  10.  und  11,43.  — 
„Die  Grabsteine  zu  Freisingen"  I,  28.  —  „Teinperagemälde  zu  iMarns". 
—  „Glasgeraälde  zu  Heiligenkreuz",  dargestellt  in  den  „MiUl.  Kunst- 
denkmalen des  osterreieb.  Kaiserstaates",  herausgsgeb.  von  U  e  i  d  e  r. 
Eitel  berger  und  Hics  er.  I.  Liel'.,  Taf.  V. 

')  Kopp:  „Bilder  und  Schriften'-.  —  „Teutscbc  Denkmäler  von  Halt 
Babo  und  And"  (1820,  Heidelberg)  Taf.  XXIV,  6.  Hefner  I,  41.  — 
„Über  das  Alter  der  Handschrift"  vgl.  Ho  in  ay  r's  „Sachsenrechl"  XXII,  8. 

'J  Durand  III,  Ij,  GundKreuser  I.e.  über  die  Sage  von  der  Wieder- 
belebung des  „Malcrnus",  nicht  zu  übersehender  Zusammenhang  mit 
Aron's  Stab, 

•*)  ,A(tdc  qiiodhaculo  Epiecopali  iion  Kil  ariilendum.  sudiirhim  ret  oriiriutii. 
sed  Ahhatiaii".  !>!  o  1  a  n  u  s,  cap.  41. 

*)  Vgl.  meine  Herausgabe  Taf.  23. 

«)  Taf.  1.  4.  1.3,  31,  50,  öl.  .'i8,  Gn  a.  a.  O.  —  Vgl.  den  (irabslein  der 
Äbtissin  Agnes  von  llimmelskron  im  II.  Bde.,  3.  Hft.  des  „Archivs  f.  fiesch. 
und  Alterlh."  von  Oslfranken. 

')  Hefner  III,  97,  XVI.  Secl. 

">  Merkel:  „Die  .Miniaturen  und  Manuscripte  der  Bihl.  zu  Aschaifenburg" 
(4»,   1836),  Taf.  V. 


Ein  Holzschnitt  aus   dem    Beginne    des  XV.   Jahrhun- 
derts in  der  Kirchenbibliothek  zu  St.  Jakob  in   Brünii,  den 


^^^ 


(Fig.  4.) 


(Fig.  6.) 


heil.  Wolfgang  als  Abt  von  Mondsee  darstellend ,  zeigt  ein 
Pastorale  mit  eben  jenem  Tüchlein,  doch  ist  die  Art  seiner 
Befestigung  nicht  ersichtlich  gemacht  '). 

Eine  chronologische  Zusammenstellung  der  hier  ange- 
führten Kuiistdenkmäler  belehrt  uns,  dass  sich  die  Grund- 
form der  Bischofstäbe  (f)  bis  in  das  XIV.  Jahrhundert  er- 
halten habe,  von  da  ange- 
fangen jedoch  schmiegt  sich 
die  volutenförmige  Windung 
durch  eine  leichte  entgegen- 
gesetzte Krümmung  an  den 
Stab  und  geht  später  zur 
eigentlichen  Sichelform  über, 
natdi  welcher  sich  die  Ciirve 
rechtwinkelig  an  den  Stab 
fügt.  Besonders  zahlreich  in 
allen  hier  gedachten  Formabstufungen  sind  die  Bischofstähe 
Inder  schon  erwähnten  Heidelberger  Handschrift  des  Sach- 
senreehtes vertreten-)  (Fig.  7  und  8). 

Nicht  seilen,  und  zwar  schon  im  XI.  Jahrhunderte 
kommen  an  den  Pastoralen  kunstvolle  figuralische  Darstel- 
lungen vor,  welche  regelmässig  innerhalb  der  Windung 
des  Stabes  angebracht  sind.  Später,  vom  XV.  Jahrliuiulert 
angefangen,  verschwindet  jener  Sehmuck  an  dieser  Stelle 
und  wechselt  mit  einer  oft  sdiwer  überladenen  architecto- 
nischen,  zuweilen  noch  mit  Figuren  ausgestatteten  Orna- 
mentik am  oberen  Schafte  des  Stabes,  von  wo  sich,  wie 
früher  aus  dem  einfach  gegliederten  Knopfe,  die  Krümmung 
emporschwingt. 


(Fig.  8.) 


•)  Facsimile  nebst  einem  Boricble  von  Wol  fs  k  ron  in  den  „Quellen  und 
Forschungen  zur  vaterländischen  (ieschichtc ,  I.iternlur  und  Kunst" 
Wien.  1848,  4». 

2)   „Teutsche  Denkmiiler"  T.nf.  XIl.  3;  XX,  4,  8;  XXIIl,  4;  XXIV,  4,  »,  I!. 


2S9 


Um  auf  obige  Bildwerke  zurückzukommen,  machen 
wir  auf  die  beiden  Stäbe  in  dem  Kloster  Göttweih  und 
A  Itenburg  in  Österreich  aufmerksam,  welche  durch  Ür. 
Heider  und  Häufler  im  II.  Bande  des  Archivs  der 
kaiserlichen  Akademie  der  Wissenschaften  beschrieben  und 
hier  im  Holzschnitte  (Fig.  9  und  10)  dargestellt  sind.  Beide 


(Fig.  9.)  (Kig.  10) 

gehören  etwa  dem  X.  bis  XI.  Jahrhunderte  an,  sind  aus 
Elfenbein  geschnitzt  und  bilden  die  kreisrunde  Windung 
dm-ch  eine  Schlange,  in  deren  Mitte  je  zwei  Vogel  erschei- 
nen, welche  das  von  der  Schlange  bedrohte  Kreuz  zusehützen 
bestrebt  sind. 

Ein  Pedum  im  Dome  zu  Mainz  aus  dem  XI.  Jahrhun- 
derte, welches  aus  Bronze  gearbeitet,  reich  vergoldet,  mit 
Schmelzwerk  und  eingesetzten  Bheinkieseln  verziert  ist, 
zeigt  dagegen  in  seiner  Volute  einen^Mann,  der  auf  einem 
Drachen  reitet  *). 

Mit  der  symbolischen  Bedeutung  des  Stabes  überein- 
stimmend, versinnlichen  jene  Darstellungen  den  Sieg  des 
Glaubens  über  die  Macht  der  Hölle,  und  entsprechen  den 
Worten  der  Offenbarung  (XII,  9),  in  welcher  es  heisst: 
„es  wird  hinabgeworfen  jener  grosse  Drache,  die  alte 
Schlange,  welche  genannt  wird:  der  Teufel  und  Satan-). 

Ein  Bischofstab,  welcher  Otto  dem  Heiligen  (f  1139) 
zugesehriefeen  wird  und  sich  im  Domschatze  zu  Bamberg 
befindet  s) ,  hat  nngefähr  die  gleiche  äussere  Form  wie 
jener  zu  Mainz.  Die  Krümmung  wird  hier  von  einer 
Schlange  gebildet,  die  in  einen  Zweig  des  Lebensbaumes 
beisst,  der  sich  vom  Schafte  ausgehend  in  die  Mitle  des  so 
gebildeten  Ringes  hineinbiegt,  innerhalb  welchen  der 
englische  Gruss  erscheint.  Die  Jungfrau  Maria  tritt 
die  Schlange  mit  Füssen  (Moses  I,  3,  Ib)  und  ist  von  einem 
Rundbogen  überwölbt,  welcher  sich  auf  eine  Säule  stützt, 
deren  Deckplatte  ein  kleines  Thürmchen  trägt,  um  eine 
Kirchenpforte  anzudeuten.  Der  Erzengel,  welcher  mit  dem 
Lilienstabe  *)  in  der  Hand  als  Himmelshote  erscheint,  eilt 
in  gut  bewegter,  rasch  vorschreitender  Stellung  auf  Marien 
zu,  welche  im  Gegensatze  völlig  ruhig   gehalten  ist.   Hier 


')  Hefner:  „Trachten"  I.  T.if.  S. 

2)   Vgl.  Meid  er:  ,.nie  romanische  Kirche  zu  Schüngrabern"  S.  173  IT..    — 

und  Wolfskron:  „Die  Bilder  der  Hedwigslegende"  pag.  84. 
ä)  Hefner:  „Trachten''!,  39.    —  Wangen;  „Künstler  und  Kunstwerke 

in  Deutschland"  I,  HS. 
")   Vgl.  Note  5. 


ist  insbesondere  die  glückliche  Idee  des  Künstlers  hervor- 
zuheben, nach  welcher  der  Schaft  des  Pedums  den  Para- 
diesesbaum symbolisirt,  um  welchen  sich  die  Schlange,  durch 
den  aus  der  Jungfrau  Geborenen  überwältigt,  ohnmächtig 
windet.  Nach  der  gesammten  Coneeption  wird  hier  dem 
Sündenfalle  Eva's  die  rein  himmlische  Unschuld  im  Bilde 
Mariens  entgegen  gestellt  <)  und  zugleich  auf  die  Kirche 
hingedeutet,  die  durch  ihre  Glaubenslehre  und  die  von  Gott 
übertragene  Macht  (Symbol  des  Stabes)  die  Sünde  bekämpft. 

Ein  Pastorale  im  Chorherrenstifte  zu  K  1  oster nen- 
burg,  angeblich  vom  Abte  Babo  (1280)  hcrstanunend, 
wiederholt  jene  Darstellung,  welche  dort  in  niedlichem 
Elfenbeinschnitzwerke  mit  Gold  und  Malerei  verziert  und 
der  Inschrift:  „Ave  maria  gracia  plena"  erscheint,  ober 
welcher  Gruppe  das  Bildniss  des  Herrn  angebracht  ist  -). 

Die  chronologische  Reihenfolge  weiter  beobachtend, 
gelangen  wir  nun  zu  dem  Hauptobjecte  dieser  .\hhandiung 
und  legen  den  Freunden  und  Forschern  der  christlich  mit- 
telalterlichen Kunst  in  der  beigefügten  Abbildung  ein  höchst 
interessantes  Pedum  aus  dem  uralten  Benedic- 
tiner-Stifte  zu   Raigern  in  Mähren  vor  (Taf.  X). 

Über  den  Ursprung  desselben  kann  urkundlicli 
leider  nichts  Näheres  berichtet  werden,  eben  so  wenig  ob 
es  für  jenes  Kloster  angefertigt,  daliin  geschenkt  worden, 
oder  überhaupt  jemals  von  einem  seiner  früheren  Abte  be- 
nützt worden  sei.  Ist  es  doch  erst  vor  etwa  neun  Jahren 
von  dem  damaligen  Abte  Victor  Schlossar  entdeckt 
worden,  worauf  es  von  dem  eben  so  gelehrten  als  kunst- 
sinnigen Superior  Dr.  Gregor  Wolny  gewürdigt  und  über 
seine  und  Schreiber  dieses  vereinte  Anregung  vollkommen 
renovirt  und  gebrauchsfähig  gemacht  wurde,  so  zwar  dass 
es  gegenwärtig  bei  allen  hohen  Kirchenfesten  benützt  wird  3). 

Die  ursprüngliche  Gestalt  dieses  Stabes,  von  welchem 
jedoch  bei  seiner  Auffindung  nur  der  obere  Theij,  nämlich 
die  Windung  mit  dem  schönen  Elfenbeinschnitzwerke  und 
dem  oktogenen    Knaufe   vorhanden    war,  an   welches   sich 


>)  Menzel's  „Symbolik"  11,  328. 

2 )  S  e  h  m  i  d  1  in  seinen  „Umgebungen  Wiens"  I,  239  bezeichnet  Letzleres 
als  ein  Ch  ristusbiid;  wenn  jedoch  nicht  ganz  unzweifelhafte  .Merk- 
male dafür  spreeheu  ,  dürfte  die  .\nnahmc  der  Darstellung  für  (lOtt- 
va  t er  hier  passender  sein,  und  auch  anderen  ähnlichen  Bildern  ent- 
sprechen. Man  verfi'leiehe  ein  Glasgemälde  aus  dem  XVI.  .lahrhunderte. 
abgebildet  in  den  „Kuustdenkmälern  Deutschlands",  herausgegeben  von 
Bechstein,  Bihra  u.  A.  (Schweinfurth  1844,  4"),  —  dessgleichen 
eine  Miniature  in  einem  Psalter  im  Dome  zu  Mainz  XV.  Sect.  —  Mül- 
I  er's  „Beiträge  zur  Kunst  und  Gesehichtskunde"  Taf.  XVI.  Wir  beab- 
sichtigten nrs[)rünglich  das  Klostcrneuliurger  l'edurn  hier  in  einer  Ab- 
bildung und  Beschreibung  jenem  aus  Raigern  gegenüber  zu  stellen,  da 
jedoch  die  l'ublication  des  ersteren  durch  die  uns  befreundeten  Heraus- 
geber der  „Mittelalterlichen  Kunstdenkmale  des  Österreich.  Kaiserstaales- 
vorbereitet  ist,  so  kann  vorläulig  nur  auf  die  zu  erwartende  Folge  jenes 
Werkes  hingewiesen  werden. 

■*)  Der  besonderen  Güte  des  gegenwärtigen,  für  Kunst  und  Wissenschaft 
gleich  begeisterten  Herrn  Abtes  Günther  Ka  I  iw  o  d  a,  welcher  den  Stab 
eigens  nach  Wien  bringen  Hess,  um  in  der  k.  k.  Slaatsdruckerei  eine 
Photographie  davon  nehmen  zu  lassen,  verdanken  wir  die  Genauigkeit  der 
hier  vorliegenden  Abbildung. 


—   200 


ein  gleichfalls  achteckiges  Glied  mit  hiiili  (hirchbrochener 
gothischer  Verzierung  ')  anschloss.  lässt  vorimithen,  dass 
unterhalb  dieses  letzteren  Theiles  ein  zweiter  Knopf  ange- 
braclit  gewesen  sein  dürfte,  wodurch  das  Ganze  harnKinisch 
abgeschlossen  und  vorbereitet  war  in  den  hölzernen  Schaft 
überzugehen,  der  nacli  der  Sitte  des  Jlittolalters  etwa  roth 
lackirt  und  durch  Vergoldung  verziert  gewesen  sein  dürfte. 

Wie  das  Rohr  zeigte,  welches  zur  Aufnahme  des  Holz- 
stabes diente,  und  ganz  roh  ausgearbeitet  belassen  wurde, 
da  es  durch  jenen  (angenommenen)  zweiten  Knauf  gedeckt 
war,  ist  die  gesammtc  Mctallarbeit  aus  Kupfer  hergestellt, 
dessen  reiche  Vergoldung  sich  noch  wohl  erhalten  hatte. 

Die  aus  dem  Knopfe  in  schön  geschwungener  Form 
emporsteigende  \N  induiig  zeigt  uns  zwei  gegenüberstehende 
emaillirte  Platten,  welche  von  einem  schmalen  Rundstabe 
begräuzt,  zu  beiden  Seiten  in  eine  sich  zurückziehende 
Hohlkehle  ü])ergehen,  wodurch  das  Ganze,  im  Durclischnitte 
betrachtet,  ein  gedrücktes  Sechseck  bildet.  Die  Kanten  der 
Windung  sind  mit  Schnörkeln  (Krabben)  kammartig  be- 
setzt, deren  schneidige  Ränder  wellenförmig  eingekerbt 
sind,  ein  Ornament,  welches  unter  verschiedenen  kleinen 
Abweichungen,  aber  doch  in  der  Grundidee  übereinstim- 
mend, schon  im  XIII.  Jahrhunderte  Eingang  fand,  jedoch 
erst  im  folgenden,  neben  den  sogenannten  Bossen  und 
Knorren  als  ein  Mittelding  zwischen  den  geometrischen 
und  vegetabilischen  Zierwerken,  allgemeiner  angewendet 
wurde.  So  begegnen  wir  einem  ähnlichen  Ornamente  am  Dome 
zu  Magdeburg  (1220).  ferner  am  Domchor  zu  Cöln  (1299)  2). 

Endlich  im  Heimalhlande  unsei-es  Pedums  selbst,  zu 
Brunn  am  Giebelfelde  des  ehemaligen  Cistercienser  Non- 
nenklosters Jlaria  Saal,  im  Jahre  1338  gestiftet  s),  gegen- 
wärtig im  Besitze  der  P.  P.  Augustiner. 

Hiemit  wäre  auch  die  Abbildung  eines  Bischofstabes 
nach  einer  französischen  Miniature  des  Xlil.  Sei.  in  der 
Vaticanischen  Bibliothek  zu  vergleichen,  welche  iuD'Agin- 
court"s  „Sammlung  von  Denkmälern  der  Malerei"  Taf.  70, 
1  aufgenommen  ist  und  dasselbe  Motiv  zeigt. 

Jenes  Ornament  unseres  Stabes  darf  jedoch  nicht  ver- 
leiten, denselben  für  ein  früheres  als  das  XIV.  Jahrhundert 
zu  vindiciren,  eine  auf  alle  Einzelheiten  eingehende  Unter- 
suchung wird  sogar  zeigen,  dass  es  dem  Ausgange  jenes 
Säculums  angehöre.  Für  letzteres  spricht  sowohl  die  ganze 
Combination  unseres  Kunstdenkmales  als  auch  seine  Glie- 
derung, die  Verzierung  auf  den  emaillirten  Platten  (Ringen) 
und   am   entschiedensten    der    Charakter    der  beiden    In- 


schriften —  gothische  Minuskel  —  auf  eben  diesen  ,  end- 
lich auch  der  Styl  und  die  AutTassung  des  eingefügten 
Elfenbeinschnitzwerkes.  Indem  wir  bezüglich  der  beiden 
ersteren  Punkte  auf  ähnliche  Paraniente  und  selbst  auf 
den  Baustyl  zwischen  dem  XIV.  und  XV.  Jahrhunderte 
hinweisen ,  heben  wir  hier  noch  die  goldenen  niello- 
artigen  Lauhverzierungen  und  die  Zeichnung  der  beiden 
Engel  besonders  hervor,  welche  zwischen  der  Inschrift: 
„¥po  Dinrit-  jrjjo  rrgnat-  *po  iiiipfrat"  auf  dem  blauschwarzen 
Emailgrunde  angebracht  sind.  Die  Durchbildung  der  Köpfe, 
das  weiche  iliessende  Gefäite  der  Gewandung,  ja  selbst  die 
Form  der  Laute,  welche  einer  der  Engel  im  Arme  hält,  ver- 
bürgen jene  Zeitstellung. 

Noch  autTäiligcr  tritt  aber  der  Charakter  jener  Blü- 
thenepoche  der  abendländischen  Kunstentwickelung  in  dem 
erwähnten  Doppelrelief  hervor.  Die  eine  Seite  des- 
selben, die  von  jener  Inschrift  und  den  Engeln  umgeben 
ist,  stellt  die  gekrönte  Gottesmutter  in  edler  majestätischer 
Haltung  mit  dem  Jesuskinde  auf  dem  Arme  vor,  zu  deren 
Seiten  zwei  Cherubim  stehen,  griinbemalte  Stäbe  in  den 
Händen  tragend,  Melche  wohl  Fackeln  daisteilen  sollen  '). 
Die  Kehrseite  zeigt  den  gekreuzigten  Erlöser  zwischen  den 
gut  motivirten  Gestalten  der  trauernden  Mutter  Maria  und 
des  Apostels  Johannes,  die  zarten  Lineamente  der  Ge- 
sichter, zumal  am  Madonnenbilde,  die  wolilgebildeten  Ex- 
tremitäten, die  durchdachte  Drapperie  der  langen  und 
weiten  Gewänder,  deren  Säume  mit  leichten  Goldrändern 
verziert  sind,  kennzeichnen  unsere  Zeitbestinmmng,  und 
gemahnen  zugleich  lebhaft  an  die  unter  Karl  IV.  gegründete 
Prager  Malersehule,  welche  ausser  Böhmen  an  verschie- 
denen Orten  Mährens  =),  insbesonders  glücklich  aber  durch 
mehrere  wohlerhaltene  Ölgemälde  in  der  Kunstsammlung 
des  Stiftes  Raigern.  so  wie  in  zahlreichen  Miniaturen  der 
Stadt  Reclitsbücher  von  Brunn  und  Iglau  von  den  Jahren 
13Ö3  und  1389  vertreten  ist  =). 

Jenes  zweite  Bild  ist  von  einem  rothen  Emailringe 
umgeben,  auf  dem  die  Worte :  „irsua  «uttm  tranBirno  jjrr  mr- 
ftium  Ulorum  ib.«"  (Lucas  III .  4,  30)  zu  lesen  sind,  zwi- 
schen denen  ■ —  gerade  über  dem  Gekreuzigten  —  ein 
Vogel  erscheint,  welcher  jedoch  von  der  Fassung  des  einen 
der  8  Steine  verdeckt  ist,  womit  auch  diese  Seite  der 
Stabwindung  gleich  der  andern  verziert  war.  Es  lässt  sich 
daher,  besonders  da  der  Kopf  nicht  sichtbar  ist,  nicht  mit 
Bestinuntheit   angeben,    ob   ein  Phönix,    Adler    oder    eine 


')  Je  zwei  gekuppelte  Spitzkogenrenster;  leider  wurde  dieser  Theil  dos 
Slsbes,  an  welihcm  auch  das  Meisterzeichen  zu  sehen  w.ar,  lici  licr  Eloiio- 
vation  unheruTen  iieseitigt. 

')  Kallenhach:  .Chronnlogie  der  Baukunst  des  deutschen  Mittelalters" 
Taf.  37,  3—40,  1. 

•'J  Von  der  Königin  Elisnheth,  Witwe  nach  Wenzel  von  Böhmen  und  Rudolph 
von  Osterreich,  daher  auch  allgemein  Königinkloster  genannt.  — 
Vgl.  Wolny;  „Kirchliche  Tupographic"  II.  Abiheil.  I,  l.'i2  IT.  —  DE  I- 
vert:  „fipschichle  Brunns"  ,'i"  f. 


'}  Man  vergleiche  ein  Glasgemälde  dos  XIV.  .lalirhunderts  aus  der  Laureii- 
(iuskirche  zu  Ahrweiler  .  aufgounnnnon  in  M  iil  I  o  r's  „Beitrügen  /.ur 
Kunst  und  Gesohichtskundo'*  Taf.  VK 

*)  Vcrgl.  im  Fohruarheflo  IS.'JO  dieser  „Milthoiluii};on"  meine  Anzeige  ühor 
die  Gemälde  in  der  Spil.ilsc.ipolle  und  der  Nikliiakiroho  in  Ziiaim  —  iilier 
die  Prager  Schule.  —  Kugler:  „Geschichte  der  Malerei"  II,  §.  70.  — 
dessen:  „Kleinere  Schritten«  II,  490.  —  Wocol:  „Bühmisehc  Aller- 
thumskunde"  S.  130— l!i6. 

^)  Die  eigenhändig  ausgeführten  Copien  derselben,  so  wie  vieler  anderer  in 
Miihron  .lufgofundencr  ällorer  .Miniaturen  sollen  in  einer  Monographie 
iiublioirt  worden.    Wnlfskron. 


261    — 


Timbe  damit  gemeint  sei,  weleiic  Symbole  siimmtiieh  auf 
den  Opfei-tdd  des  Eriüsers  passen,  und  deren  ersteres  am 
liiUiligsten  Ainvendnn!^  fand  '). 

Für  den  noch  aligemeiner  voriiommenden  Pelikan 
können  wir  uns  dcsshalb  niclit  erklären,  weil  die  Jungen 
desselben  fehlen,  welche  durch  das  selbst  vergossene  Blut 
der  Mutter  belebt  werden  •).  Dagegen  konnte  der  Künstler 
mit  der  Taube  die  vom  sterbenden  Christus  scheidende 
Seele  haben  darstellen  wollen  =}. 

Auf  das  Passionsbild  zurückzukommen,  so  stimmt  das 
dort  erscheinende  Crucifi.x  mit  jenem  in  der  llodwigs- 
legende  zu  Schlackenwerth  *)  uiul  zweien  anderen  in  der 
Heidelbeiger  Handschrift  des  Saciisenrechtes  ^),  sämmtüch 
dem  XIV.  Jahrhunderte  angehörig,  beinahe  völlig  überein. 
Auf  allen  ist  Jesus  mit  3  Nägeln  ans  Kreuz  geheftet,  durch 
ein  grosses,  bis  über  die  Knie  reichendes  Schamtuch  ver- 
hüllt und  trägt  keine  Dornenkrone,  weiclie  jedoch  auf  un- 
serem Bilde  durch  eine  um  den  Kopf  gewundene  dicke 
Schnur  ersetzt  ist. 

Es  handelt  sich  nun  darum,  den  Zusammenhang  der 
beiden  Reh'efdarstellungen  mit  den  sie  umgebenden  In- 
schriften und  Figuren .  so  wie  die  Beziehungen  auf  die 
symbolische  Bedeutung  des  Pastorale  nachzuweisen.  Das 
von  der  Gottesmutter  getragene  Christuskind  mit  der  gol- 
denen Weltkugel  «)  in  der  Mand,  verehrt  von  dem  umge- 
benden Clieiubini,  harmonirt  vortrefflich  mit  den  beiden 
Engeln  auf  der  Scliriftplatte  und  der  Legende;  ,,xps  vincit. 
xps  regnat,  xps  imperat",  die  gleichniässig  auf  die 
siegende  Kirclie  und  den  Beruf  ihrer  Häupter  (der  Bi- 
schöfe) hindeuten  und  mit  der  Symbolik  des  Stabes  überein- 
stinunt.  Die  Worte  aber  „iesus  autem  transiens  per  medium 
illurum  ibat-'  sind,  wie  schon  angedeutet  wurde,  dem  Evan- 
gelisten Lucas  entnommen,  welcher  erzählt  „wie  Jesus  in 
iler  Synagoge  zu  Nazareth  lehrte  und  die  Anwesenden 
durch  die  Gewalt  seiner  Worte  getroffen  in  Zorn  ent- 
brannten, so  dass  sie  ihn  aus  der  Stadt  hinausstiessen  und 
von  einem  Berge  herabstürzen  wollten,  er  aber  mitten 
durch  die  Empörten  unverletzt  dahin  schritt  und  von  danneii 
ging".  Gleichermassen  sollen  sich  die  wahren  Diener  der 
Kirche  weder  durch  Verfolgung  noch  durch  den  voraus- 
sichtlichen Tod  abhalten   lassen    für  ihren    Glauben   einzu- 


*)   Vergl.  Pipei-:  „MyUiologie  der  fln-isLI.  Kunst"  1,  4ti;l  f..  —  dossf^leielicii 

den  Physiologiis  z»  Onttweili,   \N.  XI.  Sccl.,  aiifgeiioinineii  in  den  „.\jcli. 

Notizen-'    von  Ur.    U  ei  der    und    Hiiiifler    (Arcli.   der  k.  Aliadeniie. 

U.  l.Uft.  ISil);  —  Menzels  „Syniliolik"  1,31    IT.;  U,  443   nndKreii- 

s  e  r's  MtCirchenhan"  II.  45. 
2)  Piper  a.  :i.  ().  46Ü.    —   Menzel    II,    2(l(>.  —  Munter:    „Sinnbilder" 

I,  9»  und  04.   —   „l'liysiologus  der  Kbjjenl'nrter  llandsehr."    XII.   Secl.. 

herausgegeben  dureh  Ka  raja  n    in  den    „Deutschen   Spraehdenkmalen" 

Wien   184G,  pag.  99  f. 
')  Menzel:  „Symbolik"  II,  443.  —  Die  „iledwigslefjende"  pajj.  83  f. 
*)  Vgl.  meine  Herausgabe,  Taf.  Ifi,  so  wie  den  Abschnitt  über  die  „Christu.s- 

bilder"  pag.  71 — 70. 

'}   Herausgegeben  loii  11  ab,..    Il;itl,    M i.  A.  Tal.  XII,   3;   XX.  7. 

^}   Deren  üedeutuiig  und  iilier  den   Zus;niliiieilhang  mit  den)  P;ir:idiesesa|il'rl 

vgl.   .Menzel  1,  Ofi  II'. 

II. 


stehen,  die  Irrthüiner  zu  bekänipfen  und  die  Sünde  streng 
zu  ahnden.  Es  vereinigen  sich  sonach  an  unserem  Stabe 
Bilil  und  Wort,  um  in  schöner  gegenseitiger  Bezieliung  und 
[jiterstützung  ein  Wahrzeichen  zu  bilden,  wolilgeeignet  in 
der  Hand  eines  gottbegeisterten  Führers  im  K'ain|)fe  der 
stets  ringenden  Kirche  glorreich  vorzuleuchteii. 

Beiläufig  niiiss  noch  bemerkt  werden,  dass  an  dem 
Knopfe  unseres  Pastorale  mehrere  viereckige  Ösen  ange- 
bracht «aren,  welche  ohne  Zweifel  dazu  dienten,  um  das 
vorne  erwähnte  Siidarium  daran  zu  befestigen,  daher  der 
Stab  ofTenbar  für  einen  A  b  t  bestimmt  war  und  nach  seinem 
Fundorte  wohl  eiuoindes  allehrwürdigen  Benedictincr-Stiftes 
Baigern  gedient  lialien  mag,  welche  Bestimmung  es  gegen- 
wärtig nach  Verlauf  von  vielen  Jahrliimderten  W'ieder  erfüllt. 

Um  den  Cyklus  der  verschiedenen  Phasen  zusdiliessen, 
die  das  Pastorale  nach  seiner  Gestaltung  vom  X.  bis  ins 
XVI.  Jahrhundert  durchmachte,  kommen  wir  endlich  auf 
die  schon  früher  angedeutete  .Xnui'ilnung  und  Verzierung 
desselben  zurück,  in  weldier  sich  insbesondere  das 
XVI.  Säculum  gefiel  und  das  Bestreben,  die  möglichste 
Fülle  von  Reichthum  und  Pracht  zu  vereinen,  wahrhaft  auf 
die  Spitze  trieb.  Die  vermittelnden  Knöpfe  zwischen  der 
Windung  und  dem  Scliafte  des  Stabes  gehen  nämlich  in 
eine  bald  mehr  bald  minder  reich  gegliederte  vier-  bis 
achtkantige  Säule  über,  welche  oft  mit  gothisehen  Giebeln 
gekrönt  war  und  sicli  nach  unten  cmisolenartig  abschloss. 
Beispiele  hiervon  bringt  Hefner  in  seinem  Trachtenwerke 
II,  S6  und  III,  öä  (s.  obigen  Holzschnitt  Fig.  3). 

Mehr  ausgebildet  ist  dieses  Motiv  an  einem  Pastorale 
auf  einem  Flügelaltare  zu  Hernsbruck  bei  Nürnberg,  wel- 
cher dem  berühmten  Veit  S  t  os  s  zugeschrieben  wird.  Es 
ist  in  den  Kiinstdenkmälern  von  Deutschland  Taf.  X^  .  abge- 
bildet und  zeigt  zwischen  Fialen  zw  ei  lleiligenstatiietten  in 
Blenden  gestellt,  welche  durch  gothische  Giebel  gedeckt 
sind.  Eine  bis  zur  l'nförinlichkeit  übertriebene  Durch- 
führung jenes  Principes  weiset  der  Bischofstab  des  New- 
College  zu  Oxford  nach,  welcher  in  llochwinds  niittel- 
alterlichen  Verzierungen  Englands  und  Frankreichs  (litt. AI. 
Taf.  1)  aufgenommen  ist  und  eine  vierfache  Bilderreihe 
theils  am  Schafte,  theils  an  einem  reich  ornamentirten 
Thürmchen  vertheilt  zeigt,  aus  welchem  letzteren  sieh  die 
Schnecke  entwickelt,  die  gleichfalls  mit  einem  dichten  Bil- 
derschmucke in  erhabener  .\rbeit  bedeckt  ist. 

Wir  glauben  die  Gränzen  unseres  Progranunes  iiiclil 
zu  überschreiten,  wenn  wir  zum  Schlüsse  dieser  .Mihand- 
liing  auf  die  Bischofstäbe  der  griechischen  Kirche 
übergehen.  Sie  unterscheiden  sich  wesentlich  von  denen 
der  Lateiner  sowohl  nach  ihrer  Form  als  mit  Bücksichl 
auf  ihre  symbolische  und  attributive  Bedeutendheit.  Das 
Pastorale  der  griechischen  Bischöfe  dient  ihiini  weniger 
zum  Prunke  oder  als  unerlässliches  .Mizeiclien  .  \i('l  mehr 
zur  wirklichen  Stütze  während  des  Gottesilienstes,  wobei 
der    Poutilicirende    nl't    und    lange    zu    stehen    genöfhiget 


—    262 


^^ 


ist  ')•  il'-iliP'"  PS  iiiiL'Ii  lipsoiidors  iinranglicli  in  pinem  gMv/.  ein- 
fachen Stabe  bestand ,  der  oben  in   einen  j^rossen  platten 

Knopf  überging.  Patriarchen  und 

07^  CV     .sa»  KD   ^  \V,o  ^^^^     dagegen    tragen    Stäbe. 

l'((r         ^-^0        Vif    ^^'p'*"''''  *"•'  l'^igiii"  eines  T  oder 

'~   ■  "^^  '^        ''^    -"  Andreüskrciizcs  li;dten  ■-),  dessen 

Oiierlheil  iMidlich  zu  iicideii 
Seiten  lieniieK^lrmig  aufwärts 
gebogen  wurde.  „Ansas  retor- 
tas  habet  bacnius  hamoruni  instar 
ut  elferatos  fuget  et  perniciosos 
et  ultimo  Cliristi  crnceni  niani- 
festet"  (Sitneon  Thessaion.  de 
sacrani.)  In  der  griechischen 
Domkirebe  zum  beil.  Georg  in 
Lcmberg  wird  ein  altes Peduni 
verwahrt,  auf  dessen  abgeplat- 
tetem Knopfe  eine  Weltkugel  mit  dem  Kreuze  angebracht 
ist,  um  welche  sich  eine  Schlange  windet,  die  den  Para- 
diesesapfel im  Maule  trägt:  die  beiden  Curvea  sind  durch 
Akanthnsblätter  gebildet  (Fig.  11). 

Diese  symbolische  Hindeutung  auf  die  Erbsünde  und 
deren  Einfluss  auf  die  Völker  der  ganzen  Erde  dürfte  sidi 
nur  an  wenigen  griechischen  Biscliofstiiben  wieder  linden, 
dagegen  sind  solciie,  um  die  sich  zwei  Schlangen  winden, 
welche,  wie  am  Mercursstabe,  (d)en  gegen  einander  ge- 
krümmt sind,  allgemein  verbreitet  und  findet  sich   auch  ein 


(i'-i?.  11.) 


solches    Exemplar    im    gedaeliten    Domsclialze    (Fig.    12). 
Auch  an  diesem  ist  oben  am  Knopfe  eine  Weltkugel  mit  dein 
,^(  Kreuze  angebracht ,  gegen  welciie 

die  beiden  Schlangen,  die  sich  im 
Bogen  zurückbäumen,  ihre  lläuptei- 
l'ichten.  Itie  Symbolik  dieser  Con- 
ception  weicht  von  der  letzteren 
eben  erwähnten  wesentlich  ab  und 
stützt  sich  auf  den  Sprucii  des 
Evangelisten  Matthäus  10.  4:  „Seid 
klug  wie  die  Schlange  und  ohne 
Falsch  wie  die  Taidien".  deutet 
sonach  auf  die  Verpllichtinig  iler 
(''ig-  12.)  Kirche  und    ihrer  Fürsten  hin.  di<- 

geistlieiie  Weltherrschaft  durch  kluges  Walten  und  die  Weis- 
heit der  Lehre  zu  wahren  und  immer  fester  zu  begründen. 
Als  Scldusswort  dieser  kimslliistorischeu  Studie 
sprechen  wir  die  Holfunng  aus,  durch  dieselbe  eine  .Anre- 
gung zur  weiteren  Bekanntmachung  ähnlicher  Paramente 
gegeben  zu  haben,  woran  uns(!r  grosses  üslerreich  gewiss 
nicht  minder  reich  ist  wie  an  anderen  Kunstscbätzen  der 
Vorzeit,  welche,  Dank  den  Bestrebungen  unserer  jüngeren 
Fachgenossen  und  Ijandsleute.  nun  rüstig  zu  Tage  gefördert 
werden,  die  allgemeinste  .Vnerkennung  und  Bewundei'nng 
hervorrufen  und  das  glänzendste  Zengniss  geben .  aul 
welcher  bedeutenden  Kunststufe  unsei-  Vaterland  im  Mittel- 
alter gestanden  ist  '). 


Die  Vertheidigungskirchen  in  Siebenbürgen. 

Ein  Bcitran;  zur  t*roviiiiial-Kunstf,'eschielito  vom  Cünsorvator    Kri  o  d  ri  cli   Müller.    Illusliirt   vdin  (iyiniiasiiilli'lii'oi'  .loliaiiii 

in    Süliiissliui';;. 
(Schluss.) 

Als  Vermittlung  dieser  Gruppe  mit  der  folgenden  wird 
hier  schliesslich  die  evangelische  Kirche  von  Trapold 
(Bez.  Schässburg)  angeführt  (Fig.  6).  .4uf  einem  Hügel 
mitten  imDorfe  gelegen,  erhebt  sich  dieselbe  zwischen  tlieil- 
weise  doppelten  Bingmauern  und  mehreren  Thürnien  ma- 
lerisch zu  einer  nicht  unbedeutenden  Höhe.  An  dem  drei- 
seifig geschlossenen,  durcii  sechs  Strebepfeiler  gestützten, 
23'  breiten  und  36'  6"  langen  Chor  schlicsst  sich  merklich 
vortretend  das  40'  lange  und  37'  breite  Schi(T,  welches  durcli 
zwei  l'aar  achteckiger  Pfeiler  in  ein  Miltelscliiif  und  zwei 
eben  so  bebe  Seitenschi  de  getheilt  wird  (Fig.  7).  Jenes 
ist  gegen  die  gewidinliche  Erscheinung  vi(d  enger  als  dei' 
Chor;  doch  wird  der  dadurch  erzeugte  stiirende  Eindruck 
etwas  niodificirt,  indem,  wo  Chor  und  Schilf  znsammenstos- 
sen,  massige  Wand[)feilei'  als  'l'räger  des  fladi  |iriililirlen 
Triumphbogens  iJ'  hoch  aus  der  Wandfläche  hervortreten 
und    die    (nTnung    auf  13'    verengen.     An    der    Nordseite 


(V\g.  G.) 


{)  y  (•  11(1  i 


*>  n  0  i  I)  cci- i  II  s  :  „  Vbliililiinf^  lirr  jiltoii  lind  iieiKMi    griocliisclieii  Kirclie'". 

I.eilizig   1711.  4". 
^)  M  0  II  t  f  »  u  cuii:  „Diiit*.  Ital."  |iag.  4G. 


*J  Zur  weiteren  Orieiltii-illi|]^  über  ilie  formelle  Krifwiekeliilip'  der  Riscliof- 
stJUie  verweisen  wir  iiliri^ens  iineli  auf  die  .'iiisfiilirlielie  AhhiiiHHiin^  iiher 
Bineliofstiilie  .  die  in  den  .. Melange»"  vijii  .M;irtene  und  C  a  li  i  e  r  eiil- 
hnltcn  ist.  II.  Hed. 


263 


lies  Chores  ist  eine  kleine  Saeristei  inigebiiiit.  wiilirend  an 
lue  westliche  Fronte  ein  massenhafter,  27'  in  Quadrat  mes- 
sender ThiH'in  mit  7  star- 
ken Mauern,  die  demnach 
auch  keine  Strebepfeiler 
beuöthigen,  sich  anlegt. 
Fünf  tlieils  spitzbogig, 
theils  rund  ülierwiilbte 
Fenster  von  ungieieheii 
Dimensionen  ohne  Mass- 
werk öll'nen  sieh  in  den 
Chor  und  verleihen  dem- 
selben eine  grössere  Hel- 
ligkeit, als  sonst  bei  un- 
n  Sern  Üorfkirchen  älterer 
Zeit  gewöhnlich  ist.  Kin 
Portal  inj  Westen  und 
eines  im  Süden  gewäh- 
ren den  Zutritt  in  die  Kir- 
che. Nach  aussen  erschei- 
nen Schilf  und  Chor  nicht 
gleich  gehalten,  obwohl 
ein  gemeinsames ,  mit 
*  '"      *  sechs-    und    achteckigen 

Flachziegeln  gedecktes  Dach  darüber  sieh  legt,  dessen  First 
über  dem  Chor  nur  unmerklich  ansteigt.  Dagegen  gehen  die 
Llmfassungsmauern  des  Chores  um  mehrere  Fuss  über  die 
des  Schilfes  hinaus  und  zeigen  oben  über  den   die  Strebe- 


ifeiler 


verbindenden  Bögen   die  gewohidicbe,    von    engen 


Schiessseharten  durchbrochene  Mauerflache.  Am  Schifl'  fehlen 
diese  Bögen,  dagegen  fitulen  sich  auch  dort  die  Schiessseharten 
über  dem  Gewölbe;  der  Thurm  endlich  hat  in  der  Höhe  des 
Firstes  des  Kirchendaclies  einen  hölzeineu  Umlauf,  über  wel- 
chem das  viereckige  Dach  zum  Wetterhahne  ansteigt;  Schill" 
und  Chor  werden  von  einfachen  und  ziemlich  niedrigen 
Kreuzgewölben  überspannt.  Im  Innern  ist  eine  eigeii- 
thümlich  ausgeführte  Sacramentsnischo  auf  der  Evange- 
lienseite im  Chor  bemerkenswerth.  Die  Oigel  ist  wie  hei 
vielen  unserer  Kirchen  über  dem  Altare  aMgebracht.  Zum 
letzten  gehören  einige  Kelche  von  lt)42  und  eine  i*;itene  von 
1614.  Von  den  drei  Glocken  ist  die  miltere  neu:  die  grösste, 
gegen  die  Mitte  des  XVI.  .lahrhunderts  gegossen,  trägt  in 
spater  Mönchsminuskel  die  Umschrift :  „«  rc.v  tjloric  i/icar 
christe  veni  cum  pace.'^  Die  kleinste  (bereits  in  Capital- 
majuskel)  „0  RX  GLORIE  VEiM  IN  FACE  1554." 

Diese  Kirche,  deren  Erbaimiig  wohl  um  lö22  zu  setzen 
ist'),  erscheint  am  Schlüsse  dieser  (ji'uppe,  weil  Schill' 
und    Chor    von  dem  Principe    der    Verlheidigungsfähigkeit 


')  Ich  sehliesse  dieses  ,ius  dei'  fjiui/.eii  Anlage,  iiliwnhl  das  sonst  so  eliarnk- 
terisirende  M.asswerk  felill.  Aiielj  die  Sacranieiilsnische  deutet  dai-aul'.  Die 
au  der  rechten  Seite  des  Chores  angebrachte  .lalirzahl  Hill  kann  nur  aul' 
eine  Itestauration  bezog^en  werden.  An  dem  Deekstein  eines  Thnrnilen- 
slers  glaube  ich  die  .lahriabi  l.i'i'.l  gelesen  /.u  haben. 


ans  behandelt  sind.  obsclidM  dasselbe  nur  hier  in  den  eha- 
rakteristisehen  Bögen,  und  d(ir(  in  blosser  Durchbrechung 
der  Mauern  dinch  Schiessseharten  sich  ausspricht').  Mit 
dem  gänzlichen  Aufgeben  der  Befestigung  des  Sehifl'es  erst 
betreten  w  ir  den  Kreis  der  fulgenden  Gruppe  der  im  Ver- 
theidigungsstyle  erbauten  Kirchen. 

III. 
\  ielleicht  alter  ihrer  Entsti-hiiug  naeh,  aber  zu  viel 
allgemeinerer  Anwendung  gi'kommen  und  länger  im  Ge- 
brauche, daher  hier  auch  erst  in  zweiter  Reihe  behandelt, 
ist  diejenige  Gruppe  im  Vertlieidigungsstyle  erbauter  Kir- 
chen, deren  charakteristisches  Merkmal,  die  bezeichnenden 
Bögen,  bloss  am  Chore  sich  findet,  der  ziigleieh  im  Durch- 
schnitt äusserlich  merklich  höher  erscheint  als  das  ScIiilT. 
Manche  der  hier  zu  erwähnenden  Kirchen  knüpleii  unver- 
mittelt an  den  Iioiiiaiiismiis  an ,  so  <lass  man  ganze  Theile 
oder  Bruchstücke  der  älteren,  diesem  Banstyle  ann^ehörio-en 
Gebäude  stehen  liess  und  in  mehr  oder  minder  roher  Weise 
mit  gothischen  Neubauten  verbaiul.  Während  die  erste 
Gruppe  uns  fast  örtlich  gebunden  begegnete,  findet  sich 
diese  über  das  ganze  Gebiet  der  sogenannten  sieben  und 
zwei  Stühle  verbreitet,  ein  Zeichen  ihrer  einstigen  Zweck- 
mässigkeit. Ihre  äussere  Erscheinung  ist  überraschend. 

Der  Chor  erhält  seine  Bedeutsamkeit  nicht  mehr  bloss 
durch  die  Ausstattung  seines  Innern  mit  heiligen  (leriitheii 

(Altar,  Taufstein,  (hür- 
stühle  etc.),  sondern  in 
eben  demselben  blasse 
durch  seine  äussere,  über 
das  Schifl"  iiervorragen- 
de  Masseuhafligkeil.  Im 
Grtindriss  ist  diese  Neue- 
rung unmeiklich  und  der 
'riiiirm  behält  seine  ge- 
wöhnliche Stellung  am 
Westende  der  Kirche  und 
bildet  hier,  da  das  Schill' 
selbst  die  Absendung  von 
Projectileii  vom  Chor  aus 
nach  dieser  Seite  hindert, 
ein  zur  Vollständigkeit 
noth  wendiges  Bollwerk. 
Wir  stellen  auch  hier  eine 
Kirche  voran  ,  welche 
durch  ihre  Grösse  geeig- 
net ist,  das  eben  in  weni- 
gen Umrissen  gezeichnete 
Bild  klarer  zu  machen :  die 
evangelische  Kirche  von  Den  n  dorf  (Bezirk  Schässburg) 
(Fig.  8).  Die  4'  starken  Umfassungsmauern  des  dreiseitig 
aus  dem  Achtecke  geschlossenen   Chores,  an   welchen   sich 


(Fij.  8.) 


')  Hierher  g-ehörl  auch  die  e\augelische  Kireli.'    \uu    liodcud.irf   (Bez. 
Schässburg),  deren  genauere  rnlersncbung  noch  niclil  erfolgt  ist. 


264   — 


(Ki- 


iiiinlüch  die  gorüumige  Saciislci  ;iiisfhliesst,  sind  4'  liiiluT 
o-ctn't'lieii  als  die  eben  so  st;nlcii  des  SchilVes  iiiul  werden 
von  drei  spitzlidi^ig'  gewilllilen  nnd  ndtMiisswerk  aiisgeliilUen 
Fenster  dnreliliroeheu,  deren  eines  gegen wiirl ig  ziigleieli 
als  Tliiii-e  zu  der  dort  angebrachten  Orgel  liilu-l.  Die  am 
('hure  angel)i-:i(hleii  Strebepfeiler  verjüngen  sich  In  vier 
Absätzen;  in  einer  dem  obersten  Absätze  gleichen  Hohe 
setzen  die  bekannten  Bögen  so  an.  dass  sie  nninittelbar  an 
der  äusseren  Kante  des  Strebepfeilers  hervorspringen 
(Fig.  0)  und  die  bei  der  Kaisder  Kirche  erst  durch  eine 
Verjüngung  der  l'rnfas- 
sungsniauer  entstandene 
PecliM'iiarlc  hier  sich  von 
selbst  ergiiit.  Viereckige 
Schiesssehartcn  ihireh- 
brechen  die  7'  üIkm-  die 
Chorniauei-  steigende  l!o- 
genwand,  welche  wie 
dort  durch  ein  doppeltes 
Gesimse  gegliedert  ist. 
Das  SehilT.  welches  nur 
mit  4'  auf  beiden  Seiten 
über  dem  Chor  ausladet, 
zeigt  von  all  diesen  Er- 
scheiiumgen  gar  nichts 
und  gewahrt  Uli  t  seinen,  an 

einer  Stelle  bis  10'  ausgefüllten,  bloss  von  zwei  Spitzbogen- 
fenstern durchbrochenen  —  ein  nördliches  ist  vermauert 
worden  —  Umfassungsmauern  einen  plum[ien  Anblick  im 
Gegensatze  zu  dem  scldanken  ziendich  reich  gegliederten 
Chore.  Der  'I'linrMi  endlich,  dessen  unterer  Theil  in  das 
Kirchenscliill"  einbezogen  ist,  hat  bis  zur  Höhe  der  ScliilTs- 
mauer  abgetragen  werden  müssen,  und  wird  gegenwartig 
mit  diesem  von  einem  gemeinsamen  Daclie  überdeckt.  Auch 
das  alte  Gewölbe  hat  im  Schill'e  einem  neuen  („prenssi- 
sche  Platzeln'-)  weichen  müssen,  während  im  Chor  ein 
älteres  Tonnengewölbe  mit  Schildern  sich  erhalten  hat.  Die 
Massverhiiltnisse  emllicli  (Liinge  des  (Miores  30',  des 
SchilTes  sammt  dem  Thurme  57'  —  demnach  wie  2:3  — 
Breite  des  Chores  21'  (V.  des  Schiires  29'  7")  sind  der  Art, 
dass  sie  der  \  iTmulliung  Bamn  geben,  der  Chor  sei  als 
Neubau  zu  dem  alteren  Schill'e  hinzugetreten,  oder  dieses 
nur  eine  Ausfiillung  des  Baumes  zwischen  Thurni  und  Chor. 
Von,  Details  ist  bloss  das  von  einer  Halle  umgebene,  im 
niedi'igen  Spitzbogen  geschlossene  und  reich  durch  llalh- 
sänleii.  Kanten  und  Hohlkehlen  gegliederte  W'estportal  zu 
erwähnen,  das  leider  jetzt  wie  die  ganze  Kirche  schief  ge- 
stellt ist:  im  Masswerke  der  Fensterfülluugen  ti^effen  ^^ir 
bereits  die  Fischblase  an  :  die  Gurlträger  im  Chore  sind 
Iheihveise  von  eigenlhmnlicdier,  gesimsarlig  aus  Platten, 
Hohlkehlen  und  Schmieg('ii  in  \Ci'bindnng  mit  \\  iirfeln  zu- 
sammengesetzler  Censlrnction.  Die  Kii'rlie  selbst,  «eiche. 
wie  wir  ans  dein  'lestamente  des  \','>10  gestorlHiien   Denn- 


dorl'cr  Pfari'ers  Antonius  S<-h\\arz  erfahren,  di'r  heil, 
•lune-frau  geweihl  war  i),ist  um  I4;)l  erliaul  udrden,  oder 
hat  damals  mindestens  ihre  jetzige  (Jeslalt  erhalten.  Diese 
.lahrzalil  ist  an  i'im'in  schönen  Sclilusssteine  des  Chorge- 
«iilheszu  lesen.  .Vnsser  dem  Pfarrer  waren  137(1  daran 
noch  zwei  Prediger  (minisiri)  und  ein  Schullehrer  (scho- 
lasticns)  angestellt -).  Auch  hier  verdienen  unter  den  zur 
Kii'che  geln'irigen  (jcrätbcn  einige  hervorgehoben  zu 
werden,  namentlich  das  schöne  metallene  Taufbecken  mit 
BlumenverzicruuL;  und  i]vr  auf  die  erste  Hälfte  des  X\..lahr- 

hunderts  deutenden  In- 
schrift: ..  a  Johanne  . 
Christos  .  Baptisari  .  Vol- 
vit  .  Vt  .  Saluarct  nos". 
nach  Form  tmd  Ausfüh- 
rimg \ielleieht  von  dem- 
selben .lac(d)us  fusorcam- 
panarum,  der  1411  das 
Schässburger  Taufbecken 
goss,  sowie  ein  bei  der 
Seltenheit  ähnlicher  .\r- 
beiten  in  Sieiienhürgeii 
äussei'sl  interessanter,  ans 
Holz  geschnitzter  Leuch- 
ter, dessen  Fuss  einen 
knieendeu  Geistlichen 
darstellt,  welcher  den  Lichlhaller.  auf  der  rechleu  Seite  auf 
ein  Knie  gestützt,  mit  beiden  Händen  hall,  nach  Stellung  iiml 
Faltenwurf    nicht  ohne  Kuustwertli. 

Der  kriegerische  Charakter  der  Deimdorfer  Kirche 
wird  nicht  aull'allen  in  einer  Zeit,  wo  wir  im  Xachlasse  des 
Pfarrers  neben  Kelch  und  Casul  auch  der  lot/ri  iiiilifaris. 
vulgo  ein  ..Harnisch'-  und  der  pi.vidu  honilidnlicti  be- 
gegnen =  ).  und  der  (ieistliche  selbst  hinter  den  Mauern 
des  Hauptortes  dem  gewaltsamen  Tode  durch  Feindeshand 
nicht  entgehen  konnte*),  ('ber  die  späteren  Schick.sale 
dieses  (jotteshauses  ist  uns  wenig  bekannt  geworden;  ge- 
genwärtig ist  dasselbe  durch  die  Ungunst  des  Terrains  in 
baufällig<'m  Zustande  und  sannut  der  sie  umgebenden  Riug- 
numer  vieli'ach  beschädigt. 

Unter  ilen  übrigen  Kirchen,  wchdie  zu  dieser  liruppe 
gehören,    fidiren    wir    zimächst    einige    an.    welche    nicht 

')  Veräfl'eiillii'IU  Min  li' u  iM'li  im  Vciiiris^ircliivf.  N'imic  VtA'if  I.  :t(!ll.  f. 
altern  Kccicsiae  mcac  Oaticnsi  in  honorc  Virijiitis  fjloriomr  S.  Murine  />/«- 
dutue  Iciju  pro  slnictiira.  I.  Sedccimalc  Dccimtnum.  Ilem  Casulam,  Ca- 
ncern anjentcum  cum  utfiiiriiciiSf  duan  tnnpuUas  atliiieiitias^  et  iibras  mens 
omnes.  Caelerum  promptnm  pectinlam  ipse  rimi»  dedi"  |>.  SG."!. 
ä)  „Item  Domino  Jolianni  Miiiialio  meo  Icijo  f.  S.  ^Itcrn  bomino  Slefiiuo  Mi- 
ititttrtt  met)  reUuvo  f.  2." 

„Uem  Demrlrio  mco  Scliolaalico  leyii   Dimidiiim  Srdrcimnte  Decimuriim 
pro  jidclihus  Silin  seruitiin" 
■*)  Ehonilnscllisl. 

')  Pci- I'fnncr  Lucas  W  i  s  t  h  i  ii  »  wiirilc  1601  in  Sciiiisshui-fj  diircli  ilio 
.S/.cklei-  (■rschhit'i'M,  Ht'lciii?  »ioli  iler  Huij,'  ilurth  l.ist  li«inaclili(,'t  liatlon. 
l.iff.  (liT  CainUliiiimnllik. 


263    — 


eigentlicli  eiiuMi  FortschritI  in  der  Ausbildung  des  Styles 
bezeichnen,  wohl  iijjer  wegen  ihres  Alters  vorangestellt 
werden  müssen.   I>idiin  gehören: 

it)  Die  eviingel.  Kirche  in  Martinsberg  (Bezirk 
Grossschenk).  eine  Aidage  mit  deutlich  trennbarem  Chor 
und  SchitT;  der  erstere  dreiseitig  geschlossen,  mit  sehmalen 
Spitzbogenfenstern,  mit  Holilziegeln  gedeckt,  zeigt  die 
charakteristischen  Bögen  mit  den  Schiessscharten,  letzteres 
wird  durch  viereckige  Pfeiler  in  ein  MittelschilT  und  zwei 
e!)en  so  bolie  Seitenschifle  geti-ennt  und  zeigt  unter  dem 
viereckigen  Thurme  am  Westende  ein  gegenwärtig  durch 
eine  Halle  verbautes  Rundbogenportal  von  sehr  einfacher 
Profilirung,  welches  noch  in  die  Zeit  der  älteren  Kirche 
zurückweist,  an  deren  Stelle  die  gegenwärtige  trat.  Gegen 
die  Annahme,  dass  das  SchitT  älter  als  das  Chor  sei  und 
noch  der  früheren  Kirche  angehöre,  streitet  die  gleiche 
Höhe  der  SeiteuschilTe  mit  dem  MittelschitTe.  Von  den 
inneren  Einrichtungsstücken  der  Kirche  ist  nur  etwa  der 
hölzerne  Taufständer  von  1640  zu  erwähnen;  die  Glocken 
sind  sämmtlich  jünger  (1632.   1708  und  1844). 

h^  die  evangel.  Kirche  in  Grossscheuern  (Bez. 
NermannstadtJ,  die  ihrer  Anlage  nach  fast  ganz  dem  Ro- 
manismus angehört  ').  Darauf  deuten  der  bei  genauerer 
Besichtigung  trotz  seiner  V^erbauung  noch  erkennbare  halb- 
kreisförmige Chorsehluss,  die  in  Nischen  von  ähnlicher 
Form  auslaufenden  niedrigen  Seitenschilfe,  welche  mit 
ihren  Arcaden  merklich  gegen  die  aus  Säuleubüudeln  gebil- 
deten güthischen  Pfeiler  und  das  von  diesen  getragene  ge- 
malte Gurtgewölbe  abstechen,  und  endlich  der  alte  Thurm, 
in  dessen  unterem  Theile  sich  die  Steinwölbung  noch  er- 
halten hat.  Wahrscheinlich  deutet  demnach  die  Inschrift: 
„Alte  Zahl  1497"  bloss  auf  diejenige  Renovation,  welche 
mit  Beibehaltung  aller  wesentlichen  Theile  des  früheren 
Baues  die  Kirche  im  Innern  durch  das  Gurtgewölbe ,  im 
Äusseren  mindestens  den  Chor  durch  Anfügung  von  Stre- 
bepfeilern und  darauf  ruhenden  Bögen  mit  Schiessscharten 
etc.  erhöht  und  erweitert.  Auf  eine  spätere  Ausbesserung 
weist  die  Inschrift:  „  Vernevert  1740".  Der  Altar  ist  von 
1712,  das  vasenförmigemarmorne Taufbecken  voTi  H.SS,  die 
Glocken  gehören  der  jüngsten  Zeit  an  (182(i.  1829,  1839). 

c)  Die  evang.  Kirche  von  Rose  In  (Bez.  Agnelheln): 
ein  dreiseitig  geschlossener  Chor  mit  ganz  engen,  spitz- 
bogig  überwölbten  Fenstern,  über  denen  die  bekannten 
Bögen  die  Füllmauern  verbinden,  darüber  die  über  die  Höhe 
des  Schiffes  ansteigende  Mauer  mit  den  Schiessscharten; 
das  Schiff  ohne  Strehe|)feiler,  anlehnend  an  einen  ungemein 
massiven  zweistöckigen  Thurm  mit  gemauertem  Cmlaufe. 

d)  Die  evang.  Kirche  von  Neustatt  (Bez.  Agne- 
tlieln),  ein  grosses  aber  baufälliges  Gebäude,  dessen  Chor 
die  bezeichnende  Construction  hat. 


Dagegen  kann  die  evang.  Kirche  von  M eschen  (Bez. 
Mediasch)  ihrer  ganzen  Anlage  nach  als  Höhepunkt  dieser 
Richtung  des  kirchlichen  Vertheidigungsstyles  bezeichnet 
werden,  wie  die  Kaisder  dieselbe  Stelle  nach  einer  andern 
Richtung  hin  eiiiniuunt.  Meschen  gehörte  mit  Rirthälm  und 
Reichesdorf  zu  jenen  Orten,  welche  bis  ins  X\  i.  Jahrhun- 
dert hinein  mit  Mediasch  um  die  Wartschaft  stritten,  und 
wurde,  wie  Kaisd  durch  Schässburg,  durch  die  im  Kokel- 
thale  gelegene  Ansiedlung  verdrängt,  obw(jhl  es  Reste 
seiner  in  gewissen  Beziehungen  exemten  Stellung  bis  1848 
bewahrte.  Fs  ist  nicht  sicher,  aber  wahrscheinlich,  dass 
die  um  1477  bereits  vollendete  Erbauung  der  Mediascher 
evang.  Pfarrkirche  St.  Margarethä  die  Eifersucht  der  auch 
auf  anderen  Gebieten  rivalisirenden  Nachbarn  rege  gemacht 
habe,  deren  Kirchenvermögen  zu  derselben  Zeit  durch  die 
Theilung  des  Gebietes  und  Zchentes  von  Fukaschdorf 
zwischen  Mediasch  und  Meschen  einen  ansehnlichen  Zu- 
wachs erhalten  hatte  i).  Da  nun  die  Kräfte  der  Ortsge- 
meinde nicht  stark  genug  gewesen  sein  mochten,  um  ausser 
der  Kiesenburg  noch  andere  Verthcidigungswerke  —  wie 
Mediasch  gleichzeitig  seine  Ringmauern  —  •)  aufzuführen. 
so  concentrirte  sie  alle  Mittel,  um  jene  und  die  darin  neu 
zu  erbauende  Kirche  selbst  möglichst  solid  und  nach  beiden 
Gesichtspunkten,  des  Gottesdienstes  und  der  Vertheidi- 
gungsfähigkeit,  hin  entsprechend  darzustellen.  Ohne  daher 
die  ältere,  auch  schon  derGothik  angehörende  Kirche  (drei- 
seitiger Chorsehluss,  Strebepfeiler  etc.)  gänzlich  abzu- 
tragen, die  vielmehr  als  ein  Tlieil  der   Ringmauer   niirdlich 


1)   Ich  verdanke  einen  Theil    der  ihiraiif  heziig-lii-lien    MilUieiliiMyen    ineinei 
Freunde  (;.  l).  Te  ii  tse  li. 


')  Fukesohdorf  war  durcli  (He  Tiirkeneinfälle  so  verwüstet  worden,  d:iss  es 
von  seineu  Bewohnern  aufgelassen  und  seine  Feldmark  durch  die  „zwei 
Sliihle"  147Ö  zwischen  .Mediasch  und  Meschen  geUieilt  wurde,  wozu 
Kiiniff  Matthias  1477  seine  Einwilligung-  gah  (.Mediascher  {Stadtarchiv 
Nr.  48,  49).  Da  nun  der  Pfarrer  von  Lukeschdorf  A  ndreas  znlelzl  mit 
hischünieljer  Einwilligung  seine  Kirche  (St.  Nikolaus)  ehenfnlls  verliess 
und  nacli  .Meschen  ühersiedelte  und  die  heiligen  Ceräthe  von  dort  den»  in 
der  Meschener  Pfarrkirche  gestifteten  St.  Nikolaus-Allarc  eiuverleihte. 
so  traf  unter  dem  17.  Nov.  14.SI  der  siehenliiirgisehe  liischof  I.adislaus 
(i  e  ra  h  die  Verfügung,  dass  die  gesammle  Dotation  der  Fukeschdorfer 
Pfarre  au  liegenden  Ciriinden  so  wie  der  Zehenten  von  den  an  Meschen 
gekommeneu  (iehietstheilen  an  den,  an  jenem  Allare  durch  das  .Meschener 
Amt  an/.nsteltenden  Geistlichen  üherzugehen  habe,  der  dafür  den  halben, 
bisher  vom  Fukeschdorfer  Pfarrer  gezahlten  Kathedralzins  entrichten 
solle  (Meschener  Archiv  Nr.  7).  Jedoch  mischte  sich  bald  darauf  auch 
der  König  in  diese  Angelegenheit  und  schenkte  1487  einen  Theil  des 
Fukescbdoi-fer  Zelientes  an  das  Hospital  in  .Mcdiaseh  (Med.  .4rch.  Nr.  oö). 
einen  anderen  au  die  Pfari-kirche  der  heil,  .lungfi-au  in  .Meschen  (.Mesch. 
Arch.  Nr.  1),  hestiitigt  durch  König  W  1  ad  i  s  1  a  u  s  die  domiui  luvoc.  1402). 
Der  daraus  zwischen  den  Pfarrern  \on  Meschen  und  Mediasch  enlslan- 
deue  Streit  wurile  am  Feste  Laurencij  |)ontif.  I49:i  dahin  geschlichtet, 
dass  der  Zehent  von  <lem  an  Meschen  gefallenen  (iehicte  sammt  den 
dai-auf  gelegenen  Kirchengründeu  an  ilem  Pfarrer  dieses  t)rles  ,  der  Ze- 
hent des  an  .Mediasch  gekommenen  Gebietes  an  dem  Pfarrer  von  Me- 
diasch fallen,  <lass  Letzterer  für  die  Erhaltung  der  Fukeschdorfer  Kirche 
sanuut  deren  llefeslignngswerken  Sorge  tragen  und  dafür  den  Ertrag  tler 
auf  .Mediascher  Gebiete  gelegenen  Kirchengrumlslücke  beziehen  solle. 
Au  Kalhedralzins  soll  der  Meschener  Pfarrer  4,  der  .Mediascher  3  festones 
argeuti  zahlen ,  in  die  entfallenden  l^laiutularbeilräge  sollen  sie  sich 
gleielimiissig  theiten  (.Meschen.  Arch.  Nr.  X). 

-)  A.  Gräser  im  ,..\reh.  des  Vereines  für  siebcub.  Laudeskunde"-  Neue 
Folge   I.    1!)7. 


—   266   — 


von  der  jetzigen  Kirclu'  in  ilireii  rnitassiingsmadeni  stehen 
blieb,  wurde  der  Pliin  dos  neuen  Gotteshauses  etitworfen 
und  ausgeführt.  Das  System  der  N'ertiieidigungskirehen. 
«elches  in  anderen  Gegenden  des  Landes  bereits  mannig- 
fach versucht  worden,  erhielt  in  diesem  Baue  eine  freiere 
Entwickehing  und  Ausbildung,  wie  aus  der  JJesclueihuiig 
desselben  hervorgehen  wird. 

Die   Meschener   Kirche    zeigt   eine    im    Ganzen    sehr 
regelmässige  Anlage  (Fig.  10);  von  der  ganzen  Lange(  1 18} 

nimmt  der  22' 
6 "  breite,  drei- 
seilig geschlos- 
sene, von  sechs 
ö  tiefen,  und  2 
6"  breiten  Stre- 
bepfeilern um- 
gebene Chor 
(41)  etwa  den 
drittenTheilein. 
An  seine  nörd- 
liche Seite  fügt 
sich  die  1 1'  tiefe 
und  2t'6" weite 
Sacristeian.l'n- 
nuttelbar  an  den 
Chor  schliesst 
sich  das  drei- 
schiffige  Lang- 
haus 77'laiig. 40' 
3"  breit  so  an, 
dass  die  Breite 
des  Mittelschif- 
fes der  vollen 
Chorbreite  ent- 
spricht und  de\- 
Rest  sich  auf 
die  je  9'  brei- 
ten SeitenschilVe 
vertheilt.       l'm 


(Fig.    10.) 


ebenso  viel  trittdemnach  auch  das  ganze,  durch  Strebe|pfeiler 
gestützte  Schiff  über  den  Chor  im  Grundrisse  zu  beiden 
Seiten  hinaus.  Die  Gliederung  lies  Schiffes  wird  durch  vier 
Pfeilerpaare  vermittelt.  Das  erste,  dem  Chor  am  nächsten 
stehende  Paar,  von  quadratischer  Gnmdform,   2'    5"  stark, 

und  eiKenthümlicherPro- 


( 


lilirung  (Fig.  1  I ).  sticht 
gegen  die  drei  übrigen. 
von  achtseitiger  Grund- 
form mit  CaimcIlirMng 
(Fig.  12),  das  dritte  Paar 
mit  tMuei'  halben  Win- 
merklich  ah.  Die  ganze 
Anlage  derselben  erscheint  gekünstelt,  und  sonderhai-  nimmt 


düng  um  die  Axe 


sich  auch  die  .schiefe,  gegen  die  Umfassungsmauer  geneigte 
Stellung  der  Pfeiler  aus,  welche  durch  Widerlagen  an  die 
llan|ilwand  gestützt  werden,  was  nicht  et«a  als  Folge  einer 
natürlichen  Senkung  sich  darstellt.  In  der  südwestlichen 
Ecke  führt  eine  Wendeltreppe  auf  den  Orgelchor.  Schiff 
und  Chor  u  erden  von  einem  ungleich  entworfenen,  hier 
recht  liiü)scheu  Slerngewiilhe  ühers]iannt,  wi'lcbes  in  seinen 
Schlusssteinen  im  Mittelschiff  40  6 "  Hi'ilie  erreicht :  eben  so 
hoch  sind  die  Seitenschiffe,  wenig  niedriger  der  Chm-  ge- 
trieben. Die  Gurten  setzen  in  letzteren  auf  W'andpfeilern 
an,  welche  8'  über  dem  Boden  auf  einem  aus  Bnndstab. 
Hohlkehle  und  Schmiege  combinirten  Gesimse  aufruhen. 
Eine  eigenthümliehe  Erscheinung  sind  die  starken  vier- 
eckigen Thürme,  welche  über  den  vor  dem  Nord-  und 
Südthore  aufgeführten  Hallen  sieh  zu  einer,  dem  Kirehen- 
dache  ungefähr  gleichen  Höhe  erheben,  auf  drei  Seiten  des 
L'mlaufesSchiessscharten  und  darunter  Pechscharten  tragen, 
sich  also  recht  eigentlich  als  Bollwerke  für  das  sonst  zin- 
Vertheidigung  ni(dit  eingerichtete  Schiff  darstellen.  Denn 
der  Chor  zeigt  in  den  die  SircbeiilViler  verbindenden  Bogen 
vollständig  das  charakteristische  Merkmal  dieses  Styles. 
Der  im  Westen  der  Kirche  sich  erhebende  hohe  Glocken- 
thurm  steht  in  keiner  unmittelbaren  Veriiindung  mit  der 
Kirche  und  besitzt  einen  eigenen  .Aufgang  vom  Kiiehh<ile 
her.  Das  Kii'chendach  selbst  trägt  dagegen  einen  kleinen 
Dachreiter. 

Dieselbe  bunte  .\nwendinig  verschiedenartiger  Motive 
linden  wir  auch  bei  den  Details:  eilf  hidie  dreilicbtige 
Fenster  —  fünf  im  Chor,  sechs  im  Schilfe  —  im  gewöhn- 
lichen Spitzbogen  überwölbt,  mit  nicht  ungefällig  prolilirten 
Schmiegen  (Fig.  13)  enthalten  in  der  Krönung  in  reichster 

Abwechslnng  gothisches 
Masswerk  viju  versciiie- 
dener  Construetion,  worin 
die  Fischblase  eine  vor- 
wiegende Bolle  spielt,  ein 
Sacristeifenster  ist  mit 
Astwerk  geschmückt  . 
anderes  bat  Beste  eines 
älteren,./'  zweiliclitigen 
Bu[itlbogenfensters  auf- 
bewahrt (Fig.  15).  eine 
dreisitzige,  leider  nicht 
unbeschädigt  gcMiehene 
Nische  im  Chor  zeigt  in 
ihrer    Iberwölhung    den 


(Fig.  13.)  (Fig    >*■) 

Eselsrücken  mit  Nasen  und  Blattornanienten  (Fig.  10). 
die  kunstreich  aus  gelbem  Sandstein  gearbeitete  Sacri- 
sleithüre  -  -  platter  Kleehlatthogen  -  -  über  deren  ähn- 
licher \\  iilbung  eine  haldachingekrimte  Nische  sich  belin- 
del  .  vorwiegend  Stabwerk  als  Einfassungsornament.  Zu 
den  am  schönsten  ausgeführten  Details  der  Kirche  gehört 
emllich     das   südliche    Portal,     im    gedrückten    Spitzbogen 


267   — 


überwölbt,     dessen    gefällig    durch    Rundstäbe    und  Hobl- 
kehlen   profilirte   Schmiege    von    einem   geschweiften .    in 


(Fig.  16.) 

eine  nach  gutem  Muster  gearbeitete  Kreuzblume  aus- 
gehenden Spitzbogen  übersetzt  wird ,  zu  dessen  beiden 
Seiten  auf  Tragsteinen  ansetzende  Spitzsäulen  ange- 
bracht sind.  Auch  das  aus  demselben  Sandsteine  wie  die 
Sacristeithüre  gehauene  32'  hohe,  in  drei  Stockwerken 
emporsteigende  Sacramentshäuschen,  dessen  dreiseitig  aus 
der  Wand  vorspringender  Untersatz  auf  einer  Thiergestalt 
(Löwe  oder  Hund?)  ruht,  verdient  noch  besonderer  Er- 
wähnung, obwohl  der  Verlust  seiner  meisten  Fialen  das- 
selbe gegenwärtig  übermässig  schlank  erscheinen  lässt  und 
auch  die  Details  zum  Tlieile  wie  die  Kreuzblume,  in  ihrer 
ÜberkünsteluMg  bereits  den  Verfall   der   Gothik  (Fig.    17) 


beweisen.  (Erwähnenswerth  i.st  übrigens  auch  das  Sacraments- 
häuschen in  der  Kirche  von  G  ro  s  sp  r  nbsl  d  or  f.  dessen 
unterer  Theil  allerdings 
erneuert  wurde ,  dessen 
obere  Hälfte  aberziemlich 
reine  Formen  der  Gothik 
aufweist.)  (Fig.  18.) 

So  verschiedenartig 
aber  auch  alle  diese  De- 
tailbildungen erscheinen, 
so  beweisen  sie  doch 
zweierlei  unwidersprech- 
lich  :  einmal  die  nicht 
gewöhnliche  technische 
Fertigkeit  für  den  Bau- 
meister, dann  den  Sinn 
der  Beharrlichkeit  für  die 
Kirchengemeinde,  welche 
nach  der  raschen  Auffüh- 
lung  der  Umfassungs- 
mauern mit  solcher  Liebe 
an  die  würdige  Aus- 
schmückung des  Innern 
ging.  In  dieser  Beziehung 
übertrifft  die  Kirche  von 
Meschen  manche  Stadt- 
kirehe.  Ja  es  ist  hier 
gerade  dieser  Schmuck 
zu  gehäuft,  nach  zu  ver- 
schiedenen Systemen  ge- 
halten, zu  gesucht  und 
theilweise  —  die  Pfei- 
ler —  durch  Künstelei 
verschroben,  um  den  To- 
taleindruck des  Innern 
für  ein  feineres  Auge 
befriedigend  ausfallen  zu  lassen.  Jede  Forderung  wird  be- 
friedigt, nur  die  der  ruhigen  Schönheit  nicht,  welche  den 
Eindruck  des  Erhabenen  hervorbringt.  Der  plehanus  Jo- 
hannes, unter  welchem  die  Kirche  erbaut  wurde,  mochte 
sich  trotz  seiner  mehrfachen  Betlieiliguiig  an  Kirchenbauten 
den  Sinn  für  diese  Forderung  nicht  angobildet  und  Meister 
.\ndreas,  der  Steinmetz  von  Hennannstadt,  den  Plan  niciit 
selbst  erfunden  haben.  Wenigstens  enthält  die  darauf  be- 
zügliche äusserst  interessante  Urkunde  von  1498  nichts, 
was  darauf  deuten  könnte.  Joner  Pfarrer  Johannes,  damals 
zugleich  Domherr,  stellt  darin  ein  Zeugniss  aus,  dass  bei 
dem  Vertrage  mit  Meister  Andreas  bezüglich  der  Erhöhung, 
Wölbung  und  Verkleidung  der  Grossauer  S.  Servatius- 
kirclii-.  wofür  demselben  400  Gulden  versprochen  worden, 
von   der    Wölbung   und    .Vusschmücknng   der   Fenster  mit 


^,^s^lÄ- 


(Fig.  18.J 


')  Er  erscheint  als  Mitcontrahcnt   in   einem   die   Grossauor  Sl.    Servalius- 
kirchc  helrcITenden  Bauvertrage  (Stät.  Arch.  Nr.  627). 


2(JS  — 


Steiimrbeit  keine  Rede  gewesen  sei  und  sie  es  aucii  boi 
Eriieliunu  lit-r  Kiiiiie  in  Meschen  so  ^iehalten  hätten,  wo 
den)si-ll>c>n  Moister  für  die  Arbeit  ;in  den  Fenstern  cbenlidls 
100  Gulden  abgesondert  gegeben  worden  ')■  l*ie  Hrii;inniig 
der  letzteren  fällt  demnach  nicht  lange  vor  14.S{);  Sacra- 
mentshäusclien  niid  Sacri^teilhüre  mögen  erst  nachträglich 
im  XVI.  .lahrlinnderte  liinzngekomnien  sein,  da  das  Gesimse 
zu  diesem  Zwecke  gewaltsam  abgeschlagen  worden  ist. 
1561  wurde  in  den  Hand  des  ersten  eingemeisselt  und 
gleichzeitig  auch  ilas  daran  belindliehe  Wajipen  —  wahr- 
scheinlich der  Za|ioly;i'sche  Wolf  —  hinzugefügt.  1523 
Murdc  der  Chor  als  Begräbniss>tälte  für  verstorbene  Pfarrer 
benützt,  ein  Grabstein  mit  MDXXV  befindet  sich  noch  jetzt 
hinter  dem  Altare.  ein  zweiter  trägt  die  verstnninielte  In- 
schrift:  _Cou(litus  hoc  tamve plebanus  olim    ac    de- 

canus.   Suscipe  nil  Ivvm  corpvs   de   corpore    svnijitvin    Sps 
(spiritus)   astra    petat    fae    Christe  pie    redemjitor  A.   1). 
MCCCCC.'^  —  Die  erste  Renovation  ist  1658,  die   zweite 
1824  bezeugt -);  beide  änderten  nichts   an   dem   früheren 
Charakter  des  Gebäudes.  Sogar  von  den  heiligen  Geräthcn 
der  vor-reformatorischen  Zeit  hat   sich  noch    Manches  er- 
halten, so  zwei  Glocken,  von  denen  die  rmschrift  der  äl- 
teren (Mönehsminuskel) :   „0  rex   glorie   veni   cum   pace^, 
die  der  Jüngern  (Capitalmajuskel):   -da   pacem   dominvs  in 
diebvs  nostris  1548"  lautet.  Auf  die   zweite   Glocke   (der 
Grösse  nach)  hat  der  Meister  Johann  I3a umgartner  bei 
dem  Umgusse  von  1TS9  die  Inschrift  der  früheren:   „0  rex 
glorie  Jesu  Christe  veni  cum  paco"  herübcrgenommen;  die 
grösste  ist  1852  gegossen   wonlcu.    Besondere   Aufmerk- 
samkeit verdient  endlich  auch  ein  alter  Kelch,   nicht  wegen 
seiner  Form,  welche  die   gewöhnliche   des   XV.   Jahrhun- 
derts ist,  sondern  wegen  der  Umschrift  (schi'ine  Mönehs- 
minuskel):  „hoc  opvs  fecit  fieri    Fr.   Ilermans   de   crfordia 
ord  p.".   Wie  dieser   Kelch  des    Dominicaiierbruders    Her- 
mann von  Erfurt  an   die   Kirche  von   Meschen   gekommen. 
wird  kaum  zu  entscheiden  sein;  doch  deutet  derselbe,   wie 
manches  Andere,  auf  die  besonders  durch  den  Besuch   der 
Universitäten   vielfach    vermittelte    Verbindung    der    säch- 
sischen Kirchen  jener  Zeit  mit  Deutschland. 

Erscheint  die  Meschener  Kirche  schon  an  sich  mit 
ihren  Thürmen  und  Schiessscharten  l)urgartig  genug,  so 
steigert  sich  dieser  Charakter  noch  durch  die  Umgebung 
derselben  mit  einer  doppelten,  von  vier  Tliürmen  und  zwei 
kühn  aus  der  Mauer  herausgebauten  Flankirungsthürmchen 
besetzten  Bingmauer,  die  bis  auf  einen  Theil  der  nörd- 
lichen Anssi'Mwcrkc  noch  steht.  Die  Thürme  sind  vier- 
eckii^-  'hmI    mit    Umläufen   versehen,    der   eine    durcli    die 


')   „In  .Miischiin  similiter  eodem  modo    Ecciesiacii    cdilicnndain   coiidiiximus. 

Scd  parala  et  |ieifeet.i  Efclesia:  lunc  pro  oriiamlis  fenestiis  ilpdimiis  llo- 

renns  Cenluni  prffato  inaf^istro  Amlree"  ebend. 
2)  Inschrift  am  üuiscren  Chor:  „Anlitpiior  renovatioiiis  npra    IG.'iS.  circum- 

aclis  it.i  jam  niuUis  annoruin  currieulis  ex  intefro  una   cum    acdihus  cu- 

rialibus  renovatur  A.  R.  S.  II.  1824". 


Jahrzahl  1580  markirt.  An  den  Mauern  deutet  die  Jahrzahl 
1641  auf  eine  Benuvation. 

-Am  spätesten  begegnen  wir  der  .Anwendung  der  hier 
charakteristischen  Bögen  —  nach  meinen  liishcrigen  Ert\di- 
rungen  —  bei  der  evang.  Kirche  von  Ma  r  k  t  schelken 
(Bez.  Marktscheiken),  deren  zierliche  Choranlage  mit  Spitz- 
bogenwülbung  anTlüiren  und  Fenster  dieselbe  zeigt.  Ihre  Ent- 
stellung wird  diucli  eine  Inschrift  in  das  Jahr  1562  gesetzt '). 
die  .Vnlage  selbst  geht  sicher  in    ältere    Zeiten  hinauf. 

.Ms  eine  früher  schon  auftretende  .Ausartung  desselben 
Styies   bezeichnen    wir   die   Anordnung    jener    Bögen   am 
Schilfe  statt  am  Chor,    und    führen   als  Beispiel    davon   die 
evang.  Kirche   von  Radeln    (Bez.    Schässhurg)    hier   an. 
Sie  erhebt  sich  auf  einem  ziemlich  steilen  Hügel    von   einer 
doppelten   Ringmauer   mit    fünf  viereckigen  Thürmen    und 
vollständig  erhaltenem  gedecktem  Umlaufe  von  den  Schiess- 
scharten umgeben.   Die  ijänge  des  dreiseitig  geschlossenen 
Chors  verhält  sich  zu  der  des   ziemlich    stark   vcjrtretenden 
SchilTes  wie  3  zu  4;  die  Strei)epfeiler  des  letzteren  werden 
von  vier   Bogen   übersetzt,  über   denen    die   Umfassungs- 
mauer   von    Schiessscharten    durchbrochen    wird.  Von  den 
theils  spitz,  theils  (später)  rund  überwölbten  Fenstern    des 
Schilfes  ötfuen  drei  sich  nach    Süden,    eines    nach  Norden, 
zwei  viereckige  finden  sich  am    Ciior.   Letzterer  wird  von 
einem  sehr  einfachen  Gurtgewölbe,  das  davon  durch   einen 
Triumphbogen  von  flacher  Prolilirung  getrennte  Schiff  von 
einem  Tonnengewölbe  überdeckt.  An  dem  Westende  erhebt 
sich  ein  Tliurm  von  eigenlliüudicher  Construction;  um  einen 
inneren  älteren  Kern  ist  nändich  später  mit  Belassung  der 
älteren  Mauer  ein  neuer  niantelgleich  emporgeführt  worden. 
so  dass  die   Stärke  der    verbundenen    Mauern   gegenwärtig 
imten  10'  beträgt.   Der  ältei'e  Tliinin    bildete   früher   unten 
eine  von  vier  SpitzbogenölfnuMgeii  durchbrochene  Halle  vor 
dem    westlichen  jetzt   verniauerlen    l'oilalc.      Dieses    zeigt 
selbst    in    seiner   Zerstörung   eine    reiche   l'rolilirniig,   den 
sechsmal    wiederholten     spitzbogig     sich     abschliessenden 
bienenfiirmigen  Bundslab  in  der  Wandung    und    im    Giebel- 
fehle  von  reiner  technischer   Ausführung.    Die    nach    einer 
Inschrift    an    der   Sacristeithüre    1526    vollendete    Kirche 
wurde  um  IT'iit  nndlSÜt,  derTluirui  1S53  ausgebessert'-). 
.Aus  ihrem  Innern  bemerken  wir  den  noch  der  (lothik  ange- 
hörigen   Taufstein,    einen   Kelch  von    gewidiulicher   Form 


' )  Die  f,'rrisstu  dazu  •,'ehnri),'e  (ilocke  tili^'t  i»  ischen  Schildiiii  mit  Itillcrii. 
welelie  Kalken  aiifdei-  Faust  tragen,  und  »jniholischen  Draelienjjeslallen 
die  lliiehslalien  .M.  afn  in  .Moiichsniinuskel,  deren  Sinn  ich  nicht  /.u  enl- 
riitliseln  weiss,  die  kleinste  4ihen  nahe  dem  Helme  die  Inschrift:  „dei 
fxioi-ia",  unten :  „mit  ^ottes  hilf  mich  gegossen  hat  .lohaniies  .Moltko  in 
llerinansladt  fecit  anno  domini  1847".  Üieseihe  Kirche  hesilit  auch  ein 
sehr  altes  Cihorium.  dessen  sechs  Seiten  in  schöner  ncugolhischer  .Ma- 
juskelschrift  die  Bezeichnung  enthalten  :  .domvni  domini  iioslri  ic"  (in), 
wohl  noch  aus  demXIV.  .lahrhunderte. 

■' I  l>:iiiin  ist  die  Inschrift  an  der  iinssei'en  .Sacristeithüre  „llenedict  >Iclas 
MltCXXIX"  /u  verhesscrn,  da  I72U  nicht  IIJ'iD  ein  l'farrer  dieses  Namens 
in  Hadeln  war.  1819  ist  an  dei-  Nordseite  des  SchilTes.  I8.»:i  am  Thnrme 
/.n  lesen. 


269  — 


mit  der  Umschrift :  „Ave  maria  gracia  plena  dominos  (!) 
tii  vni  (!)"  (Müiichmiiiuskel),  die  in  einem  Kirehengrabe 
gefundene,  jetzt  in  eine  Nisciie  rechts  vom  Altar  einge- 
schhjssene  Streitaxt  und  schliesslich  den  Fliigelaltar.  Als 
MittelbikI  erscheint  darauf  eine  Holzschnittarbeit:  der  hur- 
tige Heiland  mit  einem  Schaf  zu  seinen  Füssen  und  einem 
Buch  in  der  Linken,  zu  seiner  liecliten  Johannes  mit  dem 
Kelche.  Um  dasselbe  gruppiren  sich  rechts  zwei  auf  Jo- 
hannes den  Täufer,  links  eben  so  viele  auf  Johannes  den 
Evangelisten  bezügliche  Gemiilde,  nämlich  die  Taufe  Jesu 
und  die  Enthauptung  des  Täufers  (Herodes  mit  einem 
Haarnetz  und  Bausehenärraeln  in  der  deutschen  Tracht  des 
XVI.  Jahrhunderts),  dann  die  Abfassung  des  Evangeliums 
wühlend  einer  Erscheinung  Maria  mit  dem  Kinde  und  das 
Martyrthum  Johannis  .im  siedenden  Öle.  Die  äusseren 
Seiten  der  Flügel  enthalten  acht  Daistellungen  aus  der  Lei- 
densgeschichte, den  Ülberg,  die  Gefangennehmung,  das 
Verhör  vor  Pilatus,  die  Geisseiung,  die  Dornenkrönung, 
das  „Kreuzige  ihn",  die  Veronica  und  die  Kreuzigung  in 
Gegenwart  Maria  und  Johannis,  darunter  die  Grablegung. 
Das  Schnitzvverk  zeigt,  wie  gewühnlich  in  Siebenbürgen, 
wo  die  bildende  Kunst  besonders  in  der  Holzsculptur  die 
von  den  deutschen  Ansiedlern  aus  der  Stammheimath  mit- 
gebrachten Traditionen  des  XI.  und  XH.  Jahrluindertes 
übermässig  lange  festgehalten  hat,  zu  kurze  Proportionen, 
während  die  Figuren  in  den  Gemälden  natürlichere  Ver- 
hältnisse beobachten  und  trotz  der  hier  etwas  grellen  Fär- 
bung nicht  ohne  Ausdruck  sind.  Alle  Bilder  haben  die  ge- 
wöhnliche Goklkröimng.  Aus  der  vielfachen  Beziehung  die- 
ser Bilder  auf  Johannes  könnte  auf  das  Patronat  dieses  Apo- 
stels über  die  Kirche  geschlossen  werden.  Die  Glocken  sind 
von  1817,  IböO,  1780  und  1790;  die  älteste  tragt  die  Um- 
schrift: 0  .  REX  .  GLORIE  .  VENI .  CVM  .  PACE  1  .  5  .  50. 

IV. 

Nicht  jeder  Ort  besass  die  materiellen  Mittel  oder  war 
überhaupt  in  der  Lage,  um  in  jener  Periode,  welcher  die 
meisten  im  Vorhergehenden  behandelten  Kirchen  ange- 
hören, nach  dem  damals  mit  solcher  Entschiedenheit  gel- 
tend gemachten  Principe  rein  und  hingeboiul  zu  bauen. 
Zwar  die  Notliwendigkeit  der  Rücksichtnahme  auf  die  Ver- 
theidigungsfähigkeit  der  Kirche  leuchtete  fast  allgemein 
ein,  aber  während  einige  durch  Thürme  und  Ringmauern 
genug  gethan  zu  haben  meinten,  versuchten  andere,  ohne 
die  mit  der  Aufluhrung  jener  Bögen  über  den  Strebepfeilern 
verbundene  Mühe  auf  sich  zu  nehmen,  auch  die  einfache 
Erhöhung  des  Chores  oder  die  Durchbrechung  seiner 
Mauern  mit  Schiessscharten  denselben  Zweck  zu  erreichen. 
Es  ist  kein  Zweifel,  dass  dieses  auf  dem  letzten  Wege 
weit  unvollkommener  möglich  war,  als  wenn  man  an  dem 
systematisch  ausgebildeten  Vertheidigungsstyle  festhielt. 
Aber  thatsächlich  hat  eine  nicht  geringe  .4nzahl  sächsischer 
Kirchen  sich  jener  Richtung  zugewandt,  und  weil  dieselbe 
II. 


noch  immer  eine  Ausstrahlung  desselben  Prineipes  ist, 
welches  den  Vertheidigungsstyl  erzeugt  hat,  so  dürlte 
schon  der  Vollständigkeit  wegen  auch  darauf  hier  ein  Blick 
geworfen  werden  müssen. 

Hieher  gehören  die  indessen  genauer  noch  nicht  unter- 
suchten evang.  Kirchen  von  Jakobsdorf  (Bez.  Agna- 
tliale)  mit  zwei  Thürnien  und  Pretai  (Bez.  Mediascli).  In 
der  letztgenannten  ist  der  erhöhte,  dreiseitig  geschlossene 
Chor  erst  bei  einer  si)äteren  Renovirung  zum  Theil  unter 
Beibehaltung  romanischer  Motive  entstanden.  Darauf  deutet 
das  niedrige  SeitenschilT  auf  der  Nordseile  mit  Spuren  alter 
Pfeiler  (mit  Halbsäulen),  während  das  im  Spitzbogen  über- 
wölbte Portal  (Weinbeig),  der  Flügelaltar  mit  den  vier 
Evangelisten  auf  Goldgrund,  die  grössle  Glocke  mit  ihrer 
Inschrift  in  Mönehminuskel  (o  rex  etc.)  ')  u.  a.  ni.  auf  das 
Ende  des  XV.  Jahrhunderts  als  Mutationszeit  deuten. 

Einer  ähnlichen  Verbindung  früherer  und  späterer 
gothischer  Elemente  begegnen  wir  in  der  Kirche  von 
Gross-Kopisch  (Bez.  Mediasch).  Die  niedrigen  von  dem 
Mittelschifle  durch  Spitzbogenarcaden  getrennten  Seiten- 
schifTe  deuten  auch  hier  auf  frühe  Zeiten  hinauf,  während 
der  höher  als  das  Mittelschiff  getriebene,  dreiseilig  ge- 
schlossene ,  mit  Masswerkfenstern  versehene  Chor  mit 
seinem  Steingewölbe,  dessen  Gurten  auf  Tragsteinen  ange- 
setzen,  die  Anwendung  des  Eselsrückens  an  der  Über- 
höhung der  Nische  im  Chor  und  der  Flügelaltar  der  spä- 
teren Gothik  angehören.  Der  letztere  zeigt  den  Heiland 
und  die  Marien  als  Mittelbild,  unten  den  Leidensgang  und 
rings  zwölf  der  h.  Geschichte  entnommene  bildliche  Dar- 
stellungen, nicht  schlecht  gemalt,  und  könnte  nach  einer 
an  seiner  Rückenwand  angebrachten  Inschrift  zu  den 
jüngsten  diessartigen  Arbeiten  in  Siebenbürgen  gehören. 
Diese  Inschrift  lautet:  „p.  C.  h.  f.  1SS8"  (post  Christum 
hoc  factum  1J)S8).  Eine  andere  an  der  Sacrisleithiire: 
„A  A  Lazaius  D.  D.  1519  preerat"*  bezeichnet  die  Zeit 
der  Vollendung  der  Restauration,  das  Lamm  mit  der  Fahne 
darüber  deutet  bereits  auf  die  Zeiten  nach  Einführung  der 
Reformation,  ebenso  die  Umschrift  der  mittleren  Glocke: 
„  VVerbum  .  Doinini  .  numet  .  in  .  etcrnum .  inviolatum  .  hoc 
opvs  .  factum  .  est  .  per  .  M  .  Sigis  .  tempore  v  .  ihero  . 
pie  .  1550".  Die  längliche  Form  der  beiden  anderen, 
welche  keine  Schrift  oder  bildliche  Darstellung  enthalten, 
lässt  dieselben  als  noch  älter  erkennen. 

Durch  die  blosse  Erhöhung  des  Chores  suchten  die 
drei  letzterwähnten  Kirchen  ihre  Vcrtheidigungsfähigkeit 
wenigstens  nach  einer  Seite  hin  zu  beworkstclligen;  ent- 
.schiedencr  verfuhren  dabei  die  Baumeister  von  drei  an- 
deren, welche  den  Chor  geradezu  als  uiassenliaften  Thurm 
ausbauten  (?)  und  dadurch  die  Bedeutsamkeit  der  ganzen 
Anlage  in  diesem  Punkte  auch  ausserlich  concentrirten.  Diese 
fast  abenteuerhch  aussehenden  Kirchen  haben    sich   meines 

')  nie  kleinere  (ilocke  uliiie  liischiift  mit  4  Drachen  wird  auch  duieli   ihre 
liinj^liclie  l'orni  als  iilter  bezeichnet. 

38 


270 


Wissens  nur  in  einer  einzigen  Gruppe  in  Bnlkesch,  Bones- 
dorf  iiiul  Baasspn  eriralteii  und  bezficiinen  die  iiusscrste 
Consequenz  des  sie  beleljonden  Principos.  Statt  der  oben- 
inässigen  Vertheilung  der  Massen  und  dci-  Belebung  der- 
selben durch  eine  reiche  Gliederung  wie  die  Gothik  sie 
fordert,  findet  sieh  hier  der  gesamnite  Eindruck  auf  ein 
einziges,  meist  unbelebtes  starres  Glied  berechnet,  in  dessen 
Schiessscharteu  die  letzten  Reste  der  weit  geöffneten  gothi- 
schen  Fenster  zusanuneusclirunipfen. 

Die  Kirche  von  Bulkeseh')  (Bez.  Blasendorl)  ist 
vielfach  modernisirt  und  wir  knüpfen  demnach  die  Charak- 
terisirung  dieser  Richtung  an  die  Beschreibung  der  beiden 
letztgenannten  Raudenkmale. 

Die  evang.  Kirche  von  Bonesdorf  (Bez.  Mediasch) 
stellt  sich  im  Grundriss  als  eine  im  höchsten  Grade  ein- 
fache und  regelmässige  Anlage  dar  (Fig.  15));  der  geradlinig 

geschlossene  Chor  (30'  (! "  lang, 
19'  6"  breit)  wird  von  sieben 
Strebepfeilern  (ä'  tief,  3"  breit) 
gestützt  und  durch  ein  sehr  ge- 
fallig angeordnetes  Gurtgewölbe 
(etwa  33'  hoch)  überdeckt,  des- 
sen halbrunde  Träger  an  den 
Wanden  bis  zum  Boden  herunter- 
laufen. Durch  einen  abgekante- 
ten Triumphbogen  davon  geschie- 
den, springt  das  Schiff  beider- 
seits um  4'  {)"  vor,  so  dass  dessen 
Gesammtbreite  28'  beträgt  und 
dehnt  sich  in  die  Länge  57'  aus. 
Die  4'  6"  starken  und  3'  tiefen 
Strebepfeiler  linden  nach  innen 
correspondirende  Glieder  in  eben 
so  massenhaf(en  Wandpfeilern 
fFi?.  m.)  (ob    ursprünglich?),    auf   deren 

Halbsäulen  die  Gurten  des  Gewölbes  ansetzen,  welche  42' 
hoch  in  starken  Schlusssteinen  zusammenlaufen. 

In  der  südwestlichen  Ecke  führt  eine  hölzerne  Wen- 
deltreppe unter  das  Dach,  l'ngleich  reicher  erscheint 
das  Äussere  der  Kirche  besonders  von  der  Südseite  aus 
(Fig.  20);  schon  die  verliältnissniässig  grosse  Anzahl  von 
Strebepfeilern,  die  in  drei  Absätzen  ansteigen  und  die  brei- 
ten und  hohen  s|)itzbogig  geschlossenen  Fenster  mit  dem 
gothischen  Masswerke  würden  hier  angenehm  auffallen, 
wenn  auch  nicht  am  Chore  die  eigenthüudich  gcdialtenen 
Bögen  hinziikiimcn.  Der  Chor  ist  nämlich  in  seinen  l'm- 
liissungsmanerii  4'  höher  als  das  Schiff  getriehen ,  doch 
iiören  die  Strebepfeiler  am  Ansatzpunkte  jener  Bögen  nicht 


auf,  sondern  setzen  sich  bis  zur  Gesinishöhe  des  Schiffes 
fori.  Die  Bögen  selbst  ruhen  in  der  Mitte  auf  Tragsteinen 
und    werden    hierdurch    in    zwei    Abtheilunscen   sfe<>liederl. 


^f  Wir  Iteiiierken  hier  bloss  die  alten  dortigen  (ilocken.  die  erste  mit  dei' 
Dinschrift:  „O  rex  glorie  veni  cum  pace** ,  der  ersten  Il-ilfte  des 
XVI.  .lalirhunderts  angehijrig:;  die  zweite  ohne  Schrift  mit  Sphinxen. 
Simson  als  l.öwentüdler,  einem  Ueiter,  f^eht  nach  der  Venvan(ltsch,ift 
der  darauf  angebrachten  rosenförmigen  Punkte  mit  denen  .nnf  iler 
lloncsdorrer  Glocke  ins  dritte  Viertel  des  XV.  Jahrhunderts  hinauf. 


(Fig.  20). 

deren  jede  durch  einen  kleinen  Tragstein  wieder  zwei 
Pechsteine  bildet.  Die  darauf  ruhende  Mauer  wird  dann 
wie  gewöhnlich  von  Schiessscharten  durchbrochen.  Schiff 
und  Chor  sind  selbständig  mit  Hohlziegeln  gedeckt  und  auf 
der  Spitze  des  thuimartig  ansteigenden  Chordaches  noch 
ein  Dachreiter  mit  achtseitigem  Dächlein  angebracht.  Kahl 
erseheint  dagegen  die  nördliche  Seite  der  Kirche  .  in  wel- 
cher, wie  im  Osten,  kein  Fenster  sich  öffnet  (ob  ursprüng- 
lich ?).  .Auch  sonst  finden  sie  sich  nur  spärlich,  eines  am 
Chor,  zwei  an  der  Südseite  und  eines  an  der  Westseite 
des  Schiffes.  Das  westliche  und  südliche  Portal  ist  gegen- 
wärtig vermauert,  über  dem  schön  profilirten  (vier  Hohl- 
kehliMi  mit  Halbsäulen  und  Pfeilerecken),  im  geschweiften 
Spitzbogen  überwölbten  nördlichen  das  Ortswappen  —  der 
Ochsenkopf  mit  Stern  und  Viertelmoiid  —  eingemeisselt. 
])iese  Kirche  kann  nicht  auf  einmal  entstanden  gedacht 
werden.  Schiessscharten  und  eine  Thüre  in  der  westlichen 
unter  dem  jetzigen  SchiIVsdache  befindlichen  Wand  des 
Chors,  die  grosse  Senkung  des  Chorgewölbes  im  Verhält- 
niss  zum  Schiff,  die  selbständigen  westlichen  Strebepfeiler 
desselben  und  noeli  manches  Andere  deuten  darauf  hin. 
dass  der  Tlnirm  und  der  jetzige  Chor  sclnni  früher  vorhanden 
gewesen  und  das  Schilf  s]iäter  daran  angebaut  worden  sei. 
Es  hat  sich  am  Triumphbogen  die  Collectivinschrift:  „1402 
gebaut,  1506  renovirt,  17(}6  rcnovirt,  1825  renovirt" 
erhalten.  Wir  glauben  nicht  zu  irren,  wenn  wir  die  erste.lahr- 
zalil  auf  die  Erbauung  des  TIummucs,  die  zweile  auf  die  Ein- 
riclitiiiig  desselliiMi  als  Chor,  die  .\nlage  der  Bögen  so  «ie 
die  Zulhat  des  Schiffes  beziehen  und  die  letzteren  als  we- 
niger bedenteiide  Ausbesserungen  betreffend  bezeichnen. 
Der  Zustand  der  Kirche,  namentlich  des  Daches  und 
der  Fenster  ist  gegenwärtig  sehr  baufällig.  Im  Innern  der- 
selben hat  sich  der  zierlich  ausgefübrle  untere  l'heil  des 
Sacramentsliäuschens    erhalten,    welcher  jetzt  durch  eine 


—   271    — 


rohe  Pyramide  mit  der  Kreuzblume  verbunden  ist  und  einen 
plumpen  Eindruck  macht  (13'  7"  hoch).  Die  halb  erhaben 
geschnitzten  Bilder  von  einem  älteren  Altare  werden  hinter 
dem  jetzigen  aufbewahrt.  Über  dem  Chore  hängt  ein  un- 
zugängliches Sturmglöckchen,  in  einem  Thurme  der  Ring- 
mauer sind  die  Glocken  untergebracht,  die  grösste  mit  der 
Inschrift:  ,,0  .  rex  .  glorie  .  veni  .  cum  .  pace  .  anno  .  do- 
mini  .  MCCCCLXXVllo"  (Mönchsrninuskel),  die  zweite  mit 
der  sonst  nur  bei  unitarischen  Kirchen  vorkommenden : 
„Soli  deo  gloria  cibinii  fudit  Lorenz  Schmidt  anno  1744" 
und  ein  kleines  Glockchen  mit:  „verbum  domini  manet  in 
eternum  1644". 

Fast  gleichzeitig  mit  der  umgestaltenden  Renovation 
der  Bonesdorfer  Kirche  fand  die  vielfach  verwandte  von 
Baassen  (Bez.  Mediasch)  ihre  Entstehung.  Doch  be- 
zeichnet sie  bereits  die  vollständige  .Ablenkung  vom  kirch- 
lichen Vertheidigungsstyle,  indem  sie  die  charakteristi- 
schen Bögen  am  Chore  gänzlich  aufgibt  und  diesen  nach 
aussen  rein  als  Thurm  mit  Schiessscharten  und  hölzernem 
Umlaufe  behandelt,  in  welchem  dem  Kirchenchor  nur  ein 
niedriger  und  bescheidener  Raum  vergönnt  wird  (Fig.  21). 


(Fig.  21.) 

In  den  Dimensionen  stimmt  diese  Kirche  beinahe  ganz  mit 
der  Bonesdorfer  überein  (Länge  des  Chores  30'  6",  des 
Schiffes  60',  Breite  des  Chores  19',  des  Schiffes  28';  auch 
das  Gurtennetz  im  Schiffe  ist  sehr  ähnlich,  während  der 
Chor  hier  bloss  von  zwei  Kreuzgewölben  einfachster  Form 
und  ohne  Gürtung  überdeckt  ist.  Die  Abweichung  liegt 
auch  weniger  in  den  modernisirten  weiten,  rund  überwölbten 
Fenstern  des  Schiffes,  als  vielmehr  darin,  dass  der  Clior 
hier  seine  ältere  Thurmgestalt  noch  reiner  erhalten  bat  als 
dort  und  sogar  des  Schmuckes  der  Fenster  entbehrt.  Da 
diese  Kirche,  wie  aus  einer  Inschrift  an  der  wimbergarlig 
geschlossenen,  durch  eine  rohe  Mannsgestalt  im  Giebelfelde 
ausgezeichneten  Sacramentsnische  im  Chore  hervorgeht, 
1S04  bereits  auch  ihre  gegenwärtige  Gestalt  erhalten 
hatte  '),    so  ist  damit  zugleich  der    Zeitpunet  angedeutet, 


')  Auch  diese  Kirche  war  Ijoclist  »alirsclioiiilich  dem  heil.  Niliolaiis  ge- 
widmet j^ewesen ,  darauf  deutet  die  Umschrift  der  grijssten  (iloclte: 
„houori  sancli  Nicolai  Benediclus  sit  etc.".  die  der  kleiuereu:  „O  rex 
glorie  veni"  in  .Mönchsmajuskei  ileutet  noch  an  die  Scheide  des  XIV.  u. 
XV.  Jahrhunderts.   Als  Kelch   wird  benützt  ein  nach    Art  der  venetiani- 


wü  in  den  siebenbürgisch-sächsischen  Dorfkirchen  der  bis 
dahin  fast  ein  halbes  Jahrhundert  lang  vorwiegende  Ver- 
theidigungsstyl,  der  nicht  ohne  künstlerische,  in  der  Bones- 
dorfer am  weitesten  ausgebildete  Motive  war,  obwohl  das 
Nützlichkeitsprincip  entschieden  überwog,  zu  verschwinden 
und  dahin  zurückzukehren  begann ,  woher  derselbe  seine 
Entstehung  genommen,  in  die  roh  äusserliche  Verbindung 
der  Thürme  mit  dem  dazwischen  oder  dazu  gebauten 
Schiffe  (vergl.  oben  über  die  Kirche  von  Homorod ,  Zied, 
Neithauscn  und  Schweischer).  Die  Ausartung  beginnt 
demnach  in  dem  Augenblicke  der  weitesten  Entfaltung  und 
fällt  das  Ende  principiell,  wenn  auch  nicht  formell,  mit  dem 
Anfange  zusammen. 

So  haben  wir  in  diesen  Zeilen  einen  Kirchenbaustyl 
kennen  gelernt,  der  wenigstens ,  \»  as  die  Behandlung  des 
Äussern  anbelangt.  Original  genannt  werden  kann,  ein  or- 
ganisches Product  der  speciellen  Zeitverhältnisse  und  der 
Natur  des  Volkes,  in  dessen  Mitte  seine  Repräsentanten 
noch  so  zahlreich  sich  finden.  Es  wäre  nicht  uninteressant 
zu  erfahren,  ob  in  irgend  einem  anderen  Grenzlande  mit 
deutscher  Bevölkerung  dieselbe  Erscheinung  sich  finde  unil 
aus  welcher  Zeit.  Die  in  Siebenbürgen  jenem  Style  ange- 
hörigen  Kirchen  sind  zwar  insgesammt  —  wie  bereits  be- 
merkt worden  —  von  keinem  architektonischen  Kunst- 
werthe,  weder  was  die  Anordnung  der  Massen  ,  noch  was 
die  Auffassung  der  Details  anbelangt,  obwohl  die  bewunde- 
rungswürdige Hingebung  und  .Ausdauer  anerkannt  werden 
muss,  womit  durch  die  Ausstattung  des  Innern  mit  vielerlei 
heiligen  Geräthen  für  die  oft  kahle  Armuth  des  Äussern 
entschädigt  werden  sollte;  aber  die  Geschichte  der  sieben- 
bürgischen  Baukunst  wird  nicht  theilnahnilos  an  einer  Thä- 
tigkeit  vorüber  gehen  dürfen,  welche,  wenn  von  nichts  sonst, 
doch  davon  Zeugniss  ablegt,  dass  die  bürgerlich  freien  Be- 
wohner selbst  kleinerer  sächsischer  Orte  den  sittlichen 
Muth  besassen,  die  Erbauung  eines,  in  der  Regel  verhält- 
nissniässig  grossen  Gotteshauses  ohne  fremde  Unterstützung 
in  Angriff  zu  nehmen  und  dass  unsere  Baumeister  ein  selbst- 
ständig erfasstesZiel  mit  klarem  Bewusstsein  verfolgten  und 
—  möchten  wir  hinzusetzen  —  in  der  Technik  der  Detail- 
behandlung den  Mustern  der  Gothik  wenigstens  nicht  ohne 
Erfolg  nacheiferten.  Die  deutsche  Culturgeschichte  aber 
mag  den  auch  durch  die  vorliegende  Untersuchung  von 
einer  neuen  Seite  her  geführten  Beweis  aufzeichnen,  dass 
die  Sachsen  in  Siebenbürgen,  auch  wo  sie  unter  der  zwin- 
genden Gewalt  der  Umstände  dem.Aussern  eine  abweichende 
Erscheinung  geben  mussten,  im  Innern  dem  schönen  Style 
des  deutschen  Mutterlandes  treu  geblieben  sind.  DerTliurin 
von  St.  Stephan  in  Wien  und  unsere  Sacramcntsbäiischen 
sind  Ausströmungen  desselben  innerlichst  verwandten  natio- 
nalen Bewusstseins. 


scheu  des  XVI.  Jahrhunderts  (vergl.  ..Kunit  und  l.elieu  der  Vor/.eit"  von 
Dr.  Eye  und  J.Falke,  Uft.  5.  l'af.  ö)  geformtes  Spil/.glas  mit  der 
Inschrift:  „C.  H.  R.  v.  R.  F.  16S8. 


38' 


272   — 


Die  KroDinsignien  Böhmens. 


Von  Franz  Bock,  Conservator  des  erzbiscliölliclu-ii   Museums  iii  Ciiln. 

(Schluss.) 

tij  Scepter  wird  auf  seiner  iiöehsten  Spitze  überragt  durch  einen 

rechteckigen  Rubis  balais  von  regelmässiger  Bildung    und 

Das  Scepter  und  der  Keiclisaufelt  i     i  i  ti<  ■->        -n    ■       .       t    ■  ■ 

•^  sehr  iilarem  Wasser.   Ls  will  den  Anschein  gewinnen,  dass 

Den  alteren  Matriiceln  zu  Folge,  wie  sie  uns  bei  höh-  säninitliehe,  Edelsteine  und  orientalische  Perlen,  wie  sie  sich 

mischen  Schriftstellern  des   XVI.   Jahrhunderts  angegeben  in  ziemlicher  .Anzahl  an  dem  Scepter  vorlinden,  von    der 

werden  (vgl.   thesaurus  eeclesiae  pragensis  descriptae  anno  iilteien    karolinischen    „  virga  "    lierii hergenommen  worden 

doniini    MCCCLW  III,    siehe    phos|du)rus     septicornis    von  sind.    iNamentlich  kann  dies  mit  Enlscliiedenheit  Iiehaiiptet 

.lohann   Pesina,    H)73.  Seite  47(5) ,   ist  bei  detaillirter  Be-  werden  von  den  vier   blassen   Rubinen   und  den   vier  Sina- 

schreibung   der   Krone    Karl's    IV.    auch   angeführt    ..item  ragden,  die  sich  im  rohen  und  ungeschliffenen  Zustande  auf 

|)omum  aureum   cum   cruce,    orbis    terarum".    Aus    dieser  der  obern  Rekrönnng   des  Seepters  heute  noch  vorlinden. 

.Angabe     eines    Zeitgenossen     Karl's    IV.    lässt    sich    mit  Was  nun  das  alte  Scepter  Karl's  IV.  betrifft,  so  scheint  das- 

Sicherheit   der   Schluss  ziehen,    dass    Karl   zu  der  Krone  selbe  analog  mit  der  Krone  höchst  einfach  gewesen  zu  sein, 

Btihniens  auch  das  Reichsscepter  und  den  Reichsapfel  habe  und  dürfte  nacli  Massstab  jener  „ferula",  die  man  auf  den 

anfertigen  lassen.    Vielleicht  mochte  darauf  hei  den  hussi-  grösseren  Wachssiegeln  Karl's  IV.  erblickt,  wo  er  noch  nicht 

tischen   Streitigkeiten    Scepter   und    Reichsapfel    in    einer  römischer  König  war,  bestanden  haben  aus  einer  einfachen 

Weise    Schaden    genommen    haben,   dass  Rudolph   II.    in  Rutlie   als  Rundstab,  abgetheilt    durch    einige   ringförmige 

seiner   bekannten  Vorliebe  für  derlei  Pretiosen  es  für  gut  Knaufe,  auf  deren  Sjiitze  sich  die  gewöhrdiclie„francica",  die 

befand  im    Gesclimacke  der  damaligen  Zeit    diese   beiden  sogenannte  „fleur  de  lis"  befand,  wie  sie  in  analoger  Form  an 

Pie^^en    neu    anfertigen  zu  lassen.     Man  erwarte    von  uns  den  vier  Seiten  der  böhmischen  Krone  sicli  erliebt. 
nicht,dass  wir  hierorts  eine  ausführliche  detaillirteBeschrei-  Was   wir  eben   vom    Scepter  angeführt  haben,  kann 

bung   beider  Stücke  geben,    ziunal  diese  Blätter  Vorzugs-  mit   demselben  Rechte  auch  von  d(Mii  Reichsapfel  jielnuiptet 

weise  der  Besclircihnng  und  Würdigung  jener  Kunstwerke  werden;  auch  dieser  beansprucht  mit  dem  böhmischen  Sccp- 

gewidmet  sind,  die  der  bessern  Periode  der  mittelalterlichen  ter  dieselbe  Zeit  der  Entstehung  und  ist  ebenfolls  zur  Zeit 

Kunst  ihr  Entstehen  zu  verdanken  haben.    Hinsichtlich  der  Rudolfs  II.  durch  einen,  wenn  wir  nicht  irren,  italienischen 

artistischen    Conception    und    der  technischen   Ausführung  Künstler  im  Style  der  bereits  ausgearteten  Renaissance  mit 

bemerken  wir  noch,  dass  sich  in  dem  Schatze  der  kaiser-  einem   Aufwände    von   einer  grossen  Zahl  von  Perlen  und 

liehen  Burg  zu  Wien,  dessgleichen  im  grünen  Gewölbe  zu  Steinen  höchst  kunsigerecht  und  zierlich  angefertigt  wor- 

Dresden  eine  grosse  Menge  ähnliidier  Kostbarkeiten  befindet,  den.  Derselbe  ist  ebenfalls  aus  gediegenem  (J(dde  und  niisst 

deren  Kunstwerth  mehr  in  der  netten,  zierlichen,  hin  und  in  seinem  grössteii  Durchmesser  16'/;  Centimetres,  bei  einer 

wieder  auch  spielenden  technischen  Ausführung  als  in  einer  grössten  Höhe  von   23  Centimeters.  Der  Apfel  (pomellum) 

hohen  künstlerischen  Auffassung  des  Gegenstandes  besteht,  selbst  wird   durch  einen  glatten  Metallstreifen,   der  durch 

Das  im  böhmischen  Kronschatze  befindliche  rudolphi-  ungeschliffene  Edelsteine  ornamentirt  ist.    in  zwei  Hälften 

nische  Scepter  mis.st  in  seiner  grössten  Ijängenansdohniing  gelheilt.  Auf  der  unteren  Hälfte  sind  in    äusserst  künstlich 

67  Centimetres,  ist  vom  feinsten  Golde  angefertigt  und  hat  gctriebcnenBasreliefs  zurDarstellung  gehiaclit  verschiedene 

inclusive  seines  reichen  Stein- und  Perlschmuckes  ein  bedeu-  Scenen  aus  dem  Paradies;    auf  der  oberen  Hälfte  sind  mit 

tendes  Gewicht.  Das  Scepter  besteht  aus  zwei  Hau])tcoinpar-  derselben    manuellen  Fertigkeit  mehrere  Darstellungen  aus 

timenten,  der  Röhre  (listula,  Stylus)  und  einem  decorativen  dem   alten   und    neuen   Testamente    in   derselben   Technik 

Aufsatze,  der  als  Schluss  dem  Ganzen  zur  Zierde  und  Be-  bildlich  gegeben.  Um  den  Polarpunkt  des  pomellums  herum 

kröniing  gereicht.  An  dem  Stabe  selbst  entwickeln  sich  eine  ist   ein    kleinerer   Ring  herumgeführt  im  Durchmesser  von 

Menge  von  zierlichen  Ornamenten  im  Gesclimacke  der  flo-  6  Centimetres,    der   in   seiner  l'mrandimg    im    schwarzen 

rentinischen  Schule,  theilweise  im  vielfarbigen  Email  (opera  Emaille  als  Lcgendarium  folgenden  Spruch  des  Psabnes  ent- 

smalti).  theilweise  in  getriebenen  Laubornamenfationen,  die  hält  in  lateinischen Majuskelschriften:  .. Dcmiine  in  virtute  tua 

auf  einem    fein  charirten  Tiefgrunde   künstlicli  aiifgelüthet  laetabitur  rex  et  super  saliitare  luuni  exultavit". 
und   ciselirt  worden  sind.   Ein  reicher  Blätterschmuck  von  Von  diesem  Siu-uchbande  umgeben  erhebt  sich  ein  klci- 

frei  getriebenen  ciselirten  Lauhornarnenten  entfaltet  sich  an  nesPiedostal  im  Sechseck  angelegt,  dessen  Basis  auf  6  klein- 

dem  oberen   Kopftheile  des   Sce]iters  .   die  in    slylistischer  ciselirten  Sphinxen  ruht,  weiche  einem  lateinisdicn  Kreuze  als 

Beziehung  dem  griechischen  .-Vkanlliusblatlälinlicli  sind.  Das  Sockel  dient.  Dieses  Kreuz,  das  in  seinen  DetaillVirmeii  schon 


—  273  — 


clieOiriiinientiitionsweise  der  ausgearteten  Renaissance  erken- 
nen lässt,  ist  auf  seiner  vordereo  Seite,  latus  frontalis,  mit 
künstlich  fa^ettirten  Edelsteinen  geschmückt,  dessgleichen  in 
den  vier  Winkein  des  Kreuzes,  so  wie  auf  den  drei  Kreuz- 
balken mit  grossen,  ziemlich  regelmässig  geformten  orien- 
talischen Perlen.  Die  hintere  flache  Seite  des  Kreuzes  ist 
mit  erhaben  aufliegenden,  scuiptirten  Laubornamenten  ver- 
ziert, die  mit  Emaille  stellenweise  in  Farbe  belebt  sind.  Im 
Medaillon  des  Durchkreuzungspunktes  der  Balken  liest  man 
den  sinnigen  Spruch:  „Dens  coelum  regiiat  et  reges  terrae". 
Auch  der  ältere  Reichsapfel,  der  noch  aus  den  Zeiten 
Karl's  IV.  herrühren  mochte,  ist  wahrscheinlich  analog  mit  der 
Krone  sehr  einfach  und  glatt  gehalten  gewesen  und  mün- 
dete zweifelsohne  auf  der  Spitze  der  drei  Querbalken  in 
kleinem  Lilien  aus,  gleichförmig  mit  d<Mi  Lilien  der  Krone 
und  den  Ausmündungen  kleinerer  Reliquien  und  Pectoval- 
kreuze,  wie  man  sie  noch  heute  in  den  Schatzkammern  der 
Kathedralen  des  XIV.  Jahrhunderts  biiufig  antrifft.  Die 
Fassung  (lectulum)  an  sämmtlichen  Saphiren  und  Rubine 
in  mittelalterlicher  Form  gehallen,  sind  deutliche  Belege 
dafür,  das  der  Steiiisclimuck  des  älteren  pomum  cruci- 
ferum  zur  Decoration  des  gegenwärtigen,  modernen  Reichs- 
apfels eine  Übertragung  und  Verwendung  gefunden  habe, 
dessgleichen  auch  die  vollständig  mittelalterlich  gefassten 
ungesehliflenen  Steine  auf  dem  glatten  Reifen,  womit  die 
Peripherie  des  pomum  umzogen  ist. 


IV. 

Kröuungsmanfel  iiud  Slole. 

Der  ehemalige  Krönungsmantel,  der  vielleicht  noch 
von  den  älteren  böhmischen  Königen  aus  dem  Ge- 
schlechte der  Pfemysliden  herrühren  mochte,  scheint  in 
den  Augen  des  XVI.  Jahrhunderts,  als  unter  der  glanzvollen 
Regierung  Rudolfs  II.  die  italienische  Renaissance,  wie 
früher  schon  bemerkt,  auf  allen  Gebieten  der  Kunst  ihre 
Triumphe  feierte,  keine  Gnade  gefunden  zu  haben.  So  wird 
denn  woi  in  jenen  Tagen,  wo  auch  die  ältere  „virgula"  und 
der  „orbis  terrarum"  die  moderne  Form  annehmen  musste. 
der  ehemalige  Krönungsmantel  leider  allzusehr  antik  befun- 
den und  durch  einen  stattlichen  nnd  neu  glänzenden  ersetzt 
worden  sein.  Nicht  nur  allein  sju-icht  dieser  Annahme  das 
W^ort  der  Schnitt  des  heutigen  „palludamentum  regale",  son- 
dern auch  das  kleine  Dessin ,  das  in  dem  reichen  drap  d'  or 
des  Gewandes  sich  geltend  macht.  Der  Schnitt  der  älteren 
Krönungsmäntel  war,  wie  wir  das  bei  dem  der  deutschen 
Kaiser  gesehen  haben,  vollständig  übereinstimmend  mit  der 
mittelalterlichen  Form  der  bischötlichen  pUiviale.  Dieselbe 
bildete  regelmässig  einen  Halbkreis:  nur  war  in  der  Mitte 
ein  kleiner  Ausschnitt  für  den  Hals ,  damit  das  Gewand 
bequemer  getragen  werden  konnte.  Das  iieutige  Krönungs- 
gewand ist  mehr  mantelartig  und  modern  getialton,  was  die 
Form  betrilTt,  und  sind  auch  um  den  Halsausschnitt  einzelne 


kleinere  Falten  gelegt.  Und  da  in  iler  späteren  Rennaissance 
der  königliche  Mantel  kein  liturgisches  Gewand  mehr  war. 
nach  dem  Vorbilde  der  bisehöflichen  pluviale,  sondern  bereits 
als  ein  Hofgewand  modificirt  wurde ,  so  durfte  die  grosse 
Schleppe  nicht  fehlen,   und  finden  wir  dessvvegen  auch  den 
heutigen  böhmischen  Krönuugsmantel  in  der  Form  so  gehal- 
ten, dass  der  Goldstoff  auch  unten  hin  sich  zu  einer  weiten 
Schleppe  verengert,  die  von  Pagen  getragen  werden  musste. 
An  der  Stelle  der  früheren  cappa  oder  des  caimtiums,  wie 
es  sich  heute  noch  an  mittelalterlichen  Pluvialen  befindet,  ist 
hier  ein  weiter  Kragen  von  Hermelin  um  den  Halsausschnitt 
gelegt,  und  läuft  auch  diese  Verbrämung  mit  Hermelin  an 
dem  vorderen   Ausschnitte  des  Mantels  nach  lieiden  Seiten 
herunter.    Dass   Dessin    selbst,   das   als    ein   sehr   kleines 
Muster    den    Goldstoff   durchzieht,    erinnert    deutlich    an 
reichere  Goldgewebe,  wie  sie  in  ähnlichen  Mustern  in  der 
letzten  Hälfte  des  XVI.  Jahrhunderts  in  florentinischen  und 
mailändischen  Fabriken  angefertigt  zu  werden  pflegten.  Die 
Bindungen,  wodurch  das  Muster  in  dem  drapd'or  zum  Aus- 
drucke kommt,  sind  in  karmoisinrother  Farbe  ausgeführt.  Der 
Futterstoff  besteht  aus  einem  glatten  karmoisim-othen,  ziem- 
lich schweren  Seidentaffet.   Zu  diesem  Krönungsmantel,  der 
ofTenbar  mit  dem  Scepter  und  dem  Reichsapfel   eine  Zeit 
der  Entsfebuu!;-,  gegen  Schluss  des  XVI.  Jahrhunderts  bean- 
sprucht, finden  sich  auch  noch  als  integrirende  Theile  vor. 
eine   ziendich    breite   und   kurze  Stole,    die  aus  demselben 
Stoffe   gearbeitet  und    nach  beiden  Seiten  hin  durch  eine 
schmale  mit  Goldfäden  durchzogene  Franze  garnirt  ist.  Auch 
diese  Stole  nebst  dem  dabei   befindlichen   „cinguUim"  aus 
demselben   Stoffe  haben  in  ihrem  Äussern  so  wie  in  ihrer 
ornamentalen  Ausstattung  wenig  mehr  gerettet  von  der  ent- 
sprechenden   kirchlichen  Form,    die  den  analogen   älteren 
Krönungsgewändern  eigenthümlich  ist.    Obschon  der  heute 
noch    vorfindliche    Gürtel   mit    silbervergoldeter    Schnalle 
auch  noch   das  V^orhandensein    einer  Albe  voraussetzt,    so 
scheint  doch  bei  den  böhmischen  Königskrönungen  in  den 
zwei  letzten  Jahrhunderten  keine  Albe  mehr  nebst  Sandalen 
und  Chirotheken  in  Gebrauch  gc«  esen  zu  sein. 


Die  Krönungssfliwerter. 

Das  heutige  böhmische  Krönungsschwert,  das  als  Reli- 
quie nicht  bei  den  Kroninsignicn.  sondern  bei  den  übrigen 
Reliquien  im  Schatz  des  Doms  von  St.  Veit  aufbewahrt  wird, 
bietet  in  seiner  beutigen  Form  wenige  .\nhaltspuukte  für  sein 
hohes  Alter.  DieParirstange  mitHaudhabe.  ein  Kreuz  bildend, 
von  älteren  Schriftstellern  „maMubrium-  gemumt,  ist  oben 
von  einem  ruudgeschlill'eueu  Krystallkuopf  überragt,  der  in 
seiner  Form  vollständig  identisch  ist  mit  dem  silbervergol- 
deten Knopfe  des  Schwertes  des  heiligen  Mauritius  bei  den 
deutschen  Reichskleinodien,  an  welchem  die  Wappen  Karfs 
IV.  der  deutsche  Adler  und  der  böhmische  Löwe  es  deutlich 


274 


besagen,  dass  Karl  IV.  diesen  Knauf  hinzugefügl  luihcals  er 
nadi  Übereinkunft  mit  Ludwig  vonHraiuleiihurg,  dem  Sohne 
Ludwig's  des  Baiern.in  Besitz  der  Ueiehskleinodieii  gelangte. 
iJer  GrilV  des  sogenannten  Schwertes  vom  heiligen  Wenzes- 
lausist  heute  mit  einem  moderneu  rothen  Sammet  undSilher- 
stickereien  und  Palleten  des  verflossenen  .lahrhundcrts  um- 
näht, l  nter  diesem  modernen  Überzuge  erliiiekt  man  einen 
sehr  alten  Seidenstoff  mit  Dessins,  der  früher  |nir|nirfarbig 
gewesen  zu  sein  scheint.  Die  Parirstange  selbst  bietet  für 
eine  chronologische  Bestimmung  nicht  die  geringsten  Anhalts- 
IHiiikte,  da  sie  sehr  einfach  von  Eisen  angefertigt  ist  ohne 
alle  Ornamente.  Das  Sehwert  selbst  als  WalVe  mit  einer 
Blutrinne,  an  welchem  man  urihegi'eitlieher  Weise  die  Host- 
llecken  durch  einen  Ausschnitt  in  Form  eines  Kreuzes  ent- 
fernthat, ist  auch  am  allerwenigsten  geeignet,  dem  Beschauer 
die  Überzeugung  beizubringen,  dass  diese  AN'affe,  wie  sie  sich 
heute  präsentirt,  aus  dem  X.  Jahrhunderte  herrühre.  Auch 
geben  uns  Seliatzverzeiehnisse  aus  der  Zeit  Karls  IV.,  und 
zwar  das  eine  vom  Jahre  1354  und  das  andere  vom  Jahre 
13()S,  ausführlich  unter  der  Rubrik  „liiventarium  armorum 
ecclesiaesancti  Viti"  an:  „primo  cassisferreabeatiWenceslai"', 
dann  folgt:  „item  gladius  ipsius  cum  vagina,  quae  in  parte 
inferior!  est  fraeta,  auro,  gemmis  et  perlis  ornata".  Diese  Be- 
schreibung, die  wir  in  mehreren  älteren  Inventarien  fanden, 
kann  unmöglieli  auf  das  heutige  Sehwert  ihre  Anwendung 
finden;  denn  von  dieser  kostbaren  Ausstattung  in  Gold, 
Kdelstein  und  Perlen  ist  keine  S]tur  mehr  zu  sehen.  Nur  das 
alte  gemusterte  Seidenzeug,  das  unter  dem  bestickten  Grill' 
des  sogenannten  Schwertes  des  heiligen  Wenzel  sich,  wie 
oben  bemerkt,  noch  befindet,  ist  geeignet  einen  etwaigen 
Begriff  von  seinem  Alter  zu  geben,  so  wie  auch  der  Knauf  in 
Bergkrystall,der  an  die  Ausstattung  mitBergkrystall  erinnert. 
wie  sie  an  Gefässen  aus  der  früh  romanischen  Zeit  häuGg  ange- 
wandt werden.  Die  Scheide  selbst,  mit  rothemSammt  über- 
zogen, ist  auf  beiden  Seiten  mit  silbernen  Oruanienteu  aus 
der  Spätzeit  des  XV.  Jahrhunderts  eingefasst.  An  dies  soge- 
nannte Schwert  des  Herzogs  und  Protomartj'rs  von  Böhmen, 
des  heiligen  Wenzeslaus,  reiht  sich  im  Sehatze  des  St.  V^eit- 
Domcs  ein  anderes  an,  das  unverkennbar  die  Spuren  des 
liüchstcn  Alterthums  zu  erkennen  gibt.  In  den  älteren,  höchst 
merkwürdigen  Schatzinventaren  des  XIV.  Jahrhunderts, 
deren  ausgedehnte  Benützung  uns  vom  liochwiirdigsten 
Metropolitan-Domeapitel  zuvorkoniTuend  gestattet  wurde,  liest 
man  deutlich  unter  der  Bubrik  de  iiiventione  armorum: 
„item  Gladius  sancti  Stepbaiii.  regis  llungariae  ciuu  nr.mubrio 
eburneo."  Dieser  elfenbeinei'nellandgriff(manubrium)  findet 
sich  heute  noch  an  dem  merkwürdigen  Schwerte  vor  und  ist 
das  Elfenbein  durch  die  aerugo  nobilis  und  durch  die  Länge 
der  Zeit  der  .\rt  abgenüzt,  dass  nicht  nur  hiedureh,  sondern 
auch  durch  die  ornamentale  Seulptur  in  den  bekannten  Band- 
verschlingungen  und  mit  di'ii  phantastischen  Thlergestalten. 
di(?  deutlich  an  die  arabeskenarligen  historisch  (igin-irten 
Capitäle    des   XI.  Jahrhunderts    ei Innern,    das    hohe   Alter 


sieh  kenntlich  niaelit.  Der  GrilV  selbst,  sehr  einfach  von 
Eichenholz,  scheint  in  s|iäterer  Zeit  abwechselnd  mit  einem 
Eisen-  und  Messingdrath  umsponnen  worden  zu  sein.  Der 
Knauf,  der  den  geringelten  Griff  bekrönt,  ist  ebenfalls  wie  die 
breite  Parirstange  von  Elfenbein  und  zeigt  romanische  Laub- 
oriiamentatioiieii.  wie  sie  in  der  Frühzeit  dcsXI.  Jalirhunderts 
gang  und  gebe  waren.  .\uf  der  Klinge  selbst,  die  in  Fiu-ni 
eines  Dolches  gehalten,  noch  die  Biegsamkeit  der  älteren 
Damascener- Klingen  bewahrt  hat,  zeigten  sich  zu  unserer  nicht 
geringen  Verwunderung  noch  deutliehe  S[uu'en  von  Inschrif- 
ten in  römischen  Capitalbuchstaben;  leider  hat  die  durch 
den  Rost  der  Jahrhunderte  sehr  angefressene  Klinge  durch 
die  Unachtsamkeit  und  l'nkeiintiiiss  derjenigen,  denen  die 
blanke  Glätte  und  Schärfe  des  Schwertes  mehr  werth  war 
als  eine  damascirte  Inschrift,  im  vorigen  Jahrhunderte  ihre 
authentische  Beglaubigung  verloren.  Mit  grosser  Mühe  und 
nur  sehr  undeutlich  glauben  wir  auf  der  einen  Seile  der 
primitiven  Klinge  folgende  Buchstaben  zu  lesen,  die  in  ihrer 
Verstümmelung  heute  schwerlich  noch  einen  Sinn  zulassen 
dürften  :  „N  I B  E  R  H  I"  ;  auf  der  andern  Seile  scheint  in  der 
Damascirung  früher  eine  Jabreszilfer  ausgedrückt  gewesen 
zu  sein.  Dunkel  ersieht  man  heute  in  Folge  der  leidlichen 
Schleifung  und  Polirung  nur  noch  die  Zahlen  III.  XII.  Die  Ma- 
trikeln, die  uns  im  Original  vorliegen,  deuten  nicht  an,  ob  eine 
Scheide  früher  sich  vorfand  und  von  welcher  formellen 
Beschaffenheit  dieselbe  gewesen  sei.  Die  heutige  kunst- 
lose und  platte  Scheide  ist  aus  jener  kalten  Zeit ,  die  für 
einen  Gegenstand  von  so  grossem  kunsthistürischen  Werlhe 
kein  Opfer  mehr  bringen  wollte.  Dieselbe  ist  sehr  platt  und 
kunstlos  gemacht,  aus  der  Zeit  des  Nihilismus  und  zeigt  eine 
Inschrift  auf  versilbertem  Kupfer:  St.  Stephani  Beg.  Ungar, 
renov.  ann.  1T9I.  Der  Schluss  dieser  Inschrift  deutet  an, 
dass  also  gegen  Ende  des  XVIII.  Jahrhunderts  eine,  wie  es 
die  Form  zeigt,  unglückliche  kunstlose  Umgestalttnig  der 
Scheide  des  Schwertes  vom  heil.  Stephan  vorgenommen 
wurde,  wobei  wahrscheinlich  die  alle  primitive  Scheide,  die 
forniell  zu  dem  beschriebenen  Schwerte  passte,  aus  Un- 
kennluiss  beseitigt  wurde.  Wir  befinden  uns  vollständig  auf 
dem  Felde  der  Hypothese,  wenn  wir,  da  die  gleichzeitigen 
Quellen  schweigen,  Vermuthungen  aulstellen  sollten,  wann 
und  wie  das  in  Rede  stehende  Sehwert  des  heil.  Ste|)han  in 
den  Donischatz  von  St.  Veit  gekonmien  ist.  \^'ahrscheinlicli 
ist  CS,  dass,  da  Karl  IV.  im  guten  Einvernehmen  mit  dem 
damaligen  Könige  von  Ungarn  lebte,  er  als  begeisterter 
Reli([iiien-Sanunler  dieses  merkwürdige  Schwert  von  dem 
befreundeten  Könige  erhielt.  Ob  dieses  Schwert  bei  den 
Krönungen  der  ungarischen  Königein  Gebrauch  war,  wagen 
wir  aus  mehr  als  einem  Grunde  nicht  zu  behaupten ,  jedoch 
stände  dieser  .\nnahme  am  allerwenigsten  jenes  Schwert  im 
Wege,  das  als  Krönungswaffe  sich  heute  noch  im  Kron- 
archive zu  Ofen  vorfindet,  indem  dasselbe  nach  seiner  Form 
(vergleiche  unsei'e  vorhergegangene  Beschreibung)  im 
XV.  Jahrhundert  entstanden  sein  dürfte. 


K   .'.llJM 


r.ii-  IX 


.\(M  ill  irhrs     i'dil.il. 


—  275   — 


Der  vorstehenden  flüclitigen  Besehreibung  der  Kron- 
insignien  des  alten  Bühinens  hissen  wir  schliesslich  noch  eine 
Notiz  folgen  über  eine  Ideine  Büchse  von  Krystall,  die  sich 
heute  noch  unter  den  Beliquiengefiissen  des  reich  gefüllten 
Schatzes  von  St.  Veit  vorfindet^).  Wir  glauben,  da  die  Form 
mit  der  silbervergoldcten  Fassung  vollständig  für  die  Ent- 
stehung zur  Zeitk'arl's  IV.  Zeugniss  ablegt,  mit  Grund  anneh- 
men zu  dürfen,  dass  in  diesem  im  Sechseck  geschliffenen 
Gefiisse,  bestehend  aus  einem  ausgebohrten  sehr  reinen 
Bergkrystall,  jenes  Gefäss  zu  suchen  ist,  worin  bei  den 
älteren  Krönungen  das  Salböl  aufbewahrt  wurde  und  worauf 
eine  Stelle  des  uns  vorliegenden  Inventars  der  Kirchen- 
schätze von  St.  Veit  von  13G8  Bezug  hat,  worin  es  wörtlich 
heisst:  „Item  vasculum  crystallinum  admodum  pixis,  in  quo 
portatur  chrisma  ad  ungendos  reges,  per  praefatum  domi- 
num imperatorem  (sc.  Carolum)  donatum". 


Daselbst  ist  auch  unter  der  Überschrift  „rubrica  insig- 
norum  et  prinio  regalium"  deutlich  zu  ersehen,  nachdem 
die  vorherbeschriebenen  Kleinodien  namentlich  angeführt  und 
ihremMetallwerthenach  näher  fixirt  worden  sind:  „et  annulus 
aureus  cum  balasso";  dieser  goldene  Ring  mit  einem  rubis 
balais  findet  sich  heute  unter  den  Kroninsignien  Böhmens 
nicht  mehr  vor,  und  es  scheint  der  nunmehr  auf  der  Spitze 
des  Scepters  befindliche  ausgezeichnete  prachtvolle  Rubin, 
den  auch  die  eben  citirte  Stelle  namentlicli  hervorhebt,  che-, 
mals  dem  Krönungsring  zur  grössten  Zierde  gereicht  zu  habei»; 
derselbe  ist  vom  hellsten  Wasser  ohne  den  geringsten  Fehler 
und  stellt  derselbe  auf  der  einen  Seite  sich  alsCapucbon  dar,  auf 
der  andern  Seite  ist  er  einfach  mit  sechs  Facetten  versehen. 

Nach  Urtheil  eines  gewiegten  Sachkenners  soll  dieser 
„ballassus",  der  als  einzig  in  seiner  Art  betrachtet  werden 
dürfte,  einen  Werth  von  mindestens  30.000  Gulden  besitzen. 


Der  Elisabeth-Dom  zn  Easchan  in  Ungarn. 


Die  Eintheilung  der  Nebenschiffe  des  Kaschauer  Domes 
hat  ebenfalls  verschiedene  Ansichten  hervorgerufen.  Nach  der 
einen  Ansicht  besitzt  derselbe  nur  zwei,  während  Henszl- 
niann  vier  Seitenschiffe  annimmt,  und  zwar  letzterer  aus 
dem  Grunde,  weil  zwei  Quadrate  der  Nebenschiffe  Doppel- 
gewölbe besitzen  und  die  fünffache  Eintheilung  des  Domes 
an  der  Hauptfajade  erkennbar  sei. 

Nach  der  ersteren  Ansicht  würden  die  Nebenschiffe 
gleiche  Breite  mit  dem  Hauptschiffe  besitzen  —  eine  An- 
ordnung die  allerdings  ungewöhnlich,  aber  nicht  ohne  Bei- 
spiel ist,  wie  diess  der  Münster  von  Ulm  beweist;  nach 
der  Ansicht  Henszimann's  dagegen  könnten  nur  einzelne 
Theile  der  Nebenschiffe  auf  eine  Untertheilung  in  vier 
Schiffe  Anspruch  machen,  während  andere  wie  die  mit  dem 
mittleren  Quadrate  correspondirenden,  nur  auf  zwei  Seiten- 
schiffe hinweisen. 

Die  verschiedenen  unregelmässigen  Wölbungen  die 
Henszlmann  als  Doppelwölbimgen  bezeichnet,  dürften 
aber  kaum  die  ersten  sein,  sondern  in  Folge  der  wieder- 
holten Brände  ,  denen  die  Kirch«  preisgegeben  war,  von 
ungeschickten  Händen  erneuert  worden  sein.  Aus  den- 
selben einen  Schluss  auf  einen  fünfschiffigen  Bau  zu  ziehen 
scheint  uns  nicht  gerechtfertigt.  Eben  so  wenig  können 
nach  unserer  Ansicht  zu  dieser  Behauptung  die  Mittel- 
pfeiler der  Seitenschiffe  veranlassen,  weil  dieselben  einer- 


(Schluss.) 

seits  nicht  vollständig  durchgeführt  sind,  anderseits  aber 
bedingt  scheinen  durch  die  Spannung  der  später  eingebauten 
Gewölbe,  welche  eine  Mittelstütze  benöthigten. 

Über  die  Profile  der  Gewölberippen  und  der  Pfeiler 
und  Säulenauflösung  in  den  Seitenschiffen  hat  Henszl- 
mann gleichfalls  ungenügende  Anhaltspunkte  gegeben.  Nach 
den  Andeutungen  des  Grundrisses  lässt  sich  nur  die  Ver- 
mutbung  aussprechen,  dass  an  den  vorspringenden  Pfeilern 
der  Abschlussmauer  die  Gewölbstuzen  sich  an  denselben 
bis  auf  den  Boden  herab  fortsetzten  und  die  Breite  der 
Fenster  so  wie  der  beiden  Seitenportale  nur  wenig  Raum 
für  Mauerflächen  übrig  liessen.  Den  Grundriss  eines  der 
vorspringenden  Wandpfeiler  zwischen  den  beiden Capellen- 
ausbauten  den  Henszlmann  aufgenoairaen ,  lassen  wir 
übrigens  hier  im  Holzschnitte  (Fig.  6)  folgen.  Dagegen 
j;  ;:  sind  wir  nicht  im  Stande  über  die 

'  ,;;■'  Construction  der  Mittelsäulen  Nä- 

heres  anzugeben,  sondern  aus  dem 
-===       Grund 


»)  DieausführUclie  und  von  «ahlreichen  Zeichnungen  begleitete  Beschreibung 
des  Prager  Domschatzes,  welche  Herr  Doincajdan  F.  Bock  aut'Rinladung 
der  k.  k.  Central-Comtnission  und  mit  huldvoller  Genelnnlgung  Sr.  Eirii- 
nenz  lies  Herrn  Cardinal-Erzbischofes  von  Prag  Ktirsten  Scliwarzenberg 
sowie  des  hochwüi'digsten  Douicapitels  vor  Kurzern  unternommen  hat. 
liegt  der  Ei'steren  hereils  vollenilet  vor  und  dürfte  wahrscheinlich  im 
III.  Hände  des  Jahrbuches  zur  Verüirentliehung  gelangen.  D.  R. 


l,üa!J 


die 


ige  geht  nur  hervor,  dass 
iiuf.unjTe wohnlich  brei- 


ten Sockeln  ruhen  und  die  Schäfte 
ii  jj       ~~-^.  ■  der  östlich  gelegenen  eine  runde, 

,^.j„  Q  ,  die   gegen  Westen  zu  sjfelienden 

eine  polygone  Gestalt  -Itfsitzen. 
All  den  nördlich  gelegenen  conchenartigcn  Ausbauten 
ist  eine  Capelle  angebracht,  die  gegenwärtig  dem  heil. 
Stephan  geweiht  ist  und  mit  einer  „Untcrkirclie"  versehen 
ist.  Unterkirchon ,  bemerkt  Henszlmann,  wurden  gegen 
Ende  des  XIII.  Jahrhunderts  schon  selten,  noch  seltener  im 
XIV.  Jahrhundort  erbaut.  Dieselbe  wurde  seither  als  Gruft 
gebraucht,  wie  einige  Särge  an  den  Wänden  noch  gegen- 
wärtig beweisen.  Die  Spitzbogen  dei- Unterkirche  sind  nicht 


—  276   — 


sehr  zugespitzt  urii]  die  Stephanscapello  um  droi  Stufen 
eriiöhtcr  geli'}i;en  als  die  Kifflu»,  uin  Raum  für  di(>  Wülliung 
des  liiterltaues  zu  iiewimuMi.  Diese  weninon  Andeutuiigen 
von  Hensz  1 III  an  n  über  die  (Jeslalt  derselben  sind,  wie 
leicht  hegreillich.  zu  iiiig-eniiiiend,  um  zu  entscheiden,  ob  wir 
es  hier  wirklich  mit  einer  Krypta  oder  nur  einer  gewiiiin- 
lichen  Gruft  zu  thiiii  haben,  wie  sie  in  gothischen  Kirchen 
und  Capollen  des  XIV.  iiinl  XV.  Jahrhmiderts  nicht  allzu 
selten  angetridlen  werden  ').  weil  im  ersteren  Falle  wirdann 
abermals  annehmen  müssteii.  dass  diese  Krypta  noch  dem 
Haue  angehöriMi  körinle,  der  vor  der  gegenwärtigen  Kirche 


.Vm  westlichen  Abschliiss  der  Kirche  befinden  sich  die 
beiden  Thiirme  und  zwischen  denselben  das  llaujitportal 
mit  zwei  kleineren  Portalen,  welche  den  Kingang  in  die 
Seitenschitl'e  vermilleln.  Im  Innern  sind  die  beiden  Tlinrm- 
anlageii  durch  einen  Musikclior  verimndeii. 

Wir  geben  hier  im  Holzschnitte  (^Fig.  1)  eine  .Viisicht 
der  llauptfayade  nach  der  Zeichnung  Hensz  el  man  n's. 
Aus  derselben  wird  man  ersehen,  dass  es  ihr  zwar  nicht  an 
einer  imposanten  Anlage  und  einer  besonders  reichen  Glie- 
derniig,  aber  desto  mehr  an  der  Einheit  in  der  Ausführung 
und  einer  harmonisch  schonen   Durchbildung  der  einzelnen 


(Fig.  7.) 


bestanden  haben  mag.  Nicht  unerwähnt  können  wir  aber 
die  Gründe  lassen,  welche  H  ens  zlman  n  anführt,  warum 
diese  „Unterkirche"  nicht  wie  gewohnlich  unter  dem  Allar- 
raunie  des  Chores,  sondern  an  der  Seite  des  Scliiffes  ange- 
bracht ist.  Die  grosse  Kirche  ist  nämlich  zwischen  zwei 
Bächen  aufgebaut,  deren  einer  östlich  vomAltarrauine  kaum 
einige  Fnss  weit  vorbeifliesst,  so  dass  er  die  Unlerkirche, 
wenn  man  sie  dort  angebracht  hätte,  mit  seinem  Wasser 
bedroht  haben  würde,  anderseits  gestalteten  wohl  die  jen- 
seitigen Häuser  nicht,  dass  der  Bach  anders  wohin  geleitet 
würde;  es  blieb  nichts  übrig,  als  die  Unterkirche  an  einem 
entfernten  Platze  anzubringen,  ein  Umstand,  dem  vielleicht 
auch  die  anderen  Abweichungen  vom  Gewöhnlichen,  die 
neue  Schönheiten  hervorgebracht  haben,   zu  danken  ist. 


Tlieile  mangelt.  Die  totale  Verschiedenheit  des  Aufbaues 
derbeiilen  unvollendet  gebliebenen  Thürme,  das  vorwaltend 
rein  deiorative  Zierwerk  und  die  hie  und  da  bemerkbare 
Entartung  des  Styles  sind  Mängel,  welche  dem  Eindrucke 
des  Ganzen  iiachtlieilig  sind  und  dessbalb  doppelt  bedauern 
lassen,  dass  der  Bau  des  Domes  mehr  als  lliO  Jahre  in  An- 
s|)ruch  nahm  und  die  Stadt  Kaschau  im  XV.  Jahrhundert  bei 
der\^'ahl  ihrer  Baumeister  nicht  immer  sehr  glücklich  war. 
Die  folgenden  llolzschnitt((  (Fig.  S  und  0)  zeigen  die 
Gliederung  und  reiche  Pi  oliliriiiig  der  Portale,  von  denen 
der  eistere  Grnndriss  dem  llaii|i|piirlale  und  der  zweite  den 
gleich  gestaltetiMi  Seiteiiporlalrn  iuiiieliört.  Die  Annrdnung 
des  miltlercn  Tlieiles  der  Hauptfa^'ade  mit  den  beiden  stark 
vortretenden  und  nach  unten  zu  verdoppelten  Strebepfeilern, 
dann  dem  giebelfiirinigcii  Abschlüsse  erinnert  übrigens 
wieder  an  ältere  ungarische  Kirchenbauten,  wie  an  Zsam- 


M  Eine  Nuldif  (ji-uft  Itesitzt  l)LM.s|ii<-l*tweise  auch  die    Johaniicscflpf Ik*  <)pr 
Fr.iuciscaiior-Kiichc  in  l'resshiir^'. 


b  e  c  k.   I{  0  r  s  ö  ii  v,  \j  e  b  e  n  v  u. 


nur  dass  die  .\nlajre 


breiter  und  die  Strebepfeiler  entwickelter  sind. 


;v  i 


Von  den  Seitenfa^aden  sind  nur  einzelne  Theile  frei- 
ijostellt.  und  der  grössere  Tlieii  mit  späteren  Zuhiiuten 
llieiiweise  bedeckt,  wie  diess  an  dem  Grundrisse  durcli  die 


u 


.^> 


(Kig.  lO.J 


(F.v   8.)  (Fior.  9.) 

in  Straffirung  auslaufenden  Linien  angedeutet  ist.  Die  Stre- 
bepfeiler, kräftig liervortretend,  sind  wieimCliore  mit  einem 
zinnenartigen  Absebiusse  gekrönt,  und  der  Abscliluss  des 
Dacbes  besitzt  gleicbfalls  eine  zierlicbe  mit  Masswerk 
durcbbrochene  Gallerie  in  einer  Breite  von  1'  10".  Docb 
fehlt  unter  der  Gallerie  des  Langbauses  der  eigentliiimlicb 
gestaltete  Fries  des  Cbores,   welclier,  wie   schon  erwäliiit, 

leicht  entfallen  konnte,  weil  zwi- 
schen den  Fenstern  und  der  Gal- 
lerie keine  so  breite  unbedeckte 
Mauertläcbe  störend  auf  das  Auge 
einwirkt.  Zur  Erklärung  des  unte- 
ren Thciles  der  nördlichen  Fa- 
fade  mit  einem  der  Fenster  mag  der  beifolgende  (Jrunilriss 
Fig.  10,  wie  ihn  Henszlmann  aufgenommen  bat,  dienen. 
Einen  hervorragenden  Schmuck  besitzt  die  nördliclie 
Seitenfafade  an  dem  Portale,  wovon  wir  auf  der  Taf  IX 
eine  Abbildung  gegeben  haben  und  das  zu  den  interessan- 
testen Werken  der  Gothik  gerechnet  werden  dürfte.  So- 
wohl der  eigenthümliclie,  reich  mit  Strebepfeilern,  Fialen 
und  Wimbergen  verzierte  Aufbau,  welcher  von  den  meisten 
Portalen  sich  gänzlich  unterscheidet,  als  auch  der  reiche 
Schmuck  der  Sculpturen  in  den  einzelnen  Feldern,  weisen 
darauf  hin,  dass  das  Porta!  —  zudem  als  dasselbe  einen 
Seiteneingang  bildet,  einer  besonderen  Widmung  seine 
Entstehung  verdankt.  Ob  dasselbe  aber  gerade  durch  die 
Mimiflcenz  der  Gemahlin  Karl  Hoberfs,  Elisabeth  von  Polen 
—  mithin  in  der  ersten  Hallte  des  XIV.  Jahrhunderls  erbaut 
wurde,  wieHenszlman  n  annimmt,  scheint  uns  ungeachtet 
des  Umstandes,  dass  das  Wappen  mit  einer  Lilie  auf  die 
'''^™^"^^'^'^'^'''"''''^^''^  Zeit  vor  Ludwiir  den 


r 

vi/ 


frfSri-jSrfiif       Grosscii      hinweist, 
noch  nicht  festzuste- 
hen, weil  die  daran 
bemerkbaren      Bau- 
y^^K'  formen    und     iusbe- 
(f"'?i')  sonders  einzelncMo- 
tive    an    den    ausserordentlich    reichen   Details   weit   mehr 
für  das  Ende  dos  XIV.  .lalirhunderts  sprechen.     Auffallend 


,^„ 


%d^ 


(Fig  12.) 


ist  es  ferner,  dass  das  nördliche  Portal  im  Grundrisse 
(vergl.  Fig.  II)  .Ähnlichkeit  mit  jenem  des  westlichen 
Hauptportales  (vergl.  Fig.  8)  besitzt.  Doch  berechtigt  diese 
Erscheinung  gleichfalls  nicht  anzunehmen,  dass  beide  in  einer 
und  derselben  Zeit  erbaut  wurden.  Vielmehr  glauben  wir. 
dass  das  Westportal  früher  als  das  nördliche  Portal  erbaut 
wurde.  Ebenso  reich  wie  das  Äussere  ist  auch  das  Innere 
des  nördlichen  Thores  angelegt  und  über  die  interessante 
Profilirung  der  Einschrägung  mag  sowohl  Fig.  11  als  die 
im  vergrösscrten  Massstabe  folgende  Hohlkehle  (F'ig.  12) 
näheren  Aufschluss  geben. 
Nur  die  Figuren  fehlen 
in  den  Nischen  ,  welche  -^ 
aber  auch  niemals  ange-  \, 
fertigt  wurden.  NN'as  die  ) 
fignralischen  Darstellun-  |, 
gen  in  den  fünf  Feldern 
des  Portals  anbelaugt,  so 
wissen  wir,  dass  die  vier 
unteren  Bilder  Züge  aus  dem  Leben  der  heil.  Elisabeth 
und  das  oberste  Feld  den  Heiland  am  Kreuze  darstellt,  eine 
nähere  Bezeichnung  der  einzelnen  Figuren  war  Henszl- 
mann nicht  in  der  Lage  zu  geben,  weil  dieselben  tlieils  zu 
hoch  angebracht,  theils  nicht  melir  unverletzt  sind. 

Auch  auf  der  Südseite  der  Kirche  ist  ein  Portal  sammf 
einer  Vorhalle  angebracht,  welches  aber  der  Mitte  des 
XVI.  Jahrluinderts  angehören  dürfte.  Dasselbe  ist  im 
Spitzbogen  erbaut,  der  Eingang  durch  einen  breiten  pridi- 
lirten  Pfosten  in  zwei  Theile  geschieden  und  dasBogenfeld 
mit  Giebeln,  kleineren  Spitzbögen  und  Fialen  als  decora- 
tiver  Schmuck  ausgefüllt.  Das  ganze  Werk  trägt  den  Cha- 
rakter der  Verfallszeit  der  Golhik,  die  durch  Überladeulieit 
und  unorganische  Entwickelung  den  Mangel  an  construc- 
tiver  Gestaltung  zu  ersetzen  suchte. 

Was  die  innere  Einrichtung  der  Kirche  anbelangt,  so 
hat  Henszlmann  hierüber  unvollständige  Angaben  gemacht.  Er 
geht  nämlich  lun-  auf  das  prachtvolle  Sacramentshäuschen 
ein.  das  din-cb  den  schönen  .\ufbau  mit  jenem  der  Nürnber- 
o-er  Sebaldiiskirche  in  Veruleich  ijestelU  «erden  kann.  Wir 
würden  eine  Beschreibung  und  Zeiclmung  dieses  inleres- 
santen  Denkmals  liefern,  wennbeides  nicht  scIkmi  wiederlmlt 
in  deutscher  Sprache  durch  Henszlmann  selbst  versucht 
worden  wäre,  daher  vorläufig  es  genügen  dürfte,  auf  Dr. 
A.  Seh  m  id  l's  „Österreichische  Blätter  für  Literatur  und 
Kunst"  und  auf  das  erste  Heft  des  Werkes  „Kunst  undAlter- 
tlium  in  Osterreich",  herausgegeben  von  Dr.  A.  Seh  midi, 
zu  verweisen. 

Noch  einen  anderen  sehr  werthvollen  Schmuck  besitzt 
die  Kirche  an  den  Flügelaltären,  woran  die  Kirchen  Ober- 
ungarns üherbaujit  besonders  reich  ausgestattet  sind. 

Eine  Beschreibung  des  Ilauptaltars  hat  Henszlmann  im 
.Tahre  IS47  in  der  von  der  Kisfaludy-Gesellsehaft  heraus- 
gegebenen   Zeitschrift     ^Magi/nr    szcpiroi/iilnii   Szt'nile' 

39 


278 


tinfenumirneii  und  zwar  als  die  Stadt  Kaschau  doiisolheii  bei  miilde  von  Wohlgemut  h,  dem  Lehrer  Albrecht  Diirer's, 

Gelogcniieit  der  Versaininhino-  mehrerer  Ärzte  uml  Natur-  und  einiire  sosiar  von  Dürer  selbst  herridiren  sollen.    Diese 

forscher  im  Jahre  184li  auf  Anregung;  derselben  reinigen  und  von  llcns/.hnauii  ausgesprucherie  N'ernuitliung   genügt  wohl 

renoviren    Hess.      Einer    gründlichen     Liuistgesehichtlichen  allein,    diesem  Kunstwerke   eine  besondere  Aufmerksamkeit 

l  nlersuchutig  wiire    dieses   Werk  schon    aus  detn   Grunde  zuzuwenden, 

würilig,  weil  der  Allar  in  Nürnberg  angefertigt  und  die  Ge-  K.  Weiss. 


Correspondenzen. 


Wien.  Seine  kais.  HdIicU  der  durolilauelitigste  Herr  Kizlierzog 
Karl  Ludwig',  Statllialter  von  Tirol  und  Vcirarlbeij,'.  iibersuiulle 
der  k.  k.  Central-Comniission  im  Jalire  I8öö  eintjesueh  der  ficmcinde 
K  u  n  d  I ,  worin  dieselbe  imi  den  Erlass  einer  an  den  Kcligionsfond  ab- 
zutragenden Schuld  und  zugleicli  um  einen  Beitrag  zur  Herslellung 
der  iinverscliiebbaren  Baure])araturen  an  der  niiehst  Kunill  gelegenen 
Leonliar  dskirobe  bat.  Da  dieses  Gottcsliaus  ein  sebr  interessan- 
tes, dem  Mittelaller  angehnriges  Baudenkmal  ')  ist,  so  wurde  die 
k.  k.  Landesbau-Dircction  in  Innsbruck  zur  Verfassung  von  Kosten- 
Überschlägen  der  notbweiidigen  Herstellungen  aufgefordert  und  das 
Gesuch  der  Gemeinde  dem  k.  k.  Ministerium  für  Cullus  und  Unter- 
rieht zur  Entscheidung  vorgelegt.  Mit  Erlass  vom  i)).  Julid. .).  wurde 
die  k.  k.  Centnil-Commission  in  die  Kcnntniss  gesetzt,  dass  der  Bitte 
der  Gemeinde  Kundl  willfahrt  und  von  den,  für  die  Herstellung  der 
nothwcndigen  Reparaturen  an  der  St.  Lennhardskirchc  veranschlag- 
ten Koslensunune  per  2707  fl.  Iü7(;kr.  nach  Ausscheidung  derHand- 
und  Fuhrfrobnen,  «elcbe  von  der  Gemeinde  zu  leislen  sind,  die 
barcD  Kosten  auf  den  Itdigionsfond  zu  übernebuien  sind. 

Wien.  Mit  schmerzlicher  Überraschung  erhielten  wir  aus  Born 
die  Nachricht,  dass  am  23.  .August  d.  .1.  in  Albano  Alois  Messmer, 
Professor  der  Theologie  in  Brixen  und  Correspondent  der  k.  k.  Cen- 
tral-Commission,  einem  längeren  Lungenleiden  erlegen  und  in  der 
Blülhe  männlichen  Alters  gestorben  ist.  Nebst  seinen  theologischen 
Studien  widmete  sich  Messmer  mit  ausserordentlicher  Liebe  der 
Archäologie  und  Kunstgeschichle  und  bcsass  darin  umfassende  Kennt- 
nisse. In  literarischen  Kreisen  erwarb  sich  Messmer  den  ersten  Kuf 
durch  seihe  „Beiseblätter  aus  Venedig  und  Amsterdam";  auch  als 
Dichter  versuchte  er  sich  mit  Glück  und  ein  frisches,  in  ganz  Tirol 
gesungenes  Schützenlied  verschalfte  ihm  in  seiner  llcimatb  zahlreiche 
Freunde.  Nach  seinerErnennung  zum  Correspondenlen  der  k.  k.  Cen- 
tral-Commission  schenkte  .Alessmer  sein  besonderes  Augenmerk 
den  monumentalen  Kunstschätzen  seines  Landes  und  sein  lebendig 
geschriebener  Aufsatz:  „Alle  Kunstdenkmale  in  Bolzen  uml  seiner 
Umgehung"  2J  liefert  den  Beweis,  dass  er  sich  hiefür  ein  grosses  Vei-- 
sländniss,  eine  feine  Beobachtungsgabe  erworben  hatte.  Sein  Brust- 
leiden  entzog  ihn  aber  leider  bereits  in  der  Mitte  des  .labres  18Ö6 
nicht  bloss  seiner  Professur  an  der  theologischen  Anstalt  in  Brisen, 


')  J.  J.  Stafrier  hi  seiner  topograptiisebi-n  liuschreilHUig  von  Tirol  und 
>or.nrll)tTf  setzt  die  Gründung;  der  Kirclie  auf  Grund  einer  im  Innern 
dersellion  betiiidlichcn  Aufschiift  In  das  .lalir  lOIÜ  und  bemerkt,  dass  sie 
einem  Gelübde  de»  Kaisers  lleinricli  II.  ihre  Entstehung  verdankt  und  von 
Pnpst  lienedicl  VIII.  im  Jahre  1020  conscerirt  worden  sei.  Heide  Thal- 
sachen mögen  historisch  richtig  sein,  jedoch  ein  Irrthuni  ist  es,  wie 
SLiirier  annimmt,  dass  die  Kirche,  „sowie  sie  heute  noch  steht-  aus  die- 
ser Periode  herriilirl.  Soviel  wir  ,\^„  uns  vorliegenden  Aufnahmen  ent- 
nehmen können,  geliüren  höchstens  die  Kundanientc  oder  Umfassungs- 
mauern des  .Schiffes  dem  XI.  J.ihrhundcrl,  woffegen  der  Chor  und  die 
Detail»  des  Schilfes  und  Chores  frühestens  dum  .\IV.  und  XV.  Jahrhumlert 
anjjeh.ircn  und  nuf  wiederholte  ErncuiTuii'„'en  und  llfu..nilinncn  hin- 
weisen. If    n 

'J  Vcrgl.  Miltheitun(,'en  II,  ji  u.  If. 


sondern  auch  seiner  Thätigkeit  als  Organ  der  k.  k.  Cenlral-Commis- 
sion.  Er  eilte  holfnungsvoll  nach  Italien,  um  dort  einer  Besserung 
seiner  körperlichen  Leiden  entgegenzusehen,  übersiedelte  sodann  im 
Winter  nach  Florenz  und  im  Erühlingc  dieses  .lahres  nach  Born  ,  wie 
wir  aber  aus  seinen  an  uns  gcriebteten  Briefen  entnebnicn  —  schon 
in  trüber  .Ahnung  seines  nahen  Todes.  Seinen  Aufentball  in  derLombar- 
die  benutzte  noch  .Messmer,  um  Studien  an  den  dortigen  Bauwer- 
ken anzustellen.  Er  fasslc  dieselben  in  einem  längeren,  äusserst  an- 
regend geschriebenen  Aufsatze:  „Über  einige  n\itlelalterliehe  Kunst- 
werke der  Lombardic"  zusammen,  welchen  er  uns  zugesandt  und  der 
in  den  ersten  Heften  des  nächsten  Jahrganges  dieser  Blätter  ver- 
öllVntlicbl  werden  wird.  Wir  beklagen  an  ihm  tief  den  Verlust  eines 
edlen  reicbbegabten  Mannes,  einer  viel  versprechenden  geistigen 
Kraft  auf  dem  Gebiete  der  Kunstgeschichte  Östcrreielis;  wir  werden 
ihm  daher  immer  ein  freundliches  .Andenken  bewahren. 

K .  Weis  s. 

Wieu.  Wie  uns  der  hochwürdige  Herr  Domcaplan  E.  Bock 
briellieb  mitgctheilt,  bat  er  im  königlichen  ilausschutze  zu  München 
drei  prachtvolle  alte  Kronen  aufgefunden,  die  er  in  natürlicher  t5rössc 
als  Parallele  in  seinem  Werke  über  die  „Uomanisch-deutschen  Iteicbs- 
kleinodicn"  zu  veriilVentlichen  gedenkt.  Seine  Majestät  der  König 
von  Baiern,  dem  der  Herr  Domcaplan  in  einer  besonderen  Audienz 
vorgestellt  wurile,  hat  bereits  gnädigst  <lie  Erlaubniss  erlbeill,  nicht 
nur  die  Kronen,  sondern  auch  den  prachtvollen  Kaisermantel 
lleimicb's  II..  welcher  letzlerem  von  einem  Herzoge  von  .\|iidien 
geschenkt  wurde,  zeichnen  zu  lassen. 

Der  .Vrcbltckl  Lippert  wurde  von  dem  hochwiirdigsten  Rischofe 
von  Raab  beauftragt,  die  l^auscapelle  der  hischöllichen  Bcsidenz  im 
golhiscben  Style  zu  restauriren. 

Der  Ingenieur  des  k.  k.  Handelsministeriums,  E  Kierschner, 
hat  über  Auftrag  der  k.  k.  Cenlral-Conunission  im  verflossenen  Monate 
Seplend)er  sehr  ausführliche  .Aufnahmen  der  merkwürdigen  Kirchen 
zu  Tischnowitz  und  Trebitseh  in  .Mähren  gemacht .  welche  — 
mit  einem  archäologischen  Texte  des  Professors  und  Conservators 
Dr.  E.  Wocel  begleitet  —  im  nächsten  .lahrc  zur  Verölfentlichung 
gelangen  werden. 

Prag.  Die  .Marienkirche  in  der  Buri,' K  a  rlst  ei  n  ist  bekannt- 
lich mit  Wandmalereien  geziert,  von  denen  einige  zu  den  interessante- 
sten gehören,  welche  sich  aus  der  Periode  Karl's  IV.  erhalten  haben: 
hei  weitem  die  .Mehrzahl  der  übrigen  Gemälde  rührt  aber  aus  späteren 
Restauralionsperiodcn  her.  Die  Darstellungen  der  ersten  Art  sind  an 
der  Südseite  zur  rechten  Hand  des  .Allars:  Karl  IV..  der  das  aus 
Rom  mitgebrachte  Kreuz  seiner  Gemahlin  Bianca  reicht,  ferner  Karl, 
seinem  .Scdine  Wenzel  einen  Ring  reichend,  und  sodann  derselbe 
Monarch  in  vollem  kaiserlichen  Ornate,  sein  Gehet  vei  richtend.  Diese 
Tempera-Bilder  sind  ziemlich  gut  in  ihrem  ursprünglichen  Typus 
erbalten.  Dagegen  ist  links  vom  Eingange  in  die  Capclle  dcr.schönc   . 


—   279   — 


i  inposiin  tu  Cliiis  t  u  sko  p  f ,  dessen  Nimbus  Sei-aphine  iimijaben. 
bei  Gelegenheit  der  im  verllosseneri  Jahre  vorgenommenen  Decken- 
legung  dureh  ünaebtsamkeit  der  Arbeiter  zerstört.  An  der  West- 
seite der  Capelle  gewalirt  man  das  lebensgrosse  Bild  der  MiittiM-  des 
Heilands  mit  dem  Jesuskinde,  das  sieb  gleichfalls  als  ein  beduulendes, 
wohlerhaltenes  Kunstwerk  der  Karolingischen  Periode  darstellt.  Den 
grössten  Theil  der  übrigen  Wandflächen  nehmen  Darstellungen  aus 
der  Apokalypse  ein  ,  welche  aber  wabrscbeinlich  hei  der  durch- 
greifenden Restaurirung  der  Burg  unter  Rudolph  II.  übermalt  wurden, 
ohne  dass  man  dabei  den  uisprünglichen  Typus  derselben  geschont 
hätte.  Ebenso  wurden  damals  die  Aufschriften,  welche  die  betreffen- 
den Stellen  der  Apokalypse  enthalten,  erneuert;  und  wiewohl  der 
Ductus  dieser  Schrift  ein  viel  neuerer  ist,  so  hatte  man  doch  die 
alten  Abbreviaturen  und  die  alle  Orthographie,  i.  B.  e  statt  ae  bei- 
behalten. Ausserdem  wurden  an  mehreren  Stellen  neue  Gemälde 
über  ältere  Darstellungen  bingenialt,  so  z.  B.  in  der  Fensternische 
neben  dem  Eingange  in  die  St.  Katharinacapelle,  wo  man  unter  ab- 
gefallenen Partien  neuerer  Malerei  die  Spuren  viel  älterer  Bildwerke 
ganz  andern  Inhalts  gewahrt. 

Ausser  diesen  Rudolphiniseben  l'bermahingen  bemerkt  man 
daselbst  Jlalereien,  die  im  vorigen  Jahrhunderte  verfertigt  sein 
mncbten,  wie  namentlich  an  der  östlichen  Wand,  wo  Zeichnung, 
Ornament  und  Technik  den  Ausdruck  des  Zopfstylcs  nicht  verkennen 
lassen. 

An  der  linken  Seitenwand  des  Altars  ist  ein  zierlich  aus  Sand- 
stein ausgefü  In- tes  gothiscbes  Tabernakel  in  die  Wand 
eingefügt,  welches  aber  —  nach  dem  Berichte  des  er- 
wähn t  c  n  B  u  r  g  w  ii  e  h  t  e  r  s  beider  1  c  t  z  t  e  n  R  e  s  t  a  u  r  i  r  u  n  g  — 
bedeutend  beschädigt  wurde. 

Die  Collegiat-Kirehe  zu  Mariä-Hiinmelfahrt  war  ursprünglieb 
gewölbt  (vgl.  Riegger's  Materialien  zur  Statistik,  ö78).  Es  scheint, 
dass  bei  der  Rudolphinisehen  Restaurirung  das  Gewölbe  abgetragen 
und  eine  flache  Decke  an  dessen  Stelle  angebracht  wurde.  Diese 
Decke  war,  wie  Baibin  in  seinen  Miscellan.  Dec.  I,  L.  VIII,  erwähnt, 
noch  im  XVII.  Jahrhundert  mit  Wolken  und  Engeln  geziert.  Dass 
im  vorigen  Jahrhundert  eine  ahermulige  Restaurirung  der  Decke 
vorgenommen  ward ,  ersieht  man  aus  einer  Bemerkung  in  Riegger's 
Mateiiialien,  wo  bei  der  Erwähnung,  dass  Wolken  und  Engel  die 
Decke  zu  Balbin's  Zeilen  zierten,  die  Bemerkung  steht:  „Nach  der 
Renovation  sieht  man  nichls  mehr  davon".  —  Die  abgeschnittenen 
Verzierungen  von  Innen  an  der  Decke  beweisen,  dass  die  Kirche 
ehemals  höher  war.  Der  baufällige  Zustand  der  Decke,  der  dem 
Eindringen  vom  Regenwasser  in  den  innern  Raum  der  Kirche  nicht 
wehrte,  mochte  wohl  die  gräuliche  Verwüstung  der  Malereien,  wie 
sie  dem  Auge  bis  auf  diesen  Tag  sieh  darstellt,  veranlasst  haben. 
Höchst  wahrscheinlich  rühren  die  zahllosen  Striemen  und  Streife, 
welche  die  .Malereien  der  Wände  von  oben  herab  durchfurchen  .  aus 
jener  Periode  her.  Doch  auch  diese  Decke  musste  im  Jahre  182G 
erneuert  werden.  Bei  dieser  dritten  Reparatur  nahm  man  sich  eben- 
so wenig,  wie  hei  der  zweiten  die  Mühe,  die  Malereien  durch  eine 
schützende  Vorkehrung  vor  den  Kalkspritzern  zu  bewahren;  erst 
bei  der  letzten,  im  Jahre  18S3  bewerkstelligten  Deckenlegung  regte 
sich  —  wiewohl  schwach  —  der  Sinn  für  die  Schonung  des  maleri- 
schen Schmuckes  des  ehrwürdigen  Kircbenraumes,  indem  man,  nach 
dem  Berichte  des  alten  Burgwäehters,  den  ich  darüber  einvernmnmen 
habe,  einen  etwa  i'/a  Ellen  breiten  Ecinwandstrcif  am  oberen  Rande 
der  Wandfläche  anbrachte.  Trotz  dieser  Vorsicht  wurde  die  Malerei 
mehrfach  beschädigt.  Allerdings  liess  sich  eine  solche  Beschädigung 
nicht  leicht  vermeiden,  indem  man  die  Decke  abermals  n  ie  d  r  ige  r 
setzte  und  dabei  nnthwendig  den  oberen  Mauerrand  durch  Mörtel- 
anwurf  mit  der  Decke  verbinden  und  sodann  verputzen  musste.  An 
einigen  Stellen,  namentlich  an  der  Ost-  und  Westseite,  senkt  sich 
aber  die  Verputzung  in  Gestalt  grosser  Flecken  ziemlich  tief  hinab. 
Li  m  nun  d  i  e  s e  r  F I  c  e k  e  n  s  o  w  o  b  I,  a  1  s  a  u  c  h  den  o  b  e  r  n.  dureh 


den  Kalkanwurf  beschädigten  Partien  der  Wände  die 
weisse  Kalkfarbe  zu  benehmen,  hatte  noan  dieselben 
grünangcstrichen.sodasssichgegenwärtigunidicganrc 
t'apelle  ein  etwa  i'  breiter  hellgrüner  Streifen  unter 
der  Decke  herumzieht,  aus  welchen  sich  an  einigen 
Stellen  Flecken  von  derselben  Farbe  tiefer  herunter- 
senken. Ausserdem  wurde  rechts  vom  Eingange  rund 
u  m  d  e  n  W  e  i  h  k  e  s  s  e  1  durch  Unachtsamkeit  der  .Arbeiter 
die  Malerei  abgeschlagen  und  die  Beschädigung  rnit 
Mörtel  verputzt,  wodurch  ein  Fleck  von  etwa  2' ..'im 
Durchmesser  entstand,  den  man  aber  grün  anzu- 
streichen unterliess. 

Es  ist  überaus  schwer  anzugeben,  auf  welche  Weise  die 
beschädigte  Marienkirche,  dem  Wunsche  des  boebwürdigen  Karl- 
steiner Dechanfs  enlspreebend,  zu  rcstauriren  wäre.  .Man  denke 
sich  die  vier  Wände  des  Kircbenraumes  mit  Malereien  von  ungleichem 
AVerthe  und  Alter  bedeckt,  die  grossenlheils  bis  zur  Unkenntlich- 
keit verwüstet  und  stellenweise  von  der  Mauer  losgelöst  sind,  und 
unter  der  weissen  Decke  eine  breite  laucbgrünc  Bordüre,  welche 
die  Zerstörungen  der  letzten  Reparatur  markiren  soll.  Der  .Antrag 
des  Herrn  Capitular-Decbants  bezieht  sich  haupfsüchlich  auf  die 
Restaurirung  dieser  durch  die  jüngst  geschehene  Dcckeulegung  ver- 
ursachten Beschädigungen.  AVie  soll  nun  diese  Restaurirung  geselie- 
ben"?  Die  durch  den  Kalkanwurf  verdeckten  Malereien  lassen  sich 
nicht  wiederherstellen,  weil  man  nicht  einmal  weiss,  wie  jene  zer- 
störten Gemälde  aussahen.  Aber  abgesehen  davon,  erscheint  ein 
neuer  Gemäldeschmuck  an  jenen  Stellen  nicht  zulässig,  weil  derselbe 
von  den  altergrauen  verwüsteten  Malereien  der  übrigen  Wandflächen 
grell  abstehen  würde.  Meiner  .\nsieht  nach  wäre  es  am  besten,  wenn 
man  den  hellgrünen  Streifen  einen  dunklen,  mit  dem  Giundlonc  der 
Wandmalerei  baiinonirenden  Anstrich  geben  und  dadurch  den  das 
Auge  beleidigenden  Contrast  zwischen  dem  leichten  Grün  und  der 
dunklen  Gesamnitfärbung  der  Wände  neutralisiren  würde. 

Anders  wäre  es  allerdings,  wenn  eine  durchgreifende  Restauri- 
rung sämmilicher  Malereien  der  Kirche  slattlinden  sollen.  Seine 
Exeellenz  der  Herr  Statthalter,  den  ich  auf  einige  bedenkliche  Übel- 
stände, welche  nach  den  mir  an  Ort  und  Stelle  milgethcilten  Angaben 
bei  der  letzten  Restaurirung  der  Decke  vorgekonunen  sein  sollen, 
aufmerksam  zu  machen  für  meine  Pflicht  erachtet,  stellte  eine  mögliehe 
Restaurirung  sämnitlicher  Malereien  Aüv  Marienkirche  in  .Vussicht, 
und  geruhte  anzudeuten,  dass  es  die  Aufgabe  einer  aus  Fachmännern 
zusammengesetzten  Commission  sein  würde,  sich  über  die  Art  und 
Weise  einer  zweckmässigen  Herstellung  des  malerischen  Schmuckes 
dieser  historisch  wichtigen,  geweihten  Stätte  zu  berathen. 

Dr.  J.  E.  M'ocel. 

€lros.sprol»s<dorf.  (Siebenhürgen.)  Den  8.  und  i).  Juni 
bal)e  ich  wieder  in  und  hei  Kleinschek  Folgendes  aufgefunden: 

1.  Den  Griff  von  einem  römischen  Schwerte. 

2.  Sieben  Stück  thönerne  Säulchen  von  derselben  Grösse  und 
Form,  wie  die  in  meinem  Berichte  vom  18.  März  I.  J.  erwähnten 
23  Stück. 

^.  In  einer  Umfassung  von  flachen  Sandsteinen  ein  altes  S'/j  Zoll 
(am  liauchej  weites,  4';.  Zoll  hohes,  irdenes  (jcfäss  voll  .Asche, 
Kohlen  und  Knochen,  mit  einer  flachen,  i  |t  Zoll  hohen ,  7'o  Zoll 
breiten,  horizontal  darüber  liegenden  Schüssel. 

4.  Eine  fast  fingerilicke,  etwas  schadhafte,  1  Fuss  i  Zoll  höbe 
(in  der  Mitte  2  Zoll,  oben  4  Zoll,  unten  7  Zoll  im  IJurcbmesser 
weite)  irdene  gebrannte  Röhre. 

'S.  Einen  Stein  mit  gut  erhaltener  Sculptur. 

Das  fehlende  Stück  hat  vor  den  sogenannten  „Bcrllefen  Dan" 
auf  demselben  Platze,  wo  ich  diessnnil  habe  graben  lassen,  der  Klein- 
sehelker  Insasse,  Stephan  D  ras  er.  vor  einigen  Jahren  gefunden, 
nach  Hause  gebracht  und  über  das  Fenster  seines  Kellers  einmauern 

39° 


—  280   — 

lassen;  doch  hoffe  icli  dasselbe   aucli  zu  eihiillen,  ohsrloloh  Stepliaii  Von  den  SO  bis  100  Stück  Diicafen,  die  seit  etwa  18  Moniten 

Draser  jetzt  nicht  geneigt  ist,    diesen  Stein  —  auf  wclclieni  eine  am    linken   Ufer    der    grossen    Kokel,    bei   Ivleinsclielk.    Feigendurf 

weibliche  Figur  zu  sehen  sein  soll  —  aus  der  Mauer  herausnelinien  gegenüber,   an  einem   vom  Wasser  unterminirten  und  eingestürzten 

zu  lassen.  Hügel  gefunden  worden  sind,  habe  ich  4  Stück  in  Händen  gehabt. 


Literarische  Anzeigen. 


Uass  die  Thätigkeil  der  l'rovinzial-Vereine  auf  archaologisehem 
Gebiete   einen    sehr    wesentlichen  Factor  jener    wissenschaftlichen 
Bestrebungen  bildet,  die  sich  in  den  letzten  .laliren  unter  den  Auspi- 
cien  der  k.  k.  Central-Commission  Bahn  gebrochen,  wurde  in  diesen 
Blättern  schon  wiederholt  hervorgehoben.    Mit  Vergnügen  haben  wir 
im    Juli-Hefte   auf   das   „Archiv   des   A'ercines    für   siebenbürgische 
Landeskunde"  hingewiesen,  welches  die  Kenntniss  der  Monumental- 
Schätze  dieses  Kronlandes  mit  immer  neuen  werihvollen  Beiträgen 
erweitert,  und  machen  heute  auf  das  kürzlich  erschienene  VII.  Heft 
der  „M i  1 1  h  e  i  I  u  n  g  e  n  des  historischen  Vereines  für  Steier- 
mark" aufmerksam.  .\us  dem  reichen  Inhalte  desselben  beschränken 
wir  uns  für  heute,  auf  den,  von  dem  Landesarchaologcn  Karl  Haas 
erstatteten    „Bericht    über    die    mittelalterlichen    Kunsfdciikmale    in 
Steiermark"  und  die  von  ihm  entworfene  mittelalterliche  Arcliitectur- 
Karte,  welche  in  dem  genannten  Hefte  enthalten  sind  und  uns  in  einem 
besonderen  Abdrucke  vorliegen,  aufmerksam  zu  machen.  Dieser  Bericht 
ist  das  Resultat  der  ersten  Heise,  welche  Haas  im  Sinne  seiner  als 
Landesarchäolog  erhaltenen  Instruction  im  Jahre  18o6  durch  Steier- 
mark zu  unternehmen  berufen  war.  Bei  dem  rmstande.  dass  Haas  eine 
Uoppel-.Aufgabe    zu  erfüllen,    dass   er  nicht  nur  die  Kunstdenkmale 
kennen  zu  lernen,  sondern  auch  die  Quellen  historischer  Forschung 
aufzusuchen   und    zu    bereichern   hatte,   musste  er  wohl  auf  dieser 
ersten  Reise  verzichten  eine  eingehende  Monumentalstatistik   Steier- 
markszu  liefern,  und  konnte  sich  nur  darauf  bescliränkcn.  ein  einigcr- 
massen  klares  Bild  der  verschiedenen  I.andeslheilc  zu  gewinnen.  Lher- 
diess  hatte  ihn  auch  seine  Instruction  in  dem  genannten  Jahre  nur  die 
übersichtliche  Bereisung  des  späterhin  in  Detail  zu  durchforschenden 
Landes  zur  Pflicht  gemacht.     Der  Erfolg  dieser  Bcrcisung  ist  aber 
immerbin  als  bedeutend  anzusehen,  und  wenn  uns  auch  die  Charakte- 
ristik   einiger  Ohjecte    gar   zu  mager  und  unheileufend  scheint,  so 
besitzen  wir  nun  doch  eine  ganz  treffliche  Übersieht  der  beileutendsten 
Kunstdenkmale  Steicrmarks,  die  uns  ziemlich  verlässlich  mit  dem  Gange 
der  kunslgescliichllichen  Kntwickelung  desLandes  vertraut  macht.  Die 
ersten  Monumenfal-Spuren  Stciermarks  sind  im  vollen  Mittelalter  zu 
suchen.  Es  haben  sich  jedoch  aus  der  romanischen  Periode  verhälfniss- 
mässig  wenige  Denkmalecrhalten.  Das  bedeutendste  Werk  dieser Styl- 
gatlung  ist  die  grossartige  Basilica  zu  Seckau,  kleinere  romanische 
Kirchen  bestehen  noch  zuPiher,  Spitalifsch,   Oberburg,   und 
liunil   und   Polygonbauten  (Karner   oder  Friedhofeapellen)  znllart- 
berg,  St.  Lambrecht,  St.  Georgen,  Gaisthal.  Zahlreicher  sind 
die  Kirchen  der  gothischen  Periode  erhalten.   Ein  Muster  der  ersten 
Blülhezeil  bietet  der  Chor  der  Minoritenkirche  zu  Pettau;  die  Denk- 
male der  späteren  Hlülhezeit  f  heilen  sieb  in  die  zwei  grossen  construetiv 
geschiedenen   llauptLTruppen  der  Hallenkirchen  und   der  Kirchen  mit 
überwölbtem  Mittelschiflc.    Einzelne  derselben   wie   St  rassenge  I, 
St.  La  m  br  echt.  Neu  stift ,  Mu  ra  u  sind  von  grosser  Formenschön- 
heit oder  zierlicher  .\nlage.     Städtebefestigungen   und  Burgenhauten 
bat  Haas  bisher  wenig  berücksichtigt.    Einen  trelTlichen  l'herhiick 
gewährt  die   .\rchitectur-Karte   Deutschlands.    Dieselbe  ist  mit   dem 
erfreulichsten  Sachverständnisse  entworfen,  zweckmässig  in  den  Bc- 
icichnunpen  und  mitFleiss  und.\unnerksamkeitausgeführl.  Wir  freuen 
uns  doppell  dieses  glücklichen  Versuches,  weil  derselbe  bofl'enilicb  in 
späterer  Zeit  nicht  ohne  Nachahmung  bleiben  und  seiner  Zeit  eine  sehr 
«ünschenswertbe  .\rehilectur-Karte  des  Kaiserstaates  anbahnen  wird. 


Ein  sehr  eifriger  und  gründlicher  Kenner  der  reichen  polnischen 
Kunstscliätze,  Herr  von  Lcpkowski,  hat  vor  Kurzem  in  der  „Kra- 
kauer Zeitung"  (Nr.  128  bis  134)  eine  Abhandlung  unter  dem  Titel: 
„Kraka  u  u  n  d  N  ürnb  e  rg"  vcriifl'enl licht,  worin  die  lebhaft en  künst- 
lerischen Wechselbeziehungen  der  beiden  Städte  erörtert  werilen.   Es 
ist  eine  Arbeit,  die  nicht  nur  dadurch  sehr  interessant  und  wertbvoll 
ist,  weil  sie  eine  Reibe  Notizen  über  das  Kunstleben  der  allen  Königs- 
stadt im  XV.  und  XVI.  Jahrhundert  in   die  deutsche  Literatur  bringt, 
sondern  auch   weil  sie  den  Versuch  macht  eine  Reihe  von  Irrthümern 
aufzudeeken.  die  sich  mit  Hartnäckigkeit  in  die  Kunstgeschichte  ein- 
geschlichen haben.     Wie  leicht  erklärlich  bilden  V  ei  t  Sto  o  ss  und 
seine  Werke  —  jene  Glanzpunkte  der  Krakauer  Kunstbewegung  — 
einen  hervorragenden  Gegenstand  der  Darstellung.    Bisher  war  man 
eben   nicht   vorsichtig  in   der  Zuerkennung  der  Autorschaft  der  Ve  i  l 
Stooss'scben   Werke.     Viele  Arheileu    in    Krakau  und  Nürnberg, 
dann  in  mehreren  Städten  Oberungarns  wurden  dem  Meister  zuge- 
schrieben, während  sie  ohne  Zweifel  seinem  Sohne  oder  einem  seiner 
Schüler  angeboren.     Von  den  Veit  Stooss'scben  M'erken,  welche  in 
Nürnberg  gezeigt  werden,  hält  Herr  vonLepkowski  nur  sieben 
für  echt.    Die  Schnitzarbeit  in  liudowa  (Krakauer  Gebiet)  betrachtet 
er  nur  als  Copie  des  Krakauer  Olbergs.    Einem  ähnlichen  Vorwurfe 
unterliegen  nach  seinem  Dafürhalten  die  Bilderarbeiten  zu  Anklum, 
Kolberg  und  Bnthwil.  Ebensowenig  will  er  einräumen,  dass  die  .-Mläre 
in   der  heil.  Kreuz-Capelle  der  Krakauer  Kathedrale  aus  seiner  Hand 
hervorgegangen    sind.    Als   einen   etwas   groben   und   leichtsinnigen 
Verstoss  in  Bezug  auf  die  Werke  von  Veit  Stooss  bezeichnet  Herr  von 
Lepkowski  den  Holzschnitt  einer  Grabplatte,  den  der  kürzlich  aus- 
gegebene Prospect  der  „Bildwerke  au^;  dem  Mittelalter"  ')  als  Probe 
enthält.    Derselbe  ist   mit  der  Unterschrift:    „Grabmahl   des   Kaisers 
Sigmund  aus  dem  XV.  Jahrhundert"  abgedruckt .  während  er  ganz 
genau  die   Denkmal-Gestalt    Kasimir's  des  Jagelloniden   vor- 
stellt.    Zu   wünschen  ist  es  nur.  dass  die  Herausgeber  des  Werkes 
diesen  Irrtlium   nicht  auch   in  das  Werk  selbst  aufnehmen,  um  nicht 
ein   gerechtes   .Missfraucn    in    die   Sorgfalt   der   Herausgeber   setzen 
zu  müssen.    Bei  Besprechung  dieser  Thatsache  macht  übrigens  Herr 
von  FiCijkowski  den  Nürnberger  Archäologen   den  Vorschlag  zur 
Herausgabe  eines  alle  Werke  des  Veit  Stooss  umfassenden  .Mbums. 
das   in   deutscher  und    polnischer  Sprache   erscheinen   soll.     Gewiss 
würde  ein   solches  Unternehmen,   wenn   es  mit  Umsicht  geführt  wird, 
die  wärmste  Unterstützung   aller  Kunstfreunde  finden.  —    Von  den 
anderen   Künstlern,    deren   Namen    für  Krakau   und  Nürnberg   eine 
gemeinscliaftliche  Bedeutung  hat,  bezeichnet  Herr  von  Lepkowski 
den  Maler  Job.  Sucs,   einen  Nürnherger,  zu  .4nfang  des  \VI.  Jahr- 
hunderts in  Krakau  ansässig;  den  Maler  II  a  n  ns  Du  rer,  des  -Schülers 
und  jüngeren  Bruders  Albrecht,  den  Maler  Ja  k  ob  Troschel,  den 
Maler  Johann  Kopetzki,  des  berühmten  Goldschmiedes  Georg 
Schult  es    und  den  (Iloekcngiesser   Johannes    Bobemus.    Wir 
bedauern,  wegen  Mangel  an  Raum,  auf  die  Abhandlung  des  Herrn  von 
Lej)kowski    nicht   ausführlicher   eingehen  zu  können  und  müssen 
desshalb  den  M'unsch  aussprechen,  dass  dieselbe,  in  einer  noch  sorg- 
fältigeren Übersetzung  als  die  vorliegende  ist.  besonders  abgedruckt 
erscheint,  um  sie  in  jenen  Kreisen  zu  verbreiten,  die  biefür  besonders 
interessirl  sind.  K.  W. 


')  Vergleiche  „MittheilaDgcn"  II. 


Aus  der  k.  k.  Hof-  und   Staatsdruckerci. 


Jptlcn  Monat   erscheint   1    Heft  zu 
1    bis   2   Druck Itojjen    mit    Ahbil- 

dung-en. 
Der  Pränumeratiu 08 preis  ist  für 
einen  Jahrg-png'  uiler  iwölf  Hefte 
nebst  Register  sowohl  für  Wien 
als  die  KronI ander  und  das  Ausland 
4  fl.  C.  M.,  bei  portofreier 
Zusendung-  in  die  Kronläuder  der 
österr.  Munaiehie  4  fl.  20  kr.  ('.  M. 


MITTHEILUNGEN 


DER  K.  K.  CENTRAL- COMMISSION 


Prännmeratioiien  überneh- 
men halb-  odf  r  ganzjährig 
allek.b.  Poslämler  der  Monarchie, 
welche  auch  die  portofreie 
Ziiscodung  der  t-iozelnea  Hefte 
besur^en.  —  Iiu  Wege  des  ßach- 
handeU  sind  alle  Praanuicratiuiiea 
UDil  mar  nur  in  liem  Preise  von 
4  ll.  au  dfu  k.  k.  Hufbucbhäodler 
W.  Uraiimöller  in  Wim  m  richten. 


m  mmmim  m  mmm  ugk  ß\ioE\Kii\LE 


BerausrnfiiebeD  unter  der  Leilun«'  des 


JilU    illllllM^ll 

,  Seclions-Chel's  und  Präses  der  k.  k.  Cenlral-Coniniission  Karl  Freiherrn  v.  fzoerniir. 

Redacteur:    Rarl  Weiss. 


N2=-  11. 


IL  Jahrgang. 


^^oveiiihei'  l8o7. 


Inhalt:  Die  römischen  Bader  in  Alt-Ofen.  —  Der  Taufbrunnen  im  Museo  Correr  zu  Venedig.  —  Die  Wandgemälde  der  Kalhcdrale  zu 
Gurk  in  Kärnthen.  —  Über  die  Grafen  von  Altbregenz  und  jene  von  Montfort,  besonders  die  Linie  zu  Firegenz.  —  Über  ein  in 
der  Burg  zu  Wiener-Neustadt  in  der  Georgskirehe  befindliches  Basrelief.  —  Ein  Mitlirasdenkmal  in  Krain.  -  Notizen.  — 
Correspondenz.  —  Literarische  Anzeigen. 


Die  römischen  Bäder  in  Alt-Ofen. 


Von  Dr.  Ed.  Freiherrn  v.  Sacken. 


Es  ist  ausser  allem  Zweifel,  dass  an  der  Stelle  des 
heutigen  Alt -Ofen  die  römische  Colonie  Aquincum 
stand;  nicht  nur  zahlreiche  daselbst  aufgefundene  tJberreste 
bezeugen  die  ehemalige  Römerstadt,  sondern  auch  schrift- 
liche Zeugnisse:  Ptolemaeus,  das  Antoninische  Itinerar 
und  die  Peutinger'sche  Tafel  so  wie  an  mehreren  ent- 
fernten Punkten  aufgefundene  Meilensteine  ')  mit  der  genau 
zutreffenden  Distanzangabe  beweisen  klar ,  dass  diese  Stadt 
keine  andere  als  das  feste  Aquincum  sei. 

Die  Schreibart  des  Namens  ist  verschieden,  Ptole- 
maeus mit  der  ganz  richtigen  Angabe  von  47"30  Breite, 
der  hier  wahrscheinlich  eine  genauere  Messung  zu  Grunde 
liegt,  hat  ^ Axoüiyxov ,  die  Peutinger'sche  Tafel  und  alle 
Inschriften  haben  Aquincum,  dagegen  Ammianus  Marcel- 
linus, das  Antoninische  Itinerar  und  die  Notitia  dignitatum: 
Acincum.  Dass  der  Name  von  Aquae  quinque  herstamme, 
hat  eine  schlagende  Wahrscheinlichkeit  für  sich  durch  den 
Umstand,  dass  wirklich  fünf  sehr  bedeutende  Mineralquellen 
dem  Boden  entspringen,  nämlich  bei  Krotendorf,  bei  der 
Pulverstampfe,  dem  Kaiserbad,  der  Krempelmühle  und  am 
Blocksberg. 

Drei  Strassen  liefen  von  hier  aus:  nämlich  nach  Bre- 
getio  (O'Szöny),  nach  Sabaria  (Steinamanger)  und  nach 


*)  So  eil)  Meilenstein  von  Alexander  Severus  v.  J.  230  n.  Chr.  (Orelli 
lnscrt()t.  lat.  Nr.  959),  ein  zu  Essek  gefundener  von  M  a  x  i  ni  i  n  u  s  und 
Maximus  v.  J.  236  (ih.  963)  und  einer  von  H  lo  m  on  l  r>  r  vunPlii- 
iippus  und  Ottacilia  mit  der  DistaUÄiiiigabe ;  Ah  Atjuiuci  iiiitlin 
passiium  Vlll  (Orelli,  Sä32,  l.J. 

IL 


Sopianae  (Soppian  bei  Fünfkirehen);  ausserdem  war  die 
Stadt  von  der  längs  der  Donau  sich  hinziehenden  Strasse 
durchschnitten.  Die  Stadt ,  welche  zufolge  der  Notitia 
imperii  eine  Schildfabrik  besass,  erhielt  von  Septimius 
Severus  den  Titel  einer  Colonie, daher  sie  auch  in  Inschrif- 
ten als  Septimia  Aquincensis  vorkommt,  und  ein  Stein  nennt 
uns  den  Cl.  Pompe  jus  Faustus  als  Decurto  coloniric 
Aquinci  zugleich  Aedilis  dnaminralis  und  praefectits  col- 
legii  fabrorum  (Orelli  Nr.  4138).  Zwar  bildeten  nach 
dem  Systeme  der  römischen  Colonien  die  Bürger  nach  alter 
Sitte  die  Besatzung,  aber  die  vorzüglicheren  WalTenplätze 
hatten  doch  — wie  auch  Carnuntum  (Petronell  j  —  eine  Garni- 
son von  römischen  Linientruppen.  Zu  Aquincum  war,  wie  uns 
das  Itinerar  und  zahlreiche  Inschriften  belehren,  die  zweite 
Legion  Leyio  II.  ndjutri.v  stationirt,  ferner,  wie  aus  Ziegel- 
stempeln hervorgeht  die  siebente  Cohorte  der  Breukcr  — 
eines  an  der  Save  sesshaften  pannonischen  Volksstammes, 
und  eine  Abtheilung  dalmatinischer  Reiter.  Die  Hosatzimg 
zählte  zu  dem  Heere  oder  Armeecorps  von  Niederpannonien, 
welches  auch  auf  Ziegeln  genannt  wird. 

Aquincum  war  nach  doni  Zeugnisse  des  Ammianus 
Marce Minus  unter  Kaiser  Valentinian  der  Aiisgangs- 
punct  für  die  Kriegsoperationen  gegen  die  jenseits  der 
Donau  wohnenden  Quaden;  auf  einer  Schiffbrücke  führte 
der  Kaiser  die  Truppen  in  das  feindliche  Land,  drang  sieg- 
reich vor,  züchtigte  die  Barbaren  wegen  ihrer  zahlreichen 
Einfälle  und  kehrte  mit  seinem  unversehrten  Heere  wieder 
nach  Aquincum  zurück.  Der  römische  Befehlshaber  von 
Pannonia  Valeria  ging  von  dem  bisherigen  Systeme  ab  und 
begann   auch  am  jenseitigen   Donauufer  in  solo  barbarica 

40 


282 


IJefestigungen  iinzulegen ,  welche  durch  Brücken  mit  den 
grösseren  Colonicn  verbunden  wurden.  So  entstand  A(juin- 
ciini  geifenüher  das  von  der  Noiitia  Iniperii  erwähnte 
Contra- Act  nr  um  trans  in  barbarico,  das  aber  bei  dem 
grossen  Aufstanih^  und  Einfall  der  Quaden  in  das  riMiiisehe 
Gebiet  zerstiirt  wurde.  Mau  soll  auch  im  J.  1812  am  linken 
Donauufer  Reste  von  Mauerwerk  entdeckt  haben ,  weiche 
diesen  Umstand  bestätigen  und  wahrscheinlich  von  einem 
Briickenko|ifc  herrühren.  Die  Ausdehnung  der  Colonie 
scheint  nach  den  gefundenen  i'herresten  und  noch  siclit- 
l)aren  Spuren  eine  ziemlich  bedeutende  gewesen  zu  sein 
und  erstreckte  sich  von  der  Mitte  Alt -Ofens  in  nördlicher 
Hichtuiig;  auf  den  Wiesen  und  ilutweiden  gegen  die  l'ulver- 
stanipfe  (neben  der  nach  St.  Andre  führenden  Strasse)  sieht 
Miau  deutlich  die  unter  dem  Boden  laufenden  Mauern,  man 
erkennt  die  Abtheilungen  der  einzelnen  Gebäude  und  wo  man 
in  deuGrund  gräbt,  trilTt  man  auf  Schutt,  dessen  Ziegel  und 
Mörtel,  mit  Ziegelstiickchen  gemischt,  unverkennbar  römi- 
schen Ursprung  verrathen.  Ein  ungefähr  G  Fuss  erhobenes 
ziemlich  regelmässiges  Viereck  düi'fte  das  ehemalige  Lager, 
von  einem  Graben  umgeben,  bezeichnen. 

Sehr  bemerkenswert!!  sind  die  Reste  der  römischen 
Wasserleitung,  welche  von  der  Pulverstamjife  liber 
1000  Klafter  lang  in  die  Mitte  von  Alt -Ofen  führte.  Die 
Quelle  kömmt  in  ausserordentlicher  Reichhaltigkeit,  in  vielen 
mitunter  armdicken  Sprudeln ,  mit  einer  Temperatur  von 
24"  R.  und  bedeutenden  mineralischen  Bestaudtheilen. 
namentlich  Schwefel,  aus  dem  Boden  herauf  imd  sammelt 
sich  in  einem  grossen  Bassin,  in  welchem  ebenfalls  Spuren 
römischen  Mauerwerkes ,  mit  festem  Wassercement  über- 
zogen, entdeckt  wurden.  Die  Römer  stauten  den  Wasser- 
spiegel wenigstens  bis  zu  einer  Höhe  von  13  — 18  Fuss,  um 
für  den  Aquäduct  das  nötliige  Gefäll  zu  erhalten.  Dieser 
bestand  aus  viereckigen  Pfeilern  von  Bruchsleinen  mit 
ausserordentlich  festem  Jlörtel  gemauert,  die  Pfeiler  waren 
durch  Rogen  verliunden.  auf  denen  das  Wasser  von  stei- 
nernen Rinnen  eingefasst  lief.  Man  sieht  noch  die  lange, 
fast  ununterbrochene  Reihe  von  Pfeilern,  freilich  in  äusserst 
ruineidiaftem  Zustande,  so  dass  sich  die  ursiirüngliche 
Grundform  kaum  mehr  erkennen  lässt;  mit  Flechten  idier- 
wachsen  und  mit  Kaiksinter  von  dem  Wasser  .  Melches 
nach  Zerstörung  der  Leitung  und  vor  der  gegenwärtigen 
Eindämmung  vielleicht  Jahrhunderte  lang  regellos  hinfloss, 
incrustirt.  sehen  sie  mehr  Felsblöcken  als  Mauerwerk  ähn- 
iicli.  An  einigen  erkennt  man  noch  sehr  deutlich  beiderseits 
die  Bogenanläufe;  diese  so  wie  die  ziendicii  regelmässige 
Distanz  der  Pfeiler  zeigt,  dass  die  Spannweite  der  Bogen 
ungefähr  15  Fuss  betrug,  daher  im  Ganzen  wohl  id)er 
400  Pfeiler  waren.  Dieser  Aquäducl  leitete  das  warme 
Mineralwasser  der  Quelle,  welche  gegenwärtig  einen  ziem- 
lichen Bach  iiildet,  der  die  Puiverstampfe  und  eine  Mühle 
treibt,  in  die  \M\i\er  \'on  Aquiiicum ,  wenigstens  gebt  die 
Richtung  gerade  gegen  den  Florianiplatz ,  wo  im  J.   1778 


ein  sehr  grosses  Hypocaustum,  unzweifelhaft  von  einer  Bade- 
Einrichtung  herrührend,  aufgefunden  wurde'). 

Dicltiiuicr  hielten  ausserordentlich  viel  auf  das  Baden: 
jeder  nui-  eiuigermassen  bemittelte  Privatmann  hatte  in 
seinem  Hause  eine  wohl  eingerichtete  Badestube  und  bei 
dem  steigenden  W  ohileben  in  der  Kaiserzeit  vurde  nicht 
nur  eimual  des  Tags  gebadet,  sondern  vier  bis  sechs  Mai; 
Commodus,  Gordianus,  Gallienus  badeten  sieben  bis  acht 
Mal  des  Tags,  ersterer  nahm  sogar  die  Mahlzeit  im  Rade 
ein.  Der  verfeinerte  Luxus  machte  aus  den  grossartigeu 
Thermen  inR(Mn  und  anderen  grossen  Städten  Vergnügungs- 
orte,  wo  die  müssigen  Reichen,  in  dem  ralTinirtestenComfort 
schwelgend,  den  grossten  Theil  des  Tages  zubrachten  und 
wo  nicht  blos  für  alle  Arten  des  Badens  nach  dem  ver- 
schiedenen Geschmacke  und  Behagen  gesorgt  war,  sondern 
überhaupt  für  die  angenehmste  Pflege  des  theuren  Leiltes  in 
allen  Beziehungen.  Es  waren  daher  nebst  den  eigentlichen 
Badelocalitäten  noch  eine  Menge  Räume  angebracht,  um  Gym- 
nastik zu  treiben,  sich  zu  salben  und  Toilette  zu  machen, 
Hallen  zum  Auf-  und  Niederwandeln  und  zum  Ausruhen  etc. 

Diese  luxiu'iösen  Einrichtungen  der  Hauptstädte,  deren 
für  die  verschiedenen  Zwecke  und  Bedürfnisse  bestimmten 
Thcile  noch  manches  Räthselhafle  haben,  dürfen  wir  freilich 
in  den  kleineren  Proviuzial-Ortern ,  besonders  in  unserem 
Norden,  nicht  suchen,  sondern  hier  hatten  die  Bäder,  am 
meisten  die  militärischen,  welche  sich  häufig  in  den  Sta- 
tionen der  Legionen  linden,  den  rein  jiraktischen  Zweck 
des  Badens  und  auch  hierbei  ist  ein  Unterschied  zu  machen 
zwischen  denen  .  die  mit  ualürlichem  Wasser  gespeist 
wui'den  und  den  mineralischen,  indem  die  letzteren  meist 
noch  einfacher  in  ihren  Eimichtungen  gewesen  zu  sein 
seheinen. 

Das  erwähnte  mitten  in  Alt-Ofiii  im  .1.  1778  aufge- 
deckt«! II  y|)  oca  u  s  tum  bildet  im  (jrimdrisse  ein  Rechteck 
mit  halbkreisförmigem  .4bschluss  am  östlichen  Ende ,  von 
der  bedeutenden  Länge  von  47  Fuss  bei  24'/«  Fuss  Breite. 
Der  Boden  besteht  aus  ([uadratischen  Ziegeln«,  auf  welche 
eine  dicke  mit  Ziegelbrocken  vermischte  Mörtellage  aufge- 
tragen ist.  die  nnt  einem  aus  rotlien,  grauen  und  weissen 
Steiuchen  in  einfachen  Ornamenten  zusammengesetzten 
Mosaik  bedeckt  war.  Der  ganze  Boden,  welcher  gegen  die 
rund  geschlossene  Seite  eine  geringe  Neigung  von  2  Zoll 
hat.  ist  hohl  und  w  ird  \ou  3  Fuss  8  Zoll  hohen  regelmässig 
in  Reihen  gestellten  Stützen  gelragen.  Diese  sind  zweierlei 
.\rt;  die  an  der  westlichen  Seite  sind  runde  Säulchen  aus 
Trachyt  mit  ungegliederten,  einfach  ausladenden  Capilälen 


')  Kill  JinutT.  der  eiiio  KiiU^rnho  miiclii'ii  wnUlp,  stioss  zuerst  tlai'.iur 
Uiu'  Kaiserin  .Mfiri.i  Tlierfsi:i .  welche  (lavoii  erfiilir.  erlheiUe  <leii  Hefelll, 
diiss  niif  Kostcit  der  Universität  weitere,  vorsielitijre  ISaeligriibuiigeii 
vur^eiiomnicii  werden  suUten  unter  Leitung  des  Professors  Stephan 
Sc  h  (>  n  V  is  n  c  r.  der  ein  eigenes  Werk  darüber  herausi^nb  unter  dein 
Titel :  De  rnderilius  Laeonici  caldaritqne  romani  in  solo  Iiudensi  repertis 
Anclore  Stepliaiio  Schöinisner.  Biidae  (ITTti). 


283  — 


und  ähnlichen  Basen;  solche  stehen  immer  zu  13  in  einer 
Reihe,  2  Fuss  von  einander  entfernt.  Ursprünglich 
waren  der  Länge  des  Raumes  nach  15  Reihen  solcher 
Säulchen,  also  im  Ganzen  192,  allein  schon  gleich  nach  der 
Aufdeckung  wurden  viele  verschleppt  und  gegenwärtig  sind 
nur  mehr  ungefähr  120  vorhanden.  Der  östlichere  Theil 
des  Raumes  hat  statt  dieser  Säulchen  viereckige,  regelmässig 
aus  Ziegeln  aufgebaute  Pfeiler,  die  gegen  die  Seitenwände 
zu  enger  beisammen  stehen  als  in  der  Mitte,  au  der  Aus- 
rundung unregelmässig  an  die  Umfassungsmauer  angelehnt 
sind;  es  sind  ihrer  im  Ganzen  105,  also  in  allem  2ft7Stii(zen, 
welche  den  Fussboden  dieses  Raumes  trugen.  In  den  hohlen 
Raum  wurde  durch  einen  an  der  Westseite  heliiidlichen 
Canal,  den  Schönvisner  noch  sah,  die  erhitzte  Luft  aus 
der  Heizkamer,  dem  praefurnium,  geleitet  und  erwärmte  so 
den  Fussboden  ;  an  den  Wänden  aber  standen  viereckige 
Thonröhren,  deren  unterer  Theil  in  den  hohlen  Boden 
hineinreichte,  so  dass  die  heisse  Luft  in  dieselben  einströ- 
men konnte  und  so,  indem  mehrere  Reihen  solcher  Heiz- 
röhren übereinander  standen  und  auch  untereinander  eom- 
municirten,  die  W  ände  des  Gemaches  durch  diese  Luft- 
heizungerwärmt wurden,  —  das  bei  den  Römern  übliche 
Heizsystem,  welches  in  den  nördlichen  Gegenden  nicht  nur 
bei  Bädern  sondern  auch  in  Wohnhäusern  angewendet 
erscheint '). 

Welcher  Theil  des  Bades  dieser  grosse  Raum  gewesen 
sei,  ist  schwer  zu  ermitteln,  da  die  jedenfalls  dabei  befind- 
lichen Nebenräume  nicht  aufgedeckt  wurden,  was  auch  jetzt 
wegen  der  in  der  Nähe  stehenden  Häuser  wohl  nicht  auf  eine 
weitere  Ausdehnung  geschehen  könnte,  aber  doch  in  der 
unmittelbaren  Nähe  dieses  Hypocaustums  und  wobei  gewiss 
manche  nicht  unerhebliche  Resultate  gewonnen  werden 
könnten.  Freilich  wären  bei  der  ziemlich  bedeutenden 
Tiefe  unter  dem  Niveau  des  gegenwärtigen,  stark  aufge- 
schwemmten Bodens  die  dazu  erforderliehen  Kosten  nicht 
unbedeutend  =). 

Ein  ganzer  Complex  von  Badegebäuden  wurde  in  den 
.lahren  1834  bis  1856  auf  der  von  Alt -Ofen  durch  einen 
schmalen  Donauarm  getrennten  Werftinsel    aufgedeckt.   Es 


'J  Vgl.  Schmidt,  Rauilenkmale  der  römischen  Periode  und  des  Mittel- 
alters in  Trier  und  seiner  Umgebung,  Heft  I,  S.  'io  IT.;  lieft  II,  S.  48.— 
Carniolia,  Zeitschrift,  .lalirgang  1840,  BI.  37,  ^8  —  Ci)lleetanea 
antiqua  by  Charles  Roach  Smith,  Vol.  II,  pag.  6  IT.  —  L  e  i  Im  i  t  z, 
die  römischen  Biider  bei  Radenweiier  im  Schwarzwald,  u.  a. 

^J  Das  Hypocauslum  ist  im  Uanzen  gut  erhalten;  die  Höhe  und  Distanz  der 
Säulehen  gestattet  es,  ziemlich  weit  hinein  zu  kriechen;  die  vorderen 
Säulchen  sind  stark  herusst.  Der  rückwärtige  Theil,  wo  dieZiegelpfeiler 
stehen,  ist  auch  ein  Stück  weit  .schliefbar,  dann  aber  Iheilweisc  ver- 
schüttet, auch  ist  derauf  ihnen  rubentle  Boden  nicht  überall  so  fest, 
dass  man  nicht  bei  der  darauf  lastenden  Erdschichle  einen  Kinsturz  bei 
irgend  einem  Anstoss  zu  befürchten  halte.  Über  das  Ganze  ist  ein  stei- 
nernes Häuschen  mit  gutem,  erst  kürzlich  ausgebessertem  Scbiudeldaeh 
gebaut,  so  dass  das  Denkmal  vor  jeder  weiteren  lieschädigung  geschützt 
ist.  Die  Thüre  ist  ges|>errt  und  eine  hölzerne  Treppe  führt  zum  llypo- 
caustum  hinab,  wo  eine  Laterne  in  Rereitschaft  sieht,  um  alles  unt  be- 
sehen zu  können. 


ist  evident,  dass  die  Insel  früher  mit  dem  Festlande  zusam- 
menhing und  das  Strombett  der  Donau  bedeutend  weiter 
gegen  Osten  war,  als  jetzt.  Erst  später,  nacli  der  Zeit 
röniischer  Ansiedlung  in  dieser  Gegend,  brach  der  gegen 
Westen  gedrängte  Strom  den  .Arm  durch,  der  die  Werftinsel 
bildet.  Ein  Beweis  hiefür  ist  das  römische  Mauerwerk, 
welches  vom  Ufer  zur  Insel  unter  dem  Wasserspiegel  läuft, 
und  bei  sehr  niedrigem  Wasserstand  noch  zu  sehen  ist. 
Dem  Anschein  nach  ist  der  nördliche  Theil  der  Insel,  ober- 
halb der  weitläufigen  Werkstätten  der  Doiiau-Dampfschiff- 
fahrts-Gesellschaft  ganz  bedeckt  mit  Trümmern  römischer 
Gebäude,  denn  allenthalben  wo  man  in  den  Boden  gräbt, 
stösst  mau  auf  Mauerwerk  oder  Bruchstücke  von  Ziegeln 
und  Mörtel;  der  hochaufgeschweiiinite Boden  und  die  vielen, 
mitunter  grossen  Bäume  machen  hier  die  Nachgrabungen 
schwierig  und  kostspielig,  auch  scheinen  durch  zahlreiche 
Überschwemmungen  die  Gebäude  so  zerstört  worden  zu 
sein,  dass  sich  die  Fundamente  meist  nur  in  sehr  schadhaf- 
tem Zustande  ans  Licht  bringen  lassen. 

Von  den  blossgelegteu  Gebäudemassen  zieht  vor 
allen  die  im  .1.  1854  entdeckte  Gruppe  die  .Aufmerksamkeit 
auf  sich  wegen  ihres  merkwürdigen  Systems  von  unterir- 
dischen Heizanlagen. 

Hier  tretfen  wir  zunächst  ein  bedeutend  grosses  Ge- 
mach von  elliptischer  Form,  36  Fu.ss  lang,  23  Fuss  breit,  in 


WC 

13 


(Fi-.  1. 

Icheni  sich  ein  grosses  Bassin  von  26   Fuss  Länge  und 
Fu.ss  Breite,    3  Fuss  3  Zoll  Tiefe  beliiidet,  so   dass  um 

40* 


—   284  — 


(lasselhc  nur  ein  5  Fuss  breiter  L'mgang  bleibt.  Das 
Bassin  iiat  eine  riiiLTsuiii  huifeiule,  aus  Ziegeln  aufijeinauerte, 
2  Fuss  luihe  Sitzbauk,  welclie  mit  Sockelplatten  aus  Kalk- 
stein belegt  war,  die  aber  jetzt  alle  weggenüuunen  sind  ;  auf 
der  Soble  des  Bassins  stösst  an  diese  Stufe  oder  diesen  Sitz 
ein  fiinfzölliger  Viertelstab  aus  Cenient,  wabrsclieinlich  um 
die  Küsse  beim  Sitzen  darauf  zu  stellen.  Der  Buden  besteht 
aus  einem  sehr  festen,  dem  Wasser  widerstehenden  Cement- 
guss,  der  mit  einer  darunter  liegenden  Schiebte  von  groben. 
mit  Ziegell)rocken  vermengten  Mörtel  innig  verbunden  ist 
und  auf  denselben  aufgefragem  worden  sein  muss,  als  er 
noch  iiass  war.  Der  Boden  des  Bassins  ist  eine  sogenannte 
sus]iensura.  d.  h.  er  ruht  auf  einem  System  von  1  Fuss  10 
Zoll  liolien  SiUik'lien  aus  Traeliyt ,  von  roher  Form  und 
wenig  behaiieu,  so  dass  ein  liolilerRaum  entsteht,  in  welchen 
die  heisse  Luft  geleitet  wurde,  um  das  in  dem  Bassin  befindliche 
Wasser  durch  den  Boden  fortwährend  gelinde  zu  erwarmen. 
Diese  Luftheizung  wurde  von  drei  Feuerpliitzen  aus 
durch  6  —  8  Fuss  lange,  bei  2  Fuss  breite  und  ebenso  hohe 
Caniile  bewerkstelligt,  welche  mit  grossen,  aufrecht  stehen- 
den Trachytplatten  ausgelegt  und  mit  ahnlichen,  auf  diesen 
ruhenden  bedeckt  sind;  über  jeden  Canal  ist  ein  Gewölbe  von 
U  Fuss  Breite  gespannt,  damit  die  rmfassungsmauern  nicht 
mit  ihrer  Schwere  auf  den  Deckplatten  der  Canäle  lasten, 
ober  dem  Boden  des  Bassins  sind  diese  Gewölbe  mit  Ziegeln 
verlegt.   (Fig.    2.)   Die  drei   Caniile    befinden  sich  an  den 

beiden  Enden  der 
Langenaxe  des 
Beckens  und  fast 
in  der  Mitte  an 
der  Westseite.  Die 
Heizplätze  selbst 
"'nd  natürlich  be- 
(Fig.  2.)  deutend   tiefer  ge- 

legen ;  sie  wurden  nicht  voUslündig  von  Schutt  befreit. 
Die  beiden  einander  i.  genübor  gelegenen  Heizungen 
waren  desshalb,  weil  in  der  Mitt^  des  llypocaustums  der 
Quere  nach  eine  Mauer  gezogen  ist,  wahrscheinlich  uni  die 
Luftströmung  zu  begrenzen,  damit  sich  die  Wärme  nicht 
zu  viel  vertheile.  Der  dritte  Canal  an  der  Westseite  scheint 
etwas  später  angelegt  worden  zusein,  da  die  ihn  l)egren- 
zenden  Mauern  des  lleizphifzes  mit  den  Umfassungsmauern 
des  liadegemaches  iiiclil  vcrbuiulen,  sondern  blos  angebaut 
erscheinen. 

Die  S(dile  des  Bassins  ist  gegen  die  Südseite  um  2  Zoll 
geneigt,  um  den  .\bfluss  des  Wassers  zu  bewaikstelligen ; 
wirklich  liiuiet  sich  in  der  Mauer  noch  die  bleierne  .\bfluss- 
röhre  von  3  Zoll  Durchmesser,  wie  gewöhidich  uiit  einem 
starken  Gralh,  da  sie  aus  langen  Bleistreifen,  die  zusammen- 
gebogen und  dann  zugesclimolzcu  wurden,  gemacht.  Von 
der  Zuflussröbre  konnte  ich  keine  Spur  entdecken. 

Der  Fussboden  des  (iemaches.  weichen  das  Bad-Bassin 
umgibt,  ist  mit  Mosaik  belegt  aus  gelblichen  Kalksteinstück- 


chen ohne  Figuren;  die  Steinchen  sind  in  die  feine  Kalk- 
Sehichte  eingesetzt,  die  auf  der  3  Zoll  dicken  groben 
Mörtellage  aufgetragen  ist.  Der  innere  Theil  dieses  Bodens, 
in  einer  Breite  von  2  Fuss  6  Zoll,  ruht  auf  massivem  Mauer- 
werk, diesen  umgibt  ein  ebenso  breiter  Umgang,  der 
wieder  hypocaustiseli  ist  und  auf  einer  Reihe  von  säulen- 
artigen 3  Fuss  (j  Zoll  buhen  Stützen  ruht.  In  diesen  Gang 
gelangte  die  erhitzte  Luft  von  den  Heizplätzen  durch  die- 
selben Canäle,  wie  in  das  Hypocaustum  des  Beckens,  denn 
diese  communiciren  durch  Seitengänge  mit  ihm  und  zwar 
ist  beim  niirdliehen  Canal  beiderseits  ein  in  den  erwähnten 
Gang  führender,  gewölbter  Schlauch  angebracht,  der  süd- 
liche Canal  aber  miindet  in  den  Gang  und  zugleich  in  den 
hohlen  Baum  unter  dem  Bassin.  Dass  ein  Theil  des  Fussbodens 
keine  suspensura  ist,  sondern  massiv,  geschah  wahrschein- 
lich, damit  die  Badenden  nicht  auf  den  erhitzten  Boden  auf- 
treten mussten,  sondern  auf  dem  kühleren  um  das  Bad  her- 
umgehen konnten. 

An  den  Wänden  des  Gemaches  waren  rings  herum 
wieder  thönerne  Heizröhren  von  9  —  10  Zoll  Höhe,  6  —  7 
Zoll  Breite  und  4  —  K  Zoll  Dicke  neben  einander  gestellt, 
mit  ihren  unteren  (tflnungen  in  den  hohlen  Gang  des  Fuss- 
bodens reichend  und  durch  SeitenölVnungen  unter  einander 
in  Communication.  Sie  waren  mit  Nägeln  in  den  Mörtel  der 
verticalcn  Stossfugen  der  Mauern  befestigt  und  in  mehreren 
Reihen  über  einander  angebraclit;  man  erkennt  an  den 
Mörtelspuren  noch  sechs  Reihen,  wahrscheinlich  aber  reicli- 
ten  sie  bis  an  die  Decke.  Die  den  lleiz[ilätzen  nälieren  sind 
innen  ziendich  stark  mit  Russ  belegt.  Wenn  nun  von  den 
Feuerungsstellen  die  erhitzte  Luft  in  die  ludden  Bäume  des 
Bodens  geleitet  wurde,  so  strömte  sie  durch  diese  Hohl- 
ziegel in  den  Wänden  aufwärts,  es  entstand  also  ein  strö- 
mender Luftzug,  der  das  Eindringen  der  erwärmten  Luft 
von  den  Heizplätzen  aus  beförderte.  Das  Feuer  wurde 
wahrscheinlich,  wie  bei  anderen  ähnlichen  Einrichtungen, 
durch  llolzkolilen  initerhalten.  denn  sonst  niüssten  die  llypo- 
causten  und  tubuli  der  Wände  viel  mehr  berusst  sein,  als 
dies  wirklich  der  Fall  ist. 

Die  Wände  sind  mit  Suckelplatlen  aus  Sciiicfer  belegt, 
ober  diesen  waren  sie  bemalt  himmelblau  mit  ochergellien 
yuerstreifen.  Die  Überreste  sind  zu  wenig  hoch,  um  zu 
entscheiden,  wo  sich  Fenster  befanden,  eben  so  (dj  der 
Raum  idiei-wölbt  oder  fhich  bedeckt  war;  jedoch  ist  das 
letztere  wahrscheinlicher,  da  sieh  im  Scluilte  keinerlei 
Bruchstücke  eines  (iewölbes  vorgefunden  haben. 

.\us  diesem  Räume  führte  eine  Thüre,  von  der  noch 
die  quadratische  !l  Zoll  dicke  Soekelplatte  erhalten  ist,  am 
nordöstlichen  Ende  in  ein  kleines,  nicht  ganz  vom  Schutt 
befreites  und  in  seinen  Fiiiidainenleii  blossgclegtes  Genuudl ; 
es  hal  ebenfalls  einen  hcdden,  auf  Sliitzen  riilienden  Boden, 
aber  an  den  Wänden  keine  llrizriiliren,  es  konnte  daher  nur 
massig  erwärmt  werden.  Eine  zweite  Thüre,  der  bespro- 
chenen   gegenüber,    führt    in    einen    kleinen,    kreisrunden 


28S 


(Fig.  3) 


Raum  von  IS  Fuss  Durchmesser,  der  mit  einem  Hypociiu- 
stum  versehen  war,  das  von  dem  Heizphitze,  der  in  die 
Mitte  des  ovalen  Gemaches  führt,  gespeist  wurde.  Die 
Trachytsäulen ,  2  Fuss  9  Zoll  hoch ,  sind  durch  die  Hitze, 
welche  hier  sehr  bedeutend  gewesen  sein  muss ,  ganz  aus- 
gebrannt und  theilweise  mit  Sehlacken  überzogen .  daher 
auch  sehr  schadhaft.  Der  Boden ,  der  jetzt  grösstentheils 
eingestürzt  ist,  war  mit  einer  Art  von  Ziegelmosaik  aus 
4  Zoll  langen,  eben  so  breiten, 
wirbelknochenförmigen  Ziegeln , 
die  abwechselnd  der  Länge  und 
der  Quere  nach  gelegt  sind ,  be- 
legt. Dieses  Pflaster  ruhte  auf  der 
dicken  Mörtelschicht,  welche  auf 
die  die  Deckplatten  der  Säulenstützen  bildenden  Steinplatten 
aufgetragen  ist.  An  den  Wänden  waren  wieder  Heizröhren 
angebracht,  mit  Mörtel  verputzt,  der  unten  mit  Sockel- 
platten überkleidet,  oberhalb  gelb  bemalt  war.  Dieser  Raum 
scheint  mit  einer  Kuppel  überwölbt  gewesen  zu  sein;  er 
dürfte,  da  die  Wärme,  wie  noch  manche  Spuren  zeigen, 
auf  einen  sehr  hohen  Grad  gebracht  wurde,  als  Schwitzbad 
gedient  haben,  welches  dem  eigentlichen  Bade  in  dem 
Bassin  des  anstossenden  elliptischen  Raumes  vorherging. 
Eine  Thüre  führt  zu  einem  kleinen,  viereckigen  Zimmer, 
dessen  Boden  ebenfalls  hypocaustisch  ist. 

Der  am  nördlichen  (oberen)  Ende  des  Baderaumes 
befindliche  Heizplatz  mündet  in  drei  Canäle,  nämlich  in  den 
unter  das  Bassin  führenden  und  in  die  zwei,  welche  unter  die 
viereckigen  Nebenräume  gehen,  jedenfalls  weniger  erwärmt 
wurden  und  vielleicht  zum  Auskleiden  und  zum  Salben  nach 
dem  Bade  dienten.  Es  ist  sehr  wahrscheinlich,  dass  diese 
Bader  ebenfalls  von  der  grossen  Quelle  bei  derPulverstanipfe, 
welche  auf  dem  Aquäduct  zum  Bade  auf  dem  Florianiplatze 
geleitet  wurde  und  dasselbe  speiste,  ihr  Wasser  erhielten; 
es  sollen  sogar  Reste  einer  von  dort  in  der  Richtung  gegen 
die  Werftinsel  führenden  unterirdischen  Leitung  entdeckt 
worden  sein. 

Leider  sind  diese  gewiss  interessanten  Überreste  rö- 
mischer Cultur  in  einem  äusserst  ruinenhaften  Zustande. 
Gewaltsame  Zerstörung  von  den  Barbaren,  welche  die 
Römerherrschaft  vernichteten  und  in  wilder  Wuth  alle  Spu- 
ren derselben  zu  vertilgen  suchten ,  dann  Überschwem- 
mungen und  Witterungseinflüsse  Hessen  wenig  mehr  als  die 
unterirdischen  Räume  und  den  Grundriss  der  Mauern  übrig 
und  schon  beim  Aufgraben  zeigte  sich  vieles  eingestürzt 
und  nur  mehr  in  Spuren  übrig,  nach  denen  man  die  ur- 
sprüngliche Anlage  und  Einrichtung  mehr  errathen  musste, 
als  erkennen  konnte.  Auf  Veraidassung  der  k.  k.  Central- 
Commission  wurde  zwar  von  Seite  der  Donau-DampfschilT- 
fahrtsgesellschaft  ein  Dach  über  die  aufgedeckten  Räume 
gebaut,  allein  da  sie  von  allen  Seiten  offen  und  zugänglich 
sind,  so  wurde  vieles,  was  nur  irgend  Werth  hatte,  ver- 
schleppt, auch  durch   die  Witterung,  die   auf  alles,    was 


lange  Zeit  mit  Erde  bedeckt  war,  ausserordentlich  zer- 
störend einwirkt,  noch  schadhafter.  Nachdem  der  Verfall 
einmal  so  weit  gediehen,  kann  die  grössere  Sorgfalt,  die 
auf  die  Erhaltung  des  noch  Übrigen  verwendet  werden  soll, 
leider  wenig  mehr  helfen. 

Etwa  20  Klafter  östlich  von  dem  beschriebenen  Ge- 
bäudecomplexe  ist  ein  ebenfalls  hypocaustischer  Raum,  der 
als  Eisgrube  benützt  wird,  übrigens  nichts  bemerkens- 
werthes  darbietet;  der  ganze  dazwischen  liegende  Hügel 
scheint  ähnliche  Constructionen  zu  bergen.  Hinter  der 
Seilerei  wurde  ebenfalls  ein  achteckiges  Gemach  im 
Jahre  1854  aufgedeckt,  dessen  aus  zwei  Lagen  von  grö- 
berem und  feinerem  Mörtel  bestehender  Fussboden  eine 
Suspensura  darstellt,  auf  rohen  Säulchen  von  7 — 10  Zoll 
Durchmesser  ruhend,  deren  je  vier  die  Steinplatten  tragen, 
auf  denen  die  Terrazza  aufgetragen  ist ;  an  den  Wänden 
waren  wieder  die  gewöhnlichen  Heizröhren  herumgestellt. 
Der  am  besten  erhaltene  und  schönste  Überrest  ist  ein 
80  Klafter  von  den  beschriebenen  Bädern  in  südöstlicher 
Richtung  gelegener  hal  bkreisförmiger  Raum  (Fig. 4), 

der  Schluss  eines 
grossen  Saales,  von 
27  Fuss  Durchmes- 
ser, welcher  im  .lahre 
1856  aufgedeckt 
wurde,  als  man  die 
Fundamente  für  ein 
Grobschmiedehaus 
der  Werfte  grub. 
Der  auf  einem  Hypocaustum  mit  niedrigen,  rohen  Stützen 
ruhende  Boden  besteht  aus  mehreren  Lagen,  denn  auf  die 
von  den  Säulchen  des  Hypocaustums  getragenen  Trachyt- 
platten  ist  eine  6  Zoll  mächtige  grobe,  mit  Steingries  ge- 
mengte Mörtelschichte  aufgetragen,  dann  eine  2  Zoll  dicke 
feinere  aus  Kalk  mit  gestossenen  Ziegeln,  endlich  die  Kalk- 
lage, in  welche  die  viereckigen,  6  —  7  Linien  hohen 
Steinchen  eines  schönen  Mosaiks  eingesetzt  sind. 

Dieses  ist  aus  gelblichen  und  grauen  Kalkstückchen 
zusammengesetzt  in  eigenthümlichen  geschiiiackvoilen  Fi- 
guren. Die  Mauern  sind  wieder  mit  Heizröhren  verkleidet, 
welche  mit  dem  Hypocaustum  communiciren  sowie  unter 
einander  durch  SeitenölTiiungpu;  man  erkennt  die  Spuren 
von  .sechs  Reihen  solcher  tiibuli  über  einander.  Die  Reihen 
alterniren  hier,  so  dass  die  Fuge  von  je  zweien  einer  Reihe 
auf  die  Mitte  einer  Heizrohre  der 
vorliorgehendeii  unteren  Reilie  tritVt 
und  so  eine  jede  die  heisse  Luft 
von  zwei  der  unteren  Röhren  er- 
(Fig.  s.)  liält.     Es    entstand    dadurch    eine 

eigenthümlich  starke  Ventilation  und  die  Circulation  der  er- 
wärmten Luft  war  eine  sehr  vollständige.  Die  oberen  Reihen 
der  tubuli  .  bei  denen  dieses  System  angewendet  war, 
standen  aber  unter   einander  in  keiner  horizontalen   Com- 


(f  ig-  4-) 


-1  r 


—  286  — 


imiiiiciitioii  durch  Seitoiiöft'niingen.  Die  Uiihren  reit'hton  bis 
in  (las  haliiiciiii|icirr)i-niiu('  Go«i)lite,  wio  riiolirere  derselben 
(lin'ch  die  Ciirvon  ihrer  Wände  dciillich  beweisen. 

Die  Umfassungsmauern  sind  aus  piattenformigen 
Brueiisteinen  gebaut,  deren  Fragen  zwiselien  den  aus  trelT- 
liehen  Ziegeln  gemachten  horizontalen  Manergleicben  in 
einem  scharfen  Winkel  gegen  einander  geneigt  sind.  Die 
Ziege!  sind  « ie  die  meisten  römischen  sehr  gross  (penla- 
dora,  welche  die  Soldaten  bei  ihren  Hauten  gebrauchten). 
1  Fuss  8  Zoll  lang.  10  Zoll  breit  und  nur  2  Zoll  dick. 
viele  haben  Stempel.  Die  Manergleicben  sind  in  Entfer- 
nungen von  je  3  Fuss  angelegt.  Im  Schutte  fanden  sieb 
mehrere  Ziegel  mit  Riindern,  welche  gegen  einander  ge- 
stellt wurden,  wodurch  man  oben  hidile,  leichtere  Mauern 
erhielt,  jedoch  scheint  diess  nur  an  den  geraden  Seiten- 
wänden, nicht  in  der  ^^'ülbung  der  Kall  gewesen  zu  sein. 
Die  Bemalung  der  Wände  war.  nach  kleinen  gefundenen 
Stücken  zu  schliessen,  sehiin  kobaltblau  mit  braunen  und 
lichten  Streifen,  tbeilweise  auch  zinnoberroth.  Die  Farben 
sind  auf  einem  8  Linien  dicken  KallqHilz  aufgetragen,  doch 
lindet  sich  unter  demselben  eine  ältere  Malerei  von  braun- 
rother  Farbe  mit  gelb  vor,  welche  also  später  cassirt 
wurde.  Diese  i'berreste  können  nicht  erhalten  werden, 
naclidem  der  Platz  für  die  Baulichkeiten  der  DampfschitT- 
fahrtsgesellschaft  benöthigt  wird.  Indess  versprach  der 
Werfte-Verwalter,  llcir  Pellegrini,  den  Mosaikboden  mit 
möglichsterVorsicht  im  (janzen,  oder  wenigstens  in  grossen 
Stücken  ausheben  zu  lassen,  und  der  k.  k.  Central-Com- 
mission  zur  Verfügung  zu  stellen,  damit  er  erhalten  werde  <). 
Es  ist  hiermit  der  interessanteste  Theil  dieses  Raumes 
gerettet. 

Dass  dieser  ganze  Compicx  von  Bädern  sammt  jenem 
auf  dem  Floriani- Platze  in  Alt- Ofen  Militärbäder  waren, 
beweisen  die  Stempel  der  Ziegel.  Bekanntlich  drückten  die 
Legionen  und  Cohorten  der  llilfslruppen  den  Ziegeln,  mit 
welchen  die  für  ihren  Gebrauch  beslimmlen  Gebäude  auf- 
geführt wurden,  einen  vertieft  gravirlen  Siempel  ein.  wel- 
cher ihren  Namen  und  Bezeichnung  enlliielt,  während  bei 
Civilbauten  der  Stempel  des  Fabrikanten  gebraucht  wurde. 
Die  in  iirisei-iMi  Bädern  gefundenen  Ziegel  haben  folgende, 
mitunter  interessante  .Vufscbi-iften : 

1.  LEG  II  AD— LEt;  II  AD  PF  ^  LEG  II  liAD  — 
LE(i  II  AD  ANT  — d.  i.  Legio  secunda  adjutrix — legio  se- 
ciiiida  adjutrix  pia  fiilelis  —  legio  secunda  lladiiana  —  le- 
gio secunda  adjutrix  Antoniniaria.  Diese  Legion  mit  dem 
Beinamen  Adjutrix  (zum  Unterschiede  von  d«r  secunda 
Augusta)  wurde  von  Vespasian  aus  Seesoldaten  errichtet 
und  kam  bald  nach  Nieder-Pannonien,  wo  sie  ihr  Stand- 
quartier zu  Aquincum  fortwährend  behielt  f  Dio  ("ass.  LV, 
24).  Sie  erhielt  schon  damals  die  Benennung:  pia  (idelis. 
i  1 .;.:.'  i  ' . '  .  I    ' ,  1   .  ■    •  n  j-i  ■■  ■  /< 

')  Die»  ist  auch  liercits  gesohihon  und  Tlicile  .Ips  Mnsniks  hofimli-n  sich  im 
k.  k.  Antiken-Ciliinrle  zu  Wien  iinil  im  Pcstcr  .Mirsoimi. 


Iladiiaii,  nachmals  Kaiser,  diente  als  Tribun  in  derselben 
und  wahrscheinlich  zum  Andenken  daran  legte  er  ihr  den 
Titel  lladriana  bei,  der  meines  Wissens  hier  zum  ersten 
Male  vorkommt ').  Die  Legion  machte  unter  Trajan  den 
dacischen  Krieg,  unter  Marc  .\urel  den  gegen  die  Sueven 
imd  Sarmaton  mit.  Unter  Caracalla,  der  gerne  überall  seinen 
Namen  prunken  sah,  wie  diess  in  der  s])äteren  Kaiserzeit 
immer  mehr  und  mehr  hcrvortiitt ,  erhielt  sie  den  Titel: 
AiiloTiiniana,  wie  später  Severiana,  Gordiaua  und  (^)nstans 
Claudiana.  Es  existiren  von  ihr  zahlreiche  Inschriften, 
welche  ihren  langen  Aufenthalt  in  Niederpannonien 
bezeugen. 

2.  COH  MI  BB  —  roll  Vll  B  B  E  —  COH  VII  B  R 
ANT.  d.  i.  Cohortis  septimae  Breucorum,  —  Cohnrtis  sep- 
timae  Breucorum  .Antoninianae;  auf  Heizrohren  konunt  auch 
blos  CIIORTIS  und  COIIOUTIS  vor.  Gewöhnlich  war  den 
Legionen  in  den  Provinzen  eine  oder  mehrere  Cohorten 
verbündeter  Ililfsvölker,  die  von  Rom  in  Sold  genommen 
wurden,  beigegeben.  Hier  linden  wir  bei  der  zweiten  Le- 
gion die  siebente  Cohorte  der  Rreiiker.  eines  celtisch-[(an- 
iionischen  Volkes,  das  seinen  \\'(dinsitz  an  der  Save  (um 
Brod)  halte.  Von  diesem  Volke  scheinen  acht  Cohorten  ge- 
bildet gewesen  zu  sein,  den  Beinamen  .\ntoniniana  theilte 
die  Abtheilung  der  Ililfstruppen  wahrscheinlich  mit  der 
Legion. 

;$.  COH  IV  P  P.  d.  i.  Cohors  (juarta  peditata  pia  (?), 
oder  Provinciae  Paniioniae  ( '.'J,  wahrscheinlich  ebenfalls 
der  Legion  zugetheilt. 

4.  EXERPANINF.,  d.  i.  Exercitns  Pannoniae  infe- 
rioris.  Es  bestand  nämlich  eine  Gruppirung  des  grossen 
römischen  Heeres  in  einzelne  Armeeeorps,  welche  nach 
ihrem  .\ufstellungsorte  benannt  wurden  -). 

Aus  diesen  Inschriften  .  namculiich  denen  sub  I 
scheint  hervorzugehen,  dass  die  Badeanlagen  aus  verschie- 
denen Zeiten  herridiren  und  es  lässt  sich  über  dieselben 
wenigstens  etwas  verm  ut  hen.  Die  Ziegel  mit  dem  Stem- 
(lel :  legio  secunda  lladriana  kommen  in  dem  letztbeschrie- 
benen balbkreisfiirmigen  Baume  vor,  dessen  Erbauung  so- 
nach in  die  Zeit  fallen  dürl'te,  als  die  Legion  diesen  Namen 
führte,  also  in  die  Zeit  der  Regierung  lladrian's  oder  bald 
darnach  (c.  IJUI  n.  Chr.).  Dagegen  wurden  die  Ziegel  mit 
dem  Legionsbeinamen  Antoniniana  bei  den  Räumen  mit  dem 
ovalen  Bassin  vorgefunden,  nuithmasslich  entstanden  diese 
ilalicr  unter  oder  nach  Caracalla   (c.   210).    und    es    läge 


')  n.'iss  t'ine  eij^ene  I.<*gio  seotinila  lliKlri.Tii.i  hpsl.ninlen  liahc  —  wie  es  eine 
Aiiffiisla  unil  TiMJann  gnb  —  ist  wnlil  nicht  nn/.uricliiiien,  «la  aUf  sonstigen 
ATili!ills|iunktc  iliiliir  fehlen.  Ehen  so  wonis  ist  es  wnhi-sehcinlieh  ,  ilnss 
ilie  sccunila  Au^'iistii  oilcr  Tinjana  von  Uaili  iau  mit  seinem  Namen  belegt 
«onli'n  sei,  ila  l)eiile  mit  ihren  nisi>iüngiichen  üoinamen  noch  in  der 
spätesten  Zeit  vorkommen;  auch  kam  keine  von  lieiden  je  nach  Pauno- 
nion  ,  erslere  »ar  in  (iermanien  ,  dann  iu  llrilannlen  slalionirl,  letz- 
tere in  Ägypten. 

*)  So  exereitu»  Gcrm.nnicus,  Noricus,  Parthicus,  Syrineus,  Cnppadocicii«, 
Uritaunieus  n.  s.  \v.,  narnenllicli  auf  .Münzen  vorkommend- 


287 


zwischen  beiden  eine  Zeit  von  ungefähr  8U  Jahren.  Die 
viel  exactere  Ausführung  der  Ziegel,  des  Mauerwerks ,  der 
Heizröhren,  so  wie  der  schöne  Mosaiiihoden  in  ersterer 
Anlage  spricht  auch  für  eine  frühere  Zeit  der  Erbauung,  als 
die  viel  ruher  und  nachlässiger  gebauten  zweiten  Bäder; 
ebenso  der  Umstand,  dass  die  urs|prüngliche  Wandmalerei 
später  durch  eine  neue  ersetzt  wurde.  Doch  sind  diess,  wie 
gesagt,  blos  Vermuthungen,  da  sich  nicht  genau  ermitteln 
lässt,  wie  lange  die  Legion  ihre  verschiedene«  Beinamen 
behielt.  Warum  auf  manchen  Ziegeln  statt  der  bestinnnten 
Bezeichnung  der  Legion  oder  Coiiorte   blos  die  allgemeine 


Angabe  des  Arnieecorps  erscheint,  ist  auch  nicht  klar. 
Übrigens  kommen  die  Ziegel  der  zweiten  Legion  und  der 
siebenten  Cohurte  der  Breuker  in  denselben  Häumen 
untermischt  vor,  daher  es  scheint,  dass  die  Bäder  beiden 
gemeinschaftlich  waren  und  dass  sie  von  beiden  gebaut 
wurden. 

Weitere  Aufgrabungen,  die  holTeiitlich  nach  und  nach 
den  Grundriss  der  ganzen  Badeanlagen  blosslegeu  werden, 
dürften  zu  einem  sichereren  Uesullate  führen  und  genauere 
Aufscliliisse  über  den  Zweck  der  einzelnen  Theile,  sowie 
über  die  Zeit  ihrer  Erbauung  geben. 


Der  Taufbrunnen  im  Museo  Correr  zu  Venedig. 

Von  Rudolph  v.  E  i  te  I  bei-^e  r. 


Im  ebenerdigen  Ueschosse  des  Museo  Correr  in  Vene- 


keliges  Kreuz  mit  einem  Baiulurnamente  in  den  Kreuz- 
dig  befindet  sich  ein  Taufbrunnen,  der  sowohl  seiner  Form  armen  angebracht.  Die  Form  des  Kreuzes  ist  diejenige , 
als  seiner  Inschrift  wegen  die  Aufmerksamkeit  der  Alter-  wie  sie  seit  dem  Vlll.  Jahrhundert  bis  in  das  X.  und 
thumsforscher  auf  sich  zieht.  Er  befand  sich  früher  in  einem      XI.  häufig  auf  Monumenten    vorkommt.     Die  Spitze  unten 


Hofe  des  Kapuziner- 
klosters al  Redentore  in 
Venedig.  Von  welchem 
Orte  aber  er  in  dieses 
Kloster  gekommen,  seine 
eigentliche  Provenienz 
also ,  ist  gegenwärtig 
nicht  mehr  zu  eruiren. 

Er  ist,  wie  die  Ab- 
bildung (Fig.  1 ,  a  und 
b)  zeigt,  sechseckig,  aus 
einem  Stück  Marmor  ge- 
arbeitet; er  hat  im  In- 
nern eine  Tiefe  von 
0'76  M.,im  Äussern  eine 
Hohe  von  0-88  M.  jede 
Sechseckseite  ist  unge- 
fähr 0-70  M.  lang. 

Die  Ornamentik  an 
diesem  Taufbrunnen  ist 
sehr  einfach.  Es  läuft  um 
denselhen    am    obersten 


lilfilliiii^^ 


(fi&-  i-j 


ist  zum  Einsetzen  ähn- 
licher metallener  Kreuze 
in  dem  Altartische  be- 
stinnut. 

Auf  den  beiden  Flä- 
chen an  der  Seite  der 
eben  beschriebenen  mit 
dem  Kreuze  bezeichneten 
finden  sich  Inschriften  ; 
am  Boden  des  Brunnens 
(Fig.  1  ö)  ist  ein  Loch 
zum  Ablaufe  des  Was- 
sers angebracht. 

Dass  dieser  Tauf- 
brunnen zu  einer  Art  der 
Immers  ionstaufe  gehört, 
ist  aus  der  Form  hinläng- 
lich ersichtlich.  Es  «  urde 
in  demselben  nicht  ein 
förmliches  Untertauchen 
vorgenommen ,     sondern 


der  Täufling  stand  unbe- 

Rande  eine  Inschrift,  auf  die  wir  sogleich  zurückkommen  kleidet  in  dem  Wasser  und  er  wurde  ausserclcni  mit 
werden,  unterhalb  derselben  zwei  flache  Hohlkehlen,  dem  Taufwasscr  getauft  wie  man  es  häufig  auf  Ab- 
zwischen  welchen  das  antike  Ornament  der  Perlenschnur  bildungen  des  Taufactes,  an  Älonunienten  aus  Aciuileja 
angebracht  ist.  An  jeder  Seite  einer  jeden  der  sechs  Flä-  und  auch  anderen  Orten  Oberitaliens,  wo  der  Ritus 
chen  ist  je  ein  Säulchen  im  Relief  augebracht,  dessen  Capi-      patriarchiuus     und     der     ambrosianische     Ritus    an     der 


tälform  wie  den  gerifften  Stamm  die  vorausstehende  .Abbil- 
dung verdeutlicht;  der  untereTheil  ist  zerstört,  es  lässt  sich 
daher  die  Form  der  Säulenfüsschen  nicht  mehr  erkennen. 
Au  der  vorderen  \\'andtläche,  d.  h.  jener,  an  der  die 
umlaufende  Inschrift  anhebt,  ist  im  Relief  ein  "leichschen- 


Tagesordnung  war  .  sieht.  Solche  Taufhrunneu  stan- 
den in  der  Mitte  der  IJaptisterien.  An  der  Fläche  des 
oberen  Randes  sind  Löcher  angebracht ,  die  zur  An- 
bringung des  Festa|)parates  beim  Taufacle  nothwendig 
waren. 


—  288 


Dil'  liisehrift  am  oberen  Rande  lautet: 


+  K[F0NSeSVM^N^RM0S\4  EDDA 
ILWAlNAToS  •  tf^XPAN'SE^RSVAaVoD 
DRIMSVMBERVrTßRN:-\^FFlEANV 
RXp|[oKAtB^EF^^DoFN?PFR 

ENNE-Ho[IOHPKBS^eiPoKWiSSAS 
I^AV0Dt0PSBF^EoP5ITDEV0TE 


das  heisst: 

HEC  FÖNS  NEMPE  SVMIT  INFIRMOS  VT 
REDDAT  I  II.I.V.MINATOS  HlC  EXPIANT  SCELERA  SUA 

QVOD  I  DE  PRIMO  SVMPSERVNT  PARENTE.  VT 
EFFICIANTV  |  R  XRISTI  COLE  SALVBRITER  CONFI- 

TENDO  TRINVM  PER  ENNE.  HOC  JOHANNES 

PRESBYTER  SVB  TEMPORE  WISSAS  |  CLAVO  DVQ 

OPVS  BENE  COMPOSVIT  DEVOTE. 


Die  Iiiscliriftoii  auf  <lrii  licidon  Fliidipii  zur  Seite   des 
Kreuzes  lauten: 

auf  der  rechten  Seite  des  Kreuzes: 

INHÜNOInVDIlET^TI 

d.  U.  IN  IIONORE  VIÜELICKT  SANCTl 


und  auf  der  linken  Seite  : 

lOHSKPTSTSTWMEDTPEO 
CLIENTVLOQESVO 

lOHANIS  PAPTISTl  VT  INTKRCEDAT 
PRO  EO  I  CLIENTVLogVE  SVO. 

Diese  Inschrift  gehört  sowohl  der  Form  ihrer  Buch- 
staben nach,  als  nach  der  barbarischen  tbeilweisegracisirteii 
Latinitiit,  z.  B.  EN\E  den  ersten  Jahrhunderten  des  Mittel- 
alters, d.  h.  der  Zeit  vom  IX.  bis  XI.  Jahrhundert  an.  Die 
langen  gestreckten  Buchstaben,  insbesonder  das  [  für  G, 
die  Verbindung  mehrerer  liuclistaben,  besonders  des  A,  K, 
\j,  H,  deutet  eher  auf  die  Zeit  vor  demJahre  1000  als  nach 
demselben.  Auch  die  Ornamente,  die  umlaufende  Perlen- 
schnur, die  geriffteii  Säuiehen  und  das  Bandornament  im 
Kreuze  sind  Formen,  welelie  der  Zeit  der  Langobarden  und 
der  Karolinger  geläufiger  gewesen  sind  als  der  spateren 
Zeit. 

Selbst  (las  Viirkonuneii  der  Worte:  fons,  illuminatus, 
presbyter,  clientulus  inid  die  ausdrückliche  Hinweisiing  auf 
die  Trinität  (bekanntlich  haben  einige  Häretiker  in  den 
Gegenden  des  oberen  Italiens,  lllyriens  u.  s.  w.  über  diese 
häretische  Ansichten  gi;habt),  ist  ein  Zeichen  höheren  Alters. 
Ausdrücke,  wie  clientnbis,  fmis,  gleich  mit  ('TjJttj  ,  xohjfi- 
lir^Hpa,  piscina)  bedürfen  keiner  Erläuterung.  Der  Ausdruck 
„illuminatus",  wodurch  derTäutling  nach  vollzogener  Taufe 
bezeichnet  wird,  bezieht  sich  auf  die  tropische  Bezeichnung 


der  Taufe  als  „<p(07ian(K,  (pdiTiafia,  illuminatio,  sacramen- 
tum  illuminationis,  des  Taufortes  baptisterium  als  „locus  illu- 
minationis,  (pioziazr^pinv'^ ,  und  des  Täullings  als  „fwri- 
aiiec<;.  Dass  diese  Bezeichnung  eine  symbolische  Bedeutung 
habe,  ist  eben  so  bekannt,  als  dass  die  Kirche,  um  dieser 
Bedeutung  einen  entsprechenden  Ausdruck  im  Ritus  zu 
geben,  das  Aufhängen  von  Lampen  in  den  Arcaden,  welche 
die  piscina  häufig  umgaben  und  das  Halten  von  brennenden 
Wachskerzen  (cerei  baptismales)  in  den  Händen  der  Neo- 
phyten  anordnete. 

In  der  Randinschrift  werden  zwei  Personen  erwähnt, 
der  Presbyter  Johannes  und  der  Dux  Wis  sasciavus. 
W^er  diese  beiden  Personen  gewesen,  wann  und  wo  sie  ge- 
lebt haben,  wissen  wir  nicht.  Wir  wissen  nicht  ob  dieser 
Presbyter  ein  Bischof  (Landhischof)  gewesen  oder  ein  ein- 
facher Presbyter,  die  als  nulXetTivjpynt.  consacerdotes,  com- 
ministri,  mit  der  Ausspendung  der  Sacramente  von  den  Bi- 
schöfen beordert  wurden.  Eben  so  wenig  wissen  wir  etwas 
über  den  dux  Wissasclavus.  Dass  er  einem  slavischen 
Volksstamme  angehört,  ist  ausser  Zweifel  und  gewiss  ist, 
dass  die  Form  Wissasclavus  eine  altslavisehe  Form  ist, 
welche  wohl  dem  Sprachgebiete,  zu  dem  Krain,  Istrien  ge- 
hört, am  nä(!hsteii  verwandt  ist.  Wissasc  la  v  ist  derselbe 
Name,  der  im  Böhmischen  Wseslaw,  im  Altslavischen 
Vseslav  (griechisch  UavroxX^^)  lautet. 

In  der  „Gazz.  uffiz.  di  Venezia"  (Jahrgang  18S3, 
F'euilleton  von  Nr.  102)  ist  zwar  die  Vermuthung  ausge- 
sprochen worden,  dass  dieser  Wissasciav  niemand  An- 
dererwäre als  der  russische  Fürst  Izjaslav  '),  der  in  der 
Geschichte  Gregor  VII.  und  Heinrich  IV.  eine  unbedeutende 
Rolle  spielt.  Der  Verfasser  dieses  Artikels  hat  aber  ver- 
gessen, dass  Izjaslav  und  Wis  sascia  v  zwei  ganz  ver- 
schiedene Namen  sind,  die  mit  einander  ausser  dem  zweiten 


')  S.  S  t  r  11  hl's  „fJcsctiiohd' <lcs  russisch.  Hciches"  WA.  I,  S.  180  und  die 
dort  citirlen  Sti-Ilfii  «Ics  I.a  in  bor  t  von  A-HcliairtMihiirf^.  —  die  „Aiuiiden 
lU-s  I)  nriiniii  1"  (XVI,  |i.  472),  —  und  dii>  .Kpisliilac  firepor"  VM,  r..  U. 
1'.  Ti. 


—   289  — 

Tlieile  der  Zusammensetzung  „slav",  „sclav"  gar  nidits  zu  liess,   irgendwo  aiifsuchon  wollten,  so  wäre    es   am  natiir- 

thun   haben.    Es   ist  daher   ganz   nnrichtig,    wenn  er  den  liehsten  ihn  imter  den  altslavisehen  Stämmen  des  heutigen 

Namen  Wissasclavus  nur  für  ein    latinisirtes    Izjaslav  Krains  und  Istriens  zn  snchen,   von  denen  hekanni  ist,   dass 

hält  und  eben  so  unrichtig,  wenn   er  die    Spraeliform    mit  sie  häniig  mit  den  Fürsten  des  benachbarten  Italiens  inVer- 

der   russischen  Sprache  in  Verbindung   bringt;  der   Name  bindung  gekommen  (wie  wir  schon  aus  Paul.  IHacmi  II.  L. 

.1  z jas  iav  (ilalienisirt  Yscasla)  würde  latinisirt  Isiaslavus  V,  215.  VI, .öl  u.  a.  m.  wissen),  und  deren  Gebietspäternnter 

oder  Isasclavns  lauten.  die  Herrschaft  dervenetianischen  Republik  gekonuuen  ist  '). 

Wenn  wir  schon  den  Diix    Wissasciav,  zn    dessen  „Warum  in  die  Ferne  schweifen 

Zeiten  der  Presbyter  Johannes  den  Tanfbrumien  anfertigen  Sieh!  das  Gute  liegt  so  nah!" 


Die  Wandgemälde  der  Kathedrale  zu  Gurk  in  Kärnthen. 

I. 

Be.sclireibiin^  der  ^Vand^emälile. 

Von  Gregor  Schell  an  der,  Correspondenten  ilor  k.   k.  Centr.il-Comniission  in  Gurk. 

Den  kunstsinnigen  Besucher  der  alten  romanischen  Ka-  altteslamentarischen   Bildern   an   di'r   ni'inllichen   \N';ind   und 

thedrale  zu  Gurk  in  Kärnthen  fesselt  schon  bei  seinem  Ein-  mit  der  ersten  Reihe. 

tritte  durch  das  spätere  gothische  Portal,  das  in  den  alten  Das  erste  Feld  enlliält  die  Schöpfimgsgeschichte.  Gott 
romanischen  Rundbogen  eingefügt,  jetzt  den  Eingang  znr  der  Schöpfer  steht  segnend  da;  eine  erhabene  Gestalt  mit 
Vorhalle  dieser  merkwürdigen  Basilica  bildet,  eine  nicht  einem  rotlien  Überwürfe  über  einer  lichten  Untergewandung 
geringe  Fülle  von  Scliünheitcn.  Nicht  nur  steht  ihm  das  bekleidet  und  mit  herabwallendem  goldgelben  Haupthaare; 
Hauptportal  des  Domes  in  seiner  prachtvollen  Ausführung  vor  ihm  erheben  sich  Baum  und  Strauch  und  stehen  die 
gegenüber,  oder  esziehen  die  mittelalterlichen  Schnitzwerke  Thiere  des  Waldes  und  die  Thiere  des  Feldes:  da  weidet 
an  den  beiden  Seitenwänden  dieser  Halle  seinen  Blick  auf  das  Boss  und  lirüllt  der  Liiwe,  Eichhörnchen  kliuunen  einen 
sich,  sondern  bei  näherer  Besehauung  treten  in  der  durch  die  Baum  hinan,  Vögel  durchstreichen  die  Lüfte  nnd  im  Ge- 
Glasmalereien des  Eingangsthores  angenehm  gedämpften  wässer  schwimmen  die  Fische  und  die  Thiere  des  Meeres 
Beleuchtung  an  beiden  Seiten  des  Tonnengewölbes  dieser  und  über  alles  das  streckt  sich  die  Hand  Gottes  aus  und 
Vorhalle,  sowie  von  dessen  Höhe  die  alterthündichen  ein-  segnet  dieses  junge  Lehen.  Das  Bild  ist  voll  Leben  und 
fachen,  aber  noch  zum  Theile   in    hellen,  frischen   Farben  Bewegung. 

prangenden  Bilder  eines  Wandgemäldes  hervor,    das  einer  Das  zweite  Feld  theilt  sicli  in  zwei  Ahtheilimgen.    Die 

näheren  Betrachtnng  wohl  würdig  ist.  erste  zeigt  wieder  Gott  den  Vater,  die  Rechte  mit    ausge- 

Das  erste  Geluhl,  das  den  Beschauer  dieser  Gemälde  streckten  Fingern  zum  Segnen  erhoben;  vor  ihm  steht  Eva, 

überkommt,   ist,   das   des  Bedauerns,  dass  dieselben  zum  die   eben   erschaffene,    das    Haupt   demüthig    und    züchtig 

grossen  Theilevon  grossenllolztafeliimitgotliischenSchuitz-  geneigt,   indess  Adam  noch  im  Schlafe  liegt,  währenddem 

werken  verdeckt  sind;  jedoch  weist  sich   dieser   Übelstand  Gott  die  Rippe    aus    seiner    Seite    genonuuen   hatte;  vom 

gar  bald  als  eine  leider  nothwendige  Vorkehr  ans,   um  die  Himmel  aber  schaut  ein  Engel   hernieder    und  s<diMiMgt   in 

tiefen  Schäden  zu  bedecken,  an  denen  diese  W  andgemälde  seineu  Händen  ein  Weihranchfass.    Das  Bild   ist  bei  seiner 

dadurch  leiden,  dass  ganze  Felder  derselben  verwischt  und  einfachen     Anordnung     voll    innerer    Wahrheit.     Würdig 

unkenntlich,  zum  Theil  durch  das  Herabfallen   des  Mauer-  schliesst  sich  an    dasselbe    die    zweite    .Vbtlieilnng   mit  der 

verwurfes    völlig    entstellt    sind,    so    dass    die    genannten  Darstellung  des  Simdenfalles  an.    Die  Schlange  u  indet   siih 


Schnitzwerke  wohl  diese  liedauerlichen Blossen,  aber  Avenig 
von  den  noch  vorhandenen  NN'andgeniäldeu  bedecken. 

Diese  nun,  Avelche  die  beiden  Seitenwände  dieser 
Vorhalle  von  oben  bis  über  die  untere  Hälfte  derselben 
einnehmen,  bilden  sowohl  an  der  Nord-  als  an  der  Süd- 
seite je  drei  Reihen,  welche  wieder  in  mehrere,  nicht 
immer  gleiche  Felder  eingetheilt  sind ,  deren  jedes  ein 
oder  auch  zwei  biblische  Bilder  in  der  Weise  darbieten, 
dass  an  der  nördlichen  Wand  der  alte,  an  der  südlichen  der 
neue  Bund  seine  Darstellung  (indet. 

Indem  ich  nun  eine  Beschreibung  dieser  merkwür- 
digen   Gemälde   versuche,  beginne   ich    diesellie   mit   den 


nm  einen    Banni .   den    verhäiignissvollen    .\|ifel    im    .Manie. 


')  In  t'iiM'i' sn  i'ht'ii  frsrliit'iuMii'ii  Ki'oschiiiH' :  ,.l/.yjt'stjo  t)  |>iil<»\  aiijii  kroz 
DnliDaeija  ii  N:ipulj  i  [{ini".  A^r.iin  1SÖ7,  8.  ST,  li.it  Hr.  .F.  Ktikuljevic 
S  a  k  f  i  II  s  k  i  (K'iiselbea  Tniirlininnt'ii  l»es[iriu'hcii  und  üImM"  Wiss.Ts- 
l  :t  \  (»iiip  niulei'p  Aiisirlit  aiis}jes[u-tn-!u'ii  iilsiii  ili'iii  fi-iilii'i-  ani^efiihrtrii 
Artikel  iler  .,(>»/.£.  ili  Venezi.*»". 

V.v  setzt  iiiiii  viel  richti{;or  den  T.TUfbruniieii  in  ilas  IX.  und  \.  .lalir- 
timidert  und  weist  ilim  einem  Visnst:)v  Z  n  p  .1  ii  (dux  liolentet  i-lu-n  so 
<;iit  Zupiin  als  Gross-Znpnn)  von  Zahulinieii  (hei  Rajjusa)  /.ii,  lU^r  dei- 
Vater  des  Michael  Visevis  (lebte  11m  914  —  !)'26)  nrewcsen  ist  nnd 
dessen  Name  von  dem  Iiy/.nnlini.schän  Con^tanlinns  Po  rp  hy  rojjeni  tiis 
erwidint  ,  mit  dem  Ktinig'  Touiaisiaw  von  Troalien  in  Verhindnn;;  ?e- 
hraetlt  ^^ird.  Ilr.  .1.  K  n  k  n  I  je  v  i  c  ist  jjenei'jt  diesen  Tantlirnniien  Tür 
ein    altsei'hisch-dalmatinisrhes   Werk    /n    hrtiten. 


41 


290 


Atliiiii  und  Evii  stehen  (l;iiiflifii.  clu-ii  im  Itfüiillf  vuii  der 
verbotenen  Frucht  zu  essen,  die  sie  in  den  lliindea  hidten. 
Es  ist  das  letzte  Bild,  über  welciies  ein  heller  Kiiri)enton  wie 
ein  lichter  Scliininier  liegt  und  das  liliick  der  rnschnid,  das 
noch  auf  der  ganzen  Schüpfuair  ruht,  in  einer  Weise  an- 
deutet, die  das  tienuitii  ilos  Beschauers,  auch  uabewusst, 
wohlthucnd  ans|iricht. 

Schon  im  dritten  Felde  sucht  das  Auge  vergeblich 
dariiaeli;  es  bietet  sich  ihm  ein  bewegtes,  aber  von  den 
trüberen  sehr  verschiedenes  Bild;  der  Eingel  erheitt  das 
llanuneiule  Schwert  und  treibt  die  sündigen  Menschen  vor 
sich  her  aus  dem  Paradiese.  Mit  Bangen  gehorchen  diese 
und  schauen  sehnsüchtig  zu  dem  glückliclien  Aul'onthaltc 
zurück,  aus  dem  sie  sich  nur  langsam  und  zagend  entfernen: 
besonders  scheint  Eva  zu  widerstreben  und  wird  desshalb 
von  dem  Engel,  der  sie  mit  der  Linken  an  der  Schulter  be- 
rührt, gedriingl.  Die  zweite  Abllieihmg  dieses  Feldes  stellt 
Abel's  und  Kains  Opfer  dar.  Abel  ball  sein  Lamm  und  Kain 
seine  Feldfrüehte  in  den  Händen  und  iieide  bringen  ihr 
Opfer  Gott  dar,  dessen  Hand  sich  aus  den  Wolken  über 
.Abel's  Opfer  segnend  ausstreckt. 

Das  vierte  und  letztem  Feld  dieser  Beihe  versinulicht 
den  Bi'udermord.  Kain ,  eine  rüstige  Gestalt  mit  einer 
blassgrünen  Tunica  bekleidet,  schwingt  eine  rothe  ästige 
Keile  in  seineu  Händen;  vor  ihm  liegt  .Abel  sterbend,  sein 
Haupt  auf  einen  Felsen  gestützt,  in  der  Linken  seinen  Hir- 
tenstah,  die  Rechte  wie  im  Schmerze  an  die  Brust  drückend. 
In  der  zweiten  Abtheilung  dieses  Feldes  wird  Kain  zur 
Hechenschaft  gezogen.  Gott  schaut  vom  Hinuiiel  herab  und 
ruft  ihm  zu:  „Ubi  Kain-;  die  übrigen  Worte  des  Spruch- 
bandes feiilen.  Kain  liat  seinerseits  gleichfalls  ein  Spruch- 
band in  den  Händen,  das  die  Worte  entiiält:  „Nescin  Do- 
uiine". 

i>ie  zweite  Beihe  dieser  Bilder  beginnt  mit  der  Seg- 
nung ,Iakob  s  durch  seinen  Vater  Isaak.  Dieser,  ein  hoch- 
betagter Greis  sitzt  auf  einem  Schemel  und  erhebt  seine 
Hand  segnend  über  seinen  Sohn  Jakob,  einen  zarten  mäd- 
cbetihaften  Knaben,  hinter  welchem  dessen  Mutter  Rebekka 
steht,  zwar  erfreut  über  das  Gelingen  ihrer  List,  aber  wie 
es  scheint  auch  erschrocken  und  verlegen,  denn  im  Hinter- 
gründe sieht  man  Esau.  der  eben  von  seiner  Jagd  heim- 
kelirt  und  die  Täuschung  inne  wird.  Die  zweite  .Vbtbeilung 
dieses  Feldes  zeigt  wieder  einen  Greis  in  sitzender  Stel- 
lung, die  Hände  vor  sich  ausgestreckt,  und  die  Fjinke  wie 
warnend  oder  abweisend  erhoben;  vor  ihm  steht  etwas  ge- 
bückt in  rother  Tunica  ein  Knabe,  und  bintei'  diesem  eine 
Frauengestalt  nnt  einer  Krone  am  Haupte,  die  Hände 
gleichfalls  wie  verwundert  vor  sich  hingestreckt.  Die  Scene 
überdeckt  ein  rothes  Dach  mit  ollenen  Erkerfenstern.  Da 
kein  Siirucliband  noch  sonst  etwas  mit  Hestimmtlieit  auf  die 
Bedeutung  dieses  Bihles  schliessen  lässt ,  so  kann  eine 
solche  nur  vermutbet  werden  und  es  scheint  darin  darge- 
stellt zu  sein,  wie  der  Knabe  Joseph  seine  Traumgeschicble 


erzälill  und  \on  seinem  Vater  Jakob  darüber  zurechtge- 
wiesen wird.  Diese  Vermulbung  erscheint  auch  desshalb 
wahrscheiidich  ,  weil  das  nächste  Bild  die  Geschichte 
Jose|iirs  fortsetzt.  Denn  das  sechste  Feld,  welclies  wieder 
in  zwei  Abtbeilungen  zerrällt,  stellt  die  Traunideutung 
Josephs  im  Kerker  und  den  Tod  Jakob"s  vor.  Eine  Rebe 
rankt  sich  empor,  von  welcher  volle  Reben  niederbängen, 
der  Mundschenk  hält  eine  davon  in  den  Händen  und  presst 
sie  in  einGefäss  aus;  hinter  ihm  steht  der  Mundschenk  einen 
vollen  Korb  mit  Broden  am  Haupte,  zu  welchem  zwei 
Raubvögel  heranlliegen,  umdieBrode  zu  rauben;  vor  beiden 
Joseph,  die  Bedeutung  der  Träume  deutend.  In  der  zweiten 
Abtheilung  liegt  Jakob  auf  seinem  Sterbelager;  ihm  zu 
Haupte  steht  Joseph,  vor  ihm,  das  Lager  umringend,  seine 
übrigen  Söhne.  Jakob  erhebt  nur  wenig,  gleichsam  todes- 
schwach seine  Hand  zinn  Segnen ,  während  sein  Mund  die 
letzte  Ansprache  mit  den  durch  ein  Spruchband  angedeu- 
teten \N  orten  beginnt:  „Audite  lllii  Israel".  Das  Feld  ent- 
hält kräftig  gezeichnete  Figuren  und  ein  gewisser  Ernst  ist 
darüber  ausgebreitet. 

Das  siebente  und  zum  Theil  auch  das  achte  Feld  ist 
durch  ein  mit  eisernen  Klammern  befestigtes  grosses 
Schnitzwerk  verdeckt.  Auch  die  ferneren  Bilder,  insiie- 
sondere  die  dritte  Reihe  sind  luehr  oder  weniger,  einige 
bis  zur  völligen  Unkenntlichkeit  verw  ischt.  und  lassen  nur 
noch  aus  wenigen  halb  leserliehen  W'orten  der  Spruch- 
bänder schliessen,  dass  hier  die  Geschichte  Jobb's,  dann 
die  Wiederherstellung  des  wahren  Gottesdienstes  durch 
den  König  Josias  ihre  Darstellung  findet,  die  jedoch  von 
den  Figuren  wenig  mehr  erkennen  lässt. 

Audi  die  südliche  Wand,  an  welcher  Bilder  aus  dem 
neuen  Bunde,  und  zwar  aus  dem  Lel)en  unseres  Herrn  dar- 
gestellt sind,  enthält  Gemälde  in  drei,  ursprünglich  in  vier 
Reihen,  welche  sich  über  einander  hinziehen  niul  wieder  in 
Felder  getheilt  sind,  deren  auf  jede  Reihe  sechs  konunen, 
jene  abgerechnet,  w  eiche  sich  an  der  westlichen  Fülhnauer 
befinden  und  noch  erlialten  und  erkennbar  sind. 

Ich  beginne  mit  der  ersten  oder  obersten  Reihe: 

In  dem  ersten  Felde  stellt  sich  uns  als  der  Anfang  des 
Heiles  die  Verkündigung  der  (lUailenbotscbaft  durch  den 
Erzengel  Gabriel  dar.  In  der  Mitte  des  Bildes  erhebt  sich 
ein  hoher  Lilienslock  mit  neun  Lilien,  eine  an  jeder  Seite 
und  eine  an  der  Spitze;  vor  und  hinter  demselben,  ihr  Au- 
gesicht den  Lilien  zugewendet,  stehen  der  Erzengel  Ga- 
briel und  Maria,  jener  mit  einem  rofhen,  grün  gefütterten 
Oberkleide  und  einem  Spruclibande  mit  den  Worten:  „Ave 
Maria-;  die  Jungfrau  hingegen,  das  Haupt  deunitlisvoll 
geneigt,  ist  mit  einem  weissen,  rothgefütterten  Oberkleide 
bedeckt,  und  führt  die  \N'orte:  „Ecce  ancilla  Donuni  liat 
mihi"  im  Spriichbande.  Dieses  Bild  übcrtrifl't  zwar  weder 
an  Technik  noch  an  Fai'benfrische  die  übrigen,  sondern 
siebt  manclirni  derselben  vielmehr  nach  und  zciclmet  sich 
nl)erluin|i|  nur  iluicli  eine  gewisse   Einfalt   aus.    niachl   aber 


—  29t 


«lennoi'h  auf  den  Beschauer  einen  sehr  wohlthätigcn  Ein- 
(Ii-uck  der  Ruhe  und  des  inneren  Glückes  und  ist  durch 
seine  einfiiche  Anordnung  und  seine  tiefe  Bedeutung  (Engel 
und  Jungfrau,  geschieden  durcli  einen  Liiienstock)  eines 
der  anziehendsten  Bilder. 

An  dieses  reiht  sich  im  zweiten  Felde  die  Gehurt  des 
Herrn.  Dieses  obgleich  sehr  belebte  Bild  erreicht  doch  das 
erste  nicht  und  steht  ihm  auch  an  Lieblichkeit  nach.  Fast 
in  der  Älitte  beiludet  sich  die  Krippe,  ein  Biiisengefleeht 
und  in  ihr  mit  dem  Haupte  gegen  Osten  das  göttliche  Kind 
rechts  von  der  Klippe  Maria  in  liegender  Stellung,  die 
Hände  vor  der  Brust  gefaltet;  vor  ihr  sitzt  Joseph  mit 
einem  weissen  Unterkleide  angethan,  das  ein  rothes  Ober- 
kleid bedeckt.  Links  von  der  Krippe  Ochs  und  Esel  mit 
ihren  Köpfen  neugierig  in  die  Krippe  schauend,  und 
hoch  in  den  ^^'olken  schwebende  Engel ,  wahrend  an  der 
Westseite  des  Aufenthaltes  die  Hirten  eintreten.  AuHidlend 
und  obwohl  natürlich ,  dennoch  dem  Beschauer  fremd 
scheinend,  ist  die  meines  Wissens  bei  Darstellungen  der 
Geburt  des  Herrn  nicht  gewöhnliche  liegende  Stellung  der 
Mutter  Gottes,  sie  scheint  auch  gar  zu  natürlich  und  belei- 
digt dadurch  fast  das  gliiubige  Auge,  das  sich  gewöhnt  hat, 
die  Schmerzen  der  Geburt  mit  ihren  Folgen  von  einem  so 
gnadenvollen  Geheimnisse  fern  zu  halten. 

Das  dritte  Feld  versinnlicht  die  Anbetung  der  heil, 
drei  Könige.  Rechts  vom  Beschauer,  also  au  der  Westseite 
des  Gemaches  sitzt  Maria  in  einem  weissen  Kleide  auf 
einem  — •  einem  Thronsessel  ahnlichen  Sitze,  das  Kind  Jesus 
auf  ihrem  Schoosse.  Vor  diesem  kniet  einer  der  heiligen 
Weisen,  ein  geöffnetes  Kästchen,  das  er  dem  göttlichen 
Kinde  darreicht,  in  seinen  Händen,  während  das  Kind  zwei 
Finger  seiner  rechten  Hand  segnend  über  die  Gabe  und  den 
Geber  ausstreckt.  Hinter  dem  knieenden  Könige  stehen  die 
beiden  andern,  ihre  Häupter  mit  den  Kronen  bedeckt.  Der 
erste  derselben  ist  mit  einer  weissen ,  rothgefütterten  Tu- 
nica  bekleidet,  die  ihm  bis  an  die  Knie  reicht,  und  weist, 
halb  gegen  seinen  hinter  ihm  befindlicben  Begleiter  gewen- 
det, mit  seiner  Linken  in  die  Höhe  nach  dem  dort  befind- 
lichen Sterne,  nach  welchem  noch  eine  vierte  Figur,  etwa 
der  heil.  Joseph,  der  sonst  auf  diesem  Bilde  nicht  erscheint, 
seine  rothe  Kopfbedeckung  gleich  einem  der  in  eine  lichte 
Höhe  schaut,  über  die  .\ugen  erhebend,  ausblickt. 

Im  vierten  Felde  stellt  sich  die  Beschneidung  des 
Herrn  dar.  Maria,  das  heilige  Kind  zur  Beschneidung  dar- 
reichend, und  hinter  ihr  Joseph  mit  den  Tauben  stehen  an 
einem  Altartische,  vor  welchem  der  Priester  zur  heiligen 
Handlung  schon  bereitet  ist.  l'ber  diesen  sanunt  den  hei- 
ligen Figuren  erhebt  sich  ein  schön  geformter  auf  Säulen 
ruhender  Baldachin. 

Das  fünfte  Feld  enthält  die  Taufe  und  in  seinerzweiten 
Abtlieilung  die  Versuchung  des  Herrn.  Diese  Vorstellung 
erscheint  in  ihrer  Ausführung  am  wenigsten  genügend.  Das 
Wasser  erhebt  sich  wie  ein    grüner   durchsichtiger   Hügel 


um  den  Heiland,  dem  es  bis  au  die  Hüfte  reicht;  vor  ihm 
steht  Jidiannes,  den  Heiland  au  den  Händen  haltend,  und 
über  dem  Heilande  der  heilige  Geist  inGestalt  einer  weissen 
Taube.  Ebenso  befriedigt  wenig  die  Darstellinig  des  Ver- 
suches. Der  Heiland  erhebt  drohend  den  Zeigefinger  seiner 
rechten  Hand  gegen  den  Versucher,  eine  hässliche  Miss- 
gestalt, von  welcher  wie  vom  Heilande  —  leider  verlöschte 
Spruchbänder  ausgehen. 

Im  sechsten  Felde  hält  der  Heir  seine  Rechte  segnend 
gegen  eine  aus  dem  Hintergrunde  hervortretende  Figur  aus- 
gestreckt, welche  sich  auf  einen  Stab  stützt  und  von  der 
wegen  des  angeworfenen  Mörtels  nur  noch  die  äusserstcn 
Umrisse  bemerkbar  sind;  es  ist  wohl  eine  Krankenlieiiung. 

Eine  solche  bietet  ims  auch  das  siebeute  Feld,  welches 
sich  schon  an  der  westlichen  Füllmauer  befindet;  es  ist 
nämlich  die  Heilung  des  Gichtbrüchigen,  den  mitleidige 
Menschen  durch  das  Dach  des  Hauses  vor  den  Heiland 
bringen.  Dieser  erhebt  segnend  seine  Hand  über  den 
Kranken,  welcher  sich  in  seinem  Bette  in  sitzender  Stellung 
vordem  Heilande  befindet;  von  dem  rothen  Dache  reichen 
die  weissen  Stricke  nieder,  auf  welchen  das  Bett  herabge- 
lassen wurde,  und  über  dem  Dache  werden  die  .Aruie  der 
mitleidigen  Freunde  des  Kranken  sichtbar. 

Die  zweite  Reihe  dieser  Bilder  setzt  die  Darstellung 
der  Wunder  des  Herrn  fort  und  enthält: 

Im  achten  Felde  die  Austreibinig  eines  Teul'els.  Der 
Besessene,  von  einem  Manne  gehalten,  steht  gekrümmt, 
mit  vorne  gebundenen  Händen  vor  dem  Heilande,  der  seine 
Rechte  segnend  gegen  den  Unglücklichen  erhebt,  aus  dessen 
Munde  eine  Teufelsgestalt  ausfährt.  Zwei  Spruchbänder 
deuten  das  Bild;  auf  einem  derselben  stehen  die  Worte: 
„Libera  me  Dom.  a  spiritu" ,  das  andere  enthält  die  Be- 
schwörung des  Herrn:   „Exi  ab  eo  immunde  Spiritus". 

Diesem  folgt  im  neunten  Felde  die  Erweekung  des 
Lazarus.  V(u-  einem  Sarge,  dessen  Deckel  abgeworfen  ist, 
steht  der  Herr,  wieder  seine  rechte  Hand  zum  Segnen  aus- 
gestreckt, in  der  Linken  das  Spruchband  mit  den  Worten : 
„Lazare  veni  foras".  Aus  dem  Sarge  erhebt  sich  ganz  in 
Tücher  eingehüllt,  mit  gefaltenen  oder  gebundenen  Händen 
Lazarus,  neben  und  hinter  ihm  seine  Schwestern  und 
Jünger  des  Herrn. 

Im  zehnten  Felde  treibt  Christus  die  Käufer  und  Ver- 
käufer aus  dem  Vorhofe  des  Tempels;  in  der  Hand  schwingt 
er  eine  Geisel,  vor  ihm  umgestürzte  Stühle  und  die  er- 
schreckten und  tliehenden  Wechsler.  Das  Übrige  ist  von 
einer  grossen  Tafel  der  Schnitzwerke  verdeckt. 

Das  eill'le  Feld  scheint  die  Fusswaschung  darzustellen. 
Die  Jünger  des  Herrn  sind  in  einem  Saale  versanunelt :  an 
ihrer  Spitze  Petrus  mit  bis  an  die  Knie  enlblössten  Füssen; 
mit  der  Rechten  deutet  er  an  das  Haupt ,  gleiclisam  spre- 
chend :  „Herr,  nicht  blos  die  Füsse  sondern  auch  das 
Haupt."  Der  Herr  aber  steht  vor  ihm,  den  ausgestreckten 
Finger  der  rechten  Hand  zur  Lehre  erhoben,  gleichsam  als 

41  • 


292  — 


wdIUl-  er  siij^eii :  „Wenn  ich  ilicli  uiclit  wiisflio.  Inisl  du 
kfiiieii  TliL'il  im  mir".  Das  Bild  ist  sclioii  sehr  verwischt 
und  uiideutlieh.  Au  der  ■westlieheu  FülliuiUier  beliudet  sieh 
im  /.wollten  Felde  uoeh  die  X'erklannig  Christi  am  lierge 
Tahur.  Christus  dei'  Herr  sehueht  in  der  Mitte  im  weissen 
glänzenden  Kleide,  über  ilim  Gott  der  Vater;  dem  Heiland 
zur  Hechten,  kaum  melir  erkennbar  Moses  oder  Elias  und 
zu  seinen  Füssen  die  Jünger  Petrus,  .lakohns  und  .lohannes 
die  mit  .Mühe,  indem  sie  mit  den  lliiiiden  ihre  .\ugeu  be- 
schatten, in  den  migewiduiten  Glanz  schauen.  IV'trus  hält 
ein  Spruchband  mit  den  W'oi'ten:  „Domine  l'aciam  hie  tria 
tabernacula,  tilii  unuin  moi — ":  das  übrige  nicht  mehr 
leserlich. 

Die  dritte  Reihe  dieser  Gemälde  ist  fast  ganz  ver- 
lijseht ;  sie  scheint  im  dreizehnten  und  vierzehnten  Felde 
die  Ölberg-Scene  und  die  Gel'angennebnumg  des  Herrn  vor- 
zustellen. Die  übrigen  Felder  sind  durch  Schnitzwerke  be- 
deckt und  schadhaft,  oder  sonst  unkenntlich. 

Von    den    beiden    obersten    Reihen   dieser  biblischen 
Gemälde  spannt  sich  über  das  ganze  Tonnengewölbe  dieser 
Vorhalle  das  blaue  Firmament  mit  goldenen Stcrneu-Reihen 
besät,  welciie  jedoch    nicht   gemalt,  sondern    aus    Älctall 
reliefartig  in  das  Gewölbe  eingefügt  sind.  Dieses  Sternen- 
zelt wird  von   den   bil)iischen    Gemälden,    sowie   von    der 
Füllmauer  des  westliehen  Portals,  dann  vom  Tympanon  des 
llauptportales     durch    gemalte    breite   Mosaikstreifen   ge- 
schieden,  die  mit  je  fünf  oder  sechs  kleinen  runden  Medail- 
lons geziert  sind,  und  das   blaue    Sterngewölbe    vierseitig 
abgrenzen.  Dieses  ist   innerhalb   der  ]\Iosaikstreifen    durch 
grüne    und   •weisse  Leisten    wieder    in    zwei   quadratische 
Felder,  in  ein  nördliches  und  südliches   getheilt,  zwischen 
denen  sich  auf  der  Höhe   des   Gewölbes  ein  breiter  Raum 
befindet,  in  welchem  sich    reiche   Laub-    und    Rlumcnver- 
zierungen  hinziehen.  Die  Mitte  dieses  Raumes  ninnnt   aber 
ein  grosses,   in  vier  rechte   Winkel  ausgezacktes  und  zwi- 
schen den  Winkeln  ausgebogenesIMedaillon  ein,  von  dessen 
Spitzen  nach    den    vier  Hinnnelsgegenden  jener  Blumen- 
schmuck ausgeht,  und  so  ein  Kreuz  i)ildet,  dessen  Mittel- 
])unkt  das  in  dem  Medaillon  stehende  Lannn  mit  der  rothen. 
wehenden  Siegesfahne  ist:    durch  das  Medaillon,    so  wie 
durch  den  Blumenschmuck  und    das    Ijaubgcwindc  leuchtet 
id)erall  der  ])laue  Sterneidiinuncl  dui-cb.  der  einstens,    als 
diese  Farben    und   die    Sterne    noch    im    frischen    Glänze 
strahlten,   in  dieser  durch  die  Glasgemälde  des   Portals   mit 
angenehm  temperirtem  Lichte   beleuchteten  Halle   von   er- 
greifender Wirkung  gewesen  sein  muss,  da   er  noch   jetzt 
nicht  ohne  Eindruck  bleibt. 

Noch  muss  ich  der  Figuren  erwähnen,  welche  das 
Tympanon  des  llauptportales  in  einem  grossen  Halbkreis- 
iiogen  nmgeben;  es  sind  die  zwölf  .\|iostel  mit  dem  Herrn 
in  der  Mitte,  welch"  sämmlliche  Brustbilder  in  zwölf  anein- 
ander gereihten,  grossen  runden  Medaillons  mit  ihren  Ab- 
zeichen dargestellt  sind;   zu  oberst,  nicht  in  einem  runden. 


sondern  in  einem  eben  so  w  ie  das  oben  bcschriidienc  Me- 
daillon des  Lammes  am  Scheitel  des  Toimengewölbes  aus- 
gezackten und  ausgebogenen  Medaillon,  erscheint  die  Halb- 
ligur  des  Herrn,  wie  es  scheint,  mit  einem  Buche  in  der 
linken  Hand. 

Der  Gedanke,  welcher  diese  Darstellungen  belebt  und 
dem  Künstler  bei  ihrer  .Ausführung  vorgeschwebt  hat,  ist 
unschwer  erkennbar;  es  ist  nämlich  das  Lamm,  es  ist  Jesus 
Christus,  auf  den  sich  alles  bezieht,  durch  welchen  sowohl 
die  Ereignisse  des  alten  Rundes  ihre  Erklärung,  als  jene 
des  neuen  Hundes  ihre  Erfüllung  und  Vollendung  linden, 
der  idter  Allem  schwebt  und  über  .\lles  Wahrheit  und  Leben 
ausgiesst.  Nach  welcher  Idee  aber  die  einzelnen  biblischen 
Bilder  sowohl  des  älteren  als  des  neueren  Hundes  aneinander 
gereiht  sind,  oder  ob  den  Künstler  überhaupt  ein  bestimmter 
Gedanke  dabei  geleitet  habe,  ist  mir  wenigstens  nicht  er- 
kennbar und  wage  ich  auch  nicht  zu  eiitscheidi'n ,  indem 
ich  keinen  solchen  verliindcnden  Faden  zwischen  jenen 
Darstellungen  auftinden  konnte.  W  as  jedoch  hier  nicht  zu 
erkennen  ist.  das  findet  sich  im  Nonnenchore  in  ergreifender 
Wahrheit  und  Tiefe. 

Ober  dieser  Vorhalle  nämlich  in  der  von  den  beiden 
Thürmen  gebildeten  Zwisehenhalle  befindet  sich  der  Non- 
nenchor,  jener  Raum,  in  welchem  die  ursprünglich  hier 
befindlich  gewesenen  Nonnen  ihrem  kanonischen  Stunden- 
gebete und  dem  Gottesdienste  oblagen.  Dieser  Theil  des 
Gotteshauses  ist  nicht  nur  wegen  seiner  Architectur,  son- 
dern auch  wegen  seiner  Wandgemälde  sehenswerth  und 
enthält  in  jeder  Beziehung  eine  Fülle  alterthüudichcr 
Schönheiten.  Durch  einen  von  Norden  nach  Süden  ge- 
spannten, auf  zwei  Halbsäuleu  ruhenden  Gurtbogon  ist  er 
in  zwei  gleiche  Theile  getheilt.  welche  wieder  mit  Kuppel- 
gewölben überdeckt  und  sammt  diesen  zu  Darstellungen 
voll  liefer  apokalyptischer  Bedeutung  in  sinnreichster  Weise 
benutzt  sind.  Jede  der  beiden  Hälften  dieses  Chores  ent- 
hält ausser  ihrer  Gewölhkuppel  noch  drei  Waudtlächen. 
indem  die  nördliche  und  südliche  durch  die  den  Gurtbogen 
stützenden  Halbsäulen  getheilt,  mit  dem  oberen  Theile  der 
i'tstlichcn,  mit  dem  unteren  der  westlichen  Hälfte  desChores 
zu  Gute  kommen.  Zudem  ist  auch  das  Gewölbe  des  öst- 
lichen Theiles  wieder  in  vier  Felder  gctiu'ilt.  welche  sich 
auch  oben  hin  verengern  und  einen  Kreis  tragen,  welcher 
den  Scheitel  des  Gewölbes  einniunnt ;  die  Gew  ölbefelder 
sind  ihrerseits  durch  lange,  von  dem  Seheitelkreise  bis  zur 
Tiefe  reichende  Streifen  oder  Canäle  getrennt,  und  ihre 
Gemälde  mit  Ausnahme  des  nördlichen,  welches  so  wie  die 
nördliche  und  südliche  \\  andiläche  dieses  Theiles  ganz  ver- 
wischt ist,  noch  ziemlich  gut  erhalten  und  genügend,  um 
die  Idee  des  Meisters  zu  erkennen.  Sie  haben  folgemlc 
Anordnung:  im  östlichen  Gewölbfelde  steht  vor  dem  mit 
Früchten  bcladenen  Baume  des  Lebens  Gott  der  Herr  mit 
leider  unleserlich  gewordenem  Spruchbande  in  der  Linken, 
die  Rechte  erhoben,   ihm  gcgi-nüber  Adam.   Es  scheint  die 


—  293 


Schöpfung  Atlam's  zu  sein,  der  sich,  kaum  zum  Leben  er- 
wacht, Gott  gegenüber  sieht,  und  dem  der  Besitz  aller 
crsclraflenen  Dinge  gegeben  wird.  Im  siidliclien  Felde  gibt 
Gott  dein  ersten  Menschen  das  Gebot,  nicht  von  der  Frucht 
des  Baumes  der  Erkenntnis«  zu  essen,  der  vor  ihnen  steht. 
Das  westliche  Feld  zeigt  schon  die  Übertretung  dieses 
Gebotes.  Eva  isst  bereits  von  der  verbotenen  Frucht  und 
reicht  sie  mit  der  Rechten  Adam  hin,  der  eben  im  Begriffe 
ist,  die  gleiche  Sünde  zu  thun.  Das  nördliche  jetzt  ganz 
verwischte  Feld  enihielt  wahrscheinlich  das  Strafgericht 
Gottes  ,  die  Austreibung  aus  dem  Paradiese.  Diese  Straf- 
gerichte sind  aber  auch  in  den  apokalyptischen  Figuren 
versinnlicht,  welche  diesen  Bildern  eine  tiefe  mystische 
Bedeutung  geben.  Dann  oben  im  Kreise  der  Gewölbe- 
scheitel strahlet  ein  gleichschenkcliges .  in  der  Mitte ,  wo 
sieh  die  Balken  durchschneiden,  zu  einer  Rose  eingetieftes 
Kreuz,  in  dessen  durch  die  Kreuzbalken  gebildeten  vier 
Winkeln  je  ein  Engel  schwebt,  beschäftigt  ein  Gefiiss  in 
die  nach  allen  vier  Weltgcijenden  lierniederlaufenden  Canäle 
auszugiessen,  welche  die  vier  Gewölbfelder  von  einander 
scheiden,  unten  aber  in  den  vier  Seitenzwickeln  dieser  Fel- 
der stehen  vier  andere  Engel  mit  Posaunen  in  ihren  Hihiden 
und  mit  Spruchbändern  und  Symbolen,  welche  auf  die  Straf- 
gerichte deuten,  die  sie  der  Welt  zu  verkündigen  haben. 

Die  Idee,  welche  diese  herrlichen  Bilder  beseelt,  ist 
die  Geschichte  des  Sündenfailes  und  der  darauf  folgenden 
Strafe,  also  die  Zerstörung  des  Reiches  des  Friedens  und 
des  Glückes,  welches  Gott  für  den  Menschen  auf  Erden 
schuf,  in  welches  er  ihn  einsetzte,  da  er  ihm  die  Herrschaft 
aller  geschaffenen  Dinge  gab,  und  dessen  er  sich  durch 
Gehorsam  und  Beherrschung  seiner  selbst  erst  recht  wür- 
dig machen  sollte.  Da  i:aht  die  Versuchung,  welcher  der 
Mensch  keinen  Widerstand  leistet,  und  die  Sünde  zerstört 
dieses  Reich  und  stürzt  ihn  ins  Elend.  Dieses  mannigfaltige 
Elend  und  die  schweren  Plagen  der  Strafgerichte  Gottes 
sinnbilden  die  Engel,  welche  die  Zornschalen  Gottes  über 
die  Welt  ausgiessen,  und  jene,  v\olche  mit  Posaunenscliall 
das  vielfältige  Weh  in  alle  VVeltgegenden  rufen.  Aber  über 
all  dem  schwebt  das  Kreuz,  das  vorbildliche  erst,  an  dem 
das  göttliche  Opferlamm  noch  nicht  hängt,  sondern  dessen 
Stelle  bedeutungsvoll  eine  Rose  einnimmt;  aber  dieses 
Kreuz  mildert  niclit  nur  die  zermalmende  Schwere  der 
Plagen,  die  nur  unter  seiner  Ägyde  ausgegossen  werden, 
sondern  bietet  auch  den  unglücklichen  Verstossenen  die 
gewisse  Hoffnung  der  Erlösung.  Wenn,  wie  ich  vermuthe, 
die  beiden  Wandflächen ,  die  jetzt  verwischt  sind ,  mit 
Scenen  der  Erniedrigung  und  des  Leidens  aus  der  Lebens- 
geschichte Jesu  bemalt  waren,  wie  sich  in  der  westlichen 
Hälfte  an  den  entsprochenden  Wänden  Bilder  seiner  Herr- 
lichkeit zeigen,  so  wäre  damit  ausgedrückt,  dass  sich  dieser 
Zorn  und  das  zermalmende  Gericht  zunächst  vor  allen  auf 
ihn  entlud,  der  das  Opferlamm  geworden ,  der  unser  Aller 
Sünden  und  ihre  Strafe  truii.   Selbst  das  Bild  der  östlichen 


Wandtläche,  das  die  Umgebung  eines  einstens  hier  aufge- 
stellten Altares  bildet,  und  Maria  mit  ihrem  Kinde  thronend 
und  von  Heiligen  und  Engeln  umgeben  darstellt,  stört,  ob- 
gleich et«  as  späteren  Ursprungs ,  den  Sinn  dieser  erha- 
benen Conception  nicht,  da  ja  die  heiligste  Jungfrau  es  ist, 
durch  welche  der  sündigen  und  gesunkenen  Menschheit  das 
Heil  vermittelt  und  den  Armen  des  Erlösers  entgegenge- 
halten wird.  Auch  die  Himmelsleiter,  welche  sich  an  der,  den 
Chor  in  zwei  Hälften  scheidenden  Gewölbgurte  zu  beiden 
Seiten  derselben  erhebt,  und  auf  welcher  Engel  emporstei- 
gen, passt  wohl  in  dieses  Bild,  indem  sie  die  zwar  gestörte 
aber  nie  aufgehobene  Verbindung  versinnlicht,  welche  zwi- 
schen der  sündigen  Menschheit  und  dem  Himmelreiche  durch 
Engel  und  goltberufene  Menschen  immer  unterlialten  wurde, 
und  es  scheint  mir  nicht  so  fast  («ie  Herr  v.  Quast  an- 
nimmt)')  naiv,  sondern  vielmehr  ein  sehr  tiefer  Gedanke, 
gerade  hier  an  dem  Scheidebogen  der  beiden  Reiche,  des 
Elends  und  der  Herrlichkeif,  die  Himmelsleiter  angebracht 
zu  haben,  welche  die  Verbindung  beider  syndjolisirt. 

Die  westliche  Hälfte  des  Chores  stellt  die  Wieder- 
herstellung des  Reiches  Gottes,  das  himmlisclie  Jerusalem 
dar,  und  enthält  somit  den  Gegensatz  zu  dem  Bilde  der 
östlichen  Hälfte,  und  die  Vollendung  der  im  Chore  zur  An- 
schauung gebrachten  grossen  Walirheiten.  Zu  unterst  an 
den  drei  Wandilächen  dieses  Chortheiles  treten  uns  drei 
grosseBilder  aus  derGeschichte  unseresMeislers  entgegen, 
jedoch  nur  solche,  in  denen  seine  königliche  und  göttliche 
Würde  liervortiitt.  So  ziehen  an  der  südlichen  Wand  die 
heiligen  drei  Könige  zu  Rosse  dahin,  um  dem  neugebornen 
königlichen  Kinde  ihre  Huldigung  darzubringen;  die  ganze 
westliehe  Wand,  welche  von  z«  ei  Rundbogen  und  einem 
Kreisfenster  durchbrochen  ist,  welches  letztere  neu  reno- 
virte  Glasmalereien  schmücken,  nimmt  die  ^'erklärung 
Christi  ein,  wo  sich  seine  Herrlichkeit  und  Majestät  im 
überirdischen  Glänze  zeigte,  und  der  Vater  ihn  als  seinen 
vielgeliebten  Sühn  bekannte,  an  welchem  er  sein  Wohl- 
gefallen bat.  In  der  Mitte,  gerade  unfcr  dem  Kreisfenster 
schwebt  Christus  verklärt,  über  ihm  sein  biinnilischer  Vater 
an  jeder  Seite  von  einem  Engel  angebetet,  weiler  unten  an 
den  äussersten  Seiten  des  Gemäldes  schweben,  rechts  von 
dem  Herrn  Moses  und  links  Elias,  während  unten,  fast  un- 
kenntlich die  drei  Apostel  liegen ,  nämlich  Petrus  zu  den 
Füssen  seines  Meisters,  Jakobus  unter  Moses  und  Johannes 
unter  Elias.  Nocli  einmal,  kurz  vor  seinem  Leiden,  trat  die 
königliche  Würde  des  Herrn  hervor,  als  er  in  Jerusalem 
einzog,  und  dieses  ist  an  der  nördlichen  Seitenwand  dar- 
gestellt, wo  der  lleiiand  auf  einem  Esel  sitzend,  von  seinen 
Jüngern  gefolgt,  von  den  Juden  freudig  hegrüsst.  auf  mit 
Kleidern  und  Zweigen  bedeckten  ^^'egen  daherziolit  und 
hier  wohl  auch  den  Einzug  des  Königs  der  Ilorrlichkeiten 
in  das  himndische  Jerusalem  andeulel,  das  hier  im  Koppcl- 


*)  Otfe,  II.:   Cr-uiiil/.iige  tlci-  kli-clilli'lii'ii  Knnstni-ehiioloLrie  des  ileutsclieii 
I\Iittcl;iUers.    l.cipzif!-  ISöä  (l.ei  T.  O.  Woig-el).   S.  CO. 


—  294 


gewülbe  zii  schauen  ist.  Itoim  liier  stehen.  scIkhi  ulier  den 
Seitenflächen  im  unteren  Tiieiie  iles  Gewölbes,  in  den  vier 
Eckseiten  desselben  die  vier  i;rossen  Prnpiieten  mit  ihren 
Sinnbildern ,  als  Ezeciiiel  mit  dem  Duppelrade,  Jeremias 
mit  der  wachsenden  Gerte,  dann  mit  Sin-uciibändern,  die 
sich  darauf  beziehen,  aber  grossen Tiieils  schon  unkenntlich 
sind.  Über  ihnen  erbaut  sich  das  bimiulische  Jerusalem 
wie  es  Johannes  —  OlVenb.  21  —  schaute.  Ringsherum 
zielit  sidi  die  grosse  hohe  Mauer  aus  kostbaren  Steinen 
erbaut  und  mit  viellarbigen  Kdelsteiuen  geschmückt,  zwölf 
Thorc  führen  in  die  Stadt,  in  jeder  der  vier  Weltgegenden 
je  drei  in  dreifach  gekuppelten  Rundbogen  an  einander 
stellend,  über  den  Thoren  aber  zeigen  sich  von  einem 
thurmartigen  Gebäude,  wie  von  einer  Feste  überbaut,  je 
drei  Apostel,  zu  deren  Seiten  Engel  mit  emporstehenden 
Flügeln  die  Thore  bewachen  und  Sinnbildern  so,  den  Ge- 
danken des   .Apostels   Ephes.    2,    20    andeutend,   dass    die 


Stadt  Gottes  erbaut  sei,  auf  die  Grundfestc  der  .Apostel 
und  Propheten,  wiihrend  Jesus  Christus  selbst  der  Eekstein 
ist.  Zwischen  den  Tliiu'en  und  den  sie  bewachenden  Engeln 
endlich  ragen  aus  der  Mauer  vier  Tiuirme  empor,  die  sich 
bis  in  die  Höhe  verengend  fortsetzen  und  ddrt  im  Scheitel 
des  Gewölbes  einen  Kreis  tragen,  dessen  Mittelpunkt  das 
Lamm  Gottes  ist ,  von  welchem  es  OlVenb.  21,  23  heisst: 
„lud  ihre  Leuchte  ist  das  Lamm'-;  das  Lamm  aber  um- 
geben die  Zeichen  der  vier  Evangelisten  mit  ihren  Devisen, 
die  auf  den  abgeplatteten  Spitzen  der  vier  Tliiirnie  ruhen. 

Diese  ganze  Darstellung,  deren  sinnige  Bedeutung 
unschwer  erkennbar  ist,  wird  von  dem  durch  die  Fenster 
der  Westwand  einfallenden  Lichte  massig  beleuchtet  und 
macht  im  Gegensatze  zu  dem  östlichen  mehr  im  Dunkeln 
liegenden  Cliortlieile  einen  feierlichen,  erhebenden  Eindruck, 
den  die  mitunter  noch  treiVlich  erhaltenen  Farben  merklieh 
erhöhen. 


II. 
Über  das  Zeitaller  «1er  IVaiirtinalereicn  in  «1er  Vorhalle  iin«l  im  IVoiiiieiioliore  «les  Gurker  Domes« 

Von  Gottiieb  Freilioiru  v.  .\  n  k  c  islio  f  e  n  ,  k.  k.   Conservator  in  Klagenfiirt. 

Dem  Gui'ker  Dome  gebührt  nicht  nur  wegen  seiner  Sünde  und  den  geistigen  Tod  erinnert  und  zugleich  wieder 
hundertsäuligen  Krypta,  und  wegen  seines  Prachtportales,  auf  den  lehrenden  und  segnenden  Christus  und  die  Zwülf- 
sondern  auch  wegen  der,  seine  Vorhalle  und  den  Nonnen-  zahl  der  Apostel  gewiesen,  welche  er  ausgesendet  hat  um 
chor  sinnreich  schmückenden  Wandgemälde  unstreitig  der  den  Völkern  der  Erde  seine  seligniachende  Lehre  zu  ver- 
erste  Platz  unter  den  kirchlichen  ßaudenkuialen  Kärnthens.  künden.  Was  hier  durch  einen  gewählten  Bilderkreis  in 
Es  unterliegt  zwar  keinem  Zweifel,  dass  auch  die  hohe  einer  jedem  Eintretenden  verständlichen  Weise  gelehrt 
Wand  des  MiltelschilVes  der  Abteikirche  von  St.  Paul  im  wird,  tritt  uns  in  den  Wandgemälden  in  dem  über  den 
Lavantthale  einst  bemalt  war;  denn  bei  der  letzten  Restau-  Vorhallen  aufgebauten  Nonnenchore  in  einerhöheren  myste- 
rirung  der  Abteikirche  haben  sich  unter  der  in  einzelnen  riösen  Fassung  entgegen,  ein  Vortrag  christlicher  Ideen 
Bruchstücken  abgefallenen  Tünche  deutliche  Spuren  von  und  Lehren,  mit  aller  Fülle  christlicher  Symbolik,  Allegorie 
Wandmalereien  gezeigt ,  allein  die  Folgen  der  oltmaligen  und  Typologie.  Der  Entv\urf  dieser  Bilder  ist  einem  tief 
Cbertünchung  haben  das  weitere  Verfolgen  der  entdeckten  religiösen  Gemüthe  enf(|Uollen  und  spricht  daher  wieder 
Spuren  und  daher  auch  das  Entdecken  der  bemalten  Wand  zum  Gemüthe,  er  ist  die  Frucht  des  klaren  Verständnisses 
von  der  grösstentheils  fest  anklebenden  Kruste  unmöglich  der  Aufgabe  christlicher  Kunst  und  die  Wandgemälde  im 
gemacht.  Auch  die  Stiftskirche  iuMilstat  hat  wenigstens  Gnrker  Dome  sind  daher  wieder  eine  Fundgrube  für  das 
an  ihrem  .Äusseren  beachtenswerthe  Wandmalerei  aul'zu-  Verständniss  christlicher  Malerei');  sie  sind  ein  schätz- 
weisen, allein  abgesehen  davon,  dass  sie  einer  viel  s])äteren  bares  Zeugniss  für  den  Werlh  der  so  oft  übersehenen 
Kunstperiode  angehören  als  die  Wandmalereien  im  Gurker  Kunstlcistungen  des  verschmähten,  weil  nicht  gekannten 
Dome,  zeigen  jene  doch  nur  einen  einzelnen  Gegenstand,  oder  nicht  verstandenen  Mittelalters.  Bei  diesen  Vorzügen 
während  diese  deutlich  zu  erkennen  geben,  dass  ihrem  der  erwähnten  Wandgemälde  im  Gurker  Dome  dürfte  auch 
Entwürfe  ein  tief  durchdachter,  umfassender  Gesammt|ilan  ein  kleiner  Beitrag  zur  Lösung  der  Frage,  welcher  Zeit 
zu  Grunde  liege.  Indem  die  Seitenwände  der  \drhalle  mit 
den  je  zwölf  Darstfllungefi  der  «iehtigslen  Momente  aus 
der  Geschichte  des  alten  inid  neuen  Bundes  in  schönster 
Weise  iWti  SleWe  einer  /ti/)lia  pniiiu'ntm  vertreten,  und  in 
leichtverständlicher  Behandlimg  die  Geschichte  des  seit 
dem  Sündenfalle  vorbereiteten  Erlösungswerkes  vortragen, 
wird  im  Gewölbescheitel,  im  Sehlusssteine  des  gestirnten 
Himmels  durch  das  .Svmbol  des  Lammes  mit  der  Sieses- 
fahne  an  den  Schlussstein  des  Erlösungswerkes,  an  die 
Hinwegnahme  der  Sündfu  di  r  Welt,  an  den  Sieg  über  die 


')  Dieses  Versliindniss  miiss  in  Gurk  iiiehl  immer  zu  finden  gewesen  sein, 
denn  sonst  halte  man  iinmiiglioh  nn  die  SeitenwSnde  der  Vorholie  die 
sechs  Holzlafeln  mit  den  aus  Hol/,  im  Hochrelief  geschnitzten  Dnrstel- 
liingeii  ans  der  Ilemmn-Legende  (wahrscheinlich  in  der  Ronai$sance/.cit) 
nageln  und  dadurch  einen  Theil  der  Wandgemälde  Ihcils  verdecken, 
theils  heschiidigen  kfinnen.  Dieses  Sciilplurwerk  hat  einen  nicht  zn 
leugnenilen  künstlerischen  Werth.  gehiirt  aher  nicht  dahin,  wo  es  sich 
befindet  nnd  von  wo  es  so  lange  nicht  entfernt  werden  kann,  his  nicht 
die  Zeit  kommt,  in  welcher  eine  Restaurirnng  der  Wandgemälde  zn  ermög- 
lichen sein  wird. 


—  29S  — 


diese  Kundgebung  der  christlichen  Kunstleistung  angehöre, 
eine  freundliche  Aufnahme  finden. 

Wenn  mau  sich  die  Lösung  dieser  Frage  an  Ort  und 
Stelle  zur  Aufgabe  macht,  so  leitet  sclion  der  Augenschein 
zur  Wahrnehmung,  dass  die  Wandgemälde  in  der  Vorhalle 
und  im  Nonnenchore  nicht  derselben  Zeit  ,  sondern  zwei 
verschiedenen ,  weit  von  einander  abstehenden  Perioden 
angehören. 

Die  Vorhalle  des  Gurker  Domes  hat  in  unbekannter 
Zeit  eine  Veränderung  erfahren,  welche  nicht  oline  wesent- 
lichen Einfluss  auf  das  Innere  der  Vorhalle  war.  Nach  der 
ursprünglichen  Bauanlage  war  nämlich  die  Vorhalle  eine 
nach  Aussen  olfene  und  nur  durch  einen  kräftigen,  runden, 
auf  zwei  Halbpfeiler  gestützten  Portalbogen  geschieden. 
Diese  Details  sind  noch  gegenwärtig  leicht  erkennbar.  Die- 
ser offene  Portalbogen  wurde  in  unbekannter  Zeit  durch 
eine  Mauer  ausgefüllt  und  in  diese  neue  Füllmauer  die  spitz- 
bogige  ,  mit  gothischem  Masswerke  verzierte ,  neue  Portal- 
thüre  eingesetzt,  wie  auch  zu  beiden  Seiten  derselben  spitz- 
bogige,  gestreckte  Fenster  angebracht  wurden.  In  dieser 
nun  angeschlossenen  V^orhalle  bemerkt  mau  an  dem  Innern 
der  Wände  der  Füllmauer  Wandnuderei  ,  welche  sich  in 
dem  Wandtheile,  der  sich  die  südliche  Seiten  wand  der  Vor- 
halle auscliliesst,  als  Fortsetzung  der  an  dieser  Wand  be- 
merkbaren Wandmalerei  erkennen  lässt.  Diese  Beobachtung 
für  sich  allein  würde  noch  keineswegs  genügen,  auf  selbe 
den  Schluss  zu  stützen,  dass  die  Wandmalerei  an  den  Seiten- 
wänden der  Vorhalle  gleichzeitig  sein  müsse  mit  der  am 
Innern  der  Füllmauer.  Es  könnte  nändicb  an  dieser  s[)äter 
fortgesetzt  worden  sein ,  was  früher  an  den  Seitenwänden 
der  damals  noch  ofl'enen  Vorhalle  begoimen  wurde.  Dies- 
falls muss  es  auffallen  ,  dass  die  der  Geschichte  des  alten 
Testamentes  entnommene  ßilderreihe  mit  der  Schöpfungs- 
scene  an  der  nördlichen  Seitenwand  der  Vorhalle  begiimt, 
wo  sie  begonnen  haben  konnte,  als  die  Vorhalle  noch  durch 
keine  Füllmauer  geschlossen,  eine  olfene  war,  wogegen 
sich  an  der  Wand  der  Füllmauer,  wo  sie  sich  der  nörd- 
lichen Seitenwand  anschliesst,  Sceneii  gemalt  erscheinen, 
welciie  zwar  schwer  zu  deuten,  jedoch  kaum  aus  der  Ge- 
schichte des  alten  Bundes  erklärbar  sind ,  und  mehr  der 
Heiligen-Legende  angehören  dürften,  da  wir  auf  dem  noch 
erhaltenen  Gemäldereste  eine  männliche  Figur  mit  niederer, 
spitzerMitra  und  der  mit  dem  Vorderarme  emporgeliobenen, 
faltenreichen  Casula  bemerken. 

Entschieden  ist  aber  das  jüngere  Alter  der  Wandma- 
lerei in  der  Vorluille  dadurch  dargcthan,  dass  die  den  ein- 
zelnen Bildern  beigegebenen  Spruchbänder  durchaus  die 
gothische  Minuskel  zeigen  und  in  den  architektonischen  Bei- 
gaben der  gescliweifte  Spitzbogen,  der  sogenannte  Eseis- 
rücken,  seine  Anwendung  fand.  Es  dürfte  also  keinem 
Zweifel  unterliegen,  dass  die  Wandgemälde  erst  der  Zeit 
angehören,  welche  der  Ausfüllung  des  Portalbogens  nach- 
gefolgt ist. 


Wann  jene  Füllmauer  eingesetzt  wurde,  ist  unbekannt, 
allein  selion  die  gothischen  Fenster  und  die  Thüre  mit  dem 
gothischen  Masswei'ke  hissen  auf  die  gothische  Periode 
schliessen  und  die  obenerwähnte  .Anwendung  des  geschweif- 
ten Spitzbogens  dürfte  zum  Schlüsse  berechtigen,  dass 
wenigstens  die  Wandmalerei  in  der  Vorhalle  keiner  früheren 
Periode  angehöre,  als  der  zweiten  Hälfte  des  fünfzehnten 
Jahrhunderts.  Ob  die  Seitenwände  der  Vorlralle  schon  zur 
Zeit,  als  diese  noch  eine  offene  war,  bemalt  waren,  das 
heisst,  ob  die  gegenwärtig  noch  erhaltene  Wandmalerei  an 
die  Stelle  einer  altern  getreten  und  ob  die  Idee  zur  Walil 
der  gegenwärtig  sichtbaren  Bilderreihe  durch  eine  schon 
früher  bestandene  Wandmalerei  gegeben  wurde,  lässt  sich 
nun  nicht  mehr  entscheiden,  da  die  von  dem  Herrn  .Archi- 
tekten Lippert  an  den  Iteschädigten Stellen  gestellte  Unter- 
suchung keine  Spur  von  Überresten  einer  altern  Malerei 
ergab.  Immerhin  bleibt  es  unwahrscheinlich,  dass  die  Vor- 
halle nicht  schon  ursprünglich  mit  Wandgemälden  verziert 
gewesen  sein  sollte,  da  man  doch  zur  innern  Ausstattung  des 
Domes,  wie  aus  der  Wandmalerei  im  Nonnenchore  zuerken- 
nen und  aus  den  Spuren  von  Wandmalerei  unter  der  Tünche 
des  Langhauses  zu  schliessen  ist ,  auf  die  Malerkunst  so 
Vieles  aufgewendet  hat. 

Wie  wir  schon  durch  Augenschein  auf  die  Wahrneh- 
mungen des  geringeren  Alters  der  Wandgemälde  in  der 
Vorhalle  geleitet  wurden,  so  lässt  uns  eben  wieder  schon 
der  Augenschein  auf  das  höhere  Alter  der  W^andgemälde  im 
Nonnenehor  schliessen.  Sie  zeigen  den  romanischen  Cha- 
rakter, die  Schrift  auf  den  beigegebenen  Spruchbändern 
zeigt  die  abgerundete  Majuskel  und  die  Brustbilder  der 
Kirchenväter  in  den  Medaillons  auf  der  nördlichen  Seiten- 
wand zeigen  die  niedere  Mitra  und  die  faltenreiche  Casula. 
Im  Nonnenehore  ist  keine  Bauänderuug  wahrnehmbar,  wie 
eine  solche  in  der  Vorhalle  bemerkbar  ist,  er  zeigt  die  |iri- 
mitive  Anlage  und  es  ist  kein  Grund  vorhanden,  den  Wand- 
gemälden in  demselben  die  Ursprünglichkeit  abzusprechen. 
Dieses  vorausgesetzt  mag  es  erlaubt  sein,  auch  die  nähere 
Bestimmung  des  Zeitalters,  welchem  die  Wandgemälde  im 
Nonnenehore  angehören  dürften,  zu  versuchen. 

Nach  den  Ergebnissen  der  bisherigen  Forschungen  für 
eine  Baugeschichte  des  Gurker  Domes  kann  bei  deren  Über- 
einstimmung mit  den  an  dem  Baue  gemacliten  Beobachtun- 
gen angenommen  werden,  dass  der  Gurker  Dombau  am 
Schlüsse  des  zwölften  Jahrhunderts  vollendet  gewesen  sei'). 

Da  der  Bau  von  Osten  nach  Westen  fortschritt,  so 
dürfte  die  kirchliche  Eim-ichlnng  der  im  Osten  gelegenen, 
für  den  kirchlichen  Dienst  unentbehrlichsten  Theile,  wie  z. 
B.  des  Altar-Raumes  wohl  schon  bald  nach  ihrem  Aufbaue, 
somit  noch  vor  Vollendung  des  westlichen  Baues  begonnen 
haben.  Dieses  dürfte  auch  von  der  künstlerischen  .Ausstat- 
tung, z.  B.  den  Wandgemälden  in  den  .Apsiden  wenigstens 


')  .Millheilunseu  ISjU.  S.  22. 


—  296 


in  so  weit  jielten,  diiss  mit  diosor  Ausstiittunp;  luicli  vor 
Vollontlung  des  Doinbiuies,  otw.i  in  der  letzten  Bauzeit,  ids 
;in  der  \'iiilciidiiii!;'  des  Hsmes  und  smnit  an  einer  nnnnt(M-- 
brochencii  Furtsetzung-  der  Kirciienausstattung  nicht  nielir 
gezweifelt  werden  konnte,  begonnen  wurde  .  Dieses  voraus- 
gesetzt, glaube  icli  annehmen  zu  können,  dass  mit  der 
künstlerischen  Ausstattung  des  (Jurker  Domes  theihveise  im 
letzten  Decennium  des  zwölften  Jahrhunderts 
begonnen  worden  sei,  die  Fortsetzung  und  Vollendung  der- 
selben in  iWa  westlichen  Theilen  dagegen  so,  wie  die  kirch- 
liche Einrichtung  der  letzteren  dem  ersten  Viertel  des 
d  r  e  i  z  e  h  u  t  e  n  .1  a  h  r  h  u  n  d  e  r  t  s  angehöre. 

Für  diese  Annahme  zeugen  in  Rücksicht  auf  die  kirch- 
liche Einrichtung  der  siulteren  fiantheile  des  Domes  zwei 
von  mir  schon  bei  einer  anderen  Gelegenheit  in  diesen 
Blattern  ')  bekannt  gemachte  (Inrker  Urkunden.  Zufolge 
der  einen  dieser  l'i-kunden  erhielt  der  alte,  an  der 
östliciien  Schlusswand  des  MiltelschilTes,  zwischen  den 
beiden  Kry|ilaeingangen  aufgebaut  gewesene  Kreuzaltar, 
welcher  olfenbar  ein  sogenannter  Laienaltar  war,  erst  am 
2.  Februar  121t>  die  kirchliche  Weihe.  .\us  der  zweiten 
Urkunde  geht  aber  hervor,  dass  auch  ftir  den  Noimencbor 
der  Bau  eines  .Altares  bestimmt  var,  dass  aber  dieser  zur 
Zeit,  als  Bischof  Walther  vonGurk  im  Anfange  des  XIII.  Jahr- 
hunderts -)  eine   Seelenmesse   stiftete,  welche  auf  diesem 


')  „Mittheiluiigcn"  18jC,  .NonMiilierhoft. 

*)  Es  hat  sich  nun  auch  die  Guiker  l'rliunilc  vorgefunden,  in  «cIiIk  r  Uiiii- 
ricns  m'seratione  divina  .Marchio  Istrie  dnla  .ipud  Grece  anno,  d.  i. 
.M.CC.XI.  Ind.  .Villi.  Villi.  Kai.  Sciitenihris  vei kündet,  dass  Bischof 
Walter  von  Gurk  für  seine  Kirche  von  tWn  niarkgi  alliclien  Miiiisterialeu 
Winter  und  Gotfrid  de  Kroiiowe  ein  Gut  ajuid  niur.itn  in  Cliunisdnrf  für 
hunder-t  und  xehn  .Mark  an;;ekauft  lial)e  mit  Kiuwillil^un^  des  Mark|>rafen, 
der  Frau  ilcsseihen  Sophie,  iiirer  .Mtitter  .\gnes  (ducis  suae)  und  mit  der 
Verzichlleistunj;  ihrer  Scliwestern,  ilirer  Sohne  und  deren  Krljen.  Das  in 
dieser  L'rkunde  angeführte  Gut  an  der  Mur  iji  Chunisilorf  ist  dasseihe, 
mit  welchem  Bischof  Waller  die  im  Texte  erwiilinte  Seelenmesse  stiftete 
und-es  kiinnte  daher  scheinen,  als  müsste  die  Stiftung  erst  im  Jahre  1211 
vielleicht  sogar  na  ch  diesem  Jahre  erfolgt  sein,  weil  die  Urkunde  des 
Markgrafen  erst  am  24.  August  121 1  ausgestellt  erscheint.  Allein  es  ist 
■licht  zu  ühersehen,  dass  diese  l^rkundc  ein  Datum  ist,  eine  zur  Re- 
glauhigung  der  hierin  aufgezahlten  Acta,  des  Kaufes  zu  (iunsten  der 
«iurker  Kirche,  d.  h.  zur  liealisichtigten  .Messstifhing ,  iler  Kiriwilligung 
lies  .Markgrafen,  seiner  Frau  und  Seliwicgernuitfei*  und  der  Ver/icht- 
leistung  der  Söhne  derselhen  und  der  Krhen  der  letzteren  ausgefei  ligle 
l.rknude  ist.  Es  ist  nicht  nöthig,  dass  das  Actum  der  verkündeten 
Gegenstiinde  dersellieTag  gewesen  sei  wie  das  Datum  der  Beglauhigungs- 
urknnde.  Der  Kauf  und  auch  ilie  Widmung  «les  gekaufleii  Gutes  kiiiiueu, 
wie  solche  Vorkommnisse  nicht  selten  sind,  wenigstens  mit  eventueller, 
durch  die  vorausgesetzte  Einwilligung  des  Markgrafen  und  der  betliei- 
ligten  .Markgräfin  und  der  Verwandten  derselhen  lauge  vor  der  Urkundeu- 
ausfertignng  erfolgt  sein.  Schon  die  Einholung  der  erforderlichen  Cmi- 
»ense  und  die  Erwerhung  der  nöthigen  Verzichlleistungen  konnten  die 
Ausfertigung  der  Bcgiauhigungsurkundc  verzügert  haben.  Eine  Verzöge- 
rung dieser  lleglauliignngsurkunde  kann  schon  desshalh  nicht  aulfalleu, 
wenn  man  die  In  den  Zi-ilraum  vor  dem  Jahre  1211  fallenden  Geschicke 
des  «m  6.  Jänner  120!)  n.cnchle(i'n  .Markirafen  Heinrich  von  Isirien 
orwügl.  Aus  dem  Umstände,  dass  die  lleglauhigungsnrkuude  üher  den  von 
dem  Bischöfe  Walter  von  tiurk  zu  tiiinslen  seiner  Kirche  geschlossenen 
Kauf  des  Gutes  Chunisdorf  am  24.  August  1211  ausgefcriiget  wurde, 
kann  daher  nicht  geschlossen  werden,  dass  jener   Kauf  und   somit   auch 


.Miare,  wenn  er  vidlemlct  sein  würile,  zu  pers(ilviren  war, 
noch  nicht  vollendet  gewesen  sei.  Diesen  iirkunillichen 
Nachriclilcn  zufolge  kimiieu  wir  sonach  die  kirchliche  Kin- 
richtiing  des  tjurkcr  Domes  wenigstens  nicht  vor  dem 
Jalire  12 16  als  V(j|leiidet  annelimen. 

Für  die  künstlerische  .Ausstattung  des  Innern  des 
Domes,  für  die  Ornamentirung  der  Einzeltheile  ilürflt^  der 
Zeitraum  l)is  zu  ihrer  \ollendnng  W(dil  noch  über  das 
.Jahr  12l(>  hinaus  ausi^Tdehnt  werden,  wenn  man  auch 
nach  der  oben  ausgesprochenen  N'erniulliung  annehmen 
wilJ,  dass  dieselbe  an  einzelnen  ostlichen  Bautheilen,  wie 
z.  B.  an  den  Apsiden  ')  schon  vor  dem  vollendeten  west- 
lichen Baue,  etwa  in  dem  letzten  Decennium  des  XII.  Jahr- 
hunderts begonnen  wurde.  Zu  diesen  AiisstaUungen  ge- 
hörte nun  ganz  vorzüglich  die  Wandmalerei,  mit  welcher 
nicht  blos  die  Vorhalle  untl  der  Nonnenchor,  sondern,  wie 
ans  den  Spuren  von  Wantlinalerei,  die  nach  und  nach  an 
einzelnen  Stellen,  von  welchen  sich  die  Tünche  ablöste,  be- 
merkbar wurden,  wohl  auch  die  hohe  Wand  des  Mittel- 
schilTes  und  vielleicht  auch  die  Nebenschifl'c  geziert  waren. 
Eine  so  geartete  Aufgabe  bedurfte  zu  ihrer  Lösung  wohl 
eines  längeren,  besonders  für  die  westlichen  und  somit 
zuletzt  aufgebauten  Theile  des  Domes,  über  die  Vidlenduiig 
des  Dombaues  hinaus  in  das  erste  Viertel  des  XIH.  Jahr- 
hunderts reichenden  Zeitraumes.  Bei  solchen  wenigstens 
wahischeinliclien  .Annahmen  miiss  eine  Widirnehmnng, 
welche  sonst  in  ihrer  Vereinzelung  wenig  beachtet  würde, 
für  dieBeantwortuiig  der  Frage  über  dasZeilaller,  welchem 
die  \\  andintdereien  im  Gurker  Dome  angehiiren,  eine  be- 
sondere Bedeutung  erhalten.  Wir  trelTen  niimlich  in  Gurker 
Urkunden,  welche  eben  dem  Zeiträume  von  dem  l$eginiie 
des  letzten  Decenninms  des  XIL  Jahrhunderts  bis  zum 
Jahre  12 1 S  angehören  und  zwar  besonders  in  denen  der 
letzten  Jalire  wiederholt  auf  die  .Anfidiruiig  von  pictorcs, 
wie  sie  wenigstens  nach  meinem  Wissen  weder  früher 
noch  später  vorkömmt.  Zuerst  erscheint  ein  „lleinricus 
pictor"  als  Zeuge  eines  imJanner  des.Iahres  1191  zwischen 


die  Widmung  lies  ei-k:uil1en  Gutes  zur  Sliflung  der  auf  dem  im  Gurker 
Nfinueiu'hore  im  .aufhaue  hegridVut'U  .\ltarc  zu  lesenden  .Messe  erst  im 
.lahre  121 1  und  nicht  sclion  früher  erfolgt  sei.  iVur  so  viel  kann  ans  dem 
Datum  der  ofterwähnten  Beglauhigungsurkunde  geschltissen  wei'den, 
dass  die  Messeustiflung  des  Bischofes  Walter  jedenfalls  v  t)  r  dem 
24.Angnst  1211  erfolgt  sei. 
^)  Die  gegenwärtig  in  der  llaiiptapside  noch  erhnlleneu  Waudgemiilde 
gehiiren  dem  Jahre  1598  an,  wurden  aher  ohne  Zweifel  durch  ältere  dem 
Geschmaeke  der  Itenaissancezeit  nicht  zusagende  Wandgemälde  veran- 
lasst. Worauf  es  dazumal  vorzüglich  angekommen  sei,  seheint  mir  der 
mit  dem  .Maler  geschlossene  und  im  Domstiftsarchive  noch  nnfhewahrte 
Accord  zu  erkennen  zu  gehen.  Diesem  zu  Folge  wurde  am  6.  Juni  lö98 
mit  ileni  .Maler  und  Burger  in  Klagenfurt  Anton  l'lumenthal  um  210  11. 
Iiednugeu,  dass  er  nach  Vorschrift  die  ilrei  Ahseiten  im  Chore  von  unten 
liis  au  die  Höhe,  nicht  allein  liis  an  die  Sehwihhögen  ,  sondern  bis  auf 
das  oberste  (jewötli  sauimt  den  steinernen  Säuleu  ilureli  und  durch  ,  in- 
wendig in  den  Sehwihhögen  mit  Ölfarben  ,  die  vorderen  Theile  aher 
mit  anderen  frischen,  hestiindigen  Farben  lleissig  unil  sauber  noch  den- 
selben Somuu'r  ausmalen  soll. 


—  297   — 


den  Ministerialen  von  Gurk  iimi  deiii  liiidolpli  von  Albeck 
geschlossenen  Vergleichsgeschäftes  ').  Am  30.  Mai  1192 
gab  Bischof  Dietrich  I.  von  Gurk  über  die  Bitte  des  Hein- 
ricus  pictor  das  Beneficium ,  welches  dieser  von  dem  Bi- 
sciiofe  verliehen  erhalten  hatte,  nämlich  zwei  Acker  apud 
f'otitem  judicialem  (der  Gerichtsgrenze) ,  zwei  Wiesen  in 
Draselbach  und  drei  Mancipien  Benedikt  und  Riclr.ird  mit 
der  Tochter  Hema  dem  Hospitale  in  Gurk  mit  dem  Anhange, 
dass  sie  dem  Heinricus  und  der  Gattin  desselben  so  lange 
diese  leben  würden  widerspruchlos  dienen  sollen  -).  In 
einer  Vergabungsurkunde  desselben  Bischofes  Dietrich  vom 
3.  Jänner  1194  erscheint  wieder  als  Zeuge  Heinricus  pic- 
tor»), und  in  einer  Urkunde  des  Bischofes  Walther  von 
Gurk  vom  20.  Mai  1209  lesen  wir  unter  den  Zeugen  die 
p ictores Heinricus  et  Hiltpoldus*).  Am  6.  Jiinuer  1217 
vergab  Bischof  Heinrich  von  Gurk  drei  Mausen  auf  der 
Hochebene  eines  Berges  in  der  Nähe  der  Kirche  St.  Jakob 
inNezinz,  welche  Heinricus  pictor  von  dem  Bischöfe  Hein- 
rich zu  Lehen  hatte  und  nebst  seinem  Weibe  Elisa  mit  der 
durch  den  Probst  Otto  unterstützten  Bitte  dem  Bischöfe 
heinisagte,  das  Eigenthum  dieser  Mausen  dem  Chorherren- 
stil'te  zu  übergehen  »).  In  einer  —  über  ein  zwischen  dem 
Bischöfe  Heinrich  und  dem  Prohste  Otto  von  Gurk  ge- 
schlossenes Tausehgeschäft  an  demselben  Tage  ausgefer- 
tigten Urkunde  erscheint  unter  den  Zeugen  Heinricus 
pictor«)  und  in  einer  anderen  über  einige  von  dem  Stifts- 
ministerialen Otto  Harnasch  zu  Gunsten  des  Gurker  Clior- 
herrenstiftes  getrolTenen  Verfügungen  am  9.  März  1218 
ausgestellten  Urkunde  tlnden  wir  A\ieder  die  Zeugen  Hein- 
ricus Dietric  US  p  ictores ').  Nach  einer  Urkunde  vom 
12.  April  1218  opferteHeinricus  pictor  deGurk  für  sein 
Seelenheil  und  das  seines  Weibes  Elisa  auf  dem  Marien- 
altare  in  Gurk  einen  Mansus  in  Sirnitz,  welchen  er  von 
dem  Abte  Ulrich  von  St.  Paul  zu  Lehen  hatte,  von  jenem 
aber  gegen  zehn  Maik  Friesacher  Denare  das  Eigenthum 
einlöste.  Unter  den  Zeugen  erscheinen  Dictricus  pictur 
et  f'ilius  suus  Heinricus  Rudigeriis  p  ictor  s). 

Ich  kann  nicht  annehmen  dass  der  Name  pictor  der 
Name  eines,  wenn  auch  niclit  adeligen  Geschlechtes  ge- 
wesen sei;  denn  in  den  bisher  bekannten  Gurker  Urkunden 
kommt  weder  früher  noch  später  ein  solches  Geschlecht 
vor.  Den  in  den  vorerwähnten  Urkunden  angeführten  Zeugen 
Heinrich,  Hiltepold,  Dietrich,  dessen  Sohne  Hein- 
rich und  dem  Rudger  wie  auch  dem  Geschenkgeber  Hein- 
ricus muss  daher  der  ^i^me  pictor   von  dem  Urkunden- 


')  Siehe  meine  Uikunden-Hegesten  Nr.  DXXXXVII. 

')  Siehe  meine  Urkiiiiden-Ueg:esten  Nr.  DLIIU. 

')  Siehe  meine  l'rkunden-Regeslen  iNr.  DLXIV. 

*J  Siehe  ou'iiie  l'rkun<ien-I{e(;esten  IS'r.  DCLXXXXl. 

^)  Copie  aus  dem  Originale  im  (»urker  Arehive. 

**)  Copie  aus  dem  Originale  im  Gurker  Arehive. 

^)  Copie  aus  dem  Originale  im  (jurker  Archive. 

^)  Copie  ans  dem  Originale  im  Gurker  .Archive. 

n. 


Schreiber  wohl  mir  dessbalb  gegeben  worden  sein,  weil  sie 
wirklich  pictores,  d.   i.  Maler  waren. 

Wenn  nun  aber  in  dem  Zeiträume  von  dem  Beginne 
des  letzten  Dccenniunis  des  XIL  Jahrhunderts  bis  zum 
Jahre  1218  in  Gurker  [Jrkuiiden  in  einer  Wiederholung, 
wie  weder  früher  noch  später,  Maler  vorkommen,  so  muss 
es  in  jener  Zeit  in  Gurk  doch  wohl  etwas  zu  malen  gegeben 
haben. 

Unter  diesen  urkundlich  erwähnten  .Malern  nimmt 
Heinricus  pictor  de  Gurk  der  Gattin  Elisa  eine  hervor- 
ragende Stelle  ein.  Am  19.  .August  1226  bestätigte  Bischof 
Ulrich  von  Gurk  (1222 — 1253)  die  von  diesem  Heinricus 
pictor  und  seiner  Gattin  Elisa  unter  den  Bischöfen  Dietrich 
(1179—1194),  Wernher  (1 194  —  1193)  ,  Ekkehard 
(1196—1200),  Walther  (1200—1213),  Otto  (1214), 
Heinrich  (1215—1217),  Ulschalk  (1218—1222)  und 
Ulrich  (1222 — 1233)  mit  deren  Genehmigung  und  durch 
deren  Hand  dem  Chorherrenstifte  in  Gurk  gemachten  und 
somit  der  .Ausfertigung  derConfirmationsurkunde  ')  voraus- 
gegangenen Vergabungen.  Dieser  Urkunde  zufolge  war 
Heinrich  ein  freier  Mann  und  den  Bischöfen  nur  vcrrniige 
der  ihm  von  ihnen  verliehenen  Güter  verpflichtet.  Desslialb 
wird  er  fidelis  ecclisiae  (nostrae)  genannt.  Sein  \N  eib 
war  eine  Ministerialin  von  Gurk,  wird  aber  in  der  Contir- 
mationsurkunde  honuraöilis  dumina  genannt.  Er  nmss  ein 
vermöglicher  Mann  gewesen  sein,  denn  die  Summe  dessen, 
was  er  theils  an  Gurker  IMinisterialen  für  die  Abtretung 
ihrer  Dienstgüter,  theils  an  die  Bischöfe  dafür  gegeben 
hatte,  dass  sie  die  von  ihm  eingelösten  fremden  Güter  und 
die  ihm  verliehen  gewesenen  Güter  nach  ihrer  Heimsagung 
mit  Eigentliuinsrecht  an  das  Stift  abtraten,  betrug  die  für 
jene  Zeit  nicht  unbedeutende  Summe  von  ISO  Jlarken. 

Heinrich  machte  seine  Vergabungen  nicht  blos  darum, 
sich  und  seinem  Weibe  einen,  nach  so  vielen  Vergabungen 
wohl  nicht  ohne  NothwiMidigkeit  geforderten  Lebensunter- 
halt durch  eine  lleireii[ifrüiide  zu  erlangen,  sondern  auch 
zu  ihrem  Seelenheile  und  zu  dem  ihrer  Voreltern,  und  um 
der  geistlichen  Wohlthaten  der  Verbrüderung  mit  der  geist- 
liehen Gemeinde  theilhaftig  zu  werden  •).  In  seinen  Ver- 
gabungen spricht  sich  daher  derselbe  fromme  Geist  aus, 
welchen  die  Wandmalereien  in  der  Vorhalle  und  dem  Non- 
nenchore des  Gurker  Diuiies  erkeiiiien  lassen.  Sollten  wir 
nach  allen  diesen  Wahrnehmungen  nicht  in  diesem  Hein- 
ricus pictor  de  Gurk  den  Meister  muthmassen  dürfen, 
welcher  mit  Beihilfe  der  übrigen  gleichzeitig  mit  ihm  in 
Gurker  Urkunden  vorkommenden  Malern  die  WaiulLremäldc 


*)  Copie  aus  dem  Originale  im  Gurker  Archive. 

'^)  Die  Confirmationsurkunde,  von  welchei- sich  eine  Copie  im  .\rehive  des 
kür-nthnerischen  Geschiclitsverelues  helindet,  giht  als  Motiv  der  Verga- 
huugeu  des  .Maiers  Heinrich  an;  y,pro  remcdio  animae  suae  omniumque 
parentuni  siionim  ncc  non  etiam  pro  adipisccnda  confratria  fnttrtoii 
nostrufuin  Gurct'nsium  caiiunicorum  laut  in  prachcnda  quam  et  in  urti- 
tiunibuji." 

42 


298 


im  (jiirkor  Domo  anfertigte.  Von  diesen  Malern  scheinen 
wenigstens  die  Maler  Dietrich,  sein  Sohn  Heinrich  und  der 
Maler  Uudger,  welche  in  der  üher  die  Yergabiing  des 
Mansiis  in  Sirnitz  am  12.  April  1218  ausgefertigten  likiinde 
als  Zeugen  angeführt  werden,  zu  dein  Vergaher  Heinrieh  in 
einer  näheren  Beziehung  gestanden  zu  haben.  Heinrieii  \\  ar 
ein  Zeitgenosse  des  iJischot'es  Dietrich,  während  dessen 
Verwaltung  des  Bisthumes  der  Domhau  naeli  den  Ergeb- 
nissen der  hisherigen  Forschungen  vollendet  wurde.  Konnte 
ni(;ht  Bischof  Dietrich  der  Stifter  des  für  den  noch  unter 
ihm  aufgebauten  Noiinenchor  LesliminleM  .41tares  gewesen 
sein  unil  mit  dem  Auftrage  der  Ausstattung  der  Allarnische 
und  ihrer  Umrahmung  mit  den  noch  gegenwärtig  erhaltenen 
Wandgemälden  den  Maler  Heinrich  betraut  haben  und 
wegen  dieser  Stiftung  über  der  Altarnische  als  Widiner 
abgebildet  worden  sein ,  wenn  er  aucii  den  vollendeten 
Aufbau  des  von  ihm  gestifteten  Allares  und  auch  die  künst- 
lerische Ausstattung  der  Altarnische  wenigstens  als  Bischof 


nicht  mehr  erlebte.  Jedenfalls  scheint  mir  das  Zusammen- 
trelTen  der  Beobachtung,  dass  die  künstlerische  Ausstattung 
der  westlichen,  und  somit  zuletzt  am  Schlüsse  desXlI.  Jahr- 
hunderts vollendeten  Bautheile  des  (Jurker  Domes  erst  im 
Anfange  des  Xlll.  Jahrhunderts  beginnen  und  einen  guten 
Tbeil  des  ersten  Viertels  desselben  in  .Anspruch  nehmen 
konnte,  mit  der  in  Gurker  l'rkunden  aus  derselben  Zeit  in 
auiVallender  Wiederholung  vorkommenden  Aufl'ührung  von 
Malern  wenigstens  zur  Mulhmassung  zu  berechtigen,  dass 
die  in  derN'orlialle  und  dem  .\onnenchore  noch  gegenwärtig 
erhaltenen  Wandmalereien  dem  ersten  Viertel  des  Xlll.  Jahr- 
hunderts, somit  dem  Zeitpunkte  des  entschiedenen  Über- 
ganges vom  romanischen  Style  zum  golhischeii  angeliören, 
wornach  sich  auch  die  gewichtige  Wahrnehmung  des  Hrn. 
V.  Quast,  dass  der  ganze  Charakter  der  Malerei  einen 
romanischen  Charakter  zeige,  theilweise  aber  auch  schon 
der  gothische  aullalleiid  hervortrete,  zwanglos  erklären 
Hesse. 


Über  die  Grafen  von  Altbregenz  und  jene  von  Montfort,  besonders  die  Linie  zu  Bregenz. 


Villi  Joseph 

Edeln  alamannischen  Blutes  war  das  erste  über  Bre- 
genz und  die  gleichnamige  Grafschaft  gebietende 
Grafengeschlccht.  Es  stammt  vom  .\rgen-  und  Linzgau- 
grafen Ulrich  I.  ab,  einem  Bruder  Hil  dega  rdens,  der 
Gemahlin  Karls  des  Grossen,  die  auf  ihrem  Eigen  die 
reichsfürstliche  Abtei  Kempten  stiftete,  und  des  in  der  Ge- 
schichte unserer  Ostmark  streitbewälirten  Markgrafen 
Gerold,  der  kinderlos  am  1.  September  799  im  Kampfe 
gegen  die  Avaren  durch  einen  Pfeilschuss  fiel  und  auf  der 
Insel  Reiehcnau  ruht.  Dieses  (jrafengcsehlecht  von  Alt- 
bregenz, wie  ich  es  zum  Unterschiede  von  dem  nachfol- 
genden Jüngern,  dem  Montfortischen  gern  zu  nennen  pflege, 
gebot  auch  in  Churrhätien,  zu  dem  der  einst  romanische 
Cur  walhengau,  d.i.  das  vorarlbergiscbe  Oberland,  ge- 
hörte; so  Graf  Ulrich  VIll.  (nach  anderer  Zählung  IX.), 
wie  uns  eine  Urkunde  vom  .lahrc  1093  in  v.  Mohr's  Cod. 
Dililom.  Bd.  I.  \r.  1(13  lehrt.  Dieser  stiftete  oder  erneuerte 
das  Benedictiner-Kloster  Mehrcrau  (Awgia  Major)  am 
Bodensee  mit  seiner  Gemahlin  Bertha,  Tochter  des  Grafen 
Rudol  f  vo  n  Rhe  i  n  Felden,  Herzogs  von  .Mamannien.  der 
als  Gegenkönig  K.  Heinrich's  IV.  in  der  Schlacht  bei  Mölsen 
unweit  Zeiz  am  lö.  October  1080  gefallen  war,  und  starb 
am  27.  October  1(197.  Dessen  Sohn  loil  dem  grossväter- 
liclieii  .Namen  Rudolf,  der  nach  l'rkunden  von  den  Jahren 
1110,  112;;  und  1  l;iO(bei  v.  Mobrl.  Nr.  I0(!,  I  I  4  und  121) 
gleichfalls  Co  nies  in  pago  Retia  Curiensi  war  und  den 
Bau  der  Meli  reraii  ')  vollendete,  war  durch  seine  Gemahlin, 


')  lliescs  Kloster,  ilic  nuhisllillc  iIit  hiirlon  Ict/.lpii  f;r:ifin  von  All- 
liipgcni  unil  der  Grafen  vcin  .Monlfiirt  Itrepenzer  Linie,  wiirile  nm 
1.   September   (806  von   der  li.  baierischeu  Kcgienio^'  aufgehoben  und 


I!  e  r  {jni  u  im. 

die  Weifin  Wulfhilde,  einer  Schwester  des  übermächti- 
gen und  ühermüthigen  Hei  nrieh's  des  Stolzen,  Herzogs 
von  Baiern  und  Sachsen,  mit  den  Weifen,  Hohcnstaufen  und 
Zäliringern,  wie  auch  mit  Liutpold,  !\Iai-kgrafen  von  Steier- 
mark verschwägert.  Als  mit  ihm  am  12.  Mai  um  das  Jahr 
1 157  (somit  vor  sieben  Jahrhiiiulerten)  dieses  reichbegüterte 
und  mächtige  Geschlecht  im  Mannsstannnc  erlosch,  folgte  ihm 
in  seinem  Gebiete  das  Geschlecht  der  Pfalzgrafen  von  Tü- 
bingen mit  der  Fahne,  die  dasselbe  wegen  der  ihm  verlie- 
henen Pfalzgrafenwürde  führte.  Rudolfs  einzige  Tochter 
E  lisab  etil  war  nämlich  mit  dem  Pfalzgrafen  Hugo  (fl  182) 
vermählt  und  brachte  an  dieses  Haus  ihr  bedeutendes  väter- 
liches Erbe.  Ihr  älterer  Sohn  Rudolf  I.  setzte  das  Geschlecht 
der  Pfalzgrafen  von  Tübingen  fort ,  das  verarmt  mit  dem 
(Jrafen  Georg  Eberhard  den  16.  September  1634  ausstarb; 
der  jüngere,  Namens  II  u  go  ,  bekam  bei  der  Theilung  die 
Grafschaft  seines  mütterlichen  Grossvaters  und  wohl  auch 
den  Curwalliengau  und  nannte  sich  (iraf  von  Montfort 
von  der  einst  romanischen  Veste  Montfort,  an  der  ßerghalde 
niirdlich  vom  uralten  Rankweil  (Vinomna)  gelegen,  welche 
die  .\ppenzeller  im  .lalire  140.'i  gebrochen  haben.  Dieser 
Graf  Hugo  I.  (f  1219)  ist  der  Stannnvater  der  Grafen  von 
Montfort  mit  der  rot  he  n  Kirchen  fahne  im  silbernen 
Felde,  in  wclclie  die  urspriiiigliehe  Fahne,  welche  das  Be- 
fchlshabcraml  üher  das  kaiserliche  .Aufgebot  der  Pfalzgraf- 


ilie  Steine  der  scbiinen,  vom  «gelehrten  Abte  Franz  l'np  pus  von  Trati- 
beift  umn  .lahr  1740  nenerlmulerl  Kirelie  zum  Il.ifenbaii  von  l.indnu  ver- 
wenilel.  Am  27.  März  IS.'U  kauften  das  Kioslergebiindc,  das  .hihre  lan|; 
als  Caserne  gedient  bitlte,  die  Ci»tercienscr  des  »ufgeliisten  nargnui- 
schen  Klosters  Wettingen  und  bezogen  e«  in  demselben  Jahre. 
Nun  erhebt  sich  wieder  eine  Kirclie  an  der  Stelle  der  alten. 


—   299 


Schaft  bezeichnen  mochte,  später  sich  verändert  hat.  Von 
diesen  Grafen  von  Montfort  trennten  sich  um  die  Mitte  des 
XIII.  Jahrhunderts  die  Grafen  von  Werdenberc^  ab,  deren 
eine  Hauptlinie  die  schwarz  e,  und  die  andere  die  weisse 
Kirchenfahne  in  rothem  Felde  führte,  welche  Linie  mit  dem 
Grafen  Christoph  von  Werdenberg  im  Jahre  1534  erlosch, 
dessen  Erbtochter  Anna  ihr  Heiligenberg  und  ihre  weisse 
Fahne  an's  altschwäbische  Haus  der  Landgrafen  von  Für- 
stenberg brachte  <)• 

Hugo's  I.  Enkel,  die  Grafen  von  Montfort,  die  über 
Vorarlberg  und  das  obere  Aligäu  geboten,  theiiten  sich  in 
die  Linien:  a)  zu  Ffidkirch-),  von  welcher  der  letzte  Graf 
NamensRudolf,  der  am  16.  November  1390  auf  seiner  Burg 
zu  Fussach  starb  ,  schon  am  22.  Mai  1375  zu  Baden  im 
Aargau  seine  Grafschaft  und  den  seit  1338  dazu  gehörigen 
Innerbregenzerwald  an  die  Herzoge  von  Österreich  bedin- 
gungsweise verkauft  hatte;  b)  zu  Tettnang  und  Scliecr 
und  c)  zu  Bregenz  und  Sigmaringen,  welche  mit  dem 
Grafen  Hugo  im  Jahre  1338  erlosch. 

Die  Feldkircher  und  Tettnanger  Linien  theiiten  sich  in 
Hugo's  Besitz  zu  Lindau  am  5.  November  1338,  wodurch 
der  Bregenzer  Landstrich,  welcher  von  den  Quellen  der 
Subers  oder  Egger-Aach,  dann  längs  der  Schwarzach  bis  zu 
ihrer  Mündung  in  den  Bodensee  südlich  gelegen  ist,  zur 
Grafschaft  Feldkirch,  und  alles  Land,  das  nördlich  der 
genannten  Flüsse  gelegen,  an  den  Grafen  Wilhelm  I.  von 
Tettnang  kam. 

Dieser  Wilhelm  I.,  der  Kaiser  Ludwig's  Anhänger  und 
von  1327 — 1329  dessen  Statthalter  in  Mailand  gewesen, 
starb  am  8.  October  1353.  Seine  beiden  Söhne  Heinrich 
und  Wilhelm  II.  theiiten  sich  am  20.  Mai  1354  in's  väterliche 
Erbe,  von  welchem  jener  Tettnang,  Argen,  Rothenfels  mit 
Staufen,  Scheer  etc.,  dieser  Bregenz  mit  dem  vordem  Bre- 
genzerwald erhielt  und  der  Stammvater  der  neuen  Mont- 
fort er  Linie  zu  Bregenz  wurde. 

Dieses  Wilhelm's  II.  zweite  Gemahlin  war  Ursula 
Gräfin  von  Pfirt,  Witwe  Hugo's  Grafen  von  Hohenberg. 
und  er  nun,  da  ihre  ältere  Schwester  Johanna  (f  1351)  die 
Gemahlin  des  Herzogs  Albrecht  II.  von  Österreich  gewesen, 
mit  diesem  Hause  verschwägert.  Diesem  ihrem  Schwager 
hatte  Ursula  ihren  väterlichen  Antheil  an  der  Grafschaft  Pfirt 
mit  all  ihren  Rechten  um  2000  Mark  Silber  am  8.  Juni 
1333  zu  Baden  im  Aargau  bedingungsweise  abgetreten. 

Von  diesem  Grafen  Wilhelm  II.  ist  die  Martins- 
capelle    zu   Bregenz    im    Jahre    1361    gestiftet    und    das 


')  Die  Grafen  von  Werden  b  erg  besassen  Werdenberg,  von  dein  sie 
ihren  Namen  führten,  Sargans,  Rheineck  im  heutigen  C'aiitnn 
St.  Gallischen  Itheinthale  ;  ferner  das  nunmehr  fürstlich  Lieclitensteiu'sche 
Vaduz  und  im  innern  vorarlbergischeu  Walgau  die  Grafscliaflen  F' I  u- 
denz  mit  dem  Thale  .VIontavon  und  Sonnenberg,  durch  Kauf  (ddo.  Wien 
12.  Mai  1277)  Heiligenberg  jenseits  des  Bodensces,  endlieh  Albeck 
bei  Ulm,  Tr  o  ch  t  e  If  i  n  g  en  etc. 

')  Die  Grafschaft  Feldkirch  führt  die  rothe  und  die  gleichnamige  Stadt 
die  schwarze  Kircbenfahne. 


Fresco-Gemälde,  wenn  es  aus  jener  Zeit  herstammt,  »in  so 
erhaltungswertlier.  Graf  Wilhelm  starb,  nach  Hieronymus 
Pez  Script,  reruin  .Austriae.  Tom.  II,  499,  am  19.  October 
1368  in  Wien,  wahrscheinlich  am  Hofe  des  Herzogs 
Albrecht  III.  und  fand  seine  Ruhestätte  in  der  Minoriten- 
kirche.  Daher  erklärt  sich  auch  die  Benennung  „Che  im" 
in  Urkunden  der  üsterreichisehen  Herzoge,  welche  diese 
Grafen  von  Montfort-Bregenz  betreffen. 

Wilhelin'sll.  Sohn  aus  erster  Ehe,  Wilhelm  III.,  war 
erst  mit  Ursula  Gralln  von  Hohenberg,  Tochter  der  vorer- 
wähnten Ursula  von  Pfirt  erster  Ehe,  die  ihm  die  Söhne 
Kon  rad  und  Hugo  gebar,  dann  in  zweiter  mit  Margaretha, 
Witwe  Johanns  des  letzten  Grafen  von  Pfannberg  (-j-1362). 
die  er  wahrsclieiiilich  hier  in  Wien  kennen  gelernt  halte, 
vermählt. 

Nach  dessen  zu  Anfang  des  Jahres  1379  erfolgtem 
Tode  theiiten  die  genannten  Söhne  die  Grafschaft  Bregenz 
am  8.  Juni  desselben  Jahres,  von  der  Konrad  die  sogenannte 
alte  Herrschaft,  d.  i.  die  halbe  Stadt  Bregenz,  die  Gerichte 
Hofsteig,  Lingciiaii  mit  Alberschwende  im  vordem  Bregen- 
zerwalde erhielt,  welche  dessen  Enkelin  Elisa  betha,  ver- 
ehelicht an  Wilhelm  Markgrafen  von  Hachbcrsj,  am  12.  Juli 
1451  dem  Herzoge  Sigmund  von  Tirol  um  35,592  Pfund  Pfen- 
nige verkaufte.  Hugo  VIII.,  der  Minnesänger  ').  bekam  die 
neue  Herrschaft,  d.i.  die  andere  Hälfte  der  Stadt  Bregenz, 
die  Gerichte  Hofrieden,  Sulzberg  (mit  Rüfensberg  und  Bul- 
genach),  vermählte  sich  mit  Margaretha  der  Jüngern. 
Erbgräfin  von  Pfaiinberg,  Tochter  seiner  gleichnamigen 
Stiefmutter,  und  brachte  deren  steiermärkische  Besitzungen 
an  seine  Linie  des  Hauses  Montfort.  Er  starb  am  4.  .\pril 
1423  und  fand  seine  Ruhestätte  bei  den  Minoriten  zu  Brück 
an  der  Mur.  Seine  Nachkommen  theiiten  abermals  am 
29.  October  1515  ihre  Besitzungen.  Graf  Hugo  iiliicll 
Halbbregenz,  das  er  kinderlos  an  Erzherzog  Ferdinand  1, 
am  5.  September  1523  um  50,000  Gulden  verkiuifte;  des- 
sen Bruder  Georg  II.  ward  Herr  von  Peckach  in  Sleier- 
mark  (da  die  andern  Herrschaften  schon  nach  und  nach  ver- 
kauft waren)  und  Stammvater  der  neuen  Monffort-Tettiian- 
gischen  Linie. 

Als  mit  dem  Grafen  Ulrich  Vlll.  vdu  Tettnang  am 
16.  April  1574  diese  oberschwäbisclie  Linie  erlosch,  erbten 
mit  Genehmigung  Kaiser  Maximilian's  II.  Georgs  (f  1544) 
Enkel  diese  Grafschaft  Montfort-Tettnang  und  verkauften,  um 
ihr  angefallenes  Beichslehen  von  Schulden  frei  zu  machen, 
zu  Griitz  am  31.  März  1596  die  Herrschaft  i'eckach  oder 
Peckau  sammt  den  Aintern  Friesach,  Eggenfeld.  Semiiacli 
an  Paul  von  Eibiswald  um  52,000  Gulden  und  600  Ducaten 
Leitkauf,  die  dann  1652  käuflich  an's  Stift  Voran  kam.  Die 
gräfliche  Familie  verliess  nun  für  immer  die  Steiermark. 


'J  Uher  den  Dichter  Graf  H  u  g  o  Vlll.  von  M  <.  n  t  I  ii  r  t  ,  Herrn  zu  Uri'genr. 
und  l'fannhcrg.  Von  Dr.  Karl  Wein  hold.  In  den  .Mittlieiluugcn  des 
histor.  Vereins  für  Steiermark.   1857,  Heft  VII,  S.  127— 180. 

42* 


—   300   — 


Giaf  Joliiinn  III..  Reichskammerrichtpr  zu  S|ieyer 
(f  21.  Fehr.  Dilit),  [ill;iiiztc  das  Mdiitlortische  (Jesi-lili'uht 
zu  Tettiiaiig  fort,  das  mit  doin  Cirafcii  .\iituii,  des  scliwa- 
bischen  Kreises  General-lMajur,  am  2.'».  Nuveniber  1787 
gänzlich  erlosch.  Dasselbe  war  allmählich  in  eine  Schul- 
denlast von  l.löO.OOt*  Gulden  heralinesuuken,  so  dass  es 
am  14.  Aujfust  1779  die  Gralsehaft  Tettnang  mit  der 
Herrschaft  Lauijenargen  ( « o  die  Montfortische  Münz- 
stätte war,  welche  die  iisterreicliische  Rei;iernnt!:  nach 
Günzburg  im  Burgauischen  verlegte) ,  an  das  hohe  Erz- 
haus üsteiTeieh  verkaufen  musste.  Dieses  trat  am  22.  Au- 
gust 1780  Törmlich  und  feierlich  in  deren  Besitz,  durch 
den  I'reshureer   Friedensschluss    am    2G.   Deccmher    1805 


kam  sie  an  Baiern  und  am  IS.  Mai  ISIO  an  die  Krone 
W  iirtteniherg. 

.\ls  die  Grafschaft  Montfort,  wie  mauTettnarig  gewöhn- 
lich nannte,  im  .1.  1810  an  den  König  Friedrich  I.  von  Würt- 
temberg gekoiiunen  war,  gab  dieser  dem  Gemaiile  seiner 
Tochter  Katharina,  dem  Exkönig  Hieronymus  von  West- 
plialen.  hievon  den  Titel  eines  Prinzen  von  Montfort. 

Diese  vorarlbergiscb- oberschwäbischen  Montfort  dür- 
fen mit  dem  gleichnamigen,  gleichfalls  erloschenen  Grafen- 
geschleclite  Montfort  IWuiaury,  das  in  der  englischen  und 
französischen  Geschichte,  besonders  in  ilen  Kriegen  gegen 
die  Albigenser,  eine  blutige  Kolle  spielt,  durchaus  nicht 
verwechselt  werden. 


Über  ein  in  der  Burg  zn  Wiener-Neustadt  in  der  Georgskirche  befindliches  Basrelief. 

Von  Albci't  Caiiiesina.  U.  k.  Conservator  für  Wien. 
(Mil  1  Tafel.) 

Burg  zu  Wiener-Neustadt  (s.  Beiträge  zur  Landeskunde 
Österreichs  unter  der  Enns,  Wien  1834,  8°.  Bd.  IV,  41). 
Die  Züge  des  knienden  Ritters  sind  unverkennbar  jene  Maxi- 
milian's  III.,  Hoch-  und  Deutschmeisters  (Sohn  K.  Maxi- 
milian's  II.,  geb.  12.  Octob.  1ÖÖ8,  gest.  2.  Novemb.  1618), 
wie  sie  auf  den  Portraiten  des  Erzherzogs  von  P.  P.  Rubens 
(gestochen  von  Vorstermann  und  I'.  de  .lodc)  und  zahl- 
reichen Denkmünzen  erscheinen. 

Eine  unserem  Relief  ähnliche  Darstellung  zierte  die 
Aussenseite  der  Flügeltbüren  eines  Altarbildes,  das  auf  Be- 
fehl des  Erzherzogs,  noch  ehe  er  in  den  deutschen  Ritter- 
orden trat,  im  Jahre  1582  vollendet  wurde,  wie  folgende 
Aufschrift  beweist;  „Anno  domiiii  1582  die  XVII  Martii  23 
an.  5.  mens.  5.  dies."  Zu  Herrgott"s  Zeit  befand  sich  das- 
selbe in  der  ( 1 770  abgetragenen)  Ca  pelle  der  Kaiserin  zu  Neu- 
stadt in  der  Burg  und  die  Pimicotheca  111.  II.  273 — 274  Tab. 
FjXXIV.  gibt  eine  Abbildung  utid  Schilderung  dieses  seither 
verschollenen  .\ltarbildes.  Böheim's  Meinung  (s.  Beiträge 
a.a.O.  IV.  42.),  das  Neustädter Thonrelief  sei  nur  ein  Modell 
des  Gemäldes  an  der  Aussenseite  der  beiden  Fliigclthüren 
dieses  .Altarbildes,  entbehrt  der  Begründung.  .Vuf  di'ui  Altar- 
bilde ist  der  2.'$jälirige  Erzherzog  dargestellt  \u<'h  in  seinem 
I  .')8()  durch  Martiniiota  gestochenen  Bildnisse  erblicken 
wir  kaum  noch  eine  Veränderung  in  den  Gesichtszügen. 
Auf  dem  Thonrelief  erscheint  er  hingegen  im  reiferen  Man- 
ni'salter.  so  dass  die  Verinuthnng:  es  sei  wohl  kaum  vor  dem 
.lahi'C  1(J(K)  entstanden,   nicht  für  unbegründet  gellen  kann. 

Von  überraschender  .Vbnlichkeil  mit  dem  Neustädter 
Basrelief  ist  aber  die  aus  Bronce  gegossene  Gruppe  in 
Lebensgrösse  am  Grabdenkmal  Erzherzog  Maximilian's  zu 
Innsbruck.  Sie  befand  sich  ursprünglich  an  der  Evange- 
lienseite des  Hochaltars  in  der  Pfarrkirche  zu  St.  .lakob. 
Vier  gewundene  korinthische  Säulen  aus  Erz,  auf  einer 
niarmnrnen  Basis  ruhend,  trugen  eine  gleichfalls  niarmcu'ne 
Plattform,  auf  der  die  Standbilder  des  knienden  Erziierzogs 


Dieses  trefiliche  Kunstwerk  wurde  bei  der  unter  der  um- 
sichtigen Leitung  des  k.  k.  Majors  A.  lütter  von  F  r  a  n  e  k  1 85  1 
vorgenommenen  Restaurirung  der  Georgskirche  vom  frühe- 
ren, der  Beschanung  mimler  günstigen  Standorte  in  das 
linke  Seilenschiirder  Kirche  übertragen  und  in  entsprechen- 
der Höhe  in  die  Wand  eingesetzt.  Schöne  Anordnung,  cor- 
recle  Zeichnung  und  insbesondere  die  treffliche  technische 
.Ausführung  in  gehratniteni.  scliwaiv.  glasirtem  Thon  empfeh- 
len es  der  besonderen  Beachliing  der  Kunstfreunde.  Die 
schwierige  Aufgabe:  ein  Thoni-elief  von  so  bedeutendem 
Inifang  (1  Met.  63  Centim.  Höhe  bei  1  Met.  47  Cenlim. 
Breite)  fiiakellos  im  Ofen  zu  brennen,  erscheint  hier  voll- 
kommen gelöst. 

In  der  Mitte  des  Reliefs  (vergl.Taf.  XI)  erblicken  wir  eine 
kniende  Mannsgestalt  in  vollei-  Rüstung,  die  in  Wolken 
.schwebende  heil.  .Inngfrau  mit  dem  Kind(!  verehrend.  Zui' 
Seite  .steht  der  heilige  Ritter  (ieorg,  eine  jugendlich 
schlanke  Gestalt  mit  lockigem  Haupthaar,  gleichfalls  in  voller 
[{üstung.  dieliechfe  auf  dieSchulter  desKnienden  legend,  in 
der  Linken  das  flatternde  Kreuz|ianier,  hinter  dem  Heiligen 
di'r  erlegte  Lindwurm.  Der  vor  dem  Knienden  liegende 
gekrönte  Helm  mit  dem  hahsbnrgischen  Pfauenstulz ,  ferner 
die  auf  dem  W^ippenrock  angebrachten  Waiipenbilder  von 
Elsass,  Cilli,  Tirol  und  Steiermark  zeigen,  dass  wir  ein 
Denkmal  des  Hauses  llabsburg  vor  uns  haben,  dessen  Ab- 
bildung in  II  e  rrgot  t's  Werke  ..Monumenta  .Augustae  dotnus 
Austriacae-  vergeblich  gesucht  wird. 

Längere  Zeit  hindurch  hielt  man  dieses  Basrelief  irriger 
Weise  für  eine  Votivtafel  Kaiser  Maximilian's  des  Ersten. 
Eine  1847  von  G.  C.  Wilder  radirte,  wenig  entspre- 
chende Abbildung  führt  sogar  die  ("nterschrift  „K.  Fi-ie- 
drich  IV.  Basrelief  in  der  Bnrgkirche  zu  Wiener-Neustadt 
aus  der  Zeit  von  1431)  — 1443"  (im  Besitze  des  Herrn 
Th.  von  Karajari).  Die  richtige  Deutung  des  Denkmals  gab 
zuerst  Ferdinand  Karl    B  ipliei  m  in  der    Besclireibunti-    der 


Wiener-Neustadt. 


Taf.  XI. 


Erzlicr/.üi'  Ihuiiiiiliaii  III.  Hoch-  iiiiil  llcutsciiineisl 


sicr. 


301 


und  des  heiligen  Georg  mit  dem  Drachen  aus  Erz  in  Lehens- 
grösse  standen  (s.  Gerbert  Tiiphogiiiphia  IV.  I.,  384  tV. 
Tab.  LXIX).  Der  im  Erzguss  wohlerfahrene  Kammer-Pons- 
sierer  des  Erzherzogs,  Kaspar  Gras,  hatte  diese  ausgezeich- 
nete Arbeit  1608  vollendet,  lange  vor  dem  Ableben  seines 
Gebieters.  Leider  wurde  dieses  schöne  Denkmal  bei  dem 
Umbaue  der  Pfarrkirche  in  den  Jahren  1717 — 1724  auf 
barbarische  Weise  in  zwei  Theile  zertrennt  und  je  zwei 
Säulen  mit  einem  Standbiide  an  den  Sacristeithiiren  der 
neuen  Kirche  angebracht. 

In  Bezug  auf  Anordnung  wie  Details  zeigt  diese  nun- 
mehr getrennte  Gruppe  die  grösste  Übereinstimmung  mit 
jener  auf  dem  Neustädter  Basrelief.  Da  alle  näheren  Nach- 
richten über   die  ursprüngliche  Bestimmung  des  letzteren 


fehlen ,  so  dürfte  nach  Erwägung  aller  einen  Anhaltspunkt 
gewährenden  Umstände  die  Vermuthung  nicht  allzu  gewagt 
erscheinen,  jenes  Thonrclief  sei  der  erste  Entwurf  eines 
Grabdenkmals ,  zu  dessen  Errichtung  der  Erzherzog  noch 
im  kräftigsten  iMannesalter  Anstalten  getrolVen  hatte.  Da- 
durch würde  sich  aucii  die  für  die  damalige  Zeit  ungewöhn- 
liche Wahl  eines  so  gebrechlichen  Stoffes  wie  Thon  unge- 
zwungen erklären.  Ob  der  Meister  und  Vollender  des 
grossen  Grabdenkmals,  Kaspar  Gras,  der  durch  zwanzig 
Jahre  in  des  Erzherzogs  Diensien  stand,  auch  diesen  Ent- 
wurf gemacht,  ist  bei  dem  Mangel  photographischer  Auf- 
nahmen oder  wenigstens  stylgetreuer  Zeichnungen  des 
Innsbrucker  Monuments  nicht  zu  entscheiden.  Möchten 
wir  doch  solche  baldigst  erhalten! 


Ein  Mithrasdenkmal  in  Krain. 

Von  Dr.  E.   H.  Costa,  Correspondenten  der  k.  k.  Central-Commission. 

Zu  den  interessantesten  aus  alter  Zeit  uns  überkomme-  Es  misst  S  Fuss  in  der  Höhe,  i'/..  Fuss  in  der  Breite, 
nen  Votiv- und  anderen  Denksteinen  gehört  zweifelsohne  das  und  ist  nach  oben  etwas  schniäler,  übrigens  in  die  Fels- 
Denkmal,  welches  den  Vorwurf  dieser  kurzen  Darstellung  bil-  wand  durch  Kunst  etwas  vertieft. 

den  wird.  Im  Lande  Krain  selbst  sind  bereits  wiederholte  Ver-  Die  im  oberen  Theile   befindliche   Inschrift   liest  sich 

suche  einer  Deutung  desselben  gemacht  worden.    Zuerst  (mit  Ausnahme  der  drei  ersteren  grösseren  Buchstaben  — 

brachte  die  slovenische  Zeitschrift  „Novice"  davon  Nachricht,  von  denen  später)  leicht  und  lautet  wie  folgt: 

dann  die  Mittheilungen  des  historischen  Vereins.   Hier  stehen  „Publius  Publii  Filius,   Aelii  Nepos,  et  Proculus  et  Firminus 
sich  aber  der  Musealcustos  Deschmann  und  der  tüchtige  pro  salute  sua  suorumque" 

krainische  Historiker  l'farrer  llitzinger  in  ihrer  Erklärung  d.  i.  Pablius,  des  Piiblius  Sohn  und  Enkel  des  Aelius  ,  dann 

des  höchst  interessanten  Denkmals  diametral  entgegen.  Dader  Proculus  und  Firminus  haben  für  das  Heil  Ihrer  selbst  und 

Gegenstand  allen  Alterthumsforschern  neu  oder  wenigstens  der  Ihrigen  dieses  Denkmal  gesetzt. 

weniger  bekannt  sein  dürfte  <),  so  erlaube  ich  mir  in  diesen  Der  untere  Theil  des  Denkmals  umfasst  eine  Abbildung 

Blättern  einen  genauen  Bericht  darüber  zu  veröffentlichen.  welche  in  3  Abtheilungen  halb  erhaben   in  den  Felsen   ge- 

In  nordwestlicher   Richtung   von  Ts ehern e mb  1 ,   in  hauen  ist.   Gustos  Deschmann,   welcher  nur   eine   tlüch- 

der  Nähe  der  von  dort  gegen  Gotschee  führenden   neuen  tige  Skizze  des  Steines  aufgenommen  hat,  erklärte  es  fol- 

Bezirksstrasse  bei  der   Ortschaft   Rozank,    ungefähr  eine  gendermassen:  Links  ist  ein    römischer   (?)    S(ddat,   seine 

Stunde  von  jener  erstgenannten  Stadt  liegt  in  der  Vertiefung  rechte  Hand  auf  eine  Keule  stützend.  Im  Mittelfelde  ist  ein 

eines  Hügels  wenige  Schritte  unterhalb  der  Kirche  St.  Geor-  Römer  im  Kampfe  mit  einer  wilden  Bestie  dargestellt.    Die 

gii  mitten  zwischen  dichten  Kastanienbäumen  eine  Art  Grotte,  Bildung  des  Kopfes  und  der  Ohren  deutet  auf  einen  Bären. 

welche  jedoch  nach  oben  zu  nicht  geschlossen,  sondern  Im  dritten  Felde  ist  ebenfalls  eine  männliche  Figur.  Die 
nur  von  2 — 4  Klafter  hohen  Felsen  umgeben  ist.  Bei  dem 
Volke  führt  dieser  Ort  (den  wir  der  Kürze  wegen  eine 
Grotte  nennen  wollen)  den  Namen  „Judovje"  —  was  nach 
Hitzi  nger's  sehr  wahrscheinlicher  Vermuthung  ausAjdovje 
(Heidenort)    entstanden   sein   dürfte.    Die   Grotte    hat   die 


Inschrift  deutet  auf  einen  Votivsteiu.  Möglich  dass  drei 
römische  Krieger  hier  ein  Jagdabenteuer  liestanden.  und 
für  die  glückliche  Erlegung  eines  Bären  und  der  Rettung 
aus  der  Gefahr,  die  sie  dabei  zu  bestehen  hatten,  in  der 
Bärenschlucht  selbst  dem  Jupiter  ein  Votivdenkmal  wid- 
Riehtung  von  Süden  nach  Norden,  ist  18  Klafter  lang  und  in  meten.  Das  Ungenügende  dieser,  auf  blosse  Vermuthungen 
der  Mitte  6%  Klafter  breit;  der  bei  S  Klafter  breite  Ein- 
gang führt  von  der  Südseite  in  ihr  Inneres.  An  der  Westseite. 
wo  die  Felsenwaiid  am  höchsten  ist.  befindet  sich,  ungefähr 
5  Fuss  vom  Boden  erhöht,  das  in  Fraise   stehende  Denkmal. 


*)  NfU  ist  *ler  TJe^eiistatid  wnhl  nielit  den  AUerUmmsforSL-hiTii.  da.Midiras- 
denkinulf  in  Osteri-eich  nicht  zti  den  grossen  SeUenlieiten  gehören,  wie 
die  in  Stix  -  Neusiedl  und  0  e  u  tsr  h  -  A  !  t  tm  h  u  rg  in  Nieder- 
österreich nnd  zu  Mauls  in  Tirol  gefundenen  beweisen.  Hei  dem  in  Iteile 
stehenden  ist  aber,  nach  der  Ansiclit  des  k.  k.  Regierungsrathes  .1  o  s  e  p  li 
Ar  ne  th  ,  der  Umstand  interessant,  dass  es  sieh  in  einer  C.rolte  hetindct 
und  das  Relief  in  den  Kelsen  gehauen  ist  und  uiclit  als  einzelner  Altar- 
ötein  gefunden  wurde  0.  Red. 


o-ebauten  Erklärung,  welche  ven  der  falschen  Voraus- 
setzung ausging,  D.I.  M.  bedeute  „Deo  Jovi  Maximo"  — 
veranlasste  den  eifrigen  llitzinger  sich  durch  den  foope- 
rator  in  Semitsch  Voicic  eine  genaue  Zeichnung  des  Steines 
zu  verschairen.  Jeder  der  sich  mil  orientalischer  Mythologie 
auch  nur  vorübergehend  beschäftigt  hat,  wird  dieses  Denk- 
mal alsogleich  finziireihen  wissen.  Es  enthält  evidenter 
Massen  eine  Darstellung  d  e  r  IM  i  t  h  r  a  s  g  e  h  e  i  m  n  i  s  s  e. 
Gerade  dieses  Bild  ist  bei  deti  Alten  so  zu  sagen  stereotyp. 
Wer  sich  davon  überzeuixen  will,  schlage  nur  die  belretTende 


302   — 


Abbildung  bei  Montfaucon:  „Griechisrhe  und  römische 
Altertliümor-  Art:  Milhras.  und  Nork:  „Mythologie  aller 
Völker-  10  Thle.,  3.  Hauptst.  auf. 

Von  diesem  Gesichtspunkte  aus   ergibt  sich  nun   eine 
ungezwungenere  und  iiatiirliehere  Krkliirung  des  Denkmals. 
Die  mittlere  Abtheilung,  3'  S"  buch  und  2   9  "   breit,  ist  zu 
oberst  mit  einem  hervorstehenden   Kreisbogen   geschlossen 
und  enthält  den  Hauptgegenstand,  nämlich  die  gewöhnliche 
.\bbildiing  der  religiösen    Feier    des    Mithrasgeheiniiiisses. 
Ein  .liingliiig,    in    kurzgeseliürzter   Tunica    mit  lliegendem 
Mantel  und  phrygischer Mütze  iilier  einem  niedergekauerten 
Stier  mit  einem  Knie  gestemmt,  tasst  mit  der  linken  Hand 
dessen  Maul  und  stosst   ihm   mit   der   Rechten   ein    kurzes 
Messer  seitwärts  in  die  Brust,  während  ein  Hund  den  Stier 
vorne  an  der  Brust,  eine  Scidange   an    der   Seite    und    ein 
Skorpion  in  den  Weichen  angreift.  Xach  den  Mittlieiliingen 
des  Herrn  Cooperators  N'olcic  ist   dieses    Bild   der    Haupt- 
sache nach   liinliinglieli  kenntlich;   nur   die  Kopfbedeckung 
des  Jünglings  (auf  der   Abbildung   mit   punktirten   Linien 
angedeutet)  und  der  untere  Theil  der   Hand   ist   stark    be- 
schädigt; der  vordere  Theil  des  Hundes  so  wie  der    Skor- 
pion sind  weniger  kennbar;  dagegen  lässt  sich  die  Schlange 
gut  unlerselieiden.    Die  zwei  Seitenabtheilungen,   je  zu  3' 
hoch  und  9'  breit  mit  Bahmeii  eitigefasst    und    oben  abge- 
rundet, enthalten  je  zwei  Bilder.   Unterhalb  sind  beiderseits 
gegen  die  mittlere  Abtheilung  gekehrte  männliche  Figuren, 
gleichfalls  mit  kurzer  Tunica  bekleidet  nnd  dem  Anscheine 
nach  mit  phrygisclien  Mützen  bedeckt;  jene  auf  der  linken 
Seite  scheint  sich    auf   einen    Stoek    oder    eine    Keule    zu 
stützen,  was   jedoch   —  wie    sonst    auf   Mitlirasbildern  — 
eine  umgewandle  Fackel  sein  dürfte.  Oberhalb  sind  beider- 
seits in   besonderen    Vertiefungen    Brustbilder,    allem   An- 
scheine nach  weibliche  Personen  vorstellend. 

Ist  somit  schon  aus  dieser  Abbildung  klar,  dass  es  sich 
hier  um  einen  Votivstein  zu  Ehren  des  persischen  Sonnen- 
gottes Mithras  handelt,  so  wird  dieses  vorzüglich  aus  den 
Siegeln  ,D  .  .1  .  M."  klar.  Diese  sind  nändich  nicht  „Deo 
Jovi  Maximo"  sondern  „Deo  Invieto  Mitlirae"  zu  lesen.  Für 
die  erstere  Erklärungsweise  gibt  es  keine  .Analogie,  keinen 
Grund,  keine  Autorität.  Für  das  letztere  sprechen: 
1.  die  unter  der  Insclii'ift  belindliche  Abbildung; 


2.  die  wiederholt  in  Innerösterreich  gefundenen  In- 
schriften mit  voller  Sehreibung  dieser  Namen,  so  ein  .Altar- 
stein bei  TrelVen  in  Krain  gefunden:  INVICTO  MITHHAE 
P.Aelius  Respectus  („Mittheil,  des  histor.  Vereines  f.  Krain" 
1848,  S.  88);  ein  Denkstein  von  Glanegg  in  Kärnthen: 
D.D.  SOLI  INVICTO  MITIIBAE;  und  ein  zweiter  von 
Glanegg:  „DEO  INVICTO  MITIIUAE"  (Ankershofen,  „Ge- 
schichte von  Kärnthen-  I,  4ö6  und  (i38);  bei  Rohitsch  in 
Steiermark:  „Templum  DEI  SOLLS  MIT."  (Muchar 
„Geschichte  von  Steiermark"  1,  413;  Gruteri,  In- 
script.  1,  33); 

3.  endlich  ist  das  die  Erklärung  aller  .Vrchäologen. 
so  Gruter's  1.  c.  Eichhorn's  („Beiträge"  II,  74);  A  n- 
kershofen's  (1.  c.  I,  306,  578,  579);  Terstenjak's 
(„Novice"  ^855,  S.  103);  Hitzinger's  („Mittheilungen" 
etc.  1857,  S.  11,32);  Muratori  („Thesaur.  Inserij.t.- 
I,  40)  erklärt  D  .  J  .  M.  mit  Deae  Isidi  Matri,  also  auch 
nicht  mit  Deo  Jovi  Maximo. 

Zieht  man  in  Erwägung,  dass  der  Mithras-Cultus  vor- 
züglich in  Grotten  gefeiert  wurde  (Muratori,  1.  c.  I,  25  fr., 
Nork,  I.  c.)  und  dass  die  Stelle,  wo  der  in  Frage  ste- 
hende Stein  sieh  befindet,  wenn  sie  gleich  keine  eigent- 
liche, sondern  bloss  eine  an  den  Seiten  nicht  auch  nach 
oben  hin  geschlossene  Grotte  enthält,  doch  dem  geheim- 
nissvollen Cultus  um  so  mehr  diente,  wenn  sie  wie  gegen- 
wärtig mit  schattigen  Bäumen  bedeckt  ist;  dass  ferner  der 
Cultus  dos  indisch-persischen  Sonnengottes  Mithras  in  Inner- 
österreich ungemein  verbreitet  war,  wie  dieses  insbeson- 
dere aus  den  vielen  aus  jener  Periode  uns  überkommenen 
Denkmalen,  welche  sich  auf  diesen  Cultus  beziehen  und 
welche  Hitzinger  in  den  „Mittheilungen  des  historischen 
Vereines  für  Krain"  1855,  S.  61  und  62  vollständig  zusam- 
mengestellt bat,  erhellt,  dass  endlich  die  im  Volke  gang- 
bare Sage  von  diesem  Steine  (ein  Jäger  sei  von  einem 
Löwen  oder  Bären  angegi'iiVen  worden  und  habe  daim  zur 
Bettung  denselben  aufgestellt),  als  aus  der  unrichtigen 
Deutung  der  .Abbildung  gellossen  angesehen  werden  nuis.s 
—  so  erwächst  der Ei-klärungsversuch  11  i tzi nger's  nahezu 
zu  unwiderlegbarer  Evidenz  —  vorausgesetzt,  wie  nicht  zu 
zweifeln,  dass  die  Abbildung  des  Herrn  Volcic  dem  Ori- 
ginale getreu  ist. 


Notizen. 


(Margare  then  am  Moos  in  Niederöster- 
rcich.)  Die  Pfarrkirche  in  dem  drei  Meilen  südöstlich  von 
Wien  gelegenen  Dorfe  Margarethen  am  Moos  ist  theilweise 
ein  .spät-romanischer Bau  aus  der  ersten  Hälfte  desXlI.  Jahr- 
hunderts. Das  Schirr  ist  mit  zwei  in  gedrückten  Spitzbogen 
geführten  Kreuzgewölben  bedeckt,  deren  breite,  an  den 
Kanten  einficli  abgefasste  Bippen  auf  kurzen  llall)säulen 
mit  Schnecken-Capitälen  ruhen.    Am  Ende  des  Schilfes  ist 


eine  schmale,  quadratische  Halle  mit  runden,  starken  Bo- 
gen, welche  den  massiven,  unten  viereckigen,  oben  ins  .Acht- 
eck übergehenden  Thurm  trygen,  zwischen  dessen  Giebeln 
die  aus  Quadern  gemauerte  Pyramide  aufsteigt.  Der  flach 
abgeschlossene  Chor  hat  gothische  Gewölbe  des  W.  .lahr- 
hunderts.  in  welcher  Zeil  auch  die  Erweiterung  der  ur- 
s|irünglieli  ohne  Zweifel  rundbogigen  Fenster  in  grössere  spitz- 
bogige  stattfand.  Die  eine  Abseite  ist  ein  moderner  Zubau. 


303 


Aus  gleicher  Zeit  wie  die  Kirche  dürfte  die  neben  der- 
selben auf  dem  Kirchhofe  stehende  Johannes-Ca pelle 
sein.  Es  ist  ein  oblonger  Raum  von  S»  4'  Länge  und  3"  3' 
Breite,  sehr  einfach  aus  Bruchsteinen  erbaut  mit  einem 
Tonnengewölbe  im  gedrückten  Spitzbogen  (ohne  Bippen 
und  Grate)  überwölbt.  Die  Mauerdicke  beträgt  2  Fuss,  an 
der  flachen  Schlusswand  4  Fuss.  Der  über  den  Boden  etwas 
erhöhte  Eingang  ist  modern,  nachdem  der  alte,  wie  es  scheint 
rundbogige  vermauert  worden  ist.  Sehr  zierlich  und  das  ein- 
zige architektonisch  i[iferessante  Detail  ist  ein  6' langes,  2' 6" 
hohes  Arcaden-Fenster  an  der  Fafade- Mauer  (Fig.  1)  '). 
Es  besteht  aus  fünf  gerauteten,  kleinen  Spitzbogen  von 
ungleicher  Breite,  getragen  von  vier  freistehenden  und  zwei 
an  die  Einrahmung  sicli  anlehnenden  Säulchen  mit  Basen, 
die  an  den  Ecken  schneekenartige  Blätter  haben  und  ähnlich 
gebildeten  Capitälen  über  den  gegliederten  Säulenringen. 
In  den  Zwickeln  zwischen  den  Bogenschenkeln  sind  lilien- 
artige Figuren  —  drei  Blätter,  unten  durch  ein  Band  zusam- 
mengehalten —  aus  romanischem  Blattwerk  angebracht. 
Diese  kleine  Gallerie  steht  in  der  Mitte  der  Mauerdicke,  die 


Für  die  Zeitbestimmung  dieses  Theiles  des  Bauwerkes 
geben  die  Details  des  Arcaden-Fensters  einen  sichern  An- 
haltspunkt: die  durch  Spitzbogen  verbundenen  Säulchen, 
das  Blattwerk  und  Profil  der  Umrahmung  weisen  entschie- 
den auf  den  Anfang  des  Xlll.  Jahrhunderts  hin,  also  wohl 
gleichzeitig  mit  der  daneben  stehenden  Kirche. 

Die  beiden  Fenster,  ein  einfach  spitzbogiges,  mit  feh- 
lendem Masswerk  an  den  flachen  Sclilussmauern  und  ein 
kleines  hoch  oben  an  der  Fafade  im  spitzen  Kleeblattbogen 
sind  offenbar  aus  späterer  Zeit.  Das  Innere  der  Capclle  ist 
sehr  einfach;  an  der  südlichen  Mauerblende  mit  steinerner 
Sitzbank,  an  den  Wänden  sieht  man  die  rothcn  Consecra- 
tionskreuze,  vorne  steht  der  steinerne  Altartisch.  Unter  der 
Capelle  ist  ein  einfaches  Gruftgewölbe  mit  Todtenge- 
beinen  angefüllt,  ein  Umstand,  der  sie  nicht  als  Tauf-,  son- 
dern als  Todtencapelle  (Car7iarium)  bezeichnet. 

Was  den  Bauzustand  betrilft,  so  ist  derselbe  ein 
sehr  beklagenswerther;  das  Gewölbe  ohne  Dach  kann  dem 
Eindringen  des  Regens  kaum  widerstehen  und  selbst  die 
Umfangsmauern  sind  oben  theilweise  eingestürzt,  die  Fen- 


(Fig-   !•) 


ausgeschrägte  Umrahmung  bildet  eine  Hohlkugel  mit  fort- 
laufenden zungenförmigen  Blättern,  aussen  herum  eine  Per- 
lenschnur. Die  Bestimmung  dieser  kleinen  Arcaden-Öffnung, 
die  mir  in  dieser  Weise  an  keinem  andern  Monumente  be- 
kannt ist,  erscheint  räthselhaft.  Sie  ist  in  einer  Höhe  von  5' 
über  den  Boden  angebracht,  so  dass  man  von  aussen  bequem 
in  die  Capelle  hineinsehen  kann,  auch  gestatteten  die  Sän- 
len  keine  Verglasung  und  die  aussen  Stehenden  konnten 
dadurch  an  dem  Gottesdienste  und  den  Ceremonien  in  dem 
Kirchlein  Theil  nehmen. 


')  Der  vorstehende  Holzschnitt  wurde  nach  einer  Photographie  des  Herrn 
Correspondenten  A.  W  idter  angefertigt,  welche  uns  derselbe  mit 
bekannter  Bereitwilligkeit  zu  diesem  Zwecke  überlassen  hatte. 

n.  «ed. 


ster  sind  ohne  Glas,  die  Thüre  besteht  bloss  aus  einigen 
Latten,  die  Capelle  ist  also  ganz  Ruine.  Gegenwärtig  dient 
sie  als  Aufbewahrungsort  für  verschiedene  Geräthschaften 
von  sehr  untergeordneter  Art. 

Nachdem  der  k.  k.  Central-Commission  die  Mittheilung 
zukam,  dass  dieses  für  die  ältere  Baugeschichte  Österreichs 
immerhin  interessante  Denkmal  abgebrochen  werden 
sollte  und  mir  von  derselben  tler  Auftrag  zu  Theil  wurde, 
die  näheren  Erhebungen  hierüber  zu  pflegen,  so  wandte 
ich  mich,  da  nn'r  die  Capelle  aus  eigener  Anschauung  oline- 
dem  schon  v  olil  bekannt  war,  brieflich  an  den  hochwiirdi- 
gen  Herrn  Pfarrer  .loseph  Lachmann  zu  Margarcthen 
am  Moos  und  ersuchte  ihn  im  Interesse  der  Kunst  und  Wis- 
senschaft, für  die  Erhaltung  dieses  merkwürdigen  Bauwer- 
kes zu  wirken.   Er  machte  mir  die  erfreuliche  Mittlieilung. 


—  304  — 


(lass  iiic'lit  nur  die  Capelle  keineswegs  zerstört  wird,  son- 
dern dass  er  Aussicht  habe,  zu  ihrer  Restanrirung  und  Er- 
neuerung ihrer  ehemaligen  Bestiniuiung  von  dem  Pfarr- 
Patron,  vSr.  Durchlaucht  Fürsten  ß  atthyä  n  y,  l'nterstützung 
zu  erhalttMi.  Dr.  Ed.  Freili.  v.  Sacken. 

(Alte  Denk  m  a  1  e  i  n  T  ii  f  f  e  r.)  Ausser  den  beiden 
schon  vielfach,  auch  in  Muchar's  Geschichte  der  Steiermark 
veroirentliciiten  Reliefs,  wovon  das  eine,  darstellend  einen 
Mann  mit  einem  Büren,  dermalen  im  Kaplangebäude,  das 
andere  —  ein  Kopf  mit  zwei  Schwänen  —  aber  im  Hause 
des  Handelsmannes  Franz  Orozen  unter  Haus  Nr.  1)4  einge- 
mauert sind  iiiiil  den  beiden  auch  von  Mucliar  in  seiner  Ge- 
schichte erwälmten  steinernen  Löwen,  von  welchen  aber 
der  am  S[iitalgebäude  aufgestellt  gewesene  schon  vor  unge- 
fähr 24  Jahren  in  das  Römerbad  übergetragen  wurde,  kom 
iiirii  liier  noch  folgende  Baudenkmale  vor :  und  zwar  in  der 
llauptpfarrkirche  St.  Martin: 

l..\n  der  [{ückseite  des  Rnsenkranzaltares  entdeckte 
ich  am  24.  September  v.  J.  einen  bisher  noch  nicht  ver- 
oirentliciiten römischen  Inschriftstein,  der  also  lautet: 

SATVIilO 

D.  CASTRIC 

SABIM.  SER. 

V.  F.  SIBI.  ET 

.SEPTVMAE 

CONIVCI 

ANN.  LX. 

(Satiirio  Decimi  Caslricii  Sabini  Servus  \  ivus  Fecit  Sibi  Et 
Septumae  Conjugi  Annorum  LX.) 

Des  Steines  Höhe  27",  Breite  18".  Inschrifthöhe  17", 
Breite  12". 

2.  Hinter  dem  Hochaltäre  ist  der  (jrabstein  des  Archi- 
diakons  Sigmund  Grabschopf's,  f  15S4,  eingemauert.  Das 
Epita]ihium  kommt  vor  in  der  Celska  Kroiiika  Seite  128.  129. 

;{.  Diis  Grabmonument  des  Erz|priestcis  Polidorus  Mon- 
lagnana  mit  folgender  Inschrift: 

Rever.  Erim.  et  nobil.  \ir  D.  Polydorus  de  Montagnana 
S.  SedisAplae.  ac  cap.  Proton,  et  Com.  Palat  piiss.  memor. 
Rom.  inip.  1).  Ferd.  I.  et  Sereiiiss.  Prin.  D.  19  ("and.  Arch. 
Austr.  a  .Sacr.  Coiisil.  cop.  nee  nun  Aiiipl.  I'atiia.  Per  Stvr. 
et  Carniol.  siipr.  Geiier.  Com.  et  .\rchiil.  l'astor  Ecciesiar. 
Tylier,  et  Gurgfeld,  liie  in  Duo  Salvalore  imniut.  expectat  (|ui 
obiit  in  Chfo.  Die  Mense  An.  D.  MD. 

Pülidiir  von  Montagnana,  des  Patriarchen  Generalcom- 
niissär  und  Archidiakoii  in  Steiermark  und  Krain,  Pfarrer 
TiJlTer  und  GuiklVId,  war  liJTO  noch   arn  Leben. 

4.  itci-  (iiabstein  des  Stich  an  der  .Aussenwand  der 
Kir<;he.  Die  Inschi-ilt  lautet: 

„Der  ehrsam  und  fiirncm  .Mathes  Stich  IJurger  zu  Tüf- 
fer  hat  disen  stain  seinem  lieben  Vatter  Daniel  Stichen  auch 
seiner  lieben  Mutter  Veronica  saugen  Ehn  und  Irclui.  auch 
allen    seinen   in    (iolt    viTscliidnen  geschlacht,    welche  alle 


hier  undtcr  christlichen  begraben  ligeu,  auch  ihnen  selbst, 
und  seiner  lieben  Hausfrauen  Kunigund,  ein  gcbohrne  ilalle- 
riii .  und  ihren  nachkomen  zu  einer  ewigen  (Jottsaligen 
gedaclinns  aufrichten  lassen,  denen  allen  abgestiu'bencn  wolle 
Gott  der  allniechtig,  und  uns  samentlich  genedig  und  barm- 
herzig sein.  1578. 

!).  Leielienstein  des  Pfarrers  und  Archidiakons  Bath. 
Tautscher  in  der  Rosenkranzca[ielle  mit  l'olgcnder  Inschrift: 

Hie  in  Dfio  re(juiescit  Adm.  Rd"'  Perillustz.  Doctus  et 
Nobilis  Dns.  Ballhasar  Tautseher  S.  Sed.  Ajilcae  protono- 
tar.  Patriarch,  .\rchidiac.  per  valleni  Savinae  et  Canipi  Drav. 
Calliedr.  Eccies.  Labacens.  CaiKuiic.  et  Prae|iositus  Frater- 
nitatis  B.  M.  V.  Dolorosae  Ciiejae  nee  min  Ecclesiae  Paro- 
ehialis  S.  Martini  in  TylTer  Rectoi'.  qui  ohiil  in  Christo  die 
18.  Novenibris.\niio  Diii  l()2ä. 

6.  Grabstein  au  der  .Vussenwand  der  Kirche:  die  In- 
schrift lautet : 

„Hie  ligt  begraben  die  edle,  und  ehren-tugendreiche 
F'rau  Margaritha  Sladlerin,  gcbohrne  Lieclitstokin  von  liech- 
tenheim,  so  in  gott  seel.  verschiden  den  29.  Aug.  An.  1645, 
dero  und  uns  allen  Gott  der  .\llmechtige  gnedig  und  barm- 
herzig sein  wolle.  Amen." 

„Ad  memoriam  charae  eonjugis  suae  (iei'i  fecit  Ferdi- 
nandus  Stadler  Organissta  Tyberii." 

7.  .4m  Ka|ilaneigebäudc  ist  eingemauert  der  Leichen- 
stein Valvasor's  mit  der  Inschrift: 

„Hier  liegt  begraben  der  Edl  und  IClirenvcste  Herr 
Johann  Baptista  Navasor  zum  Tluirm  am  Hart,  und  Pfandin- 
haber der  Herrschall't  Tiller,  der  gestorben  ist  am  2.  tag 
Növembr.  des  1581.  Jahr  und  sein  Frau  Emeritiana,  die  ein 
geborne  Kislin,  und  gestarben  ist  am  19.  tag  Jenuarii  des 
72.  Deren  beder  seil  Gott  genedig  und  barmherzig  Sein 
Welle  Amen." 

Leider  hat  TülTer  erst  in  jüngster  Zeil  zw  ei  interes- 
sante Baudeiikmale  verloren,  nämlieli  tt)  die  im  gothischen 
Style  ge])aute  Spitalcapelle,  15  Schritt  lang  und  U)  Schritt 
breit,  in  welcher  der  oiien  genannte  Johann  B.  Valvasor  mit 
seiner  Gemahlin  begraben  lag  und  in  welcher  auch  ihr  sub. 
Nr.  7  angeführter  Iveiclienslcin  stand.  Sic  wurde  saninit  den 
Spitalgcbäude  vcika\ift  und   [KVi  abgetragen. 

h)  Der  nächst  der  I'iarrkiichc  am  Friedhofe  gewesene 
Karner  oder  St.  Johannes-t'apelli'  im  Kaincr.  welcher  1838 
abgebrochen  wurde. 

Ob  dem  Markte  TülVcr  sieben  auf  einem  Ndrsprunge 
(Iis  llum  die  Ruinen  des  allen  Schlosses  Tiill'er. 

In  der  l'ingebung  des  Ma-kles  TiilVer  sind  merkwürdig 
die  von  den  Grafen  von  Cilli  erbaute  Kirche  Maria  in  Sve- 
tiiia  imd  die  Filialkirchc  Sl.  Ihiniagoias  am  .hnornik,  an 
derem  äusseren  Sockel  mit  gutliisclicn  lliiclistalicn  f(dgende 
Worte  stehen  : 

„IX'.t;!  positus  prinnis  lapis  linjus  cliuri  in  vigilia  sancti 
|iangralij.- 

Ignaz  Orozen. 


—   SOS  — 


(Einige  alte  Eisenarbeiten  in  Krakaii.)  Wenn 
auch  im  Mittelalter  das  Eisen  als  Material  für  grosse  Con- 
structionstheile  keine  Anwendung  fand,  so  tritt  es  doch  sehr 
häufig  als  Hülfstheil  der  Construction  fn'cht  gerade  immer 
zum  Vortheil  derselben)  so  wie  für  kleinere  Arbeiten 
als  Material  auf.  Es  fand  haupfsäehliche  Anwendung  zu 
Thürbeschlagen  und  zum  Thiirschmuck,  zu  Gittern,  zu 
Schliessen,  deren  Köpfe  häufig  ornamental  behandelt  sind  '),  Ornament  fiach.  Zwei  rings- 
zu  Fensterrahmen  =  ),  wie  für  Wandleuchter  ^j,  Lichtträger,  um  laufende  Schienen,  von 
Kaminhunde  ,  so  wie  für  eine  grosse  Zahl  von  Geräthen  zu 
kirchlichem  und  Profangebrauch*),  sogar  zu  Sacraments- 
häuschen  Anwendung,  wie  z.  B.  das  schone  noch  erhaltene 
Sacramentshäuschen  zu  Feldkirch  in  Tirol  beweist  5). 
Hauptsächlich  sind  es 


Gitter  ist  ein  aus  Blech  ausgeschlagenes  Ornament  unterlegt 


und  durch  die  Schienen  an 
die  Thür  befestigt.  Fig.  2  gibt 
eine  vergrösserte  Abbildung 
dieses  Ornaments,  die  Hippen 
der  Blätter  sind  eingeritzt 
und    gravirt ,    sonst   ist   das 


denen  die  äussere  durch  den 
steinernen  Thürstock  ver- 
deckt wird,  in  dessen  Falz 
die 


(Fig.  2.) 


aber  Thürbeschläge,  von 
denen  eine  grosse  Anzahl 
erhalten  sind,  die  Zeug- 
niss  geben  von  dem  im 
Gewerbe  lebenden  Kunst- 
geiste ,  der  selbst  die 
rohesteund  gewöhnlichste 
Arbeitin hübscheFormen,  ' 
wenn  auch  an  derber  Auf- 
fassung, zu  kleiden  be- 
müht war.  Solche  Thür- 
beschäge,  bei  denen  das 
Eisen  sehr  häufig  des 
Schutzes  oder  guten  Aus- 
sehens wegen  verzinnt, 
selbst  vergoldet  war, 
treten  hauptsächlich  in 
zweierlei  Form  auf  Entweder  entsprossen  den  Thürbändern, 
Klopfern,  Schlössern  etc.  etc.  Ornamente,  die  theils  aus 
dem  Eisen  selbst  geschmiedet  sind,  welches  die  Bänder 
bildet,  theils  aus  starkem  Eisenblech  ausgeschlagen,  jenen 
wesentlichen  Theilen  unterlegt  und  so  mit  ihnen  auf  die 
Thürflügel  befestigt  sind,  oder  es  ist  ein  Überzug  von  Blech 
mittelst  Eisenschienen  und  Nieten  auf  die  Thür  befestigt. 
Von  dieser  Art  sind  in  Krakau  einige  Beispiele  erhalten. 
Fig.  1  gibt  den  oberen  Theil  des  Beschlages  einer  kleinen 
Thüre  die  zu  demThurnie  führt,  welcher,  ein  Rest  des  alten 
Rathhauses,  auf  dem  Marktplatze  steht.  Der  Schmuck  dieser 
Thüre  besteht  in  einem  Gitter  von  flachen  Eisenschienen, 
von  denen  die  nach  einer  Richtung  gehenden  an  den  Kreu- 
zungsstellen über  die  andern  weggebogen  sind.  Unter  dieses 


Thüre  eingepasst  ist,  bilden  einen  Rand  um  die- 
selbe, der  ebenfalls  mit 
einem  ausgeschlagenen 
Blechornament  ausgefüllt 
ist  (Fig.  3).  Nieten  mit 
viereckigen  blattartig  ein- 
gekerbten Köpfen  befe- 
stigen in  der  Mitte  zwi- 
schen je  zwei  Kreuzungs- 
punkten die  Siliienen  an 
die  Thürflügel.  Eine  kleine 
Blechrosette  ist  noch  un- 
ter den  viereckigen  Nie- 
tenkopf unterlegt  (Fig.4). 
Die  lichte  Weite  des  Thür- 
stockes  beträgt  3'  3":  die 
Breite  der  Scbienen  1" 
11":  die  Breite  des 
eigentlichen  Gitters  zwi- 
schen den  Innern  Schienen  des  Randes  2'  7"  Met.  und  die 
Breite  des  Randes  mit  den  Schienen  5". 


•)  Organ  für  chiistliche  Kunst,  S.  Jahrgang,  Nr.  23  (I85d). 

■^)   VioUet  le  Duc :  dietiomittire  raisonne  de  V Arehücctnrc  francinse  ./.  XI  nit 

AT/me  Siede.    I.  Band.  Seite  463—466. 
3)  Organ  fiir  christliche  Kunst.  4.  .Jahrgang,  Nr.  8  ( 1.S34) 
*)    VioUelle  Duc  :  dictionnaire  raisonne  du  nwhUier  francais  de  lepaijue  carln- 

vinfjienue  tt  la  renaissunce. 
")  Eine  AbbiLdun^f   und  Beschreibung  desselben  wird  von  uns  in   einem  der 

nächsten  Hefte  veröffentlicht  werden.  D.  lied. 


(Fig.  3.) 

Ein    einfaches  Muster  eines  älinlichen 
Thürüberzuges  i)  ist  in  Fig.   5  abgebildet; 
es  ist  an  einer  Thüre    der   kleiniMi  Kirche 
neben  dem   Thore   der   Frauenkirche.    Die 
Breite  der  Gitterschienen  beträgt  auch  hier 
2",    die  lichte    Weite   der   Maschen    über         (f^g- *•) 
Diagonal   7 — 8".    An  dieser  Thüre  sind  die  befestigenden 
Nieten  auf  den  Kreuzungspunkten  der  Schienen  angeliracht. 
jedoch    ohne  Verzierung.     Beide  Beschläge  geiiören    dem 
Schluss  des  XV.  oder  Anfang  des  XVI.  Jahrhunderts  an. 


')  Ein  prachtvolles  Muster  der  Art  ans  Brück  a.  d.  Mur  ist  lür  das  Werk: 
„Mittelalterliciie  Kunsldcnkmale  des  oslerr.  Kaiserslaalcs-,  herausge- 
geben von  Dr.  r..  Ileider,  l'rof.  U,  v.  E  i  t  e  I  h  o  r  ge  r  und  Architekt 
.1.  Miese  r,  bereits  gezeichnet. 


43 


306 


In  Fig.  6  ist  ein  aus  ruiulcii  Stäben  geschmiedetes 
Gitter  dargestellt,  das  ehemals  im  Saale  des  Rathhauses  eine 
Schranke  bildete,  hinter  welcher  der  Stadtsehreiber  seinen 
Platz  hatte.  Die  Stärke  der  Stäbe  beträgt  1'";  aus  ihnen 
biegen  sich  in  der  Mitte  zwischen  den  Kreuzungspunkten 
astartige  Auswüchse  ab;  auf  den  Kreuzungspunkten  sind  die 
Stäbe  mittelst  Nieten  mit  kugelförmigen  Köpfen  befestigt, 
und  den  Köpfen  kleine,  aus  Blech  getriebene  Röschen, 
1"  gross  (Fig.  7),  untergelegt.  Die  Weite  der  Maschen 
über  Diagonale  beträgt  S'/j — 9". 

Nach  Abbruch  des  alten  Rathhauses  kam  dieses  hübsche 
Gitter    ins    alte  Eisen:    gegenwärtig    ist    es    in    mehreren 


(Fig.  6.) 

Stücken  als  Fenstergitter  im  Collegium  jagellonicum  ver- 
wendet, das  in  seiner  Restauration,  die 
noch  zu  Zeiten  des  Krakauer  Freistaates 
vom  Baudirector  Dr.  Krem  er  begonnen 
und  jetzt  von  ihm  und  dem  k.  k.  Bau- 
director Dr.  S(;h(Mikel  geleilet  wird, 
ein  Sammelplatz  für  eine  Anzahl  von 
Überresten  aus  der  Zeit  des  Mittelalters 
geworden  ist,  die  alle  z« eckents[)re- 
chend  dem  Bau  eingefügt  sind. 


(Ki. 


A.  Esse  n  wein. 


Correspondenz. 


Wieiit  In  Folfre  eines  liolicn  Auftrages,  wclelier  mir  l)eziig- 
lich  der  Unlcrsucliiin),'  über  die  Scliiiilli;il'lii,'keit  des  St.  Wolfnan^er 
Altares  und  der  allenl'iillig  notliwendig  vorzuiielinienden  Itcstaurirunf; 
dieses  bcrüliinleii  Selinifzwcrkes  zu  Tticil  geworden,  liabe  icli  l)ii 
meiner  Reise  dureli  Olieröslerrcieli  einige  niillelalterliehe  Baudenli- 
male  besielitiget,  und  fiiiile  inieli  veranlasst,  überdiesellien.sowieiiber 
einige  vorgefundene  Kireliengorätlie  einige  Milllicilung<'n  zu  maclKn. 

Wenn  gleieli  Linz  sellist  gar  licin  besonderes  15audenl<mal  aus 
dem  Jlittclalter  aufzuweisen  hat,  so  fand  ieli  doch  in  der  Umgebung 
mclirerc  interessante  Olijeete.  In  der  niiehslen  N'iibe,  eine  .Stunde  vim 
Linz  entfernt,  an  der  iJonau,  lielindel  sieh  in  dem  Orte  l'uclicnau 
eine,  wenn  gleieli  sehr  einfaelie,  doeh  l>ezüglieh  des  Crundiisses  sehr 
schön  angelegte  Kirche.  Die  Bauzeit  fällt  schon  gegen  das  Knde  des 
XVI.  Jahrhunderts  und  ist  l)esonders  die  innere  Anlage  des  Musik- 
chorcs  imd  der  Tburmverhindiing  und  Benützung  des  letzleren  sehr 
sinnig  ausgedacht.  Die  Kirche  hal  *i  kurze  Seilenseliilfe ,  die  gegen 
das  MiltelschifT  liefer  gelegt  sind,  jedoch  oline  l'iilerlirechung  der 
Daclillaclien  an  der  Aussen-Kayade;  ausser  einer  originell  gegliederten 
Eingangsthüre  mit  der  Jahreszahl  ii>72  sind  sonst  keine  ornamentalen 
Thcile   »orhanden.  "* 


Kinc  der  schönsten  Anlagen  von  initlelallerlicheii  Landkirchen 
ist  jene  zu  Kiifcrmarkt.  Uer  (irundriss  liat  sehr  schöne  Ilaupl- 
verhältnisse  und  bildet  eine  dreischilTigc  Kirche  mit  einem  'l'hurnie 
an  der  Stirnseite.  Dadurch,  ilass  der  Eingang  in  die  Kirche  durch 
2  sehr  reich  gegliederte  Seiten-Thnrcn  angetragen  ist,  hat  sieh 
für  die  Auflösung  der  Thuriiiverbindung  mit  rlcni  Musikchorc  das 
.Motiv  eines  Miltelpfeilers  in  Anwendung  bringen  lassen,  wodurch  die 
Gewöllis-Linicn  am  llauiitschitVe  des  .Musikcli<ires  in  einem  guten  Ver- 
hältnisse zu  jenem  der  Seitenschiffe  stehen.  Oberhalb  dem  Musikchore 
an  der  Stirnwand  befindet  sieli  in  einer  Höhe  von  18  Kuss  eine  zweite 
Abtlieihing  in  Form  eines  hcrausragenden  Italeons,  auf  Consolen 
rnhenil  und  mit  reicIuMU  Masswerk  verziert.  Die  ficwöllis- Linie  der 
Kirche  ist  ein  sehr  gedrückter  Spitzbogen  und  die  Anlage  ausser- 
ordentlich kühn  in  Bezug  auf  die  Stärke  der  Widerlagspfeiler,  da  die 
Wölbung  eigentlich  in  Form  einer  Tonne  in  Verbindung  mit  Schildern 
ausgeführt  ist,  woselbst  an  der  I.aibuiigsfläche  die  gegliederten 
(jewölbsri|ipen  angebracht  erschieiien.  Die  innere  'rolalansichl  dieser 
Kirche  gewährt  einen  ungemein  harmonischen  Kindruck,  und  ist  diese 
Kirche  ganz  ohne  alle  Zubauten  rein  aus  der  Bauzeit  vom  Anfange  des 
XVI.  Jalirhiinilerls. 


—   307 


Hier  belindet  sich  auch  der  bekannte  Schnifzaltar;  derselbe  ist 
in  seinen  ornamentalen  Tlicilen  reichhaltiger  als  jener  zu  St.  Wolf- 
gang und  auch  in  seinen  Hauptdiniensioncn  ausgedehnter,  doch  in 
der  Conception  und  Durchführung  des  Details  an  Kunstwerth  weit 
dem  Wolfganger  nachstehend.  Das  Ornamentale  des  Kiifermark- 
ler  Altares  ist  in  seinen  Ahspitzungen  durchaus  sehr  barock  und 
monoton  durchgeführt.  Ein  zusammenhiingenderGrundriss  des  Ganzen 
ist  hier  nicht  vorhanden.  Die  ganze  Anordnung  ist  mehr  als  deco- 
ratives  Motiv  durchgeführt,  während  am  Wolfgangcr  Altare  eine 
organische  Entwickclung  des  Grundrisses  mit  dem  Aufrisse  bis  zur 
letzten  Spitze  hinauf  sich  kundgibt,  (jcschiclitlich  interessant  ist  der 
Altar  zu  Kiifermarkt  besonders  noch  darum ,  dass  er  wahrschein- 
lich durch  den  Eintritt  des  Reformationszcitalters  unvollendet  geblie- 
ben, denn  er  ist  ganz  aus  Holz,  welches  mit  theilweisen  Anfangen  von 
Grundirung  zu  einer  vorzunehmenden  Vergoldung  versehen  ist.  Jeden- 
falls ist  derselbe  durch  Nürnberger  Künstler  oder  deren  Eintluss  aus- 
geführt. 

Von  den  Schnitzwerken  aus  Oberüsterreich  bezeichne  ich  noch 
den  Flügelaltar  zu  Pesenbach,  den  ich  in  seinen  Details  genau  zu 
besichtigen  Gelegenheit  hatte.  In  der  Hauptform  und  in  Bezug  auf 
ornamentale  Details  des  Stjies  ist  derselbe  strenger  durchgeführt  als 
jener  zu  Kiifermarkt.  Der  mittlere  Kasten  hat  an  der  Hauplanord- 
luing  dieselbe  Raumaustheilung  wie  der  Kiifermarkter ,  niimlich 
3  Hauptfiguren  mit  reich  gegliederter  Bilderdachkrönung  versehen, 
nebst  kleinen  Figuren  an  der  herumlaufenden  Hohlkehle  ;  nur  ist  hier 
der  oberhalb  des  Kastens  bestehende  .Aufsatz  mehr  als  ein  architek- 
tonisches Motiv  durchgeführt.  Der  Allar  hat  eine  bedeutende  Höhe, 
denn  er  niisst  bis  zur  letzten  Spitze  5  Klafter  4  Fuss.  Die  Breite  sammt 
den  beiden  Flügeln  betrügt  2  Klafter  3  Fuss.  Leider  ist  dieser  Altar 
gänzlich  neu  bemalt  und  vergoldet  worden. 

Ein  sehr  interressanfcr  Flügel -Altar  ist  auch  zu  St.  Michael 
bei  Freistadt.  Dieser  Altar  ist  in  seiner  Conception  bezüglich  der 
Kastenform  von  den  gewöhnlichen  verschieden,  das  Ornament  sehr 
zart  und  reich  und  in  den  Hauptlinicn  noch  ziemlich  rein,  bezüglich 
des  Styles,  durchgeführt,  und  seheint  aucli  noch  von  jeder  Rcstau- 
rirung  verschont  geblieben  zu  sein. 

Noch  erwähne  ich  die  Laurenzkirche  zu  Lorch  bei  Ens 
wegen  des  Saeramentshäuschens  und  des  ewigen  Lichtes,  so  wie  das 
ewige  Licht  in  der  Kirche  zu  Freistadt;  leider  war  es  mir  nicht 
möglich,  hievon  eine  bestimmte  Skizze  anzufertigen. 

Eine  sehr  merkwürdige  Kirchen-Anlage,  noch  aus  der  roma- 
nischen Zeit  stammend,  bildet  die  Stadt-Pfarrkirche  zu  Wels  wegen 
des  noch  daselbst  belindlichen  Hauptportals.  Die  Profilirnng  des- 
selben ist  noch  sehr  roh  und  der  Rundbogen  mit  dem  starken  Rund- 
stab durchgeführt ;  an  dem  Fussgesimse  befindet  sich  die  bekannte 
symbolische  Tbiergestalt  angebracht. 

Eine  schöne  Kirchen-Eingangshalle,  jedoch  aus  dem  XV.  Jahr- 
hundert, befindet  sich  in  Alt-Münster  bei  Gmunden,  woselbst 
einige  gute  Renaissance-Grabsteine  angebracht  sind. 

Die  Kirche  zu  Wolfgang,  durch  die  vielen  Zubauten  ganz 
verunstaltet,  bietet  wenig  Anhaltspunkte  für  die  ursprüngliche  Anlage; 
jedenfalls  dürfte  sie  in  die  Zeit  des  XIII.  Jahrhunderts  fallen,  was  auch 


die  gegenwärtig  aus  rothem  Marmor  ziendich  gut  erhaltenen  3  Portale 
beurkunden,  wovon  jenes  mit  dem  Basrelief  des  b.  Wolfgangs  und 
dem  daselbst  angebrachten  nrnanientirten  Fries  besonders  sich  aus- 
zeichnet. Die  Profilirung  ist  sehr  charakteristisch  wegen  des  sicht- 
baren i'berganges  der  romanischen  Anlage  in  die  gothische.  Ausser- 
dem befindet  sich  sonst  kein  älterer  aus  der  romanischen  Zeit  stammen- 
der Theil  in  der  Kirche  vor,  imless  fand  ich  beim  Pfarrer  selbst  einige 
höchst  merkwürdige  Gegenstände,  als  ein  Evangelienbuch,  dessen 
Vorder-Deckel  mit  einer  ornamentirten  Silberplatte  versehen  ist;  auf 
demselben  befindensich  SEvangelisten  fderviertc, Marcus,  fehltlcider) 
aus  Elfenbein  geschnitzt,  in  der  .Mitte  des  Deckels  ist  ein  ovaler  Kry- 
stall  eingefasst,  worunter  einel(eli(piie  aufbewahrt  ist.  .\uf  der  Hinler- 
seite des  Buches  befindet  sich  auf  einer  Metallplatte  der  h.  Michael 
gravirt  mit  der  Umschrift:  Velle  quod  est  altum  nihil  est  nisi  velle 
ruinam  hoc  drago  prostratus  hoc  monstrat  ciliea  virtus  '). 

Ausser  2  reich  ornamentirten  und  vergoldeten  Initialen  kamen 
sonst  keine  Miniaturen  im  Buche  selbst  -.or.  Dieses  wcrthvolle  Buch 
gehört  jedenfalls  schon  der  Zeit  des  XII.  Jahrhunderts  an,  und  ich 
werde  hievon  später  eine  genaue  Zeichnung  mittheilen. 

Ausserdem  befindet  sich  daselbst  ein  sehr  altes  Pastorale,  was 
gleichfalls  vom  heiligen  Wolfgang  herstammen  soll.  Der  obere  Theil 
dieses  Bischofstabes  ist  aus  Bronze  mit  Email,  der  Stab  mit  Ilolz- 
und  Elfenbein  verziert.  Die  Zeichnung  der  in  Email  ausgeführten 
Figuren  und  Ornamente  charakterisiren  noch  streng  die  romanische 
Zeit  und  sind  letztere  sowohl  in  ihrer  Linienverbinduug  als  auch 
Blattabspitzung  noch  sehr  interessant.  Der  eigentliche  mit  Elfen- 
bein eingesetzte  Stab  ist  entschieden  älter  als  der  obere  Bronze-Auf- 
satz und  dürfte  auch  als  blosser  Pilgerstab  dem  heil.  Wolfgang  ange- 
hört haben. 

Noch  befindet  sich  daselbst  ein  Kelch,  der  seiner  ganz  einfachen 
aber  schönen  Form  wegen  erwähnt  werden  muss. 

Vor  der  Kirche  steht  ein  Brunnen  aus  Stein  und  Bronze  ausge- 
führt. Eine  unten  zehneckig,  oben  achteckig  geformte  Stein-Säule, 
mit  Bronze  verkleidet,  an  der  ein  kreisrundes  Wasserbecken  ange- 
bracht, in  welches  aus  vier  ander  oberen  achteckigen  Säule  angebrach- 
ten Köpfen  das  Wasser  hervorspringt,  bildet  die  Haujitardage  dieses 
Brunnens.  Auf  der  Säule  selbst  steht  die  Statue  des  heiligen  Wolf- 
gang  aus  Bronze.  Die  Verzierungen  an  der  Säule  hei  ihrem  Fuss- 
gesimse bestehen  aus  figuralischen  Darstellungen  der  Mvlhologie.  An 
dem  Wasserbecken  ist  in  altdeutscher  Schrift  zu  lesen:  „Icli  bin  In 
dem  eren  Landt  Wolfgang  gemacht  .Abt  Wolfgang  haberl  zu  Mondsee 
hat  mich  betracht,  zu  nutz  und  fromen  den  arnu'n  pillgrums  dve  nit 
haben  Geld  und  Wein  dyi' sollen  pey  dissen  Wasser  IVöllich  sein  anno 
d.  m.  löl.^  jar  ist  das  Werk  volprachl.  Gott  sey  gelobt. 

Durch  nieisler  Linhart  raumacher  sfat  prumeisler  zu  Passau." 

.1.  Bergmann. 


*)  Vor  ^anz  Iturzer  Zeit  wuriie  iler  wieilerliolte  Versucli  j^ernaoltt,  dieses 
lvOstl)nre  Evaii^elistni-iuiii  für  das  Auslaiiil  an^utiaiifen.  Wir  liotTcn,  dass 
der  holie  WltIIi  dfsscilieii  j^t'uiirdifjt  und  Siu-f^e  ^etrnj^en  werde ,  da.s,s 
dasselbe  Österreich  erlialteii  lileilii. 

D.  Red. 


Literarische  Anzeigen. 


Wackernagel  \V.;  Die  goltlene Altartafel  vonBasel.  Abbildung. 
Erklärung  und  Zeitbestimmung.  Basel  1857.  4.  33  Seiten  ii.  4  Tat. 

Die  goldene  Allarfafel  von  Basel,  gegenwärtig  eine  der  werth- 
vollsten  Zierden  des  Hotel  Cluny  zu  Paris ,  hat  seit  einer  Reihe  von 
Jahren  die  besten  Kräfte  Frankreichs  lehhan  beschäftigt  u[i(l  eine 
Reihe  von  Erklärungen   und  Deutungen  hervorgerufen,    dii'   bald   in 


höherem,  bald  in  minderem  Grade  auf  Beachtung  Anspruch  machen. 
Die  Namen,  welche  auf  dem  Gebiete  der  Archäologie  zu  den  geacli- 
letslen  gehören,  wie  Didrou,  Crosnier,  Bourassc,  Texier. 
Cousseau  U.A.  haben  sich  mit  lebhaftem  Interesse  an  den  gelehrten 
Verhandlungen  betlieiliget.  die  Unruhe  der  Forschung,  die  im  Beginne 
die  einzelnen  Behauiilungeii  kennzeichiu'te.  und  dii' Divergenz  der  An- 
sicbleii,  «eiche  über  einige  wesenlliehc  Punkle  die  Geister  entzweite, 

rs- 


—  308  — 


hat  stufenweise  ui  einer  Ahkläiunü;  und  Feslslellun^  der  Ansieliten 
fiefülirt,  so  dass  nur  üher  Kinzeliies  noeh  olTene  Kr:ii;en  dem  Forselier 
sich  darbieten.  Diesem  Kunstwerke  gegenüber,  welclies  in  einem 
Aete  arger  ImpieliU  bei  der  im  Jabrc  1834  vorgenommenen  Thcilung 
des  Basler  Kirelionscliatzes  zwischen  Basel -Stadt  und  Basel -Land- 
schaft der  letzteren  zufiel,  von  der  Regierung  zu  Liestal  im  .1.  IS.fO 
ötTentlieh  versteigert,  zuerst  in  l'rivalbesilz  gelangle  und  endlieh  von 
der  französischen  Regierung  um  den  Preis  von  ö(t,lt(l()  Kranes  für  das 
Hotel  Cluny  erworben  wurde,  hätte  daher  die  deutsche  Archäologie 
eine  zweifache  Aufgabe  zu  erfüllen,  einmal  durch  die  Zusammen- 
stellung der  von  den  französischen  Korsehern  gewonnenen  Uesultate, 
und  weitershin  durch  ilie  Forlliihrung  und  Aiislireitun;,'  der  Korschung 
von  jenen  l'unkten  aus,  an  «eiche  ein  weiteres  Anknüpfen  wünschens- 
werth  schien.  Mit  diesen  lebhaften  Erwartungen  haben  wii  auch 
das  oben  angezeigte  Werkehen  in  dio  Hand  genommen ,  und  von 
dem  Verfasser,  welcher  durch  seine  eben  so  tiefen  als  ausgebreiteten 
Studien  auf  einem  der  Kunslarchliologie  nahe  verwandten  (jobiete 
unwillkürlich  in  die  Grenzen  derselben  hineingeführt  wird,  eine  Lei- 
stung erwartet,  welche  in  einer  der  erwähnten  Uichtungen  dem  Fach- 
manne vollkommen  Genüge  leisten  würde.  Diese  Erwartungen  aber 
wurden  nicht  erfüllt,  ja  es  hat  uns  befremdet,  dass  der  gesehälzte 
Verfasser,  der  durch  sein  Werk  über  deulselie  (jlasnialerei  einen  sehr 
achtbaren  Beitrag  zurKunstgeschiehte  veriilVentlichte,  in  diesem  Kalle 
sich  mit  den  bereits  gelieferten  Vorarbeiten  nicht  vertraut  gemacht 
hat.  Die  auf  der  Altartafel  angebrachten  Inschriften  sind  bereits  vor 
Jahren  von  dem.\bbe  Cousseau  richtig  gedeulet.  und  derDeutungs- 
vcrsueh  Crosnier's,  welcher  hievon  wesentlich  abweicht,  kunnle  in 
den  Kreisen  der  französischen  Archäologen  nie  heimisch  werden.  Dass 
Stark  in  seinem  Werke  über  Städteleben,  Kunst  und  Alterlhum  in 
Frankreich  rücksiehllieh  dieser rnisehrift  in  einen  argen  Irrlhum  ver- 
fiel, gibt  nur  den  Beweis,  dass  der  gelehrte  StotV  oft  gewaltiger  ist 
als  die  Kraft  des  Einzelnen,  ihn  zu  bewältigen.  Übrigens  müssen  wir 
zur  Ehre  W  a  c  k  e  r  n  a  g  e  l's  gestehen ,  dass  er  in  allen  Einzelfor- 
schungen, welche  er  über  das  Detail  der  Altartafel  anstellt,  durchaus 
zu  richtigen  Resultaten  gelangt,  nur  scheint  uns  die  darauf  verwen- 
dete Mühe  nicht  genug  fruchtbringend,  da  ja  das  Meiste,  worauf 
WackernagePs  Korschung  abzielt,  bereits  in  die  Reihe  der  fest- 
stellenden und  hinreichend  begründeten  Thatsachen  auf  dem  Gebiete 
der  Archäologie  gehört.  In  einem  wesentlichen  Punkte  jedoch  weichen 
wir  von  WackernagePs  Ansiehtab,  obgleich  er  biefür  die  Autorität 
der  meisten  früher  angefübrien  .\rehäoliigen  Frankreich's  für  sieh 
hat,  in  jenem  nändich,  dass  diese  AltartafVl  ein  (lescbenk  des  Kaisers 
Heiorich  I.  und  seiner  frommen  (Jemablin  Kunegunde  sei,  somit  aus 
demBeginne  des  XI.  Jahrhunderts  stamme.  Dagegen  hat  schon  Kug- 
ler,  dessen  Ansicht  Wackernagel  zu  bestreiten  sucht,  wie  uns 
dünkt,  in  überzeugender  Weise  Bedenken  erhoben,  und  wir  verweisen 
in  dieser  Beziehung  den  Leser  auf  seine  kleinen  Schriften  I.  B.,  S.  48i). 
K  ugl  er  sucht  jedoch  den  Autoritätsglauben,  von  welchem  auch  die 
französischen  Archäologen  getragen  worden  zu  sein  scheinen ,  und 
demzufolge  diese  Altarlafel  ein  Geschenk  des  erwähnten  Kaisers  sein 
soll,  dadurch  zu  retten,  dass  er  dem  schon  vorgeschrittenen  Kunst- 
stjlc  dieser  Arbeit  gegenüber  auf  eine  am  Schlüsse  der  riunanischcn 
Periode  vorgenommene  Umarbeitung  hindeutet,  .allein  abgesehen 
davon,  dass  eine  solche  Umarbeitung,  welche  den  ganzen  Stylcharakter 
geändert  hätte,  von  einer  neuen  Sebnpfung  nicht  wohl  abzutrennen 
ist,  gibt  eben  W  ackeriiage  1  den  besten  l'i'helf  an  die  iiand.  die  bis- 
her geltend  gemachte  .\nsicht  für  das  Datum  des  Allars  zu  bestreiten, 
da  CS  seiner  fleissigen  Forschung  nicht  gelungen  ist,  irgend  einen 
urkundlichen  Beweis  für  jene  Tradition  beizubringen,  welcher  zufolge 
die  goblenc  Allartafel  ein  Geschenk  des  Kaisers  für  den  Münster  zu 
Basel  sein  soll.    Den  uns  bekannt  gewordenen  Kunstschöpfungen  des 


XL  .labrbuJKlerts  gcgciuilier,  die  durehaus  primitivere  und  unent- 
wickeltere Formen  sowohl  auf  deniGebiele  der  Plastik  als  Architectur 
an  sieh  tragen,  nehmen  wir  daher  nicht  den  geringsten  Anstanil,  die 
zweite  Hälfte  des  Xli.  Jahrhunderts  als  den  Zeitpunkt  der  Anfertigung 
dieser  Altartafel  auszusprechen, welche  wohl  von  irgend  einem  fromm- 
gesinnten Ehepaare  (fehlen  doch  den  beiden  zu  Küssen  Christi  lie- 
genden Figüreben  jede  Andeutung  fürsllieher  Personen)  einer  gcist- 
liehe[i  Stiftung  nach  der  Regel  des  heiligen  lienediet,  welcher  neben 
den  Gestalten  Christi  und  der  drei  Erzengel  dargestellt  erscheint,  jedoch 
zum  Münster  von  Basel  keinen  näheren  Bezug  hat,  zum  Geschenke 
gemacht  wurde  und  von  hieraus  in  späterer  Zeil  seinen  Weg  nach 
Basel  gefunden  haben  mag, 

Dr.  G.  H. 

Die  uns  vorliegenden  Ilefle  Juni  bis  Sepleniher  der  „Revue  de 
l'arl  ehietifiuie~,  herausgegeben  von  .MibeCo  r  hl  e  t,  bieten  in  mehr- 
faelK'r  Beziehung  grosses  Interesse.  Bemerkenswerth  ist  vor  Allem 
dieTenilenz  dieser  Zeitschrift,  auch  den  hervorragendsten  mittclalter- 
liclien  Kunstwerken  Deutschlands  einige  Aufmerksamkeit  zuzuwenden, 
und  wir  bedauern  nur  hiebei,  dass  die  Redaclion  sich  in  dieser  Bezie- 
hung nicht  der  Mitwirkung  solcher  Kräfte  erfreut,  die  mit  Ernst  und 
Gewissenhaftigkeit  das  Vennillleranil  zwischen  deutscher  und  franzö- 
sischer Kunst  zu  vertreten  vermögen.  Dicss  gilt  inshesondcrs  von  der 
Abbildung  und  dem  Aufsatze  des  Herrn  E,  Breton  über  die  herrliche 
Domkirehe  zu  Limburg.  Welch  trefl'liehe  Gelegenheit  wäre  damit 
geboten  gewesen,  eingehende  Vergleiche  zwischen  der  Georgskirche 
in  Limburg  und  der  Kathedrale  zu  Noyon  iuFrankreieh  anzustellen, 
da  die  grosse  Ahidiehkeit  beider  Bauwerke  auf  einen  noch  nicht 
ermittelten  inneren  Zusammenhang  hinweisen.  Anstalt  darauf  nur 
einigermassen  Rücksicht  zu  nehmen,  begnügt  sieh  Herr  Breton,  eine 
pers|)eelivisebe  Ansicht  der  Faj'ade  und  eine  malerische  Ansicht  des 
Chorsclilusses  nach  eigenen  Zeichnungen  olme  weitere  instructive 
Details  zu  geben  und  einige  dürftige  historische  Notizen  und  eine  noch 
dürftigere  architektonische  Beschreibung  beizufügen.  Vollends  eine 
ernste  Rüge  verdient  die  Schlussbenierkung  des  Herrn  Breton,  dass 
dieses  wichtige  Kunstwerk  so  selten  besucht  und  so  wenig  bekannt 
sei,  dass  er  in  Deutschland  darüber  vergebens  eine  Zeiehming  der 
Linihurger  Domkirche  gesucht  habe.  Hätte  Herr  Breton  die  ein- 
fachste Anfrage  an  irgend  einen  Fachmann  in  Deutschland  gerichtet, 
so  würde  er  in  Erfahrung  gebraehl  haben,  dass  selnm  Dr.  G.  Moller 
in  seinen  „Denkmälern  der  deulsebeii Baukunst"  von  dertn^orgskirchc 
in  Limburg  ganz  vorzügliche  .Vufnahmen  veröll'enlliehl  hat ,  welche 
in  jüngster  Zeil  Dr.  E.  Fürster  in  seinen  „Denkmalen  der  deutsehen 
Kunst"  grossentheils  benutzt  hat  und  die  ungenauen  Abbildungen  des 
Herrn  Breton  vollends  üherllüssig  machen. —  Ch.  Dr.  Linas  bringt 
die  sehr  verständige  Beschreibung  eines  Evangclislariums  der  .\btci 
V.  C"  y  s  0  i  n  y  hei  Lille.  —  L'.Mihe  B  a  r  b  i  c  r  il  e  M  o  n  t  a  u  1 1  vcrün'enl- 
licht  eine  Epigraphik  und  Ikonographie  der  Kalakomhen  von  Rom.  — 
Vom  Abbe  J.  F.  Andre  werden  noch  nicht  in  Druck  gelegte  litur- 
gische Documeiile  der  alten  Kathedrale  zu  t'arpcntras  publicirt 
und  vom  Abbe  E.  ("aueto  der  Iriball  der  Sarkophage  derCrypta  von 
.Sl.  .Marie  d'.Xueb  beschrieben.  —  M.  B.  Schayes  bringt  eine  Über- 
sielit  der  Bauten  und  Restaurationen  im  niillelallerlichen  Style,  die  in 
Belgien  seit  dem  Jahre  i830  ausgcführl  wurden.  M.  Abbe  Dominik 
Branche  hat  archäologische  Briefe  nnt  der  .\uhergne  begonnen. 
M.  Grimourd  de  Saint  Laurent  lieferte  .Aufsätze  über  die  An- 
fänge der  christlichen  Kunst,  M.  H.  (janart,  eine  Beschreibung 
der  Abtei  St.  Bcnoite  d'Origny.  Wir  brauchen  übrigens  nicht 
erst  zu  erwähnen,  dass  die  Hefte  üherdiess  noch  eine  grosso  Zahl  von 
Notizen  und  anderen  Mitlheilungen  enthält,  die  von  der  grossen  Um- 
sieht der  Beilaclion  Zeui'niss  geben.  K.  W. 


.Vus  der  k.  k.  Hof-  und  Staatsdruckerei. 


Jeden  Monat   ersciieint    1    Heft  zu 
1    hrs   2   Druckbojen   mit    Abliil- 

dung-en. 
Dor  Pränurnerationspreis  ist  für 
f infu  .lahrgrang  oder  zwölf  Hefte 
liehst  Register  sowohl  fiii'  Wien 
als  die  Kroii linder  und  düs  Ausland 
4  fl.  C.  M.,  bei  poilo  freier 
Zusenduii;^  in  die  Kronländer  der 
nsfeiT.  Monaiehi.'  4  ll.  2U  kr.  f.  M. 


MITTHEILUNGEN 


DER  K.  K.  CENTRAL- COÄOnSSlON 


Prä  0  am  p  r  a  t  i  on  eD  ülxrneh- 
tat-n  ti  a  I  b-  odrr  -.'autjähri^ 
allek.k,  Postamler  derMoiiarrhif. 
Welche  auch  dii«  portofreie 
/.nseoduDg-  der  ciusi-loeD  Heftf 
besorgPD.  —  Im  WV;.**'  de»  Bueh- 
hitndelfi  tind  alle  Pränuinerativarn 
und  zwar  nur  zu  dein  Preie«*  von 
4  ll.  au  dfD  k.  k.    Hofbücbbändlrr 

V-  BraoiniilleriQ  Wien  zu  ricfaieo. 


HcrausgcE^eben  unter  der  Leilüog  des  k.  k.  Seclions-Chefs  und  Präses  der  k.  k,  Cenlral-Conimission  Karl  Freiherrn  v.  CzoerniiT. 

Redacteur:    R  a  r  I  Weiss. 


m  12. 


IL  Jahrgang. 


December  1837. 


Inhalt:    Andeutungen  über  Malerei  und   Bildhauerei  des  Mittelalters  in  Österreich.  —  Das  Floriani-Thor  in  Krakau. Vier  steinerne 

Denksiiulen  zu  Ödenburg  und  Mattersdorf.  —  Reisebericht  über  einige  Denkmale  zwischen  liotzen,  Tirol  und  St.  Pauls, 
dann  des  Thaies  Mareit  und  Riednaun  in  Tirol.  —  Die  Doppelcapelle  und  der  Thurin  auf  der  Ruine  Grünburg  in  Kärnthen.  — 
Correspondenzen.  — Literarische  Anzeigen. 


Andeatnngen  über  fflalerei  und  Bildhauerei  des  Mittelalters  in  Österreich. 


Von  Karl  Haas. 


I. 

Die  selbststiindige  Stellung  und  Entwicklung,  welche  die 
Arehitectur,  die  hervorragendste  der  bildenden  Künste,  von 
jeher  einnahm,  hat  auch  auf  die  Beachtung  ihrer  Erzeug- 
nisse, vorwiegend  jener  der  übrigen  Kunstzweige,  bedeutend 
eingewirkt. 

Es  ist  noch  in  unseren  Tagen  dies  fühlbar.  Die  Denk- 
male der  Baukunst,  die  edlen  Überreste  einer  künstlerisch 
hohen  V^ergangenheit  werden  bei  dem  regen  Interesse,  wel- 
ches die  Gebildeten  der  Gegenwart  endlich  an  kunstwissen- 
schaftlichen Forschungen  nehmen,  mit  seltenen  Ausnahmen 
fast  überall  aufgesucht,  beschrieben  und  bekannt  gemacht. 

Dank  dem  so  lebenskräftigen  Fortschreiten  und  Wir- 
ken der  k.  k.  Central-Commission  so  wie  einzelner  Vereine 
und  Privaten  haben  wir  die  gerechte  Hoffnung,  in  wenigen 
Jahren  eine  ziemlich  umfassende  Kenntniss  des  Monumental- 
schatzes ,  welches  unser  grosses  Österreich  in  seinen  Bau- 
denkmaien repräsentirt,  zu  erhalten. 

Es  sei  nun  vergönnt  die  thätigen  Kräfte  und  Mitarbei- 
ter an  dem  schönen  Werke  auf  die  sorgsame  Beachtung  der, 
wenn  auch  minder  ins  Auge  fallenden,  aber  doch  für  unsere 
heimathliche  Kunstgeschichte  eben  so  bedeutsamen  Vertre- 
tung der  übrigen  Kunstzweige,  namentlich  der  Malerei  und 
Bildhauerei,  aufmerksam  zu  machen.  Theilweise  ist  dieses 
auch  schqn  mit  kundigem  Blick  geschehen,  nur  wäre  zu 
wünschen,  dass  derartige  Forschungen  eingehender  und 
allgemeiner  angegriffen,  und  dass  neben  der  Würdigung 
des  geistigen  inneren  Princips  der  Composition,  auch  eine 
genaue  Beobachtung  des  technischen  Moments,  der  eigent- 

II. 


lieh  malerischen  Auffassung,  des  Materials  und  der  Bezie- 
hung, in  welcher  die  Künstler  unter  einander  und  mit  Schu- 
len des  In-  und  Auslandes  standen,  ins  Auge  gefasst  würde. 

Von  vorn  herein  muss  gestanden  werden,  dass  bis  auf 
die  Neuzeit  eigentlich  österreichische  Maler  der  mittelalter- 
lichen und  auch  der  nächstfolgenden  Periode  wenig  beach- 
tet und  auch  wenig  gewürdigt  wurden.  Die  grösseren  Hand- 
bücher über  Kunstgeschichte  wissen  uns  da  wenig  zu  sagen, 
und  nur  hie  und  da  tauchen  vereinzelte  Nachrichten  über 
dieses  oder  jenes  Bild  auf,  das  auf  Goldgrund  gemalt  einen 
Altarsehrein  als  Flügel  ziert.  Wandgemälde  werden  nament- 
lich in  den  seltensten  Fällen  erwähnt.  Miniaturen  erscheinen 
ebenso,  meist  nur  von  ausländischen  <)  Fachmännern,  da 
aber  als  besonders  beachtenswerth  gewürdigt. 

Liegt  diese  Vernachlässigung  vielleicht  auch  in  der 
Seltenheit  des  Vorkommens?  Schon  bei  der  genauen  l'nter- 
suchung  unserer  Baudenkmale  hat  sich  herausgestellt,  wie 
irrig  die  vorgefasste  Meinung  war.  dass  einzelne  Provinzen 
in  dieser  Richtung  ganz  verarmt  seien  und  die  reicher  be- 
dachten jedenfalls  nur  Copien  oder  späte  Abklatschun- 
gen des  künstlerisch  regen  Lebens  der  Nachbarländer 
enthielten.  Wenn  auch  die  Stylperiodon  der  Baukunst  in 
gleichem  Bytlimus  in  Osterreich  wie  anderwärts  sicli  folgen 
und  aus  manchen  Gründen  zugegeben  werden  muss,  dass 
Einflüsse  älterer  ausserösterreichischer  Denkmale  an  unseren 
frühmittelalterlichen  Bauten  wahrgenommen  werden,  so 
sind  doch  bald  aus  diesen  influenzirten  Versuchen  selbststän- 
dige, lebenskräftige  Schöpfungen  entstanden. 


•)  Selhstverständlich  ist  hiuvoii  .nusgenonmieii  \Volf>kroii'.s  Heilwijr-Le^eml. 


—   310 


Die  Gruppen  der  romanischen  Kirchen  in  Kiirnthoii  nnd 
StPierniark.  sowie  in  IJühmon  und  Mahren.  iMidlieh.  dem 
Dunauliiale  füllend,  in  (tsterreich  und  l'ngarn,  die  zierli- 
chen romanisciien  UotiiinitMi.  die  Frachtblütheii  der  Gothiii 
in  \\  ien.  Prai:,  Kiilteid>erpr,  Kaschaii  u.  s.  w..  kurz  die  den 
Lesern  wohlbekannten  Sehätze  des  Heimathslandes  zeugen 
von  selliststandiger  Verarbeitunn;  und  von  reicher  Entwicke- 
lung  der  ursprünglichen  Idee. 

Neben  diesem  friselien  kunstbefahigten  Streben  ging 
nun  selbstverständlich  ein  iihnlieh  reges  Leben  in  den 
eigentlich  sogenannten  bildenden  Künsten  Ilaiid  in  Hand. 

Uas  Mittelalter  kannte  die  schrolle  Trennung  der 
Fächer,  die  so  gefährlich  autdie  Gesannntrichtung  der  heu- 
tigen Kunst  wirkt .  nicht.  Willig  und  freudig  füllten  Bild- 
schnitzer und  Maler  die  hohen  geweihten  Räume  und  immer 
mit  Überlegung  und  Verstäiidniss.  wie  ein  oder  das  andere 
Werk  dem  Ganzen  diene,  wohl  bemessend,  dass  nichts  die 
Harmonie  störe ,  nichts  allein  für  sich  Betrachtung  erhei- 
schend, den  gewaltigen  Totaleindruck  zerstreue. 

Von  allem  diesem  ernsten  und  auch  heiteren  Schmuck 
ist  nun  freilich  wenig  geblieben,  das  Wenige  sogar  (d't  noch 
unbeachtet;  dieses  aber  ein  Zcugniss,  dass  hierin  unser 
Vaterland  ebenbürtig  mit  dem  übrigen  Deutschland  in  die 
Schranken  treten  könne. 

Ganz  abgesehen  von  der  nationalen  Entwickelurig  und 
von  dem  mehr  oder  minder  reichen  Schatze  einzelner  Ge- 
genden ergeht  nun  auch  die  neueste  Forderung  der  allge- 
meinen Kunstgeschichte  an  uns,  in  diesem  so  brach  liegenden 
Felde  die  Marksteine  auszulegen,  zu  welchem  die  Berufenen 
die  willkommene  und  bedeutsame  Ergänzung  bringen  mögen. 
.Aus  eigener  Erfahrung  kann  ich  behaupten,  dass  die  Mehr- 
zahl unserer  Kirchen  namentlich  an  Wandgemälden  einen 
reichen  Schatz  birgt:  nur  deckt  die  leidige  Kalktünche  die 
überwiegende  Zahl  dersellicn.  Talelgemälde  sind  oft  in  den 
entlegenen  Bäumen,  Kirchenböden  und  Sacristeien  versteckt, 
in  einzelnen  Fällen  noidi  an  Ort  und  Stelle  als  .Altarbilder 
erhalten.  Beispiele  gibt  es   in  Mülle  und  Fülle. 

Betrachten  wir  einen  kleinen  Kreis  von  Bauten,  wie 
z.  B.  in  Brück  an  derMur  i[>  Steiermark.  Das  Presby- 
terium  der  St.  Iluprechtskirche ,  der  einstigen  Stadt- 
i'farrkiri'he,  enthält  im  Innern  grösstentheils  noch  über- 
tüncht Wandgemälde  und  Inschriften  des  XV.  Jahrhunderts, 
an  der  .Aussenseite  ein  etwas  späteres  grösseres  Fresco, 
leider  arg  beschädigt.  Die  Darstellung  in  drei  Felder 
gethr-ilt,  von  denen  zwei  heinahe  undeutlich  geworden  sind; 
das  dritte  auf  blauem  Hintergründe,  zeigt  den  Gekreuzigten, 
nnterhall)   Maria   und   Johannes. 

Im  daneben  befindlichen  Bnndbau  (einer  Friedhofs- 
capelle  mit  Kryjita)  ist  die  ganze  Innenseite  mit  früligollii- 
schen,  dui'ch  romanische  Beminiscenzen  iidluen/.irte  Abbil- 
dungeneinzelner Heiligen  ninl  niil  •-ehr  interessantem  (Irna- 
ment  verziert.  Die  Bcdiandlung  weist  auf  -  mit  fester  Hand 
gezeicluiete  Inirisse  und  eine  Farbenfüllung,  die   in  breiten 


wenig  gebrochenen  Flächen,  ähidieh  den  Miniaturen  der- 
selben Zeit  einiresetzt. 

Die  Mimiriteukirche  in  Brück  vom  J.  1300  zeigte,  neu- 
erlich erst  übertüncht,  lange  Inschriftbänder  mit  ornamenta- 
lem Schmuck.  Ob  (igiiralische  Darstellungen  vorkamen,  wage 
ich  nicht  zu  behaupten,  vermuthe  es  aber. 

.An  Tafclgeniälden  und  Schnitzwerk  sind  in  Brück  a.  d. 
Mur  zu  linden  : 

In  der  B  u  pre  ch  tsk  i  r  e  h  e,  Theile  eines  sehr  tüchtig 
gemalten  gotbischen  Flügelbildes  mit  fester  Hand  auf  Gold- 
grund, dann  ziendich  handwerksmässig  gefertigte,  aber 
durch  den  Inhalt  interessante  Darstellungen  aus  der  Schöp- 
fungs-  und  Passionsgeschiehle  in  Wasserfarben  auf  leinenen 
Tüchern;  zur  Fastenzeit  als  sogenannte  Fasten-  oder  Hun- 
gertücherverwendet, endlich  Darstellungen  aus  dem  Leben 
Christi  in  kleiner  Schnitzerei  des  16.  Jahrhunderts. 

In  der  Spitalskirche.  Ein  tüchtig  jedoch  minder 
fein  behandeltes  Altarwerk  auf  Goldgrund  des  15.  Jahihnn- 
derts,  eine  schöne  Tafelmalerei  des  XVI.  Jahrhunderts,  den 
heil.  Martinus  und  Donatoren  vorstellend ,  auf  Dürer'schen 
Eintluss  hinweisend. 

Die  Pfa  rrkirche  am  hohen  Markte  enthält  ein 
geschnitztes  Crucilix  mit  Maria  und  Johannes,  ziemlich  gute 
Arbeit  des  späten  lö.  Jahrhunderts  und  in  der  bekannten 
Sacristeithüre  ausgezeichnete  Ornamentik  in  getriebener 
Arbeit  •)•  Ebenso  enthalten  einzelne  dieser  Kirchen  Proben 
von  Glasmalerei  des  XV. — XVI.  Jahrhunderts. 

Dies  sind  mir  aus  der  Menge  herausgenommene  Bei- 
spiele,  wie  reich  derartiges,  bis  jetzt  ganz  unbeachtet,  auch 
an  kleinen  Orten  vertreten  ist. 

Leider  ist  din-ch  die  Xichtbeachtnng  das  Meiste  ver- 
loren und  zerstreut,  oder  doch  arg  beschädigt. 

Blicken  wir  auf  Neuberg,  das  ehemalige  Cister- 
cienserkloster. 

.An  der  westlichen  Scliifl'w  and  Irellen  w  ir  grosse,  theils 
übertünchte,  theils  vei'kratzte  Wandgemälde,  zwar  in  roher 
Ausführung,  jedoch  bedeutsamen  Inhalts,  grossere  Composi- 
tionen  darstellend,  wie  es  die  wenigen  Spuren  zu  vermuthen 
erlauben. 

Der  Kreuzgang  rieben  der  Kirche  eulhielt,  gegen- 
wärtig durch  die  Bildnisse  der  .Äbte  verdeckt  und  ganz 
zerstört,  in  den  Schildbogenwänden  figuralische  Vorstel- 
lungen, die,    wie  es  scheint,    sich   auf  die  (Jründuiig  des 

Klosters  bezogen. 

Sein-    interessant  nnd  wolderhallen   sind    zwei   Iimen- 

seiten    von  Flügelaltar-.Vufsützen    in    dvr  Kirche  selbst.   Im 

Mittelstück  Schnitzerei,  an  den  Flügeln  Malerei,  dem  frühen 

1(!,  Jahrhundert  angehörig;  gegenwärtig  mit  einer  Schnitz- 

werkuMikleiduug,   die    dem    17,    Jahrhundert  angehöit.  als 

.Altarbilder  wieder  verwendet. 


')  Sie  ist  akgeliilili't  in  ilmi  C.  uml  7.  Uerii'  iler  „Millclullerlitlieii  Kifiisi- 
«ieiikinaie  de»  iistcrreichischen  K«i«er»taati-s".  hcrausgcgplioii  v«n  Or, 
(i.  II  ei  d  (■  r,  II.  von  K  i  1 1"  I  h  o  rper  iinil  .\rchilokt  J,  Mieser. 


311   — 


Sie  zeigen  eine  sehr  tüchtige  und  eine  mehr  schwan- 
icende  Hand ,  die  des  Schülers.  Die  besseren  sind  mit  dem 
entschiedenen  Streben  nach  Individuaiisirung,  in  einigen 
Fällen  mit  wahrer  Meisterschaft  gezeichnet  und  modellirt, 
der  Faltenwurf  entschieden  und  ziemlich  frei  behandelt. 

Ihren  Inhalt  zu  detailliren,  würde  hier  zu  weit  führen, 
und  wird  an  anderen  Orten  versucht  werden. 

Die  kleinere  sogenannte  Pfarrkirche  enthält  einen 
schon  handwerksmässigen  Altaraufsatz  spätgothischer  Zeit 
und  mehrere  Theile  von  Flügelbiiderii  des  frühen  I  6.  Jahr- 
hunderts; eines  derselben  mit  der  für  die  \  erbindung  mit 
ausländischen  Meistern  und  dadurch  hervorgebrachten  Ein- 
flussauf die  einheimischen  nicht  uninteressantenUnterschrift. 

Endlich  von  Bildhauerarbeit  im  Stifte  selbst  die  sehr 
tüchtig  und  mit  feinem  Sinn  modellirt  ausgeführten  symbo- 
lischen Sculpturen  an  den  Tragsteinen  im  Kreuzgang, 
ebenfalls  dort  ein  Hautrclief,  die  Kreuzigung  samnit  vielen 
Figuren,  ersteres  dem  14.,  letzteres  dem  lö.  Jahrhunderte 
angehörig. 

Eine  Stunde  von  Neuberg  in  Kapellen  ein  Christo- 
phorusbild,dem  16.  Jahrhundert  zuzuschreiben,  überlebens- 
grosses  Wandbild  in  gewöhnlicher  Au.sfüliruiig. 

So  fragmentarisch  diese  Andeutungen  sind,  zeigen 
sie  doch,  dass  nur  in  dieser  Richtung  geforscht  zu  werden 
braucht,  um  Materiale  und  zwar  fast  überall  noch  zu  linden. 

Und  nicht  bloss  rein  archäologisch  oder  kunstgeschicht- 
lich merkwürdig  sind  diese  alten  Kunstwerke,  sondern  oft 
stossen  wir  auf  solche,  welche  dem  gebildeten  Auge  an  und 
für  sich  einen  erhebenden  Kunslgenuss  gewähren. 

Wieder  nur  ein  Beispiel  aus  dem  verhältnissmässig 
kleinen  Kreise  der  Steiermark  möge  genügen.  An  der  Doin- 
kirche  in  Gratz,  und  zwar  sowohl  an  der  West-  als  Süd- 
seite bedeckten  zahlreiche  Wandbilder  die  Maueriläche  ziem- 
lich hoch  hinauf. 

Die  Bilder  der  Westfa^ade  sind  leider  zum  Theil  ganz 
verbliehen ,  zum  Theile  so  restaurirt,  dass  über  sie  wenig 
mehr  als  Bedauerliches  zu  sagen  ist. 

Das  grosse  Wandgemälde  aber,  welches  die  Südseite 
zwischen  zwei  Strebepfeilern  eingefasst  schmückt,  ist  mit 
kleinen  Ausnahmen  ziemlich  wohl  erhalten  ').  Es  wurde 
durch  die  Fürsorge  des  hochwürdigsten  Herrn  Fürstbischofs 
Grafen  von  Attems  vor  einigen  Monaten  von  langjährigem 
Staub  und  Schmutz  gereinigt  und  erwartet  von  der  Munili- 
cenz  des  hochwürdigsten  Gönners  die  gänzliche  Restauration. 
Ein  Halbkreisbogen,  flach  gespannt,  überdeckt  und  schliesst 
dasselbe,  und  so  ist  die  Darstellung  wie  in  einer  Nische 
architectonisch  unn-ahmt  und  begrenzt. 

Die  Composition  zeigt  das  Strafgericht,  welches  die 
göttliche  Macht  der  Menschheit   zur  Erweckung   aus  dem 


')  In  Prof.  Schreine  i's  verdienstlichem  Werke  iiher  Gralz  1843,  so  viel 
ich  weiss,  das  erstemal  eingehender  erwähnt.  Die  unteren  Darstellungen 
auch  in  einem  früheren  Hefte  der  sleierni.  Zeitschrift. 


dumpfen  Taumel  des  sinnlichen  Lebens  zugeschickt,  zu- 
gleich aber  auch  die  Mittel,  demselben  zu  entrinnen  und  den 
göttlichen  Zorn  zu  dämpfen.  Maria  und  Johannes  flehen  und 
wehren  der  Strenge  der  beleidigten  Gottheit,  die,  als  Drei- 
einigkeit in  der  ältesten  Form  von  drei  gleich  gebildeten 
Personen  dargestellt,  die  Strahlen  des  Zornes  in  Gestalt 
von  Speeren  und  Blitzen  mit  den  Aufschriften  als  Krieg, 
Pest  und  Hungersnoth  bezeichnet,  auf  die  Welt  herunter- 
schleudern. Apostel,  Märtyrer,  heil.  Bischöfe  und  gottselige 
Jungfrauen  umsehweben  den  Himmelsthron ;  ein  Regenbogen- 
band als  Andeutung  des  Himmels  von  Engeln  getragen,  wel- 
che in  der  bedeutungsvollen  Siebenzahl  der  Dionysischen 
Hierarchie  doppelt,  nämlich  beiderseits  als  Halbfiguren  dar- 
gestellt sind,  und  welche  streng  mit  .\ttribut  und  Inschrift 
gekennzeichnet  werden,  schliesst  dann  den  himmlischen  Vor- 
gang ab.  Unten  ist  die  Zelle  des  heiligen  Franciscus  und  Domi- 
nicus,  vereint  durch  die  eines  heiligen  Papstes,  Hierony- 
mus  (?),  und  hier  entfaltet  sich  ein  für  die  damalige  Kunst- 
stellung  (das  Bild  gehört  dem  Ende  des  iS.  Jahrhunderts 
an,  wie  Tracht  und  manches  andere  beweisen)  besonders 
frappantes  künstlerisches  Talent  und  eine  Meisterschatt 
der  Individuaiisirung,  wie  sie  mir  gleichzeitig  nur  selten 
bekannt  ist. 

Namentlich  gilt  dies  von  der  Gruppe  links  von  den 
Zellen.  Ein  König  und  eine  Königin,  am  Thronstuhle  sitzend, 
umgeben  von  den  Höflingen  und  Rätheii,  an  die  sich  trefl- 
lich  charakterisirt  alle  Stände,  lütter,  Bürger,  Kaufleute 
und  Handwerker,  emllicli  Bauern  reihen,  erhalten  von  dem 
heiligen  Franciscus  und  Dominicus  eine  eindringliche  Pre- 
digt mit  Hinweisung  auf  das  göttliche  Strafgericht,  welciies 
in  seiner  drangvollen  Bedeutung  und  Wirkung  uiiterliall)  in 
einzelnen  Feldern  besonders  dargestellt  ist. 

Hier  concentrirt  sich  nun  in  den  Köpfen  der  den  Thron 
des  Königspaares  •)  umgebenden  Kronbeamten  und  Höflinge 
ein  tiefer  bedeutsamer  EtTect:  fast  könnte  man  ihn  mit  dem 
modernen  Ausdruck  eines  dramatischen  bezeichnen.  Dabei 
ist  die  malerische  Behandlung  frei  und  sicher ;  die  Model- 
lirung  namentlich  sehr  verständig  und  die  Zeichnung  beson- 
ders in  den  Köpfen  sehr  geistreich.  Das  Bild  ist  in  Tempera, 
wie  es  scheint,  mit  harzigen  Farben  gemalt.  .Als  Untergrund 
dient  ein  auf  den  ersten  Bewurf  aufgetragener  feiner  und 
glatter  kreidiger  Grund. 

Auch  von  diesem  Bilde  hofl'e  ich  in  der  Lage  zu  sein, 
in  einiger  Zeit  in  würdiger  Bearbeitung  mit  Abbildungen, 
die  bei  derartigem  ganz  unerlässlicli  sind,  aiist'iilulicbe  Mil- 
theiliiiig  zu  geben.  Es  ist  nur  aus  dem  oben  erwähnten 
Grunde  hier  berührt  worden,  um  zu  zeigen,  dass  auch  echt 
künstlerische  Genüsse  den  Forscher  erwarten. 

Wie  selten  übrigens  die  rechte  \>'ürdigung  dieses 
Theiles  der  kunstgeschichtliehen  Forschungen  anzutrellen 
ist.und  wieNoth  es  thut,  eindringlich  auf  dieselbe  zu  weisen. 


')   Ich  veriiiutlu'  Friedrich  der  IV.  und  Kleonora 


44« 


312 


zeigt  die  S.Lieferung  des  Werkes:  „Kunstdenkniale  von 
Österreicli"',  herausgegeben  von  Springer  und  W»  I  d  li  ei  m. 
Der  Verfiisser  der  Veste  von  Friesach  hat  darin  nur 
mit  wenigen  Worten  der  Wandmalereien  gedacht,  welche  die 
im  südöstlichen  Thurme  der  Burg  am  Petersberg  bestandene 
i-oinanische  Capelle  zum  Tlieil  noch  gegenwärtig  schmücken. 
Leider  hahe  icli  umsonst  geholVt  in  dem  gut  ausgestatteten 
Werke  bei  Gelegenheit  der  Besprechung  Friesachs  detail- 
lirte  und  eingehende  Untersuchungen  mit  genauen,  dem 
Style  der  Malereien  entsprechenden  .Abbildungen  zu  finden. 
Die  gelieferte  Tafel  ist  in  ihrer  .Auflassung  so  malerisch 
gehalten,  dass  sie  keine  .Anhaltspunkte  für  vergleichende 
Forschungen  gibt. 

Diese  NN'andgemälde  aber  gehören  mit  zum  Interessan- 
testen, was  wir  an  älterer  Wandmalerei  überhaupt  noch 
besitzen.  Zeichnung  und  Technik,  so  wie  Ornamente  weisen 
hin  auf  innige  Verwandtschaft  mit  dem  Meister,  welcher  den 
Xonnenchor  im  Dome  zu  (iurk  schmückte;  vielleicht  Hesse 
sieh  sogar  bei  genauer  Untersuchung,  welche  mir  aus 
Zeitmangel  unmöglich  war,  beider  Identität  nachweisen. 
.AulTallend  ist  die  gleiche  Darstellungsvveise  namentlich 
bei  der  auch  in  Gurk  vorkommenden  „Maria  mit  dem  Kinde 
im  Scbüosse".  Ohne  einer  eingehenden  Beschreibung  vor- 
greifen zu  wollen,  versuche  ich  es  nur  mit  wenigen  Worten 
des  Bedeutsamsten  zu  gedenken. 

Das  Innere  der  Capelle,  welche  aus  zwei  früher  durch  ein 
Kreuzgewölbe  überdeckten  Gewölb.sjochen,  die  durch  einen 
Gurtbogen  getrennt  waren,  besteht,  zeigt  an  allen  Wand- 
llai'lu'u  Iheilweise  noch  gut  erhaltene  Gemälde.  In  ähnlicher 
Anordnung  wie  zu  Gurk  sind  zu  oberst  grössere  Darstellun- 
gen angebracht,  während  die  untere  Fläche  kleinere  Bilder 
oder  Ornamente  bedecken. 

Neben  der  .Altarnische  beiderseits,  wie  auch  bei  Sprin- 
ger a.  0.  0.  erwähnt  und  abgebildet,  zeigt  die  Wand  zu 
oberst  die  Gestalt  eines  Bischofs  und  darunter  eine  der 
Tliiersyrnbolik  entnoiiunene  Darstellung;  letztere  in  eigen- 
thümlicber,  an  irische  Miniaturen  errinnernde  Weise,  mit 
einem  riemenartig  verschlungenen  Ornamente.  Die  Wand- 
( heraldisch)  links  enthält  in  noch  ziemlieh  guter  Erhaltung 
das  letzte  .Ahendmalil.  In  eigentliiinilicher  Weise  ist  Christus 
am  Ende  der  Tafel  gesetzt,  neben  ilini  links  .luliannes  mit 
der  typischen  gesenkten  Kopfhaltung,  endlich  die  übrigen 
Apostel.  Die  reciits  betindliche  Wand  zeigt  die  heiligen  drei 
Könige.  Sie  sind  in  hastig  schreitender  Bewegung,  leider 
ist  die  Beschädigung  hier  so  fortgeschritten,  dass  der  Kopf- 
schmuck derselben  so  wie  das  Vorkommen  des  Mohren- 
Typus  bei  Balthasar,  bekanntlich  beides  von  entscheiden- 
dem Interesse,  nicht  mehr  genau  zu  bestimmen  ist.  Leider 
ebenso  verwahrlost  ist  die  f(dgende  dem  zweiten  Gewölbe- 
jocb  angehörige  Wand,  so  wie  die  ihr  gegenüberstehende, 
obgleich  ich  nicht  zweifle,  dass  mit  gehörigen  Mitteln 
versebene  Untersuchungen  auch  hier  Licht  verbreiten 
könnten. 


Bei  meinem,  wie  ich  ausdrücklich  bemerke,  nur  sehr 
kurzen  Besuch  konnte  ich  nur  eine  an  Christi  Grablegung 
erinnernde  Zusammenstellung  erkennen. 

Besser  erhalten  und  vor  .Allem  interessant  ist  die  der 
.Altarseite  gegenüberliegende  Wand.  Auf  ihr  befindet  sich 
eine  grosse  Composition ,  welche  von  überraschendem  Ein- 
drucke ist. 

Über  drei  gekuppelten  Rundbogen,  unter  deren  mittel- 
stem Christus  streng,  fast  byzantinisch,  gebildet  die  rechte 
Hand  nach  lateinischem  Bitus  segnend  erhebt,  während  unter 
den  beiden  seitwärts  benndiichen  die  llalhliguren  von  .Apo- 
steln (?)  erscheinen,  erhebt  sich  ein  mit  mehrfach  übereinan- 
der liegenden  Buudbogenreihen  verzierterThronbau.  Zu  die- 
sem führen  beiderseits  Stufen  hinan,  auf  welchen  Säulen  ste- 
hen, die  unter  sich  durch  aufsteigende  Bogen  verbunden  sind. 
Inmitten  gerade  über  der  Darstellung  des  segnenden  Christus 
sitzt  auf  dem  Throne  die  mächtige  und  hohe  Gestalt  Mariens 
mit  dem  Kinde  am  linken  Arm,  während  die  Hechte  auf  das- 
selbe zeigend  gehalten  ist.  Die  Gestalt  der  Gottesmutter  ist 
überlebensgross  und  von  sehr  feierlicher  würdevoller  Haltung. 
Sie  trägt  einen  blauen  Mantel  mit  rotliem  Futter.  Die  Stu- 
fen zum  Throne  sind  an  den  Enden  mit  Löwen  als  Wächter 
des  Heiligthumes  besetzt  und  die  einzelnen  Bogenfelder 
zwischen  den  Säulen  enthalten  liguralische  Darstellungen  in 
einzelnen  Gestalten;  wahrscheinlich  stellen  dieselben,  wie  in 
Gurk  an  derselben  Stelle  »),  personificirte  Tugenden  vor. 

Ersichtlich  ist  Farbenwirkung  angestrebt  worden,  und 
die  Farben  selbst  sind  in  grossen  ganzen  Massen  ziemlich 
harmonisch  vertheilt.  Xamentlich  ist  beim  Ornamente  ein 
richtiges  Gefühl  im  Benützen  der  Gegensätze  wirkend  ge- 
wesen. Die  unteren  Felder  nun  enthalten  theils  gemalte 
Quadern  mit  Marmor-Imitation,  theils  anderes  im  romani- 
schen Geschmack  combinirtes  und  oft  noch  gut  erhaltenes 
Ornament. 

Im  Ganzen  zeigen  diese  Malereien  den  ausgebildeten 
romanischen  Styl,  obgleich  ich  sie  bei  dem  späten  Verwei- 
len desselben  in  unseren  Gegenden  in  das  13.  Jahrhundert 
setzen  möchte. 

Die  Mauer  zeigt  an  beschädigten  Partien  die  aufge- 
hackten Stelleu,  um  die  Halthiiikeit  des  Mörtels  zu  bewerk- 
stelligen; aut  diesen  selbst  wurde  mit  kräftigen  Umrissen 
in  rölhlich-brauner,  theil  weise  fast  schwarzer  Farbe  gezeich- 
net, und  dann  die  Farben  aufgetragen.  Ob  das  Pigment  in 
Fresco  oder  ä  la  tempera  aufgetragen,  konnte  ich  nicht 
nnteisuchen.  .\indien.  Ornanienl .  sogar  Verzierung  an  Ge- 
wandsäumen und  Hintei-gnmds-Arcbitectur  sind  im  festen 
Stuck  erhöht  aulgetragen  -). 


')  Siehe  die  Beschreibung  ilcr  .MHlereien  im  Gurker  Nuiineiichor  im  Noveni- 
berhefte  der  nMittheilunj^cn''  und  in  Otte's  Grund/ii^^eii  der  lilretiliclien 
Archäolo^'ie. 

2)  .Uinliehe.H  aiirli  in  Giir-k.  Stiickvcr/.icniiil^  Tsl  iil)erltiiil|>t  ein  Ch»r:lkteristl- 
eum  roiiiaii.  Wandmalerei,  siehe  Liihke  VVestphalen  S.  321  u.  (T.  ,  l)ei 
UeHchreihunf;:  d.  l^atiMtUus  Munster  in  Soe>t;  All^'emeine^  hierüber  ent- 
hält Ku!;ler  luid  Itnrklnirt '»  Gesehiehte  der  !M.-ilerei  I,  lj2. 


—  313   — 


Soll  sich  mm  auch  dieses,  so  leicht  durch  eine  einfache 
Bedachung  vor  weiterer  Zerstörung  durch  Schnee  und 
Hegen  zu  schützende  ehrwürdige  Denkmal  auf  keine  Weise 
vom  schmählichen  Untergang  retten  lassen,  so  wäre  doch 
auf  das  Wärmste  zu  empfehlen,  dass  treue  und  umfas- 
sende Zeichnungen  des  noch  heute  Vorhandenen,  ver- 
bunden mit  einer  gründlichen  Untersuchung  veran- 
lasst würden.  Die  geringe  Würdigung,  welche  dieses  und 
so  viele  andere  ähnliche  Kunstwerke  bisher  erhielten,  ver- 
anlasste ihre  Zerstörung  und  auch  gänzliche  Vernichtung. 
Retten  wir  nun  diese  seltenen  Spuren,  um  nicht  selbst  die 
Anklage  gewärtigen  zu  müssen,  die  Gegenwart  habe  bei  all 
ihrem  Fortschritte  die  Quellen  der  Kunstgeschichte  miss- 
achtet. 


II. 

Die  demnächst  vorzunehmende  Arbeit  wäre  also  eine 
in  gleichartigem  Massstabe  fortschreitend  über  das  ganze 
zugängige  Gebiet  sich  erstreckende  Inventarisation  der  in 
Kirchen,  ölTenllichen  Gebäuden  und  Sammlungen  vorfindli- 
chen  Denkmale  der  Kunstthätigkeit  in  der  bezeichneten 
Epoche. 

Diese  einzelnen  Kunstwerke  nach  einem  später  zu 
erörtendem  Plane  verzeichnet,  geben  das  Materiale,  welches 
uns  dann  in  den  Stand  setzt,  in  grösseren  Zügen  die  Grund- 
linien zu  der  Geschichte  der  bildenden  Künste  in 
Österreich  zu  ziehen. 

Immer  zwar  wird  sich  diese  in  den  meisten  Fällen  nur 
mit  Berücksichtigung  auf  den  monumentalen  Bau,  dem  das 
Kunstwerk  entstammt  und  mittelst  gründlicher  Autopsie 
bewerkstelligen  lassen,  ohne  sichere  Special-Vorarbeiten 
aber  zu  einer  kaum  zu  bewältigenden  Aufgabe  sich  steigern. 

Ein  vorurtheilsfreier  Blick  und  ein  sorgsames  Beachten 
vermeintlicher  Kleinigkeiten  ist  hierzu  eine  unerlässliche 
Bedingung.  Ebenso  wird  ein  wirkliches  Interesse  an  dem 
grossen  Ganzen  erforderlich  sein,  welches  über  die  im  Ein- 
zelnen unerquicklichen  Arbeiten,  die  wie  musivische  Stein- 
chen zu  betrachten  sind,  das  Auge  auf  den  Endzweck  und 
die  ermöglichte  Verarbeitung  der  vielen  oft  mühsamen 
Specialforschungen  hinleitet.  Es  ist  mit  einem  Worte  keine 
kleine  Aufgabe  und  nur  die  wahre  wissenschaftliche  Be- 
geisterung wird  mit  Ausdauer  den  viel  verschlungenen  Weg 
durchmessen  helfen. 

Leicht  begreiflich  kann  es  nicht  in  meiner  Absicht 
liegen,  gewiegten  Kräften  den  Plan  oder  die  Richtung  vor- 
zeichnen zu  wollen,  in  welcher  derartige  Forschungen  zu 
beginnen  sind.  Da  aber  die  Erfahrung  gezeigt  hat,  dass 
nach  einem  System  durchgeführte  Beschreibungen  vurtheil- 
haft  und  aus  mehr  als  einem  Grunde  zu  wünschen  sind  und 
da  das  Materiale  erst  bekannt  sein  muss,  ehe  man  an  dessen 
Sichtung  gehen  kann,  so  liegt  es  mir  vor  allem  daran,  die 
Aufmerksamkeit  der  Fachgenossen  auf  den  fraglichen  Punkt 


hinzulenken,  und  um  eine  Grundlage  zur  Discussion  zu 
liefern,  schliesse  ich  ein  Schema  derartiger  Beschreibungen 
i[i  Fragform  bei. 

Möge  die  Absicht,  die  es  hervorgerufen,  nicht  misskannt 
werden,  je  gründlichere  Einwürfe  und  Verbesserungen 
mein  Vorschlag  erleidet,  desto  willkommener  werden  mir 
und  allen,  die  an  derartigem  Bestreben  Antheil  nehmen,  die- 
selben sein. 

Die  richtige  Einwendung,  dass  der  Entwiekelungsgang 
der  bildenden  Künste  nicht  nach  Verzeichnissen  von  Kunst- 
werken beurtheilt  werden  kann,  habe  ich  selbst  vor  allem 
gefühlt,  allein  es  handelt  sich  ja  vorerst  darum,  den  Umfang 
und  die  Verbreitung  unseres  Denkmäler  -  Vorrathes 
kennen  zu  lernen.  Ich  wende  mich  auch  vorzugsweise  an  die 
Liebhaber,  an  die  neugewonnen  Freunde  der  Kunstge- 
schichte, deren  so  manche  an  den  oft  entlegensten  Punkten 
in  der  Lage  sind,  von  den  in  ihrem  Umkreise  beliMdiichen 
Denkmalen  Nachricht  zu  geben.  Für  solche  Bestrebungen, 
die  nicht  dankend  genug  entgegen  genommen  werden 
können,  ist  es  nun  gewiss  vortheilhaff,  eine  Art  Clavis,  eine 
Brücke,  die  manche  Schwierigkeit  beseitigt,  zu  besitzen  '). 

Getreu  befolgt  wird  sieh  das  wahrhaft  Bedeutende  von 
selbst  in  der  richtigen  Terminologie  erkennen  lassen  und 
wenn  nur  die  ersten  Anhaltpunkte  gewonnen  sind,  ist  schon 
viel  gethan. 

Das  reiche  Materiale  bedarf  der  Gliederung  in  grössere 
Massen;  die  Systematik  solcher  Arbeiten  erleichtert  deren 
Bewältigung;  und  auch  wird  nicht  alle  jedes  gleichmässig 
anziehen. 

Wir  werden  also  unterscheiden  zwischen  malerischen 
und  plastischen  Kunstwerken,  dabei  aber  noch  auf  die  Unter- 
abtheiluugen  eingehen  müssen.  Es  ist  zwar  eine  bekannte 
Tliatsache,  dass  beide  Kunstzweige  oft  an  einem  und  dem- 
selben Altarwerk,  derselben  Schnitzerei  und  Malerei  von 
einer  Hand  herrühren,  dieses  jedoch  darf  nach  meiner  An- 
sicht hier  nicht  berücksichtigt  wei'den,  da  die  verschiedene 
Technik  demselben  Individuum  verschiedene  Auflassung, 
und  zwar  auf  dem  Geleise,  welches  jede  Kunstübung  sich 
fortschreitend  bahnt,  aufnöthigt. 

Billiger  Weise  werden  erhaltene  Anfänge  bildender 
Kunst  der  frühesten  Perioden  die  erste  Aufmerksamkeit  auf 
sieh  ziehen,  wo  nur  das  Allgemeinste  in  Form  und  Färbung 
erfasst  wurde;  fortschreitend  dann  gegen  die  E|iochen  der 
reifern  Thätigkeit,  wo  die  sich  durchbildenden  Kräfte,  unter 
dem  Eintlusse  vorhandener  Vorbilder  oder  frei  von  eiiJenem 


i)  Dass  zweckmässige  Fniniuhiio .  wejiii  sin  benutzt  werden,  von  grossem 
Nutzen  sind,  beweisen  unter  andern  die  von  Herrn  v.  ()uast  auf  Befebl 
des  preussischen  Ministeriums  des  CultusverfassteuFrag-Scheinata,  wclebe 
(Utes  kleinern  Handbuehe  beigefügt  sind.  Diese  erstrecken  sieh  auf 
üerüeksiclitigung  der  architeetoniscben  Denkmale  uod  der  übrigen  Aus- 
scbmüekuug,  naineiitlieh  der  kircblicbeu  Gebiiude,  gehen  aber  in  ihrer 
sonst  trefilichen,  jedoch  allgemeineren  Haltung  auf  .Malerei  und  Plastik 
nicht  in  Details  ein.  Sie  haben  nach  guter  Quelle  bereits  die  besten 
Dienste  iur  Statistik  des  zerstreuten  Vorrathes  geliefert. 


314  — 


Genius  getragen,  sdiafTen,  wo  das  Eigenthüniliche  der  indi- 
viduellen Gestiiltung,  wo  die  tief  einiiere  Beseelung  durch 
geübte  meisterliche  Tecliuii;  gebildet  sich  zeigt,  wird  die 
forschende  Betrachtung  durch  die  Zeitbestimmung  der 
einzelnen  Kunstwerke  von  hohem  Werthe  und  Interesse  sein. 
Der  geistige  Inhalt  der  Darstellungen  endlich, 
dessen  Erkennen  eine  der  anziehendsten  Partien  der  kunst- 
arehäologischen  Forschung  bildet,  wird  sich  im  Hinblick 
auf  die  historische  Entwickolung  der  eiiizeliieii  Läiider,  auf 
den  gleichzeitigen  jeweiligen  Culturziistand  und  namentlich, 
da  wir  es  fast  ausnahmsweise  mit  christlich-religiösen  Dar- 
stellungen zu  tbun  haben  werden,  mit  dem  reichen  Apparate, 
den  die  neuere  Forschung  in  dieser  Richtung  zugänglich 
gemacht  hat,  erklären  und  deuten  lassen. 


Die  Gliederung  ergibt  sieh  nun  von  selbst  nacii  folgen- 
den Hauptmomenten:  der  Technik,  der  Zeit  und  dem 
Gehalte  nach. 

Nach  diesem  Principe  habe  ich  den  folgenden  Versuch 
gewagt,  welchen  ich  hiermit  der  allseitigen  Besprechung 
übergebe. 

Die  darnach  verfassten  Beschreibungen,  weiche  gewiss 
eine  ziemlich  sichere  üeurtheilung  erlauben  werden,  nament- 
lich wenn  Pausen  und  .\bgiisse  inilfolgen,  wären  wohl  am 
zweckmässigsten  an  einem  Mitlclpunkte  zu  sammeln,  wozu, 
wie  ich  holVe,  die  k.  k.  Central-Conmiission  wohl  am  besten 
und  wohlmeinendsten  die  hilfreiche  Hand  bieten  könnte, 
wenn  überhaupt  niein  Vorschlag  lebendige  Wirkung  äussern 
wird. 


Entwurf  eines  Fürmulars  zur  Aufnahme  einer  Statistik  der  Denkmale  bildender  Kunst  in  Österreich'). 


Vorbemerkung.  Die  grossgedruckten  Fragen  sollten 
sämmtlich  berücksichtiget  werden;  für  Geübte  ist  auch  das 
Kleiiigpilruckte,  welches  schwieligere,  namentlich  die  Technik 
berührende  Unterscheidungen  enthält,  enipfehlenswerth. 

i.  Wo  ist  das  Kunstwerk  befindlich?  in  einer  Kirche, 
einem  Profanbaii,  oder  an  einem  Werke  der  sogenannten  kleinen 
Arciiiteetur,  Betsävilen,  ewigen  Lichtern,  Grabsteinen?  Ist  es 
noch  am  ursprünglichen  Platze?  Ist  es  geschützt  vor  Wit- 
terungs-  oder  ähnlichen  widrigen  Einflüssen? 

2.  Sind  gedruckte ,  ungedruekte  oder  bloss  mündlich 
erlialtene  Nachrichten  über  sein  Entstehen  bekannt? 

3.  WelcherGattung  ist  dasselbe  einzureihen?  den  zeieh- 
n  e  n  d  e  n   oder  bildenden  K  ü  n  s  t  e  n  ? 

In  ersterer  Hinsicht  ist  Rücksicht  zu  nehmen : 

A.  Wandmalerei. 

uj  Teinppramalcrei. 

h)  Fresfo  (auf  Hussein  KalkJ. 

k)   Wassei  falbe  auf  liockeiieiii  rirundc. 

B.  Tafeliiialei-ei. 

TiMiipera.  Ol.  Wasseifarlie? 
a)   Auf H"l/.;;runil.  .Mi'liill|]hitteji,  Si'liiefer  oder  anderen.Sleliilafeln? 
h)    Auf  l.t'iiLWaiid  (idi'i'  liihIcmcui  Stulfi;? 


'j  Wir  verüffeiitlichtMi  dit'st's  Kormular  afs  dt'ii  wohlgeiiu'iiili'ii  luid  ver- 
■lleiiHtliehen  Vorschlaft  eines  Fa(>liin»iiiii>s.  Her  iils  l.antlcMu'cliiiuIo^  von 
Steiermark  in  der  I^age  ist  sieh  vielfache  Kenntnisse  und  Kl'falli'Un^en 
/.u  erwerben,  und  sind  auch  bereit  auf  eine  niscussiun  über  die  mii^liehsl 
erschüpiende  Ablassun;;  eines  siilchen  Kraj^enforniulars  in  diesen  lliätlern 
einzup^ehen.  Rhenso  werden  uns  auch  Heschreibunjien  vun  Scul|i(ureii 
und  .Malereien  ,  Hie  auf  Grundlage  dieses  l'annulars  eingesendet 
werden ,  sowie  auch  (jute  Zeichnungen,  Pausen  und  Gybsnhgüsse  zur 
Ansammlung  im  Archive  der  k.  k.  ('entral-iommission  —  dem  hiezn 
geeignetsten  Miller|iunkte  —  sehr  willkomnien  sein.  Dagegen  innss  es 
noch  der  Entscheidung  der  k.  k.  Cenlral-C.injmissiiin  vorhehallen  «erden, 
welches  Formular  sie  in  dieser  lle/.iehung  für  das  geeignetste  hält,  um 
ilasselbe  ihren  Organen  als  /.u  (;rundlaf;e  einer  .MnniMiientiil-  und  Kunst- 
Statistik  anzuempfehlen. 

i).   Ited. 


C  iVIluiaturen. 
a}  Auf  Pergament,  Papier  oder  Elfenbein  ? 
D.  Glasmalerei. 

a)  Aus  einzelnen  niusiviseh  /.usammenf^esetzten  SUiekeii,  diemltteLst 

Bleistreifcn  an  einander  gefügt  sind  ? 
h)  Malereien  auf  einer  Scheibe  eingebrannt? 

E.  Email. 

Welke  der  Schmelzmalerei  sind  im  Allgemeinen  selten  bei  uns 
zu  finden.  In  Frankreich,  wo  eine  eigene  Schule,  die  vun  Limoges, 
sieh  bildete,  hat  man  sich  für  drei  llauptabtlieiluiviien  entschieden, 
die  chrüiiologiseh  folgen. 

a)   Die  ineruslirlcn  .Schmclzwerke. 

hj  Ltie  durelisiehtig  auf  cihal)eiie  Arbeit  geschmelzton. 

c)  Förmlich  gemalte  Emails  (ohne  Metallcontouren ). 

F.  :%ieIlo. 

(Melallplatten.  in  welche  die  L'mrisse  und  Linien  der  Zeichnung 
eingegraben  und  dann  mit  einer  schwärzlichen  Molallinischung  aus- 
gefüllt worden  sind.) 
a)  Seihstständigc  Werke  meist  kleinerer  (lattung. 
hJ  Hierzu  zu   rechnende  Ausschmückung   grösserer   (iegenslünde, 
Grabsteine. 

«.  IVIoisaik. 

Aus  welchem  Stoffe?  Cihis.  Tlinn,  Steine,  Holz? 

In  Bezug  auf  die  bildenden  Künste,  die  Plastik,  ist  lu 
bemerken: 

A.  .Seiilpliir. 
a)  Ganz  erhaben,   rund  gearbeitet,  sogenannte  .Staluc   nder  halb- 
erhaben  oder  verlieft? 
h)  Dem  Stoffe  nach  aus  SIein,   Holz.  KIfenbeiii  etc.? 

B.  Form  und  4iiusN(eclinik. 

u)  Statue,  Hautrelief.  Ihisrelief? 

h)   Dem  Stoffe  nai'h  Metall.  Stuck.  Thoii,  Wachs? 

4.  Beliiulen  sieh  an  einzelnen  Thcilen  oder  wie  bei 
Gemälden  oft  an  der  Rückseite  In-  oder  Aufschriften,  welche 
den  Namen  odi'r  das  MonDg^ramm  des  Künsters,  oder  die 
.lahreszahl  der  \ Crfcrlii^ung-  ciitiiallcn? 


Eraiau  irioiianiTlior ) 


Till'  A'll. 


■   ,|F — ^-Jfmnnr'T-r'r^r 


^/Ktr., 


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Jiy.,/ 


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Jfy  :i 


Jiff.2. 


J^'L-k  m,.'  .irr  *.  l.So/.u.SKafnnitlrra  iniTirr. 


—  315 


5.  Was  ist  der  Gegenstand  der  Darstellung?  Ist  es  ein 
historisches,  einEinzelbildniss,  ein  landschaftliches  oderThier- 
bild?  Ist  der  Vorgang  bei  figuraliseher  Composition  ein  der 
heiligen  Schrift  oder  der  Legende  entnommener,  oder  ist  es 
ein  im  Bezug  auf  profane  und  Local-Geschichte  stehender? 

Hier  ist  nun  die  eingehendste  Beschreibung  sowohl  der 
ganzen  Gruppirung  als  auch  jeder  einzelnen  Figur  zu  wünschen. 

Diese  Beschreibung  niuss  die  Zeichnung  und  Farbe 
berücksichtigen  und  jedes  auch  scheinbar  geringfügige  Bei- 
werk würdigen. 

Sind  die  Figuren  sammt  Tracht,  Wallen,  Stolf  und  Muster 
der  Gewandung  etc.  vollkommen  genau  beschrieben,  so 
sind  die  vorkommenden  Aufschriften  auf  Schriftrollen  oder 
Büchern,  Heiligenscheinen  oder  Gewandsäumen  zu  untersuchen 
und  wortgetreu  zu  copiren. 

Schliesslich  werden  die  Umgebung,  die  dargestellte  Archi- 
tectur  oder  der  landschaftliehe  Hintergrund,  die  Form  des 
Baumschlages,  der  Felsen,  kurz  jedes  Detail  anzugeben  sein, 
und  namentlich  bei  Altarwerken  ist  die  Berücksichtigung  des 


Styles,  welchen  die  Umrahmung  un<l  der  ganze  Altarschrein 
zeigt,  sehr  zu  empfehlen. 

Eine  höchst  wünschenswerthe  Beigabe  solcher  genauei- 
Beschreibungen  sind  bei  Gemälden,  Pausen  mittelst  Strohpapier 
von  den  vorzüglichsten  Köpfen,  Inschriften  etc.,  und  bei  pla- 
stischen Werken  in  ähnlicher  Berücksichtigung  angefertigti- 
Gypsabgüssc. 

Solche  Abbildungen  haben  den  grössten  Werth  auch  für 
deren  Wiedergabe  mittelst  Holzschnitt  oder  dergl. 

6.  Welches  sind  die  Höhen-  und  Breiten-Masse  des  Gegen- 
standes? 

7.  Befinden  sich  in  der  Umgegend  oder  am  <hte  m-II)n1 
Kunstwerke,  welche  dem  vorliegenden  Objecte  als  Vorbilder 
gedient  haben  könnten  oder  sind  durch  dasselbe  hervorgerufen. 
Nachahmungen  entstanden  ? 

Stellt  sich  dasselbe  als  eine  Copie  eines  bekannten  älteren 
Kupferstiches  oder  Holzschnittes  dar? 

8.  Sind  Abbildungen  des  in  Frage  stehenden  Denkmals 
vorhanden  oder  vielleicht  schon  veröfl'entlichl ".' 


Das  Floriani-Thor  in  Erakan. 

Aufgenommen  und  beschrieben  vom  Arcliitekten  A.  Essenweiii. 

(.Mit  1  'lal'el.) 

Wie  der  Kirchenbau  des  Mittelalters  aus  den    gege-  Üerneiiern  Kriegsfiihrung  mit  ihren  gewaltigen  AngrilTs- 

benen  räumlichen  Anforderungen,  aus  der  Aufgabe,  welche  mittein   können   diese   Mauern     keinen    Widerstand     mehr 

die  Erhabenheit  der  Religion  zum  Ausdruck  ihrer  Stimmung  leisten.  Die  kleinen  Fehden  und  Überfälle  haben  aufgehört, 

ihm  stellte,    aus   der  im  Cultus  bedungenen   symbolischen  der  Krieg  wird  nur  in  grossen  Massen  geführt  und  so  wären 

Auffassung    seine   Gestaltungen    und   Formen    entwickelte,  die  Bürger  der  Städte  ohnehin  nicht  mehr  stark  genug,  einem 

wie  der  W'ühnhaushau  aus  der  Lebensweise  und  Denkungs-  feindlichen  Heere  Widersland  zu  leisten;  sie  haben    daher 

art  der  Bewohner  seine  Werke  gestaltete,  so  entwickelte  die  Waffen  aus  der  Hand  gelegt. 

auch  der  Kriegs-  und  Festuiigsbau  die  Formen  und  Gestal-  Durch  diese  Umstände  wurden  die  alten  Älauern  und 

ten,    welche  er  seinen  Werken  verlieh,    ans   der    Art   der  Thiirme,  welche  die  Städle  umschlossen,  fast  bis  auf  die  letz- 

Kriegsführung  und  gestaltete  sie,  so  wie  es  zur  Abweisung  des  ten  Beste  niedergerissen,  tlieils  im  Kriege,  theils  im  Frieden, 

.\ngriffs  und  zurErleichterung  derVerlheidigung  nöthig  war.  um  der  Erweiterung  derStädteRaum  zu  geben,  oder  weil  die 

Dem  Studium    der  Entwickelung    der  Kriegsbaukuust  historische  Erinnerimg  verschw  uudcn  ist  und   die  Bcw(dincr 

muss  daher  das  Studium  der  Kriegskunst  jener  Zeit  voran-  die  Steinreste  nicht  mehr  achten:  diese  gewaltigen  Zeugen 

gehen.    Dieses  Studium   erklärt  uns  sodann  die  Form  und  derTapferkeit  ihrer  Vorfahren,  welche  zur  Vertheidigung  der- 

Anlagen  der  Burgen,  so  wie  die  Art  der  Befestigung   der  selben  ihr  Blut  vergossen. 

Städte  durch  Gräben,   Mauern  und  Thiirme.  In  der  Thal  sind  die  vorhandenen  ('berresfe  nur  noch 

Wir  sehen  aus  der  Einfa(;hheit    der  Kriegführung  die  sehr  spärlich  und  noch  ist  die  Zeit  nicht  ganz  vorüber,   wo 

Einfachheit  der  Grnndanlage  dieser  Befestigung.    Einlache  man  in  Missachtung  historischer  Überlieferung  diesen  chr- 

oder  doppelte  starke  Mauern  und  Gräben  umgeben  die  Stadt,  würdigen  Resten  mit  Abbruch  droht. 

von  Stelle  zu  Stelle  tritt  als  fester  Zwischenpunkt  ciTiTluirm  Wir  geben  auf  der  beifolgendenTafel  (Taf.  Xll)  einige 

ein.   In  grösseren  Thürmen  öffnen  sich  Thorc  zum  Eingang  Theile  einer  solchenSladtbefesligung:  das  Floriaui-Tlior  zu 

in  Friedenszeiten,  die  aber  zur  Abwehr  derFeinde  mit  do|i-  Krakau  nebst  den  Tluirmen  uml  dem  N'orthor   mit  seinem 


pelten  Vertheidigungsanstalten  versehen  sind.  Die  Berech- 
nung auf  den  Einzelkampf  unil  den  Kampf  in  der  Nähe 
machte  indessen  eine  Menge  kleiner  Anstalten,  wie  Anlagen 
von  Gallerien,  Zinnenkränzen,  Schiessscharten,  Pechnasen 
u.  s.  w.  nöthig.  Auf  solche  Weise  waren  im  Mittelalter 
sämmtliche  Städte  zur  Abwehr  des  Feindes  vorgerichtet  und 
die  Chroniken  wissen  von  manchemTriumph  zu  erzählen,  den 
die  Bürgerschaft  durch  Abweisung  der  Feinde  gefeiert  hat. 


lofe.dievon  dem  Alihnielie  verschont  u^eliliiben  sind  '). 


*)  Kirie  »iisfulirliche  AMimulluii^  über  die  Belestigungswei-ke  ^on  Krukau  i>t 
in  polnischer  Sprache  vnii  .\inlirns  (irahowski  er!.chieiieli  unter  dem 
Titel  ;  Schjit/.kaniiner  unserer  Archäoloi^-je.  enthaUenil  die  luittelaUer- 
licheii  Dcnkniiiler  der  Krie^shaukuust  ilcr  Polen,  Skiz/cn  aus  der 
(ieschichte  der  scliiinen  Künste  in  Pulen,  iuiileich  Krinneruniren  aus 
unserer  Vei'^anfjenheit.  niil  3it  ,\liljiltluny;i'n  der  Bastionen  und  der  Thor© 
Krakau's.     Ausj;ahe  des  J.  N.  Itulcowic/.  Lei|r£ig  iS'M. 


316 


Die  Stadt  Kiakau  war  in  alter  Zeit  von  einer  doppelten 
Ringmauer  umschlossen  und  mit  einem  gemauerten  Graben 
umgeben,  die  erst  in  diesem  Jahrhundorte  abgebrochen  wur- 
den. Sieben  Thore  ötTneten  sicii  zum  Eingang  in  grösseren 
Thiirmen,  zu  denen  noch  31  icieinereais  feste  Zwischenpunkte 
zur  Verliieidigung  der  Stadlmauor  eintraten;  die  Bürger 
vertheidigteii  iiire  Stadtmauer  sulbst  und  so  waren  die  Thore 
und  Thürme  den  verschiedenen  Zünften  zugetheilt,  von 
denen  einige  oft  in  hartem  Streit  lagen,  welcher  von  ihnen 
die  Ehre  der  Vertheidigung  dieses  oder  jenes  wichtigen 
Postens  zukomme. 

Das  interessanteste  jener  Thore  ist  wohl  das  glück- 
licher Weise  noch  erhaltene  Floriani -Thor,  sowohl  in 
geschichtlicher,  als  in  künstlerischer  Beziehimg;  in  ersterer 
Beziehung  desshalb,  und  weil  durch  dieses  Thor  die  Könige 
eingezogen,  wenn  sie  zur  Krönung  kamen,  weil  eben  durch 
dasselbe  die  Könige  im  Triumphe  einzogen,  wenn  sie  einen 
Sieg  erfochten  hatten.  Durch  dieses  Thor  zog  Johann 
Sobiesky  ein,  hier  wurde  er  nach  der  Entsetzung  Wiens 
von  der  Bürgerschaft  empfangen. 

Das  Thor  entspricht  auch  in  seiner  Anlage  dem  doppel- 
ten Zwecke  einesFestbaues  und  Festungsbaues  vollkommen. 

Fig.  1 .  der  Taf.  XII,  gibt  eineGesammtübersicht  der  An- 
lage, wobei  die  wenigen  jetzt  fehlenden  Tlieile  ergänzt  sind. 

Über  den  nun  verschütteten  Graben  gelangte  man 
mittelst  einer  Zugbrücke  in  einen  runden  Vorhof,  dessen 
äussere  Ansicht  in  Fig.  2,  der  Tafel  und  der  Einblick  durch 
das  Thor  in  den  Hof  in  Fig.  3,  derselben  gegeben  ist. 

Beim  festlichen  Einzüge  versanunelte  sich  auf  derinnern 
Gallerie  ein  Kranz  von  Damen;  Wachen  hielten  die  oberen 
geschlossenen  Gailerien  besetzt.  In  der  Mitte  des  Hofes  hielt 
der  König  mit  seinem  Gefolge  und  die  Bürgerschaft  trug 
ihre    Anrede   vor.    Nach   beendigter  Ceremonie    setzte    er 


Einzug  war,  so  stark  war  das  Gebäude  gegen  den  Einfall 
der  Feinde  gerüstet. 

Die  hier  in  Holzschnitt  (Fig  1  u.  2)  gegebenen  Grund- 
risse zeigeil,  dass  der  innere  Raum  des  Hofes  von  einer 
dicken  Mauer  umgeben  ist.  die  von  %o  eines  Kreisumfanges 
gebildet  ist,  an  die  sich  rückwärts  an  der  Stelle  der  übrigen 
*/io  des  Kreisumfanges  schräg  gestellte  Mauern  und  in  deren 
Schluss  der  Ausgang  des  Hofes  anschliessen.  Die  schrägen 
Mauern  sind  fast  der  Stadtmauer  parallel  gestellt,  so  dass 


seinen  Weg  in   die  Stadt  durch  das   eigentliche  Thor  fort. 
So  hciiueni  (nv   den   nahenden    Freiiml  iiml  so  festlich  der 


(Fig.  2.) 
der  schon  weit  vorgedrungene  Feind, 
schon    in  Besitz  hatte,    noch    einmal 
zwischen  zwei  Feuer  genommen  wer- 
den konnte. 

Der  innere  Hof  ist  zu  iinterst  von 
einer  Arcadcnreihe  umgeben,  die  ab- 
wechselnd bloss  als  schwache  Blenden, 
abwechselnd  als  tiefe  Nischen  in  die 
Wandfläche  eingelegt  sind.  In  den 
Nischen  sind  schmale  Schiessscharten, 
die  sich  nach  aussen  bedeutend  erwei- 
tern. (Siehe  den  Grundriss  Fig.  1,  wo 
die  puiiktirten  Kreise  die  innen  und 
aussen  vorgebauten  Gailerien  bezeicli- 
nen;  und  den  Diirchsclmilt  der  Mauer 
Fig.  3.)  Die  zwei  Arcadenbogcii  r(!chts 
und  links  vom  Eingänge  bei  c  sind  in 
neuester  Zeit  zu  kleinen  Kanunern  er- 
erweitert worilen .  die  als  Wach- 
stuben dienen. 

Eine  zweite  Reihe  von  Schiess- 
scharten befindet  sich  über  diesen  Ar- 
caden  und  kann  von  der  ersten  innerii 
Gallerie  aus  bedient  werden  und  zwar 
sind  die  Schicssscharten  immer  so  ge- 
slelll.  dass  sie  iiiif  die  Mitte  zwischen 


wenn  er  den  Graben 


(KlR.  .1.) 


317 


(Fig.  4.) 


je  zwei  der  unteren  treffen,    so    dass  nach  allen  Rielitiingeii 
hin  das  Feuer  des  Schützen  reichen  kann. 

Um  auf  der  Gallerie  Raum  zu  gewinnen,  ist  sie  nach 
innen  auf  Consolen  erweitert,   deren   Profil  hier  (Fig.    4) 

gegehen,  ist.  Auf  den  Consolen 
liegen  unmittelhar  die  Fiiss- 
bodenplatten,  eine  undurchhro- 
chene  Steinbriistiing  sehliesst 
die  Gallerie  ab. 

Eine  dritte  Reihe  Schiess- 
scharten, die  dicht  nebenein- 
ander gestellt  sind,  befindet  sich 
auf  der  oberen,  auf  grossen 
Consolen  nach  aussen  vorgebau- 
ten Gallerie  (die  eine  Hälfte  an 
Fig.  2  gibt  den  Griindriss  in 
der  Höhe  der  oberen  Gallerie 
und  der  3.  Schiessschartenreibe).  Von  Console  zu  Con- 
sole  spannen  sich  Bogen,  die  abwechselnd  voll,  abwech- 
selnd halb  als  Pechnasen  geöffnet  sind,  durch  welche  man 
auf  die  Feinde,  wenn  sie  bereits  so  nahe  gekommen  waren 
und  den  Graben  überschritten  hatten,  heisses  Wasser,  sie- 
dendes Pech  herabgoss  oder  sie  mit  Steinwürfeu  zu  vertrei- 
ben suchte. 

Nach  Innen  gegen  den  Hof  zu  sind  in  der  Umfassungs- 
wand dieser  Gallerie  grosse  ()n"nungen  gelassen,  damit  vom 
Hofe  aus  der  freie  Überblick  über  alle  an  verschiedenen 
Orten  vertheilte  Kämpfer  blieb. 

Die  Gallerie  ist  mit  einem  nach  innen  und  aussen  abge- 
schrägten Satteldach  bedeckt,  dessen  einfache  Construction 
aus  dem  Durchschnitte  Fig.  3  zu  ersehen  ist.  Zwischen  je 
zwei  Schiessschartenöffnungen  ist  ein  kleiner  nach  innen 
vorspringender  Pfeiler  gemauert,  auf  diesem  Pfeiler  liegt 
eine  Mauerbank;  eine  eben  solche  liegt  auf  der  Rückwand, 
wo  sie  zugleich  als  Pfette  die  Öffnungen  überspannt; 
schwache  Balken  (Träme)  liegen  querüber,  in  welche 
jedesmal  ein  Sparrenpaar  eingezapft  ist,  das  etwas  über  der 
Mitte  noch  durch  einen  kleinen  Kehlbalken  festgehalten 
wird.  Anschüblinge  lassen  die  Dachdeckung  auch  über  die 
vorspringenden  Ralkenköpfe  weggehen.  Aus  dem  Dach 
erheben  sich  T  kleine  gemauerte  Thürmchcn,  wechselnd 
rund  und  achteckig,  die  mit  schlanken  Spitzen  bekrönt  sind. 
Diese  Thürmchcn  sind  unten  offen  und  haben  keinen 
Fnssboden.  so  dass  ein  Mann  von  der  obern  Gallerie  aus 
mittelst  einer  Leiter  hineinsteigen  und  durcli  die  kleinen 
Fensterehen  Ausschau  halten  konnte,  (diiie  vom  Feinde 
bemerkt  zu  werden,  wie  dies  bei  den  Lucken  auf  derGallerie 
selbst  der  Fall  gewesen  wiire. 

Unter  der  Erde  befand  sich  unter  der  .\rcadenreilie 
des  Hofes  noch  ein  gewölbter  Gang,  von  dem  sich  ebenfalls 
Schiessscharten  nach  dem  Stadtgraben  öffneten. 

An   den   runden    H<if  sehliesst  sich    ein    rechteckiger 
kleiner  Corridor  an   {a   in   Fig.    I    und  2).   dci'  fndier  mit 
II. 


einem  Tonnengewölbe  bedeckt  war  und  worüber  sich  eine 
geräumige  Kammer  befand,  die  zur  Aufbewahrung  von 
Waffen  diente. 

Aus  diesem  gewölbten  Corridor  führte  ein  offener,  auf 
beiden  Seiten  mit  starken  ^lauern  verseberjei"  Gang  zum 
eigentlichen  Stadtthore. 

Diese  Mauer  hatte  unten  eine  Reihe  Schiessscharten, 
welche  der  in  den  Innern  .Arcaden  des  Vorhofes  befindlichen 
entsprach.  Oben  auf  der  Mauer  befand  sich  ein  Gang,  der 
durch  eine  mit  Schiessscharten  durchbrochene  Sehutzmauer 
nach  aussen  abgeschlossen  war.  In  diesen  Gang  gelangte 
man  von  der  obern  Gallerie  des  Vorhofes. 

Der  Stadtgraben,  welcher  sehr  tief  war,  lief  rings  um 
den  Rundbau  herum. 

Der  Eingang  in  den  Vorliof  ist,  wie  aus  dem  Grnndriss 
ersichtlich,  nicht  in  der  Milte,  dem  Ausgange  gegenüber, 
sondern  an  der  Seite,  so  dass  nicht  der  Feind,  der  sich 
etwa  des  Einganges  in  den  Vorbof  bemächtigt  hatte,  schon 
in  gerader  Linie  dem  eigentlichen  Stadtthor  gegenüber 
stand  und  dasselbe  entschieden  angreifen  konnte. 

Vor  dem  Eingange  befand  sich  noch  ein  kleiner  Vorbau 
mit  nach  vorn  abfallendem  Pultdache,  an  «elcbem  sich  die 
Zugbrücke  anschlnss.  Derselbe  stammte  ebenfalls  noch  aus 
alter  Zeit,  doch  muss  er  wohl  erst  bei  einer  Erweiterung 
des  Stadtgrabens  angebaut  worden  sein,  denn  das  Eingangs- 
thor, so  wie  es  sich  jetzt  zeigt,  beweist  durch  die  Li'icher 
bei  X  Fig.  3,  Tat".  XII,  so  wie  durch  die  vieieckige  Umrah- 
mung der  spitzbogigen  Thoröffnung,  dass  sich  hier  eine  Zug- 
brücke ehemals  aidegte.  Wahrscheinlich  wurde  nun,  als  bei 
einer  Erweiterung  des  Stadtgrabens  die  Brücke  nicht  aus- 
gereicht hätte,  ein  Vorbau  angefügt,  an  welchen  sich  die 
Zugbrücke  anschloss.  Dieser  .Anbau  wurde  als  hässlich  und 
störend  bei  einer  vor  mehreren  .lahren  vorgeiMPmmenen 
Restauration  wieder  abgetragen,  da  ohnedem  der  Graben 
verschüttet  ist.  Das  ehemalige  Portal  trat  so  wieder  zu  Tage 
und  wurde  durch  eine  rundbogige  Umrahmung  abgeschlossen. 
Da  sich  auf  den  Eingang  natürlicher  Weise  der  stärkste 
Angrifl'  richtete,  so  befindet  sich  über  der  Zugbrücke  auf 
Consolen  eine  Reihe  Pcchiiasen.  um  dem  Feinde  die  Mög- 
lichkeit zu  erscdiweren,  sich  der  Zugbrücke  zu  bemächtigen. 
In  der  Ansicht  Fig.  2  der  Tal".  XII  i^t  der  Eingang  in 
seiner  jetzigen  Gestalt  dlini'  die  Zugbrücke  zu  sehen. 
Fiij.  3,  Taf.  XII  gibt  einen  Einblick  durch 
den  Eingang  in  den  Hof  und  zugleich 
dessen  .\rchilectur :  der  fdkenile  ilolz- 
schnitt  (Fig.  ö)  gibt  das  Detail  der  Con- 
solen und  Pechnasen  über  den  zwei  Rund- 
stäben y  die  ebenfalls  in  der  Fig.  3  zu 
ersehen  sind. 

Da  das  Eingangsthor  höher  ist  als  die 

(Fifr. .').)  untere  Gallerie,    so    ist    diesel!>e    an   der 

Stelle  des  Tbores   durch  Treppen,  die  einerseits   hinauf, 

andererseits    wieder    berabführen  ,    über    den    Tborbogen 


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—   31S   — 


weggezogen,  »io  ilii's  ;iiuli  au  (Irin  i'iickwiirtigen  Ausgange 
in  Fig.  3  zu  seilen  isl. 

Die  Treppen,  «elehe  zu  den  (Jiillerien  eni[Mirnihren. 
liegen  zu  beiden  Seiten  nelien  dem  gewidliten  tJanire  und 
haben  in  der  Mitte  desseilien  einen  Kingaiiii.  Nehen  dem 
rückwärtigen  .Ausgange  ist  imHole  jederseits  ein  vermauertes 
'riiürelien  zu  sehen,  das  ebenfalls  dureh  'rreii|ien  mit  der 
ersten  (iailerie  in  Verhindung  stand. 

Von  dieser  ersten  Galli'rie  aus  gelangt  man  durch  einen 
Zugang  iiher  dem  Eingangsthore  zur  oberen  Gallerie  emiHir. 
in  den  unteren  Gang  hingegen  fuhren  Trepiien  bei  li  in  Fig.! 
zu  ziemlicher  Tiefe  iiinab.  Da  die  Maucrstiirke  an  den 
schrägen  Rückwänden  des  Hofes  niclit  so  bedeutend  ist.  als 
im  Kreistheil.  wo  sie  0  Fuss  i)etragt,  so  ist  die  obere  Um- 
gangsgallerie  daselbst  nach  iinien  ebenfalls  auf  Consolen 
vorgebaut,  wie  aussen.  Die  Consolen  haben  auch  dasselbe 
Prolil  wie  die  äusseren,  von  denen  Fig.  6  eine  Abbildung 
gibt.  Die  Pechnasen  fehlen  natürlieh  innen,  wo  sie  keinen 
Zweck  hiitlen. 


Das  Materiale,  woraus  der  Bau  errichtet  ist,  bildet 
der  Hauptmasse  nach  der  Ziegel.  Die  grossen  Consolen 
sind  aus  Haustein  eingesetzt,  ebenso  das  Por- 
tal. Die  in  der  Archilectur  durchgeführte 
Bogenfiirm  ist  meist  der  Flachbogen,  nur  bei 
dem  Portale  und  den  inneren  Arcaden  kommt 
der  Rund-  und  Spitzbogen  vor:  die  kleinen 
Fensterschlüsse  in  den  Thünnchen  sind  dur(di  \(ii-gescliobene 
Steine  überdeckt  (Fig.  7). 

Der  runde  ^'orho^  des  Tliores  steht  jetzt  vereinzelt  da. 
nachdem  der  (Jraben  ausgefüllt  und  der  Verbindiüiifsgant;- 
mit  dem  Thore  abgebrochen  ist.  Der  innere  Durchmesser 
des  Krcistheiles  lietriigt  3ö  Schritte  ;  die  Tiefe  von  dem 
Ausgang  bis  zur  Mitte  der  Kreislinien  28  Schritte,  der  Ndr- 
bau n  hat  20  Schritte  Liinge.  Er  steht  in  gerader  Hichtung 
vor  dem  Thorthnrme,  von  dem  er  tiO  Schritte  entfernt  ist. 
Seine  Breite  sowie  die  des  Tlinrmes  beträgt  15  Schritte. 

Der  Thorthnrm  ist  eine  einfache  viereckige  Baiimasse 
mit  einigen  Fenstern  unterbrochen.  Unten  bildet  eine 
nicht  sehr  grosse  Spitzbogenölfnung  den  Eingaiii;  in  die 
Stadt,    dem    jetzt     zu   l.rideu    Seileu   .les  Thurines   kleine 


(Fiif-  8.) 


Eingänge  für  Fussgänger  zugefügt  sind,   die  aus  den  Stadt- 
mauern   ausgehlochen    \\ui-den.     Der     tdierste    Tlieil     des 

Thurnies,  der  in  Fiji.  8  abse- 
bildet  ist,  erweitert  sicii  auf 
grossen  Consolen;  die  ehema- 
lige Spitze  ist  durch  eine  spä- 
ti're  sehr  ungenügend  ersetzt. 
Der  Grundriss  des  Thurnies  ist 
nicht  vollkommen  ijuadratisch. 
desshalb  sind  an  der  oberen 
Vorkragung  unter  der  vorderen 
Wand  7  ('ons(den,  an  den  bei- 
den seith'chen  Wänden  nur  je 
6  zwisciien  den  Eckconsolen: 
ebenso  an  der  breiten  Seite  je  3. 
.an  den  schmalen  nur  je  2  Fenster. 
DasStadtthor  ist  im  untern 
Geschosse  des  Thurnies  mit 
einem  Fallgitter  beweiirt,  aus- 
serdem durch  schwere  Thor- 
flügel sehliessbar. 

Zu  beiden  Seiten  derspitz- 
bügigeu  Pforte  sieht  man  die 
Ansätze  der  Mauer,  v  eiche  von 
dem  Thore  nach  dem  Vorhufe 
führte.  Zu  lieiden  Seiten  des 
Thores  schliesst  sich  die  Stadt- 
mauer an.  diefrüherdo|ipelt  iintl 
von  einem  geniaiierten  Graben 
umgehen  «ar.  .\n  dem  iincli 
stelieuileii  Tlieil"  der  Stadl- 
niauer  sieht  man.  dass  cinliang 
oiien  ringsum  liiliite.  zu  dem 
man  von  den  Thürmen  ans  ge- 
laugte, und  der  am  Fliiriaui- 
Tliorlhurine  auf  der  iiinerii  Seite 
gegen  die;  Stadt  zu  als  Balcon 
umdenTliorthurinsich  fortsetzt. 
SO     .Schrille      links      \(>m 

Thortliur steht  ein  kleinerer 

Tluirm.  dessen  Grundriss  gegen 
aussen  halbkreisfiirmig  aiige- 
schlosseii  ist.  DerThurm  ist  aus 
liacksfeinen  erbaut ;  die  ins 
Mauerwerk  eingreifenden  Bin- 
der sind  au  den  Kiipl'en  glasirt. 
sodass  eine  sehr  hiibseheZeicIi- 
iinngenlstehl.  v  ie  sie  ganz  ähn- 
lich auch  iii  ili'ii  niirddentscheii 
linil  hidländisclieii  millijallerli- 
chen  Backsleinhaiiteii  vurkiiiiinit. 
Dei'  I  nlerhau  des  riliirnies 
'( Fig    !•  (    iv|    \iereckig    und  aus 


—   319   — 


Briiehsteiiieii  oihaut:  am  eigentlichen  Körper  zeigen  sieh 
3  Stockwerke,  die  durch  Bänder  von  schräg  gestellten  Back- 
steinen (Sägeschnitte)  abgetheilt  sind.  Ein  Verimtzstreifen 
schliesst  das  3.  Stockwerk  ab;  über  demselben  ist  auf  einer 
Reihe  Consolen  ein  viertes  vorgekragt. 

Die  Consolen  (Fig.  10)  sind  aus  Hanstein,  eben  so  die 
(Jesinisplatte:  über  derGesims|>latte  ist  eine  kleinere  Bogen- 

stellung  aus  Back- 
steinen gemauert  und 
der  Grund  der  Blen- 
den geputzt.  Ein  spi- 
tzes, mit  Hohlziegeln 
bedecktes  Dach  he- 
kri'intdenThurm.  Die 
Daehanliige  weicht 
jedoch  hier  von  der 
bei  ähnlichen  Thiir- 
men  gebräuchlichen 
ab,  dass  nämlich  die 
gerade  Rückseite  mit 
einem  steilen  Giebel 
abgeschlossen  ist,  an 
welchen  sich  das 
Dach  sodann  anlegt. 
Hier  ist  dasselbe  auch 
nach  rückwärts  ab- 
gewalmt    (  Fig.    1 1 


(Fig.  11.) 

gibt  den  Grundriss  der  Dachflächen),  sodass  es  fast  von 
allen  Punkten  aus  betrachtet  schief  auf  dem  Thurme  zu 
stehen  scheint,  weil  die  Gräthe  a  U  länger  sind  als  der 
Radius  h  c. 

Kleine  Fensterschlitze  erleuchten  das  Innere  des  Thur- 
mes;  das  oberste  auf  Consolen  erweiterte  Stockwerk  scheint 
über  den  Blendarcaden  unter  dem  Gesimse  grossere  zinnen- 
artige Öffnungen  gehabt  zu  haben,  die  jetzt  vermauert 
sind;  die  Deckplatte  über  i\*'n  Consolen  ist  nicht  mit  l'ech- 
nasen  durchbrochen,  sondern  ringsmn  geschlossen. 

In  der  Zeichnung  Fig.  9  sieht  man  zugleich  den  An- 
schluss  der  Stadtmauer,  die  mit  einer  Gallerie  versehen  war, 
auf  die  man  durch  die  in  der  Zeichnung  sichtbare  Thüre  des 
Thurmes  gelangte. 

Wo  der  runde  Mauertheil  auf  dem  viereckigen  Cnter- 
bau  beginnt,  ist  durch  tetraederförmige  Mauertheilc  ein 
Übergang  vermittelt. 

60  Schritte  rechts  vom  Thore  steht  ein  zweiter  halb- 
runder Thurm  (Fig.  ,12),  der  ebenfalls  aus  Ziegeln  errichtet 
ist.  jedoch  ohne  die  musivische  Ansschmnckung,  welche  der 


links  vom  Thore  stehende  Thurm  durch  die  giasirten  Bänder 
des  Mauerwerks  erhält.  .\uch  hier  sind  äusserlich  Stock- 
werke angedeutet,  und  zwar  durch  je  2  sägeschnittförmige 
Bänder ,    zwischen     welche    horizontale   Backsteinschaaren 

gemauert  sind.  .Die  ÖlTnun- 
gen,  welche  Licht  ins  Innere 
einlassen  ,  sind  sehiess- 
schartenförmig  in  Stein- 
platten eingehauen.  .Auch 
hier  ist,  wie  bei  den  beiden 
vorhin  beschriebenen Tliür- 
men,  ein  Stockwerk  oben 
auf  grossen  Consolen  vorge- 
kragt. Die  Deckidatte  ist 
hier  jedoch  zwischen  allen 
Consolen  durch  Pechnaseu 
iliu'chbrochen.  .\uch  hier  ist 
(las  Sto<-kwerk  mit  Blenden 
gegliedert,  deren  je  2  spitz- 
bogig  neben  einander  ge- 
stellt sind,  wobei  eine  Con- 
sole  an  der  Stelle  eines  Tren- 
nungspfeilers tritt.  Ein  brei- 
ter Pfeiler  ist  zw  ischen  je 
zwei  solchen  D(ip|ielhlenden 
gemauert  und  von  einer 
Schiessscharte  durchbro- 
chen. Der  Grund  der  Blen- 
den ist  wie  beim  vorigen 
Thiirme  geputzt.  Das  Dach 
hat  dieselbe  Anordnung  wie 
der  vorige  Thurm,  ist  eben- 
falls mit  Hohlziegeln  ge- 
deckt und  mit  einer  Blech- 
spitze mit  Kugel  und  Fähn- 
(Fig.  Vi.)  chen  kekriint. 

Weitere  00  Sehritte  rechts  von  diesem  Thurme  ragt 
noch  ein  vierter  über  die  an  die  Stadtmauer  angebauten 
Häuser  imd  über  die  Gipfel  iler  Bäume  hervor.  Derselbe  ist 
in  seinem  unteren  Theile  ebenfalls  vierseitig,  oberiralb  kehrt 
derselbe,  statt  wie  die  vorigen  eine  halbkreisfT)rmige  l,in- 
fassungsmauer  gegen  aussen  zu  w  enden  ,  drei  Seiten  eines 
Achteckes  als  Schluss  dem  Feinde  entgegen. 

Der  Übergang  ist  auch  hier  durch  gemauerte  Tetraeder 
vermittelt;  die  drei  vordem  Seiten  des  obern  Thurmtheiles 
haben  je  ein  ziemlich  grosses  mit  gedrücktem  Spitzbogen 
überwölbtes  Fenster;  die  Seitenflächen  haben  deren  je  zwei. 
Kleine  Schlitze  stehen  über  den  Fen.vtcrn,  ein  Putzstreit'en 
zieht  sich  unter  dem  Gesimse  hin  (Figur  13).  Dieser  Thurm 
ist  überhaupt  der  einfachste  unter  den  vier  nodi  bestehenden. 
Was  die  Zeit  der  Errichtung  dieser  verschiedenen 
Baukörper  betrifft,  so  zeigt  die  Verschiedenheit  in  der 
Frsckeinung    uml  in  dem  äusserlichcn  Scluuucke.   dass  sie 

4:;"" 


320 


iiiclit  l' 

sc'lieiiil 


iiiciii  IMiiiii'  eiilstiiiiiiNCii ,  siiliticril  (liiss  jcdci',  w  ulii'- 
ifli  iiiichdeiii  sein  V(irg:iiiigt>r  in  irgend  i'iinMii  Kriege 
oder  durch  Feuer  besuuders  golitleti 
hiilte.  ein/elu  fi'n-  sich  gehiuit  wurde. 
l)ie  Zeil  iiirer  Krh;uiiiüg  liegt  jedoch 
sehi'  rudie  beisiuuuieu.  Die  beiden 
Indhrunden  Thiirnie  könnten  etwa 
Mitte  (h-s  XV.  .Jahrhunderts  errichtet 
sein:  das  'l'iiiir  wurde  urkundlich 
l4itSv(un  Kiiuige  .lohanu  .Albreclit 
erllaut:  der  eigentliche 'l'lKirtiuu  in  er- 
s<'heiiil  mir  jeddcli  iiiicli  jünger,  und 
iiaiiii'iillich  ilaiuiii  nicht  gleichzeitig 
mit  dem  Ndrluit'e,  da  er  mit  Verputz 
iilier/.dgen  ist.  der  Vurliot'  aber  noch 
das  Irciriiclie  Macksteinniaterial  sicht- 
iiar  zeii^l. 

Die  \  olkssage,  welche  alles  Alte 
mit  poetischem  Glänze  umzaubert,  die 
jedem  Steine  einen  Namen  gibt,  für  die 


(Ki^-.  13.) 


keine  Form  oder  Zalil  ohne  ticle  IJedeutung  ist  iiiiii  die  überall 
Anknüpfungspunkte  für  ihre  (Jebilde  findet,  setzt  die  sieben 
"riiürmehen.  welche  den  liiindbau  des  Florianithores  über- 
ragen, in  lieziig  auf  die  Fiiiverleibung  der  7  ruthenischen 
llerzogthünier  miti'olcn.  Da  diese  aber  schon  über  iiiindeit 
.lahre  früher  stattfand,  so  wiire  es  gewagt,  die  Sage  als 
stichhaltig  zu  liezeiehnen  :  es  lag  für  die  Volkssage,  die  keine 
.lalire  beachtet,  zu  nahe,  an  ein  Denkmal,  das  so  vieleGlanz- 
tage  der  Gesdlichte  gesellen,  noch  eine  weitere  Itcdcntuiig 
zu  knüpfen. 

Trotz  der  giiiuzeiiden  historischen  lü-innerungcn  « iire 
aber  auch  dieses  Denkmal  zur  Zeil  der  krakauischen  lU'pii- 
blik  fast  dem  Untergange  geweiht  worden,  da  es  der  Itestau- 
ratidii  bedürftig  war  und  somit  Geld  zin-  Wiederlierstelliing 
erforderte.  Die  Frhallung  ist  vornehmlich  den  IJemühungen 
des  Baudirectors  Dr.  Kremer  zu  danken,  der  nicht  nur  die 
gelungene  Hestaui'atiou  leitete,  sondern  auch  durch  seine 
Umsieht  mit  den  zugewiesenen  geringen  Mitteln  dieses  aus- 
zuführen vermochte,  der  somit  dieses  wie  manches  andere 
altek'unstdenkinal  seiner  Yaterstadtwieder  zu  Ehren  brachte. 


Vier  steinerne  Denksäulen  zu  Ödenburg  und  Mattersdorf. 


Wenn  unsere  Vorfahren  schon  wenig  Pietät  für  die  Er- 
haltung tler  mittelalterl  ichen  Dome  gezeigt  haben,  so  kann 
es  auch  nicht  licli'ciiidcn ,  dass  sie  kleinere  Deiikniale  frü- 
licrci'  .lalirliimilcrte.  «  clclie  durch  die  Fri'mimigkeit  von  Cor- 
porationen  oder  einzelnen  Personen  entstanden  sind  und 
rüeksiiditlicli  deren  Erlialtung  die  Stifter  keine  besondere 
Verfügung  getrolTen  haben,  gänzlicli  ihrem  Schicksale  preis- 
gaben. Hierzu  gcliiii'ciidie  millchillcilichcu  Deiiksänlen,  denen 
man  vereinzelt  in  der  .Nahe  von  Slädten.  Märkten  und  Dor- 
fern—  meist  sehr  verwahrlosi  —  bi'gegnet,  über  deren 
Entstellung  in  den  wenigsten  Fällen  verlässliche  urkundliche 
Nachrichten  anzutrelfen  sind  und  w  eiche  doch  häufig  das 
Gepräge  einer  eigenlhümlichcn  Foriiiciilu  icklimg  und  sehr 
geübter  Knnslteehiiik  an  sich  tragen. 

Vier  solcher  Dcnksäulcn  in  einer  seltenen  und 
interessanten  (jru|ipiiung  in  Hinsicht  auf  ihre  Entste- 
hung hallen  sich  noch  in  und  bei  Odenliurg.  dann  in 
Mattersdorf  erhalten.  Dir  Correspondenl  der  k.  k.  Cen- 
tral-Coiniiiissioii  Herr  Franz  Storno  in  (tdenburg,  welcher 
dieselben  aufgenommen  und  gezeiciniet  iiat.  liesitzt  das  Vei'- 
dienst  ,  ziiei'st  die  Aufmeiksamkeit  auf  dieseliien  gelenkt  zu 
haben,  indem  er  uns  hiervon  nach  seiner  Aufnahme  sachver- 
ständige Zeichnungen  übersendet  hat,  und  von  drei  ilersel- 
ben  hatten  wir  kürzlich  Gelegenlieit  uns  zu  überzeugen,  dass 
sie  in  der  Wesenheit  getreu  dargestellt  sind  und  Hr.  Storno 
nur  an  einigen  Details,  welche  unter  dem  Einflüsse  der 
Jahrhunderte  ihres  liestandes  gelitten  haben,  stylgemässe 
Ergänzungen  in  der  Zeiclinung  vorgenommen  hat. 

rrkundlicbc  Nachrichten  über  den  Umstand,  durch  wen 
lind  auf  welche  Veranlassung  diese  Denksäulen  gesetzt  wur- 


den, stehen  uns  gegenwärtig  nicht  zu  Gebote,  da  die  Local- 
gescliicbte  von  (hlenburg  —  wiewohl  sie  in  neuerer  Zeit 
fleissig  bearbeitet  wurde  —  darüber  nichts  enthält  und  auch 
auf  dem  Wege  der  Uorresiiondenz  wir  nichts  in  JM'lahriiug 
bi'iiigen  konnten.  Es  erübrigt  uns  daher  nichts  als  aus  der 
Kunstform  annäherungsweise  den  Zeit|iunkt  zu  bestimmen, 
welchem  diese  Säulen  angehören. 

Die  älteste  der  Denksäulen  ist  ohne  Zweifel  das  soge- 
nannte ..Hastkreuz-  bei  Odenliurg  (Fig.  1)  auf  der  Strasse 
nach  Wolfs  und  an  einem  Scheidewege  in  die  sich  ausbrei- 
tenden Weingärten  gelegen.  Die  untere  Hälfte  der  Säule 
ruht  auf  einem  breiten  viereckigen  Sockel,  worauf  sich  auf 
einer  Basis  mit  kräftiger  Gliederung  der  viereckige  Schaft 
der  Säule  aufhaut.  An  jeder  der  vier  Seiten  sind  lialbsäulen 
vorgelegt.  Der  obere  Theil  der  Denksänle  ist  nach  drei  Sei- 
ten hin  durch  einen  {{imdbogeii  geölVnet  und  mit  einem  stei- 
len giebrll'iirmigen  Dache  abgeschlossen.  Das  Innere  der 
Öllnung  ist  flach  gedeckt  und  scheint  früher  zur  Aufnahme 
einer  Heiligenfigur  bestimmt  hew csen  zu  sein.  Eine  der  Halh- 
säiilen  besitzt  gleiclilalls  eine  spilzbogige  iXisclie.  Bings  um 
die  Deiiksänlen  «aren  früher  steinerne  Bänke  angidiracht. 
die  eiiirii  Hiilie|iiiiikt  aligalieii.  wiilier  auch  die  llezeichnung 
„Bastkreuz-  rühren  dürlte.  Wenn  wir  den  Charakter  der 
Banformen  in  Betracht  ziehen,  so  lässt  sich  mit  ziemlicher 
(iewissheit  behaupten,  dass  diese  Denksänle.  wenn  nicht  frü- 
jier.  doch  in  ihr  2.  Hälfte  des  Xlll.  .I.iluhiinderts  errichtet 
wurde. 

Einer  späteren  Epoche  und  zwar  w  alirseheiulich  dem 
XV.  .lahrhundertgehört  die  Denksäuli- an,  welche  neben  dem 
Leonharl,-lli(ire   in  ÖdenlmrL;    aiil'ge>telll   ist   (Fig.  2).    Die- 


—   321 


selbe  erscheintgegenwartig  in  die  Stadtmauer  eingebaut,  was 
jedoch  früher  nicht  der  Fall  gewesen,  als  in  das  Stadtgebiet 
von  Odenhurg  noch  nicht  jener  Rayon  gehörte,  worauf  ge- 
genwärtig die  Saale  sich  befindet,  die  alten  Stadtmauern 
mithin  noch  eine  andere  Richtung  genommen  hatten.  Die 
Säule  ruht  gleichfalls  auf  einer  viereckigen  Rasis,  sie  baut 
sich  jedocli  im  Dreieck  ;iuf.  Jede  der  unteren  Flächen  ist 
mit  Masswerk  von  verschiedenen  Formen  bedeckt.  Der  Auf- 
satz ist  nach  zwei  Seiten  hin  geöffnet ;  die  Bedachung  war 
ehemals  mit  Fialen  an  den  Ecken  verstärkt,  von  denen  jedoch 


In  östlicher  Richtung  von  üdenburg  auf  freiem  Felde 
steht  das  sogenannte  „Angerkreuz"  (Fig.  3).  Wie  die  Jali- 
reszaiil  auf  demselben  nachweist,  wurde  die  Säule  im  .lahre 
1482  errichtet.  Sie  erhebt  sich  auf  einem  unverbältnissmäs- 
sig  schmalen  Sockel  mit  steiler  Gliederung.  Eben  so  schmäch- 
tig ist  der  Aufbau  des  unteren  Theiles  der  viereckigen  Säule. 
Die  Flächen  sirul  gleichfalls  mit  gothischem  Masswerke  und 
jede  Fläche  mit  einer  andern  Glicderimg  bedeckt.  Der  Auf- 
satz ist  innen  gewölbt,  gegen  Süden  zu  geöffnet;  früher  be- 
sass  er  auch  gegen  Westen  eine  spitzbogige  Fensteröffnung, 


(r>g.  1 ) 


(ris-2-) 


nur  mehr  Bruchstücke  vorhanden  sind  und  an  der  Stirnseite 
des  Daches  ist  ein  Wappenschild  angebracht,  welches  jetzt 
wegen  Undeutlichkeit  nicht  näher  bezeichnet  werden  kann. 
Die  Fialen  so  wie  die  Rekrömmg  des  Daclies  mit  dem  Kreuze 
sind  in  der  Zeichnung  von  Hrn.  Storno  ergänzt  worden, 
um  anzudeuten,  in  welcher  Weise  die  schadhaften  Theile 
wieder  restaurirt  werden  könnten. 


(!••!?.  3  ) 


(Fisr.  i.l 


die  al)er  jetzt  vermauert  ist.  Das  Dacli  ist  durch  Laubwerk- 
Ver/.iernngen  ausgezeichnet. 

Die  vierte  Säule  bei  Mattersdorf  (Fig.  4)  —  einem  Oite. 
der  ungefähr  zwei  Stunden  von  Üdenburg  entfernt  liegt  — 
führt  die  Rezeichnnng  ..Halterkreuz-.  Wir  haben  nicht 
Gelegenheit  gehabt,  diese  zu  besichtigen  und  können  daher 
auch    nicht    bestätigen .     dass     alle    Details    gegenwärtig 


—   322   — 

iiiicli    in   (lioscni    Ziistiindo    iiiiziitrelVen    sind,    ^\io  wir  sie  Sfylps   TÜdit  niolii'   in   ihrer   t'riilieren    lieinlieit   re|ir(»(liieirt 

hier    in    der  Ahliikinni,'    vcriiHentliehen.    Der   ganze   Auf-  wnrden. 

bau  dieser  Säule  seheint  uns  al)er  dafür  zn  spreehen.  dass  Itas  Interesse,  welches  sieli  au  diese  Speeialitäten  der 

die  Siiule  erst  gegen  Mitte  des  XV.  .lalirhundeils  entstan-  niiltehdterlielien  liaukunst  knii|)fl.   seheint  uns  gross  genug, 

den  ist.   hie  . Zuordnung  der  Fialen  des  gesehweil'teu  Spitz-  dass  dieÖdeiibnrger  Stadtgemeinde  uuil  jene  ven  Mattersdorf 

bogens  und   die   Fischblase  des  Masswerkes  weisen  schon  nicht  die  geringen  Kosten  selieuen  sollten,  um  sie  von  saeh- 

auf   jene    Periode    des    Gotiiik,     worin    die    Formen    des  verständiger  llaud  reslauriren  zu  lassen.  K.  W. 


Reisebericht  über  einige  Denkmale  zwischen  Bozen,  Tirol  und  St.  Pauls,  dann  des  Thaies  Mareit  und 

Riednann  in  Tirol. 

Von    G.    T  i  n  k  li  :i  u  sei",    k.  k.  Conscrvator    für    ilcn    lirixner    Kreis  in  Tirol. 


Die  gothische  Pfarrkirche,  welche  sich  auf  einer 
massigen  Anliöhe  zu  oherst  im  Dorfe  Gries  erhebt,  nimmt 
zuerst  das  Auge  des  Reisenden  in  Anspruch.  Das  Presby- 
teriiim,  die  gegen  Süden  daran  gebaute  Capelle  mit  einem 
sehr  schönen  Portale  und  der  darunter  liegenden  Krypta  sind 
kostliare  Werke,  durehgehends  aus  schön  gemeisseltem 
Sandstein  und  mit  ziemlich  reicher  Gliederung  ausgeführt. 
Das  ärmlich  und  später  erbaute  Langhaus,  wo  nur  die  Wand- 
säulen und  die  Gurten  von  Stein  sind,  beweist,  dass  entweder 
die  Geldmittel  fehlten,  oder  der  Bau  durch  ein  besonderes 
Ereigniss  unterbrochen  worden  ist.  Die  Zwischenperiode 
fällt  nämlich  in  die  Zeit  der  neformationswirren.  Das  Pres- 
byterium  wurde  nach  der  Inschrift,  welche  auf  einer  Tafel 
an  dei-  Wand  des  Langhauses  zu  lesen  ist,  um  das  Jahr  1460 
gebaut.  Die  reinen  Stylformen  scheinen  auf  ein  höheres 
Alter  hinzudeuten.  Es  finden  sich  noch  schöne  Kreuzge- 
wölbe, an  den  Wandsäulen  Consoleu  und  Baldachine;  die 
Capitäle  tragen  den  Blumenschmuck  —  Alles  ist  sehr  gut 
und  schön  gearbeitet.  Die  nämliche  Inschrift  sagt  weiter, 
dass  die  Capelle  mit  der  Gruft  um  das  Jahr  1519 
aufgeführt  worden  ist.  Und  in  der  That  gehört  die  Bauart 
wirklich  dieser  Zeit  an.  Es  herrscht  darin  eine  gewisse 
Pracht,  die  Dienste  sind  noch  sehr  gut  gearbeitet,  aber  das 
.Vetzgewiiibe  trägt  mit  seinen  Fisclildasen  -  Feldern  schon 
zu  dciiilich  das  Gepräge  der  Entartung.  Vorzüglich  schön 
ist  das  Portal  dieser  Capelle.  Es  hat  die  Jahreszahl  1529  und 
gehört  unstreitig  zu  den  schönsten  Monumenten  der  gothi- 
schen  Periode  in  Tirol.  In  der  Caiielie  findet  man  noch  gut 
erhaltene  Reste  des  ehemaligen  Hochaltars  von  Michael 
Paeher  aus  Bruneek,  welche  mit  anderwärtigen  Stücken 
aus  der  i,'otliischen  Periode  nun  zu  einem  Ganzen  vereinigt 
worden  sind.  Das  Langhaus  ist  ein  ganz  einfacher  Bau 
mit  einem  Xetzgewölbe  aus  den  letzten  Zeiten  der  Gothik. 
Die  noch  gut  erhaltene  Vorhalle  des  Südportales,  welches  mit 
reicheren  Formen  ausgestattet  ist,  zeigt  die  Jahreszahl  1Ö39. 
Sowohl  hier  als  auch  in  der  Capelle  und  Krypta  laufen  die 
Gurten  unmittelh.ir  aus  den  Wandsänien,  wie  es  der  letzten 
Zeit  di'r  gothischeu  Periode  cigenthündich  ist. 

Diese  Kirche  wurde   unter   der    königlich    bairischen 
Regierung  gesperrt  (1808)    mul  diente  fortan  als  Bauern- 


Magazin,  bis  sie  durch  die  Bemühung  des  Pfarrers  Leodegar 
Kretz,  Cunventualen  des  nach  Gries  übi-rtrageneu  Stiftes 
Muri,  wieder  erneuert  imd  mit  4  Altären  am  29.  (tctober 
1848  eingeweiht  worden  ist.  Die  Bestauration  wurde  im 
Innern  der  Kirche  mit  Geschick  und  emsigem  Fleiss  durch- 
gefidirt,  wie  überhaupt  diese  würdigen  Ordensmänner 
auch  ihr  jetziges  Klostergebäude,  welches  seit  der  .\uflie- 
buiig  des  ehemaligen  Chorlierrenstiftes  viele  Jahre  lang  ver- 
ödet dagestanden,  mit  verschiedenen  alten  Kunstwerken  und 
Einrichtungsstücken  ausgestattet  haben.  Nur  der  Thurm, 
welcher  ein  gemauertes  Spitzdach  trägt,  wurde  mehr  ent- 
stellt als  hergestellt.  Einige  Fenster  der  Kirche  sind  des 
Masswerkes  beraubt  oder  gar  umgebaut. 

im  Friedhof  dieser  Kirche  findet  man  ein  schönes  stei- 
nernes Relief  als  Grabmonument  vom  Jahre  1583,  welches 
aber  ganz  mit  weisser  Tünche  belegt  ist. 

Ich  habe  den  Kirchenvorstand  ersuchen  lassen,  Sorge 
zutragen,  dass  die  Tünche  abgelöst  werde.  Ein  anderes 
Grabmonument,  welches  geschichtlichen  Werth  liat,  bewahrt 
die  schöne,  wegen  der  berühmten (jemälde  Knollcr's  allen 
Kunstfreunden  wohlbekannte  Stiftskirche  zu  Gries  in  einer 
Seitennische  zur  rechten  Hand.  Dasselbe  zeigt  eine  Frau  in 
Lebensgrösse  mit  einer  Kirche  in  der  rechten  Hand.  Darüber 
steht  die  folgende  erst  in  neuerer  Zeit  verfasste  Inschrift : 
Prima  henefactrix.  Trnnxintio  l'r/iar  Fiiiidfitricls  rlr 
Vdliil,  u.voris  Aniohli  Cvfifcnstcin.  Die  Stifterin  hiess 
Mathilde.  Sie  war  eine  geborne Grälin  von  Vallai  inid  wurde 
dem  verwitweten  Arnold  Grafen  vonMorit  und  Greifen- 
stein in  zweiter  Ehe  angetraut.  Die  Cannnie  ward  zuerst 
in  der  Au,  nahe  beim  jetzigen  Bergschlosse  Siegmundskron 
gegründet  (lltJO),  dann  um  das  Jahr  1417  wegen  wieder- 
holter Wassergefahr  nach  Gries  übersetzt.  Von  dieser  Zeit 
her  schreibt  sich  das  genannte  Monument. 

Die  ansehnliche  Kirche  in  Terlan,  welche  ganz  aus 
gemeisseltem  Stein  gebaut  ist,  mit  dem  .schief  siehenden 
Thurmc  gehört  ebenfalls  zu  den  schönsten  und  merkwür- 
digsten Monumenten  des  Mittelalters  in  Tirol.  Sie  entstand, 
wie  Beda  Weber  bemeikt  (die  SladI  Bozen  und  ihre  Ini- 
gebungen,  S.  2C4),  um  1380— 1400  durch  die  reichliche 
Beisteuer  der  Gerichtsherren  vonNiederthoi-,  die  allenthalben 


323 


ihre  Wappen  tiiui  Gi"iil)niali'  aiigebraelit  liabeti.  Dieser 
Zeit  entspricht  der  ganze  Ban  mit  Ausnahme  der  beiden 
Thürme,  von  welchen  der  eine  an  der  Nordseite  sich  anlehnt, 
der  andere  aber  ganz  frei  steht.  Die  Kirche  bildet  ein 
Scliiff,  steht  aber  durch  zwei  Arcadenbögea  mit  einem 
schmalen,  niedrigen  und  schilTartigen  Nebenbau  an  der 
Nordseite  in  Vorbindung.  Den  Plafond  liilden  schüne  regel- 
mässige Kreuzgewölbe.  Die  Wandsiiulen  und  Dienste  ruhen 
theils  auf  Kragsteinen,  theils  ziehen  sie  sich  ganz  bis  zum 
Boden  hinab.  Die  reicher  gegliederten  Arcadenpfeiler  steigen 
ohne  Sockel  vom  Grunde  auf.  Die  Rippen  ruhen  durchaus 
aufCapilälen,  welche  ebenso  wie  dieConsolen  mitMenschen- 
oder  Thierfiguren  geziert  sind.  Der  ganze  Bau  ist  schön  und 
in  reinen  Für?nen  mit  Aufwand  ausgeführt.  Das  ehedem  so 
schöne  Westportal  sieht  man  nun  zerstört,  nur  der  Aufsatz 
mit  zwei  Figuren  und  Baldachinen  ist  noch  erhalten.  Das 
Masswerk  wurde  aus  allen  Fenstern  weggenommen  und  in 
der  Westseite  schon  vor  mehreren  .lahren  eine  Empore  ein- 
gebaut. Übrigens  wird  jetzt  die  Kirche  und  der  alte  Tauf- 
stein darin  mit  Sorgfalt  bewalirt.  Auf  einer  Wandfläche  des 
fjanghauses  rechter  Hand  bemerkt  man  ein  Gemälde,  welches 
dem  IS.  Jahrhundert  anzugehören  scheint.  Die  Tünche, 
womit  man  es  in  früherer  Zeit  bedeckt  hat,  löst  sich  von 
selbst  ab,  so  dass,  wenn  der  gehörige  Fleiss  angewendet 
wird,  das  Bild  noch  vor  dem  Untergange  gerettet  werden 
kann. 

Interessant  sind  auch  die  beiden  Thürme.  Der  kleine 
und  niedrige,  welcher  den  Nebenbau  auf  der  Nordseite 
abschliesst,  ist  älter  als  die  jetzige  Kirche,  wahrscheinlich 
noch  ein  Überbleibsel  der  frühem  Kirche.  Er  zeigt  roma- 
nische Kuppelfenster  aus  der  späteren  Periode,  das  Mauer- 
werk ist  in  schmalen  Schichten  aus  unbehauenen  kleinen 
Steinen  über  einander  gelegt.  Der  grosse,  neben  dem  süd- 
westlichen Kirchenwerk  freistehende  Thurm  scheint  jünger 
als  die  Kirche  zu  sein.  Er  ist  ganz  aus  gehauenen  Quadern 
gebaut  und  ragt  mit  seinem  Spitzdache  hoch  auf  Wahrlich 
ein  majestätischer  Bau,  welcher  durch  die  gewaltigen  Massen 
■  und  seine  riesenhafte  Gestalt  die  ganze  Gegend  beherrscht. 
Er  steht  bedeutend  schief  und  hat  eine  Abweichung  von 
7  Schuh  und  4  Zoll  gegen  Südwest. 

Gleich  beim  Eintritt  in  das  Gebiet  der  Stadt,  hart  am 
Ufer  der  Passer,  zu  Meran  zeigt  sich  eines  der  seiiöusten 
Baudenkmale  Tirols  aus  der  2.  Hälfte  des  XV.  .lahrbnndcrts. 
Es  ist  dies  die  Spi  talki  rchc,  welche  um  das  .lalir  1486 
aufgeführt  worden  ist.  Sie  bildet  einen  Hallenbau  mit  cinom 
schönen  Netzgewölbe,  welches  von  neun  runden  Säulen 
getragen  wird.  Der  Gang  der  Seitenschille  zieht  sich  [\m 
das  Presbyterium  durch  die  ganze  Kirche.  Die  Säulen. 
Dienste  undRippen  sind  aus  gemeisseltem  Stein.  Die  Bippen 
steigen  durchwegs  ohne  Capiläl  unmittelbar  aus  den  Säulen 
auf.  Die  Fenster  sind  dreifach  getheilt  und  enthalten  im 
Masswerk  vorherrschend  die  Fischblase.  An  den  Säulen 
bemerkt  man  eine  zehnseitige  Basis  und  den  attischen  Fuss. 


Die  Kanzel  hat  durchbrochene  Steinarbeit.  Ober  dem  Hoch- 
altäre zeigt  sich  am  Gewölbe  ein  altes  Gemälde:  die  heil. 
Dreifaltigkeit  mit  den  4  Evangelisten.  .Merkwürdig  ist 
die  Darstellung  der  ersteren  :  Christum  mit  fünf  Wundmalen 
stützen  2  (»reise.  .Alles  ist  gut  erhalten .  nur  vermisst  man 
die  alten  Altäre,  an  deren  Stelle  grundschlechte  Arbeiten 
getreten  sind.  Indessen  ist  bereits  die  ernstliche  .\nreguiig 
erfolgt,  wenigstens  den  Hochaltar  zu  entfernen  und  dafür 
einen  andern  im  entsprechenden  Styl  ausgeführten  aufzu- 
stellen. Vor  der  Hand  hat  man  die  Altarflügel,  wenn  ich  nicht 
irre,  vom  Schloss  .Auer,  oberhalb  Tirol ,  daher  übertrügen 
und  an  der  Wand  aufgehängt,  um  den  Leuten  einen  Vorge- 
schmack dessen,  was  erst  werden  soll,  /.n  bieten.  Zum  Bau 
dieser  Kirche  hat  Se.  k.  Hoheit  Erzherzog  Siegmuud  wesent- 
lich viel  beigetragen.  Daher  bemerkt  man  daran  auch  irgend 
eine  Pracht.  In  den  Wandsäulen  sieht  man  die  unterbroche- 
nen Stellen,  wo  Kragsteine  mit  Figuren  und  Baldachinen 
hätten  angebracht  werden  sollen.  Das  Portal  ist  wirklich 
ein  Prachtbau  nach  dem  Geschmack  der  Zeit.  Es  bildet  eine 
Doppelthüre  und  hat  ein  Tympanum  mit  Figuren,  worüber 
sich  der  gothische  Bogen  in  mehrfacher  Gliederung  schwingt. 
Den  Abschluss  bildet  der  sogenannte  Eselsrücken  mit  der 
Kreuzblume  und  den  beiden  Fialen.  Alles  ist  aus  schön 
gemeisseltem  Stein.  Dieses  Portal  trägt  auch  das  Monogramm 
des  Meisters  'iX  und  dessen  Wa|i[ien,  welches  eine  Fratze 
auf  dem  Schilde  mit  geschlossenem  und  gekröntem  Helme 
zeigt. 

Die  Pfarrkirch  e  mit  ihrem  hohen  Thürme  zeigt  sich 
von  aussen  als  ein  grossartiges  Gebäude ;  aber  sie  ist  nicht 
das  Werk  eines  Meisters;  ja  die  einzelnen  Tlieile  gehören 
nicht  einmal  derselben  Zeit  an.  Dies  macht  besonders  im 
Innern  einen  sehr  störenden  Eindruck,  um  so  mehr,  als  auch 
die  neuere  Zeit  durch  verscliicdenc  Zuthateu  das  ihrige  bei- 
getragen hat.  Das  Presbyterium  und  der  Thurm  sind  ofl'en- 
bardie  besten  Theile:  sie  stammen  aus  dem  XIV.  Jahrhundert 
und  sind  noch  im  reinen  Style  durchgeführt.  Jenes  hat  schöne 
Kreuzgewölbe  mit  einfaclier  Bauart.  Der  Thurm  steigt  maje- 
stätisch zu  einer  gewaltigen  Höhe  auf.  Er  soll  der  höchste 
in  Tirol  sein  und  ruht  auf  einem  sehr  festen  Gewölbe,  durch 
welches  der  Weg  führt.  Dasselbe  zeigt  Gemälde  aus  dem 
XV.  Jabrliundei't,  wovon  eines  noch  gut  erhalten  ist.  Das 
Uanghans  «  urde  um  die  Mitte  des  XV.  Jahrhunderts  gebaut, 
imd  zwar  von  dem  nämlichen  Meister,  welcher  die  Spilal- 
kircbe  aiifgefübrt  hat.  Das  hoch  aufstrebende  Netzgeviilbe 
wird  von  10  runden  Säulen  getragen.  Beinahe  in  allen  Thei- 
leu  erscheinen  die  gleichen  Formen,  wie  wir  sie  bei  der  Spi- 
talkirche vorgefunden  haben.  Selbst  die  Kanzel  jnil  vollkom- 
men die  nändiche  Gestalt  und  ganz  dasselbe  Masswerk.  Da 
das  liangbaus  ein  Hallenbau  aus  der  spätgothischen  Periode 
ist,  so  begreift  man  von  selbst,  wie  störend  es  wirkt, 
dass  es  sich  ohne  vermittelnde  Zwischenglieder  an  das  Pres- 
byterium anschliesst.  Das  Ganze  wird  noch  mehr  entstellt 
durch  den   Musikchor,    welcher   im  Style  der  Renaissance 


324    - 


eingebaut  wurde.  Eben  so  wenig  i;ann  nuin  sicli  über  liie 
RestaunitiiiM  ortVeiieii.  welcbe  in  iieiicrcr  Zeit  ausgeführt 
worden  ist,  da  man  die  seliimen  (lewölbe  mit  Idauer  Farbe 
und  zerstreuten  Goldsternen  beleckte.  lM(b\ssen  wird  das 
noch  Vorhandene  sorgfaltig  erbalten  .  und  man  weilt  gern 
in  iiiul  bei  (lieser  Kirche,  «eil  sie  in  den  einzelnen  Theilen 
sehiiiie  l'"(irmeM  zeigt  und  midirere  Kunstwerke  bewahrt. 
Vor  andern  bewundert  man  die  drei  (iemalde  von  unserm 
vateriändisL-lieii  Kiinstlcr  Martin  Knoller.  iiäiiilich  Maria 
11  imnielCabrt  auf  dem  Hoehaltare.  Christi  (ieburt  nnd 
das  Abendmahl  auf  den  /.«ei  nächsten  Seitenaltiircn.  Ein 
Fenster  des  Langhauses  umrahmt  kostbare  (Jlasgemiilde  und 
VVappenschildungen.  Das  Portal  auf  der  Siidseile  inid  die 
steinerne  Statue  daneben  sind  mehr  kostbare  als  künstlerische 
Arbeiten. 

Zunächst  an  die  Pfarrkirche  stellt  die  St.  Karbara 
Capelle,  unter  weicher  eine  Krypta  von  gleichem  Umfange 
liegt.  Diese  Capelle  ist  ein  sehenswerther  H  u  n  d  b  a  u  ohne 
Stützen,  aus  der  Glitte  des  X\  .  Jahrhunderts.  Ich  mludite 
hier  wieder  den  nämlichen  Hauincister  linden.  «  elcher  die 
Spitalkirehe  und  das  fjanghaus  der  Pfarrkirche  aufgeführt 
hat.  Das  Gewiilbe  der  finsterii  Krypta  ruht  auf  ^  ier  Säulen, 
um  welche  ein  Gang  führt,  der  aber  durch  später  angebrachte 
Altäre  und  andere  Geräthschaften  an  melireren  Stellen  ver- 
legt ist.  Dieser  Übelstand  schadet  dem  Gebäude  und  bindei't 
die  notiiwendige  Reinhaltung.  Die  Zeit  der  Entstehung  ist 
naci)  den  Formen  des  Baues  die  nämliche,  wie;  bei  der  Capelle. 

Eines  muss  hier  noch  beigefügt  werden,  nämlich  der 
Wunsch,  dass  die  Grabmoniimente .  welche  seit  der  Aufhe- 
bung  des  alten  Friedhofes  bestinimungslos  und  zerstreut 
herumliegen,  doch  endlich  aio  passenden  Oi'te  aufgestellt 
werden. 

Das  ä  1 1  er  e  K  e  1 1  er  am  ts-Ge  b  ä  u  de ,  welches  seit- 
wärts von  der  Gasse  gegen  den  Küchli)erg  liegt,  verdient 
ebenfalls  unsere  Beachtung.  Man  zeigt  dort  die  sogenannten 
Kaiser/.inuner,  das  heisst  die  Gemächer,  welche  die  Grafen 
von  Tirol,  so  oft  sie  sich  in  Mcran  aufhiellcn,  bewohnt  haben. 
Diese  geben  uns  ein  treues  Bild  von  dem  einfachen  und  trau- 
lichen Familienleben  der  damaligen  Zeit.  Das  prunklose 
Getäfel  mit  den  Schildongen  von  Tir(d  und  GiJrz,  die  langen 
Wandbänke,  die  Sitze  am  Erker  sind  die  sprechenden  Zi^u- 
gcn  dafür.  Auf  den  lieiilen  \N  andlläidieu  des  lOrkers  bemerkt 
man  noch  die  Contouren  und  auch  einzelne  Figui'en  von 
erbleichten  Gemälden.  Die  an  diese  Gemächer  anslossende 
Capelle,  bei  welcher  eheilem  ein  eigener  Pi'iester  augestellt 
war,  ist  nun  viilli;,'  verunstaltet  und  bietet  nichts  Sehens- 
werthes,  ausser  ein  paar  alte  Figin'cu,  welche  an  der  Wand 
gemalt  sind:  St.  fJottfried  mit  der  iieichskugel  und  dem 
Scepter.  mid  St.  Oswald,  ebenfalls  mit  dem  Scepter  und 
der  Beichskugel  ,  worauf  ein  {{abe  sitzt,  itäthselbaft  und 
merkwürdig  ist  ein  altes  Mauergemälde  in  der  Sacristei. 
Oben  sieht  man  'l'ubalkain  als  Erlindcr  der  Musik,  und 
David,  den  König,  als  Harfner  ujit  den  lusi-hriften  : 


Her  David  lohet  got  also  schone 
mit  Musyca  vTider  seiner  werden  kinikhiichen  Krone, 
und  :   von  Thubalkidianes  luuner  Klanck 

ward  Musyka  i'rliiiiden  vnd  der  Gesank. 
Darunter  sind  in  einem  Felde  s|iielende  Kinder  oder 
Anmretlen  mit  eioeni  lluliiarren.  im  andern  Felde  erscheint 
die  Braut,  wie  sie  dem  \N Crber  vorgel'ührt  wird.  Dai'iiber 
liemcrkt  man  einen  Hasen  not  einer  Schnecke  auf  dem 
Rücken  im  vulleii  Laufe.  Nim  den  Inschriften  konnte  ich  nur 
die  lolgende  ganz  entzilVcrn  : 

Gelück  geet  hir  behendika(it), 

des  daucht  sieh  d'schueg  gemayt, 

do(?)  er  mit  seine  schlauh(en) 

Ainen  Ibjsen  tedt  erlaulfen. 
Man  bezieht  dieses  (jemälde  auf  die  Vermählung  der 
Margaretha  Maultasch  mit  Ludwig  dem  Brandenburger,  und 
findet  darin  einen  Spott  auf  die  rngeschicklichkeit  derGeg- 
ner  dieses  Ehebünduisses.  Es  dürfte  dies  auch  wirklich  die 
beste  Deutung  sein.  Das  Bildwerk  mag  in  das  Xl\  .  .Jahr- 
hundert hinaufreichen.  Als  Maler  nennt  man  einen  gewissen 
Chri  stop  ho  r  US  von  Mcran. 

Die  merkwürdigsten  von  den  alten  Burgen,  webdie  die 
Hügel  und  Bergeshalden  rings  um  Meran  beherrschen,  und 
reich  an  geschichtlichen  Eriunernngen  die  dahin  geschwun- 
denen ■lahrluinderte  wieder  zurück  rufen,  siml  die  Schlilsser 
Zenoberg  und  Tirol.  Beide  liegen  grossentheils  in  Rui- 
nen; aber  die  L'berreste,  welche  jetzt  sorgfältig  bewahrt 
werden,  zeigen  noch  namhafte  Rautheile  aus  der  romanischen 
Zeit.  Dahin  geboren  vor  andern  die  zwei  Portale  im 
Schlosse  'J'irol,  wovon  das  eine  in  ilen  alten  Rittersaal,  das 
andere  in  die  anstossende  Capelle  lidirt.  und  ilas  auf  Zeno- 
berg, durch  welches  man  in  die  zwei  neben  einander  lie- 
genden Capellen  gelangt.  Diese  sind  in  der  vaterländischen 
Zeitschrift  desFerdinandeums  (.lahrgang  1828,  Seite  153  If.) 
und  von  Heda  Weber  (Meran  iiihI  seine  rmgebuogen. 
Seite  löT)  wi'itläulig  bespniclien  worden,  so  dass  ich  mir 
eine  Detailbeschreibung  füglich  ersparen  kann.  Nur  die  fol- 
genden allgemeinen  Bemerkuneen  mögen  hier  Platz  finden. 
Die  Portale  in  Tirol  sind  sehr  reich,  aber  auch  ni(dit  minder 
ridi  heaibcitet.  Die  Reliefs  auf  der  äussersten  Umrahmung 
haben  nicht  einmal  die  glei(dieii  Dimensionen,  sie  reichen 
eben  so  weit,  als  die  einzelnen  Sieine  i's  erlaoliteii.  Insbe- 
sondere zeichnet  sich  das  der  Capelle  durch  seiiu'  phanta- 
stischen Gebilde  und  Zierathen  aus.  Es  ist  in  drei  Winkeln 
eirigeschrägt.  Die  Saide,  welche  das  Tympanum  stützte  und 
die  Tliür  abtheilte,  ist  \erscliw  ooden.  In  den  vinilerslcii 
\\  inkeln  der  Einschrägimg  sind  Stäbe  angebracht,  auf  deren 
Capilälen  iler  Tirolei'  Adler,  aber  noch  nicht  heraldisch 
geformt,  sitzt.  Miese  beiden  l'ei'lale  reiclieii  in  die  erste 
Zeit  des  .\ll.  .lahrliiinderts.  oder  in  eio  mich  hidiercs  .\lter 
hinauf.  Die  Capcdle,  in  welcher  man  nichts  .Merkwürdiges 
mehr  lindet.  aiisver  ein  Messkleid  vom  XN  I.  .lahrbiindert  und 
ein  grosses,  mit  dickem  Farbenaufirag  entstelltes  Crucifixbild 


3  25  — 


aus  dem  XV.  Jahrhuiulert,  hat  einen  Unterbau  von  ganz 
gleicher  Grosse  und  Gliederung ,  welcher  in  grauer  Vorzeit 
die  fürstliche  Gruft  umschloss.  Hier  ruhten  die  Gebeine 
Meinhard's  I.  und  von  mehreren  seiner  Vorgänger,  bis  sie 
im  Jahre  1284  in  die  landesfürstliche  Gruft  des  neu  gegrün- 
deten Stiftes  Stams  übersetzt  worden  sind.  Auch  das 
Sehloss  Zenoherg  war  ein  beliebter  Aufenthaltsort  der 
alten  Fürsten  von  Tirol.  Sowohl  die  Capellen  als  auch  das 
Portal  stammen  aus  der  letzten  Zeit  der  romanischen  Periode. 
Die  Steine  sind  hier  schon  behauen,  die  Gebilde  und  Formen 
mit  mehr  Kunstfertigkeit  behandelt.  Auf  der  Innenseite  des 
Portals  erscheint  schon  der  Tiroler  Adler  heraldisch  ange- 
bracht; die  übrigen  Bilder  zeigen  grösstentheils  phan- 
tastische Thiergestalten,  welche  nur  als  Ornamente  ohne 
besondere  Bedeutung  zusammengestellt  zu  sein  scheinen. 
Das  Nämliche  möchte  ich  mit  Ausnahme  des  segnenden  En- 
gels im  Tympanum  auch  von  dem  Tiroler  Portale  behaupten, 
welches  in  den  Rittersaal  führt  <).  Denn  es  folgen  hier,  regel- 
mässig gegenübergestellt ,  aufeinander;  Menschenfigu- 
ren, Löwen,  Widder  und  dann  Tiger.  Anders  verhält 
es  sich  mitdenReliefs  auf  dem  Portale  der  Capelle 
in  Tirol.  Hier  haben  wir  allerdings  bedeutsame  Bild- 
werke. Freiherr  von  Hamm  er  erklärte  sie  aus  den  Geheim- 
lehren der  Gnosis,  Graf  v.  Gi  o  v  an  elli  aus  Mythen  ver- 
schiedener Völker  und  Zeiten.  Aber  es  sind  offenbar  nur 
ikonographische  Darstellungen,  wie  wir  sie  an  allen  kirch- 
lichen Bauwerken  der  romanischen  Periode  finden.  Einige 
davon  mögen  nur  zur  Ornamentik  dienen,  in  anderen  aber 
wird  der  geistige  Kampf  und  die  Weihkraft  des 
Christenthu  ms  gegen  die  bösen  Geister  und  die 
Leidenschaften  ver  sinn  licht.  Besonders  merkwürdig 
ist  das  unterste  Bild  rechts,  wo  eine  Taube  einen  mit  Wuth 
sich  aufbäumenden  Drachen  beim  Kopf  erfasst  und  bändigt, 
sei  es,  dass  die  Taube  den  schützenden  Engel  nach  der  in 
der  christlichen  Symbolik  sehr  häufigen  Vorstellung,  oder 
das  heiligste  Altarsacranient  mit  Beziehung  auf  die  columba 
der  Alten  versinnlicht. 

Endlich  bemerke  ich  noch,  dass  auf  Zenoberg  auch 
eine  fürstliche  Gruft  sich  befand.  Leopold  und  Adel- 
heid, die  Kinder  unsers  Landesfürsten  Heinrich,  fanden 
hier  ihre  Puihestätte.  Jetzt  gehört  das  Sehloss  dem  Herrn 
von  Breitenberg  zu  Bozen,  welcher  die  Überbleibsel 
sorgfältig  bewahrt  und  hier  eine  Sanmilung  von  Urkunden, 
Schriften  und  verschiedenen  alten  Geräthschaften  ange- 
legt hat. 

Ein  ansehnliches  Bauwerk  bildet  die  Pfarrkirche 
von  Lana.  Sie  ward  um  das  Jahr  1483  aufgeführt,  wie  die 
Jahreszahl  auf  dem  Westportale  anzeigt.  Die  Waudsäulen  des 
Langhauses  machen  einen  Vorsprung  in  die  Kirche,  so  dass 


')  über  dieses  Portal  liegt  uns  eine  vom  Architekten  Hrn.  J.  Hieser  ange- 
fertigte Aliljildung  vor,  deren  Verötrentlictiung  im  niiehsten  .Iiilirgange 
dieser  Zeitsctirift  erfolgen  wird.  f).  Red. 

II. 


an  beiden  Seiten  cii[iellenähnliche  Räume  erscheinen,  über 
welche  sich  die  Schildbögen  schwingen.  Der  Plafond  zeigt, 
wenn  ich  mich  noch  recht  erinnere,  ein  gutes  Netzgewölbe, 
die  Gurten  steigen  im  Langhause  unmittelbar  aus  den  Wand- 
säuleii,  im  Presbyteriuni  aber  erscheint  das  Capital  als  ver- 
mittelndes Glied.  Der  Musikchor,  welcher  auf  der  Westseite 
angebracht  ist,  trägt  eine  Gallerie  mit  schönem  durchbro- 
chenem Masswerk,  welche  an  beiden  Seiten  i\es  Langhauses 
bis  über  die  Mitte  hinaus  fortläuft.  Die  Rippen,  Säulen  und 
das  Masswerk  sind  von  gemeisseltem  Stein.  Das  scbätzbar.'-te 
Kunstwerk  in  dieser  Kirche  ist  der  grosse  gothische  Hoch- 
altar, welchen  ich  für  den  schönsten  in  Tirol  halte.  Der 
ganze  Kasten  mit  den  Flügeln  ist  sehr  gut  erhalten,  sowohl 
im  Schnitzwerk  als  auch  in  den  Farben.  Dem  Aufsatz  hat 
man  eine  neue  und  ganz  entstellende  Färbung  gegeben:  in 
den  Jahren  1824 — 1826  wurde  ein  Tabernakel  dazu  gebaut 
und  der  Sockel  des  Altars  sehr  beschädigt.  Der  Kasten  hat 
Schnitzarbeit  im  Hochrelief,  die  vier  Flügel  zeigen  Gemälde. 
Das  Ganze  ist  sehr  schön  und  mit  lebensvollem  Ausdruck 
durchgeführt,  so  dass  sich  das  Auge  nimmer  satt  sehen  kann. 
Insbesondere  zeichnet  sich  das  Relief  durch  einen  über- 
wältigenden Reichthum  des  Gedankens  und  der  künstleri- 
schen Schöpfung  aus ,  so  dass  jede  Beschreibung  weit  zu- 
rückbleiben muss.  Ich  beschränke  mich  demnach  auf  die 
Mitfheilung  der  vorzüglichsten  Momente.  Der  untere  Theil 
des  Kastens  enthält  die  heiligste  Dreifaltigkeit,  sehwebende 
Engel  bringen  das  Kreuz  und  die  Dornenkrone.  Man  erkennt 
sogleich,  dass  hier  der  göttliche  Rathschluss  der 
Welterlösung  dargestellt  werde.  Daneben  stehen  Pe- 
trus und  Paulus,  die  Säulen  der  Kirche,  durch  welche 
das  Werk  der  Erlösung  auf  alle  Völker  und  Zeiten  fortge- 
pflanzt werden  soll.  Im  oberu  Theile  des  Kastens  erscheint 
Maria  in  himmlischer  Glorie  über  den  Wolken 
schwebend.  Diese  Vorstellung  zeigt  uns  das  Endziel,  dem 
das  Ei'lösungswerk  zuführen  soll.  .\us  den  Stäben  des  Laub- 
werkes, welches  das  ganze  Relief  zu  beiden  Seiten  aufstei- 
gend umgürtet,  sprossen  Figuren;  es  sind  auf  jeder  Seite 
sieben  (die  sieben  klugen  und  die  sieben  thörichten 
Jungfrauen)  —  eine  sinnige  V'orstellimg  der  evangelischen 
Lehre,  wie  der  Mensch  durch  eigene  Wirksamkeit  mit  der 
Gnade  die  Früchte  der  Erlösung  sich  aneignen  muss.  In  den 
vier  Flügeltafeln  werden  die  hervorragenden  Begebenheiten 
aus  dem  Erlösungswerke  vorgestellt:  Die  Verkündigung, 
die  Geburt,  R  e  s  c  h  n  e  i  d  u  n  g  und  die  E  r  s  c  h  e  i  n  u  n  g  d  e  r 
Weisen  des  Morgenlandes.  Zuoberst  in  der  mittlem 
Nische  des  Aufsatzes  erscheint  die  liebenswürdigste  imd 
staunenswertheste  Gottesthat —  derOpfertod  des  Heilandes. 
Sind  die  Flügel  geschlossen,  so  zeigen  sie  Gemälde  aus  Sce- 
nender  Leidenjesu,  wasebenfalls  zumAufsatz  sehr  gut  passt. 
Im  Sockel  soll  das  Reliefden  Sündenfall  der  ersten  .VI- 
t  e  r  n.vorges teilt  haben.  VN  (.'un  ich  eineVermuthung  wagen  darf, 
so  möchte  ich  diese  Arbeit  unserm  Pacher  aus  Bruneck, 
dem  gefeierten  Künstler  der  damaligen  Zeit,  zuschreiben. 

4ti 


326 


So   viel    luir    aus  Erinnerungen    bekannt  ist.  wählte  dieser 
mit  Vorliebe  das  Leben  und  Leiden  des  Weltheilandes  zum 
Gegenstände  seiner  künstlerischen  Darstellungen.  In  dem  Altar 
zu  Laua  llndet  sieii  dieselbe  liiehtuiig  besonders  ausgeprägt. 
Das   Kirchenpatroeininni    zu    Lana   ist  Maria- Himmelfahrt. 
Der  Künstler  scheint  die  Aufgabe  gehabt  zu  haben,  dasselbe 
im  Altäre  besonders  hervortreten  zu  lassen.  Er  that  es  auch, 
indem  er  der  Himmelskiinigin  im  obern  Felde  des  Kastens 
einen  vorzüglichen  Platz  angewiesen  hat.    Allein  es  bildet 
doch  nur  ein  untergeordnetes  Moment  der  ganzen  Dar- 
stellung, welche  das  Werk  der  göttlichen  Welterlljsung  um- 
fasst.    Diese  kurzen  Andeutungen  mögen  genügen ,  um  den 
Werth  dieses  vortrefflichen  Kunstwerkes  kennen  zu  lernen. 
Um  so  dringlicher  stellt  sich  dieNothwendigkeit  heraus,  dass 
für  die  Erhaltung  desselben  iiestens  gesorgt  werde.  Es  wäre 
vorerst  die  ganz  miserable  Fassung  des  Aufsatzes  abzu- 
waschen und  dafür   eine  andere  entsprechende  zu  geben. 
Sodann  sollte  nach  Thunlichkeit  der  alte  Sockel  wieder  ganz 
hergestellt  werden.    .\l)er   die  IJestauration  müsste    durch 
einen  kundigen  Künstler  geschehen.  Der  jetzige  Herr  Dechant 
lind  Pfarrer  ist  ein  eifriger  Verehrer  der  mittelalterlichen 
Kunstwerke.   Er  hat  sehr  vieles  für  die  Conservation  gethan 
und  würde  noch  vieles  thun,  wenn  es  die  durch  die  Grund- 
entlastung  geschmälerten  Einkünfte  der  Pfründe    erlauben 
möchten.   Die  Gemeinde  ist  arm.   Das  Patronat  übt  der  h. 
deutsche  Orden,  welchem  die  Pfarre  förmiich  incorporirt 
ist.  Dürfte  man  nicht  eine  ergebenste  Bitte  an  Se.  kaiserliehe 
Hoheit,   den  durchlauchtigsten    Erzherzog   Maximilian   von 
Este,  Grossmeister  des  deutschen  Ordens,  wagen?  Dieser 
edle  Fürst  hat  schon  so  viele  Denkmale  seiner  Grossmuth 
und   Frömmigkeit  in  unserm  Lande   und   insbesonders   zu 
I^ana  gegründet.    Eine  vertrauensvolle  Bitte  wird  llöchst- 
derselbe  sieher  nicht  abweisen,  und  die  Erinnerung  an  den 
fürstlichen  Wohlthäter  würde  fortbestehen  in  der  Gemeinde, 
hehr  und  theuer,  wie  das  Kunstwerk  selbst  im  Gottesliausc. 
Die  Pfarrkirche  in  St.  Pauls  nimmt  nicht  so  sehr 
durch  schöne  Formen  als  durch  die  Geschichte    des  Baues 
und  wegen  des  gewaltigen  Thurmes,  welcher  in  der  West- 
seite anfsteigt,    inisere  .\ufmerksamkeit   in  Anspruch.    Das 
Presbyterium  und  die  Westseite  des  Langhauses,  da  wo  der 
Thurm  sich  erhebt,  so  wie  auch  der  Thurm  selbst  stammen 
aus  dem  Anfange  des  XVI.  Jahrhunderts;  der  übrige  Theil. 
nändich  das  Langhaus,  gehört  einer  frühern  Zeit  an.  Aber 
weder    das    Presbyterimn    noch     auch    der    Thinin     sind 
vollendet. 

Wir  limlen  hier  die  in  unserm  Vaterlande  oft  wieder- 
kehrende Erscheinung,  dass  schöne  und  grnssartig  begon- 
[lene  Bauten  durcdi  die  Folgen  der  Beformationswirrcn  plötz- 
lich unterbrochen  und  entweder  unvollendet  geblieben  oder 
erst  in  späterer  Zeit  und  in  armseliger  Weise  fortgeführt 
worden  sind.  Die  Kirche  in  St.  Pauls  bildet  einen  llallen- 
bau  mit  einem  l'mgang,  das  Gewölbe  wii-d  von  \'l  rundiMi 
Säulen  getragen.    Das  Mittelschiff  hat  ein  schönes  Kreuz- 


gewölbe; das  Presbyterium  aber  ein  Netzgewölbe.  Die  Bip- 
jten  steigen  hier  uiunittelbar  aus  den  Säulen  und  Diensten. 
Die  Fenster  zeigen  im  Masswerk  die  Fischblasen.  Die  Säu- 
len, Dienste  und  |{i[)pen  sind  in  der  ganzen  Kirche  von 
gemeisseltem  Stein,  die  übrigen  Theile  von  einfachem  Mauer- 
werk. Die  Wandsäulen  im  Presbyterium  tragen  Coiisolen 
und  Baldachine,  aber  es  fehlen  die  Figuren.  .\m  (bnitlichsten 
zeigen  sich  die  Spuren  der  plötzlichen  Unterbrechung  in  der 
W^estseite  des  Langhauses  und  im  Thurm.  Es  ward  ein  Bau 
mit  der  grossartigsten  .\nlage  begonnen  —  ein  Prachtbau 
im  eigentlicdien  Sinne  des  Wortes.  Den  Unterbau  des  Thur- 
mes bilden  die  Kirchenmauer  und  auf  der  freien  Seite  ein 
mächtiger  Pfeiler,  welcher  auf  einem  zusammengesetzten 
Sockel  ruht  und  in  sehr  reicher  Gliederung  mit  Stäben, 
Hohlkehlen  und  spiralförnug  gebildeten  Diensten  majestä- 
tisch aufsteigt.  Von  diesem  Pfeiler  laufen  eben  so  starke 
und  reich  gegliederte  (Jurten  aus,  welche  das  Gewölbe  tra- 
gen, worauf  der  Thurm  ruiit.  Nun  aber  beginnt  der  Gräuel 
der  Verwüstung.  Die  schön  gemeisselten  Bippen,  welche 
aus  eben  diesem  Pfeiler  und  den  Wandsäulen  auslaufen  und 
bestimmt  waren  das  Gewölbe  des  Musikchores  zu  tragen, 
brechen  jählings  ab,  oder  sind  mit  Gewalt  abgehauen  und 
zertrümmert  worden.  Der  lu-sprünglicb  beantragte  Bau  hatte 
hier  sein  Ende  erreicht,  und  100  .lahre  spät(T.  als  man  die 
Empore  baute,  istdie  gewaltsame  Zertrümmerung  geschehen. 
Der  Werkmeister  hat  seinen  Namen  in  der  folgenden  In- 
schrift verewigt:  Jo.Pefro  de  Bosio  de  Ramponio  de  Valu 
de  in  Telri  fecifiir  r/ueMa  operc  anno  1009.  Wie  die 
Inschrift  so  auch  Am-  Bau  —  eine  wahre  Miserabilität.  Das 
Portal  an  dieser,  nämlich  an  der  Westseite,  ist  zum  grössten 
Theile  vollendet;  aber  von  der  beantragten  Vorhalle  sieht 
man  nur  noch  die  Trümmer  der  Gurten  und  Bippen,  welche 
das  Gewölbe  derselben  hätten  umspannen  sollen.  Ans  den 
Überbleibseln  ex'kennt  man  deutlich ,  dass  es  auch  hier  auf 
Pracht  berechnet  war.  Übrigens  zeigen  sich  an  allen  diesen 
Theilen  die  Spuren  der  Entartung  des  gothischen  Styles,  wo 
eine  grosssprecherische  Pracht  mit  leeren  Formen  an  die 
Stelle  des  bildenden  und  belebenden  Geistes  getreten  war. 
Am  Portal  sind  selbst  die  Fialen  in  die  Hohlkehle  des  Spitz- 
bogens eingeschweift. 

Der  grösste  Aufwand  war  für  den  Tliurm  verwendet. 
Fünf  mächtige  Stockwerke  mit  starken  Streben  und  Fialen 
von  durchbrochener  Arbeit  steigen  zu  einer  gewaltigen 
Höhe  auf.  Aber  jählings  bricht  der  Bau  ab.  Alle  Theile  sind 
aus  schön  gemeisselten  Steinen  zusammengesetzt.  Dem 
Thurme  war  die  Ehre  zugt-daeht,  König  zu  sein  in  weitem 
Kreise  innher.  .4ber  das  («escliick  göimte  ihm  die  Krone 
nicht  und  setzte  ihm  eine  elende  Dachkuppel  auf.  Die  ein- 
zelnen Stockwerke  zeigen  die  Zeit  der  Erbauung  an.  Die 
unterste  .Jahreszahl  ist  I.'JIO,  daim  folgen  in  den  höhern 
Stockwerken  die  Zahlin  I  ;>  I  1 .  lül'i  u.  s.  w.  bis  beiläulig 
lU'iO:  die  (d)('i'('ii  nändich  sind  \oii  der  .Strasse  aus  nicht 
mehr  lesbar.   Iter  Sehluss  des  Baues  trägt  die  Zahl  1. '>.')(>. 


327   — 


Das  TliJil  Ridnaiin,  dessen  äusserer  Theil  gemeinhin 
Mareit  heisst  und  die  Wiege  eines  der  ältesten  mächtigsten 
Geschlechter  in  unserem  Lande,  nämlich  der  Grafen  von 
Morit  gewesen  ist,  ötTnet  sich  westlich  von  Sterzing.  In 
diesem  Thale  hat  sich  eine  kleine  gothische  Kirche  erhalten, 
welche  das  schöne  Hügelland  zwischen  Mareit  und  Ridnaun 
krönt.  Sie  wurde  von  den  Knappen  der  nahen,  einst  blühenden 
Erzgruben  gebaut  und  der  heiligen  Magdalena  geweiht. 
Der  F'ronbogen  trägt  die  Jahreszahl  1281.  Die  Kirche  ist  im 
Ganzen  noch  gut  erhalten,  aber  übertüncht.  Der  Bau  ist  ein- 
fach und  zierlich.  Die  Wandsäulen  und  wahrscheinlich  auch 
die  Rippen  des  Netzgewölbes  sind  von  weissem  Marmor. 

Die  merkwürdigsten  Gegenstände  in  dieser  Kirche 
sind:  der  Hocha  I  tar,  dieKanzel  und  ein  Kumniernis- 
bild.  Der  Hochaltar  ist  ein  Bau  der  spätgothischen  Manier, 
aber  gut  gearbeitet.  Der  Sockel  hat  ein  schönes  und  rei- 
ches Relief,  welches  den  Leichnam  Christi  auf  dem 
Seh  00  SS  Marien  s  vorstellt.  Johannes,  Magdalena,  Salome 
und  die  andere  Maria,  Nikodemus  und  Joseph  von  Arimathäa, 
umgeben,  vom  innersten  Mitleiden  ergriffen,  die  trauernde 
Gottesmutter.  Der  Kasten  zeigt  ebenfalls  ein  Relief  mit  drei 
beinahe  freistehenden  Figuren:  Magdalena,  Georg  und 
Lorenz.  Die  Flügelgemälde  enthalten  Vorstellungen  aus 
dem  Leben  der  heiligen  Magdalena.  Ein  Bild  darunter  ist 
besonders  schön.  Der  Aufsatz  hat  drei  Nischen,  wovon  jede 
eine  Figur  unischliesst.  Die  mittlere  Nische,  welche  eine 
ganze  ist,  trägt  zu  oberst  Christum,  den  von  den  Todten 
Erstandenen.  „Das  Werch  hat  gemacht  maist.  ma- 
theis Stöberl  1S09."  Der  ganze  .\ltar  ist  gut  erhalten, 
nur  die  Haupttigur  —  die  heilige  Magdalena  —  hat  eine 
Verletzung  erhalten ,  welche  aber  sehr  leicht  ausgebessert 
werden  kann,  da  die  weggenommenen  Theile  noch  vorhan- 
den sein  sollen. 

Der  alte  Seitenaltar,  ebenfalls  im  gothischen  Style 
gebaut,  ist  von  bedeutend  minderer  Arbeit  und  sehr  verletzt. 


r)ie  Kanzel,  von  weissem  Marmor,  ist  aus  dem  .Acht- 
eck gebildet  mit  eingezogenen  Seitenflä(;hen.  welche  oben 
und  unten  vor  dem  Abschluss  mit  Stäben  begrenzt  werden. 
Die  mittlere  Seite  trägt  die  Inschrift:  Jesus. 

Das  Gemälde  der  heiligen  Kümmernis,  welches  etwa 
zwei  Jahrhunderte  hinter  sich  hat,  befindet  sich  auf  dem 
Fahnenkasten,  und  ist  in  so  ferne  interessant,  als  es  einen 
Beitrag  zu  der  noch  nicht  genugsam  enthüllten  Legende 
bildet.  Die  bärtige  Jungfrau  hängt  nur  mit  den  Händen  am 
Kreuze,  die  Füsse  schweben  frei.  Davor  kniet  ein  Musicus 
mit  der  Geige  und  dem  goldenen  Schuh. 

Bei  dieser  Kirche  wäre  eine  Restauration  leicht  auszu- 
führen und  auch  sehr  lohnend.  Man  würde  ein  schönes 
Gebäude  mit  zwei  entsprechenden  Altären  und  einer  Kanzel 
der  besseren  Art  erhalten. 

Auf  dem  Rückwege  besucht  man  gerne  das  Schloss 
Wolfsthurn,  welches  auf  einem  Hügel  eine  herrliche 
Aussicht  gewährt  und  das  unten  am  Fusse  liegende  Dorf 
Mareit  beherrscht. 

Es  ist  in  seiner  jetzigen  Gestalt  um  das  Jahr  1740  ans 
der  alten  Burg,  wo  die  ehemaligen  Gerichtsherrn  hausten, 
entstanden,  und  unischliesst  weitläufige  und  schöne  Gebäude. 
Den  Hofraum  ziert  eine  Fontaine,  aus  deren  klarem  Grunde 
weisser  Marmor  schimmert.  Von  da  führt  eine  Allee  von 
hohen  Waldbäumen  zu  einem  künstlichen  \\'asserfall.  Der 
freundliche  und  kunsfliebendeBesilzer  des  Schlosses,  Baron 
von  Sternbach,  heisst  jeden  Fremden  willkommen.  Der 
Kunstfreund  findet  hier  drei  sehr  schöne  Stücke  aus  Elfen- 
bein von  Colin's  Meisterhand  gearbeitet,  nämlich  ein  Cru- 
cifix  und  zwei  Passionsvorstellungen  in  Relief,  wahre  Kunst- 
werke, welche  nach  meinem  Urtheile  sowohl  in  Beziehung 
auf  die  technische  Durchführung  als  auch  wegen  des  äusserst 
zarten  und  doch  mit  Macht  hervortretenden  .\nsdruckes  den 
Maximilianischen  TaCelwerken  in  Innsbruck  den  Vorrang 
abgewinnen  möchten. 


Die  Doppelcapelle  und  der  Thnrm  anf  der  Rnine  Gränbnrg  in  Eämthen. 


Von  Max  Ritter  von  Moro. 


Unter  Kärnthens  mittelalterlichen  Baudenkmalen  ver- 
dienen auch  die  wegen  ihrer  abgeschiedenen  Lage  wenig 
bekannten  Ruinen  von  Grünburg,  dass  die  Aufmerksamkeit 
der  Alterthumsfreunde  auf  selbe  gelenkt  werde. 

Wenn  man  nämlich  die  durch  das  Görtschitz-Thal 
führende  Strasse  bei  Kitsch,  das  ist  beiläufig  eine  Viertel- 
Stunde  südlich  von  Wieting,  verlässt,  und  an  dem  daselbst 
sich  in  denGörtschitz-Rach  ergiessenden  kleinen  Rache  auf- 
wärts dem  östlich  sich  erhebenden  Gebirge  zusehreitet,  so 
gelangt  man  mich  ungefähr  einer  Stunde  zu  einem  Berg- 
vorsprunge,  auf  dem  man  die  Ruinen  dieser  Rurg  und  eines 
einige  hundert  Schritte  östlich  davon  liegenden  gewaltigen 
Thurmes  erblickt. 


Von  der  Grünburg  sind  ausser  dem  Capellen-Gcbäude 
nur  mehr  wenige  Mauertrümmer,  und  unter  diesen  ein  mit 
einem  Kreuzgewölbe  überspannter  Raum,  in  den  eine  rund- 
bogige  Thüre  mit  steinernem  Thürstocke  führt,  vorhanden; 
von  dem  Capellen-Gebäude  ist  jedoch  das  ganze  Mauerwerk 
noch  erhalten.  Dieses  Gebäude  steht  li;irt  am  südöstlichen 
.Abhänge  des  zwar  steilen,  aber  nicht  unzutfänirlichen  Berff- 
vorsprunges,  auf  dem  sich  die  ganze  Burg  befand,  und  ist 
weder  durch  eine  Mauer  noch  durch  ein  anderes  Vorwerk 
geschüzt.  Es  ist  von  Nordwest  gegen  Südost  gestellt,  enthält 
zwei  über  einander  befindliche  Capcllen,  und  über  denselben 
noch  eine  Localität.  Die  ebenerdige  Capelle  besteht  aus 
einem  Schiffe  ohne  alle  Ausladung  und  einer  dreiseitig  abge- 


46* 


328 


schlosseiieiiApsis.  Der  Eingang  war  auf  der  Nordwest-Seite, 
ist  jedoch  gegenwärtig  ausserhalb  ganz  verschüttet,  inner- 
hali)  ist  dieThüre  und  der  steinerne  Thürstock  mit  gedrück- 
tem Spil/.hogen  sichtbar. 

Das  Sciiitr  mit  Einschliiss  der  Apsis  ist  4»  4'  laug  und 
2»  breit;  in  der  südwestlichen  Seitenwaud  befinden  sich 
zwei,  in  der  nordöstlichen  nur  ein  Fenster.  Diese  sind  nach 
innen  und  aussen  abgeschrägt  und  rundbogig,  die  innere 
Lichte  hat  eine  Höhe  von  4'  4"  und  eine  Breite  von  nur  3'. 
Das  SchifThat  eine  f  1  a  c  h  e  D  e  c  k  e.  was  man  an  den  Vertiefun- 
gen in  der  Mauer  der  Seitenwände,  in  denen  sich  die  Bal- 
ken befanden,  erkennt.  Eben  solche  Vertiefungen  in  der 
Mauer  ober  der  Eingangsthüre  zeigen  auch,  dass  dort 
eine  kleine  Empore  war.  Die  gegen  Südost  gestellte,  wie 
oben  bemerkt,  dreiseitig  abgeschlossene  Apsis  hat  ein  Spitz- 
boo'engewölbe.  In  jeder  der  drei  Seiten  befindet  sich  ein 
nach  innen  und  aussen  abgeschrägtes  spitzbogiges  Fenster, 
dessen  innere  Lichte  5'  hoch  und  nur  4"  breit  ist.  In  den 
vier  Ecken  der  .\psis  sieht  man  gleich  hohe  als  breite,  von 
einem  kreisrunden  Bande  umschlossene  Kreuze  mit  rother, 
grüner  und  schwarzer  Farbe  zierlich  gemalt.  Ähnliche 
Kreuze  befinden  sich  auch  im  Schiffe,  und  zwar  auf  jeder 
Seitenwand  zwei,  doch  sind  selbe  nur  mit  rother  Farbe 
und  roh  gemalt.  Man  erkennt,  dass  in  der  Mitte  jedes  die- 
ser 8  Kreuze  sich  ein  Nagel  eingeschlagen  befunden  hat 
und  später  wieder  heraus  genommen  wurde.  Ohne  Zweifel 
waren  dies  geweihte  Nägel  und  zeigten  mit  den  gemalten 
Kreuzen  an,  dass  die  Capelle  eingeweiht  wai-.  Ober  dieser 
ebenerdigen  iielindet  sich  eine  derselben  beinahe  ganz  glei- 
che Capelle,  welche  jedoch  von  aussen  keinen  Eingang  hat. 
Das  Schilf  hatte  gleichfalls  eine  tiache  Decke,  die  Fenster 
in  den  Seitenwänden  haben  die  gleiche  Form  wie  in  der 
ebenerdigen  Capelle.  nur  befinden  sich  in  jeder  der  zwei 
Seiten  wände  zwei  Fenster;  au(di  die  Apsis  ist  der  in  der 
ebenerdigen  Capelle  befindlichen  gleich,  nämlich  im  Spitz- 
bogen gewöll)t,  mit  gleichen  Fenstern  in  jeder  der  drei  Sei- 
ten. Ober  dieser  zweiten  Capelle  ist,  wie  oben  gesagt,  noch 
eine  Localität.  Diese  hat  auf  der  Nordwest-Seite  eine 
rundbogige  Thüre ,  zu  der'  man  von  aussen  nur  mittelst 
einer  [>eiter  oder  von  dem  nahe  dabei  befindlich  gewe- 
senen Burg-Gebäude  aus  mittelst  einer  Brücke  gelangen 
konnte. 

Auf  der  Höhe  der  Mauer  sieht  man  noch  breite  Zinnen, 
daher  dieser  zu  oberst  am  (lebäude  befindliche  Baum  ohne 
Zweifel  zur  Vertheidigung  iiestiniml  wai-.  ,\uch  die  Fensler 
in  ih-u  ober  einandiu-  befindlichen  zwei  Capellen  scheinen 
aus  dem  Grund»!  so  sehmal  gemacht  wiu'den  zu  sein,  um  sie 
im  Falle  eines  .\ngrilfes  als  Schicssschartcn  benutzen,   und 


auf  diese  Art  das  Capellen-Gebäude  gleichsam  als  N'orwerk 
vertheidigen  zu  können. 

Einige  hundert  Schritte  östlich  von  den  Buinen  der 
Grünburg  erhebt  sich  auf  dem  Bücken  desselben  Berges  ein 
von  einer  Bingmauer  umgebener  imposanter  Tliurm. 

Das  Terrain,  auf  dem  er  steht,  steigt  an  iler  West-  und 
Nord-Seite  sanft  an,  an  der()st-,Seite  ist  es  steil,  au  der  Süd- 
Seite  aber  fällt  es  einige  Klafter  schrofT  in  Felsen  ah,  welcher 
Abfall  allem  Anscheim^  nach  durch  Ausbrechen  des  Felsen- 
grundes künstlich  gebildet  worden  ist.  Die  Ringmauer  hat 
eine  polygone  Form.  Die  West-  und  Nord-Seite  derselben, 
wo  sie,  wie  gesagt,  leicht  zugänglich  ist.  hat  Zinnen  von 
verschiedener  Breite  (3  bis  7')  deren  jede  in  der  Mitte  eine 
Schiessscharte  hat.  Die  Ost-  und  Süd-Seiti'  der  Bingmauer 
dagegen  hat  nur  Schiessscharten  cdme  Zinnen.  Der  Eingang 
durch  die  Ringmauer  ist  auf  der  Nordwest-Seite  durch  eine 
kleine  Thüre. 

An  der  inneren  Seite  der  Ringmauer  sieht  man  unter  den 
Zinnen  die  Vertiefungen  in  der  Mauer,  in  denen  sich  die 
hölzernen  Träger  des  Mordganges  befanden,  fjinks  von  der 
Eingangsthüre  befand  sich,  nach  dem  noch  sichtbaren  Mauer- 
werke zu  schliessen,  eine  ebenerdige  kleine  viereckige  Loca- 
lität, die  dem  Thorwächter  als  Wohnung  gedient  haben  mag. 
Zwischen  der  Bingmauer  und  deniThurme  beträgt  derBaum 
1  bis  4".  Der  Thurm  ist  kreisrund,  hat  einen  rmfang  von 
18,  und  eine  Hohe  von  beiläufig  12".  Die  Mauer  desselben 
ist  aus  Bruchsteinen  von  mittlerer  Grösse  sorgfältig  aufge- 
führt, noch  sehr  gut  erhalten  und  liat  eine  Dicke  von  7  bis  8'. 
Die  Eingangsthüre  befindet  sich  auf  der  Nordwest-Seite  bei- 
läufig 3"  ober  dem  Ei-dboden,  konnte  also,  wie  es  bei  diesen 
Thürmen  in  der  Begel  der  Fall  war.  nur  mittelst  einer  Lei- 
ter erreicht  werden.  In  einer  Höhe  von  beiläufig  10"  war 
allem  Anscheine  nach  ein  hölzerner  Gang  rund  um  den 
Tliurm,  worauf  insbesondere  die  in  der  Mauer  sichtbaren 
Vertiefungen,  in  denen  sich  die  hölzernen  Träger  befunden 
haben  werden,  hindeuten.  Auf  der  Süd-Seite  ist  ober  diesen 
Vertiefungen  eine  grosse  Oelfnung  in  der  Thurm-Mauer 
sichtbar,  durch  welche  eine  Thüre  auf  den  Umgang  geführt 
haben  wird.  Ausserdem  befinden  sich  in  der  Thurm-Mauer 
nur  ein  Fenster  und  mehrere  unregelmässig  angebrachte 
Scharten.  Von  der  Stelle,  wo  sich,  wie  bemerkt,  der  L'mgang 
befunden  zu  haben  scheint,  bis  zur  Höhe  ist  der  Tliurm  et- 
was dünner,  zu  oberst  ist  er  mit  Zinnen  gekrönt. 

In  das  Innere  des  Thurmes  zu  gelangen  und  dasselbe 
zu  untersuchen,  so  wie  die  Dimensionen  genau  zu  erheben 
wäre  nur  mittelst  einer  hohen  Leiter  ausführbar,  deren  Her- 
beisclialfnng  auf  diese  einsame  Rergcs-Höhe  dem  Schreiber 
dieses  nicht  möjjlich  war. 


—  329  — 


Correspondenzen. 


Wien.  Mit  grosser  Freude  tlieilen  wir  unseren  Lesern  mit,  dass 
Se.  k.  k.  Apostolisclie  Majestiit  neuerdings  einen  namhaften  Beitraf; 
zur  Restauration  eines  niiltelalterliehen  Domes  Deutschlands  gespen- 
det hat.  Zur  Restauration  des  Domes  zu  Mainz  haben  niinilich 
Se.  k.  k.  Apost.  Majestät  eine  Summe  von  10.000  fl.  angewiesen. 
Riner  Correspomlenz  aus  Mainz  entnehmen  wir  in  dieser  Beziehung 
folgende  Mitlhcilung:  „Die  zur  Restauration  unserer  herrlichen 
Domkirche  disponiheln  Mitteln  haben  durch  das  grossartige 
Geschenk  des  Kaisers  Franz  Joseph  einen  unverhofften  Zuwachs 
erhalten.  Die  Arbeiten  sollen  nun  zuerst  im  Innern  der  Kathedrale 
beginnen.  Bereits  seit  längerer  Zeit  ist  an  dem  Mittelpfeiler  vor 
dem  östlichen  Chore  das  Gerüst  angebracht,  ohne  dass  jedoch  mit 
den  Arbeiten  zur  Beseitigung  dieses  Pfeilers  vorgegangen  worden 
wäre.  Vermuthlich  wird  dieses  nun  im  Laufe  des  Winters  gesche- 
hen. Der  Ausbau  der  beiden  östlichen  Ncbenthürme,  die  seit 
dem  Jahre  1793  unvollendet  dastehen ,  wird  einer  späteren  Zeit 
vorheballen  bleiben,  eben  so  die  Herstellung  der  architektonisch 
merkwürdigen  St.  Gotthardscapelle,  die  in  ihrem  jetzigen  definiti- 
ven Zustande  einen  sehr  unpassenden  Eingang  zu  dem  sonst  so  herr- 
lichen Gotteshause  bildet." 

Wien.  Das  Bild  jener  grossartigen  Restaurationsthaligkeit, 
welches  sieh  gegenwärtig  im  Umfange  des  ganzen  Kaiserstaates  ent- 
wickelt, hat  eine  neue,  sehr  erfreuliche  Erweiterung  erhalten.  Aus 
Prag  ist  ein  begeisternder  Aufruf,  unterzeichnet  von  den  Herren 
Franz  Gräfe  n  vo  n  Thun- Höh  e  n  stei  n  ,  Domeustos  Wenzel 
Pesina,  dem  Generalen  und  Grossmeister  des  Kreuzherrnordens 
Jak.  Beer,  Dr.  Karl  Walther  und  Dr.  Karl  Helminger  an 
die  Bevölkerung  Böhmens  zur  Constituirung  des  Pr  a  ger-D  oni  b  au- 
ver  ei  nes  veröffentlicht  worden,  zu  welihem  bereits  im  Jahre  1844, 
mitbin  lange  bevor  noch  in  Osterreich  die  gegenwärtige  Bewegung  auf 
archäologischem  Gebiete  eingetreten  war,  die  Mehrzahl  der  genann- 
ten kunstsinnigen  Männer  die  Einleitungen  getroffen  und  die  Aller- 
höchste Genehmigung  zur  Gründung  dieses  Vereines  erwirkt  haben. 
Der  Zweck  dieses  Vereines  ist  die  stylgeniässe  Wiederherstellung  des 
St.  Veitsdomes  ,  eines  der  hervorragendsten  Bauwerke  des  XIV. 
Jahrhunderts,  das  ^  wie  jüngst  ein  rheinischer  Archäolog  bemerkt 
hat,  als  Schlussstein  jener  grossartigen  Kette  von  Kathedralbauten 
zu  betrachten  ist,  wie  dieselben  am  Ende  des  XII.  und  im  XIII.  Jahr- 
hundert im  nördlichen  Frankreich  und  dem  westlichen  Deutschland 
entstanden  sind.  Nach  §.  ö  des  Statutes  wird  als  Mitglied  aufgenom- 
men:  1)  Jeder  Kirchsprengel  und  jede  Gemeinde,  wenn  sie  jährlieh 
einen  Beitrag  leistet,  nach  welchen  wenigstens  ein  Kreuzer  C.  M.  auf 
jedenKopf  entfällt;  2)  Jedeanderefphysische  odermoraliscbe)  Person, 
welche  ein  für  allejual  wenigstens  200  fl.  oder  alljährlich  wenigstens 
10  fl.  beiträgt  oder  dieselben  Beiträge  durch  Sanuulung  dem  Vereine 
zuführt;  3)  Wer  sich  besondere  Verdienste  auch  ohne  Beitragslei- 
stung um  den  Verein  erwirkt.  Nach  §.  6  sind  Fondsbegründer  jene 
Mitglieder,  die  wenigstens  5000  fl.  oder  alljährlich  wenigstens  2ä0  fl. 
beitragen.  Beitrittserklärungen  werden  von  sänimtlichen  Unterzeich- 
neten des  Aufrufes  und  auch  von  der  Kanzlei  des  Kunstvereines  für 
Böhmen  angenommen. 

Wien.  Im  Novemberhefte  der  „Mittheilungen"  haben  wir 
einen  Aufsatz  „Über  die  Grafen  von  Altbregenz  und  jene  von  Mont- 
forl"  von  J.  Bergmnnn  veröffentlicht.  Als  Ergänzung  liiczu  bemerken 
wir  nachträglich,  dass  die  Veranlassung  hiezu  ein  Bericht  desConser- 
vators  für  Vorarlberg,  Herrn  Dr.  FaustinEns,  über  die  vom  Grafen 
Wilhelm  von  Montfort-Bregenz  im  Jahre  1361  gestiftete  St.  Martins- 
capcl  le  gegeben  hat.  wobei  jücksichllich  der  Erhaltung  der  Capelle 


der  Wunsch  ausgesprochen  wurde,  eineDarstellnng  der  verschiedenen 
Familienverzweigungen  der  Grafen  von  Montfort  kennen  zu  lernen. 

Prag.  Am  29.  Juni  1857  wurde  die  alte  ehrwürdige  .Marien- 
kirche zu  S  ed  1  ec  bei  Kuttenberg  (Czaslauer  Kreis),  nachdem  sie 
auf  Veranlassung  der  hohen  k.  k.  Central-Commission  für  Erforschung 
und  Erhaltung  der  Baudenkmale  gänzlich  restaurirt  worden,  durch 
Seine  Excellenz  den  hoehwürdigsten  greisen  Bischof  von  König- 
grätz  Carolus  Hahnl  wieder  feierlich  eingeweiht. 

Die  grosse,  schwierige  Aufgabe,  diese  Kiichc  erhalten  zusehen, 
ist  nun  gelöst.  Diese  herrliche  Kirche  bleibt  einer  langen  Zukunft 
wieder  erhalten;  allein  neben  ihr  ruft  ein  anderes  ehrwürdiges  Bau- 
denkmal zur  thatkräftigen  Intervention  bei  dem  hohen  Patron  Seiner 
Durchlaucht  dem  Herrn  Karl  Fürsten  zu  Schwarzenberg. 
k.  k.  Feldzeugmeister,  Militär-  und  Civilgouverneur  im  Grossfürsten- 
thume  Siebenbürgen.  Es  ist  dies  die  sogenannte  Tod  fenca  pell  e 
zu  Allerheiligen  oder  das  berühmte  B  ein  haus  im  Orte  Sedlec 
selbst,  das  während  des  Baues  der  grossen  Marien-Kirche  als 
Interims-Gotteshaus  benützt  worden  ist.  Die  von  mir  der  k.  k.  Central- 
Commission  vorgelegte  Geschichte  der  Kirche  ')  enthält  die  nähert 
Beschreibung  dieses  der  Erhaltung  sehr  bedürfenden  Bauwerkes. 
Doch  muss  bemerkt  werden,  dass  für  diese  Capelle  viel  geleistet 
wurde  und  dass  die  Lasten  nicht  die  geringsten  sind,  welche  der  hohe 
Besitzer  für  jene  Bauobjecte  zu  fragen  hat.  welche  auf  dem  Gebiete 
seiner  Domaine  stehen.  B  e  n  e  s  c  h. 

Cäratz.  Indem  Aufsatze  des  Novemberheftes  dieser  Zeitschrift 
„Über  ein  in  der  Burg  zu  MHener-Neustadt  in  der  Georgskirchc 
befindliches  Basrelief",  pag.  301,  findet  sich  die  Notiz,  ,dass  Ferdinand 
Karl  Böheim  in  der  Beschreibung  der  Burg  zu  Wiener-Neustadt  (s. 
Beiträge  zur  Landeskunde  Österreichs  unter  der  Enns,  Wien  1834. 
8.  Bd.  IV.  41)  zuerst  die  richtige  Deutung  des  grossen  Thon-Bas- 
reliefs  in  der  Georgskirche  in  Neustadt  gegeben  habe".  Zu  dieser 
Behauptung  muss  ich  bemerken,  das  ich  bereits  in  den  Bildern  aus 
der  Neustadt,  im  Hormayr's  vaterländischem  Taschenbuche  IS27. 
p.  79  und  80,  mithin  um  sieben  Jahre  früher  das  Basrelief 
ziemlich  ausführlich  mit  richtiger  Deutung  des  Durgestellten 
beschrieben  habe.  S  che  ige  r. 

Pettau.  Hinsichtlich  der  hislorisch-genealogischcn  Notizen 
der  Familie  von  Siegersdorf,  welche  durch  Herrn  Bergmann 
im  Julihefte  der  „Mittheilungen"  (Seite  184)  veröffentlicht  wurden, 
bin  ich  in  der  Lage  die  Bemerkung  beizufügen,  dass  in  dieser 
Beschreibung  zwei  Glieder,  nämlich  Hans  .\ugust  und  Johann  Franz 
von  Siegersdorf,  übergangen  sind. 

I.  Hanns  August  von  Siegersdorf  zu  Gresswinklern 
starb  1587;  sein  Grabstein,  welcher  das  Ebenbild  des  Verstorbenen 
im  vollen  Harnisch  mit  dem  Familienwappen  ^  dem  nackten  Mann 
mit  der  Keule  —  darstellte,  befindet  sich  zu  Wurmherg  an  der 
östlichen  Kirchcnwand.  Dieser  1589  errichtete  7  lange.  3'j'  breite, 
aus  weissem  Marmor  angefertigte  und  vollkommen  gut  erhaltene 
Denkstein  führt  die  achtzeilige  Inschrift:  „Hie  ligt  begraben  der 
edl  und  gestreng  Herr  Hans  August  von  Siegersdorf  zu  Gress- 
winklern. welcher  den  alflen  .\prillis  nach  Christi  unsers  Seligmachers 
gehurt  des  eintausend  fünf  hundert  sieben  und  achtzigsten  Jar,  in 
cbrisilicher  Ersam  und  Lenkhendnuss  gott  seelig  verschieden  dem 
Gott  (Jnad  und  ein  fröllche  l'mstand  verleihen  welle  amen  1580." 


*)   Wir  wenien  davon  .seiner  Zeil  in  diesen  IJIiittern  rioltr.iucli  nineheii. 

I>.  Red. 


—   330 


2.  H  anns  Fia  nz  von  Sieg  IT  silor  f  w;ir,  iiaili  von  Valvasor 
IX.  Buch,  pag.  88,  im  Jahre  1635  und  lÜ3(j  mit  Oeoig  Balthaser 
Katziancr,  Rupert  Abt  zu  Landstrass  und  V'alerius  Freiherrn  von 
Mascbken  kraincrisch-stündisoher  .abgeordneter *). 

Dr.  Ilünisch. 

Kla^enfiirt  (Kärnthcn).  Einer  bei  dem  karnthnerisehen  üe- 
schielitsvercine  betindliehen  Handschrift  entnehme  ich  folgende,  wie 
ich  glaube  beachtenswerthe  kunsthisturisehe  Notiz  : 

.,Abt  Wol  fke  r  (von  St.  Lambrecht  in  der  Steiermark)  rcsignirte 
im  Jahre  12'j;!  auf  seine  Würde  und  brachte  die  iibriire  Lebenszeit  in  •* 

seiner  Zelle  mit  Beten,  Fasten  und  Handarbeit  zu  (er  stickte  Tapeten 
aus  Seide).  I'.  Peter  Weixler  schreibt:  tapetein  quod  opus  Abbati 
Wolfkero  addicebatur,  suo  adhue  tempere  perdurassc,  et  dein  ob 
nimiam  vctustatcni  in  cimiculo  quadam  propre  ecclesiani  abhatialem 
defossum  fuisse,  pendebat  afl'ixum  in  circuitu  summi  altaris  eratque 
paucis  quidein  cuibitis  latum,  sed  longum  pluribus  iconibus  intentum 
parabolc  sapicntiac  dei,  quibus  honio  descendcns  a  Jerusalem  in 
Jericho  etc.  rcpresentatur." 

.Abt  WoU'ker  wurde  im  Jahre  it'30  gewählt  und  ihm  wird  nach- 
gerühmt, seinen  Eifer  für  die  wissenschaftliche  Ausbildung  seiner 
Pflegebefohlnen  dadurch  au  den  Tag  gelegt  zu  haben,  dass  er  die  Kleri- 
ker seines  Klosters  zu  den  Dominicanern  in  Friesach  in  die  Studien 
geschickt  habe.  Ankershofen. 

Brixen  (Tirol).  Anfangs  August  begab  icli  mich  ins  Thal  Mareit 
und  bestieg  das  freundliehe  Hügelland,  welches  auf  dem  Scheitel  das 
schöne  gothische  Kirchlein  zur  h.  Magdalena  trügt.  In  einem  meiner 
früheren  Berichte  ward  bereits  gemeldet  .  dass  der  k.  k.  Kammerer  9. 

Herr    Baron  Leopol  il   v.  Sternhach  die    Restauration    dieses 
werthvollen  Baudenkmales  aus  der  zweiten  Hälfte  des  15.  Jahrhun- 
derts auf  eigene  Kosten  grossmüthigst  übernommen  habe.  Zu  meiner        10, 
sehr  grossen  Freude  sah  ich  nun,   dass   die  Maurer-    und  Steinmetz-        11. 
arbeit  schon  vollendet  und  die  Restauration  des  Bauwerkes  vollbracht        12, 
war.  Und  diese  Restauration  —  sie  entspricht  vollkommen.  Die  Por-        i3. 
tale,    die  Kanzel   und   die  Dienste  an   den  Seitenwänden  sind   aus 
schneeweissem  Marmor  gemeisselt,    die  Rippen  aber  aus   Ziegeln 
geformt.  Es  war  demnach  ein  sehr  glücklicher  Gedanke,  den  Wänden 
und  Gewölbefüllungen   eine  aschgraue   und   den  Rippen  eine  weisse 
Tünche  zu  geben.    Dadurch  treten  nun  die  Dienste  und  das  Rippen-        14. 
netz  deutlich  und  beherrschend  hervor,  und  zeigen  die  schöne  Struc-        i5. 
tur  des  Baues.    Um  nun  dem  Ganzen  die  Krone  aufzusetzen,  gedenkt 
der  Herr  Baron  den  noch  ziendicli  gut  erhalfencn  gothischen  Hoch- 
altar  restauriren    und  einen   entsprechenden  Seitenaltar  neu  machen 
zu  lassen.  Zur  Ausführung  ist  der  tüchtige  Kunsttischler  Jos.  Stau-        16. 
der  von  Inichen    bestimmt.     Die  Verhandlungen    «erden  bereits        17. 
eingeleitet.  Tinkh  ausei'. 

Ciiro.S8pro|l.<4(<lorf   (Siebenbürgen).     Seit   meinem    letzten         aj 
Schreiben  habe  ich  aus  dem  Schoosse  der  HIrde  noch  einige  Gegen-         ö) 
stände  ans  Licht  gebracht,  die  ich,  des  Interesses  wegen,  das  man  an         cj 
dergleichen  Dingen  zu  nehmen  pflegt,  hier  anzuführen  mir  die  Freiheit 
nehme.  Ich  habe  in  dem  mir  angewiesenen  Wirkungskreise  gefunden  : 
1.  Einen  römischen  Denkstein  (1  Fuss  11  Zoll  brell,  4' o  Zoll  dick, 
4  Fuss  li'^  Zoll  lang),  welcher,  durch  (Juerllnien  in  drei  Felder 
getheilt,  im  oberen  Felde  einen  Pfau,  der  von  einer  Natter  gebis-         dj 
sen  wird;  im  mittleren  Felde  ein  ungezäumtes,  mit  erhobenem 


•)  Der  Conservator  für  Steiermark  II.  J.  Scheiger,  welcher  die  Einsendung 
dieses  Nachtrags  vermitleUc,  bemerkt  noch  hinzu:  „Es  befindet  sich 
auch  im  Wiener  bürgerlielien  Zengbause  eine  schöne  ganze  Rüstung 
mit  dem  Namen  :  Hanns  von  Siegenstein  ,  die  im  Zeughaus-In\entar 
als  die  Rüstung  eines  schwäbischen  Ritters  aus  der  lielageruag 
Wiens  von  1329  aufgeführt  ist". 


Kopfe  muthig  ausschreitendes  Pferd ,  und  Im  unteren  Felde 
einen  in  Trauer  versunkenen,  auf  einen  Stab  gestützten  romi- 
schen Reiter  darstellt. 

Einen  ebenfalls  in  drei  Felder  getheiiten  (etwas  kleineren)  römi- 
schen Denkstein.  Das  obere  Feld  zeigt  einen  Reiter,  der  mit 
seinem  Speer  einen  Mann  zu  Boden  streckt;  das  miltlere  Feld 
lässt  einen  Hauer  sehen,  der  hinter  dem  PIluge  geht  und  seine 
Ochsen  treibt,  und  das  untere  Feld  stellt  einen  Mann  und  ein 
W^ib  dar,  die  sich,  scheinbar  bewegt,  die  Hände  reichen  und 
zwischen  welelien  die  Buchstaben  TS  zu  lesen  sind. 
.  Den  oberen  Theil  eines  grossen  Denkmals,  mit  dem  von  Pfauen 
umgebenen  Kopfe  der  Juno  und  allerlei)  Zierathen,  1  Fuss 
a'/z  Zoll  hoch,  ij  Fuss  l',2  Zoll  breit,  2  Fuss  7  Zoll  tief,  und 
beiläuHg  13  Centner  schwer. 

Eine  fast  fingerdicke,  1  Fuss  1  Zoll  hohe,  in  der  Mitte  2  Zoll,  an 
einem  Ende  4  Zoll,  am  anderen  Ende  aber  7  Zoll  weite  thönerne 
gebrannte  Röhre.  Zu  welchem  Zwecke  dieselbe  gedient  haben 
kann,  habe  ich  bis  zur  Stunde  nicht  erfahren  können. 
Ein  irdenes,  4'/a  Zoll  hohes  Gefäss  mit  Asche,  welches  mit  einer 
flachen,  l'o  Zoll  hohen,  7'o  Zoll  breiten  gut  gehrannten  Schüs- 
sel zugedeckt  und  mit  biciten,  auf  die  Kante  gestellten  Sandstei- 
nen umgeben  war. 

Sieben  Stück  thönerne  Säulchen  von  derselben  Grösse  und  Form 
wie  die  in  meinem  letzten  Schreiben  erwähnten  23  Stück. 
Zwei  (sehr  stark  verrostete  Griffe  von  römischen  Schwertern. 
Eine  kleine  Silbermünze: 

Avers:  IMP.  ANTONINVS  PIVS  AVG. 
Advers:  TRIB.  POTESTAS  uii  COS.  iii  PI». 
Eine  kleine  Silbermünze: 

Avers:  IVLIA  PIA  FELIX  AVG. 
Advers:  DIANA  LVCIFEHA. 
Eine  stark  verrostete  Kupfermünze  v.  Kaiser  MARC  A VREL. 
„       „  „  „  „      „      DOMITIAN. 

„       „  „  „  „      „     ANTONINVS  PIVS. 

Eine  griechische  Silbermünze: 

Avers:  MAKEAOXSN  nPSJTHi:.    Herculcskeulc.   umgeben 

von  einem  Eichenkranze. 
Revers:  Kopf  derjj  iana  .  den  ein  Kranz  von  macedonischen 
Schilden  umgibt. 
Ein  versteinertes  Hörn  von  Aiililnpc  piila. 

Einen  sehr  gut  erhaltenen  (und  bereits  einer  grössern  Natura- 
liensammlung geschenkten)  Humcrus  vom  Rliinoceros  tichorrhy- 
nus,  beiläufig  12  Pfund  schwer.  Der  in  meinem  letzten  Schrei- 
ben erwähnte,  früher  gefundene  llumerus  wiegt  nur  iJ  Pfund. 
Acht  Stück  Zähne  vom  Urpfcrd  ( llippnlhrriiim). 
Einen  stark  verknlklcn  Zahn  von  einem  .Mammut  ( Elcphax  ]>rt- 
migenius). 

Dann  habe  ich  noch  bei  Privatleuten  gefunden  und  gesehen: 
Einen  gut  erhaltenen  Manunufzahn.  !l  Pfund  schwer. 
Einen  llumerus  von  einem  Mammut,   lä  Pfund  schwer. 
Eine  Goldmünze,  'l\.,  k.  k.  Ducaten  schwer; 
Avers:  Kopf  der  Minerva. 

Revers-.  BAiMAEtiS   AAEHANAPOT.   Die  Siegesgöttin,  in 
der  Reehlen  einen  Kranz,  in  der  Linken  einen  Drei- 
zack hallend. 
Die  untere,  sehr  gut  erhaltene  Kinnlade   (mit  den  Zähnen)  von 
einem  jungen  Mammut   (IClcphati primigenius),  50  Pfund  schwer, 
1  Fuss  9  Zoll  breit,  I  Fuss  8  Zoll  lang. 

Diese  Kinnlade,  welche  vor  30 — 3;i  Jahren  bei  der  Mediascher 
Mühle,  in  der  grossen  Kockcl.  gefunden  ivordcn  und  in  den  Besitz 
des  Herrn  Apothekers  M.  Schuster  in  Mediasch  gekommen  ist, 
verdiente  in  einer  grösseren  Naturalien-Sammlung  einen  Platz:  es 
wäre  gewiss  eines  der  schönsten  Stücke.       M.  S.  Möck  es  eh. 


—  331   — 


Literarische  Anzeigen. 


Bei  Gelegenheit  der  Bespreehiing:  der  Wackenuigersclien  Wer- 
kes üher  die  ffoldene  Altartafei  zu  Basel  im  Novcinherhefte  der 
Mittlieilujigeii  hat  sich  B.  G.  Heider  gegen  die  Ansicht  Wackcr- 
na  ge  l's,  welcher  die  Altartafel  für  ein  Geschenk  Kaiser  Heinrich's  II. 
erklärt,  aber  auch  gegen  Kugler's  Hypothese,  dass  dieses  Sculptur- 
werk  in  späterer  Zeit  eine  sfylistische  Umgestaltung  erfahren  habe, 
ausgesprochen  und  daraufhingewiesen,  dass  dieses  Werk,  wie  es  ist. 
aus  dem  Schlüsse  der  romanischen  Kunstperiode  stammt.  Es  freut  uns 
mittheilen  zu  können,  dass  auch  Prof.  Kugl  er  (im  Kunstblatte  Nr.  43) 
unabhängig  von  Dr.  Beider  seine  früher  ausgesprochene  Ansicht 
modiKcirt  und  ganz  in  Übereinstimmung  mit  Letzterem  sich  mit  über- 
zeugenden Gründen  für  die  Entstehung  dieses  Kunstwerkes  in  der 
Epoche  um  1200  ausgesprochen  hat.  Dagegen  trat  die  „Zeitschrift 
für  christl.  Archäologie  und  Kunst",  herausgegeben  von  Quast  und 
Otte,  ia  einer  Besprechung  des  genannten  Werkes,  enthaltend 
im  jüngst  erschienenen  ersten  Hefte  des  II.  Bandes,  der  Ansieht 
Wa  e  ke  rn  a  gel's  vollständig  bei. 

Für  das  Gedeihen  der  Alterthumskunde  kann  es  keine  erfreu- 
lichere Thatsachc  geben,  als  dass  die  Theilnahme  für  die  Forschungen 
sich  nicht  bloss  auf  das  Gebiet  der  eigentlichen  Faehgenossen  erstreckt, 
sondern  dass  auch  jene  Männer  sich  davon  angezogen  fühlen,  welche 
durch  ihren  mächtigen  Einfluss  auf  die  Jugend  zunächst  in  der  Lage 
sind,  den  Sinn  für  archäologische  Studien  in  weiteren  Kreisen  zu 
wecken.  Mit  Vergnügen  haben  wir  die  Wahrnehmung  gemacht,  dass 
die  Gymnasialprogramnie  —  diese  trefflichen  Stützen  zur  Bewahrung 
des  wissenschaftlichen  Geistes  in  den  Lehrkörpern  —  auch  der  Alter- 
thumsforschung  die  gebührende  Aufmerksamkeit  zuwenden.  So  enthält 
der  VI.  Jahresbericht  über  das  k.  k.  katholische  Gymnasium  zu  Ofen 
(veröffentlicht  am  Schlüsse  des  Studienjahres  18Ö7)  eine  Abhandlung 
„Aquincum  und  seine  Überreste"  von  Heinri  ch  Ficker,  die 
zu  den  fleissigsten  und  gediegendsten  Arbeiten  gerechnet  werden 
muss,  welche  in  jüngster  Zeit  aus  der  classisclien  Periode  in  Osterreich 
publicirt  wurden.  So  viel  uns  bekannt,  bildet  dieselbe  den  ersten  Ver- 
such, auf  Grund  der  gewonnenen  wissenschaftlichen  Resultate  ein  Bild 
jener  bedeutenden  römischen  Niederlassung  zu  entwerfen  ,  welche 
einst  die  Stelle  des  heutigen  Alt-Ofens  einnahm;  zugleich  liefert 
sie  eine  Übersicht  der  vorhandenen  Denkmale,  soweit  dieselbe  durch 
die  Untersuchung  der  neueren  undneuestenZeitansLichtgezogensind. 
in  so  sachverständiger  Erklärung,  dass  diese  Abhandlung  mit  Recht 
die  Aufinerksanikeit  der  Alferthumsforscher  auf  sich  zieht.  —  Eine 
zweite  archäologische  Arbeit  enthält  das  Programm  des  k.  k.  Gymna- 
siums zu  Zar  a,  betitelt:  Kirchliche  Architectur  in  Zara,  von 
J.  G.  Vonbank.  Als  ein  Versuch  zur  Beschreibung  der  hervorra- 
gendsten Kirchenbauten  dieser  Sladt,  uui  damit  die  Aufmerksamkeit 
der  Jugeud  auf  deren  Bedeutung  zu  lenken,  verilient  dieselbe  alle 
Beachtung  und  wir  können  dem  Herrn  Verfasser  nur  aufmuntern, 
durch  fortgesetzte  kunstgeschichtliche  Studien  sich  über  den  Styl- 
charakter der  einzelnen  Bauwerke  eine  vollkommen  klare  und  sach- 
gemässe  Anschauung  zu  verschaffen  '). 

Eine  sehr  verdienstliche  Broschüre  hat  Eduard  Pratobe- 
vera',  Archivar  am  ständischen  Museum  in  Gralz.  unter  dem  Titel: 
„Die  keltischen  und  römischen  Antiken  in  Steier- 
mark" veröffentlicht.  Er  gibt  darin  eine  Übersicht  der  Altcrthümer 
dieser  Provinz,  des  Benehmens   bei  Ausgrabungen  und  der  Behand- 


1)  Im  Interesse  der  Verfasser  von  archäologischen  Arbeiten  in  ilen  fiynina- 
sialprogrammen  müssen  wir  wünschen,  ilass  ans  diejenigen  zugesendet 
werden,  worin  derartige  Aufsätze  venilfentliclit  werden.  Dort  werden  sie 
von  Fachmäiunern  am  wenigsten  gesucht  und  daher  nicht  .iNseitig  gewür- 
digt. Dagegenhalten  wir  es  für  unsere  l'llioht,  in  diesen  Bliittern  darauf 
aufmerksam  zu  machen,  sohald  wir  davon  in  Kenntniss  gelangen.  D.  Hed. 


lung  solcher  Gegenstände  in  Betreff  der  Reinigung,  mit  der  Absicht 
vielen  Altcrthumsfreunden ,  denen  es  nicht  gestattet  ist  selbst 
eingehende  Studien  anzustellen  ,  eine  aufklärende  Belehrung  zu 
bieten,  die  Lust  zum  Sammeln  anzuregen  und  den  so  zahlreich  vor- 
kommenden Zerstörungen  entgegen  zu  treten.  Diese  Darstellung  in 
anregender  und  leicht  verständlicher  Form  geschrieben,  ist  sehr  zu 
empfehlen,  da  sie  nicht  nur  gute  Anhaltspunkte  für  Funde  bietet, 
sondern  auch  mit  der  Sammlung  des  Joanneunis  an  .\lterthümern  der 
vorchristlichen  Epoche  vertraut  macht.  Zahlreiche  Illustrationen  ver- 
anschaulichen die  besprochenen  Gegenstände. 

Aus  dem  Inhalte  der  letzten  zehn  Nummern  (Nr.  11 — 19}  des 
„Organs  für  christliche  Kunst"  (herausgegeben  und  redigirt  v.  Frz_ 
Baudri  in  Köln)  heben  wir  folgende  Aufsätze  und  Mittheilungen 
hervor:  Eine  Bearbeitung  des  Aufsatzes  über  die  Liturgik  und  for- 
melle Entwicklung  der  „Glocken",  welche  in  der  „Revue  de  t'art 
chretienne"  von  Abbe  Cor  bl  et  erschienen  ist:  die  Fortsetzung  der 
Abhandlung  über  die  „Glasmalerei  in  Europa",  vier  polemische  Aufsätze 
über  die  St.  Mauritiuskirche  in  Köln;  einen  Aufsatz  über  „alte  und 
neue  Glasmalerei"  und  über  die  „Moldaubrücke  in  Prag,  ihren  Bau- 
meister und  ihre  Bildwerke",  Correspondenzen  aus  Frankreich  und 
England;  ferner  einen  Aufsatz  über  „Prags  hervorragendste  kirch- 
liche Bauwerke  aus  der  Zeit  Karl's  IV.  in  ihrer  heutigen  Gestall;  Bei- 
träge zur  Geschichte  der  Glocken,  Aufsätze  über  die  Büchcrabschrei- 
ber  und  Miniaturisten  des  Mittelalters,  über  Kirchenmusik,  über  das 
sogenannte  Modell  des  Präger  Domihunnes  in  der  St.  Wcnzclscapelle 
von  St.  Veit,  einen  Nekrolog  über  den  französischen  Architekten  Joh. 
Bnj.  Adolph  Lassus  und  eine  kurze  Besprechung  des  Messgewandes 
der  heiligen  Gisela  zu  Martinsherg  in  Ungarn.  Jeder  der  Nummern 
ist  eine  Tafel  beigegeben.  Interessant  für  Österreich  insbesondere 
sind  die  oben  erwähnten  .Aufsätze  über  Prags  Bauwerke  und  das  Mess- 
gewand der  heiligen  Gisela.  In  dem  ersteren  .Artikel  über  die  Moldau- 
brücke  in  Prag  —  jenes  vorzügliche  Werk  mittelalterlichen  Brücken- 
baues, das  unter  der  Leitung  des  Peter  v.  Gmünd,  zweiten  Bau- 
meisters des  Präger  Veitsdomes,  enisfanden  ist — theilf  der  Domcaplan 
F.  Bock  den  Wortlauf  jener  Inschrift  mit.  die  an  der  Gallerie 
des  Präger  Veitsdomes  auf  Veranlassung  dieses  Gelehrten  kürzlich 
aufgedeckt  wurde,  worüber  uns  seinerzeit  derselbe,  wie  bekannt, 
Bericht  erstaltet  hat*).  In  diesem  .Aufsatze  wird  vorzugsweise 
beklagt,  dass  die  religiösen  und  bürgerlichen  Wirren  des  XV.  Jahr- 
hunderts in  Böhmen  die  Idee  des  ersten  Baumeisters  hinsichllich 
der  sculptorisehen  Ausstattung  der  Brücke  nicht  zur  Geltung 
bringen  Hessen  und  die  Renaissance,  welche  die  Bekrönung  und 
Ausmündung  der  Brückenpfeiler  unternahm,  an  dem  Style  des 
grossariigen  Bauwerkes  nicht  mehr  festhielt.  Aus  eben  dem  Grunde 
werden  einige  bcmerkeuswerlhe  Einwendungen  gegen  den  Cha- 
rakter jener  Standbilder  auf  der  Moldaubrücke  erhoben,  die  in 
jüngster  Zeit  ohne  entsprechende  Berücksichtiguner  des  mittelalter- 
lichen Typus  dieses  Bauwerkes  aufgestellt  wurden.  In  dein  zweiten 
.Aufsatze:  „Prags  hervorragendste  kirchliche  Bauwerke  aus  der  Zeit 
Karls  IV.  in  ihrer  heuligen  Gestall",  der  gleichfalls  aus  der  Feder  des 
Herrn  Domcaplan.s  F.  Bock  herrührt,  wird  in  sehr  warmen  und  ein- 
dringlichen Worten  die  Ueslauration  der  Karlshofcr  Kirche  und  des 
Veitsdomesüll  .Anregung  gebracht.  Es  ist  indessen  bekannt,  dass  bereits 
ein  Aufruf  ( vergl.  die  Rubrik:  „Correspondenzen"  in  dl.'sem  Hefte) 
zur  t'onslituirung  eines  Prager  Dombauvereines  verött'enllielil  wurde, 
welche  die  Restauration  des  Veitsdomes  anbahnen  will.  Sehr  inlercs- 
sant  ist  dieBeschreibung  der  Wenzelscapelle  im  Veitsdome  und  jenes 
baldacliinartigen  Aufbaues  aus  Sehiniedeeisen  in  Form  eines  Thiirin- 
hclmcs,   der    sieh    über    der   unteren   Mauerhrüstung  der  Wenzels - 

»)  Vergl.  Mittheilungen  II.  I8,S. 


332  — 


capelle  von  St.  Veit  belimlet  uiul  iiilliiimlieh  von  veisehicdenen  — 
allerdinfTS  nicht  conipetenten  Stimme»  (ür  ein  Modell  des  Prasjer 
Domes  gehalten  wurde.  In  den  Notizen  über  das  Messsrew.iml  der 
heiligen  (lisela  in  der  .Ahlei  .Murlinsherg  bei  Haab  wird  eine  frühere 
Behauptung,  dass  dieses  Gewand  der  farbige  Cardm  iiriil  die  Muster- 
vorlage für 
bekräl'tiu't. 


Von  der  „/  e  i  t  s  c  h  r i  ft  f ü  r  c  h  r  i s  1 1  i  e  li  e  A  r  e  h  ;i  o  I  o  g  i  e  u  n  d 
Kunst",  herausgegeben  von  Fr.  V.  Quast  u.  H.Otte,  livibeii  wir  über 
den  Inhalt  des  sechsten  Heftes,  womit  auch  der  erste  Band  ab- 
geschlossen ist.  zu  berichten.  Dasselbe  enthält  den  Schluss  der 
Abhandlung  von  .1.  1).  I'assavant  über  die  mittelalterliehe  Kunst 
in  Böhmen  und  Miihren.  Anknüpfend  an  unsere  letzte  hierüber 
gemachte  Anzeige  bemerken  wir,  das  Herr  J.  D.  l'assavant  die  Be- 
sprechung der  Miniaturen  fortsetzt  und  nun  jene  in  Betracht  zieht. 
die  dem  XV.  und  XVI.  Jahrhundert  angehören.  Zugleich  sollen  die- 
selben Aufschlüsse  über  den  Standpunkt  der  Malerei  in  Böhmen  und 
Mähren  wiilirend  dieses  Zeitraumes  geben,  da  l'assavant  grössere  Male- 
reien aus  dieser  Zeit  nur  wenige  bekannt  geworden  sind.  Aus  der 
ersten  Hälfte  des  XV.  Jahrhunderts  führt  Passavanl  eine  Krkliirung  der 
h.  Schrift  nach  der  Übersetzung  des  h.  Hieronymus  in  der  Strahower 
Bibliothek  zu  Prag,  elnOflleium  des  h.  lliercmymus  mit  dessen  Lehens- 
beschreibung und  eine  böhmische  Bibel  in  der  Museumsbibliolhek  zu 
Prag,  dann  ein  Missale  in  der  Bibliotliek  zuülinülz,  einige  Miniaturen 
aus  dem  Brünner  Sladtrechte  v.  J.  1446,  Miniaturen  in  Conipilationen 
deutscher  und  böhmischer  Rechtsbücher  v.  J.  144G  im  Stadtarchive 
zu  Brunn  —  alle  jedoch  nur  äusserst  flüchtig  —  an.  Aus  der  zwei- 
ten Hälfte  des  XV.  Jahrhunderts  ein  Missale  von  1483  in  der  Stra- 
hower Bibliothek  zu  Prag,  welches  sich  früher  im  Kloster  Brück 
a.  d.  Leitlia  befand,  zwei  hussitische  Chormissale  in  der  Ambraser- 
sanimlung  zu  Wien,  ein  hussitisches  Chormissale  in  der  Universitäts- 
bibliothek zu  Prag.  Von  grösseren  Malereien  aus  dieser  Zeit 
bemerkt  l'assavant  den  Tod  .Mariens  im  Kloster  Strahow,  ein  Kcce 
homo-Bild  in  der  Teynkirche,  das  berühmte  Hungertuch  aus  der 
ehemaligen  böhmischen  Stadt  Zittau,  das  in  die  Sanunlung  deutscher 
Alterthümer  im  Palais  des  grossen  Gartens  bei  Dresden  gelangt  ist, 
ein  .\ltarblatt  der  alten  Königscapelle  des  Welschen  Hofes  zu  Kutten- 
berg, eine  Darstellung  der  Trinität  aus  dem  ("istercienser-Kloster 
Kuttenbergs  und  zwei  grosse  Tafeln  mit  der  heiligen  Katharina  und 
der  heiligen  Barbara  in  der  Teynkirche  zu  Prag.  Auch  über  die  alt- 
böhmische  Xylographie  und  Holzschneidekunst  gibt  l'assavant  einige 
Andeutungen.  In  erslerer  lieziehung  hat  ihm  eine  interessante  Publi- 
cation  des  Adolph  Bitter  von  Wol  l'skron  in  dem  ersten  Bande  der 
„Quellen  und  Forschungen  zur  vaterländischen  Ueschichte,  Litera- 
tur und  Kunst"  (Wien.  )84())  und  der  Wiederabdruck  eines  allen 
Holzschnittes  von  K.  Hawlik  Veranlassung  gegeben.  Von  böhmischen 
oder  mährischen  Kupfersteehern  lies  XV.  .lahrhunderts  vermag  er 
nur  Wenzeslaus  von  Olmütz  zu  nennen.  Schliesslich  wirft  l'as- 
savant einen  Blick  auf  seine  Beobachtungen,  um  zu  ermessen,  inwie- 
weit eine  eigenlhümlich  nalional-czechische  Kunst  sieh  entwickelt 
hat.  Wir  lassen  diese  Betrachtung,  weil  sie  eine  noch  nicht  zum 
Abschluss  gebrachte  und  auch  in  diesen  lilätterii  vcrliandelle  Streit- 
frage berührt,  nach  ihrem  ganzen  Inhalte  folgen:  „In  der  Baukunst 
machte  sich  seit  den  frühesten  christlichen  Zeiten  bis  in  das 
XVI.  Jahrhundert  haupts-iclilieh  der  Kinfluss  Deutschlanils  geltend. 
Nur  in  dem  IX.  Jahrbumlert  haben  einige  bvzanliniselu'  Mönche  ihre 
Bauweise  befolgt,  und  in  der  zweiten  Hälfte  des  XIV.  wurden  unter 
Karl  IV.  durch  seinen  Baumeister  Matthias  von  Ar  ras  die  Bauformen 
der  grossen  französischen  Kathedralen  eingeführt  und  noch  von  sei- 
nem Nachfolger  Peter  (!münd  beim  Bau  der  Kirche  zn  Kutteiiberg 
angewendet.  Im  XVIl..lahrbuiulert  waren  es  bau|)t,säehlieh  italienische 
Architekten,  welche  die  damals  errichlelen Paläste  in  Prag  ausführten. 


Von  einem  national-ezecliisehen  Baustyl  zu  irgend  einer  Zeit  haben 
wir  keine  Spuren  auflinden  können.  Die  Bildhauerkunst  in  Böhmen 
durchlief  im  Allgemeiiien  dieselbe  Entwiekelung  ,  die  in  dem  übrigen 
eliristkatholiselien  ICuropa  zur  Krseheinung  kam.  Iiulessen  ist  anzu- 
erkennen, dass  hier  schon  im  i'i.  Jahrhundert  ausgezeiehnele  Seulp- 
turen  ausgeführt  worden  sind,  und  dass  selbst  das  ("icpräge  für  Münzen 
eine  für  jene  Zeit  seltene  Ausbildung  erhielt,  welche  als  eine  eigen- 
thümlich-höhmisehe  darf  betrachtet  werden.  Nicht  minder  aus- 
gezeiehnel  sind  die  Bildwerke  aus  ilem  XIV.  Jahrhundert  unter  Kaiser 
Karl  IV.  Namenilich  ist  die  lironzegruppe  des  h.  (leorg  ein  sehr 
schönes  und  originelles  Werk,  dessen  Meister  Martin  und  Georg 
Glussenbach,  jedoch  deutschen  Ursprungs  zu  sein  scheinen.  Auch 
später  bis  in  das  XVI.  Jahrhundert  sehen  wir  deutsche  Künstler  die 
wichtigsten  Werke  für  Prag  ausführen,  wcdiei  wir  nur  an  Matthias 
Reysak  und  Alexander  Kolin  aus  Nürnberg  erinnern  wollen.  Wahr- 
haft national  erscheint  in  Böhmen  dagegen  die  Malerkunst  vom  XI. 
bis  XVI.  Jahrhundert.  Belege  hiefür  fanden  wir  hauptsächlich  in  den 
Miniaturen,  von  denen  die  vom  Domherrn  Benesch  aus  dem  Anfange 
des  XIV.  Jahrhunderts  und  noch  in  höherin  Grade  die  des  Shisco  de 
Trotnia  nach  Mitte  desselben  Zeitraumes  zum  Ausserordentliehsten 
gehören,  was  damals  in  Kuropa  überhaupt  in  dieser  .\rt  entstanden 
ist.  Aus  einer  böhmischen  Kunstschule  ersehen  wir  auch  den  Meister 
Theoderich  von  Prag  hervorgegangen,  und  tragen  die  Malereien 
seiner  Vorgänger  und  besonders  die  seinigen  ein  sehr  eigenthüm- 
liches  und  nationales  Gepräge.  Wie  sehr  jedoch  die  deutsche  Kunst 
auch  neben  der  der  Czechen  in  Böhmen  geblüht,  zeigen  nicht  nur 
einige  der  gleichzeitigen  Werke  deutscher  Maler,  sondern  geht  noch 
entschiedener  aus  dem  Umstände  hervor,  dass  die  Salzungen  der 
Künstlerzunft  in  Prag  ursprüglich  und  noch  lange  Zeil  hindurch  nur 
in  deutscher  Sprache  ahgefasst  waren.  iMullicb  haben  wir  gesehen,  wie 
nach  dem  Tode  Karls  IV.  durch  die  von  Wenzel  verursachten  Ver- 
wiirungen,  auch  durch  dieVerwüstungen  im  Hussitenkriege  die  Kunst 
in  Böhmen  in  den  traurigsten  Verfall  gerieih  und  später  nur  durch 
den  Einlluss  von  Deutschland  aus  sieh  wieder  in  etwas  erheben  konnte; 
unter  Rudolf  II.  selbst  fast  ausschliesslich  durch  ausländische  Künst- 
ler ausgeübt  wurde.  Eine  eigentliche  czechische  Kunstblüthe  kam 
nicht  mehr  in  Aufnahme,  und  konnte  es  um  so  weniger,  als  das  poli- 
tische Verhällniss  des  Landes  kein  unabhängiges,  nationales  Leben 
mehr  begünstigte."  Von  den  „archäologischen  Heiscberichten"  des 
Herrn  v.  Quast,  deren  besonderes  Interesse  wir  bereits  hervorgehoben 
haben,  ist  die  Fortsetzung  und  spcciell  über  Magdeburg  der  Schluss 
enthalten.  Nebst  den  Baudenkmalen  dieser  Stadt  sind  jene  von  Wol- 
mirstädl  besprochen.  An  kleineren  Aufsätzen  und  Notizen,  ent- 
hält dieses  Heft  den  Schluss  der  Beschreibung  des  Reliiiuienschrei- 
nes  zu  Mettlach,  die  Beschreibung  und  Abbildung  eines  Taufstei- 
nes  in  der  Kirche  zu  Recke  im  Reg.-Bezirke  Münster  und  eine  Notiz 
über  Steinmetzzeiehen  der  ijlteren  Periode.  Ferner  linden  vAr  einen 
naehträgliehen  Bericht  id)er  die  .\rehäologen-Versaiundung  in  Hildes- 
heim, den  ili.  bis  lit.  Septendier  LSiiti,  und  zum  Schlüsse  einen  Rück- 
blick auf  die  Erscheinungen  des  Jahres  18ö6  auf  dem  Gebiete  der 
ehristlichen  .\rchäologie  und  Kunst  des  Mittelalters  in  Deutschland. 


li  eri  ehtigungen.  Zu  dem  Oel  o  her  h  ef  (  eiler  „Miltlieilnngen" 
haben  wir  einige  Berichtigungen  iiaelizutragen.  S. 'ii>8,  Spalte  1  in  der 
dritten  Textzeile  von  unten  soll  es  heissen  anstatt:  (Fig.  ü)  — 
„(Fig  0)"  und  in  iler  letzten  Textzeile  anstatt  (Fig.t!)  —  „(Fig.  ä)"  ; 
—  Seite  2:-)!l,  Spalte  I  Anmerkung  4  anstatt:  Vgl.  Note  ä  —  „Vcrgl. 
Note  2"  und  Seite  '16\.  Spalte  Z  Zeile  28  von  oben  anstatt:  Fig.  3— 
„Fig.  4".  Am  Schlüsse  des  im  No  ve  mbcrhof  te  vcröffenllichten 
Aufsalzes  :  „Die  Wandgemälde  der  Kathedrale  zu  Gurk"  Seite  298, 
Spalte  2  Zeile  10  von  oben  ist  zu  lesen  anstatt:  „die  in  der  Vorhalle 
und  dem  Nonnenchore"  —  „die  in  dem  Nonnenchore"  etc. 


.\us  der  k,  k.  Huf-  und  Staalsdruekcrei. 


REGISTER 

der 

in  diesem  Bande  ansefüliiten  Personen.  Orte  nnd  Sachen. 


Aachen:    Rathhaus  27.    Reichskleinodien 
S6.  90. 

Aachen,  Maler  Johann  v.  143. 

Achatius-Capelle  in  Tirol  S8. 

Adel,  der  altböhmische.  26. 

Acneas,  Sylvius.  160. 

Agnani,  Krypta.   140. 

Ag-unf  um  ("Inichen)  37. 

A  haim,  Ritter  v.  76. 

Ahrweiler,  Kirche  244. 

Alba  der  deutschen  Krönungs-Insignien  87. 

A  I  b  r  e  e  h  t  II.,  Kurfürst  von  Mainz  258. 

Albrecht  III.,  Herzog  16.  29.  30.  71. 

Albrecht  IV.,  Herzog  29.  39.  31. 

Altarschrank.  Cilli  Ö2. 

Altäre:  Wien:  Maria  am  (iestade  35. 
Prag:  Teyn-Kirche  80.  Zraslaw:  131. 

Altäre:  (Flügel-J  Käfermarkt  4ö.  307. 
St.  Wolfgang  43.  252.  Hallstadt  45. 
St.  Michael  45.  AValdburg  45.  Rotzen 
62.  99.  Gries  122.  Eyle  132.  Libis  131. 
Radeln  269.  Pretai  269.  Grosskopisch 
269.  Kaschau  278.  Pesenbach  307.  St. 
Michael  307.  Rruek  a.  d.Mur  310.  Neu- 
berg 310.  311.  Lana  325.  St.  Mag- 
dalena (in  Tirol)  327. 

Altbregenz,  Grafen  v.  298.  329. 

Altenberg,  Kirche  84. 

Altenburg,  Bischofstab  259. 

Altenmark  t,  Hestaur.  110. 

Alterthumsverein  in  Wien  146.  Dessen 
Publieationen  222. 

Altliechtenwartli,  Pfarre  113. 

Altmünster,  Grabsteine  307. 

Ambras,  Schloss  94. 

Ambraser-Sammlung  26.  94.  111. 

Andreas,  König  40. 

And  reas,  Baumeister  268. 

Anna,  König  Wenzel's  Schwester  97. 

Annales  archeologiches  v.  Didron  28.  140. 
IT. 


Apokalypse.  Darstellungen  in  demKreuz- 
gange  zu  Milstat  169. 

Aquincum  281.  331. 

Aquileja,  Raplisterium  252.  Patriarch 
Uldarich  104. 

Arabona(d.  h.  Raab)  221. 

Araes,  Ruinen  der  Schlosskirche  217. 

Arasstein,  römischer,  zu  Brück  bei  Lienz 
170. 

Archäologische  Publieationen  ungar. 
Zeitschriften  245. 

Archäologisches  Studium  in  Öster- 
reich 21. 

Arier,  Peter  von  Gmünd,  seine  Büste  im 
Veitsdome  185. 

Armspangen  des  deutschen  Krönungs- 
Ornates  127. 

Arnestvon  Pardubitz,  Erzbischof  v.  Prag, 
seine  Büste  im  Prager  Veitsdome  186. 

Arras,  Mathias  von,  seineBüste  im  Prager 
Dome  186. 

Artois,  Siegel  der  Grafen  140. 

Aschaffenburg,  Bisehofstab  258. 

Atta  via,  Platz  derselben  220. 

Au  gsb  u  r  g,  SammlungvonGrabmonunien- 
ten  140. 

Augustiner  Chorherren  in  Gries  121. 

Ausgrabungen:  Grosspechlarn  25.  47. 
Lorch  45.Luegkanal45.  Grosspold  109. 
Böhmen  164.  Zollfeld  231. 

B. 

ß  a  a  s  s  e  n ,  gothische  Kirche  271. 

Bachinge  r,  Christoph  76. 

Bäder,  römische:  Grosspechlarn  25. 
Trier  27.  Loreh  43.  Allofen  281. 

B  a  d  0  ari,  venetianische  Patricierfamilie  170. 

Bai  diron,  Alois  Frcibr.  143. 

Bamberg,  Bischofslab  259. 

Baptisterien  in  Deutschland  83.  .Aqui- 
leja 252. 


Barasföld,  römische  Überreste  220. 

Bärneck  ,  gotb.  Kirche  101. 

B  a  r  1 0 1 0  m  ni  e  0  22. 

Basel,  goldene  Altartafel  307.  .330. 

Basiliken:  Tcpl  81.Botzen,  Pfarrkirche 

98.  Parenzo  252.  Föt  257. 
Basrelief  der  Georgskirche  in  Wiener- 
Neustadt  300.  329. 
Bathory,  Fürst  Sigmund  142. 
Baum  garten  her  g,  Abtei  72. 
Bauzeitung  (allgem.)  von  L.  Förster  27. 

50. 
Befestigungen  alte.  Krakau  315. 
Bei a  III.,  König  63. 
Bela  IV.,  König  i05.  238. 
Belgien,  Bauten  und  Restaurationen  308. 
Bellini,  Maler  171. 
Benedict  XII.,  Papst  60. 
Benedict,  Erzbischof  v.  Tiberius  175. 
Benedict,  .Abt  zu  St.  Wolfgang  46. 
Bened  ict  inerk  lös  ter   in  Böhmen    132. 

160. 
Benedictiner  von  Muri  121. 
Bencschau,  gotli.  Kirche  134. 
B  c  n  0  i  t  e  d '  0  r  i  g  n  y.  Abtei  308. 
Ber,  Leopoldus  von  70. 
Bereisungen  der  Kronländer  136. 
Berger.  Jobann  74. 

Bernhard  in  de  Meneses,  Geschlecht  143. 
B  e  r  n  i  n  i,  Biographie  27. 
licrthold  v.  Bamberg.  Bischof  41. 
Bewaffnung,  verschied,  des  Mittelalters 

95. 
HibI  io  grapbie  deutscher  Werke  27.  I  12. 
1)  i  li  I  iog  ra  phie  franzüsisrher  Werke   28. 

112.140. 
Bischöfe  des  Kaiserslaates.    Sehreiben  an 

die  k.  k.  Cenlralcommission  115. 
Bisehofstäbe:   deren    litnrgisebe  Bedeu- 
tung und  Kunstenlwicklung  256.  Rai- 
gcrn  259.    Sl.  Peter  in  Salzburg  237. 
47 


—  334  — 


Heidelberg  'ijS.  Aschaflonburg  2,'i8. 
Brunn 2üS,  St.  Jaeub  2ö.S.  OiittwcihSöa. 
Altcnhurg  2li!).  Mainz  2.'ii).  Klosterneu- 
burg 2j9.  llerrnshruük  2ül.  Oxford 
261.  St.  Wollgang  307. 

BischofstSbe  der  griechischen  Kirche  2C1 . 

B I  e  i  0  r  n  a  ni  e  n  t  e  52. 

B  oll  cm  US,  Johannes,  Gloekengiesser  280. 

Böhmen:  Archiinlog.  Karte  v.  A.  Schmitt 
2C.  romanische  Kirchen  26.  1ö8.  Ent- 
wickelung  der  mittelalterlichen  Kunst 
83.  Bauschulen  l.'iS.  früherer  Reich- 
thum  an  römischen  Bauten  160. 

Bonesdorf,  goth.  Kirche  270. 

Bonifa  z  VIII.,  Papst  106. 

B  onifa  z  IX.,  Papst  16. 

Börzsöny,  rom.  Kirche  219. 

B  otsc  hen  ,  Geschlecht  60. 

B  otzen:  Kunstdcnkniale  .^7.  Dominicaner- 
kirche !)7.  St.  Georgskirchc  98.  Marien- 
kirche 98.  Pfarrkirche  98.  Bildung  eines 
Vereines  f.  uiittelalferl.  Kunst  166. 

Brande  1,  Maler  131. 

Brandenburg,  Ludw.  v.  ö6.  ö8. 

Brandenslein,  Ernst  v.  32. 

Brau  n  seh  weig,  Kathrinenkirche  61. 

Breznic,  Muttergoltesbild  138. 

Brendt,  Georg  Höpfner  v.  79. 

Brixen,  Restaur.  des  Domes  166. 

Bronzestatue  der  Pallas  zu  Cividale  222. 

Brück,  Schloss  zu  Eienz  173.  176. 

Brück  a.  d.  Leitha  31. 

Brück  a.  d.  Mur:  Huprechtskirche,  Fried- 
hofcapelle.Spitalkirehe.  Pfarrkirche  am 
hohen  Markt,  Minoritenkirche  310. 

Brus  a  zo  r  zi ,  S.  197. 

Brunnen:  St.  Wolfgang  307. 

Buch,  Jacob  Jonas  v.,  Geschlecht  143. 

Buholtz,  Franz  Bernh.  Ritter  v.  144. 

Buonacorsi  ,  Familie  20. 

Buonrignori,  Fr.  197. 

Burgau,  Karl  v.  95. 

Burgen,  Praday  58.  Rungelstein  120. 
Starnberg,  böhm.  132.  Richenburgl32. 
Lichtenhurg  133.  .Svojanov  l33.Pcrnegg 
162.Sine[usl64.  Viscgrail  246.  Grün- 
burg 327. 

Burger,  Paul  Ernst  78. 

Bürglein,  Kloster  36. 

Burgu  nd,  Maria  v.  74. 

Burgundisehc  Gewänder  in  der  k.  k. 
Schatzkammer  220. 

Byssus,  dessen  Bezeichn.  150. 

Bysträ, Stadt. 


Calixtus  III.,  Papst  22. 
Callimachus  Philippus,  Grabmal  20. 
Cambray,  Katherlralc  105. 
Camp,  Abtei  27. 
Campagna,  Girold  23. 
Capitelhaus   zu    Krakau:   Doniinirancr- 
kloster  21. 


Carnero,  Matlro  23. 

C  a  r  0  1 1 0,  Fcr.  1 97. 

Ca  rp  acc  io,  Maler  171. 

Casula.     ungar.    Krönungsinsignien    147. 

Marienherg   150.    Biirncck   162.  Fric- 

sach,  Peterskirche  167.  Klosdorf  231. 
C  a  s  t  i  g  I  i  0  n  e,  Francesio  de  22. 
Celtische  Antiken  in  Steiermark  331. 
Centralcommission,  k.  k..  Erfolge  ihrer 

Wirksamkeit.  Anerkennungen  114. 
Ceremonicn   der    deutschen    Kaiserkrö- 

nnng  87. 
Chirotheken    des    deutschen    Kriinungs- 

ornales  127. 
C  h  0  r  s  t  ü  h  1  c :  Sienna  28.  Wien,  Jlaria  am 

Gestade  3;;.  ChotaÄn  130,  Kaurim  163. 

Kirchdorf  248. 
Chotysan,  rom.  Kirche  132. 
Chrannest,  Dietrich  und  Jakob  12. 
Christliche  Kunst,  Einrichtungen  28. 
Chrudim,  Mydiar'sehes  Haus  130. 
Chunrad,  Erzhischof  von  Salzburg  12. 
Cicogna,  Emanuel  22. 
Cilli,  Ulrich  Graf  V.  41. 
Ci  lli ,  Altarsehrank  52. 
Cislcreienserkl  üstcr  in  Böhmen  160. 

Zbraslav  130,  Kerz  230. 
Cividale:  Pallasstalue  222. 
C  i  V  i  1  a  r  c  1)  i  t  e  c  t  u  r  in  Frankreicli  28. 
Codex  membranaceus  purpureus  93. 
Coesfeld,  Jaeohskirclie  119. 
Colin  327. 
Corbie,  Pet.  v.  105. 
Corblet,   Revue  de  l'art  chretienne  112. 

308.  332. 
Crom,  Stephan,  Baumeister  239. 
Cromhholz,  Baumeister  240. 
Csomarkany,  Kirchenreste  219. 
Csurgö,  Pfahlgräber  24. 

D. 

Daniels  herg,  Kirche  24. 

D  a  rm  s  t  ä  d  t  e  r  Museum.  EH'enbein.schnitz- 

werke  112. 
Dan  n.  Wirich  l'hili])p  Gral' v.,  (Jralisleine 

142. 
Dann.   Eeopold  Joseph  Graf  v.,  Grabsteine 

143. 
David,  St.,  Kathedrale  84. 
Delsenbach,  Abbildungen  des  deutschen 

Kaiserornates  87,  127. 
De  ngclcy,  Pankraz  v.  227.- 
Dcnndorf,  gothisclie  Kirche  263. 
Denkmäler  der  Kunst  v.   Dr.  Eühke  III. 

168. 
Denkstein  zu  Schäriling  46. 
Denksäulen,  Wien:  Spinnerin  am  Kreuz 

16.  bei  Wernstein  46.  W  ien:  liohenMarkt 

46.  (idenhuij;  320.  Mattersdorf  320. 
D  c  z  c  ö  ,  Schlossruinen  218. 
Dietrich,  Bisehof  von  Gurk  297. 
D i c t  r i eh s t e i n,  Gemahlin  Adam's Freih.  v., 

deren  .Abstammung  142. 


Di  e  tri  eu  s  iiictor  297. 

Dieyo  di  Guzmano  171. 

Dobrichov,  Sacristci  röm.  Preshyterium 
gothisch  133. 

1)  o  1 1  i  n  es,  Thomas  144. 

D  0  m  b  a  u  v  e  r  e  i  n  in  Prag  329. 

Dominicaner-Kloster  in  Krakau  21. 

Dom  i  tian  ,  Kaiser  169. 

D  0  m  s  (■  h  ä  t  z  e  Österreichs,  deren  Beschrei- 
bung 136. 

Donnersmark,  Doppelcapelle  246. 

D  ü  p  p  e  I  c  a  p  e  I  I  e  n  ,  Donnersmark  246. 
Grünburg  327. 

Dragfy  v.  Belthewk,  Woiwode  231. 

Dreifaltigkeit,  StiftungSI. 

Du  erenheck,  Job.  v.  70. 

D  u  1  m  e  n  e  ,  Schlosscapelle  104. 

Dunkelste  in,  Eigenthum  der  Emcr- 
berg  4Ü. 

Dürer,  AIhrecht  27. 

Dürer,  Hanns  280. 

E. 

Eberhard  I.,  Erzbischof  103. 

Eberndorf,  Kirche  41. 

E  ck  her  t  V.  li  a  lu  lie  r  g,  Bischof  41. 

E  g  e  r,   Stadtpfarrkirche  St.  Nicolaus  193, 

Schlosscapelle    193  ,      Holzsculpturen 

aus  der  heiligen  Kreutzkirche  bei  Egcr 

194. 
Egger,  Graf  Ferdinand  v.  41. 
Eisenarhei  te  n  alte:  Krakau  305,  Brück 

an  der  Mur  310. 
Ekkehard,  Hischofv.  Gurk  297. 
Elisabeth.  Eandgräliii  237. 
E  m  a  i  1  ni  a  I  e  r  e  i  v.  J.  Laharte  84. 
Emerberg,  Truchsesse  von,  39.  Ursprung 

des  Geschlechtes  39. 
Engelsberg,  Rurkhard,  Steinmetz  99. 
Enveloppe  der   böhmischen  Krone  235. 
Epiphania,  Fest  der  Kunstdarstellungen 

132. 
ICpitaphioru  rn    Corpus,  Vindobonensluin 

141. 
Eppan,  Grafen  v.  57. 
E  rha  I  t  u  ng  der  Alterthümer  50. 
E  rnst  der  eiserne.  Herzog  30,  41. 
Erncstus,  Erzbischof  236. 
F>rs  tenbcrg,  Peter  Andreas  78. 
E  tzenf  e  Id  er,  Diiti  ich,  Baumeisler  30,  31. 
E  v  a  n  g  c  1  i  s  t  a  r  i  u  m  des  Krönungsschatzes 

der  deutschen  Kaiser  92.  St.  Wolfgang 

307.  Cyrisny  308. 
Ewiges  Licht,  I.oreh.  Freistadt  307. 
Eyle  132. 


F  a  b  er,  Felix,  ItominicaniT  57,  99. 
Falcone  tto,  (;.  li.  200. 
Farineli,  P.  197. 
Fehring,  (Jrabstcin  40. 
Feistritz,  Rest.  110. 


335  — 


Feld  rü  s  t  ungen  des  Mittelalters  96. 

Ferdinand  III.,  Kaiser  4t). 

Ferdinand,  Erzherzou;  von  Tirol  94. 

Feste  lies  von  Toi  na,  Graf  Ladislaus  69. 
14b. 

Fis  ch  er,  Leopold,  Jesuit  69. 

Flaschner,  AV.,  Pleban  68. 

Förster,  L.,  Allffemeine  Bauzeitiing27.  50. 

Formulare  zur  Statistik  der  bildenden 
Kunst  in  Österreich  314. 

Fot,  Basilica  247. 

Francica,  deren  Ursprung  90.  Symbol 
der  Mutter  Gottes  233. 

Frankfurt  am  Main,  Dom  27. 

Fresken,  vergl.  Gemälde  (Wand-). 

Friedrich  Barbarossa  öd. 

Friedrich  IV.,  Kaiser,  Grabnionument  30. 

Fr  i  edri  eh  der  Schöne  41. 

Friedrieh  Wilhelm  IV.,  König  von 
Preussen  1 14. 

Friedrich  von  Würteinberg,  Herzog  142. 

Friesach  in  Kärnten.  Kreuzgang,  Pelers- 
kirche  166.  169.  Thurn  am  Petersherg 
312. 

Frischberg,  Schloss  134. 

Freu  de  n  st  ad  t,  Colonie  protest.  Exulan- 
ten 142. 

Fuchs,  Ignaz  Graf  v.69.  Dessen  Sammlung 
von  Grabinschriften  144.  143. 

Funde    (röm.),  Kleinsehelk   279.    Gross- 
probstdorf  330.  Grusspechlarn  25.  47. 
Lorch  45.  Luegkanal  45.  Grosspold  109. 
Böhmen  164.  Zollfeld  251. 
Fürth,  Ritter  v.  7ä. 

Fussbekleidungen,  deutsche  Reichs- 
kleinodien 86.  Ungarische  Reichsklcino- 
dien  172. 


G  a  i  s  t  h  a  I,  Alterthiimer  135. 

Gall,  Christoph  v.  Gallenstein  184. 

Gallus,  Freiherr  V.  Rackbnitz  u.  Pernegg 
162. 

Gartenschmied,  Zeichnungen  der  Grab- 
steine zu  Maria  am  Gestade  69.  145. 

G  a  z  0  p  h  y  I  e  c  e  u  m  in  Palermo  90. 

Gelnh  ausen,  Chor  der  Kirche  Gl. 

Gemälde,  mittelalt.  Andeut.  309. 

G  e  miild  e(Wand-),  Venedig:  St.  Sebastian 
23.  St.  Johann  59.  St.  Martin  im 
Campill.  59.  Runglstein  120.  Libis  131. 
Rohoczan  134.  Agnani  140.  Friesacli 
167.  Verona  197,  199.  Prag:  Ludmilla- 
capelle  231.  Karlstein  279.  Gurk  289. 
312.  Brück  an  der  Mur  310.  Neuberg 
310.  Kapellen  3ll.Gratz  311.  Friesach 
312.  Gries  324.  Terlan  323.Meran  324. 

Gemälde  (Tafel-),  V  e  n  e  d  I  g :  St.  Seba- 
stian, altitalienische  23.  Prag:  Teyn- 
kirehe,  altböhmiselie  80.  Krakau: 
Dom,  altdeutsche  280.  Beneschau  134. 
Zbraslaw  131.  Breznic  138.  Friesach 
166.  Brück  a.  d.Mur  310.  Meran  324. 


Gent,  St.  Caro245. 

Gentil,  Maler  171. 

Georg,  Cardinal  und  Erzbischof  74. 

Georg,  Bischof  von  Trient  99. 

Gerbert,  M.  146. 

Gerhard,  Pfarrer  in  Wien  12.  IG. 

Gewänder,  kirchliche.  Geschichte  der 
56. 

Geysa  II.,  König  67. 

G  i  c  s  s  e  r,  AViener  Bürger  70. 

Giocondo,  Fr.  200. 

Giolfino,  N.  197. 

Gisela.  Königin.  Anfertigung  des  Krö 
nungsmantels  146.  Casula  auf  Martins- 
berg 331. 

Glasmalerei,  Geschichte  der  112.  Über 
alte  und  neue  (Jlasmalerei  331. 

Glasmalereien,  Maria  am  Gestade  in 
Wien  15.  30.  31.  34.  35.  Krakau:  Do- 
minicaner Kreuzgang  21.  Bärnegg  162. 
Innsbruck:  Hofkirche  191. 

Glocken,  Geschichte  der  146.  331. 

Glocken,  Merseburg  27.  Rohoena  134. 
Krechov  134.  Meschen  2GS.  Pretai  2G9. 
Bonesdorf  271. 

G  o  e  e  I  i  n.  Meister  68. 

Goess.  Grafen  von  141. 

Gold,  Erasmus  von  78. 

Gold  V.  Lampoding,  Theophil  77. 

G  ostindo  r  f,  Kirche  St.  Johann  104. 

Gofhische  Bauten.  Mangel  an  früh- 
gothischen  Bauten  in  Oesterrcich  237. 
Französischer  Einfluss  in  Ungarn  244. 
GothischeKirchen,Nieder-Oster- 
reich:  Wien,  St.  Stephan  1.  Maria 
am  Gestade  10.  Steiermark:  Bär- 
neck 161.  304.  Ober  Österreich  : 
Steier  43.  Efferding  43.  Braunau  45. 
Reichcnau,  Käfermarkt  306.  Tirol: 
Botzen  61.  97.  98.  99.  100.  Gries  121. 
322.  Terlan  122.  322.  Meran  323.  Lana 
325.  St.  Paul  123.  323.  Kärnthen: 
Griften  41.  Oberndorf  43.  Böhmen: 
Prag,  Teynkirche  51.   Pilsen  80.  Libis 

131.  Vlasvin  132.  Kondrac  132.  Step.i- 
now  1 32.  Neudorf.  Velim  134.  Beneschau 
134.  Vorel  133.  Tuncehod  133.  Nace- 
rac  132.  Scue  132.  Kazan  132.  Ranna 

132.  Dobrichow  133.  Lomhardie: 
Vicenza  153.  Galizien:  Krakau,  Do- 
minikanerkirche 17.  Ungarn:  Press- 
burg ,  Domkirchc  186.  Kaschau  237. 
275.  Donnersmark  246.  Kesmark  246. 
Miskolcz  246.  Siebenbürgen: 
Kaisdorf  227.  Klesdorf  230.  Traiiold 
262.  Jenndorf  264.  Martinsberg  263. 
Grossscheuern  263.  Rosein  265.  Neu- 
statt 265.  Meschen  265.  Marktsehelkcn 
268.  Radeln  268.  Jacobsdorf  2G9. 
Pretai  269.  Grosskopisch  2G9.  Bonnes- 
dorf 270.  Baassen  271. 

G  0  1 1  fri  e  d,  Passauer  Bischof  13. 
Göttweib.  Bischofstab  239. 


G  ra  hcapelle  n,  Gaisthal  133. 
Grabscho[if.  Sigmund,  .Vrcliidiacon  304. 
Grabdenkmale    und    deren   Inschriften 

141. 
Grabmale  der  alten  Völker  28. 
Grabdenkmale.    Krakau:    Dominicaner- 
kirche 20.  Venedig:  San  Sebastian  23. 
Wien:  .Maria  amGestade  33.  69.  Prag: 
Teynkirche    80.    Fehring    143.   .Maria 
Enzersdorf  143.  St.  Jakob  137.   Bär- 
neck  102.   Lienz   173.  Kirchdorf  245. 
Tüffer  3fl4.  Altmünsfer. 
Gra  do,  Kanzel  252. 
Gratz,  Domkirche  311. 
Gregor  VII.,  Papst  288. 
Grei  fe  ns  f  ein,  Grafen  GO. 
Greiff,  Ritter  von  (GrUfoJ  12. 
Griffe,  (Greiff)  Wiener  Bürger  12. 
Griffen,  gothische  Kirche  41. 
Grillenberg,  Andre  v.  31.  70. 
Grillen  borg,  Markus  v.  71. 
Gries.  römisches  Lager  57.   Kirche  121. 

322.  Thurm  38. 
Gropper,  Nikolaus  v.  79. 
Grossau,  roiTianische  Kirche  64. 
Grossskal.  Restauration  110. 
Grosskopisch,  gothische  Kirche  269. 
G  r  0  s  s  1  i  n  d  e  n,  bei  Giessen,  Kirche  224. 
Grossl  udescli,  romanische  Kirche  64. 
Grossp  ech  larn,  Ausgrabungen   25.  27. 
G  rosspold.  romaniseheKirchc64.Heiden- 

kirchhof  108. 
Grosspro  hsdorf.  römische  Funde   1G7. 

330. 
Grosscheuern,  gothische  Kirche  263. 
G  rosswar  dein,    Armut  li   von    Baudenk- 
malen 167. 
G  r ii  n  b ur  g,  Doppelcapelle  und  Thurm  327. 
G  ucinha  riel,  Johann  13. 
Guilielmo  aus  Bergamo  22. 
Gurk,  Wandgemälde  289.    Zeitalter  der- 
selben 294.  Maler  Heinrich  297. 
G  u  r  k  e  r  B  i  s  e  h  ö  f  e,  Dietrich  297.  Wern- 
her  297.  Ekkehard  297.  Walfher  297. 
Otto  297.  Ulschak  297.  Ulrich  297. 
Gürtel  der  deutschen  Krönungs-Insignicn 

87.  88. 
Güssingen,  Iwan  v.  4t). 
Gutering.  Pfarrkirche  103.  104. 
G  umpe  ndorf  31. 

II. 

Haas,  K.,  Kunsidenkmale  Sleiermarks  280. 

H  aekel,  Ulrich.  Abt  34. 

Halbcrstadt,  Dom  27.  Gl. 

Hall,  römische  Münzen  45. 

Hallstadt,  Altar  43. 

Handschuhe     des    deulsehen    Krönungs- 

Ornales  89. 
Hannover,  Schatz  90. 
Hanns,  Maler  von  Judenburg  99. 
Hardegg,  Heinr.  v.  41.  73. 
47* 


336  — 


H  a  r  I  u  n  s  c  n  b  u  r  g  2ö. 
II  :irin  onie,  kii'clil.  28. 
Harnische  des  Mittelalters  9i>. 
Ilartber«,',  kirehl.  Gcbaiule  24. 
Harun-al-Raschid,  Sehwert  flO. 
Haslau  (Ungarisch-)  40. 
H  e  d  w  i  nr  s-Lef,'ende  von  Wolfskron  2ä8. 
He^'enniü  Her.  Hanns  und  Johann  77. 
Heidelberg,  Bischofstäbe  258. 
Heidenkirchhof,  Grosspold  iü8. 
Hei  dentenipel  in  Krakau  18. 
Heil  b  ronn,  Kloster  119. 
H  c  i  1  i  g  e  n  k  r  c  u  z  bei  Wien  36. 
Heinrich  11.,  Herzog  II. 
Heinrich  VI.,  Herzog  56. 
H  e  i  n  r  i  c  h,  König  v.  Tirol  97. 
Heinrich,  Markgraf  v.  Istrieii  296. 
H  e  i  n  r  i  c  u  s  pietor  297. 
Hellich,  Jos.,  Maler  80. 
H  e  1 1  a  u .  rom.  Kirche  64.  68. 
H  c  i  n  t  s  e  h ,  Job.  G.  80. 
H  e  n  z  1  m  a  n  n  ,  Dr.,  Kaschauer  Dom  237. 
Herrantstei  n,    Eigenthuin  der  Emerberg 
40. 

H  c  r  m  a  g  o  r ,  Restaur.  1 1 0. 

Her  mann  Stadt,  Kirche  67. 

Hessler,  Agathe  v.  74. 

lies  1  er,  Joh.  v.  74. 

Hess,  Albert  R.  v.  141. 

Hess,  Freihr.  v.  21. 

Heunburg,  Ulrich  Graf  v.  41. 

H  i  c  r  0  n  y  m  i  ta  n  e  r  -Kloster  in  Venedig  23. 

Hieronymus  v.  Prag  79. 

H  i  1  b  r  a  u  t ,  Katharina  78. 

II  i  11  i  n  g  c  r ,  Christoph  77. 

Himmelreich,  Georg  38. 

H  0  f  b  a  u  e  r  ,  Clemens  Maria  143. 

Holzdecken:  Michelsberg  64.    Urwegen 
64.  Ratsch  64. 

Holzmcngc  n  ,  rom.  Kirche  64. 

H  0  rn  hergcr,  Kaspar,  Presbyter  71. 

Homorod,  Kirche  214. 

H 0  r  n e  c k ,  Oltokar  v.,  Reimchronik  40. 

Hoyos,  Grafen  v.  141. 

Hroznata,   Stifter  vom  Kloster  Tepl  129. 

Hrusic,  rom.  Kirche  lö8. 
Hübner.  J.,  Maler  20. 
Hügel.  IVeihr.  v.  äö.  94. 
Hütten  borg,  Pfarre  103. 
Hy  ac  inthus,  Set.,  18. 

1. 

Ihc  uri  ng,  Nie.,  Architekt  191. 

I  ngu  o,  Herzog  24. 

Inichen,  ;>7. 

Innsbruck:  Hofkirche.   Glasmalereien    in 

derselben  191.  Grabdenkmal  300. 
Inschriften   von   Grabdenkmalen,   deren 

Werth  141, 
Inschriftsteine,    riim.   13:>.    Karlsburg 

247.  Tüffer  304. 
Invenlari  cn (Kirchen-), deren  Werth  lül. 
Iselthal  in  Tirol,  seine  ISaudenkniale  174. 


Israel,  Könige, Darstellungen  am.Mauritiiis- 
Schwerte  des  röm.-deutschen  Kaiser- 
ornats 91. 

Ivo  Odrowaz,  Bischof  18. 


Jacob,  St.  in    Böhmen,    rom.    Kirche   83. 

11 H.  116. 
J  ak  0  b  s  d  0  r  f,  goth.   Kirche  269. 
Jankov  130. 
Jansen,  oberster  Caplan  der  Kirche  Maria 

am  Gestade  in  Wien  13. 
Jareke,  Karl  Ernst  144. 
Jaros,  Thom.,  Glockcngiesser  80. 
Jahrbuch    der  k.   k.   Cenlraleommission. 
Anerkennungen  114.  Inhalt  des  2.  Ban- 
des 139. 
Jahrbücher  des  Vereins  f.  Mecklenburg. 

Geschichte   und  Alterthumskunde  81. 
Jedenspeigen,   goth.  Pfarrkirche,  Rest. 

136. 
Jerusalem,  Omar  Moschee  27. 
Jesuiten,  Lebeny  39. 
Johann,  Bischof  v.  Passau  lö. 
Johann  XXni.,  Papst  121. 
Johann  v.  .\aehen,  Maler  143. 
Johann  (St.),  ein  Dorf,  rom.  Kirche  39. 
Joseph  II.,  Kaiser  41.  143. 
Juan  D.,  d'Austria  171. 
Juda,  Könige  von,  Darstellungen  am  Mau- 
ritius-Schwerte  91. 


Kaformarkt.  Kirche,  Flügelaltar 4:>.  307. 
Kaiserkrunungsornat ,    siehe    Kleino- 
dien. 
Kaisd,  goth.  Kirche  227.  228. 
Kallenbaeh,  kirchl.  Baukunst  168. 
Kandier,  Dr.  Kitter  v.  21. 
Kanzeln:    Dom  zu  Merseburg  27.    Prag, 
TeynkircheSO.  Botzen. Pfarrkirche  102. 
Mareit  1(!6.     Grado  232.  St.   Magda- 
lena in  Ridnaun  327. 
Karl  der  Grosse,  Krönung  33. 
Karl  Robert.  König  239. 
Karl  IV..  Kaiser  36.  88.  91.  128.  180.  232. 

233.  230. 
Karlsburg,   rom.  Kirche  64.  213.    Stein- 
platte mit  Inschrift  247. 
Karlstein  in  Böhmen  36.  164.  279. 
Kiirnthen.  Erhauungszeit  d. ersten  christ- 
liehen Kirchen.   Danielsberg  24. 
Karte,  archiiol.  von  Böhmen  26. 
Kaschau:  goth.  Dom  236.  Baugeschichle 
237.  273.  Beschreibung.    Wappen  der 
Stadt  240.    Angebl.  französischer  Ur- 
sprung des  Planes  244. 
Kasimir  Jagello,  König  20. 
Katakomben:  Rom  140.307. 
Katharina  (St.),  Kirche  1 19. 
Kaurim,  Kirche  im  l'bergangsstyl  103. 
Kelche,  Kirche  zu  Werben  27.  Kaisil  229. 
Klosdorf  231. 


K  e  n  d  1  e  r  l^lirist.,  Wiener  Bürger  30. 

Kerz,  Abtei  230. 

Kesmark,  goth.  Kirche  246. 

K  e  s  m  a  r  k  y,  Thomas  243. 

K  h  e  ven  hül  1  er,  Graf  Ludwig  Ant.  v.  142. 

Khlesl ,  Cardinal  34. 

Khuenburg,  Joh.  Christ.  Graf  v. 

Kirchherg  am  Wechsel,  St.  Wolfgangs- 

Capclle  10.  34. 
K  i  r  c  h  b  e  r  g  e  r,  Kaspar  7 1 . 
Kirchdorf,  goth.  Kirche  245. 
Kirchen:  erste  christliche  in  Kärnthen  24. 
Kirc  hcnsc  hmuek,    Zeitschrift    32.   84. 

168. 
Kirchliche  Baukunst  v.  Kallenbaeh  168. 
Ki  rchper  g,  Karl  Baron  v.  78. 
Kleinglödnitz,  Restauration  110. 
Kleinodien,  siehe  Krönungsinsignien. 
Kleinschelk,  röm.  Funde  It)7. 
Kleinscheuern,  rom.  Kirche  64. 
Kl  erus  des  Kaiserstaats,  .Anknüpfung  und 

Verbindungen  113. 
K  1  in  ko  WS  t  r  öm,  Friedr.  v.  144. 
Klosdorf,  goth.  Kiiehe  230. 
Klosterneu  bürg,  Bischofstab  259. 
Knoller,  Maler  121. 
Knoller,  Maler  322.  324. 
Kölbl,  Benedict,  Steinmetzmeistcr  33. 
Kolin,   134. 

Köln,  Dombauverein  27. 
Kondrac,  Kirche  mit  rom.  Schill',  und  goth. 

Chor  132. 
K  0  n  r  a  d,  Propst  der  Präinonslratenser42. 
Konrad  ,  Bischof  von  Trient  98. 
Konrad  HI.,  Kaiser  128. 
Konrad  IV.,  Kaiser  55.  89. 
Kopetzki.  Job..  Maler  280. 
Krain,  Milhrasdenkmal  301. 
Krakau:   Kirche   16.  Kloster,  Kreuzgang, 
Capitclhaus  der  Dominicaner  21.  Ma- 
rienkirche 18.  Veit  Stoos,  Werke  280. 
Floiianitlior  313. 
Krappfeld.  röm.  Meilenstein  249. 
Krechov.  Glocken  134. 
Krem  s  m  ü  n  s  l  er:     Tassilnkeleh    und 

Leuchter  247.   Evangelistarium  2i7. 
Kreuz,   Altarkreuz,  ung.  Ileieh^kleinodien 

173.  Zu  liuidselieid  174. 
Kreuz,  II.,  Reliipiie  171. 
Kreuzgänge:  Krakau.  Dominicanerkloster 
21.  Botzen.  Franciseaner  61.  Kärnthen, 
St.  Paul  169.    Neuberg  311. 
Kreuzherrenorden     mit     dem    rothen 

Kreuze  in  Böhmen  133. 
Krone  der  deutschen  Kaiser  89.  127.  Des 
heiligen   Stefan   201.    Der  böhmischen 
Könige  232. 
K  r  ö  n  u  n  gs  -  C  e  re  m  0  n  i  c  n  der  deutschen 

Kaiser  37. 
K  r  ö  n  u  n  g  s  - 1  n  s  i  g  n  i  e  n    des    heiligen 
römisch  -  d  e  u  t  s  e  h  e  n     It  c  i  e  h  c  s : 
deren  Besehreibung  33.   Sandalen  86. 
127.    Tibialien   86.    Alba    87.     Gürtel 


—  337   — 


87.  88.  Handscliuhe  89.  Tunicella  88. 
Krone  89.  Scliwerter  90.  Reichsapfel 
91.  Scepter  92.  Evanf^elistaiium  92. 
Reliquienkästchen  93.  Kriinungsmantcl 
124.  Chirotheken  127.  Sudarium  der 
Krone  127.  Goldene  Sporen  127.  Arm- 
spanf;en  127.  Kopfbedeckung  127. 
Reichsreliquien  128. 

Krönungs-lnsignien  der  ungari- 
schen Könige,  Krönungsmantel  146. 
Seepter  171.  Reichsapfel  172.  Fuss- 
bekleidungen  172.  Schwert  173.  Altar- 
kreuz 173. 

Krönungs-lnsignien  :  Böhmens  Krone 
232.  Enveloppe  der  Krone  23ö.  Scep- 
ter und  Reichsapfel  272.  Krönungs- 
sehwerter  272. 

Krönungsmantel  der  deutschen  Kai- 
ser 124.  der  ungarischen  Könige  146, 
der  böhmischen  Könige  232. 

Krypten:  Agnani  140.  Kaurim  163.  Lienz 
17Ö.  Gries  322. 

Küliweg,  Restaur.  HO. 

Küküllo,  Schloss  218. 

Kumernuss,  zwei  Abbildungen  in  Trojcn- 
stein  ö8.  Gaisthal  135.  St.  Magdalena 
327. 

K u  n  s  t  d  e  n  k  m  a  I  e  Steiermarks  280. 

Kundl,  Leonhardskirclie  278. 

Kunszt,  J.,  Erzbischof  V.  Kalocza  113. 


Ladislaus  Gerah,  Bisehof  von  Siebenbür- 
gen 26o. 
Ladislaus  Poslumus  41. 
Lager,  römisches,  bei  Gries  57. 
Lagny,  Abtei  244. 
Lana,  goth.  Kirche  325. 
Laubenberger,  Elspet  12. 
Lavant,  Bischof  Herbert  42. 
Laxenburg,  Ritterschloss  16.  35.  Dessen 
Ausschmückung  mit  Glasmalereien  und 
Chorstühlen  der  Kirche  Maria  am  Ge- 
stade 33. 
Lazan,  goth.  Kirche  132. 
L  azfo  n  s,  goth.  Kirche  166. 
Lazi  US,  Dr.  Wolfgang  145. 
Lebeny,  roraan.  Kirche  7.  39.  107.  220. 
Lederplastik  235. 
Leo  HL,  Papst  55. 
Leonhard  im  Lavantthale  138. 
Leonhard,   letzter  Graf  von  Görz,   sein 
Grabdenkmal  in  d.  Kirche  zu  Lienz  173. 
Leopold  der  Heilige,  Markgraf  72. 
Leopold  IV.,  Markgraf  11. 
Leopold  Wilhelm,  Erzherzog  u.  Bischof 

von  Passau  78. 
Leopold  L,  Kaiser  46.  95.  106. 
Lepkowski,  Krakau  und  Nürnberg  280. 
Leuchter,  rom.  Mailand  140.  Krenismün- 

ster  247. 
Lenkovitsch,  Hanns  zu  Freithurm,  f  1569, 
183. 


L  e  s  c  0 ,  Herzog  von  Polen  21. 
Leslie,  Grafen  v.  162. 
Lettner,  Dominicanerkirche  in  Krakau  19. 
Leux  V.  Luxenstein,  Franz,  Maler  145. 
Liberale  da  Vero[ia  197. 
Li  b  is,  rom.  Kirche  131. 
Lichtenburg  133. 
Li  c  hten  egger  Job.  Mich.  79. 
Liechtenstein,   fürstl.  Haus-Patronats- 
recht  der  Kirche  Maria  am  Gestade  29. 
Liechtenstein,  Johann  v.  15.  16.  29.  71. 

72. 
Liechtenstein,  Fürst  Karl  30. 
Liechtenstein,  Heinrieb  v.  29.  72. 
Liechtenstein,  Hanns  v.  71. 
Liechtenstein,  Elisabeth  f.  73. 
Liechtenstein,  Georg  v.  73. 
Limb  e  rg,  Amalia  v.  41. 
Lim  hu  r  g,  Dom  308. 
Lienz  im  Iselthale,  Pfarrkirche  und  Schloss 

Brück  175. 
Lindauer,  Andreas  73. 
Ljndewit,  kroat.  Grossfürst  82. 

L  i  V  i  0,  Podocatoro,  Bischof  v.  Nikosia  23. 

Lonibardo,  Pietro  22. 

Loncium,  das  heutige  Lienz  175. 

Lorch,  römisches  Lager  45. 

Lounovic.  Schloss  132. 

Löwe,  bohemisehes  Wappen  91. 

Löwenportale,  Botzen:  Pfarrkirche  100. 
Verona:  St.  Zeno  101.  Reichenhall: 
St.  Zeno  101.  Trient:  Dom  101. 

Lübke,  Dr.,  Denkmäler  der  Kunst  111. 

L  u  b  o  m  i  r  s  k  i,  Fürsten  20. 

Luck31. 

Ludwig  der  Baier  89. 

Ludwig,  König  von  Baiern  114. 

Luege  anal,  römische  Funde  45. 

Lugano,  Tommaso  da  23. 

Lurnfeld,  Christengemeinde  im  V.  Jahr- 
hundert 24. 

Lutz,  Hanns  von  Sehussenried  99. 

M. 

Magdeburg,  Baudenknrale  83.  Dom  244. 

Magrini,  Abbate  133. 

Mähren,  miltelalterliche  Kunst  83. 

Mailand,  Dom  27.  Napoleonstatue  86.  San 
Ambrogio  86.  Refectorium  der  Kirche 
Maria  della  Grazie  86.  Weihkessel  und 
Leuchter  140. 

Mainz,  Dom  37.  84.  259.  329. 

Maja  57. 

Malvasona,  Auflindung  der  Fundamente 
eines  römischen  Palastes  190. 

Marburger  Dom  238. 

M  a  r  c  a  n  1 0  G  r  i  m  a  n  i  23. 

Marchfeld,  Schlacht.  Berthold  vonEmer- 
berg  41. 

Mareit.  gothische  Kirche  166. 

Maretscil,   Schloss  38. 

Margarethe  n  -  Insel  bei  Ofen,  Domini- 
canerklosterkirche 218. 


M  arga  re  t  hen  am  Moos,  rom.  Capclle303 
Maria-Enze  rs  dorf ,  Friedhof,  Grabstein 

143. 
Maria    am     Gestade   in  Wien.    Bauge- 
schichte 1.  Glasmalereien  15.  30.  31. 
34.    35.     Grabsteine    35.    69.     Aus- 
schmückung von  Laxenburg  mit  Glas- 
malereien    und     Chorstühlen     dieser 
Kirche  33. 
Maria  heil,  die  Francica,  ein  Symbol  der- 
selben 233. 
M  ari  a  Ther  e  si  a,  Kaiserin  147. 
M  a  rk  ts  ch  el  kc  n,  gothische  Kirche. 
Martin      in   Campill    (St.),     romanische 

Kirche  59. 
Martinsberg,  Kirclie  265.   Casula    150. 

331. 
Martinus  (vom  Jahre  1390),  Maler  197. 
Marx  d  el  la  Bol  la.  Baumeister  191. 
Marzik,   Thomas,   Bildhauer  in  Wien  13. 

35. 
Mansu  eti,  Maler  171. 
Masch,  Johann  .\dolf  Frelh.  v.  79. 
Masse  rio.  Fr.  Kanzler  von  Cypern  171. 
Maximilian  1.,  Kaiser  41.  74.  120. 
Maximilian  III.,  Erzherzog  300. 
Matthias  Corvinius,  König 239.  Dessen 

AVappen  239. 
Mattersdorf,  Denksaule  320. 
M  a  y  e  r,  FVanz  79. 
Mayer,  Katharina  75. 
Mechnejov,  romanische  Kirche  132. 
Meilenstein,  römisches  Krappfeld  249. 
Mainhardll.  37. 
M  e  1  a  n  c  h  t  h  0  n  27. 
M  e  1  d  e  m  a  n  n,  Hanns  32. 
Meran,  Spitalkirche.  Pfarrkirche  323. 

Barbaracapelle  324.  Verein  l()(i. 
M  e  r  e  n  b  e  r  g  e  r,   steiermärkisches  Ge- 
schlecht 41. 
M  e  r  s  e  b  u  r  g,  Statuen  27. 
Mertens,  Freib.  v.  22. 
M  es  eben,  gothische  Kirche  265. 
M  e  s  sm  e  r,  .Mois  279. 
M  e  tt  1  a  e  h.  lieliquienschrein  332. 
Michael,  St.  Altar  43.  307. 
Michele,  S.  200. 

M  i  c  h  e  1  s  b  c  r  g,  romanische  Kirche  63. 
Mietl,  Christoph  78. 
Migetti,  Johann  Stephan  lütter  v.  79. 
M  ilo  t  a  v.  Dedie  41. 
Milstal     in    Kärnlhen.     Restauration    des 

Kreuzganges  169.  Malereien  294. 
Miniaturen,  byzantinische  27.  St.  Wolf- 
gang 307.  In  Böhmen  und  Mähren  331. 
M  i  n  ori  t  e  nkir  che     in    Wien.    I.udwigs- 

capelle  33. 
M  i  s  k  0 1  e  z,  gothische  Kirche  246. 
Missale   Romanum,    .Anfertigung    eines 

neuen  193. 
M  i  t  h  r  a  s  d  e  n  k  m  a  1  in  Krain  301 . 
Mi  ttheil  ungen   der    k.   k.   Contralcom- 
mission.  .Anerkennungen  114. 


338  — 


Miltel;i  I  toiliülie     Kiinstdeiikinale     lies 
österreicliisohen  Kaiseistaates  von  Hei- 
der,  Eitelberger  und  Hicser  äl.  233. 
MIadejowsky,  Ritt.  v.  137. 
Mohn,  G.,  Cilasmaler  35. 
Molk,  Maler  Uiti. 
Mo  Hart,  Familie  von  143. 
Möllthal,  173. 
Monteciiccu  I  i,  Fürst  Raimund,  Grabstein 

i42. 
Monte f  1) r  t  c.  I'fankii-che  86. 
M  0  n  t  fo  r  t.  Graten  von  299.  329. 
Morit,  Grafen  von  327. 
Morone,  D.  und  F.  197. 
Mosaiken,  Venedig :  San  Sebastian  23. 
Monstranzen,    Sedlet?.  32.    Bolzen   62. 
102.  St.  Leonhard  und  Wolfsberg  138. 
Mothes,  Ose.,  Venedig  168. 
Münch-lJelling hausen,    Freiherr   von 

143. 
M  ü  h  1 1)  a  V  h.  ronianisehc  Kirche  64. 
Müller,  Ritter  von  Nitterdorf,  Adam  144. 
Münzen,  römische,  Lorch  43.  Luegcanal 

43.  Hall  43.  Grosspeehlarn  23.  73. 
Münzen,  böhuiische  27.  164. 
Museum,  böhmisches  27. 
Museum    für    römische    Alterthümer    in 

Wien  138. 
Mysiura  221. 
Myszko  wsk  i,  Familie  20. 

N. 

Naeerac,  frothische  Kirche,  romanischer 

Thurm  132. 
Nagy-Viizsony,  Sehloss  246. 
Naz,  gothische  Kirche  166. 
Neapel.  Museum  bourhonieum  90. 
N  e  i  t  h  a  u  s  e  n,  Kirche,  2 1 4. 
Neudorf,  f;otli.  Kirche  134. 
Neudorf,  rom.  Kirche  64. 
Neustadtl  in  Krain,  Grabsteine  des  Fran- 

ciscanerklosters  141. 
Neuenbürg,  Otto  von,  Stadtriehter  von 

Wien  12. 
Neuberg,  Kirche  und  Kreuzgang  311. 
Neu  statt,  gotli.  Kirche  263. 
Niklas  der  Drothlauf,  Wiener  Bürger  13. 
Nikolaus  von  Havi.  Bischof  1 98. 
Noblacbin,  Maria  Syhilla  69. 
Nürnberg,  Kronungsschätze  56.  l{elii[ulcn 

129.    Grabmonumente  146.  Sculpturen 

27. 

0. 

Obermauern  im  Thal  Virgen,  goth.  Kirche 

176.  177. 
Oberiidorf.  goth.  Kirche  43. 
Ohr  islvi,  Sehloss  131. 
Odrowaz,  Hyacinthus  u.  Ceslaus  18. 
Oedenburg,  Denksäulen  320. 
Oesterreich   ob  der  Enns,   Bau-  und 

Kunstwerke  43. 


Ofen.  Festung  56.  Neue  röm.  Funde  163. 

Rom.  Biidor  281. 
Oppenheim,  Kirche  244. 
Oratorium,  dessen  ältere  Bedeutung  11. 
Organ   für  chrislliehe  Kunst  27.  32.  84. 

112.  16S.  331. 
Orgel.  Venedig,  San  Sebastian  23. 
Ornamente  in  Blei  32. 
Ost  erhoffer,  Wilhelm  74. 
Otrador,  goth.  Kirche  132. 
Otryby,  rom.  Kirche  132. 
Ottenhayn,  Capellc  in  Wien  13. 
Ottokar,  König,  Schlacht  am   Marchfeld. 

Rerthold  von  Enicrberg  40. 
Otto  v.  Haymon  12.  13. 
Otto  II.,  Kaiser  53.  91. 
Otto  IV..  Kaiser  128.  199. 
Otto,  Bischof  von  Gurk  297. 
Oxford,  Bischofstah  261. 

P. 

P  ach  er  v.  Prunneek  46.  99.  121.  322. 

Palast,  römischer  zu  Malvosana  190. 

Paldauf,  Stephan  74. 

Palermo,  kön.  Schatzkammer  87. 

Pallassta  tue  zu  Cividale  222. 

Palma  il  Glos.  71. 

Pamatky  archeologieke  26.  50.  129.  168. 

Pamkirchcn,  Andr.  218. 

Pankralz,  Capelle  in  Wien  11.  12. 

Par  en  z  0,  Dom  232. 

Passauer  Dom  31.  Domcapitel  13.  31.  34. 

Passauer  Synode  31. 

Pau  1  II..  Papst  72. 

Paul.  St.,  Kreuzgang  169.  Malereien  294. 

Paul  in,  Bischof  24. 

Pauls-  (St.)  Capellc  in  Wien  13. 

Paulus.  St.,  goth.  Kirche  123.  326. 

Pcchlarn  (Gross-),  Ausgrabungen  47. 

P  e  1 1  e  n  d  o  r  f,  Pangratz  v.  74. 

P  e  1  s  e  r,  Egid.  Casparas  79. 

Peräice,  goth.  Kirche  132. 

Pe  rg,  Reihard  v.  73. 

Pescnbach,  Flügclallar  307. 

Peter  (St.)  hei  Gurk  HO. 

Peter,  Bischof  von  Basel  13 

Peter,  St.,  Kirche  in  Wien  11.  12. 

Pe  te  r  sb  e  r  g  bei  Krfurt  36. 

P  f  a  h  1  g  r  ä  b  e  r  in  Ungarn  :  Csurgö  24. 

Pfarrh  ö  fe.  Lage  derselben  in  Siebenbür- 
gen 228. 

Pfarrkirchen,  Bezeichnung  als  Tauf- 
capelli'ii  103. 

Pflanzen,  deren  Einfluss  auf  Ruinen  234. 

Pflaster  der  Kathedrale  zu  Sienna  140. 

Philipp  II.,  König  von  Spanien  171. 

l'hili  p  p,  Abt  zu  den  Schiitlei»  12. 

1'  hy  siologus  aus  Milslat  169. 

Piccoloniini,  Reichsfürst  Ottavio  142. 

Pietro  Lombardo  171. 

Pilsen,  Dekanatskirche  80.  Franciscaner- 
kirche  80. 


Pilsen  in  Ungarn,  Stefanskirchc  219. 

Pisa,  Monument  lleinrich's  VII.  199. 

Pisano  Vittore  (1380  —  1433),  Maler 
197. 

Planan,  rom.  Kirche  133. 

Platten  h  a  r  n  i  s  c  h  e  96. 

Plöcken,  Restauration  111. 

Polidorus  Montagna,  Erzpriester  304. 

PoU,  Johannes  Canonicus  70. 

Polner,  .lohann,  Bischof  von  Neutra  230. 

Portale,  rom.  in  Böhmen,  Reichlhuni  der- 
selben 139. 

Portale,  Krakau:  Dominicanerkirche  19. 
Michaelsberg  64.  Rotzen  98.  lOO.Zabof 
118.  Riirneck  161.  Kauiim  163.Mesehen 
266.  Meran  323.  Zenoberg  324.  Tirol 
324. 

Pottendorf,  G.  v.  41.  73. 

Pottenstein,  Andreas  v.,  dessen  Grabstein 
70. 

Pouget,  Leopold  79. 

Praday,  Burg  38. 

Prade  i  n,  Burg  121. 

Praemons  trat  e  n  se  r-K  1  OS  t  er  in  Kärn- 
then  42.  In  Böhmen  160. 

Prag:  Teynkirclie  50.  251.  Emaus  132.  St. 
Veit  142.  143.  183.  Strahowklostcr 
139.  Georgskireho  251.  Maria  Schnee 
251.  Moldanhrüeke  331.  liaudenkmale 
Karl's  IV.  331.  Dombauverein  329. 
Museum  163. 

l'ratobevera,  Karl  Freiherr  v.  144. 

P  r  c  i  c,  Kirche  26. 

Prechtold.  Wiener  Bürger  14. 

P  r  e  m  0  n  t  r  e  27. 

Press  burger  Domkirche  und  .Vnnacapellc 
186.  Inventarium,  altes  151. 

Pretai,  goth.  Kirche  269. 

P  r  z  e  z  d  z  i  e  c  k  i,  Graf  20. 

Pro  kop,  heil.,  dessen  Geburtsort  130. 

P  r  0  V  a  u  a  ,  Prosper  20. 

P  r  u  n  k  h  a  r  n  i  s  c  h  e  96. 

Psaie  ,  rom.  Kirche  132. 

Pucchha  i  m  .  .Mhero  v.  40. 

Putte  ngau  39. 

P  u  c  h  e  n  a  u ,  goth.  Kirche  306. 

R. 

Rah.  Gregor  183. 

R  a  d  0  s  0  V  i  c  1 32. 

R  a  g  g  e  n  d  0  r  f ,  Dorf  76. 

Raigern.     Benedictinerstift.    Bischofstab 

259. 
Ramp  crsdo  rfer.  Konrad  der,  Baumeister 

30. 
Ramsch  isscl    von   Schonegg,  Christoph 

76. 
R  a  t  h  h  ä  u  s  c  r :  Aachen,  Wesel  27. 
Hiitsch,  roman.  Kirche  64. 
Itavcnna,  Grabmal  Theodorieh's  199. 
Keck,  Katharina. 
Rede  m  p  t  oris  ten-Congrcgation  in  Wien, 

Uebergahe  von  Maria  am  Gestade  35. 


—  339 


Rejsek,  Math.  80. 

Rlieims,  Kathedrale  105. 

Reichsadler,  einköpfiger  91. 

Reichsapfel,  deutsche  Reichskleinodien 
91.  Ungar.  Reichskleinodien  172.  Böh- 
mische Kleinodien  373. 

Reiehsinsigiiien  vergl.  Krönungsinsig- 
nien. 

Reichsstadt,  Schlosscapelle  130. 

Reliquien  des  Krönungsschatzes  der 
deutschen  Kaiser  138. 

R  e  1  i  q  u  i  e  n  s  e  h  r  e  i  n  e :  Conques  38.  Wien , 
Sehatzkammer  93.  Salzburg  353.  Mett- 
lach  333. 

Renaissane e-Rauten,  Vicenza  154. 

Ren  t seh,  Thurm  von  59. 

Restaurationen,  St.  Stephansdoni  in 
Wien  1.  335.  Venedig:  Marcuskirche 
Sä.  Mailand :  St.  Ambrogio  86.  Refec- 
torium  der  Kirche  Maria  delle  Grazie 
86.  Monteforte:  Pfarrkirche  86.  Gross- 
Skal  HO.  Altenmarkt  HO.  Kleinglöd- 
nitz  110.  St.  Peter  ob  Gurk  110.  Fei.st- 
ritz  HO.  Hermagor  HO.  Kühweg  HO. 
Plöcken  111.  Brixenll3.  Jedenspeigen 
136.  St.  Lconhardl38.37S.  Wolfsberg 
138.  Naz  166.  Lazfons  166.  Mareitl66. 
Brixen  166.  Miihlstiidter  Kreuzgang 
169.  Confrafernita  di  S.  Giov.  Evang. 
in  Venedig  170.  Feistritz  110.  Seherm- 
berg  330.  Prag:  Tumba  in  der  Lud- 
millacapelle  331.  Maria-Schnee  331. 
Marmordenkmale  der  Karlshrücke  351. 
Teynkireho  331.  Raab  379.  Mainz  339. 
Prag  St.  Veit  339.  Sedlez  329. 

Revue  de  l'art  chretienne,  parCorbletll2. 
308.       ■ 

Ricci,  D.U.  F.  197. 

Ricci,  Sebastian  33. 
Richenburg  133. 

Richter,  Lorenz,  Sladtriehter  34. 

Ridnaun,  Thal,  St.  Magdalena  337.  330. 

Rip27. 

Ritterstand,  dessen  Tracht  und  Bewaff- 
nung 93. 
Robert  Guiscard,  Normannenkönig  134. 
Rom,  Katakomben  140.  308. 
Roman,  Bischof  von  Gurk  103. 
Romanischer   Styl   in  Böhmen,    dessen 
Entwicklung.   Bauschulen  158.  Reich- 
thum  roraan.  Bauten  160. 
Romanische  Bauten.  N.  Osterr  eich: 
Margarethen  am  Moos  303.  0.  Öster- 
reich: Wels  307.  K  ä  r  n  t  h  e  n :  Gurk. 
Böhmen:  Tepl  81.  Zäbof  116.  St.  Ja- 
cob 116.133.  Libiil31.  Kondrac,  Schiff 
der  Kirche  133.  Mechnejov  133.  Ütryby 

133.  Sobeiin  133.  Psiiie  133.  Trebe- 
sic  133.  Chotysau  132.  Planau  133. 
Zabonos  133.  Dobfichov  133.  Rohozna 

134.  Lombardie:  Vicenza  133.  Un- 
garn: Lebeny  7.  Borzsüny  216,  Sie- 
benbürgen, deren  Arnmtli63.  Mühl- 


bach 64.  Grossludosch  64.  Grosspold 
64.  Heitau  64.  Grossau  64.  Holzmen- 
gen 64.  Szagadat  64.  Neudorf  64. 
Ratsch  64.  Tbalheim  64.  Kleinscheuern 
64.  Rothberg  64.  Karlsburg  64.  Ur- 
wegen  64.  Michelsherg  64.  Tirol: 
Trojenstein  38.  Botzen:  alte  Pfarre 
59.  St.  Johann  im  Dorf  59.  Martin  im 
Campill  39.  Zenoherg,  Tirol  334. 

Römische  Alterthüraer:  Grossprobstdorf 
167,  330.  Grosspold  109.  Altofen  386. 
Krapfeld  349.  TütVer  304.  Kleinschelk 
167.  379.  Apulum    194.  Gaisthal  133. 

Rohozna,  römische  Kirche  134. 

Rorau  40. 

R  0  s  e  I  n ,  gothische  Kirche  265. 

Rosenberg,  Berlha  v.  71.  72. 

Rothberg,  rom.  Kirche  64. 

Rozauk,  Mithrasdenkmal  301. 

Rudi  gier,  Franz  Joseph,  Bischof  von 
Linz  116. 

Rudobiinya,  Kirchenportal  319. 

Rudolph  II.,  Kaiser  93.  333. 

Rudolph   von  Habsburg  40.  56. 

Rudolph  IV.,  Herzog  14.  15. 

Rudolph  V.Münster,  Bischof  104. 

Ruggero  Corlesi,  Prior  des  Hospitals  zu 
Venedig  170. 

Ruinen,  Einfluss  der  Pflanzen  254. 

Rundbauten:  Hartberg  24.  Jahring  35. 
Altenmarkt  HO.  Gaislhal  133. 

Rüstungen  der  Amhraser-Sammlung  95. 

Rupert  US,  St.,  älteste  Pfarrkirche  in 
Wien  11.   13. 


Sabaria  381. 

Sachsen,  mittelalterliche  Baudenkmale 
223. 

Sacken,  Dr.  Ed.  Freiherr  v.,  Amhraser- 
Sammlung  36,  111. 

Salm,  Graf  Niklas,  Grabstein  143. 

Salomo,  Bisehof  v.  Trient  H80. 

Salvatorcapelle  in  Wien  13. 

Salzburg,  Beschreibung  einiger  Kunst- 
denkmale 136.  Reliquienscbrein  232. 
Bisebofstab  237. 

Sacramentshäuschen,  Kaisd  239. 
Mescben  367.  Grossprobstdorf  367. 
Kaschau  277.  Lorch  307. 

Sandalen  der  deutschen  Krönungsinsig- 
nien 86.  137. 

S  a  n  s  0  v  i  n  0,  Jakob  33.  23. 

Sauf  rein,  Maria  v.,  79. 

Savoyen,  Eugen  v.,  Grabstein  143. 

Sazawa,  Kloster,  Bauschule  138. 

Scandinavische  Denkmale  des  Mittel- 
alters 84. 

Scar pagnino  22. 

S  c  e  p  t  e  r  der  deutschen  Krönungsinsignien 
93.  Der  ungar.  Rcichskleinodien  171. 
Der  böhmischen  Krönungsinsignien  373. 

S e h ö n g r a  b  e r  n  ,  lom.  Kirche  68. 


S  c  h  0  p  p  e  r,  Wolfgang  75. 

Scho  ttc  nkloster  in  Wien  11.  Einver- 
leibung V.  Maria  am  Gestade  34. 

Seh  ü  tt  enkl  Ost  er  in  Deutschland  37. 

S  c  h  a  c  h  t  n  e  r,  Georg  33. 

Schafgotsche,  Graf,  Bischof  v.  Brunn  31. 

Scharding,  Denkstein  47. 

Schässburg,  zur  Erbuuungszcit  194. 

Schauer,  Georg  und  .Maria  76. 

Schaunberg,  Chunrat  Graf  v.,  14. 

Schenemar  seh,  Georg  79. 

Schermberg,  golb.  Capelle,  Restaur. 250. 

Schmid,  Freihr.  von  Schwarzenhorn,  Joh. 
Rudolf  144. 

Schmitt,  Johannes  v.  71. 

Schmitt,  X.,  Archäologische  Karte  von 
Böhmen  36. 

Schi  eini  ng,  Scbloss  318. 

Schlösser,  Ikonographie  140. 

Schlösser:  WernsteIn,Sigmundskron  133. 
Lounovia  133.  Schleining  318.  Nagy- 
Väzsony  246.  Zenoberg  324. 

S  chu  It  e  s,  Georg,  Goldschmied  380. 

Seh  ütt,  Insel,  .Monumentalstatistik  136. 

Schrantz,  Sebastian  33. 

Schri  ftenaustausch  der  k.  k.  Central- 
Commission  21. 

S  c  h  w  a  r  z  e  n  h  e  r  g ,  Friedrich  Fürst,  Car- 
dinal-Erzbischof  31.  115. 

Sehweinachcr,  P.,  Cappellan  von  Rabn- 
stein  177. 

Schwert,  deutsche  Reichskleinodien.  Un- 
garische Reichsklelnodien  173.  Böhmi- 
sche Reichskleinodien.  340. 

Schweischer,  Vertheidigungskirche314. 

Scitovsky,  J., Fürstprimas v.  Ungarn  113. 

Sculpturen  in  Osterreich,  mittelalter- 
liche, .Andeutungen  hierüber  309. 

Sculpturen ,  mittelalterliche,  Sammlung 
derselben  37. 

Sculpturen,  älteste  von  Böhmen,  St. 
Jacob  133.  333. 

S  c  u  1  p  t  u  r  e  n  i  n  H  o  I  z  aus  der  hl.  Kreuz- 
kirehe  bei  Eger  193.  Prag  80.  Brück 
an  der  Mur  310. 

Sculpturen  in  Stein.  Merseburg.  Statue 
Otto  des  Grossen,  lleiligenstatuen  37. 
Prag  80.  Neuberg  311. 

Sculpturen  (El  f  e  nbc  in).  \\'ülfsthurn. 

Sebastian,  Maler,  XV.  Jahrb.  177. 

S  e  h  a  s  t  i  a  n  i ,  L.,  .Maler  171. 

Seckau,  Bischof  Ulrich  II.  40. 

Se  d  1  e  t  z,  Monstranze  26.  52.  Cistcrcicn- 
serklostcr  119.  Beinhaus  329. 

Serl  i  0  ,  Sebastian  22. 

Setto  il  Moro  197. 

Siebenbürgen,  .Armulh  an  romani- 
schen Bauten  63.  Vcrtbeidigungskir- 
chen311.  330.362. 

Siegel   der  Grafen  .\rtois  140. 

Sienna.  Pflaster  140. 

Si  g  i  s  d  0  r  f  f ,  Familie  184. 

S  i  g  i  s  m  u  n  (1  ,  Kaiser  36.  139. 


—   340   — 


S  i  g  i  s  m  u  n  il .  König  227. 

S  i  !j  m  11  II  il  s  k  r  0  n  .   Scliloss  i23. 

Sinzendorf,  Ludwig  (Jiaf  v.  46. 

Siscia,  röm.  Alterlhünier  81,  christliche 
Kirche  82.  Anträge  zur  Erhaltung  der 
Altertliiimpr  82. 

S  ixt  US  IV.,  I'iipst  tÜG. 

S  k  r  e  t  a  .  Karl,  Maler  80. 

Skuc  .  gothische  Kirche  132. 

Sloroschek,  Ant.,  Fürstbischof  von  La- 
vanl  115. 

S  0  b  e  s  i  n ,  rom.  Kirche  132. 

S  o  p  i  a  n  a  28. 

S  0  b  ieski ,  Jobann,  König  21. 

Soltikoff,  Fürst,  Sammlung  90. 

Spanien,  Kunstzustiinde  27. 

Speyer.  Keichstag  (  130'.»)  40. 

Starhemherg,  Ernst  Rüdiger  v.,  Grab- 
stein 142. 

Stephaii  der  Heilige  14C.  Dessen  Krone 
20 1 . 

Stefano  da  Zevio,  Maler  197. 

Stephanus,  Jebetus  pietor  199. 

S  t  e  i  d  i  n  g  e  r,  Maria  74. 

Steiermark,  mittelalterliche  Kunstdenk- 
niale  280.  Celtische  und  röm.  Antiken 
331. 

Stein,  dessen  alte  Bedeutung  57. 

Steinmetze  des  Kaschauer   Domes  241. 

Stein  metzzeichen,  alte  332. 

Stepanov,  gofh.  Kirche  132. 

Sternbach,  Baron  v.  327. 

Sternberg,  Baron  v.  330. 

Sternberg  (böhmisch),  Burg  132. 

St.erzinger,  J.W.  v.  ,  Pfarrer  zu  Licnz 
175. 

Stickereien,  alte,  des  X.  und  XI.  Jahr- 
hunderts, Technik  149. 

Stoss,  V.  in  Krakau  280. 

Stoss  am  Himmel,  Hanns  75. 

Strahow,  Kloster  in  l'rag  159. 

S  t  ra  SS.  Dorf  7(i. 

Strazov.  133. 

.S  t  u  h  I  w  ei  ssenburg,  Stiftung  Stephan 
des  Heiligen  147. 

Su  bla  vio,  57. 

Sudarium  der  Bischofstäbe  258. 

S  u  e  s  s ,  Job.,  Maler  280. 

Svojanov,  Bürger  133. 

Swalb,  Wilhelmus,   Presbyter  71. 

Swihowsky  v.  Rieseuburg  157. 

Sylva  Taroueca,  Grafen  v.  141. 

Symbolik  der  Scnlpturen  des  Milstater 
KrpHzganges  IfiO.  Tiroler  Portal  325. 

S  z  a  g  a  d  a  t ,  rom.  Kirche  (»4. 

Szalo  na  k,  Schloss  218. 

Szent-Selck:  Ruinen  der  Klosterkirche 
217. 

r. 

Tabor:  Taufbecken-Inschrift  111. 
Taphographia  Principum  Austriac  140. 
Tassilokelchin  Krenismünstcr  247. 


Taufca  pellen,    Zozzen    103  ,    deren 

Vorkommen  10,  als  Pfarrkirchen  103. 
Ta  u  f hecken:  Prag  80.  Taljor  111.  l.ihi.; 

131.  Vlasim  132.  Kondrac  132.  Markt- 

sehclken    268.     Venedig    287.     Reke 

332. 
Teppiche,  Museum.  (_'luny  140. 
Tepl,  l'rämonslratenser    Stiftskirche   81, 

Schüssel  und  Anpel  129. 
T  e  rla  n,  goth.  Kirche  122.  322. 
Teufelsdorf,  Simon  Graf  v.  227. 
Teufenbach,  Familie  138. 
T  h  a  1  h  c  i  m ,  roman.  Kirche  64. 
Theben -Schloss  bei  Pressburg  218. 
T  h  e  0  d  0  r  i  c  h ,  Landbischof  24. 
Theophania,  Gemahlin  Otto's  IL  55. 
Thurn,  Franciscus  Graf  v.  79. 
Thürme:      Jahring  ,     Glockenthurm    25. 

Kotzen  78.  97.  99.  100.   102.    Terlan 

122.  323.   Nocerac  132.    Sontic  132. 

Vicenza   153.    Meran   323.   Lana  326. 

Grünburg  327. 
Tintoretto  ,  Jacob  23. 
Tirol,  Schloss  324. 
Tirol,  Grafen  v.  57. 
Titzian,  23.  171. 
Tisch  nowitz,  Kirche  und  Kloster  im  Über- 

gangsstyle  166.  279. 
Torbido,  Fr.  197. 
Torebacher,  Edl.  v.  70. 
Trachten  des  Mittelalters  95. 
Trapold,  gothische  Kirche  262. 
Trautsohn,  Graf  Ernst  v.  69.   144. 
Trautson,  Familie  145. 
Trebesic,  rom.  Kirche  132. 
Trebitsch.  Kirche  im  Ühergangsstyl  i66. 

279. 
T  r  i  e  n  t :  Bischöfe  57. 
Trienter  Bischöfe.  Runglstein  120. 
Trier,  Liebfrauenkirche  244. 
Trifels,  Schloss  56. 
Trojer,  Ferdinand,  Kranciscancr  57. 
Trnj  ens  tei  n  5S. 
Troschel,  Jacob,  Maler  280. 
Tübingen,    Sammlung    von    Grahmonu- 

menten  146. 
Tüffer,  .St.  .Marlinskirclie.  Gralxicnknuilc 

304.    Spitalkirche   304.     Karner   304. 

Schloss  304. 
Tu  nccliü  d  ,  gothische  Kirche  133. 
Turn  ie  r  rü  stu  ngen  des   Mittelalters  96. 
Tycho-Brahe,  Grabmal  80. 


u. 


ühergangsstyl:    Baudcnkmalc,  Bol?.cn, 

Franciscanerkloster  öl.  97.   99.    100. 

102.   Zsilmbeck  105.  24G.  Kaufim  163. 

Tischnowitz   166.  279.  Trehitsch   166. 

270. 
Ulrichs- Capelle  (St.)  in  Wien  12. 
Ulrich,  Herzog  von  Kiirnlhcn  4L 
Ulrich,  Bischof  von  Gurk  297. 


Ulschak,  Bischof  von  Gurk  297. 
Ungarn,  siehe  Krönungsinsignien. 
Ungarische  Zeitschriften,  Archäologische 

Publicationen  245. 
Urw  egen,  romanische  Kirche  64. 

V. 

Velim.  gothische  Kirche  134. 

Venedig.  Kirche  St.  Sebastian  22.  Mar- 
cusdom 86.  Taufhrunnen  im  Museo 
Correr  287.  Restauration  der  Confra- 
ternitä  di  S.  Giov.  Evang.  170.  Be- 
schreibung von  Oskar  Mothes  168. 

Venosten  57. 

Vcrdenberg,  Johann  Graf  v.  145. 

Verona,  Wandgemälde  XIV.  u.  XV.  Jahr- 
hundert zu  St.  Zeno  197.  Xlll.  Jahr- 
hundert Maria  della  Scnta  199. 

Vero  nese,  Paolo  Caliari  22.  23. 

Vertheidigu  ngski  rchen  in  Sieben- 
bürgen 211  ff. 

Verwitterung  der  Monumente  27. 

Vicenza,  Chronologie  dermittelalterlichen 
Bauwerke  153. 

Vi  ktring,  Kloster  104.  Kreuzgang  169. 

Vilars  de  Honecourt,  französischer  Bau- 
meister 105.  244. 

Vi  II  ach,   Katharinenhospital  41. 

Villanders,  Familie  ISO. 

Vintler,  Familie  60.  99.  120. 

V  i  p  t  i  e  n  u  m  57. 

Vir  gen,  Kirche  185. 

Visegrad,  Burg  246. 

Vit  et,  L.  50. 

Vittoria,  .Alexander  23. 

Vlasim,  Schloss  und  gothische  Kirche 
132. 

Vorel,  gothische  Kirche  133. 

Vorlauf,  Kunrad,  Bürgermeister  30. 

Votic.  Markt  133. 

w. 

Waffe  n  der  Ambraser-Sammliiiig  94. 

W  a  f  f  e  n  s  t  ü  c  k  e .  Lorch  45.  Luegcanal  45. 

Wakernagcl,  W.,  die  goldene  Altartafel 

zu  Basel  307,  330. 
Waldbnrg.  Altar  45. 
W  a  I  d  n  e  r.  Nikolaus  der  70. 
Walsee.   Reinprecht  111.  41.    Ulrich  v.  30. 

Affra  V.  70. 
W  a  1 1  h  e  r,  Bischof  v.  Gurk  297. 
W  anil  ma  I  e  re  icn.  siehe  Gemälde. 
Wangen,  Familie  60.  120. 
\Va  r  n  I  i  n.  Petrus  71 . 
Wartenberg.  Czcniek  v.  73. 
Wasserleitung,     römische,     Altofen 

282. 
Weggenstein.  Edelsitz  98. 
Weihkesscl,  Mailand  140. 
W  c  i  k  h  a  r  d  Sulzberger.  Ritter  31 . 


—  341 


VVeinwurm,  Michael.  Bau-und  Sfeinmetz- 
meistcr  in  Wien  IC.  30. 

Weleslawi  n,  A.  v.  133. 

Wels,  roni.  Kirche  307. 

AV^clser,  Sigismund  77. 

Wels  er.  Philippine  94. 

Welser'sches  Wappen  76. 

Wenzel,  Domprobst  von  Passau  31. 

Wenzel  IV.,  König  138. 

Werner,  Ludwig  Zacharias  143. 

W  ernh  e  r,  Bischof  von  Gurk  297. 

Wernstein,  Sehlossruine  47. 

AV  i  dem  haus  derMariencapellein  Wien  11. 

Wien:  Kloster  zu  den  Schotten  11.  144. 
Stephanscapelle  11.  St.  Rupertus  11. 
Restauration  von  St.  Stephan  1.  22S. 
Maria  am  Gestade,  Baugeschichte  11. 
14S.  Ältester  Plan  von  Wien  11.  St. 
Peter  11.  12.  Ulariencapelle  11.  Pan- 
krazcapelle  11.  12.  Salvatorcapelle  13. 
St.  Paulscapelle  13.  Passauerhof  13. 
St.  Ulrichscapelle  13.  Spinnerin  am 
Kreuz  16.  Minoritenkirehe,  Ludwigs- 
capello  34.  Denksäule  am  hohen  Markt 
46.  Alllage  eines  Corpus  Epitaphiorum 
141.  146.  Grabmonumente  144. 

Wiener-Neustadt  39.  Basrelief  der 
Georgskirche  300.  329. 

Wiernto,  Wiener  Bürger  12. 


WiIhersdorf73. 

Wilhelm  II.,  König  der  Normannen  87. 

Wilhelm,  Schottenabt  12. 

Wil  heim,  Herzog  30. 

Wilhelm  v.  Holland  5S. 

Willholtz,  Ulric  70. 

Windisch-Matrei,  Wallfahrtskirche  zum 
hl.  Nikolaus  173.  178.  179. 

Wissavclav  288. 

Wladislaus,  König  1S7.  227.  239.  26S. 

Woeel,  Dr.21. 

Wohlgemuth,  Künstler  278. 

Wolfgang  (St.):  Altar  45.  252.  307. 
Probstei  46.  Evangelisfarium  307. 
Brunnen  307. 

Wolfsthurn,  Schloss  327. 

Wolfker,  Abt329. 

Wolkenstei  n.  Familie  180  ff. 

Wolkenstein.  Michael  v.,  sein  Grabdenk- 
mal zu  Lienz  180. 

Wolmi  rstäd  t,  Baudenkmal e  332. 

Worms,  Dom  27. 

W  r  a  t  i  s  1  a  w,  König  120. 

Wurmbrand,  Lorenz  41. 

Wysehrad,  159. 

Würffei.  Ulrich  und  Hanns  31. 


Xanten,  Sliftskirche  244. 


Tpern  St.  Marlin  244. 
Yved  (St.)  in  Braine  244. 

z. 

Zabo'iy.  romanische  Kirche  133. 

Ziibor.  romanische  Kirche  116. 

Za  isma  n  nsbrunn,  L'lrichscapelle  12. 

Zapp,  K.  Wladislaw  öO. 

Zappert,  Dr.  Epiphania  139. 

Zara,  kirchliche  Architectur  331. 

Zbaraski,  Fürsten  20. 

Zbraslav,  Cistercienserkloster  130. 

Zeitschrift,  für  christliche  Archäologie 

27.  83.  331. 
Zelking,  Graf  46. 
Zeno  (s.  d.),  Wandgemälde  197. 
Zenoberg,  Schloss  324. 
Ziegel,  römische.  Altofen  286. 
Ziod,  Kirche. 
Z  i  n  g  I  e  r,  Nikolaus  v.  79. 
Z\  nner,  Joseph  v.  70. 
Zinzendorf,  Christ,  v.  73. 
Zoll  fe  Id.  Ausgrabungen  251. 
Zöly  0  m-Lipcse.  Schloss  217. 
Zoppel  v.  Haus,  Katharina  75. 
Zozzen,  Taufcapelle  103. 
Zsiimbek,  Kirchenruine  105.  340. 


PROSPECTUS. 


Huris  1855. 


Soeben  ift   ki   fgeinviib   ^cUcr  in  Jytötiffurt    dm    iOlain  erfc^ienen 
itnb  ju  bcäicl)cn  burrf;  ^iiiyehn  ?8vaumMcv,  im  gpaifaffemOcbäube  am  ®i\ibcn,    / 
unb  «l^ranbcl  K  Mcpev,  3;uri)Iauben  552,  md)\t  Um  I)ol)en  mavU,   in  mitn, 
'owk  biircl)  at(e  Sud]-  unb  Äuiift()anbluugen : 

^unftxucrke  unlr  ©<rräti)fd)aftcn 


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0DtlCe* 


^ctaulgegctcn  tcn 


Jltnnri)cn  1854. 


G.  ^ccFcr  nnb  S.  Don  J@»cfiict:2lUeiic<f. 

ifiein  5ülio.     21  —  24.  Lieferung  a  6  colorirte  ßuvfev  iiub  3;ert. 
*Pieiö  bcv  Lieferung  4  fl.  Iß  fr.  6on».=S}?. 


©e.  .ff.  S)?aicftät  bcr  ÄPitijj  OPit  «^fcu^cn  9cvul)ten  bte  iSebication  biefeö  SgSevfeS  aKevgnäbigft  an}unel)men. 


aSoväUflgmeife  flnb  in  biefcm  SBeif  aufgenoinineu  :  ^dinifjmerkc  in  (Elfenbein,  ^olj  etr.  etr.  tljeils  als  fclb(l|l.inDuic  ^»^oeiten,  tijeils 
jur  ^crjieninii  «on  anbern  ©enenflänben,  mie  33uci)betkeln  etr.  etr.  (5otbfd)miebe.irbeiten,  luie  i3d)mud;f<id)en  aller  ;\rt,  Xllonltrainen, 
€iborien,  lieluiuaricn,  Xteldje  iinb  anbere  liird)lid)r  iaen|ilien;  l!un|lreid)  uerjierte  lUaffen,  poi>ale  in  mand)erlei  /ormen  unb  btalten; 
kird)lid)e  nnb  roeltlidje  «Itidtereien  unb  tüeppid^e;  fuin)ird)ränke,  reid)  uerjierte  iSeiTet,  .Siuiiepulte,  ^d)mud;haftd)en,  ßpiegelrinfallunpen, 
^d)ad)-  unb  jöambrettliguren  unb  Kleinere  jOeljalter;  künltlidie  Ölöpferarbriten  in  ^trügen,  ^Oefcn  u.  a.;  ?.inin}e-  unb  «rifeniuerkr,  in 
Sauf-  unb  lüaCdjbedten,  jCeudjtern,  Sljürktopfrru,  getriebenen  ^d)ilben  u.  a.  nt.  «     .  f    4, 

atad)  tiefer  nüqcmcineu  Ucfcevfldit  ftnb  äunärb|1  in  niÖ3Üd;ft  auggeiuä()(ten  3)Zufievgc6ilbcu,  fotdjc  Jtunrmicvfc  unb  ©cvat^  bargc|tcUt, 
ivetc^c  äur  5lu8fd;niftffung  wn  Äivd;cn  unb  «^rtüiiflcn,  ober  jum  SBebüvfnif!  bcS  oemi)()nlid;cu  Setcnä  in  ben  Ijiitjcvn  unb  nicberu  ertndncu 
ber  menfd!lid;cn  (Dcfcnfiijaft,  cvfovbcvüd)  umven.  91i*t  allein  bev  6Jcfd)id)tä=  unb  ^UtcitljumSfovfdev  a'ivb  in  bicfcu  SoifcUungcu,  fo  ivic 
in  jenen  bcS  ofcengcbad^tcn  Jvnd;tcn(nid;a  ,  ein  tvcucä  Silb  bcr  jllcibung  unb  bc6  HvuS  in  ben  nötl)igcu  a3ebürfniffcn  bcr  gcbilbctcn 
Stäube  ber  ffiorjcit ,  je  nad)  bem  ©taubpunttc  bcr  enüvirfehnig  ber  Äuufi  finbcn ,  fonbcru  aud)  Jtfiujtlcr  unb  tunfiscnraubte  ©erecrbc 
irerbcu  einen  reid)t)altigeu  ©dial^  «on  leitcubcu  3becn  über  voligiltige  aRuficrCMlber,  jur  Qtufcrtiguug  bcrartigcr  äBcrte  für  bic  ©cgenirart, 
erijalteu,  ivoburd)  bie  mitunter  miaycrflanbenen  S^adjn^mungcn  älterer  SSorbilbcr  ober  bie  t;äufig  gefd^mnrflofcn  «Schöpfungen  m  neuerer  Seit, 
»erbrängt  merbcn  tonnen.  _         ■  «  ■    r  • 

aßaa  bic  9luäfül;rung  Betrifft,  fo  ßfirgeu  bie  92amen  ber  iciben  J§evnn8gctier  ffir  bie  gröfitmijglidjiic  Xreue  uiib  ©OinHentjaftigfcit  bei 
Stugfuljruug  bcr  bargcftctlteu  ©cgenfiänbc  unb  bcr  a3crleger  t)at  flc^,  uugcad)tct  bcr  großen  Jtoflcn,  nid)t  abgalten  taffeu,  für  bic  fpleubibc|te 
gUtafü^rung  beS  ©anjeu  ©orge  ju  tragen.  Um  biefea  ju  erreidjen,  irurbe  bem  Jtupfcrftid)  vor  allen  anbern  iüianiercn  ber  Sborjug 
eingeräumt.  Die  Slafclu  flnb  aufö  ©orgfäüigjlc  colorirt  unb  wo  ei  erforbcrlid),  mit  ®olb  obce  ©ilbcr  aufgcljcbet,  looburd)  bic  ®cgcn|lanbc 
am  beutlidjften  kv»ovtrctcu.  ®röpe  unb  fonf^igc  *Bcrl;ältuilIe  ber  abgclnlbctcn  Söerfe  fiiib  genau  angegeben  unb  ein  auareid'cuber  Sert 
mit  Dlcgipcr  gibt  ^liiafunft  über  3eit,  -&erfuuft,  Stoff,  Äunftivertt)  unb  fonjtige  gum  yollfommcuen  a>crflänbni^  crforbcrlidje  Singe. 

3tt  bcr  gotge  wirb  auf  baä  rafd)ere  Qlufcinauberfolgen  bcr  fiicfcrungeu  i8cbad)t  genommen,  unb  baä  gan;c  aScvt  in  36  Lieferungen, 
U)cld)c  3   fiarte   SBänbe   mit   216    colorirten   jlupfcrtafeln   bilbcn,   in   hirjer   3eit   i'ollcnbct    fein,     ifflir    yerauftalien    l;iermit    eine   neue 
©ubfcription  biefeä  $rac6twcrtc§  üon  ber  mouatlid;  eine  Sicferung  crfc^cint,  bo^  lönnen  nad)  SJertangeu   bie    beibeu 
fogleic^  ober  in  beliebigen  Sn^iWcnräiimen  bejogen  uierben. 


erfdiieucneu  Sjänbc 


*)  aRagajin  fftv  Sitcratur  bc«  ?IuStnnbc8.  «crliti  1855.  9h.  132  unb  ®.  ©djirgcä,  bie  jtoeitc  aBcUau6jle«uni;.  grantfutt  1855.  8».  ©eite  189. 

Rapport  du  Jury  International  sur  l'Exposition  Universelle  de  Paris  1855. 

Papportcur  Monsieur  JUerlill^   Membre,  Secretair  et  Rapporteur  da  .lury  de  la  XXVI  Classe. 


Henry  Keller,  6diteur  ä  Francfort  s/M.,  a  envoyö  ijuatre  ou^Tag■es  que  le  merite  du  texte,  ainsi  quc  Ic  nomine 
des  graviires  coloriöes,  placont  au  rang  des  plus  belies  publications  exposöes   au   Palais  de  l'Industrie.    On 


Monsieur 
et  la  perfection 
peut  juger  par  les  titres  seuls  de  l'intei-^'t  de  ces  ouvragcs,  destines  ä  propager  la  coniiaissance  des  arts  du  moyen  age. 

1.  Le  livre  des  tournois  de  l'f^lmpöreur  Maxiniilien  I.,  li  livraisons  in  folio,  avcc  texte  du  docteur  J.  de  Hcfncr-Altcneck, 
et  des  gravures  coloriees  et  reliaiissees  d'or  d'apres  J.  Burgkmaier  pere  et  tils. 

Les  originaux,  executes  par  les  ordrcs  et  sous  les  yeux  de  FEinpöreur  Maxiniilien  I.,  apparticnneut  au  Prince  de 
Hohenzollern  -  Sigmaringen  et  etaieut  restes  jusqu'ici  inconnus  aux  artistes,  comme  le  furent  longtcms  plussiours  autres 
ouvrages  de  Burgkmaier,  qui  n'ont  etö  publik  que  dans  le  siecle  dernier. 

2.  Ouvi-ages  d'art  et  meubles  du  moyen  äge  et  de  la  Ecnaissance,  36  livraisons  grand  in  quarto,  avec  gravures  eu 
taille-douce  coloriees,  et  texte  par  Messieurs  C.  Becker  et  J.  de  Hefner-Altencck. 

3.  Les  Empöreurs  d'Allemagnc,  gravures  coloriöes,  d'apres  les  portraits  de  la  salle  des  Empöreurs  dans  Thötel  de  ville  de 
Francfort,  dit  le  Römer,  avec  des  notices  biograpliiques  par  Mr.  Albert  Schott  et  le  docteur  C.  Hagen;  27  livres  in-folio. 

4.  Costumes  du  moyen-äge  chretien  d'apres  les  monuments  conteniporains  par  Mr.  J.  de  Hefner-Altcneck,  3  volumes 
grand  in-quarto  avec  des  gravures  en  taille-douce  coloriöes. 

L'importance  bistorique  et  artistique  de  ces  publications,  v6ritables  ouvrages  de  luxe,  attcstent  dans  Monsieur  H.  Keller 
st  dans  Monsieur  Scbmerber,  son  prödöccsseur,  im  amour  des  beaux  livres  et  uu  devouemcnt  ä  Fart  quo  le  Jurv  a  trouvö 
iignes  de  r^compense. 


M!f> 


BT  Wd 
M^  mm 

DEUTSCHER 


if  m 


BILDNEREI  und  MALEREI 

ELNFÜIIRÜNG  DES  CHRISTENTIIUMS 

BIS  AUF  DIE  NEUESTE  ZEIT. 

HKKAUSGEGEBEN 

VON 

ERNST    FÖRSTER. 

Itir  Denkmale  deutscher  Bildnerei  und  Malerei  werden  .ms  1 50  Liel'eningcn  in  Gross  üuari  besiehen. 
Jeile   Lieferung  enlliiilt   2   in   Stahl  gestochene  Tafeln   nnd   ungeRihr  4   Seiten  Text. 
Monjlhih   eisfhenicn   2   Lieferungen,  deren   25   einen   Bnnd  iiihliii. 
Preis  jeder  Lieferung  20   Ngr. ;  jedes  Bandes    lO'^/a    Thh'. 


I  T  S  ii 1 1 F  T 


FÜR 


CHEISTLICHE  ARCHÄOLOGIE  und  KUNST. 

HKRAU.SGEOEBKN 

VON 

Erscheint   in   voizdglirlier  Aiisslalliing   in   Qn.iil-Foinial  ;    der  Hand    lieslehl  aus   fi   Heften,    ilereu  jedes 
0   Bogen   Text   und   3  Stahlstiche   enthält;   eilaiiliriiilc   Illustrationen    in  llolzscliiiid   werden   in   den  Text   gedruckt. 
.liiliriiiii   wird   ein  Band  erscheinen;   der   Preis  desselhen   ist    10    Tlilr. 
Her  erste   Band   ist    in  jeder   BiK  hli;iij(lliiiig    zur  Ansicht    zu    erhalten. 


i!  0  11 

l'lit  rill  fr  f  iiilr  itiiiiii  nun  3.  Bf  irfiriispFriif  r. 

Xic  illifttlilltcrliri)Cn  BaniUtrht  natt)  ilUriiin  cvldK-incu  in  ÖHofjC^ctao  in  ,'öcftcii,  beven  jcbe«  12  füiibcv 
(itl)ei)vapf)ivtc  iUötici  iii  Joll^^ll•f  nur  oiii  ^H-i^nduiif^  bcv  aiit  bcnicll'cii  bavj^ctlclltoii  'i'aiiiiH'vfc  enthalt;  iini 
2d;lufic  bc«  '.JiVvfciJ  toirb  ein  OV'iicvalix'V'^ctcbiiif;  oiiv^iicßcbcii. 

S)ev  Uiiifang  bcS  ©aii',cii  ift  auf  12  ^cflc  ('cvcdjnct;  :<  .'öcitc  )iiib  cvfrfiicucii. 

Ter  %Hi\^  für  iobov^  ,'ncft  ifl   1 '/:'  ^l;lv. 


iiEuyieisT   ' 

DES 

FÜNFTEN  BIS  SECHSZEHNTEN  JAHRHÜNDEKTS 

INI)   DIE 

DAVON  ABHÄNGIGEN   KÜNSTK 

BILDHAUEREI,  WANDMALEREI,  GLASMALEREI,  MOSAIK, 
ARBEIT  m  EISEN  ETC. 

UNTER  MITWIRKUNG  DER  BEDEUTENDSTEN  ARCHITEKTEN  PRANKREICHS 

UND  ANDERER  LÄNDER 

UKBAU3GliGEBfc;N    VON 

JULIUS     GAILHABAUD. 

Das  Werk  erscheint  in  200  Lieferungen  in  Oiuirl.    Jeile  Lieferung  enihält  2  Tafeln  und   '/^  l''s   1  Bogen 
erläuternden  Text. 

Eine  colorirle  Tafel  zählt  für  zwei  schwarze. 

Einzelne  Lieferungen  oder   ßläller  werden  nicht  verkauft. 

Monatlich   erscheinen   2   Lieferungen.      Preis  jeder  Lieferung    16  Neugroschen. 

Am  Schlüsse  des  Werkes  wird  eine  genaue  Anweisung  zur  Einllicilung  desselben  beigegehen. 

Der  1.  Band  (Lfg.    1 — 25)  ist  erschienen. 

fitt  '  ■  Hf^  h  fS 


DEI 


hp:rzogliche  pal a st 


VON 


URBINO 


GEMESSEN,  GEZEICHNET  UND  HERAUSGEGEBEN  VON 

.lafiff  FRIEDRICH  ARNOLD 


LKRHER    AN    DER    KclMliL.    AKADEMIE    DER    BILDENDEN    KÜNSTE    IN    DRESDEN. 


MIT   ERLÄUTERNDEM   TEXTE. 

I' 

Das  Werk  erscheint  in  Impcrial-Folio  in  wahrhall  kilnstlerischcr  Atisslallung  und  kann  in  jeder  Be- 
ziehung  ein    I'rachtwcrk  genannt  werden. 

Die  Ausgabe  erfolgt  in  6  Lieferungen,  von  denen  die  erste  und  letzte  je  9  Rlatler,  die  zweite  bis 
fünfte  je  8  Blätter  enthält,  derart,  dass  eine  jede  Lieferung  diircbsobnilllicli  3  f;ra\irle  Tafeln  Tcilal-Ansicliten. 
1  Farbentafel,  1  Tafel  getuschter  Details  der  reichen  Thilren  und  Kamine,  2  Tafeln  geliiscliler  Ornaineiile  unil 
l  Tafel  Ornamente  in  Conlour  enthält;  der  ersten  Lieferung  ist  die  malerische  Gesammtansicht,  in  vollendetem 
Farbendruck  ausgefillirt,  beigegeben. 

Im   October    1857   liegt  das   Ganze  vollendet  vor. 

Der  Preis  jeder  Lieferung  ist  6^/3  Thlr. ,  der  des  ganzen  Werkes  40  Tblr. 


Grundzüge  der  kirchlichen  Knnst-Archiiologie 


des 


deutschen  Mittelalters. 

Von 


Mil    78    HolzstliTiiUoii. 
1855.       Gross     (»Clav.       l'icis    2    Tlilr. 


1.,  2.  uiiö  3.  Cgcil,  mit  11  .Sta^fflicfjeii. 
I)cv  4.  3)aub  bcfi^licit  baei  SBcrf  uiib  i)1  im  3^iu(f  befliiffcn. 


DER 


IN  DER  GRIECHISCHEN  PLASTIK. 
EINE  KUNSTHISTOllISCHE  ABHANDLUNG 


>) 


Dr.  MXDIILIAN  STEIi\ER. 

.Mil     5     I  i  t  li  o  ;;  r  a  p  li  i  i  I  c  ii      i'  a  f  <■  I  ii. 
1857.     Gross   Oclav.      I'itis  2  Tlilr. 

(£  i  11  c  n  r  d)  ä  0 1  0  fi  i  f  fl)  c  II  u  t  c  r  |  u  d)  u  u  fl 


i)p,iiuicf)  Htlp. 

Mit  3llasttntiaiifii  niii  tiiirr  littnijirnpliirtfii  CafEl. 
1857.    ©ropOctau.    *43mö   l  ll^lr.   tu  «Rgr. 


IKI 


<l 


DES 

CHRISTLICHEN    MITTELALTERS 

IN  DKN  KHEINLANDEN. 

HERAUSGEGEBEN 

VON 

1.  ABTHEILIING:  BILDNEREI. 
I.  BAND. 

MIT   EINER    KUN  ST  HISTORISCHEN    EINLEITUNG   UND   ERLÄUTERNDEM   TEXTE, 

1S57.     Gi'üsstes  Imperial -Folio. 

Jährlich  erscheint  ein  Band  mit  2ü  Tafeln  und  dem  erläulerndeu  Tejtfe.,    .  ;,  ,,,,  .  ,,,,  <'• 

Eine  Tafel  in  Farbendruck  zählt  für  2  schwarze. 
Der  Preis  jedes   Bandes  ist    18   Thir. 
Einzelne  Blätter  werden   nicht  ahgegeJten. 


RÖMISCHEN  BÄDER  ZU  BADEN  WEILER 

IM   SCHWARZWALDE 

VON 

Dr.  HEINRICH  LEIBNITZ. 

Mit    zwei    li  I  li  ogra  |i  li  i  rl  eil    Tale  In. 
18.^7.     Quart.     Preis   1   Thlr. 


DIE 

ORGANISATION  DER  GEWÖLBE  IM  CHRISTLICHEN  KIRCHENBAU. 

EINE  KÜNSTGESCHICHTLICHE  STUDIE 

VON 

Dr.  I[K1\KICH  LEIBMTZ. 

ittit   iU)   ein  geil  ni  (htm    ;i\biiil!iun!)(ii. 
185.5.    Gr.  Octav.    Preis  1  V.i  Thlr. 


ÜE\  UHSPHIM«,  DIE  E^T^M(1vELÜ^G  UM)  BEÜEITUNG 

'"'    '    •  '»'  ^  lUSlLlKA  IN  DEU  CIIIÜSTLICUEN  BAllKUNST.''  *  -'  *'  '^ 

EI.M-: 
rHlI.USdl'IIlSCH- KÜNSTGESCHICHTLICHE  ABHANDLUNG 

VON 

J.  A.  MESSMER. 
1854.      Gross  Uulav.     I'reis  24   Nffr. 


PRAKTISCHES  IIANDKUCII  FÜR  KUPIERSTICIISAMMLER 

0  U  E  It 

ÜKU  VüUZiiGLK  IISTEN  UNI)  BELIEBTESTEN  KllFFERSTECHER,  FORMSIHNEIDER, 

LITHOGRAPHEN  ETC.  '■'•--'  ■'''^" 

NEBST 

ANGABE  IHRER  BESTEN  USD  GESUCHTESTLN  BLÄTTER,  DERVEIISCHIEDEMIEIT  DER  ABDRÜCKE,  DES  MAASSES, 

DER  LADEN-  UND  ANTIQUARISCHES  PREISE  ETC. 

1849.     Gross    Octav.     Geheftei.     Preis    5    Thaler. 


DEUTSCHE  ZEITGENOSSEN 

NACH 

BlüW'S  LICIITBILDKKN  VUN  DENERSTEiN  KÜNSTLERN  DEUTSCHLANDS  IN  KUPFER 

GESTOCHEN. 

%m\  litffrDiigfn  mit  hiugnipliisctinii  feit. 

Sechs  Blätter: 

I'rieiliifli  Willielm  IV.  -    A.  von  lliiiiiboldl.  —   \\  von  loiiieiiiis.  —  Eizlieizug  Juliann.  — 

E.  M.  Arndt.  —  dir.  Hauch. 

1850.      Iinpcrial-Folio.      Preis    2    Tlialer. 
P  r  e  i  s  j  e  (I  e  s  e  i  n  z  e  1 11  e  II   [!  I « 1 1  e  s    1  0  N  g  r. 


Diiii'k  von  J     II     II  irsi'h  I.M   jii   LüiiiZig. 


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