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No.
Boston
Medical Library,
19 BOYLSTON PLACE.
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Googl
MIITHEILUNGEN
, ^
t
des
Wiener meitciniscben
herausgegeben vom
I 3 räsidinm
nd redigirt vom Yice-Präsidenten des Collegiums
Dr. Leopold Hopfgartner.
VI. Band.
Wien 1880.
Itoßellschafts-Bachdrackerei, Wien. III., Erdbergstr. 3*
Verlag des Collegiums.
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Na m ensr eg i s ter,
Pr. Adler Hans .
„ Adler Heinrich
„ Billroth Theodor, Prof .
„ Chiari Hans, Prosector 107
181. 297
a Englisch Josef, Primararzt 46
59. 69. 127. 285
„ Elsenwenger ... 50
„ Fridinger Carl ... 54
„ Frisch A.v., Prof 13.21. 37
„ Gerstel.150
„ Griinfeld Josef ... 83
„ Hajek S .169
A Hebra Hans, Kit. v. . 83
„ Hertzka.189 j
„ Hyrtl, Prof. .... 325 I
„ Hüttenbrenner A , Kit. v. 221 j
229 i
„ Jurid Gustav . < . . 132 !
„ Kiemann Franz, Prim.-A. 59 '
,, Lerch Alex. jun. 133. 245 j
,, Mayer August . 197. 206 |
Seite
Dr. Meynert Th., Prof. 15. 33. 46
,, Obersteiner H. jun., Prof.
146. 157
„ Pollak J. E.288
„ Preyss Georg 29. 94. 202
217. 225. 255. 281. 291
„ Puschmann Th., Prof. 262
,, Redtenbacher Leo . .213
,, Schmerling R., Rit. v. 251
,, Schneller Jos., O.-S.-R. 98
194. 258. 324
„ Schrötter L., Ritt, v., Prof.
5. 273
„ Schustler.297
,, Weinberg Jakob. 298. 313
,, Weissbach, Reg. Arzt 211
218. 232. 237
,, Winternitz David . .186
„ Zeissl Maximilian . . 265
,, Zontides Demeter . .287
A Zuckerkandl, Prof. . . 1
Seite
. 121
. 145
77
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Sachregister.
Seite
Aerzte, städtische. Gehaltserhöhung derselben.11
Aerztekammer. Qomitö gewählt zur Berathung, wie sich
gegen die vom Aerzteverei ns verband im Reichsrathe einge-
brachte Petition um Aerztekammern zu verhalten sei . . . 17
— — Petition des Doctoren-Collegium gegen Errichtung voti
Aerztekammern (Ref. Preyss). 29
— — Auch die ärztlichen Vereine der Bezirke Wiens haben
Gegenpetitionen ein gebracht.31, 76
— — Die leitenden Principien zur Berathung der Aerzte-
kammerfrage im Abgeordnetenhause.131
— — Zustimmung des Vereines homäopatischer Aerzte zur
Petition des Collegiums gegen. ••....131
An erkennu irg. Dr. Nusser wird auf sein Ansuchen mit
vollen Bezügen pensionirt und erhält taxfrei das Bürgerrecht 228
Anzeigen, literarische. Real-Encyklopädie von Eulenburg . 43
— — Tagebuch für praktische Aerzte von G. Beck . . . . 110
— — Illu8trirte Vierteljahrsschrift für ärztliche Polytechnik 111, 204
— — Beck’s therapeutischer Almanach.186
— — Für und wider die Kuhpockenimpfung von A. Vogt
(bespr. von Schneller). . • ..194
— — Onomatologia anatomica von Prof. Hyrtl.202
— — Die am häufigsten vor kommen den Verfälschungen und
Verunreinigungen des Mehle s von Prof. A. E. Vogl (bespr.
von Schneller).. . 258
— — Statistik des Sanitätswesens der im Reichsrathe ver¬
tretenen Königreiche und Länder für das Jahr 1876 . . . 281
— — Gesetze zur Abwehr und Tilgung ansteckender Thier¬
krankheiten und der Rinderpest von Prof. J. Rechner. . . 283
— — Offener Brief an Dr. Erhardt, betreffend Dr. Winter¬
halters Schrift „Zur Kanalisation von Münchenvon Dr. G.
Varentropp. (Besprochen von Dr. SchneUer.).324
— — Kritik der gegen die Schwemm-Canalisation erhobenen
Ein wände von Dr. J. Soyka. (Besprochen von Dr. Schneller) 324
Ansprache des Präsidenten Dr. v. Schmerling an Dr. Vivenot
bei Ueberreichung der Adresse anlässlich des 50jährigen
Doctorjubiläums des Letzteren.251
Asyl und Erziehungsanstalt für Blöd- und Schwachsinnige . 188
A ufnahme neuer Mitglieder 5, 32, 68, 73, 75, 84, 91, 109,
144, 162, 168, 188, 244, 260, 272, 296, 312, 326
Aufruf zum Beitritt in den Viszanik - Vivenot’ sehen Unter¬
stützungsverein .. . . ,164
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IV
Seite
Auszeichnungen 10, 32, 92, 110, 179, 212, 228, 236,
244, 260, 272, 284
Bericht über die Leistungen des Dootoren-Collegiums im
Jahre 1879 von Dr. Preyss.94
— — über die Leistungen des Unterstützungs-Institutes des
Doctoren-Collegiums im Jahre 1879 von Dr. Preyss 217, 225
— — über die Thätigkeit des Pensions-Institutes im Jahre
1879 von Dr. Adler.121
— — über die Geschäftsführung der Witwen-Societät des
Doctoren-Collegiums im Jahre 1879 von Dr. Gerstel ... 150
— — über die Leistungen des Carolinen-Spitals im ersten
Semester 1880 von Dr. v. Hüttenbrenner. 221, 229
— — des k. k. österr.-ungar. Nationalspitals in Constantinopel
im Jahre 1879 von Dr. Weissbach . . . 211, 218, 232, 237
— — das Comitö zur Wahrung der Standesinteressen (von*
Dr. Schneller)...98
Bitterwasser. Gemeinde-Direction in Pülnau ersucht um An¬
erkennung der Trefflichkeit desselben.163
Blüthenperiode der ersten Wiener medic. Schule (2. Hälfte
des vorigen Jahrhunderts). Vortrag von Herrn Prof. Puschmann 262
Bücherspenden . . . 10, 75, 111, 172, 186, 194, 209, 242
Casuistisches. Abnorm niedere Temperatur bei einem Kinde
mit chronischer Lungeninfiltration und Bronchialcavernen von
Dr. Elsenwenger.50
— — Exsudatum pelviperitoneale, hacmatocele retro-uterina
dextra (Genesung) von Dr. Lerch jun. ..245
— — Beobachtungen über die Symptome und den Verlauf des
sekundären Magenkrebs von Dr. Leo Redtenbacher . . . .214
Comitd zur Wahrung der Standesinteressen, die früheren Mit¬
glieder wiedergewählt.163
Congress, III. imternationaler, hygienischer in Turin . . . 228
— — VII. internationaler, medicinischer für 1881 in England 236
Dankschreiben des h. Ministerium des Aeusseren für die
Besprechung des Berichtes über das Constantinopler Spital
im Jahre 1878, desgleichen für 1879 . 40, 189
— — des Herrn Hofrath Dr. v. Güntner für die Gratulation zum
60. Doctor-Jubiläum . .. 250
— — des Dr. Preyss für die Ovation anlässslich des vollende¬
ten 70. Lebensjahres.180
— — des Prof. Hyrtl für die Feier seines 71. Geburtsfestes 306
Einladungen zu den General-Versammlungen:
ä) des Doctoren-Collegiums.76
b) des Unterstützungs-Institutes . ..56
c) des Pensions-Institutes . .. 76, 92
d) der Witwen- und Waisen-Societät.120
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y
Seito
Einladung zum Eintritte in die Section für öffentliche Ge¬
sundheitspflege.261
— — zur Sitzung dieser Seetion am 1. December 1880 . . 284
— — zu den wissenschaftlichen Versammlungen am 12. u. 26.
Jänner, 16. Februar, 1. u. 15. März, 5. u. 19. April, 3. u.
24. Mai, 25 Oct., 8. u. 22. Nov., 6., 20. u. 27. Dec. 12, 20,
44, 56, 68, 92, 120, 132, 156, 260, 272, 284, 296, 312, 324
Elektrisches Licht, Operation unter demselben .... 32
Erlass des h. Unterrichts-Ministerium, betreffend das Ver¬
leihungsrecht des Bieil’schen Stipendiums.. 266
Ernennungen. Dr. Hirsch z. Polizei-Bezirksarzt in Mariahilf 17
— — Dr. Fleischl zum a. o. ö. Prof, der Physiologie und
Dr. August Mayer zum Armenarzt im V. Bezirk . . . .110
— — Dr. Bernheim Friedrich zum Armenarzt in Reindorf . 155
— — Die DDr. Bändel, Chrobak, Obersteiner jun., Carl F. v.
Rokitansky, Schnitzler Joh u. Zuckerkandl zu a. o. ö. Prof. 244
Exstirpation des Uterus, über. Vortrag von Herrn Prof.
Dr. Billroth.77
Fakultätsacten die, welche sich auf Unterricht beziehen,
wurden im Vereine mit Prof. Hofmann ausgeschieden und
dem Akademischen Senate abgegeben.163
Findelanstalt, n. ö. Landes-. Ueber die seit Gründung
dieser Anstalt im Jahre 1784 bis Ende 1879 vorgekommenen
Fluctuationen in Zuwachs und Abgang der Findlinge . . 54
Gelenksentzündung, fungöse und ihre Beziehung zur
Tuberculose. Vortrag von Dr. Englisch.59
General- Versammlungen:
Bericht über die des Doct.-Coll. am 22. März 1880.... 88
„ „ „ „ Unterstützungs-Institutes.67
w „ „ der Witwen-Societät.150
„ „ „ des Pensions-Institutes.121
Geschäftsraths-Sitzungen:
am
8. November 1879
. 5
am
23. Juni ....
. 241
»
17. December . .
. 39
9
22. September . .
. 250
n
28. Jänner 1880
. 73
n
13. October . . .
. 265
n
4. März . . . .
. 75
9
27
u 1 • n • . •
. 289
9
17. ..
. 83
9
17. November . .
. 322
»
28. April . . . .
. 162
??
24.
. 324
9
19. Mai ....
. 208
Gypsverbände bei Rippenbrüchen. Vortrag von Dr. Englisch 128
Haemophilie, über. Vortrag des Dr. Hertzka.189
Hartmann’s Ph. C. wiedergefundenes Bild.325
Honorarfrage, zur Regelung der.188
Hyrtl, Beschluss sein vollendetes 70. Lebensjahr zu feiern . 260
— — Feier, anlässlich dessen vollendeten 70. Lebensjahres . 306
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Inauguration des für das Studienjahr 1880/81 gewählten
Universitäts-Rectors. 258
Jahresausweis der nied.-öst. Landesfindelanstalt .... 43
Jubiläum, Prof. Arlt’s 40jähr. Doct.-, WÖlfler’s 30jähriges
Dienst-Jub.10
Jubiläum, Sr. Excellenz des Präsidenten Anton Ritter
v. Schmerling 50jähriges Dienst-Jub.141
— — Dr. v. Schmerling, des Coli.-Präs., 70. Lebensjahres . 132
— — Dr. Preyss, zur Feier des vollendeten 70. Lebensjahres 175
— — Prof. Dittel, 40jähr. Doct.-Jub.178
— — Dr. Würstl Johann, ÖOjähriges Doct.-Jub.184
— — Dr. v. Güntner, k. k. Hofrath, öOjähriges Doct.-Jub. 211
— — Dr. v. Vivenot, 50jähr. Doct.-Jub.212
Kinder-Spital, Caroline Riedl’sches, Einweihung und Er¬
öffnung am 4. November 1879 ..6
— — Dr. Gersuni zum Chirurg. Primararzt ernannt . . . 73
— — Gemeinderath bewilligt eine Subvention von 800 fl. .188
— — Zahl der behandelten Beranken vom 1. Jänner bis 24.
November und Kostenangaben der Anschaffungen, sowie der
Yerpflegskosten in diesem Zeiträume.295
Leichenverbrennung in Gotha.32
Leistenhernie, Heilung mittelst Alcohol - Einspritzungen,
Vortrag von Dr. Englisch.127
M emorandum des Geschäftsausschusses des Aerzte-Vereins-
Verbandes an den Reichsrath gegen die Petition des Doct.Coll.
um Nicht-Creiirung von Aerztekammern.209
Mikroskopische Präparate demonstrirt von Prosector
H. Chiari.107
Militärärztlicher Curs, Eröffnung desselben .... 220
Missbr auch mit heftig wirkenden Arzneistoffen . . 40, 295
— — Antwort, betreffs desselben auf eine Eingabe des Apotheker-
Vereins „Progresso“ in Graz... 5 .42
Morbus maculosusWerlhofii, demonstrirt von Dr. Heinr.
Adler..145
Nekrologe, Zsigmondy's.184
-Hebra’s.205
— — Carl v. Patruban’s.255
— — Gustav Loebel’s.268
— — Freiherrn von Dumreicher’s . 291
Nervenkrankheiten, über die prognostische Bedeutung
der Körper-Temperatur in — Vortrag von Professor Dr.
Obersteiner junior.146, 159
Notizen, 10, 20, 32, 48, 76, 110, 132, 144, 156, 168,
179, 187, 220, 228, 236, 260, 272, 284, 295, 312 und 326
Ovation, gebracht dem Prof. v. Sigmund bei seinem Scheiden
von der Lehrkanzel ..196
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VII
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Ovation, dem O.-S.-R Dr. Hoffmann, nach vollendetem
Decennium seiner Wirksamkeit als Spitals-Direotor ... 43
Pensions-Institut, die neugewählten Functionäre . . .110
— — Dr. Zsigmondy legirt einen Gründerbeitrag von 300 fl. 242
Pilocarpin, Anwendung desselben in der Geburtshilfe. Vor¬
trag von Dr. Lerch jun. .133
Petition des Doct.-Coll. betreffs der Regelung des ärzt¬
lichen Standes an den hoh. Reichsrath beschlossen ... 29
— — die von Dr. Preyss abgefasste, im Geschäftsrath en bloc
angenommen.74
Pockenspital an der Triesterstrasse.228
Präliminare der Einnahmen und Ausgaben des Doct.-Coll.
für das Jahr 1880 . 75
Preisaufgabeo, Rl^er’scher per 20.000 fl., Termin am 30.
December 1881.20
— — Ueber das Wesen der Miasmen und Contagien vom In¬
stitute der Wissenschaften u. Literatur in Mailand f. d. J. 1881 130
Re chnungsausweis des Doct.-Coll. f. d. J. 1879, summarischer 112
Referat über das Verhältniss der Privatärzte zu den Ver¬
sicherungs-Gesellschaften (Ref. Dr. Scholz).85
Resignation der Stelle eines Secretärs und Cassiers von
Dr. Hopfgartner.84, 86
Sanitätsdienst, Organisation des städtischen.188
— — Regelung des localen.283
Sanitätsrath, Mittheilungen aus dem Obersten . . . 10, 179
— — n.-ö. Landes- — dessen Constituirung . ..20
Sectionfür öffentliche Gesundheitspflege 261, 275,
290, 304
Sofienspital, Eröffnung desselben.168
— — Mittheilungen aus demselben.196
Stadtj^iysikat, das künftige.283
Standesinteressen. Die von Dr. Preyss redigirte Petition
gegen die Errichtung von Aerztekammern en bloc angenommen 28
— — Comiteberathung über das Verhältniss der Privatärzte
zu den Versicherungs- Gesellschaften.73
— — Dem Comitö, das mit Ausnahme einer alle ihm zuge¬
wiesenen Aufgaben erledigt hat, wird der Dank ausgesprochen 84
Sterbefälle 11, 18, 19, 32, 53, 68, 91, 110, 111, 156,
166, 167, 168, 184, 205, 212, 228, 236, 244, 260, 272,
284, 294, 295, 312
Stipendien. Dem erfolgreichen Vertreter des Doct.-Coll.
vor dem Verwaltungsgerichtshof wird der Dank durch eine
Deputation ausgesprochen. 6
— — Das Verleihungrecht des Gorischek , sehen Stipendiums
geht auf den Präsidenten des Doct.-Coll. über. 7
— — Die Uebergabe des Mosing’schen Stipendiumsfonds in
die Verwaltung des Doct.-Coll. wird angeordnet.40
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Stipendien, Das Stiftnngscapital Mosing’s, 10.900 fl.,
wird übernommen. 75
— — Die Cnmulirung zweier Stipendien genehmigt .... 7
— — Zwölf Stipendien neu verliehen 6, 41, 36, 162, 252, 323
— — Von vieren wird der Genuss auf ein Jahr verlängert
75, 253, 266, 322
TJeberbürdung unserer Jugend auf Gymnasien und höheren
Töchterschulen mit Arbeit begünstigt die Entstehung von
Geistesstörungen. 236
Unterstützungs-Institut. Personal- und Vermögensstand
desselben am Schlüsse des Jahres 1879. Beilage zu Nr. 5.
— — Ausschusssitz, am 27. Jänn. Aufnahme Pupini’s. —
Kirschnek’s Erben spenden 300 fl. Rentencapital. — An Unter¬
stützungen bewilligt 575 fl.42
— — Am 24. Pebruar. Dankschreiben an Kirschnek. — Granich-
städten spendet 100 fl. Rentencapital. — An Unterstützungen be¬
willigt 100fl. — Aufnahme Wiesinger’s u. Gnändinger’s.
Der Schlussrechnung das Absolutorium ertheilt. — Hopfgartner
und Behsel legen ihre resp. Stellen zurück. Dankschreiben. 66
— — Am 16. April. Alle ausgeschiedenen Mitglieder in der
Generalversammlung wiedergewählt. — Prof. Dittel spendet
300 fl. Rentencapital. — Unterstützungen 525 fl. bewilligt 139
— Berathungen über die Mittel, eine grössere Mitglieder¬
zahl heranzuziehen.140
— — Am 19. Mai. Aufnahme Froschaue r’s. — Zsigmondy
spendet 200 fl. Rentencapital. — Unterstützung 200 fl. bewilligt.
— Ein Antrag Pensionsgenüsse in Monatsraten zu beziehen,
wird abgelehnt. 173, 242, 174
— — Am 9. Juli werden 475 fl. Unterstützung bewilligt. —
Zwei säumige Mitglieder sollen nach Ablauf des Jahres aus¬
geschlossen werden. — Hofrath v. Güntner spendet 1000 fl.
Silber-Rentencapital. 254, 260
— — Am 15. October. R. v. Vivenot, Preyss und Schück
spenden Jeder 100 fl. Rentencapital, Ersterer Silberrenten. —
Aufnahme von Kink, Läufer und Kless. — Für Unter¬
stützungen bewilligt 675 fl. ..280
Uraemie nach Scharlach. Vortrag des Dr. S. Hajek . . .169
Urkunde betreffs der Verwaltung der dem Doct.-Ooll. zu Gunsten
von Mühlhauser’s Hinterbliebenen übergebenen Sammelbeträge 41
Urkunden (80 Nummern) werden aus dem Archiv des Col¬
legiums ausgeschieden und von Herrn Decan Prof. Hofmann
für die Universität übernommen ..109
Vaccination, animale.156
Verdauungs-Chemismus, über. Vortrag von Dr. August
Mayer. .....197, 206
Verordnung des h. Ministerium des Innern, betreffend die
Abänderung der österr. Arzneitaxe vom 12. December 1879 8
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IX
Seite
Verzeichnis der Functionäre des Doct.-Coll. im J. 1880/81 129
— — jener Mitglieder, welche dem Vi8zanik-Vivenot , sehen
Unterstütznngsverein im 1. Semester 1. J. neu beigetreten sind. 254
Vivisectionsfrage, zur.144
Warnung vor in ärztlichen Ordinationsstunden sich ein¬
schleichenden Schwindlern.180
Witwen- und Waisen-Societät, Verzeichniss der im
Jahre 1879 neu aufgenommenen Mitglieder.10
— — Anträge zur Aenderung einzelner Paragraphe in den vom
Ausschüsse vorgelegten Statuten ......... 64
— — Einladung, dass sich die Mitglieder des Doct.-Coll mit
der Aufnahmswerbung beeilen sollen, da die Aufnahmen
nach den neuen Tarifen kostspieliger werden dürften . . .156
Wohnungs-Veränderungen 144, 156, 179, 188, 220,
236, 272, 284, 296, 312 und. 326
Zeugnisse für durch Krankheiten verhinderten Schulbesuch
sollen von den Amtsärzten ausgestellt werden? . . . .163
Wissenschaftliche Versammlungen.
Am 15. December 1879. Ueber anatomische Befunde der Nasen-
höhle und des Nasenrachenraumes. Vortrag von Prof.
Zuckerkand 1. — Hierauf spricht Prof. v. Schrötter
über die Bedeutung dieser Studie ..1
Am 12. Jänner 1880. Vorstellung von 5 Kindern mit ver¬
krümmten unteren Extremitäten von Prof. A. Frisch 13
Vortrag des Prof. Meynert über Grundlagen zur Grup-
pirung der Hemisphärenkrankheiten.15
Am 26. Jänner. Vortrag des Prof. A. Frisch über Tam¬
ponade der Trachea bei Diphtheritis. 21
Am 16. Febrnar. Vortrag des Primararzt Dr. Englisch
über fungöse Gelenksentzündung. 46, 59, 69
Am 1. März. Vorstellung eines Kranken mit enormen Milz¬
tumor von Primararzt Dr. Kiemann .57
Vortrag von Prof. Billroth über Exstirpation des Uterus 77
Am 15. März. Vorstellung von zwei Kranken mit Lichen ruber
von Dr. Hans Hebra. — Vorstellung eines Kranxen mit
Polypen in der Harnröhre von Dr. Grünfeld. — Vor¬
trag des Dr. August Mayer über Verdauungs-Chemismus 83
Am 5. April. Dr. Chiari demonstrirt Präparate eines Falles
von Mikrocephalie. — Vortrag des Dr. Hertzka über
Haemophilie. — Dr. Englisch empfiehlt die hämosta-
tische Baumwollcharpie von Eckstein . . . . *. . ,107
Am 19. April. Vorstellung eines Kranken mit Leistenhernie,
geheilt mittelst Alcohol-Einspritzungen; dann Vortrag über
Gypsverbände bei Rippenbrüchen von Dr. Englisch. —
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X
Vortrag des Dr. Lerch jun., über Anwendung des Pilocarpin
in der Geburtshilfe..
Am 3. Mai. Vorstellung eines Falles von morbus macul. Werlhofii
von Dr. Heinrich Adler. — Vortrag des Prof. Ober¬
st e i n e r jun. über die prognostische Bedeutung der Körper¬
temperatur in Nervenkrankheiten. — Vortrag des Dr. S.
H a j e k über Uraemie nach Scharlach.
Am 24. Mai. Dr. Chiari H. demonstrirt einen Fall von
Porencephalie. — Vortrag des Dr. Gustav Juriö über
die chirurgische Behandlung der Haemorrhoidalknoten
Am 25. October. Vortrag des Prof. Puschmann über die
Blütheperiode der ersten Wiener Schule. — Dr. Max
Ze is sl demonstrirt mehrere mikroskopische Präparate eines
Adenoms der Sublingualdrüse.
Am 8. November. Vortrag des Prof. v. Schrötter über
Trachealstenosen.
Am 22. November. Vortrag des Primararzt Dr. Englisch
über Einklemmungserscheinungen bei Entzündung leerer
Bmchsäcke. — Dr. Zontides demonstrirt einen Fall
von Filaria medinensis. — Dr. J. Polak bespricht das
Vorkommen dieses Nematoden in Persien.
Am 6. December. Dr. Schustler demonstrirt einen Fall von
Carcinom in der Continuität der männlichen Harnröhre.
— Dr. Chiari demonstrirt eine seltene Form von Com-
munication der Herzventrikel. — Vortrag des Dr. Wein¬
berg zur Technik der Endoscopie. 297,
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Seite
127
146
181
262
273
285
313
VI. Rd. Ausgegeben am 8. Jänner 1880. Nr. 1.
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Wifloer iiiiliElptoJMt^rfti}Gelli8ims.
Erscheint jeden zweiten DonnerKu^jBi» hal^erSSiT^eKjT gap^er Bogen and darüber, an
20 Bogen im Jahre. — Ganzjähriger^JroqQpmjfötiür'r5[ic^*fmglieder des Collegiums im In¬
lande 8 fl., nach dem Auslände 6 MrkT^ ginninvn WiinTmnin 26 kr. = 60 Ptg. — Inserate
16 kr. = 80 Pfg. für die durchlaufende Petit-Zeile.
Man pränumerirt in der Medicin. Buchhandlang Toeplitz dt Deatftebe
(vormals Karl Ccermah), Wien, I., Schottengasse 0.
Zuschriften und Zusendungen an die Redaction: Wien, Kanzlei des Wiener
Doct.-Coll. und der Witwen- und Waisen-Soeietät, Rothenthurmstrasse 23. '
Inhalt • Ueber anatomische Befunde der Nasenhöhle und des Nasenrachenraumes von Herrn
Dr. Zuckerkand 1. — Aus dem Geschäftsrath (8. Nov. 1879). — Dr. Gorischek’sches Sti¬
pendium. — Abänderung der österf. Arzneitaxpreise. — Kundmachung. — Notizen. — Aus
dem Pensions-Institute. — Einladung.
In der wissenschaftlichen Versammlung am 15. Dec. 1879
hielt Herr Prosector Dr. Zuckerkandl nachstehenden, von
Demonstrationen an Präparaten gefolgten Vortrag
Ueber anatomische Befunde der Nasenhöhle und des
Nasenrachenraumes.
Von der Nasenhöhle aus verzweigt sich ein System von
pneumatischen Räumen, die das Oberkiefergerüste einnehmen,
in das Innere des Stirnbeines find des Keilbeines reichen und
durch das Cavium pharyngonasale und die Eustachische Ohr¬
trompete sich auch in den Gehörapparat fortsetzen.
Die Communicationsöffnuugen zwischen der Nasenhöhle
und der Oberkiefer- und Stirobeinhöhle befinden sich im mittleren
Nasengange, in einer, in Bezug auf Länge, Weite und Direction
Varianten, halbmondförmigen Rinne untergebracht, von welcher
aus vorne ein ostigun frontale in die Stirnbfinhöhle, und rück¬
wärts eine zweite Oeffnung — ostium supramaxillare — in
die Highmorshöhle hineinführt.
Die Communicationsöffnung für die Keilbein- und High¬
morshöhle liegen näher der Decke als dem Boden jener Höhle,
in die sie führen; die für die Oberkieferhöhle schliesst sich so¬
gar an die obere Wand der Höhle au, während die in die
Stirnbeinhöhle führende Oeffnung günstiger situirt ist, denn sie
lagert am Fundus des Sinus. An den Communicationsöffnungen
gehen die Bekleidungen der Nebenhöhlen in die Nasenschleim¬
haut über und nehmen daselbst einen anderen Charakter an;
denn die Schleimhaut der Nasenhöhle ist dick, drüsen- und
gefässreich und mit der knöchernen Unterlage in fester Ver¬
bindung. Die Mucosa der Nebenhöhlen hingegen gleicht dem
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Ansehen nach mehr einer serösen Membran; sie ist dünn y
drüsen- und gefässarm und ziemlich lose an die Höhlen¬
wandungen geheftet.
In Bezug auf die physiologische Function der Nebenhöhlen
wäre zu bemerken, dass mehrere Theorien aufgestellt wurden
und dass selbst die veralteten, bereits widerlegten, noch in
neueren Werken der Anatomie Eingang gefunden haben.
Abgesehen von den höchst abenteuerlich klingenden Theorien
der ältesten medicinischen Forscher kann man an der Hand
der Literatur drei Theorien verzeichnen, die der Discussion
würdig sind. Die Höhlen sollten einmal der Geruchsperception
dienen, und für diese wurden besonders die des Stirn- und
Keilbeins in Anspruch genommen. Gegen diese Auffassung sprechen
einmal die Unmöglichkeit Olfactoriusfasern in die Schleimhäute
der Nebenhöhlen zu verfolgen, und anderseits Experimente, die
man an Personen angestellt hat, denen krankhafte Processe die
eine oder die andere Nebenhöhle eröffnet hatten.
Einer zweiten Ansicht zufolge fiel den Nebenhöhlen die
Aufgabe zu, Schleim zu secerniren, ihn in die Nasenhöhle zu
ergiessen, um ihre Schleimhaut geeignet feucht zu erhalten,
und dazu seien die Communicationsöffnungen günstig unter¬
gebracht.
Trotzdem schon M. J. Weber die Aufmerksamkeit darauf
lenkte, dass diesfalls die Secretion der Nebenhöhlen eine be¬
deutende sein müsste, dass die Nasenschleimhaut dickflüssigen
Schleim zur Genüge produciren und die Communications-
öffnungen der Oberkiefer- und Keilbeinhöhle für den Abfluss
aus diesen Höhlen nicht glücklich situirt sind, so gibt es doch
noch Anhänger dieser Theorie. Z. fugt dem noch bei, dass falls
Webers Ausführungen nicht die richtigen wären, man in den
tiefliegenden Theilen der Oberkiefer- und Keilbeinhöhle Secret
vorfinden müsste, wogegen der Befund an der Leiche spricht.
Es bleibt daher nur übrig anzunehmen, die Schleimsecretion
der Schleimhäute in den Nebenhöhlen diene zur Befeuchtung
dieser Membramen selbst, und es verdunste während der
Passage von Luft, oder werde noch dazu zum Theile resorbirt.
In neuerer Zeit tauchte über die Leistung der Nebenhöhlen
eine dritte Ansicht auf, die wohl bald viele Anhänger gewinnen
wird. Nach dieser dienen die Höhlen dazu, die Luft zu erwärmen,
wodurch in der Regio olfactoria eine Luftströmung entsteht, die
die mit Riechstoffen versetzte Luft zu allen Theilen der Riech¬
schleimhaut fuhrt.
Uebergehend auf die krankhaften Erscheinungen in diesen
Schleimhäuten, wie sie sich in der Leiche zeigen, führt Z.
folgendes aus:
Die Hyperaemie der Nasenschleimhaut mit geringer eitriger
oder seröser Secretion wird häufig angetroffen. Bei dieser Affeotion
sind die Schleimhäute der Nebenhöhlen intact, oder nicht selten
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mitergriffen. Letzterenfalls sind feie injicirt und dabei häufig mit
Ecchymosen versetzt.
Bei der Rhinitis mit reiehlieher Schleimseeretiön ist die
Mucosa der Nasenhöhle weniger injicirt und nicht besonders
geschwellt.
Erkranken hiebei die Nebenhöhlen, so sind es vornehm¬
lich die Schleimhäute, die wesentlich leiden. Diese schwellen
in den höheren Graden der Erkrankung aufs 10—löfache an,
verengen die Höhle selbst, und umschliessen in geringer Menge
ein schleimig - seröses oder eitriges Fluidum. Bei der Rhinitis
mit Production von Eiter ist die Nasenschleimhaut auch in der
Leiche oft geröthet, in die Höhle selbst ist dünnflüssiger Eiter
ergossen, oder ein mehr dicklicher haftet den Wänden an. In
diesem zeigt sich zuweilen eine der Wand gleichfalls anhaftende
krümmlich-kalkartige Masse, welche der Erwähnung werth ist,
da sie möglicherweise auch Veranlassung geben kann zur Bildung
von Rhinolithen. Wenn bei dieser Form der Erkrankung die
Sehleimhäute der Nebenhöhlen in Mitleidenschaft gezogen werden,
dann zeigen diese ein Bild, welches sich wohl unterscheidet von
dem der Rhinitis mit reichlicher Schleimseeretiön zu kommen¬
den Bilde.
Die Schleimhäute der Nebenhöhlen sind nämlich bei dieser
Form niemals hochgradig geschwellt, dafür umschliessen sie ein
eitriges Fluidum, oder sind mit solchem beschlagen.
Bei Diphteritis fand Z. nur in der Nasenhöhle eine diph-
teritische Membran, während die Schleimhäute der Nebenhöhlen
ein Aussehen darboten, wie dies für die Rhinitis mit Schleim-
secretion bereits angegeben wurde. Schon im Stadium der
Hyperaemie treten in den Schleimhäuten der Nebenhöhlen vor¬
wiegend in der des Oberkiefers Cysten auf, die in den hoch¬
gradigen Fällen die Grösse einer Haselnuss erreichen können.
Ueber die Art und Weise, wie sich die Nebenhöhlen ver¬
ändern, wenn ihre Communicationsöffnungen durch längere Zeit
oder permanent verschlossen werden (durch Schwellung der
Schleimhaut an der halbmondförmigen Rinne und an den For.
sphen. durch Polypen, Verwachsung etc.), hat Z. keine sicheren
Erfahrungen sammeln können; denn wenn man bei der Section
neben intaoter Nasenschleimhaut die Nebenhöhlen erkrankt findet,
und dabei zuweilen die Communicationen verlegt, so liegt noch
keine für sich aufgetretene Erkrankung der Nebenhöhlen vor,
sondern es ist — nachdem die Erkrankung der Nebenhöhlen
gewöhnlich auf die der Nasenhöhle folgt, der Proeess in letzterer
nur früher abgelaufen. Dies ist um so wahrscheinlicher, als in
der Nasenhöhle die Vent ; lation schwerer zu unterbrechen ist,
das Secret leicht heraus befördert wird und therapeutische
Eingriffe oft vorgenommen werden. Diese Umstände treffen bei
den Nebenhöhlen nicht zu. Aus diesen kann das Secret selbst
bei offenen Communicationen nur Schwer und nur theilwöise
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abfliessen, bei Abschluss gar nicht, und di© Therapie der Neben¬
höhlen liegt noch ziemlich brach. Die Erkrankungen der Oberkiefer¬
höhle werden auch auf die in ihr verlaufenden Zahnnerven nicht ohne
Einfluss bleiben, und aus all’ diesen Gründen wäre es angezeigt, gege¬
benen Falls in die Nebenhöhlen einzudringen, um sie bloss wieder zu
eröffnen, oder um auch medicamentöse Stoffe einzuführen. Da die
Morphologie der Nasenhöhle individuell ausserordentlich yariirt,
so wird dementsprechend die Inspection und Manipulation in
der Nasenhöhle einmal leicht, ein andermal nur schwer, oder
auch gar nicht möglich sein. Die der Untersuchung sich ent¬
gegenstellenden Hindernisse treten theils am Septum, theils an
den Muscheln auf. Ersteres steht selten perpendiculär, es ist
verbogen, zuweilen in solchem Grade, dass es die eine oder die
andere Nasenmuschel berührt, drückt und diese dadurch sogar
partiell zum Schwunde zwingt. Ein andermal sind es kamm¬
artige Fortsätze der Nasenscheidewand, die sich dem Eindringen
in die Nasenhöhle hindernd in den Weg stellen. So lange diese
Fortsätze kurz sind, können sie umgangen werden, nicht aber
wenn sie derart an Grösse luxuriren, dass sie die Gebilde der
äusseren Nasenwand berühren.
Auch die Nasenmuscheln sind sehr variabel; sie sind
gross, convex und erschweren eine Untersuchung, oder sie sind
klein, mehr flach. Im letzteren Falle, ferner bei der senilen
Atrophie der Nasenmuscheln und bei dem durch krankhafte
Processe hervorgerufenen Schwunde der Muscheln, wobei die
Conchae bis auf leistenartige Erhebungen herabkommen, könnte
es möglich sein den mittleren Nasengang zu übersehen, und
durch die halbmondförmige Rinne in die Highmorshöhle ein¬
zudringen. Die beste Stelle, um auf chirurgischem Wege in
letzte Cavität zu gelangen, ist der Raum gerade unterhalb der
halbmondförmigen Rinne; durch Uebung an Leichen, und eigens
construirte Instrumente wird es auch möglich werden, die
vordere Wand der Keilbeinshöhle zu perforiren, und dann würden
auch die Schleimhäute dieser Höhlen der Wohlthat einer
ärztlichen Behandlung theilhaftig werden. Von der Nasenhöhle
her den Sinus frontalis zu erreichen, ist wohl am schwierigsten
und auch wegen der Nähe der Lamina cribrosa gefährlich.
Der mittlere Nasengang ist auch in Bezug auf das Vor¬
kommen von Polypen zu berücksichtigen. Z. unterscheidet nach
seinen Präparaten drei Gruppen von polypösen Wucherungen
in der Nasenhöhle. Zur ersten Gruppe gehören zwei Formen
von Polypen, und zwar gestielte, lange mit kleiner Basis auf-
»ätzende und zweitens mehr blattförmige mit schmaler aber
lang^MP gasig von der Schleimhaut sich abhebende Geschwülste.
Diese FonÜ^| wählen zum Ausgangspunkt mit Vorliebe die
kantigen TheflJ, der unteren Siebbeinmuschel (unteren Rand,
Kanten an der lateralen Fläche) und die Lefzen der halbmond¬
förmigen Rinipfe, Nur einmal fand Z, einen Polypen an der
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5
medialen Seite der unteren Siebbeinmuschel und da jw. diese
Seite gefurcht und die Geschwulst ging von einer Kante der
furche aus.
Diese zwei Formen treten in Gombinationen in einer und
derselben Nasenhöhle auf. Zur zweiten Gruppe gehören bis
Wein linsengrosse, rundliche, warzenartige weiche Geschwülste,
die an der äusseren Wand des mittleren Nasenganges auf-
eitzen. Zur dritten Gruppe, die diffuse Hypertrophie der Mu-
cosa, wie sie zumeist an den hinteren Muschelenden, zuweilen
auch an den vorderen und im Bereich der halbmondförmigen
Rinne auftreten. Nicht selten ist der ganze Schleimhautüberzug
der wahren Nasenmuschel von diesem Processe eingenommen ;
er bildet, dann eine grosse warzige, den unteren Nasengang
ausfüllende Geschwulstmasse.
Nach beendetem, mit ungeteiltem Interesse und allgemeinem
Beifall aufgenommenen Yortrag erbat sich Herr Prof. Dr. von
Schrotter das Wort. Er hob die besonderen Verdienste her¬
vor, die sich der Vortragende dadurch erworben, dass er so aus¬
gezeichnete Präparate in so grosser Anzahl (den demonstrirten
schliessen sich noch einige Hunderte an, die sich im Besitze
jpr. Z uckerkandFs befinden) geliefert, welche über die Ver¬
hältnisse des Nasenrachenraumes werthvolle Aufklärungen geben.
Nur auf diesem Wege sei noch ein Fortschritt zu erwarten,
nicht aber durch die andere massenhafte Literatur, die auf ein¬
fachen Experimenten oder hypothetischen Anschauungen beruht.
Um nur auf Einiges aufmerksam zu machen, wolle er blos er¬
wähnen, dass man in jüngster Zeit warm empfohlen, die Polypen
mittelst Schlinge abzutragen. Wie aber, wenn sie mit so breiter
Basis, mit solchen Kämmen aufsitzen, wie dies an einigen Prä¬
paraten ersichtlich ? Dann bleiben nach der Operation die basalen
Antheile zurück und es erfolgt leicht Recidive. Was nützt bei
der Ozaena die Application adstringirender Mittel, wenn diese
Affection, wie die vorliegenden Präparate lehren, mit solcher
Atrophie der Schleimhaut einhergeht P Der Weg, den Dr. Zucker-
kandl eingeschlagen, ist daher ganz besonders aufmunternd, und
es wäre wünschenswerth, wenn von den praktischen Aerzten in
Fällen von solennen Erkrankungen der Nase und ihrer Adnexe
die bezüglichen Präparate zur genauen Untersuchung geliefert
werden würden.
Aus dem Geschäftsrathe.
In der am 8. November 1879 unter dem Vorsitze des
Präsidenten Herrn Dr. Ritter v. Schmerling, in Anwesenheit
beider Vice-Präsidenten, des Secretärs und von 14 Mitgliedern
des Geschäftsrathes nebst des an diesem Abend noch besonders
geladenen Stipendien-Referenten Dr. H a s c h e k, abgehaltenen
Sitznng wurden die DDr. Rauchegger Josef, k. k. Bezirk!-
arzt in Neunkirchen, Fellner Leopold, Badearzt in Franzens-
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bad, Grünfeld Josef und Bieber Carl, die beiden letzteren
praktische Aerzte in Wien und sämmtlich an der Wied 6t
Universität promovirt, auf Ihr Ansuchen einstimmig als Mitglieder
des Wr. med. Doct.-Coll. aufgenommen.
Der Vorsitzende berichtet über die Einweihungsfeier des
Caroline Riedrschen Kinderspitals, die am 4. November in
Anwesenheit von Vertretern der k. k. niederösterreichischen
Statthalterei, des Herrn Bürgermeisters, mehrerer Mitglieder
des Gemeinderaths, der Bezirksvertretung des IX. Bezirks, und
des Doctoren-Collegiums von dem hochwürdigen Herrn Weih¬
bischof Dr. A n g e r e r vorgenommen wurde; ferner, dass am
darauf folgenden Tage die Aufnahme kranker Kinder in das
unter der ärztlichen Leitung des Primararztes Dr. v. Hütten¬
brenner stehende Spital begonnen habe; (wird beifällig zur
Kenntniss genommen). Auf Antrag des Vice-Präsidenten Dr.
Lederer drücken die Anwesenden den Mitgliedern des mit den
Vorarbeiten zur Errichtung des Spitals betrauten Comitös,
insbesondere den DDr. Kernecker, Preyss und Spitz¬
müller, sich von ihren Sitzen erhebend, den Dank des Geschäfts«
rathes aus.
Vice-Präsident Dr. Preyss theilt mit, das er in Begleituug
der DDr. Lederer und Reitter als Deputirte des Collegiums
dem Herrn Dr. v. Wiedenfeld, welcher das Collegium in
der Mosing'schen Stipendien-Stiftungs -Angelegenheit vor dem
hohen Verwaltungsgerichtshofe so erfolgreich vertreten habe,
das diesem vom Geschäftsrathe in der Sitzung vom 15. October
votirte Ehrengeschenk überreicht haben, worüber der Empfänger
sehr erfreut schien und ersuchte, die Deputation wolle für die
ihm zu Theil gewordene Aufmerksamkeit den Collegen seinen
warmen Dank aussprechen. Hierauf referirt Herr Dr. Haschek
als Superintendent der Emmerich’schen Stiftungen über die
Bewerbung um die Emmerich’sche Ausstattungsstiftung für
„arme, sittsame Jungfrauen, die sich verheiraten wollen.*
Es bewarben sich darum eine Magd und die Tochter eines ver¬
armten Collegen. Referent beantragt die Verleihung dieser Stiftung
an die Magd, weil sie allen Erfordernissen zur Erlangung der¬
selben entsprochen, während die zweite Competentin nicht alle
verlangten Ausweise erbracht habe und überdies aus dem Wort¬
laute des ursprünglichen Stiftbriefes vom Jahre 1560 zu ersehen
sei, dass der Stifter vorzüglich und in erster Linie dienende
Jungfrauen berücksichtigt wissen wollte und im Nachtrags-Stift¬
briefe vom Jahre 1764 die Stiftung ausdrücklich für 2 vaoirende
„Dienstmägde“ bestimmt erscheine, in welche Kategorie die
zweite Bewerberin nicht gereiht werden könne.
Ueber die Auslegung der vorerwähnten stiftbrieflichen
Urkunden entspann sich nun eine längere Debatte, in die fast
alle Anwesenden eingriffen, und an der sich namentlich die
DDr. Much, Hopfgartner, Spitzmüller, Scholz, Schneller, A. Gruber
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undPrejss eingehendst betheiligten, die aber kein anderes Resultat
zu Tage förderte als dje Erkenntniss der Nothwendigkeit eines ein¬
gehenden Studiums der in veraltetem, schwer verständlichem
Deutsch geschriebenen Stiftbriefe, um eben die Verleihung des
Stiftungsgenusses genau nach dem Wortlaute und dem Sinne des
Stifters, zu entscheiden. Insbesondere muss noch festgestellt
werden, ob, entsprechend dem seit mehr als einem Jahrhundert
strenge befolgten Usus, die Verleihung „nur an Dienstmägde“
gebunden sei; oder ob sich auch andere, nieht thatsächlich als
„Mägde dienende Jungfrauen“ um die Verleihung dieser Stiftung
bewerben können und zur Nutzniessung geeignet seien. O.-S.-R.
Dr. Schneller. beantragt demgemäss: es sei ein Mitglied des
Geschäftsrathes zu erwählen, welches in der nächsten Sitzung nach
vorgenommenerVergleichung der bezüglichen Stiftbriefe, Urkunden,
bisherigen Verleihungen und deren Motive dem Geschäftsrathe
darüber referire, und sei die Entschliessung über die Verleihung
des erledigten Stiftplatzes bis nach Beschlussfassung über das zu
erwartende Referat zu vertagen. Dieser Antrag wird einstimmig
angenommen und Dr. Scholz zum Referenten gewählt, der die
Lösung dieser Aufgabe bereitwilligst übernahm.
Schliesslich theilt Secretär Dr. Hopfgartner mit, dass die
hohe niederösterreichische Statthalter ei laut Zuschrift dem Dr. Heigl
die Gumulirung des Wattmann’schen Stipendiums mit dem ihm vom
Doct.-Coll. verliehenen Dr. Herzfeld’schen bewilliget habe. (Wird
zur Eenntniss genommen.)
Dr. Gorischek’sches Stipendium.
Der Herr Statthalter von Niederösterreieh, Se. Excellen*
Freiherr Conrad v. Eybesfeld, hat mittelst Zuschrift ddo. 19. De-
cember 1879, Zahl 36.121, den Präsidenten des Collegiums, Hof*
rath Dr Ritter von Schmerling, in Eenntniss gesetzt, dass auf
Grund stiftbrieflicher Bestimmung vom 26. October 1859 1 IV
nach dem Ableben des von der Stifterin, der am 27. November
1858 verstorbenen Med. Doctorswitwe Frau Johanna Gorischek,
ernannten Testaments-Executors, Ministerialrath Dr. Josef Ritter
von Lasser, 5 dem die Frau Erblasserin auch das Verleihungs¬
recht dieses .Stipendiums ertheilt hat, der jeweilige Decan des
hiesigen, med. ßpct.-Coll. zur Verleihung dieses Stipendiums
berechtigt sein soll.
Nachdem nun der damalige Ministerial-, später geheime
Rath, Se. Excellenz Josef Freiherr Lasser von Zollheim, am
19. November v. J. mit Tod abgegangen ist, übergeht das Ver¬
leihungsrecht des fraglihen Stipendiums im dermaligen Betrage
jährlicher 170 fl. nunmehr an den jeweiligen Präsidenten des
auf Grund des Gesetzes vom 2 7. April 1878 als selbst¬
ständige Corporation fortbestehenden Wr. med.
Doct.-Coll.
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Verordnung des Ministeriums des Innern vom
3. December f879*)
Betreffend Abänderungen der österreichischen Arznei¬
taxpreise.
Am 1. Jänner 1880 treten in den Arzneipreisen dfer Arzneitaxe töm
10. December 1878, R.-G.-B. Nr. 140, die nachstehenden Abänderungen in Kraft.
I. In der Taxe für die Heilmittel der Pharmakopöe.
Ȥ
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Acidum carbolic.
II
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10
—
—
„ subt. pulv.
10*0
4
—
—
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50*0
13
—
—
50
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t Apomorphin
hydroohl. .
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Caragaheensoiss. 50*0
Cardamomi sem. 10*0
Chstoreum oana-
dens . . .
Oastorenm cana-
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Cera flava . . 50*0
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flor.50*0
Chamomill.Yulg.
flor.gro88.pulv. 50*0
Chinae oortex
5 — —
9 — —
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„ rhei . . .
Filio. mar. rhyz.
80iS8. . . .
Galbanum . .
Guarana pulv. .
t Hydrargyr. bi-
jodat. rubr. .
Iohthyooolla
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rad. gr. pulv.
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rad. 8ubt.pulv.
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„ „ pulv. 10 0
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Liquiritiae rad.
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Maois ....
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Manna oaläbrina
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50*0
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1*0
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1*0
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29 — —
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—
—
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0-05
3 —
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„ hydroohl.
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18
—
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15
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rhoead. flor. .
50*0
16 —
—
„ filiois maris
5*0
37
—
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Punioae granat.
+ „ opii aquoe.
1*0
24
—
—
rad. oort. rud.
9 punio.granat. 5*0
23
—
—
tue.
50*0
29 -
*) Enthalten in dem am 23. Deoember 1879 ansgegebenen LIII. Stücke
des R.-G.-B. unter Nr. 146.
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9
Meng«
Gramm
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kr.
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Preis
ke.
Menge
Gramm
Preia
kr
Menge
Gramm
Preis
kr.
Punioae granat.
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12
—
—
rad. cort. subt.
Sapo kalinus .
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2500
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Ratanhae rad. .
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Rhei radix . .
10*0
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10-0
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Tinotura oastorei
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—
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1-0
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Rosae damaso.
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50
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—
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18
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50 0
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—
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dei
• Taxe für
Thierheilmittel.
Aoidumoarbolic.
50*0
18
500-0
172
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„ salicylio.
1*0
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—
50-0
5
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48
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50-0
10
500-0 98
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n w gr. pulv.
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14
500-0
136
hydrochlor. .
0-05
2
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—
t Atropinum sul-
01. cadinum
50-0
7
500-0
63
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0*01
2
—
—
„ jeooris aselli 50*0
5
5000
47
Cera flava . .
50*0
15 500*0
143
- olivar.(II da ) 50-0
8
5000
76
Cbamomill.vulg.
f Opium subt.
flor. gr. pulv.
50*0
13
500-0
121
pulv. . . .
5-0
31
—
—
Chinin.hydroohl.
0*10
6
1-0
52
Sapo kalinus .
50-0
4
500-0
4
Colooyntbid.
Terebinthina
25
fruot. soiss. .
50-0
76
—
—
oommun. . .
50-0
3
500-0
Extraot. punio.
t Tincrura opii
granat.. . .
5-0
18
—
—
simpl. . . .
50-0
54
—
—
Kalium jodatum 50*0
160
—
—
Die übrigen Bestimmungen der Verordnung vom 10. Deoember 1878,
R.-G.-B. Nr. 140, bleiben unverändert. Ta affe m, p.
Kundmachung.
Es ist ein medicinae Doctor Josef Gorischek’sches Stipendium
jährlicher 170 fl. vom Beginn des Studienjahres 1879/80 angefangen
zu verleihen.
Zur Erlangung dieses Stipendiums sind wohlgesittete, an der
Wiener Universität den Studien der Medicin mit Erfolg obliegende
Jünglinge katholischer Religion berufen.
Bei sonst gleicher Würdigkeit hat unter den Bewerbern der¬
jenige den Vorzug, der in einer Gemeinde der bestandenen Bezirke
Drachenburg und Lichtenwald in Steiermark zuständig ist.
Der Genuss des Stipendiums kann dem damit Betheilten auch
noch auf die Dauer eines Jahres nach dem vollendeten Besuche der
vorgeschriebenen medicinischen Studien gegen den bewilligt werden,
dass der Stipendist sich ausweise, innerhalb dieses Jahres wenigstens
Ein Rigorosum zur Erlangung des medicinischen Doctorgrades mit
Erfolg bestanden zu haben.
Die Bewerber um dieses Stipendium haben ihre mit dem Tauf¬
und Impfscheine, dann dem Mittellosigkeitszeugnisse, ferner den
Studienzeugnissen der beiden letzten Semester und inso ferne ein be*
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10
sonderes Vorzugsrecht geltend gemacht werden will, auch mit den
diesfälligen Beweisen belegten Gesuche bis 16. Jänner 1880 bei der
k. k. n.-ö. Statthalterei einzubringen.
Da übrigens die blossen Frequentations-Zeugnisse zur Erlangung
eines Stipendiums nicht genügen, so haben jene Facultäts-Studirende,
welche keine Studienzeugnisse beizubringen vermögen, sich mit der
Bestätigung ihres Vorgesetzten Decanates des Professoren-Collegiums
über ihre Würdigkeit zur Erlangung eines Stipendiums auszuweisen.
Notizen.
Auszeichnungen. Se. Majestät der Kaiser hat dem Med. & Chir. Dr.
Herrn Moriz Modry in Wien (während des Sommers Curarzt in Roznau) in
Anerkennung seines verdienstliehen Wirkens den Titel eines kaiserlichen
Rathes verliehen. — Ferner haben Se. Majestät dem Dr. Hanns Ritter von
Beek er, praktischen Arzte in Wien, als dem Verfasser des gehaltvollen
Werkes: Handbuch der Vaccination, die grosse goldene Medaille
für Kunst und Wissenschaft allergnädigst zu verleihen geruht.
Aus dem obersten Sanitätsrathe. In den letzten Sitzungen desselben
wurde eine neue Instruction und Belehrung für Hebammen der Berathung
und Beschlussfassung unterzogen.
Der Bericht unserer Delegirten über ihre Erfahrungen, betreffend die
Pest in Wetljanka im russischen Gouvernement Astrachan, dürfte dem
Vernehmen nach baldigst in Druck erscheinen.
Witwen- und Waisen-Societät Wir haben in der letzten Kummer des
vorigen Jahres das demnächstige Erscheinen des neuen Statuten-Entwurfes
dieser Gesellschaft, der seitdem bereits an die Mitglieder zur eingehenden
Prüfung versendet worden, aufmerksam gemacht und gleichzeitig zum Beitritt
eingeladen, bemerkend, dass dieser in keinem vorhergegangenen Jahre so
zahlreich gewesen als im Jahre 1879, in welchem die Societät 21 neue Mit¬
glieder gewann. Einem mehrseitig geäusserten Wunsche entsprechend, theilen
wir in Folgendem auoh die Kamen dieser in die Gesellisohaft neu Aufgenom¬
menen mit. Es sind die Herren DDr. Josef Heim, Carl Freiherr von Rokitansky,
Eduard Huber, Prof. Anton Frisch, Emil Löwy (Marienbad), Johann Adler,
Univ.-Prof. August Vogl, Prosector Johann Chiari, Salomon Federn, Eduard
Sohider, Max Gruber, GyÖry Edler von Kadudvar, Moriz Frey, Univ.-Prof.
Samuel Schenk, Carl Endlicher, Victor Seng, Valentin Ladenbauer, Anton
Khautz von Eulenthal, Ernst Freiherr von Schönfeld, Carl Herkules und
Bezirksarzt Josef Rauohegger ('Neunkirchen).
Aerztliche Jubiläen. Hofrath Ritter von Arlt feierte am Schlüsse des
vorigen Jahres sein 40jähriges Doctorjubiläum. Er wurde am 29. Deoember
1839 in Prag promovirt, fungirte 2 Jahre als Assistent an der Augenklinik
Prof. Fischer’s, dessen Stelle er dann von 1846—1849 supplirte, bis er im
August 1849 zum wirklichen Professor der Augenheilkunde ernannt wurde.
Obgleich er, von der Absicht, dass seine Sohüler diesen Tag festlich begehen
wollen, in Kenntniss gesetzt, den Wunsch ausgesprochen, dass jede Feierlich¬
keit unterbleibe, brachten die Studenten dem geehrten Lehrer doch ver¬
schiedene Ovationen. Der HÖrsaal und das darin angebrachte Bild des Jubilars
war mit Blumen gesohmüokt, ein Studierender überreichte ihm mit einer An¬
sprache einen silbernen Lorbeerkranz und der deutsoh-österreiohische Lese¬
verein begrüBste ihn durch eine Deputation.
Dr. B. Wölfl er, Director des Israelitischen Spitals in Währing feierte
vorige Woohe sein 30jähriges Dienstjubiläum, welches der Vorstand der
israelitischen Cultusgemeinde zum Anlass nahm, dem Jubilar in einer Adresse
für dessen vieljähriges, erspriessliches und segensreiohes Wirken die Anerkennung
und den Dank auszusprechen.
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11
Die Gehaltserhöhung 4er städtischen Aerzte wurde in der letzten
Gemeinderath88itzung des v. J. beschlossen; allerdings nicht in dem ange¬
hofften Ausmasse und ohne Quinquenalzulage, aber immerhin im Yergleioh
mit den derzeitigen Genössen dieser sehr in Anspruch genommenen Collagen
zufriedenstellend. Die Aerzte werden demgemäss in drei Kategorien zu 1000,
1200 und 1400 fl. mit je 30peroentigem Quartiergeld, gestellt werden, ln die
dritte Kategorie gehören fünf, in die beiden anderen Kategorien je vier Aerzte.
Die neuen Bezöge sollen vom 1. Januar d. J. in Wirksamkeit treten.
Zur Kenntnisnahme. Herr Dr. Carl Höf finge r, der während des
Sommers als Curarzt in Gleiohenberg fungirt, ersuchte die Redaction, bekannt
zu geben, dasB er die Wintersaison in Triest zubringe und daselbst als Spe-
oialist für Laryngosoopie ordinire.
Zur Ergänzung des Inhaltsverzeichnisses der „Mittheilungen“ vom Jahre
1879 ersuchen wir noch zu bemerken, dass in der wissenschaftlichen Versamm¬
lung am 21. April der klinische Assistent Dr. Mra2ek drei auf der Klinik
des Herrn Professor v. Sigmund befindliche, höohst instruotive Krankheitsfälle
vorgestellt hat, worüber in Band V auf Seite 143 referirt wurde.
Sterbefälle. Vor Jahresschluss holte sich der Tod noch zwei Opfer aus
unserer Mitte; nach dem Einen, dem Zwanzigsten in diesem Jahre, hatte er
nioht lange zu suohen, da ihm die weit vorgerückten Jahre des Be¬
troffenen ein Anreoht gaben, seine Hand darnach auszustreoken. Herr Dr.
Sigmund Michael Graniohstädten, am 20. August 1801
zu Pest geboren, absolvirte seine medioinisohen Studien in Wien, wurde an
der hiesigen Universität am 20. December 1825 zum Doctor der Medioin pro-
movirt und am 9. Deoember 1828 als ordentliches Mitglied in die medicinisohe
Faoultät aufgenommen. Er diente einige Jahre als Seoundararzt im allgemeinen
Krankenhause, errichtete in den Dreissigerjahren eine Kaltwasserheilanstalt zu
Laab im Walde, die aber nioht prosperirte und kam dann nach Wien zurück,
wo er die Stelle eines Stadtarmenarztes erhielt, von der er nach langer Dienst¬
zeit zum zweiten Stadtphysicus avanoirte. Gleichzeitig übernahm er auoh die
8telle eines Hofoperntheaterarztes, in welch' letzterer er bis an das Ende
seines Lebens thätig war, während er von seinem städtischen Dienste vor mehr
denn einem Deoennium in den Ruhestand versetzt wurde. Vor vier Jahren
feierte er sein fünfzigjähriges Dootorjubiläum, bei welcher Gelegenheit ihm
von mehreren Seiten Glückwünsche entgegengebraoht wurden. Auoh das Doot.-
Coll. liess ihm durch seine Funotionäre ein in lateinischer Spraohe verfasstes
Gratulationssohreiben überreichen; eine Aufmerksamkeit, auf die er in keiner
Weise vorbereitet war, und die er gerührt entgegennahm. Obgleich seine
Wirksamkeit nur eine ziemlich bescheidene gewesen, erhielt er doch manche
Auszeichnung; er wurde Besitzer des k. k. österreichischen goldenen Ver¬
dienstkreuzes mit der Krone, Ritter des königlich-preussisohen Kronen- und
des päpstlichen Georgordens und Inhaber der preussisohen goldenen Medaille
für Kunst und Wissenschaft. Seine Gesundheit sohien unverwüstbar. Koch am
Vorabende seines Todes besuchte er in bestem Wohlsein das Opernhaus, aber
schon am folgenden Vormittage, am 27. v. M., fühlte er sich unwohl und erlag
nach kurzem Leiden einem Herzschlag. Am 29. December wurden die irdischen
U eberreste des Verstorbenen ins Grab versenkt. — Der Zweite, dessen Tod uns
ohne Angabe der näheren Umstände in einem Telegramme vom 3. d. M. an¬
gezeigt wurde, schloss seine Augen für immer zur Soheidestunde des abge¬
laufenen Jahres. Herr Dr. Josef David Stookloew war in Znaim am 30.
December 1814 geboren, vollendete seine Studien an der Wiener Universität,
wo er am 27. Februar 1844 zum Doctor der Medioin promovirt wurde;
kurze Zeit darauf wurde er auch Dootor der Chirurgie und Magister der
Geburtshilfe und liess sich dann als praktischer Arzt in Czernowitz nieder.
Im Jahre 1859 erfolgte seine Aufnahme als ordentliohes Mitglied in das
Dootoren-Collegium der Wiener medioinischen Faoultät, dem er auch nach
Trennung desselben von der Universität treu blieb. St. war auoh Mitglied der
Witwensooietät und konnte aus dieser Welt mit dem beruhigenden Bewusst¬
sein scheiden, dass er seine Witwe nicht ganz unversorgt zurüokgelassen,
Möge ihnen die Erde leicht sein!
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Pensions-Institut des Wr. med. Doct.-Coll.
(600 fl. Rente vom 60. Lebensjahre, und Rfiekversioherung
sftmmtlioher eingezahlter Betrage im Niohterlebungsfalle.)
In der letzten Ausschusssitzung v. J. wurde das erfreu¬
liche Gedeihen dieses Institutes constatirt und wir können
mit Genugthuung berichten, dass in den verflossenen 11 Mona¬
ten dieses J. die Einzahlungen fast 15.000 fl. betrugen. Das
Pensions-Institut hat dagegen während seines dreijährigen Be¬
standes noch gar keine Auslagen zu bestreiten gehabt, so
dass die sich ansammelnden Beträge auf Zinseszinsen angelegt
werden konnten.
Mehrfach haben wir in diesen Blättern auf die Wichtigkeit
dieses Unternehmens aufmerksam gemacht und legen wir es
den Herren Collegen hiemit neuerdings ans Herz nicht zu ver¬
absäumen diesem Institute baldigst beizutreten; die Bedin¬
gungen der Einzahlung sind so billig, wie siebei keiner
anderen Versicherungsgesellschaft sein können, da die Regie¬
auslagen vom Doct.-Coll. bestritten werden. Dadurch ist es auch
dem jüngeren Arzte, so bescheiden sein Einkommen auch sein
mag, möglich sich zu versichern, da für ihn die Einzahlungen
relativ sehr niedrig sind.
Täglich vorkommende Fälle, die allgemeine Erfahrung
beweisen die Wichtigkeit der Altersversorgung, alle Stände
streben dieselbe an, fast alle haben sie erreicht, nur der ärzt¬
liche Stand hatte bis heute für sein Alter keine Vorsorge getroffen.
Unser Pensions-Institut hilft diesem Mangel endlich ab!
Es werden daher dieP. T. Hrn. Collegen nochmals im eigenen
Interesse ersucht, sich mit dem Inhalte der Statuten und
Tarife des Pensions-Institutes bekannt zu machen.
Wegen Zusendung der Statuten, eventuell genauer Berechnung
der Quoten bittet man sich unter Einsendung des Tauf- oder
Geburtsscheines an das Präsidium des Pensions-
Institutes des Wiener medic. Doct-Coll., Wien, I.,
Rothet hurmstrasse 23, zu wenden. _
Einladung
zu der am Montag den 12. Jänner, Abends 7 Uhr, im Sitzungs¬
saale des akademischen Senates (vormals Consistorialsaal),
I. Sonnenfelsgaaae 23, stattfindenden
wissenschaftlichen Yersammlang.
Programm:
1. Vorstellung von Kranken.*)
2. Ueber Anhaltspunkte für eine natürliche Ghruppirung der Hemisphären -
Erkrankungen, von Herrn Regierungsrath Prof. Dr. Theodor Meynert.
3. Ueber Tamponade der Trachea bei Diphtheritis, von Herrn Professor
Dr. Anton Frisch.
4. Ueber oonseoutive Gelenkentzündung und ihre Beziehung zur käsigen
Infiltration der Knochen, von Hrn. Primararzt u. Docenten Dr. J. Englisch.
Dr. v. Schmerling, Präsident. Dr. Hopfgartner, Secretär.
*) Die P. T. Herren Collegen werden ersucht, interessante KrankheitsfSlle vorzustellea.
Herausgeber und Verleger: Wiener xnedicin. Doct.-Coll. — Verantwortlicher Redaeteur:
Dr. b. Hopfgartner. — GeeeUschafts-Bnohdruekerei, Wien, Hl. Brdbergerstrasae 8.
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Erscheint jeden zweiten Donnerstag ein halber bis ein ganser Bosren und darüber, an
20 Bogen iin Jahre. — Ganzjähriges Abonnement für Nichtmitglieder des Collegiums im lu-
lande 3 fl., nach dem Auslande 6 Mrk. — Einzelne Nummern 26 kr. = 60 Pfg. — Inserat®
16 kr. = 80 Pfg. für die durchlaufende Petit-Zeile.
Man pränumerirt in der Medicin. Buchhandlung Toeplitz dt Deutlcke
(vormals Karl Ciermah), Wien, I., Schottengasse 6.
Zuschriften and Zusendungen an die Bedaction: Wien, Kanzlei des Wiener mcd.
Doct.-Coll. und der Witwen- und Waisen-Societät, Rothenthnrmstrasse 2H.
Inhalt : Wissenschaftliche Versammlung am 12. Jänner 1880. — Notizen. — Einladung.
Wissenschaftliche Versammlung am 12. Jänner 1880.
Prof.Dr. A. v. Frisch, ordin. Chirurg am Kronprinz Rudolf-
Kinderspitale in Wien, stellte fünf Kinder vor, bei welchen er
theih wegen Genu yalgum, theils wegen rachitischer Verkrüm¬
mungen der Unterschenkel künstliche Knochentrennungen vor¬
genommen hatte.
In drei Fällen von doppelseitigem Genu valgum wurde,
da das forcirte Redressement mit erheblichen Schwierigkeiten
verbunden gewesen wäre und von einer allmäligen Correction
wegen der langen Behandlungsdauer Abstand genommen wurde,
zur Osteotomie geschritten. Die Operation wurde in der gewöhn¬
lichen Weise ausgeführt. Nachdem die Haut sorgfältig gereinigt
worden war, wurden ungefähr 1 Cm. unter der spina tibiae die
Weichtheile bis auf den Knochen durch einen quer verlaufenden
1 — l 1 /* Cm. langen Schnitt durchtrennt und hierauf die Cortical-
schichte des Knochens nach verschiedenen Richtungen durch-
gemeisselt. Sodann wurde die Wunde mit gekrüllter Gaze bedeckt,
und mit den Händen die vollständige Fracturirung des Knochens
vorgenommen. Nachdem der Verband auf der Wunde durch
Carboigazebinden befestigt war, wurde das Bein in der corrigirten
Stellung fixirt und ein Gypsverband angelegt, der, wenn sich
kein Fieber einstellte, angefeuchtet durch 2—3 Wochen liegen
blieb. Bei der nun folgenden Anlegung des zweiten Gypsver-
bandes wurden etwa noch nothwendige kleine Correcturen in
der Stellung vorgenommen. In vielen Fällen stellt es sich als
zweckmässig heraus, die vollkommene Geraderichtung der Extre¬
mität nicht sofort bei der ersten Anlegung des Verbandes
zu forciren.
Der erste Fall betraf einen 4 V 2 jährigen Knaben, bei welchem
der Winkel zwischen Oberschenkel und Unterschenkel rechts
150° und links 146° betrug. In diesem Falle musste linkerseits
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auch die Fibula durchmeisselt werden. Heilung per primam
intentionem, vollkommen fieberfreier Verlauf, Consoliditirung nach
sechs Wochen. Das Resultat ist, sowohl was die Form betrifft,
als auch functionell ein vollkommen befriedigendes.
In einem zweiten Falle (6jähriges Mädchen) bildete der
Oberschenkel mit dem Unterschenkel rechts einen Winkel von
140°, links einen Winkel von 153°. Beiderseits Osteotomie der
Tibia. Verlauf vollständig fieberlos. Das Resultat ist ein
vollständiges.
Im dritten Falle (ebenfalls bei einem 6jährigen Mädchen)
betrug der Winkel rechts 139°, links 130°. Doppelseitige Osteo¬
tomie der Tibia und Fibula. Da das Kind am Tage nach der
Operation eine Abendtemperatur von 40° C. zeigte, wurden
Fenster in die Verbände geschnitten, und es zeigte sich die
Weichtheilwunde an der linken Tibia diphtheritisch belegt.
Trotz sofort vorgenommener Aetzung kam es an dieser Wunde
zu einen ausgedehnten diphtheritischen Zerfall, so dass dieselbe
am dritten Tage die Grösse eines Guldenstückes erreicht hatte.
Das Kind hatte durch 10 Tage hohes Fieber und bot schon die
ersten Anzeichen septischer Infection dar. Endlich gelang es
durch energische Chlorzinkätzungen das Weiterschreiten aufzu¬
halten. In der Folge stiessen sich von beiden Trennungsflächen
des Knochens nekrotische Stücke ab. Nachdem die Wuude ver¬
heilt war, stellte es sich heraus, dass es zur Entwicklung einer
Pseudarthrose an der linken Tibia gekommen war. Nach zwei¬
maligem Reiben der Bruchenden heilte dieselbe vollständig aus.
Das Resultat der Osteotomie ist jetzt auch in diesem Falle
sowohl in Bezug auf die Form, als auch was die Functions¬
fähigkeit betrifft, ein vollkommenes.
In zwei anderen Fällen von hochgradigen rachitischen
Verkrümmungen der Unterschenkel (bei einem 3jährigen Knaben
und bei einem 5jährigen Mädchen) hatte der Vortragende die
Infraction der Knochen mit den Händen vorgenommen. In ersterem
Falle betrug die Heilungsdauer bis zur vollständigen Consolidirung
sechs, in letzterem sieben Wochen. Die Difformitäten sind voll¬
kommen ausgeglichen.
In Fällen von rachitischer Verkrümmung der Unterschenkel,
bei welchen es nicht zu einer einfachen Biegung, sondern zu
mehrfachen Krümmungen in verschiedenem Sinne gekommen ist,
hat Frisch die Tibia mehrmals gleichzeitig an zwei Stellen mit
dem Meissel durchtrennt. Der Verlauf war auch in solchen
Fällen, bei denen man wegen der Kürze der Hebelarme mit
der Händekraft nicht ausreicht, ein vollkommen fieberloser.
Die Operation bei Genu valgum nach 0 g s t o n hält Prof. Frisch
bei kleinen Kindern nicht für zulässig, da der Schnitt mit der
Säge nothwendig durch die Epiphysenlinie gehen müsste und
bis jetzt keine Erfahrungen darüber vorliegen, ob sich im Ge¬
folge dieser Operationen mit der Zeit nicht Störungen im Wachs-
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15
thum ©instellen oder neuerdings Difformitäten im Kniegelenk
entwickeln.
Nach der Vorstellung dieser einen weiteren Fortschritt
auf dem Gebiete der Orthopädik bezeichnenden Fälle folgte der
Vortrag des Herrn Regierungsrath und Professor Dr. Meynert:
lieber Grundlagen zur Gruppirang der Hemisphärenkrankheiten.
Die klinische Kenntniss der Vorderhirnkrankheiten bildet
den diagnostischen Inhalt der Psychiatrie. Das Wort Psychiatrie
ist weniger voraussetzungslos, als einem klinischen Wissen zu¬
steht. Unser Wissen schliesst das Verständnis psychischer Vorgänge
nicht ein, sondern beurtheilt nur, ob die Zeichen solcher Vorgänge
bei einem Kranken abweichend von deren gewöhnlichen Zeichen
sind. Wir können klinisch nicht mehr Voraussetzungen über die Er¬
krankung des Vorderhirns machen, als dessen physiologische Kennt¬
niss uns gestattet, die übrigens zum Theil durch die anatomische
Kenntniss gegeben ist. Es genügt übrigens, das Wort Psychiatrie in
diesem voraussetzungslosen Sinne zu verstehen und der Vortra¬
gende würde die Beseitigung des Wortes Psychiatrie für etwas
zu Auffälliges betrachten. Der Differentialdiagnose wegen,
welche als anatomische heute noch sich theilweise auf die
Exclusion von Processen beschränkt, muss die Psychiatrie die
gesammten krankhaften Störungen des Vorderhirns, der
Grosshirnhalbkugeln umfassen, zudem die Bewahrung,
Reproduction und Verbindung der Erinnerungsbilder den func-
tionellen Stoff der Vorderhirnleistung abgibt, erscheint uns die¬
selbe als ein Complex secundärer Leistungen, deren Inhalt
aus primären Leistungen anderer Gehirntheile abzuleiten ist,
die auch selbstständig vom Vorhandensein des Vorderhirns ab¬
laufen. Aus dieser Betheiligung mehrfacher relativ selbststän¬
diger Gehirnorgane an den primären Eindrücken, welchen die
Erinnerungsbilder entspringen, und welche auch krankhafter Weise
solche Eindrücke schaffen, ergibt sich 1. das Princip einer Lo-
calisation für den Entstehungsherd verschiedener Krankheits¬
zeichen des Irrsinns. In dieser Richtung gibt die Physiologie
der Gehirntheile eine Grundlage für die Gruppirang ab. Die
Krankheitszeichen zerfallen dabei in unmittelbare Symptome
des erkrankten Vorderhirns, das nach seiner Rinde das corticale
Centrum zu nennen ist, und in mittelbare Symptome, welche
von den subcorticalen Centren des Zwischenhirns, Mittel¬
hirns, Hinterhirns und Nachhirns aus angeregt in die Aeusserungen
des Vorderhirnes eingreifen. 2. Die zweite Grundlage, welche
in die Gruppirang der Vorderhirnstörungen eingreift, betrifft den
Charakter der Reizsymptome und der Ausfallsymptome, welche
als restituirbarer Ausfall Erschöpfungen, als definitiver Lähmun¬
gen darstellen.
3. Der anatomische Process, welcher durch die Verlaufsart
der Erkrankung erschlossen wird, für welchen aber die Detail-
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kenntniss noch vielfach fehlt, hauptsächlich die Beziehung der
an sich vielleicht ziemlich vollständig bekannten Veränderungen
der Masse und der Elemente zu den differenten Formen des Irr¬
sinns, deren herkömmliche Betrachtung zumeist unklinisch ist.
Die Bedeutung der anatomischen Processe wird erst durch deren
physiologische Localisation klar.
Zur 1. Grundlage. Localisation. Dem Vorderhirn schreibt
das physiologische Experiment in Folge von Ausfallserscheinungen
nach ihrer Exstirpation zu: 1. Erinnerung. 2. Association der
Erinnerungsbilder (Schlussprocesse). (Eine junge Katze ohne
Vorderhirn verzieht auf den Geschmack von Coloquinten das
Gesicht, lässt aber beliebige Wiederholung des Insultes zu, ohne
Erinnerung an den früheren, ohne Schlüsse aus dem Oeffnen
des Maules auf Wiederholung des Insultes.) 3. Spontane Be¬
wegungsinnervation. 4. Innervation von Gefässmuskeln, Constric-
toren. Beispielsweise erhöht sich nach Ausschneidung einer
Stelle der Grosshirnrinde die Temperatur der entgegengesetzten
Vorderpfote. 5. Hemmung der Leistungen subcorticaler Centren.
(Nach Golz löst Reiben zwischen den Schulterblättern bei einem
Frosch ohne Vorderhirn reflectorisch Quacken aus, bei erhaltenem
Vorderhin nicht.)
Die subcorticalen Centren verrichten auf der Vorderhirn¬
exstirpation noch:1. die Sinneswahrnehmungen mit
Ausnahme des Richens. 2. Reflexe, und zwar, sobald das Kleinhirn
erhalten, alle Formen der coordinirten Körperbewegung: Laufen,
Fliegen, Schwimmen. Nach Golz greifen auch Sinneswahrnehmung
und Bewegung in einander ein. (Das Netzhautbild eines vor ihm
aufgestellten Hindernisses veranlasst den vorderhirnlosen Frosch
neben dem Hinderniss wegzuspringen). 3. Gefässinnervationen
und NutritionsVorgänge.
Zur 2. Grundlage, dem functioneilen Charakter der Symptome.
Am klarsten sind Vorderhirnerkrankungen idiopathisch,
wenn ihre Ausfallssymptome im Krankheitsprocesse vorliegen.
Erweichungen und Erschütterungen derselben setzen Aphasie,
Amnesie (Erinnerungslosigkeit), Verwirrung der Associationen
ohne Reizerscheinungen. Chronische, intensive, diffuse Processe
des Vorderhirnes zeigen sich in den Symptomen des paralytischen
Blödsinns mit Erinnerungsmangel, zusammenhängender Incorrect-
heit der Associationen, der Schlussbildungen, gestörte Technik
der spontanen Bewegungen.
Von den Reizsymptomen können die traurige und die
heitere Verstimmung bei echter Melancholie und echter
Manie Symptome idiopathischer Vorderhirnerkrankung sein.
Diese Verstimmungen sind wohl der Ausdruck eines durch
das Experiment am Thier nicht darzulegenden Inhaltes der Vor¬
derhirnleistung , worin dasselbe seiner eigenen Ernährungszu¬
stände gewahr wird. Es ist analog dem dispnoetischen Zustande
der Athmungscentren der Oblongata, in welcher bei Mangel
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17
arteriellen Blutes die ungesättigte Spannung für Oaufnahme sich
als Reiz äussert, dem objectiv dispnoetisches Athmen, subjectiv
dispnoetisches Angstgefühl entspricht, wenn sich auch die Dispnoe
der Gehirnrinde schon bei Mangel functioneller Fluxionen in
physiologischen Grenzen als Verstimmung ausdrückt, ebenso
unter äussem Verhältnissen allgemeinen Oxydationsmangels,
wobei ein dem Erstickungsblut ähnlicher Reiz die Arterien ver¬
engernden Nerven reizt. Krankheitsprocesse des Vorderhirns,
welche dessen Zellen in dispnoetischen Reiz versetzen, begründen
die traurige Verstimmung unter erhöhtem Arteriendruck
(Melancholie). Im Gegentheil entsprechen der Sättigung der
chemischen Spannung in den Oblongatenzellen durch Oxygen
gleichzeitig Apnoe und ein der dispnoetischen Angst entgegen¬
gesetztes Gefühl von Entlastung. Die Annäherung an die Apnoe
der Hirnrindezellen bei mässigem functioneilen (arteriellen)
Affluxus macht sich schon physiologisch durch ein Glücksgefühl
bei ungehemmter Associationsthätigkeit kund und die krankhaft
gesteigerte fluxionäre Apnoe der Rindenzel!en ist subjectiv durch
die heitere Verstimmung der Manie ausgedrückt, durch
ein Gefühl von Ungebundenheit bei vermindertem Gefassdrucke
im Gegensatz zur Hemmung bei erhöhter Arterie »Verengerung.
Es ist dabei klar, dass der erhöhte oder verminderte Ar¬
teriendruck mit seinem Gefolge von der einen und der andern
Verstimmung auch von Reizung oder Erschöpfung subcorticaler
Gefässcentren abhängig sein kann. In welchen Fällen krank¬
hafte Processe in der Grosshirnrinde vorliegen müssen, in welchen
etwa nicht, kommt noch zur Sprache.
Die Reize, welche bei Irren objectlose Sinnes Wahr¬
nehmungen, Hallucinationen schaffen, gehen von subcorticalen
Sinnescentren (vom Zwischenhirn an abwärts) aus.
Bezüglich der Reize, die von subcorticalen Centren über¬
haupt ausgelöst werden und dem Grade der Hemisphären¬
erregung besteht ein derartiger Gegensatz, dass ein hoher Er¬
regungszustand des Vorderhirns (durch dessen Hemmungs¬
leistung) sich mit einem niedrigen Erregungszustand der sub¬
corticalen Centrendecke und andererseits schon durch das Ab¬
klingen der Hemmung ein abgeschwächter Erregungszu¬
stand des Vorderhirns sich mit erhöhter Erregung der subcor¬
ticalen Centren deckt. (Schluss folgt.)
Notizen.
Ernennung. Dr. Karl Hirsch, bisher Armenarzt im V. Bez., wurde zum
Polizei-Bezirksarzte in Mariahilf ernannt.
Zur Frage der Aerztekammern. In den Ausschuss zur Berathung und
Berichterstattung über die im Abgeordnetenhause eingebrachte Petition um
Creirung von Aerztekammern erscheinen nach vorgenommenem Scrutinium
gewählt: die Abgeordneten W iedersperg, Schäffer, Ni tsche, Wünsche,
Lenz, Yosnjak, Schneid, Roser, Duohatsch, Cze rnawski, Gnije-
wosz, Kusy, Oelz und Splawinski.
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Sterbefälle.
Dr. Carl Kirsohnek f»
Nachdem der unerbittliche Tod das Jahr 1879 mit Opfern aus dem
Collegium abschloss, die bereits lange Otium cum dignitate genossen, begann
er schon sehr frühe in diesem Jahre seine schreckliche Arbeit mit einem
Collegen im besten Mannesalter und in rastloser Berufstätigkeit.
Dr. Kirsohnek wurde im November 1826 in Wiener-Neustadt geboren,
absolvirte die medioinisohen Studien in Wien, wo er im Jahre 1858 zum
Doctor promovirt, und 1859 in das Doct.-Coll. aufgenommen wurde, demselben
somit als anhängliches und eifriges Mitglied durch volle 20 Jahre angehdrte.
Das Jahr 1862 brachte er in Graz zu Behufs seiner weiteren Ausbildung in
Geburtshilfe und Gynäkologie, welohe beiden Fächer zur raschen Begründung
seines Rufes wesentlich beitrugen.
An das Otium, dessen sein schwächlicher Körper und seine jahre¬
lange Kränklichkeit so sehr bedurft hätten, konnte Kirsohnek nooh lange
nicht denken; denn sein umfassendes Wissen, sein ruhiges und leutseliges Be¬
nehmen, sowie seine Pflichttreue hatten ihm eine grosse Clientei zugeführt, die
ihn nie und nimmer zur Ruhe kommen liess, und so geschah es, dass er, von
einer mehrmonatliohen Krankheit kaum genesen, an einer Grippe leidend in
der nebligen Neujahrsnacht für den Beruf sein Leben einsetzte, und dasselbe
auch durch eine Pleuritis binnen fünf Tagen verlor. In vollem Masse dagegen
erfreute sioh Kirsohnek der Dignitas, und zwar nicht nur von Seite des
Publioums, sondern auoh seiner Collegen, denen er durchwegs eine persona
grata war. Die Collegialität, deren Fahne er bis an sein Lebensende unbefleckt
und unversehrt hoch hielt, sowie das warme Herz für die Interessen seiner
Berufsgenossen legten ihm den Gedanken nahe, dass die Aerzte von Naoh-
barbezirken durch eine Vereinigung einander näherrüoken, collegialer mit
einander verkehren würden, und für ihre materiellen und moralischen Interessen
besser sorgen könnten als es der Einzelne vermag; demgemäss gründete er im
Jahre 1874 unter Dr. Goldschmiedes und meiner Mitwirkung den ärzt¬
lichen Verein der westlichen Bezirke Wiens, dem er durch drei
Jahre Vorstand, und nach dessen Vorbilde die anderen Bezirksvereine entstanden,
welohe 4 Vereine eine feste Stütze des Doct.-Coll. bilden. Für das Jahr 1875/76
wurde erzürn Vioe-Präsiden ten des Doct.-Coll. gewählt, und hat bei
dem Hyrtl-Bankette durch seinen geistreichen Toast die Aufmerksamkeit der An¬
wesenden auf sich gelenkt. Er war überdies durch mehrere Jahre Mitglied des G e-
schäftsrathes, des Comitös für Standesinteressen und des
Unterstützungs-Instituts-Ausschuss es. Da er aber wegen andauern¬
der Kränklichkeit den Sitzungen nicht mit gewohnter Pflichttreue beiwohnen
konnte, resignirte er auf die beiden ersteren Ehrenstellen. Die kurze Zeit, die
ihm zur Erholung gegönnt war, benützte er ebenfalls im Interesse der Mit¬
menschen zu gemeinnützigen Publioationen über Cholera, Bräune, anstecken¬
den Catarrh, Impfung u. m. a. Für seine grosse Beliebtheit zeugte auch die
ausserordentliche Theilnahme an dem Leichenbegängnisse am 9. d. M., bei
welchem das Doct.-Coll., vertreten durch die beiden Vice-Präsidenten Preyss
und Lederer und den Seoretär-Stellvertreter Reitter, einen Kranz auf den
Sarg legen liess mit der Aufschrift: „Das Wiener med. Doct.-Coll. seinem
ehemaligen Vice-Präsidenten“.
Die irdisohe Hülle Kirschnek’s ruht auf dem Lainzer Friedhofe. Ehre
seinem Andenken!
Dr. Ignaz Lederer,
Vice-Präsident des Wiener med. Doct.-Coll.
Dr. Ludwig Grillparzer f.
Nooh umstanden die Freunde und Collegen die Bahre Kirschnek’s, als
sich mit einem Male von Mund zu Mund die Nachricht verbreitete, dass eines
der jüngsten Mitglieder des Collegiums, das einen durch seinen Grossonkel,
Oesterreichs Dichterfürsten, Franz Grillparzer illustrirten Namen trug, Tags
zuvor plötzlioh gestorben sei.
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19
Dr. Lud. Grillparzer wurde am 25. Juli 1848 in Salzburg geboren, wo erauob
seine Kinder- und ersten Jugendjahre verlebte, bis er nach abgelegter Maturi¬
tätsprüfung naoh Wien kam, um siob dem Studium der Heilkunde zu widmen.
Nach absolvirtem zehnten Semester und bestandenem ersten Rigorosum trat er
Ende 1872 als Aspirant in das Wiedener Spital, wo er auf der ersten medio.
Abtheilung eingetheilt und gleichzeitig auch in dem damals im Krankenhaus
Wieden unter der Leitung des Herrn Dr. Adler ins Leben getretenen Ambula¬
torium für Augenkranke ärztliche Assistenz zu leisten hatte. Am Vor¬
abend der Ablegung seines letzten Rigorosum erbat sich ihn Herrn Dr. Gunz
vom Herrn Director Dr. Lorinser als Secundararzt für das St. Josefs-Kinderspital
gegen dem, dass er seine Stellung am ophthalmiatrischen Ambulatorium bei¬
behalte, somit nicht aus der Reihe der Aspiranten gestriohen werde. Dies
zugegeben, trat Grillparzer am 6. Juni 1873 in seine neue Stelle, in der er
auch, naohdem er am 2. Juli 1873 zum Doctor der gesammten Heilkunde
promovirt worden, verblieb, bis er im Mai 1874 zum Secundararzt 11. Classe
im Wiedener Spital avanoirte und der chirurgischen Abtheilung des Primarius
Dr. Seyberth zugetheilt wurde.
Das Kinderspital verlor ihn nicht gerne; die ärmsten Kinder streckten
ja stets ihm frohlockend ihre kraftlosen Händchen entgegen, wenn er sich
blicken liess; die Ordnung der Dienst wurde auf die geräuschloseste, pünkt¬
lichste Weise durch sein Bestreben aufrechterhalten: alles geschah nioht des
Dienstes wegen, sondern nur seinetwegen, der wie das personificirte Erbarmen
von einem zum andern schritt, alle erquickte, alle labte.
Im Wiedener Krankenhause war es nicht anders — er war und blieb der
Liebling aller und Herrn Prim.-Dr. öttinger machte es Freude, dass er ihm
am längsten erhalten blieb. Auf seiner (med.) Abtheilung wurde er Seoundar-
arzt I. Classe, bei ihm emeritirte er. Am 5. Jänner 1876 wurde er als ordent¬
liches Mitglied in das Wiener medio. Doct.-Coll. aufgenommen. Am 18. März 1878
etablirte er sich als praktischer Arzt in Weidlingau. Bis zum Beginn der
Sommersaison war er im Orte selbst ziemlich bekannt geworden und im Sommer
begrüssten ihn die Sommerparteien wie einen alten Bekannten; wussten ja
die meisten Wiener Aerzte von ihm und empfahlen ihn ihren den Sommer
über im Orte lebenden Clienten.
So war Grillparzer im Handumdrehen ein vielbeschäftigter, aber nie
beneideter Arzt. Nioht nur in den abgeschlossenen Räumen des Krankenhauses,
auch im freien Kampfe ums Leben erfreute sich Grillparzer einer Achtung,
die für einen so jungen Mann ihres Gleichen sucht.
Bei all’ diesem Gelingen fühlte er sich nioht glücklich, seine Stimmung
war immer gedrückt; denn seine verwaiste Kindheit rief die trübsten Er¬
innerungen in ihm wach, die er nie ganz verscheuchen konnte und die sich selbst
in der heitersten Gesellschaft oft plötzlich seiner bemächtigten. Ein durch
niohts zu motivirendes Misstrauen gegen sich selbst, Zweifel an dem eigenen
Werth verursachten ihm schlaflose Nächte, in denen alle krankhaften Gedanken
und Empfindungen, die je auf ihn eingestürmt haben, in erhöhtem Maasse wieder¬
kamen und wenn seine Weidlingauer Umgebung, seine Patienten auch nie
geahnt, dass Grillparzer, der sie wie niemand je zuvor zu erfreuen, zu trösten,
zu beleben verstand, selbst von einer schweren Krankheit heimgesuoht sei; —
bald sollten alle es erfahren.
Ein Mittel — Morphium — mit dem er mehrmals sich zu betäuben
gesucht, hat ihm am 8. d. M. dem Leben entrissen.
Nur Wenige hatten eine Ahnung von seiner tiefen Schwermuth, Alle
aber, die mit ihm verkehrten, haben ihn geliebt; dies bewies auch die all¬
gemeine Theilnahme, die sein Tod hervorgerufen, der grossartige Zug, der ihn
zu Grabe geleitet, die vielen Kränze, die ihm gespendet wurden und die
Thränen, die seinem Andenken flössen.
Ruhe und Friede ihm; er war ein strebsamer, intelligenter, guter,
edler, aber kranker Mensch.
Stiftungsfest. Die Hufeland’sche Gesellschaft in Berlin wird am 1. Fe¬
bruar dieses Jahres ihr siebzigjähriges Stiftungsfest feiern.
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20
Niederösterreichischer Landes - Sanitätsrath. In der constituirenden
Sitzung am 12. Jänner 1880 wurde die neue areijährige Session des n.-ö. Landes-
Sanitfttsrathes begonnen. Se. Excellenz Herr Statthalter Baron Conrad be-
grüsste die Versammelten, dankte für die bisherige so erspriessliohe Unterstützung
und leitete die Wahl des Vorsitzenden und seines Stellvertreters. Anwesend
waren: Die von dem Ministerium ernannten Mitglieder: Hofrath Prof. Dr. H e so h 1,
StadtphysikusDr. Innhauser, Director Dr. Lorinser, Primararzt Dr. 0ser,
Prof. Dr. Nowak, Bezirksarzt Dr. Witlacil; die vom n.-ö. Landesausschusse
delegirten Mitglieder: Primararzt Dr. Moriz Gauster, Dr. Natterer; die
von Amtswegen dem Sanitfitsrathe angehörenden Mitglieder: Statthaltereirath
Dr. Ritter v. Karaj an, Landesthierarzt Dr. Langenbacher. Als Vorsitzender
wurde erwählt mit 9 Stimmen S.-R. Director Lorinser, als sein Stellvertreter
S.-R. Bezirksarzt Dr. Witlaöil mit 6 Stimmen. Das Collegium begann hierauf
sogleich im Beisein des Herrn Statthalters seine Verhandlungen. S.-R. Prof.
Dr. Nowak referirte über die Anträge des Magistrates bezüglich der Eis¬
gewinnung in der Donau. Die Erhebung hatte im Wasser des Ufers organische
Moderstoffe und salpetrige Säure in merklichem Grade ergeben. Nowak’s
Untersuchungen von Wasser und Eis der Donau ergaben letzteres ziemlich
rein. Der Antrag, dass bezüglich der Qualität des Eises im alten Donaubette
daher kein Bedenken obwalte, dass er aber dafür sei, es dort zu nehmen,
wo schweres Wasser fliesst, wurde nach längerer Debatte, an der auch der
Herr Statthalter Theil nahm, angenommeu; eben so Karajan’s Antrag, den
Referenten zu ersuchen, bis zur nächsten Sitzung Vorschläge hinsichtlich
sanitätspolizeilioher Vorschriften über Eisgewinnung und Eisverkauf zu
erstatten.
Preisaufgahen. Der alle fünf Jahre zur Vertheilung gelangende
Riberi’sche Preis im Betrage von 20.000 Francs soll nach einer Bekannt¬
machung der kön. Akademie der Medioin in Turin demnäoht zum 30. Deoem-
ber 1881 von Neuem verliehen werden, und ist „die Physio-Pathlogie des
Blutes 4 als Preisaufgabe bestimmt. Zulässig sind sowohl gedruckte Arbeiten
als auch Manusoripte in lateinischer, italienischer oder französischer Sprache,
doch dürfen gedruckte Arbeiten nicht vor dem Jahre 1876 veröffentlicht
sein und müssen der Akademie in doppelten Exemplaren eingesendet werden.
Manusoripte bleiben Eigenthum der Akademie, doch bleibt dem Verfasser das
Recht Abschriften aus denselben zu machen. — Am 31. December v. J. ist
der Termin für die Einsendung der Preissohriften für das „Volksbuch der
Gesundheitslehre“ abgelaufen. Im Ganzen haben sioh 11 Preisbewerber ge¬
meldet, resp. Manusoripte eingesendet. 3 aus Wien, 1 aus Niederösterreioh,
3 aus Böhmen und 4 aus Deutschland.
Einladung
zu der am Montag den 26. Jänner, Abends 7 Uhr, im Sitzungs¬
saale des akademischen Senates (vormals Consi stör lalsaal),
I. Sonnenfelsgasse 23, stattfindenden
wissenschaftlichen Versammlung.
Programms
1. Vorstellung von Kranken.*)
2. Ueber Tamponade der Trachea bei Diphtheritis, von Herrn Professor
Dr. Anton Frisch.
3. Ueber conseoutive Gelenkentzündung und ihre Beziehung zur käsigen
Infiltration der Knochen, von Hm.Primararzt u. DooentenDr. J.Englisch.
Dr. v. Schmerling, Präsident. Dr. Hopfgartner, Seoretär.
*) Die P. T. Herren Collegen werden ersucht, interessante Krankheitsfälle vorzustellen.
Herausgeber und Verleger: Wiener medicin. Doct -Coll. — Verantwortlicher Bedacteur.
Dr. L. Hopfgartner. — Gesellschafts-Buchdruckerei, Wien, III. Erdbergerstrasse 3
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Vl.JBd. Ausgegeben am 5. Februar 1880. Nr. 3
MITTHEILUNGEN —
des
Wiener uiiciiiiciu Dectoren-GellBOiants./
Erscheint jeden «weiten Donnerstag ein halber bis ein ganser Bogen and darüber, an
SO Bogen im Jahre. — G-ansjähriges Abonnement für Niohtmitglieder des Collegiums im In¬
lande 8 fl., nach dem Auslände 6 Mrk. — Einzelne Nummern 86 kr. = 60 Pfg. — Inserate
16 kr. = 80 Pfg. für die durolilaufende Petit-Zeile.
Man pränumerirt in der Medicin. Bachhandlang Toepllts de Deutlcke
(vormals Karl Ciermak), Wien, I., Schottengasse 6.
Zuschriften und Zusendungen an die Redaetion: Wien, Kanilei des Wiener med.
Doet.-Coll. und der Witwen and Waisen-Soeietät, Rothenthnrmstrasse 23.
Inhalt: Wissenschaftliche Versammlung am 26. Jänner — Petition des Wiener medicinischen
Doctoren-Collegiums an das hohe Abgeordnetenhaus betreffs der Regelung der Verhältnisse
des ärztlichen Standes. — Notizen.
In der wissenschaftlichen Versammlung am 26. Jänner
hielt Herr Prof. Dr. A. V. Frisch einen längeren Vortrag mit Demonstration über
Tamponade der Trachea bei Diphtheritis.
Im Eingänge seines Vortrages sucht Prof. Frisch zu be¬
weisen, dass Rachendiphtheritis in ihren Anfängen ein locales
Leiden sei und dass die von mancher Seite noch gegen diese
Anschauung geltend gemachten Bedenken gegen die Ergebnisse
des Thierexperimentes nicht Stich halten können. Während
Beobachtungen am Krankenbett und bei Obduction der Leiche
die Frage, ob die durch die Exsudatmassen charakterisirten Ent¬
zündungsvorgänge auf der Schleimhaut die primären Herde der
Erkrankung oder secundäre Erscheinungen eines vorausgegan¬
genen Allgemeinleidens seien, ungelöst lassen, dürfte man auf
experimentellem Wege bestimmte Aufklärungen erwarten und
wenn auf diesem noch Manches ungelöst bleibt, so scheint dem
Vortragenden doch die locale Natur dieser Erkrankung
sicher gestellt.
Durch die Impfversuche von Trendelenburg und
Oertel wurde erwiesen, dass an erkrankten Stellen der Rachen-
und Kehlkopfschleimhaut der Process ursprünglich ein rein
local begrenzter ist. Diese Ansicht findet in jenen Thatsachen,
welche die Wunddiphtheritis als einen mit Schleim-
hautdiphtheritis identischen Process erweisen, eine wesent¬
liche Stütze. (Heine, Winiwarter.)
Jedem Chirurgen sind Fälle von Wunddiphtheritis vor¬
gekommen, bei welchen nach einmaliger energischer Auskratzung
und Aetzung der erkrankten Wundfläche nicht nur der locale
Process zum Stillstand gebracht wurde, sondern auch die All¬
gemeinerscheinungen plötzlich behoben waren. Auf diese Er¬
fahrung gestützt, drängte sich Vielen die Frage auf, ob nicht
durch ein analoges Vorgehen bei Rachendiphtheritis ebenfalls
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der Weiterverbreitung der Krankheit Schranken gesetzt werden
können? Auch fehlt es nicht an Vorschriften für eine örtliche
Behandlung der erkrankten Schleimhautpartien. Wie wenig aber
diese bisher geleistet, beweist die Thatsache, dass die alljährlich
neu empfohlenen und angewendeten derartigen Mittel nach
kurzer Zeit wieder verlassen wurden.
Der Grund, warum mit localen Mitteln bei Bachen-, Nasen-
und Kehlkopfdiphtheritis bis jetzt so wenig erzielt wurde, scheint
dem Vortragenden hauptsächlich in der Schwierigkeit zu liegen,
das erkrankte Territorium vollständig zu beherrschen. So lange
die diphtheritische Entzündung nicht ausgedehnt ist und auf
manuellen Eingriffen leicht zugänglichen Stellen beschränkt
bleibt, kann man mit solchen Methoden zurecht kommen, diese
Fälle verlaufen aber erfahrungsgemäss ohnedies am leichtesten
und kommen oft ohne jeden therapeutischen Eingriff zur Hei¬
lung. Hat aber der diphtheristische Process die hintere Fläche
des Velums oder die Schleimhaut der Nase oder den Kehlkopf
ergriffen, dann begegnet die locale Behandlung bedeutenden
Schwierigkeiten und gerade in solchen schweren Fällen, bei
denen es in der kürzesten Zeit zur septischen Intoxication
kommt, fordern die Vorstellungen, die wir von dem Zustande¬
kommen der Allgemeinaffection haben, ein energisches Vor¬
gehen gegen die localen Entzündungsherde.
Dass bei so vorgeschrittener Krankheit die mechanische
Entfernung der erkrankten Schleimhautpartien oder auch nur
der Exsudatmassen unmöglich ist, ist begreiflich, aber auch
durch Aetzungen wird man nicht im Stande sein, alles Krank¬
hafte zu entfernen. Selbst durch Irrigation wird es nicht
gelingen, alle Buchten und Nischen des Nasenlabyrinthes hin¬
reichend zu benetzen und von einer gründlichen Ausspülung des
Larynx und der tieferen Rachenpartien wird man aus nahe¬
liegenden Gründen keinen Gebrauch machen. Und doch kann
von der Ausspülung mit desinficirenden Flüssigkeiten ein Erfolg
erwartet werden, wenn das zu beherrschende Terrain in einer
Weise der Behandlung zugänglich gemacht wird, dass die
Flüssigkeit in genügender Menge das ganze Gebiet
durchströmen kann. Das ist aber nur möglich, wenn die Ge¬
fahren, welche das Hinabfliessen der desinficirenden Lösungen
in die Luftröhre und in den Magen mit sich bringt, beseitigt
werden können — und das wird durch einen temporären Ver¬
schluss des Oesophagus und der Trachea nach voraus ange¬
legter Trachealfistel erreicht.
Dieser Vorschlag ist nicht neu, er wurde zuerst von
Trendelenburg gemacht und auch in zwei Fällen aua-
geführt, dann von Hüter und von Winiwarter, doch sind
ausser den zwei von Trendelenburg in dieser Weise be¬
handelten Fällen über die Anwendung dieser localen Behand¬
lung von keiner Seite weitere Mittheilungen bekannt.
Der Vortragende demonstrirte nun die zur Tamponade
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23
der Trachea empfohlenen Apparate und deren spätere Modi-
ficationen und machte neuere Vorschläge zur Vereinfachung der
Technik. Alle die Apparate zum Tamponiren der Luftröhre danken
ihre Entstehung dem Bestreben, blutige Operationen an Gesichts-
theilen und am Halse ausführen zu können, ohne den Gefahren
des Hinabfliessens von Blut in die Luftwege ausgesetzt zu sein.
Nuss bäum suchte dies dadurch zu erreichen, dass er nach
vorher gemachter Tracheotomie den Eingang zum Larynx durch
ein vierfach zusammengelegtes beöltes Leinwandläppchen ab¬
schloss. Schönborn musste sich einmal bei Exstirpation eines
Oberkiefertumors mit Wattatampons behelfen, weil die vorbe¬
reitete Tamponcanüle Schaden gelitten. Solche Nothbehelfe sind
jedoch zur localen Behandlung der Diphtheritis nicht anwendbar,
weil sie ein freies Durchspülen des Kehlkopfinneren nicht gestatten.
Below und Trendelenburg haben fast gleichzeitig
Vorrichtungen in Verbindung mit Trachealcanülen empfohlen,
welche einen vollkommen wasserdichten Abschluss der Trachea
unterhalb des Larynx ermöglichen. Below führt durch die
Trachealwunde einen kleinen, mit einem Stück Kautschuk¬
schlauch versehenen Gummiballen im collabirten Zustande in
die Luftröhre ein, der, wenn aufgeblasen, den oberen Theil der
Luftröhre völlig ausfüllt. Der Tampon T r e n d e 1 en b u r g*s ist mit
dem verticalen Theil der Trachealcanüle verbunden und besteht
aus einem doppelwandigen, aus feinen Kautschukplatten ge¬
fertigten ringförmigen Schlauche, in dessen Höhle ein feines
Gummiröhrchen einmündet. Die Canüle wird mit dem an den
verticalen Theil derselben fest anliegenden Tampon in die
Wunde eingeführt. Wird dieser durch das Gummirohr von
Aussen aufgeblasen, so legt sich seine äussere Platte an die
Trachea, die innere an die Canüle, wodurch die Trachea luft- und
wasserdicht abgeschlossen wird.
Der Kautschuktampon dieser Canüle ist ungemein zart
und leidet leicht Schaden; seine Herstellung fordert viele Mühe
und Genauigkeit. Deshalb suchte man die Kautschukbestand-
theile durch eine einfachere Vorrichtung zu ersetzen. Statt des
zur Füllung des Tampons nothwendigen Gummischlauches wird
in der inneren unteren Wand der Canüle ein Canal geführt,
der im unteren Ende der Canüle, da wo sie vom Tampon über¬
zogen ist, mittelst einer kleinen Oeffnung in ihrer äusseren
Wand endigt und andererseits nach Aussen sich in eine kleine
Metallröhre fortsetzt. Als Tampon dient ein Stück eines ge¬
wöhnlichen dünnwandigen Kautschuksackes (Condoms), welches
über das verticale Stück der Canüle gezogen und über- und
unterhalb der oben erwähnten kleinen Oeffnung durch Um¬
wickeln mit einem Seidenfaden befestigt wird. Zur Sicherung
des Verschlusses ist es nöthig, dass an diesen Stellen Furchen
um die Canüle herumlaufen, welche den Faden aufnehmen. Die
Canüle ist in jenem Stücke, welches von dem Kautschuksacke
umgeben wird, von geringerem Caliber, um das Einfuhren nicht
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zu behindern. Der Sack wird, nachdem die Canüle eingeführt
ist, mit einer Spritze oder einem Kautschukballon, welchen
man mit einem kurzen Oummischlauch mit dem nach aussen
mündenden Metallröhrchen verbindet, so weit aufgebläht, dass
er ringsum an die Trachealwand angedrückt wird.
Ein weiterer Fortschritt wäre es, wenn man sich auch
von der beschriebenen eigens construirten Canüle unabhängig
machen und jede beliebige Trachealcanüle einfach in eine
Tamponcanüle verwandeln könnte. Dieses Problem suchte Neu¬
dörfer zu lösen. Er gibt zwei Weisen an, wie man die ge¬
wöhnlichen „käuflichen Kautschuksäcke“ mit den gebräuchlichen
in jedem Instrumentarium befindlichen Trachealcanülen so ver¬
binden kann, dass sie'den Zweck der Tamponcanüle erfüllen.
Der Vortragende hat beide Vorschläge N’s an der Leiche
au8geführt, jedoch gefunden, dass durch beide Methoden die
Trachea nur auf kurze Zeit verschlossen werden könne; zur
localen Behandlung der Diphtheritis aber, welche ein längeres
Liegenlassen des abschliessenden Apparates erfordert, una zur
Anwendung an der kindlichen Luftröhre wagt er keine der¬
selben zu empfehlen. Denn einerseits ist die Einführung des
Apparates in die Trachealwunde immer schwierig, weil durch
das Umwickeln des Kautschuksackes um die Canüle die Gleich -
mässigkeit ihres Calibers gestört wird und andererseits kann
der Kautschuktampon an der glattwandigen Canüle durch Um¬
wickeln mit Seidenfaden schwer so sicher abgeschlossen werden,
dass er für die ein geblasene Luft vollkommen dicht ist. Diesem
Uebelstande wäre übrigens leicht abzuhelfen, wenn man jene
Stellen der Canüle, an welche der Seidenfaden zu liegen kommt,
in der oben erwähnten Weise mit Furchen versehen würde.
Professor v. Frisch hält, auf seine Erfahrungen gestützt,
jene Modification der Tamponcanüle, bei welcher das zum
Füllen des Tampons dienende Rohr in der Wand der Canüle
selbst liegt, und der ursprüngliche doppelwandige Gummiring
durch ein einfaches, weites, dünnwandiges Kautschukrohr er¬
setzt werden kann, für die zweckmässigste. Die Armirung mit
dem Kautschuksacke soll aber erst unmittelbar vor der Operation
vorgenommen werden, weil sich gezeigt hat, dass vollständig
vorbereitete Apparate, wenn sie längere Zeit liegen bleiben,
wahrscheinlich durch Sprödewerden des Kautschuks leicht un¬
dicht werden.
Die Tamponade des Oesophagus ist weit einfacher. Das
Einschieben eines mit einem Faden versehenen Schwammes
oder eines grossen Wattatampons in den Oesophagus genügt*
das Eindringen der desinficirenden Flüssigkeit in die Speise¬
röhre und das Hinabfliessen in den Magen zu verhindern. Für
Fälle, in welchen eine permanente Irrigation der erkrankten
Nasen- und Rachenpartien indicirt ist, Hesse sich ohne Schwierig¬
keit nach dem Principe der ursprünglichen Trendelenburg-
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25
Bohen Tamponcanüle ein Schlundrohr mit einem ringförmigen
Tampon versehen.
Von den beiden Diphtheritisfällen bei Kindern, welche
Trendelenburg nach Tamponade der Trachea und des
Oesophagus durch Irrigation behandelt hatte, endete der erste,
bei dem diese Methode, nachdem wegen Erstickungsgefahr die
Tracheotomie gemacht worden war, zum ersten Male Anwen¬
dung fand, mit Genesung. Der Vortragende skizzirt nun die
einzelnen Vorgänge dabei. In diesem Falle hatte eine einmalige
ausgiebige Durchspülung der erkrankten Gebiete genügt, den
P^ocess zum Stillstand zu bringen, worauf die Heilung ohne
Störung verlief. Der zweite Fall, bei dem sich während der
Operation herausgestellt hatte, dass die Trachea schon von dem
Processe ergriffen war, endete mit dem Tode, herbeigeführt
durch Bronchialcroup.
Nach Mittheilung dieser Fälle referirt Prof. Frisch noch
über einen Fall seiner eigenen Beobachtung. Doch während in
diesen beiden Fällen ein operatives Vorgehen schon durch die
Tracheostenose indicirt erschien, bot der Krankheitsfall, in
welchem F. die locale Therapie anwendete, ein wesentlich an¬
deres Bild dar. Es handelte sich da um eine jener ausgesprochen
septischen Formen von Diphtherie, bei welchen es selten zu
stenotischen Erscheinungen von Seite des Kehlkopfes kommt.
F. P., 2V 4 Jahre alt, wurde am 28. März Morgens mit
septischer Nasen- und Rachendiphtherie in’s Kronprinz Rudolf-
Kinderspital gebracht. Anamnestisch interessant ist, dass ein
älterer Bruder des Mädchens, welcher an periarticulären Ab-
scessen des rechten Hüftgelenkes litt, acht Tage vorher an
W unddiphtheritis erkrankt war. Das Kind war früher im Spitale
in ambulatorischer Behandlung gestanden, nun aber schon seit
mehreren Wochen nicht wieder dagewesen. Die Verschlimmerung
an den Wunden soll damals (21. März) seit zwei Tagen be¬
standen haben. F. fand die zahlreichen Fistelöffnungen um das
Gelenk sämmtlich von einem schmieriggrauen stinkenden Belag
bedeckt, von buchtig ausgefressenen infiltrirten Hauträndern
begrenzt, die Haut und das Unterhautzellgewebe stellenweise
bis zu grösserer Tiefe zerstört und in einen missfarbigen, äusserst
übelriechenden Brei verwandelt. Die Mutter konnte sich nicht
entschliessen, den Knaben zur Pflege an das Spital abzugeben.
F. entfernte von der zerfallenden Pulpa soviel als sich durch
Auskratzen mit dem scharfen Löffel entfernen liess und ätzte
dann alle Buchten und Vertiefungen sorgfältig mit einer con-
centrirten Chlorzinklösung aus. Den weiteren Verlauf konnte
F. nicht verfolgen, da das Kind ausserhalb des Spitales weiter
behandelt wurde. Der Knabe war am 27. März gestorben, nach¬
dem die Zerstörungen der Weichtheile um das Gelenk eine enorme
Ausdehnung erreicht haben und ringsum bis an den Knochen
vorgeschritten sein sollen.
Die Erkrankung des Mädchens soll angeblich erst seit 24
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Stunden bestehen. Die Untersuchung ergibt: gut genährtes,, dem
Alter entsprechend entwickeltes Kind, etwas apathisch, Ge¬
sichtsfarbe fahl ; beide Nasenhöhlen voll von diphtheristischen
Exsudatmassen, secerniren eine zähe, übelriechende Flüssigkeit;
im Rachen findet sich auf beiden Tonsillen, den Gauraenbögen
und der Uvula ein lockerer, sulziger, bräunlich gefärbter, pene¬
trant stinkender Belag, Larynx und Trachea scheinbar frei;
wenigstens bestehen keine Erscheinungen, welche auf eine Er¬
krankung dieser Theile schliessen lassen; Puls klein, unregel¬
mässig, circa 100, Temperatur 37*2.
Die Prognose stellte sich äusserst ungünstig; das Kind
bot schon am Morgen Zeichen septischer Intoxication, die bis
gegen Mittag in auffallender Zunahme begriffen waren. Bei der
Localisation des Krankheitsprocesses auf Nase und Rachen
durfte, wenn die Operation noch früh genug vorgenommen
werden konnte, von der örtlichen Behandlung des Infections-
heerdes ein Erfolg erwartet werden; ja es schien in dieser Art
der Therapie die einzig noch vorhandene Möglichkeit zu liegen,
das Leben des Kindes zu retten.
Die Eitern des Mädchens wollten von einem operativen
Eingriffe nichts wissen ; alle Vorstellungen, alles Zureden und
Aufklären half nichts.
Im Laufe des Nachmittags steigerten sich die Symptome
septischer Infection in rapider Weise. Gegen 6 Uhr Abends war
das Kind, welches kurz vorher sich noch unruhig im Bette hin-
und hergeworfen hatte, in einen Zustand halber Somnolenz ver¬
fallen ; das Gesicht aschgrau, die Haut kühl, von klebrigen Sch weise
bedeckt, Puls kaum fühlbar, 86 Schläge in der Minute, Tem¬
peratur 36 — da endlich erklärten die Eltern, in die Vornahme
der Operation zu willigen, ja sie forderten sie jetzt fast ebenso
energisch, als sie sie wenige Stunden vorher noch verweigert
hatten. F. entschloss sich trotz der vorgeschrittenen Sepsis, den
Versuch mit Tamponnade der Trachea noch zu wagen.
In leichter Chloroformnarkose wurde die hohe Tracheotomie
ohne besondere Schwierigkeit ausgeführt. Beim Erweitern des
Trachealschnittes nach aufwärts kam eine auf dem ersten Tra-
chealring dicht aufliegende Vene unter das Messer und wurde
angeschnitten. Die sehr unangenehme Blutung, welche das Kind
zu heftigen Hustenanfällen reizte, wurde, da die Vene wegen
ihrer festen Adhärenz an der Trachea schwer gesondert mit der
Sperrpincette gefasst werden konnte, durch Umstechung zum
Stehen gebracht.
Die Einführung der Tamponcanüle hatte einige Schwierig¬
keiten. Die Krümmung derselben wird durch das angefügte
gerade Stück, welches von dem Tampon umgeben wird, zur
Einführung nicht geschickt. Der Schnitt in der Trachea musste
noch erweitert werden und um hiezu genügend Raum zu schaffen
löste F. die Schilddrüse ungefähr 1 Centmeter weit von der Luft¬
röhre ab (Bose) und Hess sie mit einem Hacken nach abwärts
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ziehen. Nun gelang die Einbringung der mit Carbolöl einge¬
fetteten Canüle ohne merklichen Widerstand.
Trotz des sehr langen Trachealschnittes zeigte es sich, dass
der Raum zwischen dem oberen Rand der Canülenplatte und
dem oberen Wundwinkel nur ein sehr kleiner war. Die Wunde
wurde von diem Schilde der Canüle, wiewohl P. in dem oberen
Tbeile derselben einen Ausschnitt hatte anbringen lassen,
fast vollständig zugedeckt. Es wäre somit die Einführung eines
Catheters oder eines gekrümmten Spritzenansatzes durch die
Wunde nach aufwärts, wie es zur Durchspülung des Larynx
bei Erkrankung desselben in Aussicht genommen wurde, kaum
ausführbar gewesen. Nachdem die Canüle befestigt war, wurde
der Tampon durch einen kleinen Kautschukballon, der mittelst
eines kurzen Gummirohrs an das Metallröhrchen der Canüle
angesetzt wurde, aufgeblasen; das Kautschukrohr sodann durch
einen leichten Quetschhahn abgesperrt und der Ballon entfernt.
Nun schritt P. zur Tamponnade des Rachens. Da die Ton¬
sillen, sowie die übrigen Weichtheile des Rachens enorm ge¬
schwellt und überdies von dicken, sulzigen Exsudatschichten
überlagert waren, konnte der Verschluss des Oesephagus nicht
in der gewöhnlichen einfachen Weise vorgenommen werden.
P. fürchtete durch das Hinabschieben eines Schwammes
oder Wattetampons durch den sehr verengten Racheneingang
die Exsudatmassen vor dem Tampon herzudrängen und über¬
dies das sehr gelockerte Gewebe so zu verletzen, dass vielleicht
eine beträchtlichere Blutung entstanden wäre. Deshalb belegte
er zunächst, nachdem ein Heister’sches öpeculum zwischen die
Zahnreihen eingeführt worden war, die beiden Seitenwände und,
so gut es ging, auch die obere Wand des Isthums faucium mit
einigen in die Desinfectionsflüssigkeit (2V2procentige Lösung
von Tetram^thylammoniumhydroxyd) getauchten flachgedrückten
Wattetampons, drängte dann mit seinen Zeigefingern nach recht*
und links die Gaumenbögen auseinander und Hess durch einen
Assistenten mit der Kornzange einen grösseren mit starkem
Faden versehen Wattebauschen in den Pharynx einführen.
Hierauf wurde nach Entfernung der provisorisch eingelegten be¬
feuchteten Tampons die Durchspülung der Nasen- und Rachenhöhle
mit der oben erwähnten Lösung vorgenommen. Der Apparat in der
Trachea functionirte vollkommen zufriedenstellend. Von den Mem¬
branen im Rachen hatten sich ganz bedeutende Massen abgelöst.
Da es dem Operateur in dem vorliegenden Falle von grossem
Belang schien, es nicht bei einer einmaligen Desinfection des
erkrankten Terrains bewenden zu lassen, eine baldige Wieder¬
holung des ziemlich eingreifenden Verfahrens aber bei dem Zu¬
stande des Kindes nicht angezeigt erschien, suchte er sich, um
eine anhaltende Einwirkung des localen Mittels zu ermöglichen,
zunächst auf andere Weise zu behelfen.
Nach Entfernung des Rachenverschlusses tamponirte P.
in der gewöhnlichen Weise mit der B e 11 o c q’schen Röhre beide
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Choanen, in der Absicht, eine gründliche Ausspülung der Nasen¬
höhle stündlich wiederholen zu können. Der Racheneingang
wurde sorgfältig mit Wattetampons, welche von der desinficirenden
Lösung imprägnirt waren, ausgelegt. Diese Tampons sollten alle
2 Stunden, , eventuell auch öfter, durch neue ersetzt werden,
nachem vorher der Sicherheit halber der Kautschuktampon der
Trachealcanüle entleert und neuerdings aufgeblasen worden war.
Die Wahl des Desinfectionsmittels ermöglichte es, den Verschluss
des Oesophagus bei dieser Procedur zu entbehren, da die ge¬
ringen Mengen von Tetramethylammoniumhydroxyd, welche hiebei
etwa in den Magen gelangen konnten, als ganz unschädlich zu be¬
trachten waren. Der Zeitpunkt des jedesmaligen Wechselns des
Rachentampons wäre zu benützen, um dem Kinde Excitantien oder
irgend welche andere erforderliche Medicamente einzuflössen.
Die ganze Operation hatte ungefähr eine Stunde Zeit in
Anspruch genommen. Das Mädchen wurde nun ins Bett gebracht
und in erwärmte Tücher eingehüllt, die fleissig durch neue er¬
setzt wurden. Leider kam es zu keiner Fortsetzung der beab¬
sichtigten localen Behandlung, da das Kind noch vor Ablauf einer
Stunde in einem plötzlich auftretenden Collaps zu Grunde gieng.
Bei der Obduction fand man nebst der Erkrankung der
Nasen- und Rachenschleimhaut noch im Larynx auf der unteren
Fläche der wahren Stimmbänder einige hanfkorngrosse diphthe-
ritische Inseln. Die Trachea war frei geblieben. Ausser zahl¬
reichen kleinen punktförmigen Ekchymosen auf der Pleura, dem
Pericardium und Peritoneum, und dem Flüssigbleiben der Blut¬
masse bot der Sectionsbefund nichts Bemerkenswerthes.
(Fortsetzung folgt.)
Standesangelegenheiten.
Ende December vorigen Jahres hat der Vice-Präsident de»
Wiener med. Doct.-Coll., Dr. Ignaz Lederer, in dem Comite
für Standesinteressen den Antrag eingebracht, dasselbe möge die
Petition, welche der Geschäftsausschuss des Aerzte-Vereinsver¬
bandes bei der h. Regierung und dem h. Reichsrathe wegen
Errichtung von Aerztekammern eingebracht hat, in reifliche Er¬
wägung ziehen und sobald als möglich dem Geschäftsrathe darüber
Bericht erstatten, welche Stellung das Collegium zur erwähnten
Petition nehmen solle. Da nun auch Dr. J. Scholz einen ähnlichen
Antrag gestellt, hat das genannte Comite diese Anträge ange¬
nommen und unter dem Vorsitze des OSR. Dr. Schneller in drei
Sitzungen sich über eine Eingabe an das Parlament und die hohe
Regierung geeinigt, welche der Referent, MR. Dr. Preyss, in der
Sitzung des Geschäftsrathes vom 28. v. M. unter allgemeinem
Beifalle der Versammlung vortrug und die auch en bloc
nahezu einstimmig angenommen wurde. Wir lassen die¬
selbe hiemit dem Wortlaute nach folgen:
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29
Petition des Wiener medicinischen Doctoreu-Collegiums an das
hohe Abgeordnetenhaus
betreffs der Regelang der ärztliohen Verhältnisse.
Bei dem Umstande, dass der Geschäftsansschnss des österrei¬
chischen Aerzte-Vereinsverbandes als Vertreter von mehr als 5000
seiner Mitglieder, worunter eine sehr grosse Zahl Wundärzte, sowohl
an den hohen Reichsrath als an das hohe k. k. Ministerium des
Innern eine Petition um Regelung des ärztlichen Standes — respective
um Errichtung von Aerztekammern — gerichtet hat, erlaubt sich
das Wiener medicinische Doctoren-Collegium, nachdem es obigem
Aerzteverbande nicht beigetreten ist, als Vertreter von Doctoren
der Heilkunde dem hohen Reichsrathe in dieser Angelegenheit seine
Anschauungen und diesfällige Bitte ehrerbietig zu unterbreiten.
Das Wiener medicinische Doctoren-Collegium, welches als selbst¬
ständige Corporation und Nachfolger des bis dahin mit der Wiener
Universität verbunden gewesenen Doctoren-Collegiums der medicini¬
schen Facultät (R. G. Bl. vom 7. Mai 1873, Nr. 63) eine reiche
Vergangenheit und damit grosse Erfahrungen hinter sich hat, kann
seine Besorgniss nicht unterdrücken, dass die Regelung der ärztlichen
Verhältnisse in der Form, wie sie in genannter Petition angestrebt
wird, jene Hoffnungen, welche darin für die öffentliche Gesund¬
heitspflege und für den ärztlichen Stand selbst ausgesprochen werden,
kaum erfüllen dürfte. Denn nach seiner Ueberzeugung ist an
berathenden und begutachtenden Organen für die Behörden (17 Landes-
Sanitätsräthe und der Oberste Sanitätsrath mit circa 100 Mitgliedern)
kein Mangel, noch fehlt es an der Initiative, wozu nicht nur letztere,
sondern auch jeder Verein und jeder Staatsbürger berechtigt ist.
Zur Erreichung staatlicher Sanitätszwecke fehlt es vielmehr an öffent¬
lichen Executiv-Organen, an der genügenden Zahl hinreichend dotirter
landesfürstlicher Bezirksärzte und vor allem an der gesetzlich normirten
Aufstellung von Gemeindeärzten.
Ueberdies dürften bei dem in einzelnen Kronländem beste¬
henden Vorwiegen minder gebildeter Sanitätspersonen (Wundärzte)
über vollständig gebildete Aerzte jene zur Abgabe von Gutachten
in den oft so schwierigen allgemeinen hygienischen Angelegenheiten
weniger geeignet erscheinen, abgesehen davon, dass in den so
verschieden zusammengesetzten Vertretungskörpern, je nach den
verschiedenen Standpunkten auch höchst divergirende Wohlmeinungen
über einen und denselben Gegenstand abgegeben werden dürften.
Aber auch dem ärztlichen Stande dürften in seinen eigentlichen
Repräsentanten, den Doctoren der Heilkunde, durch die in der Petition
beabsichtigte Zusammenwürfelung mit den Wundärzten kaum besondere
Vortheile erwachsen.
Den Aerzten werden in der Petition, ohne ein entsprechendes
Aequivalent neue Verpflichtungen und Arbeiten, sowie pecuniäre
Auslagen, und zwar zwangsweise auferlegt.
Das Wiener medicinische Doctoren-Collegium kann hiebei schwer
begreifen, wie angeblich im Interesse des doch seinem ganzen Wesen
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nach von Freiheit und Selbstständigkeit unzertrennlichen ärztlichen
Standes diesem die Fesseln einer Zwangsgenossenschaft gesetzlich
auferlegt werden sollen, nachdem in ßezug auf Wien erst vor wenigen
Jahren mittelst des oben citirten Reichsgesetzes vom 27. April 1873,
§ 23 alinea 6, der zwangsweise Eintritt in das Doctoren-Collegium,
als Bedingung zum Rechte der Praxis in Wien, als nicht zeitgemäss
aufgehoben wurde.
Wenn es auch erklärlich ist, dass Aerzte der Provinz das
Bedürfniss nach Vereinigung fühlen, so meint doch das Doctoren-
Collegium, dass die oben angedeuteten Zwecke im Wege freier Vereine
gerade so gut und, weil nicht auf Zwang beruhend, noch besser
erreicht werden können.
Das Wiener medicinische Doctoren-Collegium, welches als erste
und älteste ärztliche Corporation des Reiches unter seinen nahezu
700 Mitgliedern zugleich die vorzüglichsten Capacitäten sämmtlicher
medicinischen Fächer in sich vereinigt — welches einen würdigen
Schauplatz wissenschaftlichen Strebens und Wirkens bietet und
ausgestattet ist mit reichen Stipendien, Stiftungen und Instituten
zur Versorgung und Unterstützung verarmter Mitglieder, zu Pensionen
für Aerzte in höherem Alter, sowie für deren Witwen und Waisen,
wie keine zweite Körperschaft der Monarchie — fühlt bei seiner
festen inneren Organisation und seinem sicheren Bestände begreiflicher
Weise keinen Anlass, auf seine gegenwärtige Stellung zu verzichten.
Allein da möglicherweise die gegenwärtige Strömung einer
Organisation der ärztlichen Verhältnisse nicht ungünstig ist, so fühlt
sich das Doctoren-Collegium verpflichtet, in Folgendem seinen Stand¬
punkt zu entwickeln, um für den Fall, als die gesetzgebenden
Factoren geneigt wären, dieselbe zu beschliessen, darin eine seiner
würdige Stellung einzunehmen.
Die Doctoren der Heilkunde würden in ihrer Stellung nichts
gewinnen, wenn sämmtliche Aerzte eines Kronlandes (Doctoren
und Wundärzte) wie § 1 der eingangs erwähnten Petition anstrebt,
Eine Aerztekammer bilden, da die zwei Kategorien auf einer
wesentlich verschiedenen Bildungsstufe stehen Im Sinne des Gesetzes
vom 17. Februar 1873, R.-G.-Bl. Nr. 25, wurden wohl die Wund¬
ärzte auch zur Ausübung der medicinischen Praxis, aber keines¬
wegs dazu berechtigt, sich mit den Doctoren der Heilkunde für
ebenbürtig zu halten, welch’ letztere sich ihren Doctors-Grad nach
weit längerer (14jähriger) und kostspieliger Vor- und Fachbildung
durch angestrengte Studien erworben haben, während jene nebst der
Volksschule eine höchstens 7jährige Vor- und Fachbildung genossen.
Ueberdies ist die Zahl der noch lebenden Wundärzte im Gesammt-
gebiete der Monarchie (Wien mit seinen mindestens 1000 Doctoren
der Heilkunde nicht inbegriffen) gegenüber jener der Doctoren noch
überwiegend, und in O b e r - und Niederösterreich (mit Ausschluss
der Reichshauptstadt), Salzburg, Steiermark, Mähren,
Schlesien, Kärnten und Krain, ist das Verhältniss der ersteren
zu letzteren wie 2:1. Falls nun den Aerztekammern das Disoiplinar-
yecht eingeräumt würde, könnte es leicht geschehen, dass in ge-
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gebenen Fällen, die Wundärzte vermöge ihrer Majorität in der
Kammer über die wissenschaftliche Befähigung und das sociale Be¬
nehmen der Doctoren, das ist die minder Gebildeten über die höher
Gebildeten zu urtheilen und zu entscheiden hätten.
Wenn es sich nur um die Interessenvertretung der Wund¬
ärzte handelt, so ist ihnen diese hinreichend gewährleistet durch
die gesetzlich noch bestehenden Gremien, wodurch zwischen ihnen
und den Doctoren nie eine Collision eintreten kann.
So wenig es der hohen Regierung je in den Sinn kommen
konnte, zum Beispiel die Advokaten-Kammern, bei deren Creirung
übrigens höhere politische Gesichtspunkte massgebend waren, aus
heterogenen Elementen zusammenzusetzen, oder etwa auch nur die
Advocaten und Notare in einer Kammer zu vereinigen, eben so
wenig kann ohne Nachtheil für die Sache und die Personen beab¬
sichtigt werden, Aerztekammem aus vollkommen gebildeten Aerzten
(Doctoren) und Wundärzten zugleich zu bilden.
Was aber die bisher ausser dem Collegium stehenden Doctoren
anbelangt, welche unter anderem mittelst der Aerztekammer durch
Errichtung humanitärer Institute für ihre Hinterbliebenen sorgen,
oder bei eintretenden Unglücksfällen sich selbst eine Aushilfe sichern
wollen, so steht allen Doctoren, die überhaupt das Recht zur Praxis
in der österreichisch-ungarischen Monarchie besitzen, der Eintritt in
das Wiener medicinische Doctoren-Collegium offen, welches wie oben
erwähnt, für alle diese Fälle reichlich dotirte Institute besitzt.
Sollte übrigens der hohe Reichsrath sich bewogen finden, die
ärztlichen 'Verhältnisse in der Art zu regeln, dass Aerztekammem
gebildet werden, so bittet das Wiener medicinische Doctoren-Collegium,
Hochderselbe wolle in diesem Falle, mit Rücksicht auf die oben
erwähnte Auseinandersetzung, das * medicinische Doctoren-Collegium
für Wien und die Vororte mit den Befugnissen einer Aerztekammer,
welche blos aus Doctoren zu bestehen hat, ausstatten.
Das ergebenst gefertigte Wiener medicinische Doctoren-Collegium
spricht die Hoffnung aus, dass der hohe Reichsrath die vorstehende
Darlegung der Verhältnisse einer geneigten Prüfung und Würdigung
unterziehen werde.
Wien, am 28. Jänner 1880.
Diese Petition wurde am 80. Jänner von einem Abgeordneten bei dem
Präsidium des Abgeordnetenhauses eingebraoht und am 3. Februar in Ab¬
drücken an sämmtliche Abgeordnete vertheilt.
Am 2. d. M. hatte das Präsidium des Wr. med. Dootoren-Collegiums
die Ehre, von Sr. Exoellenz dem Herrn Ministerpräsidenten in einer längeren
Audienz empfangen zu werden, um ihm ein an das Ministerium des Innern
gerichtetes Gesuoh desselben Inhaltes zu überreichen und dasselbe im münd¬
lichen Vortrage näher zu beleuohten, wobei es die wohlwollendste Aufnahme faud.
Andererseits sollen dem Vernehmen nach auoh die Vereine, welche dem
Aerzte-Vereinsverbande beigetreten sind, erst jetzt aufgefordert worden sein,
das Gesuoh des Geschäftsaussohusses desselben durch selbstständige, das gleiohe
Ziel anstrebende Bittschriften zu unterstützen, wogegen mehrere derselben
beschlossen, dieser Petition ferne bleiben zu wollen und zu erklären, dass sie
den Vorstellungen des Wiener medicinischen Dootoren-Collegiums vollinhaltlich
beistimmen. Selbst eine grosse Zahl der Wundärzte sollen, siohbrem Ver¬
nehmen nach, mit der Petition des Aerzte-Vereinsverbandes gar nicht ein¬
verstanden sein. -
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Notizen.
Aufnahme. In der Sitzung des Geschäftsrathes am 28. Jänner wurden
die Herren DDr. Gnändinger Hugo, Assistent an der Wiener Universitäts-
Kinderklinik, Pinsker Arthur und Soheffer August, praktische Aerzte
in Wien, als ordentliche Mitglieder in das Wr. med. Doct.-Coll. aufgenommen.
Auszeichnung. Herr Dr. Samuel Sohen k, k. k. Professor an der Wiener
medicinisohen Facultät, erhielt das Ritterkreuz des kaiserlioh brasilianischen
Rosenordens.
Personalien. Se. Majestät der Kaiser hat die Wahl des Regierungsratlies
und Professors Dr. Franz Müller zum Studiendirector des Militär-Thierarznei-
Institutes für drei Jahre bestätigt.
Aus dem Abgeordnetenhause. Der Ausschuss, welcher zur Berathung
Über die Petition des österreichischen Aerzte Vereins-Verbandes, betreffend die
Regelung des ärztliohen Standes, vom Abgeordnetenhause eingesetzt wurde,
hat sioh oonstituirt und den Abgeordneten R. v. Gniewosz zum Obmann,
den Abgeordneten Dr. Vosnjak zu dessen Stellvertreter und den Abgeordneten
Dr. R. v. Wieder8perg zum Schriftführer gewählt.
Operation unter elektrischem Lichte. J. Berkeley Hill operirte
im University College Hospital in London am 11. December v. J. eine Vesioo-
Vaginal-Fistel unter elektrischem Lichte. Ein constanter galvanischer Strom
erhitzte den Platindraht zum Weissglühen. Der Draht befand sioh in einem Glas
oylinder und dieser in einem zweiten. Den freien Raum zwisohen diesen Cyünder
du rohfloss dauernd ein Wasserstrom, der sioh zur Erniedrigung der Temperatur
vollkommen bewährte. Die Operation dauerte länger als eine Stunde und
leistete das elektrische Licht Ausgezeichnetes.
Leichen Verbrennung. Im Laufe des Jahres 1879 fanden zu Gotha 16
Leichenverbrennungen statt — ein Resultat, welches für das erste Jahr ein
ansehnliches zu nennen ist. Die Dauer des Verbrennungsprooesses betrug iy 2
bis 2>/ 8 Stunden; von Gotha selbst, wie von Langensalza, Kaumburg, Neustadt,
Leipzig, Dresden, Bamberg, Hannover, Breslau und Wien waren Leichen
zur Verbrennung gesendet worden. Das erste Mal wurde eine Leiohenver-
brennung in Gotha am 10. December 1878 vorgenommen.
Sterbefall. Am 27. Jänner wurde dem Collegium wieder ein älteres
Mitglied durch den Tod entrissen. Herr Dr. Simon Josef Strakosoh, prak¬
tischer Arzt im III. Bezirke, im Jphre 1813 zu Butsohowitz in Mähren
geboren, vollendete seine medicinisohen Studien in Wien, wo er auch am
6. August 1839 zum Dr. der Medicin und bald darnach auch zum Dr. der
Chirurgie promovirt wurde. Am 27. März 1855 ward er Mitglied des Doct.-
Coll. der medioinisohen Facultät, und trat als solches in das Wr. med. Doot.-
Coll. über. Seit längerer Zeit an einem Herzfehler erkrankt, erlag er an
obigem Tage seinem Leiden. Möge er in Frieden ruhen!
Im Mitglieder - Verzeichnis» wurde der Name des Herrn Collegen Hans
Sohum (Dr. d. ges. Heilkunde) VII., Kaiserstrasse 37 (Ord.-Stunden 1—3) aus
Versehen ausgelassen. Dann die geänderte Ordinationsstunde des Herrn
Prof Dr. Dräsche anzuzeigen übersehen. Diese ist nunmehr von 4—5 Uhr.
Erratum corrigendum. In Nr. 2 dieses Blattes Seite 13, Zeile 21 von
oben ist zu lesen „ungefenstert“ statt angefeuchtet.
Eingesendet.
Andauernde Kränklichkeit nöthigt mich, meiner brunnenärztlichen
Thätigkeit in Franzensbad zu entsagen und mich zur Ruhe zu setzen.
Ich spreche hiermit allen hochgeehrten Herren Collegen, welche im
Laufe meines fünfunddreissigjährigen Wirkens im Curorte mir Beweise ihres
wohlwollenden Vertrauens gegeben, den wärmsten herzlichsten Dank aus.
Wien, 22. Jänner 1880. Dr. Bosohan.
Die nächste Kummer erscheint am 12. Februar.
Herausgeber und Verleger: Wiener medicin. Doct -Goll. — Verantwortlicher Redaoteur .
Pr. h. Hopfgartner. — Qesellsohafu-Buohdmckerei, Wien, III. Brdbergerstrasae 8.
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VI. Bi
Ansgegeben am 12. Februar 1880 Nr. 4
MITTHEILUNGEN ^
filier Dtedlcinisclien Öittirii-CilluiiiL
Erscheint jeden zweiten Donnerstag ein halber bis ein ganzer Bosen und darüber, an
90 Bogen im Jahre. — Ganzjähriges Abonnement für Nichtmitglieder des Collegiums im In*
lande S fl., nach dem Auslande 6 Mrk. — Einzelne Nummern 25 kr. = 50 Pfg. — Inserate
15 kr. = 80 Pfg. für die durchlaufende Petit-Zeile.
Miau pränumerirt in der Medicin. Buchhandlung Toeplitz Deatieke
(vormals Karl Czermak), Wien, I., Schottengasse 6.
Zuschriften and Zusendungen an die Redaetion: Wien, Kaniiei des Wiener med.
Doet.-Coll. und der Witwen- and Waisen-Societät, Rothenthnrmstrasse 23.
Inhalt: Ueber Grundlagen zur Gruppirung der Hemisphärenkrankheiten. (Schluss.) — Ueber
; Tamponade der Trachea bei Diphtheritis. (Fortsetzung.) — Aus dem Geschäftsrathe. (Sitzung
am 17. December v. J.) — Aus dem Unterstützungs-Institute. (Sitzung am 27. Jänner 1880.)
— Notizen. — Einladung.
Ueber Grundlagen zur Gruppirung der Hemisphären¬
krankheiten.*)
Vortrag des Herrn Regierungsrath Professor Dr. Meynert.
(Schluss zu Seite 17.)
Für diesen Gegensatz in der Begünstigung der Wahrnehmung
fcubcortical erregter Reize durch erschöpfte Hemisphären lässt
sich im localisirenden Sinne der Ausdruck reizbare Schwäche
anwenden, wobei die Schwäche dem Vorderhirn, die erhöhte
Reizbarkeit den sübcorticalen Centren zufällt. Wir können
pathologisch-anatomisch heute nicht scharf scheiden, wie weit
dabei reizende Processe in die sübcorticalen Centren zu ver¬
legen sind. Sicher ist aber, dass intacte Hemisphären die in
den sübcorticalen Reizen begründeten Wahnideen nicht zulassen.
In die reizbare Schwäche fällt die Bildung aller, nicht aus den
oben bezeichneten Verstimmungen hervorgehender Wahn¬
ideen, und die psychische Reizbarkeit bis zu ihren höchsten
Graden als tobsüchtige Aufregung, Furibundia. Sie ist dem
Affect des Zornes verwandt, nicht der Tollheit, der Manie.
Den Wahnideen liegen sensible Reize der Leibesoberfläche,
auch veränderte Muskelinnervationsgefühle zu Grunde, als neural¬
gische, hypochondrische, hysterische Grundlagen. Sie finden auch
in den durch sensible Anstösse verursachten Träumen eine Quelle.
Es ist aber auch schon aus reizbarer Schwäche erklärbar, wenn
wirklich an sich gleichgiltige Sinneswahrnehmungen z. B. beim
Verfolgungswahn, auf die Hemisphären unwiderstehlich wirken,
so dass ihre Ausdeutungen mit ihren falschen Resultaten durch
*) Verspätete Einsendung des Manuscriptes, durch Unwohlsein des Autors
verursaoht, hatte Mängel der Correctur zur Folge, welche in diesem Aufsatz
vielfach auffallend hervortreten, ohne der Redaction zur Last zu fallen.
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den ganzen lebenslang aus Erfahrungen entwickelten logischen
Apparat nicht mehr unterdrückt werden können, denn die
starke Erregung des V orderhirns bei intendirter Gedanken¬
arbeit schwächt den Eindruck der Sinneswahrnehmungen sogar
merklich ab, so dass der intensiv Denkende Beize
momentan nicht bemerkt, deren er sich später erinnert. Die
Erinnerungsbilder, das Material der Vorderhirnleistung, sind den
Sinneseindrücken überhaupt ganz disparat. Die Erinnerung an
den Kanonendonner, an den grellsten Lufteindruck führt nicht
die minimalste Intensität eines Sinneneindruckes mit sich.
Fundamental für den Gegensatz der Vorderhirnerschöpfung
und subcorticalen Reizung sind die Traumphantasieen, welche
einer Phase periodischer Vorderhirnerschöpfung entsprechen und
die Hallucinationen, die als epileptische Aura gerade vor dem
Verschwinden des Bewusstseins, also in einem Momente tiefen
Abstiegs der Grosshirnerregung, auftreten. Auch die erleichterte
Reflexe von Weinen und Lachen bei den Paralytikern, welche
mit dem Niedergang ihrer Vorderhirnleistung eigentlich von
Stimmungslosigkeit begleitet sind, gehören hieher.
3. Die anatomischen Processe lassen sich aus den Reiz¬
symptomen am allerwenigsten, aus der Verlaufsart der Krankheiten
am allermeisten erschliessen. Der Rahmen der anatomischen
Thatsachen erweitert sich, wenn man nicht nur auf anatomische
Begründung der Psychose ausgeht, das oft nur scheinbar um¬
schriebene Krankheitsbild, welches einen Zeitabschnitt im Leben
des Kranken umfasst. Vielmehr muss man auf die anatomische
Begründung der Veranlagungen Bezug nehmen, welche einzig
erklärte, warum die gleichen Ursachen auf so überwiegend viele
Menschen, mit Ausnahme der Irren, ohne Krankheitseffect
wirken. Der Veranlagte ist anatomisch meist als ein Kranker
zu erweisen, dessen Störungen aber mit Recht nicht Irrsinn
genannt werden. Die Anatomie der Veranlagungen umfasst alle
Reste frühzeitiger und auch intrauterinaler Gehirnerkrankungen,
welche sich in Strabismus, Asymetrien der Gesichtszüge, den
Sprachfehlern, Schwerhörigkeit und Taubheit etc. kundgeben,
andererseits als Difformitäten des Schädels, welche schon Virchow
in Hyperaemien, Entzündungen des Gehirns und seiner Hüllen
begründete, die nicht selten durch den Goburtsverlauf im Becken
einer rachytischen Mutter sich entwickeln. Weiter begründet ein
rhachitisches Allgemeinleiden sehr wesentlich den Hydrocephalus,
weshalb schon Rokitansky von einem hydrocephalischen Thorax
spricht.
Die Verlaufsart der Erkrankung, welche ohne oder mit
erkennbarer Veranlagung einen anatomischen Process im Vorder-
him erschliessen lässt, bezieht sich nicht allein auf den Nachweis
seiner Entwicklung, seiner Höhe, seines Abstiegs durch Vorder¬
hirnstörungen, sondern wesentlich darauf, dass bei gleichen
Symptomenbildern und deren gleicher Aufeinanderfolge die
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ungeheilten Fälle Defecte der Yorderhirnleistung zurücklassen,
dass nach einer irgendwie begrenzten Zeitlänge der Dauer des
Processes dauernder Blödsinn zu Stande kommt.
Wir wissen, dass sich in einem einmal an Melancholie er¬
krankten Menschen, der nicht geheilt wird, nach einem halben
Jahre schon dauernder Blödsinn entwickeln kann.
Wir wissen andererseits, dass in den sogenannten circu-
ären Formen zehnmal Melancholie im Wechsel mit Manie
und langen lichten Zwischenräumen auftreten kann, die lebens¬
lang keinen Blödsinn mit sich bringt. Es kann aber nicht der¬
selbe Krankheitsprocess, wenn er zehnmal auftritt, imschädlicher
sein, als wenn er einmal auftritt. Die fundamentale Verstimmung
bei Manie und Melancholie geht aber, wie oben ausgeführt, parallel
mit erhöhtem und vermindertem arteriellen Gefässdruck. In den
Fällen, wo das Grosshirn trotz unheilbarer zehnmaliger Wieder¬
kehr der Processe nicht dauernd beeinträchtigt wird, leidet
das Vorderhirn nur secundär an periodischen Veränderungen
in der Gefässinnervation, welche von subcorticalen Centren ab¬
hängt. Ist das subcorticale Gefass - Centrum wechselnder Er¬
schöpfung und Erregung in Bezug auf die Arterienverengerung
ausgesetzt, dann entspricht seiner Erregung im Vorderhirn
Erschöpfung, welches durch geringere arterielle Speisung
dispnoetisch und gehemmt wird, der Erschöpfung des Ge-
fässcentrums oder durch arterielle Erweiterung Erregung des
Vorderhirnes, unter Apnoe seiner Rinde mit den Erscheinungen
der maniekalischen Ungebundenheit.
Die Begründung der Gehirnfluxionen durch allgemeine
Anaemie gibt hier eine Grundlage für die Sicherheit dieser
Beurtheilung ab, dass es sich um die Gefässcentren handelt und
diese Grundlage wird für uns durch den Zusammenhang von Manie
und Anaemie für die specielle psychiatrische Frage anwendbar.
Erschöpfbarkeit des Vorderhirns selbst, welche eine ge¬
wisse Periodicität zeigt, bezieht sich wohl auch auf irgend
welche periodische Psychosen, nicht aber auf das circuläre Bild
von wechselnder Manie und Melancholie.
Auf diesen Grundlagen lässt sich eine natürliche Gruppirung
und Differentialdiagnose gestalten, welche mit den gesammten
Erkrankungen des Vorderhirns auch seine ausser der Psychiatrie
begriffenen Erankheitsformen einschliesst.
A. Anatomische Veränderungen*)
1. Missbildungen durch intrauterinal, während der
Geburt oder in der Kindheit verlaufene Processe. Microcephalie,
*) Der Unterschied zwischen anatomisohen Veränderungen und Er¬
nährungsstörungen ist nioht dahin zu verstehen, dass die Ernährungsstörungen
ohne anatomische Veränderungen gedaoht werden. Sie lassen sich aber 1. nicht
duroh Deckung eines besonderen macrosoopischen stabilen Befundes mit einem
Verlaufsprooesse praecisiren und fallen 2. mehr in die microsoopisohen als in
die groben anatomisohen Veränderungen. Der mikroscopisohe Befund ist aber
bis heute noch kaum nach bestimmten Processen zu gruppiren.
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Macrocephalie, Hydrocephalie, Asymetrien und andere Dif-
formitäten des Schädels und Gehirnes.
a) Cretinismus, Idiotismus, Taubstummheit.
b) Veranlagungen.
2. Herdartige anatomische Processe des Gehirns und
acute Processe seiner Häute, Haemorrhagien, Erweichungen,
Tumoren, graue disseminirte Sclerose, Syphilis, Meningitiden,
symptomatische Epilepsie.
a) Delirien, Aphasie und Amnesie, traumatische Verwirrt¬
heit, Blödsinn, Chorea.
b) Veranlagungen durch Reste solcher Processe.
8. Diffuse anatomische Processe der Häute und des Gehirnes.
a) Hypertrophie des Gehirns, Chorea mit acuter Psychose,
Process der progressiven Gehirnparalyse mit Atrophie,
(paralystischer) chronischer Alcoholismus, diffuse Form
der Gehirnsyphilis, der Process der Manie mit Stupor
und Katalepsie, secundärer Blödsinn.
B. Ernährungstörungen.
1« Die primären Verstimmungen (Grundlagen, Reizerschei¬
nung des Cortex cerebri).
a) einfache Melancholie (traurige Verstimmung,
Lypemanie mit Hemmungen, Kleinheitswahn und Selbst '
anklagewahn verschiedener Intensität.
b) einfache Manie (heitere Verstimmung, Ameno-
manie, Bewegungsdrang, Grössenwahn verschiedener
Intensität.
2. Die primären Sinnesdilirien. (Grundlage: Reizerscheinun¬
gen aus subcorticalen Sinnescentren. Acute hallucinatorische
Verwirrtheit, massenhafte Sinnestäuschungen ohne festen Wahn
mit manischen und tobsüchtigen Erregungen.
3. Der typisch entwickelte Verfolgungswahn und Grössen-
wahn (Grundlage: sensible Reizungen subcorticaler Centren).
a) Wahnsinn. Hypochondrie (Hysterie); darauf Beob¬
achtungswahn, Verfolgungswahn und Grössenwahn.
b) originäre Verrücktheit.
4. Zusammengesetzte Vorderhirnstörungen. (Grundlage :
Anomale Einwirkungen der Gefässcentren und der trophischen
Centren).
a) Periodische Formen durch reflectorische Vasoneurosen.
b) Circuläre Formen von wechselnder Manie, Melancholie
und lichten Zwischenzeiten. Grundlage: Erschöpfbarkeit
subcorticaler Gefässcentren.
c) Epilepsie und Hystero-Epilepsie. Grundlage: Hyper-
aesthesie der Gefässcentren.
d) Aufsteigende Paralyse. Morbus Basedowic. Grundlage:
Lähmung der Gefässcentren).
C. Intoxicationen. Acuter Alcoholismus etc.
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Ueber Tamponade der Trachea bei Diphtheritis.
Vortrag von Professor Dr. A. v. Frisch.
(Fortsetzung von Nr. 3.)
Die septische Intoxication erreicht bei Rachendiphtheritis
verschiedene Grade, und bedarf, um hochgradig zu werden,
eines sehr verschieden langen Zeitraums. Während bei manchen
Fällen schon im Beginne Symptome einer schweren Blutver¬
giftung vorhanden sind, die rasch den Tod herbeiführt, ent¬
wickelt sich in anderen Fällen nur sehr langsam und unter
allmälig zunehmenden Erscheinungen, oft erst im Verlaufe der
zweiten Woche, die ausgesprochene Intoxication. Die Gründe
dieser Verschiedenheit sind mannigfach, zum Theil vielleicht
noch unerforscht; doch kommen dabei sicher zwei Momente in
Betracht: die Verschiedenheit der Widerstandskraft des Orga¬
nismus und die localen Verhältnisse, die bald mehr, bald weniger
günstig sein können für die Aufnahme der septischen Stoffe
ins Blut.
Eine Frage von Belang ist, ob die Menge der ins ^Blut
aufgenommenen Stoffe in geradem Verhältnisse zur Schwere der
Intoxication stehe ? Nach den Ergebnissen zahlreicher an Thieren
angestellter Experimente ist anzunehmen, dass schon die kleinsten
Mengen putrider Substanzen eine Allgemeininfeetion mit tödt-
lichem Ausgange zu bewirken vermögen. Bekanntlich führten
diese Resultate zur Annahme von Fermentwirkungen bei dem
Zustandekommen der putriden Intoxication. Bei einer grösseren
Zahl von Versuchen mit Injection putrider Stoffe behufs der
Beurtheilung, welchen Einfluss die dem Thiere injicirte Menge
des septischen Stoffes auf die Entwicklung der Infection hat,
wird man bald auf ein Ergebniss aufmerksam werden, das
dahin führt, zwei ganz verschiedene Arten der Intoxication
annehmen zu müssen. Während nämlich bei Anwendung von
grösseren Mengen der putriden Flüssigkeit sämmtliche Ver-
sucbsthiere entweder sofort oder sehr bald nach der Einspritzung
Krankheitssymptome, die nach wenigen Stunden zum Tode
fuhren, zeigen, erkrankt bei Impfungen mit sehr kleinen Mengen
immer nur ein gewisser Procentsatz und ist auch der Krankheits-
process der so Geimpften ein wesentlich anderer. Nachdem
die Thiere noch einige Zeit (etwa 24 Stunden) nach der
Impfung anscheinend ganz gesund waren, erscheinen eine Reihe
constanter, stetig sich steigender Symptome, welche bei ver¬
minderter Fresslust, verlangsamter Respiration und zunehmender
Mattigkeit allmälig zum Tode führen (Koch). In letzterem
Falle sind die Thiere einer Infection erlegen, während in er-
sterem Falle eine Intoxication durch die in der putriden Substanz
enthaltenen löslichen Gifte statthatte. Diese Anschauung stützt
sich auf die Thatsache, dass das Blut der durch Intoxication
zu Grunde gegangenen Thiere bei Uebertragung auf andere
Thiere nie septische Erscheinungen hervorzurufen vermag,
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während das Blut der durch Infe ction getödteten Thiere von
Generation zu Generation erfolgreich weiter geimpft werden
kann, wobei immer derselbe Krankheitsprocess sich entwickelt.
Dem Vortragenden scheint es sehr wahrscheinlich, dass
auch bei der Rachendiphtherie die allgemeine Sepsis in zwei¬
facher Weise zu Stande komme. Bei den perniciösen rasch mit
dem Tode endenden septischen Formen findet vielleicht eine
directe Vergiftung statt, denn Krankheitsverlauf und Sections-
befund zeigen in solchen Fällen eine auffallende Ueberein-
stimmung mit den Erscheinungen bei der an den Versuchstieren
künstlich erzeugten putriden Intoxication. Dagegen besitzen jene
Fälle von septischer Diphtherie, bei denen die Allgemein¬
erkrankung sich nur allmälig entwickelt, eine grosse Aehnlichkeit
mit der septischen Infection, die bei Versuchstieren durch
Injection minimaler Mengen putrider Stoffe erzielt wird. Dass
es sich bei dieser Form von Allgemeinerkrankung um Ver¬
mehrung und Verbreitung specifischer Organismen im Körper
handle, wurde für die Septicaemie von Koch durch Versuche
bewiesen. Für die epidemische Diphtherie dürfte sich ein ähn¬
liches Verhalten herausstellen. Der Vortragende behält sich
vor, die Richtigkeit dieser Anschauung durch eine Reihe von Ver¬
suchen, über die er demnächst zu berichten verspricht, zu
beweisen.
Demnach ist für die Anwendung der localen Therapie bei
Diphtheritis zu erwägen: ob die Erkrankung eine derartige sei,
dass jene Form der Sepsis zu besorgen ist, welche als Into¬
xication bezeichnet wurde, oder ob es sich um die als
septische Infection charakterisirte Form handelt. Im ersteren
Falle muss durch Desinfection des Krankheitsherdes die Möglich¬
keit benommen werden, dass eine grössere, rasch tödtlich wirkende
Menge der löslichen giftigen Stoffe ins Blut aufgenommen werde.
In solchen Fällen wird man nie früh genug operiren können, und
es ist denkbar, dass bei richtig gewähltem Zeitpunkt der Erfolg
der Operation von einer einmaligen genauen Durchspülung des
erkrankten Terrains abhängt. Im letzteren Falle, bei der septi¬
schen Infection, sind die Chancen für das Gelingen wesentlich
andere. Von einer Reihe von Individuen, welche alle dieselbe
Menge von Infectionskeimen ins Blut aufgenommen haben,
erkrankt nur eine bestimmte Procentzahl, da bei den anderen
die Krankheitserreger entweder nicht haften, oder nach kurzer
Zeit, ohne grösseren Schaden angerichtet zu haben, wieder aus¬
geschieden werden. Bleibt nun der Infectionsherd bestehen, so
kann, entweder weil der Körper weniger widerstandsfähig
geworden ist, oder weil mit der absoluten Menge der während
des längeren Bestehens ins Blut aufgenommenen Keime auch
die Chancen für die Haftung zugenommen haben, doch im
Verlaufe der Krankheit noch eine Infection zustande kommen. Hier
ist es die Aufgabe der localen Therapie, durch energische
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39
Desinfection der erkrankten Gebiete und nötigenfalls durch
wiederholte Ausspülung die Production neuer Infectionskeime zu
verhindern und die vorhandenen unschädlich zu machen. Uebrigens
wird in derartigen Fällen der Erfolg wesentlich gefordert werden
durch eine gleichzeitig gegen die drohende Allgemeinkrankheit
einzuschlagende Allgemeintherapie. Allerdings können wir nicht
wissen, ob sich nicht anderswo im Körper, in den Lymphdrüsen
oder den inneren Organen secundäre Herde gebildet haben
(was nicht zu verhindern), von welchen aus nach vollständiger
Ausheilung des primären Krankheitsherdes eine Allgemeininfection
zustande kommt, und diese nicht selten vorkommenden Fälle
sind es, welche auch bei der zweiten Art der septischen
Blutvergiftung die möglichst frühzeitige Ausführung des
Verfahrens dringend indiciren.
Noch ist zu bemerken, dass die Yerschiedenartigkeit der
septischen Allgemeinerkrankung bei Diphtheritis auch abhängig
sein könnte von den Unterschieden in der Art der zu ver¬
schiedenen Zeiten des Processes aufgenommenen Stoffe. Wie
bei der Fäulniss verschiedene Stadien des Processes unterschieden
werden müssen, in denen den Fäulnissproducten ganz verschiedene
Wirkungen auf den Organismus zukommen (Samuel), ebenso
wäre es auch bei der Diphtheritis möglich, dass die septischen
Stoffe im Yerlaufe der Krankheit ihren Charakter ändern und
bei ihrer Resorption zu verschiedenen Formen der Infection
Yeranlassung geben. (Sohluss folgt.)
Aus dem Geschäftsrathe.
In der Sitzung am 17 December v. J., an der unter dem
Vorsitze des Yicepräsidenten M.-R. Dr. Preyss der zweite
Yicepräsident Dr. Lederer, Secretär Dr. Hopfgartner,
vierzehn Mitglieder des Geschäftsrathes und der für diesen
Abend noch besonders geladene Superintendent der Emmerich’-
schen Stiftung Dr. Haschek theilnahmen, wurden die Herren
DDr. Eduard Seidl und Franz Loew als ordentliche Mitglieder
in das Wr. med. Doct.-Coll. aufgenommen.
Hierauf machte der Herr Secretär folgende Mittheilungen:
a) Dr. Stössl ersuche um Rückerstattung der einst zu Gunsten
der Witwen- und Waisen-Societät des Collegiums von
ihm eingezahlten Rate der Facultätseintrittstaxe pro 71 fl., um
damit die seinerseits noch rückständigen Einzahlungen in das
Unterstützungs-Institut begleichen zu können. — Nach ein¬
gehender Berathung, in welcher constatirt wurde, dass von dem
genannten Betrage dem früheren Coli, nur 6 fl. 83 kr. zufielen,
über welche der Geschäftsrath allenfalls verfügen könnte, dass
aber, wenngleich in den Statuten keine diesbezügliche Bestim¬
mung enthalten ist, in das alte Coli, eingezahlte Raten niemals
zurückgegeben worden sind, wurde beschlossen, den Gesuch-
steiler abweislich zu bescheiden, b) Die nied.-österr. Statthalterei
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40
nimmt die Verleihung des Perlach’schen Stipendiums genehmi¬
gend zur Kenntniss und beantwortet in einer besonderen Note
die Anfrage, wie, nachdem die akademischen Nationen sich auf¬
gelöst haben, der Passus des Stiftsbriefes, nach welchem nur
Studierende nationis austriacae sich um dieses Stipendium be¬
werben können, auszulegen sei? dahin, dass eine specielle Ent¬
scheidung nicht nöthig erscheine, da es dem Geschäftsrathe
des Coli, immer freistehe, bei neuerlich vorkommender Ver¬
leihung ausschliesslich auf Studierende jener Länder, welche in
letzter Zeit zur natio austriaca der Universität zählten, Rück¬
sicht zu nehmen, c) Das hohe Ministerium für Cultus und Unter¬
richt verständigte mittelst Zuschrift des Präsidiums das Doct.-
Coll., dass von Seite des Herrn Ministers, gemäss Erkenntniss
des hohen Verwaltungsgerichtshofes ddto. 17. September 1879,
Z 4 1725, die Uebertragung des Verleihungs- und Verwaltungs¬
rechtes der Mosing’schen Stipendiumstiftung, sowie die zur
Ausfolgung des Stiftungsvermögens erforderlichen behördlichen
Massnahmen bereits angeordnet und eingeleitet seien, d) Das
hohe Ministerium des Aeussern spricht in einem anerkennenden
Schreiben seinen Dank aus für die Prüfung und ehrenvolle Be¬
urteilung des Berichtes über die Wirksamkeit des k k. Na¬
tionalspitals in Konstantinopel im Jahre 1878. (b c und d.
zur Kenntniss.)
Ueber einen Vorschlag des Vicepräsidenten Dr. Lederer,
dass der Geschäftsrath die Angelegenheit der Aerztekammern
baldigst dem Comitö für Standesinteressen zur Beratung und
Berichterstattung zuweisen wolle, wird aus formellen Gründen
vorläufig zur Tagesordnung übergegangen.
OSR. Dr. Schneller berichtet, dass er an massgebender
Stelle die Frage betreffs Verhinderung des Missbrauches heftig
wirkender Arzneistoffe angeregt habe, aber Bedenken begegnet
sei, da namentlich die Apotheker durch weitere Beschränkungen
im freien Handverkauf den Materialisten gegenüber sehr be¬
nachteiligt würden, ferner sei man der Ansicht, dass durch
die Giftordnung ohnedies vielfach gegen gefährlichen Missbrauch
vorgesehen sei, übrigens auch eine totale Revision der Apotheken¬
ordnung, sowie der Pharmacopoe nahe bevorstehe. Ueber diese
von ihm (Sch.) als Obmann schon im Comitö zur Förderung
der Standesinteressen gemachte Mitteilung habe dasselbe be¬
schlossen, die fragliche Angelegenheit stets im Auge zu be¬
halten, zugleich aber die Herren Collegen zu ersuchen, sie
möchten constatirte Facta von Missbrauch mit derlei Medica-
menten, die irgend welche böse Folgen hatten, zur Kenntniss
des Comite bringen, damit dasselbe eventuell Material zu
einer Eingabe an die hohe Regierung erlange. — Ferner be¬
richtet Dr. Schneller, dass die Mitglieder genannten Comitäs
trotz der passenden Gelegenheit, welche der Jahreswechsel
bieten würde, es nicht für nützlich erachten, jetzt einen
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41
weiteren Schritt zur Regelung der ärztlichen Honorarfrage
zu unternehmen.
Dr. Scholz referirt über die Bestimmungen der Emmerich«
sehen Ausstattungs Stiftung: Das eingehende Studium des Wort¬
lautes des Stiftbriefes vom 1. Juli 1560 und einer notariell be¬
glaubigten Abschrift der Uebernahms-Urkunde der Stadt Wien,
— aus welchen für das Urtheil des Referenten entscheidende
Stellen verlesen wurden — bestimmen ihn zu dem Ausspruch:
„Bewerberinnen ausserhalb der dienenden Classe können von
der Verleihung der Stiftung nicht ausgeschlossen werden.“ Da¬
gegen besteht der Herr Superintendent auf seiner schon früher
ausgesprochenen Ansicht (vide pag. 5), dass der nachträgliche
Stiftbrief vom 11. Februar 1764, welcher ausdrücklich von
Dienstmägden und nur von diesen spricht, sowie die Um¬
stände, dass der Stifter selbst zuerst 5 Dienstmägde als zur
Betheilung geeignet namhaft machte, dass ferner durch den
mehr denn ein Jahrhundert geübten Usus, die Stiftung nur
Dienstboten zu verleihen und die vom Stifter selbst in seinem
letzten Willen an die Executoren gerichtete Ermahnung, darauf
zu achten, dass der Stiftungsbetrag von den Dienstherren nicht
als Lohnzahlung benützt werde, entscheidend sei und schlägt
daher nochmals vor, der Magd J. S. die Stiftung zu verleihen.
Dr. Schneller legte mehrere Druckschriften der Universität
aus den ersten Jahrzehnten dieses Jahrhunderts vor, aus welchen,
sowie aus dem alten Actus Decanatus hervorgeht, dass es un¬
abänderlich Usus war, die Stiftung ausschliesslich an Dienstboten
zu verleihen, dass sich sogar der Gebrauch einbürgerte, dieselbe
nur an Mägde zu vergeben, die bei einem Facultätsmitgliede
gedient haben. Andererseits macht Dr. Schneller noch aufmerksam,
dass Fräulein R. gar nicht berücksichtigt werden könne, da sie
ihr Gesuch ohne alle vorgeschriebenen Belege eingebracht,
während J. S. alle Bedingungen ihrer Bewerbung auch nach
dem Wortlaute des Ausschreibe-Edictes der n. ö. Statthalterei
erfüllt habe. Dieser Ansicht schliesst sich auch die YerSamm¬
lung an und beschliesst, dass a) conform dem Referate des
Dr. Scholz die Stiftung an alle armen, sittlichen Jungfrauen,
die sich verehelichen wollen (nicht ausschliesslich Dienstboten),
verliehen werden könne, und b) conform dem Vorschläge des
Superintendenten, dass für dieses Mal die Stiftung der Magd J. S.
verliehen werde.
Dr. Hopfgartner verliest eine Urkunde, welche der
„Verein der Aerzte der westlichen Bezirke Wiens“ über die
dem Doct.-Coll. zur Verwaltung übergebenen 8000 fl. Noten¬
rente für die Hinterbliebenen Dr. Mühlhauser’s dem Ge-
schäftsrathe überreichte und welche die Bedingungen feststellt,
unter denen eine theilweise oder gänzliche Auszahlung dieses
Betrages an die Kinder, resp. der Bezug der Interessen des
Capitals von der Witwe M’s. geregelt werden. — Um die Prü-
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42
fung des juridischen Wertlies dieser Urkunde wird Herr Landes¬
gerichtsrath Dr. Anthofer ersucht, und verspricht dessen Sohn,
Mitglied des Geschäftsraths, in nächster Sitzung über die Wohl¬
meinung seines Herrn Vaters Bericht zu erstatten.
Dr. Scholz verliest den Entwurf der Antwort, welche
das Comite zur Förderung der Standesinteressen auf die Eingabe
des Pharmaceuten-Vereins y Progresso u in Graz beschloss, der
auch vom Geschäftsrath einstimmig angenommen wurde.
Aus dem Unterstützungs-Institute.
In der Ausschuss-Sitzung am 27. Jänner d. J., an welcher
unter dem Vorsitze des Vicepräsidenten Dr. Lederer die Mit¬
glieder des Ausschusses beinahe vollzählig anwesend waren,
hielt der Vorsitzende dem jüngst verstorbenen Mitgliede, Herrn
Dr. Carl Kirschnek, einen warmen Nachruf und betont, dass
der Verstorbene nach Niederlegung aller anderen Ehrenstellen
die Stelle eines Ausschusses im Unterstützungs-Institute aus be¬
sonderer Vorliebe beibehalten habe. Die Hinterbliebenen des¬
selben haben in Folge einer mündlichen Anordnung des Ver¬
blichenen einen Gründerbeitrag von 300 fl. gespendet und
soll überdies von eben demselben diesem Institute noch ein nicht
unbedeutendes Legat zufallen. Ueber Aufforderung des Vor¬
sitzenden erheben sich alle Anwesenden von ihren Sitzen, um
das Andenken des von Allen hochgeschätzten Collegen zu ehren.
Das Ausschussmitglied Herr Dr. Carl Wollner zeigt an,
dass die Angehörigen des wegen chronischen Gehirnleidens
geistesschwach gewordenen Doctors D. die Annahme der dem¬
selben über Ansuchen eines Verwandten in der letzten Sitzung
zuerkannten Unterstützung per 300 fl. abgelehnt haben, nachdem
durch den mittlerweile aufgestellten Curator nachgewiesen worden,
dass der Kranke aus den Einkünften seines Vermögens anständig
leben könne. Es wird beschlossen, dem Herrn Curator für diese
Rücksichtnahme auf die Interessen des Institutes den Dank des
Ausschusses schriftlich auszusprechen.
An Unterstützungen wurden bewilligt: dem wegen schon seit
längerer Zeit verminderter Sehkraft in seinem Erwerbe beein¬
trächtigten Dr. F. 75 fl.; dem seit drei Monaten an einer schweren
Krankheit darniederliegenden Herrn Dr. H., dessen Krankheit
auch von zwei hochgeachteten Professoren bestätigt wurde,
300 fl. und dem an chronischer Gicht leidenden Dr. Sch—d—
200 fl., zusammen 575 fl.
Ueber ein Unterstützungsgesuch des erkrankten Dr. M.
entspann sich eine längere Debatte. Petent war schon längst
vorher Mitglied des Institutes, wurde aber wegen Nichtzahlen
der Jahresbeiträge vor 6 Jahren der Mitgliedschaft verlustig
erklärt, jedoch nach Erfüllung der statutenmässig für ausge¬
tretene Mitglieder festgesetzten Bedingungen am 13. Juni 1879
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43
wieder aufgenommen. Es handelte sich nun darum zu bestimmen,
ob der Unterstützungsanspruch nach § 13 oder nach § 5 der
Statuten zu gelten habe?
Nachdem die DDr. O.-S.-R. Schneller und Hopf-
gartner in überzeugender Weise nachgewiesen haben, dass
der Unterstützungs - Anspruch eines wieder aufgenommenen
Mitgliedes laut § 5 nicht vor Ablauf eines vollen Jahres
beginnen könne, wurde beschlossen, das Ansuchen des Dr. AI.
für dieses Mal abzuweisen und denselben dahin aufzuklären,
dass er auf Orund der Statuten erst yom 13. Juni 1880 ab
bezugsberechtigt sei.
Schliesslich wurde noch HerrDr.HoratiusPuppini, nachdem
er alle statutenmässig vorgeschriebenen Bedingungen erfüllt hatte,
einstimmig als Mitglied des Unterstützungs-Institutes aufgenommen.
N ° t i z e n.
Literarische Anzeige. Die Ende December v. J. zur Ausgabe gelangten
Hefte 8 bis 10 der Real-Enoyklopädie der gesammten Heilkunde,
medioinisoh - chirurgisches Handwörterbuch für praktische Aerzte, herausge¬
geben von Dr. Albert Eul en bürg, o. Professor an der Universität Greifswald,
enthalten ausser zahlreichen kleineren Artikeln, Worterklärungen, Hinweisen
u. s. w. u. A. die folgenden von den dabei genannten Autoren verfassten
grösseren Artikel: Arsen (Lewin), Arterienpuls der Netzhaut (Schirmer), Arterio-
tomie (Wolzendorff), Arthritis und Arthrooaoe (Busch), Asa foetida (Yogi),
Ascaris (Sommer), Ascites (Eiohhorst), Aspermatismus (Ultzmann), Asphyxie
(Landois), Aspiration (Mosler), Asthenie (Samuel), Asthenopie (Schmid-Rimpler),
Astigmatismus (Sohmidt-Bimpler), Ataxie (Pick), Athetose (Berger), Atonie
(Samuel), Atrophie (Samuel), Atropin, Auffütterung (Ehrenhaus), Augenkrank¬
beiten (Herrn. Chon), Augenmuskelkrämpfe (Hock), Augenmuskellähmungen
(Hock), Augensoheinbefund (Blumenstock), Augen Verletzungen (Hook), Auran-
tium (Yogi), Auskultation (Guttmann), Aussee (Kisch), Automatic (Arndt),
Autoplastie (Albert), Ax (Reumont), Azoospermie (Ultzmann), Azoturie (Ultz¬
mann), Baoilli (Bernatzik), Bacillus (Klebs), Bakterien (Klebs), Bad (Kisch),
Baden im Aargau (Lersch), Baden-Baden (Kisch), Bagnöres de Bigorre (Lersch),
Bagnöres-de-Luohon (Reumont), Bains (Lersch), Balanitis (Grünfeld), Balanti-
dium (Sommer), Ballaruc (Lersch), Baiston (Lersch). Mit dem 10 Hefte ist,
genau dem Programme gemäss, der erste Band dieses Fundamentalwerkes zum
Abschlüsse gekommen. Die zu den Bänden der Real -Encyklopädie von der
Verlagshandlung gelieferten Einbanddecken (Lederrücken und Leinwanddeoken)
zeichnen sich ebenso duroh feine und stylvolle Ausführung des Gold- und
Blinddruckes, wie auch durch solide Arbeit und billigen Preis aus.
Ovation für Director Jos. Hoffmann. Am 29. Jänner 1. J. veranstalteten
die Abtheilungsvorstände des allgemeinen Krankenhauses, Primarien und Pro¬
fessoren, ihrem Director Josef Hoffmann eine Ovation durch Aufstellung seines
yon Gustav Gaul gemalten und für den Sitzungssaal bestimmten Oelbildes.
Die Uebergabe des Bildes erfolgte nur in einem engeren Kreise von Abthei-
lungs-Yorständen in den Kanzlei-Looalitäten, da Director Hoffmann in seiner
Bescheidenheit es abgelehnt hatte, zu einer feierlichen Enthüllung im grossen
Sitzungssaale seine Zustimmung zu geben.
Jahresausweis der Landes - Findelanstalt. Die Direction der nieder-
österreiohischen Landes - Gebär- und Findelanstalt hat soeben die Jahresaus¬
weise über die Verwendung des Unterstützungsfonds für verlassene Wöchne¬
rinnen veröffentlicht. Wir entnehmen dem Ausweise, dass mit Schluss des
Jahres 1878 von Seite der Anstalt 21,596 Kinder versorgt wurden, welche
Zahl sich Ende 1879 bereits auf 24,295 Kinder gesteigert hatte. Yon den
letzteren befinden sioh gegenwärtig 228 Säuglinge im Findelhause selbst,
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8 Kinder im Familienhause in Zillingdorf, 12 im Kinder-Asyl in Kahlenber¬
gerdorf. 1089 bei ihren Müttern, 1208 bei Blutsverwandten, 11,459 bei Land¬
parteien in Niederösterreich und 10,291 Kinder in den übrigen Kronländern.
Die Gesammtauslagen für die Findelanstalt betrugen im Jahre 1878 die Summe
von 1.315,673 fl. In der Gebäranstalt wurden 1878 9685 Wöchnerinnen verpflegt,
welche Gesammtauslagen in der Höhe von 149,532 fl. erforderten. Um über
die Pflege der Kinder ein begründetes Bild zu entwerfen, wurden sämmtliche
gegen die Pflegemütter einlaufenden Klagen registrirt. Im Jahre 1878 wurden
im Ganzen 139 schriftliche Klagen überreicht, wovon sich nur 19 als begründet
erwiesen. 1879 wurden 135 Klagen eingereicht, und ergab die eingeleitete
Amtshandlung nur in 20 Fällen ein positives' Resultat. Von den im Jahre
1879 in die Anstalt aufgenommenen 9652 Kindern *yraren 3457 nach Nieder-
österreioh, 818 speciell nach Wien, 162 nach dem Auslande und die übrigen
nach den anderen Kronländern Cisleithaniens zuständig. Gestorben sind im
vergangenen Jahre 3117 Findlinge gegen 4576 im Vorjahre. Die Sterblichkeit
hat sich somit von 19*2 Percent auf 17 Percent vermindert. Der grösste Theil
der Kinder starb im ersten Lebensjahre, und zwar 45 Percent von sämmt-
liohen Verstorbenen; doch ist auch dieses Verhältnis wieder ein günstigeres,
indem sich das Sterbliohkeitspercent seit dem Jahre 1866 von 76 auf 45
ermässigt hat.
Der Aerztliche Verein des III. Bezirkes in Wien, welcher dem öster¬
reichischen Aerztevereins - Verbände angehört, hat in seiner am 31. v. M.
abgehaltenen zahlreich besuchten Plenarversammlung ein ebenso umfassendes
als gediegenes Referat des Herrn Dr. Löffler über Aerztekammem, das wir
als Memorandum, in der dieser Nummer angeschlossenen besonderen Beilage
wörtlich mittheilen, entgegengenommen. Nach demselben wurde einstimmig
beschlossen, gegen die Petition des Geschäftsausschusses des österreichischen
AerzteVereins-Verbandes um Aerztekammern zu protestiren, und beim hohen
Abgeordnetenhause eine Petition im Sinne des Wiener med. Doct.-Coll. ein¬
zubringen.
Zum Mitglieder-Verzeichnis«. Dr. Moriz Kaczander, der längere Zeit
von Wien abwesend und dessen Domicil unbekannt war, daher in dem Ver¬
zeichnisse nicht angegeben werden konnte, ist wieder zurüokgekehrt und
wohnt I., Postgasse Nr. 18.
Der Herr Präsident Dr . von Schmerling ist am 9. d. M als Leibarzt
Sr. hais. Hoheit des Herrn Erzherzogs Albrecht mit hochdemselben zu mehr¬
wöchentlichem Aufenthalt nach Arco gereist Während der Abwesenheit des
Herrn Präsidenten hat Vicepräsident Dr. Preyss die Präsidialgeschäfte über¬
nommen.
Einladung
zu der am Montag den 16. Februar Abends 7 Uhr, im Sitzungs¬
saale des akademischen Senates (vormals C o n s i s t o r i a 1 s a a 1),
I. Sonnenfelsgasse 23, stattfindenden
wissenschaftlichen Yersammlun g.
Programm:
1. Vorstellung von Kranken.*)
2. Fortsetzung des in der letzten Versammlung (am 26. v. M.) begonnenen
Vortrags: Ueber fungöse Gelenkentzündung und ihre Beziehung zur
käsigen Infiltration der Knoohen, von Hrn. Primararzt u. Dooenten Dr.
J. Englisch.'
3. Ueber Verdauungs-Chemismus. Vortrag des Herrn Dr. August Meyer
jun., erstem Seoundararzt im Wiedener Krankenhause.
Dp. Preyss, Vice-Präsident. Dp. Hopfgartner, Secretär.
*) Die P. T. Herren Collegen werden ersucht, interessante Krankheitsfälle vorzustellen.
Hiezu als Beilage: „Memorandum des Aerztlichen Vereines im
III. Bezirke, betreffend Aerztekammern. _
Herausgeber und Verleger: Wiener medicin. Doct -Coll — Verantwortlicher Redacteur.
Dr. £i. Hopfgartner. — Geaellaohafta-Buchdruckerei, Wien, Hl. Erdbergeratraaae 8.
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EINLADUNG
cu der
Samatag den 20. März 1880, Abends 7 IJhr,
Sitzungssaals des Wr. meü. Doctcoll., I., RotMnristrasse 23
stattfindenden
III. ordentlichen Generalversammlung
des Pensions-Institutes des Wr. med. Doct.-Coll.
PROGRAMM:
1. Rechenschaftsbericht des Präsidenten im Namen des Verwaltunga-
aussohusses über die Thätigkeit des Pensions-Institutes im Jahre 1879.
2. Bericht des Cassiers über die Vermögens-Gebarung im Jahre 1879
und Beschlussfassung über den Antrag der Revisoren auf Ertheilung des
Absolutoriums.
3. Wahlen: a) des Präsideuten, des Präsidenten-StellVertreters und des
Cassiers; b) von fünf Mitgliedern des Verwaltungs-Ausschusses; c) von fünf
Ersatzmännern; d) von drei Revisoren.
Als Mitglieder des Verwaltungsausschusses fungiren:
Dr. Hans Adler, Präsident. Dr. Johann Polacsek.
Dr. Josef Heim, Präsident- Prof. Josef Weinleohner.
Stellvertreter. Dr. Anton Khautz von Eulenthal.
Dr. Leopold Hopfgartner, Cassier. Dr. Augustin Turkiewioz.
Dr. Carl Niooladoni. Dr. Balthasar Unterholzner.
Dr. Heinrich Popper Dr. Emanuel Kramer.
Dr. Carl Jarisoh. Dr. Josef Scholz.
Dr. Ferdinand Much. Dr. Josef Englisch.
Als Ersatzmänner fungiren:
Dr. Max Bardaoh, Dr. Peter Langer, Dr. Ferdinand Nödl, Dr. Emil Perijitza,
Dr. Ludwig Fürth.
Als Revisoren fungiren:
Dr. Eduard Doll, Dr Rupert Koller, Dr. Paul Mittler.
Die mit gesperrter Schrift gedruckten Ausschussmitglieder haben nach g 46 der Statuten
auszutreten, sind aber wieder wählbar.
Dr. Popper, Dr. Hans Adler, Dr. Leop. Hopfgartner,
d. Z. Schriftführer. d. Z. Präsident. d. Z. Cassier.
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46
In der wissenschaftlichen Versammlung am 16. Februar
setzte Primararzt Dr. Englisch seinen schon am 26. Jänner be¬
gonnenen Yortrag über die Beziehungen des Tumor albus zur
Tuberculose fort und brachte ihn auch zum Schluss. In klarer
vollendeter Weise erörterte der Vortragende die Pathologie,
Symptomatologie und Therapie, welche er überdies an höchst
instructiven Präparaten demonstrirte; er hob die Wichtigkeit
und Bedeutung dieser neueren Erkenntnisse in Beziehung auf
Prognose und Prophylaxis hervor, und endete den ganzen Abend
ausfüllenden schönen Vortrag unter lebhaftem Beifall. Wir werden
in einer der nächsten Nummern eingehend darüber referiren, um
den bereits begonnenen Bericht über den Vortrag des Herrn
Prof. Dr. Frisch in folgendem ohne weitere Unterbrechung
beenden zu können.
Ueber Tamponade der Trachea bei Diphtheritis.
(Schluss von Nr. 4.)
Demnach ist die Anwendung der localen Therapie bei
Diphtheritis in der angegebenen Weise angezeigt:
1. Unbedingt bei der als septische Form bezeichneten
Diphtheritis. — Die Operation muss möglichst früh vorgenommen
werden und darf nicht von dem Auftreten stenotischer Er¬
scheinungen von Seite des Larynx abhängig gemacht werden.
Schon bei den ersten Symptomen beginnender septischer Infection
soll man zur Operation schreiten, denn mit Rücksicht auf die
schwere Erkrankung erscheinen die Gefahren, welche die
Tracheotomie mit sich bringt, verschwindend klein.
2. Als rationell bei der croupösen Form der Rachen*
diphtherie, wenn gleichzeitig die Nasenhöhle erkrankt ist. —
In diesen Fällen indiciren die localen Verhältnisse die Operation.
Der Verschluss der Trachea und des Oesophagus ermöglicht
eine gründliche locale Behandlung, welche ohne denselben un¬
ausführbar ist.
8. Als vortheilhaft und der einfachen Tracheotomie
vorzuziehen bei jeder diphtheritischen Erkrankung des Kehl¬
kopfes, wenn die Laryngostenose einen operativen Eingriff er¬
heischt, da nach Behebung des Athmungshindernisses eine des-
inficirende Behandlung des erkrankten Gebietes eingeleitet werden
kann, durch welche Nachschübe in der Exsudation verhindert,
der Krankheitsverlauf abgekürzt, eine raschere Ausheilung der
erkrankten Partien erzielt und eine frühzeitige Entfernung der
Canüle ermöglicht werden. Endlich wird dadurch auch die Ge¬
fahr einer diphtheritischen Infection der Trachealwunde und die
Entstehung fortschreitender diphtheritischer Phlegmonen, wenn
nicht beseitigt, doch wesentlich beschränkt (Win iw arte r).
Aber auch abgesehen von der localen Desinfection em¬
pfiehlt der Vortragende die Einlegung einer Tampon- statt einer
gewöhnlichen Trachealcanüle, um das Hinabfliessen des diph-
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47
thermischen Secrets in die Bronchien zu verhindern und bei
Gaumenlähmungen zur Vermeidung der nach Tracheotomie bei
Diphtheritis zuweilen folgenden Schluckpneumonie.
Wenn eine genügende Zahl erforderlicher Canülen vor¬
bereitet ist, und das Wartepersonale mit der Methode einiger-
massen vertraut ist, so steht einer ausgedehnten Ausübung der¬
selben nichts im Wege.
Nachtheilige Folgen der localen Auswaschung dürften
ausser jenen, die durch ein mangelhaftes Funotioniren des ver-
schliessenden Apparates herbeigeführt, aber leicht vermieden
werden können, nur noch durch die Druckwirkung des Tracheal-
tampons auf die Schleimhaut der Luftröhre zu besorgen sein.
Wenn der Verschluss der Trachea nur auf kurze Zeit erforder¬
lich ist, so ist von einer nachtheiligen Einwirkung nichts zu
bemerken. Von den Fällen, in welchen die Trendelenburg’sche
Canüle angewendet wurde, findet sich nur bei wenigen ein
leichter Katarrh der Trachea verzeichnet, in der Mehrzahl
wurde sie ohne Nachtbeil vertragen. In einem Falle blieb sie,
ohne Beschwerden zu verursachen, 24 Stunden liegen. Bei
einem etwa durch mehrere Tage forterhaltenen wasserdichten
Abschluss der Trachea müssten gegen eventuelle Druckerschei¬
nungen Vorkehrungen getroffen werden. Trendelenburg
schlägt für solche Fälle vor, den Tampon alle 24 Stunden seinen
Ort wechseln zu lassen; hiezu sollen zwei Tamponcanülen, die
eine nach oben, die andere nach unten, durch die etwas grösser
als gewöhnlich angelegte Trachealwunde eingeführt werden, die
man abwechselnd functioniren lässt. Die Canülen brauchen
mit keinem Schilde versehen zu sein, da sie durch den Tampon
in der Trachea festgehalten werden, auch könnten sie durch
seitliche Abbiegung ihrer horizontalen Theile so an einander
vorbeigeführt werden, dass es keines besonders grossen Tracheal-
schnittes bedarf. Trotz dieser beiden Vorrichtungen, durch die
der Apparat möglichst compendiös gestaltet werden soll, hält
der Vortragende diese Form bei Kindern, wegen der beschränk¬
ten räumlichen Verhältnisse, doch nicht für anwendbar.
Zur Vermeidung der üblen Folgen eines continuirlichen
Druckes würde Professor F. bei erforderlicher wiederholter
Auswaschung des kranken Gebietes den Tampon immer nur
während der Durchspülung aufblasen, ihn aber in der Zwischen¬
zeit immer wieder entleeren. Bei einem durch mehrere Tage
nothwendigen constanten Verschluss würde er die Canüle alle
24 Stunden entfernen und durch eine andere, bald längere,
bald kürzere, ersetzen, damit der Tampon in seiner ganzen
Ausdehnung auf eine andere Schleimhautstelle zu liegen kommt.
Der Vortragende meint, dass Trendelenburg’s Idee am
besten dadurch realisirt werden könnte, dass man die beiden
in verschiedenen Richtungen eiuzuführenden Canülen so mit¬
einander verbindet, wie Gussenbauer bei dem von ihm
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48
beschriebenen künstlichen Kehlkopf den tongebenden Apparat
mit der Traohealoanüle verbindet. Die nach oben liegende
Canüle könnte zugleich bequem zur Durchspülung des Kehl¬
kopfes von unten verwendet werden, ein Verfahren, das nach
F.’s Ansicht wegen der Möglichkeit des reflectorischen Ver¬
schlusses der Glottis der Berieselung von oben vorzuziehen ist.
Für Fälle, bei deren Behandlung die einfache Tampon
canüle ausreicht, dürften einige Abänderungen, die der Vortra¬
gende an derselben anbringen liess, von praktischem Werth
sein. Das Einführen der ursprünglichen Trendelenbur g’schen
Tamponcanüle, die aus einem gekrümmten Anfhngsstücke und
einem sich nach abwärts anschliessenden geraden Stücke, welch
letzteres vom Tampon umgeben ist, besteht, wird durch das
gerade Stück erschwert. Deshalb gibt F. der Canüle eine kreis¬
förmige Krümmung, wobei der abschliessende Kautschuktampon
eben so sicher functionirt, als wenn er um eine gerade Canüle
liegt. Dadurch wird es möglich, die Tamponcanäle mit einer
zweiten inneren zu versehen, wodurch das Reinigen derselben
erleichtert und die Verstopfung durch eingetrocknetes schleimi¬
ges Secret vermieden wird. Das nach aussen mündende Metall¬
röhrchen, welches zom Aufblasen des Tampons verwendet wird,
soll wenigstens einen Zoll lang und unter einem rechten Winkel
seitwärts abgebogen sein. Dies erleichtert die Manipulationen
mit dem Füllen und Entleeren des Tampons und das Athmen
bleibt ungefährdet, weil man seitlich von der Canüle hantiren
kann. Endlich ist es unbedingt nothwendig, dass die Platte der
Canüle in dem über der Canülenmündung liegenden Theile einen
möglichst tief nach abwärts, am besten bis an das Rohr selbst
reichenden Einschnitt hat. Dadurch wird es möglich die Aus¬
waschung des Kehlkopfes nach Einführung eines elastischen
Catheters von der Wunde aus vorzunehmen.
Von den zur Auswaschung der diphtheritisch erkrankten
Gebiete angewendeten Präparaten hält F. die von Prof. E. L u d w i g
empfohlenen: Neurin, Tetramethylammoniumhydroxyd und Tetra-
aethylammoniumhydroxyd für die besten. Sie wurden im Kronprinz
Rudolf Kinderspitale zur Bepinselung im Rachen und zu Aus¬
spülungen der Nasenhöhle wiederholt mit günstigem Erfolge an¬
gewendet. Zu den Vorzügen dieser Mittel gehören: ihre alkalische
Reaction, ihre Eigenschaft Fibrin zu lösen, und ihre grosse anti-
septische Wirkung, ferner, dass sie ohne Nachtheil vom Magen
aufgenommen werden können.
Nach Mittheilungen des Herrn Dr. Mauthner, Assistent
am Institut für angewandte medicinische Chemie ist ein Procent¬
gehalt von 1,2 an Tetramethylammoniumhydroxyd und von 1,92
an Tetraaethylammoniumhydroxyd hinreichend um in fäulniss-
fähigen Substanzen die Zersetzung Monate lang fernzuhalten.
Aus Mauthner’s Experimenten, sowie aus einigen vom Vor¬
tragenden selbst angestellten Versuchen wird nachgewiesen, dass
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warmen Thee mit Rum etc.) die lange Dauer der niederen Tem¬
peratur bei einem verhältnissmässig gutem Kräftezustande, der durch
reichliche Nahrungszufuhr ziemlich lange erhalten werden konnte.
Yon günstigem Einflüsse vielleicht konnte der Umstand sein, dass
man dem Kinde bei dem vorläufig noch geringen Krankenstände
des Spitals die bestmögliche Pflege angedeihen lassen konnte.
Ferner dürfte es von einigem Interesse sein zu bemerken, dass
das Masernexanthem, obwohl man es mit einem herabgekommenen,
blutarmen Kinde zu thun hatte, doch so intensiv, rasch und florid auftrat,
wie man es selten bei gut genährten, sonst gesunden Kindern antrifft.
Vom 24. Jänner an gänzlicher Verfall der Kräfte, Dahinliegen,
Verlangsamen des Pulses, Collapserscheinungen.
Am 28. Früh erfolgte der Tod.
Sectlonsbefund. Körper abgemagert, blass ; am Schädel mehrere
kreuzergrosse, eingetrocknete, grünlich-gelbliche, missfarbige Stellen,
welche die Galea nicht durchbrechen.
Kopfhaut spärlich mit blonden Haaren besetzt. Pupillen mässig
und gl eich weit. Mund und Nasenschleimhaut blass. Hals schmal und
dünn, Brustkorb keilförmig zugespitzt, Bauch eingezogen. Untere
Extremitäten und Rücken mit grünlich violetten Todten-
flecken besetzt. Am Hüftgelenke einige über wallnussgrosse Haut-
abscesse. Schädeldach porös, dünnwandig, die harte Hirnhaut innig
mit dem Schädeldach verwachsen. Innere Hirnhäute zart, sehr mässig
injicirt. Gehirn mässig mit Blut versehen, ödematös. In den etwas
erweiterten Kammern etwa 20 Gramm röthlichen Serums.
Schilddrüse blass, Kehlkopf and Luftröhrenschleimhaut mit
zähem, blassen Schleim bedeckt, Drüsen im vordem Mediastinum ver -
grössert, käsig.
Die rechte Lunge frei, mässig aufgedunsen, Oberlappen blasB,
Unterlappen blutreicher, etwas luftleerer; linke Lunge mit der Brust¬
wandung durch straffes Zellgewebe verwachsen; Mittellappen luftleer,
grauroth hepatisirt und von einer etwa wallnussgrossen mit gelb¬
käsigem Inhalte erfüllten Bronchialcaveme durchsetzt. Zwischen dem
verwachsenen mittleren und unteren Lappen mehrere wallnussgrosse,
gelbkäsige Drüsen eingelagert.
Herzbeutel einige Tropfen röthlichen missfarbigen Serums ;
Herz schlaff, blass, in den Höhlen locker geronnes, flüssiges Blut.
Die Leber dunkelbraunroth, derb, auf dem Durchschnitt etwas
speckig glänzend. Die Mesenterialdrüsen um den ductus choledochus
und cysticus herum vergrössert, von welchen eine etwa haselnuss¬
grosse den duct. cyst. von seiner Abgangsstelle bis etwa 2 Cm. vor
der etwas erweiterten Gallenblase bis zur Undurchgänglichkeit
comprimirt. Die Mesenterialdrüsen vergrössert bis zur Wallnussgrösse,
auf dem Durchschnitte theils graugelblich, theils gelbkäsig. Einzelne
stark pigmentirt. Ductus choledochus und hepaticus vollständig durch¬
gängig. Gallenblase etwas vergrössert, ihr Peritoneal-Ueberzug blass,
ihre Wände etwas verdickt und dieselbe erfüllt von einer blass¬
gelblichen, zähen, schleimigen Flüssigkeit.
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Magen massig ausgedehnt, Schleimhaut blass, mit zähem Schleim
bedeckt. Das Peritoneum blass, die Gedärme, besonders der Dickdarm
contrahirt, etwas stärker injicirt an einigen kleinen, röthlich durch¬
scheinenden Stellen im Ileum, welche quer im Darm gestellten, von
zahlreichen, stecknadelkopf grossen, gelbkäsigen Knoten durchsetzten und
an den Eändern gezackten und unterminirten Geschwüren entsprechen.
Beide Nieren mässig derb, Kapsel leicht abziehbar, speckig glänzend,
mässig injicirt. In der Harnblase einige Tropfen klaren Harns.
EpicriSO. Aus dem Sectionsbefunde ist nur das Verhalten des
ductus cysticns von besonderem Interesse. Derselbe war zu einem
derben, bindegewebigen, vollständig undurchgängigen Strange de-
generirt. Selbst auf einem mit dem Basirmesser gemachten Durch¬
schnitte konnte ein Lumen nicht mehr nachgewiesen werden. Die
Compression erfolgte, wie erwähnt, durch ein etwa haselnuss grosses,
augenscheinlich aus mehreren kleinen Drüsen zusammengesetztes
Drüsenconglomerat, welches im Durchschnitte jene Veränderungen
aufwies, wie man sie an hyperplasirten, verkäsenden Drüsen mit
Pigmentablagerung beobachtet. Die Verödung des duct. cyst. konnte
nach dem Befunde des Gallenblaseninhaltes keineswegs sehr lange
gedauert haben, da die Flüssigkeit in der Blase noch immer Gallen¬
farbstoffe enthielt Dieser Zustand ist gewiss ein seltener im Kindes¬
alter, da die Umstände, welche beim Erwachsenen Verschluss der
Gallenwege durch abnorme Biegungen und Knickungen derselben,
durch Narbenbildung, krebsige Degeneration und schliesslich durch
Gallensteine veranlassen (Bokitansky), bei Kindern in so jugendlichem
Alter kaum beobachtet worden sind.
Desgleichen erwähnt auch Virchow in seinen Vorlesungen über
Geschwülste (I. Band, pag. 255) nur der Gallensteine, die sich ge¬
legentlich in dem duct. cyst. festsetzen, und narbiger Schrumpfungen
an den Mündungen der Blase.
Da der Abfluss der Galle durch den duct. cholcdochus und
hepaticus vollständig ungehindert stattfinden konnte, so dürfte diess
wohl die Erklärung hiefür abgeben, dass man während des Lebens
keine icte rischen Erscheinungen wahr nehmen konnte, und wohl auch
hiefür, dass die ductus biliferi im Leben nicht erweitert waren.
Die geringe Vergrösserung dagegen, sowie die geringe amyloids»
Degeneration derselben war keineswegs mit dieser Verengerung des
duct cyst.^im Zusammenhänge, sondern erklärt sich ungezwungen aus
den Veränderungen der Lunge, des Darmes und der Mesenterialdrüsen.
Notizen.
Aus der n.-ö. Landes-Findelan statt lieferte Herr Direotor Dr. Fridinger
als Beilage in der ofiioiellen „Wiener Zeitung“ ein mit vielem Fleisse und
grosser Genauigkeit zusammengestelltes Tableau über die seit dem Gründungs¬
jahre dieser Anstalt 1784 bis zum Jahre 1879 vorgekommenen Fluotuationen
im Zuwaohs und Abgang der Findlinge. Es wurden, wie daraus zu ersehen, im Laufe
dieser 96 Jahre im Ganzen 472.735 Kinder in die Anstalt aufgenommen, von denen
am Sohlusse des Jahres 1879 nooh 24295 am Leben waren, die Aufzeichnungen
in den Büchern der Anstalt sind nicht schon vom Beginne nach demselben
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Plane gemacht, wie in späteren Jahren, in denen sie immer detaillirter wurden,
und so ist es schwer, ja unmöglich, Durohsohnittsziffem für die ganze Periode
zu finden. So wird die Rubrik Abgang schon von vomehinein abgetheilt in
den duroh den Tod und den durch Entlassung. Erst yom Jahre 1828 an zer¬
fällt erstere wieder in die im Hause und die ausser dem Hause Verstorbenen
und bezieht sioh erstere gewiss nur auf Kinder von wenigen Monaten; wie
viele aber von den ausser dem Hause gestorbenen Kindern noch das erste
Lebensjahr nioht erreichten, ist nioht herauszufinden. — Bis zum Jahre 1866
wurde das Percentverhältniss aller Verstorbenen ohne Rüoksicht auf das erste
Lebensjahr zusammengenommen, und so finden wir bis zum Jahre 1866 Ver¬
hältnisse, deren Richtigkeit bezweifelt werden muss, denn es ist unbegreiflich,
dass von 100 im Jahre Verpflegten das Sterbliohkeitspercent, welches bis zum
Jahre 1817 stets zwischen 50 und 70, ja selbst bis 74 schwankte, von da an
oonstant und rapid abnimmt, so dass es naoh 12 Jahren von 48 progressiv bis
auf 13 gesunken, was nur daduroh zu erklären ist, dass in den ersten zwei
Decennien dieses Jahrhunderts alle verstorbenen Findlinge ohne Ausnahme
zusammengezählt wurden, dann aber die im ersten Lebensjahre Verschiedenen ganz
unberüoksiohtigt blieben. Denn seit dem Jahre 1866, von weloher Zeit an die
im ersten Lebensjahre Verstorbenen ausgeschieden werden, deren Zahl allein
von 76*4, allmälig und oonstant abnehmend, bis auf 45% gesunken, ist auch
das allgemeine Sterbliohkeitspercent ohne Hin- und Herschwanken suooessiv von
32 auf 17 herabgegangen und darin liegt die Bestätigung, dass die Sterblich¬
keit der Findlinge nicht nur im Allgemeinen, sondern auch bei den nur nach
Monaten zählenden Kindern wirklioh abgenommen hat, woraus man auf Verbes¬
serung aller sanitären Verhältnisse der Anstalt zurückzuschliessen berechtigt ist.
Hofrath Prof. K. Sigmund Ritter v. llanor soll dem Vernehmen naoh
am 12. d. M. auf Grund der gesetzlichen Bestimmungen für das Professoren¬
alter (70 Jahre) um seine Pensionirung eingekommen sein.
Sterbefall. Wieder hat das Collegium den Verlust eines seiner ältesten
Mitglieder zu betrauern, das der Tod aus seiner Mitte entrissen. Dr. Anton
Strautz, geboren zu Wien am 29. Mai 1807, absolvirte seine medioinisohen
Studien an der hiesigen Universität, wo er auch am 30. Juli 1832 zum Dootor
promovirt und am 24. Ootober 1834 als ordentliches Mitglied in die medici-
nisohe Facultät aufgenommen wurde. Naoh seiner Promotion liess er sioh auch
hier als praktischer Arzt nieder und erwarb sich bald das Vertrauen seiner
Kranken, so dass er durch längere Zeit zu den besohäftigeren Praktikern
zählte, doch nahm im zunehmenden Alter, obgleich er das jetzt seltene Glück
hatte, sioh die meisten der Familien, die ihm einmal ihr Vertrauen gesohenkt
hatten, zu erhalten, seine praktische Thätigkeit ab, besonders nachdem er
schon vor mehreren Jahren selbst leidend ward, an Lähmungen der unteren
[Regionen litt, die ihm das Ausgehen immer beschwerlicher maohten, so dass
er im letzten halben Jahre seines Lebens sein Haus nioht verlassen konnte.
Immer mehr dahinsieohend, starb er am 20. d. Mw an Marasmus. Der Ver¬
storbene war ein Mann von ehrenhaftem Charakter und ein angenehmer College,
mit dem Alle, die ihn näher kannten, gerne verkehrten und ihm gewiss eine
freundliche Erinnerung bewahren werden. Viele erwiesen ihm die letzte Ehre
durch ihre Gegenwart bei der Leichenfeier und die Kirohe war gefüllt, ob-
sohon sioh die Faohoollegen nur vereinzelt in der Menge durchblioken liessen.
Der Grund diesem- schwachen Betheiligung, über die so oft geklagt wird,
ist immer Verspätung der Todesanzeige. Die wenigen Collegen, die anwesend
waren, erhielten sie erst gegen 10 Uhr Vormittags, wann die meisten Aerzte
schon in Berufsthätigkeit ausser Haus sind . — Um nun diesem Uebel-
stande abzuhelfm, gibt es nur das Eine Mittel: die Familien der sterbenden
Collegen aufmerksam zu machen, dass sie , wenn das Unglück eingetreten ist,
und sie über Ort, Tag und Stunde der Einsegnung einig geworden sind, diese
sofort in der Kanzlei bekannt geben, so dass von dem Präsidium aus, eine Ein -
ladung an die Collegen durch die Tagesblätter ergehe. Zu diesem Ende werden die
den Sterbenden behandelnden Aerzte ersucht, die betreffenden Familien in diesem
Sinne zu unterrichten und wenn die Einladung in den Blättern rechtzeeitig
erfolgt, werden wohl bei solchen Traueracten die Mitglieder des Collegiums nicht
mehr durch ihre Abwesenheit sich auszeichnen . Dr . Preyss ,
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Auszeichnungen. Der Statthaltereirath und Landessanitätsreferent für
Steiermark Dr. Ferdinand Ritter von Scherer erhielt den Orden der Eisernen
Krone III. Glasse, und der Curarzt in Gries-Bozen Dr. H. Mayerhofer den
königl. preussischen Kronen-Orden.
Grossmüthige Spende. Das unter dem Curatorium des med. Doct.-Coll.
stehende Garolinen-Kinderspital wurde yon dem Ball-Gomitö der industriellen
Gesellschaften aus dem Reinerträgniss des Balles mit 2000 fl. betheilt und hat
der Yermögensverwalter der Stiftung, Herr J. U. Dr. Josef Stoeger den Betrag
bereits erhalten.
Das Erzherzogin Sophien-Spital im VII. Bezirke, Kaiserstrasse Kr. 7,
welches durch die yerstorbene Frau E. v. Kenyon zum Uniyersalerben ihres
bedeutenden Vermögens eingesetzt wurde und auf 100 Betten berechnet ist,
wird yorlftufig mit 20 Betten ausgestattet und im Laufe des kommenden Früh¬
jahrs eröffnet werden.
Die General - Versammlung
der Mitglieder des Unterstützungs - Institutes
wird im Sitzungssaale des Doetoren-Colleglums
(I. Rothethurmstrasse 23) am Samstag den 28. Februar, Abends 7 Uhr,
abgehalten, und werden die P. T. Herren Mitglieder noch besondere Ein¬
ladungen dazu erhalten.
Programm.
1. Berioht über die Leistungen des Unterstützungs-Institutes im Solar¬
jahre 1879. In Abwesenheit des Herrn Präsidenten erstattet yon Dr. P r e y s s.
2. Vortrag des Gassiers Dr. Hopfgartner über die Vermögensver-
liältnisse des Institutes im abgelaufenen Jahre (1879).
3. Wahlen: a) yon yier Mitgliedern des Ausohusses auf die Dauer yon drei
Jahren an die Stelle derer, welche als die im Amte ältesten auszutreten haben,
und eines Mitgliedes auf die Dauer yon zwei Jahren an die Stelle des ver-
storbenen Dr. Kirsclmek. b) yon drei Reohnungsoensoren auf die Dauer yon drei
Jahren an die Stelle der derzeitigen, der Herren DDr. Behsel, Klein und
Fürth, deren Funotionsdauer abgelaufen ist.
Die P. T. Herren Gollegen, welche eine Function zu übernehmen ge¬
neigt sind, wollen dies dem Präsidium bekannt geben.
• Alle Austretenden sind wieder wählbar. (§. 20 der Statuten).
Anmerkung. Derzeit fungiren als Ausschussmitglieder die DDr. Chr&stina,
Gerstel, A. Gruber, Hasohek, Nasser, Preyss, Seil eff, Sohneller, Schwarz
Isidor, Wollner und y. Zanohi, yon denen die Träger der mit fetter
Schrift gedruckten Namen auszutreten haben.
Dr. Preyss, Vioe-Präsident. Dr. Hopfgartner. Secretär.
Einladung
zu der am Montag den I. März, Abends 7 Uhr, im Sitzungssaale
des akademischen Senates (vormals Consistorialsaal),
I. Sonnenfelsgasse 23, stattfindenden
wissenschaftlichen Versammlung.
Programm:
1. Vorstellung von Kranken.*)
2. Vortrag über Exstirpation des Uterus von Herrn Professor Dr. Ghristian
Theodor Billroth, k. k. Hofratb.
Dr. Preyss, Vioe-Präsident. Dr. Hopfgartner, Seoretär.
*) Die P. T. Herren Collegen werden ersucht, interessante Krankheitsfülle voraus teilen.
Hiezu als Beilage: Personal- und Vermögensstand des Unter¬
stützungs-Institutes des Wr. med. Doct.-Coll.
Herausgeber und Verleger: Wiener medicin. Doot-Coli. — Verantwortlicher Bedaoteur .
Dr. L. Hopfgartner. — Qesellsohafte-Bnchdruckerei, Wien, III. Brdbergeratrasse S.
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TTyBd. Ausgegeben am 11. März 1880. Nr. 6
' MITTHEILIJNGEN
des
fflener mmUciiisclim DoclorBn-noiiepionis/
Brsoheint jeden «weiten Donnerstag ein halber bis ein ganzer Bogen und darüber, an
30 Bogen im Jahre. — Ganzjähriges Abonnement für Niohtmitglieder des Collegiums im In-
lsnde 8 fl., nach dem Auslande 6 Mrk. — Einzelne Nummern 26 kr. = 60 Pfg. — Inserat«
16 kr. = 80 Pfg. für die durchlaufende Petit-Zeile.
Man pr&numerirt in der Medicin. Buchhandlung Toeplits de Deuticke
(yormals Karl Ciermak), Wien, I., Schottengasse 6.
Zaschriften md Zusendung*! an die Redaction: Wien, Kanzlei des Wiener med.
Doet.-Coll. and der Witwen- und Waisen-Soeietftt, Rothenthnrnistrasse 23.
Inhalt: Wissenschaftliche Versammlung am 1. März. — Ueber fungöse Gelenksentsfindung
und ihre Beziehung zur Tuberculose der Knochen. Vortrag von Dr. Josef Englisch. — Die
Witwen- und Waisen-Societät. — Aus dem Unterstützungs-Institute: Ausschuss Sitzung am
24. Februar. General-Versammlung am 28. Februar. — Notizen. — Einladung.
In der wissenschaftlichen Versammlung am I. März
stellte Herr Primararzt Dr. Eie mann einen Kranken mit einem
ausserordentlich grossen Milztumor vor, bei dem die Fowler’sohe
Tinctur in grossen und lange Zeit fortgesetzten Gaben ohne Be¬
einträchtigung des übrigen Wohlbefindens mit gutem Erfolge
angewendet wurde. Der Fall ist folgender:
Hellermann Carl, 19 Jahre, Müller, wurde am 16. October
auf die zweite Abtheilung des Rudolfspital anfgenommen.
In Ungarn in sumpfiger Gegend des Szathmarer Comitats,
an einem kleinen Flüsschen als Müller in Arbeit stehend, war
er dnreh sechs Jahre beinahe fortwährend an Febris intermittens
anfangs tertiana, dann quartana krank. Der Patient 'musste in
der Regel alle drei Wochen ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen,
wo durch grosse Gaben Chinin die Heftigkeit der Fieberanfälle
etwas gemildert wurde, jedoch selbe niemals ganz cessirten.
Die im Laufe der Jahre erworbene enorme Anschwellung der
Milz, welche ihm jedes Lasttragen unmöglich machte, bewog
ihn nach Wien ins Spital zu reisen. Der Kranke ist mittelgross,
ziemlich kräftigen Knochenbaues. Mit erdfahlen cachectischen
Hautdecken. Keine hydropische Anschwellung bemerkbar. Puls,
Temperatur normal. Leber bedeutend geschwellt. Die Milz von
von der fünften Rippe schräge bis zum Querfinger über den
Kabel reichend; daselbst ist ein brettharter Tumor mit stumpfen
Rändern tastbar. Die Ausdehnung betrug in der Länge 40 Cen-
timeter, in der Breite 25 Centimeter. Umfang des Unterleibes
85 Centimeter unter dem Rippenbogen. Solutio Fowleri: Anfang
18. Oot. mit einem Tropfen beginnend, und täglich um einen
Tropfen steigend, bis 28. Octbr. nahm Patient 56 Tropfen.
Ausgesetzt bis 3. Nov. wegen Epistaxis und etwas Schmerz
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im Unterleib, jedoch keine Diarrhöe oder Erbrechen. Schon bei
56 Tropfen = 0.037 Gramm acid. arsenicosum ward der Tumor
etwas weicher.
Am 3. Nov. wurde wieder begonnen mit Guttas sex, und
auf 12 Tropfen angelangt wurden durch 8 Tage 12 Tropfen gege¬
ben und dann bis auf Guttas XX gestiegen. Patient nahm
also bis 25. Not. 279 Tropfen. Wegen leichter Zellgewebs-
infiltration im Gesichte wurde bis 28. Nov. ausgesetzt, und
dann mit Guttas XY begonnen. Bis 4. Dec. in steigenden Gaben
105 Tropfen genommen.
Die Milz viel weicher, erreicht nicht mehr den Nabel, auch
in der Breite abgenommen. Es wurde am 4. Dec. ausgesetzt
wegen Gefühl von innerer Wärme. Das Thermometer zeigte nur
37*1 und erst bei einer Temperatur von 36*8 am 8. Nov. mit
zwölf Tropfen Solution wieder begonnen. Patient nahm bis
18. Dec. steigend 126 Tropfen. — Ausgesetzt wegen Erysipel
am rechten Nasenflügel.
Am 29. Dec. wurden wieder Guttas X gegeben. Am
30. Dec. Nachmittags Schüttelfrost. Puls Nachmittags 120.
Temperatur um 4 Uhr 39-9, um 5 Uhr 38*6, um 6 Uhr 38*8,
um 7 Uhr 38*6, um 11 Uhr Nachts 38. Am 31. Dec. Früh
3 Uhr 38*0, um 8 Uhr 38*4, Puls 96, um 2 Uhr Nachm. 38 6,
um 4 Uhr 38*3, um 9 Uhr 38 2.
An der linken Wange in der Muskulatur ein harter Knoten
tastbar, darüber die Haut geröthet, gespannt. Sämmtliohe Drüsen
des Unterkiefers geschwellt. Die Milzschwellung trotz Schüttel¬
frost kleiner, der Milztumor weicher.
Kalte Ueberschläge, Infusum Sennae wegen Stipsis.
Am 1. Jänner Früh Temperatur 37, Abends 38*8, am
2. Jänner 37*6, Abends 37*1, am 3. Jänner 38. Puls 84. — Natron
salicyl. 3 Gramm. Abends 37*1. Puls 72; Infiltration nahezu ge¬
schwunden, absque medicamine bis zum 13. Jänner, wo mit
Solutio Guttas decem wieder begonnen und bis 22. Jänner auf
Guttas XIX gestiegen wurde, der Kranke nahm also 145 Tropfen.
Am 28. Jänner Metallgeschmack im Munde, leichte Infil¬
tration wieder in der Wange. Ausgesetzt. Bäder. Am 1. Febr.
Solutio guttas XIX, vom 2. bis 5. Febr. je XX also 99 Tropfen.
Bäder. Dann Tinctura malatis ferri. Circumferenz der
Unterleibes 81 Centimeter.
Am Tage der Vorstellung war die Circumferenz unterhalb
der Rippen 78, in der Nabelhöhe 76 Centimeter.
Der Milztumor ragt noch 3 Querfinger über den Rippen¬
bogen, ist aber bedeutend weicher und auch das Aussehen des
Kranken ein frisches.
Der Kranke nahm in 7 Absästzen: a) 56, b) 279, c ) 105,
d) 126, e) 10, /) 145, g) 99 Tropfen, im Ganzen 820 Tropfen
Solutio Fowleri, welche bekanntlich in 3 Tropfen 2 Milligramm
accid. arsenicosum enthält.
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Patient nahm also 0*546 acid. arsenicosum, ohne dass In*
toxicationserscheinungen des Darmtractes eingetreten wären. Von
subcutanen Injectionen wurde Umgang genommen, da die Einstiche
gerne langdauernde sehr schmerzhafte Vereiterungen bedingen.
Patient befindet sich sehr wohl, sieht gegen Mher blühend
aus, und verlässt in den nächten Tagen auf seinen Wunsch
das Spital.
Hierauf hielt Hofrath Prof. Billroth einen höchst inter¬
essanten, mit lebhaftem Beifall aufgenommenen Vortrag „Ueber
Exstirpation des Uterus“, worüber wir in der nächsten Nummer
ein ausführliches Referat bringen werden.
Vortrag des Herrn Primararzt Dr. Englisch
Aber fungSse Oelenksentzfiudang und ihre Beziehung zur Tuber-
cnlose der Knochen.
Gehalten in der wissenschaftlichen Versammlung am 16. Februar 1880.
Schon lange war an gewissen Stellen die Tuberculose der
Knochen (Wirbelsäule) bekannt, und war es in den ältesten
Zeiten beobachtet worden, dass mit gewissen Formen der Ge¬
lenksentzündung eine gewisse Körperbeschaffenheit vereint vor¬
komme und allgemeine Tuberculose auf selbe folgen kann, aber
eine bestimmte Beziehung wurde erst in der Neuzeit nachgewiesen
und durch das Experiment erhärtet. Consecutiv tritt die Gelenks¬
entzündung bei verschiedenen anderen Krankheiten auf, als
Variola, Typhus, Morbillen, Scarlatina, Rheumatismus u. s. w.,
und bei den verschiedenen septikämischen und pyämischen Pro¬
cessen. Die Mehrzahl der ersteren gleicht den letzteren, ebenso
wie die nach Tripper und Operationen an den Harnorganen
auftretenden Gelenksentzündungen. Weit inniger in Verbindung
stehen jene Fälle, wo sich die Knochenmarkentzündung auf die
Gelenke fortsetzt, wie diese für die acute Osteomyelitis ange¬
nommen wird, gewiss aber nicht so häufig ist, als es behauptet
wird. Diese Form zeichnet sich durch sehr raschen Verlauf und
Zerstörung aller Gelenktheile, insbesonders des Knorpels, aus,
ohne dass es zu bedeutenden Wucherungen an der Kapsel kommt.
Noch näher der zu betrachtenden Form stehen die Gelenks*
affectionen bei chronischer Osteomyelitis. Nach Ablauf des acuten
Stadium bleibt im Knochenmark eine Neigung zur Entzündung
zurück und kündet sich die Recidive (mehrere, bis 30 Jahre
später) durch eine Schmerzhaftigkeit im Gelenke an, wobei es
nicht selten vorkommt, dass die zwei benachbarten Gelenke eines
Röhrenknochens nach einander erkranken. In diesen Fällen
finden wir schon Wucherungen an der Gelenkskapsel, besonders
an der Umschlagstelle.
Die fungöse Gelenksentzündung (Tumor albus, Arthritis
fungosa Arthrocace, Synovitis fungosa) zeichnet sich dadurch aus,
dass die sämmtlichen Weiohtheile des Gelenkes in eine dicke,
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schwielige Masse umgewandelt, die Synovialmembran mit reich¬
lichen Wucherungen, welche nach Köster constant, Tuberkel¬
knoten, besetzt sind, so dass jetzt fungöse Gelenksentzündung
mit Tuberculose der Gelenke gleich betrachtet wurde, was schon
Rokitansky früher deutlich ausgesprochen hatte. Die ver¬
schiedenen Beziehungen der Tuberculose des Gelenkes, von
Rokitansky genau gekannt, fanden aber ihre weitere Entwicklung
durch die klinischen Mittheilungen von König, Kocher, Volk-
mann, nach welchen die fungöse Gelenksentzündung ein seoun-
därer Procees ist und ihren Ausgangspunkt in Tuberkelknoten
in den Knochen hat, die sich immer mehr gegen das Gelenk
ausbreiten.
Es finden sich meist in der Epiphyse Knoten, die sich schon
durch ihr mattglänzendes Ansehen, sowie durch einen hyperämischen
Hof von der Umgebung unterscheiden und von innen nach aussen
aus Riesenzellen, epithelialen Zellen und lymphoiden Gebilden
bestehen. In späterer Zeit zerfallen sie zu einem käsigen Brei.
Durch Verschmelzung mehrerer kleiner Herde gehen grössere
Räume hervor, welche sich immer weiter ausbreiten, während
durch den käsigen Brei in der Umgebung neue Knoten hervor¬
gerufen werden. Diese käsigen Herde haben gewisse Locali-
sationen als: oberer Gelenkstheil des Oberarmknochens, dessen
beide Höcker, die untere Epiphyse und die Contylen des Ober¬
armes, den Schenkelhals und Kopf, den grossen Trochanter, das
untere Ende des Femur, das obere der Tibia, die Patella, die unteren
Enden der Unterschenkelknochen .und das Fersenbein, sowie die
Handwurzel- und Fusswurzelknochen. Breitet sich der Herd
aus, so gelangt er entweder an die Oberfiäche und gibt zu tiefen
Abscessen Veranlassung, z B. am Unterschenkel, der Hüfte
u. s. w., oder aber es werden die an gewissen Stellen aufge¬
lagerten Schleimbeutel ergriffen und es entsteht die Bursitis sub-
deltoidea, olecrani, trochanterica, praepatellaris, calcanea u. s. w.,
die sich durch langsamen Verlauf und Wucherungen an der
innern Wand, sowie durch allgemeine odematöse Schwellung
und schwielige Beschaffenheit der Wand auszeichnen. Rückt
dagegen der Herd gegen das Gelenk vor, so bildet sich zumeist
ein seröser Erguss, nach dessen Aufsaugung eine Verwachsung
der Gelenke bei günstigem Ausgang erfolgt. In der Mehrzahl
der Fälle beginnt aber die Gelenkskapsel zu wuchern, bildet
eine weiche, schwielige, schwammige Masse. Allmälig wird ein
Theil des Knorpels zerstört und es bedecken sich die jetzt aus dem
Knochen hervorkommenden Wucherungen wie die der übrigen
Synovicialmembran mit Tuberkelknoten. Allmälig kommt es zur
Zerstörung des Knorpels mit Auftreibung der Knochenenden.
Auch die Abscesse der Umgebung erhalten in ihrer inneren Aus¬
kleidung eine leicht ablösliche Membran mit zahlreichen Tuberkel¬
knoten. Diese Processe zeichnen sich durch ihr stetig langsames
Fortscbreiten aus und führen zu allgemeiner Tuberculose.
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Die Symptome sind oft sehr unbedeutend, latentes
Stadium. Die Kranken klagen nur über ein Gefühl von Müdig¬
keit in den Gliedmassen, selten über dumpfe Schmerzen, während
an den Theilen nichts Abnormes bemerkbar ist. Die activen Be¬
wegungen sind meist wenig gehemmt, und bei den passiven findet
sieh eine Richtung, in der die Knochen und das Gelenk schmerzhafter
erscheinen. Allmälig kommt es zum Oedeme in der Umgebung
des Herdes. Die Gelenkskapsel wird ausgedehnt, daher bekommt
sie ein pastöses Ansehen besonders an den Umschlagstellen. Der
Erguss in das Gelenk stellt sich ein, kann aber so wie die
früheren Erscheinungen wechseln und selbst schwinden (ein
wichtiges Zeichen). Die Synovialis wird dabei stärker mit Ge-
fässen durchzogen und verklebt manchmal. Gleichzeitig stellt
sich Muskelzusammenziehung ein. Mit der Verdickung der Kapsel
kommt nicht selten Schmerzhaftigkeit eines bestimmten Knochen¬
punktes oder des Gelenkes, der durch Druck und gewisse Be¬
wegungen gesteigert wird. Alle diese Erscheinungen steigern sich,
die Gelenkskapsel wird immer dicker, verliert aber an Spannung,
so dass die Fixirung im Gelenke eine mangelhafte wird, es besteht
ein auffälliges Missverhältnis in den subjectiven Symptomen und
den stark ausgeprägten örtlichen, das immer mehr zunimmt. Es
kommt zur Bildung von Abscessen, die sich ebenfalls durch ihren
langsamen Verlauf auszeichnen und (wenn eröffnet) keine Tendenz
zur Heilung zeigen. Nicht selten findet man an der Knochenwand
des Abscesses eine Anhäufung von Granulationen, durch welche
man auf rauhen Knochen oder in eine nekrotische Höhle, nicht
selten kleine Sequester enthaltend, stösst. Auffallend ist in diesen
Fällen die geringe und langsame Zerstörung des Gelenksknorpels
gegenüber den Wucherungen. Alle Höhlen sind mit Tuberkel¬
knoten ausgekleidet, die durch directe Impfung durch den tuber-
culösen Eiter entstehen. Bei der Ausbreitung nach der Oberfläche
hin bildet sich nicht selten ein Canal, der dem Ernährnngs-
canal der Knochen entspricht, und wir sehen nicht selten die
Infiltration zuerst um die Gefässe äusserlich wahrnehmbar
werden, was besondere Wichtigkeit für die Kniekehle hat. Man
soll daher immer die Stelle der äusseren Mündung der Ernährungs¬
canäle und die Oberfläche der Epiphysen genau untersuchen und
man wird manchmal schmerzhafte Punkte entdecken, sowie eine
genaue Besichtigung des genannten Abscesses zwischen Muskeln
und in den Schleimbeuteln Granulationshäufchen uns den Weg
in den Knochen zeigen werden und gewisse therapeutische Ein¬
griffe ermöglichen.
Dass das Eindringen des Inhaltes der käsigen Herde in
das öelenk die fungöse Gelenksentzündung erzeugen könne,
hat H u e t e r H. durch Experimente festgestellt. Er spritzte fein
geriebene, verdünnte tuberculöse Sputa in das Gelenk ein. Es
folgte eine vorübergehende Reizung. Erst nach längerer Zeit, selbst
erst nach drei Wochen, begann die elastische Schwellung des
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Gelenkes mit allen Erscheiungen der fungösen Entzündung mit
Fistel- und Abscessbildung. Zuletzt trat allgemeiner Marasmus
und Tuberculose auf und die Thiere gingen an letzteren zu
Grunde. Wurden zerriebene tuberculose Granulationen eingespritzt,
z. B. in das Bauchfell, so kam es zur Entwicklung allgemeiner
Tuberculose. Die anatomische Untersuchung der Gelenke stellte
die Gleichheit derselben mit der fungösen Gelenksentzündung
ausser Zweifel.
In ähnlicher Weise experimentirte Schüler. Er spritzte
tuberculose Sputa oder frische tuberculose Lungentheile, fein
zerrieben, dem Thiere ein. Er zeugte allgemeine Tuberculose. Nach
Verletzung der Gelenke, z. B. durch Schlag, entwickelten sich an
denselben die Formen des Tumor albus in seinen Anfangsstadien.
Nur bei Einspritzungen in das Gelenk bekam er nicht wie
Hueter H. die fungöse Gelenksentzündung, wohl aber Tuber¬
culose der Lunge. Diese Experimente zeigen deutlich, wie eine
Verletzung des Gelenkes bei bestehender Disposition zur fungösen
Gelenksentzündung führen kann.
Was nun die ursächlichen Verhältnisse anlangt, so sind
jene Stellen, welche einer steten Zerrung oder überhaupt äusseren
Schädlichkeiten ausgesetzt sind, besonders geeignet zur Locali-
sation tuberculoser Herde. Wir sehen daher, dass es besonders
Punkte sind, die bei den Bewegungen eine Zerrung durch
die sich zusammenziehenden Muskeln oder solche, welche einen be¬
sonderen Druck erleiden. Es gehören dahin die Rollhügel des
Oberarmknochens, die Condylen derselben, ebenso am Ober¬
schenkel, wo insbesondere der Condylus internus nicht nur eine
Zerrung durch das Ligament, lat. int., sondern auch in Folge der
Gestaltung des Gelenkes beim Stehen, gleich dem Condylus int.
des Schienbeines den stärksten Druck ertragen muss. Im ähn¬
lichen Verhältnisse befindet sich der Fersenhöker. Dass die
Fusswurzelknochen so oft erkranken, wird aus demselben Grunde
einleuchtend. Eine nicht minder seltene Ursache sind acute
Traumen und nicht selten hat Stoss, Schlag gegen einen Knochen
einen käsigen Herd an der getroffenen Stelle nach sich. Es
stimmt dies mit der Annahme überein, dass ein entzündlicher
Reiz eine grössere Anhäufung des schädlichen Stoffes, d. i. den
käsigen Harn herbeiführt. Auch Syphilis soll ein disponirendes
Moment abgeben. Von besonderer Wichtigkeit ist die Scrophulose,
worauf H u e t e r C. schon vor längerer Zeit aufmerksam gemacht
hat und das Verhältnis beider folgender Weise darstellt: In
Folge der erhöhten Vulnerabilität, d. h. der Neigung zu wieder¬
holten Entzündungsprocessen, erzeugt von erweiterten Saft¬
kanälen, entwickelt sich das pastöse, gedunsene (lymphatische)
Aussehen mit folgender Lymphadenitis und es kommt in den
Drüsen zumeist zu einer trockenen Anhäufung von Zellen
(käsigen Drüsen). Tritt in diesen eine subacute Eiterung ein,
so erfolgt Resorption der käsigen Masse, sobald die Lymphwege
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63
durch die Eiterung eröffnet werden mit folgender Bronchitis,
allgemeiner Tuberculose und dem Tode. Aehnlich verhalten
sich andere käsige Infiltrationen. Wenn daher ein Individuum
an Scrophulose leidet, so zeigt es eine besondere Disposition zur
Knochentuberoulose. Diese schon von Hueter C. ausgesprochene
Identität in dem Ausgange bat durch neuere Untersuchungen,
insbesondere Cohnheims, eine weitere Stütze gefunden, und
bezeichnet Cohnheim Tuberculose und Scrophulose als durchaus
zusammengehend, obwohl sie in ihrer anatomischen Beschaffen¬
heit verschieden sind, und sind die Producte beider gleich
wirksam, nur müssen sie aus einer specifischen Ursache hervor¬
gegangen sein, und zeichnen sich dann durch die Eigenschaft
aus, dass sie durch ihre Uebertragung auf Versuchstiere Tuber¬
culose erzeugen, d. h. infectiös sind. Nach der Uebereinstimmung
erfolgt nun nach vorübergehendem Reiz eine Ruhepause, worauf
die Tuberculose immer an der Stelle zuerst auftritt, wo geimpft
wurde. Die Uebertragung ist um so sicherer, je frischer die
Stoffe genommen werden. Da nun die verschiedensten Secrete:
Sputa, Sperma, die Secretionen der Schleimhaut des Genital-
tractes Träger des Stoffes sind, so ist die Quelle der Infection
sehr reichlich. Aber gerade aus diesem Grunde müssen wir
sehr scharf unterscheiden, ob der Knochen das primär Erkrankte
ist. Wenn es auch keinem Zweifel unterliegt, dass die Tuber¬
culose der Synovialmembran primär Vorkommen kann, so wird
sie doch von allen Beobachtern’ als sehr selten angenommen
und die fungöse Gelenksentzündung als das Secundäre nach
käsigen Herden hingestellt. Wenn man jedoch nach den er¬
wiesenen Thatsachen, dass die Infection von jedem beliebigen
käsigen Herde, aus specifischer Ursache entstanden, ausgehen
kann, wenn man demnach von primären Herden sprechen will,
ist es absolut nothwendig, jede andere mögliche Infection des
Organismus auszuschliessen, durch welche eine diskrasische
Disposition bedingt sein könnte. Denn nur dann, wenn man im
Stande ist, nachzuweisen, dass eine solche nicht besteht und
der Herd nicht in der Weise entstanden ist, dass der Kranke
schon inficirt war, eine Schädlichkeit auf ihn eingewirkt hat,
und an der Einwirkungsstelle sich ein käsiger Herd entwickelt
hat, indem die daselbst gesetzten Producte der traumatischen
Entzündung unter Einfluss der allgemeinen Infection die tuber¬
culose Umwandlung eingegangen sind, wird man rein primäre
Herde annehmen können. Unser besonderes Augenmerk muss
daher auf gewisse erbliche Dispositionen und jene Erkrankungen
gerichtet sein, die wir so oft als Ausgangspunkt allgemeiner
Tuberculose sehen, als Pneumonie, Pleuritis, Entzündungen der
Geschlechtsorgane, vorzüglich des Nebenhodens. In vielen Fällen
werden wir eine erbliche Disposition finden. Noch viele Beob¬
achtungen werden daher nöthig sein, bevor diese Lehre voll¬
kommen sicher gestellt ist. (Schluss folgt.)
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64
Die Witwen- und Waisen-Soeietät
des Wiener medieinisehen Doctoren-Collegiums
hat vor kurzem den neuen Statutenentwurf versendet, welcher
in der nächsten General-Versammlung zur Beschlussfassung ge¬
langen und nach behördlicher Genehmigung zur Geltung kommen
soll. Aus dem diesem Entwürfe angeschlossenen, vom Professor
He8 sler mit Zugrundelegung der Fischer-Brune’schen Sterblich¬
keits-Tabelle berechneten Tarife ist zu ersehen, dass die capita¬
lische Einzahlung für die nach Sanctionirung dieser Statuten
eintretenden Doctoren höher als bisher bemessen ist, aber auch
die Sicherheit und Stabilität des Institutes erhöht wird. Den¬
jenigen Doctoren, welche ihren Witwen und Waisen bei dieser
Societät eine Pension von 600 fl. per Jahr versichern wollen,
ist daher zu rathen, ihren Beitritt bald zu vollziehen, und zwar
umsomehr, als der alte niedere Tarif naoh Annahme und Sanc¬
tionirung der neuen Statuten ausser Geltung kommen und sonach
der neue höhere Tarif in Kraft treten soll.
Bei Versendung dieses Entwurfes wurden die Mitglieder
dieser Societät auch ersucht, bis 15. Februar 1. J. allfallige Ab¬
änderungs-Vorschläge desselben an die Direction einzusenden.
Diesem Ersuchen entsprechend sind nachstehende Ab¬
änderungsvorschläge eingelangt, die wir hier nebst den dagegen
erhobenen Bedenken bekanntgeben.
1. Dr. Heim in Wien wünscht, dass die neuen Statuten
erst sechs Monate nach der Sanctioniruog derselben in’s Leben
treten, um neuen Mitgliedern Zeit zu lassen, nach den alten
Bedingungen einzutreten.
Derselbe Zweck würde erfüllt werden, wenn der Statuten-
entwurf so bald wie möglich sämmtlichen Mitgliedern des
Wiener medic. Doct.-Coll. bekanntgegeben würde, wodurch die¬
selben fast ein Jahr Zeit zum Eintritt nach den alten Statuten haben.
2. Dr. Eduard Mysz in Hermannstadt wünscht einige Ver¬
änderungen des § 9 des Statutenentwurfes, a) Es sollen die
Landwehrärzte den Givilärzten gleichgehalten werden.
Da die Landwehr- und Honvedärzte, wie die bosnische Occu-
pation zeigte, zur activen Dienstleistung berufen werden, so dürfte
es kaum gerathen sein, den § 9 zu ändern, und auch den
Ausdruck Berufs-Militärarzt beizubehalten.
b) In § 9 a) den Seedienst näher zu präcisiren.
Auch dies empfiehlt sich nicht, da wohlweislich der
Entwurf nur vom Dienste zur See spricht.
3. Dr. W. Th. Müller wünscht, durch niedrigere Einzah¬
lungen den Aerzten den Beitritt zu erleichtern.
Doch die Einzahlungs-Tabellen beruhen auf wissenschaftliche»,
mathematischen Grundlagen; greift man diese an, so wankt die
Solidität des Gebäudes.
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65
Ferner wünscht er, dass eine Societäts-Witwe, welche
einen zweiten Mann, der nicht Societätsmitglied ist, ehelicht, und
zum zweitenmal Witwe wird, die Pension nicht wieder bekommt.
Dies dürfte unseren Grundsätzen wenig entsprechen, und die
zweite Pension eifert sogar zur zweiten Ehe an.
4. Dr. S u m wünscht, dass ausdrücklich aufgenommen
werde, dass alle Societisten, auch die nach dem Jahre 1874
Aufgenommenen, nur einen Jahresbeitrag von 21 fl. bezahlen.
Er scheint den § 4 des Entwurfes übersehen zu haben.
5. Dr. Johann Toth wünscht eine Aenderung des § 15 5,
dabin gehend, dass Witwen, wenn sie sich wieder verehelichen,
auch noch die Hälfte, und wenn sie minorenne Kinder haben,
Drei viertel der Pension fortbeziehen sollen.
Dies würde aber alle Berechnungon und die Tabellen umstossen
und nicht zulässig sein.
6. Dr. Wolfsgruber wünscht, dass die General-Versamm¬
lungen in der „Wiener Zeitung“ und in den „Mittheilungen des
medicinischen Doctoren-Collegiums“ kundgemacht werden.
Dies geschieht ohnehin.
7. Dr. Wolfen stein wünscht dasselbe wie Dr. Sum.
8. Endlich wünscht Dr. W e 11 e n t h a 1 den §8 b dahin
abzuändern, dass der Arzt, falls seine Gattin stirbt, durch eine
Art Rückversicherung vor Geldverlust geschützt werde.
Dies dürfte wohl für die Societät zu complicirt und durch
eine Lebensversicherungs-Gesellschaft leichter zu realisiren sein.
9. Ferner wünscht derselbe (vide § 12(eine Erhöhung der
Pensionen auf 700 fl.
Wenn schon die Einzahlungs-Tabelle auf eine Pension von
600 fl. berechnet ist, so ist die Erhöhung dennoch laut § 30 möglich.
10. Ferner wünscht er, dass eine Frau, welche zum
zweitenmal Witwe wird nach einem Nichtsocietisten, nicht
eine volle Pension, sondern nur eine Art Ergänzungsbezug
bekomme.
Dürfte sich auch, wie bei Dr. Müller nicht empfehlen.
Vorschlag von Dr. Gruber und Juriö, Zusatz zum §. 30, 2.
Der verbleibende TJeberschuss wird insolange als Ueber-
schuss-Reserve behandelt und vorgetragen, als nicht constante
Ueberschüsse die General-Versammlung bestimmen, dieselben
ganz oder theilweise zur Erhöhung des Bezuges für Witwen
und Waisen zu verwenden. Die General-Versammlung ist befugt,
aus dieser Ueberschuss-Reserve den Witwen und Waisen der
Societät über Antrag des Ausschusses zeitweilig Theuerungsbei-
träge zu bewilligen.
Zusatz zum §. 34: Mitglieder, welche bisher 42 fl.
Jahresbeitrag zahlten, zahlen in Hinkunft nur 21 fl.
Dr. Th. Juri4*
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Aus dem UnterstUtzungsinstitute.
In der Ausschusssitzung, welche am 24. Februar 1880,
unter dem Yorsitze des Vice-Präsidenten Dr. Lederer in An¬
wesenheit des Secretärs und sämmtlicher Ausschussmitglieder
statthatte, übergab der Vorsitzende die sehr gelungene Photo¬
graphie des im Beginne dieses Jahres verstorbenen Collegen
Dr. Carl Eirschnek und beantragt die Absendung eines Dank¬
schreibens an Herrn J. B. Eirschnek für das in der letzten
Sitzung erwähnte Legat seines Bruders im Betrage von 300 fl.
— Secretär Dr. Hopfgartner berichtet, dass der im December
1879 verstorbene Jubilar Dr. Sigmund Graniohstädten dem
Unterstützungs-Institute eine Notenrente von 100 fl. vermacht
habe und ihm (H.) die Obligation bereits übergeben worden
sei. Er beantragt an die Hinterbliebenen ein Dankschreiben zu
richten. Beide Anträge werden einhellig angenommen. Hierauf
wurden die DDr. Edmund Wiesinger und Hugo Gnändinger
nach Erfüllung aller statutenmässigen Bedingungen als Mitglieder
in das Unterstützungsinstitut aufgenommen, und zwar Ersterer mit
einer Altersnachzahlung für 1 Jahr mit 8 fl. und Letzterer für
5 Jahre mit 40 fl. Ferner wurde einem älteren Mitgliede wegen
ungenügendem Erwerbe eine Subvention von 100 fl. bewilligt.
Der Herr Cassier legte sodann die Schlussrechnungen des
Institutes für das abgelaufene Jahr vor, welche von den Rech-
nungscensoren geprüft und richtig befunden wurden, worauf ihm
über Antrag der Revisoren einstimmig vom Ausschüsse das
Absolutorium ertheilt wurde.
Dr. Hopfgartner erklärte, dass er wegen wiederholten
schweren Schwindelanfällen seine Stelle als Secretär und Cassier
des Doct.-Coll. niederlege und empfahl als seinen Nachfolger Dr.
C. Reitter. Diese Entsagung wird von allen Anwesenden aufs
tiefste bedauert, aber der Grund als so gewichtig erkannt, dass
sie angenommen, Herrn Dr. Hopfgartner fiir seine dem Institute
erspriesslich geleisteten langjährigen Dienste der Dank des
Ausschusses unter Erheben von den Sitzen votirt und zugleich be¬
schlossen wird, bei der Generalversammlung einen Antrag auf die
Ausstellung eines Dankschreibens an Dr. Hopfgartner einzubringen.
Auch Herr Dr. B e h s e 1 legt seine Stelle als Rechnungs-Censor
definitiv nieder und bedauert, eine eventuelle Wiederwahl nicht
annehmen zu können. Es wird demselben ein Dankschreiben
votirt. Vice-Präsident Dr. Preyss zeigt an, dass die General-
Versammlung der Mitglieder des Unterstützungs-Institutes am
28. Februar, um 7 Uhr Abends, im Sitzungssaale des Coli, statt¬
finden werde; ferner, dass die im Amte ältesten Ausschuss¬
mitglieder die DDr. Chrastina, Gerstel, Nüsse r und Sch eff,
auszuscheiden haben, aber wiedergewählt werden können, dass
als Ersatz für Dr. Eirschnek mit zweijähriger Functionsdauer
eine Ergänzungswahl, und auch eine Neuwahl für die Rechnungs-
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Gensoren die DDr. B eh sei, Fürth und Klein, deren Functions¬
dauer gleichfalls abgelaufen, vorzunehmen sei. OSR. Dr. Nuss er
beantragt diesbezüglich, in den Einladungen zu dieser Ver¬
sammlung die Herren Collegen aufzufordern, sich um die
vacanten Stellen zu bewerben, was einstimmig angenommen wurde.
Die Generalversammlung dieses Institutes
fand am 28. Februar 1880, um 7 Uhr Abends, im Sitzungssaale
des Doct.-Coll. unter dem Vorsitze des Vicepräsidenten Dr. Preyss
und in Anwesenheit von 30 Mitgliedern des Unterstützungs-
Institutes statt.
Nach Gonstatirung der Beschlussfähigkeit der Versamm¬
lung eröffnet der Vorsitzende die Sitzung und erstattet sodann
den Bericht über die Thätigkeit des Institutes im Jahre 1879,
welcher mit Beifall aufgenommen wurde und den wir, sobald
es der Raum des Blattes erlaubt, vollinhaltlich mittheilen
werden. Um das Andenken der verstorbenen Mitglieder, der
Herren DDr. Well, Simon Fischer, Hesser, Mühlhauser,
sowie des schon heuer mit Tod abgegangenen C. Kirschnek, zu
ehren, erheben sich die Anwesenden von ihren Sitzen. Aus dem
Rechnungsberichte des Jahres 1879, den Cassier Dr. Hopf-
gartner vortrug, war ersichtlich, dass das Vermögen des Stamm¬
fonds am Schlüsse des Jahres 1879 78 fl. baar und fl. 59.877*83
in Effecten, und das Vermögen des disponiblen Fonds 63 fl.
77 kr. baar und 31.999 fl. 71 kr. in Effecten beträgt. Die
Censoren haben die Rechnung geprüft und vollkommen richtig
befunden, daher den Antrag auf Ertheilung des Absolutoriums
gestellt, welches der Ausschuss in seiner Sitzung am 24. Februar
auch ertheilt hat.
Die Scontrirungs-Commission hat die Casse am 26. Februar
1880 scontrirt und in vollständiger Ordnung gefunden. Die Ge¬
neral-Versammlung nimmt dies zur befriedigenden Kenntniss.
Der Vorsitzende beantragt im Namen des Ausschusses,
dem Herrn Secretär Dr. Hopfgartner, welcher seine Stelle als
Secretär und Cassier aus Gesundheitsrücksichten niederlegen
will, für seine mühevolle, pünktliche und erspriessliche Thätig¬
keit den Dank der Versammlung auszusprechen; wozu Dr.
Ludwig Klein, als einer der Censoren, den Zusatzantrag stellt,
dem Danke für Dr. Hopfgartner auch noch das Bedauern über
seinen Rücktritt kundgeben zu wollen. Beide Anträge werden
einstimmig angenommen.
Bei den hierauf vorgenommenen Wahlen, an welchen sich
27 Mitglieder durch Abgabe von Stimmzetteln betheiligten, er¬
scheinen die DDr. Chrastina, Gerstel und Scheff mit je
27 Stimmen und OSR. Dr. Nuss er mit 24 Stimmen zu Aus¬
schussmitgliedern auf die Dauer von 3 Jahren wieder und Dr.
Popper mit 20 Stimmen auf die Dauer von 2 Jahren neu gewählt.
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Zu Rechnungsceneoren wurden gewählt die DDr. Klein
Ludwig mit 27, Fürth mit 26 und B eh sei mit 17 Stimmen.
An diese zunächst reiht sich Dr. Heinemann mit 10 Stimmen.
Als Ausschussmitglieder erhielten nooh Dr. B. Kraus 7 und
Dr. Blumenfeld 3 Stimmen.
Notizen.
Aufnahmen. Am 3. d. M. wurden die Herren DDr. Arnold Demi
in Hietzing, Heinrich Eink in Anditsch bei Graz, Franz Schopf und Moses
Sohnepp, die beiden Letzteren in Wien domioilirend, als ordentliche Mit¬
glieder in das Wr. med. Doct.-Coll. einstimmig aufgenommen.
Sterbefall. Am 2. März wurde wieder ein an Jahren zu den Aeltesten
zählender College durch den Tod aus unseren Reihen entrissen. Dr. Moriz
Auspitz wurde im Jahre 1803 zu Nikolsburg geboren, hatte die Chirurgen-
Sohule in Wien absolvirt, wurde Magister der Chirurgie, Geburts- und
Augenarzt, und hat dann durch mehrere Jahre als Secundarwundarzt ge¬
dient. Im Jahre 1831 wurde er bei Einbruch der Cholera in der österreichi¬
schen Monarchie als einer der Ersten von der k. k. Regierung in der Provinz
emittirt, machte die ganze Epidemie an verschiedenen schwerergriffenen Orten
Mährens durch und schrieb auch eine Abhandlung über die Pathologie und
Therapie der damals noch neuen Krankheit. Hierauf liess er sioh in seinem
Geburtsorte als praktischer Arzt nieder, übersiedelte aber später nach Wien.
Im Jahre 1848 erhielt er die Stelle eines Primarohirurgen am Israelitenspitale
in der Rossau und fungirte als solcher viele Jahre bis zu seiner Pensionirung.
Im vorgenannten Jahre übernahm er auoh während der Belagerung Wiens die
Yerwundetenabtheüung des im Conviotgebäude der Universität errichteten
Nothspitales, wo er sioh als muthiger Arzt auszeiohnete. Von der den Chirurgen
zu Theil gewordenen Begünstigung, die ihnen zur Erlangung des Doctorata
nooh fehlenden Studien und Examina naohzuholen, Gebrauch machend, unterzog
er sich diesen mit Erfolg und wurde am 19. Mai 1854 an der Wiener Uni¬
versität zum Dootor der Medioin promovirt. Am 17. Februar 1857 hat ihn
das Doot.-Coll. der med. Faoultät in die Zahl seiner Mitglieder aufgenommen.
Er war ein beliebter praktischer Arzt und übte seine privatärztliohe Praxis
unverdrossen bis in die letzten Wochen vor seinem Ende aus. Sein milder
und edler Charakter siohern ihm ein herzliches Andenken. An seiner feier¬
lichen Beerdigung, welche zwei Tage nach seinem Tode stattfand, haben eine
grosse Zahl Collegen, mehrere ärztliche Körperschaften, darunter das Doct.-Coll.,
durch den ersten Yicepräsidenten und den Seoretär vertreten, Freunde und
Clienten, sowie die Yertreter der isralitischen Cultusgemeinde, theilgenommen.
Einladung
zu der am Montag den 15. März, Abends 7 Uhr, im Sitzungssaale
des akademischen Senates (vormals Consistorialsaal),
L Sonnenfelsgasse 23, stattfindenden
wissenschaftlichen 'Versammlung'.
Programm t
1. Yorstellung von Kranken.*)
2. Ueber Yerdauungs-Chemismus, Yortrag von Herrn Dr. August Meyer jun.,
erster Seoundararzt im Wiedener Krankenhause.
Dr. Preyss, Yioe-Präsident. Dr. Hopfgartner, Seoretär.
*) Die P. T. Herren Collegen werden ersucht, interessante Krankheitsfälle Torzustellen.
Die nächste Hummer erscheint am 18. Harz.
Herausgeber und Verleger: Wiener medioin. Doct -Coli. — Verantwortlicher Redacteur
Dr. L Hopfgartner. — Gesellsohafts-Buohdruckeroi, Wien, III. Brdbergerstrasae 3.
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VI. Bd. Ausgegeben am 18. März 1880. Nr. 7
mTTHElLUNGEN
des
Wiener fgmcjmi BitUmjillMjiii
Erscheint jeden zweiten Donnerstag ein halber bis ein ganzer Bogen and darüber t an
20 Bogen im Jahre. — Ganzjähriges Abonnement für Nichtmitglieder des Collegiums im In¬
lande 3 fl., nach dem Aaslande 6 Mrk. — Einzelne Nummern 36 kr. == 60 Pfg. — Inserate
16 kr. = 80 Pfg. für die durchlaufende Petit-Zeile.
Mau pränumerirt in der Medicin. Buchhandlung Toeplits Deuticke
(vormals Karl Csermah), Wien, I., Schottengasse 6.
Zuschriften and Znseadnugea an die Bedaetion: Wien, Kanniei des Wiener ued.
Doet.-Coll. and der Witwen- and Waisen-Societät, Rothenthormstrasse 23.
Inhalt: Vortrag des Herrn Primararzt Dr. Englisch über fungöse Gelenksentzündung und
ihre Beziehung zur Tuberculose der Anochen. (Schluss.) — Aus dem Geschäftsrathe. —
Notizen. — Einladungen.
Vortrag des Herrn Primararzt Dr. Englisch
über fungöse Gelenksentzündung and ihre Beziehung znr Tuber-
cnlose der Knoehen.
Gehalten in der wissenschaftlichen Versammlung am 16. Februar 1880.
(Schluss.)
Was den Verlauf anlangt, so ist derselbe immer ein lang*
sanier und insbesondere ist es das latente Stadium, welches oft
lange Zeit dauert. Dabei zeigt sich manchmal, dass der erste
Heerd ausheilen kann und später die tuberculose Affection
an anderen Stellen zum Vorschein kommt. Mehrere Beispiele
von Osteomyelitis tibiae machen dieses klar. In dem einen Falle
war der bis in das Gelenk reichende Canal vollständig von
Narbensubstanz, wie das vorgewiesene Präparat erwies, ausge¬
füllt, und erst in späterer Zeit trat am Oberarm, an den Fuss-
wurzeln die ebenfalls vorgewiesene tuberculose Affection des
anderen Fusses auf. Es kann daher, wenn selbst Heilung an der
erst erkrankten Stelle erfolgt ist, doch schon die allgemeine
Infection erfolgt sein, welche bei den oben angegebenen directen
Ursachen zur neuerlichen Localisation führt. Aus demselben
Grunde haben alte, verkalkte oder vernarbte Herde in den
Lungen eine besondere Bedeutung. Wie rasch der Verlauf sein
kann, konnte der Vortragende in einem Falle besonders deut¬
lich beobachten. Eine Frau mit erblicher Disposition erlitt
Anfangs Jänner 1879 eine Quetschung des Fusses. Im Juli
war die fungöse Entzündung aller Fusswurzelgelenke offenbar,
und wurde im October durch die Amputation des Unterschen¬
kels durch die Untersuchung des abgesetzten Theiles bestätigt.
Die Wunde heilte sehr langsam und im November entwickelte
sich eine Spondylitis cervicalis mit Abscessbildung unter stetem
Fieber und Kräfteschwund der Kranken und gleichzeitiger In-
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fHtration in den Lungen, so dass ein baldiger lethaler Aus¬
gang zu erwarten. Wie der Process fortsebreiten kann, beweist
eine beigegebene Krankengeschichte. Eine ausführliche Mit¬
theilung des weiteren Verlaufes erscheint bezüglich der allge*
meinen Tuberculose überflüssig, da derselbe hinlänglich bekannt
ist. Dr. E. betonte nur besonders die Abnahme des Harnes ohne
dass es zur Albuminurie kommt und obwohl sich allgemeines
Oedem einstellt.
In Betreff der Behandlung erfordern znnächst alle Knochen¬
entzündungen unsere besondere Aufmerksamkeit, umsomehr
wenn eine Disposition, d. h. tuberculose Anlage aus den früher
angegebenen Gründen angenommen werden kann. Constante
Kälte und die antidiskrasischen Mittel werden zu empfehlen
sein. Ist der Herd entwickelt, so wurde von Kocher die Igni-
punctur vorgeschlagen, um durch einen neugesetzten Entzün-
dungsprocess den Herd zu zerstören und so eine allgemeine Infec-
tion zu verhüten. Dieses Verfahren wird von Volk man n gelobt.
Sicherer ist jedoch die vollständige Entfernung des Herdes
durch die Nekrotomie, das Auslöffeln, oder durch Resection,
beziehungsweise die Amputation. Gelingt es frühzeitig, den
Herd zu diagnosticiren, was unter Umständen oft grosse
Schwierigkeiten haben wird, z. B. am Gelenkende, wenn es
bereits zur fungösen Wucherung im Gelenke gekommen ist, ohne
dass der Kranke, wie es meist der Fall ist, genauere Angaben
machen kann, so wird möglicher Weise eine allgemeine Tuberculose
hintangehalten werden können, aber nicht immer, wie es der
mitgetheilte Fall beweist. Versuche, welche der Vortragende
mit Jodkali angestellt, haben sich in frischen Fällen vorteilhaft
erwiesen, weniger in chronischen, doch ist das Material noch
nicht hinreichend, um ein bestimmtes Urtheil zu fällen.
Hnojsky Franz, 25 Jahre, Schneider, am 5. November 1879
aufgenommen, gibt an, vor 10 Jahren an seinem linken Schienbeine
krank gewesen zu sein, worauf einzelne Knochenstücke ausgestossen
wurden. Im vorigen Jahre brach die Narbe am Schienbeine wieder
auf und heilte nur langsam. In der letzten Zeit war die Knie¬
kehlengegend sowohl bei Druck als auch bei Bewegungen schmerz¬
haft, mit grosser Hinfälligkeit. Bei der Aufnahme fand sich das
ganze Schienbein bedeutend verdickt, an der Vorderfläche mit glän¬
zenden Narben bedeckt, die Kniekehle von infiltrirtem Zellgewebe
erfüllt, die Haut gespannt, der Umfang des Gelenkes um 2 Cm.
vermehrt, die Bewegungen im Kniegelenke massig beschränkt, die
Untersuchung der übrigen Organe ergab nichts Abnormes.
Unter Anwendung der Kälte nahm die Geschwulst in der
Kniekehle und die Schmerzhaftigkeit bei Druck ab, die Bewegungen
waren leichter, so dass der Kranke schon nach sechs Tagen, trotzdem
dass die Infiltration noch nicht vollständig geschwunden war, die
Entlassung verlangte.
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Hromiceck Johann, 34 Jahre, am 29. Jänner 1879 aufge¬
nommen, überstand vor fünf Jahren die Cholera, in den späteren
Jahren litt er öfter an Rheumatismus. Seit 14 Tagen klagte der
Kranke über heftige Schmerzen in der Nähe des rechten äusseren
Knöchels gegen die Fusssohle zu. Bei der Aufnahme fand (sich die
Gegend des Fersenhöckers stark angeschwellt. Die erste Schwellung
war unterhalb des äusseren Knöchels entstanden und hatte sich all-
mälig gegen die Achillessehne hin ausgebreitet, mit Schmerzen bei öl
Gehen oder Stehen. Die Geschwulst umfasst jetzt den ganzen äussereh
und hinteren Umfang des Sprunggelenkes und den hinteren Theil
der Fusssohle. Die Haut ist nicht verändert, die Gegend fühlt äich
teigig-weich an, und erscheint der Fersenhöcker stark verdickt.
Schmerz ist nur beim Gehen und Stehen vorhanden, nicht aber bei
Druck. Fieber war nie vorhanden und auch jetzt nicht. Nach An¬
wendung der Kälte schwand die Geschwulst und die Schmerzen
theilweise und der Kranke verlangte, weil er sich wieder für
arbeitsfähig hielt, die Entlassung am 7. Februar 1879.
Rummel Anna, 68 Jahre, Bedienerin, am 9. Mai 1878 auf
Saal 8 aufgenommen, gibt an, weder Kinder- noch andere Krank¬
heiten überstanden zu haben. Seit zwei Monaten empfand sie
spannende Schmerzen im rechten Sprunggelenke, es bildete sich eine
Geschwulst an der hintern Seite mit Röthung der Haut und Schmerz¬
haftigkeit bei Bewegungen des Sprunggelenkes. Bei der Aufnahme
ergab sich ausser einer Conjunctivitis catarrhalis nichts Abnormes
am Stamme. Brust- und Bauchorgane normal, das rechte Sprungge¬
lenk geschwellt, abducirt, die Haut geröthet, an der äusseren Seite
etwas über dem äusseren Knöchel eine fluctuirende Geschwulst. Der
Knochen wenig verdickt. Nach Eröffnung des Abscesses gelangt
man von Hinten in das Sprunggelenk. Nach Abnahme der Schwellung
trat die Verdickung der Fusswurzelknochen deutlicher hervor, und
es wurde, da die Absonderung trotz Lister’schei Behandlung reichlich
war, am 8. Juni die Amputation in der Mitte des Unterschenkels
vorgenommen. Die Untersuchung des Stumpfes ergab Ostitis der
Fusswurzelknochen mit fungöser Wucherung in den Gelenken Die
Affection des Sprunggelenkes war geringer als die der anderen Gelenke.
Die Kranke begann am zweiten Tage nach der Operation zu fiebern,
am vierten Tage entwickelte sich Schwellung am Stumpfe und es
kam trotz Lister’scher Behandlung zu Periphlebitis femoralis mit
Absterben des Hautlappens, und die Kranke ging marastisch zu Grunde.
Bei der Obduction fand sich neben Marasmus Verjauchung der Wunde,
jauchige Phlebitis im Bereiche der Vena femoralis dextra, Lungen¬
ödem, alte umschriebene Tuberculose der Lungenspitzen.
Cho Johann, 16 Jahre, Buchbinder, am 6. April 1875 aufge¬
nommen, war angeblich bis 1873 gesund. In diesem Jahre bemerkte
er ohne bekannte Veranlassung eine Verdickung der rechten grossen
Zehe, an welcher sich darauf wiederholt Geschwüre entwickelten,
die einen dünnen Eiter absonderten und nach einiger Zeit verheilten,
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um «pater wieder aufzubrechen. Schmerzen waren in der Zehe nur
beim Gebrauche des Fusses vorhanden. Die Untersuchung bei der
Aufnahme ergab mehrere solcher Geschwüre, mit leicht blutenden
und schlaffen Granulationen, durch welche man mit der Sonde auf
rauhen Knochen stiess. Amputation des Mittelfassknochens der grossen
Zehe über dem Köpfchen, nachdem sich die Enucleatio digiti wegen
fangöser Ostitis des Köpfchens des Mittelfassknochens als ungenügend
erwiesen, nach Bildung eines vorderen und hinteren Lappens. Die
Heilung erfolgte nicht, sondern es breitete sich unter gleichzeitiger
Bildung eines Abscesses in der Gegend des inneren Knöchels eine
teigige Geschwulst über den ganzen Best des Mittelfassknochens aus
und bildeten sich daselbst mehrere kleinere Abscesse, durch welche
man auf rauhen Knochen stiess. Ebenso erfolgte keine Heilung an
dem Einschnitte in der Gegend des Knöchels. Im weiteren Verlaufe
Schwellung des ganzen Fusses, des Sprunggelenkes mit nachträglicher
Absoessbildung, welche Einschnitte nöthig machten, und alle Gelenke
des Fusses und das Sprunggelenk erkrankt ergaben; da eine aus¬
giebige Auslösung des Sprunggelenkes mit Entfernung der nekrotischen
Epiphyse nicht zum Ziele geführt hatte, so wurde am 17. Deceirber 1875
die Absetzung des Unterschenkels über dem Knöcheln vorgcnommen.
Es trat bedeutende Schwellung des Lappens und später Gangrän an der
Wunde ein, welche das Glüheisen nöthig machte, nach dessen An¬
wendung die Wunde zu heilen schien. Patient, der sich bis jetzt
ziemlich gut befunden hatte, und bei dem die Untersuchung bei der
Aufnahme in den Lungen nichts Abnormes nachgewiesen hatte, klagte
Anfangs Jänner 1876 ohne Veranlassung über Schmerzen bei den Be¬
wegungen des Kopfes, obwol objectiv nichts nachzuweisen war. Trotz der
Anwendung der oberflächlichen Aetzung mit dem Glüheisen nahmen
die Schmerzen im Nacken immer mehr zu und es stellten sich Ende
Jänner bereits Schlingbeschwerden ein, welche durch einen Retro-
pharingealabscess bedingt waren, bei Caries der Halswirbelsäule. Zugleich
gesellten sich auch Athembeschwerden hinzu. Schon etwas früher,
als die Entzündung die Halswirbelsäule ergriffen hatte, war Schwellung
des rechten Fusses aufgetreten, welche sich als Entzündung der Knochen
immer mehr ausbreitete. Bei des Vortragenden Uebernahme der Ab¬
theilung war die Amputationswunde noch nicht geheilt, die Gegend des
Nackens von einer nicht fluctuirenden, sehr schmerzhaften Geschwulst
eingenommen, welche an den oberen Halswirbeln am deutlichsten
war. Die Bewegungen des Kopfes waren leichter und nahmen die
Schlingbeschwerden nach Eröffnung des Retropharingealabscesses auch
etwas ab. Um die Wirbelsäule zu fixiren und dem Kranken einige
Beweglichkeit zu geben, wurde ein klappenformiger Gypsverband am
Halse angelegt. In dem MonateApril stellte sich Husten ein und es
konnte deutlich eine Infiltration in den Lungen nachgewiesen werden.
Unter steter Zunahme der Schwäche erfolgte der Tod am 29. Juli 1876.
Section: Caries vertebrarum coli, mit fast vollständiger Zerstörung
des Processus odontoideus, Tuberculosis pulmonum, Peritonei, Caries
pedis dext. tuberculosa.
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73
Aus dem Geschäftsraum.
In der unter dem Vorsitze des Präsidenten Dr. v. Schmer¬
ling am 28. J&nner d. J. abgehaltenen Sitzung, in der beide
Vicepräsidenten, der Secretär und 22 Mitglieder des Geschäfts-
rathes anwesend waren, wurden zunächst die Herren DDr. Hugo
Gnändinger, Arthur Pinsker und August Scheffer als
ordentliche Mitglieder in der Doct.-Coll. aufgenommen.
Dann beantragt Vicepräsident Dr. Lederer, die auf der
Tagesordnung befindliche, das Verhältniss der Aerzte zu den
Versicherungsgesellschaften betreffende Eingabe des ärztlichen
Vereines der südlichen Bezirke dem Comit6 für Standesinteressen
zuzuweisen, damit die Petition in Angelegenheit der Aerztekammern
sogleich in Angriff genommen werden könne. Dr. J. Scholz
spricht den Wunsch aus, dass diese Eingabe heute mindestens
Torgelesen werde, dem auch willfahrt und hierauf Dr. Lederer’s
Antrag angenommen wurde.
Der Herr Secretär theilt mit: a) das Directionsmitglied
des Carolinen - Kinderspitals Herr Dr. Lama sch habe den
Ternavorschlag für die Besetzung der Stelle eines Primar-Chi-
rurgen eingesendet, in welchem er im Einvernehmen mit dem
dirigirenden Primarius Dr. v. Hüttenbrenner zunächst Dr.
Gersuny, als Zweiten Dr. Nicoladoni und als Dritten Dr.
Linsmaier vorgeschlagen habe. Nachdem dieser Vorschlag
noch von Dr. Preyss unterstützt und begründet war, wurde über
Vorschlag der DDr. Heim und Much Herr Dr. Gers uni
mit 14 Stimmen zum Chirurg. Primararzt gewählt. 6) Die hochl.
n.-ö. Statthalterei zeigt an, dass nach dem Ableben Sr. Excel-
lenz Freiherrn von Lasser - Zollheim das Verleihungsrecht des
Gorisehek'schen Stipendiums auf Grund stiftsbrieflicher
Bestimmungen an den jeweiligen Präsidenten des Doct.-Coll.
übergehe, c) Dass das Stiftungs - Capital der Mo sin g’schen
Stipendienstiftung im Gesammtbetrage von 10.900 fl. in
vinculirten Staatspapieren dem Doct.-Coll. übergeben wurde.
d) die von der L ei tner’schen Stiftung herstammenden Obliga¬
tionen müssen vor Genehmigung des Stiftbriefes vinculirt werden,
diese Mittheilungen ( b — d) werden zur Kenntniss genommen.
OSR. Dr. Schneller legt nach einigen einleitenden
Bemerkungen die vom Comite zur Förderung der Standesinter¬
essen berathene Petition an den hohen Reichsrath und die hohe
Regierung in Angelegenheit der Errichtung von Aerztekammern
vor, und M. R. Dr. Preyss theilt als Referent die Gesichts¬
punkte mit, unter welchen diese Petition verfasst wurde, die er
verliest und die überdies in Bürstenabzügen an die Mitglieder
des Geschäftsrathes vertheilt wurde. — Die Petition spricht sich
im Allgemeinen gegen die Errichtung von Aerztekammern aus*).
Dr. Lederer, der hierauf das Wort erhielt, spricht entschieden
♦) Siehe „Mittheilungen“ 1880, Nr. 3, S. 29.
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gegen die Petition des Aerztevereins-Verbandes, welche Aerzte*
kammern anstrebt, und bezeichnet es als einen Act der Noth-
wehr, wenn das Collegium in der vorgelegten von ihm bean¬
tragten Petition seine Anschauungen darlegt, und Dr. Much
beantragt die en bloc-Annahme der eben verlesenen Petition.
Dr. Scholz erklärt sich mit dem Referate im Grossen und
Ganzen einverstanden, findet jedoch die Ausdrücke scharf, welche
gegen den Nutzen und die Zweckmässigkeit der Aerztekammern
im Allgemeinen gebraucht werden; er macht ferner auf die Vor¬
theile aufmerksam, welche das Coli, durch die eventuelle Aus¬
stattung mit den Rechten einer Aerztekammer, sowie durch
Verdoppelung seiner Mitgliederzahl auch in peouniärer Hinsicht
erzielen würde und schliesst sich dem Anträge des Dr. Much
an, jedoch solle von dem Referenten eine Schlussredaction der
Petition im bezeichneten Sinne vorgenommen werden. Dr.
Löffler besteht darauf, dass die Petition sich entschieden gegen
Errichtung von Aerztekammern aussprechen solle und stimmt
für die en bloc-Annahme derselben. Ueber Antrag Dr. Much
wird Schluss.der Debatte angenommen und sprechen nun noch die
DDr. Klein, v. Pernhoffer, Hopfgar tner und Lederer.
Dr. Klein ist als Mitglied des Geschäftsraths des Doctoren-Colle-
giums ebenfalls gegen Errichtung von Aerztekammern, hält jedoch
dafür, in der Petition auch auf die ausser Wien wohnenden
Aerzte Rücksicht nehmen und die hinsichtlich der geringeren
Bildung der Chirurgen gewählten Ausdrücke durch den Refe¬
renten mildern zu sollen. Die DDr. v. Pernhoffer und Hopf¬
gar tner schliessen sich den Anträgen betreffs der Milderung
einiger scharfer Ausdrücke an und stimmen im Uebrigen für die
en bloc-Annahme. Letzterer beantragt überdies, da die baldige
Ueberreichung der Petition geboten erscheine: Es möge sofort
über das Principielle derselben und die Formulirung der Schluss¬
stelle und dann darüber abgestimmt werden, ob eine Milderung
gewisser Schärfen durch den Referenten oder ein eigenes Re-
dactions-Comite vorzunehmen sei.
Nachdem nun noch Dr. Lederer gegen Dr. Scholz pole-
misirt und Referent Dr. Preyss für die in der Petition hin¬
sichtlich der Chirurgen und deren numerisches VerhäUniss zu
dem der Doctoren enthaltenen Sätze gesprochen und sich ein¬
verstanden erklärte, eiuige Schärfen zu mildern, falls es die Ver¬
sammlung wünscht, wird über den Antrag Dr. Mu c h’s auf en bloc-
Annahme der Petition abgestimmt und diese einstimmig an¬
genommen.
In der am 4. März unter dem Vorsitze des Vicepräsidenten
l)r. Preyss abgehaltenen Sitzung, in welcher nebst dem zweiten
Vicepräsidenten Dr. Lederer und Secretär Dr. Hopfgartner
15 Mitglieder des Geschäftsrathes anwesend waren, wurden nach
Verlesung und Verificirung der letzten drei Protokolle — vom
8. November, 17. December und 28. Jänner — die Herren
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DDr Arnold Demi, Heinrich Kink, Franz Schopf und Moses
Schn epp einstimmig als Mitglieder in dasDoct.-Coll. aufgenommen.
Hierauf machte der Herr Secretär folgende Mittheilungen:
ä) Die Direction der niederösterreichischen Laudes-Gebär- und
Findelanstalt übersandte die Jahresausweise über die Verwendung
der Interessen des Unterstützungsfonds für Findlinge einerseits
und des Reconvalescentenfonds für besonders arme und ver¬
lassene Wöchnerinnen andererseits; b) die Witwen- und Waisen-
societät des Doct.-Coll. übergab drei Exemplare des neuen
Statutenentwurfes zur Bekanntgabe an jene Mitglieder des Coli.,
die der Witwensocietät bisher noch nicht beigetreten sind; c) das
Prager med. Doctoren-Collegium übersandte 20 Mitgüeder-Ver-
zeichnisse für das Jahr 1880, eine Artigkeit, die von unserem
Coli, in gleicher Weise erwidert wurde; d) das k. k. Ministerium
des Aeussern übersandte, wie alljährlich, den vom Regimentsarzt
und Director des k. k, österreichisch-ungarischen Nationalspitals
in Constantinopel verfassten Bericht über die Ergebnisse dieses
Spitals im Jahre 1879 zur geeignet scheinenden Verfügung. —
Nach diesen Mittheilungen legte Dr. Hopfgartner als Cassier
das Präliminare der Einnahmen und Ausgaben für das Jahr 1880
vor, nach welchen den zu hoffenden Einnahmen im Betrage von
4848 fl. — kr. eine gleiche Summe für die nothwendigen Aus-
lagen gegenübersteht, und sind die diesbezüglichen Posten folgende:
A. Einnahmen.
Interessen für 15800 fl. Notenrente fl. 663' —
Jahresbeiträge von 677 Mitgliedern „ 3385 # —
Aufnahmstaxen von mindestens 10
neu aufzunehmenden Mitgliedern ... „ 300'— fl. 4348*—
B . Ausgaben.
Wohnungsmiethe.. fl. 474*—
Regiekosten (Remunerationen für
die Beamten und Entlohnung des Dieners
inbegriffen). „ 2010'—
Herausgabe der Mittheilungen . . „ 1500*—
Pensions-Institut. „ 64*—
Für Instandhaltung der Bibliothek „ 300*— „ 4348’—
Dieses Präliminare ^urde genehmigt und beschlossen, die
den Einnahmen zu Grunde gelegte Post „Jahresbeitrag“ in der
Höhe von 5 fl. in der Generalversammlung auch für das
Jahr 1881 zu beantragen.
Zum Schlüsse referirte noch OSR. Dr. Schneller als
Superintendent des Juschitz’schen Stipendiums über das Gesuch
des Drd. Anton Forajewicz um Verlängerung des Genusses dieses
Stipendiums während der Zeit der rigorosen Prüfungen und
beantragt, Petenten noch ein weiteres Jahr in dem Genussse zu
belassen, womit die Versammlung einverstanden war.
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Notizen.
Die Berufung des pens. Hofraths Dr. Roll, als ausserordentlicher Fach-
referenfc Dir Veterinärangelegenheiten im Sanitäts-Departement des Ministerium
des Innern, wurde von Sr. Majestät dem Kaiser genehmigt.
Zu den Aerztekammern. Der ärztliohe Yerein der westlichen Bezirke
Wiens hat, dem Beispiele des Doot.-Coll. und des ärztl. Vereins im IIL Bez.
folgend, gleichfalls eine Petition gegen die Errichtung von Aerztekammern
dem hohen Abgeordnetenhause unterbreitet, welche durch den Reiohsraths-
Abgeordneten Dr. Waibel überreioht wurde.
Armenärztliches. In der Gemeinde Hernals wirdeine zweite Armen-
arztensstelle oreirt und für diese Stelle demnächst der Gonours ausgeschrieben
werden.
Zur Erinnerung.
Wie bereits in Nr. 5 dieser Mitteilungen angekündigt wurde, findet die
HI. ordentliche General-Versammlung
des Pensions-Institutes des Wr. med. Doct.-Coll.
am Samstag, den 20. März 1880, Abends 7 Uhr, im Sitzungssaale des Wr.
med. Doot-Coll., I., Rothenthurmstrasse 23, statt und werden alle Mitglieder
dieses Institutes dazu freundlichst eingeladen.
Einladung.
zu der am
Montag den 22. März 1880, Abends ‘| 2 7 Uhr
im Sitzungs-Saale des akademischen Senates (vorm. Consistorial-
Saal), I, Sonnenfelsgasse 23, stattfindenden
Ordentlichen General - Versammlung
des
Wr. med. Doet.-Coll.
Programm:
1. Wahl: a) des Präsidenten und zweier Yioe-Präsidenten auf ein Jahr,
b) von acht Mitgliedern des Gesohäfts-RatheB auf die Dauer von
drei Jahren.
c) von acht Mitgliedern des wissenschaftlichen Ausschusses, gleich¬
falls auf die Dauer yon drei Jahren,
d) eines Secretärs und dessen Stellvertreters auf 3 Jahre.
e) eines Gassiers und dessen Stellvertreters auf 3 Jahre.
2. Lesung des Protokolles der letzten ordentlichen General-Versammlung am
31. März 1879.
3. Bericht des Präsidenten über die Thätigkeit des Wr. med. Doot.-Goll. im
Jahre 1879.
4. Bericht des Cassiers über die Vermögens-Gebarung im Jahre 1879 und
5. Beschlussfassung über den Antrag der Reobnungs-Gensoren auf Ertheilung
des Absolutoriums.
6. Genehmigung des Voranschlages für das laufende Jahr und Festsetzung
des Jahresbeitrages für das Jahr 1881.
Der Senatssaal wird bereits um 6 Uhr Nachmittags zum Behufe von
Wahlbespreohungen geöffnet sein.
Pr. Preyss, Vice-Präsident. _ Dr. Hopfgartner, Se cretär.
IMe nächste Nummer erscheint am 1. April.
Herausgeber und Verleger: Wiener mediein. Doet «Ooll. — Verantwortlicher Redaoteur
Dr. I. Hopfgartner. ~ Oeoellsahafts-ßnohdrnckerei, Wien, TTF. Rrdbergemraase 3
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VI. «d. Ausgegeben am 1. April 1880.
Nr. 8
/ MITTEILUNGEN
des ,
ffienflr jnMlcinlscjHjn Dacloran-Gollftifflims.
firsoheint jeden «weiten Donnerstag ein halber bis ein ganser Bogen and darüber, an
SO Bogen im Jahre. — Ganzjähriges Abonnement für Nichtxnitglieder des Collegiums im In¬
lande 8 fl., nach dem Aaslande 6 Birk. — Einzelne Nummern 36 kr. = 60 Pfg. — Inserate
16 kr. = 80 Pfg. für die durchlaufende Petit-Zeile.
Man pränumerirt in der Medicin. Buchhandlung Toeplitx de Deuticke
.* (vormals Karl Csermak), Wien, L, Schottengasse 6.
Inschriften und Znsendnngen an die Red&etioi: Wien, Knnilei des Wiener ned.
Doet-Cell. and der Witwen- and Wnisen-Societät, Rothenthnrvstrasse 23.
Inhalt: Wissenschaftliche Versammlung am 1. M&rz. (Schluss.) — Wissenschaftliche Ver¬
sammlung am 16. M&rz. — Aus dem Geschäftsrathe. — Referat über das Verhältnis der
Privatärzte zu den Versioherungs-Gesellschaften — Die Generalversammlung des Wiener
medicini8chen Doctoren-Collegiums. — Notizen. — Einladungen.
Wissenschaftliche Versammlung am I. März.
4(Sohlh8s.)
Prof. Billroth spricht „über die Exstirpation des
Uterus“ und erklärt, wegen der Kürze der zur Verfügung
stellenden Zeit sich nur auf die Hervorhebung der wichtigsten
Punkte beschränken zn müssen.
Trotz der zahlreichen Publicationen über diesen Gegenstand
gebifaeh es bisher an einer Zusammenstellung aller diesfälligen
Operationen, aus welcher man einen berechtigten Schluss ziehen
könnte; die nachfolgenden Auseinandersetzungen sollen nur die
persönliche Stellung des Vortragenden zudem erwähnten Gegen¬
stände kennzeichnen.
Billroth will nur von der sogenannten supravaginalen Ampu¬
tation des Uterus mittelst der Laparo-Hysterotomie und von der
Exstirpation von Uterusfibromen vom Bauche her sprechen.
Er sagt: Bis vor etlichen Jahren wurde den Uterus fibromen keine
wesentliche Bedeutung zugeschrieben; sie galten als Erkran¬
kungen vorzugsweise des reiferen Alters, welche wenig Be-'
schwerden, höchstens leicht stillbare Blutungen verursachen,
nich unter Umständen (als fibröse Polypen) leicht auslösen lassen,
dnd häufig verkalken. Die Ovarialtumoren hielt man damals
soch für grosse Raritäten. — Diese Anschauung habe ich in
nen letzten Jahren aufgeben müssen. Ich habe früher die Gefahr
der Blutungen und des langen Bestehens der Tumoren, welche
häufig Ascites mit sich bringen, unterschätzt, und mich später
auch überzeugt, dass diese Tumoren auch bei jugendlichen In¬
dividuen Vorkommen, und zu einer ganz colossalen Grösse heran¬
wachsen können. Es war mir früher auch nicht bekannt, dass
es verhältnissmässig kleine Tumoren des Uterus giebt, welche
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wegen des continuirlichen Druckes und der continuirlichen
Schmerzen, die sie verursachen, den Besitzerinnen so lästig
werden, dass sie eine Indication für die Exstirpation bilden. —
Der in früherer Zeit gemachte Einwand, dass man durch Extir-
pation des Uterus die Patientin „entweihe“, ist durch die Er¬
wägung hinfällig geworden, dass es ohnehin für eine mit einem
grossen Uterusfibrome behaftete Person ein Unglück ist, wenn
sie concipirt. Endlich hat uns die neuere Zeit eine Reihe von
diagnostischen Hilfsmitteln an die Hand gegeben und uns ge¬
lehrt, dass es bei einem etwaigen diagnostischen Irrthume, der
erst im Beginne der Operation erkannt wird, nicht von allzu¬
grosser Bedeutung ist, wenn man von den Vollendung der Ope¬
ration absteht, und die Bauchwunde wieder schliesst, einen
Vorgang, den Spencer Wells, der bisher schon über 1000
Ovariotomien ausführte, eingebürgert hat. Diese Umstände und
Erwägungen haben mich wie viele Andere in den letzten Jahren
veranlasst, die Exstirpation des Uterus in geeigneten Fällen
auszuführen. Insbesondere bin ich hierzu ermuthigt worden
durch die Arbeit von Pöan und Urdy, welche 1873 erschienen
ist. Im Jahre 1866 habe ich in Zürich die erste diesfällige
Operation gesehen, und im November 1874 selbst ausgeführt;
seither habe ich im Ganzen 25 Fälle operirt.
Was zunächst die Differentialdiagnose zwischen
Uterus- und Ovarialtumoren anbelangt, so giebt es für
dieselbe mehrere Anhaltspunkte. Zunächst spricht eine starke
und allseitige durch die Digitaluntersuchung zu eruirende Mit¬
bewegung der portio vaginalis bei passiven, durch einen
Assistenten ausgeführten Bewegungen des Tumors für einen
Uterustumor, allein es gibt Fälle, bei denen man sich hiedurch
täuschen kann, denn es gibt sowohl Ovarial- als Uterustumoren,
die überhaupt gar nicht beweglich sind; ferner gibt es Ova¬
rialtumoren, die sehr fest und innig mit dem Uterus verbunden
sind, und endlich gibt es gestielte Uterusfibrome, bei welchen
nur eine geringe Mitbewegung der portio vaginalis vorhanden
zu sein braucht. — Auch die Consistenz des Tumors gibt
keinen sicheren Anhaltspunkt, denn viele Tumoren, die, als Prä¬
parate betrachtet, für sehr harte Gebilde imponiren, sind wäh¬
rend des Lebens von Serum so stark durchtränkt, dass sie für
die Palpation eine scheinbar deutliche Fluctuation Vortäuschen,
dass beim Einstich sogar colossale Quantitäten von Flüssigkeit aus-
fliessen, so dass man in der Erwartung einer Cyste noch mehr
bestärkt wird, bei der Operation aber trotzdem einem Tumor
begegnet. Auf der anderen Seite gibt es wieder Ovarialtumoren
von sehr bedeutender Resistenz, das sind nämlich solche, die
aus einer Menge von kleineren, mit fibrösen Wandungen ver¬
sehenen, aber mit gallertartigem Inhalte erfüllten Cysten beste¬
hen; die Kapseln können so stark gespannt sein, dass das
Conglomerat der Cysten eine feste Consistenz erhält.
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Einen weiteren Anhaltspunkt gibt für viele Fälle die
Yerlängerung der Uterushöhle. In zweifelhaften Fällen
sollte man die Sondirung des Uterus nicht unterlassen. Die
Fibrome, welche der inneren Uteruswandung nahe liegen, pfle¬
gen diese Wandung auszudehnen und colossal zu verlängern;
eine solche Yerlängerung kommt aber bei Ovarialtumoren nicht
vor; indess muss man bei solchen Untersuchungen bedenken,
dass die Uterussonde auch hoch hinaufgeschoben werden
kann, ohne dass die Uteruswand verlängert wäre; diess ist der
Fall, wenn der ganze Uterus hoch hinaufgezogen ist. Eine wirk¬
liche Yerlängerung spricht aber mit grosser Wahrscheinlichkeit
für ein Uterus fibrom.
Das Symptom der Blutungen ist für die Differential¬
diagnose gleichfalls nicht verlässlich. Bei Ovarialtumoren kom¬
men Blutungen nicht so oft vor wie bei Uterusfibromen, aber
andererseits kommen noch häufiger sehr grosse Uterusmyome
ohne jede Blutung vor. — Die Blutungen hängen wesentlich
davon ab, dass in der den Tumor überziehenden Schleimhaut
eine venöse Hyperämie besteht; alle Fibrome aber, die tief in
der Substanz des Uterus liegen, oder nur unter einem serösen
Ueberzuge, verursachen in der Regel gar keine Blutungen. —
Die Menses können ganz regelmässig sein.
Was nun das Alter der Patientin betrifft, so hat man
bis vor wenigen Jahren geglaubt, dass Uterusfibrome nur zwi¬
schen dem 30. und 40. Lebensjahre Vorkommen. Es ist wohl
richtig, dass die meisten Fälle gerade in diesem Lebensalter
zur Behandlung kommen, aber die Entstehung der Tumoren
fällt weitaus in eine frühere Zeitperiode. — Yon den 25 Fällen,
in welchen ich die Laparo-Hysterotomie angeführt habe, waren
2 im 17. und 18. Lebensjahre, das heisst, zu dieser Zeit hatten
die Patientinnen das erste Symptom ihier Krankheit, eine
Yergrösserung des Bauches, bemerkt; es kann aber wohl sein,
dass die Krankheit schon recht lange bestanden haben mag,
ehe sie überhaupt bemerkt wurde. Aus dem dritten Decennium
habe ich 4 Fälle verzeichnet, und zwar aus dem 23., 24., 25.
und 26. Lebensjahre. Die grösste Anzahl fallt in das vierte
Decennium, nämlich 12 Fälle, und zwar 2 aus dem 31. Le¬
bensjahre, je 3 aus dem 33. und 36., dann je einer aus dem
37., 38. und 40. Lebensjahre. — Aus dem fünften Decennium
habe ich 5 Fälle verzeichnet, und zwar je einen aus dem 41.,
41., 44., 45. und 47. Lebensjahre. — Die Anschwellung des Leibes
wurde von den Weibern meistens im vierten Decennium beobachtet;
ich glaube aber, nicht zu irren, wenn ich die grösste Häufigkeit
der Entstehung der Tumoren zwischen dem 2. und 3. Decennium
annehmen. — Allerdings verfüge ich nicht über grosse Zahlen
für eine Statistik, aber diese Dinge sind so typisch, dass sie
sich selbst in kleinen Zahlen aussprechen. Eine Statistik von
25 bis 40 Fällen sagt genau dasselbe, wie. eine solche von
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200; die Zahlen werden wohl vergrössert, die Verhältnisse aber
bleiben dieselben.
Einen weiteren Anhaltspunkt gibt die verschiedene Be¬
schaffenheit der in einer Ovarialcyste enthaltenen von jener
Flüssigkeit, welche sich in mit Myofibromen combinirten Cysten
vorfindet; die leztere verhält sich wie das gewöhnliche Blut¬
albumin, sie coagulirt an der freien Luft, während die Flüssig¬
keiten der Ovarialcysten diese Eigenschaft des spontanen Coa-
gulirens in der Begel nicht besitzen, und ihr Eiweis sich bei
der chemischen Untersuchung als sogenanntes Par - Albumin
herausstellt. — Gerade jene Fälle, wo sich Cysten in den Myo¬
fibromen finden, sind von eigentlichen Ovarialtumoren am schwer¬
sten zu unterscheiden.
Als letztes diagnostisches Hilfsmittel ist die Incision an-
zusehen, nach welcher man, dem Yorgange Spencer Wells gemäss,
sich zur Operation entschlossen, oder beim Vorfinden ungünsti¬
ger Verhältnisse von derselben abstehen kann. Ich habe mich,
schweren Herzens zu dieser Maxime entschlossen. Wenn man
aber mehrere Fälle erlebt, wo * man nach l 1 /* bis 2 ständigem
Operiren noch froh ist, die Patientin lebend ins Bett zu bringen,
so entschliesst man sich endlich doch zu jenem Principe, wel¬
chem ich denn auch schon in vier Fällen gefolgt bin; darunter
waren drei Fälle von Carcinomen des Ovariums, wo auch schon
das ganze Peritoneum von kleinen Carcinomen besäet war, die
Operation also den Patientinnen keinen Vortheil mehr hätte brin-'
gen können. — Wenn man jede Operation um jeden Preis
ausführen will, dann muss man nothwendiger Weise auch eine
ungünstige Statistik herausbekommen; besser würde die Statistik
ausfallen, wenn man bei den als inoperabel erkrankten Fällen
einfach von der Operation abstehen würde.
In Bezug auf die weitere Entwicklung der Uterus¬
tumoren bemerkt Billroth:
Die Entwicklung von Cysten in den Myofibro¬
men geschieht offenbar aus Spalträumen zwischen den einzelnen
Bündeln und Fasern; die Hohlräume fliessen allmälig zusammen,
und stellen reine Bindegewebscysten dar, analog den subcuta-
nen Schleimbeuteln; eine Auskleidung mit Epithel ist selten
wahrnehmbar.
Eine zweite Degenerationsform der Fibrome ist
die sarkomatöse: aus einem Theile des Myofibroms wird
ein weiches sarkomatöses Gewebe, das nicht mehr im Bereiche
des Uterus bleibt, sondern in die Nachbarorgane hineinwächat,
und das ganze Becken ausfüllt.
Die Verkalkung pflegt in den höheren Lebensaltern
aufzutreten, und hat für den Chirurgen die geringste Bedeutung,
denn Tumoren, die dazu disponiren, pflegen nicht sehr rasch
zu wachsen.
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Der Vortragende übergeht hierauf zur Besprechung des
Sitzes und des Verhaltens der Myome zum Uterus.
In dieser Beziehung lassen sich vier Kategorien aufstellen:
1. Bein superficielle Tumoren, auch subseröse Tumoren,
wo die ganze Uterusoberfläche mit 20 bis 30 Geschwülsten
verschiedener Grösse besetzt ist, die mehr oder weniger ge-
gestielt sind.
2. Ein einziger grosser Tumor sitzt gestielt an der Oberfläche
auf, — ein für die Operation günstiger Fall.
3. Interstitielle Tumoren, welche zwischen den Muskellagen
des Uterus entstehen. Meist pflegt in diesen Fälien der Uterus
verlängert zu sein; an eine Auslösung ist hier nicht zu denken.
4. In vielen Fällen schieben sich die Tumoren von unten
längs der Wirbelsäule hinauf, .so dass man bei Eröffnung des
Bauches, Darm und Mesenterium vor sich liegen hat. Solcher
Fälle hat Billroth zwei beobachtet. Der Tumor kann das
Mesenterium vor sich herschieben, ebenso die Peritonealfalte
zwischen Blase und Uterus. Das aber sind Ausnahmsfälle.
Es folgt nunm ehr die Schilderung der Operationstechnik.
Spencer Wells hat aus seiner Statistik den Schluss gezogen,
dass alle jene Fälle schlecht verliefen, in welchen ein langer
Bauchschnitt gemacht wurde; deshalb wurde dieser sehr
gefürchtet; man hat aber später das Irrthümliche dieser directen
Schlussfolgerung eingesehen, und erkannt, dass es eben immer
an und für sich schwere Fälle sind, in welchen man genöthigt
ist, einen langen Bauchschnitt zu machen. Pöan hat, um mit
einem kurzen Bauchschnitte auszukommen, die Zerstückelung
(morceillement) angewendet. Er führt einen Draht als Schlin-
genschnürer um den Tumor und schneidet dann denselben,
solange er noch in der Bauchhöhle ist, ab, — ein Verfahren,
welches man verlassen, seitdem man erkannt, dass man sich
vor der Grösse des Bauchschnittes nicht zu fürchten hat.
Für den Fall des Vorhandenseins von Adhäsionen der
Uterus-Tumoren darf man mit deren Ablösung nicht so
kühn sein, wie bei Ovarialtumoren, wo man die Verklebungen
zweckmässig mit der Hand lösen kann; bei jenen trifft man
nicht selten auf Venen von Fingerdicke.
Die schlimmsten Fälle sind jene, wo die Tumoren retro-
peritoneal liegen; bei diesen ist es am gerathensten, von der
Operation abzustehen: es ist ausserordentlich mühsam und wegen
der Blutung gefährlich, den Peritonealüberzug einzuschneiden
und den Tumor auszuschälen.
Ein anderer schlimmer Fall ist der, dass ein grosser Theil
des Tumors im Becken liegt, dass er sich zwischen Peritoneum
und die breiten Mutterbänder hineingeschoben hat. Es gehört zu
den allerscbwierigsten Aufgaben, sich Zugang in die Tiefe der
Beckenhöhle zu verschaffen, sie entsprechend zu beleuchten
und Unterbindungen in derselben vorzunehmen. Ueberdies ist
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eine grosse Wundfläche des Peritoneums, welche viel blutigen
Serums absondert, sehr gefährlich.
Der günstigste Fall ist der, dass der ganze Tumor über
die Symphyse hervorgehoben und abgeschnürt werden kann:
hier liegen die Verhältnisse wie bei einer einfachen Ovariotomie.
Hat man es mit mehreren kleineren Tumoren zu thun,
so ist es nicht gerathen, jeden einzelnen auszuschälen, da die
zahlreichen Hüllen der Fibrome schwer zu drainiren sind.
Bei Cysten des Uterus hat Pöan eine partielle Abtragung
derselben Yorgenommen; Billroth zieht es aber Yor, lieber den
ganzen Uteruskürper mitzunehmen, als einen Rest der Cyste
zurückzulassen.
Rücksichtlich der Behandlung des Stumpfe s liegt
die Frage wie bei der OYariotomie. Bei den Uterustumoren
hat man es mit einer dicken Masse zu thun, die in der Tiefe
liegt. Billroth ist nach Yielen Versuchen zu der Ueberzeugung
gekommen, dass die extra-peritoneale Behandlung des Stieles
die beste ist. Feilich müsse man dafür Sorge tragen, dass nicht
eine Lockerung der Klammer eintritt.
Der Vortragende demonstrirt hierauf eine Reihe Yon In¬
strumenten für diesen Zweck und wendet sich schliesslich zur
Besprechung der Yon ihm erzielten Resultate.
Unter den 25 Yon ihm operirten Fällen handelte es sich
in zweien um einfache Abstielungen, in einem anderen um Aus¬
schälung einer grossen Zahl Yon Tumoren; die übrigen waren
supra-Yaginale Amputationen. — Von sämmtlichen Operirten
sind 10 genesen und 15 gestorben. Wenn ich aber, sagt Bill¬
roth, die Erfahrungen berücksichtige, die ich an den erstoperirten
Fällen gemacht habe, und demgemäss alle Fälle in 2 Gruppen
Yon 18 und 12 Fällen theile, so stellen sich die Verhältnisse
günstiger: Yon der ersten Gruppe mit 13 sind 10 gestorben und
3 genesen, Yon der zweiten mit 12 Fällen 5 gestorben und
7 genesen.
Bei Berücksichtigung der Todesursachen kommen 2 Fälle
Yon Collaps in den ersten 24 Stunden zu erwähnen, 2 Patien¬
tinnen starben an innerer Verblutung in Folge Loslösung Yon
Massenligaturen, ein Umstand, der mir jetzt nicht mehr so leicht
Yorkommen wird, weil ich besser weiss, die Blutung zu stillen,
und andererseits in gewissen Fällen Yon der Operation abstehen
werde; ein Fall ist zu Grunde gegangen an Ileus und 10 an
Peritonitis; eine bereits geheilte Patientin ist nach 4 Monaten
in Folge der RecidiYe eines Becken-Sarkoms gestorben.
Die Antisepsis spielt bei der geschilderten Operation nicht
jene grosse Rolle, wie man früher geglaubt hat; insbesondere
habe ich in Folge des Carbolspray’s bei OYaritomien schon
so acut Yerlaufende Fälle you Carbolintoxicationen gesehen, dass
ich mich zu dieser Methode nicht mehr entschliessen würde.
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83
In der wissenschaftlichen Versammlung am 15. März
stellt Docent Dr. Hebra zwei Kranke vor, die an Lichen ruber
leiden; bei dem einen ist die Affection der Haut erst im Beginne,
bei dem andern befindet sie sich bereits im vorgeschrittenen
Stadium. H. führt als charakteristische Merkmale für die Er¬
krankung an: kleine zerstreute oder in Gruppen stehende blass-
rothe, glänzende Knötchen, welche keine Yeränderung erfahren
ausser der Involution. Sie entwickeln sich weder zu Bläschen,
noch Pusteln und verursachen keine Substanzverluste; sie per-
sistiren als Knötchen, welche später zu schuppen anfangen. Sie
haben keine bestimmte Anordnung und zeigen sich vorzugs¬
weise an den Extremitäten. Die Erkrankung kommt verhältniss-
mässig selten vor. — In dem einen der demonstrirten Fälle ist
nahezu die ganze Körperoberfläche afficirt. Die Behandlung
mit Arsen ist jedesmal erfolgreich.
Hierauf stellte Dr. Grünfeld einen mit Harnröhren-
Polypen behafteten Kranken vor. Anlässlich der endoscopi-
schen Untersuchung der tripperkranken Urethra wurde nämlich
die Gegenwart der genannten Affection in einer Tiefe von 9
bis 10 Centimeter vom Orificium, also zunächst dem Bulbus
urethrae constatirt. Ein einfacher gerader, endoscopischer Tubus,
bis zu dieser Begion eingeführt, lässt während der langsamen
Herausbeförderung sehr leicht eine auf der rechten Harnröhren¬
wand gestilt aufsitzende, erbsengrosse, blassrothe und leicht
granulirte Geschwulst w ahrnehmen, die plötzlich in das Lumen
des Tubus schlüpft und durch die blässere Farbe von der Um¬
gebung sich leicht abhebt. Eine Locomotion des Endoscops,
die das Neugebilde bald central, bald excentrisch einstellt, er¬
leichtert wesentlich dessen Wahrnehmung. Bei weiterer Extrac¬
tion des Instruments werden noch andere kleinere, gleichfalls
blassrothe, weiche Polypen theile an der oberen, theils an der
linken Urethralwand beobachtet, und zwar findet man deren
im Ganzen fünf in ungleicher Distanz hintereinanderliegend auf
einer Fläche von etwa l l /2 Ws 2 Centimetern. Die Urethral¬
polypen, die früher als grosse Raritäten bezeichnet wurden, so
dass kein Chirurg sie öfters als zweimal zu beobachten Ge¬
legenheit hatte, werden durch die Verwendung des Endoscops
relativ häufig gesehen, und ist der vorliegende Fall der sieb¬
zehnte, den Dr. Grünfeld endoscopisch zu constatiren in der
Lage war. Schliesslich wurde der Fall mit Hilfe des einfachen
Endoscops bei Gaslicht demonstrirt. — Von dem in der Versammlung
an diesem Abende noch gehaltenen Vortrage des Herrn Dr. August
Meyer junior, „Ueber Verdauungs-Chemismus“ werden wir in
einer der nächsten Nummern ein eingehendes Referat bringen.
Aus dem Geschäftsrathe.
In der am 17. März unter dem Vorsitze des MR. Dr. Prey ss
stattgehabten Sitzung, an welcher Vicepiäsident Dr. Lederer,
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84
der Secretär-Stellvertreter Dr. Reitter und 14 Mitglieder des
Geschäftsratlies theilnahmen, wurden .die Herren DDr. Maxi¬
milian Zeissl und S. Robitschek als Mitglieder in das Doct.-
Coli, aufgenommen. Ferner legte Dr. Reitter im Namen des
Cassiers Dr. H o p f g a r t n e r die von den Censoren Dr. Ed. Nagel
undDr. Wölfl er bereits geprüften und richtig befundenen Rech¬
nungen des Collegiums und der von demselben verwalteten
Fonde, sowie das Protokoll über die Cassenscontrirung, wobei
alles in bester Ordnung gefunden worden, vor und nach ge¬
nommener Einsicht wird beschlossen, dass in der Generalver¬
sammlung der Antrag des Geschäftsraths auf Ertheilung des
Absolutoriums gestellt werde. Dann verliest der Vorsitzende die
Namen der, als im Amte ältesten, zum Austritte bestimmten Mit¬
glieder desGeschäftsrathes und ersucht hierauf Herrn Dr. Scholz
sein Referat „über das Verhältnis der Privatärzte zu den Ver¬
sicherungsgesellschaften 11 , das bereits die Zustimmung des Co-
mites für Wahrung der Standesinteressen erhalten, vorzutragen.
Das Referat wird einstimmig angenommen und dessen Ver¬
öffentlichung in den Mittheilungen beschlossen. Der Vorsitzende
nimmt hieraus Anlass, über die Thätigkeit des Standesinter-
essen-Comitö einige Dankesworte zu sagen und hebt namentlich
die Bemühungen des Obmannes OSR. Schneller hervor, durch
die es gelungen, alle Aufgaben, die dem Comite gestellt wurden,
mit Ausnahme einer einzigen (Ehrenrath) zu vollenden, wie in
einem von ihm verfassten, schriftlich eingebrachten, für die
Generalversammlung bestimmten Berichte nachgewiesen wird.
Dr. Pr eye 8 beantragt daher, dem Comitö und insbesondere
seinem Obmanne den verbindlichsten Dank des Geschäftsraths
auszudrücken. Die Versammlung stimmt dem bei mit dem Zu¬
satze, dass auch bei der Generalversammlung ein Dankschreiben
beantragt werde. Schliesslich beantragt Dr. A. G r u b e r, dass dem
Herrn Dr. Hopfgartner anlässlich seines Rücktrittes vom Secre-
tariate die Anerkennung des Doct. Coli, schriftlich und in besonders
ehrender Form ausgedrückt werde. Dr. Hopfgartner habe nicht
nur durch acht Jahre die gewöhnlichen Geschäfte des Secretärs
mit unermüdlichem Eifer und musterhafter Genauigkeit geführt,
sondern sich auch bei der Reconstituirung des Collegiums über¬
aus thätig erwiesen, sowie an der Creirung des Pensionsinstitutes in
hervorragender Weise betheiligt und dadurch Verdienste um
alle Mitglieder des Collegiums, ja des ganzen ärztlichen Standes
erworben. Dr. Grub er beantragt daher, dass diese Verdienste in
der Generalversammlung rühmend hervorgehoben und Herrn
Dr. Hopfgartner der Dank der Versammlung ausgesprochen
werde. Ueberdies solle demselben die Anerkennung seiner Ver¬
dienste um das Collegium in einer kalligraphisch ausgeführten
und von allen Mitgliedern des Geschäftsrathes unterfertigten
Adresse ausgedrückt werden. Dieser Antrag wird mit Beifall
aufgenommen und ohne Debatte einhellig zum Beschlüsse erhoben.
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85
Berichtigung. In der vorletzten Zeile des Berichtes über
die Geschäftsraths-Sitzung vom 28. Jänner (S. 74), in welcher der Ent¬
wurf der Petition gegen die Errichtung von Aerztekammera en bloc
angenommen wurde, ist vor dem Worte „einstimmig“ das Wort
„nahezu“ aus Versehen ausgeblieben; was zu bedauern ist, denn
wirklich sprach sich eine Stimme dagegen aus.
Referat
über da« Verhältnis« der Privatärzte zu den Versicherungs-
Gesellschaften, respective über die Petitionen des ärztlichen
Vereins der südlichen Bezirke Wiens vom 17. Jänner 1880 und
des ärztlichen Verein« der westlichen Bezirke Wieds vom
28. Jänner 1880.
Referent Dr. Josef Scholz.
Seit längerer Zeit kamen verschiedene Conflicte praktischer
Aerzte mit den Anforderungen der Versicherungs-Gesellschaften
bezüglich der Ausstellung von Gutachten vor, welche in einem
Falle dahin führten, dass ein Arzt vor Gericht gestellt wurde.
Verschiedene ärztliche Vereine in Deutschland und Oesterreich
haben darüber Beschlüsse gefasst, die ihrem Inhalte nach ver¬
schieden, selbst bis zur schroffsten Ablehnung jedes ärztlichen
Parere’s gingen und eben ihrer Verschiedenheit wegen eine
Richtschnur für den einzelnen Arzt nicht bieten können.
Die Petition des ärztlichen Vereins der südlichen Bezirke
Wiens bezweckte nun: eine Entscheidung des Wiener medi-
cinischen Doctoren-Collegiums zu provociren, welche für die
Mitglieder desselben, vielleicht auch für viele andere Aerzte zur
Richtschnur dienen könnte.
Um zu einer solchen stichhältigen, mit Gründen belegten
Entscheidung zu gelangen, ist es nothwendig die Stellung der
Versicherungs-Gesellschaften zum Publicum und die Stellung
der Aerzte zu den Versicherungs Gesellschaften zu untersuchen.
Dem Publicum gegenüber sind die Versicherungs-Gesell¬
schaften einerseits erwerbende Genossenschaftei), andererseits
Beförderer der wirtschaftlichen Voraussicht und dadurch des
Wohlstandes des Volkes.
In ersterer Richtung sind sie für die Aerzte ohne Inter¬
esse, in letzterer Richtung stellen sie aber den Satz auf: dass
jeder Staatsbürger verpflichtet sei: dem National-Wohl-
s tan de zu dienen, und leiten daraus die Folgerung ab, dass
jeder Arzt demnach die Pflicht habe, ihren Interessen zu
dienen.
Wenn es nun auch richtig ist, dass die Versicherungs-
Gesellschaften ohne Aerzte nicht bestehen könnten, so folgt
daraus noch nicht, dass jeder Arzt, den die Gesellschaft frägt,
verpfli chtet ist, den Anforderungen der Gesellschaft Genüge
zu leisten, weil sie neben ihrer Erwerbstendenz auch noch eine
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86
national-ökonomische Bedeutung hat. Die Gesellschaft fragt nie
den Arzt, um den Nationalreichthum zu wahren oder zu ver¬
mehren, sondern immer nur um ihr eigenes — das Erwerbs¬
interesse — zu schützen, und diess gilt selbst für die Todesfälle,
da es sich für die Gesellschaft darum handelt: zu ermitteln, ob
der verstorbene Versicherte so gestorhen sei, dass sie ihrer
Pflicht, die Prämie zu bezahlen, nachkommen müsse.
Der Arzt dient demnach nie dem national-ökonomischen,
sondern immer nur dem Gesellschaftsinteresse, damit fallt auch
die moralische Verpflichtung, welche die Versicherungs-Gesell¬
schaften den Aerzten im Allgemeinen aufbürden wollen und
daraus ergibt sich der Satz:
Die Aerzte im Allgemeinen haben den Versicherungs-Ge¬
sellschaften gegenüber keine moralische oder national-öko¬
nomische Pflicht zu erfüllen.
Die Beziehungen der Aerzte zu den Versicherungs-Gesell¬
schaften bestehen nach zwei Richtungen: unmittelbar durch die
Versicherungsärzte und mittelbar durch jene Clienten, welche
versichert sind. Erstere haben für uns kein Interesse, sie stehen
im Solde der Gesellschaften und haben diesen gegenüber ihre
contractlichen Pflichten zu erfüllen. Die Beziehungen der Privat¬
ärzte dagegen sind es, die uns angehen. Da nun nach den
früheren Ausführungen der Privatarzt keine Pflicht den Gesell¬
schaften gegenüber hat, so entsteht die Frage: welche Pflichten
sind es, die den Arzt in Beziehung zu den Gesellschaften
bringen? Die Antwort lautet: die Pflichten, die er seinen
Clienten gegenüber zu erfüllen hat, und damit ist
auch der Standpunkt gegeben, von welchem aus die Wirksamkeit
des praktischen Arztes auf dem Gebiete des Versicherungs¬
wesens zu beurtheilen ist.
Die Wirksamkeit oder besser Mitwirkung findet in dreierlei
Beziehungen statt:
a) bei der Aufnahme,
b) während der Versicherung,
c) beim Todesfall.
Mit Ausnahme des ersten Falles, in welchem es Vorkommen
kann, dass an einem Oite, in welchem kein Versicherungsarzt
sich befindet, der Einzige vielleicht vorhandene oder der be¬
handelnde Arzt als Versicherungsarzt für den gegebenen Fall
fungirt, werden die Aerzte imn er als behandelnde oder Haus¬
ärzte gefragt oder zur Ausfüllung vorgelegter Tabellen aufge*
fordert. Während der Versicherung hat dio Gesellschaft nur den
Zweck : Auskünfte zu erlangen, welche auf die Fortdauer der
Versicherung Bezug haben und beim Verfall derselben meist mit
dem Verluste der Einzahlungen verbunden sind.
Beim Todesfälle sind die Fragebogen derart gestellt, dass
sie sehr häufig Handhaben für die Gesellschaft bieten können,
die Auszahlung der Prämien anzufechten.
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Der Privat- oder Hausarzt befindet sich da in einer
schwierigen Lage. Der Fragebogen, den der Yersicherungsarzt
ausgestellt hat, ist ihm meist unbekannt, der Client hat ihn
unterschrieben und haftet mit seiner Unterschrift für die Richtig¬
keit der Angaben, die er gemacht hat; werden diese in einer
oder der anderen Richtung unvollständig oder unrichtig gefunden,
so verliert er seine Prämie oder muss mit dem zufrieden sein,
was die Gesellschaft ihm gibt. Der Arzt weiss nicht einmal, ob
die Aufnahmstabellen mit den Tabellen, die für den Todesfall
auszufüllen sind, gleichlautend sind. In den Aufnahms¬
tabellen kann in einer allgemeinen Frage: z. B. Was sind Ihnen
für andere Krankheiten oder Krankbeitserscheinungen vorge¬
kommen ? Auskunft verlangt werden über Dinge, welche der
zu Versichernde gar nicht deuten kann, wie z. B. bei Morbus
Brightii, Diabetes, beginnender Tabes u. s. w., während sie dem
Hausarzte, der sie kennt und beurtheilt, bei Ausfüllung der
Sterbetabelle klar und bestimmt zur Beantwortung vorgelegt
werden.
Entspricht der Arzt den Forderungen der Gesellschaft, so
schädigt er seine Clienten und auch sich, weil ihm die Familie
wahrscheinlich das Vertrauen entzieht.
Andererseits können Fälle Vorkommen, in denen der Arzt
Auskunft im Interesse seiner Clienten geben soll und kann, nur
ist meistens nicht er, sondern nur sein Client in der Lage zu
beurtheilen, ob die geforderte Aufklärung im Interesse des
letzteren ist.
Ferne sei es aber von uns so weit zu gehen, dass das
Interesse des Clienten so weit geschützt werden soll, dass einer
bewussten Schädigung einer Gesellschaft Vorschub geleistet
wird; die Aufgabe kann nur sein: die Interessen des Clienten
gegenüber einer angriffslustigen Gesellschaft und die Interessen
des Arztes gegenüber seinen Clienten zu wahren.
Wenn wir das Gesagte zusammenfassen, so ergibt sich:
die Interessen der Gesellschaft werden durch ihre eigenen Aerzte,
sowie durch die sorgfältig entworfenen Tabellen in so aus¬
reichendem Masse gewahrt, dass der Privatarzt durchaus keinen
Grund hat über seine Schutzbefohlenen irgendwelche Auskunft
zu ertheilen. Daran wird auch durch die Clausel mancher Ge¬
sellschaften, „dass die Versicherungswerber sich verpflichten,
durch ihre Haus- oder behandelnden Aerzte Auskünfte ertheilen
zu lassen“, nichts geändert, diese Clausel verpflichtet wohl den
Versicherungswerber, aber nicht den Arzt. Fehler und
Nachlässigkeiten des Versicherungsarztes fallen der Gesellschaft
zur Last, begründen aber in keiner Weise eine Verpflichtung
des Privatarztes diesen Mängeln abzuhelfen.
Sterbetabellen sind derart auszufüllen, dass die letzte
Krankheit und die Todesursache wissenschaftlich und genau
angegeben wird, insoweit es unter den gegebenen Verhältnissen
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möglieh ist. Alle anamnestischen Fragen sind unbeantwortet zu
lassen, weil diese vom Versicherungsarzte bei der Aufnahme
klar zu stellen sind.
Referent erlaubt sieh daher dem löbl. Wiener medicinischen
Doctoren* Collegium vorzuschlagen. Es möge besohliessen und
den Mitgliedern des Collegiums zur Darnachachtung empfehlen:
Ham- und Privatärzte sind nicht verpflichtet , hei Annahme
einer Versicherung oder während derselben Gutachten auszustellen
oder Fragebogen für Versicherungs-Gesellschaften auszufüllen .
Fragebogen anlässlich des Todes sind vom behandelnden
Arzte nur insoweit auszufüllen , als die letzte Krankheit und
Todesursache zur wissenschaftlichen Klarstellung, insoweit es die
Verhältnisse zulassen , erfordert , demnach ohne auf vorausgegangene
Krankheiten Rücksicht nehmen zu müssen.
Ausnahmsweise können im Einvernehmen mit den
•Clienten behufs Versicherungswerbung, oder während der Ver¬
sicherung Auskünfte ertheilt oder Tabellen ausgefüllt werden .
Die General-Versammlung des Wiener medicinischen
Doctoren-Collegiums
wurde am 22. März 1880, Abends, im akademischen Senatssaale
der k. k. Universität in Abwesenheit des Herrn Präsidenten,
des k. k. Hofraths Dr. Ritter von Schmerling, unter dem
Vorsitze des ersten Vice-Präsidenten, Medicinalrath Dr. Prey ss,
in Gegenwart von 213 Mitgliedern abgehalten.
Nach Constatirung der Beschlussfähigkeit der General-
Versammlung eröffnete der Vorsitzende um Uhr die Sitzung
und lud die Anwesenden zur Abgabe der Stimmzettel für die
auf der Tagesordnung stehenden Wahlen ein, was sofort geschieht.
Hierauf erstattete Dr. Preyss einen eingehenden Be¬
richt über die Leistungen des Collegiums im Verlaufe des
Jahres 1879 in corporativer und wissenschaftlicher Richtung nebst
dem über die der Verwaltung desselben vertrauten Fonds und
Stiftungen; sowie der vom Collegium in’s Leben gerufenen
Versorgungs-Insritute. Er begann mit einem kurzen Ueberblick:
zunächst über die Thätigkeit Geschäftsrathes, von welcher er ins¬
besondere die des unter dem Vorsitze des Herrn Obersanitätsrath
Dr. Schneller tagenden Comit4 zur Wahrung der Standes¬
interessen eingehender besprach. Unter diesen sind hervorzu-
heben: die Veranlassung und Drucklegung eines Berichtes des
Hof- und Gerichtsadvocaten Dr. C. Kohn über seine bisherige
Thätigkeit für Einbringung der ärztlichen Honorarforderungen,
ferner die erneuerte Publicirung, betreffs der sofortigen Hono-
rirung ärztlicher Leistungen, dann die Frage der Verabfolgung
heftig wirkender, in der neuen Pharmacopoe im f nicht be¬
zeichnten Arzneistoffe im Handverkaufe der Apotheker, das
Verhältnis der praktischen Aerzte zu den Versicherungs-Ge-
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Seilschaften; Vorberathung über Errichtung eines Ehrenrathes
und schliesslich als die wichtigste Frage die Errichtung von
Aerztekammern, Der Qeschäftsrath hat sich gegen die Er¬
richtung von Aerztekammern im allgemeinen und ins¬
besondere namentlich gegen eine solche Zusammensetzung der¬
selben, wie sie von dem im Jahre 1877 geschaffenen österreichi¬
schen Aerztevereins -Verbände, dem das Doctoren - Collegium
nicht beigetreten ist, geplant wird, ausgesprochen, da sie ihm
nicht geeignet erschienen, die gehofften Früchte zu tragen,
weder für die öffentliche Gesundsbeitspflege noch für die prak¬
tischen Aerzte.
In diesem Abschnitte kam der Vortragende auch auf die
Art und Weise zu sprechen, wie sich das Doctoren-Collegium
an dem Jubelfeste der silbernen Hochzeitsfeier Ihrer k. und k.
Majestäten betheiligte, nämlich durch Ueberreichung einer ein¬
fach aber geschmackvoll ausgestatteten Adresse, und wurde
der weniger als präliminirt verwendete Betrag der Unterstützung
zweier unversorgt zurückgelassener Mitglieder-Witwen gewidmet.
Uebergehend auf die von dem Doctoren-Collegium ver¬
walteten und zu verleihenden Stipendien theilt Dr. Preyss
mit, dass heuerlichst das Recht der Verleihung eines Stipen¬
diums, nämlich des Gorischek’schen, nach dem Ableben des bis¬
herigen, von der Stifterin eingesetzten Repräsentanten, dem
Präsidenten des Collegiums als Rechtsnachfolger des testamen¬
tarisch bestimmten Decans des ehemaligen Doctoren-Collegiums
der medicinischen Facultät zukam, ferner dass das Verwaltungs¬
und Verleihungsrecht von vier Mosing’schen Stipendien, das
nach mehr als 20jährigen Streit mit dem Professoren-Collegium
diesem vor einem Jahre vom hohen Unterrichts-Ministerium zu¬
gesprochen wurde, über eine von dem Doctoren-Collegium an
den hohen Verwaltungsgerichtshof vorgebrachte Beschwerde von
diesem letzteren dem Doctoren-Collegium zuerkannt und das
Stiftungscapital demselben bereits übergeben wurde. — Eine
kurze Erwähnung der Leistungen des unter dem Curatorium
des Collegiums stehenden Carolinen Einderspitals von Tage
seiner Einweihung am 4. November 1879 bis zum 10. März 1. J.
bildete den Schluss dieses Abschnittes.
Ueber die wissenschaftliche Thätigkeit glaubte der Bericht¬
erstatter sich kürzer fassen zu können, da die Leistungen der¬
selben den Collegen ohnedies aus den „Mittheilungen“, in denen
über die in den öffentlichen Versammlungen gehaltenen Vorträge
eingehend referirt wird, bekannt sind, doch vergass er nicht der
allmälig zunehmenden Verbreitung der „Mittheilungen“ und der
nun vollendeten Aufstellung der Bibliothek, die circa 4500 Nummern
mit 11.000 Bänden oder Bändchen enthält zu erwähnen, wobei
er der grossen Bemühungen des Bibliothekars, Dr. v.Pernhoffer
anerkennend gedenkt und eine baldige Drucklegung des Bücher¬
katalogs in Aussicht stellt.
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Auf die Aushilfe- und Versorgungsanstalten übergehend,
hebt Dr. P. hervor, dass in der Verwaltung der kleineren älteren
Fonde nichts besonders Erwäbnfenswerthes vorgekommen ist, nur
sei die Leitner’sche Stiftung zu Gunsten eines verunglückten
Collegen bereits persolvirt. — Von den jüngeren Versorgungs-
Instituten habe das gegenseitige Unterstützungs-Institut
der Collegen einen erfreulichen Aufschwung genommen. Selbst
die jüngste Schöpfung des Collegiums, das Pensions-Institut
lasse eine gedeihliche Entwicklung hoffen und besitzt dasselbe
schon jetzt, 2 3 / 4 Jahre nach seiner Constituirung, ein Vermögen
von 70.000 fl.
Die Perle aller dieser Institute, auch das älteste von allen,
die Witwensocietät, habe wie immer fast Unglaubliches
geleistet. Die Zahl der Witwen bat um sieben zugenommen und
doch hat sich das Vermögen trotz Abschreibungen vom Häuser -
werthe wieder um mehr als 50.000 fl. gehoben. Der Entwurf
der durch das Ausscheiden aus der Universität nothwendig ge¬
wordenen Statutenänderung ist vollendet und harrt der Discussion
und Beschlussfassung in der Generalversammlung, die gegen Ende
April stattfinden soll.
Nach Mittheilung der Veränderungen des Mitgliederstandes,
der an diesem Tage 683 umfasste und nach Namhaftmachung
der im Jahre 1879 verstorbenen Collegen ehrten die Anwesenden
das Andenken der Geschiedenen durch Erheben von den Sitzen.
Hierauf übergab der Vorsitzende dem Herrn Cassier das
Wort zum Vortrage des Rechnungsberichts für das verflossene
Jahr 1879 und des Präliminares für das laufende Jahr, den die
Anwesenden mit Befriedigung zur Kenntniss nahmen.
Der Vorsitzende ersucht nunmehr im Aufträge des Ge-
schäftsrathes, die Versammlung wolle über Antrag der Rech¬
nungsrevisoren, der DDr. Bernhard W ö 1 f 1 e r und Eduard Nagel,
die den Rechnungsbericht genau geprüft und richtig, sowie die
Cassen scontrirt, mit den Einschreibungen in Uebereinstim-
mung und die ausgewiesenen Saldos vorhanden gefunden haben,
den Rechnungslegern das Absolutorium ertheilen, das Präliminare
für das Jahr 1880 genehmigen und den Jahresbeitrag für das Jahr
1881 wie bisher mit fünf Gulden festsetzen zu wollen, welche
Anträge auch zum Beschluss erhoben wurden. Ferner beantragt
Dr. Preyss ebenfalls über den Geschäftsrathsbeschluss, dass
dem Comitd zur Wahrung der Standesinteressen, und insbesondere
dem unermüdlichen und für die collegialen Interessen sehr warm
einstehenden Obmanne dieses Comitö’s, Herrn Ober-Sanitätsrath
Dr. Schneller der Dank der Generalversammlung ausge¬
sprochen werde; desgleichen dem früheren Rechnungscensor
Herrn Dr. Behsel, der nach zehnjähriger Function in dieser
Eigenschaft jetzt nicht mehr in der Lage war, eine Wieder¬
wahl für dieselbe im Unterstützungs-Institute annehmen zu können.
Weiter beantragt der Vorsitzende im gleichen Aufträge dem
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bisherigen Secretär und Cassier Herrn Dr. Hopfgartner, der
aus Gesundheitsrücksichten seine Stelle zurücklege, für seine
rastlose, aufopfernde Thätigkeit und pünktliche Geschäftsführung
den wärmsten Dank auszusprechen und Dr. H. hievon durch
ein nomine der Generalversammlung ausgestelltes Dankschreiben
verständigen zu wollen. Alle diese Anträge wurden unter leb¬
haften Applaus angenommen.
Nachdem von einer Seite der Antrag gestellt wurde, dem
Vorsitzenden für den ausführlichen und umfassenden Bericht den
Dank auszusprechen, beantragt 0.S.R. Dr. Schneller dem ge-
sammten Präsidium für seine Mühewaltung während des verflossenen
Jahres zu danken, welchen Anträgen allseitig zugestimmt wurde.
Zum Schlüsse dankt noch Dr. Hopfgartner für das
ihm geschenkte Vertrauen. Er sagt, er habe sich veranlasst
gesehen, im Interesse seiner Gesundheit einen Theil seiner
Stellen zurückzulegen und sei nach Wiederherstellung seiner
Gesundheit bereit, dem Collegium mit voller Kraft wieder seine
Dienste zu weihen. Hierauf hebt der Vorsitzende die Sitzung auf.
Bei dem sofort unter dem Vorsitze des Herrn Dr. Much
vorgenommenen Scrutinium der 213 abgegebenen Wahlzettel für
das Präsidium und die übrigen Functionäre erscheinen der Prä¬
sident Dr. v. Schmerling und der erste Vicepräsident Dr.
Preyss wieder- und zum zweiten Vicepräsidenten Dr. Hopf¬
gartner neugewählt, dann zum Secretär und Cassier Dr. C.
Reitter und zu dessen Stellvertreter Herr Dr. v. Pernhoffer.
Das am folgenden Tage unter dem Vorsitze des Herrn
Dr. Preyss in der Collegiumskanzlei fortgesetzte Scrutinium
ergab als Gewählte: ä) für den Geschäftsrath die DDr. Spitz¬
müller (212 Stimmen), Kienast (211), Much (209), A.
Gruber (204), Turkiewiez (200), D. Winternitz (132),
Lederer J. (121), Wollner (118) und P. Mittler (116).
Letzter mit zweijähriger Functionsdauer statt des zum Secretär
und Cassier gewählten Dr. Reitter; b) in den wissenschaftlichen
Ausschuss die DDr. H. Adler, v. Hüttenbrenner, Professor
Reder, Max Herz, D. Winternitz, G. Juriö, G. Lott und
S. Hajek. — An diese reihen sich mit der nächstgrössten Stim¬
menzahl die DDr. Kassowitz, P. Langer und Zeissl jun.
Notizen.
Aufnahmen. Am 17. März wurden die Herren DDr. J. Robitschek
und Max. Zeissl als ordentliohe Mitglieder in das Doct.-Coll. aufgenommen.
Sterbefall. Am 24. März starb in Penzing nach längerem Leiden der
pens. Hofarzt, Med. und Chir. Dr. J. N. Dietz. Er war im Jahre 1807 zu
Leitmeriz geboren, begann seine Studien in Prag und vollendete sie 1832 an der
Wiener Universität, wo er auoh im Jahre 1834 als Mitglied der medio.
Faoultät aufgenommen wurde. Durch viele Jahre war er Mitglied des Cura-
toriums zur Verwaltung des Stifft’sohen Aushilfs-Fondes, renoncirte aber auf
diese Stelle im Jahre 1877, als er sioh krankheitshalber gänzlioh zurückzog
und desshalb sogar aus dem Collegium aussohied. Friede seiner Asche!
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Auszeichinigei. Se. k. k. Majestät haben mit allerhöohster Entsohlies-
sung vom 21. Mftrz d. J. dem Sanitäts-Referenten im Ministerium des Innern,
Ministerialrath Dr. Frans Sohneider, in Anerkennung seiner ausgeseiohneten
Dienstleistung das Comthurkreuz des Franz Josef-Ordens — und dem ersten
Hausarzt und Ordinarius der Theresianisohen Akademie in Wien, kais. Rath
Dr. Andreas Pleniger, in Anerkennung seiner yieljfthrigen und verdienst-
liohen Thfttigkeit an dieser Anstalt den Orden der Eisernen Krone HL Glasse
allergnftdigst zu verleihen geruht; — ferner mit allerhöohster Entsohliessung
vom 11. März dem Privatdooenten an der Universität in Graz, Dr. Julius Glax,
den Titel eines Universitäts-Professors verliehen. — Dr. Adolf 8 o h m i d t,
praktischer Arzt in Wien erhielt vom Fürsten Karl von Rumänien das Offioiers-
kreuz des Sternes von Rumänien und Dr. Sigmund Friedmann, Leiter der
Wasserheilanstalt in Yoslau-Gainfahrn, das Ritterkreuz desselben Ordens.
EINLADUNG.
Nachdem die für den 20. März d. J. anberaumt gewesene, in Nr. 5 der
„Mittheilungen“ angekündigte General-Versammlung wegen Mangel an der zur
Beschlussfähigkeit notwendigen Zahl von Mitgliedern nicht abgehalten werden
konnte, so findet die
in. ordentliohe Generalversammlung
des Pensions-Institutes des Wr. med. Doct.-Coll.
am Samstag den 8. April 1880, Abends 7 Uhr,
Sitznngssaale des fr. med. DocLM, I., RotMttnrastrose 23
statt und werden die Mitglieder des Pensions-Institutes hiezu hüfliohst eingeladen.
PROGRAMM:
1. Rechenschaftsbericht des Präsidenten im Namen des Verwaltungs-
aussohusses über die Thätigkeit des Pensions-Institutes im Jahre 1879.
2. Bericht des Gassiers über die Vermögens-Gebarung im Jahre 1879
undi Beschlussfassung über den Antrag der Revisoren auf Ertheilung des
AbsolutoriumB.
3. Wahlen: a) des Präsidenten, des Präsidenten-Stellvertreters und des
Gassiers; b) von fünf Mitgliedern des Verwaltungs-Ausschusses; c) von fünf
Ersatzmännern; d) von drei Revisoren.
Dr. Popper, Dr. Hans Adler, Dr. Leop. Hopfgartner,
d. Z. Schriftführer. d. Z. Präsident. d. Z. Cassier.
Einladung
zu der am Montag den 5. April, Abends 7 Uhr, im Sitzungssaale
des akademischen Senates (vormals Consistorialsaal),
I. Sonnenfelsgasse 23, stattfindenden
wissenschaftlichen Versammlung.
Programm:
1. Vorstellung von Kranken.*)
2. Demonstrationen zweier interessanter Fälle von Herrn Dr. Hans C h i a r i,
Proseotor an der Krankenanstalt Rndolfstiftung: a) eines Falles von
Mikrooephalie; b) eines Falles von Situs porversns totalis.
3. Ueber Haemophilie, Vortrag des Herrn Dr. Hermann Hertzka.
Dr. Preyss, Vioe-Präsident. Dr. Karl Reitter, Seoretär.
*) Die P. T. Herren Collegen werden ersucht, interessante Krankheitsfälle vorzustellen.
Die nächste Hummer erscheint am 15. April.
Herausgeber and Verleger: Wiener mediein. Doot.-OoU. — Verantwortlicher Bedaoteur;
Dr. L. Hopfgartner. — Gesells ehafta-Buohdruokerei, Wien, m. Erdbergerstraaee 8.
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TI. Bll. Ausgegeben am, 15. April 1880 Ir. ö
/ MITTHEILÜNGEN
des
Wiener mefliciniscND Boclorei-ColleiUms.
Brsoheint jeden «weiten Donnerstag eiu halber bis ein ganser Bogen und darüber, an
SO Bogen im Jahre. — Ganzjähriges Abonnement für Nichtmitglieder des Collegiums im In*
lande 3 fl., nach dem Auslände 6 Mrk. — Einzelne Nummern 25 kr. = 60 Pfg. — Inserate
16 kr. = 30 Pfg. für die durchlaufende Petit-Zeile.
M&ia pränumerirt in der Medicin. Buchhandlung Toeplits dfc .'Deutieke
(vormals Karl (leriuak), Wien, I., Schottengasse t>.
Sischrittea and Zaseadiuigen an die Redaction: Wien Kamlei des Wiener ne4»
DocL-Coll. and der Witwen- und Waisen-Societät, Rotheuthurmstrasse 23.
Inhalt: Bericht über die Thätigkeit des Wr. med. Doct.-Coll. im Jahre 1879. — Wissen¬
schaftliche Versammlung am 5. April. •— Aus dem Geschäftsrathe. — Aus dem Pensions-
Institute. — Summarischer Rechnungs-Ausweis des Wr. med. Doot.-Coll. für das Jahr 1879.
— Notizen. — Inserate. — Eingesendet. — Einladungen.
Bericht über die Thätigkeit des Wr. med. Doct.-Coll.
im Jahre 1879,
erstattet in der Generalversammlung am 22. März 1880 vom Yioe-Präsidenten
Dr. 6. Preyss.
Hochgeachtete Versammlung!
Geehrte Herren Mitglieder des Wiener medic. Doct.-
Collegi ums!
Ein Jahr ist wieder in den Strom der Zeit versunken, seit
wir uns zum letzten Male hier vollzählig versammelt haben und
abermals tritt an das Präsidium die Pflicht heran, Ihnen Rechen¬
schaft zu legen über das, was Ihre Mandatare in den grossen Aus¬
schüssen geleistet zur Förderung der Wissenschaft sowohl, als in
Vertretung der corporativen Interessen unserer Körperschaft, und ich
schmeichle mir mit der Hoffnung, dass Sie, geehrte Herren Colle-
gen, von diesen Leistungen, die ich in Abwesenheit des Herrn Prä¬
sidenten Ihnen mitzutheilen die Ehre habe, befriedigt sein werden.
Viele längst schwebende Angelegenheiten wurden zu Gunsten
des Collegiums deflnitiv abgeschlossen und manche neue, die sich
die Hebung des Ansehens und der Würde des Collegiums zur Auf¬
gabe gestellt, in einer Weise eingeleitet, dass an einen günstigen
Erfolg kaum zu zweifeln ist.
Hat auch die Zahl der Geschäftsnummern in dem jüngst verflosse¬
nen Jahre abgenommen (von 290 auf 237), so forderten doch viele
der zur Verhandlung gekommenen Angelegenheiten so eingehende
Berathungen, dass die Thätigkeit in den Ausschüssen und Comites
keine geringere war als in früheren Jahren.
Auf die einzelnen Geschäftszweige übergehend, beginne ich
I. Mit dem Geschäftsrathe, der im Laufe des vorigen Jahres
14 Mal tagte.
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Ehe ich jedoch von seiner eigentlichen Berufstätigkeit spreche,
kann ich nicht umhin, eines Ereignisses zu erwähnen, das die Gte-
müther aller unter dem Hab8burg-Lothring , sehen Scepter vereinten
Völker in erhebender Weise bewegte. Die bevorstehende Feier der
silbernen Hochzeit unseres Allerhöchsten Kaiserpaares erregte auch
im Geschäftsrathe den heissen Wunsch, dass das Doct.-Collegium den
Gefühlen seiner Loyalität in entsprechender Weise Ausdruck geben
solle. Von den DDr. L o e w und K e i 11 e r wurde die Frage angeregt,
o b und wie das Collegium an dem von der Gemeinde der Reiehs-
haupt- und Residenzstadt Wien vorbereiteten Huldigungsacte sich
betheiligen könne und solle. In wiederholten Sitzungen wurde
darüber eingehend berathen, ein Comitd gewählt, das mit dem Fest-
Comitd des Gemeinderathes sich ins Einvernehmen setzte, welches
aber schliesslich fand, dass das Collegium als solches in dem Rahmen
der von der Bürgerschaft in Aussicht genommenen Festlichkeit als
thätiges Mitglied keinen Raum habe, wesshalb beschlossen wurde,
dass es seiner Huldigung durch eine prachtvoll ausgestattete und
durch eine Deputation zu überreichende Adresse Ausdruck geben
solle. Mittlerweile wurde der Allerhöchste Wunsch Ihrer kaiserlichen
Majestäten bekannt, dass die Unterthanen derlei Kundgebungen in
möglichst einfacher und wenigst kostspieliger Weise veranstalten
mögen, um das davon Ersparte den zurückgebliebenen Familien der
zur bosnischen Occupations-Armee einberufenen Reservisten zuwen¬
den zu können, und da überdies ferner noch angeordnet wurde, dass
bei der Unzahl von Deputationen, die sich dem Allerhöchsten Throne
nahen wollten, diese unmöglich von Sr. Majestät selbst alle em¬
pfangen werden könnten, daher ihre Adressen behufs Niederlegung
an den Stufen des Allerhöchsten Thrones den Händen Sr. Excellenz
des Herrn Statthalters zu übergeben haben, so wurde, um einerseits
dem Allerhöchst ausgesprochenem Wunsche nach Einfachheit gerecht
zu werden, anderseits aber fürchtend, dass die Adresse des Colle¬
giums, möge sie auch wie immer prachtvoll ausgestattet sein, sich
in der Masse verlieren werde, beschlossen, allen Prunk bei Beite
zu lassen und den Werth allein in eine einfache, aber geschmack¬
voll künstlerische Ausstattung und in den Inhalt der Adresse selbst
zu legen. Mit der Durchführung dieser beiden Aufgaben wurde
College Dr. Jos. Scholz betraut, und er hat auch dieses Ver¬
trauen nach beiden Richtungen hin gerechtfertigt. Der Inhalt ist
Ihnen, geehrte Herren Collegen, aus den „Mittheilungen“ bekannt
und über die Form hat sich nicht nur der Herr Statthalter bei der
Uebemahme in den schmeichelhaftesten Ausdrücken geäussert, sondern
derselben wurde auch bei der öffentlichen Ausstellung aller Adressen
wegen der geschmackvollen Einfachheit vielseitig lebhafter Bei¬
fall gezollt. So gerne das Collegium auch dem weiteren Wunsche Sr.
Majestät, zur Unterstützung der Reservistenfamilien etwas beizutragen,
nachgekommen wäre, so wurde dies dadurch unmöglich, dass kurz
vorher zwei Mitglieder des Collegiums plötzlich starben — und zwar
einer von ihnen auf eine schauerliche Weise dufch das Messer eines
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Wahnsinnigen — die ihre unversorgten Familien sozusagen im Elende
zurückliessen, weil sie versäumten, der Witwen- und Waisen-Societät
des Collegiums beizutreten. Dieser Beiden Familien waren die unserer
Reservisten und unter sie wurden' die an der Adresse ersparten
400 fl. zu gleichen Theilen vertheilt.
Nach dieser Abschweifung gehe ich zunäohst über auf die
Thätigkeit Ihres Geschäftsrathes I. in Stiftungs- und Stipendien-
Angelegenheiten. Ohne mich mit den älteren Stipendien, die wir
seit der Zweitheilung der Facultät bisher unbestritten verliehen
haben (es sind deren an die 20) eingehender zu befassen, will ioh
nur erwähnen, dass wir im Laufe des Jahres deren 7 theils neu
verliehen, theils verlängert haben; über jene aber ausführlicher be¬
richten, bei denen unser Verleihungsrecht von dem Professoren-Col-
legium angefochten wurde und zum Theil noch ist. u. zw.
a) Von der M o s i n g* sehen. Nachdem der über ein Viertel¬
jahrhundert bestandene Streit zwischen dem Doctoren- und dem Profes¬
soren-Collegium bezüglich des Verleihungsrechtes der Mosing’sehen und
der Bleyl’schen Stiftung betreffs der ersteren durch einen Machtspruch
Sr. Excellenz des Herrn Unterrichtsministers Dr. v. Stremayr dem
Prof.-Coll. allein zuerkapnt worden, sahen sich das juridische und
das med. Doct.-Coll. genöthiget, gegen diese Entscheidung vor dem
hohen Verwaltungsgerichtshofe Beschwerde zu führen, worüber am
17. Sept. 1879 vor diesem Gerichtshöfe die öffentliche und mündliohe
Verhandlung stattfand, bei welcher die beiden Doctoren-Collegien durch
den Hof- und Geriohtsadvocaten Dr. Ritter von Wiedenfeld ver¬
treten wurden.
Nach eingehender Verhandlung und Berathung wurde von diesem
hohen Gerichtshöfe zu Recht erkannt, dass die vom Herrn
Minister für Cultus und Unterricht getroffene Ent¬
scheidung, als im Gesetze nicht begründet, aufge¬
hobenwird. In den'Entscheidungsgründen wurde hervorgehoben, dass
den Doctoren-Collegien, nachdem sie die fraglichen Stipendien immer
selbstständig verlieben haben, dieses Recht laut § 24 des
Gesetzes vom 27. April 1878 nTcht entzogen werden
könne; ferner, dass die Einwendung, die Verfügung der Stiftung
sei nur provisorisch zugestanden gewesen, unbegründet ist, da ab¬
gesehen davon, dass der erwähnte § 24 zwischen einer provisori¬
schen und definitiven Verwaltung nicht unterscheidet, die Bedeutung
des Provisoriums im Bestände der damaligen Verhältnisse nur dahin
aufgefasst werden könne, dass die Doctoren-Collegien das Dispositions¬
recht bezüglich der Stiftung in dem Falle nicht behalten werden, wenn
dieses Recht aus Anlass der Organisation der akademischen Behör¬
den Jemand Anderem zuerkannt werden sollte. — Dies ist aber nicht
geschehen, vielmehr hat der § 24 des Gesetzes, um nicht die neuen
Bestimmungen auf früher erworbene Rechte rückwirken zu lassen,
das Gegentheil angeordnet und ist somit das Povisorium in
ein Definitivum übergegangen.
Auf Grund dieses Erkenntnisses wurde denn auch sofort die
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TJebergabe des Stiftungs-Capitales in die Verwaltung der Doctoren-Colle-
gien angeordnet und bat das med. Doct.-Coll. seinen Antbeil noch
vor Schluss des Jahres von der hochlöbl. Statthalterei übernommen
und fast gleichzeitig auch einen Concurs zur Bewerbung um ein bereits
erledigtes Mosing’sches Stipendium ausgeschrieben.
Die Entscheidung betreffs des Bleyl’schen Stipendiums
ist jedoch noch in der Schwebe; denn nachdem das hohe Unterrichts¬
ministerium mit Erlass vom 26. November 1878, der übrigens dem Doct.-
Coll. erst am 4. März 1879 zugestellt wurde, die Verleihung des
Mosing’schen Stipendiums dem Prof.-Coll. zuerkannt hatte, reclamirte
dieses in einer Eingabe ddto 30. März 1879 auch das alleinige Ver¬
leihungsrecht des Bleyl’schen Stipendiums, sich darauf stützend, dass
die Verhältnisse dieser beiden Stiftungen ganz analog seien. Ehe
jedoch diesem Wunsche noch entsprochen werden konnte, hat das
med. Doct.-Coll. die Beschwerde gegen den vorerwähnten Erlass ange¬
meldet, und so blieb diese Angelegenheit unentschieden. Erst nach
dem ausgesprochenen Erkenntniss des h. Verwaltungsgerichtshofes
wurde das Präsidium des Doct.-Coll. zu einer Gegenäusserung gegen
die Eingabe des Prof.-Coll. (resp. akademischen Senates) aufgefordert.
Dieser Aufforderung kam dasselbe sofort nach, indem es die Hoffnung
ausspricht, dass nachdem die Verhältnisse dieser beiden Stiftungen,
wie das Prof.-Coll. selbst sagt, ganz analog seien und zu
Becht erkannt wurde, dass den Doctoren-Collegien das bis dahin von
ihnen allein ausgeübte Verleihungsrecht der Mosing’schen Stiftungen auf
Grund des § 24 des Beichsgesetzes vom 27. April 1873 nicht entzogen
werden könne, dies auch betreffs desalte rnirendenVerleihungs-
rechtes des Bleyl’schen Stipendiums, welches das Doct.-
Coll. bisher abwechselnd mit dem Prof.-Coll. ausgeübt hat, zu Becht
erkannt werden dürfte, somit auch hier das Provisorium in ein De*
finitivum übergehen werde. Die Entscheidung hierüber ist jedoch
noch nicht erfolgt.
c) Dagegen wurde dem Collegium oder vielmehr dessen Prä¬
sidenten, als Bechtsnachfolger des Decanes des früheren Doct.-Coll.
der med. Facultät mittelst Erlasses des Herrn Statthalters von Nieder-
Oesterreich vom 19. December 1879 Z. 36121 das Verleihungsrecht des
Dr. G o r i s c h ek’schen Stipendiums im Betrage jährl. 170 fl. zu¬
erkannt, das bis zu seinemAblebenSe. Excellenz der Minister des Innern,
Freiherr von Lasser-Zollheim ausgeübt hatte und das laut testamen¬
tarischen Bestimmungen nach dessen Tod an den jeweiligen Decan
des Doct.-Coll. der medic. Facultät, das auf Grund des Ge¬
setzes vom 27. April 1873 als selbstständige Corpora¬
tion unter dem Namen Wr. med. Doct.-Coll., mit einem
Präsidenten anstatt d es frühe ren D ec an s a n der Spi tze
fortbesteht, überzugehen hat. — Der Concurs für das eben erledigte
Stipendium wurde auch sofort ausgeschrieben.
d) Eine andere segenbringende Stiftung, die unter das Cura-
torium des Doct.-Coll. gestellt wurde, das Caroline BiedTsche
Kinderspital hat nun Dank der Bemühungen des zu seinem Ins-
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lebentreten eingesetzten Comitö seine Wirksamkeit begonnen.
Wie ich schon im vorigen Jahre mitzutheilen die Ehre hatte, war
der Ban dieses niedlichen Hauses in der Schubertgasse Nr. 2 be¬
reits Ende October 1878 vollendet und noch vor Jahresschluss der
Consens zum Bewohnen ertheilt, nur mit der Benützung des¬
selben als Spital sollte, damit es genügend austrockne, noch bis in
den hohen Sommer hinaus gewartet werden. Die innere Einrichtung
nahm aber mehr Zeit in Anspruch als vorausgesehen wurde und so
konnte seine feierliche Einweihung und die folgende Eröffnung erst
am 4. Novemb. 1879 statt haben. Von da an hat HerrDr. v. Hütte n-
b r e n n e r die ärztliche Leitung dieser kleinen Heilanstalt ohne An¬
spruch auf irgendwelches Entgelt übernommen. Ihm zur Seite steht
als besoldeter Secundararzt Herr Dr. Elsenwenger, der verpflich¬
tet ist, im Spitale zu wohnen. Später wurde noch in Dr. Gersuny
ein Primararzt für chirurgische Krankheiten gewonnen, der diese
Stelle ebenfalls unentgeltlich übernommen hat.
An Dienstpersonale fungirt eine Hausmutter, eine Köchin, ein
Hausdiener und vorläufig nur 3 Wärterinnen, da Anfangs nur zwei
Zimmer belegt waren und man erst in neuester Zeit ein drittes zu er¬
öffnen im Begriffe ist. Ueberhaupt war Anfangs der Spitalbesuch sehr
spärlich und selbst im Ambulatorium erschienen in den letzten zwei
Monaten des Jahres nur 51 kranke Kinder. Mit Beginn des neuen Jahres
nahm die Frequenz sowohl im Ambulatorium als für die Spitalspflege zu.
Mit Schluss des vorigen Jahres verblieben in Spitalspflege 6
vom 1. Jän. bis 9. März 1880 wurden neu aufgenommen 23
so dass in den ersten Monaten dieses Jahres behandeltwurden 29 Kranke.
Von diesen wurden geheilt entlassen 8
» „ » gebessert „ 10
gestorben sind ... 3 somit Abg. 21
Es verblieben demnach am 9 März in Behandlung . . 8
Alle im Spitale Behandelten zusammen hatten vom 5. Nov.
bis 31. December 1879 185 und vom 1. Jänner bis 9. März 1880
466 Verpflegstage.
Ambulatorisch wurden behandelt im Jahre 1879, wie schon er¬
wähnt 51, in den ersten zehn Wochen des Jahres 1880 156, von
jenen starben 3, von diesen 8.
5 Grössere Operationen wurden von Dr. Gersuny gemacht
und zwar: 2 Exstirpat. lymphom. (manus et femoris.) — 2 Nekro¬
tomien. (sterni et tibiae.) — 1 Cauterisatio Angiomat. (in reg, parot.
masset.) (2 Sitzungen.)
Da die vom Stiftungscapitale nach Herstellung des Baues noch
erübrigten Fonds wenig über 50.000 fl. betragen, so hat sich im
IX. Gemeindebezirke ein Verein zur Förderung und Erhaltung die¬
ses Spitales gebildet, von welchem in das aus dem von der Erblas¬
serin eingesetzten und vom Doct.-Coll. gewählten, zusammen aus 6
Mitgliedern bestehende Verwaltungs-Comitö noch drei Mitglieder ent¬
sendet werden. Dieser Verein, der sich vor allem die Aufgabe stellt,
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Geldmittel zu besehaffen, entfaltet eine rührige Thätigkeit und es
ist ihm erst in neuester Zeit gelungen, aus den Erträgnissen des
Balles der industriellen Gesellschaften den namhaften Betrag von
2000 fl. der jungen Heilanstalt zuzuwenden. Aber auch von einer
anderen Seite wurden 3000 fl. Noten-Rente als Geschenk überbracht
mit der Widmung für eine halbe B ett Stiftung, und so beginnt
das Jahr 1880 unter den günstigsten Auspicien für unsere neue
Schöpfung. Mögen diese Vorläufer die Bahn brechen für eine lange
Reihe von ebenso kräftigen Nachfolgern!
2. Der Schwerpunkt der geschäftlichen Thätigkeit des Ausschusses
lag im Comitö zur Förderung der ärztlichen Standes¬
interessen, das aus den Herren: OSR. Dr. Schneller als Ob¬
mann und den DDr. A. Gruber, Lederer, Löffler, v. Pern-
hoffer (als Protocollsführer) J. Scho 1 z und Turkiewicz bestand,
das alle die materiellen und socialen Verhältnisse der Collegen vor-
berieth und dann im Geschäftsrathe darüber referirte, um sie einer
endgiltigen Beschlussfassung entgegenzuführen.
Ueber die Wirksamkeit dieses Comitös gibt folgender Bericht
seines Obmannes, des Herrn OSR. Dr. Schneller, den ich hier
ungeändert vortrage, Aufschluss:
Das Comite versammelte sich vom 14. Mai 1879 bis 10. März
1880 zu 11 Sitzungen. Wie noch jedes Jahr, so beschäftigte sich
auch im abgelaufenen dasselbe mit der Erörterung materieller Fra¬
gen. So wurde der Rechtsconsulent des Collegiums, Herr Dr. C. Kohn,
Hof- und Gerichtsadvocat, ersucht, einen Bericht über seine bisherige
Thätigkeit bei Eintreibung der ärztlichen Honorarforderungen abzu¬
fassen, um ein übersichtliches Bild zu gewinnen. Herr Dr. Kohn
kam dieser Aufforderung in so exacter Weise nach, dass beschlossen
wurde, diesen Bericht in Druck zu legen und dem Verfasser den
Dank des Geschäftsrathes für seine erspriessliche Mühewaltung zu
votiren. Zugleich wurden die Herren Mitglieder eingeladen, von
dieser mit wenig Kosten verbundenen Einrichtung ausgiebigen Ge¬
brauch zu machen.
Eine erneuerte Publicirung der Beschlüsse betreffs der sofor¬
tigen Honorirung der ärztlichen Leistungen wurde in Anbetracht
der gegenwärtigen Zeit Verhältnisse nicht für opportun erachtet.
Für Honorarnoten, die gleichsam unter der Aegide des Doct.-
Coll. herausgegeben und selbstverständlich nur für die Mitglieder
Giltigkeit haben, entwarf Herr Dr. Löffler das Formular, das
auch vom Geschäftsrathe genehmigt wurde.
Ueber eine Eingabe des Apotheker-Vereines „P r o g r e s s u s u in
Graz, betreffend den unbefugten Verkauf von Geheimmitteln, refe¬
rirte Herr Dr. Jos. Scholz mit dem Hinweise auf die bestehenden
Verordnungen und die geringe Aussicht auf die Besserung der be¬
stehenden Zustände.
Anlässlich der wiederholt vorkommenden Verabfolgung heftig
wirkender in der neuen Pharmakopoe mit f nicht bezeichneter
Arzneistoffe im Handverkäufe der Apotheker lieferte OSR. Dr.
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Schneller ein Referat, welches eine Revision der mit f bezeich*
neten Stoffe beantragt, dieselbe jedoch bis dahin verschoben wissen
will, bis die in Aussicht stehende Instruction für Apotheker zur
Verhandlung gelange. Bei dieser Gelegenheit werde wohl die Gift¬
ordnung und die Pharmakopoe mit Rücksicht auf die mit f bezeich¬
nten Arzneien einer Revision unterzogen und auf die durch den
Handverkauf bedingte Gefährdung der Gesundheit und des Lebens
besondere Rücksicht genommen werden. Bis dahin sei es aber in
hohem Grade wünschenswerth, dass die Mitglieder solche sicher
gestellte Fälle dem Collegium bekanntgeben, um auf Grund dieser
von den Apothekern in Abrede gestellten Vorkommnisse um so
entschiedener bei der Revision der Pharmakopoe Vorgehen zu können.
Ueber die Eingaben der ärztlichen Vereine des südlichen und
der westlichen Bezirke betreffend das Verhältniss der praktischen
Aerzte zu den Versieherungsgesellschaften lieferte Dr. Jos. Scholz
eine Arbeit, welche die schwierige Stellung der Aerzte einerseits
gegenüber ihren Clienten, andererseits gegenüber den Assecuranzen
eingehend erörterte und zu einem Resume gelangt, welches den
Aerzten Directive zur Damachachtung empfiehlt, wie sie sich beim
Beginne und während der Versicherung, sowie bei Gelegenheit von
Todesfällen zu verhalten hätten.
In Vorberathung befindet sich ein Vorschlag zur Einsetzung
eines Ehrenrathes im Schosse des Collegiums. Mit den Studien
über diesen wichtigen Gegenstand, mit der Zusammenstellung der
darauf bezüglichen anderwärts bereits bestehenden ähnlichen Insti¬
tutionen, so wie mit der Prüfung der damit erzielten Erfolge ist
Herr Dr. Turkiewicz betraut.
Die wichtigste Frage, welche das Comitd zur Förderung der
Standesinteressen beschäftigte, war jene der Errichtung von
Aerztekammern.
Bei dem Umstande, als diese Frage durch die Ueberreichung
der Petition des österreichischen Aerztevereins - Verbandes um
Regelung der ärztlichen Verhältnisse an den hohen Reichsrath eine
bedeutende Actualität und Dringlichkeit erlangt hatte, sah sich über
Antrag der Herren Dr. J. Scho 1 z und Vice-Präsident Dr. Lederer
das Comitd veranlasst, aus eigener Initiative dem Gegenstände ein¬
gehendste Aufmerksamkeit zu schenken und das Resultat seiner in
vi^er Sitzungen fortgesetzten Berathungen in Form einer Petition
an den hohen Reichsrath und das hohe Ministerium des Innern
dem Geschäftsrathe zur Prüfung und Annahme nomine Collegii nach
§ 15, al. 6, der Statuten zu empfehlen. Hiezu erschien ihm das
Collegium um so mehr aufgefordert, als es laut Beschluss des Ge-
schäftsrathes vom 28. November 1877 dem Aerzte-Vereinsverbande
nicht beigetreten war.
Das Comitd ging bei seinem Entwürfe, dessen Referenten die
Herren DDr. v. Pernhoffer, Scholz und, nachdem diese das
Referat abgegeben hatten, als Schlussreferent MR. Dr. Preyss
waren, von der begründeten Ueberzeugung aus, dass die von dem öster-
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reichischen Aerztevereins-Verbände vorgeschlagene Organisation nicht
geeignet erscheine, die gehofften Früchte zu tragen, weder für die offent-
liche Gesundheitspflege noch für die praktischen Aerzte. Denn nach
seiner Ansicht fehle es weniger an der Institution berathender und
begutachtender Körper als vielmehr an der Aufstellung hinreichend
dotirter und richtig vertheilter Executivorgane. Für das allgemeine
sanitäre Interesse, sowie zugleich für jenes der Aerzte würde die
Legislative am besten durch ein Reichsgesetz sorgen, welches die
Gemeinden zur Aufstellung von Communalärzten verpflichtet.
Ein zweites Bedenken erblickte das Comite in der den An¬
schauungen der Gegenwart gänzlich widersprechenden zwangs¬
weisen Vereinigung der Aerzte in eine Kammer, wodurch
nicht allein das gewährleistete Recht zur freien Praxis, sondern
auch die von allen Collegen so hoch gehaltene Unabhängigkeit nach
Aussen wesentlich beeinträchtigt erscheint. Hatte doch das damalige
Doctoren-Collegium der med. Facultat bereits schon in den Fünf¬
ziger-Jahren wiederholt um Aufhebung des Zwangsbei¬
tritts jedoch vergeblich bei den Behörden angesuoht. In diese
Zwangsgenossenschaft sollen aber nach der Petition des
Aerztevereins-Verbandes mit den Doctoren zugleich sämmtliche Chi¬
rurgen eines Kronlandes Aufnahme finden, eine Verquickung, gegen
welche das Collegium schon von vornherein, als Corporation von
Doctoren, sich aussprechen musste. Das Comitd glaubte auch,
dass durch Vermengung von, in ihrem Bildungsgrade so verschiedenen
Elementen und mit Rücksicht darauf, dass in einzelnen Kronländem
noch jetzt die Zahl der Chirurgen weitaus jene der Doctoren über¬
trifft, die beabsichtigten Zwecke nicht erreicht werden dürften.
Diese Zusammensetzung aus so heterogenen Elementen würde
auch bei dem angestrebten Disciplinarrechte leicht zu parteiischen
Urtheilssprüchen und selbst zu Conflicten führen, die nichts weniger
als die Collegialität befördern.
Ebenso war das Comitö der Meinung,- dass zur Gründung
humanitärer Institute Zwangskammern nicht erfor¬
derlich seien; Zeuge dessen die Errichtung und das Prosperiiren
wohlthätiger Institute wie sie das Doct.-Coll. allein seit wenigen
Jahren besitzt. Im Allgemeinen vertrat das Comitö die Ansicht, dass
im Wege einer zweckmässig organisirten freien Vereini¬
gung vollständig gebildeter Aerzte die vom Vereins^
verbände angestrebten, anerkennenswerthen Zwecke
eher und mit mehr Erfolg erreicht werden könnten.
Um jedoch dem Vorwurfe zu entgehen, als ob es die ihm
gebührende Stellung nicht hinreichend gewahrt habe, fügte das
Comitd den eben entwickelten Bedenken an den hohen Reichsrath
die Bitte bei: falls die Legislative dennoch die Errichtung von
Aerztekammem beschliessen sollte, das Wiener med. Doct.-Coll. für
Wien und die Vororte mit den Befugnissen einer Aerztekammer,
die blos aus Doctoren bestehen sollte, auszustatten.
Das Comitd hatte auch die Genugthuung, dass sein Referat,
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welches sich bereits durch die „Mitteilungen 41 in' den Händen
sämmtlioher Mitglieder befindet, von dem Geschäftsrathe mit 25 gegen
eine vereinzelte Stimme angenommen wurde.
II. Nicht minder thätig als der Geschäftsrath, in Bezug auf die
materiellen Interessen des ärztlichen Standes und die Hebung des
Ansehens und der Würde des Collegiums, war auch der zweite
grosse, der wissenschaftliche Ausschuss in Erfüllung der
zweiten Aufgabe: „die Heilkunde in all ihren Zweigen im Collegium
zu pflegen und fortzubilden“. Der Ausschuss als solcher hatte wohl
in dieser Beziehung keine weitere Ingerenz, als dass er oder viel¬
mehr sein Obmann, der unermüdliche Prof. v. Schrötter, für
jede der wissenschaftlichen Versammlungen einige gediegene Vor¬
träge zu gewinnen bemüht war. Vom 13. Jänner bis 15. December
1879 fanden 15 solche Versammlungen statt, in welchen die Herren
DDr. Loew, OSR. Schneller, Baron C. Rokitansky, Prim.
Englisch, Weinberg, Prof. E. Hofmann, Prof.L. Mauthner,
RR. Chrastina, Lerch jun., Hein, Prof.v.Schrotter, Pros.Hans
Chiari, Prim. Kiemann, Heinrich Adler, Doc. Gustav Jurie,
B. Kraus, Gschirhackl und Prof. L.eidesdorf (mehrere von
ihnen wiederholt), längere Vorträge hielten, deren manche an einem
Abende nicht beendet werden konnten. An den Vortrag Dr. Loew’s
„über freiwillige Krankenpflege“ knüpfte sich eine längere Discus-
sion, an der die DDr. Prof. Benedict, • Statthaltereirath v. Ka¬
rajan, Jos. Scholz, Baron Mundy und Frey sich betheiligten.
Ebenso fand nach dem Vortrag des Herrn Primarius Englisch:
„über den raschen Verfall bei eingeklemmten Eingeweidebrüchen“
zwischen dem Vortragenden und Dr. Gustav Jurid, sowie in Be¬
treff des Vortrages „Beitrag zur Formenlehre der Geisteskrankheiten“
von Prof. Leidesdorf zwischen diesem und Prof. Meynert ein
lebhafter Austausch der Meinungen statt. Ueberdies wurden inter¬
essante Krankheitsfälle vorgestellt von den DDr. Baron Rokitansky,
Englisch, G. Jurie, Mracek und Hans Chiari. — Dr. Tür¬
kin w i c z demonstrirte ein neu construirtes Krankenbett, das leicht
in einen bequemen Lehnstuhl umgestaltet werden kann. — Ich
gehe auf die Einzelheiten des hier Erwähnten nicht näher ein, da
diese Ihnen ohnedies durch die „Mittheilungen des med. Doct.-Coll.“,
die allmählich einen grösseren Leserkreis ausserhalb des Collegiums
gewinnen, hinreichend bekannt sein dürften.
Die Bibliothek des Collegiums um deren Anordnung
sich Dr. v. Pernhoffer mit grossem Eifer verdient gemacht hat, ist
nun völlig geordnet und wurde durch Austausch älterer Duplicate
gegen bis dahin fehlende Werke, sowie durch manche werthvolle
theils von den Autoren zur Besprechung in den ,,Mittheilungen“ ein¬
gesandte neue, theils von den Collegen gespendete umfangreiche
ältere Werke und durch in Tausch gegen die „Mittheilungen“ erhal¬
tenen 30 Fachzeitschriften bedeutend vermehrt und zählt jetzt
4714 Nummern (Werke, Broschüren, Zeitschriften u. s. w.) durch¬
aus medizinischen oder naturwissenschaftlichen Inhalts, zuzüglich
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einiger Gesetzbücher und sprachlicher Lexioa. Die Zahl der Bände
und Hefte beläuft sich auf mehr als 11.000; letztere Zahl ist jedoch
in Folge der effeotuirten Einbände namentlich der Journale häutigen
Schwankungen unterworfen und lässt sich aus diesem Grunde nicht
aufs genaueste sicherstellen. — Auf Anregung des Herrn Bibliothekars
dürfte der mit unsäglicher Mühe und grosser Genauigkeit zusammen'
gestellte Catalog baldigst im Druck erscheinen.
III. Nachdem ich Ihnen, geehrte Herren Collegen, die Thätig-
keit Ihrer Mandatare im Geschäftsrathe und im wissenschaftlichen
Ausschüsse geschildert, will ich die Verwaltung und die Wirksam¬
keit der Aushilfe' und Versorgungs-Institute des Coli,
kurz besprechen. Ueber die finanzielle Gebahrung derselben wird
Ihnen der Herr Cassier den eingehenden Rechnungsausweis yortragen.
1. Die Vertheilung der Zinsen des Stifft’schen Aushilfs-
fonds und der kleineren Fonde — des Aushilfsfonds des
Doct.-Coli., des Well’schen und des Bagrdeff-Speranski-
sehen Fonds, in denen sich keine Veränderung ergab, wurde wie
alljährlich im Beisein des Sanitäts-Beferenten für Niederösterreich
Herrn Dr. v. Karajan von der Commission zur Verwaltung des
Stifft’schen Fonds am 21. Jänner vorgenommen. Diese Unterstützungs¬
quellen wurden noch um eine, die Gustav L e i t n e r’sche Stiftung,
per 1000 fl. vermehrt, doch ist diese noch lange nioht nutzbringend,
da der Stifter angeordnet hat, es sollen die Zinsen so lange kapi-
talisirt werden, bis sie den jährlichen Ertrag von 100 fl. erreichen.
2. In der Seifert’sohen Stiftung ergab sich keine Veränderung.
3. Von der Sing er’sehen Stiftung soll durch das Ableben
des Schwagers der Stifterin, Major v. Singer, der eine jährliche
Nutzniessung von 300 fl. hatte, wieder ein Betrag von circa 7000 fl.
Notenrente in die Verwaltung des Doot.-Coll. übergehen, doch
sind die Verhandlungen hierüber noch im Zuge.
4. Um die Kriegsstiftung haben sich 23 Bewerber ge¬
meldet. Da unter diesen kein Militärarzt, der im Kriege von 1866
erwerbsunfähig geworden, während von den petitionirenden Invaliden
aus dem Mannschaftsstande viele Verwundete im hohen Grade hilfs¬
bedürftig sind, so wurden über Vorschlag des Superintendenten Herrn
Prof. Dr. J. Gruber zwei von diesen — Mistelbauer Franz aus
Neusatz und Gallowitsch Ludwig aus Wien — mit dem diesjährigen
Stiftungsgenusse per je 70 fl. betheilt.
5. Durch die Hochherzigkeit der Mitglieder des ärztlichen
Vereines der westlichen Bezirke, insbesondere der dafür rastlos
thätigen DDr. von Khautz und Polacsek, wurde von diesen für
die Hinterbliebenen des auf so schauerliche Weise ermordeten
Dr. Mühlhauser eine Sammlung eingeleitet, die so ergiebig
war, dass von dem Gesammelten Noten-Benten-Obligationen im Be¬
trage von 8000 fl. angekauft werden konnten, welche dem Collegium
in Verwahrung gegeben wurden mit der Bestimmung, das Capital
zu Gunsten der Kinder zu verwalten und die Zinsen davon der
Witwe als Erziehungsbeitrag für die Kinder zukommen zu lassen.
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103
IV. lieber die Thätigkeit des Ausschusses, sowie über die Wirksam¬
keit des Unterstützungs-Instituts wurden Sie schon durch
den in Nr. 6 der „Mittheilungen“ veröffentlichten Bericht aus der am
28. Februar 1. J. stattgehabten Generalversammlung aufgeklärt. loh
erlaube mir, hier nur noch hervorzuheben, dass die Zahl der Mit¬
glieder abgenommen hat, da nur 2 neu beigetreten und 4 mit Tod
abgegangen sind, was sehr zu bedauern ist. Dieser spärliche Beitritt
ist kaum zu erklären, umsoweniger als die Collegen wiederholt
darüber aufgeklärt wurden, dass das Institut keine Almosen spendet
und dessen Inanspruchnahme wie die einer jeden anderen gegen¬
seitigen Versicherungsanstalt eine berechtigte ist. Dass die höheren
Jahresbeiträge für in vorgerückteren Jahren Aufgenommene nicht
abschrecken können, beweisen die zwei neu Zugekommenen, deren
einer für 29 Jahre nachgezahlt hat. Der günstige Yermögensstand
des Instituts aber (über 92.000 fl. nominal, d. i. nahezu 75.000 fl.
effectiv) sollte, bei den gleichzeitig gering gestellten Anforderungen
an dessen Ertrag, vielmehr einladen als abhalten. Die Mitgliederzahl
am 31. December 1879 war 232, zu denen in diesem Jahre schon
3 zukamen. Der innerhalb 20 Jahren an Aushilfen gezahlte Betrag
ist 33,934 fl. 41 kr.
Y. Das Pensions-Institut des Collegiums hat auch
im heurigen Jahre Fortschritte in seiner Entwicklung gemacht, und
kann wohl mit Recht behauptet werden, dass namentlich die so
wichtige flnancielle Situation sich täglich bessert. Mehr als alle
Worte beweist der heutige Yermögensstand, welcher nach 2 8 / 4 jährigem
Bestehen die Summe von mehr als 70.000 fl. Notenrente aufweist.
Dieser Erfolg ist vor Allem den prompten Einzahlungen der
Mitglieder zuzuschreiben; auch haben sich im jüngst abgelaufenen
wie in früheren Jahren für dieses unter den jetzigen Zeitverhält¬
nissen so wichtige Institut einzelne Wohlthäter gefunden, und da
allen Instituten unserer Körperschaft zahlreiche Unterstützungen Zu¬
flüssen, so ist zu hoffen, dass namentlich besser situirte Collegen
bei Freudenfesten, Jubiläen u. s. w. Anlass nehmen werden, dem
Pensions-Institute als Gründer oder Stifter beizutreten oder durch
gütige Spenden und Legate dieser wichtigen neuesten Bethätigung
unseres alten Collegiums hilfreich beizustehen. Den jüngeren Collegen
aber glaube ich im wohlverstandenen eigenen Interesse rathen zu
sollen, dass sie ehemöglichst auch dem Pensions-Institute als Mit¬
glieder beitreten wollen.
VT. Die Witwen- und Waisen-Societät kommt in diesem
Jahre etwas später zu ihrer Generalversammlung, weil der Rechnungs-
Sachverständige, Herr Professor Hessler, durch die Berechnung
der Tabellen für den neuen Einzahlungsmodus aufgehalten und auch
sonst sehr in Anspruch genommen, die Bilanz für das Jahr 1879
noch nioht vorgelegt hat. Indess kann ich Ihnen, geehrte Herren
Collegen, doch mittheilen, dass der Entwurf der neuen Statuten voll¬
endet ist und schon Anfangs Jänner 1. J. an sämmtliche Mitglieder
der Societät mit dem Ersuchen versendet wurde, etwaige Abänderungs-
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104
Vorschläge an demselben bis 15. Februar bekannt geben zu wollen.
Es langten wirklich auch mehrere Vorschläge ein, die der Ausschuss
vorläufig in Berathang zieht, um sie dann, je nach den darüber
gefassten Beschlüssen, in der Generalversammlung vorzutragen.
Dass schon jetzt die für die Zukunft in Folge der Ausschei¬
dung aus der Universität und des dadurch bedingten Entganges der
Facultäts-Eintrittstaxen nothwendig gewordenen höheren Einzahlungen
die Mitglieder des Collegiums zu zahlreichen Beitritt in die Societät
bewegen, erhellt daraus, dass im abgelaufenen Jahre 21 neue Mit¬
glieder — eine bisher noch nicht vorgekommene Zahl — sich um
die Aufnahme bewarben, wogegen allerdings 7 verstorbene die Zahl
der am 31. December 1878 verbliebenen um 7 verminderten, daher
von den damals verbliebenen 343 nur 336 ins neue Jahr herüber¬
kamen, so dass der Stand am letzten December v. J. 357 gewesen.
Von den am Schlüsse des Jahres 1879 verbliebenen 92 Witwen
starben im Verlaufe des vorigen Jahres .... 2
dagegen kamen aber neue zu.9
Es hat sich demnach deren Zahl vermehrt um . . 7 „
wodurch die Zahl der Pensionistinnen auf .... 99 stieg.
Im Stande der Waisen ist keine Aenderung; es blieben 5
Die Gesammtzahl der Witwen-Pensionen beträgt demnach 104
Auch der Vermögensstand der Gesellschaft hat sich in er¬
freulicher Weise vermehrt. Er betrug am Schlüsse des Jahres 1878
nach einigen Abschreibungen. 1,975.911 fl. 79*5 kr.
Im J. 1879 ergaben sämmtl. Einnahmsquellen 134.352 „ 58*5 „
In Summe . 2,110.264 fl. 38 kr.
von denen in Abgang kommen die Gesammt-
ausgaben für Pensionen, Steuern, Begie u s. w.
nebst Abschreibungen vom Häuserwerthe,
zusammen. 75.523 „ 27 „
Daher am Schlüsse des Jahres 1879 das Ver¬
mögen einen Kaufwerth repräsentirt von . 2,034.741 fl. 11 kr.
mit einem Nominalwerthe Von. 2,156.869 „71 „
und einen Curswerth von ...... 2,063.197 „ 12 „
Es braucht wohl keines weiteren Beweises als des Ausdruckes
dieser Ziffern, um darzulegen, dass mit grosser Vorsicht operirt.
wurde, indem daraus erhellet, dass nur Werthe angekauft wurden,
welche eine Garantie gegen Verluste bieten.
VII. Ehe ich zum Schlüsse komme, um über den derzeitigen
Personalstand zu sprechen, wollen Sie mir noch erlauben, einen
kurzen Rückblick zu werfen auf das Entstehen und Wachsen des¬
selben; denn Sie werden daraus ersehen, dass eine Corporation,
welche auf einer festen Grundlage steht und die ihr vorgesteckten
Ziele: Förderung der Wissenschaft, Wahrung der Interessen ihres
Standes und die Versorgung der ihr Angehörigen anstrebt — wenn
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105
sie auch von der Regierung sich keines besonderen Schutzes er-
freut — trotz zahlreicher Gegner allmählich mehr Anhänger und
Mitglieder gewinnt, ohne dass diese zwangsweise zum Anschlüsse
getrieben werden. Ja noch mehr, sie suchen die Aufnahme nach, selbst
auf die Gefahr hin, dass sie, wie es schon geschehen, in geheimer
Abstimmung zurückgewiesen werden, wie das Folgende beweist.
Als die Ausscheidung des Doct.-Coll. der medicinischen Facultät
aus dem Verbände mit der Universität durch das Gesetz vom 27. April
1873 beschlossen und dem Doct.-Coll. zu seinem Fortbestände, der
gleichwohl in dem Gesetze ausgesprochen ist, alle Einnahmsquellen
verschlossen wurden, sah sich der in der letzten Plenarversammlung
des alten Collegiums zur Fortführung der Geschäfte gewählte Aus¬
schuss gezwungen, die Collegen aufzufordem, erklären zu wollen,
ob und welche freiwilligen Beiträge sie zu leisten gesonnen seien,
um die nothwendigsten Regiekosten decken zu können, und bis zur
constituirenden Versammlung am 26. Juni 1874 des neu organisirten
Collegiums haben sich.490
gefunden, die durch Subscription von 3—10 fl. ihrem Wunsche,
im Collegium zu verbleiben, Ausdruck gaben. Nachdem in
dieser constituirenden Versammlung ein Jahresbeitrag vorläufig
von 5 fl. für jedes Mitglied festgesetzt wurde, traten bis zur
ersten ordentlichen Generalversammlung, die am 15. März
1875 statthatte, aus dem alten Collegium noch.122
Mitglieder über, zu denen auch solche gezählt wurden,
welche die früher normirte Ausfnahmstaxe nur zum Theile
gezahlt hatten und die daher nur über Beschluss dieser
Generalversammlung ohne Erlag einer neuen Eintrittstaxe
aufgenommen werden konnten.
Im Laufe der folgenden Jahre bis Ende 1878 kamen
immer noch Einzelne hinzu, theils ordentliche Mitglieder des
alten Collegiums, theils solche, welche die frühere Aufnahms-
taxe nicht voll gezahlt hatten, und war deren Zahl ... 24
so dass im Ganzen aus dem alten ins neue Coli, übertraten 636
Von diesen schieden wieder aus.18
gestorben sind (darunter 2 neue Fleischmann, Heider) 54
Es giengen also ab.'. 72
und verblieben.564
denen sich neu aufgenommene anschlossen.100*)
wodurch die Gesammtzahl am 31. December 1878 gestiegen
war auf ..664
Es hat sich also die Zahl der Mitglieder, ungeachtet mehr als 8°/ 0
mit Tod abgingen, innerhalb vier Jahre um mehr als 4°/ 0 vermehrt.
Noch günstiger stellt sich das Verhältniss im Jahre 1879.
*) 1874/5: 8. - 1875: 15. — 1876: 44. — 1877: 18. — 1878: 15.
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106
Zu den Ende des Jahres 1878 verbliebenen.664
wurden im J. 1879 neu aufgenommen mit Eintrittstaxen 30
dann 2 frühere ordentliche Mitglieder und 5, welche von
der früheren Eintrittstaxe nur Raten gezahlt hatten . . 7
somit im Ganzen. 37
demnach der höchste Stand.701
Von diesen gingen ab durch den Tod.20
durch Austritt. 2 22
Es verblieben somit am 31. December 1879 . 679
Seitdem kommen schon in diesem Jahre neu aufgenommene
9, wogegen 5 ältere mit Tod abgingen, daher eine Vermehrung von 4
Die Collegen, welche vom April bis zum Schlüsse des Jahres
1879 uns durch den Tod entrissen wurden, sind die Herren DDr.
Herzog Alois*), Hesser, v. Kreuzenberg, Oesterreicher,
Sacks, Swoboda, V. Well, Zimmermann, Eleckles, Weg¬
scheider und 6ranich8tädten, denen in diesem Jahre schon folgten
die DDr.: Kirschnek, Grillparzer, Strakosch, Strautz
und Moriz Auspitz. — Lassen Sie uns ihr Andenken durch
Erheben von unseren Sitzen ehren.
Zu dieser traurigen Mittheilung muss ich Ihnen noch eine
bedauerliche machen. Der bisherige Secretär und Cassier des
Collegiums, Herr Dr. Hopfgartner, der seines Amtes durch acht
Jahre mit so anerkennenswerthem Eifer und gewissenhafter Genauig¬
keit gewaltet, dass er schwer zu ersetzen ist, sieht sich aus Gesundheits¬
rücksichten genöthigt, seine bisherigen Stellen niederzulegen. Es ist
nun an Ihnen, geehrte Herren Collegen, an seinerstatt eine Wahl
zu treffen. Möge sie eine glückliche sein!
Ich kann diesen Bericht nicht schliessen, ohne mich des mir
gewordenen Auftrages zu entledigen, allen jenen Herren Collegen,
welche ihre Zeit und Thatkraft in was immer für einer Richtung
zur Förderung der Zwecke des Collegiums verwendeten, und die ich bei
einzelnen besonderen Leistungen namentlich angeführt zu haben glaube,
im Namen des Präsidenten die vollste Anerkennung und den wärmsten
Dank auszusprechen, insbesondere aber auch über Beschluss des
Geschäftsraths den Antrag zu stellen: Die hochansehnliche General¬
versammlung wolle beschliessen, dass nachgenannten Herren Collegen
für ihre hervorragenden Leistungen der Dank der Generalversamm¬
lung ausgedrückt werde und zwar: Vor allem sämmtlichen Mitgliedern
des Comitö zur Förderung der Standesinteressen und insbesondere
dem Obmann desselben, Herrn OSR. Dr. Schneller, dessen rast¬
losem Eifer es zu danken ist, dass die Masse von Arbeiten, welche,
wie Sie aus dessen Berichte entnommen haben, dieses Comite zu
bewältigen hatte, zu einem gedeihlichen Abschlüsse kam. — Dem
Herrn Dr. Hopfgartner, der nicht nur die gewöhnlichen Ge¬
schäfte des Secretariats mit Sachkenntnis, unermüdlichem Eifer und
*) Die Träger der fettgedruokten Namen waren Jubüare.
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107
musterhafter Genauigkeit durch volle acht Jahre geführt, sondern
sich auch bei der Reconstituirung des Coli, nach dessen Ausscheiden
aus der Universität und bei der Creirung des Pensions-Instituts in
hervorragender Weise betheiligte; schliesslich dem aasscheidenden
Rechnungscensor des Unterstützungs - Instituts, Herrn Dr. B e h s e 1,
der dieses Amt mit gewissenhafter Genauigkeit besorgte und nicht
mehr in der Lage ist, eine etwaige Wiederwahl annehmen zu können.
Und nun ersuche ich den Herrn Cassier, Ihnen den Rechnungs¬
bericht über die Vermögensgebarung des Collegiums sowohl als über
die demselben zur Verwaltung anvertrauten Fonds und Stiftungen
vorzutragen, welche beide die Censoren eingehend geprüft und richtig
gefunden, sowie sie auch die Cassen scontrirt und in bester Ordnung
getroffen haben, nach deren Richtigbefund Ihrerseits die hochgeehrte
Generalversammlung den Rechnungslegern über Antrag des Geschäfts¬
rath es das Absolutorium ertheilen, den Voranschlag für das laufende
Jahr genehmigen und den Jahresbeitrag für das Jahr 1881 wie
bisher mit 5 fl. festsetzen wolle.
In der wissenschaftlichen Versammlung am 5. April
demonstrirte Pros. Docent Dr. C h i a r i zunächst Präparate von
einem Falle von Microcephalie.
Er acquirirte diese Präparate am 16. August 1879 im
St. Anna - Einderspitale bei der Obduction eines sechsjährigen
idiotischen Mädchens, welches an bilateraler Infiltratio pulmonum
verstorben war. Das Mädchen war seit jeher blöde gewesen,
seine Geschwister und Eltern hingegen geistig gesund. Nur
der Bruder der Mutter, der gegenwärtig über 20 Jahre alt ist,
soll schwachsinnig sein. Während des Spitalaufenthaltes hatte
das Mädchen ganz den Eindruck eines vollständig blöden In¬
dividuums gemacht. Es hatte nur unartriculirte Laute ausgestossen,
Nahrung nie selbst begehrt, die Stuhl- und Harnentleerungen
nie angezeigt. Nur hie und da hatte es geschienen, als ob es
nach dem Wasserglase weise, um dadurch seinen Durst anzu¬
zeigen. Die Eltern hatte es erkannt, insoferne es die Hände
nach ihnen ausstreckte, wenn sie in das Spital kamen. Das
Steh- und Gehvermögen war nicht alterirt gewesen.
Bei der Obduction fand sich nebst chronischer Lungen-
und Darmtuberculose hochgradige pathologische Kleinheit des
Schädels und Gehirns mit abnormer Configuration der Hirn¬
oberfläche. Der Schädel des 94 Ctm. langen Mädchens war in
allen Dimensionen zu klein, namentlich im Bereiche des Hirn-
theiles. Eine sagittale Durchschnittszeichnung dieses Schädels ver¬
glichen mit einer eben solchen Durchschnittszeichnung eines
normalen sechsjährigen weiblichen Schädels liess ganz auffällig
die Grössenverschiedenheit erkennen. Die einzelnen Schädel¬
knochen waren etwas dicker, die Nähte und ebenso die Syn-
chondrosis spheno - basilaris waren nicht synostosirt. Die Im-
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108
pressiones digitatae und Juga cerebralia zeigten nur geringe
Entwicklung. Das Gehirn hatte ein sehr geringes Gewicht. Das
Grosshirn sammt den inneren Meningen wog 403 Gramm, das Klein
hirn, ebenfalls mit den inneren Meningen gemessen,wog 112 Gramm.
Zum Vergleiche führt C. das Gewicht des Grosshirns und Klein¬
hirns bei einem normal entwickelten sechsjährigen Knaben mit
1100 Gramm, resp. 160 Gramm an und weist auch hin auf die ab¬
norme Relation zwischen Grosshirn- und Kleinhirngewicht bei dem
microcephalen Gehirne gegenüber dem normalen Durchschnitts¬
verhältnisse. Die Windungen und Furchen des Grosshirns waren
wenig entwickelt. Die Hauptgyri und Hauptsulci Hessen sich
zwar erkennen, jedoch fehlten grössteütbeils die weiteren Win¬
dungen und Furchen. Besonders einfach war die Gestaltung
der Gyri im Bereiche des Stirnhirns. Die vorderen Centralwin¬
dungen waren wegen mangelhafter Entwicklung des Sulcus prae-
centralis nur angedeutet. Die Gyri occulti fehlten vollständig.
Die Grossganglien des Grosshirns und die Markmasse desselben
zeigten entsprechende Kleinheit. Die Ventrikel waren nicht
dilatiit, das Kleinhirn erschien vollkommen gut ausgebildet. Die
mikroscopische Untersuchung des Gehirns ergab bis auf den
Befund eines bohnengrossen Tuberkels in den inneren Meningen,
der Corticalis und Marksubstanz des linken Stirnhirns keine
pathologischen Verhältnisse. C. kommt zu dem Schlüsse, dass
es sich in diesem Falle nicht um eine auf eine Schädelanomalie
zu beziehende Micrencephalie handelte, sondern dass die Klein¬
heit des Gehirns, da Texturveränderungen im Gehirne nicht ge
funden wurden, als eine ursprüngliche Aplasie des Gehirns auf¬
zufassen sei. Der Idiotismus dürfte wohl aus der zu geringen
Masse functionirender Hirnsubstanz zu erklären sein.
Weiter demonstrirt C. Präparate von einem Situs per-
versus totalis, den er am 22. März d. J. im Rudolf-Spitale
bei einem 71jährigen, an Pneumonia sinistra verstorbenen Manne
secirte. Besonders interessant sind die Verhältnisse am Herzen
und an der Leber, indem sich an diesen Orgarnen die voll¬
ständige Verkehrung des r. und 1. in den einzelnen Theilen
sehr deutlich manifestirt. C. zeigt diese Verwendung zwischen
r. und 1. an den genannten Organen durch Vergleich derselben
mit Normalorganen.
Den hierauf folgenden Vortrag des Herrn Dr. Hertzka
über Haemophilie werden wir in einer späteren Nummer voll¬
inhaltlich mittheilen.
Nach diesem Vortrage und im Anschluss an denselben
sprach noch Primararzt Dr. Englisch über die Wirksamkeit
und die Vortheile bei Anwendung der hämostatischen Baum-
woll-Charpie von Eckstein zum Stillen von Blutungen, ins¬
besondere an von vielen kleinen Gefässen durchzogenen Partien,
wie in der Hohlhandfläche u. dgl., deren er sich seit mehreren
Jahren zu diesem Zweck mit bestem Erfolge bedient.
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109
Aus dem Geschäftsrathe.
Die Sitzung am 7. April, die erste nach der diesjährigen
Generalversammlung, welche unter dem "Vorsitze des Vice-
präsidenten Dr. Preyss und in Anwesenheit des zweiten Vice-
präsidenten Dr. Hopfgartner, des Secretärs Dr. Reitter und
von 20 Mitgliedern des Geschäftsrathes statthatte, eröffnete der
Vorsitzende mit einer Begrüssung der Anwesenden, in der er der
Freude Ausdruck gab, die früheren, zum Austritt bestimmt ge¬
wesenen Mitglieder durch Wiederwahl alle wieder vereinigt zu
finden, wenn auch die Stellungen einiger in dieser Versammlung ver¬
rückt wurden, und stellte dann den einzigen neu Gewählten, Herrn
Dr. Paul Mittler, der Versammlung vor. Ebenso auch Dr. Hopf¬
gar tner als zweiten Vicepräsidenten und Dr. v. Per nh off er als
Secretär-StellVertreter. Hierauf schritt man zur Wahl der Schrift¬
führer, und wurden zu denselben per acclamationem Dr. Anthofer
wieder und Dr. Sigmund Adler neu gewählt, welche beide die
Wahl auch annahmen. Dann wurden die Herren DDr. Friedrich
Allmayer, Emanuel v. Berger, Vincenz Läufer und
Hermann Ritt. v. Schuster, sämmtlich in Wien domicilirend,
als Mitglieder in das Collegium aufgenommen. Dieser Auf¬
nahme folgten Mittheilungen des Secretärs über verschiedene
Einläufe, worunter Bücherspenden, namentlich von OSR. Dr.
Schneller und von der Direction der Bericht des Leopoldstädter
Kinderspitals für d. J. 1879. Ferner theilte der Vorsitzende mit,
dass er mit dem Delegirten des akademischen Senats, Herrn
OSR. und Prof. Dr. Hof mann, sich über* die Ausfolgung von
mehreren Actenstücken aus dem Archiv des Collegiums an die
Universität endlich verständigt habe, nachdem es bisher wegen
allzu anmassenden Benehmens der früheren Delegirten unmöglich
gewesen, mit diesen in collegiale Verhandlungen einzugehen.
Dr. P. bezeichnet die abzugebenden 80, nur auf Studienangelegen¬
heiten bezüglichen Actenstücke genau und ersucht um die Ermäch-
tigung, dieselben abgeben zu können, womit die Versammlung
sich einverstanden erklärte.
Zum Schlüsse bringt der Vorsitzende in Erinnerung, dass
der all verehrte Präsident des Collegiums, Hofrath Ritter von
Schmerling, am 1. Mai sein 70. Lebensjahr vollende und
macht den Vorschlag, diesen frohen Tag, an welchem dem
Jubilar gewiss von mehreren Seiten Ovationen gebracht werden
dürften, auch von Seite des Collegiums in feierlicher Weise zu
begehen. Leider musste gleichzeitig auch zur Kenntniss ge¬
bracht werden, dass eine tiefe Betrübniss in der Familie herrsche,
indem die hochgeachtete Frau Gemalin des Präsidenten, eine
liebenswürdige Dame, mit der er durch 36 Jahre in glücklicher
Ehe lebt, vor Kurzem einen apoplectischen Anfall hatte, infolge
dessen die ganze linke Seite gelähmt wurde, ohne dass bei aller
möglichen Hilfe bisher eine wesentliche Besserung eingetreten wäre.
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110
Auf Grund dieses traurigen Ereignisses musste vorläufig von jeder
Veranstaltung eines lärmenden Freudenfestes Umgang genommen
werden und wurde beschlossen, sich auf die Ueberreichung
einer schön ausgestatteten Adresse zu beschränken, die von allen
Mitgliedern des Geschäftsraths und sonstigen Functionären des
Collegiums unterzeichnet werden solle. Zugleich wurde der
Vorsitzende beauftragt, dem Herrn Präsidenten im Namen des
Geschäftsrathes das tiefste Beileid auszudrücken.
Aus dem Pensions-Institut des Wiener med. Doc.-Coll.
In der am 3, d. M. abgehaltenen Plenar-Versammlung wurde
der heurige Stand der Institutskassen mit 72.000 fl. ausgewiesen;
derselbe ist im schnellen Wachsen begriffen, dagegen sind bisher
und voraussichtlich noch durch fünf Jahre keinerlei Ausgaben
zu bestreiten. Zu Functionären wurden die DDr. Hans Adler
zum Präsidenten, Dr. Heim zum Präsidenten Stellvertreter,
Dr. Nicol ad oni zum Schriftführer wieder-, ferner zu Verwal¬
tungs-Ausschüssen die DDr. Josef S c h o 1 z und Josef Englisch;
zu Ersatzmännern die DDr. Peter Langer, Ferd Nödl, Emil
Pernitza, Ludw. Fürth und Karl Reitter; zu Revisoren
die DDr. Doll, Koller und Mittler neugewählt.
Notizen.
Ernennung, ße. k. und k. Majestät haben mit Allerhöchster Ent-
sohliessung vom 9. April d. J. den Priyatdocenten Dr. Ernst von F leisohl
zum unbesoldeten ausserordentlichen Professor der Physiologie an der Uni¬
versität in Wien allergnädigst zu ernennen geruht.
Auszeichnung. Der Gemeindeausschuss in Franzensbad hat den geheimen
Sanitätsrath, Herrn Dr. Bosch an, aus Anlass seines Rücktrittes in das Privat¬
leben nach einer 85jährigen erspriessliehen ärztlichen Thätigkeit zum Ehren¬
bürger ernannnt.
Die Armenarztesstelle, welche durch den Tod Dr. Kreutzenberg’s
im Gemeindebezirke Margarethen erledigt worden, wurde dem emeritirten
Seoundararzte im Wiedner Spitale, Herrn Dr. August Mayer, verliehen.
Sterbefölle. Am 29. März d. J. verschied zu Wien naoh langwieriger und
schmerzhafter Krankheit im 36. Lebensjahre Dr. Heinrich Zippe, k. k. Landes¬
gerichtsarzt und Mitglied des Wiener medioinisohen Doctoren-Collegiums, ein
Sohn des früheren Wiener Universitätsprofessors und Regierungsrathes Dr. Zippe.
Geboren zu Prag im Jahre 1844, absolvirte er zu Wien im Jahre 1863 das
akademische Gymnasium und 1868 die medioinisohen Studien und wurde im
Jahre 1869 zum Dootor der Medioin promovirt. Die Psychiatrie zu seinem
Fachstudium erwählend, hat er sich schon als Seeundararzt in der Irrenanstalt
zu Ybbs, sowie später als Assistent Prof. Meynert’s in der niederöster-
reichisohen Landesirrenanstalt und in der Privatheilanstalt Prof. Leidesdorfs
zu Döbling durch seine wissenschaftliche Tüchtigkeit hervorgethan. Im Jahre 1873
wurde ihm die durch die Berufung des Herrn Regierungsrathes Dr. Schlager
zum Direotor der Wiener Irrenanstalt erledigte Stelle eines k. k. Landes¬
gerichtsarztes für psychiatrische Begutachtungen verliehen; er ist diesem
beschwerlichen verantwortungsvollen und gediegenes Wissen beanspruchenden
Berufe stets mit grösstem Eifer und strengster Gewissenhaftigkeit naohgekommen
und für seine ausserordentliche wissenschaftliche Befähigung legen seine zahl¬
reichen Arbeiten auf forensisohem und journalistischem Gebiete die besten
Zeugnisse ab. Dr. Zippe war ein offener, ehrlicher Charakter, ein liebens¬
würdiger College, ein tüohtiger Fachmann. Ruhe seiner Asche!
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111
Vor wenigen Tagen erst erhielten wir die betrübende Naohricht von
dem Tode eines der jüngsten Mitglieder unseres Collegiums, der am 16. Mürz 1. J.
nach nur fünftägigem Krankenlager zu Karlstadt in Croatien einer Lungen¬
entzündung erlegen ist. Dr. Theodor Bu oh holz war am 6. September 1843
in Mantua geboren, wurde im Jahre 1868 in Wien zum Med. & Chir. Dr. pro-
movirt, und trat sofort als Oberarzt in die k. k. Armee, wo er naoh wenigen
Jahren schon zum Regimentsarzt ernannt wurde. Im April 1878 wurde er
während eines kurzen Urlaubs in Wien als ordentliohes Mitglied in das Doot.-
Coli, aufgenommen, aber noch ehe er seinen Urlaub ausgenutzt hatte, wurde
er zur Ocoupations-Armee naoh Bosnien einberufen und allen Unbilden eines
Krieges ausgesetzt, denen seine ohnedies nioht sehr kräftige Constitution nioht
widerstehen konnte. Dessenungeachtet hat er ausgehalten, bis das Regiment,
bei dem er diente, naoh Croatien zurückgezogen wurde, wo ihn der Tod er¬
eilte. Der Verstorbene wurde von Allen, die ihn näher kannten, wegen seines
gediegenen Wissens und seines ruhigen, anspruohlosen Wesens hoohgesohätzt
und sein Verlust betrauert. Möge ihm die Erde leicht sein!
In der J. D alp’schen Buchhandlung (R. S chm i d) in Bern ersohien soeben:
Therapeutischer Almanach für praktische Aerzte
von Dr. G. Beck.
7. Jahrgang. 1880. Gebunden mit Papiereinlage. (Des Taschenbuches der
neuesten Therapie. II. Bändchen. 3. Heft.) Mk. 1*60.
Die „Medizinisch-chirurgische Rundschau“ vom August 1879
sagt über den vorigen Jahrgang:
„Der vorliegende Almanach will nioht eine Receptsammlung für ange¬
hende Praktiker darstellen, sondern präsentirt sich gleichsam als Jahresbericht
der neuesten Fortschritte der Therapie und ist als solcher ein allen Aerzten
empfehlenswertes Naohschlagebüchlein. Denkt man an die grosse Anzahl
Droguen und Präparate, welche jedes Jahr in die ärztliohe Praxis eingeführt
werden, so wird man den Werth des vorliegenden Büohleins ohne Weiteres
begreifen. Dieser wird duroh eine sorgfältige Präoisirung der Dosirung und
durch genaue Literaturangaben, wie sie hier vorhanden sind, gewiss nur erhöht.
Die Stichproben, welohe wir anstellten, den Almanach zu prüfen, ob er hält,
was er verspricht, zeigten, dass derselbe mit Fleiss und Sorgfalt abgefasst ist.“
Der neue Jahrgang zeichnet sioh von den früheren naoh aussen duroh
seinen englischen Leinwandband und Papiereinlage aus, die die Brauchbarkeit
des Büohleins als Tasohenbuoh noch erhöhen werden.
Das am 1. April ausgegebene Heft 2 des zweiten Jahrgangs der
lllustrirten Vierteljahrsschrift für ärztliche Polytechnik
von Dr. G. Beck
(Bern, Dalp’sohe Buchhandlung)
enthält die Abbildungen und Beschreibungen zum Theil gänzlioh neuer,
zum Theil noch in keinem deutschen Journal veröffentlichter oder illustrirter
Apparate und Instrumente: E. Backei (Strassburg), lithotristisoher Evacua-
tiossapparat. Klamann (Luckenwalde), Canüle^zu rückwärtswirkenden Urethral-
injectionen. Heller (Nürnberg), neuer Höllensteinträger. Neuber (Kiel),
Karbol-Spray für Spitäler. Wendschuoh (Dresden), neue Onanie - Bandage.
Holzer (Franzensbad), Irrigations-Speculum. Demaurex (Genf), neue Sutur-
pincette, Zerstäuber mit Spitzenreiniger, obturirende Canüle für Thorakocentese.
Hughes (London), galvanische Hörmesser (Audiometer). Hiokinbotham (London),
Plaoentar und Uteruspolypenzange. Ogilvio Will (Aberdeen), Knöpfe zur
Entspannungsnaht. Matthew, Gypssäge. Hayes (Dublin), neues Bruchmesser.
Baker (London), Klumpfuss-Apparat. Cooking, proplastio spinal jacket. Erichsen
(London), Apparat zur Geraderichtung anohilotischer Gelenke. Grayton (Cin-
cinati), Audiphon und Deutaphon. Curric (New-York), Doppel hohlnadel.
Schweig (New-York), Urethral-Dilator. Fletscher (Massaohetts), Mikrotom.
Fryer (New-York), Simssohes Speoulum. Baker (Boston), Vaginometer. Cross
(Philadelphia), Urethrotom, Urethraldilatator, Urethrometer. Weise (New-York),
Urethrometer.
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112
Soll
Summarischer
des Wiener medieinisehen
für das
Vermögens-Stand am 31 December 1878:
Papier
Baar
fl.
kr.
fl.
kr.
13800
87
309
.
Verkehrsbank-Einlage und Baarvorrath.
Neue Einnahmen:
576
79
.
626
32
1541
8
900
•
3440
•
15917
95
| 5276
TT
i. i
>ti f
ft
\\ i
’scher
1
2
3
Vermögens-Stand Ende 1878:
Neuer Empfang:
Einlage in das Verkehrsbank-Buoh .
Herausgenommen aus der Verkehrsbank.
6218
279
65
28
258
271
99
29
*6497
98
525
28
II. Aushil
fs-F
or
id di
Vermögens-Stand Ende 1878 :
2012
48
•
Neuer Empfang:
1
Interessen.
.
.
92
1
2
.Einlagen in die Sparcasse und Verkehrsbank. . .
102
48
•
! 3
| Herausgenommen aus der Sparcasse.
•
70
25
i
1
tu, zz
2214
96
162
26
1
i i
in
1. Bs
ree
Vermögens-Stand Ende 1878 :
2092
I 61
•
!
Neuer Empfa ng:
l
Interessen.
87
45
2
Einlage in das Verkehrsbank-Buch.
56
45
3
Herausgenommen aus der Verkehrsbank.
'
45
2149
6
| 132
45
Digitized by
Google
113
Rechnungs-Ausweis
Doetoren-Collegiums
Jahr 1879.
Haben
b
X
Papier
1 Baai
■
u_
Ausgaben:
fl.
kr.
1 fl *
kr.
1
Regie..
m
2831
1
2
Journal „Mittheilungen“..
*
1475
48
3
Ankauf von Werthpapieren.
819
57
4
Für Pensions-Institut.
Vermögens-Stand am 31. December 1879:
•
•
26
48
5
Papier-Renten.
15800
6
7
Yerkehrsbank - Buch - Einlage . ..
Baarvorrath ..
117
95
19 a j
*7
Aushilfs-Fond.
Ausgaben:
Unterstützungen an 1 Doctor,
2 Waisen
Witwen
Einlage in das Verkehrsbank-Buch. .
Vermögens-Stand am 31. December 1879:
Papier-Rente, vinculirt Nr. 107093 und 104547.
246 .
265 95
, .
*
279 28
5750 .
200 .
. .
281 98
.
6497 93
525 28
Wr. med. Doct.-Collegiums.
Ausgaben:
1 Unterstützungen an 4 Witwen und 1 Waise
2 Einlage in die Yerkehrsbank.
3 Herausgenommen aus der Sparcasse ....
Saldo am 31. December 1879:
Speransky-Fond
Ausgaben:
1 Unterstützungen an 5 Witwen und 2 Waisen
2 Einlage in das Yerkehrsbank-Buch.
3 Aus dem Verkehrsbank-Buch herausgenommen
Saldo am 31. December 1879:
Silber-Rente Nr. 36715 und 31227 vinculirt
Yerkehrsbank-Buch-Einlage.
1 .
64 .
•
.
98 26
II 74
47
•
2000
140
49
•
2214,
96
162 26
2000 .
104 6 .
2149 6 132 45
Digitized by
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IIPost-Nr.
114
IV. v. Well’scher
Papier
i
Baar
i
fl.
kr.
fl.
kr.
2406
1! -
16
• 1
| 99
35
51
5
76
70
t-
»o
2h
176
1
Vermögens-Stand Ende 1878:
Neuer Empfang:
1 Interessen .
2 Einlagen in das Verkehrsbank-Buch. .
3 Herausgenommen aus der Sparcasse . .
V. Dr. Anton Bisenz’
Vermögens-Stand am 31. Deoember 1878: 1049 29
I Neuer Empfang:
1 | Interessen. 44 60
2 Einlage in das Verkehrsbank-Buch. 81 5
3 jj Herausgenommen aus dem Verkehrsbank-Buch . . . . 59 29
_| n30 |34jj 103 |89|
VI. Kriegs-Stiftung des
Vermögens-Stand am 31. December 1878: | 334:
, Neuer Empfang: j
1 ; Interessen...
2 Herausgenommen aus der Verkebrsbank.
3 I Einlage in die Verkehrsbank. 78
|_ _jj 3421 j45 | 218 |67
VII. Dr. Josef Singer’
Vermögens-Stand am 31. December 1878: 14697 67! . .
Neuer Empfang:
1 Interessen. j . . 661 9*
2 | Einlagen in das Verkehrsbank-Buch. 149 78 . .1
3 Aus dem Verkehrsbank-Buch herausgenommen . . . . 118 74 (
Digitized by
_ 14847 45 | 779 |83j
Google
115
Unterstützungs-Fond.
Haben
b
35
; Papier
Baar
OB
e
O*
Ausgaben:
! fl.
kr.
A.
kr.
1
Unterstützung an 4 Witwen und 2 Waisen . . .
i
125
2
Einlage in das Verkehrsbank-Buoh.
.
51
5
3
Herausgenommen aus dem Verkehrsbank-Buoh . . 1
Saldo am 31. Deoember 1879:
j 76
70
•
Papier-Rente Nr 23417 vinculirt.
900
.
,
Silber-Rente Nr. 31185 vinculirt.
1400
.
Verkehrsbank-Buch-Einlage..
1 80
51
.
2457
21
176
"5
»che Stiftung.
Ausgaben:
1
Stipendien an 1 Dootoranden.
.
.
24
.
2
Einlage in das Verkehrsbank-Buoh.
.
79
89
3
Herausgenommen aus dem Verkehrsbank-Buoh . .
60
45
.
.
Saldo am 31. December 1879: j
Papier-Rente Nr. 107095 vinculirt.
1000
.
.
.
Verkehrsbank-Buch-Einlage.
; 69
89
.
| 1130
«j
103
89
;
1
Wr. med. Doct.-Collegiums. _
Ausgaben:
1 |i Unterstützungen an 2 Patental-Invaliden.
2 j Einlagen in die Verkehrsbank.
3 Herausgenommen aus dem Verkehrsbank-Buoh . .
Saldo am 31. December 1879:
Papier-Rente vinculirt.
Verkelirsbank-Einlagc.
79
3250
92
140j .
78'67
3421
45
| 218
67
i II i
sehe Stiftung.
i
Ausgaben:
Unterstützungen an 8 Witwen und 1 Waise . . .
1 620
2
Einlagen in das Verkehrsbank-Buch.
.
147
63
3
Aus dem Verkehrsbank-Buch horausgenommen . .
121
2
4
Grabausschmückung in den Jahren 1878 und 1879
12
5
Kosten der Vinculirung der Noten-Renten . . .
.
20
Vermögens-Stand am 31. December 1879
1 Stück galiz. Grundentlastung8-Obligation vinculirt
7000
.
•
1 „ Silber-Rente vinculirt.„
1900
.
9 „ Donauregulirungs-Obligationen . . „
900
.
.
Noten-Renten.„
4800
1
Verkehrsbank-Buch-Einlagen.
126
43
i
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45
779
83
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116
Soll
VIII. Frank’scltes
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Papier
Baar
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fl.
kr.
fl.
kr.
Vermögens-Stand Ende 1878:
1291
64
•
•
Neuer Empfang:
1
.
.
60
27
2
Einlage in die Verkehrsbank.
52
27
•
1343
91
60
27
IX. Dr. Joh
ann
Seyfei
“1
'V_
Vermögens-Stand am 31. December 1878 :
9760
63
•
Neuer Empfang:
1
Interessen.
.
.
> 499
80
2
Einlagen in das Verkehrsbank-Buch.
648
66
•
3
i Herausgenommen aus dem Verkehrsbank-Buohe. . |
•
1 561
85
|10409|29
1061
65
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X. Bibliothek-
Vermögens-Stand am 31. December 1878:
267
53
.
.
Neuer Empfang:
1
Interessen.
.
.
42
30
2 1
Einlagen in die Verkehrsbank.
42
30
•
•
3
Herausgenommen aus der Verkehrsbank ....
•
•
39
95
309
83
82
25
XI. Dr. Heinrich
Vermögens-Stand am 31. December 1878:
Neuer Empfang:
Interessen.
Verkehrsbank-Buch-Einlage.
Herausgenommen aus der Verkehrsbank . . .
XI
2094
88
2183
88
126
214
58
58
Dr. Gustav
i
i
Empfang :
Legat des am 29. November 1878 verstorbenen Herrn
Dr. Gustav Leitner in galiz. Grundentlastungs-
Obligation.
•
1000
*47
i
60
2
3
Interessen.
Einlage in die Verkehrsbank.
*40
6
1040
j6
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60
i
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117
Legat._ Haben
tm
>5
Papier
ßaar
OB
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Ausgaben:
fl -
|kr.
ft.
kr.
1
| Au genscheinskosten und Grabausschmückung . . .
.
8
2
iiEinlage in die Verkehrsbank.
.
52
27
Saldo am 31. December 1879:
2 Kaiser Ferdinands-Nordbahu-Prioritaten . . .
600
.
#
Yerkehrsbank-Einlage.
| 743
91
1343
91
60
27
sei
he Stiftung.
1 1
1
Ausgaben:
1
Pensionen an 4 Witwen.
420
2
Einlagen in das Verkehrsbank-Buch.
• 1
641
65
3
Herausgenommen aus dem Verkeilrsbank-Buche. .
567
86
.
Saldo am 31. December 1879:
1 Schuldschein, intabulirt auf dem Hause 18 in
Gumpendorf. .
6300
Papier-Rente yinculirt.
3200
Yerkehrsbank-Buch-Einlagen.
341
43
.
10409
29
1061
65
F«
i n d.
Ausgaben :
1
Tischler- und Buchbinder-Rechnung.
39
95
2
Einlage in das Yerkehrsbank-Buch.
9
.
42
30
3
Herausgenommen aus der Verkehrsbank ....
39
95
#
.
Saldo am 31. December 1879:
Sparcassebuoh-Einlage.
269
88
.
309
83
82
1-
He
rzfelder’s Stipendien-Stiftung.
Ausgaben:
i
Stipendium an 1 Mediciner.
,
.
126
2
Einlage in das Yerkehrsbank-Buch.
88
58
3
Herausgenommen aus der Verkehrsbank.
126
.
Saldo am 31. December 1879:
Notenrente yinculirt.
2000
.
Verkehrsbank-Buch-Einlage.
57
19
•
.
21831
19
214
58
ll
Leitner Stiftung.
Ausgaben:
"
“
1
Quittungsstempel bei Uebernahme der Grundent-
lastungs-Obligation.
3
75
2
Interessenvergütung an Herrn Advocaten Dr.Baumann
vom 1. November 1878 bis 29. November 1878
als dem Todestage des Herrn Legatars ....
3
79
3
Einlage in die Verkehrsbank.
40
6
Saldo am 31. December 1879:
Galizische Grundentlastungs-Obligation Nr.3698 pr.
1000
Einlage in die Verkehrsbank.
40
6
.
1040
6
47
60|
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Ip08t-Xr.
118
1
2
3
4
5
6
XIII. Gottfried Mosing
Empfang :
Am 30. December 1879 von der hohen k. k.
n. 6. Statthalterei übernommen
Stiftungs Capital:
1860er Lose, vinculirt.
Silber-Rente, „ .
Noten-Renten, „ .
N. ö. Grundentlastungs-Obligation.
Baargeld..
Einlage in die Verkehrsbank .
1 Papier
Paar
1 fl *
kr -|
1 fl *
kr 1
800
800
1 9200
100
171
21
171
*
21»
11071
21*!
171
j~
1 1 1
-;[-H—1 — I
XIV. Dr. Mühlhau-
Empfang:
1
Aerztlicher Verein der westlichen Bezirke übergibt
1 Sparkassebuch mit Einlage .
5008
8
2
f n n r> .
130
3
Herr Dr. Josef Scholz Sammlung von.
26
4
Hr. Dr. Polaczek nachträgl. noch durch H. Dr. v.Kautz
17
5
Anonymus.
6
6
Wiener medio. Doctoren-Collegium aus Anlass der
silbernen Hochzeit Ihrer Majestäten.
•
200
7 !
Interessen der Sparcassebüoher.
24
37
8
Einlage in die Sparcasse.
24
14
9
Herausgenommen aus der Sparoasse.
5135
10
Angekaufte Noten-Renten.
8000,
13162|
22
5408
37
Dr. y. Slohmerling»
Präsident.
Revidirt und
Dr. Bernhard Wölfler, Rechnungscensor.
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119
ser uonto.
Ausgabe:
1
Herausgenommen aus der Sparcasse.
5135
2
Escomptegebühr dabei.
5
3
3
Einlage in die Sparcasse.
24
14
4
Ankauf von 8 Stüok Noten-Renten k fl. 1000 . .
5368
5
Interessenvergütung dabei.
Saldo am 31. December 1879 :
n
20
8 Noten-Renten k fl. 1000 .
, 8000
•
•
Sparcassebucheinlage. |
27
22
1
13162
22;
! 5408
37
1 i
Dx*. Hopfjjartner,
C&ssier.
richtig befunden:
Dr. Eduard Nagel» Rechnungsoensor.
Digitized by Google
120
Eingesendet«
Dr. J. Hoisel, welcher in den letzten zwei Badesaisonen als ärztlicher
Leiter in Krapina-Töplitz fungirte, hat diese Stellung niedergelegt und kehrt
wieder auf seinen früheren Posten als landschaftlicher Brunnenarzt nach
Rohitsch-Sauerbrunn, welchem Curorte er schon durch 6 Jahre angehörte,
zurück.
Einladung
zu der am Montag den 19. April, Abends 7 Uhr, im Sitzungssaale
des akademischen Senates (vormals Consistoriaisaal),
1. Sonnenfelsgasse 23, stattfindenden
wissenschaftlichen 'Versammlung.
Programm:
1 . Ueber Behandlung der Rippenfraoturen mit Gypsverband von Herrn
Dr. Adolf Klein, erstem Secundar-Arzt im Krankenhaus Rudolf-Stiftung.
2. Zur Anwendung des Pilocarpins in der Geburtshilfe (dritter Vortrag
hierüber) von Herrn Dr. Alexander Lerch jun.
Dr. v. Schmerling, Präsident. Dr. Karl Reitter, Secretär.
Die General - Versammlung der
Witwen- und Waisen-Societät des Wr. med. Doct.-Coll.,
zu welcher die Herren Mitglieder geziemend eingeladen werden,
findet Montag den 26 April 1880, Abends 7 Uhr, im Sitzungs¬
saale des akademischen Senates, Sonnenfelsgasse 23, statt.
Programm:
1. Bericht über die Geschäftsführung, den Personal- und Vermögens-
Stand der Sooietät pro 1879.
2. Erledigung der Sooietätsreohnung pro 1879.
3. Festsetzung des Pensions-Ausmasses und Genehmigung des Voran¬
schlages pro 1880.
4. Wahl von zwei Mitgliedern des Ausschusses auf 3 Jahre*).
5. Wahl von zwei Ersatzmitgliedern des Ausschusses auf 1 Jahr**).
6 . Berathung und Beschlussfassung über den Entwurf neuer Statuten.
*) Als Mitglieder dos Ausschusses fungirten 1879:
a) Als Senioren die Herren Doctoren: Lackner J. N., v. Ounz sen.,
Ferd. Hebra, Weyda, Welker und Winternitz David .
b) Als Gewählte die Herren Doctoren: Schneller, Beitter, Preyss,
Gauster, Bitter von Badda und Bitter von Eisenstein.
Die beiden Ersteren haben nach § 24 der Statuten auszutreten, sind
aber wieder wählbar.
**) Als Ersatz-Mitglieder des Ausschusses fungirten im Jahre 1879 die
Herren: Dr . Klein Ludwig und Dr. Spitzmüller Julius.
Jene Herren Mitglieder, welche irgend eine Wahl anzunehmen gesonnen
sind, werden ersucht, ihre Candidatur der Societäts-Direotion bekannt geben
zu wollen.
Dr. Theodor Jurie, Präses.
Die nächste Summer erscheint am 29. April.
Herausgeber und Verleger: Wiener medioin. Doct.-Coll. — Verantwortlicher Bedaetenr
Dr. L Hopfgartner. — Gesellsohafts-Pnchdrncker*»i, Wien, ITT. Erdbergerstrassß 3.
Digitized by Google
VI. Bd. Ausgegeben am 29. April 1880. JMi*. IO
MITTHEILUNGEN
des
ffimmr MBüiciaiscPeo DoEtoroa-CollBiiimis.
Erscheint jeden «weiten Donnerstag ein halber bis ein ganaer Bogen und darüber, an
10 Bogen im Jahre. — Ganzjähriges Abonnement für Nlohtmitglieder des Collegiums im In¬
luide 8 fl., nach dem Aaslande 6 Mrk. — Binseine Nummern 26 kr. = 60 Pfg. — Inserate
16 kr. = 80 Pfg. für die durchlaufende Petit-Zeile.
Man pr&numerirt in der Medicin. Buchhandlung Toeplita dfc Dentfcke
(vormals Karl Czermab), Wien, I., öchottengasse 6.
Zuehriftei ud Zmsendnngen an die Bedaction: Wien Kanzlei dos Wiener aed.
Doel-Coll. ud der Witwen- und Waisen-Societät, ßetfeentknrastrasse 23.
Inhalt: Die UI. ordentliche General-Versammlung des Pensions-Institutes des Wr. med. Doct.-
Coll. — Aus dem wissenschaftlichen Ausschüsse. — Wissenschaftliche Versammlung am
19. April. — Verzeichniss der Functionäre des Wr. med. Doct.-Coll. im Jahre 1880—81. —
Notizen. — Einladung zur wissenschaftlichen Versammlung.
Die III. ordentliche General-Versammlung
des Pensions-Institutes des Wiener med. Doctoren-Collegiums,
abgehoben amt 3. April 1880, 7 Uhr Abends, im Sitzungssaal des Collegiums.
Nachdem der Präsident des Pensions-Institutes, Dr. Hans A d l e r,
die statutemnässig normirte Anzahl der Instituts-Mitglieder consta-
tirt hatte, eröffnete er die Sitzung, indem er die Anwesenden be-
grüsste, worauf er dem Schriftführer Herrn Dr. Popper das Wort
ertheilte zur 'Verlesung des Protokolls der vorjährigen Generalver¬
sammlung ; was geschah, und da Niemand dagegen eine Einwendung
gemacht, wurde dasselbe verificirt. Hierauf ergriff der Vorsitzende
das Wort zu folgender Ansprache:
Hochgeehrte Versammlung!
¥ Bevor ich auf den ersten Gegenstand der Tagesordnung „Be¬
richterstattung über die Thätigkeit des Pensions-Institutes im abge¬
laufenen Jahre“ übergehe, erlauben Sie mir den folgenden, vom
Verwaltungs-Ausschüsse einstimmig angenommenen Dringlichkeits¬
antrag vorzutragen:
Herrn Hofrath Dr. Ritter von Schmerling, Prä¬
sident desWr. med. Doct.-Coll., zum Ehrenmitgliede des
Pensions-Institutes zu ernennen und ihm das Ehren¬
diplom am 1. Mai d. J., am Tage seines 70. Geburts¬
festes zu übergeben.
Es ist vielleicht nicht Allen unter Ihnen die Entstehungs¬
geschichte unseres Institutes bekannt und so erlauben Sie mir, meine
Herren, Ihnen in Kürze folgendes mitzutheilen: Nachdem die Idee
der Gründung eines solchen Institutes von einer kleinen Gruppe
jüngerer Wiener Aerzte gefasst worden, war es das Natürlichste
dieses Institut an die bestehenden Humanitäts-Institute des Wiener
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122
med. Doct.-Coll. anzulehnen und den künftigen Mitgliedern durch
diese Association und die dadurch ermöglichte Controle eine Garantie
für die Reellität der Unternehmung zu bieten. Betrachtete man die
schon damals blühenden Fonds dieses Collegiums, so ergab sich, dass
die Witwen-Societät nur durch die grossartige und mehr als jahr-
hundertlange Unterstützung des Doct.-Coll. reich und angesehen
geworden und dass das Unterstützungs-Institut der Wesentlichkeit nach
aus grossherzigen Schenkungen der Collegiums - Mitglieder erstand.
Jedenfalls verdankten diese Fonds ihr Erblühen dem alten Doctoren-
Collegium. Das Pensions-Institut war wohl von vornherein in der
Hauptsache auf die mathematisch berechneten Einzahlungen seiner
Mitglieder basirt, aber die heutigen für einen beschränkteren ärzt¬
lichen Körper gewiss seltenen Erfolge hat unser Institut auch mit
der moralischen und materiellen Unterstützung des Doct.-Coll. zu
verdanken. Auf diesem günstigen Umstande beruht allein die Mög¬
lichkeit billiger Einzahlungen, wie sie von keiner anderen Ver¬
sicherungs-Gesellschaft aufgestellt werden könnten.
Wem aber verdankte das Pensions-Institut und seine Mitglieder
diese Grundbedingungen seines Bestandes, diese Voraussetzungen
seines heutigen und künftigen Erblühens? — Vor Allem dem viel¬
jährigen Präsidenten des Doct.-Coll.
Hofrath von Schmerling war es, der schon der Idee einer
Altersversicherung für Aerzte freundlichste Theilnahme schenkte, der
mit Mässigung die jetzt freilich verstummten Zweifel bestritt, der
persönlich allen wichtigen Sitzungen bei Berathung der Statuten
präsidirte, der schliesslich die statutarischen Verpflichtungen des Doct.-
Coll. „alle Gründungs- und Verwaltungs-Auslagen für das Pensions-In¬
stitut bis zum Erstarken des Reservefonds zu tragen“, kräftigst befür¬
wortete. Ununterbrochen und auch heute ist Schmerling ein
warmer Freund des jungen Institutes. Es ist somit nicht nur ein
Act der Courtoisie gegen das Doct.-Coll., nein vielmehr der richtige
Ausdruck der Dankbarkeit unseres Institutes gegen den Mann, der
sich in solcher Weise um das Zustandekommen und den Bestand
dieses ersten mathematisch basirten ärztlichen Pensions-Institutes
verdient gemacht hat, wenn dieses Institut dem Präsidenten des
Doct.-Coll. bei Gelegenheit der Feier seines 70. Geburtstages die
höchste Ehrenstelle, welche nur die Generalversammlung zu verleihen
hat, anbietet und von ihrem Ernennungsrechte nach § 4 der Sta¬
tuten zum erstenmale Gebrauch machend, Schmerling zum
Ehrenmitgliede des Pensions-Institutes ernennt!
Dr. J. Scholz beantragt sofort die Erhebung dieses wohl-
motivirten Antrages zum Beschlüsse, somit die Ernennung des Hof-
rathes Dr. v. Schmerling zum Ehrenmitgliede des
Pensions - Institutes, was alle Anwesenden unter Beifalls¬
bezeugungen mit Stimmeneinhelligkeit auch thaten. Der Vorsitzende
sprach dafür seinen Dank aus und schloss die Verhandlung über
diesen Gegenstand mit den Worten: „durch diese Abstimmung hat
die Versammlung ebensowohl den zu Feiernden als sich selbst geehrt“.
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123
Hierauf erst las Präsident Dr. Adler im Namen des Ver¬
waltungsausschusses den Bericht über die Thätigkeit des Pensions-
Institutes im Jahre 1879, wie folgt:
Geschätzte Versammlung!
Sehr geehrtes Pensions-Institut des Wiener med. Doct.-Coll.!
Es gereicht mir zur höchsten Befriedigung, Ihnen die Mittheilung
machen zu können, dass sich die finanzielle Situation des Pensions-
Institutes von Tag zu Tag bessert. Dieser Umstand ist wichtig für
den materiellen Bestand unseres Institutes und ihm allein haben
wir auch die so schätzbare Anerkennung aus Kreisen zu verdanken,
welche bis zum heurigen Jahre dieser neuesten Schöpfung des Doct.-
Coll. geringere Beachtung geschenkt hatten. Diesen guten Stand
seines Vermögens dankt das Institut in erster Reihe den exact zu-
fliessenden Einzahlungen seiner Mitglieder, der Gründer dieser für
die Zukunft und Entwicklung des ärztlichen Standes hoffentlich zu
segensreicher Wirksamkeit berufenen Einrichtung.
Der von Ihnen, meine Herren, mit der Administration betraute
Verwaltungs-Ausschuss hat mit Eifer und Gewissenhaftigkeit die
mannigfachen Geschäfte theils in den statutarisch festgesetzten Monats¬
sitzungen, theils in einer grösseren Anzahl von Comitö-Sitzungen
erledigt. Die Anlage des Capitales wurde bisher in pupillarsicheren
Papieren vorgenommen und für die Zukunft wird auch die Erwer¬
bung eines gutverinteressirenden ersten Haussatzes angestrebt.
Wir dürfen es nicht unterlassen, auf die ausserordentlichen
mit Zeit- und Müheopfem verbundene Thätigkeit unseres Cassiers
Herrn Dr. Qopfgartner hinzuweisen, dessen ausgezeichnete Ge¬
schäftskenntnisse und gediegene Arbeitskraft unserem Institute auch
heute noch erhalten bleiben, zu einer Zeit, in der unser verehrter
College, durch Geschäftsüberbürdung ermüdet, sich veranlasst sah,
einen Theil seiner Ehrenstellen niederzulegen. Ich ersuche die
geehrte Versammlung als Zeichen der Anerkennung für diese aus¬
gezeichnete Thätigkeit und besondere Selbstaufopferung den Dank
des Institutes auszusprechen.
Herr Dr. Reitter hat, wie in früheren Jahren, die Buch¬
führung übernommen und alle Eigenschaften eines tüchtigen, geschäfs-
gewandten Cassiers erworben.
Die Mitgliederziffer war bis Schluss 1879 — 109, davon haben
4 ihren Austritt erklärt, 2 sind gestorben; im heurigen Jahre (1880)
sind wieder bis jetzt 3 Mitglieder zugewachsen. Leider haben wir
in diesem Jahre auch schon den Verlust eines Mitgliedes, eines jungen
hoffnungsreichen Arztes, unseres wackera Ereundes und Collegen
des Herrn Dr. Ludwig Grillparzer zu beklagen, der am
8. Jänner im blühendsten Mannesalter in Weidlingau, dem Orte seines
selbstgeschaffenen schönen Wirkungskreises, verstarb. Möge ihm die
Erde leicht sein! Sie aber, meine Herren, ersuche ich, zum Zeichen
der Theilnahme und des ehrenden Andenkens, sich von den Sitzen
zu erheben.
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124
Nachdem wir dieser traurigen Pflicht nachgekommen, müssen
wir auch Worte des Dankes sagen jenen Herren, die im heurigen
Jahre die Zwecke des Vereines durch gütige Spenden unterstützten.
Es sind dies die Herren Dr. Much und Apotheker Lamatsch.
Den Ausdruck der vollsten Dankbarkeit zollt aber jedenfalls
unser Institut dem löblichen Wiener med. Doct.-Coll., welches durch
die statutarisch gesicherte Bestreitung sämmtlicher laufender Aus¬
lagen (für Druck, Regie u. s. w.) die Zwecke unserer Institution
kräftigst fordert.
Dieser grossmüthigen Unterstützung haben wir es zu danken,
dass wir nicht nur bis heute, sondern mindestens auch durch die
nächstfolgenden fünf Jahre — dem Zeitpunkte der Auszahlung
unserer ersten Pension — gar keine Auslagen zu bestreiten haben.
Diesem glücklichen Umstande haben wir es zu verdanken, dass die
Capitalien unserer sämmtlichen Fonds, mit Zinseszinsen verinteressirt,
ruhig anwachsen können und schon heute, nach erst 2 8 / 4 jährigem
Bestände die Summe von mehr als 72.700 fl. Noten-Rente betragen.
Nach diesem an und für sich bedeutenden, bei den jetzigen
preeären Verhältnissen unseres Standes aber namhaften Erfolge, ist
an dem ferneren Erstarken des Pensions-Institutes, das jetzt schon
von manchen Vereinen als Musterinstitut anerkannt wird und dessen
vortreffliche Statuten von verwandten Unternehmungen ad verbum
adoptirt wurden, nicht mehr zu zweifeln. Das Vertrauen, das sich
in Zahlen ausdrückt, spricht wohl deutlicher, als es viele Worte
vermöchten, für die Richtigkeit der Grundsätze, auf denen unser
Institut basirt ist, denen nunmehr auch die allgemeine Anerkennung
nicht mehr fehlt.
Trotzdem dürfen wir nicht stehen bleiben bei dem jetzigen
Stande unseres Institutes, wir dürfen uns nicht zufrieden geben
mit den bisherigen Erfolgen, im Gegentheile müssen uns diese Er¬
folge aneifem, auf den betretenen Bahnen fortzufahren.
Sie, meine Herren, haben mit einem Vertrauen, das sich
keinen Augenblick verleugnete, die unvermeidlichen Schwierigkeiten
der Gründung besiegt. Sie haben ein Institut in’s Leben gerufen,
welches so vorzüglich geschaffen ist, nicht nur Ihnen, sondern
ungleich mehr künftigen Generationen zu dienen. Sie werden Ihre
eigene Schöpfung sicher nicht aus dem Auge verlieren, Sie werden
schliesslich auch im eigensten Interesse gewiss bestrebt sein, immer
mehr Theilnehmer heranzuziehen. Wenn Sie Alle dies Eine ernst¬
lich wollen, so werden sie es auch erreichen. Und so wird eine
herrliche Einrichtung befestigt werden, dem ganzen ärztlichen Stande
zum Nutzen und Ihnen zur Ehre!
Und nun ersuche ich den Herrn Cassier, Ihnen Bericht zu
erstatten über die Vermögens-Gebarung im Jahre 1879, nach dessen
Richtigbefund Sie den Rechnungslegern über Antrag der Revisoren
das Absolutorium ertheilen und darnach zu den Wahlen der Functionäre
schreiten wollen.
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125
Der CassierDr. Hopfgartner theilt sodann den Rechnungs-
Abschluss des Pensions - Institutes mit Ende des Jahres 1879 mit.
Hiernach betrugen:
Die Einnahmen des Prämienfonds
fl.
11111.81
Interessen desselben.
n
1618.79
fl.
12730.10
Die Einnahmen d. Rückversicherungs-
fonds.
fl.
1488.96
Interessen desselben.
234.29
n
1723.25
Die Einnahmen des Reservefonds
fl.
838.70
Interessen desselben.
7)
39.56
Interessen des Gründungsfonds . . .
V
25.20
n
403.46
Su
m m e . .
fl.
14856.81
Wird hiezu der Vermögensstand am
Ende des Jahres 1878 gerechnet,
und zwar:
des Prämienfonds mit ....
fl.
23519.07
„ Rückversicherungsfonds mit
n
3926.95
„ Reservefonds mit ....
n
696.06
„ Gründungsfonds mit . . .
n
445.—
fl.
28587.08
so gibt dies einen Vermögensstand von .
.
fl.
43443.89
Da diesen Einnahmen keine Ausgaben gegenüber stehen, so
wnrde das Gesammtvermögen in Werthpapieren angelegt und besass
das Pensions-Institut am 31. December 1879 :
Noten-Renten im Nominalbeträge von fl. 53.000 mit
einem Ankaufswerth von.fl. 34159.30
Oesterr.-ungarische Bank-Pfandbriefe von fl. 8000 mit
einem Ankaufswerth von.. 7955.—
und Verkehrsbank-Einlagen im Gesammtbetrage von „ 1329.59
Summe . . fl. 43443.89
Für Stempel sind eingegangen . . .
fl.
108.92
Vom Jahre 1878 waren verblieben .
V
4.88
Summe . .
fl.
113.80
An Stempelgebühren wurden entrichtet
n
109.50
so dass ein Baarvermögen von . . .
für Stempelauslagen erübrigt.
fl.
4.30
Die Herren Rechnungsrevisoren Dr. Doll Eduard, Dr. Koller
Rupert und Dr. Mittler Paul haben den vorstehenden Rechnungs¬
abschluss in allen Details genau geprüft, mit dem Cassabuch in
voller TJebereinstimmung und richtig gefunden, daher mit Protokoll
vom 17. März 1880 die Ertheilung des Absolutoriums an den
Rechnungsleger beantragt.
Die Generalversammlung ertheilte diesem Anträge entsprechend
einstimmig das Absolutorium.
Der Cassier Dr. Hopfgartner theilte weiter mit, dass nach
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126
einem am 31. März 1880 vorgenommenen Rechnungs -Abschluss
der Vermögenstand
des Prämienfonds.fl. 43037.08
„ Rückversicherungsfonds.„ 6706.70
„ Reservefonds.... 1142.42
„ Gründungsfonds.. . „ 445.—
das Gesammtvermögen betrug somit.fl. 51331.20
mit einem Nominal wer the in Effecten von .... „ 73152.90
Auch diese Mittheilung wurde beifällig zur Kenntniss genom¬
men und dann zu den Wahlen geschritten; das Resultat derselben
haben wir bereits in der letzten Nummer dieses Blattes (9, S. 109)
mitgetheilt. Es gab dem Präsidenten Anlass zu folgendem Schlusswort:
„Durch Ihr Vertrauen sind wir alle zur Administration wieder
berufen worden; ich danke Ihnen, meine Herren, im Namen aller
Wiedergewählten. Wir werden uns auch fortan bemühen, Ihr Werk
auf der Basis unserer Statuten zu befestigen. Wir werden nicht
aufhören, die Aerzte über die Vortheile des Pensions-Institutes auf¬
zuklären, die Indifferenten aufzustachelu, die glücklichen unter uns
zu erinnern, dass es ihre Pflicht ist, das nicht zu beneidende Los
der grossen Masse unserer Berufsgenossen zu verbessern.
Sie aber, meine Herren, bitten wir um Ihren gewichtigen Beistand.
Und somit schliesse ich die III. General-Versammlung des
Pensions-Institutes. u
Aus dem wissenschaftlichen Ausschüsse.
Dieser Ausschuss, in welchen von den zum Ausscheiden
bestimmten acht Mitgliedern in der diesjährigen, am 22. März
stattgehabten Generalversammlung sechs wiedergewähit und
zwei, die DDr. Josef Scholz und Victor Seng, durch die neuge¬
wählten Mitglieder, die DDr. Gustav Lott und Salomon Hajek
ersetzt wurden, nahm am 20. April, unter dem Vorsitze des
Vicepräsidenten Dr. Preyss und in Anwesenheit des Secretärs
Dr. ßeitter und 15 seiner Mitglieder die statutenmässige
Constituirung vor. Die Anwesenden ersuchten einstimmig den
Herrn Professor Dr. von Schrott er, die Stelle des Obmanns,
die er nun schon seit mehreren Jahren innehatte, auch für
das laufende Jahr (1880/81) wieder zu übernehmen, wozu
sich dieser auch bereit erklärte und den Vorsitz sofort über¬
nahm. Hierauf wurde auf Antrag des Vorsitzenden zu dessen
Stellvertreter Dr. David Winternitz per acclamationem,
und ferner die DDr. Batsy und Hans Chiari zu Schrift¬
führern wiedergewählt, dann die Programme für die zwei
noch im Monate Mai statthabenden wissenschaftlichen Ver¬
sammlungen berathen, und haben sich die DDr. Heinrich
Obersteiner junior und Salomon Hajek an dem ersten,
Hans Chiari und Gustav Jurie, am zweiten Versammlungs¬
abende Vorträge zu halten bereit erklärt. Den Schluss bildete
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127
eine collegiale Besprechung über die weiteren Vorbereitungen,
um den im Herbste wieder beginnenden wissenschaftlichen Ver¬
sammlungen recht viele Theilnehmer sowohl an Vortragenden
als an Zuhörenden zuzuführen und wurde schon jetzt für die
erste Versammlung eine übersichtliche Entwicklungsgeschichte
irgend eines medicinischen Wissenszweiges in Aussicht genommen,
für deren Darstellung eine massgebende Autorität in diesem
Fache zu gewinnen gehofft wird.
ln der wissenschaftlichen Versammlung am 19. April
stellte Herr Primararzt Dr. Englisch einen Jungen vor, der
an einer Leistenhernie gelitten, von welcher er durch wieder¬
holte Alcohol-Injectionen in kurzer Zeit vollkommen geheilt wurde.
Heller Leopold, Schlosserlehrling, 15 Jahre alt, behaftet
mit einer rechtsseitigen 14 Ctm. langen und 7 Ctm. breiten
Leistenhernie. Die Hernie, deren Inhalt Darm und Netzhaut, lässt
sich schwer reponiren. Beim Husten vergrössert sich die Geschwulst.
27. Februar. I. Injection mit 80°/ o Alcohol. Schmerzen in
der unteren Partie des Hodensackes. Sonst keine Reaction.
29. Februar. Leichte Infiltration des Bruchsackes.
7. März. H. Injection. R. Scrotalhälfte geschwellt.
11. März. Beim Blasen tritt der Bruch nur bis zur Basis
des Penis heraus.
12. März. III. Injection.
13. März. Schmerzen im Unterleibe drei Stunden hindurch.
Hüllen des Bruches inültrirt. Kalte Umschläge.
15. März. Umschläge bleiben aus. Leichte Orchitis. Eissack.
20. März. Orchitis geschwunden.
24. März. Hernie tritt nicht mehr heraus.
3. April. IV. Alcohol-Injection. Starke Schmerzen, die aber
sehr kurze Zeit andauern.
14. April. Bei den % stärksten Muskelanstrengungen tritt
nichts mehr heraus.
19. April. Patient geheilt entlassen.
Hiezu bemerkt der Vortragende, dass ähnliche Erfolge
auch andere Fälle ergaben, deren mehrere er durch Herrn
Dr. R e u s 8 in der Lage war, genauer zu verfolgen und die auch
fernerhin von demselben weiter controlirt werden. Fälle, in
welchen der Vortragende die Kranken wieder sah, betreffen ein
neunzehnjähriges Mädchen, zwei Jahre nach der Behandlung,
vollständig geheilt, einen Mann nach einem Jahr, einen Mann
nach anderthalb Jahren (Dr. Reuss), sämmtlich äussere Leisten¬
brüche, bei mehreren Fällen von Schenkelbrüchen erklärten die
Kranken nach längerer Zeit, dass nichts mehr hervortrete, ja dass
sie sogar das Bruchband abgelegt hätten. Bei einem Leisten¬
bruche konnte ein Kranker ohne Bruchband die schwersten
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128
Eisten heben und erfolgte Recidive nach anderthalb Jahren, wo er
beim Brande in Serajevo allein eine schwere Eiste aufheben wollte.
Nach diesen Erfahrungen soll man diese Methode nicht
unbeachtet vorübergehen lassen, umsomehr, als sich die Recidiven
nach der Radicalbehandlung unter Lister’schen Cautelen mehren.
Hieran schloss sich der angekündigte Vortrag über die
Behandlung der Rippenbrüche durch Gypsverbände, den der
Herr Primararzt statt seines erkrankten Secundarius selbst ge¬
halten. Die grosse Schmerzhaftigkeit bei den Athmungsbewegun-
gen, besonders bei dem stärkeren Ausathmen, die Notwen¬
digkeit der langen Ruhe und der dadurch bedingten leichten
Stauung in den Lungen, sowie der fortwährende Reiz der durch
die Fragmente auf die Pleura ausgeübt wird, rechtfertigten eineu
Versuch, die schon von den ältesten Chirurgen angestrebte
Fixirung (durch Pflasterverbände, Blechschienen, Ledergürtel
u. s. w.) durch die Gypsverbände anzustreben. Dieselben können
in zweierlei Weise gemacht werden. Entweder als klappenfor-
miger oder circulärer Verband. Erstere verlieren jedoch, wenn
sie nicht sehr schwer gemacht werden, leicht an Festigkeit und
spricht die Erfahrung für die circulären, die dann längs der
Achsellinie nach Bedürfnis gespalten werden können. Um ihre
Lage zu sichern, werden einige Gypsstreifen über die Schultern
angelegt in Form von Hosenträgern. Auf diese Weise erlangt
der Verband bei grosser Leichtigkeit die nöthige Festigkeit, so
dass der Kranke darin liegen kann, während man andererseits
im Stande ist, den Verband nach Belieben abzunehmen, um den
Thorax zu untersuchen oder nach Bedürfnis die Polsterung zu
vermehren oder zu vermindern, bis der Verband nur die noth-
wendigsten Bewegungen des Thorax erlaubt, indem viele Indi¬
viduen die Athmung mit dem Zwerchfelle allein erst nach einiger
Zeit erlernen und dann der Verband fester angelegt werden kann.
Die Anlegung des Verbandes ist aber auch angezeigt bei blossen
Quetschungen des Brustkorbes. Selbst in einigen Fällen, wo es nöthig
ist, Eiskälte anzuwenden, kann der Verband an der entsprechenden
Stelle eingeschnitten, durch Kautschukleinwand gedeckt werden.
In Fällen mit bedeutendem Hautemphyseme war die Ausbreitung
desselben verhindert. Die Vortheile, wie sie sich in fünfzehn
in den letzten Jahren auf der Abtheilung behandelten Fällen
ergaben, bestehen darin, dass die Kranken im Stande sind, sich
mit dem Verbände aufzusetzen, sowie überhaupt die Lagever¬
änderungen vorzunehmen und selbst schon nach zwei oder drei
Tagen das Bett zu verlassen. Die forcirten Athembewegungen
sind weniger schmerzhaft und in der letzten Zeit traten keine
üblen Zufälle auf, so dass diese Behandlungsweise nunmehr auf der
Abtheilung des Vortragenden allgemein geübt wird. Von beson¬
derem Vortheile erwies sich der Verband bei Hautemphysem nach
Fracturen der Rippen. In einem Falle, wo ein Kutscher von
seinem Wagen gegen eine Mauer gequetscht wurde, erfolgte eine
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129
Zertrümmerung der dritten und vierten Rippe in der Axillarlinie,
so dass daselbst ein Zwischenraum entstand, in dem von dem
entsprechenden Rippenstück nichts zu finden war. Zugleich hatte
sich ein Hautemphysem über die ganze rechte Brusthälfte ent¬
wickelt, die bei jeder Eihathmung über der bezeichneten Stelle
Kindskopf-gross vorgewölbt wurde. Unter dem Gypsverbande
empfand der Kranke augenblicklich Erleichterung und nahm
das Emphysem rasch ab, und konnte jetzt ein bedeutender Blut¬
erguss in den Pleuraraum nachgewiesen werden. Die Heilung
erfolgte innerhalb vier Wochen ohne weitere Zufälle, nur bestand
der Substanzverlust in den Rippen fort. Im zweiten Falle schwand
das Hautemphysem ebenfalls sehr rasch.
Den zweiten Vortrag dieses Abends über Anwendung des
Pilocarpins in der Geburtshilfe von Herrn Dr. A. Lerch jun.
werden wir in der nächsten, schon nach acht Tagen erscheinen¬
den Nummer vollinhaltlich mittheilen.
Verzeichniss der Functienäre des Doctoren-Collegiums
für das Jahr 1880/81.
Präsident: Dr. Rainer Ritter von Schmerling, k. k. Hofrath etc.
Vioe-Präsidenten: Dr. G. Prey88, k. k. Medioinalrath.
Dr. L. Hopfgartner, k. k. Bezirksarzt.
Secretär und Cassier:*) Dr. Carl Reitter.
dessen Stellvertreter: Dr. Gustav v. Pernhoffer.
Bibliothekar: Dr. Gustav v. Pernhoffer.
Reohnungs-Cens oren: die DDr. Eduard Nagel und Bernhard Wölfler.
Mitglieder des Geschäftsrathes sind die Doctoren:
Adler Hans . 2 v. Khautz. 2 Lederer Ign . 8 Scholz Josef.*
Adler Sigm . 1 Kienast. 8 Markbreiter Ph.* SpItzmQller. 8
Anthofer. 2 Klein Ludwig . 2 Much Ferd . 8 Turklftwlcz. 8
firuber Alois . 8 Kohn Josef . 2 Mittler Paul. 2 **) Wlnternltz Dav . 8
Helm Josef . 2 Löffler.* Schiffmann. 2 Wollner. 8
Kernecker. 1 Loew Anton . 1 Schneller.* v. Zanchi.*
Mitglieder des wissenschaftlichen Ausschusses sind die
Doctoren:
Adler Hans . 8 Funk. 1 Hajek S . 8 Obersteiner jun . 2
Batsy. 1 Förth. 1 Jurl6 Gustav . 8 Prf. Reder. 8
Bettelhelm. 2 Prof. Gatscher. 2 Kumar. 2 Redtenbacher. 2
Chlari Carl.* Herz Max . 8 Lott Gustav . 8 RokiiansklC.Fr.v. 2
Chlari Hans . 2 Prof. Hofmann. 1 Prof. Neumann.* Pr.v.Schrötter ob . 2
Englisch. 1 v. Hüttenbrenner 8 Nlcoladonl. 1 Wlnternltz, Ob. S . 8
Mitglieder des Unterstützungs-Instituts-Ausschusses sind
die Doctoren:
Chrastina. 8 Haschek. 1 Preyss. 2 Schwarz Jos . 2
Gerstel. 8 Nusser. 8 Scheff Mich . 8 Wollner. 1
Gruber A.* Popper H. 2 ***) Schneller. 2 v. Zanchi. 1
Die Ziffern *, 2 , 8 nach den Namen der Gewählten bezeichnen die Zahl
der Jahre der Functionsdauer und haben die mit 1 Bezeichneten im nächsten
Jahre auszutreten, sind aber wieder wählbar.
*) Der Secretär ist Mitglied aller Ausschüsse und Commissionen mit voller Stimm¬
berechtigung.
**) Dr. P. Mittler wurde an die Stelle des zum Secretär und Cassier gewählten
Dr. Reiter mit nur zweijähriger Functionsdauer gewählt.
***) Dr. Popper Heinrich wurde an die Stelle des verstorbenen Dr. Kirschnek
mit nur zweijähriger Functionsdauer gewählt.
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130
Lebenslängliche Mitglieder der Verwaltung des Stifft’schen
Fonds sind die Doctoren:
Altenberger, M.-R. Jurie I., Präs. d. Wit.-S. Schneller O^-S.-R.
Flechner. Preyss, M.-R v. Vivenot, R -R.
Zur Yertheilung der Interessen dieses Fonds ist noch der jeweilige
Protomedicus zuzuziehen. — Diese Commission vertheilt auch die Interessen
der übrigen Fonds des Collegiums.
Lebenslängliche Mitglieder des Curatoriums der Singer’schen
Stiftung sind die Doctoren:
Chra8tina, Haschek, Preyss, Schneller und Spitz mOller.
Die Seiffert’sche und die Bisenz’sche Stiftung verleiht der
Geschäftsrath, die letztere über Vorschlag des israelitischen Predigers. w
Die Dr. Bleil’sche Stipendium-Stiftung wird von dem wr.
med. Doct.-Coll. und von der medic. Facultät abwechselnd verliehen.
Das Dr. Gorischek’sche Stipendium und die Kampfl’Bchen
Stiftplätze, je einen im Taubstummen- und im Blinden-Instttute, verlern
der jeweilige Präsident des Doct-Coll.
Superintendenten der Stipendien-Stiftungen
a) auf Lebensdauer:
Dr. Franz Ritter v. Güntner, für die Büttner’sche,
Dr Jacob Haschek, für die Stumpf sehe und die Emmerich sehen,
Dr. Franz Innhauser, für die Perlach’sche und die Mosing sehen,
Dr. Georg Preyss, für die Sabitz’sche,
Dr. Josef Schneller, für die Juschitz’sche,
Dr. David Winternitz, für die Dr. Heinrich Herzfelder sehe.
b) auf die Dauer von 5 Jahren;*)
Dr. Josef Grober, für die Kriegsstiftung des Doctoren-Collegiums
Notizen.
Sophien-Spital. Behufs Besetzung der Srztliohen Leitersstelle dieses
Spitals soll über Beschluss des niederösterr. Landes-Sanitätsrathes demnächst
ein Concurs ausgeschrieben werden. Die Zahl der Kranken, deren Behandlung
dem Leiter zufällt, soll vorerst höchstens 100 betragen. Der Director würde
dann 1200 fl. Gehalt und freie Wohnung erhalten. .
Concurs. Bei dem k. k. Landesgeriohte in Wien ist die Stelle eines
Arztes mit der Function der Untersuchung der Dispositionsfähigkeit geistes¬
kranker Personen zu besetzen. Honorar nach Uebereinkommen. Gesuohe sind
bis 20. Mai 1880 an das Präsidium des Landesgerichtes in Civilsaohen zu
überreichen
Prei8ausschreibnngen. Das königl. italienische lombardisohe Institut
der Wissenschaften und Literatur zu Mailand hat folgende Preise ausgeschrieben.
Für 1881: Ueber das Wesen der Miasmen und Contagien. Bewerbungstermin
bis 31. Mai 1881, Preis 1500 Lire und eine goldene Medaille im Werthe von
500 Lire. Für 1882: Nachweis mittelst Versuche darüber, ob der die Wasser¬
scheu erzeugende Stoff ein virulentes (giftiges) Prinoip oder ein orgamsirter
(lyssicher) Keim sei. Bewerbungstermin bis zum 28. Februar. 1882. Preis
600 Lire. Für 1881 : Von den motorischen Centren der Hirnrinde. Bewer¬
bungstermin bis zum 1. April 1881. Preis 2000 Lire. Für 1882: Beleuchtung
der Aetiologie des Kretinismus und des Idiotismus durch neue Untersuchungen.
Bewerbungstermin bis zum 31. Mai 1882. Preis 2000 Lire. Das vollständige
Programm wird den darum Nachsuohenden verabfolgt duroh die Kanzlei des
königl. lombardischen Institutes der Wissenschaften und Literatur in Mailand.
*) Das Quinquennium lauft in diesem Jahre ab.
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131
Zue Aerztekammerfrage. Vom Verein der homöopathisohen Aerzte Oester¬
reichs gelangte an das Präsidium des Doct.-Coll. nachstehende Zustimmungs¬
erklärung: Verehrliohes Präsidium des Wiener medioinischen Dootoren-Col¬
legiums! Der Verein der homöopathisohen Aerzte Oesterreichs hat in seiner
General-Versammlung vom 9. April 1880 den einstimmigen Beschluss gefasst,
entschieden Stellung gegen die Errichtung yon Aerztekammern zu nehmen,
und sich allen diesbezüglichen Schritten und Verfügungen, wie sie yon Seiten
des hoohansehnliohen Wiener medioinischen Dootoren-Collegiums theils bereits
getroffen wurden, theils noch im Zuge sind, unter Acoeptirung der vom Col¬
legium angeführten Motive rückhaltslos anzuschliessen. Der gefertigte Verein
der homöopathischen Aerzte Oesterreichs besteht eben nur zum Theile aus
Aerzten, die zugleioh Mitglieder des Dootoren-Collegiums sind, während ein
nicht unbedeutender Procentsatz desselben theils ausserhalb des Collegium¬
verbandes sich befindet, theils durch Wundärzte repräsentirt wird — für den
Verein daher a priori die Beschlüsse des Dootoren-Collegiums in der frag¬
lichen Angelegenheit nicht bindend gewesen wären. Indem sich der gefertigte
Verein beehrt, der guten Sache, die durch das verehrliohe Collegium eine so
mächtige nnd werkthätige Fürsprecherin gefunden hat, im Namen aller seiner
Mitglieder seine vollsten Sympathien entgegenzubringen, geht er, bei der
gerade in ihm verkörperten Vereinigung von Aerzten aller Grade von der
Ansicht aus, dass dessen Stimmen nicht nur gezählt, sondern auch gewogen
werden müssen. Wien, am 9. April 1880. Für den Verein der homöopathisohen
Aerzte Oesterreiohs die Vereinsleitung: Dr. Adolf v. Marenzeller, d. Z. Vor¬
stand; Dr. Franz C. Weinke, d. Z. Vorstand-Stellvertreter; Dr. Eduard Huber,
d. Z. Seoretär.
Wie die „Wiener Allgemeine Zeitung“ berichtet, hielt der Ausschuss
zur Vorberathung der Aerztekammern am 15. d. M. eine Sitzung, in welcher
das Suboomitö (Hofrath Gnievosz, Duohatsch, Cerkawski, Roser und
Wiedersperg) bereits einen fertigen Gesetzentwurf vorlegte. Der Ausschuss
nahm jedoch diesen nicht in Specialberathung, sondern beauftragte das Sub-
oomitd, die leitenden Principien des Gesetzentwurfes in Form einer Reihe von
Fragen zusammenzustellen und dieselben dem Ausschüsse behufs eingehender
v Vorberathung vorzulegen, damit das Subcomitö vom Aussohusse Weisungen
erhalte, in welchem Sinne die einzelnen Paragraphe eines Gesetzentwurfes zu
verfassen seien. — Der Ausschuss scheint demnach mit der Creirung von Aerzte •
kammera keine allzugrosse Eile zu haben.
Aus einer weiteren Mittheilung desselben Blattes vom 22. d. M. erfahren
wir, dass von dem Obmanne des für diese Angelegenheit vom Abgeordneten¬
hause gewählten Ausschusses die Vertheilung „Allgemeiner Grundzüge des
einzuhaltenden Verfahrens“ unter die Mitglieder des Ausschusses angeordnet
worden ist. Diese „Grundzüge“ lauten:
„Die Errichtung von Aerztekammern ist keine für sich selbstständig zu
lösende Frage, sie muss mit besonderer Rücksichtnahme auf die Staatsein-
riohtung im Allgemeinen und insbesondere auf die bestehende Organisation
des Sanitätsdienstes erörtert werden; denn eben nur durch Nachweisung
der Unzulänglichkeit dieser Organisation, ihrer Mängel und
Lücken kann die Nothwendigkeit derSchaffung neuerOrgane,
das ist der Aerztekammern, bewiesen, sowie die Grundlage für die
Bestimmung der Stellung der Aerztekammern in der Sanitätsverwaltung, des
Umfanges und Inhaltes der durch selbe zu lösenden Aufgaben, sowie der ihnen
hiezu einzuräumenden Mittel gegeben werden. Demgemäss wären vor Allem:
1 . die Aufgaben der öffentlichen Gesundheitspflege, insoweit dieselben
der Obsorge der Staatsverwaltung zu überweisen wären, oder nur der staat¬
lichen Ingerenz bedürften, nach Inhalt und Umfang zu verzeichnen;
2 . wäre festzustellen, welcher Organe die Staatsverwaltung zur Lösung
dieser Aufgaben bedarf, inwieweit hiezu die Mitwirkung der Berufsärzte noth-
wendig und inwieweit nur wünschenswert ist;
3. wäre klarzustellen, ob die aus der Beantwortung der Punkte 1 und 2
folgenden Anforderungen sich innerhalb des Rahmens der gegenwärtigen
Organisation des Sanitätsdienstes (Staats- und autonome Organe) realisiren
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132
lassen; verneinendenfalls aber, in welcher Art, naoh welchen Prinoipien die
nächsten Aenderungen yorgenommen, zunächst die Aerztekammern eingeführt
werden sollen. Hienaoh wäre
4. zu erörtern, welche Organisation die beantragten Aerztekammern
erhalten müssten, um dem aus Obigem sich ergebenden Bedürfnisse zu entspre¬
chen, sowie Collisionen mit den staatlichen autonomen Sanitätsorganen zu
vermeiden;
5. wäre zu erörtern, welche Rechte den Kammermitgliedern zuzuer¬
kennen, welohe Verpflichtungen denselben ausser den Beitragsleistungen für
die Kammerbedürfnisse aufzuerlegen seien, und wie die stetige Erfüllung der
übernommenen Verpflichtungen zu sichern sei; und endlioh
6 . müsste ausgesprochen werden, wie das Disciplinarrecht der Aerzte¬
kammern sowohl seinem Umfange als Inhalte nach zu regeln sei, und ob die
in der Petition des österreichischen Aerzteverbandes den Aerztekammern in
dieser Beziehung zugedachten Aufgaben nioht auoh duroh eine andere, den
Zwang überhaupt und insbesondere eine Association von naoh ihrer wissen¬
schaftlichen Qualifioation sehr ungleichartigen Elementen aussohliessende
Organisation des ärztlioheu Standes gelöst werden könnten.
Zur Feier des vollendeten 70. Lebensjahres des Herrn Präsi¬
denten Dr. v. Schmerling hat der Geschäftsrath beschlossen, an
diesem Festtage (den 1. Mai 1880), den Jubilar durch eine zahl¬
reiche Deputation zu beglückwünschen, und ihm für sein eifriges
Wirken im Interesse der Körperschaft während der sieben Jahre,
in welchen er zu deren Vorstand alljährlich einstimmig immer
wiedergewählt wurde, eine von sämmtlichen Mitgliedern unterfertigte,
geschmackvoll ausgestattete Adresse zu überreichen.
Die P. T. Herren Collegen, welche derselben ihre Namens¬
unterfertigung noch beisetzen wolleD, belieben zu diesem Behufe
sich am Freitag den 30. April in die Collegiums-Kanzlei (I., Rothe-
thurmstrasse 23), zu bemühen, wo die fertige Adresse zu Unter¬
schriften aufliegt. Dr. Preyss.
Einladung
zu der am Montag den 3. Mai, Abends 7 Uhr, im Sitzungssaale
des akademischen Senates (vormals Consistorialsaal),
I. Bonnenfelsgasse 23, stattfindenden
wissenschaftlichen Versammlung.
Programm:
1 . Vorstellung von Kranken.
2 . Ueber die prognostische Bedeutung der Körpertemperatur bei Nerven¬
krankheiten. Vortrag vom Universitäts-Docenten, Herrn Dr. Heinrich Ober¬
steiner junior.
3. Ueber Uraemie naoh skarlatinöser Nephritis, Vortrag von Herrn
Dr. Salomon Hajek.
Dr. v. Schmerling, Präsident. Dr. Karl Reitter, Seoretär.
Die nächste Nummer erscheint am 6. Hai.
Herausgeber und Verleger: Wiener medioin. Doot.-Coll. — Verantwortlicher Bedaotenr:
Ihr. h Hopfgartner. — OeeeUechafte-Bnehdrnekeroi, Wien, TIT Erdbergeratraaae 8.
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VI. Bd. Ausgegeben am 6. Mai 1880. JJfp. ll
OTTHEILIMEN
des
WiiDBr MjjtjjjKiji PoctorBD-CollBilnrns.
Braeheint jeden »weiten Bonnerstag ein halber bis ein ganser Bogen and darüber, an
SO Bogen im Jahre. — Gansjähriges Abonnement für Niolitmitglieder des Collegiums im In*
lande 8 fl., nach dem Aaslande 6 Birk. — Einselne Nummern 86 kr. = 60 Pfg. — Inserate
16 kr. = 80 Pfg. für die durchlaufende Petit-Zeile.
Man prännmerirt in der Medicin. Buchhandlung Toeplits Denticke
(yormals Karl Czermah), Wien, I., Schottengasse 6.
Zuschriften nid Znseidnigei an die Redaetion : Wiei, Kanzlei des Wiener ned.
Doet.-Cell. and der Witwen- nid Wnisen-Soeietfit, Rothentharmstrnsse 23.
Inhalt: Ueber die Anwendung des Pilocarpins. — Aus dem Unterstützung«-Institut. —
71. Geburtstag des Collegiums-Präsidenten Dr. v. Schmerling. — Notizen.
Ueber die Anwendung des Pilocarpins in dar Geburtshilfe.
Vortrag des Dr. Alex. Lerch jnn. in der wissenschaftlichen Versammlung
am 19. April.
In meinen im Monate April und September 1879 erschie¬
nenen Abhandlungen über Pilocarpin habe ich aus der Literatur
gesammelt
18 Beobachtungen über Eclamptische, — zahlreiche Versuche
an Wöchnerinnen und Gebärenden von Felsenreich, Müller,
Saenger, Schauta, Bergesio, Pasquali, Kroner, — 3 Versuche
der Einleitung künstlicher Frühgeburt wegen bestehender Ne¬
phritis, welche ohne Erfolg waren, und 37 Versuche der Ein¬
leitung künstlicher Frühgeburten, wovon 7 mit Erfolg.
Gegenwärtig wird an der medicinischen Hochschule in Wien
das Pilocarpin, mur. öfter versucht, und besonders am der Gebär-
klinik bei Oedemen und Hydrops, ohne dass die Schwangerschaft
dadurch unterbrochen würde.
Da gerade die Unterbrechung der Schwangerschaft als die
epochemachende Eigenschaft des Pilocarpin angegeben worden,
ist es Pflicht jedes Fachmannes, immer neue Beobachtungen zu
sammeln; nur auf diesem Wege scheint es möglich, endlich
Klarheit zu schaffen.
Daher erlaube ich mir, die seit September v. J. mir zu¬
gänglich gewordenen Versuche, Beobachtungen und Abhand¬
lungen nacheinander vorzuführen und einen von mir genau be¬
obachteten Fall in wahrheitsgetreuer Schilderung anzuschliessen.
1. Auf dem internationalen Congress der medicinischen Wis¬
senschaften zu Amsterdam bezeichnet Herr van der May
das Pilocarpin, sowie, das ähnlich wirkende Eserinsulfat als in
geburtshilflicher Beziehung von geringem Werthe; eine künst¬
liche Frühgeburt oder Wehenförderung könne nur in Verbindung
mit mechanischen Eingriffen stattfinden.
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134
2. In der geburtshilflichen Gesellschaft von New-York hielt
Gaillard Thomas einen Vortrag, in welchem er anführt, dass
eine schon während der Schwangerschaft mit Oedemen und
Albuminurie behaftete Frau gleich nach der Geburt von
Conyulsionen befallen wurde. Durch Inhalationen von Chloro¬
form und Injectionen von Pilocarpin wurde Genesung erzielt.
Jenkins bemerkt in der darauf folgenden Debatte, welche die
Erfahrungen und Ansichten über Pilocarpin läutern sollte, dass
er Bronchorrhoe für eine Gegenanzeige des Pilocarpin halte.
Gillette findet auf Grund seiner Spitalserfahrungen folgendes:
Oft treten plötzlich puerperale Temperatursteigerungen auf und
stehe drohende Septichaemie bevor. Da geschehe es oft, dass
Chinin erfolglos angewendet würde.
In solchen Fällen habe das Pilocarpin Fallen der Tem-
paratur bewirkt und zur Genesung geführt. Weitere Resultate
und grössere Erfahrungen standen der Gesellschaft nicht zu
Gebote.
3. G a 1 a b i n in London führt uns in einer Geburtsgeschichte
unter Anderem vor Augen, dass eine achtmal Geschwängerte
von Eclampsie Befallene, bereits grosse Quantitäten von Chloral-
hydrat und Bromkali erhalten hatte. Nachdem die Blase
gesprungen, wurden ihr in der Eröffhungsperiode von 20 zu 20
Minuten in einer Stunde zusammen 6 Centigramm Pilocarpin inner¬
lich gereicht. Dasselbe erzielte keinerlei Wirkung. Behufs
manueller Erweiterung des Muttermundes wurde nun chlorofor-
mirt; bevor es jedoch noch zur Anästhesirung gekommen war,
stieg plötzlich der Puls von 90 auf 180; nachdem die Chloro¬
formnarkose ausgesetzt worden, fiel er wieder auf 80 Pulsschläge,
um dann bei neuerlicher Einleitung der Narkose auf 200 zu
steigen. Diese Pulserscheinungen schreibt Galabin der combi-
nirten Wirkung von Pilocarpin und Chloroform zu und räth,
bei Eclampsie kein Pilocarpin anzuwenden, wenn man mög¬
licherweise später chloroformiren müsse. — Eclampsie, Chloral-
hydrat, Bromkali, dann sechs Centigramm Pilocarpin innerlich
in einer Stunde genommen, rufen jedesfalls starke Intoxica-
tionserscheinungen hervor und dürfte eine so grosse Gesammt-
dose in der so kurzen Zeit von einer Stunde wohl zu vermeiden
sein; Chloroformnarkosen können, abgesehen von zu starker
Anwendung auch je nach der Individualität zu bedrohlichen
Erscheinungen führen. Es ist demnach selbstverständlich, dass
diese massive Combination zu solch stürmischen Symptomen
Veranlassung gab. Uebrigens hat, wie wir schon oben ange¬
führt, Thomas post partum in umgekehrter Reihenfolge Chloro¬
form und Pilocarpin mit günstigem Erfolge angewendet.
4. Hyernaux, — in meinem Vortrage vor einem Jahre
schon als grosser Gegner des Pilocarpin erwähnt, warnt neuer¬
dings vor dem Gebrauche desselben. Sacre habe nach nur
1 Centigramm subcutaner Anwendung einen Kranken fast ver-
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135
loren; Dr. Coppez habe an sich und Anderen schon bei klei¬
nen Bosen Ohnmachtsanfälle beobachtet. Einige sollen auch
nach Gebrauch von Pilocarpin durch Monate an Verstandes-
schwäche laborirt haben.
5. Spillmann in Nancy hat in den „ Archives generales
de medicine“ (September 1879) eine Abhandlung veröffentlicht,
aus welcher ich mir nur 3 Punkte hervorzuheben erlaube.
o) Er beobachtete, wie Federschmidt und Procop
v. Rokitansky, mehreremale nach Anwendung von Pi¬
locarpin eine Temparaturabnahme von 5 bis 8 Zehntel, welche
durch mehrere Stunden anhielt. (Scotti nicht.)
b) in zwei Fällen wurde injicirt. Während der Versuchs¬
zeit durfte keinerlei Getränk genommen werden; 3 Stunden
nach der Injection fand sich in jedem dieser Fälle eine bedeu¬
tende Vermehrung der rothen Blutkörperchen vor.
c) Bei primärer Nephritis und consecutiver Herzhypertro¬
phie war die Anwendung von Pilocarpin mit Verschlimmerung
des Zustandes des Patienten verbunden, erst nach Digitalis
folgte wieder Besserung.
6. Im Gegensätze zu diesem Punkte hat schon früher
Prof Eieinwächter in einem Falle mit Herzfehler keine
üble Wirkung beobachtet.
7. K ö s t e r in Hannover versuchte mit Pilocarpin eine
künstliche Frühgeburt einzuleiten. Nachdem 4 Injectionen einer
2percentigen Lösung gemacht worden waren, zeigten sich wohl
leichte Wehen und starke Rindesbewegungen, die Geburt unter¬
blieb aber.
8. S c h a b e 1, „Inaugural- Dissertation über Einleitung der
künstlichen Frühgeburt durch Pilocarpin, mur.“, Tübingen. In
dieser Dissertation wird ein neuer Fall bei Prof. S ä x i n g e r
angeführt. Durch Injection von 2 1 /* Spritzen 2percentiger Lö¬
sung wurde die Geburt in 21 Stunden beendet. Da das Kind
50 V 2 Ctm. lang und 3500 Gramm schwer war, ist wohl weniger
von künstlicher Frühgeburt als vom Schwangerschaftsende die Rede.
9. L. Guttmann hat zwei Beobachtungen über Versuch
von Einleitung künstlicher Frühgeburt veröffentlicht. Beide con-
statiren ein ungünstiges Resultat. Die erste betrifft eine SOjäh-
rige Schwangere, welche an primärem Krebs des rechten Ober¬
schenkelknochens und an secundärem der linken Lunge litt. Da
auf Pilocarpin keine Wirkung erfolgte, wurde auf Prof. Gustav
Braun’s Klinik mit elastischer Bougie die künstliche Früh¬
geburt eingeleitet und mittelst Embryotomie vollendet. Patientin
starb. Die zweite Beobachtung befasst sich mit einer vierten
Molenschwangerschaft. Bei parenchymatöser Nierenentzündung
und Uraemie wurde vergeblich Pilocarpin angewendet. Auch
hier musste mit Bougie der Abortus einer Hydatidenmole einge¬
leitet werden.
10. Hinze in Leipzig veröffentlicht: „Zwei Fälle auffal-
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136
lend günstiger Wirkung des Pilocarpin als wehenerregendes
Mittel“. In beiden Fällen wurde bei gänzlichem Wehenmangel
zweimal injicirt, die Geburt rasch beendet und verlief das Wochen¬
bett normal.
11. Heylen in Brüssel hat einen meinem ersten ganz
ähnlichen Fall geschildert. Eine im 8. Schwangerschaftsmonate
befindliche Rhachitische mit einer conjug. vera von 7Va Ctm. war
bei der ersten Geburt mit Perforation entbunden worden. Bei der
zweiten wurden in dreistündigen Intervallen in zusammen 12
Stunden 4 Injectionen von 8 Ctgr. Pilocarpin gemacht. Nach
der dritten Injection war der Muttermund thalergross, nach der
vierten verstrichen. Durch schwere Wendung und Extraction kam
ein sterbendes Kind; das Wochenbett verlief normal.
12. Brenneke (Sudenburg-Magdeburg) hat 5 Beob¬
achtungen verzeichnet: Zwei Versuche der Einleitung künst¬
licher-Frühgeburt, drei am Ende der Schwangerschaft. In beiden
ersteren wurde Pilocarpin mehrmals erfolglos injicirt, in den
letzteren drei wurde wegen Wehenschwäche injicirt, und zwar
mit raschem Erfolge. Brenneke findet, dass das Pilocarpin bei
Wehenschwäche intra partum wehen verstärkend und prompt
und sicher wirkend sei. Nach seiner Ansicht genügt jedoch zu
jeder Injection ein Centigramm, durch welchen dieselben Er¬
folge wie mit grösseren Dosen erzielt, die lästigen Intoxiations-
erscheinungen aber vermieden würden.
Dies die von mir gesammelten Ansichten und Beob¬
achtungen des letzten Jahresdrittels. Im Ganzen sind sechs
günstige Resultate Ende der Schwangerschaft oder im Geburts¬
beginn und von sechs versuchten Einleitungen künstlicher Früh¬
geburt eine mit vollkommenen Erfolg verzeichnet, die achte.
Ich schreite nun zur Schilderung des neuerdings von mir
beobachteten, nunmehr meines dritten Falles der Anwendung
des Mittels zur Einleitung der Frühgeburt.
Die Beobachtung desselben flösst insofern mehr Interesse
ein, als die Frau seit Beginn der ersten Kindesbewegungen
unter meiner Controlle gestanden, ihre Lebensweise die ganze
Zeit beaufsichtigt werden konnte und von Monat zu Monat das
Verhalten der Cervix untersucht wurde.
Frau Lauter, 20 Jahre alt, rhachitischen, stark verengten
Beckens, mit einer Conjugata vera von kaum Centimeter
wurde im October 1877 durch Perforation des nachkommendec
Kopfes und Kephaloklast eines reifen, im März 1879 durch Ein¬
leitung künstlicher Frühgeburt mittelst Pilocarpin eines dem
achten Schwangerschaftsmonate entsprechenden Kindes entbunden.
Am 3. December 1879 stellte sie sich wieder vor und
gab an, am 12. Juli die letzte Menstruation beobachtet zu haben
und seit 30. November die ersten Kindesbewegungen zu fühlen.
Die Ergebnisse der Untersuchung stimmten mit den Angaben
der Schwangeren überein, die Gebärmutter, nach rechts gelagert,
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137
der 20. Woche wohl entsprechend, rechts ober und vom vorderen
Scheidengewölbe ein grösserer harter Kindestheil; die mit Narben
versehene Cervix 3 Centimeter lang, äusserer Muttermund
für einen Finger durchgängig, innerer noch geschlossen.
Am 5. Jänner 1880 war der Kopf rechts unten, Steiss
links oben, die Bewegungen des Kindes sehr lebhaft. Das Os
internum der in der 25.Woche Befindlichen war noch geschlossen.
5. Februar 1880. Die Schwangerschaftsdauer beträgt 29
Wochen; die Cervix ist über 2 1 / a Centimeter lang, der
innere Muttermund noch nicht durchgängig.
1. März. Der Kopf des 33 Wochen alten Foetus befindet
sich mehr rechts oben, der Steiss Mitte links, der innere
Muttermund bereits gut für einen Finger durchgängig.
Herr Dr. Breuss, klin. Assistent des Herrn Professor Gustav
Braun, hatte nun die Güte die Schwangere mit mir zu be¬
suchen. Nachdem wir derselben frisch und munter auf der Gasse
begegnet, und sie uns noch rasch nachgelaufen war, fand die
Untersuchung der Frau am 4. März statt.
Zum Schwangerschaftsende fehlten sechs Wochen, die unteren
Extremitäteu präsentirten sich dem touchirenden Finger. Die
Cervix war circa 2 Centimeter lang, der innere Mutter¬
mund für zwei Finger durchgängig. Es ist bekannt, dass
öfter in den letzten Schwangerschaftsmonaten der Cervicalcanal
leicht passirbar ist, ohne dass die Schwangerschaft bei erwei¬
tertem Muttermunde gestört würde.
ln diesem Falle hatte sich der innere Muttermund in drei
Tagen ziemlich erweitert, es konnte also die Geburt möglicher¬
weise schon unmerklich im Gange sein. Dem Principe einer
strengen Beobachtung gemäss musste daher die Wirkung des
Pilocarpin, falls eine solche eintreten sollte, hier nicht als
Schwangerschaft unterbrechend, sondern nur als geburtsfördernd
betrachtet werden.
Bei eventueller Wirkungslosigkeit der Einspritzungen sollte
einer der sich präsentirenden Füsse durch den Muttermund in
die Scheide herabgezogen und dadurch die Geburt in den Gang
gebracht werden. Das rigide, stark narbige Gewebe des Mutter¬
mundes liess sogar eine entsprechende Erweiterung ziemlich
zweifelhaft erscheinen, es wurde deshalb auch auf Einschnitte
Aussicht genommen.
Am folgenden Tage, den 5. März war der Befund dem
obigen gleich, keine Wehen oder Schmerzen.
Ich begann nun die Einleitung der Frühgeburt.
Um 9 Uhr 27 Min. Morgens wurde die 1. Injection 2°/ 0
Lösung zu 14 Milligramm applicirt.
In 13 Stunden wurden 3 Injectionen zusammen von 42 Milli¬
gramm gemacht, in weniger als 20 Stunden die Geburt vollendet.
Nach der 1. subcutanen Einspritzung dauerten die üblichen
Erscheinungen, darunter auch Erbrechen, durch 37 Minuten an.
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138
Ende dieser Zeit fühlte die Schwangere Schmerzen im Unter¬
leibe.
Vier Stunden nach der 1. Injection als bei ungefähr
l 8 / 4 Centimeter langer Cervix der innere Muttermund
thalergros8 eröffnet war, wurde das zweite Mal injicirt. Es folgte
der gewöhnliche Symptomencomplex ohne Erbrechen, im Laufe
des Nachmittags und Abends massige Wehen. Befund um 10 Uhr
Abends, 13 Stunden nach der ersten, 9 Stunden nach der zweiten,
unmittelbar vor der dritten Injection: Die Cervix fast l 1 /*
Centim. lang für vier Finger durchgängig, dehnbar. Nach der
3. Injection traten nach massigen Schweissen und geringen Zufällen
gute, rasch aufeinanderfolgende Wehen auf. Drei und eine
halbe Stunde später wurden sie sehr stark und zeigte sich
öfteres Schütteln. Sechs und ein Viertel Stunden nach der
Injection um 4 x / 4 Morgens sprengte ich bei fast verstriechenem
Muttermunde die Eihaut und extrahirte die entgegenkommenden
Füsse. Eine halbe Stunde später konnte der sehr grosse, vom
narbigen Muttermunde scharf und krampfhaft umschlossene Kopf
entwickelt werden, nachdem im hinteren Segmente des Mutter¬
mundes ein mässiger Einriss mit ziemlicher Blutung entstanden
war. Die knappe, scharfe und krampfhafte Umschnürung des
Kopfes hatte meinen Versuch einzuschneiden vergeblich er¬
scheinen lassen. Die Blutung sistirte ich in einigen Minuten,
die Placenta folgte bald, das Wochenbett verlief normal, nur
iu den ersten beiden Tagen bedeutende Nachwehen. Am 7. Tage
verliess die Wöchnerin das Bett, am 10. das Zimmer. Am
17. stellte sie sich in der Ordination vor; der innere Mutter¬
mund war geschlossen, im narbigen Rande der hintere Einriss
nachweisbar.
Die männliche Frucht wurde scheintodt geboren, durch
künstliche Respiration wieder belebt, starb jedoch am zweiten
Tage an Kinnbackenkrampf. Mein Freund und College Kinder¬
arzt Dr. Max Herz beobachtete gleichfalls das Kind und con-
statirte ebenso die aussergewohnliche Grosse und Stärke des
34 Wochen alten, besonders geringere Entwicklung der Nägel
zeigenden Knaben. Das Gewicht betrug 2985 Gramm, die Länge
45 Centimeter, der Kopfumfang 34V*. Centimeter.
Die früheren Geburten der Frau einbeziehend, erlaube ich
mir, die geehrte Versammlung an die grosse Enge des rhachi-
tischen Beckens, dessen Maasse ich vor einem Jahre hier ange¬
geben habe, zu erinnern. Eine normale Entbindung ist dabei
unmöglich; es musste bei der ersten Geburt, das ausgetragene
Kind mit grosser Mühe genommen werden. Ein anderer Arzt
hatte, ohne sich um die Beckenmessung zu kümmern, gewendet,
extrahirt und den nachkommenden Kopf nach Zerreissung des
Halses im Beckenraume zurückgelassen. Die Perforation und
der Braunsche Kephaloklast beendeten mit grosser Schwierigkeit
die Entbindung. Eine schwere, lange dauernde Parametritis folgte.
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139
Die zweite Geburt wurde bei aufgelockertem, aber nicht
ganz durchgängigem inneren Muttermunde mittelst Pilocarpin
eingeleitet und bei Querlage in etwas über 29 Stunden zu Ende
geführt, die jetzige dritte Geburt endete bei Fusslage in weniger
als 20 Stunden. In beiden Fällen wurden drei Injectionen ge¬
macht, in beiden Fällen war Tendenz zum Ausschlüpfen des
Eies vorhanden. Dies zeigte das Verhalten der Cervix zum
Uteruskörper und Eisacke, besonders in dem zweiten durch
Monate vorher beobachteten Falle. Die Frucht war beide Male
abnorm gross und stark, bei der früheren Kopfcircumferenz 29, 4
jetzt 34, 5 etc. Die räumlichen Verhältnisse, der so rigide
Muttermund, die dadurch bedingte so schwierige Extraction,
beim vorigen Kinde noch die abnorm kurze und dicke Nabel¬
schnur erklären hinlänglich deren Tod.
Nach dem normal vergangenen Wochenbette zeigten sich
bei der gegenwärtig frischen und gesunden Frau keine üblen
Folgen.
Verehrte Herren Collegen, die Wirkung des Pilocarpin hat
also beide Male weder den Tod der Frucht veranlasst, noch
dem Organismus der Mutter geschadet. Von gewiss grossem
Werthe ist es aber, dass bei ein und derselben Frucht¬
trägerin zweifellos zweimal die künstliche Frühgeburt mittelst
Pilocarpin eingeleitet oder gefordert worden!
Aus dem Unterstützungs-Institut.
In der am 16. April d. J. abgehaltenen Ausschusssitzung,
in welcher unter dem Vorsitze des Vice-Präsidenten Dr. Hopf-
gartner Secretär Dr. Reitter und zehn Mitglieder des Aus¬
schusses anwesend waren, stellte sich der Vorsitzende als neu
gewählter zweiter Vice-Präsident und Dr. Reitter als neu
gewählter Secretär vor. Beide Functionäre danken der Versamm¬
lung für das in sie gesetzte Vertrauen und erklären, die Inter¬
essen des Institutes bestens wahren zu wollen. Dann berichtet
der Herr Secretär: a) Dass in der jüngst abgehaltenen General¬
versammlung dieDDr.RR.Chrastina, Gerstel, OSR.Nusser
und Sch eff als Ausschussmitglieder wieder und für den ver¬
storbenen Dr. Kirschnek Dr. Heinrich Popper mit zwei¬
jähriger Functionsdauer neu gewählt wurden; b) dass Prof.
Dr. Leopold Dittel zum Stammfonde des Instituts 300 fl. Silber¬
rente gespendet habe. Diese Mittheilung wurde beifällig zur
Kenntniss genommen, dem hochherzigen Spender der einhellige
Dank unter Erheben von den Sitzen ausgesprochen und das
übliche Dankschreiben zuzusenden beschlossen; c) dass Dr. Johann
D onnau um Aufnahme in das Unterstützungs-Institut angesucht
habe. Er hat die Eintrittstaxe, den Jahresbeitrag für 1880 und
für zwei Jahre eine Altersnachzahlung von 16 fl. erlegt; seine
Gesundheit bestätigen die DDr. v. G u n z sen. und v. Pernhoffer.
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(Wurde einstimmig aufgenommen). Unterstützungen erhielten über
ihr Ansuchen: a) Die Witwe eines jüngst verstorbenen, an Jahren
sehr vorgerückten Mitgliedes, eines Arztes im wahren Sinne des
Wortes, der ungeachtet seines hohen Alters stets bereit gewesen,
jedem Rufe zu Kranken zu folgen, und obgleich seine Praxis
ihm schon mühevoll und nicht lohnend war, doch nie um eine
Unterstützung angesucht habe, den möglichst hohe Betrag von
300 fl. b) dem 72jährigen Collegen Dr. W., der wegen zu¬
nehmender asthmatischer Beschwerden seiner Praxis schwer nach-
kommen kann, 150 fl. und c) dem seit längerer Zeit mit einem
Augenleiden behafteten Dr. F. den schon oft wiederholten Be¬
trag von 75 fl.
Schliesslich regt Dr. A. Gruber eine Discussion über die
Frage an, wie die Herren Collegen bestimmt werden könnten,
dem Institute zahlreicher als bisher beizutreten. Nach einer
längeren Besprechung, an der sich dieDDr. Schneller, Nuss er,
Preyss, Popper, Reitter und Gruber betheiligen, wird
beschlossen, die Herren Collegen in jeder geeigneten Weise auf
das Bestehen und das segensreiche Wirken des Institutes auf¬
merksam zu machen und zum Beitritt einzuladen, und zwar
durch einen Aufruf in den „Mitteilungen* im nächsten Herbste,
durch Veröffentlichung eines kurzen Rechnungsausweises in jedem
Quartal in den Fachjournalen (die DDr. Schneller und
Gruber) Uebergabe der Statuten und Ausweise an die jungen
Doctoren bei ihrem Eintritte in das Collegium (die DDr. Hopf-
gartner und Schneller), bei der Anmeldung der Praxis im
Magistratsbureau (Dr. Nusser) und durch eine kurze aber
genügende Aufklärung der jungen Doctoren über alle wohl-
thätigen Institute des Collegiums (die DDr. Popper und
Gruber). Dr. Nusser beantragt zugleich, dass die jungen
Aerzte gleich bei der Promotion vom Decan der medicinischen
Facultät zum Eintritte ins Wr. med. Doct.-Coll. mit dem Hin¬
weise auf die wohlthätigen Institute desselben eingeladen werden,
und erklärt sich bereit, in dieser Hinsicht bei dem derzeitigen
Decane Prof. Dr. E. Hofmann, dafür interveniren zu wollen.
Dieser von Dr. Hopfgartner unterstützte Antrag wird einhellig
angenommen und dem Antragsteller für die angebotene Ver¬
mittlung gedankt.
Nachdem Dr. Gruber erwähnt, dass er in der letzten
Sitzung des Comite’s für Standesinteressen einen Antrag gestellt
habe, dahin gehend, dass durch eine geeignete Verlautbarung
das ärztliche Publicum in den weitesten Kreisen auf die solideft
Verhältnisse und auf die vielen wohlthätigen Institute des Wr.
med. Doct.-Coll. aufmerksam gemacht werde, dass aber die
Discussion dieses Antrages aus mancherlei Gründen abgebrochen
und die Beschlussfassung hierüber vertagt worden sei, stellt
Dr. Reitter den Antrag, dass dem Comitö für Standesinteressen
der oben erwähnte Antrag des Dr. P o p p e r als ein Dringlichkeits-
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141
antrag zugewiesen werden möge. Dieser Antrag wird einstimmig
angenommen.
Der 71. Geburtstag
des Präsidenten Dr. Rainer Ritter v. Schmerling
wurde am 1. Mai im engsten Familienkreise stille gefeiert, da dessen
Frau Gemalin von einer schweren Krankheit noch immer nicht völlig
hergestellt ist. Dessenungeachtet fehlte es nicht an zahlreichen Be¬
weisen, durch welche entferntere Verwandte, Bekannte, Freunde,
Nachbarn und Collegen der Dankbarkeit, Freundschaft und Hoch¬
achtung, durch die sie mit dem Gefeierten verbunden sind, Ausdruck
gaben. Schon vom frühen Morgen an meldeten sich zahlreiche Be¬
sucher, die ihre Gratulationen persönlich machen wollten, eine Unzahl
Visitkarten aus allen Kreisen, bis zu den höchsten, lagen auf einem
grossen Tische aufgehäuft und daneben viele Briefe und Telegramme
von Nah’ und Fern’ zu gleichem Zwecke. Reiche Blumenspenden in
reizende Bouquets gebunden und in prachtvollen Vasen waren auf
Tischen und Gonsoles aufgestellt. Unter diesen zeichnete sich eine
in Teppiohform flach auf einem silbernen Körbchen sinnig hingelegte
Blumenmosaik dadurch aus, dass die äussersten Blumenblätter mehrerer
aus derselben herausspähender, halb erblühter, weisser Rosenknospen
kaligraphisch ausgeführte Sinnsprüche mit verschieden färbigen Initialen
zur Schau trugen.
Schlag 12 Uhr fand sich die Deputation des Wr. med. Doct.-
Coll. ein, die über Beschluss des Geschäftsraths dem vieljährigen
Präsidenten eine prachtvoll ausgestattete Adresse überreichte. Diese
Deputation war vom Vizepräsidenten Dr. Preyss geführt und be¬
stand nebst diesem aus dem zweiten Vicepräsidenten Dr. Hopf¬
gart ner, dem Senior Dr. Ritter v. Vivenot, dem Secretär
Dr. R e i 11 e r, dem Obmannstellvertreter des wissenschaftlichen Aus-
schusses Dr. David Winternitz, dem Schriftführer Dr. Anthofer
und dem mit dem Präsidenten speciell befreundeten Collegen
Dr. Györy von Nädudvar.
Der Führer der Deputation begrüsste den Gefeierten mit
folgender Ansprache:
Hochgeehrter Herr Präsident!
Erlauben Sie, dass an dem Tage, an dem ein grosser Abschnitt
in Ihrem nützlich thätigen Leben beginnt, an dem Ihre Angehörigen,
Freunde, Nachbarn und Collegen Sie vom ganzen Herzen freundlich
begrüssen, auch eine Ihnen in blutsverwandtschaftlicher Beziehung
ferne stehende zahlreiche Familie, der Sie seit einer Reihe von
Jahren als gewähltes Oberhaupt vorstehen, sich Ihnen nahe, um Sie
an diesem Freudentage zu beglückwünschen.
Es ist ein von der Vorsehung nur Wenigen beschiedenes Los,
einen solchen Tag in ungeschwächter Gesundheit und mit voller
Geistesfrische zu erleben, und es ist um so seltener, wenn von dem
ganzen abgelaufenen Zeitraum fünf Decennien in unermüdeter Thä-
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tigkeit der Erfüllung von Bürgerpflichten, dem Wohle der Mensch¬
heit, der Pflege der Kranken, der Förderung nützlicher Institutionen
geweiht worden sind.
Wenn aber eine aus 700 Mitgliedern bestehende Corporation
sich durch mehr denn drei Lustren der besonderen Fürsorge eines
in solcher Weise Begünstigten für deren Interessen erfreut, so muss
sie sich umsomehr gedrängt fühlen, ihm den wärmsten Dank aus¬
zusprechen.
Es kann nicht unsere Aufgabe sein, Ihnen all’ die Verdienste
vorzuzählen, die Sie sich als Arzt um Allerhöchste kaiserliche
Familienglieder, bei Ihrem Wirken im öffentlichen Sanitätsdienste
als Mitglied der Obersten Medicinal-Commission im Ministerium des
Innern, bei der Pflege von Kranken in Heilanstalten, namentlich
in Militärspitälem während der Kriegsjahre erworben haben. Der
Staat hat diese Verdienste anerkannt und selbst das Ausland sie
gewürdigt.
Unsere Pflicht aber ist es, stets eingedenk zu sein alles dessen,
was Sie zur Förderung der Interessen unserer Körperschaft gewirkt,
wie Sie schon im Geschäftsrathe des alten Collegiums an der Seite
Derer gestanden, die tapfer kämpften für das Fortbestehen desselben,
welchen Antheil Sie ferner genommen, um, nachdem dieser ruhm¬
volle, wenn auch nicht siegreiche Kampf zu Ende ging, den Fort¬
bestand des Coli, in einer neuen Form zu ermöglichen, mit welcher
Opferwilligkeit Sie die Ihnen angebotene Stelle eines Präsidenten des
Wiener medicinischen Doctoren«Collegiums angenommen,
seitdem bei der alljährlichen Wiederwahl durch sieben Jahre bei¬
behielten und welchen Aufschwung dieses Collegium, das seine
Feinde schon vor sieben Jahren zu den Todten gezählt, unter Ihrer
Führung genommen hat.
Darum flehen wir zu Gott, dass er Ihnen noch viele Jahre
gönnen möge zum Besten des Collegiums, zur Freude Ihrer Familie,
zum Wohle Ihrer Mitbürger!
Das ist der einhellige aufrichtige Wunsch aller Mitglieder des
Collegiums, in deren Kamen ich Ihnen zurufe:
Gott erhalte unsem Präsidenten Dr. Bainer Bitter von Schmerling!
Nach Schluss der Bede überreichte der Secretär die Adresse,
die 62 Unterschriften trägt.
Der Begrüsste war von dieser Anerkennung seiner Collegen
sichtlich gerührt, er dankte der Deputation aufs Wärmste für die
ihm gewordene Auszeichnung und insbesondere dem Sprecher sowohl
für die Bede als für deren — wie er sagte — ausgezeichneten
Vortrag, und ersuchte auch sämmtlichen Mitgliedern des Collegiums
vorläufig seinem Danke Ausdruck zu geben, bis er in einer Vollver¬
sammlung in der Lage sein werde, dies persönlich thun zu können.
Daran knüpfte er die Versicherung, dass er von dem Augenblicke
an, als er in die Facultät aufgenommen worden (d. i. seit 46 Jahren)
immer treu an dem Collegium gehangen und nicht aufhören werde,
Alles, was in seinem Bereich liegt, aufzubieten, um das Collegium
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zu einem grösseren Ansehen zu bringen, und dass dieses auf ihn
zählen könne, so lange ihm die Kraft erhalten bleibe. Er mache
wohl mit dem heutigen Tage den ersten Schritt ins öreisenalter,
doch fühle er dessen Last noch nicht, hoffe daher noch manches
Jahr die Obliegenheiten des Vorstandes erfüllen zu können, wenn
ihm das Collegium noch fortan sein Vertrauen schenkt. Seiner Ueber-
zeugung nach hat die Corporation schon wieder festeren Fuss ge¬
fasst und an Würde gewonnen und sie wird noch allgemeinere An¬
erkennung finden durch ein vereintes Zusammenwirken aller einzelnen
Glieder mit dem gleichen Streben, denn nur in der Einigkeit liegt
die Kraft.
Nun erst konnte der Präsident die ihm überreichte Adresse
näher besehen, wobei er wiederholt seine Freude zu erkennen gab
über die schöne Ausstattung, auf die er bei Prüfung der Details
immer wieder zurüokkam.
Als sich die Deputation des Collegiums zurückzog, trat die
des Pensions - Instituts unter der Führung von dessen Präsidenten
Dr. Hans Adler, nebst diesem aus dem Vicepräsidenten Dr. Heim,
dem Schriftführer Dr. Popper und dem Cassier Dr. Hopfgartner
bestehend ein, und überreichte dem Herrn Dr. v. Schmerling
das ihm in der Generalversammlung am 3. April zuerkannte Ehren¬
diplom dieser Gesellschaft. Der Sprecher, Dr. Adler, begrüsste den
Gefeierten, indem er dessen besondere Verdienste bei Gründung
dieses Institutes sowohl als seiner stets fortgesetzten Unterstützung
zur Förderung der Zwecke desselben hervorhob, und es seinem
ferneren Schutze empfahl.
Dieses Diplom ist eine der geschmackvollsten Arbeiten dieser
Art. Es besteht wohl nur aus einem Blatte steifen Pergament¬
papiers, aber die Schrift, Eintheilung und Umrahmung von Arabesken
auf einem breiten Goldrand ist eine höchst gelungene Arbeit. Dieses
Blatt liegt in einer mit rothem Sammt überzogenen steifen Mappe,
deren Ecken durch Bronce geschützt sind und aus deren Mitte auf
der Vorderseite die Initialen des Hamens (RS) unter einer fünf¬
zackigen Krone hervortreten.
Hach dem Beispiele des Wiener medicinischen Doetoren-
Collegiums haben auch die ärztlichen Bezirksvereine den Beschluss
gefasst, dem Präsidenten Dr. v. Schmerling durch besondere De¬
putationen zu beglückwünschen, und kam die der westlichen Bezirke,
geführt vom Obmanne Dr. K h a u t z v. Eulenthal, begleitet von den
Doctoren Ignaz Lederer und Friedrich Gaus t er; dann die des
dritten Bezirkes, geführt vom Obmanne Dr. K i e n a s t, begleitet von
den Doctoren Hans Ritter v. Becker und Ladislaus v. Würtzler,
der des Doctoren'Collegiums der Zeit nach noch zuvor.
Hach Entfernung der Deputation des Pensions-Institutes trat
die des ärztlichen Vereines im vierten Bezirk, geführt vom Obmanne
Dr. Josef Scholz, begleitet von den Doctoren Popper und Fer¬
dinand Much ein und überreichte das auf steifes Pergamentpapier
zierlich geschriebene von Dr. W a n e c k mit künstlerisch ausgeführten
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Arabesken umrahmte Diplom, welches die Ernennung zum Ehren¬
mitglied des ärztlichen Vereines der südlichen Bezirke bekundete, und
das vom Herrn Präsidenten freundlichst entgegengenommen wurde.
Den Schluss der Deputationen machte die des ärztlichen
Vereines des zweiten Bezirkes, geführt vom Obmann-Stellvertreter
Dr. Maximilian Herz, begleitet von den Doctoren Ludwig Klein
und S. Haj e k. Der Führer der Deputation gab in einer gut gesetzten
und klangvoll vorgetragenen Bede, in der er die Verdienste des
Collegiums-Präsidenten um die Bemühungen für die Hebung der
materiellen Interessen der Aerzte hervorhob, mit grosser Anerkennung
Ausdruck, die gleichfalls mit grossem Beifall aufgenommen wurde.
Die Deputationen und besonders deren Führer wollen den Referenten
entschuldigen, wenn er nicht alle Ansprachen und Erwiderungen mit gleicher
Umständlichkeit mittheilt. Es war ihm nioht möglich, bei dem Empfang jeder
einzelnen Deputation anwesend zu sein, er kann also über die Details nioht
mit vollkommener Genauigkeit referiren. — Die Eingangs erwähnten Aus¬
schmückungen konnte er erst genauer besichtigen, nachdem die letzte Deputa¬
tion die Räume verlassen hatte.
Notizen.
Aufnahmen. Vom Geschäftsraum wurden in das Wiener med. Doo -Coli,
als ordentliohe Mitglieder aufgenommen: in der Sitzung am 7. April die
DDr. der gesammten Heilkunde Emanuel Edler von Berger und Friedrich
Allmayer (Beide in Wien domicilirend), dann in der Sitzung am 28. April
Med. & Chir. Dr. Robert Gersuni, Primar-Chirurg und Operateur im
Carolinen-Kinderspitale (als Mitglied des früheren Doot.-Coll. der med. Facultät
ohne neue Aufnahmstaxe), ferner die DDr. der gesammten Heilkunde Felix
Veth in Aussee und Sebastian Huber in Meran.
im Verzeichnisse der Functionäre in Nr. 10, S. 129, wurde die Namhaft¬
machung der Reohnungsoensoren des Unterstützungs-Institutes übersehen. Es
sind die DDr. L. Fürth, Ludwig Klein und J. Leopold Heinemann
(siehe Nr. 6, 8. 68).
Wohnungs- Veränderung. Dr. Andreas R. v. Hüttenbrenner
wohnt vom Mai d. J. ab: I. Himmelpfortgasse 21, im 2. Stock. Dr E. Schi der,
der den Winter über als Curarzt in Aroo fungirte, zeigt an, dass er vom Mai
ab im Wildbad Gastein, wie in früheren Jahren, ärztliohe Praxis ausüben wird.
Zur Vivisectionsfrage. Gegen Ende des vorigen Monates verhandelte
die Petitions -Commission des deutschen Reichstages diese für die ganze
wissenschaftliche Welt wichtige Frage. Virchow wurde als Sachverständiger
vernommen. Er erklärte, die Agitation richte sich nioht nur gegen die Vivi-
section, sondern gefährde die gesammte experimentelle Methode, denn jener
verdanke die letztere die Umwandlung der ärztliohen Anschauungen. Wie
schon Harvey’s Entdeckung des Blutkreislaufes nur durch die Disseotion
lebender Thiere möglich war, so bedürften auch die Physiologie, die Pathologie
und die Pharmaoologie derselben, weder die Forschung noch der Unterricht
können sie entbehren. Viele Wissenszweige, speciell die NervenphyBiologie,
seien ohne sie unmöglich. In England habe das Gesetz gegen die Vivisection
so gesohadet, dass daselbst seit dessen Erlass keine einzige werthvolle
physiologische Arbeit erschienen sei. Virohow erklärte sich somit gegen
jedes gesetzliche Eingreifen in die Wissenschaft. Die Commission
beschloss daher, im Plenum eine motivirte Tagesordnung vorzuschlagen, dahin¬
gehend, dass die Vivisection im Interesse der wissenschaftlichen Forschung
in den Lehranstalten unentbehrlich sei.
Die nächste Nummer erscheint am 20. Kai.
Herausgeber und Verleger: Wiener medicin. Doot.-Coll. — Verantwortlicher Redaoteur:
Dr. L. Hopfgartner. — Geaellsohafta-Buchdrnokerei, Wien, Hl. Erdbergentraese 8.
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TI. Bd. Aasgegeben am 20. Mai 1880. Ifr. 12
MITTHEILUNGEN
des
ffieuor i6toi|isc|B| DoEtoran-CollBtiiiBis.
Sraoheinfc jedeu zweiten iJouneratug ein halber bis ein gauser Bogen and darüber, an,
SO Bogen im Jahre. — Ganzjähriges Abonnement für Niohtmitglieder des Collegiums im In-*
lande 3 fl., nach dem Anslande 6 Mrk. — Einzelne Nummern 26 kr. == 60 Pffc. — Inserats
15 kr. = 80 Pfg. fiir die durchlaufende Petit-Zeile.
Mau pränumerirt in der Medicin. Buchhandlung Toeplits dt Denticke
(vormals Karl Csermah), Wien, I., Schottengasse 6.
Zuschriften and Zasendaagen an die ttedaetion: Wien, Kanxlei d m Wiener aed.
Doel.-Cell. and der Witwen- and Waisea-Sodetäi, Kotheithurmstrasse 28.
Inhalt: Ueber die prognostische Bedeutung der Körpertemperatur in Nervenkrankheiten,
Vortrag des Herrn Dr. H. Obersteiner junior. — General-Veraammlung der Witwen- und
WaUen-Soeietät des Wiener med. Doct.-GoU. am 26. April 1880. — Notizen.
Wissenschaftliche Versammlung am 3. Mai 1880.
Dr. Heinrich Adler demonstrirte einen Fall von Morbus
maculosus Werlhofi. Derselbe betrifft ein 9jähriges Mädchen,
welches von vollkommen gesunden Eltern abstammt, jedoch
schwächlich gebaut ist. Die Geschwister des Kindes und der
Eltern sind ebenfalls gesund. — Die Krankheit besteht seit
mehr als einem Jahre und kam zur Entwicklung, obgleich sich
das Kind in den allerbesten hygienischen Verhältnissen be¬
findet. Die Familie ist bemittelt, die Wohnung geräumig, trocken,
hell, die Nahrung vorzüglich. Seit etwas mehr als einem Jahre
treten von Zeit zu Zeit spontan an den verschiedenen Stellen
des Körpers thaler- bis kartenblattgrosse Flecken auf, welche
von subcutanen Blutaustritten herrühren, wie sie nach erlittenen
Traumen beobachtet werden. Ausserdem tritt fast täglich eine
mehr weniger profuse, aber nur kurze Zeit dauernde Blutung
aus der Nasen- und Mundschleimhaut ein, die indess noch nie¬
mals einen gefahrdrohenden Character angenommen hat. Dem
Auftreten der Blutflecke gehen vage Schmerzen in den betref¬
fenden Körpertheilen voran. Die Rückbildung der Ekchymosen
dauert 2 bis 3 Wochen, Niemals ist das Kind vollkommen frei,
da immer Nachschübe auftreten, so dass man die verschiedenen
Stadien derselben gleichzeitig beobachten kann. Ausserdem
leidet das Kind an Enuresis nocturna et diurna und einem
geringen Fluor vaginae. Das Secret der Vaginalschleimhaut soll
nach Angabe der Mutter des Kindes auch zeitweise Blutspuren
enthalten.
Hierauf hält der Universitäts-Docent Herr Dr. Heinrich
Ob erstein er jun. folgenden mit grossem Beifall aufgenommenen
Vortrag:
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146
Ueber die prognostische Bedeutung der Körpertemperatur in
Nervenkrankheiten.
Seit einer Reihe von Jahren ist die Thermometrie in den
fieberhaften Krankheiten Gemeingut aller Aerzte geworden. Man
begnügt sich nicht mit der Beobachtung des Pulses, seiner
Häufigkeit, Form u. s. w., sondern man erwartet noch besseren
Aufschluss über den Verlauf des Krankheitsprocesses von dem
Thermometer.
Dies gilt aber wohl nur von der erwähnten Gruppe der
Krankheiten, von den fieberhaften; bei anderen Gelegenheiten
greift der praktische Arzt im Allgemeinen nur selten zum
Thermometer. Ich habe mir daher die Aufgabe gestellt, Ihnen
an ein paar Beispielen zu zeigen, dass auch bei den Erkian-
kungen des Nervensystems die Kenntniss der Körpertemperatur
nicht blos von grossem, wissenschaftlichem Interesse ist, sondern
unter Umständen dem Arzte gewichtige prognostische und nicht
selten auch therapeutische Fingerzeige zu liefern vermag. —
Erst in den beiden letztverBossenen Decennien hat man sich
etwas eingehender mit der Beobachtung der Körpertemperatur
an Geistes- und Nervenkranken befasst, und es haben uns be¬
sonders die letzten Jahre so reichhaltige und sorgfältig gesam¬
melte Beobachtungsresultate geliefert, dass es unmöglich wäre,
hier eine auch nur flüchtige Zusammenstellung des uns bereits
zu Gebote stehenden Gesammtmateriales zu geben. Ich kann
nicht die ganze Reihe der Neurosen durchgehen, welche in¬
teressante Abweichungen von der Körpertemperatur darbieten,
kann mich aber ebensowenig einlassen auf eine Würdigung
jener wichtigen physiologischen Erfahrungen, welche uns den
Mechanismus der Wärmeproduction im thierischen Körper ge¬
nauer kennen gelehrt haben, und welche uns zeigen, wie ge¬
wisse Partien des Centralnervensystems eine bestimmte Be¬
ziehung zur Regulirung der Körpertemperatur erkennen lassen.
Ich konnte diese Bemerkungen nicht unterdrücken, um
mich gleich von vorneherein gegen den Tadel zu schützen, als
hätte ich diese oder jene wichtige Thatsache anzuführen ver¬
gessen, oder als wäre ich die Erklärung für die eine oder die
andere Erscheinung schuldig geblieben. — Es darf uns nicht
Wunder nehmen, wenn wir gerade bei den Erkrankungen des
Centralnervensystems so häufig auf Abweichungen von dem
normalen Verhalten der Körpertemperatur treffen. — Es ist
bekannt, dass die Erhaltung der Körpertemperatur unter der
Herrschaft gewisser Theile des Gehirns und des Rückenmarkes
steht; wir dürfen daher zunächst schon mit grosser Sicherheit
erwarten, dass Erkrankungen dieser Theile des Centralnerven¬
systems (ohne hier in die Frage nach ihrem anatomischen Sitze
einzugehen) sich durch abnorme Temperaturschwankungen äussern
werden. Ausserdem spielt aber auch im Centralnervensysteme
die Fernwirkung eine grosse Rolle, das heisst, dass ein ab-
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147
normer Zustand eines Theiles dieses Organes eine entfernt
liegende, nicht direct betroffene Partie in ihrer Function beein¬
trächtigen kann: ein Umstand, der einerseits die Localisation
der Gehirnkrankheiten sehr erschwert, anderseits von den
Gegnern der functionellen Localisation wiederholt ausgebeutet
worden ist. Wir können daher also auch dann, wenn die eigent¬
lichen thermischen Gentren nicht direct erkrankt sind, auf
wichtige Abweichungen im Verhalten der Körpertemperatur treffen.
Ich will nun zum eigentlichen Thema meines Vortrages
übergehen, ur d hauptsächlich an den sogenannten nervösen An¬
fällen die Richtigkeit meiner Behauptung von dem Werthe der
thermometri8chen Untersuchung darzuthun trachten.
Ich beginne mit der Gehirnblutung, der Apoplexie im
engeren Sinne. Nach zahlreichen Beobachtungen, von denen .die
Bourneville’s („Etudes cliniques et therniomötriques sur les
maladies du systöme nerveux“, Paris 1872—1873) besondere
Beachtung verdienen, ist der Verlauf der Temperaturcurve nach
dem haemorrhagischen Insulte ein ganz charakteristischer.
Nehmen wir einen typischen Fall, so finden wir, dass
wenige Minuten nach dem Beginne des Anfalles die Temperatur
zu sinken anfängt. Dieses initiale Sinken ist für den apoplec-
tischen Anfall sehr bezeichnend. Nach einiger Zeit, in der
Regel nach Verlauf einiger Stunden, steigt die Temperatur und
schwankt nun längere Zeit — mehrere Tage hindurch — zwischen
37*5° und 38’5°, *) um schliesslich wieder zur Norm zurück¬
zukehren, wenn Genesung eintritt. — Im entgegengesetzten Falle
macht sich der ungünstige Ausgang durch den abweichenden
Verlauf der Temperaturcurve bemerkbar. Bei den schnell
tödtenden Apoplexien pflegt das initiale Sinken ein rascheres,
intensiveres zu sein (bis 35*4°) und es kommt zu keinem Wieder¬
ansteigen. Wurde nun diese Periode glücklich Überstunden, so
machte sich eine neuerliche Gefahr, welche dem Leben des
Kranken droht, durch ein rasches und beträchtliches Steigen
des Thermometers bemerkbar; ein derartiges Verhalten der
Körpertemperatur lässt uns also mit grösster Sicherheit Voraus¬
sagen, dass im Verlaufe von längstens einigen Tagen der lethale
Ausgang zu erwarten pei.
Bei der Gehirnembolie und der damit zusammen¬
hängenden Gehirnerweichung ist das Verhalten der Tem¬
peratur in der Regel ein anderes, als wir es bei der Apoplexie
kennen gelernt haben. Wenn ich mich, bei dem Mangel eigener
einschlägiger Untersuchungen auf die Angaben B o u r n e v i 11 e’s
beziehe, so wäre zu bemerken, dass zunächst das Stadium des
initialen Sinkens in den meisten Fällen entweder vollständig
fehlt oder wenigstens nur wenig deutlich zu erkennen ist. Meist
findet man in den zwei auf den Anfall folgenden Stunden eine
Temperatur zwischen 37° bis 37*8°, während beim apoplectischen
*) Es ist immer nur von der hundertteiligen Scala (Celsius) die Rede.
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148
Anfall die Temperatur in dieser Periode sich unter 37° zu
halten pflegt. Bei der Gehirnerweichung folgt nun ein Stadium,
in welchem sehr beträchtliche Temperaturschwankungen statt¬
finden. Nicht selten erfolgt ein rasches Steigen bis 39°, dann
wieder ein Zurücksinken zur Norm und so fort, während in
einem Falle von Gehirnhaemorrhagie während dieser Periode
ein derartiges Steigen nur dann von einem beträchtlichen Sinken
unterbrochen wird, wenn ein neuerlicher Bluterguss stattgefunden
hat. — In der letzten, dem Tode vorangehenden Periode der Gehirn¬
erweichung findet das Steigen der Temperatur meist langsamer statt,
und ohne einen so hohen Grad zu erreichen, wie bei der Apoplexie.
Zahlreich sind die Beobachtungen über die Temperatur
beim epileptischenAnfall. Ich will mich darauf beschränken
zu bemerken, dass, wie ich auch selbst wiederholt zu beobachten
Gelegenheit hatte, bei dieser Art von Anfällen, ohne dass sich
ein initiales Sinken bemerken liesse, die Temperatur gleich zu
steigen beginnt, selten 38° bis 38*5° überschreitet, 1 / 4 bis 1 / a Stunde
nach dem Anfall zu sinken anfängt, und nach 4 bis 10 Stunden
die Norm wieder erreicht. Aehnlich ist auch der Verlauf bei den
eclamptischen und bei den hystero-epileptisehen
Anfallen.
Bei jener ununterbrochenen Reihe rasch aufeinander folgen¬
der Anfälle, welche wir als Status epilepticus bezeichnen,
kann die Temperatur nach dem einzelnen Anfalle nicht sinken,
weil der nächste bereits wieder den Anstoss zu einem neuer¬
lichen Steigen gibt; sie steigt vielmehr während der Dauer der
Anfälle mitunter auf 40° bis 41°, und sinkt erst nach deren Er¬
löschen wieder. Nicht selten gehen aber die Kranken später,
nach einigen Tagen, an den Folgen des Status epilepticus zu
Grunde; der ungünstige Ausgang wird durch ein neuerliches
Steigen der Temperatur eingeleitet. Wir werden später Gelegenheit
haben, einen ganz ähnlichen, wenn auch nicht streng hierher
gehörigen Fall genauer zu besprechen.
In die Reihe der nervösen Anfälle gehört auch der so¬
genannte uraemisohe Anfall.
Gehen die Kranken während des uraemischen Anfalles oder
wenigstens sehr bald darnach zu Grunde, so macht sichnach Bourne-
ville ein sehr rapides Sinken der Körpertemperatur bis 32°,
30°, ja selbst 28’1° bemerkbar. Erholen sich die Kranken wieder,
dann ist der Verlauf der Temperaturschwankungen ein anderer
und zeigt die grösste Aehnlichkeit mit den bei der Gehirn¬
haemorrhagie besprochenen Verhältnissen.
Ich will einen solchen Fall etwas genauer mittheilen. Eine
nicht gut genährte, an Verrücktheit leidende Dame von 35 Jahren
klagte im October 1879 wiederholt beim Spazierengehen über
Schwäche in den Beinen, sank sogar manchmal zusammen, ohne
dass sich dafür ein genügender Grund auffinden Hess. Am 3. No¬
vember stellten sich zuerst Oedeme an den unteren Extremitäten
besonders linkerseits ein, welche mitunter abnahmen, aber bald
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wiederkehrten, und sich gelegentlich auch auf die obere Körper¬
hälfte verbreiteten. Es konnte nur eine unbedeutende Mitral-
insufficienz constatirt werden; im Harne fanden sich weder
Eiweiss noch Cylinder. Gegen Ende December nahm die Diurese
rasch ab, zugleich konnten die ersten Spuren von Eiweiss nach¬
gewiesen werden. Anfangs Jänner d. J. sank die tägliche Urin¬
menge auf ca. 100 ccm., heftiges, anhaltendes Erbrechen stellte sich
ein, grosse Prostration, Athembeschwerden. Puls 100 bis 120.
Unter dem Gebrauche von Digitalis und Kali aceticum
stieg die Urinmenge, es konnte die Nahrung wieder besser ver¬
tragen werden, der Eiweissgehalt des Urins nahm ab. (Urin¬
menge am 13. Jänner 500 ccm., 14. J. 700 ccm., 15. 1000 ccm.,
16. 1250 ccm.) Der letztgelassene Urin zeigte plötzlich eine
enorme Menge von Eiweiss und sehr viele Harncylinder. Am
17. Jänner stockte die Urinsecretion vollständig. Starke Kopf¬
schmerzen, wiederholtes, nicht zu stillendes Erbrechen, Abends
plötzlich eintretende Amaurose und am Morgen des 18. Jänner
um 5 Uhr stellte sich ein sehr heftiger Krampfanfall ein, welcher
mit abnehmender Intensität durch beinahe zwei Stunden an¬
dauerte. Allgemeine klonische und tonische Krämpfe befielen
sämmtliche Körpermuskeln, besonders die der linken Seite, Kopf
und Augen wurden nach links gezogen.
Seitdem blieb das Sensorium immer mehr oder minder
benommen, die Kranke wurde in den nächsten Tagen aller¬
dings wieder frischer, allein das Erbrechen kehrte häufig wieder,
so dass eine combinirte Ernährung auf natürlichem Wege und
durch Klysmen (englisches Pepton) eingeleitet werden musste.
Diarrhoeen, Athmungsbeschwerden, zunehmende Mattigkeit und
Abmagerung. Die Oedeme wechselten ihren Ort und ihre Intensität.
Interessant ist es, dass seit dem Anfalle Aphasie vorhanden
war, die Kranke hatte alle, oder wenigstens die meisten Sub-
stantiva vergessen, sie nannte alle Gegenstände „sicher“ oder
„Hand“. Auch Nystagmus bestand fort.
Am 11. Februar erlag die Kranke, wobei zu bemerken
ist, dass der Tod nicht die Folge des urämischen Anfalles war.
Was nun die Temperatur anbelangt, so wurde am Morgen
gleich nach dem Anfalle mit den Messungen begonnen und die¬
selben dreimal des Tages vorgenommen. Die gewonnenen Zahlen
sind folgende:
Morgens
Mittags Abends
Morgens
Mittags
Abends
18. Jänner
37 2
368
38*8
23 Jänner
372
37 6
37*7
19
n
37-8
383
38.2
24. „
37*6
37*8
37*7
20
p
38*2
38*7
38-9
25. „
37-0
37.6
37*5
21.
n
38*2
38*3
38*8
26. ,
37-8
370
37*4
22.
n
37*5
37*4
37*8
Yon
nun an bietet
die Temperatur kein besonderes Inter
esse mehr, sie schwankt fortwährend zwischen 37 0 und 37*7,
ohne einen bestimmten Typus einzuhalten.
Betrachten wir die obige Tabelle, so sehen wir bis zum
Mittag des ersten Tages ein Fallen der Temperatur (36*8), hier-
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160
auf aber bis Abends ein rapides Steigen um 2° (38*8). In den
folgenden drei Tagen hält sich die Temperatur fast ausnahms¬
los über 38° (bis 38*9) und kehrt am vierten Tage wieder auf
37*5° zurück, um von nun an 37.8° nicht mehr zu übersteigen.
Wir sehen also einen Verlauf der Temperaturcurve vor uns,
welcher fast völlig mit dem für den apopiectischen Anfall ange¬
gebenen übereinstimmt. Initiales Sinken, im zweiten Stadium
erhöhte schwankende Temperatur und endlich Zurücksinken
innerhalb die normale Breite.
Dass hier nicht ein wirklicher haemorrhagischer Anfall
vorliegt, braucht wohl nicht ausdrücklich erwähnt zu werden.
Wir konnten also, sobald wir kein weiteres Sinken der
Temperatur, nachdem sie 36*8° erreicht hatte, fanden, mit
grosser Wahrscheinlichkeit erwarten, die Kranke diesmal am
Leben zu erhalten. (Schluss folgt.)
Die General-Versammlung der Witwen- und Waisen-
Societät
des Wiener medicinischen Doctoren-Collegiums
fand am 26. April 1880, Abends 7 Uhr, im akademischen Senats¬
saale der k. k. Universität unter dem Vorsitze des Präses Dr. Th. Juri6
in Anwesenheit des Präsidenten des Wiener med. Doct.-Coll. Dr. Ritter
y. Schmerling und vieler Mitglieder der Societät statt.
Der Vorsitzende eröffnete die Sitzung, nachdem er die Anwesenden
begrüsst hatte, mit dem Nachweise, dass diese Plenar-Versammlung
den Statuten gemäss rechtzeitig in der „Wiener Zeitung“ vom
4. April d. J. ausgeschrieben und die mit dem Programm versehenen
Einladungen sämmtlichen Herren Mitgliedern zugesendet worden sind
und brachte sodann das Protokoll der Plenar - Versammlung vom
17. März 1879 durch den Actuar der Gesellschaft Herrn Dr. Gerstel
zur Verlesung. Hierauf las er folgenden Bericht über die
Geschäftsführung, den Personal- und Vermögensstand
der Societät im Jahre 1879.
Hochgeehrte Herren Collegen!
Nach Ablauf eines Jahres habe ich wieder die Ehre, Ihnen
über die Thätigkeit der Direction und des Ausschusses unserer
Gesellschaft, über ihre Verwaltung und die Ergebnisse derselben im
Jahre 1879 Bericht zu erstatten.
Auch in diesem Jahre konnte sich unsere Gesellschaft den
Einwirkungen und den Folgen der allgemeinen unglückliohen wirt¬
schaftlichen Krisis bei aller Vorsicht nicht entziehen; gleich dem
Jahre 1878, nahmen auch im jüngst abgelaufenen Verwaltungsjahre
die Erträgnisse unserer Realitäten, sowie der öffentlichen und Privat¬
capitalien verhältnissmässig ab. Leider scheint die Krisis noch nicht
beendet zu sein.
Mit wenig Worten kann unsere Situation in Folgendem ge¬
schildert werden: In unseren Häusern mussten die Zinse ermässigt
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151
und die Auslagen für Reparaturen und Herstellungen wegen. der
grossen Anforderungen der Parteien erhöht werden.
Nur sehr spärlich und mit grosser Mühe wurden neue gute
Privathypotheken gegen Zinsermässigung aufgetrieben, während alte
Hypotheken gekündigt oder für dieselben die Herabsetzung der
Interessen verlangt und zum Theile auch bewilligt wurde.
Man musste daher, um die Fructificirung unserer Capitalien zu
ermöglichen, zum Ankäufe von öffentl. Obligationen schreiten, deren
Curse conse quenterweise steigen mussten. Dazu kam noch, dass von
den öffentlichen Papieren neuerlich auch für die früheren Jahre Ein¬
kommensteuern gefordert wurden, so dass fast stets Recurse gegen
diese Anforderungen bei den Finanzbehörden im Zuge sind.
Der Ankauf von Realitäten war nicht einladend bei den
hohen Steuern, der uns belastenden Aequivalentengebühr und den
immer mehr sinkenden Mietzinsen.
Aber auch die allgemeinen Anforderungen wurden immer grösser,
indem i. J. 1879 wieder 9 neue Witwen zu wuchsen, und nur 2 abfielen.
Während im Jahre 1878 von unseren Mitgliedern l 1 / 2 °/ 0
starben, erhöhte sich im Jahre 1879 dieses Sterbepercent auf 2°/o,
wodurch sich die Anzahl der Witwenpensionen bei einem Stande
von 357 Mitgliedern auf 104 erhob, was ein jährliches Erforderniss
von 62.400 fl. ausmacht. Es kommt sonach auf 26Vs Mitglieder
1 Witwe, — im Jahre 1878 kam auf 28 1 /* Mitglieder 1 Witwe.
Wie schon früher erwähnt, wurde das Zinserträgniss der
Realitäten bedeutend geringer, alle 4 Häuser warfen nur 45.811 fl.,
d. i. 4*56°/ 0 ab, während sie in dem Jahre 1876 5-55°/o> im
Jahre 1877 5*38°/o und im Jahre 1878 5*05°/ 0 trugen.
Was die einzelnen Häuser betrifft, so trug das Stadthaus, im
Werthe von 387.396 fl., im Jahre 1878 netto 19.053 fl. = 4 , 92°/o
und im Jahre 1879 nur 16.788 fl. = 4 1 /3°/o-
Das Haus Nr. 51,111.Hauptstr., im Werthe von 291.844 fl, trug
i. J. 1878 12.040 fl. =-417% und i. J. 1879 11.934 fl. -=4*09°/ 0 .
Das Haus in der Engelgasse Nr. 1, im Werthe von 185.516 fl.,
trug i. J. 1878 7958 fl. = 4*30°/ o und i. J. 1879 7247 fl. - 3-90°/ 0 .
Endlich das Haus Nr. 8 in der Salesianergasse, im Werthe
von 142.000 fl., trug im Jahre 1878 11.626 fl. = 8*18°/o und im
Jahre 1879 9837 fl. = 6«/ 7 °/o-
Im Jahre 1879 wurden 38 Gesuche um Zinsnachlässe ein¬
gebracht und meistens zu Gunsten der Parteien erledigt.
Unsere Privatcapitalien, fast sämmtlich mit doppelter Pupillar¬
sicherheit, betrugen Ende 1878 500.204 fl. und gaben an Interessen
29.670 fl. = 6 44°/ 0 . Im Jahre 1879 wurden dargeliehen 13.800 fl.,
rückgezahlt wurden 106.407 fl., somit. Abfall 92.607 fl., sohin Rest
407.596 fl. und gaben an Interessen 26.164 fl. - 6.40°/o*
Die öffentlichen Obligationen betrugen am letzten December 1878
507.300 fl. Ankaufswerth und trugen Interessen 21.780 fl. = 4'72°/ 0 .
Im Jahre 1879 wurden angekauft an Schatzscheinen, Papier*
renten und Bankpfandbriefen 205.000 fl. im Ankaufspreise per
161.500 fl.; gezogen wurden und in Abfall kommen 5250 fl., somit
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152
Ende 1879 Rest im Nominalwerthe 737.050 fl.,Ankaufswerth 618.271 fl.,
Cnrswerfch 646.727 fl., somit Gewinn 22 456 fl. nnd Differenz
zwischen Nominal- und Curswerth 56.729 fl.; sie trugen an Interessen
24.759 fl. -= 4V;o.
Das Gesammtvermögen betrug am letzten December 1879 :
An Effecten . 737.050 fl.
Darlehen. 407.596 „
In der Escomptebank . . . 10.113 „
An Realitäten . 1,001.732 „
„ Baarschaft. 376 „
zusammen . . 2,156.867 fl.
Gegen das Jahr 1878 ergab sich ein Plus von 180.958 fl.
Nominal und ein Empfangsüberscbuss von 56.729 fl.
Im Jahre 1879 hatten wir 203 Eingaben zu erledigen, 19 Aus¬
schusssitzungen, 1 Plenarversammlung, 9 Statuten-Comitd- und 6 Haus-
Co mi t.4- S i tzungen.
Mit Herrn Prof. Hessler hatten wir theils mündlich, theils
schriftlich in Statutenangelegonheiten 15mal conferirt.
Bei den 2 Scontrirungen der Cassen und Bücher wurde von
den drei Commissären Alles in bester Ordnung befunden.
Sämmtliche Hauskauf-Anträge wurden nach gründlicher Unter¬
suchung und Erwägung abgelehnt; ebenso wurden zurückgewiesen
18 Ansuchen um Darlehen als unsicher.
In die Societät wurden aufgenommen 21 Doctoren.
Es starben 7 Mitglieder, und zwar die Herren DDr. Hornung,
Schiffner, Schwarzl, Wilhelm Mayer, Klob, Oesterreich e r
und Wegscheider. — Herr Dr. Z i 11 n e r ist freiwillig ausgetreten.
Am 1. Jänner 1879 waren 343 Mitglieder, Abfall 8, Zuwachs 21,
somit Stand am 1. Jänner 1880 357.
Im 1. J. (1880) wurden bis heute, schon 11 Doctoren als Mit¬
glieder aufgenommen.
Am 1. Jänner 1879 waren Witwen und Waisen 92. Es starben
die Witwen Puffer und Böhm, zugewachsen sind 7 Witwen durch
Tod der Mitglieder und 2 durch Tod des zweiten Gatt>en.
Die 5 Waisengruppen blieben dieselben, sohin sind 104 Pen¬
sionisten zu versorgen.
Im Jahre 1880 sind bisher schon gestorben die Herren DDr.
Stocklöw, Gagstatter und Auspitz, mithin sind 3 Witwen
zugewachsen.
Im abgelaufenen Jahre wurden sämmtliche Vermögensbücher neu
aufgelegt und zweckmässiger und übersichtlicher eingerichtet.
Die namhafteste und schwierigste Arbeit dieses Jahres wurde
endlich vollendet und liegt im Entwürfe in Ihren Händen, und Sie
werden die Güte haben, hierüber bald Ihr Urtheil abzugeben.
Doch dieses möge ausfallen, wie es wolle; es gebührt jeden¬
falls der aufopfernden Thätigkeit und dem unermüdlichen Eifer des
Statuten-Comites, besonders den Herren DDr. Schneller und
Grub er, der wärmste Dank der Gesellschaft.
Ebensolchen Dank verdient auch ganz vorzüglich Herr Prof.
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153
Hes s 1 er, welcher nicht blos die grosse Einzahlungstabelle berechnete,
sondern auch uns bei dem Entwürfe des Statuts selbst mit seiner
Erfahrung als Fachmann eifrigst an die Hand ging.
Ich glaube nun, dem Wunsche des Ausschusses nachzukommen,
wenn ich Sie bitte, als Zeichen des Dankes für diese Herren sich
von Ihren Sitzen zu erheben.
Aber auch die Mitglieder Ihres Ausschusses, sowie besonders
die Eunctionäre Hopfgartner und Gerstel verdienen Ihre vollste
Anerkennung, indem sie nicht blos in den gewöhnlich sehr lange
dauernden und häufigen Sitzungen vollzählig erschienen, sondern
auch durch ihre Aufmerksamkeit, Mühe, Sachkenntniss und Erfahrung,
die sie hierbei entwickelten, manchen vielleicht wichtigeren Versamm¬
lungen zum Muster dienen konnten. Auch diesen Herren, bitte ich,
Ihren Dank zu zollen durch Erheben von den Sitzen.
Die Anwesenden kamen dieser Aufforderung sofort nach und
sprachen auch über Antrag des Herrn Primararztes Dr. Zsigmondy
dem Herrn Präses Dr. J u r i ö einhellig ihren Dank aus.
Auf Grund des nun vom Cassier, Dr. Hopfgartner verlesenen
Protokolls der Bechnungs-Censoren, laut welchem diese dem Bechnungs-
leger die Ertheilung des Absolutoriums beantragen, wird dieses ein¬
stimmig ertheilt und ebenso der vom Ausschüsse bereits gutge¬
heissene Voranschlag für das Jahr 1880, der den Herren Mitgliedern
zugleich mit der Einladung bekanntgegeben wurde, genehmigt;
schliesslich auch der Antrag des Ausschusses, die von Prof. H e s s 1 e r
herausgerechnete Pension auf600 fl. festzusetzen, einhellig angenommen.
TJeber eine Anfrage des Herrn Dr. Schn epp, ob die Pension
nach der Annahme des neuen Statutenentwurfes erhöht werden
könne, erwidert der Vorsitzende bejahend; eine weitere Anfrage
desselben Collegen, ob die Pension nach Annahme der neuen Sta¬
tuten unter 600 fl. fallen könne, wird dahin beantwortet, dass
dies rechnungsgemäss nach menschlicher Voraussicht nicht möglich sei.
Hach Erledigung all dieser Programmpunkte einer gewöhnlichen
General-Versammlung der Societät wurde auf den wichtigsten Gegen¬
stand übergegangen, der an diesem Abend noch in Verhandlung
kommen sollte, nämlich auf die Berathung über den vom Ausschüsse
vorgelegten, bereits gedruckten Statutenentwurf.
Beferent Dr. Hopfgartner weist darauf hin, dass durch die
Organisation der akademischen Behörden mit dem Gesetze vom
27. April 1873 die Doctoren-Collegien aus dem Verbände der Uni¬
versitäten ausgeschieden wurden und die Witwen-Societät des Doct.-
Coll. der medicinischen Facultät durch den hiedurch bedingten Ausfall
an Facultäts - Matrikeltaxen und Ueberschüssen der sogenannten
Decanatsgelder, Promotions-, Sponsions- und Approbationstaxen eine
Einbusse von circa 10.000 bis 11.000 Gulden jährlich erlitten.
Die General-Versammlung dieser Societät hat daher am 5. Juni
1873 zur Deckung dieses Ausfalles beschlossen, eine Erhöhung der
Einzahlungen vorzunehmen und zu diesem Behufe die nöthigen
mathematischen Berechnungen von Bechnungs - Sachverständigen zu
veranlassen; da dies jedoch längere Zeit erfordert, so wurde weiters
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154
beschlossen, bis zur definitiven Regelung der Eintrittsgebühren die
Eintrittstaxe und den Jahresbeitrag provisorisch zu verdoppeln.
Das hohe Ministerium des Innern hat laut Erlasses vom 26. Juni
1873, Z. 11057 im Einvernehmen mit den betheiligten Ministerien dem
bezüglichen Ansuchen der Witwen- und Waisen-Societät gewährende
Folge gegeben und werden die Eintrittstaxen bis nun in dem er¬
höhten Ausmasse eingehoben.
Es haben seit dem Jahre 1862 mit zeitweisen Unterbrechungen
Berathungen über vorzunehmende Abänderungen in dem Statute
stattgefunden und wurden Prüfungen des Yermögensstandes durch
die rechnungssachverständigen Professoren DDr. Heger und Kolbe
vorgenommen und beide haben auch principielle Abänderungen der
Statuten, namentlich auf Auflassen des bestandenen sogenannten
unantastbaren Stammfon des (§§ 16 und 17 der bisherigen Statuten)
angetragen, um die Tarife nach einer dem heutigen Stande des Ver¬
sicherungswesens und der mathematischen Wissenschaft entsprechenden
Weise berechnen zu können.
Um nun diesen principiellen Forderungen Genüge leisten zu
können, beschloss der Ausschuss die Umwandlung des Stammfondes
und des disponiblen Fondes in einen Pensions- und Reservefond, und
betraute den Herrn Prof. Hessler mit der Berechnung des Tarifs
unter Zugundelegung eines 4°/ 0 Zinsfusses, um dem Institute für
immerwährende Zeiten eine ausreichend sichere Basis zu bewahren.
Professor Hessler, eine anerkannte Capacität im Rechnungs¬
fache und Autorität im Versicherungswesen, hat sich dieser mühe¬
vollen und zeitraubenden Arbeit mit der grössten Bereitwilligkeit
unterzogen und ist dem mit der Vorberathung des Statuten ent wurfes
betrauten Comite, welches nebst dem Präses Dr. Jurie aus den
DDr. Hopfgartner, Gerstel, OSR. Schneller, A. Gruber
und Friedrich Gauster bestand, auch bei der Berathung der ein¬
zelnen Paragraphe des Entwurfes mit seiner Erfahrung zur Snite
gestanden, so wie die Rechtsconsulenten Dr. v. Aichenegg und
nach dessen Tode Dr. Josef Kellner den Entwurf vom juridischen
Standpunkte aus begutachtet haben.
Als nach so langjähriger unverdrossener Arbeit der gegenwärtig
gedruckte Statutenentwurf am 30. December 1879 endlich versendet
werden konnte, wurden die geehrten Herren Mitglieder der Societät
ersucht, denselben mit Aufmerksamkeit zu prüfen und ihre Bemerkun¬
gen darüber nebst etwaigen Abänderungsvorschlägen bis 15. Februar
1880 an die Societätskanzlei einzusenden, damit der Ausschuss
in die Lage komme, dieselben zu prüfen und zu den beantragten
Amendements Stellung zu nehmen, um sonach der Generalversamm¬
lung ein mit der Billigung aller P. T. Societätsmitglieder versehenes
Elaborat unterbreiten zu können.
In Folge dieser Aufforderung sind von den DDr. Heim und
A. Gruber in Wien, Mysz in Hermannstadt, Th. Müller in
Bregenz, S u m in Teltsch, T ö t h in Nagy-Banya, W ellenthal
in Bruck a. d. Mur und Wolfsgruber in Gmunden Abänderungs¬
vorschläge eingelangt. Der Wortlaut dieser Vorschläge sammt den
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155
YOn dem StatutencomiO dagegen erhobenen Bedenkea wurde in Nr. 6
der „Mittheilungen des Wr. med. Doct.-Coll. a vom 11. März abge¬
druckt und so den Mitgliedern der Societät bekanntgegeben.
Der Ausschuss hat bei der aus Anlass dieser Abänderungs¬
vorschläge vorgenommenen nochmaligen Durchberathung des Statuten¬
entwurfes einige meist den Sinn der betreffenden Faragraphe genauer
präcisirende Abänderungen als zweckmässig anerkannt, welche als
Anträge zur Abänderung des Entwurfes der in Rede stehenden Statuten
in der Sitzung des Ausschusses am 15. April d. J., Z. 80 beschlossen,
und mit der Einladung zur heutigen Generalversammlung den F. T.
Mitgliedern der Societät bekanntgegeben wurden. Schliesslich empfiehlt
Referent der Generalversammlung diesen mit unsäglicher Mühe zu
Stande gekommenen Entwurf zur Annahme und beantragt das Ein¬
gehen in die Debatte.
Dr. Frey stellt mit Rücksicht darauf, dass dieser Entwurf
bereits seit Wochen in Händen der Mitglieder sich befindet, ferner
die gewünschten Abänderungen auch bereits berücksichtigt und be¬
kanntlich die Berathungen im Ausschüsse sehr eingehend gepflogen
wurden, den Antrag, von der Verlesung des Entwurfes Umgang zu
nehmen und empfiehlt die en bloc-Annahme desselben.
Die DDr. Eisenschitz und W i e s i n g e r wünschten
einige Aufklärungen über die §§ 11, 17, 18 und 26, betreffend die
Häuserwerth-Abschreibungen, die statutarisch mögliche Pensions-
erhöhung, die Verhältnisse freiwillig Ausgetretener und die Zulässig¬
keit von Amendements zu auf der Tagesordnung stehenden Anträgen.
Nachdem diese Aufklärungen zur Befriedigung der Anfragenden
vom Vorsitzenden ertheilt worden sind und der anwesende Frä¬
sident des Wr. med. Doct.-Coll. Dr. v. Schmerling gegen die
Annahme des vorgelegten Statutenentwurfes eine Einwendung nicht
erhoben hat, wird die von Dr. Frey beantragte en bloc-Annahme
des Statutenentwurfes mit den vom Ausschüsse beant¬
ragten Abänderungen einstimmig zum Beschlüsse erhoben.
Dr. A. G r u b e r stellt nun noch den Antrag, den Ausschuss
zu ermächtigen^ falls von der hohen Behörde minder wesentliche,
nicht principielle Abänderungen gewünscht werden, diese
im Namen der Plenarversammlung der Societät endgiltig beschlossen
zu dürfen. — Auch dieser Antrag wird einhellig angenommen.
Schliesslich beantragte Dr. Fürth, dem Präsidium und dem
Ausschüsse für deren ungemein eifrige Mühewaltung und aufopfernde
Thätigkeit bei Berathung des vorgelegten Entwurfes den Dank der
Societät auszusprechen, was auch einstimmig geschah.
Bei den am Schlüsse der Sitzung noch vorgenommenen Wahlen
wurden die DDr. OSR. Schneller und R e i 11 e r als Mitglieder
des Ausschusses und die DDr. Klein und Spitzmüller als
deren Ersatzmänner wiedergewählt.
Notizen.
Persoualien. Dr. Friedrich Bernheim wurde im Bezirke Reindorf
bei Wien zum Armenarzt bestellt. — Der Primararzt der ohirurg. Abtheilung
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156
am öffentlichen Bezirksspitale in Seohshaus, Dr. Richard von Stradiot,
wurde zum ärztlichen Leiter (Direotor) dieser Anstalt ernannt.
Witwen- and W&isen-Societfit des med. Doct-Coll. Bei dem Umstande,
dass der Entwurf neuer Statuten dieser Societfit in der jüngsten Generalver¬
sammlung einhellig angenommen worden ist, werden die dieser Societfit nicht
ungehörigen Doctoren in ihrem eigenen Interesse eingeladen, die wahrscheinlich
kurze Frist, welche bis zur behördlichen Genehmigung der neuen, höhere
Einzahlungen normirenden Statuten nooh verstreichen wird, zu benützen, ihren
Eintritt baldigst zu vollziehen.
Sterbeiall. Am 11. d. M. starb eines der ältesten Mitglieder des ehe¬
maligen Doct-Coll. der med. Faoultfit, Dr. L. Bernheim, eingentlioh Bettel¬
heim (wurde durch k. k. Hofkanzlei-Decret vom 1. Mfirz 1836, Z. 973 ermäch¬
tigt, den zweiten in den ersten Namen umzuändern) war i. J. 1804 zu Press¬
burg in Ungarn geboren, am 26. Juli 1830 in Wien zum Med. Dootor promovirt
und im Jahre 1834 in die Faoultfit aufgenommen. Wenn er auch dem umge¬
stalteten Coli, wegen vorgerücktem Alters nioht mehr beigetreten ist, so stand
er doch in dem Kampfe um Sein oder Nichtsein des Doot.-Coll. immer an der
Seite D erer, die für den Fortbestand desselben eintraten. — Ruhe seiner Asche!
Wohnnngsveränderongen. Dr. L atzel wohnt jetzt VIII., Florianigasse 1.
—* Dr. Kramer Emauuel, IV., Hauptstrasse 54 (ord. 2 bis 3).
Animale Vaccination. Im Aufträge des h. Ministeriums des Innern
wurden bekanntlich bei der vorjährigen öffentlichen Impfung in Wien mit
einer aus dem Impfinstitute des Herrn Hay unter ämtlicher Controle
abgenommenen Vaocine Massen-Impfungen angestellt, welche nach dem Votum
des n. ö. Landes-Sanitfitsrathes in Bezug auf Haftbarkeit und Haltbarkeit
der Kfilber-Lymphe sehr zufriedenstellende Resultate lieferte. Mit trookener
animaler Lymphe, die bis über 2 Monate in amtlioher Verwahrung gehalten
worden war, wurde eine Haftung von 92% erzielt.
Zur Beachtung . Da nach § 7 Alinea 3 der Statuten
die Jahresbeiträge in den ersten 3 Monaten des laufenden Jahres
einzuzahlen sind, so werden jene Herren Collegen, welche mit
Ihrem Beitrage für das Jahr 1880 per 5 fl. noch im Rück¬
stände sind, höflichst ersucht, denselben baldmöglichst zu entrichten.
Desgleichen werden auch jene Herren Mitglieder des Unter¬
stützungs-Instituts, welche ihren Jahresbeitrag per 6 fl. für das
Jahr 1880, der nach § 6 der Statuten im Monate Jänner zu
berichtigen ist , in ihrem eigenen Interesse höflichst ersucht, den¬
selben baldigt an die Kanzlei des Wr. med. Doct-Coll. (/, Rothe -
thurmstrasse 23) gelangen zu machen , was am einfachsten und
sichersten mittelst Postanweisung geschehen kann.
Einladung
zu der am Montag den 24. Mai, Abends 7 Uhr, im Sitzungssaale
des akademischen Senates (vormals Consistorialsaal),
I. 8onnenfelsgasse 23, stattfindenden
wissenschaftlichen Versammlung.
Programm:
1. Vorstellung von Kranken.
2. Demonstration zweier pathologischer Gehirne vom Universitäts-Dooenten,
Dr. Hans Chiari, Prosecter an der Krankenheilanstalt Rudolf-Stiftung.
3. Ueber die chirurgische Behandlung der Hoemorrhoidalknoten, Vortrag
vom Universitfit-Dooenten Herrn Dr. Gustav J u r i 4.
Dr. v. Schmerling, Präsident. Dr. Karl Reitter, Secretfir.
Herausgeber und Verleger: Wiener medicin. Doct-Coll. — Verantwortlicher Redacteur:
Dr. L. Hopfgartner. —* Gesellschafts-Buchdruokerei, Wien, 111. Rrdbergerstrasse 3.
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VI. JBd. Ausgegeben am 3. Juni 1880. Ir. 13
MITTHEILUNGEN
des
Wiener iiiitiiiitiii Doclorep-Gollesiums. /
JSraoheint jeden «weiten Donnerstag ein halber bis ein ganser Bogen and darüber t an
10 Bogen im Jahre. — Gansj&hriges Abonnement für Niohtmitglieder des Oolleg^ums im In¬
lande 8 fl M nach dem Auslände 6 Mrk. — Binseine Nummern 16 kr. == 60 Pfg. — Inserats
16 kr. = 80 Pfg. für die durchlaufende Petit-Zeile.
Mau pränumerirt in der Medicin. Buchhandlung Toeplitz öl Deutieke
(vormals Karl Ciermak), Wien, L, Schottengaase 6.
Zuschriften and Zasendnngen an die Kedaction: Wien, Kanzlei des Wiener aed.
Doct-Coll. and der Witwen- and Waisen-Societät, ftothentharmstrasse 23.
Inhalt: lieber die prognostische Bedeutung der Körpertemperatur in Nervenkrankheiten,
Vortrag des Herrn Dr. H. Obersteiner junior. (Schluss.) — Aus dem Geschftftsrathe. *—
Aufruf. — Notizen. — Warnung.
Ueber die prognostische Bedeutung der Körper¬
temperatur in Nervenkrankheiten.
Von Dr. Heinrich Obersteiner, Universitäts-Dooent.
Vortrag, gehalten in der Sitzung des Wr. med. Doot.-Coll. am 3. Mai 1880.
(Schluss.)
Ich wende mich nun zu einer Gruppe von Anlallen, welche
den Irrenärzten sehr geläufig ist, von den praktischen Aerzten
im Allgemeinen aber nicht genauer gekannt wird, zu den
paralytischen Anfällen.
Die paralytischen Anfälle bilden ein Symptom, welches
bei der Dementia paralytica selten, vielleicht sogar niemals
fehlt. Ich will mich hier nicht weiter in die Beschreibung dieser
Anfälle einlassen, es genüge, zu bemerken, dass dieselben in
den verschiedensten Formen (epileptischer, apoplectischer, tetani-
scher, kataleptischer Anfall, Schwindel u. dgl.) und in den ver¬
schiedensten Perioden der Krankheit auftreten können. Ebenso
ist ihre Anzahl sehr verschieden, bei manchem Kranken gelingt
es während des ganzen Verlaufes der Krankheit kaum einen
einzigen Anfall mit Sicherheit nachzuweisen, bei anderen wieder
sind sie relativ häufig, um endlich in noch anderen Fällen so
rasch aufeinanderzufolgen, dass ein dem Status epilepticus
analoger Status paralyticus entsteht. Ueber die Körpertemperatur
der Paralytiker besitzen wir bereits eine grössere Reihe genauer
Beobachtungen, von denen ich aus der letzteren Zeit besonders
die von Reinhard („Die Eigenwärme in der allgemeinen pro¬
gressiven Paralyse dez Irren“. [„Arch. f. Psychiatrie“, X. ßd.]
und die von Krömer („Temperatur-Beobachtungen bei paraly¬
tischen Geisteskranken“ [„Allgem. Zeitschrift für Psychiatrie“,
XXXVI. Bd.]) hervorheben will.
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158
Ich verfüge selbst über eine Reihe von Temperatur-
messungen an Paralytikern und will einige der für uns werth¬
volleren hier erwähnen.
Bevor ich einen speciellen Fall bespreche, muss ich be¬
merken, dass sich die Temperaturcurve der paralytischen Geistes¬
kranken in den verschiedenen Stadien der Krankheit nicht gleich
verhält, doch glaube ich nicht, dass die fremden, wie meine
eigenen Beobachtungen hinreichen, um in dieser Beziehung
bereits ein bestimmtes Gesetz aufzustellen. — Es verdient her-
vorgehoben zu werden, dass, und zwar besonders in den spä¬
teren Stadien, die Abendtemperatur sich nicht unbedeutend,
mitunter bis 1°, über die Morgentemperatur erhebt. Ausserdem
finden wir aber, dass die Körperwärme der Paralytiker, ab¬
gesehen von den erwähnten Tagesdifferenzen, sich vorüber
gehend beträchtlich über die Norm erhebt, manchmal auch unter
diese sinkt.
Für diese Temperatursteigerungen lässt sich nicht selten
die Ursache nicht auffinden; häufig liegt sie in einer grösseren
psychischen Erregung der Kranken und wieder in anderen Fällen
in den erwähnten paralytischen Anfallen.
Ich will nun eine durch längere Zeit fortgesetzte Tem¬
peratur-Beobachtung bei einem solchen Kranken theilweise mit¬
theilen, und wähle dazu die letzten 5V 2 Wochen.
Dass ich gerade diesen Fall als besonders instructiv an-
sehe, hat seinen Grund in dem Verhalten des Kranken. Der¬
selbe befindet sich nämlich im vorgeschrittensten Stadium der
Paralyse (die Krankheit nahm vor sechs Jahren ihren Anfang);
er liegt fortwährend zu Bette, seine psychische Thätigkeit ist
gleich Null, es fehlt also jede Gelegenheit zu körperlichen oder
geistigen Erregungen. Hingegen treten epileptiforme Anfälle
sehr häufig auf, sie kehren beispielsweise in der letzten Zeit
beinahe alle Wochen wieder, setzen zwar manchmal längere
Zeit aus, wiederholen sich aber dann nur desto häufiger.
Es ist daher zu erwarten, dass die Temperaturschwan-
kungen, denen wir bei ihm begegnen, fast ausschliesslich auf
Rechnung der paralytischen Anfalle zu schieben sind.
Morgens Abends
Morgens Abends
1
Morgens Abends
17.
März
36 8
37*0
31.
März
36 5
37 0
14. April
36*3
36*4
18.
n
37*1 A
38-4
1 .
April
36-3
37*0
15.
»
36*6
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19.
V
36-8
37-3
2.
n
36*8 A
87*0
16.
n
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36-7
20.
»
86-7
37*5
3.
r>
36-5
37*0
17.
n
36-9
37 7
21.
n
36*7
37.5
4.
n
36-5
871
18.
n
37*3
37*6
22.
Yi
370
37-2
5.
n
37 5
377
19.
n
37 2
372
23.
n
36*5
36-5
6.
»
37*4
369
20.
r»
36*6
37*2
24.
n
36 2 A
37*3
7.
n
376
37*5
21.
n
36*4
37-1 A
25.
n
36*4
37*4
8.
n
36*9
36*9
22.
n
38-6
37*3
26,
n
36 8
37*0
9.
n
36*4
36-9
23.
n
36-6
371
27.
n
36-4
37*3
10.
n
36 6
36*5 A
24.
n
36-6
37-2
28.
n
36 5
37-2
11.
n
37*9
875
25.
n
36*8
37*4
29.
n
86*8
371
12 .
n
37*7
36*8
30
n
368
373
18.
u
36*6
36*8
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161
ipachen, welche mir, wenn ich auch darüber keine eigenen
Erfahrungen besitze, doch interessant genug erscheint, um kurz
erwähnt zu werden. Ich meine das ganz abnorm tiefe Sin¬
ken der Temperatur.
Wir wissen, dass durch den Alcoholgenuss die Wärme¬
abgabe im hohen Grade erleichtert wird; es sind daher zahl¬
reiche Fälle bekannt, in denen Betrunkene, welche entweder
ins kalte Wasser fielen oder längere Zeit auf der kalten Strasse
liegen blieben, eine sehr tiefe Temperatur darboten. Die merk¬
würdigsten der mir bekannten Fälle sind der von Nicolaysen
(24*7°) (N. M. F. Lägev. 1875) und einer der von Reineke im
XVI. Bd. des „Deutsch. Archiv f. klin. Medicin“ mitgetheilten
(24*0°). In beiden Fällen waren am nächsten Tage mit dem
Rausche auch alle anderen Erscheinungen verschwunden. Ebenso
tiefe und noch tiefere Temperaturen als die eben angegebenen
kommen, wenn auch selten, bei Geisteskranken vor. Es handelt
sich dabei gewöhnlich um sehr .herabgekommene tobsüchtige
Individuen, von denen übrigens viele Potatoren sind.
Bei einer Temperatur von nahezu 30° können sich diese
Kranken noch relativ wohl befinden, sinkt die Körperwärme
aber noch tiefer, dann pflegen sie, wenn auch nicht immer,
sehr rasch zu Grunde zu gehen.
Loewenhardt („Ueber eine Form von Manie mit tiefer
Temperatursenkung“ [,,Allg. Zeitschr. f. Psychiatrie“ 1868]) beob¬
achtete in einem Falle durch mehrere Wochen hindurch Schwan¬
ken der Temperatur zwischen 25° bis 35°, während in einem anderen
Falle die Körperwärme vor dem Tode bis 23-7° sank.
Unter der Einwirkung des Alcohols kann also ein vor¬
übergehendes Sinken der Temperatur bis auf 24° vertragen werden,
jene niederen Temperaturen, gegen 30° und tiefere, aber, welche bei
gewissen Geisteskranken gefunden werden, lassen immer eine
ungünstige Prognose stellen. Hier möge auch der Umstand Er¬
wähnung finden, dass infolge traumatischer Einflüsse gegen das
Centrainersensystem die Körpertemperatur mitunter enorm steigt,
ohne dass das Leben des Kranken dadurch gefährdet würde.
So erzählt Teale einen in Genesung ausgehenden Fall einer
traumatischen Spinalaffection, in welchem die Temperatur wieder¬
holt 50° (122° Fahrenheit) erreichte, und Little in Dublin hat
gegenwärtig eine Frau in Behandlung, welche bei relativem
Wohlbefinden nach einer Gehirnerschütterung eine Achselhöhlen¬
temperatur von 52° aufweist.
Meine Temperaturangaben beziehen sich alle auf Messungen
in der Achselhöhle. Wichtige Thatsachen ergeben sich aber
auch durch Vergleichung der Temperatur an verschiedenen
Körperstellen; doch würde mich ein Eingehen auf diese Frage
hier zu weit führen.
Ich will noch erwähnen, dass Oertmann auch vorge¬
schlagen hat, die Thermometerkugel beim Uriniren vor die Harn-
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162
röhrenöffnung zu halten; es genügte, die Kugel durch sieben
Secunden vom Harn umspülen zu lassen, um jene Maximaltem'
peratur zu erreichen, welche ein Thermometer im Rectum an¬
zeigt. (Ein e einfache Methode zur Messung der Körpertemperatur.
[„Pflüger’s Archiv XY1. Bd. a ]) Diese Methode von Oertmann lässt
sich allerdings nicht immer anwenden, ist aber unter Umständen
sehr bequem und, wie ich mich wiederholt überzeugt habe,
vollkommen verlässlich.
Ich kann zum Schlüsse nur nochmals hervorheben, dass
ich einzig und allein die Absicht hatte, an einigen wenigen
Beispielen nachzuweisen, wie gerade auf dem Gebiete der
Nervenkrankheiten das Thermometer dem praktischen Arzte in
vielen Fällen von grossem Werth ist.
Der zweite an diesem Abende nooh gehaltene Vortrag des Dr. Hajek
„Ueber die Urämie nach Scharlach“ wird in der nächsten Nummer folgen.
Aus dem Geschäftsrathe.
In der am 28. April unter dem Vorsitze des MR. Dr. P r e y ß s
begonnenen Sitzung, an welcher nebst Secretär Dr. Reitter
und 20 Mitgliedern des Geschäftsraths auch der dazu als Super¬
intendent der Mösing’schen Stipendien-Stiftung besonders geladene
Stadtphysikus Dr. Innhauser theilnahmen, referirte Letzterer
über die Bewerber des erledigten und zu verleihenden Stipendiums
per 84 fl. jährlich und schlägt, conform Abs. V des Stiftbriefes, den
in Ungarn gebürtigen Med. Cand. Jacob Neu mann zur Ver¬
leihung desselben vor, da er unter allen Bewerbern am weitesten
vorgeschritten ist, indem er schon das zweite medizinische
Rigorosum, und zwar mit dem Galcul „ausgezeichnet“ bestanden
hat. Der Geschäftsrath verleiht demnach den Genuss dieses
Stipendiums dem Vorgeschlagenen. Dann* wurden auf Anregung
des Vorsitzenden die Mitglieder der an den Präsidenten, Hofrath
v. Schmerling, zu entsendenden Gratulations-Deputation nominirt
und über Vorschlag des Secretärs die DDr. Robert Gersuni,
Operateur in Wien, Felix Veth in Aussee und Sebastian Huber
in Meran einstimmig als ordentliche Mitglieder in das Wr.
med. Doct.-Coll. aufgenommen.
Präsident Dr. v. Schmerling, der mittlerweile eingetreten
und den Vorsitz übernommen hat, sprach dem Geschäftsrathe
seinen Dank aus für dessen Antheilnahme an dem häuslichen
Unglück, welches ihn durch die plötzliche, schwere Erkrankung
seiner Gemalin betroffen hatte, und theilte beruhigend mit,
dass sich die Kranke bereits entschieden auf dem Wege der
Besserung befinde.
Secretär bringt zur Kenntniss, dass a) die Direction des
Kronprinz Rudolfs-Kinderspitals, sowie der Impfarzt und
Inhaber einer Kuhpocken-Impfanstalt, Herr M. Hay, die Jah¬
resberichte ihrer respectiven Anstalten pro 1879 übersandten;
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159
Das Auftreten eines Anfalles habe ich durch A bezeichnet,
und zwar bei Anfällen, welche im Laufe des Tages eintraten,
das Zeichen zwischen Morgen- und Abendtemperatur, bei nächt¬
lichen Anfällen hinter die Abendtemperatur gesetzt.
Zunächst macht sich das Ansteigen der Abendtemperatur
gut bemerkbar, sie bewegt sich fast immer über 37°, während
die Morgentemperatur diese Höhe nur ausnahmsweise erreicht.
Betrachten wir uns nun die Schwankungen, welche die
Temperatur durch die Anfälle erleidet. In die Zeit, welche
obige Tabelle umfasst, fallen fünf Anfälle, ganz constant sehen
wir die Temperatur nach denselben steigen und zwar meist
um mehr als einen Grad (bis 1*4°) Die Nachwirkungen des
Anfalles gehen aber bei unserem Kranken meist rasch vorüber,
in der Regel ist bereits nach 24 Stunden die Temperaturerhöhung
wieder völlig verschwunden.
Aber noch ein anderer Punkt verdient Beachtung.
Wenn wir von dem ersten verzeichneten Anfall (18. März)
absehen, so finden wir, dass vor den vier anderen 2—3 Tage
hindurch die Morgentemperatur langsam sinkt. Es bereitet sich
der Anfall gewissermassen mehrere Tage hindurch vor, so dass
ich wiederholt in der Lage war, durch genaue Controllirung der
Temperatur, die Gefahr einer herannahenden Attaque voraus-
znsehen.
Haben wir aber die Möglichkeit, im vorhinein zu bestimmen,
wann ein Anfall eintreten wird, dann sind wir auch vielleicht
in der Lage, demselben und damit seinen schädlichen Folgen
vorznbeugen. Yor Kurzem hat Krueg („Ueber die Behandlung
schwerer Krampfformen durch Chloralhydrat tt . [„Mitth. d. Ver. d.
Aerzte Nied.-Oest. 1880“]) gezeigt, dass wir in dem Chloralhydrat
ein vorzügliches Mittel zur Bekämpfung der heftigen nervösen
Anfälle besitzen; er hat ferner dargethan, dass es auch gelingt,
einen solchen gar nicht zum Ausbruch kommen zu lassen, wenn
man die Vorboten beachtet und rechtzeitig mit dem Mittel zur
Hand ist. Da uns nun die genaue Verfolgung der Temperatur-
curve ein derartiges Hilfsmittel an die Hand gibt, so wird es
damit auch nicht selten gelingen, dem Kranken einen grossen
Dienst zu erweisen. Allerdings liegen die Dinge nicht immer
so klar, wie in dem wegen seiner Einfachheit gewählten Falle.
Jedenfalls aber scheint dem Sinken der Temperatur vor dem
paralytischen Anfalle, auf welchen Umstand auch Krömer auf¬
merksam macht, eine nicht zu unterschätzende Bedeutung zu¬
zukommen
Von weittragendem prognostischem Werthe ist das Ver¬
halten der Temperatur, wenn die paralytischen Anfälle sich in
rascher Aufeinanderfolge ablösen, beim wiederholt erwähnten
Status paralyticus.
Ich werde vergleichshalber zwei Fälle mittheilen, von denen
der erste günstig, der andere lethal endete.
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160
Ein 44jähriger Kaufmann im mittleren Stadium der Paralyse,
welcher bereits mehreremale leichte convulsivische Anfälle er,
litten hatte, verfiel am 21. Jänner in einen heftigen Statu-
paralyticus, welcher von V a l bis 8 / 4 2 Uhr andauerte. Die einzelnen
epileptiformen Anfälle waren halbseitig, anfangs rechts, später
links. Leichte convulsivische Bewegungen, besonders der rechten
Gesichtshälfte stellten sich im Verlaufe desselben und auch noch
des nächsten Tages ein, am 23. war er wieder ruhig, und die
Folgen des Anfalles erschienen bis auf ein merkliches Benom¬
mensein des Sensoriums, verschwunden.
Der Gang der Temperatur war folgender:
21. um V 2 2 Uär 39 ‘ 3 , 3 Uhr 39 1. 6 Uhr 38 9
22. Vormittags 89*7, Abends 39*9
23. 374, „ 37*8
24. „ 36*9, n 87*3
und weiterhin normal.
Die Körpertemperatur, welche während des Status para-
lyticus auf 39*3 gestiegen war, hielt sich in den beiden ersten
Tagen, solange die leichten Gonvulsionen andauerten, zwischen
38*9 und 39*9, um am dritten, noch mehr aber am vierten Tage
wieder abzusinken; es kam also dem günstigen Ausgang entspre¬
chend, später zu keinem Wiederansteigen.
Der zweite Fall, den ich hier anreihe, betrifft einen kräf¬
tigen 49jährigen Paralytiker, ebenfalls in einem mittleren Stadium
der Krankheit,
Am 24. October Nachmittags waren heftige epileptiforme
Krämpfe eingetreten (hauptsächlich links), Velche vier Stunden
lang anhielten, und sich am 25. und 26. wiederholten. Am 28.
machte sich an der rechten Hinterbacke ein erythematöser Fleck
bemerkbar (von Charcot mit Recht als Decubitus ominosus be¬
zeichnet) ; der Kranke verfiel zusehends und starb am 29. October.
Die Temperatur war
am
24. nach dem Beginne <
ier Anfälle 37-9
25. Morgens ....
.... 39 5
n
26. „ ...
.... 394
»
27. „ . . . .
.... 38-5
Ti
28. „ . . . .
... 39*6
Yi
28. Abends.
... 40.7
1)
29. Morgens . . . .
. . . .41*6.
Wir haben hier die vollkommenste Uebereinstimmung mit
der Temperaturcurve des Status epilepticus. Anfänglich Steigen
der Temperatur während der Dauer der Anfälle, hierauf Sinken,
und dann, als Vorbote des fatalen Ausganges, erneuertes Steigen
bis 41 # 6 (kurz vor dem Tode).
Diese beiden Beispiele werden genügen, um das differente
Verhalten der Körpertemperatur in günstigen und ungünstigen
Fällen des Status paralyticus klar zu machen.
Im Anschlüsse möchte ich noch auf eine eigenthümliche
Abweichung der Temperatur bei Geisteskranken aufmerksam
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Hinterbliebenen nach Mitgliedern des Wr. med. Doct. Coli, in geeig¬
neter Weise Vorsorge zu treffen. Diesen schönen Zweck verfolgt
der im Jahre 1858 durch den seligen Hofrath Dr. Michael v. Viszanek
gegründete „Verein zur Unterstützung von Witwen und Waisen
jener Mitglieder des Wr. med Doct.-Coll., welche in die Witwen-
und Waisen-Societät nicht einverleibt sind“ ; derselbe besitzt bereits
ein Stammcapital von mehr als 30000 fl. und bringt alljährlich an
dürftige Med. Doctors-Witwen- und Waisen circa 1600 fl. zur Ver¬
th eilung. Laut der Statuten ist der Eintritt in diesen Verein gegen
einen Jahresbeitrag von mindestens 3 fl. oder gegen eine einmalige
Spende von wenigstens 50 fl., Aerzten und Nichtärzten, Männern
und Frauen aller Stände gestattet, und betheiligen sich mehrere
Nichtärzte thatsächlich an der Förderung und Leitung dieses Ver¬
eines in höchst erspriesslicher Weise, was mit dem wärmsten Danke
anerkannt wird. Laut § 2 der Statuten hat dieser Verein auch das
Hecht, nach Massgabe der bestehenden Gesetze seine Einnahmen
aus vielerlei Quellen zu gewinnen.
In Anbetracht des wohlthätigen Zweckes, welchen dieser Verein
zum Besten der Witwen und Waisen nach Mitgliedern dqs Wr. med.
Doct.-Coll. verfolgt, stellt der ergebenst Unterzeichnete Vorstand des¬
selben in Verbindung mit den Unterzeichneten Functionären an alle
P. T. Herren Doctoren die innigste Bitte, dass sie diesem zukunft¬
reichen Vereine als Mitglieder sich anschliessen, aus den ihrer
Ingerenz zugänglichen Kreisen zahlreiche Wohlthäter und Mitglieder
zuführen, Subventionen verschaffen, Legate zuwenden und auf jede
andere Weise zur Mehrung seiner Mittel behilflich sein wollen.
Mögen vor Allem jen<5 P. T. Mitglieder des Wr. med. Doct.-Coll.,
welche bisher aus irgend einem Grunde in die Witwen- und Waisen-
Societät nicht einverleibt sind, sich als Mitglieder und Gönner bei
Förderung der Zwecke dieses Vereins lebhaft betheiligen. Sind es
doch ihre Angehörigen, welchen eventuell die Beneficien dieses
Vereines in erster Linie zufliessen, falls dieselben nicht durch ander¬
weitige Einkünfte vor Nothlagen ausreichend geschützt sind. Für
die der Witwen- und Waisen-Societät nicht einverleibten Mitglieder
des Wr. med. Doct.-Coll. erscheint der Beitritt zu diesem Vereine
als ein Gebot pflichtmässiger Vorsorge für die Ihrigen, daher sich
die Liebe zu diesen mit dem Gefühle der Collegialität vereiniget,
um diesem Aufrufe ein geneigtes Gehör zu verschaffen und den
gewünschten Erfolg zu sichern.
Doch auch diejenigen P. T. Herren Mitglieder des Wr. med.
Doct.-Coll., welche so glücklich waren, durch die Aufnahme in die
Witwen- und Waisen-Societät eventuell ihren Hinterbliebenen eine
Pension sicherzustellen, wollen diesem Aufrufe Folge geben, da sie
als die Glücklicheren einerseits den Nothschrei der Hinterbliebenen
ihrer minder gut situirten Collegen nicht unbeachtet lassen, anderer¬
seits aber auch bedenken sollen, dass möglicherweise ihre Spröss¬
linge, wenn sie durch Erreichung der Grossjährigkeit das Anrecht
auf eine Pension aus der Societätscasse verloren haben und darnach in
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Nothlage gerathen sind, in diesem Unterstützungsvereine eine Quelle
des Trostes nnd der Hilfe finden werden. Wie gerechtfertigt dieser
Appell an die Mildthätigkeit der geehrten Herren Doctoren ist, kann
daraus ersehen werden, dass die Zahl der an den Verein heran¬
tretenden Unterstützungswerber von Jahr zu Jahr wächst, und dass
im Jahre 1879 30 Witwen und 11 Waisen nach Mitgliedern des
Wr. med. Doct.-Coll. theils augenblicklich, theils halbjährig mit dem
Gesammtbetrage von 1600 fl. unterstützt wurden.
So bitten wir denn alle P. T. Herren Mitglieder des Wr. med.
Doct.-Coll. — Societisten und Nicht-Societisten — sich diesem wohl-
thätigen Vereine als Mitglieder anzuschliessen und mit vereinten
Kräften zur Mehrung seiner Mittel, zur Erreichung seiner Zwecke
beizutragen. Bis dat qui cito dat. Alle Rechte eines Mitgliedes
können erworben werden durch einen Jahresbeitrag von 3 fl. auf¬
wärts oder durch einen einmaligen Beitrag von mindestens 50 fl.,
wobei selbstverständlich der Grossmuth keine Schranken gesetzt
werden. Beitrittserklärungen, Mitgliederbeiträge und Spenden für
diesen Verein werden entgegengenommen von dem Unterzeichneten
Präses und Mitgründer des „Vereins zur Unterstützung der Witwen
und Waisen jener Mitglieder des Wr. med. Doct.-Coll., welche in
die Witwen- und Waisen-Societät nicht einverleibt sind“.
Wien, den 18. Mai 1880.
Dr. Ritter von Vivenot, k. k. Regierungsrath, Präses und Mit¬
begründer dieses Vereines, I. Bez, Wollzeile Nr 11; Adolf Woda,
Kaufmann und Hausbesitzer, Vicepräses des Vereines; Carl Lamatsch
jun., Apotheker, Cassaverwalter; Dr. Alois Gruber, Secretär des
Vereines; Dr. Josef Heim, pract. Arzt; Dr. Mark breiter Josef,
Primarius; Dr. Johann Oberit, pract. Arzt; Dr. Heinrich Ober¬
ste i ne r sen., pract. Arzt; Dr. Constantin Puch ly, pract. Arzt;
Dr. Josef Raith, pract. Arzt.
Notizen.
Sterbetälle. Wie wir leider erst nachträglich erfahren, hat das Doctoren-
Collegium den Verlust eines sehr geaohteten Mitgliedes zu beklagen, welches
dem Collegium sohon seit nahezu zwei Deoennien angehörte. Med. und
Chir. Dr. K ade Iburg, zweiter Stadtarzt zu Krumau in Böhmen, ist
bereits am 27. März 1. J. an dem Orte seiner erfolgreichen Thätigkeit einem
chronischen Bronchialkatarrh erlegen. Er war am 4. Jänner 1831 zu
Baja in Ungarn geboren, vollendete seine medioinischen Studien an der
Wiener Universität, wo er auch am 7. Jänner 1863 zum Dootor promovirt
und noch in demselben Jahre in das Doct.-Coll. der med. Faoultät aufgenommen
wurde. Nach erlangter Doctorswürde diente er kurze Zeit als Seoundararzt
und liess sich dann als praktischer Arzt in Oberplan nieder, wo er 10 Jahre
prakticirte und sich das ungetheilte Vertrauen der Einwohner erwarb. Im
Jahre 1871 übernahm er die Stelle, die er bis an sein Ende unter allgemeiner
Anerkennung seiner Berufstätigkeit versah. Immer bereit, mit Rath und That
den Kranken, die seine Hilfe ansprachen, beizustehen, ordinierte er den
massenhaft sich an ihn Drängenden, selbst, nachdem er schon woohenlang ans
Krankenzimmer gefesselt war, bis an den Vorabend seines Todes. Mit ihm
wurde eine talentvolle, wissenschaftliche Kraft, ein charaktervoller, verständiger
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b) die Gemeinde-Bitterwasser-Direction in Pillnau bei Brüx in
einem besonderen an das Collegium gerichteten Schreiben um
Anerkennung der Trefflichkeit ihres von der Concurrenz hart¬
bedrängten Mineralwassers ersuche (wird beschlossen dahin
zu beantworten, dass es nicht Angelegenheit des Collegiums
sei, derlei Atteste zu ertheilen); c) die zur Abgabe an den aka¬
demischen Senat ausgeschiedenen Facultätsacten laut einer vor¬
gelegten Empfangsbestätigung bereits übergeben wurden; d) der
wissenschaftliche Ausschuss seine unter dem Vorsitze der Vice-
Präsidenten Dr. Preyss stattgehabte Constituirung anzeige,
wobei Prof. v. Schrötter zum Obmann, Dr. David VTinternitz
zu dessen Stellvertreter und dieDDr. Batsy und Hans Chiari
zu Schriftführern gewählt wurden; e) Stadtphysikus Dr. Nusser,
sowie der derzeitige Decan des Prof.-Coli. OSR. Dr. E. Hof¬
mann sich bereit erklärt haben, ein vom Unterstützungs-
Instituts-Ausschüsse des Collegiums ausgearbeitetes und dem
Geschäftsrathe vorgelegtes „Promemoria, in welchem auf die
Vortheile aufmerksam gemacht wird, welche den Aerzten durch
ihren Eintritt in das Collegium erwachsen“, jedem jungen Arzte,
zu übergeben und zwar: der Herr Decan bei der Promotion
und der Stadtphysikus den sich behufs der Aufnahme in das
Verzeichniss der praktischen Aerzte bei ihm Meldenden. Zugleich
bittet das Institut um Bewilligung der Druckkosten dieses Pro¬
memoria. (Bewilligt.)
In das Comite zur Wahrung der Standes-Interessen wurden
die bisherigen Mitglieder desselben, die DDr. A. Gr über,
Ign. Leder er, Löffler, v. P ernhoffer, OSR. Schneller,
J. Scholz und Turkievicz für das Geschäftsjahr 1880/81
sämmtlich wiedergewählt.
Schliesslich berichtet Dr. J. Scholz als Obmann des
Vereines der südlichen Bezirke Wiens über eine Eingabe dieses
Vereines, betreffend einen Fall, in dem der Director einer
bezeichneten Schule einen Knaben, welcher nach überstandenen
Varicellen ein Zeugniss des diesen behandelnden Arztes und
Mitgliedes des Collegiums über die Tauglichkeit zum Schulbesuche
beibrachte, mit Berufung auf einen Erlass des Landes-Schul-
rathes von der Zulassung zum Schulbesuche der Untersuchung
durch einen Amtsarzt zuwies; durch welches Vorgehen das
Ansehen der Privatärzte noch weitere Einbusse erleide als bisher.
Referent bespricht die Angelegenheit eingehend und be¬
antragt: 1. Es seien Erhebungen zu pflegen, ob eine, die Con¬
to ole von Krankheitsfällen bei Schulkindern und die Vidirung
ärztlicher Zeugnisse behufs Zulassung zum Schulbesuche betref¬
fende Verordnung des Magistrats, der Statthalterei oder einer
anderen für die Aerzte competenten Behörde existire; 2. im Falle
als eine solche Verordnung nicht besteht, bei der competenten
Behörde Protest dagegen zu erheben, mit der Moiivirung, dass
das ohnehin schon sehr gesunkene Ansehen der Aerzte durcb
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eine derartige Verordnung vollständig untergraben werde und
um Aufhebung derselben einzuschreiten. Sollte dies nicht zu
erreichen sein, so wäre die betreffende Behörde wenigstens
um geeignete Bekanntgabe dieser Verordnung nicht nur an die
Amtsärzte, sondern auch an die Privatärzte anzugehen. 3. Im
Falle aber eine solche Verordnung nicht besteht um Aufklärung
des erwähnten Falles zu ersuchen.
An der im Anschlüsse an vorstehendes Referat sich erge*
benden Berathung betheiligten sich insbesondere auch die in der
Versammlung als Mitglieder des Geschäftsrathes anwesenden
Amtsärzte; indem sie das Bestehen oder mindestens die ihnen
gewordene Bekanntgabe eines ähnlichen Erlasses entschieden
negirten, übrigens der Sache, die ihnen lediglich als wohl zu
rügender Formfehler des betreffenden Schulleiters erscheint,
keine Wichtigkeit beimessen. Dessenungeachtet spricht sich
der Geschäftsrath sehr bestimmt gegen alle derlei unsere Stan¬
desehre und unser öffentliches Ansehen schwer schädigender,
uninotivirten Erlässe und dergleichen aus und nimmt demgemäss
die Anträge des Referenten vollinhaltlich an.
(Eingesendet.)
Aufruf
an die P. T. Herren Mitglieder des Wiener medicinischen Doctoren-Collegiuias.
Der ärztliche Stand, insbesondere das Wr. medio. Doot.-Coll.
hat von jeher die Gefühle der edelsten Humanität nach allen Seiten
hin, ganz besonders aber seinen in Nothlage befindlichen Angehörigen
gegenüber in ausgezeichneter Weise bethätigt. Ein unwiderlegliches
Zeugniss von dieser ruhmvollen Thatsache geben die zur Versorgung
von Witwen und Waisen nach Med. Doctoren theils vom löblichen
Wr. med. Doct.-Coll. geschaffenen, theils durch die Freigebigkeit
oder die Initiative einzelner Aerzte gegründeten Fonds.
Unter den wohlthätigen Associationen innerhalb des Doct.-Coll.
nimmt unstreitig die Witwen- und Waisen-Societät den ersten*Rang
ein; die Einverleibung in dieselbe sollte jedes Mitglied des Wr.
med. Doct.-Coll. mit allen Mitteln anstreben und ehestens vollziehen,
damit seine Hinterbliebenen vor der äussersten Hoth geschützt seien.
Bei dem Umstande jedoch, dass die nicht an der Wiener
Universität promovirten Mitglieder des Wr. med. Doct.-Coll. in die
Witwen- und Waisen-Societät nicht aufgenommen werden müssen,
wenn sie auch sonst alle Aufnahmsbedingungen erfüllen; da ferner
sehr viele Mitglieder des Wr. med. Doct.-Coll., obzwar an der Wiener
Universität promovirt, wegen anderer Hindernisse die Einverleibung
in die Witwen- und Waisen-Societät nicht erlangen und ihre Ange¬
hörigen sehr häufig in den dürftigsten Verhältnisen zurücklassen,
so ergibt sich mit unwiderstehlicher Consequenz die Nb th Wendigkeit,
auch für die der Witwen- und Waisen-Societät nicht einverleibten
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Mann, ein edler Menschenfreund und erfahrener, theilnehmender Arzt zu Grabe
getragen. Daher auoh die Trauer um seinen Verlust eine allgemeine gewesen,
woron die Theilnahme an seinem Leiehenbegängnisse beredtes Zeugniss gab
Nach einem Berichte des „Krumauer Intelligenzblatt“ vom 4. April d. J.
bildete die ganze Bevölkerung — nicht nur Krumau’s mit dem Bürger¬
meister an der Spitze, sondern auoh aller Ortschaften der Umgebung, selbst
des ferner gelegenen Oberplan, dem früheren Orte seiner nützlichen Thätigkeit —
den von dem Prälaten der Stadt, der selbst die Einsegnung der Leiche vor¬
nahm, geführten Gonduot, an dem auch mehrere Vereine mit florumhüllten
Fahnen theilnahmen. Die Collegen und Freunde sohritten mit angezündeten
Fackeln zu beiden Seiten des mit 22 Kränzen geschmückten Galaleiohenwagens
und, als der Leiohnam hinabgebettet wurde in die stille Gruft, verkündeten
einige Pdllerschüsse den Moment, an dem die irdischen Beste eines Ehren¬
mannes der Erde wieder zurüokgegeben wurden, dessen seelische Leistungen
aber in der Erinnerung seiner Mitbürger noch lange fortleben werden. Friede
seiner Asche!
Am 19. Mai starb in Wien Dr. Franz Edler v. Sch ne etter, k k. Ober¬
stabsarzt in Pension, Besitzer der Kriegsmedaille und Mitglied der früheren
medioinisohen Facultät, im 64. Lebensjahre. Er absolvirte seine Studien
an der Wiener Universität und erhielt den medicinisch-chirurgisohen Dootor-
grad im Jahre 1839/40. Sohneetter war Assistent an der geburtshilflichen
Klinik des Prof. Bartsch, trat naoh 9jähriger Spitalsdienstleistung 1848
in den militärärztlichen Stand über und machte den Feldzug in Ungarn
1848/49 mit. Naoh dessen Beendigung wurde S. anfangs als Ober- und dann
als Regimentsarzt Sanitätsohef im k k. Arsenal. Hier wirkte er, mit geringer
Unterbrechung, als Regimentsarzt in Sandeo in Galizien, von wo er über be¬
sonderen Wunsch der Direction des Arsenals dahin zurüokberufen wurde,
durch 15 Jahre in uneigennützigster und zufriedenstellendster Weise. Hierauf
kam er naoh St. Pölten, dann als Stabsarzt und Abtheilungs-Chefarzt naoh Prag
und zuletzt naoh Brünn. Dort nöthigte ihn ein heimtückisch auftretendes Unter¬
leibsleiden, um seine Pensionirung naohzusuohen, die ihm mit dem Titel als
Oberstabsarzt auch gewährt wurde. Sohneetter war durch grosse Pflichttreue
und besondere Gewissenhaftigkeit, so wie durch sein humanes Benehmen aus¬
gezeichnet. Mit ihm wurde ein biederer Gollege in die Erde versenkt.
Nur acht Tage später verlor das Gollegium noch eines seiner älteren
Mitglieder. Med. und Chir. Dr. Michael Lackner, em. Dooent der Kranken¬
pflege an der k. k. Universität, ist am 27. Mai einem chronischen Leiden, durch
Herzhypertrophie und Klappenfehler bedingt, das ihn schon seit beinahe zwei
Jahren in seiner ärztlichen Praxis behinderte, erlegen. Er wurde am 17. Fe¬
bruar 1820 zu Lichtenwörth in Oesterreich geboren, am 6 August 1845 an
der Wiener Universität zum Dootor promovirt und im November desselben
Jahres als Mitglied in die medioinisohe Facultät aufgenommen, deren Doot.-
Coll. er bis zum Ausscheiden aus der Universität angehörte und dem er auoh
in seiner Neugestaltung treu anhing. Er gehörte zu den Gründern von dessen
Unterstützungs-Institut und war Mitglied der Witwensoeietät. Laokner war ein
strebsamer, fleissiger und von seiner Glientel allgemein beliebter homöo¬
pathischer Arzt, ein ruhiger Gharakter und angenehmer Gollege. Er war auoh
literarisch thätig und beschäftigte sioh vor etwa einem Lustrum mit der Er¬
forschung der Brutstätten der Fäulnisspilze als Erzeuger und Fortpflanzer an¬
steckender Krankheiten. Die Resultate seiner Forschung theilte er am 9. März
1877 in einer wissenschaftlichen Versammlung des Gollegiums mit*). Bei allem
physischen Leiden immer thätig, besorgte er seine Kranken so lange es ihm
nur möglich war; aber seit dem Monate März d J. konnte er das Zimmer
nicht mehr verlassen, sein Zustand wurde immer qualvoller und am oben¬
genannten Tage um 9 Uhr Morgens hauchte er seinen Geist aus, tief betrauert
von Allen, die ihn näher kannten; aber auch die ihm ferner Stehenden zeigten
grosse Theilnahme durch zahlreiche Begleitung der sterblichen Reste zur
ewigen Ruhestätte. Möge ihnen die Erde, die sie versohliesst, leicht sein.
# ) „Mitthollungen des Wr. medic. Doct.-Doct.“, Bd. III., S. 213 und 225.
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Um das Maass voll za machen, legte der Tod seine Hand noch auf
einen vierten Collegen. Dr. Anton Gliokh, am 16. April 1810 za Lambach
in Oberöeterreich geboren, vollendete seine Stadien an der Wiener Universität,
an der er am 31. Jänner 1836 zum Med.-Dr. promovirt and nooh im selben
Jahre als Mitglied in die medicinisohe Faoultät aufgenommen wurde. Er begann
seine ärztliohe Thäfcigkeit sofort im VI. Bezirke, doch gab er sie nach einem Viertel-
jahrhundert ganz auf und wirkte nur für Communal-Angelegenheiten. Nach der
Reorganisation des Gemeinderathes im Jahre 1861 wurde er zum Mitgiiede
desselben gewählt und mehreremale wiedergewählt bis zum Jahre 1872.
Wenn er auoh, seit dem Verzicht auf Praxis dem Sanitätswesen keine besondere
Aufmerksamkeit geschenkt hat, blieb er doch ein anhängliohes Mitglied des
Doci-Collegiums bis zu seinem Tode. Als Gemeinderath wirkte er verdienstlich
bei Durchführung der neuen Häusernumerirung und auoh die endliohe Auf¬
stellung der Statuen auf der Elisabeth brücke ist seinem Drängen zuzusohreiben.
Seit einigen Tagen litt er an heftigen asthmatischen Beschwerden, die sich
immer steigerten, bis am 29. Mai ein Lungenödem einen schnellen Tod herbei¬
führte. Möge er in Frieden ruhen!
Personalien. Prof. Dr. Leidesdorf wurde vom deutsch-österr. Lew-
verein zu seinem Ehrenmitgliede ernannt und Dr. J. Schnitzler von der
Socidtö de mödicine et olimatologie in Nizza zum auswärtigen oorrespondirenden
Mitgiiede gewählt.
Aufnahme neuer Mitglieder, ln der Sitzung des Geschäftsrathes am
19. April d. J. wurde Herr Dr. David Münch, Bahnarzt in Stockerau, nach
Erfüllung der statutenmässigen Bedingungen, sowie die DDr. Johann L&nyi,
k. k. Hof- und Stabsarzt, und Rudolf Jama, prakt Arzt in Wien, (die beiden
Letzteren Über ihr Ansuchen als Mitglieder des früheren Doct-Coll. der
medicini8chen Facultät) einstimmig in das Wr. med Doct-Coll. aufgenommen.
Das nenerbante Erzherzogin Sophien-Spital wurde am 28. Mai, dem
Sterbetage Ihrer kaiserlichen Hoheit der durchlauchtigsten Frau Erzherzogin,
der Mutter Sr. Majestät des Kaisers, deren hohen Namen es trägt, eröffnet
Bei der auf V 2 H Uhr anberaumten Feierlichkeit waren Minister Graf Taaffe,
Statthalter Freiherr v. Possing er, Weihbischof Dr. Anger er, Polizeiprä¬
sident Ritter v. Marx, Bürgermeister Ritter v. Newald, Herrenhausmitglied
Baron Sorinzi, Statthaltereirath v. Karajan, Ober-Finanzrath Dr. Pohl und
andere Spitzen der Gesellschaft anwesend. Von unseren Collegen bemerkten
wir den Präsidenten und Vicepräsidenten des Doctoren-Collegiums HR ron
Schmerling und MR. Preyss, die OSR. Sohneil er und Josef Hoffmann,
Spitalsdirector Böhm, die DDr. Lederer, Sohiffmann, Carl und Friedrich
Fieber und Andere. Kurz nach der angegebenen Stunde erschien der Pro-
tector des Spitals, Erzherzog Carl Ludwig, wurde am Perron des neuen
Gebäudes von dem Curatorium der Stiftung unter Vortritt des Statthalters
empfangen und in das Vestibüle geleitet, worauf RR. Dr. v Vivenot als
Obmann des Curatoriums eine formvollendete, mit Gefühl und Wärme vor¬
getragene Ansprache an den hohen Protector hielt, in weloher er demselben
für sein Protectorat dankte, um dessen ferneren Schutz bat und auoh der
hochherzigen Stifterin der Anstalt, Frau Louise Kennyon, in warmen Worten
gedachte. Se. kaiserliche Hoheit dankte auf die herzlichste Weise allen um
die Herstellung dieser Humanitätsanstalt verdienten Personen und theilte mit,
dass Se. Majestät der Kaiser dem RR. v. Vivenot die Allerhöchste An¬
erkennung ausspreche und dem Obmann-Stellvertreter des Curatoriums, Herrn
Ludwig Mekler, das Ritterkreuz das Franz Josef-Ordens verleihe. Nachdem
nooh Weihbischof Dr. Angerer in gediegener geistvoller, an den Erzherzog
gerichteter Rede die Bedeutung dieses Armenspitals hervorgehoben, wofür der
Erzherzog dem Sprecher seinen Dank ausgedrüokt, durchschritt die ganze Ge¬
sellschaft die zweckmässig eingerichteten Krankenzimmer und die übrigen
Localitäten des Gebäudes, und nach etwa dreiviertehitündigem Aufenthalt ver-
liess der hohe Protector das Haus naoh allen 8eiten freundlich grüssend, sichtlich
sehr befriedigt. Dem Vernehmen naoh soll die Krankenaufnahme am 1. Juni
beginnen und ist Dr. Rollet mit der Leitung der Anstalt betraut.
Herausgeber und Verleger: Wiener mediein. Doot -Coli. — Verantwortlicher Bedaoteur;
- Dr. L Hopfgartner. — Gesellaehafts-Buohdruokerei, Wien, 111. Brdbergerstraaee S.
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VI. Bd. Ausgegeben am 17. Juni 1880. Nr. 14:
MITTHEILÜNGEN
des
Wiener leliciiischii Doctoren-GsllBOinms.
Jfinotaeint jeden sweiten Donnerstag ein halber bis ein ganzer Bogen und darüber, an
20 Bogen im Jahre. — Ganzjähriges Abonnement für Niohtmitglieder des Collegiums im In*
lande 3 fl., nach dem Auslände 6 Mrk. — Einseine Nummern 26 kr. = 60 Pfg. — Inserate
16 kr. = 80 Pfg. für die durchlaufende Petit-Zeile-
Man pränumerirt in der Medicin. Buchhandlung Toepliti de Deutleke
(vormals Karl Ciermak), Wien, I., Schottengasse 6
Xuelriftea and^nseidaagen an die Redaetioi: Wiei, Kauiei des Wiener aed.
Doet.-Cell, und der Witvvei- und Waisen-docietät, ftothenthnrastrasse 23.
Inhalt: Ueber die Urämie nach Scharlach, Vortrag des Herrn Dr. S. Hajek. — Aus dem
Unterstützung» - Institute. — Preyss-Feier. — Dittel - Jubiläum. — Notizen. — Dank. —
Warnung.
Ueber die Urämie nach Scharlach.*)
Von Dr. S. Hajek.
(Vorgetragen im Wr. med. Doct.-Coll. am 3. Mai 1880.)
Zwischen dem Scharlach und der Urämie steht als pathologi¬
sches Bindeglied die diffuse Nephritis, und es soll Aufgabe dieser
Studie sein, den Zusammenhang zwischen Scharlach und der
Nierenentzündung, zwischen der Nierenentzündung und der Urämie
wenigstens theilweise von einem klinischen Standpunkte zu be¬
leuchten. Der zweite Theil unserer Frage, das Auftreten urämi¬
scher Erscheinungen bei Nephritis und ihre Wesenheit, ist bis auf
diese Stunde Gegenstand interessanter und noch immer unvoll¬
endeter Forschungen, und wir wollen uns zuerst mit diesem
beschäftigen. Bei einer Recapitulation des heutigen Standpunktes
dieser Frage kommt Thomas (in Gerhardt’s „Handbuch der Kinder¬
krankheiten^ IY V pag. 320) zu dem gewiss bescheidenen Schluss¬
sätze, dass Urämie unter einer Störung der Harnabsonderung
entstehe und wohl durch diese bedingt sei. Er lässt die Ent¬
scheidung offen, ob der Harnstoff als solcher, oder sein Derivat,
das harnsaure Ammoniak (F r e r i c h s), ob alle (Y o i g t) oder
einzelne Zersetzungsproducte des * Stoffwechsels, wie Kreatin
(Mantegazza, Perls) die Ursache der Urämie seien, oder
ob Traube’s Theorie die Scene vollständig erkläre, nämlich
dass die Convulsionen eine Folge der durch Ödem bedingten
capillaren Hirnanämie seien; es jst als ausgemacht anzusehen,
dass bei der diffusen Nephritis die Verminderung der Harn¬
absonderung sehr häufig jene Intoxicationserscheinungen hervor-
rufe, welche mit Kopfschmerz, Ueblichkeit und Erbrechen be-
*) Dieselbe Arbeit erscheint ausführlicher im Arohiv für Kinderheilkunde.
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ginnen und in sehweieren Fällen epileptiforme Convulsionen,
Dyspnoe, Koma und dann den Tod herbeiführen. Der Name
Urämie wird dieser Symptomengruppe wohl schwerlich mehr
streitig gemacht werden, möge welcher Bestandtheil des Harnes
immer als die Ursache derselben anzuBehen sein. — Fragen
wir nun, in welchem Zusammenhänge der Scharlach mit der
Nephritis stehe, so lautet die Antwort: Die lang dauernde,
mehr weniger complete Unterdrückung der Haut¬
ausdünstung bei den Exanthemen, besonders aber
bei Scharlach ist im Stande, die Nierenkrankheit
zu erzeugen.
Klinische Beobachtung und Experimentalpathologie kommen
nämlich gleichmäsBig zu obigem Schlüsse, der auch durch In-
duction bereits gewonnen wurde. Wir können uns nämlich leicht
überzeugen, dass eine grosse Gruppe anscheinend getrennt
stehender Erkrankungen und Erkrankungsursaohen regelmässig
zur Nephritis'(und durch diese wieder, wie oben erwähnt, zur
Urämie) führe. Für die idiopathische Nephritis wird die Unter¬
drückung der Hautperspiration allgemein als eine der wichtigsten
Ursachen angeführt.*) Die Haut sondert im normalen Zustande
ein flüchtiges Alkali ab, dessen Yerbleib im Körper als Schäd¬
lichkeit wirkt, ausserdem aber wird durch die Haut eine grosse
Menge Wasserdunst abgegeben und durch die Sistirung dieser
Function entsteht Hyperämie und Erkrankung der Nieren, welche
vicarirend eintreten müssen. (Lang „Archiv der Heilkunde“ 13.)
Die Experimente von Edenhuizen, Laskewitsch, S okoloff,
Senator und Lassar müssen hier als bekannt vorausgesetzt
werden. Alle diese Forscher haben bei Yersuchsthieren künstlich
durch Bestreichen der Haut mit Firniss, Oel, durch Eintaucheo 8 )
in eiskaltes Wasser (Lassar Virchov’s Archiv 1880), durch Wasser¬
dämpfe etc. die Hautathmung für längere oder kürzere Zeit
unterdrückt, und die Folgesymptome waren gleichmässig die
der Nephritis, und bei fortgesetztem Experiment die der Urämie.
Wir finden immer wieder Albumin- und Haematurie, Abnahme
der Harnmenge, Sinken der Körpertemperatur, Störungen in
der Respiration, endlich Convulsionen, Koma, Tod. Wohl sind nicht
alle Experimentatoren einig in der von uns angezogenen Erklä¬
rung, doch sehen Alle bis auf Lassar und Edenhuitzen in der
Unterdrückung der Hautathmung die Begründung der Folge¬
erscheinungen. Für die nach Verbrennungen der Haut auftre¬
tender Albuminurie, den Morbus Brightii, fiir das Erbrechen und
die Convulsionen in solchen Fällen bleibt heute kaum mehr ein
anderer Grund, und so sehen wir eine grosse Aehnlich-
keit oder vielmehr Congruenz der Krankheitsbil¬
der und Obductionsbefunde bei primärer, wie
*) üeber Physiologie der Haut und die einschlägige Literatur fliehe
Neumann „Lehrbuch der Hautkrankheiten“, 5. Auflage, Seite 36.
8 ) Abgesohorener Kaninchen.
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b ei se c un d&r e r N e p h ri t i s, sei diese durch künst¬
liche Unte rdrückung der Hautperspiration oder
durch calorische Einflüsse hervorgerufen und der
Schluss erscheint berechtigt, dass dieselbe Ursache bei der Soarlatina
zur Nephritis führe. Diese Conclusion kann nicht den Anspruch
auf Neuheit machen, wirfinden siebei Barthezund Rilliet, so¬
wie bei B o h n (in Gerlach’s „Handbuch der Kinderkrankheiten“)
als Hypothese aufgestellt, und es sollte der Zweck dieses Vortrags
sein, durch die weiter ausgreifende Betrachtung diverser Krank¬
heitsbilder eine Hypothese zu stützen, aus der für die Behand¬
lung des Scharlach wichtige und leicht zu errathende Conse-
quenzen folgen. B o h n, der darauf hinweist, dass bei Scharlach
die Haut sowohl durch das seröse Exsudat in der Cutis, wie
durch die abgestorbene Epidermismasse in einen doppelten Pan¬
zer gezwängt sei, räth, durch Bäder die Hautthätigkeit so früh
als möglich anzuregen, ebenso Barthez und Rilliet. Den Schnee-
mann’schen Speckeinreibungen könnte von unserem Standpunkte
nicht das Wort geredet werden. Die beiden nachstehenden Kran¬
kengeschichten sind nicht bestimmt, einzig die noch dürftige
Casuistik zu vermehren, sondern bieten nach unserer Anschauung
ganz verschiedene Reflexe vom Bilde der Urämie.
1. Victor Stein, 9 Jahre alt, erkrankte im Juli 1878 an
Scarlatina, die mit einer leichten Dyphtherie beginnend, bis in
die 3. Krankheitswoche keine abnormen Erscheinungen bot. Um
diese Zeit trat bei abnehmender Harnmenge Albuminerie und
Oedem der Augenlieder, alsbald auch Schwellungen an den Mal-
leolis und leichter Ascites auf. Unter Verlangsammung des
Pulses bis auf 60 traten Kopfschmerzen und Nausea einigemale
des Tages ein und unter den gleichen Symptomen erfolgte an
den nächsten 3—4 Tagen Erbrechen von Speiseresten und gal¬
liger Flüssigkeit. Am 18. Juli, nachdem der Harn immer con-
centrirter und deutlich bluthaltig geworden war, stellten sich
zeitlich Morgens. Convulsionen der Gesichtsmuskeln und der
rechten oberen Extremität ein, welche zwei Stunden lang trotz
der auf den Kopf angewandten Kälte anhielten. In dem Augen¬
blicke, als ich den Patienten in ein warmes Bad bringen wollte,
trat Cyanose und Dyspenoe ein, der Schaum vor den Lippen
färbte sich blutig, ich hörte feuchtes Rasselgeräusch bei der
Auscultation beider Lungen und nahm nun eine Venaesection
vor, durch die circa 70 Gramm Blut entleert wurden. Die
Dyspnoe schwand rasch und nach einer kurzen Pause brachte
ich den Kranken, dessen Convulsionen immer noch anhielten,
mit aller Vorsicht für den venäsecirten Arm ins Bad, und nahm
energische Begiessungen und Bespritzungen mit kaltem Wasser
Tor. — Die Zuckungen hörten auf, das Bewusstsein kehrte noch
nicht wieder, aber ich konnte dem Kranken eine grosse Dosis
Calomel beibringen, und liess ihn unter warme Decken legen.
Als ich nach zwei Stunden wiederkehrte, erfuhr ich, er habe
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alsbald zu Stuhl verlangt, und sei nach einer reichlichen Ent¬
leerung und unter beständiger profuser Transpiration wieder ruhig
eingeschlafen. Der Urin blieb noch einige Tage blutig, seine
Menge nahm nur allmälig zu , die Zilinder schwanden nach acht
Tagen aus demselben und erst nach zwei Monaten, nachdem der
Patient längst eine Reise nach Amerika überstanden, schwand
auch der Eiweissgehalt des Urins.
Werfen wir noch einen Blick auf die Krankheitser-
scheinungen, so erinnert die lebhafte Dyspnoe, die ich für
ein beginnendes Oedem hielt, an die gleichen Erfahrungen
von J a k s c h und Oppolzer 2 ), an die Experimente
Cu ff er s 8 ), der durch Injection von Harnstoff das Cheyne-
Stocke s’sche Phänomen hervorzurufen im Stande war.
Puchta 4 ) veröffentlicht einen ähnlichen Fall, in welchem er
zweistündige # Dyspnoe beobachtet hat. Endlich sei hier noch des
Käthes von Lecorchö erwähnt, bei urämischen Convulsionen
Blutentziehungen vorzunehmen.
2. Minder glücklich, wenngleich nicht lethal endete der
zweite Fall, der den acht Jahre alten Max K. betraf, den ich
Ihnen hier vorstelle. Seine Krankheit fällt ebenfalls in den Juli
und August 1878, und auch bei ihm kam es in der dritten Krank¬
heitswoche zur Albuminurie, ohne dass ein Oedem vorhanden
gewesen wäre. Nach wiederholtem Erbrechen erschienen
am 23. Krankheitstage Convulsionen, die nur eine halbe
Stunde anhielten. Doch traten noch in derselben Nacht eclamp-
tische Anfälle auf, diesmal vier Stunden anhaltend, allerdings
mit minutenlangen Unterbrechungen. Weder die Application von
Eis auf den Kopf noch ein Klystir von Chloralhydrat (3, 00 ) hatte
einen Erfolg, und erst das warme Bad und kalte Begiessungen
in demselben brachten Ruhe; aber das Bewusstsein kehrte erst
wieder, nachdem der Kranke unter den Symptomen einer Ence¬
phalitis — verlangsamter Puls, Koma, häufiges Zähneknirschen,
Lähmung der Sphinkteren — zwei und einen halben Tag regungs¬
los dagelegen. Er hörte jetzt, wenn sein Name gerufen wurde,
erkannte seine Umgebung wieder, doch war die Sprache voll¬
ständig erloschen, sowie die unteren Extremitäten gelähmt. Die
Sphinkteren blieben wochenlang paretisch, die Intelligenz fast
ganz aufgehoben, der Kranke sass oder lag mit hoch contrahirten
Beinen blöde lachend in seinem Bette, führte alle Gegenstände,
die er zur Hand nahm, nach dem Munde, aus dem der Speichel
floss, und gab er nun nach etwa 20 Tagen durch unarticulirte
Laute seinen Stuhl- oder Harndrang zu erkennen, so konnte er
doch fast nie das Herbeiholen des Geschirres abwarten. Allmälig
lernte er „i, i a oder „bi, bi a stammeln, und als er nach einem
*) „Prager Vierteljahrssohrift u 1864.
2 ) „Spitalszeitung“ 1859.
• 8 ) Cuffer, „Recherchen clin. etc,“ Paris 1878.
4 ) „Journal für Kinderkrankheiten“, 58 pag., 58.
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Vierteljahre das Bett verliess, zeigten sieh bedeutende Coordinations-
störungen beim Gehen, die zum Theile auch heute noch bestehen;
er hob seine Füsse hoch und setzte sie auswärts auf den Boden,
ohne Unterstützung konnte er erst nach weiteren vier Wochen
gehen. Die Aphasie begann sehr allmälig zu schwinden, seine
früher erworbenen Kenntnisse im Lesen und Schreiben sind
gänzlich verloren. Nach Ablauf eines Jahres wurde die Con-
valescenz neuerdings durch Auftreten epileptiformer Anfälle, die
durch sechs Wochen täglich fast um dieselbe Zeit wiederkehrten,
unterbrochen, und selbst jetzt, nach 20 Monaten stellten sich
am 20. und 21. April d. J. die gleichen Krämpfe auf kurze Zeit
wieder ein. Der Knabe erscheint heute körperlich, noch mehr
aber geistig geschwächt, er spricht mühsam, die Laute g und k
kann er gar nicht hervorbringen, von Schriftzeichen kennt er
höchstens 3—4 Vocale und von seinen Verstandeskiäften macht
er den allerprimitivsten Gebrauch.
Herr Prof. Leides dorf nahm hierauf in der Versammlung
das Wort uud bemerkte, dass er bei Psychosen, sowie bei tieferen
Nervenstörungen überhaupt häufig hochgradige Dyspnoe und die
Initialsymptome von Lungenoedem beobachtet habe, zumeist ohne
dass es zu wirklichem Oedem oder Tod gekommen wäre. Was
die bei dem zweiten Kranken nachträglich aufgetretene Epilepsie
betrifft, fuhr Prof. Leidesdorf fort, so ist es eine ebenso
merkwürdige, als oft conBtatirte Thatsache, dass bei Kranken,
die einmal secundäre Epilepsie durchgemacht, wie z. B. mit Morb.
Brigthii behaftete Wöchnerinnen, auch nach vollkommener Gene¬
sung leicht wieder scheinbar ohne Anlass in dieselben Krämpfe
verfallen. Es macht den Eindruck, als ob das Rückenmark von
dem einmaligen Ueberstehen epileptischer Zustände eine unver-
tilgbare Aenderung erfahre, von der aus immer wieder neue
Anfälle ausgelöst werden können.
Aus dem Unterstützungs-Institute.
In der Sitzung am 19. Mai, welche unter dem Vorsitze
deBVizepräsidenten Dr. Hopfgartnerim Beisein des Secretärs
Dr. Reitter und von acht Mitgliedern des Ausschusses abge¬
halten wurde, übernahm in Abwesenheit Dr. Grube Ps, dessen
Stellvertreter, Dr. M. Sch eff, das Schriftführeramt.
Dr. P reyss berichtet, dass er 100 Exemplare des Promemo-
ria, in welchem die Doctoren der Heilkunde auf die Vortheile auf¬
merksam gemacht werden, die ihnen durch den Beitritt in das Wr.
med. Doct.-Coll. erwachsen, dem derzeitigen Herrn Decan Prof. Dr.
E. Hofmann, der sich zur Vertheilung derselben an neu
promo virte Doctoren bereitwilligerklärte, übergeben habe. Dann
wurde Dr. Franz Froschauer, der nebst der Eintrittskarte
und den Beitrag für das laufende Jahr, sowie eine Alters¬
zachzahlung für 13 Jahre im Betrage von 104 fl. eingezahlt,
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und dessen Gesundheit und Erwerbsfahigkeit die DDr. Pol ad sek
und Bielz bestätigten, einstimmig als Mitglied in das Unter¬
stützungs-Institut aufgenommen und dem Dr. Carl W., der in
einem motivirten Schreiben um eine ausgiebige Unterstützung
angesucht, dieselbe im Betrage von 200 fl. zuerkannt.
Hierauf gelangte ein Gesuch des Dr. R., dem seinerzeit
eine dauernde Unterstützung von 300 fl. in zwei halbjährigen
Raten ä 150 fl, zuerkannt wurde zur Verhandlung. In diesem
Gesuche wird die Bitte gestellt, diesen Betrag in Monats¬
raten ä 25 fl. anticipando erheben zu dürfen. Im Anschlüsse
an dieses Gesuch gelangte noch eine Zuschrift des Bezirks¬
gerichtes Wieden zur Verlesung, in welcher sich Dr. R. ver¬
pflichtet, diese monatlichen Raten, die ihm übrigens noch
nicht bewilliget sind, an einen genannten Gläubiger zu cediren.
Dr. Reitter theilt als Cassiei weiter mit, dass er vorläufig
dem Begehren des Bezirksgerichtes keine Folge gegeben, da
der Betrag, den Dr. R. bezieht, irrthümlich als Pension be¬
trachtet werde, während er ein Unterstützungsbeitrag sei, der
an Niemandem ausbezahlt werden könne, als an den Unter¬
stützten persönlich. Er ersuche, der Ausschuss möge hierüber Be¬
schluss fassen, stelle jedoch den Antrag, die ratenweise Auszahlung
von 25 fl., monatlich verfallen, zu bewilligen. Es entspann sich
nun eine längere, eingehende und ziemlich erregte Debatte, an
der sich die DDr. Popper, Hopfgartner, Scheff, OSR.
Nuss er, Wollner, LGA. Haschek, Schwarz, OSR.
Schneller und Reitter betheiligten, die alle darin übereiu-
stimmten, dass das Begehren des Bezirksgerichts unbedingt
zurückzuweisen sei, da Dr. R. aus dem Institute keine Pension,
sondern nur eine Unterstützung beziehe und dass diese eben
so wenig gepfändet werden könne, als der Genuss einer Pfründe.
Es müsse diese Zurückweisung selbst im Interesse der mittel¬
losen Collegen geschehen, da sonst die Aushilfsquote nicht dem
Bedrängten, sondern nur seinem Gläubiger zugute komme und
es wäre ein Präcedens geschaffen, durch welches die Inten¬
tionen des Institutes illusorisch würden. Gegen die Auszahlung
der dauernden Unterstützung in Monatsraten, wird geltend ge¬
macht, dass dieses gegen die Statuten verstosse, und es die
wichtigste Aufgabe des Ausschusses sei, das Vermögen des
Institutes genau im Sinne der Statuten zu verwalten; Dr. Reitter
zieht demnach seinen Antrag auf Ausfolgung der Unterstützung
in Monatsraten zurück und Dr. Popper erbietet sich, falls ihn
der Ausschuss dazu ermächtige, diese Angelegenheit, insoweit
das Bezirksgericht dabei intervenirte, bei diesem mündlich zu
erörtern, womit die Versammlung sich einverstanden erklärt.
Schliesslich wird noch über Antrag des Dr. Schwarz,
den auch OSR. Schneller unterstützte, beschlossen, sieb mit
dem Rechtsconsulenten des Collegiums ins Einvernehmen zu
setzen, damit der richtige Weg eingeschlagen werde.
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Preyss-Feier.
Am 7. d. M. beging der Vice-Präsident des Wiener medicinischen
Doctoren-Collegiums, Medicinalrath Dr. Georg Preyss seinen 71. Ge¬
burtstag. Der Jubilar empfing aus diesem Anlasse von zahlreichen
wissenschaftlichen Körperschaften, mehreren Wohlthätigkeitsvereinen,
in denen er ebenfalls eine leitende Stellung einnimmt, vielen Col-
legen und Freunden von Nah und Fern Glückwünsche, Adressen,
Telegramme, Kränze u. s. w. Unter anderen von Sr. Exeellenz
Freiherm v. Possinger, Dr. Ritter v. Scherzer, österreichisch¬
ungarischen Generalconsul in Leipzig, Dr. Heinrich Laube und
Dr. A b e 1 e s in Carlsbad, Dr. Schnabel, k. k. Professor in Inns¬
bruck, den Professoren DDr. L. Mauthner, E. v. Jaeger, Selig¬
mann, Isidor Neumann, Generalstabsarzt Dr. v. Hassinger,
Spitalsdirector Dr. C. Böhm, Primararzt Dr. Standhartner,
Professor Dr. Thausing, Exeellenz Frast Graf Hoyos-Sprinzen-
stein, Franz Graf Coudenhove, Baron Pfungen und vielen
anderen medicinischen Kreisen nicht angehörigen Freunden. Auch
die literarische Welt, in der er durch seine intimen Bezie¬
hungen zu Grillparzer in vielseitiger Verbindung steht, war
zahlreich vertreten. Ganz ungewöhnlich wurde aber der Jubilar von
seinen Fachgenossen ausgezeichnet. Das Wiener med Doct..Coll.,
dem er seit mehr denn 45 Jahren angehört, und zu dessen treuesten,
eifrigsten und thatkräftigsten Mitgliedern er gezählt wird, beglück¬
wünschte ihn durch eine besondere Deputation, in der sich, geführt
vom Präsidenten Dr. .R. v. Schmerling, der zweite Vice-Präsi¬
dent Dr. Hopfgartner, OSR. Dr. Schneller und Secretär
Dr. R e i 11 e r befanden.
Herr Hofrath v. Schmerling betonte in seiner Ansprache
die unermüdeten Bestrebungen des Gefeierten für Förderung der
Interessen des Collegiums, welche den Geschäftsrath bewogen, seinem
Vice-Präsidenten Dr. Preyss zur Feier seines vollendeten 70 Lebens¬
jahres einstimmig ein Ehrengeschenk zu votiren, theils als bleibendes
Andenken an dessen Leistungen, theils zur je nach Umständen
in kürzerer oder längerer Zeit vergänglichen Erinnerung daran und
schloss mit dem freundlichen Wunsche, dass es dem Jubilar gegönnt
sein möge, noch viele Jahre in gleicher Weise und mit derselben
Geistesfrische wie bisher zum Gedeihen des Collegiums zu wirken.
Hierauf enthüllte der Secretär einen prachtvollen silbernen Pokal
mit sechs vorspringenden Kanten, von dessen sechs Flächen drei
die Inschrift trugen:
Das Wiener medicinisohe Doctoren-Collegium seinem verehrten Vioe-Präsidenten
zum 70. Geburtstage.
Dem treu ausharrenden Vertreter der Rechte des Doctoren-Collegiums.
Am 7. Juni 1880.
Ueberdies präsentirte Dr. Reitter noch eine silberne Ci¬
garren-Ranchgarnitnr mit einer guten Provision feiner Cigarren.
Dr. Preyss dankte gerührt in warmen Worten ebensowohl
für die unverhoffte Auszeichnung als für die Anerkennung, die seine
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Thätigkeit bei den Gollegen gefunden, und versicherte, so lange
seine physischen Kräfte und seine Geistesfrische ausreichen, all seine
freie Zeit wie bisher, je nach Bedarf dem Wohle des Collegiums
zu wen den zu wollen.
Damit war jedoch die Feier von Seite des Collegiums noch
nicht beendet. Der wissenschaftliche Ausschuss desselben beschloss
auf Anregung seines Obmanns, Herrn Professor v. Schrotte r, den
Vice-Präsidenten durch Anerkennung seiner Thätigkeit für Förderung
der wissenschaftlichen Bestrebungen noch in besonderer Weise aus¬
zuzeichnen und delegirte den vorgenannten Obmann und dessen Stell¬
vertreter, Herrn Dr. David W i nt ernitz, den Jubilar auch im Hamen
dieses Ausschusses zu beglückwünschen. Herr Professorv. S chrötter,
der das Wort führte, hob die Bedeutung hervor, welche die wissen¬
schaftlichen Leistungen für den Fortbestand des Collegiums haben,
pries die unermüdliche Thätigkeit des Jubilars und überreichte —
damit es ja nicht an Schreibrequisiten fehle — eine complete
reizende Schreibtisch-Einrichtung von einer neuartigen Metallcom-
position künstlerisch ausgeführt. Der Jubilar, der durch wiederholte
Gichtanfälle in der Praxis gehindert, an einem Auge erblindet, und
am andern vom Staare durch Professor E. v. Jaeger’s kunstfertige
Hand wohl in selten glücklicher Weise befreit ist, aber doch dieses
Auge etwas schonen muss, bedauerte, nur als Motor dienen zu können,
doch selbst mitzuwirken ausser Stande zu sein. Aber gerade mit
der Anregung erklärten sich die Delegirten zufrieden und sprachen
nur den Wunsch aus, dass sie noch lange fortgesetzt werden möge.
Doch nicht vom Collegium allein wurde der Jubilar aus¬
gezeichnet; auch die ärztlichen Bezirksvereine wetteiferten förmlich
um die Ehre, ihm ihre Anerkennung zu erweisen. Der Aerztliche
Verein der westlichen Bezirke liess ihm durch eine Deputation, be¬
stehend aus dem Obmanne Dr. Khautz v. Eulenburg und den
DDr. Ignaz Lederer und Franz Schopf eine kalligraphisch schöne
Adresse überreichen, die in blauem Sammt gebunden, auf der Vor¬
derseite mit silbernen Ecken und einem Mittelschild ausgestattet
ist, auf der die eingravirte Inschrift prangt: „Dem hochverehrten
Vice-Präsidenten des Wiener med. Doct.-Coll., M.-R. Dr. Preyss, der
Aerztliche Verein der westlichen Bezirke. u In der Adresse wird be¬
tont, dass das Gedeihen des Doct.-Coll. auch das der anderen ärzt¬
lichen Vereine fördere und in der Ansprache drückte der Führer
der Deputation Dr. v. Khautz die Befriedigung aus über die Art
und Weise, in welcher das Collegium auch im Allgemeinen die In¬
teressen des ärztlichen Standes vertrete.
Der Vormittag wurde abgeschlossen mit dem Erscheinen der
Vertreter des Aerztlichen Vereines im dritten Bezirke, (dem Dr. Preyss
als Bewohner desselben auch angehört) dem Obmanne Herrn Dr.
Kienast und Herrn Dr. Gold, welche den Jubilar für den Abend
zu einem ihm zu Ehren in Dreher’s Bierhalle in diesem Bezirke
veranstalteten Banket einluden , bei dem die meisten Mitglieder
der ärztlichen Vereine der Bezirke Wiens, alle Obmänner derselben
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und viele Notabilitäten aus medicinischen Kreisen ihr Erscheinen
zugesagt hatten.
Als 'Dr. P r e y s s Nachmittags 5 Uhr in der gewöhnlich an
Montagen abgehaltenen Directions-Sitzung des Wiener Wohlthätigkeits-
Vereines erschienen, wurde er gleioh nach Eröffnung derselben von dem
Yorsitzenden Präsident-Stellvertreter, Franz Graf Coudenhove, in
feierlicher Weise beglückwünscht. In wohlgesetzter rhetorisch vor¬
getragener Rede hob dieser das rege Streben des Jubilars sowie die
nnermüdete Thätigkeit auch in dieser Wirkungs-Sphäre hervor und
schloss mit dem Wunsche, dass Preyss dem Vereine noch viele
Jahre erhalten bleiben möge, dem alle Directions-Mitglieder beistimmten.
Um 8 Uhr Abends wurde der Jubilar sammt Gattin von 2 Mit¬
gliedern des Aerztlichen Vereines im in. Bezirke, den Dl)r. Peter
Langer und Ladislaus v. Würtzner abgeholt und in den Banket-
saal geleitet, in dem sich alle Obmänner der ärztlichen Vereine,
der Sanitätsreferent im Ministerium des Innern, Ministerialrath Dr.
Fr. Schneider, der Präsident des Doct.-Coll., Hofrath Bitter von
Schmerling, Vice-Präsident Dr. Hopfgartner, Ober-Sanitätsrath
Dr. Schneller, Secretär Dr. Reitter, den Superintendent der
Kriegsstiftung, Prof. Dr. Josef G r u b e r, die meisten Mitglieder des
Geschäftsraths, darunter der Gemeinderath Dr. Kemeker, mehrere
Mitglieder des wissenschaftlichen Ausschusses: die DDr. Fürth,
v. Pernhofer Dr. David Winternitz und viele Mitglieder der
vier Bezirksvereine, im Ganzen nahezu 70 Gäste bereits eingefunden.
Als der Jubilar an der Seite seiner treuen Gattin eintrat, wurde
er mit Applaus empfangen und ihm ein humoristisches Blatt in der Form
der „Mittheilungen des Wr. med. Doct.-Coll. M , datirt vom 7. Juni 1890
überreicht, in dem die Ergebnisse des Festtages von 1880 referirt
werden, woran sich viele komische Notizen der Zukunft schliessen, eine
Aufmerksamkeit des Herrn J. Postolka, Directors der Gesell¬
schafts-Buchdruckerei, in welcher die „Mittheilungen des Collegiums*,
an deren Bedaction Dr. Preyss regen Antheil nimmt, gedruckt werden.
Nachdem man sich zu Tisch gesetzt, ergriff der Obmann des
Aerztlichen Vereines im m. Bezirk, Dr. K i e n as t, das Wort, betonte
in wenigen, aber herzlichen Worten die Bedeutung des Abends und
toastirte auf Se. Majestät den Kaiser, worauf Primararzt und Docent
Dr. Englisch die Festrede hielt, in welcher er ein ganzes Curri¬
culum vitae entrollte und die zahlreichen Verdienste des Jubilars,
der heute noch mit seltener Geistesfrische und rastloser Thätigkeit
einer der tüchtigsten Pionniere des ärztlichen Standes sei, in be¬
redten Worten feierte. Nach Englisch sprach Hofrath Dr> v. Schmer¬
ling in seiner leutseligen, zum Herzen gehenden Weise und rühmte
seinen Stellvertreter Dr P r e y s s als eine Stütze des Collegiums. Hierauf
toastirten die DDr. Hopfgartner, Ludwig Klein, v.Khautz und
Josef Scholz nacheinander auf Preyss, auf dessen biedere Gattin,
auf das Doct.-Coll., auf den Präsidenten v. Schmerling, Ministerialrath
Schneider und O.-S.-R. Schneller und dieser Letztere auf
das Collegium. Nach einer längeren Pause schloss Dr. B. Kraus
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den Reigen der Toaste mit einem launigen Trinkspruch auf Preyu,
in dem er mit vielem Humor dessen Leiden schilderte, wenn
längst zugesagte Vorträge in letzter Stunde abgesagt oder Manu-
scripta nicht rechtzeitig eingeliefert werden. Das Fest währte bis
Mitternacht, worauf der Festpräsident die feierliche Sitzung anfhob
und eine gemüthliche Kneipe proclamirte, an welcher der Jubilar
nicht mehr theilnahm.
Dittel-Jubiläum.
In dem festlich geschmückten klinischen Krankenzimmer der
Abtheilung des Prof. Dittelimk. k. allgem. Krankenhause fand
Samstag den 12. Juni eine erhebende Feier statt. Sie galt dem ge¬
nannten Primarärzte und Professor, welcher an diesem Tage den
40. Jahrestag seiner Promotion und den 20. seines Primariates im
k. k. allg. Krankenhause feierte.
An der Feier betheiligten sich der Director dieser Anstalt,
Obersanitätsrath Dr. Hoffmann, viele Primarärzte und eine grosse
Schaar der ehemaligen, sowie die derzeitigen Secundarärzte des Ju¬
bilars, von welchen die Ovation für Prof. Dittel angeregt und durch¬
geführt worden war. — Viele von Dittels ehemaligen Secundar-
ärzten, wie Prim. Dr. Gotthard aus Pressburg, waren aus der Ferne
herbeigeeilt, um Zeugen des Ehrentages ihres ehemaligen Lehrers
und Vorstandes zu sein. Die dem Jubilar bereitete Ovation bestand
darin, dass seine Freunde und ehemaligen Schüler von der bewährten
Künstlerhand des Malers Felix ein Porträt Dittels anfertigen Hessen,
welches die Bestimmung hat, die Räume zn schmücken, in Welchen
Dittel seit zwei Jahrzehnten als Arzt und als Lehrer gleich ver¬
dienstvoll gewirkt hat.
Ausserdem erhielt Dittel ein künstlerisch ausgestattetes Album,
die Porträts seiner Secundarärzte enthaltend.
In seiner Festrede, mit welcher Prim. Englisch den Jubilar
begrüsste, entwickelte der Redner zunächst den Entwickelungsgang
den Dittel genommen; er betont, mit wie vielen Hindernissen, die
er siegreich überwand, der Jubilar zu kämpfen batte, um jene ge¬
achtete wissenscbaftHche und sociale Stellung zu erlangen, die er
heute einnimmt, welche Verdienste er sich um die Wissenschaft und
speciell um die Ausbildung seiner zahlreichen Schüler erworben, wie
er diesen jederzeit aufs liebevollste mit Rath und That zur Seite
gestanden sei, und sie über ihre eigentliche Lehrzeit hinaus noch
aufs Nachdrücklichste unterstützt habe. Das Bild, das seine Schüler
ihm gewidmet, sei nur ein schwacher Ausdruck ihrer unwandelbaren
Gefühle der Liebe und der Dankbarkeit.
Hierauf richtete Obersanitätsrah Dr. Hoffmann eine in dem
wärmsten Tone gehaltene Ansprache an Prof. Dittel, den verdienst¬
vollen Primararzt, der seiner Leitung unterstehenden Anstalt,
seinen langjährigen Freund.
Er schilderte die bewundernswerthe UnVerdrossenheit und
jugendfrische. Ausdauer Dittels in der Ausübung seines Berufes, dem
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er mit allen Kräften obliege, die grossen Verdienste, die er sich
um das Gedeihen der Anstalt erworben, die liebevolle Fürsorge für
die Kranken, die seinen bewährten Händen ihr Leben anvertrauen,
und schloss mit dem Wunsche, dass es Dittel gegönnt sein möge,
noch viele Jahre zu wirken zum Stolze seiner Freunde, zur Zierde
der Anstalt, zum Tröste der leidenden Menschheit. — Lebhafter
Beifall seitens der zahlreichen Anwesenden folgte denWorten Hofmanns«
Sichtlich ergriffen antwortete der Jubilar. Der heutige Tag
werde ihm die schönste Erinnerung seines Lebens sein. Er habe
sich immer bestrebt, seinen jüngeren Standesgenossen ein auf¬
richtiger wohlmeinender College zu sein, und es erfülle ihn mit
Stolz, eine solche Würdigung seines Bestrebens zu erfahren. Das
Bild, das seine Schüler und Freunde ihm gewidmet, sei ihm das
werthvollste Angebinde, das er erhalten. Wie ein Maximum*
thermometer, welches, wenn auch schon von der Wärmequelle entfernt,
doch immer noch die höchste Temperatur, auf die es gestiegen,
anzeige, so werde ihm auch in der Zukunft jenes Bild den hohen
Wärmegrad der Gefühle der Liebe anzeigen, mit dem seine Freunde
und Schüler ihn beglücken.
Zum Schlüsse erhielt Prof. Dittel noch die Glückwünsche der
Akademischen Lesehalle und des Vereines zur Pflege kranker
Studenten.
Notizen.
Personalien. Se Majestät der Kaiser hat angeordnet, dass dem ordent¬
lichen Professor an der Wiener Universität, Hofrath Dr. Carl Sigmund
Bitter v. IlÄnor anlässlich seines bevorstehenden Uebertritts in den dauernden
Ruhestand der Ausdruck der Allerhöchsten kaiserlichen Zufriedenheit bekannt
gegeben werde. — Das Professoren-Colleginm der Wr. med. Faoultät hat in
seiner letzten Sitzung die Privat - Dooenten Dr. Ban dl, Dr. Chrobak,
Dr. Oberst einer jun. und Proseotor Dr. Zuokerkandl dem Ministerium
für die Ernennung zu ausserordentliohen Professoren vorgesohlagen.
Auszeichnungen, Se. Majestät der Kaiser hat dem ordinirenden Arzte
des Theresianums k. Rath Dr. Andreas Pleninger als Ritter des Ordens
der Eisernen Krone in. Classe in den Ritterstand des österreichischen Kaiser-
Staates erhoben.
Der oberst Sanitätsrath macht die Commune Wien aufmerksam, dass
es an der Zeit wäre, ein Augenmerk auf die Verbesserung der Wasserver-
hältnisse im Donauoanale zu riohten. Ein günstiges Resultat sei nur von der
gänzlichen Absonderung des Cloaken-lnhaltes zu erhoffen. Darum möge man
endlich, wenn auch nur in partiellen Strecken, Sohwemmoanäle errichten.
Würde in dieser Beziehung Abhilfe geschaffen, dann hätte es keinen Anstand,
im Donanoanale noch mehrere Bäder zu errichten, die sieh daselbst sehr noth-
wendig erweisen. Der oberste Sanitätsrath bedauert bei dieser Gelegenheit
auch den empfindlichen Mangel au Bädern in den einzelnen Bezirken über¬
haupt und betont lebhaft den Vortheil der Errichtung von solchen Anstalten
in sanitärer Beziehung.
Wohnuug8Veränderung. Herr Dr. Moriz Heller wohnt vom Mai ab:
I., Fleischmarkt 12.
%wr Beachtung. Da nach § 7 Alinea 3 der Statuten
die Jahresbeiträge in den ersten 3 Monaten des laufenden Jahres
einzuzahlen sind } so werden jene Herren Collegen , welche mit
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ihrem Beitrage für das Jahr 1880 per 5 fl . noch im Rück¬
stände sind, höflichst ersucht, denselben baldmöglichst zu entrichten.
Desgleichen werden auch jene Herren Mitglieder des Unter¬
stützungs-Instituts, welche ihren Jahresbeitrag per 6 fl. für das
Jahr 1880 s der nach § 6 der Statuten im Monate Jänner zu
berichtigen ist, in ihrem eigenen Interesse höflichst ersucht, den¬
selben baldigst an die Kanzlei des Wr . med. Doct.-Coll. (/., Rothe-
thurmstrasse 23) gelangen zu machen, was am einfachsten und
sichersten mittelst Postanweisung geschehen kann.
P. T. Hochgeehrte Herren Collegen 1
Aus Anlass meines vollendeten 70. Lebensjahres erhielt ich
nicht nur vom Doct.-Coll., dessen wissenschaftlichen Ausschuss und
den ärztlichen Vereinen ausser gewöhnliche Beweise aufrichtiger
Theilnahme unter ehrenvollster Anerkennung meines Wirkens für
die Interessen des Collegiums, sondern es bemühte sich auch eine
so grosse Zahl verehrter Collegen persönlich mich an diesem Tage
zu beglückwünschen und der Würdigung meiner Leistungen Aus¬
druck zu geben, dass es mir absolut unmöglich ist, Jedem einzeln
für diese Aufmerksamkeit zu danken . Wollen Sie mir demnach
erlauben, hochgeehrte Herren Collegen, Allen gemeinsam durch
diese Zeilen meinen wärmsten Dank ausdrücken zu dürfen eben
sowohl für Ihre freundliche Erinnerung als für die nachsichtige
Beurtheilung meiner Thätigkeit im Collegium; zugleich aber auch
die Versicherung entgegennehmen, dass ich den Tag, an dm mir
solche Ehren erwiesm wurden, zu den schönsten meines Lebens
zähle und, so lange dieses noch währt, stets in dankbarer Erin¬
nerung behalten werde . 2>r. 6r. JP reyss.
Warnung . Es treiben sich in Wim mehrere Personen
weiblichen Oescfdechtes herum, welche sich mtweder persönlich als
arme, unglückliche Witwm und Watsm von Medicinä-Doctoren
und Hinterlassme von gewesmm Mitgliedern des Wr. med. Doct -
Coll. ausgebm oder vorspiegeln, dass sie von solchen unglücklichen
Witwm und Waisen wegm Erkrankung und gänzlicher Hilfs-
losigkeit derselbm gebetm worden seien, bei wohlthätigm Personen,
insbesondere Doctorm, um Unterstützungen zu bitten. Nicht selten
werdm klägliche Briefe oder schriftliche Befürwortungen auf
Visitkartm von Doctoren vorgewiesen, um das Mitleid desto mehr
zu erregen . Da sich indess durch genaue Erhebungen an Ort
und Stelle herausgestellt hat, dass sehr häufig „ speculative a Per¬
sonen, die weder Witwen noch Waisen von Doctoren sind, noch auch
von solchm zum Sammeln beauftragt wurdm: so werden die P. T.
Herrm Collegen hiemit aufmerksam gemacht, sich durch derartige
Personm nicht täuschm zu lassen und erst nach gmauer Con-
statirung der Thatsachen unterstützm zu wollm.
Herausgeber and Verleger: Wiener medicin. Doot -Coli. — Verantwortlicher Bedactenr:
l>r. L Hopfgartuer. — GeaeU«chaftBrBuchdruck«ivi, Wien, III.‘ Erdbergerstrasee 3.
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VI. Bd. Aasgegeben am 1. Juli 1880.
Ir. 15
fflTTHEILlMEN
des f
Wiener iiieiHminsclieii DoctorBn-CollBfliuins.
Erscheint jeden zweiten Donnerstag ein halber bis ein ganzer Bogen und darüber, an
20 Bogen im Jahre. — Ganzjähriges Abonnement für Nichtmitglieder des Collegiums im In¬
lande S fl M nach dem Auslande 6 Mrk. — Einzelne Nummern 26 kr. = 60 Pfg. — Tnserate
16 kr. = 80 Pfg. für die durchlaufende Petit-Zeile.
Man pr&nnmerirt in der Medicin. Buchhandlung Toeplfts 4 l Deatiake
(vormals Karl Caermak), Wien, I., Schottengasse 6.
Zaschriltei a*d Zusendungen an die Redsetiou: Wien, Kaislei des Wiener ned.
Doet*-€oll. nnd der Witwen- und Waisen-docietät, Bothenthnrastrasse 23.
Inhalt: Wissenschaftliche Versammlung vom 14. Mai. — Doctor-Jubiläum des Dr. Johann
Würstl. — Primararzt Dr. Adolf Zsigmondi f. — Literarische Anzeige. — Notizen.
In der wissenschaftlichen Versammlung am 24. Mai
demonstrirte Herr Prosector Doc. Dr. H. Chiari zunächst ein
Gehirn mit eogenannter Porencephalie (Heschl), welches er
am 20. October 1879 im St. Anna-Kinderspitale bei einem an
chronischer Tuberculose verstorbenen 13j. Mädchen secirte. An
der unteren Fläche des 1. Temporallappens fand sich an Stelle
der 2. und 3. Temporal windung und auch der angrenzenden
Partien des Gyrus uncinatus und des Gyrus fusiformis ein 7 Ctm.
langer, 1*5 Ctm. breiter, bis 2 Ctm. tiefer, spaltförmiger
Defect, der bis ganz nahe an das Ependym des Unterhornes
der 1. Seitenkammer heranreichte, aber nirgends mit dem Unter-
horne selbst communicirte. Die Wand des Substanzverlustes war
theils noch von Hirnrinde gebildet, und zwar in der Nähe des
Randes desselben, theils bestand sie aus Marksubstanz. .
/ * i*
Ueberall lag der Wand die Gefässhaut an, welche hie£
inniger adhärirte. Die Arachnoidea zog über den Substanzver¬
lust brückenartig hinweg und fand sich zwischen ihr und .‘ettiir
Meninx vascnlosa klares Serum angesammelt. Mikroscopisch ent¬
hielten sowohl die Meninx vascnlosa als auch die Hirnsubstanz
in der Wand des Substanz Verlustes braunes, körniges Pigment
und zeigte die Himsubstanz daselbst auch Neurogliavermehrung.
Das übrige Gehirn und der Schädel boten keine bemerkens-
werthe Abweichung von den normalen Verhältnissen dar. Die
inneren Meningen waren überall zart. Die Hirnoberfläche zeigte
gewöhnliche Configuration.
C. fasst diesen Fall als Porencephalie (Heschl) auf. inso-
ferne es sich hier um einen, entschieden auf regressive Vorgänge
zurückzuführenden Substanzverlust im Gehirne handelt, der wahr- /
echeinüch vor sehr langer Zeit entstanden, jetzt durch Serum/
182
Ansammlung zwischen den inneren Meningen ausgefullt erschien.
Ueber die Zeit der Entwicklung des Substanzverlustes kann C.
nichts sagen, da diese Porencephalie intra vitam keine Symptome
gegeben hatte.
Weiter demonstrirt C. das Gehirn einer am 30. März d. J.
im Rudolfspitale an Tuberculosis chronica pulmonum et intestini
verstorbenen 53j. Frau, welches ausgezeichnet ist durch ein
ganz merkwürdiges Verhalten im Bereiche der Oberfläche der
r. Grosshirnhemisphäre.
Während nämlich die ziemlich reichlich entwickelten Hirn¬
windungen an der 1. Grosshirnhemisphäre und auch die in den
unteren und hinteren Abschnitten der r. Grosshirnhemisphäre
bis auf geringe Varianten gewöhnliches Verhalten zeigen, findet
sich ganz atypische Configuration der Windungen
im Bereiche des r. Stirn- und Scheitellappens. Die
Centralfurche ist nur in ihrer oberen Hälfte vorhanden, ebenso
auch die vordere und hintere Central Windung. Der oberste Gyrus
frontalis erscheint gut ausgebildet, der mittlere ist sehr schmal;
und an Stelle des unteren finden sich von dem Gyrus supra-
marginalis entspringend, fächerförmig nach vorne auseinander¬
gehend, 4 Windungen, welche an ihrer Oberfläche vielfach
gekerbt erscheinen. Die Inselwindungen fehlen nahezu ganz. Die
inneren Meningen zeigten nirgends abnormes Verhalten. Eine
histologische Untersuchung des Gehirns wurde bisher noch nicht
vorgenommen.
C. fasst diesen Befund als eine allerdings sehr seltene
Bildungsanomalie auf und erwähnt, dass auch die Trägerin
dieses Gehirns keine abnormen Symptome von Seite des Gehirns
intra vitam gezeigt habe.
Hierauf hielt Docent Dr. J u r i Ö seinen angekündigten Vor¬
trag. Wegen der vorgeschrittenen Zeit beschränkt er sich nur
über die chirurgische Behandlung der Hämorrhoidal-
Knoten zu sprechen, auf die radicale Behandlung derselben
übergehend erwähnt er die dafür angewendeten Methoden, als:
Abtragung mit Messer und Scheere, das Abbinden mit der
Fadenschlinge und der elastischen Ligatur, das Abquetschen
mit dem Ecraseur, das Abätzen mit der Ligature caustique
und der galvanocaustischen Schlinge, das Verschorfen mit dem
Glüheisen und mit dem Porzellanbrenner, endlich die Aetzungen mit
rauchender Salpetersäure und salpetersauerem Quecksilberoxyd.
Das einfache Abschneiden sei bei inneren Knoten gänzlich
zu verwerfen und ist auch längst schon aufgegeben, am besten
eigne sich noch von den ersteren Methoden das Abbinden und
die galvanocaustische Schlinge, doch geben auch sie keine
Sicherheit gegen schwere Zufälle und unangenehme Folgen, wie
z. B. bei der Anwendung der galvanocaustischen Schlinge öfters
bedeutende Verengerungen des Darmes Vorkommen.
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183
Seit der Veröffentlichung Billroth’s im Jahre 1871 wendet
der Vortragende die Aetzungen mit rauchender Salpetersäure
an, ist jedoch nach und nach zu einer Modification des Ver¬
fahrens gelangt.
Dr. Juriö will damit weniger eine Zerstörung der Gewebe
erzeugen, als eine adhäsive Entzündung hervorrufen, in deren
Gefolge die Verkleinerung und theilweise Verschliessung der
ausgedehnten Venen einhergeht. Er erreicht dies bei grösseren
Knoten daher auch niemals mit einer einmaligen Aetzung, doch
ist der Kranke durch diese Art der Behandlung nie gezwungen,
Buhe zu halten, öder das Bett zu hüten, kann seiner gewöhn¬
lichen Beschäftigung nachgehen, die Schmerzen, die er dabei
zu ertragen hat, sind nahezu Null, ebenso ist dabei die Hilfe
eines Assistenten vollkommen entbehrlich, und was das Wich¬
tigste, üble Zufälle, selbst die von Billroth erwähnten Harn¬
verhaltungen, sind ihm niemals begegnet. Alles dies gilt nur
bei Knoten, welche nach der Aetzung reponirbar sind.
Die Aetzung vollführt Dr. J. in folgender Weise. Der
Kranke nimmt unmittelbar vor derselben eine hoch in den Darm
hinauüreichende Einspritzung von einem möglichst grossen Quantum
lauwarmen Wassers, die mit der Stuhl- und Wasserentleerung her¬
vorgetretenen Knoten werden durch Pressen möglichst stark
herausgedrängt und unter ihnen jener gewählt, der am weitesten
hervorragt oder von dem man überhaupt glaubt, dass er die
meisten Störungen verursache; dieser wird nun durch das
Ueberstülpen eines kleinen serviettenbandähnlichen Cylinders
aus Hartkautschuk vom ZurückBchlüpfen verhindert. Der Knoten
wird durch das Aufsetzen des Ringes etwas abgeschnürrt, drängt
sich in den Cylinder hinein, und ist selbst dann, wenn der Ktanke
seinen After zurückzieht und nicht mehr presst, leicht ausser¬
halb des Schliessmuskels zu erhalten; gleichzeitig schliesst der
Bing nach Unten zu so vollkommen ab, dass ein Abüiessen
von dem Aetzmittel nicht erfolgen kann. Durch diesen Cylinder
erspart man also den Assistenten, das Fassen mit einer Haken-
pincette, erspart dem Kranken das so leicht erfolgende und
häufig sehr schmerzhaft empfundene Abfliessen der Säure.
Um diese aufzutragen verwendet der Vortragende Pinsel
aus Asbest, die sich der Arzt, da sie nicht im Handel Vor¬
kommen, selbst machen muss, was leicht zu bewerkstelligen ist;
sie bieten auch für andere Fälle das Gute, dass sie äusserst
einfach durch Halten über eine Flamme zu desinficiren sind
und daher bei mehreren Kranken verwendet werden können.
Ist die Oberfläche des in angegebener Weise gefassten
Knotens mit Salpetersäure bestrichen, so wartet man bis sie
eine graugrüne Färbung angenommen hat, trocknet nun die
allenfalls übeischüssige Flüssigkeit mit Bruua’ Watte ab und
giesst in den Cylinder etwas Oel, entfernt ihn nun und reponirt
den Knoten. Muss man nicht fürchten, dass dieser wieder leicht
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184
Vorfälle, so kann damit der Kranke unmittelbar darauf gehen
und man hat nur zu sorgen, dass er womöglich in den ersten
36 Stunden keinen Stuhl habe. Nach beiläufig acht Tagen
wiederholt man die Aetzung an einer anderen Stelle. Der Vor¬
tragende ist selbst bei alten sehr umfangreichen Hämorrhoidal»
knoten immer mit 6 bis 10 Aetzungen, bei kleineren mit viel
wenigeren ohne den geringsten Zwischenfall zum Ziele einer
Tollständigen Heilung gelangt.
Es gilt dies, wie er erwähnt, nur f&r Knoten, die reponir-
bar sind, sind sie es nicht, so ist auch bei ihnen die Aetzung
angezeigt, doch da sie meist in der Nähe des sehr empfind¬
lichen Ueberganges der After-Schleimhaut zur äusseren Haut
liegen, verursachen solche Aetzungen meist auch nachträglich
starken Schmerz und es empfiehlt sich, sie hier gleich stärker
anzuwenden, den Kranken aber durch.einige Tage unter An¬
wendung von Eisbeuteln liegen zu lassen,
Doctor-Jubiläum des Dr. Johann WUrstl.
Am 21. Juni beging der praktische Arzt Dr. Johann Würstl
sein fünfzigjähriges Jubiläum als Doctor der Chirurgie (den medici-
nischen Doctorgrad hat er erst ein Jahr später erworben), bei welcher
Gelegenheit ihm von vielen Seiten Ovationen dargebracht wurden.
Als einer der hervorragendsten Homöopathen wurde er vom Verein
der homöopathischen Aerzte schon zwei Tage vorher, d. i. am 19.,
durch eine besondere Deputation in solenner Weise beglückwünscht.
Als Mitglied der früheren italienisch-illyrischen Nation der Wiener
Universität überreichten ihm die Commilitonen ein Glückwunsch¬
schreiben in Diplomform, und als biederen, ehrenhaften Collegen,
der sich auch durch patriotische ärztliche Hilfeleistungen während
der Kriegsjahre in Militärspitälem, sowie bei den wiederholt vor¬
gekommenen Cholera-Epidemien als Cholera-Arzt hervorthat, votirte
ihm auch der Geschäftsrath eine schön ausgestattete Adresse, welche
ihm am Jubeltage durch eine Deputation, bestehend aus den beiden
Vicepräsidenten und dem Secretär-Stellvertreter, Dr. v. Pemhoffer,
überreicht wurde. Vicepräsident Dr. Preyss begrüsste als Stellvertreter
des von Wien abwesenden Präsidenten den Jubilar mit einer kurzen
Ansprache, in der er dessen Collegialität und patriotische Hingebung
betonte und ihn im Namen des Doct.-Coll. beglückwünschte. Dr. Würstl
dankte in warmen Worten gerührt und ersuchte, den Ausdruck
seines Dankes dem Coli, zur Kenntniss bringen zu wollen.
Primararzt Dr. Adolf Zsigmondy f.
Am 24. Juni wurde das Collegium durch nachstehende Todesanzeige
erschüttert:
Adolf Zsigmondi, Doctor der Medioin und Chirurgie, Magister der
Geburtshilfe, Operateur, k. k. Primararzt im allgemeinen Krankenhause, Uni-
yersitfttsdooent der Zahnheilkunde, Mitglied mehrerer gelehrter Gesellschaften etc.,
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185
ist gestern den 23. Juni um 10 Uhr Vormittags im 64. Lebensjahre naoh kurzem
schmerzlichen Leiden Banft verschieden. *)
Z. wurde am 26. September 1816 zu Pressburg in Ungarn geboren und
erfreute sieh schon in seiner Kindheit und Jugend der sorgfältigsten Erziehung
durch seinen gelehrten Vater, der Professor am evangelischen Lyoeum in
Pres8burg gewesen. Naoh vollendeten Gymnasialstudien begann er die medi-
oinisohen in Pest, absolvirte jedoch die letzten zwei Jahre in Wien, wo er am
6. August 1840 zum Dootor promovirt wurde. Während seiner Studienzeit inter-
essirte er sich besonders für Physik und Chemie, daher er auch als Thema
seiner Dissertation die „8ynopsis fontium medioatorum Hungariae praeoipuorum
respeotu pbysioo-ohemioo“ wählte. Naoh erlangter Dootorswürde wendete er
sich aber mit Vorliebe der Chirurgie zu, für die er sich auch später ^ ais
Operationszögling besonders ausbildete, so dass er schon naoh vieljähriger
Dienstleistung als erster 8eoundararzt auf der Abtheilung des Prof. Schuh
im allgemeinen Krankenhause im Jahre 1848 zum Primarärzte im Provinzial¬
strafhause ernannt wurde Während der Belagerung Wiens fungirte er auch
gleichzeitig durch 3 Monate als Chefarzt eines Notbspitals für Verwundete im
Augarten. Als die Uebersiedlung des Strafhauses nach Stein ins Auge gefasst
wurde, und er keine Lust hatte, Wien zu verlassen, und damals auch keine Aussicht
auf weitere Verwendung als Chirurg in einer anderen Heilanstalt hier bestand,
ging er mit der Idee um, falls diese Uebersiedlung wirklich durohgeführt
würde, sich als Zahnarzt in Wien zu etabliren und bereitete sich dazu unter
der Leitung seines Freundes und Studiengenossen dos uns allen unvergesslichen
Professors Heid er, des Begründers der wissenschaftlichen Zahnheilkunde in
Oesterreich, selbst in ganz Deutschland, vor. Als dessen Schüler betrieb er
nebst seinem sonstigen ärztlichen Berufe mit dem grössten Eifer insbesondere
die oonservative Dentistik und erwarb sich in dieser Beziehung unter den
lugen Beines Meisters eine unübertreffliche Virtuosität im Plombiren der
Zähne, die ihm auch einen bedeutenden Ruf in dieser Speoialität verschaffte,
obgleich er sich nicht ausschliesslich damit zu befassen genöthigt war, da bald
nach der Translocirung des Strafhauses im J. 1856 sioh für ihn eine Stelle als
Primarohirurg im allgemeinen Krankenhause eröffnete, in der er bis an sein Ende
eifrig wirkte, ohne dabei die Zahnheilkunde bei Seite zu setzen. Als Chirurg
wies er sohon im Strafhause schöne Erfolge auf in plastischen Operationen,
Transplantationen und der Galvanokaustik; im allgemeinen Krankenhause
Yervollkommnete er die Anwendung des Gypsverbandes, hielt darüber sehr
interessante Vorträge mit Demonstrationen und bereicherte die Literatur mit
gediegenen Aufsätzen in diesem Fache.
Ein chronisches Fussleiden infolge einer Verletzung war die Veranlassung,
dass er der chirurgischen Privatpraxis fast entsagen musste und ihn immer
mehr der Zahnheilkunde zuführte, für welches Fach er sioh im Jahre 1860
als Dooent an der Wiener Universität habilitirte.
Als Zahnarzt empfahl er zuerst naoh Arnott in Brighton als looales
Anaesthetioum die Anwendung einer Frostmischung aus Eis und Kochsalz,
namentlich bei kurz dauernden Operationen, und seine reiche Sammlung von
ihm künstlich angefertigter Gebisse u. dergl. wurde bei der Pariser Welt¬
ausstellung i. J. 1878 preisgekrönt.
Im Doot-Coll., dem er seit 18. Ootober 1847 angehörte zu dessen
treuesten Anhängern er zählte, und das ihn auch für das Jahr 1852/53 zum
Gastprüfer bei dem 2. medio. Rigorosum wählte, wirkte er duroh eine Reihe von
Jahren im Geschäftsrathe und vom Jahre 1850 bis 1856 auch als Mitglied des
wissenschaftlichen Ausschusses des früheren Doot.-Coll. der medioinisohen
Faoultät, trat dessen Witwen-Societät und Unterstützungs-Institute als Mitglied
bei, an deren Gedeihen er den regsten Antheil nahm. Eine seiner ersten Arbeiten
für das Collegium war ein sehr gründliches, auf zahlreiche Versuche basirtes
Gutachten: „Ueber die Zulässigkeit unverzinnter Kupferwaaren zum Ausspülen
der Sohankgeräthsohaften bei Wein- und Bierwirthen", das auch in der Zeit-
*) Er starb an Perityphlitis mit Durchbruch am process. vermiformis.
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186
schrift des Coli, erschienen ist, wie denn seine meisten Arbeiten darin ver¬
öffentlicht wurden. *) Seit der Einführung der wissenschaftlichen Plenarversamm¬
lungen hat er in denselben bis in die neueste Zeit öfter Vorträge gehalten
und interessante Krankheitsfälle vorgestellt
Als Arzt war Z. von sorupulöser Gewissenhaftigkeit, ja man möohte
beinahe sagen, Aengstliohkeii Als Freund ezacten Wissens konnte er in manchen
unbestimmten Fällen nur mit Zagen zu einem Entsohlusse kommen. Das
mochte vielleicht mit ein Grund gewesen sein, dass er sioh mit Vorliebe der
Zahnheilkunde zuwendete, da sie, in einer mehr beschränkten Sphäre sich
bewegend, eine sichere Diagnose und positiven sicheren Erfolg versprechendes
Handeln zulässt
Z. war zugleich ein gemüthlioher, wohlwollender College, der das Herz
auf der Zunge hatte und, weil selbst offen und gerade, auch bei Anderen dies
voraussetzte. Bald wäre er unter dem ostensiblen Vorwände seiner Kränklichkeit
in seiner ämtliohen Stellung ahnungslos das Opfer einer Intrigue geworden,
der noch zu gelegenen Zeit von den Rechtliohgesinnten vorgebeugt wurde.
Wie sehr ihm aber das Doot.-Coll. am Herzen gelegen, beweist, dass er
wenige Stunden vor seinem Tode den Vizepräsidenten Dr. Hopfgartnerzu sich
gebeten und ihm nioht nur eine Spende von 300 fl. für das Pensions-Institut
und eine zweite von 200 fl für das Unterstützungs-Institut eingehändigt, sondern
auoh zweien seiner Söhne, welche bereits Medioin studiren, bei dieser Ge¬
legenheit zur Pflicht gemaoht, sobald sie die Doctorswürde erlangen, sofort
die Aufnahme in das Coli, naehsuohen und dann allen humanitären Instituten
desselben beitreten sollen.
Je geringer die Zahl Jener wird, welche reiches Wissen und tüohtiges
Können mit Bescheidenheit vereinigen, desto höher steigt ihr Werth. Z. zählte
zu diesen Wenigen. Um so mehr trat an uns die Pflioht heran, seinem Wirken
die Anerkennung zu zollen, die er längst verdient hat, und der das Präsidium
des Doot.-Coll. dadurch sichtlichen Ausdruck gegeben, dass es durch seinen
Vizepräsidenten Dr. Hopfgartner und den Secretär Dr. Carl Reitter einen pracht¬
vollen Kranz, auf dessen weissen Schleifenenden in goldenen Buohstaben zu
lesen war: „Das Wiener medioinisohe Doctoren-Collegium seinem unvergess¬
lichen treuen Mitgliede“ auf den schon mit einer Fülle von Kränzen und
Blumen gesohmüokten Sarg des Heimgegangenen niederlegen liess.
Wie allgemein die Anerkennung der trefflichen Eigenschaften des ge¬
schiedenen Collegen als Arzt und Mensoh gewesen, mag schon aus der unge¬
meinen Theilnahme der Anwesenden an dem Leichenbegängnisse entnommen
werden. Von den Collegen, die ihm nahe standen, fehlte keiner und alle waren
tief gerührt. Vor allem der Sanitäts-Referent im Ministerium des Innern,
Ministerialrath Dr. Schneider. Das allgemeine Krankenhaus war durch seinen
Direotor, beinahe sämmtliohe Primarien und eine gute Zahl Secundarärzte
vertreten, auoh die Rudolfstiftung entsandte seinen Direotor und mehrere
Primarärzte, das Professoren-Collegium nahm fast vollzählig theil, vom Wr. med.
Doot.-Coll. das gesammte Präsidium, die meisten Mitglieder des Gesohäftsraths
und viele ältere und einige jüngeren Mitglieder, die Gelegenheit hatten, mit dem
Verstorbenen während seines Lebens zu verkehren. Die Todtenfeier war eine
solenne, und die innige, ergreifende Leichenrede entlockte selbst manchem Fremden
eine stille Thräne. Zsigmondi hat Gutes gesäet, möge er auoh Gutes ernten.
Literarische Anzeige.
Dr. G. Beck’s „Therapeutischer Almanaoh.“ 7. Jahrg. 1880. Des
Taschenbuches der neuesten Therapie 2. Bdoh., 3. Heft. Bern, Leipzig
u. Stuttgart. J. Delp’sche Buch- und Kunsthandlung (C. Schmid). 1880. 74 8.
*) Ausserdem erschienen noch Aufsätze von Z. in der Zeitschrift der k. k. Gesell¬
schaft der Aerzte“, der „Medic. Wochenschrift", im „Orvosi hetilap“, in den „Mittheilungen
des Centralvereins deutscher Zahnärzte", in der „Medicinalballe", in der „Deutschen Viertel¬
jahrsschrift für Zahnheilkunde", in der „Wr. all gern, medic. Zeitung", im „Londoner Dental
Review, im „British.-Journ. of Dental science", im „Mouvement medical" und seine letzte
Publication (Ende 1878) in der „Wr. med. Wochenschrift" betraf eine glücklich operirte Hernie
obturaioria incarcerata.
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Je mehr Bioh die praktischen Aerzte der Neuzeit in dem löbliohen
Streben gefallen, die Natur des gesunden und kranken Organismus mit allen
Behelfen der fortgeschrittenen Kunst zu ergründen, oder zum wenigsten dem
neidenswerthen Forscher auf dieser verführerischen Spur aus grösserer oder
geringerer Ferne zu folgen: desto berechtigter und begreiflicher ist das häu¬
figere Auftauohen von therapeutischen Tasohenhüohern, Kalendern und Alma-
naohen u. s. w., auf dass es dem Praktiker am Krankenbette an Mitteln nicht
fehle, neue und moderne Behandlungsmethoden kennen zu lernen, alte im
Gedächtnisse rasch aufzufrisohen. Der vorliegende Almanaoh zeichnet sioh
dadurch vor ähnlichen Taschenbüchern und Receptsammlungen aus, dass er
den Leser mit den neuesten Erscheinungen und Errungenschaften der medizi¬
nisch-praktischen Literatur von Jahr zu Jahr bekannt macht und so ein über¬
sichtliches lexigraphisohes Werk über die Therapie und materia medioa des
Jahrganges bildet, gleichsam einen oonoisen Jahresbericht über die Fortschritte
der praktischen Medizin in nuoe darstellt.
Kurze aber genaue Oitate aus dem in Rede stehenden Bereiche er¬
höhen den Werth des Büchleins, das durch ein erschöpfendes Inhaltsver¬
zeichnis und alphabetisches Krankheitsregister an Brauchbar¬
keit gewinnt und duroh eingeführte Abbreviaturen die Reichhaltigkeit
des Stoffes ermöglicht.
Das Inhalt8verzeiohniBS weist auf 15 Rubriken hin, von denen die erste
z. B. mit „apyretische Dyskrasien“, die zweite „pyretische Dyskrasien“ Überschrie-
ben ist; die 15. und letzte erbringt „allgemeine therapeutische und pharmaceu-
tssohe Notizen“ von praktischem Interesse.
Selbst ein „Anhang“ mit schätzenswerten Originalmittheilungen aus
der Praxis, ferner eine „Beilage (Pharmacopoea elegans), ja auch die ver¬
schiedenen Inserate sind nicht ohne praktische Brauchbarkeit und Be¬
deutung.
Die Verlaghandlung hat in Folge vielfacher Aufforderung diesmal die
Form eines Sackkalenders zum bequemen Gebrauche für praktische Aerzte
gewählt. Druck und Ausstattung kann elegant genannt werden. — 1z.
Notizen.
Ein Cariosnm. Nach einer Mittheilung der „Wiener medicinischen•Wochen¬
schrift“ soll Oberstabsarzt Dr. Neudörfer dem General-Commando in Wien
eine von ihm gemachte Erfindung auf dem Gebiete der Militär-Sanität unter¬
breitet haben, dahingehend, einestheils die Mannsohaft beim Acte der Defä-
cation an grössere Reinlichkeit zu gewöhnen und anderntheils die Aborte vor
Verunreinigung der Wände zu schützen. Er schlägt nämlioh vor, der Mannsohaft
den Iiimito-Rauohtabak nur in ganz kleinen Päckohen zu verabfolgen und
den Mann zu verhalten, das erübrigte Papier zum — Reinigen naoh der
Defäoation zu verwenden. Das k. k. General-Commando acoeptirte den Vorschlag
und ernannte eine Commission, bestehend aus einem Oberst, zwei Oberst-
Lieutenants, einem Ober-Stabsarzt, einem Ober-Intendanten, einem Verpflegs-
direotor und einem Geniehauptmann unter dem Vorsitze des General Hempfling
zur Begutachtung, respective praktischen Erprobung dieses Vorschlages Um
auch Niohtrauohern die Wohlthat dieser sanitären Massregel zugänglich zu
machen, will man dem Vernehmen nach jeden Raucher verhalten, mindestens
2 Päckchen Tabak per Tag zu verrauchen und auf diese Art einen billigen
Ausgleich herbeiführen. Dooh sind damit noch nicht alle Schwierigkeiten
behoben, und weil sich nicht alle Commisssion-Mitglieder die Köpfe zerbrechen
wollen, wurde ein Sub-Comit4 aus drei Mitgliedern bestellt, welches die Vor¬
arbeiten besorgen soll.
Stadtphysikat. Nach einer Mittheilung im nichtamtlichen Theil der
„Wiener Zeitung“ hat der Stadtphysikus Herr Obersaniätsrath Dr. Nusser
nunmehr seinen Entschluss ausgeführt und sein Gesuch um Versetzung in den
bleibenden Ruhestand dem Gemeinderath überreicht.
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Communal-Sailitätsdienst. Nachdem Stadtphyaikus Dr. Innhauser flieh
auf Urlaub befindet, wurde der städtische Arzt Dr. Emil Kämmerer dem
Stadtphysikate zur aushilfsweisen Dienstleistung zugewiesen und d. Z. vom
Sanitätsdienste im städtischen Polizei-Gefangenhaus enthoben. — Der städtisohe
Arzt Dr. Steininger wurde mit der Besorgung des letzteren betraut. —
Dr. Heinrich Adler wurde zum städtischen Arzt für den II. Bezirk ernannt
Zar Organisation des städtischen Sanitätsdienstes. Bürgermeister
Dr. v. N ewald hat endlich die Sammlung der zu dieser Reorganisation
erforderlichen Materialien angeordnet und ausserdem veranlasst, dass über
die Grundztige einer rationellen Einrichtung des Sanitätsdienstes mit beson¬
derer Rücksicht auf die der Gemeinde Wien statutarisch obliegende Einrich¬
tung und Leitung des Sanitätswesens eine Vorlage ausgearbeitet werde, welehe
auf die Erfahrungen des Stadphysikates gestützt ist und dem Gemeinderath
vorgelegt werden kann Mit der Ausarbeitung dieser Grundzüge wurde Ma¬
gistratsrath Lekisch betraut Die Vorlage soll baldmöglichst erfolgen.
Zur Regelung der Honorartrage* Der „Wiener Medicinischen Presse,,
wird aus Schneidemühl ein, wie sie sagt, nachahmungswerthes Beispiel
ärztlicher Selbsthilfe berichtet. Die daselbst ansässigeu sechs Aerzte haben sich
dahin vereinigt, vom 5. Juni ab die dort bisher üblic h gewesenen Gebühren¬
sätze für Krankenbesuche zu verdoppeln. In dem einmüthigen Vorgehen
der betreffenden Aerzte liegt nach der Ansicht der „Presse“ die Gewähr dafür,
dass sich das Publicum diesem durch die Verhältnisse gebotenen Acte der
Selbsthilfe fügen werde.
Asyl- und Erziehungsanstalt für blöd- und schwachsinnige Kinder
Vor kurzem hat im Rittersaale des Landhauses eine Besprechung zum Zwecke
der Errichtung einer solchen Anstalt stattgefunden. Der Landesmarschall, Abt
Helferstorfer, führte den Vorsitz. Es wurde ein Comitä eingesetzt, welches
die Vorarbeiten zu übernehmen und über die Resultate seiner Schritte für
das humane Unternehmen einem damals gewählten Curatorium Bericht zu
erstatten hat.
Aulnahmen* In der Sitzung des Gesohäftsrathes am 23. v M. wurden
die Herren Doctoren Auohenthaler Franz, k. k. Hofarzt, Hertzka Her¬
mann und Mittler Albert als ordentliobe Mitglieder in das Wiener medioinisohe
Dootoren-Collegium aufgenommen.
Aus dem Professoren-Collegium der medioinisohen Faoultät. Io der
Sitzung desselben vom 19. Juni wurde Professor Dr. Eduard Hofmann znm
Decan wieder- und Professor Dr. August Vogl zum Prodeoan neugewählt.
Ferner wurden zu Stellvertretern des Deoans bei den Rigorosen die Professoren
He so hl und Wedl, zu Coexaminatoren beim II. Rigorosum die Prof. Zeissl
und Neumann, beim III. die Prof. Dittel und Salzer gewählt.
Personalnacbrichten. Dem Veruehmen naoh beabsichtigen die Studenten
der Wiener medioinisohen Faoultät dem von der Lehrkanzel soheidenden
Professor Hofrath Dr. Sigmund Ritter v. Danor eine Ovation darzubringen.
Professor v. Sigmund erfreut sich in Studentenkreisen einer grossen Beliebt¬
heit und die Studenten glauben einer Ehrenpflioht nachzukommen, indem sie
ihren Gefühlen für den berühmten Lehrer in feierlicher Weise Ausdruok zu
geben beabsichtigen. — Seoretär Dr. Carl Reitter ist von einem kurzen
Urlaub, den er am 8. Juni angetreten, schon am 22. eingerückt und hat die
Seoretariatsgesohäfte wieder übernommen. — Für die durch den Tod des
Dr. Zippe erledigte Stelle eines Landesgeriohtsartztes wurden von dem
Landes-Sanitätsrathe die Herren DDr Krueg und Fritnoh als gleich¬
berechtigte Candidaten vorgesohlagen. — Der Primararzt und Prof. Dr. Loebel
hat infolge seiner andauernden Kränklichkeit einen einjährigen Urlaub erhalten
und wird seine Abtheilung im Allgemeinen Krankenhause vorläufig von dem
ersten Seoundararzt Dr. Drozda geleitet.
Dem Caroline Riedl’schen Kinderspitale wurde vom Gemeinderathe für
das Jahr 1880/81 eine Subvention im Betrage von 800 fl. zugestanden.
WobnnngsVeränderung. Dr. August Mayer wohnt jetzt V., Hunds-
thurmerstrasse 17, und Dr. Max Bardaoh I., Brandstätte 8.
Herausgeber and Verleger: Wiener medioin. Doct -OoU. — Verantwortlicher Redaoteor.
Dr. I* Hopfgartoer. - Q esellsohafts-Bnohdraokemi, Wien, in. Brdbergerstrasse $.
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VI. Bd. Ausgegeben am 15. Juli 1880. Nr. 16
MITTHEILUNGEN
des
Wiener BedlclBiscüBD DoctorBn-CnllBiims.
Erscheint jeden »weiten Donnerstag ein halber bis ein ganser Bogen und darüber, an
60 Bogen im Jahre. — Ganzjähriges Abonnement für Nichtmitglieder des Collegiums im In*
lande 3 fl. t nach dem Auslande 6 Mrk. — Binseine Nummern 66 kr. = 60 Pfg. — Inserats
16 kr. = 80 Pfg. für die durchlaufende Petit-Zeile.
Man pränumerirt in der Medicin. Buchhandlung Toepllts de Deutfoke
(vormals Karl Ciermak), Wien, I., Schottengasse 6.
Inschriften and Znscndnngcn an die Kedaetion: Wien, Kanzlei des Wiener aied.
Doet-Goll. und der Witwen- and Waisen-Societät, Kotheatharaistrasse 23.
Inhalt: Ueber Hämophilie , Vortrag von Dr. Hertzka. — Literarische Anzeige: Für und
wider die.Kuhpockenimpfung und den Impfzwang etc., von Dr. Adolf Vogt; besprochen
von Dr. Schneller. — Notizen.
Ueber Hämophilie.
Vortrag gehalten in der wissenschaftlichen Versammlung am
5. April 1880 von Dr. Hermann Hertzka.
Redner skizzirt die historischen Daten, sowie die Ver¬
breitung der Hämophilie, und erwähnt, dass vom Anfänge des
12. bis zum Anfänge des 17. Jahrhunderts keinerlei Mittheilung
über dieselbe vorliegt. Seit dem Beginne unseres Jahrhunderts
fnehren sich die Zahl der Publicationen in auffallender Weise.
Die germanische Race scheint bei Weitem mehr, als die Slaven
und Komanen zur Hämophilie zu disponiren, da von 219 Familien,
welche Immermann anführt, 169 auf Deutschland, England
und Nordamerika fallen, während nur 50 Fälle auf Frankreich,
Russland die Schweiz etc. kommen. Besonders viele Fälle sind
von jüdischen Familien bekannt. Aus Italien wurde noch kein
Fall beschrieben.
Die Bluterkrankheit ist eine allgemeine, ange¬
borene, hämorrhagische Dialhese, die ererbt sein
kann oder auch nicht. Es gibt viel mehr männliche, als
weibliche Bluter. Unter 650 Fällen sind 602 männliche
und 48 weibliche bekannt. Unter 6 Fällen sind 5 Knaben und
1 Mädchen. Die weiblichen Mitglieder von Bluterfamilien sind
jedoch, selbst wenn sie nicht bluten, dadurch höchst ge¬
fährlich, weil durch sie die Krankheit zumeist ererbt wird,
während dies bei Männern aus solchen Familien, die selbst
keine Bluter sind, fast niemals vorkommt.
Die erste Blutung wird zumeist im 1. oder2.Lebens¬
jahre beobachtet, bei fast 70% aller Fälle; oft genug aber auch
später, niemals wurde noch die erste Blutung bei einemaus¬
gesprochenen Falle von Hämophilie nach dem 22. Lebensjahre
gesehen. Rudimentäre Formen kommen auch später vor.
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Die Fruchtbarkeit der Bluterfamilieu ist sehr gross.
Grandier zählt bei 45 Familien 442, und Wachsmuth
bei 12 Familien 114 Kinder. Yon den dem Vortragenden be¬
kannten Familien zeigen die eine 6,' die andere 5 Kinder, von
der 3. sind ihm die Anzahl der Familienmitglieder nicht bekannt.
Die Hämophilie ist zumeist ererbt, jedoch nicht
immer kann dies nachgewiesen werden. Tuberculöse Eltern
sollen Bluter erzeugen können. In der Familie, deren Kranken¬
geschichte weiter unten folgt, ist der Vater Phthisiker, ein
nicht blutender Knabe ebenfalls. Trotzdem glaubt H., dass es
nicht angeht, aus so vereinzelten'Fällen Schlüsse zu ziehen, da
die Phthise doch eine sehr verbreitete Erkrankung ist, und doch
Fälle von Hämophilie nur selten zur Beobachtung gelangen.
Hämophile Personen sollen blond, blauäugig sein und dünne,
bleiche Haut besitzen. H’s Fälle sind durchweg dunkelhaarig
und brünett, wie dies schon Vieli gesehen.
Die Blutungen bei Hämophilen sind traumatische und
spontane, beide Arten wieder superficiell oder interstiell. Die
traumatischen Blutungen können höchst bedenklich werden
und treten zumeist gleich nach der Einwirkung, aber auch
später ein. In einem Falle von H. trat nach einem Trauma,
durch welches die äussere Haut, wenigstens für das Auge, nicht
verletzt war, Stunde später eine sehr heftige Hämorrhagie
ein. Oft sind es die leichtesten Wunden, die zu schweren
Blutungen führen, während grosse Wunden, manchmal ohne
Schaden vorübergehen. Incisinnen in’s Zungenbändchen
verliefen lethal.
Die ziemlich zahlreichen Fälle von Tod nach rituellen
Circumcisionen sind bekannt. H. erzählt 3 solche Fälle.
Die Impfung ist im Allgemeinen gefahrlos, doch sind auch
hier schon heftige Blutungen beschrieben. Zahnextractionen
liefern die gefahrdrohendsten Hämorrhagien. H. er¬
wähnt eines Knaben, dessen Bruder an der Circumcision zu
Grunde ging, welcher nach der Extraction eines Zahnes durch
8 Tage blutete, ebenso einer Hämorrhagie nach einem Blut¬
egelstiche an einem Zahnalveolus bei einer 24jährigen Frau,
welche 11 Stunden andauerte.
Das aus fliessende Blut bei Hämophilen ist, wenn mau
es im Beginne der Blutung untersucht, ungewöhnlich reich
an gefärbten Elementen und Fibrinbildnern (HeyJand, Fioger,
Ritter, Zimmermann). Die einmalige Untersuchung des Blutes
bei dem hämophilen neunjährigen Knaben ergab nach H. keine
Vermehrung der rothen Blutkörperchen, eher eine geringe Ver¬
minderung derselben.
Die spontanen Blutungen treten gewöhnlich erst
später auf, wie die traumatischen. In beiden Krankengeschichten
von H. ist das Umgekehrte der Fall. In erster Linie stehen die
Blutungen der Nasenschleimhaut und der äusseren
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Haut. Beide Arten sah H. bei seinen Patienten sehr häufig;
die Blutungen unter der Haut variirten von Erbsengrösse bis
zu der einer Männerhand; diese Extravasate verschwinden wie¬
derum ziemlich rasch. Seltener kommen Magen-, Darm-, Nieren¬
blutungen und solche aus anderen Organen vor. In Krankenge¬
schichte Nr. 1 beschreibt H. eine zweimalige vehemente Magen¬
blutung. Nicht Belten und ziemlich charakteristisch ist bei Blutern
das Yorkommen von pseudorheumatischen Gelen ks*
schmerzen und Gelenksanschwellungen. H. sah bei
dem Knaben zweimaliges Auftreten von Gonitis dextra im Jahre
1877 und 1880.
Ueber das Wesen und die Ursachen der Hämophilie
sind die Ansichten noch sehr widersprechend* Nachdem H. die
alten und alle neueren Theorien erwähnt, kommt er zu dem
Schlüsse, dass Eines sicher aus alledem hervorgehe, nämlich,
dass alle Formen der Hämophilie sich nicht auf gleiche
Ursachen zurückführen lassen.
Die Dauer der Hämophilie entspricht im Allgemeinen
der Lebensdauer des betroffenen Individuums. Die Dauer der
einzelnen Blutungen differirt von einigen Stunden bis Tagen ja
Wochen. Bei weitem am häufigsten ist der schliessliche Ausgang
der Hämophile der Tod. Die Mortalität ist eine sehr hohe.
Grandidier zählt von 212 Hämophilen nur 101, welche das
8. und nur 24, welche das 22. Lebensjahr erreichten. Es sind
jedoch auch 60jährige Hämophilen beobachtet worden (Steinmetz,
Grandidier).
Die Prognose ist um so ungünstiger, je früher die
Krankheit auftritt. Haben die Kinder das 8. Lebensjahr erreicht,
dann kann man schon ruhiger sein, obwohl man niemals die
Gefahren einer Hämorrhagie unterschätzen darf. Superficelle
Blutungen sind ungünstiger als interstitielle, innere ge¬
fährlicher als äussere.
Die Prophylaxis hat bei der Hämophilie eine sehr
grosse Bedeutung, indem einerseits die Entstehung
neuer Fälle zu verhüten ist, andererseits bei schon vorhan¬
dener Disposition den Blutungen im Einzelfalle vorzu¬
beugen sein wird, was H. ausführlich erörtert.
Jederlei Setzung von Wunden, auch der kleinsten, ferner
Traumen, namentlich bei Kindern muss verhütet werden, und
sind die Circumcisionen und Zahnextractionen bei Mitgliedern
von Bluterfamilien, oder der Hämophilie Suspecten absolut zu
vermeiden etc. Bei Anämischen sind Jodeisen Liqu. ferr.
sesquichlor., kräftige Kost, bei Plethorischen, kühle Abreibungen,
Plumb. acet. Secale cornut. Ergotin, dauernd anzuwenden. Alko*
holica, heisse Getränke, körperliche Anstrengungen sind schädlich.
Die Therapie besteht zunächst in der Behandlung der
Blutungen, u. zw. tritt H. entschieden dafür ein, auch spontane
Blutungen an der Oberfläche, wie die traumatischen, sofort zu
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stillen, um nicht, wie einige Autoren empfehlen, zuerst abzu¬
warten, bis der plethorische Patient einen schwächeren Puls
bekommt (Wachsmuth, Vieli, Legg), weil es bei der Schwierig¬
keit der Blutstillung bei Hämophilen gewiss oft zu spät werden
könnte, und namentlich bei Kindern unbedingt gefährlich wäre,
endlich weil er von der raschen Blutstillung, wenn sie gelang,
niemals Schaden sah. Immer möge man neben den äusser-
lichen, auch sogleich innere Mittel gegen die Blutung verab¬
reichen. Die Compression u. zw. die andauernde ist vom
besteh Erfolge, namentlich bei Blutungen nach Zahnextractionen
ist die Methode nach Hohl, nämlich Application einer Druck¬
platte aus Gold oder Silber auf das blutende Zahnfach bestens
zu empfehlen. Als Styptica sind nebst vielen andern, nament¬
lich Secale cornut. und Plumbum acet. zu empfehlen, neben
absoluter Ruhe und kühlenden Getränken.
Collabirt der Patient durch die fortdauernde Blutung, dann
sind Stimulantia anzuwenden. Hämatome sind niemals zu eröffnen,
ausser wenn Gangrän eintritt, und auch da nie mit dem Messer.
Die Geschichte der Bluterfamilie ist folgende :
Yater Phthysiker. Mutter gesund, aber sehr zart, von
beiderseitigen Verwandten nichts Bestimmtes zu eruiren.
1. Kind, Mädchen, nach 7 Monaten gestorben, hat niemals
geblutet.
2. Kind, Knabe, 9 Jahre alt. Im 17. Lebensmonate zeigten
sich grünblaueFlecken von verschiedener Grösse am ganzen
Körper, einen Monat darauf längs des ganzen rechten Fuss-
rückens eine tiefblaue Sugillation. Im 22. Lebensmonate
zum ersten Male Epistaxis durch mehr als 8 Tage. Zu zwei
Jahren lockerte sich der Patient 2 Zähne, Blutung durch 3 Tage.
Von 2—4 Jahre, abwechselnd mit Intervallen von höchstens
4 Wochen, Epistaxisanfälle und Ecchymosen von verschiedener
Ausdehnung. Im 4. Lebensjahre hatte sich der Knabe an eine
Bettkante gestossen, worauf acht Tage hindurch, trotz aller an¬
gewandten Mittel, ja trotz Touchirungen der blutenden Stelle
an jedem 2. Tage eine heftige Blutung anhielt, die ihn so anä¬
misch machte, dass er wochenlang nicht auf die Beine kam.
Bis zum 6. Jahre wurden fortwährend Blutungen unter der Haut
und Nasenbluten beobachtet. In diesem Jahre trat plötzlich
ohne jede Veranlassung unter ziemlich heftigem Schmerz und
Fieber eine Gonitis dextra auf, wegen welcher der Patient
neun Monate lang bettlägerig war. Die Therapie bestand in
kühlen Umschlägen, später Jodeinpinselungen, und als dies Alles
wenig fruchtete, wurde ein Wasserglas-Verband angelegt, der
zwei Monate liegen blieb. Während dieser neun Monate kam
zweimal Nasenbluten, und zeitweilig grosse Hämorrhagien unter
der Haut vor. Der Knabe war inzwischen so abgemagert und
schwach, dass er sich im Bette nicht aufsetzen konnte. Endlich
nach zehn Monaten trat Besserung ein und Patient konnte das
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Bett verlassen. Aber kaum war er einigemale auf den Füssen,
als schon eine Recidive eintrat. Um eine vollständige Resorp¬
tion der Kniegelenksentzündung zu erzielen, wurde Patient nach
Pystian geschickt, wo er sechs Wochen blieb und auch voll¬
ständig erholt zurückkam. Dort wurde ihm durch eine Patientin
ein lockerer Zahn mit der Hand herausgerissen, worauf er durch vier¬
zehn Tage eine stetige wenn auch geringe Blutung hatte. Yon
Pystian hier angelangt, zeigte sich wiederum am linken Ober¬
schenkel eine grosse Sugillation, welche vierzehn Tage sichtbar
war. Seit fünf Monaten hatte die Epistaxis sistirt.
Im November 1878 zeigte der Knabe merkwürdige Er¬
scheinungen. Er behauptete, wie er sich damals ausdrückte,
er blute „innerlich“; er spürte das Blut in den Magen „laufen“
und erbrach nach einiger Zeit fast ein Seit el geronnenen Blutes.
Im Februar 1879 beobachte H. selbst diesen Zustand; mehrmals
trat Erbrechen von theils geronnenem, theils halb verdautem
Blute auf, auch durch den Stuhl wurden grosse Mengen Blutes
entleert. Absolute Ruhe, Eispillen, Wein und Ferrum sesquichlor.
interne stellten nach kurzer Zeit wiederum die Ruhe her.
Merkwürdig ist und muss hervorgehoben werden, dass
seit zwei Jahren kein Nasenbluten aufgetreten ist,
während durch fünf Jahre hindurch die Anfalle von Epistaxis
nie länger als vier Wochen aussetzten. Den ganzen Sommer
1879 waren »die Krankheitszufälle mässig, .Ecchymosen traten
auf und verschwanden, der Knabe nahm unter sorgfältiger Pflege,
guter Kost und Wein wiederum zu, und besuchte sogar die
Schule. Anfangs November fiel der Patient auf die Stirne,
ohne sich äusserlich irgendwie verletzt zu haben; eine halbe
Stunde nach dem Falle trat heftige Blutung ein; man
musste den Arzt holen, und dieser stillte, nachdem er lange ver¬
geblich Herr der Blutung zu werden sich plagte, dieselbe mit Liqu.
ferr. sesquichlor., indem er einen grossen Charpiebausch in Ferr.
tauchte und starke Compression ausübte. Nach zwei Tagen
sollte die Charpie mit nassem Schwamme aufgeweicht werden.
Kaum war jedoch der Charpieballen gelöst, als angeblich ein
Blutstrahl entgegenspritzte; es musste wiederum geätzt werden,
aber der Knabe hatte einen colossalen Blutverlust erlitten. Nach
zwei Monaten erst war die Stirne von Charpie frei, da der
Knabe aus Furcht vor neuer Blutung die Entfernung der Charpie •
nicht zuliess, und dieselbe daher nur ganz allmälig entfernt
werden konnte. Die &arbe ist noch heute blauroth gefärbt. Im
Jänner 1880 erschienen grosse grünblaue Ecchymosen unter dem
rechten Arme, so dass derselbe schwer bewegt werden konnte.
Ende Jänner 1880 trat, ohne welche Veranlassung wiederum
Schwellung des rechten Kniegelenkes mit .heftigen
Schmerzen und Fiebererscheinungrn auf. Das rechte Kniegelenk
war um 6 Ctm. grösser im Umfange, als das linke, Temperatur
daselbst erhöht, das ganze Knie blauroth gefärbt. Fluctuation war
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deutlich nachweisbar. Nach 12 Tagen waren bei genauer Palpation
härtere Punkte (offenbar Blutcoagula) zu fühlen, und nach weiteren
14 Tagen war zwar das Knie fast normal, aber das Gehen
kam dem Patienten schwer an. Therapeutisch wurden Eisum¬
schläge, Ergotin und Chinin innerlich angewendet. Am 3. Februar
war beiderseits intensiver Spitzencatarrh nachzuweisen.
Seit dieser Zeit traten fortwährend grössere oder kleinere Haut-
hämorrhagien am Oberarme, an dem Schulter blatte, am Unter¬
schenkel etc. auf. Der Knabe ist intelligent, sein Zahnfleisch
stets intact.
Das 3. Kind, Mädchen von 6 Jahren, zeigte mit 2 Jahren
kleinere und grössere Hämorrhagien unter der Haut, am ganzen
Körper. Im 3. Lebensjahre öfters Epistaxis, jedoch nicht so
heftig wie bei dem Knaben. Auch in diesem Jahre, ebenso
wie in den letzten Monaten öfter Hauthämorrhagien.
Das 4. Kind, ein Knabe, ist 2 J / 2 Jahre alt und Phthisiker,
das 5. Kind ebenfalls, ein Knabe 7 Monate alt, hat bisher nicht
geblutet.
Literarische Anzeige.
„Für und wider die Kuhpookenimpfunng und den Impfzwang,
oder polemische, kritische und statistische Beiträge zur
Pooken- und Impffrage“, mit zahlreichen statistischen Tabellen.
Den schweizerischen Bundesbehörden gewidmet von Dr. Adolf Vogt,
ord. Professor der Hygiene und Sanitätsstatistik an der Hochschule in
Bern. Bern 1879. gr. 8°. 248 8. — J. Delp’sohe Buchhandlung.
Der Verfasser, dessen unsicherer Standpunkt gegenüber der Impfung
durch obigen Titel schon gekennzeichnet ist, stellt sich in seiner Arbeit ins¬
besondere die Aufgabe, zu prüfen, ob denn die Statistik, wie sie bisher geübt
wurde, zu den Schlüssen berechtige, welche zu Gunsten der Impfung daraus
gezogen wurden. Er theilt deshalb eine Fülle interessanten statistischen Materials
mit. Es ist auoh in hohem Grade erwünscht und zum Vorth eile der guten
Sache, die nur auf Wahrheit beruhen kann, dass die bis nun erschienenen
statistischen Tabellen einer strengen Reyision unterworfen und die Anforderungen
genau präoisirt werden, deren vollständige Erfüllung allein verlässliche Resultate
zulässt. Hiezu ist aber unparteiischer Sinn, ruhige Prüfung, unbeugsame Logik,
die keine Sprünge zulässt, sowie grosse Nüchternheit des Urtheils von Seite
des Statistikers erforderlich. Ist dies schon schwierig, so ist naoh meiner An¬
sicht die Beschaffung brauchbaren Materials, und auf das kommt es ja am
meisten an, noch schwieriger. Die Prämissen sind eben die Hauptsache Hier
das Riohtige von dem Unrichtigen zu unterscheiden, ist nioht immer leioht.
Bisweilen genügt schon der Name des betreffenden Autors, um berechtigte
Zweifel an der Richtigkeit der Arbeit zu hegen. Wer kann aber alle diese
Persönlichkeiten beurtheilen? Worauf es am meisten änkommt, habe ich bereits
in diesen Blättern 1875 in meinem Aufsatze: „Der Werth der Impfung in
Zahlen“ auseinanderzusetzen mich bemüht. Die seitherigen als verlässlich anzu¬
sehenden statistischen Angaben bestätigen nur das früher von mir Gesagte.
So z. B. wieder der letztersohienene Physikatsbericht von Wien 1879. Nach
diesem war unter 422 Fällen im Communal-Blatternspitale das Sterblichkeits¬
procent bei 256 mit deutlichen Impfnarben Versehenen 8*6, bei 144 sicher
nicht Geimpften 57*9, bei den 22 Zweifelhaften 54*5. Auoh die nun im vierten
Jahre erscheinenden „Veröffentlichungen des k. deutschen Gesundheitsamtes,“
welche eine städtisohe Bevölkerung von mehr als 7 1 /* Millionen umfassen,
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zeigen oonstant so minimale Zahlen von Pocken-Todesfällen, dass man, zu¬
sammengehalten mit der strengen Durchführung des Impfgesetzes im Deutschen
Reiohe und verglichen mit den angrenzenden Ländern, wo das nicht der Fall,
keinen Fehlschluss thun wird, geringe Blatternsterbliohkeit und Impfung in
ursächlichen Zusammenhang zu bringen Eine Beobachtung von Deoennien
wird dies noch klarer stellen
Indess werden auch diese Zahlen Anfechtungen erfahren; die ersteren,
weil sie eine zu geringe Zahl von Fällen umfassen, die letzteren wieder aus
anderen Gründen. Was Vogt sagt, wurde schon oft gesagt und oft schon wider¬
legt oder richtig gestellt. Die grosse Sterblichkeit im kindlichen Alter, nament¬
lich innerhalb des ersten Jahres, ist ja bekannt und liegt in der Natur der
Sache. Dass auoh sie im Allgemeinen, namentlich duroh zweckmässige
Ernährung eingeschränkt werden kann, ist gewiss. Allein es ist kein Natur¬
gesetz, dass die Kinder gerade an Blattern sterben müssen, und um dies handelt
es sich hier. Die Sterblichkeit an Blattern lässt sioh aber duroh rechtzeitige
Impfung sioherer vermindern, als durch die besten hygienischen oder Er-
nährungsverhältnisse, abgesehen davon, dass ihre allseitige Herbeiführung ein
Ding der Unmöglichkeit ist.
Die mit grosser Leidenschaftlichkeit geführte Agitation gegen die Impfung
wird die ruhig Denkenden, wenn nöthig, nur zur neuerlichen objeotiven Prüfung
des Thatbestandes veranlassen, den wahren Werth der Impfung noch sioherer
oonstatiren und duroh die tadellose, vorwurfsfreie Vornahme des Actes der¬
selben das Vertrauen in sie befestigen. Man sollte meinen, dass jeder Arzt, der
auoh nur einen einzigen schweren Fall von Variola vera gesehen, beim An¬
blicke eines Mensohen, der mehr einem soheussliohen, stinkenden Aase gleicht,
der von seiner Umgebung geflohen wird, oder überhaupt Jedermann, der auch
nur den Jammer der an Pocken Genesenengehört, die entweder theilweise erblindet
oder fürchterliche Zerstörungen im Gesichte zeigend in ihrem Erwerbe für alle
Zukunft beeinträchtigt sind, schon aus rein humanen Gründen der schmerzlosen
und, wenn vorsiohtig geübt, vollkommen unschädlichen Impfung sioh zuwenden
wird. Häufig sind es nur Laien, reine Theoretiker, oder Aerzte, in deren Beruf
die Beobachtung und Behandlung von Pockenkranken gar nicht liegt, oder endlich
solche, die, mag es nooh so unerwiesen sein, nur etwas Apartes vertreten
wollen, welche duroh alle möglichen Fiotionen, Gruppirungen und Verdrehungen,
gleich den alten Sophisten und Dialeotikern nicht blos die Deduotionen zu
Gunsten der Impfung angreifen, sondern selbst Thatsachen leugnen, und, weil
selbst von egoistischen Motiven nicht frei, auoh Anderen solohe imputiren.
Vogt indessen kommt trotz seiner heftigen Angriffe auf die von ihm soge¬
nannten Impfdogmatiker doch zu dem Schlüsse: „Dass aus den in seiner
Sohrift nieder gelegten Acten eine auffallende Sohutz-
kraft der Vaccine gegen Pocken resultirt, welche sioh
aber nurwährend e i n e r ve r h äl t n i s s m ä 8 s i g kurzenZeit
bemerkbar macht, derenDauer erst nooh durohgenauere
statistische Untersuchungen bestimmt werden muss.“
Da die grosse Mehrzahl der Mensohen, fügt Vogt hinzu, die natürlichen
Bedingungen zur Erhaltung der Gesundheit und Widerstandsfähigkeit gegen
Schädlichkeiten noch nioht erfüllen kann (ich möohte sagen niemals wird er¬
füllen können), so wird sioh der Mensch einstweilen der Impfung zu seinem
persönlichen Schutze bedienen müssen, wenn er sioh in Pookenepidemien
sichern will. „In pookenfreien Zeiten jedoch — meint Vogt — erscheint die Impfung
als ein sträfliches Spiel mit der Gesundheit zumal kleiner Kinder und als eine
nutzlose Verschwendung privater und öffentlicher Gelder.“ Weloh’ ein Wider¬
spruch mit dem früher Gesagten, und wie sollte man aus dem Munde eines
Professors der Hygiene, deren Wesen dooh ein präventives ist, einen solohen
Anspruch erwarten? Erst wenn Feuer auf den Dächern ist, soll man zweok-
mässige Bauvorschriften handhaben und die Feuerwehr organisiren!
Zum Sohlusse soheint Vogt nooh der animalen Vaooination das Wort
zu sprechen, worin man ihm nur beipflichten kann. Denn durch sie wird der
Hauptvorwurf, weloher bisher der Impfung gemaoht wurde, beseitigt, und für
die Unschädlichkeit derselben betreffs Uebertragung von Syphilis, Sorophu-
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lofie etc. die grösste Garantie geboten. Inders hiesse es Sand in die Wüste
tragen, wenn man hierduroh die Impfgegner bekehren wollte, das wird anoh
Niemand beabsichtigen.
Uebrigens hat Sanitätsrath Dr. Oser in seinem Aufsatze: „lieber die
Nothwendigkeit eines neuen Impfgesetzes für Oesterreioh u Yogt’s Sohrift be¬
leuchtet, und ist dabei zu dem gleichen Resultate wie ich gekommen, wie
natürlich jeder unbefangene praktische Arzt und Hygieniker dahin kommen muss.
Druok und Ausstattung dieser lesenswerthen Sohrift sind sehr gut
zu nennen. OSR. Dr. Jos. Sohneller.
Notizen.
Hofrath Dr. Ritter von Giintner, der Senior unseres Collegiums, vollendet
am 25 Juli das seohszi gste Jahr seit seiner Promotion zum Dootor der
Medicin; ein seltenes Ereigniss, das in diesem Jahrhundert nur einmal vor¬
gekommen, — bei Prof. Dr. Friedrich Jaeger, promovirt i. J. 1811 und gestorben
am 26. December 1871. — Da der Jubilar, abgesehen von seinen Verdiensten um
Kaiser und Staat, stets zu den treuesten Anhängern des Collegiums gezählt und in
demselben als Superintendent der Büttner’sohen Stipendien-Stiftung noch immer
thätig ist, bat der Geschäftsrath beschlossen, dem hochverdienten Collegen an
diesem feierlichen Tage eine Gratulations-Adresse naoh Ischl, seinem Sommer¬
aufenthalte, zuzusenden.
Prof. V. Sigmund hielt am 3. d. M., vor seinem Soheiden von der Lehr¬
kanzel die letzte Vorlesung, die seinen Sohülern zu einer gefühlvollen Ovation
Anlass gab. Bei seinem Eintritte in den Hörsaal wurde der gefeierte Lehrer
mit stürmisoben Hochrufen empfangen. Dr. Wagner hielt eine schöne An¬
sprache an den Scheidenden, in welcher er dem lebhaftesten Bedauern über
den Rücktritt und dem innigsten Danke für die treffliohen Lehren Ausdruok
gab; dann überreichte er die schwungvoll abgefasste, mit mehreren Hundert
Unterschriften versehene, künstlerisch und geschmackvoll ausgestattete Adresse.
Tief ergriffen dankte der Gefeierte und sagte: „Ich scheide aus dem Leben,
sobald ich von dieser Stätte, auf welcher ioh vier Decennien gewandelt, scheide.
Nicht mir allein gebührt der Dank, sondern allen Jenen, durch deren Unter¬
stützung ioh zu diesem Rufe gelangt bin. Mit Beruhigung kann ioh gehen,
weise ich doch, dass meine Lehren von aufstrebenden Generationen befolgt
und ausgeübt werden. — Wenn ioh auch von der Lehrkanzel soheide, wird
doch die Liebe zur studierenden Jugend, welche stets Ideale bewahren möge,
dauern. Immer will ioh ihr Freund und Rathgeber sein.“
Per80nalnachrichten. Vice-Präsident M-R. Dr. Preyss hat sich heute
zum Curgebrauohe nach Carlsbad begeben. — Der königl. Rath und Prof.
Dr. Emil Nagel ist zum bleibenden Aufenthalt naoh Triest übersiedelt und
wohnt dort: Via Dogana Nr. 9.
Sophien-Spital. Die von dem jüngst eröffueten Sophien-Spitale ange¬
strebte Verleihung des Oeffentliobkeitsreohtes ist vorläufig nioht ertheilt worden,
da der nieder-österreichische Landesaussohuss im Interesse des Landesfonds
an diese Verleihung Bedingungen geknüpft hat, die von dem Curatorium
als unanehmbar erkannt wurden. Die englische Gasgesellsohaft hat auf die
Vergütung der Gasbeleuohtungs - Einriohtungskosten verzichtet und dem Spitale
überdies die unentgeltliche Beistellung von 20.000 Eile Coaks per Jahr zugesagt,
Witwen - und Wdisensocietdt des Doct.-Coll. Wir hoffen , dass
demnächst die neuen Statuten dieser Societät genehmigt werden dürften , machen
daher die Herren Mitglieder des Collegiums , welche noch von den Vortheüen
der Aufnahme nach den älteren Statuten Gebrauch zu machen gedenken, auf¬
merksam, sich mit den Aufnahmsgesuchen beeilen zu wollen .
Herausgeber und Verleger: Wiener mediein. I)oct -Coli. — Verantwortlicher Kedaoteur
Dr. L. Hopfgartner. — U eaellsohafta-Buchdruckerei, Wien, XIX. Krdbergerstrasae 8.
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TI. Bd. Ausgegeben am 29. Juli 1880. JSi*. 17
fflTTHEMMEN
Wiener medicieisciien Dtttmi'CilliiliiL
--_ - ■ - - -
ifireoheint jeden zwoiten Donnerstag ein halber bis ein ganzer Boueu und darüber/
90 Bogen im Jahre. — Ganzjähriges Abonnement für Nichtmitglieder des Collegiums im in*
lande 3 fl., nach dem Auslände 6 Mrk. — Einzelne Nummern 26 kr. = 60 Pfg — Inserate
16 kr. = 80 Pfg. filr die durchlaufende Petit-Zeile.
Man pr&numerirt in der Medicin. Buchhandlung Toeplits de Deotloke
(vormals Karl Ciermak), Wien, L, Schottengasse 6.
Zuschriften and Zusendungei an die Redaetion: Wiei, Kanilei des Wiener aed.
Doet-Cell. und der Witwen- and WaUen-Soeietär, Rotheftthurmstrasse 23.
Inhalt: Ueber den Verdauungschemismus. Vortrag von Dr. August Mayer, am 15. März I960
Literarische Anzeigen.
Ueber den Verdauungschemismus.
Von Dr. August Mayer.
(Vorgetragen im Wr. med. Doot.-Coll. am 15. März 1880.)
Die neueren Untersuchungen üher den Verdauungsprocess,
insbesondere aber über die chemischen Vorgänge, welche bei
dieser Function des Organismus stattfinden, haben bereits eine
grosse klinische Bedeutung gewonnen. Der Vortragende hat
deshalb eine Zusammenstellung der Resultate äu* den in ver¬
schiedenen Zeitschriften zerstreuten bezüglichen Publieationen
unternommen, und dieselbe vor zwei Jahren in einem Wiener
Fachblatte veröffentlicht. Im Vorjahre erschien ein Vorlesecyclus
von Dr. C. A. Ewald „Die Lehre von der Verdauung“ — zwölf
Vorlesungen), welcher denselben Gegenstand in ausgezeichneter
Weise behandelt. Im Folgenden will der Vortragende eine, wegen
Kürze der zu Gebote stehenden Zeit notwendigerweise nur
skizzenhaft gehaltene Darstellung—dec.chemis^hen Processe bei
der Verdauung Vorbringen.
Die genossenen Nahrungsmittel sind bekanntlich ein Ge¬
menge von sehr zahlreichen flüssigen, gelösten und festen Stoffen.
Es mag als Beispiel das Fleisch angeführt werden, welches
mehrere Eiweisskörper, leimgebende Bindesubstanz, elastische
Substanz, Kreatin, Sarcin und andere stickstoffhaltige krystalli-
sirbare Körper, Fette, Kohlehydrate, wie Inosit und Glykogen,
organische Säuren wie Milchsäure, Buttersäure, anorganische
Salze u. s. f. enthält. Von diesen zahlreichen Stoffen durch¬
wandern einzelne wahrscheinlich unter allen Umständen unver¬
ändert den Verdauungstract, z. B. elastische Substanz, Substanz
des Horngewebes, verholzte Cellulose, Chlorophyl; andere wer¬
den ohne wesentliche Veränderung resorbirt, z. B. Wasser, Koch-
»alz, Mineralsäuren. Die meisten eingeführten Stoffe aber er-
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leiden Veränderungen, deren Gesammtbeit den chemischen
Verdauungsprocess ausmacht.
Diese Veränderungen bestehen zum grössten Theile in einer
Zersetzung der Nahrungsstoffe, die derart vor sich geht, dass
die letzteren, welche hochzusammengesetzte chemische Verbin¬
dungen darstellen, in einfachere zerfallen, dass dann diese zu¬
nächst gebildeten Verdauungsproducte dasselbe Schicksal erleiden,
bis nach mehr oder minder oftmaliger Wiederholung dieses Vor¬
ganges endlich Körper entstehen, welche erfahrungsgemäss im
Darmcanal e nicht weiter verändert werden, und als Endproducte
der Verdauung einen Theil der Fäkalstoffe ausmachen. Es be¬
darf vielleicht nicht der Erwähnung, dass ein grosser oder der
grössere Theil der Ingesta nicht die ganze Reihe der möglichen
Zersetzungen durchmacht, sondern schon in den ersten Stadien
derselben resorbirt wird, und dass anderseits unter Umständen
die Nahrungsstoffe nicht oder wenig verändert ausgeschieden
werden.
Die nähere Betrachtung der in Rede stehenden Zersetzungs-
processe führte zur Annahme, dass dieselben sämmtlich unter
Aufnahme von Wasser vor sich gehen, dass sie sich aber in
Bezug auf ihre Intensität in zwei Gruppen theilen lassen.
Es kann einerseits die Zersetzung als ein einfaches Aus¬
einanderfallen derjenigen Atomcomplexe, welche (durch ihre
freien Affinitäten) an einander gebunden den ursprünglichen
Körper bildeten, aufgefasst werden, wobei in den neugebildeten
Spaltungsproducten diese Atomgruppen, statt wie früher mit
einander, nunmehr mit den Elementen des aufgenommenen
Wassers verbunden sind. Als Beispiel eines solchen Vorganges,
welcher, weil er der Bildung der Hydrate aus Anhydriden
analog ist, als Hydratation bezeichnet wird, möge die im Magen
stattfindende Invertirung des Rohrzuckers angeführt werden. Es
zerfallt 1- Molekül Rohzucker unter Aufnahme 1 Moleküls Wasser
in je 1 Molekül Traubenzucker und Fruchtzucker nach folgen¬
dem Schema:
Pi. H 22 O u + H 2 0 - C 6 H 12 Oe + C 6 H 12 Oe
Rohrzucker +Wasser = Traubenz. + Fruchtz.
Im Gegensätze zu diesem Zersetzungsmodus, welcher in
den ersten Stadien der Verdauung auftritt, lassen die Zersetzun¬
gen im späteren Verlaufe derselben, bei welchen es zu Oxyda-
tions- und Reductionsvorgängen zur Bildung von Säuren, basi¬
schen Verbindungen und gasförmigen Producten kommt, auf
einen tiefergehenden Zerfall der Atomcomplexe schliessen.
Nachfolgend sind die Verdauungsproducte der wichtigsten
Stoffe aus den Gruppen der Kohlehydrate, Fette und Eiweiss¬
körper, welche bekanntlich den grössten und wichtigsten Theil
unserer Nahrungsmittel bilden, in der Reihenfolge ihres Ent¬
stehens angeführt.
Von den Kohlehydraten wurde der Rohrzucker und
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dessen Spaltung in Fruoht- und Traubenzucker sohon erwähnt;
in derselben Weise verwandelt sich der Milchzucker in eine andere
Zuckerart (Galaktose). Amylum und Glykogen, höher als die
vorigen zusammengesetzten Kohlehydrate, spalten sich in Dextrin
und Zucker, wonach dann aus ersterem durch wiederholte Spal¬
tung ebenfalls Zucker hervorgeht. Alle diese durch Hydratation
entstandenen, von einander aber durch chemische und physi¬
kalische Eigenschaften verschiedenen Zuckerarten werden im
weiteren Verlaufe auf verschiedene Weise zerlegt. Es kann sich
als Zersetzungeproduct Milchsäure bilden (1 Molekül Trauben¬
zucker zerfällt in 2 Moleküle Milchsäure), welche letztere dann
in Buttersäure, Kohlensäure und Wasserstoff zerfallt, oder es
ersteht Alkohol und Kohlensäure, aus ersterem dann weiterhin
ette werden in die entsprechenden Säuren (Oel-
säure, Stearin', Palmitinsäure etc.) und in Glycerin gespalten,
letzteres zerfallt in Bernsteinsäure, Propion-, Essig- und Amei¬
sensäure, Kohlensäure und Wasserstoff, die Bemsteinsäure in
ValerianBäure, Kohlensäure und Wasserstoff.
Als nächste Verdauungsproducte der Eiweisskörper
entstehen, nachdem in der Regel die Bildung löslicher Eiweiss-
modificationen (Acidalbumin in saurer, Globulin in alkalischer
Verdauungsflüssigkeit) vorausgegangen ist, die Peptone, Diese
unterscheiden sich von den Eiweisskörpern {abgesehen von ver¬
schiedenen anderen für Unterscheidung und Trennung der ge¬
nannten Stoffe wichtigen Reactionen) dadurch, dass erstere in
Wasser leicht löslich sind, durch Membranen gut diffundiren und
durch Aenderungen der Reaction nicht aus ihrer Lösung gefällt
werden, also in weit höherem Grade als die letzteren zur Re¬
sorption geeiguet sind. Die Peptone werden als Hydrate der
Eiweisskörper betrachtet, eine Auffassung, die durch die An¬
gaben von Henniger und v. Hofmeister, welche durch
Einwirkung wasserentziehender Mittel auf Peptone Eiweisskörper
erhalten haben, gestützt wird.
Derselbe Vorgang, welchen die eben Genannten auf
künstlichem Wege veranlassten, nämlich das Zusammentreten
von Peptonmolekülen zu einem Eiweissmolekül unter Verlust
von Wasser, kann auch bei der Assimilation der resorbirten
Peptone angenommen werden, welche sich, wie die von Maly
und Plösz an Hunden mit Pepton vorgenommenen Fütterungs¬
versuche ergaben, im Organismus wieder in Eiweisskörper ver¬
wandeln.
Im weiteren Verlaufe der Eiweissverdauung bilden sich
krystallisirbare Körper: Leucin, Tyrosin, Xanthin, Asparagin-
säure, deren Entstehungsweise nicht näher bekannt ist. Dasselbe
gilt von den darnach auftretenden: Jndol, Phenol, Skatol, welche
als Bestandteile der Fäces den eigenthümlichen Geruch der¬
selben bedingen. Als letzte Producte der Eiweissverdauung
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werden Fettsäuren (Capron-, Valeriansäure etc), Kohlensäure,
Amoniak und Schwefelwasserstoff gefunden.
Die eben angeführten, und wahrscheinlich alle Zersetzungs-
processe werden durch sogenannte Fermente veranlasst. Es
sind dies bekanntlich Stoffe, welche im Stande sind, unter
günstigen Bedingungen, wie Gegenwart von Wasser, bestimmten
Temperaturen (welche im Allgemeinen der Blutwärme nahe
liegen), eine relativ sehr grosse Meoge eines anderen Körpers
in bestimmter Weise zu zerlegen, ohne dadurch selbst merklich
zersetzt zu werden. Es treten bei der Verdauung beide be¬
kannten Fermentarten auf, sowohl die löslichen F. (von
Kühne Enzyme genannt), welche als Producte der Ver¬
dauungsdrüsen die wirksamen Bestandtheile der Verdauungs-
secrete, in welchen sie gelöst Vorkommen, bilden (zuckerbildendes
Ptyalin im Speichel, eiweissverdauendes Pepsin im Magen¬
safte, 'eiweissverdauendes [Trypsin] zuckerbildendes und fett-
spaltendes Ferment im Secrete der Bauchspeicheldrüse, und
ebensolche, wenn auch vielleicht wegen ihrer geringen Menge
von wenig Bedeutung, in der Galle und im Darmsafte)
anderseits die geformten F. v einzellige Organismen aus den
Glassen der Schyzomyceten und Pilze, welche mit den Speisen
in den Darmcanal eingeführt, in demselben gerade so wie
ausserhalb des Organismus ihre als Gährung und Fäulnis8
bekannte specifische Wirkung (Milchsäuregährung durch Bacte-
rium lacticum, Buttersäuregährung durch Bacoillus subtilis,
Alkoholgährung durch Hefepilze, Fäulnissprooesse durch nicht
näher bekannte Fäulnissbakterien und Vibrionen veranlasst)
ausüben.
Die beiden angeführten Fermentarten zeigen einen wich¬
tigen Unterschied in der Intensität ihrer Einwirkung. Während
letztere bei den Enzymen sich wahrscheinlich nur auf Veran¬
lassung einfacher Hydratationsprocesse beschränkt, und speciell
bei den angeführten Nahrungsstoffen mit der Bildung von Zucker,
Zerlegung der Fettkörper in Fettsäuren und Glycerin, der
Bildung von Leucin, Tyrosin, Xanthin, Asparaginsäure abge¬
schlossen ist, schreiten die durch die geformten Fermente ein¬
geleiteten Zersetzungen rasch bis zum Auftreten der letzten
Glieder der früher angeführten Zersetzungsreihen fort.
Nach dieser kurzen allgemeinen Uebersicht über die
chemischen Vorgänge bei der Verdauung möge eine Betrach¬
tung des Ablaufes derselben, wie er durch gleichzeitige Ein¬
wirkung verschiedener Fermente auf die verschiedenen in den
Nahrungsmitteln enthaltenen Stoffe sich gestaltet, folgen.
Die Nahrungsmittel sind meistens thierische* und Pflanzen¬
gewebe, welche die Nahrungsstoffe) deren wichtigste bekanntlich
Eiweisskörper, Fette und Kohlehydrate sind, als Inhalt zahl¬
reicher von Bindegewebssubstanz oder Cellulose gebildeter Hohl¬
räume enthalten, und dadurch mehr oder weniger den Zutritt der
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201
Verdauungsflüssigkeiten zu den genannten Stoffen erschweren.
Diesem Umstande begegnet die Zubereitung der rohen Nahrungs¬
mittel auf zweierlei Art: Einerseits durch mechanische Zerstörung
des Gewebes, wie z. B. beim Schaben etc. des Fleisches,
beim Zermahlen des Getreides, anderseits durch Einwirkung
von Agentien, welche die Umhüllungen lockern oder löslich
machen, wie dies z. B. bei der sogenannten Mortification des
Fleisches (wobei durch Bildung von Milchsäure eine leichtere
Löslichkeit des Bindegewebes bewirkt wird), und in ähnlicher
Weise beim Beizen desselben, vor Allem aber durch Einwirkung
höherer Temperaturen geschieht, durch welche Bindegewebe
in löslichen Leim verwandelt, die Cellulose erweicht wird, die
Amylumkörner nach Zerreissung ihrer Hüllen aufquellen, und
unter Umständen auch die Bildung von Dextrin und Zucker
veranlasst werden kann.
Die derart für diG Verdauung vorbereiteten Speisen
kommen, indem sie (selbstverständlich flüssige Nahrung aus¬
genommen) beim Kauen mit Speichel durchtränkt werden, zum
Theile in Lösung, zum Theile in feinere, durch schleimige
Flüssigkeitsschichten dauernd erhaltene Vertheilung. Der die
Speisebissen durchtränkende Speichel enthält das schon er¬
wähnte, Stärke in Dextrin und Zucker verwandelnde Ptyalin.
Die Wirkung desselben beginnt nachweisbar schon in der
Mundhöhle, kann aber bei der kurzen Dauer des Aufenthaltes
der Speisen in derselben selbstverständlich nur geringfügig sein.
Der Werth des Speichels für die Amylumverdauung über¬
haupt wird deshalb davon abhängen, ob und wie lange er seine
specifische Fermentwirkung im Magen fortsetzen kann, worüber
später Einiges angeführt werden soll. Eine für den Schlingact
wichtige Leistung erfüllt derselbe bekanntlich durch Schlüpfrig¬
machen der Speisebissen.
Der Magen enthält im nüchternen Zustande nur eine ge¬
ringe Menge neutraler Flüssigkeit, welche keine verdauende
Kraft besitzt. Erst durch den Reiz der eingeführten Stoffe be¬
ginnt die Absonderung von Magensaft, welcher das eiweiss-
verdauende Ferment desselben, das Pepsin, enthält. Das aus
Magenfisteln isolirt gewonnene Secret der Magenschleimhaut
erscheint als eine farblose oder schwach gelbliche, klare, nicht
schleimige Flüssigkeit von stark saurer Reaction, welche von
dem Gehalte an freier Salzsäure herrührt. Letztere fand S z a b o
in dem Magensafte eines an Magenerweiterung leidenden Kranken
in der Menge von drei Permillen, Rieh et bei einem wegen
Oesophagusstrictur gastrotomirten Individuum 13—1*7 Permillen.
Künstliche Verdauungsversuche haben gezeigt, dass das Pepsin
nur bei Gegenwart freier Säuren wirksam ist, dass seine ver¬
dauende Kraft zugleich mit dem Säuregehalte bis zu einem
gewissen Maximum desselben zu- und bei weiterer Steigerung
des Säuregehaltes über jenes Maximum wieder abnimmt, und
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202
dass endlich die verschiedenen Säuren in dieser Hinsioht nicht
gleichwertig sind.
Es verdauen Pepsinlösungen, welche Salzsäure (am gün¬
stigsten ist ein Gehalt von 1 — 2 Permillen) enthalten, am
kräftigsten, viel schwächer wirkt von den in Betracht kommen¬
den Säuren die Phosphor-, Milch-, Butter- und Essigsäure.
Der freie Salzsäure enthaltende Magensaft besitzt ausser
der eiweissverdauenden auch eine fermentwidrige Kraft; er
hemmt sowohl Enzyme (Speichel und Pankreasferment) als auch
die Gährungs- und Fäulnissorganismen in ihrer Wirksamkeit.
(Fortsetzung folgt.)
Literarische Anzeigen.
Onomatologia Anatomie». Geschichte und Kritik der anato¬
mischen Sprache der Gegenwart, mit besonderer Berück¬
sichtigung ihrer Barbarismen, W i d e r s i n n i g k e i t en,
Tropen und grammatisohen Fehler. Von Dr Josef Hyrtl, emeri-
tirten Professor der Anatomie an der Wiener Universität. Wien. 1880. Bei
Wilhelm Braumüller, k. k. Hof- und Universitätsbuohhandlung. Lex 8.
S. VIII. 626.
Dieses neueste Werk des berühmten Verfassers ist ein unwiderlegbarer
Beweis, dass er, wenn auch in völliger Zurüokgezogenheit lebend, doch nicht
umhin kann, durch schriftstellerische Thätigkeit mit seinen Faohgenossen in
Beziehung zu bleiben. Es ist der anatomischen Terminologie gewidmet, wobei
er die anatomische Sprache mit einer bewundern»werthen gründlichen Kennt*
nies der Sprachen und Literatur des Alterthums kritisirt und ihre Barbarismen,
Widersinnigkeiten, Tropen und grammatisohen Fehler theils mit Humor bespricht,
theils aber auch rückhaltlos geiselt. Er will vor allem den „pruritus graeoandi“
heilen, an dem besonders die jüngere Generation leidet, „die sich darin gefüllt,
für unbedeutende anatomische Wahrnehmungen lange griechische Worte zu
schmieden, um dadurch ihren Abhandlungen einen gelehrten interessanten
Anstrioh zu geben. Er kritisirt aber auch all die neulateinisohen und neu¬
griechischen Barbarismen, die sich sohon bei älteren Anatomen eingesohlieohen
haben und weist naoh, dass in der Anatomie viele Worte in einem ganz
andern Sinne gebraucht werden, als ihnen im guten Latein zukommt. Einige
hierauf bezügliche Beispiele mögen genügen: die nervi oardiaoi sind nicht
Nerven des Herzens, sondern herzkranke Nerven das Epigastrium
nicht Magengegend, sondern Bauohwand, die Glandulae sebaoeae nicht Talg
bereitende, sondern aus Talg gemachte Drüsen — die Sutura mendosa
nioht falsche, sondern fehlerreiohe Naht — die Vasa lymphatioa nicht
LymphgefÜsse, sondern wahnsinnige Gefässe — der Vermis bombyoinus cerebelli
nicht Seidenwurm, sondern seidener Wurm * der Thalamus optious nioht
Sehhügel, sondern Sehkammer — das Os palatinum nioht Gaumenbein,
sondern das zum Berg Palatium gehörige, auch kaiserliche Bein —
der Musoulus risorius nicht Laohmuskel, sondern läoherlioher Muskel,
der Muso. oomplexus und vastus nioht durchfloohtener und dioker Muskel,
sondern umarmter und verödeter Muskel — der Flexor sublimis und profun-
dus nioht oberfläohlioher und tiefliegender Beuger, sondern indieLuftragen-
der und bodenlos tiefer Beuger - das Neurilemma nioht Nervensoheide,
sondern Nervenwille — der Nervus pathetious nicht der Leidensohaftsnerv,
sondern der leidendegefühlvolle Nerv, — das Endothel nioht inneres Epithel,
sondern Innenwarze, — die Orbita nicht Augenhöhle, sondern Wagen¬
geleise — Cilia nicht Wimpernhaare, sondern Augenlider - die Arti-
oulatio trochilodes nioht Radgelenk, sondern z aunkönigähnliohes Gelenk,
— die Vulva (richtig volva) nioht äussere weibliohe Scham, sondern Gebär¬
mutter des Schweines u. dergl. m.
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203
Hyrtl betrachtet; dieses Werk nur als eine nothwendige Vorarbeit für
eine Beform der anatomischen Spraohe und wollte nur zeigen, wo das Ver¬
bessern zu beginnen hätte und meint, dass die Purifioation der anatomischen
Spraohe auch die der medioinisohen naoh sich ziehen dürfte, die noch viel
schlechter sei als jene, da sie nicht für das Wesen, sondern nur für Symptome
der Krankheiten figürliohe Namen habe — Entzündung ohne Flamme, Brand
ohne Feuer.
Der an und für sich trookene Gegenstand ist in so anregender Weise
behandelt und er wird, wenn der Verfasser seinen persönlichen Neigungen,
seiner Laune und der Satyre freien Lauf lässt, geradezu ergötzlioh, so dass
man sich von seiner Leotüre nicht trennen kann.
In alphabetischer Ordnung werden 421 Ausdrücke (Abdomen — Zygo-
matious)mehr oder weniger ausführlich in der angegebenen Weise besprochen,
von denen wir nur einige der kürzeren herausheben wollen, um für die Form
der Behandlung Beispiele zu geben.
18. Anisoalptor. Hätte die Anatomie eine Muse, sie müsste weinen
über ein so schmutziges Wort. Keine Entschuldigung als der derbe Humor,
welcher es sioh nicht nehmen liess, in die ernsteste aller Wissenschaften darein
zu reden, und, wie er seinen Anus, seinen Penis, seine Nates, Testes,
Mammae und seine Vulva in der Gehirnanatomie anbraohte, so auch den
Musculus latissimus dorsi, weil er den Arm naoh hinten, somit die
Hand gegen den After bewegt, als Antisoalptor anzustellen. Vesal bringt
diesen Ausdruok zuerst, und hatte soviel Anstandsgefühl, denselben nicht in
den Text aufzunehmen, sondern in einer Bandnote bei dem Latissimus
dorsi delitesoiren zu lassen. Riolan, welcher das Spriohwort seiner Lands¬
leute: Qu’il 4 des ohoses, qu’on nedoit dire, qu’ä soi m4me,
vergessen zu haben soheint, that ein Uebriges dazu und braohte uns den nooh
mehr sagenden Anitersor. Die Deutschen, welche sonst nicht Feinde mas¬
siver Ausdrüoke sind, enthielten sioh der Uebersetzung dieser Worte.
27. Ar b o r vitae und Palma plicata. Die alte Chemie hatte ihren
Arbor Dianae s. philosophorum und ihren ArborMartis als
baumartige Krystallisationsformen von Silber und Eisen. Im Meere wuchsen
die Arbores maris-Corallen und in der Medioin gab es einen Arbor
vitae, worunter van Helmont ein Universal*Maorobioticum verstand, welches
er aus dem aromatischen Cedernholz bereitete. Die Ceder erreicht bekanntlich
ein sehr hohes Alter. Mit der Ceder verwandt ist die Thuya, deren resinöses
und subaromatisohes Holz nioht so kostspielig ist, wie jenes der Ceder, und
deshalb zur Bereitung eines billigeren H e 1 m o n t’sohen Balsamus longae
vitae herhalten musste. So erhielt auch die Thuya ihren Namen Arbor
vitae. Die Blättchen der immergrünenden Thuya haben eine ganz eigen-
thümliohe schöne Gruppirung, deren Bild man am Durchschnitt der Hemi-
sphäi en des kleinen Gehirns wieder erkennen wollte, wo die von grauer Substanz
eingefassten Strahlungen des weissen Markes sioh wie die Aeste, Zweige,
Blätter und Blättchen der Thuya ansehen. Winslow verpflanzte die Thuya
in die Anatomie, wo sie noch immer grünt, als Arbor vitae oerebelli
und als Arbor vitae uteri, welohem letzteren man sogar zum Arbor
vivifioans erhob (Lieutaud). Die Sohleimhaut des Canalis oerviois
uteri bildet nämlioh an der vorderen und hinteren Wand des Canals, je
einen longitudinalen Aufwurf oder Kamm, von welohem seitlich kleinere
Kämme oder Fältchen der Sohleimhaut abtreien, deren zierliche Anordnung,
ihrer Aehnliohkeit mit den Foliis palmatis der Palme wegen von Haller
mit dem ganz verfehlten Namen Palma plicata belegt wurde. Wir haben
in diesem Buche dem grossen Haller viel Weihrauch gestreut; jetzt müssen
wir ihm aber einmal das Bauchfass an den Kopf werfen Die erwähnten
Falten gleiohen einem Palmblatt und sollten deshalb Plioae palmatae oder
palmiformes genannt werden, nioht aberPalmae plioatae „gefaltete
Palmen“, was gar keinen Sinn hat. Suo quisque abundat sensu.
292. Promontorium. Das Gebiet der Anatomie wurde reiohlioh mit
Natursohönheiten ausgestattet. Wir finden in ihm Berge und Thäler (mons
veneris, Valleoula Beilii), Seen und Bäche (Lacus, Bivus laorymarum), Quellen
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204
und Nymphen (Fonspulsatilis und Nymphae) — Felder und Blumen (Campus
Halleri für Sehfeld) — Flos virginitatis für Hymen — Rosenader und Mutter¬
rose für Os uteri und drei Vorgebirge, Promontoria, wie sie Trinaoria hatte.
Das erste ist das Promontorium am Beckeneingang, entsprechend der
Verbindung des Kreuzbeins mit dem letzten Lendenwirbel. Die Geburtshelfer
nehmen von ihm viel früher Besitz als die Anatomen, da duroh ein allzustarkes
Hineinragen desselben in den Beckeneingang die Geburt erschwert, selbst
unmöglich gemacht werden kann. Boudelocque erschien zuerst mit seiner
Saillie, welche Osiander zum Promontorium vergrösserte
Das zweite Vorgebirge befindet sich an der inneren Wand der Trom¬
melhöhle, indem die erste Windung der Sohoecke die betreffende Wand der
Trommelhöhle hervorbauoht, diese Erhabenheit musste sioh lange mit dem
bescheidenen Namen einer Tuberositas tympani begnügen, welche ihr Lieutaud
beilegte, bis sie duroh Walter zum imposanten Promontorium tympani er¬
hoben wurde.
Das dritte Promontorium ragt aus dem Gesichte heraus als Promonto¬
rium faciei — Nase, worüber J. M. Hoff mann eine gelehrte Dissertation
geschrieben hat. („De faciei promontorio“, Altdorf 1682.)
Die Ausstattung des Buohes lässt wie alles aus dieser Verlagshandlung
kommende nichts zu wünschen übrig, und ist des Inhalts und des Verfassers
würdig, der Druck oorreot.
Das soeben erschienene Heft 8 der „Illustrirten Vierteljahrsohrift für
ärztliche Polytechnik" von Dr. G. Beck (Bern, Dalp’sohe Buchhandlung) enthält
in circa 70 Illustrationen mit beigefügter Erklärung, Abhandlungen über
folgende Neuigkeiten. P. Bruns (Tübingen): Enterotom zur elektrolytisohen
Behandlung des widernatürlichen Afters. Finkler & Kochs (Bonn): Pneuma¬
tischer Apparat. Fein (Stuttgart): Elektrodenhalter mit Stromwender. Fischer
(Pest): Katheder k double courant. H. Sohmidt (Erlangen): Catgutbehälter.
Beely (Königsberg): Sayre’sche Schwebe zur Selbstsuspension. Sünsky (Königs¬
berg): PoroplaBtisohe Spinaljacke. Sohadewald (Berlin): Gypsmodell für Rhinos-
oopie. V. y. Bruns: Wundnadel. Küstner (Jena): Arinthernometer für die
Frauenpraxis. Rothe (Altenburg): Traohealwundensperrer und Haoken. Schulze
(Jena): Sichelmesser zur Embryotomie. Weil (Prag): Apparate zur orthopä¬
dischen Behandlung des genu yalgum. Dumontpallier (Paris): Rühlschlauoh-
Deoke. Faucher (Paris): Magen-Siphon. Möni&re (Paris): Speoulum. Lee (London):
Dampf-Inhalationsapparat. Langlebert (Paris): Lithophon. Belloo (Paris): In¬
tra vaginaler Arzneimittelträger. Collin (Paris): Verbandsäge. Rapin (Lausanne):
Geburtshilflicher Trepan. Ooanna (Madrid): Aetzmittelträger für den Thränen-
saok Verdös (Baroolona): Otosoop-Zange. Spencer-Wells (London): Foroipressur-
Zange Pinkerton (Glasgow): Wasserdichtes Schienenmaterial. Berkeley - Hill
(London) und Bigelow (Boston): Drei Aspirationsapparate für Steinfragmente.
Sir H. Thompson (London): Modifioirter Lithotriptor. Weiss & Son (London) :
Spritzenvorrichtung. J. E. Adams (London): Apparat zur Beleuchtung der
vorderen Augenpartien. Byrne (London): Apparat zu Galomet-Fumigationen
in die Mundhöhle. Mc. Keown (Belfast): Hörrohr - Lehnsessel. Sanitary
Appliance - Company (London): Sohwemmsiehlenventiol. Bostel (Brighton):
„Exelsior“ Water Closet. Ingram & Sons (London): Ballon - Spritze. Farrar
(Brooklyn): Abzugsröhre für Antrum-Perforationen. Cutter (Boston): Elektroden
zur elektrolytisohen Behandlung der Uterintomoren. Porter (St. Louis): Be-
leuohtungsapparat Skene (Brooklyn): Uterin-Seotor. Phelps (Chaseaugay U. Y.):
Klappenoanäle zur Behandlung des Empyems. Satterthwaide (New - York):
Apparat für Clavicularfracturen. Speise George (Richmond): Hypogastrische
T-Binde. Geo. R. Fowler (Brooklyn): Spritze zu suboutemer Injection. Coatei
(Chester, Pa.): Matratze für Behandlung von Fraoturen. Carroll (New-Brighton):
Retroflexionspessar. Coleman: Modifioation des Hodge’sohen Passars. — Preis
der „Vierteljahrssohrift w Mark 4— jährlioh.
Herausgeber und Verleger: Wiener medicin. Doet.-Ooll. — Verantwortlicher Redaoteor.
Dr. L Hoptgartner. — Gesellschafts-Buchdruckerei, Wien, III. Erdbergerstrasse 3.
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TI. Bd. Aasgegeben am 12. August 1880. Nr. 18
fflTTHElLUNGEN
des
Wiener iDeJiciiiischeu Dntini-Cillnlm
Brsoheint jeden »weiten Donnerstag ein halber bis ein gauier Bogen und darüber, an
20 Bogen im Jahre. — Qansjfthriges Abonnement für Niohtmitglleder des Collegiums im In¬
lands 8 fl M nach dem Auslande 6 Mrk. — Einzelne Nummern 36 kr. = 60 Pfg — Inserate
16 kr. = 80 Pfg. für die durchlaufende Petit-Zeile.
Man pränumerirt in der Medicin. Buchhandlung Toeplitz <fc Deut Icke
(vormals Karl Ciermak), Wien, I., Schottengasse 6
Zuschriften nnd Zusendungen an die Redaction: Wien, Kanxlei des Wiener ned.
Doet.-CoLL und der Witwen- und Waisen-Societät, Rothentharmstrasse 23.
Inhalt: Ferdinand Hebra f — Ueber den Verdauungschemismus. Vortrag von Dr. August
Mayer, am 15. März 1880. — Aus dem Geschaftsrathe. — Aerztlicher Bericht Uber das
k. nnd k. National-Spital in Constantinopel im Jahre 1879. — Notizen.
Ferdinand Hebra f
Tiefe Trauer geht durch die wissenschaftlichen Kreise der Welt.
Professor Dr. Ferdinand Hebra, der grosse Dermatologe,
weilt nioht mehr unter den Lebenden. Am 5. August um 4 8 / 4 Uhr
Morgens erlöste ihn der Tod von seinen langen qualvollen Leiden.
Mit ihm fällt wieder eine jener Stützsäulen der Wiener medi-
cinischen Schule, welche derselben einen Weltruf verschafft, und
aus allen Erdtheilen Schüler zugeführt haben.
Duroh seine Forschungen hat Hebra die Dermatologie erst
zu einer eigenen Wissenschaft gemacht und seine Lehren wurden
und werden in beiden Hemisphären von seinen Schülern verbreitet.
Hebra wurde am 7. September 1816 zu Brünn in Mähren
geboren, am 26. Jänner 1841 an der Wiener Universität zum Dootor
promovirt. Im Jahre 1845 wurde er ordinirender Arzt der neu-
geschaffenen Abtheilung des Wiener allgemeinen Krankenhauses für
Hautkrankheiten und 1848 Primararzt derselben. Im Jahre 1849
lehrte er schon als ausserordentlioher, vom Jahre 1869 an als ordent¬
licher Professor.
Sein Atlas der Hautkankheiten, von der Akademie der
Wissensohaften herausgegeben, ist epochemaohcnd. In Anerkennung
seiner Verdienste wurde er vom Kaiser duroh Verleihung hoher
Orden, Erhebung in den Ritterstand, Verleihung des Hofrathtitels
ausgezeichnet. Die Gesellschaft der Aerzte wählte ihn naoh dem
Tode Rokitansky’s zu ihrem Präsidenten und zahlreiohe in- und
ausländische Corporationen zu ihrem Ehren-, wirklichen und corre-
spondirenden Mitgliede.
Das Wiener medicinische Doctoren-Collegium betrauert in ihm
ein treues Mitglied, welches nooh im Vorjahre in seiner Mitte als
Mitglied des Witwen-Societäts-Ausschusses thätig war, und die
Bibliothek desselben duroh seine kostbaren, unvergänglichen Werke
bereichert hat.
Hebra wird im Andenken der Naohwelt ewig leben.
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Ueber den Verdauungschemismus.
Yon I)r. August Mayer.
(Yorgetragen im Wr. med. Doot.-Coll. am 15. März 1880.)
•' Fortsetzung und Schluss.
Die unmittelbar nach einer Mahlzeit vorgenommene Unter¬
suchung des Mageninhaltes zeigt ein Minimum yon freier Säure.
Später steigt der Säuregehalt allmälig und erreicht sein Maximum
in einer yon verschiedenen Umständen, insbesondere von der
eingenommenen Nahrung abhängigen Zeit (nach den Beobach¬
tungen K r e t s c h y’s nach vier bis sieben Stunden).
Nach dem oben Angeführten ist a priori anzunehmen,
dass, wenn eine grössere Menge Speisen und Getränke (wie
dies bei einer Mahlzeit der Fall ist) in relativ kurzer Zeit in
den Magen gelangt, eine längere Zeit erforderlich ist, bis die
Acidität des Mageninhaltes jenen, einerseits zur Hemmung der
Speichel- und Gährungswirkung, andererseits zur Ermöglichung
der Pepsinwirkung nöthigen Grad erreicht.
Daraus ergibt sich ferner die Wahrscheinlichkeit zweier,
natürlich nicht scharf abgegrenzter Perioden der Magenverdauung.
Anfangs Vorwalten der Amylumverdauung durch den Speichel
neben einer Bildung von Gährungsproducten (vorzüglich Milch¬
säure), später infolge Vermehrung des Gehaltes an freier Bäure
Hemmung der erstgenannten Processe und Vorwalten der Eiweiss¬
verdauung. Das Eintreten dieser letzteren soll nach den Ver¬
suchen van Velden’s (deren Beweiskraft übrigens in neuerer
Zeit von Ewald angefochten wurde (je nach Quantität und
Qualität der Speisen und des Magensaftes Vs bi 8 iVs Stunden
nach der Mahlzeit beginnen.
Ausser der Verdauung des Amylums und der Eiweisskörper
wird auch, wie schon früher erwähnt wurde, die Inversion von
^Rohrzucker beobachtet und als Ursache derselben ein eigens
im Magenschleime enthaltenes Ferment betrachtet. Die Gewinnung
der Milch wird, da sie auch durch neutralen oder alkalischen
Magensaft hervorgebracht werden kann, ebenfalls einein eigenen
Fermente (Lab) zugeschrieben.
Der einige Zeit nach der Mahlzeit künstlich entleerte
Mageninhalt zeigt eine schwach gelblich bräunliche (wofern
nicht stark färbende Substanzen genossen wurden) trübe Flüssig¬
keit von saurem und etwas ranzigem Geruch und stark saurer
Reaction, an deren Oberfläche Fetttropfen schwimmen, während
ungelöste Theile theils zu Boden sinken, theils durch Gas¬
bläschen suspendiit erhalten werden. In der Flüssigkeit findet
sich im Anfänge vorzüglich Zucker, später reichlicher Pepton¬
gehalt neben wenig Eiweiss. Die festen Theile bestehen zum
grösseren Theile aus unveränderten Speisentheilen, zum Theile
aus solchen, welche bereits eine Zerstörung ihrer ursprünglichen
Textur zeigen. So findet sich z. B. das Muskelgewebe gequollen,
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207
zahlreiche Fibrillen isolirt, ohne Querstreifung, in Bruchstücken,
welche theilweise pinselförmig auseinandergefasert erscheinen.
Die Entleerung des Magens erfolgt nach den Beobach-
tungen von Busch an einer mit hochliegender Dünndarmfistel
behafteten Kranken, durch ganz arhythmisch erfolgende Gon-
tractionen desselben, welche bald nach der Nahrungsaufnahme
beginnen und bis zur vollständigen Entleerung fortdauern. Bei
der erwähnten Kranken spritzte der Speisebrei aus der Fistel
zeitweise in einem Strahle heraus und enthielt neben schon
gebildeten Yerdauungsproducten noch den grösseren Theil der
Nahrungsmittel in unverdautem Zustande.
Die im Anfänge des Dünndarms reichlich zufliessenden alka¬
lischen Yerdauungsecrete (Pankreassaft und Galle) neutralisiren die
Säure des Mageninhaltes und heben damit die Wirksamkeit des
Pepsins auf. Es gelangen nunmehr die Fermente des Pankreas
zur Wirkung, welche in energischerer Weise, als dies bei dem
Speichel- und Magemaftfermente der Fall war, Amylum und
Eiweisskörper verdauen. Der Pankreassaft veranlasst zugleich
die Spaltung der Fette in Fettsäuren und Glycerin, wodurch
indirect die Resorption der Fette ermöglicht wird.
Letztere werden nämlich nicht wie die anderen Nahrungs¬
stoffe in Lösung, sondern im Zustande der feinsten Emulsion
resorbirt. Das Zustandekommen dieser ist auch dann, wenn
(wie im Darme) keine grösseren mechanischen Kräfte zur Wir¬
kung kommen können, durch das Vorhandensein von Fettseifen
und freiem Alkali ermöglicht. Nach Gad kann unter diesen
Bedingungen Fett schon durch einfache Berührung mit alka¬
lischer Flüssigkeit zur mikroskopisch feinen Emulsion zerfallen.
Dasselbe geschieht nun in derselben Weise durch die infolge
Pankreaswirkung frei gewordenen Fettsäuren einerseits und das
freie Alkali des Pankreassaftes und der Galle andererseits im
Darmkanale.
Im weiteren Verlaufe treten unter den der Resorption
entgangenen Bestandtheilen des Darminhaltes die Gährungs- und
Fäulnissfermente in grösserer Masse auf und führen zur Bildung
der früher angeführten Producte, welche, da sie vorzugsweise
aus Säuren, insbesondere Milchsäure, bestehen, die saureReaction
der Fäces bedingen.
Nach Resorption des Wassers und der gelösten Stoffe
bleiben die eingedickten Fäcalstoffe zurück, welche fast aus¬
schliesslich aus unlöslichen Stoffen: den unverdaulichen einge¬
führten Körpern, den Endproducten der Verdauung der Nahrungs¬
mittel und Verdauungssecrete (wie Galle) bestehen.
Entgegen dem soeben skizzirten normalen Verdauungs¬
ablauf zeigt die Verdauung unter pathologischen Verhältnissen
nach doppelter Richtung ein geändertes Verhalten. Es werden
entweder die Ingesta zum grösseren Theile nicht in die zur
Resorption erforderliche Modification gebracht oder ihre Zer¬
setzung überschreitet die durch den physiologischen Zweck der
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Verdauung gesetzten Grenzen und führt zur vorwiegenden Bil¬
dung von Producten, welche einerseits zur Ernährung unbrauchbar
sind, andererseits sogar als locale Krankheitserreger, wie z. B.
Fettsäuren, oder allgemein toxisch (z. B. Schwefelwasserstoff)
wirken können.
Besonders die letzterwähnte Anomalie, das reichliche Auf¬
treten von Gährungs- und Fäulnisszersetzungen, haben einen
hervorragenden Antheil an den Symptomen, welche die Er¬
krankungen der Verdauungsorgane oder die auf Allgemein¬
zuständen (Anämie, Fieber ect.) beruhende Dyspepsie begleiten.
Aus dem Geschäftsrathe.
In der am 19. Mai unter dem Vorsitze des Herrn Präsi¬
denten Dr. v. Schmerling abgehaltenen Sitzung, an welcher
beide Vicepräsidenten, der Secretär und 14 Mitglieder des
Geschäftsrathes und der für diesen Abend besonders eingeladene
Superintendent der Kriegsstiftung Prof. Dr. Josef Gr über theil-
nahmen, referirte dieser vor Allem über die Bewerber um diese
Stiftung. Es hatten sich um deren Genuss 9 Invaliden ange¬
meldet, von denen der Superintendent fünf, den berechtigteren
Anspruch habende, nominirt und nach einem motivirten Bericht
als die besonders zu berücksichtigenden, den Unterarzt Eduard
Kübel und den Patental-Invaliden Strassmaier zur Bethei¬
lung aus dieser Stiftung beantragt, welchem Anträge auch ohne
Debatte von sämmtlichen Anwesenden zugestimmt wird.
Der Vorsitzende macht nun aufmerksam, dass der Super¬
intendent dieser Stiftung statutarisch nur auf fünf Jahre ge¬
wählt wurdej dass das Quinquennium in diesem Jahre abgelaufen
und somit eine Neuwahl vorzunehmen sei, und spricht unter
Einem Herrn Prof. Grub er den Dank des Collegiums aus,
und der abtretende Superintendent wird per acclamationem für
die nächste fünfjährige Periode wiedergewählt. Prof. Grub er
dankt für das ihm so allgemein geschenkte Vertrauen, erklärt
dass er die Wahl annehme, und verlässt dann, geleitet vom
Vicepräsidenten Dr. Preyss den Saal.
Während der Abwesenheit des Letzteren bringt der Vor¬
sitzende in Erinnerung, dass Dr. Preyss am 7, Juni d. J.
sein 70. Lebensjahr vollenden werde, und beantragt, es möge
dem Jubilar von Seite des Collegiums, dessen treuer Anhänger
er seit einer langen Reihe von Jahren ist, in Anerkennung
seiner rastlosen, uneigennützigen Bemühungen im Interesse der
Corporation eine würdige Ovation entgegengebracht werden.
Dieser Vorschlag wird einstimmig angenommen und auf
die weiteren Propositionen des Vorsitzenden eingehend, wird
beschlossen: Es sei eine aus den Präsidium- und Geschäfts¬
rathsmitgliedern zu wählende Deputation an den Jubilar zu
entsenden die denselben im Namen des Collegiums zu beglück¬
wünschen und ihm ein entsprechendes Ehrengeschenk von Seite
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des Collegiums überreichen solle. Nachdem nun noch der Werth-
betiag dieses Geschenks bestimmt worden, wird die Wahl des¬
selben, sowie die Anschaffung dem Ermessen des Präsidiums
anheimgestellt.
Sodann werden über Antrag des Secretärs die DDr. David
Münch, Bahnarzt in Stockerau, Rudolf Jam a, praktischer Arzt
in Wien und Johann Lanyi, k. k. Hof- und Stabsarzt, ein-
btimmig als ordentliche Mitglieder in das Wr. med. Doct.-Coll.
aufgenommen.
Secretär theilt mit a) von der Steuer-Administration sei
eine Aufforderung ergangen zur nachträglichen Zahlung der
Einkommensteuer pro 1876—79 für die Gehalte des Herrn
Secretärs und des Canzellisten und beantragt, es möge diese
Steuer vom Collegium gezahlt und im Regieconto in Ausgabe
gestellt werden (wird angenommen), b) Dass neuerlich wieder
einige Werke von den Autoren für die Bibliothek des Colle¬
giums gespendet wurden, die vorgelegt werden; darunter die
neueste Arbeit des Altmeisters Hyrtl, welche den Titel führt
„Onomatologia anatomiea“ und eine Geschichte und Critik der
anatomischen Sprache der Gegenwart enthalte. (Dankschreiben.)
M.-R. Dr. P r ey s s, der mittlerweile zurückgekommen,
bringt zur Kenntniss, dass von dem Geschäftsausschusse des
Aerzte-Vereins-Verbandes ein zweites Memorandum an die
hohe Regierung und beide Häuser des Reichsrathes abgegeben
und auch in der Vereinszeitung veröffentlicht worden sei, in
welchem nicht nur wieder und noch dringender als früher um
Bewilligung von Aerztekammern im Gesammtgebiete Cisleitha-
niens gebeten wird, sondern auch die in der Petition des Doct.-
Coll. gegen die Errichtung von Aerztekammern angeführten
Gründe zu widerlegen sich bemüht, das aber einerseits viele Un¬
wahrheiten, anderseits selbst Verunglimpfungen und Schmähungen
des Coli, enthalte, daher zu einem Gegenmemorandum heraus¬
fordere, in welchem die Unwahrheiten richtiggestellt und die
Schmähungen zurückgewiesen werden. Er beantragt daher,
diese Angelegenheit dem Comite zur Wahrung der Standes-
interessen zuzuweisen, damit dieses eingehend darüber berathe
und das Resultat dieser Berathung ehethunlichst in einem be¬
sonderen Berichte im Geschäftsrathe vortrage.
In der hierauf folgenden Debatte glaubt Dr. Jos. Scholz
als Mitglied des Aerzte-Vereins-Verbands und speciell des
Geschäftsausschusses desselben seine Ansicht dahin formuliren
zu dürfen, dass für das Wr. med. Doct.-Coll. kein Grund be¬
stehe, gegen das fragliche Elaborat Stellung zu nehmen ; da
seiner persönlichen Meinung nach dasselbe in keiner Hinsicht
geschädigt würde. Andererseits aber glaube er, dass das Doct.-
Coll. nicht überrascht sein könne, wenn wirklich in der jüngsten
Eingabe des Geschäftsausschusses des Aerzte-Vereins-Verbands
einige Behauptungen des Memorandums des Doct.-Coll. in etwas
accentuirter Weise besprochen worden seien, da bisher ein
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210
Entgegenkommen des Doot.-Coll. noch nicht wahrzunehmen
gewesen sei.
Dr. A. Gr über bedauert die Conflicte, in welche das
Collegium wider seinem ehrlichen Streben hineingezogen wurde.
Auch selie er in den Plänen und Tendenzen des Aerzte-Vereins-
Yerbandes manche schwere Gefahr für die allen Collegen so
theure Körperschaft erwachsen, um so mehr als diese erst jene
einflussreiche Stellung in sanitärer und ärztlich-socialer Hinsicht,
die ihm seiner Yergangenheit und seiner dermaligen Organisa¬
tion gemäss gebühren, zu erringen bemüht sein müsse, während
die Realisirung von Aerztekammern und dergleichen Wünschen
des Aerzte-Vereins-Verbandes ihr jeden Fortschritt in der be-
zeichneten Richtung abschneiden würden. Er sehe wohl ein,
dass es sehr schwer sei, gleichzeitig die vitalen Interessen des
Collegiums zu wahren und die Ziele einer neuen concurriren-
den Institution zu fördern.
Dr. Löffler glaubt den Freunden des Aerzte-Vereins-
Verbandes möglichst weit entgegenzukommen, wenn er nicht
schon gegen diesen als solchen auftrete und zugebe, dass der¬
selbe wenigstens in der Lage sei, der ärztlichen Gesellschaft
einiges Nützliche zu leisten, wenu auch kaum jemals so Grosses,
als das Collegium schon jetzt allen in der Gesammtmonarchie
promovirten Doctoren biete und so Nutzbares in allgemeiner
sanitärer Hinsicht als eine Corporation, gleich der unseren, wenn
nur mit den entsprecheneen Machtvollkommenheiten ausgerüstet.
Was aber die Gefährlichkeit der Aerztekammern betrifft,
so halte er (Dr. L.) dafür, dass sie für das Coli, im eminen¬
testen Maasse bestehe. Eben weil der Aerzte-Vereins Verband
die Errichtung einer ärztlichen Zwangsgenossenschaft, und zwar
in viel strengerer Organisation als dies bei dem Doct.-Coll.
der medicinischen Facultät je der Fall war, herbeizuführen be¬
strebt sei, sehe sich das Wr. med. Doct.-Coll. nicht nur in
seiner Stellung, Würde, seinem staatlichen und socialen Ein¬
flüsse, sondern in seiner ganzen Existenz bedroht. Schon der
Geldpunkt sei hier entscheidend, denn die neu promovirten
Doctoren werden nur in verschwindend kleiner Zahl in das
Doct.-Coll. freiwillig eintreten und einzahlen, wenn sie ohne¬
dies in eine andere staatlich organisirte ärztliche Vereinigung,
welchen Namen sie auch führen möge, einzutreten und — sehr
viel — zu zahlen gezwungen sind. Es würden nur jene in
das Coli, eintreten, welche durch ihre Aufnahme in die gross¬
artigen humanitären Institute desselben materielle Vortheile er¬
langen wollen, aber sich um die wissenschaftlichen Bestrebun¬
gen desselben nicht kümmern, somit auch daran nicht theil«
nehmen werden, und das besonders dann, wenn es dem Aerzte-
verbande je gelingen sollte, ähnliche gleichwertige Institute
wie die, welche das Collegium schon besitzt, ins Leben zu
rufen, was allerdings, wenn überhaupt, nur in sehr ferner
Zukunft möglich sein könnte.
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211
Dr. Lederer weist daraufhin, dass der Aerzte*Vereins-
Verband, um mit imponirenden Ziffern auftreten zu können,
sich mit den Wundärzten aufs engste liirt habe und spricht
die Ueberzeugung aus, dass diese allein einen Vortheil ge¬
messen, wenn die Pläne und Ziele des Aerzte-Vereins-Verbands
von diesen erreicht würden, indem sie dann ihren Willen den
Doctoren de lege aufzwingen könnten.
Dr..J. Scholz replicirt auf die Ausführungen der Vor
redner und betont, dass er bisher immer noch der Hoffnung
lebte, es werde ihm gelingen, die bisher noch bestehenden
Differenzen zwischen dem Wr. med. Doct.-Coll. und dem Aerzte-
Vereins-Verbände als Mittelmann, welcher in der Execution
Beider Sitz und Stimme habe, auszugleichen. Er war daher
jederzeit bestrebt, für diejenige Korporation, deren Mitglied er
sei, zu wirken und gebe die Hoffnung nicht auf, sein Ziel zu
erreichen, wenn er auch bisher noch kein Resultat erzielte.
Darauf wurde von mehreren Seiten bemerkt: Es sei un¬
möglich, zweien Herren gleichzeitig zu dienen, und dann zur
Abstimmung über den Antrag des Dr. Preyss geschritten.
Der Geschäftsrath beschliesst mit überwiegender Majorität,
dem Anträge Folge zu geben, ihn zur eingehenden Berathung
dem Comitö zur Wahrung der Standesinteressen zuzuweisen
und falls dieses die Eingabe eines Gegenmemorandum für noth-
wendig und opportun erkenne, einen Entwurf auszuarbeiten und
ihn in einer der ersten Sitzungen nach den Ferien zur weiteren
Berathung dem Geschäftsrathe vorzulegen.
Aerztlicher Bericht über das k. und k. österr.-ungar.
National-Spital in Constantinopel im Jahre 1879.
Verfasst vom k. k Regimentsarzt Dr. Weissbach, Referent D. P.
Der vorliegende Bericht, den, wie in früheren Jahren so auch
in diesem, das k. k. Ministerium des Aeussem dem Wr. medic.
Doct.-Coll. zur geeignet scheinenden Benützung übermittelte, hat die
Tendenz, über die Leistungen des Verfassers, als leitenden Arztes der
genannten Heilanstalt, Rechenschaft zu geben und über die Zahl
und die Eigenthümlichkeiten der daselbst behandelten Krankheiten
zu belichten. Die Arbeit ist gleich der früheren Jahre wohl mehr
in statistischer Weise abgefasst, doch gibt sie immerhin neuerdings
Zeugniss für das wissenschaftliche Streben, die Gründlichkeit der
Beobachtung und des Ernstes und der Gewissenhaftigkeit, mit welcher
der fleissige Verfasser derselben seines Amtes gewaltet. Zum Beweise
hiefür wollen wir im Folgenden nach einer kurzen Beachtung der
statistischen Verhältnisse, ohne die systematische Eintheilung der
Krankheitsgenera zu berücksichtigen, die übrigens in den fünf der¬
artigen Berichten, welche uns bisher vom hohen k. und k. Ministerium
zur Verfügung gestellt worden, unverändert geblieben und einige
der bedeutungsvolleren Beobachtungen hervorheben und im Auszuge
wiedergeben.
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212
Der Bericht fällt fünfzehn geschriebene Bogen, denen noch
sechs statistische Tabellen angehängt sind. Er bezieht sich auf 328
im Spitale verpflegte und behandelte Kranke, allerdings eine be¬
bedeutend geringere Zahl als die des Jahres 1878; doch gibt der
Verfasser auch sofort den Grund dafür in den allgemein günstigen
Gesundheitsverhältnissen Stambuls und dem Befreitsein von jedweder
Epidemie im abgelaufenen Jahre an. Merkwürdigerweise kamen die
meisten Erkrankungen in den letzten drei Monaten d. J. (Herbst)
vor, denen sich die im Juli, August und September der Zahl nach
zunächst anschliessen, während in der ersten Jahreshälfte nur
119 Kranke in das Spital aufgenommen wurden, ein Verhältniss,
das im geraden Gegensätze steht zu dem der früheren Jahre, in
welchen das Maximum auf den Frühling, das Minimum auf den
Herbst fiel.
Unter diesen waren die Seeleute (201) relativ spärlicher ver¬
treten als in den letzten zehn Jahren, und von diesen kamen 108
von Segelschiffen, 39 vom Oesterreichisch-ungarischen Lloyd und 21
von der k. und k. Kriegsmarine, die noch übrigen 38 waren dienst¬
los. Dagegen übertraf die Zahl der in das Spital aufgenommenen
kranken Hichtseeleute (122, unter denen 19 Weiber) die des Vor¬
jahres um nahezu 10 Procent, in welcher Beziehung sie nur dem
Kriegsjahre 1877 mit seiner darniederliegenden Schifffahrt nachsteht.
(Fortsetzung folgt.)
Notizen.
Fünfzigjähriges Doctor - Jubiläum. Am 6. August 1880 feierte der
k. k Regierungsrath Dr. Rudolf Ritter von Vivenot soin 50jähriges Dootor-
Jubiläum. Der Gesohäftsrath des Doct.-Coll. hatte beschlossen, diesem hochver¬
dienten Mitgliede bei diesem Anlasse eine praohtvoll ausgestattete Adresse zu
überreichen. Bereits am 80. Juli brachte eine Deputation des Collegiums,
geführt von dem Präsidenten Herrn Hofrath Dr. Rainer Ritter v. Schmerling
dem gefeierten Jubilar, welcher im Jahre 1866 als Obmann des Comitös zur
ärztlichen und anderweitigen Hilfeleistung des Wiener medioinisohen Doct.-
Coll. für die k. k. Armee auf Kriegsdauer unvergängliche Verdienste um das
Collegium sich erworben hat, die wärmsten Glückwünsche des Collegiums dar. Den
6. August, den eigentlichen Jubel tag, braohte der Jubilar auf seinem Landgute
Lilienfeld zu, wo er am Vorabende durch einen Festzug der Gemeinde über¬
rascht wurde, deren Vertretung ihn einstimmig zu ihrem Ehrenbürger ernannt hat.
60jähriges Doctor-Jubiläum. Herr Dr. Franz Ritter von Güntner,
emer. Hofrath, welohem das Wr. medio. Doct.-Coll. aus Anlass der 60jährigen
Jubelfeier seiner Promotion eine elegant ausgestattete Adresse naoh seinem
Sommer-Aufenthalt Ischl am 25. Juli 1880 ftbersohiokte, bedankte sich hiefür
in einem eigenhändigen Sohreibeo, dessen kräftige Schriftzüge von der seltenen
Lebenskräftigkeit und Geistesfrisohe zeigen. Herr Hofrath v. Güntner ist am
23. September 1790 geboren, vollendet somit nächstens sein 90. Lebensjahr.
Auszeichnung. Unser geschätztes Mitglied, Herr Dr. Josef Ruff,
welcher in Stuttgart domioilirt und Vorstand der österreichisch-ungarischen
Colonie daselbst ist, erhielt in Anerkennung der Verdienste um die Unterstützung
der Szegediner Ueberschwemmten das Ritterkreuz des Franz Josef-Ordens.
Todesfall. Dr. Laurenz Erb, k. k. Regiments- und Chefarzt des I. Wiener
Landwehrschützen-Bataillons, Bürger, ist am 26. Juli 1. J. in Wien im
62. Lebensjahre einem Sohlaganfalle erlegen. Derselbe war ein geaohteter
praktischer Arzt und entwickelte auoh gemeinnützige - humanitäre Thätigkeit
als Waisenvater. Friede seiner Asche!
Herausgeber und Verleger: Wiener medioin. Doct.-Ooll. — Vorantwortlioher Bedacteur.
Pr. L Hopfgartner. — OeiellBchafts-Buohdruokerei, Wien, EU. Erdbergeretraaee 8.
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VI. Bd. Aasgegeben am 26. August 1880. BTr. IO
mittheilijn™
mm iiütiiiKiii Pocioran-CollBiinnir
Erscheint jeden sweiten Donnerstag ein halber bis ein ganser Bogen nnd darüber, an
10 Bogen im Jahre. — Ganzjähriges Abonnement für Niohtmitglieder des Collegiums im In¬
lands 8 fl., nach dem Auslände 6 Mrk. — Binseine Nummern 26 kr. = 60 Pfg. — Inserate
16 kr. = 80 Pfg. für die durchlaufende Petit-Zeile.
Man pr&numerirt in der Medicin. Buchhandlung Toeplita dk Denttcke
(vormals Karl Ciermak), Wien, I., Schottengasae 6.
ZiMkriften and Ziseiduzgei an die Redaetion: Wien, Kanzlei des Wiener ned.
Dod.-€oll. and der Witwen- nnd Waisen-Soeiet&t, Rotkentknrmstrasse 23.
Inhalt: Symptom«* und Verlauf des secundären Magenkrebses, von Dr. Leo Redtenbacher.
— Bericht über die Leistungen des Unterstützungs-Institutes im Jahre 1879. — Aerxtlicher
Bericht über das k. und k. National-Spital in Constantinopel im Jahre 1879. — Notizen.
Beobachtungen Uber die Symptome und den Verlauf
des secundären Magenkrebses.
Von Dr. Leo Redtenbaeker, Operateur und k. k. I. Stadt-Armenarzt.
Unter den inneren Organeo wird der Magen am häufigsten
vom Carcinom befallen; meist erkrankt derselbe primär, seltener
gesellt sich Magenkrebs als seeundäre Erkrankung zu krebsiger
Entartung anderer Organe oder pflanzt sich von benachbarten
Organen auf den Magen fort. (Niemeyer.)
Die Erscheinungen des primären Magenkrebses sind be¬
kanntlich nicht immer sehr prägnant, so dass es in manchen
Fällen unmöglich ist, einen Magenkrebs im Leben mit Sicher¬
heit zu erkennen. In anderen Fällen ist der Magenkrebs nur
mit annähernder Bestimmtheit zu erkennen; es sind dies jene
Fälle, in welchen die Kranken unter gastrischen Erscheinungen
auffällig rasch verfallen, ein kachektisches Aussehen bekommen
und anderweitige Krankheiten, welche die Kachexie und den
Marasmus erklären könnten*—.ausgeschlossen werden können.
Endlich in der Majorität der Fälle ist das Bild, unter welchem
der Magenkrebs verläuft, ein mehr typisches. Zu den dyspep¬
tischen Erscheinungen gesellt sich bald empfindlicher Schmerz
in der Magengegend, Erbrechen; die erbrochenen Massen be¬
stehen anfangs aus in Schleimmengen eingehüllte, mehr weniger
veränderte Speisenreste, bald jedoch kommt es zum Erbrechen
der kaffeesatzähnlichen Massen, auch Blut in Striemen ist dem
Erbrochenen nicht so selten beigemischt und schliesslich gesellt
sich den geschilderten Erscheinungen das wichtigste Symptom
des Magenkrebses, nämlich das Auftreten einer Geschwulst im
Epigastrium zu. Unter meist stetiger Zunahme der krankhaften
Erscheinungen gehen die Kranken zu Grunde. Gemeinhin nimmt
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214
der Verlauf dieser Krankheit den Zeitraum von vielen Monaten
bis zu einem Jahre, seltener über ein Jahr in Anspruch.
Der secundäre Magenkrebs nun, der den Chirurgen mehr
interessirt, da es in vielen Fällen von Wichtigheit ist, den Be¬
ginn desselben mit Bestimmtheit* diagnosticiren zu können, damit
man nicht in die Lage kommt, quo ad exstirpationem eines an
anderer Stelle des Körpers vorhandenen, dem Messer zugäng¬
lichen Tumons eine fehlerhafte Indication zu stellen, bietet nun,
wie ich durch die nachfolgende Krankengeschichte zu zeigen
bemüht sein werde, sowohl in seiner Entwickelung als auch in
seinem Verlaufe ein von dem typischen Bilde des primären
Magenkrebses abweichendes Bild dar. Insbesondere ist sein Auf¬
treten ein viel stürmischeres und der Verlauf ein viel kürzerer,
was wohl nur darin seine Erklärung findet, dass überhaupt
secundäre Neubildungen schneller verlaufen, als primär gebildete
Geschwülste. Dass der Ausgang derselbe ist wie beim primären
Magencarcinom ist selbstverständlich, doch kommt es in Folge
des stürmischen Verlaufes keineswegs zu so hochgradigen mara-
stischen Erscheinungen wie beim primären Magencarcinom. Der
Fall, den ich zu beobachten in der Lage war, betraf eine fünf-
undsechzigjährige Frau aus den besseren Ständen. Die Mutter
der Patientin war an Carcinoma uteri gestprben. Die Kranke
selbst, eine wohlgenährte, dem Alter entsprechend und gut aus¬
sehende Frau, hatte einmal geboren, jedoch schon mit einigen*
zwanzig Jahren die Katamenien verloren. Sie litt in früheren
Jahren wiederholt an schweren catarrhalischen Magenaffectionen,
fühlte sich jedoch, was den Magen anbelangte, als ich sie das
erstemal sah (um die Mitte des Monates März d. J.), vollkommen
wohl. Consultirt wurde ich wegen einer anderen krankhaften
Erscheinung, nämlich wegen Incontinentia faecarum, die an¬
geblich acht bis zehn Monate bestand und von welcher die
Patientin längere Zeit geglaubt hatte, dass sie weniger zu be¬
deuten habe und von selbst wieder gut werden würde. Die In-
continenz bestand in nahezu permanentem Abgänge federkiel¬
dicker Fäcalmassen. Anamnetisch könnte jede eine einfache
Strictur in der Gegend des Sphinkter bedingende Ursache aus¬
geschlossen werden, so dass ich sofort an neugebildete Massen,
in denen der Sphinkter bereits untergegangen war, denken musste.
Die Digitalexploration bestätigte meine Annahme. Ich fand das
Rectum unmittelbar über der Afteröffnung für die Spitze des
Zeigefingers selbst bei einiger Kraftanwendung inpermeabel.
Die Consistenz der nicht passirbaren Stelle skirrhös. Die Unter¬
suchung von der hinteren Vaginalwand aus ergab, dass die Ge¬
schwulst am untersten Theile des Mastdarmes aufsass und gut
beweglich sei. Die Schleimhaut der Vagina mit dem Tumor nicht
in Verbindung. Eine vier Mm. dicke elastische Bougie drang
mühsam durch die S-förmig gekrümmte stricturirte Stelle. Die
Untersuchung der inneren Organe, insbesondere die genaue
Untersuchung der Leber und des Magens, sowie der Beoken-
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215
organe ergab einen vollkommen negativen Befund. loh legte
der Patientin, ohne das Wort Neubildung zu gebrauchen, nahe,
dass sie an einer bereits hochgradigen Yerengerung des Mast-
darmes erkrankt sei, und dass die Gefahr bestehe, dass in nicht
zu langer Zeit ein vollständiger Verschluss der kleinen und engen
Communicationsstelle zu erwarten sei, daher ich ihr mit Rück¬
sicht auf die Folgen eines Darmabschlusses zu einem das Leiden
radical behebenden operativen Eingriff Zureden müsse. Da sich
die Patientin jedoch diesem Ansinnen entschieden abgeneigt
zeigte, und ich meinerseits in solchen Fällen mit Rücksicht auf
die ungünstige Prognose, welche derartige operative Eingriffe
überhaupt und insbesondere im vorgerückten Alter geben, den
Kranken nach Eröffnung meiner Ansicht, wenn sie derselben
nicht beipflichten, nicht intensiv zuzureden pflege, ich aber doch
ersucht wurde, etwas zu thun, so entschloss ich mich zur me¬
thodischen Dilatation der skirrhösen Strictur durch elastische
Bongien mit nachfolgenden Mastdarraauswaschungen.
Es gelang mir auch in relativ kurzer Zeit und ohne
Blutung zu erzielen, die Strictur bedeutend zu erweitern, so
dass der Mastdarm durch Wasserinjectionen immer ganz ent¬
leert werden konnte. Hiemit erzielte ich eine wesentliche Er¬
leichterung für die Patientin, denn jetzt traten lange Pausen
auf, bis es durch neue Eothansammlungen zu Incontinenz-
encheinungen kam. Dabei war das Aussehen der Patientin
vortrefflich, guter Appetit vorhanden. Schon machte ich mir im
Stillen Vorwürfe, dass ich nicht nachdrücklicher auf die Vor¬
nahme der Exstirpation der Neubildung gedrungen hatte, als
sich das Krankheitsbild in wenigen Tagen in einer Weise com-
plicirte, dass an einen operativen Eingriff nicht mehr zu den¬
ken war. Es stellte sich nemlich ohne jede dispeptische Vor¬
boten plötzlich heftiges Erbrechen eiü, dem sich nach einigen
Tagen ein an Intensität rasch zunehmender Icterus zugesellte.
Die Gelbsucht bot zwar die gewöhnlichen Erscheinungen des
katarrhalischen Icterus dar (intensive, reine, anfangs citronen-,
später tiefokerfarbige Gelbfärbung der allgemeinen Decke, mit
lästigem Hautjucken und entsprechender Harnpigmentirung bei
gleichzeitiger Entfärbung der Faeces), dennoch konnte man
meiner Ansicht nach, obwohl eine neuerliche genaue Unter¬
suchung der Leber- und Magengegend ein negatives Resultat
gaben, wohl mit grosser Wahrscheinlichkeit auf ein beginnen¬
des, den Ductus choledochus comprimirendes Carcinoma ventriculi
meta8taticum seu secundarium stellen. Der weitere Verlauf bestätigte
die richtige Beurtheilung dieser Erscheinungen. Das Erbrechen
dauerte ununterbrochen an, und wurde schliesslich auch nicht
mehr in Eis gekühlte Milch und Eispillen vertragen. Das als
vorzügliches Stomachicum bekannte Decoctum Cundurango 10
ad 180 zweistündlich ein Esslöffel bleibt wirkungslos. Es stellt
sich enorme Empfindlichkeit der vorderen Magenwand ein, so
dass die leiseste Berührung derselben auf reflectorischem Wege
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Husten und wenige Augenblicke darnach Erbrechen erzeugt.
Die erbrochenen Massen, coagulirte Milchreste mit massenhaftem
Schleim, später Kaffeesatz-ähnliche Massen, hie und da Blut¬
striemen im Schleime; es ist noch immer kein Tumor palpabel.
Kurze, circa fünf Tage andauernde Remission der Erscheinun¬
gen, Patientin beginnt durch Morphium-Injectionen beruhigt in
Eis gekühlte Milch bis zur Tagesmenge von ein und einhalb Liter
zu vertragen, doch hält die Besserung nicht lange an, es tritt
neuerdings unstillbares Erbrechen ein. Der Ikterus beginnt ein
auffallend kachektisches Ansehen zu erhalten, dieser Verände¬
rung des Icterus waren schon Erscheinungen des Scorbutes
(scorbutisches Zahnfleisch, Haemorrhagien in und unter die
Haut, stellenweise in grosser Ausbreitung) vorangegangen. Bei
genauer Palpitation der Magengegend fühlt man noch rechts
vom Aortenpulse eine undeutlich vermehrte Resistenz. Unter
stetiger Zunahme der krankhaften Erscheinungen und während
auch das Rectum carcinom heranwächst und hie und da
spontan zu bluten beginnt, bildet sich endlich Anfang der 9.
Woche nach dem Auftreten der gastrischen Erscheinungen ein
im Epigastrium deutlich fühlbarer Tumor. Am Ende der 10.
Woche war die Patientin ihrem Leiden unter den Erscheinun¬
gen der Erschöpfung erlegen. Aus diesem Krankheitsbilde geht
wohl mit Evidenz hervor, dass t bei vorhandenem Neoplasma
an anderen Körperstellen das Auftreten der gastrischen Er¬
scheinungen, wenn nicht ein grober Diätfehler vorangegangen
ist, allein schon genügt, den Beginn einer metastatischen Neu¬
bildung im Magen mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten,
daher von diesem Augenblicke an ein operativer Eingriff an der
anderen Körperstelle als höchst gewagt zu bezeichnen ist. Bil¬
den sich wie in dem vorliegenden Falle wenige Tage hierauf
Compressionserscheinungen am Ausführungsgange der Leber, so
kann man meiner Ansicht nach die Diagnose sohon mit Be¬
stimmtheit stellen. Das von Andral für das einzig sichere
Zeichen des Magenkrebs gehaltene Symptom, das Auftreten
eines palpabeln Tumors bleibt zum Schlüsse nicht aus, doch
kann man schon Wochen früher die sichere Diagnose aus den
allgemeinen Erscheinungen stellen. Das Nichtfühlen der gewiss
mit den schwersten Verdauungsstörungen sychronisch auftreten¬
den Magengeschwulst liegt ja in der Natur der Sache. Bedenkt
man, dass der anfangs kleine Tumor z. B. sich an der kleinen
Curvatur oder an der hinteren Magenwand bildet, so ist es
selbst bei grosser Qefühlsübung kaum möglich, denselben durch
die Bauchdecken, den linken Leberlappen und die vordere
Magenwand mit Sicherheit zu fühlen, dennoch aber ist dieser
Tumor, der gewiss bei seinem Auftreten durch Fluxion die
Magenschleimhaut zur katarrhalischen Erkrankung bringt, in
der Lage, die Erscheinungen schwerer Gastritis mit nachfolgen¬
dem Icterus zu erzeugen. Es ist also eine Wahrscheinlichkeits¬
diagnose mit der Wahischeinlchkeit 100 : 1. Die Qualität des
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217
Icterus konnte anfangs irre führen, so dass man an eine zu¬
fällige Complication der primären Geschwulst mit einem ein¬
fachen katarrhalischen Icterus denken könnte. Bei genauer
Beobachtung des Patienten ist man jedoch schon nach wenigen
Tagen in der Lage zu constatiren, dass dem Ikterus sich rasch
Scorbuterscheinungen zugesellen. Man findet bald hie und da
kleine Hauthaemorrhagien, eine Erscheinung, die dem Icterus
katarrhalis nicht eigen ist. Auch nimmt der Ikterus um die Zeit
seines Intensitätsmaximus den Charakter der kachektischen
Gelbsucht an. Ich glaube nach dem Gesagten mich dahin aus¬
sprechen zu müssen, dass das secundäre Auftreten des Carci¬
noma des Magens und seiner Anfangsstadien bald zu erkennen
ist und dass das Gesammtbild der pathologischen Erscheinungen
ein derartiges ist, dass man von dem Auftreten der palpabeln
Geschwulst absehen kann, ohne in die Gefahr zu kommen,
leichtsinnig und schleuderisch zu diagnosticiren.
Bericht Uber die Leistungen des Unterstützungs-
Institutes im Jahre 1879.
Vorgetragen in der Generalversammlung dieses Institutes am 28. Februar 1880
vom Vice Präsidenten Dr. Preyss.
Hochansehnliche Versammlung!
Geehrte Herrn Collegen!
Seit wir uns in diesen Bäumen das letzte Mal zahlreich ver¬
sammelt haben, ist ein volles Jahr verflossen und wieder tritt an
das Präsidium die Pflicht heran, Ihnen Bericht zu erstatten über
die Leistungen des UnterstützungB-Institutes in dem jüngst verflossenen
Jahr 1879.
In Verhinderung des Herrn Präsidenten, der als Leibarzt Sr.
k. Hoheit des durchlauchtigsten Herrn Erzherzog Albrecht an dessen
Seite in Arco weilt, wird mir die Ehre zu Theil, dieser angenehmen
Pflicht nachkommen zu können.
Ehe ich jedoch von den Leistungen während des abgelaufenen
Jahres, welche durch die Thätigkeit des von Ihnen gewählten Aus*
schusses gefordert wurden, spreche, erlaube ich mir noch auf die
am Schlüsse der letzten General-Versammlung vorgenommenen Wahlen
zurückzukommen, deren Scrutinium erst nachträglich vorgenommen
wurde und das die Wiederwahl aller durch die Anciennitätzum Austritt
bestimmten Mitglieder, der DDr. Kirschnek, Preyss, Schneller und
Schwarz Isidor ergab, so dass Ihnen heute noch derselbe Ausschuss
gegenübersteht wie vor einem Jahre — leider nicht mehr vollzählig,
da vor nicht vollen zwei Monden einer der jüngsten Collegen aus
unserer Mitte gerissen wurde, ein Mann, dessen lebhaftes Interesse
für das Institut und der rege Eifer, den er für das Gedeihen an
den Tag legte, zu den schönsten Hoffnungen berechtigte. Es ist dies
Br. Carl Kirschnek,
Wenn das Institut auch in diesem Jahre sich keines besonderen
Aufschwunges rühmen kann, so dürften die Erfolge der Thätigkeit
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des Ausschusses von der geehrten Versammlung doch nicht ganz
abfällig beurtheilt werden. Denn obgleich im Laufe des verflossenen
Jahres ein hervorragender Gründer (Well) der, obschon er bei der
Gründung des Institutes das für Mitglieder festgesetzte höchste Alter
bereits überschritten hatte, also nicht mehr Mitglied werden konnte,
nebst der beträchtlichen Spende von 1000 fl. doch alljährlich auch
den Mitgliederbeitrag entrichtete — und drei andere Mitglieder
(Simon Fischer, Hesser und Mühlhauser) mit Tod abgiengen,
ein Mitglied austrat (Stössl) und ein Gründer (Patruban) seine
bisherige Mitgliedschaft aufgab, somit sechs in Abgang kamen,
so verminderte sich die Zahl der Mitglieder doch nur um vier, da
ein College nach geleisteter Alters - Nachzahlung' für 29 Jahre im
Betrage von 282 fl. (Schipp) neu und ein zweiter, der schon
früher Mitglied gewesen und während mehrerer Jahre ausgetreten
war, aber die Wiederaufnahme angesucht hatte, nachdem er die
rückständigen Jahresbeiträge mit statutarisch festgesetzter Erhöhung
zusammen 74 fl. erlegt, wieder aufgenommen wurden.
An ausserordentlichen Zuflüssen hat das Institut nur noch
das flüssig gemachte vorjährige Legat Dr. G. Leitner’s (nach Ab¬
zug der Erbsteuer) im Betrage von 450 fl. baar erhalten und zählt
dieses Jahr zu den wenigen, in dem nicht ein neuer Gründer bei¬
getreten ist. Dagegen war aber auch die Inanspruchnahme der
Hilfsquelle nur eine mässige und es haben die eben erwähnten Ein¬
nahmen nebst den 1378 fl. eingegangener Mitgliederbeiträge genügt,
alle Ansprüche auf vorübergehende Unterstützungen zu befriedigen
ohne mehr als 10 fl. von den Capitalszinsen, die i. J. 1879 4014 fl.
62 kr. ergaben, dazu zu verwenden, obgleich ganz unerwartete Un-
glücksfälle vorgekommen sind, bei denen rasche Hilfe im möglichst
ausgedehnten Maasse dringend erschien, die der Ausschuss in der
liberalsten und coulantesten Weise zu bringen im Interesse des
Institutes für seine Pflicht hielt. (Fortsetzung folgt.)
Aerztlicher Bericht über das k. und k. österr.-ungar.
National-Spital in Constantinopel im Jahre 1879.
Verfasst vom k. k Regimentsarzt Dr. Weissbaoh, Referent. D. P.
Die meisten der Kranken (257) gehörten den cisleithanischen
Kronländern der Monarchie und unter diesen stellte Dalmatien, wie
leicht begreiflich, das grösste Contingent. Die Länder der ungarischen
Krone waren nur durch 48 und das Ausland durch 18 vertreten.
Im Jahre 1879 liefen 974 Schiffe (412 Dampfer und 562
Segler) unter österreichisch-ungarischer Flagge mit einer Bemannung
von 23*179 Köpfen im Hafen von Constantinopel ein, so dass von 4*84
angekommenen Schiffen nur je 1 Kranker im Spitale Aufnahme suchte
und die Erkrankungsziffer der gesammten Bemannung 0*86 beträgt.
In Bezug auf die Krankheitsgattungen und Arten ist bemerkens¬
wert!^ dass im abgelaufenen Jahre verhältnissmässig weit weniger
innerliche und syphilitische Krankheiten, dagegen mehr äusserliche
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219
zur Behandlung kamen als in früheren Jahren, nur Wechselfieber
machten davon eine Ausnahme.
Der Einfluss der Jahreszeiten konnte im Jahre 1879 nur bei
Wechselfiebem, die im Sommer und Herbst häufiger vorkamen, und
bei Krankheiten der Athmungsorgane im Allgemeinen sowohl als
namentlich bei Pneumonien im Besonderen, welch’ letztere im Herbst
am öftesten vorkamen, bemerkt werden.
Von der Gesammtzahl der 328 Kranken wurden 276 grössten-
Iheils vollkommen geheilt, weniger in bedeutend gebessertem Zustande
entlassen, 22 starben, und 25 verblieben am Schlüsse des Jahres
noch in Behandlung. Sämmtliche 298 abgegangene Kranke bean¬
spruchten zusammen 7042 Verpflegstage, somit durchschnittlich jeder
einzelne 23*62, genau so viel als im Jahre 1878.
A. Interne Krankheiten.
A. Allgemeine Krankheiten.
1. So wenige Infectionskrankheiten auch im All¬
gemeinen Vorkommen, so waren doch die Wechselfieber nicht
nur im Verhältniss zu den andern in diese Reihe gehörigen
Fällen weit überwiegend, sondern sie kommen selbst noch häufiger
vor als in den letzten 10 Jahren, ohne dass übrigens besondere
Erscheinungen und aussergewöhliche Complicationen beobachtet
wurden. Von den 60 vorgekommenen Fällen nahm nur einer
ein lethales Ende, herbeigeführt durch Cachexie mit Nierengra¬
nulation und allgemeine Wassersucht. Der pathologisch anato¬
mische Befund war folgender:
F. C. 49 Jahre alt, Körper schwach, abgezehrt, 160 Ctm.
lang, überall hydropisch. Verfettung der Nieren mit granulirter
Atrophie, (Nieren klein, flach, die Rinde an der Oberfläche granulirt,
mit der Kapsel fest verwachsen, dünn, hellgelb; Pyramiden faserig,
rothbraun). Allgemeine Haut- und Höhlenwassersucht, am stärksten
Axites. Atrophie der Leber (diese klein, flach, an der Oberfläche
um den Gallenblasenausschnitt eine 1 Mm. dicke, strahlige, weisse
Bindege websnarbe; ihr Gewebe körnig, dunkelrothbraun). Compression
des linken unteren Lungenlappens bis auf den vorderem Rand durch
Hydrops Pleurae (Gewebe luftleer, zähe, faserig, trocken, dunkelgrau),
rechts Pneumonie in den hinteren oberen Theilen (Spienisation).
Ausgebreitete, knotige (syphilitische) Narben am Sterinbein,
(dessen Oberfläche knotig rauh, vielfach, vertieft, mit der Aponeurose
verwachsen). Schilddrüse gross, dick, Gewebe körnig, gleichmässig
hellbraun. In der Gallenblase und deren Ausführungsgange 3 Erbsen¬
grosse Steine. — Rechtseitiger leerer, sehr weiter äusserer Leisten¬
bruchsack und die letzte Ileumschlinge mit sehr stark verdicktem,
weissen Gekröse — Hypospadie mit sehr kleiner Urethralöffnung
am Ende des rudimentären Bändchens (war kinderlos verheirathet).
Zwei Fälle von Ileotyphus, sieben mit Blattern ‘und vier
mit Scarlatina gehörten allein noch in die Categorie der Infec¬
tionskrankheiten; sie endeten, eine Scarlatina ausgenommen,
alle mit Genesung. (Fortsetzung folgt.)
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220
Notizen.
Wehnungsverällderiliig. Herr Dr. Franz Müllner wohnt IL, Lilien¬
brunngasse 9.
Uttter8tntznngs-lB8titat. Herrk.k. Regierungsrath Dr. Rudolf Ritter
von Yive not, hat aus Anlass seines 50jährigen Dootor-Jubiläums dem Unter¬
stützungs-Institute des Wr. med. Doot.-Coll. eine Noten-Rente im Nominal-
werthe von fl. 100 geschenkt.
Eröffnung des militär-ärztlichen Curses.
Behufs Ergänzung des militär-ärztliohen Offloiers-Corps wird, wie im
Voijahre so auch heuer, der militärärztliohe Curs für vierzig Aspiranten zum
normalmässigen Termine eröffnet. Derselbe beginnt mit 1. November 1880 und
dauert bis 80. April 1881.
Die Bedingungen für die Aufnahme der Aspiranten sind:
a) Der Grad eines Doctors der gesammten Heilkunde (oder der Medicin
und Chirurgie), erworben an einer Universität der österreichisoh-ungarischen
Monarchie.
b) der Nachweis über die Erfüllung der Stellungspflioht;
c) ein Lebensalter von höchstens 82 Jahren;
d) lediger Stand;
e) tadelloses Vorleben;
/) physische Kriegsdiensttauglicbkeit (durch ein von einem aotiven
k. k. Stabsarzte ad hoo ausgestelltes stempelfreies Zeugniss nachzuweisen);
g) rechtsverbindliche Erklärung, womit der Aspirant sich verpflichtet,
unbeschadet der noch zu erfüllenden Wehrpflicht, vom Tage seiner Anstellung
als Berufs-Militärarzt in dieser Eigenschaft durch zwei Jahre im k k. Heere
activ zu dienen.
Die Bewerber um die Aufnahme haben ihre mit obigen Documenten
belegten Gesuche bis Ende September 1880 beim Reiohs-Kriegsministerium
einzureiohen.
Von den Aspiranten, welche dem Militärstande angehören, sind diese
Gesuche im vorgeschriebenen Dienstwege einzusenden.
Die Aspiranten erhalten, so lange sie im Curse sind, ein monatliches
Pauschale von fünfzig (50) Gulden und ein Quartiergeld von monatlichen
dreissig (30) Gulden ö. W., welche denselben im Vorhinein erfolgt werden.
Ausserdem werden jenen Aspiranten, für welche der Eintritt in den
Curs mit einer Reise verbunden ist, und welohe dem Militärverbande nicht
angehören, die thatsächliohen tarifmässigen oder durch saldirte Gasthofrechnungen
nachgewiesenen Reiseauslagen gegen eine beim Garnisons-Spitale Nr. 1 in Wien
zu legende Reohnung vergütet.
Für die dem Reservestande angehörigen Militärpersonen erfolgt in solchen
Fällen die Reisekosten-Vergütung naoh den Bestimmungen der Gebühren-
verschrift, und zwar naoh dem Ausmasse für Uebersetzungsreisen (§ 100, be¬
ziehungsweise § 103 rücksichtlioh der Personen des Mannsohaftsstandes).
Zu diesem Zweoke werden den einberufenen Aspiranten der letztbezeioh-
neten Kategorie seitens der betreffenden Gommanden oder Anstalten Marsoh¬
routen ausgestellt, um welohe dieselben anzusuohen haben.
Die Aufgenommenen haben sioh am 1. November 1. J. beim Chef des
militär-ärztliohen Offioiersoorps als Leiter des Curses, sowie bei dessen Stell¬
vertreter, dem Sanitätsohef, beim General-Commando in Wien zu melden, und
sind verpflichtet, sioh am Schlüsse des Curses einer oommissionellen Prüfung
zu unterziehen. Auf Grund der mit entsprechendem Erfolge abgelegten Prüfung
werden dieselben sofort als Berufs-Oberärzte im k. k. Heerp angestellt und
erhalten in diesem Falle einen Equipirungsbeitrag von 120 fl. ö. W.
(Abtheilung 14, Nr. 1817 vom 10. August 1880).
Vom k. k. Reichs-Kriegs-Ministeriam.
Der hierseitige Militär-Sanitäts-Chef wird laut einer dem Wiener medi-
oinisohen Dootoren-Collegium zugekommenen Mittheilung den sioh meldenden
Aspiranten zu deren Orientirung die gewünschten Aufklärungen ertheilen,
überhaupt denselben förderlich an die Hand gehen. _
Herausgeber und Verleger: Wiener medioin. Doet.-Ooll. — Verantwortlicher Redacteur;
Dr. L. Hopfgartner. — Oeeellsohafts-Buohdruokerei, Wien, Hl. Brdbergentraaee 3.
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VI. Bd. Ausgegeben am 9. September 1880 Bfr. 20
MITTHEILUNGEN
des
ffirnif jjijjjjjigtji Ditiim-ciliuim li
Erscheint jeden zweiten Donnerstag ein halber bis ein ganser Bogen and d&rttber t an
30 Bogen im Jahre. — Ganzjähriges Abonnement für Nichtmitglieder des OoUeg'umn im In¬
lands 8 fl. t nach dem Anslande 6 Birk. — Einzelne Nummern 26 kr. = 60 Pfg. — Inserate
16 kr. = 80 Pfg. für die durohlanfende Petit-Zeile.
Man piinamerirt in der Medicin. Bachhandlung Toeplitx <fe Dentieke
(vormals Karl Ciermah), Wien, I., Schottengasse 6.
Zuehriftei and Zaseidaigei an die Redaetioi: Wien, Kanzlei des Wiener »cd.
Dod-Coll. and der Witwen- and Waisen-Societäl, Rothenthannstrasse 2H.
Inhalt; Semestral-Bericht vom Jahre 1880 über das Carolinen-Kinderspital von Dr. A. v.
Hüttenbrenner. — Schluss des Berichtes über die Leistungen des Unterstützungs-Institutes
des Doct-Coll. im Jahre lb79 von Dr. Preyss. — Notizen.
Aerztlicher Bericht
über die im ersten Halbjahre 1880 In dem unter dem Curatorium des
Doetoren - Collegiums stehenden Carolinen - Kinderspitale stationär
und ambulatorisch behandelten Krankheitsfälle.
Vom leitenden Primarärzte dieser Anstalt Dr. Andreas Ritter von Hüttenbrenner.
Der nachfolgende Bericht macht auf Vollständigkeit keinen
Anspruch, ja ich habe denselben absichtlich möglichst kurz
gehalten und nur auf jene Momente Rücksicht genommen, die
in Bezug A5af einen sogleich zu besprechenden Statutsparagraph
von Wichtigkeit sind.
Der im Beginne des Jahres 1881 erscheinende Bericht
wird ausführlich alle Daten mittheilen nebst einer Reihe von
casuifltischen und statistischen Mittheilungen.
Nach dem Statute des Carolinen Kinderspitales können
Kinder mit ansteckenden Krankheiten nur nach Massgabe des
vorhandenen Platzes aufgenommen werden. T
Das Spital besteht aus einem Haupttracte mit zusammen¬
hängenden 4 Zimmern und einem Separationstracte, ebenfalls
mit 2 Krankenzimmern, die nur durch ein Wärterinnenzimmer
getrennt sind. Der Separationstract hat nun zunächst den Zweck,
Kinder, die im Hause an ansteckenden Krankheiten erkranken,
zu Bepariren. Wenn nun z. B. das eine von den Zimmern belegt
iat, so kann, da kein entsprechender Raum für ein an einer
anderen ansteckenden Krankheit erkranktes Kind vorhanden ist,
ein solches Kind nicht aufgenommen werden aus wohl leicht be¬
greiflichen Gründen. Die Möglichkeit der Aufnahme von Kindern
mit ansteckenden Krankheiten Sst ...somit auf ein Minimum
beschränkt oder eigentlich ist sie so gut wie nicht vorhanden.
Durch den erwähnten Statutsparagraph unterscheidet sich somit
unsere Journalordnung wesentlich von jener anderer Kinderspitäler.
Während z. B. das Kronprinz Rudolfs-Spital nahe au
40 Proceut von Infectionskrankheiten aufweist, haben wir keinen
einzigen Fall zu verzeichnen. Nicht etwa, dass sich nicht der-
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222
artige Fälle zur Aufnahme meldeten, im Gegentheile, dieselben
mussten aber alle ohne Unterschied abgewiesen werden, und wer
einigermassen vertraut ist mit den Annehmlichkeiten des Journal¬
dienstes in einem Kinderspitale, wird beurtheilen können, wie
unangenehm es ist, einen schweren Scbarlacbfall oder einen im
Stadium der höchsten Larynxstenose sich befindlichen Diphtheritis-
fall abzuweisen. Sei dem, wie es sei, der oben citirte Paragraph
hat jedoch auch seine guten Seiten. Bekanntlich leiden alle
Kinderspitäler ohne Ausnahme an den sogenannten Hausepidemien,
die insbesondere von den Operateuren gefürchtet sind. Auch wir
sind hievon nicht verschont geblieben. Gleich im Beginne hatten
wir eine kleine Masernepidemie, und ein Kind erkrankte etwa
nach 4 Monaten an einer Diphtheritis tonsillaris mittleren Grades
Wir hatten keinen Todesfall zu beklagen. Ich werde über beide
Ereignisse im Jahresberichte nähere Mittheilungen machen.
Ich bin fest überzeugt, dass durch obigen Paragraph die
Gefahr von Hausepidemien wesentlich gemindert, keineswegs
aber ganz beseitigt wird, und aus diesem Grunde lohnt es sich
wohl der Mühe, durch eine längere Reihe von Jahren dies¬
bezüglich die Beobachtungen fortzusetzen.
Anderntheils muss jedoch bemerkt werden, dass die Thätig-
keit des Spitales durch obigen Paragraph wesentlich eingeschränkt
wird. — Durch die Errichtung des .Blatternspitales und durch
die Vorschrift, dass Blatternkranke an dasselbe abgegeben werden
müssen, wurden die Kinderspitäler wesentlich erleichtert und man
muss sagen, dass die Kinderspitäler hiedurch von einer grossen
Calamität befreit wurden, da man es bei aller Vorsicht nicht
vermeiden konnte, ungeimpfte Kinder ins Spital aufzunehmen,
welche dann fasst regelmässig an Variola erkrankten und so
insbesondere die chirurgischen Zimmer infiscirten. Also von
den Blattern kann man absehen, doch können in unserem Spitale
Kinder mit Scharlach, Masern, Diphtheritis, Pertussis, exan-
thematischem Typhus u. s. w. nicht aufgenommen werden; wenn
man ferners bedenkt, dass man scrophulösen Kindern, solchen, die
mit chronischen enteritiseben Processen auf der Dickdarm¬
schleimhaut behaftet sind, sowie rhachitischen Kindern mit
katarrhalischen Herdinfiltraten in der Lunge durch die Auf¬
nahme in ein Kinderspital aus hier nicht näher zu erörternden
Gründen eine sehr zweifelhafte Wohlthat erweist, so ergibt es
sich wohl von selbst, dass wir fast nur chirurgische Fälle auf-
nehmen können und es thatsächlich auch thun.
Wenn wir bei der grössten Vorsicht in der Aufnahme es
vermeiden können, dass wir von Hausepidemien vollständig
verschont bleiben, so wird dieser Umstand für den günstigen
Verlauf von operativen Fällen von wesentlichem Einflüsse sein.
In dieser Richtung wird sich vorläufig die Thätigkeit unseres
kleinen 8pitales bewegen.
Ich habe es für nothwendig gefunden, diese Bemerkungen
vorauszuschicken, damit nicht etwa das Abweisen von Kindern,
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223
die mit ansteckenden Krankheiten behaftet sind, zunächst unter
den Collegen übel gedeutet würde. Das Publicum dürfte bei einer
etwa im neunten Bezirke ausbrechenden Epidemie ohnedies schwer
für die Zweckmässigkeit dieses Paragraphes zu captiviren sein.
Können wir jedoch Hausepidemien dadurch nicht ver¬
meiden — die fortgesetzten Beobachtungen werden dies ergeben
— so muss derselbe geändert werden, respective ein Um¬
oder Zubau müsste erfolgen, denn im andern Falle würden nahe¬
zu die Hälfte von hilfesuchenden und spitalspflegebedürftigen
Kindern von der Wohlthat der Aufnahme ausgeschlossen sein,
ohne den andern i n Spitale befindlichen Kindern zu nützen,
wobei noch der Umstand in Betracht käme, dass die Ansteckungs¬
möglichkeit und Wahrscheinlichkeit in den Bezirken mit einer ar¬
beitenden, meist dicht gedrängt wohnenden Bevölkerung durch die
Nichtaufnahme von solchen Kindern keineswegs gemindert würde.
Im ersten Halbjahre 1880 (1. Jänner bis 30. Juni) wurde
1072 Kindern ärztliche Hilfe geleistet.
Von diesen wurden im Spitale selbst verpflegt. . . 61
Ambulatorisch wurden behandelt ..977
Geimpft wurden. 34
"1072
Von den im Spitale verpflegten Kindern waren:
direct aufgenommen.59
von der niederösterreichischen Landesfindelanstalt übernommen 2
61
dem Geschlechte nach: Knaben. . . 32
Mädchen.29
j61
der Religion nach: Katholiken.54
Protestanten.2
Israeliten.5
Ü1
dem Alter nach:
Bis zu 2 Jahren 4, hievon starben —
Yon 2— 4 „ 22
, 4-8 „. 22
„ 8—12 „ 8
„ 12-14 „
61
7 (31 8 Procent)
„ 1 (4*5 Procent)
Es resultirt daraus ein allgemeines Sterblichkeitsverhältniss
von 1310 Procent.
Von den im Spitale verpflegten Kindern wurden:
Geheilt entlassen.24
Gebessert „ .11
Ungeheilt auf Verlangen.6
Gestorben sind.8
Verblieben sind mit Ende Juni 1880. 12
61
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224
Am häufigsten kamen zur Aufnahme an Erkankungen
der Lunge:
Pneumonia catarrhalis 6
Phtisis pulm.2
Pleuropneumonia . . 2
Bronchocatarrhus ac. 5.
Nach den Krankheiten der Lunge waren es hauptsächlich
chirurgische Fälle, welche im Spitale Aufnahme fanden (Hüft-
gelenksentzündungen, Hyperplasie der Lymphdrüsen, Beinhaut¬
entzündungen, Verkrümmungen der Wirbelsäure und der Füsse,
Klumpfüsse, Gontracturen des Kniegelenks.)
Todesfälle waren:
Pneumonia catarrhalis.3
Hyperplas. gland. bronch. ... 1
Gastrocat. seq. Meningitide. . . 1
Infiltratio pulmon.1
Meningitis tub.2
Zusammenstellung der Wohnorte sämmtlicher Patienten:
Zahl der Zahl der
statio- ambula- statio- ambula-
Name des Wohnortes när torisch Name des Wohnortes när torisch
behandelten behandelten
Kinder Kinder
Vom I. Bezirke . . — 3 Uebertrag . . 54 806
„ II. „ . . 1 11 Ober-Döbling. 1 28
„ III. * . . —* — Heiligenstadt. — 4
„ IV. „ . . — 1 Grinzing. — 3
„ V. „ . . 2 2 Sievering. — 1
„ VI. „ . . 1 1 Nussdorf. 2 1
„ VII. „ . . — 1 Klosterneuburg .... 1 -
„ VIII. „ 3 — Weinhaus ...... —' 2
* IX. „ . . 80 717 Ottakring. — 1
„ X. „ . . — 1 Neulerohenfeld .... 1 —
Währing. 9 35 Fünfhaus. — 2
Hernals. 5 18 Scheibbs. 1 —
Unter-Döbling .... 3 16 St. Pölten. 1 —
Fürtrag . . 54 806 Summa . . 61 848
Chirurgische Operationen (vom 1. Februar bis Ende Juni)
Operateur Primarchirurg Dr. Robert Gersuny.
Necrotomia. 4
Cauterisation von Angiomen.5
Ignipunctura genu.1
Osteotoraia.2
Blepharoplastik . ..1
Exstirpation von Lymphomen am Halse. 5
v „ „ in der Inguinalgegend .... 2
Gypsverbände bei Fracturen und Verkrümmungen .... 14
Wasserglas verband.2
Tonsillotomia. 2
Streckung des Kniegelenkes.1
Cauterisation von Papillomen.2
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225
Redressement des Genu valgum.1
„ „ Pes valgus.1
>, „ varus. . 1
Reposition der Paraphimose.1
Excision eines Chalazion.1
Entfernung von Fremdkörpern aus dem Auge .2
„ eines „ a. d. 3. link. Zwis henrippenraume 1
Verband bei Hernia umbilicalis.20
Anlegung einer Sutur bei Riss- und Schnittwunden . . ; . 2
Lösung des Zungenbändchens.3
Eröffnung kleinerer und grösserer Abcesse .26
Zahnextractionen.41
(Sohluss folgt.)
Bericht über die Leistungen des Unterstützungs-
Institutes im Jahre 1879.
Vorgetragen in der Generalversammlung dieses Institutes am * 8. Februar 1880
vom Vice-Prftsidenten Dr. Preyss.
(Sohluss.)
Das ganze Erforderniss für vorübergehende Unterstützungen an
8 Mitglieder in 17 Fällen betrug 2150 fl. und die aus denZinsen des
Stammcapitals zu bezahlenden dauernden Unterstützungen forderten
nur den minimalen Betrag von 321 fl., und zwar 300 fl. als quasi
Pension für ein an Jahren sehr vorgerücktes erwerbsunfähiges Mit¬
glied und 21 fl. als lebenslängliche Rente einer armen alten Doctors-
witwe, welche derselben von Herrn Hofrath Dr. Ritter v. Skoda
zugewiesen wurde, indem er an die vorjährige Schenkung der 500 fl.
Notenrente die ausdrückliche Bedingung knüpfte, dass die Zinsen der¬
selben zu dieser lebenslänglichen Subvention verwendet werden und
das Institut erst nach dem Ableben der Frau Dr. B. in die Nutz-
niessung trete. Im Ganzen wurden somit für Subventionen verausgabt
2471 fl., während, wie aus dem Rechnungsberichte ersichtlich ist
der weit grössere Betrag, 5669 fl. 27 kr, capitalisirt wurde, und
zwar grösstentheils in Notenrenten, die sich um 6000 fl. gegen das
Vorjahr vermehrten.
Nach solchen Ergebnissen ist es schwer zu begreifen, warum
nicht alle Collegen sich beeilen, diesem wohlthätigen Institute als
Mitglieder beizutreten. Es scheint, dass der Begriff über die wahre
Bestimmung desselben Vielen noch immer nicht klar ist, und dass
Manche den Namen als entwürdigend perhorresciren und dadurch zu
der Begriffsverwirrung beitragen, dass sie gegen das Wort sich auf¬
lehnend, die Sache selbst gar nicht weiter prüfen, obgleich sie wieder¬
holt sowohl.schriftlich durch die „Mittheilungen des Doct.-Coll. tt und
andre hiesige Faohjournale, als mündlich von den mit dem Verhält¬
nisse genauer bekannten Collegen darüber aufgeklärt wurden, dass der
Hilfsbedürftige ja keine milde Gabe aus fremder Hand empfängt,
sondern aus einem gegenseitigen Versicherungsfonde, zu dem
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226
er selbst einen Beitrag geleistet hat und fort leisten muss, selbst dann
noch, wenn er eine dauernde Unterstützung geniesst.
Wenn man den Namen Unterstützungs-Institut gewählt und
beibehalten hat, so geschah es einerseits, weil es wirklich zur
Unterstützung bestimmt ist, andererseits aber auch, weil bei der
Gründung desselben viele Wohlthäter mitunter bedeutende Gründer -
spenden dem Institute zukommen Hessen mit der ausdrücklichen
Widmung : zur Unterstützung hilfsbedürftiger Col¬
lege n, die daher auch keinen Anspruch machten auf irgend eine
Nutzniessung für sich selbst. Wenngleich es vorgekommen ist, dass
einige von denen, welche dem Institute zugleich als Gründer
und Mitglieder beitraten, später auch an die Hilfsquellen
desselben für sich selbst appelliren mussten, so beweist dies nur die
traurige Wahrheit, dass vor Schicksalsschlägen Niemand gesichert
ist und sollte vielmehr ein neuer Beweggrund sein, um zum Beitritt
aufzumuntern. Aber für die Mehrzahl der älteren Gründermitglieder
ist der Jahresbeitrag nur eine fortgesetzte Spende im kleineren
Massstab. In diesem Sinne fasste es gewiss auch Prof. Skoda auf,
der seine grossartigen Spenden, von einmal 4 und zweimal je
2000 fl., zusammen 8000 fl., alljährlich noch um 6 fl. durch den
Jahresbeitrag vermehrt und gar nichts Entwürdigendes darin findet,
Mitglied des Unterstützungsinstitutes zu sein ; denn Niemand wird
ihn in Verdacht haben, dass er daraus Nutzen ziehen wolle. Die jün¬
geren Collegen aber, die sich fürchten, dass man sie dessen verdäch¬
tigen könnte, müssen sich nicht ganz sicher fühlen, und gerade diese
sollten am wenigsten eine Gelegenheit ausser Acht lassen, die ihnen
nötigenfalls rechtzeitige Hilfe bietet.
Mag nun dieses wohlthätige Institut wie immer heissen, mögen
Manche auch gegen formelle Einrichtungen desselben ihre Stimme
erheben und Andere finden, dass durch die hohen Altersnachzahlungen
der Eintritt Vielen erschwert, Manchem unmöglich gemacht wird,
so haben wir auch in diesem Jahre, wie ich eben mitzutheilen die
Ehre hatte, Beweise, dass das humanitäre Wirken des Institutes
doch Anerkennung findet, indem nicht nur ein schon ausgetretenes
Mitglied, die Nachzahlung der erhöhten Jahresbeiträge nicht be¬
achtend, sich um die Wiederaufnahme bewarb, sondern auch ein
zweites um die Aufnahme ansuchte, das bereits im 59. Lebens¬
jahre steht, somit für 29 Jahre den erhöhten Jahresbeitrag pro 8 fl.
ohne Bedenken erlegte Wenn man nun erwägt, dass dieser College,
falls er erwerbsunfähig würde, nach Ablauf eines Jahres sein Recht
auf eine Unterstützung geltend machen und dann bei lange an¬
dauernder Erwerbsunfähigkeit schon im Verlaufe des nächsten
Jahres den derzeit höchsten festgesetzten Betrag von 300 fl., somit
mehr als das, was er eingezahlt hat, als Subvention zurückbekommen
kann, so erhellt zur Genüge, dass selbst die höchsten Einzahlungen
gewiss nicht zu hoch gegriffen sihd. Dass aber mit so kleinen Bei¬
trägen solch e Resultate erzielt werden können, dankt das Institut
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227
nur seinen Wohlthätern, die in so hochherziger und grossmüthiger
Weise zu dem Gedeihen desselben den Grund gelegt haben.
Darum war auch der Ausschuss von allem Anfänge an bestrebt,
die Namen dieser Edlen für alle Zeiten in dankbarer Erinnerung
zu erhalten, indem er dieselben mit Beifügung der Summe der
Spende in jedem jährlichen Rechenschaftsberichte immer wieder be¬
kannt gibt, und zwar nicht nur die der noch Lebenden, sondern auch
derer, die längst für immer uns entrissen wurden. Aber damit allein
begnügt sich der Ausschuss • nicht; er ist eben bemüht, überdies die
Bildnisse dieser Wohlthäter zu sammeln und sie in einem Album
zusammenzustellen, um auch ihre Persönlichkeit den überlebenden
Zeitgenossen in freundlicher Erinnerung zu erhalten und sie den
Nachkommen als nachahmungswürdige Vorbilder vorzustellen Lnider
ist die Sammlung in der letzten Zeit etwas in’s Stocken gekommen
und das Album noch nicht zusammengestellt, weil es schwer ist,
die Portraits der längst Verstorbenen — namentlich aus einer Zeit,
wo die Photographie noch nicht im Schwünge war — zu erhalten,
doch gibt der Ausschuss die Hoffnung nicht auf, sie alle zu ver¬
einen, und sollte dies nicht gelingen, so beabsichtigt er, an die
leeren Stellen je ein Blatt einzuschalten, das nur den kaligraphisch
geschriebenen Namen, Geburts- und Sterbetag des fehlenden Grün¬
ders enthält.
Nebst den Aufnahmen und Subventionszuerkennungen nahmen
den Ausschuss, der sich neunmal im Laufe des Jahres versammelte,
noch Berathungen in Anspruch, wie auf das Bestehen des Institutes
in weiteren Kreisen aufmerksam gemacht werden könne und die
Wiener medicinische Presse, sowie die allgemeine medicinische
Zeitung haben auf seine Anregung wiederholt davon gesprochen.
Um es aber auch den Mitgliedern des Collegiums, welche dem In¬
stitute noch nicht beigetreten sind, nicht vergessen zu lassen, wurde
beschlossen, dass die Sitzungsberichte nicht nur dann in den „Mit¬
theilungen“. aufgenommen werden, wenn etwas besonderes vorkam,
sondern regelmässig nach jeder Sitzung; ferner dass auch noch vor
Schluss des Jahres eine Einladung zum Beitritt in das Institut in
denselben veröffentlicht werde, die auch in der am 25. December
1879 ausgegebenen Nummer 27 erschienen ist.
Endlich beschäftigte sich der Ausschuss noch mit der Prüfung
der Rechnungen, die von den Herren Rechnungsrevisoren, den
DDr. Behsel, Fürth und Klein eingehend überprüft und richtig
befunden wurden, und über deren Antrag der Ausschuss das Ab-
solutorium ertheilt hat. Den detaillirten Rechenschaftsbericht wird
Ihnen der Herr Cassier vortragen und Sie werden daraus mit Be¬
friedigung entnehmen, dass sich die Fonds des Institutes wieder um
6000 fl. Notenrente vermehrt haben.
Lassen Sie uns, ehe wir uns trennen, noch das Andenken
der im vorigen Jahre Verstorbenen, der DDr. W eil, Simon Fisch er,
H e s s e r und Mühlhauser, sowie das des uns schon in diesem Jahre
entrissenen Dr. Kirsch nek durch Erheben von unseren Sitzen ehren,
und schreiten wir dann zur Wahl der vier neu zu wählenden
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228
Ausschussmitglieder statt der ausscheidenden DDr. Chrastina,
Gerstl, Nusser und S c h e f f mit dreijähriger, sowie des an Stelle
Dr. Kirsch ne k’s zu wählenden mit zweijähriger Functionsdauer,
dann der drei Rechnungs-Censoren, deren dreijährige Functionsdauer
auch abgelaufen ist.
Schliesslich muss ich mich noch einer Pflicht entledigen, die
an sich angenehm und doch betrübend ist. Herr Dr Hopfgartner
fühlt sich zu unser Aller Bedauern aus Gesundheitsrücksichten
bewogen, seine Stelle als Cassier und Secret-är des Collegiums zu
zurückzu legen. In Würdigung der aufopfernden Thätigkeit, die Dr. H.
im Interesse des Institutes bei jeder Gelegenheit an den Tag ge
legt, hat nun der Ausschuss beschlossen, in der Generalversammlung
zu beantragen, diese wolle dem verdienten Functionär den Dank
ausdrücken für seine Mühewaltung zur Förderung des Institutes.
Möge es Ihnen, geehrte Herren, die ja Alle auch Mitglieder
des Doct.-Coll. sind, gelingen, bei den in der nächststattfindenden
Generalversammlung desselben vorzunehmenden Neuwahlen einen
ebenso eifrig thätigen Ersatzmann für den Scheidenden zu wählen!
Notizen.
Auszeichnung. Seine k. und k apostolische Majestät haben Allergnä-
digst zu gestatten geruht, dass der Badearzt in Bad Gastein, Dr. August
Freiherr von Härdtl das Comthurkreuz zweiter Classe des herzogl. Sachson-
Ernestinischen Hausordens annehmen und tragen dürfe. Ferner wurde Dem¬
selben vom deutschen Kaiser der Titel eines Sanitätsrathes verliehen. — Prof.
Dr. Max Leidesdorf erhielt das Commandeurkreuz des fürstlich serbischen
Takowa-Ordens.
Anerkennung. Der Stadtphysikus und OSR Dr. Nusser wurde über
sein Ansuchen vom Gemeinderathe der Stadt Wien mit seinen vollen Bezügen
per 2800 fl. pensionirt und ihm als Anerkennung für seine Leistungen das
Bürgerrecht der Stadt Wien taxfrei verliehen.
In dem Pockenhause an der Triesterstrasse, das seiner Zeit von der
Stadt Wien erbaut und vor Kurzem vom Staate übernommen wurde, hat die
k. k. niederö8terreioh. Statthalterei eine „Zahlal>tlieilung“ für Blatternkranke
aus besseren Familien mit der Taxe von 2 fl. per Kopf und Tag eingerichtet.
Der i 11. internationale hygienische Congress wurde am 6. d. M. um
10 Uhr Vormittags zu Turin im Palazzo Carignano duroh den Maire und
Senator, Graf Ferraris, feierlich eröffnet Der König liess sich durch den
Justizminister Villa vertreten. Unter den 500Anwesenden zählten - nächst
Italien — Frankreich, Spanien und Rumänien die meisten Delegirten.
Todesfall. Dr. Johann Schneider, Mitglied des früheren Doct.-Coll.
der Wiener med. Facultät, ist am 23. v. M. nach langem Leiden an Tuberoulose
gestorben. Der Verstorbene wurde im Jahre 1813 zu Kasohau in Ungarn
geboren, absolvirte die medioinisohen Studien in Wien, wo er am 5. August 1842
zum med Doctor promovirt und am 6. Juli 1851 als Mitglied in die medio.
Facultät aufgenommen wurde. Er begann seine ärztliche Carriöre als Secundar-
arzt im Wiener allgemeinen Krankenhause, etablirte sich dann als praktischer
Arzt im V. Bezirke und erwarb sich als solcher bald grosses Vertrauen.
Gegen Ende der Fünfzigerjahre erhielt er die Stelle eines Mentors bei einem
jungen Fürsten, den er duroh mehrere Jahre auf Reisen begleitete. Nach seiner
Rückkehr nahm er wohl seine praktische Thätigkeit wieder auf, konnte aber
seine frühere Anerkennung nicht mehr erringen. Im Jahre 1868 wurde er als
Mitglied in das Unterstützungs-Institut des Collegiums aufgenommen, durch
das er mit demselben bis an sein Ende in Verbindung blieb, obgleich er dem
derzeitigen Collegium nicht beigetreten ist. Friede seiner Asche!
Herausgeber und Verleger: Wiener medioin. Doet-Coli. — Verantwortlicher Rodaoteur
Pr. L Hopfgartner. — GesellBohafta-Buohdruokerei, Wien, 111. Rrdbergentraue 8.
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TI. Kd. Ausgegeben am 23. September 1880. Nr. 21
MITTHEILUNGEN
des
Wiener »iUcimscNn DDCioren-CollegioDis.
Erscheint jeden «weiten Donnerstag ein halber bis ein ganmer Bogen and darüber, an
20 Bogen im Jahre. — Gansj&hriges Abonnement für Nichtmitglieder des Collegiums im In¬
lande 8 fl., naoh dem Auslande 6 Mrk. — Binseine Nummern 86 kr. = 60 Pfg. — Inserate
16 kr. = 80 Pfg. für die durchlaufende Petit-Zeile.
Man pränumerirt in der Medicin. Buchhandlung Toeplitx dB Deuticke
(vormals Karl Ciermah), Wien, L, Schottengasse 6.
Zischrifte» and Znsenduge« an die Redactioi: Wiel, Kaulei des Wieier «ed.
Doet.-Coll. und der Witwei- und Waisea-Soeietfit, Eotheatharmstraise 23.
Inhalt: Semestral-Bericht vom Jahre 1880 über das Carolinen-Kinderspital von Dr. A. v.
Hüttenbrenner. — For. Setzung des Berichtes über das k. und k. National-Spital in Constan-
tinopel, von Dr. Weissbaoh. — Notizen.
Aerztlicher Bericht
über die Im ersten Halbjahre 1880 ln dem unter dem Curatorium des
Doetoren - Collegiums stehenden Carolinen - Kinderspitale stationär
und ambulatorisch behandelten Krankheitsfälle.
Vom leitenden Primarärzte dieser Anstalt Dr. Andreas Ritter von Hftttenbrenner.
(Schluss.)
Anschliessend seien noch in Kurzem zwei Fälle erwähnt,
die einiges Interesse erregen. Ausführliche casuistische Mittheilun¬
gen können erst nach Ablauf eines grösseren Zeitraumes erfolgen.
Zi mm ermann Alfred, 6 Monate alt, wurde am l.März 1880
im Spitale aufgenommen. Patient ist von schwachem Körper¬
baue. Die Untersuchung des Thorax ergibt nichts Abnormes.
Rechtersoits ist die ganze regio parotidea masseterica von
einer Geschwulst eingenommen, welche sich nach abwärts über
den Kieferwinkel bis in die fossa supraclavicularis erstreckt,
den sternocleidoma8toideu8 bedeckt und nach vorne und hinten
überragt; ebenso ist das Ohrläppchen mit in die Geschwulst
einbegriffen, etwas geschwellt.
Der senkrechte Durchmesser der Geschwulst beträgt 7 cm.,
der quere etwa um 1 / 2 cm. weniger. Die Geschwulst ist von
der normalen Haut scharf mit einem gezackten Rande, der unter
dem Ohrläppchen eine grössere Bucht bildet, abgegrenzt, und
ihrer ganzen Fläche nach um etwa 4—5 mm, über das normale
Hautniveau erhaben.
Die Farbe der Geschwulst ist blutroth, ihre Consistenz
weich und schwammig. Comprimirt man eine beliebige Stelle
etwas stärker und durch längere Zeit, so erscheint die compri-
mirte Stelle blässer, füllt sich aber rasch wieder mit Blut. Uebt
man eine längere Compression in der Nähe des äusseren Gehör¬
ganges aus, und entleert durch Druck daneben das Blut, so scheint,
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wenn man an dieser zweiten Stelle den Druck aufhebt, die
ursprüngliche Farbe der Geschwulst nur langsam sich herzustellen.
Am Halse, über dem sternocleidomast. ist der Tumor
gewulstet und an den Berührungsstellen der Wülste die Haut
arrodirt und nässend.
Eine Pulsation der Geschwulst ist nirgends zu finden.
Am 4. März wurde in der Chloroform-Narcose die Caute-
risation des Angioms mittelst des spitzen Thermocauters vor¬
genommen. Comprimirt wurde die Geschwulst durch 4 Carls-
badernadeln und darum in Achtertouren gewickelte Seidenfäden.
Die Narcose verlief nicht ohne Störung. Nachdem nämlich
Patient bereits auf Hautreize reagirte, traten in Intervallen von
circa 2 Minuten tonische Krämpfe der oberen und unteren Ex¬
tremitäten auf. Die Anfälle wiederholten sich etwa dreimal,
worauf Patient zu schreien begann und in Schweiss ausbrach.
Die Geschwulst wurde mit Borsalbe, auf Borlint gestrichen,
bedeckt. Die Eiterung der Wunde war mässig.
Am 8. März wurden die Nadeln entfernt und Patient aus
dem Spitale entlassen.
Vornahme der Nachbehandlung ambulatorisch.
Am 22. März war der Eiterungsprocess zu Ende; die Ge¬
schwulst war ihrer Ausdehnung nach auf das normale Haut¬
niveau mit Ausnahme von ein paar kleineren Inseln gesunken.
Ebenso war die rothe Farbe gewichen, ohne jedoch der Haut¬
farbe gleichzukommen. Abermalige Cauterisation der eben ange¬
führten inselförmigen Stellen und des Randes der Geschwulst.
Bei der Vorstellung des Patienten am 5. April war der
Rand der Geschwulst bereits vollkommen verstrichen, und die
Farbe der Geschwulstfläche hatte sich noch mehr der normalen
Hautfarbe genähert. Einige dunkler gefärbte Stellen wurden
abeimals cauterisirt.
Am 22. April konnte Patient geheilt aus der Behandlung
entlassen werden, nachdem die Geschwulstfläche einer schönen,
der normalen Haut beinahe gleichgefärbten Narbe Platz ge¬
macht hatte.
Von einigem Interesse dürfte auch die kurze Mittheilung
eines Falles von einer Contractura genu sein, da die ein¬
geschlagene Behandlungsweise noch verhältnissmässig selten
geübt wurde.
Gänger Anna, 7 Jahre alt, wurde am 17. März ins Spital
aufgenommen. Nach Angabe der Mutter erkrankte Patientin im
Juni 1879 an Blattern, und kurze Zeit nach erfolgter Her-
Stellung an Masern. Im August 1879 bekam sie Gelenksrheu¬
matismus. Seit October 1879 bemerkte die Mutter, dass das
Kind hinke; es klagte jedoch über keine Schmerzen, welche
erst vor mehreren Wochen auftraten.
Patientin von schwächlichem Körperbau. Untersuchung des
Herzens, sowie der Lunge ergibt nichts abnormes. Die linke
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untere Extremität ist im Kniegelenke in einem Winkel von
circa 120° gebeugt. Streckung weder activ noch passiv möglich.
Das Kniegelenk stark geschwellt, der Condylus femoris int.
hervorgetrieben. Berührung sehr schmerzhaft.
Am 18. März wird in der Narkose unten Carbol-Spray an
zwei 1 Cm. von einander entfernten Stellen des aufgetriebenen Con¬
dylus mit dem spitzen Thermocauter die Ignipunctur, circa 3 Cm. tief
vorgenommen. Antiseptischer Verband. Patientin ist die nächsten
Tage vollkommen fieberfrei. Bei Abnahme des Yerbandes am
22. März zeigt sich, dass aus der tiefer gelegenen Punctions-
wunde mehr Secret geflossen ist. 24. März: Secretion beinahe
Null. Das Gelenk wird gestreckt und ein Gypsverband angelegt,
welcher am 12. April erneuert wird. Patientin ist stets fiebere
frei und bei ruhiger Lage ohne Schmerzen. 3. Mai wird der
Verband abgenommen. Die Schwellung hat sich nicht vermindert.
Auch äussert Patientin auf Druck grosse Schmerzhaftigkeit.
Abermalige Punction mit dem spitzen Thermocauter, und zwar
an der höchsten Prominenz der Geschwulst und circa 2 Cm.
von dieser Stelle nach unten und aussen. Gypsverband unter
antiseptischenCautelen. Patientin ist fieberfrei. 10. Mai: Abnahme
des Yerbandes. Schwellung und Schmerzhaftigkeit wie früher,
geringe Secretion. Anlegung eines neuen Gypsverbandes. 20. Mai
wird Patientin aus der Spitalspflege entlassen, weitere Behand¬
lung ambulatorisch. 24. Mai: Schwellung hat bedeutend ab¬
genommen. Die Schmerzhaftigkeit auf Druck ist vollständig ge¬
schwunden, Secretion unbedeutend. Gypsverband. 14. Juni:
Keinerlei Schmerz auf Druck. Die untere Punctionswunde prä-
sentirt sich als eine kreuzergrosse, mässig eiternde, granulirende
Wunde, deren Ränder verschiebbar sind, während das Centrum
unverschiebbar, mit dem Condylus verbunden erscheint. Secernirt
wird eine leimartige, fadenziehende, nicht übelriechende Masse. Die
zweite Punctionsstelle ist beinahe vollkommen vernarbt und in
toto verschiebbar; ebenso die zwei ersten Narben, von der
ersten Punction herrührend. Anlegung eines Pappverbandes.
Kranke vermag sicher und schmerzlos zu gehen. Von nun an
wird Patientin von 8 zu 8 Tagen einer Revision unterzogen.
Es zeigt sich, dass die Schwellung stetig abnimmt bei voll¬
kommener Schmerzlosigkeit, während die mässige Secretion des
eben beschriebenen Secretes anhält. Ebenso ist active und passive
Beugung im Kniegelenke in einem kleinen Winkel möglich.
26. Juli: Die Secretion dauert fort, die Beweglichkeit im Gelenke
nimmt zu. Der Process kann jedoch noch nicht als beendet
angesehen werden, da ärztliche Controle noch nöthig ist.
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232
Aerztlicher Bericht Uber das k. und k. österr.-ungar.
National-Spital in Constantinopel im Jahre 1879.
Verfasst vom k. k Regimentsarzt Dr. Weissbach, Referent D. P.
(Fortsetzung.)
B. 0 ertliche Krankheiten
kamen im Jahre 1879 weit häufiger vor, als in früheren Jahren
und waren auch entsprechend dem Yerhältnisse der Vorjahre
den allgemeinen Krankheiten überlegen. Es wurden von mit
diesen Krankheiten Behafteten 123 aufgenommen, und zwar
I. mit Krankenheiten des Nervensystems 11 Fälle,
darunter 1 Hyperämie der Hirnhäute (geheilt), 2 Apoplexien, (davon
eine geheilt) die anderen mit lethalem Ende. Diese, bei einem
20jährigen Matrosen durch einen Fall über die Stiege verursacht
mit Blutaustritt auf der Innenfläche der Dura mater, ohne dass
irgend eine Verletzung aufgefunden werden konnte. —- 2 Hydro-
cephali, beide bei älteren Leuten (1 Mann und 1 Weib) plötzlich
unter der Form von Apoplexien aufgetreten, mit hemiplegischen
Erscheinungen beim Manne, mit Convulsionen und nachheriger
vollständiger Lähmung beim Weibe. Beide endeten mit dem
Tode, doch entsprach der weiter unten aufgenommene anato¬
mische Befund nicht der Heftigkeit der Krankheitserscheinungen.
— 1 Neuralgie des rechten Oberaugenhöhlennerven, wurde
durch 85 Tage mit Chinin, Arsen, Chloroform, Chloralhydrat
Eleotricität u. s. w. ohne allen Erfolg behandelt, daher der
Kranke, ein Unterofficier vom Taurus, nach Pola transferirt. —
4 Geistesstörungen im weitesten Sinne (darunter eine Magd aus
Ungarn), die alle nach 3- bis 4wöchentlicher Behandlung unge-
heilt transferirt wurden, die Magd in das französische Irrenasyl
nach Schischlih. — 1 Fall von Myelitis bei einem Heizer,
der kurz vor Jahresschluss aufgenommen wurde, daher mit dem
neuen Jahre noch in Behandlung blieb.
Die Resultate der Behandlung der hier aufgezählten Krank¬
heiten sind die ungünstigsten des ganzen Berichts — von 11
Kranken 3 gestorben, 5 ungeheilt entlassen, 1 in Behandlung
verblieben und nur 2 genesen.
Die Autopsie der 2 Hydrocephalischen ergab:
a) G. Nicolo 50 Jahre alt, Körper 1657 mm. lang, schwach
gebaut, abgezehrt; Fuss- und Handrücken ödematös — Chronisches
Oedem der weichen Gehirnhäute, links stärker als rechts (weiss
getrübt, zähe, von sehr viel klarer wässeriger Flüssigkeit durch¬
tränkt und mit sehr vielen Pacchionischen Granulationen, besonders links
besetzt), leichter Hydrocephalus internus (rechts wenig klare, dünne
Flüssigkeit, links noch weniger); linke grosse Ganglien, besonders
der Streifenhügel weicher als rechterseits — die gesammte Hirn¬
substanz weich. — Chronischer Catarrh des ganzen Dickdarms, be¬
sonders des absteigenden Theiles (Schleimhaut ganz rauh, graupunktirt,
mit eitrigem, grauen Schleim überzogen), Oedem der hinteren Theile
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233
beider Lungen (etwas verdichtet anzufühlen, faserig, lufthaltig, roth,
sehr viel schaumige, röthliche Flüssigkeit enthaltend); die vorderen
Theile stark gedunsen, die Bänder abgerundet, ihr Gewebe ganz
trocken, lufthaltig, weisslichgrau. — Im Centrum des rechten untern
Lungenlappens Jnduration (kleinapfelgross, Gewebe hart, zäh, faserig
brüchig, luftleer, dunkelgrau, mit Schleim in den Bronchialöffnungen)
mit Ausstrahlung von Bindege websstreifen in die Umgebung. —
Leichter Hydrops aller serösen Säcke. Mangel der rechten Niere ;
dagegen die linke sehr gross, stark gewölbt und abgerundet, etwas
lappig, Binde und Mark gleichmässig dunkelgrauroth; sie liegt an ihrer
normalen Stelle und besitzt eine fast 1 Cm. haltende arteria renalis.
— Leber klein, flach, trocken, gelbbräunlich; Milz klein, flach,
hart, hellroth. — Chronischer Catarrh des Magens (zusammengezogen
aber faltenlos, Schleimhaut rauh, sammtartig, grau, roth punktirt an
einzelnen gruppirten Stellen der kleinen Curvatur, mit eiterig schlei¬
miger Flüssigkeit überzogen). — Stellenweise Anwachsungen beider
Lungenspitzen und des rechten Leberlappens. — Bippenknorpel
nicht verknöchert.
b) H. Katharina 62 J. — Körper 1570 mm. lang, stark ge¬
baut, sehr fett. — Dura mater überall mit dem dünnen, spongiösen
Schädeldache verwachsen, dessen Innenfläche zahlreiche Furchen
trägt. — Weiche Gehirnhäute überall bis in die kleinsten Zweige
injicirt, von wässeriger Flüssigkeit durchtränkt, schwer abziehbar.
Gehirn gross mit reichen Windungen, Binde dunkelgrau; im rechten
Ventrikel seröse Flüssigkeit; grosse Ganglien und das ganze Mark¬
lager normal; in den Sinus viel flüssiges Blut. — Lungen theilweise
angewachsen; in der Basis des rechten oberen Lappens mehrere
indurirte (harte, zähe, blutleere, schwarzgraue) Herde mit Catarrh
der Bronchien und chronischem Oedem im unteren Lappen. Das grosse
Netz oberhalb der Symphise angewachsen; die Gallenblase angefüllt
mit grossen und kleinen Steinen; Uterus sehr klein; der rechte
Eierstock in eine sehr feste, dicke, weissliche Bindegewebsmasse
von der Grösse einer Mandel verwandelt.
II. Von Kreislaufkrankheiten kamen 8 Kranke mit
Herzfehlern zur Aufnahme. Sämmtlich Klappenfehler; 4 der Aorta
und 4 der Bicuspidalklappen, von denen sonderbarer Weise
letztere nur bei Matrosen, erstere bei Nichtseeleuten vorkamen,
von denen 1 starb; alle anderen wurden ungeheilt entlassen.
Bei dem Gestorbenen Hessen sich während des Lebens
sehr starke Herzgeräusche, besonders gegen die Aorta ascendens
hin, beobachten, als deren Ursache die Section Atheromatose
der Aorta und theilweisen Mangel einer Semilunarklappe erwies,
von welcher förmlich die Hälfte fehlte, demgemäss also nur
Insufficienz vorhanden war.
HL Die Krankheiten der AthmungsWerkzeuge
waren vertreten: a) durch 1 Pleuritis mit rückgebliebenem
bedeutendem Exsudate (daher superarbitrirt), 7 Pneumonien, von
denen 3 genasen, 2 am Schlüsse des Jahres noch in Behand-
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234
lung blieben und 2 nach je 6 Tagen starben; b) durch die gleiche
Zahl (7) Tuberculose, von denen 4 starben und 3 zeitweise
gebessert entlassen wurden. Es war durchaus die chronische
Form, nur einmal mit Pneumothorax, in allen übrigen tödtlich
verlaufenden Fällen wies die Autopsie nichts Besonderes nach;
c) durch 10 acute Bronchialcatarrhe, von denen 9 unter
der einfachsten Behandlungsweise nach 2—3 Wochen geheilt
das Spital verliessen und 1 noch am Schlüsse des Jahres in
demselben verblieb; d) durch 5 chronische Bronchiai-
catarrhe mit Emphysem, darunter 1 Individuum zweimal auf-
genommen (4 ältere Männer und 1 altes linkseitig gelähmtes
Weib). Yon all’ diesen Kranken wurde nur 1 gebessert entlassen,
3 sind gestorben, darunter der zweimal Aufgenommene
IY. Mit Krankheiten der Yerdauungsorgane
kamen im Ganzen 48 Personen zur Behandlung, von denen
mehr als die Hälfte (25) acute Magencatarrhe (alle geheilt),
ferner ein 35jähriger Mann mit Magengeschwür wurde durch den
Gebrauch von Natron carbon. bei leichter Kost in 20 Tagen
so weit her gestellt, dass er schmerzlos und ohne weiteres Er¬
brechen das Spital verlassen konnte; dagegen kehrte ein mit
Magenkrebs am Pilorus behafteter Apotheker nach 12tägiger
Beobachtung in ungeändertem Zustande in seine Heimat zurück.
1 Kranker mit Gallensteinen und 1 mit Lebercirrhose
wurden nach längerer, 1 mit Icterus nach 19tägiger Behandlung
geheilt entlassen, und 1 Mann, der nach hartnäckigen 0b-
structionen durch die angewandten Mittel so copiöse Ent¬
leerungen bekam, dass er wegen allgemeinen Schwächezustandes
beim Jahresschlüsse noch in Behandlung verbleiben musste.
Darmcatarrhe ka i en nächst den Magencatarrhen am
häufigsten zur Behandlung, und zwar 11 Fälle (8 acute und
3 chronische), von welch’ letzteren 2 starben, der dritte nebst
6 acuten geheilt entlassen vurde und 2 acute am Ende des Jahres
noch in Behandlung blieben. Yon den 2 Fällen mit tödtlichem
Yerlaüfe betraf einer einen 18jährigen Ungar, der du»ch 7 Monate
an Diarrhoe, aber nie mit blutigen Stühlen litt. Bei der Auf¬
nahme in das Spital war er äusserst abgezehrt, mit trockener,
abschilfernder Haut, hatte täglich mehrere, mitunter selbst ge¬
formte, Stuhlentleerungen bei einer grossen Menge ganz klaren,
sehr lichten Urins ohne weitere krankhafte Erscheinungen von
Seite des Unterleibs, welcher nur einige Tage vor dem Tode
aufgetrieben und schmerzhaft, dann ab- r wieder eingesunken
und schmerzlos sich darstellte. — In der Leiche fand sich neben
Zeichen chronischen Darmcatarrhs eitrige Peritonitis in Folge
von Durchbruch eines isolirten Geschwürs im Blinddarm.
Der zweite dieser Kranken, ein öOjähriger Wiener, hatte
seit 4 Wochen vor seinem Eintritte ins Spital Diarrhoe, fühlte
sich aber schon durch 3 Monate unwohl, war sehr abgezehrt
und schwach und hatte ausser den flüssigen Stühlen bald mehr,
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bald ninder heftigen Schmerz an den gewölbtesten Stellen der
linksseitigen unteren Rippen. Seine schmerzlose Brustwirbelsäule
war wie beim Greisenrücken im oberen Theile nach hinten sehr
convex, was sich übrigens erst seit einem Jahre ausgebildet
hatte. Der Mann konnte sich jedoch entsprechend seiner Schwäche
genügend gut drehen und wenden. Schliesslich beschleunigte
lobuläre Pneumonie den Tod.
Von 5 Kranken mit Dissenterie wurden 3 nach 4 bis
5 wöchentlicher Behandlung geheilt entlassen, einer verblieb
am Schlüsse des Jahres noch im Spitale und einer starb. Bei
diesem wies der Sectionsbefund nach: Dissenterie des ganzen
Dickdarms, Anschwellung der Gekrösdrüsen, croupöse, gelbliche,
festsitzende körnige Exsudatmassen im untersten Ileum auf
grauer, rauher Schleimhaut, leichten Hydropsascites und peri-
cardii, Emphysem der rechten Lunge und Bronchiaicatarrh.
Eine nach 8 Tagen lethal endende Peritonitis betraf einen
30jährigen kräftigen Matrosen, welcher mit täglichen ausge¬
prägten Fieberanfällen in’s Spital kam, die nach seiner Angabe
seit 3 Wochen bestanden und auf Chiningebrauch wirklich
schwanden. Am 6. Tage jedoch stellten sich Nachmittags sehr
heftige Bauchschmerzen mit kleinem Pulse, Collapsus, dünnen
Stuhlentleerungen und gallichtem Erbrechen ein, der Bauch
wurde auch gegen Berührung sehr empfindlich, die Leber nach
oben gedrängt und so erfolgte am 8 Tage Morgens der Tod, ver¬
ursacht durch Perforation eines ganz ähnlichen isolirten Ge¬
schwüres, wie bei dem vorerwähnten 18jährigen Ungar, der an
Darmcatarrh gestorben, jedoch mit dem Sitze im untersten
Theile des Ueums. Der übrige Darm war durchaus normal.
V. Krankheiten der Harnw erkzeuge kamen auch im ab¬
gelaufenen Jahre eben so selten vor als in den früheren Jahren,
sie waren beschränkt auf eine B asenentzündung leichteren
Grades bei einem jungen Matrosen, der nach 25tägiger Behand-
lung geheilt entlassen wurde, und 2 Fälle von Morb. Brightii,
von denen der eine nach Verlauf von 10 Wochen geheilt ent¬
lassen wurde und der andere, ein 64jähriger Lloydcameriere,
am 9. Tage nach seiner Aufnahme im Spitale gestorben ist.
Bei diesem musste die Krankheit lange bestanden haben, denn
er kam nicht nur schon ganz erschöpft zur Aufnahme, sondern
die Autopsie wies auch solche Degenerationen nach, wie sie
nur bei langem Bestehen der Krankheit Vorkommen können.
VI. Krankheiten der Bewegungswerkzeuge.
Von den daran Leidenden kamen im Ganzen nur 16 zur Be¬
handlung, u. z. 12 Muskelrheumatismen, von denen 7 nur zur
Beobachtung als wahrscheinliche Simulanten; aber auch die
übrigen 5 waren nur leichteren Grades, so dass sie durchschnittlich
nach 12tägiger Behandlung entlassen werden konnten, und 4 mit
Gelenksrheumatismus an den unteren Extremitäten, von denen
wieder nur Einer insoferne bemerkenswert!! war, als sich bei ihm
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236
ein Exsudat um den linken äusseren Knöchel gebildet hatte und
später auch das rechte Sternoclaviculargelenk afficirt wurde,
um welches sich ebenfalls ein bedeutendes Exsudat ablagerte,
das sich jedoch langsam wieder resobirte. Dieser Kranke blieb
beim Jahresschlüsse noch in Behandlung. Das Endocardium
wurde bei Keinem in Mitleidenschaft gezogen. (Sohluss folgt.)
Notizen.
Auszeichnung. Dr. Moriz Fürstenberg, Badearzt in Ischl- erhielt vom
Fürsten Milan das Officierkreuz des serbischen Takowa-Ordens.
Todesfall. Am 14. d. M. starb der Hofburgtheaterarzt Dr. Eud. Frankel an
Lungenödem. Dr. F., geboren zu Pest am 3. August 1816, wurde im August 1889
in Wien zum Med. Dr. promovirt und im Juli 1841 als Mitglied in die medic.
Facultäfc aufgenommen. Unserem derzeitigen Collegium trat er nicht bei. Er
war ein eifrig thätiger und beliebter praktischer Arzt, dessen Tod von seinen
Kranken und Freunden, die auch an seinem Leichenbegängnis zahlreich theil-
n ah men, tief bedauert wird. Möge er in Frieden ruhen!
WohnungsVeränderungen. Dr. Eud. Hartl wohnt jetzt I. Wallnerstr. 4.
Dr. L. Tu sch ak, III, Kennweg 37, und Dr. M. Weintraub,H. Circusgasse 19.
Ueber den Einfluss der Ueberbürdung unserer Jagend auf dei
Gymnasien und höheren Töchterschulen mit Arbeit auf die Entstehung
von Geistesstörungen hielt Dr. Hassa aus Kö-nigslütter in der am 8.
und 4. August d. J. in Eisenaoh abgehaltenen Jahresversammlung des Ver¬
eines der deutschen Irrenärzte einen längeren Vortrag, in dessen Verlauf er
die Krankengeschichten von fünf in seiner Anstalt behandelten Gymnasiasten,
sowie Notizen über vier Fälle (zwei Gymnasiasten und zwei Mädchen), bei
welchen er consultirt wurde, mittheilte.
Auf Grund seiner Beobachtungen, dann des Lehrplanes humanistischer
Gymnasien und des Ausspruches von Lehrer-Collegien selbt, dass eine zehn¬
stündige tägliohe Arbeit bei einem normal begabten Sohüler nothwendig sei,
stellt der Vortragende den Antrag, der Verein deutsoher Irrenärzte möge an
den Eeichskanzler eine Petition riohten, damit der Ueberbürdung der Jugend
mit geistiger Arbeit an den Gymnasien und Instituten gesteuert werde. Nach
längerer Discussion wurde beschlossen, den Vorstand mit Sammlung und
Sichtung von Material zur Berichterstattung für die näohstjährige Versamm¬
lung zu betrauen.
Der VII. internationale medicinische Congress wird im Jahre 1881,
den am letzten Congresse in Amsterdam ausgedrückten Wunsche entsprechend,
in England stattfinden. Zu den Vorbereitungen für denselben hat sich unter
dem Vorsitze des Dr. Eisdon Bennett ein Comitö gebildet, welches London
zum Sitze des Congresses erwählte. Dieses Comitö hat bereits an alle Redao-
tionen der Fachjournale Anzeigen und Einladungen zur Theilnahme an dem
Congresse versendet mit dem Ersuchen um Aufnahme und möglichste Verbrei¬
tung, wobei es die Hoffnung aussprioht, eine grosse Zahl der ausgezeichnetsten
Aerzte aller Länder in London vereinigt zu sehen, welohen herzlich entgegen¬
zukommen es sich zur Aufgabe macht. Die Königin und der Prinz von
Wales haben das Proteotorat übernommen. Die Eröffnungsfeier wird am
2. August 1881 stattfinden; am 3. werden die Sitzungen eröffnet und am
9. der Congress geschlossen werden. Der Congress wird seine Arbeiten, abge¬
sehen von denen der allgemeinen Sitzungen, in 15 Seotionen vertheilen. Die
officiellen Sprachen werden die deutsohe, die französische und die englische
sein. Zur Eröffnungsfeier und zu den geselligen Zusammenkünften werden
auch Damen Zutritt haben. Das Comite wird das Programm am 30. April 1881
feststellen. Es ist daher wünsohenswerth, dass alle auf den Congress bezüg¬
lichen Mittheilungen, sowie Auszüge der beabsichtigten Vorträge behufs Ein¬
tragung in die Tagesordnung noch vor diesem Tage eingesandt werden an den
Genera 1-Secretär Mr. Mao Cormao, 13, Harley Street, London W.
Herausgeber und Verleger: Wiener medicin. Doct.-Ooll. — Verantwortlicher Bodscteur
pr. L. Hopügartner. — Geaellsohafts-Buohdruckerei, Wien, EU. Erdbergerstrassu S.
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TI. Bd. Ausgegeben am 7. October 1880. Kr. ftft
MITTHEILUNGEN
des
Wiener midiiKiii Dhiihi-CiHhIih
Erscheint jeden sweiten Donnerstag ein halber bis ein ganser Bogen und darüber, an
SO Bogen iiq Jahre. — Oansjfthriges Abonnement für Niehtmitglieder des Collegiums im In¬
lande 8 fl., nach dem Aaslande 6 Mrk. — Binseine Nummern 95 kr. = 50 Pfg. — Inserate
15 kr. = 80 Pfg. für die durchlaufende Petit-Zeile.
Man pränumerirt in der Medicin. Bachhandlang Toepliti <fe Deatfteke
(vormals Karl Ciermak), Wien, I., Schottengasse 6.
Zmschriften and ZasendaBgeB m die Redaetiom: Wiem, Kaailei des Wieser ned.
Doet.-Coll. and der Witwen- uid Waisen-Societfit, ftothenthurastrasse 23.
Inhalt: Schluss des Berichtes über das k. und k. National-Spital in Constantinopel, von
Dr Weissbach. — Aus dem Geschäftsrathe. — Notizen.
Aerztlicher Bericht Uber das k. und k. österr.-Ungar.
National-Spital in Constantinopel im Jahre 1879.
Verfasst vom k. k Regimentsarzt Dr. Weissbaoh, Referent D. P.
(Sohluss.)
B. Aeusserliche Krankheiten.
Wenngleich diese Krankheiten im Jahre 1879 zahlreicher
vertreten waren als in früheren Jahren, nämlich durch 24,76%
des Gesammtkrankenstandes, so ist doch deren Zahl relativ
klein, indem im Verlaufe des Jahres nur 80 Fälle aufgenommen
wurden. Es ist selbstverständlich, dass cosmisch-tellurische
Verhältnisse keinen Einfluss üben können auf dis Entstehen
äusserer Krankheiten, daher auch ihr Vorkommen von den
Jahreszeiten unabhängig ist; es wäre denn, dass manche Heilungs-
processe durch allzu niedere, andere durch abnorm erhöhte
Temperaturen verzögert werden. Von der Gesammtzahl der
Aufgenommenen starben nur 2, und dies war nur durch die
Art der Erkrankung bedingt, keineswegs aber von dem Krank¬
heitsverlaufe abhängig.
In diese Krankheitskategorie gehören:
I. 28 Trennungen des Zusammenhanges, und zwar:
7 Quetschwunden, 2 Schnittwunden (von denen eine mit dem
Tode endete), 1 Stichwunde, 1 Bisswunde (durch einen wilden
Strassenhund gesetzt), 2 Excoriationen von Schuhdruck veranlasst,
11 leichte Quetschungen, 4 Knochenbrüche, zusammen 28 Fälle.
Der tödtlich endende Fall betraf einen 36jährigen Griechen
aus Kaisarich, welcher mittelst eines Messers in den Unterleib
gestochen wurde, aber erst am 4. Tage nach der Verletzung
in’s Spital kam. Er hatte oberhalb des linken Poupart’schen
Bandes und parallel damit, knapp am obern Darmbeinstachel
beginnend eine 4 Ctm. lange, im unteren Theile mit einigen
Heften vereinigte, im oberen klaffende Wunde, aus welcher
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238
eine gänseeigrosse Dünndarmschlinge mit injicirten, etwas gelblich
belegten Wänden vorragte, mit einer circa 12 Mm. langen,
durchdringenden Wunde auf der grössten Convexität. Nachdem
die Darmwunde mit 5 feinen carbolisirten Heften geschlossen,
und in der Narkose nach Entfernung der alten Nähte aus der
Bauchwand das vorgefallene Darmstück mit grosser Mühe zu-
rückgebracht worden war, wurde auch die Wunde der Bauch¬
wand durch 3 Nähte vereinigt und mit carbolisirten Verband-
stüoken bedeckt. Anfangs befand sich der Mann ganz wohl,
jedoch schon Nachmittags wurde der Bauch unter allgemeinem
Verfalle sehr schmerzhaft, eingezogen, der Kranke sehr unruhig,
immer zu Stuhle drängend und starb noch am selben Tage
Abends 9 Uhr.
In der Leiche fand sich Peritonitis der unteren Theile mit
sehr wenig Exsudat ohne Austritt von Darminhalt und neben¬
bei rechtsseitige chronische Nephritis calculosa.
Der Seotionsbefund lautet: Körper 1665 Mm lang, schwach
gebaut, mager. Zugenähte Stichwunde am Unterbauohe, knapp an der Spina
ilei sup s. beginnend, parallel zum ligament. Poupartii, 4 Ctm. lang, unten
etwas unregelmässig mit ciroa 12 Mm. langer Stichwunde am unteren üenm
(auoh zugenäht). Peritonitis in den untersten Theilen des Unterleibs mit dünnen
gelbliohen Häutohen an den Darmsohlingen und sehr wenig trüber, eiteriger
Flüssigkeit (Luft und Koth sind nioht im Bauchfellsaoke). — Chronische
Nephritis reohterseits mit Schrumpfung der in eine sehr diohte Fettkapsel
gehüllten, ganz abgeflaohten Niere, die in ein zähes, bindegewebiges, Ton
dickwandigen kleinen Hohlräumen und Fettstreifen durchsetztes Organ ohne
jede Spur yon Nierengewebe verwandelt ist; in ihrem Becken von etwas
eiteriger Flüssigkeit umgeben, ein 2 Ctm. langer keulenförmiger, sehr rauher
gohwärzlioher Stein. — Harnblase intaot. — Sehr bedeutende Vergrösserung
der linken, sonst ganz normalen Niere (15 Ctm. lang, diok, stark gerundet,
dunkelbraun). — Leichter Bronohialoatarrh — Herz zusammengezogen. —
Lungen normal.
II. Entzündungen kamen in 24 Fällen zur Aufnahme,
von denen 22 geheilt entlassen wurden und einer mit Perio¬
stitis am Schlüsse des Jahres noch in Behandlung verblieb.
Die Erkrankungen betrafen in der Hälfte der Fälle den Kopf,
6 die unteren, 2 die oberen Gliedmassen, 2 die Genitalien und
je eine den Rumpf und den Hals, und waren 3 Phlegmonen,
von denen 2 am Unterschenkel, eine im Gesicht; 3 Periosti-
tides, eine am Unterkiefer, eine am Oberschenkel und eine an
der 5. r. Rippe; ein Panaritium (nach Entfernung des Nagel-
phalanx geheilt); 2 Otitides; 4 Stomatitides ; 4 Anginen; 2 Ade-
nitides (eine betraf die Lymphdrüsen oberhalb des Ellbogen¬
gelenkes, die andere eiterige Drüsen rechterseits am Halse bei
einem Nichtseemanne, der vom vorigen Jahre verblieben und
nach 90tägiger Behandlung wohl gebessert, aber nicht geheilt
entlassen wurde); 3 Gonitides und 1 Balanitis.
Die Behandlung war in all* diesen Fällen eine ganz ein¬
fache oft zuwartende und leicht antiphlogistische. Einiges In¬
teresse dürften nachstehende zwei Fälle haben.
a) Eine Periostitis an der fünften rechten Rippe bei einem
50jahrigen, in elenden Verhältnissen lebenden Bocchesen bestand
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schon 3 Monate, ehe der Kranke die Aufnahme im 8pitale nach-
suchte, und stellte sich als nussgrosse, geröthete, etwas weiche
Geschwulst am Knorpelende genannter Kippe dar, die sich allmählich
vergrösserte und von selbst zum Aufbruche kam. Eine ähnliche
Geschwulst bildete sich im Verlaufe des Krankseins an der Ansatz¬
stelle der zweiten linken Kippe, die ebenfalls aufbrach, Nach 44 Tagen
wurde der Mann, ohne dass sich Necrose eingestellt hätte, geheilt
entlassen.
b ) Ein Panaritium des linken Baumens bei einem dienstlosen
Matrosen bestand schon 30 Tage, als der Kranke aufgenommen
wurde und war auf der Palmarseite schon offen. Die Untersuchung
mit der Sonde liess einen rauhen, biosliegenden Theil des Nagel¬
phalanx auffinden, nach dessen Entfernung die vollkommene Heilung
in 20 Tagen erfolgte.
III. Vergeh war ungen. Zu diesen zählt Dr. Weissbach
nebst den gewöhnlichen Geschwüren, deren 9 Fälle zur Behand¬
lung kamen, noch 1 Ozaena, 1 Incarnatio unquis und 1 Fissura
ani. An Ozaena angeblich nach vor einem Jahre in Triest
fiberstand enen Blattern litt ein junger Matrose, dessen Nasen¬
rücken ganz eingesunken war, und dessen Ausathmung sehr
übel roch, bei vollständigem Fehlen der Nasenscheidewand und
Excoriirung der sichtbaren Nasenschleimhaut. Im weiteren Ver¬
laufe entzündete sich die linke Hälfte deB weichen Gaumens
mit der Mandel, die rasch in Zerfall überging und einen drei¬
eckigen Substanzverlust links vom Zäpfchen zurückliess. Der
Mann wurde nach 65tägiger Behandlung ohne Heilerfolg bezüg¬
lich der Ozaena entlassen.
Ein ins Fleisch gewachsener Nagel der rechten grossen
Zehe bei einem jungen Weibe wurde zur Hälfte ausgeschnitten,
und die Kranke verliess 5 Tage nach der Operation das Spital.
Die Fissura ani bei einem 34jährigen Weibe am hinteren
Umfange des Afters als radiäres, streifenförmiges, bis auf die
Schleimhaut sich fortsetzendes Geschwür heilte mittelst Aetzung
mit Höllenstein in 17 Tagen.
IV. Sonstige. Unter dieser Bezeichnung führt Dr. W. an:
a) 3 Fälle von Varices (2 bei Männern und 1 bei einem
Weibe). Zwei, eine bei einem Manne und die andere bei dem
Weibe waren stark angeschwollene Haemorrhoidalknoten, wurden
mit Eisenchlorid behandelt und die Kranken verliessen nach 18
Tagen geheilt das Spital. Der dritte Fall betraf Varicositäten
am linken Unterschenkel des zweiten der angeführten Männer,
der nach 3tägigem Ausruhen das Spital ungeheilt verlassen hat.
b) Ein Carcinom bei einer 50jährigen Armenierin. Diese
hatte (angeblich seit 8 Monaten) in der rechten Achselgegend
auswärts der Brustdrüse eine hühnereigrosse, länglichrunde, harte
Geschwulst, die, bei unfaltbarer Haut auf ihrer Oberfläche, an der
Basis selbst sehr leicht verschiebbar, jedoch besonders in der Nacht
sehr schmerzhaft war. In den inneren Organen liess sich nichts
Krankhaftes nachweisen. Die Härte der Geschwulst und die
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240
lanzinirenden Schmerzen rechtfertigten die Diagnose, und es
wurde zur Operation geschritten. Unter Chloroformnarcose wurde
die Geschwulst mittelst zweier halbmondförmiger Schnitte sammt
der Haut ausgeschält, (was am Grunde ganz leicht gelang) fünf
kleinere Arterien mit carbolisirten Seidenfäden unterbunden, die
Wunde mit Carbollösung gereinigt und durch neun Nähte ver¬
einigt; der rechte Arm wurde mit einer Binde an dem Thorax
befestigt. Die Operirte befand sich durch drei Tage ganz wohl;
die Wunde blieb nach Auslösung der Nähte am vierten Tage
geschlossen, ihre Umgebung erschien normal, allein nach Btägigen
Fieberbewegungen zeigte sich Erysipel, von der weitklaffenden,
dünneitrigen Wunde ausgehend, bis über die Mitte des Thorax
und des rechten Oberarmes, welches dort wohl bald verschwand,
aber sich später bis auf die Oberschenkel ausdehnte, und am
zwölften Tage nach der Operation — die Frau war im Ganzen
26 Tage im Spitale — den Tod herbeiführte, ohne dass durch
die Secton eine nähere Todesursache eruirt werden konnte.
Diese ergab: Körper 1585 Mm. lang, gut genährt, allgemeine Decke
fettreioh, gleichmäßig weiss, am Hinterhaupt serös durohtränkt, am Kreuz¬
bein abgehoben. — Im unteren Theile der rechten Axillargegend eine hand¬
tellergrosse, flache, guteiternde Wunde mit dem ganz intaoten musoul. serrat.
unter ihrer Basis, ihre Umgebung ganz normal. — Lungen ausgedehnt, vorne
trocken, hellgrau, hinten dunkelroth und etwas sohftumiges Blut, überall aber
Luft enthaltend. — Herz klein, zusammengezogen, sowie alle übrigen Organe
normal. Oedem der Gehirnhäute.
C. Hautkrankheiten
spielen eine sehr untergeordnete Rolle. Eine Gesichtsrose (be¬
handelt mit Unguent. cinereum) 3 Eczeme (Schwefelsalbe und
Bäder) 2 Fälle von Acne, eine Frostbeule (mit Anwendung von Aq.
Goulardi geheilt) und zwei oberflächliche Verbrennungen, deren
eine wohl sehr ausgebreitet war und sich über Brust, Rücken
und linken Vorderarm erstreckte, die aber beide unter Anwen¬
dung von Leinöl mit Kalkwasser in kurzer Zeit heilten, waren
die wenigen in diese Kategorie gehörigen Krankheiten.
D. Angenkrankheiten
kamen noch weniger zur Beobachtung; in Allem nur 6 Fälle,
darunter 4 Catarrhe der Conjunctiva. Bedeutender war eine
Keratitis beider Augen bei einem Bergmanne, einen Monat vor
dem Eintritt in's Spital dnrch Pulverexplosion neben anderen
bereits abgelaufenen Verbrennungen veranlasst, die mit Hinter¬
lassung ganz kleiner peripherer Trübungen in 53 Tagen heilte,
— hartnäckige Trachome beider Augen bei einem vom vorigen
Jahre verbliebenen Segelmatrosen, welche während ihres äusserst
langsamen Verlaufes zur Bildung von kleinen Pterygien führten,
die jedoch ohne hindernde Trübungen zurückzulassen allmälig
mit deren Granulationen schwanden. Unter wechselnder Be-
pinselung mit Lapis- oder Kupfervitriollösung, später unter
Betupfung mit Kupfervitriolkristall heilte der Kranke vollständig
nach 285tägiger Behandlung.
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241
E. Syphilitische Krankheiten
kamen genau in demselben Verhältnisse zur. Gesammtzahl vor
wie in früheren Jahren und wurden im Jahre 1879 44 damit
Behaftete im Spitale behandelt, und zwar 15 an Blennorrhöen,
1 an Strictur der Harnröhre, 23 an Geschwüren und 5 an all¬
gemeiner Syphilis. Bei ersteren genügte eine mehr observative
Behandlung, die Strictur wurde durch eingeführte Bougies be¬
hoben. Von den Geschwüren war einmal Complication mit ver¬
schwörender Paraphimose, zweimal mit Indurationen, viermal
mit Bubonen vorhanden und in sieben Fällen kamen die Bubonen
allein zur Behandlung, da die Geschwüre bereits vernarbt waren.
Von sämmtlichen 11 Fällen mit Bubonen heilten 2 ohne Eiterung (in
16 und 25 Tagen), alle übrigen nach Incision, wenn sie nicht
schon offen ins Spital gekommen waren. Von den 5 Kranken
mit allgemeiner Syphilis hatten 4 breite Condilomen, daneben
waren je einmal offene indurirte Geschwüre des Praeputiums
und Onychie am rechten Fusse, im fünften Falle Maculae neben
Angina und indurirten Coronalgeschwüren vorhanden.
Sämmtliche hier angeführte Kranke mit Ausnahme eines
einzigen, der am Schlüsse des Jahres noch verblieb, wurden
geheilt entlassen. Die Behandlung all 9 dieser Syphilisformen
blieb dieselbe wie in den letzten Jahren.
Die dem Schlüsse des Berichtes angefügten statistischen
Tabellen umfassen die Krankenbewegung in den einzelnen
Monaten des abgelaufenen Jahres: I. im Allgemeinen, II. und
III. der verschiedenen innerlichen Krankheiten, IV. und V. der
äusserlichen Krankheiten nebst Haut- und Augenkrankheiten
und VI. der syphilitischen Krankheiten.
Die ganze Arbeit gibt, wie schon erwähnt, Zeugniss, dass
der Verfasser als denkender Arzt bestrebt ist, seine Beobacht
tungen gewissenhaft und wahrheitsgetreu mitzutheilen, und wenn
wir etwas vermissen, ist es die von Dr. Weissbach eingeschlagene
Therapie, deren nur bei den seltensten Fällen Erwähnung ge¬
macht wird, während es doch bei vielen rascher als gewöhnlich
zur Heilung gelangten Krankheiten wünschenswerth wäre, zu
wissen, durch welche Mittel dieser Erfolg erzielt wurde.
Aus dem Geschäftsrathe.
In der am 23. Juni unter dem Vorsitze des Vicepräsidenten
M.-R. Dr. Preyss abgehaltenen Sitzung, in welcher Vicepräses
Dr. Hopfgartner, Secretär Dr. Reitter und 15 Mitglieder
des Geschäftsrathes anwesend waren, übernahm in Abwesenheit
beider Schriftführer über Ersuchen des Vorsitzenden Herr Dr.
Löffler die Protokollführung.
Der Vorsitzende entschuldigt das Nichterscheinen des Herrn
Präsidenten durch dessen Abwesenheit von Wien in dringenden
Familienangelegenheiten, dankt dem Geschäftsrathe in warmen
Worten für die ihm jüngst zu Theil gewordene Ovation und
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theilt mit, dass in Ausführung des Geschäftsrathsbeschlusses
vom 19. Mai dem Herrn Dr. Johann Würstl, anlässlich der
Feier seines 50jährigen Doetor-Jubiläums, durch eine aus beiden
Vicepräsidenten und dem Secretär bestehende Deputation eine
Glückwunschadresse überreicht wurde, welche der Jubilar mit
sichtlicher Freude entgegengenommen und die Ueberbringer
ersucht habe, dem Collegium für diesen auszeichnenden Beweis
von Theilnahme seinen tiefgefühlten Dank ausdrüoken zu wollen.
Vicepräsident Dr. Hopfgartner theilt mit, dass er Tags
vorher zu dem schwererkrankten Primararzt Dr. Zsigmondy
gerufen worden sei, und dass dieses mittlerweile verstorbene
Mitglied des Collegiums ihm 500 fl. in Notenrenten eingehändigt
habe mit der Bestimmung: 800 fl. dem Pensions-Institute als
Gründungsbeitrag, und 200 fl. dem Unterstützungs-Institute als
Spende zu tibergeben. Dr. Hopfgartner beantragt das Dank¬
schreiben dafür an die Familie zu richten, welcher Antrag auch
einstimmig angenommen und dahin ergänzt wurde, im Anschluss
an dieses Schreiben auch dem tiefsten Beileid des Collegiums
Ausdruck zu geben. Um das Andenken des Verstorbenen sofort
zu ehren, erhoben sich die Anwesenden von ihren Sitzen.
Hierauf wurden die DDr. Auchenthaler, k. k. Hofarzt,
Hermann Hertzka, prakt. Arzt in Wien, und Albert Mittler
in Währing als Mitglieder in das Doct.-Coll aufgenommen.
Secretär theilt mit: 1. dass Dr. Preyss neuerdings
mehrere interessante Werke für die Bibliothek des Collegiums
gespendet habe, 2. dass die niederösterreichische Statthalterei die
Kundmachung zur Ausschreibung von sieben erledigten Stipendien,
welche das Collegium zu verleihen hat, übermittelt habe, dass sich
jedoch wahrscheinlich wegen Kürze der Concurrenzfrist nur für
zwei derselben Bewerber einfanden. Er beantragt demnach an
die hohe Behörde das Ersuchen zu stellen, den Concurstermin
verlängern zu wollen und O.-S.-R. Dr. Schneller bemerkt hiezu,
es möge in diesem Gesuche auch der Wunsch ausgesprochen
werden, dass derlei Intimationen in Zukunft früher übermittelt
werden möchten. Er sei im vorliegenden Falle für eine Er-
streckung auf vier Wochen (angenommen).
Der Vorsitzende macht aufmerksam: 1. dass Herr
Dr. v. Vivenot am 6. August sein 50jähriges Doctor^ Jubiläum
feiern werde. Es wurde wohl schon beschlossen, dass das Collegium
an dieser Feier theilnehmen solle, doch die Art und Weise
„wie“ wurde noch nicht bestimmt. Es wird demnach beschlossen,
diesem verdienstvollen Mitgliede des Collegiums an diesem Tage
eine würdig ausgestattete Adresse durch eine Deputation mit
dem Präsidenten an dei Spitze zu überreichen, 2. dass Hofrath
Dr. Ritter v. Güntner, der im December d. J. 90 Jahre alt
wird, am 25. Juli das 60. Jahr seit seiner Promotion zurück¬
gelegt haben wird. Es sei dies eine Art diamantenes Doctor-
Jubiläum, das umsomehr gefeiert werden solle, als es höchst
selten vorkommt. Ueber Antrag der DDr. Hopfgartner und
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A. Grub er wird die Uebermittlung einer Adresse beschlossen,
welche vom Präsidium und allen Mitgliedern des Geschäftsrathes
zu unterfertigen ist. Es ist selbstverständlich, dass auch noch
andere Collegiumsmitglieder sich daran nach Belieben betheiligen
können.
O.-S.-R. Dr. Schneller theilt als Obmann des Comitös zur
Wahrung der Standes-Interessen mit, dass dieses Comitö die
ihm zugewiesenen Agenda in Berathung gezogen, fiir die Be¬
freiungszeugnisse vom Turnen Dr. Lederer und für die Krank¬
heitszeugnisse bei contagiösen Erkrankungen Dr. Scholz zu
Referenten aufgestellt hat. Beide Gegenstände wurden übrigens
bis nach den Ferien vertagt. Ferner wurde die Aerztekammer-
frage in diesen Comitösitzungen abermals besprochen um die
Gesichtspunkte für ein Gegenmemorandum in Folge des vom
Geschäftsausschusse des Aerztevereinsverbandes dem Abgeordne¬
tenhause überreichten Memorandums festzustellen. Zum Referenten
wurde M -R. Dr. Preyss und zum Correferenten Dr. Reitter gewählt.
Dr. Scholz will die Aufmerksamkeit des Geschäftsrathes
auf die Nothlage einer sehr armen Arztenswitwe lenken, deren
Mann — wohl dem Collegium nie angehörend — durch 43 Jahre
als Arzt tbätig war und welche nun hier mit ihren Kindern
im grössten Elende lebe. Der ärztliche Verein der südlichen
Bezirke habe ihr 20 fl. zugewiesen und er (Dr. Scholz) bean¬
trage das Collegium möge dieser Witwe einen Unterstützungs¬
beitrag von 50 fl. zuwenden. Man möge das schon deshalb thun,
weil die Verweigerung mit Rücksicht auf andere stattgefundene
Auslagen des Collegiums gegen dasselbe ausgenützt und es
alsein hartherziger Körper hingestellt werden könnte. Dr.Tur-
kiewics, der die Verhältnisse aus eigener Anschauung kennt,
bemerkt, dass diese Witwe nur einen Sohn habe, der bereits
24 Jahre alt, aber tuberculös sei. Die Noth sei allerdings gross,
ihr abzuhelfen und üble Nachrede zu vermeiden, sollte etwas
zu Gunsten dieser Witwe gethan werden. M.-R Dr. Preyss gibt
hierauf die Aufklärung, dass das Collegium keine Fonds für Unter¬
stützungen ihm fremder Armen besitze. Die Zinsen der kleinen
Capitalien, welche zusammen nicht volle 600 fl. betragen, sind
nur für Mitglieder, .deren Witwen und Waisen gewidmet und
werden alljährlich im Monate Jänner bis zum letzten Kreuzer
unter die Bedürftigsten vertheilt. Es finden sich aber immer 30
und mehr Bewerber ein, so dass die Betheilung für einen Ein¬
zelnen kaum nennenswerth ist und es kann doch nicht gewünscht
werden, dass sie noch mehr reducirt werde durch die Einbe¬
ziehung von Individuen, die dem Collegium ferne stehen. Uebri-
gens seien auch ihm die Verhältnisse dieser Frau bekannt, und
er habe wiederholt dahin gewirkt, dass sie vom Wiener Wohl-
thätigkeitsvereine für Hausarme betheilt wurde. Auch jetzt
würde er gegen eine private Subscription nichts einwenden.
Mit Entschiedenheit müsse er jedoch die Andeutungen zurück¬
weisen, dass das Collegium für andere Zwecke Geld verausgabt
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244
habe und deshalb zu einem wohlthätigen Zwecke etwas thun
möge. Wenn damit die Auslagen gemeint sein sollen, die für
ihn auf Antrag des Herrn Präsidenten in jüngster Zeit gemacht
wurden, so müsse er hervorheben, dass Niemand dem Collegium
das Recht streitig machen kann, seine Anerkennung und Remune¬
ration für Leistungen, wie ihm ersprisslich scheint, in was immer für
einer Form zum Ausdruck zu bringen. Im ähnlichen Sinne spra¬
chen noch die DDr. Lederer. Gruber und Löffler. Dr.
Reitter sagt, man hätte sich an das Unterstützungs-Institut
wenden müssen, dieses hätte aber im gegebenen Falle auch
nichts thun können. Das Collegium besitzt keine Fonds zu Privat¬
unterstützungen und hat nur für seine eigenen Mitglieder zu
sorgen. Der von Dr. Schneller beantragte Uebergang zur
Tagesordnung wird angenommen, da sie aber erschöpft ist, die
Sitzung aufgehoben.
Notizen.
Ernennungen. Se. Majestät der Kaiser hat mit Allerhöchster Entsohlies-
sung vom 18. v. M. nach benannte Herren Collegen zu a. o. Professoren an der
Wiener Universität ernannt: den Titularprofessor Dr. J. Schnitzler für
Krankheiten der Athmungs- und Kreislaufsorgane, die Privatdocenten DDr.
R. Chrobak, K. Freiherr v. Rokitansky und L. B a n d 1 für Geburts¬
hilfe und Gynaekologie, den Privatdooenten Dr. H. Obersteiner für Physiologie
und Pathologie des oentralen Nervensystemes, endlich den Assistenten bei der
Lehrkanzel für Anatomie, Dr. Emil Zuokerkandl für diesen Gegenstand.
Auszeichnungen. Se. Majestät der Kaiser hat dem Primarärzte der
vereinigten Wiener Yersorgungshäuser, Med. et Chir. Dr. Karl Endlicher,
in Anerkennung seines berufstreuen Wirkens den Titel eines kais. Rathes
mit Naohsioht der Taxen verliehen. — Der Brunnenarzt in Franzensbad,
Dr. Leopold Fellner, erhielt das Offioierskreuz des fürtstlioh serbischen
Takowa-Ordens. — Der Direotor des Rudolfs-Spitales, Dr. Carl Böhm,
wurde von dem Verbände der deutschen Ingenieure für gesundheitsteohnisohe
Anlagen zum ersten Präsidenten gewählt.
Aufnahmen. In der Sitzung des Geschäftsrathes am 22. September
wurden die Herren DDr. Victor Kless, praktischer Arzt in Wien, Josef
List in Retz und Paul Hlawatsoh zu Neuberg in Steiermark als ordent¬
liche Mitglieder in das Wr. medio. Doot.-Coll. aufgenommeu.
Todesfälle. In den ersten zwei Tagen d. M. starben nacheinander
zwei ältere Mitglieder des Coli. Dr. Markus Weintraub, geboren im Jahre
1816 zu Glossau in Böhmen, bildete sich Anfangs zum Wundarzte aus, ver¬
vollständigte aber später seine medic. Studien und wurde im Jahre 1854 in
Wien zum Doctor promovirt, welchem Acte im Jahre 1855 die Aufnahme in
das Doct.-Coll. der Wiener medic, Facultät folgte. Als praktischer Arzt
von ehrenhaftem Charakter erfreute er sich in seinen Kreisen grosser Be¬
liebtheit. Er erlag den Folgen eines Herzleidens am 1. d. M. betrauert von
allen, die ihn näher kannten. — Professor Carl von Patruban, geboren zu
Wien am 81. August 1816, wurde daselbst am 6. August 1839 zum Doctor
promivirt und gegen Ende desselben Jahres in die medic. Facultät aufge¬
nommen. In früheren Jahren eines der thätigsten Mitglieder des Coli, und
einer der ersten Günder von dessen Unterstützungs-Institute, hat er sich im
letzten Decennium von jedem collegialen Verkehr zurückgezogen. Seit einem
Jahr kränkelnd und krank, setzte ein apoplektischer Anfall am 2. d. M. seiner
rastlosen Thätigkeit, die wir in der nächsten Nummer eingehend besprechen
wollen, ein rasches Ende. Mögen Beide in Frieden ruhen!
Herausgeber und Verleger: Wiener medioin. Boot.-OoU. — Verantwortlioher Bedaoteur.
Pr. L. Hopfgartner. — QeeelU ob afU-Buohdruokerei, Wien, EU. Brdbergerstrasse ft.
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VI. Bd. Ansgegeben am 21. October 1880. Ir. 23
MITTHEILUNGEN
des
ffimmr meiicmsci» Qictorii-Cilliiiii!.
Erscheint jeden zweiten Donnerstag ein halber bis ein ganzer Bogen and darüber, an
10 Bogen im Jahre. — Ganzjähriges Abonnement für Niohtmitglieder des Collegiums im In-
Unde 3 fl., nach dem Auslande 6 Mrk. — Einzelne Nummern 26 kr. = 60 Pfg — Inserate
16 kr. = 30 Pfg. für die durchlaufende Petit-Zeile.
Man pränumerirt in der Medlcin. Buchhandlung Toepltts dt Deutieke
(vormals Karl Cnerinak), Wien, I., Schottengasse B
Zuschriften and Znsendnngen an die Redaction: Wien, Kaaxlei des Wiener aed.
Doci.-Coll. and der Witwen- und Waisen-Societüt, Rothenthnrmstrasse 23.
Inhalt : Exsudatum pelviperitoneale, Haematocele retrouterina dextra von Dr. Alex. Lerch jun.
— Aus dem Geschäftsrat he. — Aus dem Unterstützungs-Institute. — f Dr. Carl v. Patruban.
— Literarische Anzeigen. — Notizen.
Exsudatum pelviperitoneale, Haematocele retrouterina
dextra. (Genesung.)
Von Dr. Alexander Lerch junior.
Ich erlaube mir, einen in Entstehung und Verlauf beobach¬
teten Fall von Haematocele retrouterina mitzutheilen.
Frau W., 29 Jahre alt, seit beiläufig 3 Jahren verheiratet,
kinderlos, hatte seit ihrem 14. Jahre alle vier Wochen die Men¬
struation. Diese war so excessiv, dass stromweise Blut durch
sechs, in späteren Jahren durch acht Tage abging, häufig mit
grossen Coagolis untermischt. Anfangs des Jahres 1868, im 22.
Lebensjahre weilte sie längere Zeit in Ungarn, hatte daselbst
anhaltend durch vier Monate höchst heftigen Blutgang, delirirte
angeblich durch 20 Nächte, musste jedoch, von ihrer hartherzi¬
gen Tante gezwungen, in diesem Zustande bei Tag schwere
Arbeit im Bäckergeschäfte verrichten.
Nach vier Jahren, im Jänner 1872, verheiratete sie sich,
die excessiven Menstrualblutungen hielten an, ja steigerten sich
im vierten und fünften Jahre der Ehe, (1875 und 1876). Sie litt
nie an Fluss, jedoch war die letzten zwei Tage bei der Men¬
struation immer schmutzigbraune Flüssigkeit abgegangen. In
den ersten zwei Tagen der Menstruation waren immer krampf¬
hafte Schmerzen. Am 18. Februar 1877 erkrankte sie angeblich
an rechtsseitiger Peritonitis und an Gebärmutterentzündung.
Die am 10. Tage der Erkrankung auftretenden profusen Blu¬
tungen hörten, allmälig abnehmend, nach 11 Tagen auf, nach
also 21tägiger Krankheitsdauer wurden durch mehr als 40 Tage
vom Arzte verordnete warme Sitzbäder genommen, bis Ende
April 1874 die Menstruation eintrat, welche 9 Tage dauerte.
Während der Krankheit waren in der rechten regio iliaca grosse
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Schmerzen, welche seit dieser Zeit immer, wenn auch nicht
heftig, von Frau W. gefühlt wurden. Die Menstrualblutungen
dauerten fort. Seit 3. März 1877 nahm Patientin täglich 2 Aloe¬
pillen einer Massa von 2.0 Aloe auf 30 Pillen.
Am 10. August 1877 Frost, Schmerz in der Gegend des
linken breiten Mutterbandes, in geringem Masse Metrorrhagie
bis 7. September; angeblich um stärkeren Blutgang zu erregen
nahm Patientin dann am 7. September 9 Pillen von ferr. sulf.
cryst., kal. carb. tart. dep. aa. 6 Mucil. gumm. Trag. q. s. ut. f.
pill. 90. 3. St. 3mal täglich, worauf noch am selben Abende
eine grössere Blutung mit vielen Klumpen stattfand. Die Pillen
nahm sie noch 5 Tage, die Blutung dauerte fort. Dagegen er¬
hielt sie nun Secale com. Die seit 10. August bestehenden
Schmerzen in der linken Reg. iliaca wurden immer grösser, es
entwickelte sich eine harte Anschwellung, welche nach Chloro¬
form-Einreibungen etwas abnahm.
Am 27. September wurde die erste Untersuchung von mir
vorgenommen. Die kinderlose, 29 Jahr alte Frau ist schwächlich,
mittelgross, blass, abgemagert, ohne Tag- oder Nachtschweisse,
ohne Geschwüre, Drüsenanschwellungen, Yarices; Zunge trocken,
appetitlos, unregelmässigen, durch mehrere Tage zurückgehal¬
tenen Stuhlgang, keine besonderen Harnbeschwerden; Schlaf
unterbrochen, unruhig, gereiztes und aufgeregtes Benehmen,
Lungen, Herz gesund, T. 37, 8, Puls 88. Bauch stellenweise meteo-
ristisch. In der Gegend des linken breiten Mutterbandes geringe
Dämpfung, durch Palpation eine mehr lange als breite hand¬
tellergrosse, schmerzhafte, nicht fluctuirende pralle und harte
Anschwellung, welche vor einer Woche umfangreicher gewesen
sein soll, nachweisbar. Rechts keine Dämpfung, keine Anschwellung,
jedoch in der reg. iliac. ober dem lig. lat. ein bei Berührung empfind¬
licher Punkt, in welchem manchmal ein stechender Schmerz,
wenn auch gering auftritt; diese Gegend soll der Sitz der im
Februar 1877 angeblich vorhandenen Peritonitis gewesen sein.
Die Gebärmutter etwas massiger anzufühlen, fest fixirt,
nicht schmerzhaft, keine Lageveränderung; der Muttermund
4V 2 Centimeter oder etwas mehr ober dem Scheideneingange,
derb und geschwellt, im hinteren Scheidengewölbe links starke
Pulsation. Nach dem bisherigen Verlaufe der Krankheit und der
Anamnese musste die Diagnose auf ein linksseitiges para-
metritisches Exsudat als Residuum Hand in Hand gehend mit
einer neuen Entzündung gestellt werden. Therapie: Jodkaüglobuli,
innerlich Jodkali; bis November, also in einem Monate, schwand
allmählich die Geschwulst bis auf einen dickeren Strang, rascher
das Fieber und die Schmerzen; die sehr anämische Kranke ass
vom 20. October an mit Appetit; während dieser Zeit bestand
fort Abgang von hellrothem Blut. Vom 20. bis 27. October kalte
Sitzbäder, nachdem der Uterus etwas beweglich geworden. Am
27. October keine Blutabsonderung mehr.
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Nachdem die Kranke am 4. November in der rechten regio
iliaca Brennen empfunden und Abends massiger Blutabgang be¬
gonnen hat, bildete sich plötzlich am 5. November Früh Morgens
unter grosser Prostration, Ohnmachtsanfällen und Schmerzen
eine rechts vom Uterus gelegene Geschwulst. Dieselbe wuchs
noch etwas bis 10., die Schmerzen nahmen vom 10. an ab.
Bis dahin musste die Kranke catheterisirt werden. Am 5. November
war zweimal Stuhlgang, dann aber immer 3—5tägige Obsti¬
pation. P. 120, T. 38*0 bis 38*6 bis zum 12. November. Befund
am 10. November: Normales Becken; rechte Bauchgegend stark
hervorgewölbt; die Geschwulst ist bei dünnen Bauchdecken
leicht zu palpiren uüd lässt sich oben ein vorderer und ein
nach unten liegender hinterer Rand wie bei einem Kegelstutze
umgreifen. Die Dämpfung hat einen Umfang, welcher ober der
Gegend der Symph. ant. sup. dextra zwei Finger über den Nabel
und nach abwärts in die linke Bauchgegend hinübergreift uud
zur Symph. oss. pub. herab- und hereinsteigt Innerhalb dieser
Curve ist also überall Dämpfung. Der linke Rand derselben
gehört der von der Geschwulst nicht gesondert bestimmbaren
Gebärmutter an. Nach unten und innen reicht die Geschwulst
in den Douglas’schen Raum, ist stark in die Scheide hinaus¬
gebaucht nicht pulsirend, daselbst keine deutliche Fluctuation
nachweisbar; auch seitlich rechts von der Vaginalportion
ist Schwellung. Am 12. November ist die Geschwulst zum
Sp. a. sup. herabgesunken, hat
also etwas abgenommen. Die
Begrenzungscurve, etwas unter
d. sp. a. s. beginnend, steigt
zwei Finger breit über den
Nabel und links von diesem
zur Schamfuge in der Länge
von 41 Centimeter; die Curve
links von der Symph. oss. pub.
über dem Nabel, also längs der
beträgt 23 Cen-
auf der Bauch¬
decke gemessene Distanz zum
Nabel von der Symph. oss. pub.
18 Centimeter (während sie nach
2®/ 4 Jahren 17 Centimeter be¬
trug). Der am meisten nach
oben gegen den Schwertfortsatz
gerichtete Punkt der Curve war
beiläufig 2 Centimeter rechts und
nach oben vom Nabel, die hervorgewölbteste Stelle 8 Centimeter
nach unten und rechts vom Nabel, 10 Centimeter v. d Symph. oss.
pub., 9 Centimeter von der sp. a. sup. dextra entfernt. Gebärmutter¬
hals nach vorne und etwas nach links gedrängt. Die Gebär-
Uterusgrenze,
timeter; die
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mutter ebenfalls in die linke Beckenhälfte hineinstehend, fest
fixirt. Muttermund 4 1 /* Centimeter vom Introitus vaginae; Ge¬
schwulst im Douglasraume circa 5V 2 Centimeter davon. Die
Umrisse der Geschwulst entsprechen beiläufig den auf dem vor¬
stehenden Schema bezeichneten.
Die Diagnose war in Folge der Anamnese, der vorher¬
gegangenen Pelviperitonitis chronica, der genauen Beobachtung
der Unterleibsverhältnisse während dieser langen Zeit des unter
den entsprechenden Eigentümlichkeiten plötzlichen Erscheinens
der Geschwulst leicht auf intraperitonealen Bluterguss, respective
Haematocele retrouterina zu stellen.
Datum
Pulszahl
Früh Abends
Temperatur
Früh Abends
Datum
Pulszahl
Früh Abends
Temperatur
Früh Abends
12.
Nov.
100
100
38*8
39*0
4.
Deo.
86
88
370
37*4
13.
n
104
106
38*8
38-8
5.
n
88
88
37-0
37*2
14.
n
108
95
38 9
38*6
6.
n
84
86
370
37*0
15.
n
98
97
38*0
38 7
7.
n
86
86
370
37-0
16.
n
92
98
37*7
38-8
8.
n
86
90
37 0
37*2
17.
n
104
98
389
38*8
9.
n
104
112
37*3
38-6
18.
n
96
96
88*4
38 1
10.
n
108
104
37-7
37*8
19.
r>
84
92
37-7
38 1
11.
n
92
86
37.0
37.0
20.
n
96
84
38 1
385
12.
n
90
92
37 0
37*7
21.
n
90
90
37 7
381
13.
r>
116
110
38 0
387
22.
n
84
88
37-2
38*0
14.
n
110
100
37*7
37-8
23.
n
92
96
37*0
38*3
15.
n
100
90
37-1
37*3
2 t.
n
86
90
37.5
38-0
16.
n
84
84
370
37-0
25.
n
104
89
377
37-7
17.
n
92
88
37*2
37-5
26.
n
88
88
37 5
37*7
18.
n
84
78
37 0
37*2
27.
n
85
86
37 2
37-6
19.
n
116
104
396
38*8
28.
n
88
90
37*2
37*4
20.
n
94
76
37*3
37-0
29.
n
84
84
87*5
37*2
21.
n
72
72
36*5
36*5
30.
n
90
88
87*1
37*0
22.
n
66
70
36-4
36-5
1.
Deo,
92
86
37 0
37-0
23.
n
64
66
36*5
36 4
2.
n
84
82
37 1
37*5
24.
n
68
68
36*5
36*6
3.
n
84
88
37*0
37 6
25.
n
und so dann
immer.
Die Respiration war nur anfangs bei Erscheinen des Tumors
etwas kürzer und beschleunigt, sonst variirte sie zwischen 26
und 22 in der Minute. Die Stuhlentleerungen fanden immer
nach Pausen von 3—5 Tagen und dann meist unter Beschwerden
statt; es ging beständig blassrothes Blut ab, allerdings in sehr
geringer Menge. In der Temperaturstabelle ist vom 12. November
bis 27. ziemliche Fieberbewegung, nachher sehr geringe, dann am
2., 3., 4. December wieder mässige, vom 9. an steigendes Fieber
bis 13., dann abnehmend, am 19. heftiges Fieber (39*6). Hierauf
immer niedrige Temperatur bis 23. Januar 1878. Der Tumor
nahm ab, sowohl im Umfang und Wölbung nach aussen, als
im Douglasraume; am 5. December war bereits die Gebär¬
mutter durch eine leichte Furche an der rechten Seite abzu¬
tasten, die Geschwulst und Dämpfung unter den Nabel herab¬
gesunken. Am 24. November war noch 38 Abend-Temperatur,
am 8. December 37*2, am 9. Abends, wie kurz vorher erwähnt,
38*6, also wieder sehr hoch. Als Ursache dieser Temperaturs¬
steigerung mögen die Veränderungen gelten können, welche die
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249
Stuhlbesch werden auf die Geschwulst und die peritonitischen Ver¬
wachsungen hervorriefen, so wie die am 12. eintretende Men¬
struation. Die Kranke hatte nämlich vier Tage keine Entleerung,
der Bauch war etwas angeschwollen, sie erhielt am 9. Morgens
Seignettsalz, hatte darauf drei Stuhlentleerungen, nach deren
letzter am Abend des 9. Schüttelfrost folgte. Morgens: P. 104,
T. 37*3, Ab. 112, T. 38 6; 10. noch hoch 37 8, am 11. normale
Temperatur. Am 12. December erfolgten wieder zwei Ent¬
leerungen und um halb 8 Uhr trat die Menstruation ein, Abends
und Nachts mit Blutklumpen und grossen Schmerzen, am 13.
wieder beschleunigter Puls und Temp 38*0, 38 7 etc. Die
Metrorrhagie dauerte ziemlich stark bis 16. December Abends,
an welchem Tage auch die Temperatur schon wieder normal war
und seit 12. die erste Stuhlentleerung erfolgte. Am 18. 5 Uhr
Abends ging wieder Blut und ein apfelgrosses Koagulum ab,
am 19. December 2 Uhr Morgens Schüttelfrost durch 10 Minuten;
dann P. Morgens 116, T. 39 6, Abends 104, Temp. 38*8, am 20.
wieder 37*3. Am 19. noch Abends Stuhlgang. Von nun an nichts
Abnormes mehr. Mit Herrn Professor Weinlechner fanden
zwei Concilien statt. Am 7. November zur Bestätigung der
Diagnose, am 20. December nach dem heftigen Schüttelfrost, da
ich vermuthete, dass sich Eiter gebildet hätte.
Bis 23. Januar 1878 war die Geschwulst in der rechten
Seite und im Douglasraume vollkommen aufgesaugt, die Men¬
struation ohne sonderliche Beschwerden eingetreten.
Ich sah nun die Frau erst am 5. October 1880, also bei¬
nahe 2 8 / 4 Jahre nach der letzten Behandlung. Sie hatte gerade
die Menstruation. Ihr Aussehen schien gut und gesund, die Bauch¬
decken waren ziemlich fett. Die ganze Zeit hindurch war die
Menstruation alle vier Wochen eingetreten und hatte acht Tage
gedauert. Erst im August hatte sie am 25. begonnen und bis
11. September, also 18 Tage, mässig stark angedauert; am
28. September war wieder Blut abgegangen und bis 7. October
noch nicht Stillstand eingetreten. Sie war seither noch nicht
schwanger gewesen. Distanz vom Nabel zur Symph. auf der
fetten Bauchdecke gemessen 17 Centimeter, vom Nabel zum
Schwertfortsatz 14 Centimeter. Von d. sp. ant sup. zum Nabel
beiderseits 15 Centimeter. Durch äussere und bimanuelle Unter¬
suchung kein Exsudat nachweisbar, Uterus nach jeder Richtung
beweglich, sein Orific. vom Introitus vag. fast 6 Centimeter entfernjt.
Eine Sondirung war jetzt wegen der Blutung und früher
wegen Empfindlichkeit und \orurtheil der Pat. nicht vor¬
genommen worden. Nähere Betrachtungen sind unnöthig, da die
Abhandlungen von Küchenmeister, Voisin, Ferber,
Ban dl etc., die Lehrbücher von West und Hewitt er¬
schöpfend die Haematoc. behandelt haben. Ueber die Quelle der
Blutung würde ich mich aber dahin auszusprechen wagen, dass
bei den lange vorhandenen Exsudaten und den öfteren Perito-
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250
nitiden die Ansicht Yi r ch o w’s („Die krankhaften Geschwülste“,
Berlin 1863, Bd. I, Seite 152) in diesem Palle bestätigt sei,
dass „das Blut ganz oder grösstentheils aus den neugebildeten
Gefässen partiell peritonitischer Schichten stamme“.
Aus dem Geschäftsrathe.
In der am 22. September unter dem Vorsitze des Vice-
Präsidenten M.-R. Dr. P r e y s s abgehaltenen Sitzung, in welcher
nebst dem Secretär Dr. Reitter und 13 Mitgliedern des Ge¬
schäftsraths auch noch der für diesen Abend besonders geladene
Superintendent mehrerer Stipendien, L.-G.-R. Dr. Haschek,
anwesend waren, wurden zunächst auf Antrag des Secretärs
die DDr. Victor Kless, praktischer Arzt in Wien, Josef List
in Retz und Paul Hlawatsch, Werksarzt zu Neuberg in Steier¬
mark, einstimmig als ordentliche Mitglieder in das Doctoren-
Collegium aufgenommen.
Hierauf folgten nachstehende Mittheilungen des 8ecretärs:
d) das Reichs - Rriegsministerium übersandte unter Beischluss
der Aufnahmebedingungen eine dahin lautende Kundmachung,
dass der militär-ärztliche Curs für 40 Aspiranten am 1. Novem¬
ber d. J. beginne und am 30. April 1881 geschlossen werde;
weiters wurde um möglichst weite Bekanntgebung dieser Kund¬
machung ersucht, b) Von der Witwe des jüngst verstorbenen
Primararztes Dr. Zsigmondy langte ein Schreiben ein, in
welchem dem Doctoren-Collegium der Dank ausgesprochen wird
für die innige Theilnahme an der tiefeingreifenden Pamilientrauer.
c ) Die Direction des Wiedener Krankenhauses, welcher über
Antrag des Bibliothekars ein Tausch von Doubletten der Biblio¬
thek des Collegiums gegen etwa vorhandene Doubletten im
Lesezimmer genannter Heilanstalt angeboten wurde, nimmt diesen
Anbot mit Dank an. d) Hofrath Dr. Ritter von Güntner, dem
die vom Collegium anlässlich seines 60jährigen Doctorjubiläums
gewidmete Adresse aus Rücksicht für seine alterirte Gesundheit
nicht, wie ursprünglich beschlossen worden, durch eine Depu¬
tation nach Ischl überbracht werden konnte, sondern überschickt
wurde, hat dem Collegium in einem eigenhändig geschriebenen
Briefe seinen Dank ausgedrückt. (Dieses Schreiben circulirte
unter den Anwesenden, welche die sichere, feste Schrift des
90jährigen Greises ausnahmslos bewunderten, e) Da Regierungs¬
rath Dr. Ritter von Vivenot, dem von Seite des Collegiums
zur Feier von dessen 50jährigen Doctorjubiläum eine durch eine
Deputation zu überreichende Glückwunschadresse votirt wurde,
den Festtag (6. August) im Kreise seiner auf einem entfernten
Landgute lebenden Familie zubringen wollte, musste die Adresse
schon einige Tage vorher überreicht werden. Der Führer der
Deputation, Collegiums-Präsident Dr. v. Schmerling begrüsste
bei Ueberreichung der Adresse den Jubilar, seinen alten Freund
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251
und Jugendgenosaen, mit einer herzliehen collegialen Ansprache,
die ihn tief gerührt und so erfreut hat, dass er, um sie all
seinen Bekannten mittheilen zu können, diese kurze Rede drucken
lies». Auch dem Geschäftsrath stellte er eine kleine Zahl Exem¬
plare derselben zur Verfügung*), f) Ein an Jahren schon sehr vor-
*) Diese Ansprache lautet:
„Gefeierter Jubilar! Hochverehrter theurer Freund!
Das Wr. medizinische Doct.-Coll., an dessen Spitze zu sein ich die Ehre
habe (und dass ich es heute bin, ist für mich doppelt erfreulich), sendet Dir
durch eine aus ihrer Mitte gewählte Deputation die freundlichsten Grüsse,
und sagt Dir zu dem seltenen Festtage die wärmsten, innigsten Glückwünsche.
Du feierst heute die goldene Hochzeit Deines rühmlichen ärztlichen
Wirkens. Fünfzig Jahre hinter Dir! Ein langer, sehr langer Zeitraum, an
dessen Ende die Wenigsten anlangen, und unter den Wenigen dort Ange¬
langten kann selten Einer sagen: Ich kann noch wirken, noch thätig sein*
— Du bist Einer der Auserkorenen.
Als Sohn eines der ausgezeichnetsten, berühmtesten Aerzte damaliger
Zeit hast Du eine sehr umfangreiche, alle Schichten der Bevölkerung umfas¬
sende Clieutel übernommen. Dein Verdienst war es, dieselbe nicht nur zu
erhalten, sondern dieselbe noch durch Deine rastlose Thätigkeit, durch Deinen
Eifer zu vergrössern. Das Verdienst war um so grösser, als Intriguen ver¬
schiedenster Art in Bewegung gesetzt wurden.
Seit frühester Jugend durch innige Freundschaftsbande an einander
gekettet, durch Deine Freundlichkeit und Dein Vertrauen in die Lage versetzt,
Dich viele Jahre in Deiner Clientei zu vertreten, habe ich dadurch Gelegen¬
heit gehabt, die Stimmung des Publicums kennen zu lernen. Die Liehe für Dich,
die wahre Verehrung, und Anhänglichkeit waren so allgemein ausgesprochen,
wie eben diese Gefühle vereint selten zu finden sind. Dieses Urtheil ist aber
auch gerechtfertigt. Seit dem Beginne Deiner Laufbahn bis zum heutigen
Tage ho st Du die Kranken mit unermüdlicher Thätigkeit, Aufopferung,
Wohlwollen, mit wahrer Menschenfreundlichkeit gepflegt und getröstet. Du
war st für diese grossen Leistungen nicht nur durch die rühmliche Anerkennung
von Seite Deiner Schutzbefohlenen, sondern auch durch Auszeichnungen vieler
Potentaten belohnt worden.
Du hast aber auch als patriotisch gesinnter Arzt volle Thätigkeit ent¬
wickelt. Als unser armes Vaterland durch Kriege heimgesucht wurde, warst
Du immer unter denjenigen, welche Hilfe und Beistand angeboten haben,
ja Du warst an der Spitze eines Comitä’s, dessen mühevolle, schwierige Auf¬
gabe es war, in die heranstürmenden Massen von Verwundeten und Kranken
Ordnung zu bringen, dieselben zu pflegen, und dadurch viele dieser Unglück¬
lichen dem Tode zu entreissen.
Dafür warst Du von Deinem Herrn und Kaiser mit den Orden der
eisernen Krone und später nach dem Tode eines hohen Kirchenfürsten mit
dem Titel eines k. k. Regierungsrathes ausgezeichnet worden. Du hast somit
beinahe Alles erreicht, was ein Arzt erreichen kann. Mögen diese vielen,
wohlverdienten Auszeichnungen aller Art Dir einen kleinen Ersatz bieten für
so manchen harten Schlag, der Dich getroffen, für so manchen wehthuenden
Undank, den Du erfahren!
Diese Worte galten dem praktischen Arzte Vivenot! Nun spreche ich
zum College n Vivenot. Als solcher verdienst Du wohl „Der gute Kamerad“
genannt zu werden. Immer ehrlich, offen und wahr, hast Du nie zu unlau¬
teren Mitteln gegriffen, um einen Deiner Collegen zu benachtheiligen. Du
hast so manchen Deiner Collegen beschützt, geholfen. Dies Alles hat Deine
so grosse Beliebtheit unter Deinen Collegen zur Folge gehabt.
Endlich hast Du als Mitglied des medizinischen Doctoren-Collegiums
von Deinem Eintritte in dasselbe an bis zum heutigen Tage immer Deine
Anhänglichkeit für dasselbe bewiesen. Wenn es Dir auch nicht immer möglich
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gerücktes Mitglied des Collegiums (Dr. Pr), der ausser Stande
ist, noch zu erwerben und, nie ein Kind des Glückes, auch
nichts ersparen konnte, überreichte ein Gesuch um Unterstützung,
die zum grössten Bedauern aller Anwesenden aus den eigenen
Mitteln des Collegiums nicht gewährt werden kann. Das Unter¬
stützungsinstitut sorgt nur für seine Mitglieder und Petent zählt
nicht zu ihnen; die unbedeutenden Revenüen aus den kleinen
Ponds, an denen er Theil haben könnte, fliessen erst im Jänner
ein und werden dann sofort vertheilt. Secretär beantragt daher
die Erledigung dieses Gesuchs auf jene Zeit zu asserviren und
die Versammlung erklärt sich damit einverstanden, doch solle
Petent über Vorschlag des Dr. Lederer von diesem Beschlüsse
sofort in Kenntniss gesetzt werden, was Secretär unverzüglich
veranlassen zu wollen erklärt.
Nach diesen Mittheilungen referirt Superintendent Dr. Ha-
schek über die Bewerbung für die erledigten drei Emerich-
schen und das eine Stumpfsche Stipendium. Um die ersteren,
die nicht ausschliesslich für Mediciner gestiftet sind, bewarb
sich nicht ein Schüler Aesculaps. Bei allen Klagen über Armuth
finden sich für kleinere Stipendien, ungeachtet deren Erledigung
in der mannigfachsten Weise bekannt gegeben wird, nur selten
Liebhaber und doch gehören die E m e r i c h’schen mit 74 fl.
jährlich nicht zu den kleinsten. Referent beantragt daher, an
zwei Gymnasiasten, die beide allen Bedingungen entsprechen,
je eines auf die Dauer von sieben Jahren und das dritte dem
stud. juris Eduard Singer bis zur Beendigung seiner Studien
zu verleihen. Um das Stumpfsche Stipendium bewarben sich
zwei stud. med., von denen der eine Alois Plöschel als ganz
besonders berücksichtigungswerth geschildert, daher die Verlei¬
hung dieses Stipendiums an denselben beantragt wird. Alle
diese Anträge wurden von der Versammlung einstimmig zum
Beschluss erhoben* Um die erledigten Büttner* sehen Stipendien
bewarben sich zwei Mediciner, Alois Plöschel und Josef Skle*
nar2, die beide in jeder Beziehung höchst würdig erscheinen,
daher sie der Superintendent der Stiftung, Herr Hofrath von
Güntner, in einem von Ischl eingesandten Referate Beide zur
Verleihung mit je einem dieser Stipendien beantragt; welchem
Anträge auch allgemein zugestimmt wird, ferner wird auf Antrag
des Secretärs Dr. Reitter dem stud. med. Ludwig Schwarz
war, den Sitzungen beizuwohnen, so hast Du doch immer, wo nöthig, Deinen
Mann gestellt, und hast Du besonders in den stürmischen Zeiten redlich zur
guten Sache gestanden. Deshalb sagt Dir auch das Collegium seinen Dank
und zollt Dir seine volle Anerkennung.
Ich vor Allen und gewiss die Anderen mit mir, wünschen nun sehn-
lichst, Du mögest die Zeit, die Dir von der Vorsehung zugemessen, an der
Seite Deiner Dich liebenden, so treu Dich pflegenden Gattin, in dem Kreise
Deiner so glücklich gestellten Kinder vergnügt, zufrieden und ungetrübt ver¬
leben, und Du mögest bis zur letzten Stunde ein ebenso geehrter, beliebter
Arzt, als guter Kamerad, und treues Mitglied des Collegiums bleiben.“
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über sein Ansuchen der Genuss eines ihm früher verliehenen
Mosing’schen Stipendiums auf die Dauer des Schuljahres 1880—81
verlängert.
Schliesslich bringt der Vorsitzende in Erinnerung, dass
in der letztvorhergegangenen Sitzung beschlossen wurde, dem
Prof. Hyrtl anlässlich des vollendeten 70. Lebensjahres am
7. December von Seite des Collegiums eine Ovation darzubringen
und dass der Vorsitzende ersucht wurde auszuholen, in welcher
Weise dem Jubilar eine derlei Kundgebung am angenehmsten
wäre. Diesem Wunsche habe er (Pr.) entsprochen und seine
Beobachtungen haben ihn überzeugt, dass man Prof. Hyrtl nur
dann noch einige Freude machen könne, wenn zu seinem Ge¬
dächtnisse eine Medaille geprägt würde. P r e y s s empfiehlt daher
die Prägung einer Medaille memoriae Josephi Hyrtl. Dr. Scholz
unterstützt den Antrag und schlägt vor, einen gewissen Betrag
zu votiren, den Rest des nöthigen Betrages vorzustrecken und
nach Möglichkeit auf dem Wege der Subscription hereinzubrin¬
gen. Nachdem dieser Vorschlag im Princip angenommen war,
erbietet sich Dr. Scholz weiter, sich persönlich mit ihm bekannten
Künstlern ins Einvernehmen zu setzen, hofft, dass die Graveur¬
kosten der Medaille mässig berechnet werden und glaubt den
diesbezüglichen Kostenüberschlag dem Geschäftsrath demnächst
vorlegen zu können.
Aus dem Unterstützungs-Institute.
In der Ausschusssitzung am 9. Juli 1. J., an welcher unter
dem Vorsitze des Vice-Präsidenten Dr. Preyss, Secretär
Dr. Reitter und die Herren DDr. Gerstel, Popper, Scheff,
0. S-R. Schneller, Schwarz Isid. und Wollner theilnahmen,
wurde zunächst über das Gesuch eines in einem Vororte practi-
cirenden alten Arztes, Dr. D., der nicht Mitglied des Institutes
ißt, ja nicht einmal dem Collegium angehört, berathen, und
musste bei dem besten Willen zu helfen mit Hinweis auf die
Statuten doch abweislich beschieden werden. Ferner wurde
dem schon durch mehrere Jahre quartaliter unterstützten Dr. F.
abermals der Betrag von 75 fl. zuerkannt. Hierauf verlas der
Secretär die Eingabe eines in einer Provinzstadt wirkenden
jüngeren Mitgliedes, Dr. J. S., der, obgleich er bisher hinreichend
beschäftigt war und hoffen konnte, ein gutes Einkommen für
die Zukunft gesichert zu haben, doch durch mehrmonatliches
Kranksein so herabkam, dass es ihm unmöglich ward, die Aus¬
lagen für eine ihm nothwendige Badecur aufzubringen. Die
Krankheit ist ärztlich bestätiget und die Vermögenslosigkeit
sowie die Erwerbsunfähigkeit vom dortigen Bürgermeister docu-
mentirt. Referent beantragt daher eine Aushilfe im höchst¬
möglichen Betrage von 300 fl. Der Antrag wird vom Vorsitzenden
unterstützt, da alle vorgelegten Documente das Gepräge der
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254
Wahrheit und Anständigkeit tragen. Im gleiohen Sinne spricht
auch Dr. Sch eff, der insbesondere hervorhebt, dass durch ein
so coulantes Vorgehen in Fällen wirklichen Bedarfes das Institut,
bei den in der Provinz lebenden Collegen, wenn es ihnen be¬
kannt wird, an Veitrauen zu demselben nur gewinnen könne. Auf
eine Anfrage des Dr. Schwarz, in welcher Weise die bewilligten
Aushilfsquoten den Collegen in der Provinz zugesendet werden,
erklärt Secretär, dass er bei Bekanntgabe des bewilligten
Betrages die Einsendung der Quittung vom Petenten verlangt
und erst nach Empfang derselben den Betrag per Post ab¬
sendet. Dr. Popper meint, dass zur Sicherung des Aus¬
schusses die Quittungen notariell legalisirt sein sollten. O.-S.-R.
Schneller hält die Legalisirung für nicht nothwendig, zudem
verursache sie Kosten; er meint, es dürfte genügen, wenn der
Bürgermeister die Quittung mit unterfertigte, wozu er wohl
bereit sein dürfte, da er ja schon die Dürftigkeit bestätigt hat.
(Einverstanden.) Schliesslich wurde noch einem in Wien prakti-
cirenden Mitgliede, Dr. M., der wegen vorgerücktem Alter (75 J.)
oft in seiner Praxis gehindert ist, eine Subvention von 100 fl.
zuerkannt.
Zum Schlüsse theilt der Vorsitzende mit, dass zwei Mit¬
glieder des Institutes, die DDr. L. und v. P., seit zwei Jahren
mit den Einzahlungen der Jahresbeiträge im Rückstände seien
und dass die in den Statuten vorgeschriebenen Ermahnungen,
die mehrmals wiederholt an sie ergingen, bis jetzt erfolglos
blieben; er beantragt daher deren Ausschluss aus dem Institute.
Es wird beschlossen, dieses Jahr noch abzuwarten, und erst, wenn
es verstrichen sein wird ohne dass sie den Beitrag geleistet
haben, die Namen dieser Collegen aus dem Mitgliederverzeich¬
nisse zu streichen.
I. Verzeichnis»
der P. T. Herren, welche dem Unterstütznngs-Vereine für Witwen
und Waisen jener Mitglieder des Wiener med. Doctoren-Collegiums,
welche in die Witwen- und Waisen-Societät nicht einverleibt sind,
in Folge des Aufrufes vom Jahre 1880 als Mitglieder beigetreten sind..
Jährl. fl.
Alexowits Ernest, Med.-Dr., kaiserl.
brasil. Hofzahnarzt 3
Bielz Joh. G., Med.- und Chir.-Dr. 3
Connerth Earl, Med.- und Cbir.-Dr.
in Bistritz 5
Fellner Leopold, Med.' und Chir.-Dr.,
Geburts- und Brunnenarzt in
Franzen8bad 5
Fried Moriz, Med.- und Chir.-Dr. 3
Herz Maximil, Med.-Dr., Kinderarzt 3
Hitsohfeld Josef, Med.-Dr., Geburts¬
arzt in Salzburg 5
Hoisel J., Med.-Dr., landsobaftliober
Brunnenarzt in Cilli 3
Jährl. fl.
Huber Job. Nep , Med.- und Chir -Dr. 5
Jurie Theodor, Med - und Chir. -Dr ,
Primararzt im Bürgerversorgungs -
hause und Präses der Witwen-
und Waisen-Societät 3
Kainzbauer Josef, Med.- und Chem.-
Dr., kaiserl. Rath und emerit.
Universitäts-Professor 3
und ein- für allemal 100 fl.
Kapper Simon, Med.-Dr., Geburtsarzt 4
Kless J, Med.- und Chir.-Dr. 3
König W. A., Med.-Dr. 3
Kraus Bernhard, Med.-Dr., Redao-
teur der „allg. Wr. medio. Zeitg.“ 3
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JShrl. fl.
Lamatsoh Earl, Apotheker 5
Mandelbaum Emanuel, Med.-Dr. 3
Rossiwall Eduard, Medioin- und
Chir.-Dr. 5
Sohneid M., Med.- und Chir.-Dr,
Geburtsarzt 3
Schreiber Josef, Med.- und Chir.-Dr.,
Geburtsarzt in Aussee 5
Jfthrl. fl.
Stöckl Alois Ritter von, Med.-Dr.,
Geburtsarzt . 3
Suohy Julius, Med - und Chir.-Dr.,
Stadtphysikus in Eremsier 3
Yogel Josef, Med.- und Chir.-Dr.,
Geburts- und Augenarzt, ein- für
allemal 50 fl.
Wolfsgruber Joh., Med.-Dr., Bade¬
arzt in Gmunden 3
Der hochachtungsvoll Unterzeichnete Vorstand des Vereines
sieht sich in der angenehmsten Weise verpflichtet, den genannten
Spendern im Namen der armen Witwen und Waisen den verbind¬
lichsten Dank auszusprechen, und bittet zugleich um weitere Förde¬
rung der Vereinsinteressen durch Zuführung von Mitgliedern und
Zuweisung von Spenden. Dr. Rudolf R. v. Vivenot
Je. k. Regienmgsrath , Mitgründer und
Vorstand des Vereines , L, WoUzeile 11.
f Dr. Carl v. Patruban.
Am 2. October d. J. hat unser Collegium einen grossen Verlust
erlitten durch den Tod eines Mitgliedes, welches sich um dasselbe
in seiner früheren Gestaltung ebensowohl durch seine wissenschaft¬
liche Thätigkeit, die es im Ausschüsse, sowie in den allgemeinen
Versammlungen durch Demonstrationen und Vorträge entfaltete, als
auch durch seine eifrige Theilnahme an den Arbeiten des Geschäfts-
rathes zur Förderung des corporativen Lebens vielseitig verdient
gemacht. An der Neugestaltung des Collegiums nahm der Verstorbene
allerdings nur geringen Antheil, aber diese vollzog sich zu einer Zeit,
der bald die Epoche der Zurückgezogenheit folgte, welche er in den
letzten Jahren seines Lebens in Allem und Jedem manifestirte.
Carl v. Patruban ward in Wien, wo sein Vater als Magi¬
stratsrath angestellt war, am 31. Augnst 1816 geboren und erhielt
im elterlichen Hause eine sorgfältige Erziehung. Alle seine Studien
vollendete er in seiner Geburtsstadt, wurde daselbst, noch nicht
23 Jahre alt, am 6. August 1839 zum Med. Dr. promovirt und im
November desselben Jahres als Mitglied in die medicinische Facultät
aufgenommen. Mit besonderer Vorliebe widmete er sich dem Studium
der Anatomie unter Professor Berres und erhielt auch bald die Stelle
eines Prosectors an dem Anatomischen Institute der Wiener Univer¬
sität. Nach einem ausgezeichneten Concurse für die Professur der
Anatomie und Physiologie in Innsbruck, den er schon im 25. Jahre
seines Lebens mit glänzendem Erfolge zu bestehen vermochte, ge¬
langte er frühzeitig (1842) zu akademischen Ehren und das erfüllte
den jungen Mann mit einem ganz besonderen Selbstbewusstsein. Sein
unermüdlicher Fleiss, sein stetes Forschen auf allen Gebieten der
exacten Wissenschaft haben ihm die Präponderanz über die meisten
der zu damaliger Zeit wirkenden jüngeren Lehrkräfte gegeben und
ihm die Anerkennung der Behörden errungen, so dass er wenige Jahre
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256
später (1845) unter dem Studien-Directorate von Nadherny’s zum Professor
der Physiologie nach Prag berufen wurde. Dort ward er bald wegen
seines wahrhaft liebenswürdigen Benehmens der Freund der studiren-
den Jugend, die ihm, als im Jahre 1848 die Studenten-Legion ge¬
bildet wurde, zum Comraandanten derselben wählte. Wie er Alles,
was er unternommen, mit Feuereifer ergriff, so geschah es auch hier;
er schoss mitunter über das Ziel hinaus, was ihn zuweilen in Con-
flicte brachte, die auf seine weitere Carriöre nachtheilig wirkten; da
seine hervorragende Theilnahme an den Vorgängen des bewegten
Jahres kein Wohlgefallen in den Augen des damals hart bedrängt
gewesenen Gouverneurs, des nachmaligen Unterrichtsministers Grafen
Leo Thun gefunden.
Nach Beendigung der Unruhen hat Patruban seiner Lehr-
thätigkeit freiwillig entsagt und er wurde, nachdem alle Vorstellungen
seines väterlichen Freundes v. Nadherny, ihn von diesem Schritte
zurückzuhalten, vergeblich waren, im Jahre 1849 auf sein Ansuchen
von der Professur in Prag enthoben. Nach Wien zurückgekommen,
widmete er sich mit dem ihm eigenthümlichen rastlosen Eifer wieder
dem Studium der Anatomie. Sein Drang zum Lehren liess ihn nach
dem Wechsel im Unterrichts Ministerium keine Ruhe; er bewarb sich
um die Erlangung seiner früheren Rechte, doch wurde ihm bloss die
Docentur, und zwar ausdrücklich nur für Ausländer zuerkannt, und
erst unter Giskra erhielt er dieses Recht auch für Inländer. Alles
das hat das Gemtith Patruban’s verbittert; es trat in dem sonst
so sanften Charakter dieses Mannes eine furchtbare Erregtheit ein,
durch welche die Verbitterung immer mehr gesteigert wurde, so dass
er ein Leben voll Aufregungen führte, während welchem er in häufige
Collisionen mit seiner Umgebung gerathen.
Auch am politischen Leben betheiligte sich Patruban mit
gleicher Leidenschaftlichkeit. Er wurde einmal in den Gemeinderath
der Stadt Wien gewählt, doch hatte seine stete Unruhe ihm auch dort
das Bleiben ebenfalls verleidet.
Als Arzt widmete er sich der chirurgischen Praxis mit grossem
Wissen und besonderer Geschicklichkeit, daher er auch die Erfolge
erlangte, wie sie einem Operateur von gründlichen anatomischen und
physiologischen Kenntnissen stets gesichert sind. Er wagte sich an
die schwierigsten Operationen, namentlich an den Gefässen und Nerven,
und erlangte durch seine Carotis-Unterbindungen und Nervendehnungen-
und -resectionen bald eine über die Grenzen seines Vaterlandes weit
hinausreichende Berühmtheit. Leider hatte er nicht die Geduld, grös¬
sere Werke zu schreiben, aber die Monographien und Journalartikel,
die er über anatomische und chirurgische Themata geschrieben, sind
in Bezug auf Form und Inhalt mu^tergiltig. Er wurde oft von Ency-
klopädisten aufgefordert, an ihren gemeinsamen Arbeiten theilzunebmen,
er pflegte selbst zuzusagen; auf Grund einer solchen Zusage ist in
Billroth’s und Pitha’s Chirurgie sein Name sogar unter denen der
Mitarbeiter aufgeführt, aber wirklich theilgenommen hat er an keinem
Sammelwerke. Nur die Redaction der vom Doctoren-Collegium der
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Wiener mediciniscken Facultät herausgegebenen „Oesterreichischen
Zeitschrift für praktische Heilkunde“ hatte er durch mehrere Jahre
übernommen, mit Geschick geleitet und das Blatt in der ersten Zeit
mit vielen eigenen gediegenen Arbeiten bereichert. In die wissenschaft¬
lichen Versammlungen des Doctoren* Collegiums brachte er eine Zeit
lang reges Leben und man konnte in den Discussionen sich von dem
reichen Schatze ärztlichen Wissens, sowie von dem riesigen Gedächt¬
nisse dieses Mannes überzeugen. Zwei Gedächtnissreden, die er bei
der Jahresfeier der wissenschaftlichen Thätigkeit des Doctoren-Colle-
giums der medicinischen Facultät gehalten, die eine dem Andenken
Prohaska’s (1856), die andere dem Barth’s (1866) gewidmet,
sowie eine dritte bei der Wiederaufnahme dieser Feier im Wiener
medicinischen Doctoren-Collegium (1875), in welcher er die Erin¬
nerung an seinen Meister B e r r e s neu belebte, geben eben sowohl
Zeugniss von seinem innigen Vertrautsein mit der Geschichte der
Medicin als von der Pietät für grosse Männer und der hohen Achtung,
die er hervorragendem Wissen und Können entgegenbrachte.
Im Jahre 1866 war Patruban Vice-Präsident des patrioti¬
schen Hilfs-Comite im Doctoren-Collegium der medinischen Facultät
und Chefarzt einer chirurgischen Abtheilung im Garnisons-Spitale Nr. 1,
was ihm die Gelegenheit bot, sich um die Armee viele Verdienste zu
erwerben. Er hatte damals eine grosse Zahl von Resectionen und
viele andere chirurgische Operationen mit Glück und Erfolg ausge¬
führt und dadurch die Aufmerksamkeit in massgebenden Kreisen auf
sich gelenkt, was ihm in der Folge die Verleihung des Ritterkreuzes
des k. k. Franz Josefs-Ordens, sowie des Comturkreuzes des königlich
sächsischen Albrechts-Ordens einbrachte.
In den letzten Jahren transpirirte gar nichts mehr über P a-
truban’s Thätigkeit in ärztlichen Kreisen. Bei seltenem Begegnen
mit einem seiner sonst intimen Collegen sprach er wohl von einer
Zusammenstellung aller von ihm ausgeführten grösseren Operationen
zum Behufe der Veröffentlichung, er zählte sie nach tausenden, aber
nach seinem Tode hat sich nichts gefunden. Er zog sich auf sich
selbst zurück. Grosses Missgeschick in der Familie, namentlich der
jähe Tod seines Schwiegersohnes, des hoffnungsvollen Regimentsarztes
Dr. Pokorny in Salzburg, nach kurzem Krankenlager und der
Schmerz über die trostlose Lage, in weiche dadurch seine einzige
Tochter mit ihrem kaum zweijährigen Knäblein versetzt wurde, haben
den Mann so sehr gebeugt, dass er gänzliche Theilnahmslosigkeit für
Alles und Jedes an den Tag legte.
Patruban war ein guter Mensch und hatte ein fühlendes
Herz für Alle, die es in Anspruch nahmen; wenn dies aber unglück¬
licherweise zu einer Zeit geschah, wo er selbst die Bitterkeiten des
Lebens zu kosten hatte, konnte ihn, so sehr er es auch später be¬
reute, seine leichte Erregbarkeit auch hart sein lassen. Dadurch kam
sein wahrer Charakter niemals zur Geltung und er wurde selten
gerecht beurtheilt. Den Wenigen aber, die ihn näher kannten, musste
sein verbittertes Gemüth wohl Bedauern einflössen; seine Vorzüge
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jedoch, seine classische Bildung, sein encyklopädisches Wissen, sein
Sinn 'für die schönen Künste und Wissenschaften (er war selbst ein
guter Violinspieler) machten sie manche seiner Eigenheiten übersehen
— und vergessen. Immer aber war es ein bedeutender Mann, den
uns der Tod entrissen. Friede seiner Asche! Dr. Preyss.
Literarische Anzeigen.
Die gegenwärtig am häufigsten vorkommenden Verfäl¬
schungen und Verunreinigungen des Mehles und
deren Nachweisung. Von Dr. A. E. Vogl. (Mit 11 Holz¬
schnitten.) Wien Manz’sche k. k. Hofverlags- und Universitätsbuch¬
handlung. 1880. gr. 8. 9 S. und 3 Tabellen.
Die Tbatsache, dass in neuester Zeit nicht selten Mehlaorten im Handel
Vorkommen, welche beträchtliche Beimengungen von Samen, respective Früchten
des im Getreide am häufigsten wachsenden Unkrauts enthalten, so wie der
Umstand, dass diese Beimengung, welche bei der Reinigung des Getreides
vor dessen Vermahlen als Abfall sich ergibt, dennoch vermahlen und dem
normalen Cerealienmehle in betrügerischer Weise zugesetzt wird,*) bewogen
den durch ähnliche Arbeiten schon rühmlich bekannten Verfasser, in obiger
Richtung neue Untersuchungen anzustellen. Zu diesem Zwecke prüfte V.
sehr zahlreiche Mehlproben auf jene Verunreinigungen hin sowohl mikros¬
kopisch als auf chemischem Wege.
Und nachdem er in den ihm vorkommenden Sorten von Weizen-,
Roggen- und Gerstenmehl hauptsächlich nur Kornraden (Agrostemma Githago L.j
und Wickensamen gefunden, so bespricht er diese Art der Beimengung am Ein¬
gehendsten. Wachtelweizen (Nelampyrura arvense L.) obwohl mikroskopisch
leicht nachweisbar, oder Mutterkorn (Secale cornutum) fand V. nicht; er glaubt
auch, dass letztere Beimengung schon aus dem Grunde zu den grössten Sel¬
tenheiten gehören dürfte, weil das Mutterkorn als gut bezahltes Arzneimittel
sorgfältig gesammelt wird.
Für Kornraden und Wickensamen liefert der Verfasser den mikrosko¬
pischen und chemischen Nachweis, die sich gegenseitie ergänzen. Am Schlüsse
betrachtet er in einer Tabelle die übrigen sonst noch vorkommenden Men*
gungen der verschiedenen Getreidemehle untereinander und jene des Cerea¬
lienmehls mit Taumellolch (Lolium temulentum) L. und mit Mutterkorn. Der
Text ist mit naturgetreueu Abbildungen illustrirt. Nachdem die Untersuchungs-
methode des Verfassers eben so leicht als sicher ist, so empfiehlt sich das
Büchlein abgesehen von seinem wissenschaftlichen Werthe insbesondere den
Sanitätsbeamten und Marktcommissären zur praktischen Berücksichtigung.
Druck und Ausstattung sind vorzüglich. S .
Notizen.
Die Inauguration des für das Studienjahr 1880/81 erwählten Reotors
der Wiener Universität, des Herrn Professors der allgemeinen und österrei¬
chischen Geschiohte, Herrn Dr. Ottokar Lorenz, fand am 16. d. M Abends 6 Uhr
im grossen Sitzungssaale der k. k. Akademie der Wissenschaften statt. Diese
Feier hatte einen vorzugsweise akademischen oder vielmehr studentischen
Charaoter. Nicht nur, dass die Studentenschaft das aussohliessliohe Publikum
im Saale bildete, und schon lange vor Beginn alle Sitzreihen besetzt hatte,
so dass für die Professoren und geladenen Gäste nur die vorderen zwei Reihen
Fauteuils erübrigten, war auch der Andrang der jungen Leute auf der Strasse,
*) Vogl A. E. Nahrungs- und Genussmittel aus dem Pflanzenreiche.
Anleitung zum richtigen Erkennen und Prüfen der wichtigsten im Handel
vorkommenden Nahrungsmittel, Genussmittel und Gewürze mit Hilfe des
Mikroskops. Mit 116 Holzschnittbildern. Wien, 1879. Manz’sche Verlags¬
buchhandlung.
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iü def Halle und insbesondere im Stiegenhause so stark, dass es bei der Ab¬
wehr nicht ohne Lärm abging und das Gedränge schliesslioh so arg wurde,
dass aus der im Stiegenhause festgekeilten Menge mitunter Hilferufe erschollen.
Im Saale hatten die Mitglieder der verschiedenen Couleurs die ersten Bank¬
reihen besetzt, während die Chargirten der Corps und Verbindungen in voller
Wichs, einige sogar mit befiederten Baretten, von beiden Eingängen des Saales
bis zur Tribüne Spalier bildeten. Die Fauteuils waren von Frofessoren aus
allen Facultäten eingenommen und mehrere dieser Herren wohnten der Feier
stehend bei; von fremden Gästen war der Präsident der k. k. Akademie der
Wissenschaften, Geheimrath Ritter v. Arnetb, der frühere Minister Exo. Dr.
Unger, der Rector der technischen Hoohschule Oberbaurath Baron Ferstel
anwesend; das juridische Doctoren-Collegium war durch seinen Präsidenten, Exo.
Dr. Freiherrn von Hye und dasmediz. durch den Vice-Präsidenten Dr. Prey ss
vertreten. Als die beiden Rectoren, der scheidende Brücke und der neu¬
gewählte Lorenz unter Vorantritt der Pedelle und gefolgt von den Decanen
der vier Facultäten den Saal betraten, wurden sie mit anhaltendem Applaus
begrüsst und der akademische Gesangverein sang die Hymne vom Herzog
Ernst von Sachsen-Coburg-Gotha, wobei der neuernannte Musikdirector W e in-
wurm das erste Mal dirigirte.
Der Bericht des scheidenden Reotors enthielt ein übersichtliches Bild
der fortschrittlichen Entwicklung der Hochschule und sohloss mit den Nekro¬
logen der im Verlaufe des abgelaufenen Jahres verstorbenen Mitglieder der
Universität. Mit besonders ehrenden Worten gedachte er der Verstorbenen
Hebra und Zsigmondy. Bemerkenswerth waren die Worte Brüoke’s, die
er an die Thatsaohe knüpfte, dass die Universität im Laufe des vorigen Jahres
duroh keine besonderen Ereignisse berührt worden sei; er sagte: „Mögen wir
uns dessen freuen, denn die gleiohförmige Entwicklung, die stille Arbeit, der
Friede, wenn ich mich so ausdrüoken darf, die Ereignisslosigkeit ist es, wobei
die Studien am besten gedeihen.“
Als dann der neue Rector auf der Tribüne ersohien, wollten die jubelnden
Zurufe nicht enden und eine neue Salve brach los, als der Reotor vor Beginn
des Vortrages die Studenten als „Commilitonen“ begrüsste. Er hatte für seine
Inaugurationsrede ein auch ausserhalb der akademischen Kreise sehr anregendes
Thema gewählt, nämlich die Doppelfrage, inwieweit die Politik als historische
Wissenschaft zu behandeln sei und ob die politische Ausbildung der akademi¬
schen Jugend mit zu den Aufgaben der Universität gehöre? Er ging dabei
von der Politik des Aristoteles aus, deren bisherige Autorität als Quelle der
Lehre vom Staate er in mehreren Punkten seine einschränkende und riohtig-
stellende Auffassung entgegensetzte. Er verglich dann die Politik des Aristoteles
mit den Werken des Thomas von Aquino über den chrietlioh mittelalterlichen,
des Machiavell über den absoluten Nationalstaat des XV. und XVI. Jahr¬
hunderts sowie des Montesquieu über das ständische Staatswesen und wies
daraus naoh, dass stets die aus den Thatsaohen der Gesohiohte gewonnenen
Begriffe den bestimmenden Einfluss auf die praktische und wissenschaftliche
Politik der jeweiligen Epoche geübt haben. Nur im letzten Jahrhundert ist
seiner Ansioht naoh die Politik hinter den rasoh sich entwickelnden That¬
saohen der Geschiohte zurückgeblieben, und er erwartet erst von dem Studium
der Geschichte einen eingreifenden Einfluss auf die Wissenschaft der Politik.
Bisher sei auch die akademische Jugend von der Universität ins öffentliche
Leben getreten, ohne eine Richtung auf politisches Wissen auch nur an¬
nähernd erhalten zu haben, und man müsse die Frage aufwerfen, ob die
freigegebene politische Discussion sich mit Nutzen vom staatlichen Unterricht
gänzlioh fern halte. Der Rector schloss mit den Worten: „Wenigstens über
die Zeiten ist man ja allenthalben hinaus, wo man den Patriotismus immer
nur in einer einzigen Form erfüllbar erachtete, ein System, welohes in unseren
Tagen auch den Fehler einer Staatsheuchelei an sich tragen würde, die seit
dem Beispiele der Byzantiner für jede Form der Regierung verderblich war.“
Der Vortrag wurde oft duroh anhaltende laute Beifallsbezeugungen
unterbrochen, und zum Schlüsse desselben brach ein Sturm von Applaus los.
Die Feier endet mit einem Sohlusschor, nach dessen letzten Klängen der neu
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installirte Beotor, von seinen Freunden und Collegen warm beglückwünscht,
unter dem Geleite aller Chargirten den Saal verliess.
Aufnahme. In der Sitzung des Geschäftsrathes am 13. d. M. wurde
Herr Emanuel Blum, der ges. Heilb. Dr. und praktischer Arzt in Wien als
ordentliohes Mitglied in das Wr. med. Doot. Coli, aufgenommen.
Auszeichnung. Dem Herrn Prof. Hyrtl wurde das Gross-Comthurkreuz
des königl. schwedischen Wasaordens verliehen.
Grossmüthige Spende. Herr Hofrath Dr. Bitter von G ü n t n e r über¬
sandte nebst einem vom 14. d. M. (dem Tage, an dem seine hochverehrte
Frau Gemalin ihm durch plötzlichen Tod entrissen wurde) dadirten, mit.
fester Hand geschriebenen, an den Yioe-Präsidenten Dr. Preyss gerichteten
Briefe eine Silber-Benten-Obligation von 1000 fl. für das Unterstützungs¬
institut des Collegiums.
Personalien. Das medizinische Professoren Collegium hat den Dooenten
Herrn Dr. Niooladoni zum suppl. Prof, für Herrn Hofrath Dr. v. Dum¬
reicher, der einen angesuchten halbjährigen Urlaub erhalten, bestellt. —
Der Magistrat der Stadt Wien hat die nach dem in Buhestand getretenen Dr.
Hofstätter erledigte Armenarztstelle dem Dr. Wonkda verliehen.
Todesfall. Wie wir erst nachträglich erfahren, hat das Collegium noch
einen Todesfall und zwar unter seinen jüngeren Mitgliedern zu beklagen. Der prak¬
tische Arzt zu Wag-Neustadl in Ungarn, Med. Dr. Josef Leopold Spitzer,
der längere Zeit an Verfolgungswahn gelitten, hat sich in einem unbewachten
Augenblicke, am 28. September, während der Abwesenheit seiner Frau selbst
den Tod gegeben. Dr. Spitzer war am 8. Mai 1834 zu Gross-Kostelan in Un¬
garn geboren, wurde am 4. Nov. 1864 in Wien promovirt und am 19. April
1876 als ordentliches Mitglied in das Wr. med. Doot.-Coll. und bald darauf
auch in dessen Unterstützungs-Institut aufgenommen. Er erfreute Bich in seinen
Kreißen eines guten Bufes als Arzt und Mann von ehrenhaftem Charaoter,
dessen Verlust allgemein betrauert wird. — Friede seiner Asche!
Zur Hyrtl-Feier. Der Geschäftsrath des Wr, med, Doct.-Coll. hat
in seiner Sitzung am 13. Octoher 1880 beschlossen, zur Feier des vollendeten
70, Lebensjahres seines berühmten Mitgliedes , des Herrn Hofrathes Prof. Dr.
Josef Hyrtl, Medaillen prägen zu lassen und die P. T. Herren Collegen ein¬
zuladen, sich an der Subcription auf diese Medaillen betheiligen zu wollen.
Der Preis einer vom k. k. Hof- und Kammer- Graveur, Herrn Anton
Scharf, künstlerisch ausgeführten Bronce-Medaille (5 Ctm. Durchmesser) be¬
trägt 3 fl. ö. W.j der einer silbernen circa 11 fl. ö W,
Subcriptionsbogen liegen in der Kanzlei des Wr. med. Doct.-Coll. (I-,
Rothenthurmstrasse 23), wohin auch briefliche Anmeldungen und Geldbeträge —
am besten durch Postanweisung — zu richten sind, auf.
Auch das Professoren - Collegium der medizinischen Facultät hat
über Anregung des Decans Prof. Hofmann beschlossen, dem Hofrath Prof.
Hyrtl anlässlich seines 71. Geburtstags eine Adresse durch eine Deputation
des Collegiums zu überreichen. Wenn Hyrtl auch seit 7 Jahren seiner Lehr¬
tätigkeit entsagte, so geben doch seine beiden in diesem Blatte jüngst be¬
sprochenen neuesten Arbeiten Zeugniss von dessen andauernder Arbeitslust und
seltener Geistesfrisohe. Mögen sie ihm noch lange erhalte n bleiben _
Einladung
zu der am Montag den 25. October, Abends 7 Uhr. im Sitzungssaale
des akademischen Senates (vormals Consistorialsaal), I., Sonnenfelsgasse 23,
stattfindenden
Wissenschaftlichen Plenar-Versammlung.
(Eröffnungs-8itzung.)
1. Vortrag des Herrn Prof. Dr. Th. Puschmann: Die Blütheperiode der ersten
Wiener medicinischen Schule. (Von der Mitte bis gegen das Ende des
vorigen Jahrhunderts.)
2. Demonstr tion von Präparaten durch Herrn Dr. Maximilian Zeissei,
Assistent an Hofrath Prof. v. Dumreichei’s chirurgische Klinik.
Dr. v. Schmerling , Präsident. _ Dr. Karl JReitter , Secretär .
Herausgeber und Verleger; Wiener medioin. Doct.-Coll. — Verantwortlicher Kedaoteur
Dr. L. Hopfgartner. — G es ellschafts-Buchdru okerei, Wien, Ul. Erdbergerstrawe 8.
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TI. Bd. Ausgegeben am 4. November 1880. Nr. 24
fflTTHEMNGEN
ffiflmr ibMsc| 8| Liocloreii-Liollafliiiiiis.
Erscheint jeden zweiten Donnerstag ein halber bis ein ganzer Bogen and darüber, an
10 Bogen im Jahre. — Ganzjähriges Abonnement für Niohtmitglieder des Collegium» im In¬
land« 8 fl., naoh dem Aaslande 6 Mrk. — Einzelne Nummern 25 kr. = 60 Pfg, — Inserate
16 kr. = 80 Pfg. für die durchlaufende Petit-Zeile.
Man pränumerirt in der Medicin. Buchhandlung Toeplits <fe Deutlefce
(vormals Karl Csermah), Wien, I., Schottengasse 6
Zischrille* **d Zusendungen an die Redaetioi: Wiei, Kanzlei des Wiener aetl»
Doct.-Coll. nnd der Witwe*- n*d Waisen-Soeietät, ftothenthnrmstrasse 28.
Inhalt I Einladnng. —Wissenschaft!. Versammlung : Bliitheperiode der ersten Wiener 8chule
von Prof. Puschmann. — Aus dem Gesch&ftsrathe. — f Med. u. Chir. Dr. Gustav Loebel.
Notizen. — Einladung.
Einladung
an die P. T. Herren Mitglieder zum Eintritte in die
Section für Öffentliche Gesundheitspflege.
Zu den vorzüglichsten Aufgaben des Collegiums gehört,
wie dies auch in den Statuten seinen Ausdruck findet, die
Förderung der öffentlichen Gesundheitspflege. Allein so gewiss
auch dieser eben so wichtige als interessante Zweig der
Heilkunde diese Makrobiotik der Völker — von sämmt-
lichen Berufsgenossen in seiner Bedeutung gewürdigt wird,
eben so liegt er dem praktischen Berufe der grossen Mehr¬
zahl der Aerzte mehr ferne. Seine Pflege erfordert specielle
Studien und setzt Erfahrungen voraus, die nicht Jeder zu
machen in der Lage ist. Es wird demnach nur ein ver-
hältnissmässig kleiner Theil der Aerzte diesem schwierigen
Fache sich widmen.
Um nun diese Wenigen in ihrem Wirken zu vereinigen,
fasste über Antrag des OSR. Dr. Schneller der Geschäfts¬
rath in seiner Sitzung am 27 . October 1. J. einhellig den
Beschluss, im Schosse des Collegiums eine
Section für öffentliche Gesundheitspflege
ins Leben zu rufen.
Sie soll auf freiester Basis gebildet sein, regelmässige
Versammlungen abhalten und, wie es in der Natur der
Sache liegt, bestimmte, und zwar zumeist Tagesfragen im
Wege der Discussion einer entsprechenden Lösung entgegen¬
führen. Ihre Thätigkeit nach Aussen wird nicht so sehr in
Anträgen an die Behörden bestehen, als darin, auf die be¬
treffenden Kreise der Bevölkerung in Bezug auf öffentliche
hygienische Angelegenheiten anregend, aufklärend und vor-
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bereitend zu wirken. Die Section wird bestrebt sein, ihren
Aussprüchen massgebenden Orts dadurch ein Gewicht zu
verleihen, dass sie nur wahrhaft Nützliches und praktisch
Durchführbares in Vorschlag bringt.
Sie wird im erforderlichen Falle Aerzte ausserhalb des
Collegiums, sowie Techniker, Bauverständige, Ingenieure
und Verwaltungsbeamte ihren Berathungen beiziehen.
Es werden demnach jene Herren Mitglieder, welche
geneigt sind, der Section für öffentliche Gesundheitspflege
beizutreten, höflichst eingeladen, ihre Theilnahme mündlich
oder schriftlich dem unterfertigten Präsidium kundzugeben.
Die erste Sitzung und Constituirung der Section, in
der zugleich die Geschäftsordnung zur Vorlage gelangt und
eventuell ein Vortrag gehalten wird, findet Mittwoch , den
10. November 1. J., um 7 Uhr Abends in der Kanzlei des Col¬
legiums, I. Rothenthurmstrasse 23, 3. Stock, statt
Dr. Dreyss 9 Vizepräsident. Dr. Reitter, Secretär.
Die Wissenschaft!. Versammlung am 25. October,
die erste nach einem längeren Interyal während der Som¬
mermonate — fand unter dem Vorsitze des Vice Präsidenten
M. R. Dr. Preyss statt. Dieser entschuldigte die Abwesenheit
des Herrn Präsidenten Dr. v. Schmerling, der in seiner
Stellung als Leibarzt seiner kaiserlichen Hoheit des Herrn Erz¬
herzogs Albrecht diesen hohen Herrn nach Arco begleiten musste.
Er bemerkt, dass es bisher üblich gewesen, bei solchen ersten
Zusammenkünften nach längerer Pause das Andenken eines der
hervorragenden Mitglieder des Collegiums aus einem früheren
Zeitabschnitte durch eine Gedächtnissrede auf dessen Leben und
Wirken zu ehren; dass man aber heuer vorgezogen habe, nicht
einen Einzelnen zu glorificiren, sondern eine ganze Epoche zu
charakterisiren, in der durch Zusammenwirken einer Reihe be¬
deutender Männer der erste Stein gelegt wurde zum Ruhme
der Wiener medizinischen Schule. Herr Professor Dr. Pusch¬
mann habe auf des Obmanns des wissenschaftl. Ausschusses,
Herrn Prof. Dr. v. Schrott er, Ersuchen sich bereit erklärt,
diese Epoche zu schildern, und der Vorsitzende bat ihn, nach¬
dem er ihn der Versammlung vorgestellt, mit seinem Vortrage
zu beginnen. Herr Dr. Puschmann, k. k. Professor der
Geschichte der Medizin an der Wiener mediz. Fakultät, ergriff
nun das Wort und sprach:
Veber die Blütheperiode der ersten Wiener medizinischen Schule
(2. Hälfte des vorigen Jahrhunderts).
Der Redner zeichnete in der Einleitung den Charakter der
Heilkunde im 16., 17. und 18. Jahrh.; er versuchte dabei den
Nachweis zu liefern, dass sich in ihr die gleichen Bestrebungen
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geltend machten wie auf den übrigen Gebieten des Culturlebens.
Er gedachte mit wenigen Worten der wichtigsten Fortschritte
and Entdeckungen, welche die medizin. Wissenschaft in jener
Periode erfuhr, und ging dann näher auf das ärztl. Unterrichts¬
wesen, besonders in Deutschland, ein. Es gab dort im Beginne
des vorigen Jahrh. nur eine einzige medizin. Fakultät, welche
eine grossere Bedeutung besass, nämlich Halle, wo Friedr. Hoff-
mann und Stahl als Lehrer wirkten. Später gegen die Mitte
des Jahrh waren Göttingen im Norden und Wien im Süden
die Mittelpunkte, um die sich das wissenschaftl. Leben der
Medizin concentrirte. In Göttingen gab Albrecht v. Haller, in
Wien Gerh. van Swieten die Anregung zu dem Aufschwünge,
den die Heilkunde erlebte. Beide waren Schüler Boerhave’s
in Leyden gewesen; in der Schule zu Leyden ruhten also die
Keime, welche die Medizin in Göttingen und Wien und damit
überhaupt in Deutschland und Oesterreich zur Blüthe brachten.
Der Redner erörterte hierauf die Ursachen, aus welchen das
Studium der Medizin bis in die Mitte des vorigen Jahrh. in
Wien darniederlag, und wies auf die verschiedenen Versuche
zur Hebung desselben hin, welche ohne Resultat verlaufen waren.
Das Bedürfnis einer Reorganisation war also vorhanden; es
fehlte nur der Mann, der sich an diese Aufgabe wagte. Sie fiel
dem Niederländ. Arzte Gerh. van S w i e t e n zu, welcher i. J. 1745
als Leibarzt Maria Theresia’s, als Protomedikus und Präfect
der Hofbibliothek in Wien angestellt wurde. — Nachdem die
LebenBverhältnisse Swieten’s, seine akademische Lehrthätigkeit
in Leyden, deren Fortsetzung ihm wegen seines kathol. Glaubens
untersagt wurde, und seine wissenschaftl. Arbeiten kurz berührt
worden, schilderte Puschmann in ausführlicher W eise die Re¬
formen, welche Swieten für das medizin. Studium und das
Unterrichts wesen Oesterreichs in’s Leben rief. Derselbe setzte
es durch, dass die Professoren nicht mehr vom Universitäts-
Consistorium gewählt, sondern von der Kaiserin ernannt, dass
die Gehalte derselben in angemessener Weise erhöht und vom
landesfürstl. Aerar bezahlt wurden, dass die ausserordentlich
hohen Unkosten, mit welchen die Ertheilung des Doctorgrades
verbunden war, herabgesetzt und die Aerzte in ihren Rechten
geschützt wurden. Van Swieten trug ferner Sorge dafür, dass eine
Professur für Chemie und Botanik gestiftet, dass ein botanischer
Garten sowie ein chemisches Laboratorium eingerichtet und
mit den nöthigen Mitteln zu ihrer Erhaltung ausgestattet wurden,
und dass die Studierenden der Medizin Gelegenheit zu regel¬
mässigen Secir-Uebungen erhielten. Den Lehrstuhl der Chemie
und Botanik übertrug er dem Dr. La ugier aus Nancy, an dessen
Stelle i. J. 1769 N. J. Jacquin trat. Die Anatomie lehrte
Schellenberger bis zum J. 1754, dann der vielversprechende
L&ur. Gasser aus Kärnten, dessen Name im Ganglion semilunare
Gasseri fortlebt. Derselbe starb schon sehr früh. Im J. 1774
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übernahm der geniale Jos. Barth die Lehrkanzel der Anatomie.
Mit der Professur der theoret. Medizin betraute Swieten seinen
Lieblingsschüler Joh. M e 1 c h i o r S t ö r c k, den altern Bruder Ant.
Störck’s, welcher i. J. 1772 an Swieten’s Stelle die Leitung
des Oesterreich. Medizinalwesens erhielt. Melchior starb schon
i. J. 1756 ; sein Nachfolger im Lehramte wurde J. Nep. Crantz,
ein geborner Luxemburger, welcher in Wien studirt hatte und
dann auf kais. Kosten nach Paris geschickt worden war, um
sich unter L e vret und Puzos zum Geburtshelfer auszubilden.
Br ertheilte von 1754—56 den Hebammen-Unterricht und hat
sowohl auf dem Gebiete der Gynäkologie als in der Arznei¬
mittellehre, Botanik und Balneologie schriftstellerischen Ruhm
geerntet. In seinem Buche über die Heilquellen Oesterreichs
hat er deren über 600 beschrieben, von denen er gegen 200
selbst untersucht hat. Crantz legte i. J. 1774 seine Professur
nieder und starb i, J. 1797 auf seinem Gute bei Judenburg in
Steiermark. Auf den Lehrstuhl der Geburtshilfe folgte ihm
Dr.V. Leb mach er, auf den der theoret. Medizin Matth. Colli n.
Keiner von beiden erreichte seinen Vorgänger. — Für die
Professur derprakt. Heilkunde wurde i. J. 1754 Anton de Haen
berufen, ein ehemaliger Mitschüler Swieten’s; er lebte seit
20 Jahren als gesuchter und beliebter Arzt in Haag, bevor er
seine Lehrtätigkeit in Wien er öffnete. De Haen richtete die
ihm übergebene Abtheilung im Bürgerspitale nach dem Leydener
Muster für klinische Zwecke ein; die Wiener Klinik war die
erste in Deutschland und gab die Anregung zur Errichtung
ähnlicher Anstalten an anderen Hochschulen Oesterreichs und
Deutschlands. Sie darf somit das Verdienst in Anspruch nehmen,
den Grund gelegt zu haben zu der erfolgreichen Entwicklung
des klinischen Unterrichts in diesen beiden Ländern. Die Wiener
Klinik erlangte bald einen grossen Buf und fremde Aerzte kamen
hierher, um ihre fach-wissenschaftliche Ausbildung zu vollenden.
Mit de Haen’s Auftreten in Wien begann somit die glänzende
Ruhmesgeschichte unserer medicinischen Schule. De Haen war
aber nicht bloss ein musterhafter Lehrer; er war auch ein aus¬
gezeichneter ärztlicher Gelehrter und Forscher, wie seine hinter-
lassenen Schriften darthun. Er starb im Jahre 1776 und erhielt
in Maximilian St oll einen würdigen Nachfolger. St oll gehörte
dem Jesuiten-Orden an, bevor er die Heilkunde studirte. Als
ärztlicher Schriftsteller widmete er seine Aufmerksamkeit vor¬
zugsweise den epidemischen Krankheiten und war bemüht, die
den Krankheitscharakter der von ihm beobachteten Zeitperioden
bestimmenden und in eigentümlicher Weise färbenden Verhältnisse
zu erforschen und festzustellen. Die Wiener Klinik wurde unter
seiner Leitung die berühmteste Europa’s. Er war auch der
Erste, welcher in der hiesigen Klinik von der Percussion, der
unsterblichen Erfindung seines Collegen und Zeitgenossen, Auen-
brugger, Gebrauch machte. Stoll starb im Jahre 1787 infolge
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eines apopleklischen Anfalles; sein Tod wurde im ganzen Lande
betrauert.
Nach StolPs Hinscheiden trat ein Stillstand in der weiteren
Entwicklung der Wiener Schule ein, welcher nur durch die
Thätigkeit einzelner hervorragender Männer wie Peter Frank
unterbrochen wurde. Erst mit Rokita ns ky und Skoda begann
eine neue Blütheperiode, die sogenannte zweite Wiener Schule.
Die Versammlung lauschte dem geistreichen rhetorisch
gehaltenen Vortrage mit gespannter Aufmerksamkeit und zollte
dem Redner reichen Beifall; der Vorsitzende und Professor von
Schrötter als Obmann dos Ausschusses drückten demselben den
wärmsten Dank aus.
Hierauf demonstrirte Herr Dr. Maximilian Zeissl, Assi¬
stent an der Klinik des Herrn Prof. v. Dumreicher, das Spiritus¬
präparat und mehrere mikroskopische Präparate eines Adenoms
der Sublingualdrüse. Die Geschwulst, welche einen Längen¬
durchmesser von 4 Ctm. und eine Breite von 1*5 Otm. batte,
wurde am 19. April an Hofrath v. Dumreicher’s Klinik
einer 64 Jahre alten Kranken unter Lister’schen Cautelen ex-
stirpirt. Die Wunde sonderte reichlich übelriechenden Eiter ab,
es kam zur Infiltration des Zellgewebes der rechten Halsseite,
zur rechtseitigen eiterigen Pleuritis und Pericarditis, der die
Kranke erlag. Ausser den erwähnten Erscheinungen constatirte
die Section das Fehlen der rechten Sublingualdrüse. Da der
Vortragende keinen ähnlichen Fall in der Literatur auffinden
konnte, hielt er diesen der Seltenheit wegen für werth, vor¬
gezeigt zu werden und er scheint sich nicht getäuscht zu haben,
denn die anwesenden Operateure studirten die demonstrirten
Präparate mit grosser Aufmerksamkeit.
Aus dem Geschäftsrathe.
In der am 13. October unter dem Vorsitze des Präsidenten
Dr. v. Schmerling stattgehabten Sitzung, an welcher beide
Vice Präsidenten, der Secretär und 15 Mitglieder des Geschäfts-
ratbs theilnahmen, wurde Dr. Emanuel Blum, pract. Arzt im
II. Bez. als Mitglied des Collegiums aufgenommen, dann wurde
dem stud. med.Leopold Kohn über Antrag des Superintendenten
Dr. Iunhauser der Genuss seines Mosing’schen Stipendiums
auf die Dauer des Studienjahres 1880—81 verlängert.
Secretär theilt mit d) die hohe Statthalterei habe bewilligt,
dass der stud. med. L. F öl d ösy das bereits für beide Semester
1879—80 erhaltene Mosing’sche Stipendium behalten könne,
es daher von der mit früheren Erlass angeordneten Rückerstat¬
tung des empfangenen Betrages abzukommen habe, b) Die
nieder österreichische Statthalterei habe mittelst Note das Doc-
toren - Collegium von der Entscheidung des hohen Unterrichts¬
ministeriums über das Verleihungsrecht des Bleil’schen Stipen-
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üiumgenusses in Kenntniss gesetzt. — Hierüber wird beschlossen
den Erlass in diesem Blatte vollinhaltlich zu veröffentlichen.
Der Rest des Abends wurde durch Verhandlungen mit dem
Münz-Graveur Herrn Anton Scharff betreffs der Anfertigung
einer Medaille zum 71. Geburtstage Hyrtls in Anspruch ge¬
nommen und diese Angelegenheit definitiv abgemacht. Schliess¬
lich wird über Antrag des Dr. Lederer ein fünfgliedriges
Festcomitd gewählt, welches über den modus procedendi der
in Aussicht gestellten Hyrtl-Feier zu berathen habe. Gewählt
sind die DDr. Kernecker, v. Khautz, Lederer, Mittler
und Scholz.
z. 29517. Note der k- k. 8. n. Statthalterei.
An das löbl. Präsidium des Wiener medicinischen Doctoren-Collegiums.
Der Herr Minister für Cultus und Unterricht hat laut hohen
Erlasses vom 5. August 1. J., Z. 4689, dem Ansuchen des Rectorates
der k. k. Wr. Universität um Zuerkennung des ausschliesslichen
Rechtes zur Verleihung der Dr. Josef B1 e i l’schen Stipendienstiftung
keine Folge zu geben und zu entscheiden befunden, dass es in dieser
Hinsicht bei der Bestimmung des Bleil’schen Stiftbriefes vom
12. Mai 1868, wonach das Verleihungsrecht dem Decane des medi¬
cinischen Professoren - Collegiums und dem Vorstande des Wiener
medicinischen Doctoren-Collegiums alternirend zukommt, zu verblei¬
ben habe.
Die Gründe dieser Entscheidung sind folgende.
Mit dem Ministerialerlasse vom 28. Jänner 1861, Z. 10713,
ist die k. k. nieder-österreichischen Statthalterei aufgefordert worden,
eventuell eine Vereinbarung der im Bestände des Gesetzes vom
27. September 1849 (R. G. Bl. Nr. 401) berufenen Vertreter der
medicinischen Facultät der Wiener Universität hinsichtlich der Aus¬
führung der Bleil’schen Stiftung zu erzielen, und ist zugleich die
definitive Constituirung dieser Stiftung unter Berufung auf den in
Angelegenheiten der M o s i n g’schen Stiftung ergangenen Ministerial-
Krla88 vom 2. April 1858, Z. 169, d. i. bis zum Zeitpunkte der
ondgiltigen Organisation der akademischen Behörden, vertagt werden.
Die von der Statthalterei im Einvernehmen mit dem Bleil-
schen Testaments - Executur mit Bericht vom 20. Februar 1862,
Z. 125, gestellten Anträge, wonach unter Andern das oberwähnte
alternirende Verleihungsrecht eintreton sollte, wurden mit dem Er¬
lasse des bestandenen Staatsministeriums vom 5. Juli 1863, Z. 2428,
zur Kenntniss genommen und die Statthalterei beauftragt, die er¬
folgte Annahme dieser Anträge, beziehungsweise den entsprechenden
Stiftsbrief-Entwurf dem Professoren- und dem Doctoren - Collegium
der medicinischen Facultät im Wege des Universitäts-Consistoriums
zur Aeusserung mitzutheilen. Für den Fall der Herstellung eines
Einverständnisses beider Collegien wurde die Ausfertigung des Stift¬
briefes angeordnet, hingegen eine weitere Vertagung der definitiven
Feststellung des Stiftsbriefes, nämlich die Beschreitung des Rechts-
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weges seitens der Betheiligteu — und nur unter der Voraussetzung
zugelassen, dass die fragliche Vereinbarung nicht zustande kommen
sollte. Irgend ein anderer Vorbehalt wurde dabei seitens des Staats¬
ministeriums nicht mehr gemacht und da nun das mehrerwähnte
Einverständniss zwischen dem Professoren- und Doctoren-Collegium
der medicinischen Eacultät laut des Consistorialberichtes vom 13. No¬
vember 1867, Z. 2044 thatsächlich erzielt wurde, so waren hiemit
alle von der obersten Stiftungsbehörde in Betreff der definitiven
Constituirung der Blei l’schen Stiftung gestellten Bedingungen erfüllt
und muss der von den Decanen des Professoren- und Doctoren-
Collegiums gefertigte, vom Universitäts-Consistorium vidirte und von
der k. k. nieder österreichischen Statthalterei im Hinblicke auf den
Ministerial-Erlass vom 5. Juli 1863, Z. 2428, ohne Vorbehalt ge¬
nehmigte Stiftbrief vom 12. Mai 1868 als endgiltiger Constituirungs-
act angesehen worden.
Es kann sohin bei der Entscheidung über das streitige Ver¬
leihungsrecht nicht mehr das Blei Psche Testament — dessen be¬
züglicher — im Stiftbriefe angeführter Passus übrigens in der
fraglichen Beziehung keine bestimmte Directive bietet — sondern
nur der Stiftbrief vom 12. Mai 1868 zu Grunde gelegt werden und
ist lediglich zu untersuchen, ob das in demselben normirte alter-
nirende Verleihungsrecht der beiden mehrerwähnten Collegien nunmehr
in Folge des Gesetzes vom 27. April 1873 (R. G. Bl. Nr. 63) zu
modicificiren, beziehungsweise das Wiener medicinische Doctoren-
Collegium von der Verleihung gänzlich auszuschliessen sei oder nicht.
In dieser Hinsicht muss zunächst hervorgehoben werden, dass
der vom Herrn Rector angerufene § 23, Abs. a, des citirten Gesetzes
hier gar nicht in Frage kommen kann, da es sich hier weder um
ein Facultäts- oder Universitätsvermögen, noch um eine diesen Kör¬
perschaften gesetzlich obliegende Verwaltungsaufgabe handelt, viel¬
mehr kann bei Entscheidung dieser Streitsache nach der Beschaf¬
fenheit des Gegenstandes derselben, lediglich der § 23 des citirten
Gesetzes zur Richtschnur genommen werden.
Nach Inhalt des Abs b dieses Paragraph verbleibt dem Doctoren-
Collegium das Recht zur Verwaltung und Verleihung derjenigen
Stiftungen, welche dasselbe bisher unabhängig vom akademischen
Senate (Consistorium) und dem Rector verwaltet und verliehen hat.
In Betreff der Verleihung der Bleil’schen Stiftung besteht nun
aber kein Streit darüber, dass das medicinische Doctoren-Collegium
das stiftbriefgemäss ihr zugesprochene alternirende Verleihungsrecht
thatsächlich und unabhängig ausgeübt hat, denn wenn auch eben
durch den Bestand der Alternation der Eintritt jenes Rechtes, be¬
ziehungsweise die Zahl der Fälle, in welchen dasselbe ausgeübt wird,
in bestimmter Weise beschränkt ist, so erscheint doch das Doctoren-
Collegium in jedem einzelnen, ihm zustehenden Verleihungsacte
vollkommen unbeschränkt und in keiner Weise von der anderen,
gleichfalls mit einem alternativen Verleihungsrechte ausgestatteten
Corporation abhängig. Eine solche Abhängigkeit wird ferner auch
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dadurch nicht begründet, dass nach § 6 des Stiftbriefes über die
Entziehung des Stipendiums die beiden Vorstände des Doctoren-
und Professoren - Collegiums einverständlich zu entscheiden haben
und im Falle der Nichteinigung der akademische Senat (Consisto-
rium) erkennt, denn diese Bestimmung betrifft nicht die Verleihung,
sondern den Verlust des Stipendiums und stellt sich als eine sin¬
guläre Norm dar, durch welche die Person genannt wird, welcher
in dem darin vorgesehenen Falle das Schiedsrichteramt übertragen
werden soll. Dieses letztere wird übrigens, da bei Disqualification
des Stipendirten der Verlust des Stipendiums schon nach den allge¬
meinen Vorschriften eintritt, nicht sowohl als eine arbiträre Ver¬
fügung des akademischen Senates wie vielmehr als eine Constati-
rung des betreffenden Thatbestandes erscheinen.
Hinsichtlich der Verwaltung der Stiftung, welche keinen
Gegenstand des Streites bildet, ist zu bemerken, dass dieselbe bisher
direct weder von dem Professoren- noch von dem Doctoren-Collegium,
sondern von der nieder-österreichischen Statthalterei geführt wurde,
dass jedoch eine Anerkennung der diesbezüglichen unabhängigen
Stellung jedes der beiden Collegien darin erblickt werden kann,
dass seitens der nieder österreichischen Statthalterei sowohl dem
Professoren- als auch dem Doctoren - Collegium in Ausführung des
§ 8 des StiftBriefes der Rechnungs-Abschluss der Stiftung z. B. pro
1874 mit Statthalterei-Erlass vom 7. Februar 1876, Z. 3972 zur
Kenntnisnahme übermittelt worden ist.
Die Ausschliessung des Wiener medicinischen Doctoren-Colle¬
giums von den ihm stiftbriefmässig zustehenden Rechten erscheint
sohin weder durch § 23 cit. geboten, noch nach § 24 ibid. zulässig;
da ferner das im Stiftbriefe benannte Doctoren-Collegium der medi¬
cinischen Facultät der Wiener Universität gemäss § 24 des Gesetzes
vom 27. April 1873 als Rechtssubject fortbesteht, die Alternation
auch keinen nach diesem Gesetze unzulässigen Verband des Doctoren-
Collegiums mit der Universität oder Facultät darstellt, eine Aus¬
einandersetzung der bezüglichen Rechte also nicht nothwendig ist,
so liegt kein gesetzlicher Anlass zur Modification des Stiftbriefes
vom 12. Mai 1868 vor und musste sohin das Eingangs erwähnte
Ansuchen des Rectorates zurückgewiesen werden.
Hievon beehre ich mich das löbliche Präsidium mit Beziehung
auf die geschätzte Zuschrift vom 26. Februar 1. J., Z. 31, in die
Kenntniss zu setzen.
Wien, den 10. September 1880.
In Vertretung: P i t n e r.
f Med. und chir. Dr. Gustav Loebel.
K. k. Hofrath, Universitäts-Professor und Primararzt im k. k.
Allgemeinen Krankenhause, Ritter des k. k. Ordens der eisernen
Krone III. Classe sowie Commandeur und Ritter vieler ausländischer
Orden, Mitglied des Wiener mediz. Doctoren-Coll. u. s. w., im letzten
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Decennium einer der als Consiliar gesuchtesten Aerzte der Besidenz,
erlag am 23. October, Abends gegen 11 Uhr, einem Schlagflusse.
Er war am 5. November 1816 zu Nawarow in Böhmen geboren,
absolvirte das Gymnasium in Frag, die medicinischen Studien in
Wien und wurde daselbst am 6. August 1840 zum Doctor der Medioin
promo vivt. Das Doctorat der Chirurgie machte er erst am 18. Juli
1847. Im Jahre 1846 wurde er klinischer Assistent bei Herrn Prof.
Skoda, auf dessen Abtheilung er schon früher durch mehrere Jahre
als Secundararzt gedient hatte; in dieser Stellung verblieb er durch
volle fünf Jahre, nach dem Zeugnisse seines Lehrers einer der tüchtigsten,
nach dem des ehemaligenDirectors Helm der vorzüglichste von Allen,
die er in dieser Eigenschaft kennen gelernt hat; denn während L o e b e Fs
Assistentenzeit hat es nie an interessantem klinischen Material gefehlt,
weil er nicht bloss viele freie Stunden in der Aufnahmskanzlei verweilte
und sich die Kranken da selbst auswählte (wogegen seine Nach¬
folger nur allzuoft sich begnügten, dieselben durch den journalhaben¬
den Arzt sich zuweisen zu lassen), sondern auch alle Abtheilungen
für interne Krankheiten abgieng und da aussuchte, was eben für
den klinischen Unterricht das Belehrendste gewesen. Er kannte
daher jeden mit einer internen Krankheit behandelten Kranken im
Hause, und wusste dieselben beizuschaffen, wenn sie etwa zum
Unterrichte für Differenzial-Diagnosen nöthig waren. Das war später
anders und daher auch namentlich in der Zeit vom Jahre 1865
bis 1869 die oft wiederholte Klage eines klinischen Lehrers, dass
es ihm an genügendem Materiale fehle.
Nach Ablauf seiner Assistentenzeit etablirte sich L o e b e 1
als praktischer Arzt zunächst in der Wickenburggasse und suchte
um die Aufnahme in das Doctoren-Collegium der medicinischen
Facultät nach, die ihm auch am 22. November 1853 zu Theil ward.
Aber an das klinische Studium und die Spitalspraxis gewöhnt, konnte
©r, obgleich schon vom Beginne als Arzt sehr gesucht, sich mit
der Privatpraxis nicht befreunden, da indess seine Aussicht weder
für ein Primariat noch für eine Professur sich eröffnete, wurde er
missmuthig, mied jeden Umgang mit Collegen und Menschen über¬
haupt, und da er zudem noch den Keim eines Bückenmarksleidens
an sich diagnosticirt haben wollte, wurde er völlig Misanthrop. Er
übersiedelte in eine kleine Wohnung am Neubau, versperrte seine
Thür vor Jedermann, wies die Kranken (gleichviel ob reich oder
arm), die sich an ihn um ärztlichen Bath und Hilfe wandten, un¬
wirsch ab und führte während eines vollen Deoenniums das Leben
eines Einsiedlers, nur seinen Studien und seiner Liebhaherei für
classische Musik hingegeben.
Erst im Jahre 1865 trat mit der Gründung des Budolf-
Spitales eine complete Umwandlung in seiner früher isolirten Lebens¬
weise ein, nachdem er auf Skoda’s Vorschlag zum Primarärzte in
dieser Anstalt ernannt und später von da in gleicher Eigenschaft
in das allgemeine Krankenhaus übersetzt worden war. Unter dem
Ministerium Jirecek bewarb er sich um die Professur und erhielt sie
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auch auf Anrathen seines Meisters Skoda, hat sioh aber mit dem
Lehren nicht viel befasst, sondern verwies die Meisten, die sich bei
ihm inscribiren wollten, an andere Professoren.
Als Se. Majestät der Kaiser bei Gelegenheit der Eröffnung
des Suez-Canales die Reise nach dem Orient unternahm, wurde
Loebel auf Antrag des damaligen Sanitäts-Referenten Dr. Ulrich
und nach Einholung der Wohlmeinung Skoda’s bestimmt, Se. Majestät
in der Eigenschaft als Leibarzt zu begleiten. Hatte schon nach
seiner Ernennung zum Primarärzte der Ruf des Halbvergessenen
sich bald wieder verbreitet und ihm eine auserlesene zahlreiche
Clientei zugeführt, so beginnt doch erst von dieser Reise an, die ihm
so viele Ehren und Würden eingebracht, seine sociale Glanz¬
periode. Er war bei Hof eine persona gratissima, ein gesuchter
Consiliarius des hohen Adels, der Finanzbarone und des reichen
Bürgerstandes. Auch am gesellschaftlichen Leben nahm er regen
Antheil und seine Begeisterung für schöne Künste und Musik fand
hinreichend Nahrung; in Opern und Concerten war er oft zu sehen,
nur von wissenschaftlichen Vereinen hielt er sich absichtlich fern.
So lebte er vergnügt, bis vor etwa zwei Jahren ein apoplektischer
Anfall seine Gesundheit erschütterte. Er erholte sich wohl wieder,
konnte aber die Mühen der Praxis, so lieb ihm diese jetzt auch
geworden, nicht mehr bewältigen. Um sich zu pflegen, zog er sioh in
einen ruhigeren Stadttheil zurück, versah zwar, nachdem er lange
beurlaubt gewesen, wieder seinen Dienst im Spitale, aber er wagte
nicht mehr allein auszufahren. Am 22. October Morgens, als er
eben im Begriffe war, seine Wohnung zu verlassen, wurde er
plötzlich besinnungslos; ein neuer apoplektischer Anfall wirkte derart
lähmend, dass die Besinnung nicht mehr wiederkehrte, und am
Abende des folgenden Tages hauchte er seinen Geist aus.
*
* *
Der Verstorbene war unbestritten ein tiefer Forscher und aus¬
gezeichneter Arzt, der seinen grossen Ruf als Praktiker verdient
hat, aber ein Original, in dessen Leben sich so unerklärliche Gegen¬
sätze fanden, wie sie selten bei Gelehrten, am seltensten aber bei
Aerzten Vorkommen. Als Assistent gab er sich seinem Fachstudium
mit einem riesigen Fleisse hin, lebte nur für seine Wissenschaft,
docirte mit Eifer und Lust, und seine Originalität und Genialität
als geistvoller scharfsinniger Forscher erwarben ihm Lorbeeren, die
nicht nur während seiner Zurückgezogenheit nicht vertrockneten,
sondern bei seinem Wiederauftauchen neue Blüthen hoffen Hessen.
Als er aber die langerstrebte Professur erhalten, schien sie ihm
eine Last und er wies viele Schüler ab. Seine wissenschaftliche
Glanzperiode fiel daher in seine Assistentenzeit und was ihm
davon später noch zu gut kam, war nur der Widerschein aus jener
Zeit. Er war ein vorzüglicher Diagnostiker, besonders in Herz- und
Brustkrankheiten, was bald erkannt wurde und ihm massenhaft
damit behaftete Kranke zuführte; doch kaum hatte er die gesuchte
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Beschäftigung gefunden, so entfloh er ihr und zog sioh in seine
Einsiedelei * zurück, wo er sich nur dem Studium hingab. Aber es
scheint, dass er mehr in sich aufgenommen, als eigene Forschungen,
Beobachtungen und Erfahrungen für die Oeffentlichkeit vorbereitet
habe. Wohl möglich, dass sich in seinem Nachlasse Manuscripte
zu einem bedeutenden Werke finden, das er während seiner Zurück¬
gezogenheit zu bearbeiten im Sinne hatte, an dessen Vollendung
er aber durch sein Wiedererscheinen im Getümmel der Welt ver¬
hindert wurde. Von grösseren literarischen Arbeiten ist bloss die
Umarbeitung der letzten Auflage des Sko da’sehen Werkes: „lieber
Percussion und Auscultation“ bekannt. Seine Arbeiten in Canstatt’s
Berichten, in der Zeitschrift der k. k. Gesellschaft der Aerzte, in
Wittelshöfer’s Wochenschrift, in der allgem. medic. Zeitung und
seine „geschichtlichen Notizen über das medic. Clinicum der Wiener
Universität“ sind wohl erfüllt von dem Geiste genialer und tiefsinniger
Forschung, aber sie können nicht die einzigen Producte der zehn¬
jährigen Thätigkeit eines so geistreichen und fleissigen Gelehrten sein.
Aber nicht genug der Gegensätze in längeren Zeitabschnitten,
kamen sie auch im Beginne seines Primariates wiederholt zum Aus¬
drucke. Noch immer wurde er von Zeit zu Zeit von seiner alten
Praxisscheu befallen; wochenlang gieng er allen Kranken ausserhalb,
des Spitales scheu aus dem Wege und viele Briefe um Consultationen
blieben ohne Antwort. Liebenswürdig wenn er wollte, war er rauh
und abstossend, wenn ihn sein misanthropischer Sparren drückte.
Seine Toilette sogar war oft mehr vernachlässigt, als selbst einem
genialen Gelehrten verziehen werden kann. Erst nach der Annahme
der Mission bei Hofe wurde er ganz Gentleman und blieb es bis
zur Zeit seines ersten apoplektischen Anfalls.
Mit all* seinen Sonderbarkeiten war Loebel ein bedeutender
Arzt und wäre ihm gleich nach Ablauf seiner Assistentenzeit eine
Lehrkanzel offen gestanden, so wäre er auf dem ihm liebgewordenen
Pfade unbeirrt fortgeschritten und hätte gewiss für die Wissenschaft
Grosses geleistet. — Wie sioh jedoch sein Lebenslauf gestaltet, wurde
er mit allen Auszeichnungen, mit Orden (er hatte deren nicht
weniger als sechs), Titeln, glänzenden Erfolgen in der Praxis und
schmeichelhaften Phrasen Derer, die seiner bedurften, ein mit sich
selbst zerfallener, nicht zu beneidender unglücklicher Mensch, dem
aber Alle, die ihn näher kannten, ein ehrendes Andenken bewahren
werden. Friede seiner Asche !
Notizen.
Verein der Aerzte im I. Bezirke Wiens. Auf Einladung des k. k.
Regierungsrathes Dr. Ritter v. Vivenot haben sioh am 5. v. M. 25 in der inneren
Stadt wohnende Collegen zusammengefunden und die Bildung eines ärztlichen
Vereines im I. Bezirke beschlossen. Es wurde ein Comitd zur endgiltigen
Stylisirung der im Principe angenommenen Statuten gewählt, welches auoh
mit der Aufgabe betraut wurde, dieselben bei der hohen k. k. Statthalterei
einzureiohen. Dieses Comitd hat sioh der ihm gestellten Aufgabe bereits ent¬
ledigt.
V
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Seetion für öffentliche Gesundheitspflege. Zur Einleitung der nöthigen
Schritte zu ihrer Bildung, so wie zum Entwürfe einer Geschäftsordnung wurde
in der Sitzung des Geschäftsrathes am 27. Ootober 1. J. ein Comitd gewählt,
bestehend aus den Herren Doctoren: Vice Präsident Hopfgartner, von Khautz,
Löffler, Sohiffmann und O.-S.-R. Schneller.
Aufnahme. In der Sitzung des Gesohäftsrathes am 27. Ootober wurde
Herr Dr. Leopold Ri eg ler, praktischer Arzt zu Wölkersdorf in Nied.-Oester,
reich, als ordentliches Mitglied in das Wr. medio. Doot.-Coll. aufgenommen.
Auszeichnung. Der praktische Arzt Dr. Moriz Bloch in Prag erhielt
den Ottomanischen Medschidje-Orden fünfter Klasse.
Ordinationsstiinde-Aendernng. Dr. R. Bern hart ordinirt jetzt von
1 bis 2 Uhr.
Wohnungsyeränderung. Professor Dr. Franz Gatsoher wohnt jetzt 1.
Mölkerbastei 3, — Dr. Karl Schindler, IV. Schwindgasse 19 — und Dr.
Robert Gers uni, VIII. Alserstrasse 27.
Sterbefall. Der Tod räumt heuer wieder furchtbar auf unter den Mit¬
gliedern unseres Collegiums. In einem Zeitraum von nioht vollen 4 Wochen
(vom 28. September bis 23. Ootober) fielen ihm vier unserer Collegcn zum
Opfer, der letzte von ihnen, Professor Gustav Loebel, starb am 23. Ootober
an den Folgen eines apoplektischen Anfalls (siehe S. 268)«
Die erste Sitzung und Constituirung der Section für öffentliche
Gesundheitspflege findet am 10. November, Abends 7 Uhr in der
Kanzlei des Collegiums statt.
Einladung-
zu der am Montag den 8. November, Abends 7 Uhr. im Sitzungssaale
des akademischen Senates (vormals Consistorialsaal), I., Sonnenfelsgasse 2S,
stattfindenden
Wissenschaftlichen Versammlung.
Programm:
1. Vorstellung von Kranken *).
2. Ueber Tracheal-Stenose, Vortrag von Herrn Professor Dr. v. Schrott er.
3. Ueber Einklemmungs-Erscheinungen bei Entzündung leerer Bruchsäcke,
Vortrag von Primararzt und Docenten Dr. Englisch.
Dr. Prey88 , Vice-PräMent. Dr, Karl Keitter , Secretär.
*) Die P. T. Herren Collegen werden ersucht, interessante Krankheits¬
fälle vorzustellen.
MF* Ztcr Beachtung . Da nach § 7 al. 3 der Statuten die
Jahresbeiträge der Mitglieder des Coli . in den ersten
3 Monaten des l. J. einzuzahlen sind, so werden jene P. T.
Herren Collegen, welche mit ihrem Beitrage für d, J. 1880
per 5 fl. noch im Rückstände sind , hößichst ersucht, den¬
selben bald möglichst zu entrichten. Desgleichen werden
auch jene P. T. Herren Mitglieder des Unterstützungs-
Institutes , welche mit ihrem Beitrage für d. J. 1880 per
6 fl, der nach § 6 der Statuten schon im Monat
Jänner zu beri chtig en war , noch im Rückstände
sind, ersucht, denselben an die Kanzlei des Wr. medic. Doct.-
CollI. Rothethurmstrasse 23, bald möglichst einsenden
zu wollen .
Herausgeber und Verleger: Wiener medioin. Doot-Ooil. — Verantwortlicher Rodaoteor
Dr. L. Hopfgartner. — Gesellschaft»-Buch dm okerei, Wien, HI. Erdb ergerstrasss 8.
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VI. Bd. Ausgegeben am 18 . November 1880 . Nr. 25
MCTTHEILIMEN
des
ffiner mBiiciDisclBo LioclDren-Collefliiima.
Erscheint jeden zweiten Donnerstag ein halber bis ein ganaer Bogen und darüber, an
20 Bogen im Jahre. — Ganzjähriges Abonnement für Niohtmitglieder des Collegiums im In¬
lande 8 fl., nach dem Aaslande 6 Birk. — Einseine Nummern 25 kr. = 60 Pfg. — Inserate
16 kr. = 80 Pfg. für die darohlaufende Petit-Zeile.
Man pränumerirt in der Medicin. Buchhandlung Toeplits dfc Deut icke
(vormals Karl Csermak), Wien, I., Schottengasse 6.
Zuekriften and Zasendnngei an die Redaetion: Wie* Kaniiei des Wiener aed»
Ooet.-Coll. and der Witwen- and Waisen-Soeietät, Rothenthormstrasse 23.
Inhalt: Wissenschaftl. Versammlung am 8. November, Vortrag des Prof. v. Schrötter über
Trachealstenosen. — Constituirung der Section fUr Öffentliche Oesnndlieita-
pflege. — Aus dem Unterstützungs-Institute. — Literarische Anzeigen. — Notizen. —
Einladungen.
Wissenschaftliche Versammlung am 8. November.
Vortrag des Herrn Prof. Dr. L. v, Schrötter.
Ueber Trachealstenosen.
Der Vortragende geht nach kurzer Betonung der Wich¬
tigkeit dieser Erkrankung auf die Ursachen derselben über,
welche ausserordentlich mannigfaltig sein können, und unter¬
scheidet zwei Hauptformen der Trachealstenosen: 1. solche
durch Druck von aussen und 2. durch Erkrankung der Wan¬
dungen selbst.
Ad 1. Am häufigsten wird die Trachea durch die ver-
grösserte Schilddrüse comprimirt, und zwar sind es gerade die
kleinen, tiefliegenden, von aussen oft kaum sichtbaren Knoten in
derselben, welche die stärkste Verengerung bewirken. Nicht selten
kommt es dann durch den langdauernden Druck zu einer Er¬
weichung der Knorpelringe, die Trachea wird zu einem mehr
weniger weichen Sack, der durch die beiderseitige Compression
oft ganz die Gestalt einer Säbelscheide annimmt, wie das Demme
richtig bemerkt hat. Die Demonstration eines Präparates zeigt,
wie die Struma die Luftröhre seitlich comprimiren und ver¬
biegen kann.
Nächst häufig sind Aneurysmen Ursache der Tracheal¬
stenosen und betont dann Vortragender für solche Fälle den
grossen Werth der tracheoscopischen Untersuchung, die oft allein
die Diagnose sicher stellen kann. Er erwähnt, dass man in der
vorlaryngoskopischen Zeit oft aus secundären Erscheinungen auf
ein Aneurysma schliessen musste, ohne es physikalisch nach-
weisen zu können; dagegen gelang es jetzt durch die Tracheo-
scopie schon oft Aneurysmen nachzuweisen, die der Auscultation
und Percussion entgangen waren. Ja, der Vortragende war schon
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einmal nahe daran in ein solches in die Trachea vordringendes
Aneurysma coagulirende Injectionen zu machen und so eine
Heilung zu versuchen. Leider vereitelte eine Pleuritis die Vor¬
nahme dieses Eingriffes und in der Reconvalescenz barst das
Aneurysma.
Bei weitem am seltensten wird die Luftröhre durch Media-
stinaltumoren und Carcinome des Oesophagus oder durch irgend
welche entzündliche Vorgänge in ihrer Umgebung, Abcesse,
Lymphdrüsentumoren und dergleichen verengert.
Die Form der Verengerung wurde auch erst in der'laryn-
goskopischen Zeit näher gewürdigt und war es besonders Türk,
dem das Verdienst gebührt, die meisten Kunstgriffe zur Tra-
cheoscopie angegeben und die Art der Stenose beschrieben zu
haben. Meist wird die Trachea von beiden Seiten gleichmässig
zu einem ovalen Spalte verengert, der gewöhnlich median steht.
Seltener sind Vorwölbungen der einen Wand, besonders in Form
eines umschriebenen Tumors. Prof. v. Schrötter illustrirt diese
Formen durch Präparate von Aneurysmen, welche diese Verhält¬
nisse deutlich zeigen.
Ad 2. Im ganzen viel seltener sind die Ursachen der Stenose
in den Wandungen der Luftröhre selbst zu suchen. Fremde Körper
geben hie und da die Ursache davon ab und zeigte Schrötter
die Abbildung eines Trachealpräparates, an dem man deutlich
zwei Geschwüre unterscheiden kann, die durch das Stecken¬
bleiben eines Knochens bedingt waren. Der Patient kam mit
piaemischen Erscheinungen und zugleich mit hochgradigen ste¬
notischen Symptomen auf die laryngologische Klinik.
Da der Kehlkopf frei war und bestimmt das Eindringen
eines Knochens behauptet wurde, wurde die Trachea mit einem
elastischen Katheter durchfahren, worauf bedeutende Erleichte¬
rung eintrat. Einige Tage darauf starb der Patient an seiner
Pyaemie und man fand den Knochen in dem einen Bronchus.
Gewiss würde man das Geschwür nicht als Decubitus haben
erkennen können, wenn nicht die Anamnese und der Vorgefun¬
dene Knochen Aufschluss gegeben hätten. Wäre der Knochen
ausgeworfen worden und die Geschwüre verheilt, so hätte die
Tracheoscopie allein nicht die Narbe erklären können. So mag
es manchmal geschehen, wenn der fremde Körper unbewusst
eindrang und ausgehustet wurde, dass dann solche Narben, die
auch constringiren können, für luetische gelten.
Wohl am häufigsten mag aber ein Decubitusgeschwür durch
Ganülendruck entstehen, und seine wuchernden Ränder können
dann leicht Stenose bewirken und die Entfernung der Canüle
verhindern, obwohl Prof. Schrötter bei seinen Tracheotomien
noch nie dergleichen beobachtet hatte.
Eine eigenthümliche Ursache der Trachealstenosen können
Wucherungen der Schleimhaut abgeben, die in Folge der von
Störk sogenannten chron. Blenorrhoe oder hie und da durch
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Lepra bedingt entstehen. Schrötter zeigt eine solche Trachea
eines Leprösen aus Drontjem, an deren Schleimhaut man ein¬
zelne solche Knötchen bemerkt.
Variola, Diphtheritis und am häufigsten Lues können durch
Vernarbung der von ihnen gesetzten Substanzverluste ebenfalls
die Luftröhre verengern, wie auch ein Blick auf die von dem
Vortragenden demonstrirten syphilitischen Luftröhren lehrt.
Endlich die seltenste Ursache ist das Auftreten von selbst¬
ständigen Neubildungen der Trachea, die entweder als Papillom,
Sarcom oder Carcinom auftraten und auch schon vom Vortra¬
genden endotracheal entfernt wurden.
Was nun die Behandlung anbelangt, so versuchte man
zunächst durch lange Canülen, wie sie Trousseau zuerst an¬
gab, die Stenose unschädlich zu machen; doch muss man beim
Einführen derselben sehr vorsichtig sein, namentlich wenn es
sich um Aneurysmen handelt, und hat man elastische innere
Canülen behufs Wechsel und Reinhaltung construirt. Professor
Schrötter zeigte eine solche Doppelcanüle vor, wie sie Bi 11-
roth angegeben, während schon früher Köni g solche elastische
äussere Canülen angewendet hatte.
Als radicales Heilmittel dient die Exstirpation des Kropfes,
wobei es aber nicht selten zu Laesionen der Recurrentes kömmt,
und die endotrachealen Operationen und Dilatationen. Der Vor¬
tragende zeigt die Trachealröhren, den Traohealpinsel und Aetz-
mittelträger und erklärt ihre besondere Krümmung und Anwendung.
Schliesslich demonstrirte Prof Schrötter bei Magnesium¬
beleuchtung einen Kranken, dessen Trachea beiläufig in der Mitte
zwischen obern und mittlern Drittel durch eine schief von rechts
oben nach links unten gehende Membran bis auf ein für einen
Katheter 12 durchgängiges links und hinten liegendes Loch
abgeschlossen ist.
Der Kranke kam im Juli d. J. mit leichten stenotischen
Erscheinungen auf die Klinik, und man fand an der oben er¬
wähnten Stelle eine grosse Ulceration. Einreibungen mit ung.
ein. und innerlich Jodcalium brachten das Geschwür im ersten
Monate zur Heilung, aber durch die Narbenconstriction wurde
die Stenose hochgradig. Die Anfangs mit grosser Mühe einge¬
führten Katheter brachten allmählig die Erweiterung, wie sie
jetzt sichtbar ist, zu Stande. Prof. Schrötter beabsichtigt
durch Aetzung oder Galvanokaustik die Membran zu durch¬
bohren und so die Heilung zu beschleunigen.
Der zweite für diesen Abend noch auf das Programm gesetzte
Vortrag des Herrn Primararztes Dr. Englisch musste wegen vor¬
gerückter Abendstunde vertagt werden.
Section für öffentliche Gesundheitspflege.
Am 10. d. M. Abends 7 Uhr fand, wie angekündigt, die
constituirende Versammlung dieser Section im Sitzungssaale des
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Doctoren-Collegiums statt. In dieselbe haben sich bisher 50 *) Mit¬
glieder eingezeichnet. Die Herren DDr. Ministerialrath 8 chneider,
Prof. Hof mann und Spitalsdirector Böhm haben ihr Nicht¬
erscheinen schriftlich und Krankenhausdirector Josef Hoffmann
mündlich wegen dringender anderwärtiger Geschäfte entschuldigt.
Statthaltereirath von Karajan wurde noch vor Beginn der
Sitzung abberufen.
Vizepräsident Dr. P r e y s s begrüsste, als Stellvertreter des
von Wien abwesenden Präsidenten Dr. von Schmerling, die
Anwesenden, dankte für den zahlreichen Besuch und gab seiner
Freude darüber Ausdruck, dass die vom Doctoren-Collegium aus¬
gehende Initiative zur Bildung einer Section zur Förderung der
öffentlichen Gesundheitspflege allgemeine Anerkennung gefunden,
wofür die Zahl der Collegen, welche derselben beigetreten sind,
beredtes Zeugniss gibt.
Er bespricht mit wenig Worten die Wichtigkeit dieses
Zweiges der Heilkunde, berichtet, dass der Geschäftsrath ein
aus 5 Mitgliedern, den DDr. Schneller, v. Khautz, Hopf-
gartner, Löffler und Schiffmann bestehendes Comite mit
den Vorarbeiten betraut habe, welches sich vor allem die Auf¬
gabe gestellt, den Entwurf einer Geschäftsordnung auszuarbeiten
die in der heutigen Versammlung berathen und zur Annahme
empfohlen werden solle. Bevor aber dieses geschehen könne,
müsse die Section constituirt werden, daher er die Anwesenden
einlade, zunächst einen Obmann, dann dessen Stellvertreter und
zwei Schriftführer zu wählen, und zwar wie im Collegium
allgemein üblich, durch Abgabe von Stimmzetteln. Auf die
Frage, ob die ersten beiden Würdenträger auf einem Stimm¬
zettel verzeichnet werden oder ob bei jedem einzeln abgestimmt
werden solle, wird letzteres beschlossen und wurde Dr.
Schneller mit weit überwiegender Majorität zum Obmann
gewählt, zum Stellvertreter erhielt Herr Hofrath Dr. Sigmund
Ritter v. Ilanor drei Viertel aller abgegebenen Stimmen.
Nachdem dieser aber aus Gesundheitsrücksichten die Wahl
abgelehnt, und die anderen Namen nur vereinzelt aufgeschrieben
waren, wurde von einer Seite der Vorschlag gemacht, die
Sitzung zu unterbrechen, um sich über die Wahl dieses
Functionärs collegial besprechen zu können, worauf man
*) Beigetreten sind die Herren DDr. Min.-R. Franz Sohneider,
Hofrath Karl Sigmund Ritter v. Ilanor, die O.-S.-R. Prof. Ed. Hof mann,
D. Jos. Hoffmann und Josef Schneller, St.-R Ritter y. Karajan, die
Prof. Carl Böhm, Sp.-D. und Dräsche, Regierungs-Rath Karl Haller,
M.-R. Preyss, Hopfgartner, Reitter, v. Pernhoffer, v. Khautz,
Löffler, Sohiffmann, Adler Sigm, Adler H., Bisenz, Chiari Hans,
Ehrmann, Fieber Fr,, Fried, Gauster Fr., Gold Ad., Hein
Isidor, Kämmerer, Kapper, Kehl, Ko hn Em., Kraus B., La ohne r I. N.,
Langer Peter, Lewy, Mandelbaum, Mayer Aug, Markbreiter Josef,
Mükisch, Polak Jakob, Ritter v. Radda, Ritter v. Roswadowsky,
Roth, Schäfer M, Schwarz Isidor, Öpitzmüller, Tusohak, Unter-
holzner, Weiss Josef, Winternitz David und D. Zontides.
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277
schliesslich übereinkam diese Wahl bis zur nächsten Zusammen¬
kunft zu vertagen. Zu Schriftführern wurden die DDr. Kämmerer
und Heinrich Adler durch Acclamation gewählt, die auch beide
die Wahl annahmen.
Nachdem somit die Section constituirt war, übertrug
Dr. Preyss dem neugewählten Obmanne den Vorsitz. Dieser
besprach die Aufgaben der Section, wie ihr Zweck nicht der
sei, die Behörden mit Anträgen zu behelligen, sondern der,
hygienische Fragen im Wege der Discussion mit Ernst und Sach¬
kenntnis zu berathen und dadurch den competenten Kreisen
eine Richtschnur für zweckmässiges Handeln zu geben, und
begann dann als Referent den folgenden Entwurf der Geschäfts¬
ordnung vorzutragen und der Discussion zu empfehlen. Während
dessen übernahm Preyss, weil noch kein Obmannstellvertreter
gewählt war, nochmals den Vorsitz.
Entwurf einer Geschäftsordnung der Section für öffentliche
Gesundheitspflege.
1. Die Section besteht aus jenen Mitgliedern des Collegiums,
die ihren Beitritt beim Präsidium gemeldet haben.
Es steht ihr frei, sich durch andere innerhalb oder
ausserhalb des Collegiums befindliche Aerzte, dann durch Experte
wie z. B. Chemiker, Techniker, Ingenieure, Bau verständige, Ver¬
waltungsbeamte zu verstärken.
2. Die Section wählt alljährlich mit absoluter Stimmenmehr¬
heit ihrer Mitglieder den Obmann, Obmann-Stellvertreter, Schrift¬
führer und Schriftführer-Stellvertreter. .
3. Die Sitzungen finden in der Kanzlei des Collegiums und
zwar, mit Ausnahme der Monate Juli, August und September regel¬
mässig mindestens einmal im Monate statt.
Ausserdem können nach Bedarf oder Uebereinkommen noch
ausserordentliche Sitzungen abgehalten werden.
Die Einladung zu den Sitzungen geschieht mit jedesmaliger
Angabe des Verhandlungs-Gegenstandes nach Thunlichkeit durch die
Zeitschrift des Collegiums. Ausserhalb des Collegiums stehende Theil-
nehmer werden besonders eingeladen.
Jedes Mitglied des Collegiums ist berechtigt den Sitzungen der
Section beizuwohnen.
4. Zur Lösung bestimmter Aufgaben wählt die Section erfor¬
derlichenfalls Comites, denen gleichfalls Experte ausserhalb des
Kreises des Collegiums angehören können.
Für die Berichterstattung in der Section ernennt das Comite
den Referenten aus seiner Mitte.
5. In Bezug auf die Art der Verhandlung gelten die gewöhn¬
lichen parlamentarischen Regeln.
6. In rein hygienischen Fragen gilt die Abstimmung als der
Ausdruck der Anschauungen der Section, das heisst als Resolution.
Eigentliche Beschlüsse mit darauffolgender Ausführung oder mit
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278
einer. Wirksamkeit nach Aussen fassen die Mitglieder der Section
blos innerhalb der Wirkungssphäre des Collegiums. Ihre Durchführung
geschieht nur im Wege des Geschäftsrathes durch das Präsidium.
7. Die Publication der Verhandlungen geschieht durch die
„Mittheilungen“ des Collegiums, und bei Gegenständen von all¬
gemeinem Interesse, wenn es als zweckmässig erachtet wird, auch
durch andere öffentliche Blätter oder sonst in geeigneter Weise.
Die Debatte über diesen Geschäftsordnungsentwurf bewegte
sich vorzüglich um die von Dr. Kapper aufgeworfene Frage
nach der Stellung der Section zum Geschäftsrathe des Doctoren-
Collegiums.
Dr. Hopfgartner bemerkt, dass die Section in demselben
Verhältnisse zum Geschäftsrathe stehe, wie der wissenschaftliche
Ausschuss. Der Geschäftsrath habe nur insoferne einzu¬
treten, als die Thätigkeit der Section mit Geldauslagen ver¬
bunden sein sollte, z. B. für Druckkosten u. s. w. Uebrigens
sei in Bezug auf die Gründung der Section das Vereinsgesetz
zu Rathe zu ziehen.
Dr. Löffler theilt das letztere Bedenken nicht, das
Collegium habe statutenmässig das Recht, Sectionen zu bilden
und Sachverständige einzuberufen. Es solle nur der Zusammen¬
hang zwischen Section und Collegium ausgesprochen sein, dem
Geschäftsrathe werde es nie einfallen, die von der Section
gefassten Resolutionen neuerdings durchzuberathen.
Dr. Kraus beantragt die en-bloc-Annahme des Ent¬
wurfes, und bemerkt, dass es sich vielleicht empfehlen würde,
um allen Eventualitäten zu entgehen, einen die Bildung von
Sectionen betreffenden Paragraphen in die Statuten des Colle¬
giums aufzunehmen.
Dr. Kapper besorgt, dass die Section in einem unter¬
geordneten Verhältnisse zum Geschäftsrathe zu stehen käme,
denn letzterer hätte zu prüfen, ob es zweckmässig sei, die von
der Section beanspruchten Auslagen zu bewilligen.
Der Referent fürchtet keine Collision mit dem Vereins¬
gesetze. — Das Collegium habe das Recht, Sectionen zu bilden.
Im Entwürfe sei nur der Zusammenhang mit dem Collegium
betont. In Bezug auf das Meritorische der Arbeiten sei die
Section ganz unabhängig und hierauf könne der Geschäftsrath
keinen Einfluss üben; es stehe ja jedem Mitgliede frei, der
Section beizutreten, dort möge es sein Votum abgeben. Nach
dem Entwürfe z. B. fasse die Section in hygienischen Fragen
ja keine Beschlüsse, sondern nur Resolutionen. Sollen jedoch
Schritte bei den Behörden geschehen oder Geldauslagen noth-
wendig werden, so gehöre dies allerdings vor den Geschäftsrath.
Dr. Kapper hält es für angezeigt, dass die Section sich
vorerst mit dem Geschäftsrathe über die gegenseitigen Be¬
ziehungen in’8 Einvernehmen setze.
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Prof. Dräsche begrüsst die Bildung einer Section für
Hygiene auf’s herzlichste, und zweifelt nicht an dem Gedeihen
des Unternehmens.
Dr. Reitter weist an der Hand der Statuten (§ 2, b,
§ 15, al. 5, und § 16, al. 5 und 7) nach, dass die Bildung von
Sectionen vorgesehen und die Zuziehung von Sachverständigen
vollkommen zulässig sei.
Der Geschäftsordnungsentwurf wird hierauf en bloc an¬
genommen und der neugewählte Obmann übernimmt nun wieder
den Yorsitz.
Prof. Dräsche demonstrirt hierauf eine von ihm ent¬
worfene sehr schön ausgeführte Karte über die Entste¬
hung, den Verlauf und die Ausbreitung der Pest in
Asien und Afrika seit dem Jahre 1858. Aus seinen
Studien geht hervor, dass die Nachrichten über die angebliche
Pest in Assyr (Arabien) im Vorjahre unbegründet gewesen seien.
Es habe sich damals um eine andere Krankheit gehandelt, die
mit der Pest verwechselt worden sei.
Dr. Kraus beantragt die Niedersetzung eines Comites,
dessen Aufgabe es sei, die Vorarbeiten für jede Versammlung
auszuführen; dasselbe hätte die jeweiligen Tagesfragen in Er¬
wägung zu ziehen und die Vorlagen für die Section vorzu¬
bereiten.
Prof. Dräsche unterstützt diesen Antrag; namentlich
sei die Frage der Verbreitung des Typhus dann auch der
Tuberculose durch Genuss der Milch von an Perlsucht erkrankten
Kühen sehr acut.
Dr. Bisenz ist dafür, dass die Fragen, welche die
Sanitätsverhältnisse Wiens betreffen, zunächst in Berathung
gezogen werden.
Dr. Spitzmüller hält ein ständiges Comite für über¬
flüssig; die Discussionen sollen möglichst zwanglos sein, aus
denjenigen, die sich an der Discussion betheiligen, könnte dann
für jeden speciellen Fall ein Comite gebildet werden.
Dr. Polak unterstützt den Vorredner; wenn das Thema
14 Tage vor Abhaltung der Discussion angekündigt werde, so
genüge diess vollkommen.
Der Vorsitzende Dr. Schneller glaubt, die Behandlung
von Tagesfragen werde sich von selbst ergeben, besonders in
dem engeren Kreise der Section, und theilt mit, dass bereits
Dr. v. Khautz einen Vortrag über Canalisation, Dr. Haller
über Ozon angemeldet haben.
Dr. Hein. Wenn sich die Nothwendigkeit, ein Comite
niederzusetzen, heraussteilen wird, so kann dies später immer
noch geschehen.
Dr. Löf fl er. Die Section soll sich weniger mit theoretisch-
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280
wissenschaftlichen, sondern vielmehr mit actuellen Fragen
befassen. An Stoff werde es nicht fehlen.
Dr. Kapper warnt davor, grosse Fragen in Angriff zu
nehmen; z. B. die Canalisation in Wien; über dieselbe sei schon
so viel geschrieben und gesprochen worden, ohne dass es einen
Erfolg gehabt hatte. Man soll sich lieber mit kleineren Fragen
beschäftigen.
Dr„ Polak tritt dem Vorredner entgegen; die erwähnte
Frage sei allerdings nicht abgeschlossen, sie werde es auch
niemals seih, und man müsse sich daher begnügen, sie gefördert
zu sehen.
Dr. S p itz m ü 11 e r. Es wäre am einfachsten, die Vorträge
in der Reihenfolge ihrer Anmeldung abhalten zu lassen.
Dr. Kraus zieht seinen Antrag zurück.
Es wird hierauf beschlossen, dass die Sectionssitzungen
regelmässig am ersten Mittwoch einesjeden Monats
stattfinden sollen.
Aus dem Unterstützungs-Institute.
In der Sitzung des Ausschusses, welche am 15. October
unter dem Vorsitze des Vice Präsidenten Dr. Hopfgartner
in Anwesenheit des Secretärs Dr. Reitter, sowie der Aus¬
schussmitglieder, der DDr. Gerstel, A. Grube r, O.-S.-R.
Nusser, Popper, M.-R. Preyss, Scheff und Wollner
stattfand, berichtet der Vorsitzende, dass der in der vorigen
Sitzung mit einer Aushilfe bedachte Dr. J. S. aus der Provinz
seinen Dank ausspricht, ferner dass ein mehrjähriger Pensionär des
Institutes und der Prof. Dr. Carl von Patruban, welch’ Letzterer
dem Institute als Gründer angehörte, gestorben seien. Diese
Mittheilungen wurden zur Kenntniss genommen und die An¬
wesenden ehrten das Andenken der Verstorbenen durch Erheben
von ihren Sitzen. —Weiter theilt der Vorsitzende mit, dass Herr
Regierungsrath Dr. v. Vivenot anlässlich .der ihm zn seinem
Doctor-Jubiläum gewidmeten Adresse eine Silber-Renten-Obli-
gation im Betrage von 100 fl. und M. R. Dr. Preyss anläss¬
lich der ihm am Tage seines vollendeten 70. Lebensjahres dar-
gebrachten Ovation eine Noten-Renten-Obligation von 100 fl.
dem Unterstützungs-Institute gespendet haben. Beiden Spendern
wird der Dank des Institutes ausgesprochen und die Ausferti¬
gung des üblichen Dankschreibens beschlossen.
Hierauf beantragt Herr Secretär die Aufnahme nachbe¬
nannter Herren Collegen in das Institut, nachdem dieselben
schriftlich darum angesucht und den Aufnahmsbedingungen ent¬
sprochen haben: a) Dr.Heinrich Kink aus Graz, dessen Gesund
heit und Erwerbsfähigkeit von zwei Grazer Aerzten, den DDr.
Ninaus und Steiner durch legalisirte Unterschriften bestätiget
ist, b) Dr. Vincenz L ä u f e r in Wien (mit Gesundheitszeugnissen
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der Professoren DDr. Stork und Chrobak), c) Dr. Victor K1 e s s
in Wien, dessen Gesundheit und Erwerbsfähigkeit die DDr.
Wimmer und Stenzl bestätigen. — Alle drei wurden einhellig
aufgenommen.
Unterstützungen wurden bewilligt: a) der Witwe des am
28. Sept. 1. J. in einem ungarischen Städtchen verstorbenen Mit¬
gliedes Dr. Sp., deren Witwenstand und Armuth durch obrig¬
keitliche Documente nachgewiesen wurden (gestützt auf §. 9 der
Statuten) 300 fl., b ) dem seit mehreren Jahren quartaliter unter¬
stützten Dr. F. abermals 75 fl., c) dem durch Monate schwer
erkrankt gewesenen Mitgliede Dr. V. F. in Wien 300 fl.
Auf das von Dr. A. Gr über vorgetragene Ansuchen eines
Pensionärs, diesem die dauernd zuerkannte Aushilfe mit monat¬
lich 25 fl., statt in halbjährigen Raten per 150 fl. auszubezahlen,
wird — weil gegen §. 8 al. 2 der Statuten — nicht eingegangen.
Anfangs dieses Monats übersendete Herr Dr. J. NT. Schück in
St. Veit nebst einer freundlichen Zuschrift, in der er die erspriess-
liche Wirksamkeit des Institutes voll anerkennt, eine Notenrenten-
Obligation von 100 fl. als Spende für den Stammfonds, was wir, da
wohl nicht sobald wieder eine Ausschusssitzung stattfinden dürfte,
hiermit vorläufig zur Kenntniss bringen.
Literarische Anzeigen.
Statistik des Sanitäts wesens der im Reichs rathe vert retenen
Königreiche und Länder nach den für das Jahr 1876 vor¬
gelegten Berichten, bearbeitet von A. Killiohes. Heraus¬
gegeben von der k. k. statistischen Central-Commission.
Wien, aus der k. k. Hof- und Staatsdruckerei. 1880. Kl. Fol. S. XXXV
und 203 S. Tabellen.
In dieser vor wenigen Monaten erschienenen Statistik sind zum ersten
Male auch die auf Dalmatien bezüglichen Daten veröffentlicht, welche in den
früheren Jahrgängen (1873—1875) unberücksichtigt bleiben mussten, weil
manche Schwierigkeiten, die sich der Erlangung verlässlicher Daten aus
diesem Kronlande entgegenstellten, erst nach längerer Zeit behoben werden
konnten. Der tabellarischen Darstellung nach den einzelnen Kronländern geht
ein einleitender Bericht voraus, in welohem die, das Sanitätswesen betreffenden
statistischen Angaben für ganz Cisleithanien summarisch zusammengestellt sind.
Er beginnt mit der Zahl der im Jahre 1876 bestandenen Krankenhäuser,
deren Bettenzahl und der Zahl der im Laufe des Jahres darin behandelten
Kranken sowohl an und für sich als im Verhältniss zur Bevölkerung. Ein¬
zelne Krankheiten wie Syphilis, Tuberoulose u. a. m. werden eingehend
berücksichtigt und ihr Verhältniss zur Qesammtzahl der Krankheiten in Per-
centen nachgewiesen und zwar nicht nur summarisch, sondern auch in den
einzelnen Ländergebieten — und da finden wir enorme Differenzen , die zum
tiefsten Nachdenken darüber auffordern. So ist das Verhältniss der an Syphilis
Behandelten zu den Gesammtkrankenstande in allen Kronländern nur 8*79
Peroent, während es in der Bukowina 23*42 Percenfc, in Tirol dagegen nur
1*75 beträgt. Aehnlioh verhält es sich auoh mit den Tuberculosen, deren in
sämmtlichen Spitälern zusammen 6-13 Percent des Gesammtkrankenstandes
behandelt wurden, und zu denen das wegen seines Klima’s gepriesene Görz
und Gradi8ca 11*90 Percent lieferte, während in dem rauhen Salzburg nur
1*73 Vorkommen. Niederösterreich mit Wien überschritt bei ersteren das
Durohschnittspercent nur um einige Hundertstel (9*32) und ist auch in Bezug auf
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letztere (8*08) nicht so gefährlich, als es verschrieen. Weiter werden in
gleicher Weise die Irren-, Gebär- und Findelanstalten, die Findlinge, Taub¬
stummen-, Blinden- und Impf-Institute, Curorte und die Cretinen behandelt.
Zum Schlüsse wird noch anf jene Taubstumme und Cretinen hingewiesen,
welche in Taubstummen-Instituten und Yersorgungshäusern nicht untergebraoht
waren und von den Gemeinden erhalten werden. Es sind deren 19.508!
Dem Sanitätspersonale ist ein bssonderer Abschnitt gewidmet, woraus za
ersehen ist, dass im Jahre 1876 in dieser Reichshälfte 4384 Med. Doctoren
und 8179 Wundärzte ärzfcliohe Praxis ausübten, und dass im letzen Decennium
(1867—1876) Erstere sich um 30 Percent vermehrten, während Letztere um
11*6 Percent abnahmen, die Gesammtzabl beider Categorien zusammen aber dooh
wuchs. Ihre Zahl war im Yerhältniss zu den Einwohnern im Allgemeinen um 6U
wohl genügend, aber auf die einzelnen Ländergebiete vertheilt, ergibt sich,
dass manche derselben wirklioh Noth an Aerzten haben, während diese in
anderen Gebieten überwuchern Um sich davon zu überzeugen, braucht mau
nur einige Extreme neben einander zu betrachten.. So z. B. haben in Triest
und seinem Gebiete mit 0 8 Quadratkilometer Flächenraum je 1256 Einwuhner
einen Med. Doctor, dagegen müssen sich in Galizien mit einer Ausdehnung
von 98*4 Quadratkilometer 12,015 Bewohner mit einem Doctor begnügen.
Die folgenden Abschnitte geben höchst interessante Details über die
verschiedenen Todesarten, Einderbewahranstalten und Kindergärten, Versor-
gungsanstalten und Armeninstitute, aus weloh letzteren wir erfahren, dass von
einer Bevölkerung von etwas über 20 Millionen während des in Rede stehenden
Jahres 172,409 Arme mit einer Summe von nahezu 3 Millionen Gulden vom
Staate unterstützt werden mussten.
In einem Anhänge ist der Stand der Irrsinnigen naohgewiesen, die
ausser den Irrenanstalten in den Gemeinden leben. Es sind deren 14,850, so
dass auf je 100.000 Einwohner 73 Irrsinnige kommen, von denen etwas mehr
als die Hälfte an Blödsinn litten.
In derselben Anordnung wie in der Einleitung werden in den Tabellen
die Ergebnisse der Statistik der einzelnen Gebiete der Länder und Gemeinden
auf das genaueste zusammengestellt und diese Zusammenstellungen für je ein
Kronland summarisch recapitulirt Die Tabellen beginnen mit der Aufzählung
der Krankenanstalten und der in jeder derselben behandelten Krankenzahl
(Tab. 1—23), der eine Uebersicht der häufigsten und wichtigsten Krankheits¬
formen, der aus der Behandlung in Abgang gekommenen Individuen in jedem
einzelnen Spitale nebst einer summarischen Reoapitulation, nach je einem
Kronlande (Tab 24—41) folgt. Aus diesen Andeutungen allein und mit Berück¬
sichtigung des Raumes, den diese Ziffern in Anspruch nehmen, kann man auf
die Sorgfalt sohliessen, mit der diese Zusammenstellungen gemacht wurden.
In gleicher Weise wird auch mit den übrigen in der Einleitung im allgemeinen
besprochenen Institute vosgegangen. Yon besonderem Interesse dürfte die Yerthei-
lung des Sanitätspersonales nioht nur in den einzelnen Ländergebieten, sondern
auch in den politischen Bezirken derseben sein. Aerzte und Wundärzte
erscheinen da vollkommen getrennt, diese sind beide wieder je naoh ihren
Graden besonders aufgezählt, und in angestellte und nioht angestellte geschieden.
Yon der Gesammtzahl der in Cisleithanien praktioirenden 4384 Med.-Doct.
sind mehr als die Hälfte theils vom Staate, dem Lande, Bezirken, Gemeinden,
Körperschaften oder Privaten angestellt, so dass nur 2102 allein auf ihre Praxis
angewiesen sind, von denen sioh in Niederösterreich (mit Wien) 826 befinden,
also fast noch einmal soviel als in Böhmen (mit Prag), wo deren nur 431 sind.
Die meisten angestellten Doctoren 232 von 352 der Gesammtzahl hat Tirol,
was leioht erklärlich, weil dort das Institut der Gemeindeärzte bereits durch¬
geführt ist, während in den übrigen Ländergebieten nur an vereinzelten Orten
solche existiren.
Je mehr man sioh in das Studium dieser Statistik vertieft, um so an¬
ziehender wird es, denn es deokt viele Uebelstände auf, denen man bei einiger-
müssen gutem Willen leioht abhelfen könnte. Bewundernswert!! ist derFleiss,
die Mühe und Sorgfalt, die auf diese Statistik verwendet wurden, und es
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gereicht der Staatsdruckerei zur Ehre, ein so mühevolles Werk auch in
würdigster Weise ausgeätattet zu haben. Pr.
Im Verlage der Manz’schen k. k. Hof- und Universitätsbuohhandlung
ist vor Kurzem der 20 Band der Taschenausgabe der österreichischen Gesetze
(Duodez, S. 375) erschienen. Derselbe enthält: Die Gesetze zur Abwehr
und Tilgung ansteckender Thierkrankheiten und der Binder¬
pest; das Desinfeotionsgesetz für Eisenbahnen und Schiffe
und die Vollzugs Vorschriften zu diesen Gesetzen. Daran reiht
sich eine eingehende Darstellung aller in diesen Gesetzen ent¬
haltenen Thierseuchen für Commissions- und Staatsprüfung»-
zwecke von Dr. J. Lechner, k. k. Professor am Thierarznei-Institute.
Der Verfasser, der während seiner früheren thierärztlchen Thätigkeit
im k. k. Heere, in der Militärgestütsbranche und insbesondere als Landes-
Thierarzt in Salzburg in Thierseuchen-Angelegenheiten zu interveniren
hatte, ist wohl am meisten berufen, innerhalb des Kähmens dieser Gesetze
und auf wissenschaftlicher Basis, einerseits den Thierärzten für die Zwecke der
Commissionirung bei Thierseuchen einen umfassenden Behelf, andererseits den
Aerzten, welohe sich der Staatsprüfung für den Öffentlichen Sanitätsdienst zu
unterziehen haben, ein geschlossenes Ganzes zu § 9, Punkt 5 der Ministerial-
Yerordnung über dieses Staatsexamen, zu bieten. Doch nicht nur für diese
allein ist dieses Buch von Werth, sondern es wird auch die eingehende Dar¬
stellung der in den Gesetzen enthaltenen Thierseuchen auoh als unentbehr¬
liches Vademeoum für Landwirthe und Pferdebesitzer von grossem Nutzen
sein, denn es behandelt die Aetiologie, Verbreitungsweise, Tenazität des Virus,
Inoubationsdauer, Symptome, Verlauf und Ausgang, Diagnose, Prognose,
Prophylaxis und Therapie aller dieser ihnen so naohtheiligen Seuchen, durch
die nioht selten grosse Vermögen erschüttert, kleine ganz zu Grunde gerichtet
werden. Gleichzeitig ist bei jeder derselben betreffs der Uebertragung auf die
Menschen das nöthige angeführt. In einem Anhang ist überdies die vom
Ministerium angeordnete Belehrung (vom 26. Mai 1864, R.-G.-B. N. 132)
über die nöthigen Vorsichtsmassregeln und Mittel, um den Ausbruch der
Wuth bei Thieren und der Wasserscheu bei Menschen zu verhüten; eine
populäre Belehrung über die Rinderpest und das Verhalten gegen dieselbe
sowie sohliesslioh das Gesetz über die Rinderpest für die Länder der ungari¬
schen Krone (XX. Gesetzartikel von 1874) aufgenommen. Der Inhalt dieses
Werkes ist somit ein reicher, die Anlage desselben eine leicht übersichtliche,
der Druck oorrect und die Ausstattung sehr anständig. Pr.
Notizen.
Das künftige Stadtphysikat. Die Sanitätsseotion des Gemeinderathes
hat in ihrer vorwöchentlichen Sitzung über Antrag des Referenten Dr. Kerneoker
in Betreff der zukünftigen Gestaltung des Stadtphisikates folgende Beschlüsse
gefasst: 1) Die durch O.-S.-R. Dr. N u ss e r’s Pensionirung erledigte Steile sei nicht
mehr zu besetzen. 2) Die Sanitätspflege solle in Hinkunft nur mehr von
einem Stadtphysikus geleitet werden, der an der Spitze der communalen
Sanitätsorgane zu stehen habe. 3) Stadtphysikus Dr. Innhauser habe diese
Stelle provisorisch zu versehen, die Agenden des Dr. Nuss er zu übernehmen
und dieselben mit der bestehenden Instruction für die Stadtphysiker zur
Durchführung zu bringen. 4) Der Herr Bürgermeister sei zu ersuohen, im
Bedarfsfälle eine Hilfskraft aus dem Stande der städtischen Aerzte dem Stadt¬
physikus zur Verfügung zu stellen, jedooli wäre darauf Rücksicht zu nehmen,
dass der betreffende Arzt die Physikatsprüfung abgelegt habe. 5) Der Magistrat
sei mit der Durchführung dieser Beschlüsse zu beauftragen und habe Bericht
zu erstatten, wie und auf welche Weise und unter welchen Cautelen die An¬
stellung des zukünftigen Stadtphysikus zu gescheheu hätt \
Die zur Regelung des Local-Sanitätsdienstes eingesetzte Commission
hat am 8. d. M. unter dem Vorsitze des Vicepräsidenten der k. k. Statthalterei,
Ritter v. Kutsohera, ihre erste Berathung gepflogen. Nach kurzer Debatte
wurde beschlossen, ein Suboomitö zu wählen, welohes einen Entwurf für
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diese wichtige Angelegenheit yorzulegen hat. In dieses Comitö wurden gewählt
die Herren: Stattbaltereiräthe Ritter v. Krticzka und Ritter v. Karajan,
Regierungsrath Hyrtl, die Gemeinderäthe Dr. Lueger und Dr. Kerneoker,
Magistratsrath Lekiseh, SanitÜtsrath Dr. Inn haus er und Armenarzt Dr.
Kienast. Als zweiter Gegenstand kam die nothwendige Regelung der Be¬
züge der ArmenSrzte auf die Tagesordnung. Als künftige Besoldungsnorm
wurden die Betrüge von 600 fl. bis 1200 fl. bestimmt; es sind jedooh die
hiezu berufenen Behörden: das Ministerium des Innern, die Statthalterei, der
Gemeinderath namens des Versorgungsfonds bezüglich der Beitragsleistung ins
Einvernehmen zu setzen und hat das Subcomitö in Betreff der Eintheilung
der bestehenden Armenärzte in die Gehaltsstufen nach einem Termine von
längstens 14 Tagen Berioht zu erstatten, damit die Armenärzte sofort in den
Genuss ihrer erhöhten Bezüge treten können.
Auszeichnungen. Der Hof- und Gardearzt, Stabsarzt Dr. Johann von
L&nyi wurde von Sr. Majestät dem Kaiser zum Leibohirurgen ernannt. —
Der Director der Privatheilanstalt im Dianabade in Wien, Dr. Anton Loew,
erhielt die Decoration des kaiserl. russischen rothen Kreuzes.
Pensionirungen Dr. Theodor Juri6, seit 42 Jahren Primararzt im
städtischen Versorgungshause und Präses der Witwen- und Waisen Societät
d. Wr. med. Doct.-Coll., ist um seine Pensionirung als Primararzt eingekommen.
Ebenso hat auch Stadtphysicus Dr. Innhauser, der aus Gesundheitsrück¬
sichten unter keiner Bedingung mehr auf seinem Posten ausharren will, definitiv
um seine Pensionirung angesucht.
Wohnungs-Veränderungen. Prof. Dr. Moriz Kaposi wohnt jetzt IX.
Alserstrasse 28. (Ordinirt 1—3). — Primararzt Dr A. Ritter v.Hüttenbrenner
I. Rauhensteingasse 1. — Dr. Bernhard Kraus, Redacteur d. Allgemeinen
Wr. med. Zeitung, I. Wollzeile 3 — Dr. Hermann Braun I. Elisabethstrasse 12.
(Ordinirt 3—4.) — Dr. Josef Weiss I. Wipplingerstrasse 20. — Dr. Nioolans
Schmidt, IV. Carolinengasse 18. — Dr. Theodor Juri4 I. Bellariastrasse6. —
Dr. Ign. Mühlrad I. Franz Josefs-Quai 25. — Dr. Josef Maohold III. Hanpt-
stra88e33. — Dr. Lorenz Huber übersiedelt als Bahnspitalsarzt nach Klosterle
in Vorarlberg.
Sterbefall. Dieses Blatt war schon unter der Presse,
als wir die betrübende Nachricht erhielten, dass Professor
Dr. v. Dum reicher am 16. d. auf seinem Oute Janusehowetz
in Croatien gestorben ist. _
Section für- öffentliche Gesundheitspflege.
Sitzung, Mittwoch den 1. Deoember 1880, 7 Uhr
Abends in der Kanzlei des Collegiums.
Programm:
1. Wahl des Obmannstellvertreters.
2. Die Canalisationsfrage Wiens, von Herrn Dr. A. Khautz von Eulenthal.
_ Dr. Schneller , Obmann. ,
Einladung
zu der am Montag den 22. November, Abends 7 Uhr. im Sitzungssaale
des akademischen Senates (vormals Consistorialsaal), I., Sonnenfelsgas9e 23,
stattfindenden
Wissenschaftlichen Versammlung.
Programm:
1. Vorstellung von Kranken.
2. Ueber Einklemmungs-Erscheinungen bei Entzündung leerer Bruchsäcke. Vor¬
trag vom Primararzt und Docenten Herrn Dr. Josef Englisch.
3. Geber eine seltene Form von Communication der Herzventrikel. Vortrag vom
Docenten und Prosector Herrn Dr. Hans Chiari.
4. Demonstration eines Dracunculus medinensis von Herrn Pr.
Demetrius Z o n t i d e 8.
Dr. Brey 89 , Vice-Präsident. Dr. Karl Reitter , Secretär.
Herausgeber und Verleger : Wiener medioin. Doot.-CJoll. — Verantwortlicher Redaoteur.
l)r. Xi. Hopfgartner. — DeaeUaohafts-Buohdruokerei, Wien, 111. Erdbergerstraaaa 8.
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VI. Bd. Ausgegeben am 2. December 1880. JVr. SO
[TTHEILÜNGEN
des
ffienflr gijjtjjjjglji DoctoNjhGjHBflmas.
Braoheiot jeden «weiten Donnerstag ein halber bis ein ganser Bogen and darüber, an
10 Bogen im Jahre. — Gansjähriges Abonnement für Niohtmitglieder des Collegiums im In¬
land« 8 fl., naph dem Aaslande 6 Mrk. — Binseine Nummern 26 kr. == 60 Pfg. - Inserate
16 kr. = 30 Pfg. für die durchlaufende Petit-Zeile.
Man pränumerirt in der Medicin. Buchhandlung Toeplits de Denticke
(vormals Karl Ciermak), Wien, I., Schottengasse 6.
Zuckriftea und Zusendungen an die Eedaetion: Wien, Kanilei des Wiener med*
Doet.-Coll. and der Witwen- nnd Waisen-SeeietSt, ftothenthnrmstrasse 23.
Inhalt: Wissenschaftl. Versammlung am 22. November: Vortrag des Herrn Primararztes und
Docenten Dr. Englisch über Einklemmungs-Erscheinungen bei Entzündung leerer Bruch-
sloke. Dr. Zondites : Demonstration eines Falles von Filaria medinensis. — Aus dem Geschäfts-
rsthe. — Prof. Dr. Johann v. Dumreicher. f — Notizen. — Einladung. — Promemoria.
Wissenschaftliche Versammlung am 22. November.
Vortrag des Herrn Primararztes und Dooenten Dr. Englisch.
Ueber Einklemmungs-Erscheinungen bei Entzündung leerer
Bruchsäcke.
Der Vortragende hat theils aus der Literatur, theils aus eigener
Erfahrung 40 Fälle von Entzündung leerer Bruchsäcke zusammen¬
gestellt, in deren 30 die Hemiotomie gemacht wurde u. zw.
„wegen Andauer der Incarcerations-Erscheinungen“. Der eigenen
Erfahrung entnahm er 6 Fälle, 4 Weiber und 2 Männer; bei
erßteren betraf es durchaus Cruralhernien, von den Männern
einmal eine Leistenhernie und einmal eine Hernie nahe der
Linea alba, oberhalb des Leistenkanals. Von den Weibern wurden
2 operirt, von den Männern ward der eine von seinem Bruche
durch Excision des Bruchsackes radieal befreit, der andere nicht
operirt.
E. entwickelt nun die verschiedenen Formen von Bruchsäcken,
wie man sie bei vollkommener oder unvollkommener Obliteration
an der Bruchpforte beobachtete, das Bestehen zweier Bruchsäcke
neben oder in einander, das Erliegen eines Testikels im Leisten¬
kanal unter Bildung einer Vorstülpung des Peritoneums u. s. w.,
und macht hiebei auf die jedesmaligen Vorkommnisse bei einer
etwaigen Operation aufmerksam.
Kommt es infolge eines Reizes, zumeist eines Trauma, zur
Entzündung der vorgelagerten Partie des Bauchfelles, so treten,
wenn auch der Bruchsack vom Darm oder Netz frei ist, fast
alle Erscheinungen einer Incarceration ein. Es stellt sich vorerst —
zumeist plötzlich — einheftiger Schmerz an der Geschwulst
ein, die rasch an Volumen zunimmt und prall gespannt ist.
^Nurin wenigen Fällen dieser Art vergrösserte sich die Geschwulst
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allmälig und langsam; zumeist sagen die Kranken aus, dass die
Vergrösserung rasch vor sich gegangen sei.
Als differentialdiagnostisches Moment bezüglich der Aus¬
breitung dieses Schmerzes gibt nun der Vortragende an, dass
bei einer wahren Incarceration die grösste Intensität des Schmerzes
in die Gegend der Bruchpforte verlegt werde, und dass sich
der Schmerz sodann nach aufwärts gegen die Bauchhöhle fort¬
setze, während bei einer Entzündung des leeren Bruchsackes
sich die Empfindlichkeit und der Schmerz auf das vorgelagerte
Peritoneum sehr rasch ausbreite, dort anhalte und an der Bruch-
pforte sogar weniger intensiv sei; — doch ist dieses Kennzeichen,
wiewohl als solches höchst beachtenswert!^ weder für alle Fälle
noch bei längerem Bestände der Entzündung überhaupt zutreffend.
Entscheidender ist schon der Zustand der die Geschwulst be¬
deckenden Haut. Wenn keine gröberen Repositionsversuche
gemacht wurden, so erscheint die Haut über einer incarcerirten
Hernie unverändert, leicht verschiebbar und dies sogar bei tage¬
langem Bestände der Einklemmung; bei entzündetem Bruchsacke
jedoch tritt bald eine entzündliche Infiltration des Unterhaut¬
zellgewebes ein, die Haut erscheint schon nach 10 Stunden
geröthet, nach 24—48 Stunden an die Unterlage adhärirend,
nicht verschiebbar.
Das Erbrechen ist selten charakteristisch. Es soll bei
der Entzündung leerer Brucksäcke bald völlig aufhören; doch
kamen auch gegenteilige Beobachtungen vor, sogar Fälle, in
denen es sich auch hier stetig steigerte. Dasselbe gilt von der
Stuhl verhal tung. Wiewohl in diesen Fällen die Wegsamkeit
des Darmes mechanisch gar nicht gestört ist, so sind auch
welche verzeichnet, in denen trotz wiederholter Application voa
Klistiren und durch den Mund eingenommener Abführmittel keine
Stuhlentleerung erfolgte, ja sogar nicht einmal Gase abgingen.
Die Beschaffenheit der Geschwulst selbst, der Grad
ihrer Spannung, die Fluctuation, ihr Durchscheinen geben
gleichfalls kein unterscheidendes Merkmal ab. Wohl solle man
es nicht unterlassen, das Durchscheinen des Sackes zu prüfen
(Netz oder Darm geben die dunklen Partien des Bruchsackes
ab), doch solle man nicht darauf bauen, da der wassergefüllte
Darm auch durchscheinend sei, aber die incarcerirten Theile
treten nie so tief herab u. s. w.
Weiters gilt als unterscheidendes Merkmal der Umstand,
dass bei einem entzündeten leeren Bruchsacke, bei offener
Communication, die Geschwulst verkleinerbar sei, so dass
endlich die Gesammtflüssigkeit in den Bauchraum trete; doch
hat der Vortragende in seinen Fällen dies nicht vermocht, trotz
dem, dass die Bruchpforte offen war. Es findet entweder an der
Bruchpforte eine rasche Verklebung statt, oder was wahrschein¬
licher ist, es entsteht daselbst durch Dehnung des Sackes zur
Kugelform eine Art Klappe (Roser), wodurch die Bauchhöhle
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verschlossen wird. Entfernt man einen Theil der angesammelten
Flüssigkeit durch Punction, so gelingt es zuweilen, den Rest
zurückzudrängen, resp. sogar ein vorgefallenes Darmstuck zu
reponiren, was für die Richtigkeit der Roser’schen Klappen-
Theorie spricht.
Schliesslich wären noch die Tempera turmessungen
zu erwähnen, die gerade hier einen gewissen Anhaltspunkt zur
Differential-Diagnose von eingeklemmten Brüchen geben; bei
letzteren steigt die T. spät, oft erst am 3. oder selbst erst am
5. Tage; bei entzündeten Bruchsäcken sehr früh, um so früher,
je mehr subperitoneales Bindegewebe mitergriffen ist.
Die weitaus grösste Zahl der entzündeten Bruchsäcke
betrifft das weibliche Geschlecht (27 : 12 der Fälle E.'s), was
darauf zurückzuführen ist, dass bei Weibern die Curalhernien
häufiger Vorkommen und dass bei solchen Brüchen wieder die
Entzündungs - Symptome häufiger in die Erscheinung treten
als bei Leistenbrüchen.
Kein einziges Symptom hat sich demnach als solches er¬
wiesen, welches für sich allein in allen Fällen die Diagnose
sichern könnte. Einzelne Merkmale bringen uns der richtigen
Diagnose näher und erst deren Zusammentreffen gestattet eine
solche bis zu einer gewissen Sicherheit: die Geschwulst soll
allmälig an Grösse zunehmen, von bald eintretenden Entzündungs
erscheinungen der Haut und des Unterhautzellgewebes begleitet
sein; die Schmerzhaftigkeit sei am vorliegenden Theile am
intensivsten, oder steigere sich an diesem rascher als nach ein¬
wärts hin; sie soll vollständig durchscheinend und verkleinerbar
sein und dabei soll die Entleerung des Stuhles, resp. der Gase
unbehindert vor sich gehen. Bezüglich des letzterwähnten Punktes
macht Dr. Englisch noch darauf aufmerksam, dass man mit dem
Irrigator keine Luft in den Darm einpumpe, um nicht durch ihr
Wiederabgehen irregeführt zu werden. Irrthümer in der Diagnose,
die hier den grössten Chirurgen passirten, werden sich wohl
auch ferner ereignen: wünschenswert bleibe es jedoch, die
Diagnose in jenen Fällen richtig zu stellen, in denen dies
möglich war.
* *
*
Nach diesem mit allseitigem Beifall aufgenommenen Vor¬
träge demonstrirte Herr Dr. Demeter Zontides einen Fall
von Dracunculus oder Filaria medinensis, welcher in Wien seines
Wissens nur zweimal vorgekommen sein dürfte; der erste Fall kam
auf der Klinik des Hofraths Prof. Dumreicher ungefähr vor zwei
Jahren vor und soll nicht publicirt worden sein. Der zweite
Fall ist der gegenwärtige. Er betraf einen jungen Kaufmann
von 23 Jahren, welcher 8 Monate in Djidda (Arabien) gewesen
ist und seit einem Jahre in Wien lebt.
Als Dr. Zontides gegen Ende August d. J. zum ersten
Male zum Kranken kam, klagte dieser über starke Schmerzen
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am rechten Sprunggelenke: dasselbe war stark geschwollen, roth
und heiss anzufühlen. Die Frage, ob er sich durch einen Fall,
Stoss oder Schlag verletzt hätte, beantwortete er verneinend.
3 Centimeter vor dem Maleolus inter., dem Eahnbein ent¬
sprechend, gegen den Fussrand war eine stecknadelkopfgrosse
Oeffnung mit gezackten Rändern zu sehen, aus welcher bei
Druck der Geschwulst kein Eiter, sondern ein wenig Serum
hervorsickerte.
Dr. Zontides hielt das Leiden für eine gewöhnliche
Unterhautzellgewebsentzündung und da noch keine Fluctuation
wahrzunehmen war, verordnete er dem Patienten Eisumschläge
und empfahl ihm Ruhe bei erhöhter Lagerung der Extremität.
Als er den Kranken am nächsten Tage wieder sah, fand er ihn
etwas alterirt, da, wie dieser sagte, aus der vorhandenen Wund¬
öffnung „etwas Weisses“ hervorguckte, das wie ein Nerv aus-
sah; er zog auch daran und riss ein Stückchen ab. Dr. Zon-
tides untersuchte nun aus Neugierde auch die Wundöffnung
und fand in der That darin etwas wie einen weissen Strang
stecken; dies fasste er behutsam mittelst einer Pincette und fing
an, es herauszuziehen, war aber nicht wenig überrascht, dass
dieser vermeintliche Nerv noch kein Ende nahm, obwohl er
eine Länge von etwa einem Meter erreichte, wie aus dem vor¬
gezeigten, in einem mit Weingeist gefüllten Glase conservirbn
Präparate zu ersehen war. Zontides setzte mit dem Zuge
einmal aus und sah, dass der weisse Strang anfing, sich zurück¬
zuziehen. Er packte ihn wieder mit der Pincette und zog so¬
lange daran, bis er endlich abriss. Dies geschah mit wachsender
Angst des Kranken, welcher fürchtete, dass ihm wirklich ein
Nerv herausgenommen werde.
Dr. Zontides konnte sich keinen Begriff machen, um
was es sich hier handle und als er dem Kranken sagte, das Ding
sieht wie ein Wurm aus, da fiel diesem erst ein, der Arzt könne
Recht haben, weil in der Gegend, wo er vor einem Jahre ge¬
wesen, viele Menschen den „Wurm“ haben. Jetzt war es klar,
dass man es mit einem Parasiten zu thunhabe. Als Dr. Zontides
am folgenden Tage den Kranken wieder besuchte, zeigte ihm
dieser noch ein kleines Stückchen (das Schwanzende), welches
er noch herausgezogen hatte. Patient consultirte zu seiner Be¬
ruhigung am selben Tage auchHerrn Prof. W e i n 1 e ch n er, welcher
constatirte, dass man es mit einer Filaria medinensis zu thun
habe und war über die seltene Erscheinung erstaunt. Die Höhle,
in welcher der Parasite gehaust, war ungefähr 8 Cm. lang,
3 Cm. breit.
Der Kranke genas dann nach einigen Tagen vollständig.
Zu bemerken ist noch, dass der Kranke schon früher vor mehreren
Monaten an verschiedenen Stellen der betreffenden Extremität
Schmerzen gefühlt hatte.
Dr. J. E. Polak knüpft hieran folgende Bemerkung:
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Der Medinawurm kommt in Persien nur im Tiefland nahe
dem Persischen Golf vor. Soldaten, welche in einer Expe¬
dition dorthin geschickt wurden, kamen häufig daran leidend
nach Teheran. In Bezug auf vorliegenden Fall sei der Ort des
Vorkommens um den inneren Knöchel der gewöhnliche; doch
seien zwei Punkte sehr bemerkenswerth: 1. dauert die Zeit
der Incubation gewöhnlich circa sechs Monate, hier jedoch,
selbst angenommen, dass er erst am letzten Aufenthaltstage in
Dschidda inficirt wurde, fast ein ganzes Jahr. 2. Wenn wie in
diesem Falle der Kopf abreisst (ein Umstand, welcher wegen
secundärer Entzündungen sehr gefürchtet wird), so ist es sonst
fast unmöglich durch Zug den Parasiten zu entfernen. Die
leichte Nachgiebigkeit schreibt Dr. P. dem Umstande zu, dass län¬
gere Zeit Eisumschläge angewendet wurden, welche den Körper
widerstandslos machten, gerade so wie dieses auch durch Anwen¬
dung von Aether und Quecksilbersalbe gelingt. Noch sind zwei
Umstände zu berücksichtigen: a) bekanntlich ist der Nematode
entweder in Schneckenwindungen aufgerollt oder liegt er zumeist
gestreckt; nach Angabe des Dr. Zontides scheint dieser hier
aufgerollt gewesen zu sein, b ) In Persien unterscheidet das Volk
einen männlichen kleinen und einen weiblichen langen Wurm:
doch wissenschaftlich wurde nie ein männliches Individuum auf¬
gegriffen. Nun finden sich zwar äusserst selten Fälle, wo in
einem Convolut nebst dem langen auch oft über 20 kleine Exem¬
plare eingenistet sind, wie Clot Bay einen solchen Fall be¬
schreibt. Könnte es nicht möglich sein, dass die kleinen Thiere
Männchen wären? Bei künftigen Untersuchungen wäre das
Augenmerk darauf zu richten.
Es ist ferner eine Erfahrung, dass vermögende Leute sel¬
tener als arme afficirt werden. Wenn wir auch annehmen, dass
der Nematode sich durch Verschlucken von Eierchen oder durch
Uebertragung bei Insectenstich entwickelt, so sind Reichere
durch Genuss von besserem filtrirten Trinkwasser und durch
Schutz gut deckender Kleider immer im Vortheil.
Aus dem Geschäftsrathe.
In der am 27. October unter dem Vorsitze des Viceprä-
sidenten M.-R. Dr. Preyss stattgehabten Sitzung, an welcher
Vicepräsident Dr. Hopfgartner, Secretär Dr. Reitter und
15 Mitglieder des Geschäftsraths theilnahmen, wurde über An¬
trag des Secretärs Herr Dr. Leopold Riegler, praktischer Arzt
in Wölkersdorf, einstimmig als Mitglied in das Collegium auf¬
genommen.
Secretär theilt mit, a) dass vom k. k. Ministerium des
Auesseren ein in sehr verbindlichen Worten gehaltenes Schreiben
eingelaufen ist, in welchem dem Collegium der Dank ausge*
sprochen wird, ein Referat bezüglich des vom k. k. Regiments-
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arzt Dr. Weissbach verfassten „Berichtes über das k. und k.
österreichisch - ungarisohe Nationalspital in Constantinopel“ in
die „Mittheilungen des Wr. med. Doct.-Coll.“ aufgenommen zu
haben, 6) dass die Direction des Krankenhauses „Rudolfs¬
stiftung“ den Jahresbericht dieser Anstalt vom J. 1879 für die
Bibliothek des Collegiums eingesendet habe; c) dass Herr Anton
Fischer um Verlängerung des ihm verliehenen Genusses vom
Juschitz’schen Stipendiums auf die Dauer eines weiteren Jahres
bittlich eingeschritten sei. — Ueber Antrag des Superintendenten
O.-S.-R. Dr. Schneller wird die nachgesuchte Prolongation
einstimmig bewilligt.
Nun sollte ein Antrag Dr. Spitzm üller’s, dahin zielend,
dass der deutsche Verein für öffentliche Gesundheitspflege, welcher
nächsten Herbst in Wien tagen solle, vom Collegium in ent¬
sprechender Weise empfangen werde, zur Disoussion gelangen,
da aber der Antragsteller durch Krankheit verhindert war, an
der Sitzung theilzunehmen, und Dr. Hopfgartner betont, dass
derselbe bei der Abstimmung über seinen Antrag anwesend zu
sein wünsche, wurde beschlossen, denselben auf die Tagesordnung
einer späteren Sitzung anzusetzen. O.-S.-R. Dr. Schneller
hebt hervor, dass der Deutsche Verein für öffentliche
Gesundheitspflege bereits sehr viel Erspriessliches geleistet
habe und constatirt, daran anknüpfend, dass die Förderung der
öffentlichen Gesundheitspflege im Allgemeinen und speciell auch
bei uns in der letzten Zeit eine Tagesfrage geworden, der sich
die weitgehendsten Kreise — hauptsächlich und als Kernpunkt
natürlich Aerzte und ärztliche Corporationen — bemächtigt haben.
Diese Thatsache vor Augen haltend, bringt O.-S.-R Dr. Schnel¬
ler einen, wie er sagt, schon längst geplanten Antrag zum
Ausdrucke, der dahin lautet, dass sich im Schoosse des Col¬
legiums eine Section für öffentliche Gesundheitspflege bilde, der
alle Collegiumsmitglieder, die sich dafür interessiren, beitreten
können. Die Section hätte etwa einmal monatlich zusammen¬
zutreten, könne sich mit Ingenieuren, Bauverständigen, Beamten
und anderen Sachverständigen u. s. w. blos mit berathen-
der Stimme verstärken und hätte die betreffenden Tagesfragen
zu discutiren. Die dabei ausgesprochenen Ansichten sollten dann
in den „Mittheilungen des Collegiums“ veröffentlicht und weiteren
Kreisen zugänglich gemacht werden. Auch beantragt Redner,
ein fünfgliederiges Comite zu wählen, welches diesbezüglich
vorbereitend zu wirken hätte. Diese Anträge, welche von den
DDr. Scholz, v. Khautz, A. Gruber, Hopfgart ner und
Winternitz lebhaft unterstützt waren, wurden einstimmig
angenommen; ebenso auch der Antrag des Dr. Scholz, in
den Mittheilungen an erster Stelle einen Aufruf zum Beitritt in
diese Section für öffentliche Gesundheitspflege
ergehen zu lassen. Nachdem Dr. v. Khautz noch versprochen,
dass er die Vota der Section im Gemeinderathe thunlichst zu
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unterstützen trachten werde, wurde zur Wahl des beantragten
fünfgliederigen Comites geschritten und erscheinen die DDr. Hopf-
gartner, v. Khautz, Löffler, Schiffmann und O.-S.-R.
Dr. Schneller als Gewählte, die auch sämmtlich die Wahl
annahmen.
Professor Dr. Johann von Dumreicher f
Immer mehr lichten sich die Reihen der hervorragenden älteren
Mitglieder unseres Collegiums. Wenn wir die Listen der im zweiten
Semester dieses Jahres bis jetzt aus unserer Mitte Entrissenen über¬
blicken, müssen wir mit dem Dichter klagen : „Fallen seh’ ich Zweig
auf Zweig“ vom kräftigen Stamme des Collegiums. Voran Zsigmondy,
dann Hebra, Patruban, Loebel und jüngst Dumreicher.
Johann Dumreicher von Oesterreicher wurde in
Triest am 13. Jänner 1815 als der Sohn eines dortigen Kaufmanns
geboren. Sein Grossvater, welcher Präsident der obersten Justizstelle
in Verona gewesen, war es, der sich vorzüglich die wissenschaftliche
Ausbildung seines Enkels angelegen sein liess. Dieser besuchte das
Gymnasium, sowie die philosophische Lehranstalt in Verona und
vollendete seine Studien an der medicinischen Facultät in Wien, an
der er am 31. December 1838 zum Doctor der Medicin promovirt
wurde, bei welcher Gelegenheit er seine Inaugural - Dissertation
„über Vereinigung der Medicin und Chirurgie“ ver¬
öffentlichte. Am 12. Februar 1839 wurde er Mitglied der medicini¬
schen Facultät in Wien. Während eines zweijährigen Operations-
eurses machte er auch das Doctorat der Chirurgie und bildete sich
unter Prof. v. Wattmann’s Leitung vollends zum Chirurgen aus,
so dass er gegen Ende des Jahres 1840 zum Assistenten an der chirur¬
gischen Klinik ernannt wurde, in welcher Stelle er bis zum Jahre 1844
verblieb , und sich dann als Docent für Chirurgie an der Wiener
Universität habilitirte. Im Jahre 1846 wurde er Primararzt einer
chirurgischen Abtheilung im allgemeinen Krankenhause und im
Jahre 1849 ordentlicher Professor der Chirugie an der Wiener Hoch¬
schule, wo er durch 30 Jahre unermüdlich lehrte und wirkte. Nur
vor zwei Jahren nahm er wegen zerrütteter Gesundheit — er litt
seit längerer Zeit an einer Insufficenz der Aortenklappen, neben
welcher als Folgen einer überstandenen Pneumonie eine partielle
Hepatisation der Lunge bestand — einen mehrmonatlichen Urlaub,
nach dessen Ablauf er seine Klinik und Lehramt wieder übernommen
hat. Leider dauerte diese Thätigkeit nicht lange; das Uebel ver¬
schlimmerte sich und Dumreicher sah sich gezwungen, sich
neuerdings für längere Zeit zurückzuziehen. In der Hoffnung, dass
ein südliches Klima günstig auf ihn wirken werde , wollte er sich
nach Italien begeben und verliess zu diesem Behufe Wien vor etwa
sechs Wochen. Er änderte aber seine Reiseroute in der Hoffnung,
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auf seinem Gute Jan uschowetz in Croatien vorerst Erholung zu
finden. Er hütete da durch drei Wochen das Bett, und es trat
wirklich eine Besserung ein, welche nachhaltig zu werden versprach
und zu den günstigsten Hoffnungen berechtigte; diese haben sich
jedoch leider als trügerisch erwiesen. Am 16. November 1880,
Morgens 3 Uhr, trat der Tod plötzlich ein. Wenn man gleich lange
darauf vorbereitet war, da über den traurigen Ausgang der Krank¬
heit Niemand in Zweifel sein konnte, so hat doch die Nachricht
von dem Hinscheiden des geliebten Lehrers, ausgezeichneten Opera¬
teurs und gesuchten praktischen Arztes Collegen, Schüler und seines
ärztlichen Käthes Bedürftige tief erschüttert und in Allen Trauer
und grosse Betriibniss hervorgerufen. Sein Assistent, derzeit pro¬
visorischer Leiter der verwaisten Klinik, Dr. Nicoladoni, wid¬
mete dem Verstorbenen mit warm empfundenen Worten einen kurzen
Nachruf, indem er dessen Bedeutung als Gelehrter, Lehrer und
Arzt hervorhob, erwähnte, wie dieser stets bereit war, jungen,
talentvollen Aerzten mit Rath und That beizustehen, und rühmte
das leutselige Benehmen den Patienten gegenüber, wie seine Auf¬
merksamkeit und Sorgfalt den grössten und schwersten, wie den
kleinsten und leichtesten Fällen zugewendet war. Auch die Professoren
Billroth und Heschl gedachten vor Beginn ihrer nächsten Vor¬
lesungen in würdiger Weise ihres dahin geschiedenen Collegen und
forderten die Schüler auf, sich als Zeichen der Hochachtung von
ihren Sitzen zu erheben. Der am 17. November versammelte Ge¬
schäftsrath des Doct.-Coll., dem der Vorsitzende Dr. Preyss die
Trauerkunde mittheilte, ehrte tief betrübt in gleicher Weise das
Andenken seines verstorbenen Mitgliedes und beschloss bei der am
19. November in Graz stattfindenden Leichenfeier durch einen hiezu
besonders Delegirten, Herrn Dr. Anton Loew, nomine Collegii,
einen Kranz mit Schleife auf den Sarg des Verewigten niederlegen
zu lassen. Gleichzeitig aber wurde Dr. L. auch mit der Uebergabe
eines innigen Bileidschreibens an die trauernde Witwe betraut.
W'ir halten uns nicht für competent, ein vollgewichtiges Urtheil
über die Leistungen des Verewigten, seine Stellung in der Chirurgie
und seine Bedeutung für die Wiener medicinische Schule auszu¬
sprechen und müssen dies dazu Berufeneren überlassen. Es möge
uns jedoch gestattet sein, Einiges aus seinem Wirken kurz in
Erinnerung zu bringen.
Zählte Dum reicher auch nicht unter jene Coryphäen, welche
den Ruhm der Wiener Schule begründet, so hat er doch voll Ver-
ständniss für die neue Richtung der Medicin derselben auch auf
dem Gebiete der Chirurgie Geltung verschafft und diese auf dem
Niveau erhalten , durch welches die Wiener Schule durch mehrere
Decennien ihre dominirende Stellung errungen. Dumreicher’s
Bedeutung als Arzt lag in seiner persönlichen Meisterschaft und in
seinem hervorragenden Lehrtalent, das seine Schüler chirurgisch
denken lehrte, dem eine ganze Generation von Doctoren jenes
chirurgische Wissen dankt, das der praktische Arzt bedarf, der
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nur von dem Streben beseelt zu helfen, mit Buhe und Besonnenheit
vorgeht, ohne nach glänzenden Erfolgen zn jagen. Hat er auch keine
neue Schule im grossen Stile gegründet, so hat er doch viele aus¬
gezeichnete Chirurgen gebildet, von denen nicht wenige jetzt selbst
als Lehrer glänzen. Ohne sie alle aufzählen zu können, wollen wir
nur die nächsten nennen: Linhart, Dittel, Abrecht, Mo*
setig, die sämmtlich seine Schüler gewesen. Somit ist Dum¬
reich er’s Heimgang unbestritten ein Verlust für die Wiener medi-
cinische Facultät. Auch für die medicinischen Unterrichtsfragen im
grossen Ganzen zeigte er lebhaftes Interesse und nach Bokitansky’s
Tode sprach man davon, dass Dumreicher als Medicinalreferent
ins Unterrichtsministerium berufen werde. Es kam aber nicht dazu.
Selbst dasösterr.-ungar. militärärztliche Officierscorps verliert in Dum¬
reicher einen warmen Freund und Beschützer. In den Kriegsjahren
1859 und 1866 hat er den Einfluss, welchen ihm seine Stellung
als pro tempore berufener consultirender Chirurg der Armee gab, dazu
benützt, um den Militärärzten jene Vortheile -zuzuwenden, welche
ihnen die nunmehrige Organisation des Corps sichert.
Solche hervorragende vielseitige Verdienste konnten nicht unbe¬
rücksichtigt bleiben. Viele gelehrte Gesellschaften des In- und Aus¬
landes ernannten D. zu ihrem Ehrenmitgliede, die k. k. Gesellschaft
der Aerzte in Wien machte ihn zu ihrem Ehrenpräsidenten; seine
Brust schmückte eine Beihe in- und ausländischer Orden (5) und
nach dem Kriege im J. 1866 erhob ihn Se. Majestät der Kaiser in
den Freiherrnstand.
Die dauerndste Auszeichnung aber ist das weihevolle Andenken,
das ihm Alle bewahren, welche sein erspriessliches humanes Wirken
kannten und die Erinnerung an dasselbe in ihrem Herzen tragen.
Bis zu den letzten Tagen seines Lebens unermüdet thätig,
möge er nun, nachdem der Tod seinem Herzschlag Stillstand ge¬
boten, sich der ewigen Buhe erfreuen!
* * *
Dem Leichenbegängnisse des Verewigten, das am 19. v. M.
in würdigster Weise stattgefunden, folgte ein endloser Zug Trauernder,
unter denen die grössten Notabilitäten der Stadt, Gelehrte, Aerzte,
Militär, und Personen in allen Lebensstellungen aus Wien und Graz
zu sehen waren, vom Bahnhofe nach dem eine Wegstunde ent¬
fernten St. Leonharter Friedhofe.
Nach beendeter kirchlicher Feier brachte am Grabe zuerst
der Herr Decan des Wr. medic. Prof.-Coll., Dr. E. Hofmann, in
warmen Worten einen tiefgefühlten Nachruf, in dem er die Verdienste
des Verblichenen als Arzt, Lehrer, ausgezeichneter Operateur und
wahrer Patriot hervorhob, seiner Liebenswürdigkeit im Verkehre
mit Collegen, der Leutseligkeit und Humanität gegen Untergebene,
sowie der Liebe zu seinen Schülern gedachte und nur bedauerte,
dass es ihm wegen vorzeitig eingetretener Leiden nicht gegönnt
war, länger ungehindert zu wirken und zu schaffen.
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Nach Prof. Hof mann sprachen noch Loew, der Delegirte
des Doct.-Coll., Hans v. Hebra mit Bezug auf die Freundschaft,
zwischen seinem Vater und D., Nicoladoni Danksagungen an
den verewigten Lehrer, endlich der Mediciner von Hohenegg
warm empfundene Worte mit dem studentischen Zurufe: Fiducit!
Friede deiner Asche!
Notizen.
Sterbefälle. Kaum war v. Dumreicher’s Leiohe zu Graz in kühler Erde
gebettet, so folgten ihr in rasoher Reihenfolge im Verlaufe' weniger Tage noch
die dreier achtbarer Mitglieder unseres Collegiums, für deren Aufnahme die
Erde an drei verschiedenen Orten sich offnen musste. Dr. Joris starb in Götzen¬
dorf am 18., Dr. Josef Raimann in Wien am 28. und Dr. David Münoh
in Stockerau am 24. November 1880
Dr. Caspar Joris war am 1. Mürz 1808 in Orsiöre, Canton Wallis in
der Schweiz, geboren und absolvirte die medicinischen Studien an der Wiener
Universität, wo er am 26. April 1842 das medicinisohe Doctorsdiplom erhielt.
Mitglied der medicinischen Facultät, resp. Doct.-Coll. wurde er am 2. Mai
1848; in demselben Jahre trat er auch in die Witwen-Societät ein, zu deren
ältesten Mitgliedern er der Aufnahme nach gehörte. In jüngeren Jahren war
er Erzieher in aristrokratisohen Familien Ungarns und hatte noch bis an sein
Ende als Arzt Connexionen mit jenen Kreisen. Joris hatte als Studierender
besondere Vorliebe für Physik, war seinerzeit ein treuer Anhänger des be¬
rühmten Krystallographen und Systematikers Mohs und nahm bis in sein
höheres Alter den lebhaftesten Antheil an den Fortschritten der Heilkunde.
Seine vollkommene Kenntniss der französischen Sprache verschaffte ihm auch
in den internationalen Congressen wie z. B. am statistischen und medicinisoheu
zu Wien, Gelegenheit, sein vorzügliches Uebersetzertalent zu manifestiren.
Später befasste er sich mit dem Studium der klimatischen Curorte; er kannte
. fast sämmtliche der Schweiz, Südfrankreiohs und Italiens, ebenso Madeira aus
eigener Anschauung und längerem Aufenthalte als ärztlicher Begleiter von
Kranken. Ueber Catania schrieb Joris auch eine bei Braumüller erschienene,
sehr praktisch gehaltene Broschüre. In letzter Zeit war er bis an sein Ende
Leibarzt des Grafen Chambord. Er starb in Folge eines pleuritischen Exsudats
in Götzendorf N -Oest. am 18. November 1880, nachdem er sich nooh von
den Seinen und selbst den ihm näherstehenden Collegen verabschiedet hatte.
Joris war ein liebenswürdiger, dienstfertiger College; als Arzt zeichnete er
sich duroh grosse Menschenfreundlichkeit und Uneigennützigkeit aus. Joris
erfreute sich bis vor wenigen Monaten eines rüstigen Alters und stets grosse
Lebhaftigkeit des Geistes und Körpers. Er hinterlässt eine Witwe, zwei Söhne
und eine Tochter, welche an Hofrath Professor Dr. Widerhofer verheiratet
ist J o r i 8 findet nun im Grabe jene Ruhe, welche er, wie es schien, im Leben
nicht finden konnte.
Dr. Josef Ra im an n, ein Neffe — wenn wir nicht irren der letzte
dieses Namens — des beliebten klinisohen Professors und Spitaldirectors, nach¬
maligen ersten Leibarztes Sr. Majestät Kaiser Ferdinands und Präses der
medicinischen Facultät Dr. J. N. Raimann, wurde am 11. März 1811 zu
Freiwaldau in Schlesien geboren, studierte in Wien, wo er zunäohst das Magi-
sterium der Chirurgie und der Augenheilkunde erwarb und Operateur wurde.
Später vollendete er seine medicinischen Studien und wurde im Jahre 1851
an der Wiener Universität zum Doctor der Medicin promovirt und bald darauf
(1852) als Mitglied in das Doct.-Coll. aufgenommen, dem er bis an sein Ende
treu blieb. Nach mehrjähriger Dienstleistung als Secundarius an einer chirur¬
gischen Abtheilung im allgemeinen Krankenhause erhielt er die Stelle des Stadt¬
wundarztes der Commune Wien, in der er «usharrte, bis diese Stelle vor wenigen
Jahren ganz aufgelassen und er selbst pensionirt wurde. Dr. Raimann wsr
ein liebenswürdiger, immer gleichmässig artiger, ruhiger und charaktervoller
College, wenngleich sein Verkehr mit Collegen eng begrenzt war. Als Arzt
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war er namentlich in Kaufmannskreisen eine beliebte Persönlichkeit und das
Vertrauen, welches ihm die Kranken einmal geschenkt hatten, wusste er zu
erhalten, daher auch die Trauer um seinen Verlust eine weitverbreitete. Er
schien Sich mit Ausnahme eines in Folge einer Verletzung entstandenen Augen¬
leidens der besten Gesundheit bis wenige Tage vor seinem Tode zu er¬
freuen, bis plötzlioh ein acutes Leiden naoh kurzem Krankenlager don Tod
herbeiführte. Friede seiner Asche!
Dr. David Münch, eines der jüngsten Mitglieder unseres Collegiums,
in welohes er erst am 19. Mai dieses Jahres aufgenommen wurde, wobei er
gleichzeitig, als ob or eine Ahnung gehabt hätte, dass seine Tage gezählt
seien, auoh die Aufnahme in die Witwen-Sooietät erworben und so für seine
Hinterbliebenen nach Möglichkeit gesorgt hatte. Dr. M ünch wurde zu Triesoh
in Mähren am 26. Mai 1846 geboren, erreichte somit nioht volle 35 Jahre.
Er machte alle seine Studien in Wien, wo er am 23. Juni 1871 zum Dootor
der Medicin und bald darauf auch zum Dootor der Chirugie promovirt wurde
und das Magisterium der Geburtshilfe erwarb. Er wirkte seit mehreren Jahren
als Bahnarzt in Stockerau, zog sich duroh eine Verkühlung in DienBtesange-
legenheiten eine Peritonitis zu, die nach sohmerzhaftem kurzen Leiden seinem
Leben ein rasches Ende setzte. Er starb ein Opfer seines Berufs und hinter-
lftsst eine junge Witwe und drei kleine Kinder. Möge ihm die Erde leicht sein!
Niedersterr. Landes-Sanitätsrath. In der Sitzung des niederö9terr.
Landes-Sanitätsrathes vom 22. v. M., welcher nebst den Mitgliedern dieses
Berathungskörpers auoh der k. k. Primararzt Dr. Standhartner, der
emeritirte k. k. Armenarzt Dr. Trafoyer, der praktische Arzt Dr. Tur-
kiewioz und die Vorstände des Wiener Apotheker-Hauptgremiums, die Apo¬
theker Schürer v. Waldheim und Fidler, als ausserordentliche Mitglieder
beiwohnten, wurde eine sehr wichtige Frage erörtert. Es handelte sich um
das in Folge Auftrages des k. k. Ministeriums des Innern über eine an das¬
selbe gelangte Eingabe*) dem Landes-Sanitätsrathe abverlangte Gutachten über
die Behandlung der ärztliohen Recepte. (Referent: S.-R. Dr. M. Gau st er.)
Der Antrag, dass dieselben nur einmal sollen expedirt werden können, wurde
abgelehnt; bezüglich der Copien wurde das Verbot der Expedition solcher,
welohe mit + bezeichnete Mittel enthalten, als zureichend erkannt, dagegen
auf eine grössere Strenge bei Weglassung dieser Bezeichnung angetragen. Die
Aerzte wären auf die ihnen zustehende Befugniss, durch den Beisatz „ne
repetatur“ die Fortverwendung eines Receptes zu verhindern, aufmerksam zu
machen; jene Arzneistoffe, deren Maximaldosis 2 Centigramm nicht erreichen,
sollen von der Reception ohne neue Verschreibung ausgeschlossen sein.
Ausserdem wurden noch einige weitere Bestimmungen über die Verhütung
einer Verwechselung der Recepte u. s. w. beantragt und angenommen.
Vom Carolinen-Kin der spital, das unter dem Curatorium des Doctoren-
Collegiums steht, wird Anfangs des kommenden Jahres ein eingehender Berioht
über dessen Wirksamkeit erscheinen. In der Zeit vom 1. Jänner bis 24. No¬
vember d. J. befanden sioh in demselben 91 kranke Kinder in der Spitalspflege und
2444 wurden ambulatorisch behandelt. Ueberdies wurden 62 Kinder geimpft.
Die Verpflegskosten sind, wie in allen kleinen Anstalten, bedeutend, und es
wäre zu wünschen, dass sich an dem zur Förderung des Zweckes der Anstalt
nothwendigen Beisohaffung der Geldmittel gebildeten Vereine recht viele Mit¬
glieder des Collegiums betheiligen, was wohl keinem sohwer fallen dürfte, da
der obligate Jahresbeitrag für ein Mitglied nur 2 fl. beträgt. In Berücksichtigung,
dass das Stiftungsvermögen nur 100.000 fl. betrug, wovon 12.000 fl. für Erbsteuer
und sonstige Gebühren in Abzug kamen, also nur 88.000 fl. erübrigten,
sprioht es gewiss für eine umsichtige Gebahrung, wenn, wie es der Fall ist,
nachdem der Ankauf des Grundes und der Bau des Hauses über 50.000 fl. Ver¬
sohlungen, jetzt nooh 62.000 fl. baar an Stammoapital vorhanden sind, wobei
nicht vergessen werden darf, dass darin circa 4000 fl., welche für Bettstiftungs-
theilbeträge nachträglich dazukamen, inbegriffen sind Dass aber dessen un-
*) Vid. Mitth. B. V., S. 57.
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296
geachtet die Zinsen dieses Capit&ls allein nicht hinreichen, die Yerpflegskosten
za deoken, ist selbstverständlich, weshalb die P. T. Herren Collegen
höfliohst ersucht werden, dem genannten Yereine zahlreicher,
als es bisher der Fall war, als Mitglieder beitreten zu wollen.
Aufnahme. In der Sitzung des Gesohäftsrathes am 17. November 1880
wurden in das Wr. med. Doot.-ColL einstimmig aufgenommen: Sanitätsrath
Dr. Heinrich Husserl, Stadtphysikus in Jägemdorf (Schlesien), Dr. Gustav
Hesky, praktischer Arzt in Weidlingau und Heinrioh Adler, städtischer Arzt
im 2. Bezirke Wiens
Prof Hyrtl begeht am 7. December in seinem T usoul um den 71. Ge¬
burtstag, d. h. er wird volle 70 Jahre alt Zur Feier dieses Tages liess das
Dootoren Collegium eine Medaille mit dem Bildnisse des Jubilars prägen, welche
ihm durch eine aus 12 Mitgliedern bestehende Deputation überreioht werden
soll. Aus demselben Anlass hat die Gemeindevertretung von Berohtoldsdorf,
in deren Territorium Hyrtl Beit seiner Pensionirung seinen bleibenden Wohn¬
ort aufgesohlagen, beschlossen, die Hausbesitzer und Gemeindeinsassen zu er-
suohen, an diesem Tage die Häuser zu deooriren. Am Vorabend wird dem
berühmten Anatomen und grossen Gelehrten zu Ehren, den ihren Landsmann
und ihr Gemeindemitglied zu nennen die Berchtoldsdorfer begreiflicher Weise
stolz sind, ein Faokelzug veranstaltet.
Wohnungsveränderungen. Dr. H. Hertzka wohnt jetzt I, Hohen-
8taufengas8e6 ; — Dr. Wimmer, VIII., Georgsgasse 1 (*/ 2 8—4); — Dr. Kaczan¬
der, L, Wipplingerstrasse 25; — Dr. Kämmerer, I., W ipplingerstrasse 9; —
Dr. Raspi, I., Wipplingerstrasse 14; — Prof. Dr. S. Kitter von Basch,
VIII., Florianigas86 8.
Einladung
zu der am Montag den 6. December, Abends 7 Uhr, im Sitzungssaale
des akademischen Senates (vormals Consistorialsaal), I., Sonnenfelsgasse 23,
stattfindenden
Wissenschaftlichen Versammlung.
Programm:
1. Vorstellung von Kranken. *
2. Vortrag mit Demonstration über eine seltene Form von Communioation der
Herz Ventrikel, von Prosector und Docenten Herrn Dr. Hans Chiari.
3. Mittheilungen zur Teohnik der Endoskopie mit Demonstrationen von Herrn
Dr. Jacob Weinberg.
4. Demonstration eines Falles von primärem Carcinome in der Continuität der
männlichen Harnröhre von Dr. Sohüstler.
Dr. Preyss, Vice-Präsident. Dr. Karl Reitter , Secretär .
*) Die P. T. Herren Collegen werden ersucht, interessante Krankheits¬
fälle vorzustellen.
Bromemoria.
Zur Richtigstellung des Mitglieder-Verzeichnisses, das in den
ersten Tagen des nächsten Jahres ausgegeben wird , werden die
P. T, geehrten Herren Collegen höflichst ersucht, etwaige Verän¬
derungen ihrer Stellungen, Titel, Ordinationsstunde und insbe¬
sondere ihrer Wohnungen, falls diese im Verzeichnisse des
laufenden Jahres nicht richtig angegeben oder bisher nicht ange¬
zeigt wurden , spätestens bis 20. December 1880 mittels einer
Correspondenzkarte in der Kanzlei des Wr . med. Doct.-Coll
(/. Rothethurmstrasse 23), gefälligst bekannt geben zu wollen,.
Herausgeber und Verleger: Wiener medioin. Doct-Goll. — Verantwortlicher Bodaoteur
Dr. L. Hopfgartner. — Gesellsohafts-Buohdruekerei, Wien, III. Brdbergerstraase 8.
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VI. Bd. Ausgegeben am 16. December 1880 . Nr. 27
MITTHEHÜN6EN
des
Wiener mefllmnscjiBn Doctorea-GoHiioiHms.
Krach eint jeden zweiten Donnerstag ein halber bis ein ganzer Bogen und darüber, an
SO Bogen im Jahre. — Ganzjähriges Abonnement fUr Niohtmitglieder des Collegiums im In¬
lande 8 fl., naoh dem Auslände 6 Mrk. — Einzelne Nummern 36 kr. — 60 Pfg. — Inserate
16 kr. = 80 Pfg. für die darohlaufende Petit-Zeile.
Man pränumerirt in der Medicin. Buchhandlung Toeplitx de Dentlcke
(vormals Karl Csermak), Wien, I., Schottengasse 6.
Zisehriften und Zusendungen an die Bedaetion: Wien, Knnilei des Wiener med.
Doet.-Coll. und der Witwen- und Waisen-SoeietSt, Kothenthurmstrasse 28.
Inhalt: Wissenschaftl. Versammlung am 6. December: Vortrag. Herr Dr. Schnstler demonstrirt
primäres Epithelialcarcinom in der Gontinuität der männlichen Harnröhre — Vortrag des Dr. Chiari
über eine seltene Form von Communication der Herzventrikel. — Vortrag des Dr. Weinberg:
Zar Technik der Endoscopie. — Section für öffentliche Gesundheitspflege, Sitzungsbericht. —
Hyrtlfeier und Dankschreiben. — Notizen. — Einladung.
In der wissenschaftl. Versammlung vom 6. Decjember
demonstrirt zunächst Herr Dr. Schustler einen Ev^^yon
primärem Epithelialcarcinom in der ContiniAität
der männlichen Harnröhre. Dasselbe hatte im Bereiche
der hinteren Hälfte des cavernösen und der vorderen Hälfte
des membranösen Theiles der Urethra die Schleimhaut, den
Schwellkörper der Urethra und auch theilweise die Schwell-
körper des Penis substituirt. Durch jauchigen Zerfall des Neo-
plasmas war in den genannten Abschnitten der Harnröhre eine
Höhle gebildet worden, von der mehrere Fistelgänge ausgingen,
welche th’eils in der Haut des Perineum ausmündeten, theils
in einen hinter der Prostata gelegenen, selbst wieder mit dem
Rectum communicirenden Abscess führten. Die mikroskopische
Untersuchung erwies die Urethralschleimhaut als Ausgangs¬
punkt der Neubildung. (Der Fall wird übrigens nächstens aus¬
führlich in der Wr. med. Wochenschrift publicirt werden.)
Hierauf hält Herjg^ PxpiB^ ctor Dr. H. Chiari seinen ange¬
kündigten Yortrag über eine seltene Form von Com-
munication der Herzventrikel. Nach einleitenden Aus¬
einandersetzungen über die sogenannten morbiden Communica-
tionen zwischen den Ventrikeln, über die auf mangelhaftes
Fläehenwachsthum der einzelnen Theile des Septums und auf
mangelhafte Verwachsung dieser Theile unter einander zu be¬
ziehenden Defecte, sowie über die normalen Entwicklungsvorgänge
bei der Bildung des Septum ventriculorum bespricht Ch. den
Fall, der eben die seltene Form von Communication der Herz¬
ventrikel darbot. Der Fall betraf ein ljähriges Mädchen, welches
am 1. September 1879 im Set. Anna Kinderspitale obducirt
wurde. Intra vitam hatte man chronische Tuberculose diagno-
sticirt und hatte ausserdem Yergrösserung der Herzdämpfung,
systolisches und diastolisches Geräusch über der Basis der
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Pulmonalarterie und zeitweiliges Auftreten von Cyanose wahr¬
genommen. Die Obduction ergab chronische Tuberculose der
Bronchialdrüsen, Pleuritis tuberculosa dextra, Dysenterie und
am Herzen folgende pathologische Befunde: Die rechte Herz¬
hälfte war excentrisch h)pertrophirt, das Ostiura der Pulmonal¬
arterie verengert, die Pulmonalklappen verschrumpft und mit¬
einander partiell verwachsen. Am Septum ventriculorum, welches
die gewöhnliche Configuration der Trabekeln zeigte, fiel die
beträchtliche Tiefe der Intertrabeculargrübchen auf. Und als
deswegen das Septum genauer untersucht wurde, stellte es sich
heraus, dassirn Bereiche mehrerer solcher Intertrabeculargrübchen
wirkliche Communicationslücken zwischen den Ventrikeln vor¬
handen waren. Im Ganzen konnte man deren fünf zählen, welche
sämmtlich keine beträchtliche Dimension besassen (die weiteste
Lücke war 3 mm. weit) und alle von zartem Endocard aus¬
gekleidet erschienen. Ch. weist darauf hin, dass auch diese
Form von Communication der Herzventrikel, obwohl das Septum
ventriculorum seiner Fläche nach ganz gut entwickelt war und
dasselbe auch in der gewöhnlichen Weise mit dem Septuin
trunci zur Veiwachsung gekommen war, doch als eine Bildungs¬
hemmung aufzufaspen sei, indem nach den neueren Unter¬
suchungen im Gebiete der Herzentwicklung in der ersten leisten¬
artigen Anlage des Septum ventriculorum physiologischer Weise
Lücken zwischen den Trabekeln existiren, die erst im Laufe
dei weiteren Entwicklung des Septums Zuwachsen. Ueber eine
derartige Form von Communication der Herzventrikel ist bis jetzt
nur Weniges in der Literatur mitgetheilt, so von Cru veil hier,
He schl und Rokitansky. (Der Fall wird übrigens demnächst
ausführlich im Jahibuche für Kinderheilkunde publicirt werden.)
Diesem sowohl durch den behandelten Gegenstand als durch
den -rhetorisch gehaltenen ausgezeichneten, die allgemeine Aufmerk¬
samkeit fesselnden Vortrage folgte der nachstehende des Dr. J. W ein-
berg, em. 1 Secundararzt des k. k. allgemeinen Krankenhauses
an der Klinik und Abtheilung für Syphilis in Wien.
Zur Technik der Endoskopie.
Soll die Endoskopie in der praktischen Heilkunde diejenige
Bedeutung erlangen, welche ihr unzweifelhaft gebührt, dann
muss die Methode in einer Weise ausgebildet werden, welche
ihre Anwendung weder für den Arzt noch für den Patienten
beschwerlich macht. Das unangenehme Gefühl der Exploration
der urethra soll dem Patienten so viel als möglich erspart werden,
und der praktische Arzt soll in der Lage sein, auch ohne Auf¬
wand an Zeit und complicirten Vorrichtungen endoskopische
Untersuchungen auszulühren.
Von diesem Gesichtspunkte ausgehend, will ich im Fol¬
genden 1. die Lagerung des zu Untersuchenden, 2. die Ver¬
vollkommnung der endoskopischen Tuben, und 3. die leichteste
Art, das Sehfeld im Endoskope zu reinigen, resp. Medicamente
zu appliciren, besprechen.
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29Ö
1. Die vortheilhafteste Lagerung des Patienten zu endo¬
skopischen Zwecken erzielt man auf einem dazu eingerichteten
Speculirtische Derjenige, der mir im Mariahilfer Ambulatorium
zur Verfügung steht, ist so beschaffen, dass der obere, mittlere
und hintere gepolsterte Theil' der Tischplatte nach Belieben
gehoben gesenkt und in jeder Lage festgestellt werden kann.
Für Anstalten und Kliniken ist ein solcher oder anders gestalteter
Untersuchungstisch unumgänglich nothwendig. Derselbe wird
aber seiner Grösse und geringen Eleganz wegen nicht leicht
in einem gewöhnlichen Ordinationszimmer hinreichenden Raum
und Aufstellung finden.
Für praktische Aerzte genügt daher jeder stärkere Tisch,
auf den ein grösseres keilförmiges Kissen gelegt wird. (Das von
mir gebrauchte ist 60 cm. breit, die 8 Seiten des Keils 80, 50
und 40 cm. lang und an der dicksten Stolle 25 cm. hoch.)
Stellt man vor den Tisch einen Sessel, grösseren Schemmel
oder eine kleine 2stufige Stiege, so erhält man einen zum
Endoskopiren vollkommen genügenden improvisirten Unter¬
suchungstisch.
In der nun mehr liegenden als sitzenden Position des
Patienten kann dessen pars pendula sehr bequem explorirt
werden. Schiebt man unter die vordere Kante des Keils ein
gewöhnlich grosses (bei 45 cm. langes und breites und 10 cm.
dickes) Sophakissen, so wird der Patient nach Belieben in eine
mehr oder weniger horizontale Lage gebracht, und es können
dessen tiefere Theile der Urethra wie die pars membranacea und
prostatica, ebenso auch dessen Harnblase sehr gut zur Ansicht
gebracht werden.
Dass auch beim Weibe die Urethra und Harnblase auf
diesem Tische vollkommen gut endoskopisch untersucht werden
können, versteht sich von selbst.
Als Beleuchtungsquelle benützt man am besten eine Lampe
mit Mitrailleusenbrenner, dessen Flamme dem Gaslichte an
Stärke nahekömmt; steht Gasli< ht zu Gebote, so ist dies natürlich
vorzuziehen. Durch einen Reflector (Concavspiegel von 10 cm.
[4"] Durchmesser und 16 cm. [6 J / 2 "] Brennweite), mit Stirn¬
binde oder Handgriff versehen, werden die Lichtstrahlen sehr
leicht in das Endoskop geleitet.
Der Untersuchende kann nach Bequemlichkeit sieben
oder sitzen.
2. Der Vervollkommnung der endoskopischen Tuben hat Dr.
Grünfeld seinerzeit sehr viel Aufmerksamkeit gewidmet. Er hat
nicht nur die von Desormeaux angegebenen vereinfacht, sondern
auch viele selbst neu construirt. Von diesen führe ich nur das
gebräuchlichste an ; da ich die andern heute nicht in den Kreis
meiner Erörterungen ziehe.
Das einfache gerade Endoskop mitConductor 1 )
l ) Der Harnröhrenspiegel (das Endoskop), seine diagnostische und therapeu¬
tische Anwendung. Wiener Klinik 1877. 2. und 3. Heft.
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300
besteht nach Grün fei d „aus einem cylindrischen Metalltubus,
welcher vorne trichterförmig erweitert, innen geschwärzt ist.
Ein Leitstab — Conductor — welcher in diesen Tubus passt,
dient zu leichterer Einführung des Instrumentes. Der Conductor
ist ein einfacher gerader Stab aus Hartkautschuk, am unteren
Ende äbgerundet, am oberen Ende mit einem Handgriffe ver¬
sehen. Im Allgemeinen ist also dieses Instrument analog
einem cylindri sehen Vaginal-Speculum. Bei der Con-
struction dieses Endoskops wird man auf zweierlei Momente
Rücksicht nehmen müssen, und zwar vorerst darauf, dasB das
untere Ende des Endoskops — Yisceralende — nicht scharf
sei, damit beim allfälligen Verschieben desselben eine Ver¬
letzung nicht hervorgerufen werde. Man wird auch auf den
Conductor Rücksicht nehmen müssen, damit dieser weder allzu
strenge, noch allzu locker innerhalb des Tubus sich bewege.
Er würde nämlich im ersten Falle bei dem Herausziehen eine
Erschütterung, in Folge dessen eine schmerzhafte Empfindung
hervorrufen, während er im letzten Falle die leichtere Ein¬
führung nicht bewirken würde, indem der Tubusrand trotz dem
Vorhandensein des Conductors sich selbstständig in dem Harn-
röhrenkanale Bahn brechen müsste.“ Dasselbe ist gegenwärtig
(ohne Trichter) 10—12 cm. lang.
Das Endoskop nach Steurer 1 ) „besteht aus einem
1 SVa cm. langen Tubus mit einer Scheibe von 3 cm Durch¬
messer, welche ll s / 4 cm. von dem untern Ende des Rohres
angebracht ist. Das Endstück des letztem hat einen etwas
verdickten Rand, um Verletzungen der Harnröhre, wie sie bei
den bisher gebrauchten ziemlich scharf endenden Endo¬
skopröhren leicht möglich sind, zu vermeiden. Der Conductor
besteht aus einer Olive und einem Handgriffe, beide aus Hart¬
kautschuk, welche durch ein Mittelstück aus Neusilber ver¬
bunden sind, welches einen bedeutend geringeren Durchmesser
hat als das Lumen des Rohres. Der Zweck der Scheibe ist,
eine grössere Oberfläche für den Druck auf die pars pendula
zu bieten und zugleich zu verhüten, dass sich die Harnröhre
über das trompetenartige vordere Ende des Endoskops ver¬
schiebe. Die Olive, welche bloss an ihrer grössten Peripherie
eine Berührung mit den Wänden des Rohres zulässt, ermöglicht
auf diese Weise, wie leicht begreiflich ist, die leichteste Ent¬
fernung des Mandrins aus dem eingeführten Endoskope. Für
den Kranken ist dies von grosser Wichtigkeit, weil sonst der
an vielen Punkten adhaerirende Conductor bei seinem Heraus¬
ziehen erfahrung8gemä88 grossen Schmerz und eine höchst un¬
angenehme Erschütterung verursacht.“
Auspitz 3 ) hebt hervor: „Nur durch einige gering-
^Ueber Endoskopie und ein neues Endoskop. Von Dr. J. A. Steurer aus
New-York. Vierteljahrsschrift für Dermatologie und Syphilis. 1876 ,1. Heft.
2 )Ueber die chronische Entzündung der männlichen Harnröhre. Drei
klinische Vorlesungen von Prof. Auspitz. Vierteljahrsschrift für Dermato¬
logie und Syphilis. 1879, I. Heft
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301
fügige Momente unterscheiden sich meine Tuben vonjenen
nach Steurer; erstens dadurch, dass sie wohl am untern
Ende abgerundet, aber doch weniger verdickt sind als die
Steurer’schen, deren stark runder, aber dadurch zu sehr bim •
artig angeschwollener Rand beim Einführen in eia engeres
Orificium externum bisweilen hinderlich ist; zweitens dadurch,
dass auf die Glätte der Olive des Conductors und auf ihr An¬
passen an den Tubusrand besondere Sorgfalt verwendet wird,
endlich dadurch, dass ich das Innere der Tuben mit Ausnahme
des (übrigens ziemlich überflüssigen) Trichters am
vordem Ende nicht mehr sohwärzen, sondern hell poliren lasse.“
Wie nun aus den hier wörtlich angeführten Beschreibun¬
gen der geraden Endoskope, welche gegenwärtig auch zur Ex¬
ploration der tieferen Theile der männlichen Harnröhre benützt
werden, hervorgeht, beschäftigt sich jeder dieser Autoren ein¬
gehend mit dem Visceralende des Harnröhrespiegels und jeder
strebt an, demselben jene Form zu geben, wodurch Verletzun¬
gen der Harnröhre vermieden werden sollten.
Die Veränderungen am Ocularende sind von untergeord¬
neter Bedeutung, wenn dasselbe nur so beschaffen ist, dass das
Endoskop hier festgehalten und sicher dirigirt werden kann.
Uebung und Gewohnheit, Studier- oder Unterrichtszweck
bestimmen den Einen für die ausschliessliche Benützung der
einfachen, den Andern für die complicirtere Construotion dieses
Theiles.
Aus alldem geht unwiderlegbar hervor, dass das Visceral¬
ende der Metalltuben leicht Verletzungen herbeiführt, daher ich
mit Recht behauptete*): „Als Haupteinwand gegen das Endo¬
skop wird das häufige Verletzen der Harnröhre angeführt. Diese
Thatsache lässt sich nicht läugnen und mehr oder weniger leichte
Verletzungen der Harnröhre durch das Endoskop treten umso
häufiger auf, je ungeübter der Arzt in der Ausführung dieser
Methode ist.“ So sagt Gschirhakl 2 ): „Gewohnt, die Harnröhre
mit gekrümmtem Katheder und Bougie zu exploriren, gelang
es mir anfänglich nur schwer, das gerade, vorne abgestutzte
Endoskop über den Bulbus urethrae hinaufzuführen, ohne dass
diese vulnerablen Theile durch leichte Blutung auf diesen Ein¬
griff reagirt hätten“.
Auch Prof. Reder 8 ) Hess bei seinen Harnröhrentrichtern,
deren er bereits im J. 1868 in seinem Lehrbuche Erwähnung thut,
einen eingezogenen Rand am Visceraltheile anbringen, um auf
diese Weise die Verletzungen der Schleimhaut zu verhüten.
Jeder, der sich häufig mit Geschlechtskrankheiten be¬
schäftigt, muss zura Endoskop greifen, da diese Untersuchungs-
*) Beitrag zur endoskopischen Untersuchung der Harnröhre von Dr. Jacob
Weinberg. Wiener med. Blätter. Nr. 5 (1880).
2 ) Zur Behandlung des chronischen Trippers, von Oberarzt Dr. Gschirhakl.
Vierteljahrsschrift für Dermatologie und Syphilis. 1877. 4. Heft.
3 ) Lehrbuch der Pathologie und Therapie der venerischen Krankheiten,
von Prof. Reder. H. Aufl. 1868.
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302
methode bei lang dauernden chronischen Blennorrhöen nicht
mehr umgangen werden kann.
Die häufigen Verletzungen, die oft trotz aller Umsicht und
Uebung bei der Einführung des geraden Harnröhrenspiegelg,
namentlich in die tieferen Theile der Urethra, eintreten, veran-
laesten mich, das Visceralende der hier vorgeführten Endoskope
einer sorgfältigen Studie zu unterwerfen.
Ich fand nun, dass der Mechaniker dieses Instrument,
speciell das Visceralende, nie so herstellt, als es die Autoren
angaben, ja dasselbe gar nicht so herstellen kann. Der Me¬
chaniker kümmert sich nur darum, dass das Visceralende am
Gonductor genau anliege, daher er den äusseren Rand der
Röhre zufeilen muss, der hierdurch nach Entfernung des Con-
ductois ziemlich schärf ist. Ich wollte nun die Ungeschicklich¬
keit des Mechanikers verbessern, und mir eigenhändig dieses
Ende gut abgerundet und anpassend amConductor
herstellen und überzeugte mich, dass dies nicht ausführbar
sei; denn schliffich das Ende der Metallröhre ganz glatt, so bekam
ich statt eines scharfen Randes zwei scharfe Ränder, einen
äusseren und einen inneren, und wenn ich nun diese zwei
Ränder stumpf gemacht, also abgerundet habe, wurde der mitt¬
lere Theil des Röhrenkörpers ziemlich scharf und das Visceral¬
ende konnte sich dem Conductor nicht mehr anlegen.
Ich kam also zur Ueberzeugung, dass der Fehler im Me¬
tallmateriale liege, dass kein stumpfes Visceralende, wie es
eben alle Autoren haben wollen, hergestellt werden kann.
Ausserdem wird daB Visceralende bei längerem Gebrauche,
selbst wenn es mit grösster Sorgfalt verfertigt wurde, scharf
da das Metall an dieser Stelle bei der Anwendung von Aetz-
mitteln, namentlich von Nitr. argent. am meisten angegriffen
wird, daher der Tubus daselbst durch das fortwährende Reinigen
immer dünner wird. Ich griff daher zu dem in der Heilkunde
schon längst eingebürgerten Hartkautschuk, dessen Vortheile
ich bei der Verwendung zu Röhren genau aus der Otriatrik kenne.
Politzer hebt in seinem Lehrbuche der Ohrenheilkunde
als Vortheile der Hartgummi-Instrumente (Trichter, Katheder
nach Itard) hervor: 1. deren Leichtigkeit, 2. angenehme Empfin¬
dung für die Haut, und 3. deren abgerundete Ränder gegen¬
über den scharfen leicht verwundenden Metallrändern. Alle
diese Vorzüge sind für die endoskopischen Tuben von unscbätz-
barem Werthe.
Die mit den Zaufal’schen Nasentrichtero aus Hartkautschuk
angestellten ersten Experimente zeigten, dass dieselben sehr gut
ohne Conductor in die Harnröhre eingeführt werden können,
ohne die Schleimhaut zu verletzen.
Auf diese Erfahrung bauend Hess ich vom Instru¬
mentenmacher Reiner verschiedene Harnröhrenspiegel aus die¬
sem Materiale machen und gelangte nach einer Reihe von Ver¬
suchen zu folgender Form eines einfachen geraden
Endoskops aus Hartkautschuk ohne Conductor.
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303
An einer cylindrischen Röhre ist ein 3V 4 Ctm. Dnrchmesser
betragender Trichter unter einem Winkel von 180 0 angebracht.
Derselbe ist bei 3—4 Millimeter dick und am Rande stark ge¬
kerbt. Der Cylinder ist 10—12 Ctm. lang, gerade abgeschnitten
und an den Rändern abgerundet. Die Innenwand des Trichters
und Cylinders sind matt geschliffen. An der Aussen- und Innen¬
wand des Trichters sind die Ziffern angebracht, welche die
Dicke des Tubus und die Grösse des Sehfeldes nach der Char-
riöre’schen Filiöre *) anzeigen. Die Differenz beider Ziffern gibt
die Stärke der Wandung an, welche wie bei den metallenen
4 / 8 Millimeter beträgt.
Dieser Hartkautschukspiegel entspricht also im Allgemeinen
einem Vaginalspeculum aus diesem Materiale, jedoch mit der
Modification, dass der Trichter im Yerhältniss zur cylindrischen
Röhre in einem viel grösseren Maassstabe angelegt ist.
Die Hartkautschuk-Endoskope 2 ) bieten nun abgesehen davon,
dass sie beim Einführen das unangenehme Gefühl des Metalles
nicht erzeugen, den nicht zu unterschätzenden Yortheil, dass
die Harnröhre schon beim Einführen des Instrumentes schritt¬
weise und zwar von vorn nach hinten untersucht werden kann.
Das Fehlen des Conductors vereinfacht den Untersuchungs¬
act und der dicke, stark gekerbte Rand des Trichters gewährt
dem Daumen und Zeigefinger einen festen Halt und schliesslich
gestattet der massive Trichter, die pars pendula nach Belieben
durch Druck zu verkleinern, daher die Anbringung einer Steu-
rer’schen Scheibe zu diesem Zwecke ganz überflüssig wird.
Diese Endoskope können mit einem Caliber Charriere
Nr. 18, 20, 22 und 24 oder 19. 21, 23 je nach Beschaffenheit
der Weite der Harnröhre und des Orificium derselben benützt
werden.
Die Länge von 6—10 Ctm. eignet sich für die pars pen«
dula, die von 12 Ctm. für die pars membranacea und proBtatica.
Das Caliber Charriere Nr. 20 und 32 ist in der Regel bei
den meisten Harnröhren anwendbar, daher der praktische Arzt
mit je 2 Stück dieser Dicke (eines 10 und eines 12 Ctm lang)
gut ausgestattet ist, um grössere Veränderungen in der Harn¬
röhre zu diagnosticiren.
Der Specialist wird natürlich eine grössere Auswahl von
diesen Endoskopen, wie auch von metallenen besitzen, um selbst
die kleinsten Abnormitäten auffinden zu können.
(Fortsetzung folgt)
J ) Jede Nummer dieses Maassstabes zeigt an, wieviel Drittel Millimeter
Durohmesser der betreffende Cylinder bat; so bedeutet Charriere 18, dass der
Cylinder, der diese Nummeröffnung ausfüllt, einen Durohmesser von 18 / 8 = 6
Millimeter enthält.
*) Dr. Grünfeld besitzt bereits seit vielen Jahren ein mit einem Conductor
versehenes 15 cm. langes Endoskop aus Hartkautschuk, welches der Form
nach seiüem metallenen entspricht. Dasselbe habe ich erst nachträglich bei
ihm gesehen.
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304
Section fUr öffentliche Gesundheitspflege.
Sitzung vom 1. Deoember 1880. Vorsitzender: Obmann O.-S.-R. Dr. Sohneller.
Bei Beginn der Sitzung theilt der Vorsitzende mit, dass
seit der ersten Sitzung folgende Herren noch beigetreten sind:
die DDr. Anthofer, Wimmer, Prof. Gatscher, Kern¬
ecker, Mittler, Kienast, Raab Wilh., Scholz Jos.,
Frey, R.R. S chlager, Prof. C. v. Rokitansky, Grünfeld,
Steininger und Bergmeister.
Nach Vornahme der Wahl des Obmannstellvertreters,
welche auf Regierungsrath Prof. Sohlager fällt, spricht Dr. v.
KhautzüberdieCanalisationvonWien. Er erwähnt, dass
Wien bereits ein ausgedehntes Canalnetz besitze und seiner topo¬
grafischen Lage nach für das Schwemmsystem sich eigne,
denn es habe ein grosses Niederschlagsgebiet; die zahlreichen
Thalmulden, die ihre Wässer der Donau zuführen, stellen eben-
soviele Bäche dar, die zur Beförderung der Faecalien in die
Donau dienen, wie der Schreiber-, Nessel-, Krotten-, Erbsen-,
Währinger*, Alser- und Ottakringer Bach; dazu komme noch
der Wienfluss und der in Folge einer Senkung des Terrains
entstehende Wasserzufluss vom Wienerberge aus. Für Wien
sei ein anderes System als das Canal-Schwemmsystem, auch
wenn ein solches nicht schon theilweise bestünde, nicht ge¬
eignet, denn das directe Abfuhrsystem würde enorme Kosten
verursachen, die Controle, ob seine Durchführung entsprechend,
sei sehr schwer, und überdies würde man daneben eines Canal¬
systems für die flüssigen Abfallwässer nicht entrathen können.
Gegenwärtig habe Wien mehrere Hauptsammelcanäle, welche
dem natürlichen Gefälle entsprechen; bei einzelnen sei aber das
Gefälle nicht gross genug, daher theilweise auch directe Ab¬
fuhr stattfinden müsse. Diese Canäle münden derzeit in den
Donaucanal. Es bestehe nun die Absicht, am rechten Ufer der
grossen Donau einen vorderhand bis zur Stadlauer Brücke
führenden grossen Sammelcanal anzulegen, ferner zwei Sammel¬
canäle je am rechten und linken Ufer des Donaucanals; einer
der beiden letzteren sei bereits im Bau begriffen, und zwar der
vom Wienerberge aus durch Favoriten führende. Die gegen¬
wärtigen Canäle, die den früher erwähnten Bächen entsprechen,
sollen ihre derzeitigen Mündungen in den Donaucanal mittelst
des sogenannten Choleracanals am linken Ufer der Wien ein-
büssen und in die beiden Hauptcanäle geleitet werden. Einer
der grellsten Uebelstände liege in der Anlage unserer Haus¬
canäle ; dieselben seien nicht genügend undurchlässig und haben
nicht das genügende Gefälle. Die Räumung der Hauscanäle
werde von der Commune besorgt, nachdem die früher übliche
Räumung durch die Hausbesitzer sehr oft nicht in einer
völligen Entfernung der Faecalien, sondern blos in einem Weiter-
schieben derselben in die Strassencanäle bestanden habe. Di®
Hauscanäle werden jetzt allmonatlich, die Strassencanäle zwei-
bis sechsmal jährlich geräumt. Die*Einführung einer Ventilation
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305
der Hauscanäle durch über das Dach hinausreichende Schlote
sei sehr wünschenswerth. Als beste Form für die Sammelcanäle
empfehle sich die Eiform, als Material für die innere Auskleidung
Portlandcement. Gusseiserne und Steinzeugröhren seien in
Wien nur für die sogenannten Wasserläufe in Verwendung,
welche die Bestimmung haben, die Niederschläge von den Strassen
abzuleiten. Diese Wasserläufe seien aber nicht schliessbar,
uud verstopfen sich daher nicht selten durch Sand und Schutt
u. s. w. Das Stadtbauamt habe daher beantragt, sogenannte
Schlammkasten anzulegen, in welchen die einfliessenden Wässer
ihre mitgeschwemmten festen Stoffe abpetzen können. Redner
beantragt die Einsetzung eines Comite’s zum Studium dieser Frage.
Dr. Schneller meint, dass eine allgemeine Debatte über
den Gegenstand in soferne erwünscht sei, als das zu wählende
Comite hieraus die Ansichten der Section kennen lerne und
fordert die Anwesenden auf, hierüber das Wort zu ergreifen.
Dr. Polak besorgt, dass die Leopoldstadt nicht das
genügende Gefälle haben werde Man werde also jedenfalls
neben dem Schwemmsystem auch theilweise die directe Abfuhr
einführen müssen, für welchen Zweck sich die Herstellung einer
Donauflotille und einer Eisenbahn ad hoc empfehle.
Dr. Kämmerer: Die Bedenken des Herrn Vorredners
sind nicht begründet, denn der Hauptcanal in der Leopoldstadt
wird noch immer ein Gefälle von 0 6 pro mille haben, und die
Canäle in London, Berlin und Hamburg haben nur ein Gefälle
von 0*4 bis 0*5 pro mille. Hamburg Ut noch viel schlimmer
daran wegen der Sturmfluth, welche die Herstellung eigener
Belbstthätiger Klappen nothwendig gemacht hat.
D r. v. Khai\tz: Der Sanitätsreferent des Magistrats war
auch der Meinung, dass man im zweiten und theilweise im
dritten und neunten Bezirke die directe Abfuhr werde einführen
müssen. Das Stadtbauamt hat aber nachgewiesen, dass das nicht
nöthig, da das Gefälle gross genug sein werde. Gegenwärtig
findet allerdings noch eine theilweise Abfuhr statt, und wir
haben auch für diesen Zweck eine Donauflotille.
Dr. Kraus: Die Section solle sich blos für die Noth-
wendigkeit einer raschen und vollständigen Canalisirung aus¬
sprechen und sich nicht in technische Details einlassen. An dem
gegenwärtig schon begonnenen Schwemmsysteme sei nichts mehr
zu ändern. An der Section sei es blos, zu sagen, wie schädlich
eine unvollkommene und schlechte Canalisation sei. Experte
habe schon der Gemeinderath zugezogen.
Dr. v. Khautz: Ich bin derselben Ansicht, habe aber
nur geglaubt, dass es nicht ohne Werth sei, wenn die Mit¬
glieder der Section in die technischen Details eingeweiht werden.
Dr. Kehl besorgt keine Uebelstände, wenn die Faecalien
in den Donaucanal und nicht in die grosse Donau selbst geleitet
werden. Nach seinen Erfahrungen in Simmering haben die in
der Nähe des Donaucanals und in der Nähe der Mündungen
der Canäle gelegenen Brunnen sehr gutes Trinkwasser. Es schiene
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306
ihm daher nicht nöthig, die Faecalien in die grosse Donau
zu leiten; in diesem Falle würde es für die Durchspülung der
Canäle in den höheren Bezirken an Wasser gebrechen und das
Herbeischaffen desselben durch Pumpen sei zu kostspielig.
Dr. Grün feld berichtet in ausführlicher Weise aus eigener
Anschauung über die Canalisirungs- und Berieselungs-Anlagen
in Danzig.
Dr. Löffler: Die sanitäre Seite der Frage lässt sich
von der technischen nicht trennen, man muss beide gemeinsam
behandeln.
D r. Polak erinnert, dass das Schwemmsystem in Wien
nicht durchgeführt werden könne, wenn nicht zuvor auch das
Verhältnis der Vororte zu Wien klargestellt werde.
Dr. Gauster schliefst sich der Ansicht Löfflers an.
Er hält die Durchführung des Schwemm-systems in Wien für
schwer möglich, insbesondere für die höhergelegenen Bezirke. Er
plaidirt für das Tonnensystem in Verbindung mit Desinfection
der Faecalmassen.
Dr. Kernecker: Die vorliegende Frage beschäftigt den
Gemeinderath schon seit 15 Jahren, für Experte und Studien¬
reisen sind schon viele Tausende von Gulden ausgegeben worden.
Wir können daher in technischer Beziehung dem Gemeinderathe
nichts Neues bieten. Den Ingenieuren und Bauverständigen wird
die technische Seite der Frage zufallen, wir sollen uns hier nur
mit der sanitären befassen.
Dr. v. Khautz schliesst sich dem Vorredner an. Ein
neues System könne für Wien nicht mehr angefangen, ge¬
schweige denn durchgeführt werden.
Bei der Abstimmung wird beschlossen, dass das zu wählende
Comitö sich nur mit der sanitären Frage zu befassen habe. In
dasselbe werden gewählt die Herren Dr. v. Khautz, Dr.
Kämmerer, Dr. Polak, Dr. Gauster und Dr. Grün feld.
Dieses Comite constituirte sich am 7. December und
wählte Dr. v. Khautz zum Obmanne. Dr. Kämmerer
legte den Entwurf eines Motivenberichts vor, in welchem mehrere
Gesichtspunkte aufgestellt sind, welche bei Behandlung der
Canalisationsfrage besondere Aufmerksamkeit verdienen. Bei der
hierauf stattfindenden Discussion wurden bestimmte Punkte fest¬
gestellt, welche in dem Referate als Scblussanträge gelten sollen.
Mit dem Referate selbst wurde Dr. Kämmerer betraut,
welcher versprach, dasselbe demnächst dem Comite als Substrat
der Berathung vorzulegen.
Die nächste Sitzung der Section für öffentliche Gesundheits¬
pflege findet Mittwoch den 5. Jänner 1881 statt.
Hyrtl-Feier.
Am 8. December versammelten sich die Deputationen des
med. Prof.-Coil., des med. Poct.-Coll. und der med. Studentenschaft
bei Hofrath Hyrtl in Perchtoldsdorf, um ihm die Glückwünsche
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307
zur Feier seines 71. Geburtstages darzubringen. Die Deputation des
Prof -Coli, bestand aus dem Decan Prof. Hofmann, den Professoren
Meynert und Dittel (Heschl war krank) und den Dooenten und
Assistenten Nicoladoni, Chiari und Ultzmann. Hyrtl beantwortete die
von dem Deean Prof. Hofmann in lateinischer Sprache vorgetra¬
gene Glückwunsch-Adresse*) in seinem classischen ciceronianischen
Latein, wies auf die hohe Bedeutung der Wiener medicinischen
Schule hin, welche die ersten Männer der deutschen medicinischen
Wissenschaft zu ihren Förderern und Begründern hatte, betonte die
Bolle und Bedeutung dieser Schule in der Geschichte der Medicin
aller Länder, gedachte Bokitansky’s, Skoda’s und der letzt dahinge¬
schiedenen Grössen — Hebra, Dumreicher und Patruban, und dankte in
ausnehmend bescheidener Weise für die ihm heute gewordene Aus¬
zeichnung und Ehre.
Nach halb 1 Uhr erschien die Deputation des Wiener med.
Doct.-Coll., in Abwesenheit des Präsidenten Dr. v. Schmerling und
des durch Krankheit verhinderten Vice-Präsidenten Dr. P r e y s s, geführt
von dem Vicepräsidenten Dr. Hopfgartner, bestehend aus dem Secre-
tär Dr. Beitter und den Mitgliedern v. Khautz, Kernecker, Lederer,
Scholz, Mittler, Winternitz David und v. Gunz, welchen sich Dr B. Kraus
und Dr. Grünfeld anschlossen. Die beglückwünschende Ansprache
Dr. Hopfgartner’s, welche zugleich den Gefühlen der Verehrung des
Collegiums für den Jubilar Ausdruck gab, gipfelte in einer geistreichen
Anspielung auf die Opera Hyrtliana, welche durch ihre Uebersetzung
in alle lebenden Sprachen die Versöhnung aller Nationalitäten in der
Wissenschaft darstellt. Hierauf überreichte der Secretär dem Meister
Hy rtl die in Gold, Silber und Bronce geprägte Denkmünze, welche
auf der Aversseite das wohlgetroffene Bild Hyrtl’s von der Meister¬
hand Schar ff* 8 ausgeführt zeigt.
Hyrtl war in einer Weise gerührt, dass ihm die Thränen
von der Wange rollten, und er konnte das Ehrengeschenk nicht
lange genug betrachten. „DaB, meine lieben Freunde“, sagte er
endlich, „ist das grossartigste, mich aufs höchste beseligende Zeug-
niss eurer Anhänglichkeit, welches ich höher halten werde, als alle
äusseren Ehrenzeichen, die mir jemals in meiner Eigenschaft als
Lehrer und Forscher verliehen wurden. Ich werde es bis an den
letzten Tag meines Lebens heilig halten. Ich bin ein Eremit; was
kann mir in meiner Einsamkeit höher und heiliger sein, als der
Besuch der geehrten Vertreter des Wiener med. Doct.-Coll. Sagen
Sie jedem einzelnen Mitgliede meinen tiefgefühlten Dank, melden
Sie jedem die Freude, die er mir durch Euch bereitet hat, und ver-
*) Die Adresse trägt folgende Widmungsaufsohrift: „Q B. F. F. F. Q. 8.
Virum summum Josephnm Hyrtl, Professorem Vindobonensem anno p. Cbr.
1880 Decembris mensis die VH. Natalitia septnagesima agentera exanimi sen-
tentia gratulabundi salvere jusserunt Ordinis Medicorum in Academia Vindo-
bonensi Professor es et privatim Dooentes“. Die Adresse sohliesst nach Auf¬
zählung der Verdienste des Gefeierten mit den Worten Linn4s an Haller „Vale
et vive diu felix, artis nostrae sidus et ornamentum“. Der Adresse sind die
Namen von 55 Professoren und 52 Dooenten der hiesigen med. Faoultät bei¬
geschlossen,
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308
sichern Sie das ganze Collegium meiner unverbrüchlichen Anhänge
lichkeit“.
Nachdem sich Hyrtl mit jedem Einzelnen der Deputations-
Mitglieder, die er aus ihrer Studentenzeit her trefflich zu charak-
terisiren wusste, unterhalten hatte, war es 2 Uhr geworden, und die
Mitglieder der Deputation waren nun die Gäste seiner Festtafel im
H6tel „zum schwarzen Adler“ in Perchtoldsdorf, dessen Saal festlich
decorirt war.
Den ersten Toast sprach Vice-Präsident Dr. Hopfgartner auf
das Wohl Hyrtl’s, welchen der Jubilar durch folgenden Toast auf
das Collegium erwiderte: „Dem Träger der Wissenschaftlichkeit
in der ausübenden Heilkunde, — dem Kenner, Schätzer und
Belohner wissenschaftlichen Verdienstes, — dem edelsinnigen
Förderer und Unterstützer nützlicher und menschenwürdiger
Bestrebungen,— dem hochachtbaren Repräsentanten des Fort¬
schrittsgeistes in der praktischen Medizin, welcher in den Krankheiten
nicht mehr wie einst blos Erscheinungen sieht, welche beob¬
achtet und nach herkömmlichen Regeln behandelt zu werden brauchen,
sondern sie als naturwissenschaftliche Probleme auffasst,
deren Lösung auf wissenschaftlichem Wege erstrebt werden muss, weil sie
auf empirischen Wegen nicht erstrebt werden kann, — dem würdigen
Vertreter, dem Mehrer und Befestiger der ärztlichen
Standesehre, — dem muthigen Kämpfer für uralte und verbriefte
Standesrechte, — dem immer und allezeit bereiten Freunde und
Woh'lthäter hilfsbedürftiger Collegen, — dem grossmüthigen
Spender tausendfältigen Segens in allen Classen und Schichten
der Bevölkerung; alle diese Ehrentitel in Einem Ausdrucke zu¬
sammengefasst : dem medizinischen Doctoren-Collegium
Wiens, ein dreifaches, zehnfaches, hundertfältiges, in allen dank¬
baren Wiener Herzen wiederhallendes Lebehoch!“
Es sprach sodann Dr. v. Khautz seine Freude darüber aus,
dass er das hohe Glück habe, seinen Lehrer Hyrtl noch ebenso
jung, so lebensfrisch und so geistesstark zu sehen, wie vor zwei¬
undzwanzig Jahren. Gemeinderath Dr. Kernecker entbot dem
Jubilar als Ehrenbürger der Haupt- und Residenzstadt Wien die Glück¬
wünsche der Grosscommune, die es sich zur höchsten Ehre anrechne,
den Jubilar in ihrem goldenen Buche eingetragen zu haben. Redacteur
Dr. Kraus erhob sein Glas auf das Wohl der Gattin des Jubilars, der
gemüthvollen Dichterin, welche als die würdige Lebensgefährtin des
grossen Gelehrten mit innigem Danke und höchster Anerkennung
gepriesen zu werden verdiene. Dr. Lederer brachte auf den Jubilar
als ausgezeichneten Lehrer einen Toast aus. # )
*) Dieser Toast lautet: Bekanntlich gibt es Gerichte, die ganz einfach
ohne besondere Zubereitung uns trefflioh munden, während andere sich dieser
Eigenschaft nioht erfreuen; allein das beste Gericht sagt uns nicht zu, wenn
wir es immer wieder und wieder auf die Tafel bekommen, und selbst der
galante Franzose weist die gewiss wohlschmeckenden Rebhühner, wenn sie
ihm zu oft yorgesetzt werden, mit den Worten zurück: „toujours perdrix“.
In solchen Fällen weiss ein tüobtiger Kochkünstler durch eine neue gefällige
Form oder durch pikante Zuthaten das unliebsame Gericht uns mundgerecht
zu machen. Nicht anders verhält es sich mit der Nahrung des Geistes, zu
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309
Professor Hyrtl erhob sich hierauf und sprach:
„Ihr habt den Professor leben lassen, der Professor hält es
für seine Pflicht, auch der Wissenschaft im Kreise wissenschaft¬
licher Männer zu gedenken. Ich wünschte, dass das, was ich sagen
werde, nicht blos hier unter uns, sondern draussen, soweit in Oester¬
reich die deutsche Zunge reicht, vernommen werden möge. Es
wäre höchste Zeit dazu. Es sind nun bald 300 Jahre her, dass
ein grosser Gelehrter und Staatsmann, Baco vonVerulam, Lord¬
kanzler von England unter Jakob I., in seinem berühmten Werke
„De augmentis scientiarum“ die denkwürdigen Worte niederge¬
schrieben hat: „Quantum scimus, tantum possümus,“ was seine
Landsleute kurzweg mit „Knowledge is power“ übersetzten. Der schöne
Gedanke, der aus diesen Worten spricht, wurde von allen gebildeten
Nationen aufgenommen und in ihren Sprachen wiedergegeben. Selbst
bis nach Oesterreich ist er nach und nach gekommen; wir haben
es vor wenigen Jahren aus dem Munde eines Ministers vernommen:
„Wissenschaft ist Macht.“ Diese Worte sagen jedoch viel zu wenig.
Die Wissenschaft ist nicht blos Macht — sie ist eine Grossmacht
— ja mehr noch, sie ist eine Weltmacht geworden, weil kein
gebildetes Volk der Erde sich ihrem gebieterischen, allmächtigen
Einfluss entziehen kann. Deutschland gebührt der Kuhm, durch
seine grossartigen Leistungen in allen Gebieten des menschlichen
Wissens und Forschens das Meiste dazu beigetragen zu haben, die
Wissenschaft auf diese Hohe erhoben zu haben. Wenn auch Deutsch¬
land, jahrhundertelang in Sonderinteressen zerspalten und in poli¬
tische Ohnmacht versunken, hatte lernen müssen, sich an die
Geringschätzung der Welt zu gewöhnen, so ist es doch die deutsche
Wissenschaft gewesen, an welcher das Selbstgefühl dieser grossen
Nation zu allen Zeiten sich ruhmvoll und mit stolzem Bewusstsein
hat erheben können. Zwar ist es mit Deutschlands politischer Be¬
deutung in unseren Tagen anders geworden. Der Ruhm gewaltiger
Waffenthaten, glänzender Siege, eroberte Länder hat die jüngst
erstandene deutsche Einheit gekrönt. Aber dieser Ruhm ist nicht
immer der reinste, denn auch Barbaren haben ihre blutigen Fahnen
durch die eroberte Welt getragen. Aber um den Lorbeer, welchen
sich die deutsche Wissenschaft um die Schläfe windet, trauert keine
Daphne, und die Thränen des Elendes und der Verarmung haben
ihn nicht benetzt, sondern tausendfältiger Segen ist ihm entsprossen
durch Menschenglück und Menschenwohlfahrt. Darum Hoch die
deren Aufnahme er sich bald freundlich, bald aber feindlich stellt. — Von
den 1000 und aber 10Ö0 Sohülern des Jubilars, den wir heute feiern, ist
gewiss eine grössere Anzahl mit Unlust an das Studium der Anatomie ge¬
gangen und ihr Geist musste zur Aufnahme derselben dem Körper ein Opfer
bringen, weil sie dieser zu seiner künftigen Erhaltung benöthigte. Meister
Hyrtl wusste nun durch seine treffliohe Vortragsweise, durch eingestreute
geistreiche Apercus, durch Anwendung derselben auf die praktische Heilkunde
seinen gewiss nioht schmackhaften Gegenstand derart zu würzen, dass die
Schüler durch ein ganzes Jahr einer jeden Vorlesung mit Lust und Liebe
entgegensahen Nicht jeder Gelehrte ist ein Lehrer.
Ich erhebe daher das Glas und bringe dem unvergesslichen Lehrer, der
wie kein Zweiter es verstand, die Jugend für sein Faoh zu begeistern, ein
Hoch. (Stürmische Zustimmung:)
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310
deutsche Wissenschaft, hoch ihre Organe, die deutschen
Universitäten, denen sich alle Männer der Wissenschaft, somit
auch wir, wenngleich in weiter Feme, doch so nahe verbrüdert
fühlen. Nochmals hoch die deutsche Wissenschaft,
hoch die deutschen Schulen und die deutsche Sprac'he!
Nachdem der stürmische Beifall, den diese Worte Hyrtl’s
geweckt hatten, verklungen war, folgte ein Toast von Dr. Scholz
auf die unvergängliche Jugend, welche die Wissenschaft ihren Söhneu
gewährt und deren auch Hyrtl sich erfreut, wie dies durch
das Bild auf der Medaille für ewige Zeiten der Nachwelt über¬
liefert ist. Dr. Winternitz toastirte auf die Kunst, welche es
ermögliche, die Züge des geliebten Lehrers der Nachwelt in E-z
zu überliefern, wofür der anwesende Künstler der Hofkammer-
Medaillen, Schar ff, dankte. Dr. Grünfeld toastirte auf die Lands¬
mannschaft Hy rtPs als Ungar, während Dr. Reitter dessen Wiener
Gemüthlichkeit pries. Die letzten Toaste brachten Dr. von Gunz und
Dr. Mittler aus, von denen Ersterer in ganz vorzüglicher Weise in
seinem und vieler Collegen Namen zweier Momente aus dem Zu¬
sammenleben mit Hyrtl gedachte: der Einführung desselben durch
B e r r e s und Czermak in die Naturforscher - Versammlung zu
Prag 1837 und 1856 in jene zu Wien.
Als dann ein Theil der Festgenossen sich zurückgezogen hatte,
um einen Bericht über die schöne Feier zu verfassen, haben auf
Anregung HyrtPs die bei den Pokalen noch zurückgebliebenen
Prof. Müller, v. Gunz, Friedlowsky, Scharff, Schulze und andere
Getreue die Gläser erhoben, um dem Vater Preyss ein herzliches
„Vivat und Reconvalescat“ zu bringen, und dem guten, thatkräftigen
Manne, der das Collegium so würdig vertritt, als Förderer dieses
Festes, an dem er nur im Geiste theilnehmen konnte, unter Hände¬
klatschen und freudigen Acclamationen den Dank auszusprechen.
Der ärztliche Verein der westlichen Bezirke Wiens liess durch
die Doctoren Anton v. K h au t z und Ignaz Lederer dem Jubilar
Hofrath Hyrtl einen silbernen Lorbeerkranz überreichen mit der
Widmung: „Dem hochverehrten Lehrer der ärztliche Verein der
westlichen Bezirke. 7. December 1880“. Ebenso beglückwünschte
den Jubilar im Namen des ärztlichen Vereines im III. Bezirke
das Vorstandsmitglied desselben, Dr. Reitter. — Tagsvorher
empfing Hyrtl eine Deputation des Vereines der Aerzte Nieder¬
österreichs, dann die der ärztlichen Vereine des I., II. und die
der südlichen Bezirke Wiens. Letztere 2 Vereine überreichten dem
Jubilar Adressen, welche sich in sehr schön ausgestatteten Enveioppes
befanden. Bei dem Abends in Perchtoldsdorf veranstalteten Concerte
schmeichelte man sich, dass der Jubilar erscheinen werde, allein diese
Hoffnung wurde getäuscht. Das Concert selbst unter Leitung des
verdienstvollen Schullehrers Merz bot vortreffliche Leistungen.
# * #
Am 10. d. M. wurde dem Stellvertreter des noch abwesenden
Präsidenten, Dr. Preyss, nachstehendes an das Collegium gerichtete
Dankschreiben vom Jubilar zugesendett
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311
HocfclSbliches Wiener mediciniscbeg Doctoren-Colleginm.
Werthe Freunde und Collegen!
So lange ich Professor gewesen bin, war mein Streben dahin
gerichtet, die Achtung meiner Schüler zu verdienen Sie haben mir
aber mehr gegeben. — Sie schenkten mir Ihre Freundschaft und
Liebe. Braucht es eines Beweises dafür, kann er aus dieser Medaille
reden, in welcher ich ein Denkmal, nicht meines Verdienstes, son¬
dern der treuen Anhänglichkeit meiner ehemaligen Zuhörer verehre.
— Der Werth des Lebens eines wissenschaftlichen Mannes kann
nur nach dem beurtheilt werden, was ihn überlebt. Die Bücher,
welche ich geschrieben, die Museen, welche ich eingerichtet habe,
werden vergehen und aufhören zu sein, während dieses Erz der
späten Nachwelt noch Kunde geben wird, dass in Wien ein Anatom
gelebt, welchen die von ihm unterrichteten Aerzte einer solchen
Auszeichnung würdig gehalten haben. — Meinen Namen durch
eine förmlich so bedeutungsvolle Ehrenbezeugung auf die kommen¬
den Geschlechter übertragen zu wissen, und mich jenen grossen
Anatomen an die Seite gestellt zu sehen, deren Schaffen und Wirken
die dankbare Wissenschaft durch ein gleiches Erinnerungszeichen
feierte, macht mich wahrhaft glücklich und stolz, und selbst der
Blick in die Zukunft, in deren nächster Perspective ein Grabstein
steht, verliert seine Wehmuth, wenn diesen Stein ein solches Ehren¬
zeichen schmücken wird.
Ich will nicht mit dem römischen Imperator, dem alle Wünsche
in Erfüllung gingen, sagen: nunc lubens moriar; ich möchte viel¬
mehr noch länger unter den Lebenden weilen, um die Freude, die
Sie mir bereitet haben, durch den Rest meiner Tage noch gemessen
zu können.' Es soll an mir nicht fehlen, meinen Freunden zu
zeigen, dass sie ihre Gunst nicht einem abgelebten Greis, sondern
einem Manne geschenkt haben, welcher noch Lebensmuth und Ar¬
beitskraft in sich fühlt, mehr vielleicht, als mancher jüngere Genosse
seines Standes.
Mögen Sie Alle so glücklich durchs Leben gehen, wie Sie
mich durch Ihre edle Grossmuth gemacht haben, und mögen Sie
zuweilen an den Einsiedler in der Burgruine von Perchtoldsdorf
denken, unter dessen Führung Sie der Blüthen der Wissenschaft ge¬
wartet, welche Sie jetzt, als praktische Aerzte, mit ihren Früchten
belohnt und erfreut.
Nehmen Sie meinen tiefgefühlten Dank freundlich auf! — er
kommt vom Herzen Ihres treu ergebenen Freundes Josef Hyrtl,
Perchtoldsdorf im Thurme, 9. December 1880.
Notizen.
Internationaler medieinischer Congress in London 1881. Vom General-
seoretariate des genannten Congresses erhalten wir folgende Communiqudes
Die Seotionen V. und X. legten folgende provisorisohe Liste von Fragen, die
zur Disoussion vorgesohlagen werden, vor. V. Chirurgie. I. Die neuesten
Fortschritte der Chirurgie in Bezug auf die Behandlung der Unterleibskrank¬
heiten. 2, Die chirurgische ßehandlungsweise gewisser Krankheitszustände der
Nieren. 3. Die neueren Fortschritte in der Methode der Entfernung des
Blasensteins. 4. Die Behandlung der durch Operationen entstandenen Wunden.
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5, Die Behandlung von Aneurysmen mit elastischem Verband, 6, Die Vortheile
der frühen im Vergleich mit denen der späten Reseotionen bei Gelenkskrank¬
heiten. John Eric Erichsen, Esq., P.R.C.S., F.R.S., Präsident; Prof. E. H.
Be nett, MD., Prof. Humphry, M.D., W. 8, Savory, Esq., F.R.S,, Vice-
Präsidenten; H, G, Howse, Esq., M.S, Thomas Smith, Esq., Seoretäre, Alle
auf Seotion V, bezüglichen Mittheilungen müssen adressirt werden an: H, G.
Howse, Esq., M.S., 10, 8t. Thomas Street, London, 8 E. - X. Ohrenheilkunde.
1. Ueber den Werth von Operationen, die den Schnitt des Trommelfells erheischen,
2. Ueber krankhafte Auswüchse im Ohr und deren Behandlung. 8, Ueber
den Verlust des Gehörs bei gesundem Zustand des mittleren und äusseren
Ohres. Der Präsident und die Secretäre würden Jedermann sehr verbunden
sein, der ihnen Nachricht geben wollte, ob er dem Congress beizuwohnen
gedenke — auch für etwaige Vorschläge betreffs der obigen Liste. William
B, Dalby, Esq., Präsident; D. Cassels, Dr. Fitzgerald, Vioe-Präsidenten,
Alle auf Section X. bezügliche Mittheilungen müssen adressirt werden an:
W. Laidlaw Purves, ß, Stratford Place, Oxford Street, London W., Urban
Pritohard, 3, George Street, Hanover Square, London, W-, Secretäre,
Sterbefall. Am 1. d. M. starb in Wien nach längerem Leiden noch
ein älteres Mitglied des Collegiums. Herr Dr. Johann Romioh, geboren zu
Diöszegh in Ungarn am 14. April 1815, vollendete seine medicinisohen Studien
in Wien, wurde an hietiger Universität im Jahre 1841 zum Doctor der Medicin
promovirt und im Jahre 1846 als Mitglied in die medioinische Faoultät aufgenommen.
Nach kurzer Dienstleistung im allgemeinen Krankenhause wurde er Armenarzt
im IX. Bezirke, wo er auch als Specialist für Behandlung von Fussleiden
aufgetreten und als solcher weit bekannt wurde. Ihn erfasste eine solche
Leidenschaft für solche Kranke, dass er, kleine Legate abgerechnet, sein
ganzes nicht unbedeutendes Vermögen zur Stiftung eines Spitals für Fuss-
kranke hinterliess, das er unter die Obhut des Doctoren-Collegiums gestellt
haben will. Die näheren Details dieser letztwilligeu Anordnung sind uns noch
unbekannt, da die legale Abschrift des circa zehn engbeschriebene Bogen
füllenden Testamentes dem Collegium erst demnächst zukommen wird.
Wohnnngsveränderung. Dr. Federn wohnt jetzt I, Rothethurm-
strasse 22; — Dr. B a s s 1 i n g e r VI., Kaserngasse 14; — Dr. Z i c k 1 e r zu
Johannisthal in Böhmen; — Dr. Deutsch J. in Berlin, Friedriohstrasse 94.
Ordinationsstunden. Dr. Max Kassowitz ordinirt von 3—4 Uhr;
— Dr Josef Hermann von 11 — 1 Uhr; — Dr. D ostal von 2— 4 Uhr.
Einladung
zu der am Montag den 20. December, Abends 7 Uhr, im Sitzungssaale
des akademischen Senates (vormals Consistorialsaal), I., Sonnenfelsgasse 23,
st&ttfindenden
Wissenschaftlichen Versammlung.
Programm:
1. Vorstellung von Kranken.
2. Vortrag des Herrn Prof. Dr. Ludwig Mautbner: Ueber das We*en und
die Bestimmung der Farbenblindheit.
Dr. Preyss, Vice-Pr äsident Dr. Karl Reitter , Secretär.
Von der vom Wr. med. Doct.-Coll. dem Prof\ Hyrtl zu
Ehren vom k . k . Münzgraveur Herrn Scharff mit vollkommener
Portraitähnlichkeit angefertigten Medaille sind die subscribirten
Exemplare in Bronce in der Kanzlei des Collegiums (1. Rothe -
thurmstrasse 23) zu beziehen und werden die Herren Subscribenten
ersucht , dieselben gegen Erlag von 3 fl. in Empfang nehmen zu
wollen Solche Medaillen liegen auch in den Buchhandlungen
W. Braumüller , L. W. Seidel und Toeplitz und Deuticke zur
Ansicht auf.
Die nächste Nummer, die letzte in diesem Jahre, erscheint
am 28. December. _
Herausgeber und Verleger: Wiener medicin. Doct -Ooll. — Verantwortlicher R<>daoteur
l>r. L. Hopfgartner. — Üeeelleohafu-Buehdruokerei, Wien, III. Erdberg strasse S.
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TI. Bd. Ausgegeben am 23. December 1880. JWr. SS
fflTTHEMNGEN
des
ffiBncr niBdiciDiscjtBD DoclorBU-Coll0Oinms.
Erscheint jeden zweiten Donnerstag ein halber bis ein ganzer Bogen and darüber, an
90 Bogen im Jahre. — Ganzjährige'; Abonnement für Nichtmitglieder des Oollegiams im In¬
lande 8 fl., nach dem Anslande 6 Birk. — Einzelne Nummern 25 kr. = 50 Pfg. — Inserate
15 kr. = 80 Pfg. für die durchlaufende Petit-Zeile.
Man pränomerirt in der Medicin. Buchhandlung Toeplitx de Deatioke
(vormals Karl Ciermak), Wien, I., Schottengasse 6.
Zisehriften und Zusendungen an die Redaetion: Wien, Kanlei des Wiener aed.
Doet-Coll. und der Witwen- und Waisen-Societät, Rothenthurmstrasse 23»
Inhalt: Wissenschaftliche Versamlung am 6. December: Vortrag des Df. Weinberg: Zur
Technik der Endoscopie. (Fortsetzung und Schluss.) — Aus dem G-eschäftsrathe. — Litera¬
rische Anzeigen. — Notizen. — Einladung.
Wissenschaftliche Versammlung vom 6. December.
Zur Technik der Endoskopie.
Tortrag von Dr. J. Weinberg. (Fortsetzung und Sohluss.)
Die Einführung eines Endoskops ohne Conductor in die
Urethra geschieht folgender Weise: Nach vorgenoramener Be-
fettung des Cylinders und des Orificiums urethrae cutaneum wird
der erstere schreibfederartig an seiner Mitte mit dem rechten
Daumen, Zeige- und Mittelfinger gefasst, während das Orificium
mittelst des linken Daumens und Zeigefingers nach oben ge¬
richtet und durch leichten Druck auf die Eichel von vorn nach
hinten etwas klaffend gemacht wird.
Nun wird die rechte Hälfte des Visceralendes gegen die
linke Lippe des Orificiums in schiefer Richtung gedrückt und
hierauf der Tubus axial zur Harnröhre gehoben, wodurch unter
stetem, leisen Druck auch die linke Visceralhälfte neben der
rechten Lippe in die Uretra schlüpft. Jetzt wird das Endoskop
am Trichter gefasst, und zwar mit dem rechten Daumen und
Zeigefinger, und in den vertical gehaltenen Penis langsam ge¬
drückt. In einzelnen Fällen stösst man 1—2 Ctm. tief auf ein
kleines Hinderniss, von derValvula fossae navicularis herrührend;
dieses wird durch leichtes Andrücken des Visceralendes an der
einen oder der andern Seite der Wandung überwunden und das
Endoskop gleitet nun ohne Störuug bis zur Pars bulbosa.
Wird jetzt der Tubus hiermit auch der Penis aus der
verticalen in die horizontale Richtung gebracht, der Trichter
zwischen linken Daumen und Zeigefinger gefasst und stets unter
Controle des Auges langsam so vorgeschoben, dass er stets
axial, d. i. central eingestellt, in der Harnröhre verläuft, so gelangt
man auf einmal wie mit einem Ruck durch den Isthmus in
die pars membranacea und schliesslich in die pars prostatica.
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Will man im Verlaufe der Einführung eine Stelle fixiren,
so hält man mit dem linken Daumen und Zeigefinger den
Trichter, während man die übrigen Finger auf dem Rücken
des Gliedes und dadurch mittelbar auf dem Tubus ruhen lässt.
Nur in jenen seltenen Fällen, wo das Orificium externum
so eng ist, dass man mit einer dieser Nummern nicht entriren
kann, benütze ich mit gutem Erfolge Hartkautschuk-Dilatatorien.
Ein 4 Cm. langer abgerundeter, sich nach unten verjüngender
Hartkautschukstift trägt an seinem dickeren Ende eine Cm.
im Durchmesser haltende Scheibe aus demselben Materiale.
Der Rand« der Scheibe ist stark gekerbt und das freie Ende
des Stiftes abgerundet. Jeder der 4 Cm. entspricht einer der
vier auf einanderfolgenden Nummern der Charriere’schen Filiere,
von denen die grössere an der oberen, die kleinere an der
unteren Fläche der Scheibe zu lesen ist.
Mit 3 solchen Dilatatorien, welche den Nummern 12—16,
16—20, 20—24 des Charriere’schen Massstabes entsprechen,
kann jedes verengte Orificium so ausgedehnt werden, um ein
passend weites Endoskop einführen zu können.
Die Dilatatorien nach Dittel sind zur Erweiterung von
Stricturen im vorderen Theile der Urethra bestimmte Metall¬
stifte. Jeder derselben ist 6 oder 9 Cm. lang und die obere,
Hälfte entspricht stets einer einzigen Nummer der Charriere-
schen Filiöre. Will man diese zur Erweiterung von einer abnorm
angebornen oder erworbenen Enge eines Orificiums benützen,
so müssen dieselben ziemlich tief in die Urethra eingeführt werden.
Auch weiss man nicht, insolauge noch der- untere Theil des
Stiftes im Orificium steckt, wie weit die Erweiterung schon
gediehen ist, während dieselbe bei meinen Dilatatorien bei
jedem Centimeter genau bekannt ist. Dass das Gefühl bei der Er¬
weiterung mit Bartkautschukstiften nicht so unangenehm ist,
wie bei denen aus Metall, brauche ich nicht erst hervorzubeben.
Auch die Conductoren der Grünfeld’schen geraden Endoskope
können als Dilatatorien verwerthet werden, jedoch nur bis Nr. 20,
dem dicksten Leitstabe von Tubus Nr. 24, daher man zum
Zwecke der Erweiterung auf eine höhere Nummer als 20 doch
zu einem anderen Instrumente greifen muss.
Ich hoffe durch diese Modification des Harnröhrenspiegels
und dessen Anwendungweise die endoskopische Untersuchung
in jeder Hinsicht speciell für den praktischen Arzt gefördert zu
haben, da selbst der wenig geübte Untersuchende nicht mehr
Gefahr läuft, die Schleimhaut zu verletzen.
Die vielen Cautelen, die man sich aneignen musste, um
mit dem Metalltubus sowohl beim Einführen des Endoskops,
als Zurückziehen des Conductors, und Besichtigen des Seh¬
feldes, nicht die Schleimhaut zu ritzen, und daher leichte
Blutungen hervorzurufen, sind jetzt überflüssig oder wenigstens
bedeutend geringer zu achten.
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315
Aber nicht bloss für den praktischen Arzt, sondern auch
für den Endoskopiker von Fach gewähren diese Hartkautschuk¬
tuben schon jetzt eine Erleichterung bei der Untersuchung der
tiefem Theile der Harnröhre.
So erklärt Grünfeld in seiner Publication: „Weitere
Beiträge zur endoskopischen Untersuchung des Samenhügels“*),
dass er mit den Hartgummi-Endoskopen ohne Conductor viel
leichter den Samenhügel von vorn nach rückwärts einstellen
kann als mit den mit Conductoren armirten Metalltuben.
In dem eben erschienen ausführlichenen Werke dieses
Autors: „Die Endoskopie der Harnröhre und Blase“ 2 ) hebt er
auf Seite 33, 72 und 78 die bereits von mir bezeichneten Vor¬
züge dieser Endoskope hervor. Auch er findet, dass man sie
ohne jeder Gefahr innerhalb der Harnröhre ohne Conductor von
vorn nach hinten schieben kann, ohne die Schleimhaut zu ver¬
letzen, und dass man durch die stete Controle des Sehfeldes
während des Einführens sehr leicht die tieferen Theile der
Urethra zur Ansicht zu bringen im Stande ist.
Ganz anders spricht sich A u s p i t z 3 ) in seiner Kritik über
diese „neuen“ Instrumente aus:
„1. Alles, was der Verfasser über die Verletzungen und
dergleichen bei Anwendung der metallischen Tuben mit Con¬
ductor und Scheibe nach Steurer oder Au spitz behauptet,
ist unrichtig. Wer damit umgehen kann, verletzt nie die Harn¬
röhrenschleimhaut. “
Darauf muss ich erwidern, dass dies nicht mir, sondern
den Endoskopikern Grünfeld, Steurer, Gschirhakl und
gewiss auch—Auspitz geschah und noch geschieht, häufiger
aber noch den viel jüngeren Endoskopikern und solchen, die
es erst werden wollen. Ich behauptete und behaupte noch,
dass die Verbesserungen nach Steurer am einfachen geraden
Endoskop sich nicht bewährt haben, und solches hat Auspitz
zum Theile selbst nachgewiesen, denn erstens hat er dem
S t e u r e r’schen Visceralende seine ursprüngliche Form nach
G r ü n f e 1 d wiedergegeben , und zweitens schreibt er vom
Trichter des S t eur er’schen Endoskops: derselbe ist „übri¬
gens ziemlich überflüssig“. Trotzdem lässt er ihn unver¬
ändert an seinem Instrumente.
Auch die Verbesserung am Conductor nach Steurer
bewährt sich nicht. Die Olive bleibt nämlich am Ocular-Ende
sehr leicht hängen, wenn der Mandrin aus dem Endoskop nicht
vollkommen axial zurückgezogen wird. Dieser unliebsame Zu-
*) „Wiener med. Blätter“ Nr. 10, 11, 12 und 13 (1880).
2 ) „Deutsche Chirurgie“, herausgegeben von Prof. Dr. Billroth und
Prof. Dr. Luecke, Lieferung 51. Die Endoskopie der Harnröhre und Blase
von Dr. Josef Grünfeld. Stuttgart 1881.
8 ) Vierteljahressohrift für Dermatologie und Syphilis. 1881. II. und
III. Heft, pag. 375.
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316
fall, welcher beim Grünfel duschen Leitstabe gar nicht ein-
treten kann, erzeugt aber auch jene für den Patienten höchst
unangenehme und oft schmerzhafte Erschütterung des einge¬
führten Tubus, welche eben Steurer durch seine neue Con-
ductorform aus anderen Gründen hintanzuhalten angestrebt hat.
Es bleibt noch als letzte Veränderung die von Steurer
angegebene Scheibe übrig, welche merkwürdigerweise einen
gegeh den Trichter hin gebogenen Rand besitzt, der beim län¬
geren Endoskopiren einen nicht zu vermeidenden, ziemlich
fühlbar belästigenden Druck auf die Finger des Untersuchenden
ausübt. Der doppelte Zweck dieser Scheibe, mittelst grösserer
Oberfläche auf die pars pendula zu drücken und zugleich zu
verhüten, dass sich die Harnröhre über den trompetenartigen
vorderen Ansatz des Endoskops verschiebe, wird gewiss viel
praktischer durch Anbringung eines Ocular- Endes an dem
Metalltubus erreicht, das dem meiner Hartkautschukspiegel
ähnlich ist. Ich habe daher Grünfel d’sche Metalltuben ohne
trompetenartigen Trichter beim Instrumentenmacher Reiner
anfertigen lassen.
Durch diese Auseinandersetzungen glaube ich den Beweis
geliefert zu haben, dass Steurer durch die am einfachen
geraden Endoskop angebrachten Complicationen seinen Zweck,
Verletzungen der Schleimhaut hintanzuhalten, nicht erreicht,
vielmehr dessen Handhabung erschwert hat. Die dem Grün¬
fel dachen und Steurer’schen Endoskope anhaftenden Mängel
sind im A u s p i t z’schen vereint zu finden, daher ich durch
genaue Prüfung der Thatsachen zu dem Schlüsse kam und
komme, dass man mit den S t e u r e r’schen und Ausp it z’schen
Instrumenten noch leichter verletze, als mit dem Grünfeld-
schen, selbst wenn man ein geübter Endoskopiker ist.
Insolange A u s p i t z mir keine anderen Argumente, als:
„was Weinberg etc. behauptet, ist unrichtig“, entgegen¬
stellt, muss ich mein Urtheil als richtig gelten lassen.
Ferner sagt A. 2. Gegen das Einführen von Endoskopen
aus Hartkautschuk, wenn sie gut verfertigt sind, anstatt der
metallischen ist nichts einzuwenden. Wohl aber muss darauf
hingewiesen werden, dass dadurch
3. auf den Gewinn verzichtet wird, welcher aus innen
polirten hellen Tuben für die Lichtstärke resultirt, wie er es
seinerzeit demonstrirt hat.
Darauf muss ich erwidern, dass bei den Kautschuktuben
die Innenfläche durch die blosse Fabrication spiegelglatt und
glänzend ist. Ich lasse sie aber matt schleifen, weil ich mich
überzeugt hatte, dass, so oft der Mechaniker dieses zu thun
unterlassen hat, ich durch die unzähligen Reflexbilder des
Instrumentes kein reines und deutliches Bild von der Schleim¬
haut erhalten habe. Bei Metalltuben geht überdies die spie¬
gelnde Fläche nach einer einzigen Aetzung mit Nitr. argent.
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317
u. dgl. verloren, und das theilweise glänzende, theilweise matte
Innere des Tubus erhöht die störende Wirkung zur Erhaltung
eines constant deutlichen Bildes. Aus diesem Grunde verzichten
auch alle Specialisten auf den Gewinn der Lichtstärke bei Röhren,
so Zaufal bei seinen Nasentrichtern, die Ohrenärzte bei ihren
Ohrentrichtern, ja selbst die Frauenärzte bei ihren voluminösen
Speculis, die sie an der Innenfläche nur matt haben wollen. Uebri-
gens erklären die Augenärzte eine stark glänzende Innenfläche
einer Röhre als einen Nachtheil für deutliches Sehen und
meine Erfahrungen bestätigen diese Thatsache beim Endoskope.
Schliesslich meint A, 4. „Das Einführen solcher Tuben
ohne Conductor ist ebenso wie das Untersuchen von vorn
nach rückwärts unter allen Umständen zu verwerfen, weil es
stets unnütz ist, aber möglicherweise gefährlich werden kann.
Die Begründung für diese Behauptung ist für jeden Endoskopi-
ker, der mit solchen Tuben ohne Conductor Versuche angestellt
hat, vollkommen überflüssig. A. zweifelt daher auch gar nicht
daran, dass der Erfinder selbst heute schon seine Hartkaut¬
schuktuben mit Conductoren armirt.“
Als Erfinder der Hartkautschuktuben ohne Conductor
muss ich nun dem Referenten die Mittheilung machen, dass
ich zu meinen Endoskopen schon aus dem Grunde keine Con¬
ductoren anfertigen lasse, damit der Mechaniker nicht in die
Lage komme, das Visceralende dem Conductor anpassend zu
machen, wie es mir bei den ersten Tuben ergangen ist und
ich dann statt einen abgerundeten, einen ziemlich scharfen
Rand am Visceralende erhalten habe.
Wer aber die Hartkautschuktuben mit einem Conductor
versehen lassen will, dem ertheile ich den Rath, denselben so her-
steilen zu lassen, dass er erstens bei zweimal so lang hervor¬
rage als bei den metallenen, und zweitens, dass er nur lose
im abgerundeten, nicht anpassend gemachten Visceralende
stecke. Mit der Benützung des Conductors verzichtet aber dieser
Endoskopiker auf die schon von mir und Grünfeld nach-
gewiesenenVorzüge der Einführung desEndoskops
ohne Conductor unter der steten Controle des
Auges.
Ueber die Dilatatorien fällt Auspitz folgende Kritik: „Die
Dilatatorien sind ganz überflüssig, weil man eine geringe Er¬
weiterung vor Einführung des Tubus durch die Olive des früher
herausgenommenen Conductors bewerkstelligen kann, freilich
nur eine sehr geringfügige Dilatation, aber gerade so viel oder
so wenig als durch die ganz überflüssigen und werthlosen Dila¬
tatorien verschiedenen Calibers nach Weinberg.“
Aus diesem Urtheile über meine Dilatatorien geht hervor,
dass der Referent meine Publication nicht genau gelesen oder
nicht recht verstanden hat, denn ich hebe in derselben aus¬
drücklich hervor: „Nur in jenen selte nen Fäll en, wo das
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318
Orificium ©xternum so eng ist, dass man mit einer dieser Nummern
gar nicht ausreicht, benütze ich mit gutem Erfolge Hart¬
kautsch uk-Dilatatorien. u
Daraus folgt, dass ich die Dilatatorien nur in dem selten
vorkommenden Falle der abnorm engen, angeborenen oder er¬
worbenen Orificien gebrauche; in allen anderen Fällen, wo jeder
mit Conductor armirte Metalltubus das Orificium passirt, entrire
ich auch ohne jede weitere Vorbereitung den Hartkautschuk¬
tubus ohne Conductor. Dort, wo der Endoskopiker bisher zu dem
Kunstgriffe, mit dem früher ausgezogenen Conductor eine gering¬
fügige Erweiterung herbeizuführen, seine Zuflucht genommen
hat, brauche ich kein Dilatatorium, da ich mit dem stumpfen
Tubusende des Hartkautschuk-Endoskops diese Erweiterung
ebenso gut, wenn nicht besser erreiche.
Hingegen habe ich wiederholt in Gegenwart von Collegen
nachgewiesen, dass ich in stark verengte Orificien mit einem
Metalltubus von Nr. 18, 19, 20 oder 21 und höher, trotz der
ausgiebigsten Erweiterung, mit ihren früher ausgezogenen Con-
ductoren nicht hineingelangen konnte. Griff ich zu meinen Dila¬
tatorien, konnte ich nicht blos das mit Conductor armirte Metall-
Endoskop, sondern auch jeden Hartkautschuktubus gleichen
Calibers ohne Conductor in die betreffende Harnröhre einführen.
Jedenfalls gehört auch einige Uebung dazu. Man muss
nämlich gleich nach Entfernung des bei einer halben bis ganzen
Minute eingewirkten Stiftes die eine Hälfte des Visceralendes
des Tubus in der schon früher beschriebenen Weise gegen das
klaffend gehaltene Orificium drücken und durch passendes Heben
des Tubus auch dessen zweite Hälfte in das Orificium hinein¬
gelangen lassen.
Grünfeld 1 ) gibt in seinem Werke bei der Schilderung
der Einführung des Endoskops in ein verengtes Orificium urethrae
cutaneum an: „Mit Instrumenten von kleinerem Caliber gelang
es immer einzudringen, so dass ich zu diktatorischen Hilfs¬
mitteln meine Znflucht zu nehm.en höchst selten bemüssigt war.
Nur in Fällen, wo die genaue endoskopische Exploration der
Urethra die Anwendung eines Instrumentes von grösserem Durch¬
messer erheischen würde, empfiehlt sich die Erweiterung der
Harnröhrenmündung, die de norma das einzige Hinderniss gegen
die Wahl stärker calibrirter Tuben abgibt. Es können nach
mässiger Dilatation Instrumente von beträchtlich grossem Durch¬
messer (um 3—4 Nummern Charriere höher) eindringen. Zur
Dilatation bediene ich mich der Dittel’schen oder Wein-
berg’schen Stifte.“
Aus dem Gesagten geht nun zur Evidenz hervor, dass
man in gewissen Fällen zum Zwecke einer endoskopischen
*) L. o. pag. 70.
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319
Untersuchung ein verengtes Orificium einer Erweiterung unter¬
ziehen muss.
Wenn nun ein Patient sich zu diesem speciellen Zwecke
seine verengte Harnröhrenmündung mit Messer oder Scheere
nicht durchtrennen lassen will, wie wird dann Auspitz zu
Werke gehen, wenn die Dilatatorien unnütz und werthlos sind P
Ob dieselben aus Hartkautschuk oder Metall und ob sie nach
meiner oder Dittel’s Angabe calibrirt sind, spielt hierbei
keine Rolle. — ZurReinigung des Sehfeldes in den endoskopischen
Röhren sind verschiedene metallene Tamponträger angegeben
worden,
Desormeaux’s Baumwollträger (Tige porte-coton) ist ein
am unteren Ende geriffter, biegsamer Silberdraht, an welchem
die Baumwolle befestigt wird. Grünfeld’s Tamponträger ist
eine pincettenartige Vorrichtung, deren federnde Branchen durch
einen Ring befestigt werden. Die eine Branche endigt mit 2,
die andere mit 3 Zähnen, und der Griff ist gegen die Achse
unter einem stumpfen Winkel gebogen. Die Anwendung dieser
und anderer Tamponträger lehrte mich, dass die jedesmalige
Armirung derselben sehr viel Zeit kostet, und dass man bei
der Untersuchung einer grösseren Anzahl von Patienten oder
beim Bedarf einer grösseren Menge von Tampons wie bei reich¬
licher Blutung u. dgl. einen eigenen Assistenten zur Armirung
der Tamponträger nothwendig hat.
In einem im Jahre 1876 im Wr. med. Doct.-Coll. gehaltenen
Yortrage x ) wies ich auf die grosse und vielfältige Verwend¬
barkeit der Charpiebaumwollc hin und sagte: ,,Die Charpie-
baumwolle kann auch sehr gut zur Bereitung von Pinseln be¬
nützt werden. Durch blosses Umwickeln derselben um das Ende
eines entsprechenden Holzstäbchens erhält man einen zu ärzt¬
lichen Zwecken sehr verwendbar grossen oder kleinen Pinsel.
Bei einiger Uebung des Umwickelns haftet die Baumwolle am
Stäbchen, insbesondere wenn dasselbe vor dem Ende eine kleine
Einkerbung besitzt, so fest, dass sie nur mit Mühe von dem¬
selben abzuziehen ist u. s. w. a
Durch das Vertrautsein mit der Verwendbarkeit der Charpie-
baumwolle zu Pinseln oder Tampons trachtete ich die metal¬
lenen Tamponträger durch Holzstäbchen zu ersetzen und so
entstanden meine Holzstäbchen-Tampons.
Ein bei 20—25 Ctm. langes, dünnes, gerundetes Holz¬
stäbchen wird an beiden Enden so mit Charpiebaumwolle
umwickelt, dass dieselben von letztem ganz gedeckt sind.
Es geschieht dies am besten, wenn man eine kleine
Menge Bruns'scher Watta zwischen Daumen, Zeige- und Mit-
i) Ueber die praktische Yerwerthung neuer Verbandmaterialien be i
ambulanten Kranken und in der Privatpraxis, von Dr Jacob Weinberg
(gehalten am 12. Juni) „Mittheilungen des Wr.med. Poot Ooll. 1876, Nr. 21 u. 22.
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telfinger der linken Hand bringt, das Ende des Holzstäbchens
darauf legt und dasselbe mit der rechten Hand um seine Achse
dreht.
Bei einiger Uebung ist man im Stande ex tempore rasch
mehrere solcher Tampons herzustellen. Dieselben eignen sich
nicht nur zum Reinigen des Sehfeldes von Fett,* Schleim, Eiter,
Blut etc., sondern auch zum Betupfen der Schleimhaut mit
medicamentösen Flüssigkeiten. Nach dem Gebrauche wird der
Tampon abgebrochen und durch erneuerte Umwicklung so lange
ersetzt, als der Stab nicht zu kurz wird.
Diese leichte Herstellbarkeit vieler und für den momen¬
tanen Bedarf sicherer Tampons ist ein bedeutender Fortschritt
für die instrumentale Harnröhren-Untersuchung, da jeder Arzt
durch dieses Verfahren viel Mühe, Zeit und Geld erspart.
Alle Endoskopiker vom Fach bedienen sich mit Vorliebe
der Holzstäbchen-Tampons. Gschirhakl hat bei seinem Vor¬
trage l ): „Ueber Endoskopie der Blase und Harnröhre“ meine
Holzstäbchen-Tampons demonstrirt und hervorgehoben, dass er
dieselben ausschliesslich zur Reinigung des endoskopischen
Sehfeldes benützt, seitdem er nämlich deren Herstellungsweise
von mir erfahren hat.
Grünfeld äussert sich in seinem wiederholt citirten
Werke Seite 116 folgendermassen über die Holzstäbchen-
Tampons: „Bei einer grösseren Anzahl von nach einander zu unter¬
suchenden Individuen, wo also in rascher Aufeinanderfolge die
Tamponträger von der gebrauchten Wolle zu befreien und
frisch zu armiren sind, ferner in Fällen von profusen Blutungen,
beim Eindringen von Urin in das Tubusinnere u. dgl., wo eine
grössere Anzahl, oft 15 — 20 Tampons erforderlich sind, tritt
die Nothwendigkeit hier ein, einen einfachen Modus einzu-
schlagen.
Der Privatarzt speciell muss auf einen so grossen Vorrath
von Tamponträgern verzichten. Selbst in wohldotirten Kliniken
mögen hier mancherlei Uebelstände nicht zu vermeiden sein.
Ich bediene mich daher nach dem Vorgänge Weinberg’»
einfacher Holzstäbchen von entsprechender Länge, wie solche
bei der Zündhölzchen-Fabrication gebräuchlich sind. Durch Ver¬
suche wurde ein Modus der Adaptirung der Wolle an das Stäbchen
gewonnen, bei welchem die Wolle selbst mit Gewalt nicht zu ent¬
fernen ist. Dass dieser Vorgang speciell ebenso mit Rücksicht auf
Reinlichkeit vorzuziehen ist, als auch mit Rücksicht auf den
Umstand, dass eine beliebige Zahl derartiger Tampons zur
Untersuchung parat gehalten werden kann, ist einleuchtend.
Oft ereignete es sich, dass ich bei einem Vorrath von zehn
metallenen Tamponträgern im Falle einer Blutung/ bei Ueber-
*) Gehalten am 3. Nov. 1879. Mittheilungen des Wiener med. Doctoren-
Collegiums Nr. 25.
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schwemmung des Sehfeldes mit Urin, Eiter etc. in Verlegenheit
kam, während mittels der Holzstäbchen eine ungleich grössere
Zahl von Tampons in Bereitschaft gehalten werden kann. tt
In Bezug der Application von Medicamenten bei der
endoskopischen Be^ndlung sagt Grünfeld mit Rücksicht auf
die Holzstäbchen-Tampons. *) „Die Baumwolle absorbirt mehr
als ausreichend von der aufzutragenden Flüssigkeit. Selbstver¬
ständlich wird ein zur Reinigung des Sehfeldes benutzter Tam¬
pon zur Anwendung des Medicamentes nicht benützt. Auch
hier bewährt sich der Gebrauch der dünnen Holzstäbchen als
Baumwollträger zu Zwecken der Application von Medicamenten.
Mit dem Baumwoll-Tampon kann ein grösseres oder geringeres
Quantum des Medicamentes aufgenommen werden, je nachdem
die das Endstück desselben bildenden Fasern bei der Rotation
lockerer oder fester aneinander gepresst werden.“
Auspitz 2 ) bemerkt über dieselben: „Die Holzstäbchen-
Tampons sind für die pars pendula urethrae ganz gut verwend¬
bar ; es muss aber erfahrungsgemäss von ihrer Verwendung bei
Untersuchungen der pars membranacea und prostatica abgerathen
werden, da die Holzstäbchen leicht abbrechen und
die Tampons in der Harnröhre bleiben und vor Fortsetzung der
Untersuchung herausbefördert werden müssen “
Ich muss gestehen, dass ich über diese Belehrung oft
nachgedacht und bei anderen Endoskopikern und Collegen
nachgefragt habe, und keiner konnte mir sagen, wie man
ein Holzstäbchen innerhalb des Tubus ab¬
brechen kann.
Dass der Watta Tampon vom Tamponträger abgleiten
kann, hat schon Desormeaux angeführt, wesshalb er zuni Her¬
ausziehen desselben einen korkzieherartig endigenden Draht stets
in Bereitschaft hatte.
Cruise verwendete zu diesem Zwecke einen stumpfen
Haken, der durch den Tubus in die zurückgebliebene Substanz
(Baumwolle, Schwamm) gedrückt und durch zwei- bis dreimalige
Drehung an derselben befestigt und hierauf ausgezogen wurde,
Am leichtesten können aber solche Tampons durch
Grünfeld's endoskopische Zange entfernt werden.
Mir ist es nur dreimal geschehen, dass der Tampon vom
Holzstäbchen abgerutscht ist, jedoch zu einer Zeit, wo ich mit
der Anfertigung erst begonnen habe. Zu den Vorzügen dieser
Tampons gehört es eben, dass sie von einem Holzstäbchen
nicht so leicht abgleiten, als von einem Metalldrahte, voraus¬
gesetzt, dass sie gut bereitet sind.
Es handelt sich hier hauptsächlich nur darum, dass nur
kurze Zeit vor der Untersuchung angefertigte Tampons ver-
*) L. c. p. 117.
2 ) Vierteljahressohrift für Dermatologie und Syphilis. 1880. II. und
III. Heft, pag. 375.
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322
wendet werden sollen. Solche, die bereits längere Zeit 1 bis
2 Tage lang schon parat waren, sind gewöhnlich auch yom
Holzstäbchen leicht ablösbar und sie müssen daher vor der
Anwendung einer frischen Rotation zwischen den Fingern unter¬
zogen werden. /'
Uebiigens ist das Abgleiten eines solchen Tampons von
geringer Bedeutung, da er in der Regel, wenn er nicht zum
Zwecke des weiteren EndoBkopirens gleich herausgezogen wird,
mit dem nächsten Harn strahle herausbefördert wird.
Fasse ich das Gesagte zusammen, glaube ich, dass durch
die leichte Improvisirung eines guten Untersuchungstisches,
durch Anwendung von fast gar keine Verletzungen erzeugen¬
den Hartkautschuktuben und durch die leichte Reinigung und
Aetzung des endoskopischen Sehfeldes mittels Holzstäbchen-
Tampons die practischen Aerzte von nun an in der angenehmen
Lage sein werden, sowohl in der Privatpraxis als in ihrer
Hausordination die instrumentale Untersuchung und locale Be¬
handlung der Harnröhre leicht ausführen zu können.
Schliesslich wird hiedurch auch aus der Endoskopie ein
grosser Theil der vielen Schwierigkeiten eliminirt, die bisher
auf die allgemeine Ausbreitung dieser Disciplin nur hindernd
gewirkt haben.
Aus dem Geschäftsrathe.
In der Sitzung, welche am 17. November unter dem Vor¬
sitze des Vicepräsidenten M.-R. Dr. Preyss statt hatte, waren
nebst dem Vicepräsidenten Dr. Hopfgartner und Secretär
Dr. Reitter 14 Mitglieder des Geschäftsrathes anwesend. Der
Vorsitzende theilt mit, dass, nachdem über zwei ähnliche In¬
schriften auf Prof. Hyrtl’8 Medaille sich in der letzten Sitzung
Zweifel erhoben, er beide auf ein Octavblatt geschrieben und
bei dem Jubilar angefragt habe, welcher von diesen beiden er
den Vorzug gebe, worauf Hyrtl unter die, welche auf der Me¬
daille jetzt geprägt ist, eigenhändig schrieb: „Mit dieser voll¬
kommen einverstanden“. Das Blatt wurde zur Einsichtnahme
in Circulation gesetzt.
Hierauf wurden die DDr. Heinrich Adler in Wien, Joach.
Heinr. Husse rl in Jägerndorf und Gustav He sky in Weidlingau
als Mitglieder einstimmig in das Doct.-Coll. aufgenommen.
Der Secretär theilt mit, dass die h. Statthalterei die Ver¬
längerung des Stipendiumgenusses des Stud. med. Kohn wäh¬
rend des Schuljahres 1880/81 zur Ablegung der Rigorosen ge- *
nehmigend zur Kenntniss genommen habe. — Die Berathung und .)
Beschlussfassung über den Antrag des Dr. Spitzmüller, die
Betheiligung des Coli, an dem Empfange der Mitglieder des deut¬
schen Vereins für öffentl, Gesundheitspflege im J 1881 wird vertagt.
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323
Der Vorsitzende bringt ein Schreiben des Dr. Loew zur
Kenntniss, in welchem dieser seine Abwesenheit entschuldigt
und sich erbietet, die Repräsentanz des Coli, bei der Leichen¬
feier des Hofrathes Pjof. v. Dumreicherin Graz zu übernehmen.
Der Geschäftsrath, **fcssen Mitglieder sich über die betrübende
Nachricht von diesem Tode zum Zeichen ihres Beileids von
ihren Sitzen erhoben, nimmt den Antrag des Dr. Loew dank¬
bar an und beauftragt denselben, das Coli, bei dem Leichen¬
begängnisse in Graz als dessen Delegirter zu vertreten, der
Baronin Witwe ein Beileidschreiben des Präsidiums zu über¬
reichen und den vom Coli, gewidmeten Kranz mit Schleife auf
den Sarg des Verewigten niederzulegen.
Bezüglich der Widerlegung des Memorandums des Ge-
Bchäftsausschusses des Aerztevereins-Verbandes wird beschlossen,
dessen Manuscript vervielfältigen und an alle Mitglieder des
Geschäftsrathes vertheilen zu lassen noch ehe es zur Berathung
kommt. Zur näheren Verständigung verspricht auch Dr. Scholz
die noch zu bekommenden Exemplare der Vereinszeitung vom
1. Mai 1. J., in welcher genanntes Memorandum erschienen, dem
Geschäftsrath zur Verfügung zu stellen.
In der Sitzung am 24. November, in welcher ausser
den in Wien anwesenden Mitgliedern des Präsidiums 18 Mit¬
glieder des Geschäftsrathes anwesend waren, referirt Secretär
Dr. Reitter im Namen des Superintendenten Dr. Innhauser
über die Verleihung zweier MonBing’scher Stipendien und schlägt
vor, dieselben den Medicin Studirenden Lobenwein und
Strobl zu verleihen, was einstimmig angenommen wurde.
Dr. v. Kh a u t z referirt dann als Obmann des Hyrtl-Jubiläums-
Comitä über die Vorbereitungen, die zur Feier desselben ver¬
abredet wurden und die auch nach längerer Berathung in der Weise
zur Ausführung kamen, wie es der bereits veröffentlichte Fest¬
bericht mittheilt* Dr. P r e y s s, welcher die bestimmte Erklärung
abgibt, dass er als einer der ältesten und vertrautesten Freunde
des Jubilars zu seinem tiefsten Bedauern wegen mehrwöchent¬
lichem, zeitweilig sehr schmerzhaftem Leiden die Deputation
nicht führen, ja nicht einmal begleiten könne, wird eindringlich
ersucht, wenn nur immer möglich, doch daran theilzunehmen,
was sich aber leider als unmöglich herausstellte.
Dr. Reitter gibt bekannt, dass durch das F e st ge¬
sehen k als solches dem Coli, keine besonderen Kosten er¬
wachsen, da diese durch die Fürsorge des Dr. Preyss aus
anderen Quellen gedeckt wurden and nur Gravir- und Präge-
koßten dem Coli, zur Last fallen, die übrigens durch Verkauf
von Medaillen sehr vermindert werden dürften. Die Versamm-
tog spricht dem Dr. Preyss dafür unter Erheben von den
Sitzen den Dank aus.
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324
Literarische Anzeigen.
Offener Brief an Herrn Dr. Erhardt, ersten rechtskun¬
digen Bürgermeister von München, betreffend Br.
L. Winterhalte r’s Schrift: „Zur Canal isation von
München“. Von Br. G. Yarrentrapp, Frankfurt a. M. Separat¬
abdruck aus der „Deutschen Vierteljahressohrirt für öffentliche Gesund¬
heitspflege“. Band XII, Heft 4. München 1880. gr. 8. 24 S. Preis 50 Pf.
Obgleich vorliegende Schrift, vorzugsweise polemischer Natur, sich
insbesondere auf Münohen bezieht, so ist dooh das behandelte Thema ein
solohes, welohes ein mehr allgemeines Interesse beansprucht Bie Frage, ob
zur Entfernung der Abfallsstoffe das Schwemm- oder das Abfuhrsystem
geeigneter sei, ist eine seit Jahrzehnten schon die Hygieniker beschäftigende
und eine solche, die sich, wie ich glaube, im Allgemeinen weder unbedingt
bejahen noch verneinen lässt. Es kommt nämlich zumeist auf die Looalver-
hältnisse und die Art der Durchführung an, die wieder zahlreiche Varianten
gestattet. Winterhalter ist nun ein Gegner des Sohwemmsystems als einer
besonders durch die Canalgase Luft und Wasser verpestenden und die Land¬
wirtschaft durch Entgang der Düngstoffe zu Grunde richtenden Anlage, und
für das Tonnensystem eingenommen Er sucht die Schädlichkeit des ersteren
im Wege der Statistik naohzuweisen und führt zu diesem Zwecke englisohe
Städte, dann Frankfurt am Main an, dessen SterbliohkeitsVerhältnisse in der
letzten Zeit seit Einführung der neuen Schwemmsiele sich verschlechtert
haben. Yarrentrapp aber weist Fehlschlüsse auf dem Gebiete der Statistik
nach, führt die Steigerung der Sterbeziffer in Frankfurt zurüok auf die
rasche Zunahme der Bevölkerung, und zwar meist nur durch Zuwachs der
unproduotiven Altersolassen, indem in Folge der seit zwölf Jahren eingeführ¬
ten Gewerbefreiheit und Freizügigkeit zahlreiche Arbeiterfamilien mit vielen
Kindern und erwerbsunfähigen Angehörigen nach Frankfurt eingewandert
sind, und ferner darauf, dass das benachbarte stets eine grosse Mortalität
darbietende Bornheim einverleibt wurde. Uebrigens muss natürlich Varreu¬
trapp selbst zugeben, dass schlecht und aus porösem Material gebaute Canäle
mit geringem Gefälle und ohne hinreichenden Wasserzufluss, wie es deren ja
noch genug auch in London gibt, durch ihre in das Innere der Häuser drin¬
genden Emanationen der Gesundheit höchst nachtheilig sind. Die zweck¬
mässige Entfernung der Faecalien aus dem Bereiohe der Städtebewohner ist
ja eben nur ein Glied in der Kette jener Vorkehrungen, welche die Salu-
brität eines Ortes begründen. Auch sie bietet nichts Abgeschlossenes und ist
nooh vieler Verbesserungen fähig; auch hier liegt oft der Schwerpunkt des
Ganzen einzig und allein in der genauen Durchführung des angenommenen
Systems Dr. Schneller.
Kritik der gegen die Sohwemm-Canalisation erhobenen Ein¬
wände. Von Dr. J. Soyk a. Mit einem Vorworte von Dr. M. v. Pettenkofer.
Münohen 1880. 8. 96 Seiten. Der hygienisohen Tagesfragen 1. Heft.
Auch diese Sohrift hat, wie der Titel besagt, die Aufgabe, und zwar
unter der Aegide Pettenkofer’s für die Sohwemmcanalisation eine Lanze
zu brechen. Sie ist in mehrere Abschnitte getheilt, deren jeder in mehr
prägnanter Weise hierher gehörige Fragen beleuchtet und sie meist zu
Gunsten obigen Systems zu beantworten bemüht ist. So werden die Canalgas-
und die Trinkwassertheorie einer Kritik unterzogen und auf Grund physi¬
kalischer und ohemisoher Untersuchungen der hygienische, wie Soyka meint,
überschätzte Einfluss jener Agentien auf das richtige Maass zurückzuführen
versucht. Bass hiebei von einem Schüler Pettenkofer’s nach dem Ausdrucke
Nägeli’s der „siechhafte“ Boden besondere Berücksichtigung findet, ist na¬
türlich. Worin eigentlich materiell das Siechthum besteht, ob blos in den Gasen
und in welchen, in Pilzen und in welchen specifischen, oder gar in welchen
Infectionsstoffen, bei denen als solohen von exaot sein wollenden Forschern
dooh etwas Stoffliches nachgewiesen sein soll, wird nicht gesagt. Uebrigens
wird mit Recht bemerkt, dass sioh die Ansicht, als ob das Trinkwasser einen
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Einfluss auf Entstehen oder Verbreiten der Cholera hätte, immer mehr als
eine nicht berechtigte herausstellt.
Im dritten Absohnitte wird die Canalisation ohne Einleitung der Fäca-
lien besprochen, wobei . Hoh Emerioh auf die gänzliche Unschädlichkeit des
Harns im frisohen und dessen giftige Beschaffenheit im faulenden Zustande
hingewiesen wird. S o y k a kommt zu dem Ausspruche, dass das Schwemmsystem
mit Berieselung und intermittii ender Filtration dort den Vorzug verdient, wo
die Anlage unter normalen Verhältnissen überhaupt ausführbar ist, und wo nicht
besondere und gewichtige Gründe die Annahme eines anderen Systems erfordern.
Auch die Beziehungen der Canalisation zur Krankheitsfrequenz werden
erörtert und hiebei der Entwässerung des Bodens das Wort geredet. Es heisst
hier ganz richtig: Jeder Boden reinigt sich mit der Zeit von selbst, wenn die
Verunreinigung einmal aufhört, gleichwie auf jedem Leiohenaoker die Leichen
bis auf die Knochen verschwinden, sobald man einmal aufhört, fortwährend
neue Leichen darin zu beerdigen.
Beinhaltung des Bodens ist also auch ein hygienisches Desiderat, sie ist
Mitbedingung zur Reinhaltung der Luft
Sohliesslich werden die Beziehungen zwischen Diphtheritis und localen
Verhältnissen, yrie Winterhalter sie aufstellt, geleugnet; ferner die Statistik
der Diarrhoe und Bronchitis in englischen Städten, endlich da 3 Vorkommen
des Abdominaltyphus, alles mit Rücksicht auf die Canalisation (Besiejung)
geprüft. Zu erwähnen ist noch, dass auch die Grundwasser- und Canalisa-
tionsverhältnisse Wiens eine Würdigung erhalten.
Der Eindruck, den das Buch auf den Leser macht, ist insofeme ein
sehr günstiger, als es des Neuen Manches enthält, lebendig geschrieben ist
und im hohen Grade anregend wirkt. Und wenn auch vielleicht zu viel theore-
tisirt und in der Hitze des Gefeohtes mitunter über das Ziel hinausgesohossen
wird, so gibt es doch der Treffer genug. Uebrigens sollte ein guter Schütze nie
über’s Ziel hinaussohiessen. Druck und Ausstattung sind vorzüglich.
Dr. Sohneller.
Notizen.
Philipp Carl Hartmann 9 » wiedergefundenes Bild. Welcher Arzt, welcher
Gelehrte, welcher Gebildete überhaupt, kennt diesen theuern Namen nicht.
Fünfzig Jahre nach dem Tode seines Trägers bringt ihm, bei jeder der vielen,
sich ununterbrochen wiederholenden Auflagen seiner Werke, die dankbare
Nachwelt, den immer sich erneuernden Zoll der Verehrung und Bewunderung
dar. — Nur Ein Bild dieses grossen Denkers, war der medicinischen Welt
bekannt. Es schmückte Hartmann’s Hörsaal, und wurde im Mai des Jahres
1848, sammt der Einrichtung aller übrigen Musentempel in der Aula, auf die
Strasse geworfen — als Rohstoff für Barrikaden!
Nur wenig Aerzte leben nooh, welche Schüler des geliebten Meisters
waren, aber viele, welche die Grundlage ihres medioinisohen Denkens seiner
Pathologia generalis verdanken. Gross war jener Verlust, weil er unersetz¬
lich schien.
Da erlebe ich die Freude, die Kunde bringen zu können, dass ein Bild
des gefeierten Mannes, im Kreise seiner Angehörigen erhalten blieb. An
meinem siebenzigsten Geburtstag erhielt ioh von Herrn Joseph Koroziczka,
Edlen v. Freibergswall, k. k. Ministerial-Beamten, und Hartmann’s Verwandten,
zwei Porträte zum Gesohenk, — ein lebensgrosses Brustbild Hartmann’s, als
Lehrer auf der Kanzel, und ein zweites, kleineres, als Arzt am klinischen
Krankenbette.
Es wird meine Saohe sein, für diese Liebesgaben einen würdigeren
Ort zu finden, als mein Häuschen, auf dem Dorfe. Aber die freudige Auf¬
regung, in welche mich ein so kostbares Geschenk versetzte, lässt mioh nicht
ruhen, bevor ich den Namen des grossmüthigen Spenders öffentlich genannt,
und allen Aerzten der Welt die frohe Botschaft gebraoht habe, dass Hartmann
auch im Bilde fortlebt.
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Weder Hofrath, noch Ritter, noch Freiherr, sondern einfach Professor
Philipp Carl Hartmann, hat er sioh den Adelsbrief für alle Ewigkeit, durch
seinen „Geist des Mensohen“ und duroh seine „Glückseligkeitslehre“, selbst
geschrieben. i-
Ehre seinem Andenken, und freundlicher Gi*£5s an Alle, welche sioh
dieses Ereignisses ebenso innig freuen wie
Perchtoldsdorf, 16. December 1880. Prof, Hyrtl.
Der Präsident des Collegiums, Herr Hofrath Dr. v Schmer¬
ling, ist vorige Woohe nach längerem Aufenthalte in Aroo zurückgekommen
und hat das Präsidium wieder übernommen.
Grossmüthige Spende. Prof Hyrtl übersendete anlässlich der Feier
seines 71. Geburtstages am Vorabende derselben dem Wr. med. Doct.-Coll.
eine Spende von baaren 1000 fl. mit der Widmung: Zur Vermehrung des
Stammfondes de3 Unterstützungs-Institutes des Collegiums
Hyrtl-Medaillen sind in grösserer Anzahl vorräthig und duroh die Kanzlei
des Wr. med. Doct.-Coll. zu beziehen. Broncene kosten 3 fl. per Stück und
Bilberne 15 fl.
Der n.-Ö. Landes-Sanitätsrath machte sicherem Vernehmen nach in der
Besetzungsfrage der erledigten Primär-Arztesstelle folgenden Ternavorschlag:
primo loco Prof. Albert, secundo loco Dr. Nicoladoni und tertia loco
Dr. Leo Redtenbacher.
Aufnahmen. In der Sitzung des Gesohäftsrathes am 15 December wurden
die Herren DDr. Ludwig Jelinek, Director eines Institutes für schwedische
Heilgymnastik in Wien, Leopold Förster, Bahnarzt in Leoben, und Franz
Schuscha, Sauitäts-Assistent, derzeit bei der k. k. Bezirkshauptmannschaft
in Graz.
Laut n.-ö. Statthaltereidecrets vom 1. December, Z. 44.653 wurden die
von der Witwen- und Waisen-Sooietät des Doct. - Coli, vor¬
gelegten abgeänderten Statuten vom h. Ministerium des Innern genehmigt.
Jedoch sind noch einige unwesentliche stylistische Abänderungen, die nur
die Behebung etwa möglicher Zweifel betroffen, früher vorzunehmen und die
sonach geänderten Statuten der Statthalterei nochmals vorzulegen.
Wohnnngsveränderangen. Dr. Lauterstein wohnt jetzt VI., Kasernen¬
gasse 26; — Dr. Fellner aus Franzesbad, derzeit in Wien, Hotel Metropole.
Section für öffentliche Gesundheitspflege.
Sitzung Mittwoch, den 5. Jänner 1881
um 7 Uhr Abends in der Kanzlei des Collegiums.
Programm:
1. Bericht des Comitd’s über die Canalisationsfrage Wiens. Referent Herr Dr.
E. Kämmerer, städtischer Arzt.
2. DiscuBsion hierüber.
Dr. Josef Schneller, Obmann .
Einladung
zu der am Montag den 27. December, Abends 7 Uhr, im Sitzungssaale
des akademischen Senates (vormals Consistorialsaal), I., Sonnenfelsgasse 23,
stattfindenden
ausserordentl. wissenschaftlichen Versammlung
in weloher Herr Dr. Emil Holub einen Vortrag halten wird
Uebcr die ärztlichen Verhältnisse in Säd-Afrika.
Dr . v. Schmerling, Präsident . Dr, Karl Keitter , Secretär.
Die nächste Nummer erscheint am 6. Jänner 1881.
Herausgeber und Verleger: Wiener medioin. Doot.-Coll. — Verantwortlicher Bedaoteur.
Dr. L. Hopfgartner. — Gesellsohafte-Buohdrnokerei, Wien, m. Brdbergetrasse 8.
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