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Full text of "Mittheilungen der K.K. Central-Commission zur Erforschung und Erhaltung der Kunst- und Historischen Denkmale"

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THE  J.  PAUL  GETTY  MUSEUM  LIBRARY 


MITTHEILUNGEN 


DER 


K.  K.  CENTRAL -COMMISSION 


ZUR 


ERFORSCHM&  MD  ERHALTMCt  DER  KUNST-  UND  HISTORISCHEN  DENKMALE. 


HERAUSGEGEBEN       UNTER       DER      UEITUNG 

SEINER  EXCELLENZ  DES  PRÄSIDENTEN  DIESER  COMMISSION 

D''  JOSEPH  ALEXANDER  FREIHERRN  VON  HELFERT. 

XIX.  JAHRGANG. 

NEUE  FOLGE 

DER  MITTHEILUNGEN  DER  K.  K.  CENTRAL-COMMISSION  ZUR  ERFORSCHUNG  UND  ERHALTUNG  VON  BAUDENKMALEN. 


REDACTEUR:  D*^    KARL  LIND 


WIEN,  1893. 

IN  COMMISSION  BEI  KUBASTA  UND  VOIGT. 


AUS  DER  K.  K.  HOF-  UND  STAATSDRUCKEREI. 


THE  J.  PAUL  GETTY  CSNltt 
UaRARY 


INHALT 

DES  XiX.   BANDES   DER  MITTHEILUNGEN.   NEUE  FOLGE. 


Seite 
Helfert,  Jofeph  Alexander  Freiherr  v..  Drei  Stadtpläne   und 
eine  Stadtanficht  vom   alten  Prag    (Mit  3  TextlUuftra- 
tionen)     i 

llg,  Albert,  Dr.,  Kunfthiftorifche  Notizen   aus  Friefacli   und 

feiner  Umgebung.  1 9 

Giemen,  Paul,  Tyroler  Burgen.  I    (Mit  4  Text-Illuftrationen) .        17 

Hau/er,  Karl  Freiherr  v..  Das  Lavant-Thal      26 

Crnologar,  Conr.,  Die   Pfarrkirche    zu    St.   Martin  bei  Littai. 

(Mit  I  Textllluftration) 32 

Schnerich,  Alfred,  Dr.,  Die  beiden  biblifchen  Gemälde- 
Cyclen  des  Domes  zu  Gurk.  I.  (Mit  2  Text  Illuftra- 
tionen)    35 

yeuny,  Samuel,  Dr.,  kaif  Rath,  Confervator,  Bauliche  Ueber- 
refle  von  Brigantium.  (Mit  i  Tafel  und  ig  Text-Illuftra- 
tionen)          44 

Jelinek,  Bfctislav,  Zwei  neuentdeckte  Gräberftätten  in  Smol- 

nic.  (Mit  2  Text-Illuftrationen) 54 

Valkel,  Richard,  Architekt,   Der   alte    Dom    zu   Ohnüz.    (Mit 

I  Tafel) 55 

Majonica,    Profeffor,    Nachrichten    über   das    k.    k.    Staats- 

Mufeum  in  Aquileja.  V 57 

Prokop,  Augiifl,  Architekt,  Profeffor,  Das  ehemalige  Cifter- 
cienferftift  Welehrad  (Mähren),  i.  (Mit  2  Text-Illu- 
ftrationen und  I  Tafel)    -  .        62 

Crnologar,    Cotir.,    Die    Pfarrkirche   zu   Treffen   (Trbnye  1   in 

Unter-Krain.  (Mit  2  Text-IUuftralionen) 81 

Hau/er,    Karl  Freiherr  v..    Die    Ausgrabungen    zu    Frögg 

im  Jahre  1892.  (Mit  I  Textllluftration) 84 

Untergaßer,  J ,  Die   Pfarrkirche    von    Gais    im   Pufterthale. 

(Mit  2  Text-Illuftrationen) 87 

Schnerich,    Alfred,    Dr.,    Die    beiden    biblifchen    Gemälde- 

Cyclen  des  Domes  zu  Gurk.  II.  (Mit  i  Textllluftration)         Sg 

Frimmel,  Th.,  Dr.  Die  ober-öfterr.  Landes-Galerie  in  Linz.  .        94 

Straberger ,  y.,  Fund  einer  römifchen  Töpferei  bei  Heipfau. 

(Mit  I  Beilage,  j 99 

llg.  Albert,  Dr.,  Kunfthiftorifche  Notizen   aus   Friefach    und 

feiner  Umgebung.  II.  (Mit  i  Tafel) 100 

Pippich,  Ema7iuel,  Gefammelte  Daten  im  Laufe  des  fahres 
1891  über  einige  hervorragende  Baudenkmale  im  nord- 
öftlichen  Böhmen.  I.  (Mit  5  Text-Illuftrationen) 103 

Pufchi,  A.,  Römifches  Mauerwerk,  gefunden  in  Barcola.  (Mit 

I  Tafel) 105 

Franz,  A.,  Alte  Steinkreuze  und  Kreuzfteine  in  Mähren.  (Mit 

4  Beilagen) 106 

Majonica,     Profeffor,     Nachrichten    über    das   k.   k.    Staats- 

Mufeum  in  Aquileja.  VI 113 

Romstorfer,  Das  Tataren-Denkmal  bei  Wama.  (Mit  i  Text- 
llluftration)         117 

Giemen,  Paul,  Tyroler  Burgen.  II.  (Mit  5  Text-Illuftrationen)       119 

Schnerich,  Alfred,  Dr.,  Die  beiden  biblifchen  Gemälde- 
Cyclen  des  Domes  zu  Gurk.  III.  (Mit  4  Text-Illuftra- 
tionen)        143 

(Zufammen    14   Tafeln   und    5    artiftifche 


IViehl,  A.,  Zwei  Thürme  der  alten  Stadtmauern  in  Prag. 
(Mit  I  Text  Illuftration  und  4  Tafeln  i 

Majonica,  k.  k.  Profeffor,  Nachrichten  über  das  k.  k.  Staats- 
Mufeum  in  Aquileja.  VII , 

Atz,  Karl,  Ueber  eine  alte  Hausbemalung  zu  Grins  im  Ober- 
Innthal 

Frimmel,  Theodvr  v.,  Dr.,  Notizen  über  Werke  von  öfter, 
reichifchen  Künftlern 

Crnologar,  Conrad,  Die  Pfarrkirche  U.  L.  F.  zu  St.  Marein. 
(Mit  2  Text-Illuftrationen  I 

Bulic,  Direclor,  Alt-römifche  Tintenfäffer  im  Mufeum  von 
Spalato.  (Mit  5  Text-Illuftrationen) 

Prokop,  Anguß,  Architekt,  ProfelTor,  Das  ehemalige  Cifter- 
cienferftift  Welehrad  (Mähren).  II.  (Mit  2  Tafeln) 

Petter,  Alex.  Dr.,  Ein  Nachtrag  zu  dem  römifchen  Grabfelde 
am  Birglftein  in  Salzburg.  (Mit  7  Text-Illuftrationen)  .  .  . 

Waßler,  yofeph.  Die  Verweifchung  der  Baumeifterzunft  in 
Graz  im  XVII.  Jahrhundert 

Giemen,  Paul,  Tyroler  Burgen  III.  (Mit  20  Text-Illuftra- 
tionen)         

Benak,  v.,  Dr.,  Ueber  neuefte  Funde  zu  Wels.  (Mit  1  Text- 
llluftration)   

yelinek,  Bretislav,  Funde  aus  den  Bronze  •  Schmelzöfen  in 
der  „Sarka"  bei  Prag 

llg.  Albert,  Dr.,  Studien  in  der  ehemaligen  Ciftercienfer- 
Kirche  zu  Neuberg  in  Steiermark 

Schnerich,  Alfred,  Dr.,  Die  beiden  biblifchen  Gemälde- 
Cyclen  des  Domes  zu  Gurk.  IV.  (Mit  4  Text-Illuftra- 
tionen)      

Nedler,  Emil,  Die  Kirche  zu  Höflitz  bei  Benfen  in  Böhmen. 
(Mit  I  Text-IUuftration) 

Pippich,  Emanuel,  Gefammelte  Daten  im  Laufe  d.  J.  1S91 
über  einige  hervorragende  Baudenkmale  im  nordöft- 
lichen  Böhmen  II 

Rosner,  K,  k.  k.  Baurath,  Klofter  Rofa  coeli  in  Kanitz  und 
Burgruine  Boskovic.  (Mit  I  Tafel  und  6  Text-Illuftra- 
tionen)   

■tephowski,  yoseph  v.,  Dr.,  Profeffor,  Särge  zweier  polnifcher 
Königinnen  aus  dem  kaiferlichen  Haufe  Habsburg  in 
der  Königsgruft  am  Wawel-Berge  zu  Krakau.  (Mit  2 
Beilagen)    

Tom/tiewicü,  Stanislaus  v.,  Dr.,  Gothifche  Holzgegenftäude 
der  kirchlichen  Kunftinduftrie  in  Weft-Galizien.  iMit 
1 1  Text-Illuftrationen) 

Notizen.  Nr.  i — 38.  (Mit  13  Text-IUuftialionen) 

Notizen.  Nr.  39 — 74.  (Mit  13  Text-Illuftrationen  und  i  Tafel) 

Notizen.  Nr.  75  —  loq.  (Mit  5  Text-Illustrationen) 

Notizen.  Nr.  iio  — 159.  (Mit  32  Text-Illuftrationen  und 
I  Tafel) 

Druckfehler-Verzeichnis 

Regifter , 

Beilagen  und    173   Text-Illuftrationen.) 


Seite 
150 
'51 
■55 
158 
160 
IÜ4 

106 
170 

'73 

177 
199 

20I 
205 

21  I 
218 


224 


225 

05 
129 
185 


257 
258 


Fig.  32.  (Wien,  ehem.  Minoriten-Klofterhaus,  f  Notiz  15S.) 


Drei  Stadtpläne  und  eine  Stadtanficht  vom  alten  Prag. 


Von    yofefh  Alexander  Freiherr  v.  Helfert. 


[AS  Verdienft  und  der  Ruhm,  für  die  böhmifche 
Gefchichtfchreibung  eine  neue   Aera  begrün- 

*3!  det  zu  haben,  ifl  Franc  Palacky  für  alle  Zeiten 
gefichert.  Gleichwohl  ifl  die  hiftorifchc  Forfchung  feit 
feinem  epochemachenden  Werke  in  drei  Richtungen 
über  dasfelbe  erfolgreich  hinausgegangen.  Palacky  hat 
feine  Darflellung  als  größtentheils  auf  Urkunden  und 
liandfchriftlichem  Materiale  aufgebaut  bezeichnet;  er 
mußte  aber  in  der  Vorrede  zum  I.  Bande  bekennen,  dafs 
auf  diefen  jene  Bezeichnung  wohl  nur  zum  mindern 
Theile  zutreffe,  da  er  es  hier  mit  der  altern,  alfo  von 
Documenten  folcher  Art  theils  ganz  baren,  theils  minder 
bedachten  Periode  zu  thun  hatte.  Nun  wurde  aber  gerade 
für  jene  urkundenlofe  altefte  Zeit  durch  die  feitherige 
Forfchung  Ueberrafchendes  zu  Tage  gefördert.  W.  W. 
Tomek  \\2l\.  in  feiner  gediegenen  Gefchichte  der  Stadt 
Prag,  deren  erfterBand  jüngft  in  zweiter  vermehrter  und 
verbefferter  Auflage  erfchienen  ifl,  über  die  altefte  Ge- 
walt diefer  Metropole  neues  Licht  verbreitet  und  die 
weitere  Entwicklung,  die  Gefchicke,  die  Zuflände  und 
Verhältniffe  derfelben  einer  fo  forgfältigen  umfaffenden 
und  erfchöpfendcnErgründungunterworfen,  dafs  daraus 
auch  die  allgemeine  Gefchichte  des  böhmifchen  Lan- 
des vielfeitigen  Gewinn  zog.  Anlehnend  und  an- 
knüpfend an  Tomek's  Forfchungen  hat  Dr.  Hermene- 
gild  Ritter  Jirecek  v.  Samokov  ein  früher  mindeftens 
nicht  mit  folcher  Sicherheit  und  Klarheit  gekanntes 
Bild  des  mittelalterlichen  Böhmen  als  einer  Waldvefte, 
die  ihre  beftimmten  Eingangswege  und  Landespforten 
und  bei  diefen  eine  eigene  Bewachung  hatte,  ent- 
worfen.' 

Sowohl  Tomek's  als  JireceUs  Gebiet  ifb,  wie  aus 
diefen  Andeutungen  zu  erfehen,  das  gefchichtliche 
Böhmen,  wie  auch  die  Quellen,  aus  denen  fie  fchöpften, 
die  Anhaltspunkte,  die  ihnen  zurStütze  dienten,  hiftorio- 
graphifchen  Charakters  find.  Ein  durchaus  neues  Gebiet 
eröffnete  fich  wie  für  alle  andern  Länder  fo  auch 
für  Böhmen  durch  die  Prähiflorik,  deren  fich  zuerft 
der  damals  nicht  mehr  ganz  junge  Erazim  Wocel, 
der  Vater  der  böhmifchen  Alterthumskunde,  bemäch- 
tigte. Nach  ihm  hat  fich  eine  ganze  Reihe  von  For- 
fchern  eingefunden,  welche  das  vorgefchichtliche  Fach 
mit  Eifer  und  von  Jahr  zu  Jahr  fich  häufenden  Erfolgen 
pflegen.  Es  mögen  hier  nur  einige,  die  befonders  die 
Gegend  um  Prag  in  Unterfuchung  gezogen  haben, 
genannt  fein:  Dr.  Stephan  Berger,  Dr.  Johann  Nep. 
VVoldrich,  Dr.  Jofeph  Ladislav  Pic,  Moriz  Lüßner, 
Bi'etislav  Jelinek,  Dr.  Lubor  Niederle;  fie  find  "oder 
waren  (Lüßner  f  3.  November  1891)  zumeift  Mitarbei- 
ter unferer  „Mittheilungen".  Stephan  Berger  ift  zu- 
gleich Sammler  und  rivalifirt  als  Privater  in  diefer  Rich- 

'  S.  auch  meinen  Auffatz;  Ein  geogr,->phirches  Bild  vom  alten  Böhmen  in 
Mitth.  d.  k.  k.  Gcogr.  Gef.  1867,  S.  1  —  6. 

XIX.  N.  F. 


tung  mit  der  reichen  Sammlung  des  böhmifchen 
National-Mufeums. 

Eines  der  bisher  gewonnenen  Ergebniffe,  das  fort- 
fchreitende  Forfchungen  ftets  verftärken  und  vervoll- 
ftändigen,  ill;  für  die  allgemeine  Landesgefchichte  von 
großer  Bedeutung.  Es  ftellt  fich  nämlich  heraus,  dafs 
in  vorgefchichtlicher  Zeit  wohl  keine  Gegend  Böhmens 
von  Anfiedlungen  dichter  belebt  war,  mit  Fundftätten 
aus  alten  Perioden,  in  die  man  die  vorgefchichtliche  Zeit 
zu  theilen  pflegt,  reicher  befäet  ift,  als  jene  Landfchaft 
um  den  Unterlauf  der  Moldau,  wo  fich  die  Mies-Beraun 
mit  ihr  vereinigt.  Am  linken  Moldau-Ufer  von  der 
Königsfaler  Gegend  bis  an  den  Zakolaner  Bach,  am 
rechten  von  Modfan  bis  hinunter  nach  Pfemysleni 
findet  fich  kaum  ein  heute  bewohnter  Ort,  deffen 
aufgewühlter  Boden  nicht  Zeugenfchaft  von  uralter 
Bewohnung  diefer  Stätte  ablegte  und  nicht  ein  wich- 
tiges Glied  in  der  ununterbrochenen  Kette  fortfchrei- 
tender  Cultur  abgäbe.'  Dafs  im  Mittelpunkte  diefes 
Umkreifes  Funde  folcher  Art  am  feltenften  gemacht 
werden,  erklärt  fich  aus  dem  Umflande,  dafs  gerade 
hier  eine  auf  nahezu  taufend  Jahre  zurückreichende 
Erdbewegung  ftattfand,  wobei  die  älteften  Fundftätten 
vorlängft  durchwühlt  und  zerftört  und  die  damit  ans 
Tageslicht  gebrachten  Ueberrefte  und  Trümmer,  auf 
deren  Bedeutung  niemand  achtete,  verworfen  und 
verloren  wurden. 

Wir  haben  uns  aber  gewifs  diefen  Mittelpunkt, 
alfo  die  Stätte  des  heutigen  Prag,  als  den  vorzüglich- 
ften  Punkt  des  ganzen  Gebietes  zu  denken,  um  welchen 
herum  fich  die  entlegeneren  Anfiedlungen  als  denHaupt- 
fitz  gruppirten.  Die  Sage  läßt  die  Prager  Burg  vom 
Vysehrad  aus  gegründet  werden;  es  ift  aber  fehr  die 
Frage,  ob  nicht  das  Verhältnis  umgekehrt  war,  da  nach 
Woldrich's  Darfteilung  am  linken  Moldau-Ufer  viel 
ältere  Funde  \-orkommen  als  am  rechten.  Sollte  nicht 
Prag  fchon  viele  Jahrhunderte  vor  der  Zeit  von  Pi^emyfl 
und  Libusa  Fürftenfitz  gewefen  fein?  .Sollte  nicht  fchon 


'  Profeffor  IVoldrich  war  fo  freundlich,  mir  eine  Ueberficht  der  in  dem 
oben  angedeuteten  Umkreife  von  Prag  gemachten  prähiftorifchen  Funde  zufam- 
menzuftellen,  von  welcher  ich  mit  feiner  Erlaubnis  an  diefem  Orte  Gebrauch 
mache.  Es  gehören  hieher  zunächft  die  Jieolithi/chen  Funde  von  Rivnaö,  von 
Roztok.  von  Pfilep,  vom  Hradist'  in  der  Särka,  von  Litovic,  Jenec,  Bubentfeh 
CBubny),  unterhalb  des  Petrin  ^Smichov  KarlsgalTe),  neben  dem  Vidovel- 
Berge.  von  Hlubocep.  Reporyje,  Stfehonice,  von  der  Kotlafka  bei  Kosif.  bei 
Premysleni,  auf  dem  Hradist'  Zamky  bei  Bohnic,  von  Kobylis,  bei  der  Bala- 
benka  und  Kotlaska,  bei  Hloupetin,  Kyje,  ^iikov,  vom  Bache  Botic,  von 
Mecholup,  Dobfichovic.  Unter-Krc,  vom  Hradist'  bei  Modfan,  von  Libus  u.  f.  w. 
.\us  der  Metallzeit,  und  zwar  von  der  Bronze  Zeit  und  Hallßatter  Zeit  .?nge- 
fangeu  bis  in  die  jüngfte  Zd- 7f«^  Zeit;  die  Funde  vom  Rivnäc,  Kamyk,  Zatov, 
Roztok.  Unetic,  Pfilep,  Stativnic.  Lichoceves,  Podbaba,  Ovenec,  Särka.  Vokovic, 
Repy,  Hoftivic,  Bubentfch.  Smichov,  Cibulka.bei  Kosif,  Pfemysleni,  Zämky  bei 
Bohnic,  Troja,  Liben  (Liben),  Vysocan,  Zizkov,  Nusle,  am  Bache  Botic, 
Zäbehlic,  Bränik,  Ober-Krc,  Kunratic,  von  Slup  in  Prag  u.  f.  w.  Aus  der  Nach- 
Latene-  und /Ver/«jiy?:(/r«  Zeit  (Burgwall-Typus-Zeit) ;  die  Gräber  von  HoUibic. 
die  Funde  von  Levy  Hradec,  die  Urnengraber  von  Vysocan  mit  Wendenfibeln. 
die  Brandgräber  von  Podbaba,  die  Funde  vom  Hradiste  Butovic,  die  Skelet- 
gräber  von  Stodijlky,  die  Funde  auf  dem  Vysehr.id,  die  Skelelgräber  von 
Panenskä,  die  Funde  von  Kucanda  in  Prag,  die  Skeletgräber  von  Hrädek 
in  Prag  (Neuftadt),  Slup  u.  f  w.  Einzelne  der  genannten  Stätten  waren  von 
der  neolithifchen  bis  tief  in  die  gefchichtliche  Zeit  befiedeU. 

I 


Maibod  s  „Burg  und  Stadt  =i  regia  castellumque"  an 
diefer  Stelle  zu  fuchen  fein?  Die  Ableitung  des  Namens 
Prag  von  präh  (Thürfchwelle)  ift  von  den  Philologen 
längft  verworfen;  aber  auch  jene  von  praziti  (rollen,  aus- 
brennen), was  fich  auf  eine  durch  Feuer  gelichtete 
Waldflätte  deuten  ließe,  ift  kaum  zu  halten.  Sollten 
nicht  vielmehr,  wie  Jirecek  meint,  die  in  den  verfchie- 
denflen  von  dem  europäifchen  Urvolk  bewohnten 
Gegenden  vorkommenden  ähnlichen  Ortsnamen  einen 
viel  weiter  zurückreichenden  Fingerzeig  abgeben: 
Ptolemäus  erwähnt  im  2.  Jahrhundert  nach  Chrifto  ein 
Bragoduriim  an  der  Donau  in  der  Gegend  von  Ulm. 
Die  Vorftadt  Praga  bei  Warfchau  ift  bekannt;  ebenfo 
werden  gegenüber  von  Chocim  am  Dnjeftr  zwei  Ort- 
fchaften  Praga  genannt.   Man  erinnere  fich  an  Braga 


Stadtbücher  und  die  in  denfelbcn  enthaltenen  Verkaufs- 
Urkunden  über  flädtifchen  Befitzwechfel,  weil  darin 
nicht  blos,  wie  fich  von  felbft  verfteht,  das  betreffende 
Haus  oder  Grundflück,  fondern  häufig  auch  der  an- 
ftoßende  Nachbar  oder  die  zu  beiden  Seiten  gelegenen 
Befitze  genannt  waren,  fo  dafs  allmälig  die  ganze 
Folge  der  aneinander  gereihten  Häufer,  alfo  die  Gaffen 
und  Plätze  zum  Vorfchein  kamen.  Es  war  dies  eine 
unfagbar  mühfelige  Arbeit,  die  volle  neun  Jahre  1866  bis 
1875  einer  unermüdlichen  Bienenarbeit  in  Anfpruch 
nahm.'  Allein  der  Gewinn  war  ein  unfchätzbarer,  weil 
fich  bei  dem  Mangel  aller  zufammenhängenden  älteren 
Häufervcrzeichniffe  und  Stadtpläne  aufdiefem  urkund- 
lich fiebern  Wege  ein  vollßandigcs  Bild  Prags  im  15. 
ja  im    14.  Jahrhundert,  und  von  da  rückwärts  gehend. 


Alte 


Fig.  I.   (I'iag   1200.) 


(Bracara  Augnßa)  in  Portugal.  Am  jonifchen  Meer,  der 

Südfpitze  von  Corfu  gegenüber,  liegt  die  Fclfenfeftung 

Parga,  das  idcntifch  mit  Praga  angenommen  werden 

kann,    weil  derlei   Buchftabenverfchiebungen,    gerade 

beim  Mitlaut  r,  häufig  genug  vorkommen:   yI/rt;-mora- 

Mcer  italienifch  mare-di  J/y^mora;  4f/-/gent  italienifch 

G"/>genti. 

+     * 
* 

Es  wurde  eingangs  der  großen  Verdienftc  Totnck's 
um  die  Gefchichte  Prags  gedacht.  Nachdem  er  den 
crflen  Band  feines  Werkes  vollendet  hatte,  drängte  fich 
ihm  das  Bedürfnis  auf,  vor  allem  die  Topographie  des 
alten  Prag  nacli  Tliunlichkeit  bis  in  alle  J'jnzclheiten 
feftzuflellen.  !•>  hielt  fich  für  diefen  Zweck  an  die  alten 


wo  die  Urkundenbeweife  fpärlicher  find,  ein  beiläufiges 
früherer  Zeiträume  entwerfen  ließ. 

Letzteres  hat  Toinck  für  zwei  iillere  Perioden 
verfucht:  I.  Für  den  Eintritt  des  13.  Jahrhunderts  vor 
der  Umwallung  und  Ikfefligung  der  Alllladt  Prag 
unter  König  Wenzel  I.;  II.  für  die  Zeit  Ka'l  IV.  und 
zwar  für  das  Jahr  1348,  wo  von  diefem  grolien  1  lenfeher 
die  Neuftadt  Prag  gegründet  wurde,  alfo  unmittelbar 
vor  diefer  wefentlichen  Erweiterung  der  Stadt. 

I.  Prag  um  1 200. 

Das  i)eifolgende  Kiu'tchen  gibt  in  etwas  verkleiner- 
tem Maßftabe  die  Haupttheile  des  7'öwc'/(r'fchen  Planes, 

'  Znkliuly  icircho  mistopisll  Pr.izskelii) ;  4I"  1866  I.  ä88  S.,  1870  II. 
356  S.,   1872  III— V.  253  S.   1875,  Rcgifter  187   S. 


fo  dafs  weftlich  der  Stiahov  und  die  Höhe  des  Petrin,' 
heutigen  Laurenziberges,  füdwarts  der  Vysehrad  und 
deflen  Unterftadt,  oflwärt.s  der  Pofi'c  außerhalb  des 
Rahmens  unferer  Wiedergabe  fallen.^ 

Erläuterungen  zu  dem  Kärtchen.  (Fig.  I.) 

I.  St.  Georg.  2.  St.  Veit.  3.  Furllenfchloß  (Palas). 
4.  JJurggraben. 

Gegen  den  Fluß  hin  lefen  wir  den  Namen  Opys 
oder  Opus;  fo  hieß  und  heißt  wohl  noch  heute  der  in 
ziemlich  rafcher  Senkung  gegen  das  linke  Moldauufer 
fich  hinabziehende  Rücken,  lateinifch  cauda  urbis  (i.  e. 
civitatis,  castri),  iiberwelchen  von  derBurg  einfchmaler 
und  fehr  fleiler  Fußweg  zum  Fluße  führte  (heute  die 
fogenannte  alte  Schloßftiege).''  Unterhalb  füdwarts 
der  Burg  lag  die  linksufrige  Unterftadt,  suburbium, 
podhradi.  Von  den  kleineren  Anfiedkuigen,  die  auf  dem 
Boden  der  heutigen  Kleinfeite  beftanden,  Nebovidy, 
Travnik  (na  travnicku  :=  auf  dem  Grasplätzchen),  Oujezd 
hat  fich  bis  heute  nur  der  letztere  Name  für  einen 
ganzen  Stadttheil,  der  erftere  etwas  xerftümmelt  für 
den  füdlichen  Hang  des  Laurenziberges  ^  Nebozizek, 
Hafenburg  erhalten.  Außerhalb  des  Oujezd,  wo  heute 
die  Vorftadt  Smi'chov,  finden  wir  ein  Kirchlein  zu 
St.  Johann  dem  Täufer,  das  erfb  in  jüngfter  Zeit  abge- 
brochen und  dem  Boden  gleichgemacht  wurde.  Unter- 
halb der  heutigen  Infel  Kampa  hat  es  in  älteften  Zeiten 
noch  eine  oder  zwei  Infein  („Ostrov"  auf  dem  Kärtchen) 
gegeben,  die  fpäter  entweder  vom  Waffer  weggeriffen 
wurden  oder  fich  verfandend  mit  dem  linken  Ufer  ver- 
bunden haben. 

5.  Marien-Klofter  (nachmals  Maltefer-Klofber  und 
Kirche)  nächfl  der  Infel  Kampa  und  der  alten  Judith- 
Brücke 

Ueber  die  letztere  fchreiten  wir  nunmehr  auf  das 
rechte  Ufer:  6.  St.  Gaftulus.  7.  Marien-Kirche  am  Teyn. 

8.  Lagerhaus    am    Teyn    (heute    „das   alte  Ungeld"). 

9.  St.  Michael  (aufgehoben).  10.  St.  Clemens.  11.  St. 
Aegidi.  12.  Mühlen.  13.  St.  Johann  (nicht  mehr  befte- 
hend).  14.  Rund-Capelle  zu  St.  Andreas  (verfchwun- 
den).  15.  Rund-Capelle  zum  heil.  Kreuz  (noch  heute  in 
der  Poftgaffe).  16.  St.  Stephan  (verfchwunden).  17.  St. 
Martin  (ebenfo).  Südwärts  von  St.  Martin  gewahren 
wir  einen  anfehnlichen  Beftand  Aujezd  sv.  Martina,  den 
1178  P'ürfl  Sobeflav  II.  der  Kirche  am  Vysehrad  ge- 
fchenkt  hatte,  und  der  zugleich  eine  Freiftätte  war;* 
die  häuferlofe  Gegend  nordöftlich  davon  hatte  wahr- 
fcheinlich  nach  einem  heute  verfchwundenen  Bache 
Skytina  ihren  Namen.  18.  St.  Michael  (verfchwunden). 
19.  St.  Adalbert.  20.  Mühlen  (nächftder  heutigen  Färber- 
oder Sophien-Infel).  21.  St.  Peter-Klofter  von  Zderaz 
(aufgehoben).  22.  St.  Wenzel  am  Zderaz.  23.  Brunnen 
Pucka  (wahrfcheinlich  die  Quelle,  die  heute  noch  das 
St. Wenzelsbad  fpeift).  24.  Rund-Capelle  zu  St.  Stephan. 
Oflwärts  von  dem  Zderazer  Klofter  auf  dem  offenen 

'  Cosmas:  „australi  e.\  latere  latus  mons  nimis  petrosus,  qui  a  petris 
dicitur  Petrin,  supereminet  loca." 

-  Einen  wichtigen  Behelf  für  diefe  ältefte  Periode  bildet  das  neucfte 
Werk  yirei^ei's,  Antiquae  Boliemiae  usqiie  ad  e.vitum  saeculi  Xllmi  Topo- 
graphia  historica.  Vindobonae  Pragae  MDCCCLXXXXÜI;  vgl.  dafelbft  die 
Artikel  Praga  p.  106  —  118  und  Vysegrad  p.    16S — 170. 

^  Cosmas:  ioo2r  (Polonis)  „fugientibus  per  praeruptatn  viam^  quod  vulgo 
dicitur  per  caudam  urbis,  in  arla  posterula  prae  angustia  exitus  innumeris 
oppressis". 

*  1187.  „De  circuitu  qui  vocatur  S.  Martini  et  est  canonicorum  Wisse- 
gradensium  in  suburbio,  omnis  utilitas  culparum  super  homines  canonicis 
conceditur**;  ytre^ekTo-p.  bist.  S.  115. 


Räume  zwifchcn  dem  Prager  und  Vy.sehrader  Subur- 
bium (mezihrad!;  wurden  die  famftägigen  Wochen- 
märkte gehalten,  der  fpätere  „Viehmarkt",  heute 
„Karlsplatz". 

Die  auf  unferem  Kärtchen  leichter  fchraffirten 
Stellen  laffen  fich  als  dazumal  fchon  ausgebaut,  das 
heißt  mit  Gebäuden  befetzt,  nicht  nachweifen.  Das 
gilt  namentlich  von  einem  großen  Theile  der  nach- 
maligen Juden-  heute  Jofephftadt  (Zide);  dann  von  dem 
Platze  nächft  der  alten" Judith-Brücke,  wo  fich  fpäter 
das  Klofler  der  Kreuzherren  zum  rothen  Stern  erhob; 
endlich  von  der  weftlichcn  Seite  des  großen  Markt- 
platzes (trziste)  im  Mittelpunkte  der  alten  Stadt,  der 
heutige  ..Große  Ring". 

Zu  unferer  Rechten,  am  äußerflen  Rande  unten 
auf  dem  Kärtchen,  hieß  die  Gegend  in  iiltefler  Zeit 
„na  rybnicku=:am  Teichlein",  in  fpäterer  „na  bojisti  = 
auf  der  Walftatt",  weil  hier  der  Thronftreit  zwifchen 
den  Fürften  Sobeslav  II.  und  Friedrich  1179  mit  dem 
Schwerte  ausgekämpft  wurde;  die  Gemahlin  des  fieg- 
reichen  Friedrich  erbaute  zum  frommen  Dank  dafür 
an  diefer  Stelle  eine  Kirche  zu  St.  Johann  Evangelift. 
Der  Name  des  Quartiers  Opaiovice  hat  fich  bis  heute 
in  der  Opatovicer  Gaffe  erhalten ;  ebenfo  der  Name 
Zderaz  in  dem  noch  heute  fogenannten  Stadttheile. 

II.  Prag  IJ^S  unter  Karl  I V. 

Toinek's  zweiter  Stadtplan  knüpft  fich  an  das  Jahr 
1348,  alfo  an  jene  Glanzzeit,  deren  fich  Prag  unter  der 
glorreichen  Regierung  Karl  IV.  erfreute.  Wir  haben 
hier  drei  Prager  Städte  vor  uns:  auf  dem  rechten 
Ufer  der  Moldau  die  größere  Stadt  (vetsi  mesto),  auf 
dem  linken  die  kleinere  Stadt  (mensi  mesto)  und  oben 
nächft  der  Burg  den  von  Karl  IV.  gleichfalls  zur  Stadt 
erhobenen  Hradfchin  ^=  Hradcany.  Da  zu  einer  Stadt 
nach  damaligen  Begriffen  Befeftigung  mit  Stadtmauern 
und  Stadtgraben,  mit  Thoren  und  Thürmen  gehörten, 
fo  finden  wir  jede  diefer  drei  Prager  Städte  nach  außen 
umwallt  und  umthürmt;  die  größere  Stadt  war  dies 
fchon  feit  König  Wenzel  I.,  etwa  um  1235,  die  kleinere 
Stadt  feit  ihrer  Gründung  durch  Pfemyfl  Otakar  IL, 
der  Hradfchin  felbffverftändlich  erft  unter  Karl  IV. 

Um  von  der  Burg  zu  beginnen,  fo  zeigt  diefe 
bereits  ihren  vollftändigen  Ausbau  (felbflverftändlich 
nicht  in  der  heutigen  Geftalt)  mit  der  AUerheiligen- 
Capelle,  mit  dem  St.  Veits-Dom  (dazumal  allerdings 
erft  im  Bau  begriffen),  mit  den  Domherren-Wohnungen 
und  dem  Burggrafenamt  (dvür  purkrabi),  dann  weiter 
gegen  den  Fluß  den  Opy.s  mit  Weinreben  bepflanzt. 
Gegen  die  weftliche  Landfeite  id  diefer  große Gebäude- 
beftand  außer  dem  älteften  Graben  durch  einen  zwei- 
ten und  einen  dritten  gefchützt;  jenfeits  des  letztern 
zieht  fich  der  Hradfeiiin,  der  bereits  feinen  Ring  (rynk) 
hat,  gegen  das  Strahover  Thor  (bräna  Strahovskä)  hin. 
Auch  die  kleinere  Stadt  hat  ihren  Ring,  deffen  Mitte 
das  Rathhaus  (radnice)  und  mehrere  andere  Gebäude 
einnehmen.  Außerhalb  der  mit  einer  Anzahl  von  Ver- 
theidigungsthürmen  verfehenen  Stadtmauern  der  Klein- 
feite zieht  fich  den  Fluß  aufwärts  der  jetzt  fchon  ftatt- 
lichere  Onjezd.  Die  Höhe  des  Peti'in  krönt  der  Strahov 
(Mons  Sion)  mit  dem  Klofter,  zwei  Kirchen  und  den 
Nebengebäuden  der  11 26  dort  eingeführten  Prämon- 
ftratenfer.  In  feiner  Nähe  blickt  aus  einer  Waldlichtung 
von  der  Kante  des  Berges   ein  St.  Laurenz-Kirchlein 


4     — 


heraus  (davon  der  heutige  Name  Laurenzi-Berg);  ein 
zweites  demfelben  Heihgen  geweihtes  Gotteshaus 
finden  wir  am  Fuße  des  Berges  nächft  dem  Maria- 
Magdalenen-Klofter. 

Im  Fkiße  gewahren  wir  zwifchen  der  Infel  Kampa, 
dann  dem  Oujezd  und  der  Grasinfel  einerfeits  und  der 
größeren  Stadt  anderfeits  zwei  mächtige  Wehre,  die 
das  Waffer  der  Moldau  ftauen  und  ihr  dadurch  eine 
anfehnliche  Breite  geben. 

Ueber  den  Fluß  führt  noch  die  alte  Judith- Brücke ; 
erft  einige  Jahre  nach  dem  Zeitpunkt  unferes  Planes 
follte  fie  durch  eine  Hoclifluth  zerilört  werden,  1352, 
was  einen  neuen  Brückenbau  nothwendig  machen 
wird;  der  bauluftige  und  fchöpferifche  Monarch  wird 
darauf  nicht  lang  warten  laffen. 

Die  größere  Stadt  hat  ein  fchon  in  der  That 
ftattlicheres  Anfehen  und  verdient  diefen  ihren  Namen 
der  um  dreimal  kleineren  Stadt  gegenüber  ohne  Frage. 
Das  Gefüge  der  Straßen  und  Plätze  ift  bereits  ein  feftes 
und  ifl:  nicht  blos  in  den  Hauptumriffen,  fondern  felbft 
in  vielen  Einzelnheiten  feither  bis  auf  die  Jetztzeit  fich 
gleich  geblieben.  Die  Zahl  der  Kirchen  und  geiftlichen 
Körperfchaften  hat  fich  feit  1200  vermehrt,  wie  über- 
haupt der  öffentliche  und  bürgerliche  Wohllland  im 
Steigen  ift. 

Außerhalb  der  Stadtmauern  den  Fluß  abwärts 
finden  wir  den  Porte  gleichfalls  vergrößert  und  er- 
weitert. Er  ift  vorwaltend  deutfches  Quartier,  eine 
der  Hauptgaffen  ift  „die  deutfche  =  Nemeckä  ulice". 
Wir  nehmen  einen  großen  Garten  des  nächft  dem 
rechtsufrigen  Ausgange  der  Judith-Brücke  gelegenen 
Spitals  der  Kreuzherren  und  dann  nächft  der  Stadt- 
mauer ein  zweites  Spital  zu  den  heil.  Johannes  und 
Jacob  wahr. 

Auch  das  Prager  Siiburbiuvi  gegen  den  Vysehrad 
ift  nun  fchon  viel  mehr  ausgebaut.  Zu  Füßen  der 
felfigen  Höhe  „na  Skalkäch"  breitet  fich  der  Podfkal 
(podskali)  aus,  der  vier  Kirchen  hat:  St.  Johann,  St. 
Wenzel,  St.  Nicolaus  und  eine,  über  deren  Namen  die 
Quellen  unfern  Gewährsmann  im  Stiche  laffen.  Jenfeits 
des  Botic-Baches  au  deffen  linkem  Ufer  hieß  die  unmit- 
telbar unter  der  Nordfeite  des  Vysehrad  gelegene 
Anfiedlung  von  altersher  Psäre  (diefer  Name  fowie 
Podskali  fchon  auf  dem  I.  Plane). 

Der  Vysehrad  fclbfl  hat  feine  alte  Gellalt  beibe- 
halten, ift  wohl  auch  im  Innern,  feit  er  aufgehört  hat 
ftändiger  Fürftcnfitz  zu  fein,  der  Hauptfache  nach  un- 
verändert geblieben.  Wir  finden  auf  dem  Plane  von 
1348  nicht  mehr  öffentliche  Gebäude,  nicht  nielir 
Thorc  und  Pforten,  wir  finden  keine  andere  Umwaliung 
als  auf  jenem  von  1200.  Wenn  man  zu  hören  und  zu 
lefen  bekommt,  der  Vysehrad  habe  in  feiner  Glanzzeit 
nicht  weniger  als  13  Kirchen  und  Capellcn  gehabt,  fo 
muß  das  nach  Tomck's  umfaffenden  P'orfchungcn  in 
das  Bereicii  der  Fabel  verwiefcn  werden,  es  wäre  denn 
dafs  man  die  Seitcn-Capellen  des  .St.  Peter-  und  Paul- 
Domes  und  etwa  eine  und  die  andere  Haus-Capelle  des 
Fürftenhaufes  für  befondere  Gotteshäufer  zählen 
wollte.  Nach  unfercn  Plänen,  fowohl  I.  als  II.,  liat  der 
Vysehrad  außer  feinem  Dom  nur  noch  die  kleinere 
St.  Clemens-Kirche  und  die  beiden  Rund  Capelien  zu 
St.  Johannes-Enthauptung  und  zu  St.  Martin  als  fclb- 
ftändige  Kirchengebäude  befcffen. 


III.  Prag  bis  zum  Jahre  141 9. 

Von  1348  an  wuchs  und  hob  l'ich  die  Stadt 
von  Jahr  zu  Jahr  und  wir  können  fie  uns  in  iiirem 
Innern  mit  all  dem  Schmuck  und  Reichthum  ausmalen, 
der  fich  feit  Karl  IV.,  des  böhmifchen  Königs  und 
römifch-deutfchen  Kaifers  Tagen,  in  der  Burg,  bei  dem 
Adel  und  der  hohen  Geiftlichkeit,  aber  auch  bei  den 
Bürgern,  die  Juden  nicht  zu  vergeffen,  allenthalben  an- 
gefammelt  hatte. 

Die  graphifche  Darftellung  Tomek's  ilt  hier  in 
jeder  Hinficht  eine  wohlgegründete.  Wenn  fein  I.  Plan 
zu  einem  großen  Theile  als  ein  Werk  der  Phantafie 
aufzufaffen  ift,  welchem  einerfeits  nur  fehr  zerftreute 
und  vielfach  unfichere  Angaben  in  den  Quellen,  ander- 
feits die  fpätere  Ausgeftaltung  der  einzelnen  Stadttheile 
als  Anhaltspunkte  dienten;  wenn  felbft  der  obwohl 
reicher  bedachte  II.  Plan  noch  einzelne  Unficherheiten 
und  Lücken  aufweift,  fo  befinden  wir  uns  bei  dem  III., 
der  aus  acht  großen  Querfolio-Blättern  befteht  (das 
neunte  füllen  die  beiden  älteren  Pläne  aus),  auf  durchaus 
gefchichtlich  gefichertem  Boden.  Er  ift  fiu"  das  Jalir  1419 
angefetzt  und  wir  haben  hier  die  Gefammtanlage  der 
Stadt  vor  uns,  wie  fie  Karl  IV.  gedacht  und  geplant 
hatte,  oder  eigentlich  die  Lage  der  Vier  Prager  Städte, 
da  zu  der  früheren  „größeren  Stadt",  der  Kleinfeite 
und  dem  Hradfchin  feit  1348  die  von  dem  großen 
Monarchen  neugegründete  fehr  ausgedehnte  Neußadt 
(nove  mesto)  gekommen  ift.  Da  fich  feither  nicht  blos 
die  Ausdehnungund  allgemeine  Configuration  derStadt 
als  Ganzes,  fondern  in  der  Hauptfache  auch  die  Anord- 
nung der  Plätze  und  der  Gaffenläufe  gleich  geblieben 
find,  fo  konnte  Tomek  feinem  Entwürfe  den  zwifchen 
1811  und  1815  vom  damaligen  Artillerie-Officier  (Lieute- 
nant, 1813  Ober-Lieutenant)  Jofeph  Jiittiier  auf  zwei  Im- 
perialfolio-Blättern  ausgeführten  „Grundrifs  der  könig- 
lichen Hauptftadt  Prag"  zugrunde  legen  und  feine  aus 
den  nun  fchon  reichlich  fließendcnUrkundenquellen  ge- 
fchöpften  topographifchen  Daten  Haus  für  Haus,  Garten 
für  Garten  einzeichnen.  Die  einzelnen  Befitzungen  find, 
um  des  Vergleiches  willen,  mit  den  jetzigen  Haus- 
numern  bezeichnet,  und  zwar  fo,  dafs,  wo  aus  einem 
damaligen  Haufe  nachmals  mehrere  geworden  find,  fich 
alle  heute  beftehende  Numcrn  eingezeichnet  finden, 
und  umgekehrt,  wo  mehrere  damalige  Häufer  feither  in 
eines  zufammengezogcn  find,  auf  jedem  der  früheren 
Befitzftücke  die  heutige  Numer  wiederkehrt.  Wo  fich 
die  Gränze  des  damaligen  Befitzftandes  nicht  genau 
nacliweifen  ließ,  find  wie  auf  den  Tafeln  I  und  II  auch 
hier  ftatt  fefter  Linien  punktirte  gezogen.  Bei  einer  fehr 
großen  Anzahl  von  Iläufern  der  drei  älteren  Prager 
Städte  finden  wir  felbft  die  damaligen  Namen,  entweder 
nacJi  dem  Befitzer,  z.  B.  des  Primators  Georg,  des 
Herrn  von  Lipa,  des  Juden  Aaron,  oder  nach  den  llaus- 
fchildern  z.  B.  zur  Eule,  zum  goldenen  Adler,  zu  drei 
Kronen,  zuin  rothen  Löwen,  oder  nach  anderen  Merk- 
zeichen z.  B.  Pfarrgebäude  (fara),  Zollhaus  (domek 
ce!ny).  Auf  der  damals  noch  jungen  Neuftadt  waren 
jjci  l'rivatii.äufcrn  derlei  fcftftchcntle  lienennungen  iiur 
ausnahmsweife  zu  erforfchen;  dagegen  find  hier  die 
gegenfeitigen  Abgränzungcn  der  Befitzftände  faft 
durchaus  fiebere,  fo  dafs  punktirte  Linien  kaum  wahr- 
zunehmen. 


I.   Wir  beginnen  mit  dem  HradfcJiiii  r^  Hradcany. 

Die  Genauigkeit  des  Toniek'{c\\?^n  Planes  von 
1419  können  wir  gleich  an  dem  Biirgrauiiie  wahr- 
nehmen, Fig.  2.  In  der  Mitte  der  Dom  zu  SS.  Veit,  Wen- 
zel und  Adalbert,  daneben  das  Haus  des  Erzbifchofs, 
nächll  dem  königlichen  Schloße  die  Capelle  und 
Dechantei  von  Allerheiligen.  Aus  der  Burg  führen  durch 
den  hohen  Brückenthurm  drei  Brücken  über  eben  fo 
viele  Wallgräben  —  prvni  prikop  hradu,  druhy,  tfeti. 
Um  die  Nord-  und  Weftfeite  des  St.  Veits-Domes 
zieht  fich  eine  Reihe  einzelner  an  einander  gebauter 
Häufer  herum.  Diefe  fowie  die  um  den  Hradfchiner 
Ring  gelegenen  find  zumeift  Domherrenhäufer,  oder 
gehören  Ibnft  zu  Dienften  der  Kirche  und  ihres  Capi- 
tels;    auch    das   oftwärts   an    die  Burgf  ftoßende   lange 


und  Eingang  vermittelte  gegen  Norden  am  Rande  des 
Bruska-Baches  das  Spitalsthor,  gegen  den  Weißen- 
Berg  das  Strahover  Thor,  füdöftlich  gegen  die  Klein- 
feite ein  kleineres  (bräna  k  dlazdenl).  Jenfeits  der  Brus- 
nic  find  Weinberge:  des  Stiftes  Strahov,  des  Capitels 
von  Allerheiligen,  des  St.  Georgs  Klofters  u.  a. 

2.  Die  kleinere  Stadt  oder  Klein/eite  reichte  nur 
füdwärts  der  Brücke  mit  dem  Kloüer  und  der  Marien- 
Kirche  der  Maltefer  bis  an  die  Moldau,  das  heißt  bis  an 
jenen  Flußarm  der  die  Infel  Kampa  von  dem  Lande 
trennte.  Nördlich  der  Brücke  dehnten  fich  zwifchen 
dem  linken  Flußufer  und  der  Stadtgränze  theils  öde 
Gründe  (na  Pisku)  theils  Gehöfte  und  Gärten  des  Erz- 
bifchofs, Weinberge  verfchiedener  Privaten,  Ziegelei- 
plätze u.  dgl.  aus. 


Fig.  2.  (Schloß  und  Hradfchin  1419.' 


Gebäude  (jetzt  Hradfchiner  adeliges  Damenftift)  hatte 
kirchlichen  Zweck,  dum  mansionäm.  Daxwifchen  finden 
fich  einzelne  Haufer  in  Privatbefitz,  mehrere  in  dem 
der  mächtigen  Herren  von  Rofenberg. 

Auf  dem  Hradfchiner  Ring,  ebenfo  wie  auf  dem 
der  Kleinfeite  und  dem  großen  Ring  der  Altftadt  zeigt 
fich  der  Platz  des  Prangers;  einen  folchen  hatte  ohne 
Zweifel  auch  der  Ring  der  Neufiradt;  er  ift  jedoch  auf 
dem  Plane  TomeMs  nicht  verzeichnet,  wahrfcheinlich 
weil  er  keinen  pofitiven  Anhaltspunkt  dafür  fand.  Auf- 
fallend find  in  allen  vier  Prager  Städten  die  Friedhöfe 
(hi'bitov)  mitten  unter  den  Häufern;  jede  Kirche,  die 
der  Seelforge  diente,  hatte  um  fich  herum  oder  in 
unmittelbarer  Nähe  einen  folchen. 

Gegen  die  Burg,  an  deren  drei  Wallgräben  er 
anftieß,  bedurfte  der  Hradfchin  keiner  Befefl:igung, 
wohl  aber  nach  den  andern  drei  Seiten  hin;   den  Aus- 


Die  Kleinfeite  war  gegen  die  Burg  nur  flrecken- 
weife  von  einer  Mauer  abgefchloffen;  gegen  den  Pifek 
jedoch,  fowie  füdlich  gegen  den  Oujezd,  dann  gegen 
den  Petrin  war  fie  durch  eine  vielthürmige  Stadt- 
mauer und  einen  Wallgraben  befeftigt.  Thore  hatte 
fie  vier:  gegen  Often  das  Sandthor  und  das  Thor  der 
linksuferigen  beiden  Brückenthürme,  gegen  Süden  das 
Oujezder,  gegen  Norden  das  Strahover  Thor;  die  zu 
letzterem  führende  fteile  Straße  hieß  Strahover  Straße 
(heute  Spornergaffe),  deren  Fortfetzung  weiter  aufwärts 
zwifchen  dem  Hradfchin  und  den  Weingärten  des 
Stiftes  Strahov  na  dlazeni  (etwa  Pflaflergaffe,'  heut  der 
hohle  Weg)  genannt  war. 

Der  Cujezd  lag  nach  wie  vor  außerhalb  der  Klein- 
feitner  Stadtmauer.  Seine  Baulichkeiten  fowie  die  ganze 

^  Gab  es  d.imals  fchon  eine  Pflafterung?  Und  gcr.lde  an  diefer  verhält- 
nismäßig entlegenen  Stelle? 


—     6     — 


Grundfläche  gehörten  zum  weitaus  größten  Theile 
geiftlichen  Perfonen  und  Körperfchaften  an:  denn 
Prager  Dompropft,  dem  Maria-Magdalena-Klofter,  dem 
Stifte  Bfevnov  am  weißen  Berge. 

Die  große  Stadtjiiajier  Karl  IV.  hatte  auf  dem 
linken  Moldau-Ufer  einen  weitern  Umfang  als  die  hier 
befindlichen  zwei  Prager  Städte.  Sie  lief  eine  kleine 
Strecke  landwärts  der  Umfchließung  des  Hradfchin 
und  des  hier  mündenden  Strahover  Stadtthores  um 
die  Baulichkeiten  des  Stiftes  Strahov  herum  und  dann 
über  die  Hohe  des  Petrin  zwifchen  dem  füdlichen  Ende 
des  Oujezd  und  dem  uralten  St.  Johannes-Kirchlein 
(noch  aus  der  Zeit  des  romanifchen  Styles)  bis  an  den 
Flußarm  der  Infel  Kampa  hinab.  Diefe  linksufrige 
Karolingifche  Stadtmauer  hatte  ein  Ausgangsthor 
gegen  das  Klofter  Brevnov  auf  dem  weißen  Berge,  und 
ein  zweites  nächft  dem  Flußufer,  das  nachmalige 
Oujezder  Thor.  Längs  der  Kante  des  Laurenziberges 
hatte  fie  eine  Anzahl  von  Thürmen  und  die  (bis  heute 
erhaltenen)  Zinnen;  im  Volksmunde  heißt  fie  noch 
jetzt  die  Hungennauer,  weil  fie  der  Sage  nach  der 
Kaifer  während  einer  großen  Theuerung,  um  den 
ärmeren  Leuten  Arbeit  und  Verdienft  zu  verfchaffen, 
aufführen  Heß.  Innerhalb  diefer  Ringmauer  gegen  die 
Prager  Städte  zu,  alfo  an  der  füdöfHichen  Sonnenfeite 
finden  wir  den  Petrin  mit  Weingärten  bedeckt;  ift 
es  doch  bekannt,  dafs  Karl  IV.  die  Burgunder  Rebe 
aus  Frankreich  nach  feinem  Böhmen  verpflanzte.  Auf 
dem  Toniek'ic\i&\\  Plane  find  die  einzelnen  Befitzer 
diefer  Weinberge  verzeichnet:  das  Klofter  Strahov, 
das  Prager  Domcapitel,  das  Marien -Klofter  konce 
mostu  d.  h.  am  Ende  der  Brücke,  ein  Hanus  Dlouhy; 
auch  Fiurennamen:  Klimck,  Kbelovka. 

Die  hier  zwifchen  der  Kleinfeite  und  der  jenfei- 
tigen  Neuftadt  gelegenen  Infein,  die  größere  Kampa, 
die  kleinere  Travm'k  (jetzt  Schütz-Infel)  und  die  nächft 
dem  rechten  Moldau-Ufer  (jetzt  Sophien-Infel)  zeigen 
fich  auf  unferem  Plane  ohne  alle  Baulichkeiten. 

An  Stelle  der  im  Jahre  1352  durch  eine  Hochfluth 
zugrunde  gegangenen  Judith-Brücke  haben  wir  jetzt  die 
von  Karl  IV.  etwas  oberhalb  der  früheren  begonnene, 
doch  crfl  unterfeinem  Nachfolger  WenzclIV.  vollendete, 
alfo  im  Jahre  1419  noch  ganz  neue  Brücke  mit  ihren 
maffivcn  Pfeilern  vor  uns,  aber  noch  nicht  mit  dem 
Schmuck  der  Heiligen-Statuen,  die,  das  fehr  alte 
Crucifix  ausgenommen,  crfl  zwei  Jahrhunderte  fpätcr 
gefetzt  wurden.  Sic  hieß  bis  noch  in  diefes  Jahriiundert 
hinein  im  Volksmunde  einfach  die  „Prager  Brücke 
:z:prazsky  most"  und  erfcheint  im  Volksliede  vielfach 
erwähnt,  hochgefeiert  als  Inbegriff  des  regen  Volks- 
lebens und  aller  Herrlichkeiten  des  Landes.  Erft  in  der 
crftcn  Hälfte  der  vierziger  Jahre  diefes  Jahrhunderts 
wurde  fie  neben  der  neu  entflandenen  Kettenbrücke  die 
„fteinerne  Brücke"  genannt;  neueflens  ift  die  Bezeich- 
nung „Karlsbrücke"  aufgekommen. 

3.  Am  jcnfeitigen  rechtsufrigen  Ende  diefer  Brücke, 
in  der  Altßadt  —  wie  fie  im  Gegenfatz  zu  der  Karolin- 
gifchen  „Neuen  Stadt"  nunmehr  genannt  wurde  — 
gewahren  wir  zu  unfcrer  Linken  das  „Spital  der  Kreuz- 
lierren  mit  dem  rothen  Stern"  mit  feiner  Kirche, 
damals  noch  nicht  der  fchöne  Kuppelbau  von  heute. 
Wir  fehcn  den  Raum  der  Altftadt  nun  fchon  voUftän- 
dig  verbaut,  mit  ihrem  viel  verfchlungencn  Gewinde 
von  Gaffen,  Gäfschen  und  Plätzen,  unter  welch  letzteren 


nach  wie  vor  der  „Ring"  die  erfte  Stelle  einnimmt. 
Von  andern  Namen  lernen  wir  kennen:  die  Platner- 
gaffe  (noch  heute),  die  Judengaffe  (ebenfo),  die  Meffer- 
fchmied-  oder  Schuftergaffe,  die  Goldfchmiedgaffe, 
die  lange  Gaffe  (dlouhä  stfi'da,  noch  heute),  die  Zelt- 
nergaffe  (noch  heute,  damals  saletna  ulice),  den  alten 
Ziegelplatz  (stary  ühelny  trh,  heute  Ziegenplatz),  den 
Fleifchmarkt  (trh  masny,  fraimark).  Der  jetzige  „kleine" 
Ring  im  Gegenfatz  zum  jetzigen  „großen"  hieß  1419 
Obftmarkt  (ovocny  trh).  Ob  der  „Bethlehems-Platz" 
jener  Zeit  fo  geheißen  wurde,  ift  aus  dem  Plane  nicht 
erfichtlich;  wohl  aber  finden  wir  an  deffen  Nordfeite 
die  durch  Hus'  Predigten  berühmt  gewordene  Bethle- 
hems Capelle  und  daneben  das  Wohnhaus  für  deren 
Priefter.  In  den  Umfang  der  Altftadt  fällt  das  Juden- 
viertel, das  enge  und  meift  kurze  Gaffen  und  nur 
wenige  und  kleine  Plätze  aufweift;  unter  ihren  Gebäu- 
den ftoßen  wir  auf  eine  „Judenfchule  r=  skola  zidovskd" 
und  die  „alte  Judenfchule",  beide  Synagogen.  Der 
letzteren,  jetzt  als  „All-Neu-Schule"  bekannt,  gibt 
die  jüdifche  Tradition  ein  Alter  von  800,  ja  von 
1000  Jahren:  der  ehrwürdige  gothifche  Bau  geht  aber 
in  feiner  Architektur  kaum  über  das  14.  Jahrhundert 
zurück. 

Die  Altftadt  hatte  gegen  die  F"lußfeite  von  den 
Kreuzherren  bis  zur  Judenftadt  eine,  wie  es  fcheint 
einfache  Stadtmauer  mit  einem  Thore  zu  St.  Valentin 
(bräna  valentinskä);  gegen  die  Landfeite  war  fie  ftark 
befeftigt und  umwallt.  Stadtthore  \varen  folgende:  i.  Das 
der  ulice  Slaviccina  (vielleicht  von  einem  Perfonen- 
namen).  2.  Das  der  langen  Gafle.  3.  Das  St.  Benedift- 
Thor.  4.  Das  St.  Ambrofius-Thor  von  dem  ihm  auf  der 
unteren  Neuftadt  gegenüber  liegenden  großen  Ambro- 
fius-,  fpäteren  Hiberner  Klofter  fo  geheißen  (heute  mit 
einigen  anftoßenden  Gebäuden  Hauptmauth  und  Sitz 
der  Finanz-Landes-Direftion).  An  das  Ambrofius-Thor 
ftieß  der  Altftädter  „Königshof^:  dvür  krälüv"  (jetzt 
k.  k.  Cadettenfchule).  5.  Eine  kleine  Durchbruch-Pforte 
(forta  na  prolomeni).  6.  Das  St.  Gallus-Thor  (das  heu- 
tige „Brückl").  7.  Die  Pforte  nach  St.  Maria-Schnee 
(fortna  k  p.  Marie  Sncznc).  8.  Das  ZderazerThor.  9.  Das 
St.  Stephans-Thor  (von  der  Altftädter  feithcr  ver- 
fchwundenen  St.  .Stephans-Kirche).' 

Vor  den  Stadimauern  lief  gegen  die  Neuftadt  ein 
tiefer  Stadtgraben,  von  dem  Slavicciner  Thor  bis  über 
die  Maria-Schnee -Pforte  hinaus  fogar  ein  Doppcl- 
graben (prikop  und  predni  prikop).  Als  im  vorigen 
Jahrhunilcrt  die  Befeftigung  der  Altftadt  aufgelaffen, 
die  Stadtmauer  abgebrochen  und  abgetragen,  der 
Stadtgraben  ausgefüllt  wurde,  hießen  die  längs  de.s- 
felben  vom  Pulverthurm  bis  zum  Roßmarkt  aufgebau- 
ten Häufer  noch  immer  „am  Graben  r=  na  pi-ikopech". 

4.  Aus  nahe  liegenden  Grüntlen  haben  in  der  um 
fo  viel  Jahrhunderte  Jüngern  Nciißndt  viel  mehrere  neue 
Stadttheile  und  Straßen  ihre  damaligen  Benennungen 
bis  heute  oder  doch  bis  auf  die  allerjüngfte  Zeit  er- 
halten, ein  Gäfschen  fogar  mit  bewufsterZuriickfiihrung 
auf  die  Zeiten  des  Gründers  der  Neuftadt.  ICs  ift  dies 
die  von  dem  „Graben"  in  die  „Heinrichsgaffe"  führende 
lange  und  äußcrft  fchmale    Nekazalka:   „Ich  habe   es 

•  Auf  (-inen  nocli  heute  Ijcflchcndcn,  alter  von  H.iufciii  um]  Iliifeu  um- 
bauten Altlladlcr  Staclllluirni,  ro»ic  auf  einen  ^weilen  naclid  ilen  Maltef.  rii 
der  Kleinfcili;  hat  Confirv.itor  Wifhl  die  Central  Commiffiun  aufmerkfain  ge- 
macht; wir  wcnlen  i^jefc  inlcrerrantc  ICnldCL-kung  in  einem  fpiitcrcn  Artikel 
befprcchen. 


niclit  befohlen  =  nekazal",  habe  Kaifcr  Karl  IV.  fich 
geäußert,  als  er  ihrer  anfichtig  wurde.  ]-5cibehaltcn 
haben  ihre  damaligen  Namen  die  Florenzgaffe 
(Florenec,  eine  Benennung,  welche  damals  die  ganze 
Gegend  um  den  heutigen  Staatsbahnhot  bezeichnet 
zu  haben  fcheint),  der  Heumarkt,  die  Tuchmachergaffe 
(Fortfetzung  der  Altftädter  „langen  Gaffe"),  die 
Stephansgaffe  mit  der  fchon  damals  beftehenden 
großen  und  fchönen  St.  Stephans-Kirche,  auf  deren 
Friedhof  ein  Karner  und  die  uralte  Allerheiligen- 
Capelle  fich  bis  in  die  jüngfte  Zeit  erhalten  haben;  die 
Krakauer  Gaffe.  Der  „Roßmarkt"  hieß  noch  über  die 
Hälfte  unferes  Jahrhunderts  fo;  neueftens  mußte  er 
feinen  altern  Namen  mit  „Wenzels-Platz"  umtaufchen. 
Dagegen  hat  eine  Gaffe,  die  älteren  Pragern  noch  in 
der    Erinnerung   haftende   „alte    Poftgaffe"    ihren    ur- 


fprünglichen  Namen   als   Ki-emenec-Gaffe 
covä  ulice"  zurückerhalten. 


Kfemen- 


Auch  der  zwifchen  der  heutigen  Breiten-  und 
Brennten-  (abgebrannten,  spdlenä)  Gaffe  gelegene 
Stadttheil  hat  feine  aus  fehr  alter  Zeit  herrührende 
Benennung  Judengarten  ^  zidovskäzährada  behalten; 
nur  dafs  er  jetzt  mit  Häufern  verbaut  ift,  während  er 
damals,  wie  es  fcheint,  wirklicher  Garten  war.  Zwifchen 
feinem  füdlichen  Ende  und  dem  Aufiticg  zum  heutigen 
Karlsplatz  befanden  fich  vor  fünfhundert  Jahren  wie 
heute  Fleifchbänke  :=  masne  krämy. 

Der  „Viehmarkt",  heute  „Karlsplatz",  war  damals 
der  Neuftädter  „Ring"  und  umfafste  in  feiner  riefigen 
Ausdehnung  an  feinem  untern  Ende  den  Härings- 
markt=trh  slaneckü,  in  feinem  weitern  füdlichen  Theile 
den  Holzmarkt  =:  trh  dfivi;  in  der  Mitte  des  Platzes 
(landen  eine  Frohnleichnams-Capelle  und  ein  Heiligen- 
Reliquien -Thurm  =  vez  SV.  ostatkü,  beide  in  der 
Jofephinifchen  Zeit  entweiht,  aufgelaffcn  und  abgetra- 
gen. Am  nördlichen  Ende  des  Platzes  ftand  das  Neu- 
flädter  Rathhaus  (jetzt  k.  k.  Criminal-Gericht,  aber 
erweitert  und  vollftändig  umgebaut)  mit  dem  hohen 
und  maffiven  Stadtthurm.  Am  Wege  vom  Neuftädter 
Ring  gegen  den  unterhalb  des  Vysehrad  gelegenen 
Stadttheil  (Podvysehradi)  erhob  fich  das  von  Karl  IV. 
gegründete  flavifche  Klofter  =  na  Slovanech  (jetzt  St. 
Emaus)  mit  einer  Kirche  zum  heil.  Hieronymus,  aus- 
gedehnten Gärten  und  einer  großen  Ziegelei.  Vom 
Neuftädter  Ring  oftwärts  gegen  den  Fluß  zu  hatte 
fich  Wenzel  IV.,  welchem  die  Königsburg  ob  dem 
Hradfchin  nicht  behagte,  ein  neues  Schloß  erbaut,  den 
Neuftädter  Königshof  (Dvür  Krälüv),  auf  deffen  Raum 
fich  fpäter  Kirche  und  Klofter  St.  Wenzel  (letzteres 
unter  Jofeph  II.  aufgelaffen  und  als  Provinzial-Slrafhaus 
benützt)  erhoben;  heute  erinnert  noch  das  „Wenzels- 
bad" an  jenen  Königshaf,  bis  auch  diefes,  wie  zu  ver- 
nehmen ift,  einer  neuen  Straßen-Regulirung  zum  Opfer 
fallen  foll.  Weftlich  und  füdwefllich  vom  Ring  waren 
weitläufige  Gärten  und  Weinberge  größtentheils  in 
geiftlichem  Befitze:  St.  Katharina-Kirche  und  Klofter, 
auf  dem  Windberge  (vetrnä  hora,  noch  heute)  Kirche 
und  Capitel  zum  heil.  Apollinar,  dann  am  äußerften 
Ende  das  Klofter  der  Auguftiner  Chorherrn  mit  der 
gothifchen  Kuppel-Kirche  zu  St.  Karl.  Diefen  ganzen 
Raum  mit  Einbeziehung  der  noch  heute  beftehenden 
Kirchen  nehmen  jetzt  die  großartigen  Krankenanftalten, 
Kliniken    und   Inftitute   ein;    St.    Karl,  'jetzt    Karlshof 


geheißen,  ift  heute  das  Gotteshaus  einer  Siechenver- 
forgungs-Anftalt. 

Gegen  die  befeftigte  Altftadt  und  gegen  den 
Vysehrad,  von  welchem  fic  der  BoticBach  fchied,  und 
ebenfo  gegen  die  Flußfeite  bedurfte  die  Ncuftadt  keiner 
Befeftigung.  Am  Pofic  in  der  untern  Neuftadt,  wo  der 
Fluß  durch  große  Wehre,  wie  oberhalb  der  Brücke, 
abermals  geftaut  war,  zeigt  fich  eine  Reihe  von  Mühlen, 
die  fich  in  ihrem  wefentlichen  Beftande  noch  heute 
erhalten  haben;  der  7b;«f/,-'fche  Plan  macht  uns  mit 
mehreren  ihrer  damaligen  Befitzer,  vielleicht  den 
Gründern  und  Erbauern  derfelben  bekannt:  die  Mühlen 
des  Lukas,  die  Helm'fchen  Mühlen.  Landeinwärts  war 
die  Neuftadt  von  einer  langen  vielthürmigen  Mauer 
umfchloßen,  durch  welche  folgende  Thore  führten: 
das  Poficer  Thor;  das  Bergthor  =  horskä  brana,  weil 
es  nach  Kuttenberg  =  Kutne  hory  führte,  daher  eigent- 
lich das  Kuttenberger,  fpäter  Neuthor;  das  Rofsthor; 
das  Schweins-  fpäter  Kornthor,  nächft  welchem  die  von 
der  Gemahlin  Herzog  Friedrich's  erbaute  (nicht  mehr 
beftehende)  „St.  Johannes-Kirche  auf  der  Walftatt  = 
Sv.  Jan  na  bojisti"   ftand. 

6.  Auf  dem  großen  Tot/iek'ichen  Stadtplane  findet 
fich  der  Vysehrad  nicht,  weil  dadurch  das  Format  zu 
groß  und  unhandfam  ausgefallen  wäre;  auch  hatten 
fich  am  Vysehrad  feit  1419  gegen  deffen  früheren 
Beftand  keine  nennenswerthen  Veränderungen  ergeben. 

IV.  Eine  Gefammtanßeht  der  Stadt  aus  Kai/er 
Rudolph  II.  Zeiten. 

Mit  der  Gi^euelthat  des  30.  Juli  1419,  wo  die  Neu- 
ftädter Rathsherren  aus  den  Fenftern  des  Gebäudes  auf 
die  Picken  der  unten  ftehenden  Meute  herabgeftürzt 
wurden,  begannen  die  hufitifchen  Wirren  und  Kriege, 
denen  1420  die  Kleinfeite  Prags  zum  Opfer  fiel;  fie 
wurde  unter  einem  fchrecklichen  Blutbade  dergeftalt 
verwüftet,  ausgebrannt  und  geplündert,  dafs  der  Trüm- 
merhaufen von  feinen  übriggebliebenen  Bewohnern 
verlaffen  wurde  und  es  von  da  an  ftatt  der  vier  Prager 
Städte  thatfachlich  nur  mehr  drei  gab. 

Allein  die  Hilfsquellen  des  Landes  fchienen  uner- 
fchöpflich.  Noch  in  der  zweiten  Hälfte  desfelben  Jahr- 
hunderts unter  König  Georg  von  Podiebrad  bevölkerte 
fich  die  Kleinfeite  von  neuem  und  gediehen  die  Städte 
und  das  Land  zu  einer  Blüthe  und  einem  Reichthum, 
dafs  der  päpftliche  Legat  Aeneas  Sylvius  Piccolomini 
fein  Erftaunen  über  diefe  ungeahnte  Wiederauffrifchung 
ausfprach.  Prag  felbfl  wurde  unter  den  Jagielloniden 
mit  neuem  Glänze  verfehen.  Die  königliche  Refidenz 
war  feit  Wenzel  IV.  Tode  im  Altftädter  Königshof, 
den  Wladislaw  IV.  in  prächtiger  Weife  umbauen  wollte. 
Den  Anfang  machte  er  mit  dem  anftoßenden  Stadt- 
thurm, den  wir  als  „Pulvcrthuni."  noch  heute  in  feinem 
überreichen  architektonifchen  Schmucke  bewundern. 
Als  aber  der  König  eines  Tages  in  einem  Fenfter 
feines  Schloßes  lag,  richtete  ein  Bürger  von  der  Straße 
feinen  Pfeil  nach  ihm;  Wladislaw  wurde  nicht  getroffen, 
allein  er  verließ  fortan  die  ftörifche  Altftadt,  der  Aus- 
bau des  Königshofes  unterblieb  und  der  König  widmete 
feine  weitere  Bauthätigkeit  dem  ficherern  Fürftenfchloß 
ob  dem  Hradfchin,  der  nach  mehr  als  anderthalbjahr- 
hundertjähriger  Verwahrlofung  in  neuer  Pracht  ent- 
ftand.  Von  Ferdinand  II.  Zeiten  wurde  Prag,  wie  unter 
den  Luxenburgern,   zugleich  Kaiferftadt  und  erreichte 


8     — 


unter  Rudolf  II.  einen  derartigen  Auffchwung,  dafs 
man  die  Regierung  diefes  Kaifers  als  ein  zweites  gol- 
denes Zeitalter  pries.  In  diefer  Periode  nun  des  Glanzes 
und  Reichthums,  des  erhöhten  Kunftfinnes,  eines  feit 
Karl  IV.  Zeiten  nie  gefehenen  Zufammenftrömens  von 
Männern  und  Frauen,  die  durch  Geift  und  VViffen  oder 
Kunftfertigkeit  glänzten,  fertigte  Egidius  Sadeler  1606 
eine  Gefammtanficht  von  Prag  an,  wie  zu  jener  Zeit 
wohl  keine  der  größeren  Städte  etwas  ähnliches  aufzu- 
weifen  hatte.  Da  der  Maßftab  ein  ziemlich  großer  ift,  fo 
find  darin  nicht  blos  alle  her\orragenden  Gebäude, 
Kirchen  und  Klöfter,  Stadtthürme  genau  und  klar  zu  er- 
kennen, wir  vermögen  aus  der  halben  Vogel-Perfpeflive 
auch  in  manche  Plätze  und  Straßen  hineinzublicken, 
dafelbft  die  einzelnen  Privathäufer  zu  unterfcheiden 
und  mit  den  Angaben  in  dem  Toniek'izX^zw  Plane  von 


ift,  wenn  fich  auch  im  einzelnen  viel  geändert  hat,  Prag 
bis  heute  geblieben  und  niemand,  der  das  jetzige  Prag 
kennt,  wird  beim  Anblick  des  vor  nahezu  dreihundert 
Jahren  aufgenommenen  Bildes  einen  Augenblick  im 
Zweifel  fein,  welche  Stadt  es  vorftelle. 

Das  Sadeler' {che  Stadtbild,  aus  9  großen  Quart- 
blättern beftehend,  Stichhöhe  0474  M.,  die  ganze 
Stichlänge  3'I45  M.,  ift  heute  zu  den  Seltenheiten  ge- 
worden, felbft  in  der  Stadt,  in  welcher  es  entftanden. 
Ein  vollfländiges  Exemplar  befitzt  das  böhmifche 
Landes-Mufeum;  das  ftädtifche,  wenn  ich  mich  gut  er- 
innere, hat  ein  zweites,  aber  nicht  ganz  tadellos  er- 
haltenes; einzelne  Blätter  befinden  fich  beim  Vyse- 
hrader  Capitel,  im  Befitze  von  privaten  Sammlern,  wie 
des  Ritters  von  Lanna,  des  Herrn  Kheil  u.  a.  In  den 
Wiener  Sammlungen   habe    ich   zwei  Exemplare   ge- 


Fijj.  3.  (Prajj,   lliadfcliin  1600.) 


1419  vergleichen.  Dabei  ift  die  Auffaffung  und  Durch- 
führung eine  wahrhaft  künftlerifche,  fo  dafs  der  Ein- 
druck, den  das  Gefammtbild  auf  den  Zufcliaucr  macht, 
ein  ebcnfo  anziehender  als  überwältigender  ift.  Wir 
verftehen,  wenn  wir  diefe  Ueberfchau  vor  uns  haben, 
die  Worte,  die  Grülparzer  feinem  auf  die  fo  herrliche 
und  dabei  innerlich  fo  aufgewühlte  und  parteizerriffenc 
Stadt  hinausblickenden  Rudolf  II.  in  den  Mund  legt; 
wir  begreifen  den  Ausdruck  des  Staunens  und  der 
Verwunderung,  der  ein  Jahrzehent  fpätcr  den  Lippen 
der  fcliönen  und  ftolzen  Tochter  Albion's  entfchlüpfte, 
als  fie  aus  den  Fenflcrn  des  Königsfchloßes,  jetzt  ilircs 
Königsfchloßes,  zu  ihren  P'üßen  die  ausgedehnte  Stadt 
fall  mit  den  hundert  und  mehr  Kirchthürmen,  Stadt- 
thürmen,  Kuppeln.  DieferCharakter  des  Gefammtbildes 


fundcn,  eines  in  der  Albertina,  eines  in  der  Hof-Biblio- 
thek, beide  voUfländig  in  9  Blättern,  doch  ohne  obern 
und  untern  Rand,  welch  letzterer  den  erläuternden  Text 
zu  den  im  Stiche  bei  den  hervorragenden  Gebäuden 
angebrachten  Ziffern  enthält. 

Es  ift  darum  als  ein  dankenswerthes  VerdienR  an- 
zuerkennen, dafs  unter  dem  Bürgermeifler  Dr.  Cerny 
das  fliidtifche  Mufeum  durch  den  Pholographen  J/rt/^^// 
eine  genaue  Wiedergabe  des  vollllimdigcn  Bildes  in 
einem  etwa  um  ein  Drittel  verkürzten  Maßflabe  des 
Originals  anfertigen  und  dem  Kunfthandel  übergeben 
ließ.  Wir  bringen  daraus  einen  Ausfchnitt  in  der  Größe 
der  Copie  und  zwar  einen  folchen,  der  einen  Vergleich 
mit  dem  heutigen  Stande  herausfordert,  weil  fich  ge- 
rade an  diefer  bedeuten dftcn  Stelle  der  Hauptfladt  feit- 


her  das  meifte  geändert  hat  (Fig.  3).  Die  Hauptumriffe 
find  fich  allerdings  auch  hier  gleich  geblieben,  allein 
wie  vieles  ift  feit  Rudolf  II.  anders  geworden!  Wir 
haben  vor  allem  den  Bau  des  Königs-und  Kaifer-Palaftes 
in  jener  Geftalt  vor  uns,  die  ihm  feit  dem  großen  Brande 
von  1541  mit  Einbeziehung  der  von  den  Flammen  ver- 
fchont  gebliebenen  Wladislaifchen  Gebäudetheile  durch 
Ferdinand  I.  und  deffen  kunftliebende  Nachfolger  auf 
dem  Throne  gegeben  wurde.  Unter  Rudolf  II.  barg 
das  Schloß  Sammlungen  von  einer  Fülle  und  einem 
Werthe,  wie  damals  kein  anderer  Fiirftenfitz,  und 
hatte  Gärten,  Turnierplätze,  Bären-  und  Löwenzwinger, 
Ballhäufer  und  andere  Nebengebäude,  fo  dafs  der 
ganze  Complex  als  „das  achte  Weltwunder''  gepriefen, 
der  Kaifergarten  ein  „unvergleichlicher  Lurtgarten  der 
Feen"  genannt  wurde. 

Der  unausgebaute  St.  Veits-Dom  zeigt  fich  uns  in 
derfelben  Geftalt,  die  er  noch  bis  vor  wenig  Jahren 
hatte,  bevor  nämlich  die  nun  machtig  emporftrebenden 
beiden  Thürme  der  Vorderfeite  ihm  eine  geänderte 
Silhouette  verfchafften.  Die  heute  fogenannte  neue 
Schloßftiege,  welche  auf  unferem  Bilde  eine  Abtheilung 
Bewaffneter  hinaufmarfchirt,  führte  auf  die  Baftei  zwi- 
fchen  dem  erßcn  und  ztueiten  (vom  Schloße  aus)  Wall- 
graben ;  die  Brücke  über  den  dritten  führte  unmittelbar 
auf  den  Hradfchiner  Stadtplatz  oder  Ring.  Der  Thurm, 
den  wir  herwärts  \-om  St.  Veits-Thurm  gewahren,  ift 
derBefeftigungs-Thurm  der  über  den  erflen  Wallgraben 
unmittelbar  aus  dem  Schloßfrieden  herausführenden 
Brücke;  er  ift  ohne  Zweifel  zur  felben  Zeit  gefallen,  wo 
die  drei  Wallgräben  ausgefüllt  wurden,  aus  dem  erften 
der  jetzige  Brunnenhof,  aus  dem  zweiten  der  große  und 
fchöne  Vorhof  mit  den  beiden  Hauptwachen  und  dem 


Abfchlußgitter,  aus  dem  dritten  der  Platz  zwifchen  dem 
jetzigen  erzbifchöflichen  Palais  und  dem  Schwarzen- 
berg'fchen  Fideicommifs-Haus  gefchaffen  wurde.  Das 
Thor  am  linken  Rande  unferes  Bildchens  führte  vom 
Hradfchin  gegen  das  Ende  der  jetzigen  Spornergaffe 
(heute  fogenanntes  Fleifcher  Bergel).  Die  fich  von  da 
am  Fuße  des  Schloßberges  herabziehende  Häufer- 
gruppe gehörte  der  Kleinfeite  an;  im  Vordergrunde 
ein  Stück  der  Stadtmauer,  welche  die  Kleinfeitc  gegen 
den  Petrin  und  gegen  den  Oujezd  abfchloß.  Der  Haupt- 
tbeil  der  Mauer  ift  noch  erhalten,  doch  fehlen  die 
charakteriftifchen  Zinnen;  in  einem  der  ehemahgen 
Thürme  befindet  fich  jetzt  die  Weinpreffe  des  gräflich 
Schönborn'fchen  Schloßgartens. 

Für  den  einheimifchen  Prager  wird  fich,  wie  auf 
dem  Sadeler{z\\^n  Bilde  überhaupt,  fo  auf  diefem  Aus- 
fchnitte  desfelben  insbefondere,  noch  viel  finden,  was 
den  Befchauer  zu  einem  Vergleich  zwifchen  dem 
jetzigen  Prag  und  dem  vor  dreihundert  Jahren  auf- 
fordert. Uns  mag  es  genügen,  ein  zeitgefchichtliches 
Abbild  jenes  Stadttheiles  vor  uns  zu  haben,  in  deffen 
Räumen  fich  die  ftürmifchen  Ereigniffe  abfpielten,  die 
zu  einem  dreißigjährigen  fchreckens-  und  verheerungs- 
vollen Kriege  geführt  haben.  Wir  fehen  das  königliche 
Schloß,  damals  zugleich  Kaiferfitz,  wie  es  daftand  und 
ausfah  drei  Jahre  vor  der  Ertheilung  des  Majertäts- 
Briefes  durchRudolf  II.  1609,  fünf  Jahre  vordem  Einfall 
des  Paffauer  Kriegsvolks  161 1,  zwölf  Jahre  vor  der 
Kataftrophe  des  23.  Mai  1618;  der  Gebäudevorfprung 
zunächft  dem  rechten  Rande  unferes  Bildes  barg  die 
Landftube,  aus  deren  Fenfter  im  erflen  Stockwerke  die 
beiden  Statthalter  Slavata  und  Martinic  und  der 
Secretär  Fabricius  in  die  Tiefe  hinabgeftürzt  wurden. 


Kunfthiftorifche  Notizen  aus  Friefach  und  feiner  Umgebung 


Von  Dr.   Albert  Hg. 


I. 


flE  nachftehenden  Aufzeichnungen  machen  kei- 
nen Anfpruch  darauf  fiir  eine  einheitliche 
lKt^-^S4i;  Abhandlung  zu  gelten, —  es  find  nur  einzelne 
Bemerkungen  über  Kunftwerke  in  der  kärnthnerifchen 
altberühmten  Stadt  Friefach  und  ihrer  Umgebung, 
welche  der  Verfaffer  während  eines  längeren  Aufent- 
haltes im  Sommer  1892  genauer  kennen  zu  lernen 
Gelegenheit  fand.  Hier  befteht  nun  aber  nicht  die 
Abficht,  eine  erfchöpfende  Erörterung  fämmtlicher  dor- 
tigen Denkmäler,  an  welchen  der  Ort  fo  reich  ift,  zu 
geben  und  dabei  zu  wiederholen,  was,  namentlich  über 
die  großartigen  Bauten  des  Mittelalters  bereits  gefagt 
ift,  —  vielmehr  foU  nur  von  meift  kleineren  und  bisher 
noch  gar  nicht  oder  doch  nicht  genügend  befprochenen 
Objecten  die  Rede  fein.  Was  die  großen  Architek- 
turen, Petersberg  und  Lavantfchloß,  Bartholomäus- 
Kirche,  Heiligenblut  -  Kirche,  Dominicaner  -  Klofter, 
Rothenthurm,  Geiersberg,  Stadtgraben  und  Mauern, 
Deutfchherren-Kirche  und  Vigilienberg  betrifft,  fo  ver- 
weife  ich  auf  die  verfchiedenen  Auffätze  in  den  Mitthei- 
lungen, welche  diefe  Gegenftände  bereits  behandelt 
haben,  befonders  auf  den  Auffatz  Effenweins  (VIII. 
S.  164  ff),  obwohl  man  demfelben  heute  nicht  mehr 
XIX.  N.  F. 


in  jeder  Hinficht  zuftimmen  kann,  ferner    auf  die  kunft- 
hiftorifche Topographie  von  Kärnten.  (S.  45  ff.) 

Der  berühmte  fchöne  Renaiffance- Brunnen  auf 
dem  Stadtplatze,  welcher  im  Jahre  1802  aus  dem,  einft 
den  Salzburger  Bifchöfen  gehörigen  Schlöffe  Tanzen- 
berg  bei  St.  Veit  in  Kärnthen  hieher  überfetzt  worden 
ift  —  dort  hatte  das  kunftgefchichtlich  fehrbedeutfame 
Sculpturwerk  indem  vonRenaiffancelauben  umgebenen 
Schloßhof  feinen  Standort  gehabt  — ,  ift  mit  den  hoch 
intereffanten  Sculpturwerken,  welche  ihn  als  eine  her- 
vorragende Bildhauerarbeit  italienifcher  Künftler  auf 
öfterreichifcher  Erde  erfcheinen  laffen,  noch  nicht  ein- 
gehend befchrieben  worden.  Es  wäre  wünfchenswerth, 
dafs  zunächft  aus  den  kärnthnerifchen  Archiven  einmal 
mitgetheilt  würde,  warum,  unter  welchen  Umftänden, 
durch  wen  und  um  welchen  Preis  die  Erwerbung  des 
Monumentes  für  Friefach  ftattgefunden  hat,  worüber 
bis  heute  gar  nichts  bekannt  ill;.  Der  Brunnen  hat  ein, 
gleich  fo  vielen  Renaiffance-Brunnen,  im  Ocflogon 
conflruirtes  Baffin,  deffen  Außenwände  mit  figuralen 
und  ornamentalen  Bildwerken  von  Einer  Künftlerhand 
decorirt  find.  Aus  der  Mitte  diefes  Achteckes  erhebt 
fich  nun    eine  Brunnenfäule,   von  drei  mit  den  Rücken 


—        lO       — 


aneinander  geftellten  nackten  männlichen  Karyatiden 
gebildet,  welche  auf  ihren  Köpfen  die  erde  obere 
Schale  tragen,  welche  kreisrund  und  mit  wulftigen 
Pfeifen  gefchmückt  ift.  Ueber  ihr  ftehen  in  der  Achfe 
der  drei  Riefen  vier  nackte  Putti  als  Träger  der  zweiten, 
kleineren  Schale  von  gleicher  Ausflattung  wie  die 
untere,  und  fchließlich  macht  darüber  den  oberften 
Abfchluß  ein  kleiner  figuraler  Auffatz  von  Bronzeguß, 
deffen  Hauptfigur  Neptun  ilt.  Aus  dem  oberflächlichen 
Anbhck  diefer  Theile  geht  bereits  hervor,  dafs  an  dem 
Ganzen,  fchon  wie  es  in  Tanzenberg  gewefen  war, 
verfchiedene  Materialien  fowie  verfchiedene  Künftler- 
hände  im  Spiel  waren.  Das  untere  achteckige  Baffin 
ift  aus  graugelblichem  marmorähnlichem  Stein  und 
von  präcifer  ftylfefter  Hand  im  echten  Charakter  der 
früheren  italienifchen  Kenaiffance  forgfältig  ausge- 
arbeitet, alles  Weitere  nach  oben  aber  von  einem  hel- 
leren Kalkftein  und  bei  weitem  roher,  flauer,  flüchtiger, 
durch  einen  viel  wenigertüchtigen  Meifter;  die  Bronze- 
gruppe endlich  macht  den  Eindruck,  als  ob  fie  urfprün- 
lich  gar  nicht  zu  dem  Ganzen  gehört  hätte  und  erft 
zum  Abfchluffe  gelegentlich  verwendet  worden  wäre, 
nachdem  man  fie  eben  fchon  befaß;  denn  ihre  dort 
hoch  oben  verfchwindenden  Dimenfionen,  laffen,  abge 
fehen  von  dem  fremden  Material,  nicht  glauben,  dafs  fie 
die  von  Anfang  gedachte  Bekrönung  hätte  fein  follen. 
Jede  der  Achteckfeiten  des  unteren  Baffins  befleht 
aus  einem  breiten  Mittelfelde,  welches  beiderfeits  von 
ornamentalen  Pilaftern  eingefafft  ift.  Da  fich  diefe  An- 
ordnung gleichmäßig  immer  wiederholt,  ftehen  alfo  an 
den  Ecken  ftets  zwei  Pilafter  aneinander,  welche  rifalit- 
artig  vor  den  figuralen  Feldern  vorfpringen.  Ich  beginne 
mit  der  öfllichen  Fagette,  welche  wegen  des  darüber 
an  der  erften  oberen  Schale  angebrachten  Wappens 
als  Hauptfeite  angenommen  werden  muß. 

1.  Perfeus  befreit  die  Andromeda.  Der  unten 
liegende  getödtete  Drache  ift  ein  eidechfenartiges 
Ungeheuer,  welches  feine  Bauchfläche  zeigt,  ganz  fo 
wie  dies  bei  Rennaiffance-Meiftern  in  der  Darfteilung 
beliebt  ift.  Zwei  gekrönte  Figürchcn  als  Zufeher  der 
Scene,  Phineus?  Das  Gorgoneion  ift  ein  in  der  Luft 
über  der  liegenden  Andromeda  fchwebendes  männ- 
liches (1)  Haupt  mit  Bart.  Stellung  der  Heldin  antik, 
ein  wenig  an  die  bekannte  fchlummernde  Ariadne 
erinnernd.  Die  oben  gefchildertc  Eidechfenform  des 
Drachen  kommt  fo  vorzugsweife  auf  St.  Georgsbildcrn 
der  deutfchen  Rcnaiffance  vor.  Vergl.  das  Gemälde  in 
den  kunfthiftorifchen  Sammlungen  des  Allerhöchflen 
Kaiferhaufes  in  Wien.  {Engerth,  Führer,  Saal  XXV, 
1596.) 

Pilafter  rechts:  Nackte  weibliche  flalbflgur  mit 
Flügeln  von  akanthusähnlichen  Formen.  Zwei  fitzende 
Windhunde  mit  Halsbändern,  das  Ganze  aus  einem 
Stamm  von  Akanthus  hcrauswaclifend. 

Pilafter  links:  An  Bändern  hangende  Bündel, 
gebildet  aus  Rüben,  Granaten,  F"eigen,  Trauben, 
Artifchoken  etc. 

2.  Hercules  tödtet  denCenlauren  Neffus,  auf  deffen 
Rücken  Dejanira  fitzt;  in  der  kämt.  Topogr.  S.  54  un- 
riciitig:  Hercules  und  Hcfione. 

Pilafter  rechts:  Hängebündel  von  Aepfcln,  Birnen 
und  anderem  Obft. 

Pilafter  links:  Pallas,  nackt,  mit  mittelalterlicher 
Turnierlanze    in    Händen,    auf  der    andern    Seite  der 


Medufenfchild,  ohne  Helm.  Unten  Cartouche  mit 
Rändern  in  deutfchem  Rollwerkftyl,  von  zwei  Drachen 
geftützt,  worin:  M.D.L.XIII. 

3.  Leda  fitzend  mit  zwei  Kindern  und  dem  Schwan. 
Sie  hat  einen,  ohne  Zweifel  einem  antiken  Junogebilde 
nachgeahmten  fehr  edlen  Kopf.  Rückwärts  fleht  man 
auf  einem  runden  Poflamente  noch  einen  Schwan. 

Pilafter  rechts:  Fama  mit  großen  FlüCTeln  und 
langer  Tuba,  die  fie  wie  einen  Speer  in  der  Rechten 
hält.  Ihr  Gewand  flattert  unten  an  den  Beinen  feitlich 
von  der  Mitte  nach  rechts  und  links,  wie  bei  antiken 
Vi6lorien  üblich.  In  die  alte  Cartouche  zu  ihren  Füßen 
ift  die  fpatere,  auf  die  Uebertragung  des  Brunnens 
bezügliche  Infchrift:  TRANSLAT'!  MDCCCII.  einge- 
meißelt. Ganz  unten  zwei  hockende,  mit  den  Rücken 
zu  einander  gekehrte  Gefangene,  wie  fie  befonders  bei 
Michelangelesken  Compofitionen  als  ftehendes  Motiv 
beliebt  find  (f  das  Beiblatt).  ' 

Pilafter  links:  Schönes  Rankenmotiv  mit  fünfblät- 
terigen großen  Blumen,  unten  aus  einer  dicken  runden 
l^übe  hervorwachfend.  Der  Körper  derfelben  ift  von 
gedrückt  kugeliger  Form,  unten  in  eine  horizontal 
gewellte  Wurzel  ausgehend,  während  oben  aus  der 
Rübe  ein  Büfchel  von  Akanthusblättern  hervorwächft. 
Der  fremde  italienifche  Bildhauer  hielt  fich  hier  offen- 
bar an  feine  Aufgabe,  die  Rübe,  das  Wappen-Emblem 
des  falzburgifchcn  Bifchofs  Leonhard  von  Keutfchach, 
anzubringen,  verlieh  demfelben  aber  gewohnheitsgemäß 
die  aus  den  antiken  Vorbildern  herüber  genommenen 
Akanthusblätter,  weil  derlei  Pilafter-Ornamente  in  der 
ober  italienifchen  Renaiffance  um  jene  Zeit  immer  aus 
Akanthus  emporzuwachfen  pflegen. 

4.  Raub  der  Proferpina.  Pluto  auf  dem  Wagen, 
zwei  Gefährtinen  der  Göttin  mit  Blumenkörben,  im 
Hintergrunde  ein  Schiff 

Pilafler  rechts:  Aehnliches  fchönes  Ranken  werk 
mit  Blumen  und  Beeren,  fowie  Trauben,  gleichfalls  aus 
einer  Rübe  emporfteigend. 

Pilafter  links:  Der  Pelikan  mit  zwei  Jungen,  da- 
runter zwei  fitzende  Greife  von  huiideähnlicher  Geftalt, 
gewundene  Ranken  emporfteigend. 

5.  Neptun  in  dem  Mufchelwagen  von  Pferden 
gezogen,  mit  dem  Tridens. 

Pilafl:cr  rechts:  Phönix  auf  den  Flammen  fitzend, 
zwei  windhundartige  fitzende  Geftalten ,  fowie 
Ornamente. 

Pilafter  links:  Candelaberartiges  aufflrebendes 
Ornament  mit  vier  taubenartigen  Vögeln. 

6.  Diana  und  Aktaeon  am  l?runnen,  rückwärts  ein 
Renaiffance-Gebäude  mit  BogcnfenÜern.  Sie  ifl:  von  zwei 
Nymphen  begleitet  und  fpritzt  ihn  aus  der  Schale  mit 
Wafferan.  Hirfchgewcihe  auf  feinem  Kopfe.  Seine  Hunde 
begleiten  ihn.  Der  Brunnen  hat  eine  Schale  mit  Pfeifen- 
Ornamenten,  von  einem  fitzenden  Ihmde  getragen,  der 
eine  Kanne  ausgießt,  an  welcher  eine  Schildkröte 
emporkriecht.  Dann  folgt  über  der  Schale  ein  Pfeiler 
mit  Löwenköpfen;  oben  reitet  eine  nackte  P'rau  auf 
einer  Schildkröte,  in  den  ausgebreiteten  Armen  zwei 
Wafferröhrcn  haltend,  auf  dem  Haupt  fitzt  ihr  eine 
.Spitzhaubc.  Bei  der  P'ontaine  lieht  ein  Lorbeerbaum. 

Pilafter  rechts:  Ornament  mit  vier  Tauben,  unten 
zwei  Kraniche  oder  Störche. 

*  n.ii*  Ncg.iliv  dicfcr  Aufnahme  wurde  von  Herrn  Schmelzinf^  in  Fnc- 
fach  frcundlichft  zur  Verfügung  gedcllt. 


—     II     — 


Pilafter  links:  Eine  Viola,  Laute  und  Ziebpofaune, 
alles  trophäenförmig  an  Bändern  hängend. 

7.  Europa  auf  dem  Stiere,  von  zwei  Gefahrtinen 
beklagt,  in  der  Höhe  der  fliegende  Mercur. 

Pilafter  rechts:  Trophäe  mit  Trommel,  Laute, 
Flöten,  an  Bändern  hängend. 

Pilafter  links:  Candelaber-Ornament,  auf  deffen 
Schale  ein  blafendes  Kind,  darunter  ein  Paar  Hunde 
und  ein  Paar  Delphine. 

8.  Galathea,  auf  einem  Delphin  fitzend,  dabei  zwei 
blafende  Tritone.  Auffallend  ift  der  Kopffchmuck  der 
Göttin,  welcher  aus  einer  großen  Schnecken fchale  auf 
ihrem  Haare  befteht. 

Pilafter  rechts:  Ein  Kind  auf  einem  Kameel  hält 
reitend  ein  Hörn  und  einen  Befen.  Unten  fchlangen- 
artige  Figuren,  an  der  Stelle  ift  der  Stein  unkenntlich 
verwittert. 

Pilafter  links:  Aus  einem  Akanthusftamm  wächft 
ein  Ornament  empor,  in  welchem  zwei  Kraniche  mit 
erhobener  Kralle  eingefchloffen  find. 

Den  fpeciellen  Stylcharakter  diefer  Pilafler-Orna- 
mentation  betreffend  ift  zu  bemerken,  dafs  alle  Pilafter- 
ftreifen,  in  denen  nicht  Hängetrophäen  das  Motiv  bilden, 
dem  echten  italienifchen  Renaiffanceprincip  gemäß  in 
drei  Abtheilungen  aufgebaut  find,  z.  B.  fitzende 
Geftalten,  Windhunde,  Phönix.  Das  Akanthuslaub  hat 
die  rein-venezianifche  Stru6tur,  ebenfo  das  fenkrechte 
S-förmig  gewundene  Rankenwerk,  wogegen  die 
Formen  der  cartouchenartigen  Schilder  und  Felder 
voUftändig  der  deutfchen  Renaiffance  angehören.  So  ift 
denn  unferfchöner  Brunnen  kunftgefchichtlich  intereflant 
genug  mit  feinen  antiken  Vorbildern  und  nordifchen 
Naivetäten.  Die  Leda,  Fama,  Andromeda  und  Minerva 
verrathen  direftes  Verftändnis  und  Kenntnis  antiker 
Sculpturen;  die  komifch  ausfchreitende  waffer- 
fpritzende  Diana  im  Bade,  die  Europa  find  aber  hin- 
wieder fo  naiv-deutfch,  als  wenn  fie  Hopfer  oder  Jofl 
Aman  erfunden  hätte,  und  dennoch  ift  es  zuverläffig 
nur  Eine  Künftlerhand,  welche  die  Bild\\erke  des 
Beckens  gefchaffen  hat.  Die  fehr  fteilen  Profile  an  der 
Bafis  und  am  Kranzgefims  des  Baffins  find  im  Charakter 
nordifcher  Werke  diefer  Epoche  gehalten. 

Von  den  drei  aneinander  gedrängten  nackten 
Männern,  welche  die  untere  Schale  tragen ,  wurde 
bereits  gefagt,  dafs  fie,  wie  die  Putti  unter  der  zweiten, 
von  viel  geringerer  und  flüchtigerer  Arbeit  feien  als 
das  achteckige  Baffin.  Zwei  von  ihnen  halten  die  Arme 
empor,  um  die  Schale  zu  ftützen,  der  dritte  verfchränkt 
fie  auf  der  Bruft.  Die  mit  kräftigen  Pfeifen  befetzte 
Schale  trägt  an  der  Oflfeite,  alfo  ober  dem  Relief  der 
Andromeda  am  Baffin,  das  in  Stein  gemeißelte  ovale 
von  einem  Lorbeerzweig  umfäumte  Wappen  der  Stadt, 
über  deffen  Thürmen  das  Wappen  des  Erzbisthums 
Salzburg  fchwebt.  Diefer  Schild  ift  alfo  erll  1802  bei  der 
Uebertragung  des  Brunnens  nacli  P'riefach  angebracht 
worden,  wie  auch  der  Empireflyl  des  Wappens  bezeugt. 
Vier  zwifchen  den  Pfeifen  angebrachte  bärtige  Köpfe 
leiten  das  Waffer  aus  diefer  Schale  in  das  Baffin.  Die 
oberfte  Schale  gleicht  diefer  im  Verhältniffeund  hateben- 
foviele  Kopfe  als  Wafferfpeier;  von  den  fie  tragenden 
vier  nackten  Putti,  welche  ebenfalls  die  Arme  empor- 
reichen, fleht  der  eine  faft  ganz  nach  rückwärts  gekehrt. 

Der  oberfte  Auffatz  von  Bronzeguß  war  augen- 
fcheinlich  urfprünglich   ein  Zimmer-  oder  Gartenbrun- 


nen, welcher  erfl  fpäter  zur,  viel  zu  kleinen,  Bekrönung 
diefes  Monumental-Werkes  verwendet  wurde.  In  feinem 
Untertheil  find  an  vier  fußartigen  Ausläufern  eben- 
foviele  nackte  Putti  fitzend  angebracht,  aus  deren,  in 
den  Händen  gehaltenen  Röhrchen  das  Waffer  auffleigt. 
In  der  Mitte  erhebt  fich  darüber  Neptun  mit  dem 
Tridens,  gleichfalls  mit  folchen  Röhrchen  im  Munde. 
Diefe  Bronzegruppe  ift  von  bedeutendem  Werth  und 
vorzüglicher  Arbeit.  Sie  erinnert  ganz  an  Güße  aus  den 
Werkftätten  Giovanni's  da  Bologna  oder  etwa  feines 
Schülers  Adriaen  de  Fries.  Friefach  befitzt  fomit  an 
diefem  feinen  Platzbrunnen  einen  feltenen  Kunftfchatz 
der  Renaiffance,  dem  wir  in  Oefterreich  nichts  ähn- 
liches an  die  Seite  zu  fteilen  wüßten.  Möchte  ein  glück- 
licher Archivfund  doch  über  die  dabei  betheiligten 
Künftler  einmal  etwas  zu  Tage  fördern! 

Indem  ich  den  Marktbrunnen  an  die  Spitze  meines 
Auffatzes  geftellt  habe,  ift  es  natürlich,  dafs  ich  von 
diefem  Centrum  aus  zunächft  den  großen  Platz  und  die 
ihn  einfaffenden  Häufer  befpreche.  Sind  die  Archi- 
tekturen derfelben  auch  ohne  Bedeutung,  fo  gibt  es 
doch  allerlei  bemerkenswerthes  Detail  noch  an  den- 
felben  zu  erwähnen.  An  dem  Haufe  Nr.  84  oben  am 
Platze  ift  in  der  Seitenwand  des  Thoreinganges  eine 
Steinplatte  eingemauert,  welche  einen  ajjf  einem 
gothifchen  Vierpaß  ruhenden  Schild  enthält,  in  dem 
die  Hausmarke : 


gemeißelt  ift.  Darüber  liest  man:  latent;  ^lucngetf  iß^66. 
In  der  kärnthn.  Topogr.  S.  48  unrichtig:  Tewinger. 

Gegenüber  am  Gaflhaus  zum  weißen  Wolf  ein 
zierlicher  fehr  reich  ausgeflatteter  Barockfchildarm  mit 
der  ausgefchnittenen  Figur  des  Wolfs  (Nr.  56).  Das 
weiter  unten  flehende  Primig'fche  Gafthaus  (Nr.  52)  ift 
bereits  eines  jener  intereffanten  Bürgerhäufer  Friefachs, 
welche  den  Einfluß  der  ober  italienifchen  Architektur- 
form, wenn  fchon  auf  ganz  einfache  Weife,  in  diefen 
dem  Süden  nah  gelegenen  Gegenden  documentiren. 
Die  Charakteriflika  find  die  von  toscanifchen  Säulen 
geftützten  Lauben  im  erflen  Gefchoße  des  Hofes,  an 
der  Fagade  das  mittlere  Doppelbogenfenfter  mit 
Theilungspfeiler  und  vor  demfelben  der  echt  lombar- 
difche  Balcon  \  on  ausgebauchter  Barockform  mit 
breiten  Streifen  von  Metallblech  als  Vergitterung.  Im 
Erdgefchoß  einfache  hubfche  \-on  Eifen  gefchmiedete 
ornamentale  Fenflergitter  des  18.  Jahrhunderts.  An 
dem  Neubau  des  Backhaufes  von  Kaifer,  Ecke  des 
Platzes  und  der  St.  Veiterflraße,  ift  über  dem  modernen 
Einfahrtsthor  ein  fchönes  Rococco-Oberlichtgitter  mit 
einer  Blumenvafe  in  der  Mitte  angebracht,  darüber  im 
Bogen  aber  eine  fünfblätterige  gothifche  Steinrofe  ein- 
gemauert, aus  welcher  Diftelblätter  herauswachfen, 
eines  der  vielen  Fragmente  der  zerftörten  mittelalter- 
lichen Bauwerke  derStadt,  und  zwar  einSchlußllein,  wie 
man  fie  hie  und  da  in  fpäteren  Gebäuden  eingefetzt 
findet.  An  dem  vis  ä-vis  befindlichen,  Haus  Nr.  92,  fieht 
man  ein  beachtenswerthes  Oberlichtgitter  von  Schmie- 
deeifen  mit  Füllhörnern  und  Laubwerk.  Nach  einem 
früheren    Befitzer    find    darin    die    Chiffren  J  und  K, 


—        12       


zvvifchen  denfelben  ein  Anker  und  das  Datum  1780 
zu  fehen.  Auch  das  anftoßende  HauferTche  Fami- 
lienhaus, Nr.  94,  hat  ein  reiclies  Oberlicht,  deffen 
Motive  Mufcheln,  Blumen  und  Füllhörner  bilden,  in 
demfelben  J  und  H  Verfehlungen.  Im  Innern  ift  die 
Stiege  mit  fchönem  Eifengeländer  von  derfelben 
Ornamentik  eingefaßt,  an  welcher  fich  das  J  H  wieder- 
holt; ganz  originell  aber  ift  oben  ein  gefchmackvoller 
eiferner  Kerzenarm  in  derfelben  Technik,  der  den  Auf- 
gang zu  beleuchten  beftimmt  war.  Die  Bürgergilt  (jetzt 
k.  k.  Bezirksgericht)  ift  ein  monumentaler  Bau  des 
18.  Jahrhunderts,  in  deffen  Fagade  ein  bereits  be- 
kannter Römerflein  (Bruftbilder  eines  Gattenpaares) 
eingemauert  ift.  Höher  oben  befindet  fich  ein  großes 
Stucco-Relief  in  ovalem,  oben  von  gefchmackvoUem 
Rococco-Mufchehverk  bekrönten  Rahmen.  Im  Felde 
desfelben  ift  über  dem  Stadtwappen  auf  Wolken 
fchvvebend  die  Geftalt  der  Juftitia  dargeftellt,  in  könig- 
lichen Gewändern,  mit  Wage,  Schwert  und  Krone,  die 
Tafeln  Mofis  in  den  Händen.  Das  hübfche  Gefichtchen 
hat  echten  Typus  des  Rococco. 

Am  oberen  Ende  des  Marktplatzes  wäre  in  de;- 
dort  einmündenden  Kirchgaffe,  Nr.  86,  nur  das  einfach 
in  Voluten  gefchmiedete  Schild  des  Uhrmachers 
(18.  Jahrhundert)  zu  erwähnen;  etwas  weiter  über  der 
St.  Bartholomäus-Pfarrkirche  kommt  man  zu  Nr.  87, 
dem  fogenannten  älteften  Haus  von  Friefach,  auch  das 
Scinvarzhafncriiaus  benannt  Was  von  dem  Grafen 
Wilhelm  von  Zeltfchach  berichtet  wird,  welcher  fchon 
978  diefes  Haus  —  oder  richtiger  hier  ein  Haus  — 
befeffen  haben  foll,  das  dann  auf  die  berühmte  Gräfin 
Hemma  von  Palftein  überging;  von  dem  angeblichen 
Schmelzofen  einer  Münze,  an  dem  Graf  Wilhelm  unter 
Kaifer  Heinrich  II.  das  Münzrecht  ausgeübt  habe,  etc. 
laffe  ich  hier  ununterfucht  und  bemerke  blos,  dafs  aller- 
dings noch  heute  in  dem  fehr  verfallenen  Gebäude  ein 
Raum  zu  fchen  ift,  welcher  wie  ein  gleicher  oben  auf  dem 
Petersberg,  der  ebenfalls  als  „Münze"  ausgegeben  wird, 
einen  viereckigen  pyramidalen  Rauchfchlot  über  fich 
trägt.  Nun  ifl:  über  den  Beftand  einer  Münze  in  Friefach 
allerdings  hiflorifch  gar  kein  Zweifel  und  ihre  Prä- 
gungen in  allen  Sammlungen  zu  finden;  deswegen 
halte  ich  diefe  Schlote  aber  doch  keineswegs  für  die 
ehemaligen  Münzwerkftätten,  fondern  ganz  einfach  für 
nichts  als  gewöhnliche  Küchen,  denn  auf  zahlreichen 
Burgen  —  ich  nenne  z.  B.  blos  die  Araburg,  Aggflcin 
oder  Guttenflcin  in  Unter-Oefterreich  —  ftößt  man 
auf  genau  diefelben  Baulichkeiten,  Orte,  an  denen  er- 
wiefenermaßen  niemals  Münzftätten  gewefen  find. 
Richtig  ift  es  aber,  dafs  das  Gebäude  lange  Zeit  Cano- 
nicatshaus  und  Spital  war  und  erfl  1769  in  Privathände 
überging.  Das  Intercffantcfle  bcfteht  in  der  ehemaligen 
Capelle,  welche  äußerlich  blos  durch  eine  vorfpringende 
fehr  kleine  romanifche  Concha  in  Stockwcrl<shöhe, 
die  auf  einer  plumpen  Confolc  auffitzt,  bemerkbar 
wird.  Im  Innern  ficht  man  in  der  fonll;  leeren  Nifciie 
noch  den  alten  Altarftcin,  Schlitzfenfterchen  und  einen 
befcheidcnen  Schiffraum,  deffen  Gewölbe  aber  fchon 
gothifch  find.  Die  übrigen  Partien  des  heute  aUers- 
graucn,  verwahrlosten,  aber  eben  darum  höchfl  male- 
rifchen  Baues  gehören  der  Rcnaiffance  an,  wie  unter 
anderem  an  der  Fagade  ein  fchliclites,  jedoch  echt  ober- 
italienifches  Doppelfenfler  mit  einfachem  Trennungs- 
pfciler  beweist. 


Auf  der  anderen  Seite  des  oberen  Platzendes 
gelangen  wir  zur  heil.  Bhitkirche,  deren  Erörterung  ich 
unterlaffe,  weil  über  diefen  Gegenftand  bereits  ein- 
gehende Befchreibungen  exiftiren.  Wohl  aber  dürfte  es 
erfprießlich  fein,  von  den  füdlich  angrenzenden  Reflen 
des  einfügen  Klofters  zu  handeln.  Bekanntlich  wurde 
hier  fchon  1217  ein  DominicanerKIofter  gegründet, 
welches  bereits  circa  1231  mit  dem  ftattlichen  Neubau 
des  noch  beftehenden  in  der  Neumarkter  Vorftadt 
vertaufcht  wurde.  In  das  alte  kamen  1258  Nonnen  des 
Ciftercienfer-Ordens  und  fpäter  erfuhr  es  noch  andere 
Schickfalsän  derun  gen.  Die  urfprünglichen  Anlagen  follen 
von  dem  heil.  Hyacinth  herrühren  und  Spuren  davon  vor- 
handen fein.  In  der  That  fand  ich  in  dem  Obltgarten, 
welcher  am  Fuße  des  Berges  fich  an  die  Südfeite  der 
heil.  Blutkirche  anfchließt,  intereffante ,  aber  leider 
wenig  deutliche  Baurefte.  Das  bedeutendfte  ift  an  der 
Weftfeite,  alfo  am  Bergesfuß  und  Waldfaum,  in  dem 
hohen  Gras  und  Geftrüpp  ganz  eingefunkcn,  eine  Mauer- 
zeile, welche  hoch  verfchüttet,  doch  immer  noch  eine 
lange  Reihe  kleiner  Rundbogenfenfter  neben  einander 
erkennen  läßt.  Man  fagt,  das  wäre  ein  Ueberbleibfel 
des  ehemaligen  Kreuzganges  des  älteften  Dominicaner- 
Klofters,  und  die  Annahme  ift  auch  voUkoinmen  plau- 
fibel;  denn  hier  kann  fich  in  der  That  an  der  Südfeite 
der  Kirche,  wie  es  rituell  ift,  ein  folcher  angelegt 
befunden  haben.  Die  Flucht  der  kleinen  romanifchen 
Fenllerchen  biegt  auch  wirklich  im  äußerften  Süd- 
winkel ab  und  fpringt  im  rechten  Winkel  mit  einer 
Ecke  um,  nach  welcher  noch  ein  paar  Spuren  folcher 
Fenfter  in  einem  weiteren,  darauf  fenkrecht  flehenden 
Mauerrefte  bemerkbar  werden.  Im  weiteren  Verlaufe 
nach  Süden,  Often  und  Norden  läßt  fich  aber  keine 
Spur  des  Kreuzganges  mehr  erkennen.  Räthfelhaft 
bleibt  mir  aber  das  Eine:  über  den  gedacliten 
rundbogigen  Fenflerchen  der  Weftmauer  ifl  nur 
nicht  die  geringfte  Spur  eines  ehemaligen  Gewölbe- 
anfatzes  zu  bemerken.  War  hier  vielleicht  alfo  auch 
eine  Flachdecke  angebracht.^  Weiter  draußen  im  Obft- 
garten  find  noch  bedeutende  Kelleranlagen  des  alten 
Klofters  wahrnehmbar. 

Ich  fchreite  nun  die  Baliiihofftraßc  hinab,  welche 
in  der  Achfe  des  länglichen  Marktplatzes  nach  Often 
fiihrt.  Hier  ill;  wieder  an  einzelnen  Privathäufern  Inter- 
effantcs  zu  fchauen,  zunächft  Nr.  26,  das  Gafthaus  zum 
B.ärcn,  an  deffen  Fagade  wieder  ein  Römerflein  mit 
einer  Doppelfculptur,  zwei  Brullbilder  in  rundem  P'eld, 
eingemauert  ift.  Alte,  erneuerte  Verfe  beziehen  diefe 
Dargcflellten  auf  die  Gründer  von  Friefacli,  welche  aus 
.Sachfen  und  Friesland  eingewandert  fein  und  hier  den 
cinitigen  reichen  Bergfegen  entdeckt  haben  follen.  Im 
übrigen  hat  das  alte  Gaflhaus  an  der  Vorderfeite 
einen  fpiiten,  dem  iiS.  Jahrhundert  angehörigen  Eifen- 
fchild  mit  dem  Baren  und  im  Hofe  Laubengänge  mit 
viei'eckigen  einfachen  Pfeilern.  Das  Haus  war  feit  Alters 
die  Ein]<ehr  der  italienifchen  h'uhrleute.  Das  anlloßcnde 
Wirthshaus  zum  Ilirfchen,  Nr.  25,  gleichfalls  eine 
wälfche  alte  Herberge,  befitzt  noch  einen  Schildarm 
in  Rococco,  den  aber  weiter  unten,  bei  Nr.  19,  Gaflhaus 
zum  Roffel,  der  dortige,  viel  zierlichere  und  reichere, 
fehr  gefchmacicvolle  Schild  weit  übertrifft.  Die  P'agadc 
diefes  Hanfes  ill  auch  durch  eines  jener  charakte- 
riflifchen  ober-italienifchen  Doppelfenller  wieder  ausge- 
zeichnet,  welche   wir  in  Friefach,  wie  gefagt  fo  oft  bc- 


—      13      — 


gegnen.  Dashiefige  ift  das  fchönfte  mit  feinerzierlichen 
jonifclien  Theilungsfaule  zwifchen  den  Bogen.  An  dem 
Haufe,  Nr.  24,  finden  wir  ein  ovales  barockes  Fresco- 
gemälde  des  vorigen  Jahrhunderts,  welches  die  heilige 
Familie    darflellt.    Sehr   bemerkenswerth    ifl    auf  der 
anderen    Seite    der  Bahnhofsftraße    das    große    Haus 
Nr.  14,  heute  die  Herbrt'fche  Gerberei.  Hier  follen  die 
Ciftercienfer-Nonnen  gewohnt  haben,  bevor  fie  das  von 
den  Dominicanern   verlaffene  Klofter  beim   heil.   Blut 
bezogen  ;  dann  befand  fich  hier  bis  183  i  diePofi:,  wonach 
auch  das  nahe  Olfathor  der  Stadt  das  Poflthor  genannt 
war.  Diefe  Nachrichten  find  aber  offenbar  ungenüsfend, 
denn  in  der  Zwifchenzeit  muß  das  Gebäude  noch  eine 
andere  hervorragende  Beflimmung  gehabt  haben,   wie 
feine  bedeutende  Anlage  aus  dem  16.  — 17.  Jahrhundert 
documentirt.   Im  Innern   überrafcht    den  Befucher  ein 
großer   von  Arcaden  umgebener  Hof,  deffen  Parterre- 
gefchoß  fchwere  breite  Bogen  auf  rohen  Pfeilern  zeigt, 
im  Obergefchoße  aber  folche  auf  Säulchen  toscanifcher 
Ordnung  im  Styl  der  deutfchen  RenailTance.  Diefelben 
laufen    auf  zwei    ganzen    und    einer  halben  Seite  des 
Hofes    herum,    die  vierte    hat  keine  Arcaden,  was  im 
Ganzen  29  Bogenftellungen  ausmacht,  welchen  einige 
viereckige   Pfeiler  untermengt   find.  Zwei  Arcaden  an 
der  Weflfeite,    in    deren    Mitte,    find  verfchlolTen  und 
zeigen  an  der  dem  Hofe  zugewendeten  Seite  fchwache 
Spuren  von  Renaiffance-PVescomalereien,  von  welchen 
nur   mehr  Schriftbänder    ohne   Buchftaben    und  Orna- 
mente in  rother  Farbe  unbedeutend  kenntlich  lind.  Im 
Innern  des  weitläufigen  Gebäudes  bemerkt  man  noch 
alte  Balkenplafonds  und  fpät-gothifche  Wölbungen  ein- 
zelner Räume.  Am  Oftende   der  Gaffe  fland  das  Poft- 
oder  Olfathor,  von    deffen  Gellaltung  zwei  im  Befitze 
des  Antiquitätenhändlers  Lattacher  in  Friefach  befind- 
liche Aquarelle  eine  VorOellung  gewähren.  Noch  weiter 
draußen   gewahrt   man    rechts   an  einer  neuen  Garten 
mauer    mehrere  Bruchftücke    romanifcher  Architektur 
eingemauert,  ein  fchönes  Capital  mit  Voluten ;  ein  Eck 
llück     mit     Flechtwerk-Ornamenten,     endlich     einen 
kleinen  Pfeilerfuß.  Diele  Fragmente,   wer  weiß   welcher 
alten  Bauten  in   der  Stadt,    waren    in  der   Mauer    des 
Hochofens  in  dem  jetzt  aufgelaffenen  Eifenwerk  in  der 
Olfa  als    Baumaterial  verwendet,    find   aber    leider  in 
der  neuen  Gartenwand    fchlecht,    zum  Theil   verkehrt 
eingefetzt.    Alle   folche  Funde  gehörten  zu  dem  Lapi- 
darium  beim  Probfthofe,    deffen  Anlage  fehr  verdienO;- 
lich    in.    So    ficht  man  z.  B.  an  der  äußeren  Bruftwelir 
des  Stadtgrabens  im  Süden  beim  Warmbad  das  Bruch- 
ftück  eines  gothifchen  Efelsrücken  fammt  Theil  einer 
Fiale    und  mit  fchönem    fpätem  Maßwerke  von  Fifch- 
blafen.   Laut  Infchrift    wurde    diefer  Gegenwand    1821 
renovirt,  das    heißt   wohl,  damals  an  der  Gartenmauer 
aufgellellt.  In  der  Umfaffungsmauer  des  Dominicaner- 
Kloflers    ill    ein   gothifcher    Schlußfliein    eingemauert, 
einen  von  Blattwerk  umgebenen  Kopf  darllellend,  ähn- 
lich demjenigen  über  dem  Kaifer'fchen  Backhausthor. 
Auch  in  der  Scheune  des  Hintergebäudes  von  Nr.  49, 
fah    ich    über    einer  Thür    einen  Kopf,  der  von  einer 
kleinen  gothifchen  Sculptur  herrührt,  und  einen  andern 
im  Gafthof  zum  luftigen  Bauern  Nr.  61.  Man  darf  an- 
nehmen, dafs  in  Friefach  alle  Mauern  von  derlei  Trüm- 
mern voll  Hecken.  Weitere  Einzelheiten  an  den  Häufern 
der    Stadt   find:    Kleines  Oberlichtgitter  des  18.  Jahr- 
hunderts,   in    der  Mitte  Ledererfchiid,    zwei    aufrecht- 


ftehende  Gemfen,  welche  ein  Fell  halten,  —  in  der 
St.  VeiterÜraße  Nr.  49.  —  Dafelbft  Nr.  35,  Eifenträger 
mit  Voluten,  Sattlerfchild,  18.  Jahrhundert.  Oberlicht- 
gitter aus  derfelben  Periode,  in  derFürllenhofgalTe  Nr.  9. 
Der  Fürßcnhof,  jetzt  Gallhof  zur  Poft,  ift  in  gewif- 
fem  Sinne  das  impofantelle  Profangebäude  der  Stadt. 
Einft  war  es  der  Sitz  des  erzbifchöflich  falzburgifchen 
Vicedoms,  Herrfchaftshaus  und  Abfteigequartier  der 
Erzbifchöfe  felbft.  Darum  hat  der  Bau  an  der  Fagade 
ausgefprochenen  italienifchen  Palazzotypus,  wenn  auch 
allerdings  in  fehr  einfachen  Formen,  die  Verhältniffe 
find  aber  fehr  vornehm.  Uebrigens  ilt  diefe  Front  nur 
ein  Umbau  aus  dem  17.  Jahrhundert,  denn  das  Haus 
verräth  in  feinen  inneren  Theilen  ein  höheres  Alter, 
wie  die  zierlichen,  in  zwei  Stockwerken  aufgebauten 
Laubengänge  deutfchen  Renaiffance-Styles  mit  ihren 
toscanifchen  Säulen  bezeugen,  ferner  die  ehemalige 
Capelle  —  jetzt  Küche,  —  deren  Spitzbogengewölbe 
erhalten  find.  Was  des  Weiteren  hier  von  einer  Gruft 
und  unterirdifchen  auf  den  Petersberg  führen  follenden 
Gängen  in  Keller  und  Garten  erzählt  wird,  laffe  ich  füg- 
lich dahingeftellt,  führe  aber  culturhiftorifch  nicht 
unintereffanten  Umfland  an,  dafs  der  Herr  Poftmeifier 
einen  Zettel  von  einer  Hand  des  verfloffenen  Jahrhun- 
derts bewahrt,  auf  welchem  angegeben  ift,  wo  in  dem 
Gebäude  Schätze  zu  fuchen,  was  für  Spuck  und  Ge- 
fpenrter  dabei  aber  zu  gewärtigen  feien.  In  dem  Hausflur 
find  zwei  Römerfteine  eingemauert,  welche  bereits 
bekannt  find,  in  der  Wafchküche  liegen  einige  große 
fteinerne  Gefchützkugeln  ;  im  Garten,  deffen  große  Allee 
noch  von  der  vornehmen  alten  Anlage  zeugt,  ift  die 
rohe  fitzende  Figur  eines  romanifchen  Löwen  —  fein 
Compagnon  wurde  fchon  vor  längerer  Zeit  geflohlen  — 
aufgeftellt.  Bemerkenswerth  ift  endlich  am  Ollende  der 
großen,  im  Winkel  in  die  alte  Stadtmauer  hineinge- 
bauten Anlage  des  Fürftenhofes  der  gewaltige  Schütt- 
kaften,  welchen  man  2.u{  Meriaii's  Anficht  der  Stadt 
vom  Jahre  1649  unter  10:  „Die  fürfiliche  Hofhaltung" 
ganz  fo  wie  heute  dargeftellt  erblickt.  Der  entfetzlich 
rohe  Bau  hat  durch  feine  gewaltige  Ausdehnung,  mit 
den  derben  fchweren  Bogenftellungen  des  Erdge- 
fchoßes  gegen  den  inneren  Hof  zu,  mit  dem  koloffalen 
Dachftuhl  enlich  ein  höchlt  charakteriftifches  Ausfehen. 
Er  wurde  im  16.  Jahrhundert  angelegt,  in  den  Pfeilern 
des  Unterbaues  find  aber  behauene  Werkftücke  mit 
gothifchen  Profilirungen,  Refte  eines  älteren  Gebäudes 
alfo,  verwendet. 

Auf  dem  Platze  vor  dem  Fürltenhof  erhebt  fich 
eine  Säule  mit  der  Statue  der  Immaculata  von  guter 
Arbeit  des  18.  Jahrhunderts.  Das  Capital  ill  ein  korin- 
thifches,  auf  dem  Sockel  liest  man: 

aDIVtrIX  peCCatorVM  eXora 

Gleich  links  vom  Fürllenhof  in  der  Fürilenhof- 
gaffe  befindet  fich  das  flädtifche  Arvienhaus,  ein  Bau 
des  16.  Jahrhunderts  mit  Bogenfries  im  Erdgefchoß, 
hölzernen  Laubenpfeilern  deutfchen  RenailTance-Styles 
im  Hof  und  fchönen  gewölbten  Räumen,  in  denen  auch 
das  Stadt- Archiv  untergebracht  ill.  Gegenüber  fteht  das 
große,  aber  gänzlich  unintereffante  Problleigebäude 
und  das  bemerkenswerthere  der  Canoniker  der  Bartho- 
lom  aus-  Kirclie . 

Letzteres  erweist  fich  fo  recht  als  von  Italien  be- 
einflußter,   wenn    auch    befcheidener    Renaiffance-Bau 


14 


und  ift  durch  feinen  Infchriften-Reichtluim  iiitereffant. 
An  der  Hauptfagade  des  nach  allen  vier  Seiten  frei- 
ftehenden  Haufes  zeigt  fich  wieder  das  ober-italienifche 
Doppelfenfter  mit  vierfeitigem  Mittelpfeiler  und  Bogen, 
über  demfelben  ift  aber  ein  Marmorrtein  mit  dem  Car- 
dinalswappen enrelief angebracht,  darunter  die  Worte: 

MAXIMILIANVS  GANDOLPHVS  DEI  GRATIA  ARCHI 
EPISCOPVS  SALISBVRGENSIS  SANCTA  SEDIS 
APOSTOLICÄ  LEGATVS  NATVS  COMES  DE  KVEN" 
BVRG   HAS  ADES   FVNDITVS   ÄDIFICAVIT   ANNO 
DOMINI  MDCLXXIIII 

(In  der  Topographie  \'on  Kärnthen  S.  47  nicht  ganz 
genau.) 

Wenn  man  hier  nun  von  einer  „Erbauung"  des 
Haufes  durch  den  Erzhii^chof  Max  Ga/ido/p/i  von  Küen- 
burg  von  Salzburg  im  Jahre  1674  vernimmt,  fo  darf  da- 
bei doch  nur  an  einen  Umbau  oder  eine  fonftige  Ver- 
änderung gedacht  werden,  der  Architektur-Styl  zeigt 
ja,  dafs  die  urfprüngliche  Anlage  älter  ift,  die  weiteren 
Infcriptionen  beweifen  es  aber  felbft  ziffermäßig.  So 
lefen  wir  z.  B.  auf  dem  Architrav  des  RenailTance-Dop- 
pelfenfters: 

T  M  t  D  t  C  t  II  t 
PAX  PIA  SIT  CVNCTIS  ISTAS  INTRANTIBVS  /c-DES 
Unter    dem    Doppelfenfter    ift    ferner   eine    Tafel    mit 
folgender  Infchrift  angebracht: 

VT  BONIS  PATENS  ITA  MALIS  ESTO  OCCLVSA  - 

was  fich  auf  die  darunter  befindliche  Hauptthür  des 
Gebäudes  bezieht.  Endlich  ift  an  der  Ecke  der  Fürften- 
hofgaffe  in  der  Höhe  des  Erdgefchoßes  ein  kleiner 
Stein  eingefetzt,  auf  welchem  auf  der  einen  Seite  ein- 
gemeißelt ift: 

SIC  VOS 

I  s 


und  auf  der  anderen: 


5  I' 

NON  VOBIS 
T  L 
O  X 

Nach  diefen  Infchriften,  in  welchen  ich  übrigens 
die  letzten  vier  Buchftaben  nicht  zu  enträthfeln  weiß, 
find  alfo  die  Bauperioden  des  Haufes:  1586,  1602  und 
1674  überliefert,  was  mit  dem  Charakter  der  architekto- 
nifchen  Erfcheinung  desfelben  auch  fehr  wohl  iiber- 
einftimmt.  Wenn  dasfelbe  1586  erbaut  wurde,  fo 
harmonirt  damit  der  Typus  des  Doppelfenfters  voll- 
konmien,  dem  wir  als  CliaraktcriÜicon  des  ilalienifchcn 
Einflußes  um  diefe  Zeit  in  unferen  öfterreichifchcn 
Alpcngegenden  überall  begegnen. 

Ich  gehe  hier  nicht  auf  eine  Befchreibung  der 
Pfarr-und  Probftci-Kirchc  St.  Barlholomacus  ein,  weil 
thcils  über  diefelbe  bereits  fchon  manches  vorliegt,  zum 
anderen  Tlicil  mir  nicht  Zeit  und  Mittel  zu  Gebote 
ftanden,  um  die  Lücken  der  fchon  in  der  Literatur 
vorhandenen  l'",rörterungen  wiffenfchaftlich  genügend 
huszufiillen.  So  wäre  z.  B.  über  den  großen  Schatz  von 
aochintereffanlcn  Ei)itaphien  diefes  Gottesliaufes  noch 
fehr  viel  nachzutragen,  wozu  aber  wefentlich  bildliche 
Reproduflioncn  gehörten,  die  ich  nicht  zu  bieten  ver- 
mag. Ich  mache  nur  die  kleine  Bemerkung,  dafs  das 


obere  Gemälde  des  Hochaltars  eine  alte  Copie  von 
dem  Martyrium  des  heil.  Bartholomaeus  von  Ribera- 
Spagnoletto  ift,  welches  fich  in  der  Sammlung  des 
Louvre  befindet.  Die  vorhandenen  Datirungen  diefes 
Hochaltars  1611  und  das  Reftaurirungs-Jahr  183 1  geben 
ferner  zu  denken.  Wie  er  heute  vor  unferen  Augen  fteht, 
ilT:  der  Aufbau  nämlich  für  ein  Werk  vom  Anfang  des 
17.  Jahrhunderts  viel  zu  barock;  1831  aber  hat  ihn  augen- 
fcheinlich  irgend  ein  unberufener  Vergolder  fo  entfetz- 
lich  \erunftaltet,  wie  er  heute  fich  darfteilt.  Da  aber  an 
dem  Altar  auch  das  Wappen  des  Salzburger  Erz- 
\nic\\o'i<t%  Kiienburg  2i\\^€ox2^c\\\.  ift,  der  in  der  zweiten 
Hälfte  des  17.  Jahrhunderts  regierte,  fo  fcheint  es  als 
das  wahrfcheinlichfte,  dafs  derfelbe  den  älteren  Altar 
von  1611  um  das  Jahr  1670  im  herrfchenden  Barock-Styl 
umgeftalten  ließ. 

Ich  begebe  mich  nun  außerhalb  der  alten  Stadt 
und  fpreche  zunächft  \'on  der  ehemaligen  St.  Johannes- 
Capelle,  welche,  wie  bei  Mcrian  zu  fehen,  unfern  des 
nördlichen  Stadtgrabenrandes  bei  dem  einftigen  Thore 
ftand,  welches  hier  nach  der  jetzigen  Neumarktftraße 
führte.  Es  ift  bei  Merian  ein  kleines  gothifches  orien- 
tirtes  Kirchlein  mit  Dachreiter  am  Weftende,  heute 
aber  in  einer  dort  ftehenden  Getreidefcheune  in  fpär- 
lichen  Ueberbleibfeln  noch  erhalten.  Das  Mauerwerk 
befteht  nur  mehr  bis  zu  den  gänzlich  verlorenen  Gewöl- 
ben, an  deren  Stelle  jetzt  ein  hölzerner  Dachftuhl  ge- 
treten ift;  auch  der  bei  Merian  deutlich  fichtbare  poly- 
gone  Chor,  welcher  nach  Often  gegen  die  Reichsltraße 
gelegen  fein  müßte,  ift  verfch wunden  und  einer  flachen 
Wand  und  großem  .Scheunenthor  gewichen.  Dagegen 
haben  fich  an  den  rückwärtigen  Parthien  einige  Spuren 
des  alten  Zuftandes  erhalten,  freilich  in  gräßlichfter 
Verftümmelung.  Noch  ift  der  einftige  Eingang  auf  der 
Weftfeite,  wenn  auch  vermauert,  zu  fehen,  dann  auf 
der  .Südfeite  eine  zweite  Thür,  deren  fchöner  Bogen 
mit  Kriechkrabben  und  Gicbelblumcn  noch  erkennbar, 
jedoch  in  der  Weife,  dafs  man  nur  mehr  an  der  Wand 
des  Gemäuers  die  Conturen  der  abgefchlagenen  Ge- 
bilde wahrnehmen  kann,  daneben  noch  zwei  gothifche 
kleine  Fenftcr  und  an  der  Nordfeite  einen  Anbau,  wahr- 
fcheinlich  die  einftige  Sacriftei,  mit  ebenfalls  fchmalem 
Spitzbogenfenfter.  Wie  man  mir  fagte,  foll  ein  Flügel- 
Altar  hier  gewefen  fein,  welcher  vor  etlichen  Decennicn 
fpurlos  aus  der  Capelle  verfchwunden  ift. 

.Auf  dcrfelben  Straße  von  der  Stadt  weiter  fort- 
fchreitend,  gelangen  wir  zu  dem  Gebäude -Coniplex,  in 
welchem  fich  in  allerjüngfter  Zeit  die  Dominicanerinen 
eingerichtet  haben,  nachdem  fie  das  bisher  von  ihnen 
bewohnte  gegenüberbefindliche  Dominicaner-Klolf er 
wieder  männlichen  Angehörigen  ihres  Ordens  über- 
laffen  haben.  Ihr  neuer  Wohn  fitz  ift  aber,  fo  viel  neues 
jüngft  hier  auch  gebaut  wurde,  —  unter  anderem  fogar 
eine  ganze  Kirche  —  ein  altes  und  denkwürdiges 
Gebäude.  Bei  Merian  ficht  man  sub  12  eine  gothifche 
Kirche,  ähnlich,  aber  größer  als  dir  nahe  von  St. 
Johannes,  ebenfalls  mit  orientirteni  polygonen  Chor 
und  Dachreiter  am  anderen  Ende,  „S.  Mauritij",  wie  es 
dort  gefchrieben  fteht.  An  die  Kirche  fchließen  fich 
Profangebäude  an.  Hier  befand  fich  fchon  im  11.  Jahr- 
huiiiierl  ein  Frauen-Klofter  der  heil.  Magdalena,  im 
I  5.;  Jahi  hundert  aber  trat  eine  l'robftei  zu  St.  Mauritius 
und  Magdalena  an  die  Stelle,  welche  dem  Salzburger 
I'jv.bisthum    \nileiftaiul,    dann    aber   auf  das    Bisthum 


—     15     - 


Lavant  überging,  woher  die  Bezeichnung  -  des  neuen 
Lavanter  Schlaffes,  —  im  Gegenfatz  zu  dem  alten 
Lavanter  Schloß  auf  dem  Petersberg,  —  welche  noch 
heute  populär  ift.  Das  Probfteigebäude  wurde  im  Jahre 
1627  anfehnlich  aufgebaut,  wovon  ein  großes  Stein-Relief 
Zeugnis  gibt,  welches  früher  ober  einem  inneren  Thor, 
jetzt  in  der  Straßenmauer,  eingefetzt  ift.  Die  Sculp- 
tur  ftellt  den  geharnifchten  heil.  Mauritius  und  die 
heil.  Magdalena  vor,  welche  das  Modell  des  Gebäudes 
gemeinfchaftlich  auf  ihren  Händen  tragen.  Nach  diefer 
Anficht  war  es  ein  fehr  ftattlicher  Bau  von  drei  Stock- 
werken mit  Mitteltra6l  und  zwei  im  Winkel  entfprin- 
genden  Flügeln,  jener  mit  fünf,  diefer  mit  je  dreiFenller- 
achfen,  hinter  dem  füdlichen  Flügel  fchaut  auf  dem 
Modell  die  gothifche  Mauritius- Kirclie  hervor,  der 
polygone  Chor  mit  hohem  Spitzbogenfenfter,  ftatt  des 
kleinen  Dachreiters  aber  ein  ftattlicher  Thurm  mit 
runder  Renaiffance-Haube  find  fichtbar.  Unter  dem 
Modell  find  die  Wappen  der  Kirchenfürfien  angebracht, 
von  welchen  in  der  Infchrift  die  Rede  ift;  diefe  lautet: 

WENCESLAVS  DEI  GRATIA  EPISCOPVS  PASSO- 
VIENSIS  ET  GVRCENSIS  SACRI  ROMAN  •  IMPER- 
PRINCEPS  CATHEDRALIS  ECCELSI/c.  (sie)  SALIS- 
BVRGENSIS  PRÄPOSITVS  AC  COMES  A  THVN, 
NEC  NON  WENCESLAVS  WILHELMVS  DEI  GRA- 
TIA EPISCOPVS  AC  PRINCEPS  SECCOVENSIS 
COMES  AB  HOFKHRCHEN.ARCHIEPISCOPALIVM 
ECCLÄSIARVMisic)  CATHEDRALIVM  SALISBVR- 
GENSIS  AC  PASSOVIENSIS  CANONICVS  VENE 
RSBLIS  PRÄ.POSITVRÄ-  AD  S  :  S:MAGDALENAM 
AC  MAVRITIVM  PRO  TEMPORE  PRÄPOSITVS 
HOC  RENOVARE  ET  PR/^POSITVRAM  Ex  FVN 
DAMENTO  AD  HANG  ExERCERE  FORMAM 
ANNO  A  NATIVITATE  DOMNI  ■  M  :  D  :  C  :  LXXII. 

Bei  den  jetzt  beendeten  Neubauten  wurden  die 
Fundamente  der  1804  abgetragenen  Mauritius-Kirche 
gefunden,  auch  Refte  von  decorativer  Wandmalerei, 
ohne  dafs  leider  irgend  eine  Aufnahme  vorgenommen 
worden  wäre.  Einen  gleichzeitig  entdeckten  Grabftein 
hat  man  äußerft  ungefchickt  auf  der  Brücke  vor  der 
neuen  Kirche  eingemauert,  fo  dafs  er  dadurch  kaum  zu 

lefen  ift.  Ich  kann  blos  entziffern  ANNO  domini 

dominus  petrus  pie  ....  Im  Felde  ift  ein  Kreuz  auf 
einem  gothifchen  Dreiberg  in  vertieften  Conturen  an- 
gebracht; ich  halte  ihn  für  ein  Werk  des  14.  bis  15.  Jahr- 
hunderts; dafs  er  1231  datirt  fei,  wie  zu  lefen  ift,  ift  gänz- 
lich unrichtig. 

Ueber  die  große  gothifche  Kircite  der  Dominicaner, 
welche  übrigens  feit  der  neueften  Reftaurirung  außer 
den  Epitaphien  nichts  von  alterthümlichem  Intereffe 
mehr  birgt,  kann  ich  hier  hin  wegeilen.  Ich  veru-eife 
diesbezüglich  auf  die  Topographie  von  Kärnthen, 
S.  54  ff,  und  füge  blos  hinzu,  dafs  der  Capitel-Saal 
(die  fogenannte  Capelle  des  heil.  Hyacinth)  mit  feinen 
fchönen,  von  je  zwei  Theilungs-Säulchen  geftützten 
Fenftern  bei  der  fonft  fo  gründlichen  Renovirung  des 
Ganzen  jedesfalls  einer  Befreiung  diefer  Architektur- 
glieder von  der  dicken  Tünchkrufte  werth  gewefen 
wäre.  Den  Altar  in  der  Sacriftei  befchreibt  die  Topo- 
graphie, S.  SS,  zwar  fehr  genau,  hätte  aber  nur  noch 
das  Wichtigfte  hinzufügen  follen,  nämlich,  dafs  die 
Gemälde    im    Style    der    deutfchen  Malerfchulen    des 


16.  Jahrhunderts  ausgeführt  find.  Zu  erwähnen  wären 
auch  die  fchönen  Almarien  der  Sacriftei,  mit  einge- 
legter Arbeit,  1764  datirt.  Die  berühmte  Thür  mit  der 
Geftalt  des  heil.  Nicolaus  in  Malerei  auf  Pergament, 
deren  Infchrift  in  der  Topographie  fehlerhaft  wieder- 
gegeben ift  (porterva  ftatt  proterva,  virtutis  ftatt 
virtutes),  fah  ich  bei  meinem  Befuche  188S,  als  ich  die 
hoheEhrehatte,  Ihrer kaif  Hoheit, derDurchlauchtigften 
Frau  Erzherzogin  Marie  Valerie  die  Kunftfchätze 
Friefachs  an  Ort  und  Stelle  zu  erklären,  noch  am  alten 
Platze,  —  in  dem  Zugang  von  der  Kirche  in  die  Sacriftei. 
Heuer,  1892,  nach  vollendeter  Renovirung,  ift  diefes 
hervorragende  Kunftwerk  befeitigt,  und  vorläufig  fehr 
unficher  im  Capitel-Saal  deponirt.  Jedoch  in  Anbetracht 
deffen,  dafs  diefe bedeutfame  Reliquie  erft  vormehreren 
Jahren  mit  harter  Mühe  den  Gelüften  eines  der  gefähr- 
lichften  Feinde  unferer  vaterländifchen  Alterthümer 
cntriffen  wurde,  möchte  ich  gar  fehr  darauf  aufmerkfam 
machen,  dafs  dem  Convent  eine  beffere  Art  der 
Aufbewahrung  des  Schatzes  zu  empfehlen  wäre.  Für 
folche  Zwecke  gibt  es  allerorten  nur  ein  Mittel: 
die  Gründung  eines  Mufeums,  fei  es  nun  eines  der  Stadt 
oder  eines  des  Klofters.  Eine  folche  Inilitution  wäre 
auch  für  die  vielen  Ueberrefte  der  früheren  Barock-Ein- 
richtung der  Kirche,  Altäre,  Holzfiguren,  Ornamente, 
Bilder,  welche  jüngft  einer  gothifchen  Modernifirung, 
die  ich  durchaus  nicht  in  allem  billigen  kann,  weichen 
mußten,  höchft  wohlthätig.  Heute  liegen  diefelben  im 
Capitel-Saal  und  auf  dem  Dachboden  im  wüfteften 
Chaos  durcheinander.  Noch  ift  des  Refecloriums  zu 
gedenken,  eines  freundlich-hellen  Barock-Saales  mit 
Stuccaturen  an  der  Decke. 

Der  neue  Friedhof  hat  eine  Capelle  zum  Mittel- 
punkt, welche  an  fich  als  Bauwerk  zwar  gänzlich  ohne 
Werth  ift,  durch  einige,  ihr  einverleibte  Refte  alter 
Kunft  aber  Bedeutung  befitzt.  Die  Capelle  wurde  1833 
aus  dem  Legat  eines  Bürgers,  namens  Thomas  Wefler- 
reicher,  errichtet,  wie  die  Jahreszahl  an  ihrem  Eifen- 
gitter  heute  noch  darthut.  1839  wurde  das  noch  dafelbft 
aufgeftellte  hölzerne  Crucifix,  eine  übrigens  recht 
mittelmäßigeLeiftung  des  Salzburger  Bildhauers Probft, 
anläßlich  der  Auflaffung  der  Capelle  in  dem  nahen 
Schlöffe  Mayerhofen  hieher  übertragen.  Ich  vermuthe 
daher,  dafs  auch  die  im  Folgenden  zu  befprechenden 
Sculpturen  aus  demfelben  Mayerhofen  herrühren  dürften, 
über  deren  Provenienz  mir  fonft  keine  Literaturquelle, 
fowie  keine  mündliche  Auskunft  etwas  mitzutheilen  im 
Stande  war.  Tritt  man  in  die  Capelle  ein,  fo  gelangt 
man  durch  eine  Vorhalle  zu  dem  eigentlichen  Altar- 
raume,  welchen  rechts  und  links  zwei  die  Decke 
tragende  viereckige  Pfeiler  von  rothbraunem  Marmor 
flankiren.  Sie  find  aber  bloß  an  der  Vorderfeite  und 
an  den  Wangenfeiten  des  Durchganges  fculpirt,  an 
den  beiden  anderen  aber  eingemauert.  Capitäle  fehlen , 
die  piedeftalartigen  Bafen  aber  find  mit  Akanthus- 
blättern  decorirt,  welche  nach  abwärts  gerichtet  find. 
Die  Schäfte  der  Pilafter  find  mit  einfachen  Leiften  ein- 
gerahmt, in  der  Mitte  ihrer  Höhe  durch  eine  Rofette 
im  Kreisfelde  markirt,  und  enthalten  über  und  unter 
derfelben  je  eine  Heiligenfigur  en  relief.  Auf  diefe 
Weife  zeigt  der  Pfeiler  zur  Linken  an  feiner  Außenfeite 
oben  einen  bärtigen  auf  eine  Keule  geftützten  Heiligen, 
deffen  Arm  von  einer  Schlange  umwunden  ift,  unten 
St.  Johannes  mit  Kelch  und  Schwert.  Auf  der  Wantjen- 


—      i6 


feite  des  Eingangs  oben  St.  Antonius  mit  Kreuz 
und  Glocke,  unten  St.  Katharina  mit  Schwert  und  Rad. 
Auf  der  rechten  Seite  folgen  dann  zunächft  an  der 
Vorderfeite  des  doit  befindlichen  Pfeilers  oben  St. 
Jacobus  mit  Hut  und  Pilgerftab,  unten  ein  heil.  Bifchof 
mit  Pedum  und  Modell  einer  Stadt  in  Händen;  auf  der 
Wangenfeite  oben  St.  Andreas  mit  feinem  fchiefen 
Kreuz,  darunter  ein  heil.  Bifchof  mit  einem  Gegenftande, 
der  wie  ein  Kübel  oder  wie  ein  Korb  ausfieht.  Dringt 
man  nun  aber  ins  Innere  vor,  fo  erblickt  man  an  den 
Seiten  des  Altars  in  der  Wand  noch  zwei  folche  rothe 
Marmorpilafter  eingemauert,  welche  aber  Capitäle,  und 
zwar  mit  eben  folchen  Akanthusblättern  wie  bei  den 
beiden  eben  gefchilderten  an  den  Bafen  haben,  an 
welchen  aber  die  Bafen  regelrechte  gewöhnliche  Piede- 
ftale  von  architektonifcher  Gliederung  und  Profilirung 
darflellen.  Außerdem  ftehen  noch  zwei  ebenfo  befchaf- 
fene  leere  Sockel  ohne  Schäfte  zu  beiden  Seiten  des 
Altars,  von  rothbraunem  Marmor.  Die  Heiligengeflalten 
an  den  letztgenannten  Pfeilern  find:  links  oben  die 
fchmerzhafte  Maria  mit  dem  Schwert  in  der  Bruft, 
unten  St.  Stephanus  mit  der  Märtyrerpalme  und  drei 
Steinen.  Rechts  oben  ein  heil.  Diacon  mit  einer  Scheibe 
vorder  Bruft,  unten  St.  Laurentius.  Der  Kunftftyl  diefer 
Gebilde  ift  jener  des  l6.  Jahrhunderts,  zweite  Hälfte, 
einheimifche  ziemlich  derbe  Arbeit;  das  Ganze,  wie 
es  fcheint,  unverftändig  aus  feinem  ehemaligen  Auf- 
ftelkmgsorte  in  die  neue  Capelle  übertragen. 

Die  ebenfalls  durch  Wort  und  Bild  bereits 
bekannten  Ruinen  der  Kirche  auf  dem  Vigihenberge 
erwähne  ich  nur  aus  dem  Grunde,  weil  es  noch  nicht 
ausgefprochen  wurde,  dafs  der  heute  ftehende  Refl 
keineswegs  die  ganze  ehemalige  Kirche  ift,  fondern 
lediglich  das  Presbyterium  derfelben.  Die  Stirnwand, 
welche  jetzt  den  Triumphbogen  nach  der  Weflfeite 
abfchließt,  ift  ein  Bau  des  vorigen  Jahrhunderts,  die 
kleine  Eingangsthür  in  fchon  fehr  nüchternem  Rococco- 
ftyl  hat  genau  diefelben  Quaflenmotive  wie  mehrere 
Wohnhäufer  in  der  Stadt.  Urfache  davon  war  der 
Brand  von  1754,  welcher  die  Collegiat-Gcbäude  und  die 
Kirche  ergriffen  hatte,  deren  Anblick  bei  Merian  1649 
mit  vielen  Befefligungsthürmen, Dächern  etc.  ein  höchft 
ftattlicher  ift.  1786  wurde  die  Kirche  entweiht,  1816 
erfolgte  eine  abermalige  Brunft  und  hierauf  wurden 
die  Nebengebäude  demolirt,  um  Steiiimaterial  zu 
gewinnen.  Ich  wollte  hier  nun  aber  bemerken,  dafs  fich 
die  Spuren  der  Langhausmauern  der  Kirche  noch 
ganz  genau  verfolgen  laffen,  wenn  man  in  dem  Wäldchen 
hinter  dem  Gebäude  den  Boden  untcrfucht.  Man  ftoßt 
dabei  genau  auf  die  Lagen  der  Steinfluchten  und  findet, 
dafs  das  Gotteshaus  wedlich  bis  an  den  Hügelrand 
reichte,  ja,  auf  der  Nordfeite  fand  ich  die  deutlichen 
Rcfle  von  zwei  kleinen  Oeffnungen  oder  Fenftern, 
welche  an  der  .Sohle  des  ehemaligen  IJaiics  in  die 
Gruft  führten.  Letztere  ift  ohne  Zweifel  heute  unter 
demVValdboden  noch  vorhanden,  auch  im  Presbyterium 
klingt  der  Hoden  hohl.  Die  barocke  Giebehvaiid  droht 
beinahe  fciion  dem  Einfturz. 

In  der  modernen  Schießllättc  der  Stadt  haben  fich 
nur  einige  alte  bemalte  Scheiben   erhalten;  es    waren 


einft  mehr  vorhanden,  fie  wurden  aber  vor  längerer 
Zeit  einem  armen  Mann  überlaffen,  der  mit  vielen  ein- 
heizte! Unter  den  noch  vorhandenen,  einem  Dutzend 
gerade,  find  folgende  die  intereffanteren  :  Schäfer  und 
Schäferin,  mit  deutfchen  Reimen,  18.  Jahrhundert.  — 
Scheibe  mit  dem  Wappen  des  Salzburgifchen  Erz- 
bifchofs  Colloredo.  (1732  —  1812I .  —  Ein  mythologifches 
Liebespaar,  über  welches  fich  eine  weibliche  Gertalt 
mit  einem  Anker  herabneigt.  —  Große  Scheibe  mit  dem 
kaiferlichen  Adler  und  bayrifchen  Löwen,  Infchriften 
auf  eine  Vermälung  bezüglich,  das  Stück  hängt  aber 
fo  hoch,  dafs  die  Verfe  nicht  zu  lefen  find.  Dame  mit 
einem  Körbchen  im  Schoß,  daneben  kniet  ein  Herr 
mit  Hirfchgeweihen,  frivole  Verfe.  Ein  Raftelbinder. 
Eine  Marderfalle.  Zwei  verfchlungene  Hände.  — 
Sämmtliche  Scheiben  gehören  dem  18.  Jahrhundert 
an  und  find  ziemlich  befchädigt.  Die  mythologifche  ift 
die  künrtlerifch  befl  ausgeführte.  Ich  wiederhole  bei 
diefer  Gelegenheit,  was  ich  in  diefen  Blättern  fchon 
einmal  (N.  F.  XIV,  S.  45  f  )  betont  habe,  dafs  in  diefen 
alten  Scheiben  unferer  Schießftätten  ein  noch  gänzlich 
unbehobener  Culturfchatz  liegt,  ein  reiches  Materiale 
für  Sittengefchichte  und  Kunde  des  Volksthums.  Immer 
rafcher  aber  gehen  fie  zugrunde,  und  doch  hat  noch 
niemand  ihnen  gründliche  Aufmerkfamkeit  gefchenkt. 
Alle  Confervatoren  und  fonftige  Gefchichts-  und 
Kunftfreunde  find  zu  bitten,  eifrig  auf  diefen  Gegenftand 
zu  achten,  welcher,  um  nur  eines  anzudeuten,  z.  B. 
fehr  innig  mit  der  Gefchichte  unferer  volksthümlichen 
Hanswurft-Comödie  zufammenhängt,  dadeffen  Original, 
der  Salzburger  Bauer  mit  dem  grünen  Hut,  das  Prototyp 
jener  Bühnengeftalt,  auf  den  Scheiben  eine  große  Rolle 
fpielt. 

Im  Schlöffe  Lavant  auf  dem  Petersberge  ift  über 
cinemThoreeinmarmorener  VVappenfteinmit  folgender 
Infchrift  eingefügt: 

HERCVLES  DEI  GRATIA  EPVS  LAVENTINVS  FERDI- 
NAND •  RO  •  IMPERATOR  •  A  •  CONSILIIS  •  AVGV- 
STEN  •  ET  •  PRIXINEN  •  ECCL  •  ARCANON  •  ANNO- 

15(11. 

Diefe  fchöne  Renaiffance-Sculptur  bezieht  fich  auf 
die  Umbauten  des  Schloßgebäudes  unter  dem  Bifchofe 
von  Lavant  Martin  Hercules  Rettinger  von  Wiesbach. 

Das  jetzige  ftädtifche  Theater  ift  in  der  cinlligen 
Spitalkirche  su  den  zwölf  Apoßeln  eingerichtet,  welche 
unter  Jofeph  II.  aufgehoben  wurde.  Sie  ift  ein  fchlichter 
fpätgothifcher  Bau,  einfcliiffig,  mit  einem  von  fünf 
Achteckfeiten  gel'chloffenen  Chore.  Die  Schlußfteine 
der  Gewölbe  bilden  einfache  glatte  Scheiben,  die 
kräftigen  Rippen  unterfcheiden  fich  im  Chor  von  den 
jüngeren,  offenbar  fpätercn  zwei  Travees  des  Lang- 
haufes mit  deffcn  ganz  dünnen  Iciftenförmigen  Graten 
der  in  P'ifchblafenmuftern  bereits  gebildeten  (icwolbe. 
Nach  außen,  d.  h.  gegen  die  St.  Veitcr  Straße,  hat  das 
Presbyterium  jedoch  nicht  polygone,  fondern  gerade 
Abfchlußform,  hier  befindet  fich  heute  umgekehrt 
der  Haupteingang. 

(Korlfclzuiig   folgt.) 


-      17 


Tyroler  Burgen. 


Von   Paul  C'iiiun. 


I. 


heben.    Die   Gruppe    der 


lEj Werke  der  deutlchcn 
Profan- Architektur  find 
bei  der  kunflgefchicht- 
lichen  Betrachtung", 
die  ihnen  bisher  zu 
Theil  geworden  ,  zu 
zwei  großen  Gruppen 

auseinandergeriffen 
worden,      aus     denen 
fich    die    Typen     des 
befeftigten     und 
offenen     Haufes 
befeftigten  Wohnfitze, 


Burgen 


und   aller  Werke  der  Kriegsbaukunfl  ill 


des 
ab- 
der 
von 
bis  herab  auf 


den  erften  dürftigen  Verfuchen  von  Leo 
EJJemveins  glänzende  Leiftung  bisher  nur  in  der  Weife 
behandelt  worden,  dafs  lediglich  und  ausfchließlich, 
von  den  primitivften  Einrichtungen  abgefehen,  die  her- 
vorragend künftlerifche  Ausftattung  der  Bauten  den 
Grund  zur  Heranziehung  bot.  Es  war  gerade  das  Un- 
gewöhnliche, das  Auffallende  und  Außerordentliche, 
da.s  überhaupt  betrachtet  ward,  das  eigentlich  Typifche 
ward  überfehen.  Damit  aber  waren  nur  die  äußeren 
Glanzpunkte  nebeneinander  geftellt,  die  verbindenden 
und  überleitenden  Glieder  mangelten,  es  fehlte  die 
Möglichkeit,  eine  hiftorifch  genetifche  Entwickelung 
des  befeftigten  Haufes  von  den  Erdfchanzen  und  Land- 
wehren an  über  die  Holzbauten  bis  zu  den  vollendeten 
und  umfänglichen  Schloßanlagen  des  15.  Jahrhunderts 
zu  geben  —  es  fehlte  eine  eigentliche  Gefchichte  des 
Burgenbaues.  Eine  folche  aber  ift  nur  möglich,  wenn 
unter  der  Fülle  des  zu  Gebote  flehenden  Materials 
nicht  das  durch  künftlerifche  Zierformen,  alfo  immerhin 
etwas  accefforifch  Hervorragende,  fondern  das  allen 
oder  den  meiften  Bauten  Eigenthümliche  ausgewählt 
wird.  Die  Weiterbildung  der  Befeftigungskunft,  die  Auf- 
nahme oder  Uebernahme  neuer  architektonifcher  Prin- 
cipien  zum  Zwecke  der  Vertheidigung  unter  dem  Ein- 
fluße  der  gefteigerten  Belagerungskunfl  wird  dabei  am 
deutlichften,  wenn  fie  an  den  einfachften  VerhältnilTen, 
an  kleineren  unfcheinbareren  Bauwerken  ftudirt  wird. 
Die  hiftorifchen  Behandlungen  der  deutfchen  Baukunll 
durch  Otto  und  Dolune  find  Beweis  genug,  wohin  eine 
Vernachläßigung  diefes  Grundfatzes  führt;  die  in 
beiden  genannten  Werken  aufgeführten  Bauten  der  Be- 
feftigungskunft treten  in  rein  äußerlicher  Aneinander- 
reihung in  Geftalt  eines  Anhangs  neben  eine  thatfäch- 
liche  Gefchichte  des  Kirchenbaues  an  uns  heran.  Frei- 
lich konnte  es  nicht  Aufgabe  der  genannten  Hiftoriker 
fein,  felbft  die  Vorftudien  zu  machen,  das  muß  Sache 
der  localen  Einzelforfchung  bleiben. 

XI\.  N.  F. 


Durch  die  Heranziehung  gerade  der  unbedeu- 
tenderen Baulichkeiten  fchwillt  die  Maffe  des  Materials 
fofort  ins  Ungeheuerliche  an,  eine  Auswahl  crwcift 
fich  auf  den  erflen  Blick  als  nothwendig.  Und  da  nicht 
mehr  eine  Aufzählung,  fondern  eine  gefchichtliche 
Entwickelung  zu  geben  ift,  verfchiebt  fich  der  Schwer- 
punkt nach  den  Gegenden,  die  für  das  Studium  der 
Entwickelung  und  Weiterbildung  der  T}'pen  das 
fruchtbarfte  Material  liefern.  Während  die  Mitte  einer 
Bauprovinz  immer  einen  verhältnismäßig  confervativen 
Zug  aufzuweifen  hat,  find  es  die  Gränzlander,  wo  unter 
dem  Einfluße  der  nachbarlichen  Typen  die  Ent- 
wickelung am  rafcheften  verlauft,  wo  fie  fich  am  klarften 
abhebt,  und  wo  der  Grad  der  gegenfeitigen  Beein- 
flußung am  deutlichften  abzulefen  ift.  Solcher  Gränz- 
provinzen  find  für  die  Gefchichte  des  deutfchen  Burgen- 
baues drei:  Einmal  der  Mittel-  und  Niederrhein,  dann 
der  Elfaß  und  die  Pfalz,  endlich  die  üfterreichifchen 
Alpenländer. 

Für  den  Elfaß  und  feine  Nachbarlande  find  die 
nöthigften  Vorarbeiten  und  Publicationen  gefammelt, 
zum  Theil  in  der  nun  vollendet  vorliegenden  A>rt?«'fchen 
Inventarifation,  vor  allem  aber  in  den  verfchiedenen 
Studien  von  Näher;  die  rheinifchen  Burgen  werden 
in  der  eben  in  Angriff  genommenen  Monumentalftatiftik 
der  Rheinprovinz  die  gebührende  Würdigung  erfahren, 
für  die  öfterreichifchen  Alpenländer  und  vor  allem  für 
Tyrol  lagen  bisher  außer  drei  kleinen  Einzelftudieii 
des  hochverdienten  tyroler  Forfchers  David  Ritter 
V.  Schönherr  über  Runkelftein,  Schönau  und  die  lan- 
desfürftlicheBurg  von  Meran  nur  die  vereinzelten,  wenn 
auch  zahlreichen  und  verfchiedenartigen  Notizen  und 
Veröffentlichungen  in  den  Mittheilungen  der  Central- 
Commiffion  vor. 

An  diefem  Punkte  fucht  die  nachfolgende  Studie 
cinzufetzen.  Sie  will  keine  Gefchichte  des  tyroler 
Burgenbaues  fein.  Eine  folche  ift  unmöglich,  ohne  die 
Kunft  von  Salzburg,  Kärnthen  und  Steiermark  und  die 
Profan- Architektur  Nord-Italiensheranzuziehen.  Sie  fucht 
aber  in  hil^orifcher  Aufeinanderfolge  die  hauptfäch- 
lichen erhaltenen  Refte  der  rhätifchen  Burganlagcn 
vorzufüliren,  um  daran  die  Entwickelung  des  Typus 
und  die  Ausbildung  der  eigentlichen  Charakteriftica 
für  den  tyroler  Burgenbau  zu  ftudiern.  Sie  bietet 
aber  auch  kein  vollftändiges  Inventar  aller  auf  tyroler 
Boden  erhaltenen  Burgen.  Das  Material  ift  haupt- 
fächlich dem  Innthale,  dem  Eifackthale  und  \-or  allem 
dem  Etfchthale  entnommen.  Gerade  das  Etfchland  bis 
Bozen  ift  für  die  Entwickelung  von  der  größten  Be- 
deutung, weil  hier  nicht  nur  die  materiellen  und  wirth- 
fchaftlichen  Bedingungen  zu   einer  reichen  Ausgeftal- 


—      iS 


tung  des  Profanbaucs  die  günftigften  waren,  fondern 
weil  hier  fortwährend  von  ItaUen  aus  frifche  Bau- 
gedanken zugeführt  wurden.  Das  Pufterthal,  deffen 
Anlagen  für  den  fpecififch  tyroler  Burgenbau  weniger 
in  Betracht  kommen,  ift  nur  ausnahmsweife  herange- 
zogen worden;  aus  der  großen  Fülle  der  Burgen  im 
Trentino,  die  eine  gefonderte  Gruppe  für  fich  bilden, 
ift  nur  eine  fparfame  Auslefe  getroffen  worden.  Wie  in 
der  Malerei,  befonders  in  den  in  großer  Zahl  erhal- 
tenen Wandmalereien,  gravitirt  das  füdliche  Etfchland 
nach  Italien,  das  nördliche  Innthal  nach  Süddeutfch- 
land.' 

So  viel  als  möglich  ift  in  der  vorliegenden  Studie 
durch  das  Bild  geftützt.  Als  Illuftrationen  und  Riffe 
mußten  des  Verfaffers  fchüchterne  Reifefkizzen  dienen. 
Die  Auswahl  des  Vergleichsmaterials,  das  fowohl  zur 
Reconftruftion  wie  zur  Fixirung  des  localen  Unter- 
fchiedes  herbeigeholt  werden  mußte,  ift  in  erfter  Linie 
auf  Deutfchland  befchränkt.  Seit  VwlUi-le-DucsYuhW- 
cationen  hat  man  fich  gewöhnt,  nicht  zum  geringften 
beftochen  durch  die  künftlcrifch  vollendeten  Zeich- 
nungen, zunächft  mit  dem  franzöfifchen  Boden  entnom- 
menen Beifpielen  die  Entwickelung  des  Burgenbaues 
zu  belegen.  Das  deutfche  Material  ift  zerftreuter,  müh- 
famer  zufammenzubringen,  aber  nicht  minder  reich 
—  nur  der  umfangreichen  Anlagen  von  Carcaffonne, 
Aigues-Mortes,  Coucy  und  Pierrefonds  wird  auch  die 
deutfche  Burgenbaugefchichte  als  Analogien  nicht 
entbehren  können.  Auf  den  Vorarbeiten  von  Krieg 
V.  Hochfelden,  Köhler  und  Jähus  fußend,  hat  zuletzt 
EJJenwein  den  Verfuch  gemacht,  eine  Gefchichtc  der 
deutfchen  Befeftigungskunft  in  ihren  künftlerifchen 
Glanzpunkten  zu  fchreiben;  feine  Reconftru6lions-Ent- 
würfe  treten  den  beitcn  Zeichnungen  Viollet-le-Diics 
ebenbürtig  zur  Seite. 

Durch  die  Trennung  der  beiden  Typen  des  offenen 
und  befeftigtcn  Haufes  in  der  gefchichtlichen  Behand- 
lung find   aber   zugleich   die  Fäden,    die  herüber   und 
hinüber  laufen,  zerriffen  worden.  Das  offene  Haus  hat 
in  erfter  Linie  gleichfalls  eine  kunfthiftorifche  Würdi- 
gung nur  in  feinen  außerordentlichen  und  abweichenden 
Erfcheinungsformen  gefunden,  umfaffend  crft  vom  Ein- 
tritt der  Renaiffance  an.  Seit  einem  Jahrzehnt  hat  die 
Forfchung  —  was  in  der  Gefchichte  des  Befeftigungs- 
baues  noch    voUftändig    fehlt  —  auch  der   einfachften 
Anlage    und   gerade   diefer  ihr  Augenmerk  gefchenkt 
und  bis  zu  den  Typen  vorzudringen  verfucht,  ohne  dafs 
durch   diefe   werthvoilen  Unterfuchungen   die  Verbin- 
dung   zwifchcn    dem    primitiven  Bauernhaus  —  denn 
um  diefes  handelt  es   fich  in  erfter  Linie  —  und  dem 
ausgebildeten  Wohngebäude  der  Renaiffance  einerfeits 
und  dem  Befeftigungsbau  anderfeits  fichergeftellt  wäre. 
Für  den  letzten  Fall  vermag  gerade  die  tyroler  Local- 
forfchung,  und  diefe  faft  allein,  die  Brücke  zu  fchlagen, 
da  in  Tyrol  thatfächlich  ein  Vcrbindung.sglicd  vorliegt 
in   den  fogenanntcn  Anfitzen   oder  „feften    Häufern", 
die  zumal  in  Ueberetfch  und  auf  dem  Ritten  in  größerer 
Anzahl  erfcheinen. 

Die  Zeiten,  da  Leo  von  Klenrje  in  dem  rhätifchcn 
Bauernhaufe  die  Uridee  des  etruskifchenTemi)cls  finden 
wollte,*  find  vorüber.  Heute  ift  das  tyroler  Bauernhaus 

'  Vgl.  aulfChrlich  Paul  Clemtn,  Beitruge  zur  Kcnntnia   älterer  Wand- 
malercien  in  Tyrol  in  den  Mitlh.  N.  K.  XV,  S.  ii,  8i,  185. 
=  iMit'Mig  Slttib,  iJrei  SbMimcr  in  'ryiül.  UI,  S.  295. 


als  eine  Abart  des  großen  füdlichen  Alpentypus  crkaiml, 
den    man    als    das   Schweizerhaus   zu    bezeichnen  fich 
geeinigt  hat.  Dielünzelarten,  das  alcmannifche,  burgun- 
difche,  tyroler,  ftcyrer,  vorarlbergcr  Haus,  ftehen  fich 
unter  einander  fehr  nahe  und  zeigen  wieder  zufammcn 
eine    große    Verwandtfchaft    mit    dem    geographifch 
nächften  Typus,  dem  fränkifchen    Haufe. ■*  Das  tyroler 
Haus  ift  wefentlich  Wohnhaus     Die  alpine  Wirthfchaft 
braucht  wenig  Nebenräume,    weil  fie  wenig  Getreide 
baut   und    das  Vieh   auf  den   Sennereien   beläßt.*  Die 
Form  ift  zumeift   eine   quadratifche,  der   Aufgang  ge- 
fchieht  auf  Freitreppen.  Diefe  letzteren  bilden  für  den 
tyroler  Befeftigungsbau  gleichfalls  bis  ins  i6.  Jahrhun- 
dert ein  Charakterifticum.   Der  Eingang  gefchieht  von 
der  Giebelfeite  aus,  die  innere  Anlage  ift  in  den  meiftcii 
Fällen    zweigliedrig,   derart,  dafs  der  Fren,  das    Flur- 
haus, das  Fletze  den  Mittelpunkt  bildet.''  Diefe  Anlage 
bildet  das  Grundprincip    bei    einer  ganzen  Reihe   der 
Anfitze  in  Ueberetfch,  fie  wird   noch  faft  fklavifch  ge- 
wahrt in  dem  Luftfitz,  den  fich  der  Bifchof  von  Brixen, 
Johann  Thomas  Freiherr  von    Spaur  1578  durch  Hans 
den   Zimmermann    in  Velthurns   erbaute."    Jedes    der 
Gefchoße  enthält  in  der  Mitte  eine  durchgehende  große 
Halle,   zu  deren  Rechten    zwei,   zu   deren  Linken    drei 
kleinere   Räume  liegen."    Ganz    entfprechend    ift    der 
Anfitz  Katzenzungen  bei  Tifens  im  Bezirk  Lana,  dem 

■'  Vnibercitende  Gedanken  fchon  bei  Jacob  Falke,  Ideen  zu  einer 
Gefchichte  des  Wuhnhaufcs  in  Oefterreich  in  den  IVlitth.  N.  K.  1,  S,  18.  Aus- 
führlich Riiiiolph  Henning,  das  deutfche  Haus  in  feiner  hillorifchen  Ent- 
wickelung. Quellen  und  Forfchuugen  zur  Sprach-  und  Cullurgefchichte  XLVil. 
Stral.'burg  1S82;  derfelbe.  die  deutfchen  Haustypen.  Quellen  und  Forfchungen. 
LV.  Dazu  Fee:,  in  der  -\llgemfiinen  (Münchener)  Zeitung  1883,  Beilage  164: 
Meringer  in  der  Allgemeinen  Kunftchronik  1883,  S.  32  ;  /i-t*/«/f(V</ in  Behageis 
Literalurblatt  1882,  Nr.  11.  Literarifches  Centralblatt  i88i.  Nr.  39;  deutfche 
Literatur-Zeitung  VU,  S.  49.  Vgl.  aus  R.  Betgau,  Eine  Gefchichte  des  deut- 
fchen Wohnhaufes  im  Correfpondenz-Blatt  des  Gefammtvereines  der  deutfchen 
Gefchichts-  und   Alterlhums-Vereine   XXHI.  S.  83. 

'  Aug.  Meitzcn,  das  Hans  in  feinen  volksthümlichen  Formen.  Verhand- 
lungen des  deutfchen  Geographentages  1881.  S.  13,  'raf.  I,  Fig.  S — 12.  —  Dazu 
Literar.  Centralblatt  1887,  Nr.  39;  Allgemeine  Zeitung  1S83,  Beilage  28.  Aus 
führlicb  über  das  Schweizer  Haus  tr/(i(/^rtt://,  Holzarchiitektur  in  der  Schweiz. 
Zürich  1876;  derfelbe.  der  Schweizer  Holzftyl  in  feinen  cantonalen  und  cou. 
ftructivcn  Verfchiedenheiten.  Zürich  1882;  derfelbe  in  H-'irl/i,  Statiftik  der 
Schweiz,  Zürich  1871,  I.  S.  258;  CPra/<r«»-/Vrf,  Schweizer  Architektur,  gefammclt 
im  Berner  Oberlande.  Bern  1850. 

^  Zu  dem  althochdeutfchen  Flazzi  haben  die  Gloffen  atrivim  und  aditus. 
Vgl.   Cinff,  Althochdcutfches  GlolTar,  HI,  S.   777.  In  dem    fränkifchen   Bauern- 
hof hei:H  die   untere  Stube  Dorntzen,  die  obere  Loubcn.  Vgl.  die  ausführliche 
Abhandlung  von  G.  Landau,  der  Hausbau  im  Correfpondenzblatl  desGefanimt- 
Vereins.  VI,   1857,   Beilage;   VIII,    1860,    Heilage;  X,   1862,    Beilage.    Uebcr    das 
nordfränkifche  Bauernhaus  vgl.  liriiehiier  im  Globus  N'lt,  S.  59.  GrundritTe  bei 
Peez    in  iVeßermann's    deutfchen     Monatsheften   V,  S.   73.    Eine   .Auswahl    von 
tyroler    Typen    bietet    Kattenegger,     l'ypen    landwirthfchaftlichcr     Bauten    des 
b.-iuerlichen  Grundbefitzes  in  'i'yrol  und  Vorarlberg.   Wien    1878.    Dazu  Waflier, 
die   oberöfterreichifchen   Bauernhufe    in    Wejhnnauus  Monatsheften  V,  S.  295, 
\%\.T\oc\i  i\.  Nii/chcter-Ustcri,  das  Zürcherifche  Wohnhaus  im    16.  Jahrhundert 
im  Züricher  Tafchenbuch   1878;   Hul'er-Liebeuau,  Das  deutfche   Haus   zur   Zeit 
der  RcnainTancc  in  Virchow-HoltzcudorlTs  .-Xuffatzen.  Im  allgemeinen   nach  Mit- 
theilnngen    in   Bctrefl'    der    Untcrfuchungi-n   über  den    nationalen    Hausbau    im 
Correfpondenzblalt  des  Gefammtvereines  XI.  S,  33.  54;  Aufnahme  und  Hefchrei- 
bung  iilterer  Wohnhiiufcr  ebenda  XXVII,  S,  29.   lieber  die  Vergleichsweife   her- 
anzuziehenden  norddeutfchcn  Bauten  vgl.  Otto  /.u/7«f,  Das   Fricfifche   Bauern, 
haus.    Quellen    und   Forfchungen.   LV ;    dazu    Liter.    Centralblatt  i88(>,    Nr.  24; 
VVeftfalifche  Baucrnhaufcr  im  .Archiv  des  hiftorifcheu  Vereins  für  Niederfachfen 
1850.  S.  117;    1855,  S.   363;  Guftav  V.   Uezold,  Der    niedcrfachfifche    Wohnhaus- 
bau in  der  Allgemeinen   Bauzeitung  1881,  Nr  y— 19;   Lochner,  Der  norddcutfche 
Holzbau  in  feiner  hiftorilchen  Entwickelung ;    dazu  deutfche    Literatur-Zeitung 
18811,   Nr.  10;  die  Wohnh.aufer  des  nordfachfifchen  Volksftammes  im  Preulüfchen 
Staatsarzeiger  1868.  Nr.  115.  Vgl.  auch  /■'.  Hahn,  Ueber  gcrmanifchcu  Hausbau 
in  der  Gegenwart    1883,  Nr.  27;    llilh.  Ilaiimer,  Ueber  das  bürgerl.    Wohnhaus 
im  deutfchen   Mittelalter.   Dcukfchrift   der  polytechu.  Schule  zu   Stuttgart   18(13. 
«  Die    Herren   von  Velthurns  erfcheinen  fchon    1128.  Wilhelmus   de    Fei 
ihnrns:  v.   Ilonnayr,  Gefchichte  der  gefürftclen  Graffchafl   Tyrol.     Urkunden- 
buch  II,    S.    87,  94.     Die     alteren     Gefch.     von     Velthurns     vgl.     l%ilip/>    Nee/', 
Der  deutfche  Antheil   des  Bisthums  'Irient  I,  S.  43     /u>g/,  Genealogifchc   Tafeln 
von  tyroler  Adelsgefchlcchtern  im  .-Xrchiv  für  Kunde    öftcrreiohifcher  f.efchichts- 
<|uellen   V,  S.  383,  Taf.  1  ;  Sinnneher,   Beitrage  zur  (Jefchichte  der    bifchoflichcu 
Kirche  Sahen  und  Brixen  in  Tyrol.  Brixen   1821,   II,   S.  49,    III,    S.    353.    Rr/eh, 
Annal.  .Sab.  III,  S.  662.  Ueber    den    Neubau    fclbll    Karl    Lind,  Vom    Schlolfe 
Velthurns  in   den    Mitth.   N.  F.  VI,  S.  90;    derfelbe  in   den  Blattern   für   Kunngc- 
werbe     X,   Nr,  4.  Ueber  die  BaurechnvniKen,  Milth.  d.  k.  k.  Oefterreich.   Mnfeiim« 
IX,  Nr,  109.  Ausführlich  navidv.  Schanherr,  das  Schloß  Velthnnis  in  den  Muih, 
N.  V.   XI,  S,  34;   Orlwein.  Deutfche   KcnailTance   in   Ocftcrrcüh    Leipzig    1887, 
II,  S.    I    --   rj,  Sehon    der   1578  verftorbene  C.irdinal   Chrilloph   Madrutz  wollte 
di'treh  den  Haumeifter  M.ithias  I'arlati  auf  dem  Hügel  über  der  alten  Burg  lieh 
einen  .Soinmcrfitz  errichten  lallen. 

'  Der  Bau    füllt    eine    Ecke  in  einem    großen    rechtwinkligen   Hofe,    aul 
beiden  Seiten  der   Mittelhallc  ein  vorfpringender    Erker.    Ueber    dem    aulicren 


—      19     — 


nur  der  rund  um  das  fafl  quadratifche  Gebäude  geführte 
Pechnafenkranz  einen  befeftigten  Charakter  verleiht.^ 
Auch  der  nur  wenige  Jahre  nacli  der  Gründung  von 
Velthurns  erbaute  Anütz  Zimmerlchen  bei  Völs  zeigt 
eine  ähnhche  Anlage.^  Es  wäre  zu  wünfchen,  dafs  die 
Rid-tyroler  Confervatoren  diefen  Anfitzen  ihre  Aufmerk- 
famkeit  zuwendeten  und  fie  zum  Gegenftand  mono- 
graphifcher  Betraclitung  machten.*" 

Aus  zwei  Grundelementen,  die  die  Keimblätter  für 
die  ganze  weitere  Ausbildung  darfteilen,  entwickeln 
fich  die  Anfänge  des  Burgenbaues  in  Tyrol:  aus  den  Be- 
feftigungsanlagen  der  rhätifchen  Ureinwohner  und  den 
Straßen-Caftelien  der  römifchen  Eroberer.  Das  erfte  Ele- 
ment verliert  fehr  rafch,  weit  rafcher  als  in  Süddeutfch- 
land  und  den  Rheinlanden,  feine  Bedeutung  und  bleibt 
nur  von  Einfluß  auf  die  Anlage  umwallter  Dörfer  und 
Ortfchaften  und  die  Ausgeftaltung  der  Südtyrol  eigen- 
thümlichen  Befeftigungskirchen/*    während  das  zweite 

Thor  die  Infchrift:  Johann  Thomas  von  Gottes  Gnaden  Bifchof  zu  Erixen 
1581.  Ueber  den.  Haupt-Portal  die  Infchrift:  Joannes  Thomas  ex  Baronibus  a 
Spaur  episcopus  Brixensis  domum  hanc  una  cum  moenibus  a  fundamento  erexit 
et  ornavit  anno  domini  MDLXXX. 

^  7'  7-  Sta/flt-r,  Das  deutfche  Tyrol  und  Vorarlberg.  Innsbruck  1847,  11, 
S.  778.  Zuerft  1350  im  Befitz  des  Jofeph  Fink  genannt. 

■'  Ueber  der  Thiir  Infchrift  des  Inhalts,  dafs  Ferdinand  von  Ruepach, 
Rat  des  Erzherzog  Ferdinand  von  Oefterreich  und  Viertelhauptmann  an  der 
F.tfch  1587  das  Schloli  erbaute.  Zu  Her  inneren  Ausftattung  diefer  Anlilze  vgl. 
Fravz  rankert.  Die  Zimmergothik  in  Deutfch-l'yrol,  Leipzig  1S90;  E.v.  BcrUpfch 
im  Kunflgewerbeblatt  IV:  Eitelberger  v.  Edclberg,  Kunft  und  Kunftgewerbe  in 
Tj'rol  In   den   Gefammelten   kunfthiftorifchen  Schriften  II,  S.  204. 

'"  Die  Hauptquelle  für  die  Gefchichte  der  tyroler  Burgen  und  Anfitze 
bildet  das  Lehens-Archiv  in  Innsbruck.  Die  tyrolifchen  Lebensbücher  gehen 
zurück  bis  auf  König  Heinrich  und  bilden  von  1301 — 1781  eine  ununterbrochene 
Reihe  von  mehr  als  350  Bänden.  Die  Brixener  Lehenbücher  laufen  von 
1417 — 1704,  die  Sonnenburger  von  1562  — 1794.  Das  Brixener  bifchufliche  Archiv 
umfaßt  144  Laden.  Das  Trientner  gegen  400  Bande.  Vgl.  David  v.  Schönherr, 
Die  Archive  in  Tyrol  in  den  Mitth.  N.  F.  X,  S.  63;  Archivalifcbe  Zeitfchrift 
i88fi,  S.  93;  C  A.  H.  Burkhard,  Hand-  und  Adreli-buch  der  deutfchen  Archive 
I,  S.  164.  Dazu  H.  V.  Gotde^g,  Die  Tyroler  Wappenbücher  im  Adelsarchive 
des  k.  k.  Minifteriums  des  Innern  zu  Wien.  Innsbruck  1876.  Eine  wichtige 
Quelle  für  die  altere  Gefchichte  Tyrols  bildet  außerdem  des  Mathias  Burg- 
lechner  Ausführliche  Befchreibuni;  der  gefürfteten  Graffchaft  Tyrol.  (Vgl.  über 
den  Verfader  Anton  Enimert,  Burglechner  und  feine  Zeit  in  Chmels,  Oefter- 
reichifchem  Gefchichtsforfcher  II,  S.  345.)  Die  Originalhandfchrift  im  k.  k. 
Hof-  und  Haus- Archiv  in  Wien,  Abfchriften  im  Nation al-Mufeum  zu  Inns- 
bruck, in  München  im  Kirchen-Archiv  zu  Telfs,  in  der  Barfchalkifchen  Biblio- 
thek zu  Langmoos  und  anderswo,  alle  zu  12  Bänden.  Ein  Auszug,  „Landtafel*^ 
oder  ...der  kleine  Burglechner"  genannt,  häufiger.  Ich  habe  die  Handfchriften 
des  Mufeum  tranzisco-Carolinum  in  Linz  von  1642  benützt.  Außerdem  von 
Bedeutung  die  2  Bände  Tyrols  Aquila  Purpurea  von  Andreas  Ziboch  von 
Fragburg,  des  Maximilian  von  Moor,  Befchreibung  der  gefürfteten  Graffchaft 
Tyrol  (Abfchrit"ten  in  8  Banden  in  der  k.  k.  UniverfitatsBibliothek  und  im 
Ferdinandeum  zu  Innsbruck,  des  Mar.x  Sittich  von  Wolkenftein-Troftburg. 
Tyrolifche  Chronik  (nur  der  letzte  Theil  handfchriftlich  erhalten,  vgl.  Etttuiert 
im  Tyroler  Koten  1833,  Nr.  20—24),  ""»i  d:e  handfchriftlichen  Aufzeichnungen 
Anton  Ri/ch7nunn's  zur  Gefchichte  ,  Geographie  und  Antiquitäten  andel  Tyrols 
in  der    Bibliotheca  Tirolensis  (vgl.  Sinnacher,  Beitrage  I,  S.  XXXI\'). 

Der  Inhalt  der  kleineren  Archive  von  Tyrol  liegt  feit  1888  in  einer 
muftergültigen  San'inlung  vor:  E)n.  v.  Ottenthai  und  Osiv.  Rcdlkh,  A/chiv- 
berichte  aus  Tyrol:  Mitth.  der  III.  (Archiv-)  Setftion  der  k.  k.  Central-Com- 
miffion  I.  Für  die  älteren  Anflehten  und  Plane,  in  allen  Reconftructions-Fragen 
die  wichtigfte  und  vornehmfte  Quelle  (auf  ihre  Wichtigkeit  hat  zuletzt  noch 
Alberti  in  der  Württemberg.  Viet  teljahrsfchrift  IV,  2.  Heft,  aufmerkfam  ge- 
macht) hat  das  Ferdinandeum  in  Innsbruck  eine  Centralftelle  und  ein  Archiv 
angelegt;  das  Verzeichnis  der  dort  vorhandenen  Zeichnungen  verdanke  ich 
der  Güte  des  Vorftandes,  des  Herrn  Dr.  F.  v.  M'ie/er.  Eine  der  werthvoUften 
Quellen  bildet  dann  ein  in  der  Sammlung  des  Grafen  Anton  ■:•.  Braiidis  auf 
Schloß  Neubrandis  zu  Niederlana  bei  Meran  befindlicher  Sammelband,  mit 
flüchtigen  Federzeichnungen,  bezeichnet:  ^Handriffe  verfchiedener  SchlÖffer, 
Statt  und  Gegenden  der  fürftlichen  Graffchaft  Tyrol",  in  Pergament-Band,  im 
17,  Jahrhiiiiüert  und  zwar  vor  dem  Jahre  1647  (na^ch  der  Bezeichnung  des 
Befitzers  bei  Schloß  Gayen)  gezeichnet,  um  das  Jahr  1710  mit  neuen  Bezeich- 
nungen verfehen.  Durch  die  auüerordentliche  Liebenswürdigkeit  des  Be- 
fitzers, der  felbft  ein  ausgezeichneter  Kenner  der  füdtyroler  Landesgefchichte 
ift,  war  ich  in  den  Stand  gefetzt,  die  Handfchrift  in  Bnnn  ausführlich  unter- 
fuchen  zu  können.  Sie  enthält  fechs  Abtheilunuen.  I.  Meraner  Gegend  von 
Pfeyr  an  bis  anfang  des  Vüntfchgawes.  15  Blätter  mit  23  Abbildungen,  2  dop- 
pelt. II.  Von  der  Tull  durch  ganz  Vüntfchgau  bis  in  das  Münfterthal,  17  Blatter 
mit  15  Abbildungen,  3  doppelt.  III.  Von  Peterfperg  durch  das  Ober  Uehnthal 
gen  Trafp,  12  Blätter  mit  ii  Abbildungen,  5  doppelt.  IV.  Von  Meran  gen 
Bozen  bis  Tramin.  17  Blätter  mit  24  Abbildungen.  V.  Auf  den  Nonnsberg  bis  auf 
den  Sulzber^,  18  Blätter  mit  24  Abbildungen,  3  doppelt.  VI.  Von  Salurn  gegen 
Trient,  Roveredo  auch  allfeitig  wälfche  Confinen,  38  Blätter  mit  34  Abbil- 
dungen, 5  doppelt.  Eine  Reihe  von  frühen  Abbildungen  enthalten  auch  die 
Tyroler  Bergwerksbücher  vom  Jahre  1556,  ein  Exemplar  im  Ferdinandeum  zu 
Innsbruck,  ein  zweites  in  der  konigl.  Bibliothek  zu  München,  Cod.  germ.  1203. 
"  Zum  Vergleich  hernnzuziehen  die  Kirchhofsbefeftigungen  von  Rhein- 
heOfen  (A".  I4'',>rney,  im  Archiv  für  helT.  Gefchichte  XIV.  S.  638;  Correfpon- 
denzblatt  des  Gefammtvereins  XX\TI,  S-  J03),  in  Siebenbürgen  {B.  Sy'iattus 
in  der  Gartenlaube  1869,  Nr.  30),  auf  Schonen  (C  G.  Brun/'us,  Skanes  Konsl. 
historia  för  Medeltiden.  Kopenhagen  1850,  S.  280).  in  Steiermark  (Befeftigte 
Kirchen  und  Kirchencaftelle  in  Pvüfer's  Archiv  für  kirchliche  Kunft.  IV,  S.  20); 
im  Elfaß  (t'/fior  Guerber  im  Bull,  de  la  societe  pour  la  conservation  des  mon. 
bist.  dWUace  1878.  p.  i). 


als  erftes  Vurbild  bcftehen  bleibt  und  theilweife  eine 
dire6le  Weiterbildung  findet,  infofern  nämlich,  als  die 
römifchen  Refte  Grundftock  und  P\indament  für  eine 
ganze  Reihe  der  tyroler  Bergveften  bilden. 

Von  den  germanifchen  Befeftigungsanlagen  kom- 
men hier  nur  die  eigentlichen  Wallburgen  oder  Ring- 
wälle in  Betracht. ^^  Zwei  große  Gruppen  diefer  Anlagen 
ziehen  fich  durch  das  jetzige  Deutfchland  und  Oefter- 
reich hindurch,  die  eine  vom  Elfaß  über  den  Odenwald 
nach  dem  Wefterwalde  zu/^  die  andern  von  der  Laufitz 
nach  Böhmen  und  Mähren  herab.**  Diefe  Wallburgen 
find  zu  fcheiden  von  den  einfachen  Erdfpangen,  die  keine 
Verftärkung  durch  Mauerwerk  erhalten,  und  die  auch 
in  Tyrol  und  Salzburg  öfter  vorkommen.*'  Die  im 
übrigen  häufige  Form  des  abgeplatteten  Spitzwalls, 
der  Motte,  bei  der  die  Erde  aus  einem  ringsherum  auf- 
geworfenen Graben  gewonnen  ward  —  aber  immernoch 
ohne  Verftärkung  durch  Steinwerk,  nur  durch  Holz- 
pallifaden  und  eventuell  einen  mittleren  Holzthurm,  wie 
an  der  Burg  Merchem  bei  Doxmünde***  und  wohl  auch 
an  der  dem  9.  Jahrhundert  angehörigen  Pipinsburg  bei 
Lehr  in  der  Landdroftei  Stade'*  —  dient  möglicher- 
weife  als  Grundlage  des  Castrum  vetus  de  Epiano,  der 
Unterburg  von  Eppan;  hier  wurde  dann  fpäter  auf  der 
alten  Erdfchanze  der  Thurm  errichtet. ''^  Die  größten 
bekannten  Ringwälle  in  Südtyrol  liegen  nahe  bei 
Meran.  Sie  bilden   zufammen    ein  ganzes    Syftem    von 

'•  Vergl.  über  die  Wallburgen  M.  Jahns,  Gefchichte  des  Kriegswefens 
S.  452;  G.  Kohler,  Die  Entwickelung  des  Kriegswefens  und  der  Kriegsfiihrung 
in  der  Ritterzeit  III,  I,  S.  366;  J.  Xacher.  Die  deutfche  Burg  S.  2.  Der  Name 
.Wallburg"  ift  durch  v.  Cohaiijcn  aufgebracht  (Ringwalle  und  ähnliche  Anlagen 
im  raunus  und  anderwärts  in  H'eßermann" s,  Monatsheften  XI,  1861,  Ocl),  der 
vom  General  v.  Peucker  eingeführte  Ausdruck  „Bauernburg-"  ift  nicht  hiftorjfch. 
In  Weftfalen  ift  der  Name  -Hünenburgen'^,  im  Sauerlande  und  am  Rheine 
..Alteburgen**  gebrauchlich,  im  Mittelalter  der  Ausdruck  refugium  gebrauch- 
lich (von  Jerofchin  mit  „Fliehburgen"  überfetzt).  Als  folches  gilt  z.  B.  die 
Annsburg,  fpater  Enns,  in  Ober-Oefterreich  gleich  bei  ihrer  Entftehung  —  fie  wird 
urbs,  civilas.  oppidum  nie  aber  castrum  genannt  {y.  X.  Cor/.  Bau  und  Ein- 
richtung der  deutfchen  Burgen  in  Ober  Oefterreiih  S.  i).  Ebenfo  die  Styra- 
bürg,  fpater  Sieyr,  zum  Schutze  gegen  die  Ungarn  als  refugium  erbaut.  Ueber 
die  zunächft  zum  Vergleich  mit  den  tyroler  Anlagen  heranzuziehenden  lud- 
deutfchen  und  fchweizer  Refugia  vgl.  Ei-rd.  Keller,  Helvetifche  Denkmaler  I. 
Caftelle  und  Refugia  in  den  Mittheilungen  der  antiquarifchen  Gefellfchaft  zu 
Zürich  XVI  find  li'orner  und Neckviann,  Ueber  mittelalterliche  Ortsbefeftigungen, 
Landwehren,  Warten  und  Paüperren  mit  befonderer  Rückficht  auf  die  hcffifcben 
lerritorien  im  Correfpondenzbl.  des  Gefammtver.  der  deutfch.  Gefchichts-  und 
Alterthums-Vereine  iSSo;  diefelben,  Orts-  und  Landesbefeftigungen  des  Mittel- 
alters in  Bergau's  deutfcher  Bauzeitung  LIII,  1835.  Vergl.  noch  z'.  Cohau/en, 
Die  Wallburgen,  Landwehren  und  alten  Schanzen  des  Regierungsbezirkes 
Wiesbaden  in  den  Annal.  d.  Ver.  für  Naffauifcbe  Alterthumskunde  1779, 
S.  '^43;  V.  Effen-Jütin,  Kricgsbaukunft,  S.  45;  Mauritius  ll'o/insky.  Das  prahi- 
rtorifche  Schanzv^crk  von  Lenyyel,  Budapeft  1888;  Nord hi>^.  DX^  alten  Wal- 
lungen, Landwehren,  Dammftraßen  in  der  (weftfätifchcn)  Zeitfchrift  für 
vaterl.  Gefchichte  und  Alterthumskunde  XXXIX,  S.   136. 

*■'  Vgl.  Fr.  7.  Mampel,  Die  Heidenmauer  auf  dem  Odilienberg  im  Elfaß. 
Straßburg  1886  (Befte  Abb.  bei  Naeher,  a.  a.  O.  ,  S.  4);  K.  Chriß,  Die  Ring- 
walle im  heffichen  Odenwald  im  Correfpondenzbl.  d.  tJefammt-Vereins  XXXI. 
S.  35;  V.  Cohauft-n,  Die  Wallburg  Rippenweiher  in  Odcnwalde  ebenda  XXIX. 
S.  95  ;  Fr.  Ko/li-r,  Die  alten  befefttgteu  Wege  des  Hoch-Taunus  und  ihr  Zufani' 
menhang  mit  den  dort  befindlichen  Ringwallen  in  der  Weft deutfchen  Zeit- 
fchrift 1883-  Ueber  die  abweichende  Form  der  Rundwalle  der  Angrinarier  vgl. 
ausführlich  Hervt.  Hartviann,  Die  alten  Wallburgen  am  mittleren  Theüc  des 
Wiehengebirges  in  der  Zeitfchiift  d.  hiftor.  Ver.  für  Niederfachfen  1S86, 
S.  120.  Ueber  die  Uebergänge  zu  dem  in  den  Alpen  heimifchen  'I'ypus 
7>.  Siichaner*  Ueberficht  über  die  alten  Schanzen  und  Burgen  in  Oberbavfrn 
im  Oberbayr.  Archiv  T,  S.  3^4;  Nachtrag  von  Ch.  Sedhnayr,  Archiv  II,  S.  148; 
Aiig^.  Hartmann,  Burgftellen  und  alte  Befeftigungen  in  Oberbayern  im  Archiv 
XXXV,  S.  320;  K.  Miller,  Aligermanifche  Ringburgen  nördlich  vom  Boden- 
fee in  den   Schriften  des  Ver.  für  Gefch.  des  Bodenfees  XI,    18S2. 

**  Vgl.  Dre/sler  und  Kiemann,  Die  älteften  Baudenkmaler  in  Böhmen 
in  den  Miitheil.  des  Ver.  für  die  Gefch.  der  Deutfchen  in  Böhmen  V  und 
Prcuskcr,   Oberlaufitzifche  Alterthümer.  Görlitz    1S28. 

i"  Köhler,  Entwickelung  des  Kriegswefens  III,  I,  S.  371. 
''  Vergl.  Vita  Joannis  Morinorum  episcopi  auttore  Joanne  de  Colo- 
mcdio:  Boutptet.  Recueil  XIV,  p.  338;  G.  T.  Clatk,  Medineval  miÜtary 
architecture  in  England.  London  1884.  I,  p.  33.  De  Caumont,  Abecedaire 
p.  326;  es  ift  die  ältefte  genannte  Befchreibung  einer  derartigen  Bcfeftigung. 
In  Merchem  wie  Bütyfi  (/*.  Cai-licr,  Hiftoire  du  duche  de  Valois.  Paris  1764. 
II,  p.  248)  ift  es  die  celiifchc  Wallbefcftigung,  die  gewahrt  ift.  Vgl.  Mayer, 
Die  celt.  Völkerfchaften  und  Sprachen.  Berlin  1863,  S.  44.  Aehnüch  die  Be- 
fcftigung  der  Motte  bei  Antreville.  vgl.  Peigne-Delacourt,  Rccherches  >ur 
Templacement  de  Noviodunum  in  den  Memoirs  de  la  soricte  archeol.  de  la 
Picardie  XXII,  p.  74. 

"  Zeitfchrift    des    hiftor.  Ver.  für  Niederfachfen   1870,  Taf.  VIII. 
j  '*    Epiani    caftellum    velus    in    einer  Urkunde    vom   o.  Juni   1194    (Trient, 
Arch.)  bei   7-  '■■  Iformayr,  Gefch.  der  gcfürft.  Graffchaft  Tyrol.  Urkundcnbuch 
I.  II,  S.  i'jo. 


20       — 


Befefligungen.  Auf  dem  Grumsbiihel  bei  Obermais, 
anderthalb  Stunden  von  Meran  liegt  die  erfte  Waliburg. 
Der  Bühel  fällt  ziemlich  fteil  nach  allen  Seiten  ab,  nur 
der  Norden  erlaubt  den  Zugang.  Die  Form  der  Höhe 
ift  eine  langgezogene  Ellipfe,  deren  größter  Durch- 
meffer  15  Cm.,  deren  kleinller  35  M.  beträgt,  mit  einem 
doppelten  Ringwall  und  am  füdöftlichen  Ende  einem 
großen,  v'on  einem  Steinwall  eingefafsten  Raum,  wahr- 
fcheinlich  zur  Unterbringung  der  Viehherden  bei  feind- 
lichen Anfällen  geeignet.  Bei  den  Ausgrabungen,  die 
Fridolin  Plant  hier  vornehmen  ließ,  fand  fich  ein  i  M. 
hoher  Reft  einer  aus  mittelgroßen  Steinen  beftehenden 
Mauer,  deren  Dicke  etwa  2-2o  M.  betrug.  Aber  nur 
nach  außen  hin  fand  fich  diefe  Steinüberkleidung, 
während  nach  innen  zu  ein  einfacher  Erdaufwurf  con- 
ftatirt  ward.'^  Die  im  Jahre  1891  durch  den  Deutfeh- 
Amerikaner  William  Frankfurth  vorgenommenen  Aus- 
grabungen haben    diefen  Wall  in  feiner   ganzen    Aus- 


Fig.    I.  (Sinigkopf.) 

dehnung  fedgeflellt.  Liegt  hier  alfo  lediglich  die  Form 
des  Steinmaterials  als  Bekleidung  der  Escarpe  vor,  fo 
zeigt  der  Steinring  auf  dem  Sinigkopf  (Fig.  i)  in  der 
Gemeinde  Burgftall,  füdlich  von  Meran,  den  Ringwall 
mit  völlig  ausgebildeter  Steinmauer.  Der  bewaldete 
Porphyrhügel,  vom  Sinigbach  befpült,  beherrfcht  die 
Straße  nach  derEtfch,  über  die  er  fich  um  200M.  erhebt, 
vollkommen.  Seine  Form  ift  die  eines  länglichen  etwas 
verfchobenen  Vierecks  mit  dem   längfteii  Durchmcffer 

">  D* T  Ringwall  in  Oberniais  bei  Meran:  Mitth.  d.  Centr.-Conim.  N.  F. 
XI,  S.  LXXIX.  In  dem  inneren  Räume  f.-indcn  fich  Rede  verbrannter  Thon- 
fcherbcn  etc.  und  verbrannten  Holzes,  Auch  Steine  zeigen  .Spuren  der  Feuer- 
cinwirkung.  Eine  Annlo(.;ie  mit  den  verfchlackten  Steinwallen  Rühmens  (die 
aber  ficherlich  keine  flavifchcn  Bauten  find,  Tondcrn  den  keltifchen  Uojern  oder 
den  dcutfchen  Markomannen  angehören)  Tcheint  mir  aber  nicht  vorzuliegen. 
Ueber  das  archnolog-.phyrikal.  Problem,  vgl.  7'.  Cütta,  Die  Burgwalle  der  Lau-  ' 
fitz  im  neuen  Laufitzer  Magazin  IV,  1839;  Virclunv,  Ueber  die  gebrannten 
Steinwalle  der  Ober-Laufitz  in  der  Zcilfchrift  für  Ethnologie  1870,  S,  25;  Frivoß^ 
.Memoire«  »ur  les  anciennes  constru^ions  militaires  connues  sous  Ic  nom  de 
Forts  vitriHes,  Saumur  1863,  —  Vgl,  Daines  liarrington,  Obfervations  on  thc 
vilrified  wall»  in  Scotland  i,  d,  Archacologia  VI,  p.  100;  RobctI Riddil,  Account 
of  ihe  ancicnt  modcf  of  rortiftcation  in  Scotland  i.  d.  Arcli,'icologia  X,  p,  99; 
Corrcfpondenzblatt  d,  fjcfammlver.  der  dcutfchen  Ocfchichts.  und  Alterthums- 
vereine  XXXII,  S.  45.  l.>ie  geograpliifch  naclifllicgcndcn  Analogien  zu  den 
tyroler  Anlagen  finden  fich  auf  .Schweizer  Boden.  L)em  Ringwall  auf  dem 
Sinigkopf  flehen  nahe  die  Verfchanzungen  auf  dem  Ebcnbcrg  bei  Aarau 
{Miihilierf^  i,  Anzeiger  f,  Schweizer.  Alterthuinskunde  I,  S.  392,  Taf.  XXIII) 
und  auf  dem  Rifibuck  bei  Rudolfingen  {Fcnlinainl  Keller,  Keltifche  Vcflen  an 
den  Ufern  des  Rheins  unterhalb  SchafThaufcn  i.  d.  Millh.  d.  antiquar.  ücfell- 
fchaft  in  Zürich  VII,  Nr.  7).  Vgl.  weiterhin  l'erJinand  Keller,  Helvetifche  Denk- 
mäler i.  d.  Mitth.  d.  anlii|uar.  I-Jef.  XVI,  Abthcil.  2.  Heft  3;  Karl  Miller,  Alt- 
gertnanifche  Ringburgen  und  römifrhe  NicderlafTungen  nordlich  vom  Boden, 
fce  i.  d.  Schriften  d,  Vcr.  f,  d.  Gcfch,  d.  Bodcnfees  1882,  Heft  11;  /•'.  Rzilin, 
'I'echnifches  Gutachten  über  die  Heidenmauer  in  Lindau  i.  d.  Schriften  d.  Vcr, 
f,  Gefch,  d.  ßodeiifees  XII,  1883,  S.  10;  Kilelbauer,  Zur  liaubcfchrcibung  der 
Heidenmauer  ebemla  XV,  S,  235,  Ueber  die  ganze  Gruppe  vgl,  Robert  llehia, 
Die  vorgcfchichtlichin  Kundwallc  im  oftlichen  Deutfchlan.l,  Berlin  1888: 
De  CnumonI,  Cours  d'anliquites  uionunicnljdcs,  1830,  Alias  pl.  I,XV  ;  f.."jf.  F. 
yaniien,  Over  de  ondlle  vaderlandsche  «chausen  in  NijliolTs  Bijdragen  IV, 
p,  71  ;  VII,  p    320. 


von  60  M.,  dem  kürzeften  von  52  M.  Rohe  unbehauene 
Porphyrftücke  von  verfchiedener  Größe,  nach  der 
letzten  Lagerung  übereinander  gelegt,  aber  ohne  jede 
Verwendung  von  Mörtel  und  Lehm,  bilden  den  Wall, 
deffen  Höhe  etwa  2  M.,  deffen  Dicke  1-50  M.  beträgt.*" 
Würde  die  Wallburg  auf  dem  Grunsbühel  ihre  Parallele 
finden  in  der  Heuneburg  im  Friedlinger  Thal  —  nur  in 
den  Maßen  ganz  bedeutend  erweitert  — ,  fo  findet  die 
auf  dem  Sinigkopf  ihr  ri^figes  Gegenftück  in  der 
Heidenmauer  auf  dem  Odilienberge  im  Ellaß.  Das  be- 
zeichnende Charaktcrifticum  ift  das  vollftändige  Fehlen 
von  Mörtel,  die  ziemlich  regelmäßigen  Steine  werden 
lediglich  nach  der  Lagerung  zurechtgeftcllt  und  faft 
gar  nicht  mit  dem  Hammer  gerichtet.*' 

Die  dritte  prähiflorifche  Vefte  bei  Meran  lag  auf 
dem  Hochbühel,  dem  oberften  Plateau  des  Knchel- 
berges,  eine  halbe  Stunde  nördlich  von  Meran,  aus  der 
Hallftatt-Periode  flammend.  Die  bronzenen  Schmuck- 
ftücke  und  die  Refte  der  elegant  und  reich  verzierten 
Töpfergefchirre  geben  hier  genügenden  Anhalt  zur 
Datirung.  Nach  der  Anficht  William  Frankfurth's,  der 
noch  ein  drittes  \orgefchichtliches  Vorwerk  in  der 
Richtung  auf  Schloß  Tyrol  zu  annimmt,  war  der  die 
ganze  Gegend  beherrfchende  Kuchelberg  mit  einem 
Netz  von  Befeftigungen  bedeckt;  Meran  alfo  fchon  vor 
der  Römerzeit  ein  ftrategifcher  Mittelpunkt.*'" 

Von  weitreichenderem  Einfluß  war  das  Vorbild  der 
römifchen  Befeftigungskunft  in  Tyrol.  Gerade  hier 
aber  treffen  wir  fofort  auf  die  größten  Differenzen  in 
der  Forfchung.  Einig  find  einheimifche  wie  auswärtige 
Forfcher  in  der  Annahme  des  Einflußes  an  fich;  über 
die  Form  desfelben  und  über  die  Frage,  wie  weit  die 
römifchen  Vorbilder  noch  heute  theils  offen,  thcils 
verborgen  in  den  tyroler  Burgen  erhalten  find,  konnte 
keine  Einigung  erzielt  werden.  Das  Eine  fleht  feft,  dafs 
die  Anficht  der  älteren  Gelehrtengeneration,  dafs  der 
größte  Theil  der  erhaltenen  Quaderthürmc  des  Etfch- 
thales  und  des  Eifackthales  auf  römifche  Arbeit  zu- 
rückzuführen fei,  einer  bedeutenden  Einfchrimkiing 
unterzogen  werden  muß. 

Es  handelt  fich  darum,  ilie  Merkmale  zu  finden  und 
für  die  befonderen  Verhäitniffc  Tyrols  eigens  zu 
fixiren,  die  als  die  charakteriflifchen  Eigcnfchaftcn 
römifcher  Werkführung  zu  gelten  haben.  Diefe  gibt 
eine  Analyfe  der  Technik  an  die  Hand.**  Von  den  ver- 


"•"  Mitth.    der  Centr.-Comm 
von  Dr.    'l'appehter  in  Meran   1881 


N.  F.  XI,  S.  LXXI,  Fig.  13,  Ausgrabungen 
Vgl.  Tappeincr,  .S'tudicn  zur  Anthropologie 
Tyrols  und  der  Sette   Commuui,  ,S.   11. 

-'  Als  Typen  hiefür  mögen  die  Heidenmauer  bei  Türklicim  in  der 
Pfalz  (Lehmann  in  der  Bavaria  IV,  .S.  601)  und  die  Steinringe  auf  dem  Hohen- 
feclbachkopfe  bei  Siegen  und  bei  Olzcnhaufen  gelten,  diefe  aus  Bafaltriiulcn 
regelmäßig  aufgefchichtet  (.Seliaaffhaurcn  in  den  Jahrbüclien  d.  Ver.  von  Aller- 
thumsfreunden  im  Rheinlandc  LXIV,  .S.  199).  Ueber  die  'l'echnik  vgl.  noch 
O.  Schußer,  Die  alten  Heidenfchauzen  Deutfchlands  mit  fpccinfcher  Befchrci- 
bung  des  Obeilaufitzer  .Schanzenfyftcms,  Dresileu  18(19  ;.^I«(Av(',  Ileidcnfclian- 
zcn  und  Stcinwalle  der  Latifitz  im  Globus  XX;  liötzerinaitn,  Localuntcrfuchun- 
gen  über  die  Bcfcfligungsriiaucrn  der  Germanen,  München   1878, 

-'rt.  Eine  Serie  von  eingehenden  Artikeln  hierüber  publicirt  von 
H'ill.  Franh/urth  in  der  Meriiier  Zeitung  1892,  Januar  und  Februar,  Vgl, 
Allgemeine  (Münclicncr)  Zeitung   1892.   1-^.  Februar. 

2'-  Vgl.  iibcr  die  römifche  B.iu-'I'cchnik  der  fpateren  Zeit  /•'.  v.  Quitj7, 
Text  zu  Seroux  d'Agineourt,  Sa'nmlung  von  Denkmälern  der  Atcliilektur  S,  78  ; 
7/.  Lajjfiiulx  in  dem  N;ichtrage  zu  Klrin's  Rheinreifc  S.  440;  Ih'  Cauni-itit, 
Cotirs  d'antiquiles  monumentales  IV,  p.  71,  Kriet:;  i>.  lloeh/ettieu ,  Ccfcliiclite 
der  Militär- Architektur  S,  722;  Otte,  (Jcfchichtc  der  romanifchcn  Baukunfl  in 
Deutfchland,  S.  4,  275;  Al/reil  Kamt*  im  Bulletin  monumental  XXVI,  p,  84; 
Blavignac  Rcchcrclics  sur  quelques  fragments  d'architci!Uir  romaine  decouvcrts 
,'i  Gencve  in  den  Memoircs  et  documcnts  de  la  socictc  d'hiftoires  et 
d'archcol,  de  Geneve  V,  p,  88;  P.  i'lritieii,  der  karolingifche  Kiiifeipalaft  zu 
Ingelheim,  in  der  Weftdcutfclien  Zeitfchrift  für  Gcfcliichte  und  Kunfl:  1890, 
IX.  S.  70;  l'ii:tnr  J'ctit,  Esciuisses  des  monumciilfl  romains  de  Frejus  im  Bidletiii 
monumental  XXX,  p,  210,  ^'")9,  761;  ,'/,  Thier/ch,  Die  Mauertecliiiik  d.  Römer 
in  Kund  und  (jewerbe  V,  1883,  Selir  ausführlich,  fpecicll  über  den  (Juadcrbau, 
V.  Coltait/eii,  Ucbcr  die  Mauervcrbitndc  an  alten  Bauwerken  des  Klieinlandes, 
in  der    Zeitfchrift  für  Bauuefen  XXXVII,  1887,8,  51,  251,  587, 


—       21 


fchiedenen  Einzclformcn  der  ausgebildeten  römifclicn 
Bautechnik  kommen  nur  wenige  in  den  rhatifclien 
Befeftigungsbauten  zur  Verwendung;  es  muß  feilge- 
halten werden,  dafs  es  fich  hier  lediglich  um  Refle  von 
Schutzbauten,  nicht  um  Zierformen  an  Wohngebäuden 
handelt.  Demzufolge  finden  fich  alle  raffinirten  Lager- 
ungen, vor  allem  das  Opus  rcticulatum  und  der  Petit 
appareil  nirgends  in  den  Alpenländern;  es  treten  hier- 
für ein  das  Opus  incertum  und  das  Opus  rusticum,^'*  das 
Opus  fpicatum;  das  ährenförmige  Mauerwerk  findet  fich 
wiederholt  vor,  nur  ift  die  Anficht  abzuweifen,  als  ob 
gerade  diefes  einen  Beweis  für  den  rumifchen  Urfprung 
des  betreffenden  Baues  lieferte.  Allerdings  zeigt  es  fich 
an  einer  großen  Zahl  römifcher  Werke,  aber  wir  flößen 
auf  dasfelbe  ebenfo  an  Schöpfungen  der  longobardi- 
fchen  und  karolingifchen  Architektur,  an  den  Mauern 
zu  Bergamo,^*  an  der  Kirche  zu  Sarenieres,  an  der 
Loire, ^•*  an  St.  Pierre  de  Clages  (Sion)  *''*^  wie  an  den 
Arbeiten  aller  Jahrhunderte  des  Mittelalters  in  Göfting^*^ 
(Steyermark),  in  Maiersdorf^*  und  an  der  Hainburg ^^ 
(Nieder-Oefterreich),  an  der  Rautenburg*"^  in  Heffen  und 
in  Naffau  zu  Dreieichenhain,^'  Bierftatt,  Burg-Schwal- 
bach, Medenbach,  Oberbrechen,  Sulzbach, '^^  in  Zara,  ^"^ 
auf  franzöfifchem  Boden  in  Du  Pleffis*^^  und  Pouzac.'*' 
Noch  ein  anderes  Vorurtheil  ift  abzuweifen,  das  die 
Mauertechnik  betrifft.  Der  Rufticabau  mit  ftarken  Bof- 
fenquadern  ifl  Jahrzehnte  hindurch  für  ein  Kennzeichen 
der  römifchen  Werkführung  angefehen  worden,  bis 
diefe  Legende  durch  v.  Cohaitfni  zerftört  worden  ifl.'*^ 

-*'  Die  Typen  der  römifchen  Matieriechnilc  nm  beften  bei  Otte,  a.  a.  Q., 
S.  4,  und  Krieg  v.  Hochfelden,  a.  a.  O  ,  S.  123.  Nur  ift  feftzuhalten,  dafs  das 
Opus  spicatum  in  der  Praxis  nie  in  diefer  fcheinatifchen  Form  zur  Verwendung 
kam.  Vgl.  zum  Folgenden:  Römifches  Aehrenmauerwerk  in  Deutfchland  in 
der  deutfchen  Bauzeitung   1885,    S.  70- 

-*  G.  Coräero,  Dell'  Italiana  Architettura  durante  la  dominazlone 
Longobarda  in  den  Commentarii  del  Atheneo  di  Brefchia  1829,  XXVIII,  p.  220. 

-•  y.  F.  Boiiin,  Recherches  historiques  sur  TAnjou  et  ses  monuments 
Saumiir   1821. 

-'*  Blavignac,  Histoire  de  l'Architecture  sacree  dans  les  anc.  evech. 
Sion  etc.  p.  97. 

-'  A".  Lind,  Mittelalter!.  Stadtebefeftigungsbauten  in  Nieder  Oefterreich, 
in  den  Mitth.  der  Ceiur.-Comm,  N.  F.  II.  S.  LXXVIII,  Fig.  2;  Joh.  Gradt. 
Die  Burg  GÖfting  bei  Gratz,  in  den  Milth.  der  Centr.-Comm.  XVI,  S.  43,  Fig,  4. 

-■*  Sacktii,  Die  Kirche  zu  Maiersdorf  in  Nieder- Oefterreich,  in  den 
Mitth.  der  Centr.  Comin.  N.   F.  III,  S.  XXXV. 

=^'J  Mitth.  der  Centr.-Comm.  XV,  S.  LXXX;  N.  F   II,  S.  LXXXV,  Fig.    21. 

^i»  Mitth.  N.  F.  XII.  S.  XXXI,  Fig.  17  und  18. 

^'   Kunftdenkmäler  von  Heflen.   Kreis  OrTenbach,  S.  21,  Fig.  3. 

^-  Fr.  Schilf ider  bei  Lotz,  Baudenkmäler  d.  Reg.  Bez.  Wiesbaden, 
Seile    538. 

^  Mitth.  N.  F.  IX,  S.  CLXI;  X,  S.  XCVIII. 

^*  De  Cauwont,  Statistique  monumental  de    Calvados  III,  p.  229. 

^■*  Charles  des  Moulttis,  Notice  sur  quelques  monuments  du  Eig-'^rre, 
im  Bulletin  monumental  X,  p,  377,  430.  Abb.  i.  üeber  die  Verwendung  des 
ahrenförniigen  Mauerwerks  im  frühen  Mitttlalter,  vgl.  nach  F  Clenten.  in  der 
Weftdeutfchen  Zeitfchr.  für  Gefch.  und  Kunft  IX.  S,7i,  Anm.  87;  Fr.  Schneider, 
Ziegelbau  im  Mittelalter  im  Correfpondenzbl.  des  (Jefammtvereines  der 
devitfchen   Gefchichts- und   Alterthumsvereine   1875.  S.   12. 

S'i  z>.  Cohau/cn,  Offener  Brief  an  R.  B.  in  Nürnberg,  im  Correfpondenzbl. 
des  Gefammtvereines  XXVI,  S-  29.  Enigegnung  von  F.  Okieii/chlager  chendtk 
XXVII.  S-  II.  Gute  Beifpiele  für  die  mittelalterlichen  Quaderformen  mit  Rand- 
befchlag,  bei  AI.  F.  du  Bois.  Les  monuments  de  Neuchatel,  in  den  Mitth,  der 
antiquar.  Gefellfchaft   zu  Zürich   V,   p.    5,   6. 

In  den  angegebenen  Fehler  verfallt  auch  Seb.  Mutzel,  Die  römifchen  Wart- 
thünne,  hef.  in  Bayern,  in  den  Abhandl.  der  kÖnigl.  bayr.  Akad.  der  WilT.,  Hift. 
Claffe.  VI.  II,  S.  381.  Doch  fchetdet  er  genauer  die  Kropfquadern,  deren  hervor- 
ragender Theil  die  rohe  Naturflache  des  Steines  ift,  von  den  mittelalterlichen 
Buffenquadern,  deren  BufTen  einmal  genau  rechtwinklig,  meift  mit  plattem  Rand- 
befchlag  umgranzt  find,  und  deren  -Oberfläche  mit  dem  Zweifpitz  gleichmäßig 
bearbeitet  ift.  Ueber  die  von  den  Römern  befolgte  Mauertechnik  vgl.  N.  Vitruvius 
Pollio.  De  archite<5lura  1.  II,  c.  8:  Altera  est  stru6lura,  quam  empleölon  vocant, 
qua  etiam  nostri  rustici  utuntur.  Quorum  murorum  frontes  poliuntur,  reliqua,  ita 
uti  sunt  nata,  cum  materia  collocata  alteruis  alligant  coagmentis.  Sed  nostri, 
celeritati  studentes,  ere<?lo3  choros  locantes  frontibus  serviunt,  et  in  medio  farciunt 
fractis  separatim  cum  materia  caementis.  Ita  tres  suscitantia  in  ea  strudlura 
crustae :  duae  frontium  et  una  media  farturae.  In  Betreff  der  Fundamentirung 
gibt  fehr  interelTante  und  für  die  Erkenntnis  der  römifchen  Arbeiten  wichtige 
Fingerzeige  Fl.  Vegeiius  Renutus,  Epitoma  rei  militaris  1.  IV,  c.  3  (ed.  C.  Lang, 
Leipzig  1885,  S.  130):  Murus  autem,  ut  numquam  posset  elidi,  hac  ratione 
perficitur.  Intervallo  vicenum  pedum  interposito  duo  intrinsecus  parietes 
fabricantur.  Deinde  terra,  quae  de  fossis  fuerlt  egesta,  inter  illos  mittitur  ve(5li- 
busque  densatur,  quia  ncc  murus  ullis  potest  arietibus  rumpi,  quem  terra  con- 
firmat,  et  quovis  casu  destru6tis,  lapldibus  ea,  quae  inter  parietes  densata  fuerat, 
ad  muri  vicem  ingruentibus  moles  obsistit.  Die  Tyrol  benachbarten  ober- 
hayrifchen  römifchen  castra  bei  v.  Sttchaner,  Ueberficht  über  die  alten  Schanzen 
und  Burgen    in    Oberbayern    im    Oberbayrifchen  Archiv  I,    S.    324.    An    erfter 


Denn  gerade  die  Quadern  (an  den  Ecken)  in  Verbin- 
dung mit  breitem  und  glattem  Randbefchlag  und  mit 
der  mit  dem  Spilzeifen  bearbeiteten  Mittelfläche  bilden 
ein  Charakterifticum  der  Bauten  aus  der  Hohenftaufcn- 
zeit.  Mit  voller  Sicherheit  ift  hier  nicht  von  vornherein 
zu  urtheilcn.  Die  Buckekiuadermauer  in  Aigues-Mortes'"*" 
gleicht  beifpielsvvcifc  in  der  Bearbeitung  der  rechtwink- 
lig fcharf  abgefetzten  Boffen  vollkommen  dem  Mantel 
des  Thurmes  im  Schloß  Beaucaire  (Gard),'*^  trotzdem 
ifl:  die  erftere  mit  Sicherheit  römifche  Arbeit,  der  zweite 
eine  Schöpfung  des  Mittelalters.  Die  eigcnthümliche 
Form  der  Halbkugelboffcn  auf  fall:  quadratifchcr  Grund- 
fläche, wie  fle  fich  am  Stadtthor  von  Montreuil  Bellay 
(Maine-et-Loire)  zeigen'*^  und  die  Form  der  rechtwink- 
ligen Boffen  mit  glatter  Oberfläche  und  fchräg  anftei- 
gendem  Saumfchlag  wie  an  der  Burg  Krumbach  bei 
Conftanz^"  find  in  den  öflerreichifchen  Alpenländern 
nicht  bekannt.  Auch  das  verwendete  Material  ift  nicht 
immer  maßgebend,  wie  der  Stand  der  Streitfrage  am 
Rheine  zeigt.*'  Mit  größter  Vorficht  ift  die  Analyfe  des 
Mörtels  bei  der  Zuweifung  und  Zeitbeftimmung  der 
Befeftigungsbauten  zu  verwenden.*^  Der  römifche 
Mörtel  zeigt  gewöhnlich  reinen  Kalk  und  körnigen,  rein 
gefchlemmten  Sand;  der  Kalk  ward  in  der  Regel  drei 
Jahre  lang  eingefumpft  und  fehr  gut  gelöfcht,*'*^  größere 
Kiefel  finden  fich  in  den  feltenften  Fällen  nur  vor. 
Es  ift  eine  Ausnahme,  wenn  der  Mörtel  wie  in  Baden- 
weiler eine  Beimifchung  von  geftoßenen  Kohlen  zeigt,** 
oder  wenn  er,  wie  im  Thurm  von  St.  Triphon,  mit 
fehr  klein  geftoßenem  Stromgefchiebe  (Äipenkalk) 
verfetzt  ift,*^ 

Die  Unterfuchung  aller  genannten  Indicien  muß 
vereinigt  werden,  um  mit  einiger  Sicherheit  eine  Zu- 
weifung an  die  römifche  Bauperiode  vornehmen  zu 
können.  Das  Opus  pseudisodomum  zeigt  fich  an  dem 
großen  viereckigen  Hauptthurm  auf  Schloß  Tyrol.  Das 
Princip  der  wechfelnden  Stoßfugen  ift  hier  nicht  genau 
durchgeführt,  die  Quadern  find  mit  dem  Hamnier  ge- 
richtet und  in  ein  dünnes  ftark  kalkhaltiges  Mörtellager 
eingebettet,  das  feinerseits  —  es  ift  dies  als  Ausnahme 
zu  betrachten  —  mit  Etfchgefchiebe  verfetzt  ift.  Die 
Höhe  der  VVerkfteine  innerhalb  der  einzelnen  Schich- 

Stelle  flehen  Kleinhelfendorf  (Junisca)  mit  der  Schanze  im  Hausgarten  des 
Hagenbauern  (Bayer.  Annalen  1833,  S.  340),  Adelshaufen  {Rai/er,  Beitr.  für 
Kunft  und  Alterth.  1830,  S.  52),  Hohenwart  (Salzacher  Kreisblatt  iSog,  Nr.  46), 
Euting  (Bayer.  Annalen  1834,  S.  11g),  Weihenftephan  {Hoheneicher,  Ueber 
einige  alterthüml.  Denkmäler  der  Stadt  Freyfingen  und  ihrer  nachftcn  Umgebung, 
im  Oberbayr.  Archiv  I,  S.  143),  Sonnenburg  {Kai/er,  Der  Oberdonaiikreis  unter 
den  Römern  I,  S.  90),  Burg  (Bayr.  Annalen  1833,  S.  368). 

3''  De  Caiiniont,  Sur  quelques  antiquites  du  midi  de  la  France,  im  Bulletin 
monum.  XI,  p.  72. 

^^  Photographie   Mieusement  (Paris)   10507. 

^9  Phutiigraphie  Mieusement    12496. 

*"  Fr.  X.  Kraus.  Kreis  Conftanz  S.  390,  Fig.  100. 
'  *'  V.  Quaß,  Der  Tuff  als  Baumaterial  der  Römer,  in  den  Jahrbüchern 
der  Ver.  von  Alterthsfr.  im  Rheinlande  XXXVI,  S.  169.  gegen  Schneider  e.\i^nA7\. 
XXXIV,  S.  166,  der  behauptet,  der  Tuff  fei  bei  den  Römern  als  Mauerftein  nie 
in  Anwendung  gekommen;!'.  Decken,  ebenda  XXXVIII,  S.  i  und  XI,  S.  348, 
weift  nach,  dafs  die  Römer  vielfach  einen  oolithifchen,  weißen  Jurakalk  verwen- 
deten, fo  in  Nanten,  Coblenz  und  Laach  (Geognoft  Führer  zu  dem  Laacher 
See  und   feiner   Umgebung.  S.  72). 

*-  Vgl.  Zinrek,  Zeitfchrift  für  Bauwefen  XXII,  S.  114 ;  Augsburger 
Tageblatt  185g,  Nr.  174  ;  Schmidt,  Einige  Worte  über  den  Mörtel  der  hiefigen 
römifchen  Bauten,  in  den  Jahresber.  der  Gefellfchaft  für  nützliche  Forfchungen  zu 
Trier  1866;  Chanoine,  Nute  sur  les  materiaux  et  les  mortiers  employes  dans 
les  construClions  romains  de  la  ville  de  Sens  in  den  Mem.  de  la  societe  archeol. 
de  Sens  VI.  p.  i,  16;  Ch.  Texter.  Sur  les  anciennes  carrieres  de  Frejus  et  sur 
les  materiaux  employes  par  les  Romains  1.  d.  Memoires  presentes  ä  Tacademie 
des  inscriptions  1849,  2.  serie;  F.  Giemen  \.  d.  Weftdeutfchen  Zeitfchrift  IX, 
S.   76;  Krieg  v-  Hochfelden,  a.  a.    O..  S,   130;   Jahns,  a.  a.  O.,  S.  274. 

*^  Vgl.  Hafenfratz,  Art  de  calciner  la  pierre  calcaire.  Paris  1825;  De 
la  Faye,  Recherches  sur  la  preparation  que  les  Romains  donnaient  ä  la  chaux. 
Paris  1852;  V.  Scävisberg,  Kunfthiftorifche  Studien  III,  S.  183. 

**  De  Golbiry,  Antiquites  romaines  du  pays  limitrophes  du  departcment 
du  Haut-Rhin,  p.  33. 

*••  Krieg  v.  Hochfelden,  a.  a.  O.,  S.  117;  L.  Levade^  Didlionnaire 
geographii^tie    et  historique  du  Canton  de  Vaud.  Lausanne,  1824,  p.  314. 


22 


tungen  ift  ftets  diefelbe.  Der  obere  Tlieil  des  Thurmes 
ifi:  in  anderer  Technik,  mit  einer  Art  von  Petit  appareil 
\erkleidet,  aber  ohne  Eckquadern,  wie  fie  fich  ganz 
entfprechend  an  den  Burgen  Scharfenberg  und  Landeck 
an  der  rheinifchen  Platz  vorfinden.*"  Die  Quadern  find 
hier  von  geringer  Größe,  faft  quadratifcli,  forgfältig  mit 
dem  Hammer  gerichtet,  glatt  und  fcharfkantig  bearbei- 
tet, nur  an  der  Außenfeite  wie  verwafchen.  Das  ähren- 
förmige  Mauerwerk  der  Brunnenburg  bei  Meran  ift 
dagegen  fchwerlich  römifch,  —  die  Form  ift  die  des 
Opus  spicatum  im  Hauptthurm  von  Hohen-Rhätien,  der 
crft  im  12.  Jahrhundert  errichtet  ward.*'  Durcii  die  ftark 
boffirte  Eckquadernverkleidung  mit  dem  dazwifchen- 
liegenden  opus  incertum  erweist  fich  als  römifchen 
Urfprungs  fowohl  der  untere  Theil  des  Thurmes  zu 
HocJinaturns  wie  die  Thurmwand  auf  der  Hochburg 
Silben  bei  Klaufen.  Den  mittleren  freiftehenden  Rund- 
thurm  an  der  Fröhlicksburg  zu  Mals  halte  ich  für  einen 
römifchen  Wartthurm  trotz  des  Widerfpruches,  der  fich 
aus  dem  Platze  —  mitten  in  der  Thalfohle  —  ergibt. 
Der  Kranz  von  Tragfteinen,  ähnlich  wie  am  Thurm 
St.  Triphon,  ift  erft  fpäter  angebracht  worden.*"* 

Insbefondere  in  und  um  Meran  find  Refte  der 
römifchen  Baudenkmäler  gefucht  worden.  Seit  den 
Unterfuchungen  Vettere  ift  es  feftgeftellt,*^  dafs  die 
Römerflraße  fich  durch  das  Venoftenthal  verzweigte. 
Die  Via  Claudia  Augusta  theilte  fich  bei  Bozen,  der  eine 
Zweig  führte  durch  das  Eifackthal  über  den  Brenner, 
der  andere  über  Terlan,  Vilpian  zur  Sinachbrücke. 
Hier  trat  eine  neue  Gabelung  ein,  der  eine  Zweig  durch- 
fchnitt  Obermais  und  lief  über  Rametz,  Spenna,  durch 
Paffeier  nach  dem  Jaufen  zu,  der  andere  lief  nach  der 
Majavefte  und  den  Zenoberg,  wo  eine  neue  Theilung 
flattfand,  nach  Saltaus  und  Algund  zu.  Das  Castrum. 
Majense  war  der  militärifch  wichtigfte  l'unkt  im  ganzen 
Vcnoftienthal,  wahrfcheinlich  am  Fuße  des  Kuchel- 
berges;  erfl;  Bifchof  Aribo  von  Freifing  gibt  ihm  im 
8.  Jahrhundert  den  Namen  Stadt.  Die  Stadt  ging  mit 
Sicherheit  nicht,  wie  bisher  angenommen,  durch  eiiien 
Bergfturz  aus  dem  Saifthale  unter, '"  fondern  verfchwand 
mit  der  ftrategifchen  Wichtigkeit  des  Punktes  von  felbft. 
Es  ift  ein  häufiges  hiftorifch  -  pfychologifches  Problem, 
dafs  die  römifchen  Gründungen  für  Jahrhunderte 
verfchoUen  find,  und  dann  niu"  in  der  l'orm  eines 
Fleckens  auftauchen.  So  auch  hier.  Im  Jahre  931  wird 
in  einer  Urkunde  Heinrichs  I.  ein  Dorf  Majes  verzeich- 
net, das  1260  als  Mais  wieder  auftaucht,  1270  als  bur- 
gum-opidum,  1320  endlich  als  civitas.  Nach  der  Anficht 
li   Mazegger's\z.'g  das  Castrum  im  jetzigen  Obermais.'' 

***  y.  Nathtr,  Burgen  der  rheinifchen  Pfalz,  Ul.  a  uiul  3. 

"  Kriti;  V,  iloch/elite»,  a.  a.  O..  S.  241. 

**  In  Bc/iiK  .Hilf  die  freie  AiifftelliinK  des  Thurmes  inmitten  der  Befefti- 
12unesnnhi;(en  tiiid  (fpatcren)  Wohnfrebälide  i(l  ztim  Vergleiche  heran/u/iehen 
die  Vcfte  Stcinshcri;  im  Krait-liKaiic,  nach  ?'.  Bayer,  Denkmale  der  Kunfl- 
nefchichtc  <Icr  Ileimallandet,  1851  ;  Motte,  Hadifche  Ur^efchichtc  S.  274,  ein 
rnmifrhes  Werk.  \i.'il>ren<l  H'itlielliti  i.  d.  Jahresherichten  a.  d.  Mitglieder  d. 
Sin^lieiiner  (./efellfcliaft  zur  Erforfchune  d.  valerl.anrlifijicn  Denkmale  d.  Vor/eit 
1848,  S.  45  und  i.  d.  BefchreihunK  und  (Jcfrli.  d.  Burn  Steinsber^  1857,  darin 
ein  Werk  der  <leutfclien  Kaiferzeit  fleht,  Vgl.  Memtithtger,  Wiirtemhergifche  Jahr- 
hiichcr    1838,  S.  78. 

*•.  J.  Vetter  aus  Karlsruhe  untcrfnchte  die  Reflc  des  StraOcnnctzcs 
1870  —  71,  feine  l''orn:hungcn  \«iirdcn  nicht  ptdilicirt,  aber  von  der  Mehrzahl 
der  lyrolcr  l.ocalliifl'irikcr  anf^'enommen.  Vgl.  t'olefliit  Slititi/i/er,  (»efch,  von 
.Meran,  d.  alten  Ilauptftadt  d.  [,:itifles  'l'yrnl.  Innsbruck  1889,  S.  5;;  havi.i 
Schiiitherr,  Ucber  die  Lage  der  Kumerlladt  M.-ija.  I>ie  fV/A-rTchen  Unter- 
fuchungen  über  die   Baulichkeiten  felbll   find   mit  groDer  Vorficht    auf/iu)elnnen. 

*"  IJiefe  Anficht,  zuerfl  von  Tlialfr  ansgcf|irr»chen,  w;ird  von  Jio/chiilatlit, 
S'hratizhojor,  Itctitt  H'cber  und  auch  Slatilf'/rr  (Vorgefchichte  von  Meran, 
l'rogramm  dc<  k,  k.  t^yninafuims  /11  .Meran  1884)  wiederholt.  Dagegen  fchon 
der     f Geologe     l'ttchs.    Aus    der     Umgebung     von  .Meran, 

^'  //.  Maze^ger,  Komerfiinde  in  (Jbermais  bei  Meran  und  die  alten 
Majarefte.  Meran  1887,  S,  17  ff;  da/u  Correfpondenzblatt  d,  Oefanuutvereines 
d,  dcHlfi  hrn  (iefchichts   und   Alterthnmsvcr.  XXXV,  S.  ao. 


Zur  Zeit  ift  nur  £ine  große  Zahl  von  Ausgrabungen  in 
Obermais  zu  conftatiren,  die  aber  möglicherueife 
durch  die  Annahme  eines  Villenkranzes  um  das  romi- 
fche  Castrum  herum  zu  erklären  find.'"'''  Gleichgiltig, 
welcher  Anficht  weitere  Ausgrabungen  den  Vorrang 
ertheilen  werden:  eine  Reihe  von  Reften  find  von  den 
Vertretern  beider  Hypothefen  als  römifch  anerkannt 
worden.  Einmal  der  fchon  genannte  Thurm  auf  Schloß 
Tyrol.  Sodann  eines  der  charakteriftifcheften Denkmale, 
der  Pidverthuriii  am  Kiichelbergc.  Derfelbe  befteht 
aus  zwei  ganz  verfchiedenen  Zeiten  angehörenden 
Theilen:  einem  völlig  erhaltenen  Kern  und  einem  darum- 
gelegten Boffenmantel  des  12.  Jahrhunderts.  Der  Kern 
befteht  bei  einer  Stärke  von  1-43  M.  aus  abwechfelnden 
Schichten  von  liegenden  Findlingsfteinen  und  aus  fol- 
chen  von  ährenformig  gelegten  Flachfteinen,  durch 
ftarke  Mörtellagen  getrennt,  die  Horizontalfchichten 
fehr  forgfältig  durch  Ziegel  ausgeebnet.  Auf  der  Süd- 
feite 4"30  M.  über  dem  Felsboden  findet  fich  nächft 
der  Weftmauer  die  gewölbte  römifche  Thüröffnung, 
im  Lichten  96  Cm.  breit,  180  M.  hoch.''-'  An  dritter 
Stelle  ifl  der  Brückenkopf  in  Steinach  am  linken  Etfch- 
ufer  ficher  als  römifch  anzufehen.  An  der  dem  Fluße 
zugewendeten  Stirnfeite  desfelben  erhebt  fich  über  der 
Grundlage  eine  drei  Schichten  hohe  Aufmauerung  in 
forgfältig  behauenen  großen  Ouaderfteineu  und  rcgel- 
rechterEintheilungderStoßfugen,  jede  Schichte  0-36  bis 
0.5  M.  hoch;  darüber  erhebt  fich  ein  Mauerwerk  aus 
großen  unregelmäßigen  Steinen,  fatt  inMörtel  gemauert, 
während  die  unteren  Quaderfchichten  in  Mörtel  gefetzt 
und  ausgefugt  find.  Mit  einiger  Sicherheit  läßt  fich  noch 
der  Thiirin  von  Gayen  (Gajanum),  wenigftens  der  Kern 
desfelben,  der  Thurm  der  Tfchenglsburg,  und  der  untere 
Theil  des  Hauptthurmes  von  Lobenberg  hier  anreihen. 
Sicher  nicht  römifch  find  aber  eine  Reihe  \'on  Vetter 
und  —  ihm  folgend  —  auch  von  Stampfer  und  neuerdings 
felbflfländig  von  Atz  fo  weit  zurückdatirte  Werke: 
der  \-iereckige  Thurm  in  Schloß  Planta,  der  Thurm  in 
Schloß  Rubeln,  in  Fragsburg  und  Katzenftein,  Dürrn- 
flein,  Vorft,  Auer,  Thurn,  endlich  der  Suppanthurm  in 
Untermais.  Vetter  verfallt  hier  in  den  bereits  gekenn- 
zeichneten Irrthum,  die  Buckelcjuadern  mit  Randbefchlag 
als  Charakterftika  römifcher  Technik  anzufehen.  Auch 
die  Maß\erhaltniffe  diefer  Thürme  find  weit  größer  als 
an  den  beglaubigten  römifchen  Warten.  Eine  Parallele 
findet  der  Pulvertluirm  am  Kuchelberge  in  dem  ge- 
fekeibten  Thurm  bei  Bozen,  der  feit  dem  13.  Jahrhundert 
in  allen  Urkunden  als  Schloß  Triwenftcin,  Trcwcnftcin, 
Trcucnftcin,    wohl    auch    der  Sinbcllluirm    xorkommt. 

Die  Ict/ten  Unterfuchungen  bei  Cöt.  Staiiip/er,  Gcfchichte  der  Stadt- 
mauern von  Meran:  Programm  des  k.  k.  (Jymnafiums  zu  ISIeran  i88g  und 
/i.  Mazt'^^^i-r,  Die  Ciercliiclite  der  Stadtmauern  von  Meran,  von  i'.  Staitifi/er, 
u.  d.  Majafrage,  Innsbruck   1890. 

Noch  im  Aijnl  1892  wurden  im  Sclilonchcn  l'llanzcnflcin  bei  I.azay 
((Jbermais)  roinifche  ruiidainente  entdeckt,   (Neue   Freie  PrelTe,   i.  April  1892.) 

*''"  yohuiin  yortiaii,  Gefchichte  der  Eiitfteliuiig  von  .Subtavioiic.Maja,  Die 
Ausgrabungen  genau  verzeichnet  bei  AIiizri;t;er.  Auch  der  Bericht  über  ilas 
Abetiteuer  des  Knaben  Aribo  fpiicht  nicht  unbedingt  für  die  l'age  in  Ober- 
inais. Ebenfftwenig  das  Ergebnis  der  ctbyniologifcbcn  Nanienserklaruiigen.  Das 
Dorf  Mojes  beißt  1290  Kaiz.  yn/.  v,  Horittayr  leitete  hiervon  ilcn  Namen 
Meran  ab:  Am  Maifer  Mais,  Maja  Rain,  Mairania,  Meran,  Man  fclnieb  allcr- 
tlings  früher:  All  der  Meran,  I.ttiiwig  Stent'  und  y.  Thalrr,  Mara,  Maraiue, 
Mar.'in  a,  Mcran-Murgcgelid.  Ebenfo  G'c/.  Stainp/er,  t-icfch.  v,  Meran,  S.  24, 
von  Mareiii,  Marauii,  Nlcraun,  Maran,  Meran  (nioring  und  romanifch  mara, 
marana-Mur).  -'.  Schihitit-rr,  a,  a,  O.,  S.  13,  fnclit  Meran.  Mairania  mit  Maja 
in  Verbindung  zu  bringen.  Es  ifl  kein  Zweifel,  dafs  Mais  (MaJes)  dem  Worte 
.Maja  fpraclilich  niilier  fleht,  als  Meran  (Mairani.'i).  Dies  beweirt  abel*  nur,  dafs 
das  castrum  vom  Ku(:bcll>ergc  zu  fjrnnitc  girgangen  ift,  und  nur  die  weitere 
Anfiedelung  von  Obcniiais  fteheii  blieb.  Denn  die  ganze  l'mgcgcnd  von  Meran 
hieß  bei  den  Romern  Maja,  aur:h  das  c;iiic  Sliinde  von  Meran  entfernte  Rains 
noch.   Vgl,   auch  Archiv  fiir  licfchichte   und   Altcrtbuinskundc  Tyrcds  I,  S.  309, 

■'''  Oenaiie  Unterfuchungen  von  /'V-.  l'luttt,  Berg-  Burg-  und  'l'halfalirlen , 
Meran   1885,  S,  42.  Vgl.  /;.   Mitzeggcr,  a,  a,  ().,   S.  29, 


—       23 


aus  den  Porphyrhügeln  des  nahen  Taiferbaches  aufge- 
führt, mit  genau  wagerechten  Schichten,  aber  fchwcr- 
lich  römifchen  Urfprungs.''*  Auch  dcrThurm  der  angeb- 
lichen Vefte  Pradei  in  Grieß,  der  gegenwärtige  Glocken- 
thurm  der  Klofterkirche  ift  ein  durchaus  mittelalter- 
liches Werk.  Pradei,  aus  praesidium  Tiberii''  \on  Bcda 
Weber  abgeleitet,  ifl:  als  römifches  Caftel  nicht  nachzu- 
weifen.  Als  Graf  Meinhard  von  Tyrol  ein  Schloß  zur 
Bewachung  des  Weges  nach  Sarnthal  auf  dem  Gebiet 
anlegte,  das  er  von  dem  Klofter  Bernried  eingetaufcht 
Jiatte  ''^  —  erhalten  in  dem  Bauernhaus  Nr.  115  in  Grieß 
—  erbaute  er,  etwas  tiefer  noch,  eine  zweite  Burg, 
eben  Pradei.  Vor  ihm  wird  das  Schloß  in  keiner 
Urkunde  genannt.'" 

Die  wicht igrteii  der  römifchen  Alpenfhraßen  beglei- 
teten von  der  lombardifchen  Tiefebene  nordwärts  eine 
ganze  Reihe  von  Straßen-Caftellen  und  Standlagern."  •' 
Von  Roveredo  ab  führten  die  Verbindungswege  auf 
beiden  Thalfeiten  hin  bis  nach  Bozen,  wo  ein  römifches 
Lager  ftand,  wahrfcheinlich  identifch  mit  Pons  Drnsi. 
An  die  Römerftation  bei  Neumarkt  erinnern  noch 
drei  Burgen,  die  ReRe  römifcher  Niederlaffungen  in 
fich  bergen:  Kaldiff,  Caftelfeder  und  Enn.  Am  Rochet- 
tapaß  ■'"'■  erhebt  fich  auf  einer  fteilen  Felsnadel  der 
Wartthurni  Vifione.  Und  folche  Wartthürme  flanden  in 
beftimmten  Abftänden  auf  allen  Bergerkern,  ähnlich 
wie  am  Rhein  '"'  und  in  der  Oftfchweiz. '" '' 

Eine  ganze  Reihe  von  Burgen  befband  in  der  wech- 
felnden  Periode  zwifchen  dem  Verfchvvinden  der  Römer 
aus  den  rhätifchen  Bergthälern  und  der  Befeftigung  der 
karolingifchen  Herrfchaft  im  Bozener  Keffel;  im  Jahre 
680  wird  Bauzanum  felbft  als  ein  Caftell  genannt.''* 
DasRömercaftell  überTrient,  das  Tredentinum  castrum, 
die  Verrucca  des  Theodorich,  die  Ferrugo  des  Paulus 
Diaconus  befleht  noch  heute  als  Dos  di  Trento.  Felfen- 
nefter,  roccae  et  speluncae  werden  in  den  Alpen  fchon 
767  in  dem  Kriege  König  Pipins  gegen  Herzog  Waifar 
von    Aquitanien  erwähnt.'^   Von   größeren   römifchen 

■'*  Die  Bezeichnung  ,,gefcheibter  Thurm"  von  Ferdinand  Trojer ,  im 
34.  Cap.  feiner  (hantlfchriftlichen)  Eozener  Chronik  von  1648  aufgebracht. 
Der  Thurm  hieli  vorher  turris  Drusi,  Druscmagus.  Eine  genaue  Einzelpubli- 
catiun  iliefes  Denkmals  durch  KJfen'wcin  fteht  bevor. 

■'•■'  Bcda  Weber,  Das  Land  Tyrol  II,  S.  269.  Ebenfo  ~.  J.  Sta/ßer, 
TVol  und  Vorarlberg  II,  S.  898.  Nach  Sinnacker,  Beiträge  III,  4Ö3.  Pradac 
von  pratum  abgeleitet  von  Pradazzo,  Tredazzo,  vgl.  Meichclbck,  Hift.  Frifing. 
S.  2,  262. 

^  Monumenta  Boica  VlII,  p.  324. 

"'  Vgl.  yuß.  Ladurner.  Etwas  über  die  angebliche  Vefte  Pradei  in  Grieß, 
im  .\rchiv  f.   Gefchichte  und  .\lterthuniskunde  Tyrols  V,  S.  309. 

•'■' (C  Atz,  Die  römifchen  StraCen-Caftelle  ui.d  Staiidlager  in  Tyrnl,  in 
den  Mitth.  N.  F.  XIII,  S.  LXI.  Der  A'erfalTer  geht  zu  weit  in  der  Annahme 
römifcher  Rede,  befonders  in  der  Beftimmung  römifcher  Thurmanlagen  in 
und  um  .Meran :  Brunnenburg,  Fragsburg.  Schönna,  Thurn,  Katzenflein:  das 
find  alles  Orte,  wo  römifche  Wartthürme  geftanden  haben  köiuien.  Die  erhal- 
tenen Reftc  find  aber  ficher  nicht  römifch. 

.1?  i,  v^gl.  /)t'  Vigili,  II  passo  della  Rocchetta  nella  Naumia  i.  Archivio 
Trenlino  VI,   1887,  p.  244. 

■'•  c  F.  Kelter.  Die  römifchen  Warten,  speculae,  längs  des  Rheinufers 
vom  Bodenfee  bis  Bafel  i.  .\nz.;  Schweizer  .Mterthumskunde  I,  S.  237,  Taf.  21. 
KelUr    zählt  nicht  weniger  als  26    Wartthürme  auf. 

'''  d  F.  Keticr,  Die  römifchen  .\nfiedelungen  der  Oftfchweiz,  ebenda  XI[, 
Heft  7.  Vgl.  auch  Th.  Moinntsen,  Die  Schweiz  in  römifcher  Zeit,  i.  d.  IMittli. 
d.  antiquarifchen  Gefellfchaft  in  Zürich,  Ed.  IX.  2.  Abfatz,  Heft  i;  i.  A'.  Rahn , 
Gefchichte  der  bildenden  Künfte  in  der  Schweiz,  Zürich  1876,  S.  31,  über  die 
römifchen  Militärpollen.  Ueber  die  tyroler  und  fchweizer  .-Mpeuftraf'en,  vgl. 
Meyer-Ochsner,  Römifche  .\lpenftralJen  in  der  Schweiz,  i.  d.  .Mitth.  d.  antiquar. 
Gef.  in  Zürich  XIII.  Heft  4-  Oehbiiann,  Die  .■Vlpenpäffe  im  Mlttehalter,  im 
Jahrbuch  für  Schweizer  Gefchichte  IV,  T.  365.  Ueber  die  fpäteren  Straücii- 
züge  auch  y.  U.  v.  Salis-Secwis,  Gefammclte  Schriften,  herausgegeben  von 
C.  -j.  Mohr,  Chur  1858.  S.  259;  W.  Kießelbach,  Der  Gang  des  Welthandels 
inid  die  Entwickelung  des  europäifchen  Volkerlebens  im  Mittelalter,  Stuttgart 
18ÖO,  S.  229;   R.   Vischcr,  Studien  zur  Kunftgefchichte,  S.  421. 

•'^  Paul  Diaconus,  Hiftor.  Langobard.  V,  c  36:  Alahis  cum  comite  Bojo- 
ariorum,  qui  Bauzanum  et  reliqua  castella  regebat.  cvnflixit  Vgl.  Jof.  v.  Hör- 
mayr,  Gefammelte  Werke  I,  S.  251.  .\uf  einem  Hügel  zwifchen  Bozen  und, 
Trient,  bei  Neumarkt  e*i  Caaellum  foederis  (Caftellfeder)  genannt  :  //.  Seet, 
Gefchichte  der  gefürft.  Graffchaft  Tyrnl.  .München  1816  I,  S.  23".  Vgl.  B.  Mal/atti, 
l  castelli  trentini  distrutti  dai  Franchi.  illustr,  a  due  capitoli  di  Faolo  Diacono, 
i.   d.  .\rchivio  storico  per  Trieste,   ITstria  e  Trentino  II,  p.  289. 

•*■'  Annal.  Lauresham,  a.  a.,  767,  M,   yähns,  a    a    O.,  S.  627. 


Anlagen  in  den  Alpen  ifl:  zum  Vergleich  nur  der  Hof 
zu  Chur  heranzuziehen,  der  von  dem  untergegangenen 
Castrum  Mayense  efn  eingermaßen  zutreffendes  Bild 
geben  kann.  Die  Anlage  hat  eine  dreieckige  Grundform 
mit  je  einem  Harken  Vertheidigungsthurm  an  jeder 
Ecke,  die  Thiirme  unter  fich  wieder  durch  ftarke  Mauern 
verbunden.  Der  Hauptthurm  Marfonil  zeigt  große  recht- 
eckige Werkftücke  von  ungleicher  Länge,  mit  plattem 
Randbefchlag,  genau  gearbeiteten  Fugen  und  flarkeii 
Buckeln  —  das  einzige  Beifpiel  eines  durchgeführten 
römifchen  Boffenquadern-Baues  in  den  Alpen.''"  Auf 
römifchem  Grunde  war  auch  die  Burg  Linz  errichtet.'"' 
Die  Kyburg  im  Canton  Zürich  war  gegen  feindliche 
Einbrüche  von  der  rliätifchtn  Straße  her,  durch  ilie 
Thäler  der  Töß  und  der  Kompt,  errichtet.  Sie  gibt  ein 
Bild  einer  kleineren  römifchen  Burganlage  mit  freifle- 
hendem quadratifchen  Thurm  inmitten  des  J^urghofes,'"'' 
die  direft  zu  der  einfachften  Form,  den  Monopyrgien 
hinüberleitet."-'  Diefer  Gattung  gehört  die  kleine  15urg 
Kemenathen  bei  Kaufbeuren  am  linken  Ufer  der  Wer- 
tach an."*  Ferner  Liebenzeil,  Rothwafferflelz. 

Die  beiden  Hauptftraßenzüge  über  die  Oftalpen 
in  der  Richtung  von  Nord  nach  Süd  blieben  auch 
während  der  Zeit  der  Karolinger  und  der  fächfifchen 
Kaifer  beftehen.  Die  Burggründungen  an  der  Trienter 
und  Churer  Straße  tragen  noch  heute  mitten  im 
romanifchen  und  italiänifchen  Sprachgebiete  deutfchc 
Namen;  deutliche  Beweife  für  den  Urfprung  der  Dy- 
naften.''-'  Graubündten  übertrifft  noch  den  Bozener 
Keffel  an  Zahl  der  feflen  Anfitze,  auf  113  □  Meilen 
kommen  hier  136  Burgen.  —  Darüber  fleht  nur  Rhein- 
bayern mit  133  Burgruinen  auf  1 07 □  Meilen.  Aber 
dafür  find  in  Graubündten  die  Straßen  noch  näher 
zufammengerückt  als  dort.  '"^  Von  der  Höhe  des 
Splügenpaffes  durch  das  Ober-Rheinwald-  und  das 
Schamfer-Thal  abwärts  entflanden  unter  den  fächfifchen 
Kaifern  während  der  Römerzüge  nicht  weniger  als  acht 
Burgen  :  Zur  Burg,  Rinkenftein,  Bärenburg,  Vergenilein, 
Oberftein,  Hochfelsftein,  Obertagftein,  Hohen-Rhätien. 
Und  an  der  Trientiner  Straße  zeigt  die  tyroler  Karte 
des  Bauern  Peter  Anich  die  Burgen  Sergau,  Pari, 
Fornafch,  Grüll,  Bergen,  Selos,  Marter,  Telfs,  Hohen- 
telfs,  Striegen,  Gügen  und  viele  andere."' 

'■"  Krieg  V.  Ilochfeldcn,  a.  a.  O.,  S.  76;  v.  Saloisbcrs;,  KunfUiiflorifcbc 
Studien  III.  S.  179. 

♦•' J?  N,  Cori,  Bau  und  Einrichtung  der  deutfchen  Burgen  in  Oher- 
Ocfterreich,  S.  g. 

"■-  Krieg  v.  llcch/eldcn,  a.  a.  O.,  S.  98.  Die  Ruinen  wurden  indcffcn 
am  Anfang  des  11.  Jahrhunderts  von  neuem  ausgebaut  {Gie/eörecht,  Gcfch. 
der  deutfchen  Kaiferzeit  II,  S.  25t),  der  heute  in  der  Mitte  (Ichende  Thurm  ia 
nicht  römifch.  .Mitth.  der  anliquar  Gefellfchaft  zu  Zürich  XI,  S.  5,  199.  Zürich 
(Turcgum)  und  .Arbon  (.\rbona)  am  Bodenfee.  610,  i.  d.  Vita  S.  Galli  et 
Colurabani,  als  Befeftigungen  genannt:  SU   G.  SS,  H,  S.  6. 

■''  Vgl.  ausführlich  über  fie  M,  yähns,  a.  a.  O.,  S.  293.  Procopius, 
7.Z-X  ZTUfj-äTUiv  1.  IV,  c.  5  .  Tör  TjitXöi  TÖjv  £f,v|j:ä-:u)v  ayfi'.;  anexrzplTO  Et;  -yf.-y'^v 
£vct.  |j-ovo  -'jf^Ytä  TS  Exai.s'.T'),  äviff.tu-oi  TS  öXiyM  xo{j.tO:S  r'  a'JToU   top'J"'T'>. 

«*  Jahresbericht  d.  hiftor.  Ver.  f.  d.  K.  Bayerifc-hen  Oberdon.aukreis  III. 
Dazu  Prunn,  Pechthal,  Hirfchberg,  NalTenfels.  Vgl.  Seb.  Miitzel,  Die  römifchen 
Wartthürme,  in  den  .\bhandl.  der  konigl.  bayr.  Akad.  d.   WTITenfch.  VI,  II,  S.  397. 

"■'  Krieg  -:  Horh/elden,  a.  a.  O.,  S.  228. 

''"'  G.  IV.  Räder,  und  P.  C.  v.  Tscharner,  Der  Canton  (iraubünden. 
hillorifch,  geographifch,  ftatiftifch  gefchildeit.  St.  Gallen  1838.  Aul  feijicn 
Zügen  durch  das  Bündner  Oberland  foll  Pipin  die  Burgen  Hohentrins  und 
Marfchlins  erbaut  haben.  Sicherlich  gehören  den  ältcftcn  Reften  an:  der  Eck- 
thurm  auf  Schloß  Marfchlins,  die  Burgmauer  von  Hohentrins,  der  Thaifchluß 
Porta  im  Bergall  ,  die  SchlölTer  Rhealta  und  Rhäzüns.  .\bbildungen  der 
Eündner  Burgen  bei  E.  Pingret,  et  C  te  de  Sennones,  Promenades  aux  p;»ys 
des  Grisons,  choi.x-  de  vues  les  plus  remarqiiables  de  ce  canton.  Paris  182S. 
Vgl.  P.  C.  V.  Tscharner,  Wanderungen  durch  die  rhätifchen  .\lpen.  Zürich 
1829:  y.  H.  Kelter.  Die  Bcrpftraßen  nach  dem  Canton  Graubünden.  Mit  Ein- 
leitung von  y.  G.  Edel.  Zürich  1820.  Vgl.  für  die  römifche  Zeit  McyerOchsner, 
Gefch.  der  u.  und  21.  Legion,  in  den  Mitth.  der  antiquar.  Gefellfchaft  zu 
Zürich,  Bd.  7,  Heft  6.  Vgk  auch  y.  R.  Rahn,  Gefchichte  der  bildenden  Künftc 
in  der  Schweiz.  Zürich   187Ö,  S.   32. 

'''  Satoisberg,  Kunfthiftorlfche  Studien  III.  S.  203.  Ueber  die  Straße,  die 
aus  dem  Veltlin    von  Hohen  Rhälien  aus,    über  Glurns,  Meran,    längs  der  Etfch 


—      24     — 


Das  hervorragendfle  Denkmal  der  fächfifchen 
Kaiferzeit  in  den  Alpen  ift  der  Ausbau  der  Burg  Hohen- 
Rhätien,  an  der  Straße  von  Chur  zvvifchen  ihren  Ver- 
ältungen  nach  dem  Julier  und  Septimer  zu  gelegen,  mit 
drei  quadratifchen  Thürmen  an  jedem  Eckpunkte  des 
Dreiecks.  Hier  haben  wir  in  derThat  ein  direftes  Ver- 
bindungsglied, eine  unmittelbare  Fortführung  und 
Weiterbilbung  der  römifchen  Anlage  vor  uns,  denn  die 
Anordnung  der  Burg  Hohen-Rhätien  zeigt  die  getreue 
Nachahmung  des  Hofes  zu  Chur.*^'^  Hohen-Rhätien 
nimmt  damit  diefelbe  Stellung  ein  wie  die  Salzburg  im 
Saalgau  in  der  Gefchichte  des  mitteldeutfchen  Befefli- 
gungsbaues.*^^  Neben  Hohen-Rhätien  fteht  die  fchon  913 
genannte  Burg  Caftellacium  (  CafleliatfcU),  deren  Trüm- 
mer noch  bei  Soglio  vorhanden  hnd '^^'^  y\ls  die  nächll:- 
älteften  Befeiliigungsanlagen  ftehen  daneben  derThurm 
zu  Frauenfeld  im  Canton  Thurgau"'^  —  zugleich  ein 
Typus  des  Findlingsbaues  in  der  Oflfchweiz  —  und  die 
Habsburg,  T020  durch  Bifchof  Wernher  von  Straßburg 
gegründet,'*  die  zugleich  zum  erftenmal  den  Haupt- 
thurm  als  Wohnraum  mit  den  übrigen  burglichen  An- 
lagen in  Verbindung  fteht. 


Kitj.  2,  (Freundsburg.') 

Alle  die  Üttonifchen  Gränzwarten  waren  wahr- 
fcheinlich  zum  großen  Theil  Holzburgen  oder  beftan- 
den  im  beflen  Falle  aus  einem  fteinernen  Thurm  mit 
hölzernen  Wohnbauten. ''"^  Noch  1002  enthält  die  Pfalz 
zu    Pölde  zu  ebener  Erde   nur  ein  hölzernes  Gemach, 

niicli  B(i/c(i  führte,  v(;I.  J.  v.  Hormayr,  Hiftor.  Briicliftiirkc  über  das  tyrolcr 
Straßciiwcfen,  im  hiftor.  ft:itift.  Archiv  für  Süddcutfchland.  Fr.inkfurt  rSn?,  S.  255 
lieber  die  Bc/cichnungcn  der  Pcutingc-r'fvhcn  Karte  f.  Konrad  Miller,  Die 
Weltkarte  des  Caftorius,  genannt  die  Pcutingcr'fchc  'I'afel.  Ravcn&burE  1887. 
An  der  von  Tyrol,  aus  dem  Ober-Innlhal  nach  Bayern  nurdlich  führenden 
StraCe  befinden  fich  als  rumifche  Warten  noch  heute  erhalten,  bei  Oblftadt 
((jarmifch),  die  Reftc  der  Veftc  Sivynburg  (Schaumburg),  {Mcichelbcck.  Chron. 
Benedif^obur.  p.  81,  hiM.  frising  I,  p.  313),  Parthenkirchen  (Bayer.  Annalcn 
1883.  S.  104O) ,  Hohcnfchwanga»  mit  der  romifchcti  Warte  auf  dem  liöchfteri 
Punkte  des  Berges  ("Bayer.  Annalen   1835,  S.  381). 

•^^  AV/>^  V.  noih/eldeit.  a.  a.  O.,  S.  237;  jiihns,  a.  a.  O.,  S.  618.  Abb. 
yohniin  lUiler  7'.  Wehieck,  Kactia,  d.  i.  ausfiilirlicbc  und  wahrliaflTtc  Befchrci- 
biiMg  rler  <lrcyen  InljJirhcn  (braven  Büridtcn  und  anderer  tatifcben  Vulker, 
Wien   i^ir'i,  auf  dem    Titelbild. 

*•  Voit  V.  Salzl>urff,  Die  uralte  Kaiferburg  Satzburg.  Bayreut  1833; 
Krie/;  V.  Uoch/eltien,  Die  Salzburg  in  Franken,  Eine  Kcftung  der  Karolinger 
im  An/cigcr  für  Kunde  der  dculfchcn  Vorzeit  V,   1836,  S.  89. 

**  ii  Im  Bcfit/  der  Brüder  Rudolf  und  Andreas  von  Salis  genannt: 
Tli.  V.  Mohr,  Cod.  dipl.  ad  hiNt.  Raeticam,  Chur  1848,  I,  S.  58,  Nr.  39.  Ucbcr 
die   Rcftc  vgl.  Rotier  und  v.'jycharner,   \icT  Canton  (traubündten  I,  S.  117, 

''**  Piipiko/er,  (Jcfchichte  der  Stadt  Fraucnfeld,  Fraucnfeld  1871;  y'dhtn, 
a.  a,  O-,  S.  617. 

"  Malisbtirgifche  Denkmäler  in  der  Schweiz  i.  Heft.  Die  Vcfte  Habs 
bürg  von  G.  //.  Kritf^  v,  Hoch/eltiftt ;  dcrfelbe,  (icfchichte  der  Militär  Architektur 
S.  275  —  388.  Ueher  <l.  Abbildungen  vgl.  .7.  Lu/chtn  v.  Ebenf^reuth,  Die 
alicftcn  Anflehten  <lcr  Mabsburg.  in  den  Mitth.  der  Ccntr.-Comm.  N.  F.  VI,  T.  61, 
bef.  im  Cod.  914  de»  ftcicrmärk.  f.andcsarchivcK  zu  Grat7  ff.  die  Initiale  am 
Anfang  de«  Artikels).  Dicfc  ziemlich  nahe  iibcrcinftimmend  mit  der  Abbildung 
bei  Meriait,  Topographia  Hclveliac  p.  97,  Ein  ausge/eichncl  klares  Modell  von 
Max  GintzingfT,  bcfuulct  fich  tn  der  mittelalterlichen  Satnmlung  zu  Bafel. 
Vgl.  noch  r|.  Abbildungen  in  der  Illuftrirten  (Leipziger)  Zeitung  1863,  Nr.  1024, 
ferner  im  Miinchcncr    Sonntagitblatt    1863,   N.   11;  in  der  Biene    1863,   Nr,  23. 

'-  Otte,  (iefcb.  d.  runian.  B.iukunfl  in  Dculfchland  S.  134;  Gh/ebrecht, 
ficfchidiie  der  deuifchcn  Kaiferzeit  I,  S.  255,  300,  616;  Cori,  a,    a.    O.,    S.    15. 


eine  Caminata'lignea,  dicht  daneben  ein  größeres  Ge- 
bäude mit  einem  Solarium.  So  heißt  aber  der  Oberftock 
in  dem  Thurm,  der,  wie  die  Vita  des  heil.  Benedifl  von 
Aniane  lehrt,  noch  meifl  von  Holz  war."'*  In  dem 
Lorfcher  Urkundenbuch  findet  fich  daneben  manfus  in 
uominicatus  cum  folario  lapides  et  cafa  lignea.**  Noch 
in  dem  Neuen  Rath  (Nova  rada),  einem  didaffcifchen  für 
König  Wenzel  verfafsten  Gedichte,  gibt  der  Biber  dem 
jungen  König  Löwe  folgenden  Rath: 

Folge,  König,  meinem  Rath, 

Baue  dir  ftarke  Burgen, 

Ganz  von  Holz  und  ohne  Stein.*'' 

Die  Burg  Kiens  füdwefllich  Bruneck,  die  der  Edle 
Erchinger  um  1050  befitzt,  wird  als  caftrum  lapideis 
ligneifque  edificiis  conflructum  bezeichnet.'*^  Noch  die 
Burg,  die  Herzog  Albrecht  von  Oefterreich  zum 
Schutze  feiner  Gränze  gegen  den  Erzbifchof  von  Salz- 
burg am  Gefchaid  im  Enzthal  erbaute,  beftand  durch- 
weg aus  Holz."  Wiederholt  werden  in  den  tyroler 
Urkunden  die  Thürme  allein  oder  getrennt  von  dem 
Wohngebäude  aufgeführt  ~^  (Fig.  2,  Grundrifs  der 
Freundsburg).  Eine  folche  casa  lignea  cum  solario 
lapideo  befteht  noch  heute  in  Burg  Freundsberg  am 
Ober-Innthale,  die  wahrfcheinlich  im  11.  Jahrhundert 
entftand.'^  Ein  einfacher  Bohlenbau  fchheßt  fich  an  den 
riefigen  Quaderthurm  an,  dicht  neben  dem  Holzbau 
ift  eine  neuere,  erft  1477  durch  Bifchof  Georg  von 
Brixen  geweihte  ^^  Capelle  getreten.  Der  Thurm  ifl^^  bei 
feinem  bedeutenden  Durchmeffer  nicht  nur  Warte, 
fondern  zugleich  Wohnthurm,  das  obere  dire6l  unter 
dem  Dach  gelegene  Stockwerk  enthält  vier  im  15.  Jahr- 
hundert mit  Holztäfelung  verfehene  Zimmer,  ein  grö- 
ßeres Gemach  mit  weit  hervortretendem  dreifenfbrigen 
Erker,  daneben  ein  zweifenrtriges  Zimmer,  hinter  dem 
Hauptgemach  einen  länglichen,  ehemals  gewölbten 
Raum  mit  Windenaufzug.  Der  vierte  noch  übrig  blei- 
bende kleineRaum  dient  als  Treppenaufgang,  tlancben 


"'  Miracula  .9.  Benedicti  a  Rudol/o  Tartario  dcscriple  c  i6:  MaOillon, 
Acta  SS.  V,  p.  410:  Erat  autcm  ipsa  domus  lignea  turris,  quippe  virotcns  erat 
ex  nobilioribus  indigcnis  .  .  .  turris  ergo  illa  in  supcrioribus  suis  solarinm 
hahcbat  ....  porro  in  cius  inferioribus  habcbatur  cellarium,  divcrsi  gencris 
rctincns  apothccas  ad  recipienda  et  con servanda  hvimani  vioUis  iiccessaria 
itioncas.  Solarii  vcro  pavimeiitiini,  ul  moris  erat,  compaCtuin  erat  dolalilibus 
trabcculis. 

■*  836,  Nr.  2337. 

'■'  Vybor  V  litcratury  ccskü  I,  S.  89C),  V.  i  —  4.  V{;1,  yii/ius  Frci/alik^ 
Mulzbauieii  in  Böhmen,  i.   d.   Mitth.   d.  Centr.-Comm.  IV,  S.  281. 

'•^  Atita  Tirolcn  sia  I,  p.  40;  Shmacher,  Beitrage  II,  S.  598. 

"'   Ottocar  V.  //ortieck,  c.   296  —  301. 

'■*  1265.  (Jotifchalk  V.  Ijagno  verkauft  an  (»raf  Meinhard  v,  Cuir/  in 
'l'yrol  Scbloßthurm  luul  Bchaufung  in  Caftclfondo.  1280.  Kricdrich  v.  (Ircifen- 
ftciri  verkauft  dem  tlraf  Meinhard  v.  Tyrol  den  Thurm  zu  Bozen.  128a.  Mrin- 
liard  v.  'l'yrol  belehnt  den  Conrad  Miilfcr  mit  'riuirin  und  Uof  /u  Plagicid. 
1294.  Herzog  Meinhard  v.  Kärnten  kauft  \on  \*olk.ir  v.  Schnals  den  'l'hurm  zn 
Colfaun.  1390.  Bifchof  Martmann  v.  Cluir  verleibt  an  J.u-ob  IMante  den  runden 
'l'hurm  7.U  Vefpian.  Aiinal.  Curkns  Ms.  B.  y(>,  Ocflerreicli.  Archiv  XV.  S.  354. 
Kinc  uaii/e  Reihe  vim  Angaben  i.  d.  Archivberichtcn  ans  'ryrol.  Ik-fiinders  haiilig 
find  dicfe  .Vnlagcn  in  den  im  nidlichcn  unter  italiciiifcbem  J'anflnrTc  (\chcnilcn 
l.atuiestheilc  beftchcndcn  /latitcn.  Denn  in  Italien  hatten  Hiefc  'rhurmbauten  ihre 
licdcutunghvollile  AiisgcAaliung  gefunden :  Kloren/  zahlt  im  14.  Jahrhundert  ihrer 
150:  /*.  Santlni,  Sociciä  delle  torri  in  Kiren/e,  im  Archivio  storico  Italiano  XX, 1887, 
p.  35,  178.  Vgl.  aucli  Rohault  de  Fleury,  La  'l'oscane  au  nioyen  ägc.  Lcttrcs 
sur  rarclutecturc  civile  et  miliiaire  cn  1400,  Paris  1874.  In  der  Schweiz  find 
noch  im  14.  Jahrlumdcrt  die  ftcincrnen  Haufcr  fo  feiten,  dafs  ihrer  in  Bafel 
ausdrücklich  gcrlacht  «ird.  In  Bern  eruahnt  noch  Jufl'nger's  C'hronik  aulier 
den  Kirchen,  dem  Uathliaufe  und  den  lülcllitzen  nur  hol/crne  Haufcr.  Vgl. 
A'.  lioivald,  Oas  alte  Bern.  Bern  1872,  S.  12.  In  SchalThaiifen  linden  fich  1250 
außer  den  adeligen  Thurmlilzcn  nur  11  (leineinc  Haiifer  neben  3(12  hidzcrnen. 
Vgl.  Rahn,  (Icfchichte   der  l)il(lenden   Kiinfte  in  <ler  Schweiz,  S.  433. 

""  Bis  1319  war  ilie  Burg  freies  Kigenthum,  in  dicfern  Jahre  trug  Bcrch- 
told  V.  Krcundsberg  dicfelhc  dem  Konige  Heinrich  von  Bnbnien  und  (trafen 
von  'l'yrol  zu  I.ehen  auf.  Von  Kaifer  Maximilian  151:;  an  Hillebrand  v.  Spaur 
verliehen.  1788  endlich  v  d.  Siaatsvcrw.dlung  cingeliin;.  Der  Tburni  wird  nacli 
Verordnung  Kaifer  l''ranz  I.  auf  K ollen  des  Staatsfchatzcs  erhallen.  Kogl , 
l'"iinf  genealngifche  'rafeln  tyroler  Adelsgefcblecbler,  im  Archiv  f.  Kunde  uflerr. 
Gcfchichtf(|uellen  V.  S.  383.  Die  Genealogie  auch  bei  Gaby.  Biicelinus,  Raetia 
Sacra  et   profana  II,  fol.  87;  HI,  fol.    123,  368. 

""  Infchrift  am  Chor. 


-      25      — 


befindet  ficli  der  Abort.**'  Getrennt  find  Tluirm  und 
Holzliaus  im  Schlöffe  Klaiii,  dem  ehemaligen  Sitze  des 
Oswald  Milfer.  Hier  Hegt  der  Thurm  frei  auf  der  Höhe, 
oben  mit  einem  Zinnenkranze  verfehen,  auf  der  nach 
dem  Thale  vorgefchobenen  Felfenfpitze  ruht  das  Bau- 
ernhaus. 

Auch  der  Name  Burg  deutet  durchaus  zunächll 
auf  eine  äußerft  kleine  Anlage.  Das  Wort  ift  ein  indo- 
germanifches  Urwort  (Sanskrit :  puri).**^  Das  griechifche 
niip-jrjg  bringt  fchon  1556  Havrianus  Junius  mit  Burg  in 
Verbindung.*''  Vegetius  gebraucht  das  Wort  im  Sinne 
von  caftelium  parvulum.**  Das  deutfche  Wort  wird  von 
perkan,  bergen  abgeleitet,  wie  denn  noch  fpät  Burg 
neben  Berg  gebraucht  wird.*''  Auch  das  Keltifche  hat 
die  ftamniverwandle  Bezeichnung  beor  (bur)  für  Ver- 
fchanzung  und  Befeftigung.  Das  lateinifche  Wort  arx 
bezeichnet  an  fich  nur  einen  durch  Natur  oder  Kunfl 
befeftigten  hohen  Punkt. 

Hier  fetzen  nun  aucli  die  erften  tyroler  Anlagen  ein. 
In  der  vorderften  Linie,  gleichfalls  als  Verbindungsglied 
zu  der  romifchen  Bauperiode  hin,  deren  Schöpfungen 
theils  in  den  mittelalterlichen  Gebaudecomplex  einge- 
woben, tiieils  als  Fundamente  für  die  Neubauten  dienten, 
fteht  Burg  Sähen  über  Klaufen,  das  alte  Sabiona,  Sub- 
savione,  Sublavione,  Sabienna.*"  Die  Römer  erbauten 
hier  auf  dem  Felfenkopfe  ein  feftes  Caftell  zum  Schutze 
ihrer  Manfio  Sublavione,  die  in  der  Gegend  des  heutigen 
Kollmann  zu  fachen  ift.*"  Das  Caftell  ward  dann  zur 
Bifchofsburg,  bis  992  der  Bifchoffitz  von  Säben  durch 
Albin   nach  Brixen  verlegt  ward.**  Die  römifche  Mauer 


an  der  jetzigen  Kirche,  auf  dem  höchften,  109  Klafter 
hoch  aufzeigenden  Punkte  des  Felserkcrs,  ift  fchon 
oben  erwähnt.  Im  J.  1296  erhielt  die  Burg  durch 
]5ifchof  Landulf  neue  Werke,  1323  durch  Albert  von 
Enna  neue  Umfaffungsmaucrn.  Die  jetzige  Befeftigung, 
in  halber  Höhe  des  Plateaus,  erhielt  erll;  im  15.  Jalir- 
hundert  ihre  Krönung  durch  eingekerbte  Zinnen  und 
nach  innen  breit  auslaufende  Scharten.  Ein  Bild  von 
dem  Zuftande  und  der  Ausdehnung  der  Befeftigung 
vor  dem  Brande,  der  1535  das  Schloß  verheerte,  gibt 
ein  altes  Tafelgemälde  in  der  unteren  Kirche  von  Saben 
und  der  Stich  von  Merian.  Das  erflere  zeigt  die  drei 
großen  Hauptthürme  noch  bis  zur  vollen  Höhe  erhalten 
und  über  dem  Thore  einen  mit  derRingmauer  verbunde- 
nen Thorthurm.*^  Auf  dem  niedrigeren  Vorfprung  des 
Säbcner  Berges,  unmittelbar  über  Klaufen,  bauten  die 
Bifchöfe  felbft  eine  neue  Burg,  Branzoll  gcndiUnt,  deren 
Befefligungen  gleichfalls  in  dem  fchon  genannten  Bilde 
erhalten  find.  Ein  flarker  Bergfrit,  an  den  fich  eine 
compafte  vielgliedrige  Gebäudemaße  direfl,  wie  in 
der  Habsburg,  anfchloß,  bildete  den  Mittelpunkt.  Den 
Tliurm  umgab  eine  niedrigere  Ringmauer,  der  ganze 
Höhenrücken  ward  mit  Mauern  umzogen  und  die 
Burg  felbft  mit  der   tiefer    liegenden  Stadt  verbunden. 


ÜiM^ 


*'  In  der  Erkcniifche  Wappenmalercieu,  darüber  die  Iiifcluift:  Anno 
1652  ift  die  Herrfchaft  Freundsberg  pfandtweis  an  Herrn  Chriftoph  Braun  von 
Braunfögg  felliger    khoniben.  ^ 

*■-  Das  indifche  pur  in  Mirpur,  Dfchaunpur,  Schuspur  cntfpricht  unfcrcni 
Burg.  "Jahns,  a.  a.  O.,  S.  610.  Etymologifche  Untcrfuchungen  bei  J.  B.  NorJ- 
hoff,  der  Holz-  und  Steinbau  Wcftfalens,  Münfter  1873,  S.  308;  L.  Hölzertiuinn, 
Localunterfuchungen,  die  Kriege  der  Römer  und  Franken,  fowie  die  Bcfcfti- 
i;ungsniauern  der  Germanen,  Sachsen  und  das  fpätcre  Mittelalter  betreffend, 
Münfter   1878,  S.   43. 

'■*  Hadrianiis  Jnmus,  Animadversiones  V,  c.  6. 

•*  Vegetius  Epitoma  rcj  niilitaris  1.  IV,  c.  10:  castcluni  parvulum,  quem 
bvirgum  vocant,  inier  civitatem  et  fonteni  convcnit  fabricari.  Derfelbe  Sprach- 
gebrauch in  den  Erlaffen  des  Honorius  und  Arcadius  Viix  die  Grenzcaftelle  des 
romifchen  Reiches. 

*^  Naeher,  Die  Jeutfehe  Burg  in  Süddeutfcliland,  S.  11.  Ganz  ausnahms- 
weife  der  Sprachgebrauch  bei  Luitprand  MG.  SS.  V,  p.  313  :  doniorum  congre- 
gationem,  quae  muro  non  clauditur,  burgum  vocant.  Dazu  Muraiori,  Antiqui- 
laies  Italicae  mcdÜ  aevi.  Dissert.  de  niilitia  saeculorum  rudium.  I,  IJ,  p.  464: 
Paucac  ante  lila  tempora  nunier;tbantur  Urbes  et  Caslclla,  quibus  firmissima 
forcnt  moenian  et  propugnacula.  NuUam  externi  hostis  incursionem  sensit 
haec  Italiae  portio  a  compluribus  annis.  Qiiarc  patebant  omnia  et  Casiella 
potissimum  ac  Vici  latissime  expositi  erant  barbarorum  impressionibus  Nam 
(jui  Burgi  appellabantur,  Isidoro  teste,  fuerunt  domorum  congregationes,  quae 
niuro  non  claudebantur.  Romanorum  quidem  et  Gothorum  sub  dominatione 
niunitlssimis  Castellis  Italia  abundavit. 

**  JoJ\  V.  Hormayr,  SämmtUche    Werke  I,  S.    266. 

^'  In  der  Burg  Säben  ift  der  Hauptteinpel  und  das  Cüllcgium  der  Ifis- 
pricftcr  gefehen  worden.  Die  Infchrift  eines  Feftinus  ans  Serariuni  (Klaufen) 
bei  Aventin,  Aiuiales  Boior  I,  p.  45,  \'gl.  ausfuhrlich  Vincenz  r'.  Pailhau/cfs^ 
Befchreibung  dei  Rümerftraße  von  Verona  nach  Augsburg,  Brandis.  lyroler 
Ehrenkränzl  S.  131,  209  erwähnt  die  alte  Sage  von  der  Gründung  der  Burg 
durch  Herzog  Aroftages  von  Bayern.  Vgl,  auch  Franz  Bock,  Klaufen  feine 
Kunftfchatze  und  Monumente,  in  den  Miitheilungen  der  Centr.-Coinni.  N.  F. 
iV,   S.  15. 

*^  /■';■.  A  Sintiacher,  Beitr.  zur  Gefchichte  d.  bifchbfl.  Kirche  Saben 
und  Brixen  in  Tyrol,  Brixen  i8zi,  I,  S.  71.  Vor  ggo  fchon  als  urbs  genannt: 
O.  Redlich,  Die  Traditionsbücher  des  Hochftifts  Brixen,  A(fla  Tyrolensia  I, 
Nr.  8.  Vgl.  J.  Re/ch^  Annales  11,  p.  655  u.  passim.  Die  ecclesia  S.  Cassianie 
zu  Sabeni  i.  J.  1270  erwähnt  (Adla  Tyrolens  I,  Nr.  592).  Die  mittelalterliche 
Burg  Sabione  fchon  angeführt  in  zwei  Urkunden  1040  und  1057  bei  Th.  v.  Mohr, 
Cod  diqlom.  ad  bist.  Raet.  1,  p.   123,   132. 

Vgl.  y.  V.  Hormayr,  Kritifch  diplomatifche  Beiträge  zur  Gefchichte 
Tyrols  i.  Ma.  II,  S.  46;  Ro/chviann,  Gefch.  von  Tyrol  H.  S.  z8o.  Die  Herren 
von  Saben  ftarben  1465  mit  Oswald  von  Säben  aus,  worauf  das  Schloß  an  die 
Bifchöfe  zurückfiel.  Im  Jahre  1681  wurde  auf  der  Berghohe  an  Stelle  des  durch 
tlen  Brand  von  1535  zerftörten  SchlofTes  durch  Mathias  Jänner  ein  Benedic 
tinerinnenklofter  erbaut,  das  iö86  vom  Weihbifchof  Willielm  von  Vintler  feier- 
lichft  eingeweiht  ward.  Im  Jahre  1797  durch  die  Franzofen  geplündert.  Vgl. 
ausführlich  Gotthard  Ableidinger,  im  tyroler  Volksblatt  1879;  Schloß  Klaufen 
in  Tyrol  im  Hausfreund  1868,  Nr.  20,  S.  318;  Seb,  Brituner,  Ein  Benedictiner- 
huch.  Würzburg  1880.  S.  454;  Bern.  Gritner,  Das  Benediclinerinnenkl öfter 
zum  heil.  Kreuz  auf  Saben  in  Tyrol,  i.  d.  Studien  und  Mitlli.  v.  d.  Benetic- 
tiner-  und  Ciftcrcienferorden  XI,  S.  97;  O.  Redlich,  Ein  alter  Bifchoffitz  im 
Gebirge,  in  der  Zeitfchr.  des  dentfchen  und  öfterr.  Alpenvereines  XXI,  1890. 
Hf.  Chronik  im  Archiv  des  Klofters,  bis   17Ö7  geführt.    Vgl.    E.    v.    Ottenthai, 

XIX.  N.  F. 


Fig.  3.  (Säben.) 

Sie  ward  im  Jahre  1672  durch  Feuer  zerftört  (Fii;'.  3, 
Burg  Silben  nach  einem  Oelgemälde  des  17.  Jahrhun- 
derts in  der  Klofterkirche  zu  Säben.  Fig.  4,  Burg  Bran- 
zoll  eben  daher). 

Die  beiden  größten  Befefligungsanlagen  der  erden 
Jahrhunderte  in  Südtyrol  Hegen  hart  am  Ufer  der  Etfch, 
am  Aufflieg  nach  Ueberetfch,  Hoheneppan  und  Sig- 
mundskron.  Hoheneppan  gelit  möghchervveife  auf  das 
alte  Appianum  zurück,  das  Paulus  Diaconus  unter  den 
vom  Longabardenkönig  Autharis  zerftörten  Burgen 
nennt.^*^  Später  ward  es  die  Stammburg  der  Grafen  von 
Piano  —  etwa  40  Jahre  vor  dem  Auftauchen  der  Be- 
zeichnung „Tyrol"  findet  fich  der  Name  —  die  hier  um 
107S  ihren  Sitz  auffchlugen.  Die  Eppaner  find  Weifen; 
fchon  Ethiko  befitzt  um  910  in  den  tyroler  Alpen  in 
montanis  castra  et  civitates  et  praedia  non  modica.  Graf 
Ulrich,  der  Sohn  Friedrich's,  nennt  fich  zuerfl  Piano; 
Heinrich  und  Arnold,  die  jüngeren  Brüder,  fiedeln  fich 
auf   Greifenftein    an.    Zum    erllenmal   ward    die    Burg 

und'  O-  Redlich,  Archivberichte  aus  Tyrol  (Mitih.  der  dritten  ArchivSeiflion 
d.  k.  k.  Centr.-Comm.}   S.  87. 

m  Der  große  Stich  bei  Merian,  Topographia  provinciarun»  Ausiriacarum 
Austriae,  Siyriae,  Carinihiae,  Carniolae,  Tyrolos  p.  81  zeigt  Säben  in  das 
Ober-  und  Unterfchloli  zerlegt.  Das  obere  bezeichnet:  Das  uralt  Schloss  Sehen. 
Daneben:  Der  alte  Königliche  Saal  hie  geftandi.  Derfeibe  Stich  klein  bei 
Franciscus  Negrinus,  Die  von  Natur  wohlverfchanzte  und  faft  unüberwindliche 
Graffchaft  Tyrol  oder:  Umftändlichc  Befchreibung  diefes  Landes,  Frankfurt 
1703,  Taf.  zu  p.  563.  Die  Anlage  erinnert  fehr  an  Schloß  Sitten;  vgl.  den  Stich 
bei  Merian  und  bei  P.  Beriiits,  Commentar.  rer.  German.,  Amfterdam  163a. 
p.  664,  und  Braun  und  Hogenberg,  Befchreibung  und  Contrafattur  der  vor- 
nehmiichften  Stat  der   Welt.   i574i  I.   P-    38. 

■***  Paulus  Diaconus,  historia  Langobardorum  I.  III,  c.  30.  Im  Jahre  589 
bei  der  groL^en  Fehde  Chi  Ideberts  von  Auftrafien  wider  den  Langobarden 
Autheris  und  Garibatd  den  Agilolfinger,  dringt  der  fränkifchc  Herzog  Olo  durch 
Hohcn-Uhatien  gegen  Bellinzona,  Herzog  Ghadiu  aus  dem  Veltlin  gegen  Nons- 
berg  und  Sulzberg  vor  und  zerftört  dreizehn  fefte  Burgen  im  Herzogthum  Tricnt. 
Vgl.  V.  Hormayr,  im  hiftor.  ftatift.  Archiv  für  Süddeuifchland.  Frankfurt 
1807,  S.  232. 


26 


durch  Heinrich  den  Löwen  gebrochen.  Als  das  Ge- 
fchlecht  am  Ende  des  13  Jahrhunderts  ausflarb,  fielen 
die  Befitzungen  an  Meinhard  IL,  Grafen  von  Tyrol 
und  Görz.  Seitdem  wechfeltc  die  Burg  wiederholt  den 
Befitzer;  im  Jahre  1494  wird  Jacob  Fuchs  mit  ihr  belehnt, 
unter  der  Bedingung,  dafs  er  das  verfallene  Schloß 
herftelle  und  in  Ordnung  halte.*'  Heute  ift  die  Burg 
faft  vollfländig  unbewohnbar.  Sechsunddreißig  Burgen 


/^IT 


Kig.   4.   (Branzoll.) 

Inid  von  dcmThurm  derBurg  aus  fichtbar,  fie  bchcrrfcht 
Ucberctfch  voUftändig.  Etwas  tiefer  als  die  Hauptburg 
liegt  ein  Vorwerk,  ein  vierekigcr  Thurm,  der  Kreidc- 
tliurm  genannt,  mit  runder  ZingeP^  —  vielleicht  ift  dies 
der  erhöhte  Reft   der   römifchcn  Warte,  das  Castrum 

'•"  Vgl.  über  die  (Jrafcn  v.  Kppan  .iiisfiilirlich  Jof.  v.  Hoytiiayr,  Sainnit- 
lii;lic  Werke.  Sluetgait  1821.  II,  .S.  15.  Die  großen  Gcfchlechtcr  des  tyruler 
Huchgcbirges;  //.  Seel,  Gefcliichtc  der  gefiirfleten  Graffchaft  Tyrol  II,  S.  145; 
Ludw.  V.  llohcnbuhcl,  Heilr.  zur  Kunde  Tyrnls.  Innsbruck  1887,  über  den 
Namen  Eppan;  R.  Kinli,  Akademifche  Vnriefungen  über  die  (.iefchichte  Tyrols. 
Innsbruck  1850,  I.  S.  171,  2or ;  Huher,  Die  Entllehung  der  »eltlichen  Territorien 
des  Hocliftiftes  Tricnt  und  IJrixcn  ncbft  Untcrfuchungen  über  die  ältellen 
(ilicdcr  der  Grafen  von  Eppan  und  Tyrol,  im  Archiv  f.  üftcrr.  Gefch.  I.XIII 
1882,  2.  Heft. 

«  Millh.  der   Cenlr    Couini,   N.   1".  VIII,  S.   XXIV,  Abb.  l'ig.   I. 


vetus  de  Epiano.^'*  Der  Felsrücken  bildet  ein  längliches 
unregelmäßiges  Rechteck.  Dicht  neben  dem  Thor  er- 
hebt fich  der  fünfeckige  Burgfrit,  mit  forgfältiger  Eck- 
verklammerung  aus  behauenen  Porphyrquadern,  die 
Zwifchenräume  ausgefüllt  durch  unregelmäßige,  aber 
genau  lagerhafte  Steinfchichten.  Rechts  fchließt  fich, 
bis  zu  V3  Höhe  des  Thurmes  aufragend,  der  l'alas 
daran,  der  an  feinem  dem  Eingang  abgewendeten  Ende 
einen  zweiten  flankirenden  Mauerthurm  zeigt,  der 
etwas  über  die  Flanke  heraus  tritt.  Links  vom  Eingang 
ziehen  fich  zwei  niedrigere  Bau-Complexe  hin,  der  erfte 
mit  offener  Freitreppe,  jetzt  als  Wirthfchaftsgebäudc 
dienend,  auf  dem  hinteren  Ende  des  Felsplateaus  liegt 
völlig  frei  die  Burg-Capelle,  eine  Doppel-Capellc  mit 
hoch  gewölbter  Krypta,  die  Altarnifche  als  Erker  äußer- 
lich fichtbar  vor  den  Bau  tretend.^*  Von  hohem  Inter- 
effe  ift  die  Thorbefeftigung.  Ueber  dem  Eingang  eine 
Fechnafe,  über  den  künftlich  erweiterten  Felfenfpalt. 
den  ehemals  die  Zugbrücke  überdeckte,  führt  jetzt  eine 
rohe  Bohlenbrückc;  auf  dem  vorderften  Plateau,  mitten 
vor  der  einzigen  Angriffsfront  der  Burg,  liegt  eine  völlig 
erhaltene  Barbakane,  mit  zwei  Reihen  von  kleinen 
P^enfteröffnungen  übereinander,  ein  Rundthurm  von 
4  M.  Höhe  und  5  M.  Durchmeffer,  von  dem  auf  der  Burg 
zugekehrten  Seite  ein  Segment  weggefchnitten  ift.*'" 

"■*  V.  Hortnayr,  Gefch.  d.  gefUrft.  Graffchaft  Tyrol,  I,  II.  Urkuudciibuch 
S.  179.  Urkunde  vom  9.  Jiuii  1194:  Egno  Graf  von  Eppan  tr;ij;t  dem  Uifchof 
Conrad  den  Hügel  Alt  •  .SchlolS  Eppan  genannt,  gegen  Wiedcrbclehnung  n\ 
Lehen  auf.  Hierunter  ift  nicht  das  alte  Stammfchloß  zu  verfteheu:  Vgl.  .-/.  Ja^ii-y, 
Gefchichte  d.  landesftandifchen   VerfalTung  in  Tyrol,  Innsbruck   1881,    I.    S.   105. 

'J''  Die  Capelle  ift  durch  ihre  Wandmalereien  bekannt.  Vgl.  Gotthilf  Dahlkc , 
Ronianifchc  Wandmalereien  in  Tyrol.  I.  Eppan  im  Reperlorium  f.  Kunftwiflcn- 
fchaft  V,  S.  113,  mit  Abb.  ;  Vaul  C/t-mcti,  Reitr.  zur  Kenntnis  idterer  Wantt- 
malcrcien  in  Tyrol.  i.  d.  Mitth.  d.  Centr.-Comm.   N.  F.  XV,  S.    iz. 

'J'  Abb-  bei  Johannes  und  Noe,  Burgen  von  Tyrol,  in  Bild  und  Wort, 
'l'af.  5.  Dürftiger  Grundrifs  —  viel  zu  regelmäßig  in  den  Umrift"en  —  von  AI:: 
i.  d.  Mitth.  N.  V.  VIII,  S.  XXIV. 

(Foitfetzung  folgt.) 


Das  Lavant-Thal. 


Befproclien   vom   Confervaloi    A'arl  Frcih 


enii 


V.   linttfcr. 


j.S  unterliegt  keinem  Zweifel,  dafs  das  Lavant- 
Thal,  welches  bisher  archäologifch  faft  gänz- 
hch  bei  Seite  gelaffen  wurde,  wegen  feines 
geringen  Verkehres  eine  Bürgfchaft  leiften  könnte, 
dafs  Durchwühlungen  des  Bodens  nicht  ftattgefunden 
haben,  alfo  eine  Durchfuchung  der  Gegend  für  die 
römifchc  Topographie  erfreuliche  Refultate  ergeben 
könnte.  Anderfeits  aber  ift  die  Lage  des  Thaies  keine 
folchc,  dafs  fie  für  die  Römer  eine  wichtige  Durchzugs- 
linic  bildete,  und  in  der  Tliat  kennen  wir  auch  keine 
romifche  Militiirftraße  in  diefer  Richtung.  In  Folge 
deffen  lag  keine  romifche  Anfiedclung  im  Thale  und 
fcheint  auch  zu  keiner  Zeit  das  Bedürfiiis  zur  Anlegung 
von  Feftungswerken  bellanden  zu  haben.  Gleichwohl 
muß  ilas  fchöiie  und  überau.s  fruchtbare  Thal  mit  feinem 
milden  Klima  bcwolint  gcwefen  fein.  Von  Norden, 
Oftcn  und  VVeften  fchützen  es  fchr  hohe  Gebirge  iiiul 
nur  nach  Süden,  gegen  die  Drau  zu,  liegt  es  offen.  Sowohl 
ilie  Kor-  als  die  Sau-Alpe,  welche  das  Lavant-Thal  zu 
beiden  Seiten  begleiten,  find  Urgebirgszüge,  welche 
nach  Weftcn  fteil,  nach  Often  in  langgcftrecktcn 
.\bdachungen   abfallen.    Die  l.TtigL'cdehiitin  Thiiler  der 


öftlichcn  .\btlacluing  der  Kor-Alpe  aber  find  in  Steic 
mark    bekanntlich    mit    Spuren    römifcher     und     vo 


römifcher  Anfiedlungen  betleckt,  welche  in  der  Gegend 
von  Wies  zahlreiche  Hügelgräber  hinterlalTen  haben. 
Ganz  dicfelbcn  gebildeten  Tliäler  fiiulen  wir  an  der 
oftlicheii  Abdachung  tler  Sau-.\lpe  im  1  .a\aiU-Tliak- 
wieder  und  Hügelgräber  wie  in  Wies  finden  fich  an 
mehreren  Orten  Kärntens,  niimlich  bei  Tfcherberg,  Vil- 
lach, P'rögg  und  anderen  Orten,  '  fo  dafs  angenommen 
werden  muß,  tlafs  eine  und  tliefelbe  ältere  Bevölkerung 
an  den  Abhängen  der  Sau-Alpe  imLavant-Thale  wie  an 
jenen  der  Kor-Alpe  in  Steiermark  wohnte  und  fpiiter  von 
den  Römern  abgelöft  worden  ift.  Die  weftliche,  nämlich 
deniLavaiU-Tliale  zugekehrte  Abdachung  der  Kor-Alpe 
eignete  fich  d.igegen  mehr  zu  .StraßciKuilagen,  weil 
die  kurzen  W;ifferläufe  kanin  merklich  in  ilen  Boden 
einfchneiden.  Bieten  nun  diefe  Terrainverhiütniffi'  ,tlle 
Betlingungen     einer     zahlreichen     i)r;Unftorifchen     und 

'  Aut:li  die  Hügelgräber  bei  Windifchgra/  geboren  hiclici',  deren  icli 
im  Jahre  1886  zwei  gcölTncl  habe.  Nach  einem  Schreiben  des  unlangft  ver. 
ftorbcncn  k.  k.  Scctionfchef«  Uaron  l\ocniif:  hat  derfelbe,  als  er  noch  Befitzer 
von  Gallcnhofcn  nächft  Windifchgraz  w.ir,  ebenfalls  mehrere  diefer  Hügel 
>>llncn    l.iffen. 


—    ^/ 


römifclicn  Reficdluntj',  fo  find  aiulciTcits  die  Bodcnvcr- 
haltiiiffc  wieder  folche,  dafs  die  Spuren  einer  folchen 
liefiedking  verwifclit  worden  fein  können.  Die  rafcli  ver- 
witternden Gefteinfchicliten  des  Lavant-Thales  liefern 
nämlich  den  Humus-,  welcher  die  Cultivirung  der 
Abhänge  bis  zu  i/OO  M.  Höhe,  wie  fonft  nirgends  in 
Kärnten,  ermöglicht.  So  giinftig  diefe  Bodenverhältniffe 
für  die  Cultur,  fo  ungünftig  find  fiefür  die  archäologifche 
Forfchung.  Hügelgräber  haben  fich  noch  nirgends  ge- 
funden als  beiLavamünd  (Mitth.  der  Anthrop.  Gef.Wien 
XVI,  1886,  S.  32),  in  neuefter  Zeit  auch  am  Forft, 
unweit  Wolfsberg  und  fonftige  prähiftorifchc  Funde  nur 
äußerft  feiten  (z.  B.  bei  Jakling).  Römifche  Lifchriftfteine 
(jetzt  35  bekannte)  finden  fich  nur  eingemauert  in  Kir- 
chen oder  Häufern,  und  erft  in  allerneuefter  Zeit  auch 
unter  der  Erde. 

Die  Funde  bei  Allersdorf  im  Frühjahre  1888  führten 
zum  erltenmal  auf  die  Spur  einer  Römerftraße,  indem 
das  Stück  eines  feflen  Straßenunterbaues  in  Verbin- 
dung mit  einem  römifchen  Grabmonumente  vorlag, 
welches  keine  andere  Deutung  zuließ.  Denkt  man  fich 
diefes  Straßenftück  fortgefetzt,  fo  müßte  diefe  Straße 
von  dem  Sattel  der  Grutfchen  über  St.  Paul  kommend 
nördlich  am  Abhänge  der  Kor-Alpe  über  St.  Johann  bis 
Woifsberg  gegangen  fein;  denn  die  Richtung  der  heu- 
tigen Bezirksftraße  tlurch  die  Niederung  des  breiten 
Thaies  vviderftreitet  dem  Charakter  einer  Römerftraße, 
auch  finden  fich  am  Abhänge  der  Kor-Alpe  zu  Eitweg, 
Rieding  und  St.  Johann  eine  Reihe  römifcher  Infchrift- 
Iteine  in  den  Kirchen.  Von  Wolfsberg  nördlich  aber 
konnte  die  Römerftraße  aus  demfelben  Grunde  nicht 
durch  die  Thalfchlueht  der  Lavant  bei  Theifeneck 
gezogen  fein,  fie  mußte  vielmehr  den  Höhenrücken  er- 
klommen haben,  auf  welchem  bei  Gräbern  und  Präbel 
die  bekannten  Römerfteine  verkommen,  um  nach  St. 
Leonhard  zu  gelangen.  Es  war  daher  fehr  wichtig,  als 
r.  Eruß  Frank/,  Profeffor  in  St.  Paul,  im  vorigen  Jahre 
1888  bei  einem  Ausfluge  auf  die  Wölch,  einen  Höhen- 
rücken nördlich  von  Wolfsberg,  Reite  eines  bedeuten- 
den Steinwalles  gefunden  zu  haben  glaubte,  welcher 
auf  eine  Anfiedlung  oder  Befeftigung  in  der  Nähe  diefes 
wahrfcheinlichen  römifchen  Straßenzuges  hinwies.  Ich 
fand  hierin  eine  Beftätigung  einer  für  die  prähifliorifchen 
Forfchungen  in  Kärnten  gewifs  beachtenswerthen  Beob- 
achtung, welche  ficli  auch  für  das  Lavant-Thal  zu  ver- 
werthen  fehlen,  nämlich  jene,  dafs  die  bisher  bekannten 
Funde  aus  der  Hallftätter  Periode  faft  alle  in  der  Nähe 
römifcher  Straßenanlagen  vorgekommen  find: 

An  der  Straße  Aquileja-San6ticum,  die  Gräber 
der  Napoleons-Höhe. 

An  der  Straße  Santicum-Virunum,  Funde  in  Wink- 
lern bei  Velden. 

An  der  Straße  Virunum-Juenna,  F"unde  in  Stein  an 
der  Draubrücke. 

An  der  Straße  Juenna-Colatio,   Gräber  bei  Tfcher- 
berg  und  Windifchgräz. 

An  der  Straße  Virunum-Noreja,  I'und  bei  Nieder- 
Oftervitz. 

An  der  Straße  Virunum-Loibel,  Funde  bei  Klagen- 
fiu-t-Köttmannsdorf-SeidoIach. 

An  der  Straße  Virunum-Glanthal,  Funde  bei  Hai- 
dach und  Matersdorf 

An  der  Straße  Santicuni-Teurnia,  l-'unde  an  der 
Scharnitzenftraße. 


An  der  Straße  Teurnia-Agountum,  Funde  bei 
Bruggen  und  Potfchling. 

An  der  Straße  Teurnia-Juvaviun,  I'unde  auf  der 
Atzenberger  Alpe. 

An  derStraße  Loncium-Santicum,  Bronzebeilfunde 
bei  Dellach  (unterhalb  Hermagor). 

Die  Frögger  Gräber  fowie  auch  jene  bei  St.  Kan- 
zian  liegen  an  einer  wahrfcheinlichen  Verbindungs- 
ftraße,  welche  über  Rofegg  durch  das  ebene  R(jfenlhal 
ging,  und  Gurina  dürfte  an  der  Fleckenftraße  gelegen 
haben,  vielleicht  fogar  die  Station  Loncium  gcwcfcn 
fein,  welche  in  Mauthen  kaum  nachzuweifen  fein  dürfte. 

Es  ift  allerdings  nicht  anzunehmen,  dafs  prähiftori- 
fchc Anfiedlungen  an  Römerftraßen  gelegen  hätten, 
fonlt  müßten  ja  in  den  Gräbern  der  Hallftätter  Zeit 
Spuren  der  römifchen  Cultur  zu  finden  fein;  allein  fehr 
wahrfcheinlich  ift,  dafs  zur  Zeit  folcher  prähiftorifcher 
Niederlaffimgen  Verbindungswege  vorhanden  waren, 
welche  zCTr  Römerzeit  bei  Straßenanlagen  benützt  wur- 
den. Von  diefer  Vermuthung  ausgehend  hatte  ich  vor, 
die  vermeintlichen  Schanzen  auf  der  Wölch  zu  befich- 
tigen  und  hoffte  bei  diefem  Anlaffe,  wenn  auch  nicht 
prähiltorifche  Hügelgräber,  doch  Spuren  einer  Straßen- 
anlage zu  finden,  welche  in  der  Richtung  auf  Griibern 
und  Präbel  geführt  haben  könnte. 

Ich  kam  erft  viel  fpäter,  als  ich  vorhatte,  zur 
Bereifung  des  Lavant-Thales.  Erftens  hatte  mich  die 
wiederholt  eingetretene  regnerifche  Witterung  fchon 
bei  den  Ausgrabungen  in  Frögg  aufgehalten,  und  dann 
war  Profeffor  P.  Ernß  Frankl  aus  St.  Paul,  welcher 
mich  begleiten  foUte,  fchwer  erkrankt,  lu-ft  am  9.  O6I0- 
ber  fuhr  ich  nach  Wolfsberg,  um  von  dort  die  beabfich- 
tigten  Excurfionen  vorzunehmen,  dort  fand  ich  fofort 
einen  bisher  noch  nicht  bekannten  römifchen  Infchrift- 
ftein  mit  vorzüglich  fchönen  Buchftaben,  welcher  als 
Antritt  beim  Brunnen  des  Haufes  des  Herrn  Aufreiter 
in  der  oberen  Stadt  gelegen  hatte,  und  zwar  fchon 
ziemlich  abgetreten,  doch  noch  theilweife  zu  lefen  war. 
Ich  fertigte  einen  Papierabklatfch  an.  Herr  Aufreiter 
hatte  fchon  in  früheren  Jahren,  als  die  Buchftaben  noch 
weniger  abgefchliffen  waren,  die  Infchrift  aufgezeichnet, 
welche  Aufzeichnung  mit  dem,  was  noch  leferlich  ift, 
übereinftimmt,  nämlich: 

PRIMO  HER 

VERI  SER 

IL-  RICAEV/OR 

Der  Stein,  welcher  50  Cm.  hoch  und  70  Cm.  breit 
ift,  wurde  von  dem  Befitzer  dem  Gefcliichts-Vereine 
gefchenkt  und  ift  bereits  im  Veftibule  des  Rudolphinums 
aufgeftellt. 

Zunächft  beftieg  ich  die  Wölch,  auf  deffen  Gipfel, 
Hennereck  genannt  und  907  M.  hoch,  die  von  Profeffor 
P.  Frankl  entdeckten  Steinmauern  liegen,  welche  er  für 
alte  Befeftigungen  hielt.  Schon  beim  Anftiege  war  ich 
befliffen,  Spuren  einer  Römerftraße  zu  finden,  welche 
nach  meinem  Dafürhalten  am  weftlichen  Abhänge 
diefes  Berges  bis  auf  die  Höhe  von  Gräbern  und  Prebel 
gegangen  fein  mußte, und  glaube  fie  in  einem  Hohlwege 
gefunden  zu  haben,  der  gerade  in  diefer  Richtung 
hinanfteigt.  Von  einem  Unterbaue  war  freilich  nichts  zu 
fehen,  allein  die  langen  parallelen  im  harten  Grunde 
tief  ausgefahrenen  Hohlwege  zeugen  für  das  hohe  Alter 
der  Straße.  Ich  behielt  mir  vor  an  einem  der  folgenden 


28 


Tage  die  Verbindung  dicfer  Spuren  mit  dem  Wege 
von  Gräbern  nach  Prebel  von  St.  Leonliard  aus  zu 
fuchen;  an  diefem  Tage  mußte  ich  Hennereck  belteigen, 
um  die  erwähnten  Steinmauern  zu  fehen.  Diefe  letzteren 
find  in  der  That  eine  auffallende  Erfcheinung.  Auf  der 
Kuppe  des  Berge  ift  ein  waldiges  Plateau,  worin  diefe 
langen,  mit  Bruclifteinen  ungefähr  4  M.  breit  ausgeleg- 
ten Linien  vorkommen.  F.  Frankl  hat  fie  gemeffen, 
400  M.  von  Weflen  nach  Oflen.  Für  Befeftigungen  kann 
ich  fie  nicht  halten,  da  fie  auf  völlig  ebenem  Grunde 
aufliegen,  eher  für  eine  Wegaulage,  welche  möglicher- 
vveife  hier  nach  Often  abzweigte.  Mein  Führer  be- 
hauptete, dafs  jenfeits  der  Lavapt  bei  Twimberg 
ähnliche  Steinlagen  vorkommen,  nur  feien  fie  viel  höher 
und  deutlicher  erkennbar.  Man  müßte  erft  diefe  gefehen 
haben,  um  durch  Vergleichung  eine  Erklärung  für  jene 
zu  finden.  Die  Wölch  ift  übrigens  ein  fehr  alt  cultivirter 
Boden.  Ganz  nahe  von  diefen  Mauern  öftlich  ift  die 
Bauernwirthfchaft  des  Mofer,  wo  Mauerrefte  offenbar 
von  einem  mittelalterlichen  Hcrrcnhaufe  oder  eines 
Thurmes  vorkommen. 

Am  folgenden  Tage  wurde  ein  Ausflug  durch 
den  zufälligen  Fund  eines  römifchen  Infchriftfteines 
auf  einem  Acker  des  Dachberges  in  der  Gegend  von 
Jakliny  (Eifenbahnftation  St.  Andrä)  veranlaßt.  Der 
k.  k.  Bezirkshauptmann  Dr.  Hermann,  welcher  felbft 
das  größte  Intereffe  für  die  gefchichtliche  Durchfor- 
fchung  des  Lavant-Thales  an  den  Tag  legt  und  meine 
Bemühungen  auf  das  kräftigfte  unterftützte,  hatte  die 
Güte  mir  einen  Bericht  des  Gcndarmerie-Poftens  St. 
Paul  zu  übergeben,  wornach  diefer  Fund  von  einem 
Bauern  Namens  Anton  Oswald  (vulgo  Seucher)  ge- 
macht wurde  und  in  drei  großen  Steinplatten  befteht, 
wovon  die  eine  mit  einer  Infchrift  verfehen  ift.  Die 
Steinplatten  waren  im  Haufe  diefes  Bauern  in  Lindhof 
am  Fuße  des  Dachberges  aufbewahrt.  Diefe  Steinplat- 
ten hatten  walirfcheinlich  ein  Grab  bedeckt  und  lagen 
horizontal  in  geringer  Tiefe  übereinander,  die  größte, 
eine  fchöne  glatte  regelmäßig  viereckige  Schieferplatte 
von  nahezu  2  M.  Höhe  zu  unterft,  und  der  Infchriftftcin 
(Kalk)  83  Cm.  hoch  und  53  Cm.  breit  mit  der  Infchrift 
oben  darüber.  Unter  den  Platten  waren  fingerdicke 
Urnenfcherben,  welclie  der  Bauer  weggeworfen  hatte. 
Icli  begab  mich  fofort  an  Ort  und  Stelle.  Der  Dachberg 
liat  feinen  Namen  von  einer  Art  Thonerde,  welche 
einige  Meter  tief  unter  der  lehmigen  Oberfläche  lagert 
und  feit  Menfchcngedenken  zu  fchwarzem  Töpfcr- 
gefchirr  verarbeitet  wird.  Die  Bauern  graben  diefes 
Material  und  verkaufen  dasfclbc  fogar  nach  entfernten 
Orten.  Es  war  von  Intereffe,  die  Topffcherben,  welche 
unter  den  Steinplatten  lagen,  mit  dem  gegenwärtig  aus 
dem  Dachbcrgcrthon  gebranntem  ganz  ähnlichem 
Gefcliirr  zu  vergleichen.  Immerhin  wäre  es  möglich, 
dafs  diefes  Tlionlager  fchon  in  vorhiftorifcher  Zeit 
Veraniaffung  zu  einer  Niederiaffung  an  diefem  Ort 
gewefen,  aus  welcher  die  feiner  Zeit  bei  Jakling  gefun- 
denen Bronze  ftammten,  und  dafs  diefe  Niederiaffung 
zur  Romerzeit  fortgefetzt  wurde.  Es  heißt,  dafs  fchon  in 
den  Secliziger-Jahren  ein  ähnliches  Grab  auf  der  Nord- 
feite des  Dachberges  aufgedeckt  wurde.  Daraus  aber 
/u  folgern,  dafs  eine  Römcrftraßc  über  den  Dachberg 
in  der  Richtung  der  heutigen  Bezirksftraße  über  Sieben- 
ding durch  die  breite  und  niedrige  l'^bene  gegangen  fei, 
ift  aus  dem  oben   angeführten  Grunde  unzuläffig.  Viel- 


mehr ift  wahrfciieinlich,  dafs  mehrere  römifche  Nieder- 
laffungen,  fowie  heute  auch  dazumal  im  Thale  zcrftreut 
lagen,  wie  zu  St.  Andrä  und  Reißberg,  wo  auch  Römer- 
fteine  vorkommen. 

Der  jüngft  auf  dem  Dachberg  gefundene  Infchrift- 
ftcin ift  an  der  Oberfläche  derart  ausgewittert,  dafs  die 
Schrift  kaum  mehr  zu  lefen  ift.  Ich  verfuchte  vergeblich 
einen  halbwegs  brauchbaren  Abklatfch  anzufertigen. 
Es  find  vier  Zeilen  ungefähr  folgenden  Inhaltes: 

TERTVLIO 
G     •     •     . 

-EELV  •  •  T 

•  • TV  •  ■  O 

Die  Auffindung  der  Straßenfpuren,  welche  walir- 
fcheinlich von  Lindhof  füdlich  über  Rojach  und  AUers- 
dorf  nach  St.  Paul,  und  nördlich  über  St.  Ulrich  und 
Eitweg  führen,  mußte  auf  ein  anderesmal  verfchoben 
werden.  Zunächft  war  ein  Ausflug  von  Wolfsberg  nach 
St.  Leonhard  in  Ausficht  genommen,  fowohl  um  die 
dortfelbft  befindlichen  Römerfteine  [Moinnifen  Nr.  5083 
unb  5084)  zu  controliren,  als  auch,  wie  oben  erwähnt, 
die  wahrfcheinliche  Richtung  der  Römerftraße  über 
Gräbern  und  Präbel  zu  fuchen.  Dafs  die  Römerftraße 
in  der  That  diefe  Richtung  genommen,  ift  den  Terrain- 
Verhältniffen  nach  kaum  zu  bezweifeln;  gleichwohl 
konnte  ich  bei  dem  Mangel  an  Zeit  mich  mit  der  Auf- 
fuchung  beftimmter  Spuren  nicht  befaffen.  In  Präbel 
aber  fand  ich  den  in  Moiiinifen  Corp.  Infc.  Cat.  III  ver- 
zeichneten Infchriftftein  Nr.  50S5,  der  irrig  als  in  Preb- 
lau  vorfindig  angegeben  ift,  in  der  Kirchhofmauer  ein- 
gelaffen.  Ich  verfertigte  allerdings  trotz  des  ftürmifchen 
Wetters  einen  Abklatfch,  mußte  denfelben  aber  wegen 
der  vorgerückten  Tageszeit  im  Pfarrhofe  zurücklaffen. 
Bei  diefer  Gelegenheit  zeigte  mir  der  Pfarrer  P.  Kraiiur 
in  der  Sacrjftei  einen  Römerftein,  welcher  als  Ablauf 
eines  Wafferbeckens  in  die  Wand  eingemauert  ift, 
und  an  feiner  Oberfläche  eine  nur  durch  die  fchmale 
Oeffnung  des  Ablaufloches  fichtbare  Infchrift  tragt. 
Was  man  davon  lefen  kann  ift  folgendes: 

D 

•  VINDILLAE  • 

CVNDI-FIL-VX 
TASI 

Der  .Stein  ift  meterlang,  und  die  fchon  gefchnittcncn 
Buchftaben  find  gut  erhalten.  Wegen  Raummangeis  in 
dem  Ablaufe  konnte  ein  Abklatfcli  nicht  angefertigt 
werden. 

Endlich  beabfichtigte  ich  noch  den  mir  als  Zug 
der  Römerftraße  wahrfchcinlichen  Weg  von  Wolfs- 
berg  über  St.  Johann,  Maildorf,  Micheldorf,  Riegels- 
dorf, Eitweg  und  -St.  Ulrich,  wenigftens  von  Maildorf 
an  abzugehen,  und  begab  mich  über  die  ICifenbahn- 
ftation  St.  Stephan  dahin.  Allein  die  Ungunft  des 
Wetters  vereitelte  mein  Vorhaben  und  ich  mußte 
über  St.  Johann  nach  Wolfsberg  zurückkehren.  In  der 
Kirche  zu  .St.  Johann,  welche  auf  einem  vorfpriiigen- 
den  Hügel  am  weftlichen  Abhänge  der  Kor- Alpe  liegt, 
find  zwei  römifche  Infchriftfteine  {Mommfen  Nr.  5092 
und  652O  und  der  Weg,  welcher  fich  am  Abhänge  fort 
bis  Wolfsberg  hinzieht  und  feines  herrlichen  Ueber- 
blickes  über  das  Thal  wegen  jetzt  mit  prachtvollen 
Villen    bedeckt    ift,    eignete    fich  gewifs  vorzugsweife 


—      29      — 


zu  einer  Römerftraße,  wovon  gleichwohl  keine  Spur 
mehr  zu  fehen  ill.  Dafs  man  hier  fchon  zu  alten  Zeiten 
an  die  Möglichkeit  römifcher  Vorkommniffe  dachte, 
beweifet  ein  fteinernes  Muttergottesbild  im  Schlößchen 
Silerberg  nächft  St.  Johann,  welches  allgemein  für  ein 
vorchriftliches  Götzenbild  gilt.  Die  Krone  der  Gottes- 
gebiirerin  kann  man  allerdings  bei  einiger  Phantafie 
für  ein  Körbchen  mit  Birnen  und  Trauben  halten,  was 
die  Veranlaffung  war,  in  diefem  Bilde  eine  Fruchtgöttin 
zu  fehen.  Allein  fo  fehr  ich  gewünfcht  hätte,  an  diefem 


Orte  römifclic  Provenienzen  zu  finden,  fo  konnte  ich  in 
diefem  freilich  nicht  fehr  glücklich  ausgeführten  Kunit- 
werke  durchaus  nichts  heidnifches  fehen.  Der  Kopf 
und  die  Zehen  des  Kindes  fmd  abgebrochen. 

Das  anhaltend  naffe  Wetter,  welches  die  Wege 
um  Wolfsberg  herum  grundlos  maclite,  nöthigte  mich, 
für  diefes  Jahr  meine  ferneren  Römerftudien  abzu- 
fchließen  mit  dem  lebhaften  Wunfche,  diefelben  iin 
künftigen  Sommer,  und  zwar  bei  günfligercr  Jahreszeit, 
wieder  aufzunehmen. 


Die  Pfarrkirche  zu  St.  Martin  bei  Littai. 


Aufgenommen  und  befchiieben  vom  Konrad  Crnologar. 


kannt 


PlE  Pfarr-  und  zugleich  Decanal  -  Kirche  zu 
St.  Martin  im  Savethale  ift  dem  heil.  Bifchof 
gleichen  Namens  geweiht.  Die  bis  jetzt  be- 
geu'ordenen  Daten  über  die  Gefchichte  der 
Pfarre  und  Kirche  find  fehr  fparlich.  Die  Gegend  war 
urfprünglich  nach  St.  Veit  bei  Sittich,  welche  eine  der 
älteften  Pfarren  Krains  ift,  eingepfarrt.  Doch  fchon 
früh  war  hier  ein  Vicariat  errichtet,  welches  Papft 
Bonifacius  IX.  im  Jahre  1395  dem  Klofter  Sittich 
incorporirt  hat.'  Der  ältefle  bis  jetzt  bekannte  Vicar 
war  Jörg  Smvck,  geft.  1533.  Sein  wohlerhaltenes  Grab- 
denkmal befindet  fich  im  Schiffe  an  der  Evangelien- 
feite  eingemauert.  Merkwürdig  ift,  dafs  Valvafor  diefes 
wie  auch  die  übrigen  Denkmale  in  feiner  ausführlichen 
Befchreibung  diefer  Pfarre,*  obwohl  er  in  der  Pfarre 
fclbft  auf  dem  Schlöffe  Wagensberg  feine  Chronik 
fchrieb,  nicht  erwähnt.  Als  den  erftbekannten  Vicar 
nennt  er  zum  Jahre  1550  Thomas  Steklina.  Das  Volk 
erzählt,  die  Pfarrkirche  foll  dem  nahen  Bleibergwerke 
feine  Entftehung  verdanken.  Sie  habe  urfprünglich 
keinen  Thurm,  fondern  nur  den  Dachreiter  gehabt. 
Dies  beftätigt  fich,  denn  der  gegenwärtige  Thurm  ift 
entfchieden  fpäter  aufgeführt  worden,  und  im  Schiffe 
finden  wir  das  fchöne  Denkmal  des  Meifters  Herfclunid 
vom  Jahre  1537  mit  dem  Spruche:  „grves  got  das  edel 
perkwerch".  Im  Chore  ift  ein  wohl  erhaltener  Grabftein 
des  Erafem  von  Wagensberg  vom  Jahre  1522.*  Der 
Chor  mußte  um  jene  Zeit  aufgeführt  worden  fein,  den 
Formen  nach  kann  fein  fpät-gothifches  Rhombenge- 
wölbe nicht  viel  älter,  aber  auch  um  nicht  viel  jünger 
fein.  Auf  dem  Hauptfchlußfteine  des  Chorgewölbes  ift 
eine  fchöne  Abbildung,  die  Mutter  Gottes  im  Strahlen- 
kranze mit  dem  Jefukinde  im  Schöße,  das  in  der  einen 
Hand  einen  Apfel  hält,  mit  der  anderen  aber  nach  einer 
Traube  greift,  welche  ihm  Maria  reicht.  Eine  vollkom- 
men gleiche  jedoch  fchlechter  ausgeführte  Abbildung  ifl 
auf  dem  früher  erwähnten  Grabfleine  des  Vicars  Jörg 
Smvck.  Sehr  möglich,  dafs  der  gegenwärtige  Chor 
unter  diefem  Vicar  aufgeführt  wurde,  umfonft  hat  er 
doch  nicht  das  Bild  des  Schlußfteines  auf  fein  Grab- 
denkmal übertragen  laffen.  Es  folgt  daraus,  dafs  der 
Chor  vor  dem  Jahre  1533,  feinem  Todesjahre,  fertig 
wurde. 

'   Catal.  Cleri  Dioec.  Labac. 
>  VaUv,  VIII,  S.  767. 

3  Der  Zuname  ifl   zwar   verhaut,  läßt  nach  dem  Wappen   mit  den  drei 
rechts    gekehrten  Sicheln  der  Wagen  von  Wagensberg  keinen  Zweifel  zu. 


Dem  Jahre  1395,  in  welchem  das  Vicariat  dem 
Klolter  Sittich  einverleibt  wurde,  entfpricht  kein  Theil 
der  gegenwärtigen  Kirche.  An  der  Stelle  mußte  vor 
diefem  ein  ganz,  anderer  Bau  geftanden  fein.  Uebrigens 
ifl  diefe  Kirche  ein  merkwürdig  zufammengewürfeltes 
Werk,  an  welchem  mindeftcns  fünfmal  gebaut  wurde. 
Das  Alter  und  die  Aufeinanderfolge  der  einzelnen 
heterogenen  Theile  ift  fehr  fchwer  zu  bcftimmen.  Die 
Kirche  ift  zur  Demolirung  beftimmt,  um  eine  neue 
aufzuführen. 

Die  Kirche  ift  orientirt  und  befteht  aus  einem 
verhältnismäßig  fehr  langen  Schiffe,  welches  anfangs 
flachdeckig  und  erft  in  der  neueren  Zeit  gewölbt  wurde, 
einem  fchönen  fpät-gothifchen,  polygen  gefchloffenen 
Chore,  zwei  Sacrifteien,  zwei  Capellen  und  einem  vier- 
eckigen, auf  unprofilirten  Spitzbogengurten  ruhenden 
Thurme  vor  der  Weftfront,  dann  einem  viereckigen 
Dachreiter  über  der  Kreuzung  der  Capellen  mit  dem 
Schiffe  (f  Grundriß  Fig.  i).'  Das  Aeußere  wie  das  In- 
nere, den  Chor  ausgenommen,  ift  recht  formlos,  wie 
kaum  anderswo  zu  finden  ift.  Die  älteften  Theile  find 
das  Schiff  und  der  Chor.  Diefer  ifl  wegen  feines  fein 
ausgeführten  Gewölbes  der  fchönfle  Theil.  Er  ifl  6%  M. 
breit  und  73  M.  lang,  befteht  aus  zwei  Travees  und  ifl 
mit  drei  Seiten  des  regelmäßigen  Achteckes  ge- 
fchloffen.  Vom  Schiffe  ifl  er  durch  einen  4-4  M.  breiten, 
beiderfeits  einfach  abgefchrägten,  im  geraden  Spitz- 
bogen ausgeführten  Triumphbogen  gefchieden  und  um 
drei  Stufen  erhöht.  Beim  Triumphbogen  ift  eine  Gruft- 
platte, unter  welcher  fich  eine  für  die  Geifllichkeit  be- 
llimmte  Gruft  befindet,  angelegt.  Die  einfachen,  aber 
forgfältig  ausgeführten  gleich  ftarken  Rippen  ruhen  auf 
fechseckigen  Wanddienften  vom  Durchfchnitte  eines 
halben  Oclogones  und  auf  zwei  einfachen  Confolen  beim 
Triumphbogen,  bilden  Rhomben  und  vereinigen  fich  in 
zwei  Haupt-  und  neun  Nebenfchluß-Steinen,  welche  alle 
fehr  fchön  verziert  aber  leider  dick  übertüncht  find.  Man 
kann  fagen,  dafs  fich  feiten  wo  fo  gefchmackvoll  ver- 
ziertes fpät-gothifches  Gewölbe  findet.  Auf  dem  Haupt- 
fchlußlleine  über  dem  Altare  ift  das  früher  befchrie- 
bene  Bild  der  Gottesgebärerin,  auf  dem  anderen  beim 
Triumphbogen  das  Bild  des  heil.  Martinus  als  Bifchof 
mit  der  üblichen  Gans  dargeftellt.  Die  Nebenfchiuß- 
fteine    enthalten  abwechfelnd  eine  Rofetten-  und  eine 

'  Im  GrundrilTe  lind  die  älteften  Theile   lieffchwarz,  die  Tpäter  hinzu- 
gebauten  dunkel  fchraffn-t  und  die  neueften  Umformuugrn  licht  markirt. 


30 


Schildfoim.  Alle  find  mehr  oder  wenitjer  mit  Flach- 
Relief  verziert.  Die  Dienfte  haben  einen  eckigen  0'5  M. 
hohen  breiteren  Sockel,  welcher  mit  breiter  Rinne  und 
Rundftab  von  dem  circa  3  M.  hohen,  mit  einem  mit 
Schildchen  und  ft)-lifirten  Blumen  verzierten  Capital 
bekrönten  Schaft  getrennt  ift.  In  den  drei  Schlußfeiten 
war  je  ein  hohes  gothifches  Spitzbogenfenller,  von 
denen  das  mittlere  zugemauert,  die  beiden  anderen 
viereckig  umgeftaltet,  doch  alle  noch  den  Umriffen 
nach  erhalten  find.  Im  zweiten  Travee  an  der  Nord- 
feite ift  ein  gleiches  viereckiges  Fenfter,  ob  neu  ausge- 
brochen oder  umgeformt,  läfst  fich  nicht  erkennen.  Im 
erften  Travee  an  der  Südfeite  ift  eine  eigenthümlich, 
aber  tief  profilirte  Steinumfaffung  des  075  M.  breiten 
und  mit  geradem  Sturze  und 
convexen  Ecken  bedeckten  Ein- 
ganges in  die  alte  Sacriftei; 
ihm  gegenüber  befindet  fich 
ein  gleichförmiger,  aber  rechts 
angefcliloffen  nachläffig  ausge- 
arbeiteter Einsang:  in  die  neue 
Sacriftei.  Von  außen  hat  der 
Chor  keine  Strebepfeiler,  aber 
einen  hohen,  mit  einer  Schräge 
bedeckten  Sockel  und  eine  ein- 


ebene Decke  urfpiunglich  berechnet  war,  jederfeits 
drei  0S2  M.  breite,  und  0-55 — o-6  M.  tiefe  Halbpfeiler 
als  innere  Streben,  über  welche  man  dann  das  rund- 
bogige  Tonnengewölbe  mit  drei  und  einer  halben 
Stichkappe  jederfeits  einfügte.  Außerdem  führte  man 
beim  erften  Halbpfeilerpaare  vom  Werten  an  der 
Außenfeite  je  eine  1-4  M.  breite  und  1-3  M.  tiefe  escar- 
penähnliche  Strebe  auf,  ferner  befindet  fich  zwifchen 
dem  zweiten  und  dritten  Halbpfeilerpaare  jederfeits 
ein  rundbogiger  Eingang  in  die  Seiten-Capellen.  Diefe 
Eingänge  find  gewifs  erft  nach  der  Auffuhrung  der 
Umfaffungsmauern,  jedoch  vor  der  Einwölbung  des 
Schiffes  ausgebrochen  worden,  noch  vor  dem  Jahre 
1689,  da  Vah'afor'^  die  beiden  Capellen  fchon  erwähnt. 


faciic   Viertelkehle     als    Kranz- 
gefims. 

Die  alte  Sacriftei  ift  erft 
fpäter  zum  Chore  gebaut  wor- 
den, da  der  Sockel  in  diefelbe 
hineinragt.  Sie  ift  im  Lichten 
4-65  M.  lang  und  27  M.  breit, 
liat  in  der  Oftwand  einen  vier- 
eckigen lleinumfafsten  moder- 
nen Eingang,  und  in  der  Süd- 
wand ein  kleines  viereckiges 
Fenfter.  Hcdeckt  ift  fie  mit  nie- 
drigem flachfpitzigen  Spitzbo- 
gengewölbe   mit     Gräten     und 

bildet  zwei  Travöes.  Ueber  der  Sacriftei  ift  eine  gleich- 
große, noch  fpäter  aufgeführte  Empore,  auf  welche 
man  von  außen  gelangt. 

Das  Schiff  ift  196  M.  lang,  7-8  M.  breit  und  bis 
zum  Gewölbe  7-35  M.  hoch.  ]'2s  hatte  früher  eine  flache 
Ilolzdecke;  denn  unter  dem  Dache  ift  über  dem  Ge- 
wölbe noch  der  Verputz  der  Seitenwändc  erhalten.  Als 
man  das  Schiff  wölben  wollte,  crliöhte  man  die  Um- 
faffiingsniauern  um  06S  M.  und  fetzte  man  zur  Ver- 
ftärkung    der  Scitiiiwäiidc,  deren  Stiirkc  nur  für  eine 


Man  bemerkt  ferner,  dafs  die  erwähnten  l'feilerpaare 
bei  den  Ca[)ellen  keine  äußeren  Streben  haben,  aller- 
dings find  diefelben  theilweife  von  ilen  Capellenmauern 
untcrftützt.  Der  Baumcifter  mußte  doch  eine  gewiffe 
Urfache  haben,  beim  erften  Halbpfeilcrpaare  fo  ftarke 
Stützen  anzubringen,  die  wegen  ihrer  Formlpfigkeit 
gewifs  zu  keiner  Verfchonerung  des  Aeußern  dienen. 
Das  Schiff  ift  im  Verhältniffe  zu  feiner  Breite  und  zum 
Chore  auffallend  lang.  l?ei  den  einfchiffigen  Kirchen  ill 

'    V:ilv.  VIH.  S.  71,7, 


—     31     — 


das  Scliiff  feiten  melir  als  doppelt  fo  laut;  wie  dasfelbc 
breit  irt.  Man  kann  mit  voller  Heflimmtheit  fagen,  dafs 
das  Schiff  uiTprünglich  nur  bis  /.ii  den  erwähnten 
Streben  reichte,  und  vor  oder  niindeftens  zu  gleicher 
Zeit  mit  der  Schiffswulbung  um  circa  6  M.  gegen 
Werten  erweitert  war.  Da  das  erfte  (weftlichftc)  Halb- 
pfcilerpaar  eben  an  die  Berührungsllelle  der  alten  und 
neu  aufgeführten  Mauer  kam,  und  da  diefelbe  Stelle 
offenbar  die  fchwächflc  war,  führte  man  die  äußeren 
Streben  auf. 

Beim  welllichen  Abfcliluße  des  Schiffes  ift  der 
3"4  M.  breite,  refpeftive  lange  Orgel-Chor  eingefügt, 
deffen  rundbogiges  Kreuzgewölbe  auf  zwei  achteckigen 
Steinpfeilern  ruht.  Auf  denfelben  führt  im  nordwefl- 
licheri  Winkel  eine  recht  unbeciueme  Treppe.  Der 
Orgel-Chor  ill  vor  einigen  Jahren  durch  eine  aus  Holz 
conftruirte  Buhne  in  tlas  Schiff  hinein  halbkreisförmig 
verlängert  worden. 

Die  Fenfter  des  Schiffes  find  viereckig,  nach 
außen  und  innen  abgefchrägt,  modern,  jedoch  fehr 
unregelmäßig  verthcilt,  denn  in  der  Nordwand  finden 
fich  nur  zwei,  in  der  Südwand  aber  drei  große,  und 
unter  dem  Orgel-Chore  noch  ein  kleines  Fenrtcr.  An 
der  Südwand  ift  im  zweiten  Travee  von  Werten  aus 
ein  moderner  Eingang  mit  geradem  Sturz  angebracht. 
Die  Gefimfe  der  Halbpfeiler  find  dünn  und  fchlecht 
gegliedert.  Ueberhaupt  irt  das  Schiff  abfolut  formlos. 
Unter  dem  Orgel  Chore  ift  in  der  Mitte 'zwifchen  diefem 
und  dem  unter  dem  Thurme  ftehcndcn  Wert-Portale 
eine  Halle  angelegt.  Diefes  gothifche  Portal  rteht  errt 
feit  einigen  Decennien  an  der  gegenwärtigen  Stelle, 
früher  ftand  diefes  um  etwa  2  M.  örtlicher  beim  Orgel- 
Chore.  Die  erwähnte  Halle  irt  demnach  errt  fpäter  zum 
Schiffe  gezogen  worden. 

Den  Wefteingang  bildet  ein  fpät-gothifches  fpitz- 
bogiges  Portale,  im  Lichten  175  M.  breit  und  2-66  M. 
hoch,  bis  zum  Beginne  des  Bogens  172  M.  hoch,  wovon 
057  M.  auf  den  nicht  profilirten  Sockel  entfallen.  Die 
Pfeilhöhe  des  Bogens  beträgt  094  M.  Die  Segmente 
find  wenig  gebogen  und  verlaufen  fich  in  einen  nie- 
drigen Efelsrücken.  Die  Profiürung  befteht  aus  zwei 
runden  Stäben  mit  Hohlkehle,  von  denen  die  inneren 
fich  oben  kreuzen.  Im  Verhältniffe  zu  jenem  der  alten 
Sacriftei  irt  feine  Ausführung  viel  fchlechter. 

Der  Thurm  ift  viereckig,  525  M.  breit,  ohne  Glie- 
derung, und  mit  einem  zopfigen  Dache  bedeckt.  Auf 
jederSeite  ift  oben  eine  einfache  rundbogig  gefchloifene 
Schallöffnung  angebracht.  Der  obere  Theil  des  Thur- 
mes  foll  errt  1835  aufgeführt  worden  fein,  der  untere 
Theil  irt  weit  älter,  jedoch  jünger  als  das  Schiff.  Eben- 
erdig ift  eine  2-3  M.  breite  quadratifche  Halle,  welche 
fich  nach  außen  mit  drei  fpitzbogigen  unprofilirten 
Bogen  öffnet,  in  der  vierten  fteht  jetzt  das  Weft-Portal. 
Die  Bogen  ruhen  auf  niedrigen  ftarken  quadratifchen 
Pfeilern,  von  denen  fich  die  beiden  öftlichen  an  die 
Weftmauer  des  Schiffes  anlehnen.  Durch  diefe  Spitz- 
bogen beeinflußt,  möchte  man  dem  Thurme  ein  hohes 
Alter  zufchreiben.  Das  ift  jedoch  nicht  fo.  Wäre  der 
Thurm  zu  gleicher  Zeit  mit  dem  Schiffe,  refpecflive  mit 
feinem  weftlichen  Theilc  aufgeführt,  fo  hätte  man  ihn 
fchon  wegen  Materialerfparnis  in  die  Weft-Abfchluß- 
wand  gezogen.  Ferner  ficht  man  auch  beim  Eingange 
vom  Orgel-Chore  in  den  Thurm,  dafs  diefer  feine  eigene 


Mauer  hat.  Diefer  Eingang  ift  rundbogig,  i  M.  breit 
und  gegen  den  Thurm  hin  ftark  ausgefchrägt.  Es 
fcheint,  diefer  fei  das  urfprüngliche  wertliche  Fenfter 
des  .Schiffes  gewcfcn.  Spitzbogige  Gurten  hat  man 
beim  Thurme  deswegen  angewendet,  um  diefelben  mit 
dem  gothifchen  Portale  in  Einklang  zu  bringen. 

An  der  Nordfeite  des  Schiffes  ift  eine  gothifche 
mit  drei  06logon-Sciten  gefchlofsene  Capelle  ange- 
baut. Sie  ift  nur  um  weniges  kleiner  als  der  Chor  und 
ift  um  drei  Stufen  erhöht.  Unter  derfelben  irt  eine 
Gruft.  Die  Gruftplatte  hat  eine  nicht  mehr  zu  ent- 
ziffernde Auffchrift.  Da  die  Capelle  dem  heil.  Michael 
geweiht  ift,  diefem  P"ührer  der  Verftorbencn  in  das 
Himmelreich,  fcheint  fie  eine  von  irgend  einer 
Familie  geftiftete  Todten-Capclle  zu  fein.  In  den  .Schluß- 
feiten find  die  Umriffe  dreier  hoher  Spitzbogenfcnfter 
erhalten,  welche  zugemauert  worden  find.  Rechts  und 
links  ift  je  ein  viereckiges,  aus  je  einem  alten  gothi- 
fchen umformtes  Fenfter.  Eine  viereckige  Thüre  führt 
in  der  Oftwand  in  die  neue  Sacriftei.  Die  Capelle  hat 
ein  gratiges  Spitzbogengewölbe  von  gleicher  Conftruc- 
tion,  wie  das  des  Chores.  Die  Zierrippen  find  nur  durch 
Gräten  aus  Mörtel  markirt. '  Außer  diefen  find  noch 
andere  Gräten  gezogen,  welche  mit  dem  Gewölbe  gar 
nichts  zu  thun  haben.  Auch  hier,  wie  an  der  füdlichen 
Capelle,  fehlen  Strebepfeiler,  der  hohe  mit  einer 
Schräge  verfehcne  ftarke  Sockel  ift  gleich  jenem  des 
Chores. 

Diefer  Capelle  gegenüber  ift  eine  zweite  viel 
kleinere,  aus  zwei  Travees  beftehende  angebracht.  Sie 
ift  nur  4-85  M.  breit.  Diefelbe  ift  nur  um  eine  Stufe 
erhöht,  hat  ähnliches  Gewölbe,  welches  aber  noch 
liederlicher  ausgeführt  ift.  Im  zweiten  Travt'e  findet  fich 
jederfeits  ein  viereckiges  Fenfter,  und  in  der  mittleren 
Schlußwand  eine  kleine  runde  Oeffnung.  Während  die 
nördliche  Capelle  doch  einen  Sinn  hat,  irt  diefe  eine 
fchlechte  Nachahmung  derfelben.  Sie  war  nie  gothifch. 
Das  fpitze  Gewölbe  hat  man  nur  der  Symmetrie  halber 
angebracht. 

Im  Winkel  zwifchen  dem  Chore  und  der  nörd- 
lichen Capelle  fteht  die  neue  Sacriftei  bedeckt  mit 
einem  Tonnengewölbe  und  Stichkappen.  Sie  ift  475  M. 
lang  und  32  M.  breit.  In  der  Oftwand  hat  fie  eine 
viereckige  Thüre  und  ein  folches  fehr  kleines  Fenfter. 
Auch  über  diefer  irt  eine  Empore,  auf  welche  von  außen 
eine  rteile  hölzerne  Hühnertreppe  hinauf  führt.  Beide 
Emporen  öffnen  fich  gegen  den  Chor  mit  halbkreis- 
förmigen Fenfterchen.  Die  Kircheneinrichtung  ohne 
Kunrtwerth.  Die  fünf  Altäre  find  aus  Holz  im  Barock- 
oder beffer,  in  keinem  Slj'le  ausgeführt.  Am  meillen 
werth  irt  noch  die  Orgel. 

Von  außen  irt  die  Kirche  ein  Conglomerat  ohne 
Form  und  Styl.  Die  Kirche  irt  mit  Ziegeln,  der  Thurm 
und  der  hölzerne,  aber  von  außen  verputzte  Dachreiter 
find  mit  Blech  bedeckt.  In  ihm  hängen  drei  kleine 
Glocken,  die  nnttlere  hat  in  einem  kleinen  Relief  die 
Kreuzigung  und  die  Jahreszahl  1678.  Die  kleine  und 
die  große  haben  keine  Infchriften;  die  große  hat  aber 
im  Friefe  zwifchen  zwei  parallelen  Ornamenten  Hafen, 
1  lunde  und  Rehe - 


'  Im  GriiiidriHc  riiul  die  coiidi'uCtivcn  Graten  durc:))  Härkerc  Linien 
u.irkii't. 

=  Wegen  gefahrvoller  Stellung  konnte  ich  weder  eine  getreue  Zeieli- 
iiiing   noch  den  Abklatfch  d^vou   nehmen. 


-     3^     — 

Das  Werthvollftc  an   der  Kirclie  find   außer  dem      diefen  ift  jenes  des  Herrn  Erasem  von  Lichtenberg  /.u 
Chorgewölbe  jedenfalls    die    vier  Grabdenkmale    mit      Radlftein  vom  Jahre  1566. 
Bildern   in  7,  Lebensgröße.  Das  merkvvürdigfte  unter 


Alte  Grabdenkmäler  aus  Prufinovic  (Mähren). 

Von    y.   HoiiJck. 
fMit  3  TextUluftrationen.) 


INE  Meile  nördlich  von  llolefchau  in  einem  an- 
muthigen  Thale  liegt  das  Dorf  Prufinovic,  von 
welchem  die  Adelsgefchlechter  der  Podftatsky 
von  Prufinovic  und  jenes  der  Prufinovsky  von  Vickov 
(fprich  Witzkow)'  ihre  Namen  ableiteten.  Das  erftere 
Gefchlecht  bliiht  noch  heute  als  Grafen  und  Freiherren  ; 
das  letztere  —  bereits  ausgeftorben  —  gab  dem  Lande 
Mähren    einen    ausgezeichneten   Bifchof    von    Olmüz, 


Mg.  1. 

den  Wilhelm  Prufinovsky  von  Vickov  (1565  —  1572). 
lün  Johann  von  Vickov  fiel  in  iler  unglücklichen  Schlacht 
bei  Moliacs  im  Jahre  iSin, 

Der  Ritterfitz  in  Prufinovic  ill  heute  ganzlich  von 
der  Oberfläche  vcrfchwunden;  nur  der  noch  erhaltene 
Name  eines  Feldes  hinter  dem  dortigen  Pfarrhofe  — 

'  Wiiluy  rdircibt  ilicfcii  Njtncii  „WitfchkoW,  w;is  niclil  rkliliK  fein 
iliirftc.  \>.\i  botf  Vickov  rammt  der  glciclinamigcii,  fclion  feil  dem  16.  Jalirliiiii 
«Ion  odcii  Burg  liegt  im  Bezirke  Tiäiiovic,  im  ehemaligen  IgKiuer    Krcifc. 


Zämcisko,  Burgftatte  —  deutet  an,  wo  das  ehemalige 
Herrenhaus  ftand.  Der  Ritterfamilie  von  Vickov  gehörte 
Prufinovic  feit  der  Mitte  des  15.  bis  zum  Anfange  des 
17.  Jahrhunderts;  die  Familiengruft  derfclben  befand 
fich  unter  der  dortigen  heute  katholifchen  Kirche,' 
welche  laut  einer  gegenwärtig  unter  der  Chorfliege 
angebrachten  Auffchrift,  in  Stein  gemeißelt,  im  Jahre 
1601  von  Arkleb  (Hartlieb)  von  Vickov  auf  Prufinovic 
renovirt  wurde.  Zufolge  einer  im  dortigen  Pfarr-Archive 
aufbewahrten  Urkunde  vom  Jahre  1805  befanden  fich 
in  diefer  Kirche  nicht  weniger  als  12  Grabfteine  der 
genannten  Ritterfamilie.  Von  diefen  12  Grabfteincn 
find  heute  dafelbft  nur  noch  fieben  erhalten,'"'  davon 
fechs  in  den  inneren  Kirchenmauern,  einer  jedoch  in 
der  äußeren  Kirchenmauer  eingelaffen.  Diefe  fahr  fchön 
in  grauem  Sandftein  ausgehauenen  Denkmäler  find 
durchwegs  Porträts  in  natürlicher  Größe,  en  face  auf- 
recht ftehcnd.''' 

Links  \om  Haupteingange,  an  der  Evangelien-Seite 
des  Schiffes,  find  zuerft  zwei  durch  einGefimfe  am 
oberen  Rande  verbundene  Grabdenkmäler  eingemauert, 
die  offenbar  von  demfelben  Steinmetz  vielleicht  gleich- 
zeitig angefertigt  wurden.  Zum  Unterfchiede  von  den 
anderen  Grabdenkmälern  diefer  Kirche  find  bei  diefen 
zweien  die  feichten  rundgewolbten  Nifchen  von  je  zwei 
Pfeilern  flankirt,  welche  mit  Rankenwerk,  aus  dem  links 
und  rechts  Glockenblumen  herauswachfen,  geziert  find. 
Auch  haben  fie  keine  Uml'chriften,  wie  die  anderen 
Grabfteine,  fondern  die  Infchriften  find  in  zwei  ober- 
halb der  Denkmäler  eingelaffene  Steine  gemeißelt. 

Der  Grabftein  Nr.  i  ifl  gewidmet  der  im  Jahre 
1571  geworbenen  Anna  Cernohorska  von  ]-5oskovic, 
Gemahlin  des  Johann  Wilhelm  von  Vickov.  Er  Hellt 
eine  P'rau  vollkommen  en  face  im  Mantel  vor,  den 
Kopf  mit  einer  Haube  bedeckt,  Hals  und  Schultern 
von  breitem  Kragen  umlüillt,  die  Hiuide  an  der  Hrull 
gefaltet  und  zum  Gebet  erhoben;  an  den  Aermeln 
Hemdkraufen.  Der  untere  Saum  des  Mantels,  in.sbefon- 
dere  aber  jener  des  Rockes  zeigt  Stickereien.  Rechts 
(heraUlifch)  unten  das  Wappen  der  Herren  von  Bosko- 
\ic:  (weißer)  fiebenzinkiger  Kamm  (im  rotlien  l'elde); 
auf  dem  mit  Helmdecken  gezierten  offenen  gekrönten 
Helme  als  Kleinod  zwei  (grüne)  Kugeln  aufgekreuzteil 


'   l);is   durtigc  iikallmlifclic   Hclh.uis  wurde   eiR   im   Jiilnc   17Ö3  cil>;uit. 

-  Wotny  führt  in  feiner  „  Markgr.iffi  haft  Mahren"  I,  pag.  (18,  mir  drei. 
nnd  in  feiner  fpater  crfchiencncn  „Kir<:hHrhcn  'l'ctpographic  von  Miihren-'  im 
Ganzen  nur  .hIu  (!rab[leine  an,  namWili   Ni'.   1,  3,  5,   7 — 12. 

••  iJie  I'holirgr.-ijdiicn  diefer  (;r.d)ftcine,  fiiwic  die  hereits  früher  al)gefclirie- 
hencn  Umfchriftcn  derfelhcn  wnrdcn  mir  durch  freundfchaflliclic  OlJfcrwiijig 
kcit  des  Herrn  Ed.  JVc/e,  Lehrers  in  llolefchau.  in  deffendefellfchaft  icli  im 
vnriKen  Jahre  Prufinovic  licfuchte.  zur  Vcrfünun>:  gcRellt,  wofür-ich  ihm  hieniit 
aufricIitiKcn  U.iiik  fagc.  wie  auch  dem  huchwürdigcn  Herrn  Pfarrer  Lit'^ny  in 
Prufinovic  für  dcffcn  l-'iimiUigutig  und  Unterfliit/uiiK  bei  den  zur  photoKr.tplü 
fcheli  Aufnahme  der  Moniiinente  iiuthuelidigen   Vorbereitungen. 


Stielen,  auf  Crotlicm)  Kiffen  ruhend.  Die  Infclnift  in 
lateinifcher  Majuskel,  ift  folgende: 
LETHA  -PANIE  ■  15/'  -WE-CTWRTEK -POPAMATCE 
SESLANI  •  I  DVCHA  •  SWATEHO  •  WHODINV  •  lü  ■ 
POWOLATI  •  RACIL  •  PAN  •  |  BVH  ■  SKRZE  •  SMRT  •  CAS 
NAV  •  VROZENV  •  PANY  •  PANY  ■  |  ANNV  •  CZER 
NOHORSKAV  •  ZBOSKOWIC  •  MANZELKV  •  |VROZE- 
NEHO  •  PANA  •  YANA  ■  WYLIMA  •  ZWICKOVVA  • 
GEGY  •  I  DVSSY-ZE  •  PAN  •  BVH  ■  GEST  •  MILOSTIW  • 
WIERZIME- 

Das  heißt:  „Im  Jahre  des  Heils  1571  am  Donners- 
tag nach  Pfingften  in  der  18.  Stunde  geruhte  Gott 
durch  zeitlichenTod  abzuberufen  die  hochgeborene  Frau 
Frau  Anna  Cernohorskä  von  Boskovic,  Gemahlin  des 
hochgeborenen  Herrn  Johann  Wilhelm  von  Vickov. 
Dafs  fich  Gott  ihrer  Seele  erbarme,  glauben  wir"  (Fig.  i). 

Grabflein  Nr.  2.  flellt  den  Johann  Pfemek  von 
Vickov  und  auf  Byltiüc  a.  Hoftein  dar,  geftorben  im 
Jahre  1590.  Ritter  in  voller  Rüftung  mit  unbedecktem 
Haupte.  Harnifchbruft  glatt,  auf  den  Achfeln  gefcho- 
bcne  Vordeifliige;  Beintafchen  ebenfalls  gefchoben. 
Zwifchen  den  ausgefpreizten  Fijßen  der  gefchloffene 
Tournierhelm  mit  Federfchmuck.  Die  linke  Hand  h.ilt 
an  der  Bruft  eine  Papierrolle  (?) ;  die  Rechte  ruht  auf 
einem  Wappenfchild  mit  dem  Familienwappen  der 
HedTcn  von  Vickov:  gefpaltener  Schild,  rechts  roth, 
links  zwei  (fchwarze,  nach  Paprocky's  Zrcadlo  Marg- 
krabstwj  Morawskeho  jedoch  rothe)  wagrechte  Streifen 
(im  weißen  Felde).  Auf  dem  Helme  zwei  Büffelhörner 
als  Zimier.  Das  von  einem  breiten  Hemdkragen  um- 
rahmte Geficht  mit  flarkem  langen  Schnurbarte  — 
fonfl  bartlos  —  ift  fchön  modellirt.  Die  Infchrift  in 
lateinifchen  Majuskeln  oberhalb  des  Denkmals  hat 
diefen  Wortlaut: 

LETHA  •  PANIE  •  1590  •  WPATEK  •  DEN  •  SWATEHO  ■  | 
WACLAWA  •  DOKONAL  •  GEST  •  ZIWOT  ■  SWVG  - 
VROZENI-IPAN-YAN-PRENEK-ZWICKOWA-ANA- 
BYSTRZYCY-IPOD-HOSTEGNEM-WLETECH-WIEKV- 
SWEHO-33-l  BEHOZi  ■  DVSSY-ZE  •  GEST  ■  PAN-BVH- 
MILOSTIW  •  WERYME- 

Das  heißt:  .,Im  Jahre  des  Heils  1590.  Freitag  am 
Tage  des  heil.  Wenzel  beendete  fein  Leben  der  hoch- 
geborene Herr  Johann  Pfenek  von  Vickov  und  auf 
Byflfic  am  Hoftein  im  33.  Jahre  feines  Lebens.  Dafs 
Gott  deffen  Seele  barmherzig  fei,  glauben  wir. 

Grabftein  Nr.  3.  Auf  dem  nächften  Grabmale  der- 
felben  Seite  des  Schiffes  ift  der  im  Jahre  1538  verftor- 
bene  Arkleb  (Hartlieb)  von  Vickov,  Sohn  des  Pfenek 
von  Vickov,  abgebildet  in  voller  Rüftung,  auf  dem 
Kopfe  den  Helm  mit  aufgefchlagenem  Vifir.  Harnifch- 
kragen  geriffelt  und  gefchoben,  die  cannellirten  Vor- 
derflüge haben  Brechränder;  cannellirte  Harnifch- 
bruft, gefchobene  Beintafchen  und  Kniebuckeln,  glatte 
Beinröhren,  Eifenfchuhe  mit  Entenfchnäbeln;  der 
rechte  Fuß  gebogen.  An  den  Händen  find  Hentzen 
angezogen;  die  Linke  hält  die  Fahne,  die  Rechte  ruht 
auf  dem  auf  der  rechten  Seite  angefchnallten  langen 
Schwerte.  In  den  vier  Ecken  find  Wappenfchilder: 
rechts  oben  das  Vickovfche,  links  oben  ein  gezähntes 
Rad;  rechts  unten  das  Wappen  der  Herren  von  Zäftrizl: 
(weiße)  Lilie  (in  rothem  Felde);  links  unten  die  vordere 

'  Soll  richtig  heiUen:  GEHAZ. 
XIX.   N.   F. 


I  lälfte  eines  aufrecht  ftehcnden  Ochfen.  Die  Umfchrift 
ift  in  zierlicher  gothifcher  Minuskel  ausgeführt  (Fig  2). 
Grabftein  Nr.  4.  Der  nachfolgende  Grabftein  auf 
der  Evangelien-Seite  fteht  in  dem  Ouerfchiffe  und 
wird  gegenwärtig  von  einem  davor  gefteilten  Beicht- 
ftuhle  ganz  verdeckt.  Es  dürfte  das  am  reichften  aus- 
geführte, an  Kunftwerth  alle  übrigen  überragende 
Denkmal  in  diefer  Kirche  fein,  ift  jedoch  leider  etwas 
befchädigt  und  hat  gar  keine  Umfchrift.  Nur  das  Wap- 
pen bezeugt,  dafs  auch  diefer  Grabftein  einem  Herrn 


Fic 


von  Vickov  gefetzt  wurde.  In  einem  reich  verzierten 
Rahmen  fteht,  etwas  nach  rechts  gewendet,  eine  hohe 
fchlanke  impofante  Ritterfigur.  Der  prächtig  model- 
lirte  unbedeckte  Kopf  trägt  ausdrucksvolle  edle  Züge 
zur  Schau  und  hat  einen  ftarken  langen  Vollbart.  Die 
Rüftung  ift  geradezu  prachtvoll,  mit  Gravirungen  fozu- 
fagen  ganz  bedeckt.  Die  Achfelftücke  tragen  einen  fehr 
hohen  Brechrand;  das  cannellirte  Armzeug  hat  ganze 
Armkacheln;  in  der  mufchelförmig  verzierten  Harnifch- 
bruft fteckt  der  Rüfthaken.  Befonders  fchön  mit  Gravir- 
ungen verziert  find  die  Oberdiechlinge,  als  auch  die  Knie- 
buckeln; die  Beinröhren  find  dagegen  glatt;  die  Eifen- 
fchuhe haben  die  Form    der  fosrenannten  Kuhmäuler. 


34 


Zwifchen  den  wie  im  Ausfehreiten  begriffenen,  im  Ver- 
hältnis zum  Oberkörper  fahr  langen  und  dünnen  Füßen 
fleht  der  offene  Helm  mit  drei  Federn.  Der  Latz  ift 
abgehauen;  offenbar  nahm  jemand  an  diefer  Mode 
Anftoß.  Ebenfo  ift  die  linke  Hand  fammt  der  von  ihr 
gehaltenen  Fahnenftange  abgefchlagen.  Die  Fahne 
flattert  hinter  dem  Kopfe  des  Ritters.  Die  rechte 
Hand  ruht  auf  dem  Schilde  mit  dem  Wappen  der 
Vickove.  Diefes  Denkmal  dürfte  aus  dem  Anfange  des 
17.  Jahrhunderts  ftammen. 

Grabftcin  Nr.  5.  Auf  der  Epiftel-SeiteimLangfchiffe 
ift  ein  einziges  Denkmal,  nämhch  jenes  des  im  Jahre 
1569  verftorbenen  Zdvise  von  Vickov  auf  Polehradic. 
Der  in  voller  Rüftung  abgebildete  Ritter  fteht  in  einer 


l'ig-  3 

rundbogig  gewölbten  Nifche.  Der  unbedeckte,  von 
einem  langen  Vollbart  umrahmte  Kopf  ift  jedoch  im 
Verhaltniffe  zu  jenem  des  vorbcfchriebenen  Denkmals 
recht  flüchtig  und  roh  gearbeitet.  Das  gefchobene 
Überarmzeug  trägt  Achfelftauchen;  dicfe,  fowie  das 
ganze  Armzeug  als  auch  die  glatte  Harnifchbruft  und 
die  gefchobcnen  Beintafchen  find  mit  Gravirungen  ge- 
ziert, lieber  der  Bruft  hängt  eine  Kette.  Die  Diechlinge 
cannellirt,  die  iMfenfchuhe  gefchoben.  Zwifchen  den 
Füßen  der  Helm  mit  aufgefchlagenem  Vifir,  ebenfalls 
gravirt  und  mit  Federn  gefchmückt.  Die  linke  Hand 
hält  das  umfchnallte  Schwert,  die  Rechte  ruht,  fowie 
bei  Nr.  2  und  4,  auf  dem  Schilde  mit  dem  Wappen  der 
l-'amilic  von  Vickov.  An  tier  rechten  Hüfte  ficht  man 
i-ltsn  Griff  eines  Dolches.  In  den  vier  h.cken  des  Bikl- 
ftcincs  Wappenfchilder,  von  denen  jedoch  nur  jenes  in 
der   rechten    oberen  Ecke   das  Wap[)en    der    Vickove 


trägt,  wogegen -die  anderen  leer  find.  Die  Umfchrift  in 
lateinifchen  Majuskeln  lautet: 

LETHA  •  PANIE-  i  •  5  ■  6  •  9 -WSOBTV-  PREDS-HRZE 
HORZEM-  IVMRZEL-GEST-VROZENYASTATECZNY- 
RYTIRZ  •  FAN  ■  1  ZAWISSE  •  ZWYCZKOWA  ■  ANAPO 
LEHIADICZYCH  •  ATVTO  •  GEST  •  POCHOWAN  • 
PAN  •  BVOH  •  RACZ  •  GEHO  •  DVSSY-  MILOSTIW  •  BYT- 

Das  heißt:  „Im  Jahre  des  Heils  1569  Samllag  vor 
Gregorii  ftarb  der  hochgeborene  und  tapfere  Ritter 
Herr  Zävise  von  Vickov  und  auf  Polehradic  und  liegt 
hier  begraben.  Gott  möge  fleh  feiner  Seele  erbarmen!" 

Grabltein  Nr.  6.  Auf  der  Epiftelfeite  der  Kirche 
ift  nur  noch  ein  einziger  Grabftein,  der  im  Querfchiffe 
eingemauert  ift.  Es  ift  der  ältefte  von  allen  hiefigen 
Grabdenkmälern,  närnlich  aus  dem  Jahre  1524,  und  ift 
gewidmet  der  Gemalin  des  Pfem'ek  von  Vickov,  Dorota 
von  Lhota.  Durch  feine  Anordnung  und  Ausführung 
unterfcheidet  fich  diefes  Denkmal  von  allen  oben  bc- 
fchriebenen  wefentlich.  Der  Umfaffungsftein  ohne  jed- 
wede Verzierung  ift  an  den  vier  Ecken  durch  große 
Wappenfchilder  unterbrochen:  oben  rechts  ein  vier- 
fpeichiges  Rad,  links  die  Vorderhälfte  eines  Ochfen, 
unten  rechts  ein  Gaisbock,  links  ein  Löwe.  Im  ver- 
tieften Bildfteine  ift  eine  weibliche  Figur  abgebildet, 
deren  Kopf  auf  einem  Polfter  mit  Ouaften  ruht  und 
von  Tüchern  fo  eingehüllt  ift,  dafs  nur  die  Augen  lyid 
der  obere  Theil  der  Nafe  zu  fehen  ift.  Die  Hände  find 
unter  der  Ihaift  übereinander  gelegt,  die  Ober-  und 
Unterarme  find  von  einem  faltenreichen  Obergewande 
ganz  bedeckt.  Umfchrift  in  gothifcher  Minuskel  (Fig.  3). 
Ober  diefer  Grabplatte  ift  ein  zweiter  Stein  in  der 
Form  eines  niederen  Drcieck-es  quer  angebracht,  in 
deffen  Mitte  eine  weibliche  Büftc  von  Ranken  umgeben 
fich  befindet. 

Grabftein  Nr.  7.  Der  einzige  Grabftein  auf  der 
Außenfeite  der  Kirche  ftellt  eine  weibliche  Figur  in  Bas- 
Relief  dar;  er  ift  leider  in  zwei  Stücke  der  Breite  nach 
zerbrochen  und  find  Figur  fo  wie  Umfchrift  befchäiligt. 
Gewidmet  ift  er  einer  im  Jahre  1535  geftorbenen  l'rau 
von  Vickov,  deren  Taufnamen  nicht  mehr  zu  enträthfeln 
ift.  Auf  dem  Kleide  ift  die  reiche  Stickerei  durch  Relief- 
Arbeit  nachgeahmt.  In  den  vier  l'xken  des  Bildfteines 
diefelben  Wappen  wie  bei  dem  Grabfteine  Nr.  3. 

Außer  diefen  heben  erhaltenen  Grabfteincn  waren 
laut  der  Nachricht  des  Prufinovicer  Pfarr-Archivs  noch 
im  Jahre  1805  in  der  dortigen  Kirche  weitere 
fünf  Grabfteine,  von  denen  die  Umfchriften  in  einer 
dort  aufbewahrten  Urkunde  verzeichnet  finil;  nämlich: 

Nr.  8.  Im  Presbyterium  auf  der  Evangelien-Seite 
der  Grabftein  des  Premek  von  Vickov,  geftorben  am 
10.  Januar  1561.  Er  war  Unterkämmerer  der  Markgraf- 
fchaft  Mähren. 

Nr.  9.  Unter  dem  Mufikchor  auf  der  Evangelien- 
Seite  der  Grabftein  des  Johann  Wilhelm  von  Vickov, 
geftorben  am  .Sonntag  nach  Peter  und  Paul  1583  im 
49.  Jahre  feines  Lebens. 

Nr.  10.  Im  Schiff  auf  der  Ei>iftel-Seite  derGrabftein 
der  Frau  Anna  Sedlnickä  von  Choltic,  Gemahlin  tles 
Arkleb  von  Vickov,  geftorben  1587  am  Freitag  nach 
dem  heil.  Dreifaltigkeitsfefte. 

Nr.  II.  y\uf  derfelben  Seite  das  Grabmal  dei'  I""iau 
Stastna  (Felicitas)  Prazminka  von  Bilkov,  (ienialiii  des 
Arkleb    von  Vickov,  geftorben  1598. 


55     - 


Nr.  12.  Auf  dcrfelbeii  Seite  der  Grabftein  des 
Arklcb  von  Vi'ckov,  Herrn  auf  Prufinovic,  V.setin, 
Lukov,  Rymnic  und  Cejkovic,  geflorben  i6oS  im 
47.  Lebensjahre. 

Diefe  fünf  (irabfteine  wurden  bei  der  im  Jahre 
1806  vorgenommenen  Erweiterung  der  Kirche  als 
Baumaterial  —  theilweife  in  der  Friedhofsmauer,  theil- 
weife  als  Stufen  der  Stiegen  beim  Aufgange  zum  Kirch- 
hofe —  verwendet.  Es  ift  gewiß  bedauerlich,  dafs  unfer 
Jahrhundert  diefe  durch  mehrere  Jahrhunderte  ver- 
fchont  gebliebenen  fclidncn  Kunlldenkmaler  der  Zcr- 
flörung  preisgab. 


Nicht  minder  cigcntlüimlich  lautet  auch  die  Nach- 
richt des  mährifchen  Topographen  Wo/nj  (Kirchliche 
Topographie  von  Mähren,  Ohnüzer  Erzdiöcefe  III.  Bd.., 
S.  288),  cdafs  „man  in  neuefter  Zeit^  mehrere  zinnerne 
Sarge  (nämlich  aus  der  geöffneten  Familiengruft  der 
Prufinovsky  von  Vickov  unter  der  Prufinoviccr  Kirche) 
zu  Altar-Leuchtern  verwendet,  die  darin  enthaltenen 
Knochenrefte  aber  in  der  Gruft  felbft  vergraben  haben 
foll". 

'  Der  MI.  liand  'ler  UlinJizer  Diöcefc-  von  UWfiys  KJrchlicIicr  Topo- 
^i;iphie  von   Mahren  erfcliien   im  Jahre   1859. 


Die  beiden  biblifchen  Gemälde-Cyclen  des  Domes  zu  Gurk. 


Vom   Corrcfiionilcnteii   Dr.    Alfrcil  Sclniciicli. 


Einleitung. 

O  bedeutend  die  mittelalterlichen  Denkmäler 
der  Malerei  in  den  öfterreichifchen  Alpen- 
ländern, dem  großen  Gebiete  der  Erzdiöcefe 
Salzburg  auch  gewefen  fein  mögen,  hat  fich  doch 
heute  davon  verhältnismäßig  nur  wenig  erhalten,  noch 
weniger  ift  bekannt  oder  beachtet  worden.  Die  größere 
Anzahl  der  Gemälde  liegt  übrigens  wohl  unter  der 
Tünche  verborgen;  vergeht  doch  kaum  ein  Jahr,  in 
welchem  nicht  ein  wichtiges  Denkmal  zu  Tag  gefördert 
wird.  Syftematifch  ift  man  hiebei  freilich  nur  in  den 
wenigften  Fällen  vorgegangen,  entfprechend  verhält 
es  fich  mit  der  bisherigen  Würdigung. 

Den  großartigften  Gemäldefchmuck  aus  dem 
Mittelalter,  weit  über  die  Bedeutung  von  Keften  hinaus- 
gehend, befitzt  in  diefeni  Sprengel  heute  unbedingt 
der  Dom  zu  Gurk.  Der  geradezu  unfchätzbare  Wert 
diefer  Denkmäler  beruht  hier  nicht  allein  in  ihrem 
Kunftwerth,  fondern  ganz  vorzüglich  in  ihrer  faft  voUftän- 
digen  Erhaltung,  namentlich  aber  auch  darin,  dafs  fie, 
wenigftens  bis  heute,  von  jeder  Reftauration  glücklich 
verfchont  geblieben  ftnd.  Das  Hauptintereffe  ziehen 
die  Wandgemälde  des  zweigefchoßigen  Weftbaues  auf 
fich.  Der  ältere  Thcil  derfelben  ziert  den  fogenannten 
Nonnen-Chor,  und  gehört  dem  13.  Jahhunderte  an.' 
Diefer  weit  berühmte  Bilderkreis  fchildert  uns  den 
Fall  des  Menfchengefchlechtes  und  das  himmlifche 
Jerufalem,  welches  uns  durch  die  Menfchwerdung  des 
Sohnes  Gottes  wieder  gegeben  wird.  Der  Inhalt  ift 
hier  ein  tief  durchdacht  fymbolifcher.  Anders  die  Vor- 
halle. Während  die  Empore  nur  den  Mitgliedern 
des  Domftiftes  diente,^  gehörte  jene  dem  gefammten 
kirchenbefuchenden  Volke,  und  zwar  als  Vorbereitung 
für  das  eigentliche  Heiligtluim.  Der  Bilderfchmuck, 
follte    er    verftändlich     fein,      mußte     an      allgemein 


geläufiges  anknüpfen.  Dies  gefchah  fchon  an  den 
Schnitzwerken  der  beiden  Thürflügel,  die  einerfeits  den 
Stammbaum  Chrifti,  anderfeits  die  fogenannte  biblia 
pauperum  aufweifen.'  Diefes  Schnitzwerk,  welches  von 
verhältnismäßig  kleinen  Dimenfionen  ift,  erhielt  in  den 
Wandgemälden,  welche  die  Gefchichte  des  alten  und 
neuen  Bundes  in  einem  chronologifch  geordneten 
Cyclus  behandeln,  feine  Ergänzung.  Beides  follte  aber 
nur  die  Vorbereitung  für  einen  weiteren  großen 
Cyclus  fein.  Diefer  zierte  die  Wände  der  Kirche  felbft, 
und  brachte  die  Gefchichte  der  heiligen  Jungfrau,  der 
ja  das  Münfter  von  deffen  feiig  gefprochenen  Stifterin 
geweiht  war,  zur  Anfchauung,  ift  jedoch  heute  größten- 
theils  unter  der  Kalktünche  verborgen.^  Mit  den  Wand- 
gemälden der  Vorhalle  gelangte  alfo  die  „expositio 
historica"  im  Gegenfatz  zur  ..allegorica"  zur  Herr- 
fchaft.^  Noch  einen  weiteren  großartigen  Gemälde- 
fchatz  aus  dem  Mittelalter  befitzt  der  Dom  in  feinem 
Faftentuche.  Dasfelbe  ift  ein  bewegliches  Objedt,  und 
nur  für  eine  verhältnismäßig  kurze  Zeit  des  Kirchen- 
jahres, die  vierzigtägige  Faften,  beftimmt.  Der  bild- 
nerifche  Schmuck  hat  gleich  den  Gemälden  der  Vor- 
halle die  Gefchichte  des  alten  und  neuen  Teftamentes 
zum  Gegenftand,  und  hat  denfelben  noch  weit  umfang- 
reicher und  ausführlicher  behandelt. 

Ob  des  gleichen  Gegenftandes,  der  von  vorn 
herein  zahlreiche  Berührungspunkte  im  Einzelnen 
verfpricht,  find  die  beiden  zuletzt  genannten  Denk- 
mäler ganz  befonders  geeignet  nebeneinander  be- 
trachtet zu  werden,  welche  Aufgabe  fich  die  nach- 
folgende Arbeit  geftellt  hat. 

Vorerft  möge  ihrer  äußeren  Schickfale  kurz  gedacht 
werden.  Beide  Monumente  waren  bisher  kaum  bekannt, 
und  auch  wenig  zugänglich.  Die  Wandgemälde  der 
Vorhalle  waren  feit  dem  17.  Jahrhundert  größtentbeils 
durch   fechs  gewaltige  Holz-Reliefs  mit  der  Gefchichte 


'  VoUftändig  abgebildet  von  KU-iti,  Mitth.  d.  CeiUr.-Comm.  XVI.  Theile 
davon  oft  in  Handbüchern,  Die  Eri<laruiigen  norh  nicht  ganz  abgefchlolVen, 
vgl.  auch  das  Buch:  „Die  feiige  Hemma  von  Gurk"  (von  Gregor  Schellitnder'), 
Khigenfurt  1879,  S.  175  ff.  eine  Erbauungsfchrift,  nebftbei  aber  auch  eine 
verdienftvolle  hiftorifche  Quellenarbeit,  fowie  Janit/chek:  Deutfche  Kunftge- 
fchichte,    S.  158  u.  f. 

-  Vgl.  meine  Arbeit:  Neue  Beiträge  zur  Baugefchichte  im  Sprengel  der 
Salzburger  Jletropole  Mitth.  d.  Centr.Conim.  N.  F.  16,  S.   182. 


'  Vgl.   meine  Arbeit:  Mitth.  d.  Ccntr.-Comni.   N.  F.  15,  S.   174  f. 

=  Vgl.  „Die  feligc  Hemma  von  üurk"  S.  184.  —  llg  (Mitth.  d.  Centr.- 
Conim. N.  F.  5,  S.  XXXVn)  hat  die  immerbin  noch  bedeutenden  Refte  über- 
fehen;  eine  kvirzc  Befchreibung:  in  Kunft-'ropographie  Kärntens.  S.  92,  ebenfo 
von  Camitlo  Sitte,  Mitth.  d.  Centr.  Comm.  N.  F.  18,  S.  53,  worauf  ich  andcr- 
w.-trts  zu  kommen  gedenke. 

^  Vgl.  hierüber  Heider:  „Der  Altar-Auffatz  im  Stifte  Klofterncuburg." 
Mitth.  des  Wiener  Altcrthums-Vereines  IV,  S.  27  und  unten. 

5* 


36 


der  feiigen  Hemma,  die  nach  meiner  Anficht  von  den 
Flügeln  des  einftigen  Hochaltars  herrühren,  verdeckt. 
Zu  Anfang  diefes  Jahrhunderts  fügte  man  noch  oben- 
drein in  die  Südwand  einen  Grabftein  ein,  und  überftrich 
die  unteren  Partien  der  Wände  bis  zu  den  Reliefs  mit 
Farbe.  Da  alfo  ein  fo  großer  Theil  der  Bilder,  mehr  als 
die  Hälfte,  nicht  fichtbar  war,  darf  es  nicht  befremden, 
dafs  diefelben  bisher  nur  wenig  beachtet  wurden.  Mit 
Begeifterung,  aber  nur  kurz  hat  diefelben  v.  Quafl'^  be- 
fchrieben.  Weitere  Befprechungen  haben  Haas,~  Schel- 
lander und  Ankershofen^  geliefert.  Seitdem  fank  das 
Intereffe  merklich,  ja  man  hielt  die  bisherige  \\'ürdigung 
für  Ueberfchätzung.  Eine  eingehende  Unterfuchung 
war  erft  nach  Entfernung  der  Reliefs  möglich,  die 
allerdings  fchon  v.  Qiiaß  vor  faft  einem  halben  Jahr- 
hundert als  „dringend  nothwendig"  bezeichnet  hatte. 
Dies  gefchah  nun  als  ich  Augufl  i8S6  behufs  aber- 
maliger Unterfuchung  der  Gemälde  als  Mitglied  des 
Inftitutes  für  öflerreichifche  Gefchichtsforfchung  mit 
Unterftützung  des  hohen  Minifteriums  flir  Cultus  und 
Unterricht  nach  Gurk  gefchickt  wurde.  Die  Anregung 
hiefür  verdanke  ich  meinem  Lehrer  Herrn  Profeffor 
Dr.  Franz  Wickhoff. 

Die  neu  an  das  Licht  gebrachten  Bilder  waren 
gegenüber  den  anderen  keineswegs  in  befonders 
fchlechtem  Zuftande  wie  man  vielfach  glaubte.  Diefelben 
fmd  eben  durch  Feuchtigkeit  wohl  auch  durch  Nagel- 
löcher, Ritzer  u.  a.  vielfach  fchadhaft  geworden,  im 
Ganzen  gleichwohl  trefflich  erhalten.  Nur  weniges  ift 
als  ganz  verloren  anzufehen.  Manches  wird  noch  durch 
vorfichtiges  Aufdecken  der  Tünche  zu  erkennen  fein. 
Die  Reliefs  wurden  auf  meine  Veranlaffung  nicht  mehr 
an  alter  Stelle,  fondern  würdiger  an  den  Wänden  des 
Chores  der  Kirche  angebracht;  fo  find  nun  die  herr- 
lichen Gemälde,  die  fich  denen  der  Empore  wohl  als 
kaum  geringer  an  die  Seite  ftellen,  allgemein  und  voll- 
ftändig  fichtbar  geworden. 

Anders  verhält  es  fich  mit  dem  Faftentuchc,  deffen 
Befprechung  den  zweiten  Theil  diefer  Arbeit  bildet. 
Dasfelbe  war  bisher  literarifch  gar  nicht  bekannt; 
meine  Notiz  in  den  Mittheilungen  der  k.  k.  Ccntral-Com- 
miffion*  ill:  die  erfle  an  die  Ocffentlichkeit  gebrachte 
Erwähnung.''  Der  Grund,  dafs  dasfelbe  bisher  faft 
gänzlich  unbekannt  geblieben  ift,  liegt  hauptfächlich 
darin,  dafs  es  eben  nur  in  der  Faftenzeit  fichtbar  ift, 
fonft  aber  aufgerollt  in  einem  Corridor  des  Stifts- 
gebäudes aufbewahrt  wird.  Die  Erhaltung  diefes  Faften- 
tuches  ift  trotz  zahlreicher  Riffe  eine  fehr  gute,  nur  die 
unterften  Partien,  worauf  fich  freilich  auch  die  wichtige 
Infchrift,  welche  deffen  Entftehung  angibt,  befindet, 
haben  ftärker  gelitten.  Einige  wenige  Stellen  wurden 
wohl  auch  wegen  großer  Schäden  eingeftückt  und 
übermalt." 


I  OUr,  Orundziige  der  kirchlichen  Archäologie,  i.  Auflage,  S.  6p  r. 

-  Denkmäler  des  äfterr.  Kaifcrdaates  II,  S.  163  ff. 

'  Mitlh.  der  k.  k.  Centr.-Curnm.  II,  S.  163,  vgl.  auch:  „Die  feligc  Hcmm.-i'* 
S.  162. 

'  1887,  S.  LI. 

^  Seitdem  kurz  erwuhnt  in  der  Kunit-Topogr.lphie  Kärntens  S.  94. 

•*  Der  Dechant  von  Gurk,  Herr  Domcapitiilar  Dr.  Vaientin  Neiiiec  ließ 
in  jiini;f\cr  Zeit  die  Schäden  forKl.iltig  atishefTcrn  und  für  die  fernere  Auf- 
liewahrnnfc  eine  entfprcchendc  Kifte  anfertiKen.  Für  die  Mö^liclikclt  der 
DurclifiihrunK  l»in  ich  demfctben  zu  uroßtcrn  Dank  verpflichtet.  l'"ür  HeniitzunK 
von  Urkunden  elc.  fowie  AiifrchltifTc  nuf  Anfr.igen  muO  ich  weiterhin  dankend 
nennen  die  Herren  f  Prof.  Dr.  J'raitll  und  Confcrvator  Monfign.  Graut  in  Graz 
nnd  Archivar  Augufl  R   v.  Jak/ch  in  Kla^enfnrt. 

Auf  meine  Anrcgunn;  hat  in  jünKÜT  Zeit  yo/.  Wlka  in  Wien  die  Bilder 
an  den  Längswandt^n  der  Vorhalte  photngraphifch  publicirt  Nr.  1350 — 1253. 
HofTcntlich  folgt  bald  daR  übrige  nach. 


A.  Die  Vorhalle  und  deren  Gemälde. 

Vor  Betrachtung  der  Gemälde  felbft  muß  der 
urfprüngliche  Beftand  der  Vorhalle  von  dem  fpäteren 
Umbau  viel  genauer  als  bisher  auseinander  gehalten 
werden. 

Zwifchen  die  780  M.  \'on  einander  abftehenden 
Weftthürme  ift  das  Haupt-Portal  der  Kirche  eingebaut, 
jedoch  nicht  die  Weftvvand  der  Thürme  verbindend, 
fondern  987  M.  von  derfelben  nach  Often  gerückt  und 
mit  feinem  maffiven  Mauerkörper  noch  über  die  Thurm- 
inauern  in  das  Mittelfchiff  der  Kirche  hineinragend. 
Diefes  herrliche  Marmor-Portal  nimmt  der  Breite  nach 
faft  den  ganzen  Raum  zwifchen  den  Thürmen  ein  und 
läßt  bciderfeits  nur  einen  fchmalen  Wandftreifen  übrig, 
welchem  bis  zum  Anfatz  des  Bogens,  dem  Portal 
entfprechcnd,  je  zwei  Säulen  mit  Kämpfer  vorgefetzt 
find.  Der  den  Bogen  des  Portals  begleitende  Wand- 
ftreifen ward  nicht  weiter  plaftifch  decorirt,  fondern 
für  malerifchcn  Schmuck  beftimmt.  In  den  übrigen 
Raum  zwifchen  den  Thürmen  ift  nun  concentrifch  mit 
dem  Bogen  des  Portals  eine  Tonne  von  9-8  M.  Scheitel- 
höhe eingefpannt,  unmittelbar  in  die  Seitenwände  über- 
gehend, ohne  jeden  plaftifchen  Schmuck;  nur  die  Nord- 
wand ift  von  einer  Mauerfpaltc  durchbrochen.  Der 
äußere  Abfchluß  der  Vorhalle  ift  beiderfeits  durch 
einen  079  M.  breiten  Pilafter  markirt,  welcher  038  M. 
von  der  Wand  vorfpringt  und  O'io  M.  von  der  Thurm- 
ecke  abfteht.  Diefe  Pilafter  beginnen  aber  nicht  am 
Boden,  fondern  2"io  M  über  demfelben,'  ohne  eigent- 
liche Confolen,  nur  nach  jeder  Seite  abgefchrägt,  und 
find  mit  einander  durch  entfprechende  Bogenftreifen 
verbunden.^  Als  Capital  weifen  die  Pilafter  die  umge- 
ftürzte  attifche  Bafis  auf  Die  abgefchrägte  Bafis,  welche 
die  Thüren  außen  umzieht,  ift  nur  wenig  über  die  Ecke 
in  die  Vorhalle  geführt  und  bricht  dann  alj. 

Mit  der  Zeit  erhöhte  fich  allmählich  der  Boden 
um  die  Kirche,  fo  dafs  dieBafen  derThürme immer  tiefer 
in  den  Boden  hincinfanlcen.  So  mochten  Feuchtigkeit 
und  Kälte  beftinimend  gewcfen  fein,  die  ILille  zu 
fchließen.  Man  that  dies,  indem  man  den  Pilaftern  und 
deren  Bogen  entfprechend  eine  Wand  aufführte,  jedoch 
fo,  dafs  jene  nach  außen  noch  um  o^io  M.  vorfpringen. 
In  der  Mitte  derfelben  brachte  man  drei  eng  aneinander 
gerückte  fpitzbogige  Oeffnungen  an,  und  zwar  die 
mittlere  breiter,  faft  bis  an  den  Bogen  reichend,  als 
Portal,  in  den  oberen  Partien  mit  dreitlieiligem 
gothifchcn  Maßwerk  ausgefüllt,  die  beiden  anderen 
kleiner,  als  zweitheilige I-'enfter,  alle  mit  noch  erhaltenen 
Glasgemäldcn  gefchloffen.  Von  dem  Portal  führen 
mehrere  Stufen  in  die  tiefer  gelegene  Vorhalle. 

Diefen  fo  gefchützten  Raum  befchloß  man  nun 
mit  Wandgemälden  auszufchmückcn.  Zu  dem  Bchufc 
vermauerte  man  die  oben  ervviihnte  Mauerfpalte'  und 
erhielt  fomit  ausgedehnte  Plächcn,  in  hohem  Grade 
geeignet  für  malerifchcn  Schmuck,  welcher  Gegen- 
ftand  der  folgenden  Betrachtung  fein  foU  (I'^ig.  i). 

*  Achnllch  .luch  am  Portal  der  Kirche  zu  Vblkcrmarkt  abRcb.  Wr. 
liauhiitte  li.  XII. 

3  Die  Abbildung  bei  Haas  .S.   149  i(l  ungenau. 

^  Dicfc  hat  Anktrshofen  iiborfehen.  Aus  diefciu  N-ichwcis  gehl  licrvor, 
dafs  die  Scitenwande  urfiirünglich  nicht  bcina!t  waren.  Dagegen  war  jeden- 
falls  der  Bogen  über  dem  Portal  für  Malerei  licninimt,  kaum  aber  die  Decke, 
die  auch  in  Seckau  vor  der  Zcrftorung  in  jiitiudcr  Zeit  ohne  (ülchc  Kewc!ft:n 
in,  freilich  auch  eine  andere  Form  hattr. 


-     37     - 

Die    bedeutendfle    Malerei    erhielten    die    Seiten-  am  Gewölbe  find;  durch  die  unmerklich  überhängende 

wände.  Man    zierte  diefelben    nach    Art  der  alt-chrift-  Bildflächc  wird  in   dem  \-erhältnismäßig  kleinen  Raum 

liehen  Bafiliken    mit  biblifchen  Darftellungen.  Beider-  die    Betrachtung    fehr     erleichtert.     Die     eigentliche 

feits  braclitc  man    vier   Bildftreifen,  links  jeder    I    M.,  Plafond-Decoration  ifl  ziemlich  eingefchränkt  und  dem 


Fig.   I. 

rechts  0-95  M.  hoch,  übereinander  an,  und  zwar  in  der  Quadrate  genähert,  dabei  aber  auch   der  Kappe   des 

Weife,  dafs  der  mittlere  Trennungsltreifen  fich  010  M.  Tonnengewölbes    überaus    fchön     entfprechcnd.    Die 

unter  der  Berührungslinie  zwifchen  Wand   und  Tonne  Fläche    ift    zunächft    mit    einem    breiten,   in    gleichen 

hinzieht,  fomit  die  zwei  oberen  Streifen  eitrentlich  fchon  Abftänden  von   Kreifen  mit    Sternen   unterbrochenen 


38     - 


mofaikartigen  Ornamentbande  \on  lichten  bunten 
Farben  umfäumt.  Die  Scheitellinie  der  Tonne  wird 
von  zwei  parallel  laufenden  Streifen  mit  Kränzen 
begleitet,  welche  in  der  Mitte  durch  ein  über  Eck 
geftelltes  Viereck  mit  halbkreisförmigen  Ausladungen 
an  den  Seiten  unterbrochen  werden,  dem  an  jeder 
Ecke  nach  außen  eine  Kreuzblume  entfprießt.  Diefes 
Viereck  bildet  die  Umrahmung  des  Agnus  Dei  mit 
rother  Siegesfahne,  in  Stucco  ausgeführt.  Der  Grund 
zwifchen  diefem  vielgeftaltigen  Rahmenwerk  ift  durch- 
wegs blau  und  mit  aufgefetzten  goldenen  Sternen 
befät. 

Entfprechend  ift  die  Weft-  und  Oftwand  ge- 
fchmückt. 

Erftere  enthält  in  den  unteren  Partien  zwifchen  den 
Ecken  und  Fenftern  die  Fortfetzung  der  Streifenein- 
theilung.  Weiter  war  nur  zwifchen  den  Spitzbogen  der 
Fenfter  Raum  für  zwei  Medaillons  mit  Bruflbildern  von 
Heiligen,  wahrfcheinlich  Marcus  und  Lucas.  Die  Fenfter 
find  mit  geometrifchen  Ornamentflreifen  umgeben. 


Fig.    2. 

Die  Oflwand  läßt  der  Malerei  nur  den  fchmalen 
Streifen  zwifchen  Portalbogen  und  Tonne  iibrig;  der- 
felbe  wurde,  als  zur  vornehmften  Seite  gehörig,  mit 
den  Medaillons  Chrifti  und  der  Apoftel  bedeutfam 
ausgefchmückt.' 

Es  fei  nun  die  I'.intheilung  der  IJildftreifen  felbll 
näher  betrachtet.  Dicfc  ift  beiderfcits  verfchieden  und 
zwar  find  die  der  Nordwand  in  je  vier  Theile  getheilt, 
der  ern;e  links  bedeutend  länger,  2  M.,  die  übrigen 
jeder  r45  M.  lang.  Die  Streifen  der  Südwand  find  in  je 
fechs  Theile  getheilt,  die  erften  fünf  jeder  ri8  M.,  der 
letzte  rechts  0'67  M.  lang.  Die  Streifen  der  Wcftwand 
find  unten  ro6  M.  breit,  die  oberen  werden  durch  das 
cinfchneidendc  Tonnengewölbe  verengt.  Fafst  man  alfo 
ftatiftifch  die  Zahl  der  Pildflächen  zufammen,  fo  ergibt 
fich  :  nördliche  Gruppe  (Nord-und  angränzcnde  VVefl- 
wand)  vier  Streifen  mit  je  fünf  Pildcrn,  wovon  die  zwei 
obcrflcn  der  Wellwand  einer  Darflellung  angehören, 
gibt  19;  füdliche  Gru])pe  je  ficben  in  einer  Reihe,  von 
denen  die  letzten  der  beiden  unterflen  Streifen  an  der 
Südwand    und    die   beiden    mittleren    der    Weftwand 

'  D.1S  Portal  .'ibgfbildct  in  J'or/tfr'x  r)cnkiniilcr  «Icutfchcr  ij.-nikiinft 
Bd.  VI;  doch  ift  der  Streifen,  den  die  Mcdflillons  einnehmen,  leer  nchifTcn; 
befTer  die  Aufnahme  von  Grut<tr,  Allgemeine  Haiizcitung,  Ud.  55,  53.  (jute 
Pholoffraphic  von  Wtha  in  Wien,  Ht.  iiia. 


zufammcnfallen,  gibt  26  getrennte  Bildflächen.  Die 
Gegenftände  find  im  Ganzen  chronologifch  geordnet, 
und  zwar  nimmt  das  alte  Teflament  die  nördliche,  das 
neue  die  füdliche  Seite  ein,  eine  gegenüber  dem  Ge- 
brauch in  älteren  Kirchen  verkehrte  Anordnung,  wohl 
aber  dadurch  begründet,  dafs  der  Raum  nicht  Kirche 
fondern  Vorhalle  ift,  und  man  daher  der  rechten  Seite 
vom  Eintretenden  aus  den  Vorzug  geben  wollte.  Im 
Cyclus  des  alten  Teftamentes  enthält  mit  Ausnahme 
der  zwei  erften  Bilder,  welche  nur  je  eine  Darfteilung 
aufweifen,  jede  befonders  eingerahmte  Fläche  zwei, 
einige  auclj  drei  verfchiedene  Scenen  nebeneinander. 
Das  neue  Teftament  zeigt  nur  drei  Doppelbilder.  Zur 
befferen  Ueberficht  fei  das  Schema  der  Anordnung  der 
Bildflächen  mit  Beifügung  der  im  Text  angewandten 
Numerirung  gegeben  (Fig.  2). 

Der  Einzelbetrachtung  der  Bilder  fei  ein  Ueber- 
blick  über  ihre  Ausführung  vorangefehickt.  Die  Ein- 
rahmung derfelben  befteht  aus  gcometrifchem  fchwarz, 
roth  und  weißem  Mufter  von  004  M.  Breite.  Diefc 
werden  an  der  linken  Seite  in  gleichen  Abfländen  von 
verfchiedenfärbigen  Kreifen,  an  der  rechten  von 
fchwarzen  über  Eck  geftellten  Quadraten  mit  einem 
rothen  Stern  in  der  Mitte  unterbrochen 

Der  Grund  der  Bilder  ift  wie  an  der  Decke  durch- 
wegs blau  ;  an  der  Nordfeite  hat  derfelbe  fich  durch 
P'euchtigkeit  großentheils  zu  Grün  verfärbt.  Die 
Architekturen  in  den  Bildern  felbft  find  rothbraun 
oder  bläulich;  wo  keine  Architektur  angegeben  ift, 
find  die  Bilder  oben  und  zu  beiden  Seiten  durch  grüne 
Streifen  eingefafst,  in  welche  die  Darfteilung  gewöhn- 
lich übergreift,  beim  oberften  Streifen  des  alten  Tefta- 
mentes aber  auch  in  die  äußere  Umrahmung  ein- 
fchneidet.  Pflanzen,  Holz,  Geräthe  erfcheinen  in  ihrer 
gewöhnlichen  Farbe;  die  Gefichtsfarbe  der  Perfonen 
ift  graulich,  in  den  Kleidern  herrfcht  Roth  vor,  dazu 
kommt  Weiß  und  Gelb,  bei  den  Bildern  des  neuen 
Teftamentes  vielfach  Lichtblau  und  Dunkelbraun. 
Uebrigens  ift  die  Farbe  der  Kleider  bei  einer  im  Cyclus 
wiederkehrenden  Perfon  nicht  immer  diefelbe.  Sämmt- 
liche  Nimben  find  ftukkirt  und  waren  vergoldet,  was 
aber  bis  auf  geringe  Spuren  verloren  gegangen  ift; 
Nur  die  Nimben  der  Apoftel  und  Chrifti  um  den 
Portalbogen  find  farbig.  Die  göttlichen  l^erfonen  weifen 
wie  gewöhnlich  Kreuznimbus  auf. 

Die  Infchriften  auf  den  weißen  .Spruchbiuulern 
zeigen  fchwarzeBuchftaben,  meift  mit  rothen  Hilfslinien; 
die  erklärenden  im  oberen  grünen  Rande  beim  alten 
Teftament  haben  rothc  Initialen. 

Altes  Testament. 

I.  Der  Cyclus  beginnt,  was  alle  Erklärer  bisher 
überfehen  haben,  an  der  Weftwand.  Das  erfte  Bild, 
ein  Doppclbild,  ift  in  der  obern  I  [älftc  durch  das 
einfchneidende  Tonnengewölbe  verengt.  Der  Höhe 
nach  wird  es  den  übrigen  Streifen  entfprccliend  /.wei- 
getheilt,  was  bei  den  übrigen  Doppelbildern  nicht  der 
V:x\\  ift. 

Das  Schwergewicht  liegt  auf  der  oberen  Dar- 
ftellung.  Wir  erblicken  dem  Trennungsftreifen  entlang 
eine  Reihe  von  Berggipfeln;  links  fteht  auf  einem 
folchen  Gott  Vater  als  Mann  von  etwa  40  Jahren  in 
weißem  Gewände  und  rothcm  Mantel,  das  Haupt  vom 


—     39 


Kicu/.nimbus  umgeben.  Er  ifl  nach  rechts  gewendet 
und  fegnet  die  vor  ihm  fchwebcnde  Mandorla,  deren 
Inneres  mit  betenden  Engehi  erfüllt  ift  (nur  theilweife 
erhalten);  die  Linke  hält  er  halb  ausgeftreckt.  Die 
untere  Hälfte  des  Bildes  zeigt  uns  den  Abgrund.  Im 
Gegenfatz  zu  dem  luftigen  Himmel  ift  hier  alles  finfter. 
Aus  dem  Boden  fchlagen  Flammen  empor;  zu  unterft 
links  ift  der  große  Kopf  eines  Ungeheuers  mit  weit 
aufgefperrtem  Maul,  der  HöUenfchlund,  fichtbar;  zahl- 
reiche löwenartige  Ungeheuer  flürzen  in  die  Tiefe. 

Hier  ift  alfo  die  Scheidung  des  Lichtes  von  der 
Finfternis  zur  Anfchauung  gebracht  (Gen.  1,  i — 5).  Die 
Entwicklung  der  Darfteilung  läßt  fich  an  einer  Reihe 
von  Monumenten  verfolgen.  Wir  fehen  in  Monreale' 
Gott  mit  Gefetzrolle  eine  von  Strahlen  in  Oval  umge- 
bene Schaar  von  Engeln  fegnend.  Die  Bodenfiäche 
ift  vom  Meer  „abyffus"  erfüllt.  In  S.  Marco  zu 
Venedig-  find  diefer  Scene  die  Geftirne  beigefügt. 
Anders  erfcheint  die  Darfteilung  in  S.  Francesco  in 
Affifi:  Gott  —  ohne  Kreuznimbus  —  ift  dort  von  einem 
Kreis  mit  Engelsköpfchen  umgeben. •'  Aehnlich,  aber 
vereinfacht,  ift  die  Darfteilung  im  Cyclus  der  Kuppel 
des  Presbyteriums  zu  Florenz  u.  a.  Weiter  verein- 
facht erfcheint  die  Darfteilung  im  Speculum  humanae 
falvationis  *  zu  Kremsmünfter.  Gott  Vater  mit  Kreuz- 
nimbus befindet  fich  hier  innerhalb  der  von  Engeln 
getragenen  Mandorla;  darunter  fährt  ein  Teufel  in  den 
Höllenrachen.  Anders  wieder  die  ältere  Bibel  von 
Miclielbeuern.''Gott  tritt  mit  zwei  Engeln  an  den  Kreis 
heran  und  berührt  ihn;  der  Kreis  ift  durch  eine 
horizontale  Linie  zweigetheilt,  die  obere  Hälfte  zeigt 
auf  weißem  Grunde  die  Taube  mit  rothen  Strahlen, 
die  untere  Lucifer  als  Katze  mit  zwei  Drachen  auf 
fchwarzem  Grunde,  u.  f  w.  Das  vorgefchrittene  Mittel- 
alter fafst  alfo  die  Scheidung  von  Licht  und  Finfternis, 
zugleich  als  Scheidung  der  guten  und  böfen  Engel  auf 
(nach  Apocal.  Xll,  7,  Ifaias  XIV,  11),  wie  es  namentlich 
die  historia  scholastica  des  P.  Commeßor,  Cap.  III, "  der 
zahlreiche  andere  Exgeten  folgen,  ausführt.  Im  Detail 
nimmt  das  Gurker  Bild  fo  ziemlich  die  Mitte  zwifchen 
älteren  und  neueren  T\'pen  ein.  Als  ältere  Merkmale 
erfcheinen:  Gott  fteht  außerhalb  des  Empyräums,  die 
Engel  innerhalb  desfelben,  als  jüngere:  die  Mandorla- 
Form  des  Empyräums,  fowie  der  Abyffus  als  HöUen- 
fchlund. Die  Teufel  als  Löwen  kommen  fchon  früh  in 
der  chriftlichen  Symbolik  vor.  Alle  diefe  Bilder  zeigen 
Gott  durchwegs  als  jüngeren  Mann,  die  italienifchen 
auch  ohne  Kreuz-Nimbus. 

2.  Das  folgende  Bild  an  der  Nordwand  zeigt  links 
eine  flachhügelige  Gegend,  rechts  das  Meer.  An  der 
Gränze  beider  fleht  ein  ftarker  Baum,  daneben  ein 
dünnerer.  Links  fteht  Gott  Vater,  fegnend.  Auf  den 
dünngebildeten  Baum  vorihm  klettern  fymmetrifch  zwei 
Eichhörnchen,  darunter  v.erfuchen  zwei  Hirfche,  Männ- 
chen und  Weibchen,  ihnen  nachzukommen.  Zwifchen 
beiden  Bäumen  ift  eine  Reihe  von  Thieren  nebenein- 
ander angeordnet,  zu  vorderft  das  Pferd,  weiter  Stier, 
Schaf,  Widder,  Tiger  (gefleckt),  Löwe.    Alle  blicken 


auf  den  Schöpfer.  Das  Meer  durchziehen  zahlreiche 
Flfche  von  fehr  verfchiedcner  Größe,  den  Waffern  aber 
entfteigen  leicht  befiederte  Vögel  und  fchwebcn  in  die 
Lüfte;  die  fchwerer  befiederten  haben  fich  auf  die 
Bäume  gefetzt;  rechts  oben  wird  der  Adler  fichtbar. 

Diefes  Bild  zeigt  alfo  die  Erfchaffung  der  Erde 
und  der  Thiere  vereinigt.  Waffer  und  Land  find 
gefchieden,  Bäume  entfproffen  dem  Feftland,  Waffer, 
Luft  und  Land  ift  durch  Thiere  belebt.  Die  .\nordnung 
ift  keineswegs  willkürlich:  je  früher  oder  fpäter  eine 
Gruppe  gefchaffen  worden  ift,  defto  näher  oder  ent- 
fernter ift  fie  vom  Schöpfer.  Ganz  analog  findet  fich 
diefe  Anordnung  im  Cyclus  von  Monreale,  aber  noch 
in  einzelne  Bilder  zertheilt,  denen  gegenüber  das 
Gurker  Bild  fich  faft  wie  eine  verkürzte  Copie  ausnimmt. 
Die  Eintheilung  der  Schöpfungsgefchichte  aber  ift  im 
Gurker  Cyclus  eine  ganz  andere  geworden;  fie  folgt 
den  erften  Worten  der  Bibel:  Im  Anfang  fchuf  Gott 
Himmel  —  und  Erde.' 

3.  a)  Das  nächfte  Bild  zerfällt  wie  die  weiteren 
in  zwei  gegenftändlich  getrennte  Theile.  Der  Schau- 
platz des  erfteren  ift  durch  zwei  kleineBäume  als  Garten 
charakterifirt.  Links  fteht  wieder  Gott  Vater  fegnend, 
in  der  Linken  das  Gefetz,  ein  längliches  Buch,  haltend. 
Vor  ihm  liegt  fchlafend,  das  Haupt  auf  die  Linke  ge- 
ftützt,  Adam,  aus  deffen  Seite  Eva  hervorkommt.  Eva 
hält  die  Hände  gefaltet  und  neigt  fich  vor  dem  Schö- 
pfer. Links  fchwebt  vom  Himmel  ein  nimbirter  Engel 
mit  Rauchfafs  hernieder. 

In  ganz  typifcher  Weife  ift  hier  der  Schluß  der 
Schöpfungsgefchichte  gegeben :  das  erfte  Menfchen- 
paar,  nach  Gottes  Ebenbild  wird  ins  Dafein  gerufen; 
feierlich  fchwingt  der  Engel  das  Rauchfaß.  Die  älteren 
Darftellungen  geben  Gott  durchwegs  mit  der  Gefetzes- 
roUe;  hier  ift  die  Gottheit  durch  den  Kreuznimbus 
genügend  charakterifirt  und  das  Gefetz  —  als  läng- 
liches Buch  —  nur  hier  gegeben,  und  dadurch  gleich- 
zeitig das  Gebot  angedeutet;  bei  der  Verkündung  des 
Gebotes  hat  fich  diefelbe  faft  durchwegs  erhalten,  fo 
in  Affifi,-  und  in  Pifsweg.^  Auch  in  der  Gurker  Empore* 
erfcheint  dasfelbe  einmal,  aber  aufgerollt  als  Spruch- 
band. Herabfchwebende  Engel  finden  fich  bei  der 
Erfchaffung  der  Eva  an  der  Thür  zu  Nowgorod.^ 

b)  Die  Scene  der  zweiten  kleineren  Hälfte  ift 
wieder  der  Garten.  In  der  Mitte  der  Baum  mit  kleinen 
fpitzen  Blättern  undFrüchten,  dabei  das  erfteMenfchen- 
paar.  Um  den  Stamm  des  Baumes  ringelt  fich  die 
Schlange,  fteckt  den  Kopf  mit  fpitzen  Ohren  zwifchen 
zwei  Aeften  hervor  und  hält  im  Maul  einen  Apfel.  Sie 
ift  zu  Eva  gewendet,  welche  links  vom  Baume  fteht. 
Diefe  führt  eben  ein  Stück  des  Apfels  zum  Munde  und 
reicht  das  andere  dem  Adam,  welcher  mit  der  Linken 
darnach  langt,  mit  der  Rechten  aber  bereits  genießt. 

Diefe  Darftellung  gehört  wohl  zu  den  in  der  chrift- 
lichen Kunft  am  allermeiften  vorkommenden.  Sie  folgt 
dem  gewöhnlichen  Schema,  welches  fich  fchon  auf 
den  Sarkophagen,  weiter  in  Pifsweg  und  auf  der  Gurker 
Empore     findet.     Das     vorgefchrittene     künftlerifche 


'  Gravina,  II  duomo  di  Monreale.  Taf.  15   B. 
-  La  basilica  di   San  Marco.  Venedig.  Org.inia. 

*  Vgl.    Thode ,  Franz  von  Affisi.  S.  337.  Gott  Vater  ift  wohl  nicht  ganz 
zutreffend  als  ..chriftusarlig-  bezeichnet. 

*  Heider,  Beiträge  zur  chriftl.  Typologie.   Jahrb.  d*  k.  k.  Centr.-Comm.  5; 
abgb.  Taf.  VII. 

5  Vgl.  Neuwirth,  Studien  über  Miniaturen.  Wiener  Sitzungsb.  1887. 
«  Migne,  Patr.  lat.  CXCVIII,  S.   1055  ff. 


'  Von  dem  vor  kurzen  erfchienenen  .\uffatze:  -Drei  Darftellungen  der 
Weltfchbpfung  in  Kärnten**  von  Hantt  Ctirinl/iiit  82,  Nr.  5,  kann  ich  hier  nur 
kurz  erwähnen,  dafs  feine  Befchreibung  und  Erklärung  von  der  meinen  ziem- 
lich bedeutend  differirt. 

"    Tliode ,  Franz  von  Affifi.  S.  239. 

■!  Mitth.  d.  Centr.-Comm.   15,  S.  XVI. 

•  Ebenda  16,  Taf.  V. 
Adelung,  Die  Korfiin'fchen  Erzthüren   zu   Nowgorod. 


40     — 


Können  zeigt  fich  vornehmlich  in  dem  Beftreben,  mög- 
lichft  viele  Momente  zu  veranfchaulichen,  fowie  auch  in 
der  fcharfen  Charakterifirung  der  Schlange,  wie  auch 
des  Baumes. 

4.  a)  Die  Gegend  ift  wieder  durch  Gewächfe  mit 
großen  Blättern  charakterifirt.  Links  der  Engel, 
welcher  die  beiden  Stammeltern  der  Menfchen  aus 
dem  Paradiefe  jagt.  Vorn  fchreitet  Adam,  etwas 
gebückt,  fich  zögernd  fcheu  umfehend;  die  Linke 
ftreckt  er  wie  taftend  nach  vorn,  mit  der  Rechten 
hält  er  fich  die  Feigenblatter  vor.  Dicht  hinter  ihm 
folgt  Eva  mit  ähnHcher  Haltung.  Der  rächende  Engel, 
jugendlich,  mit  Nimbus  und  weißen  Flügeln,  hat  das 
Schwert  hoch  erhoben;  mit  der  Linken  berührt  er 
Evas  Schulter,  die  noch  Zaudernde  zum  Gehen 
mahnend. 

Von  verwandten  Darftellungen  ift  vor  allem 
wieder  die  entfprechende  im  Cyclus  von  Monreale'  zu 
nennen,  wo  die  Begebenheit  noch  in  zwei  Scenen 
aufgelöst  ift;  die  Furcht  vor  dem  Herrn  und  die  Ver- 
treibung; auf  dem  letzteren  Bilde  haben  die  Menfchen 
bereits  die  Röcke  aus  Fellen  an;  der  Engel  fchiebt 
mit  beiden  Händen  die  Menfchen  fort,  während  vor 
der  Paradiefes-Pforte  ein  rother  Cherub  mit  dem 
Schwerte  fteht.  Aehnlich  auch  an  der  Thür  von 
St.  Angelo."  Das  „flammende-  Schwert  der  Vulgata 
(Gen.  III  24)  kennt  nur  das  Malerbuch  vom  Berg 
Athos."  Die  Darltellung  auf  der  Gurker  Empore  ift 
leider  verloren,  dagegen  in  Pifsweg  noch  vorhanden. 
Dort  geht  wie  gewöhnlich  Eva  voran.  Viel  freier  find 
die  Bilder  im  Cyklus  von  S.  Marco  zu  Venedig. 

b)  Die  rechte  Hälfte  des  Bildes  zeigt  uns  das 
Opfer  der  beiden  Söhne,  links  Abel,  rechts  Kain, 
einander  zugewandt,  beide  mit  engen  Höfen,  hohen 
Schuhen  und  kurzen  Röcken  bekleidet.  Abel  hält  in 
den  verhüllten  Händen  das  Lamm,  Kain  in  den  bloßen 
das  Aehrenbündel.  Sie  blicken  auf  die  über  ihnen 
zwifchen  Strahlen  hervorragende  Iland  Gottes,  welche 
Abel  fegnet. 

Auch  diefe  Scene  wurde  im  Mittelalter  ziemlich 
gleichmaßig  dargeftellt.  Zu  den  verwandtefl:en  gehört 
wieder  das  Bild  im  Cyclus  von  Monreale.  Die  Bevor- 
zugung Abels  ifl:  dort  durch  einen  weißen  Streifen 
angedeutet.  Die  Strahlen,  zwifchen  denen  in  Gurk  die 
Hand  Gottes  erfcheint,  erinnern  dagegen  an  die  Dar- 
ftelking  des  Empyräums  in  der  Schöpfungs-Gefchichtc 
jenes  Cyclus.  Sehr  verwandt  ift  auch  die  Darflellung 
an  der  Thür  zu  Hildesheim,  wie  auch  die  etwas  freiere 
zu  Wechfelburg,  anders  die  in  S.  Marco,  wie  auch  die 
ziemlich  misverftandene  der  Millflätter  Gcnefis.*  Den 
aufftcigenden  und  zu  Boden  bleibenden  Rauch  kennt 
wiederum  nur  das  Malerbuch. 

5.  a)  Das  nun  folgende  Bild  ift  eines  der  wenigen, 
welches  drei  verfchiedene  Scenen  enthält.  Die  erfi:e 
ftellt  den  Brudermord  dar.  Auf  einem  nach  rechts  an- 
fleigenden  Hügel,  dem  ein  Baum  cntfpricßt,  liegt  eben 
zufammengebrochen  Abel;  die  Rechte  halt  noch  den 
Hirtenftab,  das  Haupt  ift  über  den  Abhang  des  mit 

'  Gravinat  a,  o.  O. 

'  Schulz-Quaß,  Die  Denkmäler  Unterit.iliens  I,  S.  342,  dazu  T.if.  XXXIX. 

'  Didron,  Manuel  cl'IconoKriiphlc  crelicnnc,  P.-trU  184s;  dcutfch  von 
Schäfer.  V.%  werden  fich  ;iuch  wcilerhiii  felir  bedeutende  DifTeicnzcn  zwifchen 
<lcn  Ang.iben  diefcr  Quelle  und  den  Monunicntcn  finden;  hier  kann  übrigens 
nur  da»  auf  unferen  (jegcnft.ind  Kinfclda>;ige  crwiihnt  werden;  jc<lcnfnll.^  aber 
erfcheint  für  die  Benützung  gri'Ge  Vorficht  eebitcn. 

'  nieintr.   l>..i^i'-   "■..!   I  ..'lei  nach  der  Millftattcr  Handfcbrif'    Wl^n 
1861,  I,  S.  24. 


Blut  übcrftrömten  Hügels  zurückgefunkcn.  Kain  hält 
noch  den  rothen  knotigen  Stock  in  beiden  Händen 
mit  aufgeftreckten  Aermeln  hoch  erhoben,  aber  feine 
Bewegung  ift  bereits  abgewendet;  er  fchreitet  haflig 
nach  links  und  fieht  entfetzt  nach  dem  Erfchlagenen 
zurück.  —  Mit  erfchütternder  Wahrheit  ift  hier  die 
grauenhafte  That  des  Brudermordes  gefchildert;  es  ift 
höchft  bedeutend,  dafs  fich  Kain  nach  links,  alfo  gegen 
die  Anordnung  der  Bilder  wendet;  dies  allein  kenn- 
zeichnet fchon  feine  That. 

b)  Die  zweite  Scene  gibt  uns  die  Unterredung 
Gottes  mit  Kain.  Kain  fteht  nach  rechts  gewendet 
und  ftützt  fich  auf  den  knotigen  Stock;  die  Rechte  hat 
er  mit  redender  Geberde  halb  erhoben;  er  blickt  in 
die  Höhe  gegen  das  von  Strahlen  und  Wolken  um- 
gebene Antlitz  Gottes.  Die  Unterredung  erläutern 
zwei  Spruchbänder;  Ubi  est  Abel  —  Ncscio  Dovüne 
(Gen.  IV,  9).' 

Das  Schema  beider  Darftellungen  ift  ein  normales, 
nur  einigermaßen  gekürzt;  ganz  vereinigen  ließen  fich 
beide  Scenen  nicht,  ohne  unverftändlich  zu  werden. 
Der  Brudermord  findet  fich  höchft  verwandt  in  Mon- 
reale, aber  auch  in  Affifi,  ^  anders  in  der  Alkuin-Bibel,'' 
fowie  am  Verduner  -  Altar  zu  Klofterneuburg,*  im 
Speculum  u.  f.  \v.  —  Sehr  finnreich  ift  in  Gurk  die 
Unterredung  zwifchen  Gott  und  Kain;  die  älteren  Dar- 
ftellungen, z.  B.  Monreale,  St.  Savin,'""  Braunfchweig*" 
geben  meift  Gott  neben  Kain  ftehend;  in  erftgenannter 
ift  die  Seele  Abels  als  kleines  blutiges  Figürchen 
(Gen.  IV  10)  angedeutet.  Das  Malerbuch  kennt  die 
zweite  Scene  nicht. 

c)  Die  nun  folgende  dritte  Darfteilung  gibt  rechts 
einen  zierlichen,  mit  flacher  Kuppel  bedeckten  Bau, 
vorn  eine  eifenbefchlagene  Thür.  Gott  Vater  —  mit 
langem  Bart  und  Haaren  —  ift  eben  herangetreten  und 
legt  Hand  an  das  Schloß. 

Während  die  bisherigen  Darftcllungen  durchwegs 
erzählend  waren,  folgt  am  Schluß  der  erften  Reihe 
eine  mehr  dogmatifchen  Inhaltes:  Gott  verfchließt  die 
Paradiefes-Pforte.  Die  Darftellung  in  diefer  Weife  ift 
ziemlich    vereinzelt,   obfchon  die  Vorbilder  klar  find. 

Wie  oben  erwähnt,  findet  fich  in  Monreale  wie 
auch  in  S.  Marco  in  Venedig  bei  der  Vertreibung  der 
Stammeltern  vor  der  Pforte  des  Paradiefes  ein  Cherub, 
in  der  Wiener  Gcnefis"  das  feurige  Rad  (nach  Ezechicl  1), 
alfo  Gott  felbft.  Das  Malcrbuch  gibt  den  Cherub  für 
die  Darftellung  der  Klage  um  das  Paradies  an;  die 
Millftätter  Genefis*  ftellt  auf  einer  felbftändigen  Dar- 
fteilung die  verfchloffene  Pforte,  davor  den  Engel  mit 
Schwert  dar.  Im  speculum  Ilumanae  salvationis  und 
öfter  finden  wir  endlich  die  verfchloffene  Pforte  und 
daneben  die  offene,  als  Sinnbild  des  ICrlöfungswerkes 
Chrifti  (nach  Ezechiel  XLIV).» 


'  Die  Infchriftcn,  welche  nur  Citatc  und  Erklärungen  cniliiiltcii,  fnul 
im  Druck  als  Hantlfchriftcn  bcliandclt,  und  daher  mit  ««/■(.'■/.■/<i/?f«  Wurt-Kiirzuii- 
gcn  gegeben, 

»  Vgl.   Tkoäc,  n.  a.  O..  S.  246. 

^  Leitfchuh,  Schatze  der  königl.  Bibliothek   in   Bamberg. 

*  Camrfina  und  iieiJer,  Mitth.  des  Allcrthums-Vcrcincs  i\\  Wen,  IV, 
Tafel  XI. 

*  Merimic,  a.  a.  O.,  pl,  9, 

**  Vgl.  Schiller,  Die  niittcIaltcrlJLhc  Architektur  Braunfchweig».  S.  33;  vgl. 
auch:  'yanit/chtk,Xif:.\x\Xi:\\<i  Kunftgcfchichtc,  S.  154.  Eine  pcrfpcdlivifchc  Auficht 
ebenda  hei  Dohme,  S.  45. 

'  Gfirrucci,  Storia  dcH'artc  cristiana,  III,  112,  Nr.  a.  La nibv litis,  Conimcn- 
larü,  III,  6. 

*  Difmer,  a.  a.  0.  I,  S.  20. 

"  Ihider  t  Beitrag'.-  /'«r  ,  l.ridli.  lun  Typologie.  J.ibrb.  der  k.  k.  Ceiiir.- 
Coniin.   V,  S.  ao. 


—     41      — 


Wie  die  Scheidung  von  Licht  und  Finfternis  hat 
auch  die  Schließung  des  Paradiefes  eine  erweiterte  Be- 
deutung erhalten:  Nicht  nur  das  irdifche  Paradies  wird 
der  Menfchheit  verfchlolTen,  fondern  auch  der  Himmel; 
die  fündige  Menfchheit  bedarf  der  Erlöfung,  die  ihr 
durch  den  Opfertod  und  die  Höllenfahrt  Chrifti  zu 
Theil  wird.  Merkwürdig  erfcheint  es,  dafs  faft  alle  bis- 
herigen Erklärer  diefes  Bild  nicht  erwähnen,  trotzdem 
es  vortrefülich  erhalten  ill  und  nie  verdeckt  war. 

6.  a)  Die  zweite  Reihe  beginnt  mit  Noahs  Trunken- 
heit. (Gen.  IX  20 — 29).  Im  Vordergrund  befindet  fich 
ein  nach  rechts  allmählich  anlleigender  Hügel,  dem 
ein  Weinftock  mit  großen  Trauben  (Sonnfeite  blau, 
Schattfeite  grün)  entfprießt.  Auf  demfelben  liegt  aus- 
geftreckt  Noah,  das  nach  vorn  geneigte  Haupt  auf 
die  Linke  geftützt,  fchlafend;  fein  Gewand  ift  in  Unord- 
nung gerathen  und  hängt  vorn  herab,  während  die 
Beine,  foweit  es  der  Anftand  darzuftellen  für  gut  befand, 
entblößt  find.  Von  rückwärts  find  deffen  drei  (auffallend 
fchlecht  gezeichnete)  Söhne  herangetreten,  links  Cham 
mit  redender  Geberde,  auf  die  Blöße  des  Vaters 
blickend,  neben  ihm  deffen  Brüder,  der  erfte  auf  Cham, 
der  andre  nach  dem  Vater  umblickend.  Beide  halten 
einen  Mantel,  um  diefen  zu  bedecken. 

Während  die  älteren  Cyklen  aus  der  Gefchichte 
Noah's  faft  durchwegs  mehrere  Scenen,  namentlich 
auch  die  Sündfluth  geben,  ift  hier  nur  eine,  wohl  aber 
die  populärfle  zu  finden,  wie  im  Folgenden  jeder 
Stammvater  des  auserwählten  Volkes  durch  je  eine 
Darftellung  verherrlicht  wird. 

Das  Schema  ift  das  gewohnliche,  nur  zufammen- 
gezogen.  Die  Wiener  Genefis,  Monreale,  auch  das 
Malerbuch  zeigen  Noah  zuerfl  beim  Weinftock,  die 
Trauben  in  ein  Behältnis  preffend  (V.  20)  und  dann 
im  Haufe  liegend  (V.  21),  St.  Savin  enthält  nur  das 
letztere. 1 

b)  Die  zweite  Hälfte  des  Bildes  rtellt  in  der  Mitte 
den  Thurm  von  Babel  als  zinnengekrönten  Quadern- 
bau dar,  eingerüftet,  eben  im  Bau  begriffen,  rechts  ein 
niedriger  Baum.  Am  Gerüft  oben  flehen  zwei  Arbeiter 
mit  Werkzeugen,  lebhaft  mit  den  unten  befindlichen 
Perfonen  redend.  Diefe  tragen  Steine  und  anderes  Bau- 
geräth  und  deuten  lebhaft  hinauf.  Links  von  der  Zinne 
des  Thurmes  ifl  das  Haupt  Gottes  fichtbar,  gegen  den 
Thurm  blickend,  darunter  das  Spruchband:  Venitc  con- 
fiindanius  Imguam  eorum  (Gen.  XI,  7). 

Im  Gegenfatz  zum  frommen  Noah  gibt  diefes  Bild 
durch  den  Thurmbau  von  Babel  (Gen.  XI)  den  Ueber- 
muth  der  Menfchen  zur  Anfchauung.  Der  Gegenftand 
wird  fchon  früh  in  der  chriftlichen  Kunft  erwähnt  (Er- 
moldus  Nigellus,^  Elpidius  Rufticus),^  die  Anordnung 
ift  eine  ziemlich  normale,  wie  z.  B.  in  Monreale, 
St.  Savin,  doch  fehlt  hier  das  Thor  im  Thurm,  fowie 
die  Geräthe  zum  Aufziehen  des  Materials.  Die  befeftigte 
Stadt  gibt  nur  das  Malerbuch  an.  Das  Eingreifen 
Gottes  fehlt  mehrfach,  auch  in  Monreale,  ift  dagegen 
in  St.  Savin*  fehr  anfchaulich  dargeftellt,  findet  fich 
in  ganz  ähnlicher  Weife  mehrfach  in  der  Millftätter 
Genefis. 

7.  a)  Die  erfte  Hälfte  zeigt  rechts  eine  gewölbte, 
vorn    offene  Halle,   von  deren  Decke    eine   brennende 

'  MerimU,  a.  a.  O.,  S.  23. 
-  Garrticci,  a.  a.  O.,  I,  598. 
3  Ebenda,  I.  521 
'*  I^Icrint^c^  pl-  23. 

XIX.  N.  F. 


Ampel  herabhängt.  Davor  fteht  ein  ganz  überkleideter 
Altar,  links  davon  ein  Bäumchen.  Auf  dem  Altar  fitzt 
Ifaak  als  Knabe  (gebunden)  die  Hände  gefaltet.  Auf 
ihn  zu  fchreitet  fein  Vater,  in  langem  Gewand  mit 
Nimbus.  Er  hat  mit  der  Linken  den  Knaben  bei  den 
Haaren  erfafst,  mit  der  Rechten  das  Schwert  hoch  er- 
hoben; fein  Kopf  aber  wendet  fich  zurück,  denn  links 
oben  ift  von  Wolken  umgeben  ein  Engel  erfchienen, 
welcher  die  Klinge  des  Schwertes  erfafst  hat;  vorn 
fteht  auf  den  Hinterfüßen,  die_  Hörner  in  derf  Baum 
verwickelt,  der  Widder. 

Gegenüber  den  zahlreichen  unter  fich  fehr  ähn- 
lichen Darftellungen  mag  befremden,  dafs  die  Scene 
vor  eine  Halle  verlegt  ift,  doch  ift  dicß  nicht  ohne 
Grund  gefchehen;  es  ift  hiedurch  der  fpätere  Tempel- 
berg Moriah  angedeutet,  auf  dem  der  Tradition  nach 
das  Opfer  ftattgefunden  hat.  Die  Stellung  des  Widders 
erinnert  an  die  St.  Florianer  Biblia  Paup.  XXIII,'  nur  ift 
das  Gewächs  hier,  wie  durchwegs,  großblättriger.  Auf- 
fallend ift,  dafs  Abraham  der  einzige  durch  einen  Nim- 
bus ausgezeichnete  Patriarch  ift;  die  Italiener  des 
fpäteren  Mittelalters  zeichnen  diefelben  faft  durchwegs 
fo  aus,  im  Gegenfatz  zu  den  älteren  Bildern. 

b)  Die  zweite  Scene  fpielt  wieder  in  einer  Halle. 
Rechts  auf  einem  Thron  fitzt  ein  Greis  mit  gefchloffenen 
Augen,  alfo  blind,  Ifaak.  Er  trägt  eine  rothe  kappenar- 
tige Kopfbedeckung  und  fegnet  den  auf  ihn  zufchreiten- 
den  Jüngling,  Jacob,  deffen  Rechte  er  mit  feiner  Linken 
berührt.  Jacob  fteht  etwas  gebückt  und  trägt  eine 
Schüffei.  Hinter  ihm  fteht  feine  Mutter  in  langem 
Gewände,  über  die  blonden  Locken  eine  Stirnbinde 
gelegt.  Sie  beachtet  den  Vorgang  gefpannt  und 
berührt  fanft  den  Ellbogen  des  Sohnes,  um  den  noch 
Zaudernden  anzufpornen. 

Die  Darfteilung  findet  fich  fehr  häufig;  auffallend 
erfcheint,  dafs  hier  der  heimkehrende  Efau  fehlt.  Ifaak 
liegt  fonft  durchwegs  im  Bette;  das  Eingreifen  der 
Rebekka  ift  originell,  doch  fehr  finnreich  gegeben. 

8.  a)  Das  Local  der  folgenden  Darftellung  ift 
durch  ein  Bett,  welches  der  ganzen  Länge  nach  den 
Raum  einnimmt,  als  Gemach  charakterifirt.  Auf  dem- 
felben liegt  unter  rother  Decke,  unter  der,  wie  es 
fcheint,  zwei  Aermel  herabhängen,  der  greife  Erz- 
vater Jacob,  wie  es  auch  die  Infchrift  am  Bette  angiebt, 
das  Haupt  links  von  mehreren  Polftern  unterftützt.  Er 
hat  die  Rechte  fegnend  erhoben,  in  der  Linken  hält  er 
ein  Spruchband:  Audite  filii  Israel  patrein  vestrum 
(Gen.  XLIX,  2).  Um  das  Bett  find  feine  Söhne  gruppirt. 
Der  zu  feinen  Häupten  jugendliche  mit  langen  Haaren 
mag  Jofeph  fein,  ein  zweiter  anfcheinend  noch  jüngerer 
kniet  vor  dem  Bette,  wohl  Benjamin ;  die  übrigen  Söhne 
find  dicht  nebeneinander  rechts  an  das  Bett  herange- 
treten, mit  theilnehmender  Geberde.  Diefe  Darfteilung 
ftimmt  ziemlich  genau  mit  der  Wiener,*  noch  mehr  mit 
der  Millftätter  Genefis''  überein,  nur  küßt  dort  Jofeph 
den  Vater.  Das  Malerbuch,  wie  auch  der  Verduner- 
Altar  geben  Jacob  fitzend  (nach  V,  32). 

b)  Die  zweite  kleinere  Darfteilung  giebt  die  Aus- 
legung  der   Träume   des  Bäckers   und  Mundfchenken 

•  Cameßnii  und  Heider,  Die  Darftellungen  der  ßiblia  Pauperum  im 
Stifte  St.  Florian  in  Ober-Oefterreich.  Wien  1863  Die  beigefetzten  römifchen 
Ziflfern  geben  hier  wie  weiterhin  die  Tafel    diefer  Publication  an. 

-  Garrucci,  Storia  dell'  arte  Cristiana,  Tab.  n8.  3.  Lantbetius,  Commen- 
tarii  III,  pag.  28,  vgl.  Kondaküff,  Histoire  de  l'art  by;'aiitin,  I,  78. 

3  Bei  Diemer  nicht  abgebildet,  gehört  aber  zu  S.  115,  (Orig.  f.  83.  „Do 
Jofeph  gefach  das  fein  uater  tot  gelach,  er  uil  ubir  in.") 


42        — 


durch  Jofeph  zur  Anfchauung  (Gen.  XL).  Die  beiden 
erfteren,  jugendlich,  flehen  hnks,  tragen  kurze  Röcke 
und  find  zu  Jofeph,  welcher  rechts  fteht  und  langes 
Gewand  trägt,  gewendet.  Hinter  dem  Mittleren  fproßt 
eine  Rebe  mit  drei  Trauben  empor;  der  Mann  hat  eine 
derfelben  erfafst  und  prefst  fie  in  ein  Gefäß;  der  andere 
hält  die  Hände  gefaltet,  und  trägt  am  Kopfe  den  Korb 
—  es  fcheint  nur  einer  zu  fein  —  mit  Backwerk,  an  dem 
zwei  Vögel  zehren.  Jofeph  fpricht  zu  beiden. 

Gegen  die  gefchichtliche  Aufeinanderfolge  ift 
diefesBild  demTod  Jacobs  nachgefetzt.  Die  bisherigen 
Erklärer  konnten  fich  nicht  weiter  zurecht  finden; 
Schellander  nahm  fogar  für  die  ganze  Reihe  eine 
verkehrte  Anordnung  an.  Die  Darflellung  ift  wieder- 
um eine  fehr  gekürzte;  der  Cyklus  von  S.  Marco  in 
Venedig  gibt  uns  den  Gegenfland  ganz  ähnlich,  aber 
in  drei  Bildern,  in  der  Millflätter  Genefis'  dagegen  fitzt 
Jofeph  erklärend  in  der  Mitte,  daneben  die  beiden 
anderen  hockend,  alfo  fchlafend;  das  Uebrige  ift  auch 
hier  vollkommen  ähnlich. 

9.  a)  Die  nun  folgende  Darftellung  gibt  als  Local 
ein  vorn  offenes  Haus  mit  drei  niedrigen  Fenftern 
unter  dem  Dache.  Links  auf  erhöhtem  Throne  fitzt 
ein  alter  bärtiger  Mann,  ein  zweiter  hinter  ihm.  Der 
Mann  am  Throne  trägt  enge  reich  verzierte  Kleider 
von  rother  Farbe;  feine  Geberde  ift  die  lebhaften 
Erflaunens,  denn  ein  zu  ihm  gewendeter  Knabe  tritt, 
anfcheinend  fpringend,  auf  eine  Krone,  die  eben  vor 
dem  Greis  herabfällt.  Hinter  dem  Knaben  fteht  eine 
gekrönte  Frau  in  ruhiger  Haltung,  beide  Hände  nach 
ihm  gerichtet.  Am  Throne  unten  die  Infchrift :  Iinperü 
diadema  pede  content  iste.  - 

Weit  fchwieriger  als  bei  den  vorhergehenden 
erfcheint  die  Erklärung  diefes  Bildes.  Schellander'^  und 
Haas,'*  welche  die  theilweife  fehr  verdorbene  Darftel- 
lung nicht  gehörig  betrachteten,  wollten  darin  die 
Erzählung  der  Träume  Jofe]5hs  erkennen,  was  fich  doch 
fofort  als  unhaltbar  erweist.  Nach  der  fonfligen  Dar- 
ftellungsweife  kann  die  F"rau  doch  nur  eine  Königin 
fein,  dagegen  die  vom  Knaben  verachtete  Krone  nur 
dem  Greis  angehören:  anderfeits  intereffirt  fich  die 
Frau  fichtlich  für  den  Knaben;  es  ift  alfo  aus  der  Dar- 
flellung  allein  fchon  höchil;  wahrfcJieinlich,  dafs  hier 
eine  Begebenheit  aus  der  Gefchichte  Mofis  veranfchau- 
licht  wird,  und  zwar  eine  am  Hofe  des  Pharao.  Der 
Exodus  fchweigt  zwar  über  Mofis  Jugendzeit,  defto 
mehr  hat  die  fpäterc  jüdifche  Legende  dicfe  Periode 
ausgefchmückt.  So  finden  fich  fchon  in  der  Bibel  An- 
deutungen hievon:  Stephan  fagt  in  feiner  letzten  Rede 
Afl.  VII,  22;  „Und  Mofcs  ward  in  der  Weisheit  der 
Acgyptcr  unterrichtet  und  war  mächtig  in  feinen 
Worten  und  Werken;''  darnach  die  zwei  Darrteliungen 
im  Cyklus  von  Maria  Maggiore  in  Rom:''  Auf  erflerer 
wird  Mofcs  dem  König  von  deffen  Tochter  vorgeftellt, 
auf  letzterer  fpricht  er  vor  einem  Kreife  von  Miiniiern; 
anders  die  Darftellung  in  S.  Marco  in  Venedig,''  wo 
der  kleine  Mofes  mit  königlichen  Gewändern  angcthan 
wird,  während  Pharao,  die  Krone  am  Haupte,  eifer- 
füchtig  zuficht  und  Rathgeber  auf  ihn  einreden. 


■  Diimtr,  S.  83. 

'  Sehr  verdorben ;  die  Kürztingsftriche  verloren. 

'  Mitlh.  d.  Ccntr.'Comm.,  11,  a^o. 

»  A.  a.  0..  S.   163. 

■'•  CLimpini  vclcr.-i   monument.l.   I..VI,   2    Gtirruai. 

•  La  Baftlici  di  S.  Marco,  a.  o.  O. 


Verfchieden  davon  geftaltet  fich  die  Darftellung 
des  speculum  humanae  salvationis  zu  Kremsmünfler  f. 
17  a).^  Wie  in  Gurk  thront  links  Pharao,  vor  ihm  Mofe.«, 
der  auf  die  bereits  am  Boden  liegende  Krone  tritt. 
Dazukommen  noch  zwei  andere  Perfonen:  ein  zum 
Streich  ausholender  Scherge  und  eine  verhüllte  Perfon, 
dem  kleinen  Mofes  eine  Pfanne  hinhaltend,  der  daraus 
fchwarze  Kugeln,  „carbones  vinentes"  wie  der  er- 
klärende Text  angibt,  nimmt.  Diefer  Darftellung  liegt 
der  Bericht  der  Antiquitates  ludaicae  des  Jofephus 
Flavius  II,  Gap.  X,  7  zu  Grunde,  wo  erzählt  wird,  Tere- 
muthis  die  Königstochter  habe  Mofes  vor  Pharao  ge- 
führt, damit  er  ihn  zu  feinem  Nachfolger  auf  dem  Throne 
mache;  diefer  habe  den  Kleinen  an  die  Brufl  gedrückt 
und  ihm  die  Krone  aufgefetzt;  Mofes  aber  habe  diefelbe 
auf  den  Boden  geworfen  und  zertreten;  die  ägyptifchen 
Wahrfager  deuteten  dies  als  fchlimmes  Zeichen.  Nach- 
erzählt, und  durch  die  Sage  von  den  glühenden  Kohlen 
ausgefchmückt,  findet  fich  diefer  Bericht  in  der  historia 
scholastica  lib.  II,  C.  IV,  welche  viele  mittelalterliche 
Exegeten  mit  ihnen  auch  das  Speculum  nacherzählen. 
Die  Gurker  Darftellung  befchränkt  fich  auf  den  Haupt- 
moment: Mofes,  der  eben  auf  dem  Schöße  Pharaos 
gekniet  war,  fpringt  auf  die  eben  herabfallende  Krone. 
Der  Mann  hinter  Pharao  ift  deffen  Wahrfager,  und  auf 
ihn  fcheint  die  den  Vorgang  erklärende  Infchrift 
zurückzugehen.  Die  Bewegung  der  Teremuthis  ficht 
dagegen  weniger  darnach  aus,  als  wolle  fie  Mofes 
fchützen,  es  möchte  vielmehr  fcheinen,  dafs  fie  den 
Kleinen  erft  vorftelle,  was  bei  der  abgekürzten  Dar- 
llellungsweife  der  Bilder  kaum  befremden  kann. 

bj  Das  Local  der  zweiten  Hälfte  irt  das  Innere 
eines  Haufes;  im  Hintergrunde  eine  Thüre,  vorn  in 
der  Mitte  ein  gedeckter  Tifch,  links  vor  demfelben  rteht 
ein  Greis  in  langem  Gewände.  Derfelbe  hält  in  der 
Rechten  einen  kurzen  Stab,  mit  dem  er  eben  die  In- 
fchrift ober  der  Thür  tkau  beendet  zu  haben  fcheint; 
in  der  Linken  hält  er  ein  Gefäß.  Rechts  vom  Tifche 
ftehen  drei  Perfonen  mit  aufgefchürzten  Kleidern 
Fleifchftücke  verzehrend.  Der  erfle  hält  in  der  Linken 
ein  Lamm  (fehr  verdorben). 

Es  kann  kein  Zweifel  fein,  dafs  hier  das  h'.ffen  des 
Ofterlammes  (Exod  XII)  dargeftellt  ill;  die  Juden 
Itelien  zum  Auszug  bereit  beim  Tifch,  das  üfterlamm 
effend,  dabei  wird  die  Thüre  „cum  fasciculo  hysopi" 
(nacli  V  22)  mit  dem  Blute  des  Lammes  bezeichnet, 
damit  der  Würgengel  am  Haufe  vorübergehe.  Zweifel- 
haft mag  es  fein,  ob  unter  dem  Greis  Mofes  oder  nur 
der  ältelle  des  Haufes  gemeint  fei;  da  Mofes  in  dem 
folgenden  Bilde  jünger  dargeflellt  erfcheint,  wird  das 
letztere  anzunehmen  fein.  Die  Infchrift  „  T/taii^^  (das 
hcbriiifche  Tj  ift  Ezechicl  IX,  },  —  C)  entnommen  und 
findet  fich  häufig  bei  diefer  Darftellung  als  T  ange- 
wandt, fo  am  Verduner  Altar,  am  Kreuz  von  St.  Bertin, ■•* 
welch'  letzterer  Darllellung  die  Gurker  fehr  verwandt 
ifl,  nur  dafs  der  Tifch  fehlt.  Diefen  gibt  ilas  Maler- 
buch an,  dazu  auch  Mofcs  und  Aaron. 

ICs  ifl:  fehr  bedeutungsvoll,  dafs  die  zweite  Reihe 
mit  dem  Auszug  aus  Aegypten  fchlicßt;  die  folgenden 
Bilder  gehören  iler  Zeit  ,,sub  lege"  an. 

'   V)(l.   lleittfr,  J.ihrb.   der  ('entr.-Comm.,   Bd.   s.   S.   49. 

-  Vgl.  liicrübcr;  lleitlcr,  Dcitrii^e  zur  cbrilll.  Typologie.  Miuh.  der 
Cenlr.-Coinin.,  III,  316  ff.  Den  dort  genannten  D.trftclIunKcn  wjire  .Tticb  ein 
Kinail  in  St.  Florian  (Kiipfernicli/iinmer)  .inzurcilicn,  Vyl.  Czfyity,  Kund  und 
Kunflgcwcrbe   in   Sl.  Klurian.   Linz    1886,  S.  33   und   auch   unten. 


43     - 


10.  a)  Die  dritte  Reihe  beginnt  wieder  an  der 
Weftwand.  Die  erfte  Darfteilung  zeigt  drei  nebenein- 
anderftehende  Miinner.  Der  rechts  trägt  hohenpriefter- 
liche  Tracht,  am  Haupte  eine  Mitra,  vor  der  Bruft  das 
Ephod,  in  der  Rechten  halt  er  einen  Stab  mit  Blattern. 
Die  beiden  zu  ihm  gewandten  Männer  tragen  Stirn- 
binden, der  erfte  zeigt  redende  Geberde,  der  zweite 
fieht  zu  und  trägt  einen  Stab.  Den  Gegenftand  erläu- 
tert die  InfcJirift  im  oberen  grünen  Rande:  Mrga 
Aaron  ßoruit  alms  perma[net]  aridus.  Die  Gefchichte 
von  Aarons  blühendem  Stabe  wird  Num  XVII  erzählt; 
hier  iftdie  Entdeckung  des  Wunders  dargeftellt:  Aaron 
trägt  eben  feinen  Stab  aus  dem  heiligen  Zelt.  Seine 
Tracht  ilT:  von  der  eines  Bifchofs  kaum  unterfchieden, 
auch  das  heute  abgekommene  Ephod  (Ex  XXVIII, 
13 — 28)'  ift  angegeben.  Die  beiden  anderen  Männer 
find  durch  die  Stirnbänder  als  niedrigere  Priefter 
gekennzeichnet.-  Verwandt  mit  diefer  Darftellung  ift 
zunächft  die  des  speculum  zu  Kremsmünfter  f.  14  a.^ 
Für  die  Kleidung  des  Hohenpriefters  k-ommen  außer- 
dem die  Darftellungen  f.  10  c  und  f.  16  /;  fowie  die 
Geftalt  Pharaos  am  Stammbaum  Chrifti  im  Antiphonar 
von  St.  Feter*  in  Betracht.  Auch  die  Bibl.  paup.  von 
St  Florian  weist  ähnliche  Züge  auf.  Von  dem  Gurker 
Gemälde  ift  nur  der  obere  Theil  erhalten,  wahrfchein- 
lich  hielt  wie  in  diefen  anderen  Darftellungen  einer  der 
Männer  ein  Rauchfaß. 

b)  Die  rechte  Hälfte  des  Bildes  zeigt  in  der  Mitte 
einen  Pfahl;  daraufhängt  eine  Schlange,  deren  Material 
durch  das  Reife  Herabhängen  wie  durch  die  fehr  mar- 
kirte  Gliederung  als  Erz  gekennzeichnet  ift.  Beiderfeits 
fteht  je  ein  bärtiger  Mann  mit  fpitzem  Hut  und  Stab. 
Sie  weifen  auf  die  Schlange  (alles  nur  fehr  frag- 
mentarifch  erhalten).  Weiter  unten  find  noch  die 
Köpfe  mehrerer  Perfonen  erkennbar,  die  nach  der 
Schlange  fehen,  ebenfo  mehrere  gegen  diefelbe  aus- 
geftreckte  Hände.  Hinter  diefen  ringeln  fich  rothe 
Schlangen  Im  grünen  Rande  oben  die  Infchrift:  Perais- 
sus  a  serpent[e  complec]tatur  serpctiteni  enemii.  Auch 
diefe  Darftellung  (nach  Num.  XXI,  9)  findet  fich  fchon 
früh  z.  B.  bei  Prudentius  erwähnt;^  von  den  meiften 
weicht  die  vorliegende  durch  die  Geftalt  der  Schlange 
ab,  wie  auch  die  beiden  Männer,  Mofes  und  Aaron,  fich 
nicht  häufig  finden;  als  folche  bezeichnet  am  oben  g  bj 
erwähnten  Email  in  St.  Florian. 

11.  a)  Linke  Hälfte:  Hügeliges  Terrain  mit  Pflan- 
zen bewachfen.  Von  links  kommt  ein  junger  Mann, 
Bileam,  die  Efelin  vor  fich  hertreibend;  vor  diefelbe 
hat  fich  der  Engel  geftellt.  Bileam  trägt  Turban  und 
ein  langes  gelbes  Kleid;  er  ift  eben  im  Begriffe,  die 
Efelin  mit  der  Ruthe  zu  fchlagen;  die  Efelin,  deren 
Gefchlecht  deutlich  gekennzeichnet  ift,  wendet  ihren 
Kopf  ganz  zurück  und  hat  das  I\Iaul  zum  Reden  geöff- 
net. Der  Engel  mit  Nimbus,  rothem  Kleide  und  weißen 
Flügeln  hält  in  der  Rechten  ein  hocherhobenes 
Schwert,  die  Linke  gegen  das  Thier.  Das  Gefpräch 
wird    durch    Infchriften    erläutert;    auf  einem   Spruch- 

'  Vgl.  ll-'ei/s,  Coftümkunde.  III.  i.  S.  192.  Otte,  Handbuch  der  kirchl. 
Kiinftarchäologie,   5.    Auflage,   S.  281,  u.  f. 

*  Vgl.  Schäfer:  Die  religiöfen  Alterthümer  der  Bibel.  Münfter,  1878» 
S.  58 

^  Heider,  Jahrb.  d.  Centr.-Comm.,   V,  S.  20,  vgl.  400  und  102. 

>  Lind,  Mitth.  der  Centr.-Comm.,  XIV.  Taf.  IV;  vermehrt,  felblländig 
herausgegeben  unter  den  Titel:  Ein  Antiphanorium  von  St.  Peter  in  Salzburg. 
Wien  1870.  Ueber  die  Entftehungszeit  vgl.  auch  Janit/chek,  Gefchichte  der 
deutfchen  Malerei,   S.    102,  Anm. 

'"  Garrucci,  a.  a.  O. ,  I,  478,  u.  ö. 


bände  über  der  Efelin:  Oir  nie  [percutis .  .  .] ;  Am 
Rande  über  Bileam:  Quin  illu[s]isti  vie .  .  .(nach  Num. 
XXII,  28,  29). 

Die  bekannte  Gefchichte  von  der  redenden  Efelin 
des  Bileam  findet  fich  nicht  fehr  häufig  in  Darftellungen. 
Gegenüber  der  in  der  Bibel  von  St.  Paul,'  fowie  der 
Angabe  des  Malerbuches  erfcheint  die  vorliegende  ge- 
kürzt; der  Hohlweg  ift  durch  das  hügelige  Terrain 
kaum  angedeutet ;  auch  fitzt  Bileam  fonft  durchwegs 
am  Efel  oben,  fo  auch  im  Speculum  f.  9  b.  Die  Gurker 
Darftellung  ift  alfo  wohl  ziemlich  frei,  zugleich  aber 
doch  anfchaulich  erfunden. 

b)  Die  zweite  Hälfte  des  Bildes  zeigt  eine  Reihe 
gerüfteter  Krieger,  nach  rechts  marfchirend.  Voran 
der  Anführer  mit  breitkrämpigem  Helm,  auf  der  Lanze 
eine  Fahne,  am  Schild  einen  Adler.  Die  ihm  folgenden 
find  ähnlich  ausgelüftet,  nur  ift  ihr  Helm  ohne  Krampe 
und  die  Lanzen  ohne  Fahne.  Ober  ihnen  erfcheint  die 
Sonne  als  rother  Stern  mit  Geficht.  Am  Rande  die  In- 
fchrift: Gc[d]eoH  veniejis  de  prelio. 

Diefe  Darftellung  ift  ganz  vereinzeint;  ohne  In- 
fchrift wäre  die  Erklärung  wohl  überhaupt  zweifelhaft. 
Die  Sonne  hilft  uns  errathen,  dafs  hier  die  lud.  VIII,  13 
erzählte  Rückkehr  nach  der  Madianiterfchlacht  —  vor 
Aufgang  der  Sonne  —  gemeint  fei.  Mehr  als  der  Gegen- 
ftand intereffiren  uns  die  Coftüme,  welche  namentlich 
mit  denen  auf  itahenifchen  Gemälden  z.  B.  im  Fresken- 
Cyclus  des  Capitelfaales  von  S.  Francesco  zu  Fifa 
(14.  Jahrhundert)^  oder  auf  Bildern  des  Altichiero  zu 
Padua-*  große  Aehnlichkeit  zeigen.  Hier  wie  dort  fehlen 
die  faft  regelmäßig  vorkommenden  Beckenhauben, 
fowie  die  Verftärkungen  an  den  Gelenken  der  Panzer 
durch  Platten;  auch  ift  der  Anführer  durch  einen  breit- 
krämpigen  Helm  und  Fahne  vor  den  übrigen  ausge- 
zeichnet, welch  letzteres  fich  wohl  auch  früher  häufig, 
auch  in  deutfchen  Miniaturen  findet,  z.  B.  in  der  Hand- 
fchrift  des  Wenzeslaus  in  Prag.*  Unfer  Künftler  ftellt 
übrigens  die  Krieger  nicht  vollgerüftet  dar;  es  fehlt 
ihnen  wie  auch  weiter  die  Panzerung  der  Beine  und  die 
Sporen.  Gideon  und  feine  Schaar  ift  uns  hier  eben 
nicht  als  Ritter,  fondern  als  Söldner,  und  zwar  als  Fuß- 
volk vor  Augen  geführt. ■'' 

12.  a)  Die  erfte  Hälfte  des  folgenden  Bildes  ftellt 
Samfon  gegen  diePhilifter  kämpfend  dar.  Links  Samfon 
in  kurzem  Rock  mit  langen  Haaren;  er  fchreitet  eben 
über  einen  Erfchlagenen  weit  aus,  fchwingt  mit  der 
Rechten  hoch  den  Efelskinnbacken.  Die  Feinde  liegen 
bereits  durcheinander  am  Boden,  nur  einer  fteht  noch; 
ihm  gilt  Samfons  Angriff,  aber  auch  er  ift  bereits 
getroffen  und  fallt  nach  vorn.  Von  den  übrigen  lebt 
nur  noch  einer,  diefer  ftützt  mühfam  das  Haupt,  aber 
auch  er  entgeht  dem  Verderben  nicht,  Der  Sieger  hat 
ihn  mit  der  Linken  erfafst  und  wird  ihn  ganz  tödten. 
Die  Infchrift  am  Rande  gibt  den  Inhalt  des  Bildes  an: 
Sainson  mille  viros[neccavit]  viandibnla  as[tni]  (nach 
lud.  XV,  15).  —  Die  Thaten  des  Samfon  gehören  zu 
den  populärften  in  der  chriftlichen  Kunft,  doch  hat 
man  für  die  Darftellung  die  Scenen  verfchieden  ge- 
wählt. Prudentius  erwähnt  den  Kampf  mit  dem  Löwen, 


'  Agincourt,  Taf.  XLIII. 
-  Phot.  Alinari,   12270  —  71; 
Kunft.  Taf.  62,  Nr.  9. 

'    Phot.  Alinari  16632  —  45. 

*  Vgl.  Demviine:  Kriegswaflfen,  S.   274,  oft  wiederholt. 

^  Vgl.  ebenda  S.  303;   U'ei/s,  Coftümkunde.  III,  i.  S.  216. 


die    Kreuzigung,    abgeb.    Denkmäler    der 


u.  f. 


—     44     — 


fowie  die  Füchfe  mit  den  brennenden  Fackeln;'  den 
Kampf  mit  dem  Löwen  wie  dieThore  von  Gaza  ftellen 
der  Verduner-Altar,^  die  Bibl.  paup,  das  letztere  auch 
die  Gurker  Thür  dar.-*  Die  Philifterfchlacht  geben  die 
Augsburger  Thür,  die  Gemälde  in  Braumeiler,  fowie 
auch  das  Malerbuch  alle  ziemlich  gleichartig,  die 
Feinde  jedoch  bereits  alle  todt;  lebhafter  als  die  genann- 
ten ifl:  die  Darllellung  im  Speculum  f  22  d,  wo  Simfon 
wie  hier  Hand  an  den  Gegner  legt;  der  zufammen- 
ftürzende  Feind   dagegen  fehlt. 

b)  Die  rechte  Hälfte  ftellt  auf  zwei  gegeneinander 
gerichteten  Thronfeffeln  Saul  und  David  dar.  Saul 
trägt  weißen  Talar  und  rothen  Mantel,  am  Haupte 
die  Krone;  er  blickt  feft  auf  David  und  hält  in  der 
Rechten  einen  kurzen  Speer.  David  in  ganz  ähnlicher 
Kleidung,  aber  am  Haupte  ein  rothes  Käppchen,  fpielt 
die  Harfe.  Die  Gemüthsflimmung  beider  wird  dadurch 
gekennzeichnet,  dafs  hinter  Saul  ein  grimmiger  Teufel 
hervorblickt,  welcher  ihm  zuflüftert,  während  auf  David 
die  nimbirte Taube,  der  heilige  Geift,  herniederfchwebt. 
Die  Infchrift  am  Rande  lautet:  [Saul]  tcnens  Iiastani 
transfigere  vtilt  sytharistam  (nach  i.  Reg.  XVIII,  10,  11). 

Wohl  keine  Geftalt  des  alten  Teftamentes  wurde 
fo  häufig  dargeftellt  wie  David  die  Harfe  fpielend;  auch 
als  Sänger  vor  Saul  findet  er  fich  nicht  feiten  z.  B.  im 
angiovinifchen  Gebetbuch  der  Wiener  Hofbibliothek 
Cod.  1921,*  ebenfo  in  einem  Psalterium  der  Ambrafer- 
fammlung  von  circa  1300''  in  ziemlich  ähnlicher  Weife. 
Während  übrigens  David  oft  bereits  beim  Kampf  mit 
Goliath  die  Krone  trägt,  fehlt  diefe  hier,  obfchon  feine 
Kleidung  der  des  Königs  ganz  ähnlich  ift. 

13.  c)  Die  erfte  Hälfte  zeigt  eine  gothifche  Halle, 
rechts  der  Eingang.  Links  fitzt  auf  einem  Throne  ein 
König  mit  redender  Geberde,  ihm  gegenüber  auf 
polfterbelegtem  Stuhle  eine  Königin,  welche  ihm  eine 
kryftallene  Schale  überreicht.  Hinter  derfelben  ift  noch 
ein  bärtiger  Mann  fichtbar.  Die  Infchrift  am  Rande 
oben:  Sall[omon]  R[ex]  .... 

Es  kann  nach  der  Infchrift  wohl  kein  Zweifel  fein, 
dafs  unter  diefem  höfifchen  Gefpräche  der  Befucli  der 
Königin  von  Saba  bei  Salomo  dargellellt  ift  (III.  \\eg. 
X;  2.  Par.  IX).  Der  Gegenftand  ift  hier  nicht  fonderlich 
geiftvoll  gegeben  und  flicht  gegenüber  den  verwandten 
Darflellungen  der  Biblia  pauperum,  des  speculum, 
namentlich  aber  der  des  Verduner  Altars  gewaltig  ab. 

'  Garrucci,  I,  479, 

2  Came/ina  und  llfijer,  Mitth.  des  Wiener  Alterthumsvcrcines  4, 
Tafel   19,  30. 

>  Vgl.  oben.    . 

*  Vgl.  Rif^I,  Ein  .-ingiovinifches  Gcbclbuch,  in  der  Wiener  Hof- 
Bibliothek.  .Mitth,   des  Jnflitiite»    für  öllerr.  Gcfchichtsforfchuiig  8.  Bd.,  S.  435. 

i  IV.  Sa.il,  Tifchkaften  I,  Nr.  a.   (Katalog  (1882). 


Der  Mann  hinter  der  Königin  ift  der  Ueberreft  des  auf 
diefen  Bildern  dargeflellten  prächtigen  Gefolges. 

bj  Die  andere  Hälfte  des  Bildes  zeigt  uns  zwei  auf 
Säulen  ruhende  Arcaden;  hinter  der  mittleren  Säule 
fleht  ein  bedeckter  Altar;  das  Local  ill  alfo  der 
Tempel.  In  der  linken  Arcade  fteht  ein  König  leb- 
haft bewegt,  nach  oben  fehend,  mit  der  Rechten  hoch 
erhoben  einen  Hammer  fchwingend,  in  der  Linken  ein 
Spruchband:  Fiat  tantxin  pax  in  diebus  vieis  (Isaias 
XXXIX,  8,  vgl.  4  Reg.  XX,  19).  Am  Bogen  fteht: 
Ezecli[ia]s  rex ;  am  oberen  Rande:  ....  istic  altaria 
scindit. 

Auch  die  zweite  Arcade  zeigt  einen  König  in 
lebhafter  Bewegung  ebenfalls  einen  Hammer  fchwin- 
gend; er  blickt  nach  rechts;  in  der  Linken  hält  er  ein 
Spruchband:  Facite  phase  doniino  deo.  4  Reg.  X.XIII 
22.  Am  Rande  oben  fteht:  jfosyas  re[x].  Die  Infchriftcn 
erklären  wenigftens  im  allgemeinen  die  Perfonen.  Wir 
finden  hier  die  beiden  tugendhaften  Könige  in  der 
fpäteren  Zeit  des  jüdifchen  Reiches.  Dargeftellt  ift 
augenfcheinlich  die  Zerftörung  der  Götzen,  fowie  die 
Ausbeflerung  des  Tempels,  alfo  die  Wiederherftellung 
des  wahren  Gottesdienftes.  Darnach  auch  die  Infchrift 
ober  Ezechias;  das  Band  in  der  Hand  desfelben  aber 
enthält  deffen  Antwort  auf  die  Strafpredigt  des  Ifaias 
und  ift  auffallenderweife  nach  Ifaias  citirt,  obfchon  es 
in  4  Reg.  ganz  gleich  nur  ftatt  „fiat  tantum"  einfach: 
„sit,"  vorkommt,  dem  die  anderen  Citate  entnommen 
find.'  Dazu  kommt  noch,  dafs  das  Wort  „scindit"  in 
der  Infchrift  am  Rande  fich  bei  Ezechias  mehrfach 
aber  nur  in  der  Bedeutung  ,,vestimenta  sciudit"  vor- 
kommt; betrachten  wir  noch  dazu  die  wunderliche  Hal- 
tung des  Königs,  erfcheint  es  fehr  wahrfcheinlich,  dafs 
der  Künftler  eine  derartige  Darftellung  vor  Augen 
gehabt  und  diefelbe  in  feiner  gewohnten  Weife  etwas 
äußerlich  umgeftaltet  habe.  Die  Darftellung  des  Ge- 
fpräches  findet  fich  bei  Prudentius  erwähnt,  in  Brau- 
weiler und  in  der  Concordanz  von  Lilienfeld  auch 
erhalten.  Weniger  willkürlich,  doch  ähnlicher  Art  er- 
fcheint die  Darfteilung  wie  Infchrift  bei  Jofias;  während 


der    Kc 


fein    Säuberungswerk,    und    zwar   in  weit 


natürlicherer  Haltung  vollführt,  enthält  das  Spruchband 
die  Aufforderung  zum  wahren  Gottesdienft.  Nebenein- 
ander finden  fich  diefe  Könige  am  Stammbaum  Chrifti, 
an  der  Decke  von  St.  Michael  zu  1  lildesheim^  u.  ö. 

'  Die  hift.  Scholaft.  citirt  durchwegs  nach  4.  Reg;  dagegen  führt  I/idorus 
in  feiner  Allegoriae  Sacrae  scripturae  {Migne,  Bd.  83,  S.  114)  wenigftens  .alle 
Stellen  an. 

-  Vgl.  Kratz,  Kurze  Andeutung  iiljer  die  St.  Michaelskirche  und  deren 
Decke.    Berlin. 

(Fortl'etzuiig  folgt.) 


Bauliche  Ueberrefte  von  ßrigantium. 


Vom  Confervator  Kaiferl.   Rath   Ur.  S.    Jenny. 

(Mit  einer  Tafel.) 


A.'Das  gefchlorfene  Häufer-Quartier. 

M  Gegenfatze    zu    den    bisherigen   Bauten    der 
Civilftadt,   welche,   feien   fie    groß    oder  klein, 
durch    ihre    ifolirte    Lage    fich  charakterifircn, 
erweifen  die  ausgedehnten   Ausgrabungen  des  Jahres 


1S91,  wie  es  innerhalb  einer  Region  auch  nicht  an  der 
Anlage  gefchloffeiier  Quartiere  fehlte.  Es  wäre  zu  weit 
gegangen,  unter  I  leranziehung  des  Bcifpiels  aus  Rom 
und  Pompeji  den  aufgefundenen  Complex  mit  dem 
Begriff  der  „infula"  zu  identificiren,  infofern  das  ftreng 
ftädtifche   Ausfehen    des   Einfchließens   verfchiedener 


Mittheihui^en  der  k.k.  C .  Com .  1893  . 


Bri^antium. 


n  r 


I 

1  u  ! 

|ö5 


Wirkliche  Entfernung 
zwischen  beiden  Gebäuden 
53  Meter. 


N 


/ 


Aufgedeckte  Mauern  189 
Conjecturale 
Tieferliegende    n 
Platten  und  Quader 
Estrichboden  in  Kellern 
„  V  Hypocau 

Ausgegrabene  Flächen 


-w 


Miltheilungen  der  k.k.  C .  Coin .  1893  . 


Bri^antium. 


H    ö 


seh 


ffeerstra 


Aufgedeckte  Mauern  189! 

ConjecturaU 

Tieferliegende    n 
FTTI  Platten  und  Quader 

Estrichboden  in  Keltern 
rrr^  „  •■  Hypocausien 

r'T\  "  "  Wohnräumen  etc. 

L    ;  '  Jtusgrgrabent  Flächen 


Strasitenschotter 


MaaTsstab 


Wirkliche  Entfemang 
zwischen  beiden  Gebäuden 


rij.^,j 


-     45     - 


Einzelhäufei"  durch  gemeinfchaftlichc  Umfaffungsmau- 
ern  und  deren  Begränzung  durch  gepflafterte  Plätze, 
Straßen  und  Trottoirs  in  Brigantium  nicht  zutrifft.  Hier 
im  rhätifchen  Municipium  nehmen  wir  nur  den  An- 
fchluß  mehrerer  Häufer  in  paralleler  Richtung  wahr, 
welche,  der  Heerftraße  eine  gerade  Front,  weit  öfter 
einen  offenen  Hof  zukehrend,  nach  der  entgegenge- 
fetzten Seite  ganz  unregelmäßig  und  ungleich  lang 
endigen,  wie  es  wohl  die  Begränzung  durch  Neben- 
ftraßen,  deren  Vorhandenfein  da  und  dort  nachgewiefen, 
bedingte.  Vorwiegend  entwickeln  fich  diefc  Bauten  in 
der  Längsrichtung,  weil  für  fpätere  Vergrößerung  nur 
allein  in  diefer  die  Möglichkeit  geboten  war.  In  ihrer 
innern  Eintheilung  keinerlei  typifche  Uebcrcinftim- 
mung  bietend,  weit  entfernt,  eine  Fülle  von  Räumen 
aller  Art,  wie  etliche  der  früher  aufgedeckten  Villen,  in 
fich  zu  fchließen,  tritt  uns  nur  Befchränkung  auf  das 
Nöthigfte  in  Menge  und  Größe  entgegen,  wie  es  durch 
die  fociale  Stellung  ihrer  Bewohner  —  vermuthlich 
Handwerker  und  Händler  —  mit  ihren  Vermögens- 
N'erhältniffen  zufammenhing. 

Als  Ausgangspunkt  der  jüngiten  Xachforfchungen 
wurden  die  im  Jahrgang  VI,  S.  68  der  ,,AIittheilungen" 
befchriebenen  Räumlichkeiten  N  0  P  Q  R  gewählt, 
welche  ich  nach  damaligem  Umfang  der  Ausgrabung 
nur  als  Theil  einer  weitläufig  angelegten  Villa  ange- 
fehen  hatte;  ftatt  deffen  bilden  fie  wirklich  ein  Gebäude 
für  fich  von  13 '/a  M.  Frontlänge  und  I2US  M.  mittlerer 
Tiefe  (da  es  etwas  fchief  angelegt,  ftimmen  die  Seiten- 
längen nicht  überein),  welches  von  drei  Seiten  von 
Nachbarhäufern umfangen  ifb.  Die  bauliche  Conftruftion 
der  linken,  erft  1891  aufgedeckten  Seite  bietet  eine 
genaue  Wiederholung  der  rechten,  wie  fie  in  Fig.  C, 
Taf  II  im  vorgenannten  Bande  dargeftellt  ift,  nämlich 
zwei  nebeneinander  laufende  Mauern  von 76  und  60  Cm. 
Dicke,  wovon  die  innere  in  einem  gewaltigen  Sandftein- 
quader  mit  ebenfolchem  Fundament  endigt,  die  äußere 
durch  einen  Kopf  aus  gleichmäßig  gehauenen  und  ge- 
fchichteten  Steinplatten  abfchließt. 

Nun  das  kleine  Gebäude  in  feinem  Grundrifs  abge- 
fchloffen  vorliegt,  läßt  fich  eher,  als  bei  feiner  erften 
nur  theilweifen  Aufdeckung  möglich  gewefen,  ein 
Schluß  ziehen,  was  wir  von  ihm  zu  halten  haben.  Der 
Rinne  m  o  kam  offenbar  die  Beftimmung  zu,  eine  Holz- 
einlage aufzunehmen,  und  zwar  ift  als  nächftliegendes 
an  eine  Umgitterung  für  den  Stand  des  Verkäufers  zu 
denken,  der  fich  innerhalb  des  ungleichfeitigen  Vierecks 
aufgehalten  hatte,  der  Raum  N  möchte  alfo  als  „Ver- 
kaufslocal"  bezeichnet  werden;  für  Q  und  R  ergibt 
fich  daraus  die  Bedeutung  als  Wohnräume  des  Be- 
fitzers,  für  R  als  eine  das  Atrium  vertretende  Halle, 
wo  nicht  als  Magazin  für  Vorräthe. 

Gleichem  Zwecke  diente  gewifs  auch  der  Bau  IV 
nebenan,  der,  wenn  auch  kleiner  als  der  eben  be- 
fprochene,  doch  ähnliche  Verhältniffe  aufweift,  nämlich 
eine  dem  Quadrat  nahekommende  Grundform  feiner 
äußeren  Begränzung.  Die  fchiefe  Richtung  der  Hinter- 
mauer, die  beiden  Häufern  gemeinfam,  muß  ihnen 
durch  früher  errichtete  Bauten  aufgezwungen  worden 
fein.  Seine  inneren  Abtheilungen  feftzuftellen  war  theils 
behindert  durch  einen  Baum,  theils  vereitelt  durch  den 
tiefgreifenden,  flellenweife  totalen  Abbruch  des  Ge- 
mäuers; fo  liegt  das  fchmale  Mäuerchen  a  an  der 
Frontfeite   fafl  metertief  unter  dem  Lager  des  Sand- 


fteinblockes  /',  und  bei  dem  punktirten  Viereck,  wo 
das  Gebäudeeck  liegen  foUte,  war  in  2'/,  M.  Tiefe 
noch  nichts  davon   aufzufinden. 

Die  beiden  kleinen  Gebäude  liegen  ziemlich  in  der 
Mitte  der  Front  des  gefchloffenen  Quartiers,  während 
früher  aufgedeckte  Comple.ve  I  und  XI  dasfelbe  feitlich 
flankiren  (erfleres  im  XVII.,  letzteres  im  VI.  Band  der 
„Mittheilungen"  befprochen).  Wie  die  zwifcheninne 
liegenden  Häufer  nach  Befitzern  fich  abtheilen,  könnte 
verfchiedener  Auffaffung  unterliegen,  weitab  dürften  fie 
fich  aber  nicht  von  meiner  Annahme  entfernen,  ilafs 
die  Richtung  der  langen  Mauerzüge  dafür  maßgebend 
ift,  mit  anderen  Worten,  alle  zwifchen  zwei  langen 
Hauptmauern  vorfindHchen  An-  und  Einbauten  je  einem 
Haufe,  in  einigen  Fällen  höchftens  zwei  Häufern  zu- 
zurechnen find.  Auf  diefe  Eintheilung  fußend,  trete  ich 
den  Fundergebniffen  näher. 

II.  Das  Eck  des  kleinen  Haufes  ift  durch  einen 
breiten  Mauerfuß  geftützt.  Den  fchmalen  Gang  9  hat 
man  als  Veflibül  zum  Raum  10  zu  betrachten,  der 
mit  4-27  M.  Länge  und  3-35  M.  Breite  das  nothdürftigfte 
Ausmaß  befitzt,  um  noch  als  Wohnraum  angefehen 
werden  zu  können;  davon  abgetrennt  liegt  ein  heizbares 
Gemach  11,  kaum  um  ein  Viertel  größer  als  das  vorige 
(4' 23  X  4'03).  Sein  Hypocaufl  gibt  fich  durch  die 
Kamin  vorlage  zu  erkennen,  auf  deren  forgfältige  Bauart 
ich  aufmerkfam  mache.  Die  Abzugsöffnung  verengt  fich 
innerhalb  Mauerdicke  von  103  Cm.  Weite  zu  einem 
Schlitz  c  von  nur  14  Cm  ;  hinter  diefem  ervv'eitert  fich 
der  eigentliche  Kaminfchlauch  wieder  auf  41,  in  der 
Mitte  fogar  auf  65  Cm.  unter  allmäligem  Anfteigen  um 
33  Cm.  bis  zum  mittleren  Mauerftock  d;  durch  diefen, 
der  in  fpäterer  Zeit  eingefetzt  wurde,  fchränkte  fich  die 
Kaminanlage  auf  170  Cm.  ein,  während  zu\-or  die  Vereini- 
gung beider  Abtheilungen  e  einer  Länge  von  342  M. 
gleichkam.  Den  Beweis  hiefür  leiftet  der  die  Canal- 
wände  auch  hinter  der  eingefchobenen  Quermauer  d 
bekleidende  Ziegel-Eftrich;  die  bogenförmige  Mauer- 
linie ift  außen  defshalb  fo  unres'elmäßig',  weil  eine 
Anmauerung  an  den  Grund  il:attfand.  Die  andere  Seite 
fetzt  fich  aus  drei  Theilen  zufammen,  einem  kürzeren 
Mäuerchen  und  zwei  Mauerwinkeln,  die  nur  ftumpf 
aneinanderfloßen,  ohne  miteinander  verzahnt  zu  fein. 
Ich  erwähne  diefen  Umftand,  weil  daraus  erfichtlich, 
wie  der  Raum  e  durch  Benützung  und  Ausbau  bereits 
vorhandener  Mauern  entftand. 

Auch  die  im  Plane  weiß  gelaffene,  über  das 
Hypocauft  11  hinziehende  Mauer  /'  muß  ilirer  Technik 
nach  der  Römerzeit  angehören,  wenn  auch  ihrer  ärgftcn 
D.ecadenz.  Das  Eck  ift  in  gewohnter  Weife  mit  gehaue- 
nen Steinplatten,  in  den  Fugen  abwechfelnd,  aufgeführt, 
aber  im  Gegenfatz  zu  Bauten  der  guten  Zeit  ift  am 
Mörtel  aufs  äußerfle  gefpart  und  das  Fundament 
forglos  gelegt:  wo  das  fpätere  Gemäuer  nicht  auf 
der  altern  Hypocauflmauer  eine  fefte  Unterlage  fand, 
war  es  in  fich  zufammengefunken.  Bei  g  ruhten  auf 
der  nämlichen  alten  Mauer  Pfeilerchen  roheiter 
Confl;ru6tion,  welche  8  Oeffnungen  mit  durchfchnittlich 
22  Cm.  Weite  —  nur  die  äußerllen  fchmaler  —  bildeten, 
durch  welche  die  heiße  Luft  aus  einem  anftoßenden 
Heizraum  hergezogen  fein  mußte.  Eine  analoge  Ein- 
richtung fand  ich  in  der  Basilika  zwifchen  den  Räumen 
G  und  H  (Band  VIII  der  ..Mittheilung"  S.  97'-  Dafs 
weitere   Fortfetzung   diefer   Anlage  nicht  mehr  aufzu- 


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finden  war,  erklärt  der  defolate  Zuftand   des  fpäteren 
Mauerwerks  zur  Genüge. 

Dem  befchriebenen  Complex  liegt  ein  geräumiger 
Hof  12  vor  (13  lO  X  7  M.),  gegen  die  Römerftraße  in 
feiner  vollen  Breitegeöffnet.  Nur  feinelinksfeitige  43  Cm. 
breite  Mauer  nebft  jenem  Stück,  da.s  unter  rechtem 
Winkel  bei  Eck  h  feitwärts  läuft,  befteht  aus  Diamiclon ; 
folglich  gehören  beide  dem  Complex  I  an  —  man 
erinnere  fich  nur  an  das  Ueberwiegen  diefer  Technik 
an  allen  benachbarten  Theilen  jener  Villa!  Die  Längs- 
mauer ift  von  6  Oeffnungen  (11 — 17  Cm.  breit  und 
12 — 16  hoch)  durchbrochen,  welche  aus  den  offenen 
Vorhallen  13,  14  das  Regenwaffer  nach  dem  Hofe 
12  abzuleiten  hatten. 

III.  Den  nach  vorn  offenen  Hof  15  fchließt  das 
große  Hypocauft  16  (im  Durchfchnitt  8  07  X  375  M.)  ab, 
deffen  Heizloch  bei  i  gelegen,  fein  Boden  befteht  aus 
Eftrich;  von  14  vorgefundenen  Suspenfura-Pfeilerchen 
beftehen  nur  2  aus  Stein,  alle  übrigen  aus  Thonplatten 
der  üblichen  Größe.  Neben  diefem  heizbaren  Gemach 
vorbei  führt  ein  Zugang  17  von  1-30—  1-43  M.  wechfelnder 
Breite  in  den  innern  Hof  18,  von  da  weiter  in  die  beiden 
Wohnräume  20,  21;  vermuthlich  betrat  man  fie  von  19 
aus,  wo  noch  ein  Stück  Eltrich-Boden  zwifchen  zwei 
parallelen  Mauerfatzen  den  Eingang  zu  bezeichnen 
fcheint. 

Wieder  folgt  ein  großer  freier  Raum  22,  darauf 
am  Ende  derfelben  langen  Mauer,  an  die  fich  der  eben- 
erwähnte Bau  angliedert,  ein  ifolirtes  rechteckiges  Ge- 
mach 23  mit  Gußboden  ohne  Heizung,  dem  ein  kleines 
Veflibül  24,  zu  vergleichen  den  Vorhäuschen  der  Prä- 
furnicn,  vorgelegt  ift.  Eine  Steinplatte  aus  einem  Stück 
—  2  M.  lang,  90  Cm.  breit  —  bildet  theils  den  Boden- 
belag beim  Eingang  /',  theils  trägt  fic  auch  —  wir 
werden  bald  cinfehen  aus  welchem  Grunde  —  die 
vordem  Mauern,  die  von  ihr  unterfangen  find.  An  die 
Platte  fchließt  fich  rotherZiegel-Eflrich,  um  den  übrigen 
Theil  des  Vorraums  zu  bedecken.  Die  geringe  Diffe- 
renz in  der  Lage  der  Eußböden  von  23  und  24  konnte 
eine  einzige  Stufe  ausgleichen;  dennoch  ift  es  fraglich, 
ob  fie  miteinander  correfpondiren,  thatfächlich  belland 
zur  Zeit  der  letzten  Bewohner  keine  Communication 
beider  Räume,  fondern  eine  Trennung  durch  Vermauern 
der  167  Cm.  breiten  Mauerlücke  /  mittelft  GeröUfteincn 
und  Thonplatten.  Tiefer  fortgefetzte  Grabungen  deck- 
ten 65  Cm.  unter  dem  weißen  EftrichBoden  in  24  einen 
zweiten  aus  rothem  Ziegcl-lClfrich  auf  und  im  Vorhaus 
kam  eine  gefchloffene  Reihe  Steinplatten,  97  Cm.  tiefer 
als  die  obere  Lage,  zum  Vorfchein.  In  der  Mauerlücke 
aber  fanden  fich  zwei  mittelft  Mörtel  fcft  verbundene 
Thürfchwellen  übereinander.  Die  fehr  folid  hergeftellten 
Seitenmauern  des  Vorhaufes  erreichten  crft  in  i'/j  M. 
Tiefe  unter  der  Mauerkrone  ihr  Ende;  das  Material 
aber,  das  fie  zwifchen  fich  einfchloffen,  war  dasfclbe  wie 
in  dem  vergangenes  Jahr  ausgehobenen  Sickerloch. 
Natürlich  traten  die  gleichen  Erfcheinungcn  zu  Tage, 
hier  fichtbar  tlurch  Senkung  des  Anbaues,  wodurch  er 
fich  von  der  Mauer  des  Raumes  24  um  9  —  17  Cm. 
entfernte  und  die  Steinplatten  fich  aufrichteten.  Den 
Hergang  der  vorliegenden  Wandlungen  ftelle  ich  mir 
folgendermaßen  vor:  Von  der  vorgelegten  Plattcnrcihc 
in  24  (ohne  Vorhaus)  ftieg  man  über  die  untere  .Schwelle 
zum  älteren  Eflrich-lioden  hinan;  im  Verhältnis  der  fich 
fteigernden  I'",rhohung   des  Terrains   ringsum  mag  fich 


nach  und  nach  die  Nothwendigkeit  der  Einfetzuiig 
einer  zweiten  höheren  Schwelle,  noch  fpäter  die  Anlage 
des  höheren  Bodens  in  23  ergeben  haben;  zuletzt 
vollzog  fich  eine  Neuanlage  des  Eftrichs  in  24,  vermuth- 
lich unter  Verlegung  des  Eingangs,  womit  der  Ver- 
fchluß  des  früheren  vor  fich  ging. 

Bei  VI  flecken  zwei  Sandfteiiie  in  dem  unteren 
EftrichBoden,  ein  hoher  viereckiger  neben  einem  aus- 
gerundeten niedrigen,  beide  gefchwärzt  von  Ruß,  in 
denen  ich  Ueberrefte  des  Herdes  erkenne;  der  größere 
Stein  überragt  fogar  den  oberen  Eftrich.  Warum  bei  n 
eine  Mauerftütze  nothwendig  geworden,  konnte  nicht 
ermittelt  werden. 

VI.  Der  Grundrifs  diefes  Wohnhaufes  bildet  ein 
Rechteck  mit  vorfpringenden  Rifaliten,  entfprechend 
dem  üblichen  Schema  kleinerer  Villen  der  Schweiz  und 
ander.swo;  ihm  ftand  wie  den  vorhergehenden,  fowohl 
von  der  Heerftraße  her  durch  den  kleinen  Hof  25,  als 
von  der  Nebenftraße  rückwärts  der  Zugang  frei.  Der 
größere  der  Vorbauten  27  (6  93  X  3"66  M.)  mit  Eftrich- 
boden,  deffen  Eingang  der  Stein  o  andeutet,  muß  als 
Sommerwohnung,  der  kleinere  heizbare  26  (376  M.  im 
Quadrat)  als  Wintergemach  gedient  haben.  Das  Hypo- 
cauft des  letzteren  wurde  bei  p  geheizt;  neben  dem 
Prafurnium  ficht  man  Platten  und  Eftrich  zur  Ablage- 
rung des  Brennmaterials;  Säulchen  aus  Stein  wechfeln 
im  Hypocauft  mit  folchen  aus  Thonplatten  ab.  Eigen- 
thümlicher  Weife  zieht  fich  der  Eftrich  auch  über  die 
rechtsfeitige  Mauer  als  30  Cm.  hohe  Stufe,  die  ebenfalls 
mit  zwei  Plattenfäulchen  befetzt  vorgefunden  wurde. 

Sonft  ficht  es  mit  Wohnräumen  im  Haufe  fehr 
dürftig  aus  —  es  verbleiben  dazu  nur  die  drei  kleineren 
Abtheilungen  29,  30,  31,  unter  denen  die  erfte  jenen 
feinen  Ziegelmörtelbewurf  in  richtiger  Tiefe  trägt,  wie 
er  ftets  die  Verwendung  zu  Hypocauften  charakterifirt, 
und  das  übrige  befteht  aus  Keller  und  Hof  Eine 
gerade  Stiege  32  mit  8  Stufen,  die  von  1-35  auf  1-45  M. 
fich  verbreitern,  fuhrt  vom  Hof  28  aus  2  M.  tief  hinab, 
dann  unter  rechtem  Winkel  durch  einen  4-30  M.  langen 
und  I  30  M.  breiten  Gang  33  in  den  eigentlichen  Keller- 
raum 34,  welchem  bei  feiner  urfprünglichen  Anlage  ein 
quadrater  Grundrifs  (6-6o  Q^^)  ^.ugetheilt  war;  mit 
der  Zeit  widerfuhren  ihm  Einengungen  durch  die  längs 
der  Räume  29  und  30  in  der  Entfernung  von  12  —  14  Cm. 
aufgeführte  Doppelmauer  zur  Ifolirung  von  der  kalt- 
feuchten Kellcrluft  und  eine  zweite  Mauer,  welche  dem 
nun  auf  4-13  M.  Breite  reducirten  Keller  nur  noch  die 
eine  Lichtöffnung  nach  außen  beließ.  Diefe  Keller- 
fenfter  ftimmen  in  Lage  wie  Bauart  ganz  überein  mit 
dem  im  VI.  Band  der  „Mittheilungen"  S.  68  befchrie- 
benen Keller  (auf  JL't/.t  vorliegendem  Plane  im  Complex 
XI  aufzufinden).  Durchgchends  hatte  fich  im  Keller  ein 
harter  Eftrich-15oden  erhalten  und  an  manchen  Stellen 
der  Wände  eine  Bemalung  des  weißen  Stucco's  mit 
geraden  Linien  in  gelber  und  rother  Farbe;  befonders 
fetzte  fich  diefer  Anwurf  in  guter  Erhaltung  hinter  den 
fpäter  eingebauten  Mauern  fijrt.  Die  punktirten  Linien 
in  diefen  letzteren  bezeichnen  zwei  viereckige  zuge- 
mauert vorgefundene  Maueröffnungen  q  von  75  Cm. 
Breite. 

Diefe  Kelleranlage  geht  weit  über  die  Bediirfniffe 
eines  Ilausbefitzers  hinaus,  felbft  wenn  derfelbe  noch 
fo  eifrig  Gott  Bachus  gehuldigt  hätte;  fie  ift  auch  dann 
noch  ungewöhnlich  groß,    wenn  die  beiden  Complexe 


47 


III  und  VI  als  zufammengehörig  gedacht  würden. 
Näher  liegend  fcheint  mir  die  Annalime,  fie  mit  dem 
gewerblichen  Verkehr  der  Civilftadt  in  Beziehung  zu 
bringen,  mit  anderen  Worten,  dicfe  Wohnung  als  die 
eines  Weinliändlers  zu  bezeichnen. 

VII.  Nur  9  Va  M.  dehnt  fich  diefcr  Bau  in  der  Breite 
aus,  defto  mehr  nach  feiner  Längsrichtung,  welche,  bis 
zum  Haufe  ^reichend,  im  Mittel  33 '/2  ^-  betragt.  Von 
der  Heerftraße  durch  letzteres  abgefchnitten,  war  es 
nur  von  der  Rückfeite  aus  zugänglich,  woher  ein  Sträß- 
chen  bis  in  den  Hof  41  geführt  haben  wird:  den  ganzen 
270  M.  breiten  Raum  zwifchen  feinem  Olfeck  und  der 
Umfaffungsmauer  des  Nachbarn  bedeckte  eine  Schicht 
von  26  Cm.  tiefem  Straßenfchotter.  Eingänge  find  zu 
conüatiren  bei  der  Steinplatte  r  über  2 — 3  Stufen,  da 
fie  32  Cm.  unter  demEfhrich  im  Raum  35  (5'44X4'44M.) 
liegt,  mit  \v'elchem  ein  kleines  Gelaß  36  (4-21  X  259  M.) 
und  ein  großes  ^y  (8'2g  X  4'27 — 4"9i  M.)  zufammen- 
hängt,  außerdem  ein  zweiter  Eingang  bei  der  70  Cm. 
breiten  Sandfieinfchwelle  s  ohne  fichtbare  Anzeichen 
eines Tliür\-erfchluffes.  Vom  Veftibulum  38  aus  gelangte 
man  nach  einem  mit  Eftrich  belegten  Raum  39  (470  X 
370  M.),  von  deffen  Außenmauer  ein  Theil  durch 
Abbruch  verfchwunden  ift  und  einen  heizbaren  (40) 
{6'Og  X  3'4o).  Abweichend  \'om  Gewohnten  begegnen 
wir  darin  Thonplatten  von  kreisrunder  Form  (Durch- 
meffer  18 '/j,  Dicke  10  Cm.)  zum  Aufbau  der  Sufpenfura- 
Säulchen  verwendet,  wie  es  bisher  nur  einmal  in  der 
Station  Clunia  bei  Präderis  vorkam;  auffallend  ift  auch 
der  ungemein  niedrige  Hohlraum  von  nur  28  Cm. 
zwifchen  Boden  und  Suspenfura- Platten;  zu  diefen 
letztern  war  abwechfelndes  Material  gewählt,  bald 
Stein,  bald  Thon.  Den  Vorbau  des  Präfurniums  t  findet 
man  in  feltenen  Fällen  fo  gut  wie  hier  erhalten;  es  ift 
darin  die  mit  Rand  abfchließende  Platte  erfichtlich,  auf 
welcher  das  Brennmaterial  aufgefchichtet  lag,  fowie  die 
Vertiefung,  von  der  aus  der  Diener  dasfelbe  in  das 
Feuerloch  einfchob.  Nach  diefer  Anordnung  laffen  fich 
die  wenigen  Refte  ergänzen,  welche  im  Plane  vor  dem 
Präfurnium  /  (Raum  26)  liegend  eingezeichnet  find. 

Den  Hof  41  hat  man  fich  gegen  den  Weg  hin 
offen  zu  denken  bis  auf  eine  niedrige  Bruftmauer  mit 
weiter  Oeffnung  als  Einfahrt;  das  Mauerftück,  welches 
vom  Eck  der  Thürfchwelle  j  aus  diefen  freien  Raum 
zum  Theil  einfchließt,  war  nämlich  niemals  eine  Gebäu- 
demauer; denn  fie  befteht  nur  aus  wenigen  Schichten 
Gerölllleinen  ohne  Fundament.  Es  verblieben  genug 
Stellen  mit  weißem  Eftrich  bedeckt,  um  anzunehmen, 
es  fei  der  Hof  in  feiner  ganzen  Ausdehnung  damit  be- 
deckt gewefen.  Inmitten  desfelben  fällt  ein  lehr  fchief 
zur  Hauptmauer  geftellter  Bau  42  auf  (Länge  der 
Seite  4  64  M.),  an  welchem  unweit  des  Eckes  eine 
Rinne  ti  bemerkt  wurde,  welche  ihrer  hohem  Lage 
nach  zu  urtheilen  zur  Ableitung  von  Regenwaffer 
diente.  Zwifchen  diefen  Mauerreften  und  dem  Präfur- 
nium 40  grub  ich  drei  Säulen  verfchiedener  Länge 
(Durchmeffer  24— -32  Cm.)  in  fenkrechter  Lage  aus, 
aber  doch  nur  auf  Schutt  ruhend.  Ich  vermuthe  im 
Bau  42  ein  Peryftil,  dem  die  gefundenen  von  ihrem 
Standort  verfchleppten  Säulentrümmer  angehören. 

Merkwürdiger  Weife  fehen  wir,  abgetrennt  vom 
Hauptgebäude,  an  das  entgegengefetzte  Ende  des 
Hofes  ein  geräumiges  Alveus  43  verlegt,  deffen  Hypo- 
cauft    mit    11    maffiven    Steinpfeilerchen    in    4  Reihen 


geftcUt  140  M.  in  der  Breite,  2-07  in  der  Länge  mifst; 
die  Hohe  desfelben  fchwankt  zwifchen  yy  und  85  Cm. 
Sandfteinplatten  von  S'/^  Cm.  Dicke,  3'/j,  Cm.  weißer 
Eftrich  und  über  diefeni  noch  8  Cm.  rother  fetzten 
den  Suspenfuraboden  zufammen.  Von  der  Wanne  war 
zu  beiden  Seiten  ein  30  Cm.  dickes  Mäuerchen  ftehen 
geblieben,  welche  einen  von  100  auf  92  Cm.  fich 
verjüngenden  Zwifchenraum  ließen.  Von  den  zur  Erhit- 
zung der  Seitenwände  nöthigen  tubi  fanden  fich  Trüm- 
mer in  großer  Zahl  in  dem  fchmalen  Raum  zwifchen  der 
Mauer  und  der  letzten  Säulenreihe  vor.  Das  urfprüng- 
liche  Heizloch  bei  71  erwies  fich  durch  Vermauerung 
außer  Fun6tion  gefetzt,  offenbar  dazu  gezwungen  durch 
die  Erbauung  des  Haufes  V,  wonach  diefes  mit  Grund 
als  das  jüngere  anzufehen  ift.  An  Stelle  des  verfchlof- 
fenen  Präfurniums  wurde  nun  ein  anderes  za  frei  in  dem 
Räume  44  angelegt,  weiter  als  das  erfte  confiruirt  und 
zwar  mit  jener  Solidität,  wie  fie  bei  ftark  forcirter  Heiz- 
anlage üblich.  Die  Seitenwände  bilden  dicke  Stein- 
platten und  eine  gleichartige  dient  als  Bedachung;  der 
Querfchnitt  des  alten  Heizlochs  —  33  :  70  Cm.  —  er- 
weitert fich  beim  neuen  auf  51  :  58  Cm.  Da  der  fchmale 
mit  Eftrich  ausgeglättete  Canal  45  gefchwärzt  von  Ruß 
fich  vorfand,  muß  diefer  für  die  Ableitung  der  Heizgafe 
aus  dem  Alveus-Hypocaufl  in  Anfpruch  genommen  und 
das  in  Steinplatten  gut  aufgeführte  Eck  .r  für  den 
Standpunkt  des  Kamins  angefehen  werden.  Eine  nahe- 
liegende Frage  bleibt  zu  beantworten:  wo  war  dem 
Badenden  Gelegenheit  geboten  fich  auszukleiden  und 
anzuziehen?  Gewiß  doch  nur  im  Raum  46,  nachdem 
ringsumher  fich  kein  anderer  bietet,  obwohl  ich  mir 
keineswegs  das  Unpaffende  folcher  Anordnung  ver- 
hehle, da  es  hiezu  nöthig  war,  den  Heizraum  44  zu 
durchfchreiten  und  da  keiner  der  beiden  heizbar  war, 
zur  Winterszeit  ein  Gebrauch  des  Bades  eigentlich  fich 
von  felbft  verbot. 

Neuerdings  wiederholte  es  fich  an  diefer  Stelle, 
dafs  ein  Hypocauft  zum  Zufluchtsort  oder  Verfteck  von 
Hausgeräth —  dießmal  ausfchließlich  Gefchirr  aller  Art 
(kleine  Amphoren,  flache  Schalen  und  figurirte  Vafen 
aus  terra  sigillata  u.  f.  w.),  deren  Ueberrefle  von  gut 
30  Stück  herrührten  —  gewählt  wurde.  Theils  fanden 
fich  die  Gefäße  zu  Füßen  der  pilae,  theils  im  alten  Heiz- 
loch, wo  fie  ungeachtet  der  nachfolgenden  Vermaue- 
rung unentdeckt  blieben. 

VIII  und  IX.  Grundverfchieden  von  dem,  was  das 
Vorhergehende  gezeigt,  wird  uns  eine  Anlage  vorge- 
führt, deren  Eigenthümlichkeit  in  dem  faft  rechtecki- 
gen Mauerviereck  von  ungewöhnlicher  Länge  befleht, 
weßhalb  eine  Trennung  in  zwei  Complexe  gerecht- 
fertigt ilL  58  M.  laufen  die  Längsmauern  ununter- 
brochen fort,  während  die  Schmalfeiten  an  der  Heer- 
ftraße 11-40  M.,  am  Seitenweg  rückwärts  12  40  M.  be- 
tragen. Sie  bietet  in  ihrem  langen  Verlaufe  genug  des 
Bemerkenswerthen,  um  fich  eingehender  mit  ihr  zu 
befaffen.In  der  Vorderfront  ftellt  fie  eine  58  Cm.  breite 
Mauer  aus  Geröllfteinen  vor,  hart  am  Ecl<  gegen  das 
Gebäude  Fvon  einem  breiten  Eingangj'  durchbrochen 
(fchone  Steinfchwelle  von  93  X  60  Cm.  ohne  Zapfen- 
löcher). Die  rechte  Längsfeite  unterfcheidet  fich  von 
der  vorigen  weder  im  Material  noch  in  der  Technik; 
der  Hochbau  hingegen  weift  Diamicron  aus,  foweit  die 
Regenrinnen  reichen,  von  wo  aus  er  wieder  in  Kiefel- 
mauerwerk  von  fchlechtefter  Befchaffenheit  —  krumm. 


-     48 


flüchtig  und  mit  wenig  Bindemittel  errichtet  —  über- 
geht. Jene  Diami6lon-Mauer  ift  unmittelbar  über  dem 
Fundamentabfatz  in  gleicher  Weife  wie  zwifchen  12  und 
14,  unzweifelhaft  auch  zum  gleichen  Zwecke,  nämlich 
zur  Ableitung  des  von  den  Fußboden  offener  Hallen  ab- 
ftrömenden  Regenwaffers  von  12  Rinnen  durchbrochen 
(14 — 18  Cm.  breit  und  15 — 20  Cm.  hoch,  alfo  größer 
gehalten,  wie  es  auch  den  hinterliegenden  Boden- 
flächen von  größerer  Ausdehnung  entfpricht).  Weiterhin 
fetzt  ein  kleines  Haus  die  Mauerlinie  fort,  worauf  fie 
wieder  als  Hofumgränzung  in  ftarker  Krümmung  ver- 
lauft, neben  ihr  her  eine  Parallelmauer,  die  mangels 
genügender  Fundamentirung  nach  außen  bis  zur  Ver- 
einigung der  nach  hinten  abfchließenden  Seite  einfank. 
Diefe  iil  nur  mehr  als  Fundament  vorhanden,  auffallend 
durch  fchlechte  Befchaffenheit  in  jeder  Beziehung; 
unweit  vom  Eck  bei  2  glaube  ich  die  Untermauerung 
einer  Schwelle  gefunden  zu  haben,  was  auf  einen 
Zugang  von  der  Seitenftraße  her  deutet. 


Fig.  1. 

Die  Mauer  der  zweiten  Langfeite  beginnt  anfäng- 
lich ebenfalls  fchlecht,  nimmt  aber  wenige  Meter  vom 
hintern  Eck,  je  höher  erhalten  fie  zum  Vorfchein  ge- 
langt, eine  deflo  folidere  forgfältigere  Befchaffenheit 
an,  nur  büßt  fie  plötzlich  ihre  gerade  Richtung  ein,  um 
auf  einer  Länge  von  20  M.  eine  um  58  Cm.  nach  außen 
gerichtete Bogenlinic zu  befchreiben. Fundament-Mauern 
begegnete  ich  flets  noch  mit  fenkrecht  abfallenden 
Seiten ;  hier  aber,  foweit  die  Krümmung  reicht,  ift  vom 
Eftrichboden  bis  zur  Mauerkrone,  das  ift  auf  68  Cm,  ver- 
tikale Diftanz,  30  Cm.  Anzug  wahrzunehmen.  Ziemlich 
in  der  Mitte  findet  eine  förmliche  Kreuzung  des  Unter- 
baues ftatt,  was  zur  Bildung  zweier  Stufen  im  Funda- 
ment führt,  und  die  Hochmauer  überkragt  dasfelbo 
eine  mäßige  Strecke  weit,  weil  fie  eine  ftärkere  Krüm- 
mung befchreibt  als  die  l'~undament-Mauern. 

An  dem  kleinen  rückwärtigen  Bau,  der  in  das  be- 
fchriebene  Rechteck  eingefügt  ift,  unterfchcidet  man: 
den  großen  Kaum  47,  in  welchem  aus  unbekannten 
Gründen  der  60 — 66  Cm.  breiten  Außenmauer  noch 
eine  zweite  von  45—47  Cm.  Dicke  zugebaut  wurde, 
fodann  den  Corridor  48,  welcher  nach  dem  kleinen 
Gemach  49  führte.  Bei  c.  hat  man  fich  eine  Thürc  zu 
denken,  wie  aus  dem  Plane  hervorgeht;  auch  erhielt 
fich  dort  noch  Eftrich  und  eine  große  Steinplatte.  Die 
Verbindung  von  49  mit  50  müßte,  wenn  überhaupt  vor- 
handen, an  der  Seite  des  großen  Eckfteins  ß  gefucht 
werden,  fetzt  aber  Stufen  voraus.  Dem  vorfpringenden 


fchwachen  Mauerwerk  (6X4  M.),  welches  am  Ausgang  7 
und  an  der  Ecke  links  mit  gehauenen  Steinfockeln 
abwechfelt,  bin  ich  geneigt,  die  Bedeutung  eines  Säulen 
tragenden  Periftyls  beizulegen,  wie  bereits  im  Hofe 
daneben  vermuthet,  nur  mit  dem  Unterfchied,  dafs 
letzteres  freiltehend  gevvefen  wäre. 

Ich  muß  nochmals  auf  die  Vorderfeite  diefes  lang- 
geftreckten  Complexes  zurückgreifen,  welcher  mit  der 
geräumigen  mit  Gußboden  verfehenen  und  ohne  Zweifel 
bedachten  Abtheilung  52  (10-40  -<6'io  M.)  beginnt.  Des 
Eingangs  j' ward  fchon  vorhin  erwähnt;  eine  Verbindung 
mit  dem  nächften  kleineren  Raum  53  bezeichnet  der 
gehauene  Steinblock  0,  und  ein  Ausgang  nach  dem 
um  eine  Stufe  höher  liegenden  Hofe  mittelft  einer  zwei- 
flügeligen Thüre  von  93  Cm.  Breite  ift  erwiefen  durch 
die  fchön  erhaltene  Steinfchwelle  s  mit  gut  erhaltenen 
Zapfenlöchern.  Die  Benützung  von  52,  53  als  Wohnung 
muß  der  letzten  Zeit  der  Bewohnung  Brigantiums 
durch  die  Römer  angehören.  Anders  liegt  die  Sache 
beim  erften  Bau:  da  muß  auf  den  Raum  52  ein  offener 
Hof  gefolgt  fein,  foweit  als  fich  die  Wafferabläffe  in  der 
Diamiftonmauer  hinziehen,  das  ift  fo  groß  als  Raum  53 
und  Hof  58  zufammengenommen;  denn  nur  bei  folcher 
Anordnung  gewinnt  die  Anbringung  und  Function 
derfelben  einen  Sinn.  Die  Ouermauer  an  der  letzten 
Rinne  fchloß,  wie  ich  annehme,  die  große  offene  Halle 
ab,  indem  fie  zugleich  die  Complexe  VIII  und  IX  von 
einander  trennte. 

Ebenfalls  in  fpät-römifche  Zeit  fallt  die  Erbauung 
des  kleinen  Kellers  54  fammt  dem  um  ihn  herum  liegen- 
den Mauerwerk;  die  Räume  55,  56  erinnern  an  die 
Nebengelaffe  42,  43  des  Kellers  in  der  Villa  am  „Stein- 
büheP'^(Band  X  der  „Mittheilungen"  S.  16).  Die  Haupt- 
mauern des  jüngft  bloßgelegten  Kellers  von  3'65  und 
3'86M.  Länge  ftoßen  rückwärts  an  die  früher  beftehende 
Gränzmauer  an  und  wenden  fich  am  Eingange  etwas 
fchiefwinklig  nach  rechts  und  links  ab.  An  fie  lehnen 
fich  zu  beiden  Seiten  dünnwandige  Einbauten,  die 
hinteren  bilden  einen  Abfatz  im  eigentlichen  Keller, 
find  oben  mit  Steinplatten  bedeckt,  auf  welche  Gefäße 
geftellt  werden  konnten,  die  vorderen  Futtermauern 
ftanden  direft  auf  fünf  niaffiveri  Holzftufen,  woihirch  der 
Stiegenraum  auf  i  M.  verengt  wurde.  Die  Zwifchenräume 
von  35  Cm.  Breite  zwifchen  vorderen  und  rückwärtigen 
Einbauten  hatten  die  Holzpfoften  eines  Thürverfchluffes 
auf/,unehmen,  der  jedenfalls  auch  vorn  am  Eingang 
nicht  gefehlt  hat. 

Der  eigentlich  als  Keller  zu  benützende  Raum 
mißt  in  der  Länge  2  '/^  M  ,  in  der  Breite  i  '/„  M.,  fomit  bei 
übercinftimmender  Breite  nur  etwa  zwei  Drittel  jenes 
fchon  erwähnten  Killers  in  der  Villa  „Steinbühel" 
(bekanntlich  entbehrte  letzterer  eine  .Stiege).  Die  Tiefe 
war  fehr  gering,  142  Cm.  vom  Abfatz  abwärts  endete 
fchon  das  Fundament;  Eftrichboden  fand  fich  keiner 
vor,  dagegen  trugen  die  Wände  bemallen  Anwurf,  an 
dem  das  Motiv  von  kreisförmigen  rothen  Flächen,  aus 
deren  brauner  Umrandung  grüne  Blätter,  je  drei  zu- 
fammengefteckt,   ausftrahlen,    am  häufigften   erfchien. 

Alle  Holztheile  des  Kellers,  alfo  Stufen,  Pfoften 
und  Thüren  hatte  der  einft  wüthende  Brand  zu  Kohle 
verwandelt;  deffen  Wirkung  erftreckte  fich  bis  auf  die 
im  Innern  verwahrten  Gegenllände,  die  theils  gefchwärzt 
waren,  theils  an  Kohleftücken  hafteten,  infoweit  fie  aus 
Metall  beflanden.   ICs  ließen  fich  darunter  conftatiren  : 


—     49 


Kig.  2. 

Form  mit  zwei  Füßen,  wie  an  unferen  Manfchetten" 
knöpfen,  alfo  zum  Befeftigen  an  einem  weichen  Material, 
welches  nur  Leder  fein  konnte;  fie  alle,  fo  mannigfaltig 
in  ihrer  Form,  gehören  zum  Schmuck  eines  Pferde- 
gefchirrs  (phalerae).  Es  laffen  fich  darunter  folgende 
Gegenftände  unterfcheiden:  Männliches  Bruftbild, 
welches,  wenn  auch  der  Kopf  fehlt,  doch  als  dasjenige 
Mercurs  zu  bezeichnen  fein  wird,  der  fo  i.iberaus  häufig 
mit  den  Falten  der  herabhängenden  Chlamys  über  der 
linken  Schulter  dargeftellt  wird  (Fig.  2  a  b  c)\ 

rohe  Thierfigur,  einem  Hund  oder  Eber  am  ähn- 
lichften ; 

großes  Zierftück  mit  Fuß  und  Querband  (Fig.  3); 

3  Hacken  mit  Ringen  (Fig.  4  und  5); 

5  Ringe,  wovon  4  mit  31  und  einer  mit  26  Mm. 
äußeren  Durchmeffer  (Fig.  a) ; 

3  Nägel  in  ebenfo  vielen  Größen  mit  großer  Kopf- 
platte (Fig.  aa); 


T 


^P 


^>w&. 


Aus  Glas:  vierfeitige    Vafe  und  rundes   Henkel-  fein  ornamentirtes  Randleiftchen; 

krüglein.  flacher  Knopf  mit  Fuß  (Fig.  6); 

Aus  Lavezflcin :  Cafferole.  Stängelchen  von    fechsfeitigem  Querfchnitt,  oben 

Aus  Stein:  Piflill  einer  Reibfchale,  knieförmig  ge-      mit  Querbalken,  in  der  Mitte  mit  einem  Haken  (Fig.  7); 
bogen  (Fig  i).  das  eine  Ende  abgebrochen; 

Aus  Bein :  3  Spielmarken. 

Aus  terra  figillata:  2  Becher,  7  flache  Schalen, 
4  figurirte  Vafen. 

Aus  gewöhnlichem  Thon :  Urne  mit  erhabenen 
Tupfen,  3  kleine  Amphoren,  mehrere  große. 

Aus  Eifen  :  Schlüffel,  Kette,  verfchiedene  Befchläge 
und  Charniere. 

Aus  Bronze:  Fragmente  von  Rand,  Griff  und 
Boden  eines  Küchengeräthes  zum  Sieben  oder  Ab- 
fchäumen. 

59  Zierftücke,  worunter  einige  knöpf-  und  fcheiben- 
artige  mit  einem  Fuß,  die  große  Mehrzahl  von  länglicher 


S 


Fig.   3- 
hohler    nach    unten    fpitz    zulaufender    Schieber 

(Fig.  8); 


l'"ig-  4,  5- 

2  ftark  gewölbte  Knöpfe,  der  kleinere  mit  16  Mm. 
Diameter    mit    Ouerband    (Fig.    9),    der    größere    mit 


Fig.  aa. 


XIX.  N.  K. 


Fig.  a. 

24  Mm.   mit  4  Füßen  auf  einem   flachen  Reif  flehend 
(Fig.  10); 

Lunula,  wie  eine  folche  an  dem  bronzenen  Pferde- 
kopf im  Maximilians-Mufeum  in  Augsburg  am  freien 
Riemenende  oberhalb  der  Nüftern  hängt  (Fig.  11); 

7 


-     50     - 


Amazonenfchild  mit  2  Füßen  (Fig.  12);  i  ftabförmiges,  Ende  abgerundet  mit  5  Ouerrcifen, 

flache     kreisförmige    Scheibe,   Rand   umgebogen      44  Mm.  lang  (Fig.  16); 
mit  ebenfalls  2  Füßen  (Fig.  13);  2  gleicher  Form  mit  4  Reitchen,  nur  29  Mm.  lang; 


Fig.  6. 

2  ebenfolche  mit  fcharfem  Rand   und   einem' Fuß 
DurchmelTer  27  und  41  Mm  ; 


Fig.   7. 

33  Schildchen  mit  2  Füßen,  worunter: 
9  kahnförmige  von  46 — 50  Mm.  Länge  (Fig.  14) ; 


Fig.  8. 

14  gleicher  Form,  35 — 37  Mm.  lang; 
I  gleicher  Form,  20  Mm  lang; 


Fig.  9. 

I     rechteckiges    mit    2    vertieften     Längsrinnen, 
36  Mm.  lang  (Fig.  15); 


Fig.  10. 

2    fechsfeitige,    an    Enden     und    Mitte    geftreift, 
42  Mm.  lang  (Fig.  17); 


Fig.  II. 

I   längliches  mit  4  gerundeten  Lappen  mit  linfen- 
förmiger  Erhebung  in  der  Mitte  24  Mm.  lang  (Fig.  18); 


Fig.  12. 

2  vierfeitige,  oben  \in(l  unten  gerade  .Seiten  aus- 
gefchweift,  20  und  32  Mm.  lang; 

Schild-Fragment,  das  zu  4  Füßen  und  4  gleichen 
ausgefciuvciften  Seiten  /,u  ergiuizen  ift  (Fig.  19). 


51     — 


X.  Zwei  hintereinander  liegende  Höfe  59  (9-40  X 
o  40 — iröo)  und  60  (971  — 10-15  X  lO'ii — 10-43  M-)'  ^^^  " 


mittelfi:  einer  breiten  Durclifahrt  verbunden,  find  von 
ftarken  57 — 65  Cm.  dicken  Mauern  eingefchloffen ;  fie 


Fig.  14. 

tragen  Eftrichboden,  wovon   an   einigen   Stellen   noch 
Ueberrefte  fichtbar.  Da  drei  Rinnen  auf  den  Vorderhof 


das  Mäuerchen,  das  den  1-45  —  1-65  M.  breiten  Streifen 
61  begränzt,  dürfte  mit  Rückficht  auf  die  vielen  dort 
hinausmündenden  Abzüge  aufgeführt  worden  fein,  in 
dem  Sinne,  das  Waffer  innerhalb  desfelben  verfickern 
2u  laffen;  denn  nach  keiner  Seite  öffnet  fich  ein  Canal, 
fo  tief  man  auch  gegraben  hatte. 


Fig.  16. 


Ein  geheiztes  Gemach  62  von  quadratifchem 
Grundriß  (5-20  M.)  bildet  den  Abfchluß,  nicht  ohne 
einen  Durchgang  nach  dem  Langbau  65,  66  offen  zu 
laffen,    welcher    mit    Ausnahme    einer   12  M.    offenen 


Fig.  17. 

Strecke  ringsum  von  nahen  Umfaffungsmauern  einge- 
fchloffen dafteht.  Das  Hypokauft  fammt  feinem  Heiz- 
raum 62,  muß,  fo  klein  es  ift,  als  felbftändiges  Häuschen, 
aufgefaßt  werden ;   es  ifl  übrigens  immer  noch  g-rößer 


ihr  Waffer  ergoßen,  halte  ich  die  über  den  umgebenden 
Eftrich   vorragenden  Sandfteine  C  für  Trittfteine,  auch 


Fig.  iS. 

als  jenes  zwifchen  Thermen-Porticus  und  Bafilika  fich 
einfchiebende  ifolirte  heizbare  Gemach  o  (Band  VIII 
der  Mittheilungen,  S.  102). 

Der  Langbau  65  erfcheint  als  längliches  Rechteck 
(19-05— I9-3OX7-30  — 7.80)  aus  GeröUfteinen  erbaut, 
mit  Ecken   aus  gefchichtetem  Plattenmauerwerk,  die 


52 


mit  dicken  Steinplatten  unterfetzt  find,  kurzum  die 
Merkmale  an  fich  tragend,  wie  fie  in  Brigantium  die 
foliden  Bauten  einer  früheren  Zeit  auszeichnen.  Wieweit 
die  Hochmauer  noch  erhalten,  macht  der  Plan  erficht- 
lich;  fehr  tief  ausgebrochen  erfcheint  fie  längs  dem 
Nebenhaus,  befonders  gegenüber  dem  Gelaß  49.  So 
großen  Raum  diefe  Mauern  einfchließen,  ift  in  dem- 
felben  doch  nur  eine  einzige  kleine  Abtheilung  66  vor- 
handen, von  deren  Bodenbelag  fich  noch  drei  große 
Steinplatten  erhalten  haben;  intact  ift  auch  noch  die 
Thürfchwelle  in  gleicher  Höhe  mit  jenen  und  die  Stufe 
19  davor,  die  um  12  Cm.  niedriger.  Eigenthümlich 
genug  ift  das  Zapfenloch  der  einflügeligen  Thüre  in 
diefer  und  nicht  in  der  Schwelle  angebracht;  die  Be- 
feftigung  des  Lagers,  welches  aus  einer  auf  horizon- 
taler Platte  ftehenden  Hülle,  beide  aus  Eifen,  befteht, 
gefchah  mittelft  eingegoßenem  Blei.  An  der  Mauer 
nächft  der  Thüre  des  Raumes  65  haftete  weißlicher 
Stucco,  mit  feinen  rothen  Strichen  bemalt. 


Fig.  19. 

In  den  Verhältniffen  von  Länge  und  Breite  des 
ganzen  Gebäudes  und  feiner  Abtheilungen  herrfcht 
nahe  Uebereinftimmung  mit  dem  als  „Marktplatz"  be- 
fchriebenen  (Band  XVII  der  , Mittheilungen",  .S.  200;; 
es  verhält  ficli  zu  letzterem  in  jeder  Beziehung  nahezu 
wie  I  :  2,  dagegen  laffen  die  beiden  wieder  infofern 
fich  nicht  vergleichen,  als  der  wefentlichc  Untcrfchied 
zwifclien  einem  ringsum  verfchloffenen  Bau  und  einem 
mit  faft  völlig  geöffneter  Frontfeite  vorliegt.  Unter  den 
Nebengebäuden,  die  als  „Magazine,  Stallungen  und 
Wohnungen  für  die  Sclaven"  bezeichnet  werden,  führt 
/.  Näher  in  dem  Plane  der  Villa  urbana  bei  Meßkirch 
(die  „Altftatt")  einen  Nebenbau  D  auf,  der  22  M.  lang 
und  13  M.  breit  auch  nur  durch  eine  Mauer  in  zwei 
Abtheilungen  von  18  und  4  M.  gefchieden  ift.  Jene 
Bezeichnung,  welche  dort  durch  die  Lage  zur  Villa 
vollftändig  berechtigt,  wage  ich  nicht  auf  den  Bau 
65,  66  zu  übertragen  und  muß  mich  auch  entlial- 
ten,  eine  andere  plaufible  Erklärung  zu  verfuchen, 
welchen  Zweck  diefe  räthfelhafte  Anlage  erfüllt  haben 
könnte. 


B.  Landwirthfchaftliche  Villa. 

In  einer  Entfernung  von  53  M.,  innerhalb  welcher 
keine  Anlage  fich  einzufchieben  fcheint,  folgt  wieder 
eine  einzelnftehende  Villa,  deren  landwirthfchaftlicher 
Charakter  aus  den,  weniger  Wohnräumen  ähnlichen, 
defto  eher  Arbeitslocale,  Magazine  und  Höfe  vor- 
ftellenden  Theilen  gefchloffen  werden  kann.  Der  einzige 
Raum  6^  (12  X  S'7o)  vermag  als  heizbar  conftatirt  zu 
werden,  nicht  einmal  vermöge  des  Inventars  eines 
Hypocauft's,  fondern  nur  durch  die  deutliche  Kamin- 
anlage bei  5;  das  Heizloch  muß  auf  der  nicht  ausge- 
grabenen Seite  zu  fuchen  fein.  Ein  ähnlicher  Hof  68 
(843  X  5'90  M.)  wie  im  Complex  /  liegt  zwifchen  ihm 
und  der  Heerftraße,  welche  in  einer  Entfernung  von 
7  M.  vorüberzieht;  auch  hier  zeichnen  fich  beide  Lätigs- 
mauern  durch  Diamifton-Technik  aus  und  ftimmen 
anderfeits  mit  der  Anlage  des  fogenannten  „Markt- 
platzes" durch  die  rechtwinkelige  Einbiegung  der 
Mauerenden  überein.  Der  Fortfetzung  (  ift  nur  die 
Bedeutung  einer  Stütze  beizumeffen,  fie  befteht  nicht 
mehr  aus  Schichtmauerwerk.  Im  übrigen  wiegt  diefes 
an  dem  ganzen  vorderen  Bau  gerade  fo  vor,  wie  am 
Complex  /,  während  an  den  die  Abtheilungen  72  —  74 
begrenzenden  Mauern  wieder  Geröllfteine  das  Material 
bilden.  Im  Plane  tritt  dies  fehr  kennbar  an  dem  Unter- 
fchiede  der  Mauerdicke  zwifchen  Vorder-  und  Hinter- 
haus hervor. 

Offenbar  war  es  der  Küchenherd,  der  außerhalb 
des  großen  ungetheilten  Raumes  70  (12  X  10'20  M.) 
bei  z  in  Form  einer  93  X  178  Cm.  großen  Fläche  aus 
Thonplatten,  34  Cm.  liöher  als  der  Eftrichboden  gele- 
gen, obfchon  die  offene  Lage  im  zweiten  Hofe  71  nicht 
recht  zu  verftehen  ift,  es  müßte  denn  eine  fchwache 
Trennungsmauer  bei  der  Ausgrabung  zerftört  und  defs- 
halb   überfehen  worden  fein. 

Die  Dimenfionen  des  Hinterhaufes,  dem  weitaus 
größten  Theil  der  Anlage,  betragen  26"io  M.  in  der 
Länge  auf  15-60  M.  in  der  Breite.  Der  Eingang  fcheint 
bei  Ä  zu  liegen;  er  führt  in  eine  Vorhalle  72  (4'6o  bis 
470  M.)  mit  Gußboden,  jedenfalls^mit  Dachung  ver- 
fehen,  was  die  große  Menge  Scherben  rings  um  die 
Außenmauer  beweift.  Bei  der  gehauenen  Fußplatte  /Ji 
folgt  ein  zweiter  Durchgang  zu  dem  3  —  3'20  M.  breiten 
Corridor  j^  und  dem  außerordentlich  großen  Raum 
74  hin.  Es  kam  wohl  bei  v  noch  eine  Mauer  zum  Vor- 
fchein,  aber  fie  verliert  fich  in  der  Tiefe,  auch  der  nach 
allen  Seiten  bloß  gelegte  unregelmäßige  Mauerfatz  ^ 
gibt  keineErklärung.  FürMenfchen  bewohnbare  Räume 
find  alfo  an  dicfem  llintcrhaufe  nicht  zu  entdecken; 
es  diente  augenfcheinlich  nur  landwirthfchaftlichen 
Zwecken,  vielleicht  derart,  dafs  in  74  das  Futter- 
magazin, der  „Heufchober",  in  73  die  Stallung  und  in 
72  der  Aufbewahrungsort  für  Pflug,  Wagen  und  Karren 
zu  verlegen  fein  wird,  wo  nebil:  dem  noch  reichlichft 
Platz  blieb  für  alle  vorkommenden  bäuerlichen  Be- 
fchäftigungen. 

Verzeichnis  der  Kleiiiftinde. 

Bronze:  Henkel-Fragment  eines  Kruges,  unterer 
Theil  mit  drei  großen  Nietlöchern,  in  rohefter  Weife 
blattrippenartig  verziert; 

Handgriff  (vorderfter  Theil  nur)  mit  einem  Schlitz 
zum  Aufhängen,  einer  patera  angehörend; 


53 


Armreif  (Bruchflück)  mit  verbreitert  auslaufenden 
Enden,  in  welche  fehr  roh  fchräge  und  Querlinien  ein- 
geritzt find; 

Fingerring  aus  zwei  runden,  nebeneinander  ge- 
legten Drahten,  vorn  dreifach,  die  Drahtenden  fpiral- 
förmig  zu  zwei  Scheibchen  gewunden  und  darauf  um 
den  Reif  gewickelt  (vergl.  Lindenfchmit,  II.  Band, 
.5.  Heft,  Taf  III,  Fig.  5); 

Charnierfibel  4^  Mm.  lang,  Halterblatt  voll,  breit, 
unter  der  Kopfplatte  dreifach  geriefelt,  Fuß  nach  \-orne 
gerichtet,  Provinzialform ; 

fcheibenförmige  Broche,  34  Mm.  Durchmeffer 
mit  weit  hervortretendem  Kopfe  in  der  Mitte.  Ucber- 
refte  von  Email  noch  wahrnehmbar,  das  innerlialb 
dreier  Kreife  in  radial  geftcllten  Streifen  in  roth  und 
weiß  abwechfelt;  eine  Erhabenheit  am  Rande  zeigt 
eine  angehängte  Lunula  an. 

Eifen:  Zweigliedrige  Trenfe,  die  Zügelringe  daran 
aus  Bronze; 

Meffer  mit  anhängendem  Bronzeblech,  das  die 
Bekleidung  des  Holzheftes  gebildet  haben  mußte; 

Zimmeraxt,  Schloßriegel,  Meffer,  Sichel,  Zange, 
Stylus,  große  Mauerhaken  und  mehrere  Charniere. 

Blei.  Fragmente  eines  frühchriftlichen  ornamen- 
tirten  Sarkophag-Deckels  im  Gewichte  von  83  Kilo, 
bereits  eingehend  befprochen  auf  Seite  116  des  letzten 
Jahrganges ;  fein  Fundort  liegt  ein  Meter  entfernt  vor 
dem  füdlichen  Mauereck  des  Hypocaufts  62;  weitere 
lö^/jp  Kilo,  offenbar  von  derfelben  Platte  flammend, 
wurden  jenfeits  der  langen  Mauer  nach  der  Seite  des 
Kellers  54  hingefammelt. 

Töpferftempel  auf  terra  figillata-Gefchirr; 

A'BVCF  [Albuc(i)  f],  BILICEDOF  [Bilicedo  f],  BVRDO 

■  F,  OF   COELI,   CADGATI  :  MA,   CAIIVSK    [Cailus  f], 

CIIRTIMA    [Certi   ma],    IVCVM  [lucum],  LVCANVS  F 

MAGNVSF,MAT;RNI  [Materni],  PRIVATIMA,  PASSEN, 

SVTITOl[Potitus],  REBVRRI-OF,  SILANVSK,  VALER- 

NIANVS    [(V)alernianus]. 

Stempelfchneider  auf  ebenfolchen: 

KSIDVTXAJ   [Laxtucisf],  VRECVNIVS, 

SECINF  [(S)ecin(al)  f  ]. 

Töpferftempel  auf  einer  Reibfchale  der  größten 
Sorte: 

SIICVND  [Secundi  oder  Secundus]. 

Höhen- Coten. 

Eftrichboden  im  Hypokauft  16  :  7'57 
„  26  :  7-%7 

„  „  40  :  7-18 

„  „  62  :  7  07 

„  alveus  43,Eftrich  desHypocaufts:  674 
„       „       43,       „       der  Wanne  :  778 
„  Wohnraum  10  :  j'gj 

„  „•          35:7-44 

„  «           27  und  29:  7-41 

„  „           23  oberer  :  772 

„             „  „           23  unterer :  7-07 

„  „Hofe  51  bei  5-:  6-59 

))             j)  n     5 1     ))    7  •  7  •"  3 

„             „  »     41  :  7-32 

„              „  „     vor  der  Kellerftiege  32:  740 

Steinplatte  a  zwifchen  48  und  49  :  7-i8 


Steinplatte  r  vor  Raum   35  :  7-08 


Schwelle  s 


38  :7-55 


Trittfteine  C  im  Hof  59  :  8-30 — 8-57 

Boden  der  Wafferrinnen  längs  12,  13  :  828 

«  »  „  n       53, 58  :  7-64 

Steinfchwelle  c  des  Kamines  in  1 1  :  7-10 
Eftrichboden  des  Kellers  34:  5-65 — 573 
Beginn  der  Lichtöffnungen  in  34:  754  und  760. 

Münzen:   18  Mm.  Silber  Ant.  Aug.  III.  Vir  R.  P 
C.  Prätorianifche  Galeere; 

lj(:  abgefchliffen,  wahrfchcinlich  Collen  7  Marc  Anto- 
nius 43  —  31  v.  Chr. 

28  Mm.  M.  B.  (Imp.  Caes)  Vespafianus  Aug.  Cos 
Villi  ....  Kopf  mit  Lorbeer  nach  rechts. 

Ij):  S.  C.  Geflügelte  Vicloria,  links  fchrcitend,  die 
Hand  auf  dem  Globus,  69  —  79  n.  Chr. 

27  Mm.  M.  B.  Divi.  Aug.  Vesp.  Y.  Domitian-Kopf, 
mit  Lorbeer  rechtshin. 

^i:  Pallas  kämpfend  nach  rechts  zwifchen  S.  C. 
81 — ()6  n.  Chr. 

26  Mm.  M.  B.   Cohen  118  K.  Domitian,  85   n.  Chr. 

28  Mm.  M.  B.  Imp.  C.  Aug.  Nerva  Traian  .  .  . 

1^:  Tr.    Pot.    Cos    Nach  links   fitzende  Frau. 

Abfchnitt  S.  C.  98—117  n.  Chr. 

26  Mm.  M.  B.  Collen  369  K.  Hadrianus,  117 — 138 
n.  Chr. 

32  Mm.  G.  B.  Hadrianus  Aug.  .  .  .  Kopf  mit  Lor- 
beer rechtshin. 

?/:    II    ...    im  Feld  Aug.  Aug.  S.  C.  Pax 

linkshin  ftehend  mit  Füllhorn,  117  — 138  n.  Chr. 

34  Mm.  G.  B.  Cohen  732  K.  Antoninus  Pius,  153 
ri.  Chr. 

26  Mm.  M.  B.  Imp.  Caes.  M.  Aurel.  Antoninus  Aug. 
Kopf  mit  Strahlenkrone  nach  -rechts. 

B-:  Concord.  Auguft.  Abfchnitt:  Cos.  III.  Marc 
Aurel  und  Lucius  Verus  ftehend,  reichen  fich  die  Hand; 
einer  der  beiden  hält  eine  Papierrolle,  16 1  n.  Chr. 

32  Mm.  G.  B.  Cohen  268  K.  Fauftina,  f  175  n.   Chr. 

15—16  Mm.  M.  B.  M.  Comm.  Ant.  P.  F Kopf 

mit  Lorbeer  nach  rechts. 
Ij;:  Ganz  abgefchliffen. 

29  M.  G.  B.  (M)  Antoni  (nus  Aug)  Germ.  Sarm. 
Tr.  Pot  (XXXI)  Kopf  mit  Lorbeer  rechtshin. 

9:  Liberalitas  Aug.  VII  Imp.  (VIII.  Cos.  III.  P.  P.) 
S.  C.  Umfchrift  am  Rande.  Die  Liberalitas  ftehend 
linkshin,  ein  Füllhorn  und  eine  Tessera  haltend,  180 
bis  192  n.   Chr. 

28  Mm.  G.  B.  Collen  7  K.  Albinus,  193—197  n.  Chr. 

19  Mm.  Silber  Imp.  Antoninus  Aug.  Jugendliche 
Büfte  mit  Lorbeer  und  drapirt  nach  rechts. 

IJ:  Fides  (militum)  die  militärifche  Treue  ftehend, 
trägt  Standarte  und  Feldzeichen,  198  —  201  n.  Chr. 

24  Mm.  Silber  Cohen  9  K.  Philippus,  244  —  249 
n.  Chr. 

20 — 23  Mm.  Bronze  mit  Silberfud.  Imp.  C.  Clau- 
dius Aug. 

9:  Abgefchliffen,  268—270  n.  Chr. 

25-26  M  M.  B. 

Legende  iheils  zerftört,  theils  unleferlich,  Kopf 
des  Antoninus  Pius  fehr  deutlich  mit  Strahlenkrone 
rechtshin. 

V):  ....  III  S.  C.  Antonin  in  Militärkleidung  nach 
links,  das  Scepter  haltend. 


54     - 


Zwei  neuentdeckte  Gräberftätten  in  Smolnic. 


Berichtet  von  Bfetidav  ydinck. 


POM  Herrn  Confervator  Ant.  Wielil  auf  einige 
Funde  aus  der  Umgebung  von  Laun  aufmerk- 
fam  gemacht,  veranflaltete  ich  heuer  (1892)  in 
Gefellfchaft  desfelben  einige  Nachgrabungen  in  Smohiic, 
die  intereffante  Funde  ans  Tageslicht  gefördert  liaben. 
lieber  Anregung  des  genannten  Herrn  unternahm 
ich  es  in  der  Ziegelei  des  Herrn  Zatecky  (Nr  I165) 
zwei  Culturgruben,  die  bereits  durch  Abbrechen  des 
Lehms  zum  Theil  zerftört  waren,  näher  zu  unterluchen. 
Diefelben  waren  beiläufig  150  Cm.  tief  und  hatten  oben 
an  4  M.  im  Durchmeffer;  jedoch  in  der  Tiefe  blos 
40  Cm.,  deren  Boden  flach  und  zum  Theile  mit  Steinen 
belegt  war.  Diefelben  waren  mit  fchwarzer  Erde,  Afche, 
mit  Scherben  von  Thongefäßen  und  mit  Thierknochen, 
von  welchen  mehrere  angebrannt  waren,  gefüllt,  unter 
welchen  auch  ein  Feuerfleinfplitter  und  zwei  Fluß- 
mufcheln  zum  Vorfchein  kamen;  auf  der  Sohle  fand  fich 
reine  Afche  vor.  Leider  waren  diefc  Gruben  —  wie 
gefagt  —  bereits  zum  Theil  zerflört,  fo  dafs  man  zu 
keinem  unb^zweifeltenSchluße  über  ihre  einftige  Beflim- 
mung  gelangen  konnte.  Nichts  deflo  weniger  dürfte 
man  doch  der  Vermuthung  Raum  geben  können,  dafs 
es  Keffelgräber  find;  denn  in  der  einen  Grube,  etliche 
35  Cm.  tief  unter  der  Humusfchichte,  kam  ein  Schädel 
von  einem  Kinde  zum  Vorfchein,  welcher  mit  Steinen 
umlegt  und  von  denfclben  auch  ganz  zerdrückt  war. 
Der  Schädel  ruhte  auf  der  rechten  Schläfe  mit  dem 
Gefichte  gegen  Often  gewendet,  ob  er  aber  allein 
hier  beigefetzt,  oder  ob  er  als  ein  Ueberrefl  von  einem 
hier  beftatteten  Kinde,  deffen  Skelet  mit  dem  Lehm 
abgetragen  wurde,  herrührt,  konnte  ich  nicht  mehr 
ermitteln.  Jedenfalls  fpricht  aber  diefer  Fund  für  eine 
Gräberftätte  und  kann  man  der  Vermuthung  Raum 
geben,  dafs  die  hiefigen  Gruben  Keffelgräber  mit 
Leichenbrand  enthalten  und  der  mittleren  neolitifchen 
Zeit  angehören;  denn  diedafelbft  gefundenen  Scherben, 
die  von  rohen  und  auch  geglätteten  Gefäßen  herrühren, 
find  zumeift  mit  punktirten  Ornamenten,  von  welchen 
namentlich  auch  ein  Mäander  hervorgehoben  zu 
werden  verdient,  und  mit  vortretenden  Nabeln  verziert. 
Der  Befitzer  diefer  Ziegelei  berichtete,  dafs  dafelbft 
bereits  mehrere  folche  Gruben  abgebrochen  und  zer- 
ftört wurden,  ohne  dafs  man  ihnen  eine  größere  Beach- 
tung gewidmet  hätte.  Am  nördlichen  Knde  dieferLchm- 
brüche  fand  fich  noch  eine  folche  Grube,  die  jedoch 
fchon  ganz  cingeflürzt  war.  Ein  weiteres  Suchen  und 
Graben  nach  anderen  Gruben  blieb  erfolglos. 

Das  Grab  einer  Wöchnerin. 

Auf  der  Feldflur  „na  Sedlickäch"  (d.  i.  auf  den 
kleinen  Anficdclungen)  werden  jährlich  vcrfchiedene 
vorgcfchichtliche  Objc6le,  wie  Scherben  von  Thonge- 
fäßen, Steinwerkzeuge  und  auch  Bronzegegenflände 
ausgeackert,  von  welchen  Herr  Wielil  eine  größere 
Colleflion  gcfammclt  hat.  überhalb  diefer  Flur,  über 
die  Straße  auf  der  Feldflur  „nad  Sedlickami"  (d.  i.  ober- 


halb der  kleinen  Anfiedelungen)  kamen  ebenfalls  beim 
tieferen  Pflügen  vcrfchiedene  Obje6le  zum  Vorfchein, 
namentlich  Scherben  von  allerhand  Thongefäßen, 
Thierknochen  und  Bruchflücke  von   Steinwerkzeugen. 

Ueber  Anregung  des  genannten  Herrn  veranftal- 
tete  ich  dafelbft  auf  dem  Felde  Nr.  464  Nachgrabungen, 
bei  welcher  Gelegenheit  die  Arbeiter  unter  der  Humus- 
fchichte ebenfalls  auf  Culturfchichten  ftießen,  die  bis 
an  den  Sandfelfen,  welcher  hier  den  tiefften  Boden 
bildet,  reichten  und  wobei  unter  Steinen,  welche  hier 
fonfl  nirgends  zu  finden  find,  nebft  einigen  Gefäß- 
fcherben  auch  eine  ganz  kleine  Schale,  ein  Glaswirtel 
und  zwei  Wirbelknochen  und  Bruchftücke  von  Rippen 
eines  menfchlichen  Skelettes  zum  Vorfchein  kamen. 
Bei  weiterem  Nachgraben  wurde  der  Sandfelfen  er- 
reicht und  es  ergab  fich,  dafs  die  erwähnte  Cultur- 
fchichte  in  einen  ovalen  Keffel  fich  hinunter  fenke.  Bald 
zeigte  fich  auch  ein  Knäuel  von  Knochen,  den  ich  forg- 
fältig  zu  heben  begann.  Ein  zerdrückter  Schädel  von 
einem  neugeborenen  Kinde  ruhte  nahe  am  Becken 
eines  menfchlichen  Skelettes,  an  welchem  das  Steifs- 
bein  und  zwei  an  dasfelbe  anfchließende  Wirbelknochen 
noch  feft  hafteten.  Bald  hob  ich  auch  die  Knochen  vom 
linken  Unterarm  diefes  Skelettes  und  die  Ueberrefte 
des  Kindesfkelettes,  welche  geftreckt  auf  dem  linken 
Oberfchenkel  eines  erwachfenen  Individuums  ruhten 
und  unter  welchem  auch  der  rechte  Oberichenkel  und 
die  beiden  Unterfchenkel  in  zufammengezogener  Lage 
fich  befanden.  Wie  aus  deml^ecken  und  dem  Steifsbeine 
hervorgeht,  gehörten  diefelben  einem  älteren  Weibe 
an,  wodurch  fich  der  Sachverhalt  aufgeklärt  hatte. 
Offenbar  wurde  hier  die  Mutter  mit  ihrem  neugeljo- 
renen  Kinde  beigefetzt.  Zu  Füßen  des  Kindes  lag  eine 
kleine  Schüffei.  Vor  den  Knieen  des  Weibes  ftanden: 
ein  hecherartiges  Henkelgefäß,  eine  Schüffcl,  bei 
welcher  ein  Thonlöffel  lag,  und  ein  Krügel,  welches 
etwas  fchief  fland.  Bei  den  Ferfen  hatte  das  Weib  eben- 
falls ein  Henkelgefäß,  eine  Schüffei  und  einen  fchief 
ftehenden  Krug.  Hier  wurde  auch  eine  Rippe  von 
einem  Schweine  gefunden. 

Das  Grab,  welches  am  Boden  i  M.  und  an  der 
Mündung  150  Cm.  in  der  Länge  betrug,  war  von  Nord 
gegen  Süd  im  Sandfelfen  gehauen  und  maß  in  der 
Breite  am  Boden  50  und  an  der  Mündung  100  Cm. 
Quer  über  demfelben  lagen  die  Knochen  von  den 
Beinen  des  Weibes,  auf  welchen  das  Skelet  des 
Kindes  ruhte.  Der  Oberkörper  des  Weibes,  welcher 
fehlte  und  von  dem  blos  zwei  Wirbelknochen  und 
Bruchflückc  von  Rippen  zerfircut  herum  lagen,  mußte 
demnach  an  die  wellliche  Felfcnwand  gelehnt  in 
hockender  Stellung  halb  liegend  fich  emporgehoben 
haben,  fo  dafs  der  Kopf  den  Rand  des  70  Cm.  tiefen 
Grabes,  auf  der  rechten  Seite  ruhend  gegen. Norden 
gewendet  inid  gegen  Oflen  hinfchauend,  erreichte. 

Das  Kind  lag,  wie  angedeutet  wurde,  auf  dem 
Schöße    der  Mutler,    welche    dasfelbe  —  wie  aus  der 


-     55 


Lage  des  Unterarmes  hervorgeht  —  mit  der  hnken 
Hand  bedeckt  hielt.  Dasfelbe  lag  aber  auf  der  linken 
Seite,  fo  dafs  es  zur  Mutter  gewendet,  gegen  Süden 
hinfchaute. 

Die  hier  hin  und  her  zerftreuten,  am  Rande  des 
Grabes  aber  mauerartig  gefchichteten  Steine  beweifen, 
dafs  das  ganze  Grab  bis  zu  einer  beftimmten  Höhe  mit 
denfelben  umlegt  und  bedeckt  war,  aber  fchon  vor 
langen  Zeiten  entweder  durch  Ackern  oder  durch  eine 
andere  Erdbewegung  zur  oberen  Hälfte  zerftört  worden 
fein  mußte,  weil  der  Schädel  bereits  fehlte  und  andere 
Knochen  von  dem  Oberkörper  zwifchen  dem  Geftein 
und  Scherben  zerftreut  herum  lagen. 


Von  den  dafelbft  gefundenen  Objeften  will  ich  blos 
jene  hervorheben,  welche  dem  Kinde  gegolten  haben 
mochten,  weil  ähnliche  Beifetzungen  feiten  zum  Vor- 
fchein  kommen  und  befonderes  Licht  auf  die  dazumal 
herrfchenden  Sitten  und  Gebräuche  werfen.  Es  dürften 
jene  Beigaben  fein,  die  vor  dem  Schöße  der  Mutter 
um  das  Kind  geftellt  waren. 

Eine  5  Cm.  hohe  fchwarz  geglättete  Schüffei  aus 
Thon,  die  an  der  Mündung  87  und  am  Boden  4  Cm. 
im  Durchmefler  hat,  Fig.  i.  Bei  derfelben  lag  der  eben- 
falls fchwarz  geglättete  irj-Cm.  lange,  3  Cm.  hohe  und 
4-5  Cm.  breite  Thonlöffel,  Fig.  2.  Aus  diefen  Beigaben 
kann  man  fchließen,  dafs  die  Schüffei  Nahrung  (höchft 
wahrfcheinlich  Muß)  für  das  Kind  enthielt,  welche  dem- 
fclben  mit  dem  Löffel  zu  reichen  war. 

Ein  kleines  10 -5  Cm.  hohes,  am  Munde  8-5  und  am 
Boden  4' 3  Cm.  im  Durchmeffer  haltendes  Krügel  von 
grauer  Farbe,  mochte  ein  Getränk  (vielleicht  Milch), 
und  ein  5  Cm.    hohes   am  Munde   87    und    am  Boden 


4  Cm.  im  Durchmeffer  haltendes  Bechergcfaß  von 
brauner  Farbe  mochte  vielleicht  Waffer  zum  Wafchen 
enthalten  haben. 

Eine  kleine  rohe  Schüffei  und  eine  Schale  dürften 
Spielereien  für  das  Kind  gewefen  fein;  denn  das  Schüf- 
felchen  ifl  2  Cm.  hoch  und  hat  am  Rande  65  und  am 
Boden  45  Cm.  im  Durchmeffer;  das  Schälchen  ill 
27  Cm.  hoch  und  hat  an  der  Mündung  4'i  und  am 
Boden  43  Cm.  im  Durchmeffer,  beide  alfo  wahrfchein- 
lich Kinderfpielzeug. 

Der  3  Cm.  im  Durchmeffer  haltende  und  i'S  Cm. 
hohe  W'irtel  aus  Glas  durfte  auf  den  Brauch  hinweifen, 
dafs  der  verftorbenen  Mutter  Gefpinft  mit  in  das  Grab 
gegeben  wurde,  damit  fie  für  das  Kind  fpinnen  könne. 
Diefe  Vermuthung  dürfte   der  noch  jetzt  an  manchen 


Fig.  2. 

Orten  herrfchende  Brauch  bekräftigen,  zufolge  deffen 
man  nämlich  den  Wöchnerinen  Leinwand,  Zwirn,  eine 
Nadel  und  eine  Schere  in  das  Grab  beilegt,  damit  fie 
ihrem  Kinde  Hemden  nähen  könnten;  denn  thäte 
man  dies  nicht,  würde  die  Verdorbene  im  Grabe  keine 
Ruhe  finden  und  würde  umgehen. 

Anderthalb  Meter  von  diefem Grabe  gegen  W'eften 
entfernt  habe  ich  noch  eine  andere  im  Sandfelfen 
gehauene  Grube  geöffnet,  welche  50  Cm.  tief,  rund  und 
am  Boden  42  und  an  der  Mündung  etwas  über  90  Cm. 
im  Durchmeffer  hatte.  Auch  der  Inhalt  diefer  Grube 
war  bereits  zerftört;  denn  Bruchflücke  und  Scherben 
von  einem  großen  und  einem  kleineren  Thongefäße 
lagen  zwifchen  Thierknochen  und  Steinen  in  und  um 
die  Grube  herum  zerftreut,  an  der  Sohle  derfelben 
jedoch  fand  ich  das  Bodenftück  des  größeren  Gefäßes. 
Offenbar  war  hier  eine  Urne  beigefetzt  worden.  Die- 
felbe  war  roh,  bauchig  und  auf  der  Außenwand  mit 
fingerbreiten  Streifen  verziert. 


Der  alte  Dom  zu  Olmüz. 


Von  Architekt  Richard  Völkel. 


(Mit  einer  Tafel.) 


EBER  Aufforderung  des  Herrn  Confervators, 
k.  k.  Profeffors  Prokop  erftatte  ich  hiemit 
Bericht  über  die  gelegentlich  des  in  den 
Jahren  1883  — 1892  ausgeführten  Reftaurirungs- Arbeiten 
amOlmüzer  Dome  vorgenommenen  Fuiidament-Unter- 
fuchungen,  fowie  über  die  mit  Entfernung  des  alten 
Verputzes  und  über  die  nach  Abtragungen  und  durch 
Brüche  im  alten  Mauerwerk  gemachten  verfchiedenen 
Funde  aus  der  romanifchen  Periode  diefes  Domes. 

Es    läßt    fich   mit  voller  Beftimmtheit  fagen,  wie 
groß  und   welche  Ausdehnung  die  romanilche  Anlage 


gehabt,    und     welche    architektonifche 
diefer  Dom  befeffen  hatte. 


Formbildung 


W^ie  fchon  vom  verftorbenen  Architekten  Segen- 
J'clunidt  im  XVI.  Bande  der  Mittheilungen  der  Cen- 
tral-Commiffion  für  Erhaltung  alter  Baudenkmäler 
Seite  142  berichtet  wurde,  dafs  die  vorderen  Thürme 
(Wertthürmei  romanifch  fein  müßen  und  nur  der  Ver- 
putz aus  der  Barockzeit  die  fchönen  Formen  der  vor- 
erwähnten Zeit  verdecke,  fo  ift  thatfächlich  diefe 
Vorausfetzung  zur  vollen  Wahrheit  geworden,  und 
zwar  nach  Abtragung  des  aus  der  Barockzeit  ftam- 
nienden,  aber  ohne  Verll;ändnis,  daher  finnlos  auf- 
gefetzten Mittelthurmes  der  Fagade,  und  bei  weiterer 
Abtragung  des  Mauerwerkes  der  beiden  Thürme, 
welche   Arbeit  vorgenommen  werden  mußte,   da   fich 


S6 


das  alte  Mauerwerk  zur  Aufführung  der  neuen  gothi- 
fchen  64  M.   hohen  Thürme  als  belall:ungsunfahig  zeigt. 

Durch  diefes  Abtragen  des  Mauerwerkes  wurde 
eigentlich  erft  vieles  fichergeftellt,  was  vielleicht, 
wenn  felbe  nicht  hätte  vorgenommen  werden  müßen, 
nicht  gefchehen  wäre,  da  gerade  die  romanifchen 
Fenfter  vorn  durch  früh-gothifche  erfetzt  waren. 

Die  zu  Tage  geförderten  Theile  wurden  durch  die 
Eile,  mit  welcher  die  Demolirungs-Arbeiten  betrieben 
werden  mußten,  oft  derart  befchädigt,  dafs  bei  der 
durch  den  Berichterftatter  vorgenommenen  Aufnahme, 
welche  große  Mühe  erforderte  und  während  der  Demo- 
lirungs-Arbeiten ftets  fortgefetzt  wurde,  einzelnes  nur 
mehr  als  Schutt  abgeführt  wurde,  fo  dafs  nicht  mehr 
zu  erkennen  war,  ob  das  Abgeführte  Bruchftein  oder 
ein  gearbeiteter  Stein  gewefen. 

Die  Abtragungen  waren,  wie  fchon  oben  erwähnt, 
mit  riefigen  Schwierigkeiten  verbunden  und  wurden 
im  Accordwege  vorgenommen.  Der  wichtigfle  Um- 
ftand  ift  aber  der,  dafs  der  Mörtel,  mit  welchem  das 
alte  Mauerwerk  (im  Jahre  1131)  gemauert  worden  war, 
fich  derart  feft  zeigte,  dafs  eher  der  Stein  zu  Grunde 
ging,  bevor  der  Mörtel  nachgelaffen  hätte;  auch  war 
der  Stein  derart  verwittert  und  weich,  dafs  er  fich  wie 
Tegel  anfühlte  und  mit  der  Nagelfpitze  fich  bearbeiten 
ließ,  was  fich  auch  bei  dem  Material  der  fpäter  1265  ein- 
gefetzten früh-gothifchen  Fenifer  gezeigt  hatte. 

An  diefe  Thürme  fchließt  fich  das  dreifchiffige 
Schiff  an,  und  zwar  mit  vier  ungleich  breiten  Jochen, 
durch  rechteckige  Pfeiler  auseinandergehalten,  welche 
Unregelmäßigkeit  eine  eigenthümliche  Willkür  zeigt, 
die  fonll  bei  romanifchen  Kirchen  nicht  vorkommt; 
hierauf  folgte  ein  vollftändig  quadratifches  Feld,  und 
an  diefes  fchließt  fich  die  Concha  an. 

Der  Stirnabfchluß  der  Seitenfchiffe  konnte  leider 
nicht  ermittelt  werden,  da  durch  die  feinerzeit  (1619) 
vorgenomme  Erweiterung  des  Presbyteriums  unter 
Cardinal  Dietrichßein,  wobei  unter  dem  jetzigen  Pres- 
byterium  eine  neue  Krypta,  die  jetzige  fogenannte 
Grab-Capelle angelegt  wurde,  dicFundamentc  der  oben 
erwähnten  Abfchlüße  befeitigt  wurden. 

Um  nun  auf  Einzelnes  überzugehen,  fei  erwähnt: 

Die  Thürme  zeigten  keine  Eingänge,  denn  beim 
füdlichen  Thürme  hat  fich  des  alte  romanifchc  Mauer- 
werk voll  bis  in  die  Fundammte  herab  conflatiren 
laffen;  bei  dem  nördlichen,  alfo  gegen  den  Kreuzgang, 
refpeflive  gegen  die  St.  Anna  Capelle  zu  gelegenen 
Tliurme  konnte  nichts  Verläßliches  conflatirt  werden, 
da  wiederholt  viel  an  diefer  Stelle  umgebaut  wurde. 

An  den  beiden  Thürmen  wurde  auch  kein  Sockel 
vorgefunden,  wohl  aber  überzeugte  man  fich,  dafs  die 
Eckfiuadern  an  allen  Seiten  der  Thürme  bis  in  die 
Fundamente  herab  reichten,  und  dafs  das  Mauerwerk 
zwifchen  obgenannten  Eckquadern  ohne  Vorfprung 
gewefen. 

Die  Thürme  zeigten  gegen  die  Seitenfchiffe  zu 
eine  große  Oeffnung  mit  mächtigen  halbrunden  Bogen, 
wie  dies  in  dem  Schnitte  der  Thürme  crfichtlich;  der- 
felbe  war  wenig  architektonifch  gelöfl;  er  hatte  zu 
bi'idcn  Seiten  nur  (larkc  Fafen. 

Die  Thürme  befaßen  in  den  crflen  drei  Stock- 
werken nur  volles  Mauerwerk,  welches  weder  mit  Thür- 
noch  Fcnfleröffiiungen  vcrfehen  und  fogar  ohne  Mauer- 
abfatz,  daher  gleich  flark  auffteigcnd  gehalten  war. 


Wölbung.^  Widerlager  wurden  nur  im  Erdgefchoße 
bei  dem  erivähnten  Bogen  vorgefunden,  und  zwar 
wurden  die  Anlauffpuren  eines  Kreuzgewölbes,  con- 
centrifch  mit  diefen  Thorbogen,  wie  es  in  der  Zeichnung 
erfichtlich  ift,  vorgefunden;  in  den  übrigen  Etagen 
zeigten  fich  verfchiedene  Auflager  für  Tramdecken, 
fowie  auch  theils  noch  beftehende  Gewölbe  theils  als 
Refte  beftandener.  In  dem  vierten  Stockwerke  ift  eine 
Fenfteröffnung  mit  Rundbogen  (gegen  die  Schifffeite) 
vorgefunden  worden,  ohne  befondere  architektonifche 
Ausbildung.  DienächfteEtageiftmitFenlfernin  gleicher 
Größe  wie  darunter,  aber  auf  allen  vier  Seiten  durch- 
geführt verfehen.  Im  weiteren  Stockwerke  beginnt  erlf 
eine  reichere  architektonifche  Bildung  an  den  Fenflern, 
die  hier  zur  vollen  Geltung  kommt,  im  letzten  Stock- 
werke fetzt  fich  diefe  Architektur  fort. 

Das  vorletzte  Stockwerk  ift  mit  zweifach  gekup- 
pelten Fenftern  an  allen  vier  Seiten  und  damit  am 
reichften  gefchmückt  gewefen,  welche  folgendermaßen 
architektonifch  gelölf  find : 

Die  Säulenbafis  der  das  Doppelfenfter  in  der  Mitte 
trennenden  Säule  beffeht  aus  einem  platten  vierkan- 
tigen reingearbeiteten  Stein  ohne  Profil,  auf  welchem 
der  nach  oben  fich  verjüngende  Schaft  aufruht,  Capital 
ift  keines  vorhanden,  fondern  es  liegt  der  Sattel  direfl 
auf  dem  Schafte;  das  Sattelfi ück  dient  als  Wider- 
lager für  die  halbrunden  Bögen,  welche  zu  beiden 
Seiten  in  eine  platte  Leibung  übergehen. 

Da  an  der  Außenfeite  auf  die  volle  Mauerftärke 
von  90  Cm.  noch  10  Cm.  übrig  blieben,  ift  direfl 
ober  dem  Sattel,  in  dem  Zwickelfeld,  welches  die 
beiden  fich  theilenden  Bögen  bilden,  eine  kleine  Con- 
fole  angebracht,  auf  welcher  fodann  zwei  concentrifch 
laufende  und  10  Cm.  vorfpringende  Bögen  auffitzen; 
dadurch  erfcheinen  die  Fenfter  auch  reicher  ausgc- 
ftattet.  Die  Fenfter  im  oberften  Stockwerke  find  archi- 
tektonifch genau  fo  durchgeführt,  nur  mit  dem  Unter- 
fchiede,  dafs  felbe  dreifach  gekuppelt  find;  die  auf  zwei 
Säulen  auffitzenden  Sättel  find  nicht  trapezförmig, 
fondern  halbrund  geformt.  Bis  zu  diefen  I*"enfi;ern 
reichten  die  Refte  des  romanifchen  Baues;  das  fehlende 
Hauptgefimfe  wurde  entweder  fchon  unter  Bifchof 
Johann  von  Neumarkt  (1365 — 1375)  abgetragen  oder 
verfchwand  bei  dem  Mittel  -  Thurmaufbaue  unter 
Stanislaus  Pavlovsky. 

Was  die  Ausführung  des  Mauerwerkes  diefer 
Thürme  betrifft,  waren  die  vier  Ecken  aus  Quadern 
bei  den  Lager-  und  Stoßfugen  mit  rein  gearbeitetem 
Schlage  verfehen,  die  P'lächen  geftockt;  Binder  und 
Laufer  wechfelten  regelmäßig  ab.  Das  Mauerwerk 
zwifchen  den  obgenannten  Ecken  war  außen  wie  innen 
mit  Verblendfteinen  (kleinen  quaderähnlichen  Steinen) 
hergeflellt,  und  zwar  aus  (Juadern  in  würfelförmiger 
oder  in  länglicher  Form;  auf  je  einen  lCck(iuader 
gingen  2  —3  Schichten  folcher  Verblendllcine.  Das 
FüU-Mauerwerk  (zwifchen  diefen  Verblendfleinen)  war 
ohne  befondere  Schichteneintheüung  mit  gewöhnlichem 
Bruchfiein  (von  20—30  Cm.  Länge  und  einer  llohe 
von  15  Cm.,  fowie  auch  aus  kleineren  Stücken  bis  zur 
Hafclnußgröße  herab)  in  fehr  Rarkem  Mörtellager  auf- 
gcfiihrt. 

Vom  Schiffe  wiu-de  nur  das  Fundament  ausge- 
graben, wie  dies  die  Zeiclnuing  zeigt,  liefondcrs  hcr- 
vor/.ulieljcii  fiiul  die  Fuiulanicnle,  welche  zwifchen  der 


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57 


III.  Pfeilerreihe  im  Mittel fchiffe,  fowie  in  den  Seiten- 
fchiffen  bis  zu  den  beiderfcitiyeu  HaLiptmaueni  reichen 
und  fich  um  die  Pfeiler  rundherum  ziehen. 

Die  Fundamentanlage  ift  eine  ähnliche,  wie  felbe 
fich  im    Fünfkirchner  Dom  vorgefunden  hat. 

Im  Mittelfchiffe  war  dafelbll  ein  Aufgang  von  viel- 
leicht neun  Stufen  zu  dem  Presbyterium  gewefen, 
während  an  beiden  Pfeilern  auf  dem  halbrunden  Funda- 
ment Kanzeln  (Ambonen)  gellanden  haben  dürften,  und 
zwar  auf  der  Höhe  der  neunten  Stufe;  die  Seitenfchiffe 
waren  wahrfcheinlich  in  vorerwähnter  Hohe  fenkrecht 
abgemauert  gewefen,  auf  welcher  Mauer  fich  dann  die 
BrüRungen  der  Kanzeln  bis  zu  den  Hauptmauern  fort- 
gefetzt hatten;  in  diefer  Vertical-Mauer  fclbll  befanden 
fich  möglicherweife  Thüröffnungen,  von  welchen  eine 
Stiege  herab  in  die  Krypta  geführt  haben  dürfte.  Was 
die  Zeit  der  Erbauung  der  Kirche  betrifft,  verweifen 
wir  auf  die  Mittheilungen  der  Central- Commiffion, 
wofelbft  diefer  Gegenftand  wiederholt  befprochen  wird. 
In  der  Grundriß-Zeichnung  ift  angenommen,  dafs  jedes 
Joch  des  Schiffes  mit  je  zwei  Fenftern  beleuchtet  war; 
gegen  die  Nordfeite  zu,  alfo  gegen  den  jetzigen  Kreuz- 
gang, wo  die  ehemalige  Herzogenburg  ftand,  dürften  in 
den  Seitenfchiffen  keine  Fenfter  angelegt  gewefen 
fein;  möglich  daher,  dafs  an  der  anderen  Seite  ge- 
kuppelte Fenfter  waren,  um  den  Raum  entfprechend 
zu  beleuchten. 


Der  intcrreffantcfte  F"und  ift  die  Feftftellung  der 
Krypta- Anlage;  die  Conchen  Rundung  dcrfelben  gegen 
das  jetzige  Presbyterium  zu  wurde  conftatirt;  auch 
wu'rdc  noch  die  romanifchc  Pflafterung  in  der  Krypta, 
welche  aus  quadratifchen  Sandfteinplatten  hergeftellt 
war,  aufgefunden;  dafelbll  fanden  fich  auch  die  ganz 
verfchüttet  gewefenen  lo  Säulen,  welche  aber  vollftän- 
dig  verwittert  waren;  fie  hatten  Würfel-Capitiilc. 

Die  Stellungen  der  Säulen,  fowie  auch  die  Anläufe 
der  Gewölbe  konnten,  wie  aus  dem  Plane  erfichtlich, 
genau  ermittelt  werden;  der  Raum  war  mit  i6  voUftan- 
digen  Kreuzgewölben  mit  zwei  runden  Kuppelgewölben 
(auf  lo  ganzen  Säulen,  acht  Halhfäulen  und  zwei  Eck- 
fäulcn,  fowie  auf  fechs  primitiven  Confolen  geftützt) 
eingewölbt  gewefen.  Im  abfchließenden  Mauerwerk 
wurden  fieben  Nifchen  conftatirt  und  ebenfo  eine  Thür- 
öffnüng  gegen  den  Kreuzgang  zu  in  einen  Vorraum 
führend,  welcher  wie  die  Thüröffnung  vollftändig  ver- 
mauert war;  aus  diefem  Vorräume  führte  noch  eine 
Thüröffnung  weiter,  wofelbft  aber  die  Nachforfchungen 
im  Erdreiche  zu  keinem  weiteren  Refultate  führten;  es 
dürften  von  diefem  Vorräume  aufwärts  hier  wie  gegen- 
über an  der  Südfeite  die  Stiegen  aus  der  Krypta  in 
das  Kirchenfchiff  geführt  haben. 

Nach  den  drei  Nifchen  in  der  halbrunden  Abfchluß- 
mauer  der  Krypta  konnte  man  auch  die  Stellung  der 
Fenfter  im  Presbyterium  felbft  feftftellen. 


Nachrichten  über  das  k.  k.  Staats-Mufeum  in  Aquileja. 


Vom   k.  k.  Profeffor  Majonica,  Confervator. 


V. 


VII.  Jahrgang  i88S. 

I.  Platte  aus  Kalkftein,  f.  w.  e.  090  hoch,  o-6 1 
breit,  O'oS  dick. 

Nach  der  Ausfage  des  Händlers  P.  Borfatti  foll  fie 
früher  in  einem  Haufe  im  Borgo  Pacco  bei  Villa  Vicen- 
tina  eingemauert  gewefen  fein. 

Alterthümliche  aber  fehr  verwafcheneBuchftaben. 
Uncdirt. 


^PONIVS  ■  L     L  • 
DIOMEDES   •   FAT  • 
T  .  APPONIVS 
TE     MANTI//,;  Q\^E 
APPONIA  •  DIOME 

L  ■  ALETIA 
////APPONIVS  •//// 
DIOMEDIS  ■  L.  TEM 
SEXVIR  •  FIERI  •  IVS. 

2.  Eck-Cippus  einer  Grab-Ara,  urfprünglich  oben 
rund  verlaufend,  unten  roh  behauen  und  mit  einem 
Loche  zum  Einlaffen  einer  Walze  verfehen.  Kalkftein 
1-26  hoch,  032  breit,  018  dick.  Gefunden  in  der  Loca- 
lität  „Beligna"  auf  dem  Grundftücke  „TuUio".  Schöne 
regelmäßige  Buchftaben.  Unedirt. 
XIX.  N.  F.  ♦ 


L  ■  M 
L  ■  M    •    L 
IN  •  FR  •  P  •  XXVII 
IN  ■  AGR  ■  P  •  LX 

3.  Bruchftück  einer  Grabplatte  ausKalkftein.f.  w.  e. 
0-48  hoch,  0-31  breit,  o^iS  dick.  Oben  Spuren  des 
Giebelfeldes  und  eines  glatten  Akroteriums. 

Die  Infchrift  innerhalb  einer  Randeinfaffung,  die 
Buchftaben  etwa  aus  dem  P2nde  des  2.  Jahrhunderts 
n.  Chr.  Unedirt.  Gefunden  wie  Nr.  2. 


D_ 

c"A^jvry  E 

Q  ■  VIX  •  A  •  > 
D  •  IUI  •  C  V  M 
VIX  •  A-  I  -M  ■  V 
PARENTES 


4.  Bruchftück  einer  Sarkophag-Platte  aus  Kalk- 
ftein, f.  w.  e.  0'57  hoch,  037  breit,  0T5  dick.  Gefunden 
wie  Nr.  2.  Die  erfte  Zeile  mit  fchönen  013  hohen 
Buchftaben,  die  zweite  Zeile  eradirt.  die  dritte  Zeile 
mit  unregelmäßigen  fpäteren  Buchitaben. 


Illllll  il 

ANNIANO 


58     - 


5-  Bruchftück  einer  Kalkfleinplatte,  f.  \v.  e.  0.45 
hoch,  0-65  breit,  0145  dick.  Gefunden  wie  Nr.  2.  An 
der  oberen  und  an  der  linken  Seite  find  Spuren  einer 
Linear-Einfaffung  erhalten.  Die  BuchÜaben  etwa  aus 
dem  3.  Jahrhundert  n.  Chr.  Unedirt. 

7^  .  A  YPHA' 

KPATI  ■  NelKO 

U  ■  AYPHAIOC    Cn 

KAI  •  TeUfOKFATHC 

TTATPI  ■  KAYKYTATCi;]  sie'. 

6  —  15.  Zehn  Bruchflücke  von  verfchiedenen  In- 
fchriften,  die  meiften  unbedeutend  und  mit  wenigen 
Buchftaben;  zu  erwähnen  wären  etwa  die  vier  größten, 
alle  gefunden  wie  Nr.  2  und  unedirt. 

6.  Bruchftück  aus  Kalkftein,  f.  w.  e.  034  l>i-eit, 
027  hoch,  007  dick. 

A  •  ET  •  CA 
i„f/i:.    .  C  I  S  S  Im 

7.  Bruchfl;i.ick  einer  Platte  in  Form  einer  Tabula 
ansata,  f  w.  e.  0'32  hoch,  035  breit,  010  dick. 

can/ 
ver/ 

V 

8.  Bruchftück  einer  Sarkophag-Platte  aus  Marmor, 
f.  w.  e.  0'26  hoch,  026  breit,  015  dick.  Oben  Spuren 
der  urfprünglichen  Randeinfaffung. 


COELl 

9.  Kleines  Bruchftück  mit: 
CARISSI 


16.  Grabplatte  aus  Kalkftein,  oben  in  ein  unvoll- 
kommenes Giebelfeld  verlaufend,  unten  mit  einem 
Steinzapfen  zum  Einlaffen  in  die  Bafis  verfehen,  f.  w.  e. 
079  hoch,  034  breit,  020  dick.  Gefunden  in  der 
I.ocalität  „bacc/iina"'  auf  einem  Grundftücke  des  Herrn 
D.  Deinen.  Die  Infchrift  innerhalb  einer  Linear-Ein- 
faffung; die  faft  Curfiv-Buchfiaben  aus  dem  3.  Jahr- 
hundert n.  Chr.  Edirt  von  Gregorutti,  Arch.  tr.  XVII, 
p.  l%7,  n.  LXVII. 

MVA 

LERIOA 

POLLON 

lOVALE 

RIAMAR 

TAPOSITsicl 

FAT- 

17,  Bruchllück  einer  viereckigen  Graburne  aus 
Kaikflein,  f.  w.  0.035  Ijreit,  O'IO  hoch,  005  dick,  ge- 
funden wie  Nr.  16.  Die  Buchftaben  ziemlich  klein  und 
regelmäßig.  PLdirt  a.  a.  O.  p.  388,  n.  LXVIII. 

OSSA 
CYPARINIS. 


18.  Bruchllück  einer  Grabplatte  aus  Kalkftein, 
f.  w.  e.  0-35  breit,  010  hoch,  005  dick,  gefunden  wie 
Nr.  16,  die  BuchRaben  o-o8  hoch  und  etwa  aus  dem 
I.  Jahrhundert  n.  Chr.  Unedirt. 


19.  Viereckige  Grabplatte  aus  Kalkftein,  054  breit, 
032  hoch,  012  dick.  Gefunden  auf  der  Localität  St. 
Stefano  bei  Aquileja  auf  dem  Grundftücke  des  Herrn 
Dr.  M.  V.  Hentfchel.  Die  fchonen  Buchftaben  find  aus 
der  früheften  Kaiferzeit.  Unedirt. 

L  •  vIbivs-m-  F 

CLAVARIVS. 

20.  Bruchftück  einer  Grabplatte  aus  Kalkftein, 
f  vv.  e.  0-52  hoch,  038  breit,  010  dick,  gefunden  wie 
Nr.  19.  Die  Buchftaben  alterthümlich  und  groß.  Unedirt. 

P  -M- 

21.  EckCippus  aus  Kalkftein,  oben  abgerundet, 
070  hoch,  0-32  breit,  o\6  dick.  Ward  früher  im 
Haufe  des  Herrn  Franz  Franziii  in  Grado  aufbewahrt. 
Die  regelmäßigen  Buchftaben  vielfach  befchädigt. 
Unedirt. 

L  •  M 
C     •     CALVl 
MESSORI  S 
IN  •  FR •  P -XV 
IN- AGRP-XXX. 

22.  Grabplatte  aus  Kalkftein,  f  w.  c.  0'5i  hoch, 
0-52  breit,  013  dick;  dieinfchrift  innerhalb  einer  Rand- 
einfaffung zeigt  Buchftaben  aus  dem  2.  Jahrhundert 
n.  Chr.  und  war  früher  im  Haufe  des  Joh.  Bataiiz  ein- 
gemauert. Edirt  C.  J.  L.  V.  8332. 

23.  Grabplatte  aus  Kalkftein,  unten  abgebrochen, 
f  vv.  e.  I  M.  hoch,  0^45  breit,  o-i6  dick.  Gefunden  im 
April  1888  bei  einer  (gelegentlich  der  in  Aquileja 
durchgeführten  Ausbaggerungs- Arbeiten)  auf  dem  Erd- 
walle des  Canals  Natiffa  in  der  Nähe  der  Localität  „^rt<r- 
cliina'^  vorgenommenen  Ausgrabung.  Auf  diefer  Stelle, 
welche  unzweifelhaft  einen  Theil  der  ausgedehnten 
Grabftätte  diefer  Gegend  bildet,  wurden  noch  gefun- 
den: die  Infchriftcn  Nr.  24,  25,  26,  ferner  31  Stück 
Stein-Urnen,  4  Afchen-Urnen  aus  Thon,  eine  Amphora 
mit  der  Marke:  T  .  H  .  B  .  ,  verfchiedene  Architektur- 
Bruchftücke  und  Beftandtheile  von  größeren  Grab- 
Monumenten  fammt  einer  Anzahl  kleiner  Antikaglien. 
Von  tlen  hier  gefundenen  Münzen  gehören  die  meillen 
der  erflen  Kaiferzeit  an. 

Die  Buchftaben  der  Infchrift  find  unregelmäßig, 
etwa  007  breit  und  faft  alterthümlich.  Unediit. 

P  A  M  P  f  1  I  L  A 
F  E  R  O  N  I  A 
C-L-C- FERNI 
C- L- TEVCER 
LOC-LAPXVI 
INT  ■  P  •  XVI 
V     •     F. 


24.  Grab-Ara   mit  Afchcnbehälter,  d 


u:  nnkc 


Seite 


)bcn  befchädigt,   fonll  gut  erhalten,  fammt  Tollamcnt 


59 


und  Krönung  066  lioch,  0'45  breit,  0  2g^  3=  i  röm.  Fuß 
dick.  Das  Feld  der  Infchrift  0-33  breit,  die  regelmäßigen 
Buchftaben  etwa  aus  dem  i.  Jahrhundert  n.  Chr. 
Gefunden  wie  Nr.  23.  Unedirt. 

moniania 
prTmilla 

25.  ]3ruchlUick  -einer  Grab-Ara  mit  Afchenbe- 
hälter.  Die  obere  und  die  linke  Seite  theilweife  noch 
erhalten,  die  rechte  Hälfte  fehlt.  Die  Infchrift  innerhalb 
einer  Linear-EinfalTung  wurde  vielfach  vom  W'affer  be- 
fchädigt.  Kalkftein  f  w.  e.  0-37  breit,  0-31  breit,  0-53 
dick.  Zierliche  Buchftaben  aus  der  erften  Kaiferzeit. 
Unedirt. 

TI  •  CLAVDIO  ■  AT^ 

CLAVDIA  •  TI  •  L  •  VEli 

VF.  SIBI  •  ET-  PATRl 

svo-etIphilo-filicJ 

ET  ■  DON^ 

26.  Eck-Cippus  einer  Grab-Ara,  oben  viereckig 
verlaufend,  unten  abgebrochen.  Kalkftein  f.  w.  e.  0*33 
hoch,  0-35  breit,  0'I35  dick.  Die  Buchftaben  etwa  aus 
dem  zweiten  Jahrhundert  n.  Chr.  Unedirt. 


27.  Kleine  Votiv-Ara,  unten  abgebrochen,  f.  w.  e. 
0-20  hoch,  0'i2  breit,  0'I2  dick.  Kleine  Buchflaben 
aus  dem  3.  Jahrhundert  der  Kaiferzeit.    Unedirt. 

N  •  AV 


AVR-LE 

ONTIVS 
iSALVIS 
\QyiLEJ 

N(etnesi)  AufgustaeJ  Aufreims)  Leontius  Salvis 
[AJqinleifensibusJ.  Ein  Anrelius  Leontius  widmet  dem 
Herakles  eine  Votiv-Ara  C.  J.  L.  V.  571S.  —  Die  hier 
erwähnte  Errettung  der  Aquilejenfer  könnte  erfolgt 
fein  zur  Zeit  der  verfuchten  Ueberrumpelung  Aquilejas 
durch  Maximinus  Thrax. 

28.  Kleine  Votiv-Ara  aus  rothem,  veronenfifchem 
Marmor,  f.  w.  e.  0-27  hoch,  O'io  breit,  0'o8  dick.  Oben 
eine  Vertiefung  zum  Aufftellen  eines  Gegenftandes, 
unten  abgebrochen.  Kleine  unregelmäßige  Buchftaben 
und  vielfach  befchädigt.    Unedirt. 

VENERI 
'  AVG' 
SACR 


29.  Grab-Ara  mit  Afchenbehälter  aus  Kalkftein. 
Die  oberfle  Krönung  theilweife  abgebrochen,  die  vor- 
dere Seite  rechts  und  links  mit  je  einer  korinthifchen 
Säule  gefchmückt,  die  Seitenflächen  zeigen  einige 
Geräthfchaften,  welche  fehr  verwafchen  find.  Aus  dem 
fogenannten  Canal  delle  Vergini  im  Auguft  1888  aus- 


gebaggert. Die  vielfach  zerbrochene  Ära  ift  085  hoch, 
054  breit,  025  dick.  Die  kleinen  und  zierlichen  Buch- 
flaben find  etwa  aus  dem  2.  Jahrhundert  n.  Chr. 
Unedirt. 

D     ^    M 
Sic!     .  L  •  DECIMIO  SERENO 
CAESERNIA  •  SERENA 
FILIOPIENTISIiVlO  ■  MA 
TER  •  INFELICISSIMA  •  ET 
Sic!     •  L  ■  DECIMIVS- CHARITO 
FRATER  •  ET  •  M  •  CONSIDI 
NVS  •  MAXIMIANVS  ■  PA 
TER-FILIO  •  PIENTISSIM// 
QVIVIXIT  ■  ANN  •  XXVI 
MENS • V  . 

30.  Bruchftück  einer  Marmorplatte  aus  chrifl- 
licher  Zeit,  f  w.  e.  0'22  hoch,  0'26  breit,  O  03  dick, 
ausgebaggert  zufammen  mit  Nr.  29.  Unedirt. 

HIC  REQVIESCI 
TSAVINArQVA/// 
VIXIT  A  NNO  // 
XXXVS  DEPOSIT 
ASVBDSPRIDSID 

3[.  Bruchftück  einer  Marmor-Platte  aus  früh-chrift- 
licher  Zeit,  f.  w.  e.  033  hoch,  0-20  breit,  0'03  dick. 
Gefunden  wie  Nr.  29.    Unedirt. 

ATHC 
INOC 

KANA 
HAAe 

31«.  Sechs  kleinere  Bruchftücke  von  Infchriften, 
gefunden  wie  Nr.  29.    Unedirt. 

S  •  IlÜTI     od    JOBRES  ESOC 

AIVS  CITQ:/        XX  •  C 

Ifvc 


PM/ 
VR 


ER 


liberlal'iii      /Q_ 
posleris  fO^    EOR 


/.  in.  in  fr.  /•. 
in.  agy.  f. 


XXXV 
XXV 


32.  Grab-Ara  mit  Afchenbehälter  aus  Kalkftein, 
vollkommen  erhalten.  Die  oberfte  Krönung  mit  fchönen 
Palmetten,  die  Seitenflächen  mit  flotten  Arabesken 
verziert.  Sammt  Poftamente  ri6  hoch,  0-53  breit,  0-38 
dick.  Die  fchönen  Buchftaben  aus  dem  I.  Jahrhun- 
dert der  Kaiferzeit  0-045  — 0055  '^o^h.  Gefunden  am 
äußerflen  Ende  der  Gräberftraße  längft  dem  Canale 
Nattissa  in  der  Nähe  des  fogenannten  Haufes  Panigai, 
zufammen  mit  Afchenurnen,  prachtvollen  Bernftein- 
Gegenftanden  und  den  folgenden  Infchriften  Nr.  33—35- 
Unedirt. 

C  -  ÄRIVS  •  >  -  L 
DIO-  V  -  F 
SIBI  •  ET 
ÄRIAE  -  >  •  L 
AMMIADI 
VXORI 


S* 


—     6o 


33.  Runde  Afchenurne  aus  Kalkftein,  f.  \v.  e. 
032  hoch,  037  Durchmeffer.  Oben  und  uvten  mit  Ver- 
tiefungen zum  Befeftigen  auf  einem  Poftamente  ver- 
fehen.  Die  oberfte  Zeile  vielfach  befchädigt.  Gefunden 
wie  Nr.  32.  Unedirt. 

///RTIA/ 
>  f    L    jl 
CRATAE 

[ossa  Te]rtia[ej  >    l(ibertae)  Cratae. 

34.  Schoner  Grabauffatz  in  der  in  Aquileja  häufig 
vorkommenden  Form  einer  geflochtenen  Cifta.  Vorn 
eine  tabula  ansata  mit  der  Infchrift.  Kalkftein  0'3I  hoch, 
0"42  Durchmeffer.  Gefunden  wie  Nr.  32.  Unedirt. 

D  •  M  •  S 

35.  Bruchfti.ick  eines  Eck-Cippus  aus  Kalkflein, 
f.  w.  e.  030  hoch,  031  breit,  0'I7  dick.  Gefunden  wie 
Nr.  32.  Unedirt. 


NIL 
N  ■  FR  •  P  •  XVI 
IN  •  AGP-LXXn 

Die  Zahl  LXXII  ift  auf  einer  tieferen  Stelle  ange- 
bracht. 

36 — 43.  Folgende  Infchriften,  früher  in  der  Samm- 
lung Cassis  wurden  etwa  am  Anfange  des  Jahrhun- 
derts in  die  Sammlung  des  Herrn  v.  Vicentini  in  Ronchi 
gebracht  und  dafelbft  in  eine  künftlich  aufgebaute  Ruine 
vertheilt.  Bei  Abtragung  derfelben  Ruine  find  diefe 
Infchriften  zufammen  mit  anderen  dafelbft  aufbewahr- 
ten Sculpturcn  und  Reliefs  im  September  1888  für  das 
k.  k.  Staats-Mufeum  in  Aquileja  erworben  worden. 
(Vgl.  Majolika,  Ausgrabungen  in  Ronchi  und  Aquileja, 
Arch.-epigr.  Mittheil,  aus  Ocfterreich.  Band  IV,  1S80, 
S.  86  ff.) 

36.  Vollkommen  erhaltene  Votiv-Ara  mit  Gefims 
und  Poftamente  aus  Kalkftein,  i  M.  hoch,  0-49  breit, 
0-41  dick.  Die  rechte  Seitenfliiche  mit  Opferfchale,  die 
linke  mit  reichverzierter  Opferkanne  gefchmückt.  Die 
innerhalb  einer  Randeinfaffung  enthaltene  Infchrift  im 
C.  V.  801  und  beim  Pais,  Nr.  66  cdirt.   Varia  leHio: 

Z.  5:  MVLCEDAtIA,  Z.  6:  GENtIlIBVS, 

Z.  7:  artorianIs. 

37.  Bruchftück  einer  kleinen  Votiv-Ara  aus  Mar- 
mor, r  w.  c.  028  hoch,  010  breit,  008  dick.  Die  linke 
Seite  mit  dem  Kopfe  eines  Pferdes  in  Relief  verziert. 
Mangelhaft  edirt.  Arch.  tr.  VI,  86  und  bei  Pais,  288. 
Vgl.  Arch.  tr.  XV.  In  zierlichen  kleinen  Buchftaben  ift 
die  Infchrift  angebracht. 


SOTIRA\ 
HECAT 

TCAESE 


■^- 


Ueber  T.  Caeseritius  Macedo  vgl.  C.  J.  L.  V.  865, 
866. 

38.  Ecktheil  eines  Poftamentes  eines  größeren 
Grabdenkmales,  oben  mit  reichgezierter  Einfaffung  ge- 
fchmückt und  mit  einer  großen  viereckigen  Vertiefung, 
Kalkftein,  f.  w.  e.  092  breit,  034  hoch,  062  dick. 
Edirt  C.  J.  L.  V.  1080.  Varia  letlio: 

Z.  3:  ERONI. 

39.  Grabplatte  aus  Kalkftein,  oben  mit  einfachem 
Giebelfelde  und  Eck-Akroterien  gefchmückt.  Die  In- 
fchrift innerhalb  einer  Randeinfaffung  o  98  hoch,  0'52 
breit,  o-i8  dick.  Die  Buchftaben  aus  dem  Anfange  des 
2.  Jahrhundertes  n.  Chr.  Edirt  C.  V.  1380  mit  verfchie- 
dener  Lesart: 

SIPHÄRAE 

ALVMNAE  Sic! 
QVAE  ■  VIX 

ANN ■ XX 
M  ■  V  •  D  ■  VII 

AVR- PAVLA 
POSVIT 

40.  GrabAra  mit  Afchenbehälter,  Gefims  und 
Poftament  vollkommen  erhalten.  Die  Infchrift  innerhalb 
einer  Randeinfaffung  0'83  hoch,  0'5i  breit,  032  dick. 
Kalkftein.  Die  Buchftaben  aus  dem  i.  Jahrhundert 
etwa  005 — 006  hoch.  Edirt  C.  V.  1409,  aber  etwas 
ungenau. 

dIs 
manibvs 
threptI 
annör-xvi 

41.  Viereckiger  Cippus  aus  Kalkftein,  034  hoch, 
0"225  breit,  022  dick  mit  Verzeichnis  von  6  iiinffistri, 
edirt  bei  P.  172. 

42.  Bruchftück  einer  Marmor-Platte  aus  früh- 
chriftlicher  Zeit,  f.  w.  e.  035  hoch,  032  breit,  0^04 
dick,  edirt  bei  P    193. 

43.  Bruchftück  einer  Grabplatte  aus  Marmor,  cdirt, 
Majonica,  arch.  epigr.  Mith.  IV,  1880,  S.  87. 

44.  Bruchftück  einer  großen  Grabplatte  aus  Kalk- 
ftein, f  w.  e.  0-59  hoch,  080  breit,  0-09  dick.  Auf  drei 
Seiten  die  urfprüngliche  Randeinfaffung  noch  vorhan- 
den, an  der  rechten  Seite  aber  abgebrochen.  Oben 
zwei  längliche  Vertiefungen,  die  Buchftaben  O'OÖ  und 
0'036  hoch  aus  der  heften  Kaiferzeit.  Die  Infchrift  ift 
fchwer  leferlich,  weil  allgemein  eradirt,  unfere  Lesart 
ift  nach  wiederholter  Prüfung  zufammengeftellt. 
Angeblich  in  iler  Localitift  „/lacc/iina"  zufammen  mit 
Nr.  45,  46,  47  und  48  gefinidcn..  lülirl  von  Grcgorutti 
a.  a.  O.  p.  388  n.  LXX'l. 

D  •  M  .  S  • 


SotirafeJ  Ilecatlaej  T.  Caesern[ius].  Die  Form 
Sotira  entfprechend  der  gricchifchen  n'jtxv.'^rj.  nnftatt 
der  lateinifchcn  sospita. 


T   ■    ALBIVS    ■   T   •    F   •    VEL 
RVFVS  •  mL  •  LEG  •  VllI  •  A^G 
AMPI  •  ITALA  ■  PRIMA  '// 
CONIVNX    VIVI    FECER 
L  •  'S  ABVDIAE  PRIMAE  MaTri 
L-E  AMPI  •  ITALAE  AVCTaE  MaTrP 


-     Gl     — 


Gregoruttis  Lesart  lautet: 

D     •     M     •     S 
T-ALBIVS    .    T    •    F    .VEl( 
RVFVS  •  VET  ■  LEG  •  ViT!  •  A^gI 
AMINI  A         •         PRIMA         j 

conivnx-vivi-fecer( 
et  ■  abvdiae  •  primae  •  matri  | 

ETAf'hJAE->LAVCTAE-MATRi\ 

45.  Oberer  Theil  einer  Grabplatte  aus  Kalkftein, 
oben  mit  Giebeifelde  und  Zwickeln  gefchmückt,  inner- 
halb des  Tympanon  eine  Rofette,  in  den  Zwickeln  je 
ein  Delphin,  unten  abgebrochen,  f.  \v.  e.  075  hoch, 
0'45  breit,  016  dick.  Unregelmäßige  Buchftaben.  Die 
Zeilen  2 — 5  auf  eradirtem  Grunde.  Unedirt. 

LOG  •  SEPV  • 
PONTIA 
AMATLA 
V  •  F  •  SIBI 
ET  •  SVIS. 

46.  Bruchftück  eines  Epiftyls  aus  Kalkftein,  f  w.  e. 
0-25  hoch,  0-44  breit,  020  dick,  die  Buchftaben  009 
hoch.  Unedirt. 


I  •  MAXI 


47.  Kleineres  Bruchftück   aus  Kalkftein.   Unedirt. 

W  •  PA  I 

48.  Oberer  Theil  einer  Grabplatte  aus  Kalkftein, 
f  w.  e.  oöi    hoch,  074  breit,  018    dick.   Altertluim- 
liche  007  hohe  Buchftaben.  Edirt  von  Gre 
p.  388,  n.  LXIX. 


■gornttia..  a.  O. 


SEX  ■  COMINIVS  ■ 
SEX  •  L  •  ATETMVS  • 

49.  Oberer  Theil  einer  Grab-Ara  mit  Afchcnbe- 
hälter  aus  Kalkftein,  f  w.  e.  0-43  hoch,  058  breit,  026 
dick,  das  Infchriftfeld  allein  0^23  hoch,  0^49  breit. 

Auf  der  oberften  Krönung,  welche  an  den  vier 
Kanten  mit  fchönen  Palmetten  in  Relief  gefchmückt 
ift,  befindet  fich  ein  auffteigender  Blattfchmuck  und 
auf  der  vordem  Seite  in  Hoch-Relief  ein  gebundenes 
Buch  und  eine  Rolle.  Das  Buch  ift  in  allen  Details 
fauber  ausgeführt,  es  zeigt  die  Seiten,  den  Rücken- 
einband und  den  Metallbefchlag  auf  der  Einbanddecke. 
Buch  und  Rolle  find  paffende  Attribute  des  Verftor- 
benen  Gefunden  in  der  Localität  y,bacchiiia'-\  auf  einem 
Grundftücke  des  Herrn  G.  Mastrella.  Die  fchönen 
Buchftaben  find  006  hoch.  Unedirt. 

EVRES  •  L  ■  IVNI 

GRATI   •  ACTOR 

_ANN  -  XXll. 

50.  Oberer  Theil  einer  Grabftelle  aus  Nabrefina- 
Stein,  f  w.  e.  I  M.  hoch,  075  breit,  0*09  dick,  gefun- 
den in  der  Localität  Beligua,  auf  dem  Grundftücke  des 
Herrn  J.  Come/li.  Schöne  große  Buchftaben  aus  der 
früheften  Kaiferzeit,  0"095 — 0'o6  hoch.  —  In  der  Mitte 
einer  halbkreisförmigen  Nifche  ein  hieratifch  ftylifirter 
Bacchus  -  Kopf ,    mit     zierlichen   Locken,    Kopf  binde 


vind  Epheukranz.  Zwei  fymmetrifch  auffteigende  Ran- 
ken mit  akanthus-artigen  Blättern  und  Weintrauben,  an 
deren  Ende  je  ein  Vogel  nach  rechts  und  links  nafchen, 
umrahmen  die  Nifche.  —  Edirt  von  K.  Fat/ch,  in  den 
archaologifch-epigraphifchen  Mittheilungen  aus  Oefter- 
reich  XV,  S.  loi,  2. 

L   ■    CAELIVS    •   G 
SCA  •  IFAESVLI 

mIles  ■  coH  •  vni 

VlX   •    ANN 

mIlit 


Im  Laufe  diefes  Verwaltungsjahres  wurden  außer- 
dem in  die  der  Stadtgemeinde  Aquileja  gehörige 
Abtheilung  des  k.  k.  Staats-Mufcums  noch  folgende 
Infchriften  überführt,  welche  theilweife  auf  dem  Platze 
vor  der  Domkirche  feit  langer  Zeit  aufbewahrt, 
theilweife  erft  in  neuefter  Zeit  gelegentlich  einer  von 
der  Gemeinde  felbft  mit  Unterftützung  des  Herrn 
Ed.  Prißer,  Correfpondenten  der  k.  k.  Central-Com- 
miffion  und  Groß-Grundbefitzer  in  St.  Egidio  bei 
Aquileja,  durchgeführten  fyftcmatifchen  Ausgrabung 
gefunden  wurden. 

51.  Sarkophagdeckel  aus  Kalkftein  von  dach- 
förmiger Geftalt;  zwifchen  den  nachgeahmten  mittleren 
Dachziegeln  die  Infchrift  C.  J.  L.  V.  1172. 

52.  Bruchftücke  der  vorderen  Seite  und  der  beiden 
mit  Reliefs  gefchmückten  Seitenflächen  eines  Sarko- 
phages,  welcher  von  Bertolt  in  dem  bekannten  Werke 
„Le  antichitä  di  Aquileja"  als  vollkommen  erhalten 
abgebildet,  fpäter  aber  zerfchlagen  und  vielfach  be- 
fchadigt  wurde.  Die  Infchrift  im  C.  V.  1131. 

53.  Bruchftück  einer Votiv-Ara  ausKalkftein,  f  w.e. 
0-65  hoch,  0-30  breit,  0-26  dick.  Gefunden  als  Bau- 
material verwendet  bei  einer  länglichen  Säulenhalle 
aus  fpäterer  Zeit,  welche  ungefähr  bei  der  mit  Nr.  i  5 
bezeichneten  Stelle  des  Kenner  {c\\<:\\  Planes  von 
Aciuileja  (Mitth.  der  k.  k.  Centr.-Comm.  X.  Bd.,  1865, 
Taf  iii)  durch  fyftematifche  Ausgrabungen  bloßgelegt 
wurde.  Die  hervorragenden  Theile  des  oberen  Gefimfes 
abgeftoßen,  unten  abgebrochen.  Unedirt. 

AESCVLAPIO 
AVG • SAG 
M-TERENTIVS 

54.  Bruchftück  einer  Votiv-Ara  aus  Kalkftein, 
f  w.  e.  0-68  hoch,  022  breit,  0-15  dick.  Unten  ift  ein 
Poftament  (0-32  breit,  o-2i  dick)  noch  erhalten,  ftatt 
deffen  fehlt  die  obere  Krönung.  Gefunden  auf  derfelben 
Stelle  bei  Zufchüttung  der  Ausgrabungen  und  erft  im 
Jahre  1890  ins  Mufeum  überführt.  Die  kleinen  zierlichen 
Buchftaben  aus  dem  2.  Jahrhundert  n.  Chr.  find  002 
hoch.  Unedirt. 


L-  PVBi> 
EVMELVS 
SEPTVEIA 
MELETINE 

V-S  •  L-M, 


—       62 


55-  Bruchflück  einer  Votiv-Ara  aus  Kalkflein, 
f.  w.  e.  052  hoch,  030  breit,  025  dick.  Oben  einige 
Spuren    der  Krönung.    Gefunden   wie    Nr.  54.    Kleine 

002  hohen  Buchftaben  aus   dem  Ende  des  2.  Jalirlum- 
derts.   Unedirt. 

Benem  lERITO  •  TIBE  •  SAN  <■/.• 

EI  I 

'/{OMINE  I 

INIVS 

Die  Widmung  in  Form  einer  Ausrufung  im  Voca- 
tiv,  etwa: 

[Benemjerito  tibi  sanc|te] .  .  .ei[d]omine. 

Vergl.   U'ilmans,  exempla  ijiscript.  Lat.  I,  39. 

56.  Bruchflück  des  unteren  Theiles  einer  Votiv- 
Ara  aus  Kalkflein,  f  w.  e.  0-35  hoch,  028  breit,  o-i8 
dick.  Von  dem  Poflamente  noch  deutliche  Spuren 
vorhanden,  der  obere  Theil  dagegen  abgebrochen. 
Gefunden   und    überführt  wie  Nr.   54.    Unregelmäßige 

003  —  0-05  hohe  Buchflaben  aus  dem  Ende  des  2.  Jahr- 
hunderts.   Unedirt. 


AED^ 
'GRATILLi" 

ANE 
V  •  S-L-M 

57.  Bruchflück  einer  Marmorplatte  mit  fchonen 
011  und  0'09  hohen  Buchftaben,  f  w.  e.  0'6o  hoch, 
10-25  breit,  OMO  dick.   Gefundeu  wie  Nr.  53.  Unedirt. 


58.  Bruchflück  einer  Marmor-Infchrift,  welche 
fpjiter  als  Säulen-Capitäl  bearbeitet  wurde,  f.  w.  e. 
015  hoch,  045  breit,  023  dick. 


Auf  dem  theil  weife  erhaltenen  runden  Rande 
Spuren  einer  Blatt-Verzierung.  Die  Infchrift  unedirt. 
Gefunden  wie  Nr.  53. 


59.  Marmor-Platte  oöi  hoch,  052  breit,  012  dick, 
mit  intereffanten  0-05  hohen  Buchftaben  in  Form  der 
Curfivfchrift,  etwa  aus  dem  3.  Jahrhundert  n.  Chr. 
Gefurden  wie  Nr.  53.    Unedirt. 

siicvnda  •  pontia 

l-i'  •  svis-  oi'siiqviis  -iit 

viao  -posvt  -ab-  cum 

invs  •  iit  •  tiirtia  •  soror 

Secunda  Pontia  L.  f.  suis  obseque(n)s  et  ßlfijo  postifijt. 
A.  B.  Geniimis  et  Tertia  soror. 

60.  Marmor-Platte  aus  chriftlicher  Zeit,  f.  w.  e. 
023  hoch,  030  breit,  0-03  dick.  Gefunden  wie  Nr.  53. 
Unedirt. 

VOCENTIS- lOANNIS  ■ 
II-  MENSIS  •  DVO  •  DIES- 
CE-III  •  IdVS- MARTI 

POST-CONSVLA/-! 

Spuren  der  Figur  VRNINO  ■        sie', 

eines  Adoranten.  CONTRA 

Die  Datirung  post  Consulatuni  kommt  fchon  am 
Anfange  des  4.  Jahrhundert  vor;  hier  könnte  man 
nach  den  Confuln  des  Jahres  383  n.  Chr.  ergänzen: 
post  consulatu(7ii)  Fl.  Saturnini  et  Fl.  Merohaudis. 

61.  Bruchflück  einer  Votiv-Ara  aus  Kalkflein  f  w.  e. 


in  pa 


0-42  hoch, 
Unedirt. 


0-09  breit,  O'ö/  dick,  gefunden  wie  Nr.  54 


(Fortfet/.ung  folgt.) 


Das  ehemalige  Ciftercienferftift  Welehrad  (Mähren). 

Aufgenommen  und  befcliriebcii  vom  .\rchitekten  l'rofc-ffor  Anguß  l'rolioJ\  U.  U.  Confervalor. 


(Mii 


;  M^.fel.) 


'=«ÜRD WESTLICH  von  Ungarifch-IIradifch  liegt 
in  einem  Thale  verfleckt  das  vor  700  Jahren 
gegründete  ehemalige  Ciftercienfer-Klofler 
Welehrad,  welches  derSage  nach  an  Stelle  derRefidenz 
der  Fürflen  des  ehemaligen  großmährifchen  Reiches 
erbaut  fein  foil.  Diefe  haben  wir  aber  gewiß  ander- 
wärts zu  fuchen,  nicht  in  fumpfiger  Niederung,  fondern 
wenn  fchon  bei  Welehrad  vielmehr  auf  gefchützter 
Höhe,  vielleicht  in  dem  uralten  durch  feine  natürliche 
Lage  beftgcfchützten  Buciilau,  oder  noch  viel  eher 
mehr  im  Centrum  des  Reiches,  oder  als  Griinzburg. 


Woiil  heißt  Welehrad  Veligrad,  Großburg;  auch 
befinden  fich  füdöfllich  vom  Kloflcr  auf  dem  daneben 
llehenden  Hiigel  die  Refle  einer  Bcfelligung  (hr.idek), 
deren  noch  14051'lrwähnung  gefchicht.  Auch  der  Name 
der  Stadt  Hradifch  bedeutet  befefligte  Stätte;  endlich 
liegt  zwifchen  Welehrad  und  1  Iradifch  der  Ort  Altrtadt; 
diefer  Name  läßt  darauf  fcjilicßcn,  dafs  das  Dorf  Alt- 
llatlt  .älter  als  I Iradifch  und  Welehrad  fei;  auch  heißt 
es  in  einer  Urkunde  Pfemysl  Otakar's  von  1228  bei 
der  Aufzählung  des  Welehrader  Befitzes:  vordem  .Stadt 
jetzt  Burgus  (Vorfladt);  ebenfo  geftattet  Kaifer  Sigis- 


MittMlungen  der  k.  k.  C.  Com.  1893. 


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p.3.  -tiCo 

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-     6^     - 


mund  dem  Stifte  Welehrad,  an  die  Stadt  Ilradifch  die 
fehr  verwartete  Vorlladt  oder  Alt-Hradifch  (Altftadt) 
abzutreten. ' 

Ueber  die  Lage  der  Burg  und  der  Refidenz  der 
das  großmahrifche  Reich  beherrfchenden  Mojimiriden 
und  über  den  Ort  des  erzbifchuflichen  Sitzes  unter 
Methud,  fowie  über  die  erfte AnfiedlungderW'elehradcr 
Ciftercienfer  gehen  die  Anflehten  überliaujit  weit  aus- 
einander.* 

Die  Anficht,  dafs  das  Klofter  Welehrad  an  Stelle 
der  ehemals  großmahrifchen  Refidenz  erbaut  wurde, 
ifi:  wohl  nicht  Itichhältig,  war  es  ja  den  Ciftercienfern 
durch  ihre  klöfterlichen  Regeln  fchon  verboten,  ihren 
Wohnfitz  in  Städten,  Dörfern,  auf  Burgen  oder  Schlöf- 
fern aufzufchlagen;  als  Culturbringer  und  ackerbau- 
treibende Mönche  hatten  fie  fich  in  unwirthlichen 
Gegenden  niederzulaffen  und  Wildniffe  zu  roden  und 
Ackerbau  zu  treiben;  ferner  vviffen  wir  auch,  dafs  die 
Welehrader  Mönche  ihre  urfprüngliche  Niederlaffung 
verließen;  hätten  fie  anfänglich  alfo  wirklich  die  Stätte 
der  ehemaligen  Fürften-Refidenz  aufgefucht,  fo  wäre 
dann  die  zweite  Niederlaffung, fomitdiejetztige  Klofter- 
kirche  unmöglich  an  der  Stelle  des  alten  Königsfitzes 
erbaut. 

Steht  alfo  Welehrad  auch  nicht  an  der  durch  den 
Fürften  Ratislav  denkwürdigen  und  durch  den  Erz- 
bifchof  Methud  geweihten  Stelle,  fo  bringt  die  Sage 
und  Volkstradition  doch  die  ganze  Gegend  und  fpe- 
ciell  Welehrad  mit  dem  Leben  und  Wirken  der  beiden 
Apoftelfürften  Cyrill  und  Methud  in  Verbindung  und 
erfcheint  Welehrad  daher  der  gläubigen  Menge  als 
eine  befonders  geweihte  heilige  Stätte.^ 

Stifter  des  im  Jahre  1190,  refpe6live  1201  ins  Leben 
gerufenen  Welehrader  Ciftercienfer-Klofters  war  der 
Markgraf  Vladislav  Heinrich,  der  Bruder  Kunig  Pfe- 
mysl  Otakar's,  welch  letzterer  diefe  Stiftung  in  einer 
Urkunde  des  Jahres  1202  betätigte. 

Ueber  Veranlaffung  Vladislav's  kamen  unter  dem 
Abte  Ticelin  Mönche  aus  dem  Klofter  Plaß  in  Böhmen 
in  die  Gegend  von  Welehrad  und  fchenkte  ihnen  der 
Markgraf  unter  anderem  auch   „200  Joch  Acker  und 

'  Grabuugen  in  Altftadt  dürften,  wenn  auch  keine  Baurefte,  da  man 
damals  (Milte  des  9.  Jahrhundert)  wohl  nicht  in  Stein  baute,  fo  doch  andere 
Zeugen  jener    Zeit,    wie   Münzen,    Bronze-tiesenftande    etc.    /u  Tage  fordein. 

-   IVoiny,   Kirchliche  Topoaraphie   von  M.ihren. 

Dr.  Diciiik,   Gefchichte   JMahrens,   1.   Band. 

('.    Brandl.  Welehrad    1860. 

Dr.   Diuiik,  Antwort  auf  /•'.   HraiuWs,    Welehrad.   iSf.o. 

l',  Brandt^   Entjj;egnun!,j  d.irauf  1860. 

Im  ..Sbornik   Velehradsky'   und  z\\ar  unter  anderen; 

Jan    Vychodil,  im  „Sbornik  Velehradsky".  Jahrgang  II.  S.  23. 

J.  D.  Stocck,  Das  St.  Jühann-Klofter  in  Mahren.   Öasopi-s   Oiom.    Nr.  30. 

Franz  Miklih,  Woraus  können  wir  fchliclien,  dafs  wir  auf  dem  Boden 
des  alten   Welehrad  ftehen.-   Casopis  Olom.  1890,8.26. 

B.  Sio<:ck,    i388.   Casopis   Olom.   1888,  S.   157. 

V.  H.    Vinor  Houdck,  Casopis  Olom.  S.  40. 

Chr.  NirJ'chiiit'iitzcl's,  Historia  Moraviac  tripartilac :  Cineres  Vclclira- 
denses. 

Hennanns  Archivum  Velehradense. 

^  Daraus  erklärt  fich  auch  der  heftige  Kampf  bezuglich  der  Richtigkeit 
der  einen  oder  der  anderen  Meiiuing;  die  nicht  unbedeutende  Literatur  über 
Welehrad  entfprang  in  vollftcr  und  wärmfter  Begeiftcrung  für  die  Sache  und 
auch  zumeift  aus  innerfter  UebcT'zeugung  der  Richtigkeit  der  verfochtenen 
Meinung  fowie  auch  in  dem  Beftreben,  zum  Ruhme  des  Vaterlandes  und  zur 
Ehre  der  eigenen  Nation  beizutragen.  Daraus  erklart  lieh  auch  dasBeftreben, 
bald  diefes  oder  jenes  Object,  diefen  oder  jenen  Ort  mit  den  beiden  Kirchen- 
fürflen  in  Verbindung  zu  bringen,  und  daraus  erklärt  lieh  auch  die  Thalfache, 
dafs  man  bald  da,  bald  dort  byzantinifche  KinflülTe,  cyrillifche  Kreu/e  und 
Kanzeln  zu  feheu  vermeint,  doch  diefes  mit  Unrecht;  Ungarn,  7velchcs  Mähren 
gegeniiiicr  zumciß /ricdtuh  war,  ßand  diesbezüglich  fogar  hindernd  und 
Jlorend  entgegen.  Ungarn  felbft.  welches  dem  byzantinifchen  Reiche  viel  näher 
lag  und  mit  demfelben  auch  in  fteter  Fühlung  ftand,  zeigte  auch  nur  fehr 
wenige  Spuren  diefes  füdlichen  Kinfluffes:  dagegen  finden  wir  in  der  unzwei- 
deutigften  Weife  dort,  wie  in  Böhmen  und  Mähren,  den  mächtigen  Einfluß  des 
Weftens  (f.  auch  Eiielberger  im  Jahrbuche  d.  k.  k.  Centr.-Conim.  I.  Bd.).  Um- 
foweniger  kann  es  daher  bei  Mahren  dci'  Fall  fein,  dafs  wir  auf  byzantinifche 
Baurefte  ftolien  ;  hier  in  Mahren  ift  der  Einfluß  von  Deutfchland  über  Böhmen 
her,  fpater  der  vom  Norden  und  noch  fpäter  jener  von  Oefterreich  zu  verfolgen. 


die  öde  vcrlaffene  dem  heil.  Johann  dem  Täufer  ge- 
weihte Kirche,"  welche  übjecie  er  von  den  Lcito- 
mifchlcr  Mönchen  für  diefen  Zweck  gekauft  hatte.' 

Als  fich  der  Ort  ihrer  Niederlaffung  als  ungünftig 
erwies,  follen  die  Ciftercienfer  im  Jahre  1201  von  ihrer  ur- 
fprün  glichen  Niederlaffung  nach  .St.  Johann  in  Welehrad 
uberfiedelt  fein ;  fie  follen  dafelbft  bereits  eine  große 
Kirche  vorgefunden  haben,  die  fich,  wie  man  anführt,  in 
den  erhaltenen  romanifchen  Reflen  noch  verfolgen 
läßt.  Man  will  dies  damit  beweifen,  dafs  diefe  Refte  auf 
eine  fünffchiffige  flachgcdeckte  Kirche,  welche  auch  eine 
Krypta  befeffen  hatte,  hinzeigen.  Da  nun,  meint  man, 
die  Cillercienfer  keine  fünffchiffigen  Kirchen  bauten, 
auch  die  erften  waren,  welche  den  Gewölbebau  culti- 
virten,  und  da  fie  weiters  auch  den  Bau  von  Krypten 
perhorrescirten,  fo  kann  diefe  urfprüngliche  Kirche 
nicht  von  den  Ciftercienfer  Mönchen  herrühren,  fondern 


o  Koslelan/ 


piUinaii/ 


lluslienoii) 


BntMaa' 


Uiig.Urad>s<ih 


Fig. 


wurde  felbe  von  ihnen  übernommen  und  wefentlich  um- 
geändert. Da  fich  die  Ciftercienfer  im  Jahre  1201  in 
Welehrad  anfiedelten,  fo  entflammt  fomit  die  von 
ihnen  vorgefundene  Kirche  zumindeft  dem  12.  Jahr- 
hunderte. 

Dafs  eine  große  Kirche  fchon  vor  Anfiedlung  der 
Ciftercienfer  in  Welehrad  beftanden,  will  man  auch  aus 
einzelnen  Notizen  und  fpitteren  handfcliriftlichen  Auf- 
zeichnungen folgern. 

Dafür  aber,  dafs  die  Kirche  uralt  gewefen,  fünf- 
fchiffig  und  flachgedeckt  war  und  eine  Krypta  befeffen, 
führt  man  als  Autorität  den  fürfterzbifchofl.  Ingenieur 
Meretta  und  auch  einzelne  Aeußerungen  anderer 
Sachverfländiger  an.  Mit  Schrift  und  Wort  trat  man  für 

'  IVolny,  lozS  fchenkte  Herzog  Bretiflav  1  der  von  ihm  geftiftetcn 
Probftei  /u  Spittlnau  einen  Theil  von  Welehrad  (Pevina?)  welcher  fich  nach 
der  im  Jahre  870  erfolgten  Zerftörung  durch  die  Ungarn  noch  erhalten  hatte; 
.luch  der  übrige  Theil  fiel  fpäter  diefer  Probftei  zu,  fo  dafs  diefelbe  X131 
das  ganze  (Vcligrad  Iota)  befal^.  mit  .\usnahme:  ^eines  Ho/es  mit  2oo  Joch 
.■\cker  und  einer  öden  St.  Johann  der  Tau/er. Kirche,-^  welche  Theile  EfetiHav 
dem  Klofter  zu  Leitomifchl  gefchenkt  hatte.  Diefe  'l'heile  alfo  hatte  Mark- 
graf Vladislav  von  dem  Leitoinifchler  Klofter  zu  dem  Zwecke  der  Stiftung  des 
Klofters  Welehrad  abgekauft. 

Als  erfte  Befitzungen  Welehrads  kommen  in  der  Beftätigungs-Urkundc 
l'femyfl  Otakars  vor:  die  obgenannte  Johanni-Capelle  (ehemals  au/  einem 
bewaldeten  Hügel  beim  Klofter)  mit  dem  Hofe,  dann  die  Dörfer  Borfchitz, 
ZIechov,  Hufchtienowitz  urd  Koftelan,  delTcn  Gränze  bis  zum  Wall  der  alten 
Stadt  reichte. 


-     64     - 


diefe  Sache  fodann  oft,  felbll:  in  fcharffinniger  Weife 
ein'  und  felbft  auch  in  den  Mittheilungen  der  k.  k.  Cen- 
tral-Commiffion  hat  diefe  Meinung  bereits  Eingang 
gefunden,  obwohl  feitens  der  Rcdaclion  der  Mitthei- 
lungen gegen  die  gezogenen  Sclilüße  wohl  fofort 
gerechte  Zweifel  erhoben  wurden. 

Als  man  Ende  Mai  1891  bei  Verputzarbeiten  des 
Kreuzganges  ein  altes  Portal  bloßlegte,  wurde  man  in 
den  erwähnten  Anflehten  nur  noch  mehr  beflärkt,  auch 
knüpfte  man  an  diefen  Fund  bezüglich  feines  Alters 
und  Zweckes  die  weitgehendften  Combinationen. 

Seitens  der  k.  k.  Central-Commiffion  erhielt  daher 
der  Gefertigte  die  telegraphifche  Aufforderung,  die 
Sache  zu  unterfuchen  und  darüber  baldigft  Bericht  zu 
erftatten.  Bei   dem  hohen  Intereffe,   welches  W'clehrad 


UTicla-mc 


ft  i>Tnc»Tiifi;lic  Rufte 
^       B&..(te-n     voT    )6ai- 
IM      a«Mten    TeU   (6Si  VerTchwu-nden- 
B       e>ctMten   ■nctcKii.'Zffii  cx.ufijüfiÜkrt', 
l'-ig.  2. 


Jahresfrift  hätten  erbauen  können;  man  müße  daher 
einen  Umbau  annehmen.  Diefer  Umbau  hätte  darin 
beftanden,  dafs  die  fünffchiffige  Kirche  in  eine  drei- 
fchiffige  verwandelt  wurde;  nur  die  fünf  Chorausbauten 
beließ  man;'  dann  wurde  die  Krypta  caffirt,  die  ganze 
Kirche  eingcwölbt,  der  große  achteckige  Thurm  über 
der  Virungskuppel  errichtet  etc.  Ifl  es  nun  möglich, 
dafs  die  Umgeftaltung  der  Kirche,  in  dem  Umfange, 
wie  man  hier  annimmt,  binnen  einem  Jahre  durch- 
geführt werden  konnte?  Wie  hätten  die  Ciftercienfer 
in  der  kurzen  Zeit  von  1201 — 1202  dies  alles  ausführen 
füllen  r 

Es  wird  weiter  angeführt,  dafs  beim  Baue  des 
großen  Central-Thurmes  die  Ciftercienfer,  um  dem  an 
der  Nordfeite  des  Kreuzfchiffes  auftretenden  Gewölbe- 
fchube  zu  begegnen,  dafelblT:  den 
mächtigen  Ouaderbogen  erbaueten.^ 
War  1202  von  einer  Kirche  in 
Welehrad  fchon  die  Rede,  fo  muß 
man  fich  erinnern,  dafs  man  fich  bei 
Klofter  -  Niederlaffungen  anfanglich 
nicht  feiten  hölzerner  Kirchen-  und 
Kloflergebäude  bediente,  brauchte 
man  doch  zu  den  definitiven  Bauten 
Jahrzehnte  und  Jahrhunderte;  auch 
wurden  Capellen  oder  das  etwa  fertig- 
geflellte  Presbyterium  für  den  Gottes- 
dicnft  benützt;  gewiß  ifl  man,  wenn 
man  nicht  annehmen  will,  dafs  die 
Mönche  die  in  der  Nähe  befindliche 
Johannis-Kirche  anfänglich  benützten, 
ähnlich  auch  hier  in  Welehrad  vor- 
gegangen.'' Es  fleht  nämlich  urkund- 
lich feft,  dafs  die  Klofterbauten  in 
Welehrad  felbft  noch  1238  nicht  fertig- 
geftellt  waren.  Fragen  wir  uns  aber, 
woher  man  überhaupt  wiffe,  dafs  die 
Welehradcr  Kirche  ehedem  eine  fünf- 
fchiffige flachgedcckte  Ikifilika  war 
luid  eine  Krypta  befeffen  habe? 

Man  ftützt  fich  einzig  und  allein 


auf  Aeußcrungcn  des   fürfterzbifchöf- 


für  Mähren  hat  und  auch  in  gcfchiclUlichcr,  archäolo- 
gifcher  und  kunftgefchichtlichcr  Beziehung  mit  Recht 
beanfprucht,  wurden  von  dem  Gefertigten  die  Unter- 
fuchungen  umfo  eingehender  gepflogen ,  als  fchon 
nach  einfacher  Berichtigung  des  Bauwerkes  die  oben 
erwähnten,  fo  vielfeitig  und  warm  verfoclitenen  An- 
führungen mit  dem  baulich  Vorhandenen  nicht  in  lün- 
klang  zu  bringen  waren. 

Zur  Begründung  der  Annahme,  dafs  die  Cifter- 
cienfer von  Welehrad  eine  fchon  beftchendc  Kirche 
benützt  und  diefe  nur  umgebaut  hätten,  führt  man 
unter  anderem  auch  an,  dafs  diefe  Mönche  doch  erft 
1201  ihre  erftc  Niederlaffung  verließen  und  fchon  1202 
von  ihrer  Kirche  in  Welehrad  die  Rede  fei;  es  wäre 
daher  unmöglich,  dafs  fie  diefes  in  feinem  Umfange 
noch    heute    beftimmbare    große    Gotteshaus    binnen 

'  Dr.  Xuprrl  Precrchltl,  MUCCXI.  J.  (XIII). 

Viaor  HouHrk,  iMUCCXVI  (37). 

Pat.  Vychoilit,  in  feinen  vcrrchiedcnen  Schriften  u.  a. 


ichen  Ingenieurs  Mcrctta ,  nach 
welchen  die  Kirche  fogar  aus  tiem 
lO.  (!!!!)  Jahrhunderte  ftammen  foll;  im 
Mauerwerke  wollte  er  ausgefpartc  Balkenauflager  und 
darin  noch  verkohlte  Balkenenden  gefehen  haben,  und 
durch  Grabungen  bei  der  Haupt-Abfide  fand  er  angeb- 
lich, dafs  unter  der  dermalen  bcftehcnden  (iruft  noch 
eine^ Krypta  beilanden  hatte.  J.  D.  Stocek  theilt  ferner 
in  Cafopis  1885,  S.  157  mit,  dafs  auch  Oberbaurath 
Bergmann  in  dem  Sinne  fich  ausgcfprochen  habe  „dafs 
der  Bau  der  Welehradcr  Kirche  mit  aller  Beftimmt- 
lieit  aus  der  Zeit  looo  nach  Chrifti  herrühre  und    dafs 


'  Uics  <;iitfprach,  bei  ftrciiKcr  AlifLlilicIUiiiK  ilt:r  Munclic  vun  »Ici  Außen 
weit,  auch  ihr'.-n  Kloftcrvorfchriftcn ;  fiir  die  mit  Vorliebe  gepIluKeiien  Einzein- 
anclaclucn  der  Moiiube  war  ciitfprccliendc  Vorforge  zu  trelTcn  ;  ganz  iilinlichc 
.Anlagen  wie  in  Welehra<i  linden  ficb  bei  den  Cillercicnfcr-Kirclien  in  Uroin- 
Iiach   (1154  — 1*74).   in   'rhcniienbach  (ii5(»)  et':. 

-  Auch  <licfen  Bogen  führt  man  auf  den  Unibau  durch  die  Ciftercienfer 
/uriick,  indem  bei  der  Ciftercienfer  -  Kirche  in  Corway  ein  gleiches  vorge- 
kommen fei. 

■•  Siehe  die  frühere  Fußnote,  wo  von  einer  auf  einem  bewaldeten  Hügel 
beim  Klofter  berindlic|j,en  Johannis  Capcllc  die  Rede  ift.  Anilcre  wieder,  fo 
/  H.  y.  O.  Sloi'-h  in  Casopis  1885  crwühnt,  dafs  „im  Umfang  des- heutigen 
Welehrad  llcfitzftarxies  füdbftlich  hinter  den  Kirchen- Ahfiden  eine,  urfprünglich 
hem  heil.  Johann  des  Evang.  geweihte  Kirche  beftanden  li.ibe,  welche  y/^/i-r 
.als  HibliotliTU  in  Verwendung  war,  ahidicb  wie  lirombach.  wo  an  t;li-ichtT  Stelle 
auch  eine  dem   heil.  Johann  dem   I*;vang.   geweihte  Capcllc   beftanden   hatte." 


-     6s     - 


auch  1885  Fat.  Lehner  (in  Prag)  das  von  Merctta 
Gefagte  beflätigt  habe." 

Nun  war  Ingenieur  Meretta,  deflen  anderweitige 
Verdienfte  fonft  nicht  gefclimälert  werden  follen,  falls 
er  diefe  Aeußcrungen  wirklich  gethan,  kein  gcfchulter 
Architekt  und  in  archäologifchen  Fragen  nicht  einmal 
ein  Dilettant;  bezüglich  der  angeführten  Acnßerungen 
des  Ober-Baurathes  Bergmann  aber  und  befonders 
jener  des  höchft  verdienftvollcn  P.  Lclincr  ift  man 
wohl  zu  der  Annahme  berechtigt,  dafs  fclbe  Welehrad 
nur  fehr  flüchtig  oder  vielleicht  gar  nicht  gefehen  und 
fich  bezüglich  der  gemachten  Aeußcrungen  einfach 
auf  das  von  Meretta  Gefagte  geftützt  haben. 

Obige  auf  die  Behauptungen  Meretta  i  aufgebau- 
ten und  publiciftifch  verbreiteten  Annahmen  und 
Hypothefen  find  aber  alle  hinfallig,  wenn  Meretta  Un- 
recht hatte,  und  er  war  im  Unrecht. 

Schon  eine  allgemeine  Orientirung  (Fig.  i)  zeigt, 
dafs  die  in  ihren  Reflen  noch  erkennbare  romanifche 
Kirche  ganz  und  gar  einheitlichen  Charakters  war; 
nirgends  find  Spuren  eines  4.  und  5.  Schiffes  oder  einer 
ehemaligen  Balkendecke  zu  bemerken;  trotzdem 
wurden  von  dem  Gefertigten  gründliche  Unterfuchun- 
gen  (Grabungen,  Maueraufbrüche  etc.)  vorgenommen, 
um  die  Unrichtigkeit  der  Behauptungen  Merettds 
jedermann  zu  er  weifen.' 


*  Die  erftcn  Unterfuchungen  und  die  Vermeffungeii  an  Ort  und  Stelle 
wurden  von  dem  Gefertigten  felbft  vorgenommen;  für  die  weiteren  zeitrau- 
benden Arbeiten   wurde   der  Lehrer  Franz    Mykiik  in  Allftadt  gewonnen,  der 


Uebcr  die  Unterfuchungs-Rcfultatc  wurden  vom 
Herrn  Mykiik  Zeichnungen  angefertigt,  alle  Maße 
hiebei  eingetragen,  und  wurde  fchließlich  über  das 
Ganze  ein  Protokoll  ausgeftellt,  welches  die  Anwefen- 
den  (f  Note  1)  fertigten. 

Schon  aus  der  Thatfache,  dafs  fich  an  der  Weft- 
mauer  des  Querfchiffcs  für  das  Dach  eines  fünften 
Schiffes  keine  Dachfchmiege  zeigt,  kann  man  fchließen, 
dafs  die  Kirche  nicht  fünffchiffig  war;  trotzdem  wurden 
längs  der  Mauer  des  nördlichen  Seitenfchiffes  (und 
zwar  in  einer  Entfernung  von  4  M.  von  diefer  Mauer) 
mehrere  Querfchächte  (N,  0),  von  2  M.  Länge  und  i  M. 
Breite  angelegt  und  bis  auf  den  gewachfenen  Grund 
getrieben,  ohne  dafs  fich  irgend  eine  Spur  einer  paral- 
lelen Längsmauer  zeigte;  nur  bei  der  nordwcftlichen 
Ecke  des  Querfchiffcs  kam  man  auf  eine  Mauer  und 
eine  nach  links  fich  abbiegende  Thürfchwelle.  Bis  zu 
einer  Tiefe  von  250  M.  beftand  der  Boden  durchwegs 
aus  angefchüttetem  Materiale. 

Auf  der  Südfeite  wurden  in  der  Entfernung  von 
4  M.  von  der  beftehenden  Seitenfchiffmauer  drei  der- 
lei Schächte  (p,  q,  q)  angelegt,  ohne  dafs  man  auf  irgend 
ein  Mauerwerk  traf;  dagegen  wurden  die  Fundamente 
des  gegenwärtigen  Kreuzganges  blosgelegt  und  ge- 
funden, dafs  felbe  über  einer  alten  romanifche  Grund- 
mauer auf  Pfeilern  und  Bogenfundirt  ifl. 

hiebei  von  dem  Redlor,    d.  S.  J.  Pater  Vostatek,    dem  Pat.    min.  Pold  und   dem 
Herrfchafts-Direi^or  Trnka  in   entgegenkommendfter   Weife    unterflützt  wurde. 

(Fortfetzung  folgt.) 


Notizen. 


I.  (Goldfeliuiiick  aus  Merezei  in  der  Bukowina.) 
\m  8.  Bande  der  Mittheilungen  der  k.  k.  Central- 
Commiffion  (Jahrgang  1882)  erftattete  der  nun  verdor- 
bene Confervator  v.  Gutter  in  Sereth  Bericht  über  einen 
bei  Hatna  gemachten  Goldfund.  Im  heurigen  Jahre 
(Anfangs  Juni  '1892)  fand  man  neuerdings  in  jener 
Gegend,  wie  bereits  Correfpondent  W.  Schmidt  aus 
Snczawa  notificirte  (sub  Nr.  50  der  Mittheilungen  1892) 
Goldgegenftände,  und  zwar  ein  Stück  mit  circa  50  fl. 
und  ein  zweites  mit  circa  10  fl.  reinem  Goldwerthe. 
Diefelben  wurden  bereits  durch  das  Bukowiner  Landes- 
Mufeum  angekauft  und  erfcheinen  fo  dem  Lande 
erhalten,  während  gewöhnlich  thunlichft  verheimlichte 
Funde,  Münzen  etc.,  befonders  aus  der  Gegend  von 
Suczawa,  durch  Zwifchenperfonen  an  Händler  nach 
Jaffy  und  Bukareft  gelangen. 

Von  Sereth  erftreckt  fich  nach  Süden  ein  Hoch- 
plateau, das  gegen  Suczawa  hin  in  ein  größtentheils 
bewaldetes,  durch  tiefe  Schluchten  zerriffenes  Hügel- 
land übergeht.  Den  bedeutendften  Terrain-Einfchnitt 
bildet  der  im  Hochplateau  entfpringende,  genau  füdlich 
gerichtete  Hatna-  oder  Merizei-Bach,  an  deffen  beiden 
Ufern  fich  an  feinem  Unterlaufe  die  langgeftreckten 
Orte  Merizei  und  Hatna,  letzteres  am  linksfeitigen 
Ufer,  befinden.  Im  Mittellauf  des  Baches,  etwas  ober- 
halb Merizei,  und  zwar  auf  dem  entgegengefetzten 
hoch  gelegenen  Ufer  liegt  der  Hügel  Zamezysz,  deflen 
Name  auf  ein  ehemaliges  fefbes  Lager  hindeutet  und 
auf  welchem,  nach  Mittheilung  des  Ingenieurs 
A.  Iffecescnl,  Spuren  von  Brandgräbern  bemerkbar  find. 

XIX.  N.  F. 


In  diefem  Bache  nun  wurden  nach  einem  Hochwaffer 
die  zwei  in  Rede  flehenden,  unten  in  Fig.  I  in  natür- 
licher Größe  abgebildeten  Goldgegenftände  von  einem 
Grundbefitzer  aus  Merizei  aufgefunden.  Die  Fund- 
ftellen  der  Stücke  kann  (oder  will  vielleicht)  der  Bauer 
nicht  mehr  angeben. 


Fig.    I.  (Merezei.' 


Das  größere  der  Stücke  befleht  aus  einem  maffiven 
Ringe,  an  welchen  drei  bewegliche,  ebenfalls  ganz 
aus  Gold  hergeflellte  Ringe  hängen,  die  oben  je  mit 
einem  angefügten,  mit  Almantinplättchen  ausgelegten 
Ornamente  verfehen  find,  an  der  Unterfeite  aber  zu 
einem  Haken  ausgehämmert  erfcheinen ,  der  fich  in 
einer  Entfernung  von  i'/^  Mm.   unter  dem    Ornament 

9 


—     66     — 


hinzieht.  In  diefen  Zwifchenraum  wurde  unftreitig  der 
Stoff  (feftes  Leder  r)  gefchoben,  auf  welchem  der 
Schmuck  —  wahrfcheinlicli  die  eine  Hälfte  einer  Spange 
bildend  —  mit  dem  in  der  Zeichnung  erfichtlichen 
neun  goldenen  durch  angefchmiedete  Oefen  gehende 
Nieten  befcftigt  war. 

Der  zweite,  ebenfalls  maffiv  in  Gold  gefchmiedete 
und  mit  Aimantin  (das  mittlere  Stück  knopfformig) 
ausgelegte  Schniuckgegenrtand  hat  an  feiner  Unter- 
feite einen  perlftabartigen  ausgefchnittenen,  rundherum 
laufenden  Golddraht  angelöthet  und  befitzt  in  der 
Mitte  einen  durch  die  Grundplatte  nach  abwärts 
reichenden,  5  Mm.  langen,  2  Mm.  ftarken  Silberftift. 

Die  befchricbenen  Schmuckgegenftände  find  im 
Charakter  und  der  Ausführung  ziemlich  ähnlich  und 
dürften  orientalifchen  Urfprungs  fein. 

Romsdorfer. 

2.  (R'ömifclw  Funde  in  St.  Polten.) 

Im  Juni  1892  wurde  hier  bei  Aushebung  eines 
neuen  Canallaufes  von  der  Militär-Unterrealfchule  her 
gegen  den  Promenade-Weg  am  alten  Stadtgraben, 
—  alfo  im  Nord-Werten  der  Stadt,  —  eine  röinifclie 
Grabflätte  entdeckt,  in  mehr  als  Metertiefe. 

Die  Arbeiter  lieferten  quadratifche  Ziegeln  von 
dem  bekannten  Umfange,  auch  längliche  mit  aufge- 
bogenem Rande,  Scherbenrefte  (darunter  folche  aus 
Terra  sigillata)  und  dergleichen  zu  Tage.  Man  ftieß  auf 
Todtengcbeine,  Scliädeln,  zu  deren  Seite  Urnchen 
fichtbar  wurden,  wovon  jedocli  nur  zwei  erhalten 
blieben  (^cines  circa  0"i6  Cm.  hoch,  ohne  Glafur,  an 
der  Halserweiterung  eine  reifartige  Verzierung;  das 
zweite  zeigt  grünliche  Glafur,  wie  dies  der  Periode  des 
K.  Marc.  Aurel  entfprechen  mag).  Bald  gerieth  man 
an  ein  beffer  verwahrtes,  mit  Dcckftcinen  gefchütztes 
Grab,  welches  einen  gemauerten  Trog  vorftcllt.  Die 
geringere  Ausdehnung  desfelben,  fowie  die  vorfind- 
iichen  Gebeine  und  Sonrt:iges  ließen  auf  die  Ruheftätte 
eines  Mädchens  fchließen.  Es  konnten  ein  intadles  iri- 
firendes  Balfamarium,  ein  ringsum  gekerbter  Armring 
aus  yir/rzt'rtr.?c/«  G/asßiiße  (0065  Dm.)  und  eine  Kupfer- 
münze von  Probus  herausgehoben  werden.  Der  Grab- 
trog felljft  wurde  behutfam  aus  der  Vertiefung  ge- 
braciit  und  ins  flädlifche  Magiftratsgebiiudc  überführt. 

Dafs  hier  herum  „ciaffifchc"  Fundftätten  beftehcn, 
ifl  aucli  aus  anderen  Ijerichten  nachweisbar;  beim 
Baue  der  oben  genannten  militärifchen  Erziehungs- 
Anflalt  kam  ja  auch  ein  römifches  Grab  und  eine  Gold- 
münze zum  Vorfchein  (1853);  Jahraus  und  jahrein  find 
diverfe  Münzfunde  zu  verzeichnen,  wie  denn  auch  das 
I)iöcefan-Mureum  bereits  100  Stücke  erwerben  konnte 
(Fundzeit  circa  18O0  —  1892;  l''undort:  St.  i'ülten  inid 
/wf/(/?i- Umgebung);  darunter  find  Raritäten  mindertens 
zweiten  Ranges.  Weitere  Nacligrabungen  jiart  an  der 
vorher  ijerülnten  Stelle  liaben  wenigrtens  vtjrliiufig  kein 
befriedigendes  Rcfultal  gehefcrt;  denn  die  zufällig  blos- 
gelegtcn  mcnfchiichen  Gebeine  brauchen  in  unferem 
Falle  nicht  gerade  immer  als  römi/che  zu  gelten,  unifo- 
weniger,  als  das  vor  etlichen  Jahren  abgetragene  ^^Rofa- 
lia-Kreti-iß'oikl^''  ein  I'ingcrzeig  fein  muß,  dafs  zu  l'efl- 
zeiten  auf  diefem  I'ianc  außer  der  Stadtgemarkung  ein 
Lciclienhof  angelegt  worden  fei. 

Namhaftes  Intercffe  muß  ein  neuerer  l'"und 
wecken,    der  am   14.   September  1892  in  der  liicfigen 


Kloftergaffe  gemacht  wurde;  es  handelt  fich  um  zwei 
große  römifclu:  Gedenk/leine.  A.  Der  bei  Dnellius 
(Excerpt.  geneal.  hift.  S.  303)  befchriebene  und  (ibidem 
S.  356)  abgebildete  Romerftein,  welcher  feit  langer 
Zeit  als  verfchoUen  galt  (f  Sacken,  Archäolog.  Wegw. 
V.  O.  W.  W.  S.  52)  und  feinerzeit  in  Hürm  gefunden 
worden  ift,  wurde  nun  wieder  aufgedeckt,  gleichfalls 
aus  Anlafs  von  Canalifirungs-Arbeiten.  Er  berteht  aus 
bläulichem  Granit  und  ilf  r57  M.  hoch,  074  M.  breit. 
Oben  erfcheinen  in  den  Ecken  die  Figuren  von 
Delphinen,  im  Flachgiebel-Felde  zwei  Tauben,  dann 
folgt  eine  Spirale.  Das  eigentliche  vertiefte,  quadra- 
tifch  umränderte  Infchriftfeld  ift  roi  M.  hoch,  0-49  M. 
breit.  Die  Buchftaben  (die  oberen  je  0'I3  M.,  die 
unteren  008  M.  hoch)  zeigen  den  edlen  correften 
Lapidar-St}-|,  und  folgende  Infchrift: 


=71 


M-NA- 

MMIO 

M'LIB 

SVRiON 

ANN'L 

VLP'SPER 

ATVS-MI 

CO-FEC 


Fig.   2,  (St.  l'ullen.) 

Bekanntlich  ift  auch  auf  dem  Karlßcitncr  Roiner- 
flein  (f  Sacken,  Archäolog.  Wegw.  V.  ü.  \V.  VV.  S.  57), 
derfelbe  Name  eines  Ulpius  Speratus  erfichtlich. 

B.  Der  zweite  Gedenkftein,  an  der  nämlichen  Stelle 
aufgefunden,  i.  e.  St.  Polten,  Kloftergaffe,  und  wie  fein 
Kamerad  als  Deckplatte  eines  Canaics  (!)  dienend,  — ift 
etwas  großer  (r6s  M.,  bezüglich  lammt  unteren  Zapfen 
185  M.  hoch,  0'9i  M.  breit)  und  im  Bogenfelde  mit  zwei 
l?ruftbildern  en  relief  (wohl  eine  mäinilichc  und  weib- 
liche Geftalt)  gefchmückt;  von  derlnfchrift  felbft  blieben 
blos  Iparliche  Kelle  erhalten: 


A  - 
TASS 
F 


DO 


-    6t    - 


Beide  Steine  wurden  durch  die  dankcnswerthe 
Mühewaltung  des  Herrn  Vice-Bürgermeifters  lirtl  vor- 
läufig in  den  Hof  des  Kathhaufes  gebracht. 

Fahrngrnbcr. 

3.  Confervator  Klau/er  hat  der  CentralCommif- 
fion  mitgethcilt,  dafs  am  Fuße  des  Hügels  Ruina  bei 
Sereth  beim  Anlegen  eines  Brunnenfchachtes  zwei 
Münzen  gefunden  wurden,  die  fodann  an  das  Landes- 
Mufeum  in  Czcrnoiuits  gelangten.  Es  ifl  zu  bemerken, 
dafs  auf  der  Plattform  des  Hügels  die  Grundmauern 
ehemaliger  Gebäude  noch  vorhanden  find. 

Die  eine  Münze  irt  eine  altrömifche  mit  dem  Bilde 
der  Roma,  die  zweite  eine  des  Kaifers  Antonimis  mit 
deffem  Bilde.  Die  durch  den  Fundort  intereffantcn 
Münzen  find  augcnfcheinlich  auf  dem  Handelswege, 
welcher  das  fchwarze  Meer  und  die  Donau  mit  der 
Oftfee  verband,  an  die  Fundftelle  gelangt.  Sie  gehören 
zu  einer  Gruppe  von  Fundmünzen,  welche  das  Bcftehen 
und  die  Richtung  dicfes  Weges  bezeichnen,  und  ift  da- 
her jede  neue  Oertlichkeit,  welche  durch  folchc  neue 
Funde  markirt  wird,  fehr  wichtig. 

4.  Confervator  Größer  hatte  fchon  im  vorigen 
Jahre  über  den  Fund  eines  Römerfteines  bei  der  foge- 
nannten  Mariciikenfche  in  MofeL,  Kärnten{{.  Notiz  Nr.  11, 
Jahrgang  d.  Mitth.  1891)  berichtet  und  der  Hoffnung 
Raum  gegeben,  dafs  die  Auffindung  von  Ergänzungs- 
ftücken  noch  wahrfcheinlich  ift.  Nun  hatte  fich  erge- 
ben, dafs  thatfächlich  ein  folches  Ergänzungslfück  ge- 
funden wurde.  Dazu  ilT:  gelber  Kalkflein  verwendet, 
0-55  M.  breit,  0-56  M.  lang  und  026  M.  hoch.  Ueber 
dem  regelmäßig  gegliederten  Gefimfe  erhebt  fich  eine 
blattgefchmückte  Krönung  mit  den  üblichen  vier  Eck- 
hörnern. An  der  unteren  Verbindungsfläche  fanden  fich 
zwei  Löcher,  diagonal  angebracht,  an  der  oberen  eine 
Verzapfung.  Ein  dabei  gefundener  fteinerner  Pinienapfel 
dürfte  zum  Monumente  gehören.  Als  eigentlicher  Grab- 
ftein  mit  Infchrift  hat  fich  jedoch  ein  fchon  bekannter 
Stein  in  Wicting  auf  Grund  genauer  Meffungen  ergeben, 
welcher  an  der  breiteren  Längsfläche  eine  Vertiefung 
in  Rechtecksform  zeigt,  die  wiederum  oblong  in  der 
Mitte  zu  einer  Steinverbindung  eingetieft  ift.  Die  drei- 
zeilige  fchr  abgenützte  LTfchrift  lautet: 

V  1 1 1 1 10 

d  I  I  I  I 
VITAHIS 

Die  fchmälere  linke  Seitenfläche  des  Steines  ifl;  durch 
eine  Blattleifle  vertieft,  während  die  zwei  anderen 
fchmucklos  rauh  erfcheinen.  Der  Stein  war  für  die  Auf- 
ftellung  mit  der  Rückfeite  an  die  Wand  beftimmt,  da- 
her an  der  vierten  Seite  auch  das  Gefims  nicht  ganz 
ausgeführt  erfcheint  Die  Fundftücke  find  im  Pfarrhofe 
zu  Guttaring,  beziehungsweife  Wieting  aufbewahrt. 

Das  Mitglied  der  Central-Commiffion  Reg.  Rath 
Dr.  Kenner  \\-a\X.  den  in  Wieting  gefundenen  I^ömerftein 
nicht  für  einen  Grabftein,  fondern  für  einen  Votiv-Altar, 
für  erfteren  ilt  die  hier  angewendete  Ara-Form  in 
unferen  Ländern  nicht  üblich.  Was  die  Deckplatte 
anbelangt,  fo  ift  felbe  bereits,  wie  erwähnt,  in  den 
Mittheilungen  befprochen. 

5.  Confervator  Prälat  Ad.  Dungel  hat  der  Central- 
Commiffion   mitgetheilt,  dafs  in  Rein  bei  Sl.  Leonliard 


am  Forfl  an  jener  Stelle,  wo  im  Jahre  1891  ein  Römer- 
Hein  gefunden  wurde,  Grabungen  vorgenommen 
wurden.  Das  Ergebnis  war  eine  beträchtliche  Menge 
Steine  mit  Mörtel-Ueberreften,  Thon  von  fchwarzen 
dicken  und  feineren  röthlichen  Gefäßen  und  ftark  ver- 
weste Knochentheile  in  einer  Tiefe  von  i  —  2  M.  Die 
Fundergebniffe  rechtfertigen  die  Anficht,  dafs  an  diefer 
Stelle  ein  römifchcs  Grab  beftand,  welches  fchon  vor 
Zeiten  unterfucht  und  der  zu  Bauzwecken  befonders 
geeigneten  Deckplatten  und  desinfchriftlleines  beraubt 
wurde.  Der  Römerllcin  ill  im  Haufe  des  Grundeigen- 
thümers  eingemauert. 

Bei  Etzan  nächft  Ritprechtshofen  wurde  ein  Tumu- 
lus  conftatirt,  auf  den  bereits  der  Correfpondent 
Fafcliing  aufmcrkfam  gemacht  hatte.  Er  hat  einen  Um- 
fang von  125  Schritten,  ift  circa  5  M.  hoch,  von  einem 
Bächlein  umfloffen,  noch  nicht  angegraben  und  hat  auf 
der  Plattform  circa  12  Schritte  im  Umfange.  Bei  dem- 
felben  finden  fich  fogenannte  Hausberg-Thongefäße. 

6.  Geftützt  auf  einige  Funde,  die  gelegentlich  der 
Rodung  einer  Hutweidefläche  auf  der  Parzelle 
,,Obesenea'-''  von  dem  Eigenthümer  Magajna  in  Rosice 
nächft  Materia  in  Iflrien  gemacht  wurden ;  ferner  ge- 
ftützt auf  Funde,  die  gelegentlich  meiner  Anwcfenheit 
im  Herbfte  des  Vorjahres  an  vorgenannter  Localität 
gemacht  wurden,  veranlaßten  mich  auch  heuer  (1892) 
einige  Probegrabungen  vorzunehmen,  deren  Ergebniffe 
ich  im  Folgenden  zufammenfaffe. 

Die  Grabungen  wurden  an  folgenden  Tagen  vorge- 
nommen: 

Am  8.  Auguft  und  am  darauffolgenden  9.  Auguft 
Vormittag,  am  12.  September  den  ganzen  Tag,  und  am 
11.  November  1892.  Zwifchen  den  Ortfchaften  Tublje 
und  Materia,  an  der  Fiumaner  Hauptllraße,  liegt  die 
kleine  Ortfchaft  Roiice.  Der  Fundplatz,  die  Parzelle 
„Obesenea,''  liegt  ungefähr  250  M.  füdlich  von  der 
Hauntn.raße  entfernt,  gegen  Süd,  hart  an  der  im  Volks- 
mundc  gelegenen  Landftraße,  genannt  Stara  cesta  =: 
Alte  Straße.  Sie  führt  hart  an  das  Gebirge  und  fcheint 
der  alte  Fahrweg  nach  Triefl  gewefen  zu  fein.  Der 
Eigenthümer  diefer  Parzelle  hat  einen  Theil  diefes 
Iteinigen  öden  Plateaus  in  Culturland  umgewandelt, 
bei  welcher  Gelegenheit  Brandfpurcn,  gefpaltene 
Knochen,  Urnenrefte,  Glas  und  eiferne  Geräthe  ge- 
funden wurden. 

Da  am  8.  Auguft  die  Erdäpfel  auf  dem  cultivirten 
Theile  nicht  abgegraben  waren,  ließ  ich  die  nächlte 
Umgebung  an  mehreren  Punkten  unterfuchen;  doch 
fanden  fich  nur  unbedeutende  Bruchftücke  von  Gefäßen 
und  Knochenrefle  vor.  Etwas  beffere  Funde  machte 
ich  am  12.  September  und  11.  November,  wo  die  eigent- 
liche Fundltätte  angetroffen  wurde.  Unter  einer  kaum 
15  —  20  Cm.  mächtigen  Culturfchichte  fchwarzer  Erde 
wurden  folgende  Gegenllände  gefunden: 

Aus  Thon:  Randitücke  von  dünnen  fchalenartigen 
Gefäßen  und  Bruchltücke  römifcher  Lampen,  Henkel- 
llücke aus  braun-  und  roth  gebranntem  Thon,  Dop- 
pelhenkel von  fehr  großen  Weinkrügen,  ein  Bruch- 
fl:ück  einer  Schale  aus  Terra  sigillata  und  ein  Bruch- 
Rück  eines  fchalenartigen  Gefäßes,  innen  und  außen 
roth  glafirt,  von  außen  mit  concentrifchen  Rippen  und 
Riefen  geziert.  Ein  Bodcnflück  eines  kleinen  Gefäßes 
aus    hellblau    grauem,    wahrfcheinlich    ungebrannten 


68     — 


Thon.  An  allen  Stücken  haftet  die  fchvvarze  Erde  fo 
innig,  dafs  mit  der  Entfernung  derfelben  die  äußerliche 
glatte  Glafur  verloren  geht. 

Aus  Glas:  Bruchftücke  großer  Glas-Urnen  aus  grü- 
nem, bläulichem  und  gelblichem  Glafe,  gefchmolzene 
Glasklumpen,  gerippte  oder  gekerbte  Randflücke  von 
großen  Glasgefäßen. 

Erwähnenswerth  ift  ein  dreikantiges  Glasftück,  das 
als  Verzierung  eines  Giasgefäßes  gedient  hat  und  im 
Umfange  desfelben  angeklebt  wurde. 

Aus  Glas  ein  Bruchftück  eines  bauchigen  Gefäßes, 
das  fowohl  innen  wie  außen  mit  in  das  Glas  vertieften 
Rillen  verziert  ift. 

Der  Rand  eines  Glasgefäßes  aus  grünem  Glafe 
mit  angebrachter  Kerb-Verzierung.  An  jener  Stelle, 
wo  Glasftücke  gefunden  wurden,  zeigten  fich  deutliche 
Brandfpuren,  das  Erdreich  gefchwärzt,  und  Kohlen- 
flückchen.  Das  Glas  fämmtlicher  Bruchftücke  zeigt  an 
der  Oberfläche  zahlreiche  Kritzer,  die  m.itunter  parallel 
angeordnet  find. 

Aus  Eifen  fanden  fich  vor,  meift  im  guten  Erhal- 
tungszuflande  ein  Meffer,  ein  Schafkelt,  ferner  Nägel 
von  verfchiedener  Form  und  Größe  bald  mit  gewölbtem 
bald  mit  flachem  Kopfe,  oft  von  einer  Länge  von  12  Cm., 
ferner  zwei  vierkantige  gefchmiedete  Stäbe  und  Bruch- 
llücke  von  Thür-Haspen  und  fonftigen  Eifenfachen. 

An  Münzen  aus  Bronze  im  mittelmäßigem  Erhal- 
tungszuflande  ein  Vefpafian,  im  Befitze  des  Galtwirthes 
von  Materia,  der  vom  Befitzer  des  Grundes  gefunden 
wurde,  ferner  eine  Münze  mit  dem  Bildnis  des  Kaifers 
Hadrianus,  fchöner  Kopf,  die  Reversfeite  trägt  eine 
Frauengeüalt  mit  S.  C.  und  einem  III.  Umfchrift  unlefer- 
lich.  Eine  dritte  Münze  aus  Bronze  zeigt  das  Bild  der 
Kaiferin  FAVSTINA  DIVA,  der  jüngeren  Gemahlin 
des  Marc  Aurel,  mit  fitzender  Frauengeftalt  auf  der 
Reversfeite.  Eine  vierte  Münze  zeigt  wieder  das  Bild 
der  FAVSTINA,  auf  der  Reversfeite  die  Umfchrift 
SECVRITAS  und  die  Frontfeite  eines  Denkmals  mit 
zwei  weiblichen  Figuren  und  S.  C.  Ein  Mngerring  aus 
Bronze. 

Unter  den  Münzen  der  Neuzeit  aus  Silber  ein 
Grofchen  aus  d.  J.  1709  mit  dem  Bildnis  des  Kaifers 
Jofeph  I.  Die  Reversfeite  zeigt  den  Reichsadler  mit 
dcm.l.  im  Mittelfelde  und  die  Umfchrift: 

ARCHIDVX'AVSTRIÄE  •  1709. 

Schließlich  fanden  fich  noch  Knochen  und  Zähne 
von  Hausthieren,  namentlich  vom  Rind,  Schaf  untl 
Schwein. 

Auf  demfelbcn  Felde,  wie  in  nächfter  Umgebung, 
fanden  ficli  auch  Bruchftücke  von  Fcuerdcin  und  Achat, 
namentlich  in  der  nördlich  gelegenen  Doline,  wo  der 
Befitzer  Erde  ausgehoben  hat,  desgleichen  auch  neben 
dem  auf  der  Parzelle  befindlichen  Waffertümpel,  der 
felbfl  bei  der  großen  Dürre  im  September  einiges 
Waffer  enthielt.  Sämmtliche  I""euerlteinfplitter  zeigen 
Spuren  von  Bearbeitung  oder  find  Abfallsfpäne;  einige 
von  diefen  zeigen  .Spuren  von  Schlagmarken  und  er- 
weifcn  fich  als  Zeugen  einer  vorgefchichtlichen  Anfied- 
lung,  welche  durch  die  nachherigen  Welterobercr  in 
Befitz  genommen  wurde.  Die  Bora,  jener  heftige  Nord- 
Oft-Sturm,  hat  auch  hier  flellenweife  das  Erdreich  und 
damit    die    Culturfchichte    weggeblafen    und    uns    nur 


wenige  Rudera  antiker  Cultur  an  gefchützteren  Stellen 
hinterlaffen. 

Nach  einer  Mittheilung  des  Vicars  Herrn  Anton 
Palior  dafelbft  ftieß  ein  Bauer  beim  Graben  unter  der 
Erde  auf  eine  große  behauene  Steinplatte  unter  der 
fich  thönerne  Gefchirre,  Schmuckgegenftände,  Münzen, 
Werkzeuge,  wie  Hacken,  Aexte,  Schaufeln,  Hufeifenetc- 
befanden.  Daneben  fand  fich  ein  Grab,  das  mit  einem 
flachen  Thonziegel  gedeckt  den  Leichenbrand  beher- 
bergte, darin  ein  Thränenfläfchen  mit  einer  Bronze- 
münze darinnen.  Einige  Münzen  von  der  Größe  unferer 
Vierkreuzer-Stücke  zeigten  das  Bild  des  Löwen  mit 
den  Buchftaben  S.  G.  Ein  Bauer  dafelbft  befitzt  noch 
jetzt  eine  Steinurne  mit  Deckel,  35  Cm.  hoch  und 
der  Durchmeffer  der  breiten  Aushöhlung  ift  29  Cm.  In 
diefer  Steinurne  fand  fich  eine  Glas-Urne  mit  Leichen- 
brand. Der  Pfarrer  befitzt  von  diefem  Funde  ein  fichel- 


förmig  gekrümmtes  P2ifenftück. 


Mofcr. 


7.  (Ein  Madonnenbild  der  altbolunifclien   Sciade.) 

In  meinen  kunfttopographifchen  Mittheilungen 
aus  den  fürftlich  Schwarzenbergilchen  Befitzungen  in 
Südböhmen  (Mittheilungen  der  Central-Commiffion  etc. 
1891  S.  37)  gedachte  ich  mit  kurzen  Worten  des  auf 
Holz  gemalten  Madonnenbildes  aus  der  fogenannten 
alt-bühmifchen  Schule  des  14.  Jahrhundeits  in  der 
Minoriten-Kirche  zu  Bohniifcli- Kruviau.  Das  Kunftwerk 
ift  in  der  Folge  zur  böhmifchen  Landesausftellung  nach 
Prag,  fowie  jüngfl  nach  Wien  gekommen,  und  es  wurde 
dadurch  möglich,  es  genauer  zu  unterfuchen,  als  es 
früher  bei  feinem  hohen  Standort  in  der  Kirche  möglich 
gewefen.  Die  Compofition  ift  die  traditionelle,  mit  der 
Halbfigur  der  Madonna  fammt  Kindlein  im  Bildfelde 
und  auf  dem  viereckigen  Rahmen  kleine  Figürchen  von 
den  Heiligen  Franciscus,  Ludovicus,  Bonaventura,  Anto- 
nius, Clara  auf  den  verticalen  LeilTen,  während  auf 
der  oberen  horizontalen  drei  kleine  Engelbüftchen  mit 
Spruchbändern  gemalt  find.  Den  Text  der  letzteren 
bilden  Verfe  des  marianifchen  Hymnus :  Regina  codi 
laetare;  auf  der  unteren  Lcifle  ficht  man  ilrei  Propheten- 
bruftbilder,  ebenfalls  mit  Sprüchen. 

Das  Gemälde  ift  auf  Holz  mit  Kreideüberzug  auf 
Goldgrund  gemalt,  ift  aber  ftark  übermalt,  roh  neu 
vergoldet,  hat  überhaupt  mannigfach  gelitten  und  ift 
fchon  vom  Haufe  aus  nur  eine  mittlere  Leiltung  jener 
Richtung  des  Trecento,  welche  man  gewohnlich  Bud- 
weifer  Schule  zu  nennen  pflegt. 

Bemerkenswerther  aber  ift  an  dem  Werke  ein  ge- 
fchichtlich  beachtenswerther  Umftanil.  Unter  der  einen 
Heiligengcftalt  find  zwei  Wapi)enfchilde  gemalt,  der 
eine  getheilt  in  Altungarn  und  Anjou,  der  andere  mit 
den  Emblemen  Neapels.  Hieraus  geht  hervor,  dafs  das 
Bild  mit  Königen  Ungarns  aus  dem  Haufe  Anjou- 
Neapel  zufammenhängen  dürfte,  wahrfcheinlich  alfo 
entweder  mit  Karl  Robert  (1309 — 1342),  odei-,  was 
mehr  für  fich  hätte,  mitdeffen  Sohn  Andreas  (1327 — 1345). 
Kunfthiftorifch  ergeben  fich  dabei  allerdings  fchwierig 
zu  beantwortende  I-'ragen.  lll  das  Gemiilde  von  einem 
füil-bohmifchen  Künitler  für  Ungarn  gemalt  worden.^ 
Wenn  dem  fo  fein  foUte  —  obwoiil  ein  Zufanimenhang 
der  füd-böhmifchen  .Schule  mit  jenen  Fürften  kaum  zu 
erklären  fein  dürfte  —  fo  könnte  fich  dagegen  wohl 
eine    Erklärung    dafiir   fuiden,    auf    welche   \Veife    das 


-     69 


Werk  aus  Ungarn  nach  Böhmen  zurückgekommen 
wäre,  indem  Sigismund  der  deutfche  Kaifer  und  König 
von  Böhmen,  welcher  aber  feit  1387  bis  zu  feinem  Tode 
1437  auch  über  Ungarn  geherrfcht  hat,  es  nach  feiner 
Heimat  gebracht  haben  könnte. 

Eine  andere  Frage  wäre  die:  Haben  ungarifche 
Könige  das  Bild  vielleicht  für  das  Klofter  in  Kruwau 
gefliftet?  Die  Annahme  fcheint  fehr  unwahrfcheinlich. 
Denn  abgefehen  davon,  dafs  wir  von  Beziehungen  der 
Anjou's  zu  Kriimaji  nichts  vviffen,  wurde  das  dortige 
Minoriten-Klofter  erft  1357  gelliftet,  das  mit  "demfelben 
vereinigt  gewefene  Clara-Klofter  daneben  er(t  1361.  Von 
den  beiden  genannten  Königen  Ungarns,  welche  hier 
in  Betracht  kommen  könnten,  ftarb  aber  der  jüngere 
fchon  1345.  Wir  müßen  es  Specialforfchern  des  Terri- 
toriums überlaffen,  ein  klareres  Licht  in  die  nicht  ganz 
unintereffante  Angelegenheit  zu  bringen. 

11^. 


8.  Confervator  Civil -Ingenieur  Pafclier  hat  der 
Central-Commiffion  über  die  Rellaurirungs-Arbeiten 
an  der  St.  Nicolaus-Kirche  zu  Eger  Mittheilung  ge- 
macht. Schon  vor  Jahren  war  durch  Baron  Scliniidi 
die  tiringende  Reftaurirungs-Bedürftigkeit  diefer  Kirche 
conftatirt  worden,  wie  denn  auch  bald  darauf  ein 
Reftaurirungs-Projeft  nach  den  Angaben  des  Eben- 
genannten durch  den  Architekten  Karl  R.  v.  Schlächter 
angefertigt  wurde.  Anfänglich  verfuchte  man  die 
Gewölbe  und  den  DachlUihl  zu  erhalten,  was  fich  aber 
bald  als  unmöglich  herausftellte.  Bevor  die  Demolirung 
der  Gewölbe  in  Angriff  genommen  wurde,  wurden 
diefelben  im  Hinblicke  auf  den  Beftand  von  etwaigen 
alten  Malereien  unterfucht.  Die  Mühe  war  nicht  ver- 
gebens. Man  fand  durch  3  bis  4  Kalktünchen  verdeckt 
folche  noch  vorhanden.  Mit  der  Abtragung  der  Ge- 
wölbe wurde  nunmehr  für  fo  lang  inne  gehalten,  bis 
die  Malereien  unterfucht  und  durch  Aufnahmen  der 
Nachwelt  erhalten  gemacht  waren.  Von  den  15  Joch- 
gewölben des  Langhaufes  waren  zwölf  bemalt,  auf  den 
drei  mittleren  konnte  keine  Spur  einer  Malerei  gefun- 
den werden ;  man  kann  mit  Sicherheit  annehmen,  dafs 
diefe  Gewölbe  fchon  einmal  ausgewechfelt  worden 
find.  Der  Bauzuftand  derfelben  war  ein  ganz  vorzüg- 
licher, auch  war  die  Qualität  des  Materials  eine  etwas 
beffere.  Der  genannte  Confervator  ließ  die  Malereien 
photographifch  aufnehmen.  Mit  Ausnahme  eines  einzi- 
gen zeigen  die  Bilder  auf  einen  tüchtigen  alten  Meifter; 
vortrefflich  Rylifirtes  Rankenwerk  und  Blumen  find  dar- 
geftellt  als  Umrahmung  von  biblifchen  Bildern  und 
folchen  aus  dem  Leiden  Chrifti,  Bilder  der  Evangeliften 
und  Propheten  etc.  (16.  Jahrhundert).  Unter  perfönlicher 
Leitung  des  Confervators  geht  das  Reflaurirungs-Werk' 


vor  fich.    Ende    i' 


werden    die    baulichen  Arbeiten 


abgefchloffen  fein;  für  das  bezeichnete  Jahr  erübrigt 
nur  die  Herftellung  des  Gewölbes,  des  Verputzes  und 
der  Fenfter.  Der  neue  Dachftuhl  fteht  bereits. 

9.  Confervator  Sclimoranz  hat  an  die  Central- 
Commiffion  über  die  Kirche  zu  Chotoun  bei  Böluiiifch- 
Brod  berichtet,  daraus  zu  entnehmen  ift,  dafs  die 
frühere  Pfarrkirche  erbaut  zu  Ehren  St.  Peter  und  Paul 
1384  bis  zum  Jahre  1816  beftand,  in  welchem  Jahre  fie 
wegen  Baufälligkeit  abgetragen  wurde.  Nur  der  Kirch- 


thurni  mit  den  Glocken  vom  Jahre  1664  [von  Nicola7ts 
Low,  Glockengießer  in  Prag)  find  als  Ueberrefte  ge- 
blieben. Jedenfalls  flammen  die  noch  jetzt  in  der  Kirche 
befindlichen  zwei  Bilder  aus  der  St.  Peter-  und  Paul- 
Kirche,  darunter  eines  St.  Peter  und  Paul  vorftellend, 
achteckig,  das  der  Schmuck  des  Haupt-Altares  war'. 
Das  Bild  gilt  in  der  Literatur  für  ein  Bild  des  Karl 
Skreta,  trägt  aber  unverkennbare  Anzeichen  des  Ent- 
ftehens  im  18.  Jahrhundert  an  fich.  Zwei  kleine  Bilder 
(St.  Maria  und  St.  Jofeph)  hingegen  können  wohl  eher 
diefem  Meider  zugefchrieben  werden,  obwohl  die  Mei- 
nung befleht,  dafs  das  Jofeph-Bild  von  Peter  Brandl 
flamm  e. 

10.  Confervator  Cl.  Ccrmak  hat  an  die  Central- 
Commiffion  berichtet,  dafs  er  in  der  Gemeinde-Ziegelei 
SU  Caslau  wieder  große  neolithifche  Gruben-Anfied- 
lungen  aufgefunden  hat.  Einige  diefer  Gruben  waren 
über  10  M.  breit  und  15  M.  tief  Außer  den  gewöhn- 
lichen großen  und  groben  Gefäßen  war  da  eine 
Unmaffe  von  mit  feinem  Strich-  und  Band-Ornament 
verfehenen  vom  mittleren  ncolithifchen  Typus.  Sehr 
hübfch  gefchlagene  Hornfiein-  und  Feuerfteinmeffer 
lagen  gewöhnlich  zwifchen  den  Scherben.  Zwei  präch- 
tige Amphibolith-Aexte  und  ein  gefprengtes  Ham- 
merbeil wurden  in  den  Gruben  entdeckt,  aber  keine 
metallenen  Werkzeuge.  Befonders  charakteriftifch  ift 
ein  irdener  Seiher  (Rauchgefäß.-)  ganz  von  derfelben 
Form,  wie  er  m  Leiigyel  von  IVoßnsky  gebunden  wurde. 
Li  einigen  Gruben  waren  ganze  Lagen  von  ausgebrann- 
tem Lehmbewurf  und  zwifchen  ihm  große  Mahlfteine 
und  Knochen  vom  Rind.  Von  wilden  Thieren  fand  man 
hier  bis  jetzt  nicht  ein  Stück  Knochen.  Die  große 
Anfiedelung  zählte  über  hundert  Grubenwohnungen 
und  dehnt  fich  weiter  gegen  Süden  aus. 

In  der  Ziegelei  in  der  Vorftadt  KoSeliih  bei  Caslau 
fand  der  genannte  Confervator  an  der  Fundftelle  des 
gefchweiften  Bechers  eine  ansa  lunata  und  einen  Ham- 
mer aus  Hirfchgevveih  mit  vierflächigem  glatt  ausge- 
fchnittenen  Loche.  Drei  ähnliche  Hämmer  grub  man 
auch  auf  dem  nahen  Hrädek  aus. 

^Die  heurigen  Forfchungen  (1892)  auf  dem  Hrädek 
in  Caslau  beftätigten  die  früheren  Anfichten  und  man 
konnte  ganz  deutlich  die  emporfleigende  Cultur  von 
der  Terramare-Zeit  in  die  Halllfätter  Periode,  dann 
den  Uebergang  zu  der  La  Tene-Periode,  zu  der  fich 
ohne  Abgränzung  die  ältere  flavifche  Burgwalltypus- 
Zeit  gefeilte,  erkennen.  Ober  diefem  lagen  noch  mäch- 
tige Schichten  des  jüngeren  Burgwalltypus  mit  einem 
Skelet  in  der  gewöhnlichen  Weft-Oft-Lage,  dabei  ein 
eifernes  Meffer.  Von  den  zwei  großen  Feuerherden  mit 
einer  Unmaffe  von  Afche  ftreckte  fich  der  nördlichlte 
durch  alle  Schichten  bis  zum  Felfen.  Daneben  wurde  in 
neuerer  Zeit  ein  Wafferbehälter  im  Durchmeffer  von 
15  M.  bis  zum  Felfen  angehauen;  denn  es  gingen 
Scherben  mit  Wellen-Ornament  bis  zum  Felfen.  In  der 
oberften  Schichte  fand  man  ein  Denar  des  Fürften 
Vladislav  II.  und  einen  durchgebohrten  Zahn  von 
einem  großen  Bären.  Bemerkenswerth  ift,  dafs  auch  in 
diefer  oberften  Schichte  viele  Bronzefchlacken  und 
ausgebrannte  Stücke  von  einem  Schmelzofen  lagen. 
Die  größte  Tiefe  der  Culturfchichten  betrug  3-8  M. 
In  der  unterften  Schichte  fand  man  nur  Knochen  der 
Hausthiere,    während  in  den    Zwifchenfchichten    fehr 


—     70     - 


viele   Gebeine   und   Geweihe  vom  Reh  u.  f.  und   vom 
Hirfchen  waren. 

In  Brosdiiek  bei  Melnik  an  der  Elbe  fand  man  zwei 
Menfchenfkelette  in  einer  uralten  Anfiedelung  aus  der 
mittleren  HalUtätter-Periode.  In  großen  Feuer-Herden 
und  Gruben  lagen  ganze,  aber  auch  zerfchlagene  gra- 
phitirte  Gefäße,  auch  ein  Doppelgefäß,  viele  beinerne 
Pfeilfpitzcn,  ein  hubfch  mit  Würfelaugen  ornamentirter 
Kamm.  Große  Mahlfteine  und  zerfchlagene  fteinerne 
Hämmer  gehörten  zu  dem  Inventarium  des  Ortes,  Hier 
fand  man  vor  Zeiten  auch  die  fchöne  bronzene  Schild- 
nadel, die'  das  Prager  Mufeum  ziert.  Alle  Sachen 
kamen  in  das  Bezirks-Mufeum  in  Melnik. 

II.  NordwcQlich  von  der  dem  heil.  Nicolaus 
geweihten  Filial-Kirche  zu  Vidic  bei  Ktätciibcrg  ftcht 
auf  dem  Friedhofe  ein  Glockenthurm  neueren  Datums, 
und  in  diefem  hängen  zwei  recht  intereffante  Glocken. 
Die  größere  mißt  bei  der  fchrägen  Höhe  von  65.  Cm. 
86.  Cm.  im  Durchmeffer  und  trägt  am  Hälfe  einen 
breiten  ornamentalen  Steifen,  in  welchem  nackte  ver- 
fchiedene  Inftramente  fpielende  Genien  zwifchen  Bäu- 
men dargeftellt  find.  Unter  diefem  Streifen  läuft  rings- 
herum ein  Kranz  aus  flylifirten  Akanthusblättern.  Der 
Mantel  ifl  voll  von  Relief  und  Infchriften.  Man  erblickt 
hier  zuerft  den  gekreuzigten  Heiland;  das  Kreuz  i(t 
flach  gehalten,  der  Korper  aber  frei,  plaflifch  modcllirt, 
gelblich-weiß,  die  Wunden  roth,  das  Lendentuch  und 
die  Krone  grün;  zu  beiden  Seiten  ift  folgende  Infchrift: 


KRISTVS  VM 

CHI 
A  WSTAL  Z  M 
OSPRA7/EDL 


RZELZAHRZI: 

NASSE 
RTWICH  PRO 
NIENI  NASSE 


Am  Fuße  des  Kreuzes,  das  mit  drei  Keilen  im 
Boden  bcfeftigt  erfchcint,  liegt  der  Todtenkopf  mit 
einer  Schlange,  im  Hintergründe  ift  eine  Landfchaft 
angedeutet,  im  Vordergrunde  flehen  zwei  Figuren. 
Diefelben  follen  Maria  und  Johannes  vorflellen,  es  ift 
aber  dabei  nur  eine,  nämlich  die  den  Jünger  Johannes 
darflellendc  Form  zweimal  benützt  worden,  und  die 
Darflellung  untcrfcheidct  fich  nur  durch  die  Farben; 
die  Köpfe  find  gelblich  weiß,  der  Anzug  ifl  aber  bei 
der  einen  Figur  ganz  grün,  bei  der  andern  i(l  das 
Untergewand  grün,  der  Mantel  zinnoberroth. 

Auf  der  anderen  Seite  fieht  man  den  heil.  Nicolau.s, 
eine  große  ernfte  Geflalt,  deren  Kopf  bis  in  den  orna- 
mentalen Kranz  hinreicht;  fein  Geficht  und  Pedum  find 
gelblich-weiß,  die  Mitra,  das  Buch  und  das  Velum  des 
Krummftabcs  grün,  das  Pluviaie  war  gelb.  Zu  beiden 
Seiten  des  Heiligen  ill  folgende  Legende  in  kleiner 
Lapidarfchrift: 


Leta  panie:  i.  5 
lan  gest  .  Zwon 
kchwalc  panu 
mu  .  skrze  tomasse 
Kuttnach  .  do 
zalozcni  swatc 


.9.9.  Slit  a  Vdio- 
tento  ke  czti  a 
Bohu  wssemohuczi- 
konwarze  nahorach 
Wsi  Widicz  kostclu 
ho  Mikulasse,  za  spra- 


wowani  wrozencho  pana  Martina  Wilhama  z  Wu- 
stanova  toho  czasu  Hcytmana  na  Malessowie 
Etwas  weiter  rechts  liest  man : 

MARTIN  WILHAM  Z  WV 

STANOWA 


und  darunter  erblickt  man  in  einem  edel  ausceführten 
Kranze  das  Wappen  Wilham's.  Im  rothen  Schilde  fleht 
eine  weiße  Figur,  die  Linke  auf  die  Hüfte  gelKitzt,  in 
der  erhobenen  Rechten  eine  heraldifche  Lilie  haltend; 
reiche  gelbliche  und  rothe  Helmdecken  umgeben  den 
Schild,  der  Helm,  an  welchem  fich  die  Halbfigur  als 
Schmuck  wiederholt,  trägt  grüne  und  rothe  Hörner. 

Links  von  der  Legende  ift  ein  Schildchen  mit 
einem  einköpfigen  Adler  und  über  dem  Schildchen  ein 
gekröntes  R;  noch  weiter  links  befindet  fich  die  In- 
fchrift : 

SWATI  MARTIN 

und  unter  derfelbcn  ein  den  heil.  Martin  darfteilendes 
Relief  Das  Pferd  ift  weiß,  die  Rüftung,  die  Stiefel  und 
der  Bart  des  Heiligen  find  fchwarz,  der  Mantel  roth, 
als  Kopfbedeckung  trägt  er  eine  rothe  mit  Pelz  ver- 
brämte Mütze.    Der  Körper    des  Bettlers    ift    g-elblich 


weiß,  die  wenigen  Kleider  find  grün; 


im  Hintergrunde 


fieht  man  in  der  Landfchaft  eine  Stadt  mit  Mauern 
und  Thürmen.  Im  Kranze  lauft  ein  9  Cm.  breites  Blatt- 
Ornament,  welches  von  den  Figuren  hie  und  da 
unterbrochen  wird. 

Die  Farben  find  Email- Schichten,  welche  auf  die 
fertige,  vielleicht  zum  zweitenmal  erhitzte  Glocke  auf- 
getragen wurden,  wie  einige  auf  die  glatte  Glocken- 
flache  gefallene  Tropfen  beweifen.  Die  gelblich-weiße 
Farbe  ift  von  dem  ziemlich  glatten  Grunde  theils  abge- 
fprungen,  theils  von  Schmutz  faft  unkenntlich  gemacht; 
dagegen  hat  fich  die  zinnoberrothe  gut  erhalten,  das 
Grüne  ift  durch  eine  künftlichc  O.xydation  erzielt 
worden.  Außer  den  angeführten  plaftifch  behandelten 
Infchriften  liest  man  auf  der  Glocke  noch  folgende  im 
goldgelben  Tone  auf  dem  Metall  gefchriebene  Namen: 


Daniel  .  krczmai^z 
Ssimaczek  .  richtarz 


Ssima   .  antoss  . 
toho  czasu  kostelniczi 


Von  dem  Meifter  Thomas,  welcher  der  berühmten 
Gießerfamilie  der  Klabal  in  Knttenbci-<r  entftammte, 
findet  man  im  Caslauer  Krcife  fehr  viele  zwifchen  den 
Jahren  1557  —  i^oi  gegoffene  Glocken,  welche  durch 
elegante  Renaiffance  -  Ornamente,  Reliefs  und  weit- 
läufige Infchriften  fich  auszeichnen.  Die  Vidiccr  Glocke 
i(l  freilich  mit  ihrer  Farben-Ausllattung  ein  Unicum, 
und  es  war  ein  folches  Experiment  nur  in  Kuttenberg, 
wo  bei  der  Hüttenarbeit  vcrfchiedene  Schmelzproceffc 
erprobt  werden  konnten,  und  wo  dam;ds  auch  die 
Töpfer  wunderfchöne  Glafuren  in  reicher  Farbcnfcala 
zuzubereiten  wußten,  möglich. 

Die  zweite  Glocke  ift  ein  Werk  des  berühmten 
Kuttenberger  Gießers  Andreas P/acek;  diefelbeift  61  Cm. 
hoch,  hat  80  Cm.  im  Durchmeffer  und  trägt  am  Hälfe 
folgende  Minuskelinfchrift :  Anno  domini  m  c  c  c  c  1  x  X 
X  I  X  hec  campana  fufa  eft  ad  honorem  dei  per  magift- 
rum  andream  paczk  .  (sie!),  fonit  ift  fie  außer  den  ge- 
wöhnlichen Zierleiften  ganz  glatt.  Trotz  dem  hohen 
Alter  ill  die  Oberflläche  nur  fchwach  oxydirt  und  der 
Kranz  fehr  wenig  ausgefchlagen;  vorzügliches  Metall, 
fchöne  Form,  angenehmen  Klang,  aber  wenig  Orna- 
mente findet  man  an  allen  Werken  diefcs  Meifters. 

Confervator  Jof.  Branis. 

1 2.  (Das  Schloß  Juval.) 

Wer  etwa  an  einem  fonnigcn  Nachmittage  über 
die  warmen    Lehnen    oberhalb    der  Schnalfcr  Brücke 


71 


zur  altelirwiirdigen  und  ftolz  thronenden  Vcfle  Jnval 
liinauflleigen  will,  der  müge  vviffcn.dafs  die  Bellchtigung 
des  Innern  diefer  Burgruine  bei  den  gegenwärtigen 
Verhältniffen  nicht  mehr  Jedermanns  Sache  fein  kann; 
denn  das  Schloß  mit  feiner  weitgebietenden  Ausficht  ift 
feit  kurzem  auf  feiner  hohen,  in  fenkrechten  Wanden 
abftürzendcn  ichmalen  Felfenterraffe  völlig  unnahbar 
geworden.  Nur  durch  ein  halb  \'erfchüttetes  Hinter- 
pförtchen des  älteren  Theiles,  auf  fchliipferigem, 
fchmalen  und  fchwindeligen  Felfenfteig  find  deffen 
Hofräume  und  Verließe  noch  zugänglich  (vgl.  Grund- 
riß: Mittheilungen  n.  Y.  1890,  S.  141  2).  Der  fcharfe 
Zahn  der  Zeit  bezwingt  endlich  auch  dicfe  kühnfte 
Burg  des  unteren  Vinftgaues  und  weiht  fie  bald  dem 
völligen  Untergange.  Außer  der  Erinnerung  an  unftei  b- 
liche  Herrlichkeit  wird,  wie  es  den  Anfchein  hat,  an 
diefer  Stätte  in  nächfter  Zukunft  nichts  mehr  übrig 
bleiben  als  die  entzückende  Fernficlit  nach  allen  Seiten 
hin  und  der  fchaudernde  Blick  hinunter  in  die  romaii- 
tifche  Untiefe  derFelfenthore  des  allbekannten  Schnal- 
fer  Thaies,  deffen  Wacht  Juval  feit  Jahrhunderten  ver- 
fchcn  hat.  Blickte  man  feit  mehreren  Jahrzehnten  faft: 
nur  mehr  durch  öde  Fenfter  ins  Firmament,  fo  fmd  nun 
vollends  in  der  Mitte  der  letzten  Woche  des  06lobers 
um  II  Uhr  vormittags  drei  Räume  bis  auf  eine  Haupt- 
mauer und  auf  BruchÜücke  von  Ouermauern  mit  ihren 
Fresken  und  Infchriften  in  edehl:er  Früh-Renaiffance 
durch  einen  AbRurz  theils  blosgelegt,  theils  zertrüm- 
mert worden  und  die  Stücke  bemalter  Wände  können 
als  letzte  Erinnerungen  an  vateilandifche  Profanmalerei 
aus  dem  Beginn  des  16.  Jahrhunderts  zufammengefucht 
werden.  An  der  Südweftfeite  ift  nämUch  eine  mächtige 
Mauerwand,  die  über  dem  alten  Aufgang  zum  Schloße 
oben  auf  dem  Felfen  fich  erhob,  endlich  abgeftürzt, 
eine  ganze  Muhr  von  Mauertrümmern  hinter  fich  laf- 
fend,  und  hat  den  alten  AufQieg  zerriffen  und  verfchüt- 
tet,  zugleich  auch  den  Terraffeboden  des  oberen  Ge- 
maches aufgebrochen.  Die  Kemmenaten  und  Schlaf- 
gemächer der  edlen  Schloßherren  find  nun  gänzlich 
den  zerftörenden  Witterungsunbilden  preisgegeben  und 
fchimmern  im  Abendglanze  in  buntefter  Farbenpracht 
dem  baldigen  Untergange  unrettbar  entgegen.  Die 
Sockel-Medaillons:  Mofes,  Jofua,  Gedeon,  Kain  und 
Abel,  Samuel  und  Tharaf,  die  früchtebeladenen  Guir- 
landen  und  Feftons,  die  arabeskenartigen  mit  Putten 
und  Köpfen,  mythologifchen  und  klaffifchen  Helden 
verflochtenen  Laubwerke  der  Wände  und  die  mit  Lor- 
beer bekränzten  Häupter,  die  Infchriften  auf  Thür-  und 
Fenftergefims-AIalerei,  alle  find  dem  ficlierften  Unter- 
gange geweiht,  wenn  nicht  eine  berufene  Hand  wenig- 
ftens  nach  Thunliclikeit  noch  zu  copiren  verfucht, 
welcher  Mühewaltung  alle  diefe  letzten  Reftc  höchft 
würdig  wären. 

Atz. 

13.  In  der  berührriten  Teinkirche  zu  Prag  ift  das 
Monument  des  Aftronomen  Tyclio  de  Brake  aufgeftellt. 
Die  Abbildung  in  Fig.  3  veranfchaulicht  die  Geltaltung 
desfelben.  Es  ift  eine  rothmarmorene  Platte,  einge- 
rahmt von  einem  fchmalen  Infchriftrahmen  und  zeigt 
im  vertieften  Bildfelde  die  aufrecht  ftehende  und  vor- 
wärts gewendete  Geftalt  eines  Mannes,  angethan  mit 
einer  vollll:ändigen,  im  Charakter  des  16.  Jahrhunderts 
beliandelten    und  verzierten    Rüftung,   mit   der  Linken 


den  mächtigen  Schwertgriff  haltend  und  die  Rechte 
auf  einem  Globus,  der  auf  einem  neben  der  Figur 
ftehenden  araartigen  Poftament  aufgeftellt  ift,  aufge- 
ftützt.  Auf  der  Bruft  hängt  dem  Ritter  über  dem  Cüraß 
eine  breite  gegliederte  Ehrenkette,  daran  ein  Kleinod. 
Das  Haupt  ift  unbedeckt  und  beim  Hälfe  tritt  eine 
üppige  Kraufe  aus  dem  Harnifch  heraus;  Helm  und 
gefchobene  Handfchuhe  liegen  links  zu  Füßen  der  Figur. 
Das  derbknochige  Antlitz  zeigt  einen  bejahrten  Mann 
mit  Schnurrbart  und  Kinnbart  und  eine  von  der  Stirn 


'iNr'O  DoiWTTPCTdieXäBI 


Fig.  3-   (Prag.) 

ziemlich  weit  über  den  Kopf  zurückreichende  Glatze. 
Die  Figur  fteht  unter  einem  baldachinartig  aufge- 
zogenem Vorhang.  Das  zweimal  behelmte  Wappen  ziert 
die  Vorderfeite  der  Ära. 

Die  am  Rande  der  Platte  umlaufend  angebrachte 
Infchrift  lautet: 

Anno  Douiini  M.DC.I.  die  XXIV  Oaobris  |  obiit 
ilustris  et  generosus  Dnus  Tycho  j  Bralie  Dnus  in 
Kund  I  strup  Xc  praeses  Uraniburgi  Xc  Sacrae 
caesareae  |  majestatis  consiliarius.  Cujus  ossa  hie 
requicscunt. 

Infchrift  des  Epitaphium  oberhalb  des  GrabftciTies- 


—      72 


Esse  potius  quam  haben'. 

Illustris  et  generosus  dnus  Tycho  Brahc  Danus, 
Dnus  in  Kundstrup,  arcis  Uraniburgi  in  insula  Hel- 
Icsponti  Danici  Huenna  Fundator,  instrumentorum 
astronomicorum,  qualia  nee  ante  sol  vidit,  ingeniosis- 
simus  idemquc  liberalissimus  inventor  et  exstrudlor, 
antiquissima  nobilitate  clarus,  sua  auflior.  animo, 
quaecunque  coelo  continentur,  isnmortali  gloria  com- 
plexiis.  Astronomorum  omnis  saeculi  longe  princeps 
totius  orbis  coininodo  sumptibus  imniensis  exaftissi- 
mas  intra  minuta  minutorumque  partes  triginta  amplius 
annorum  observationes  mundo  primus  intulit.  Affixasi- 
dera  intra  minutum  ejusque  semissem  restituit.  Hippar- 
chi  solius  ab  orbe  condito  vel  Diis  improbos  in  oftava 
duntaxat  gradus  parte  conatus  longissime  antegiessus, 
utriusque  luminaris  cursum  exquisite  restauravit,  pro 
reliquis  erraticis  solidissima  tabularum  Rudolphearum 
fundamenta  jecit,  mathematicarum  peritis  inveteratam 
Aristotelis  et  asseclarum  doclrinam  de  sublunari 
cometarum  novorumque  siderum  situ  demonstrationi- 
bus  inviclis  exemit,  novarum  liypothesium  author,  in 
Sagyricis  et  universa  Phiiosophia  admirandus.  Evoca- 
tus  ab  invictissimo  Rom.  Imperatore  Rudolpho  II.  do. 
mirae  doclrinae  et  candoris  exempla  dedit.  Ne  vixisse 
fiustra  vidisse  videretur,  immortaiitatem  etiam  apud 
antipodas  scriptorum  perennitate  sibi  comparavit 
planeque  qualis  esse,  quam  haberi  maluit:  nunc  vita 
funclus  aeternum  vivit.  Ejus  exuvias  uxorisque  triennio 
post  defunftae,  haeredes  liberi  sacro  hoc  loco  compo- 
.suerunt.  Obiit  quarto  Calcnd.  Novemb.  Anni  Clnirtiani 
Dionysiaci  MüCI.  Aetatis  suae  LV. 
Non  fasces  nee  opes 
Sola  artis  sceptra  perenn. 

Tyclio  de  Brake,  einer  der  berülimtcftcn  Aftro- 
nomen,  geboren  14.  Deccmber  1546  zu  Knndßnip, 
Danemark,  f  (obiit  quarto  calend.  1601)  24.  Oftober 
1601,  ftudirte  auf  den  Univerfitiiten  zu  Kopenhagen  und 
Leipzig,  wendete  ficli  anfänglich  der  Rechtswiffenfchaft 
zu,  begann  aber  fclion  1560  mit  erfolgreichen  aftro- 
nomifchen  Beobachtungen;  von  1565  an,  als  Herr  eines 
bedeutenden  Vermügen.s,  widmete  er  fich  ganz  der 
Agronomie  und  wurde  vom  Konig  Chriflian  II.  von 
Danemark  in  feinen  wiffenfchafllichen  Beftrebungen 
kraftigfl  unterftützt.  Da  ihm  deffen  Naclifolger  nicht  die 
gleiche  Gefinnung  entgegenbrachte,  folgte  er  1599 
einem  Rufe  Kaifer  Rudolph  II.  und  überfiedelte  nach 
I'rag.  Derfelbe  bewilligte  ihm  einen  anfehnlichen  Jalues- 
gehalt,  fchenkte  ihm  das  Schloß  Bcnak,  doch  fchlug 
Brake  km  Domicil  in  Trag  felbd  auf  Bei  feinen  Arbei- 
ten unterflützte  ihn  fein  Nachfolger  Kepler.  Bra/ie 
lieirathete  im  Jahre  1573  eine  Bauerntochter  aus  feinem 
Geburtsorte  Ktindßrup.  Er  befaß  die  kleine  Infel  Ifvecii 
am  Sande  al.s  Lehen  und  ein  Schloß  mit  Laboratorium  in 
Marienburg.  Er  flarb  55  Jahre  all  am  24.  Odober  1601. 

14.  (Das  Renaiffance-Grabinal  der  Gräfin  liarbara 
Tarno'wfka  in  der  Duinhirche  von  Tarmnv.) 

Die  Stadt  'Jarrnkv  in  WeJIgalizien  war  feit  Mittel- 
alter Sitz  beriihmter  und  machtiger  polnifcher  Adcls- 
gcfclilechtcr,  welche  ihr  Andenken  durch  eine  Reihe 
kunftvoller  praclitiger  Grabmonumente  in  der  alten 
gotiiifchen  Domkirche  '  vonTarndw  verherrlicht  haben. 

'  Vgl.  Vinor  Mnkarewi.z.  I)ic  golliifclicn  Chorijcftiilili:  il.r  K.ithcclralc 
in  Tarnow  (Millh.  d.  Centr.-Comin.  Jahrg.  1875  und  „Cicwcrbchallc"  Slutlgart. 


Zu  den  zwar  kleineren  aber  kunfthiftorifch  wichtig- 
flen  und  fchonften  Grabdenkmalen  der  erwähnten 
Domkirche  gehört  das  Grabmal  der  Gräfin  Barbara 
Tarnowfka,  geborenen  Tenczynfka  (f  1521)  der  Gattin 
des  berühmten  General-Oberbefehlshabers  (Hetman 
wiclki  koroiiny)  der  polnifchen  Streitkräfte;  Grafen 
Johann  Tarnown<i  f  1561. 

Diefes  Denkmal  im  edlen  Styl  der  italienifchen 
Hoch-Renaiffance  erbaut,*  befindet  fich  an  der  Weft- 
wand  des  füdlichen  Seitenfchiffes  der  orientirten  Kirche. 
Das  Monument  ift  auf  Confolen,  welche  mittclft  Akan- 
thusblättern  in  Flach-Relief  gefchmückt  find,  an  die 
Wand  angerückt.^  Unmittelbar  auf  den  Confolen  ruhet 
eine  Art  fchön  profilirten  Gebälks,  an  dem  die  Halb- 
faulen  (gegenüber  dem  Befchauer  von  vorn  als  flache 
Pilafter  fich  darftellend),  welche  das  abfchließende 
Gebälke  mit  Giebeldach  flützen,  fliehen.  Das  Giebelfeld 
(Tympanon)  ift  gefchmückt  mit  einem  incruftirten 
Diskus. 

Das  Ganze  dient  als  decorative  Umrahmung  fin- 
den in  der  Mitte  in  einer  Art  Nifche  auf  einem  fchönen 
Sockel  ftehenden  Sarkophag,  auf  dem  die  Porträts- 
Statue  an  einem  Kiffen  fanft  das  Haupt  auf  den  Arm 
(nach  Andrea  Sanfovino's  Methode)  gelhitzt  und  gegen 
den  Befchauer  gewendet,  in  halbliegender  Stellung 
ruht.  Man  ficht  eine  fchöne  junge  Frauengeftalt  in 
einem  befcheidenen  Coflüm  einer  polnifchen  Edeldame 
aus  der  erften  Hälfte  des  16.  Jahrhunderts.  Die  Dra- 
perien-Bildung ift  eine  kunftvolle.  Man  ficht  deutlich 
den  Unterfchied  in  der  Behandlung  des  wollenen 
Kleides  und  des  etwa  leichteren  Stoffes  der  Aermel. 

Der  Sarkophag  ift  mit  einem  ftylifirten  Pflanzen- 
Flachornament,  welches  an  den  Ecken  in  Flach-Relief 
übergeht,  decorirt.  Auch  find  fchwache  Spuren  einer 
I^emalung  an  dem  Sarkophag  übrig  geblieben.  Die 
Grundfläche  war  grün  und  die  erhabenen  Ornamente 
orange  mit  rother  Betonung. 

Der  Hintergrund  der  Bild-Nifche  hinter  tler  Statue 
durch  verticale  Streifen  in  drei  gleiche  Felder  getheilt, 
ift  in  der  Mitte  mit  einem  Medaillon,  welches  Madonna 
mit  Chriftuskind  darfteilt,  und  an  den  Seiten  mit  zwei 
fchön  ftyilifirten  Wappenfchildern,  alles  in  Halb-Relief, 
gefchmückt.  Der  linksfeitige  Schild  ftellt  das  \Vapj)en 
„Leliwa"  der  l'^amilie  Tarnowfki  (fechsftrahligen  golde- 
nen Stern  ober  dem  goldenen  Halbmond  im  blauen 
Felde)  und  der  Schild  rechts  das  Wappen  „Topor" 
der  Familie  Tenczynfki  (ein  filbernes  Ikil  im  rothen 
l'elde)  vor. 

Die  Decke  der  Nifche  ober  dem  Sarkophag  ift 
mit  einem  gebrochenen  etwas  erhabenen  gcometrifchen 
Lincar-Ornament  decorirt. 

Der  .Sockel  unter  dem  Sarkophag  hat  analog  ileii 
beideii  l'iladern  eine]5afe,  ift  oben  mit  fchön  profilirtem 
Gefims  abgefcliloffen  uiul  trägt  vorn  eine  Art  Car- 
touche  mit  marmorner  Infrhriftcn-Tafel,  auf  der  fulgende 
Worte  zu  lefen  find: 

Barbarae  de  Thenczyn  Nicolai  Russiae  Palatini  l<"iliae, 

l'oeminae   Moribus  pudicitiatiue  insigni  Joannes  comes 

inTharnow  Callellanus  Cracovien.  Cc^niugi  svavissimae 

maestus  posuit. 

Vixit  annis  XXXI.  obyl  /\nno  1521. 

'  Vgl.  ßttrckAariU,  Gcfchichtc  der  RcriiulTancc  in  Ilalicii  S.  i.\o.  Die 
wicIitigRci)   (irabcriypcn. 

-  Dr.  IV.  lyemrtrykiewicz,  Milth.  d.  Ccntr.  ■  Coinin.  1887,  Ild.  .XHl, 
S.  CXIX:  1888,  JJd.  XIV,  S.  314  j  1892,  lid.  XVUl,  S.  61. 


-     73      - 


Die  Architeclur  ill  im  allgemeinen  glatt  behandelt, 
und  nur  ausnahmsweife  an  den  Confolen,  Capitälen, 
Wappcnfchildern  und  einer  herabhängenden  Verzierung 
in  Form  von  zwei  unten  zufammengebundenen  Voluten, 
welche  Zwilchen  den  Confolen  das  Monument  nach 
unten  abfchließen,  mit  Akantluisblätterii  in  Flach-Relief 
verziert.  Das  ganze  Denkmal,  die  Porträtllatue  nicht 
aui^genommen,  ift  aus  weißem 
Pinczüwer  Sandrtein  gebaut 
und  an  verfchiedenen  Stellen, 
wie  an  den  Pilaftern,  dem 
Friefe,  dem  Diskus  des  Gie- 
belfeldes, an  den  Confolen, 
mitrothem  Marmor  incruftirt. 
Weder  eine  Untcrfchrift  noch 

ein   Künftler- Monogramm 
nennt  uns  den  Schöpfer  diefes 
durch    ungemein    edle    Maß- 

verhaltniffe,  künfdcril'che 
Durchbildung  der  Details  und 
anmuths volle  Befcheidenheit 
der  Decoration  kunfthiftorifch 
wichtigen  Werkes.  Das  nähere 
Betrachten  des  bcfprochenen 
Grabdenkmals  läßt  faft  keinen 
Zweifel  übrig,  dafs  man  hier 
mit  einer  Leiitung  einer  Ab- 
zweigung der  römifchen,  unter 
Einfluß    des    Andrea  San/o- 

vino   thätigen,    Bildhauer- 
Schule  zu  thun  habe. 

Es  ift  aber  anderfeits 
bemerkenswerth,  dafs  eine 
nähere  Vergleichung  diefes 
Denkmals  mit  manchen  ande- 
ren polnifchen  Monumenten 
aus  derfelben  Zeit  und  be- 
fonders  mit  den  prächtigen 
Renaiffance-Denkmalen  der 
Bifchöfe  Tomicki  (f  1535), 
Gamrat  (f  1545)  und  Macie- 
jowfki  (t  1550)  in  der  Kra- 
kauer, und  des  Erzbifchof- 
Primas  Dzierzgowfki  (f  1559) 
in  der  Gnefener  Domkirche, 
fowie  des  Renaiffance  -  Ci- 
borium- Altars  in  der  Marien- 
Kirche  zu  Krakau  durch  auf- 
fallende Aehnlichkeit  charak- 
teriftifcher  Details,  wenn  nicht 
übeiall,  auf  diefelbe  Künftler- 
hand,  fo  doch  auf  gemein- 
fame  Conceptionsquelle  hin- 
zuweifen fcheint. 

Zur  näheren  Beleuchtung 
der     obigen     Ausführungen 

wäre  an  die  bekannte  hiftorifche  Thatfache  zu  erinnern, 
dafs  in  Folge  der  Verheirathung  des  polnifchen  Königs 
Sigismund  I.  mit  Bona  Sforzia  im  Jahre  1518  die 
Beziehungen  Polens  zu  Italien  immer  lebhafter  fich 
geftalteten  und  ganze  Gruppen  italienifcher  Künftler, 
Architekten, Bildhauer  etc.  nach  Polen  berufen  wurden.' 

'  \'gl.  Dr.  H.  Sokoio-wski,  Die  italienifchen  Künftler  der    RenailTance   in 
Ktak.iH.  (Repertoriura  für  Kunftwiffenfchaft  1S85). 

XIX.  N.  F. 


Das  befprochene  Grabdenkmal  ift  fehr  gut  erhalten 
und  in  feiner  urfprünglichen  faft  intaclen  Form  uns 
überliefert  worden;  es  ift  jedoch  fehr  zu  bedauern,  dafs 
in  den  letzten  Jahren  die  fehlenden  abgebrochenen 
Spitzen  der  Akanthus-Blätter  an  den  Confolen  in  einer 
unbeholfenen  wahrhaft  ftyllofen  Weife  ergänzt  wurden 
(Fig.  4).  Deinetrykiewics. 


l'ig.    4.  (Tainöw.) 

15.  Confervator  Profeffor  Alajonica  hat  an  die 
Central-Comiffion  berichtet,  dafs  im  Jahre  1891  von  ihm 
im  Dorfe  Kozarscc  eilf  römifche  Gräber  aufgedeckt 
wurden,  welche  einen  fehr  intereffanten  Inhalt  ergaben. 
Man  fand  Afchenurnen  aus  Thon,  Glasfeherben  von 
größeren  Baifamarien,  Eifenwaffen,  vergoldete  Glas- 
Perlen,  kleine  Armfpangen  und  zwei  Fibeln  nach  Art, 
wie  fie  der  früheren  Kaiferzeit   zugefchrieben    werden. 


74 


Oefllich  diefes  Ortes,  füdlich  von  Wolt/chach,  liegt  die 
kleine  Ebene  von  Cigino,  wofelbft  im  Alterthume 
Ziegelöfen  beftanden  haben  müßen,  da  der  ganze 
Boden  noch  jetzt  mit  Ziegelbruchftücken  beftreut 
ift.  Auch  heute  befinden  fich  dortfelbfl;  gegen  die 
Straße  von  St.  Lucia  große  Ziegelbrennereien.  In 
füdlicher  Richtung  an  der  Straße  gegen  Görz  find 
wiederholt  bei  Canale  Münzen  und  Anticaglien  ge- 
funden worden,  und  im  vorigen  Jahre  fand  man  in  der 
Nähe  von  Flava  am  Abhänge  der  neuen  Straße  fehr 
fchöne  Eifengegenftände,  die  dann  an  das  Görzer 
Mufeum  kamen ;  dermalen  zwei  Pflugfeharen,  eiferne 
Palftäbc  und  eine  eiferne  fehr  intereffante  Opfergabel. 

16.  In  jüngfler  Zeit  wurden  in  der  Nahe  des 
freiherrhch  Walterskirchen'fchen  Maierhofes  zu  Wolfs- 
thal nächfl:  Haiinburg  gelegentlich  von  Erdarbeiten 
in  einer  Tiefe  von  circa  3  Schuh  drei  menfchliche 
Skelette  gefunden,  von  denen  zwei  bei  der  Grabung 
zerflört  wurden,  das  dritte  Skelet  ift  unverfehrt  ge- 
blieben. Der  Kopf  ift  gegen  Weften  gerichtet,  die  Füße 
.Händen  gegen  Süden.  Bei  jedem  Skelet  fand  fich  ein 
kleiner  fchwarzer  Thontopf,  bei  zweien  lag  das  Gefäß 
bei  den  Füßen,  bei  einem  beim  Kopf.  Zwei  Gefäße 
fielen  in  Scherben,  eines  ift  ganz  geblieben.  Bei  diefen 
Fundverhältniffen  fleht  außer  Zweifel,  dafs  es  fich 
hier  wirklich  um  prähiftorifche  Gräberhandelt.  Weitere 
Unterfuchnngen  erfchienen  nach  dem  Referate  des 
Y)x.Mucli  fehr  empfchlenswerth.  Wolfs/ hal  \ü  bereits  als 
Fundort  prahiftorifcher  Bronze-Gegenftände  bekannt, 
da  dortfelbR  im  Jahre  1845  fieben  Beile  mit  Schaftrohr 
und  zwei  Sichelfragmente  in  einem  Thongcfäße  verwahrt 
Efefunden  worden  find. 

17.  Confervator  Straberger  hat  der  Central  Com- 
miffion  mitgetheilt,  dafs  im  Monate  Oclober  in  der 
Nähe  der  Ausmündung  der  Traun  in  die  Donau  ge- 
legentlich der  dortfelbrt  llattfindenden  Regulirung  der 
Traunuferein  nichtpolirtes  gut  erhaltenes  Steinhammer- 
Beil  aufgefunden  wurde,  das  nachmals  an  das  Mufeum 
zu  Z/ä.-  käuflich  gelangte. 

18.  Confervator  Majonica  hat  an  die  Central- 
Commiffion  berichtet,  dafs  bei  Charfreit  (Caporello) 
im  Ifonzo-Tliale,  wo  feit  mehreren  Jahren  Grabungen 
mit  fehr  beachtenswerthen  Erfolgen  durchgeführt 
wurden,  auf  dem  Berge  S.  Antonio,  wofelbft  eine 
antike  Umwallung  und  viele  prähiftorifche  und  rümifche 
Uebcrrefte  noch  vorhanden  find,  von  einem  Knaben 
zufiillig  ein  goldener  Ring  gefunden  wurde.  Selber 
wurde  vom  Landes-Mufeum  zu  Görz  um  60  fl.  erworben. 
Der  Ring  hat  einen  Goldwerth  von  40  fl.,  ift  maffiv, 
glatt  gearbeitet,  nur  in  dem  an  der  vordem  Seite  ange- 
brachten quer-ovalen  Kaflen  mit  ftark  vortretendem 
Rande  (0015  M.  tiefj  befinilet  fich  ein  antiker  ge- 
fciinittener  Stein  mit  der  Darfteilung  eines  Adlers,  in 
dem  Schnabel  einen  Kranz  tragend,  auf  einem  Blitze 
ftehend  und  links  vor  ihm  ein  Palmzwcig  (die  Attrüjute 
des  Jupiter  vi6tor;  f.  archaeogr.  Triestino,  XVllI.  Bd., 
1892,  S.  267). 

19.  Confervator  Dr.  /'//  hat  der  Central-Com- 
miffion  mitgetheilt,  rlafs   in  feinem  Bezirke  im  vergan- 


genen Jahre  keine  Grabung  und  kein  Fund  von  Be- 
lang vorkam.  In  Podbaba  hingegen  wurde  wieder  eine 
Partie  von  Gräbern  aus  der  Zeit  der  Völkerwanderung 
aufgedeckt;  diefe  Gräber  ergaben  als  Beute  fünfKänime, 
wovon  zwei  fehr  fchön  verziert  zu  den  feltenften  E.xem- 
plaren  gerechnet  werden  können,  etwa  fünf  Fibeln,  zwei 
Perlenfchnüre,  einen  Schildbuckel,  Speer- und  Lanzen- 
fpitzen,  Schnallen  und  andere  Kleinigkeiten  neben 
zehn  Gefäßen.  Ein  größeres  Grabfeld  von  über  100 
Gräbern  aus  dem  10.  — 11.  Jahrhundert  wurde  bei  Libic 
exploitirt.  Das  Grabfeld  gehört  wahrfcheinlich  in  die 
hiftorifch  bekannte  Zeit,  wo  auf  dem  Burgwall  von 
Libic  die  Sliwnikovici  und  (i\c  Vr soviel  k\i^en.  Es  kamen 
auf  dem  Grabfelde  einige  unregelmäßige  Beftattungen 
j'or,  indem  einige  Leichen  in  kauernder  Stellung  be- 
graben lagen;  fonft  fand  man  die  Leichen  in  vollftän- 
diger  oder  theilweifer  Steinpackung,  auf  einem  Brett 
liegend  oder  mit  einem  Brett  zugedeckt,  in  ausge- 
höhlten Baumftämmen  oder  Särgen  begraben.  Bei  den 
Leichen  wurden  im  Ganzen  fünf  Perlenfchnüre,'  eine 
größere  Anzahl  von  Schliifenringen,  eiferne  Mcffer, 
einige  Gefnße  und  ein  Eimerchen  gefunden. 

Bei  Michle  wurde  eine  Siedelung  conftatirt,  da 
eine  kohlenhaltige  Schichte  von  etwa  2  M.  Höhe  ab- 
getragen wurde;  diefelbe  enthielt  unten  Scherben  von 
dem  Typus  der  Dobrichover  Gräber  (3.  bis  4.  Jahr- 
hundert und  reichte  ununterbrochen  bis  zum  10.  bis 
II.  Jahrhundert)  hinauf,  was  auf  eine  ununterbrochene 
Siedelung  und  ein  Volk  hinweift.  Eine  zweite  folche 
Siedelung  fand  fich  bei  Libsic,  wo  auch  Brandgräber 
entdeckt  und  eines  davon  (mit  einem  Bronze-Bruch- 
ftück)  aufgedeckt  wurde.  Zu  erwähnen  ift  noch,  dafs 
Gräber  aus  der  Völkerwanderungs-Zeit  in  Libic  ge- 
funtlen  und  folche  auch  in  MicJile  conftatirt  wurden. 

Ein  La-Tene-Grab  wurde  bei  Ohrad  geöffnet.  Ein 
darin  befindliches  Skelet  lag  nach  Oft-Weft,  hatte  ein 
Armband  von  Bronze  an  der  linken  Hand,  ein  eifcrnes 
bei  der  rechten  Schulter. 

20.  Confervator  Slrnad  bat  an  die  Central-Com- 
miffion  berichtet,  dafs  das  Mufeum  zw  Pilfen  einen  bron- 
zenen Palftab  ohne  Lappen,  der  in  der  Nähe  von  einem 
Bauer  gefunden  worden  war,  und  eine  fteinerne  Streit- 
axt mit  gebohrtem  Loche ,  gefunden  bei  Kralovic, 
erworben  hat. 

Bei  Zelezny  Oujezd  nächft  Nepovink  hat  man  im 
Sommer  eine  größere  Menge  filberner  Münzen  ausge- 
ackert. Die  meiften  Stücke  waren  Münzen  aus  der  Zeit 
Königs  Vladislav'.s,  und  der  Kaifer  Ferdinand  I.,  Maxi- 
milian II.  und  Rudolph  II.  Vereinzelt  crfcheincn  dar- 
unter verfchiedene  deutfche  Stiidte  und  Fürftenthümer 
vertreten.  Die  Münzen  gehören  der  Zeit  zwifchen  der 
zweiten  Hälfte  des  16.  und  dem  Beginn  des  zweiten 
Viertels  des  17.  Jahrhunderts  an. 

21.  Confervator  Diredlor  Btilic  hat  iler  Ceiilral- 
Commiffion  mitgetheilt,  dafs  er  im  vorigen  Jahre  auf 
der  Infel  Lijfa  einige  Grabungen  durchführen  ließ.  Bei 
diefeni  Anlaffe  fand  man  im  Garten  des  dortigen 
Franciscaner-Convents  eine  alte  Mauer,  die  unzwei- 
felhaft zum  zerftörten  Amphitheater  gehört.  Die  weite- 
ren Grabungen  bellätigtcn  diefe  Annahme  und  find 
jetzt  fanimtliche  Mauerrede  desfclben  bloßgelegt. 


75 


22.  Confervator  Profeflbr  Berger  hat  der  Ccntral- 
Commiffion  mitgetheilt,  dafs  im  September  1892  ficli 
ein  etwa  2  M.  großes  Stück  des  Deckenverputzes  in  der 
militärifchen  Winter reitfcliiile  zu  Salzburg  loslöfle  und 
zu  Boden  fiel.  Glücklichervveife  waren  es  keine  Haupt- 
partien des  Rottmayer'fchen  ]5ildes,  welche  dadurch  zu 
Grunde  gingen  und  dürfte  das  Gemälde  leicht  wieder 
ergänzt  werden  können.  Die  Urfache  der  Loslöfung 
des  Verputzes  liegt  wahrfcheinlich  in  dem  Abrollen 
des  Stuccatordrahtes.  Mit  kommendem  Frühjahre 
wird  die  fchadhafte  Stelle  wieder  hergeftellt  werden; 
übrigens  ergab  eine  Unterfuchung  der  übrigen  Decke, 
dafs  fich  die  fchadhafte  Stelle  nicht  fehr  weithcrum 
ausdehne.  Vorläufig  wurde  vorgeforgt,  dafs  eine 
weitere  Loslöfung  des  Bewurfes  unmöglich  ift. 

23.  Confervator  Berger  theilte  der  Central-Com- 
miffion  mit,  dafs  die  St.  Ulrichs-Statue,  die  fich  auf 
dem  Hoch-Altare  der  Filial-Kirche  zu  Scheffau  bei  Gol- 
ling  aufgellellt  befindet  —  ein  Ueberrcft  von  dem  an 
die  Stiftskirche  amNonnberge  abgegebenen  gothifchen 
Flügel-Altare  —  unter  feiner  Leitung  einer  pietätvollen 
Reftaurirung  unterzogen  wird.  Selbe  ift  einigermaßen 
fchwierig,  indem  fich  infolge  Wurmftiches  einzelne 
Theile  des  Holzes  bereits  abbröckeln. 

24.  Die  Mjitter-Gottes-Siatue  in    der    Krypta   des 
Dovies  zu   Gurk. 

Im  Kirchenfchmuck  Nr.  i,  Jahrgang   1893,  finden 
wir    eine    Notiz    über    die    Mutter    Gottes-Statue    in 


krönte  Statue  der  Mutter  Gottes  mit  dem  Kinde,  die 
jedoch  nicht  mehr  vollftändig  in  der  urfprünglichcn 
Geftaltung  auf  uns  gekommen  ift,  aufgeftellt  auf  einem 
entfprechcnden  Altar  in  einem  Schrein  unter  Glasver- 
fchluß.  Dr.  Schuerich  erhielt  die  Erlaubnis,  das  Schnitz- 
werk näher  zu  unterfuchen.  Dasfelbe  ift  52  Cm.  hoch, 
in  der  Bafis  22  Cm.  breit.  Die  heilige  Jungfrau  fitzt  in 
ftarrer  Haltung  auf  einem  polfterbelegten  von  zwei 
Stufen  erhöhten  Throne.  Ein  Schleier  umwallt  ihr 
Haupt,  über  die  linke  Schulter  ift  vorn  querüber  ein 
Tuch  <Tele<Tt,  mit  der  Linken  greift  fie  an  die  rechte 
Bruft.  Am  rechten  Knie  fitzt,  von  der  Mutter  Hand 
unterftützt,  das  mit  einem  kurzen  Röckchen  bekleidete 


I^Gurk.) 


der  Krypta  des  Domes  zu  Gurk  von  Dr.  A.  Schnerich, 
die  wir  nicht  unbeachtet  laffen  dürfen  und  ihrer  Wichtig- 
keit wegen  —  wenn  auch  im  Auszug  —  unferen  Lefern 
mittheilen  zu  foUen  glauben.  Es  ift  eine  kleine  voUge- 


Fig.   ö.   (Maria-Zeil.) 

Jefukind,  in  die  Höhe  fehend  und  in  der  Hand  einen 
Apfel  haltend.  Eine  Krone  mit  Sternenkranz  aus  Metall 
ziert  das  Haupt  der  Jungfrau  (Fig.  5).  Als  Veränderungen 
kann  man  conftatiren:  Der  Thron  mit  dem  Polfter  ift 
verbreitert  worden,  der  Hals  des  Jefukindes  ift  durch- 
fchnitten;  auch  ift  überhaupt  die  Handhaltung  der  Mutter 
Gottes  nicht  recht  klar.  Ucber  die  Veränderungen  gibt 
uns  ausreichenden  Auffchluß  der  Papierzettel,  welcher  an 
der  Rückfeite  der  Statue  in  einer  Vertiefung  durch 
einen  Schuber  verfchloffen  gehalten  ift.  Aus  demfelben 
ift  zu  entnehmen,  dafs  der  Tifchlermeifter  Martin 
Herberger  auf  obrigkeitlichen  Befehl  an  der  Mutter- 
Gottes-Statue,  welche  vormals  die  das  Kind  fäugende 
Mutter  vorftelltc,  nicht  nur  alle  fchadhaften  Theile  aus- 
gebeffert,  fondern  auch  foviel  es  thunlich  derfelben  eine 
beffere  Proportion  und  gcfchmackhaftere  Stellung  ge- 
geben hat  (20.  Auguft  1784).  Durch  diefe  Nachricht 
ift  die  frühere  Gruppirung  ziemlich  klar  geftellt.  Der 
Kopf  des  Kindes  war  daher  gegen  die  heil.  Mutter 
gerichtet,  zu  der  es  aufblickte,  dem  entfprechend  war 
auch  die  frühere  Handrichtung  Mariens.  Diefer  Reftau- 
rirung  gehört  unzweifelhaft  auch  an  die  Verbreiterung 
des  Thrones,  der  Stufenunterbau,  die  heutige  Poly- 
chromirung,  Krone  und  Sternenkranz  an.  Ungeachtet 
diefer  fehr  bedauerlichen  Aenderungen  erkennt  man 
ganz  deutlich  das  altehrwürdige  Schnitzwerk,  deffen 
Haupt-Difpofition  dennoch  diefelbe  gebHeben  ift.  Der 

lO* 


-je    - 


wenig  gerundete  Thron,  die  ftark  aneinander  geflellten 
Füße,  der  viel  zu  große  Kopf  der  Jungfrau,  die  ebenfo 
behandelte  Hand  derfelben,  das  fein  gefaltete  Gewand 
der  Mutter  weifen  auf  das  frühe  Mittelalter  als  Ent- 
ftehungszeit  hin.  Ueberblickt  man  die  ziemlich  gleich- 
zeitigen Mutter  Gottes-Sculpturen  und  damahge  ältere 
Darflellungen,  fo  findet  fich  wiederholt  die  das  Kind 
ftillende  Mutter  und  der  Apfel  in  der  Hand  des  Kind- 
leins I  Alt-Oetting,  Maria-Saal, Maria-Zeil).  Mit  letzterem 
befteht  aber  eine  ganz  befondere  Darftellungs-Ver- 
wandtfchaft.  Die  Mutter-Gottes  von  ganz  ähnlichen 
Körperverhältniffen  fitzt  ebenfo  ftarr,  das  Gewand  ift 
ganz  ähnlich  geordnet,  das  Jefukind  bekleidet.  Das 
Brufltuch  fehlt  ob  der  geänderten  Darflellung,  dafür 
reicht  die  Mutter-Gottes  mit  der  Linken  dem  Kinde 
einen  zweiten  Apfel  (Fig.  6).  Diefe  Sculptur  dürfte  in 
das erfte  Viertel  des  13.  Jahrhunderts  zu  fetzen  fein.  Eine 
nahe  Schulverwandtfchaft  beider  Statuen  fteht  außer 
Zweifel.  Als  älter  ift  aber  wohl  die  Gurker  zu  bezeichnen. 
Fragt  man  nach  dem  Grund  der  Veränderung,  fo  fcheint 
es  Herrn  Dr.  Sclinerich  fehr  wahrfcheinlich,  dafs  die 
Statue  bis  zum  Jahre  1784  bekleidet  und  unverändert 
war  und  auf  den  bekannten  Befehl  des  Kaifers  Jofeph  II. 
die  Hülle  verlor.  Da  mag  man  Anftand  an  der  aller- 
dings recht  naivaber  doch  keufch  gegebcnenDarftellung 
genommen  und  die  Veränderung  durch  den  biederen 
Tifchlermeifter  —  in  unferen  Augen  allerdings  eine 
arge  Schlimmbefferung  —  angeordnet  haben. 

25.  Confervator  Profeffor  Zachariewicz  hat  der 
Central-Commiffion  intercffante  Nachrichten  über  ein- 
zelne Baudcnkmale  in  Zoikiew  zukommen  laffen.  Das 
ehemalige  Schloß  bezeichnet  derfelbe  als  in  einem 
jammervollen  Zuftand  befindlich.  Einzelne  und  gerade 
die  intcreffanteftcn  Theile  find  den  fchlimmen  VVitte- 
rungs-Einflüßen  ungefchützt  ausgefetzt.  Um  das  ebenfo 


Fig.  7.  (Zöfkiew.) 

hiftorifch  als  archäologifch  wiclitige  Gebäude  zu  er- 
halten, mußte  eine  eigene  Rettungsaflion  ins  Leben 
gerufen  werden,  wozu  begründete  Hoffnung  vorhanden  ifl. 
In  der  bezeichneten  Stadt  find  noch  zwei  alle 
Stadtthore  erhalten,  das  eine  heißt  das  Glinskcr-,  das 
andere  das  Thiergarten-Thor.  Letzteres  ifl  das  minder 
kofibare,  aber  bisher    nicht    reflaurirt,    während   das 


erftere  in  den  Siebziger-Jahren  reftaurirt  worden  ift.  Das 
Thiergarten-Thor  {Fig.  7.)  ift  bereits  fehr  fchadhaft  und 
wird  jetzt  auf  Antrag  der  Confervatoren  ausgebeffert. 
Der  Dachftuhl  muß  erneuert  werden,  doch  bleibt  die 
alte  Geftaltung  erhalten.  Der  Putz  wird  nur  dort 
erneuert,  wo  er  fchadhaft  ift,  wie  überhaupt  das  alte 
Bild  des  Thores  nicht  verändert  werden  wird. 

26.  Correfpondent  M'öratJi  hat  mitgetheilt,  dafs 
Se.  Durchlaucht  Fürft  Adolph  Scinvarzcnberg  die 
Räumung  des  fchönen  Capitclfaales  zu  Goldenkron,  der 
bisher  als  Magazin  benützt  wurde,  angeordnet  hat. 
Auch  werden  die  im  Fußboden  des  Kreuzganges  ein- 
gelaffenen  wichtigeren  Grabmale,  darunter  das  des  Hein- 
rich von  Welecin,  f  9.  IV.  1355,  herausgenommen  und 
behufs  befferer  Erhaltung  in  dem  Capitelfaal  aufgeftellt. 

27.  Die  Central-Commiffion  wurde  in  neuefter 
Zeit  auf  den  Verfall  des  fürfterzbifchüflichen  Gurker 
Schloffes  zu  Straßburg  aufmerkfam  gemacht.  Das 
Schloß  wurde  zur  Ruine  durch  brutale  Menfchenhände. 
Straßburg  gehört  zu  den  bedeutendften  und  fchönften 
Burgfitzen  nicht  allein  Kärntens,  fondern  in  den  öfler- 
reichifchen  Alpenländern,  und  enthält  noch  heute  in 
ihrem  arg  zerfallenen  Beftande  zahlreiche  kunft- 
hiftorifche  und  hiftorifch  wichtige  Details,  fo  die  Ca- 
pelle,  die  beiden  prachtvollen  Eingangs-Portale,  den  in 
feiner  Art  einzigen  Arcadenhof,  abgefehen  von  manch 
werthvollen  gothifchen  Reften,  die  fich  in  dem  eigent- 
lichen aus  dem  17.  Jahrhundert  ftammenden  und  eine 
einheitliche  Anlage  bildenden  Gebäude  zu  behaupten 
vermochten.  Wenn  man  das  Schloß  befieht,  fo  drängt 
fich  unwillkürlich  der  Gedanke  auf,  es  fei  dasfelbe 
dem  Verfalle  mit  Abficht  preisgegeben.  Jedenfalls  wäre 
der  Verfall  bereits  merklicher,  wenn  (Jie  noch  gefunde 
Dachung  nicht  das  Gebäude  für  einige  Zeit  gegen  die 
WitterungsUnbildenfchützen  würde  Dafür  hat  aber  die 
Menfchenhand  in  letzter  Zeit  arg  gewüthet,  felbft  den 
fchonenganz  intactenSchloßhof  nichtgcfchont  und  das 
Gebäude  als  herrenlofen  Ziegel-  und  Bauftein-Bruch 
betrachtet,  von  wo  man  nehmen  kann,  was  man  eben 
braucht.  Das  fchöne  Capellen-Portal  wurde  faft  ganz  de- 
molirt.  An  etwa  zehn  Stellen  wurden  die  Deckenplatten 
der  Arcadenbrüftungen  gewaltfam  abgebrochen  und 
weggefchleppt.  In  den  oberften  Stockwerk'en  wurden 
ganze  Zwifchenwände  zum  Einfturze  gebracht,  fo  dafs 
der  auf  die  unteren  Gewölbe  flürzende  Baufchutt  auch 
diefe  an  mehreren  Stellen  durchfchlug.  In  der  Scliloß- 
Capellc  wurde  die  Menfaplatte  und  das  Pllafter  weg- 
genommen, den  Stiegen  entnahm  man  einzelne  Stufen, 
fo  wie  man  fie  eben  benüthigte.  Dem  gedeckten  Auf- 
gange fehlen  bereits  die  fteinernen  Stufen  bis  zu  einer 
ziemlichen  Höhe;  auch  das  Dach  diefer  Stiege  ift  fchad- 
haft und  fängt  die  Bretterbedachung  an  fiebartig  zu 
werden.  Boshafte  und  habgierige  Leute  dringen  durch 
Ueberfteigcn  einer  niedrigen  Brefche  der  Schloßmauer 
in  das  Innere  der  Burg,  und  das  gcfchicht  alles,  unge- 
achtet diefelbe  noch  thcihveife  be\VL,hnt  ift  uiul  eigent- 
lich bewacht  werden  foll. 

Der  Ilauptcingang  in  das  Schloß  führt  durch  ein 
prächtiges  Portal,  das  iin  Rundbogen  gefchloffen  \iiii 
zwei  Säulen  (lanlcirt,  oben  mit  einem  Wappen  und 
einein  (jiebelabfchluß  geziert  ift.  Links  führt  nocii 
eine  kleine   Seitenpforte   durch   die  Schloßmauei'.    Die 


77 


Infchrift  fagt:  Joannes  VII.  Epvs  et  Princeps  giirccnsis 
Ao.  1685.  Im  fchmalen  aufftcigenden  Hofe  ftehen 
links  Oekonomiegcbäude  und  einige  Hütten  für  alte 
Inwohnerinnen,  die  jetzigen  Burgwächter.  An  diefen 
Gebäuden  erkennt  man  Sgraffitto-Refte  am  Fenfterund 
Malereien  (1588).  Der  Hof  erweitert  fich  alsdann  und 
krümmt  fich  gegen  den  feften  Wartthurm,  wofelbft  der 
zweite  Schloßeingang  angebracht  ift.  Der  fchöne 
Rundbogen  iit  von  Pilaftern  flankirt  und  trägt  geraden 
Sturz.  Hier  die  Infchrift:  Card.  Joannes  VII.  1686, 
darüber  ein  Giebel  mit  Archivolt. 

Die  Schloß-Capelle  befteht  aus  einem  faft  quadra- 
ten  Raum  von  4'28  M.  Länge  und  4'03  M.  Breite,  gegen 
Often  fchließt  der  halbkreisförmige  Altarraum  an  von 
330  M.  Tiefe.  In  der  Apfis  ein  romanifches  Fenfler. 
Vor  der  Capellc  eine  große  Vorhalle.  Vom  Altare 
find  nur  Bretterrefte  übrig.  Man  erkennt  noch  einige 
aus  etwa  dem  vorigen  Jahrhundert  flammende  Wand- 
malereien: Maria- Verkündigung,  die  Flucht  nach 
Egypten,  Mariä-Heimfuchung,  St.  Anna,  St.  Joachim, 
Johann  der  Täufer,  die  Kreuzigung,  Mater  dolorosa, 
Mariä-Himmelfahrt,  St.  Ignatius,  St.  Franciscus,  in  der 
Gewölbehöhe  den  heil.  Geift.  Beim  Stiegenaufgange 
ift  zu  lefen: 

Melius  est  vocari  ad  olera  cum  caritate,  quam 
ad  vitulum  saginatum  cum  odio ! 

gratia.  .  .episcopum  gurcensis  hanc  inferiorem.  . 

totam  .  .  .  aedibus  ....  scalis  de  novo  restauravit  anno 
dom.  MDCXI. 

In  der  Vorhalle  des  erften  Stockwerkes  erkennt 
man  unter  der  Tünche  i'^  Bruftbilder  von  Bifchöfen  mit 
Infchriften.  An  einem  fpät-gothifchen  Portale  befindet 

fich  das  Steinmetzzeich' 


"  vi/ 


28.  Um  die  Mitte  Dccember  1892,  fo  berichtet 
Confervator  Berger  in  Salzburg,  erhielt  er  die  Nach- 
richt, dafs  die  Platte  des  im  Orte  Oberalm  befindlichen 
hiflorifch-denkwürdigen  Schrannentifches  durch  Mutli- 
wille  zertrümmert  wurde.  Der  auf  einem  freien  öffent- 
lichen erhöht  gelegenen  Platze  zu    Anürii"-  des   Ortes 


llimili(ii%>y;T— -  ~:^    ■'''. 


Fig.   8.  (Oheralm.) 

aufgeftelltc  Schrannentifch  befteht  (Fig.  8)  aus  einem 
etwa  70  Cm.  im  Geviert  meffenden  gemauertem  Fuße 
von  circa  65  Cm.  Höhe,  darauf  eine  rothmarmorne 
Platte  von  75  Cm.  Dicke  und  i-2o  M.  Seitenlänge  ruhte. 
Diefe  Platte  fand  der  Confervator  in  drei  Stücken  ge- 
brochen   zu  Seiten  des  Fußes  auf  dem  Erdboden.  Als 


urfächliche  Veranlaffung  wird  von  den  Ortsbewohnern 
angegeben,  dafs  ein  trunkener  Burfche  im  Uebermuthc 
die  fchwere  Platte  aufhob,  aber  wegen  ihres  bedeuten- 
den Gewichtes  wieder  zurückfallen  ließ,  wodurch  fie  am 
harten  Unterbaue  zerfchellte.  Der  Confervator  und  die 
Gefellfchaft  für  die  Salzburger  Landeskunde  hat  nun  bei 
der  Gemeinde  vermittelnd  eingegriffen,  damit  die  Platte 
auf  ihre  alte  Stelle  gebracht  und  möglichft  zufammen- 
gefügt  werde.  Dafs  diefer  Tifch  eine  hiftorifche  Bedeu- 
tung hat,  ift  außer  Zweifel ;  an  ihm  wurde  durch  Jahr- 
hunderte volksthümliches  Gericht  gehalten.  Oberalm 
gehörte  in  erzftiftlichen  Zeiten  zum  Pfleggerichte  Glan- 
eck;  im  Bezirke  des  letzeren  beftanden  zwei  folche 
Schrannengerichte,  das  eine  zu  Anif,  das  andere  zu 
Oberalm.  Der  muthwillig  zertrümmerte  Tifch  ift  der 
ftumme  Zeuge  der  einftigen  Bedeutung  des  Ortes. 

29.  Confervator  Dr.  Rosmael  berichtete,  im  ver- 
gangenen Herbfte  zu  Helstin  nächft  W.-Meferitfch 
auf  einem  Belvedere  genannten  Hügel  auf  freiem  Felde 


Fig.   9.  (^Helstin.) 

Thongefäßfcherben  gefunden  zu  haben,  die  foweit  voU- 
ftändig  waren,  dafs  es  möglich  wurde,  aus  ihnen  das 
alte  Gefäß  mit  ziemlicher  Verläßlichkeit  wieder  herzu- 
ftellen.  Man  erhielt  eine  ungehenkelte  mäßig  tiefe 
Schale,  welche  in  Grundform  und  Ornamentation  viel- 
fach an  antike  Gefäße  diefer  Art  erinnert.  Die  Schale 
hat,  wie  aus  Illuftration  in  Fig. 9.  erfichtlich,  dieGeftalt 
eines  hohlen  Kugelabfchnittes  \on  15  Cm.  Durchmeffer 
und  6  Cm.  Höhe.  Der  obere  Rand  ift  mäßig  ausge- 
bogen, dagegen  nach  unten  ohne  eigentlichen  Fuß 
fchwach  abgeplattet.  Sowohl  die  Außen-  wie  auch  die 
Innen-Fläche  der  Schale  ift  mit  einem  Linien-Ornament 
verfehen  und  fchwarz  graphitirt.  Der  Fund  gehört  der 


JS      - 


auch  in  Mähren  reich  und  glänzend  vertretenen  Hall- 
ftätter  Periode  an. 

30.  Correfpondent  Dechant  Griefiberger  in  Effer- 
ding  hat  an  die  Central-Commiffion  berichtet,  dafs  im 
Sommer  des  Jahres  1892  dortfelbft  gelegentUch  einiger 
Grabungen  kleine,  aber  doch  beachtenswerthe  Funde 
gemacht  wurden.  Beim  Schulhaufe  wurde  eine  Senk- 
grube mit  einer  Tiefe  von  circa  2  M.  ausgehoben.  Die 
Stelle,  wo  gegraben  wurde.  Hegt  in  einer  geraden 
Linie  —  etwa  60  M.  abftehend  —  von  jener  Stelle,  wo 
im  Jahre  1889  nächft  der  Kirche  eine  Kalkgrube  mit 
darin  befindhchen  römifchen  Anticaglien  bis  zur  felben 
Tiefe  ausgehoben  wurde.  Man  fand  allda  Bruchftücke 
von  Rundziegeln,  Topffcherben  von  grüner  Farbe  und 
ein  kopfähnliches  Bronzeflück,  dann  das  Bruchftück 
eines  flachen  tellerartigen  Gethiers  aus  Terra-Sigillata, 
mit  geringen  Reften  des  Töpfer-Stempels.  Die  Rund- 
zicgel-Bruchftiicke  find  mit  jenen  früher  bei  der  Kirche 


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Fit;.    '"•  ( AltSteimlorf.) 


und  jüngfl  in  Enns  gefundenen  identifch.  Bei  einer 
Grabung  endlich  hinter  der  Kirche  wurden  römifche 
Topffcherben  gefunden. 

31.  Uebcr  Schloß  Täufers  bei  Brunnecken  fintl 
der  k.  k.  Central-Commiffion  fchlimmc  Nachrichten 
zugekommen.  Diefe  Burg  war  bis  in  die  Zwanziger- 
Jahre  diefcs  Jahrhunderts  noch  ziemlich  erhalten, 
wurde  aber  feitdem  vernachliiffigt  und  geht  jetzt  bereits 
dem  volligen  Verfalle  entgegen.  Den  Anfang  der 
Zerftörung  machte  damals  ein  herrfchaftlicher  Amt- 
mann, der  alles  mögliche  Bewegliche,  namentlich  Eifen- 
und  Holzwerk  aus  der  Burg  entnahm,  um  fich  damit 
ein  Ilaus  im  Dorfe  zu  bauen.  Selbfl  die  Steine  des  Berg- 
fried fchienen  begehrenswcrth  und  wurden  gcwaltfam 
aus  dem  Mauerkörper  desfelbcn  geriffen  und  dcrThurm 
zum  Falle  gebracht.  Jetzt  ift  die  Ruine  in  Händen  eines 
Mannes,  der  wcnigflcns  für  die  allernothwendigde  Be- 
dachung der  Wohnräume  eines  Bauern,  welcher  das 
Schloß  bewacht, forgen  läßt.  7rt/(/i'r.fgehortzudcninter- 
cffantcflen  Burganlagen  in  Tyrol;  an  den  alterten  Theil 
romaiiifcher  Bauzeit  —  ein  Bergfried,  l'alas,  Capelle  — 


fchließen  fich  Bauten  aus  dem  Jahre  14S5  an;  das  Schloß 
zeigt  heute  noch  die  Stylformen  faft  aller  Jahrhunderte 
und  wurde  in  keiner  Weife  modernifirt.  Die  Capelle 
enthält  noch  einen  romanifchen  Crucifixus  und  Spuren 
deuten  auf  alte  übertimchte  Wandbemalung.  Die  Nord- 
feite der  Capelle  fteht  feit  dem  Thurmeinfturz  frei. 
In  derfelben  fteht  cingroßerParamentenkaften  (16.  Jahr- 
hundert) mit  Wappen  und  Maßwerk,  altem  Schloße, 
trefflichem  Blatt-Ornament  und  hübfcher  Holzvergit- 
terung im  Mittelfelde.  Aber  auch  ein  Getäfel  im  gothi- 
fchen  Zimmer  mit  der  bekannten  räthfelhaften  Infchrift, 
welche  fich  auf  die  Stammmutter  Eva  bezieht,  ift  hoch 
beachtensvverth.  Sie  lautet: 

„Ain  junckfraw  nit  ains  tages  alt  was  die  nam  ain  man 
fürwar,  ee  das  fii  wart  ains  jares  alt,   do  gewans  ain 

kindt  von  mans  gewalt,  fii  ftarb  ee  das  fii  wart  geporn, 
rat  recht  oder  du  haft  verlorn." 

Möchte  fich  doch  der  jetzige  Befitzer  veranlafst 
finden,  das  Nothwendige  zur  Confervirung  der  Burg 
anzuordnen  und  auch  den  Paramenten-Kaften  und  das 
fchöne  Getäfelwerk  in  der  Burg  zu  belaffen,  zur  Freude 
der  zahlreichen  Befucher  und  zur  Zierde  des  Landes 
Tyrol,  das  an  derlei  Dingen  bereits  recht  harte  Ein- 
buße erlitten  hat. 

32.  Confervator  Profeffor  V.  Berg  er  hat  derCentral- 
Commiffion  über  ein  altes  Orgelwerk  berichtet,  das 
fich  auf  Schloß  Hohcnfalzbiirg  befindet  und  um  deffen 
Reftaurirung  es  fich  gegenwärtig  handelt.  Dasfelbe 
wurde  vom  Erzbifchof  Lconhard  von  Kcntfcliach  (1502) 
errichtet,  hat  feit  diefer  Zeit  mehrfache  Veränderungen 
und  Umgeftaltungen  durchgemacht  und  befindet  fich 
jetzt  in  einem  fehr  fchadhaften  Zuftande.  Es  befteht  aus 
zwei  Theilen  —  aus  dem  fogenannten  „Orgelgefchrei", 
welches  einen  mächtigen  harmonifchen  Accord  aus 
125  Pfeifen  ertönen  läßt  und  einem  Orgelfpielwerk 
(ein  Walzwerk),  das  drei  OcStaven  und  einen  Ton 
umfafst  und  125  Pfeifen  befitzt.  Das  Orgelgefchrei  er- 
wies fich  bei  einer  jüngft  durchgeführten  Untcrfuchung 
als  gut  erhalten.  Das  .Spielwerk  zeigte  fich  bcfonders 
in  der  Walze  und  den  Schlüffcln  fehr  defetl,  fo  dafs 
beim  Drehen  derfelben  die  wenigftenTone  entfprechen. 
Die  Walze  enthält  derzeit  7  Mufikftücke,  die  Achfe 
zeigt  hingegen  12  lünfchnittc,  ift.  fomit  urfprünglich 
auf  fo  viele  Stücke  eingerichtet  gewcfcn,  was  auch 
eine  größere  Reichhaltigkeit  des  Mufikprogrammes  in 
früheren  Zeiten  vetmuthen    läßt.  Auf  der  Walze   liest 

man:    „Reparirt  und  gcftellt   von    Getzl  Rinen- 

macher  in  Salzburg  1820".  Die  letzte  Reparatur  erfolgte 
vor  1 4  Jahren.  Wein'gerfchadhaft  find  die  Wind fiihrungen 
und  Pfeifen  beider  Theile  des  Orgelwerkes  und  konnten 
mit  nicht  erheblichen  Koften  wieder  in  Stand  gefetzt 
werden.  Die  Pfeifen  find  theils  aus  Blei  (die  älteren), 
theils  aus  Zinn  (die  jüngeren).  Jetzt  erkennt  man  beim 
Anfpielen  der  Stücke  nur  die  Vollcsliymne  und  ein 
Mufikftück  aus  der  Oper:  das  unterbrochene  Opferfeft 
von  /'.  Winter.  Es  ift  gegründete  Hoffnung  vorhanden, 
dafs  diefes  intereffante  Werk,  womit  der  mächtige  und 
prunkliebende  falzburgifche  Kirchenfürft  feinen  Sitz 
ausgcftattet  hatte,  wieder  in  Stand  gefetzt  werden  wird. 

33.  Confervator  Riclily  hatte  gelegentlich  eines 
größeren  Berichtes  an  die  Cenlral-CoinmiffiDii  erwähnt, 


-     79     - 


dafs  fich  in  der  Gegend  des  öftlichen  Böhmen  und  in 
Mahren  zahlreiche  Steinplatten  in  Tafelform  — meirtens 
nur  aus  einem  Stücke  Stein  beflehend  —  finden,  darauf 
unförmliche  Kreuze  dargeftellt  find.  Dicfelben  wertlcn 
mcill:  gar  nicht  oder  doch  nur  wenig  beachtet,  \crdienen 
aber  nicht  ignorirt,  ja  ein  wenig  ftudirt  zu  werden. 
Diefe  Denkmale  reichen,  fo  viel  kann  man  bereits  an- 
nehmen, bis  gegen  die  Mitte  des  i6.  Jahrhunderts  zu- 
rück, finil  mitunter  aber  mit  meift  fchwer  entzifferbaren 
Infchriften  verfehen  und  nebll  den  Kreuzen  mit  Dar- 
ftellungen von  Schwertern,  Dolchen,  Aexten,  Pfeilen 
oder  Hacken  geziert.  Es  ließe  fich  wohl  mit  einiger 
Wahrfcheinlichkeit  dahin  deuten,  dafs  es  fich  um  Denk- 
fteine  handelt,  die  zur  Erinnerung  an  ein  Unglück,  fei 
es  ein  plötzlicher  Todesfall,  ein  Mord,  eine  Tödtung  im 
Kampfe  oder  Zweikampfe,  durch  Gerichtsfpruch  u.  a. 
an  der  betreffenden  Stelle  aufgeftellt  wurden. 

Beifpielsweife  fei  erwähnt,  dafs  viele  folche  Steine 
fich  in  der  Umgebung  von  Iglau,  Mirofcliau  bis  Neu- 
haus  finden,  in  der  Stadt  Neuhaus  felbft  lieht  eine  mit 
böhmifcher  Infchrift  aus  1596.  In  Fig.  10  ifl  ein  folcher 
Stein  abgebildet,  der  fich  bei  Alt- Steindorf  auf  der 
Straße  gegen  Pilgram  findet.  Wir  fehen  darauf  neben 


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Fig.  II.  (HöUein.) 

dem  Kreuze  noch  eine  Zimmermanns-Hacke  dargeflellt. 
Die  Infchrift  ift  fehr  ftark  fchadhaft,  könnte  aber 
folgenderweife  gelefen  werden:  Anno  (1)602  istNeumon 
alhier  fchendlich  und  höflich  in  feinem  eigene  Haufs 
vmb  fein  leben  komen  —  Gesehen  am  tag  Bororum  (.-) 
den  31  Juoriy  Gott  fey  ihm  genedig. 

34.  Nahe  bei  dem  Friedhofe  zu  St  Polten  in  Nieder- 
Oeflerreich,  wurde  beim  Graben  eines  Hausgrundes 
circa  i  M.  tief  ein  eifernes  Schwert  fammt  einem  Bruch- 
ftück  der  Scheide  nebft  einer  Lanzenfpitze  aus- 
gegraben. Diefe  Gegenftände  lagen  bei  den  Reflen 
eines  Skelettes,  die  Lanzenfpitze  ift  plattförmig  mit 
ftarker  Rippe,  daran  eine  fchwachc  Dille.  Beide  Waffen 
dürften  dem  frühen  Mittelalter  entflammen. 

35.  Confervator  Dire6lor  Bidic'  hat  an  die  Central- 
Commiffion  gelegentlich  der  Vorlage  des  Berichtes 
über  den  Stand  der  Ausgrabungen  in  Salona  und  über 
den  Zuwachs  der  Sammlungen  des  k.  k.  archäologi- 
fchen  Mufeums  in  Spalato  wahrend  des  II.  Semeftcrs 
1892  auch  noch  zur  hierortigen  Kenntni.s  gebracht, 
dafs  fich  in  Salona  in  neuefter  Zeit  eine  neue  und  fehr 
wichtige  Fundflätte  ergeben  hat.  Schon  im  Januar 
1890  ftieß  zufälligerweife  bei  den  Erdarbeiten  in  einem 
Weingarten  der  Bauer  N.  Milicic  auf  antike  Gegcn- 
flände,  dann  auf  drei  Infchriftplatten.  Mit  Rückficht 
auf  diefe  Fundgegenllände,   im   Zufammenhange    mit 


im  Jahre  1852  gemachten  Funden,  erkannte  man  die 
Wichtigkeit  diefer  Stelle,  die  möglicherweife  ein  großes 
Gebäude  eines  Coemiteriums,  eine  Bafilica  oder  ausge- 
dehnte Grabftätten  enthalten  könnte.  Mitte  März  1892 
fließ  man  in  dem  dem  eben  befagtcn  Fundfelde  benach- 
barten Felde  auf  ein  Stück  Mofaik  und  auf  zwei  große 
Sarkophage.  Am  12.  Auguil  fand  man  weiters  acht 
Sarkophage  nebeneinander,  Ueberrefle  von  Mauern, 
Capit;ile,Mofaikboden-Fragmcnte  und  fünf  Bruchflücke 
von  Infchriften.  Drei  davon  find  mit  Confular-Datcn 
verfehen  und  zwar  vom  Conful  Flavius  Felix  (J.  424), 
von  Maximus  und  l'aterius  (J.  445),  von  Ricimirus 
(J-  459)-  Diefe  Stätte  dürfte  wohl  die  Stelle  des  Coemi- 
teriuni  des  heil.  Anaflafius  Cornicularius  enthalten. 

36.  Der  .ehemalige,  fehr  verdiente  Confervator 
Profeffor  Prokop  hat  die  Central-Commiffion  auf  zwei 
fehr  beachtenswerthe,  leider  fchon  dem  Verfalle  anheim- 
gefallene Bauwerke  in  Mähren  aufmerkfam  gemacht. 
Dahin   gehört   die  Ruine  des  Kloflers    Kosa-cocli  der 


i-'ig    12,  14,  (Hullein.) 

Cillercienferinen  zu  Kanitz;  ein  wunderbar  fchöner 
"•othifcher  Bau  aus  röthlichem  Sandllein,  vielleicht 
der  fchönfte  gothifche  Kirchenbau  in  Mähren.  Dabei 
ein  kleiner  höchft  malerifcher  Kreuzgang  mit  einem 
darauf  gebauten  Stockwerke.  Leider  geht  das  Ganze 
dem  Zufammenbruche  entgegen,  die  Gewölbe  des 
Kreuzganges  und  einer  fehr  fchönen  Capelle  find  dem 
Einflurze  nahe,  die  Kirche  hat  bereits  das  Gewölbe 
eingebüßt.  Das  zweite  Obje6l  ilt  die  Burg  zu  Boskovic ; 
ein  fpät-gothifcher  Bau  aus  prachtvollem  lichtgelben 
Materiale,  intereffant,  weil  der  Bau  einheitlich,  wie  aus 
einem  Guße  entftand,  noch  vollfländig  ifl  und  kein 
Flickwerk  mehrerer  Jahrhunderte  vorftellt.  Man  erkennt 
daran  eine  klare  Idee,  eine  großartige  Auffaffung  und 
einen  feflen  Plan.  Die  Burg  ifl  heute  Ruine,  aber  nocii 
find  die  Stockwerke  erhalten  und  das  Mauerwerk  ifl 
noch  im  Zufammenhange. 

37.  In  den  letzten  Tagen  des  vergangenen  Jahres 
entfchied  fich  das  Schickfal  über  ein  feiner  Zeit  fehr 
wichtiges  Denkmal  des  Landes  Mähren,  über  die  fo- 
genanntft  Burg  zu  Znaini.  Diefes  Gebäude  war  zuletzt 
Caferne;  nachdem  es  fchon  zuvor  an  feinem  Beflande 
und  feiner  Einrichtung  fehr  gelitten  hatte,  ift  es  wohl 
recht  begreiflich,  dafs  diefer  Verwendung  des  Gebäudes 


8o 


nach  kaum  mehr  die  kunfthiftorifchen  Intereffen  des- 
felben  in  ausreichende  Würdigung  gezogen  werden 
konnten  und  dafs  die  künfllerifche  Bedeutung  des 
Baues  noch  geringer  wurde.  Gewifs  kein  Vorwurf, 
nur  die  natürliche  Folge  der  Sachlage.  Nunmehr  ging 
das  Gebäude  in  Privatbefit/.  über  und  dürfte  zu  einer 
ganz  andern  Beftimmung  gelangen. 

lieber  die  Znaimer  Burg  finden  wir  aus  der  Feder 
des  tüchtigen,  mit  der  mährifchen  Kunflgefchichte 
ganzbefonders  vertrauten  und  um  die  Denkmale  diefes 
Landes  hochverdienten  Brünner  Mufeal-Cuftos  Moris 
Trapp  ausreichende  Nachrichten  im  Notizen-Blatte 
der  hiftorifch-ftatiftifchen  Seflion  der  k.  k.  mährifch- 
fchlefitchen  Gefellfchaft  iS66,  Nr.  4  und  5,  welchem  wir 
nachftehcnde  Daten  größtentheils  entnehmen. 

Schon  im  iS.  Jahrhundert  war  die  Burg  eine  Ruine, 
1710  verlieh  Kaifer  Jofeph  I.  dem  Hofrathe  Max  Frans 
von  Deblin    auf  Althart     und    deffen 
Brüdern    die   innere  Burg  zu   Lehen, 
mit  der  Bedingung,  dafs  diefelbe  wie- 
^/>\  der  in  Stand  gefetzt  werde.  Die  äußere 

Burg    ging    zur    felben    Zeit    an    die 
Stadt  Znaim    über,    uelche   als  brau- 
berechtigt    dort    ein    Brauhaus    ein- 
■  richtete. 


l\ 


y'y'  ,<.  ^<7: 


F'g-    '3-  (Höllein.) 

Wie  Cuftos  Trapp  erzählt,  Mattete  die  fpäter 
gräfliche  Familie  Deblin  die  innere  Burg  mit  feltencn 
Kunft'ie'ienftänden  aus,  eine  Ruft-  und  Gewehr-Kammer 
wurde  angelegt,  Kunft-  und  Bilder-Galerie,  Bibliotheken, 
Urkunden-Sammlung  entftanden.  1784  ftarb  durch 
Mörderhand  der  letzte  Deblin,  das  Lehen  wurde  caduc. 
Die  innere  Burg  wurde  als  Militär-Spital  verwendet, 
die  Sammlungen  kamen  weg.  Nur  die  Capellc  blieb 
intact.  Im  Jahre  1865  verfchwand  auch  die  Capelle,  der 
letzte  Refl  der  Deblin' {chcn  Sammlung  wurde  wegge- 
bracht. Die  Sachen  gingen  verfchiedene  Wege,  theils 
in  das  Mufeum  in  Brunn  (einige  Bilder)  —  in  die  dortige 
GarnifoDs-Kirche  —  theils  in  die  Dominicaner-Kirche 
zu  Znaim  imd  in  Privathände. 

Der  ovale  Saal  der  Burg  mit  Kup|)clDeckc  war 
reich  mit  Malerei  geziert,  über  tlen  fechs  Thüren  liilder 
aus  der  vaterländifchen  Gefchichte,  in  den  Fcnfter- 
W'andungen  52  Bruftbiider  böhmifcher  Regenten  bis 
König  I'"erdinand  1527  Die  Kuppel  ift  mit  einem  großen 
Gemälde  geziert,  darftellend  den  böhmifchen  Löwen 
zu  Füßen  der  Bohemia,  zur  Seite  die  perfonificircnde 
Morava  und    die  Znojina    mit    den    bezüglichen  Wa])- 


penfchildern.  Die  Figuren  find  in  Lebensgröße  ausge- 
führt, gut  coiiiponirt  und  in  tüchtiger  Perfpective 
behandelt.  Es  dürfte  das  Bild  zwifchcn  1710  und  1720 
entftanden  fein;  am  Rande  in  12  Medaillons  Regenten- 
bilder aus  dem  Haufe  Habsburg.  Erwähnenswerth  ift  die 
Capelle  mit  reicherBarok-Stucco-Verzierung.  Sie  wurde 
1720  eingeweiht,  hatte  nur  einen  Altar  aber  reichen 
Bilderfchmuck,meiftens Tafel-Gemälde. Nicht  unberührt 
dürfen  die  vielen  unterirdifchcn  gewölbten  Räume 
bleiben.  Man  ficht  Anlagen  des  älteften  Baues  mit  im 
P'elfen  ausgearbeiteten  Pfeilern,  als  Trägervon  Kreuz- 
Gewölben,   aus  Bruchfteincn  zufammengefetzt. 

38.  Confervator  Dechant  Größer  hat  an. die  Cen- 
tral-Commiffion  berichtet  über  das  kleine  Kirchlein  zu 
llbllein.  Selbes  liegt  hoch  am  Gebirgsrücken,  welcher 
das  Metnitz-Thal  von  jenem  der  Gurk  trennt.  Die  Er- 
bauung der  Kirche  darf  dem  13.  Jahrhundert  zuge- 
zählt werden,  denn  es  zeigt  die  ausgefprochenc  ro- 
manifche  Bauweife  der  kleinen  Landkirchen  jener  Zeit. 
Das  Schiff  (Fig.  II)  ift  9  M.  lang,  5-65  M.  breit  und 
4-50  M.  hoch,  flachgedeckt..  Gegen  Oftcn  fchließt  ficli 
die  halbrunde  und  überwölbte  Apfis,  vermittelt  durch 
einen  mit  Capitälgefimfen  gegliederten  Scheidebogen, 
an.  Selbe  ift  3-50  M.  weit  und 
4-10  M.  hoch.  Das  Weft-Porlal 
ift  romanifch  und  in  Stein 
ausgeführt  (Fig.  12).  Den  ge- 
raden Sturz  ftützen  zwei 
Kämpfer  und  über  das  Ganze 


wölbt  fich  ein  Steinbogen  mit 


FiL 


15    I  Ilollcin.') 


rechteckigem  T'rofil.  Dem 
Schiffe  ift  eine  jüngere  Vor- 
halle vorgebaut,  von  welcher 
man  durch  ein  rechts  neben  der  Thür  angebrachtes 
rechtwinkeliges  gothifch-abgefchrägtes  Fenfter  in  die 
Kirche  hineinblicken  kann.  Ucber  der  Vorhalle  ift  ein 
viereckiger  Raum  als  erftes  Stockwerk  angelegt  \nul 
darauf  ruht  der  quadrate  Holzthurm  mit  Spitztiach 
(Fig.  13).  Die  ganze  Kirche  ift  mit  einer  74-gliedrigen 
26  Klafter  langen  Eifenkette  umfpannt.  iVn  Kirchen, 
welche  wie  diefe  dem  heil.  Leonhard  geweiht  find, 
findet  man  öfter  folche  Ketten  angebracht,  und  die 
Sage  verbindet  damit  gewöhnlich  ein  Localereignis 
aus  der  Tiirkeniioth,  wie  es  auch  hier  der  l'all  ift. 

Als  die  Türken  die  Gegend  bedrohten,  gelobte 
die  Gemeinde  eine  folche  Kette  um  die  Kirche,  wenn 
fie  \()n  den  Gräueln  verfchont  liliebe.  Thatfächlich 
zerftörten  die  Türken  die  nahe  gelegene  Kirche  am 
Babenberge,  zogen  aber  vor  Höllein  ab.  Die  gerettete 
Gemeinde  hielt  ihr  Gelübde  und  fpannlc  um  die  Kirche 
eine  Kette  nach  Art  von  Fig.  14.  Von  den  beiden  alten 
(jlocken  )iat  eine  folgende  Infchrift:  Sanft  .  linharde. 
(ira  .  pro  .  nobis  .  pfs.  .  die  andere  .  anno 
m°  .  cccc  .  l.xiiio  .  rex  .  gloric  .  x'rc  (sie) 
.  pace. 

Unter  dem  Dache  erkennt  man  an  der  Weftwand 
noch  Refte  romanifcher  Mortel-Decoration,  eine  fchrage 
weiße  Ouadriruiig.  Von  einem  gothifclien  Altare  ift 
noch  das  Mittelftück  fanimt  zwei  Mügelii  erhalten,  alli'in 
fchlecht  reftaurirt.  Riithfelhaft  ift  ein  ruiulci-  Stein  mit 
ficben  locharligen  Verliefimgen.  (I'ig.   15). 


,  domini  . 
veni  .  cum 


'■^«J^*a»-  3*,-^ 


—      81      — 


Die  Pfarrkirche  zu  Treffen  (Trbnye)  in  Unter-Krain. 


Befproclien   vom  Correfpondenten  KonraJ  Cnioiogar. 


lESE   der  Mutter   Gottes   geweihte  Kirche   ift 
eine  der  bedeutendflen  Bauten  im  Lande  und 
für  die  Entwicklung  der  Baukunlt  in  Krain  von 
höchfter  Wichtigkeit;  fchade  nur,  dafs  dicfer  impofantc 
gothifche  Bau  im  Laufe  der  Jahrhundertc  fo  ftark  ver- 
unftaket  worden  ift.   Nach  dem  wenigen,  was  von  der 
urfprünglichen  Anlage  unverändert   geblieben  ift,  wie 
die  beiden  fchön  gegliederten  Portale  und  einiges  Maß- 
werk im  Thurm,  zu  fchließen,  war  diefe  Kirche  in  zwar 
einfachem,  aber  ftreng  conftruftivem  gothifchen  Style 
ausgeführt.  Eigenthümlich  ift  auch,  dafs  die  Schiffe  ebene 
Holzdecken    hatten,   wie   fonft    die    meiften    kleineren 
gothifchen  Kirchen  in  der  Gegend,  deswegen  entfallen 
die  Strebepfeiler.   Dafs   die   kleinen   Kirchen,    welche 
zwar  einen  gewölbten  gothifchen  Chor,  wie  auch  gothi- 
fche Fenfter  und  Thüren  im  Schiffe  hatten,    aber    ein 
fiachdeckiges  Schiff,  läfst  fich  zwar  dadurch  erklären, 
dafs  das    breite   aber   verhältnismäßig   niedrige  Schiff 
zum  Wölben  große  Schwierigkeiten,  wie  auch  bedeu- 
tendere   Auslagen    verurfachen    möchte;     bei    diefer 
Kirche  find  jedoch  die  Schiffe  eng,  nur  zu  4'25  bis  4-5  M. 
breit.  So  enge  Räume  wären  nicht  fchwer  zu   wölben, 
und  was  die  Koften  anbelangt,   haben  die   Steinmetz- 
arbeiten bei  ihrer  forgfältigen  Ausführung  doch  bedeu- 
tende Summen   gekoftet,  dafs  man  aus  Erfparnisrück- 
fichten  nicht  wölben  könnte.   Diefer  Umftand  wird  fich 
erft   erklären   laffen,   nachdem    das  ganze  Unter-Krain 
fyftematifch  unterfucht  fein  wird. 

Diefe  Pfarr-  und  Dechantei  Kirche  fteht  an  der 
Unter-Krainer,  refpeftive  Agramer  Reichsftraße  in  der 
Mitte  des  feit  einigen  Decennien  aufgelaffenen  Fried- 
hofes, 52  Km.  von  Laibach  und  20  Km.  von  Rudolfs- 
wert entfernt.  Zu  Valvafor's  Zeiten  (1689)  war  der 
Friedhof  noch  mit  einem  Tabor  umgeben. 

Es  fei  mir  erlaubt,  an  diefer  Stelle  einiges  über 
den  Ort  felbft  zu  erwähnen.  Das  Dorf  felbft  mit  dem 
gleichnamigen  Schlöffe  liegt  in  einem  engen  Thale  an 
dem  Bache  Temeniz  (Temenica),  ift  der  Sitz  des  k.  k. 
Bezirksgerichtes,  k.  k.  Steueramtes  und  k.  k.  Poftamtes. 
Das  alterthümliche  Schloß  foll  vom  kärntnerifchen 
Gefchlechte  „von  Treffen"  erbaut  und  nach  ihm  be- 
nannt worden  fein,'  und  hat  feine  Geftalt  feit  Valvafor 
wenig  verändert.  *  Der  fteinerne  Löwe,  welchen  man 
nach  Valvafor  fammt  anderen  Alterthümern  ausge- 
graben hat,  liegt  jetzt,  arg  befchädigt,  auf  einer  den 
Weg  begränzenden  Mauer. 

In  der  Gegend  hat  die  römifche  Station  Praetorium 
Latobicorum  geftanden,  was  viele  hier  ausgegrabene 
römifche  Alterthümer,  wie  Gemäuer,  Gräber,  Infchrift- 
und  Meilenfteine,  Münzen  etc.,*   wie   auch   die  Meilen- 

I  Vtilv.  XI,  S.  587,  n.^ch  ihm  Dimitz.  Gefch.  Krains  IV,  S.  82.  —  Der 
Name  Treffen  dürfte  eher  von  flov,  trebiti  (ausroden)  und  Trebnje  kommen, 
denn  die  Gefchlechter  haben  fich  eher  nach  dem  SchIofl*e  und  der  Gegend  be- 
nannt, als  diefe  nach   jenen. 

=  .Abgebildet  in  Valv.  XI,  S.  587.  Nur  der  Bergfried  ragt  nicht  mehr 
über  das  Dach. 

'  Einige  Romerfleine  find  im  Rudolphinum  zu  Laibach.  Zwei  Sleinfaulen, 
verniuthlich  Meilepfleine,  bei  einem  Haufe  in  Treffen.  Der  fteinerne  Lowe 
beim  Schlöffe  und  das  fchbne  Fragment  eines  römifchen  Grabfteines  in  der 
Thnrmmauer.  Eine  Bronzemünze  des  Alexander  Severus,  am  Reverfe  Vidloria 
Aug(ufti)  in   meinem  Befitze. 

XIX.  N.  F. 


angäbe  der  Peutinger'fchen  Tafel  und  der  Itinerarien 
zur  Genüge  beweifen.  '  Hier  vorüber  führte  die  große 
Heerftraße  von  Emona  über  St.  Veit  (Acervo)  nach 
Neviodunum. 

Nach  der  Völkerwanderung  fcheint  die  erfte  An- 
fiedelung  etwa  '/^  Stunde  öftlicher  im  gegenwärtigen 
Altenmarkt  geftanden  zu  haben;  denn  der  Name  Stari 
trg  bedeutet  immer  eine  ältere  Anfiedelung,  und  zwar 
eine  flavifche,  da  jene  auf  einer  prähiftorifchen  oder 
römifchen  Stätte  Gradisce  oder  Razdrto  genannt 
werden.*  Auch  im  Mittelalter  mußte  hier  ein  reger 
Handelsverkehr  ftattgefunden  haben.  Vor  etlichen 
Jahren  hat  man  in  der  Nähe  einen  bedeutenden  Schatz 
mittelalterlicher  Silbermünzen  ausgegraben;  leider  find 
die  meiften  derfelben  vcrfchleppt  worden,  von  welchen 
ich  jedoch  acht  Stück  erworben  habe.  Darunter  find 
vier  vom  Patriarchen  Petrus  II.  de  Gera*  (1299  bis 
1301),  zwei  des  Raimundus  a  Torre  (1272 — 1298),*  ein 
Stück  des  Dogen  Johann  Supantio  (1314 — 1330)^  und 
eine  der  Triefter  Bifchöfe.  ® 

Die  Pfarre  felbft  ift  fchon  fehr  alt,  denn  fchon  im 
Jahre  1163'  ift  Rutardus  als  Pfarrer  von  Treffen  erwähnt. 
1448  wurde  vom  Papfte  Nicolaus  V.  dem  Kaifer  Fried- 
rich III.  das  Patronatsrecht  beftätigt.  Im  Jahre  1617 
fchenkte  Ferdinand  II.  diefe  Pfarre  dem  Klofter  Sittich.* 
Nach  der  Aufliebung  desfclben  wurde  die  Pfarre  wieder 
felbftftändig  und  nach  der  Neueintheilung  der  Laiba- 
cherDiöcefe  beftändiger  Sitz  eines  Decans.  Die  gegen- 
wärtige Pfarrkirche  foll  um  das  Jahr  1443  aufgebaut 
worden  fein,'  fie  wurde  unter  dem  damaligen  Vicare 
und  dem  fpäteren  Abte  von  Sittich  Johann  Weinzürl 
gewölbt  und  umgeformt.'"  Am  Ende  des  achtzehnten 
Jahrhunderts  wurde  an  der  Stelle  des  alten  gothifchen 
Chores  ein  barockes  Presbyterium  aufgeführt.  1862 
verfuchte  man  den  arg  verpfufchten  Bau  wieder  umzu- 
formen, indem  man  das  alte  Rococodach  des  Thurmes 
entfernte  und  ein  neues  in  der  Form  einer  achtfeitigen 
Pyramide  auffetzte,  die  Schallöcher  mit  gothifchem  Maß- 
werk verfall  und  fonft  auch  einige  gefchmacklofe  Ver- 
zierungen anbrachte."  1890  wurde  die  Kirche,  foviel 
die  geringen  Mittel  erlaubten,  reftaurirt  und  gefchmack- 
voll  erneuert. 

Die  Kirche  felbft  ift  orientirt,  im  Lichten  36-2  M. 
lang,  I4-6  M.  breit  und  in  den  Schiffen  S'i  M.  hoch. 
Der  impofante  gothifche  Thurm  in  der  Weft-Fac:ade  foll 
bis  zum  Blitzableiter  59  M.  meffen.  Die  Kirche  hat  drei 
gleich  hohe  und  beinahe  auch  gleich  breite,  urfprünglich 

'    Vgl,  Jiliilhier,  _Emona". 

-  Ibid.  —  Vgl.  Start  trg    in  Laibach,  bei  Wei.\elburg,  St.  Veit  etc. 

^  K'lun,  Archiv  für  Landesgefchichte,  II.  und  III.  Heft,  Abbildungen 
Taf.  III,  Nr.  21 

*  Ibid.  Nr,  20, 

5  Ibid.  Taf.  III,  Nr,  40, 

•^  Bei  A7«K  nicht  abgebildet, 

'  Schmu,  Urk.  und  Reb.  I,  S.  121. 

8  Caf.  Gl.  Dioc.  Labac.  —Milkowicz,  Klöfter  in  Krain,  S.  76.  Valv.  VIII, 
S.  815,  702. 

^  Dimitz,  Gefchichte  Krains.  1,  S.  318  nach  Klun's  Archiv  I,  S.  72. 

">  Unten  erwähnter  Infchriftftein. 

"  Nach  der  Angabe  des  hochwiirdigen  Herrn  Decanes  M.  Freiih,  dem 
ich  für  feine  bereitwillige  Untcrftützung  an  diefer  Stelle  meinen  innigften 
Dank  ausfpreche,  wie  auch  dem  Herrn  Baumeifter  Vincenz  Bertoli,  der  die 
Reftaurirung  führte  und  mir  fehr  hilfreich  zur  Seite  ftand. 

I  I 


—      S2      — 


flachdeckige,  gegenwärtigabes  mitrundbogigemKreuz- 
gewölbe  bedeckte  Schiffe.  Der  jetzige  Chor  ift  zwifchen 
1790  und  1800  aufgeführt  worden,  und  zwar  in  der  Form 
eines  ungleichfeitigen,  mit  einer  fenfterlofen  Kuppel 
überwölbten  Achteckes.  Derfelbe  ift  I2'8  M.  lang  und 
98  M.  breit.  In  der  Weftwand  ift  eine  feichte  halbrunde 
Nifche  für  den  Hoch-Altar,  an  der  \ordfeite  und  drei 
viereckige  Fenfter,  an  der  Südfeite  die  Sacriftei  mit 
der  Empore  angebracht.  Die  Pilafter  haben  barocke 
den  jonifchen  ahnliche  Capitäle.  Das  Presbyterium 
wäre  zwar  an  fich  felbft  ein  recht  artiger  Bau,  leider 
pafst  er  nicht" zum  übrigen.  Da  diefes  für  die  Kunft- 
gefchichte  von  keiner  Bedeutung  ift,  ift  es  nicht  nöthig, 
dasfelbe  eingehender  zu  befchreiben. 


•  Fig.   I. 

Die  Schiffe  und  der  Thinrn  find  urfprünglich  fchon 
gothifch  angelegt,  das  GcwolJjc  ift  jedoch  neuer,  wenn 
dasfelbe  auch  von  manchem  bei  obcrfiachliclicr  Befich- 
tigung'für  gothifch  gehalten  wurde;  denn  es  ift  ein  rund- 
bogiges  Kreuzgewölbe  ohne  (Juer-  und  Kreuzrippen, 
welche  letztere  nur  durch  profifirte  Streifen  aus  Mörtel 
gebildet  find,  im  Vereine  mit  fpitx.bogigen  Langsgurten 
aber  allerdings  als  folche  erfchcinen;  fie  ftehcn  jedoch 
in  gar  keiner  conftruftivcn  Verbindung  mit  dem  Ge- 
wölbe. Die  an  die  Langsgurten  ftoßendcn  Kappen  find 
wohl  im  flachen  Spitzbogen  aufgeführt,  fie  müßen  jedoch 


fo  fein,  da  fie  fonft  die  Spitzen  der  Arcaden  verdecken 
möchten  (Fig.  1).  Unter  dem  Dache  fieht  man  die  über 
das  Gewölbe  ragenden  Wände  und  die  Flanken  der 
Längsgurten  verputzt,  auch  find  noch  Balkenlöcher 
der  urfprünglichen  flachen  Decke    fichtbar. 

Auffallend  ift,  dafs  der  Thurm  fo  weit  in  die 
Seitenfchiffe  hineinragt,  obwohl  er  im  Mittelfchiffe 
genug  Raum  hätte.  Die  Theile  der  Seitenfchiffe  neben 
demThurme  find  viel  enger,  als  neben  dem  Mittelfchiffe. 
Li  diefen  Theilen  findet  man  unter  dem  Dache  keinen 
Verputz.  Als  man  heuer  in  diefen  Theilen  zwei  Fenfter 
und  zwei  n.eue  Eingänge  ausgebrochen  hatte,  fand  man 
Stücke  von  Maßwerk  der  gothifchen  Fenfter.  Am 
Thurme  fieht  man  unter  dem  Dache  Gefimfe  und 
Lichtfpalten,  was  gewifs  nicht  beftimmt  war,  unter  dem 
Dache  verfteckt  zu  bleiben.  Ferner  war  an  der  Stelle 
der  unausgebrochenen  Seitengänge  je  ein  viereckiges 
0-9  M.  breites  und  o'ö  M.  hohes  Fenfter  mit  Steinum- 
faffung  aus  dem  17.  Jahrhundert.  Aus  all  dem  folgt, 
dafs  auch  die  Seitenfchiffe  erft  fpäter  gegen  Weften  ver- 
längert worden  find,  dafs  der  Thurm  vor  der  Weftfront 
ftand.  welche  ungefähr  die  Richtung  cc  hatte.  Der  auf 
Steinfäulen  ruhende  Orgel  Chor  (Fig.  2)  konnte  erft 
damals  angelegt  werden,  und  auch  die  Fenfter  der  Sei- 
tenfchiffe mußten  erft  damals  aus  fpitzbogigen  in  vier- 
eckige umgeformt  worden  fein,  deren  Steinwerk  man 
dann  zur  Verlängerung  der  Seitenfchiffe  verwendete. 

Wann  die  Schiffe  gewölbt,  die  Fenfter  modernifirt 
und  die  Seitenfchiffe  verlängert  worden  find,  gibt  uns 
die  über  dem  Triumphbogen  eingemauerte  Steinplatte 
mit  dem  vereinigten  Wappen  des  Klofters  Sittich  und 
des  Abtes  Johannes  Weinzürl  mit  der  Infchrift: 

lOAN  :  WAINZERLE 
ABBAS  SITIEHOC 
FORNICS  •  1645  Fpi 

einen  Auffchluß.  Diefer  ift  früher  hier  Pfarrer,  refpeftive 
Vicar  gevvefen,  im  Jahre  1647  wurde  er  Abt  zu  Sittich. " 

Nach  diefer  Auffchrift  ließ  er  die  Kirche  umformen, 
als  er  noch  Vicar  gevvefen,  den  Stein  konnte  er  jedoch 
erft  einfetzen  laffen,  nachdem  er  Abt  geworden.  Und 
thatfächlich  finden  wir  in  der  Stiftskirche  zu  Sittich 
gleiche  Fenftcrumrahmung  und  gleiche  profilirte  Strei- 
fen über  die  Gräten,  wie  in  Treffen. 

Nachdem  wir  feftgeftellt  haben,  was  an  diefer 
Kirche  urfprünglich  fei,  will  ich  den  älteften  Theil 
befchreiben.  Vom  urfprünglichen  Chore  ift  nichts 
geblieben,  davon  kann  nur  gefagt  werden,  dafs  der- 
felbe die  Breite  des  Mittelfchiffes  haben  konnte.  Die 
Kirche  war  hiemit  eine  dreifchiffigc,  1675  M.  lange 
und  14-6  M.  breite  Halle  mit  flacher  llolzdecke.  Der 
Thurm  ftand  vor  der  wcftlichen  Abfchlufswand.  Das 
Mittclfchiff  ift  4-5  M.,  die  Seitcnfchific  zu  4-25  M. 
breit,  alle  drei  circa  83  M.  hoch.  Die  Schiffe  find 
jederfeits  durch  zwei  073  M.  dicke,  achteckige,  mit 
einfachem  Sockel  \erfehcne  Pfeiler  und  durch  drei 
unmittelbar  aus  denfeiben  fich  auffchwingende,  4^9  M. 
breite  Spitzbogengurten  von  einander  getrennt.  Die 
Gurten  haben  den  halben  Pfeiler  zum  Profil.  Capitäle 
fehlen.    In    der   Oftwand    dts  Mittcifcliiffes  öffiict    fich 


'  Her  Siciii  ifl  fo  liocli  ariKcbiiicht  und  an  einer  fo  clutiklun  Slcllc, 
d.if\  ich  nur  mil  Keriirolir  die  Infcliriri  Icfcn  konnte.  iJas  übriKC  war  deuilicli 
lesbar,  nur  die  beiden  letzten  FJuclift.ibcii  KK  lind  nirlit  deutlich,  üb  VV,  1-"K 
oder    KI'",. 

*  Valv.  V  111.  -  -  Miikowicz,    Klbftcr  in   Kiain,  S.  78. 


ein  gleicher,  jedoch  nur  4'3  M.  weiter  Triumphbogen. 
In  jedem  Seitenfchiffe  beflanden  drei  gothifche  Fenfter 
mit  Maßwerk.  Da  diefe  fpäter  in  rechteckige  umge- 
formt worden  find,  ift  ilire  Form  nicht  mehr  erhalten ; 
nach  den  Fragmenten,  die  neueftens  aufgefunden 
worden  find,  zu  fchließen,  waren  die  Laibungen  der- 
felben  aus  weichem,  aber  dichtem  gelblichen  Sand- 
fteine,  wie  überhaupt  auch  das  Maßwerk,  die  Pfeiler 
und  die  Gurten,  die  Ecken  und  Portale.  Sie  hatten 
gerade  Spitzbogen,  von  welchen  jeder  Segment  aus 
einem  einzigen,  an  drei  Stellen  mit  fingerlangen  gleich- 
armigen eingemeißelten  Kreuzen  bezeichnet  war; 
wenigftens  kommen  diefe  an  zwei  ausgebrochenen 
Steinen  zum  Vorfchein. '  Die  Schrägen  waren  mit 
braunen  und  weißen  Schnörkeln  bemalt.  Die  Mauern 
des  Thurmes  find  zweimal  fo  dick,  wie  die  des  Schiffes. 
Der  Thurm  ill:  y^  M.  breit,  in  den  unteren  zwei  Etagen 
vier-  in  den  oberen  zweien  unregelmäßig  achteckig. 
Unter  dem  Thurme  ift  eine  flach  gewölbte  Vorhalle, 
3-4  M.  lang  und  breit,  vom  Mittelfchiffe  durch  ein 
einfach  profilirtes  Portal  gefchieden.  Gegen  die  Fac;ade 
öffnet  fich  das  fchöne  go- 
thifche Portal,  welches  bis 
zu  den  Fußpunkten  nur  ab- 
gefchrägt,  im  Bogen  felbft 
aber  profilirt  ift.  Im  erften 
Stockwerke  findet  fich 
jederfeits  eine  tiefe  fpitz- 
bogige  Nifche  im  Innern; 
eine  davon  führte  auf  den 
Orgel-Chor,  diefe  hat  ein 
ftieinernes,  jetzt  vermauer- 
tes gothifches  Portal.  Diefem 
gegenüber  ill;  an  derFagade 
ein  kleeblattbogiges  kleines 
Fenfter.  Die  übrigen  zwei 
Nifchen  enthielten  Treppen, 
wenigftens  die  nördliche. 
Im  zweiten  Stockwerke  find 
wieder  folche  Nifchen,  von 
denen     die    nördliche    und 

die  füdliche  je  eine  enge  fteinumfafste  fchußfcharten- 
ähnliche,  jetzt  unter  das  Dach  mündende  Lichtöffnung 
hat.  Diefe  waren  gewifs  nicht  urfprünglich  beftimmt, 
unter  dem  Dache  zu  bleiben.  Hier  beginnt  das  Achteck, 
deffen  übereckgeftellte  Mauern  auf  doppelten  fpitz- 
bogigen  Gurten  ruhen.  Im  achteckigen  Theile  fieht 
man  gegen  Weften  ein  fchönes  kreisförmiges  Fenfter 
mit  Dreiblatt.  Im  vierten  Stockwerke  find  große  rund- 
bogige  gewifs  aus  alten  fpitzbogigen  umgeformte 
Schalllöcher,  je  eines,  auf  den  Hauptfeiten,  angebracht. 
Im  Jahre  1862  find  diefe  durch  gemauertes  Maßwerk 
maskirt  worden,  damit  fie  gothifch  erfcheinen.  Die 
Hauptfeiten  haben  fpitze  Giebel,  über  welchen  fich  der 
hohe  achteckige  blechgedeckte  Helm  erhebt.  Die 
Außenwände  des  Achteckes  find  mit  gothifchem  Lefe- 
nenwerk  aus  Mörtel  verziert.  Ich  will  noch  erwähnen, 
dafs  man  ehemals  den  Orgel-Chor  in  die  Verlängerung 
der  Seitenfchiffe  erweitern  wollte,  denn  die  nothwen- 
digen  Kämpfer  find  fchon  eingefetzt.^  Um  mehrere  Ein- 
gänge zu  erhalten,  find  in  den  Seitenfchiffen  neben  dem 

I  Vielleicht  Steinmetz-Zeichen-  .       r-         lu 

•-  Die  Kiimpfer  waren  zur  Zeit  der  Verlängerung  eingefettt,  d.is  Gewulbe 
aber   nicht  ausgeliilirt. 


Sänger-Chor  zwei  viereckige  Thürcn  ausgebrochen.  In 
jedem  Schiffe  ift  im  mittleren  Travee  eine  runde  Luft- 
üffnung.  Als  man  das  neue  Presbytcrium,  welches 
bedeutend  höher  als  die  Schiffe  ift  und  hiemit  auch 
höhere  Umfaffungsmauern  braucht  als  jene,  baute,  er- 
höhte man  die  Mauern  der  Schiffe  um  12  M.,  um  alles 
unter  Dach  bringen  zu  können.  Damit  jedoch  die 
fchwere  über  dem  Triumphbogen  aufgefiihrte  Fcucr- 
mauer  denfelben  nicht  zu  fehr  belafte,  führte  man  einen 
ftarken  Bogen  auf,  welcher  die  Schwere  nach  den 
Seiten  überträgt. 

Anftatt  der  alten  hölzernen  Treppe  auf  den 
Orgel-Chor  führte  man  neueftens  eine  Wendeltreppe 
auf  Die  Fenfter  wurden  wieder  fpitzbogig  umgeftaltet, 
welche  etwas  größer  find  (4  M.  hoch,  16  M.  breit)  als  die 
urfprünglichen  waren.  Leider,  dafs  die  geringen  Mittel 
es  nicht  erlauben,  neues  Maßwerk  einzufetzen.  Da  zwei 
neue  Fenfter  ausgebrochen  worden  find,  hat  jetzt  jedes 
Seitenfchiff  vier  Fenfter.  Die  aUen  Seitcnthüren  find 
vermauert  und  zwei  neue  fpitzbogige  an  der  Fagade 
ausgebrochen  worden. 


Fig.  2. 

Die  Kirche  ift  mit  Ziegeln  gedeckt  und  mit  Stein- 
platten gepflaftert.  Die  Kircheneinrichtung  ift  ohne 
Intereffe.  Die  drei  Altäre  find  aus  Holz,  zopfig  aufge- 
richtet. Am  Fußboden  finden  fich  einige  Grabfteine 
mit  Wappen  und  Infchriften,  aber  bis  zur  Unkenntlich- 
keit abgefchliffen. 

Im  füdlichen  Seitenfchiffe  ift  in  die  Thurmmauer 
ein  werthvolles  römifches  Grabdenkmal  eingelaffen.  Die 
Auffchrift  ift  entweder  abgebrochen  oder  unter  dem 
Anwürfe  verborgen.  Der  noch  erhaltene  halbrunde 
Obertheil  ift  O'pM.  breit  und  O'öjCm.  hoch,  von  einem 
profilirten  Rahmen  eingefafst.  Im  halbrunden  Felde 
find  in  etwa  '/*  Relief  drei  Bruftbilder  von  natürlicher 
Größe.  In  der  Mitte  eine  junge  weibliche  Geftalt  mit 
fchönem  Haar.  An  ihrer  Rechten  ift  eine  ältere,  mit 
einer  Art  Mütze  bedeckte  weibliche  Geftalt  (^vielleicht 
ihre  Mutter),  ihr  mit  der  Rechten  einen  Apfel  gebend, 
halb  gegen  fie  gekehrt.  Links  ein  Mann  mit  kurzge- 
fchorenem  Haar,  geradeblickend.  In  der  linken  Hand 
hält  er  eine  Pergamentrolle,  auf  welche  er  mit  dem 
Zeigefinger  der  rechten  Hand  zeigt.  Das  fchöne 
Denkmal  ift  gut  erhalten,  nur  die  Nafen  find  abgefchla- 
gen,  da  fie  einem  Beichtftuhle  im  Wege  waren. 

11" 


S4 


Die  Ausgrabungen  zu  Frögg  im  Jahre  1892. 


Befprochen   vom   Confervator   Baron  A'arl  Han/o 


er  Anfang  wurde  mit  der  Auffchließung  eines 
fehr  großen  Hügels  auf  der  Parcelle  1499 
gemacht,  welcher,  obwohl  mit  einer  flarken 
Einrenkung  am  Gipfel  verfehen,  durchaus  kein  An- 
zeichen trug.dafs  er  früher  fchon  einmal  geöffnet  worden 
wäre.  Denn  trotz  der  vielverbreiteten  Meinung,  dafs 
die  größeren  Grabhügel  in  Frögg  fchon  früher  einmal 
durchwühlt  und  ihres  befferen  Inhaltes  beraubt  worden 
feien,  während  die  kleineren  meift  unberührt  blieben, 
hatte  ich  feit  Jahren  die  Erfahrung  gemacht,  dafs  beffere 
Funde  nur  in  größeren  Grabhügeln  vorkommen,  und 
dafs  folche  Einfenkungen  am  Scheitel  in  der  Regel 
keine  Andeutung  früherer  Ausbeutung  feien.  Diefe 
meine  Erfahrung  bewährte  fich  denn  auch  bei  meinen 
diesjährigen  Ausgrabungen;  die  zwei  großen  Gräber, 
welche  ich  in  diefem  Sommer  öffnen  ließ,  enthielten 
viele  höchft  intereffante  Fundftücke,  während  19 
kleinere  Grabhügel,  mit  Ausnahme  von  zweien,  völlig 
leer  waren.  Was  hätten  auch  fpätere  fremde  Völker- 
fchaften  oder  Schatzgräber  in  den  Gräbern  zu  Frögg 
fuchen  follen.'  —  Bleifiguren,  fpärliche  Bronze  oder 
roftiges  Eifen!  und  alles  dies  noch  dazu  in  folcher 
Tiefe,  dafs  fich  der  Aufwand  an  Mühe  und  Arbeit  felbfl: 
heutzutage,  wo  die  Wiffcnfchaft  das  unfcheinbarfte 
achtet,  kaum  mehr  lohnt.  Die  kleineren  Grabhügel  aber 
wurden  im  Laufe  der  Jahrtaufende,  viel  leichter  theils 
durch  das  Abftocken  der  Wälder,  theils  durch  Waffer- 
läufc  und  Abrutfchungen,  nivellirt  oder  aufgeriffen  und 
ihres  Inhaltes  ledig;. 

Wie  ich  fchon  in  meinen  Ausgrabungsberichten 
von  1890  und  1891  zu  bemerken  Gelegenheit  hatte, 
enthalten  die  großen  Grabhügel  im  füdlichen  Theile 
des  Gräberfeldes  in  der  Regel  eine  viereckige  Stein- 
mauer, unter  welcher  die  Beftattungsbeigaben  gebor- 
gen find,  während  die  Erdanhäufung  im  Innern  des 
Viereckes  meifl  ohne  Fundftücke  ift  und  im  Laufe  der 
Zeit  durch  ihr  Zufanimcnfinken  jene  Einfenkungen 
bildete,  welche  man  in  früheren  Jahren  für  ein  Zeichen 
einer  in  älterer  Zeit  vorgenommenen  Ausgrabung 
hielt.  Es  bedurfte  daher  keiner  befonderen  Inftruclion 
der  bei  diefen  Ausgrabungen  feit  Jahren  gefchuiten 
Arbeiter,  wie  fie  in  dem  vorliegenden  Falle  vorzu- 
gehen hatten.  Zwei  derfelben  begannen  eine  Grube  an 
der  tiefften  Stelle  der  Einfenkung,  bis  fie  an  den  natür- 
lichen Grund  kamen,  wobei  Spuren  der  Ummaucrung 
fich  zeigten,  während  vier  andere  Arbeiter  den  oberen 
Theil  des  Hügels  von  Bäumen  und  Geflirüpp  reinigten 
und  die  aufgefchüttete  Erde  herauswarfen,  bis  fie  den- 
felbcn  Grund  wie  jene  erreichten.  Dann  erft  begann 
die  Durchfuchung  der  mcift  aus  fchweren  Bruchfteincn 
trocken  aufgeführten  Mauer  mittelfl  kleiner  Hämmer 
und  eigcnds  zu  diefem  Zwecke  conftruirter  Meffcrchen. 
Unter  der  öftlichen  Mauer  diefes  Grabhügels  fanden 
fich  dann  bald  Bieifiguren  vcrfchiedcner  Gußformen 
unter  einer  Unzahl  von  Topffcherljen,  wie  dies  gewöhn- 
lich   d<-r    I'"a!I    ift.    Es    fcheint,    dafs    diefe   Figürchcn 


urfprünglich  in  irdenen  Töpfen  in  die  Gräber  gebracht 
«urden,  welche  Töpfe  durch  die  Schwere  der  Steine, 
fowie  der  aufgefchütteten  Erde  zerdrückt  wurden.  Es 
waren  zunächft  einige  40  Stück  weiblicher  Geftalten, 
fowie  deren  bei  den  Ausgrabungen  im  Jahre  1890  auf 
der  Parcelle  1510  gefunden  wurden,  nur  waren  fie 
diesmal  weniger  gut  erhalten,  auch  lagen,  wie  damals, 
einige  Reiter  zwifchen  den  weiblichen  Figuren.  Dage- 
gen fanden  fich  in  demfelben  Grabe  befonders  gut 
erhalten  ungefähr  18  Stück  folcher  10  Cm.  langer  Blei- 
figuren, wie  ich  damals  auf  der  Parcelle  1504  gefunden 
hatte,  und  für  Darftellungen  von  Leichen  hielt.  Dies- 
mal waren  diefe  Figuren  alle  ziemlich  gut  erhalten. 
Es  ift  daraus  erfichtlich,  dafs  es  männliche  Figuren 
find,  deren  horizontale  Rückenlage,  reihenweife  neben- 
einander, fowie  deren  fchlaffe  Körpertheile,  zumal  der 
nach  feitwärts,  rückwärts  oder  vorwärts  hängende 
Kopf,  die  kreuzweife  zufammengelegten  Arme  und 
Beine,  jeden  Zweifel  ausfchließen,  dafs  fie  Leichname 
darfteilen  feilten.  Warum  diefe  Figuren  faft  doppelt  fo 
groß  find,  als  die  lebend  dargeftellten,  ift  allerdings 
nicht  zu  ergründen.  Einige  der  weiblichen  Figürchen 
lagen  unter  einem  ftark  zerfetzten  und  nicht  mehr 
ganz  herauszubringenden  Bronze-Keffel  mit  einfachen 
glatten  Handhaben,  woran  Klapperbleche  hängen. 
Diefe  Figürchen  find  grün  gefärbt.  In  dem  Keffel  felbft 
befanden  fich  nebft  Brandreften  menfchlicher  Gebeine 
Stücke  vermoderten  Holzes,  wie  dies  auch  in  anderen 
Bronze-Keffeln  vorkam.  Allein  die  früher  einmal  aus- 
gefprochene  Vermuthung,  dafs  folche  Keffel  eigentlich 
nur  mit  Bronze-Blech  überzogene  Holzgefäße  wären, 
beftätigte  fich  nicht,  indem  diefe  Holztheile  nur  am 
Boden  des  Keffels  lagen.  In  der  Nähe  des  Keffels  fand 
fich  auch  ein  eifernes  Meffer. 

Nachdem  mittlerweile  Regenwetter  eingetreten 
war,  ließ  ich  den  ziemlich  tief  aufgegrabenen  Hügel, 
deffen  innere  Steinwände  theils  fchon  cingeftürzt  waren, 
theils  dem  Einfturze  drohten,  zuwerfen  und  in  nächfter 
Nähe  desfelben  zwei  andere  kleinere  Hügel  öffiien,  allein 
ohne  ICrfolg.  Der  felfige  Grund,  welcher  den  weitaus 
größten  Theil  des  Untergrundes  diefer  Parcelle  bildet, 
kam  überall  fehr  bald  zum  Vorfchein,  und  dürfte  die 
Urfache  gewefen  fein,  warum  diefe  Hügel  leer  waren. 
Auch  ift  der  Wald  auf  diefer  Parzelle  überall  abgeftockt 
und  kein  Nachwuchs,  ein  Beweis,  dafs  es  an  einer 
tieferen  Humusfchichte  fehlt,  welche  Lcichenreftc  und 
Grabesbeigaben  bergen  könnte.  Ich  wandte  mich  da- 
her zur  höher  gelegenen  Parcelle  Nr.  15 10,  wo  ich  im 
Jahre  1890  ein  fehr  großes  Grab  geöffnet  und  viele 
Bieifiguren  gefunden  hatte.  Es  befinden  fich,  wie  ich  in 
meinem  Berichte  über  die  damaligen  Ausgrabungen 
bemerkte,  noch  viele  große  und  vielverfprcchende 
Hügclrcihen  auf  diefer  dicht  mit  Biiumcn  beftandenen 
Parcelle,  fowie  aufdem  weiter  füdlich  gelegenen  Kamme 
diefes  1  löheiuückcns,' welche  einer  forgfältigen  Durcli- 
forfchung  bedvnften.  Ich  hatte  mir  daher  die  Erlaubnis 


85 


erwirkt,  hier  nach  Belieben  graben  zu  dürfen  und 
wählte  eine  Anzahl  Hügel,  von  welchen  ich  den  meiften 
Auffchluß  erwartete;  allein  das  Ergebnis  meiner  Gra- 
bungen war  ein  negatiA-es.  Die  langgeftreckten  Hügel- 
reihen, welche  fich  von  dem  Höhenrücken  über  den 
(teilen  Abhang  bis  hinab  an  die  Straße  ziehen,  find 
natürliche  Gebilde  und  enthalten  keine  Beftattungen; 
jene  kleineren  Hügel  aber,  welche  auf  dem  Höhenrücken 
zerftreut  liegen,  find  zwar  allerdings  Gräber,  aber 
wahrfcheinlich  fchon  früher  zerftört  worden  und  ohne 
nennenswerthen  Inhalt.  RIerkwürdigerweife  fanden  fich 
auf  der  füdlichften  Spitze  diefes  Höhenrückens  nicht, 
wie  vermuthet  worden,  Spuren  eines  Ueberganges  der 
HaliriätterzurLaTene-Periode,  fondern  nur  zwei  Bruch- 
ftücke  (Rücken  und  Fuß)  einer  kleinen  Kahnfibel  aus 
Bronze.  Der  gleiche  Fall  war  bei  der  Durchforfchung 
der  noch  füdlicher  gelegenen  vom  Gräberfelde  getrenn- 
ten Anhöhen,  welche  größtentheils  abgeflockter  Wald- 
bodenfind.  Ich  hatte  die  Erlaubnis,  einen  Hügel,  welchen 
der  in  Mühlbach  anfäßige  Grundbefitzer  für  ein  Grab 
hielt,  zu  durchforfchen  und  überall  zu  graben,  wo  ich 
einen  Grabhügel  vermuthete.  Auch  hier  waren  nur 
kleinere  Gräber,  welche  zwar  entfchieden  Spuren  einer 
Beftattung  enthielten,  aber  fchon  längfl  zerftört  worden 
fein  mußten.  Ich  wollte  hierauf  auch  die  in  meinem 
Berichte  vom  Jahre  1890  als  ungenügend  durchforfcht 
bezeichnete  Parcelle  Nr.  1496  vornehmen,  und  ließ  da- 
felbfi,  wo  in  letzterer  Zeit  von  Fremden  wiederholt 
ohne  wefentlichen  Erfolg  gegraben  worden  war,  zwei 
mittelgroße  Gräber  öffnen.  Das  eine  derfelben  erwies 
fich  bald  als  ein  fchon  einmal  geöffnetes  Grab  und 
enthielt  keineBeftattungsbeigaben;  das  andere  größere 
und  mit  ftattlichen  Fichten  beftandene  Grab  enthielt 
dagegen  einen  intaften  Steinfatz  mit  Afchenreften. 
Dabei  lag  ein  großes  eifernes  Beil  (Kelt)  und  eine 
geringelte  Schlange  aus  Bronze,  140  Gr.  fchwer  und 
von  befferer  Arbeit.  Kopf  und  Schwanz  der  Schlange 
fcheinen  abgebrochen  zu  fein  und  dürfte  diefes  inter- 
effante  Stück  eine  Handhabe  oder  eine  Gürtelfchnalle 
gewefen  fein. 

In  diefer  Weife  nahte  die  fyftematifche  Durch- 
forfchung des  Gräberfeldes  von  Frögg  rafcher  ihrem 
Abfchluße,  als  urfprünglich  zu  erwarten  war.  Es  er- 
übrigte nur  noch  die  Unterfuchung  einiger  der  nörd- 
lichft  gelegenen  Gräber,  von  denen  zu  vermuthen  fland, 
dafs  fie  Funde  aus  der  Römerzeit  enthielten,  weil  vor 
Jahren  auf  einem  Felde  dortfelbft  eine  römifche  Fibula 
gefunden  worden  war  (Mittheilungen  der  Central-Com- 
miffion  N.  F.  XIII,  S.  LXXX),  welche  im  hiftorifchen 
Mufeum  zu  Klagenfurt  ift.  Ehe  ich  jedoch  zu  diefer 
Unterfuchung  fchritt,  hielt  ich  noch  eine  Umfchau  in 
den  bereits  durchforfchtenParcellen,  um  dasjenige,  was 
vielleicht  übcrfehen  worden  war,  nachzuholen  und  ließ 
in  verfchiedenen  Theilen  des  Gräberfeldes  ungefähr 
noch  10  kleinere  Gräber  öffnen,  wovon  jedoch  nur 
eines  eine  kleine  Bronze-Fibula  lieferte,  die  übrigen  alle 
waren,  wiewohl  fie  zweifellofe  Beftattungsfpuren  ent- 
hielten, ohne  Inhalt. 

Von  den  vier  nördlichen  Gräbern,  die  ich  hierauf 
öffnen  ließ,  enthielt  ebenfalls  nur  eines,  und  zwar  das 
nördlichlt  gelegene,  namhafte  Funde,  nämlich  einen 
gut  erhaltenen  eifernen  Kelt  mit  vier  Schaftlappen  und 
ebenfo  wie  der  füdlich  gelegene  Grabhügel,  deffen  ich 
oben    erwähnte,  Bruchftücke  einer  kleinen  bronzenen 


Kahn-Fibel,  mithin  nicht  die  geringfte  Hinweifung  auf 
die  Römerzeit. 

Ein  anderer  Hügel,  der  Erfolg  verhieß,  war  dicht 
mit  Bäumen  beftanden  und  trug  am  Scheitel  eine  tiefe 
Einfenkung.  Zwar  war  derfelbe  fchon  einmal,  wie  fich 
die  Arbeiter  erinnerten,  erft  vor  wenig  Jahren,  geöffnet 
worden.  Allein  damals  war  von  Oflen  nicht  bis  in  die 
Mitte  des  Hügels  vorgedrungen  worden,  auch  fehlen 
nicht  bis  auf  den  natürlichen  Grund  gegraben  worden 
zu  fein.  Bei  dem  Umftande,  dafs  die  Hauptbeftattung 
bei  derlei  Hügeln  in  der  Regel  fehr  tief  liegt,  war  an- 
zunehmen, dafs  jene  Grabung  erfolglos  gewefen,  was 
auch  in  der  That,  wie  man  mir  fagte,  der  Fall  war. 
Ich  wählte  alfo  den  zweiten  Hügel,  weil  dabei,  zwar 
vorausfichtlich  viele  Arbeit,  allein  doch  noch  mehr 
Ausficht  auf  Erfolg  war,  als  bei  dem  erfteren.  Es  fland 
zu  hoffen  hier  im  Centrum  des  Gräberfeldes  eine  neue 
Ausbeute  von  Bleifiguren  zu  machen  und  mit  einer 
gewiffen  Zuverficht  gingen  die  Arbeiter  in  gewohnter 
Weife  daran,  den  Gipfel  des  Hügels  abzuftocken  und 
rings  um  die  Einfenkung  herum  abzutragen.  Allein  die 
Mannigfaltigkeit  der  Gräber-Conflru6lionen  in  Frögg 
war  noch  nicht  erfchöpft;  es  war  hier  wieder  ganz  an- 
ders als  bei  allen  anderen,  bisher  aufgegrabenen  Grä- 
bern. Nachdem  nämhch  die  Erde  ungefähr  2  M.  tief 
abgehoben  war,  zeigte  fich  rings  um  einen  feften  Kern 
lehmiger  Erde  nicht,  wie  erwartet  worden,  eine  Stein- 
mauer, fondern  eine  mehr  als  meterflarke  Schichte 
großer  RoUfteine,  welche  fo  locker  aufgefchüttet  war, 
dafs  man  ftellenweife  zwifchen  den  Steinen  mit  dem 
Arme  hineingreifen  konnte.  Gleichwohl  war  gerade 
diefe  Schichte  von  Rollfteinen  der  Ort  der  Beftattung, 
wie  aus  Kohlen-  und  Knochenanhäufungen  zwifchen 
den  Steinen  unwiderleglich  hervorging.  Die  RoU- 
fteine mußten  von  oben  in  die  Grube  gebracht  worden 
fein;  denn  es  war  nicht  möglich  den  mittleren  Kern 
dichter  Erde  zu  entfernen,  ohne  dafs  die  Steine  von 
allen  Seiten  gegen  den  Mittelpunkt  zufammenkoUerten. 
Die  Arbeiter  mußten  äußerlt  vorfichtig  zu  Werke  gehen, 
damit  nicht  etwa  vorkommende  Beftattungsbeigaben 
durch  die  in  Bewegung  gerathenden  fchweren  Steine 
zertrümmert  wurden,  ja  fie  felbft  waren  nicht  außer 
Gefahr  bcfchädigt  zu  werden.  An  der  Südfeite  kamen 
bald  zwifchen  Kohle  und  calcinirten  Knochenfplittern 
fehr  fein  geglättete  fchwarze  Topffcherben  zum  Vor- 
fchein,  welche  fich  jedoch  nicht  mehr  zufammenfügen 
ließen,  fowie  auch  zufammengefchmolzene  Bronze- 
ftückchen,  endlich  auch  ein  kreuzförmiger  hohler 
Bronze-Knopf,  ähnHch  wie  in  Hallltadt  {Sacke;i,  Tafel 
XVIII,  Nr.  15),  in  welchem  noch  ein  Stückchen  Leder- 
riemen fleckte.  Vor  drei  Jahren  hatte  ich  in  einem  Grab- 
hügel der  Parcelle  145S  einen  ähnlichen  Knopf  ge- 
funden. Ueberhaupt  trugen  die  Funde  diefes  Hügels 
den  Charakter  der  Funde  jener  erften  Parcelle,  auf 
welcher  ich  im  Sommer  1889  mit  den  fyftematifchen 
Ausgrabungen  begonnen  hatte,  und  deren  Gräber  ich 
für  älter  halte,  als  jene,  in  denen  Bleifiguren  vor- 
kommen. In  größerer  Tiefe  diefes  Grabes,  bei  welchem 
wir  bei  6  M.  Durchmeffer  4  M.  Tiefe  erreichten,  ent- 
deckten die  Arbeiter  in  einer  Kluft  zwifchen  Rollfteinen 
einen  Bronze-Keffel.  Erltand  frei  in  einem  hohlen  Räume 
zwifchen  den  lofen  Rollfteinen,  und  man  fah  ihn  durch 
die  Fugen,  ohne  dahin  gelangen  zu  können.  Die  Roll- 
Iteine  mußten  rund  herum  mit  aller  Vorficht  entfernt 


—     86 


werden,  um  ihn  zu  lieben.  Es  währte  einige  Zeit  bis 
dies  g-elantj.  Als  er  endlich  frei  ftand,  ließ  er  fich  doch 
nicht  heben,  denn  bei  jeder  leifeften  Berührung  fielen 
Stücke  der  äußerft  dünnen  morfchenBronzewändeherab, 
fo  dafs  fchließlich  nur  der  Inhalt,  ein  Klumpen  durch 
Rofl:  zufammengebackener  menfchlichen  Knochen- 
refte,  flehen  blieb,  welche  einen  ftarken  Leichengeruch 
verbreiteten.  Sie  lagen  gebettet  auf  modrigem  Holze, 
welches  fich  an  den  Boden  des  Bronze-Keffels  ange- 
fchmiegt  hatte,  fo  dafs  noch  Theile  davon  daran  hafte- 
ten. Sonft  befand  fich  nichts  in  dem  Keffel,  der 
von  gewöhnlicher  Form,  fchmucklos  und  mit  glatten 
Henkeln  war.  Unter  demfelben  lag  ein  wohl  erhaltenes 
Bronze-Beil  mit  vier  Schaftlappen,  zwifchen  denen  fich 
beiderfeits  noch  Theile  des  hölzernen  Schaftes  befan- 
den, auch  hatte  dasfelbe  feitwärts  am  oberen  Rande  ein 
kleines  Oehr.  Nicht  fern  davon  lagen,  fl:ark  verroftet, 
mehrere  eiferne  Lanzenfpitzen  mit  Schaftröhren;  eine 
davon,  die  befterhaltene,  36  Cm.  lang;  zwei  andere 
waren  nur  mehr  theihveife  vorhanden.  Von  befonderem 
Intereffe  ift  ein  eiferner  Pferdezaum,  welcher  ebenfalls 
dort  lag  (Fig.  i).  Andere  weniger  erkennbare  Eifen- 
theile  dürften  Wagenbefchläge  gewefen  fein,  insbefon- 
dere    ein    kleines    gebogenes     Eifenblech    mit    einem 


Fig.  I.   (Fögg.) 

Haken,  woran  eiferne  Ringe  wie  von  einer  Kette 
hingen.  Diefer  Bronze-Keffel  mit  allen  feinen  Beigaben 
fehlen  die  Hauptbeftattung  des  Grabes  gewefen  zu 
fein  und  von  einer  vornehmen  Perfönlichkeit  herzu- 
rühren, welche  Pferd  und  Wagen  hatte.  Ich  ließ  die 
Grabung  nicht  weiter  fortfetzen,  zumal  die  Sache 
nicht  ohne  Gefahr  war.  Von  Bleifiguren  fand  fich 
nichts.  An  der  Südfeite  fand  fich  noch  zuletzt  nebft 
anderen  Thonfcherben  ein  zierliches  kleines  Henkel- 
gefäß aus  dunkelgrauem  Thon. 

Mit  der  Durchforfchung  dicfcs  letzten  Grabhügels, 
welcher  der  größte  war,  der  überhaupt  in  Frögg 
geöffnet  worden  ift,  und  deffen  Zufchüttung  die  an- 
geftrcngte  Arbeit  von  6  Arbeitern  durch  einen  ganzen 
Tag  in  Anfpruch  nahm,  fchloß  ich  die  fyftcmatifchen 
Ausgrabungen  ab,  und  denke  diefelben  auch  im  kiinf 
tigen  Jahre  nicht  wieder  aufzunehmen,  zumal  als  fich 
an  anderen  Orten  Kärntens  Gräber  finden,  derenDurch- 
forfchung  neue,  und  für  die  Vorgefchichte  Kärntens 
wichtigere  Auffchlüße  bieten  dürften,  als  hier  noch 
zu  erwarten  find. 

Die  Gräber  in  Frögg  gehören,  wie  alle  bisher  in 
Kärnten  erchloffenen  prähiftorifchen  Gräber,  der  erftcii 
Eifenzeit  an  und  find  ausnahmslos  Brandgriiber.  Ihre 
große  Vcrfchiedenhcit  an  Umfang,  innerer  lünrichtuiig 
und  auch  an  Beftattungsbeigabcn  läßt  vermuthcn,  dafs 
fie    nicht  der  Friedhof  irgend  einer  Anfiedhing,  fondern 


die  Beftattungsftelle  einer  ganzen  Gegend  waren,  wo 
die  Brandafcae  vornehmerer  Leute,  zuweilen  vielleicht 
aus  größerer  Entfernung  beigefetzt  wurde,  deren  ein- 
zeln oder  mehrere  zufammen  in  einen  Grabhügel  kamen. 

Dafs  diefe Bevölkerung  auf  den  Bergen  wohnte,  ift 
leicht  begreiflich,  fie  hatte  ihre  Grabftätten  auf  frei- 
gelegL-nen,  nicht  allzufteil  abfallenden  Plätzen,  wo 
weder  das  Abrutfchen  des  Erdreiches  noch  Waffer  die 
Ruhe  der  Todten  ftören  konnte.  Als  die  Römer  ins 
Land  kamen,  fanden  fie  Alpenwirthfchaften  vor,  wie 
aus  Varro's  Buch  (de  re  ruftica)  zu  entnehmen.  Dafs 
die  Römer  auch  Straßenanlagen  im  Gebirge  vorfanden, 
deren  einige  fie  zu  ihren  Zwecken  ausbauten,  erzählt 
fchon  Strabo  in  feiner  Geographie  (IV.  Buch,  Cap.  6) 
über  die  Alpen.  Er  fagt,  dafs  Kaifer  Auguftus  mit  der 
Ausrottung  der  Räuber  auch  die  Gangbarmachung 
der  Gebirgsftraßen  verband  und  fchildert  die  Schreck- 
niffe  der  damaligen  Alpenpäffe.  Ferner  erzählt  er,  dafs 
Oel  und  Wein  von  den  Gebirgsbewohnern  in  hölzernen 
Fäffern  von  Aquileja  bis  Nauportus  (Oberlaibach)  zu 
Wagen  geführt,  dann  auf  Schiffe  verladen,  bis  in  die 
Donau  und  auf  deren  Nebenflüßen  ftromaufwärts  in 
die  Gebirgsländer  gebracht  wurden.  Dabei  erwähnt  er 
insbefondere  der  Straße  über  den  Berg  Okra  (Birn 
baumerwald).  Wenn  man  heute  noch  auf  Gebirgshohen 
in  Kärnten,  wo  weder  Römer,  noch  fpätere  Völker 
irgend  ein  Verkehrsbedürfnis  hatten,  kunftvoll  an- 
gelegte Straßen  findet,  und  in  den  Gräbern  zu  Frögg 
Räder,  ja  einmal  fogar  das  Modell  eines  vierrädrigen 
Vv'agens,  fo  ift  dies  ein  Zeugnis  für  die  Richtigkeit  der 
Angaben  Strabo's  und  bei  derhohen  Culturftufe,  welche 
die  erfte  Eifenzeit  auszeichnet,  dürfte  es  kaum  zu  ge- 
wagt fein  anzunehmen,  dafs  die  damalige  Bevölkerung 
fowohl  Alpenwirthfchaften  als  Kunftftraßen  kannte. 
Ihre  Wohnung  war  unter  folchen  Umftänden  das  höl- 
zerne Alpenhaus.  Schon  Varro  erwähnt  der  Alpen- 
hütten im  Gebirge,  welche  er,  der  nur  gemauerte  Häufer 
zu  fehen  gewohnt  war,  verächtlich  „in  der  Eile  zufam- 
mengezimmert"  nennt.  Ihre  Nationalität  war  illyrifchen 
Stammes,  deren  Zweige  von  den  Kelten  und  Römern 
unterjocht  und  aufgefaugt  in  der  jetzigen  briuictten 
Mifchbevölkerung  der  Gebirgsländer  fortleben. 

Die  Bleifiguren,  eine  Specialität  der  Frögger 
Griiber,  wurden  an  Ort  und  Stelle  erzeugt,  und  oft  zu 
Hunderten,  meill:  in  fchlecht  gebrannten  rhongefcliirrcn 
den  Leichenreften  beigefetzt.  Dafs  die  Bleifiguren  nicht 
zu  jeder  Zeit  in  Frögg  vorhanden  waren,  beweifet  der 
Umftand,  dafs  fie  in  den  nördlich  gelegenen  Gräbern 
fehlen. 

Die  l'.rlialtung  der  Graber  bis  in  die  Gegenwart, 
läßt  fich  nur  aus  dem  Umftande  erklären,  dafs  das 
Grjiberfeld  feit  den  älteften  Zeiten  ununterbrochen 
Waldbodcn  war,  welcher  zwar,  wie  nachweislich,  wie- 
derholt abgeftockt,  doch  immer  Waldboden  blieb;  denn 
dort,  wo  einmal  der  Pflug  über  die  Gräber  ging,  ift 
deren  Spur  auf  immer  vcrwifcht. 

Was  die  innere  Einrichtung  der  Griiber  betrifft, 
fo  ift  diefelbe,  wie  oben  erwähnt  worden,  äußerft 
mannigfaltig.  Die  kleineren  Gräber  find  theils  mit,  theils 
olme  Steinfatz,  welch  letzterer  aus  Schieferplattcn 
hcfteht,  die  an  mehreren  Stellen  des  Gräberfeldes  vor- 
kommen. Die  Mehrzahl  der  kleineren  Griiber  ift  im 
Laufe  der  Zeit  \'crfcli\vuiiden  und  dabei  ihres  ohnehin 
Ip.niicliL-ii   Inhaltes    Neriuflig    gewonlcn,    wiihrcnd    die 


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großen,  meifl:  mit  Räumen  beflandenen,  geblieben  find. 
Es  ift  zwar  nicht  ausgcfcliloffen,  dafs  auch  mehrere 
der  letzteren  im  Laufe  der  Zeit  durchwühlt  worden 
find,  allein  die  VVerthlofigkeit  ihres  Inhaltes  fchützte 
die  übrigen  vor  gänzlicher  Zerftörung.  Aber  ein 
großer  Unterfchicd  beliebt  zwifchen  der  inneren  Ein- 
richtung der  großen  Gräber  im  nördlichen  und  im 
füdlichen  Theile  des  Gräberfeldes.  Während  jene  ein 
ganzes  Syftem  von  Steinplatten,  bis  zu  50  Stück  ent- 
halten, deren  jede  eine  Beflattung  deckt,  enthalten 
diefe  nur  wenige  Befbattungen,  weiche  unter  einer 
viereckigen  Mauer  von  fchweren  Bruchfteinen  liegen. 
Erftere  enthalten  vorzugsweife  Waffen,'  letztere  Blei- 
figuren. 

Spuren  von  Gold,  fowie  Bernftein  kommen  nur 
feiten  und  nur  in  einem  kleinen  Theile  des  Gräberfeldes 
vor,  ebenfo  Räuclierwerk,  deffen  jedoch  nicht  wenig 
im  erften  Jahre  der  fyftematifchen  Grabung  gefammelt 
wurde. 


Im  Ganzen  gehören  die  Gräber  in  Frögg  zu  den 
armen,  und  wurden  fchon  Viele,  welche  dort  auf  eigene 
Rechnung  gruben,  zumal  Sommcrgäfte  aus  Velden, 
bitter  enttäufcht,  indem  fie  nach  unverhältnismäßigem 
Aufwände  an  Zeit  und  Geld  nichts  oder  höchftens 
einige  Topffcherben  oderBruchflücke  vonMetallgegen- 
rtimden  heimbrachten.  Nur  wenigen,  vom  Glücke  be- 
fonders  ]5egünftigten,  war  Befferes  befchieden.  Der 
kärnthnerifche  Gefchichts-Verein  aber,  durch  die  be- 
deutende Dotation  der  kärnihneri/clien  Spai-cajfe  für 
Ausgrabungs  Zwecke,  durch diejährliclieUnterftützung 
der  k.  k.  Central- Cointniffion  für  Kuiijl  und  hißorijche 
Denkmale,  insbefondere  aber  durch  die  großen  Geld- 
beiträge, welche  Herr  Bacliofen  von  Echt  für  diefe  Aus- 
grabungen fpendete,  war  in  der  Lage,  feit  dem  Jahre 
1883  alljährlich  Ausgrabungen  in  Frögg  vornehmen  zu 
laffen,  und  in  feinem  Mufeum  eine  Sammlung  von 
Funden  aus  Frögg  anzulegen,  welche,  insbefondere 
durch  ihre  Bleifiguren,  ihres  Gleichen  nicht  findet. 


Die  Pfarrkirche  von  Gais  im  Pufterthale. 


|IT  Ausnahme  der  Stiftskirche  von  Innichen 
dürfte  fich  kein  fo  großes,  einheitlich  ausge- 
führtes Werk  des  fpät-romanifchen  Styles  in 
Nord-Tyrol  finden,  als  die  etwa  eine  Stunde  von  Brun- 
eck  an  der  Tauferer  Straße  gelegene  Kirche  der  Pfarre 
Gais.  Schon  von  weitem  ifl  der  fchlanke  Thurmhelm 
dem  Wanderer  fichtbar,  aber  erft  nach  Ueberfchreitung 
der  Kehlburger  Muräne  erfcheint  das  freundliche 
Dörfchen  Gais,  in  deffen  Mitte,  von  Obftgärten  umge- 
ben, das  uralte  Pfarrhaus,  und  weiter  zurück  die  Burg 
Neuhaus  als  Hintergrund  eine  wirkliche  romanifche 
Bafilica  des  13.  Jahrhunderts  den  Kunftfreund  nicht 
wenig  überrafcht.  Der  dreifchiffige  Bau  Fig.  i  ift  fchon 
von  außen  fchön  gegliedert  durch  den  hohen  Licht- 
gaden  des  Mittelfchiffes,  deffen  Oftgiebel  über  den  Chor- 
bau emporragt,  durch  Haupt-  und  Neben- Apfis,  welch' 
letzterer  an  der  Nordfeite  die  Sacriftei  entfpricht; 
endlich  durch  den  hübfclien  Thurm,  der  fich  auf  dem 
letzten  Quadrate  des  füdlichen  Seitenfchiffes  erhebt 
und  fo  die  Fa^ade  fehr  günftig  zeichnet.  Der  Bau  ift 
durchwegs,  die  Sacriftei  als  Verlängerung  des  nörd- 
lichen Seitenfchiffes  nicht  ausgenommen,  aus  kleinen 
Quadern  mit  \ielcm  Mörtel  dazwifchen  ohne  Bewurf  von 
außen  aufgeführt,  und  wenn  auch  die  Jahrhunderte  ihre 
Spuren  hinterlaffen  haben,  fo  ift  doch  die  erfle  Anlage, 
die  ein  Meifter  nach  einheitlichem  Plane  und  in  kurzer 
Zeit  hergeftellt  hat,  noch  klar  und  ficher  erhalten. 

Die  Längenaxe  der  Kirche  geht  nach  Südoft,  was 
fich  vielleicht  aus  der  Bodenbefchaffenheit  zur  Zeit 
des  Baues  erklären  läßt.  Der  Bauplatz  war  damals 
ficher  nicht  fo  tief  gelegen,  wie  jetzt,  fondern  ein  kleiner 
Hügel  mitten  in  der  Thalfohle,  und  die  Sage,  dafs  die 
Kirche  dreimal  im  Waffer  geftanden  fei,  findet  bei 
einiger  Betrachtung  der  umliegenden  Schuttmaflen  ihre 
Beflätigung.  Die  1-3  M.  dicken  Mauern  haben  jedoch 
Stand  gehalten,  alle  Gewände  find  mit  Hauftein  einge- 
fafst,  felbft  die  der  kleinen  Lichtgaden-Fenfter,  freilich 
einfach    "-eiuuj    ohne  Profilirunsj,  ohne  Abfaffung   und 


weder  vor  noch  zurücktretend  in  der  Mauerflucht.  Die 
Fenfterfchrägen  aus  Häuflein  fetzen  befonders  in  der 
Haupt-Apfide  großen  Aufwand  und  nicht  gewöhnliche 
Tüchtigkeit  voraus.  Die  Apfiden  haben  Kugelgewölbe 
ohne  Gefims,  Chor  und  Sacriftei  Tonnengewölbe,  das 
des  erfteren  ift  über  i  M.  dick,  am  Scheitel  gemeffen; 


Fig.  I. 

im  übrigen  fcheinen  bloß  die  Seitenfchiffe  zur  Wölbung 
beftimmt  gewefen  zu  fein.  Vom  füdlichen  Seitenfchiffe 
öffnet  fich  ein  abgefafster  Rundbogen  von  der  Breite 
des  Schiffes  in  den  Thurm.  Nahe  der  Ecke  an  der 
Nordfeite  ift  ein  kleines  Portal,  nur  i  M.  breit,  ohne 
Zweifel  das  fogenannte  Pfaffenthürl,  weil  es  dem  Thore 
des  Pfarrhaufes  gerade  gegenüber  fteht,  für  die  übrigen 


—     88 


Kirchenbefucher  aber  das  Haupt-Portal  und  ein  mittel- 
"roßes  an  der  Südfeite  viel  bequemer  find.  Alle  drei 
haben  —  wie  die  Fenfter  —  Rundbogen. 

Die  Haupt-Apfide  hat  zwei  Fenfter,  die  im  Innern 
15  M.  hoch  und  3  Cm.  breit  find,  die  Seiten- Apfis  wird 
durch  ein  ganz  kleines,  ftark  ausgefchrägtes  Fenfter- 
chen  erhellt,  nur  5  Cm.  hoch  und  i  Cm.  breit.  Der 
Lichtgaden  hat  auf  jeder  Seite  drei  Lichtöffnungen,  die 
in  der  Größe  zwifchen  den  vorgenannten  ilie  Mitte 
halten,  in  den  Seitenfchiffen  find  je  zwei.  Wie  das 
jetzige  Fenfter  an  der  Fagade  früher  ausgefehen,  läßt 
fich  nicht  mehr  beftimmen;  um  den  Gang  auf  die 
Empore  zu  erhellen,  ift  in  der  Höhe  der  Schlußmauer 
des  nördlichen  Seitenfchiffes  eine  Schlitze  angebracht, 


Fig.  2. 

und  eine  eben  folchc  zwifchen  Sacriftci  und  Ilaupt- 
Apfide,  jedoch  nur  1-5  M.  über  dem  Boden.  Der  von 
Quadern  viereckig  cingefafste  Eingang  zur  lunpore 
befindet  fich  ober  dem  früher  genannten  Pförtchcii  für 
die  Geiftlichkeit,  und  es  fcheint  eine  hölzerne  Stiege 
von  außen  auf  diefclbe  geführt  zu  haben.  Der  Oftgiebel 
des  Schiffes  hat  über  dem  Chordache  eine  rundbogige 
Oeffnung.  in  welcher  früher  die  San(5lus-Glocke  hing; 
die  zwei  Kragfteinc,  in  denen  fie  fich  bewegte,  find 
noch  erhalten. 

Nach  einer  im  Pfarr-Archiv  vorhandenen  Urkunde 
wurde  die  Kirche  mit  Friedhof  und  vier  Altären  vom 
Weilibifchof  Johannes  anno  1326  neuerdings  geweiht. 
Offenbar  ift  diefe  Weihe  für  die  Bauzeit  verfpätet, 
und  nur  in  Folge  einer  Entweihung  durch  Blutver- 
gießen in  Kirche  und  F'reithof  erklärlich.  Ein  Altar 
in  flcr  Mitte  wurde  zu  l'Llnen  des  heil.  Kreuzes,  der 
Haupt  Altar    wie    die    Kirche    zu    IChrcn    des    Evange- 


Uilen  Johannes  geweiht.  Die  Urkunde,  nicht  größer  als 
Einachtel-Schrpjbbogen,  hat  eine  fehr  kleine  und  zier- 
liche Schrift,  das  Siegel  befteht  aus  gewöhnlichem 
Wachfe,  das  mit  der  Hand  dem  Petfchaft  aufgedrückt 
wurde.  Es  zeigt  in  der  Mandelform  oben  das  Bruftbild 
des  Täufers,  in  der  unteren  Hälfte  einen  Rundbogen, 
in  welchem  ein  Bifchof  betend  kniet,  den  Stab  hinter 
fich.  Die  Umfchrift  in  Majuskeln:  Sigil.  Joh.  Epi.  .  .  . 
(Hier  fei  bemerkt,  dafs  in  einer  andern  Urkunde 
von  1311  die  ältere  und  jüngere  Gräfin-Witwe  von 
Taufers  eine  Schenkung  auf  den  Johannes -Altar 
machen).  Von  Bildhaucrarbeit  findet  fich  keine  Spur, 
eine  fehr  zerftörte  Malerei  an  der  Südfeite,  die  Kreuzes- 
gruppe vorftellend,  dürfte  vielleicht  aus  der  Zeit  des 
Kirchenbaues  ftammen. 

Nun  zu  den  baulichen  Aenderungen  der  Folge- 
zeit. Das  füdliche  Seitcnfchiff  fcheint  bald  nach  dem 
Baue  eingewölbt  worden  zu  fein,  es  hat  gothifche 
Kreuzgewölbe.  Vielleicht  in  Folge  eines  Brandes 
wurden  fpäter  die  Giebel  fämmtlich  erhöht,  und  zwar 
die  des  Mittelfchiffes  um  33  M.,  während  fie  früher  nur 
I  M.  hoch  waren;  fo  wurde  der  Mauerreiter  über  dem 
Chore,  deffen  Schallöffnung  oben  befchrieben,  unter 
das  neue  Dach  gebracht.  Gleichzeitig  mag  der  Thurm 
erhöht  worden  fein  und  feinen  Spitzhelm  bekommen 
haben.  Die  zwei  andern  Schiffe  erhielten  fchöne  hohe 
Netzgewölbe  (Fig.  2). 

Das  Gewölbe  des  MittelfchifTes  (Scheitelhöhe  vom 
Kirchenboden  13  M.)  ragt  weit  über  die  Seitenmauern 
empor,  fo  dafs  der  Dachftuhl  in  Schiffskielform  gebaut 
ift.  Etwa  50  Jahre  fpäter  wurde  die  Vorhalle  unter  der 
Pfarrkirche  gewölbt,  und  ein  breiter  Bogen  auf  zwei 
zierlichen  Confolfteinen    derfelben  vorgelegt. 

Alle  diefe  Arbeiten  find  in  ihrer  Eigenart,  aber 
mit  forgfältiger  Schonung  des  alten  Werkes  ausgeführt. 
Leider  kann  man  dasfelbe  nicht  fagen  von  den  Aende- 
rungen in  den  Zeiten  der  Renaiffancc. 

Von  Bauten  diefer  Periode  kann  man  bei  der 
befprochenen  Kirche  eigentlich  nichts  anfiihren,  denn 
es  wurde  nur  zerftört.  Es  ergibt  fich  das  am  füglichften, 
wenn  wir  kurz  den  heutigen  Zuftand  des  Bauwerkes 
angeben.  Das  Haupt-Portal  an  der  Weftfront  ift  einfach 
viereckig,  von  vier  Granitftücken  eingerahmt.  Das 
füdliche  Seiten-Portal  ift  unten  vermiauert,  oben  zu  einem 
riefigen  viereckigen  Fenfter  ausgebrochen,  das  kleine 
Pförtchen  an  der  Nordfeite  in  eine  Nifche  verwandelt, 
aber  gleich  daneben  eine  andere  Thüröffnung  ange- 
bracht. Von  allen  18  Fenfteröffnungen  ift  nur  mehr  das 
Fenfterclicn  der  kleinen  A]ifis  erhalten,  die  andern 
find  vermauert  oder  erweitert. 

Die  Haupt- Apfis  dient  jetzt  als  Sacriftei,  die 
kleinere  als  Spritzenhaus,  und  hat  von  außen  einen 
lüngang  erhalten.  Die  Fenfter  der  Seitenfchiffe  find  zu 
häfslichcn  Thüren  erweitert  und  nicht  einmal  durch 
einen  Slichbogen  gefchloffcn,  fondern  dünne  Bretter 
müßen  das  darüber  ftehende  Mauerwerk  tragen.  Von 
den  fchönen  Rippen  der  Schiffsgewölbe  find  nur  mehr 
auf  der  Emporftiege  ein  paar  verfteckte  Mufter  er- 
halten, dafür  ficht  man  neuere  Malereien  ohne  befon- 
deren  Wcrth. 

Die  alten  Leute  erzählen,  dafs  fiiiher  f^att  (oder 
beffer  an  Seite")  der  zwei  Mauerpfeiler  im  Schiffe  vier 
.Säulen  gcftandeii  feien,  man  hätte  fie  aber  mit  Stricken 
und  angefiJannlen  Pferden  herausgerilTen !  lün  Blick  auf 


89     - 


die  Seitenfchiffgewölbe,  deren  Coiifolen  in  den  jetzigen 
Scheiteln  der  Arcaden-Bogen  fehlen,  beflätigt  diefe 
Anficht.  Leider  ift  auch  Gefahr  für  das  Beftehen  der 
Kirche  vorhanden  wegen  des  Läutens  der  großen 
Glocke,  fei  es,  dafs  fie  zu  ungeftüm  gefchwungen  wird, 
oder  der  Glockenfluhl  fehlerhaft  ift,  genug,  dafs  das 
Gewölbe    ober   der  Empore    bedeutende   Riffe   zeigt. 


Dafs  oberhalb  der  alten  Empore  noch  eine  fehr 
unfchöne  angebracht  ift,  welche  weder  für  die  Kirchen- 
mufik  brauchbar,  noch  für  die  Kirchenbefucher  noth- 
wendig  ift,  fei  blos  erwähnt. 

Fr.  J.  Untergafser. 


Die  beiden  biblifchen  Gemälde-Cyclen  des  Domes  zu  Gurk. 


Vom  Correfpondcnten  Dr.   Alfred  Schnerich. 


II. 


14.  a)  Das  letzte  Bild  diefer  Reihe  gibt  je  eine 
Darfteilung  aus  den  beiden  berühmteften  Büchern  des 
alten  Bundes,  Job  und  Tobias;  leider  find  gerade  diefe 
in  fehr  verdorbenem  Zuftande  auf  unfere  Zeiten  ge- 
Icommen. 

Wir  fehen  links  Job  fitzend,  nackt,  mit  Beulen 
bedeckt,  die  Linke  an  das  Haupt  haltend,  in  der 
Rechten  ein  nach  aufwärts  gerichtetes  Spruchband; 
über  ihm  fchwebt  der  Teufel  mit  einem  Bogen  nach 
ihm  fchießend.  Ihm  gegenüber  fitzen  auf  polllerbeleg- 
ten  Bänken  deffen  drei  Freunde  in  reicher  Kleidung, 
jeder  eine  Krone  auf  dem  Haupte,  in  der  Hand  ein 
Spruchband.  Diefe  enthalten  Stellen  aus  den  Gefprä- 
chcn.  Bei  Job:  Si  bona  fnscepi[uius  d]e  inanu[dci] 
{Job  II,  10)  eigentlich  die  Antwort  auf  die  Läfterworte 
feiner  P'rau.  Das  nächfte  Spruchband  gibt  etwas  ver- 
ändert die  Anfangsworte  des  Eliphaz:  Venit  plaga 
supejr  te  et  dcfecisti]  (IV,  5),  das  weitere  die  Worte  des 
Baldad:  Usquc  a[d  qiijcin ßne[m]  verba  iacla  (VIII,  2). 
Das  letzte  Spruchband  aber  enthält  nicht  Worte  des 
Sophar,  des  dritten  Freundes,  fondern  die  Anfangs- 
worte des  nach  den  dreien  auftretenden  früher  gar 
nicht  genannten  Eliu:  A[iidi  igiticr  e  ]  lo[qiiia  inea  jet 
omnes  (XXXIII,  i).  Am  Rande  ober  dem  Teufel  endlich 
fteht:  [djiaboliis.  .  .  . 

Die  Gefchichte  des  Job  hat  das  Mittelalter  mit 
großer  Vorliebe,  oft  auch  als  Cyclus  dargeftellt  (Campo 
Santo  in  Pisa).  Das  Gurker  Bild  fteht  gegenüber  dielen 
vielen  ziemlich  vereinzelt  da,  fo  fitzt  hier  Job,  während 
er  fonft  meift  mehr  liegend  dargeftellt  wird;  ficher  war 
wohl  auch  hier  der  Afclienhaufen  angegeben.  Noch  auf 
fallender  ift  die  Darftcllung  der  Freunde  als  Könige,  als 
welche  fie  der  in  die  Vulgata  nicht  aufgenommene 
Nachfatz  bezeichnet,  vielleicht  auch  anfpielend  an  die 
Worte  des  Job,  XIX,  9 :  „abstulit  coronam  meam".' 
Der  fliegende  Teufel  ift  fehr  kühn  gezeichnet  und  erin- 
nert an  die  „morte"  im  „Triumph  des  Todes". 

bj  Sehr  fpärlich  find  die  Refte  der  zweiten  Hälfte; 
zu  erkennen  ift:  Rechts  ein  Haus,  aus  deffen  Thor  eine 
Perfon  tritt  mit  kurzem  Rock,  die  Hand  ausftreckend; 
links  zwei  andere  Perfonen,  dem  Haufe  zufchreitend, 
voran  ein  Engel  in  weißem  Gewand  mit  Nimbus  und 
gelben  Flügeln,  einen  Stab  und  Spruchband  haltend: 
Sds  quoitiam  pater  tiius   iit[ultos   numerat]  dies.  Ihm 

*  Im  Cyclu5  von  .S.  Gemigitano  (Bartolo  di  Fredi  u.  Benia)  ift  bei  der 
Tafel  Jobs  diefer  und  deiTen  Fi-au  gekrönt  dargeftellt.  Der  Cyclus  ift  bei 
Alinari   Nr.  7095   —   7116  und  7119  —  7139  photngraphirt. 

XIX.  N.  F. 


folgt,  von  rückwärts  aus  einem  tieferen  Terrain  hinan- 
fleigend,  ein  bärtiger  aber  jüngerer  Mann.  Beide  find  in 
Gefpräch  miteinander  und  halten  ihr  Gewand  aufge- 
fchürzt.  Dafs  hier  eine  Scene  aus  der  Gefchichte  des 
Tobias  dargeftellt  ift,  ift  durch  den  Engel  außer  Zweifel 
gefetzt;  nicht  fo  ganz  klar  erfcheint  es,  welche;  es 
könnte  die  Ankunft  bei  Raguel  (Cap.  7),  fowie  die 
Rückkehr  in  das  väterliche  Haus  (Cap.  11)  gemeint  fein. 
Für  erfleres  fpricht  die  Perfon  beim  Haufe,  die  doch 
nur  ein  Mann,  nicht  aber  die  Mutter  des  Tobias,  Anna 
fein  kann,  die  auf  den  Sohn  fehnlich  wartet  (Cap.  X). 
Die  Worte  des  Spruchbandes  fchwanken  zwifchen 
IX,  4  und  XI,  2.  Sie  folgen  dem  Wortlaute  der  erfteren 
Stelle,  find  jedoch  ftatt  des  Tobias  dem  Engel  beige- 
geben, daher  die  Veränderung  von  „mens"  in  „tuus"  ; 
dem  Engel  gehört  zwar  die  letztere  Stelle  an,  diefelbe 
ift  jedoch  wefentlich  verfchieden,  auch  kommen  die 
erfteren  Worte  vor  der  Ankunft  bei  Raguel  vor,  wäh- 
rend letztere  beim  Abfchied  gegeben  werden.  Es  wird 
alfo  unter  diefer  Darfteilung  die  Ankunft  bei  Raguel 
anzunehmen  fein,  als  welchen  wir  demnach  die  Perfon 
unter  dem  Thore  bezeichnen  müßen;  Tobias  fteigt  eben 
vom  Meer  herauf,  aus  dem  er  den  Fifch  geholt  hatte. 
Die  Gefchichte  des  Tobias  war  bekanntlich  in 
der  alt-chriftlichen  Kunft  einer  der  beliebteften  Gegen- 
ftände;  von  fpäteren  nicht  fehr  häufigen  Darftellungen 
feien  erwähnt  die  Heilung  der  Augen  des  Vaters  im 
Antiphonar  von  St.  Peter,  *  fowie  verfchiedene  andere 
Scenen  in  Miniaturen.^ 

15.  Die  unterfte  Reihe  beginnt  wieder  an  der  Weft- 
wand  ;  leider  ift  das  erfte  Bild  verloren  gegangen,  eben 
fo  die  linke  Hälfte  des  folgenden. 

16.  b)  Die  rechte  Hälfte  zeigt  wenigftens  in  den 
oberften  Theilen  noch  erkennbare  Spuren.  In  einer 
gothifchen  Halle  erblickt  man  drei  Perfonen.  Links 
ein  König  —  mehr  als  die  Krone  ift  nicht  erhalten  — , 
zu  ihm  gewendet  eine  gleichfalls  gekrönte  Frau,  hinter 
diefer  noch  eine  weitere  weibliche  Perfon,  einen  Kranz 
in  den  Haaren.  Das  Gefpräch  zwifchen  den  erfteren 
zwei  Perfonen  erläutern  Spruchbänder,  welche  fie  offen- 
bar hielten,  beim  König  : Iiester,  bei  der  Königin 

/ popuhi])ii  ineuin  pro  quo  oro,   zwei  Stellen  nach 

Efther  VIII,  2  und  3.  Hier  war  alfo  das  Gaftmahl  der 
Königin  dargeftellt:  links  faß  Affuerus,  zu  ihm  redend 
Efther;  die  bekränzte  Geftalt  hinter  ihr  kann  wohl  nur 

'    Lind,  a.  a.   O. 

•  Vgl.  Heider,  Jahrb.  der  Centr.-Comm.  5.  S.  128. 


—     90     — 


die  Dienerin  fein.  Den  Vordergrund  nahm  offenbar  die 
gedeckte  Tafel  ein,  an  deffen  Schmalfeite  der  König 
faß;  ähnlich  erfcheint  die  Darfteilung  des  hortus  delici- 
arum  der  Herard  von  Landsberg,'  anders  imSpeculum, 
f  46  bj,  ebenfo  auch  in    der  Biblia   pauperum  XXIV- 

c)  Schwieriger  ift  die  Erklärung  des  letzten  ganz 
fchmalen  Stückes,  welches  gleichfalls  nur  in  den 
oberften  Theilen  erhalten  ift.  In  einer  Halle  fteht  rechts 
ein  Mann  in  engem  Gewände,  einen  Helm  auf  dem 
Haupte,  nach  links  gewendet,  mit  feinem  Schwerte 
eben  zum  Streich  ausholend.  Den  Raum  ihm  gegen- 
über nimmt  oben  ein  Spruchband  ein,  welches  von 
einer  kleineren,  ihm  gegenüber  befindlichen  Perfon 
etwa  in  knieender  Stellung,  ausgegangen  zu  fein 
fcheint.  Die  Infchrift  darauf  ift  leider  nicht  mehr  zu 
entziffern.  Es  kann  beim  erften  Anblick  zweifelhaft  fein, 
ob  diefes  letzte  kleine  Stück  noch  zur  Darfteilung  des 
Gaftmahles  gehört  oder  nicht.  Für  letzteres  fpricht 
aber  fchon  die  ^räumliche  Dispofition,  indem  beide 
Darftellungen  mitfammen  faft  zwei  Drittel  der  ganzen 
Länge  der  Bildfläche  einnehmen;  auch  ift  es  fchwer, 
diefen  mit  dem  Schwerte  hauenden  Mann  für  die 
Gefchichte  der  Efther  zu  beanfpruchen.  Haman  wird 
bekanntlich  an  den  Galgen  gehängt,  was  hier  etwa 
links  vom  König  dargeftellt  gewefen  fein  mag,  wie  wir 
es  ähnlich  auch  am  Faftentuche  finden  werden.  Es 
möchte  fomit  fcheinen,  dafs  auf  der  langen  Bildfläche 
ein  kleiner  Raum^^übrig  blieb  und  derfelbe  noch  für 
eine  dritte  Darftellung  benützt  wurde.  Vielleicht  war 
hier  die  Tödtung  der  Königskinder  durch  Athalia 
dargeftellt,  etwa  verbunden  die  Rettung  des  Joas  durch 
Jofabeth  11.  Par.  XXII,  11),  was  die  Bibl.  paup.  VII  gibt. 
Der  Mann  mit  dem  Schwerte  wäre  demnach  der 
Scherge  der  Königin. 

Schwierig  bleibt  es  immerhin,  zu  beftimmen,  was 
das  Schriftband  enthalten  haben  mag. 

17.  a)  Beffer  erhalten  find  die  beiden  folgenden 
Bilder,  wenn  auch  in  ihren  unteren  Partien  übertüncht. 
Die  erftere  Darfteilung  zeigt  links  einen  zinnenge- 
krönten Thurm,  davor  fteht  eine  reichgefchmückte  mit 
Rofen  bekränzte  Frau,  die  Linke  redend  erhoben,  die 
Rechte  —  nur  theil weife  erhalten  —  nach  abwärts 
gerichtet;  vor  ihr  ein  Spruchband:  Lajida[te]  domimun 
dewn  nostnim  (Judith  XIII,  17).  Ihr  entgegen  kommen 
zwei  Frauen  in  dunklen  Gewändern,  den  Mantel  über 
den  Kopf  gelegt,  jede  in  den  Händen  eine  Fackel 
tragend.  Vom  Thurmc  herab  fleht  ein  Mann  und  ftößt 
ins  Hern.  Hier  ift  alfo  die  Rückkehr  der  Judith  nach 
vollbrachter  That  gefchildcrt  (Cap.  XIII).  Judith  hielt 
offenbar  in  der  Rechten  das  Haupt  des  Holofernes. 
Die  vordem  hart  bedrängten  Bewohner  —  hier  freilich 
nur  zwei  Frauen  —  umftehen  fie  und  zünden  Lichter  an 
(Vers  16),  worauf  Judith  ihre  Rede  beginnt,  deren  An- 
fang das  Spruchband  enthält.  Die  Gefchichte  der  Judith 
findet  fich  in  älteren  Bildwerken  nicht  feiten,  fehr  ausge- 
führt namentlich  in  der  Bibel  von  St.  Paolo  fuori,-  Die 
Gurker  Darftellung  fcheint  jedoch  ziemlich  frei  erfunden 
zu  fein,  gehört  dabei  zu  den  fchönften  des  Cyclus. 

b)  Die  zweite  Hälfte  zeigt  eine  Halle  mit  zicgel- 
gedeckten  Thürmchen.  Darin  liegt  auf  einem  Bette, 
den  Kopf  nach  links  auf  zwei  farbige  i'olftcr  geftützt,  ein 
bärtiger  Mann,  in  der  Rechten  ein  Spruchband:  0 ßlii 

'  F.ngtlliarill    irortiti  dclicJ.'irum,  T.if    IV. 
-  Agincourt,  'J'af.  XLM. 


viei  CDLulatorcs  estote  legis  et  da  (1.  Makkab.  II.  50).  Ihm 
gegenüber  ftehen  zwei  Männer  von  verfchicdcnem  Alter, 
beide  theilnehmend  die  Rede    anhörend. 

Die  Worte  des  Schriftbandes  beftimmen  den  Vor- 
gang ficher:  Der  im  Bette  liegende  Mann  ift  der  fterben- 
de  Mathatias,  der  fich  in  feinem  Leben  fo  vielVerdienfte 
um  die  Reinigung  des  Gottesdienftes  erworben  hatte; 
er  hat  feine  Söhne  berufen,  und  mahnt  fie  dem  Gefetze 
treu  zu  bleiben.  Die  Darftellung  ift  beiläufig  dem  Tod 
Jacobs  nachgebildet. 

18.  a)  Vom  nächften  Bilde  find  gleichfalls  nur  die 
oberen  Theile  und  auch  diefe  fehr  mangelhaft  erhalten 
Die  größere  Hälfte  nimmt  die  Darftellung  links  ein.  In 
der  Mitte  erfcheint  die  Büfte  eines  Mannes,  nach  unten 
durch  einen  halbkreisförmigen  Streifen,  der  fich  nach 
außen  in  zwei  ovale  Oeffnungen  theilt,  begränzt.  Beider- 
feits  befindet  fich,  fymmetrifch  einander  gegenüberge- 
ftellt,  je  ein  Ungeheuer  mit  grauem  Efelskopfe,  die 
Zunge  herausgeftreckt,  Flügeln  und  Adlersfüßen.  Sie 
fchreiten  fenkrecht  nach  aufwärts,  die  Köpfe  gegen- 
einander gerichtet;  ihre  Fluge!  berühren  fich  oben  in 
der  Mitte. 

Für  die  Erklärung  bietet  die  Darftellung  einige 
Schwierigkeit;  man  möchte  zunächft  an  eine  Vifion  den- 
ken, namentlich  an  Ezechiel  (Cap.  I),  Daniel  (Cap.  VII), 
dazu  etwa  auch  Jefaias  (^Cap.  VI).  Doch  ftimmt  die 
Darfteilung  mit  keiner  diefer  Befchreibungen  überein. 
Der  Umftand,  dafs  im  folgenden  Bilde  eine  Scene  aus 
dem  Leben  des  Elifäus  dargeftellt  ift,  macht  es  indefs 
kaum  abweisbar,  dafs  hier  die  Himmelfahrt  des  Elias 
im  feurigen  Wagen  dargeftellt  ift. 

b)  Der  zweite  viel  kleinere  Theil  des  Bildes  zeigt 
uns  links  einen  nimbirten  Greis,  in  der  Rechten  ein 
Spruchband  haltend:  Helyseus  vocem  ....  Ihm  ent- 
gegen ift  eine  halbgeöffnete  Fauft  gerichtet,  darüber 
das  Spruchband:  Ascende  calve  (4.  Reg.  II,  23),  weiter 
unterhalb  find  noch  mehrere  Köpfe  einigermaßen 
erkennbar. 

Auch  hier  könnte  man  den  Inhalt  ohne  Schrift- 
bänder nur  beiläufig  vermuthen;  hier  war  die  Verfpot- 
tung  des  Elifäus  durch  die  Knaben  von  Bethel  darge- 
ftellt. Auffallend  groß,  doch  gefichert  ift  die  dem  Pro- 
pheten entgegengeftreckte  Hand,  durch  deren  Haltung 
er  wohl  verfpottet  wird,  da  darüber  das  Spruchband 
lauft.  Weiter  unten  werden  wohl  die  Biiren  dargeftellt 
gewefen  fein.  Zu  vergleichen  wird  hier  die  Bibl.  paup. 
von  St. Florian  (XXI)  fein,  doch  ohne  dire6teBeziehung. 
Statt  der  Bären  erfcheincn  dort  Löwen;  derfelbe 
Gegenftand  findet  fich  auch  in  lünaus  zu  Prag;'  das 
Malerbuch  gibt  als  Ort  einen  Wald  an. 

19.  Die  letzten  beiden  Darftellungen  des  alt-tefta- 
mcntlichen  Cyclus  find  durch  Uebertünchung  verloren, 
nur  drei  Nimben  find  fichtbar;  möglich,  dafs  hier  zwei 
Scenen  aus  der  Jugendgefchiciite  der  heiligen  Jungfrau 
dargeftellt  waren,  welche  im  fpäteren  Mittclallcr  in 
der  Regel  die  Gefchichte  Chrifti  einleitet. 

Neues  Teftament.- 

20.  Die  Reihe  lier  Bilder  eröffiiet  die  Verlaindigung 
Maria.  Das  Local  ift  durch  die  in  der  Mitte   des  Bildes 

'  Gruebt't't  Die   Klinft   in   lioliiiicn,   Ul,   iifi,    Spriui^ey,  OrK;in    für    Kirch 

liehe  Klinft.  1854,  s.  65  rr. 

2  Ob  der  vielen  Piiriillelftcllcn  wird  die  IJibel  liier  nur  cilirt,  wenn 
eine  BcEcbcnhcit  nur  eiHtnat  bcriclitet  wird,  oder  .niich,  wenn  verfclliedcnaniKC 
Berichte  auf  die   n.-irftelhing   I?:inntilJ   ncnoiiniien   ll.-iljcri. 


91 


einem  Blumentopf  entfpricßcnde  Lilie  finnreich  als 
Gemach  der  Jungfrau  gekennzeichnet.  Rechts  fteht 
Maria,  der  der  Engel  entgegentritt.  Gabriel,  ein  kräfti- 
ger Jüngling  mit  Flügeln,  in  langem  faltenreichen  Ge- 
wände, an  den  Füßen  genetzte  Schuhe,  hat  die  Rechte 
fegnend  erhoben;  mit  der  (eigentlich  doppelt  gezeich- 
neten) Linken  weist  er  auf  Maria  und  hält  ein  gegen 
das  Haupt  der  Jungfrau  gerichtetes  Spruchband 
mit  dem  Gruße :  Ave  Maria  gracia  plena  (Luc.  I,  28). 
Maria,  in  blauem  Kleide  mit  weißem  rothgefütterten 
Mantel,  hat  demüthigdie  Arme  über  die  Bruft  gekreuzt 
und  neigt  zuHimmend  das  Haupt;  das  von  ihr  ausge- 
hende Spruchband  ift  ihrer  Haltung  entfprechend  nach 
abwärts  gerichtet:  Ecce  ancilla  domini,  fiatm  (Vers  38). 
Auf  fie  zu  fchwebt  die  Taube.  Diefe  Darftellung 
gehört  unbedingt  zu  den  fchönften  und  zugleich  ein- 
fachften  diefer  Art;  fie  befchränkt  fich  auf  die  zwei 
wichtigften  Momente:  Gruß  und  entfcheidende  Ant- 
wort; dieß  ift  aber  mit   höchfler  Vollendung  gegeben 


Fig.  I. 

und  klingt  fo  fchön  in  den  Spruchbändern  aus.  Alles 
übrige  Beiwerk  ift  fortgelaffen,  nur  die  Lilie  beibehalten. 
Keines  der  einzelnen  Details  ift  übrigens  befonders 
neu,  am  eheften  die  gekreuzten  Arme  der  Jungfrau,  die 
fich  am  früheften  wohl  bei  Giotto  finden,  fpäter  ver- 
einzeint aus  anderwärts  z.  B.  in  Emaus  in  Prag  (1348).* 
Auch  finden  wir  Maria  meift  knieend  oder  auch  fitzend, 
letzteres  z.  B.  auch  am  Bilde  der  Empore,  durchwegs 
aber  erfchreckt  (Vers  29).  Stehend  finden  wir  Maria  am 
Antepeiidium''  und  Antiphonar  in  Salz.burg,  im  Karner 
zu  Pifsweg,*  wie  auch  in  den  fpäteren  römifchen 
Mofaiken,  z.  B.  in  Maria  Maggiore  und  Traftevere.* 

21.  Ganz  anderer  Art  ift  die  folgende  Darftellung: 
Die  größere  Hälfte  des  Bildes  nimmt  links  der  felfige 
Berg  ein,  der  fich  nach  \orn  zu  einer  Höhle  öffnet; 
rechts,  weiter  im  Hintergrunde,  ift  ein  zweiter  fichtbar. 

'  .\bgeb.  bei  Gnteber.   a.  a.  O. 

-  Came/ina  und  Heider,  Rlitth.  der  Centr.-Comm.,  VlI.  S.  29.  Vgl.  auch 
meine  Arbeit.  Neue  Beiträge,  ebenda   N.  F.    17.  (Dom  zu   Salzburg) 
'   Mitth.  der  Centr.-Comm.   13,   S.  XVI. 
*  Roßt,    Musnici  Cristiani. 


Vor  der  Höhle  liegt  auf  einem  Bette  Maria,  eingehüllt, 
die  Hände  gefaltet,  ihr  zur  Seite  in  einem  Korbe  das 
eingewickelte  Jefu.s-Kind,  dahinter  Ochs  und  Efel. 
Rechts  fitzt  Jofeph  ohne  Nimbus,  ein  bejahrter  Mann 
auf  den  Krückftock  geftützt,  mit  fpitzem  Hut.  Ober 
dem  Berge  blicken  drei  Engelchen  hervor.  Eine  zweite 
Scene  fpiclt  fich  um  den  Berg  rechts  ab;  wir  erblicken 
zwei  Hirten  bei  ihren  Schafen,  der  eine  im  Vordergrund, 
der  andere  hinter  dem  Berg  eben  hervorblickend:  fie 
fehen  erftaunt  nach  dem  rechts  von  oben  kommenden 
Engel,  welcher  die  Hände  ihnen  entgegenflreckt;  ein 
Spruchband  enthalt  deffen  Rede:  amiuncio  vobis 
gandium.  Diefe  Darfteilung  fchließt  fich  faft  unmittel- 
bar an  die  älteften  Vorbilder  an;  die  Höhle,  die  ftarr 
daliegende  Maria,  das  feft  eingewickelte  Kind,  Jofeph, 
die  Engel  und  Hirten,  alles  findet  fich  in  derfelben 
Anordnung  fchon  auf  den  älteften  Bildern,  fo  im  Meno- 
logium  des  Vatican/  in  griechifchen  Monumenten,  wo 
fich  diefes  Schema  bis  heute  kaum  wefentlich  ver- 
ändert hat,  inMonreale,^  anderfeits  auch  im  Antiphonar 
zu  Salzburg.»  Weggelaffen  ift  hier  nur  das  Bad,  welches 
fich  auch  auf  den  fpäteren  römifchen  Mofaiken,  fowie 
am  Antependium  des  Doms  zu  Salzburg  nicht  mehr 
findet.  Die  beiden  Salzburger  Monumente  wie  auch 
die  Darfteilung  im  Karner  zu  Pifsweg  zeigen,  obfchon 
älter,  Maria  dennoch  bewegter  und  mit  dem  Kinde 
befchäftigt;  in  Gurk  ift  diefes  verhältnismäßig  fchon 
fpäte  Motiv  ganz  befcheiden  durch  die  gefalteten 
Hände  angedeutet.  Das  Malerbuch  kennt  die  knieende 
Madonna  (1) 

22.  Es  folgt  die  Anbetung  der  heiligen  drei 
Könige.  Rechts  fitzt  auf  einem  Throne  Maria  mit  dem 
fegnenden  Jefuskinde,  ober  ihnen  fchwebt  der  Stern. 
Ihnen  entgegen  find  die  Könige  und  ein  Mann  aus  dem 
Gefolge  gekommen;  der  vorderfte  ift  niedergekniet 
und  hält  dem  Kinde  das  offene  Kärtchen  mit  feinem 
Gefchenke  entgegen;  er  trägt  langes  faltenreiches 
Gewand,  darüber  den  Mantel,  an  den  Füßen  Radfporen. 
Seine  Krone  hat  er  dem  links  von  ihm  ftehenden  Man- 
ne gegeben,  der  fie  über  den  Arm  gelegt  hat;  diefer 
hält  in  der  Linken  einen  Wanderftab,  blickt  gefpannt 
auf  den  wunderbaren  Stern  und  ift  eben  im  Begriffe 
den  Hut  zu  ziehen.  Die  beiden  folgenden  Könige  tragen 
enge  Höfen  und  kurze  Röcke,  am  Haupte  die  Krolie. 
In  der  Hand  hält  jeder  ein  Kärtchen.  Der  vordere 
weist  auf  den  Stern  und  blickt  nach  dem  Gefährten  um, 
welcher  gefpannt  die  Mittheilung  vernimmt.  Wenige 
Gegenftände  waren  im  Mittelalter  beliebter  als  diefer, 
namentlich  gefällt  fich  das  fpätere  Mittelalter  in  glän- 
zenden Aufzügen.  Hier  befchränkt  fich  das  Gefolge 
auf  einen  Diener,  der  fich  fchon  auf  älteren  Monumenten 
findet,  meift  die  Roffe  hütend,  z.  B.  am  Salzburger 
Antependium  und  in  der  Johannes-Capelle  zu  Brixeli." 
Der  Fußkuß,  welchen  die  Franciscaner  aufbrachten,'' 
fehlt  hier  noch,«  doch  kniet  der  vorderfte  König  be- 
reits. Der  Hinweis  auf  den  Stern  findet  fich  fchon  auf 
Sarkophagen;'  das  fpätere  Mittelalter  gibt  denfelben 

^  Aglncourt.  XXXIII.  Vgl.  namentlich  :  Ä-/,»/.V/.  Die  Darftellung  der 
Geburt  Chrifti.  Stuttgart.    1890. 

-   Gravtna,  a.  a.   O.,  Taf.   \-jb. 

'  Lind.  Mitth.  der  Centr.Coram.,  XIV,  Taf.  V. 

'  Vgl.  Repertorium  für  Kunftwiircnfchaft.  VI,   126. 
■i  Vgl.    T/iode:  Franz  von  AfTifi,  S.  431. 

«  Am  jMaria  Saaler-Bild  von  1435  finden  wir  den  Handkuß  glcichfam 
als  Lebergang;  vgl.  meinen  vorläufigen  Bericht  in  der  Klagenfurler  Zeitunz 
19.   Sept.  1885. 

'  Lehner,  Marienverehrung,  Taf.  V,  VI  u.  f. 

12  * 


92      — 


entweder  ganz  auf  oder  fchwächt  ihn  doch  lehr  ab.  Zu 
den  verwandteren  Werken  gehören  übrigens  weniger 
die  genannten,  als  mehrere  mittel-italienifche,  fo  die 
Bilder  in  den  Apfiden  von  Maria  Maggiore  und 
Traflevere  in  Rom,'  fowie  das  Relief  an  der  Fagade 
des  Domes  zu  Orvieto.- 

23.  Das  folgende'Bild  enthält  die  Reinigung  Maria 
und  Darflellung  Jefu  im  Tempel.  In  der  Mitte  fteht  der 
bekleidete  Altar,  darauf  ein  rothes  Kärtchen,  lieber 
denfelben  wölbf'fich  ein  auf  fechs  Säulen  ruhendes 
Ciborium,  von  deffen  Schlußftein  eine  brennende  Ampel 
herabhängt.  Zum  Altar  treten  von  rechts  ein  Mann  in 
langem  Gewände  mit  Nimbus,  Simon;  über  die  Schul- 
tern hat  er  ein  Tuch  gelegt  und  damit  die  Hände  ver- 
hüllt, um  das' Jefuskind,  welches  ihm  Maria  von  der 
andern  Seite  reicht,  zu  empfangen.  Das  Kind  weist 
einerfeits  auf  Simon,  ftreckt  aber  lebhaft  die  andere 
Hand  sresen  die  Mutter  aus.  Hinter  Maria  fchreitet 
Jofeph  mit  dem  Taubenopfer. 

Es  gibt  eine  große  Gruppe  von  übereinil:immendcn 
Bildern  diefes  Gegenftandes.  Das  Gurker  Bild  folgt 
dem  gewöhnlichen  Schema  mit  Hinweglaffung  der 
Prophetin  Anna  Befonders  nahe  kommt  es  den  rö- 
mifchen  Mofaiken,  welche  den  Tempel  durchwegs  als 
Ciborium,  aber  mit  nur  vierSäulen  darftellen;  der  fechs- 
eckige  Bau  des  Gurker  Bildes  erinnert  an  die  Ciborien 
der  Marcus-Kirche  oder  zu  Arbe;^  erfcheint  aber  auch 
faft  wie  ein  Mittelglied  zwifchen  den  Ciborien  der 
römifchen  Mofaiken  und  den  Darftellungen  des  Tem- 
pels als  Centralbau  in  der  Renaiffance.  Die  nordifchen 
Bilder  laffen  bei  fonfl  gleicher  Dispofition  das  Ciborium 
weg,  fo  derCod.  Egberti,*  das  Salzburger  Antependium, 
die  Bibl.  paup.  IV.,  das  Bild  in  Pifsweg  etc.  Die  durch 
das  fechseckige  Ciborium  bewirkte  Dreitheilung  des 
Bildes  findet  fich  am  Antipendium  von  St.  Ambrogio 
zu  Mailand''  in  ähnlicher  Weife.  Uebrigens  wird  die 
Darftellung  Jefu  (Luc.  II,  22 — 39)  nicht  immer  ftreng 
von  deffen  Befchnei düng  (Luc. II,  2i)gefchieden.Auf  dem 
Gurker  Bild  ift  wohl  erflere  gemeint;  nur  die  Bewegung 
des  Kindes  ift  der  letzteren  entnommen;  in  den  römi- 
fchen Bildern,  fowie  denen  des  Cod.  Egberti  und  Pifs- 
weg ift  das  Kind  ruhig.  Deutlich  gcfchieden  werden 
wir  beide  Scenen  am  Faftentuch  finden. 

24. aj  Das  nun  folgende  Bild  ift  eines  der  wenigen 
des  neuen  Teftamentes,  welches  zwei  Scenen  enthalt. 
Im  Gegenfatz  zu  den  vorhergehenden  fchön  compo- 
nirten  Darftellungen  fällt  hier  die  mechanifchc  Neben- 
einanderflellung  der  Perfonen  ganz  befonders  auf;  die 
linke  Hälfte  gibt  die  Taufe  Chrifti  zur  Anfchauung. 
Das  Waffer  ift  als  grüner  Hügel  mit  Fifchen  ange- 
deutet ;  darin  fteht  bis  zu  den  Hüften  Jefus,  ganz  nackt, 
die  Hände  den  Wogen  des  Waffers  nachgebend.  Auf 
ihn  zu  fchwebt  die  Taube.  Links  von  ihm  außerhalb 
des  Waffers  fleht  Johannes,  bärtig,  in  langem  falten- 
reichen Gewände.  Er  hat  die  Rechte  auf  Chrifti  Schulter 
gelegt  und  mit  der  Linken  deffen  (Jberarm  erfafst,  um 
den  Heiland  unterzutauchen. 

Diefe  Darflellung  unterfcheidet  fich  von  den 
älteren'"'  hauptfächlich    dadurch,    dafs    der  Engel  fehlt, 

'  Ro/fi,  Muxaici   Cri<iti:ini,  f.  o. 

*  A/^incourt,  I,  Taf.  XXXII,  ii.  ö. 

•  EHeltergcr,  Jahrb.  tl.  Ccnlr.-Comm.,  V,  Taf.  I. 


bürg 


*  Ära«/:  Der  Codex   Egberti    auf    der     Stadt-ßibliolhek     zu  Trier.   I''rei- 


■■•  Agincourt,  I,  Taf.  XXXII. 

•  Vgl.  hicrüiier  Strzygowtki:  Die  Taufe  Clirifti.  München  1885.  Darnach 
im  folgenden  die  Bezeichnung   der  Tafeln. 


der  hier  wohl  aus  raumlichen  Gründen  fortgelaffen 
wurde;  im  übrigen  fchließt  fich  diefelbe  ganz  den 
älteren  Typen  an.  Die  Ceremonie  ift  hier  noch  auf 
das  Untertauchen  befchränkt  und  ziemlich  energifch 
angedeutet,  wie  auch  im  Echternacher  und  Brüffeler 
Evangeliar  (S.  IX  4,  X  i).  Auch  die  eigenthümliche 
Haltung  der  Hände  bei  Chriftus  findet  fich  fchon  fehr 
früh,  befonders  in  der  griechifchen  Kunft,  fo  in  den 
drei  Handfchriften  des  P.  v.  Nazianz  in  Paris  (S.  111, 
4,  6;  V  i),  in  Monreale  (V,  6),  wie  auch  im  Evangeliar 
zu  Goslar  (IV,  4).  Im  Salzburger  Antiphonar  (XII,  i) 
noch  deutlicher  im  Bilde  zu  Pifsweg,'  findet  fich  bereits 
der  fpäte  Geftus  des  Segnens,  der  hier  noch  fehlt.  Das 
WaiTer  als  Hügel  findet  fich  namentlich  in  nordifchen 
Bildwerken,  fo  im  Cod.  Egberti,  dem  Echternacher 
Evangeliar  (IX,  2,  4),  im  Antiphonar  von  St.  Peter, 
fowie  am  Taufbecken  von  St.  Barthelemv  zu  Lüttich. 
(XVII,  3.) 

b)  Die  zweite  Hälfte  des  Bildes  enthält  die  Ver- 
fuchung;  links  Chriftus,  nach  rechts  fchreitend;  ihm 
tritt  der  Teufel  entgegen.  Chriftus  hat  die  Rechte  mit 
ausgeftrecktem  Zeigefinger  erhoben.  Der  Teufel,  ein 
zottiges  Ungeheuer  mit  grimmigem  Geficht,  fpitzen 
Ohren  und  Löwenkrallen,  trägt  in  der  linken  Tatze 
mehrere  Steine.  Das  Gefpräch  beider  follten  zwei 
Spruchbänder  verdeutlichen;  das  von  Chriftus  geht 
nach  oben,  das  des  Teufels  nach  unten;  die  Infchriften 
find  verblichen. 

Die  Vcrfuchung  Chrifti  findet  fich  in  Monreale  in 
drei  Scenen  gegeben.  Die  erfte  Verfuchung,  welche 
ficli  fonft  am  öfteften  findet,  wird  im  fpäteren  Mittel- 
alter fchr  beliebt;  die  Geftalt  des  Teufels  ift  fehr  ver- 
fchieden;  in  Monreale  mit  Flügeln,  in  Pifa  mit  Hörn 
und-  Schwanz,  im  Kremsmünfterer  Speculutn  gar  als 
Mohr;  in  dem  Schöpfungsbilde  unferes  Cyclus  fanden 
wir  ihn  als  Löwen,  noch  weit  phantaftifcher  werden 
wir  ihn  am  Faftentuche  dargeftellt  fehen.  Das  Haupt- 
merkmal fcheint  hier  in  den  fpitzen  Ohren  zu  liegen, 
welche  auch  die  Schlange  in  der  Schöpfungsgefchichle 
aufwies.  Wie  gewöhnlich  hält  er  die  Steine  in  den 
Krallen,  bisweilen  wirft  er  fie  auch  dem  Heiland  vor 
die  Füße,  z.  B.  in  der  Bibl.  paup.  X. 

25.  Das  folgende  fchmale  Bild  ftelit  links  Chriftus 
dar,  dem  ein  Mann  entgegentritt.  Chriftus  fchreitet 
ziemlich  lebhaft  aus,  hält  beide  Hände  gegen  den 
Mann,  die  Reclite  etwas  höher,  fegnend,  erhoben.  Der 
Mann,  nur  mehr  zur  Hälfte  fichtbar,  ift  barfiiß,  trägt 
kurzes  Gewand  und  ftützt  fich  mit  beiden  Händen  auf 
einen  langen  flarken  Stab. 

Es  ift  einigermaßen  unklar,  was  diefes  Bild  darftellt. 
P'ur  eine  Krankenheilung  fpricht  der  ftarke  Stab;  die 
Heilung  des  Lahmen  oder  Gichtbiüchigcn,  an  die  man 
zunäclift  denken  möchte,  erfcheint  ausgefchloffcn,  da 
das  folgende  Bild  einen  folchen  Gegenftand  behandelt, 
gegen  die  Biindcnheilung  fpricht  die  Haltung  des 
Stabes  (vgl.  Monreale,  Cod.  Egberti).  Es  wird  alfo 
wohl  die  Math.  VIII,  Marc.  I  erzählte  Heilung  des  Aus- 
fatzigen  gemeint  fein  nach  den  Worten :  „Ein  Aus- 
fatziger  kam  zu  ihm,  betete  ihn  an;  ....  Jefus  ftreckte 
die  Hand  aus  und  fprach:  Ich  will  feigereinigt  ... 
fielie  zu,  dafs  du  es  niemandem  fageft."  Sehr  verwandt 

'  Millh,  der  Centr.-Comm.    Bd.   15,  S.   XVI. 


—     93 


mit  unfei-em  Bilde  erfcheint  die  Darftellunjj  auf  dem 
Deckel  eines  Codex  von  St.  Emmcran,'  nur  dafs  der 
Kranke,  als  Lahmer,  fich  auf  eine  Krücke  flützt.  Hiemit 
ift  alfo  die  Reihe  der  Wunder  Chrifti  eröffnet,  die  fich 
in  mehreren  Bildern  fortfetzt. 

26.  Als  Schluß  der  erften  Reihe  folgt  das  ]V\[d  der 
Weflwand.  Dasfelbc  zeigt  ein  aus  Holzbalken  gezim- 
mertes Haus  mit  rothem  Dach.  Links  vorne  fitzt  Jefus, 
die  Hände  halb  erhoben;  er  blickt  auf  den  vor  ihm 
auf  einer  Matratze  liegenden  Mann  in  betender  Stel- 
lung. Diefer  ift  nackt,  nur  bis  an  die  Hüften  mit  einem 
Tuche  bedeckt;  feine  Haare  -find  in  Unordnung;  zwei 
Männer,  welche  über  dem  Dache  des  Haufes  fichtbar 
werden,  haben  ihn  eben  vermittelft  Stricken  vor  den 
Heiland  herabgelaffen. 

Die  Darftellung  folgt  dem  bei  .Marcus  II,  4.  ff. 
fehr  anfchaulich  gegebenen  Berichte  \'on  der  Heilung 
eines  Lahmen.  Um  ihn  vor  den  von  Menfchen  um- 
ringten Heiland  zu  bringen,  deckt  man  das  Dach  des 
Haufes  ab  und  läßt  ihn  mittelft  Stricken  herab.  Es  ift 
augenfcheinlich,  dafs  die  Darfteilung,  obfchon  dem 
biblifchen  Berichte  folgend,  eine  abgekürzte  ift ;  nach 
unferem  Bilde  erfcheint  es  nicht  ganz  gut  verftändlich, 
weshalb  der  Mann  herabgelaffen  wird.  Dies  bringen 
dafür  in  fonft  ganz  übereinftimmender  Weife  mehrere 
ältere  Bilder  zur  Anfchauung,  fo  das  Mofaik  im  Cyclus 
von  Monreale,-  ganz  ähnlich  auch  die  ziemlich  gleich- 
zeitige griechifche  Miniatur  in  Paris:''  beiderfeits  ftehen 
zahlreiche  Menfchen.  Weniger  verwandt,  doch  mit 
gleichem  Schema  erfcheint  die  Darfteilung  in  St.  Apol- 
linare  nuovo  in  Ravenna.* 

27.  Die  zweite  Reihe  beginnt  mit  einer  Teufels- 
austreibung. Von  links  kommt  Chriftus,  die  Rechte 
fegnend  erhoben,  in  der  Linken  ein  Spruchband.  Ihm 
entgegen  wird  der  befeffene  Jüngling  von  einem  älteren 
Manne  geführt.  Der  erftere  trägt  kurzen  Rock  und 
zerriffene  Schuhe;  die  Hände  find  ihm  nach  rückwärts 
gebunden,  er  neigt  fich  krampfhaft  vor;  feinem  Munde 
entfährt  eben  ein  kleiner  Teufel.  Der  Mann  hinter  ihm 
i[\  bärtig,  in  ähnlicher,  aber  wohlgeordneter  Kleidung; 
er  hält  den  Unglücklichen  am  Oberarme  feit.  Das  vom 
Befeffenen  ausgehende  Spruchband  enthält  die  Worte: 
Libcra  nie  doniine  a  spiritu.  Das  bei  Chriftus:  Exi 
inmunde  '•  spiriüis. 

Hier  ift  augenfcheinlich  die  Heilung  des  Mond- 
füchtigen  (Math.  XVII,  14  —  17)  dargeftellt,  darnach 
der  den  Jüngling  Haltende  der  Vater  desfelben.  Die 
Art,  wie  der  Teufel  ausfährt,  findet  fich  ganz  überein- 
ftimmend  in  griechifchen  Miniaturen,  ferner  in  Monreale, 
Oberzell,"  im  Cod.  Egberti  etc.;  „ex  ore",  wie  das 
Evangel.  infant.  arab.^  es  angiebt.  Uebrigens  ftellen 
diefe  genannten  Darftellungen  nicht  die  Heilung  des 
Mondfüchtigcn  vor,  vielmehr  ift  die  Gurker  Darfteilung 
erft  durch  Abkürzung  fo  geworden,  dafs  fie  diefer  Er- 
zählung am  beften  entfpricht.  Es  darf  deshalb  nicht 
befremden  dafs  der  Text  der  Spruchbänder  nicht 
diefer  Erzählung  entnommen  ift,  fondern  nur  eine  all- 
gemeine Erläuterung  des  Vorganges  gibt.   Die  Worte 

'  Labarte:  Les  arts  induslrielles.  I,  pl.  XXIX,  vgl.  hierüber  auch 
Rohault:  L'Evangile,  Tours   1874. 

-  Graviiia ,   a.  a.  O.,  Taf.   ig  D. 

^   Kraus:  Le.xikon,  I.  605. 

*  Garrucci,  IV,   248,  2. 

^  Ein  Schaft  fehlt. 

"  Kraus:  Die   Wandgemälde  der  Georg-skirche  in   Oberzeil,  Taf.   III. 

'    Ti/chcndürJ,  Evangelia  spuria,  S.   176. 


Chrifti  find  Marc.  I  25  (Befeffener  in  der  Synagoge) 
nachgebildet,  die  des  Befeffenen  aber  frei  erfunden.  Der 
Künftler  wollte  hier  alfo  eine  Teufelaustreibung  mehr 
im  allgemeinen  fchildern,  ohne  fich  ftrenger  an  einen 
einzelnen  Bericht  zu  halten. 

28.  Die  Reihe  der  Wunder  befchließt  eine  Todten- 
erweckung  und  zwar  die  bcrühmtefte  von  allen,  die  des 
Lazarus  (Joh.  IX).  Den  Vordergrund  nimmt  der  Sarko- 
phag ein,  deffen  Deckel  vorn  an  die  Wand  gelehnt 
ift.  Von  links  ift  der  Heiland  an  denfelben  herange- 
treten, hat  fich  etwas  vorgebeugt,  um  in  das  Grab  zu 
fprechen.  Die  Rechte  hält  er  fegnend  erhoben,  in  der 
Linkenein  Spruchband:  „Lazareveniforas-'  (Vers  43). 

Lazarus  fteht  im  Sarkophag  bereits  aufrecht,  bis 
auf  das  Geficht  gänzlich  eingehüllt,  die  Hände  halb 
ausgeftreckt.  Hinter  dem  Sarkophag  werden  zwei 
Frauen  Martha  und  Maria  fichtbar,  ganz  rechts  fteht 
ein  bärtiger  Mann,  Lazarus  mit  beiden  Händen  haltend. 
Sämmtliche  Perfonen  haben  Nimben. 

Diefe  Darfteilung  gehört  wohl  zu  den  abgekürz- 
teften;  fie  fteht  zwifchen  der  älteren  und  neueren  Auf 
faffung.  Noch  fteht  Lazarus  eingewickelt,  wie  es  die 
Katakomben  bis  zur  Arena  zeigen;  das  Grab  aber, 
deffen  Oeffnung  früher  einen  verticalen  Eingang  zeigte, 
ift  hier  zu  einem  Sarkophag  geworden,  bei  Lazarus 
zeigt  fich  auch  bereits  Bewegung  der  Hände.  Die  zu- 
fehenden  Perfonen  find  im  Gegenfatz  zu  den  älteren 
fehr  umfangreichen  Darftellungen  ganz  wenige  und 
auch  diefe  kaum  charakterifirt;  in  der  Haltung  des 
Mannes  rechts  ift  das  Freimachen  (Vers  44)  kaum 
mehr  zu  erkennen. 

29.  Es  folgen  nun  noch  andere  wichtige  Ereig- 
niffe  aus  dem  Leben  Chrifti  vor  der  Leidensgefchichte 
im  engeren  Sinne.  Voran  geht  die  Tempelreinigung. 
Zwei  Säulen,  welche  Arcaden  tragen,  theilen  die  Bild- 
fläche in  drei  Theile;  eine  zweite  Arcadenreihe  lauft 
etwas  weiter  rückwärts  parallel.  Das  Local  ift  alfo  der 
Corridor  des  Tempelvorhofes.  Von  links  kommt 
Chriftus.  Er  fchwingt  mit  der  Rechten  eine  Geißel,  die 
Linke  hält  er  gegen  die  vor  ihm  befindliche  Bank,  die 
eben  umfällt;  die  darauf  befindlichen  Münzen  fallen 
herab.  Von  der  Bank  ift  eben  ein  Mann  im  kurzen  Rock 
mit  fpitzem  Hut  aufgefprungen;  er  fieht  fich  nach 
Chriftus  um  und  hält  abwehrend  die  Hand  gegen  ihn. 
Weiter  rechts  find  mehrere  andere  ähnlich  gekleidete 
Männer  fichtbar,  im  Begriff  fich  zu  entfernen;  fie  fehen 
fich  fcheu  um.  Vor  allem  fällt  die  Stellung  des  Bildes 
auf:  Vor  dem  Palmeinzug.  Bekanntlich  wird  die  Zeit 
der  Tempelreinigung  verfchieden  angegeben,  fo  dafs 
die  Exegeten  gewöhnlich  zwei  folche  annehmen.  Der 
Gurker  Künftler  fcheint  wie  der  des  Cod.  Egberti  das 
Evangelium  des  Johannes  oder  wenigftens  ein  der- 
artiges Vorbild  vor  Augen  gehabt  zu  haben;  wir 
werden  übrigens  auch  die  folgenden  Scenen  fehr  will- 
kürlich aneinander  gereiht  finden.  In  der  Regel  ift 
diefe  Scene  nach  den  Synoptikern  eingereiht. 

Was  die  Darfteilung  felbft  betrifft,  ift  diefelbe 
ziemlich  kurz  aber  anfchaulich  gegeben.  Das  Schwer- 
gewicht ift  auf  Joh.  II.  18  gelegt:  Er  ftieß  die  Wechfel- 
tifche  um  u.  f.  w.  Die  Thiere  fehlen  und  Jefus  fchwingt 
wie  gewöhnlich  die  Geißel  gegen  die  Verkäufer  felbft, 
was  freilich  neuere  Erklärer  nicht  annehmen.'  Die 
Darfteilung  felbft  erinnert  durch  die  Dreitheilung  an 

'  V%\.' FüUl:  Commentar  zu  den  heil.  Evangelien    III,  S.  62. 


-     94     — 


das  Antependium  von  S.  Ambrogio;'  fehr  verwandt 
erfcheint  auch  das  Bild  in  Monreale,  weniger  die 
griechifchen  Miniaturen. 

30.  Es  folgt  der  Palmeinzug.  Flache  Gegend, 
rechts  im  Hintergrunde  ein  Baum.  Von  links  her  reitet 
Jefus  auf  der  Efelin,  die  Rechte  hat  er  fegnend  erhoben, 
die  Linke  hält  einen  Palmzweig.  Es  folgen  Petrus  mit 
Buch  und  Schlüffel  und  die  anderen  Jünger.  Ihnen  ent- 
gegen kommen  vier  Juden  in  gewöhnlicher  Tracht,  die 
fpitzen  Hüte  zurückgefchoben.  Der  vorderfte,  jung, 
legt  fein  Gewand  auf  den  Boden,  auf  den  das  Thier 
eben  tritt.  Der  ältere  neben  ihm,  auf  einen  Krückftock 
geftützt,  fchiebt  den  Hut  eben  zurück,  diebeiden  andern 
fmd  befchäftigt,  vom  Baume  Zweige  herabzuhauen; 
zahlreiche  Blätter  fallen  herab. 

Diefe  fchöne  Darflellung  fchließt  fich  dem  gewöhn- 
lichen Schema  an,  nur  ift  hier  wieder  einiges  wegge- 
laffen,  fo  vor  allem  die  Stadt.  Auffallend  ift  der  lange 
nach  abwärts  gerichtete  Hals  des  Efels,  der  fich  ganz 
ähnlich  in  der  Darftellung  der  Gurker  Empore,  fowie 
im  Melker  Gebetbuch-  findet;  anderfeits  ift  gegenüber 
den  älteren  Darftellungen  z.  B.  vonMonreale  beachtens- 
werth,  dafs  in  den  erftgenannten  Jefus  den  Palmzweig 
hält,  in  den  älteren  aber  in  ganz  gleicher  Weife  die 
GefetzesroUe  trägt,  die  wir  in  unferem  Cyclus  nur  ein- 
mal und  zwar  beim  Gott  Vater,  fanden. 

31.  Die  Fußwafchung  (Joh.  XIII).  Gothifche  Halle. 
Rechts  fitzen  in  zwei  Reihen  auf  einer  Bank  —  nach 
dem  Abendmal  (Vers  2)  —  die  Apoftel,  vorn  links 
Petrus,  der  feinen  linken  Fuß  in  die  Schüffei  gefetzt  hat. 
Vor  ihm  kniet  Chriftus  im  Begriff  diefen  zu  wafchen; 
Petrus  macht  eine  erftaunte  Gebärde  und  deutet  auf  fein 
Haupt.  Chriftus  blickt  auf  ihn  und  hält  ihm  die  Rechte 
mit  ausgeftrecktem  Zeigefinger  entgegen.  Die  übrigen 
Jünger  hören  dem  Gefpräch  zu,  einige  löfen  bereits 
die  Sandalen  (f.  Abbildung  auf  der  beigegebenen 
Tafel) 

*  Aglttcourt^  XXVI,  7.  .,,  ., 

»  Sacirn:  Archäol.  Wcgweifer  durch  NicderOcftcrrcigh,  II,  85.  Abbil- 
dungen dicfcs  wichtigen  Biidcr-Cyclus  fehlen  bisher. 


Die  Darftellung  folgt  wie  gewöhnlich  den  Worten 
Petri  Vers  9:  ,;Herr,  nicht  nur  die  Füße  fondern  auch 
das  Haupt."  Die  vorgerückte  Zeit  der  Entftehung  zeigt 
fich  hauptfächlich  darin,  dafs  Jefus  kniet,  während  er 
auf  älteren  Bildern,  fogar  noch  im  Speculum  (f.  4), 
durchwegs  aber  in  der  griechifchen  Kunft  ftehend 
dargeftellt  \vird,'  nur  das  Malerbuch  macht  hieven 
eine  Ausnahme.  Zu  den  verwandteften  Darftellungen 
gehören  die  von  Monreale,  fowie  die  des  Antiphonars 
von  St.  Peter  in  Salzburg,^  auf  letzterer  Jefiis  bereits 
kniend,  die  Jünger  fymmetrifch  gruppirt.  Die  Darftel- 
lungen des  Giotto  find  viel  freier. 

32.  Das  folgende  fchmale  Bild  enthält  die  Darftel- 
lung des  Abendmahles;  dasfelbe  hat  durch  Feuchtig- 
keit fehr  gelitten;  fichtbar  ift  noch:  links  Chriftus,  das 
Haupt  nach  vorn  gefenkt,  neben  ihm  der  Nimbus  des 
Johannes,  der  das  Haupt  an  des  Herrn  Bruft  gelegt 
hatte;  ihnen  gegenüber  find  acht  andere  Jünger,  der 
Mehrzahl  allerdings  nur  mit  den  Nimben  fichtbar,  zwei 
weitere  befinden  fich  vorn  rechts. 

Die  Darftellung  ift  hier  auf  einen  fehr  engen  Raum 
verwiefen;  die  Jünger  find  daher  nicht  fymmetrifch  zu 
beiden  Seiten  des  Heilandes  wie  fonft  gewöhnlich 
gruppirt,  fondern  dichtgedrängt  auf  eine  Seite  gerückt, 
einige  fitzen  auch  vorn,  was  fich  fonft  kaum  findet.  Im 
Ganzen  kommt  das  Bild  denen  im  Speculum  und 
Melker  Gebetbuch  fehr  nahe;  wir  werden  uns  demnach 
den  Tifch  halbrund  —  hier  nur  zur  Hälfte  fichtbar  — 
zu  ergänzen  haben.  Vorn  links,  dem  Heiland  gegen- 
über, Judas,  dem  der  Teufel  in  den  Mund  fährt, 
während  ihm  Chriftus  den  Biffen  reicht.  Gegen  den 
biblifchen  Bericht  folgt  hier  das  Abendmahl  auf  die 
Fußwafchung.  Die  Aneinanderreihung  ift  alfo  eine  ziem- 
lich willkürliche. 

•  Vgl.  die  fpäte  rulTifclie  Miniatur,  abgeb.  bei  Konitakoff,  Histoire  de 
I'art  byzantine,  I,   168. 

-  Lind.  Mitth.  der  Centr..Comm.  XIV,  Taf.  X.  Janit/chek,  a.  o.  O. 
S.  101,  hat  die  Uebereinftimmung  der  Darfteilung  des  Antiphonars  mit  der 
Angabe  des  Malerbuches  bemerkt,  das  Abweichende  von  den  alteren  Dar- 
ftcllungen  jedoch  nicht  berückfichtigt. 

(Fortfetzung  folgt.) 


Die  ober-öfterreichifche  Landes-Galerie  in  Linz. 


Von  Dr.   Th,  v.  Frimvu-I. 


X  der  Hauptftadt  Ober-Oefterreichs  ift  eine  Ge- 
mäldefammlung  im  Werden  begriffen,  die  der 
Beachtung  werth  ift,  zumal  für  alle  jene,  die  an 
dem  Gedeihen  unferer  vaterländifchcn  Mufecn  Antheil 
nehmen.  Die  Galerie  ift  als  folche  fchon  vorhanden, 
aber  weder  in  paffender  Weife  aufgeftcllt,  noch  fürs 
Publicum  zugänglich.  lünftweilen  von  noch  geringem 
Umfange,  gibt  die  Linzer  Galerie,  die  fich  ja  einer  Do- 
tation erfreut,  zu  Hoffnungen  auf  eine  baldige  Ver- 
mehrung Anlafs,  wonach  es  wohl  berechtigt  ift,  von 
einer  erft  im  Werden  begriffenen  Galerie  zu  fprechen. 
Die  maßgebenden  Kreife  in  Linz  find  eifrig  bemüht, 
manchenUebelftänden  in  der  Landes-Galerie  abzuhelfen. 
Dies  läßt  auch  die  Hoffnung  aufkommen,  dafs  die  kleine 
Sammlung  in  abfehbarer  Zeit  als  allgemein  zugäng- 
liches Bildungsmittcl  begrüßt  werden  darf.  Es  ift  viel- 
leicht gerade  jetzt  an  der  Zeit,  von  der  Linzer  Galerie 


zu  fprechen,  jetzt,  da  noch  eine  Neuaufftellung,  eine 
Catalogifirung  zu  erwarten  ift,  d.  h.  folang  einfchlägige 
Mittheilungen  noch  nicht  post  fcftum  kommen.  Ein 
befchrcibeiider  Catalog  ift  noch  nicht  vorhanden.  Nur 
eine  Art  gedruckten  Inventars  unterrichtet  über  den 
Beftand  der  Galeric.  Mir  liegen  die  Jahresberichte  des 
obcr-öfterreichifchen  Kuiiftvereins  von  1884  und  1887 
vor,  deren  erfterer  48,  deren  zweiter  51  Nummern  ver- 
zeichnet, von  denen  freilich  einige  nur  Photographien 
betreffen,  alfo  mit  einer  Gemäldefammlung  nichts  zu 
fchaffen  haben.  Auch  die  Stiche,  fo  werthvoU  einige 
darunter  find,  gehören  nicht  mitten  unter  die  Gemälde 
hinein,  wie  fich  denn  auch  eine  Abfonderung  der 
Aquarelle  von  den  Oelgemälden  gewifs  empfehlen 
würde. 

Die    Neuaufftellung    der    kleinen    Galerie     findet 
darin  ein  großes  Hindernis,  dafs  der  größte  Raum,  <\i:\- 


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Hauptfaal,  neben  dem  Oberlicht  noch  von  drei  Seiten 
her  durch  je  drei  Fenfler  beleuchtet  ill,  die  nun 
wieder  durch  Wände  verdeckt  werden  müßen,  bevor 
eine  erfprießliche  Thätigkeit  in  Bezug  auf  eine  neue 
Anordnung  der  Gemälde  beginnen  kann. 

Hier  möchte  ich  zunächft  einen  Ucberblick  über 
das  geben,  was  gegenwärtig  in  der  Linzer  Galerie  vor- 
handen ift,  um  dann  einige  kunftgefchichtlich  inter- 
elTante  oder  kimftlerifch  bedeutende  Bilder  des  befon- 
deren  zu  befprechen. 

Ein  Abdruck  des  Galerie- Inventars  aus  den 
Jahresberichten  des  ober-öfterreichifchen  Kunftvereins 
wird  uns  bald  in  medias  res  einfüliren. 


..Ober-öfterreichifche  Landes-Galerie. 

Gegründet  durch  den  Verwaltungs-Ausfchuß  des  überöfterreichifchen 
Ivunflvereines.  Am  i.  September  1855  wurden  die  crßen  acht  von 
jenem  erworbenen  Kunftwerke  am  19.  Oiflober  1S66  an  den  Landes- 
Ausfchuß  mit  der  Widmung  ,,ztir  Begründung  einer  ober-ößerr. 
Landes-Galerie"  übergeben,  am  22.  November  desfelben  Jahres  vom 
Landtage  als  Landeseigenihum  übernommen  und  von  da  ab  durch 
delTen  Unterftützung  unter  gleicli  fortdauernder  Antheilnahme  des 
Kunftvereines  weitergeführt. 


Stand  der  ober-öfterr.  Landes-Galerie  Ende  des 
Vereinsjahres  1887. 

Ä.  Erworben  durch   den  Kunßverein  vor   Ucbernaliiiie 
in  das  Eigentimm  des  Landes. 

1.  Mevius  Hermami  in  Düffeldorf  (geb.  1820  f 
1S73).  Oelgemälde:  „Cap  Capra  Zoppa",  Schiffbruch 
an  der  ligurifchen  Küfte.  Gekauft  am  4.  September 
1855. 

2.  Zimmermann  Albert  (geb.  1809,  lebt  ^  in  Mün- 
chen). „Ifar-Gegend". Oelgemälde.  Am  10.  Januar  1860 
als  Gefchenk  des  hohen  Landes-Collegiums  für  die 
neubegründete  Galerie  erworben. 

3.  Oosterivyk  Maria  van  (geb.  I630  f  1693).  Oel- 
gemälde. „Blumen."  Erworben  am  6.  März  1860  als 
Gefchenk  des  Herrn  Dr.  Karl  Wifer. 

4.  \Kcller  Jofeph  (geb.  1811  f  1872).  Kupferflich 
nach  Rafaels  Dlsputa,  Gefchenk  des  Malers  H.  Mevius 
an  den  Kunftverein,  21.  Mai  1860.]' 

5.  von  Bitizer  Karl  (lebt  meilt  in  Italien).  Oelge- 
mälde. „Portrait  des  Malers  Sutter"  Gefchenk  des 
Künfllers  an  den  Kunftverein.  6.  März  1861. 

6.  H'öfer  Heinrich  von  in  München  (geb.  1824 
f  Februar  1878).  Oelgemälde.  „Almhütte  im  Pinzgau." 
5.  November  1862  angekauft  vom  Kunftvereine. 

7.  Loffow  Heinrich  (geb.  1843,  l^bt  in  München). 
Oelgemälde.  „Der  orgelfpielende  Knabe  Mozart  im 
Chore  der  Kirche  zu  Ybbs."  4.  November  1864  vom 
Kunllvereine  mit  Unterftützung  des  hohen  Landtages 
angekauft  und  durch  J.  Bauer  in  Wien  in  Lithographie 
vervielfältigt. 

8.  Sutter  Jofeph  (geb.  1782  zu  Linz  und  dafelbft 
geftorben  1868). Oelgemälde.  „Judith."  20.  Auguft  1866 
dem  Kunitvereine  übermittelt  und  als  Legat  teftamen- 
tarifch  vermacht. 

'  Stiche,  Aquarelle  und  Photographien  werden  hier  in  eckige  Klammern 
gefetzt. 

-  Der  fcheinbare  Anachronismus  erklart  fich  aus  dem  frühen  Datum 
des   Inventars.  Ziminennann  ift  feither  geftorben. 


B.   Erivorben    durch   den   Kunßverein   mit  theilwetfcr 

Unierßidcung  aus  der  hiefür  bewilligten  Subvetition  des 

Landen  fett  Lieber  nähme  in  das  Landeseigenihum. 

9.  Obermüllner  Adolf  [ge.h.  zu  Wels  1833,  lebt  in 
Wien).  Oelgemälde.  „Das  Naßfeld  im  Pinzgau."  20.  Juli 
1867  aus  der  Subvention  angekauft. 

10.  Axmani!  Ferdinand  (Profcffor  in  Salzburg). 
Oelgemälde:  „Portrait  des  am  14.  Juli  1874  verflor- 
benen  ober-öflerr.Dialectdichters  P^-anz  Stelzhammer." 
5.  Juni  1868  vom  Künftler  durch  Vermittlung  des 
Kunftvereines  erworben. 

IL  Schex  Jofeph  (lebt  in  Düffeldorf).  Oelgemälde: 
„Oliver  Cromwell  und  feine  Tochter  Franzi.ska  Baronin 
Rieh  vor  dem  Bilde  des  1649  enthaupteten  Karl  I. 
Stuart,  Königs  von  Großbritannien  und  Irland."  19. 
September  1870  aus  der  Subvention  angekauft. 

12.  Falciatore  Filippo  (f  in  Neapel  um  1740).  Oel- 
gemälde: „Auffindung  des  Kindes  Mofes."  22.  Mai  1871 
vom  Kunftvereine  aus  dem  Nachlaffe  des  Herrn  Rein- 
hold Körner  als  Gefchenk  erworben. 

13.  {Albert  J.  (in  München).  Photographie  nach 
dem  Carton  des  am  7.  April  1874  verftorbenen  be- 
rühmten Malers  Willi,  von  Kaulbach:  „Don  Pedro 
Arbues  d'Epilla,  Inquifitor  von  Zaragoffa  (ermordet 
15.  Sept.  1485)  verurthcilt-eine  Ketzerfamilie  zumTode." 
Gefchenk  Sr.  Durchlaucht  des  Fürften  Camillo  Hein- 
rich Starhemberg  20.  December  187L] 

14.  Fux  Jofeph  (geb.  1842,  lebt  in  Wien).  Oelge- 
mälde: „Cardinal  Melchior  Khlesl  (geb.  1553  t  1630), 
Minifter  des  Kaifers  Mathias  I.  und  Bifchofvon  Wien, 
in  der  Gefangenfchaft  auf  dem  S.  Georgenberge." 
15.  Jänner  1872  durch  Vermittlung  des  Kunftvereines 
aus  der  Landes-Subvention  um  den  halben  Katalogs- 
preis erworben. 

15.  [Munfch  Jofeph  (geb.  zu  Linz  1838,  lebt  in 
München).  Photographie  nach  dem  eigenen  Gemälde: 
„Concert."] 

16.  [Munfch  Jofeph.  Photographie  nach  dem 
eigenen  Gemälde:  „Die  Werber."  Beide  Bilder  am 
\.  März  1873  vom  Vater  des  Künftlers,  Herrn  Cajetan 
Munfch,  dem  Kunftvereine  gefchenkt.] 

17.  Stadcmann  Adolf  in  München  (geb.  1824I.  Oel- 
gemälde: „Winterlandfchaft."  Vom  Kunftvereine  zur 
Verlofung  angekauft  und  von  dem  Gewinner  Herrn 
J.  Scharinger,  k.  k.  Major,  22.  Juni  1873  ten;amentarifch 
dem  Kunftverein  vermacht. 

18.  Stotz  Otto  (geb.  1805  t  1868?),  k.  k.  Hofmaler. 
Oelgemälde:  „Walachifche  Pferde."  1841  von  Sr. 
Majeftät  Kaifer  Ferdinand  I.  für  die  Gemälde- Galerie 
des  Belvederes  um  looo  fl.  Conv.  Münze  angekauft. 

(Diefes  Gemälde,  wie  die  nachfolgenden  Nummern 
19,  20,  21  und  22  wurden  dem  o.  ö.  Kunftvereine  von 
Sr.  Majeftät  KaiferFranz  Jofeph  I.  am  2.  September  1874 
huldvollft  zum  Gefchenke  gemacht  und  ihre  bleibende 
Einverleibung  in  die  Landes-Galerie  vom  hohen  Land- 
tage am  27.  April  1876  gegen  eine  einmalige  Jahres- 
Subvention  übernommen.) 

19.  Ender  Thomas  (geb.  1793  t  i87S)-  Oelgemälde  : 
„Der  Großolockner-Gletfcher."  Um  200  fl.  C.  M.  an- 
gekauft  für  die  Belvedere-Galerie. 

20.  Aertinger  Auguß  (lebte  in  Wien). Oelgemälde: 
„Erzherzog    Carl    und    fein    Stab."    Von    Sr.  Majeftät 


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Kaifer  Ferdinand  I.  bellcUt  und  für  das  Belvcdcrc  um 
600  fl.  C.  M.  angekauft. 

2\.  Steinfeld  Frans  (geb.  1787  f  '868).  Oelge- 
mälde:  „Helgoland."  Von  Sr.  Majeftät  Kaifer  Ferdi- 
nand I.  um  150  fl.  C.  M.  angekauft. 

22.  ScotoUa  Domenico  (geb.  1817,  flarb  in  Mailand). 
Oelgemälde:  ,. Italien.  Bettlerfamilie."  Für  die  k.  k. 
Belvedere-Galerie  um  200  fl.  C.  M.  angekauft. 

23.  Fritfch  Melchior  (geb.  1826,  lebt  in  Wien). 
Oelgemälde:  ,Praterlandfcliaft."  25.  November  1874 
aus  der  Subvention  durch  Vermittlung  des  Kunft- 
vereins  zu  bedeutend  ermäßigtem  Preife  angekauft. 

24.  Jan  van  der  Lys  (geb.  1600  f  1657).  Oelge- 
mälde: „Ariadne."  1875  vom  Bilder-Reftaurateur  M. 
Pitzer  der  Landes-Galerie  gewidmet. 

25.  Schoetifeldt  Heinrich  (geb.  1609  f  1675).  Oel- 
gemälde: ,.Flucht  aus  dem  brennenden  Dorfe."  1875 
von  M.  Pitzer  der  Landcs-Galerie  gewidmet  und  derzeit 
noch  nicht  aufgell:ellt. 

26.  \Hdfel  Blafius  (geb.  1792  f  in  Salzburg  1863). 
Kupferftich:  „Rebhühner."  Gefchenk  des  Herrn  k.  k. 
Rittmeifter  Vanderbank  an  den  Kunflverein  am  10.  Mai 
1876.] 

27.  Angeli  Heinrich  von  (geb.  1840,  lebt  in  Wien). 
Oelgemälde:  „Männlicher  Studieiikopf "  28.  April  1877 
aus  der  Subvention  angekauft. 

28.  Paufinger  Franz  von  (geb.  1839  zu  Franken- 
burg, lebt  in  Wien).  Oelgemälde:  „Hirfch  im  Morgen- 
nebel." Durch  Vermittlung  des  Kunftvereines  am 
17.  Oftober  1877  aus  der  Subvention  angekauft. 

[29.  Schwind  Moritz  von  (geb.  1804  in  Wien, 
f  8.  Februar  1871  in  München).  Farbenfkizze  zu  einem 
Theile  der  einft  für  den  fteinernen  Saal  des  Landhaufes 
projeflirten  Fresco-Gemälde. | 

30.  Friedrich  Friedländer  in  Wien  (geb.  1825,  lebt 
in  Wien).  Oelgemälde:  „Stillvergnügt."  Aus  der  Sub- 
vention am  13.  November  1879  angekauft. 

31.  Lichtenheld  Wilhelm  in  München  (geb.  1818 
zu  Hamburg):  „Mondnacht  an  der  Ammer".  Aus  der 
Subvention  am  15.  November  1881  angekauft. 

32.  Adam  Benno  (geb.  18 12,  lebt  in  München). 
Oelgemälde:  „Stallfcene."  Aus  der  Subvention  an- 
gekauft am  2.  November  1882. 

33.  Beßändig  Ludzvig  (geb.  in  Preßburg,  derzeit 
k.  k.  Oberpoftverwalter  in  .Salzburg).  „Aus  den  ober- 
öfterr.  Alpen".  Crayonzeichnung,  angekauft  aus  der 
Subvention  am  2.  November  1882. 

34.  Beßändig  Ludwig.  „Aus  den  obcröftirr. 
Alpen",  Pendant  zu  Nr.  33.  Angekauft  aus  der  Sub- 
vention am  2.  November  1882. 

35.  Geiger  P.  J.  N.  (geb.  1805  f  1880  in  Wien). 
Oelgemälde:  „Abdias",  nach  Adalbert  Stifter's  gleich- 
namiger Novelle.  Von  A.  Stifter's  Witwe  dem  ober- 
öflerr.  Kunflvereinc  teflamentarifch  vermacht  uni\  der 
Landes-Galerie  gewidmet. 

36.  Unbekannter  Maler.  Oelgemälde:  „Der  Tod 
des  hl.  Jofeph."  Ebenfalls  aus  A.  Stifter's  Nachlaffe. 

37.  Carl  Kahler  (geb.  1856  zu  Linz,  machte  feine 
Studien  in  München  und  Paris  und  lebt  gegenwärtig 
in  erftercr  Stadt).  Oelgemälde:  „Die  Königin  der 
Saifon."  Aus  der  Subvention  angekauft  am  31.  Ofto- 
ber 1883. 


38.  Eluard  Peinfhncr  von  Lichten/eis  (geb.  1883 
zu  Wien,  feit  1871  Profeffor  der  Landfchaftsmalerei  an 
der  k.  k.  Akademie  der  bildenden  Künfte  in  Wien). 
Oelgemälde:  „Stimmungslandfchaft." 

39.  Derfelbe.  Oelgemälde:  „Stimmungslandfchaft." 

40.  Bonaventura  Peeters  (geb.  1614  in  Antwerpen 
und  ebendafelbft  geftorben  1682).  Oelgemälde: 
„Marine." 

41.  Derfelbe.  Oelgemälde:  „Marine." 

42.  Ignaz  Rafalt  (geb.  1800  zu  Weißkirchen  in 
Steyermark,  ftarb  1857  zu  Haimbach  bei  Wien).  Oel- 
gemälde: „Landfchaft." 

43.  Anton  Franz  Maulfertfch  (geb.  1724  zu 
Langenargen  am  Bodenfee,  ftarb  1796  als  kaif.  Profeffor 
und  Ratli  an  der  Wiener  Akademie).  Oelgemälde:  „Ein 
fberbender  Heiliger." 

44.  Godefrcd  Schalken  (geb  1643  zu  Dortrecht, 
ftarb  1706  im  Haag).  Oelgemälde:  „Ein  Einfiedler." 

45.  Hanns  Makart  (geb.  1840  in  Salzburg,  k.  k. 
Profeffor  an  der  Wiener  Akademie,  ftarb  3.  Oftober 
1884).  Oelskizze:  „Theophrastus  Paracelsus  in  feiner 
lateinifchen  Küche." 

Nr.  38  bis  45  wurden  der  ober-öfterr.  Landes- 
Galerie  von  dem  verftorbenen  Präfidenten  des  ober- 
öflerr.  Kunflvereines  Herrn  k.  k.  Hofrath  Moriz  Ritter 
V.  Az  laut  Teflament  vermacht. 

46.  \Jacoby  Louis  (geb.  1828  zu  Havelberg,  k.  k. 
Profeffor  der  Kupferftecherkunft  in  \\'icn).  KupferO;ich 
„die  Schule  von  Athen"  nach  Rafael.  Vom  ober-öflerr. 
Kunftvereine  der  Landes-Galerie  gewidmet  im  Januar 
1884.] 

47.  Piepenhagen  Louife'm  Prag.  „Mondlandfchaft." 
Angekauft  vom  ober-öfterr.  Kunllvereine,  gewonnen 
von  der  löblichen  allgemeinen  Sparcaffe  in  Linz  und 
von  diefer  der  ober-öflerr.  Landes-Galerie  gewidmet 
1884. 

48.  Pollinger  Feli.v,  vormals  in  Linz.  „Stilleben." 
Vom  Präfidenten  des  Kunflvereines  Herrn  Vi^or  Rit- 
ter V.  /^rw/ö/ der  ober-öflerr.  Landes-Galerie  gewidmet 
1884. 

49.  Wcicliart  Johann  Georg  (geb.  1745  zu  Wien, 
geftorben  dafelbfl  179S).  Porträt  eines  jungen  Edel- 
mannes in  idealem  Coflüm.  Gefchenk  feitens  der  Frau 
Marie  Spängier,  Landesgerichtsraths-Gattin  in  Linz, 
vermittelt  durch  den  ober-öflerr.  Kunftverein.  Vom 
Landesausfchußc  übernommen  am  23.  December  1885. 

50.  Unbekannter  Maler.  Porträt  einer  h'rau.  Ver- 
mächtnis der  Frau  Baronin  v.  Henikftein  in  Linz. 

51.  \Kaifer  J.  M.  in  Linz  (geb.  1824  in  Krems- 
münfter).  Linz  1594  — 1610.  Aquarell.  Infolge  Auftrags 
des  ober-öflerr.  Landesausfchußes  gemalt  und  ange- 
kauft am  20.  September  1887.] 

Schätzungswerth  der  ober-öflerr.  Landes-Galerie 
gegenwärtig  26.200  fl.,  von  welchem  circa  8000  fl.  anf 
die  Anlheiinahme  des  Kunllvereines  entfallen. 

In  jiuigfler  Zeit  find  noch  zwei  Gemälde  in  die 
Galerie  gekommen,  die  ich  als  die  Nummern  52  und  53 
anreihe.  Es  ifl:  ein  Bildnis,  das  höchfl  wahrfchcinlich 
von  Jofeph  Abel's\\iw\i\  gemalt  ifl  und  diefem  Künfller 
auch  traditionell  zugefchriebcn  wird,  und  eine  liauern- 
fchliigerei  von  Egbert  van  LIeemskerk,  die  fich  bis  in 
die  (jaleric  Gsell  zurück  verfolgen  läßt.  DerHeemskerk 
wurde  vor  kurzem  der  Galerie  gefchcnkt,  und  zwar  von 
dem    bek.inntcn    Wiener     Kunflfammlcr    Dr      Albert 


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Figdor.  Das  Porträt  von  Abel's  Hand  wurde  im  Laufe 
von  1892  für  die  Galerie  angekauft. 

Ueber  Jofeph  Abel  unterrichten  uns  alle  Kiinltler- 
Lexika.  Hervorftechende  neue  Forfchungcn  über  ihn 
find  nicht  zu  verzeichnen.  Zu  Egbert  v.  Ileeinskei'k  ift 
einiges  zu  bemerken.  In  den  meiften  älteren  nieder- 
ländifchen  Katalogen,  fo  in  vielen  des  18.  Jahrhunderts 
wird  jener  Heemskerk,  welcher  Bauernkneipen  malte, 
Hendrick  Heemskerk  genannt.  In  der  Hoet'fchen 
Katalogfammlung  (I.  S.  516)  heißt  es  fchlechtweg 
Heemskerk;  „Ken  Boere  Gefeldfchap,  door  Heems- 
kerk." Soweit  ich  die  Monogramme  auf  Heemskerk'- 
fchen  Bauernftücken  kenne,  läßt  fich  daraus  kein  Rück- 
fchluß  auf  den  Vornamen  ziehen.  Neuere  Forfchungen 
über  den  oder  die  Künftler  Heemskerk,  welche  im 
17.  Jahrhundert  und  zu  Anfang  des  18.  Jahrhunderts 
Bauernkneipen  gemalt  haben,  findet  man  bei  Immerzeel 
und  im  neueflen  Woermann'fchen  Katalog  der  Dres- 
dener Galerie,  wo  eine  Mittheilung  von  Dr.  Brcdins 
benützt  wird,  dafs  außer  dem  Haarlemer  Egbert  van 
Heemskerk  auch  ein  älterer  Maler  gleichen  Namens  in 
Amflcrdam  gelebt  hat.  Ob  von  diefem  Maler  Gemälde 
erhalten  find,  weiß  ich  nicht  zu  fagen.  Die  Frage  nach 
den  fpäteren  Heemskerks  fcheint  mir  heute  noch  nicht 
fpruchreif  zu  fein,  wefshalb  ich  unterdeffen  bei  der 
neuerlich  conventioneil  gewordenen  einfachen  Benen- 
nung ^Egbert  van  Heemskerk'-'  bleibe  (die  unter  anderm 
auch  in  der  Zeitfchrift  „Oud  Holland''  IV,  S.  53  bei- 
behalten ift).  Mit  Beftimmtheit  läßt  fich  jedoch  der 
Vorname  Martin  zurückweifen,  der  dem  Maler  unferes 
Bildes  vom  Katalog  der  Sammlung  Gfell  gegeben 
worden  ift.  Märten  van  Heemskerk  ifl  der  überfrucht- 
bare Hauptvertreter  der  italifirenden  Niederländer  des 
16.  Jahrhunderts  und  heißt,  wie  bekannt,  eigentlich 
Märten  van  Veen.  Eine  weitverzweigte  Literatur 
knüpft  fich  an  feinen  Namen. 

Unter  den  Bildern  des  älteren  Beflandes  hebe  ich 
einige  hervor,  fo  Nr.  i  von  H.  Meviiis  als  ein  flott 
gemaltes  großes  Breitbild,  das  nicht  nur  wirkungsvoll, 
fondern  auch  fehr  gediegen  gemalt  ift.  Nr.  3  von  der 
feltenen  Marie  van  Oßcrivyck  (Breite  048;  Höhe  038). 
Dargeftellt  find  Blumen  und  Bandgras  in  einem  Glafe. 
Rechts  auf  dem  Steintifche  liegen  Conchilien.  Die  volle 
Bezeichnung:  „MARIA  VAN  OOSTERWYCK"  findet 
fich  rechts  unten.  Das  Linzer  Bild  ift,  wie  die  ganze 
Linzer  Gemäldefammlung,  bisher  von  der  kunftge- 
fchichthchen  Literatur  überfehen  worden,  ein  Schick- 
fal,  das  es  mit  dem  fignirten  Bildchen  von  derfelben 
Künftlerin  in  der  Prager  Galerie  theilt.  Wenig  gekannt, 
aber  in  Woermann's  Gefchichte  der  Malerei  wenigftens 
andeutungsweife  angeführt,  find  die  Bilder  in  Karlsruhe 
(Nr.  368)  und  Kopenhagen  (Nr.  253).  Die  kaiferliche 
Galerie  in  Wien  befitzt  zwei  treffliche  Werke  der 
Oofterwyck,  die  Dresdener  Galerie  eines.  In  Schwerin 
wird  ihr  aus  ftylkritifchen  Gründen  ein  Bild  zuge- 
fchrieben  (Nr.  756).  Viele  Bilder  der  Oofterwyck  flehen 
in    alten   niederländifchen  Katalogen  verzeichnet. 

Nr.  12  von  F.  Falciatore  ift  ein  anmuthiges  Bild- 
chen (breit  0-39,  hoch  0-25).  Bezeichnet  in  curfiven 
Zügen  links  unten:  „F.  Falciatore  P."  —  (auf  Kupfer). 

Nr.  20  ift  bezeichnet  und  datirt:  ,^Acrttinger  1842'^. 
Täufche  ich  mich  nicht,  fo  befitzt  der  Händler  Cii/>a/eh 
in  Vv'ien  in  feiner  Privatfammlung  ein  großes  Breitbild 


mit    einem    militärifchen    Aufzug,    das    von    derfelben 
Hand  gemalt  ift. 

Nr.  24  ift  weder  von  Jan  Lys  noch  von  Dirk  van 
der  Liffe,  der  fo  oft  mit  Jan  Lys  verwechfelt  wurde. 

Nr.  25  von  H.  Selidnfeld  flellt  eine  gravide  Frau 
dar,  die  aus  einem  brennenden  Dorfe  herkommt.  Gut 
erhalten.  Bezeichnet  links:  „H.  Schonfeld  T."  Eine 
Copie  nach  diefem  Bilde  war  1892  in  einer  kleinen 
Wiener  Verfleigerung  zu  fehen  (26.  November). 

Nr.  26,  ein  Stich  von  Blafius  H'ofel,  pafst  zwar 
nicht  in  die  Gemälde -Galerie  als  folche,  ifl  aber 
ein  überaus  werthvoUer  Befitz.  Dargeftellt  find  zwei 
liängende  Rebhühner  auf  dunklem  Hintergrund.  Durch- 
bildung von  bewundernswerther  Feinheit.  Links  unten 
Heht:  „  P.  F.  de  Hammilton  pinx",  rechts:  „BI.  Höfe! 
Sc.  Wiener  Neufladf,  mitten  die  folgende  Widmung: 
„Sr.  Hochwohlgeboren  Herrn  Maximilian  von  Speck, 
Ritter  des  kaif  Ruffifchen  St.  Wladimir-Ordens,  Mit- 
glied mehrerer  gelehrten  Gefellfchaften  und  Befitzer 
der  Rittergüter  Lützfchena,  Freiroda  etc.  Hochach- 
tungsvoll zugeeignet  von  Hl.  Höfel";  ferner  die  Adreffe: 
„zu  finden  bey  dem  Kupferflecher  zu  Wr -Neufladt" . 
Die  weitverzweigte  Literatur  über  Blafius  Höfel,  die 
ich  in  meinem  Buche:  „NeueBeethoveniana"  undneuer- 
lich  in  Liitaozu- Seemann  s  „Zeitfchrift  für  bildendeKunfl" 
(Neue  Folge,  IV.  Heft,  i)  zufammengeftellt  habe,  müßte 
ich  erft  ad  hoc  wieder  durchfuchen,  um  zu  ermitteln,  in 
welcher  Weife  der  in  Linz  vorhandene  Stich  fchon  be- 
fchrieben  oder  erwähnt  ifl.  Das  Original  desHöfel'fchen 
Stiches,  offenbar  ein  Gemälde  des  P.  F.  de  Hammilton 
finde  ich  im  großen  Katalog  der  Galerie  zu  Lützfchena 
nicht  verzeichnet.  Es  mag  fich  trotzdem  in  Speck'fchem 
Befitz  befinden. 

Nr.  40  und  41  find  nicht  von  Bonaventura  Peeters, 
fondern  moderne  Bildchen  etwa  aus  den  Dreißiger- 
Jahren   des  Jahrhunderts. 

Nr.  44  ill  unter  den  alten  Gemälden  zweifellos 
das  Hauptbild  der  Galerie,  fo  klein  es  auch  ift  (Höhe 
0-217,  Breite  O'iö).  Es  ift  ein  Werk  nicht  von  Gottfried 
Schalken,  fondern  von  Gerrit  Dov  und  ftammt,  wie 
mir  aus  einem  handfchriftlichen  Inventar  gütigft  mit- 
getheilt  wird,  aus  ^.j'fchem  Befitz,  und  zwar  als  Schen- 
kung. Als  ich  das  Bildchen  im  Augufl  des  laufenden 
Jahres  zum  erftenmal  fall,  befand  es  fich  in  einem 
wenig  gepflegten  Zuftande,  fo  dafs  ich  anfangs  die 
Diagnofe  auf  G.  Dov  zwar  ausfprach,  mir  aber  eine 
eigentliche  Beflimmung  vorbehielt,  bis  die  Bildfläche 
klarer  geworden  wäre.  Ich  bat  mir  das  Bildchen  zur 
Regenerirung  nach  Pettenkofer's  Verfahren  aus,  die 
mirin  ähnlichenFällen  fchon  guteDienfte  geleiftet  hatte. 
Der  Zuftand  des  kleinen  Nachtftückes,  das  einen 
betenden  Einfiedler  darftellt,  wurde  eingehend  be- 
fchrieben,  bevor  ich  die  Regenerirung  vornahm.  Es 
gehört  in  den  Zufammenhang,  wenn  ich  hier  den 
Befund  zum  Abdruck  bringe: 
Wien  19.  September  1892. 

Auffallende  Fehlftellen  in  der  Farbenfchichte 
finden  fich  nur  an  den  Rändern,  und  nur  bis  etwa  i  Cm. 
von  den  Rändern  entfernt.  Faft  4  Cm.  vom  Unterrand 
entfernt  etwa  in  der  Mittellinie  ein  kleinerer  Defe(5l.  Im 
Laternendach  ober  der  Flamme  eine  kleinfte  alte 
Lädirung. 

Die  eigentliche  Bildfläche  ift  ganz  nachgedunkelt 
bis  zur  Unkenntlichkeit  aller  dunklen  Partien.  Nament- 


XI.\.  N.  F. 


'3 


98 


lieh  das  untere  Drittel  erfcheint  wie  ein  dunkles  Band, 
das  quer  über  das  Bild  verläuft.  Nur  rechts  bemerkbare 
Spuren  der  beleuchteten  Seite  des  Baumftammes.  Der 
Vorhang  rechts  oben  läßt  in  feiner  ganzen  dunklen 
Fläche  nicht  das  minderte  Detail  erkennen. 

Der  Firnifs  ift  über  der  ganzen  Bildfläche  fein  und 
gleichmäßig  in  fpinnennetzartiger  Weife  craquelirt. 
Weiß  geworden  ift  die  Firnifsfchichte  an  einer  circum- 
fcripten  Stelle  von  etwa  2  Mm.  Durchmeffer  am  Aermel 
des  Eremiten  nahe  dem  Ellenbogen,  ferner  in  mehr 
diffufer  Weife  rings  um  das  Geficht,  rechts  über  der 
Laterne,  unter  der  Laterne,  hinter  dem  Rücken  des 
Eremiten,  Hnks  bei  der  rechten  Hüfte  des  Gekreuzigten, 
zwifchen  dem  Vorhang  und  dem  Baumflamm  bei  der 
Gabelung  des  Baumes  und  an  einigen  weniger  belang 
reichen  Stellen.  Rechts  unten  (3  Cm.  vom  rechten  Rand 
und  2  Cm.  vom  Unterrand  entfernt)  findet  fich  ein 
niedriger  Buckel  in  der  Kupferplatte. 

Eine  niedrige  ftreifenförmige  breite  Erhebung  im 
Firnifs  zieht  über  der  Laterne  und  dem  Kopf  leicht 
nach  rechts  aufwärts. 

Nach  gefchehener  Regenerirung  zeigten  fich  nun 
fämmtliche  vorher  weiß  gewefenen  Stellen  (die  Stellen 
mit  dem  „chanci"  der  Franzofen)  vollkommen  klar. 
Viele  Einzelheiten,  die  vorher  hinter  dem  trüben  Firnifs 
gänzlich  verborgen,  oder  nur  verfchwommen  zu  fehen 
waren,  kamen  nun  zum  Vorfchein  oder  wurden  deut- 
licher. Die  Begränzung  der  Kutte  des  Eremiten  bis  zu 
den  Füßen  hinab  wurde  fichtbar,  ebenfo  die  einzelnen 
Verzweigungen  des  Baumes  zur  Rechten  und  einige 
Falten  des  Teppichs  gegen  oben  rechts.  Nunmehr  kann 
man  auch  das  weiße  Blatt  vor  derLaterne  ganz  deutlich 
unterfcheiden  und  bemerken,  dafs  auf  demSteintifch  ein 
ganzes  Stilleben  aufgebaut  ift.  Die  Schlagfchatten,  die 
von  einem  Todtenfchädel  und  Femurknochen  nacli  dem 
Befchauer  zu  fallen,  find  ganz  zweifellos  zu  umgränzen. 
Auch  einige  wefcntüche  Linien  in  der  Architeflur,  fo- 
wohl  am  Pfeiler  links  als  auch  an  der  Wölbung  können 
jetzt  unterfchieden  werden  und,  was  uns  befonders 
wichtig  ift,  die  Signatur  CdoV  an  dem  kleinen  Crucifixe 
unterhalb  der  Füße  des  Gekreuzigten  erfcheint  nach  der 
Regenerirung  ebenfo  zuverlhßig  wie  vorher.  Es  läßt  fich 
keinerlei  Anhaltspunkt  finden,  fie  für  apokryph  zuhalten. 
Unklar  bleiben  auch  nach  der  Regenerirung  die  Schatten- 
maffen  unten  mitten  und  oben  rechts.  Die  Fehlftellen 
in  der  Farbe  find  jetzt  eher  mehr  als  weniger  deutlich  zu 
fehen,  was  ja  in  der  Natur  der  Sache  liegt.  Einige  kleine 
alte  Lädirungen  können  erft  jetzt  bemerkt  werden. 

Das  Bildchen  in  Linz  gehört  zu  Dov's  fcinften 
Arbeiten,  wenngleich  der  Gcgenftand  der  Darftellung 
durch  Dov  felbft  und  durch  feine  Nachtreter  eigentlich 
fchon  zu  todt  gemalt  worden  ift.  Befonders  gciftrcich 
find  die  Mände  und  das  Antlitz  des  Eremiten  behantlelt. 
Die  Wirkung  des  gedämpften  fchvvachen  Lichtes,  das 
fich  trüb  aus  der  Laterne  auf  die  nächfte  Umgebung 
ergießt,  ift  ganz  meifterhaft  wiedergegeben. 

Was  mich  anfangsüberrafchte  iftderUrnftand,  dafs 
das  Bildciicn  auf  Kupfer  gemalt  ift,  wogegen  Dov 
fonft  meiftens  Eichenholz  als  Malgrund  benützte.  Doch 
mußte  ich  den  zwingenden  Gründen,  die  aus  der  Mache 
und  aus  der  vollkommen  unverdächtigen  Signatur  deut- 
lich genug  fprechen,  nachgeben  und  eben  annehmen, 
dafs  Dov  in  der  crften  Periode  feines  künnierifchen 
Schaffens  eben  auch  gelegentlich  in  der  Wahl  des  Mal- 


grundes  experimentirt  hat,  wie  manche  andere  Künft- 
1er,  des  befonderen  einige  Holländer,  voran  der  große 
Rembrandt,  der  berühmte  Lehrer  des  Gerard  Dov. 
Das  frühe  Selbftbildnis  des  Rembrandt  in  der  fürftlich 
Liechtenftein'fchen  Galerie  ift  z.  B.  ausnahmsweife  auf 
Lindenholz  gemalt,  ohne  dafs  jemand  deshalb  die  Echt- 
heit diefes  Rembrandt  beftreiten  würde.  Das  kleine 
Bildnis  der  Mutter  Rembrandt's  in  der  gräflich  Czernin'- 
fchen  Galerie  ift  auf  eine  (wie  es  fcheint  vergoldete) 
Kupferplatte  gemalt.  Noch  einen  andern  Holländer 
des  17.  Jahrhunderts  will  ich  als  Beifpiel  heranziehen 
dafür,  dafs  gelegentlich  ftatt  des  gewohnten  Eichen- 
brettchens  auch  Kupfer  benützt  wurde.  Ich  meine 
Cornelis  Poelenburg,  deffen  Verkündigungsbild  in  der 
kaiferlichen  Galerie  zu  Wien  das  eclite  Monogramm 
des  Künftlers  trägt,  aber  dennoch  auf  Kupfer  gemalt 
ift.  Das  Monogramm  auf  diefem  Bilde  ift  von  der  neu- 
eren Kunftliteratur  einfchließlich  des  großen  Engert'- 
fchen  Kataloges  und  der  neueren  Führer  durch  die 
Wiener  Galerie  gänzlich  überfehen  worden,  obwohl 
es  mit  hinreichender  Deutlichkeit  unten  an  der  Stufe 
des  Betpultes  zu  fehen  ift  („  •  C  •  P  •  F").  Auch  Poelen- 
burg's  Kalypso  in  der  gräflich  SchönbornTchen  Galerie 
in  Wien  ift  auf  Kupfer  gemalt,  ohne  dafs  man  es  des- 
halb dem  Poelenburg  abfprechen  dürfte.  Es  wird  uns 
alfo  auch  hier  bei  einem  der  fauberften  und  netteften 
Werke  des  Gerrit  Dov  nicht  an  der  Echtheit  irre 
machen,  dafs  es  auf  Kupfer  gemalt  ift.  Meine  Anficht 
wird  auch  von  Ferdinand  Siegmund  in  Linz  getheilt, 
dem  jedenfalls  viele  Erfahrungen  über  alte  Gemälde 
eigen  ift. 

Nr.  48,  Stilleben  von  Felix  PoUinger.  Trügt  mich 
meine  etwas  verwifchte  Bleiftiftnotiz  nicht,  fo  ift  das 
nette  Bildchen  bezeichnet  und  datirt  mit  ,.Fel.  PoUinger 
1861"  PoUinger  war  ein  vielleitiger  Maler  von  mäßigen 
Gaben,  die  er  gelegentlich  auf  Reifen  in  Oefterreich 
verwerthete.  In  den  Jahren  gegen  1860  war  er  u.  a. 
in  Amftetten  thätig.  Ich  kenne  einige  Bildniffe  und 
ein  Stilleben  mit  Trauben  von  PoUinger  aus  jener 
Zeit.  PoUinger  lebte  eine  Zeit  lang  in  Ottensheim  bei 
Linz,  wie  ich  von  meinem  Vater  erfahre,  der  Pollingern 
in  jenen  Jahren  perfönlich  gekannt  hat. 

Nr.  49.  Lebensgroßes  Bruftbikl  eines  jungen 
Mannes,  dem  J.  G.  Wcickert  wohl  nach  der  Ueber- 
lieferung  zugefchrieben.  Die  Feder  (auf  dem  Barett 
nach  meiner  Erinnerung)  ift  übermalt.  Ueber  Weickert 
oder  Weikardt,  einen  Wiener  Maler  des  18.  Jahrhun- 
derts, der  noch  wenig  ftudirt  ift,  erfährt  man  einiges 
aus  den  Nachträgen  zu /vV/?//^  großem  Lexikon  (S.  5012) 
und  aus  der  dort  genannten  Literatur.  Nach  Hormayr's 
Archiv  von  1828  ^S.  288)  war  damals  in  der  Galerie 
Attems  zu  Graz  das  Porträt  der  Gräfin  Mutter  des 
Landeshauptmanns  [Attems]  von  Weikhardt.  Ich  bin 
nicht  ficher,  ob  ich  dasfelbe  BiKl  in  der  heutigen 
Galerie  Attems  gefehen  habe  oder  nicht.  Dagegen 
kenne  ich  folgende  Gemälde  des  genannten  Malers : 
zwei  tüchtige  Arbeiten  im  Mufeo  Filangieri  zu  Neapel 
(lebensgroße  Bruftbilder  von  Damen  in  Rococo-Tracht, 
kräftig,  etwas  derb  modellirt);  ferner  ein  fignirtes  Bild- 
nis, das  1888  bei  dem  feither  verftorbenen  Kunfthändlcr 
Ilirfchler  in  Wien  zu  fehen  und  damals  auch  in  die 
Kaiferin  Mai-ia  Therfia-Ausftcllung  gefcliickt  worden 
war.  Der  Dargeftellte  erfcheint  in  Lebensgröße  und 
halt    einen  Brief  in    der  Hand,    auf  welchem    man   die 


Helpfati,  Funde  einer  röin.  Töpferei. 


Mitth.  ci.  Centr.-Comm.  1893.  Zur  S.  99  u.  f. 


Fig. 


Fig-  4- 


Fig.  2. 


l'ig-  5- 


■V^-'^^'/^^.^,^...-^. 


99     — 


Adreffe:  „Monsieur  ....  AUegre  ..."  mit  einiger 
Mühe  lefen  kann.  Nach  Weickert  fchabte  1789  J.  P. 
Pichler  das  Bildnis  von  Andr.  Hadik. 

Mögen  die  vorfteheuden  Mittheikingen   über  die 
ober-öfterreichifche  Landes-Galerie  da/.u  Anlafs  geben, 


dafs  man  in  weiteren  kunftliebenden  Kreifen  auf  die 
viel  verfprechenden  Anfänge  aufmerkfam  werde  und 
zum  Gedeihen    der   Linzer  Gemälde-Galerie    beitrage. 


Fund  einer  römifchen  Töpferei  bei  Heipfau. 


(Mit  einer  Tafel.) 


ION  den  aus  Altheim  im  Innkreiie  über  Weng 
nach  Mauerkirchen  und  von  dort  auf  der  das 
Mattigthal  öftlich  begränzenden  Hohe  über 
Sonnlcithen,  Haflau,  Minatha!  in  den  Kobernaußerwald 
führenden  Straße  zweigt,  und  zwar  nahe  bei  Sonn- 
leithen,  die  Straße  nach  Heipfau  —  Uttendorf  in  weft- 
licher  Richtung  ab.  Ganz  nahe  diefer  Straßengabe- 
lung liegt  die  gegen  Weften  fanft  abfallende  Wiefen- 
Parcelle  1017.  Diefe  zur  Steuergemeinde  St.  Florian 
gehörige,  mit  dem  Flurnamen  „Schüffeltreib"  bezeich- 
nete Parcelle  war  vor  circa  20  Jahren  noch  bewaldet. 

Dafs  der  obige  Flurname  die  einflige  Bedeutung 
diefer  Oertlichkeit  richtig  kennzeichnet,  wird  durch  die 
dafelbll  jüngll  aufgefundenen  Ueberrefte  aus  längft 
vergangener  Zeit  unzweifelhaft  dargethan. 

Auf  dem  erwähnten  Wiesgrande  wurden  im  ver- 
gangenen Spätherbfte  an  mehreren  Stellen  zum  Zwecke 
der  Gewinnung  von  Ziegellehm  Grabungen  gemacht. 
Die  Veranlaffung,  gerade  an  diefer  Stelle  brauchbares 
Material  zu  fuchen,  war  dadurch  gegeben,  dafs  in  der 
Nähe  derfelben  eine  fehr  ergiebige  Tegelgrube,  aus 
welcher  die  Töpfer  in  weitem  Umkreife  feit  Menfchen- 
gedenken  ihren  Bedarf  decken,  vorhanden  ift. 

Bei  den  erwähnten  Verfuchsgrabungcn  kamen 
Gefaßfeherben,  erft  einzeln,  dann  in  großer  Menge, 
fchließlich  aber  auch  ein  in  den  Lehmboden  ein- 
gebautes Obje6l  zum  Vorfchein,  welches,  wie  aus  der 
folgenden  Befchreibung  und  der  angefchloffenen  Skizze 
zu  erfehen  ift,    den  Brennofen  einer  Töpferei   vorftellt. 

Die  Herftellung  diefer  Anlage  dürfte  nach  dem 
Eindruck,  den  ich  bei  der  forgfamen  Unterfuchung  und 
Erwägung  aller  in  Betracht  kommenden  Umftände  ge- 
wonnen habe,  in  der  Weife  erfolgt  fein,  dafs  man  eine 
länglich  runde  180  Cm.  tiefe  Grube  aushob,  diefelbe 
am  Boden  und  ringsum  aufwärts  bis  zur  Höhe  von 
130  Cm.  mit  feuerbeftändigem  Thon  in  ungleicher 
zwifchen  5  und  10  Cm.  varirenden  Stärke  bekleidete. 
Diefer  fo  gebildete  Hohlraum  wurde  10  Cm.  über  der 
halben  Höhe  unter  Verwendung  des  gleichen  Mate- 
riales  untertheilt  und  diefer  horizontalen  Zwifchen- 
wand  eine  Stütze  von  dem  nämlichen  feuerfeften  Thon 
gegeben  (Fig.  I  und  3). 

Die  Zwifchenwand  haben  die  Arbeiter  leider  vor 
meiner  Ankunft  zum  Theile  durchgefchlagen,  der  noch 
intafte  größere  Theil  ift  an  zwölf  ziemlich  gleichmäßig 
vertheilten  Stellen  mit  10  Cm.  im  Lichten  meffenden 
durchgehenden  Löchern  verfehen.  Eine  diefer  Oeff- 
nungen  war  mit  einer  feuerfeften  Lehmkugel  gefchloffen 
(Fig.  2). 

An  einer  Stelle  wurde  fodann  der  fo  entftandene 


Ofen  bis  an  den  Boden  blosgeleg^t  und  die  Wand  be- 
hufs   Herftellung  der 
brochen. 


Heizöffnung  (Schürloch)    durch- 


Die  feuerfefle  Verkleidung,  Zwifchenboden  und 
Stütze  find  graufchwarz  gebrannt  und,  trotzdem  dafs 
fie  Jahrhunderte  lang  der  Einwirkung  der  Boden- 
feuchtigkeit ausgefetzt  waren,  noch  fehr  widerftands- 
fähig.  Der  die  fefte  Wandung  umgebende  Lehmgrund 
ilT:  ziegelroth  gebrannt.  Ich  zog  einen  erfahrenen 
Töpfermeifter  zu  Rathe,  um  feine  Anficht  über  die 
angenommene  Art  der  Herftellung  und  Verwendung 
des  Brennofens  vom  praktifchen  Standpunkte  aus  zu 
vernehmen.  Derfelbe  ftimmte  meiner  Anficht  bei  und 
erklärte,  dafs  mit  reichlichem  Holzaufwand  das  Brennen 
von  Thongefchirr  in  Üiefem  Ofen  ganz  gut  gelingen 
konnte.  Der  Hohlraum  des  Ofens  wie  auch  der  weite 
Vorraum  vor  dem  Schürloche  war  mit  Gefäßfeherben 
der  verfchiedenften  Art  vollfländig  ausgefüllt. 

Bemerkenswerth  ift  es,  dafs  das  Material,  aus 
dem  diefe  Scherben  beftehen,  weder  aus  der  oben  er- 
wähnten Tegelgrube  herrührt,  noch  überhaupt  in  der 
näheren  oder  ferneren  Umgebung  vorkommt,  daher 
von  weither,  etwa  aus  der  Gegend  von  Paffau,  Hafner- 
zeil etc.  herbeigefchafft  worden  fein  mußte.  Es  ift  ja 
einleuchtend,  dafs  mit  Rückficht  auf  die  Schwierigkeit 
des  Transportes  fertiger  Töpferwaare  man  es  vorge- 
zogen haben  dürfte,  das  Rohmaterial  von  Orten,  wo 
es  leicht  und  in  guter  Qualität  erhältlich  war,  herbei- 
zufchaffen  und  dort  zu  verarbeiten,  wo  der  Holzreich- 
thum  —  wie  am  Kobernaußerwalde  —  günftige  Gele- 
genheit hiezu  gab. 

Der  von  mir  beigezogene  Töpfermeifter  meinte 
allerdings,  es  könnte  einftens  in  der  nahen  Tegelgrube 
auch  eine  derartige  Lehmfchichte  vorhanden  gewefen, 
aber  mit  der  Zeit  ganz  erfchöpft  worden  fein,  was 
mir  jedoch  nicht  fehr  wahrfcheinlich  fcheint. 

Obwohl  in  Betracht  zu  ziehen  ift,  wie  fehr  die  ge- 
fundenen Scherben  durch  die  lange  Lagerung  in  dem 
fehr  durchfeuchteten  Boden  an  Feftigkeit  verloren 
haben,  fo  ift  doch  nicht  zu  verkennen,  dafs  wir  zumeift 
Scherben  von  mislungenen  und  nicht  vollkommen  ge- 
brannten Gefäßen  vor  uns  haben,  welche  beifeite  ge- 
fchafft  und  bei  Auflaffung  der  Töpferei  zum  Verfchütten 
der  Anlagen  verwendet  worden  find.  Eine  Anzahl  von 
Scherben  ift  klingend  hart  gebrannt.  Gutgearbeitete 
Stücke  find  an  der  Oberfläche  fchwarz  gebrannt, 
andere  nicht  nur  oberflächlich,  fondern  auch  im  Bruche 
fchwarz  oder  fchwarzbraun ,  eine  Anwendung  von 
Graphit,  fei  es  zur  oberflächlichen  Schwärzung  oder 
aber  als  Beimengung  zum  verarbeiteten  Material  ift 
nicht  wahrnehmbar. 

So  überreich  auch  die  Menge  der  vorhandenen 
Scherben  ift,  fo  ift  doch  keine  große  Verfchiedenheit 
an  Formen,  wohl  aber  ein  großer  Unterfchied  in  den 
Dimenfionen  der  Gefäße,  von  denen  fie  herrühren,  zu 
conftatiren.   Den  Großtheil  der  gewonnenen  Scherben 

13* 


—         lOO 


habe  ich  in  Uttendorf  deponirrund^eine  mit  Sorgfalt 
ausgewählte  Anzahl  an  mich  genommen. 

Soviel  aus  den  Rand-  und  Bodenftücken  fich  er- 
kennen läßt,  find  es  Schalen,  Schüffein,  henkellofe 
urnenförmige  Töpfe  und  Urnendeckel,  diefe  letzteren 
mit  roh  gearbeitetem  Grift'knopf  \erfehen  und  ohne 
irgend  eine  Verzierung,  während  die  Rand-  und  Wand- 
ftücke  theils  mit  mehreren  horizontalen  Linien,  zum 
größten  Theile  außerdem  noch  mit  dem  bekannten 
Wellenlinien-Ornamente  ausgeftattet  find,  das  fich  bei 
mehreren  SchülTel-  und  Schalenitücken  zwei-,  drei- 
und  viermal,  mit  horizontalen  Linien  abwechfelnd 
wiederholt  (Fig.  4  und  5). 

Zur  Beurtheilung  der  Frage,  welcher  Zeitperiode 
der  aufgedeckte  Töpferei-Brennofen  und  die  in  dem- 
felben  aufgefundenen  Gefchirr-Bruchftücke  angehören, 
glaube  ich  befonders  hervorheben  zu  follen,  dafs  unter 
der  Menge  von  Scherben  auch  ein  Bruchftück  einer 
kleinen  Schale  aus  terra-sigillata  vorkam.  In  geringer 
Entfernung  vom  Fundorte,  nämlich  in  Heipfau,  find 
wiederholt  römifche  Münzen  gefunden  worden,  von 
denen  fich  mehrere  aus  der  Zeit  des  Gordianus  III.  bis 
Gallienus  in  der  Münzfammlung  des  Linzer  Mufeums 
befinden. 

Werden  alle  diefe  Umftände  erwogen  und  insbe- 
fondere  auch  in  Betracht  gezogen,  dafs  die  Meinung, 
das  Wellen-Ornament  fei  ein  Specificum  der  flavifchen 
Periode,  von  Dr.  Mitch  und  Anderen  gründlich  wider- 
legt worden  ift,  fo  dürfte  es  kaum  zweifelhaft  fein,  dafs 


es  Ueberrefte  einer  fpät-römifchen  Töpferei   find,    die 
durch  einen  glücklichen  Zufall  zutage  gekommen  find. 

Es  war  mir  felir  darum  zu  thun,  den  Ofen  in  feiner 
Vollftändigkeit  an  Ort  und  Stelle  bleibend  zu  erhalten. 
Zu  diefemBehufe  habe  ich  die  Aufllellung  einer  Schutz- 
hütte über  denfelben  und  über  den  freigelegten  Vorraum 
vor  dem  Schürloche  veranlafst,  was  wegen  der  weit 
vorgefchrittenen  Jahreszeit  fofort  gefchehen  mußte,  da- 
mit diefes  höchft  intereffante  Objeft  nicht  durch 
Regen,  Schnee  und  Froll:  zerftört  werde.  An  der 
Schutzhütte  ift  eine  fperrbare  Thür  angebracht,  zu 
welcher  der  Grundeigenthümer  den  Schlüffel  in  Ueber- 
wachung  hat. 

Die  in  die  Tiefe  führenden  Stufen  find  proviforifch 
aus  Rafenftücken  hergeftellt  und  werden,  wiebald  eine 
entfprechende  Vereinbarung  mit  dem  fchwer  zu  be- 
friedigenden Grundbefitzer  wegen  Errichtung  eines 
Pachtvertrages,  eventuell  kauflichen  Erwerbung  der 
betreffenden  Grundparcelle  erzielt  fein  wird,  durch 
eine  fefte  Stiege  erfetzt  werden. 

Der  Verwaltungsrath  des  Mufeums  Francisco- 
Carolinum  in  Linz  hat  in  feiner  letzten  Sitzung  über 
meinen  Antrag  befchloffcn,  die  Koften  der  Schutzhütte 
zu  beftreiten,  die  Grundparcelle  zu  pachten,  oder  nach 
Umfländen  käuflich  in  das  Eigenthum  zu  bringen,  oder 
aber,  wenn  mittlerweile  ein  Befitzwechfel  eintreten 
foUte,  was  höchft  wahrfcheinlich  ift,  eine  Servitut  zu 
erwirken. 

Straberger. 


Kunfthiftorifche  Notizen  aus  Friefach  und  feiner  Umgebung. 


Von   Dr.   Albert  llg. 


II. 


Indem  ich  mich  nun  den  umliegenden  Ortfchaften 
um  Friefach  zuwende,  lenke  ich  meine  Schritte  zunächft 
nach  dem^füdlich  gelegenen  Micheldorf.  Demjenigen, 
was  die  Topographie,  pag.  223,  mittheilt,  ift  neu  hinzu- 
zufügen:  an  der  Südfeite  der  Kirche  befindet  fich  ein- 
gemauert ein  kleines  fragmentirtes  Marmor-Relief,  den 
auferftandenen  Heiland  vorftellend,  eine  intereffante 
italienifchc  Sculi^tur  aus  der  zweiten  Hälfte  des  16. 
Jahrhunderts  "Die  Füße  des  Erlöfers  ftehen  auf  einem 
Engelskopf,  ein  zweiter  fchwebt  über  ihm  in  den 
Wolken.  Die  fchöne  Arbeit  verdiente  eine  bcffcr 
geficliertc  Stelle.  Die  Sacriftei  der  fcjnft  ganz  unintcr- 
elfantcn  Kirche  hat  noch  gothifche  (iewulbe. 

In  dem  Dorfe  St.  Stephan  ftcht  eine  wenig 
bemerkenswerthe  Kirche,  deren  Thürc  das  Datum 
1780  trägt,  während  die  übrigen  Theile  1759  neu  er- 
richtet wurden.  Beim  Eingang  liegen  im  Pflaftcr  des 
Fußbodens  einige  ältere  Grabftcine.  Auf  der  Com- 
munionbank  find  zwei  Agnusleuchter  von  bizarr- 
barocken  Formen  von  bronzirter  Holzfchnitzerei  auf- 
geftellt.  Der  Karncr  auf  dem  Friedhofe  hat  einfach 
gothifche  P'ormcn,  eine  Steintreppe  führt  zu  feiner 
mit  dem  Efel.srucken  bekrönten  '1  hüre  mit  der  Jahres- 
zahl 1522  empor,  unter  dcrfelben  befindet  fich  das 
Beinhaus.  Die  Rückfeite  zeigt  drei  Flächen  des  06lo- 


gons.  Das  Innere  hat  zwei  Travees  mit  Netzgewölben, 
welche  auf  WandConfolen,  die  nach  unten  fpitz  ver- 
laufen, aufruhen.  Bei  einer  neiigebauten  Scheuer  an 
dem  Wege  gegen  P'riefach  lag  bei  meiner  Anwefenheit 
eine  fehr  fcliöneBafis einer  römifchen  cannelirten  Säule, 
mit  einem  Theil  des  Schaftes  und  dem  unteren  Torus. 
In  dem  Loche  war  noch  das  alte  Blei  reichlich  cin- 
gegoffen.  Daneben  eine  rohe  Platte  mit  Rändern,  tleren 
Beftimmung  zweifelhaft  fein  mag.  Beide  Stücke  wurden 
vor  einiger  Zeit  auf  einem  Kartoffelacker  in  der  Thal- 
ebene jenfeits  des  Eifenbahndammes  ausgegraben.  Da 
fchon  1S47  hier  ein  jetzt  in  l'ricfach  befindlicher 
Romerftein  gefunden  wurde  und  ein  zweiter  fich  im 
Pfarrgarten  befindet,  St.  Stephan  auch  als  der  Stand- 
ort des  römifchen  Beliandrum  gilt,  fo  hat  der  Fund 
jener  Säulenbafis  gewifs  anfehnlichen  Werth.  Obwohl 
ihn  nun  das  Klagenfurter  Mufeum  verfchniähtc,  habe 
ich  doch  dafür  geforgt,  dafs  er  an  eine  fichere  Auf- 
bewahrungsftätte  gelange. 

St.  Thomas  in  Ilartmannsdorf,  alte  aber  unbedeu- 
tende Kirche,  deren  viereckiger  Thurm  über  einer 
Halle  ftehl.  Im  Schiff  flache  Holzdecke,  das  tjuadra- 
tifche  Presbyterium  liat  oben  Gewölbe.  Eine  kleine 
Statuette  des  heil.  Sebaüian  von  Holz  an  der  Seiten- 
wand hat    faft   noch   mittelalterlichen  Typus.    Zu   den 


—        lOI        — 


Notizen  über  Grafendorfm  der  Topographie  (pag.  78) 
kann  ich  Folgendes  beifügen:  das  merkwürdig  kleine 
Portal  der  Jacobskirche  iil  obwohl  gothifch,  doch  nicht 
fpitz-  fondern  rundbogig  und  hat  in  diefem  Rundbogen 
drei  gemeißelte  Köpfe,  welche  mit  einer  Kriechblume 
abwechfeln.  Zwei  derfelben  ftellen  Mönche,  einer  einen 
Schalksnarren  mit  Efelsohrenkappe  vor.  Die  Schrift- 
rolle bei  dem  oberften  ift  leer.  Ueber  diefer  Thür  in 
der  Vorhalle,  deren  fchöne  Eifenverkleidung  a.  a.  O. 
reproducirt  ift,  fah  ich  Refte  eines  Fresco  aus  der 
Renaiffance,  in  welchem  aber  bloß  die  Geflalt  des 
Kirchenpatrons  erkennbar  ift.  Von  den  beiden 
Bildern  der  Vorhalle  in  fchönen  Rahmen  fcheint 
mir  nur  eines  beachtenswerth,  welches  Chriftus  in 
einem  Blut  ergießenden  Brunnen  darftellt,  um  den 
alle  Stände  der  Menfchen  verehrend  gefchaart  find. 
Als  Kunftwerk  mittelmäßig  ift  die  Tafel  darum  wichtig, 
weil  fie  aus  der  Friefacher  Heiligenblutkirche  flammt. 
Eine  lange  Infchrift  befagt,  dafs  im  17.  Jahrhundert 
das  Bild  von  einer  dortigen  Familie  gefliftet  wurde. 
Ein  ähnliches  Votivbild  befindet  fich  noch  in  der 
Heiligenblutkirche;  es  entftammt  der  Erinnerung  an 
die  Peft  von  17 13  und  hat  großes  Intereffe,  weil  im 
Hintergrunde  das  damalige  Bild  der  Stadt  wieder- 
gegeben ift.  In  der  Topographie  ift  Fig.  75  als  Sacriftei- 
thüre  in  Grafendorf  ausgegeben,  es  ift  aber  die  Haupt- 
thüre;  ferner  Fig.  ']6  die  fchone  gothifche  Nifche  mit 
Efelsrücken  als  Lavabo,  in  Wahrheit  aber  Sacraments- 
Häuschen.  Die  beiden  Engelbüften  an  den  Seiten  waren 
Kerzenhälter.  Die  Rückwand  der  barocken  Kanzel 
ziert  ein  kleines  gutes  Oelbild  des  heil.  Jacob  aus  dem 
17.  Jahrhundert.  Der  vierfeitige  Taufrtein  ift  eine  fehr 
rohe  Arbeit.  Das  nahe  kleine  Capellchen  St.  Mauritzen, 
auf  einem  niedrigen  Hügel  gelegen,  fieht  fehr  viel- 
verfprechend  aus,  enthält  jedoch  gar  nichts  bemerkens- 
wcrthes,  obwohl  es  fchon  1460  erbaut  wurde.  Weiter 
thalabwärts  erhebt  fich  auf  hoher  Bergwand,  Michel- 
dorf gegenüber,  das  Kirchlein  St.  Lore7izen,  welches 
bereits  1115  in  einer  Urkunde  genannt  wird.  Ich  hatte 
leider  nicht  Gelegenheit,  dort  hinauf  zu  kommen,  und 
vernehme,  dafs  außer  einem  fchon  publicirten  Römer- 
Rein  und  einem  Beinhaus  fich  dafelbft  auch  nichts 
bemerkenswerthes  befinden  foll,  berühre  den  Gegen- 
ftand  aber  einer  intereffanten  Sage  willen.  Es  wird 
nämlich  erzählt,  jene  ganze  Thalgegend  fei  einft  ein 
See  gewefen,  was  die  geologifchen  Verhältniffe  und 
die  fumpfige  Befchaffenheit  des  Thalbodens  auch  fehr 
wahrfcheinlich  machen.  Darum  wäre  auch  das  Kirchlein 
fo  hoch  oben  erbaut  worden,  und  foll  ferner  ein  in 
Stein  gehauener  Fifch  an  dem  Gotteshaufe  noch  an 
jene  alten  Zeiten  erinnern. 

Das  gleichfalls  hochgelegene  kleine  Dorf  Gaisberg 
birgt  in  feiner  Kirche  eine  Reihe  von  Alterthümern  und 
Kunftwerken,  welche  hohe  Beachtung  \-erdienen.  Auch 
hier  feilen  meine  Angaben  bloß  zur  VervoUfländigung 
der  Topographie  (pag.  62)  dienen.  Der  Thurm  erhebt 
fich,  ähnlich  wie  in  Hartmannsdorf,  über  einer  Halle, 
in  welcher  an  der  Wand  das  bemalte  Holz-Relief  eines 
heil.  Martin,  welcher  dem  Bettler  feinen  lialben  Mantel 
gibt,  angebracht  ift,  eine  ziemlich  derbe  Arbeit  des 
17.  bis  iS.  Jahrhunderts.  Unter  derfelben  aber  ift  der 
Reft  eines  gothifchen  Altars  befeftigt,  eine  Holz- 
Predella  kleinen  Formates,  auf  welcher  drei  Halbfiguren 

der    leidende    Heiland 


in    Malerei    dargeftellt    find 


zwifchen  Maria  und  Johannes.  Letztere  haben  weiße 
Kleider  mit  ziemlich  ftrengen  gezogenen  Falten, 
Chriftus  in  gelber  Mandorla.  Alles  beftimmt  gezeichnet 
im  Charakter  altdeutfcher,  ins  16.  Jahrhundert  ver- 
laufenden Kunftweife.  Der  innere  Chor  der  Kirche  hat 
drei  Achteckfeiten,  im  Scheitel  einen  Schlußftein  mit 
dem  Lamme,  welches  die  Ofterfahne  trägt,  dann  zwei 
ungleichgroße  Joche,  in  deren  größerem  das  Stern- 
gewölbe fünf  Schlußflcine  enthält.  Das  Sacraments- 
Häuschen  zur  Linken  ift  mit  feinem  Bildwerk  der 
Auferftehung  und  mit  dem  Steinmetzzeichen  in  der 
Topographie  erwähnt.  Hinzuzufügen  wäre  nur,  dafs 
oben  in  der  Lunette  ChrilTius  im  Grabe  flehend,  von 
Engelputti  betrauert,  dargeftellt  ift,  ferner  rechts  das 
Kreuz,  links  der  Kelch,  am  unteren  Rande  des 
Sacraments-Häuschens  drei  Köpfe  als  Confolenträger. 
Ausnehmend  fchon  find  im  Presbyterium  die  Träger 
der  Rippen  an  den  Wänden.  Sie  reichen  tief  herab  als 
Wandfäulchen  mit  reichen  Laubwerk-Capitälen  und 
ruhen  unten  auf  gegliederten  Confolen  auf.  An  der 
andern  Altarfeitc  befindet  fich  in  der  Mauer  eine  ein- 
fachere Nilche  mit  Kleeblattverzierung  im  Spitzbogen- 
feld, für  das  Hineinftellen  der  AmpuUae  beftimmt.  Das 
große  Fenfter  darüber  ift  ganz  mit  Glasmalereien  ausge- 
füllt und  fowohl  durch  feine  Dimenfionen  als  durch  das 
überaus  prachtvolle  feine  Maßwerk  ausgezeichnet, 
deffen  eigenthumliche  Radform  mit  S-förmigen  Spei- 
chen fich  an  den  Ornamenten  in  dem  nahen  Zeltfchach 
wiederholt,  was  wohl  auf  denfelben  Künftler  hindeutet. 
Von  zwei  Steinftäben  untertheilt  enthält  es  15  gemalte 
Tafeln  in  fünf  Reihen  unter  einander,  mit  je  einer  Figur 
unter  weißem  Rundbogen  mit  gelben  Capitälen;  die 
Hintergründe  find  in  Roth,  Grün  und  Blau  gemuftert. 
DasFenfterbefindet  fich  abernichtim  Süden  des  Chores, 
wie  die  Topographie  fagt,  fondern  im  Weften,  auch 
find  dort  die  Gefialtcn  unvoUftändig  und  nicht  richtig 
verzeichnet.  Die  Anordnung  ift  folgende: 

Gott  Vater  mit  dem  Gekreuzigten. 
Georg.  Maria  m.  d.  Kind. 

Paulus.  Petrus.  Johann.  Ev. 

Jacobus  maj.  Andreas.  Bartholomäus. 

Philippus.  Jacobus  min.       Simon. 

Mathaeus.  Thomas.  Thaddaeus. 

Die  Erhaltung  eines  fo  completten  unbefchädigten 
Glasfenfters  ift  etwas  koftbares,  fein  Kunftwerth  aber 
doch  fchon  ein  geringerer,  denn  das  Objeft  zeigt 
bereits  die  Spuren  der  Spätzeit  diefes  Kunftzweiges 
und  eine  rohere  Durchführung  aus  den  Tagen  des  16. 
Jahrhunderts.  St.  Georg  eröffnet  hier  den  Reigen,  weil 
er  der  Kirchenheilige  von  Gaisberg  ift. 

Ich  komme  nun  zu  dem  großen  Frescogemälde 
über  dem  Sacraments-Häuschen,  von  welchem  es  in 
der  Topographie  blos  heißt:  „Aeltere  Malerei  (Manna- 
regen)." Es  ift  das  eine  Arbeit  des  16.  Jahrhunderts 
im  reifen  Styl  der  Renaiffance,  welche  mit  deutlicher 
Beziehung  auf  die  ältere  Sacramentnifche  unter  dem- 
felben  hier  durch  eine  fpätere  Generation  angebracht 
wurde.  Denn  in  der  Nifche  wurde  das  heilige  Brot,  die 
Hoftie,  aufbewahrt,  und  das  Manna  ift  deren  alttefta- 
mentarifches  typologifches  Symbol.  Das  Bild  zeigt  alfo 
das  Lager  der  Ifraeliten  mit  Zelten,  Mofes,  Aaron,  und 
gerade  über  der  Nifche  zwei  Engel,  welche  dem  dort 
eingeftellten  Sacrament  mit  Rauchfäffern  huldigen.  In 


—        I02       — 


der  Ecke  ficht  man  einen  Mann  mit  Turban  auf  den 
Knieen  liegend,  was  wohl  andeuten  foll,  dafs  auch  die 
Heiden  von  der  Chriftuslehre  gewonnen  wurden,  und 
vorn  reicht  ein  Knabe  einem  Vogel  eine  Schüffei, 
vielleicht  der  Phönix  als  Sinnbild  des  Heilands.  —  Der 
achteckige  Taufftein  hat  nicht  blos  das  Datum  1512, 
fondern  auch  die  Buchftaben:  WAR  und  fteht  auf 
einem  achteckigen  Fußgeftelle;  die  fpitzbogige  Sacri- 
fteithüre  ilt  mit  einer  gothifchen  Giebelblume  ge- 
fchmückt. 

Ueber  die  Kirche  in   Zeltfchach,  welche  eine  der 
prachtvolUten  Baulichkeiten  der   reichen  Spät-Gothik 
ift,  wie  fie  an  diefem  Orte  eben  der  Segen  der  einft- 
mals  reichen  Bergwerke  fchaffen  konnte,  verbreite  ich 
mich  nicht  eingehend,   fo  viel  beträchtliches  fie  auch 
im  Aeußeren  und  Inneren  enthält,   da  ihr  Reichthum 
in  der  Topographie  (S.  423)  bereits  eingehend  gewür- 
digt erfcheint.    Eine    fehr    fchlechte  Reftauration   aus 
ne'uerer  Zeit  hat  das  bedeutende  Denkmal  aber   an- 
fehnlich   gefchädigt,  namentlich  die  entfetzliche  An- 
ftreicherei    einzelner    Architekturtheile     mit     grauer 
Farbe.  Das  Haupt-Portal  im  fpät-gothifchen  Styl  ifl  ein 
prachtvolles  Werk  durch  feine  reiche  Verfläbung,  die 
Lunette  mit    dem  radformigen   Maßwerk,    die  Engel- 
confolen  mit  Spruchbändern,  Efelsrücken    und  heute 
leider  fchon  fehlenden   Fialen,  darüber  ift  ein  großes 
Rofenfenfter    angebracht,     die    Strebepfeiler    an    der 
Fagade  find  fchräg  geftellt,  das  dort  in  Fragmenten 
erfichtliche  Fresco   des    Oelberges   weift  italienifchen 
Einfluß  des  Quatrocento  aus.   Intereffant  ift  ferner  die 
fteinerne  Almofenbiichfe  an  diefer  Fagade,  an  welcher 
ein  metallenesgothifches  Schloß  in  Stein-Technik  imitirt 
ift.  Alles  Maßwerk  hat  die  größte  Verwandtfchaft  mit 
demjenigen  in  dem  nahen  Gaisberg.  Im  Innern  gehen 
die  die  Rippen  tragenden  Rundftäbe  ebenfo  tief  herab 
wie  dort,  und  haben  diefelben  üppigen  Blattknäufe,  da- 
rüber aber  ein  reiches  Gewölbe  mit  gemalten  Blumen- 
Ornamenten  fowie  eine  ganze  Folge  von  mit  Wappen  und 
Symbolen  gemeißelten  Schlußfteinen.    Das  Langhaus 
hat  vier  hohe  Joche,  dann  folgt  ein  Zwifchenraum  von 
gothifchen  Formen  und  endlich  der  ältere  niedrigere 
Chor  mit  drei  Achteckfeiten,  zwei  Jochen  undRippen- 
Confolen.    Der  prächtige    Orgel-Chor    ruht    auf   zwei 
gothifchen  Pfeilern  mit  Blattknäufen  und  hat  eine  reiche 
Hrüftung  von  Fifchblafcn-Maßwerk,  über  dem  fich  zwei 
fchlanke  Fialen   erheben.  Unter  diefem  Mufikchor  be- 
findet  fich    ein    Sterngcwölbc.    I-'enftermaßwerk    und 
Rundfenfter    mit    S-förmigen     Radfpeichen    find    von 
höchfter  Schönheit,  kurz,  die  ganze  Kirche  ein  Kleinod 
der   reichen    Spät-Gothik,    weichem    wir    nur   beffcre 
Obforge  wünfchen  würden,  da  an  ihren  Formen  Unver- 
ftand  und  Vernachläffigung  viel  gefündigt  haben. 

Die  Baubefchreibung  der  anfehnlichcn  fpät-gothi- 
fchen Pfarrkirche  von  St.  Salvator  in  der  Topographie 
(S.  304)  ift  eingehend;  hin  und  wieder  eine  Reihe 
kleiner  Zugaben.  Das  fchönftc  find  entfchieden  die 
großen  Fenftcr  in  der  Höhe  des  viereckigen  Thurmes, 


der  mit  feinem  fpitzen  Nadeldache  bereits  ftark  an  die 
in  Salzburg  und  Tyrol  landesübliche  Bauweife  erinnert. 
Auf  jeder  Frontfeite  des  Thurmes  ift  folch'  ein  mit 
fteinernem  Rahmenwerk  und  Kreuzftock  eingerichtetes 
Fenfter  angebracht.  Die  Formen  und  Ornamente  aller 
vier  find  verfchieden,  die  Maßwerke  mit  Nafen  be- 
fetzt. Der  Standort  des  Thurmes  ift  an  der  Nordfeite 
an  der  Gränzlinie  des  Langhaufes  und  des  Chores; 
feine  unterfte  Halle  bildet  den  Raum  für  die  Sacriftei. 
An  dem  15 17  datirten,  etwas  fchwerfälligen  Portal 
wären  die  Sockel  der  Rundftäbe  zu  erwähnen,  welche 
theils  cordonnirt,  theils  mit  Rauten  ornamentirt  find, 
die  gothifchen  Eifenbefchläge  dürfen  auch  nicht  ver- 
geffen  werden.  Vor  diefem  Eingangsthor  liegt  eine 
fpitzbogige  ziemlich  derb  gehaltene  Vorhalle.  Auch 
an  der  im  Efelsrücken  gewölbten  füdlichen  Thüre  be- 
merken wir  derlei  Befchläge,  Rofetten  und  einige  Thür- 
zieher.  Rückwärts  am  Chor  befinden  fich  Refte  eines 
al  fresco  gemalten  Oelbergs  aus  der  Renaiffance.  Im 
Innern  überrafchte  mich  ein  fehr  origineller  hölzerner 
Hängelufter  des  Barockftyles.  Auf  dem  Reifen  ftehen 
die  gefchnitzten  und  bemalten  Figuren  der  Apoftel, 
oben  Chriftus,  unter  ihm  die  Verkündigung.  Dabei  die 
Infchrift :  Laffet  Euer  Licht  leuchten  unter  den 
Menfchen.  Apollelleuchter  gab  es  bekanntlich  fchon 
in  älteren  Kunftepochen,  ich  erinnere  an  den  fpät- 
gothifchen  aus  Eger  im  Wiener  Hofmufeum,  eine 
barocke  Löfung  diefes  Themas  ift  mir  aber  noch  nicht 
vorgekommen. 

Ober  dem  Orte  fteht  die  kleine  Jolianncs-Kirche, 
ein  zwar  zierlofer  einfacher  Bau  der  Gothik,  welcher 
aber  durch  einen  feltenen  Umftand  höchft  merkwürdig 
ift.  Die  Topographie  erwähnt  ihn  bloß  wegen  der  dort 
fichtbaren  Refte  eines  P^resco  des  heil.  Chriftoph, 
wovon  heute  bis  auf  wenige  Ornamente  nichts  mehr  zu 
fehen  (auch  die  Ueberbleibfel  von  Glasmalereien  in 
der  Hauptkirche  find  verfchwunden);  das  wichtigfte 
beruht  aber  auf  dem  Umftande,  dafs  der  Chor  mit 
zwei  Seiten  des  Sechseckes  fchließt,  eine  wunderliche 
und  höchft  feltene  Anlage.  Diefer  Presbyterium-Raum 
hat  im  Innern  Strahlenförmig  zufammenlaufende  Ge- 
wölbe, jedoch  nur  mit  Graten,  nicht  Ivippen.  Streben 
befinden  fich  bloß  am  Chore,  und  zwar  drei,  indem  die 
mittlere  in  der  Gebäude- Achfc  fteht.  Die  Fenftcrchen 
haben  bloß  zwei  feitliche  Nafen  als  Ornament. 


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—     I03 


Gefammelte  Daten  im  Laufe  d.  J.  1891  über  einige  hervor- 
ragende Baudenkmale  im  nordöftlichen  Böhmen. 


Reifebciichl   von   Confervator  Emanuel  Pippich. 


I. 


Die  Decanats-Kirche  zum  heil.  Laurentius  in  Nachod. 

|Pff^9II'"SE  Kirclie  wird  fchon  im  Jahre  1350  als  l'farr- 
k^yi  kirche  bezeichnet.  Es  ift  eine  altcrthumliche, 
IKtS^äi  mehr  kleine,  einfcliiffige,  offenbar  aus  früh- 
gothifcher  Zeit  ftammende  Anlage,  worauf  noch  die  in 
Spitzbögen  gebrochenen  und  einfach  profilirten  Ge- 
wölberippen  im  Chore,    die   auf  plumpen  Confolen  in 


iig.  I.  (Ndchod.) 

halber  Höhe  aufruhen,    hinweifen.    Hier   bemerkt   man 
bloß    ein    Travee    und   fünffeitigen    eckigen    Oftfchluß. 


Fig.   2.   (Ndchod.) 

Soviel  man  noch  an  den  erwähnten  derben  und  jetzt 
ftark  übertünchten  Confolen  unterfcheiden  kann,  foUen 
diefelben  große  thierifche  Köpfe  mit  mächtiger  Mähne 
umrahmt  darftellen.  In  den  runden  Schlußfteinfcheiben 
Rofetten  in  magerem  Relief  ausgeführt.  In  den  drei 
mittelgroßen  und  fpitzbogigen  Chorfenftern  kein  Maß- 
werk.  Südlich  des  Chores  lloßt  die  alte  Sacriftei  noch 


mit  einem  fpitzbogigen  Eingange  verfehen  an.  Diefelbe 
wurde  fpäter  in  einen  gleich  großen  nordwärts  angrän- 
zenden  Anbau  übertragen,  unter  welchem  die  urfprüng- 
liche  Gruft  der  Grafen  Piccolomini  vermuthet  wird. 
Der  Eingang  von  außen  in  diefen  letzteren  Anbau  ift 
in  Renaiffance-Form  hergeflellt.  Die  beiden  Anbauten 
(die  ehemalige  und  die  gegenwärtige  Sacriftei)  zeigen 


(N.-iclioil.^ 


koloffal  ftarkes  Mauerwerk,  da  über  denfelben  die  zwei 
überaus  kräftigen  Kirchenthürme  emporfteigen.  Ihre 
Bauart,  zur  Hälfte  aus  Stein,  zur  Hälft  aus  Holz,  ift  ganz 
analog  wie  bei  den  Thürmen  in  Krcin,  Slavonov  und 
Hronov,  bloß  mit  dem  Unterfchiede,  dafs  hier  die  beiden 
Thürme  mit  dem  Kirchenbaue  vereinigt  ftehen,  woge- 
gen die  einzelnen  Thürme  in  den  genannten  Ortfchaf- 
ten  fich  als  ganz  freiftehende  Bauten  darfteilen.  Ueber- 
dies  find  in  den  Ndchoder  Kirchenthürmen  noch 
befondere  Emporen  errichtet,  welche  aber  nichts  merk- 


—      104     — 


würdiges  zeigen.  Ihre  neuartige  Adaptirung  pafst  wenig 
zu  dem  fonftigen  gothifchen  Kirchenüyle.  Auch  die 
zwiebeiförmigen  Ueberdachungen  der  Kirchenthürme 
geben  ein  eigentliümliches  Bild  (Fig.  i). 

An  der  Epiftelfeite  des  Chores  ift  ein  fehr  großer 
Grabftein  eingefetzt,  welcher  unfer  Intereffe  deshalb 
in  Anfpruch  nimmt,  weil  er  als  Familien-Epitaphium 
der  Herren  von  Siiu'ric  erfcheint.  Diefe  Familie  war 
während  des  i6.  Jahrhunderts  im  Befitze  der  Herr- 
fchaft Nachod.  In  der  Infchrift  oberhalb  des  Mittelfeldes 
kommen  die  Namen  des  Vaters  Albrecht,  und  dreier 
Söhne:  Sigmund  f  1558,  Jaroflav  t  1570  und  Albrecht 
t  1567  vor. 

Im  Mittelfelde  felbfi:  knieen  vor  einem  Crucifi.K 
zwei  Ritter  in  voller  Rüftung.  Zwifchen  ihnen  am  Fuße 
des  Kreuzes  liegen  die  Helme,  unter  denen  nochmals 


Flg.  4.  (Isäcliod.r 

die  obcruahnten  Jahreszahlen.  Das  Mittelfeld  fchließt 
halbkreisförmig  ab,  in  den  Ecken  der  Archivolte 
kleine  Engelsköpfe  mit  P'lügeln.  Das  Ganze  wird  von 
fchiankcn  korinthifchcn  Pilaftern  flankirt,  welche  ein 
complettes  im  llrengen  Kcnaiffance  Styl  gebildetes 
Gebälk  tragen.  Der  hohe  Frieß  dient  als  Infciiriftfeld. 
Ueber  dem  Kranzgefimfe  ein  bekrönender  Auffatz  mit 
einem  frommen  Spruche.  Unten  am  mächtigen  Sockel 
vier  bereits  flark  befchädigte  Wappen  der  Smificer 
Herren.  Im  übrigen  zeigt  der  ganze  architcktonifche 
Aufbau  gelungene  Proportionen  und  ziemlich  gute 
Behandlung  in  den  Details. 

.Sehr  beachtenswerth  ilt  auch  das  an  der  ]'"van- 
gelienfcite  des  Presbyteriums  angebraciitc  und  als 
Wandnifche  geftaltete  Sacraments-IIäuschen  im  fpät- 
gothifchen  Styl.  Ueber  dem  rechteckigen  Nifchenraume, 
der  mit  einem  Flifengitter  verfehen  ifl,  jiält  ein  Engel 
in  feinen  ausgebreiteten  Händen  das  Schweißtuch 
Chrifli.  Zu  beidenSeiten  derNifchenöffnungzwei  andere 


Engel  in  ganzer  Gertalt  auf  Confolen  Itehend,  welche 
auf  einem  untergelegten  Sockelgefinife  aufruhen.  An 
demfelben  bemerkt  man  noch  zwei  Wappenfchilde  mit 
undeutlichen  Figuren.  Die  weitere  Umrahmung  des 
Sacraments-Häuschens  bilden  oberhalb  der  Engels- 
köpfe angebrachte  hübfche  Baldachine,  welche  in  fehr 
hohen  Fialen  auslaufen.  In  gleicher  Höhe  mit  ihnen 
fchließt  auch  die  Kreuzblume  des  doppelt  gefchweiften 
fpät-gothifchen  Wimpergbogens  über  dem  Nifchen- 
raume   ab.    Das    ganze    Sandluarium    ilt    fehr    fchdn 


l'ii;.  5.   (Nacliod.) 

componirt,  allein  gegenwärtig  fchon  im  äußerfl  bedau- 
ernswerthen  Zuflande,  fehr  renovirungsbeclürftig.  Das 
Füllungsgitter  ift  zum  Theile  herausgebrochen  und  die 
fclionen  Bildhauerarbeiten  an  den  äußeren  Riuuleni 
fnid  mehrfach  abgefchlagen  (P'ig.  2). 

Eine  flylgemäße  Keftaurirung  ift  überhaupt  im 
ganzen  Presbyterium  im  hohen  Maße  vonnöthen. 

Einen  entfchieden  würdigeren  Eindruck  macht 
auf  den  Befchauer  das  einfchiffige  Langhaus,  welches 
ein  f[)itziger  unprofilirter  Bogen  vom  Presbyterium 
trennt  (Fig.  3).  Das  lichtere  und  reinlichere  Ausfehen 
erklärt  fich  durch  die  hier  in  neuerer  Zeit  durchge- 
führte jMüdernifirung,  welche  den  urfpriüiglichen  gothi- 
fchen .Styl  kaum  mehr  erkennen  läßt.  In  den  vier 
Jochen,  die  inittelfl  kräftiger  Wand-Pilafter  im  Renaif- 
fance-Styl  von  einander  getrennt  werden,  ficht  man 
jetzt  rundbogigc  Kreuzgewölbe  mit  fcharfcn  Graten. 
Beiderfeits  lK)he  I""enfter  noch  nn't  Spitzbögen,  jedoch 
ohne  Maßwerk. 


^ 


CD 


Wo 


^ 
i 

^ 

^ 


% 


—     los     — 


An  der  Weftfeite  ein  in  fechs  Jochen  ganz  modern 
eingewölbter  Orgel-Chor.  Mit  ihm  hängt  zufammen 
eine  an  der  Nordfeite  des  Schiffes  anftoßende  offene 
Empore,  getragen  von  fieben  Säulen,  welche  an- 
fcheinend  einer  fpäteren  Bauzeit  angehört.  Der  hier 
befindliche  Seitenausgang  zeigt  abernoch  imgothifchen 
Bogen  anlaufende  Profilirungen.  An  der  Außenfeite 
derfelben  eine  ganz  unanfehnliche  Vorhalle. 

Der  weftliche  Haupteingang  ift  wieder  halbkreis- 
förmig. Ueber  dem  Bogenfchluß  eine  Marmortafel 
mit  den  Abzeichen  der  Smificer  Herren  und  der  In- 
fchrift:  „Albrecht  Smirzicky  ze  Smirzic  na  Nachode 
a  Hedwika  z  Harmburku  na  Nächode  1510",  welche 
wahrfcheinlich  den  Impuls  zu  einem  Umbaue  des  alten 
gothifchen  Baues  gegeben  haben.  Die  vor  dem  Weft- 
gange  ftehende  große  Vorhalle  datirt  aus  jüngfter  Zeit. 

In  der  ganzen  Kirche  zeigt  fich  überall  eine  fehr 
große  Feuchtigkeit,  was  fich  dadurch  erklärt,  dafs  der 
Bau  einft  gar  zu  tief  angelegt  wurde;  in  Folge  deffen 
dringt  das  vom  angränzenden  Ringplatze  herablau- 
fende Regenwaffer  conftant  in  das  Mauerwerk  ein. 
Hier  müßte  bei  einer  eventuellen  Renovation,  welche 
befonders  im  Presbyterium  fchon  fehr  angezeigt  wäre, 
Abhilfe  gefchaffen  werden. 

In  der  Sacriftei  der  Nachoder  Decanat-Kirche 
befindet  fich  noch  ein  fpät-gothifcher  Mefskelch  (Fig.  4). 
Die  breite  Bafis  des  fchlanken  Fußes  ift  nach  gothi- 
fcher  Art  im  Sechspafs  geftaltet.  In  den  nach 
oben  fich  verengenden  fechs  Feldern  je  eine  fünf- 
blättrige filberne  Rofette  aufgenietet,  gefchmückt  mit 
Emailpaften.   Am  oberen  Ende  des  Fußes  noch  zwei 


ovale  Schildformen  mit  gravirten  Abzeichen  der 
Herren  von  Smiric  und  die  Jahreszahl  1567.  Der 
Uebergang  aus  dem  Fuß  in  den  Schaft  wird  durch  ein 
fcharfes  fechstheiliges  Glied  markirt,  über  welchem  in 
fechs  kleinen  Feldern  Rofettcneinlagen  vorkommen. 
Von  hier  breitet  fich  der  Schaft  in  einen  großen,  aber 
ziemlich  niedrigen  fechseckigen  Knauf  aus,  welcher 
theils  mit  vierblättrigen  Reliefrofetten,  theils  mit  den 
üblichen  rautenförmigen  Anfätzen  geziert  erfcheint. 
DieHöhlungen  diefer  Anfatze  zeigen  wieder  eingefetzte 
Emailpaften.  Darüber  folgt  ein  kurzer  und  glatter  fechs- 
kantiger  Hals,  auf  welchem  der  Haupttheil  des  Kelches, 
nämlich  die  fanft  gefchweifte  runde  Cuppa  ruht.  Die- 
felbe  ift  jedoch  nicht  ganz  glatt,  fondern  an  der 
unteren  Hälfte  mit  einer  aufgelötheten  plaftifchen 
Ornament-Bordüre  umgeben,  wo  in  Zwifchenflellen 
ahnliche  Rofettenfüllungen  zu  fehen  find,  wie  fie  am 
unteren  Rande  des  Fußes  vorkommen.  Darüber  fchließ- 
lich  ein  herumlaufendes  glattes  Band  mit  Saum-Orna- 
ment. Der  Kelch  ift  von  Silber,  und  an  der  Oberfläche 
vergoldet. 

Die  Kirche  befitzt  ein  zinnernes  Taufbecken. 
Dasfelbe  ftammt  aus  dem  Jahre  1463,  zeigt  im  Unter- 
fatze  drei  fchlanke  Füße  mit  kräftigen  Vogelpratzen 
und  unter  dem  Beckenrande  gladiatorenartig  gebil- 
deteHalbfiguren  mit  vollbärtigen  Gefichtern.  Das  ganze 
Becken  ift  fonft  glatt,  nur  am  oberen  Rande  lauft  eine 
zweizeilige,  mehrfach  befchädigte  gothifche  Auffchrift, 
in  der  auch  die  obcitirte  Jahreszahl  vorkommt.  Der  mit 
einem  Crucifix  gezierte  Deckel  rührt  aus  neuerer  Zeit 
her  (Fig.  5). 


Römifches  Mauerwerk,  gefunden  in  Barcola. 


(Mit  einer  Tafel.) 


|IP2  alten  Baurefte  liegen  wenige  Schritte  weit 
von  der  jetzigen  Fahrftraße  zwifchen  Trieß  und 
Schloß  Miraniar  und  ebenfalls  nicht  weit  von 
der  Stelle,  wo  vor  drei  Jahren  die  große  römifche  Villa 
entdeckt  wurde. 

Die  erften  Unterfuchungen  wurden  von  dem 
Ingenieur  Geiringer  auf  eigene  Koften  und  mit  Beiträgen 
anderer  Perfonen  vollführt.  Derfelbe  hat  auch  einen 
Plan  über  die  Fundftelle  angefertigt,  nach  welchem 
die  beigegebene  Tafel  angefertigt  ift.  Erft  im  Monate 
Januar  1891  übernahm  ich,  alsDireftor  desAntiquitäten- 
Mufeums,  die  Fortfetzung  derfelben,  indem  der  Ge- 
meinderath  die  zu  diefem  Zwecke  erforderlichen  Mittel 
bis  auf  iioo  Guldenlieferte,  und  dieGrundbefitzer Herren 
Adv.  Dr.  Joachim  Coen,  Domeniciis  Idone,  Anton 
Pogoreli  und  Frau  Jofep-Ii  von  Hainifcli  das  Ausgraben 
ohne  irgend  eineEntfchädigung  bereitwillig  geftatteten. 

Es  wurde  eine  Oberfläche  von  beinahe  3000  QM. 
ausgeforfcht,  indem  man  gewöhnlich  anderthalb  Meter, 
an  einigen  Stellen  jedoch  über  3  M.  tief  grub.  Die 
Arbeit  wurde  außerdem  durch  eine  dicke  Schichte 
Meereskiefes  bedeutend  erfchwert,  welcher  auf  dem 
vordem  Theil  der  Ruinen  gelagert  war. 

Das   alte  Gebäude   befand   fich   in   dem  Zuftande 
des    größten  Verfalles.  Die   meiften  Mauern   find    nur 
\]X.  N.  F. 


wenig  über  die  dermalige  Erdoberfläche  erhalten  ge- 
blieben, fo  dafs  die  Thürfchwellen  etlicher  Gemächer 
nicht  mehr  erfichtlich  find.  Ebenfalls  war  es  unmög- 
lich den  Deffin  der  Mofaikböden  aufzunehmen,  da  fie 
bis  auf  einige  unbedeutende  Refte  zerftört  waren. 

Die  Räume  mit  würfelartigem  Steinpflafter  find  in 
dem  Plane  hell  fchrafhrt,  diejenigen  aber,  welche  als 
Boden  nur  eine  fefte  Beton-Unterlage  darbieten,  wurden 
dunkel  angelegt. 

Der  vordere  Theil  der  Anlage,  der  dem  Meeres- 
ufer näher  lag,  war  unzweifelhaft  als  Bad  verwerthet. 
Die  Hypocaufis  d  erwärmten  die  Räume  e,f,  g  und  //, 
deren  fchwebender  Boden  auf  kleinen  quadratifchen 
Ziegelpfeilern  (suspensoriae)  ruhte.  Die  Kammer  i  be- 
fteht  aus  einem  großen  ringsherum  mit  Sitzbänken  ver- 
fehenen  Becken,  in  welches  eine  dreiftufige  mit  Marmor- 
platten bedeckte  Treppe  hinunterführt.  Ein  kleines 
Poftament  zeigt  noch  die  Stelle,  wo  das  frifche  Waffer 
in  das  Becken  durchrann,  f  Das  Local  o,  hat  in  der 
Mitte  das  Compluvium/,  mit  fichtbarem  Abfluß-Canal, 
und  vier  auf  gleicher  Entfernung  gelegte  Steinplatten 
gehörten  zu  den  Säulen,  welche  das  offene  Dach  auf- 
recht hielten. 

Der  lange  von  feften  Mauern  umfchloffene  Raum  /, 
ftellt  fich  als  ein  Sudarium  vor.  Er  hat  zwei  entgegen- 

14 


—     io6 


gefetzte Nifchen.  Sein  Fußboden  dürfte  mit  buntem  Mar- 
morftein  gepflafiiert  und  feine  Wände  mit  Glasmofaiken 
decorirt  gewefen  fein.  Man  hat  hier  nämlich  viele  Mar- 
morplatten verfchiedener  Größe  und  Art,  darunter 
einige  fchöne  Breccie  und  viele  Fragmente  an  Glasmo- 
faiken gefammelt.  Die  letzteren  haften  an  Thonziegeln, 
und  flellen  Blumenkränze  und  andere  Verzierungen  dar, 
die  durch  Seemufcheln  und  fchraubenförmige  Glas- 
ftiele  als  umrahmt  erfcheinen.  Eine  tiefe  künftliche 
Oeffnung  des  Bodens  neben  der  rechten  Nifche  zeigt 
mehrere  gewölbte  Canäle,  die  den  ganzen  Raum  unter- 
irdifch  durchziehen.  Sie  werden  in  dem  Plane  durch 
die  Verticalfchnitte  AB,  CD  und  EF  befonders  an- 
gegeben. 

Die  hinteren  Bauten  diefer  römifchen  Anlage  zer- 
fallen in  drei  Theile.  Der  mittlere  und  größere  Theil 
befteht  aus  einer  Reihe  von  Zimmern  d',  e',f',  .  .  .  .  p' , 
die  um  den  halbkreisförmigen  Hof  <:',  gruppirt  find, 
von  welchem  fie  das  Licht  bekamen.  Diefer  geräumige 
und  mit  bedachtem  Gange  verfehene  Hof  war  wahr- 
fcheinlich  als  Palaestra  verwendet,  wo  man  die  beim 
Bade  gewöhnlichen  Körperübungen  und  fonftigen 
Spiele  ausführte.  Die  lange  Mauer,  welche  den  Hof 
vom  Gange  a'  trennt,  war  innerhalb  mit  Pilaftern 
decorirt.  Ein  kleines  corinthifirendes  Capital,  das 
man  hier  getroffen  hat,  gehörte  vielleicht  zu  diefen 
Pilaftern. 

Unter  den  Gemächern  zur  linken  Seite  ift  das 
größere  v'  wegen  des  mit  Marmorplatten  ausgelegten 
Fußbodens  und  wegen  einer  Apfis  befonders  hervorzu- 
heben. Leider  hinderte  mich  die  zurDorffchule  führende 
Straße  dem  Ganzen  nachzuforfchen.  Von  geringerer  Be- 
deutung erwiefen  fich  dieMauerrefte  zur  rechten  Seite, 
die  weniger  feft  gebaut  find  als  die  übrigen.    Der  Bo- 


den   des   kleinen    Ganges  b" ,  war    aus   kleinen    Thon- 
würfeln  zufam.nengefetzt. 

Durch  die  Grabungen  war  es  nicht  möglich,  den 
Zweck  der  langen  und  mächtigen  Mauer  /',  feftzuftellen. 
Wenn  man  aber  auf  die  vielen  Kiefelfteine  Rückficht 
nimmt,  die  fich  jenfeits  derfelben  mit  der  Erde  gemifcht 
vorfinden,  und  deren  Vorkommen  man  nicht  der  Ein- 
wirkung der  Meeresflut  zufchreiben  kann,  fo  muß  man 
zu  der  Annahme  gelangen,  dafs  diefe  Mauer  die  Anlage 
gegen  eine  angränzende  Landftraße  fchützte,  welche 
vielleicht  von  den  Höhen  Moncolani's  (ehemals  ein  Ca- 
ftrum,  nun  Conto\'ello  genannt)  herabkommend  nach 
Tergefte  führte.  Und  diefe  Annahme  wird  dadurch 
bekräftigt;  dafs  es  mir  vor  vier  Jahren  gelungen  iil, 
200  Schritte  örtlich  von  diefem  Orte,  aber  in  der 
Richtung  der  genannten  Mauer  die  Spuren  einer  folchen 
Straße  zu  entdecken.  Neben  der  Mauer  liegen  bei  y  zwei 
mit  Steinen  und  Ziegeln  gebaute  Gräber,  die  je  vier 
menfchliche  Skelette  ohne  andere  Beigabe  enthielten. 

Weder  Infchriftfteine,  noch  werthvoUe  Gegen- 
ftände  find  bei  diefen  umfangreichen  Grabungen  ge- 
fammelt worden;  ein  Beweis,  dafs  das  Gebäude  nicht 
auf  einmal  verfchwunden  war,  fondern  von  den  Menfchen 
feines  Schmuckes  beraubt,  nach  und  nach  gänzlich 
niedergeriffen  wurde.  Alte  Dorfbewohner  erzählen, 
dafs  fie  hier  nachgruben,  um  Baumaterial  zu  gewinnen. 
Außer  den  erwähnten  Marmor-  und  Mofaik-Stücken 
wurden  noch  einige  Dachziegel  mit  Fabriksmarken, 
etliche  kupferne  Kaifermünzen,  eine  eiferne  Lanzen- 
fpitze  und  viele  Scherben  getroffen.  Trotzdem  bin  ich 
der  Anficht,  dafs  diefe  ausgedehnte  römifche  Anlage 
zur  Zeit  der  Antonine,  vielleicht  als  Landfitz  einer 
mächtigen  Familie  aus  Aquileja,  gebaut  wurde. 

A.  Puschi. 


Alte  Steinkreuze  und  Kreuzfteine  in  Mähren. 


Jiefprochen  von  A.  Franz. 


(Mit  vier  Tafeln.) 


allem  Anfcheine  nach  großen  und 


lEBER  einen 

zwar,  wenn  nach  dem  bekannten  Materiale 
a  gefchloffen  werden  darf,  mehr  nördlichen  Theil 
Mährens  zerftreut,  finden  fich  alte  fchon  ftark  verwit- 
terte und  bemoofte  Steinplatten  vor,  auf  v\'elchcn  in 
mehr  weniger  ungefchlachtcr  Weife  die  Kreuzesform 
ausgehauen  ift  und  welche  Steinkreuze  von  der  flavi- 
fchen  Landbevölkerung  zumeifl  als  Denkmale  der 
Stätten  bezeichnet  werden,  an  welchen  die  mährifchen 
Landes-Apoftel  Cyrillus  und  Methudius  das  Cluiflen- 
thum  gepredigt  haben  folien.  Eine  andere,  elwa.s 
weniger  wahrfcheinlichere,  aber  natürlich  ebenfowenig 
erwicfenc  Verfion  geht  dahin,  dafs  diefe  Steinkreuze 
umgebildete  Götzenbilder  und  Idole  aus  der  Zeit  der 
Einführung  des  Chriftcnthums  in  Mähren  feien,  welche, 
freilich  ohne  dauernde  ICrfolge,  fchon  im  8.  Jahrhundert 
durch Erzbifchofyi/-»ö  vonSalzburg  und  durch  dcutfche 
Miffionärc  aus  Paffau  unter  \Y\(choi  Rcgiii/iart,  den  die 
Chronik  von  Lorch  (818)  den  „Apoftel  der  Mährer" 
nennt,    verfucht    und    ein    halbes    Jahrhundert    fpäter 


(Juni  863)  von  dem  Cyrillus  genannten  byzantinifchen 
Mönche  Conßantm  dem  Philofophen  und  dcffen  Bruder 
erfolgreicher  wieder  aufgenommen  worden  ift. 

Diefe  letztere  Verfion  wäre  deshalb  als  die  wahr- 
fcheinlichere zu  bezeichnen,  weil  bekanntlich  fchon  die 
alten  „Dingbäume"  „Gerichtspfähle,"  „Malbäume," 
„jährige  Balken"  etc.  der  Germanen  in,  wenn  auch 
rohefter  Weife,  derMenfchengeftalt  nachgebildet  waren, 
uikI  die  Miffionäre  aus  nahe  liegenden  Gründen  es 
liebten,  die  heidnifchcn  Opferfliittcn,  Fefte,  Gebräuche 
etc.  allmälig  in  chrillliche  umzugeftalten. 

Die  Steine  felbft  aber  bieten  auch  bei  genauefter 
Unterfuchung  für  diefe  letztere  Verfion  nicht  den  ge- 
ringllcn  Anhaltspunkt,  und  gegenüber  der  erfleren  Ver- 
fion ift  zu  bedenken,,  dnfs  diebckehrten  I  leiden  die  große 
]5edeutung  des  Chriftenthumes  und  der  Verkünder  dcs- 
felben  wohl  kaum  fo  voll  und  klar  erfafst  haben  werden, 
dafs  fie  die  .Stellen,  an  denen  dasfclbe  ihnen  gepredigt 
worden,  durch  Denk  Heine  ausgezeichnet  hätten,  abge- 
fehen  davon,  dafs  Cyrill  und  Methudius   wolil  kaum  an 


—     I07     — 


Co  vielen  Orten  gepredigt  haben  werden,  als  ficli  alte 
Steinkreuze  in  Mähren  vorfinden  dürften. 

Neben  diefen  einer  eingehenden  Forfchung  wür- 
digen, in  Mähren  zumeifl  als  Cyrillkreuze  bekannten 
Steinkreuzen  finden  fich  auch  einer  folchen  Forfchung 
nicht  minder  würdige,  ebenfalls  faft  über  ganz  Mähren, 
namentlich  aber,  foweit  nach  den  bis  jetzt  bekannten 
Steinen  geurtheilt  werden  kann,  den  füdlichen  Theil 
des  Landes  verbreitet,  bald  verhältnismäßig  dichter 
bei  einander  fbehende,  bald  ganz  vereinzelt  vorkom- 
mende, bald  in  Ortfchaften  felbft  oder  unmittelbar  vor 
denfelben,  am  häufigllen  aber  an  Straßen  und  Wegen 
oder  Feldrainen  flehende,  ebenfalls  oft  fahr  ftark  ver- 
witterte, meift  aus  Granit  oder  anderem  Urgeftein  her- 
geftellte  Steinplatten  vor,  auf  welchen  die  meift  ein- 
fache Kreuzesform  mit  oder  ohne  Beiwerk,  vertieft 
oder  halberhaben  ausgemeißelt  ift,  oder  auch  blos  in 
Conturen  eingeritzt  erfcheint,  —  ah'o,  wie  man  füglich 
zum  Unterfchiede  von  den  Steinkreuzen  fagen  kann, 
alte  Kreuzfteine  vor,  welche  aber  keine  folche  gemein- 
fame  Legende  zu  haben  fcheinen,  wie  die  Cyrillkreuze. 

Auch  finden  fich,  allerdings  allem  Anfcheine  nach 
viel  feltener,  Zwifchenformen,  die  halb  Steinkreuze, 
halb  Kreuzfteine  find  und  daher  eigentlich  diefen  Formen 
nicht  zugezählt  werden  follten.  So  der  Padochauer 
Stein  (Fig.  31),  deffen  Kreuz  zum  Theil  ausgemeißelt, 
und  der  Stein  im  Dobrau-Walde  (Fig.  9),  bei  welchem 
das  Kreuz  wiederum  faft  ganz  aus  der  Steinplatte  vor- 
fleht und  welche  Steine  infofern  beachtenswerth  find, 
als  fie  leicht  zu  der  Folgerung  verleiten  könnten,  dafs 
die  Kreuzfteine  älter  find  als  die  Steinkreuze,  da  letztere 
aus  den  erfteren  hervorgegangen.  Geradezu  behaupten 
kann  man  dies  nun  allerdings  nicht,  umfoweniger,  als 
\-orläufig  nur  zwei  Repräfentanten  diefer  Zwifchenform, 
eventuell  richtiger  Uebergangsformen,  vorliegen,  von 
denen  derPadochauerStein  leicht  möglich  ein  gewöhn- 
licher Kreuzftein  gewefen,  dem  man,  als  etwa  beim 
Transporte  oder  der  Aufftellung  etc.  das  eine  leere 
obereFeld  befchädigt  worden  ift,  derSymmetrie  wegen 
beide  oberen  Felder  abgenommen  hat. 

Ohne  dem  Vorkommen  diefer  Zwifchenformen 
würde  man  aber  nach  der  Technik  derBearbeitung,  der 
oft  forgfältigeren  Ausführung  des  Beiwerkes,  elier  zu  der 
Vermuthang  berechtigt  fein,  die  Kreuzfteine  für  die 
jüngeren  zu  halten. 

Die  Forfchung  nach  dem  einftigen  Zwecke,  der 
Beftimmung  oder  Bedeutung  diefer  bis  nun  in  der 
Oeffentlichkeit  wenig  bekannten  und  noch  gar  nicht 
gefammelten  alten  Steinkreuze  und  Kreuzfteine  wird 
fchon  dadurch  ungemein  erfchwert,  dafs  wahrfcheinlich, 
namentlich  die  älteften  derfelben  gar  nicht  mehr  vor- 
handen find,  andere  diefer  Steine  gewifs  fchon  vor 
Jahrhunderten,  viele  in  fpäterer  Zeit  und  gar  manche 
in  unferen  Tagen  aus  dem  dichten  Walde  oder  dem 
offenen  Felde,  wo  fie  .urfprünglich  geftanden  haben 
mögen,  durch  die  fortfchreitendeCultivirung  desLandes 
verdrängt  und  an  Feldraine  (id  est  Gränzen)  oder 
fpäter  angelegte  Straßen  und  Wege  verfetzt  worden 
find,  wo  fie  den  Landwirth  bei  der  Bearbeitung  feines 
Grundftückes  weniger  behindern.  Ueberdies  find  diefe 
(noch  vorhandenen)  Steine,  felbft  wenn  man  von  ihnen 
Kenntnis  hat,  wegen  ihres  unfcheinbaren  Ausfehens  und 
ihrer  befcheidenen  Dimenfionen  fowie  der  Abgelegen- 
heit  ihrer  Standpunkte  halber  nicht  immer,  namentlich 


wenn  fie  auf  R-ainen  oder  in  den  Feldern  flehen,  fo  leicht 
auffindbar,  als  man  vielleicht  annehmen  würde,  es  daher 
auch  jahrelangen  Sammeins  bedarf,  um  eine  nur  halb- 
wegs nennenswerthe  Anzahl  derfelben  aufzubringen. 
Endlich  weifen  nur  verfchwindcnd  wenige  diefer  Steine 
(von  den  in  Zeichnung  wiedergegebenen  43  Steinen 
nur  6),  und  da  nur  die  aus  jüngeren  Epochen  flam- 
menden, Infchriften  und  Jahreszahlen  auf,  welche 
wiederum  durch  Verwitterung  der  Steine  fo  fehr  ge- 
litten haben,  dafs  ihre  Entzifferung  nur  fchwer,  ja  oft 
ganz  unmöglich  ift;  übrigens  ift  auch  die  Möglichkeit 
nicht  ausgefchloffen,  dafs  derartige  Infchriften  und 
Zahlen  auf  den  ahen  Steinen  fpäter  angebracht  worden 
fein  können,  wenn  etwa  ein  folcher  Stein  renovirt 
wurde,  oder  fich  in  deffen  Nähe  ein  Unfall  etc.  ereig- 
net hat. 

Auch  dürfte  eine  wiffenfchaftliche  Forfchung  erfl 
dann  mit  einiger  Ausficht  auf  Erfolg  verfucht  werden 
können,  bis  eine  größere  Anzahl  folcher  Steine  fach- 
verftändig  aufgenommen,  fie  in  der  Zeichnung  gegen- 
einander verglichen  und  ihre  Standorte  auf  der  Land- 
karte genauer  verfolgt  werden  können. 

Deshalb  wäre  es  aber  auch  fehr  wünfchenswerth, 
wenn  über  alle  diefe  Steine  eine  Art  illuflrirter  Katafter 
angelegt  würde,  aus  welchem  alle  maßgebenden  und* 
entfcheidenden  Daten  zu  entnehmen  wären,  etwa  fo 
wie  dies  hier  mit  vorläufig  43  Steinen  verfucht  werden 
foll  (f.  Tabellen  S.  108—112). 

Was  die  hier  vorgeführten  und  in  '/20  der  natür- 
lichen Größe  in  Zeichnung  wiedergegebenen  43  Steine 
felbft  betrifft,  fo  befitzen  fie  eine  unverkennbare  Aehn- 
lichkeit  fowohl  in  den  im  allgemeinen  wenig  variirenden 
Dimenfionen,  als  auch  in  der  Anordnung  der  Kreuzes- 
form und  dem  Beiwerke.  Aber  trotz  diefer  augen- 
fälligen allgemeinen  Verwandtfchaft  aller  diefer  Steine 
undderfpeciellen,  der^Kreuzfteine"  und  „Steinkreuze", 
endlich  einzelner  derfelben  untereinander,  fo  find  doch 
kaum  je  zwei  diefer  Steine,  wie  der  Löfcher  (Fig.  36) 
und  der  Julienfelder  (Fig.  35),  der  .Heroticer  (Fig.  19) 
und  der  Morbefer  (Fig.  33),  der  Boracer  (Fig.  21)  und 
jener  von  Kaly  (Fig.  20)  etc.  und  felbft  diefe  nicht  voll- 
kommen gleich.  Es  dürfte  daher,  da  Gränzfteine  eines 
Befitzers  wohl  immer  gleiche  Formen  oder  wenigftens 
ganz  gleiche  Zeichen  befeffen  haben  werden,  die  An- 
nahme, dafs  alle  diefe  Steine  Gränzfteine  größerer 
oder  kleinerer  Gaue,  Gemarkfchaften,  Bannforfte  oder 
Klofterbefitzes  etc.  find,  zum  mindeften  verfrüht  und 
fchon  deshalb  fchwer  er\Veisbar  fein,  weil  die  Einbezie- 
hung ihrer,  wie  fchon  gefagt,  an  und  für  fich  ohnehin  un- 
ficheren  und  zweifelhaften  „damaligen"  Standpunkte  in 
einer  Karte  von  Mähren  kaum  irgend  welchen  Anhalts- 
punkt in  diefer  Beziehung  bietet. 

Diefe  Steine  als  Ma]-  oder  Gerichtsftätten,  für 
welche  die  Legenden  des  Slapanicer  Steines  (Fig.  18) 
und  des  Aufterlitzer  (Fig.  16),  fowie  das  Beiwerk  des 
Eibenfchützer  (Fig.  29),  Kritfchner  (Fig.  17)  und  Klein- 
Kinitzer  (Fig  37)  und  wenn  man  will,  noch  manch 
anderer  fprechen,  zu  halten,  hätte  wohl  manches  für 
fich,  wenn  nur  nicht  das  Beiwerk  von  Schwertern, 
Lanzen,  Beilen,  Dolchen  u.  f.  f.  nicht  ganz  ebenfogut, 
wenn  nicht  beffer  für  Gedächtnis-  und  Sühnkreuze 
fprechen  und  diefe  Steine  manchmal,  wie  die  Brünner, 
Tifchnovicer  und  Littauer  nicht  doch  für  Malftätten 
relativ  all  zu  nahe  aneinander  ftehen  würden. 


14' 


—      io8      — 


Figur 

Jetziger  Standort 

Dimenfionen 

in 

Metern 

Ge- 
wendet 
gegen 

Tradition 

Iiifchrift 

Anmerkung 

I 

Am  Oftende    von    Mähr.-Aujfee 
am  Wege    gegen    Steinmetz  an 
der    Ecke    eines     kleinen   Pla- 
teaus. 

hoch  006 
breit  o'45 
Mitte  0  2Ö 
dick  0-21 

0. 

• 

• 

2 

Am  weftlichen  Ende    von  X'ffl- 

lein     an    einem     Feldwege    in 

einer   gemauerten  Nifche  einer 

Gartenmauer. 

hoch  112 

breit : 
unten  0'45 
Mitte  0-26 
Kopf  0-34 
dick  027 

W. 

Cyrill,  beziehungs- 
weife  Methudkreuz. 

„Znovu  ostaven  ku 

cti  SV.  Metuda  na 

rok  jubiiejni 

1S85" 

in  weißer  Oelfarbe. 

Die  Infchrift  ift  auf 

der  Zeichnung 

weggelaffen. 

3 

Zwifchen    Mäkr.-Neufladt   und 
Meedl  am  MeedlerBach,  nächft 
der     Abzweigung      der    Fahr- 
ftraße  nach  Pinke.   . 

liocli  098 

breit  0-58 

dick  o-l8  — 0-26 

N. 
W. 

• 

• 

• 

4 

Hinter   Strzelitz   gegen   Mähr.- 
Neuftadt   beim  Haus  Nr.  87. 

hoch  o'go 
breit  086 
dick  024 

• 

Wenn  eine  gewefen, 

jetzt    fchon   ganz 

verwittert. 

Dem  Anfcliein  nach 

uralt  und  fehr  ftark 

verwittert. 

5 

Bei    Dreihöfi'ii     an    der    Fahr- 
ftraße  nach  Littau 

hoch  085 

breit  070 

dick  0-30  — 0-35 

N. 

• 

■ 

• 

6 

An    der  Bezirksftraße  zwifchen 

Schwarzbach    und    Strzelitz- 

(Mähr.-Neuftadt). 

hoch  l-iö 
breit  0S7 
die  Arme 
breit  025 
dick  0'20 

0. 

Diefer  Stein  ftammt 
aus  der  Schwedenzeit 

1625 

7 

Auf  einem  alten  Raine  zwifchen 
den   von  der  Bezirksftraße  von 

Prace     nach     Kfenovic    ab- 
zweigenden    zwei    Feldwegen 
nach  Jirikovic  und  Blazejovic. 

lioch  110 
breit  0  75 
die  Arme 
breit  030 
dick  030 

sw. 

Denkftein   an   ein 

Unglück  durch 

Pferde. > 

Der  Stein  ift  vom 
Alter  gefchwärzt  und 
flark  mit  Moos  be- 
deckt und  hat  auf 
beiden  Seiten  tiefe 
Aushöhlungen,   ift 
aber  noch  fehr  feft 
und  hart. 

8 

An  dem  Weflende  von  Sokolnic 

300  Schritte  vom  Orte  entfernt 

an  einem  Feldwege. 

hoch   171 

breit  0-90 
dick  :  oben  o'ig 

,      unten  0-28 

Kreuzavm 
breit  oben  040 
„      unten  0'6o 

0. 

Cyrillkreuz? 

• 

• 

9 

Bei  Mähr.-Neuftadt  im  Dobrau- 

■waldf  am  Fußwege  von  Königs- 

lofen  nach  Neuhof. 

hoch  (m)  073 

am  Fuße 

breit  0'64 

Platte  dick  919 

das  Kreuz  fpringt 

006  vor  die 

Platte  vor. 

Das  kleine  Kreuz 

I V2  Cm,  tief  und 

hoch  0  66,  breit  0-22 

SSO. 

Gedenkftcin  an 

einen  hier  gefallenen 

fcliwedifclien 

General. 

• 

• 

lO 

Unweit     des    Weges     zwifchen 
Meedl  und   Kliwilz    am    alten 
Gränzrain    diefcr   beiden    Ge- 
meinden. 

hoch  089 

breit  (u.)  0-44 

dick  unten  026 

„      oben  010 

0. 

keine  Vermuthung, 

dafs  es  ein  Gränz- 

ftein  fei. 

Von  dem  einft  einge- 
ritzt gewcfenen  Kreuz 
ift  wegen  der  Ver- 
witterung nichts 
mehr  zu  fehen. 

—      log 


Figur 

Jetziger  Standort 

Dimenfionen 

in 

Metern 

Ge- 
wende 
gegen 

Tradition 

Infchrift 

• 
Anmerkung 

1 1 

Am  Fahrwege    zwifchen  Meeill 

und  Koniglofin    am  Felde   hart 

am  Straßengraben. 

hoch  058 

breit  (u.)  o-.t4 

dick  014 

W. 

Grabftein   eines 

fchwedifchen 

Officiers. 

• 

• 

12 

Bei  Iglau.   Am   Fahrwege  zum 

Wctterhöfel  liegt  derfelbe  über 

den    Straßengraben   und    dient 

als  Brücke. 

hoch    1-67 
oberer  Theil  allein 
hoch  1-17 
breit  080 
dick  008 

• 

• 

• 

13 

200   M.    örtlich    von    Eißnöerg 

an     der     Iglauer    Staatsftraße, 

500    M.    vom    Straßenrand    im 

Felde. 

hoch  0-65 

0-55 

045 

breit  043 

dick  0-07 

Kreuz  fpringt 

0'02  vor. 

S 

• 

• 

Material:    Granit- 
Syenit.  Der  Stein 
ift  fehr  gut  erhal- 
ten. 

14 

An  derlglauer  Staatsftraße  1000 

M.  örtlich  von  Regens,  ift  unter 

dem     Namen     „Pod    Knezem" 

bekannt. 

hoch  I  00 
der  obere  Theil  ift 
hoch  0S2 
breit  054 
dick  0-23 

N. 

Ein  Geirtlicher 
wollte  fich  einrt 
durch  das  Setzen 
vieler  ahnlicher 
Steine  berühmt 
machen;   der  vor- 
liegende fei  fein 
Leichenrtein. 

• 

Ift  fchon  ftark  vorn- 
über geneigt. 

15 

An       der        Fahrweggabelung 
zwifchen    Si'vtce   und    Bofcnitz, 
vor  einem  hölzernen  Kreuze. 

circa  hoch  o'So 
breit  0-55 
dick  0-20 

SW 

Grabftein  eines  in 

der  Aurterlitzer 

Schlacht  gefallenen 

franzöfifchen 

Generals. 

• 

16 

17 
18 

Weftlich  von  AußerliH  in  dem 
Bilde :  ,Honipodspravedlnosti" 
auf    einem  Feldraine    zwifchen 
der    Vlarapaßbahn     und     dem 
Feldwege  nach  Birnbaum,  von 
diefem  203  Schritte  entfernt. 

hoch  0'6o 
breit  0-45 
dick  Ol 7 

0. 

Ort  einer  alten 
Richtftätte. 

Honi  pod 

spravedlnosti 

Dichle,  ftark  mit 

Moos  bedeckte 

Grauwacke.  Zeigt 

an  der  Seite  und 

rückwärts  fehr  ftark 

ausgehöhlte  Löcher. 

Steht    angelehnt    an  der  Hohl- 
wegböfchung   eines  Feldweges 
bei   Kritjchen  gegen  Hoidkov. 

hoch    1-50 

oberer  Theil  roo 

breit  085 

pp.  dick  0-20 

0, 

• 

SchlapanUz  an  der  Weglheilung 
nach  Turas   und  Latein. 

pp.  hoch  140 
breit  0  70 
dick  O'IS 

SW. 

Alte  Gerichtsrtälte 

• 

Gegenüber  fteht 

ein   viel  jüngeres 

gemauertes  Marterl. 

19 

Herolice   bei    Wifchau    an    der 
Kreuzung     der     Bezirksftraßen 
von  Schwabenitz  und  Eywano 

witz 

hoch  120 

breit  070 

p,  dick  0-20 

s. 

• 

• 

20 

5-40  M.  feitlich  der  Fahrrtraße 
von      Vorklorter  •  Tifchnowitz 
nach  Kally,    unweit    des    Feld- 
weges nach   Zahrada. 

hoch  I  10 
breit  0-57 
dick  014 

SW. 

Unglücksftätte 
durch  Pferde  (.=  ) 

Der  Stein  ift  in 

zwei  Theile  ge- 
brochen, welche  nur 
lofe  aufeinander 
ftehen. 

21 

An  einer  rteilen  Lehne  vor  dem 

Walde    des  Kamena-Berges  an 

der  Straße  zwifchen  Stefanovice 

und  Bora^. 

hoch  080 
breit  0  55 
dick  015 

NNO. 

• 

• 

Marmor.  Sehr  ftark 
vornüber  geneigt. 

■ 

—       110      — - 


Figur 

Jetziger  Standort 

Dimenfionen 

in 

Metern 

Ge- 
wendet 
gegen 

Tradition 

Infchrift 

Anmerkung 

22 

Zwifchen  Borac  und  Doubrav- 
nik  bei  einer  Abzweigung  eines 
Feldweges    von    der  Straße  in 
eine  Umfriedungsmauer  einge- 
fügt. 

hoch  073 
breit  0-53 
dick  Ol 2 

W. 

• 

Marmor.  Das  Kreuz 
tritt  nur  äußerft 

wenig  vor,  wenn  es 
nicht  mit  Kalk  ge- 
tüncht wäre,  wäre 

diefeskaumzu  fehen. 

23 

Hinter  den  letzten  Häufern  von 

Tifchnovic  an  der  Straße  gegen 

Lomnitz,  3  Schritte  weiter  fleht 

ein  gemauertes  Marterl. 

circa  hoch  0'6o 
„      breit  050 
„      dick  0-15 

SO. 

• 

• 

• 

24 

An  der  Straße  von  Cc-bin  nach 
Gurein,  anderGrabenböfchung. 

hoch    0  62 
breit  0  49 
dick  0-20 

S. 

(Zde)  (odpo)c(i) 

wa.  wacl  (aw) 

Favwiche  (hl)  ed 

(t)  ess    ab  (y)  (sp) 

a  (sila)   duss  (e)  (g) 

eho  (Li  et  magic 

XXVII 

• 

25 

An   einem    100  M.    vom  Fried- 
hofe von  Mähr.-Biidzuih  an  der 
Znaimer    Reichsflraße    abzwei- 
genden    Feldwege,     von     der 
Straße  20  M.   entfernt  und   mit 
diefer  parallel. 

hoch  o'76 

breit  o'83 

dick  0-19  —  25 

W. 

• 

• 

26 

An  der   Bezirksllraße  zwifchen 
Kunßaäi  und  Rutka. 

hoch  0-40 
lang  070 
dick  017 

• 

• 

• 

27 

Im  freien  Felde  zwifchen  T,lnic 
und  Mönitz. 

circa  lioch  l'oo 
breit  0-55 
dick  020 

W. 

■ 

Seit  1889  nicht 

mehr  vorhanden, 

foll  beim  Bau  einer 

nahen   Bezirksflraße 

abhanden  gekommen 

fein. 

28 

An  der  Bezirksftraße  von  Hora 
nach  Kanitz    in    der  Nähe   von 
Hora  mitten    in    einem   Felde, 
16  Schritte  von  der  Straße  ent 
fernt. 

hoch  062 
breit  oben  o'25 
„      unten  0-55 
p.  dick  022 

N. 

• 

5 

17  .   .  (=) 

Ifl  an  der  Rückfeite 

bereits  fo  fehr  be- 

fchädigt,  dafs   fein 

Bedand  nicht  mehr 

von  langer  Dauer 

fein   dürfte. 

29 

Am      (leilen     Gartenrand     der 

Straße  Eibenfchütz  nach    Neßo- 

ivilz  angelehnt,  122  00  M.   vom 

Kilometerftein   7'4. 

hoch  0-98 
breit  0-56 
dick  022 

W. 

• 

Sanddein. 

30 

Bei  Zakfan  auf  dem  Feldwege 
nach  Popovic. 

hoch  088 
breit  082 
dick  0-20 

SW. 

• 

Gneis 

31 

Padochau.  Stand  früher  am  Ein- 
gange   des    Ortes,    an    delTen 
Stelle     einfl    Hochwald    war. 
Jetzt    liegt    er    im    Garten  des 
Bcrgverwaltcrs. 

lioch  0  90 
breit  0-53 
dick  0-21 

• 

• 

Anno  doniini 

1596 
13   lok  gulmi  ste 
(f)  anus  13i)ka  ist 
drsusen  durch  Kbis 
Lait  bu  (r)  au  bt 
(bo)  r  (dj  e  (n) 

Bei  deffen  Trans- 
ferirung  wurden 
keine  menfchlichen 
Ueberrcfle  vorge- 
funden. Kr  wurde 
übertragen,  um  ihn 
vor  liefchädigung 
durch  die  Dorfjungen 
zu  bewähren. 

III      — 


Figur 

Jetziger  Standort 

Dimenfionen 

in 

Metern 

Ge 

wendet 
gegen 

Tradition 

Infchrift 

Anmerkung 

32 

Wenige  Schritte  von  dem  Fuß- 
wege    von     Pohonitz     (Laska- 
Mühle)  nach  Morbes    an   einem 
Feldraine. 

hoch  085 
breit  unten  0  70 
„      oben  0-53 
dick  0-20 

W. 

S. 

• 

• 

33 

1277  Schritte   näher  an  Morbes 

als  1  Fig.  321,    20    Schritte    von 

demfelben    Fußwege    im  freien 

Felde. 

hoch  073 
breit  0-59 
dick  0  18 

Grabftein  einer 

Mutter  mit  ihrem 

Kinde 

• 

34 
35 

Am   Schneeberge    bei    Morbes, 

an  der  Kreuzung  der  Feldwege 

zwifchen  Morbes,    Mödritz  und 

Nebovid  Priefenitz. 

hoch  o'77 
breit  o'8o 
dick  o'22 

N. 

• 

• 

Julienfeld  bei  Brunn  nächft  der 
Straße    auf    die  Kleidufka,    am 
Fuße  einer  gemauerten  Marter. 

hoch  040  ■ 
breit  0-52 
dick  0  20 

W. 

• 

• 

36 

Löfch    bei  Brunn   an    der    füd- 

lichen  Langswand  des  Kirchen- 

fchiffes. 

hoch  07S 
breit  0-53 
dick  0  20 

S. 

• 

• 

• 

37 

3S 
und 

39 

Bei  Klein-Kinitz  an  einem,  wie 
es  fcheint  aufgefchütteten,  etwa 
mannshohen  Erdhiigel,  auf  wel- 
chem   hinter    dem    Steine     ein 
gemauerte  Marter  lieht. 

hoch  0-54 
breit  036 
dick  Ol  8 

s. 

• 

Bei  Bri'mn  nächft  dem  Fußwege 
von    der  Wienergaffe    via   Epi- 
demie Spital  zur  IglauerReichs- 
ftraße.    Am  Fuße    des   ,rothen 
Berges,"   400  M.    von  einander 
entfernt.     (Fig.    38)    an    einem 
Raine  (Fig.  39)  im  Felde. 

38)  hoch  0-65 
breit  0.41 
dick  0  20 

391  hoch  lio 
breit  0  40 
dick  018 

s. 

• 

19)  hateineinfchrift, 
die  aber  fo  verwittert 
ift,  dafs  nicht  einmal 

mehr  zu  erkennen 
ift,  ob  fie  deutfch  oder 
böhmifch  gewefen. 

• 

40 

Bei  Briinn.  An  einem  von  der 
Wiener-,  beziehungsweife   Gra- 
ben-Gaffe    gegen     die     Iglauer 
Reichsftraße         abzweigenden 
Feldwege,  liegt  quer  vor  einem 
hölzernen  Wegkreuze,  von  der 
Reichsftraße    40    Schritte    ent- 
fernt. 

lang  1-30 
beziehungsweife 
lang  0-90 
breit  0-49 
dick  022 

• 

3    Schritte  von 
diefem  Stein    liegt 
ein    anderer    Stein 
von    faft    gleichen 

Dimenfionen, 
welcher    auch    ein 
Kreuzftein    zu    fein 
fcheint,  deffen  Kreuz 
jedoch  auf  der 
Unterfeite  fich   be- 
finden dürfte. 

41 

Brunn.  Am  Fahrwege  vom  Au- 
garten gegen  Karthaus. 

hoch  o*99 
breit  o'bo 
dick  0  20 

0. 

Ift  bereits  feit  vielen 

Jahren  verfchwunden, 

da  die  Stelle  durch 

die  Häufer  der 

neuen  d'Elverl- 

Straße  verbaut  ift. 

1 

I  12 


Figur 

Jetziger  Standort 

Dimenfionen 

in 

Metern 

Ge- 
wendet 
gegen 

Tradition 

Infchrii't 

Anmerkung 

42 
43 

Brunn.   Am   grollen   Exercier- 
platz  an  der  Straße  gegen  Eich- 
horn,   beziehungsweife     Wein- 
berg Sebrowitz. 

hoch  o'99 
breit  0-87 
dick  0  25 

W. 

In  früheren  Jahren 

erzählte  man  fich  die 

jetzt  nur  noch  den 

älteren  Brünnern 

erinnerliche  Sage, 

die  beiden  Steine 

(Fig.  41  und  Fig.  42) 

feien    einfl   die 

Standpunkte  von 

zwei  Recken  ge- 

wefen,  welche  im 

Zweikampfe  (?? ) 

gleichzeitig  gefallen 

wären. 

Unweit  diefes 

Steines  ftand  in 

frühereu  Jahrzehnten 

ein   gemauertes 
Marterl,  Diefer  Stein 
dürfte  nach  feinen 

Dimenfionen  zu 

fchließen  kein  Kreuz- 

ftein,  fondern  eine 

vertical  aufge- 

(lellte  Grabplatte 

fein. 

Anderfeiben  Straße  wie  Fig.  42, 

nächft    dem  Dorfe  Weinbergen- 

Sebrowitz. 

hoch  o-8o 
breit  045 
dick  019 

N. 

• 

Stand  in  fiüheren 
Jahren   unmittelbar 
vor  Weinbergen  in 
einem  tiefen  Straßen- 
graben, jetzt  fleht 
er  näher  an  Brunn 
auf  dem  Stralien- 
banquette. 

Alle  diefe  Steine  oder  einzelne  Serien  dejfelben 
als  Grabkreuze,  als  welcher  fich  nur  der  einzige  Cebiner 
(Fig.  24)  durch  feine  Infchrift  documentirt,  anzufehen, 
flößt  wieder  auf  das  Bedenken,  dafs  man  in  chrift- 
licher  Zeit  —  und  diefer  gehören  alle  diefe  Steine 
zweifelsohne  an  — ,  ja  fchon  früher  die  Todten  in 
gemeinfamen  Begräbnisftätten  beerdigt  haben  wird, 
und  nicht  anzunehmen  ift,  dafs  man  in  Mähren  etwa 
Selbftmörder  oder  flandrechtlich  Hingerichtete,  wenn 
man  diefe  auch  nicht  in  geweihter  Erde  zu  besfraben, 
fondern  an  Ort  und  Stelle  einzufcharren  pflegte,  Grab- 
fteine  gefetzt  haben  foUte,  wiewohl  der  Cebiner  Stein 
(Fig.  24)  in  diefer  Beziehung,  wenn  man  das  Beiwerk 
des  erflen  unteren  F'eldes  etwa  als  ftylifirten  Galgen- 
ftrick anfehen  will,  im  Zufammenhalte  mit  der  Infchrift 
zu  denken  gibt,  fowie  es  auch  auffällig  erfcheinen 
muß,  dafs  man  Grabfleinen  an  Orten,  welche  wie 
Morbes  und  Herotitz  über  40  Kilometer  von  einander 
entfernt  find,  fo  verwandte  F'ormen  gegeben  haben 
füllte,  wie  dies  der  Fall  ift. 

Die  hier  fo  wichtige  „Orientirung"  der  Steine 
bietet,  wie  aus  obiger  Tabelle  des  Näheren  zu  erfehcn 
ifl,  für  diefe  Annahme  gar  keinen  Anhaltspimkt. 

Selbfl  wenn  man  annehmen  wollte,  dafs  diefe 
Steine  Grabfteine  gefallener  Krieger  feien,  wogegen  in 
Bezug  auf  ihre  Zahl,  zcrftreuten  Standpunkte  etc.  nichts 
principielles  einzuwenden  wäre  und  wofür  die  Legende 
und  Jahreszahl  des  Scinvarzbacher  Steines  (Fig.  6.),  fo- 
wie die  Legenden  von  Fig.  9,  11,  15  fprechen  würden, 
fo  müßen  doch  dagegen  wieder  die  Ungleichheiten  der 
Formen  angeführt  werden,  und  wären  die  Beiwerke  von 
Rädern,  Spaten,  Winzermeffcrn,  Tuchfchecren,  Ffiug- 
ftfhaaren  etc.  inierklärlicli. 

Achnliches  gilt  von  der  Annahme  von  „(ietlächt- 
nis-Krtuzen"   (Kenotaphien),  das    heißt    alfo   von   der 


Annahme,  dafs  diefe  Steine  blos  zum  Gedächtniffe 
eines  Todesfalles  (ähnlich  den  „Marterln"  unferer 
Alpenländer)  am  Orte  des  Unglücks  felbft  erichtet,  der 
Verunglückte  aber  am  Kirchhofe  beerdigt  worden  fei, 
als  welches  Gedächtnis-Kreuz  wenigftens  der  Padoch- 
auer  Stein  (Fig.  31)  mit  mehr  Berechtigung  als  Grab- 
ftein  anzufehen  ift,  weil  feine  Infchrift  lediglich  die 
Thatfache  der  Ermordung  und  Beraubung  meldet,  und 
weil  gelegentlich  der  Uebertragung  diefes  Steines 
fich  bei  demfelben  keine  menfchlichen  Ueberrefle  vor- 
gefunden haben  follen. 

Und  nun  bliebe  nur  noch  eine  vielleicht,  neben  der 
vorflehenden,  der  Wahrheit  am  nächften  kommende 
Vcrmuthung  übrig,  nämlich  die,  dafs  diefe  Steine  Sühn- 
oder  Mordkreuze  find,  welche  bekanntlich  in  Mittel- 
und  Süddeutfchland  feit  dem  10.  bis  über  das  14. 
Jahrhundert  Mörder,  nebft  der  Ableiflung  des  Wehr- 
geldes an  die  Hinterbliebenen  und  des  fogenannten 
„Seelengeräthcs"  zu  Gunflen  der  Seele  des  Gemorde- 
ten im  P'egefcuer,  ihren  Opfern  am  Thatorte  oder  der 
von  der  Familie  des  Gemordeten  bcflimmten  und  aus- 
gewählten Stelle,  zur  Sühne  errichten  mußten,  um  fich 
von  dem  IMutbanne  zu  löfen. 

Diefer  Vermuthung  würde  die  Anzahl  der  Steine, 
ilu'c  diverfen  Standpunkte,  willkürliche  Orientirung, 
das  Beiwerk  von  allerlei  Gewaffen,  in  diefem  Falle  der 
Mord-Inftrtuncnte,  aber  auch  der  auf  den  Beruf  des 
(jemordeten  hinweifentlen  Werkzeuge  und  Geräthe, 
fowie  das  fichtlich  ziemlich  verfchiedene  Alter  der 
Steine  zum  mindeflen  nicht  widerfprechen,  und  fich 
der  gewiffe  einlieitliche  Tyinis  aller  Steine  und  insbe- 
fiindcn;  einzelner  (iruppen  derfelben,  luid  zwar  etwa 
dadin'ch  crl<liiren  laffcn,  dafs  diele  Steine  an  ein  imd 
dcmfeliien    ()rte,    etwa    durch    eigens    hitzu    bcflcllte 


Tafel  I. 


Fig.  7    Bei  l'race. 


\ 


Fig.  2.  Köllein. 


M^ 


Fia;.  S.  Sokolnic. 


K'- 


y.-A^ 


Fig.  6.  Scluvcirzbach-Strzelitz 
(M.-Neuftadt). 


%   ihr 


Fig.  3.  Bei  M.Xeuftadt. 


# 


Fig.  4.    Strzelitz  bei  M.-Neuftadt. 

Maßftab  '/j^  Naturgröße. 


Fig.  5.  Bei  Dreihöfen  (Littau). 


Tafel  II. 


/-|1^ 


Fig.  9.  Dubrauwald  bei  M.-Neuftadt. 


A 


^ 


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1 

\ 

1/ 

J 

v 

Fig.  12.  Bei  Iglau. 


^. 


\ 


,JJ1LJWWV>^J'.I1 


Fig    I  7.  bei  Kiitfclitn. 


Fig.  10.  Meedl  und  Kliwitz. 


|rp!--.Erj^ 


Fig.   13.  Eifenberg. 


.3  '^\ 

Fig.  15    Bei  Sivice. 


■aicv 


Fig.  iS.  Schlapanitz. 

Maßftab  '/j,,  Naturgröße. 


Fig.  II.  MeedlKöniglofen. 


J  ■  '^l 


.LI 

Fig.  14'  Bei  Regens. 


r  r 


r 


/-] 


i>fiS-4£.. 


^^^--^kw  .M'^ 


Fig.   16.  Bei  Auflerlitz. 


I      > 
1        : 


Fig.  ig.  Herotice. 


Tafel  III. 


'U  -_: 


Fig.  21.   Bei  StJpanovic  Borac. 


-'V-fv^ 


Fig.  22.  Ijoiac  Dojliravnik 


Fig.  20.  Kaly  iTilclinovic). 


r 


^ 


r 


Fig.  23    Tifchnovi 


Fig.  24.  Cebin  Giirein. 


u. 


Fig.   25.  Bei  Mährifcli-Budwitz. 


i^'f^ 


1 


Flg.  28.  Bei  Hora. 


>... 


Fig.  2Ö.  Kunlladt   Rutlia 


,   i'V,- 


"^ 


\ 

Fig.  30.  Zakran. 

Maßftab  '/an  Naturgröße. 


u 


Fig.  27     Bei  Telnic. 


'A3401 


,.  ■'   p;-r|<WSK5>4 


Fig.  31    Padochau. 


r^  r 


Tafel  IV. 


-V^- 


Fig.  J2.  Pohonitz  iMorbes. 


Fig-  40.  Bei  Brunn. 


A^ .  >;-  --«^ 


Fig.  33.  Bei  Morbes. 


uJti- 


^5 


Fig.  35.  Jiilienfeld  bei  Brunn. 


SS' 


Fig.  37.  Kl.-Kinitz. 


Flg.  3S.  Bei  Briinn. 


Fig.  34.  Bei  Morbes. 


r^ 


«BMlr- 


yv 


i    1 


.  1 


^--k.^ 


/     !  


Fig.  30.    I.ulU 


•/y  i!ri 


Fig.  41.  Brunn. 


I 


Fig.  42.  Briinn. 


Fig.  3y.  Hei  Brunn. 


h 


Fig.  43.  Bei  Weinbergen  nächll 
Brunn. 


Maßftab  '  g„  Naturgiöße. 


—     "3     — 


Steinmetze  hergeftellt  und  dann  auf  den  Aufrtellungs- 
platz  überführt  worden  find. 

Auch  würden  für  diefe  Annahme  noch  zwei, 
gewifs  nicht  zu  unterfchätzende  Umflände  fprechen  : 
einmal  der,  dafs  wenn  nicht  immer,  fo  doch  nicht  feiten 
das  Material  der  Steine  ein  folches  ill:,  welches  in  der 
nächften,  zu  oft  felbft  weiteren  Umgebung  des  Stand- 
ortes der  Steine  nicht  vorkommt,  und  zum  zweiten, 
dafs  an  manchen  Orten  Deutfchlands  „notorifche" 
Sühnkreuze  die  Bezeichnung  „Schwedenkreuze-',  an 
anderen,  wie  im  ehemaligen  Kurmainzifchen,  „Bonifa- 
ciuskreuze"  führen,  und  daher  analog  wohl  angenommen 
werden  kann,  dafs  unfere  mährifchen  fogenannten 
Cyrillkreuze  und  die  Kreuze  Fig.  6,  9  und  11  eben 
auch  nichts  anderes  als  Sühnkreuze  find,  welche  das 
Volk,  als  ihre  eigentliche  Bedeutung  allmählig  in  Ver- 
geffenheit  gerathen  war,  eben  Cyrillkreuze  beziehungs- 
weife  Schwedenkreuze  benannt  hat.* 

'.  Hier  ifl  vielleiclit  ein  Hinweis  auf  tue  weitere  Literatur  über  Stein 
kreu/e  bei  OtU\  Handbuch  der  kirchl.  Kunft-Archaologie,  V.  Aufl.,  I,  Bantl. 
Seite  382    am  Platze. 


F"reilich  würden  wieder  die  Kreuzfleine  von  Eiben- 
fchütz  (F"ig.  29)  und  Kritfchen  (Fig.  17)  mit  ihren 
Rädern,  die  eher  auf  einen  Unfall  mit  Pferd  und  Wagen 
oder  auf  Richtflätten  (Rabenfteine)  hindeuten,  diefer 
Annahme  widcrfprechen,  und  kann  es  daher  nicht 
ausgefchloffen  werden,  dafs  eben  nur  ein  Theil  diefer 
Steine  Sühnkreuze,  ein  anderer  aber  Denkfleine,  ein 
anderer  vielleicht  Gränzllieine  etc.  etc.  fein  könne. 

Doch  es  foU  und  kann  ja  nicht  der  Zweck  diefer 
Zeilen  fein,  eine  ganz  bcftimmte  Vermuthung  oder 
Behauptung  bezüglich  aller  oder  felbft  nur  der  vorge- 
führten alten  mahrifcheir  Steinkreuze  und  Kreuzfteine 
aufzuftellen,  fondern  es  kann  und  foU  der  Zweck  der- 
felben  lediglich  der  fein,  vorläufig  eine  Anzahl  folcher 
Steine  zur  Kenntnis  der  k.  k.  CentralCommiffion  und 
ihrer  Organe  zu  bringen  und  Material  zu  weiterer 
Forfchung  herbeizutragen,  welcher  es  vorbehalten 
bleiben  muß,  eine  Aufklärung  über  diefe  Steine  zu 
erlangen. 


Nachrichten  über  das  k.  k.  Staats-Mufeum  in  Aquileja. 


Vom   k.  k.  Confervator  ProfelTor  Majonica. 


VI. 


VJII.  Jahrgang  1889. 

1.  Bruchftück  einer  Kalkllein  -  Platte,  f.  w.  e. 
037  hoch,  1067  breit,  0145  ==  '/^  röm.  Fuß  dick.  Der 
obere  Rand  mit  einer  o\6  langen  Vertiefung  theil- 
weifc  erhalten,  foiill:  mehr  oder  weniger  befchädigt. 
Gefunden  auf  dem  vom  Patriarchen  Popo  aufgerich- 
teten Erdwallc,  auf  einem  Grundftücke  des  Herrn 
y.  Comelli.  Schöne  alterthümliche  010  hohe  Buch- 
ftaben.  Unedirt. 

I//MAS-LAVD 
(^/VIVIINE  -CON 

2.  Chriftlichc  Grabplatte  aus  Kalkftein,  080  breit, 
045  hoch,  O'io  dick.  Gefunden  in  der  Localität  Beligna, 
auf  dem  Wege  rechts,  in  der  Nähe  des  öffentlichen 
Brunnens,  als  untere  Deckplatte  eines  aus  Ziegeln  ge- 
bauten Grabes.  Innerhalb  des  Grabes  ein  Fläfchchen, 
in  der  Nähe  die  Bruchftücke  der  Marmorplatten  Nr.  3 
und  4.  In  der  Mitte  der  Platte  ilT:  ein  Lorbeerkranz  von 
027  Durchmeffcr  in  Relief  dargell;ellt,  und  innerhalb 
desfelben  ein  o-20  hohes  Monogramm  Chrifti.  Unter 
dem  Kranze  ein  betendes  Kind  und  daneben  rechts 
und  links  je  ein  Vogel.  Un.edirt. 

B  M 

INNOCENTI  PROCLINAE 

Sic'      QVIVIXIT  AN-VI-M-V 

DVIIII  Kiaiu  RECESSIT 

IN,PACE  FEDELIS 

D-PR-NON     Vogel  Vo-cl     IVNIAS 

Beleiules  Kind 
XIX.  N.  F. 


3.  Bruchftück  einer  chriftlichen  Marmorplatte, 
f.  w.  e.  0-24  hoch,  o-i8  breit,  004  dick,  gefunden  wie 
Nr.  2.  Rohe  Buchfl:aben  (0-03  — 0-02  hoch)  aus  dem 
Ende  des  4.  Jahrhunderts.  Unedirt. 


äep.  est. 


ysINHANCPIS 
/1NPACEINN..M 
SALVATORIS 
VIXITANPM  CS 
KALNoVEMB 


sie ! 


4.  Unbedeutendes  Bruchftück  einer  Marmorplatte, 
gefunden  wie  Nr.  2.  Unedirt. 

(DVMION 

5.  Bruchftück  einer  Platte  aus  Kalkltein,  f.  w.  e. 
0-35  hoch,  024  breit,  6-15  dick,  gefunden  in  der  Nähe 
von  Nr.  2,  jedoch  links  von  der  Straße.  —  Schöne 
Bucliftaben  aus  der  beften  Kaiferzeit.  Unedirt. 

IVLI  VRA 

'en-res 

's-OE 
1 1 ■ PED 

6.  Kalkfleinplatte  0-36  hoch,  o  50  breit,  020  dick, 
welche  als  Pflafterflein  im  Stalle  des  Herrn  v.  MaJigilli 
diente.  Edirt  bei  Pais  289.  Die  4.  Zeile  ift  knapp  an 
der  dritten  angebracht  und  hat  nur  0035  hohe  Buch- 
ftaben,  während  diejenigen  der  übrigen  Zeilen  005  hoch 
find  und  einer  älteren  Periode  angehören  dürften. 

7.  Bruchftück  einer  Votiv-Ara  aus  Ka!k(l;ein,f  w.  c. 
0-32  hoch,  0-2I  breit,  0-295  =  röm.  Fuß  dick.  Gefun- 

"5 


—      114 


den  auf  derfelben  Stelle,  auf  welcher  die  Infchriften 
Nr.  lO,  II  und  12  des  Jahrganges  1886  aufgedeckt 
wurden,  nämlich  auf  dem  .braida  iniimta"  genannten 
Grundftücke  des  Herrn  J.  Pasqiialis  in  Aquileja.  Oben 
find  noch  Spuren  der  Krönung,  rechts  noch  folche  der 
Randeinfaffung  erhalten,  die  linke  und  die  untere  Seite 
arg  befchädigt. 

Die  003— 005  hohen  Buchftaben  find  etwa  aus 
dem  2.  Jahrhundert.  Unedirt. 

I  !•    O      •     M 
iT  E  R  N  O 
iNSOTERIC    yiuis 
ilR-AQVILEX 

'n  V  M  I  N  I  S 

N  V  M  I  N  I 

VIT 

[lovi]    O(ptimo)   M(aximo)  (ae)terno"  (C)n   Soteric(hus) 
(vi  v)ir  Aqui!(eiae)  ex(iussu)  numinis(ipsius)  numini.  .  .  . 
posuit.  Vgl.  z.  B.  C.  V.  5081. 

8.  Bruchftück  einerVotiv-Ara  aus  Kalkflein,  f.  w.  e. 
019  hoch,  0-215  breit,  0145  =  '/^  röm.  Fuß  dick. 
Gefunden  wie  Nr.  7.  Die  Buchftaben  aus  dem  2.  Jahr- 
hundert 0045  hoch.  Unedirt. 


9.  Bruchflück  einer  Votiv-Ara  aus  Kalkftcin,  f  w.  e. 
032  hoch,  010  breit,  o  17  dick.  Ein  Theil  des  linken 
Randes  und  des  Poflamentcs  erhalten,  fonft  fehr  vcr- 
flümmelt.  Die  zierlichen  0'025  hohen  Buchflaben  etwa 
aus  dem  2.  Jahrhundert.   Gefunden  wie  Nr.  7.  Unedirt. 


10.  Cippus  aus  Marmor,  oben  abgerundet  104 
hoch,  0295  =  I  röm.  Fuß  breit,  0-145  =  Vz  •'""t-  ^'"^ 
dick.  Der  untere  roh  behauene  Theil  0-32  hoch,  033 
breit  war  zum  Einiaffen  in  die  Erde  bcftinimt.  Unter 
den  kleinen  zierlichen  002  hohen  Buchftaben  ein  Loch 
im  Durchmeffer  von  0*055.  Gefunden  wie  Nr.  7  zufam- 
men  mit  einem  fchlanken,  fafl  runden  I'ilafler,  welcher 
mit  fehr  forgfaltig  au.sgeführten  Akanthus- Blattern 
gefclimückt,  innerhalb  der  ganzen  Lange  mit  einem 
0055  breiten  Loche  verfehen  ifl,  und  fomit  wahrfchein- 
lieh  als  Bekleidung  eines  Wafferlcitungsrohres  diente. 
Unedirt. 

L  ■  PESC  EN  I  V  S 
TRIPTOLEMVS 
AQVILAM  POSVIT- 
ETAQVAM  INDVXIT 

I  I.  Runde  Afchcnurne  aus  Kalkflein,  0295  =^ 
1  rom.  Fuß  hoch,  040  Durchmeffer,  rückwärts  etwas 
abgebrochen,  auf  dem  oberen  und  unterem  Rande 
Vrrii(fMngen    zur   Befeftigung   von    Klammern.    Buch- 


ftaben   aus    dem    3.    Jahrhundert.    Gefunden    in    der 
Localität  Beligna,  auf  dem  Grundflücke  Tullio.  Unedirt 

■     sie'    OSSSAHIC 
FANIAE 
GLYCAERAE- 

Bei  Z.  I  war  das  mittlere  S  zu  nahe  an  das  erfte 
gerathen  und  wurde  eradirt. 

12.  Eck-Cippus  oben  rund  verlaufend,  Kalkftein, 
0-50  hoch,  0-295  ^  I  röm.  Fuß  breit,  009  dick.  War 
früher  im  Hofe  des  Herrn  J.  Mastrella  aufbewahrt.  Die 
Infchrift  bis  auf  wenige  Buchftaben  zerllört.  Unedirt. 

L  ■  M 
i 

13.  Grabftein  in  Form  einer  Votiv-Ara,  oben  mit 
Krönung,  deren  Ende  in  zwei  flache  Akroterien  aus- 
geht, unten  abgebrochen.  Kalkftein,  f.  w.  e.  0-47  hoch, 
0-43  breit,  035  dick,  die  Infchriftflache  allein  0-23  hoch, 
0-32  breit,  026  dick.  Kleine  zierliche  O  915 — 0025 
hohe  Buchftaben.  Urfprünglich  im  Hofe  des  Haufes 
Tunet  eingemauert.  Diefe  intereffante  in  choliam- 
bifchen  Verfen  abgefafste  Grabinfchrift  wurde  vielfach 
edirt  und  befprochen,  zuletzt  C.  J.  L.  V.  8974  und 
Pais  151,  jedoch  die  Abfchrift  war  bisher  überall  etwas 
ungenau  angegeben. 

ALEXANDREAM 

Q_V  I  S  Q_V  E-NOVERAS 
QVAESO • LEGE  •  PA VGA • VERB 
PAVLVLVM • ET ■ DOLENS ■ VADE 
AVTNILDOLETO-NILMALI-EST 
VBI  •  NIL  c'  EST 

DISTI  ■  VTOCCVBA^ 

Z.  7  lautet  der  Schluß:  [occijdisti  iii  oaiibas .  .  .  . 

14.  Bruchftück  der  unterften  Einfaffung  eines 
Grabmonumentes  aus  Kalkftein,  f.  w.  e.  0-12  hoch, 
10-60  breit,  0-19  dick.  Die  Buchftaben  aus  der  heften 
Kaiferzeit.  Erworben  zufammcn  mit  Nr.  13.  Unedirt. 

)(X1I  INAG 

jL.  M.  in  Fr.  p.  xlxxii .in .agr  .p .x .  .  .  ..' 

15.  Unterer  Theil  einer  Votiv-Ara  aus  Kalkftein, 
f  w.  e.  058  hoch,  0-54  breit,  040  dick,  die  Infchrift- 
flache allein  ohne  Poftament  0-38  hoch,  0-36  breit,  036 
dick.  Gefunden  in  der  LocalitJit  Monaftero,  auf  dem 
braida  dclla  pila  genannten  Grundftücke  der  Baron 
Ritter'fchen  Gut.sverwaltung.  Dafelbft  wurde  fowohl 
diefe  als  auch  die  folgende  Mithras-Infchrift  gefunden, 
ferner  die  prachtvolle  Darnellinig  in  Relief  des  Stier- 
opfers des  Mithras,  welche  fich  gegenwiirtig  in  den 
kunfthiftcrifchen  Sammlungen  des  Allerhöchften  Kaifer- 
haufes  in  Wien  befindet.  (Vgl.  Ueberficht  der  kunfth. 
Sammlungen  Wien  i89i,S.  74,  Nr.  39  und  die  Abbildung 
in  den  Kunllgefchicjitl.  Cliaraklerbiklcrn  aus  Oefter- 
reich  Ungarn,  Prag  Tciiipslc}',  1892,  .S.  29.) 

Auch  fonft  wurden  die  meiften  Mithras-lnfchiiften, 
wie  C.  J.  L.  V.  7G6,  805,  806,  808,  8lo,  811  in  Monaftero 
gefunden,  und  (hi  die  Infclirift  C.  8j  i  fogar  ein  spclciim 
cum  omni  apparalu  erwidnit,  fo  hätte  man  i)ei  f)fte- 
matifclicn  ,'\us;;rabungen  vielleicht  auf  diefer  .Stelle 
das  Mitln-asI  leiliL'thuni  finden  können. 


115     — 


Die   Infchrift   zeigt   Buchftaben   aus   dem  3    Jahr 
luindert  n.  Chr.  Unedirt. 

INVIC 

TO  DEO 

SAG 

InviSlo  Dco  sac(rum). 

16.  Rechte  Hälfte  einer  Votiv-Ara  aus  Kalkftein, 
f.  w.  e.  0'47  hoch,  0-24  breit,  0-295  =  i  röm.  Fuß 
dick.  Unten  ein  O'io  hohes  Poftament.  Gefunden  wie 
Nr.  15.  Unedirt.  Auf  der  oberften  Fläche  in  der  Mitte 
eine  Vertiefung  und  recht.s  davon  ein  mit  Blei  be- 
feftigtes  Eifenftück. 

M-D 

ANIVS 

MVS 

RAQVIL 

lALPATAVI 
l         D 

Nach  Analogie  von  C.  J.  L.  III,  1697  könnte  man 

lefen.  [Soli]  M[ilhrae]  DfeoJ  ....  anius mns[vi 

vijr  Aquilieiae)  [concord[i  at(is)  Patavi  [d.  d.]  d. 

17.  Bruchftück  einer  viereckigen  Afchenurne  aus 
Kalkftein,  f.  w.  e.  026  hoch,  024  dick,  034  breit,  ge- 
funden bereits  im  Mai  1885  auf  dem  palude/la  genann- 
ten Grundftücke  der  Ritter'fchen  Gutsverwaltung. 
Mangelhaft  edirt,  Arch.  tr.  XIII,  p.  206,  Nr.  344. 

/nvsmil 

l  ASILIAIS 
\i  .MVGACE 
/..  XiSVIT 

18.  Drei  zufammengehörige  Bruchftücke  einer 
Sarkophag-Platte  aus  Kalkftein,  f.  w.  e.  i  breit,  0-64 
hoch,  062  dick  (fammt  einem  Theile  der  Seitenfläche). 
Die  Infchrift  innerhalb  einer  Linear-Einfaffung,  rechts 
davon  befonders  eingekerbte  Linien  mit  Blatt  in  der 
Mitte,  als  eine  Art  tabula  ansata.  Gefunden  wie  Nr.  17. 

a  /> 

ARTILLVS 
BIPOSVITr 

Stück  a  und  b  im  Arch.  tr.  XIII,  p.  206,  Nr.  345 
edirt,  Stück  c  vom  Berichterflatter  als  hinzugehörig 
erkannt. 

19  Marmorplatte,  aus  chrifllicher  Zeit  0-42  hoch, 
052  breit,  002  dick,  gefunden  wie  Nr.  15  zu  Monafiero. 
In  der  Mitte  der  Platte  die  Figur  eines  Adoranten, 
deffen  Kleid  unten  mit  der  crux  gamniata  gefchmückt 
ift,  rechts  und  links  davon  je  ein  Vogel. 

BENEMERITO  CARICVS 
QVIVI  XI  T  ANN 
PM  L>:     DE  POSITVS 

Villi  »  KAL  KCS...sic< 

20.  Marmorplatte  026  hoch,  092  breit,  1008 
dick,  gefunden  wie  Nr.  15.  In  der  Mitte  der  Platte  die 
flehende  Figur  eines  Mannes,  deffen  Kleid  ebenfalls 
mit  der  crux  gammata  gefchmückt  ift.  Unedirt. 


BENEMERITO  DIDATI 
QVIVIXIT  ANNOS 

»PiMLXDEP      OSITVS 
III  NONAS     NOBEMBR  -'>.' 
IS 
21.  Marmorplatte  055  breit,  045  hoch,  0-02  dick, 
gefunden   wie  Nr.  15.  In  dem  mittleren  Räume  unter 
der    Infchrift   ein  nach  links   fchreitender  Mann,    mit 
verzierter  tunica,  die  linke  Hand  mit  Zweig?  über  den 
Kopf  erhebend,    in    der    Rechten    eine   zweihenkelige 
große  Amphora  tragend.  Ueber  dem  Kopf  ein  feflon- 
artig  gebogener  Zweig   und  links   und    rechts  je  eine 
flatternde  Taube.  Die  Infchrift  unedirt. 
D  M 

«•<■.'  VINCETIO  -  BENEM 

ERENTHCONTRBOT 
VMß  FECRVNT  ? 


S)Cl 

sir ! 


22.  Marmorplatte  042  hoch,  0-57  breit,  006  dick 
gefunden  wie  Nr.  15.  In  dem  mittleren  Räume  unterhalb 
der  Infchrift  eine  betende  Frau  mit  einer  Art  nimbus 
mit  Sternen?  über  dem  Kopf.  Die  Infchrift  unedirt. 

B  M 

BENEMERENTIBVS 
PARENTIBVS^PIENTIS 
SIMISFILIDVlclSs)^      Sic'. 
POSVERVNT-OyiFVER 
VNT-IN-SEANXXX 
VIRGINI-SVRAET 
VITALIOo 
Z.  5  und  6.    Qui  fucrunt  in  sefailoj  an  fnonnnj 

XXX  etc. 

23.  Marmorplatte  0-25  hoch,  0-42  breit,  055  dick. 
Gefunden  wie  Nr.  5.  Diefe  Platte  befand  fich  an  der 
Seite  eines  aus  Ziegelfteinen  gebauten  Grabes,  deffen 
Bett  durch  eine  Lage  von  Bruchftücken  fchöner 
Architeftur-Ueberrefte  aus  der  bellen  Zeit  römifcher 
Kunfl  gebildet  war.  In  dem  mittleren  Räume  der 
Infchrift  das  Monogramm  Chrifti,  und  rechts  und  links 
davon  auf  einem  Zweige  je  eine  Taube.  Unedirt. 

BONEMEMORIE 
MASCOLIANVS 

QVIVIXITANVS  "V-' 

ANVSXL  •  M  ■  VI  sic< 

Z.  3  und  4  ift  das  Wort  anus  anftatt  annos 
wiederholt. 

24.  Marmorplatte  unten  etwas  abgebrochen, 
f  w.  e.  055  hoch,  038  breit,  005  dick,  gefunden  wie 
Nr.  15.  Unedirt. 

AVRELIANIGELA  «  sie! 
VRSOBENEMERETI  sie! 
CONPARIPONSVIT- 
Ci_.  VI-AN-ME-V-  »         sie' 
SVCIPE-INNOCETEV.vV 
FILIVN-TVN-VRSIGINVI  sie.  sie! 
OyiANIIIIMEI- 
ISPIRITVSBERTER    sie! 
IN  BONVM- 


ii6     — 


25.  Marmorplatte  0-22  hoch,  022  breit,  002  dick, 
gefunden  wie  Nr.  15.  Unedirt.  Unterhalls  der  Infchrift 
die  fehr  kleine  Figur  eines  Adoranten. 

HIC  REQVIESCET 
lOVINVSARGENTA 
RIVSQVIVIBVSLOCO  ->vV,  >/■  ' 
EMET  SIBI  DEPOSITV  ^^V 
DVIII-K  FEBRAw.' 

FED  ELI////, 

26.  Bruchftück  einer  chriftlichen  Marmorpiatte, 
f.  w.  e.  0-26  hoch,  024  breit,  003  dick.  Die  rechte 
Hälfte  abgebrochen,  in  der  Mitte  das  Monogramm 
Chrifti  und  Spuren  der  Figur  eines  Adoranten.  Gefun- 
den wie  Nr.  15.  Unedirt. 

BENE  •  MEREN 
TI-DVLCISSI/    mo 
FILIOPISIT       ,p<i 

VIXE     g  an,, 

mensfs 


f 


OSIII 
V*DI 
ARE 
TRA 


e.  0*40 

Nr.   15. 


nies    con 
Votum  ficere 

27.  Bruchfliiclc  einer  Marmorplatte,  f.  w. 
hoch,    020    breit,    0'03    dick,    gefunden    wie 
Unedirt.  Die  Buchftaben  005 — 006  hoch  und  fchräg 
auffteigend. 

SESTILA 
TIAAQVA  ■•  Hxii 

an  NISPM  Sir! 

infelüissint  AMATER 

conlia     eVOTVMP     osuit 

28.  Bruchflück  einer  chriftlichen  Marmorplatte, 
f.  w.  e.  O'i/  hoch,  013  breit,  0'03  dick.  Die  004  hohen 
Buchftaben  fehr  wenig  vertieft,  gefunden  wie  Nr.  15. 
Unedirt. 

PLIAE 

AGIAE 

co„i  RAVOTV  m 

28.  Eine  Reihe  von  Bruchfliicken,  gefunden  wie 
Nr.  15.  Unedirt. 

a)  Marmor  018  hoch,  017  breit,  003  diele,  die  Buch- 
ftaben 005  iioch. 

ft    CITBoNE    Sic' 

„„■„,  oriaeqI 

b)  Marmor  o-i8  hoch,  0'I2  breit,  012  dick. 

V.I 

M 

ONES 

c)  Kaikftcin    mit    fclionen  0075  hoiien   BuclinaJjLii, 
f.  w.  c.  025  hoch,  031    breit,   006  dick. 

IN-  llls 

TLVPAE 

d)   Marmor  021  liocli,  021  breit,  006  dick,  init  S])ur 
der  oberen  Minfaffung. 

C  •  HO 


c)  Bnichftück  aus  Marmor. 

SI 
SVITQ_ 
XXIIIM 
f)  Bruchftück    aus    Marmor   o'i7   hoch,   o-2i    breit, 


0'05  diel-;. 


g)   Bruchftück   eines   flachen  Dachziegels    als  Grab- 
ftcin  verwendet,  0-31  breit,  0-15  hoch,  003  dick. 


Hoc  loco  ....    OCLOCO'^ 

h)  Bruchftück  aus  Kalkftein,  f  w.  e.  020  hoch,  0-40 
breit,  0-09  dick,  mit  rohen  Buchftaben. 

N-XXXV-M     n,scs 

MILITAV  // 

i)   Marmor-Bruchftück,    die    Buchftaben    kaum    ein- 
geritzt. 


iiifcl     ICI       ssiiii 
s.wficni  VRES- 

dcposil.  EST 

k)  Bruchftück  aus  Marmor. 

>-• 

DQJM 
NTIA 
Ij  Bruchftück  aus  Marmor. 
RIC 

Die  Bruchftücke  //  bis  /  find  vom  Herrn  Coope- 
rator  L.  Quaglia  gefchenkt  worden. 

29.  Große  Kalkfteinpiatte  in  Form  einer  Tempel- 
P'agade  faediatlaj,  bis  auf  die  oberfte  Kante  rechts 
vollkommen  erhalten.  Die  Infchrift  innerhalb  zwei 
0'09  breiten,  15  hohen  Pilaftern,  welche  mit  l^afis  und 
flachem  Capital  verfchen  find  Oberhallj  eine  Art 
Architrav  mit  flachen  Eck-Akroterien  und  l'almette  in 
der  Mitte.  Auf  dem  unteren  Geftell  in  Fiachreh'ef  ein 
0'63  hoher,  0'22  breiter  Altar  mit  cigenthümlicheii 
Auffatze.  Unter  dem  Poftamcnte  ein  0-23  hoher  Zapfen 
zum  Einlaffen  in  die  fteinernc  Hafis.  Schone  alterthüm- 
liche  0-05 — o'ii5  hohe  Buchftaben.  Gefunden  in  der 
Localität  Beligna  auf  einem  vom  Colone  Lazzar  ge- 
pachteten Grundftück  des  Herrn  Dr.  Tidlio.  Edirt 
u.  A.   bei  Pais,  Nr.  265. 

Der  Raum  zwifchen  Z.  9  und  10  ift  in  Wirklichkeit 
bedeutend  größer  als  der  bei  Pais  angegebene.  J'Linc 
Analogie  für  die  Darftellung  des  Altars  bietet  die 
eijcnfalls  in  der  Localitiit  Beligna  gefundene,  gegen- 
wartig in  Duino  im  Schlöffe  Sr.  Durchl.  des  l'~ürften 
Ilohenlohe  aufbewahrte  Infchrift  C.  V.  932. 

30.  Eck-Cippus  aus  Nabrefina-Stein,  oben  rund 
verlaufend,  V2\  hoch,  0-22  breit,  018  dick  mit  der 
Infchrift  C.  J.  V.  836S.  I'^rüher  aufbewahrt  und  erwor- 
ben zufammen  mit  Nr.  29. 

31.  Bruchftück  eines  Eck-Cippus  aus  Kalkftein 
095  hoch,  031  breit,  0-145  =  Vs  •""m-  ^'""'^  ^\^\<,  mit 
Spuren    einer  Infchiift,    welche   \ielleicht   idcnlifch   ift 


117     - 


mit  C.  J.  V.    1416  —  S533.    [Jrfpriinirlich    ruifbcwalui 
z-ufammen  mit  Nr.  29. 

1///LIC 
IN-FR-P-XX 
INAGRPXXXH 

32.  Bruchftuck  einer  Iiifciirift  aus  Marmor  mit 
wenigen  Buchftaben : 

/PIDI/- 

33.  Deckel  eines  kleinen  Sarkoj^hages  aus  Kalk- 
ftein  0'5i  breit,  o\g  hoch,  025  dick,  wie  gewöhnlich 
dachförmig  und  mit  je  einem  Akroterium  auf  jeder 
Ecke  gebildet.  Recht.s  und  link.s  die  Bucliftaiicn. 
Unedirt. 


D 


M 


34.  Marmorplatte  mit  chrifllicher  Infchrift  054 
hoch,  0-65  breit,  003  dick.  —  Eigenthünilicher  Weife 
befand  fich  ein  Stück  diefer  Platte  im  ehemaligen  Mu- 
feum  Caffis,  ein  zweites  im  Baptifterium  zu  Aquileja,  ein 
drittes  gelangte  mit  der  Sammlung  Zandonati  in  das 
ftädtifche  Mufeum  in  Trieft.  Durch  einen  von  den 
hohen  k.  k.  Behörden  gut  geheißenen  Taufch  find  alle 
zufammengehörigen  Bruchftückejetzt  im  Staats-Mufeum 
vereinigt.  Die  Infchrift  ift  C.  V.  1696  bis  auf  manche 
Punkte,  welche  nicht  beachtet  wurden,  ziemlich  genau 
edirt. 

35.  Kalkfteinplatte  0-93  hoch,  046  breit,  0295  ^ 
I  röm.  Fuß  breit  mit  fchönen,  0095  hohen  Buchftaben 
aus  der  erften  Kaiferzeit.  Gefunden  in  der  Localität 
Colombara  im  December  1889  auf  einem  dem  Colone 
G.  Violin  überlaffenen  Grundftücke  des  Herrn  £d. 
Prißer.  Unter  der  Platte  befindet  fich  ein  O'io  hoher, 
0*25  breiter,  0'i47  =  '/g  röm.  Fuß  dicker  Zapfen,  zum 
Einlaffen  in  die  fleinerne  Bafis.  Unedirt. 

C  ■  SERViLivS 
C  •  L • VENETO 
R  A  V  C  O  N  I  A 
M-F-SECVNDA 
V-FSIBI-ETSViS 
LIBERTLIBERTAB 
L  •  Q  •  P  •  XVI 

36.  Eck-Cippus  aus  Kalkftein,  oben  rund  verlau- 
fend, unten  mit  einem  roh  behauenen  Poftamente,  zum 
Einlaffen  in  die  Erde  verfehen.  Das  Infchriftfeld  076 
hoch,  038  breit,  012  dick;  das  Poftament  050  hoch, 
0'35  breit,  0145  =:  '/z  röm.  Fuß   dick.    Gefunden    wie 


Nr.  35.  —  Die    fchönen  Buchftaben    aus    der  fri^iheften 
Kaiferzeit  find  ooSo,  0065  hoch.   Unedirt. 

L  •  M 
P  •  GAVI      PF 
P  O  L  L  10  N  I  S 
IN  •  FR  •  P  •  VIII 
INAGR-P-XXXVI 
Z.  4  ifl  die  Zahl  VIII  auf  einer  eradirten  Stelle. 

IX.  Jalirgang  iSpo. 

I.  Große  Platte  aus  Kalkftein  058  hocli,  104 
breit,  010  dick,  in  der  Mitte  mit  einem  043  hohen, 
070  breiten  Infchriitfelde  verfehen.  An  der  linken  und 
der  rechten  Seite  eigenthi.imlich  gefchwciftc  Linien, 
welche  der  Platte  das  Ausfeilen  einer  tabula  ansata 
geben.  Gefunden  wie  Nr.  35  und  36  vom  Jahrgang  1889. 
Unedirt. 

D-fM-i-ET  IN  PERPETVQ  » 

SECVRITATEMLICINIVS 

FVLGENT  +  EX-N  +  EQ  +  STABLts 

NATVS-IN-NOR  +  RAGAND 

QVI-VIXITöANLMVI  c« 

D  +  IIIQVI  e  PERIT  IN  AQVA  3 

AQVIL  DIE  I  VI  IDVS  IVL 

FACTA  +  MEMORDESVO 

PERAVIT  EXARCHVM 

FILIVM  ADIVRMIVM 
Die  wichtige  Infchrift  lautet: 

D(is)  M(anibus  et  in  perpetua  securitate  M(arcus) 
Licinius  Fiilgeiit(iHs)  ex  nficineroj  eqfm'ti/inj  Stablfe- 
sianorum)  natus  in  Nor(ico)  Ragand(one)  qui  vixit 
an(nos)  Lin(enses)vi,  d(ies)  in,  qui  periit  in  aqua  Aqui- 
l(eiae)  die  vi  idiis  JulliasJ,  facla  memoria  de  suo  per 
Avitfiim)  cxarchum,   [et]  fdiuni  Aditirmiiim. 

Der  hier  genannte  numerus  eqjiitum  Stablesiano- 
rum  wird  auch  C.  V.  4376  und  mehrfach  in  der  Notitia 
dignitatuni  erwähnt;  die  Ortfchaft  Ragando  liegt  nach 
Momuifen,  C  J.  L.  in,  S.  645,  zwifchen  Cilli  und  Pettau, 
etwa  bei  Lofsnitz;  beide  Bezeichnungen  find  infoferne 
wichtig,  weil  durch  fie  die  Varianten  Siablesiani  und 
Ragundo  befeitigt  werden. 

Ueber  die  militärifchen  Einrichtungen  vom  4.  bis 
6.  Jahrhundert  n.  Chr.,  fpeciell  über  den  Exarchus  vgl. 
C.  J.  V.  4376  und  Monimfen-Marqitard,  Handbuch  der 
röm.  Alterth.  IP,  471  Anm.  4  und  S.  609  ff 

(Fortletzung  folgt.) 


Das  Tartaren-Denkmal  bei  Warna. 


ER  verftorbene  Confervatcr  JoJepJi  R.  v.  Gntter 
hat  bereits  im  Jahrgange  1883  der  „Mitthei- 
lungen", Notiz  114  (S.  CXLIX)  das  fogenannte 
Tartaren-Denkmal  bei  Wama  kurz  erwähnt,  das,  abge- 
fehen  von  Grabfteinen,  den  einzigen  älteren  Denkftein 
der  Bukovina  bildet.'  Der  Notiz  ift  eine  Ueber- 
fetzung  der  Infchriften  beigefügt,  welche  aus  der 
Mitte    unferes    Jahrhunderts    ftammt,    wo 

'   Einen  weiteren  Bericht  fandte   1890  Confervator  //.  Klau/er  ein 


ein   großer 


Theil  der  letzteren  bereits  verwittert  war.  Da  mir  nun 
weitere  Daten  über  das  Denkmal  und  namentlich  eine 
vollftändigere  Ueberfetzung  der  Infchriften  bekannt 
geworden  find,  fo  dürfte  der  nachflehende  ausführliche 
Bericht  über  das  Denkmal  unter  Beigabe  einer  im 
heurigen  Jahre  von  mir  angefertigten  Zeichnung  des- 
felben  nicht  unwillkommen  fein  (Fig.  i). 

An  der  im  Süden  der  Bukovina  von  Suczawa  aus 
das    Moldawathai    aufwärts    verfolgenden  Karpathen- 


-      iiS 


ftraße,  welche  nach  Ueberfetzung  der  Paßhöhe  des 
Mefticanesti  (1099  M.)  das  Thal  der  goldener  Biflriz  er- 
reicht und  im  Thal  ihres  Nebenfiüßchens  Borna  die 
Verbindung  mit  Siebenbürgen  herftellt,  liegt,  etwa 
halbwegs,  die  Ortfchaft  Warna.  Unmittelbar  außer- 
halb derfelben,  40  Schritte  von  der  fpäterhin  Eifenau 
berijhrenden  Straße  entfernt,  befindet  Ikh  rechterhand 
auf  einem,  der  Hügelkette  vorgelagerten  circa  S  M. 
hohen  Plateau,  im  Weideland,  mit  der  heutigen  Vor- 
derfeite genau  nach  Oflen  gerichtet,  das  primitive 
Denkmal,  3  M.  hoch  über  die  Erde  ragend,  ein  70  Cm. 
im  Quadrat  meffender  Monolith  aus  weichem  grob- 
körnigen glimmerhältigen,  mit  Kiefelfteinchen  durch 
fetzten  Sandftein,  der  namenlich  an  der  Nordfeite 
bereits  ftark  verwittert  erfcheint.  Es  wird  von  einem 


welcher  eine  Fläche  von  8  M.  im  Quadrat  cinfchließt. 
Unmittelbar  an  denfclben  ftoßt  ein  mit  Flechtzaun  ein- 
gefriedetes kleines  Gärtclien  mit  verfchiedenen  Laub- 
und Nadelbäumen,  welches  von  der  Ortsgemeinde 
Warna  im  Jahre  1879  zur  Erinnerung  an  die  filberne 
Hochzeit  Seiner  Majeftät  des  Kaifers  angelegt  wurde. 
Im  Volksmunde  heißt  das  Denkmal  Stilpul  lui  Voda 
(Säule  des  Fürften). 

Die  ältefte,  alfo  jedenfalls  voUlTiändigfte  Copie  der 
Infchriften  des  Tartaren-Denkmals  befitzt  der  Corre- 
fpondent  der  k.  k.  Central-Commiffion,  k.  k.  Bezirks- 
richter Tlieodor  Stefanclli  in  Kimpolung,  welcher  fol- 
gende Worte  beigefügt  find:  „Copie  der  Infchiift, 
welche  die  Säule  des  Mihai  Voda  Racoviza  enthält, 
und  die   Säule   ifl  im  Dorfe  Vama    errichtet,    als   er 


Kig. 


wohl  aus  fpäterer  Zeit  ftammcnden  pyramidenförmigen 
Steinhute  überdeckt.  Die  Nordweftrecke  zeigt  in  etwa 
i.M.  Höhe  einen  bedeutenden  (in  der  Abbildung  er- 
fichtlichcn)  Ausbrucii,  der  dem  Stein  augenfchcinlich 
mit  eifernen  Werkzeugen  gewaltthätig  beigefügt  wurde. 
Die  im  übrigen  glatten  Seiten  find  mit  Infchriften  in 
kirchen-flavifchen,  erhaben  ausgemeißelten  Lettern  ver- 
fehen,  und  zwar  mit  je  15  bis  20  Zeilen,  wovon  heute, 
namentlich  die  unterflen  derfelben,  fall  vollfliindig 
abgewittert,  theilweife  auch  abgekratzt  find,  fo  dafs 
es  nicht  mehr  möglich  ifl,  einen  einigermaßen  brauch- 
baren Naturabtinick  von  den  Infchriften  abnehmen  zu 
können.  Rund  um  das  Denkmal  zieht  fich  eine  5'/.^  M. 
im  Geviert  mcffendc,  i'/^  M.  hohe,  '/j,  M.  flarkc,  mit 
Mörtel  beworfenc  Bruchfleinmauer,  weiche  laut  einer 
auf  der  Vorderfeitc  derfelben  angebrachten  gravirtcn 
Steininfchrift  (f  Abijildung)  von  l'anaite  Moldovanu  im 
Jahre  1851  errichtet  wurde.  Um  die  Mauer  herum 
befleiit  cndlicli    ein    über    nielcrliolier  Holzfcliraiikcn, 


(der  Fürfl)  mit  den  Tartaren  nach  Ungarn  ging  zur 
Zeit  feiner  dritten  Regierung  im  Jahre  1224  (1716). 
Ich  habe  die  Infchrift  abcopirt,  foweit  es  möglich 
war,  da  felir  viele  Zeilen  untl  Buchilaben  nicht 
mehr  entziffert  werden  konnten.  Im  Jahre  1802, 
24.  März.  Fotaki  Ciurea  "  —  Nach  der  mir  von  Herrn 
Sfffaiiel/i  giitigfl  mitgcthcillcn  Ueberfetzung  lauten  die 
Infchriften: 

(Sud feile) :  Mihai  Racoviza  Voevod,  von  Gottes 
Gnaden  Herrfcher  der  ganzen  Moldau. 

Im  Jahre  1224 '  zur  Zeit  Unferer  dritter  Regierung 
haben  wir  das  mächtige  Türkenreich  mit  einem  großen 
Heere  gegen  die  Deutfchen  aufgeboten;  und  beim 
Uebcrfchrciten  der  Gränze,  fowie  auf  dem  Marfche  ifl: 
feitens  der  Deutfchen  viel  geplündert  worden,  da  fie 
von  einigen  moldauifchen  Bojaren,  und  zwar  von  den 
angefehendflen  Bojaren  ins  Land  gebeten  und  gebracht 
worden  waren —  —  —  —  —  — — 

I  1716. 


—     119     — 


(Oßfeite):  Mit  einigen  Deutfchen,  Moldauern  und 
Walachen  und  Ungarn  und  Serben  zufammengewür- 
feltes  Volk-  und  fo  haben  fie  uns  unverfehens  in  Unferer 
Refidenzftadt  in  Jaffi  überfallen,  in  der  Abficht  Uns  den 
Thron  zu  rauben,  eben  alfo  wie  die  Soldaten  den  Voe- 
voden  Nicolai  Mavrocordat,  Hcrrfcher  der  Walachei  ge- 
fangen genommmen  und  ihn  und  den  Regierungsfitz 
von  Bucurefli  nach  Hermannftadt  gebracht  haben,  Wir 
aber  haben  fie  mit  Gottes  Hilfe  befiegt  und  getödtet, 
und  haben  aus  ihren  Leichnamen  einen  Haufen  ge- 
bildet, und  haben  ein  fchöncs  Kreuz  darauf  errichtet  und 
eine  Baluflrade  gemacht  neben  den  Haupturhebern, 
gegenüber  der  Feflung,  vvofelbft  der  Kampf  in  Jaffi ' 
Itattgefunden  — —  — 

(Nordfeitc):  Diefe  Säule  haben  Wir  errichtet,  als 
Wir  über  das  Gebirge  Mestecanifch  und  über  das 
Gebirge  Suhardul  gingen  und  in  Cofchna  herabfliegen 
und  fo  gelangten  Wir  in  das  Ungarland  in  ein  Dorf, 
das  Rogna^  heißt  und  gemeinfani  mit  dem  Khan  und 
mit  einer  großen  Menge  Tartaren  gingen  wir  weiter 
plündernd  und  fengend  bis  nach  Biflriz  und  um- 
zingelten die  Stadt  von  allen  Seiten  und  fie  ergab  fich, 
nur  die  Feftung  blieb;  Wir  bewilligten  aber  den  Tar- 
taren auf  ihrer  Rückreife  in  Ungarn  zu  plündern,  damit 
fie  zu  effen  haben,  und  fie  trennten  fich  von  uns  und 
kehrten  über  Marmarofch  zurück,  um  dort  zu  plündern 
und  in  die  Sclaverei  zu  fchleppen  aus  den  Dörfern,  was 
die  Ungarleute  gedenken  werden.  Wir  aber  kehrten  in 
Frieden  zurück,  nur  die  Tartaren  hatten  — — 

—  —  als  fie  waren (Weßfeite) :  Jordaki 

Kantakuzino,  Vel-komis  —  —  ^_  __  und  fehr  viel 
Scla\'en  find  gemacht  worden  im  Moldauerland  und  im 
Ungarland,  und  die  Urfache  deffen  waren  die  Generale 
aus  Siebenbürgen  Stephan  Steinville,  General  aus  Her- 
mannftadt und  Baron  Tedeteg,  General  aus  Kronfladt, 

—  Santamoi,  General  von  Biftriz,  welche  hiefür 

Rechenfchaft  ablegen  follen  vor  Gott  und  dem  jüngftcn 

Gericht,  weil  fie  aus  Habgier  — diefelben  wie 

Rauber  in  fremde  Lande  ihres  Vortheils  willen  fchickten 

—  —  — fo  viel  Sclaverei 

—  — in  Vama  — —  —  — 


'  In  Jaffi  befindet  fich  ebenfalls  ein  Denkflein  mit  Kreu/  und  Unifric 
diing  und  heißt  die  Czcrdack  des  Ferenz,  weil  diefer  ungarifche  Anführer 
dafelbft  getödtet  wurde. 

-  Rodna. 


Die  erfte  Mittheilung  über  das  Tartaren-Denkmal 
machte  Theophyl  Bendella,  Rector  des  bifchöflichen 
Seminars  in  Czernowitz  in  feiner  Brofchüre:  ^Die 
Bukowina  im  Königreiche  Galizien",  Wien  1845.  Kr 
bemerkt,  dafs  die  Infchriften  die  Gefchichte  des  vom 
Wojevoden  Miciiael  Rakavitz,  Fürficn  der  Moldau  mit 
den  Tartaren  im  Jahre  1716  errungenen  Sieges  geben 
und  fügt  die  Ueberfetzung  der  unvollftändigen  In- 
fchriften bei,  welche  UeberfetzungConservatoriy.  Gutter 
in  der  eingangs  erwähnten  Notitz  der  ..Mittheilungen" 
zur  weiteren  Kenntnis  brachte. 

Nach  einem  Briefe  des  Pfarrers  Emilian  Dan  in 
Wama  an  den  Corrcfpondenten  der  k.  k.  Central-Com- 
miffion Dionys  Olinski  Olinescu  (vom  19.  November  1885) 
foU  die  Steinfäule  durch  den  F"ürlT:en  mittelft  Auer- 
ochfen  aus  dem  Gebirge  von  Rusboului  (Rus  pe  beul) 
gebracht  worden  fein.  Olinski,  welcher  eine  weitere, 
vom  Pfarrer  Mironovici  Georgiu  in  Bahrinesci  aus  den 
fünfziger  Jahren  herrührende  Ueberfetzung  der  In- 
fchriften befitzt,  befpricht  in  feinem  Auffatze:  „Anti- 
quitäten der  Bukowina"'  („Vointa  Natiünalü'^  Bukareft, 
25.  und  30.  September  1886)  das  Denkmal,  welches 
mit  einem  zweiten  in  Jaffy  unter  dem  Namen  Cerdacul 
bei  Ferenz  bekannten,  ebenfalls  von  Michaiü  Raco- 
vita  errichteten  Steine  in  Beziehung  fleht.  Er  erwähnt 
dabei,  dafs  vor  etwa  15  (nun  20)  Jahren  deutfche  Colo- 
niften  (Zipfer)  den  Monolith  mit  Hacken  demolircn 
wollten,  in  der  Meinung,  dafs  das  Innere  hohl  fei  und 
Geld  enthalte. 

Nach  freundlicher  Mittheilung  D.  Olinski's  findet 
fich  ferner  eine  kurze  Befchreibung  des  Denkmals  in 
der  „Revifla  politica",  Nr.  11,  1887.  Es  wird  darin  der 
oben  in  Ueberfetzung  gebrachten  Copie  Erwähnung 
gethan,  welche  von  dem  Bojaren  Fotaki  Ciurca  aus 
Folticeni  im  Jahre  1802  gefchrieben  wurde  und  die 
Bemerkung  beigefügt,  dafs  nun  das  Denkmal  von  der 
Gemeinde  Wama  in  Folge  der  Anregung  und  unter 
Fürforge  des  Herrn  Vafile  Jonascü,  Gemeinde-Secre- 
tärs,  erhalten  werde,  früher  aber  einmal  durch  Panaite 
Moldovanü  reftaurirt  wurde.  Endlich  hat  Olinski 
eine  kurze  Gefchichte  über  das  Tartaren-Dcukmal 
in  Warna  und  die  Czerdak  des  Ferenz  in  Jaffy  ge- 
fchrieben. 

Romsdorfcr. 


Tyroler  Burgen. 

Von   Paul  C'emcn. 
II. 


Kn<z\\  Signiundski'on\\\xA  mit  den  romifchen  Be- 
fefligungen  in  Verbindung  gebracht.**'  Im  10.  Jahr- 
hundert befand  fich  auf  dem  Felfenkegel,  der  faft  un- 
vermittelt aus  dem  Etfchthale  auffteigt,  die  Grenzvefte 
des  italifchen  Herzogthums  Trient  gegen  die  bayrifche 
Graffchaft  Botzen.  Als  Berengar  von  Irren  durch  den 
Vinflgau  von  Schwaben  nach  Italien  eilt,  tritt  ihm  die 

■•'  Nach  Giovanclti  hier  d.  pons  Drusi,  erwähnt  i-n  Itinerarium  Antonii 
und  auf  der  Theudofianifchen   Tafel. 


Burg  Formigar  (Furmicaria,  Furmicarium,  Furmiano, 
Firmiano,  Formianum,  Formejanum)  entgegen,  die 
Manaffes,  der  Erzbifchof  von  Arles  und  Bifchof  von 
Trient,  durch  feinen  Cleriker  Adelhard  befetzt  hält.'* 
Sie  öffiiet  fich  ohne  Schwertfireich  und  Blutvergießen. 
Die    Bifchöfe    von  Trient    hatten   hier    ihren    eigenen 

■"  //.  Sccl,  Gefchiclile  der  gefürftetcn  llraffchafl  Tyrol  II,  S.  15;  i'.  Hör- 
iituyr,  Kritifcti-diplomat.  Beiträge  zur  Gefchichte  Tyrols  ini  Mittelalter,  im  hiflor. 
ftatifl.  .Archiv  fiir  Süddcutfchland  Frankfurt  1S07,  S.  232.  Vgl.  Lindpranä,  IV, 
c.  3  ;  V,  c.   12. 


I20       


Palaft,  den  fie  bewohnten,  fobald  fie  Ueberetfch  bc- 
fuchten.^Mm  Jahre  1400  verleiht  Bifchof  Georg  von 
Trient  dem  Berthold  von  Firmian  die  Vefte,  1473  geht 
fie  an  Herzog  Sigmund,'""  durch  den  fie  den  Namen 
Sigmundskron  erhält."'  Durch  Sigmund  wurde  nun  die 
Burg  mit  neuen  Werken  verfehen,  er  erweiterte  die 
äußere  Ringmauer,  die  einen  gedeckten  Gang  erhielt, 
mit  ftarken  dicken  Flankirungsthürmen  und  brachte 
innerhalb  der  Umwallung  vier  getrennte  Herren- 
Wohnungen  an,  die  fich  um  den  älteften  Theil  der  Vefte. 
den  in  der  Höhe  gelegenen  Thurm,  gruppiren.  Eine 
Aufzählung  der  baulichen  Erneuerungen  durch  Sig- 
mund gibt  Felix  Fabers  Evagatorium  von  1483.'"^  Die 


■m¥wh„  -^ 


-5' iÄt,       'r 


Fig.   5    (Sigmundskron.) 

Ringmauer  folgt  in  ihrer  Peripherie  genau  tlcn  Um- 
riffen  des  Felskegels.  Die  Rundthürme  find  fämmtlich 
erfl  nach  dem  Jahre  1473  entftanden,  fie  trugen  ehe- 
mals ein  flaches  Kegeldach  und  einzelne  Pechnafen. 
Nach  dem  Abhänge  zu  hängen  eine  Anzahl  vorge- 
kragte  l">ker,  die  als  Aborte  dienen.  An  den  Wart- 
thurm  der  Tricntiner  Hifchöfe  fchließt  fich  ein  fchmaler 
Palas  an,  der  mit  den  unteren  Baulichkeiten  durch  eine 

™  Im  J.-ihre  1163  licilil  die  Volle  castrum  l'orniigur  (Codix  IVangiuuiis, 
Nr.  10),  glckhbedculcnd  mit  Furmianum  (Baldninus  heißt  Urk,  60  de  Kormi- 
garq,   IJrlc.  70  de   Kurmiano)  Kurmianum  Urk.  24,   Forniciamim   Urk.  28. 

I"  IJer  Bifchof  Johann  von  Tiieiit  belehnt  den  Heinrich  Anich,  lierzogl. 
Oberllamlmann,  Peter  v.  Spaier,  Richter  und  Amtmann  zu  Curtatfch,  und  Citri 
ftoph  Hafsler,  Kanzclfcbrciber,  mit  dem  K.inzcn  l.ehen  (cinfchlielSlich  «urgbühcl, 
linrgllali  und  Zoll  an  der  Brücke)  und  bewilligt,  es  follc  n.icli  dem  Wunfche 
dci  Herzogs  Sigmundskron  heißen.  Mon.   Ilabsburg  11,  Urk.  28. 

'"'  Aehnlicb  die  Bildungen  Sigmundsried,  —  lull.  —  freud,  --  bürg,  — eck, 

fricd.  Vgl.   ausführlich    über    die    (jefchichte  der   Vefte   Just.  Ladurner,  die 

Vcftc  Sigmundskron  im  Arthiv  lür  Tyrol.  fjefch.  und  Kunft  III,  S.  242.  Ucber 
dem  Haupthorc  findet  fich  das  Wappen  des  Herzogs  mit  der  Infchrift:  Sigis- 
mundus  arcbidux  Avstriae  anno  MCCCCLXXIll.  Im  Jahre  1806  ging  die  liurg 
in  den  liefitz  der  Herren  von  Wcnz  über,  dann  folgte  die  l'.imilic  Parnlhein. 
Zur  Zeit  in  den  Händen  des  Mililar  Acrars.  Vgl.  Siineoncr  in  den  Mitth.   N.  1'. 

XIV,  S.  52. 

iu3  Felix  /'alter,  Kvagalorium  1483;  Oben  am  linde  mäßiger  Anhöhen 
liegt  ein  Schloß,  l-'irmianum  geheißen,  von  weh  liem  jene  adelichcn  Herren  ent- 
f|<rungen,  welche  Herrn  von  Firini.tn  heißen.  Dies  Schloß  bcfet/t  nun  Sigmund, 
Herzog  von  Oeftcrreich,  der  es  von  neuem  erbaut  und  erweitert,  indem  er  es 
mit  fchr  dicken  Mauern,  auch  hohen  und  großen  'i'hiirincn  umgibt.  Die  l>icke 
fler  Mauer  betragt  90  Schuh  und  in  den  vier  Kcken  erheben  fich  eben  fo  viele 
Wobngcbiiude  fcfl  und  weitläufig  gebaut,  durch  Zwifchenthürme  und  Maliern 
von  einander  getrennt.  Jede  Wohnung  bat  ihren  eigenen  Zugang  und  ihre  eige- 
nen Stallungen  für  Pferde,  fo  dafs  vier  Kurilen  in  dem  SchlolTc  fidler  weilen 
können. 


Mauer  verbunden  ilt.  Diefe  Mauer  ift  der  Reit  des  zer- 
Hörten  Verbindungsganges  zwifchen  dem  oberen  und 
dem  unteren  Schlöffe.  Der  höchfte  Thurm  dient  jetzt 
als  Pulvermagazin  desArtilleriepoften  Commandos  von 
Bozen.  Auf  der  Zeichnung  im  Brandis'fchen  Codex 
(Nr.  104)  erfcheint  neben  dem  Pulverthurm  eine  Reihe 
niederer  Gebäude,  zur  Linken  eine  der  beiden  Schloß- 
capellen.  Die  erfle  dem  heil.  Stephan,  darnach  dem 
heil.  Ulrich,  die  zweite  dem  heil.  Blafius  geweiht.'"'''  Die 
im  oberen  Schloß  gelegene  Capelle  bewahrt  noch  die 
romanifche  Apfis,  während  das  Langhaus  einer  gothi- 
fchen  Erneuerung  entflammt  (Fig.  5). 

Hock-Naturiis  bei  dem  Dorf  Naturns  entftand  in 
feinen  Grundlinien  gleichfalls  im  1 1.  Jahrhundert.  Das 
Gefchlecht  der  Herren  von  Naturns  war  bereits  1380 
erlofchen,  die  Vefte  kam  an  die  Starkenberger,  wurde 
1422  von  Herzog  Friedrich  eingenommen,  kam  dar- 
nach an  die  von  Maretfch,  1545  an  die  von  Tfchötfch, 
1836  ward  fie  vom  Ritter  P"ranz  von  Goldegg  zu  Part- 
fchins  wieder  in  Stand  gefetzt.'"*  Von  befonderem  Inter- 
c\{<t  ift  hier  die  Stellung  des  Bergfrits  mitten  zwifchen 
den  Wohngebäuden,  die  fich  auf  der  einen  Seite  an  ihn 
anlehnen  und  ihn  zumTheil  verdecken.  DerThurm  zeigt 
ftarke  Eckverklammerung  durch  langliegende  forgfam 
behauene  Quadern  mit  hervortretenden  Boffen,  nach 
innen  find  die  Quadern  fafl  unbehauen  und  nur  in  ftarker 
Mörtelbettung  nach  der  heften  Lagerung  aufeinander- 
gefetzt.  Auf  3  Seiten  lauft  um  den  Thurm  in  halber 
Höhe  eine  hölzerne  Galerie  mit  Holzdach,  aber  ohne 
Sti.itzen.  Die  gleiche  auffällige  Boffirung  zeigt  fich  auch 
an  der  Thalfeite  des  Flauptbaues,  vor  den  ein  halb- 
runder Thurm  tritt,  der  oben  eine  offene  Galerie,  mit 
Halbkegeldach  und  wechfelnden  Stein-  und  Holz- 
rtiitzen  trägt,  ebenfo  an  dem  ftarken  Buckelthor. 

D\cEhrcnl)iirg  (Airnburg)  beiBruneck,  dasStanim- 
fchloß  der  Grafen  von  Künigl,  regelmäßig  im  Viereck 
gebaut,  mit  zierlichen  Galerien  innen,  gehört  gleich- 
falls hierher  —  fchon  im  11.  Jahrhundert  hat  Rudolph  L 
Chunig  von  Airnburg  das  alte  Schloß  auf  dem  Hügel 
und  eine  Behaiifung  im  Dorfe  drunten  im  Befitz,'"''  — 
ebenfo  die  Lambrcchtsbuyg  bei  Walchhorn  im  Pufter- 
thale,  ein  umfangreicher  Bau  mit  viereckigem  maffiven 
Burgfrit,  den  fchon  1100  Tagini  von  Rifchon  mit  der 
Capelle  dem  Hochitifte  Brixen  fchenkt.'"''  Der  bedeu- 
tendfle  Bau  Oft  Tyrols  diefer  Periode  ift  aber  die  Vefte 
Tau  fers,  3  Stunden  von  Bruncck,  am  linken  Ufer  der 
Ache  gelegen,  den  fchmalen  Eingang  und  die  Klaufe 
geeen  das  Ahrnthiil  vollkommen  beherrfchend.  Zwei 
Bauperioden  find  zu  untcrfchcidcn,  die  eine  in  den 
erften  Jahrzehnten  des  12.  Jahrlumdcrts  —  1130  er- 
fcheint zuerft  Hugo  von  Tuvers  —  und  die  andere 
nach  dem  Ausfterben  der  Edlen  von  Taufers  im  Jahre 
1337  am  Ende  des  15.  Jahrhunderts  —  1481  ward  das 
Schloß  völlig  umgebaut.'"'  Die  Burg  nimmt  den  ganzen 

I«  Abbildung  bei  J.  11.  l'/allcr,  Bozen  und  firies  S.  i.  I.iiihvii;  und  Georg 
Lange,  Die  hillorifch  incikwürdiKftcu  Städte  in  Dculfclilaud,  Darmlladt  1843,  IV. 

1"*  7.  J.  Sla/fler,  l'yrol  und  Vorarlberg  II,  S.  (•174-  l'-gKcr,  Gefch.  von 
'lyrol  I.  S.  50J,  504.  Im  J.ilire  1508  wird  ilie  Si  hweftcr  des  llicronymus 
Marclfcher  mit  ilcin  SchlolS  bciclmt  Arcliivbericluc  von  'rynil  S.  444,  Nr.  2572). 
1545  ift  Abuiidiu»  von  Tfcholfdi   im   ISefilz  (Arthivbcrichle   S.  44S,   Nr.  =S75> 

'»'  Urkunde  im  SchlolSarcbiv  zu   Khrcnburg. 

"'•  y.  7,  Sla/Jler,  a.  a.  Ü.,  II,  11,  S.  198.  Ucber  die  fpiilcrcn  Schickfalc. 
Siiinac/iQr,  Beilrage  IV,  S.  151. 

""  J.  7.  Slaf/hr,  a.  a.  ().  II,  II,  S.  248,  1225  tragt  Hugo  von  laufers 
feine  Schlofier  Täufer«  und  Volenlicini  dini  Bifchof  und  der  Kinbe  von  lirixen 
auf.  V.  Ilarnmyr.  (Icfcbichte  der  gufiirll.  (iraffchaft  Tyrol  I,  II.  Urkundcnbucb 
S.  272.  Vgl.  auch  Sinnacller,  Beiliiige  IV,  S.  195;  Tiiikhau/er,  in  den  Mllth. 
d.  Cenlr.Comm.  I,  S.  203.  Vgl.  ausfiihrlirh  Just.  Lailurner,  Urkundl.  (iefcb. 
der  Edlen  von    lauvers    in    der   Zeilfclirifl    des  KcrdiiMiidcuins   111,    S.   12,  XII, 


—        121 


länglichen  Kegel  ein,  an  deflen  einer  Längsfeite  der 
J-^urgweg  hinaufführt.  Aehnlich  wie  in  Lanaburg  ifl  der 
Burgweg  nocli  innerhalb  des  Hofes  weitergeführt  und 
durch  eine  Seitenmauer  mit  dahinter  liegender  Auf- 
fchüttung  aufs  Neue  gefchützt.  Zur  Rechten  des  Ein- 
gangs erhebt  fich  an  der  nordöftlichen  Kcke  der  vier- 
eckige Bergfrit,  der  den  ganzen  Burgweg  beherrfcht, 
neben  ihm  liegt,  nach  OSO  orientirt,  die  Burgcapelle, 
deren  Chornifche  nach  dem  Burgweg  zu  vorfpringt. 
Zur  Linken  des  Einganges  liegen  die  Wirthfchaftsge- 
bäude,  die  den  Hof  auf  3  Seiten  umziehen,  dem  Flin- 
gang  gerade  gegenüber  der  rechtwinklige  vierftöckige 
Palas,  der  übereinander  vier  große,  aber  niedrige 
durchgehende  Säle  enthält,  die  unterften  drei  mit 
Säulenftellungen,  nur  der  oberfte  mit  einer  flachen 
Holzdecke.  Den  Eingang  zum  zweiten  Stockwerke 
vermittelt  eine  an  der  äußeren  Mauerfläche  hinge- 
führte Holztreppe.  Die  Säle  erhalten  vom  Hofe  aus 
ihr  Licht  durch  große,  faft  quadratifche  Fenfter  mit 
Steinkreuzen,  auf  der  nordweftlichen,  der  Angriffsfeite, 
zeigt  die  dicke  Mauer  nur  im  oberflen  vierten  Stock 
Fenfleröffnungen. 

Das  Schloß  Maultafch,  oberhalb  von  Terlan  be- 
ft:eht  nur  noch  aus  einem  hohen  viereckigen  Bergfrit, 
der  urfprunglich  mit  einer  tiefen,  faft  an  der  Straße 
gelegenen  Vorburg  durch  Parallel-Mauern  in  Verbin 
düng  ftand.  Das  Schloß  hieß  ehemals  Vefte  Neuhaus. '"^ 
Graf  Heinrich  von  Tyrol  bittet  noch  1184  den  Bifchof 
Albert  von  Trient  vergeblich  um  die  Erlaubnis,  auf 
einem  Hügel  über  Seif  ein  Schloß  erbauen  zu  dürfen,'"^ 
aber  fchon  1206  fleht  die  Burg.  In  der  Belehnungs-Ur- 
kunde  des  Herzogs  Heinrich  für  Chriftian  von  Serntein 
heißt  fie  1320:  „Burg  ob  der  Claufe."  •'" 

Der  Grcifenßein,  das  Saufchloß,  wie  es  im  Volke 
heißt,  beherrfcht  von  feiner  unzugänglichen  Felsnadel 
über  Terlan  und  Jenefin  aus  das  ganze  Thal  und  die 
Heerftraße.  Die  Veite  liegt  gänzlich  in  Trümmern,  nur 
der  äußerfte  Mauerkranz  zieht  fich  noch  um  den  Berg- 
kegel herum.  Sie  erfcheint  gleichzeitig  mit  Hoheneppan 
in  der  Gefchichte,  loSo  wählen  Heinrich  und  Arnold 
von  Piano  die  Burg  zum  Sitze.'"  Die  Burg  wurde  zum 

S.  5  und  A.  yHger,  Gefch.  der  landesftändifchen  VerfaiTung  in  Tyroi  I,  S.  177. 
Aquarelle  von  R.  Alt  in  der  Sammlung  der  Akademie  der  bildenden  Künfte 
in  Wien  (Nr.  2249).  Die  Abhandl.  bei  i1/.  Merian,  Topographia  provinciarum 
Austriacarum  p.  80  zeigt  Bergfried  und  Palas  in  der  ganzen  Höhe.  Nach  dem 
Au&fterben  der  Dynaften  eine  landesfiirftliche  Burg,  im  Jahre  1456  von 
Herzog  Sigmund  an  Cardinal  Cufanus  verkauft  (.-I.  Jäger,  I^andesftänd.  Ver- 
faffung  U,  S.    148). 

'"^  Die  faUche  Anficht,  dafs  Neuhaus  und  Maultafch  (Eigenthum  der 
Erbgräfin  und  Landesfiirftln  Margarethe  Maultafche)  zwei  getrennte  Burgen 
gewefen,  noch  bei  allen  früheren  Tyroler  Topographen.  Vgl.  Beda  ii-'cber, 
Land  Tyrol  11,  S.  266;  Staffier,  a.  a.  O.  H,  S.  928.  Der  Identitats-Nachweis  ge- 
führt von  Just.  Ladurner,  Schloß  Maultafch-Neuhaus  im  Archiv  für  Tyrol. 
Gefchichte  \\,  S.  41.  Vgl.  auch  Kögt,  Gefch.  des  erlofchenen  Edelgefchlechtes 
Tyrols  in  der  Neuen  Zeilfchrift  des  Ferdinandeums  Bd.  XI. 

'"^  Cod.  iWingianus  ed.  Kink,  Nr.  19,  p.  54.  Dies  Selfi  ift  nicht  der 
Berg  Selfi  bei  Gurlan,  wie  hurig,  Beitr.  zur  Gefch.  Tyrols  in  der  Zeit  Bifchof 
Egenos  S.  12  annimmt,  auch  nicht  Soll  bei  Tramin,  wohl  aber  hieß  die  Gegend 
bei  Terlan  früher  Sels. 

"''  Just.  Ladurner  a.  a.  O.  S.  49;  Unfer  Purch  ze  dem  Newenhaufe.  die 
gelegen  ift  ob  der  Claufen  dafelben,  die  ennenther  wohl  vierzich  Jar  öd  und 
unerpaun  ift  gelegen,  die  er  uns  und  unfern  Erben  ze  eren  und  ze  nuzn  von 
fein  felbs  fchen  wider  erpaun  hat,  behaufet  haben.  In  Marx  Sittich's  von  Wol- 
kenfteins  Handfchrifll.  Chronik  heißt  es:  „Von  difer  Revir  herumb  gegen  den 
Perg,  da  liegt  der  Schön  Hoff  Keller  am  Marftall,  fo  der  Herrfchaft  gehört. 
Davon  herum  gegen  der  KhlaulTen  da  ligt  im  Mofs  das  alt  zerfallen  gebev  ein 
Palaft  gleichfehent,  dafs  holt  Frau  Margret  Maultafch  zungenandt,  fo  Herzogin 
in  Kärnten  und  Tyrol,  erbauet  und  bewant  haben  im  windter  ires  Ungefund- 
heit  halber  darob  hier  chradt  hinauf  ligt  das  Schloß  Nenbaufs,  daraufF  die 
Herrn  von  Niederthor  gehaufst  diefes  Schloß  ift  noch  ziemblich  in  wirden,  dafs 
es  ein  baumann  bewonen  kann;  darumb  her  hat  es  bey  50  Oelpaum.**  Marx 
Sittich  macht  hier  gleichfalls  auf  Oberburg  und  Niederburg  zwei  verfchiedene 
Anlagen. 

'"  KSgl,  Fünf  genealog.  Tafeln  d.  Tyroler  Adelsgefchlechter  im  Archiv 
für  niederöfterreich.  Gefcbichtsquellen  V,  S.  383.  Jo/eph.  v.  Hormayr,  Gefam- 
melte  Werke  II,  S.  15.  Die  großen  Gefchlechter  des  Tyroler  Hochgebirgs.  Der 
letzte  Graf  von  Greifenftein,  Egeno,  Bifchof  von  Trient,  ftarb  1273  am  25.  Mai 
im  Klofter  ad  carceres  zu  Padua  in  der  Verbannung.  Im  Jahre  1163  der  i.  comes 

XIX  N.  F. 


erften  Male  in  dem  Kriege  zwifchen  Graf  Meinhard  IL 
von  Görz  und  Tyrol  und  Bifchof  Heinrich  II.  von 
Trient  zerflort,  zum  zweiten  Mal  im  Jahre  1426  durch 
Herzog  Friedrich.  Die  noch  erhaltenen  Ringmauern 
flammen  von  dem  Neubau  im  Jahre  1334."^ 

Auch  die  Entflchung  von  Schloß  Ainras  fällt  in 
das  Ende  des  11.  Jahrhunderts.  -Es  fland  auf  dem 
Schloßberge  die  Burg  des  Grafen  Andechs,  die  bei 
der  Spaltung  des  Stammes  an  die  Andechs-VVolfarts- 
haufen  kam.  Aber  diefe  Vefte  ging  fchon  1136  in  der 
Fehde  Ottos  III.  mit  Heinrich  dem  Stolzen  zu  Grunde."-' 
Der  Neubau  ward  fofort  in  Angriff  genommen,  fchon 
1145  befland  die  Schloßcapelle  wieder.  Das  Schloß 
wechfelte  wiederholt  den  Befitzer  und  befand  fich  im 
15.  Jahrhundert  in  den  Händen  des  Gefchlechtes  der 
Schurff,  aus  deren  Befitz  es  1563  an  den  Kaifer  Ferdi- 
nand überging.  Das  .Schurffifche  Schloß  ifl  das  jetzige 
Hochfchloß,  doch  mangelte  der  dritte  Stock,  deffen 
Erbauungs-Periode  die  Zahl  1566  an  mehreren  Thüren 
angibt  und  die  innere  Einrichtung.  Von  der  alten  Ein- 
richtung des  Hochfchloffes  zeigt  aber  heute  noch  die 
große  Küche  im  Erdgefchoffe  mit  den  mächtigen  Pfei- 
lern. Die  Burg,  die  nach  dem  von  den  Georg  Schurff- 
fchen  Erben  1564  ausgeflellten  Inventar  eine  fehr  unbe- 
deutende künftlerifche  Ausflattung  befaß,"'"  wurde 
durch   Erzherzog  Ferdinand  ausgebaut."* 

Aehnlichen  Verhältniffen  unterliegt  die  Bauge- 
fchichte  des  Schloffes  Tratzberg,  zu  Beginn  des 
12.  Jahrhunderts  vom  jüngeren  Sohne  des  Haufes 
Rottenburg  erbaut."'' 

de  Grifstaine  erwähnt  (Cod.  Wangian.  Nr.  lo),  1181  wird  das  Schloß  von  den 
Grafen  Friedrich  und  Heinrich  von  Eppan  dem  Bifchof  Salomon  von  Trient 
übergeben  {Cod.  Wangian,  Nr.  14:  Bonclli,  Notizie  istorico-critiche  della  chiesa 
di  Trento  II.  p.  468).  1191  auf  der  Burg  die  i.  Urkunde  ausgeftellt  {v.  Hor- 
mayr, Gefchichte  der  Graffchaft  Tyrol  I.  II.  Urkundenbuch  S.  153);  1230  wird 
die  S.  Cosmas-Capelle  unterhalb  Greifenftein  erwähnt  {Cod.  IVang.  Nr.  157; 
Bonelli,  III,  p.  57).  1257  als  feudum  castrum  de  Griffenftein  angeführt 
(7/.  Hormayr,  ebenda  I,  II.  S.  365).  Im  Jahre  1283  war  Conrad  von  Greiffenftein 
de  iusticia  burgi  Bozani  integrali  belehnt  v.  Hormayr,  I,  II.  S.  33);  Gengier, 
Cod.  iur.  municipalis  Germaniae  I,  p.  264.  In  dem  Spruchbriefe  Königs  Rudolph 
zu  Wien  vom  3.  November  1277  war  beftimmt,  das  Schloß  nicht  wieder  aufzu- 
bauen und  die  indelTen  aufgeführten  Mauerwerke  niederzureißen.  Im  Jahre  1350 
wird  das  Schloß  wieder  zerftört  und  1361  zum  dritten  Mal  von  Friedrich  von 
Greifenftein  aufgebaut  {Egger,   Gefchichte  Tyrols  I,  S.  400). 

""  Vgl.  Ja/.  Rdggel,  Das  Schloß  Greifenftein  und  delTen  Befitzer,  in  den 
Beiträgen  zur  Gefchichte,  Statiftik  und  Kunft  von  Tyrol  IV,  S.  169,  247.  Origi- 
nal-Urkunde im  Innsbruclcer  .\rchiv:  ,.denfelben  Paw  und  Vefte,  die  fie  darauf 
pawen".  1426  erfolgt  die  Uebergabe  der  Vefte  durch  Kafpar  Auer  und  die 
Starhemberger  Kriegsknechte  an  Herzog  Friedrich.  Ueber  die  erfte  Belagerung 
im  Jahre  1418  vgl.  .-).  Noggler,  Die  Starbembergifche  Streitfchrift  gegen  Herzog 
Friedrich  von  Oefterreich  in  der  Zeitfchrift  des  Ferdinandeums  3.  Folge  XXV U, 
S.  71.  Eine  gleichnamige  Vefte  in  Ruinen  bei  Villifur  am  Ausgange  des  Darofer 
Thaies  (TV:,  -j.  Mohr,  Cod.  dipl.  III.  Nr.  86,  87.  Vgl.  Ülr.  Campells  zwei  Bücher 
räthifcher  Gefchichte,  herausgegeben  von    Tk.  v.  Mohr,  Chur  184g,  I,  S.  46). 

">  Edm.  V.  Oe/ele,  Gefchichte  der  Grafen  von  .andechs,  S.  iio;  A.  Jäger 
Landesftändifche  Verfafi^ung  Tyrols  I.  S.  79;  Egger,  Gefchichte  Tyrols  I, 
S.   195,"  V.  Hortnayr  im  Tyroler  Almanacb  vom  Jahre   1804. 

'"«  J.  Hirn,  Ein  Ambrafer  Inventar  vom  Jahre  15Ö4  in  der  Zeitfchrift 
des  Ferdinandeums  XXXI.  S-  J57.  Es  nennt  auPer  der  Capelle  nur  die  Bad- 
ftube,  das  kleine  Stübl,  den  hinteren  Söller,  die  Stube  mit  dem  fteinernen  Pfeiler 
und  mehrere  andi-re  Kammern,  weiterhin  die  Pfaflenkammer,  die  Harnifch- 
kammer,  die  Spießkammer,  das  Schreibftübl,  den  kleinen  Saal,  Kaifer  Maxi- 
milians Kammer. 

"*  Erzherzog  Friedrich  erbaute  für  das  fürftliche  Hofleben  den  originellen 
fpanifchen  Saal  und  die  gegenüberliegende  Pagenwohnung,  für  die  Sammlungen, 
Rüftungeji,  die  Kunftkammer  drei  lange  einftockige  Tradle  mit  hohen  Bogen- 
fenftern,  die  den  großen  unteren  Schloßhof  nach  Weften  abfchließen.  Der  Bau 
1589  vollendet.  Seit  1879  unter  A.  llg  und  W.  Bocheim  reftaurirt.  Vgl.  .-J.  Ilg, 
Schloß  .Ambras  in  Tyrol  im  Repertor.  für  KunftwilTenfchaft  V,  S.  68.  Der  Zurtand 
des  reftaurirten  SchlolTes  ift  ausführlich  angegeben  in  der  Reifebefchreibunj^ 
des  Stephanus  Vinandus  Pighius  vom  Jahre  1574.  Eine  genaue  Befchreibung 
auch  bei  M.  Merian,  Topographia  provinciarum  .Austriacarum  p.  83  von  .\bb. 
Braun  und  Hogenberg,  Befchreibung  und  Contrafa<5tur  der  vornembften  Sluk 
der  Welt,  1574.  geben  II,  pl.  42  eine  .anficht  des  alten  Hochfchloffes,  zwei- 
ftöckig,  mit  abyewalmten  Satteldach,  die  Umfangsmauer  mit  viereckigen  Halb- 
thürmen.  den  Mittelbau  eng  einfchließend  und  V,  pl.  58  eine  .\nficht  des  Neu- 
baues  mit  dem  dreiftöckigen.  mit  kleinen  Ecktliürnichen  und  Vorkragungen 
verfehenen  Palas.  Der  Stich  bei  Franciscus  Nigrinus,  T:ifel  zu  p.  514  zeigt  das 
Hochfchloß  mit  feinen  Gartenanlagcn.  Ebendafelbft  ausführlich  über  den  Inhalt 
dir  Kunftkammer.  Vgl.  U'endelin  Bocheim,  Schloß  Ambras  zur  Zeit  der  Lehcns- 
ablöfung  desfelben  durch  Kaifer  Ferdinand  I,  1564  in  den  Mitth.  der  Centr.- 
Comm.  N.  F.  VII,  S.  XXX.  Vgl.  Schloß  Ambras  in  Tyrol  im  Correfpondent  von 
und  für  Deutfchland  1867,  S.  37  (deutfche  Berge  und  Burgen  XI);  imilluftrirt. 
Buch  der  Welt  1867,  Nr.  6,  S.  190;  in  der  Biene  1S68,  Nr.  15.  u.  f.  w. 

■'*  Vgl.  A.  Procop,  Schloß  Tratzberg  in  Tyrol.  Beilage  zu  Nr.  11  der 
Mitth.  des  Mährifchen  Gewerbe-Mufeums,  1890. 

16 


—       122       — 


Die  Burganlage  von  Tfchengls  am  rechten  Ufer 
der  Etfch  entftand  Ende  des  12.  Jahrhunderts,  eine 
Anlage  ganz  entfprechend  dem  fpäter  zu  nennenden 
Fragenftein  mit  der  Hinterburg,  einem  hochgelegenen 
Wartthurm  mit  angelehntem  Bauernhaus,  und  der 
Tfchenglsburg,  über  dem  Dorfe  in  gefchützter  Stellung- 
gelegen. "" 

Auf  dem  länglichen  Felfenhügel  von  Matfcli,  nord- 
öfllich  von  Schluderns,  erheben  fich  die  dürftigen 
Ruinen  der  Burgen  derVefte  von  Matfch,  an  der  Vor- 
derfeite des  Hügels  Untermatfch,  darüber  Obermatfch, 
auf  der  hinteren  freien  Spitze,  mit  Ausblick  nach 
Fichtenberg.  Von  dem  letzteren  ift  fall  nichts  als  die 
Schloß-Capelle  erhalten,  jetzt  in  ein  Kirchlein  des  heil. 
Martin  umgewandelt.  Im  Jahre  1159  bereits  erfcheint 
ein  Ulrich  I.  von  Matfch,"^  1160  in  einer  Urkunde 
Ulrichs  vonTarasp  ein  Friedrich  von  Maza  als  Zeuge,"* 
1192  übernimmt  Egeno  von  Matfch  die  Schirmvogtei 
des  Klofters  Marienberg,"*  im  Jahre  1212  endlich  wird 
der  erfte  Graf  von  Matfch  genannt.'-"  War  Obermatfch 


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Fig    6.  (Boymunt.) 

die  Stammburg,  fo  entftand  Untermatfch  erll  bei  der 
Theilung  der  Linien  zu  Beginn  des  13.  Jahrhunderts, 
doch  bertand  es  bereits  im  Jahre  1243.'-'  Neben  den 
Grafen  von  Tarasp,'^^  einem  bundnerifchenGefchlecht, 

"•  Zum  erllenmal  119a  in  einer  Urkunde  des  Egno  von  Matfch  ein 
Helico  de  Scenglis  als  Zeuge  ani^efiihrt.  Vgl.  die  erlofchenen  Tyrolcr  Edel- 
gcfchlcchter  in  der  Neuen  Zcitfchrift  des  Kerdinaiideums  XI,  S.  119.  In  einer 
1226  am  16.  Januar  in  Trient  ausgcftellten  Urkunde  (Vergleich  /wifchen  Chur 
und  Trient  über  St.  Johann  in  Tyrol)  erfcheint  als  Zeuge  Ezillo  de  Zingler 
(Annal.  Curiens.  Ms.  A.   139. 

'"  Kogl,  Fünf  gencalog.  Tafeln  nach  Tyroler  Adelsgefchlechtcrn,  im 
Archiv  für  Kunden  öfterr.  Gefchichtsquellcn  V,  S.  383.  In  der  Genealogie  bei 
Bucclin  Rhaetia  Kthrusca  Sacra  et  prophana.  Augsburg  1666,  Die  im  Jahre  1243 
zum  erllenmal  genannten  Herren  de  Vcnusta  (7/.  Mohf,  Cod.  dipl.  I.  Nr.  2iy) 
find  nach  J.  V.  v.  Satit-Seewis,  hintcrlafTencn  Schriften  II,  S.  7,  50  identifch 
mit  den  Herren  von  .Matfch  III,  S.  54  viele  Verwechslungen. 

"'  Conraiiin  v.  Mohr,  Cod.  diplom.  Rhaeliac  1.  Urk.  136.  Die  Anficht 
von  fteda  ll'eber,  Das  Land  Tyrol  111,  S.  200,  die  Matfcher  Vögte  feien  Nach- 
kommen der  karolingifchcn  Gaugrafen.  ift  irrig. 

"•  V.  Mohr,  Cod.  diplom.  I.   Urk.  328.   Eichhorn,  60. 

'='  Arno/'f,  Bifchof  v.  Chur  und  Graf  v.  Matfch  begleitet  Kijnig  Friedrich 
von  Sicilien  auf  dcffcn   Reife  nach   Deutfchland.  Annal.   Curiens.  Ms.  A.  27. 

'-'  Vgl.  Just.  Lattitrner,  Die  Vögte  von  Matfch  I,  in  der  Zcitfclir.  des 
Kerdinandcums,  3.  Folge,  XVI.  Vgl.  die  Urkunde  bei  All't-rt  ytif^cr,  Archiv  für 
Kunde  ofterr.  <jefchichts()ucllen  XV,  S.  344;  Annal.  Curiens.  Ms.  37,  XVll 
und  XVIII;  A.  Jäger,  Landftändifche  Verfairung  I,  S.   166. 

**^  Vgl,  A.  Jager,  Uebcr  die  (Irafcn  von  'l'araspo  in  den  Beitragen  zur 
Gefchichte,  Statiftik  und  Kunft  von  Tyrol  V,  S.  27t.  Bereit»  zwifchen  1070  uiul 
1080  ein  castrum  de  Tr.ispes  /wifchen  I'ont.dt  und  Martinthruck  erwiihnt.  Vgl. 
Goxwiil,  Chronik  von  Marienberg  ed.  Bafdiuft  Schwitzer  S.  49,  115,  133,  141. 
Im  Jahre  1150  fclienkt  Ulrich  H.  von  Tarasp  dem  IJifchof  Adalgot  von  Chur 
da»  Schloß  (/'//.  T'.  Mohr,  Cod.  dipl.  Nr.  136).  Im  Jahre  1239  verkauft  .Sw-ickhcr 
Reichenberg  dem  Grafen  Albert  xon  Tyrol  das  Schloß  {v.  Ilormayr,  Heitrage  I,  11, 
Nr.  98.  Gefchichte  der  Graffchaft  Tyrol  I,  2.  S.  335).  Vgl.  Couratiin  v.  Moor, 
Tara»p  im  Anzi'igcr  für  Kunde  der  flcutfchen  Vorzeit  1861,  S.  I.  41,  73,  i«»5, 
145,  Vgl.  Ulrich  CatnpclU  zwei  Bücher  raetifcher  Gefchichte,  hcrau»gegeben 
von   Th.  V.  Mohr,  Chur  1849,!,  S.   102. 


find  die  Vögte  von  Matfch  die  begütertflen  Herren 
und  Burgenbefitzer  im  weftlichen  Vinftgau:  in  einem 
Revers  des  Vogtes  Ulrich  von  Matfch  von  1363  wurden 
in  feinem  Befitz  die  Veften  Matfch,  Churburg,  Trasp, 
Härtenberg,  Efchenloh,  Naudersberg  genannt. '-•' 

In  den  erften  Jahrzehnten  des  13.  Jahrhunderts 
entftand  füdöftlich  von  Hoheneppan  am  Fuße  des 
Gantkofel  hoch  über  Ueberetfch  eine  der  großartigften 
Burganlagen  Südtyrols,  Boyvmnt.  Ein  ganz  anderes 
Schema  herrfchte  hier  vor,  begründet  durch  andere 
materielle  Mittel  und  Bedürfnifle.  Die  Grundfätze  des 
Befeftigungsbaues  find  bei  Seite  gefchoben,  dafür  rein 
architektonifche  Principien  befolgt;  es  galt  hier  kein 
Vorwerk,  fondern  einen  Herrenfitz  mit  mächtigem 
Palas  zu  fchaffen.  Dies  der  leitende  Gedanke.  Die 
Burg  fleht  einzig  da  in  ilirer  Regelmäßigkeit,  fie  ward 
als  Ganzes  erfonncn  und  ausgeführt,  und  von  fpäteren 
Umbauten  und  Reftaurationen  verfchont.  Die  ältere 
Burg  Dietmars  von  Boymunt,  der  fchon  1200  genannt 
wird,  war  bereits  1228  verfallen;  in  diefem  Jahr  wird 
Reimprecht  von  Boymunt  vom  Grafen  Albrecht  von 
Tyrol  aufgefordert,  feine  Burg,  die  fall  ganz  zerftört, 
wiederherzuflellen;  der  Neubau  ward  wohl  fofort  in 
Angriff  genommen.'^*  Jetzt  gehört  die  Ruine  dem  Gra- 
fen von  Wolkenftein-Troftburg.  Die  Burganlage  (Fig.  6) 
bildet  ein  regelmäßiges  Rechteck  von  49  M.  und  26  M. 
Seitenlange.  Die  Hauptgebäude  lehnen  fich  direfl  an 
die  ftarke  Umfaflungsmauer  an,  die  zugleich  für  diefe 
als  Seitenmauer  dient,  auf  der  Ueberetfch  zugekehrten 
Langfeite  und  der  Frontfeite  find  eine  Reihe  großer 
Fenfteröffnungen  durch  die  Mauer  hindurchgebrochen, 
während  die  beiden  übrigen  Seiten  nur  fchmale 
Schlitze  zeigen.  Das  Thor,  ein  mitBuckclquadern  umge- 
benes Rundbogenthor,  befindet  fich  etwa  in  der  Mitte 
der  Frontfeite;  direft  über  dem  Thorgang  ift  die  Burg- 
capelle  B  untergebracht.  Hinter  derfelben,  in  der 
Axe  des  Thorweges,  lauft  ein  fchmaler  offener  Gang 
zwifchen  den  Gebäuden  hin,  der  in  den  hinteren  offe- 
nen Burghof  mündet,  der  die  ganze  Breite  von  26  M. 
einnimmt.  Der  Laufgang  trennt  die  Burggebäude  ähn- 
lich wie  in  Hoheneppan  in  zwei  Gruppen,  zur  Linken 
liegt  der  Palas  mit  den  Herrenkemenaten,  zur  Rechten 
liegen  die  Wirtlifchaftsgebäude.  Die  vordere  linke 
Ecke  nimmt  der  riefige  Palas  A  ein,  der  zwei  große 
Säle  von  14  M.  Länge  und  790  M.  Breite  übereinander 
enthält.  Die  Decke  ward  durch  eine  doppelte  Balkcn- 
reihe  gebildet,  die  aufConfolen  an  den  Langfeiten  auf- 
lagen und  auf  einem  ftarken  von  einer  Säule  getra- 
genen Mitteltragbalken  ruhten.  Das  erfte  Stockwerk 
zeigt  nach  der  Schmalfeite  vier  prachtvolle  romanifche 
Rundbogenfenfter,  mit  je  zwei  zierlichen  Säulen-  und 
Knofpen-Capitälen,  ebenfo  vier  nach  der  Langfeite,  von 
denen  eines  ornamentirl  ill.  Der  obere  Saal  zeigt  nach 
der  Schmalfeite  zwei  ganz  entfprechend  gebildete 
Fenfter,  nach  der  Langfeite  drei.  Der  Aufgang  zu  den 
beiden  Sälen  gefchah  durch  das  Treppenhaus  x,  der 
Eingang  zu  den  unteren  zum  größten  Tlieil  wohl  ge- 
wölbten Räumen  durch  diu   Tliorweg  y,  der  mit  einer 

'•'  Archiv  für  Gcfdiichlc  Tyrols  IV,  S.  344;  A'i.-.cf,  Gefchichte  Tyrols  I, 
S.   .|io. 

'-'  I'r.  Ali.  Graf  v.  lirniuiis.  Des  'l'yrolcr  Adlers  inuncrgrüncudc» 
Khrcn-Krantzcl.  Bol/en  ift78,  S.  154.  Vgl.  Noii/cn  über  das  (Jcfchlccht  der  Hoi- 
iiiunt,  Freilierrn  von  l'ayersbcrg  im  Holen  für  'l'yrol  und  Vorarlberjr  1840, 
Nr.  14;  Cal'rid  iiiitgiinus,  Khaclia  l'".thrusca  sncra  et  prophana.  S.  28g.  Im 
Jahre  1298  wird  eine  Urkunde  ausceRclIt  in  Piano  in  luco  ([ui  dicitur  /e  PucI 
sub  Castro  d.  Ilcinrici  de  Hoiinoto  {Arcliivbcriclilc  aus  Tyrol  S.  280,  Nr,  1574); 
ift  Chriftan  der  Chcver  im  liefitz   von  Hoymunl  ( Archivbciichlc  S.  i»9,   Nr.  877J. 


—     123     — 


Tonne  überwölbt  ift.  Eine  ebenfolche  Tonne  s  führt 
aus  dem  Gange  in  die  Kemenaten  G  und  F,  deren 
Unterftock  gleichfalls  als  Keller  diente.  Rechts  von 
dem  Mittelgange  erhebt  fich  zunächft  der  mächtige 
Hergfrit,  820  M.  im  Quadrat  meffend,  von  der  Capclle 
durch  einen  25  M.  breiten  Raum  getrennt.  lir  zeigt  in 
gleicherHöhemit  dem  zweiten  Stockwerke  des  l'alas  ein 
zierliches  Rundbogenfenfter  mit  Mittelfaule,  darüber 
eine  riefige  thorartige  Oeffnung,  der  wohl  ehemals  ein 
hölzerner  Balkon  vorlag.  An  den  Thurm  C  fciiheßen 
fich  dirc(5l  die  Wirtlifchaftsgebäude  D  und  E  an.  An 
den  beiden  hinteren,  dem  Haupteingang  abgewandten 
Ecken  erheben  fich  zwei  niedrigere  Thürme  H  und  I, 
der  letztere  78  M.  im  Quadrat  meffend,  der  zweite  mit 
einer  Seitenlänge  von  7  M.  und  9-5  M.  Zwifchen  beiden 
zog  fich  in  der  Höhe  der  Mauer  eine  hölzerne  Gallerie 


Fig.   7.   (Brunnenburg.) 

mit  Laufgang  liin,  von  der  nur  die  Ralkenlöcher  er- 
halten find.  Die  Frontfeite  bietet  einen  durchaus  male- 
rifchen  Eindruck  und  ift  ganz  und  gar  nicht  für  Befefti- 
gung  und  Vertheidigung  eingerichtet  —  das  ift  es,  was 
Boymunt  eine  Ausnahmeftellung  unter  den  Tyroler 
Burgen  einräumt.  Die  Anlage  des  regelmäßigen  Recht- 
eckes mit  dem  aufragenden  Bergfrit  an  der  einen,  dem 
Palas  an  der  anderen  Seite  kehrt  wiederholt  wieder, 
fo  in  Burg  Gronumberge  (Grünberg)  bei  Sibidat,'^' 
im  Schloß  Laa  an  der  Thaya'-''  und  im  Palaft  Jeans 
XXII.  zu  Gabors. '-" 

Auf  den  Trümmern  des  Römer-Caftells  Teriolis, 
das  die  Straße  nach  Teloneum  befchirmen  follte,  hoch 
über  der  Stadt  Maja,  bauten  die  Grafen  von 
Tyrol  —  crft  II 40  legten  fich  Berthold  und  Albert,  die 
Söhne  des  Grafen  Albert  von  Churrhätien,  diefen  Titel 
bei  —  ihr  Stammfchloß,  das  Hauptfchloß  Tyrol.  Der 
füdliche  Theil  beftand  fchon  im  11.  Jahrhundert.  In 
dem  Verzeichniffe  der  Aemter  und  Lehen,  welche  die 
von  Reichenberg  in  Bünden  vom  Bifchof  zu  Chur  inne 
hatten,  heißt  es  mit  Beziehung  auf  das  Jahr  1090:  item 
haben  wir  ein  amt  vom  häufe  Tyrol,  und  heißt  mar- 
fchall  amt  von  Pontalt  diesfeits  und  vom  Klofter  jen- 
feits  (fpätere  Faffung).  Kurz  vor  1317  erhielt  es  einen 
neuen  Zubau,  wahrfcheinlich  den  nördlichen  Theil,  eine 
Urkunde  aus  diefem  Jahr  ift  ausgeflellt:  Tyrol  am 
Samstag  vor  St.  Veits-Tag  in  dem  neuen  Mushaufc.  '-* 


'■^   y.  V.   Zahn,  Die  deutfchen  Burgen   in   Friaul   S.   44. 

l:ß    l'ifcher,  Topogr.-iph.    .irchiduc.  .\ustr.  III,   p.    125. 

'■^  Bulletin   monumental  XXXI,  p.  708. 

"»  GMer.  Das  Schloß  Tyrol  in  den  Mitth.  XIII,  S.  XXXVIII;  BtJii 
IVeber,  Meran  und  feine  Umgebungen  S.  157;  Puul  Cletuen.  Beitrage  zur 
Kenntnis  alterer  Wandmalereien  in  Tyrol  in  den  Mitth.  N.  F.  XV,  S.  2.  Ueber 
die   älteren   Grafen   von  Tyrol   vgl.  Zeitfchr.  des  Ferdinandeums   1828,   S.  153: 


Bis   zum  Jahre   1303  blieb  die  Burg  die  Refidenz  der 
Landesfürften. 

Das  Terrain,  auf  dem  die  Burg  erbaut,  befteht  aus 
Sand,  Schotter  und  wenigen  großen  Blöcken,  fowie 
einer  Diluvial-Ablagerung  zwifchen  zwei  kleinen  Thälern, 
von  denen  das  öflliche,  der  Käftengraben,  voUftändig 
der  Verwitterung  preisgegeben  ift.  Der  ältere,  jetzt 
allein  noch  bewohnte  Haupttheil,  das  Hauptfchloß  liegt 
gegen  Süden  und  Often  hin  und  beflelit  aus  zwei  recht- 
winklig an  einander  floßenden  Traften;  der  füdliche 
enthält  die  Capelle  und  den  Ritterfaal,  beides  früh- 
romanifche  Bauten  —  den  architektonifchen  Einzel- 
formen nach  um  lioo  entftanden  —  von  höchft  inter- 
effanter  Anlage  und  Formenfprache.  An  der  gegen 
Südoflen  gewendeten  ausfpringenden  Ecke,  wo  die  bei- 
den Tra6le  fich  verbinden,  bildet  die  in  Halbkrcisform 
vorfpringende  Chornifche  der  Doppel-CapcUe  einen 
Erker.  "*'  Der  zweiftöckige  Süd-Tra6t  enthält  einfache 
romanifche  Rundbogenfenfter  mit  zierlichen  Säulen 
und  einem  überdeckten  Vorhau,  zu  dem  eine  fchmale 
Treppe  emporführt.  '•"'  Die  zweite  Baugruppe  liegt 
gegen  Norden  hin  und  enthält  zunächft  den  innen  mit 
Steinen  erfüllten  fchon  genannten  Römerthurm,  an  den 
rechts  noch  ein  Kellergebäude  ftößt,  die  übrigen  Theile 
der  Burg  find  mit  dem  unficheren  Gefchiebe  in  die 
Tiefe  gerutfcht.  '•'"  Der  Eingang  zum  Ritterfaal  — 
unter  der  erwähnten  Vorhalle  —  und  zur  Schloß-Capelle 


Fig.  8.  (Kotiind.) 

St.  Pancratius  zeigen  die  bekannten  vielbefprochenen 
Portal-Sculpturen .  '•^- 

G.  Tinkhau/er,  Milth.  II.  S.  322;  Just.  Ladurner,  Etwas  über  die  urTpriing- 
lichen  Grafen  von  Tyrol  in  der  Zeilfchrift  des  Ferdinandeums  1860,  S.  137; 
Archiv  für  Gefchichte  Tyrols  IV,  S.  187.  Der  Urfprung  der  Grafen  von  Tyrol 
nicht  völlig  aufgeklart.  Coronini,  Tentamen  genealog.  comit.  Goriziae,  Wien 
1752.  p.  87,  nennt  als  erften  Adalbert  (1106),  Er.  FrbHch,  Specimen  archaeo- 
log.  Carinthiae,  tab.  V  Berchtold  und  .Mbert  I.  (1140).  während  Hormayr 
Gefchichte  I,  S.  316,  fie  von  dem  karolingifchen  Gunfried  ableitet.  Nach  yäg-rr, 
I.andftändifche  Verfalfung  I,  .S.  114,  gingen  fie  aus  von  einem  Haufe  von 
Amtsgrafen,  denen  die  Verwaltung  des  Vinflgau  übertragen  war;  als  erfter 
Graf  von  Vinftgau  wird  in  den  Jahren  1077  ""^i  loj^  in  zwei  Urkunden  des 
ICaifers  Heinrich  IV.  Gcrung  genannt  {ilorniayr,  Eeitr.  II,  Nr,  26.  27).  Ueber 
die  rechtlichen  Beziehungen  der  Grafen  zu  den  Bifchofen  von  Trient  vgl. 
Gcugter,  Codex  iuris  nuinicipalis  Germaniae  I,  p.  263;  A*.  AVmX-,  Akademifche 
Vorlefungen  über  die  Geschichte  Tyrols  bis  zur  Vereinigung  mit  Oefterreich 
S.  281;  J.  .1.  Totiia/chfk,  Ueber  die  ältere  Kechtsentwickelung  der  Stadt  und 
des  Bisthums  Trient,  Wien   1860,  S.   19. 

'=9  OtU,  Gefchichte  der  roinanifchen  Baukunfl  S.  699.  Abb.  in  der  Illullrir- 
ten  Leipziger  Zeitung  1869,  Nr.  1301;  Ludzvig  und  Georg  Lange,  Die  hiftorifch 
merkwürdigften  Städte   in   Deutfchland,  Darmftadt   1843,  IV. 

""  Gotler.  in   den  Milth.  XIII,  8.  XXXVIII. 

"I  .iVbb.  Carl  Wolf,  Meran  S.  68;  y,>han>ies  und  iVoi-,  Burgen  von  Tyrol, 
Taf.  3. 

'33  Vgl.  Heider,  Die  Kirche  zu  Schöngrabern  in  Nieder-Oefterreich 
S.  154;  Mitth.  I,  S.  64;  Karl  Eggers,  Kunfthiftorifche  Wanderungen  in  und  um 
Meran  S.  14;  Graf  v.  Giovanelli,  in  den  Beiträgen  zur  Gefch-,  Stat.  und  Kunft 
von  Tyrol  IV,  S.  153;  Beda  Weber,  Das  Land  Tyrol  II,  S.  338;  Tyroler  Monats- 
blättcr.  Innsbruck  1858,  S.  228;  Jo/eph  Thaler,  Alterthümliches  aus  dem 
Burggr.ifenamt  in  den  Mitth.  X,  S.  LXXIX;  Neei  in  den  Mitth  IV,  S.  333: 
.1/:  in  den  Mitth.  N.  F.  IV,  S.  LXIII ;  y.  Thaler,  Die  Portale  im  SchlolJ 
Tyrol.  Innsbruck  1858;  Derf.  Gefchichte  Tyrols  I,  S.  140;  Rud.  Seydel,  Die 
Portale  auf  Schloß  'I'yrol  und  Zenoburg  in  d.  Jahrb.  für  Kunft  u.  Wiffenfchaft 
IV,  S.  358;  Theodor  Hutter,  Das  Portal  der  Capelle  in  der  Burg  Tyrol  in 
technifcher  und  fymbolifcher  Beziehung  in  dem  Botzener  Kirchenfreund  II, 
1868,  Nr.  10;  .)/.  Koch,  Die  Portale  aufschloß  Tyrol  und  Zenoburg,  fowie  das 
Löwenthor  an  der  Pfarrkirche  zu  Botzen  im  Correfpondenzblatt  des  Gefammt- 
Vereins  II,  S.  8i.  Vgl.  dazu  noch  über  die  Kirche  y.  Thaler,  Die  uralte  Pfarre, 
und  Kirche  zu  St.  Peter  bei  Tyrol:  Oftergabe  des  Meraner  Lefevereins  185g 
S.  5:  Botzener  Zeitung  1859,  Nr.  30;  Hiftorifches  über  die  Pfarrkirche  zu 
Tyrol  in  der  Volks-  und  Schützenzeitnng  für  Tyrol  1859,  Nr.  53,  56,  57. 

i6* 


124 


Mit  Burg  Tyrol  ftand  die  Brimncnbiirg ,  feit  136 1 
im  Befitz  der  Vögte  von  Matfch,  '•''^"  auf  dem  vor- 
gefchobenen  Grate  der  Tyroler  Berglehne  gelegen,  in 
Verbindung,  ob  durch  unterirdifche  Gänge,  wie  Staffier 
annimmt,  '•'•'  ifl:  fehr  zweifelhaft,  wahrfcheinlich  nur  durch 
Befeftigung  des  dazwifchen  liegenden  Kegels.  Der 
Grundrifs  fchmiegt  fich  vollkommen  der  Formation  des 
Terrains  an.  Der  Thurm  A  (Fig.  7)  zeigt  ftarke  Eckver- 
klammerung  durch  behauene  Quadern,  die  äußeren 
Seiten  beflehen  aus  zugerichteten  Quadern  bis  in  die 
Höhe  des  zweiten  Stockwerkes.  Von  hier  an  ift  der 
Zu'ifchenraum  zwifchen  den  Eckquadern  nur  durchFind- 
linge in  ftarker  Kalkbettung  gebildet,  innen  ift  vielfach 


Fig.    9.  (Ober-Mont.ini.) 

Schotter  zur  Füllung  verwendet.  Der  obere  Theil  des 
Mauerwerkes  zeigt  tlieilweife  ährenförmige  Steinlage, 
die  Fugen  find  roh  mit  dem  Finger  ausgefchmiert.  Der 
Thurm  fteht  nicht  genau  in  einer  Linie  mit  der  Ein- 
gangsmauer, fondern  ragt  etwas  darüber  hinaus,  da- 
durch ifl:  der  Angreifer  den  Gefchoßen  von  zwei  Seiten 
des  Bergfritcs  ausgefetzt.  An  den  Thurm  A  fchloßen 
fich  rechts  dieWirthfchaftsgebäude  B  an,  zurLinken  er- 
hoben fich  gerade  über  dem  Abhang  Palas  C  und 
Kemenaten  D.  Der  Palas  zeigt  ähnlich  wie  Boymont 
ein  mächtiges  gewölbtes  Fenfter,  das  wohl  ehemal.=  für 
einen  hölzernen  Balcon  als  Austritt  diente. 

Die  Zenoburg  bei  Meran  geht  wie  Schloß  Tyrol 
auf  römifche  Hefefligungen  zurück.  Wahrfcheinlich  war 
derFelfen  in  die  Anlagen  hineingezogen,  die  in  weitem 
Umkreife  das  Caflrum  auf  dem  Küchelbcrge  umgaben. 
Das  Edelgefchlecht  von  Suppan  erfcheint  fciion  1140 
mit  dem  Prädicat  de  monte  St.  Zenonis,  '•''*  1 1 69  taucht 
CS  auch  in  Goswin's  Chronik  von  Marienberg  unter 
diefer    Bezeichnung    auf    Der    Name    rührt    von    der 

'•*«   Kn^l  im   Archiv  für  Kunde    öfterr.  f)cfchicht«q!iellen  V,  S,  383,  IV. 

'"  Siafßer,  .-1.  .*».  O.  II,  S.  680.  Abbildung  bei  Johannes  und  N^l'e,  ßurgen 
von  Tyrol  'rafel  r<. 

I**  liranäis,  I.  c.  Ehrenkran?!  11,  S.  93,  1358  als  caxlrum  sandli  Zenonis 
apud  Maianum    erwähnt;   !ylam/'/rr,  Chronik  von  Meran  S.  19. 


Capelle  des  heil.  Zeno  her,  die  auch  um  1240  in  dem 
Legendarium  des  Dominicaners  Bartholomäus  von 
Trient  erwähnt  wird:  ecclesia  sancti  Zenonis,  quae  sita 
est  in  monticula  super  flumen  Passerem  inter  castrum 
Tirolense  et  villam  Mais.  '■''  Aber  fchon  die  Belagerung 
durch  Karl  IV.  im  Jahre  1347  zerftörte  einen  großen 
Theil  der  Burg,  die  bis  dahin  eine  Lieblings-Refidenz 
König  Heinrichs  gewefen  war'^''"  und  bereits  1640 
berichtet  Graf  Max  v.  Mohr,  dafs  von  dem  Schloß  nichts 
übrig  geblieben  fei  als  die  Kirche  und  ein  Thurm.  '■"' 
Die  Kirche  ift  eine  einfache  kleine  Capelle  mit  halb- 
runder gewölbten  Apfis,  dicht  neben  ihr  befindet  fich 
ein  ganz  cimlich  conftruirter  wenig  kleinerer  Raum; 
das  Portal  fchmücken  Sculpturen,  die  denen 
von  Tyrol  völlig  entfprechen  und  wahr- 
fcheinlich der  gleichen  Künftlergruppe 
ihre  Entflehung  verdanken.'*^  Der  Thor- 
thurm  zeigt  einen  bemerkenswerthen  Erker, 
von  dem  nur  noch  die  vier  Tragbalken 
und  das  fchmale  Dach  erhalten  find.  Den 
hinteren  Raum  des  Burg-Terrains,  rechts 
von  der  Capelle,  trennt  eine  ftarke  Mauer 
mit  vorgelegtem  Stützmantel  ab,  hart  am 
Felfenabfturz  ftehen  hier  als  einzige  Refte 
der  VVohngebäude  noch  die  Fragmente 
eines  viereckigen  Thurmes  und  die  Grund- 
mauern zweier  länglicher  in  ftumpfem 
Winkel  aufeinander  flößenden  Trafte.'''* 

Die    ausgedehnte     Ruine     der     Burg 
Wangen  erhebt  fich  auf  demfleilflen  felfigen 
Vorfprunge  unweit  des  Langeck-Hofes  über 
der  Talfer,    zwei  Stunden    von    Bozen  ent- 
fernt,  nur   an    der    Oft:feite    mittelft    einer 
Felstreppe  zugänglich.  Das  ganze  fchmale 
Felsplateau  ift  von  einer  Ringmauer  einge- 
faßt, innerhalb  derfelben  der  Boden  erhöht. 
Ganz   frei    liegt    auf  dem   fo    gefchaffenen 
'^^^         Piedeflal  das  riefige   Herrenhaus   mit  dem 
Bergfrit.   Das  Schloß  ward   zwifchen    1209 
und   1241    von    dem    gleichnamigen    Edlen 
erbaut.''"  Ihre  Stammburg  lag   drei  Stunden  weit  ent- 
fernt   auf  dem  Pfarrhügel  von  Dorf  Wangen  oder  auf 
dem  gegen  das  Sarnthal  zu  gelegenen  Felsvorfprung, 

13,'.  Nach  Liitiurner,  Befchreibung  von  Meran  im  Tyroler  Nationalkaien, 
ilcr  für  1834,  S.  78  und  Jo/fph  Thaler,  Gefchichte  von  Tyrol  S.  163  die  Capelle 
von  St.  Corbinian  erbaut.  Vgl.  Philipp  Neel>,  St.  Zeno  und  feine  Kirchen  in 
den  Mitth.  IV,  S.  333;  derfclbe  in  der  Oftcrpabe  des  Meraner  Lefevercins  1859, 
S.  9;  Uot/ener  Zeitung  1859,  Nr.  32 — 34.  Vgl.  G,  Tinkhau/er,  in  den  Mitth.  II. 
S.  323.  Nach  Schduherr  ift  auch  der  Erbauer  des  SchlofTcs  erft  (Jraf  Meiii- 
bard  H.  von  'j'yrol;  ein  im  Statthalterei-Archiv  /u  Innsbruck  liegendes  Urbar 
von  1285  befagt:  min  hcrr  hat  gcfchaufTet  von  Oebhart  dem  Suppan  finen 
teil  der  bürge  zu  fand  Zcncnberge  per  MXL.  —  Itcm  alteram  partem  cinsdcm 
oastri  emit  dominus  incus  de  p.'ilrun  üebhardi  Supani  etiam  per  MXL.  Vgl. 
Atz  in  den  Mitth.  N.  F.  IV,  S.  LXIII. 

'*''«  Egser,  Gefchichte  von  Tyrol  I,  S.  359.  564. 

n«  Neeb,  in  den  Mitth.  IV,  S.  333. 

"'  Vgl.  Tinkhau/er,  in  den  Mitth.  II,  S.  322.  Die  jetzt  beflehcnde  Capelle 
rührt  w.-ihrfchcinlicli  von  einem  durch  papfttichc  Ablafsbriefe  von  1388  bekun- 
detcn  Wicderhcrfteliungsbau  her  {Olle  a,  a.  O.,  .S.  700).  Darnach  würden  auch 
die  'I'yroler  Sculpturen  cirt  an  den  Ausgang  des  13.  Jahrhunderts  zu  fetzen  fein. 
Vgi.    F.i;/:er  im  dcutfchcn   Kunftblalt   1858,   S.   139. 

'^''  Abbildungen  in  der  llluftiirtcn  (Leipziger)  Zeitung  1869.  Nr.  1334,  Vgl. 
AI.   Ko'h  im   Currefpondenzblatt  des  (lefammtvereins  II,  S    81. 

'**"  Im  Jahre  1309  bclclnit  Hifcliof  Kricdrich  von  Trient  die  Brüder  Adal- 
bero  tuid  Herthold  von  Wangen  mit  der  Anhohe  und  dem  dabei  beliiullichen 
Mcierliofc  zu  I. angeck,  um  dafelbft  ein  bcfcftigtes  Haus  zu  bauen.  (Cod,  W.ui- 
giamiÄ  Nr,  83),  diefes  wird  im  Jahre  1241  genaiuit  (ebenda  Nr.  18^).  Just, 
/.ailuyner,  Die  Edlen  von  Wanga  im  Archiv  für  'l'yrol,  (jcfchichle  II,  S.  209. 
Zucrft  ein  Wang;ts  genannt  814  yMohr,  Cod,  diplom.  Rhact.  1,  Urkunde  24), 
998  ein  Wanges  {Mohr,  Urkunde  731,  1218  Wangin  (j»/o/ir,  Urkunde  188),  1178 
erfcheint  Albero  de  Wangen  {v.  iiormayr,  (Jefchichte  der  (.Iraffch.-tfl  Tyrul 
I,  11.  Urkundenbuch  S,  87),  hn  Jahre  1235  ift  das  Gefcblecht  in  dem  liefil/c  des 
wichtigen  ßotzencr  Hohes  illoritiayr,  Gefchichte  Tyrols  S,  322,-  A.  yHt^er, 
Landftandifi:he  Vcrfaffung  1,  S,  249),  Vgl,  Anto»  Einiiiert,  Mnnumenta  'I'irolensia 
in  Chmcis  Oefterreichifchem  Gefchichlsforfclier  I,  S  566.  570,  Johann  Mal/etti. 
Hiographic   Kriedrichs  von    Wanga,  'rricnter  Gymnafial  Programm   vrin    1858, 


125 


von    dem    jetzt     das    St.    Johannes  -  Kirchlein    licvab- 
blickt.""' 

Der  Befitz  der  Grafen  von  Eppan  reichte  durch 
das  ganze  Vinftgau  bis  ins  Munllerthal,  hart  bis  zur 
Graubündner  Granze.  Die  Burg  Reichenberg  war  hier 
ihre  Gränzvefte,  die  fie  mit  allen  Mitteln  der  Technik 
befefligten.  Als  die  Macht  der  Eppaner  gebrochen 
war,  kam  die  Burg  in  den  Ikfitz  der  Herren  von  Rotund, 


Fig.    10,  II.  (Unter-Montani.) 

die  fich  nun  die  Reichenberger  nannten,'*'  nach  ihrem 
Ausflerben  in  die  Hände  der  Schlandersberger.  '*^  Die 
Burg  war  ehemals  Churer  Lehen,  das  fpäter  an  die 
öfterreichifchen  Fürften  überging.  Friedrich  mit  der 
leeren  Tafche  zerftörte  Reichenberg  wie  Rotund.  Die 
zwei  Burgen  bilden  zufammen  mit  dem  tiefer  gelegenen 
Thurm  Helfmirgott,  einem  runden  Bergfrlt  mit  Auffatz 
von  kleinerem  Durchmeffer,  eine  zufammenhängende 
Befeftigungsanlage,  die  die  Straße  nach  Münfter  be- 
herrfchen  Ibllte.  In  Reichenberg  bildet  den  Mittelpunkt 
der  alte  Eppaner  Bergfrit,  auf  den  oben  zwei  fpätere 
Stockwerke  mit  fchmalen  Fenfterfcharten  aufgefetzt 
worden  find.  Die  Wohngebäude  lehnen  fich  direcl  an 
ihn  an  und  erreichen  faft  feine  Höhe,  nur  nach  dem 
Thal  zu  hatte  eine  reichere  Fenfler-Architektur  Raum. 
Das  Herrenhaus  bildet  ein  unregelmäßiges  Sechseck. 
Zur  Seite  ift  etwas  tiefer  noch  ein  Theil  der  Ring- 
mauer mit  einem  Halbthurm  erhalten.  Rotund  (Fig.  8) 

'*"  Lehensbrief  des  Kaifers  Max  \on  1497,  worin  er  an  Paul  von  I.iechten- 
ftein  den  bden  Biirgftall  St.  Johannes-Kofel  und  Wangen  verkauft.  Jetzt  heißt 
das  Schloß  allgemein  Langeck.  fo  auch  in  Peter  Anichs  Karten.  Seit  den  Zeiten 
Kaifer  Maximilian 's  Ruine  un<l  in  den  Urkunden  nie  mehr  erwähnt. 

•*'  In  einer  Urkunde  von  1178  zuerft  genannt  Schwikerus  de  Reichenberg 
[v.  Horwayr,  Urkundenbuch  II,  S.  87).  Derfelbe  in  einer  Urkunde  des  Bifchofs 
Egino  V.  Chur  1160— 1186  (Archiv  des  Fraiienftiftes  Münfter  in  Oranbiinden). 
Ein  zweiter  Schwicker  1211  (Urkunde  im  Archiv  für  Gefchichte  und  Statiftik 
XVIII,   S.  544)    und   1258  (Annal.  Curiens.   Ms.  A.  48—54). 

"'-  1310  verkauft  Bifchof  Siegfried  v.  Chur  dem  Heinrich  v.  Reichenberg 
die  Burg  Rotund  mit  Weg,  WalTer,  Weide  und  Aeckern,  die  ob  der  Burg  an 
der  Halde  gelegen,  um  160  Mark  Berner,  je  für  die  Mark  10  Pfund  Berner 
gerechnet,  wofür  der  Herr  von  Reichenberg  dem  Bifchofe  verfchiedene  Getreide- 
und  Käfegülten,  von  144  Muth  2  Theile  Roggen  und  den  3.  Gerftc,  und 
74  Schott  Käfe,  jede  Muth  zu  7  Pfund  Berncr,  und  2  Schott  Kafe,  für  7  Pfund 
Berner  Geldwerth  angefchlagen,  überantwortete.  Diefe  für  die  materielle  Wcrth- 
fchätzung  der  Burg  höchft  interelTante  Urkunde  in  den  Annal.  Curiens.  Ms.  B.  26. 
1382  verleiht  Bifchof  Johann  v.  Chnr,  dem  die  Vefte  Rotund  ob  der  Burg  Reichen- 
berg als  Gotteshauslehen  anheimgefallen,  folche  an  Herzog  Leopold  von  üefter- 
reich  (Annal.  Curiens.  Ms.  B.  83I.  Vgl.  auch  P.tu!  Giemen,  in  den  Mitth.  N.  F. 
XIV,  S.  186,  Anm.  2.  Verzeichnis  der  Aemterund  Güter,  die  die  von  Reichenberg 
vom  Bisthuni  Chur  zu  Lehen  hatten  aus  dem  13  Jahrhundert  bei  A.  Jäger,  Enge- 
deinerkrieg  S.  170;  Tk.  v.  Mi>hr.  Cod.  dipl.  III,  Nr.  3,  S.  8.  Ulrich  Campella, 
Zwei  Bücher  raetifcher  Gefchichten  I,  S.  132. 


zeigt  wie  Fragenflein  und  Petersberg  abfeits  nach  dem 
Berg  zu  eine  eiiifame  Warte,  einen  alleinflehenden 
runden  Thurm  mit  hochgelegenem  Eingang,  der  untere 
Theil  nur  aus  groben  Findlingen  und  rollen  Bruch- 
fleincn  gebaut,  erfl  in  den  oberen  Partien  kommen  be- 
hauene  und  mit  dem  Hammer  gerichtete  Steine  in  einer 
Bettung  fehr  grobfandigen  Mörtels  zur  Anwendung.  Die 
Wohngebäude  lagen  hier  nach  dem Dorfabhang  zu,  die 
Schiidmauer  zugleich  als  Befeftigungs- 
mauer  dienend,  der  polygonale  Hof  dem 
Thale  zugekehrt. 

Am  Eingange  des  engen  Martellthales 
an  der  reißenden  Plima  hatte  im  Jahre 
1228  Graf  Albrecht  von  Tyrol  das  obere 
Schloß  Montani  (Fig.  9)  errichtet,  mußte 
aber,  da  die  Bauflelle  dem  Bifchof  zu  Chur 
durch  kaiferliche  Schenkung  eigen  war, 
nochmals  dieBurg  als  churifches  Lehen  aner- 
kennen.'*-' 1331  ward  das  Schloß  an  Dietrich 
von  Marötfch  verliehen,  der  von  diefer  Zeit 
an  den  Namen  de  Montani,  Munteni  führte.'** 
1495  erhielten  die  Brandifer  von  Leonburg 
die  halbe  Vefte,  1501  wird  Viftor  von  Mon- 
.tani  mit  der  anderen  Hälfte  belehnt.  '*** 
Durch  ihn  wird  die  Burg,  befonders  der 
Innenhof,  einem  gründlichen  Umbau  unter- 
zogen. Durch  drei  Thorbogen,  auf  einem 
vielfach  gewundenen  Wege,  der  von  dem 
Thurme  aus  völlig  beherrfcht  wird,  gelangt 
man  in  den  Burghof,  lieber  der  ganzen 
Breite  desfelben  ift  zuletzt  ein  weiter  Bogen 
gefpannt.  Zur  Rechten  erhebt  fich  der  1544  durch 
Viftor  von  Munteni  neu  errichtete  Palas.  Zu  unterft 
eine  offene  Halle,  eine  Loggia  mit  marmornen  Pfeilern 
und  einem  marmornem  Knofpen-Capitäl,  die  Gewölbe 


Fig.    12.   (Fragenftein.) 

leicht  gedrückt  mit  fchmalen  Rippen.  Rechts  daneben 
öffnet  fich  eine  zweite  Halle,  mit  einem  einzigen  fpitz- 
bogigen  Gewölbe  und  zwei  Nifchen  an  der  Seite.  An 

**3  Urktmde  vom  ii.  November  1228.  Quod  idem  comes  aedificavit 
castrum  quod  dicitur  Montani  in  fundo  ecclesiae  zu  Worms:  t.  Hormayr,  Bei- 
träge I,  II,  S.  1^0;  Mohr,  Cod.  diplom.  p.  308,  Nr.  200.  Außerdem  mußte 
Albrecht  dem  Bifchof  die  Vefte  Steinberg  im  Unter-Engadin  zufprechen.  Vgl. 
Brandis,  Ehrenkränzl  S.  187.  Nicht  zu  verwechfeln  mit  dem  Montani  bei  Bruneck 
(Adia  Tirolensia  I,  S.  39,  Nr.  95).  Noch  1348  wird  durch  Karl  \\ .  dem  Bifchof 
Ulrich  v.  Chur  das  Schloß  rcftiluirt  {^Eichhorn,  Ep.  Cur.  Cod.  prob.  Nr.  104, 
p.   117;  ZI.   Mohr,  Cod.  dipl.   III.   Nr.  30,  S.  47). 

'"  Paat  Clemeil,  in  den  Mitth.  N.  F.  X\\  S.   190. 

'**^  Die  eine  Hälfte  war  ehemals  im  Befitz  der  Maretfcher.  1421  wird 
Joachim  v.  Montani  mit  diefem  Theil  belehnt  (.■\rchivbcrichte  S.  436,  Nr.  2500); 
im  Jahre  1501  verleiht  Kaifer  Max  die  durch  den  Tod  des  Hans  Krandis  heini- 
befallene  halbe  Burg  an  Vi(51or  von  Montan  und  .\nton  von  Brandis  (Archiv- 
gerichte S.  444,   Nr.  2571). 


126 


diele  fchließt  fich  der  altere  Theil  des  Herrenhaufes, 
mit  einem  Zinnenkranze  gefchmückt,  ein  fchmales 
gewölbtes  Treppenhaus  tritt  vor  dasfelbe.  Ueber  der 
erften  prächtigen  Loggia  dehnt  fich  ein  großer  Saal 
mit  weiten  Lichtöffnungeii.  Ein  vorzüglich  gearbeitetes 
Marmor-Medaillon  ift  über  der  mittleren  Säule  ange- 
bracht, es  zeigt  die  Wappen  der  Munteni  und 
Schrofenftein  mit  der  Umfchrift: 

Vi6lor  von  Manteny  Margret  von  Manteny  geporn 
von  Schrovenstain  1544. 

Zur  Linken  des  Thorbogens  erhebt  fich  der 
zinnengekrönte  Bergfrit  von  bedeutender  Stärke.  '*' 
Die  Burg  Unterjiiontatii  [¥\g.  10, 11)  entftand  wohl  gleich- 
zeitig mit  der  Gründung  der  Oberburg  zur  Vertheidigung 
des  langfam  abfallenden  Felsgrates.  Sie  befleht  aus 
einem  außerordentlich  ftarken  Thurm  mit  niedrigen  Zin- 
nen und  dünnen  Spitzfenftern  und  einem  nicht  direft  da 
ran  gelehnten  Wohngebäude,  das  rings  von  hoher  Wehr- 
mauer mit  Zinnenkranze  umgeben  ilL  Litereffant  ift 
die  Thorbefeftigung  mit  den  Zuglöchern  für  die  Zug- 
brücke, die  über  den  künftlich  hergeftellten  Graben 
führte. 


'-'~y  j 


Fig.  13.  (Liclitcnlier^.) 

Eine  ähnliche  Stellung  wie  Montani,  Tfchengls 
und  Pröfels  nimmt  die  Burganlage  von  Fragoißei)'. 
nordvveftlich  von  Zirl  an  der  Zirler  Klamm  ein.  Das 
Schloß  (Fig.  12)  entfland  in  feiner  jetzigen  Form  im  Laufe 
des  13.  Jalirluinderts  —  wahrfchcinlich  im  Jahre  12Ö4  '*''" 
—  eine  Erweiterung  fand  erft,  nachdem  der  Bau  1480  in 
landcsfürftlichen  Befitz  übergegangen,  durch  Kaifcr 
Maximilian  ftatt.  Im  Jahre  1227  erfcheint  zuerft  ein 
Friedrich  von  Fragenftein,  1229  ein  Ulrich,  1239  ein 
Griffo  von  Fragenftein,  fchon  12S4  flirbt  die  erfle 
Linie  des  Gefchlechts  mit  dem  kindcrlofen  Conrad 
aus.'**  Die  wcftliche  kleinere  Anlage  iR  ebenfo  wie 
Unter-Montani  ein  vollftiindiger  Burgflaii.  Er  befleht 
aus  einem  quadratifclien  Bergfrit  von  io"5  Fuß  Durch- 
nieffer,  mit  aus  Bruch-  und  Backfteinen  errichteter  fafl 
5  Fuß  dicken  Mauer,  erft  im  zweiten  Stock  zeigt  er  eine 
behauene  im  Rundbogen  gefchloffene  Pforte.  Nach 
Süden  legt  fich  ein  fchmalcr  Platz,  20  Fuß  breit, 
\C)  Fuß   lang  davor,  umgeben  von  einer  4  Fuß  dicken 

***  Abbildungen  bei  PaiilCleinen,^c\\\<i{^QT  undHiirKcn  inTyrnl  im  IJ^ihcitn, 
1890,  S.  716. 

^^^a  Fr.  Nigroniis.  Die   iiefiirftetc   Gr.Tffcbafl  Tyrol  S.  573. 

'^*  Noch  147a  erfclicint  in  der  'l'yrolcr  AilcUm.itrikcI  ein  Oefcblecht  der 
Etilen  von  Fraßenftcin;  dies  ift  dcmnflch  ein  /weile»  (Jcfchlcrlit,  d.'i»  dem  erften 
i^efolgt.  Vyl.  I.)ic  erlof'Jieneii  lyrnlir<:lien  A^leNReffrbleelitcr  in  der  Neuen  Zcil- 
fchrifl  des  Fcrdinandeum»  XI,  S.  88.  i-.((>q  ein  Ud.ilricu»  de  Kr.-tKcnftein  narh 
Ilrandis,  Ehrcnkranzl  11,  S.  16C). 


Ringmauer,  mit  dem  Zugange  gegen  die  tiefer  gelegene 
Hofburg.  Die  öftliche  Hofburg  felbft  war  auf  einer 
gemauerten  I2  Klafter  langen  Brücke  zugänglich,  die 
auf  zwei  Pfeilern  ruhte.  Man  gelangte  auf  ihr  in  einen 
Thorthurm,  der  nach  beiden  Seiten  kleine  Lugfenfter 
zeigte  und  fo  weit  über  die  Ringmauer  hervortrat,  dafs 
auch  ein  feitlich  anfchleichender  Feind  erblickt  und 
befchoffen  werden  konnte.  Der  Weg  wendet  fich  dann 
zur  Rechten  nacli  dem  ftattlichen  Bergfrit  C,  der 
15  Klafter  hoch  war,  21  Fuß  im  Gevierte  maß  mit  einer 
6  Fuß  dicken  Mauer,  die  eine  Eckverklammerung  aus 
behauenen  Quadern  zeigt.  Der  Thurm  enthält  drei 
Stockwerke,  vom  zweiten  Stock  aus  führte  eine  Thür 
in  den  dire6t  an  den  Thurm  gelehnten  Palas  C,  der 
nur  fchmale  Räumlichkeiten  enthalten  zu  haben 
fcheint.'*'  Nach  dem  Abhänge  zu  zeigten  fich  etwas 
tiefer  liegend  die  Refl-e  eines  weiteren  Gebäudes  D, 
das  wohl  Wirthfchaftsräume  enthielt.  Die  Ringmauer 
ift  nur  bruchftückweife  erhalten.  Die  Länge  der  Hof 
bürg  beträgt  von  Norden  nach  Süden  15  Klafter,  die 
Breite  von  Welten  nach  Often  10  Klafter.'*® 

Die  Burg  Lichtenberg  (Fig.  13)  bei  Glurns,  einft  die 
Gränzveftc   des  Landes  gegen  das   Engadin,  erfcheint 
fchon   um   die  Mitte  des   13.  Jahrhun- 
derts.'** Im  Jahre  1259  Witwenfitz  der 
n  Gräfin  Elifabeth  von  Tyrol. '*^"  Die  Rit- 

•  \  ter  von  Lichtenberg  erlofchen   1420 

I  mit  Daniel  von  Lichtenberg; '''"  durch 

I  Veronica  von  Lichtenberg  kam  es  an 

1  die  Spaur,   von  diefen  an  die  Grad- 

t..,^         ner,  die   aber  durch  Confiscation  die 

v;'_    — -•  ,  Burg    verloren,    und    weiter    an   die 
"  ^    '    '  '     "      Grafen     von     Khuen  .'•"'    Umgebaut 
und    erweitert   ward  die  Vefte  durch 
Jacob  Grafen   von  Khuen,  Erzbifchof 
von  Salzburg,  der  unter  Beibehaltung 
des    alten    Mauerringes     das    Hoch- 
fchloß     erweiterte,     den    nördlichen 
Traft  hinzufügte  und  die  Capelle  über 
der  Eingangshalle  errichtete.  Seit  der  Zerflörung  durch 
die  Franzofen  ift  das  Schloß  dem  Verfalle  anheimgege- 
ben. Eines  der  ausgedehntellcn  Trümmcrfcklcr  Tyrols 
füllt    die  -flache   Hügelkuppe    über   Dorf  Lichtenberg. 
Eine    hohe    zinnengekrönte    Ringmauer    umzieht    das 
ganze  Plateau,  der  langfam   auflteigende  Fahrweg  ift 
gleichfalls  durch  eine  Mauer  gefchützt.  Der  iiltefle  Theil 
ift  der  zur  äußerften  Rechten  gelegene  miichtigc  Rund- 
thurm,  mit  einem  Mantel  am  Fuße,  von  einem  Zinnen- 
kranze  gekrönt,    ehemals    von    einer  Reihe  von  Pecli- 
nafen  umgeben.  Dicht  daneben  ift  der  Eingang  in  den 
vordem  Burghof  Ueber  der  Thoihalle  liegt  die  Burg- 

'*'  Im  Jahre  1469  wird  von  einer  Kinweiluing  der  Scllloß-Capelle  durch 
Rifchof  (ieorg  II.  von  Brixcn  berichtet.  Wo  dicfeibe  fich  befunden,  ift  nicht 
nacb/uweifcn. 

'*•*  ICinc  Befchrcibunf;  der  Burg  bei  7.  Zingerlc,  die  Burgen  im  Obcr- 
Innth.de  Tyrols  in  den  Mittli.  V,  S.  324.  Anficht  bei  Johannes  und  Noe,  Burgen 
von  'ryrol  'l'af.    15. 

'*"  Urkunde  von  1252,  als  Sclüedsrlcbtcr  Ilertnann  von  Lichtenberg  (Annal. 
Curicns.  Ms.  A.  43;  Alb,  Jäger,  im  Archiv  XV,  S.  345).  1313  Dyetniarus  de 
Liclhenlierg  (Urkvni  ie  bei   Gosiuiit,  Maricubcrger  Chronik   125,    130). 

'*"(/   Fr.  Nit^rinus,  Die   gefürftctc   tlraffcbaft  Tyrol   S.  63  i. 

I-'"  So  nach  lirandU,  Ehrenkranzl  S.  152.  Nach  Sla/ßer,  a.  a  O  ,  II, 
S.  168  und  Milth.  N.  F.  VI,  S.  CXXV.  Im  Jahre  1380  wird  Wilhelm  v.  Lichten- 
berg mit  der  Vefte  Iicichnt  (Archivberichtc  S.  igo,  Nr.  886),  Im  Jahre  1411  Daniel 
1417  Cbriftian  v.  Liechtenberg  { Arcliivberichte  S.  191,  Nr.  895,900);  1395  beftand 
fchon   die  Capcllc   auf  dem   Berg  (Mohr,   Corl.  dipl.   III,   Nr.    187). 

•■"•'  Nach  fidiriftlichcn  Mitthcilungcn  des  ObcrftlieutenaiUs  Crafen  Gafton 
Khuen  in  Linz.  Im  Jahre  1503  wird  die  Burg  durch  die  Herren  von  Spaur  nn 
Pangra/  Chueu,  Hauptmann  und  Vikari  auf  Nons  und  Sulz  verpfändet,  1506 
wieder  den»  Hans  v.  Spaur  verliehen  (Archivbcrichle  S.  197,  Nr,  9.(9,  951).  Im 
Jahre  1577  wieder  im  Bcfit/  der  Kreiherrrn  von  ('bncn  von  Belafi,  IMlcger  von 
Nandcrsbrrg  {Uirnh   v.  Cainf<e//,  Zwei  Bücher  raetifcher  (Jefcbichte  I,  S.  136). 


127 


Capclle,  die  dt-in  Clior  gegenüber  eine  geräumige 
Empore  als  Aufenthaltsort  der  Schloßherren  zeigte. 
Der  vordem  Ringmauer  zugekehrt  zeigen  fich  die 
Refte  —  nur  drei  Wände  find  ftehen  geblieben  — 
eines  thurmartigen  dreiftöckigen  Wohngebäudes,  das 
fich  hoch  über  die  Ringmauer  erhebt,  zur  Rechten 
lehnte  fich  ein  niedrigeres  Wirthfchafts-Gebaude  daran, 
von  dem  nur  noch  der  Giebel  fleht.  Am  äußeren  linken 
Ende  zeigen  fich  die  Neubauten  des  Salzburger  Erz- 
bifchofs,  fämmtlich  auf  den  Fundamenten  einer  älteren 
Anlage  errichtet.  Das  Ilinterfchloß,  der  Palas  ift  eine 
der  riefigften  Saalanlagen  Tyrols.  Uebcreinander  liegen 
zwei  mächtige,  wie  es  fcheint  ehemals  die  ganze  Breite 
des  Baues,  wie  in  Boymunt,  füllende  Räume  mit  weiten 
Lichtöffnungen  und  Sitzen  in  den  Fenflernifchen.  Die 
noch  erhaltene  Bemalung ''^  gibt  den  Beweis,  dafs  das 
Hochfchloß  in  diefer  Form  bereits  in  der  erften  Hälfte 
des  15.  Jahrhunderts  befland.  Die  Erweiterung  durch 
Johann  Jakob  von  Khuen  kann  demnach  nur  die  An- 
bauten betroffen  haben.  Von  dem  runden  Eckthurm 
führt  eine  anfteigende  Zinnenmauer  nach  dem  Hoch- 
fchloß empor,  ein  viereckiger  Thurm  lehnt  fich  in  der 
Mitte  an  fie,  eine  Treppe  führt  in  der  Form  eines 
Laufganges  neben  der  Mauer  empor.  Die  Federfkizze 
im  Brandis'fchen  Codex  (Fig.  14)  gibt  ein  ziemlich  ge- 
naues Bild  des  Schloffes  vor  der  Zerftörung.  Die 
Capelle  war  mit  einem  fpitzen  Dach  eingedeckt,  ein 
ebenfolches  krönte  den  Wohnthurm  in  der  Mitte  der 
vorderen  Ringmauer.  Ein  am  linken  Ende  der  Hinter- 
burg fich  zeigender  Bergfrit  ift  gänzlich  verfchwunden. 
Zu  hoch  erfcheint  der  die  linke  Flanke  deckende 
zinnengekrönte  Vierecksthurm.  '"'■' 

Ift  das  Etfchfchloß  des  Salzburger  Erzbifchofs 
der  Zerftörung  anheimgegeben,  fo  ift  der  Sommerfitz 
des  Churer  Bifchofs  um  fo  vollftändiger  erhalten,  zum 
Theil  noch  mit  der  alten  Einrichtung,  Wandverkleidung 
imd  Verzierung,  zum  mindeften  faft  ganz  unter  Dach 
luul  Fach,  die  Fürßenbitrg  bei  Burgeis.  Auf  einem  fafl 
in  das  Bett  der  tofenden  Etfch  hineingefchleuderten 
F"elsklotz  liegt  das  braune  Gemäuer,  auf  dem  oberften 
Zinken  der  bis  zur  vollen  Höhe  erhaltene  Bergfrit, 
tiefer  nach  dem  Waffer  zu  fich  ziehend  die  Wohnge- 
bäude. Schon  Bifchof  Heinrich  von  Chur  hegte  den 
Wunfeh,  hier  eine  Vefte  zu  errichten'"'*,  aber  erft  Con- 
rad von  Belmont,  der  1272  Bifchof  geworden,  führte 
den  Plan  durch,  erwarb  von  Meinhard  von  Tyrol  den 
Burgplatz '^■''  und  erbaute  das  Schloß;'"'"  13 10  wird  hier 

!■"  Vgl.  ausführlich  Mitth.  N.  F.  VI,  S.  CXXV;  Paul  Clciitcn  in  iluu  ,MilUi. 
N.  F.  XIV,  S.  187.  Abl)ildungcn  bei  Piuil  Clemen,  Schlöffer  und  Burgen  in 
Tyrol  ini   Daheim   1890,  S.  716, 

''■'  Unklar  erfcheint  mir  die  Stellung  der  drei  Thiirrnchen  rechts.  Hier 
tritt  ergänzend  hin/u  eine  Zeichnung  des  Schlofles  auf  dem  dritten  Bilde  des 
Wandgemalde-CycUis  im  St.  Ghriftian-Kirchlein  zu  Lichtenberg  (infchriftlich 
1575  entftanden).  Es  zeigt  das  Dach  der  über  dem  Thoreingang  gelegenen 
Capelle  als  abgeftumpftcn  Kegel  und  direkt  über  diefem  als  Thurmauffatz  das 
auf  der  Erandisfehcn  Zeichnung  zu  weit  nach  rechts  gerückte  Thürmchen.  Eine 
merkwürdige  Aehnlichkeit  in  der  Anlage  mit  Lichtenberg  zeigt  die  Burg 
Stahremberg  in  Nieder-Oefterreich  (Mitth.  XV.  S.  97),  bereits  im  11.  Jahrhun- 
dert gegründet  (J.  Newald,  üefchichte  von  Guttenftein   1870,  I.  S.  43I. 

'■■>  Vgl.  ausführlich  Coelejiiti  Stampfer,  Gefchichte  des  SchlolTcs  Fürftcn- 
burg  im  Vinftgau:  Programm  de>  k.  k.  Gymnafiums  /u  Meran  1866  — Ö7.  Nach 
Conradin  -j.  Moor,  die  Herren  von  Tarasp  (Rhaetia  II)  wäre  der  Baiihc.r  in 
der  That  fchon  Heinrich  IV.  von  .Montfort  (1251  — 1272).  Goswtn,  Chronik  von 
Marienberg  ed.  Basilius  Seh«  >  tzer  p.  49 :  Postea  vero  dominus  Hcinricus  epis- 
copus  Curiensis  dictam  collem  a  domino  Meinhardo  comite  de  'l'yrol  eniit  pro 
qnibusdam  praediis  et  castium,  quod  nunc  Fürstenburg  dicitur,  in  eodem  loco 
f.abricavit.  Vgl.  p.  S8,  89,  106,  114,  136.  140,  144,228,231.  Diefe  Nachricht,  wie 
die  folgenden  Uikunden  erweifen,  ifl  Irrlhum. 

•^'  Urkunde  in  Annal.  Curiens.  Ms.  B.  14;  Konrad,  Freiherr  v.  Belmont, 
Bifchof  von  Chur.  taufcht  von  Meinhart  von  Tyrol  gegen  iwei  Höfe  eineti 
Hügel  ein,  auf  dem  die  St.  Fhiriani-Kirchc  ftand  und  wo  hernach  das  SchloB 
Fürftenburg  erbaut  ward.  Archiv  XV,  S.  346. 

'■■'*  Eichhorn,  Episcop.  Curiens.  p.  97;  Perennem  porro  sui  inemoriam 
reliquit  Conradus  in   Venusta  valle,    ubi    prope    Burgusiuin  ex  consensu  Mein 


die  erfte  Urkunde  ausgeflellt,'^'  wiederholt  wechfelt 
das  Schloß  in  der  Folgezeit  den  Befitzer,  es  dient  den 
Bifchöfen  von  Chur  durchweg  als  Pfand-Objeft  '''"  Ein 
erfter  bedeutender  Erweiterungsbau  fand  ftatt  1388 
unter  Bifchof  Johannes  von  Chur,  „daß  er  das  Schloß 
Fürftenburg  mit  vil  aufgefierten  Mauern  und  ander- 
weitigen Bau  verbefert'',  berichten  die  Annales  Curien- 
ses. '■■*  Bei  der  Schlacht  auf  der  Malfer  Heide  am  22. 
Mai  1499  litt  die  Burg  von  neuem  großen  Schaden. 
So  kam  im  16. Jahrhundert  unter  dem  bauluftigenSchloß 
hauptmann""'  Conrad  Rafchär  eine  zweite  Periode 
der  Erneuerung,  die  von  1545  bis  1617  reichte."*' 
Aus  diefer  Zeit  ftammte  die  Vertäfelung  der  Zimmer 
und  der  reiche  malerifche  Schmuck  der  einzelnen 
Riuime  und  der  Hoffagade  des  Palas. '"^  Die  Burg  bildet 
ein  unregelmäßiges  P'ünfeck,  das  eine  gleichmäßig  holie 
Wehrmauer  umzieht,  nach  dem  höchften  Theile  der 
Hinterburg  treppenfönnig  auffteigend.  Dort  beherrfcht 
der  riefige  Bergfrit,  auf  den  im  16.  Jahrhundert  wohl 
ein  letztes  Stockwerk  mit  Schlitzzinnen  aufgefetzt 
ward,    vollkommen     die     am    F'uße     vorüberführende 


Kig.    14.  (Lichtenberg.) 

Etfchrtraße.  Diefer  hintere  Theil  des  Schlofles  ift  der 
ältefte,  er  ift  von  der  Unterburg  noch  durch  eine  Wehr- 
mauer getrennt,  die  einen  neuen  vollftändig  verthei- 
digungsfähigen  Abfchnitt  bildet.  In  diefem  Theile, 
alfo  auf  dem  höchften  Punkte  liegt  auch  die  Cifterne. 
Der   einzige  Zugang    der  Burg    befindet   fich   auf  der 

hardi  junioris  comiti  Tyrolensis  arcem  Fürstenburgicam  magnis  sumptibus 
exstruxit.  In  dem  dem  15.  Jahrhundert  angehörenden  Verzeichnis  der  Sch.'olTer 
des  Gotteshaufes  zu  Chur  heilit  es  {Eichhorn,  Cod.  diplom.  p.  159):  Item  die 
Vefti  Fürftenburg,  gelegen  an  der  Etfch,  die  Bifchof  Conrad  von  Belmont 
gebauwen  hat,  ift  mit  Leut  und  Gut  des  Gotteshus  zu  Chur,  da  zu  den  Ziten 
/u  Chur  Bifchof  was,  do  man  zalt  a.  d.  1282.  Vgl.  Annal.  Curiens.  Ms.  B.  14: 
1282.  25.  Sept.:  Conradus  episcopus  Curiensis  in  arcc  Fürstenburg,  quam  a  se 
struClam  incolere  coeperat,  magno  bonorum  omnium  iuctu  morte  abripitur.  Vgl. 
Gul>r.  Biicelin,  Rhaetia  Sacra  et  prophana  I.  p.  261.  Nicht  in  Einklang  hier- 
mit zu  bringen  die  Nachricht.  d.-Lfs  1289  Heinrich  von  Rhazuns  dem  Bifchof 
Friedrich  von  Chur  einen  Theil  des  Berges  verehrt,  auf  dem  Fürftenburg 
erbaut:  Annal.  Curiens.  Ms.   B.   16. 

>="  Annal.  Curiens. ■„Ms-JP..  26. 

'»  Die  Urkunden  Annal.  Curiens.  Ms.  B.  31,  32  33,  42.  Archiv  für  Kunde 
ofterreich.  Gefchichtsquellen  XV,  S.  346;  Alphons  Huber,  Vereinigung  Tirols 
mit  Oefterreich  S.  199.  Im  Jahre  1358  crftattet  Ludwig  Markgraf  von  Branden- 
burg dem  Bifchof  Peter  von  Chur  das  Schloß  (;'-  Mohr,  Cod.  dipl.  III,  Nr.  76), 
1366  verpflichtet  üch  Bifchof  Peter  die  Burg  den  Herzögen  von  Oefterreich 
gegenüber  olTenhalten  zu  wollen  (Cod.  dipl.  III.  Nr.  130).  InterelTant  ift  die 
Notiz  .-Xnnal.  Curiens.  Ms.  B.  84:  Johann  v.  Chur  übergibt  dem  Conrad  von 
Stadion  die  Vefte  und  jahrlich  40  Mark  Tyroler  Münze  zur  Burghut  und 
niehicren  :inderen  namentlich  aufgeführten  Bezügen,  dafür  folle  Stadion  die 
Burg  wohl  verforgen  mit  einem  Thürmer,  mit  Wächtern,  die  ftcts  in  der  Burg 
bleiben  müC-ten,  und  mit  einem  Thorwartc.  Conrad  v.  Stadion  wird  im  Jahre 
1382  belehnt  (i/.  Mohr,  Cod.  dipl.  IV,  Nr.  53). 

'S'  Cod.  Stampfer,  a.  a.  O.  S.  10. 

'«'  Ueber  die  Füiftenburger  SchloOhauptmannfchaft  vgl.  Alb.  Jacger, 
Engadiner  Krieg  S.    igS  ;  Sprecher,   Pallas  Rhaet.  p.  240. 

"■1  Im  SchlolShofe  findet  fich  die  Infchrift:  Conradt  Rafchär  der  Zeitt 
Haubtmann  zu  Fürftenburg  Maria  Rafcharin  Geborne  von  Saus  Haubtmannin. 
.■\m  haufigften  die  Jahreszahl  1545  angebracht,  am  BurgverlicIJ  155S,  am 
K:iniin   im  Ritterfaal   r593,  in   der  Capelle   1617. 

'  -  Faul  Clemen,  in  den   Milth.   N.  F.  XV,   S.  84. 


—        128       — 


Seite  des  Dorfes  Burgeis.  Der  Burgweg  fiahrt  durch 
einen  völlig  erhaltenen  zinnengekrönten  Zwinger  —  nur 
der  fchmale  Thorthurm  ifl:  zerftört  — ,  dem  zum  Ucber- 


Fig.  15.  (Fürflenburg.) 


niedriger  nnKJer 


fluß    nach    der   Etfch   hin    noch    ein 

Wartthurm,   der  beide  Flanken  der   Burg  beherrfcht, 

zur  Seite  tritt  (Fig.  15).  Die  eigentliche  Angriffsfront  ill 


dieDorf-  und  dieStraßen-  undBergfeite,  darum  findauch 
dem  Hauptwohngebäude  alle  diefen  abgewandt  nach 
der  Etfch  zu.  Direft  über  dem  Thorwege  liegt,  wie  in 
Lichtenberg  und  Boymunt,  die  Schloß-Capelle.  Zur 
Rechten,  nach  dem  Bergfrit  zu,  fchließen  fich  eine 
Reihe  Wirthfchaftsraume  an,  zuletzt  die  Kirche,  links 
liegt  ein  fefter  mit  einer  Tonne  überwölbter  Raum,  mit 
zwei  Fenflerfchlitzen  nach  der  Etfch  zu,  einem  kleinen 
Fenftcrchen  mit  Austritt  nach  dem  Thorwege,  wahr- 
fcheinlich  eine  Art  Archiv.  Die  Reihe  der  Wohnzim- 
mer im  oberen  Stock  eröffnet  an  der  Ecke  das  Fürften- 
zimmer,  an  das  fich  zur  Linken  zwei  kleinere  Neben- 
räume anfchließen.  Eine  ganze  Seite  des  Fünfeckes 
nimmt  fodann  der  große  Ritterfaal  ein,  mit  fechs 
Fenftern,  alle  mit  geräumigen  Seitenfitzen,  die  Decke 
von  ftarken  Balken  getragen.  Der  Saal  ift  26 '/j  Schritt 
lang,  12  Schritt  breit.  Hinter  dem  Ritterfaale  zieht  fich 
nach  dem  Hofe  zu  ein  breiter  Gang  mit  offenen 
Fenfterluken,  an  feinen  Verlängerungen  liegen  an 
beiden  Ecken  des  Hofes  zierliche  weit  vorgekragte 
Erker."'''  Am  weiteflen  ifl  die  Zerftörung  an  den  öft- 
lichen  dem  Eingang  entgegengefetzten  Theilen  vor- 
gefchritten.  Hier  befanden  fich  eine  Reihe  von  Fach- 
werkbauten, die  zum  Theil  eingeftürzt  find.  Neben 
Runkeiflein  gewährt  die  Fürflenburg  heute  das  voU- 
kommenfte  Bild  der  Einrichtung  der  Tyrolcr  Herren- 
fitze  im  15.  und  16.  Jahrhundert. 

'■'^  Ein  anfchaiili^hes  Bild  der  malerifchen  .^^lsfcIlmiickllng  des  SclilofTes 
l^ibt  das  1847  gemalte  Bild  von  Rofiert  Ru/s,  „Burghof  bei  Burgeis",  vgl.  die 
Kiinft  des  19.  Jahrhunderts  in  Seeniann's  Kunflhiflor.  Bilderbogen.  ThI.  63,  3 
und  Zeitfchrift  für  bildende   Kunfl  VH,   S.   163. 

(Fortfetzung  folgt.) 


Notizen. 


39.  Confcrvator  Ats  hat  der  Central-Commiffion 
die  erfreuliche  Mittheilung  gemacht,  dafs  —  um  die 
Fresken  im  alten  Virgilius-Kirchlein  auf  dem  Calvarien- 
Berge  bei  Bozen  zu  conferviren  —  Hermann  Ritter  von 
Widinann  zu  Stajfelfeld  einen  Beitrag  zugefagt  hat, 
der  in  der  Weife  verwendet  werden  foll,  dafs  für  den 
im  Kirchlein  cinlogirten  Mefsner  eine  andere  Wohnung 
und  zur  Unterbringung  des  bi.-^nun  dafclbff  eingela- 
gerten Viehfutters  ein  Futterhaus  hergeftellt,  bezie- 
hungsweife  die  Kirche  von  diefen  Ungehörigkeiten  ganz 
geräumt  werden  kann.  Für  die  übrigen  Adaptirungen 
foll  von  Seite  der  Bozener  Probffei  vorgeforgt  werden. 

40.  Confervator  Brofeffor  Gelcich  hat  mitgelhcilt, 
dafs  fich  im  Keftoren-I'alafte  zwei  wichtige,  aber  rcftau- 
rirungsbedürftige  Bilder  befinden.  Das  eine  flammt 
von  Paris  ßordone  und  flellt  vor  Venus  und  Adonis, 
das  andere  die  Taufe  Chrifli,  doch  ifl  der  Mcifter 
dicfes  Bildes  bisnun  nicht  bekannt. 

41.  Ueber  Antrag  der  k.  und  k.  Genie  Direflion 
in  Linz  genehmigte  das  Reichs-Kriegs-Miniflerium  die 
Jnflandfetzung  des  Orgelwerkes  auf  der  Fcflung 
Ilokcnfalzburg  in  der  vom  Confervator  l'rofeffor 
V.  //fr^^r  beantragten  Weife  (fiehe  Notiz  32)  und  wurde 

hiefür    ein   Paufclialbetrag  von    150    fl.    bewilligt.    Die 
Arbeit  bcforgt  der  Salzburger  Orgelbauer  Mauraclicr. 


Es  werden  die  Pfeifen  und  Windführungen  ausgebeffert 
und  fieben  Mufikftucke  mit  theilwcifer  Benützung  der 
alten  Walzen  hergeflellt,  als  der  alte  Choral  ( wahr- 
fcheinlich  von  Auguflin  Elbli),  eine  Hymne  von  Paul 
Ilofwagener  (f  1537),  ein  Lied  vom  Hofürganill  J.  E. 
ICberlein  (f  1762),  die  Volksln-mne,  ein  Duett  aus  der 
Oper  „Das  unterbrochene  Opferfefl"  von  Peter  Winter 
(f  1796),  ein  Lied  von  Michael  Haydn  und  eines  von 
Mozart.  Die  Orgel  foll  alsdann  wietler  täglich  zweimal 
ertönen. 

42.  Confervator  Trapp  und  Herr  Franz  Janick 
haben  auf  die  Marienfäule  in  Ungarifcli-Ilradifch  ?m.{- 
merkfam  gemacht.  .Selbe  entfland  in  Folge  eines  (lelüb- 
des  des  Stadlmagiflrates,  de  dato  28.  Juli  1715  zur 
glücklichen  Abwendung  der  Peflgefahr.  Der  Bau  wurde 
dem  Brünner  Bildhauer  Anton  Riga  übertragen,  der 
hiefür  856  fl.  damaliger  Währung  erhielt.  Anton  Riga 
Aammt  aus  Königsberg  in  Preußen,  wurde  in  Italien 
gebildet  und  lebte  bis  zu  feinem  Ende  in  Hninn,  Die 
Grundfleinlegung  erfolgte  am  7.  September,  die  Ein- 
weihung am  II.  September  171 8.  Zwifchcn  1841  —  1845 
wurde  die  Säule  einer,  aber  nicht  genügenden  Rcllau- 
rirung  um  850  fl.  unterzogen.  Die  Siuile  wurde  mit 
Oelfarbe  überzogen  und  theilweife  vergoldet.  Im  Jahre 
1892  wurde  eine  neuerliche  Reflaurirung  nothwendig, 
die  3500  fl.  koftete. 


129       — 


Die  VotivSäulebefteht  aus  einem  mächtigen  capel- 
leiiförmigen  vicrfeitigen  Unterbau,  der  auf  zwei  kriiftigen 
Stufen  ruht  (Cetechovicer  Marmor).  Auf  dem  Unter- 
baue fteiien  vier  Freifiguren  und  dazwifchen  Engel 
mit  Lampen.  Der  Unterbau  ift  innen  hohl  und  gegen 
Süden  offen,  darin  die  liegende  Figur  der  heil.  Rofalia, 
nach  welcher  Heiligen  die  ganze  Säule  im  Volksmunde 
benannt  wird. 

Dann  erhebt  fich  ein  pfeilerartiger  vierfeitiger 
fchlanker  Aufbau,  der  fich  in  der  Höhe  in  eine  Wolken- 
fäule verwandelt.  Das  Material  wechfelt  hier  mit 
rothem  Marmor  Itellenweife  ab.  Hier  finden  fich  Engcls- 
figuren,  Engelsköpfe  und  Kinderftatuetten,  zu  oberfl 
die  Figur  der  heil.  Maria  (Maria-Empfängnis),  auf  der 
Erdkugel    flehend,   um   die  fich  die  Schlange  fchlingt. 

Auf  der  Stirnfeite  des  Sockels  das  Reliefbildnis 
der  heil.  Vi61oria,  die  vier  Figuren  beziehen  fich  auf 
die  Heiligen:  Carolus  B,  Franciscus  X.,  Florian  und 
Petrus  d'Alcantara. 

43.  Confervator  Dr.  Ritzingcr  hat  der  Central- 
Commiffion  mitgetheilt,  dafs  er  im  Archive  zu  Stadt 
Steyr  einige  nicht  unwichtige  kunfthiftorilche  Daten 
aufzufinden  in  der  Lage  war.  So  findet  fich  z.  B. 
folgende  Stelle :  Magnus  Ziegler  wird  zum  Stadtge- 
bäuden als  verordneter  Baumeifter  angeftellt,  der  auch 
das  neue  Gottesacker-Gebäude  über  fich  hat  (1572). 
Da  das  jetzige  Rathhaus-Gebäude  erft  26.  April  1765 
begonnen  wurde  und  1778  zur  Vollendung  gelangte, 
fo  erfcheint  Magnus  Zicgler  als  der  Baumeifter  des 
ehemals  als  Rathhaus  in  Verwendung  geflandcnen, 
jetzigen  Riefel-Haufes,  deffen  innere  Architektur  ftark 
an  die  Friedhofs-Capelle  erinnert. 

In  dem  Protokolle  von  1684,  dem  auch  eine 
Schlußabrechnung  über  den  am  Stadtplatze  befind- 
lichen Leopoldi-Brunnen  beiliegt,  erfcheint  folgende 
Stelle:  „Dem  Peter  Petz  in  Linz  für  die  Statue  des 
heil.  Leopold  und  die  Engeln  und  anderen  Zierat 
146  fl.  3.  22.  bezahlt." 

Uebcr  das  jetzt  beftehende  Rathhaus  erfcheint 
im  Protokolle  von  1757  unterm  26.  Oftober  folgende 
Stelle:  Der  Baumeifter  Heuberger  legt  den  Grundrifs, 
wie  das  Rathhaus  erbaut  werden  kann,  vor. 

Ueber  den  Bau  der  Dominicaner-Kirche  findet 
fich  folgende  Stelle:  Dom-Kirche  und  Klofter  1642  bis 
1646  vollendet.  Der  Maurer,  der  den  Bau  machte,  hieß 
Hanns  Danner. 

44.  Confervator  Profeffor  Muller  hat  die  Central- 
Commiffion  aufmerkfam  gemacht  auf  ein  fteinernes 
Rehef  (Fig.  i),  das  in  der  Rückwand  des  Hochaltars 
in  der  Rund-Kirche  zu  Levin  (Böhmen)  eingemauert  ift. 

Regierungs-Rath  Dr.  Kenner  fprach  bezüglich 
desfelben  die  Vermuthung  dahin  aus,  dafs  die  Sculptur 
nach  dem  Modell  einer  Münze  des  13.  Jahrhunderts 
angefertigt  worden  fein  dürfte  und  dafs  darauf  Buch- 
ftaben  ohne  Sinn  nachgeahmt  find,  nur  um  den  Schein 
einer  Infclnüft  zu  geben  und  leere  Stellen  auszufüllen. 
Die  Hauptfigur  des  Reliefs  ift  ein  ftylifirtes  vierfüßiges 
Thier,  mit  einem  Wolfe  einigermaßen  zu  vergleichen. 
Die  Sculptur  gehört  der  früh-gothifchen,  eher  aber 
der  Uebergangszeit  aus  dem  romanifchen  in  den  go- 
thifchen  Styl  an,  da  die  eingeftreuten  einzelnen  Buch- 
ftaben    dem    Charakter    der    Mönchsfchrift    ziemlich 

XI.V.  N.  F. 


naheftehen.  Die  Verfuche,  die  Buchftaben  zu  einer 
verftändlichen  Lefung  zu  combiniren,  waren  bisher 
erfolglos.  Eine  ehemalige  Verwendung  diefer  Sculptur 
als  Gewölbe-Schhißftein  wäre  nicht  unmöglich. 

45.   (Die  Porta  aurea  in  Pola.J 

Wie  bekanntj  ftehen  in  Pohl  noch  drei  römifche 
Thore  aufrecht,  die  Porta  gemina,  die  Porta  ercola 
und  die  fogenannte  Porta  aurea.  Die  Beftimmungen 
diefer  Thore  und  der  Bezug  derfelben  zur  römifchen 
Stadtmauer,  deren  Linienzug  fie  in  ihrer  Stellung 
folgen,  waren  aber  nicht  durchweg  die  gleichen. 
Schon  in  der  äußeren  Ausgeftaltung  macht  fich  dies 
geltend.  Die  Porta  gemina  wie  die  ercola  find  wenig 
gefchmückte,  einfach  gegliederte  Bauten,  wogegen 
die  Porta  aurea  ein  reiches,  auf  plaftifche  Wirkung 
berechnetes,  fchön  decorirtes  Monument  ift.  Aber 
auch  die  bauliche  Grundform  und  conftruftive  Figu- 
ration  läfst  deutlich  erkennen,  dafs  die  erfteren 
Mauerthore  waren,  die  in  Verbindung  mit  der  Stadt- 
mauer ftanden,  hinter  fich  einen  Thorraum  deckten 
und  mit  Falzen  in  den  Pfeilern  und  mit  durchgehenden 
Schlitzen  in  den  Bögen  für  auf-  und  abgehende  Gitter 
oder   Thore    zum   Verfchließen    eingerichtet   wurden. 


'^.  0.^:^:'^ 


j 


V    y 


Fig.  I 


Die  Porta  aurea  zeigt  weder  jene  Verfchließ-Vor- 
richtungen  noch  hat  fie  mit  der  Stadtmauer  in  direkter 
Verbindung  geftanden,  fie  ift  im  Gegenfatze  zu  einem 
Stadtthore  ein  fogenannter  Triumphbogen,  ein  Ehren- 
thor, ein  Gebäude,  das  in  der  Regel  nach  allen  Seiten 
freifteht  und  auch  feinem  Zwecke  und  feiner  Widmung 
gemäß  eine  ganz  andere  Ausgeftaltung  erfuhr  als  ein 
Mauerthor.  Eine  Frau  Salvia  Postumia  hatte  das  Thor 
auf  ihre  Koften  zu  Ehren  ihres  Gemahles  Lucius 
Sergius,  feines  Vaters  gleichen  Namens  und  feines 
Oheims  Gnaeus  Sergius  errichten  laffen.  Die  Erbauung 
fällt  in  die  Zeit  des  Auguftus  und  wahrfcheinlich  vor 
jener  des  Tempels  des  Auguftus  in  Pola,  mit  dem 
unfer  Bogen  in  der  formalen  Behandlung  viele  Ver- 
wandtfchaft  zeigt.  Der  Thorbogen  wird  beiderfeits 
von  gekuppelten  korinthifchen  Säulen  flankirt,  welche 
ein  durchgehendes  Gebälk  mit  Attika  tragen.  Gebälk 
und  Attika  find  über  den  Säulenpaaren  verkröpft,  die 
letztere  auch  in  der  Mitte  der  Front  mit  einer  pofta- 
ment-bildenden  Verkropfung  verfehen,  fo  dafs  zur  Auf- 
ftellung  von  Statuen  der  Familienmitglieder  der  Sergier 


—     i.^o 


drei  Poftamente  fich  ergaben,  zu  deren  erhaltenen  In- 
fchriften  allerdings  heute  die  Standbilder  fehlen.  Zu 
den  großen  in  edlen  Verhältniffen  ausgeführten  Formen 
der  Architektur  gefeilt  fich  ein  reicher  ornamentaler 
Schmuck  fowohl  an  Säulen  und  Gefimfen  wie  auch  an 
den  Friefen,  Zwickelflächen  und  den  Leibungen  der 
Thoröffnung.  Die  zierlichen  Weinranken  wie  die 
fchöne  Caffettirung  des  Bogens,  die  Viftorien  in  den 
Zwickeln,  Feftons  und  Waffendarftellungen  im  Friefe 
laffen  erkennen,  dafs  es  fich  hier  um  einen  Decorativ- 
bau  handelte,  der  dem  Andenken  einer  Militärperfon 
gelten  follte,  wie  auch  thatfächlich  Lucius  Sergius 
Tribun  der  XXIX.  Legion  war. 

Die  untenftehende  Abbildung,  Fig.  2,  gibt  jene 
Seite  des  Bogens,  welche  nach  der  Stadt  gekehrt  war 
und  den  obengenannten  vollen  Schmuck  an  Sculpturen 
und  Infchriften   tragt;  mit  ihr  kamen  auch  die  beiden 


Fig.  2.  (Pola.) 

Schmalfeiten  des  Gebäudes  zur  vollen  architektonifchcn 
und  ornamentalen  AusgcOaltung,  dagegen  war  dies 
bei  der  in  unferem  Hilde  nicht  fichtbaren  Frontfeite, 
die  fich  von  der  Stadt  abwendet,  nicht  der  Fall.  Diefc 
Seite  ifl:  faft  ganz  unvollendet  geblieben,  denn  der 
Bogen  rückte  hier  nahe  an  das  Stadtthor  heran,  fo 
dafs  die  völlige  Ausarbeitung  feiner  P'ormcn  ebcnfo 
zwecklos  als  unmöglich  gewefen  wäre.  Wir  fchen  da- 
her heute,  nachdem  das  alte  Mauerthor  längfl  gefallen 
ift,  eine  fcheinbar  nicht  fertig  gewordene  F'ront  vor 
uns  flehen.  Die  Säulenpaare  find  nur  gegen  die  ficht- 
bar gewefcne  Schmalfcitc  und  gegen  den  Durchgang 
zu  cannellirt,  auch  die  Capitäle  wurden  nur  i.ibcr  den 
cannellirten  Theilcn  der  Säulen  fertig  ausgearbeitet, 
blichen  aber  fonfl  in  rohen  Umriffen  boffirt  flehen. 
Architrave  und  Friefe  der  Verkropfungen  find  ganz 
ungegliedert  als   gerade  Fläche  glatt   geblieben,    die 


Sima  diefer  Theile  fehlt  fogar  vollftändig;  dagegen  ill; 
das  Kranzgefixns  über  dem  Durchgang,  das  weiter  zu- 
rücktrat, fertig  ausgearbeitet.  Der  Zufland  der  Un- 
vollendetheit der  verkröpften  Partien,  refpeftive  der 
Pfeiler  mit  ihren  Säulenpaaren  nach  diefer  Seite  läfst 
keinen  Zweifel  über,  dafs,  wie  oben  gefagt,  der  Bogen 
hier  knapp  an  das  eigentliche  Stadtthor  und  an  die 
Innenfeite  desfelben  geftellt  wurde,  fo  dafs  der  geringe 
Zwifchenraum  felbft  das  Abarbeiten  flehen  gebliebener 
Ouaderpoffen  und  fonfliger  Unregelmäßigkeiten  nicht 
möglich  und  auch  nicht  nothwendig  gemacht  hat. 

Die  vor  wenigen  Jahren  vorgenommenen  Gra- 
bungen zur  völligen  Bloßlegung  der  Porta  aurea  oder 
des  Sergier-Thores  haben  auf  das  alte  Steinpflafler  mit 
feinem  Wagengeleife,  das  mit  einer  Radweite  von 
einem  Meter  durch  die  Porta  aurea  und  das  Stadtthor 
ging,  geführt;  gleicherweife  wurde  in  einer  Entfernung 
von  70  Cm.  von  der  Rückfeitc  des  Sergier- 
Thores  der  Unterbau  des  Stadtthores  aufge- 
deckt; endlich  traten  die  Sockelunterbauten 
der  Pfeiler  der  Ehrenpforte  in  ihrer  vollen 
Höhe  von  170  M.,  die  bis  nun  i  M.  hoch  im 
angefchütteten  Niveau  verborgen  waren,  zu 
Tage.  Die  auf  der  beigegebenen  Tafel  er- 
fcheinende  Abbildung  wurde  nach  einer  Auf- 
nahme angefertigt,  die  der  feither  verflorbenc 
Correfpondcnt  Anton  Widter  im  Jahre  1872 
ausgeführt  hatte. 

A.  Hanfer. 

46.  Correfpondcnt  Direflor  Piifcki  hat 
der  k.  k.  Central  -  Conimiffion  über  die  Ent- 
deckung einiger  alten  Fresco-Bilder,  die  der 
Maler  Anton  Bertolli\\\  der  Domkirche  zu  Trieß 
und  zwar  in  der  Nifche  des  heil.  Apolonaris 
gefunden  hatte,  Mittheilung  gemacht.  Da  ihm 
der  Municipal-Ausfchufs  den  Betrag  von  100  fl. 
bewilligt  hat,  fo  wurde  die  Unterfuchung  nach 
alten  Malereireflen  mit  gutem  Erfolge  fortge- 
führt. Man  brachte  nämlich  noch  dieUeberrefle 
verfchiedener  Malereien  ans  Licht,  von  denen 
die  älteren,  nach  dem  Gutachten  fachvcrilän- 
(liger  Perfonen,  höchfl  wahrfcheinlich  mit  dem 
Bau  der  kleinen  Julius -Kirche  durch  den 
Bifchof  Frugiferus  gleichzeitig  find,  und  die 
jüngeren,  das  ifl  die  von  demfelben  bereits 
erwähnte  Büfle  der  heil.  Gottesmutter,  dem 
10.  Jalnlnniderte  zu  gehören  fcheinen.  Its  ifl  nur  noch 
beizufügen,  dafs  die  Nachforfchung  auf  fämmtliche 
Wiinde  der  Kirche  erflreckt  wurde,  und  dafs  unter  der 
weißen  Tünche  ein  Bild  des  heil.  Julius,  ein  „Ecce 
homo",  lieide  vom  14.  oder  15.  Jahrhundert,  und  andere 
Spuren  von  P'resco-Malereien  bloßgelegt  wurden.  Das 
genügt,  um  die  uns  aus  den  ArchivsAflen  erholte 
Notiz  zu  heflätigen,  dafs  die  Wiuide  der  Donikirche 
einmal   niil  v.  crtlnollen  Malereien  decorirt  waren. 

47.  Corref])(>n(lent  l'rofeflor /^rf/v/  hat  di-r  Cen- 
tral-Coiiimiffion  mitgethcilt,  dafs  es  ihm  bei  feinem 
jungden  Studienreifen  in  Mähren  geglückt  ifl,  einen 
weiteren  Baumein:er  der  Spät-(iothik  durch  dcffen 
Grabflein  kennen  zu  lernen.  Er  fand  nämlich  in  der 
an  den  Kreuzgang  der  St.  MichaelsKirchc  in  Oliiüia 
angci)aulen     fogcnanntt'ii      ixihniifchen      odci'     Alcxi- 


POLA 


^^pBBS%S 


Ltlh..\  U'i  laK  \.  oJt..i  Kiu'^^t    >,\  /-(..ii^..  K  ^^1- 


1  II 


Capelle  eine  Grabplatte  der  Früh  -  Renaiffance;  die 
fchwer  leferliche  Umfchrift  in  verzerrten  Lettern  der 
Majuskelfchrift  bildet  die  Umrahmung  des  Steines.  In 
einer  Bogennifche  fteht  ein  Mann,  die  Hände  über  der 
Brufl  gefaltet;  unterhalb  der  Nifchen-Architcktur  vvirtl 
eine  Cartouche  mit  Schild  von  zwei  Puttis  gehalten ; 
darin  das  Zeichen  des  Steinmetzes  (Fig.  3).  In  der  den 
50  Cm.  breiten,  120  Cm.  langen  Stein  umrandenden 
Infchrift  befinden  fich  rechts  und  links  oben  in  den 
Ecken  zwei  kleine  Wappen  (Baum-  und  Arm-Schwert). 

Die  Infchrift  ift  fchwer  zu  lefen,  weil  die  Buch- 
flaben vielfach  verzogen  und  in  ihrem  Stamme  ver- 
krümmt, verdreht  find.  Sie  befagt,  dafs  1524  Joanes 
defs  Hans  Eibenrtock  Sonn  geftorben. 

In  dem  über  den  zwei  candelaberartig  gehaltenen 
reich  verzierten  Säulen  fich  aufbauenden  Bogen  fleht 
in  Renaiffance-Lettern:  „Bit  Got  vor  mich  Johannes." 
Hiemit  wäre  neuerlich  ein  in  Mähren  Ihätiger  Bau- 
meifter  bekannt  geworden ,  wahrfcheinlich  derfelbe 
der  diefe  im  fpät-gothifchen  Style  gehaltene  Alexi- 
Capelle  gebaut  und  in  Folge  des  Zufammenhanges  der 
jetzigen  Dominicaner-Kirche  (auf  der  Pilten)  mit  dem 
früheren  Dominicaner-Klofber  (St.  Michael)  höchft  wahr- 
fcheinlich auch  beim  Baue  der  erfteren  fich  bethätigt 
haben  dürfte.  Als  die  Dominicaner  das  alte  Klofter 
übergaben,  wurde  in  der  Vorftadt  Pilten  das  neue 
errichtet. 


Fig.  3.  (Olmüz.) 

Nach  Auflaffung  des  Landtagsfaales  im  alten 
Klolter  wurde  dasfelbe  zur  kirchlichen  Wiederbe- 
nützung rückerflattet,  mit  der  Bedingung,  dafs  die 
herrlichen  W'appen  der  Landftände  aus  dem  alten 
mährifchen  Adel  wohl  erhalten  bleiben  müßten. 

Von  diefen  findet  fich  aber  leider  keine  Spur 
mehr;  beim  Umbaue  des  Klofters  find  diefe  Wappen- 
fchilder,  welche  ähnlich  wie  jene  erhaltenen,  im  alten 
Brünner  Landtagsfaale  befindlichen  W'appenbilder 
gewefen  fein  mochten,  verfchwunden. 

Weiters  hat  Profeffor  Prokop  mitgetheilt,  dafs 
der  Name  jenes  Baumeifters,  deffen  Sohn  eine  Grab- 
platte in  der  Aegidius- Capelle  (Michaels -Kirche)  in 
Olmüz  hat,  fich  in  alten  Rechts-Urkunden  der  Stadt 
zweimal  findet.  Nämlich :  Hans  Eibenßock  „hat  Hab 
und  Gut  in  Olmüz,  ilt  aus  Salzburg"  (1522)  und 
„Burger   in    Wien"    (1525).    Hans   Eibenftock   lebte    in 


Olmüz  zur  felben  Zeit  wie  Meifter  Pilgram  in  Brunn, 
der  das  abgetragene  fehr  intereffante  Judenthor,  dann 
am  nördlichen  Theile  der  St.  Jacobs-Kirche  gebaut 
hatte  und  von  dem  nach  Styl  und  Form  auch  das 
berühmte  Brünner  Rathhaus-Portal  hcrftammen  dürfte. 
Meifter  Eibenftock  dürfte,  wie  Profeffor  Prokop  meint, 
den  Bauformen  nach  die  Alexius-Capelle,  das  gothifche 
Waghaus  beim  Rathhaufe  gebaut  und  vielleicht  den 
.Vbfchluß   der  Mauritius-Kirche  veranlafst  haben. 

48.  (Das  Kirclilein  S.  Erinetc  im  Dorfe  Calce- 
ranica  am  Lago  di  Caldoiiasso.) 

Diefes  Kirchlein,  welches  neben  der  künftlerifch 
wenicj  bedeutenden  Pfarrkirche  befteht,   ift,  wie  in  den 


Fig.  4.  (Calceranica.) 

hier  beigegebenen  Skizzen  dargeflellt  ift,  ein  kleiner  Cen- 
tralbau  von  quadratifcher  Grundform  mit  einem  aus  fünf 
Achteckfeiten  conflruirtenPresbyteriuman  der  Oftfeite. 
Letzteres  ift  durch  ein  combinirtes  Tonnen-  und 
Kappengewölbe  mit  Stucco-Rippen  gedeckt,  während 
der  Centralraum  mit  einem  Spiegelgewölbe  überfpannt 
ift.  Der  Centralraum  hat  eine  Lichtweite  von  nur  7  M. 
im  Quadrat,  der  Chor  eine  Länge  von  5  M.  (Fig.  4). 

An  der  Nordfeite  ift  links  vom  Haupteingange  ein 
kleiner  aus  Bruchfteinen  von  rothem  Marmor  erbauter 
Campanile  fituirt,  der  von  quadratifcher  Grfundorm  ift 
und  einen  gemauerten  Helm   trägt.   Diefer  verwitterte 

«7* 


132       — 


und  zerklüftete  Thurm  fteht  mit  einer  offenen  Vorhalle 
in  Verbindung,  deren  zwei  ungleich  lange  Bogen  an 
der  Ecke  durch  eine  Renaiffance-Säule  und  an  den 
Wänden  durch  diefer  entfprechende  Confolen  geftützt 
find  (Fig.  5). 

Der  Sage  nach  fteht  diefes  Kirchlein  an  Stelle 
eines  ehemals  dort  beftandenen  Diana-Tempels,  von 
welchem  noch  das  links  vom  Haupteingange  auf- 
geftellte  Poftament  aus  weißem  Marmor,  welches  als 
Opferftock  dient,  herrühren  foU.  Sowohl  die  Verhält- 
niffe  als  auch  die  Profilirung  und  die  eingemeißelte  In- 
fchrift  diefes  Poflamentes,  welches  feiner  Patina  nach 
immerhin  fehr  alt  fein  mag,  laffen  dem  Gefertigten 
indefs  die  römifche  Provenienz  diefes  Objeftes  be- 
zweifeln. 

Gegen  das  befonders  hohe  Alter,  welches  man 
diefem  kleinen  Kirchenbau  zufchreiben  will,  fprechen 
verfchicdene  Anzeichen.  Insbefondere  laffen  die  fchwa- 
chen  Mauern  des  quadratifchen  Raumes  nicht  darauf 
fchließen,  dafs  es  ehedem  ein  romanifcher  Bau  war, 
welcher  etwa  an  Stelle  des  polygonen  Chores  eine 
halbkreisförmige  Apfis  befeffen  hätte. 


yig.  5.  iCakeranica.i 

Es  fcheint  vielmehr  kaum  zweifelhaft,  dafs  der 
ganze  Bau,  ohne  feither  wcfentlich  verändert  worden  zu 
fein,  aus  dem  Jahre  1512  ftammt,  welche  Jahrzahl  am 
Gefimfe    der   ftcincrnen    Altarmenfa    eingemeißelt    ift. 

An  den  Wanddächen  aj  und  dj  befinden  fich  in 
geringer  Höhe  über  dem  P'ußboden  noch  zwei  Frcsco- 
Gemälde  aus  dem  16.  Jahrhundert  zum  größten  Thcile 
gut  erhalten. 

Das  Fresco  bei  aJ  enthält  in  der  Mitte  die  Dar- 
fleiiung  der  hl.  Dreifaltigkeit,  links  die  Figur  des  hl. 
Nicolaus  und  rechts  eine  nur  mehr  in  wenigen  Spuren 
erhaltene  Heiligenfigur.  Die  Infchrift  unter  diefem 
Gemälde  ifl:  nicht  mehr  leferlich,  nur  die  Jahrzahl  1578. 

Das  in  der  Bildfläche  mit  jenem  bei  aJ  gleich 
große  Fresco-Gemälde  an  dcrWand  /jj  enthält  die  Dar- 
Itellung  der  heil.  Maria  mit  dem  Jefuskinde  und  rechts 
davon  die  Figur  des  heil.  Laurentius  (die Symbole  i'alm- 
zwcig  und  Buch  in  den  Händen  haltend),  darunter  das 


Wappen  der  Grafen  von  Trapp,  welche  heute  noch  das 
Patronatsrecht'über  diefe  Kirche  ausüben.  Die  Figuren 
diefer  Fresken  find  vollendet  in  der  Zeichnung  und  von 
kräftigem  Colorit. 

In  der  Mitte  des  Spiegelgewölbes  befindet  fich 
ferner  eine  künfllerifch  wenig  werthvolle  Malerei,  dar- 
fteilend die  hl.  Maria,  welche  aus  dem  vorigen  Jahr- 
hundert ftammt. 

Zur  Zeit  al^  Gefertigter  diefes  Kirclilein  befich- 
tigte,  wurden  dafelblt  an  den  Gewölben  Renovirungs- 
arbeiten  vorgenommen.  Der  Pfarrer  hatte  auch  die 
unheimliche  Abficht,  die  beiden  vorgenannten  Fresken 
zu   entfernen,  da   fie  nicht  mehr   fchön  genug  wären. 

Auf  die  Vorftellung  des  Gefertigten  hin,  welche 
trotz  des  fchlechten  Italienifch,  mit  der  fie  gegeben 
werden  konnte,  wirkte,  verficherte  der  Herr  Pfarrer  von 
Calceranica  fodann,  diefe  werthvollen  Gemälde,  fo  wie 
fie  jetzt  find,  ohne  „Ausbefferung"  beftehen  zu  laffen. 

Deinins:cr. 


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^^TAINK/ECZE'DEM  D 
GOT-ffENAD^ 


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Fig.   6.   (Uriinn.) 

(Der  jetzt  als  Opferftock  benützte  Votiv- Altar  zu 
Ehren  der  Diana  war,  nach  Rofchvianu,  früher  in  der 
fiidolllichen  Außenmauer  der  Kirche  eingelaffen  und 
wurde  die  Infchrift  nach  iibereinftimmendeii  älteren 
Berichten  dinxh  Uebereifer  rellaurirt,  das  heißt  nach 
wilkürlicher  Lefung  erzeugt,  indem  die  Buchdaben 
fo,  wie  fie  der  Correcftor  las,  vcrthcilt  wurden,  aller- 
dings  in    einer  Weife,    dafs    man    die   Refte  der  alten 


133 


noch  erkennen  kann.  Im  Corpus  inscr.  ift  die  Infchrift 
V.  I.  5648  piiblicirt;  fie  lautet: 

Dianae  anthus    .  .  .  cos  v  .  .  .  a6los  ex  v(oto)  f(ecit)  ] 

Die  Redaclion. 

49.  Profeffor  Prokop  hat  der  Ccntral-CommilTion 
mitgetheilt,  dafs  er  bei  den  Reftaurirungs-Arbeiten  an 
der  Nordfeite  des  Brünner  Domes,  i  M.  tief  unter  der 
Erde,  zwei  Grabfteine   aufgefunden  habe,  die  fich  auf 


ANN0'DNI-^y-)-9 

^Frav-den-g©^ 


«^DHAdSN3D3HO 


Fig.  7.  (Briinn.) 

Steinmetzmeiftcr  beziehen,  die  beim  Dombau  befchäf- 
tigt  waren.  Der  eine,  vom  Jahre  1579,  ift  78  Cm.  breit, 
1-25  M.  lang  und  gehört  .dem  Meifter  Jörg  Penniczgo 
(Benisko);  der  zweite,  vom  Jahre  1519,  ift  83  Cm.  breit, 
1-48  M.  lang  und  barg  die  Leiche  des  Meirters  Michel 
von  Regensburg  und  feiner  1542  verftorbenen  Hausfrau 
Barbara   Stanglyn.  Profeffor  v.  Rii/ia  bemerkt  zu  dem 

Steinmetzzeichen    des   Erftgenannten  ~t~"  ,    dafs    das- 

felbe  dem  Zeichen  auf  dem  Plane  des  St.  Stephans- 
thurmes  der  Brünnerhütte  und  mehreren  Zeichen  an 
der  Kirche  zu  Dobrovnic  bei  Pernßein  ähnlich    wäre. 


Da  in  einer  und  dcrfelben  Steinmetzfamilie  die  Zeichen 
immer  einander  iihnlich  waren,  fo  müßen  diefe  in  Mähren 
vorkommenden  iihnlichen  Zeichen  unbedingt  mit  dem 
Meifter  Penniczgo  in  Familien-Beziehung  flehen,  weil 
unter  der  betreffenden  Hüttenfamilie  der  Gebrauch 
beftand,  fich  Zeichen  zu  wählen,  die  einen  gemeinfamen 
Charakter  haben,  wie  folches  bei  vielen  Familien 
(Roritzer,  Böblinger  etc.)  der  Fall  war.  Die  beiden 
Grabfteine  find  daher  von  großem  Iiitereffe.  Das  eine 
Grabmal  wird  auch  intcrcffant  durch  die  beigegebenen 
Embleme  des  Bauhandwerkes  und  der  Steinmetzerei 
(Steinkämmer,  Winkelmaß  und  Zirkel,  Fig.  6),  das 
andere  zeigt  als  Embleme  den  Steinhammer  und  eine 
Hacke.  Dies  wäre  zu  deuten,  entweder  dafs  der  Meifter 
Michel  auch  Zimmermann  war,  oder,  was  aber  weniger 
wahrfcheinlich  ift,  dafs  feine  Hausfrau  aus  einer  Zim- 
mermanns- oder  Flcifchcr-Familie  ftammte  (Fig.  7). 

50.   (Funde  in  und  um  Pola.J 

In  Pohl  ftieß  man  bei  F'undamentirung  des  neuen 
Zollamts-Gebäudes  auf  der  Riva,  rechts  von  der  In- 
fanterieCaferne,  in  einer  Tiefe  von  0-4  —  07  M. 
unter  dem  heutigen  Niveau  auf  römifches  Mauerwerk, 
das  mit  feinem  unteren  Theile  in  einer  Tiefe  von  circa 
2-2  M.  in  das  Grundwaffer  hineinragt.  Es  ift  Gußwerk 
mit  theilweifer  Plattenverkleidung.  Als  Bindemittel 
diente  Kalkmörtel.  Der  Grundrifs  zeigt  eine  An- 
zahl von  Zimmern,  Gängen  und  zwei  Thüren.  Auch 
eine  alte  Cifterne  wurde  aufgedeckt.  Wir  haben  es 
fomit  nicht,  wie  man  wegen  der  Lage  und  der  Dicke 
der  Mauern  —  eine  Doppelmauer  erreicht  eine  folche 
von  37  M.  —  vermuthen  könnte,  mit  Reften  der  Stadt- 
befeftigung,  fondern  wahrfcheinlich  mit  Hafenbauten, 
etwa  einem  Magazin  zu  thun. 

Aus  den  römifchen  Mauern  wurden  herausge- 
brochen: • 

I-        CNMINVCIO 
AGABOPo 

nun  "^"vTTXacg 

M  I  N  V  C  I  A 
5  C  N   ■   L  I  B 

THALLVSA 
VXOR 
V    ö     F 

I.  Ein  oblonger  Grabftein  aus  grauem  Kalk,  quer 
durchgebrochen,  fonft  faft  unverfehrt;  hoch  r4S,  breit 
0-58,  dick  0-22.  Unten  ift  der  Stein  mit  einem  Zapfen 
zum  Einlaffen  in  eine  Bafis  verfehen.  Außerdem  fcheint 
er  urfprünglich  in  eine  Mauer  eingefenkt  gewefen  zu 
fein;  rückwärts  ift  er  nämlich  ganz,  an  den  beiden 
Nebenfeiten  bis  auf  einen  vorderen  Saum  von  0'o6  M. 
unbearbeitet.  Eine  oblonge  Vertiefung  von  041  M. 
Länge  und  0"06  M.  Breite  auf  der  unteren  Hälfte  der 
Vorderfeite  rührt  von  fpäterer  Verwendung  her.  Die 
Infchriftfläche  ift  einfach  umrahmt  und  mit  einem 
Reliefgiebel  verfehen.  Die  Infchrift  lautet: 

Buchftaben    fchön    und    tief,    Z.    i  ff.    006,    Z. 
007  M.  hoch. 

Cn.  Minucio    |    Cn.  1.  Agathopo    | 

sevir(o)  Aug(ustali)    |    Minucia    |    Cn.  lib,    | 

Thaliusa    |    uxor    |    v(iva)  f  (ecit). 


—      r34     — 


2.  Untere  rechte  Ecke   einer  Kalklleinplatte  mit 
umrahmter  Vorderfläclie. 


Buchrtabenhöhe  007  M. 

Ebenda  fand  man  einen  „Thonziegel,"  der  nach 
Parenzo  verfchleppt  wurde.  Die  Infchrift  lautet  nach 
der  Copie  meines  Collegen  Bencdetti: 

L  M  I  N 

P  V  D  r  N 

Vgl.  CIL.  V  104   L  •  MINICPVDENtS 

Außer  diefen  Infchriften  fand  man  ein  Stückchen 
fchlechtes  Mofaik  (verfchwunden),  eine  unten  abge- 
brochene, auch  rückwärts  bearbeitete  profilirte  Platte 
aus  graublauem  Marmor  (036:  0-32:  007  M.),  ein 
rechts  gebrochenes  allfeits  bearbeitetes  Gebälkftiack 
aus  Kalkflein,  das  auf  feiner  Vorderfeite  mit  Flechtband 
und  darunter  mit  laufendem  Hund  verziert,  auf  der 
Rückfeite  mit  rundem  Einfatzloch  verfehen  ift  (037: 
0-17 :  0'II5  M.),  einen  Architrav-Block  aus  Marmor 
(wieder  verbaut)  und  ein  fpäter  koiinthifches  Capital 
aus  Kalkftein. 


Fig.  8.  (Altftadt.) 

Die  Stücke,  bei  welchen  nichts  anderes  vermerkt 
ift,  wurden  in  den  Auguftus-Tempel  gebracht. 

Bei  Ausbcfferung  der  Gartenmauer  neben  dem 
Dom  fand  man  zwei  korinthifche  Capitiüe,  die  ebenfalls 
im  Auguftus-Tempel  hinterlegt  wurden. 

Im  „römifchcn  Steinbruche"  bei  Pola,  der  jetzt 
für  den  Bau  der  Wiener  Hofburg  ausgebeutet  wird, 
ftieß  man  bei  Hinwegräumung  des  alten  Schuttes  auf 
eine  antike  Kutfche,  die  abgebrochen  wurde,  ehe  ich 
fie  beficlitigen  konnte.  Ein  Fragment  einer  uncanne- 
lirten  Stütze  mit  dorifchem  Capital  (Schaft-Durch- 
meffer  0'075),  ein  Kalkftück,  deffen  eine  Fläche  bereits 
theilweife  geglättet  und  profilirt  ift,  und  ein  Bronze- 
Keil,  alles  vor  kurzem  dafclbft  gefunden,  bcweifcn  nur 
wieder,  dafs  der  Steinbruch  feinen  Namen  mit  Recht 
führt.  Vor  einigen  Jahren  follcn  dafelbft  noch  drei 
Sarkophage  zu  fehen  gewefen  fein  Diefelbcn  fintl 
heute  bis  auf  Deckelfragmente  verfchwunden. 

Wenn  man  von  der  Straße,  die  von  Dignano  nach 
Rovigno  fuhrt,  etwa  eine  ftarke  Viertclftunde  vor  Valle 
nach  links  abbiegt,  ftüßt  man  nach  einem  Marfche  von 
einer  Viertclftunde  in  der  Nähe  der  Stanzia  Negri 
mitten   in   dichtem  Gebüfche   auf  einen  kleinen  Hügel, 


der  die  Refte  eines  römifchen  Haufes  deckt.'  Zu  Tage 
liegen  zwei  Güage,  deren  einer  eingeftürzt  ift,  während 
fich  der  andere  fammt  feiner  aus  großen  Platten  feft- 
gefügten  Decke  in  einer  Länge  von  etwa  4  M.  und 
einer  Breite  von  ungefähr  i '/a  M.  gut  erhalten  hat; 
ferner  eine  Brunnenanlage:  ein  fchmaler  Gang  mit 
gemauerten  Wänden  führt  zu  einer  eingefafsten  Quelle  (?) 
hinab;  endlich  zwei  große  Steinbecken  von  auffällig 
geringer  Tiefe  (circa  O'i  M.).  Ein  Stück 
Säule  fteckt  in  der 
ftückes. 

Weißhänpel. 

51.  Correfpondent  Alvk/ik  hat  an  die  Central- 
Commiffion''über  die  St.  Johannes-Capelle  zu  Altßadt 
bei  Ungarifch-Hradifch  berichtet.  Selbe  fteht  am  Fried- 
hofe, dient  als  Beinhaus,  wie  auch  als  Glockcnhaus 
für  die  benachbarte  Filial-Kirche  zum  heil.  Michael.  Ob- 
wohl Woliiy  meint,  dafs  diefe  Johannes-Capelle  bereits 


Umfaffungsmauer 


uncannellirte 
des     Grund- 


"«'fir-J!?'' 


Fig.  9.  (.Mift^i.ll.) 


verfchwunden  fei,  fo  ii'rt  er  fich.  Selbe  bciloht,  wenn 
auch  ftark  befchädigt,  heute  noch.  Seit  der  Zerilörung 
der  benachbarten  Veits- Kirche  und  Wiedcrherftellung 
der  ebenfalls  benachbarten  tlnnmlofen  Michaels-Kirchc 
—  traurige  Folgen  des  Schweden-Einfalles  —  dient  die 
Capelle  auch  als  Glockenthurni.  Behufs  der  Anbringung 
der  (ilocken  mußte  ein  entfprccheiides  Dach  fammt 
Aufgang  dahin  hergeftellt  werden.  Das  Gebäude  ift  aus 
Briichfteinen  erbaut  und  hat  eine  fechsfeitigc  Grund- 
rißgeftalt  mit  ausfpringendem  Altar-Raume  (Fig.  S), 
der  obere  Raum  reprafentirt  fich  als  fechsfeitigc  Halle 
mit  flacher  Ilolzdecke.  Die  Altar-Nifche  befindet  fich 
dem  Eingange  gegenüber,    der   fich   felbft  wieder    als 


gemilcht. 


Icli  wurde    vom  Corrcfporulcntcn    M.ijor  Schaltek   cJ.tr.Tiif    aiifmurkfain 


-     135 


mit  drei  Seiten  aus  einem  Sechseck  conflruirt  darfteilt. 
Die  vier  F'enfter  find  halbkreisbogig  gefchloffen,  find 
aber  gewifs  nicht  mehr  in  ihrer  Original-Geftalt  erhalten. 
Der  Unterraum  der  Capelle  ift  mit  (iebeinen  angefiillt. 
Das  Gewölbe  e.xiftirt  nicht  mehr,  llatt  deffen  nur  ein 
hölzerner  Zwifchcnboden.  Von  den  zwei  Glocken  ift 
eine  von  W'aclaw  Maliz  Walchic  1672  gegoften,  die 
andere  kleinere  gehört  dem  Jahre  uSjiS  an.  Obgleich 
außen  ganz  fchmucklos  gibt,  doch  die  Capelle  mit  ihrer 
fpitzen  Dachconftruclion  ein  zierliches    Bild  (Fig.  9). 

52.  Das  Minifterium  für  Cultus  und  Unterricht  hat 
für  die  Durchführung  von  Renovirungs- Arbeiten  an  der 
Fac;ade  und  den  'l'hürmen  des  Domes  von  Sahburg 
einen  namhaften  Staatsbeitrag  bewilligt.  Da  diefc 
Arbeiten  in  Folge  ftellenweifer  bedenklichen  Schäden 
fehr  dringend  fchienen,  fo  wurde  mit  denfelben  noch 
im  Jahre  1892  begonnen  und  heuer  dürften  fie  zum 
Abfchluß  gelangen.  Die  Gefammtkoften  werden  den 
Betrag  von  12.000  fl.  nahezu  erreichen. 

53.  Confervator  Dechant  Großer  hat  die  Central- 
Commiffion  auf  das  alte  Verweferhaus  zu  Urtl  bei  Giil- 
tariiig  (Kärnthen)  aufmerkfam  gemacht.  Selbes  wird 
wichtig  durch  die  Sgraffito -Decoration,  womit  die 
Außenfeite  des  Haufes  bedeckt  ift.  Diefe  Wand  ift 
8  60  M.  lang,  durch  einen  Horizontalftreifen  zwifchen 
Erdgefchoß  und  Stockwerk  (0-47  M.  breit)  in  zwei 
Flächen  getheilt.  Auf  dem  Streifen  erkennt  man 
Pflanzen-Ornamente,  Figuren,  Köpfe,  Mufikinftrumente. 
In  der  oberen  Wandpartie  fieht  man  das  Wappen  von 
Kärnthen  mit  dem  Herzogshute,  dabei  zwei  Engel  mit 
den  Bändern  des  Hutes  fpielend,  dann  das  Wappen 
von  St.  Veit  und  St.  Vitus  im  Keffel,  dabei  zwei  Engel 
ebenfalls  mit  Bändern  fpielend,  weiter  eine  Vafe  mit 
daraus  trinkenden  geflügelten  Thieren  und  den  Reft 
eines  Engels;  diefe  Stelle  ift  durch  eine  angebaute 
Thüre  verdeckt.  Die  Sgraffiti  find  wegen  der  Feuch- 
tigkeit fchlecht  erhalten,  ftellenweife  abgefallen  und 
kräftig  fchwarz-blau  übertüncht.  Wie  der  genannte 
Confervator  bemerkt,  hatte  die  alte  Landes-Hauptftadt 
von  Kärnthen  (St.  Veit)  im  Jahre  1570  den  erften  Floß- 
ofen im  Lande  erbaut,  um  die  Ausbeute  der  ergiebigen 
Erzlager  um  Waitfchach  hier  zu  verfchmelzen.  Die  er- 
wähnte Verzierungsweife  war  im  16.  Jahrhundert  im 
gefegneten  Gebiete  der  Hüttenberger  Erzbauer  fehr 
beliebt.  Jetzt  freilich  find  wenig  Refte  mehr  vorhanden; 
einft  waren  fclbft  einfache  Bauernhäufer  an  den  Thür- 
und  Fenfter-Umrahmungen,  an  den  Ecken,  zwifchen 
den  einzelnen  Stockwerken  derartig  geziert. 

54.  Conl'ervator  geiftlicher  Ratli  Jofepli  Graus 
hat  zur  Kenntnis  der  Central-Commiffion  gebracht, 
dafs  das  auf  Koften  der  Marktgemeinde  Kapfenberg 
durchgeführte  Reftaurirungswerk  des  gemauerten  go- 
thifchen  Wegkreuzes  auf  der  Straße  zwifchen  diefem 
Orte  und  Brück  a.  d.  M.  nunmehr  abgefchloffen  ift. 
Die  Herftellung  ift  programmmäßig  durchgeführt.  Der 
Sockel  wurde  aus  hartem  Stein  ganz  erneuert,  die 
Eckfteine  an  den  vorfpringenden  Pfeilern  find,  ohne 
das  Steingefüge  zu  verklexen,  in  ihrer  braunröth- 
lichen  Farbe  ausgebeffert  und  neu  verfugt  worden.  In 
den  tiefen  Gründen  find  der  Putz  und  die  Weißigung  er- 
neuert  worden;   das  Dach  ift  ganz  neu;  das  Maßwerk 


in  der  obern  Nifche  wurde  erneuert,  auch  das  oberftc 
eiferne  Kreuz  ift  neu,  die  Statuen  wurden  neu  gefafst, 
eine  Marienfigur  aus  dem  Ende  des  15.  Jahrhunderts  ift 
fehr  beachtenswerth.  Die  Säule  wird  durch  ein  neu 
angelegtes  Gitter  gefchützt.  Der  genannte  Confer- 
vator fpricht  fich  über  das  Reftaurirungswerk  fehr 
günftig  aus. 

55.  Confervator  Baurath  Wiclil  hat  an  die  Cen- 
tral-Commiffion über  die  Reftaurirung  von  alten 
Wandgemälden  im  Dome  am  Vy.sehrad  zu  Prag  be- 
richtet. Anläßlich  der  Wiederherftellungsarbeiten  an 
diefer  Kirche  in  den  Jahren  1886  und  1887  wurden  in 
der  2.,  3.  und  4.  Seiten-Capelle  rechtsfeitig  Wandge- 
mälde aus  dem  14.  und  15.  Jahrhundert  aufgedeckt. 
Der  Erhaltungszuftand  derfelben  war  ein  fehr  verfchie- 
denartiger.  Am  übelften  ftand  es  mit  der  3.  Capelle,  fo 
dafs  es  gar  nicht  möglich  war,  die  Vorftellung  gegen- 
ftändlich  feftzuftellen.  Beffer  ftand  es  um  die  2.  und  4. 
Capelle,  dafelbft  konnte  der  Bilderfchmuck  und  das 
Decorationsmotiv  als  Sockel,  Teppichmufter,  Bordüre 
klar  erkannt  werden.  Die  Malerei  in  der  3.  Capelle  ift 
bereits  durch  den  Maler  Jobjl  reftaurirt  worden, 
die  der  beiden  anderen  Capcilen  fteht  bevor. 

56.  Wir  entnehmen  aus  den  aus  der  Paeder  des  Pro- 
feffors  Dr.  F.  G.  Hann  ftammenden,  in  der  ..Carinthia" 
1892  publicirten  Artikeln,  dafs  fich  um  das  Aeußere 
der  St.  Leonhards-Kirche  in  den  Schlanitzen  noch 
vor  kurzem,  ähnlich  wie  um  die  Leonhards-Kirche 
am  Berge  bei  Brixen,  eine  Kette  fchlang.  Sie  wurde  in 
neuefter  Zeit  eingefchmolzen  und  zu  Querftangen  in 
den  Mauern  des  umgebauten  Thurmes  zu  Dropolach 
verwendet. 

Derfelbe  Autor  befpricht  in  fehr  beachtenswerther 
Weife  einige  Kirchen  in  Kärnten  und  bringt  damit 
dankenswerthe  Ergänzungen  der  kärnthnifchen  Kunft- 
Topographie.  Es  wird  befprochen  die  gothifche  Kirche 
zu  Podlaiiig  im  unteren  Lefachthale.  Sie  wird  befon- 
ders  wichtig  durch  Refte  alter  Bemalung  (etwa  15.  Jahr- 
hundert), die  aus  der  Tünche  ftellenweife  heraustreten, 
Chriftus  ftehend  mit  den  Wundmalen,  beiderfeits  Maria 
und  Johannes,  über  diefen  drei  Figuren  beftimmt 
gothifchen  Charakters  gemalte  Baldachine.  Weiters 
wird  befprochen  die  Filiale  St.  Radegund  bei  St.  Loren- 
zen  im  LcfacJi-  lliale,  fie  ift  richtig  als  gothifcher  Bau 
bezeichnet  utid  auch  ihre  alte  Bemalung  hervorge- 
hoben. An  der  Außenfeite  ein  fehr  beachtenswerthes 
St.  Chriftoph-Bild.  Befprochen  werden  ferner  die  Refte 
alter  Malerei  im  Untergefchoß  des  Thurmes  zu  Maiitlicn 
und  eines  St.  Chriftoph  an  der  Außenfeite  der  Kirche. 
Die  gothifche  Kirchenruine  von  St.  Elifabeth  am 
Pläkeii  zeigt  noch  Spuren  alter  Bemalung  an  der 
nördlichen  Außenwand  und  einen  St.  Chriftoph.  Auch 
die  Malereien  an  der  Kirche  zu  Grafendorf  werden 
eingehend  und  richtig  gewürdigt. 

57.  Confervator  F.  Berger  hat  an  die  Central- 
Commiffion  berichtet,  dafs  in  der  linksfeitigen  Capelle 
neben  dem  Hochaltar  in  der  Nonnberger  Frauen- 
klofterkirche  zu  Salzburg  einige  baLiliche  Veränderungen 
vorgenommen  wurden.  In  der  Apfis  diefer  Capelle 
wurden  die  Wände  und  Decken  von  den  Zuthaten  des 
17.  Jahrhunderts   befreit    und    im   alten   Beftande  des 


1.16     - 


gothifchen  Baues  mit  genauer  Berückfichtigung  der 
vorfindlichen  Anhaltspunkte  alter  Zeit  wieder  herge- 
ftellt.  Rippen  und  Wandgurten  wurden  ergänzt,  das 
OlTifenfter  erfcheint  in  der  alten  Form,  die  erkennbar 
geblieben  war,  ein  fpäter  ausgebrochenes  Fenfter  ver- 
fchwand.  Der  genannte  Confervator  fand  keine  Veran- 
iaffung  gegen  diefes  Vorgehen  Einfprache  zu  erheben. 

58.  In  neuefter  Zeit  hatten  fich  in  Betreff  der  An- 
erkennung der  heil.  Kreuzkirche  in  B.  Leipa  als  Bau- 
denkmal in  den  maßgebenden  Kreifen  fo  große  Dif- 
ferenzen ergeben,  dafs  der  Beftand  diefer  Kirche 
in  Frage  geftellt  erfchien.  Die  Central-Commiffion 
hielt  es  nothwendig,  um  eine  Klärung  in  diefe 
Frage  zu  bringen,  eine  fachmännifche  Capacität  zur 
Abgabe  eines  Votums  nach  commiffioneller  Berichti- 
gung des  Objecles  und  unter  Beiziehung  der  Confer- 
vatoren  Profeffor  Miiller  und  Braiifetvciter  zu  veran- 
laffen.  Confervator  Dombaumeifter  Alocker  in  Pra«- 
war  zu  diefem  Ziele  gebeten  worden,  fein  Gutachten 
abzugeben.  Selbes  liegt  nun  der  Central-Commiffion 
vor  und  muß  als  eine  fehr  beachtenswerthe  Emanation 
bezeichnet  werden.  Nach  diefem  Gutachten  flellt  fich 
die  heil.  Kreuzkirche,  die  am  äußerfben  Ende  der  Stadt 
gelegen  unterhalb  einer  Berglehne,  wo  der  neue  Fried- 
hof angelegt  ift,  als  ein  einfacher  fchlichter  Bau  dar, 
welcher  feiner  originellen  Dachlöfung  wegen  eine  fehr 
malerifche  Wirkung  auf  den  Befchauer  ausübt. 

Diefelbe  befteht  aus  einem  Kirchenfchiffe  in  Form 
eines  länglichen  Rechteckes,  an  das  fich  an  der  Oft- 
feite das  Presbyterium,  auf  der  Weftfeite  eine  Vorhalle 
mit  einem  Treppenaufgange  zum  Orgel-Chore  an- 
fchließt.  An  der  Nordfeite  ift  die  Sacriftei  angebaut. 

Das  Presbyterium,  welches  polygonal  abge- 
fchloffen  und  an  der  Außenfeite  mit  Strebepfeilern 
verfehen  ift,  war  urfprünglich  beftimmt,  zwei  Gewölbe- 
Traves  in  fich  aufzunehmen. 

Die  Vorhalle,  welche  fich  in  zwei  Seitenmauern 
einfpannt  und  aus  vier  Seiten  eines  Sechseckes  gebil- 
det wird,  war  an  der  Polygonfeite  mit  zwei  Bogenöff- 
nungen  verfehen,  welche  jedoch  fpäter  bis  auf  die  be- 
ftehende  'riiüruffnung  vermauert  worden  find.  Die 
Vorhalle  ift  auf  Steinrippen  mit  liirnprofil  und  Schluß- 
ftein-Doppelro fette  eingewölbt. 

Das  Kirchenfchiff  fowohl  als  auch  das  Presby- 
terium find  nach  oben  zu  mit  einer  einfachen  Holzdecke 
(Bretterverfchalungj  abgefchioffen.  Erftere  war  un- 
zweifelhaft gleich  urfprünglich  vorhanden,  wenn  auch 
vielleicht  in  einer  anderen  Form,  und  ift  die  Anlage 
eines  Gewölbes  dafelbft  vollftändig  ausgefchloffcn;  wo- 
gegen das  Presbyterium  wohl  als  gewölbter  Raum 
beantragt  war,  jedoch  derzeit  nicht  fichergeftellt 
werden  konnte,  ob  der  Einbau  eines  Gewölbes  wegen 
Mangels  an  Geldmitteln  unterblieben  oder  aber  infolge 
Schadhaftigkeit  desfelben  abgetragen  werden   mußte. 

ICrfteres  ]iat  viele  VVahrfcheinlichkeit  für  fich,  da 
nicht  die  geringfte  Spur  von  Widerlager  vorhanden 
ift,  und  müßte  zur  Sicherftellung  deffen  der  Verputz  an 
den  betreffenden  Wandflächen  abgefchlagen  werden 
und  aus  der  Befchaffenheit  des  darunter  befindlichen 
Mauerwerkes  der  Schluß  auf  das  Vorhanden-  oder 
Nichlvorhandenfein    des    Gewölbes   gezogen    werden. 

Der  Zutritt  in  die  Kirche  erfolgt  durch  die  ehe- 
mals offene  Vorhalle,  wo  fich  in  der  weftlichcn  Il.ni])t 


mauer  der  Haupteingang  befindet;  ein  zweiter  Eingang 
ift  auf  der  Südfeite,  wogegen  jener  auf  der  Nordfeite 
vermauert  worden  ift. 

Die  Wandflächen  der  Süd-,  Oft-  und  weftlichen 
Hauptmauer  find  unterbrochen  durch  zehn  fpitzbögige 
Maßwerkfenfter,  wovon  je  zwei  im  Schiffe  und  Pres- 
byterium dreitheilig,  die  übrigen  jedoch  nur  zweitheilig 
find.  Die  P'enfterpfoften  find  zumeift  aus  dem  Lothe 
und  ftellenweife  fchadhaft.  In  der  nordlichen  Haupt- 
mauer fehlen  die  Fenfter  gänzlich. 

Das  Mauerwerk,  aus  welchem  der  Bau  hergeftellt 
worden,  ift  Bruchftein  mit  Eck-Armirungen  von  Qua- 
derfandftein.  Aus  demfelben  Materiale  find  auch  die 
fämmtlichen  Gefimfe,  Fenfterlaibungen  und  Maßwerke 
hergeftellt.  Die  Fenftermaßwerke  mit  Vierpaß  und 
Fifchblafenform  weifen  auf  eine  etwas  rohe  Bearbeitung, 
wozu  jedoch  der  Umftand  beiträgt,  dafs  fich  die  Falze 
für  die  Verglafung  an  der  Außenfeite  und  nicht,  wie 
man  es  fonft  zu  thun  pflegt,  an  der  Innenfeite  der  Kirche 
befinden. 

Die  Umfaffungsmauern  der  Kirche  zeigen  keine 
wefentlichen  Mängel,  bis  auf  einige  verticale  Riffe, 
welche  ober  den  F"enfterbögen  vorkommen  und  die  bis 
zum  Hauptgefimfe  reichen.  Am  meiften  fchadhaft  und 
abgetrennt  find  die  beiden  Mauerecken  an  der  Weft- 
feite, wo  die  Fenfter  im  Bogenfchluße  ziemlich  ftarkc 
Riffe  aufweifen  und  welche  einzig  und  allein  nur  von 
dem  Schübe  der  Gratfi^arren  des  Kirchendaches  her- 
rühren. 

Einen  ganz  wefentlichen  Beftandthcil  der  heil. 
Kreuzkirchc  bildet  das  oberhalb  des  Kirchenfchiffes  fich 
aufbauende  fteile  I'yramidendach,  welches  an  den  vier 
Ecken  abgefafst,  allmählich  in  ein  regelmäßiges  Acht- 
eck übergeht  und  mit  einem  darauf  auffitzenden 
Thürmchen  endigt.  An  das  Pyramidendach  fchließt 
fich  jenes  oberhalb  des  Presbyteriums  an.  Die  Be- 
dachung der  Kirche  ift  aus  Schindeln  hergeftellt, 
wogegen  das  Tliurnichcn  fammt  Laterne  mit  Blech 
gedeckt  find. 

Die  Conftruction  des  Dachftuhlcs  ift  eine  hochft 
intereffante  und  zeigt  die  Abficht  des  Erbauers,  ober- 
halb der  Balkenlagen  jene  breite  und  ftarke  Unterlage 
zu  fchaffen,  welche  nach  mehrmaliger  Abtreppung  mit 
den  acht  Säulen  der  Laterne  abfchließt.  Die  Abbin- 
dung des  Dachftuhlcs  ift  ganz  nach  alter  Art  durch- 
geführt, fowie  man  es  in  Praclialic,  Bcraiin,  Latin  und 
an  anderen  Orten  findet.  Ebenfo  zeigt  auch  der  Dach- 
lluhl  oberhalb  des  Presbyteriums  noch  Spuren  der  ur- 
fprünglichen  Conftruflion,  wenngleich  bereits  vieles 
llol/.werk  hier  herausgefchnitten  worden  ift. 

Zu  der  gefammten  Holz  -  Conftru6lion  wurde 
ausfchließlich  vorzügliches  fettes  Kernkiefernholz  ver- 
wendet, welches  fich  zum  größten  Theile  bis  auf  den 
heutigen  Tag  noch  recht  gut  erhalten  hat. 

Infolge  Mangelhaftigkeit  der  Schindeleindeckung 
am  Kirchendache  und  Dachreiter  find  mit  der  Zeit 
einige  Holzfaulen  in  der  Höhe  der  Laterne  angefault 
luul  wurde  deshalb  das  Thürmchen  abgetragen,  in 
feinem  Obertheile  erneuert  und  ftatt  wie  früher  mit 
Schindeln,  jetzt  mit  Blech  eingedeckt.  Bei  diefer  Aus- 
befferung  wurden  neben  den  acht  verticalen  Säulen 
der  Laterne  weitere  acht  Holzfaulen  an  der  Ihnenfeite 
mit  angefügt.  Zu  derfelben  Zeit  ilürften  fich  auch 
.'-Schaden   an    den    Bundtränien,    Welche    zugleich    die 


-      137 


untere  und  obere  Bretterlag^e  zu  tragen  haben,  gezeigt 
haben,  weshalb  zwifchen  die  DachconllrucliDn  drei 
flarke  Hängewerke  eingefügt  wurden  zu  dem  Zwecke, 
die  Deckenträme  fammt  ihrem  Unterzuge  mittragen 
zu  helfen. 

Diefc  letzteren  Ausbefferungcn  dürften  etwa  im 
i8.  Jahrhunderte  vorgenommen  worden  fein;  doch  ift 
bereits  das  fammtliche  flarke  Holzmaterial  der  drei 
Hängwerke  gänzlich  morfchund  wurmftichig  geworden. 
Dies  läßt  fich  nur  daraus  erklären,  dafs  das  hiczu  ver- 
wendete Bauholz  zur  Zeit  des  Saftes  gefällt  worden 
war  und  fomit  frühzeitig  zu  Grunde  gehen  mußte. 

Nach  der  vorangegangenen  Befchreibung  des 
Bau-Obje6les  wäre  wohl  die  Frage  zu  beantworten : 
Hat  die  heil.  Kreuzkirche  eine  archäologifch-künft- 
lerifche  Bedeutung,  um  erhalten  zu  werden,  odernicht? 

In  Bezug  auf  das  Innere  der  Kirche  könnte  die 
Frage  kaum  bejaht  werden;  denn  mit  Ausnahme 
eines  Bildes  an  der  Decke  des  Presbyteriums  aus  dem 
Jahre  1675,  darftellend  die  Krönung  Mariens,  und 
einiger  Grabdenkmale  aus  dem  Jahre  1615  hat  fich  wohl 
nichts  erhalten,  was  \'on  Bedeutung  wäre. 


Immerhin  ift  fie  einer  dringenden  Reftaurirung, 
namentlich  im  Holzwerke  zu  unterziehen,  l-ls  fei  nur 
noch  bemerkt,  dafs  an  der  lieil.  Kreuzkirche  zu  wenig 
Anhaltspunkte  für  eine  Beurtheilung  der  Wirkfamkeit 
Benes  von  Latin  vorhanden  find;  es  wäre  denn  das 
Cordongefimfe  fowie  auch  das  Hauptgefimfe,  und 
eventuell  noch  die  Dachconltru6lion.  Vorläufig  wurde 
die  Kirche  behördlich  gefperrt. 

Die  Fig.  10  veranfchaulicht  den  Grundriß,  Fig.  il 
die  Langanficht  diefer  Kirche. 

59.  Confervator  Reg.-Rath  Kenner  hat  der  Cen- 
tral-Commiffion  mitgctheilt,  dafs  in  allerneuefler  Zeit 
in    einer   neu    angelegten  Straße    in  Lains,   nahe   dem 


\&aW.F 

Fig.    10.  (Böhmifch  Leipa.) 

Die  aus  derfelben  Zeit  herrührenden  Malereien 
an  der  Decke  des  Kirchenfchiffes,  circa  },6  Bilder  mit 
Darfiellungen  aus  dem  alten  Tertamente,  mußten  einer 
im  Jahre  1868  durchgeführten  unfchönen  Malerei 
weichen. 

Das  einzige  was  von  einiger  Bedeutung  ift,  ift  die 
Vorhalle  mit  dem  Haupt-Portale,  welches  in  feiner 
fchlichten  Spitzbogenform  eine  Gliederung  aufweifl, 
die  unzweifelhaft  in  die  zweite  Hälfte  des  14.  Jahrhun- 
derts einzureihen  ift  und  an  die  Arbeiten  Peter  Arier  s 
erinnert. 

Hingegen  zeigen  die  Fenfter  mit  ihren  Maßwerken 
an  der  Außenfeite  auf  eine  Bauperiode  gegen  Ende 
des  16.  Jahrhunderts,  um  welche  Zeit  wohl  auch  das 
Kirchendach  mit  dem  Dachreiter  entftanden  fein 
durften. 

Wenn  auch  von  einer  großen  künftlerifchen  Be- 
deutungderheil. Kreuzkirche  nicht  gefprochen  werden 
kann,  fo  macht  diefelbe  dennoch  mit  ihrer  Gefammt- 
anlage  auf  den  Befchauer,  namentlich  von  der  Süd- 
Ofifeite,  einen  malerifchen  vornehmen,  ja  wirklich 
monumentalen  Eindruck,  fo  dafs  nach  meinem  Dafür- 
halten es  vom  Schaden  wäre,  diefes  in  feiner  Art  ganz 
originelle  Bauwerk,  eines  der  fchönften  Wahrzeichen 
von  Böhinifcli- Leipa  vom  Erdboden  verfchwinden  zu 
machen.  Eine  Meinung,  die  die  Central-Commiffion 
mit  dem  Bericherftatter  vollkommen  theilt. 

XIX.  N.  F. 


Fig.  II.   (BöhmifchLeipa.) 

Bahnhofe,  nächft  der  Stelle,  wo  im  Sommer  1892  zwei 
Römergräber  gefunden  worden  find,  ein  neuer  der- 
artiger Fund  gemacht  wurde.  Bei  Befichtigung  der 
Fundftelle  durch  den  genannten  Confervator  war  erft 
der  Rand  eines  Steinfarges  biosgelegt  und  wurde 
alsdann  die  Grabung  fortgefetzt.  Freigelegt  war  der 
Sarg  177  M.  lang,  0'6o  M.  breit,  am  Fußende  0-45  M., 
am  Kopfende  0^50  M.  hoch.  Am  Kopfende  fand  fich 
in  einer  Tiefe  von  40  Cm.  ein  Steinpolftcr  ausgemeißelt, 
das  muldenförmig,  alfo  nicht  als  Stufe  in  den  Boden 
auslief  Auf  den  Polfter  war  zur  Erhöhung  der  Rücken- 
vorlage des  Skelettes  noch  ein  zubehauener  Stein 
gelegt,  beides  offenbar  aus  dem  Grunde,  weil  der  Sarg 
eigenthümlicherw'eife  am  Fußende  weniger  tief  ift,  als 
auf  der  Kopffeite,  alfo  die  Füße  höher  zu  liegen  ge- 
kommen wären. 

Dr.  Kenner  berichtet  ferner,  dafs  die  Aufräumung 
die  Gewifsheit  ergab,  dafs  das  Grab  fchon  in  alter  Zeit 
geöffnet  und  geplündert  worden  war.  Man  fand  im 
Erdreich  kleine  Bruchftücke   einer  feichten  Thonfchale 

18 


138     - 


von  rother  Farbe,  auf  der  Scheibe  gedreht,  doch  nicht 
terra  figillata,  das  Bruchftück  eines  Glasfläfchchens, 
das  eines  Gefäßes  aus  grauem  Thone  von  fehr  derber 
Arbeit,  fehr  wenige  Skelettheile,  kräftige  gute  Zähne, 
die  auf  ein  Individuum  in  den  heften  Lebensjahren 
fchließen  laffen  würden.  Der  Steindeckel  des  Sarges 
war  in  viele  größere  und  kleinere  Trümmer  zerfprengt 
und  mit  dem  Schutte  vermengt,  der  den  Sarg  füllte. 
Als  Material  für  den  Sarg  fammt  Deckel  war  ein  grober 
Sandftein  verwendet  Der  Sarg  enthielt  weder  ein 
Schriftzeichen  noch  ein  Relief. 

60.  In  der  Sitzung  der  Central-Commiffion  am 
14.  April  1893  referirte  Confervator  Dr.  Mtich  über 
einen  Bericht  des  Herrn  Bai-il.  Pecnik  in  Gurkfeld 
betreffend  die  in  neuefler  Zeit  am  Magdalenen-Berge 
bei  St.  Marein  gemachten  Funde  und  bezeichnete  felbe 
als  von  ungewöhnlicher  Wichtigkeit.  Hiefür  fpricht 
fchon  der  Umftand,  dafs  in  einem  einzigen  großen 
Grabhügel  mehrere  Beflattungen  vorgenommen  wor- 
den find,  davon  bis  jetzt,  da  doch  die  Grabungen 
nicht  abgefchloffen  find,  fchon  mehr  als  50  Skelette 
aufgegraben  wurden.  In  zwei  Gräbern  fand  man  die 
Kleiderrefte  dicht  mit  Glas-  und  Bernftein  -  Perlen 
benäht,  mitunter  von  bedeutender  Größe,  bei  einem 
andern  Skelette  fand  fich  ein  aus  Ruthen  geflochtener 
und  mit  Bronze-Nägeln  befetzter  Helm,  bei  einem 
dritten  ein  Bronze-Helm  mit  doppeltem  Kamme.  In 
erftaunlicher  Menge  fanden  fich  Bronze-Situlen,  unter 
den  neun  gefundenen  zwei  mit  figuralen  Darftellungen, 
ähnlich  der  Watfclier  Situla,  Erfcheinungen  von  weit- 
tragender Bedeutung  für  die  culturgefchiciitliche 
Forfchung,  Fibeln,  Armringe  und  Fußringe,  Pferde- 
gefchirre  u.  f.  w. 

61.  Dr.  Kaindl  in  Csernoivitz  hat  der  Central- 
Commiffion  mitgctheilt,  dafs  fich  im  Münzcabinct  der 
dortigen  Univerfitat  eine  Münze  von  Lucius  Verus 
(161 — 72)  befindet,  welche  vor  etwa  2  7g  Jahren  bei  der 
Anlegung  einer  Straße,  welche  die  Neugaffe  und  den 
katholifchen  Friedhof  verbindet,  in  der  Tiefe  eines 
Meters  gefunden  wurde.  Sie  wurde  am  Fundorte  für 
das  genannte  Cabinet  erworben. 

62.  Zu  der  in  diefem  Jahrgang  S.  68  gegebenen 
Notiz  von  Ilg  über  ein  Madonnenbild  der  allböhmifchen 
Schule  in  Krumau  erhalten  wir  durch  unfern  Cor- 
refpondenten  Anton  Möratli,  Dire6lor  des  fürfllich 
Schwarzenbcrgifchen  Central-Archivs  dortfelbfi:,  einen 
intereffanten  Beitrag.  Derfelbe  ift  der  Anficht,  dafs  die 
Rofenberge  es  vom  König  Ludwig  I.  von  Ungarn 
(134?.  — 1382)  erhalten  haben  dürften,  worauf  fie  es  1357 
dem  von  ihnen  gegründeten  Minoriten  -  Klofter  in 
Krumau  fchenkten.  Auf  dicfe  Vermuthung  führte  eine, 
bei  Pangerl  ^Urkundenbuch  des  Stiftes  I lohen furth  in 
Böhmen"  (Wien  1865,  S.  in)  abgedruckte  Urkunde, 
welche  als  Regeft  lautet: 

^1354-  S-  Oclobcr  Krumau.  Peter,  Jodok,  Ulrich 
und  Johann,  Gebrüder  von  Rofenberg  und  Tobias  von 
Bechin  bezeugen,  dafs  ihnen  die,  in  der  v(jn  Katharina 
von  Rofenberg,  der  Mutter  vorgenannter  Brüder,  er- 
worbenen keli(|uientafel  aufbewahrten  Reliquien  von 
Kaifer  Karl  IV.,  König  Ludwig  I.  von  Ungarn,  von 
dem  Patriarchen  Nicolaus  von  Aquileja  und  dem  Erz- 
bifchofe  Arncfl  von  Prag  gefchenkt  worden  find." 


Correfpondent  Mörath  ift  nun  der  Anficht,  dafs 
die  Rofenberge  auch  gleichzeitig  das  Madonnenbild 
von  dem  Könige  verehrt  erhielten.  Reg.R.  Dr.  Ilg 
macht  hiezu  darauf  aufmerkfam,  dafs  mit  diefer  in  der 
Urkunde  gemeinten  Reliquientafel  jedenfalls  jenes  by- 
zantinifche  Madonnenbild  im  Oratorium  der  St.  Veits- 
Kirche  in  Krumau  zufammenhängt,  welches  er  in 
unferen  Mittheilungen  1S91,  S.'37,  befprochen  hat  und 
an  deffen  Rahmen  die  Wappen  von  Frankreich,  combi- 
nirt  mit  Alt-Ungarn,  Neu-Ungarn  und  Polen,  ange- 
bracht find,  während  der  Hintergrund  des  Madonna- 
Bildes  ebenfalls  mit  den  franzofifchen  Lilien  beflreut  ift. 
Ilg  ift  nicht  der  Meinung,  dafs  diefes  Marienbild  das 
in  der  Urkunde  erwähnte  Reliquiar  fei,  denn  es  ilT:  eben 
kein  Reliquiar,  und  trägt  rückwärts  das  aus  viel  fpäterer 
Zeit  herrührende  Siegel  der  Schatzkammer  von  Maria- 
Zeil;  bekanntlich  war  aber  Ludwig  I.  ein  großer  Wohl- 
thäter  diei'es  fteierifchen  Wallfahrtsortes  und  hängen 
alfo  gewifs  alle  diefe  auf  die  AnjouTchen  Ungarkönige 
bezüglichen  Kunftnachrichten  in  Krumau  auf  höchft 
intereffante,  wenn  auch  allerdings  bisher  noch  nicht 
ganz  aufgeklärte  Weife  zufammen.  Wenn  aber  Cor- 
refpondent M'örath  weiters  der  Anficht  ift,  dafs  das 
Madonnen-Bild  der  Minoriten-Kirche,  welches  jetzt  in 
den  Befitz  des  Prager  Rudolfinums  übergegangen  ift, 
in  Ungarn  und  nicht  in  Böhmen  gemalt  fei,  fo  wider- 
fpricht  dem  nach  Dr.  Ilg  wohl  deutlich  der  an  den 
Tag  tretende  Schulcharakter  des  Werkes. 

6},.  Die  Central-Commiffion  hatte  bereits  vor 
einiger  Zeit  die  traurige  Veranlaffung  mitzutheilen, 
dafs  Confervator  beziehungsweife  Correfpondent  von 
Vintler  geflorben  ift.  Sie  muß  heute  auf  diefen  Trauer- 
fall zurückkommen,  da  in  der  Verlaffcnfchaft  Vintler's 
fich  viele  für  Tyrol  wichtige  Sammlungs-Gegenftände 
befinden,  dienuimiehrverkäuflich  geworden  fein  dürften. 
So  die  Bibliothek,  beziehungsweife  die  berühmte  Hand- 
fchrift  der  Chronik,  welche  fich  Nicolaus  der  Vintler 
auf  dem  Runkelftein  1399  von  Hainz  Sentlinger  aus 
München  fchreiben  ließ.  Diefelbe  ift;,  wie  Cuftos 
Cliniclarz  bemerkt,  ein  Pergament-Band  von  305  Blät- 
tern, theilweife  von  Profeffor  Ignac  v.  Zingerle  im 
Bande  L  der  Sitzungsberichte  der  Wiener  Akademie 
der  Wiffenfchaften  befprochen.  Alsdann  die  Bilder- 
fammlung;  felbe  wurde  wiederholt  in  den  Mittheilun- 
gen der  Central-Commiffion  befprochen  (N.  F.  VI, 
VII  und  IX).  Als  befondere  Objecle  müßen  bezeichnet 
werden:  DarftellungMariens  von  einem Tyroler  Maler, 
eine  thronende  Maria  zwifchen  St.  Margaretha  und 
Barbara  von  c.  1500  (bair.-tyr.),  eine  Krönung  Mariens, 
Maria  mit  den  lüigel  ^und  St.  Jofeph  (Altdorfer.'),  Be- 
weinung Chrifti  (Altdorferr).  P"ür  die  tyrolifchc  Kunil- 
gefchichte  find  befonders  die  beiden  erftgenannten 
Bilder  wichtig  und  foUten,  weil  tyrolifchen  Urfprunges, 
dem  Lande  erhalten  bleiben.  Leider  muß  man  fagen, 
dafs  man  die  ICntwicklung  der  tyrolifchen  Tafelmalerei 
heutzutage  beffer  in  München,  I-'reiüngen  luul  .Sclileiß- 
heim,  als  im  Lande  felbft  ftudiren  kann.  Aber  auch 
die  meiften  anderen  Bilder,  davon  die  dem  Cranach 
zugefcju'iebenen  Sl.  CIn-iftoph  und  St.  Michael,  Frb- 
ftücke  Vintler's  vom  .Schloße  herklehen,  follten  für 
Tyrol  verbleiben,  vor  allem  der  fogenannte  Utten- 
heimer  Altar,  der  aus  der  fo  benannten  Dorfkirche 
ft.innnt. 


—      139     — 


64.  Die  k.  k.  General-Direftion  der  öfterreichifchen 
Staatsbahnen  hatte  die  befondere  Gefälligkeit,  der 
Central-Commiffion  über  die  beim  Baue  der  Unter- 
kraincr  -  Bahnen  gemachten  Funde  Mittheilung  zu 
machen. 

Im  Bahneinfchnitte  bei  Huhnerdorf,  wo  fchon  im 
Jahre  1892  Urnenrefte  zu  Stande  gebracht  wurden,  fand 
man  anfangs  October  in  einer  Tiefe  von  2  M.  in  blauem 
Lehme  zwei  Fichtenholzfarge,  arg  zerftört,  Bretter- 
dicke 1  —  4  Cm.  und  Höhe  r6— 135  M.  Man  fand  darin 
mehrere  Lederfohlen,  theils  zugefpitzt,  theils  vorn 
dreit,  im  Lehm  darunter  erkannte  man  die  Abdrücke 
her  Nägel,  mit  denen  die  untere  Sohlenflache  befchla- 
gen   war.    Von    Skelelreflcn   keine    Spur,    dabei   eine 


Grofi  ■ 
erhal- 
wenig 


Fig.  12.  (Salzburg.) 

Kupfermünze  von  Trajan.  Wenige  Meter  davon  ftieß 
man  auf  ein  Urnengrab,  gut  erhalten,  eiförmige  Urnen, 
50  Cm.  hoch,  125  Cm.  größter  Umfang,  rother  Thon, 
mit  flachem  Rande  und  mit  Pech  gefchwärzt.  Auch 
unter  dem  Rande  ift  am  Halsanfange  eine  Pechzone 
gezogen.  Am  Körper  der  Urne  acht  parallele  feine 
Rillen  eingeritzt.  Die  Urne  war  bis  zur  Hälfte  mit 
fchwarzem Leichenbrande  angefüllt,  dochmehrKohlen- 
als  Knochenrefte,  dabei  lag  eine  gut  erhaltene  rothe 
Thonlampe  und  ein  Scherben  eines  dünn- 
wandigen Gefchirrs.  Auf  dem  Boden  der 
Lampe  der  Stempel:  CASSI  innerhalb 
eines  Kranzes.  Die  Dochtöffnung  ftark 
berußt,  die  Urne  mit  einem  Leiftenziegel 
bedeckt,  auch  um  die  Urne  herum  waren 
folche  gefl:ellt;  auch  umgab  die  Urne  in 
der  untern  Hälfte  eine  15  Cm.  dicke 
Afchenfchichte.  Das  Grab  ftammt  aus 
dem  I.  Jahrhundert,  gehört  aber  keinem 
Römer  an. 

Am  12.  November  ftieß  man   in  der 
Nähe  diefer  Fundflelle  auf  ein  Brandgrab, 
das   nur  i  M.    unter   der  Oberfl.äche   lag. 
In    der    Brandftätte,    welche     fich  durch 
zerftreute  Kohlen  kenntlich  machte,  ftand 
eine   fchwarzgraue    Urne    (2'5    Cm.  Höhe)    mit     den 
Knochenreften,  darüber  zwei  Leiftenziegel  dachförmig 
geftellt  und  darüber  wieder  ein  Hohlziegel.    Das  ganze 
fehr  primitive  Grab  war  mit  zwei  gleichen  Leiftenzie- 
geln,    welche    vorn    und    rückwärts  angelehnt    waren, 
gefchloffen.    Als    Beigabe    nur    eine    o.xydirte    Münze 
der  Domitia  Longina,    Bruchftücke   von   Schalen    mit 
einfeitiger  Glafur. 

Außerdem  fand  man  noch  eine  Kupfermünze  vom 
Dogen  h.  Mocenigo,  82  Stück  türkifchc  Silbermünzen, 
5  Stück  vcnetianilchc  Silbermünzen. 


Bei  St.  Marein  fand  man  in  der  Nähe  der  älteren 
Fundflielle  einen  verfchlackten  eifenhaltigen  Stein,  prä- 
hiftorifche  Topffcherbcn  und  Scherben  einer  Urne 
mit  Knochenreften. 

Dann  eine  Münze  von  Conftantin  II.;  bei 
/.////'  zahlreiche  Urnenfcherben  und  einen  gut 
tenen  lichtroth  gebrannten  Topf  1 60— 175  Mm. 
o-ebaucht,  mit  einfachem  Rande;  der  Topf  war  mit 
einem  Gemenge  von  Lehm  und  calcinirten  Knochen- 
fplittern  gefüllt,  Kohlen  und  Afche  fehlen,  fo  dafs  die 
Maffe  die  lichte  Lehmfarbe  zeigt,  auf  dem  Inhalte 
la"  der  Bodentheil  eines  zertrümmerten  Topfes. 
Eine  zweite  Urne  ähnlicher  Größe  und  gleichen  Inhal- 
tes war  nur  fchwarz  gebrannt  und  mit  zwei  Hen- 
keln. Das  Fehlen  jeder  Metall-Beigabe 
deutet  auf  Armuth  der  Begrabenen.  Die 
Refte  fehr  zarter  Knochen  deuten  auf 
eine  Kindesleiche. 

Bei  St. Stephan  fand  man  eine  folche 
gut  erhaltene  römifche  Fibel  aus  Bronze 
und    eine    römifche  Urne,    45  Cm.  hoch. 

65.  Der  Gemeinderath  von  Salz- 
burg beabfichtigt  die  dortige  Bürger- 
fpitalkirche  (auch  Pfarre)  renoviren  zu 
laffen,  auch  foU  das  Innere  bemalt 
werden.  Die  Kirche  ift  als  Bauwerk  fehr 
intereffant;  es  ift  eine  dreifchiffige  gothi- 
fche  Hallen-Kirche  aus  zwei  Abtheilungen  beftehend, 
ohne  ausgefprochcnes  Presbyterium  und  gerade  ge- 
fchloffen. Die  eine  Abtheilung  in  jedem  Schiffe  befteht 
aus  drei  ungleichen,  io-8o  hohen  Jochen,  mit  fpitzbogi- 
gen  Kreuz- Gewölbjochen  und  kräftigen  Rippen,  bezie- 
hungsweife  mit  vier  freiftehenden  achtfeitigen  Pfeilern 
als  Gewölbeträger;  der  rückwärtige  Theil  befteht  aus 
je  vier  mit  Sterngewölben  verfehenen  untertheilten 
Jochen  in   jedem  Schiffe,  wie  dies  Fig.  12  und  13  vcr- 


Fig.  13.  (Salzburg.) 

anfchaulichen.  Diefe  eigenthümliche  Kirche  dürfte  aus 
der  erften  Hälfte  des  15.  Jahrhunderts  ftammen.  Es 
fehlen  ihr  jedwede  Strebepfeiler;  die  Außenfeite  ift 
ziemlich  einfach ;  die  fpitzigen  Fenfter  befinden  fich 
bloß  an  der  linken  und  Presbyterium-Seite.  Immerhin 
aber  ein  hoch  intereffantes  Bauwerk. 

66.  Correfpondent  Direflor  Pliwa  hat  der  Central- 
Commiffion  die  Aufnahme  eines  Getreidekaftens  in 
Arriacli  (Kärnten)  vorgelegt,  der  in  feiner  Art  Beach- 
tung verdient.  Die  bezugliche  Aufnahme,    welche    von 

18* 


—     I40     — 


einem  Schüler  der  k.  k.  Fachfchule  in  Villach  ange- 
fertigt  worden  ift,  gibt  ein  fehr  gutes  Bild  von  der 
Tüchtigkeit  unferer  alten  Zinimermeiftcr,  welche  felbft 
bei  untergeordneten  Xutzbauten  nicht  nur  mit  prakti- 
fchem  Verftande  walteten,  fondern  auch  fich  vom 
Schönheitsfmne  leiten  ließen. 

Derlei  Getreidekäften  finden  fich  in  Ober-Kärnten 
faft  bei  jedem  bedeutenderen  Bauernhaufe,  find  aus 
Lärchenholz  angefertigt,  enthalten  die  Lebensmittel- 
Vorräthe  und  dienen  zur  Aufbewahrung  von  Fleifch 
und  Fleifchwaaren,  Werkzeugen  im  Erdgefchoß,  Ge- 
treide im  erflien  Stockwerke,  Mehl,  Brot  und  Speck 
im  zweiten.  Zur  Abhaltung  der  Mäufe  ift  außen  zwi- 
fchen  dem  erflen  und  zweiten  Stockwerke  die  foge- 
nannte  Mauswehr  angebracht.  Intereffant  find  an  diefen 
durch  das  Alter  gebräunten  Holzbauten  einerfeits  die 


Eine  gründliche  Reftaurirung,  verbunden  mit  nicht 
wenigen  Neubauten,  fällt  in  die  Blüthezcit  des  Gefchlech- 
tes,  als  Bernhard  v.  Clcs  Cardinal  undBifchofvon  Trient, 
war.  (1514 — 1539.)  Die  künftlerifche  Ausftattung  und 
Vollendung  kann  jedoch  nach  der  Meinung  des  Corre- 
fpondentcn  Luigi  de  Cajitpi  dem  Cardinal  unmöglich 
zugefchrieben  werden;  wohl  aber  feinem  Neffen  Hilde- 
brand V.  Cles,  kurze  Zeit  vor  oder  unmittelbar  nach 
feiner  Vermählung  mit  Anna  von  Wolkenftcin-Rodenegg. 
Als  vor  einigen  Jahren  das  reiche  Cles'fche  Familien - 
Archiv,  um  es  vom  Untergange  zu  retten,  von  dem 
Ebengenannten  catalogifirt  der  Biblioteca  comunale  di 
Triento  bis  auf  Widerruf  zur  Aufbewahrung  überlaffen 
wurde,  kamen  bei  Sichtung  des  reichen  Materials  einige, 
wenn  auch  nur  dürftige  Notizen  und  Daten  über  die 
vorgenommenen  Reftaurirungen  des  fraglichen  Schloffes 


!■  ly.    \.\.  (.Vni.icli.j 


fciiönen  Molzverbände,  dann  die  Architektur  überhaupt 
und  die  Baicon-Aniage.  Das  hier  abgebildete  01)je6t 
durfte  aus  der  Mitte  des  vergangenen  Jahrhunderts 
flammen  und  fehr  gut  erlialtcn  fein  (Fig.  14). 

67.  Das  Schloß  Cles  kommt  urkundlich  im  12.  Jahr- 
hundert vor  und  bereits  damals  erfcheinen  tlie  Herren 
V.  Cles  oder  Glöss.  Noch  heutigen  Tages  laffen  fich 
einige  15autheile  mit  ziemlicher  Genauigkeit  auf  jene 
Zeit  zurückführen.  Um  das  Jahr  1448  ift  das  Schloß  faft 
ganz    umgebaut    worden     durch    Georg   Ritter  v.  Cles. 


vor  ;  dafür  aber  nicht  unbedeutende  Aniialtspunkte  über 
die  Renovirung  eines  aus  dem  14.  Jahrhuiideit  Itanunen- 
den palaisarligen  Baues,  einll  lügenthum  der  I*"amilie 
des.  Es  ifl  eines  der  intereffantelten  des  Thaies,  liegt 
im  Mittelpunkte  der  Ortfchaft  Cles,  dient  derzeit  zum 
Theil  als  Wohnung  der  Gerichlsdiener  und  zum  Theil 
als  (jcfangenluuis.  Unter  der  hifehöfiichen  Ilerrfchaft 
hatte  darin  der  Affeffor  feinen  Sitz  und  es  heißt  daher 
noch  heutzutage  l'alazzo  assessorile.  Gegenwärtig 
theilen  fich  in  das  Eigenthumsrccht  die  Ortsgemeinde 
und  das  kaif  Aerai'  (Juflizverwaltung).  Diefes  Gehiuuic  ifi 


141      — 


urkundlich  im  Jahre  1543  von  Hildebrand  v.  Clcs  reftau- 
rirt  und  umgebaut  worden,  mit  reichen  Fresco-Male- 
reien,  getäfelten  Plafonds,  zierlichen  Bildern,  Wappen, 
allegorifchen  und  mythologifchen  Darftellungen  im 
Style  der  italienifchen  Renaiffance  vcrfehen,  und  diente 
fchon  im  Jahre  1547  als  Winterpalais  der  Familie  und 
fpäter  als  Witwenfitz  für  Anna  von  Wolkenftein.  Sow  ohl 
die  Fresco-Malereien,  Wand-Decorationen,  die  Holz- 
plafonds des  Palazzo  assessorile,  wie  die  des  Schloffes 
Cles  bekunden  den  gleichen  Einfluß,  find  gleichen 
Styles  und  Charakters  und  ftammen  gewifs  von  den- 
felben  Meiftern.  Die  Veranlaffung  zur  Reftaurirung 
des  Schloffes  und  diefes  Palazzo  ifl  auf  die  Ver- 
mählung Hildebrand  von  Cles  mit  Anna  von  Wolken- 
ftein zurückzuführen,  denn  an  der  Holztäfelung  kommen 
die  vereinten  Wappen  unzählige  Male  vor.  Es  wird 
urkundlich  fichergcftellt,  dafs  der  Umbau  und  die 
Decorirung  des  Palazzo  im  Jahre  1543  gefchah,  und 
wenn  man  im  Schlöffe  Cles  die  gleiche  künftlerifche 
Ausftattung  findet,  fomuß  man  ohne  weiters  die  Anficht 
jener  Hiftoriker  verwerfen,  welche  dem  Bernhard  von 
Cles  die  gänzliche  Reftaurirung  des  Schloffes  zufchrei- 
ben,  der  zu  der  Zeit,  wie  Hildebrand  Anna  von  Wolken- 
ftein heiratete,  nicht  mehr  am  Leben  war.  Ein  anderer 
Umftand  fchließt  gänzlich  die  Möglichkeit  aus,  dafs  die 
Malereien  zur  Lebenszeit  des  Cardinais  ausgeführt 
wurden,  weil  man  an  der  Hof-P'agade  des  Schloffes  die 
reiche  Friesdecoration,  die  vereinten  Wappen  Cles, 
Bisthum  Trient  und  Brixen  mit  dem  Cardinalshut  nur 
dann  aufnehmen  konnte,  nachdem  Bernhard  Clesius 
auch  Bifchof  von  Brixen  geworden  war.  Nun  aber  trifft 
der  Todestag  des  prachtliebenden  Cles  gerade  mit 
jenem  Fefte  zufammen,  wo  er  vom  Bisthum  Brixen 
Befitz  nahm.  (Aus  einem  Berichte  des  Correfpondenten 
L.  d.  Campi?) 

68.  Confervator  Krouttl  hat  der  Central-Commif- 
fion  mitgetheilt,  dafs  man  in  der  Kirche  zu  Brißev  bei 
B.  Brod  intereffante  alte  Wandbemalungen  gefunden 
hat.  Die  Kirche  felbft  hat  eine  ungewöhnliche  Anlage 
und  dürfte  aus  dem  14.  Jahrhundert  ftammen.  Sie 
befteht  aus  einem  mit  vier  06logon  -  Seiten  abge- 
fchloffenen  Hauptfchiffe  mit  einem  Ouerfchiffe,  beider- 
feits  ebenfo  abgefchloffen.  Alles  in  der  urfprünglichen 
Geftaltung  erhalten.  Diefe  Räume  waren  Zeuge  der 
Spuren  bemalt.  Das  Langfchiff  ftammt  aus  dem  vorigen 
Jahrhundert. 

In  welcher  Weife  die  Malerei  befchaffen  war,  kann 
heute  noch  nicht  beftimmt  angegeben  werden,  die 
Seiten-Capellen  haben  aber,  foviel  conftatirbar,  einen 
geradezu  für  Böhmen  feltenen  Gemäldefchmuck,  wahr- 
fcheinlich  noch  aus  dem  14.  Jahrhundert.  In  der  rechten 
Capelle  ficht  man  dargeftellt  die  himmlifchen  Freuden, 
links  die  Höllenpein  der  Verftorbenen.  Die  Wand- 
flächen dürften  in  vier  Horizontal-Gruppen  getheilt  fein, 
davon  die  dritte  die  bedeutfamfte  ift.  Man  ficht  darin 
rechts  Maria-Schutz,  die  Gottesmutter  fchlägt  ihren 
Mantel  rechts  um  Geiftliche  links  um  Weltliche.  Auf 
anderen  Bildern  ficht  man  einen  Abt,  dann  St. 
Johannes  den  Täufer,  dann  Chriftus  mit  den  Apofteln, 
dann  die  Kirchenväter  u.  f  w.  Zunächft  handelt  es  fich 
darum,  die  Tünche  von  den  Bildern  mit  Vorficht  abzu- 
löfen. 


69.  Es  ift  zur  Kenntnis  der  Central-Commiffion 
gekommen,  dafs  die  Reftaurirungs-Arbeiten  an  der 
Kirche  St.  Helena  zu  DezUfchenofcn  in  Tyrol  nunmehr 
vorwärts  gehen.  Die  zum  Schutze  der  werthvoUen 
Fresken  am  Gewölbe  nothwendig  gewordenen  Arbeiten 
find  vollendet.  Jene  in  der  Vorhalle  hingegen  find  noch 
ausftandig.  Confervator  Direclor  Deiuinger  ift  in  der 
Lacfc  zu  conftatiren,  dafs  auch  die  Innenwimde  der 
Kirche  ganz  bemalt  find  und  nur  jetzt  unter  der 
Tünche  ftecken.  Das  Bioslegen  diefer  Malerei  wäre  der 
letzte  entfcheidendc  Schritt,  den  die  Pietät  für  jenes 
kunfthiftorifch  wichtige  Bauwerk  fordert.  Das  Mini- 
fterium  für  Cultus  und  Unterricht  hat  nun  auch  für  das 
laufende  Jahr  eine  Subvention  von  500  fl.  für  Reftau- 
rirungs  Zwecke  als  letzten  Beitrag  gewidmet. 

70.  Confervator  Heinrich  Riclily  in  Neuhaus  hatte 
mit  Schluß  des  vergangenen  Jahres  einen  Thätigkeits- 
Bericht  crftattet,  der  fehr  viel  Intereffantes  enthält. 
Zunächft  befpricht  derfelbe  die  als  reiche  Fundftätte 
von  prähiftorifchen  Gegenftänden  und  von  Hügelgrä- 
bern bekannte  Gegend  von  Bccliyn.  Und  doch  war  ein 
gewiffes  Territorium  dortfelbft  bisher  ganz  unergiebig 
an  derartigen  Funden  gewefen;  es  ift  dies  die  Strecke 
von  Bechin  gegen  das  nördlich  gelegene  Ratay  und 
in  Süden  bis  zum  Zufammenfluße  der  Moldau  mit  der 
Luznic  bei  Moldautein.  Es  ift  dies  eine  Hochebene, 
deren  höchfter  Punkt  500  M.  Sechöhe  nicht  überftcigt. 
Einige  Rinnfale  mit  fcharfen  Böfchungen  durchziehen 
diefes  Terrain  und  machen  es  dadurch  fchwer  paffirbar. 

Confervator  RicIily  hat  nun  diefe  Gegend  durch- 
forfcht  und  ift  zu  hochwichtigen  Refultaten  gekommen. 
So  fand  er  zunächft  Bechyn  beim  Orte  Hvoid'an  unfern 
des  rechten  Smutna-Ufers  eine  Anzahl  von  Hügel- 
gräbern, die  aber  nur  mit  großer  Aufmerkfamkeit 
erkannt  werden  können.  Am  27.  Juli  wurde  einer  diefer 
Hügel  angegraben.  15  Cm.  unter  der  Ackerkrume 
fanden  fich  zahlreiche,  eng  aneinander  gereihte  und 
abfichtlich  in  Lehm  gebettete  größere  flache  Steine, 
die  einen  Flächenraum  von5QM.  decken.  An  der 
Oftfeite  Kohlen  und  Spuren  von  gebrannten  Knochen. 
Der  Ort  wird  „Na  Hrobech'' „auf  den  Gräbern"  be- 
zeichnet. 

Nördlich  von  Radetic  auf  der  Gemeindehutweide, 
auf  einem  mächtig  anfteigenden  Terrain  befinden  fich 
13  abgeflachte  Hügelgräber,  im  Walde  zunächft  noch 
zwei.  Die  Anlage  ift  unregelmäßig.  An  dem  größten 
Hügel  wurde  eine  Verfuchsgrabung  durchgeführt.  Der 
Durchmefler  des  Hügels  21  —  24  Schritte,  der  Umfang 
an  der  Sohle  ^6  Schritte.  Die  Verfuchsgrabung  begann 
auf  der  Oftfeite  und  gab  bald  Funde  an  Thonfcherben 
von  Gefäßreften  (Arbeiten  auf  der  Drehfcheibe)  mit 
Wellen-Ornament,  Kohlenreftc,  Afchenfpuren.  Auch 
ein  zweiter  Hügel  wurde  angegraben,  man  kam  bald 
auf  die  Culturfchichte  —  beftehend  aus  Kohle,  Afche, 
Gefäßfchcrben  und  ergab  fich  die  Vermuthung,  dafs 
vier  Grabgefäße  beftanden  hatten,  von  denen  zwei  an 
der  Südofi:-  und  je  eines  an  der  Oft-  und  Südfeite 
ftanden.  Ferner  fand  man  eine  Pferdetrenfe  aus  Eifen  (.'). 
Diefe  Nekropole  dürfte  in  das  5.  Jahrhundert  zu  ver- 
legen fein.  Gefäße  mit  Wellen-Ornament  mit  abfiiehen- 
dem  verdickten  Rand  treten  bis  ins  12.  Jahrhundert 
hinein  auf 


XIX.  N.  F. 


19 


142        — 


Zu  Hodonic  finden  fich  auf  einer  zungenförmigen 
Terafle  mit  fchroff  abfallenden  Randern  überall  Thon- 
und  Graphit-Gefaßfcherben  mit  Afche  und  Kohle  ver- 
mengt, ftellenweife  auch  fchwarze  Erde  dabei,  auf  eine 
mittelalterliche  Anfiedlung  deutend. 

Weftlich  von  Hodonic  fand  der  Confervator  ein 
kreisrundes  Hügelgrab  mit  einem  Durchmeffer  von  lo 
Schritten.  Bei  Drazic  ein  länglich-elliptifches  (21  und 
30  Schritte  im  Durchmeffer),  davon  etwa  200 
Schritte  entfernt  eine  kleine  Nekropole  von  8  — 12  fehr 
abgeflachten  Grabhügeln.  Bei  Kolodej  conftatirte 
derfelbe  21  Hügelgräber,  darunter  eines  mit  70  Schrit- 
ten im  Durchmeffer.  Die  meiften  Hügel  find  arg 
zerzauft,  feit  Jahren  fchefnt  man  den  Bedarf  an  Lehm 
und  Steinen,  gleich  wie  heute  noch,  ihnen  entnommen 
zu  haben.  Nach  Anlage  und  Form  der  Hügel  und  den 
Topffcherben  zufolge  dürfte  es  fich  hier  um  Denkmale 
aus  der  Bronze-Zeit  handeln. 

Nahe  der  Nekropole  von  Radetic  nächft  dem  Herr- 
fchafts-Walde  befindet  fich  eine  andere  Hügelgrabftätte 
von  ganz  ungewöhnlicher  Anordung.  Selbe  ift  eliptifch 
mit  einem  Durchmeffer  von  looo— 500  Schritten,  die 
einzelnen  Hügel  folgen  einander  in  leicht  gefchweiften 
Bogen, meifl  in  regelmäßigen  Abftänden  von  80  Schritten, 
und  zwar  von  Süd-Weft  gegen  Nord-Weft,  Durchmeffer 
25—30  Schritte,  Höhe  2 — 4M.,  viele  find  in  der  Mitte 
muldenförmig  vertieft. 

Weftlich  von  Bechyn  an  der  Luznic  beim  Bache 
Zidov.*ka  conftatirte  Confervator  Riclily  eine  Wallburg 
j.Hradce",  obzwar  an  drei  Seiten  durch  faft  fenkrechte 
hohe  Felswände  beinahe  unzugänglich,  dennoch 
zu  größerer  Sicherheit  mit  ftarken  Wällen  und, 
nach  den  Kohlen-  und  Afchenfpuren,  auch  mit  Palli- 
faden  gefchützt.  Ueberall  finden  fich  Thonfcherben  von. 
früh-prähiftorifcher  Befchaffenheit  und  Handarbeit. 
Hervorzuheben  ift  das  Fragment  eines  dickwandigen 
keffelartigen  Graphitgefäßes,  Fragment  eines  fchwarzen 
Thongefäßes  mit  Fingerfurchen,  ein  anderes  mit  ein- 
geritzten Strichen  —  eines  mit  folchen  Dreiecken, 
Bruchflück  einer  Schüffei  und  eines  mit  Glimmer 
beftreuten  Gefäß-Fragmentes. 

(FortTetzung  folgt. j 

71.  Als  man  vor  etlichen  Jahren  einige  werthlofe 
Seitenaltäre  in  der  Pfarrkirche  zu  Untermais  bei  Meran 
entfernte,  fand  man  hinter  einem  folchen  Altare  über 
der  Menfa  eine  Kreuzigungsgruppe  gemalt.  Die  an 
dem  Gemälde  betheiligten  Meifter  haben  fich  mit  ihren 
Namen  erhalten:  Jud  (aeus)  Maura  (eher)  fecit  Johannes 
Keller  (.')  de  (lineavit)  a  dni  mcccc  Das  Gemälde 
ift  gut  und  macht  einen  befriedigenden  Eindruck. 
Engclchen,  deren  Füße  noch  in  ein  langes  Kleid  gehüllt 
find,  fangen  das  Blut  aus  den  Wunden  des  Heilands 
auf  Neben  dem  Kreuze  flehen,  wie  Confervator  Atz 
berichtet,  Maria  und  Johannes,  St.  Benedict  und  Jacob 
und  die  Stifter  mit  ihrem  Wappen  (gekröntes  Hufeifen). 
Auch  hinter  dem  entfernten  Seitenaltare  der  anderen 
Seite  erkannte   man   Reite   einer   Wandmalerei,   doch 


waren  diefelben  bereits  fehr  defeft  und  nicht   des    Er- 
haltens  werth. 

72.  Se.  k.  und  k.  Apoftolifche  Majeftät  liaben  mit 
AUerhöchfter  Entfchließung  vom  2.  März  laufenden 
Jahres  in  Anerkennung  ihrer  verdienftlichen  Thätig- 
keit  als  Confervatoren  dem  Director  des  ftädtifchen 
Mufeums  Carolino-Augusteum  in  Salzburg  Dr.  Alexan- 
der Petter  den  Titel  eines  kaiferlichen  Käthes  und  dem 
Architekten  Anton  Wiehl  in  Prag  den  Titel  eines  Bau- 
rathes  taxfrei  allergnädigft  zu  verleihen  geruht. 

"jl-  Se.  Exellenz  der  Herr  Minifter  für  Cultus  und 
Unterricht  hat  der  von  Seite  der  k.  k.  Central- 
Commiffion  am  20.  Januar  1893  erfolgten  Wahl  von 
neun  Ehrenmitgliedern  mit  hohen  Erlaffe  vom  14.  April 
1S93  irn  Sinne  des  §.  12  des  Statuts  diefer  Commiffion 
die  hohe  Genehmigung  ertheilt.  Zu  Ehrenmitgliedern 
wurden  gewählt: 

1.  Se.  Durchlaucht  Fürft  Johannes  von  und  zu 
Lichtenßein  in  Wien; 

2.  Se.  Durchlaucht  Fürll:  Adolf  Jofefph  von 
Scliwarzenberg  in  Wien; 

3.  Se.  E.xcellenz  Maximilian  Freiherr  v.Z>^«/;/ci^j/^j' 
V.  Sternegg,  k.  u.  k.  Admiral  und  Marine  Commandant 
in  Pola; 

4.  Se.  fürftliche  Gnaden  Simon  Aichner,  Fürft- 
bifchof  zu  Brixen; 

5.  Ihre  Durchlaucht  Fürftin  Marie  zu  Hohenlohe- 
Schillingfürß  in  Wien ; 

6.  Se.  Exceilenz  Franz  Freiherr  v.  Schmidt- 
Zabieroiv,  k.  k.  Landeschef  für  Kärnten; 

7.  Se.  Excellenz  Arthur  Graf  w  Enzenberg, 
k.  k.  Se6t.-Chef  i.  R.  zu  Innsbruck; 

8.  Herr  Theodor  Momnifen,  Profeffor  der  claffi- 
fchcn   Philologie   und    der   alten  Gefchichtc    in  Berlin; 

9.  Cavaliere  Dr.  G.  B.  de  Roffi  in  Rom. 

74.  Veränderungen  im  Stande  der  Ccntral-Com- 
miffion: 

Zum  Confervator  wurde  ernannt: 
Herain  Johann,  Ingenieur  und  Baumeifter  in  Prag. 

Zu  Correfpondenten  wurden  ernannt: 
Fifclier  Gerhard,  Profeffor  am  k.    k.  Real-  und  Ober- 

gymnafium  in  Feldkirch 
Greger/en  Ödön  v.,  Ingenieur  in  Prag  und 
Palliardi  Jaroslav,  Notariats-Candidat  in  Znaim. 
Polek  Johann,  Dr.  Cuftor  der  Univerfitäts-Bibliothek  in 

Czernowitz. 
Wie/er  Jofeph,  Dr.,  Pfarrer  in  Terlan. 

Geftorben  find  die  Correfpondenten: 
Kluge  BenedicT:,  Pfarrer  in  Würflach,  C.  O., 
A'?c/('«//Vr7V-Sakcinski  Johann,  Freiherr  v.,  Obergefpan 

in  Agram. 
Neeb  Philipp,  Forftmeiftcr  in  Bozen. 
Pichl  V.    Gamfenfels    Karl,    Ritter,    Gutsbefitzcr    auf 

Eggenwald, 
Stippler  Johann,  Dom-Capitular  in  Brixen. 


—      M3     — 


Die  beiden  biblifchen  Gemälde-Cyclen  des  Domes  zu  Gurk. 


Vum  Correfpoiulenten  Dr.   Alfred  Schncrich. 


III. 


^Tj.  Die  Verklarung,  deren  Darflellung  zwei 
Streifen  übereinander  vereinigt,  ift  offenbar  aus  räum- 
liclien  Gründen  auf  die  Weftwand  gekommen,  als  letz- 
tes Bild  vor  der  Leidensgefchichte.  Das  Local  ift  der 
Gipfel  eines  Berges.  Auf  demfelben  fteht,  von  der 
rothen  Wolke  umgeben,  in  weißem  Gewände  Chriflus, 
nach  vorn  gewandt,  die  Arme  über  die  Bruft  gekreuzt; 
auf  ilin  zu  fliegt  die  Taube  Ober  ihm,  durch  einen 
fchmalen  Wolkenfbreifen  gefchieden,  ift  Gott  Vater 
fichtbar,  mit  der  Rechten  auf  feinen  Sohn  weifend;  in 
der  Linken  das  Spruchband:  Hie  est  filius  mens 
dilectics  (Math.  XVII,  5).  Beiderfeits  von  Chriftus  knieen 
links  Mofes  mit  fpitzem  Hut,  rechts  Elias  mit  kahlem 
Scheitel,  beide  ohne  Nimbus.  Ganz  vorn  hocken  die 
drei  Jünger  mit  erftaunten  Gebärden,  links  Johannes 
und  Jacobus,  rechts  Petrus,  auf  Jefum  weifend,  mit 
einem  Spruchband:  Douiine  faeianius  hie  tria  taberna- 
eitla,  tibi  uiiuin  mo.  (Math.  XVII,  4). 


auf  dem  erften  Bilde  des  Cyclus  das  Hmpyrcum  vom 
Kreis  zur  Mandorla  geftaltet  hat,  dicfe  hier  bereits 
ganz  weggeblieben  ift.  (Fig.  3.) 

34.  Die  dritte  Reihe  enthalt  die  Paffionsgcfchichte ; 
mehrere  diefer  Darftellungen  gehören  zu  den  bedeu- 
tendften  des  Cyclus,  find  aber  in  fehr  fchlechtcm 
Zuftand  auf  unfere  Zeiten  gekommen. 

Die  Reihe  eröffnet  die  Todesangft  am  Oelberge. 
Vor  dem  links  anfteigenden  Berge  kniet  Jefus  in  die 
Höhe  blickend;  in  den  gefalteten  Händen  hält  er  ein 
Spruchband:  [Pater  trans]fer  a  nie  calieem  istuiii  (nach 
Marc.  XIV,  36  Luc.  XXII,  42).  Rechts  fehen  wir  die 
drei  Lieblingsjünger  fitzend  eingefchlafen  (nur  mehr  in 
Umriffen  erkennbar),  der  vordere  links  Johannes,  rechts 
Petrus,  dahinter  Jacobus.  Zu  ihnen  tritt,  die  Hand 
redend  erhoben,  Jefus.  Das  Spruchband  neben  ihm  ent- 
hält die  Worte:  Non  potuistis  una  liora  [vigilarej 
(Math.  XXVI,  40). 


Fig.  I.  (Nr.  II.)   Gurk. 


Im  Gegenfatz  zur  ftreng  architektonifch  angeord- 
neten Darftellung  der  Empore,  bricht  fich  hier  eine 
ganz  neue  Weife  Bahn.  An  Stelle  der  Mandorla  oder 
der  Strahlen,  wie  es  die  älteren  Bilder  zeigen,  ift  hier  die 
ganz  naturaliftifch  behandelte  rothe  Wolke  getreten; 
Mofes  und  Elias  haben  wieder  ihre  Nimben  verloren, 
namentlich  aber  find  die  Apoftel  ganz  frei  gruppirt, 
was  fich  weder  vor  noch  nachher  eingebürgert  hat. 
Die  Taube  ift  offenbar  den  Darftellungen  der  Taufe 
entnommen,  bei  der  fich  auch  die  Worte  des  Vaters 
wiederfinden.  Es  ift  bcachtenswerth,  dafs,  während  fich 

XIX.  N.  F. 


Diefes  Bild  lehnt  fich  faft  direft  an  die  älteftcn 
Vorbilder  an;  das  fpätere  Mittelalter  gibt  Chriftus  nur 
betend,  fo  fchon  das  Antependium  in  Salzburg;  die 
älteren  Darftellungen  geben  dagegen  Chriftus,  wie  hier, 
durchwegs  zweimal,  fo  die  Codices  von  Roffana,' 
St.  Paolo,-  Cambridge,^  ebenfo  das  Mofaik  in  Mon- 
reale,  das  Antependium  in  Aachen^  u.  f  w.,  auch  das 
Malerbuch.    In    der  Darfteilung   der  Jünger  geht  dicfe 

*  Veröffentlicht  von   Gtbhayd  und  Itarnak,  Leipzig   1880,  Taf.  XI. 
-  Aghtcourt,  T.-if.  XCVl. 

*  Garrucci,  III,  T.if.  141. 

*  Rohault.  La  messe  I,  p.  LXXXVII. 

20 


—      144     — 


ältere  Gruppe  auseinander,  die  Mehrzahl  gibt  nach 
dem  Bericht  des  Lucas  fämmtliche  Apoftel,  andere 
aber,  wie  durchwegs  das  fpätere  Mittelalter  nach 
Mathäus  und  Marcus,  nur  die  drei  Lieblingsjünger,  fo 
bereits  auch  der  Codex  Roffanenfis,  welcher  diefe  Scene 
wohl  am  allervollendetften  dargeftellt  hat.  Wie  dort 
fcheint  auch  in  Gurk  gegenüber  Chriftus  keine  Erfchei- 
nung  dargeftellt  gewefen  zu  fein,  etwa  das  Antlitz 
Gottes  (Antependium  in  Salzburg)  oder  deffen  Hand, 
(Pifsweg),  da  keine  Spur  eines  Nimbus  zu  erkennen  ift, 
auch  der  Platz  hiefür  kaum  ausgereicht  haben  dürfte. 

35.  Es   folgt    nun    die  Gefangennahme.  Rechts  im 
Hintergrund   ift   der  Eingang   in  den  Garten,  daneben 


Kig.  2.  (Nr.  31.)  (Gurk.) 

die  Stadt  durch  eine  Kuppel  angedeutet.  Von  links  ift 
Chriftus  gekommen,  ihm  entgegen  Judas  in  kurzem 
Rock  (gemeine  Tracht).  Kr  nähert  fich  dem  Heiland 
gebückt,  umarmt  und  küßt  ihn.  Durch  das  Thor  find 
dem  Verräther  zahlreiche  Schergen  und  anderes  Volk 
mit  Waffen  und  Fackeln  gefolgt,  und  eben  im  Begriff, 
den  Heiland  zu  ergreifen.  Rechts  hat  Petrus  den  Mal- 
chus  bei  der  Keiile  erfafst  zu  Boden  geworfen,  und  holt 
mit  dem  Schwerte  zum  Streich  gegen  ihn  aus. 

Die  Darflellungen  diefes  Gegenflandes  zeigen 
unter  fich  verhältnismäßig  wenig  Verfchiedenheit;  man 
war  ftets  beftrebt  mögliclifl  viel  durch  eine  Darflellung 
anzudeuten;  hier  ift  dies  auf  ein  weifes  Maß  hefchriinkt 
Die  einzelne  Ausführung  und  Charakterifirung  ill 
gerade  hier  gegenüber  anderen  oft  fehr  unbeholfenen 
Bildern,  z.  B.  im  Antiphonar,  Cod.  Egberti,  Speculum, 
befonders  meifteriiaft,  und  kann  fich  den  fchuiiflen 
diefer  Art,  namentlich  dem  in  der  Arena  zu  l'adua 
würdig  an  die  Seite  ftellen.  Im  Kampf  zwifciien  Petrus 
und  Malchus  zeigt  fich  fichtlich  das  Streben  nach 
Naturwahrheit;  nach  diefer  Darflellung  wollte  der 
Knecht  eben  Jefum  ergreifen,  wird  aber  von  Petrus 
gehindert. 


36. aj  Es  folgt  ein  Bild  mit  zwei  Scencn.  Rechts 
eine  Halle  mit  zwei  Arcaden,  die  eine  Ecke  bilden. 
Unter  der  linken  fitzt  auf  polfterbelegtem  Stuhle  der 
Richter  mit  langem  reichgezierten  Purpurkleide  und 
Mütze.  Mit  einem  Stabe  weist  er  auf  Chriftus,  der  ihm 
gebunden  von  einer  Schaar  Krieger  vorgeführt  wird. 
Dem  Richter  zunächft:  fteht  eine  unbärtige  Perfon,  über 
das  Haupt  ein  Tuch  gelegt,  zu  ihm  redend. 

dj  Eine  zweite  Scene  fpielt  fich  in  der  anderen 
Arcade,  innerhalb  des  Haufes  ab.  Jefus  fitzt  darin,  nur 
theilweife  mit  einem  Purpurmantel  bedeckt;  zwei 
Krieger  —  von  dem  rechts  nur  die  Hand  fichtbar  — 
haben  über  fein  Haupt  Stäbe  kreuzweis  gelegt,  während 
ein  Dritter  vor  ihm  niederkniet 
und  die  Hand  nach  ihm  aus- 
ftreckt,  offenbar  um  ihn  zu 
fchlagen. 

Diefes  Bild  flellt  alfo  einer- 
feits  das  Verhör,  anderfeits 
die  Verfpottung  Chrifli  dar.  Es 
mag  bei  dem  erflen  Anblick  frag- 
lich erfcheinen,  ob  hier  Anas 
oder  Pilatus  gemeint  fei,  doch 
ift  wohl  der  letztere  anzuneh- 
men, da  das  Zerreißen  der  Klei- 
der nicht  zu  erkennen  ift,  auch 
erfcheint  Anas  fonft  durchwegs 
■ —  wie  oben  Aaron  —  als  Bifchof 
gekleidet;  die  ganz  ähnliche 
Darftellung  der  Biblia  pauperum 
XX  ift  als  Verhör  des  Pilatus  be- 
zeichnet. Für  Anas  möchte  nur 
der  Stab  fprechen;  derfelbe 
findet  fich  z.  B.  im  Antiphonar 
bei  Anas,  pafst  jedoch  auch  für 
den  Landpfleger.  Die  Perfon 
neben  diefem  fcheint  aber  ein 
Weib  zu  fein,  da  ihre  Tracht 
mit  der  der  Frauen  bei  lya  fehr 
ähnlich  ift.  Wird  demnach  als 
die  von  Pilatus  Weib  abgefandte 
Magd  zu  deuten  fein  (Math.  XXVII,  19)  was  in  Mon- 
reale  ein  eigenes  Bild  veranfchaulicht. 

37.  al  Das  folgende  Bild  ftellt  eine  zweigctheilte 
Halle  vor;  in  denen  fich  entfprechend  zwei  Scenen 
der  tiefften  Erniedrigung  des  Heilandes  dargeftellt 
finden.  Wir  fehen  in  der  linken  1  lalfte  Jefus  nur  mit 
einer  kurzen  Hofe  bekleidet;  ein  bärtiger  Krieger  rechts 
ift  eben  im  Begriff  deffen  langes  Gewand  ihm  üijcr  den 
Kopf  herabzuziehen,  woduich  diefer  ganz  verhüllt  ift. 
Ein  zweiter  junger  Mann  mit  fpitzcm  Hut  auf  der  an- 
deren Seite  fcheint  ihm  zu  helfen. 

Die  Darfteilung  befremdet  durch  ihre  Seltfamkeit 
in  nicht  geringem  Grade,  doch  laffen  fich  die  Vorbil- 
der hiefur  deutlich  erkennen.  Das  Melker  Gebetbuch, 
ähnlich  auch  ein  Holzfchnitt  des  15.  Jahrhunderts  ' 
geben  Jefus  auf  einer  Leiter  auf  das  Kreuz  fteigend, 
er  kehrt  fich  eben  um,  ein  Scherge  mit  fpitzem  Hut 
zieht  ihm  fein  Gewand  in  gleicher  Weife  herab,  nur 
dafs  der  Kopf  bereits  frei  ift;  auf  der  anderen  Seite 
fteht  ein  Mann  mit  Haminer  und  Nägeln,  im  Begriff  ans 
Werk  zu  fchreiten.  Eine  folche  Darftelhuig  lag  dem 
Künftler  vor;  hieraus  erklart  fich   auch  die  nicht  ganz 

'  Eßtnv'Cin:   UDUfcliTiilcc-  ilt-s  ijcini.  Miifciuns,  T;if.  I.XX.WIII. 


145 


deutlich  ausgefprocheiie  Gerte  des  Mannes  links.  An- 
derfeits  iil:  zu  beaciiten,  dafs  über  den  Kopf  gezogene 
Kleider  fich  mehrfach  bei  anderen  Scenen  finden,  in 
den  Bildern  der  Arena  beim  Palmeinzug  als  Zeichen 
tiefer  Demuth,  noch  ähnlicher  bei  Darftellungen  der 
Taufe,  z.  B.  im  Antiphonar  von  St.  Peter  in  Salzburg,' 
wie  auch  im  Gregor  von  Nazianz  zu  Paris. ^'  u.  f  \v. 

b)  Die  andere  Hälfte  des  Bildes  zeigt  in  der  Mitte 
eine    ftarke    Säule    mit    einigermaßen    antikifirendem 


Fig.  3-  (Nr.  ZI)  Gurk. 

Capital.  An  dicfe  ift  Jefus  mit  den  Armen  gebunden- 
Beiderfeits  von  ihmfteht  je  ein  Jüngling  in  der  gewöhn- 
lichen Judentracht;  fie  holen  mit  Geißeln  zum  Streich 
aus;  der  links  hält  noch  außerdem  eine  Ruthe,  der 
rechte  hat  Jefus  am  Arme  erfafst  und  zerrt  ihn  gegen 
fich. 

Die  allgemeine  Dispofition  für  diefen  Gegenftand 
ift  in  der  mittelalterlichen  Kunft  im  wefentlichen  ftets 
diefelbe  geblieben;  hier  mag  wiederum  die  fehr  auffal- 

'  Mitth.  der  Centr.-Comm.,    14.  Taf,  24. 

-  Bordier:  Manuscrits  Grecs  de  la  bibliotheque    National,  p.   140. 


lende  Uebereinftimmung  der  Details  mit  dem  Melker 
Gebetbuch  befonders  erwähnt  werden.  Am  Salzburger 
Antependium  ift  noch  ein  dritter  Mann  beigegeben,  der 
an  einem  Strick  zerrt,  was  hier  in  ähnlicher  Weife  der 
Mann  rechts  thut. 

38.  Ks  folgt  nun  die  Kreuztragung,  leider  nur 
mehr  in  fehr  fparlichen  und  fcliwer  erkennbaren  Reften 
erhalten.  Die  Scene  fpielt  vor  dem  Thore  der  Stadt; 
links  das  fefte  Thor  aus  Quadern  auf  Felsgrund  gebaut, 
davor  eine  zweibogige  Brücke  mit  Strebepfeilern  und 
Zinnenbekrönung,  die  über  den  Stadtgraben  auf  das 
freie  Feld  fuhrt.  Aus  der  Stadt  fchreitet  eben  der  Zug. 
Zu  erkennen  find  zunächft  drei  hintereinander  getra- 
gene Kreuze,  voran  die  der  beiden  Schacher,  die  nach 
Lucas  XXIII,  32  mitgeführt  wurden,  ohne  den  obern 
Balken  und  hoch  aufrecht  gehalten ;  dahinter  folgt 
Chriftus,  das  Kreuz  auf  der  Schulter  fchleppend,  ein 
bärtiger  Mann  hinter  ihm,  eben  aus  dem  Thor  kom- 
mend, ftreckt  beide  Arme  gegen  den  ihm  zunächft 
befindlichen  Kreuzesbalken  aus,  um  Jefus  zu  helfen,  ift 
alfo  Simon  von  Cyrene.  Von  den  übrigen  Perfonen, 
welche  Jefum  vorangehen,  find  nur  mehr  wenige  Köpfe 
zu  erkennen.  Ganz  rechts,  fchon  halb  vom  Rahmen 
verdeckt,  erblicken  wir  einen  Mann  mit  Spitzhut,  einen 
Strick  haltend,  an  den  offenbar  ein  Schacher  gebunden 
dargeftellt  war;  er  trägt  das  erfte  Schächerkreuz.- 
Weiter  links  folgen  vier  in  die  Höhe  fehende  Köpfe 
dicht  hintereinander,  dahinter  unmittelbar  vor  Chriftus 
ein  zweiter  Mann  mit  Spitzhut  geradaus  blickend, 
offenbar  das  andere  Schächerkreuz  tragend. 

So  geläufig  manche  Details  diefer  Darfteilung  find, 
wie  Chriftus  und  Simon,  Stadtthor  und  Brücke,  find 
anderfeits  die  zwei  getragenen  Kreuze  der  Schacher 
ganz  befonders  auffallend.  Die  Abficht  des  Künftlers 
war  offenbar,  die  fchweren  Leiden  Chrifti  im  Gegenfatz 
zu  den  weit  geringeren  der  Schacher  darzuftellen. 
Chriftus  trägt  fein  Kreuz  mühfam  auf  den  Schultern, 
Simon  hilft  ihm  in  gewohnter  Weife  nur  wenig  (als 
Compromifs  zwifchen  den  Synoptikern  und  Johannes), 
während  die  beiden  anderen  Kreuze  viel  höher,  alfo 
leichter,  dazu  nicht  von  den  Verbrechern  felbft,  fondern 
von  den  Schergen  getragen  werden.  Der  Künftler  hat 
alle  ziemlich  differirenden  Berichte  hier  vereinigt  und 
feine  Aufgabe  trefflich  gelöst;  jedenfalls  gehört  diefe 
Darftellung  zu  den  bedeutendften  des  Cyclus.  Ich  habe 
das  Schächerkreuz  fonft  nur  auf  einer  Darftellung 
diefes  Gegenftandes  gefunden,  nämlich  im  Cyclus  von 
S.  Gimignano,'  wo  wir  eines  derfelben,  wie  hier  halb 
vom  Rahmen  verdeckt,  erblicken. 

39.  Das  folgende  Bild  der  Kreuzigung  nimmt 
nicht  nur  den  fchmalen  Raum  diefer,  fondern  auch  den 
entfprechenden  der  unteren  Reihe  ein.  Leider  ift  faft 
nur  mehr  die  obere  Hälfte,  und  auch  diefe  nur  frag- 
mentarifch  erhalten,  in  den  Details  aber  noch  ziemlich 
ficher  erkennbar. 

Der  dunkle  Hintergrund  deutet  auf  Nacht.  In  der 
Mitte  hängt  der  Heiland  am  Kreuze;  er  hat  fein  Haupt 
geneigt  und  die  Augen  gefchloffen.  Seiner  Seite  ent- 
ftrömt  bereits  das  Blut.  Beiderfeits  von  ihm,  aber  viel 
niedriger  und  kleiner,  find  die  beiden  Schacher  in 
verrenkter  Stellung  an  das  Kreuz  gebunden  (nur  mehr 
in    Umriffen    zu    erkennen).    Ober    dem    Kreuze    des 

'  Vgl.  oben,  bei  Job.  Die  viel  fp.iteren  Darftellungcn  diefes  Gegenftandes 
an  den  Chorftiihlen  von  St.  Stephan  in  Wiea  (//g-,  Älitth.  des  Wiener  Alter- 
thnmsvereinÄ  B.  13,  S.  18)  voai  Jahre   1484  u.  a.,  kommen  hier  nicht  in  Uetracht. 


146 


Schachers  links  (von  Chriftus  rechts)  fchwebt  ehi 
nimbirter  Engel,  der  deffen  Seele,  ein  betend  zu  Jefiim 
gewendetes  Figürchen,  in  Empfang  nimmt.  Alles  übrige 
ift  verfchwunden. 

Die  letzte  Bildfläche  der  Südwand  ift  offenbar  für 
dicfe  Darfteilung  fo  fchmal  geftaltet  worden;  die  obigen 
Bilder  waren  dadurch  fehr  verkürzt,  wahrend  diefes 
vorliegende,  wie  die  Refte  zeigen,  fehr  ausgeführt  war. 

Im  Vergleich  zu  den  anderen  überaus  zahlreichen 
Kreuzigungsbildern  fcheidet  fich  zunächft  eine  bedeu- 
tende, ja  die  weit  größere  Zahl,  dadurch  aus,  dafs  die- 
felben  nicht  die  Schacher  darftellen,  fo  die  Salzburger 
Monumente  durchwegs.  Drei  Kreuze  finden  fich  da- 
gegen auf  Sarkophagen,  weniger  auf  Mofaiken;  in 
Deutfchland  auf  einigen  Buchdeckeln,  ebenfo  im  Cod. 
Egberti,  meift  fehr  fchwerfallig.  Nahe  verwandt  mit  der 
Gurker  Darfteilung  find  dagegen  die  fpateren  mittel- 
italienifchen  Wandgemälde,  namentlich  die  der  älteren 
Sienefifchen  Schule,  um  die  w'ichtigften  zu  nennen:  in 
der  Cap.  degli  Spagnioli  in  Florenz,  Campo  Santo  zu 
Fifa,  St.  Gimignano,'  in  der  Unterkirche  von  Affifi.''  Im 
15.  Jahrhundert  werden  auch  in  Deutfchland  folche 
ausführliche  Kreuzigungsbilder  beliebt.  Wie  aus  dem 
Vergleich  mit  diefen  im  Ganzen  fehr  übereinftim- 
menden  Gemälden  hervorgeht,  können  wir  uns  das 
Gurker  Bild  folgendermaßen  ergänzen:  Ueber  dem 
Kreuze  war  die  Infchrifttafel  angebracht,  etwas  höher 
zu  beiden  Seiten  Sonne  und  Mond.  Der  gute  Schächei- 
blickte  fterbend  auf  Chriftus,  feinem  Munde  entfchwebt 
die  Seele,  der  böfe  Schacher  war  abgewendet,  feine 
Seele  holte  der  Teufel.  In  der  unteren  Hälfte  des  Bildes 
war  der  Berg  angegeben;  die  Fläche  bot  für  die  ver- 
fchiedenen  Gruppen  reichlich  Raum. 

40.  Das  folgende  Bild,  das  erfte  der  unterften 
Reihe,  ift  übertüncht,  theilweife  auch  durch  den  ein- 
gefügten Grabftein  zerftört.  Sichtbar  find  nur  in  der 
Mitte  nebeneinander  drei  Nimben  von  Gefichtern 
welche  nach  rechts  abwärts  blicken.  Es  ift  fchon  aus 
diefen  kargen  Reften,  noch  mehr  durch  die  Einreihung 
des  Bildes  zwifchen Kreuzigung  und  Auferftehungkaum 
zweifelhaft,  dafs  hier  die  fog.  „Pieta"  oder  Grablegung 
dargeftellt  war.  Näheren  Auffchluß  hierüber  bietet  der 
Vergleich  mit  verwandten  Darftellungen;  ein  flüchtiger 
Blick  durch  diefelben  —  einerlei  ob  Pieta  oder  Grab- 
legung —  zeigt,  dafs  fich  faft  durchwegs  dasfelbe 
Schema  findet,  fo  die  Pieta  des  Martyrologium  im 
Vatican,  die  in  Affifi,  ferner  die  Grablegung  am  Salz- 
burger Antependium  und  im  Antiphonar.  Wie  oben 
bei  Lazarus  nimmt  in  den  beiden  letzteren  Darftel- 
lungen den  Vordergrund  der  Sarkophag  ein;  fo  war 
es  unzweifelhaft  auch  hier.  Chriftus  lag  mit  dem  Kopf 
nach  rechts  (Nimbus  nicht  mehr  erhalten),  der  nächfte 
(erhaltene)  Nimbus  gehörte  Maria  an,  die  vom  Schmerze 
überwältigt  ihren  Sohn  umarmte,  der  weitere  der 
Magdalena,  der  letzte  dem  Johannes.  Links  dürfte  an 
den  Sarg  Jofeph  von  Arimathäa  getreten  fein,  die  Füße 
des  Heilands  haltend  (wie  gewöhnlich  ohne  Nimbus). 
Nicht  angegeben  war  im  Hintergrund  das  leere  Kreuz, 
welches  fich  z.  B.  am  Antependium  zu  Salzburg  findet, 
da  kein  Raum  hiefür  vorhanden  war. 

41.  Die  unterftc  Reihe  wird  durch  die  Grablegung 
eingeleitet,  um  die  folgenden  Bilder,  welche  die  Ver- 

'  Vgl  fihcn.  Dicfc  l>;irflcltiing  nimmt  K'cichfjtlU  zwei  .Slrcifcn  ein.  Siehe 
auch  tiiitcn. 

'    Thoiir,  a     a     O  ,  378 


herrlichung  Chrifti  behandeln  defto  wirkfamer  hervor- 
treten zu  laffen.  Es  folgt  nun  die  Auferftehung.  Der  wie 
vorher  die  Breite  des  Bildes  einnehmende  Sarkophag 
ift  geöffnet,  der  Stein  links  vorn  fchräg  angelehnt.  Im 
Sarkophag  fteht  der  Heiland.  Er  blickt  feierlich  nach 
vorn,  die  Rechte  hat  er  fegnend  erhoben  (nicht  mehr 
ganz  erhalten),  in  der  Linken  hält  er  die  Siegesfahne 
mit  Kreuz.  Vor  dem  Sarkophag  erblicken  wir  einen 
Krieger  mit  Hellebarde,  eben  aufblickend;  die  linke 
Seite  des  Bildes  ift  übertüncht,  dadurch  der  andere 
Krieger  verfchwunden  (Fig.  4). 

Selten  findet  man  die  Auferftehung,  das  glor- 
reichfte  Wunder  aus  dem  Leben  Jefu,  erhabener  dar- 
geftellt als  hier.  Die  Anordnung  ill:  übrigens  eine  fehr 
normale,  ftimmt  namentlich  mit  dem  Relief  an  der 
Thüre  der  Vorhalle,  aber  auch  den  Salzburger  Bildern 
fehr  genau  überein. 

42.  Im  Vordergrund  wieder  der  Sarkophag  mit 
angelehntem  Stein.  Ein  Linnen  hängt  über  die  rück- 
wärtige Wand  desfelben.  Von  hinten  find  links  drei 
Apoftel,  rechts  die  drei  Frauen,  alle  mit  Nimben  heran- 
getreten.   Der   vorderfte,   Petrus,  bückt  fich    über    die 


Fig.  4.  (Guik.) 

Ocffnung  und  hält  die  Hand  gegen  das  Linnen,  um  es 
zu  durchfuchen;  den  Blick  hat  er  fragend  gegen  die 
Frauen  gerichtet.  Die  beiden  anderen  Apoftel,  welche 
anfcheincnd  erft  in  die  Grabeshöhlc  hinabfteigen  —  das 
Local  ift  übrigens  weiter  nicht  angegeben  —  fehen 
erftaunt  zu.  Die  Frauen  tragen  Salbgefaße;  die  vorderfte 
fpricht  mit  Petrus,  die  zweite  ficht  in  das  Grab,  die 
dritte  hört  zu.  Ein  Infchriflband  über  den  Apoftcln  ent- 
hiilt  die  Worte:  Non  est  liic  quem  qucritis  (vgl.  Math. 
XX VIII  5,  Marc.  XVI,  6  Luc.  XXIV  5).  Die  Darftellung 
vereinigt  hier  in  fehr  origineller  Weife  die  Berichte  der 
Synoptiker  mit  tlcm  des  Johannes.  Die  übrigen  Bilder 
diefes  (legenftandes  folgen  durchwegs  nur  den  erfteren, 
inilem  fic  einerfeits,  wie  hier  die  ilrci  Frauen,  ander- 
feits  aber  den  Engel  am  Sarkophag  geben,  fo  Duccio's 
Dombild  in  Siena,  Monreale,  die  Salzburger  Bilder,  etc. 
Die  Apoftel  find  mir  bei  diefer  Scene  in  dicfer 
Weife  nie  untergekommen;  die  Grup[)e  erinnert 
augenfcheinlich  an  die  fpätci'  fo  hiiufigcn  Darllellini;.;cn 


—     147     — 


der  Himmelfahrt  Maria,  fo  namentlich  der  in  das  Grab 
taftende,  dabei  in  die  Höhe  fehende  Petrus.  Der  Engel 
fehlt,  doch  ift  der  Inhalt  des  Schriftbandes  deffen 
Worten  nachgebildet;  derfelbe  ift  alfo  wohl  unfichtbar 
gedacht;  keineswegs  gehört  das  Band  einer  der  dar- 
geflellten  Perfonen  an.  Jedenfalls  ift  die  DarftcUung 
durch  Combination  entftanden. 

4;;.  Eigenthümlich  erfcheint  es,  dafs  erft  jetzt,  un- 
mittelbar vor  der  Himmelfahrt,  die  Hollenfahrt  einge- 
reiht ift.  Diefes  wie  die  folgenden  Bilder  haben  fehr 
gelitten.  Wir  erkennen  noch  rechts  eine  Höhle,  davor 
die  offene  Pforte.  In  der  Höhle  wird  zwifchen  Flammen 
ein  Teufel  fichtbar.  Von  links  kommt  Chriftus;  er  hält 
in  der  Linken  hocherhoben  die  Siegesfahne  gegen  die 
Höllcnpforte,  offenbar  um  fie  einz.ulloßen.  Aus  diefer 
kommen  Adam  und  Eva;  beide  zeigen  freudiges 
Erftaunen;  Eva  verbirgt  fich  fchüchtern  hinter  Adam, 
deffen  Rechte  Jefus  erfafst  hat. 

Den  Abftieg  Chrifti  in  den  Limbus  erwähnt  zwar 
nicht  die  Bibel,  wohl  aber  das  apoftolifche  Glaubens- 
bekenntnis; ausführlich  befchreibt  denfelb£n  die  apo- 
kryphe Schrift:  Descenfus  Chrifti  ad  inferos, '  dem  die 
Darltellungen  ziemlich  genau  folgen. 

44.  Von  der  Himmelfahrt  ift  nur  die  oberfte  Partie 
erhalten.  In  der  Mitte  fchwebt  Chriftus  empor,  in  der 
lichten W'olke  verfchwindend,  nur  mehr  der  Saum  feines 
Kleides  und  die  Füße  find  fichtbar.  Zu  beiden  Seiten, 
zu  äußerft  des  Bildes  erblickt  man  noch  mehrere 
Nimben  der  Apoftel,  von  den  Gefichtern  hat  fich  nur 
mehr  der  jugendliche  Kopf  des  Johannes  rechts  er- 
halten; er  blickt  dem  entfchwebenden  Heiland  nach. 
Die  Darftellung  folgt  dem  fpäteren  Typus,  der  fich 
bereits  an  der  Thüre  von  Gurk,  dem  Verduner-Altar,  fo- 
wie  am  Salzburger  Antependium  findet.  Die  Compo- 
fition  fcheint  hier  fehr  ausführlich  gewefen  zu  fein;  die 
Mitte  dürfte  der  Hügel  mit  den  P'ußftapfen  eingenom- 
men haben  (Salzburger  Antependium),  feitlich  davon 
die  zwei  Engel;  die  Apoftel  um  den  Hügel  gruppirt, 
etwa  wie  im  Melker  Gebetbuch. 

45.  Als  letztes  Bild  folgt  an  der  Weftwand  die 
Ausgießung  des  heiligen  Geiftes.  \\'ir  erkennen  nur 
mehr  in  der  Mitte  oben  die  fchwebende  Taube,  links 
davon  fieben,  rechts  fechs  Nimben  von  zwei  gegen  ein- 
ander gerichteten  Perfonengruppen.  Die  Farben  find 
gänzlich  verfchwunden.  Unter  den  Perfonen  befanden 
fich  demnach  außer  den  Apofteln  Maria  und  —  dem 
Bericht  der  Apoftelgefchichte  vorgreifend  —  Mathias. 
Die  Ausgießung  war  durch  die  Taube  angedeutet,  wohl 
möglich  auch  durch  Flämmchen  über  den  einzelnen 
Häuptern.  Für  Streifen,  die  fich  gewöhnlich  finden,  er- 
fcheint der  Raum  zu  klein.  Die  Apoftel  faßen  offenbar 
am  Haufe  oben,  was  aus  der  hohen  Stellung  derNimben 
hervorgeht;  dies  zeigt  auch  dieDarftellungan  derThüre 
der  Vorhalle.  Dort  wie  hier  bildet  diefe  Scene  den 
Schluß  der  Reihe.  Walirfcheinlich  waren  vor  dem 
Haufe  auch  die  Leute  abgebildet,  welche  das  wunder- 
bare Braufen  (A61.  II  2)  belaufchen,  wie  z.  B.  im  Cod. 
Egberti. 


Wir  gehen  nun  von  der  Einzelbetrachtung  zur 
allgemeinen  über,  um  daraus  weitere  Schlüße  über  die 

'  Ti/chendorf:  Ev.ingeli.a  spuria,  S.  376  f.  Ueber  n.irftelluiiRen  ilicfes 
Gegenftandes  vgl.  Springt'}-.  Ikonograhifche  Studien.  Mittli.  der  Cenlr.- 
Comm.    V,  S.   132. 


Entftehung  des  Werkes,  worüber  uns  leider  keine  In- 
fchrift,  noch  fonft  eine  Nachricht  direcl  belehrt,  ziehen 
zu  können. 

Was  zunächft  die  Anordnung  wie  Auswahl  der 
Bilder  betrifft,  unterfcheidet  fich  unfer  Cyclus  von  den 
im  fpäteren  Mittelalter  weitaus  am  häufigften  zu  finden- 
den vor  allem  wefentlich  dadurch,  dafs  hier  die  alt- 
teftamentlichen  Gegenftände  denen  des  neuen  nicht 
einzeln,  ohne  Rückficht  auf  chronologifche  Anordnung 
beigegeben  find,  wie  dies  auch  die  Thüre  der  Vorhalle 
zeigt;  unfer  Cyclus  geht  vielmehr  wieder  auf  den 
Gebrauch  der  alt-chriftlichen  Kirche  zurück.  Der  alte 
Bund  ift  vom  neuen  getrennt  und  in  chronologifcher 
Reihe  geordnet  und  fo  als  Ganzes  dem  neuen  Bunde 
gegenübergeftellt.  Auch  die  Anordnung  der  Bilder  in 
mehreren  Reihen  findet  fich  fchon  früh  z.  B.  in  Mon- 
reale  in  zweien,  in  noch  mehreren  auf  Antependien, 
Miniaturen  u.  dgl. 

Dem  vorgefchrittenen  Mittelalter  aber  gehört  die 
Zweitheilung  des  alten  Teftamentes  in  ante  legem  und 
sab  lege  an,  welche  fich  am  deutlichften  am  Verduner- 
Altar,  freilich  in  der  anderen  Anordnungsweife  findet.' 
Die  weitere  Theilung  der  oberen  Hälfte  des  alten 
Teftamentes,  etwa  in  Ur- und  Patriarchen- Gefchichte,  er- 
innert einigermaßen  an  Monreale,  wie  auch  an  die 
Gruppeneintheilung  an  den  Kuppeln  der  Vorhalle  von 
St.  Marco  in  Venedig.  Die  Scenen  aus  dem  Leben  der 
Patriarchen  find  darnach  gewählt,  dafs  diefelben  mit 
ihren  Söhnen  dargeftellt  find. 

Am  augenfcheinlichften  aber  zeigt  fich  das  vor- 
gefchrittene  Mittelalter  in  dem  deutlich  ausgefproche- 
nen  Beftreben,  das  alte  Teftament  bis  zur  Erfcheinung 
Chrifti  fortzufetzen,  was  übrigens  auch  in  diefer  fpäten 
Zeit  fich  nicht  häufig  findet.  Die  Aneinanderreihung  ift 
hier  weniger  chronologifch,  als  nach  Gruppen  geordnet. 

Auf  die  noch  ganz  chronologifch  geordneten  Dar- 
ftellungen aus  der  Richter- und  Königsgefchichte  folgen 
die  Lehrgedichte  Job  und  Tobias ;  in  der  folgenden 
Reihe  nach  der  Lücke  von  drei  Darftellungen,  Helden- 
thaten  von  Frauen:  Efther,  Jofabeth  (r),  Judith,  dann 
verdienftvolle  Männer  und  Propheten:  Matathias,  Elias, 
Elifäus.  Beiläufig  genommen  fcheint,  wie  bemerkt,  bei 
den  unteren  Streifen  das  babylonifche  Exil  der  Tren- 
nungsgrund gewefen  zu  fein.  An  die  ältere  Anord- 
nungsweife erinnert  anderfeits,'  dafs  beim  alten  Tefta- 
ment je  zwei  Darftellungen  in  eiiier  Umrahmung  ver- 
einigt find.  Dies  findet  fich  in  den  älteften  Cyclen,  z.  B. 
der  Wiener  Genefis,  fowie  in  den  Mofaiken  von  Maria 
Maggiore  zu  Rom.  In  beiden  find  je  zwei  Scenen  über- 
einandergeordnet,  die  Bilder  aber  nicht  unmittelbar 
aneinander  gerückt,  wie  bei  unferem  Cyclus.  Durch 
die  unmittelbare  Aneinanderreihung  wurde  bei  unferem 
Cyclus  die  chronologifche  Aufeinanderfolge  ftärker 
betont,  daher  die  Darftellungen  paarweife  nebenein- 
ander, aber  doch  in  je  eine  Bildfläche  gefetzt.  Hier  wie 
dort  gibt  es  aber  auch  DarlT;ellungen,  die  den  Raum 
zweier  Streifen  übereinander  umfaffen.  Beim  neuen 
Teftament  ift  diefe  paarweife  Aneinanderfügung  faft 
durchwegs  aufgegeben,  die  Gegenftände  übrigens 
gleichfalls  gruppenweife  geordnet,  nämlich  in  Jugend- 
gefchichte,  Wunder-  und  Lehrthätigkeit,  ferner  Leidens- 
gefchichte  und  Verherrlichung.  Nach  den  Streifen  find 
übrigens  nur  die  beiden  letzteren  Gruppen  gefchieden. 

'   Vgl.  lleiiür,  :>.  a.  O.,  S.  =7.  Aiini.   =. 


—     148     — 


Bei  diefer  fo  eigenthümlichen  Anordnung  wie  Aus- 
wahl fragt  es  fich  zunächft  wohl,  welche  Einflüße  fich 
hiebei  geltend  gemacht  haben.  Dals  die  Bibel  nicht 
allein  zu  Rathe  gezogen  wurde,  ift  bereits  oben  be- 
merkt, und  hiefur  die  hiftorifch-exegetifchen  Schriften 
der  Dominicaner  '  als  litterarifche  Quelle  nachgewiefen 
worden.  Wie  im  einzelnen,  zeigt  fich  diefer  Einfluß 
auch  im  allgemeinen,  am  deutlichll:en  wohl  in  der  aus- 
führlichen Behandlung  derfpäteren  Schickfaledes  aus- 
erwählten Volkes.  Dafs  die  Dominicaner-Litteratur  auf 
das  Domftift  Einfluß  ausübte,  erklart  fich  hinlänglich 
aus  dem  Umftand,  dafs  im  benachbarten  Friefach  ein 
großer  Convent  diefes  Ordens  beftand,  von  deffen 
einfliger  Bedeutung  die  erhaltenen  Monumente  noch 
heute  beredtes  Zeugnis  geben.  Direft  benützt  fcheint 
übrigens  keine  Quelle  zu  fein  ;  vielmehr  mag  ein  gelehr- 
ter Geilllicher  des  Domftiftes,  vielleicht  wohl  auch 
unter  Beihilfe  eines  Dominicaners  das  Programm  ent- 
worfen, die  Bibelftellen  zufammengefucht,  fowie  die 
erläuternden  Sätze  felbfliändig  verfafst  haben.  Nur 
fo  dürften  fich  die  oft  ungenauen  vielfach  auch  eigen- 
thümlich  gewählten  Citate  z.  B.  bei  Balaam,  Ezechias, 
Jofias,  ebenfo  aber  auch  die  willkürliche  Aneinander- 
reihung vieler  Scenen  des  neuen  Teftamentes,  die 
wie  bemerkt,  mehr  gruppenweife  als  chronologifch  ift. 
erklären.  Ganz  befonders  beachtenswerth  ift  es,  dafs 
die  Höllenfahrt  erft  nach  der  Auferltehung  eingereiht 
ift,  wie  fich  dies  auch  im  speculum  des  Vincenz  von 
Beauvais  lib.  VII,  Cap.  50  findet.  Für  die  Auswahl  einzel- 
ner Gegenftände  mochte  nebenbei  wohl  auch  das  Vor- 
handenfein von  Vorbildern  beftimmend  gewcfen  fein, 
weiche  wie  gezeigt  oft  fehr  mechanifch  benützt  wurden. 

Bei  der  Betrachtung  der  einzelnen  Darftellungen 
ergaben  fich  zwei  Seiten  als  befonders  einflußreich. 
Zunächft  die  Kunlt  der  Erzdiöcefe  Salzburg  im  weite- 
ftcn  Sinne,  nicht  minder  flark  aber  war  auch  die  Ein- 
wirkung von  mittel-  und  unter-italienifchen  Vorbildern 
bemerkbar,  namentlich  bei  den  auch  fonft  häufig  vor- 
kommenden Darftellungen. ^  Die  Salzburger  Denk- 
mäler ftehen  allerdings  auch  mit  Italien  in  Beziehung, 
die  Gurker  Bilder  gehen  aber,  obfchon  augcnfcheinlich 
jünger,  nicht  feiten  auf  viel  frühere  Typen  zurück,  was 
fich  namentlich  bei  der  Geburt  Chrifti  (21)  und  dem 
Oeiberg  (34)  gezeigt  hat.  Am  deutlichften  aber  gibt 
fich  der  italicnifche  Einfluß  im  Ornament  zu  erkennen. 
Blauer  Grund  mit  goldenen  Sternen  war  in  Italien  für 
Deckenbemalung  ganz  befonders  beliebt,  dazu  kommen 
noch  die  der  Antike  entlehnten  Kränze  an  der  Decke, 
fowie  das  dem  Mofaik  nachgebildete  Rahmenwerk, 
welches  fich  namentlicii  in  der  alt-fiencfifchen  Schule 
oft  ganz  gleich  findet,  z.  B.  in  Affifi,  Campo  Santo 
zu  I'ifa,  St.  Croce  in  Florenz,  St.  Gimignano.-'  Im  letzt- 
genannten Cyclus  nimmt  die  Kreuzigung  wie  liier  zwei 
Streifen  übereinander  ein.  Entfpreciiendc  Heziehungen 
haben  fich  vielfach  in  Detail,  namentlicii  bei  Gideon,  der 
Kreuztragung  etc.  gefunden.  Dafs  mittel-itaiienifche 
Künftler  nacii  Gurk  kamen  beweift  die  Hochaltar- 
Menfa,*  welche  reiches  Cosmaten  -  Mofaik  aufweift. 
Vollkommen    anderer  Art,    fowohi    in    der  Zeichnung 

'  V«!.  hierüber  ileri;€nrotlttr,  Kirchuti^'efchiclile  IJd.  I,  S.  982,  ilnzu 
IM.   III.  S.   320.  ;i«ch  I'ipfr:  Monumentale  Tlieclogie,  S.   578  f. 

-  Vgl.  hierüber  .luch  Schtuia/t:  Zur  Oefchichte  der  öflcrreichirchcn 
M.nlcrei.  Milth.  der  Centr.-Comm.    VII,  S.  30«. 

'  Can/  .inücrcr  An  find  die  gleichfalls  dem  Mofriik  n.ichKenbntten 
r>rnimentc  .in  den  (iemiildcn  dct  Aviin/i  /u  l'adu.i  ti.  a. 

*  Vgl.  meine  Arbeit,  in  den  Mitth.  der  Ccntr.-Coinm.  N.   !•".   15.   S.  6.)  f. 


wie  Technik,  find  die  Ornamente  der  Empore.  Nur 
die  grüne  Einrahmung  des  blauen  Grundes  erinnert 
an  diefes  Vorbild,  findet  fich  übrigens  auch  andcrweits, 
namentlich  in  Miniaturen  keineswegs  feiten. 

Es  ift  am  Werke  felbft  fehr  deutlich  zu  erkennen, 
dafs  daran  mehrere  Hände  gearbeitet  haben.  Sclion 
oben  wurde  bemerkt,  dafs  die  Söhne  des  Noah  auf- 
fallend fchlecht  gezeichnet  find;  dazu  kommen  noch 
andere  Merkmale  an  einzelnen  Bildern,  fo  die  häufig 
vorkommenden  dürren  knochigen  Beine  z.  B.  bei 
Mofes  (9),  Ezechias,  Jofias  (13),  Tobias  (14)  u.  f  w. ; 
anderfeits  finden  fich  nur  bei  Gabriel,  Jofias  und 
Ezechias  genetzte  Schuhe,  fonft  weiiigftens  weiter  nicht 
erhalten.  Auch  ändert  fich,  wie  fchon  in  der  Einleitung 
bemerkt,  im  neuen  Teftament  das  Colorit  nicht  un- 
merklich. Die  verfcliiedenen  Hände  mögen  wohl  viel- 
fach am  felben  Bilde  gemalt  haben. 

Der  ältefte  Theil  des  Gemäldefchmuckes  find  un- 
zweifelhaft die  Medaillons  über  dem  Portalbogen.  Sie 
erinnern  noch  ganz  an  die  altchriftliche  Decorations- 
Weife,  z.  B.  an  das  Mofaik  am  Triumphbogen  von 
St.  Sabina  in  Rom  (5.  Jahrhundert),'  wo  den  beider- 
feitigen  Abfchluß  der  Medaillons  gleichfalls  je  ein 
leeres  halbes  bildet.  Mit  den  Medaillons  der  Empore 
(vollendet  vor  125S)  haben  fie  dagegen  fo  wenig  als 
möglich  gemein;  von  den  übrigen  Gemälden  der  Vor- 
halle unterfcheiden  fie  fich  fehr  deutlich  dadurch,  dafs 
fie  nicht  vergoldete,  fondern  farbige  Nimben  zeigen. 
Da  der  Portalbogen  fchon  urfprünglich  für  Bemalung 
beftimmt  war,  könnte  der  heute  vorfindliche  Schmuck 
immerhin  vor  der  Schließung  der  Vorhalle  entftanden 
fein.  Weiter  wurde  nach  wohlüberdachtem  Plane  die 
Decke  und  dann  das  alte  Teftament  gemalt.  Das 
Rahmenwerk  zeigt  hier  durchwegs  eine  fehr  forgfal- 
tigc  Au.slührung;  farbige  Scheibchen  unterbrechen  das 
fchwarz-weiß-rothe  Mufter,  delTen  Hilfslinien  in  den 
nahen  Kalk  eingeritzt  wurden.  DieDarftellung  fchneidet 
in  der  oberften  Reihe  in  das  Rahmeiiwerk  ein.  Beim 
neuen  Teftament  ift  das  Rahmenwerk  viel  oberfläch- 
licher gemalt.  Statt  der  Scheibchen  finden  licli  hier 
fchwarze  über  Eck  geftellte  Quadrate,  deren  Mitte  ein 
rother  Stern  einnimmt.  Die  Darfteilung  hält  fich  hier 
durchwegs  innerhalb  des  Rahmens,  es  gefchieht  fogar 
fehr  oft,  dafs  derfelbe  P'iguren  halb  verdeckt. 

Zur  Beftimmung  der  Entftehungszeit  ift  vor 
allem  die  Füllmauer  zu  betrachten,  die,  wie  oben  ge- 
zeigt, vor  Beginn  der  Bemalung  entftanden  ift.  Die 
Maßwerke  weifen  durchwegs  reine  geometrifclie  Con- 
ftruflion  auf,  am  Portal  ift  das  Birn-Profil  angewendet, 
Merkmale,  die  fich  im  14.  Jahrhundert  finden,  fich  aber 
im  folgenden  verlieren.* 

Eiitfprechend  erfcheint  auch  die  Architeftur  auf 
den  Gemälden  felbft.  Im  großen  Ganzen  felicn  wir 
hier  die  romanifchen  Formen  noch  nicht  voilftändig 
überwunden,  was  namentlich  an  dem  älteren  Tlieile 
hervortritt.  Der  Rundbogen  fiiulet  fich  noch  häufig 
(8,  12,  16  u.  f.);  manches,  wie  bemerkt,  erinnert  direft 
an  ältere  Vorbilder,  z.  B.  der  Unterbau  der  Tiirone 
des  David  und  Saul  (12)  an  das  Salzburger  Antependium, 
die  Tliiirmchen  an  der  lllillc  hei  Malathias'  Tod  an  tlie 

*  Garrucci,  IV.  IJd.  'l'af.  209. 

-  V>;1.  die  ganz  ähnliche  Conftriit*tion  der  Poilalc  iiiwl  I-'L-iiflcr  an  der 
Kirche  l\\  StraftenKel  in  Steiermark.  W't'ijs,  Milth.  der  Cenlr.-Cninm.  I.  95  f. 
Ctaus:   Kirehenfchmnclc   1H83  Nr.  2,   f.   n.  a. 


-      149     — 


Arcliitcfluren  der  Gemälde  im  Braunfchweigcr  Dom  ' 
u.  f.  w.  Die  dünnen  Säulen  kommen  in  diefer  Art  gleich- 
falls, nur  mit  etwas  reicheren  Capitälen,  in  Miniaturen 
des  12.  und  13.  Jahrhunderts  vor,  z.  B.  im  Melker  Gebet- 
buch. Doch  findet  fich  die  Gothik  fchon  ausgefprochen 
in  den  Rippengewölben  mit  Schlußftein  (7),  fowie  den 
Balken  am  noch  rundbogigen  Bau  (5).DieNafenbildung 
zeigt  fich  anfangs  nur  fchüchtern  (7).  Erft  im  neuen 
Teftament  entwickelt  fich  die  Gothik  deutlicher,  zu- 
nächft  am  Ciborium  (23).  Die  Throne,  die  vorher  fchr 
einfach  waren,  werden  nun  mit  Säulchen  verziert  (22), 
bei  29  tritt  fogar  der  Efelsriicken  auf,  der  fich  weiter 
31  findet.  Am  au.'^gebildetften  zeigt  fich  die  Gothik  an 
dem  Stadtthor  und  der  Brücke  (39).  Die  Bogen  find 
zwar  wie  bei  Nutzbauten  gewöhnlich  auch  hier  rund, 
dagegen  die  Strebepfeiler  vollkommen  entwickelt.  Den 
Charakter  der  FrühGothik  trägt  auch  das  Stoff- 
mufter  an  den  Ueberzügen  der  Altäre  (7,  13,  23).^ 
An  die  romanifche,  und  fpeciell  italienifche  Kunft  er- 
innert, wie  oben  bemerkt,  das  Rahmenwerk,  welches 
fich  in  diefer  Art  wohl  nicht  über  das  14.  Jahrhundert 
hinaus  findet,  und  auch  an  den  1435  vollendeten  Maria- 
Saaler  Bildern  fowie  in  dem  vielleicht  einige  Jahr- 
zehntefpäteren  ander  Außenfeite  des  Chores  derKirche 
zu  Lieding''  ganz  anders,  nämlich  als  Maß-  und  Ranken- 
werk geflaltet  ift.  Auf  das  nicht  zu  fehr  vorgefchrittene 
14.  Jahrhundert  weifen  auch  die  Coftüme.  Männer  und 
Frauen  tragen  enge  Acrmel  mit  Knöpfen  (8)  oder 
Verfchnürungen  (9),  darüber  das  Obergewand  mit 
langen  Aermeln.  Die  Schuhe  erfcheinen  hoch,  oder 
nieder,  bisweilen  auch  genetzt  (vgl.  o.).  Radfporen  find 
bereits  vorhanden,  diefe  zeigen  große  Räder  an  fehr 
kurzen  Stielen  und  find  durch  Riemen  befeftigt  (22). 
Die  Judenhüte  haben  noch  eine  ganz  einfache  fpitze 
Form,  anders  am  Faftentuch.*  Sehr  lehrreich  endlich 
ift  der  Vergleich  der  Infel  des  v\aron  mit  dem  an  den 
Bildern  der  Empore  und  der  des  Hohenpriefters  auf 
dem  weiter  unten  zu  betrachtenden  Faftentuch  (Nr.  80) 
vom  Jahre  1458.  Es  zeigt  fich,  dafs  die  Vorhalle  gerade 
die  Mitte  der  Entwicklung  einnimmt.  Die  Mitren  der 
Empore  find  ganz  nieder  mit  geraden  ftumpfen  Spitzen, 
die  des  Faftentuches  ftark  ausgebaucht  und  überaus 
hoch,  die  der  Vorhalle  dagegen  nur  ganz  mäßig.  Etwas 
niedriger  noch  geftaltet  find  die  Mitren  der  Heiligen 
auf  den  jedenfalls  ziemlich  gleichzeitigen  Glasgemälden 
der  Vorhalle. 

Eigenthümlich  unvoUftändig,  wie  bemerkt,  cr- 
fcheint  die  Bewaffnung,  ■'  doch  immerhin  erklärlich,  da 
der  Künftler  an  den  geiftlichen  Höfen  in  Gurk,  Friefach 
und  Straßburg  ebenfoviel  Söldner  als  Ritter  gefehen 
haben  mochte. 

Durchwegs  finden  wir  den  Ringelpanzer,  und  zwar 
nicht  ohne  Verftärkung  durch  Platten  an  Gelenken  und 
Achfeln,  die  fich  imLaufe  des  14.  Jahrhunderts  allmählich 
einbürgern.  Ueber  den  Panzer  ift  das  bereits  fehr  aus- 
gezackte Waffenhemd  gelegt.  Der  Helm  ift  fpitz,  oft 
fehr  hocli  (35,  36),  der  Wangenfchutz  findet  fich  nur 

'  A.  a.  O.,  eine  Abbildung  auch  bei  Henne  am  Rliyn.  Deutfche  Kultur- 
gefchicbte  I,   S.   182. 

-  Vgl.  das  Bild  aus  der  manefhfchen  Handfchrift  circa  1300  in  Fitlkcs 
Coftüme  S.  225,  oder  die  Glasgenialde  in  Klofterneulturg,  namentlich  den  Ueber- 
zug  des  Altars  bei  ISIelchifedehs  Opfer,  Ciiitw/ma,  }^\\rhuch.  der  Centr.-Comm.  II. 
Tafel  II  u.   a. 

5  Kunfttopographie  Kärntens  S.  T76,  vgl.  übrigens  beim  Faftentuch 
Numer  48. 

4  Vgl.  hierüber   Wci/s,  Coftümkunde   III,  1   S.  60  f. 

5  Vgl.  Dennltine :  Die  Kriegswaffen.  S.  385. 


einmal  (l6)  und  zwar  bereits  aus  Schmiedeeifen  mit 
dem  Helm  verbunden  als  „große  Keffelhaube";  die 
Beckenhauben  fehlen  durchwegs.  Das  Salzburger 
Antependium  '  ftellt  die  Krieger  durchwegs  noch  voll- 
rrerüftet  und  mit  ]5eckenhauben  dar,  erweist  fich 
hiermit  alfo  älter  (Erzbifchof  Friedrich  III.  1315  — '338)- 
Wie  wir  am  Panzer  keine  fonderlich  vorgefchrittenen 
Formen  finden,  zeigt  namentlich  der  Schild  (11)  durch- 
wegs eine  verhältnismäßig  noch  fehr  frühe  Form, 
nämlich  groß,  lang  und  ausgebaucht.^  Alle  diefe  Merk- 
male weifen  uns  auf  das  14.  Jahrhundert. 

Die  Infchriften  möchten  beim  erften  Anblick  faft 
für  fpätere  Zeit  fprechen.  Wir  finden  bereits  durchwegs 
die  Minuskel  angewendet,  und  zwar  mit  ziemlich  ftark 
gebrochenen  Schäften.  Im  Vergleich  mit  anderen, 
namentlich  denen  des  Faftentuches  (1458).  g'bt  fich 
jedoch  auch  hier  ganz  deutlich  der  ältere  Charakter 
kund.''  Die  großen  Buchftaben  zu  Anfang  eines  Satzes 
find  noch fehrregelmäßig  gebildet,  die I-Striche kommen 
nur  zur  Unterfcheidung  mehrerer  gleichartigen  Schäfte 
vor,  U-Striche  und  I-Punkte  fehlen  noch  gänzlich;  wir 
werden  fie  am  F'aftentuche  finden.  Die  nach  aufwärts 
gebogenen  Kürzungsftriche  weifen  gleichfalls  auf  frü- 
here Zeit;  Verfchränkungen  von  Buchftaben  find  ganz 
vereinzelt.  Sehr  beachtenswerth,  weil  ganz  an  mo- 
derne Kürzungsart  erinnernd,  ift  die  oftmals  fich 
wiederholende  Erfcheinung,  dafs  in  dem  Falle,  als  der 
Raum  nicht  mehr  die  volle  Schreibung  eines  Citates 
erlaubt,  dasfelbe  mitten  im  Wort  abbricht  und  die 
Kürzung  durch  einen  Punkt  am  Ende  bezeichnet  ift. 

Der  Befteller  des  Werkes  kann  leider  nur  ver- 
nnithet  werden.  Jedenfalls  war  es  einer  der  Pröpfte 
des  Domftiftes,  die  durchwegs  die  geiftigen  Urheber 
der  fpäteren  Kunftwerke  des  Domes  find.  Die  äußeren 
Merkmale  des  Cyclus  wiefen  uns  auf  die  Mitte  des 
14.  Jahrhunderts,  zu  welcher  Zeit  fich  das  Domftift, 
welches  unter  Bifchof  Heinrich  III.  (f  1326)*  fehr 
heruntergekommen,  durch  eine  Reihe  kluger  Bifchöfe 
und  Pröpfte,  unter  welchen  letzteren  Georg  von  Teu- 
tendorf(l347 — 67)  hervorragt,  erholte  und  zu  neuer 
Blüthe  gelangte.  Mit  dem  Domftift  war  auch  die  Kirche 
und  ihre  Ausftattung  fehr  herabgekommen.  In  einer 
Urkunde  vom  18.  November  1333  bezeugt  das  Dom- 
capitel  die  Verbefferungen  des  Bifchofs  Gerold  (geftor- 
ben  am  9.  December  1333),  befpricht  aber  auch  eben- 
fo  eingehend  den  herabgekommenen  Zuftand  unter 
deffen  Vorgänger  Heinrich.''  Die  Verbefferung  der 
Gebäude  dauerte  jedenfalls  noch  lang  fort,  eine  Ur- 
kunde vom  6.  Juni  1354'^  erwähnt  gleichfalls  die  fchad- 
haften  Gebäude,   doch  konnte  Propft  Georg  fchon   an 

'  Mitth.  der  Centr.-Comm.  VII,  Taf.  II. 

-  Vgl.  hierüber    Wei/s,  III.  i   S.  j6  f.  Dcmmint,  S.  428  u.   f. 

'  Noch  ftärker  markiitc  Enden  der  Schafte  finden  fich  anderweits  auf 
Infchriften  des  14.  Jahrhunderts  z.  B.  am  Glasgemälde  aus  Gaming  (Albrecht 
II.  t  1338).  Mittheilungen  der  Ccntral-Commiffion  18  S.  r26,  an  der  Licbtfäule 
in  Klofterneuburg  i^ii.  {/iffetiiucin  XV,  320.1  Die  Infchriften  auf  den  Glasge- 
maldcu  der  Vorhalle  zeigen  dagegen  durchwegs  noch  die  Majuskel. 

*  Vgl.  B.  SchroU  Serics  episcoporum  Gurcensium.  .\rchiv  für  Kärnten 
Band   15. 

*  Orig.  im  .Archiv  zu  Gurk.  Copie  von  Eichhortt  im  Archiv  zu  Klagen- 
fiirt.  Von  Heinrich  heißt  es  :  ,,Omnia  granaria  in  omni  btado  vacua,  ncc 
non  ipstim  ccclesiam  in  vasis  argeitteis  et  ornaiiwntis  dcrcliquit  iicsotatant, 
nullit»!  enim  in/tilavi  licceutem  habttit  nee  eliam  bacultnn  pastorale^  non 
aniilos,  neijue  cetera  clenotiia  ecclesiac  rcfipientia  honestatem  guae    otnnia  et 

singula  iiiem  dominus  Geroldus decenter  et  honorijice  re/ormavit ; 

weiter;  reverendus  in  Christo  pater  ae  dominus  Geroldus  ecclesie  nostrite 
pritedictae  cpiscopus  oriundus  de  Frisaco  ecindcm  ecclesiant  quae  proptcr 
dehilitaiem  et  senectutis  de/ectum  /elicis  rerordationis  domini  Hainrici 
itnmediati  anteccssoris  eiusdetn  mutta  inciderat  incomoda  ac  onera  debitorum 

(reformavit). 

•>  Original  im  Archiv  zu  Gurk,  Lade,  20,  Nr.   731. 


I50 


weiteres  denken.  In  der  Urkunde  vom  8.  November 
1362'  beftättigt  das  Domcapitel  eine  Anzahl  von  Stif- 
tungen fiir  die  Gurker  Kirche,  beftehend  in  einer 
feierlichen  ewigen  JMcffe  am  Grabe  der  damals  noch 
nicht  feiig  gefprochenen  Stifterin  von  Gurk  Hemma, 
einem  ewigen  Lichte  am  Friedofe  der  Kirche,  fowie 
fünf  Wachskerzen  für  das  heilige  Grab  am  Charfreitage 
in  der  Krypta. 

Man  wird  der  Anficht  von  Sc/ie//a/ider^  beliWmmcn 
können,  dafs  die  Lichtfäulc,  welche  fich  füdwelllich  von 
der  Kirche  im  Friedhof  befindet,  von  diefer  Stiftung 

'   Copie  von  Eichhorn    im    Archive    zu    Klagenfvirt  C.  boo,  vgl.  übrigens 
auch  A.  Eichhorn.  Beiträge   /«r  Gefcbichte  Kärntens  I,  S.   131. 
-  Die  feligc  Hcmma  von  Gurk,  S.  71  und  193. 


herrührt.  Im  Ges^enfatz  zu  andern,  z.  B.  in  Kloflcrneu- 
burg  (1381)  od«r  den  noch  viel  fpäteren  in  Volkermarkt 
(1477)  und  Maria  Saal  (gefliftet  1497)'  erfcheint  fie  fehr 
fchlicht,  was  wohl  auch  für  deren  weit  frühere  Ent- 
ftehung  fpricht.  Diefe  wie  die  Füllmauer  der  Vorhalle 
wären  demnach  ziemlich  gleichzeitig  entftanden.  Für 
die  Herftellung  der  letzteren  mochten  die  zahlreichen 
Kirchenbefuche  in  Folge  der  wachfenden  Verehrung 
der  heiligen  Hemma  beftimmend  gewefen  fein.  Die 
Ausfchmückung  des  Raumes  durch  die  Gemiilde  mag 
fich  wohl  noch  einige  Zeit  hinausgezogen  haben. 

'   Vgl.    auch    Effenwein :     „Ueber     einige     Totenleuchtcr."    Mitlh.    VI!, 
S.    317  f.,  wo  unter  Fig.  3  die  Gurker  (mit  reftaurirler  Spitze)abgcbildct  ift. 


Zwei  Thürme  der  alten  Stadtmauern  in  Prag. 


Befproclien  vom  Confervator  .•/.   Wichl. 
(Mit  4   Tafeln.) 


jS  dürften  wohl  wenige  Städte  in  deren  Be- 
I  felligungs-Reften  fo  prächtige  Thürme  aufzu 
■aj  weifen  haben  wie  Prag;  deffen  alte  berühmte 
Jiruckenthürme  und  der  jüngere  Pulverthurin  wahrhaft 
koltbarc  fortificatorifche  Denkmale  find  ja  allbekannt, 
diefelben  find  gut  reftaurirt  und  bilden  li'eute  den  Stolz 
der  Stadt. 


Welt  am  Hradfchin,  und  nächflens  dürfte  dasfelbe 
Schickfal  ein  Thurmreft  bei  der  Karlshofer  Kirche 
erleiden,  wo  fo  eben  ein  neuer  Stadttheil  in  Entflehung 
begriffen  ift. 

Den  Gegenftand  vorliegender  Zeilen  bilden  je- 
doch zwei  Thürme,  die  fich  im  Centrum  der  Stadt  be- 
finden, und   von  deren  Exiftenz    die  wenigften  Prager 


,  0  ■  a-^-<* 


Fig.  I. 


Doch  mancli  andere,  wenn  auch  fchmucklofc 
Thürme  befaß  die  königliclic  Prager  Stadt,  viele 
mußten  der  gegenwärtigen  fortfchreitenden  Entwicke- 
luiig  der  Stadt  weiclicn;  wir  erwiihnen  blos  einige 
Tiuirme,  fo  den,  der  anläßlich  der  Anlage  des  Nordweft- 
bahnhofesdemolirt  vvurde,  den  Thorthurmijci  der  Neuen 


wiffen,  weil  diefelben  von  Gebiiude-Complexen  voll- 
ftändig  eingelchloffen  und  auch  ziemlich  unzugänglich 
find. 

Einer  diefer  Thüime  befindet  fich  im  Hofe  des 
Maufcs  Nr.  28y/III  in  der  Badgaffc  auf  der  Kleinfeite. 
alfo  im  MittcliHinkte  diefes  Stiulttheiles. 


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CO 

CO 


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X 


5 
13 


(=1 
a> 

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TAF. 


Mittheilungen  der  k.  k.  C.  Com.  1893. 


THURM    IM    HAUSE   N"   289-III   IN    PRAG. 

ANSICHT   VON    WESTEN. 


ttheilungen  der  k.  k.  C.  Com.  1893. 


THURM   IM    HAUSE   N"   313-1  IN    PRAG. 

SEITE    GEGEN    DIE    FERÜlNANDijTliASSE. 


-10  5  J 

lllllll 


2  3 


IOQ1&. 


Mittheilungen  der  k.  k.  C.  Com.  1893. 


TA  F.  IV. 
THURM   IM    HAUSE   N«   313-1  IN   PRAG. 

SK.ITK    (iKGKiN    ]jJF,    lOSTGASSE 


10      5        <7 


a  9  «o 


(?11£>. 


iSi      - 


Diefer  überrafchendc  Umlland  findet  darin  feine 
Aufklärung,  dafs  zur  Zeit,  als  die  Kleinfeite  vom  König 
Ütakar  um  das  Jahr  1257  gegründet  wurde,  diefelbe 
einen  viel  kleineren  Umfang  hatte.  Die  Stadtmauer 
zog  fich  damals  auf  jener  Seite  der  Stadt  von  der 
Juditha-Brücke  Uingfl  des  jetzigen  Kleinfeitner  Markt- 
platzes, bog  rechts  gegen  die  Spornergaffe  bis  zu  dem 
Burgthor,  dem  gegenwärtigen  Hradfchin,  hinauf.  Das 
beigegebene  Fragment  (Fig.  i)  eines  Planes  der  Stadt 
Prag  aus  dem  Jahre  1348  gibt  über  die  Mauerzeile  und 
die  eingebauten  Thürme  eine  veranfchaulichende  Auf- 
klärung. (S.  Mitth.  1893,  S.  3,  II.)  In  der  ganzen  Um- 
wallung werden  fechs  Thore  genannt;  der  zu  befchrei- 
bende  Thurm  lag  zvvifchen  dem  alten  Oujezder  Thor, 
welches  fich  in  dem  Gäßchen  befand,  das  in  den 
Radetzky-Platz  mündet  und  jenem  Thor,  welches  in  der 
Badgaffe  fich  befand,  und  zwar  dem  letzteren  viel 
näher. 

Als  der  böhmifche  König  Kaifer  Karl  IV.  die 
Kleinfeite  im  Jahre  1350  mit  einer  neuen  viel  ausge- 
dehnteren Stadtmauer  umgab,  wurden  die  alten  Stadt- 
mauern und  Thürme  erneuert,  diefelben  blieben  wohl 
erhalten,  doch  dürften  diefelben  entfprechend  den 
Anforderungen  der  Damals-Zeit  hie  und  da  umgeändert 
worden  fein.  Der  Wallthurm,  der  in  diefer  Stadtmauer 
eingefügt  ift,  war  bis  zum  Gefimfe  22  M.  hoch,  472  M. 
breit  und  5  M.  lang.  Gegenwärtig  enthält  er  fünf  mit 
Kreuzgewölben  verfehene  Gefchoße,  ein  Mittelgefchoß 
und  das  Dachgefchoß.  Das  letztere  fpringt  gegen 
Süden  über  zwei  Confolen  i  M.  weit  über  die  äußere 
Mauerflucht  heraus,  einen  Wehrgang  bildend.  (S.  auf 
Tafel  I.  Parterre-  und  i.  Stock-Gefchofs  und  Tafel  II.) 

Die  Mauerfkärken  betragen  im  Erdgefchoß  bis 
]-50  M.,  fo  dafs  die  Kammer  dafelbft  bloß  2  M.  .im 
Quadrat  mifst,  nehmen  jedoch  nach  oben  bis  auf  eine 
Stärke  von  circa  45  M.   ab. 

Die  erhaltenen  Nifchen  dürften  Refte  der  ehe- 
maligen Zugänge  in  die  einzelnen  Stockwerke  fein. 
Spuren  einer  gewefenen  Treppenanlage  find  nicht 
erhalten. 

An  welcher  Stelle  fich  die  Stadtmauer  anfchloß, 
läßt  fich   nicht    mit  Sicherheit   anheben,    doch    fcheint 


diefelbe    in    der    Stärke    von    1-30     M.    beftanden     zu 
haben. 

Der  gegenwärtige  Zuftand  des  Thurmes  weifl; 
wohl  mancherlei  bauliche  Umänderungen  auf,  z.  B. 
die  Anlage  der  Fenfter;  in  der  Hauptfache  blieb  er 
jedoch  unverändert.' 

De7'  .■:tvei/e  Thurm  fleht  im  Haufe  der  k.  k.  Polizei- 
Dire6lion  N.  C.  313— T  in  der  Ferdinandsflraße. 

Bekanntlich  zog  fich  die  doppelte  Umwallung  mit 
zweifachem  Graben  von  der  gegenwärtigen  Ketten- 
brücke, längs  der  Ferdinandsftraße,  Obrtgaffe,  des 
Grabens  und  der  Elifabethftraße  wieder  zur  Moldau. 
Der  Thurm  fteht  zwifchen  dem  ehemaligen  Stephans- 
thor am  Ende  der  jetzigen  Poflgaffe  und  dem  St. 
Martinsthor,  welches  am  jetzigen  Bergftein  fich  befand. 

Die  Stadtmauer  fammt  Thürmen  wurde  unter  der 
Regierung  König  Wenzel  I.  (1235 — 1305)  aufgeführt. 
Die  Höhe  des  Thurmes  mifst  bis  zum  Gefimfe  16-5, 
refpe6live  19  M.,  je  nach  dem  man  denfelbcn  in  Folge 
des  abfallenden  Terrains  von  der  einen  oder  anderen 
Seite  aus  mifst.  Die  Breite  beträgt  6'4o,  die  Länge 
6-8o  M.;  er  enthält  vier  Gefchoße  mit  Balkendecken, 
und  es  find  die  einzelnen  Stockwerke  mittelfl  einer 
Wendeltreppe  unter  einander  verbunden.  Die  größere 
Treppe  im  Erdgefchoß  ifl  neu.  Gegen  den  ehemaligen 
Stadtgraben,  der  aber  gegenwärtig  verfchüttet  ift  und 
fogar  höher  als  das  urfprüngliche  Terrain  war,  ift  der 
Thurm  durch  Eckpfeiler  verflärkt,  die  wahrfcheinlich 
nach  Abbruch  der  Stadtmauer  fich  als  nothwendig 
erwiefen.  Die  Fenfter  find  im  Gefchmack  des  17.  Jahr- 
hunderts modernifirt  (S.  Tafel  II.  Grundrifs  im  2.  und 
4.  Stockwerke  und  Tafel  III  IV). 

Dem  Beftande  des  erften  Thurmes  droht  in 
abfehbarer  Zeit  keine  Gefahr,  wohl  aber  könnte  die 
in  Ausficht  genommene  Erweiterung  des  Polizei- 
direflionsGebäudes  den  anderen  Thurm  in  Frage 
ftellen.  Als  felbftändiges  Obje6t  mit  eigenem  Stiegen- 
haufe läßt  fich  deffen  Erhaltung  unter  allen  Umftänden 
und  ohne  Opfer  bewerkftelligen. 

'  S.  Het/ert:  Drei  Stadtplane  und  eine  Stadtanfichl  vom  allen  Prag, 
Wien    1893,  S.   12. 


Nachrichten  über  das  k.  k.  Staats-Mufeum  in  Aquileja. 


Vom  k.  k.  Coiilervator  Profeffor  Ma/onicii. 


VII. 


B.  Archaologifcher  Bericht. 
/.  Jahrgang  1S82. 

1.   Sculpturen   uinl    Reliefs. 

Kein  einziges  Stück  erworben.  ' 

II.  Architeiflurftüke  und  Steingeiäthe. 

I.  Großes  korinthifches  Capital  aus  Marmor. 
//.  Jahrgang  i88j. 

I.   Sculpturen    und    Reliefs. 

I.  Kleiner  Marmorkopf,  epheubekränzter  Bacchus. 
Gelegentliche  Erwerbung. 

'  Das  k.  k.  Staats-Mufeum  wurde  bekanntlich  erft  am  3.  Deccmbcr  1882 
eröffnet  und  die  regelmäßigen  Erwerbungen  begannen  erft  mit  Januar  1883.  — 
Den  hier  iehr  hüufig  mitgetheilten  knappen  Notizen  follen  womöglich  genauere 
Befprechungen  folgen. 

XIX.  N.  F. 


2.  Lebensgroßer  Kopf  eines  Mannes,  wahrfchein- 
lich von  einem  Grabdenkmal  herrührend.  Vgl.  Nr.  i. 

3.  Sogenanntes  Todtenmahl,  griechifches  Grab- 
Relief  vergl.  Mitth.  der  k.  k.  Centr.-Comm.  Bd.  IX, 
S.  CXXX,  Nr.  I  und  Wegweifer  des  Staats-Mufeums. 

4.  Schöner  hockender  Löwe  aus  Kalkftein,  Mitth. 
der  k.  k.  Centr.-Comm.  a.  a.  O.  Nr.  4. 

5.  Torfo  des  phrygifchen  Gottes  Attis,  Mitth.  der 
k.  k.  Centr.-Comm.  a.  a.  O.  Nr.  3. 

6.  Bruchftück  eines  reichverzierten  Sarkophages 
aus  Marmor  mit  der  Darftellung  der  Jahreszeiten. 
Mitth.  der  k.  k.  Centr.-Comm.  a.  a.  O.  Nr.  5. 

7.  Bruchftück  eines  Putto  aus  Marmor.  Früher 
eingemauert  im  Haufe  Bergamasco. 

8.  Bruchftück  eines  Ibisvogels  mit  Schlange. 


—     iS: 


g.  Kleine  Marmor-Satuette  von  vorzüglicher 
Arbeit.  Zulammen  mit  Nr  9  erworben  von  H.  D. 
Delneri  aus  Fiumicello. 

10.  Tigerkopf  aus  Marmor ,  Bruchflück  einer 
menfa,  Trapezophoion. 

11.  Anfehnliche  Reihe  von  Bruchflücken  vonSculp- 
turen,  gefunden  bei  dem  Grabdenkmale  des  C.  Fulvius 
Agatho  (flehe  epigr.  Bericht  1883  Nr.  54). 

bj  Gefchenkt  wurden: 

Vom  Herrn  Correfpondenten  der  k.  k.  Centr.- 
Comm.  Michael  Dr.  v.  Hentsclil : 

12.  Unbefchriebene  Ära  aus  Kalkfbein,  auf  beiden 
Seiten  in  Relief  die  Darflellung  de.s  phrygifchen 
Gottes  Attis. 

13.  Jugendlicher  Kopf  in  Lebensgröße. 

14.  Kopf  und  Halspartie  der  Statue  eines  Putto 
aus  Marmor. 

15.  Bruchflück  einer  Platte  mit  der  Darllellung 
in  Relief  des  oberen  Theiles  einer  Fortuna  mit  Füllhorn. 

16.  Viereckige  Nifche  mit  zwei  Köpfen  in  Relief, 
Protome's  eines  Grabfteines. 

II.  Architefturftücke  und  Steingeräthc. 

17  bis  21.  Fünf  gewöhnliche  Steinurnen,  davon  eine 
viereckige. 

22.  Ein  korinthifches  Capital  aus  Marmor,  Flach- 
Relief.  Vgl.  Nr.  7. 

23.  Eine  kleine  Grabpyramide  mit  Epheublättern 
gefchmückt.  Vgl.  9. 

24.  Mehre  Steingewichte. 

25.  Canellirter  Pilafter  von  großen  Dimenfionen. 
Vgl.  Nr.  9. 

26.  Akroterion  von  einem  Grabe. 

27.  28.  Zwei  kleine  Kinderfarkophage. 

29.  Afchenurne. 

30.  Bruchftück  einer  Sonnenuhr,  gefunden  bei 
Infchrift  Nr.  60. 

31.  34.  Vier  Stück  Capitäle. 

35.  Sarkopliag. 

36.  Anfehnliche  Reihe  von  verfchiedenen  kleineren 
Archite6lur  Bruchflücken. 

37.  Architeclur-Fragment,  Rofette,  Gcfchenk  von 
Herrn  Dr.  Michael  v.  Ilentschl. 


III.  Jahrgang  188 4. 

I.  Sculpturen  und  Reliefs. 

1.  Torfo  einer  kleinen  Marmorfigur.  Aus  den  Aus- 
grabungen Urbanetti,  Fundort  Colombara. 

2.  Bruchflück  einer  Reliefplatte  aus  Marmor, 
Pferdekopf  und  Schild.  Gelegentliche  Erwerbung. 

3.  Große  Marmorplatte  mit  Darftellung  von 
Caffetten,  eine  davon  gefchmückt  mit  einem  großen 
Gorgoneion.  Gefunden  im  Garten  des  H.  Erzpriefters 
A.  Veliscig. 

4.  Bruchflilck  einer  Marmorplatte,  f  w.  e.  024 
hoch,  029  breit,  o  03  dick,  mit  der  Darftcllung  eines 
Priapus   mit   Fruchtfchurz.   Gelegentliche  Erwerbung. 

5.  Kleine  Marmorflatue  eines  Silenus  als  Brunnen- 
figur, f  w.  e.  04s  hoch,  025  breit,  rückwärts  zwei 
Locher,  das  eine  zum  Aufteilen  der  Statue,  das  zweite 


für  das  Einlaffen  des  Wafferrohres,  welches  durch 
das  Glied  emporquoll.  Erworben  wie  Nr.  9  vom  Jahr- 
gang 1883. 

6.  Intereffante  Darflellung  einer  Sirene  als  Grab- 
auffatz.  Aehnliclie  Darflellungen  fehr  oft  als  Krönung 
griechifcher  Grabreliefs,  f  w.  e.  015  hoch,  o'io  breit, 
O'io  dick,  gefunden  auf  den  Marignanis.  Gelegentliche 
Erwerbung. 

7.  Kalkfleinplatte,  \ielleicht  Seitenverzierung  eines 
Grabdenkmales,  unten  Pflanzen  Ornamente,  oben  inner- 
halb einer  halbkreisförmigen  Einfaffung  ein  hockender 
Hund,  ahnlich  wie  bei  Infchrift  i  vom  Jahre  1884.  Erwor- 
ben wie  Nr.  5. 

8.  Bruchflück  eines  Marmorfarkophages.  Spuren 
\on  drei  kämpfenden  Figuren.  Erworben  wie  Nr.  5. 

9.  Marmor-Relief  mit  der  Darflellung  einer  halb- 
nackten Venus.  Erworben  wie  Nr.  5. 

10.  Kleiner  liockender  Löwe  aus  Kalkftein  0'2o 
hoch,  020  breit,  gefunden  in  Monaflero,  vgl.  Nr.  4  vom 
Jahrgang  1883. 

II  bis  12.  Zwei  große  Delphine,  gefunden  in  der 
Nähe  des  fogenannten  Circus  auf  den  Marignanis. 
Zwei  ähnliche  Stücke  kamen  bereits  früher  mit  der 
Sammlung  Caffis  ins  k.  k.  Mufeum.  Zur  Erklärung  der 
Verwendung  diefer  Delphine  als  Treppengeländer 
für  die  Theaterftufen  diene  die  Infchrift  bei  Wilmanns 
Exempla  inscr.  latiii.  Nr.  716  b. 

II.  Architetflurflucke  und  Sleingcrätlie. 

13.  Bruchflück  eines  Capitäls,  gelegentliche  Er- 
werbung. 

14.  Gefimsftuck.  Gelegentliche  Erwerbung.  Vgl.  13. 

15.  Palmette  als  Akroterion.  Fundort  Colombara, 
Ausgrabungen  Urbanetti. 

16.  Grabeinfaffung  in  Form  von  Steinkuppen. 
Vgl.  Nr.  15. 

17.  Große  Deckplatte  eines  Grabes  mil  runder 
Oeffnung.  Vgl.  Nr.  15. 

18.  Große  maffive  Grabvafe.  Vgl.  15. 

19.  Exedra  von  einem  Grabmonumente,  gefunden 
bei  Infchrift  Nr.  60  von  1883. 

20.  Prachtvolle  Archite6lurMenfola  mit  fchönen 
Akanthus-Blättern.  Gefunden  zufammen  mitderinfchrift 
Nr.  15  vom  Jahrgang  1884. 

21.  Basis  einer  Statue. 

22.  Säule. 

23.  Capital. 

24.  Verfchiedene  einfache  Kalkflein-PIatten. 

25.  ff  120  Stück  Stcinuriien,  ilie  meiflen  von  der 
Nekropole  Urbanetti  bei  der  Colombara. 

26.  Als  Depot  wurde  In's  k.  k.  Mufeum  überführt 
ein  auf  dem  Grundflücke  des  Herrn  Correfpondenten 
der  k.  k.  CentralCommiffion  /;'.  Prißer,  gelegentlich 
der  von  Herrn  Correfpondenten  der  k.  k.  Central- 
Commiffion Baron  Eugen  Ritter- Zdhony  durchge- 
führten Ausgrabungen  gefundener  fchöncr  Grabanf- 
fatz  in  Form  einer  Pyramide,  welche  an  drei  Seiten 
mit  P)lunienverzierungen  oben  mit  einem  Pinienzapfen 
gefchmückt  ifl:.  Aehnliclie  P)-ramiden  als  Deckel  der 
(jrabAren,  die  zugleich  mit  Afclienbehältern  verfehen 
find,  find   in  Acjuileja  fehr  häufig. 


-      153 


IV.  Jahrgang  188^. 

I.  Sciili)tuicn  und  Reliefs. 

1.  Kleines  Marmorbruchftück,  Hälfte  eines  Votiv- 
täfelcheiis  mit  kleinen  ReliofDarltellinigen  barbarifcher 
Gottheiten,  wie  auf  den  bekannten  MithrasTäfelchen 
aus  Ungarn  und  Siebenbürgen.  Gelegentliche  Erwer- 
bung. 

2.  Grabauffatz  aus  Kalkftein  mit  Darflellung  im 
Hoch-Relief  von  zwei  hockenden  Löwen,  gefunden  bei 
der  Via  Annia,  Grundfliick  Venturini.  Wahrfcheinlich 
ftand  zwifchen  den  Löwen  der  phrygifche  Gott  Attis. 
Vgl.  Mitth.  d   Centr.-Comm.  1891,  S.  41,  Nr.  78  Anm. 

3.  Unteres  Bruchflück  einer  größeren  Marmor- 
platte mit  Spuren  der  urfprünglichen  Randverzierung, 
aus  Blatt-Ornamenten  beflehend.  Im  Hoch-Relief  von 
kräftiger  ficherer  Arbeit.  Spuren  von  drei  flehenden 
Figuren  (Mufenr).  Gefunden  nördlich  von  Monaftero 
auf  einem  Grundftücke  Maftrella's. 

3«.  Knapp  daneben  auf  einem  Grundflücke  im 
Befitze  der  Familie  Ritter  ifl:  die  Fortfetzung  diefes 
fchönen  Reliefs  mit  Spuren  einiger  P'iguren  gefunden 
worden  und  das  dazu  gehörige  Bruchflück  ill:  von  Grafen 
Grafen  Tlieodor  Latour  en  Voivre  im  Namen  der  Ritter' 
fchen  Erben  dem  Staatsmufeum  gefchenkt  worden. 

4.  Bruchflück  einer  fogenannten  Oscilla,  mit  Dar- 
fteilung aus  dem  bacchifchen  Kreife. 

II.  Archite(5lur(lückc  und  Steingeräthe. 

5.  Zwei  kleine  Säulchen,  Bruchftückc  von  einer 
Grabplatte. 

6.  Eck-Akroterion  eines  Grabmals  aus  fpäterer 
Zeit,  mit  merkwürdig  flylifirten  Palmetten  in  Form 
aufftcigender  Horner. 

7  bis  8.  Säulentrommel  mit  korinthifchem  Capital. 

9.  Anfehnliche  Reihe  von  verfchiedenen  Archi- 
teftur-Bruchüücken,  gefunden  zugleich  mit  Nr.  2. 

10  bis  12.  Drei  dü?ine  altchriftliche  Säulen  aus  den 
Ausgrabungen  beim  „Capitolo". 

13^.  40  Stück  Afchenurnen  gewefener  runder 
Form,  oder  pyramidal  auffteigend  bei  verfchiedenen 
Ausgrabungen  gefunden,  die  meiflen  bei  der  Fundflelle 
Colombara,  alle  mit  Deckel  verfehen. 

14^.  3  Afchenurnen  ohne  Deckel. 

15.^.  Eine  Reihe  von  Steinplatten  aus  den  Aus- 
grabungen beim  „Capitolo". 

16  bis  17.  Zwei  Steinmörfer. 

iS.  Grabauffatz  in  Form  einer  Pyramide  mit  Del- 
phinen um  einen  Dreizack  auf  der  vordem  Seite,  und 
Schuppenverzierungen   auf  den  Seitenflächen  verziert. 

19.   Deckel  einer  Urne  von  pyramidaler  Form. 

V.  Jahrgang  1886. 

I.  Sculptilren  und  Reliefs. 

1.  Bruchflück  eines  Armes  aus  Marmor,  kräftige 
Arbeit. 

2.  Grabauffatz  von  pyramidalerForm,  alsKrönung 
auffleigende  Flammen.  Urfprünglich  in  drei  Felder 
eingetheilt ;  das  untere  mit  einer  fchönen  Vafe  mit 
Blumen  und  Trauben,  woran  Vögel  nafchen;  das 
mittlere  mit  fchönen  ftylifirten  Palmetten,  das  obere 
mit  den  erwähnten  Flammen  verziert.  Rückwärts  unbe- 


arbeitet, f.  w.  e.  053  hoch,  10-25  breit.  Gefunden  auf 
den  fogenannten  Marignanis  zufammen  mit  den  Infchrif- 
ten  16  — 18  des  epigraphifchen  Berichtes  des  Jahre«. 

3.  Bruchflück  einer  Marmorplatte,  mit  der  Dar- 
flellung  in  Reliefeines  mit  einem  Thierfcllc  bekleideten 
Roffelenlcers,  welcher  im  Begriffe  ift  fein  Zweige- 
fpann  zu  befteigen.  Arbeit  und  Darflellung  fehr  auffal- 
lend; fehr  wahrfclieinlich  eine  moderne  Fälfchung,  an- 
geblich zufammen  mit  vielen  anderen  Sculpturfrag- 
menten  auf  dem  Grundftücke  des  Johann  Bapt.  Fogar 
gefunden. 

4.  Bruchflück  einer  kleinen  Figur  in  Relief. 

5.  Gefchenkt  wurde:  Von  der  löbl.  Güterverwal- 
tung Jacchia  in  Ruda:  Torfo  einer  Statue  aus  Kalkftein, 
Lebensgröße,  f.  w.  e.  106  hoch,  0-6o  breit.  Der  Einfatz 

ür  den  fehlenden  Kopf  mit  einem  Durchmeffer  von  030. 

II.  Aiehitefturflücke  un<I  Steingerätlie. 

6.  Kleine  Saulencapitäle  aus  fehr  fpäter  Zeit, 
gefunden  auf  dem  Grundflücke  Coffar  auf  dem  Capitolo. 

7.  Bruchflücke  von  Architeflurbeftandtheilen,  ge- 
funden bei  den  Ausgrabungen  Fogar,  Venturini,  Coffar. 

8.  16  Stück  Steinurnen. 

Als  Depot  wurden  übergeben: 

9.  Von  der  löbl.  Güterverwaltung  Monaflero  30 
Stück  Steinurnen. 

10.  Gefchenkt  wurden  von  Herrn  Johann  Maflrella 
aus  Aquileja  einige  Bruchflücke  einer  korinthifchen 
Säule. 

/  7.  Jahrgang  188 j. 

I.  Sculptui'eti  und  Reliefs. 

1.  Bruchflück  eines  Brunnens  aus  Marmor,  ge- 
funden im  December  1886  auf  dem  Grundflücke  Coffar 
beim  „Capitolo".  Auf  einem  Hemicyclus  ruhend  oben 
ein  Flußgott,  der  wahrfcheinlich  unter  dem  Arme  eine 
Urne  hielt,  aus  welcher  der  Wafferflrahl  über  einige 
Stufen  in  das  Becken  floß.  Auf  der  erflen  Stufe  ift:  noch 
ein  Loch  vorhanden  ebenfalls  als  Wafferausfluß.  Rück- 
wärts eine  viereckige  große  Vertiefung  für  das  Leitungs- 
rohr und  am  oberen  Rande  eine  Art  Gefims  aus  Perlen- 
fchnur,  Eierftab  und  Zahnfchnitten  beftehend.  Unter- 
halb derfelben  eine  Art  Fries,  eine  Waffernymphe  mit 
Mufchel  in  der  Hand,  und  rechts  davon  ein  auf  einem 
Delphin  reitender  Amor,  im  Hintergrunde  Dreizack. 
Beim  Stufengländer  ein  Amorkopf  en  relief  S.  w.  e. 
034  hoch,  034  dick,  0'28  breit.  Etwas  unbeholfene 
Arbeit  aus  dem  III.  Jahrhundert  n.  Chr. 

2.  Marmorplatte,  f  w.  e.  o  40  hoch,  io'30  breit, 
0'o8  dick  mit  der  Darfteilung  en  relief  eines  römifchen 
Feldzeichens  (LegionsfahneK  gefchmückt  mit  zwei 
Phalerae,  die  eine  mit  einem  Stierkopfe,  die  andere 
mit  einem  Gorgoneion  geziert,  und  oben  mit  Lorber- 
kranz.  Gefunden  bei  den  Ausgrabungen  TuUio,  Fund- 
ftelle  Beligna. 

3.  Marmorplatte,  f  w.  e.  0'35  hoch,  0-23  breit, 
I0-20  dick.  Reliefdarftellung  der  Fasces.  Pendant  zu 
Nr.  2?  Gefunden  dafelbft. 

4.  Bruchftück  einer  Marmorplatte,  von  einem 
Sarkophage  herrührend,  f  w.  e.  o  20  hoch,  0'54  lang, 
010  dick.  Oben  ein  mit  Arabesken  verzierter  Rand, 
unten  der  Hintergrund  ebenfalls  mit  Palmetten  geziert 
und  im  Hoch-Relief  Spuren  von  zwei  Pferden  und  da- 


154     — 


zwifchen  Krieger  mit  Helm,  welcher  mit  der  erhobenen 
Rechten  einen  Ausfall  macht.  Gefchickte  Arbeit,  ge- 
funden wie  Nr.  2. 

5  Sirene  als  Grabauffatz  aus  Marmor,  f.  w.  e. 
020  hoch,  1016  breit.  Gefunden  bei  Belvedere. 

6.  Kleine  Statuette  eines  thronenden  Jupiter, 
f.  w.  e.  0-15  hoch,  1015  breit,  10-05  dick,  gefunden 
wie  Nr.  i. 

7.  Kleine  Bafis  mit  Spuren  von  zwei  Füßen,  ge- 
funden wie  N.  I. 

8.  Delphin  aus  Kalkflein,  Bruchftein  eines  Grab- 
fleines,  gefunden  wie  Nr.   2. 

9.  BruchÜück  eines  Marmor-Sarkophages  mit  Ge- 
nius, rechts  davon  Pilaflier,  gefunden  wie  Nr.  2. 

10.  Deckel  einer  viereckigen  Graburne,  0295  breit, 
0'295  dick,  O'O/  hoch.  Darauf  im  Hoch-Relief  ein  lie- 
genderHund,  gefunden  bei  den  Ausgrabungen  Rofin  auf 
dem  fogenannten  „Capitolo".  Vgl.  Mitth.  d.  Centr. 
Comm.  1890,  S.  126,  Anm.  i. 

11.  Kleine  Platte  aus  Kalkflein,  025  hoch,  1025 
breit,  I0'03  dick,  vielfach  zerbrochen,  darauf  Greif  und 
Arabesken,  gefunden  bei  den  Ausgrabungen  der  Frau 
Venturini  längs  der  .  P"m  Annia" . 

12.  Verfchiedene  Bruchftücke  von  Statuen,  ge- 
funden bei  den  Ausgrabungen  Adrian  auf  den  Mari- 
gnanis. 

13.  Grabauffatz  in  Form  eines  fchlanken  Capitals 
mit  fchönen  Akanthusblättern,  gefunden  auf  dem 
Grundflücke  Fonzar  gegenüber  dem  Mufeum. 

14.  Kopf  aus  Kalkftein,Bruchflück  einerSepulchral- 
flatue,  Fundflelle  Beligna  auf  dem  Grundflücke  Tullio. 

b)  Gefchenkt  wurden: 

Vom  Herrn  Correfpondenten  der  k.  k.  Central- 
Commiffion  Eugen  Freiherrn  Ritter- Zaliony: 

15.  Torfo  einer  überlebensgroßen  nackten  mann- 
lichen Statue  aus  Marmor,  fehr  kräftige  Arbeit,  früher 
im  Mufeum  Caffis. 

16.  Torfo  einer  intereffanten  Figur  aus  Kalkftein, 
fehr  lehrreich  für  die  antike  Technik,  man  ficht  noch 
die  Vertiefungen  zum  Einfetzen  der  übrigen  Stücke  und 
die  Pun teilt. 

17.  Ueberlebensgroßer  Marmorkopf,  fehr  chara6le- 
riflifch,  ähnlich  dem  Typus  des  Philetas  von  Kos. 

18.  Grab-1'yramidc  mit  fchönen  Verzierungen,  oben 
en  Relief  Triton  mit  Mufchel. 

19.  Delphin,  frei  gearbeitet. 

20.  Kleiner  Löwe  aus  Marmor. 

21.  Intercffante  Sonnenuhr  mit  Stil,  ganz  frei  ge- 
arbeitet. 

22  Hermenkopf  eines  Bacchus,  aus  dem  Mufeum 
Caffis  herrührend. 

23.  Prachtvoll  erhaltener  Marmorkopf  einer  Stadt- 
göttin mit  Mauerkrone,  gefunden  zufammen  mit 
Nr.  24  —  28  auf  einem  Grundflücke  gegenüber  dem 
Mufeum. 

24.  Weiblicher  Marmorkopf,  unfertige  Arbeit. 

25.  Sehr  charaöleriftifcher  weiblicher  Marmor- 
kopf, forgfaltig  bearbeitet,  die  Büfle  indeffen  nicht  aus- 
geführt. 

26.  Großer  charafteriflifcher  Kopf  aus  KalkAcin, 
Typus  des  Socrates.' 

27.  Marmorkopf  eines  jugendlichen  Satyrs. 


28.  Doppelherme,  einerfeitseinmännlicherbärtiger 
Kopf,  anderfeits  ein  jugendlicher  Bacchus,  etwas  ver- 
wachfen. 

29.  Marmorftatuette  einer  jugendlichen  Figur  mit 
Nebris  und  Schlauch,  f  w.  e.  0'30  hoch,  o  20  breit,  fehr 
gute  Arbeit.  Aus  dem  Mufeum  Caffis. 

30.  Bruchftück  einer  ägyptifchen  Figur  in  der 
charafleriftifchen  fleifen  Stellung  und  mit  dem  typi- 
fchen  Kleide.  Gefunden  wie  Nr.  23. 

31.  Statuette  eines  jugendlichen  Attis. 

32.  Runde  Oscilla  (Votivfchild)  aus  Marmor,  f.  w.  e. 
O'ij  im  Durchmeffer,  mit  fitzendem  Satyr  auf  der  einen 
Seite  und  Pankopf  auf  der  anderen.  Aus  der  Samm- 
lung Caffis. 

33.  Detto  mit  Syrinx  und  Doppelflöte  r,  rückwärts 
unbearbeitet. 

34.  Schöner  Marmorkopf  mit  chara6lerift:ifcher 
Darftellung  einer  komifchen  Maske,  unten  zerbrochen. 

35.  Weiblicher  Kopf,  bis  zur  Hnlfte  erhalten. 

36.  Männlicher  Kopf,  etwas  befchädigt. 

2i7.   Vordere  Partie  eines  weiblichen  Kopfes. 

38.  Kopf  eines  Pferdes. 

39.  Kopf  eines  Greifes,    aus  dem  Mufeum  Caffis. 

40.  Kopf  einer  Venus,  fehr  klein,  unausgeführt. 

41.  Kleiner  Kopf  eines  lachenden  Jünglings. 

42.  Sehr  kleiner  weiblicher  Kopf 

43.  Kleiner  fchöner  Kopf  einer  Venus  mit  Diadem. 

44.  Kleiner  Kopf,  unfertige  Arbeit. 

45.  Kopf  mit  Helm  von  einem  Basrelief 

46.  Kleiner  Kopf 

47.  Detto. 

48.  Jugendlicher  Kopf,  oben  ein  Bohrloch. 

49.  Tigerkopf 

50.  Kleine  Statuette  einer  Minerva,  unausgeführt. 
S'^-ff  Zahlreihe   Bruchftücke  von  .Sculpturen,  wie 

Hände,  Füße,  einzelne  Finger,  Gewandbruchftücke, 
kleine  Poftamente,  darunter  befonders  namhaft:  Bruch- 
ftück eines  kleinen  Capitals  mit  fchönem  Kopfe  in 
der  Volute,  Poftament  mit  Spuren  der  Tatzen  eines 
zweihufigen  Thieres  und  eines  Hundes,  untere  Partie 
einer  kleinen  flehenden  Figur  en  relief;  fchönes  Ge- 
wandftück,  Schenkel  einer  großen  Statue  (Kaiferftatuer), 
Marmorhand  mit  Ring,  einen  Stab  haltend;  unausge- 
führte Marmorhand,  fchön  ftylifirte  Marmorpalmette. 
Sämmtliche  .Stücke  wurden  in  einer  Mauer  aus  fpät- 
römifcher  Zeit  auf  einem  Grundftücke  gegenüber  dem 
Mufeum  gefunden.  Vgl.  Nr.  23. 

II.  Aicliileoturftücke  uinl  funllige  Steiiigerälhe. 

52.  26  Stück  Graburnen  aus  den  Ausgrabungen 
des  V.  Ferman  in  Belvedere. 

53.  11  Stück  Graburnen  aus  den  Ausgrabungen 
des  H.  Tullio,  l'"undftelle  l?eligna. 

54.  I  Stück  (irabuine,  fehr  klein  aus  den  Ausgra- 
bungen Coffar,  auf  dem  fogenannten  Capitolo. 

55.  Vollkommen  erhaltene  Brunnenanlage  mit 
Brunnentrog,  Leitungsrohr,  Pflaftcr.Abzugs-Canäle  und 
Trottoir,  gefunden  auf  dem  Grundftücke  Colloredo- 
Zucco  gegenüber  dem  Mufeum. 

56.  3  Stück  marmorne  Dachziegel  von  einem 
Prachtgebäude,  gefunden  auf  dem  Grundftücke  Coffar, 
auf  dem  fogenannten  Capitoln. 

57.  Wafferablauf  Canal,  gefunden  wie  N.  56. 


-     155     - 


58.  Säulenbafis  und  Sanlentrommel,  gefunden 
wie  Nr.  56. 

59,  60.  Zwei  Säulen-Capitäle  korinthifclicr  Ord- 
nung. 

61.  Säulentrommel  und  Säulenbafis,  gefun  den  wie 
Nr.  56,  vgl  Nr.  58. 

62.  Eine  Reihe  kleiner  ArchitedturBruchilücke, 
gefunden  wie  Nr.  56. 

63.  Marmorplatte,  Akroterion  eines  Grabdenk- 
males aus  der  Via  Annia. 

64.  Canellirtes  Säulenftück,  gefunden  bei  St. 
Stefano. 

65.  Eine  Reilie  Architeflur-Bruchftiicke  aus  ver- 
fchiedenen  Gegenden. 

66.  Säulentrommel  und  Marmor  aus  dem  Hofe 
CoUoredo-Zucco. 

6"],  Säule  und  Bafis  aus  dem  Hofe  Colloredo- 
Zucco. 

68.  Gewaltige  Architeflur-Brucliftücke  aus  dem 
fogenannten  Spalto,  Ausgrabung  des  H.  Julius  Comelli. 

6g.  VoUfiändige  Gruft  mit  Marmorbekleidung, 
gefunden  auf  dem  Grundftücke  Tullio  auf  der  Beligna. 

Gefchenkt  wurde. 

70.  Von  Herrn  H.  Ciotta,  Bürgermeifter  in  Fiume, 
eine  Steinurne  mit  fonderbarem  Deckel  in  Form  eines 
Zeltdaches,  wie  bei  einem  Rundtempel. 

C.  Antikaglien. 

Die  Befchreibung  diefer  Erwerbungen  erfolgt 
nicht  abgefondert  nach  Jahrgängen,  fondern  nach 
Claffen  und  nur  bei  befondert  hervorragenden  Stücken 
werden  befondere  Nebenumftände,  wie  Fundnach- 
richten   und  fonftige    detaillirte  Angaben  mitgetheilt. 


a)  Aus  Bi-in  und  Knochen. 

1.  Sammlung  verfchiedener  Haarnadeln  von  ver- 
fchiedener  Form  und  Große. 

2.  Sammlung  verfchiedener  Nähnadeln  von  ver- 
fchiedener Form  und  Größe. 

3.  Sammlung  verfchiedener  Knöpfe  von  verfchie- 
dener Form  und  Große. 

4.  Sammlung  verfchiedener  Würfel  von  verfchie- 
dener Größe. 

5.  Sammlung  verfchiedener  Löffel  von  verfchie- 
dener Größe. 

6.  Sammlung  verfchiedener  kleinerer  Figuren, 
Beftandtheile  von  kleinen  Schmuckkäftchen. 

7.  Sammlung  verfchiedener  kleiner  runder  Büch- 
fen  für  Salben  und  fonftige  Toiletteartikel.  Darunter 
eine  vollkommen  erhalten,  von  fchöner  Arbeit.  Oben 
auf  dem  Deckel  ein  flilifirter  Frauenkiopf  unten  auf 
dem  Bauche  eine  fehr  lebendige  Darftellung  eines 
Kampfes  zwifchen  zwei  Amoretten,  von  welchen  der 
eine  mit  Dolch  und  Schild  bewaffnet  den  anderen 
angreift,  der  knieend  hinter  einem  Spitzhund  fich  ver- 
fteckt.  Aus  den  Ausgrabungen  Urbanetti,  Fundftelle 
Colombara. 

7  a.  Brucliftück  einer  Salbenbüchfe  mit  einem 
Delphine.  Ebendafelbft  gefunden. 

8.  Kleines  Oelfläfchchen  mit  dazu  gehörigem 
Stöpfel.  Gefunden  wie  Nr.  7. 

9.  Sammlung  von  Meffergriffen  und  Beftand- 
theilen  von  Schwertern,  darunter  ein  vollkommen  er- 
haltenes Eifenmeffer  mit  Griff,  welcher  in  einen  Greif- 
kopf auslauft. 

(Foitfefzung  folgt.) 


Ueber  eine  alte  Hausbemalung  zu  Grins  in  Ober-Innthal. 


Befpiochen  von  Karl  At%. 


IE  die  kunftfinnigen  Ritter  und  Landesherren 
Tyrols  fchon  im  früheften Mittelalter,  im  12.  Jahr- 
hundert, ihre  Burgen  und  Abfteigequartiere, 
Fürftcnhäufer  mit  Gemälden  gefchmükt  haben,  fo  be- 
wahrten auch  ihre  Lehensherren  in  fpäterer  Zeit  diefe 
Sitte  mit  Vorliebe,  wovon  uns  noch  manche  Ueberrefte 
geboten  find.  Ein  Unterfchied  befteht  hauptfächlich  nur 
im  Inhalt  diefer  Wandgemälde.  Zuerll:  galt  es  meiftens 
einer  Verewigung  der  Sage  von  den  Hcldenkämpfen 
und  den  Aventuren  wandernder  Ritter,  während  Ipäter 
öfter  humoriftifche  Darftellungen  den  Vorzug  erhielten. 
Ein  graziöfes  wie  feltenes  Beifpiel  diefer  Art  eines  grö- 
ßeren Innenfchmuckes  in  einem  öffentlichen  Gebäude 
erhielt  fich  in  einem  Haufe  zu  Grins  im  Ober-Innthale, 
nahe  an  der  Ausmündung  des  Stanzer-Thaies,  durch 
welches  nun  die  Eifenbahn  nach  Vorarlberg  abzweigt. 
Diefes  Dorf  ift  ein  gar  alter  Ort  am  fonnigen  Abhänge 
des  Berges  und  hat  heute  noch  mehrere  alte  Häufer 
von  auffalliger  folider  Bauart.  Zu  ebener  Erde  maffive 
Gewölbe,  in  den  oberen  Stockwerken  vorfpringende 
Erker,  Eingänge  und  Fenfter  mit  fein  gehauenen  Werk- 


ftücken  verfehen.  Diefe  Bauwerke  deuten  auf  Herbergen 
da  durch  Grins  bis  in  die  neuefte  Zeit  die  große  Ver- 
kehrsftraße  über  den  Arlberg  führte.  Den  14.  September 
1372  fertigte  König  Heinrich  von  Böhmen,  dann  als 
Landesherr  von  Tyrol,  einen  Brief  aus  des  Inhaltes,  „dafs 
die  alte  Landftraße  auch  fürderhin  über  Grins  gehen 
foU."  Unfere  intereflanten  Fresken  finden  fich  im  foge- 
nannten „großen  Haufe",  welches  für  das  ältefte  des 
Dorfes  gehalten  wird  und  von  der  Landesherrin 
„Margarethe  Maultafch"  erbaut  fein  foll,  und  zwar  als 
ein  Jagdfchloß.  Es  ilt  maffig  gemauert,  hat  große 
gewölbte  Kellerräume,  aber  nur  ein  Stockwerk.  Ver- 
fchiedene  Einzelbilder  fchmückten  einfl  die  Außenfeite, 
find  aber  heute  bis  auf  kleine  unkenntliche  Rede  zer- 
ftört.  Ueber  einer  ziemlich  hohen  Stiege  im  Innern 
gelangt  man  in  eine  Hausflur,  welche  fich  über  die 
ganze  Breite  des  Gebäudes  hin  ausdehnt,  auf  der  einen 
Seite  in  einen  Erker  auslauft,  auf  der  andern  mit  einem 
Fenfter  abfchließt.  Das  Ganze  bedeckt  ein  Tonnen- 
gewölbe, welches  über  den  Thüren  in  die  verfchiedenen 
Zimmer    fchwache    Kappen    eingelaffen    hat.    Wände 


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wie  Decke  find  überreich  bemalt.  Die  Darftellungen 
find  größtentheils  huoioriftifchen  Inhalts  aus  dem 
Landleben,  vermifcht  mit  mehreren  Bildern  religlöfen 
Inhalts. 

Nahe  beim  Fenfter  im  Erker  ift  auf  der  rechten 
Seite  eine  Bäuerin  dargeftellt  mit  einem  Körbchen  im 
Arm,  worin  fich  Brode  zu  befinden  fcheinen.  Die 
Aermel  ihres  Kleides  find  aufgebaufcht  und  ihr  Haupt 
ift  zierlich  mit  einem  Tuche  in  Form  einer  eng  anlie- 
genden Haube  eingebunden;  die  Enden  diefer  Binde 
find  fo  lang,  dafs  fie  nach  Nonnentracht  auch  den  Hals 
ganz  umhüllen.  Gegenüber  fteht  ein  fchlanker  Bauers- 
mann fröhlichen  Blickes,  mit  einer  Sichel  in  der  Linken 
und  einer  Garbe  unter  dem  rechten  Arm.  Eigenartig 
fieht  feine  Bekleidung  aus;  die  Schöße  des  rothen 
Wamms,  das  grün  ausgefchlagen  ift,  hängen  etwas  über 
die  Hüfte  hinab.  Die  Höfen,  weit  und  baufchig,  reichen 
bi.s  zu  den  Knieen  und  darunter  kleiden  die  Waden  nur 
weiße  Strümpfe.  Das  Schuhwerk  ift  nicht  mehr  ficht- 
bar. Der  mittelhohe  Hut  lauft  etwas  fpitzig  zu  und  hat 
die  Krampe  vorn  ein  klein  wenig  aufgeftülpt. 

Das  Gewölbe  des  Erkers  beleben  vier  Engels- 
geftalten  in  fchmuckem  Kleid,  aber  ohne  Nimben.  Der 
erfte  in  grünem  Kleide  fitzt  auf  einem  Delphine  und 
fpielt  die  Violine;  der  zweite,  himmelblau  bekleidet,  ift 
mit  einem  der  Guitarre  ähnlichen  Saiteninftrumente 
befchäftigt;  der  dritte  in  goldfarbigem  Gewände  hält 
mit  beiden  Händen  eine  Trompete  an  den  Mund  und 
bläft  in  diefelbe  mit  Leibeskräften,  wie  die  ausgefpann- 
ten  Wangen  und  feine  ganze  Stellung  bezeugt.  Von 
feiner  Linken  hängt  überdies  noch  eine  Schalwage. 
Der  vierte  im  rothen  Kleide  fpielt  eine  Schalmei,  indem 
er  in  der  Linken  eine  Blume  (Mai-Glöckleinj  hält.  Zu 
unterft  in  jedem  Gewölbezwickel  wachfen  aus  einer 
Vafe  Arabesken  mit  Blumen  in  verfchiedenen  Farben 
hervor,  hie  und  da  noch  an  die  Gothik  erinnernd,  und 
ziehen  fich  um  die  Hauptfiguren  herum,  während  im 
Laubwerke  felbft  vier  kleine  Genien,  deren  Flügel 
verfchieden  polychrom  erfcheinen,  zierlich  poftirt  find. 
Verwandte  Ornamente  wiederholen  fich  fofort  an  einem 
jeden  Gemälde  des  Gewölbes  und  die  einzelnen 
Ranken  endigen  oft  in  gar  zierliche  Formen;  bald 
wächft  eine  Blume  in  ein  Geficht  aus,  bald  in  eine 
Herzensform,  neben  Chriftus  am  Kreuze  in  die  Mond- 
fichel  und  in  eine  Sonne,  dann  in  einen  Spiegel,  in 
eine  Sanduhr,  in  zwei  verfchlungene  Hände  u.  f  w. 

Im  Rücken  der  obengenannten  Bäuerin  hat  der 
Meifter  einen  Fuchs  gemalt,  wie  er  den  Efel  in  einer 
Wiege  fchaukclt.  Der  Fuchs  fitzt  auf  den  Hinter- 
füßen am  unteren  Ende  der  Wiege;  mit  einem  Vorder- 
fuße fetzt  er  die  Wiege  in  Bewegung,  mit  dem  anderen 
hält  er  einen  nicht  mehr  recht  kenntlichen  Gegenftand, 
vielleicht  eine  abgebrochene  Ruthe,  mit  der  er  dem 
Langohre  droht.  Diefer  liegt  ruhig  in  die  Wiege  hinein- 
gebunden und  unter  den  grünem  Ucberbette  ragen 
feine  Vorderfüße  hervor.  Ein  l'apagei  und  ein  Gimpel 
wiegen  fich  darüber  auf  den  Aeften  des  bunten  Ranken- 
werks. Auf  dem  Boden  kriecht  eine  Schnecke  dahin, 
die  I-'ühler  mit  den  Augen  hoch  emporgeftreckt,  auf 
dem  Rucken  ein  großes  Gehäufe.  Auf  diefem  fitzt  dann 
noch  ein  iMchhörnchen,  mit  den  Vorderpfoten  ein 
kleines  Windrad  vor  fich  hinhaltend. 

An     diefe     fo     naive    DarftcUung     bis    zur    l'hur 
hin,   welche    in   das  große  Ziuinier  fülnt,   fchlicljl   firli 


eine  luftige  Jagdfcene  an.  Der  Hintergrund  befteht  aus 
einer  freundlif^hen  Gebirgslandfchaft;  auf  einer  felfigen 
Anhöhe    ragt  ein    Schlofs    luftig   empor.   Zwei   Jäger 
verfolgen  das  aufgejagte  bereits  davonfliehende  Wild, 
worunter  wir  unter  mehreren  Thiergeftalten  nur  einen 
Hafen    und    einen  Hirfch   näher   zu    erkennen  glauben. 
Der   eine  Jäger   ift  mit  Speer   und   kurzem  Jagdmeffer 
bewaffnet,  der    andere    bläst    in  ein  gebogenes  Hörn 
und    führt    einen    leichtgebauten    Jagdhund    an    einer 
Schnur.  Jagdtafche  haben  beide  Jäger.  Darüber  predigt 
der   Fuchs    den    Gänsen    von    einer    Kanzel    aus,    die 
zierlich  mit  einem  Tuche  belegt  ift  und  einen  Schall- 
deckel  hat,  auf  welchem    ein   Affe   poffirlich  fitzt  und 
einen  Art  Schirm   oder  Baldachin    frei  hinaushält.  Im 
Gewölbefclde  daneben   fehen  wir   Ochs  und  Efel  mit- 
fammen  im  Damen-  oder  Schachfpiel   eifrig   begriffen. 
Die  Thiere  fitzen  auf  den  Hinterfüßen  und  verfchieben 
mit    den  Vorderfüßen    die  Steine    oder   Figuren.    Im 
kleinen  Felde    über  der  Thür  in   das  genannte  große 
Zimmer   ift  ein  Franciscaner-Mönch   dargeftellt,  beide 
Arme  ausbreitend  und  in  der  einen  Hand  ein  offenes 
Buch    haltend.    Er    fcheint  fo  eben    etwas    gelefen    zu 
haben,  das    er   nun    dem    Eintretenden    erklären    will. 
Auch  einer  Kreuzigungsgruppe  begegnen  wir  hier   in 
der    gewöhnlichen     Darfteilung     aus     der     Zeit     des 
Schlußes  des  Mittelalters;  das   Schamtuch  des    Herrn 
flattert  auf  beiden  Seiten  etwas  hinaus,  Maria  hat  das 
Haupt  noch  umfchleiert.  Magdalena  trauert  am  Fuße 
des  Kreuzes,  dasfelbe  mit  beiden  Armen  umfchlingend. 
Am  Laubwerk  find  die  bereits  genannten  Gegenftändc 
bemerkbar,    wozu    noch    ein    Thürmchen     über    dem 
Jünger  Johannes  beizufügen  wäre,  fowie  das  Erfcheinen 
von   Gott    Vater    mit    dem    heiligen    Geift   über   dem 
Kreuze  und  dem  Pelikan  am  Fuße  des  Kreuzes. 

Weiter  rückwärts  an  der  Wand  nimmt  die  An- 
betung der  Könige  eine  größere  Fläche  ein.  Diefe 
Darfteilung,  noch  eng  an  die  Manier  des  früheren 
Mittelalters  fich  anlehnend,  hat  auch  einige  Verwandt- 
fchaft  mit  jenem  Bilde  im  berühmten  MilTale  von  Reiß: 
Maria  reicht  ihr  göttliches  Kind  aus  dem  Stalle 
heraus  dem  älteften  unter  den  drei  Weifen.  Kameele, 
Pferde,  Diener  und  ein  fehr  jugendlicher  fiinker  Page 
beleben  als  Zuthat  die  hübfche  Compofition.  Im 
Bogenfelde  darüber  trägt  eine  männliche  P'igur  mit 
ftark  aufgcbaufchten  Kleidern  eine  Flagge  auf  der 
Schulter;  der  von  der  Stange  herab  wallende  Stofi 
wird  durch  zwei  Streifen  in  Form  des  fogcnannten 
Andreas-Kreuzes  in  vier  l'^elder  getheilt.  In  je  einem 
derfelben  fteht  VD/  einer  der  vier  erften  Buchftaben 
des  Alphabets  "^X^  •  Aus  der  Halskraufe  diefer 
Figur  ragt  aber  nicht  das  Haupt  eines  Mannes 

hervor,  wie  der  Lefer  erwarten  dürfte,  fondern  ein 
Schafskopf,  der  fich  in  einem  gegenüberftehenden 
Spiegel,  hervorragend  aus  dem  Ornament,  gcmüthlich 
bcfchaut. 

Auch  aus  der  Legende  wollte  der  alte  Meifter 
eine  und  andere  Scenen  nicht  fehlen  laffen;  dies  beweift 
vorzugsweife  nächftfolgendes  Bild.  Uifter  einem  mit 
Meffern  befetzten  Rade  liegt  auf  dem  Rücken  eine 
Mannesgeftalt;  daneben  ein  blutender  Riunpf  eines 
andern,  dem  lias  Haupt  abgefchlagcn  ill.  ICin  dritter 
Main),  ebenfalls  auf  dem  Rücken  liegend,  wird  unter 
das  fich  drehende  Rad  hineingezogen,  feine  Hände 
\']Ui\  bereits  abtrehaucn.  Zwei  vornehmere  Männer  mit 


157     - 


langen  Röcken  und  Zipfelkappen  unterreden  fich 
eifrig  miteinander,  wie  es  fcheint,  über  die,  welche 
gemartert  werden,  an  deren  Qualen  fich  erfreuend.  Es 
find  fo  recht  eigentliche  Judengefichter,  wie  das  fpätere 
Mittelalter  in  Deutfchland  oft  heidnifche  Richter  oder 
Zufchauer  bei  Marterfcenen  dargeftellt  hat.  Auf  der 
andern  Seite  des  Rades  —  links  vom  Befchaucr  — 
kniet  eine  junge  Königin  mit  Krone  und  Nimbus 
geziert,  die  Hände  flehend  gegen  Himmel  empor- 
geftreckt.  Hinter  ihr  fleht  der  König  und  eine  Frauen- 
geftalt  von  etwas  verdächtigem  Ausfehen.  Der  König 
ftößt  die  Königin  mit  der  Hand  an  der  Schulter,  als 
hätte  er  ihr  etwas  zu  bemerken,  worauf  fie  aber  nicht 
zu  achten  fcheint.  In  der  Höhe  ift  Gott  Vater  fichtbar, 
wie  er  auf  die  unter  dem  Rad  Liegenden  runde  Scheib- 
chen herabftrcut.  (Eine  verwandte  Marterfcene  aus 
etwas  frührer  Zeit,  15.  Jahrhundert,  kommt  im 
bifchöflichen  Amtshaufe  zu  Corredo  auf  dem  Nonns- 
berge vor.)  Noch  höher,  im  Gewölbe  erfcheint  Johannes 
Baptifta  mit  einem  Tuche,  darauf  ruht  das  Lamm 
Gottes,  umgeben  von  einem  großen  Heiligenfchein. 

Es  folgt  nun  eine  Darfteilung  der  Frauen  am 
Grabe  Chrifti.  Auf  dem  Rande  der  Wand  eines  offenen 
Sarges  fitzt  ein  Engel  in  weißem  Gewände,  während  ein 
anderer  Gottesbote  in  goldenem  Kleide  vom  Himmel 
herabfliegt.  Die  Frauen  mit  ihren  Spezereibüchfen 
fchauen  verwundernd  und  zugleich  trauernd  ins  leere 
Grab  hinein. 

Im  letzten  Gewölbefelde  über  der  bereits  genann- 
ten dem  Erker  gegenüberliegenden  Thüre,  welche  ins 
Freie  auf  einen  Balcon  führt,  find  zwei  Heilige  dar- 
geftellt; der  eine  in  der  Vollkraft  des  Mannesalters 
trägt  einen  kraftigen  Vollbart  und  hält  ein  Beil  in  der 
Hand  (Evangelill;  Matthäus");  der  andere  eine  liebliche 
jugendliche  Geftalt  ohne  Bart,  das  Haupt  mönchs-  oder 
diakonenartig  gefchoren,  mit  großer  Glatze,  ja  nur 
mehr  mit  einem  Schöpfe  von  Haaren  über  der  Stirn 
hält  in  der  Linken  einen  langen  Stab  mit  einem  Kreuz- 
chen darauf  (Apoftel  PhilippusY  Unterhalb  im  Gewölbe- 
zwickel ein  Adler,  in  Feuerflammen  flehend,  mit  den 
Schwingen  heftig  um  fich  fchlagend;  auf  dem  Kopfe 
trägt  er  eine  Krone.  Ober  der  Thür  ift  ein  Wappen 
angemalt,  mit  einem  Einhorn  im  Schildfelde  und  als 
Helmzier  wiederholt,  wahrfcheinlich  an  die  Familie  der 
Edlen  Cholwein  erinnernd.  Die  nebenanftehenden 
Ornamente  find  durch  Thiergeftalten  belebt,  eine 
Katze,  einen  Affen  der  Beeren  von  Weintrauben  an 
den  Mund  führt,  und  einen  Vogel  der  fich  an  einer 
Weintraube  gutlich  thut. 

Wir  kommen  nun  zur  Betrachtung  der  anderen 
gemalten  Langfeite  des  Hausganges.  Zunächft  an  der 
Thür  ift  eine  hübfche  Figur  des  heiligen  Sebaftian 
dargeftellt,  die  an  dem  bis  auf  die  Hüfte  durchaus 
unbekleideten  Körper  befriedigende  Kenntniffe  der 
Anatomie  des  Meilters  bezeugt.  Der  Heilige  ift  wie 
öfter  mit  dem  einen  Arni  aufwärts,  mit  dem  anderen 
abwärts  und  zugleich  rückwärts  an  einen  Baumftamm 
feftgebunden  und  mit  faft  unzähligen  Pfeilen  bereits 
befchoffen;  aus  den  Wunden  fließt  reichliches  Blut. 
Das  Haupt  umgeben  die  dichten  in  der  Mitte  gefchei- 
telten  Haare  wie  ein  zierlicher  Helm  und  wallen  zugleich 
über  Schultern  und  Rücken  hinab.  —  Ueber  einer 
andern  Thür,  die  in  ein  Zimifter  führt,  fehen  wir  St. 
Nicolaus    in   vollem    und  reichem  Bifchofs-Ornate;  die 


rothe  weite  und  faltenreiche  Cafula  ift  auf  der 
Vorderfeite  mit  einem  Kreuze  verziert;  gleich  reich 
behandelt  find  Handfchuhe  und  das  Paftorale,  unter 
deffen  Krümmung  das  bekannte  Stoffftück  (Sudarium) 
herabhängt;  die  Rechte  trägt  ein  Buch  mit  den  tradi- 
tionellen goldenen  Kugeln  oder  Aepfeln  darauf.  Die 
behaln'te  Figur  mit  hoher  Inful  präfentirt  eine  fchöne 
Bifchofsgeftalt.  Nun  find  wieder  dieFratzengeftalten  im 
Ornamente  am  Gewölbe,  beftehend  halb  aus  Menfchen-, 
halb  aus  Thierleib.  Trefflich  gelang  unferem  Meifter 
auch  die  nächftfolgende  Darftellung  der  heiligen 
Diacone  Stephanus  und  Laurentius,  wozu  die  weiten 
farbenreichen  Dalmatiken  zu  den  wohlgenährten 
Gefichtern  gut  ftimmen.  Merkwürdig  zu  nennen  ift  ein 
nackter  Genius,  der  neben  St.  Laurentius  Trauben  mit 
einer  Sichel  von  dem  darüber  ausgebreiteten  Orna- 
mente abfchneidet. 

Ueber  einer  zweiten  Zimmerthür  nahe  der  Stiege, 
welche  von  unten  in  den  Gangheraufführt,  lieft  ein  Mönch 
in  brauner  Kutte  in  einem  Buche,  deffen  aufgefchlagenes 
Blatt  mit  „Afe  Maria-'  befchrieben  ift.  Daran  fchließt 
fich  wiederum  eine  ftattliche  Bifchofsfigur,  mit  dem 
Pluviale  bekleidet  und  einem  Kirchen-Modelle  in  der 
Hand  (St.  Conrad,  Gotthart,  wahrfcheinlicher  St.  Wolf- 
gang). 

Eine  heitere  Abwechslung  bietet  die  Bemalung 
des  Mauerftückes  über  dem  Stiegenbogen;  es  ift  näm- 
lich ein  jugendliches  Brautpaar  abgebildet.  Die  Braut 
in  rothem  Rocke  mit  mäßig  breiter  weißen  Schürze 
darüber  und  in  eng  anfchließender  Jacke,  von  welcher 
zwei  Spitzen  über  die  Schürze  hinunterreichen,  trägt 
einen  kleinen  Blumenkranz  wagrecht  auf  dem  Scheitel, 
von  welchem  lange  Zöpfe  über  den  Rücken  hinablie- 
gen. Ihre  Linke  hält  einen  zarten  Blumcnftraus.  Male- 
rifch  machen  diefe  Figur  unter  anderem  auch  die 
Aermel,  welche  als  mächtiger  Baufch  nur  den  Oberarm 
bedecken,  fonft  den  Arm  ganz  nackt  laffen.  Vom 
fchmalen  Gürtel  hängt  ein  Tafchchen.  Der  Bräutigam 
trägt  gelben  langen  Wams,  der  um  die  Hüfte  gegürtet 
ift.  Die  Aermel  desfelben  find  kurz,  fo  dafs  der  Vorder- 
arm nur  vom  Unterkleid  bedeckt  werden  muß;  der 
ziemlich  breite  Kragen  erfcheint  unter  der  Halskraufe 
herabgebogen.  Am  Gefimfe  zu  den  Füßen  hat  der 
Meifter  den  Namen  Jefus  in  Form  des  gewöhnlichen 
fpät-gothifchen  Monogramms  angebracht. 

An  der  Laibung  der  auf  den  Dachboden  führenden 
Stiege  kehrt  ein  luftiges  Jagdftück  wieder,  ähnlich  dem 
bereits  befchriebenen,  das  gegenüber  liegt.  Drei  Jäger, 
grün  bekleidet,  in  kurzen  Beinkleidern,  mit  Waden- 
ftrümpfen,  bewaffnet  mit  Specren  und  Jagdmeffern,  aus- 
gerüftet  mit  Hörnern,  Jagdtafchen  und  begleitet  von 
fpringluftigcn  Hunden  ftehen  in  voller  Bereitfchaft  da, 
voll  Begierde  den  Jagdtanz  zu  eröffnen.  Als  untere 
Randeinfafiung  könnten,  wenn  man  will,  zwei  Menfchen- 
geftalten  in  fonderbarer  Stellung  bezeichnet  werden; 
es  ift  nämlich  der  Leib  eines  Mannes  und  einer  Frau 
flach  auf  den  Boden  hingeftreckt  und  mit  den  Gefichtern 
einander  zugewendet,  an  den  Händen  gegenfeitig  fich 
haltend.  Ihr  Oberleib  erfcheint  als  ein  Menfch  mit 
Drachenflügeln  auf  dem  Rücken,  ihr  Unterleib  läuft  in 
einen  Fifch  aus,  an  deffen  Schwanzfloße  beiderfeits 
ein   geflügelter  nackter  Genius  fich  einhängt. 

Was  den  Charakter  aller  diefer  Bilder  betrifft,  fo 
deutet     er    auf   einen    Meifter,    der    einerfeits    noch 


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einigermaßen  an  das  Mittelalter  fich  anfchmiegt,  ander- 
feits  aber  mit  vollfter  Luft  und  Freiheit  dem  italieni- 
fchen  Style  des  i6.  Jahrhunderts  zu  huldigen  fich 
bemiiht.  Flott  mit  breitem  Pinfel  ohne  weitere  einge- 
hendere Cartons  bringt  er  mit  geübter  Hand  feine 
Phantafien  in  ziemlich  hellen  bunten  Farben  mit  be- 
friedigender Harmonie  auf  die  Wand.  Näheres  über 
ihn  ift  noch  nicht  bekannt  geworden;  er  dürfte  aber 
doch  ein  Eingeborner  und  kein  Italiener  gewefen  fein, 


der  aber  die  Fortfehritte  des  Südens  lludicrt  und  fchr 
lieb  gewonnen  hat,  um  deren  Motive  fo  behend 
zu  verwenden.  Die  Zeit  feines  Wirkens  konnte 
man  noch  in  die  erfte  Hälfte  des  i6.  Jahrhunderts  ver- 
fetzen.  Eine  Jahreszahl  an  einem  hölzernen  Oberboden 

von  anflehender  eigenthümlicher  Form :  "j,  C^  V  ft 
muß  doch  als  1578  gelefen  werden,  denn  1478  würde 
für  diefe  Malerei  eine  zu  frühe  Zeit  bezeichnen. 


Notizen  über  Werke  von  Oefterreichifchen  Künftlern. 


Von  Dr.   Tluoiior  v.   Frimmel. 


I.  Ein  Werk  des  Hans  von  Aachen  in   der   Galerie 
Corfmi  zu  Florenz. 

•  Hansv.  Aachen  gehört  zweifellos  in  unfere  vater- 
ländifche  Kunftgefchichte,  obwohl  er  (1552)  zu  Köln 
geboren  ift.  Seine  Hauptthätigkeit  war  dem  Prager 
Hofe  gewidmet.  In  Prag  ift  der  Künftler  auch  geftorben 
(1615).  Ein  bisher  unerkannt  gebliebenes  Werk  des 
Van  Aachen  befindet  fich  in  der  Galerie  Corfini  zu 
Florenz,  die  neben  ihrer  berühmteren  Schwefler  in  Rom 
und  neben  den  ungeheueren  Gemäldevorräthen  der 
Uffizien  und  des  Pitti  Palaftes  von  den  meiften  Italien- 
pilgern überfehen  oder  fehr  vernachläßigt  wird.  Einiger- 
maßen unverdient  ift  diefe  Zurückfetzung.  Enthält 
doch  die  Florentiner  Corfini-Galerie  eine  Reihe  von 
intereffanten  Gemälden,  von  denen  nur  die  wenigflen 
kunftgefchichllich  gewürdigt  find.  Eine  Madonna^ von 
Signorelli,  ein  Bildnis  aus  der  Richtung  des  Anto7iello 
da  Meffina.  ein  religiöfes  Bild  von  Filippino  Lippi 
(Nr.  176),  eines  von  Sandro  Botticelli  ^r.  167),  ficherc 
Werke  des  Salvator  Rofa,  viele  Bildniffe  von  Sußer- 
mans  und  einige  andere  find  in  der  Litteratur  fchon 
erwähnt,  fo  bei  Croive  und  Cavalcafelle,  in  der  Ge- 
fchichte  der  italienifchen  Malerei  bei  Lcruiolieff,  in  den 
Kunstkritischen  Studien  und  in  Jac.  Burckhardl's 
Cicerone.  Nun  find  in  der  Galerie  Corfini  aber  auch 
viele  Gemälde  vorhanden,  die  als  fichere  Werke  feltener 
oder  wenig  ftudirter  Meifter,  allen  jenen  hefonders 
willkommen  fein  dürften,  die  mit  ihrem  l^ilderaudium 
über  die  akademifchen  Gränzen  hinausgehen.  Ich  deute 
hier  nur  an,  dafs  ein  reich  componirtes  prächtiges 
Blumenftück  von  Forüenay  vorhanden  ift,  dafs  wir  im 
Palazzo  Corfini  zu  Florenz  beglaubigte  Bilder  des 
Cerquozzi,  einen  guten  Schalken,  zwei  Scibolds,  eine 
hübfche  Skizze  von  Van  Dyck,  gute  Domenüo  Felis. 
einen  Moses  van  Uytenbroeck  (Nr.  300),  fichere  Werke 
des  Carlevaris  finden  können. 

Zu  den  I^ildern,  die  ich  bisher  von  der  neueren 
Kunftgefchichte  als  nicht  richtig  erkannt  gefunden 
habe,  gehört  auch  das  Werk  des  Hans  van  Aachen. 
auf  das  ich  hier  aufmerkfam  machen  will.  „Im  Cata- 
logo  della  Galleria  dei  Principi  Corfini  in  Fircnze, 
compilato  da  Ulderigo  Medici,  scultore  e  conservatorc 
della  Galleria  suddetta"  von  1886,  wird  unfer  Bild  als 
Werk  der  Scuola  fiamminga  in  folgender  Weife  be- 
fchrieben  (Nr.  35): 

„Ritratto  del  padre  dcl  pittorc  Giovanni  Bilivcrt. 
— Busto;  grandezza  naturale.    Tela   alto   mctro  059, 


largo  metro  0-46".  Beigefügt  wird  die  Bemerkung : 
„Questo  ritratto  avendo  molto  sofferto,  fu  di  recente 
rintelato,  e  sul  dietro  della  vecchia  tela  vedevasi  scrit- 
to:    Ritratto  del   Sig.    Giaches   Bilivert    fia.     Padre    di 

Giovanno   Bilivert   pittore dipinto    per   mano    di 

Ans.  Vanach  pittor  Flamingo  l'anno  158.." 

Durch  diefe  Infclirift,  die  freilich  den  Namen  des 
Autors  ganz  verballhornt,  wird  das  beftätigt,  was  die 
Stylkritik  von  diefem  Bilde  fagen  kann.  Wir  haben 
alfo  ein  Werk  des  Hans  („Ans")  van  Aachen  („Vanach") 
vor  uns.  Der  genannte  Maler  gehört  nicht  zu  denen, 
für  welche  die  heutige  Gefchmacksrichtung  mit  Eifer 
eintritt.  Man  meint  ihn  über  die  Achfel  anfehen  zu 
dürfen.  Immerhin  ift  fein  tüchtiges  Können  nicht  zu 
verkennen.  Er  ift  des  Studiums  jedenfalls  werth,  ganz 
befonders  aber  deshalb,  weil  Aachen's  Werke  gelegent- 
lich mit  Bildern  befferer  Meifter  verwechfelt  werden 
(unter  andern  einmal  mit  einem  Correggio).  Ein  Werk 
von  der  Hand  des  Van  Aachen  verdient  zum  mindeften 
eine  Erwähnung.  Diefe  hätte  nun  das  Florentiner  Bild 
hiemit  gefunden,  das  zuverläffig  dem  erften  italienifchen 
Aufenthalt  des  Malers  angehört,  alfo  der  Zeit  vor  feiner 
Rückkehr  nach  Köln  im  Jahre  1588.  Ueber  Van  Aachen 
ift  man  durch  Schlager,  Dlabacrj,  Füffli,  Venturi,  W. 
Schmidt  verhältnismäßig  gut  unterrichtet.  Die  wich- 
tigften  Bilder  des  Van  Aachen  befinden  fich  in  der 
kaiferlichen  Galerie  zu  Wien.  Indes  bieten  auch  Schleiß- 
heim, Augsburg,  Köln  manches  Studienmaterial.  Eine 
kleine  heil.  Nacht  von  Hans  van  Aachen  befindet  fich 
bei  R.  van  Haanen  in  Wien.  Bezüglich  der  Literatur 
über  Van  Aachen  wäre  neben  dem  W.  Schmidt' fchen 
y\rtikel  in  Julius  Meyers  Künftlerle-xicon  auch  das  erfte 
und  einzige  Heft  von  Kabdebo's  Oefterreichifchem 
Künftler-Lexikon  zu  beachten,  fowie  meine  „Kleinen 
(jallerieftudien",  wo  fich  noch  andere  Litteratur  zu- 
fammengeftellt  findet. 


II.  Ein  jüngftes  Gericht  von  Rottmayr  in  Prefsburg. 

Im  Jahre  1814  wurde  in  Wien  bei  Anton  Strauß 
folgender  Katalog  gedruckt:  „Verzeichnis  einer  be- 
trächtlichen Sammlung  von  Oclgemälden  der  berühm- 
leften  italienifchen,  nicderländifchen,  deutfchen  und 
franzöfifchen  Meifter,  aus  der  Verlaffenfchaft  des  ver- 
ftorbenen  Herrn  Ignaz  Theod.  Reichsritters  v.  Pachner 
Indien  V.  Eggenftorf.  (Auf  der  Landftraße,  Haupt- 
ftraße  Nr.  107").    In  diefem  Katalog  finde  ich  aufSeitc 


—      159     - 


38  verzeichnet:  „J.  Rottinayr  Nr.  486.  Das  jüngfte 
Gericht.  Höhe  4'  7'//',  Breite  4'  7"".  Es  unterliegt 
keinem  Zweifel,  dafs  diefes  jüngfte  Gericht  identifch 
ift  mit  einem  Gemälde  des  Rottmayr,  das  fich  gegen- 
wärtig beim  gelehrten  Sammler  Herrn  Ingenieur  Gra- 
ziofo  E.r\ta.Laiifranconi  7.U  Prefsburg  befindet.  Ich  gebe 
hier  eine  kurze  Bcfchreibung  des  Bildes. 

Oben  mitten  der  Weltenrichter  in  zinnoberrothem 
Mantel  mit  fchwefelgelben  Lichtern.  Zur  Rechten  des 
Herrn  kniet  Maria.  Nach  beiden  Seiten  hin  auflteigend 
je  eine  Reihe  von  heiligen  Geftalten.  Unterhalb  des 
Weltcnrichters  in  den  Lüften  vier  Engel  mit  bunten 
Flügeln,  je  zwei  Engel  mit  Tuben  und  je  zwei,  welche 
das  Kreuz  halten.  Weiter  unten  links  im  Bilde  die 
Auferftehcnden,  fämmtlich  gefchickt  bewegte  Figuren, 
deren  einige  von  Engeln  nach  oben  getragen  werden. 
Rechts  die  fmkenden  Verdammten,  gegen  welche  Erz- 
engel Michael  mit  flammendem  Schwert  herabftürmt. 
St.  Michael  erfcheint  in  dunkelgrünem  Gewand  und  mit 
gelbem  Ueberwurf  Ein  zweiter  Engel  mit  Flammen- 
fchwert,  der  auf  die  Verdammten  von  oben  eindringt, 
ift  unbekleidet.  Unten  mitten  unter  einem  Bogen  ein 
liegendes  Skelett.  Männliche  und  weibliche  Körper  find 
in  der  Carnation  ftark  verfchieden. 

Links  unten  in  fchwarzer  Curfive  die  Bezeichnung 
und  Datirung: 

„Jo:  Michael  Rottmayr  Fecit  1691" 

Das  Bild  ift  auf  Leinwand  von  quadratifcher  Form 
gemalt  und  mifst  r45  M.  im  Gevierte.  Die  Erhaltung 
ift  eine  treffliche. 

Ich  vermöchte  nicht  anzugeben,  ob  der  Künftler 
diefelbe  Compofition  auch  im  Großen  etwa  als  Decken- 
Gemälde  ausgeführt  hat.  Eine  bloße  Skizze  übrigens  ift 
das  Bild  bei  Lanfranconi  nicht.  Es  ift  in  allen  Theilen 
wohl  durchgebildet  und  verdient  jedenfalls  Beachtung 
auch  neben  den  großen  zahlreichen  Fresken  des 
Meifters.  Erwähnt  habe  ich  das  Gemälde  in  Seemann- 
Lützows  Kunft-Chronik,  1892  Nr.  26. 

An  Rottmayr'?,  Namen  und  an  viele  feiner  Werke 
knüpft  fich  eine  überaus  reichliche  oft  gar  heimtückifche 
Literatur,  die  mir  zwar  im  allgemeinen  nicht  fremd 
ift,  der  ich  aber  bisher  noch  nicht  in  alle  Schlupfwinkel 
nachgegangen  bin.  Ich  halte  es  daher  für  paffend,  es 
den  berufenen  Kräften  zu  überlaffen,  die  Angelegen- 
heit des  Rottmayr' (chcn  Gemäldes  bei  Lanfranconi 
weiter  zu  verfolgen. 

Hier  möchte  ich  nicht  verfäumen,  darauf  hinzu- 
weifen, dafs  der  genannte  Sammler  neben  einer  viel- 
leicht einzigen  Menge  von  Hungaricis  auch  viele  Bilder 
befitzt,  deren  Befichtigung  kunftgefchichtliches  Intereffe 
gewährt.  Mehrere  gute  Venezianer  feien  erwähnt,  dar- 
unter ein  Dogenbildnis,  das  aus  der  Galerie  Kaunitz 
ftammen  foU.  Unter  den  Niederländern  find  mehrere 
ausgezeichnete  Stücke,  wie  z.  B.  ein  reizendes  Stilleben 
vom  jüngeren  David  Teniers.  Mitten  etwa  im  Bildchen 
fteht  ein  Steinkrug  auf  einem  Faß.  Davor  lehnen  und 
liegen  Beftandtheile  eines  Harnifches.  Links  ein  Degen. 
Im  Mittelgrunde  gewahrt  man  auf  einem  Ständer  zwei 
Büchfen.  die  hori  "TTN  zontal  aufgelegt  find.  Das 
echte  MonogrammJ__>'  findet  fich  auf  dem  Kruge. 
Tadellofe  Erhaltung.  Mehrere  treffliche  Holländer 
gereichen  der  Sammlung  zur  befonderen  Zierde,  fo  ein 
monogrammirtes  Bild  des  Pieter  Codde:  Eine  Familie  im 
XIX.  N.  F. 


Freienaneinembewaldeten  Ufer.  Rechts  imMitteigriinde 
ein  Schlofs.  Ueber  i  M.  breit.  (Die  Figuren  find  auf- 
fallend lang  geftreckt.)  Mehrfach  intereffant  ift  eine 
Befchneidung,  die  ehedem  bei  Kaunitz  war  und  bis  in 
die  neuefte  Zeit  für  ein  Werk  des  Rembrandt  gegolten 
hat.  Wenn  nun  auch  Rembrandt  niclit  der  richtige 
Name  ift,  der  hier  zu  nennen  ift,  fo  kann  man  doch 
wcnigftens  mit  Sicherheit  einen  anderen  guten  Namen 
dafür  einfetzen,  und  zwar  den  des  L.  Bramer,  des 
Delft'fchen  Haupt\ertreters  der  Helldunkelzeit  in  der 
hoUändifchen  Malerei.  Bei  Kaunitz  in  der  erften  Ver- 
fteigerung  hatte  das  Bild  Nr.  137.  Auf  der  Rückfeite 
klebt  neben  etlichen  Siegeln  auch  ein  Blatt  mit  folgen- 
der Schrift  „Nr.  26  Galerie  du  prince  Kaunitz.  Tableau 
original  de  Rembrandt  autrefois  dans  la  Galerie  du 
prince  Zampieri  ä  Bologne".  Auf  der  Vorderfeite  rechts 
unten  der  Stempel  der  Kaunitz-Galerie.  Zwei  gute 
J.  Lievenss  aus  der  Sammlung  Klinkofch  müßen  jeden- 
falls genannt  werden,  ebenfo  ein  großes  Vanitas-Bild 
von  dem  fcltenen  J.  Gysbreckts.  Ein  altes  Ecce-homo- 
Bild  aus  der  Richtung  des  Gerard  David  und  ein  ver- 
muthlich  brabantifches  Triptychon  gehören  ebenfalls 
zu  den  intereffanteften  Bildern  der  Sammlung.  Das 
Triptychon  ftammt  aus  der  BoffiTchen  Verfteigerung 
in  Wien  (Nr.  45  des  BoffiTchen  Catalogcs).  Ich  be- 
fchränke  mich  hier  auf  die  knappften  Angaben,  wobei 
unter  den  vorhandenen  modernen  Bildern  nur  yJ/rt/('ß;-/'j 
Walküre  und  Bencziirs  mildthätige  Burgfrau  genannt 
werden  können.  DicneucftenErwerbun gen  Lanfranconi's 
habe  ich  noch  nicht  gefehen. 

in.  Farbige  Ausführung  einiger  Blätter  aus  Johann 

Bernhard  Fifcher's  von  Erlach  „Entwurf  einer  hifto- 

rifchen  Architectur". 

Zu  Anfang  des  06lobers  1892  hatte  ich  Gelegen- 
heit, auf  dem  gräflich  KuenbergTchen  Schloße  zu 
Jung-Wofchitz  bei  Tabor  eine  Reihe  großer  Architec- 
tur-Bilder  zu  fehen.  Es  find  Werke  eines  fonft  kaum 
bekannten  Malers  G.  Minderliout  aus  dem  18.  Jahr- 
hundert, welche  auf  großen  Breitbildern  Phantafie- 
bauten  zur  Darftellung  bringen.  Mehrere  derfelben 
erinnerten  mich  fofort  an  Stiche,  die  ich  fchon  früher 
gefehen  hatte,  und  eines  konnte  ich  fofort  für  eine 
Copie  nach  einem  BrueghelTchen  Gemälde  der  kaifer- 
lichen  Galerie  in  Wien  erklären.  Die  Stiche,  deren 
Benützung  mir  anfangs  nur  dunkel  vorfchwebte,  konnte 
ich  hinterher  bald  als  einige  Blätter  aus  Fifcher's  von 
Erlach  „Entwurf  einer  hiftorifchen  Architektur"  nach- 
weifen. 

Vom  gegenwärtigen  Schloßherrn,  dem  Grafen 
Vincena  Kucnberg  in  der  freundlichften  Weife  aufge- 
nommen, verzeichnete  ich  mir  in  Kürze  die  vorhan- 
denen Architedlur-Bilder,  die  alle  faft  genau  diefelbe 
Größe  haben  (Breite  1S5,  Höhe  1-17)  und  die  alle  auf 
Leinwand  gemalt  find.  Es  waren   die  folgenden: 

1.  Feft  im  Colifeo  zu  Rom.  Mit  unzähligen  netten, 
flott  gemalten  P'iguren,  die  zum  Theil  coftümirt  find. 
Auf  den  Bänken  die  Zufchauer  in  Roccoco-Tracht. 
Links  gegen  unten  die  Signatur:   „G.  Minder  Hout". 

2.  Mitten  ein  großer  Obelisk.  An  den  Seiten 
fymmetrifchc  Barockbauten  mit  Benützung  antiker 
Säulen.  Einige  Figuren.  Unten  gegen  links  das  Hand- 
zeichen:   -G.  M-'. 


i6o 


3.  Der  babylonifche  Thurmbau.  Wenig  variirte 
Copie  nachdem  Bilde  des  P.Bntegker]\in.  in  der  Wiener 
Galerie  (Nr.  739  des  Engert'fchen  Cataloges,  Nr.  734 
des  neuen  Führers).  Bezeichnet  links  unten  „G.  Minder 
Hout". 

4.  Triumphzug,  der  eine  Brücke  paffirt.  Zahllofe 
Figuren.  Copie  nach  dem  Stiche  in  der  FifcherTchen 
hiftorifchen  Architeclur,  der  die  Tiberbrücke  des 
Auguftus  darftellt.  II.  Theil,  Taf.  3.  Rechts  unten 
„G.  M". 

5.  Große  Feftlichkeit.  Im  Mittelgrunde  querüber 
ein  phantaftifcher  fchiftartiger  Aulbau,  von  dem  nach 
vorn  eine  Brücke  führt.  Viele  Figuren  mit  antikifirenden 
Coftümen.  Zwar  fand  fich  keine  Signatur,  doch  ift  es 
zuverläßig  von  derfelben  Hand,  wie  die  fignirten  Ge- 
mälde derfelben  Suite. 

6.  Der  Kolofssu  Rhodos.  Nach  der  Tafel  mFi/chers 
hiftorifcher  Architectur  I.  Nr.  8.  Nicht  fignirt,  aber  von 
derfelben  Hand,  wie  die  übrigen  Bilder  der  Suite. 

7.  Große  Siegesflraße,  die  gegen  eine  phantaftifch 
gebildete  Stadt  zuführt.  Rechts  vorn  der  Triumphator 
auf  einem  Viergefpann.  Im  fernen  Mittelgrunde  ein 
Triumphbogen.  Nicht  fignirt,  aber  von  derfelben  Hand 
wie  die  übrigen  Bilder  der  Suite. 

8.  Phantaftifch  geftaltete  Pyramide.  Wenige 
Figuren.  Rechts  unten  bezeichnet:  „G.  Minder  Hout." 

9.  Steile  Pyramiden,  von  Büften  bekrönt.  Mitten 
eine  riefige  Stufenpyramide,  auf  welcher  Leute  empor- 
fteigen.  Rechts  unten  das  Handzeichen:  „G"M". 

10.  Phantaftifcher  Rundbau  in  einer  großen  Hafen- 
ftadt.  Gebäude  im  Charakter  der  Spät-Barocke.  Rechts 
unten:  ,.G-M". 

11.  Mitten  eine  Art  Abbildung  der  Trajanjäulc. 
Im  Mittelgrunde  und  Hintergrunde  fymmetrifch  ver- 
theilte  antikifirende  Bauten.  Beiderfeit'-  je  ein  Reiter- 
denkmal. Nach  Fifclicr's  hiftorifcher  Architcflur  Th.  11, 
Taf   3.  Rechts  unten:  „G-M". 

12.  Der  Salomonifclie  Tempel.  Nach  Fifclier's 
hiftorifcher  Archite6lur  Theil  II,  Taf  2.  Rechts  unten 
bezeichnet:  „G" Minder  Hout". 

13.  Rennbahn  (Circus).  Links  unten  die  Signatur: 
„G- Minder  Hout-'. 

14.  Das  Maiifoleum  der  Artemifia.  Nach  Fifclier's 
hiftorifcher  Architeflur  Theil  II,  Tafel  6.  Links  unten 
das  Handzeichen:  „G'M". 


15.  Naumachia.  Amphitheater,  in  welchem  eine 
Seefchlacht  aufgeführt  wird.  Nicht  nach  i^?y?//^r'j  Dar- 
fteilung einer  Naumachia.  Links  unten  das  Hand- 
zeichen  „G'M". 

16.  Opferfeft  vor  einem  großen  antikifirenden 
Tempel  von  dipteraler  Anlage.  Viele  nette  Figürchen. 
Links  unten:  „G' Minder  Hout". 

17.  Moles  Hadriani,  in  phantaftifcher  Weife  recon- 
ftruirt.  Soweit  ich  meiner  Erinnerung  trauen  darf  nicht 
nach  Fifclier.  Rechts  unten:  „G"M". 

18.  Rieliger  Leuchtthurm,  womit  wohl  der  von 
Alexandria  gemeint  ift.  Kaum  nach  Fifchers  Tafel  mit 
dem  Leuchtthurm  von  Alexandria.  Nicht  fignirt,  doch 
ficher  von  derfelben  Hand,  wie  alle  übrigen  Bilder  der 
Suite. 

Vielleicht  gibt  diefe  Notiz  dazu  Anlafs,  eine 
Beziehung  perfönlicher  Art  zwifchen  dem  berühmten 
Baumeifter  Joh.  Bernhard  Fifclier  v.  Erlach  und  unfe- 
rem  Mindcrhout  aufzudecken.  Vielleicht  handelt  es 
fich  auch  nur  um  eine  Ausnützung  der  Stiche  in 
Fifcher's  hiftorifcher  Architeftur,  eine  Benützung,  von 
der  Fifclier  keine  Ahnung  hatte.  Eine  in  Ausficht 
geftellte  Monographie  über  die  beiden  Fifcher  aus 
Ilgs  Feder  wird  wohl  darüber  Auffchluß  geben,  ob 
G.  Minderhout  zum  Bckanntenkreifc  der  Fifcher  ge- 
hört hat. 

Durch  die  Jahreszahl  auf  Fifcher's  Entwurf  einer 
hiftorifchcn  Architcftur  „1721"  erhalten  wir  für  die 
Minderhout'fchen  Bilder  einen  ziemlich  wahrfcheinlichcn 
Terminus  a  quo,  da  man  annehmen  kann,  dafs  die  Bilder 
nicht  fchon  nacli  den  \'orbereiteten  Stichen  oder  vor- 
bereitenden Zeichnungen  P^ifcher's  gemalt,  fondern  crft 
nach  dem  Erfcheinen  des  ganzen  Werkes  hergeftellt 
wurden.  Um  recht  weite  Gränzen  zu  ziehen,  werden  wir 
die  Entftehung  der  Gemälde  in  Jung-Wofchitz  zwifchen 
etwa  I720und  1750  anfetzen.  DcnbabylonifchenTluirm- 
bau  des  Peter  Brueghel  konnte  G.  Minderhout  damals 
in  der  Stallburg  zu  Wien  gefehen  haben.  Vermuthlich 
hat  er  ihn  dort  copirt,  fo  dafs  man  daran  die  befchei- 
dene  Vermuthung  knüpfen  kann,  G.  Minderhout  fei  zur 
angegebenen  Zeit  in  Wien  thätig  gewefen.  Der  Name 
felbft  weift  auf  die  Niederlande,  was  aber  begreiflicher- 
weife eine  Thätigkeit  in  Wien  nicht  ausfchließt. 

(Fortfetzung  folgt.) 


Die  Pfarrkirche  U.  L.  F.  zu  St.  Marein. 

Aufgenommen  und  licfcliiieben  von  Konrail  Crnologar. 


lESE  der  Mutter  Gottes  geweihte  Pfarr-  uiul 
V/^J  /iigleicJi  Decanats-Kirche  fteht  an  der  Unter- 
lilii^  krainer  Reichsftraße  im  Dorfe  .St.  Marein,  etwa 
drei  Stunden  öftlicl)  von  Laibach  entfernt.  Die  Pfarre 
wurde  frülier  „Haarlander  Pfarre"  genannt,  und  noch 
im  Jahre  1771  findet  fich  in  einem  Urbar  die  Bezeich- 
nung „ex  parochia  .Stae.  Mariae  in  Haarland".'  Diefe 
ift  eine  der  älteften  im  Lande,  denn  fchon  1228  wird 
Wh'ingus   plebanus    de   Harlant    urkundlich  crwiihnt.^ 

*  Im  Pf.irr*Archivc  zu  Sl.  Veit  hei  Sitticli. 

*  Schumi,  Urkiin^cn.    und    Rcgiftcrbuch  11.   p.  45.  L:ub.%cli   1881 — 1887, 


Im  Jahre  1497  wurde  lie  vom  Patriarchen  Nicolaus  von 
A(iuileija  dem  Klofter  Sittich  incor[)orirt  '  Nach  der 
Aufhebung  desfelben  wurde  fie  wieder  felbftiiiulig 
und  nach  der  neuen  I'jiitheilung  des  Laibacher  Bis- 
tluims  (1787)  Sitz  eines  Decanes."* 

Ueber  den  urfprünglichcn  Sitz  der  Pfarre  fcheint 
ein  Irrthum  zu  walten.  Man  ift  der  Anficht,  die  p'ilial- 
kirclie  zu  Lanisce,  einem  etwa  '/i  Stunde  weftlich  von 

'  Cat:ilo(;nft  Clcri  Diocc.  I,:ibnc, 

*  /'.  Ilitziiigtr,  „Die  kirchliche  Kinlhcihin^  Kraliis  im  Milti^hiltcr"  in 
y.   F.   Kfun's  „Archiv  für  ilie  I.andcsgefchichlc"    2    und  3.   Heft   p.  113 


—      i6i 


St.  Marein  entfernten  Dorfe,  fei  früher  Pfarrkirclic  von 
Haarland  gevvefen.'  Man  ift  wahrfcheinlich  durch  die 
alte  Benennung  „Haarland"  in  der  Bedeutung  „Flachs- 
land", welchem  der  Dorfname  Lanisce*  entfprechen 
foll,  zu  diefem  Irrtluime  gekommen.  Die  Kirche  zu 
Lanisce  ift  gothifch  und  unanfehnlich,  gewifs  zu  klein 
für  eine  fo  große  Pfarre,  die  früher  noch  beutend  großer 
war;  fie  entfpricht  keineswegs  in  ihrer  gegenwartigen 
Geflalt  dem  Jahre  1228.  Wenn  früher  an  ihrer  Stelle 
eine  romanifche  Kirche  ftand,  fo  war  jene  vermuth- 
lich  noch  kleiner;  an  der  gegenwärtigen  Kirche  zu 
St.  Marein  finden  wir  jedoch  einen  bedeutenden  ro- 
manifchen  Bau,  der  entfchieden  noch  aus  dem  13.  Jahr- 
hundert flammt. 


Regenwaffer  in  die  Kirche  eindrang,  erhöhte  man 
zweimal  den  Fußboden,  gewifs  zu  keinem  Vortheile 
der  ohnehin  niedrigen  Seitenfchiffe.' 

Die  Kirche  ift  orientirt,  322  M.  lang,  in  den 
Schiffen  13-9  M.  breit  und  im  Mittelfchiffe  7-8  M.  hoch. 
In  ihrem  gegenwärtigen  Beftande  ift  fie  drcifchiffig 
(fiehe  Grundriß,  Fig.  i,  und  Querfchnitt,  Fig.  2).  Das 
Mittelfchiff  ift  i/ö  M.  lang  und  53  M.  breit.  An  das- 
felbe  fchließt  fich  im  Weften  der  viereckige,  57  M. 
breite,  auf  flarken  aber  niedrigen  Pfeilern  und  unpro- 
filirten  Rundbogengurten  ruhende,  in  die  Fa(;ade  ein- 
gebaute Thurm,  neben  welchem  fich  die  Seitenfchiffe 
bis  an  die  Weftfront  in  nicht  ganz  regelmäßiger  Weife 
fortfetzen    und   in    diefem    Theile   um  077  M.    breiter 


II             1  1       \ 
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Fig.  I.  (Marein.) 


Die  Pfarrkirche  lieht  in  der  Mitte  des  mit  Mauern 
und  Pfarrgebäuden  begränzten  Friedhofes,  welcher  bis 
in  diefes  Jahrhundert  mit  Ringmauern  und  Thürmen 
befefligt  war.  Von  diefen  fleht  noch  ein  großer  zwei- 
llöckiger  runder  Thurm,  der  zur  Wohnung  des  Caplanes 
dient.  Das  Niveau  des  Friedhofes  ift  jetzt  höher  als 
der   urfprüngliche    Fußboden   in    der    Kirche.  Da    das 

'  „Antiquitus  a  loco  H.irlandt  (Lauise)  nuncupata-  ficht  im  Catal.  Cleii 
D.  Labac.  Schtirni  in  feinem  Archiv  für  HeimatskunJe  II,,  p.  I24  nimmt  an, 
die  Pfarre  fei  zu  Lanis'e  gewefen  und  dafs  der  Name  Lanisce  einen  Hirfch- 
wald  bedeutet.    Valvajor  erwähnt  nichts   davon. 

-  Lan  =  Flachs. 


werden.  In  gleicher  Linie  mit  dem  Triumphbogen 
enden  diefe  in  etwa  2  M.  tiefe  rechtwinkelige  Altar- 
nifchen.  Die  Seitenfchiffe  find  22"6  M.  lang;  das 
füdliche  ifl  3  M.,  das  nördliche  37  M.  breit,  und  beide 
ca.  5-2  M.  hoch.  Mit  dem  Mittelfchiffe  find  fie  durch 
drei  3-5  M.  bis  372  M.  breite  und  ca.  47  M.  hohe 
rundbogige  Oeffnungen  verbunden,  deren  Gurten 
auf  ftarken,  aber  niedrigen  Pfeilern  ruhen.   Die  Pfeiler 

*  Dies  verdanke  ich  dem  hochw.  Heim  Decane  Andreas  Drohnic, 
welchem  ich  viele  Notizen  verdanke  und  der  mich  fehr  bereitwillig  beim 
Unterfuchen  unterftiitzt  hat.  Es  fei  ihm  an  diefer  Stelle  im  Intcreffe  der 
WiITenfchaft  mein  innigfter  Dank  ausgedrückt. 


22 


* 


l62 


find  viereckig,  je  r3  RI.  und  og  M.  breit,  mit  der  breiteren 
Seite  gegen  die  Schiffe  gekehrt.  Gegen  das  Mittelfchiff 
haben  fie  0-25  M.  breite,  0-3  M.  vorfpringende,  bis  zum 
Boden  reichende  Vorlagen.  Dem  entfprechend  find 
auch  die  Gurten  gegliedert.  Die  Pfeiler  haben  einfachen 
Sockel  und  Flachgefimfe.  Den  Bogen  gegenüber  finden 
fich  in  der  Umfaffungsmauer  der  Seitenfchiffe  jederfeits 
drei  etwas  engere,  044  M.  tiefe  rundbogige  Nifchen, 
von  welchen  die  beiden  öftlichen  als  Eingänge  in  die 
erft  in  der  Neuzeit  hinzugebauten,  4*95  M.  breiten  qua- 
dratifchen,  mit  großen  Halbkreisfenftern  erhellten  und 
mit  einer  fenfterlofen  Kuppel  überwölbten  feitlichen 
Capellen  dienen.  Der  Triumphbogen  ift  4-5  M.  breit, 
66  M.  hoch  und  mit  einem  unprofilirten  Rundbogen 
gefchloffen.  Die  Seitenfchiffe  hatten  bis  zur  neueflen 
Zeit  große  Halbkreisfenfter,  feit  einigen  Jahren  her  aber 
find  an  der  Stelle  der  früheren  2'5  M.  hohe,  1  M.  breite 
nach  außen  und  innen  abgefchrägte  Fenfter  hergeftellt. 
Jedes  Schiff  hat  einen  modernen  Eingang  in  der  weft- 
lichen  Schlußwand;  der  mittlere  zeigt  die  Jahreszahl 
1S84.  Im  nördlichen  Seitenfchiffe  ift  neben  dem  Ein- 
gange ein  fteincrner  VVeihwafferkeffel  mit  der  Jahres- 


A' 


Fig.   2.  (St.  Marcin.; 


zahl  i63f.  aufgefteiit.  Im  Mittelfchiffe  ift  beim  Thurme 
der  2  1\I.  breite  auf  einem  gedrückten  Tonnengewölbe 
ruhende,  fpätcr  durch  Holz-Conflruction  nach  vorn 
erweiterte  Orgelchor  eingebaut.  Eine  enge  Treppe 
führt  aus  dem  nördlichen  Seitenfchiffe,  durch  eine  fpatcr 
aufgeführte  dünne  Mauer  von  demfelbcn  getrennt,  in 
den  Thurm. 

Die  ganze  Kirche  ift  gewölbt.  Das  Mittelfchiff  ift 
bedeutend  hölier  als  die  Seitenfchiffe,  hat  jedoch  kein 
Oberlicht.  Das  gothifche  Kreuzgewölbe  der  Schiffe 
ift  bis  zum  Thurme  ganz  regelmäßig,  in  den  Thcilen 
der  Seitenfchiffe  neben  demfelbcn  ebcnfo,  aber 
fchlechter  und  unregelmäßig  ausgeführt,  da  fich  im 
nördlichen  nur  ein  Travec,  von  den  übrigen  durcli 
einen  breiten  von  zwei  Querrippen  bcgränzten  Gewol- 
bebogen  gefchieden,  befindet,  im  füdlichen  find  .ui 
jener  Stelle  zwei  Travöcs.  Diefe  Theile  fcheincn  erft 
nachträglich  gewölbt  zu  fein.  Das  Mittelfchiff  befteht 
aus  drei,  das  nördliche  aus  vier  und  das  füdliche  aus 
fiinf  Travöes.  Die  einfach  profilirten  Rippen  ruhen  zu 
dreien  im  Mittclfchiffe  ftets  auf  einfachen  Confi^len  und 


die  Kreuzrippen  vereinigen  fich  im  erften  und  dritten 
Joche  in  glatt^iu  runden  Schlußfteinen,  im  mittlem  aber 
in  einem  größeren,  mit  einer  runden  Luftöffnung  durch- 
brochenen und  von  einem  rippenähnlich  profilirten 
Ringe  umgebenen  Schlußfteine.  In  den  Seitenfchiffen 
ift  nur  im  zweiten  Travee,  vom  Triumphbogen  aus,  je 
ein  kleiner  runder  und  glatter  Schlußftein  und  nur  im 
nördlichen  finden  fich  einige  Auflagerungs-Confolen. 
Der  mit  dem  Mittclfchiffe  ungefähr  gleich  hohe 
Chor  ift  9  M.  lang  und  5  M.  breit  und  mit  drei  Seiten 
eines  nicht  ganz  regelmäßigen  Sechseckes  gefchloffen. 
In  diefen  Schlußfeiten  ift  je  ein  vermauertes,  an  der 
inneren  Wandfläche  0"65  M.  breites  hohes  Fenfter, 
deffen  Bogen  fich  fehr  dem  Rundbogen  nähert.  Das 
mittlere  ift  im  Bogen  noch  offen  erhalten.  Bei  diefem 
erkennt  man,  dafs  die  ohnehin  nicht  fehr  breiten  Fenfter 
ftark  abgefchrägt  find  und  die  Lichtöffnung  nur  ca. 
35  Cm.  breit  war.  Zwei  auf  modernen  Pilaftern  ruhende 
unprofilirte  Rundbogengurten  theilen  das  erft  in  der 
Neuzeit  aufgeführte  Gewölbe  in  drei  ungleiche  Felder, 
welche  mit  Hängekuppeln  überfpanat  find.  An  diefer 
Stelle  hat  fich  früher  gewifs  ein  gotbifches  Gewölbe 
befunden,  welches  wahrfchciiilich  deswegen 
entfernt  wurde,  um  einen  höheren  Altaraufbau 
aufftellen  zu  können.  In  der  Nordwand  öffnen 
fich  viereckige  ziemlich  große  Fenfter,  zwei 
über,  zwei  unter  dem  modernen  Gefimfe. 
Diefen  gegenüber  find  Fenfteröffnungen  aus 
der  über  der  Sakriftei  angebrachten  Empore 
eingefügt  und  dort  ift  die  viereckige  Sacriftei- 
thür. 

Die   dem    Presbyterium    an    der  Südfeite 
angebaute,  88M.  lange  und  5  M.  breite  Sacriftei 
ift  mit  Tonnengewölbe  und  Stichkappen  über- 
wölbt; fie  reicht  weiter  gegen   Often,  als  die 
Schlußfeiten   des   Chores.  In  der  Oftwand  hat 
fie  zwei  kleine  fteinumfafste  viereckige  P'enfter 
und   an    der    Südfeite   eine    ebenfolche    Thür, 
,.»;._.»    neben  welcher  fich  eine  Stiege  auf  die  Empore 
j^f-ß     befindet.  Den  wcftlichen  Thcil,  der  durch  eine 
Gurte  von   dem  übrigen    Raum    getrennt    ift, 
bezeichnet  man  als  die  alte  Sacriftei.  Dafs  die 
Sacriftei    urfprünglich    nicht    fo    weit    gegen 
Often   gereicht  hat,   ift   erklärlich;  fie   ift  ja  größer  als 
der  Chor. 

Von  außen  betrachtet  ift  die  Kirche  recht  einfach. 
Alle  drei  Schiffe  und  der  Chor  haben  ein  gemeinfchaft- 
liches  Ziegeldach.  Die  Capellen  und  die  Sacriftei 
reichen  über  die  Umfaffungsmauer  der  Seitenfchiffe 
hinaus.  Die  Wände  find  \'erputzt,  ein  rein  conftructi\er 
Sockel  fehlt;  es  ift  möglich,  dafs  fich  der  eigentliche 
Sockel  unter  der  Erde  befindet.  Eine  einfache  Viertel 
kehle  dient  als  Gefimfe. 

Die  FaQade  ift  barock,  mit  Pilall;ern,  Trigly[)lien, 
Schnecken  und  zerftückelten  Fenftern  gegliedert.  Sie 
ift  in  keiner  conftruftiven  Verbindung  mit  dem  Innern. 
In  zwei  Rundnifchen  ftehen  zwei  hölzerne  Statuen  des 
heiligen  Petrus  und  Paulus,  ohne  allen  Kunftwerth. 
Die  drei  .Steineingäiige  find  modern  (18S4). 

Der  Thurm  über  der  Fagade  ift  maffiv,  durchwegs 
viereckig  und  kahl.  An  jeder  Seite  ift  eine  breite  und 
niedrige  mit  einem  gedrückten  Rundbogen  gefchloffene 
Schallöffining  angebracht.  Bedeckt  ift  der  Thuini  mit 
einem    ca.    19    M.    hohen    zo[)figen,     mit     Vafen     unti 


i63     — 


Schnecken  verzierten  Blcidache.  Die  Tluummauer  foll 
ca.  24  M.  hoch  fein.  Die  gegenwärtige  Gloclvcnflube 
foll  erfl  1784  efrichtet  worden  fein,  und  thatfächlich 
findet  man  im  Innern  des  Thurmcs  vermauerte  zu 
zweien  gekuppelte  Rundbogcnfenflcr  —  die  alten 
Schallöffnungen. 

Die  Seitenfchiffe  haben  an  der  Nordfeite  drei,  an 
der  Südfeite  dagegen  nur  zwei  niedrige  ungegliederte 
und  mit  einem  Pultdache  bedeckte  Strebepfeiler  (i  M. 
breit  und  ri5  M.  bis  112  M.  hervorftehend).  Der 
Mittelpfeiler  an  der  Nordfeite  ift  breiter.  Dicfer  kommt 
eben  dort  zu  ftehen,  wo  fich  im  Innern  der  oben 
erwähnte  \on  zwei  parallelen  Querrippen  begränzte 
Hogenflreifen  befindet.  An  der  entfprechenden  Stelle 
an  der  Südfeite  keine  Strebe. 

Was  das  Innere  anbelangt,  ifl:  dasfelbe  fehr  einfach 
gehalten.  Die  wenigen  Gefimfe  find  aus  fpäterer  Zeit. 
Der  Fußboden  ift  mit  Kalkfteinplatten  belegt.  Vor 
dem  Triumphbogen  und  in  der  nördlichen  Capelle  ift 
je  eine  Gruftplatte  zu  fehen.  Der  Chor  ift  mit  Wand- 
gemälden des  jün^ft  verftorbenen  Malers  und  Bild- 
hauers Stephan  Subic  aus  Pölandt  bei  Bifchoflack 
geziert.  Die  Kircheneinrichtung  ftammt  aus  neuerer 
Zeit. 

Wenn  man  jedoch  das  Innere  wie  das  Aeußere 
genau  betrachtet,  von  den  entfchieden  neu  zugebauten 
Theilen  abfehend,  fo  taucht  die  Vermuthung  auf,  dafs 
man  es  hier  mit  einem  urfprünglich  idteren  als  einem 
gothifchen  Bau  zu  thun  hat.  Die  rundbogigen  Längs- 
gurten, die  ftrammen  Pfeiler,  die  Nifchen  in  den 
Seitenfchiffen,  die  formlofen  Strebepfeiler  paffen  doch 
nicht  zu  dem  ftreng  conftructiven  gothifchen  Gewölbe. 

Man  mufs  hervorheben,  dafs  man  unter  dem 
Kirchendache  die  Wände  verputzt  findet.  Die  Kirche 
hat  entfchieden  flache  Decken  gehabt. 

Wenn  man  die  ganze  Anlage,  die  Längsgurten 
und  die  allerdings  ftark  veränderten  Lichtgadenfenfter 
des  Mittelfchiffes  in  Betracht  zieht,  und  dies  alles  mit 
der  beffer  erhaltenen  Sitticher  Klofter  kirchevergleicht, 
fo  bleibt  es  nicht  fchwer  zu  begreifen,  diefe  Kirche 
müße  noch  aus  romanifcher  Stylperiode  flammen. 

Die  Pfarrkirche  zu  St.  Marein  war  als  dreifchiffige 
flachdeckige  Pfeiler-Bafilica  mit  Chorquadrat,  einer  Art 
Nebenchören  und  Lichtgaden,  aber  ohne  Ouerfchiff 
angelegt. 

Unter  dem  Dache  fleht  man  die  Wände  des  Mittel- 
fchiffes und  den  Triumphbogen,  foweit  diefe  über  das 
Gewölbe  reichen,  an  der  Innenfeite  verputzt,  ebenfo 
den  Chor  bis  circa  5  M.  vom  Triumphbogen,  wo  fpäter 
hinzugebaute  Mauern  des  Chorfchlußes,  ungefähr  dort, 
wo  das  crfte  Pilafterpaar  unten  im  Chore  fteht,  be- 
ginnen (vgl.  Fig.  I.).  Die  Seitenwände  des  Mittelfchiffes 
erheben  fleh  ungefähr  i'/^  M.  über  das  Gewölbe  des- 
felben.  In  diefen  Wänden  flnd  jederfeits  drei  ftark 
umformte,  circa  v6  M..  breite,  14  M.  hohe  Nifchen, 
welche  an  der  Außenfeite  in  06  bis  oy  M.  breite 
und  07  bis  O'S  M. '  hohe  viereckige  Oeffnungen,  welche 
jedenfalls  erft  fpäter  diefe  Form  erhalten  haben, 
münden.  Solche  findet  man  auch  in  den  Chorwänden. 
Steigt  man  auf  das  Gewölbe  der  Seitenfchiffe  hinab, 
fo  fleht  man  die  Mauern  des  Mittelfchiffes  aus  großen 
Tuffcjuadern  ausgeführt;  um  die  erwähnten  viereckigen 

'  ]);i  die  M.-ißzahlen  unter  dem  Dache  bedeutend  vaiüren,  kann  man 
nicht  ganz  beftimmte  Zahlen   angeben. 


Oeffnungen  ift  Mörtelverputz.  Die  Seitenfchiffswände 
find  ebenfalls  einige  Centimeter  über  das  Gewölbe 
verputzt,  foweit  das  Mittelfchiff  reicht.  Die  Nifchen 
ftehen  eben  über  den  Rundbogengurten.  Diefe  können 
nurUeberrefte  der  ehemaligen  Lichtgadenfenfter  fein. 
Welche  Form  und  Größe  diefelben  hatten,  und  warum 
fie  fpäter  umformt  worden,  laßt  fich  nicht  feftftellen. 
Man  fieht  auch,  dafs  die  urfprüngliche  weftliche 
Abfchlußmauer  des  Schiffes  niedergeriffen  wurde,  als 
dort  der  Thurm  angebaut  wurde.  Hier  endet  auch  der 
Verputz  der  Seitenfchiffe;  diefe  mußten  daher  erft, 
nachdem  der  Thurm  aufgeführt,  oder  mindeftens  zu 
gleicher  Zeit  mit  demfelben  gegen  Werten  erweitert 
worden  fein.  Beim  Chore  reichen  die  Ouaderreihen 
nicht  bis  zur  Hohe  der  Mittelfchiffsmauern.  Hier  ift  die 
Jahreszahl  1776  in  eine  Mörtelfchichtc  eingeritzt.  Der 
Chorfchluß  und  der  obere  Theil  des  Chorquadrats  ift 
aus  Bruchftein  aufgeführt. 

Zieht  man  das  bisher  Gefagte  zufammen,  fo  folgt 
daraus: 

1.  Dafs  die  fenkrechten  Theile  vom  Thurme  bis 
zum  erften  Pilafterpaare  im  Chore,  die  Capellen  und 
die  Sacriftci  ausgenommen,  älter  als  das  gothifche 
Kreuzgewölbe  fein  müßen; 

2.  dafs  diefe  Theile  früher  eine  flache  Decke 
hatten  und  das  Mittelfchiff  und  Chor  einen  Lichtgaden; 

3.  dafs  die  übrigen  Beftandtheile  erft  nach  und 
nach  hinzugekommen  find. 

Der  Thurm  wurde  entfchieden  fpäter  aufgebaut,  da 
man  zu  diefem  Zwecke  die  weftliche  Mauer  des  Mittel- 
fchiffes niedergeriffen  hatte.  Vielleicht  gefchah  dies, 
als  man  die  Schiffe  mit  Gewölben  verfah  und  den  Chor 
erweiterte.  Der  Thurm  hat  nichts  von  der  Gothik  an 
fleh.  Die  Theile  der  Seitenfchiffe  neben  dem  Thurme 
konnten  doch  erft,  nachdem  der  Thurm  fchon  ftand, 
aufgeführt  und  gewölbt  werden.  Wenn  man  das  un- 
regelmäßige Gewölbe  in  diefen  Theilen  betrachtet, 
kann  man  zum  Schluße  kommen,  die  Seitenfchiffe  feien 
erft  verlängert  worden,  nachdem  die  Schiffe  fchon  ge- 
wölbt waren. 

Die  Seitenmauern  waren  jedenfalls  dort  am 
fchwächften,  wo  die  Mauern  anfchließen.  Im  füdlichen 
Seitenfchiffe  ift  aber  eben  dort  kein  Strebepfeiler,  ver- 
muthlich,  weil  hier  zwei  Travees  aufgeführt  worden 
flnd  und  weil  das  füdliche  Seitenfchiff  enger  ift.  Im 
nördlichen  Seitenfchiffe  ift  nur  ein  Travee  und  das 
Seitenfchiff  breiter,  daher  war  es  nothwendig,  an  diefer 
Seite  einen  viel  kraftigeren  Strebepfeiler  zu  errichten  als 
die  übrigen  find. 

An  der  Außenmauer  find  die  Strebepfeiler  jeden- 
falls erft  aufgeführt  worden,  als  man  die  Kirche  einzu- 
wölben  begann,  denn  bei  ebenen  Decken  flnd  folche 
nicht  nothwendig  gewefen. 

Die  Capellen  find  erft  nach  1689  errichtet  worden, 
da  Valvafor  bei  der  ]?efchreibung  diefer  Kirche'  wohl 
die  drei  Altäre  aufzählt,  die  Capellen  jedoch  nicht 
erwähnt. 

Nach  dem,  was  noch  vorhanden  ift,  war  diefe 
Kirche  urfprünglich  eine  dreifchiffige  Bafilika  mit 
Chorquadrat  und  ebenen  Decken.  Das  Aeußere  war 
aus  Tuffquadern,  das  Innere  verputzt  und  übertüncht. 
Die  Schiffe  waren  im  Lichten  circa  17  M.  lang  und 
13-9  M.  breit.  Die  Seitenfchiffe  hatten  an  ihrem  öftlichen 

I  Valv.   Vni.,  p.   764. 


—      164 


Ende  eine  Art  kurzer  Nebenchöre.  Vermuthlich  hatte 
der  Chor  eine  Apfis. 

Wenn  das  noch  Vorliandene  auch  einer  fo  weit- 
läufigen Abhandlung  nicht  werth  erfcheint,  dennoch 
ift  diefer  Bau  zur  Beurtheilung  der  noch  zu  erforfchen- 
den  romanifchen  und  gothifchen  Bauten  nicht  ohne 
Bedeutung.  Die  Kirche  zu  St.  Marcin  bildet  eine 
gewiffe  nicht   zu   iiberfehende    Stufe  in  der  Reihe  der 


bis  jetzt  bekannt  gewordenen  romanifchen  Bauten. 
Vom  unfcheinbctren  Karner  zu  Obernaffenfuß  bis  zur 
großartig  angelegten,  60  M.  langen  Stiftskirche  zu 
Sittich  find  alle  Arten  der  romanifchen  Kirchenbauten 
in  Krain  erhalten.  Im  formellen  Sinne  ifi:  bis  jetzt  die 
Bafilica  zu  St.  Marein  die  erfte,  fchwerlich  aber  die 
einzige  in  ihrer  Art. 


Alt-römifche  Tintenfäffer  im  Mufeum  von  Spalato. 


Befpruchen   vom  Confervator   Diredor  Bultc. 


XTER  den  kleineren  metallenen  antiken,  be- 
r  'iidersderHaus-IndufirieunddeniHausbedarfe 
angehörenden  Gegenftänden,  welche  fich  zahl- 
reich im  Mufeum  von  Spalato  vorfinden  und  größten- 
theils  aus  Salona  und  deffen  nächfter  Umgebung 
flammen,  verdienen  befondere  Aufmerkfamkeit  mehrere 
römifche  Schreibbehelfe,  welche  in  der  letzten  Zeit  in 
der  vom  k.  k.  Handels- 
Minifterium  veranftalteten 
Ausftellung  des  Poft- 
Mufeums  in  Wien  ausge- 
flellt  wurden. 


o 


l'i«. 


(Salona.)        Fig.  2. 


gewefen:  Ein  Zirkel,  zwei  metallene  Federn,  und  fol- 
gende Tintenzeuge  (atramentarium,  \i.iK(x\i'jui-/Tj,  mKol- 
ixd(^'.tiv),  welche,  fowohl  was  ihre  Form,  als  auch  den 
Inhalt  betrifft,  eine  fpecielle  Erwähnung  verdienen, 
und  von  welchen  hier  im  Folgenden  eine  kurze 
Befchreibung  fammt  Illuftration  gegeben  wird.  Der 
Gegenftand  in  Fig.  i  in  natürlicher  Größe  gegeben, 
ift  eine  cylindrifche  bronzene  Büchfe  mit  mehreren  in 
das  Metall  felbft  eingeritzten  auf  einer  Drehbank 
hergeftellten  Reifen,  und  zwar  fo,  dafs  fie  ihrer  ganzen 
Länge  nach  in  drei  Theile  getheilt  erfcheint.  Der  Deckel 
bildet  eine  Verlängerung  der  Büchfe  und  fchließt 
genau  den  oberen  Theil  derfelben.  Die  zwei  Grund- 
flächen der  Büchfe  find  konifch  vertieft,  a  mit  einer 
centralen  Erhöhung,  in  welcher  die  Spuren  der  Zapfen 
der  Drehbank  noch  fichtbar 
find.  Der  Gegenftand,  wie  er  im 
Jahre  1886  in  Salona  gefunden 
wurde,  war  beim  Deckel  ver- 
roflet;  dcrfelbe  wird  im  Mufeum 
von  Spalato  unter  der  Zahl  1927, 
Cat.  H  aufbewahrt  und  diente 
als  Tintenbehälter.  Der  zweite 
Gegenftand  (f  Fig.  2  in  natiu'- 
lichcr  Größe),  welcher  im  Jahie 
1887  in  Salona  gefunden  wurde, 
ficht  dem  vorhergehenden,  was 
die  Form  betrifft,  ähnlich,  nur 
befitzt  er  eine  Reihe  von  Reifen 
mehr,  weil  er  höher  ift,  und  ent- 
hielt gleich  dem  anderen  ein 
fchwarzes  Pulver,  nämücli  die 
Tinte.  Er  befindetfich  iniMufeimi 
unter   Zahl   2243.    Der   Gegen- 


ftand   unter    der    I""ig.    3, 


l'jy.  J.  i-Salou.i.j 


Unter  diefcn  find  mehrere  metallene  Schreibflifte 
(fliligraphia)  in  verfchiedencn  I'"ormen  und  Dinicnfioncn 


im    Jahre    1884    in     Salona     in 

mehreren  Stücken  gefunden  uiul  dann  zufammcnge- 
fctzt  und  completiert  wurde,  ift  auch  cylinderartig;  er 
bildet  eine  Büchfe  mit  Verzierungen  verfehen  und  weift 
mehrere,  wahrfcheinlich  auf  der  Drehbank  hergeftellte 
Reifen  auf;  dcrfelbe  füll  auch  Tinte  enthalten  haben  und 
befindet  fich  im  Mufeum  unter  der  Zahl  1277.  Der 
folgende  Gegenftand,  welcher  vor  mehreren  Jahren 
und  vermutiilicii  auch  in  Salona  gefunden  wurde  und 
im  Mufeum  unter  Zahl  147  vorkommt  (hier  unter  der 
Fig.  4  in  drei  Theilen  angegeben),  ift  ebenfo  cylinder- 
artig, nur  dafs  er  fich  gegen  das  ICnde  etwas  konifch 
verengt.  Derfilhe  ill  dji-iifu  au^  lärcm/.e  verfcrligct  und 


lös 


noch  voll  Tinte  aufgefunden,  die  mit  der  Zeit  felbfl- 
verlländlich  zu  einer  harten  Maffe  geworden  ift.  In  der 
Mitte  der  oberen  Fläche  desfelben  ift  eine  Oeffnung 
zum    Eintauclien    der    Feder    angebracht.    Der   obere 

Theil  (feparat  unter 
Fig.  a  angegeben) 
macht  den  Deckel  aus; 
diefer  befteht  aus  drei 
concentrifchen  Ringen, 
zwifchen  denen  der 
RaiHii  mit  einer  Art 
Emaillloff  ausgefüllt  ift. 
Der  äußere  Zwifchen- 
räum  befteht  aus  einem 
aus  fchvvarzblauer  Pafta 
gemachten  Email,  auf 
welchem  weiße  kreuz- 
förmige Blumenverzie- 
rungen angebracht  find. 
Der  zweite  Zwifchen- 
raum  befleht  aus  grü- 
nem Email,  welches 
ebenfo  wie  der  erfte,mit 
weißen  kreuzförmigen 
Blumen  verfehen  ift. 
Das  mittlere  Feld  bildet 
ein  gelbliches  Email 
mit  fünfblättrigen  Blu- 
men, von  denen  die  in 
der  Mitte  weißfarben 
ift,  die  übrigen  vier 
herum  aber  fcliwarz. 
Der  Deckel,  der  am 
Rande  gefchädigt  und 
mangelhaft  ift,  befaß  am 
unteren  Theile  einen 
Zapfen  aus  demfelben 
Metalle  und  pafste  in 
die  Oeffnung  der 
Büchfe,  w^o  er  natürlich 
als  Verfchluß  diente. 

Unter  allen  Tinten- 
fäffern  von  Salona  ift 
aber  das  intereffantefle 
dasjenige,  das  wir  hier 
(unter  Fig.  5  in  natür- 
licher Größe)  geben.  Es 
befteht  aus  zwei  neben- 
einander gelötheten 
bronzenen  Cylindern,  am  äußern  Rande  mit  je  zwei 
erhabenen  Reifen  verfehen.  Jeder  diefer  zwei  Cylinder 
ift  mit  einem  kleinen  runden  Deckel,  der  die  Hälfte 
der  oberen  Grundfläche  ausmacht  und  um  eine  Schar- 
niere drehbar  ift,  verfehen.  An  einer  Seite  des  kleinen 
runden  Deckels  ift  gegenüber  der  Schaniere  ein  Ver- 
fchluß in  Form  eines  drehbaren  Zapfens  angebracht. 
Um  den  Deckel  zu  verfchließcn  dreht  man  den  Zapfen 
fo  lang,  bis  der  untere  Auslauf  desfelben  an  den  Rand 
des  Cylinders  anftößt;  beim  Oeffnen  desfelben  dreht 
man  den  Zapfen  bis  deffen  Querlauf  vom  Rande  weg- 
kommt. Um  das  Tintenzeug  tragen  zu  können,  fchob 
man  zwifchen  die  zwei  Verfchlußzapfen  eine  recht- 
eckige, mit  einem  Ringe  (der  aber  verloren  gegangen 
ift,  und  deswegen  neuerfetzt  werden  mußte)   verfehene 


Fig.  4.  (Salona. 


Platte  [a],  welche  an  den  zwei  kürzeren  Parallelfeiten  in 
der  Mitte  halbkreisförmige  Einfchnitte  befitzt,  in 
welche  die  Zapfen  zu  Hellen  kamen,  dicfe  wurden  dann 
umgedreht,  und  dadurch  wurde  das  Tintenzeug  ver- 
fchloffen  und  die  ringtragende  Platte  an  dasfelbe  be- 
feftiget. 


Fig.  5.  iSiculi.) 

Diefes  w'egen  feines  Verfchlußes  fo  intereffante 
Tintenzeug  ift  im  Jahre  1888  in  Sicitli,  jetzt  Biac,  bei 
Caftelnuovo,  20  Km.  vveftlich  von  Salona  in  der  Rich- 
tung von  Trau  fammt  anderen  metallenen  Gegen- 
fländen:  Schnallen,  chirurgifchen  Inftrumenten,  Schlüf- 
feln,  Zahnftochern,  Ohrlöffelchen  und  Spiegeln  gefun- 
den worden  und  wird  jetzt  im  hiefigen  Mufeum  unter 
der  Zahl  2372  aufbewahrt.  Es  ficht  jenem  ähnlich, 
welches  im  Culturhiftorifchen  Bilderatlas  von  Schrei- 
ber, I.  Alterthum,  Tafel  XCI,  Illuftration  5,  angegeben  ift. 

Die  befagten  Tintenfäffer  enthielten  alle  eine 
größere  oder  kleinere  Quantität  von  Tinte  im  verhär- 
teten Zuflande,  von  welcher  Hofrath  Dr  Alexander 
Bauer,  Correfpondent  der  k.  k.  Central-Commiffion 
folgende  chemifche  Analyfe  geliefert  hat: 

„Nach  der  Meinung  der  meiflen  Striftfteller  glich 
die  Tinte  der  Alten  unferen  heutigen  Arten  von  Tufch. 
Flinius,  Vitruvius  fowie  Diocorides  befchrieben  die 
Tinte  als  eine  Mifchung  von  Ruß  oder  Lampenfchwarz 
mit  Leim  oder  Gummi.  Diefer  Mifchung  wurde  nach 
einigen  Angaben  die  vom  Tintenfifch  gewonnene 
Tinctur  zugefetzt,  fowie  auch  Metallfalze  (Vitriole)  von 
den  Alten  bei  der  Herflellung  von  Tinte  angewendet 
worden  fein  dürften,  denn  bei  \'ielen   griechifchen  und 


i66     — 


römifchen  Manuscripten,  die  im  Mittelalter  durch 
Radirung  entftellt  wurden, hat  man  foviei  vitriolhaltigen 
Stoff  (?)  gefunden,  dafs  man  fie  durch  Anwendung 
chemifcher  Mittel  wieder  leferlich  machen  konnte. 
Nach  Holtz-Oßenwald  wurde  mit  dem  Ende  des  3. 
Jahrhunderts  n.  Chr.  eine  Abkochung  aus  Weinhefe  (?), 
das  „Rebenbraun"  zuerft  in  Griechenland  zur  Erzeu- 
gung von  Tinte  angewendet  und  herrfchtc,  die  meiften 
Handfchriften  der  antiken  Welt  umfaffend,  bis  zur 
Einführung  der  Gallustinte  im  14.  Jahrhundert,  welche 
übrigens  eine  arabifche  Erfindung  ilT:,  fowie  die  Tufche 
als  eine  Erfindung  der  Chinefen  angefehen  werden 
muß,  wo  fie  fchon  in  der  Zeit  von  260—220  v.  Chr.,  ja 
in  nur  wenig  vollkommener  Form,  nach  Jainetat,  fchon 
2697 — 2597  V.  Chr.  angefertigt  wurde. 

„Mit  Rückficht  auf  diefe  Verhältniffe  wurde  der 
Inhalt  der  vorgelegten  vier  Gefäße  einer  eingehenden 
Prüfung  unterzogen,  wobei  zu  bemerken  kommt,  dafs 
bei  den  beiden  größeren  Gefäßen  die  Zerflörung  fchr 
weit  vorgefchritten  und  der  urfprüngliche  Inhalt  der- 
felben  durch  äußere  Einflüße  jedenfalls  bedeutend 
verändert  und  in  fehr  erheblichem  Maße  mit  fremden 
Stoffen  verfetzt  erfcheint,  während  die  nur  wenig  alte- 
rirten  länglichen  Röhrchen  in  erhöhtem  Maße  hoffen 
ließen,  etwas  vom  urfprünglichen  Inhalt  als  l'robc- 
material  zu  erlangen. 

„Thatfächlich  wurde  aus  einem  folchen  Röhrchen 
durch  eine  bereits  vorhanden  gewefene  kleine  Oeffnung 
mit  Hilfe  eines  Platin-Drahtes  ein  fchwarzes  Pulver 
hcrausbefördert,  welches  zum  Theil  aus  überaus  feinem 
lockeren    Kohlenftoff   beftand,    der   ganz    die    Eisjen- 


fchaften  von  feinem  Lampenruß  zeigte.  Die  Menge 
diefer  fehr  IHcht  verbrennlichen  und  etwas  Wafferftoff 
enthaltenden  Kohle  betrug  34-5  Procente  von  der 
gefammten  Subftanz  des  Röhreninhaltes.  Der  unver- 
brennliche  Reff  enthielt  hauptfächlich  Kupfer,  offenbar 
von  der  Subffanz  der  Metallgefaßc  herrührend,  und 
Kalk. 

„Der  Inhalt  der  größeren  Gefäße  enthielt:  Kupfer, 
etwas  Blei,  Spuren  von  Zinn,  Eifen,  Spuren  von  Zink 
und  Mangan,  Thonerde,  Kalk  und  Magnefia  und  war 
mit  kohlenfaurem  Kalk,  Thon  und  kiefelfäurehältigem 
Sand  (Seefand?)  fo  fehr  vermengt,  dafs  ein  ficheres 
Urtheil  über  die  Natur  des  urfprünglichen  Inhaltes  nicht 
gewonnen  werden  konnte. 

„Lösliche  Vitriole  konnten  mit  Sicherheit  nicht 
nachgewiefen  werden.  Allerdings  ließen  fowohl  der 
wäfferige  Extraft  als  auch  die  falzfaure  Löfung  der 
erdigen  Maffen  des  Inhaltes  des  größeren  Gefäßes  fowie 
der  kleinen  Röhrchen  die  Gegenwart  von  Schwefelfäure 
nachweifen,  allein  ob  diefe  von  Vitriolen  herrührt, 
und  ob  überdies  diefe  in  der  urfprünglichen 
Maffe  enthalten  waren,  kann  felbftverftändlich  nicht 
angegeben  werden. 

„Auf  organifche  Stoffe  zu  prüfen  mußte  aus  nahe- 
liegenden Gründen  ebenfalls  verzichtet  werden.  Allein 
es  kann  auf  Grund  der  gewonnenen  Unterfuchungs- 
refultate,  mit  befonderer  Berückfichtigung  des  Nach- 
weifes  der  Kohle  in  den  länglichen  Rohrchen,  der 
Schluß,  dafs  hier  fcincrzcit  eine  kolilenhällige  Tinte 
vorhanden  ivar,  immerhin  als  nicht  unbegründet 
angefehen  zvcrden}'' 


Das  ehemalige  Ciftercienferftift  Welehrad  (Mähren). 

Aufgenommen  und  befclirieljen  vom  Architeklen  rrufeffor  Auguß  I'rokiyp.  U.  1;.  Confcrvator.  ' 

(Mit  2  Tafeln.) 

II. 


Diefe  Fundirung  erklärt  ficli  aus  der  allgemeinen 
Erhöhung  des  ganzen  Terrains  um  2  —  2'/,^  M.,  alfo 
auch  aus  einer  fpäteren  Möherlegung  des  Kirchen-  und 
Kreuzgang-P'ußbodens  etc.  Diefe  Auffchiitlung  gefchah, 
weil  man  dem  fchädigenden  Einflüße  des  Grundwaffers 
und  den  Uebcrfchwemmungen  entgehen  wollte.* 

Ein  weiterer  Beweis,  dafs  die  Kirche  von  Haus 
aus  nur  cheifchiffig  gewefen,  ergab  fich  durch  folgende 
Unterfucliung:  An  der  Längsmauer  des  nördlichen 
Scitenfchiffes  ficht  man  in  gleichen  Entfernungen  von 
je  575  M.  vertical  aufflcigende  lichte  Streifen ;  man 
hielt  dafür,  dafs  felbe  von  den  aus  der  Gruft  aufwärts 
füiirendcn  Ventilationsfchläuchen  iierrühren.  Jedem 
Sachverfländigen  aber  drängt  fich  fofort  die  Ueber- 
zcugung  auf,  dafs  dies  die  alte  (von  der  jetzigen  Tra- 
vee-Anordnung  abweichende)  Jochtheilung  der  Seiten- 
fchiffe  war,  refpeflive  dafs  diefe  lichten  Streifen  von 
den    Lifenen   der   Seitenfchiff-Außenmauer    herrühren. 

'  Im  I.  Artikel  dicfcs  Aufrntzcft  ift  in  der  i.  Kußnote  fl.-ilt  friedlich 
nfcindlich**  zu  lefcn. 

'  I'cr  Ciftercienfer  Ordens-  Pricflcr  //ermann  fchrciht  in  den  Wcichradcr 
Aiinalen,  d.-ifi^  die  Kirche  hilosn  et  .'iijiiosa  war. 


Durch  Bloslegung  des  Mauerwerkes  trat  auch  die 
alte  romanifche  Seitenfchiffmauer  zu  Tage;  die  Lifenen 
fljrangen  15  Cm.  vor;  durch  die  Vorbleiulung  einer 
halblleinftarken  Ziegelmauer  kam  die  Lifenen-Vorder- 
fläche  mit  in  die  neue  Mauerflucht  zu  liegen,  fo  dafs  fie 
verfchwand,  was  nothwendig  war,  weil  man  beim  Um- 
baue der  Kirche  flatt  der  früheren  zehn  Joche  deren 
nur  fieben  tlurchführte. 

Außerdem  kam  bei  diefer  Unterfucliung  auch 
ein  altes  romanifches  Fenfter  zum  Vorfchein.  Die  Sohl- 
bankunterkante  diefes  P'enflers  liegt  nur  62  Cm.  höher 
über  dem  jetzigen  Terrain;  da  aber  eine  Grabung  erft 
bei  2'/j  —  3  M.  den  gewachfenen  Grund  ergab,  mußte 
das  Fenüer  ehedem  fich  über  3  M.  über  dem  damaligen 
Terrain  befunden  haben. 

Das  ganze  Klofferterrain  wurde  alfo  2'/^  — 3  M. 
hoch  aufgefcliültet;  zugleich  wurden,  wie  fchon  gefagt, 
das  Pflafter  iler  Kirche  und  die  I""ußböden  anderer 
Räume,  fo  auch  des  Kreuzganges  etc.  höher  gelegt; 
darin  liegt  alfo  die  ICrklärung,  warum  der  Sciiweller 
des  im  .Siiätfrülijahr  1.S91  im  füdlichen  Kreii/.gange  auf- 


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Mittheilungen  der  k.  k.  C,  Com.  1893. 


TAF.     111. 


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167     — 


gedeckteil  lomanifclien  Portales  i  '/^  M.  tiefer  liegt  als 
das  dermalige  Pflafter  des  Kreuzganges.' 

Alle  an  diefes  Portal  (Tafel  II)  geknüpften  Muth- 
maßungen,  dafs  dasfelbe  den  Eingang  zu  einer 
Kirche  gebildet,  dafs  dahinter  vielleicht  das  Grab  des 
heil.  Methudius  zu  finden  fei  oder  gewefen  war  etc.,  fo- 
wie  endlich  die  Behauptung,  dafs  das  Portal  einer 
weit  früheren  Periode  als  der  Erbauung  der  romani- 
fchen  Kirche  durch  die  Ciftercienfer  angehöre,  find 
hinfällig.  Das  Portal  wurde,  wie  der  ehemalige  Kreuz- 
gang mit  der  Kirche  gleichzeitig  erbaut,  zeigt  mit  den 
Apfiden  verwandte  Formen  und  Technik;  es  führte 
(fiehe  Tafel  i)  einll  in  das  anftoßende  Refektorium, 
welches  an  derfelben  Stelle,  aber  unter  dem  dermaligen 
höherliegenden  Refe6lorium  gelegen  war  und  auch  die 
gleiche  Größe  hatte.  In  der  nordöftlichen  Ecke  diefes 
unteren,  jetzt  als  Keller  dienenden  Raumes  laffen  fich 
noch  die  Umfaflungsquadern  des  alten  Brunnens  er- 
kennen ;  auch  einige  romanifche  .Steinmetzzeichen 
treten  uns  hier  entgegen. 

In  dem  jetzt  als  Weinkeller  benützten,  an  der 
Oftfeite  des  Kreuzganges  befindlichen  Räume  fieht 
man  gleichfalls  romanifches  Quaderwerk;  in  der  nord- 
weftlichen  Ecke  diefes  Raumes,  der  früher,  weil  ober 
Terrain  liegend,  eine  andere  Beflimmung  hatte,  be- 
findet fich  eine  vermauerte  Thüre,  welche,  wenn  wir 
die  Anfchüttung  abrechnen,  einft  auf  den  damals  tiefer 
liegenden  romanifchen  Kreuzgang  hinaus  leitete. 

Eine  fchließlich  an  der  Oftfeite  der  Kirche,  bei 
der  Ilaupt-Apfide  angeordnete  Grabung  brachte  die 
Oberkante  des  jetzt  verfchütteten  Sockelprofiies  der 
Apfide  fi5  M.  unter  dem  beftehenden  Terrain  zu  Tage 
und  zeigte,  dafs  die  Apfide  unter  das  jetzige  Niveau 
noch  2'37  M.  tiefer  herabreichte;  eine  Grabung  von 
weiteren  80  Cm.  brachte  endlich  die  Eundamentfohle 
zum  Vorfchein. 

Liegt  diefe  fomit  3- 17  M.  unter  dem  heutigen 
Terrain,  fo  ergibt  fich,  da  wir  von  diefem  Maße  die 
ringsherum  durchgeführte  Anfchüttung  von  2'40  M. 
abziehen  müßen,  die  Lage  des  früheren  Kirchenfuß- 
bodens und  folgt  weiter  daraus,  dafs  hier  niemals  eine 
Krypta  fein  konnte,  weil  unter  dem  ehemaligen  Kirchen- 
fußboden nur  ein  Fundaments-Mauerwerk  in  der  Höhe 
von  80  Cm.  vorhanden  ift. 

Ebenfo  war  die  Behauptung  bezüglich  der  ge- 
wefenen  Balkendecke  oder  der  flachgedeckten  Bafilika 
eine  ganz  und  gar  unrichtige.  Nirgends  ober  den 
Wölbungen  bis  zu  ihrem  Anlaufe  herab  finden  wir  im 
alten  romanifchen  Mauerwerk  Spuren  von  Balkenauf- 
lagen, von  Auflage-Confolen  oder  von  Ausfparungcn 
im  Mauerwerk,  noch  weniger  die  Refte  verkohlter 
Balken. 

Wohl  find  in  den  Kreuzarmen  der  Kirche  Mauer- 
löcher zu  fehen;  aber  diefe  Löcher  befinden  fich  niir 
in  dein  aus  fpäterer  Zeit ßaniinenden  Zicgelmaucrwcrk, 
und  die  Balkenrefte,  welche  Meretta  gefehen,  waren 
Theile  eines  proviforifchen  Fußbodens,  der  über  einem 
Theile  der  Kirche  beftanden  hatte  und  der  vor  und 
von  ihm  felbft  wegen  des  defekten  Zuftandes  entfernt 

'  Casopis  1891,  157.  Ingenieur  AI.  Pallat  und  Architekt  K.  Lerny  ver- 
legen die  Entftehung  des  Portales  richtig  in  das  13.  Jahrhundert.  Casopis  1892, 
S.  30.  J.  D.  Stocek  fchreibt  dagegen  mit  Unrecht  den  -apfiden  und  dem  Portale 
einen  viel  alteren  Urfprung  zu.  Diefes  Portal  entflammt  dem  Anfang  des  13. 
Jahrhunderts. 

XIX.  N.  F. 


worden    war.     Von     den    angeblichen    Behauptungen 
Merctta'i,  hat  fich  fomit  keine  als  richtig  erwiefen. 

Von  der  romanifchen  Kirche  hat  fich  noch  heute 
fichtbar  k'olgcndcs  erhalten:  Das  Mauerwerk  des 
Ouerfchiffes  und  der  öftliche  Ausftoß  des  Hauptfchiffes 
über  das  Querfchiff  hinaus,  überall  mit  Lifenen  an  den 
Ecken,  dann  die  ganze  Apfidialpartie  (Mittel-Apfide  und 
zwei  kleinere  Apfiden),  die  umgebauten  und  fpäter 
erhöhten  Außenmauern  des  nördlichen  Seitenfchiffes, 
die  Fundamente  des  Kreuzganges,  des  Refc6loriums, 
das  im  Vorjahre  aufgedeckte  Portal  im  Kreuzgange, 
der  Weinkellerraum  etc. 

Nach  diefen  erhaltenen  Theilen  und  auf  Gruntl- 
lage  der  in  der  Vierung  gegebenen  alten  Mittclfchiffs- 
weite,  fowie  durch  die  an  der  nördlichen  Seitenfchiffs- 
mauererhalteneEntfernungderWand- Lifenen,  refpeftive 
der  Jochweiten,  läßt  fich  die  alte  romanifche  Kirche  im 
Gcifte  vollftändig  reconftruiren  (fiehe  Fig.  i).  Nach 
diefen  Lifenen  hatte  die  Kirche  in  den  Seitenfchiffen 
10  Joche.  Das  Hauptfchiff  befaß  nun  wirklich  nach  einem 
uns  erfreulicher  Weife  erhaltenen,  höchft  intereffantcn 
und  für  die  vorliegende  Unterfuchung  wichtigen  Bilde, 
welches  uns  Kirche  und  Klofter  vor  dem  großen 
Brande  von  1681  zeigt,'  gleichfalls  10  Joche  von  gleicher 
Breite  wie  die  Seitenfchiffe;  daraus  ergibt  fich  fomit, 
dafs  die,  nach  den  Ausmaßen  zu  den  größten  und  be- 
deutendften  Kirchenbauten  Mährens  zählende  Wele- 
hrader  Kirche  ein  nach  einheitlichein  Plane  liergeßellter 
Bau  des  fpäteren,  bereits  vollßändig  entwickelten  roma- 
nifchen Styles,  alfo  ein  Bau  aus  der  Zeit  um  1200  war. 
Die  Kirche  mußte  fomit,  von  Haus  aus,  fchon  gewölbt 
und  konnte  daher  unmöglich  eine  flachgcdeckte Bafilika 
gewefen  fein  und  hatte  nie  fünf  Schiffe  gehabt. 

Vergleicht  man  fchließlich  den  reconftruirten 
Grundrifs  der  Welehrader  Kirche  mit  jenem  der 
Klofter-Kirche  zu  Plafs,  aus  welchem  Klofter  Welehrad 
feine  Mönche  bekommen  hatte,  fo  finden  wir  vielfache 
Verwandtfchaft,  nur  ift  die  Welehrader  Kirche  wefent- 
lieh  länger;  felbe  zählt  10  rechteckige  Mittelfchiffs- 
Joche,  während  die  Kirche  zu  Plaß  deren  nur  fieben  hat. 

Auch  die  bis  jetzt  aufgefundenen  Steinmetzzeichen 
zeigen,  der  längeren  Bauzeit  von  1201  bis  mindeftens 
1238  entfprechend,  mehrere  Gruppen,  folcheromanifcher 
und  folche  aus  der  Uebergangszeit. 

1.  Aeltefter  refpeflive  frühefter  Bau;  Haupt-Apfide 
außen  : 

2.  Fortfetzung,  Kreuzgang  und  Refectoriumbau, 
und  zw.  die  Zeichen  am  romanifchen  Portal: 


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und  im  Keller  unter  dem  jetzigen  Refeftorium: 


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*  Htr/chmentzl^  ein  Welehrader  Ciftercienfer-Ordens-Priefter  (geb.  1638, 
geft.  T703),  hat  in  dem  in  der  Olmüzer  k.  k.  Studienbibliothek  befindlichen 
Manufcripte  :  „Miscellaneum  jovialium  centuriae  VII. "  diefes  Bild  mit  eingefügt ; 
dasfelbe  wurde  im  Jahre  1884  anlafsllch  der  looojährigen  Erinnerung  an  CyrÜI 
und  Methud  vom  k.  k.  milit.  geograph.  Jnftitute  in  Wien  auf  photographifchem 
Wege  vergrößert  und  vervielfältigt.  Auch  noch  ein  zweites  aus  gleicher  Zeit 
flammendes,  gleichfalls  vom  genannten  Inflitute  vervielfältigtes  Bild  der  Kirche 
zeigt  uns  diefelbe  von  der  Oft-  und  Nordfeite;  es  ift,  mit  Ausnahme  des  Thurm* 
Helmes  ein   voUftandiger  ronianifcher  Bau.  iTaf.  II.j 

23 


—      i68     — 


3.   OftTracl  des  Kreuzganges    und   Capitelfaales 
refpective  die  Zeichen  im  jetzigen  Weinkeller: 


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Auch  aufgefundene  Profile,  worunter  insbefon- 
dere  das  Bafisprofil  eines  Mittelfchiffspfeilers,  geben 
uns  über  einzelne  Details  Auskunft;  diefes  Pfeiler- 
profil zeigt  große  Verwandtfchaft  mit  dem  Pfeiler- 
profile der  Kirche  zu  Sz.  Jak  in  Ungarn  (fiehe  Jahr- 
buch der  C.  C.  Band  I),  und  da  diefe  Kirche  ein 
mit  dem  Riefen-Portale  der  Wiener  Stephans-Kirche 
verwandtes  Haupt-Portal  befitzt  und  auch  mit  dem 
berühmten  Tifchnowitzer Portale  von  1225  eine  gewiffe 
Verwandtfchaft  zeigt,  fo  darf  man  annehmen,  dafs  die 
wohl  etwas  früher  gebaute  Welehrader  Kirche  ein 
ähnhches  figuren-  und  blattwerkreiches  Pracht-Portale 
gehabt  habe. 

Nach  dem  baulich  Vorhandenen,  nach  den  vor- 
ftehenden  Unterfuchungen  und  auf  Grundlage  des 
HirfchmentzlTchen  Bildes  können  wir  uns  alfo  ein  ganz 
genaues  Bild  von  der  W' elehrader  Kirche  reconftruiren. 
Folgendes  ift  fomit  erwiefen: 

1.  Ciftercienfer  waren  es,  welche  diefe  Kirche 
zvvifchen  1201  und  123S  vom  Grund  aus  aufgebaut 
haben. 

2.  Diefelbe  war  genau  nach  dem  Baufchema  des 
entwickelten  romanifchen  Styles  aufgebaut  und  ein- 
heitlich geftaltet.' 

3.  Die  Welehrader  Kirche  gehörte  zu  den  größten, 
reichften  und  fchönften  Kirchen  Mährens.  (Brunn, 
rom.  Dom  168',  Plafs  180',  Tepl  188',  Kladrau  200', 
Welehrad  264'  lang). 

4.  Sie  war  fchon  nach  urfprünglichem  Plane  drei- 
fchiffig  gebaut  worden,  ein  viertes  und  fünftes  Schiff 
hat  nie  beftanden. 

5  Sie  wurde  dem  Plane  und  der  ganzen  baulichen 
Entwicklung  gemäß  als  gewölbte  Bafilika  errichtet ;  es 
kann  alfo  von  einer  Balkendecke  keine  Rede  fein. 

6.  Die  Ciftercienfer  (fie  waren  die  erften,  welche 
den  Kryptenbau  fallen  ließen)  hatten  auch  hier  keine 
Kr>pta  vorgcfehen. 

7.  Das  Langfchiff  zählte  im  Mittelfchiffe  zehn 
Schmal-  und  in  den  Seitenfchiffen  je  zehn  Ouadrat- 
joche. 

8.  Die  Kirche  hatte  mit  der  Kirche  Sz.  Jak  in 
Ungarn  manche  Aehnlichkeit;  fo  hatten  zum  Beifpiel 
die  Mitteifchiffspfciler  fafl  genau  diefelbe  Form  wie  in 
Sz.  Jak. 

9.  Der  aus  dem  17.  Jahrhundert  flammende  jetzige 
Kreuzgang  fteht  über  dem  alten  romanifchen,  nur  er- 
fcheint  deffcn  Pflafler  um  i'/j,  M.  höher  gelegt,  was  fich 
in  Folge  der  1587    ausgeführten  Auffchüttung   ergab.'' 

10.  Das  aufgedeckte  romanifche  Portal,  welches 
unter  einem  mit  der  Kirche  und  mit  dem  Kreuzgange 
gleichzeitig  erbaut  wurde,  führte  aus  dem  füdöfllichen 
Traclc  des  Kreuzganges  in  das  damalige  Refeftorium, 
welches  diefelbe  Lage  und  Größe  wie  das  heutige 
befaß  und  nur  tiefer  lag. 

'  Als  ernei  ßcirpicl  dtcrcft  Style»  tritt  uns  in  Oederrcich  Mciligenkreuz 
(1187)  entgegen. 

*  Abt  l-l^khartl  von  Scliwabcn  h.itt«:  nicht  nur  das  Convents-Gcbaiidc 
wieder  hcrgcftcllt,  fondern  auch  die  Aufrchiittung  um  die  Kirche  durchgerührt 
und  den  feit  1431  verödet  gcwcfenen  'rhurni  refpcdtivc  den  'rhurmlielm  er 
neuerL 


11.  Die  Kirche  hatte  fchon  nach  urfprünglichem 
Plane  einen  mächtigen  oflogonalen  Centralthurm. 

12.  Nach  dem  Hirfchmentzel'fchen  Bilde  behielt 
die  Kirche  im  Großen  und  Ganzen  und  mit  Ausnahme 
des  neueren  Thurmhelmes  die  urfprüngliche  romanifche 
Form  bis  1681  bei. 

13.  Beim  Wiederaufbaue  der  Kirche  nach  dem 
großen  Brande  von  1681  und  in  Folge  desEinflurzes  des 
Thurmes  wurde  eine  voUftändige  Umgellaltung  des 
Schiffes  vorgenommen;  llatt  der  bisherigen  zehn 
wurden  nur  fieben  Joche  angeordnet;  das  Mittelfchiff 
wurde  erbreitert;  durch  die  zur  Ausfuhrung  gekom- 
menen ftarken  MittelfchifTspfeiler  und  durch  die  vollen 
Ouermauern  bei  den  Seitenfchiffen  kommen  diefe  kaum 
zur  Geltung  und  erfcheinen  felbe  nur  wie  nach  dem 
Hauptfchiffe  fich  öffnende  Capellen. 

14.  Ueber  der  Vierung  wurde  in  der  Renaiffance- 
zeit  eine  Kuppel  ausgeführt,  welche  einen  niedrigen 
hölzernen  Thurm  erhielt;  der  Kirche  wurden  zwei 
Frontalthürme  vorgefetzt. 

15.  Der  romanifche  Bau  hatte  in  den  Seitenfchiffen 
je  zehn  Capellen;  die  zwei  Frontthürme  nahmen  hievon 
je  eine  in  Anfpruch;  es  bleiben  fomit  noch  neun  übrig, 
und  da  durch  die  neue  Jochtheilung  nur  heben  Capellen 
gewonnen  wurden,  fo  verfchwanden  in  jedem  Seiten- 
fchiffe  zwei  Capellen,  was  die  Tradition  dahin  deutet, 
„dafs  die  alte  Kirche  viel  länger  gewefen.  da  jedes 
Seitenfchiff  ehedem  noch  zwei  Capellen  mehr  hatte." 

Im  Gegenhalte  des  romanifchen  Baues  zum  heu- 
tigen zeigen  fich  alfo  folgende  Abweichungen: 

10m.  Hau  denn.    H.iu 

Totale  Länge  (innere  74  M.) 

äußere 79 '  SO  84-00 

Totale   Breite    (die   3  Schiffe 

24  M.);  Querfchiff 33 '20  (24);  33-20 

Mittelfchiffsbreite 9-20  ii'3S 

Seitenfchiffsbreite 4*60  3  00 

Anzahl  der  Joche  des  Mittel- 

fchiffes 10  7 

Anzahl  der  Joche  des  Seiten- 

fchiffes 10  7 

Jochweite S  '35  6-88 

Thüime I  Ctrlthurni       i  Ctrlth.  u. 

2  Frontth. 

Das  bereits  früher  erwähnte  Hirfcliiiu')ttzcr'ic\\c. 
Bild  (Taf  III)  ill  für  uns  noch  in  anderer  Beziehung  von 
Intereffe;  es  führt  uns  nämlich  auch  die  gefammte 
fonftige  Klofteranlage  mit  ihren  Wallgräben  und 
Schutzmauern  vor ;  wir  fehen  die  Kirche  mit  den  noch 
ijcftchenden  zwei  Klofterhöfcn  an  der  Südfeite;  hinter 
dem  dermaligen  Klofter  erblicken  wir  aber  eine  zweite 
große,  jetzt  gänzlich  verfchwundene  Klofteranlage  mit 
zwei  kleinen  Kirchenbauten  und  gleichfalls  mit  zwei 
Klofler-  (.')  höfen.  liier  befand  fich  der  Tradition  nach 
die  alte  Prälatur  (wahrfcheinlich  das  mit  dem  Vorhaue 
und  dem  miichtigen  Tluu-me  ausgezeichnete  Gebäude); 
deren  Ruinen  waren  noch  in  diefem  Jahrhunderte  ficht- 
bar. I'"s  ifl  fraglich  ob  diefe  Gebäude  nicht  etwa  älter, 
als  die  von  den  Cillercienfcrn  hergedellten  waren  und 
ob  nicht  etwa  die  eine  oder  die  andere  der  erwähnten 
Kirchen  die  viel  beredte  „Johannis-Kirche"  war? 
Mtjglich  auch,  dafs  in  diefen  Bauten  die  Bcgräbnis- 
fliitte  des  heil.  Mctiind  zu  fuchen  war. 


i6g     — 


fj  Convent 


Umfaffende  Nachgrabungen  und  Unterfuchungen 
der  hier  noch  ficherzu  findenden  Fundamente  könnten 
wohl  manchen  intereffanten  Auffchluß  bringen. 

Im  Hintergrunde  des  Bildes,  nordöftlich,  ganz  in 
der  Ecke  fteht  die  noch  heute  erhaltene  Capclle 
(Cyrilka),  welche  ehedem  Capelle  zum  letzten  Abend- 
mal des  Heilands  hieß  und  in  ihrem  erhaltenen  ältelten 
Beftande  der  gothifchen  Bauperiode  angehört.' 

Erklärung  des  allgemeinen  Situationsplanes. 

a)  romanifche  Stiftskirche; 
d/  Kreuzgang. 

\c  alter 

(c    neuer 

äj  ümgränzungsmauer,  jetzt  neue  Prälatur. 
ej  Wallmauer  und  Graben,  jetzt  Fremdentraft. 
/J  Heutige  Förlterei  mit  gleichem  Thurm,  wie  an  den 

Ecken  zwifchen  c  und  d 
g)  Alte  Prälatur  mit  großem  Thurm. 
h)  Kirche  dabei. 
i)  Kreuzgangartiger  Hof  und 
k)  Kirche  dabei. 

l)  Cyrilka;    alleinftehende  Kirche    (14.  Jahrhundert). 
Jiij  Alte  Schlaffäle  (1587  von  Abt  Eckhard). 
n)  Capitelfaal  (1630  wieder  aufgebaut). 
o)  Refeftoriumsflügel  (1630  wieder  aufgebaut). 
p)  Klofterflügel  und  großer  Weinkeller  1718. 
q)  Königs-Capelle  1665. 


Anhang:    Baugefchichtliche  und    fonstige    gefchicht- 
liche  Momente,  welche  auf  Welehrad  Bezug  haben. 

Durch  Zuthun  des  mahrifchen  Fürften  Raflislav 
waren  die  beiden  griechifchen  Priefler  Cyrill  und 
Methud  nach  Mähren  gekommen;  auf  ihrem  Zuge 
von  Bulgarien  hatten  fie  den  aufgefundenen  Leichnam 
des  heil.  Clemens,  des  102  in  der  Krim  zu  Tode  ge- 
marterten Pabfles,  mitgebracht;  die  Sage  erwähnt, 
dafs  an  allen  Orten,  wo  fie  mit  dem  Leichnam  rafte- 
ten,  dem  Heiligen  zu  Ehren  Capellen  errichtet  wurden; 
die  dem  heil.  Clemens  geweihten  Capellen  und  Kirchen 
gehören  auch  wirklich  zu  den  älteflen  im  Lande. 
Bald  beftand  eine  Probflei  St.  Clemens  in  Osvietiman. 
Im  Jahre  863  ließ  fich  Svatopluk  mit  feinem  ganzen 
Hofrtaate  taufen;  863  foUen  Cyrill  und  Methud  die 
Peters-Kirche  inOlmüz  geweihthaben;  868  —  869  waren 
die  beiden  Apoflelfürften  in  Rom,  wo  Cyrill  ftarb. 

869  oder  870  wurde  Methud  zum  Erzbifchofe  ge- 
weiht; 884  foU  Methud  die  Brünner  Peters-Kirche 
geweiht  haben  und  im  gleichen  Jahre  geftorben  fein. 

Die  Zerflörung  des  großmährifchen  Reiches  läßt 
Mähren  für  faft  100  Jahre  aus  der  Gefchichte  gänzlich 
verfchwinden  und  hiemit  werden  auch  alle  Spuren 
der  Refidenz  der  Fürfleh  und  des  Methudifchen  Bis- 
thums  verwifcht. 

Mit  Böhmen,  welches  während  der  Zeit  des 
großmährifchen  Reiches  zu  Mähren  gehört  hatte,  dem 
aber  jetzt  Mähren  angegliedert  war,  wurde  in  den 
Jahren  967 — 973  in  Prag  wegen  der  neuerlichen  Er- 
richtung eines  Bisthums  verhandelt. 

'  Auch  hier  fucht  die  gläubige  Menge  die  urfprüngliche  Kirche  der 
Apoftelfürften  und  das  Grab  des  heiligen  Methud. 


992  wird  das  erfte  KloQer  in  Böhmen  zu  Bi^evnov 
ins  Leben  gerufen  und  mit  römifchen  Mönchen  befetzt. 

1028  befland  bei  oder  in  Welehrad  bereits  eine 
St.  Johanni-Kirche,  welche  von  Bfetislav  I.  dem  Lei- 
tomysler  Klofler  gefchenkt  wurde,  während  der 
andere  Theil  der  dafelbfl  gelegenen  Befitzungen  dem 
Stifte  Spittinau  zufiel. 

1038  gründet  Bfetislav  das  Klofter  Säzava  in 
Böhmen,  ein  Stift  mit  flavifchem  Ritus. 

1043  wird  gleichfalls  von  einer  St.  Johannis-Kirche 
in  Mähren  gefprochen. 

1063  wird  das  01mi.izer  Bisthum  endlich  gegrün- 
det;   der   erfte  Bifchof  war   ein  Mönch  aus  Bfevnov. 

107 1  foU  in  Welehrad  fchon  eine  Probftei  be- 
ftanden  haben,  was  eine  Klofter-  oder  Stiftsanlage 
vorausfetzt. 

1190  oder  1198  kauft  Markgraf  Wladislaw  (Hein- 
rich) von  den  Leitomysler  Mönchen  die  früher  er- 
wähnte Johannis-Kirche  zu  Welehrad,  um  dafelbft  ein 
Ciftercienfer-Klofter  zu  errichten;  das  Klofter  wurde 
durch  Mönche  aus  Plafs  befetzt,  und  zwar  kamen  die 
Mönche  Wolkun,  EberhanJ  und  Gerung  unter  Abt 
Ticezlin  hieher.' 

1202  wird  diefe  Stiftung  von  feinem  Bruder 
Pfemyfl  Otakar  beftätigt. 

120 1  verließen  die  Welehrader  Mönche  ihre  erfte 
Niederlaffung,  welche  fich  nicht  als  günüig  erwies  und 
wählten  jene  Stätte,  auf  welcher  das  heutige  Welehrad 
liegt.  (Demnach  hätten  fie  die  ihnen  zur  Niederlaffung 
übergebene  Johannis-Kirche  und  das  dabei  befindliche 
Klofter  verlaffen.)^ 

1222  wurde  der  Stifter  Markgraf  Wladislaw  zu 
Welehrad  begraben. 

1238  war  das  Klofter  noch  nicht  ganz  vollendet; 
aller  W'ahrfcheinlichkeit  nach  dürfte  daher  an  der 
Kirche  noch  gearbeitet  worden  fein. 

1421  überfielen  die  Hufiten  Welehrad,  verbrannten 
Kirche  und  Klofter. 

1427  wurde  Welehrad  neuerdings  verödet. 

1430  und  1439  wurden  die  Kloftergebäude  nur  auf 
das  nothdürftigfte  ausgebeffert,  verfielen  daher  immer 
mehr;  auch  die  klöfterliche  Zucht  hatte  aufgehört. 

1587  wurde  über  Vorfchlag  Bifchofs  Stanislaw 
Pawlowsky  (1579  —  1598)  der  Probft  Eckhard  von 
Schwaben  zum  Abte  beftimmt. 

1587  wird  von  diefem  Probfte  das  ganze  Terrain 
um  die  Kirche  herum  angefchüttet,  da  die  Kirche  viel 
von  der  Feuchtigkeit  zu  leiden  hatte.  —  Abt  Eckhard 
ftellt  auch  das  fog.  alte  Convents-Gebäude  her  (der 
gemeinfchaftliche  Schlafsaal  theihveife  noch  erhalten). 

1598  wird  der  feit  1421  verödete  Central-Thurm 
hergeftellt  (der  romanifche  Charakter  der  Kirche  und 
des  Thurmes  blieb  aber  inta6t). 

1604  wurde  das  Stift  Welehrad  von  den  Ungarn 
theihveife  verbrannt. 

1610  übernachtete  König  Mathias  im  Welehrader 
Stifte,  fchenkte  demfelben  zehn  golddurchwirkte 
Gobelintapeten,  15  PaffionsBilder  und  ein  fehr  reiches 
Oberkleid. 

•  Filiation  :  Moriittonti^VLhcr'Ach  (Würzburg),  Langheim  (Bamberg),  Plafs. 
dann  Welehrad.  In  Mahren  wurden  1784  folgende  Ciftercienfer-Kiöfter  aufge- 
hoben, und  zwar  die  Mönchklöfter:  Welehrad  und  Saar  (Wifowitz  war  fchon 
längft  eingegangen),  fowie  die  Nonnenklöfter:  AUbrünn  und  Tifchnowitz  (Dou- 
brawuik  war  langft  aufgeloft). 

-  Im  Jahre  1201  follen  die  Ciftcrcienfer :  f^von  ihrer  nr/prüft^iic/iQn 
^i'icderlaffuns  zu  St.  Johanni  nach  Welehrad  überfiedelt  fein".- 


I/o     — 


1623  wird  Welehrad  von  Kofakenhorden  geplün- 
dert. 

1630  baut  Prälat  Johann  Greifenfels  von  Pilfenburg 
(f  1650)  die  Prälatur  (das  allein  ftehende  Vorder- 
gebäude), dann  das  Convent-Gebäude  fammt  Capitel- 
und  Speife-Saal  neu  auf;'  diefe  Bauten  find  durch  die 
verfchiedenen  erhaltenen  Außen-Thürme  der  Stifts- 
Gebäude  chara6lerifirt. 

1650  wurde  das  neue  Convent-Gebäude  feierlich 
eingeweiht. 

1660  werden  Bau-Ausführungen  in  der  Kirche 
erwähnt. 

1665  wird  an  der  Nordfeite  des  Querfchiffes  die 
königl.  Capelle  (Wladislaus-Capelle)  gebaut. 

16S0  war  Maler  Paul  Pagini  in  Welehrad  thätig; 
er  ftellte  die  Kuppel-  und  Decken-Gewölbe  her. 

1680  lebte  der  durch  feine  Malereien  gefchätfte 
Laienbruder  Heinz  auch  im  Welehrader  Klofler. 

c.  1680  entflammt  das  Manufcript  des  C.  O.  P. 
Hirfchmentzel  (geb.  1638  f  1703),  welches  ein  Bild  der 
vollftändigen  Klofteranlage  in  dem  Beüande  vor  dem 
großen  Brande  von  1681  zeigt;  die  Kirche  ift  noch  ganz 
in  ihrer  urfprünglichen  romanifchen  Form  erhalten 
(f.  Taf.  III). 

1681  verheerte  ein  großer,  von  dem  Laienbruder 
N.  Zapotocny  gelegter  Brand  Kirche  und  Klofter;  ver- 
fchont  blieben  nur  die  königl.  Capelle  und  der  öflliche 
Theil  des  Convents- Gebäudes  (im  erflen  Stock  noch 
derEckhard'fche  gemeinfchaftliche  Schlafsaal);  Schaden 
über  100.000  fl.;  Convent  nur  nothdürftig  aufgebaut. 

1684  der  Wiederaufbau  der  Kirche  wird  auf  das 
reichfte  begonnen;  Herflellung  der  2  Fagaden-Thürme; 
der  Bau  ift  1699  noch  im  Gange. 

1695  die  Chorftühle  von  Johanti  Martin  Heyden, 
einem  geborenen  Littauer,  angefertigt. 

1700  fchreibt  der  C.  O.  P.  Engelbert  Herman 
(geb.  1675  t  1714),  dafs  die  Kirche  ehedem  feucht  und 
von  Waffer  durchzogen  war. 

1703  die  Thurm-Kuppcln  werden  mit  Blech 
gedeckt. 

1710  wird  das  Stifts-Gebäude  in  feiner  jetzigen 
Geftalt  erbaut. 


*  Prälat  Grcifcnfcls  f.tiid  in  den  .-tltcn,  vicllciclit  in  den  ehemals,  hinter 
dem  jetzigen  Klofter  befindlich  gewefenen  Hausgriinden  die  in  Holz-  und  Stein- 
gefallen  feil  200  Jahren  vergrabenen  Begabnisbricfc  des  Klofters   wieder   auf. 


1718  brannten  Kirche  und  Klofler  ab;  Schaden 
100.000  fl;  das  Kircheninnere  fcheint  aber  hochflens 
vom  Rauch  gelitten  zu  haben,  da  die  Heyden'fchen 
Chorflühle  erhalten  blieben.  Die  Wiederherflellung 
wurde  fofort  vom  Abt  Florian  Nezoriii  (1699 — 1724)  in 
Angriff  genommen;  der  gegen  die  Kirche  gerichtete 
Klofterflügel  und  der  große  Weinkeller  dafelbfl  rührt 
von  ihm  her;  die  I""enfter  haben  eine  andere  Verzierung 
als  in  der  weiteren  Front.  Nezorin  ging  dann  auch  an 
die  Bauherflellung  der  Kirche. 

1721  unter  Abt  Plorian  Nezorin  erfchcint  die 
Kirche  im  Aeußern  hergeflellt ;  der  Koflen-Aufwand 
betrug  40.000  fl.;  feit  1724  wird  an  der  inneren  Aus- 
flattung  gearbeitet,  der  Bau  wird  durch  den  Abt  Jof. 
Maly  fortgefetzt;  er  beruft  den  eben  in  Olmüz  thätigen 
Architekten  und  Bildhauer  Baltluifar  Fontana;  diefer 
ftellte  den  Hochaltar,  die  zwei  mittleren  Seitenaltäre, 
fowie  die  überaus  reichen  Stuckarbeiten  in  der  Kirche 
her.'  Die  von  Pagani  herrührenden  verfchmutzten 
Fresken  in  der  Kuppel,  dem  Presbyterium  und  die 
Benedifts-  und  Leonhard-Altäre  werden  von  dem 
Brünner  Maler  Franz  Ig.  Eckßein  übermalt. 

1730  flellt  dann  Johann  Eigens  die  Fresken  und 
Seiten-Capellen  her;  die  Kanzel  wird  erneuert.  Das 
Hochaltarbild  wird  von  dem  Jefuiten  Laienbruder  Raab 
(JI787  zu  Welehrad)  neu  gemalt,  da  das  1707  von  Pa- 
gani hergeflellte  im  Jahre  1557  nach  Strzilek  verkauft 
worden  war;  die  zwei  Altarblätter  des  heil.  Benedift 
und  Bernhard  werden  von  dem  Maler  Michael  Will- 
iiiann  gemalt;  über  dem  Hochaltar  wird  die  auch  als 
Tabernakel  verwendbare  Kugel  angebracht. 

1735  wird  die  Kirche  durch  den  Olmüzer  Sufragan 
Graf  von  Eckgh  confecrirt. 

1739  datirt  das  Haupt-Portal  des  Kloflergebäudes. 

1744  datirt  Gitter  im  Hauptthor. 

1745  flellt  der  Brünner  Orgelbauer  Anton  Richter 
die  große  Orgel  auf. 

1784  wird  das  Klofter  aufgehoben. 

1853  werden  die  in  Rom  vom  Bildhauer  /:'.  ^fax 
hergellellten  Statuen  des  heil.  Cyrill  und  Methud  zur 
Aufflellung  gebracht. 

1891  wird  das  romanifche  Portal  im  Kreuz- 
gange aufgedeckt. 

'    1  >H'   AU.irc   werden   aus   Czeltechowit/cr  Marmor   errichtet. 


Ein  Nachtrag  zu  dem  römifchen  Grabfelde  am  Birglftein 

in  Salzburg. 


Von  Dr.   Alex.  Pcller. 


!I"IM  iMntritte  des  Salzach-Flußes  in  das  Stadt- 
gebiet von  Salzburg  wird  derfelbe  beiderfcits 
3)  von  Hügeln  eingeengt.  Der  eine  am  linken 
Ufer  triigt  das  Frauenflift  Nonnberg,  eine  Stätte  weihe- 
vollfler  hiflorifcher  Erinnerung;  am  andern,  rechten 
Ufer  dagegen  erhebt  fich  der  malerifche  BirglRein 
mit  parkartigen  Anlagen.  Beide  J  lügel  waren  fchon  in 
den  Cultus  der  Römer  einbezogen,  und  während  auf 
der  Höhe  des  jetzigen  Nonnberges  damals  die  lalini- 


fchen  Einwohner  vielleicht  den  GoUern  Roms  Opfer 
brachten  und  Lobgefangc  zum  Himmel  fchallten, 
beleuchteten  gleichzeitig  gegeniiber  llammeiule  Schei- 
terhaufen Bäume  und  h'elfen  des  BirgKleines,  uiulfchrillc 
Todtcnklage  drang  in  die  Lüfte,  denn  am  Fuße  des 
Hügels  lag  ja  der  römifche  Begräbnisplatz. 

Aus  diefem  Leichenfclde  find  hunderte  von 
Zeichen  römifchcr  Pietät  gegen  die  Todten  und 
fchönc  ICrzeugniffe  des  Kunflfinnes  diefes  Culturvolkes 


171 


gehoben  worden,  aber  auch  leider  in  das  Ausland 
gewandert.  Nur  ein  kleiner  Theil  blieb  Salzburg  erhal- 
ten, um  in  dem  ftädtifchenMufeumCarolino-Augufteum 
den  allein  richtigen  Platz  zu  finden. 

Von  1792  bis  in  die  Vierziger-Jahre  diefes  Jahr- 
hunderts wurden  die  Nachgrabungen  in  größeren  oder 
geringeren  Zwifchenraumen  mit  ebenfo  wechfelndem 
Erfolge  fortgefetzt  und  es  unterliegt  keinem  Zweifel, 
dafs  an  diefer  und  benachbarter  Stelle  noch  fo  manches 
Stück  aus  römifcher  Vergangenheit  im  Schöße  der 
Erde  verborgen  ruht. 

Wenn  man  von  der  Ortfchaft  l'arfch  in  die  Vor- 
ftadt  Stein  (Arenberggaffe)  einbiegt,  fo  bleibt  diefer 
römifche  Begrabnisplatz,  gegenwärtig  im  Befitze  der 
Fürftin  Arenberg,  zur  linken  Hand,  während  rechts 
ziemlich  fleil  die  Wände  des  Capuziner-  oder  Imberges 
auffteigen  und  am  Fuße  derfelben  die  Häufer  der  Vor- 
ftadt,  um  genügend  Raum  zu  finden,  ganz  an  die  Straße 
reichen.  Gegenüber  der  Befitzung  Birglftein,  nur  durch 
eine  4  —  5  M.  breite  Straße  von  ihr  getrennt,  wurden 
nun  im  Monate  April  1892  bei  der  Grundgrabung  für  ein 
neues  Haus,  zwifchen  den  Haus-Nummern  21  und  23 
gelegen,  Eigenthümer  Herr  Architekt  Weffiken,  drei 
römifche  Gräber  aufgedeckt,  welche  alfo  unbedingt  im 
Zufammenliange  mit  dem  römifchen  Leiclienfelde  jen- 
feits  der  Straße  ftanden. 

Es  ift  überhaupt  fehr  wahrfcheinlich,  dafs  der  gegen- 
wärtige Straßenzug  ziemlich  die  gleiche  Richtung  am 
Berge  hin  hat  wie  zur  Römerzeit  und  als  Fortfetzung 
jener  Römerftraße  gedacht  werden  kann,  die,  von 
Kuchl  (Cucullae)  über  Puch,  Glas  und  Aigen  kommend, 
oberhalb  des  rechten  Salzach-Ufcrs,  fowie  heute  dem 
Capuzinerberge     fich     anfchmiegend,     hinführte     und 


zu  fituiren,  anderfeits  bauten  römifche  Ingenieure 
häufig  ihre  Straßen,  wie  man  die  Wahrnehmung  im 
ganzen  Lande  Salzburg  machen  kann,  lieber  an  den 
Gehängen  der  Berge,  oft  in  bedeutender  Höhe  und 
nicht  in  die  Thalfohlen;  außerdem  wäre  eine  Straße 
unterhalb  den  Gräbern  wegen  Nähe  der  Salzach  häufi- 
gen Inundirungen  ausgefetzt  gewefen  oder  hätte 
bedeutende  Uferfchutzbauten  nothwendig  gemacht. 

Uebrigens  ging  ganz  ficher  auch  eine  Straße  direkt 
vom  Aigner-Thale  am  öftlichcn  Fuße  des  Capuziner- 
Berges  nach  der  gegenwärtigen  Ortfchaft  Gnigl  durch 
eine  Thoröffnung  jenes  Walles,  welcher  das  Thal  von 
Neuhaus  (Gersberg)  bis  zum  Capuziner-Berge  durch- 
querte und  abfchlofs,  wie  Schreiber  diefes  vor  mehreren 
Jahren  nachzuweifen  Gelegenheit  hatte. 

Eine  genaue  Einzeichnung  und  graphifche  Dar- 
fteilung aller  römifchen  Fundorte  und  Baurefte  auf 
guter  Specialkarte  der  Stadt  Salzburg  und  nächften 
Umgebung,  die  wohl  geplant  ift,  aber  bisher  noch 
nicht  durchgeführt  werden  konnte,  müßte  die  Richtig- 
keit diefer  Anficht  erhärten. 

Ob  eine  Brücke  oder  nur  Fähre  die  beiden  Ufer 
und  Stadttheile  verband  und  an  welcher  Stelle,  gelang 
bisher  nicht  zu  bcftimmen,  doch  ift  erftere  wahr- 
fcheinlichcr. 

Zufolge  diefer  kurzen  Einleitung,  fowie  aus  den 
Funden  felbfl  erhellt  alfo  der  Zufammenhang  der  neu 
aufgedeckten  Gräber  mit  den  früheren  vom  Birglftein, 
und  es  können  nun  die  Refultate  der  Grabung,  welche 
von  dem  Bauherrn  mit  dankenswerther  Bereitwilligkeit 
geftattet  wurde,  nähere  Erörterung  finden. 

Das  zuerfl  aufgefundene  Grab  befand  fich  10  M. 
von  der  Arenberg-Straße   gegen  den   Berg   zu,  faft  im 


Fig.   I.  (Salzburg,  Birglftein.^ 


hiebei  die  oberften  Partien  der  Gräberftätte  durch- 
fchnitt.  Es  ifl  zu  vermuthen,  dafs  fie  dann  weiter  bis  in 
die  Gegend  der  jetzigen  Staatsbrücke  und  von  dort 
als  Arm  in  fcharfer  Biegung  um  den  Berg  in  der 
Richtung  des  heutigen  Linzerthores  und  Gnigl  ab- 
zweigte und  andere  Straßen  gegen  Muntigl,  Straß- 
walchcn  etc.  einbogen. 

Für  die  Annahme,  dafs  fchon  ein  Römerweg  die 
Steingaffe  entlang  durch  das  Gräberfeld  in  beiläufig 
der  gegenwärtigen  Straßenhöhe  angelegt  war,  fpricht 
einmal  die  nationale  Sitte,  Gräber  an  belebte  Straßen 


gleichen  Niveau  der  Straße,  hart  an  der  Mauer  einer 
Baulichkeit  des  Nachbarhaufes  Nr.  23.  Es  war  ein 
Ziegelgrab.  Das  Skelett,  von  Often  nach  W'eften 
gekehrt  auf  eine  Unterlage  viereckiger  Ziegel  hin- 
geftreckt,  hatte  nur  unter  dem  Kopfe  eine  doppelte 
Reihe  von  Ziegeln  gleichfam  als  Polfter.  Die  Seiten 
waren  von  Lehm,  wahrfcheinlich  mit  Brettern  aus- 
gefchlagen,  da  fich  an  mehreren  Stellen  bei  dem 
Skelette  Nägel  mit  noch  Stückchen  von  Holz  befanden. 
Das  Grab  maß  i  M.  80  Cm.  Länge  und  6"]  Cm.  in  der 
Breite;  die  Tiefe  desfelben  betrug  66  Cm.  Es  fchlofs 


172       — 


am  oberen  Rande  wieder  mit  einer  doppelten  Reihe 
aufeinanderliegender  Ziegel  ab.  Deckel  wurde  keiner 
wahrgenommen,  fondern  das  ganze  Grab  füllte  kleiner 
Schotter  aus.  Unter  dem  Ziegelboden  des  Grabes  kam 
noch  eine  5  Cm.  hohe  Sandlage  und  dann  wieder 
Schottergrund. 

Die  beiliegende  Zeichnung  (Fig.  i)  gibt  eine  fchema- 
tifche  Darftellung  des  Grabes.  Das  Skelett  felbft  war, 
nach  verfchiedenen  Eindrücken  an  den  Knochen  zu 
fchließen,  das  eines  alten  ]\Iannes.  Die  Arme  lagen  dem 
Kürperausgeftrecktan,bei  derrechten  Hand  befand  fich 
ein  ziemlich  großes  kolbenartiges  Glasgefäß  mit  röhren- 
förmigem langen  Hälfe,  an  den  Füßen  ein  kleiner 
urnenförmiger  leerer  Topf  aus  gebranntem  Thon, 
fowie  Schweinsknochen  mit  Spuren  vonMefferfchnitten, 
wahrfcheinlich  Speiferefle.  Andere  Funde  wurden  in 
der  Seitenvvand  am  Kopfe  etwas  über  der  Höhe  des- 
felben  und  10  Cm.  von  ihm  entfernt  gemacht. 

Es  find  nach  den  beigegebenen  Abbildungen: 
Eine  kleine  viereckige  l'afel  aus  Griffelfchiefer  (Fig.  2), 


Fig.  2.  (Salzburg.) 

ferner  das  eiferne  vom  Roft  theilweife  zerftörte  Meffer 
(Fig.  3)  mit  fchön  gedrehtem  und  ornamcntirtem 
Bronze-Griff,  welcher  noch  in  der  Mitte  einen  fchmalen 
und  dünnen  Goldreif  zeigt.  Daneben  lag  eine  fchlanke 
Bronze-Nadel,  wie  felbe  Fig.  4  darflellt,  vielleicht  eine 
Art  Spatel  zum  Herausnehmen  der  Subftanz  aus  dem 
fpiiter  erwähnten  Büchschen,  mit  langgeftrccktcr  löffel- 
artigcrlCrweiterung  an  dem  einen  und  einem  Knaufe  am 
andern  ICnde.  Eine  falzbeinartige  Hornplattc  (Fig.  5), 
glatt,  fchm'al  und  lang,  an  einem  Ende  leicht  orna- 
mentirt,  und  tlann  noch  ein  gedrehtes  Metallbüchschen 
mit  kohligem  zufammengebackcnen  Inhalte.  Letzteres 
war  von  fahr  dünnem  Bronzeblech  und  ganz  zerdrückt, 
fo  dafs  es  wohl  nicht  mehr  zufammengefetzt  werden 
konnte.  Es  befinden  fich  jedoch  Büchschen  ähnlicher 
F'orm,  aber  aus  13ein  gedreht,  unter  den  Grabbeigaben 
früherer  Provenienz  vom  Birglftcin  im  Mufeuni.  Die 
Originale  von  Fig.  3,  4  und  5  find  um  die  Hälfte 
größer  als  die  Abbildungen. 

Das  Skelett  mit  den  Grabbeigaben  wurde  vorfich- 
tig  gehoben,  ebenfo  die  Ziegelpiatten  und  fpätcr  im 
flädtifchen  Mufeum  das  ganze  Grab  xollkomnicn 
reconflruirt.  Es  ifl  unter  einer  Vitrine  im  Lapidarium 
aufgehellt. 

Fafl  gegenüber  diefem  Grabe,  in  gerader  Richtung 
gegen  das  Haus  Nr.  21,  14-5  M.  von  der  Straße  gegen 
den  Berg    zu,   375  M.   von    dem    Gartenzaun    obigen 


Nachbarhaufes  entfernt,  befand  fich  das  zweite  Grab 
in  der  Tiefe  von  i  M.  60  Cm.  des  hier  etwas  abfchüf- 
figen  Terrains.  Die  Bettung  in  die  Erde  war  hier  nicht 
mit  gleicher  Sorgfalt  wie  bei  dem  erfleren  Grabe  durch- 
geführt, fondern  das  Skelett  lag  einfach  auf  dem 
Schotter,  nur  einige  Holzdielen,  mit  cifernen  Nägeln 
zufammengefügt,  waren  wahrfcheinlich  auch  hier  als 
Körperfchutz  angebracht,  wenigflens  fanden  fich  eiferne 
Nägel  mit  daran  haftenden  Holzflückchen  ebenfo  hier 


Kil 


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Fig-  j.  4.  5-  (Salzburg.) 

wie  früher.  Kopf  und  Beckcnknochcn  diefes  Skelettes 
einer  jüngeren  weiblichen  Perfon  waren  eingedrückt, 
die  Hände  unter  der  Bruft  gekreuzt,  die  Richtung  dem 
erften  entgegengefetzt,  nämlich  der  Kopf  nach 
Weflen,  die  Füße  nach  Oflcn.  .Seine  Länge  vom  Kopfe 
bis  zu  den  F'ußwurzelknochen  betrug  i  M.  45  Cm. 

Als  Grabbeigaben  wurden  gefunden:  In  Nähe  der 
F"üße  zwei  Gläfer,  ähnlich  denen  im  erflen  Grabe,  aber 
etwas  kleiner,  auch  wieder  ein  thönerner  urnenartiger 
grauer  Topf,  dann  um  die  Halswirbel  zcrftrcut  eine 
Anzahl  fchwarzer  glasglänzender  langgeltrecktcr 
Perlen  als  Schmuckgcgenftand. 

Unter  einem  1  lalswirbelknochen  waren  die  Perlen 
noch  in  der  Reihe  und  Lage,  wie  felbe  um  den  Hals 
getragen  wurden,  in  die  lelimarlige  weiche  Scholle 
eingedrückt,  es  konnte  daher  das  Halsband  genau 
wieder  ilie  urfprüngliche  Zufammenfetzung  erhalten 
und  fand  ficli  auch  ziemlich  vollfländig  zufammen,  ob- 
wohl das  Auffuchen  der  kleinen  Perlen  in  dem  feuchten 
klebrigen  pjdreiclie  bei  eben  einfallendem  Regen- 
und  Schneewetter    eine    fchr    mühevolle    Arbeit  war 


—     ^71 


Fig^.  6  veranfcliaulicht  die  Form  des  zweireihigen 
Halsbandes  und  die  Lage  der  Perlen,  auch  find 
im  Kreife  die  äußeren  und  inneren  Perlen  in  Natur- 
größe dargeftellt,  rechts  vom  Befchauer  die  äußeren, 
links  eine  innere  und  deren  Durchmeffer  oder  Darauf- 
ficht.  Diefe  Perlen,  zum  Zwecke  ihrer  Anreihung  der 
Länge  nach  durchbohrt,  beftehen  aus  Pechkohle,  dem 
im  Alterthume  nicht  feiten  zu  diefem  Zwecke  verwen- 
deten und  werthgefchätzten  Gagat,  fchwarzen  Bernftein, 
deffen  auch  Piiniiis  in  feiner  hilloria  naturalis  erwähnt. 


Fig.  6.  (Salzburg.) 

Bei  den  Rippenknochen  wurde  noch  ein  orna- 
mentirter  Bronze-Nadelkopf  entdeckt,  der  mit  dünnem 
Goldblech  überzogen  ift.  Er  nimmt  in  natürlicher 
Größe  die  Mitte  der  Halsbandzeichnung  ein.  Bei  den 
Handknochen  wurden  mehrfach  eingekerbte,  oben 
und  unten  der  Faffung  halber  durchlöcherte  längliche 
Ebenholzflückchen  gefunden,  welche  in  Abbildung 
Fig.  7  fowohl  aneinandergereiht  dargeftellt  find,  als  auch 
ein  einzelnes  folches  Stückchen  in   natürlicher  Größe. 

Etwa  zwei  Meter  von  diefem  Grabe  entfernt,  gegen 
den    Bergabhang    zu    und    fo    gelegen,    dafs,  bei    der 


Richtung  von  Ofben  nach  Weftcn,  die  Füße  gegenüber 
jenen  des  zweiten  Skelettes  fich  befanden,  wurde  ein 
drittes  aufgedeckt.  Die  Knochen  desfelben  erwiefen 
fich  als  ziemlich  morfch,  der  Kopf  war  eingedrückt 
und  die  Leiche  ebenfo  einfach  beigefetzt  worden   wie 


L*Am  i«;ji«J»«i  ;« 

Fig.  7.  (Salzburg.) 

die  zweite.  Am  Kopfe  fand  fich  eine  thönerne  kleine 
Urne  und  ein  napfförmiges  Thongefäß,  beide  gebrochen 
und  zerdrückt,  auch  zwei  viereckige  Gagat-Schmuck- 
Stückchen,  von  welchen  das  eine  halb,  das  andere  der 
Länge  nach  durchbohrt  war.  Diefes  ebenfalls  weibliche 
Skelett  maß  i  M.  66  Cm. 

Wie  der  Schädel  des  erften  Skelettes  find  auch 
die  beiden  anderen  Dolicephalen  und  Orthognaten, 
dem  erften  Schädel  fehlten  die  Weisheitszähne  ganz; 
er  hatte  keine,  bei  den  zwei  anderen  waren  fie  im 
Ober-,  aber  nicht  mehr  im  Unterkiefer  vorhanden. 

Ueber  der  Gräberftätte  erhebt  fich  nun  ein 
fchöner  Bau,  jede  Spur  derfelben  ift  verfchwunden  und 
nur  diefe  Aufzeichnungen,  fowie  die  in  das  Mufeum 
übertragenen  Refte  geben  Kunde  davon.  Wenn  auch 
das  Refultat  der  Grabungen  kein  hervorragendes  war, 
fo  bereicherten  fie  doch  die  iocale  Kenntnis  über  das 
römifche  Territorium  in  etwas  wieder,  und  wenn  allen 
diefen  Wahrnehmungen  ftets  die  nothwendige  Aufmerk- 
famkeit  entgegengebracht  wird,  gewinnt  auch  das 
Bild  des  römifchen  Juvavum   immer  mehr  an  Umfang. 

Manches  bleibt  freilich  noch  unaufgeklärt,  z.  B. 
die  Brückenfrage  etc.,  für  andere  Forfchungen  ift  die 
Iocale  Lage,  der  frequente  zu  Grabungen  ungeeignete 
Platz  ein  Hindernis,  doch  haben  glückhche  Umftände 
und  Zufälle  fchon  vielen  Vorfchub  geleiftet  und  es  ift 
kaum  zu  zweifeln,  dafs  die  nächfte  Zeit  wieder  Inter- 
effanteres,  wenn  auch  auf  anderem  Platze,  zu  Tage 
fördern   werde. 


Die  Verwelfchung  der  Baumeifterzunft  in  Graz 
im  XVII.  Jahrhundert. 


Von  Jofeph  IVaßUr. 


N  der  Abhandlung:  „Gefchichte  der  Befefti- 
gungsbauten  des  Schlofsberges  und  der  Stadt 
Graz  im  XVI.  und  XVII.  Jahrhundert"'  und  in 
der  Monographie  „Das  Landhaus  in  Graz"*  konnte  ich 
zeigen,  dafs  im  XVI.  Jahrhundert  eine  förmliche 
Invafion  italienifcherBaumeifter  in  Steiermark  rtattfand. 


'   Mittheilimgen  der  k.  k.  Cent.    Com.  XUI.,  n.   F. 
-  Wien,  Verlag  von  Kari  Gerold's  Sohn   1890. 


Die  italicnifchen  Meifter,  faft  durchwegs  Comasken  und 
Luganefen,  waren  urfprunglich  zum  Bau  der  Feflungen 
gegen  die  Türken  berufen,  bemächtigten  fich  aber  im 
Laufe  der  Zeit  auch  derl'alaft-  und  Kirchen- Architektur, 
die  deutfchen  Baumeifter  fucceffive  verdrängend.  Sie 
brachten  aus  ihrer  Heimat  den  Styl  der  italienifchen 
RenailTance  und  verpflanzten  ihn  auf  fleirifchen  Boden, 
aber  fie  zogen  auch  fortwährend  neue  Kräfte  aus  ihrer 


174     — 


Heimat  heran  und  befetzten  mit  ihnen  die  einträgUch- 
ften  Stellen.  Do)iienico  de  Lalio,  als  „oberfter  Bau- 
meifter  der  windifch-croatifchen  Gränze"  vom  Kaifer 
mit  unumfchränkter  Macht  auf  dem  Felde  des  Feftungs- 
baues  ausgeftattet,  kam  1 545  nach  Graz,  und  fchon 
1549  fehen  wir  deffen  Bruder  Gianinaria  de  Lalio  als 
Leiter  der  Befeftigung  von  Pettau,  1550  einen  zweiten 
Bruder  Andrea  als  Leiter  der  Bauten  in  Marburg.  Im 
Jahre  1550  hatte  Domenico  de  Lalro  feinen  Landsmann, 
den  Luganefen  Antonio  de  la  Porta  de  Riva  zur  Befe- 
ftigung von  Warasdin  berufen,  und  in  den  Neunziger- 
jahren zählen  wir  bereits  neun  Mitglieder  der  Familie 
de  la  Porta,  die  in  Steiermark  als  BaumeiHer  arbeiten. 
Ebenfo  verhält  es  fich  mit  den  Marmoro,  in  Steiermark 
Marbl  genannt,  von  denen  Franz  1566  in  Fürftenfeld 
baute,  in  den  Neunzigerjahren  bereits  fünf:  Sohn, 
Brüder  und  Neffen  des  erftgenannten;  fo  verhält  es 
fich  mit  den  aus  Gandria  am  Luganer  See  flammenden 
Tadei,  6.\iL  es  auf  acht  Familienglieder  brachten;  mit 
den  ebenfalls  aus  Gandria  eingewanderten  de  Verdds, 
von  denen  wir  fünf  zählen;  mit  den  Gurions,  den  Lan- 
cio's  etc.  etc.,  fo  dafs  bis  zur  Mitte  des  XVII.  Jahrhun- 
derts die  Zahl  der  mir  bekannten  italienifchen  Bau- 
meifler  in  Steiermark  an  hundertfünfunddreißig  beträgt, 
denen  wir  nur  vierundvierzig  Deutfche  entgegen  zu 
ftellen  haben. 

War  fchon  unter  Kaifer  Ferdinand  I.  durch  Beru- 
fung der  Fellungsbaumeifler  der  Einwanderung  italie- 
nifchen Baumeifler  und  Werkleute  Thür  und  Thor 
geöffnet,  fo  wurde  diefelbe  unter  der  Regierung  des 
fleicrifchen  Herzogs,  des  Erzherzogs  Carl  II.  noch 
ganz  befonders  begünftigt.  Für  feine  baulichen  Unter- 
nehmungen: Burg,  Hof-Oratorium,  Reitfchule,  für  die 
Luflfchlöffer  Carlau,  Gjaidhof  und  Weinburg  bediente 
fich  der  Erzherzog  der  bereits  vorhandenen  italienifchen 
Baumeifler,  für  Malerei  und  Bildnerei  aber  mußten 
fremde  Kräfte  herbeigezogen  werden.  Kein  Wunder, 
dafs  auch  hier  der  fuchende  Blick  nach  Italien  gerichtet 
wurde.  So  berief  der  Erzherzog  für  die  malerifche 
Ausfchmückung  feines  Maufoleums  in  Sekkau  den 
Mantuaner  Theodoro  (iliifi  und  Baltliafar  Grineo,  für 
die  plaftifchen  Arbeiten  dafelbft  den  Bildhauer  6>i5'(;/?/a« 
Garion,  für  die  Herflellung  eines  Altarbildes  der 
Burg-Capelle  den  Hofmaler  Giiilio  Licinio,  der  fich 
zwar  nicht  in  Graz  feßhaft  machte,  fondern  nach 
Wien  zurückkehrte.  Nach  dem  Tode  Carl's  war  es 
deffen  Witwe  Maria,  welche  den  Univerfalkünfller  Giov. 
Pieiro  de  Points  dauernd  an  den  fleierifchen  Hof  zog, 
einen  Mann,  der  durch  35  Jahre  Architektur  und  Malerei 
in  unferer  Stadt  beherrfchte. 

Die  fleierifchen  Landftände  waren  mit  dem 
Ucberhandnehmen  des  welfchcn  Elementes  in  Graz 
nicht  einverftanden  und  erlaubten  fich  wiederholt,  dem 
Erzherzog  dagegen  Vorftellung  zu  machen.  Als  z.  B. 
im  Jahre  1576  Jos.  Vinlana  von  Görz  als  „Feftungs- 
baumeiflcr  der  winciifch-croatifchcn  Gränze"  mit  einem 
Monatsgehalt  von  35  fi.  nach  Graz  kam,  machten  fie, 
unwillig  über  die  Berufung  fo  vieler  italienifchen  Bau- 
meifler,  dem  Erzherzog  Vorftellung  über  den  fo  hohen 
Gehalt  des  ,  Weifchen"  und  bemerkten,  dafs  „in  der- 
gleichen iiochwichtigen  Dienften  nit  aillain  Pau- 
verftändige  und  wolcrfarene  Perfonen,  fondern  fürnäm- 
lich  fovil   vwgliclt    Tetil/che    beftellt     und    aufgenom- 


men werden  foUen".'  Befonders  dem  etwas  anmaßend 
und  felbftbewufst  auftretenden  Peter  de  Pomis  waren  die 
Stände  nicht  fehr  hold,  und  wenn  man  die  Einfchrei- 
bung  des  landfchaftlichen  Zahlmeifters  vom  I.  Decem- 
ber  1617  in  dem  ,,Ausgabebuch"  liest:  Dem  Job.  Peter 
de  Pomis  hab  ich  auf  {€\\\ ßarkes  Anhalten  und  Praeten- 
diren  in  Aufrichtung  der  khönigl.  Triumphporten  die 
verwilligten  100  Taller  zu  Erzeugung  ainer  gülden 
Khetten,  neben  dem  was  er  hievor  empfangen,  zu  einer 
fürfhl.  und  entlichen  Verehrung  aufRathfchlag  entricht", 
fo  hat  man  das  Gefühl,  dafs  der  Beamte  das  Geld  nicht 
ohne  inneren  Groll  hergab. 

So  war  denn  im  erften  Drittel  des  XVII.  Jahr- 
hunderts die  italienifche  Künftler-Colonie  in  Graz  zu 
ungeahnter  Höhe  angewachfen.  Alle  namhaften  Bauten 
waren  in  den  Händen  der  Italiener,  nur  Ruprecht  von 
Eggenberg,  der  gewaltige  Kriegsheld,  fand  für  die 
Erbauung  feines  Maufoleums  in  Ehrenhaufen  einen 
Deutfchen  —  den  Baumeilter  Hans  Walter.  Dafs  die 
Italiener,  welche  fich  hier  fefshaft  machten  und  nicht 
feiten  deutfche  Frauen  nahmen,  das  Bürgerrecht  von 
Graz  erwarben,  und  bürgerliche  und  fladtifche  Bau- 
meifter  wurden,  ift  felbftverftändlich  und  hatten  fie  ein- 
mal in  der  Zunft  die  Majorität,  fo  wurden  für  die 
Neuaufnahme  von  Mitgliedern  flets  wieder  nur 
Italiener  vorgefchlagen. 

So  kam  es,  dafs  im  Jahre  1638  unter  den  zwölf 
Vorftehern  der  Maurer-  und  Steinmetzzunft  in  Graz  fich 
nur  mehr  ein  Deutfcher  befand.  Wir  erfehen  dies  aus 
einem  Aftenltück  vom  27.  Februar  des  genannten 
Jahres.'''  „Die  von  Graz",  d.  h.  die  Stadtgemeinde,  hatte 
in  diefem  Jahre  die  Lade  der  Maurer  und  Steinmetzen 
„arreftirt",  weil  einige  der  Mitglieder  das  Bürgerrecht 
nicht  erworben  hatten.  Die  Zunftvorftände  machten 
eine  Eingabe  an  die  Regierung,  mit  der  Bitte  um  Rück- 
ftelluiig  der  Lade,  wobei  folgende  Namen  unterzeich- 
net find:  Simon  Valnegro,  Peter  Feretti,  Joh.  Fafol,' 
Peter  Valnegro,  Dominicus  Chegralo,  Dionyfius  Lan- 
dervveg,  Peter  Riklia  (Ricca),  Jakob  Simonis,  Domenico 
Bianco,  Peter  Fafol,  Candid  Giuliano  und  Francifcus 
Durino.  Unter  den  Zwölfen  ift  der  einzige  Landerweg 
ein  Deutfcher.  E^r  war  Hoffteinmetz,  und  fomit  waren 
die  Baumeißer  der  Zunftvorßehungfäiinntlich  Italiener. 

Dafs  diefe  Verwelfchung  der  Zunft  für  die  das 
Meifterrecht  anftrebenden  deutfchen  Maurergefellen 
fehr  nachtheilig  war,  wurde  früher  angedeutet.  Einen 
intereffanten  lünblick  in  die  beftehenden  Zuftände 
gewiihrt    uns   ein    Aftenftück*   aus    dem  Jahre    1660. 

Drei  deutfche  Poliere:  Michael  Urhans,  Mathias 
Körner  und  Mathias  Lang  bewarben  fich  feit  Jahren  um 
die  Meiftcrwürde,  wurden  aber  von  der  fozufagen 
italienifchen  Zunft  unter  allen  möglichen  Titeln  hin- 
gehalten. Sie  richteten  daher  eine  lüngahe  dire6l  an 
den  Kaifer,  worin  fie  fich  über  die  ihnen  zutheil  gewor- 
dene Behandlung  beklagten  und,  nachdem  die  Zunft 
ihre  Meinung  abgegeben,  nochmals  an  die  Regierung 
mit  einem  Schriftftück,  welches  alfo  lautet: 


'   H'ifkiimiMcriiclcii   Odlohur    1576  Nr.  3. 

-  StAtthiillcrci,  Kc(;icrun(;s.TClcn,   Kxpcditn  Februar  Nr.    15. 

^  JoJi.'uin  (ind  Pctcr  Fafol  waren  die  Söhne  des  im  XVI.  Jahrhundert  in 
(ira/  eingewanderten  Comasken  l'ictro  Va/olio.  Sie  waren  bereit-;  in  Craz 
gehören  und  veränderten  ihren  Familiennamen  in  das  mehr  deiitfch  khn- 
>;ende    F.'ifol. 

^  Kegierungsai^tcii,  (lUtachtcn    i^^io,   April   Nr.   15. 


175     — 


„Allcrgenedigifter  Herr! 

Im  hicbey  verwahrten  Anbringen  haben  bey 
E.  k.  Maj.  Michael  Urhans,  Matliias  Chörner  und 
Mathias  Lang  aliergehorfamn;  angebracht,  dafs,  unan- 
gefehen  diefelben  fich  bey  dem  Hantwerkh  der 
Maurer-Meifter  alhie  zu  Graz  geziembendermaffen  zum 
öfteren  angemelt,  und  gegen  Erlegung  der  Gebühr 
umb  Auf-  und  Annembung  der  Mitmaifterfchaft  gebet- 
ten,  fo  heten  fie,  Supplicanten,  doch  villeicht  aus  der 
Urfach,  dafs  diefelben  Teutfche  und  hiefige  Landt- 
khinder  fein,  bis  dato  ainiche  Refolution  von  ihnen 
nicht  erhalten  khinen,  fondern  heten  fie  jederzeit  zu 
der  Gedult  gewiefen,  weliche  aber  ihrer  Mainung  nach, 
fo  lang  getriben  würde,  dafs  fie,  Supplicanten,  foliche 
nicht  erwarten  und  villeicht  des  zeitlichen  Hinfcheidens 
von  diefer  Welt  fich  ehunder  zugetragen  hete,  da  fie 
allem  Anfehen  nach  nicht  gefonnen,  ainen  Teutfchen 
zu  ainem  Mitmaifter  an-  und  aufzunemben. 

„Nun  aber  fey  wiffentlich,  dafs  die  Supplicanten 
fich  vill  lange  Jahre  hero  für  Pallier  und  würkliche 
Meifler  gebrauchen  laffen,  wie  denn  auch  Jeder  feine 
Prob  und  Maifi:erftukh,  als  ainer  mit  Erbauung  des 
Chlofters  S.  Joannis  bey  Herberftain,  der  andere  des 
Chlofters  alhie  zu  Graz  iaey  denen  Carmelterinnen,  und 
der  dritte  des  fchönen  Gepey  zuReggerspurg  volflendig 
gemacht  und  vollführt  heten,  und  hingegen  dergleichen 
wailifche  Maifter  unter  ihnen  wären,  weliche  gar  nie- 
mahlens  ainiches  neues  Haubtgepey  geführt  und  gleich- 
wollen zu  Mitmairtern  an-  und  aufgenomben,  und  die 
armen  Teutfchen,  weliche  ihr  Khunfi:  fo  guth  als  die 
wailifchen  erfahren  und  gelehrnet,  aufsgefchloffen 
werden,  weliches  aber  khaineswegs  rümblich,  noch 
zueleffig,  dafs  die  frembden  Nationen  alhie  paffirt  und 
die  Landthkünder  beyfeits  gefetzt  werden  follen.  Und 
weillen  fie,  Supplicanten,  nun  wie  vermelt,  alberaith 
ihre  Maifterftukh  genubfamb  an  Tag  geben,  fich  auch 
vorhero  wie  gebreuchlich,  für  würkliche  Palliere  und 
jezo  nicht  allain  in  diefen  Hauptgepeyen,  fondern  auch 
anderen  mehreren  für  Maifter  thunlich  gebrauchen 
laffen,  inmaffen  fie  diefelben  auch  darfür  halten  und 
erkhennen  muffen,  als  haben  die  Supplicanten  aller- 
gehorfam  gebctten,  die  geruheten  bey  dem  Stattrath 
alhie  allergenedigft  darob  zu  fein,  damit  fie  gegen  diefen 
Erbieten,  dafs  diefelben  auch  das  gewöhnliche  Bürger- 
recht annemben  und  fich  heyfflich  niderrichten  wollen, 
unter  die  Zunfft  und  Hantwerch  der  Maurer  für  Mit- 
maifter würkhlich  an-  und  aufgenomben  werden. 

„Hierauf  berichten  die  bürgerlichen  Maurer-Maifter 
alhie,  dafs  diefelben  der  genzlichen  Hoffnung  ftehen, 
dafs  Ihre  kaiferliche  Majeftät  diefelben  wider  ihre  Frey- 
heit  nit  antragen,  fondern  vill  mehres,  weillen  die- 
felben von  Ihrer  Durchlaucht  Erzherzog  Carl  und  nach- 
volgend  regierenden  Khayfern  und  Lantsfürften  und 
der  izt  regierenden  k.  Maj.  Leopoldo  felbll  con- 
firmirten  Freyheit  und  Hantwerchsordnung  ohne 
Clag  allen  Articlen  nachgelebt,  dafs  in  bege- 
bender Occafion  taugliche  Maifter  alhie  bey  ihrer 
Zunfft  gefunden  werden,  allergenedigll;  fchützen  und 
fchirmben  werde,  und  heten  diefelben  von  undenklichen 
Jahren  hero  in  Brauch  erhalten,  dafs,  wan  ain  Gefell 
fich  bey  dem  Hantwerch  alhie  etlich  Jahr  ain  Zeitlang 
gottsfürchtig,  züchtig,  fromb  und  erbar,  wie  es  ainem 
redlichen  Gefeiten  zufteht,  nach  Ordnung  der  k. 
Confirmation  verhalten,  das  Gebey  und  Gefims, 
XIX,  N   F. 


fo  ihnen  von  ainem  Maifter  anvertraut,  alfo  adminiürirt 
hat,  dafs  der  Maifter  und  Pauhcrr  ohne  Clag  geweit, 
hernach  umb  die  Maifterfchaft  angelialten,  fey  es 
niemallen,  ainer  was  Nation  er  fey,  abgefchlagen 
worden  und  wann  deren  drey  oder  vier  zufambcn 
khemen  und  das  Maifterftukh  zu  weifen  begert,  alle- 
zeit der  Filtere,  fo  zum  erften  angehalten,  vor  denen 
anderen  darzue  gelaffen,  damit  in  folchem  cafu,  wan 
mehr  Competenten  umb  die  Maillerfchaft,  unter  denen 
Gefeiten  ain  gewiffe  Richtfchnur  gehalten  und  zu 
Erhaltung  gueter  Poiicey,  Ordnung  und  Manszucht, 
auf  dafs  niemand  beträngt,  fondern  ain  Jedweder  fein 
Stuckh  Brott  mit  Ehren  gewünnen  möge,  nit  etwa  ain 
fchadlicher  Zwitraclit  caufirt  werde. 

„Nun  aber  fo  wären  ohne  das  vier  der  Maurer- 
gefellen,  welche  fich  vor  ainer  gcraumben  Zeit  umb  die 
Maiflerfchafft  angemeldet,  deren  darunter  fogar  drei 
alhiefige  Bürger-  und  Maiftcrkhindcr  waren,  von  wel- 
chen ainer  jüngd  für  ainen  Mitmaifter  alhie  aufgenom- 
ben worden,  auch  das  Bürgerrecht  angenomben. 
So  fey  am  änderten  die  Stadt  Graz  bcraits  anvor,  mit 
Maiftern  genugfamt  verfehen,  und  da  noch  darzue  dicfe 
drey  Supplicanten  eingefclioffen  werden  follten,  fo 
wüffen  diefelben  nit,  wie  fovil  Mailter  fich  bey  fo 
fchweren  Zeiten  und  groffen  Anlagen   mit  Weib   und 

Khindern  ernehren  und  erhalten  könten So  fey 

drittens  unerhört,  dafs  aus  derfelbcn  Hantwerkh  drei 
oder  vier  auf  ainmal  zu  Stattmailler  aufgenomben  wer- 
den  Viertens  tlieten  die  Gefeiten  vorwenden,  als 

heten  fie  fich  all  drey  alhie  zu  Graz  geziembender- 
maffen zum  öffteren  angemellt  und  umb  die  Maifter- 
fchaft gebetten.  Auffer  dafs  der  Michael  Urhans  fich 
zwar  umb  die  Maifterfchaft  am  Tag  St.  Rochi  verfchie- 
nenen  659.  Jahres  infinuirt,  fey  derfelbe  auf  die  negfte 

Quatember  fich  anzumelden  befeinden  worden, 

worüber  er  trutziger  weifs  vermelt,  er  wiffe  fchon 
anderft  zu  thun  und  davon  gegangen.  Zudem  habe  er 
nie  ainen  Sommer  oder  ain  Jahr  alhie  gearheit  und 
ferner  er,  weder  die  andern  Zween  nit  mehr  vor  oder 
hernach  bei  ihrem  Hantwerkh  um  die  Maifterfchaft 
angemelt,  weliches  fie,  fo  es  die  Notturft  erfordert, 
erweifen  wollen.  Und  was  fünftens  der  Supplicanten 
Vorgeben  war,  dafs  fie  kliaine  Teutfchen  aufzunemben 
Willens  weren,  fo  würden  diefelben  den  Franzen 
Crtr/ö;/,  welcher  alhie  gebürtig,  auch  niemallen  in  Italia 
gcwefl,  und  fchon  lange  Zeit  würklich  gemainer  Statt- 
maifier  alhie  fey,  und  Hänfen  Pozcn,^  auch  hiefigen 
Maifters  Solm  nit  einkliomben  laffen 

„Dafs  aber  pro  fenno  vermeldet  werde,  dafs  fie, 
Supplicanten,  ihr  Proben  gemacht,  in  denen  ainer  die 
Kürchen  und  Cloftergebey  St.  Johann  zu  Herberflein 
erbaut,  fey  dicfes  zu  beachten,  dafs  der  P.  Dominicus, 
ainer  aus  denen  reformirten  Auguftinern,  wie  auch  ihr 
Mitmaifter  Antonius  Sollar  foliche  Abrifs  gemacht, 
auch  alles  angeben  und  bey  Aufstheilung  auch  Legung 
des  Grunts,  wie  auch  fonft  die  Abficht  gehabt,  für 
weliclie  er  von  dem  Herrn  Landhaubtmann  remunerirt 
worden.  Im  Uebrigen,  und  dafs  der  Andere  das  Cloflcr 
bey  den  Carmeliterinnen  erbaut,  werde  derfelbe  niemals 
probiren  khönnen.  da  derfelbe  Mitmaifter  Domenico 
das  Clofter  von  Grünt  auf  volftendig  fambt  des  Pfleger 
Haus  aufgebaut,  auch  die  Kürchcn  mit  demfelbigem 
Poftament  wenigift  vier  oder  fünf  fchuch  hoch  erhebt, 

'   Carlon   und  Pozzo  w.ircn  eben   Söhne   von   Italienern. 

24 


176     - 


worbey  er  (Körner)  für  ainen  Gefeilen  gearbaith,  über 
welichen  auch  damallen  ain  rdo  Diebftall  offenbar 
worden,  und  wan  nit  die  Herrn  P.  P.  Carmelitani  geweft, 
er  von  dem  Hantwerkh  ganz  entfetzt  hete  kinen 
werden.  Hernach  zwar  foliche  Khürchen  vellig  aufge- 
mauert und  folicher  Geftalt  den  Maifter  hintergangen, 
weliches  den  20.  Articl  ihre  k.  Freyheit  geflraggs 
zuwider  fey.  Es  fey  auch  leicht,  ain  Werkh  zu 
vollführen  wan  es  guet  angefangen  und  alle  Abrifs 
gemacht  worden.  Der  dritte  fey  im  Schlofs  Reggers- 
purg  nur  zum  Ausflickhen  gebraucht  worden,  denn 
wann  die  Frau  Gallerin'  ain  neues  wichtiges  Gebey 
gehabt,  habe  fie  es  ihm  nit  anvertrat,  fondern  alle  Zeit 
ainen  Maifter  von  hier  oder  Fehring  gebraucht,  bey 
welichen  er  jederzeit  für  ainen  Gefeilen  gearbaith 

„Hierüber  feint  die  alhiefigen  Maurer  bey  denen 
von  Graz  mit  beyliegendem  Additional-Bericht  ein- 
khomben,  in  welchen  diefelben  vermelden,  dafs  vor 
khurzer  Zeit  zween  Gebrueder  Nambens  Feeti,  item 
Peter  Ricca,  Carl  Simonis,  Candid  Julian,  alle  fünf 
Maurer-Mitmaifter  alhie  feel.  Verlaffenfchaft  fich 
khaumb  dahin  erflrecket,  dafs  man  fie  zur  Erde  hete 
bellatten  könen  ;  ja  den  Peter  Ricca  fogar  die  Condufl- 
Unkhoften  aus  der  Lat  hete  muffen  fpendirt  und  bezalt 
werden,  fowol  auch  des  Carl  Simonis  zwei  hinter- 
laffene  Khinder  in  das  Spitall  khomben  und  fogar  des 
Feeti  Khinder  betin  muffen,  wenn  deren  Aendl  fich 
ihrer  nit  erbarmet  und  diefelben  umb  Gottes  Willen 
auferziehen  thete.  So  waren  auch  Vier  in  ihrem  Proto- 
coll  eingefchrieben,  fo  umb  die  Maifterftükhe  zu  machen 
angehalten,  welichen  auch  die  Maifterftukh  aufzugeben 
und  jährlich  ainen,  der  fich  zum  erften  angemeldet, 
darzue  gelaffen  werden  foll,  verfprochen  worden  .  .  .  .  " 

Der  oben  erwähnte  Additionalbericht  der  Zunft- 
mciQer  kommt,  nachdem  dafelblt  die  ganze  Sache 
breitfpurig  wiedergegeben,  zu  folgendem  Schlufs: 
„Damit  nun  fowohl  denen  Supplicanten,  als  dem  Hant- 
werkh auf  dafs  fich  khain  Thaill  zu  befchwähren 
Urfacli  habe,  die  Satisfaflion  gegeben,  und  nit  weniger 
auch  die  alltiefigen  Nationales  bcßirdcrt  werden,  wolten 
wür  uns  mit  denen  von  Graz  folicher  Geflalt  aller- 
gchorfamfl  verglichen  haben,  dafs  von  diefen  dreyen 
Supplicanten  alle  Jahr  ainer,  wie  im  gleichen  auch 
unter  denen  Jenigen,  welichen  es  das  Maurer-Hant- 
werkh  beraith  vcrfproclien,  in  finiili  jahrlich  ainer, 
jedoch  dafs  riincr  und  ander  vorhero  dasjenige,  was 
fonftcn  die  Ordnung  und  Freyheit  vermag,  und  jeder 
Maifter  zu  tluin  fchuldig  ifl,  präftire,  fodan  die  Zunfft 
und  Innung  würklich  als  Mitmaiflcr  an-  und  aufgenom- 
bcn  werden  mechte.  Diefes  jedoch,  wie  alles,  ohne 
wenigiftc  Mafsfürfchreibung  E.  k.  M.  darneben  fich 
in  alier  Unterthenigkhait  bevelhent.  Den  13.  Aprilis 
1660."  Die  Regierung  refolvirt  darauf,  dafs  fich  die 
Supplicanten  bei  dem  Handwerk  melden,  zuwarten 
und  iiire  MaiO.erftückc  maclien  foUen. 

Wir  können  heute  niciit  entfchciden,  ob  die  J5itt- 
flclicr  Recht  hatten,  dafs  einer  von  ihnen,  Urhans,  das 
Kloftcr  St.  Johann  bei  Ilcrberftein,  der  andere,  Körner, 
das  Kloftcr  (oder  Kirclie)  der  Carmelitterinncn  zu 
Graz  und  der  dritte,  Lang,  das  fchöne  Gepey,  d.  li. 
einen  Traft  des  Schioffes  Ricgersburg  erbauten,  oder 
ob  die  zünftigen  Meifter  im  Recht  find  mit  der  Angabe,' ' 
dafs   aile  drei    bei   den   Hauten   nicht   die  erfte  Rolle! 

'  Ktif.-tbct  Frcifr.lii  von  G.-illcr,  geborene  Wechsler,  die  Ijaiiliifligc 
ncfitzerin  des  SchlofTcs  Kiegertburg. 


fpieltpn.  Jedenfalls  haben  wir  Bedenken  zu  glauben, 
dafs  der  reformirte  Auguftiner  P.  Dominicus  die  l'läne 
der  Kloftcr  St.  Johann  und  der  Carmelitterinncn 
anfertigte  und  die  Bauten  leitete,  denn  Mönche  als 
Baumeifter  gab  es  allerdings  im  früheren  Mittelalter, 
im  XVII.  Jahrhundert  jedoch  dürften  fie  eine  Seltenheit 
gewefen  fein.  Pater  Dominicus  mag  im  Allgemeinen 
die  Grundrifsdispofitionen  gegeben  haben,  aber  den 
faktifchen  Bau  wird  wohl  ein  weltlicher  Maurer  geführt 
haben.  Uebrigens  fagen  die  Bittfteller  ausdrücklich, 
dafs  fie  als  Poliere  gearbeitet,  was  die  Zunftmeifter 
nicht  widerlegen  konnten.  Was  endlich  Riegcrsburg 
betrifft,  fo  ficht  es  der  Freiin  von  Galler,  die  wegen 
der  fortwährenden  Streitigl^eiten  und  Proceffe  mit 
ihren  Werkleuten  und  den  Behörden  im  Volke  die 
„fchlimme  Liefel"  genannt  wurde,  ganz  gleich,  dafs  fie 
einmal  zum  Bau  eines  Flügels  ihrer  weitläufigen  Burg 
einen  ganz  jungen  Gefeilen  nahm,  der  fich  ihrem 
Willen  beffer  fügen  mochte,  als  ein  in  technifchen 
Dingen  auf  feinem  Willen  beftehender  Meifter. 

Auf  die  Eingabe  der  deutfchen  Gefeilen  fand  über 
Auftrag  der  Regierung  am  10.  Jänner  1661  im 
Gemeindehaufe  ein  „magiftratliches  Verhör"  ftatt,' 
deffen  Verlauf,  kurz  gefaßt,  folgender  war:  Die  drei 
Gefellen  erklären,  dafs  fie  nach  dem  Regierun gserlafs 
vom  April  1660  um  die  Aufnahme  in  das  Handwerk 
nachfuchten,  dafs  aber  nichts  gefchehen  fei.  Sie  verlan- 
gen, dafs  die  Meifter  zu  einer  Strafe  von  fünf,  eventuell 
bei  abermaliger  Nichterfüllung  des  Regierungsauftrages 
zu  zwölf  Dukaten  zu  verhalten  feien.  Die  Meifter 
erklären,  keine  Strafe  zu  zahlen,  da  fie  mittlerweile 
die  anderen,  denen  fie  das  Meifterrecht  bereits  ver- 
fprochen," aufgenommen  und  erbieten  fich,  die  drei 
Deutfchen,  einen  nach  dem  anderen,  jedes  Jahr  einen, 
zu  Meiftern  aufnehmen  zu  wollen.  Der  „Abfchicd" 
(das  Urtheil  des  Magiftratcs)  lautet :  Die  Meifter  hai)en 
jedes  Jahr  einen  PJeutfchen  neben  den  anderen  Meifter- 
föhnen  (den  Welfchen)  aufzunehmen  und  in  diefem 
Jahre,  1661,  mit  Urhans  den  Anfang  zu  machen.  Die 
Strafe  bleibt  in  fufpenfo.  Diefer  Erkenntnis  fchlicßen 
fich  am  14.  Jänner  1662  Bürgermeifter,  Richter  und 
Rath  der  Stadt  an,  worauf  am  6.  März  eine  Rcfolution 
des  Kaifers  im  felben  Sinne  erfolgte. 

Urhans  liatte  fein  Ziel  erreicht,  aber  von  den 
beiden  Anderen  liegt  noch  eine  Eingabe  (ohne  Datum) 
dem  P'ascikel  bei,  worin  fie  neuerdings  Klage  führen 
und  angeben,  dafs  die  Meifter  den  Erlafs  des  Kaifers 
dahin  auffaffen,  jährlich  nicht  einen  Deutfchen  und 
einen  Welfchen,  fondern  überhaupt  nur  einen  aufzu- 
nehmen. Was  weiter  gefchali,  darüber  fchweigen  die 
A6len.  Wir  wiffen  nur,  dafs  nach  und  nach  die  Italiener 
wieder  vom  Schauplatz  verfchwanden  und  dafs  im 
XVIII.  Jahrhundert  außer  den  bereits  durch  mehrere 
Generationen  in  Graz  lebenden  und  daher  deutfch 
gewordenen  Carions''  nur  mehr  denlfche  Baumeifter 
vorkommen,  wie  deren  Namen:  Ebner,  p'uchs,  Hueber, 
Kräxner,  Leitncr,  Stadler,  Steng  und  Weifs  beweifen. 
Die  wenigen  italienifchen  Namen  des  vorigen  Jahr- 
hunderts gehören  ausfchließlich  den  Sluccators  an. 

I  Reg.  A(^en,  Expedita   i()6a,  März  Nr.  38. 

-  Alfo  trr)tzdcm  die  Meifter  im  Additioii.'ilbcricht  nlisfprac.bcn,  d.ifs  von 
den  vorKenicrklcn  drei  Sühnender  Italicner  jedes  Jalir  nur  t'incr  aiifKcnniniiicn 
werde,  hatten   fie  dicfelbeti   nun   fchncll  aiiT  einmal  untcrj;chrai"ht. 

'  Der  Rcicll*.ta('>ahj;ciirdnclc  Mi'ltsi^Hfffe  Caytolt  uiul  tlic  riiftigc 
Wirthin  l.ori  Cttilon,  welche  einige  J.ihrc  hindurch  das  am  Kiine  des  Hoch* 
fchwah  ycIcKcne  Alpenh'itcl  „zvim  linJenh.incr^  fo  vortrefflich  leitete,  flammen 
von  der  italienifchen  It.nimciftcrramilic   ah. 


177     - 


Tyroler  Burgen. 


Von  Paul  ChiiiLn. 


III. 


Eine  ganze  Fülle  von  Burgen  erzeugt  das  13.  Jahr- 
hundert auf  den  feitlich  anfteigenden  Hängen  des 
Etfch-  und  des  Pufter-Tliales.  In  die  vordcrftc  Linie 
treten  hier  die  Vinftgauburgen.  Von  hohem  Intereffe 
für  die  Conflruftion  des  Innenhofes  und  Anordnung 
der  Gebäude  um  diefen  herum  find  Churburg  und 
Tarantsberg. 

Die  Churburg  bei  Schluderns  wird  fchon  1259 
zum  errtenmal  erwähnt:  Henricus  de  Monteforti  flellt 
hier  eine  Urkunde  aus.'"*  1311  bereits  ftirbt  mit  Werner 
das  Gefchlecht  der  Herren  von  Churburg  aus,  es  folgen 
im  Befitz  die  Vögte  von  Matfch,"''  endlich  die  Grafen 
von  Trapp,  deren  Sommerfitz  das,  man  könnte  fagen, 
pietätvoll  erhaltene  Schloß  noch  heute  ift.  Den  Mittel- 
punkt der  Baulichkeiten  bildet  hier  der  hochaufragende 
Bergfrit,  deffen  oberer  Stock  vorgekragt  ifl,  aber  ohne 


verzierte  Maimorfäulen  mit  ornament-überflochtenen 
Bafen  und  Capitälen.  Die  Pfortnerwohnung  befindet 
fich  direct  über  dem  Thorweg.  Um  den  mittleren 
Bau-Complex  zieht  fich  auf  drei  Seiten  ein  äußerer  Hof, 
der  rings  von  einer  hohen  Ringmauer  umgeben  wird; 
nach  der  Bergfeitc  fchließt  fich  an  den  Hof  ein  breites 
—  jetzt  zu  einer  wohl  gefüllten  Rüftkammer  umge- 
bautes —  Wirthfchaftsgebäude.  Der  tiefer  gelegene 
ummauerte  Zwinger  dient  jetzt  als  Schloßgarten.  Eine 
Federzeichnung  des  18.  Jahrhunderts  im  Ferdinandeum 
-zeigt  noch  deutlicher  die  Trennung  des  mittleren  I'alas 
von  dem  umgebenden  Mauerkranze  (Fig.  17). 

Aehnlich  ift  die  Anlage  von  Taranisberg  (Dorns- 
berg)  über  der  Gemeinde  Plans  weftlich  von  Meran. 
Die  Burg  ward  1217  erbaut  von  l^erchtold  II.  von 
Tarant,'""  dem  Sohn  des  iiSo  verftorbenen  Berchtold.""^ 


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Fig.  17.  (Churburg.) 


Fig.  16.  (Churburg.) 

Pechnafen  und  auf  dclTen  Schlitzzinncn  dirc6l  die  Balken 
des  niedrigen  Pyramidendaches  lagern  (Fig.  i6).  Um 
ihn  gruppiren  fich  die  Wohnräume,  die  ein  ziemlich 
regehnaßiges  Viereck  bilden  und  einen  quadratifchen 
Hof  in  fich  fchHeßen  mit  einer  doppelten  Arcadenreihe, 
einem  Meifler werke  der  Tyroler  Renaiffance-Architek- 
tur,  flache  Steingewölbe  mit  fcharfen  Rippen  und  reich 

'■*  Eichhorn,  Cod.  prob.  p.  77. 

•'■5  Im  Jahre  1351  muß  Ulrich  IV.  von  Matfch  die  Burg  an  Ludwig  von 
Ilrandenburg  abtreten  und  von  diefem  zu  Lehen  nehmen  {Kö^l  im  Archiv  für 
Kunde  tiflerr.  GefchichtsqueUen  V,  S.  583,  IV.).  Annal.  Curiens.  Ms.  B.  58: 
1367  empfängt  Vogt  Ulrich  von  Matfch  von  Peter  von  Chur  die  Hälfte  der 
Vefte  Churburg.  1453  belehnt  Herzog  Sigmund  Vogt  Ulrich  den  Aeltercn  von 
Matfch  mit  Matfch,  Tarasp.  Hall,  Churburg,  Rtichenberg.  Der  etztc  Graf  von 
Matfch  wird  am  24.  April  1504  in  Churburg  begraben.  Es  folgen  Herren  von 
Trapp  (Ulrich  vun  Campell.  Zwei  Bücher  raetifcher  Gefchichten  I,  S.  135^- 
Eichhorn,  Cod.  prob.  Nr.  128-  Item  die  Vefti  Curberg  ift  auuli  ein  Lehen  von 
dem  Gottshaus:  das  findet  man  an  dem  Leehenbuch,  dafs  die  von  Matfch  alfo 
hend  empfangen. 


Arnold  verkauft  die  Burg  1291  an  den  Grafen 
Meinhard  von  Tyrol  um  226  Mark  Berner,  dann 
geht  fie  an  die  Nawnftoffelncr,  Reichenberger, 
Annenberger/''*  deren  wichtigfter  Sitz  das  Schloß 
lange  Zeit  war,  Finger,  Grafen  von  Mohr  über; 
der  jetzige  Befitzcr  ift  Freiherr  J.  von  Giovanclli 
in  Bozen.  Auch  hier  gruppiren  fich  die  Wohnräume 
um  den  Bergfrit  zu  einem  regelmäßigen  Viereck,  das 

"»^  Eichhorn,  Cod.  prob.  p.  65:  Als  Zeugen  erfcheinen:  1215  Berchtoldus 
et  Engelmarus  fratres  diÄi  Tarant.  Ebenfo  Gostviu ,  Chronik  von  Marienberg 
p.  45.  z>.  Hormayr,  Gefch.  der  Graffchaft  Tyrol  I,  II.  Urkundenbuch  S.  230. 
Berchtold  noch  1238  erwähnt:  ebenda  II,  S.  334.  Die  Archivbeftande  von 
Tarantsberg  verzeichnet  in  den  Archivberichten  aus  Tyrol  S.  394. 

'"■^  Uebrigens  erfcheint  fchon  1140  ein  Pilgrin  Tarandus.  Nach  dem 
Gefchlechtsbuche  des  Johann  Veit  von  Annenberg  von  1568  find  die  Tarant 
zu  Taranto  in  Unteritalien  machtig  gewefen.  Vgl,  erlofchenen  tyroler  Edelge- 
fchlechter  in  der  Zeitfchrift  des  Ferdinandeums  XII,  S.  189. 

'ß^  Ulrich  von  Reichenberg  verkauft  1347  feinen  Theil  der  Burg  an 
Heinrich  von  Annenberg  um  400  Mark  Berner,  1357  Benz  von  der  NewnftofFelu 
den  zweiten  (.\rchivberichte  S.  423,  Nr.  2401),  im  Jahre  1366  wird  fie  von  Hein- 
rich von  Reichenberg  eingenommen,  1465  werden  Parceval,  Jörg  und  Antoni 
von  Annenberg  mit  der  lUirg  belehnt  (Archivberichte  Nr.  2414,  2551).  Dem 
Georg  Lenguerrand  aus  Mons  in  Hennegau,  der  i486  den  Vinftgau  durchzieht, 
fällt  die  Burg  bereits  auf,  er  raftet  en  ung  village  nonime  Doronys  (Tarants- 
berg): Mone,  Anzeiger  für  Kunde  der  deutfchen  Vorzeit  1835.  S.  273;  Reifen 
einiger  Niederlander  in  Tyrol  im  15.  Jahrhundert  im  Notizenblatt  für  Öfter- 
reichifche  Gefchichte,  Beigabe  zu  ChineVs  Oefterreichifch.  Gcfchichlsforfcher 
II,  S.  56. 

24* 


_      I7S 


einen  quadratifchen  Hof  einfchließt  (Fig.  i8).  Zwei 
Seiten  desfelben  lind  von  Arcaden  umgeben,  etwas 
plumper  als  in  Churburg,  nur  die  oberen  Säulengänge 
mit  zierlichen  Capitälen  verziert,  an  der  dritten  führt 
eine  offene  Freitreppe  zu  dem  erften  Stockwerke 
empor.    Eine  aus    drei    aneinanderfloßcnden    Tra6len 


lichem  Befitz,  1351  verleiht  fie  Markgraf  Ludwig  von 
Brandenburg  dem  Erhard  von  Holm,  1363  Margaretha 
Maultafch  dem  Ulrich  von  Matfch'''".  Nach  den  Star- 
hembergern  —  1422   wurde    die   Burg    durch    Herzog 


Friedrich    eingenommen 


ITl/. 


—   kamen     die     Tavvbler 


~'l     T 


■  r 


Fig.  iS,  (Tarantsbeig.) 

beftehende  Thorbefefligung  mit  ringsherumlaufendem 
Pechnafenkranze  wendet  fich  dem  ausgedehnten  Vor- 
hofe zu,  der  rings  von  einer  mäßig  hohen  Ringmauer 
umgeben  ift  und  an  den  Ecken  von  Rundthürmen  ge- 
deckt wird.  Niedrige  hölzerne  Wirthfchaftsgebäude 
füllen  den  Vorhof.'«» 


1-ig.  19.  (Juval.) 

Die  GrJmzvefle  des  Vinflgaues  gegen  das  Burg- 
grafenamt bildet  das  Schloß  Juval,  dirci5l  über  dem 
Felfcnthor  des  Schnals-'l'hales  gelegen.  ICin  Udahicus 
tic:  Juvalt  crfchcint  zuerfl  11 60  als  Zeuge  auf  einer 
Urkunde  im  Archiv  des  Fraucnfliftcs  Miinfler  in  Grau- 
bünden.''" Die  Burg  ift  von  Anfang  an  in  landcsfiuil- 

'"•  Auf  der  AhbiMunK  im  /lr,tri,/is'!ch<:n  Codex  (Nr.  i8)  fehlt  der 
gan/c  Vorhuf  mit  dem  M;iucrriiie.  Abhildiine  des  Hofes  und  des  'J'hortliurins 
bei  htut  CUmeH,  Scbl'ilTcr  und   BiirKen  in   'ryrol  im   r)abcliri    1850,    S.  717. 

""  A.  yäefr,  v\rtbiv  für  Kunde  u[lcrrcii;liifchcr  üc  fcbicbtsforfcliling 
XV,  S.  3<». 


und  die  von  Matrutfch  in  den  Befitz  der  Vefte,  1540 
verkaufte  fie  Hans  Gaudenz  von 
Matrutfch  dem  Hans  Singkmofer,  der 
die  Burg  durchweg,  aber  mit  Bei- 
behaltung aller  alten  Grundmauern 
reftaurirte  und  reich  mit  Malereien 
ausfchmückte.'"'  In  dem  Haupt- 
fchloß  findet  fich  neben  dem  Wap- 
penSingkmofer'szunächfl:  die  Jahres- 
zahl 154S,  über  dem  Portal  ift  ein 
Marmormedaillon  angebracht  mit 
der  Infchrift :  Hans  Singkmofer  zu 
Jufal,  Källner  zu  Tyrol  1544.  Die 
Burg  nimmt  den  ganzen  langge- 
ftrekten  Höhenrücken  ein  und  folgt 
mit  ihren  Umriffen  den  Kanten  des 
fchmalen  Plateaus  (Fig.  19).  Sie  ift 
eine  vollftändige  Doppelburg  mit 
zwei  getrennten  Anlagen,  die  aber 
durch  den  äußeren  Mauerring  feft 
Der  ältefte  Theil  ift  die  Hinter- 
dem     die     äußerfte     Ecke 


zur  Rechten   daran  gelehnten 


verbunden    find 

bürg    A,     beftehend     aus 

bildenden  Bergfrit  a  mit 

Gebäuden.    Neben   ihm  führt  durch    einen   gewölbten 

Raum  /;  der  Weg  auf  den  Höhenkamm  hinaus.  Die  dem 

Schnalfer  Bach  zugewendete  Seite  zeigt   drei   zierliche 

Austritte.    Zwifchen    Hinterburg   A    und  Vorburg    B 

liegt   der   hintere    Burghof,    20  M.    lang.    Zur   Linken 


fteigt 
fuhrt. 


der  Fels  auf,   über  den  die  Ringmauer  hinweg- 
Das  Terrain   ift    nicht  voUftändig   geebnet.  An 


"   I^W^J  '  "  ' 


Fig.  20.  (Juval.) 

den  19  M.  langen,  vier  Stockwerke  iioheii  1  laiiptbau 
ß  lehnt  fich  ein  offenes  Treppenhaus  an,  das  wohl  erft 
dem  Neubau  unter  Hans  Singkmofer  feine  Entftehung 
verdankt,  die  Burg-Capelle  mit  erkerartig  hervor- 
tretender Apfis  ift  diefem  eingefügt.  Vor  der  Vorburg 
dehnt  fich  der  große  vordere  Hof,  27  M.  lang,  deffen 
Ringmauer  von  drei  vorfpringenden  viereckigen 
Thürmen  flankirt  ift.  Der  Thorthurm  D  fpringt  der- 
artig zur  Seite  hervor,  dafs  der  auf  dem  fteilen  IJnrg- 
weg  hinanklimmende  Angreifer  den  ganzen  Pfad  über 
feine  linke  Seite  dem  Vertheidiger  ungefchirml  dar- 
bietet. Ueber  dem  Thorthurm  felbft  ift  ein  dreifaches 
Gußloch  mit  drei  Stützen  angebracht.  Der  Grundriß 
gibt  in  Verbindung  mit  der  BrandisTchen  Zeichnung, 
I''ig.  20,  eine  ziemlich  tleutliche  Vorllellung  iler  Hurg- 
anlage."* 

'"rt  lif.trrr,  Ocfcbichtc  'ryrols  I,  S.  400. 
'"  A  /-Vc''»  tlefcliiclue  Tyrols  1,  S.  504. 
I"  l'.iiii  C/riiiiH  in   ilcn  Millli.  N.  V.  XVI,  S.    1. 

"•   Kine    alllllichc    l:inKt;<-Hrc(:klc   Anl.inc    mit  Vcirdcrl.uic    und   ninHilnil  u 
und    zwei   Mofeii    Ijitlcl   d^s  :dtc   SchlulJ   M.ilval   (lliill.   niunnm.   XLV,  S.   iCo). 


—     179     — 


Die  Vcfle  Sclilandersbcrg,  über  dem  Dorfe  Sclilan- 
ders,''''an  der  linken  Seite  des  Schlandernaun-15aches, 
zeigt  eine  gedrängte  Anhäufung  der  dunkelbraunen  Ge- 
bäudemaffen  um  den  mit  Schlitzzinncn  gekrönten  wenig 
aufragenden  ßcrgfrit.  Der  ganze  Complex  bildet  ein  faft 
regelmäßiges  Quadrat,  über  das  nur  an  einer  Ecke  die 
Capelle  mit  ihrem  Unterbau  erkerartig  vortritt;  die 
Eingangshalle  ift  in  den  Hauptbau  eingezogen.  Eine 
ähnlich  gedrängte  Anlage  zeigt  iW^Yede  Naudcrsberg 
an  der  Gränzfcheide  des  Inn-  und  Etfchthales.''* 

Im  Burggrafenamt  gruppiren  fich  eine  Reihe  der 
diefer  Periode  angehörigen  Edelfitze  um  die  Landes- 
hauptftadt  Meran  felbft.  Die  Anlage  im  Flachland  gab 
von  vornherein  eine  Reihe  neuer  architektonifcher 
Probleme  auf:  der  Verzicht  auf  die  Befeftigung  lag 
nahe,  das  Herrenhaus  allein  ward  der  Grundflock  des 
Baues,  und  dies  um  fo  mehr,  je  weniger  natürlichen 
Schutz  der  Baugrund  bot.  In  Schloß  Greifen- Planta  ift 
noch  der  Gedanke  der  Umwallung  durchgeführt.  Eine 
hohe  Ringmauer  umfchiießt  ein  regelmäßiges  Viereck, 
deffen  Ecken  von  vier  mächtigen  weit  vorfpringenden 
Rundthürmen  gebildet  werden,  eine  ähnliche  Anlage 
wie  in  Annenberg  und  Maretfch.  In  die  Ringmauer 
felbft  find  aber  Fenfleröffnungen  für  die  im  Inneren 
darangelehnten  Wohngebäude  gebrochen,  damit  ift 
der  Gedanke  der  Wehrmauer  felbft  durchbrochen. 
Diefer  innere  Bau  ift  erft  im  l6.  Jahrhundert  von  den 
Freiherren  von  Völs  aufgeführt  worden,"^  während 
ein  Conradus  Planta  felbft  fchon  1139  genannt  wird.''" 
Burg  Ritbcin,   der  Sitz   der   im  14.    Jahrhundert  fchon 


\ 


■K 


ü- 


W   .^l- 


Fig.  21.  (Forfl:.) 

ausgeftorbenen  Herren  von  Rubeln, '"^  darnach  im 
Befitz  der  Starhemberger  und  Rottenburgcr,  zeigt  die 
Anordnung  der  Baulichkeiten  um  einen  quadratifclien, 
neuerdings  prachtvoll  wiederhergeftellten  inneren  Hof 
mit  Arcaden;    die   eine  Ecke   bildet    der  Thurm,   auf 

'■3  7.  J.  staffiere,  a.  O.  H,  S.  602.  Die  Ritter  von  SLlilandcrsberg 
nach  dem  Stammbaum  der  Grafen  von  Hendl  1240  aus  Schwaben  ein<;e\van- 
dert;  wahrfcheinlich  find  fie  die  Erbauer  der  Vefte.  Im  Jahre  I383  geht  das 
Vitztumamt  im  Vinftgaii  an  die  Herren  von  Schiandersberg  über  (7/.  Mohr, 
Cod.  dipl.  \\,  Nr.  58);  noch  1450  eine  Belehnung  (Archivberichte  S.  441, 
Nr.  2539). 

''*  Ueber  die  Schickfale  der  Vefle  fiehe  die  Urkunden  bei  A.  Jäger, 
Engadiner  Krieg.  1838.  S.  172;  Eichhorn,  Cod.  probat.  S.  105;  Zeitfchrift  des 
Ferdinandeums  IV,  S.  i6ö  ;  Archiv  für  Tyrol.  Gefchichtc  IV,  S.  347.  Im 
Jahre  1348  wird  die  Vefte  durch  Kunig  Carl  von  Böhmen  an  Bifchcf  Ulrich 
von  Chur  gefchenkt  {v .  Mohr,  Cod.  dipl.  III,  Nr.  31),  am  9.  März  1498  wird 
fie  ausgeplündert  und  in  Brand  gefleckt.  {Ulrich  v.  Catnpeü,  zwei  Bücher 
raetifcher  Gefchichte  II,  S.  162).  Späterhin  Sitz  des  öfterreichifchen  Pflegers 
(ebenda   I,  S.    11 1). 

*'■''  Das  Schloß  fteckt  mit  feinen  urrprünglichen  Grundmauern  tief  in 
der  Erde,  nicht  weit  davon  fand  man  eine  ganze  Lage  von  zerfchmetterien  Dach- 
ziegeln, Kaminfchlaken,  Grundmauern  von  ungeheurer  Lange.  Cod.  Stampfer, 
Chronik  \on  RIeran  S.  7  folgert  hieraus,  es  fei  dies  die  Stelle  des  Bergfturzes 
aus  dem  Naifthale.  Vgl.  Roger  Schranzhofer  im  Tyroler  Almanach  1805,  5.  161  ; 
BcJa    Wtbfr,   Meran   und  Umgebung  S.   iio. 

'"*  Gabr.  ßucclin,   Uhaetia  sacra  et  prophana   p.  409. 

'■■  Sta/fler.  a.  a.  O.  III,   S.  650. 


deffen  Zinnenkranze  direft  die  Dachbalken  lagern. 
Die  Mauer  ift  durchweg  von  einem  Zinnenkranze  um- 
geben, neben  dem  Eingange  zeigen  fich  zierliche  Erker- 
bauten, die  aber  des  Befeftigungs-Charakters  vollfländig 
entbehren.  Beffcr  gewahrt  ift  diefer  bei  Burg  ForßX*^ 
auf  einem  frei  auffteigenden  Hügel  am  Ufer  der  Etfch 
weftlich  von  Meran    gelegen    (Fig.   21,  22).  An  einen 


Fig,  22.  I  Forfl. ) 

ftarken  viereckigen  Wartthurm  mit  je  vier  tief  einge- 
brochenen Zinnen  auf  jeder  Seite  lehnten  fich  auf  drei 
Seiten  die  ziemlich  hoch  anfteigenden  Wohngebäude 
an ;  auf  der  dem  Thurm  entgegengefetzten  Seite  er- 
fcheint  die  Capelle,  mit  ihrem  Unterbau,  der  der  Form 
des  Chores  fich  anpafst,  weit  über  den  Bauten-Complex 
hervortretend.  In  TImrnflein  gehört  nur  der  niedrige 
fch werfallige  Zinnenbergfrit  dem  alten  Bau  an,  das 
darangelehnte  Herrenhaus  ift  ein  moderner  Bau. 

Die  Burgen  Brandis  und  Lanaburg  (Leonburg), 
beide  im  Befitze  des  Grafen  Anton  von  Brandis,  find 
offenbar  nach  dem  gleichen  Schema  angelegt  —  der 
viereckige  Bergfrit  getrennt  von  dem  fehr  geräumigen 
Palas,  von  diefem  wieder  abgefondert  das  Wirth- 
fchaftsgebäude  —  einem  Schema,  das  in  den  Grund- 
riffen der  beiden  Bauanlagen  befonders  deutlich  her- 
vortritt. Die  FolenBrandeßer  werden  bereits  im  11.  Jahr- 
hundert erwähnt  *'^  Hilebrand  und  Heinrich  erfcheinen 
1179  als  Schirmvögte  des  Stiftes  Wüten  und  erw^erben 
Lanaburg.  ^^^  Heinrich  ift  es,  der  Brandis,  von  dem  nur 
der  viereckige  Thurm,  der  alfo  der  einzige  Reft  des 
alten     Baues,     noch    ftand,    wieder    aufführte.  '^*    Der 

'"-'  Im  12.  Jahrhundert  Befitz  der  jüngeren  welfifchen  Linie  der  Herzoge 
von  Bayern  {Egger,  Gefchichte  Tyrols  I,  S.  276).  1242  erfcheiot  zuerft  Meinh.trd 
von  Vorft.  1321  räumt  Konig  Heinrich  als  Tyroler  Landesfürft  das  Schloß 
feinem  natürlichen  Bruder  Albert  ein,  1388  kommt  es  an  Chriftoph  von  Lich- 
tenflein,  1396  an  Siegmund  von  Starkenberg,  1422  wird  es  von  Herzog  Fried- 
rich erobert  {Egger,  I,  S.  503),  1477  an  Burkhard  von  Brandis.  Durch  Wolfhard 
Fux-,  der  es  1497  kaufte,  erhielt  c  s  vorübergehend  den  Namen  Neu-Fuxberg. 
Vgl.  die  erlofchenen  Tyroler  Edelgefchlechter  in  der  Zeitfchrift  des  Ferdi- 
nandeums XII,  S.   161. 

''»  Nach  Brandis,  Tyroler  Ehrenkrautzl  S.  181  fchon  unter  Albert  Graf 
von  Tyrol  1036  Lanaburg  von  Urandis  abgetrennt,  „weilen  es  ain  Lini  dern  von 
Erandiß  davon  zufchreiben  angefangen,  dern  Namenträger  es  noch  innhaben. 
Die  Brandeßer  Abkömmlinge  der  fchwäbifchen  Grafen  von  Brandeß  (Stumpfs 
Schweizer  Chronik).  Bei  Gnbr.  Bucelin,  Khaciia  profana  et  sacra.  Augsburg 
'3^6,  p  301  der  Stammbaum  der  Brandcfler  von  dem  fagenhaften  Joannes 
Baro  de  Brandis  935  an. 

>-ö  y.  y.  Sta/fler,  a.  a.  o.  II,  S.  759;  Fr,  Nigrinus,  Die  yefürftete 
Graffchaft  Tirol,    S.    547. 

'31  Brandis.  Tyroler  Ehrenkräntzl,  S.  155.  Die  erfte  Urkunde  von  1206 
bei  z>.  Hormayr,  Urkundcnbuch  II,  S.  204.  Im  Jahre  1236  in  Gegenwart  des 
Grafen  Albert  von  Tyrol  erhalt  Prandhof  von  Brandiß  den  Alleinbefiiz  der 
Veft:e  von  feinen  Brüdern  Konrad.  Heinrich  und  Berchtold  und  die  Erlaubnis 
tiirrim  ad  caftellum  aedificandum.  (Nach  Mittheilung  des  Grafen  Anion  von 
Brandis.)  Vgl.  Archivberichte  aus  Tyrol  S.  241,  Nr.  1198,  1201.  Danach  er- 
fcheint  es  zweifelhaft,  ob  der  Thurm  noch  von  der  älteren  Anlage    herrührt. 


—     i8o 


Gefahr,  von  Meinhard  II.  von  Tyrol  niedergeriffen  zu 
werden,  entging  die  Vefte  glücklich.  Sie  verblieb  bis 
auf  unfere  Zeit  im  Befitz  der  Nachkommen  der  Gründer. 
Der  Grundrifs  bildet  im  Ganzen  ein  unregelmäßiges 
Fünfeck.  Der  ehemals  aus  fechs. Stockwerken  beftehende 
Bergfrit,  Fig.   23,   tritt  an  der  Hauptangriffsfront  vor 


Fig.  23.  (Brandis.) 


die  Gebäudemaffen,  den  Palas  felbfl;  faft  völlig  deckend. 
Diefer  lehnt  fich  nach  rechts  an  den  Bergfrit  und  die 
Seitenmauer  an,  mit  feinen  Lichtöffnungen  dem  Hofe 
zugewandt.  Der  Hauptbau  befteht  aus  vier  Stock- 
werken über  einander,  deren  jedes  nach  dem  Hofe  zu 
einen  die  ganze  Breite  des  Baues  einnehmenden  Saal 
enthält.  (Fig.  24.)  Die  völlig  getrennt  dem  Palas  gegen- 
über auf  der  anderen  Seite  des  Hofes  liegenden  Wirth- 


Anlage  nach  in  zwei  felbftändige  Theile.  Der  vordere 
fafl  quadratifche  Theil,  dem  Aufgange  zugewendet, 
wird  durch  den  Thurm  A  gefchützt,  den  älteren  der 
beiden  Bergfrite,  der  eine  regelmäßige  rhombifche 
Form  erhalten  hat.  Der  durch  den  Thurm  gedeckte 
Haupteingang  a  liegt  bedeutend  tiefer  als  das  Funda- 
ment des  Thurmes,  der  auf  der  höchften  Stelle  des 
fchmalen  Plateaus  errichtet  ift;  eine  Terrainaufmaue- 
rung l>  begleitet  fomit  den  Burgweg,  die  zugleich  für 
die  Vertheidigung  der  Vefte  einem  bereits  durch  das 
Thor  eingedrungenen  Gegner  gegenüber  die  größten 
Vortheile  bot.  Der  zweite  Abfchnitt  der  Burg,  durch 
eine  neue  Aufmauerung  von  dem  Vorhofe  getrennt,  ift 
wieder  felbftändig  durch  den  zweiten  Bergfrit  B  ge- 
deckt, von  regelmäßiger  quadratifcher  Form  im  Grund- 
rifse.  Von  ihm  getrennt,  wie  in  Brandis,  aber  von  ihm 
gedeckt,  erhebt  fich  ihm  gegenüber,  nach  der  Thal- 
feite zu,  der  Palas,  aus  einem  Hauptbau  mit  vier  gleich- 
mäßig großen  Räumen  und  einem  kleineren  Nebentracle 
beftchend  (Fig.  25).  Das  Wirthfchaftsgebäude  liegt 
unverbunden  in  der  dem  Kingange  und  der  Angriffs- 
feite  am  meiften  abgewendeten  Ecke  der  Umfriedigung. 


'■'  Q.  ;  £JiJ Olli] 


Fig.  24.  (Brandis.) 

fchaftsgebäude  zerfallen  in  zwei  größere  Tra6te,  von 
denen  der  eine  kleinere,  dem  Tluirme  und  der  Angriffs- 
fcite  ziinächft  liegende  und  deshalb  mit  ftiukeren  Mauern 
verfeJiene  der  älteren  Anlage  angehöit.  (Die  horizon- 
tale Ebene  bei  dem  Grundrifs,  Fig.  23,  von  Brandis  ift 
durch  das  unterfte  Stockwerk  gelegt.) 

Lanahurg,  auf  einem  unregelmäßigen  längliclicn 
Felskegel  über  dem  Weiler  Ak|jfeif  errichtet,  jetzt  nur 
noch   von    einem   Baumanne    bewohnt,    zerfallt    feiner 

Wahrfchcinlich  flammt  der  Unterbau  nur  aus  dem  la.  J.ilirhundcrt,  die  oberen 
Stockwerke,  wie  die  beiden  fpiitromanifchen  Kcnftcr  bcweifcn.  aus  dem 
13.  Jahrhundert.  Aus  dem  Jahre  1500  ift  ein  Ablnfsbrief  für  die  in  Bau  bc- 
Rriffenc  Schloß  Capclle  erhalten  (Archivberichte  Nr.  151a),  im  Jahre  1617  hören 
wir  von  eirier  (zweiten)  Weihe  (Arthivberichle  Nr.  1530).  l)cr  'l'hlirm  ift  am 
11.  Novemtier  1811  eingeftürzt.  Johann  (jraf  Hrandis  erbaute,  als  die  Burg 
unbewohnbar  (tew<»rfien,  in  Rerinßer  Entfernung  davon  das  Schlofs  Neu-13randis. 
Ucber  eine  Kpifudc  aus  der  letzten  Zeit  der  FaniilieiiRcfchichtc  vrI.  Anton 
(jraf  von  Hrnntiis,  Üie  Vogtei  der  Pfarre  Lana  i.  d.  Zf.  des  Kerdin.-indcums  \\\, 
lieft  31,  S.  I. 


Fig.  25.  iLaiiaburg.) 

In  der  Ausbildung  des  Grundriffes  fchließt  fich  an 
Fürftcnberg  und  Tarantsberg  Schlofs  GraTct/ch  bei 
Villanders  an,  urfprünglich  den  Folen  von  Villanders 
zugehörig  und  von  diefen  im  Jahre  1331  mit  Hilfe  des 
Grafen  Heinrich  von  Tyrol  befeftigt,"*"'  fpäter  im  Befitz 
iler  Herren  von  Gufidaun  und  von  Soll.  Die  Baulich- 
keiten gruppiren  fich  hier  um  den  großen  faft  ([uadra- 
til'clien  Hof,  der  auf  der  einen  Seite  einen  hoch  interef- 
fanten  gut  erhaltenen  Wehrgang  enthält.  Der  ältcfte 
Theil  ift  der  nordlich  gelegene  mit  einem  fpitzen  Sattel- 
dach eingedeckte  Tracl,  im  Weften  den  Eingang,  da- 
neben eine  Ca])elle  und  über  diefer  den  gewölbten 
Ritterfaal  enthaltend,  nach  dem  Ilofraume  zu  mit  einem 
großen  Erker  ausladend,  der  über  der  von  dem  Hofe 
zu  der  Caiielle  emporführenden  Treppe  liegt.  Wie  in 
P'urflenberg  find  die  Kemenaten  getiifelt,  der  Ritter- 
laal mit  Malereien  bedeckt.  Auffallend  ift  das  Vor- 
handenfein einer  zweiten  füdlich  gelegenen  älteren 
gewölbten  Capelle,  wiederum  mit  rechteckigem  Chor- 
abfchlufs,  die  im  Jahre  1510  ausgemalt  wurde. 

Seit  Jojcpk  von  Görrcs  zuerft  auf  die  Ruiikcl- 
fteiner  Wandgemälde aufmerkfam  gemacht  undSchwan- 

'"'*  Simeoner  i.  d.  Milth.  N.  !•'.  XIV,  S.  115  mit  l''ig.  9  u.  10.  liis  1389 
waren  die  Herren  von  Villanders  im  IJefit/.  die  Herren  von  (iufidauii  bis 
HSo.  Im  Jahic  iyti>  wurde  <;riivcirch  dem  Kafpar  Ncuhaufer  zu  I!.inrc(;ht  und 
Zinslebcu  verliehen,  von  ihm  ftammt  wahrfchcinlich  der  Ausbau  und  die  Aus. 
m.ilunß  der  Vcfte 


-      i8i 


thaler  das  erfle  künfllerirclie  Urtheil  über  fie  abge- 
geben, ift  die  Vefte  im  Talferthale  neben  dem  Haupt- 
fchlofs  Tyrol  die  bekanntere  und  gepriefenfle  aller 
rhätifchen  Felfenburgen.  Das  Jahr  1237  '^^  ^l^^  Geburts- 
jahr von  Runkelßdn.  Am  10.  Februar  1237  gewährt 
Bifchof  Ulrich  von  Trient  den  Herren  Friedrich  und 
Beral,  den  Söhnen  des  Adalperd  von  Wanga  die  Er- 
laubnis, auf  dem  Burgftall  Runkelftein  ein  Schlofs  zu 
bauen,  und  Graf  Adalpert  von  Tyrol  als  Vogt  des 
Stiftes  gibt  hierzu  feine  Einwilligung.  "*^  Aber  bereits 
in  der  Fehde  zwifchen  Bilchof  Heinrich  von  Trient  und 
Grafen  IMeinhard  II.  von  Görz  und  Tyrol  wurden  die 
Schlöffer  der  Wanga  verheert,  in  der  Befchwerdefchrift 
des  Tridentiner  Bifchofs  wird  als  der  10.  Befchwerde- 
punkt  angeführt:  et  decimo  de  damnis  ecclesiae  Triden- 
tinae  in  destructione  Bulsani,  castrorum  de  Traminne 
et  Ravenstain  et  turris  de  Liechtenstain  nee  non 
castrorum  illius  de  Vi'anga.  Die  Wanga  ftellten  indeffen 
weder  Langeck  noch  Runkeiflein  wieder  her,  die  Burg 
blieb  Ruine.  Als  Ruine  verlieh  fie  der  Bifchof  von 
Trient  als  Ffandobjeft  an  den  Ritter  Gotfchalk  von 
Bozen,  der  die  Burg  nothdürftig  wieder  aufführte.  Seine 
Tochter  Agnes  heiratet  Konrad  von  Schenna,  auf 
diefem  Wege  kommt  1341  Runkelllein  an  die  Herren 
von  Villanders,  1385  tritt  Cyprian  von  Villandcrs  feinem 
Oheim  Nicolaus  die  Vefte  ab,'*'*  1385  ward  fie  an  Franz 
Vintler  und  Niclas  Vintler  veräußert,"**  Rath  und  Amt- 
mann Herzog  Leopold's  von  Oefterreich,  die  1385  durch 
Bifchof  Albert  von  Trient  belehnt  wurden  und  1391 
den  Befitz  antraten.  Unter  den  Vintlern  fand  nun  der 
endgiltige  Ausbau  der  Burg  ftatt.  Die  kleinere  Vefte 
der  Wanga  fland  wahrfcheinlich  auf  dem  höchllen 
Punkte  des  Felskegels,  der  Eckthurm  rechts  neben 
dem  Eingange  und  die  Baumannswohnung  mit  dem 
an  flößenden  Tracl  mögen  ihre  Beflandtheile  gewefen 
fein;  die  Reconftru6lion  durch  Ritter  Gottfchalk  be- 
ftand  aller W^ahrfcheinlichkeit nach  nur  darin, dafser  die 
Ruinen  von  neuem  unter  Dach  brachte.  Jetzt  fügten 
aber  die  Vintler  den  ganzen  nordweftlichen  Flügel  hinzu, 
das  Sommerhaus,  eine  Capelle  zu  Ehren  der  heiligen 
Katharina,  dazu  zwei  neue  Befeftigungsthürme  und  ein 
neues  Vorwerk  —  antemurale  —  zum  Schutze  des 
der  Stadt  Bozen  zugewendeten  Aufflieges.'*''  Nach 
dem  Tode  des  Nicolaus  ward  die  Velle  als  fürftlich 
Tridentiner  Pfandlehen  eingezogen,  aber  fofort  von 
neuem  an  Franz  Vintler  verliehen.  Dann  kam  fie  in  die 
Hände  der  Landesfürflen  —  unter  dem  Burgvogt 
Georg  von  Freundsberg  fand  eine  Erneuerung  der 
„guten  alten  Iflory"  auf  Befehl  des  Kaifers  Max  ftatt. 
Ein  Brand  im  Jahre  1520  zerftörte  einen  Theil  des 
Schloffes  wieder;  ein  Bericht  vom  Jahre    1523    befagt: 

***•  yuß.  Ladttrner,  Das  Schlofs  Runkelttein  im  Archiv  für  Gefchichte 
und  Alterthumskunde  Tyrols  I,  S.  297.  Vgl.  noch  Mitth.  d.  C.  C.  N.  F.  I, 
S.  LXXXIV.  Ausführlich  Dav.  Schimherr,  D.is  Schlofs  Runkelftein  bei  Bozen. 
Innsbruck  1S74.  y,  Zingerle,  Die  pluemen  der  tugent  des  Hans  Vintler.  Inns- 
bruck 1874  Einleitung.  Grundriß  bei  J.  Seeh's  und  y.  Zini;crle,  der  Fresken- 
fchmuck  des  Schlofses  Runkelftein  Taf.  2  und  Mittheil.  N."  F.  XIII,  S.  CLIX. 
Kinc  .gute  Zeichnung  von  E.  Noräick  '187Ö  (Zuftand  vor  der  Reftauration)  im 
k.  k.  Oefterreich.  Mufeum  für  Kunft  und  Induftrie  zu  Wien.  Treffliches  Eild 
von  von  Kamcbe   1890  auf  der  Berliner  Ausftellung. 

'*"  Graft.  Wolkenftein'fches  Archiv  zu  Troftburg. 

'"*  Ijiechtenftein'fche  Urkundenfanimlunfj  im  Statthaltcreiarchiv.  Vgl. 
Milthcil.  N.  F.  I,  S.  LXXXIV.  Vgl.  CoV.  iVa)K//ir,  Das  Tyrol.  Adelsgefchlecht 
der  Vintler  von  Runkelftein  und  Platfch.  im  Tyroler  Gefchichtsfreund  1866, 
S.  298;    Anzeiger  für  Kunde   der  deutfchen   Vorzeit  N.  F.   III,   1856.  S.  394. 

'^5  Wilhelm  von  Vintler  fand  im  17.  J.ihrhundert  auf  der  Capelle  die 
Infchrift:  Ego  Nicolaus  Vintler  hoc  caftrum  Runkelftain  iiuncupatum  legalitcr 
comparavi.  Tandem  anno  MCCLXXXVIII  menfe  Augufti  polTefnonem 
eiusdem    caftri    corporaliter  fubivi,  quod  quidem  caftrum  hatlenus  inftructuris, 

minalibus,    muris  vactm    (r)    mar   ...    clefolatum     edificiis,    folTato.    ante- 

niuralibus,  campis,  cifternis,  falls,  fubis  et  pluribus  commodis  augendo  a  novo 
cdidi  et  reformavi. 


Die  Dachung  fei  ganz  verfault,  das  Waffer  rinne  durch 
alle  Böden.""'  Ein  Inventar  vom  Jahre  1493,  durch 
Amtmann  Hans  Abnflorfer  von  Bozen  aufgenommen, 
als  Kaifer  Ma.x  I.  die  Pflege  feinem  getreuen  Kanzler 
Cyprian  von  Nordheim,  genannt  Sarnteimer,  gegeben 
hatte,  gibt  ein  voUfländiges  Bild  der  inneren  Ein- 
richtung der  Burg.'**^ 

Der  rechts  neben  dem  Eingang  gelegene  Eck- 
thurm, der  durch  Jahrhunderte  hindurch  in  Trümmern 
lag,  ift  erft  in  den  letzten  Jahrzehnten  wieder  herge- 
flellt  worden,  ebcnfo  der  hölzerne  Wehrgang  über  dem 
Thore.  Die  älteren  Räumlichkeiten  erheben  fich  in 
einer  ununterbrochenen  Reihe  zur  Rechten  des 
langgeftreckten  Burghofes,  ihnen  gegenüber  liegt  völlig 
frei,  nur  an  die  der  Stadt  zugewendete  Burgmauer  an- 
gelehnt, das  hohe  neue  Sommerhaus.  An  den  ge- 
nannten Eckthurm  fchließcn  fich  zur  Linken  die  Kaifer- 
fäle  an,  zwei  fall:  quadratifche  nicht  übergroße  Räume, 


Fig.  26.  (Ried.) 

hinter  denen  auf  der  Talfcrfeite  noch  ein  fchmaler  Gang 
hinführte.  Es  fchlicßt  fich  die  mit  ihrer  Apfis  erker- 
artig nach  dem  Thal  hervortretende  im  Jahre  1400 
geweihte  Capelle  der  heiligen  Katharina  an.  Dem  Ein- 
gangsthor gerade  gegenüber  liegen  die  Vintler'fchen 
Prachtbauten,  den  Saal  der  Tafelrunde  und  den  Saal 
von  Trirtan  und  Holde  im  erllen  Stockwerk  enthaltend, 
vor  ihnen  der  Söller.  Das  Sommerhaus  endlich  enthält 
zwei  große  Feflräume  neben  einander,  den  Waffenfaal 
und  den  Vorfaal  mit  den  P^resken  auf  Margarethe  Maul- 
tafch.'** 

'^"  Statth.  Archiv.  Cop.  B,  Emb.  Fol.  137.  Ueber  die  moderne  Reftau- 
ration vgl.  Centralblatt  für  liauverwaltung  IV,  S.  441,  VI,  S.  204. 

'^'   Abgedruckt  bei   Dai'.  Sc/ionhi-yy,  a.  a.    O.   S.  47. 

'«  Ueber  die  Fresken  vgl.  />.  Ctemen  i.  d.  Mitth.  N.  F,  XV,  S.  II. 
Auier  der  fchon  genannten  l'ublication  von  Seftos  noch  Karl  Graf  H'atdfleitt, 
Die  Wigaloisbilder  im  Sommcrhaufc  der  Burg  Runkelftein :  Mittheil.  N.  F.  XIII, 
S.  CLlX;  O.  ZingerUt  Zu  den  Runkelfteiner  Fresken,  in  der  -allgemeinen 
(Augsburger)  Zeitung  1885.  lieil.  205;  yanitßhek,  Gefchichte  der  deutfchen 
Malerei  S.  198.  Vgl.  Franz  /***«/•*•?■/,  Die  Zimmergothik  in  Deutfchtirol.  I, 
Taf.  30. 


lS2       — 


Eine    kurze    Strecke   nordwärts   von    Runkelflein 
ragt  aus  dem  Talferbette  ein  riefiger  brauner  Felsklotz 
hervor,  der  fich  vor  Zeiten  von  der    Steinwand    gelöfl. 
und  in  die  enge  Schlucht  geftürzt.  Er  beherrfcht  fo  das 
Thal  vollftändig.  Den fortificatorifchenWerth  erkannten 
fchon  die  Römer,  indem  fie  auf  dem    Felsblock    einen 
viereckigen  Quaderthurm  errichteten,   als   Wartthurm 
für  den  Saumpfad  nach  Sarntheim,  der  noch  heute  bis 
zur  Hälfte  mit  fpäterem  Auffatze  und  Zinnenkranze  im 
Schlöffe  Ried  erhalten  ift.  Die  VVanga  waren  es,  die  die 
Erbfchaft    der    Römer    übernahmen,    fie     zogen     den 
Thurm    in    ihr    Vertheidigungsnetz    mit    hinein,    als 
Rückendeckung  von  Runkelftein,  die  Edlen  von   Ried 
löften   fie   ab.    Die   Burg  war   ehemals    churifches,"**'' 
fpäter  landesfürftliches  Lehen.    1349    ward    die    Burg 
durch  Markgraf  Ludwig  von  Brandenburg  an  Heinrich 
Mayr,  1350  an  Konrad  Schiniin  von  Kaltem  verliehen; 
die  Goldegger  und  VVeinecker  folgten  rafch  im   Befitz, 
bis  die  Vefle  unter  Kaifer  Max  zum  Zollhaufe  für   den 
Sarntheimer    Weg    ward.    Der    kärgliche    Raum    des 
fciimalen  Plateaus  gebot  hier  von  felbft    eine   bauliche 
Entwicklung  mehr  nach  der  Höhe  als  in  die  Breite.'*^ 
An  den  altern    Thurm   wurde  wahrfcheinlich  durch  die 
Edlen  von  Ried  auf  drei  Seiten  neues    Mauerwerk   ge- 
fügt, bis  zur  Höhe  von  drei  Stock  anfteigend,  die  Ver- 
bindung zwifchen  dem  rechtwinklig  an  die  beiden  nach 
Runkelftein    zu    gerichteten    Thurmfeiten    angefügten 
Tradle  ward  durch  einen  Kreisfeftor  gegeben,    deffen 
Dach  aber  nicht  durch  einen  Kcgelausfchnitt,  fondern 
durch  Zufammenfetzung   fpitzwinkeliger   Dreiecke   ge- 
bildet ward.  Der  zur  Verfügung  ftehende  Raum  war  fo 
ausfchließlich  für  die    Wohnbedürfniffe   beftimmt,  dafs 
die    beiden     fteinernen    Treppen    außen    angebracht 
werden  mußten.  Auch  die  Capelle  ward    noch    befon- 
ders  an  der  der  Talfer  abgewendeten   Seite   angefügt. 
Für  den  Burghof  blieb   nur   ein    ganz   fchmaler  Raum 
übrig,  der  rings  auf  drei  Seiten   um   den  Baucomplex 
herumlauft,  er  ward  durch  eine  Zinnenmauer  gefchützt, 
wo  der  Fels  nicht  felbll;  die  natürliche  Brüftung  bot; 
Fig.  26.""' 

Die  Werburg  bei  Priffian  liegt  in  Trümmern,  feit 
die  letzten  Befitzer,  die  Herren  von  Andrian-Wchrburg 
1798  ausgeftorben.  Sie  ward  von  den  Rittern  von 
Wehrburg  im  13.  Jahrhundert  erbaut,  1332  ging  fie  an 
die  Andrianer  über,  1353  kam  fie  zurück  an  die  Wehr- 
burger, erfti4ii  gelangte  Jakob  Murendeiner  von  And  rian 
wieder  in  den  Befitz  der  Burg,  feine  Nachkommen 
nannten  fich  von  nun  an  „von  Andrian-Wchrburg". 
Die  Burg  zeigt  wieder  die  Trennung  und  Auseinander- 
reißung  von  Bergfrit,  Palas,  Thorbcfeftigung  und  Wirth- 
fchaftsgcbäude,  die  alle  von  einer  gemeinfamen  Mauer 
umfchloffen  find  (Fig.  27).  Eine  Terrainauffchüttuiig führt 
zu  dem  Thortiuirm  A,  dem  ein  Thurm  B  zur  Seite 
tritt,  beide  gleich  hoch  und  mit  dem  gleichen  Dach 
eingedeckt.  Der  Aufgang  zu  dem  Obcrftock  des  Thor- 
thurmes  erfolgt  durch  eine  offen  im  l?urgwcg  liegende 
Freitrcpije.  An  den  Thurm  B  lehnt  fich  rückwärts  die 
Capelle,  ein  Neubau  vom  Jahre  1633,''-"  unter   der   ein 

'"*  I^Kgtr.  Gcrchichtc  TyroU  I,  S.  278.  385. 

'"  p;ine  mcrkwürdii-c  l'.ir.illclc  7.11  Schlof«  Rjcd  l)il(l(!l  der  fogcnannlc 
Thurm  Cif.ir«  im  Chulciu  de  Tiircnnc.  Vgl.  Jul.  ilr  Vrrnfilh,  Unc  cxcursion 
cn  Quercy,  im  Hiillclin   ii.oniimcnl.il  XXIX,  p.  637;  XXXI,  |i.   57a,   S77  mit  Alili. 

'""  Abb.  bei  Joh.innc«  11.  Not,  Kursen  v.  Tyrol,  T;if.  13;  P.iiil  tV.'- 
meit,  Schlrjffler  und   Iturgen  in  Tyrol  im   Dalieim. 

'"  Infchrifl:  \(y^-i.  Kcnovirl  .inno  1837  durch  Outletcr  der  (Jemeindc 
Prirfian  und  Oriffi-in   wie  auch  .inderc  gut  Chriftcii. 


zweiter  gewölbter  Eingang  von  der  Etfchfeite  her  zur 
Burg  führt.  Der  Palas  CD  erhebt  fich  zu  bedeutender 
Höhe  und  überragt  bei  weitem  die  Thorthürme.  Er 
befteht  —  im  ganzen  von  faft  quadratifcher  Form  — 
aus  dem  Hauptraum  C,  der  übereinander  große  Säle 
enthält,  der  untere  durcli  eine  Tonne  eingedacht,  und 
dem   kleinern   Raum  /J,  an  den  fich  nach  der  Bergfeite 


Fig.  27.  (Wcrijurg.) 

das  Treppenhaus  und  ein  fchmales  Gemach  mit  vor- 
gekragtem  Erker  anfchließt.  Der  mächtige  Bergfrit  E 
—  auch  als  Wohnthurm  eingerichtet —  zeigt  nur  in  den 
beiden  oberen  Stockwerken  Fenfteröffnungen,  nach 
der  Capelle  zugekehrt,  ein  romanifches  Doppclfenfter 
mit  Knospencapitälen;  der  obere  Stock  ift  offenbar 
erft  fpäter  aufgefetzt,  um  den  Burgherren  einen  luftigen 


^^^uJ^ißäM^ßp^*" 


Fig.  28.  (Werburg.) 

Aufenthalt  zu  gewiihrcn.  lü'n  fchmales  Gebäude  £ 
fchließt  fich  an  den  Bergfrit  an.  Sind  alle  die  genannten 
Baulichkeiten  ungefähr  gleichzeitig  aus  einem  Guße 
und  nach  einem  Plane  entftandeii,  fo  ift  das  dem  Ein- 
gange abgekehrte  Wirthfchaftsgebiuide  G  mit  dem 
großen,  durch  eine  Mauer  befonders  abgefperrten 
Wirthfchaftshof,  ein  Produ6l  fpäterer  Jahrhunderte 
vielfach  unv.jcbaut  und  vt-räiulert;  I'ig.  28. 


-      i83     - 


Karneid  bei  Bozen,  über  der  Straße  nacli  Kardaun 
gelegen  und  von  Anton  Ritter  von  Goldegg  wieder  her- 
geftellt,  zeigt  nach  dem  Abhang  des  Kardauner  Wild- 
baches ein  gedrängtes  Durcheinander  von  Thürmen 
und  Erkern.  Die  Burg  liegt  auf  einem  fchmalen  Plateau, 
vom  Dorfe  Karneid  aus  leicht  zugänglich.  Der  zwei- 
ftöckige  Thorthurm,  zu  dem  eine  Brücke  mit  zwei 
Bogen  führt,  öffnet  den  Weg  zunächfl:  in  den  tiefer  ge- 
legenen Zwinger,  der  die  ganze  Länge  der  Anlage  ein- 
nimmt und  vollfländig  von  der  oberen  Burg  getrennt 
ift.  Diefe  befteht  aus  dem  hohen  viereckigen  Bergfrit,  an 
den  fich  der  Palas  in  der  Form  von  zwei  rechtwinkeligen 
Traflen  anlehnt,  der  eine  derfelben  enthält  den  Ritter- 
faal  mit  offener  Freitreppe  und  hübfchen  großen  Erker- 


,.•■      ^. 


fJlVM^^^^ 


fc*' 


/ 


Fig.  29.  (Karneid.) 

fenftern.  Die  übrigen  Gebäude  gruppiren  fich  um  die 
beiden  Burghöfe,  von  denen  der  innere  kleinere  den  Zieh- 
brunnen enthält.  Die  der  Kardauner  Schlucht  zugekehrte 
Seite  erhält  durch  die  vielen  vorfpringenden  Einbauten 
und  die  kleinen  angeflickten  Erker,  die  zum  großen  Theile 
fehr  profanen  Zwecken  dienen,  einen  ftark  malerifchen 
Charakter.  Die  Burg  ift  eine  Gründung  der  Greifen- 
fteiner,  im  14.  Jahrhundert  ging  fie  an  die  Edlen  von 
Velfer  über,  1370  endlich  an  Heinrich  den  Gäfsler,  im 
nächften  Jahre  an  Hans  von  Greifenftein,  1385  an  die 
Liechtenfleiner,  die  bis  1760  im  Befitz  der  Vefte 
blieben. '^^  Im  Jahre  1407  wurde  die  durch  Wilhelm  den 
Liechtenfteiner  vertheidigte  Vefte  von  Vogt  Ulrich 
dem  Jüngeren  von  Matfch  eingenommen.  Fig.  29. 

Die  Schlöffer  Fragsbtirg  und  Kat::ciiflein,  beide 
in  geringer  Entfernung  von  einander  auf  dem  Freiberg 
über  Untermais  gelegen,  find  von  baugefchichtlichem 
Intereffe  nur  durch  die  eigenthümliche  Art  der  Thor- 
bcfeftigung.  Der  alte  Eingang  zur  Fragsburg  —  der 
neue  befindet  fich  auf  der  entgegengefetzten  Seite  des 
länglichen  Rechteckes  —  wird  gebildet  durch  eine  in 
der  Höhe  des  erften  Stockwerkes  eingemauerte  Thor- 
öffnung, zu  der  eine  Zugbrücke  hinüberführte,  an 
deren  Stelle  jetzt  eine  rohe  Bohlenbrücke  getreten  ilt. 
Seltfamer    Weife    war    das    Thor    nicht    durch    einen 

"■  staffier,  U,   S.  916. 

^^a   '^äger,  Landftandifche   VerfaiTung  \\,  I,  S.  291. 

XIX.  N.  F. 


direfl  über  demfelben  gelegenen  Erker  gefchützt,  fon- 
dern durch  zwei  feitlich  hinausgerückte  Vorbauten,  zur 
Linken  durch  einen  einfachen  fteinernen  Balcon  mit 
Gußloch,  von  dem  nur  die  Tragfteine  erhalten,  zur 
Rechten  durch  einen  in  der  Höhe  des  Zinnenkranzes 
gelegenen  übereck  geftellten  tlrker,  von  dem  aus  fo- 
wohl  eine  Vertheidigung  der  Thorfchmalfeite  der  Burg 
wie  der  dem  Thale  zugewandten  Langfeite  ermöglicht 
war.'^''  Katsenßein,  eine  fall  quadratifche  Gebäude- 
maffe,  mit  quadratifchem  die  eine  Ecke  bildenden 
Bergfrit,  ohne  inneren  Hof,  umgeben  im  Fünfeck  von 
einer  niedrigeren  Wehrmauer,  zeigt  über  dem  Thore 
die  einfachfte  Art  der  Pechnafen,  gebildet  aus  zwei  an- 


_l^^^ß^h 


Fig.  30.  {Trautmannsdorf.) 


N   '  ^ 


einander  gelehnten  Steinplatten,  von  der  Geflalt  eines 
langfchenkeligen  Dreiecks.  Von  einer  anderen  Vefte, 
die  am  äußerften  fudlichen  Rande  von  Obermais  ge- 
legen ift,  von  Trautmannsdorf,  vermag  nur  noch  die 
Skizze  im  Brandis'fchen  Codex  eine  Vorftellung  zu 
geben.  Die  von  den  Edlen  von  Neuberg  gegründete 
Burg,  die  dann  an  die  Angerheim  und  Suppan  über- 
ging, ward  am  Ende  des  vorigen  Jahrhunderts  durch 
den  Einfturz  des  großen  Mittelthurmes  zerfturt.  Die 
wenig  ftilgemäße  Wiederherftellung  erfolgte  in  den 
Vierziger-Jahren  durch  einen  Grafen  Trautmannsdorf. 
In  der  Brandis'fchen  Zeichnung  erhebt  fich  der  recht- 
eckige Mittelbau  mit  den  vier  runden  Eckthürmen 
etwas  zu  weit  über  die  Ringmauer.  Fig.  30. 


Fig    31.  (Schönna.) 

Alle  diefe  in  weitem  Kranze  um  die  Landeshaupt- 
ftadt  Meran  gelegenen  Burgen  vermögen  doch  nur  ein 
unvollkommenes  Bild  des  füdtyroler  Burgenbaues   um 

'-'^  Die  Fragsburg  befand  fich  vom  Jahre  1356  an  im  Befitze  der  Herren 
von  .'\uer.  im  Jahre  1479  fol;;ten  die  Ritler  von  Niederthor,  deren  Wappen 
auch  über  dem  Schlolj-Portal  angebracht  ift;  bis  1S35  blieb  fie  im  Befitz  der 
Herren  von  Mammingen  (Mamming).  IJer  jetzige  Befitzer  ift  ein  Herr  Erwinn. 
Die  Schloß-Capelle  wird  1376  zuerft   genannt  (Archivberichle  S.  256,  Nr.  1360). 

25 


iS4     — 


die  Mitte  des  14.  Jahrhunderts  mit  feinen  langen  un- 
regelmäßig aneinandergereihten  Tra6len  und  Einzel- 
thürmen  zu  geben,  die  Zerdörung  oder  ein  fpäterer 
Umbau  haben  das  alte  Bild  verwifcht.  Zwei  der  um- 
fangreichften  Burganlagen  Tyrols,  die  fich  ziemlich 
direct  gegenüberliegen,  die  Stadt  Meran  in  die  Mitte 
nehmend,  Lebcnberg  und  Sch'öiuia,  können  als  Typen 
der  Etfchthal-Bauten  gelten.  Lebenberg  ift  von  den 
Herren  gleichen  Namens  gegründet  worden,  fchon  1275 
in  der  Stiftungsurkunde  von  Stams  nennt  fich  ein 
Konrad  von  Marling  und  Lebenberg. '^*  Aber  der  Aus- 
bau der  Vefle  gefchah  doch  crft  im  Laufe  des  14.  und 


Fig.  32.  (Schönna.) 

15.  Jahrhunderts  unter  den  letzten  Lebenbergern  und 
den  Fuchsbcrgern,  die  1450  im  Lchenbefitz  folgten. 
Karl  Kirchlcchncr,  der  Meraner  Macen,  der  Freund 
und  Schwiegervater  Friedrich  Leutners,  der  des 
Schloffen  Chronik  gefchrieben,  ftellte  1835  den  ver- 
fallenden Bau  wieder  her.  Die  Vefle  ift  fo  zu  einem 
unregeimiißigen  und  unzufammenhängenden  Comple.x 
von  'iiiürmen  und  Wohngcbauden  geworden,  mit  einer 
großen  nach  dem  Bozener  Etfchthal  zu  freien  Terraffe, 
einer  befonderen  Thorbefeftigung  und  einer  dem  heil. 
Stephan  geweihten  freigelegcneii  Capelle,    die  mit  der 

'>*  Ob  die  Kdicn  von  I.cbcnberg  und  Lanabur^  eines  Stammes  find. 
wie  Brandts,  Tyrolcr  Khrcnkruntzl  II,  S.  7a,  will,  ift  zweifelhaft.  Dadurch 
würde  die  Knlftchtini;  der  Rur^  noch  weiter  /uriickceriiclct  werden.  (Sclion 
la^C»  Kudulf  von  Maring.-i.)  Vgl.  Neue  Zcitfciir.  d.  Ferdinandcums  XI.  S.  10; 
Schlofl  J.cbcnbert;  und  feine  Chronilc  in  der  Allgemeinen  Zeitung  1869, 
Beil.  138. 


weit  hineinragenden  Empore  fafl  als  DoppelCapelle 
erfcheint  —  nur  dafs  der  Altarplatz  ein  gcmeinfamer 
ifl.'s-^ 

Die  Baugefchichtc  von  Schloß  Sciionna,  durch  die 
forgfamen  Unterfuchungen  von  David  Ritter  von  Scliöit- 
herr  feftgeftellt,'^'"'  gewährt  die  Möglichkeit,  an  einem 
einzelnen  Bau  die  Arbeiten  und  Erneuerungen  aller 
Jahrhunderte  genau  zu  verfolgen,  die  theilweife  inein- 
andergreifen oder  die  früheren  Anlagen  erfetzen.  Der 
Grundriß,  Fig.  31,  zeigt  die  ganze  Bauanlage  in  der 
heutigen  Anordnung. 

Der  eigentliche  Stammfitz  der  Herren  von 
Schenna,  die  fchon  1149  als  Minitterialen  der  Grafen 
von  Tyrol  erfcheinen,"'  war  der  Burgftall  Alt-Schönna 
oder  St.  Jürgen,  auf  der  Höhe  zwifchen  Gayen  und 
Schönna  gelegen  —  jetzt  fteht  nur  noch  die  Schloß- 
Capelle  des  St.  Georg,  um  die  fich  die  einzelnen  Ge- 
bäude gruppirten,  urfprünglich  innerhalb  der  äußeren 
Befelfigung  gelegen.  Diefe  Schloß-Capclle  ift  eine  der 
intereffantelten  baulichen  Anlagen  Tyrols;  völlig  kreis- 
rund in  der  Mitte  von  einer  mehr  als  i  M.  ftarken  Säule 
geftützt,  Fig.  32,  auf  der  die  vier  breiten  Gurten  des 
Gewölbes  laften. '^"'''    Der  Erbauer  der  neuen  Vcfte  ift 


Fig.  33.  (Scliöiina.) 

Petermann  von  Schönna,  der  die  Erlaubnis  zum  Schloß- 
bau vom  Markgrafen  Ludwig  von  Brandenburg  erhielt 
und  die  Zullimmung  feiner  Vettern  Reiniirecht  und 
Wcrnher  durch  Abtretung  des  Stammhaufes  er- 
„Gefiiß  auf  dem  ]Uihel",  das  1346 
Ludwig  erhalten,'^"  entftancl  nun 
Der  Hau  Petermann's  bcitand    wahr- 


kaufte. Aus  dem 
Petermann  von 
Schloß  Schönna. 


fcheinlich  aus  einem  viereckigen  Bergfrit  und  den  beiden 

'"■^  Jahrcs/ahl  im  Kußhoden:  1508.  Nach  neuerer  Infchrift  15^8  und  1581 
durch   Degen   und  Karl  Kux   erneuert.  Abbildung  bei   Carl  Wolf,  Meran, 8.72. 

'""  D/iv.  R,  V.  Schönkcrr,  das  Schloß  Schünna.  .Seine  Gefchichtc  und 
feine   Hcfitzcr.  Meran    :88fi. 

'"'  Hartwig:  tfr  Sftnano  1149  in  einer  BencdicHbcvircncr  Urkunde. 
Neue  Zcitfchrift   des   Kcrdinandeums  XI,  S,    115. 

'"/■  Alz,  die  Rundkirchc  St.  Oeorg  in  Schünna  i,  d.  Miltlic-il.  N.  K. 
XIII,  S.  XI, II. 

""  Vgl.  iibr.  /iö/iiiter.  Regelten  Kaifer  Ludwigs  d.  Bayern.  Nr.  2313, 
S.  145;  Mathias  Kocli,  Mittheil,  aus  'I'yrol.  Urkunden  im  Oberbayerlfchen 
Achiv  VII,  S,  2y7,  299.  Achnlicllc  Kiillc  von  aiisdrücklichci'  Kriaubnis  zum 
Burgenbau  fch'in  1194  und  1240  (:'.  Ilormayr,  Ui  kundciibucli  II,  S.  i'ia,  337), 
1329  in  Hochgalfaun  {Sla/ßi-r  II,  S.  (102;,  1363  in  liurgflall  ('ryrol.  Archiv  IV 
S.  ZA^). 


i8s 


Tracflen  A  und  ß,  die  in  fpit7.em  Winkel  aneinander- 
ftießen.  Der  Thurm  felbfl  bildete  die  Ecke.  Fig.  ^;i.  Die 
kärglichen  römifchen  Trümmer,  die  den  Hügel  krönten, 
wurden,  wie  üblich,  in  der  Anlage  mitvervvendet,  die 
Mauerrefte  finden  fich  noch  am  füdöftlichen  Schloß- 
flügel yi.  Von  dem  Thurm  ift  nichts  erhalten;  eine  aus 
dem  i6.  Jahrhundert  llammende  colorirte  Zeichnung 
im  Befitze  des  Erzherzogs  Johann  (Fig.  34)  zeigt  an 
der  äußerften  rechten  Ecke  noch  die  Bruchftelle  des 
eingeftürzten  Bergfrites.  In  dem  Waffenllillftand,  der 
1423  zwifchen  Herzog  Friedrich  und  Ulrich  von 
Starkenberg  abgefchlofl'en  ward,  erhielt  Petermann 
von  Liebenberg  das  Recht,  den  Thurm  zu  befetzen. 
Diefer  bildete  alfo  damals  den  fefleften  Punkt  im 
Schlöffe.  Schon  1469  llürzte  er  zufammen,  inii  nic 
wieder  erbaut  zu  werden.  Wahrfcheinlich  riß  er  ein 
gutes  Stück  des  füdueftlichen  Tracles  .ß  mit  fjch,  daher 
die  Lücke  in  der  Zeichnung  Fig.  34.    Die   Vefte    ward 


^'S-  34-  (Schönna.) 

dem  Burggrafen  Hans  von  Königsberg  übergeben,'^' 
der  durch  den  Büchfenmeifter  Chrifioph  die  Wehren 
herftcllen  und  den  Zwinger  räumen  ließ.  Eine  bedeu- 
tende Summe  ward  dann  durch  Georg  von  Starken- 
berg verbaut,  1510,  nachdem  die  Vefte  1497  an  Paul 
von  Liechtenftein  übergegangen,  '^''"  bewilligt  der 
Kaifer  Max  L  noch  mehr:  „da  das  Schloß  uns  und 
unferen  Erben,  wann  wir  an  der  Etfch  fein  würden,  zu 
unferer  Luft  wohl  dienen  mag".  Dies  ift  der  Zuftand,  in 
welchem  die  genannte  Zeichnung  das  Schloß  zeigt,  die 
vor  1522  entftanden  fein  muß.  Der  Halbthurm  D  mit 
dem  Tract  £  als  Thorbefeftigung  ftand  bereits,  noch 
völlig  fehlte  aber  der  nordliche  Traft  C.  Die  große 
Ringmauer  beftand  gleichfalls  fchon.  Der  eingeftürzte 
Mitteltheil  des  Trafles  ß  trägt  ein  Nothdach  und  ein 
frifch  aufgefetztes  Stockwerk.  Die  Reconflru61:ions- 
fkizze,  Fig.  35,  zeigt  die  nuithmaßliche  Geflalt  des 
Baues  unter  Petermann  in  der  Vogel-Perfpe6live. 

199  Vgl.    yitji.    Ladurner    in    der    Zeitfchrift    des    Ferdinandeunis    HI, 


Zwifchen  1522  und  1529  findet  der  wichtigfle  Um- 
bau ftatt,  die  letzten  Rcfte  des  Eckthurmes  werden 
befeitigt.  Es  ift  charakteriftifch  für  das  16.  Jahrhundert, 
dafs  es  auf  den  Schmuck  und  Putz  des  Bergfrites  ver- 
zichtet. Dafür  werden  in  dem  Tratte  ß  übereinander 
zwei  große  Säle  errichtet,  die  Feftfälc,  deren  unterer 
jetzt  als  Waffenfammlung  dient.  Dadurch  ward  B  zur 
gleichen  Höhe  mit  A  erhoben,  die  Zinnen  wurden  ab- 
getragen und  wahrfcheinlich  fchon  damals  auf  die 
beiden  Tracle  ein  Satteldach  aufgefetzt.'"'"  Kurz  darauf 
ward  auch  durch  die  Liechtenfteiner  der  lange  fchmaie 
nördliche  Traft  C  in  Angriff  genommen  und  vollendet, 
der  den  Thorbau  mit  dem  Palas  verband,  Graf  Thomas 
von  Liechtenftein  leitet  1727  die  letzte  Bauperiode  ein. 
30.000  Gulden  verwendet  er  auf  den  Ausbau,  der 
hauptfächlich  die  Kaiferzimmer  und   die  Sciiloßbrückc 


S.  153. 


F'g'  35-  (Schönna.) 

betraf,  1S44  endlich  ließ  Erzherzog  Johann  den 
freien  Gang  am  Nordtraft  anbringen,  den  Erker  am 
Traft  ß  abtragen  und  dafür  einen  großen,  auf  Säulen 
geftellten  Balcon  anfügen.  Das  ift  die  Geftalt,  in  der 
die  vielgenannte  Vefte  auf  uns  gekommen  ift.^"' 

20«  Im  Jahre  1522  wird  der  Hofmaler  Jörg  Kölderer  von  Innsbruck 
berufen,  den  Bau  zu  beauffichtigen.  Nach  feinem  Bericht  l.Hßt  fich  der  Stand 
des  Baues  ziemhch  genau  feftftellen.  v.  Schbnkcrr  a.   a.  O.   S.  27. 

-"'  Das  Schweizer  Schloß  Moriinont  (Modell  in  der  miltelalterlichen 
Sammlung  zu  Bafel)  weift  in  Grundriß  und  Aufbau  große  Aehnlichkeit  mit 
Schönna  auf. 

(Fortfetzung  folgt.) 


'^'a  Archivberichte  aus  Tirol  S.   196,   Nr.  942. 


Notizen. 


75.  Confervator  kaif  Rath  Dr.  Jenny  hat  an  die 
Central  Commiffion  über  das  Ergebnis  einer  von  ihm 
im  Monate  März  d.  J.  durchgeführten  wiffenfchaftlichen 
Verfuchsgrabung  in  der  Gegend  von  Pettau  berichtet. 
Zunächft  befchäftigte  fich  derfelbe  mit  der  Prüfung 
eines  römifchen  Tumulus  gegen  Laak  hin  gelegen, 
welcher  vor  zwei  Jahren  von  Bauernburfchen  eröffnet. 


geplündert  und  dann  wieder  verfchüttet  worden  war. 
Zwei  Glasfläfchchen  hatten  die  Plünderer  zurückge- 
laffen,  eine  ziemliche  Anzahl  von  Gefäßen  und  Eifen- 
geräthen,  die  fich  bei  einem  Bauern  vorfanden, 
waren  die  Ausbeute  für  das  Joanneum.  Unter  Zurech- 
nung eines  großen  vierfeitigen  Glaskruges  und  einer 
etwa  40  Cm.  hohen  Bronzekanne,  von  welcher  nur  der 


25' 


i86 


reich  verzierte  Henkel  übrig,  das  Gefäß  felbfl  aus  der 
Sacriftei  geftohlen  worden,  dürfte  das  Inventar  des 
Tumulusgrabes  gewefen  fein. 

Ferner  richtete  der  genannte  Confervator  feine 
Aufmerkfamkeit  auf  das  Peitauer-Feld,  das  allem  An- 
fcheine  nach  römifche  Gebäuderefte  in  fich  fchließen 
mußte.  Es  war  in  der  That  der  Fall,  und  da  alle  auf- 
gefundenen Mauerrefte  den  Charakter  von  Wohnge- 
bäuden tragen,  ift  damit  die  äußerfle  Region  der  Civil- 
ftadt  Poetovio  an  der  Nordfeite  umfo  ficherer  feftgeftellt, 
als  zu  beiden  Seiten  der  Ausgrabung  noch  viele  folcher 
Objecle  vorauszufetzen  find.  An  dem  Fußweg  längs  des 
hohen  alten  Uferrains  der  Drau  beginnen  die  Mauern 
eines  Baues,  der  fich  bis  zu  einer  Ausdehnung  von  53  M. 
erftreckt,  der  ein  größeres  Hypocauft  mit  Säulchen  aus 
runden  Platten  einfchließt  und  in  welchem  eine  große 
Thürfchwelle,  wahrfcheinlich  des  Eingangsthores  ge- 
funden wurde.  Abbruch  hatte  fämmtliche  Mauern  bis 
unter  die  Fußboden  zerftört.  In  einem  ebenfalls  großen 
Gebäude  (ca.  30  M.  lang)  näher  der  Marburger  Straße 
fand  der  Confervator  theils  ganz  erhaltene  Mofaik- 
böden,  theils  Refte  von  folchen  in  namhafter  Zahl  (7 
bis  8).  Der  Mehrzahl  nach  zeigen  fie  reichere  Compo- 
fition  und  häufig  Einfatze  in  polychromer  Ausführung, 
fo  z.  B.  erfchienen  im  größten  Boden,  welcher  42  ;ä* 
Fläche  bedeckt  und  einem  Sommer-Triclinium  anzuge- 
hören fcheint,  die  Figuren  eines  Tigers,  einer  Ente, 
einer  Dohle  und  eines  Rebhuhnes  in  effe6lvoller  Farben- 
frifche  und  naturwahrer  Darfteilung;  in  der  Ecke  eines 
anderen  Fußbodens  eine  farbige  Theatermaske;  das 
Mittelbild  eines  dritten  ftellte  den  Kampf  des  Thefeus 
mit  dem  marathonifchen  Stier  vor,  aber  leider  waren 
an  diefem  in  Steinchen  kleinfter  Sorte  (2  bis  3  Mm.) 
ausgeführten  Mofaik  nur  noch  Beine  und  Thierkopf 
vorhanden;  an  einer  Wandfeite  hatte  fich  auch  noch 
ein  Tritone  in  fchwarz-weiß  erhalten. 

Zwifchen  obgenannten  Bauten  von  großem  Um- 
fange liegen  zwei  weitere  von  wefentlich  kleineren 
Dimenfionen,  etwa  in  den  Verhältniffen  von  14  X  16 
und  12X19  M.,  das  eine  mit  bemalten  Wänden,  die 
noch  auf  eine  Höhe  von  70  Cm.  erhalten  waren,  aber 
ohne  heizbare  Räume,  das  andere  comfortablcr  und 
reicher  eingerichtet,  ebenfalls  bemalt,  aber  mit 
Heizung  verfehen  und  in  einer  Abtheilung  mit 
einem  Mofaikboden  bedeckt,  der  als  Mitte  in 
einem  kreisrunden  Medaillon,  umgeben  vom  Wellen- 
Ornament,  die  Entführung  der  Europa  zeigt,  wohl  er- 
halten bis  auf  den  fehlenden  rechten  Vorderarm.  Auch 
plaftifcher  und  architektonifcher  Schmuck  fehlte  nicht 
dem  kleinen  Wohnhaus,  was  die  Auffindung  von 
Friefen  aus  Stucco  mit  Eierftab  und  Palmetten  und 
hübfcher  korinthifcher  Capitäle  bezeugt. 

An  Einzelfunden  erwies  fich  das  bearbeitete 
Terrain  ganz  ergiebig,  befonders  befriedigte  die  Aus- 
beute an  Lämpchen  mit  Stempeln,  Thongefiißcn  und 
Münzen  (von  letzteren  etliche  40  Stücke,  vorwiegend 
3.  und  4.  Jahrhundert);  zu  bemerkenswertheren  Stücken 
gehört  eine  filberne  Fibula,  eine  fchonc  Eifenfchaufel, 
ein  Stirnziegcl  mit  Maske  (Antefixa),  wogegen  infchrift- 
Mchc  Funde  außer  zahlreichen  Ziugelftcmpeln  nicht  zu 
verzeichnen  find  und  Terra  sigillata-Gefchirre  —  im 
Gegenfatz  zu  Bregenz  —  auffallend  feiten  vorkommen. 


j6.  Confervator  Riclily  hat  an  die  Central-Com 
miffion  weiters  berichtet,  dafs  ein  Fragment  eines 
größeren  Steinbeiles  von  faft  fchwarzer  Farbe  bei  einem 
Canalbaue  in  der  füdbohmifchen  Stadt  Platz  gefunden 
wurde.  Es  befteht  aus  der  fcharfen  Schneide  und  dem 
fich  bis  an  das  Bohrloch  durch  eine  rinnenförmige  Ver- 
tiefung charakterifirenden  Klingenkörper,  11  Cm.  lang 
und  6  Cm.  breit.  Diefer  Fund  fcheint  hochbemerkens- 
werth,  weil  Stein-Artefacte  im  füdlichen  Böhmen  zu  den 
archäologifch  -  prähiftorifchen  .Seltenheiten  gehören. 
Ferner  berichtete  derfelbe  Confervator,  dafs  vor  ca.  fechs 
Jahren  beim  Steinbrechen  ein  Depotfund  von  Bronzen 
in  einer  Felfenfpalte  bei  Bfesi'm  Böhmen  gemacht  wurde ; 
man  fand  28  Stück  ganze  und  ein  viermal  gebrochenes 
Bronze-Artefa6l;  fämmtliche  Stücke  find  bis  auf  ganz 
kleine  Differenzen  einander  ähnlich.  Jedes  Stück  be- 
fteht aus  einem  langen  und  fchmalen,  nach  beiden 
Enden  gleichmäßig  verjüngten  und  zu  einer  halben 
EUipfe  umgebogenen  maffiven  Bronzeftreifen,  von 
denen  einer,  der  größte,  30-5  Cm.  lang,  in  der  Mitte 
170  Mm.  und  an  den  verzierten  Enden  9  Mm.  breit  ift. 
Aehnliche  Bronzeftreifen  wurden  ebenfalls  in  größerer 
Anzahl  in  Hradiste  bei  Pifek  gefunden.  In  unmittel- 
barer Nähe  von  Slavce  wurden  ebenfalls  etliche  folche 
Bronzeftreifen  gefunden  (f  Notiz  70). 

Tj .  Profeffor  Trenkwald  hat  der  Central-Com- 
miffion  mitgetheilt,  dafs  in  der  Dominicaner-Kirche  zu 
Ragu/a  fich  drei  Holztafelbilder  befinden,  echte  Nicolo 
Ragusanus,  und  in  der  Kirche  zu  Dance-,  nahe  bei 
Ragufa,  ein  Altarwerk,  beftehend  aus  in  drei  Felder 
getheiltem  Hauptbilde,  einem  Halbbogenbilde  und  drei 
Predellabildern,  die  befonderer  Beachtung  werth  er- 
fcheinen. 

78.  Es  ift  für  die  Central-Commiffion  äußerft 
erfreulich  ,  über  den  gelungenen  Abfchluß  der  der 
Künftlcrhand  des  Malers  Theoph.  Hlclichcr  anver- 
trauten Reftaurirung  der  alten  hochwichtigen  Wand- 
malereien im //ifz'ö'^w/'fw/d'/zuZnaim  berichten  zu  können. 
Im  Mai  d.  J.  ging  diefe  nahe  zwei  Jahre  wiihrende 
recht  fchwierige  Arbeit  zu  Ende.  Profeffor  Trenkwald 
hat  im  Auftrage  der  Central-Commiffion  die  Reftau- 
rirung gelegentlich  ihrer  Beendigung  befichtigt  und 
erklärt,  dafs  die  Auftrocknung  der  im  vorigen  Jahre 
rcfiaurirten  Farben  bereits  weit  vorgefchritten  fei  und 
fich  hinfichtlich  des  Farbeneffefles  fehr  günftig  ent- 
wickelt, FigLirenzeichnung  und  Färbung  treten  fciiün 
und  klar  hervor  und  kann  alles  als  gelungen  bezeichnet 
werden.  Große  Schwierigkeit  ergab  fich  bei  zwei 
ziemlich  unklar  gewordenen  Bildern :  Verkündigung 
und  Geburt  Chrifti.  Mit  Sorgfalt  wurden  die  rothen 
Contouren  kräftig  lafurend  verftärkt  und  dort,  wo  von 
einer  ehemaligen  Farbenfüllung  Spuren  vorhanden 
waren,  diefe  benützt.  Auf  diefem  Wege  ift  es  gelungen, 
auch  diefe  beiden  wichtigen  Darftcllungen  den  übrigen 
harmonifch  einzuordnen.  Bei  Wiederherxorrufung  und 
Belebung  diefer  halbverloren  gegangenen  Bilder  hatte 
der  reftaurirendc  Künftler  allen  gerechten  Anforde- 
rungenentf])rochen  und  verdient  volles  Lob.  Die  Central- 
Connniffion  kann  aber  mit  Recht  zur  freudigen  Kennt- 
nis nehmen,  folcli  ein  in  feiner  Art  einziges  und 
kunfthiftorifch  bedeutfames  Werk  vor  völligem  Unter- 
gange gerettet  und  der  Nachwelt  überliefert  zu  ha!)t:n. 


-     i87     - 


79.  Der  Ccntral-Commiffion  wurde  vom  k.  k. 
Forft-  und  Domänen- Verwalter  Lcop.  Sc/niwlc  in 
Sachfenburg  mitgetheilt,  dafs  beim  Ziehen  eines  6  M. 
tiefen  Grabens  im  April  d.  J.  am  Marktplat;'-c  ein  Pal- 
ftab  ausBronze  mit  fehr  fchöncr  Patina  gefunden  wurde. 
Er  hat  eine  Länge  von  25  Cm.  und  ift  mit  breiten 
Schaftlappen  verfallen. 

80.  Die  Central-Cömmiffion  hatte  bis  in  die  neuefte 
Zeit  alle  ihr  zulaffig  erfclieinenden  Schritte  gcthan,  um 
das  fogen.  LinzertJior  in  Salzburg  zu  erhalten.  Für  die 
Central-Commiffion  ift  es  wichtigconftatiren  zu  können, 
dafs  irgend  ein  Vorwurf,  in  diefer  Sache  nicht  genügend 
eingegriffen  zu  haben,  nicht  gemacht  werden  kann. 
Seit  drei  Jahren  fchwebt  diefe  Angelegenheit,  und 
fprach  fich  damals  der  Gemeinderath  mit  nicht 
bedeutender  Majorität  für  die  Belaffung  des  Thores 
aus;  in  jüngfter  Zeit  wurde  die  Demolirungsfrage  wieder 
aufgeworfen  und  der  bezügliche  Befchluß  mit  nicht 
unbedeutender  Majorität  gefaßt.  Für  die  Central- 
Commiffion  befteht  nur  noch  ein  günftiger  Moment, 
der  ift,  dafs  die  mit  den  Anrainern  des  Thores  einzu- 
leitenden Verhandlungen  nicht  die  wünfchenswerth 
fiebere  Gewähr  dafür  bieten,  dafs  die  derzeit  an  das 
Linzerthor  angebauten  Häufer  eine  derartige  Ausge- 
ftaltung  erhalten,  wodurch  die  ganze  Situation  den  An- 
forderungen des  guten  Gefchmackes  entfprechen  würde. 
Die  maßgebenden  Kreife  erkennen  dem  befagten  Thor- 
baue nicht  die  Eigenfchaft  eines  Kunft  den  kmales,  fondern 
nur  die  eines  hiftorifchen  Denkmales  zu,  was  auch  richtig 
ift. Man  findet  in  derErhaltungdiefesBaues  für  die  Stadt 
keinen  Vortheil.  Das  Wahrzeichen  der  Stadt  Salzburg, 
das  diefelbe  hinreichend  charakterifirende  und  der- 
felben  in  jeder  Beziehung  zur  Zierde  und  Schönheit 
gereichende  Denkmal  bleibe  einzig  und  allein,  nach  der 
Meinung  maßgebender  Kreife,  die  Feftung  Höhen- 
Salzburg,  für  deren  Erhaltung  jederzeit  die  ganze 
Bevölkerung  der  Stadt  einftimmig  einftehen  wird.  Für 
das  Linzerthor  fchiene  fich,  diefer  Auffaffung  zufolge, 
die  ungeheuere  Majorität  der  Bevölkerung  hingegen  in 
gar  keiner  Weife  zu  intereffieren.  Wir  möchten  aber 
doch  glauben,  dafs  nebft  der  herrlichen  Vefte  Höhen- 
Salzburg  fich  doch  noch  manche  Denkmalbauten  in  Salz- 
burg befinden,  diefelbfteiner  AnftrengungzuihrerErhal- 
tung  würdig  find,  wie  z.  B.  die  Stifts-Kirchen  zum  heil. 
Peter  und  am  Nonnberg,  die  Franciscaner-  und  CoUe- 
gien-Kirche,  der  Dom,  das  Refidenzgebäude,  die  Reit- 
fchule  und  noch  recht  vieles  andere,  und  auch  in  Be- 
treff der  um  das  Denkmal  fich  intereffirenden  Kreife 
dürfte  es  gerade  gegentheilig  fich  verhalten. 

81.  Die  durch  den  Confervator  Profeffor  V.  Beiger 
gepflogenen  Erhebungen  über  das  Bild  in  der  Hauer- 
hau.s-Capelle  am  Salzberge  zu  Hallßatt  haben  fehr 
intereffante  Refultate  ergeben.  An  der  linken  Wand 
der  Capelle  befindet  fich  über  den  Betftühlen  das  Bild. 
Es  befteht  aus  einem  Hauptbilde  und  zwei  beweglichen 
Flügeln:  ein  Tryptychon,  ein  Werk  des  XV. — XVI. 
Jahrhunderts  und  ift  ziemlich  gut  erhalten.  Das  Haupt- 
bild mifst  fammt  dem  7  Cm.  breiten  Rahmen  1-82  M. 
in  der  Hohe  und  ri4  M.  in  der  Breite,  die  beiden  Flügel- 
bilder liaben  einen  etwas  breiteren  Rahmen  (g  Cm.), 
und  mit  halber  Breite  des  Hauptbildes  bei  gleicher 
Höhe.    Die   Rahmen    find    alt  und  bilden  innen    einen 


vergoldeten  Blätterftab  mit  rothen  Blattrandfeitcn  aut 
blauem  Grunde  —  außen  nur  eine  rothe  Leifte  mit 
goldenen  Sternchen. 

Die  Bilder  find  in  Temperamalerei  auf  Holztafeln 
ausgeführt;  jene  des  Hauptbildes  und  der  Innenfeite 
der  Flügel  mit  plaftifch-dcffinirtem  Goldliintcrgrund, 
desgleichen  find  behandelt  die  Nimben, Mitren,  Kleider- 
fäume,  l'ferdezäumungen  u.  f  w.  Die  Rüftungsftücke 
der  Krieger  find  ebenfalls  plaftifch,  aber  verfilbert. 

Das  Mittelbild  zeigt  eine  figurenreiche  Darftellung 
der  Kreuzigung,  im  Vordergrunde  rechts  (herald.)  die 
Frauengruppe  und  Johannes,  links  die  um  den  Rock 
des  Herrn  würfelnden  Krieger.  Im  Mittelgrunde  Chriftus 
am  Kreuze  und  die  beiden  Schacher,  vor  dem  Kreuze 
die  zwei  Hauptleute  in  reicher  Gewandung,  einer  mit 
einem  Schriftbande,  darauf:  vere.  filivs.  dei.  Im  Hinter- 
grunde viele  Krieger.  Die  Rückfeite  des  Hauptbildes 
unbemalt.  Am  rechtsfeitigen  Flügel  finden  fich  zwei  Dar- 
ftcllungen  untereinander  gruppirt,  oben  St.  Rupertus 
und  ein  Bifchof  unten  St.  Anna  Selbftdritt;  am  an- 
deren Flügel  St.  Wolfgang  und  wieder  ein  zweiter 
Bifchof,  unten  St.  Chriftoph;  außen  oben  St.  Joachim 
(am  Rahmen:  iochimj;  unten  St.  Anna  und  Joachim 
fich  begrüßend  (am  Rahmen:  iochim  vn  anna),  dann 
St.  Anna  und  der  die  Geburt  Mariens  verkündende 
Engel  (am  Rahmen:  anna),  unten  beide  Eheleute  an 
einem  Tifche  fitzend  (am  Rahmen:  anna  vn  iochim). 

Wenn  auch  der  künftlerifche  Werth  des  Bildes 
kein  hervorragender  ift,  obwohl  das  Mittelbild  feiner 
reichen  Compofition  wegen  vollfte  Beachtung  verdient, 
fo  ift  doch  das  Obje6t  feines  Alters  und  guten  Be- 
ftandes  wegen  von  hohem  Intereffe  und  verdient  forg- 
fame  Erhaltung. 

82.  (Groß-Reinprechts.) 

Auf  Veranlaffung  des  Herrn  Pfarrers  Binder 
in  Groß-Reinprechts  befichtigte  Confervator  v.  Riewel 
im  Auguft  vergangenen  Jahres  die  Kirche  dafelbft,  um 
feine  Anficht  über  die  gewünfchte  Reftauration  und 
deren  Einrichtung  bekannt  zu  geben.  Diefe  einfchiffige 
gothifche  Kirche  war  früher  romanifch,  aus  welcher 
Zeit  noch  die  Halbkreis-Apfis  befteht,  auf  welcher 
fpäter  ein  Thurm  mit  der  Grundform  eines  unregel- 
mäßigen Zehneckes  aufgebaut  wurde.  Das  Schiff  ift 
mit  einer  Holzdecke  verfehen,  doch  find  noch  vier  der 
Wand-Confolen  als  Träger  des  früheren  Gewölbes 
vorhanden.  Statt  der  Seitenfchiffe  waren  an  der  Oft- 
feite rechts  und  links  zwei  gothifche  mit  je  zwei  Kreuz- 
gewölben abgefchloffene  Capellen  angebaut,  von 
welchen  die  füdliche  noch  vollftändig  und  die  nördliche 
nur  noch  in  Bruchftücken  vorhanden  ift.  Von  der  alten 
Einrichtung  hat  fich  nur  noch  ein  einfacher  Taufftein 
aus  rothem  Marmor  erhalten,  während  die  Altäre  und 
die  Kanzel  aus  dem  vorigen  Jahrhundert  ftammen  und 
nun  reftaurirt  werden  follen.  Am  Friedhofe  dafelbft 
fteht  noch  ein  fehr  fchönes  fchmiedeifernes  Grabkreuz 
aus  der  Barockzeit. 

83.  Profeffor  Liaitz  hatte  jüngft  Gelegenheit,  die 
Kirche  zu  Eifenerz  anläßlich  ihrer  Reftaurirung  zu  be- 
fichtigen.  In  dem  an  die  Central-Commiffion  hierüber 
erftatteten  Berichte  bemerkte  derfelbe,  dafs  im  Ganzen 


—      iS8     — 


nicht  nur  alle  phantaftifchen  decorativen  Theile  der 
Orgel-Empore,  fondern  auch  theilweife  flru6live  Ele- 
mente als  Wände,  Zargen,  Bogenftücke  völlig  ftein- 
metzgerecht,  jedoch  aus  einer  Art  KunO:0:einmalfe  be- 
ftehen  dürften.  Die  Materie  ift  höchft  compaft  und 
glatt,  aber  beim  Berühren  fühlt  man  einzelne  fcharfe 
vorftehende  Punkte.  Eigenthümlicherweife  findet  fich 
fogar  ein  Steinmetzzeichen.  Y  Was  die  Rede  alter 
Fresken  an  den  Stirnfeiten  |  {/  der  Chor-Strebepfei- 
ler betrifft,  Apoftelfiguren  unmittelbar  unter  dem 
durchlaufenden  Cordongefimfe,  fo  ift  es  wohl  das  befte, 
fie  an  Ort  und  Stelle,  wie  fie  find,  zu  belaffen,  ihr 
Werth  ift  nicht  fehr  groß,  ihr  Zuftand  nicht  befonders. 
Andere  Malereirefte  neben  den  beiderfeitigen  Zu- 
bauten fcheinen  werthlos. 

84.  Correfpondent  Dr.  Hans  SchmöUer  in  Trient 
hat  die  Central-Commiffion  auf  die  Ruine  Caßellbarco 
aufmerkfam  gemacht.  Selbe  liegt  hart  an  der  Gränze 
Tyrols  gegen  Italien,  oberhalb  der  zur  Gemeinde  Avio 
gehörigen  Fraftion  Sabionara.  auf  einem  fteil  abfallen- 
den Hügel,  eine  impofante  Ruine,  die  den  gewaltigen 
Maffen  der  noch  ftehenden  Mauern  und  den  kühnen 
grandiofen  Formen  nach  der  Reft  eines  hochbedeuten- 
den Burgbaues  fein  dürfte.  Man  erkennt  das  eigent- 
liche Schloß,  das  von  einem  Thurme  überragt  wird, 
aus  einem  von  weitausgreifenden  Mauern  einge- 
fchloffcnen  Hofe.  Diefe  Mauern  ziehen  mächtig  den 
Hügel  herab  und  find  ftellenweife  mit  mancherlei  Ver- 
theidigungszwerken  verfehen.  Im  Hochfchloffe  be- 
fand fich  links  die  Burg-Capelle,  fie  war  mit  alten 
Wandmalereien  geziert,  ift  aber  bereits  feit  einigen 
Decennien  zerfallen.  Die  Refte  zeigen  eine  ziemlich 
ungefügige  Hand  und  den  Charakter  der  ausklingen- 
den romanifchen  Kunftzeit.  In  einem  Räume  des  rech- 
ten Schloßflügels  hat  fich  eine  Wandnifche  mit  alter, 
man  könnte  fagen,  grotesker  Malerei,  einer  Kreuzigung, 
vorzüglich  erhalten. 

Unmittelbar  unter  dem  Hochfchloffe  und  von 
diefem  überragt,  fleht  ein  kleiner  ifohrterSaalbau,deffen 
unteres  und  oberes  Gcfchoß  in  je  zwei  Räume  abge- 
theilt  ift.  In  letzterem  find  die  Wände  des  einen  Rau- 
mes fchachbrettartig  bunt  bemalt.  In  diefem  Räume 
wird  Heu  aufbewahrt.  In  dem  anderen  Räume  fehlt 
zum  Glück  der  Fußboden.  Dcrfelbe  mißt  ca.  5  M.  im 
Geviert  und  ift  reich  und  merkwürdig  bemalt.  An  allen 
vier  Wänden  finden  fich  in  zwei  Reihen  übereinander 
figurenreiche  Darftellungen  etwas  unter  Lebensgröße, 
meiftens  Kampffcenen  vorftellend.  Der  hochalterthüm- 
liclie  und  ganz  eigenartige  Charakter  diefer  Malereien, 
die,  man  konnte  fagen,  an  affyrifchc  Reliefs  erinnern, 
die  klare  Anordnung  der  Mgurcn,  die  oft  bis  ins  Ein- 
zelne klar  und  ficher  ausgeführte  Tracht  und  Bewaff- 
nung geben  den  Gemälden  einen  größeren  Werth  und 
erhöhte  Wichtigkeit;  dabei  find  fie  im  Ganzen  noch 
wohlerhalten,  nur  fehr  verkritzelt  und  mit  .Staubkruften 
überzogen.  Leider  find  diefe  Bilder  in  ihrer  Fortc.viftcnz 
fehr  bedroht.  Die  Südoftwand  nämlich  ift  an  beiden 
Ecken  geborften  und  um  fie  aufrecht  zu  erhalten,  find 
durch  diefelbe  und  die  gegenüberliegende  Wand  zwei 
Querbalken  gezogen,  wodurch  die  Malereien  an  den 
betreffenden  Stellen  arg  gelitten  haben.  Die  Südweft- 
wand  mit  dem  Bilde  eines  Reitergefechtes  ift  von  einem 
doppelten  Sprung  durchriffeii.  Diefe  Wand  weicht  all- 


mählig  dem  Schübe  des  dahin  herabrutfchenden  Erd- 
reiches. Ueherdies  aber  wird  der  ganze  Raum  noch 
von  dem  Mauerwerke  bedroht,  das  dahinter  thurmhoch 
am  Hochfchloffe  emporragt  und  eben  im  Zufammen- 
fturze  begriffen  ift.  In  allernächfter  Zeit  werden  diefe 
Malereidenkmale  aus  dem  13.  oder  14.  Jahrhundert,  die 
zu  den  werthvoUften  Schätzen  alter  Kunft  in  Tyrol 
zählen,  unaufhaltfam  ihrem  Verderben  erliegen. 

85.  Als  hocherfreuliche  Nachricht  muß  regiftrirt 
werden,  dafs  das  Minifterium  für  Cultus  und  Unterricht 
über  Befürwortung  der  Central-Commiffion  dem  An- 
fuchen  des  krainifchen  Landesausfchuffes  dahin  will- 
fahrt hat,  dafs  es  geftattete,  die  im  Gebäude  des 
Staatsgymnafiums  zu  Laibacli  theils  eingemauerten, 
theils  aufgeftellten  Lapidar-Monumente  in  das  krai- 
nifche  Landes-Mufeinn  Rjidolpliinuui  zu  übertragen,  in- 
foweit dies  ohne  Schädigung  des  Gymnafiumgebäudes 
möglich  ift.  Es  find  43  theils  Votiv-,  theils  Grabfteine, 
aus  Aemona,  Treffen,  Laibach  und  Sandörfel  ftam- 
mend,  fünf  Stück  antike  Ziegel  und  14  mittelalterliche 
Grabfteine. 

86.  Die  alte  kunfthiftorifch  unbedeutende  Kirche 
zu  Losaii  in  Böhmen  foU  demolirt  werden,  wogegen 
die  Central-Commiffion  keine  Einwendung  erhebt; 
nur  für  die  Erhaltung  der  vier  Glocken  hat  fich  die 
Central-Commiffion  verwendet.  Die  größte,  125  Kg. 
ftammt  aus  dem   Jahre    1709    und   trägt   folgende   In- 


f 


.chrift: 

LETHA  1709  SEIT  GEST  KE  CZTI  A  SLA  WIE 

P  BOHA  WSE   MOHOVC   ZIHO   NAKLADEM 

ZADVSI    CHRAMVPANIE- 

Rankenornamente  und  zwei  Kreuzbilder. 

Die    zweite,   60   Kg.   fchwer,   trägt    das    Kutten - 
berger  Stadtwappen  und  folgende  Infchrift: 

Tento*zwon*vdielan*gest*za*m*vichtarze*c* 

lossansteho*a(?)*c*dila*v*wondrzcge*kotka* 

zwonarze*i550. 

Die  dritte  Glocke   ftammt    aus    dem    Jahre    1868, 
das  San6lus-Glöcklein  ift  neu. 


87.  Die  Central-Commiffion  hat  Nachricht  er- 
halten, dafs  das  Reftaurirungswerk  am  Donjon  zu  Fric- 
facli  in  befriedigender   Weife    vorwärts    fclireitet.    Die 

geplante  Herftellung  der  beiden  Zwifchenböden  unter 
und  über  der  Capelle  find  infoweit  fcrtiggeftellt,  dafs 
nunmehr  das  obcrfte  Gemach  mit  dem  romanifchen 
Kamine  betreten  werden  kann.  Mit  diefer  Arbeit  ging 
felbftverftändlich  die  bauliche  Reconftruftion  des 
Thurmes  Hand  in  Hand,  befonders  die  Ausfüllung  der 
koloffalcn  Lücken  in  den  Ecken.  Von  den  Wand- 
malereien find  leider  nur  mehr  einzelne  Fragmente 
erfichllich,  ober  dem  Kamine  miißen  ganze  Mauer- 
partien abgetragen  werden,  da  diefelben  fehr  fchad- 
iiaft  find  und  ein  Auffetzen  des  Dacliftuhles  umnöglich 
wäre. 

88.  Confervator  Dr.  Iknak  hat  an  die  Central- 
Commiffion  berichtet,  dafs  in  neuefter  Zeit  auf  dem 
Gräberfelde   füdlich   des  Bahnhofes   zu   Wels,    wofeIi)ft 


i89     — 


vor  ca.  zwei  Jahren  vcrfchiedcnartige  Gräber,  niclirerc 
Sarkophage  und  die  Tafel  Cajus  Bei.  Comm.  erfchloffen 
wurden,  eine  Erdaushebung  zum  Baue  eines  Wohn- 
haufes erfolgte,  wobei,  wie  erwartet,  neuerliche  Funde 
gemacht  wurden. 

Man  fand  in  fehr  geringer  Tiefe  30 — 40  Cm.  unter 
der  Bodenflächc  eng  beifammen,  aber  nach  verfchiede- 


in 


Fig-  I. 

neu  Richtungen  gelegt,  Gebeine  theils  in  der  Erde 
felbft  (eigens  befchafftem  feinem  Riefelfchotter),  theils 
von  Conglomerat-Bruchfteinen  umfchloflen,  theils  auch 
in  Ziegelgräbern,  wie  folche  bereits  an  anderen  Stellen 
des  Feldes  gefunden  wurden.  Die  Skelette  find  alle  von 
der  Erde  zerdrückt,  vielleicht  aufgewühlt  und  bei  wie- 
derholtem weiteren  Belege  zerftört  worden. 

Beigaben:  Das  Fragment  eines  weißen  kolben- 
förmigen Glafes,  ein  10  Cm.  hohes  grünes  Thongefäß 
defeft,  mit  ovalen  Eindrücken  in  roher  Ausführung 
geziert  (Fig.  i).  Acht  Stück  Arm  (?)-  Reife,  drei  aus 
dunklem  grünen  Glas,  fünf  aus  Bronze,  fünf  davon  lagen 


Fig.  2. 

beifammen  neben  einem  in  Sand  gebetteten  Skelette, 
das  aber  nicht  mehr  vollftändig  war  (Fig.  2  Bronze- 
reif). Die  Glasreife  find  innen  flach,  außen  convex, 
auf  einer  Seite  ftärker,  dagegen  anderfeitig  fchwächer 
arehalten,  auffällitj  ahnlich  den  modernen  Braceletten 
diefer   Art.    Die    Bronzereife    find    fein   ausgearbeitet 


Einzelne  find  durch  Feilenftriche  verziert  (Fig.  3). 
Sämmtliche  Gegenflände  kamen  in  das  ftädtifche 
Mufeum  zu  Wels. 


89.  Herr  Bar^/io/üi/iäus  Pfü/n'/c  in  Guvk{e\dha.t  an 
die  Central-Commiffion  berichtet,  dafs  dortfelbft  beim 
Abtragen  einer  alten  Mauer  ein  Infchriftftein-Fragment 
gefunden  wurde.  Die  Platte  ift  47  Cm.  dick.  Regierungs- 
rath  Kenner  referirte  über  dasfelbe  und  bezeichnete  den 
Fund  als  wichtig.  Es  ifl  zu  vermuthen,  dafs  der  Stein 
von  einem  Baue  herrührt,  der  die  Beftimmung  eines 
Sol-  oder  Mithras-Heiligthums  hatte,  erbaut  oder  ge- 
widmet von  Kaifer  Septimius  Severus.  Die  Lefung 
dürfte  folgendermaßen  fein: 


mip 


Deo  in  VICTO  mithrae 
■  caes  •  L  (?)  SEPTImius  severus 

p  ERTINA  aug 

arab  •  adia  B  PAR  thicus 


Demnach  würde  das  Denkmal  kaum  vor  198 
n.  Chr.  anzufetzen  fein,  in  welchem  Jahre  zum  früheflcn 
die  Triumphaltitel:  arabicus,  parthicus  u.  f.  w.  des 
Kaifers  Septimius  Severus  vorkommen. 

90.  Der  Befitzer  des  Sternwirthshaufes  in  der 
Altenmarktgafle  zu  Brixcii,  Peter  Kinigadner,  hat  beim 
Loslöfen  einer  Tapete  Farbenftücke  gefehen  und  be- 
hutfam  nachgefucht,  wodurch  es  ihm  gelang,  ein  Bild 
von  ca.  2'/2  M.  Länge  und  faft  2  M.  Höhe  bloßzu- 
legen. 

Das  Bild  zeigt  fünf  Heilige,  einen  Bifchof,  St.  Seba- 
Itian,  St.  Dorothea,  einen  Ritter  (Florian?)  und  St. 
Chriftoph.  Diefe  find  mit  einer  Bordüre  eingefaßt, 
deren  Stabe  fich  in  gewiffen  Abftänden  fo  kreuzen, 
dafs  eine  Rhombe  gebildet  wird.  Da  diefe  Bordüre 
gleichfam  den  Rahmen  um  alle  fünf  Heiügen-Bilder 
bildet,  fo  kann  man  fchließen,  dafs  das  ganze  Gemälde 
bloßgelegt  fei.  Allerdings  findet  fich  im  Gemälde  kein 
rechter  Mittelpunkt;  aber  da  der  Bifchof  und  St.  Se- 
bartian  einerfeits  und  St.  Dorothea  und  der  Ritter  ander- 
feits  gegeneinander  gekehrt  find,  fo  dürfte  man  wohl 
fchließen,  dafs  der  ehemalige  Befitzer  des  Haufes  blos 
feine  Schutzheiligen  hier  aufftellen  wollte.  Dafür  fpricht 
auch,  dafs  man  hier  vielleicht  nicht  die  Wand  einer 
Capelle,  fondern  höchft  wahrfcheinlich  eine  Vorhalle 
oder  die  Außenwand  des  Haufes  von  früherer  Zeit  vor 
fich  haben  dürfte. 

Nun  zu  den  Bildern  felbft.  Ich  möchte  fie  in  Zeich- 
nung, Farbenbehandlung  und  Gefichtsausdruck  den 
Bildern  in  Arkade  12  des  hiefigen  Kreuzganges  (und 
an  der  Außenwand  der  Apfis  von  der  Frauenkirche) 
gleichftellen,  alfo  ihre  Entftehung  an  die  Neige  des 
14.  oder  in  den  Anfang  des  15.  Jahrhunderts  verfetzen. 
Es  herrfcht  im  ganzen  Bilde  noch  der  ideale  gefchweifte 
Faltenwurf,  die  Geftalten  find  lang  und  zierlich,  die 
Gefichter,  wenn  auch  einander  ziemlich  ähnlich,  doch 
fehr  edel  und  ausdrucksvoll,  die  Hände  fein  mit  gutem 
Verftändnis,  wenn  auch  nicht  ganz  richtig  behandelt, 
die  Nimben  find  gravirt,  und  zwar  nur  ftrahlenförmig 
ohne  eine  umgebende  Perlenfchnur.  Eingravirte  Um- 
riffe   finden    fich   nur    als   Hauptumriß  der   Köpfe   und 


IQO 


eine  Spur  am  Gürtel  (Schwertgehäng)  des  Ritters.  Der 
Bifchof  hat  ein  Humerale  mit  Perlenbefatz  aber  ohne 
Buchflaben.  St.  Sebaflian  trägt  mit  der  linken  Hand  die 
Pfeile  in  ganz  gleicher  Weife  und  macht  mit  der  rech- 
ten die  gleiche  Gebärde,  wie  derfelbe  Heilige  in  Arkade 
12  des  Kreuzganges,  wiewohl  auch  die  Haltung  und  Ge- 
wandung diefelbe  id.  Das  gleiche  gilt  von  der  Figur 
St.  Dorothea's,  welche  deifelben  Heiligen  im  Kreuz- 
gange  gleichkommt.felbft  in  der  Zeichnung  desBIumen- 
körbchens.  Die  Eifenrüftung  des  Ritters,  die  an  Armen 
undBeinen  zutage  tritt,  ftimmt  inZeichnung  undFarben- 
ton  mit  König  Lucius  in  obgenannter  Arkade  auffallend 
überein.  Bemerken  möchte  ich  noch  über  jene  Figur, 
welche  die  Entdecker  als  St.  Florian  gelten  laffen 
wollen.  Diefe  Figur  flellt  einen  Ritter  mit  der  Fahne 
vor,  welcher  mit  der  linken  Hand  fich  auf  einen  weißen 
Schild  ftemmt,  in  dem  eine  Flamme  gemalt  ift.  Ift  ein 
Bild  Florian's  für  diefe  Zeit  ohnehin  feiten,  fo  dürfte 
diefe  Darflellungsweife  noch  feltener  fein.  Ich  kann 
mich  im  Augenblick  nicht  genauer  hierüber  aus- 
fprechen,  bemerke  aber  nur,  dafs  es  auch  eine  alte 
Tyroler  Familie  Flamm  gibt,  welche  eine  Flamme  im 
Wappen  führt. 

Da  die  Bilder  nur  übertüncht  waren,  fo  find  fie 
recht  gut  erhalten.  Der  Eigenthümer,  Herr  Feier 
Kinigadner,  weiß  den  Fund  auch  zu  fchätzen  und  wird 
für  weitere  Maßnahmen  die  Ankunft  der  Kreuz- 
gangs-Reftauratoren  abwarten. 

So  viel  als  erften  Bericht,  vielleicht  gelingt  es  mir 
im  Laufe  der  Zeit,  die  hohe  k.  k.  Central- Commiffion 
mit  genaueren  Daten  zu  bedienen. 

Walclii'gger. 

91.  Correfpondent  Oberförfter  Großinann  in 
Gleink  hat  an  die  Central-Commiffion  über  einige  Male- 
reien berichtet,  die  die  alte  Stifts-,  nun  Pfarrkirche  zu 
Gleink  zieren.  Die  Kirche  ift  dreifchiffig,  das  Mittel- 
fchiff  fehr  hoch,  die  Seitenfchiffe  nieder;  vielleicht 
fleckt  in  dem  heute  vollfländig  im  Renaiffanceftyle  er- 
fcheinenden  Gebäude  noch  die  alte  ronianifche  (?)  Kir- 
che. Das  große  Presbytcrium  ift  wohl  aus  neuerer 
Zeit.  Die  Wände  des  Mittelfchiffes  find  neben  dem 
rundbogigenVerbindungs- Arkaden  zudenSeitenfchiffen 
hin  mit  acht  größeren,  in  der  Breite  ausgedehnten 
l)ildern  geziert.  Sechs  von  diefen  Bildern  wurden  vom 
Abt  Rupert  I.  (1678  — 170S)  um  den  Betrag  von  250  fi. 
bcfchafft.  Die  Bilder  find  figurenreich,  der  Meifter  ift 
dermalen  noch  unbekannt.  Sie  ftellen  vor:  das  letzte 
Abendmahl,  Chriftiis  am  Oelberge,  die  Geißelung,  Vcr- 
fpottung,  Krcuztragung  und  Kreuzigung  zwifchen  den 
Schachern,  die  Kreuzabnahme  und  gegenüber  die 
Grablegung.  Die  letzten  beiden  Bilder  find  fignirt  mit 
y.  N.  Fcichtmann.  Diefelben  find  weniger  figurenreich, 
bekunden  aber  einen  tüchtigen  Meifter,  fie  entftandcn 
unter  Abt  Rupert  II.  (1710).  Obiger  Name  fleht  tliat- 
fachlich  bei  den  Bildern,  dürfte  aber  durch  die  Hand 
eines  Rdflaurators  unrichtig  ausgebeffert  worden  fein. 
Er  muß  heißen  Feuchtviayr,  welcher  ein  Verwandter 
der  beiden  aus  Mahren  lammenden  Stuccatorer  Franz 
X.  und  Johann  Michael  Feuchtmayer  war.  (Ilg.) 

Das  Presbyterium  zieren  zwei  fehr  bcachtens- 
werthc  Oclgemälde  von  Altomonte:  Maria  Mutter- 
Gottes  und  St.  Jufcph  in  herrlich  gefchnitzten,  vergol- 
deten Rahmen. 


Das  Deckengewölbe  der  Kirche  ift  mit  Malerei 
geziert,  die  aus  den  Jahren  1708  und  1709  ftammt,  in 
neuerer  Zeit  nicht  ungefchickt  reltaurirt  wurde,  und  die 
urfprünglich  Maler  Dallinger  anfertigte,  ein  Name,  den 
die  Urkunden  in  Steyr,  Garflen  u.  f  w.  wiederholt  nen- 
nen. Auch  das  Deckengemälde  in  der  Sacriflei  flammt 
von  diefem  Meifter  (1711),  leider  von  einer  anderen 
Hand  als  die  Malereien  der  Kirche  unglücklich 
reftaurirt.  Die  Bilder  beziehen  fich  auf  die  Legende 
vom  heil.  Andreas  und  die  Stiftung  von  Gleink. 

In  Gleink  waltet  feit  einigen  Jahren  eine  forg- 
fam  pietätvolle  und  in  ihren  Erfolgen  glückliche  Hand. 
Für  die  Confervirung  der  überaus  netten  Kirche  ge- 
fchieht  fehr  viel,  es  ift  eine  wahre  Freude,  fie  zu  be- 
treten. An  der  Hauptthüre  find  die  zwei  romanifchen 
Löwenköpfe  mit  dem  Ringer  noch  angebracht  und  gut 
erhalten.  ^ 

Sehr  beachtenswerth  ift  der  fogenannte  Garftner- 
faalmit  vielem  Getäfel,  das  ausGarften  hieher  übertragen 
—  oderbefferdamitgerettetwurde.  In  denbifchöflichen 
Gemächern  befindet  fich  ein  reich  gefchnitzter  mächti- 
ger Frührenaiflance-Rahmen  in  Vergoldung,  der  zu  den 
fchönflen  Arbeiten  diefer  Art  überhaupt  gehören 
dürfte;  auch  diefer  ftammt  aus  Garflen  und  wurde 
wahrfcheinlich  vom  Laienbruder  Michael  Oberniüller, 
1 1655,  angefertigt.  Die  Vcrtäfelungen  flanden  im 
Capitelfaale,  wofclbfl  auch  der  befagte  Rahmen  das 
Altarbild  zierte. 

Auch  die  von  Röffelfeld  angefertigten  Kaifer- 
bilder  wurden  aus  GarRen  glücklicherweife  nach  Gleink 
übertragen. 

92.  Confervator  Domcapitular  Petruszewics  hat 
an  die  Central-Commiffion  berichtet,  dafs  er  im  ver- 
gangenen Jahre  wieder  Nachgrabungen  bei  der  alten 
Kathedralkirche  in  Halicz  vorgenommen  hat.  Man 
conflatirtc,  dafs  die  befagte  Kirche  beinahe  4  M.  tief 
fich  im  angefchwemmten  Erdreiche  befinde  und  dafs 
an  ihrer  wefllichcn  Seite,  gleich  wie  derzeit,  fich  auch 
früher  kein  Eingang  befand. 

93.  Vor  einiger  Zeit  wurde  der  Central-Commif- 
fion ein  von  dem  Confervator  Dir.  Deininger  im  Vereine 
mit  dem  Bildhauer  Ilcinricli  Fuß  in  Innsbruck  aus- 
gearbeitetes Projekt  für  einen  Monumental-Brunnen 
vorgelegt,  u.  zw.  deshalb,  weil  die  wichtigen  Theile  des 
neuen  Brunnens  einem  alten  Kunftwerke  entflammen 
und  felbe  damit  nun  wieder  eine  paffende  Verwendung 
finden  follten.  Es  find  dies  die  Reiterftatue  des  Erz- 
herzogs Leopold  V.  von  Tyrol,  Nymphen,  Tritonen 
und  Puttis,  welche  über  Auftrag  des  genannten  Erz- 
herzogs mit  der  Beflimmung  für  einen  Prachtbrunnen 
im  Jahre  1627  tlurch  den  Innsbrucker  Bildhauer  Cafpar 
(jras  modcllirt  und  vom  I'>zgießer  Heinrich  Reinhardt 
in  Bronze  ausgeführt  wunlen.  Es  ift  fehr  wahrfcheinlich, 
dafs  befagter  Brunnen  damals  nicht  zur  Aufftcllung  ge- 
langte. Die  einzelnen  Partien  waren  feither  getrennt,  im 
Hofgarten  und  vor  dem  alten  Theater  in  Innsbruck  auf- 
geflellt.  Später  kamen  mit  Ausnahme  des  Reiterlland- 
bildes  die  übrigen  Bcllandtheile  in  ein  Magazin  zu 
Schloß  Ambras.  Vor  drei  Jahren  faßte  nun  Confervator 
Deininger  das  Projefl  für  einen  Monumental-lJrunncn 
in  Iiuisbiuck,  um  jene  Biuchltücke  in  entfprechcnde 
Verwendung    zu    bringen.   Das  Projc6t  wurde  von  iler 


—     191 


gut 


Central- Commiffion  in  anerkennender  Weife 
gclieißen  und  nun  wird  einem  Befciiluffe  des  Gemeinde- 
ratlies  der  tyrolifchen  Landesliaiiptfladt  entfprechend, 
der  Brunnen  in  der  Stadt  zur  Aufftellung  gelangen.  Von 
Seite  des  k.  u.  k.  Oberfthofmeifteramtes  wurden  die 
erwähnten  Beftandtheile  der  Stadt  Innsbruck  überlaffcn. 
VorerlT:  bildet  der  Brunnen  eine  vornehme  Zierde  der 
eben  jetzt  abgehaltenen  Ausftellung  zu  Innsbruck. 

94.  Confervater  Ritter  von  Riezvel  hat  an  die 
Central-Conimiffion  berichtet,  dafs  die  Kirche  in  Klein- 
Pöchlani  in  Niederöfterreich  in  Reftaurirung  genommen 
wurde,  wodurch  fie  wieder  erfreulicherweife  in  vielen 
Partien  auf  ihre  alte  Geftalt  zurückgeführt  werden  konnte. 
Die  Kirche  ift  ein  einfacher  fpät-gothifcher  Bau  aus  Lang- 
haus und  Prcsbytcrium  beftehend,  an  der  rechten  Seite 
am  Schluffe  des  dreifchiffigcn  breiteren  Langhaufes  in 


Fig.  3.  (KleinPöchlarii.) 

der  Ecke  beim  fchmäleren  Presbyterium  erhebt  fich 
der  vierfeitige  Thurm,  der  in  der  halben  Dachhöhe  in 
das  Achteck  umfetzt  und  mit  fchlanker  Spitze  über 
den  entfprechenden  acht  Spitzgiebeln  abfchließt 
(Fig.  3).  Die  einzelnen  Schiffe  beftehen  aus  je  drei 
Jochen  mit  Kreuzgewölben,  die  vier  Freipfeiler  im 
Schiffe  find  achteckig  und  fehr  fchlank  angelegt.  Im 
erften  Joche  jedes  Schiffes  ift  der  Mufikchor  eingebaut. 
Am  Presbyterium  und  auch  ftellenweife  am  Langhaufe 
finden  fich  Strebepfeiler.  Das  Presbyterium  befteht  aus 
dem  polygonen  Schluffe  und  einem  vorgebauten  Qua- 
XIX.  N.  F. 


drate  mit  Kreuzgewölbe-Ueberdeckung.  Die  Fenfter 
find  theilweife  fpitzbogig,  follen  aber  ihre  frühere 
gothifche  Geftaltung  erhalten.  Die  Außenfeite  der 
Kirche  ift  höchft  einfach,  dcffcn  ungeachtet  aber  fehr 
malerifch. 

95.  Ein  intereffantes  Stück  von  Alt-Wien  ift  eben  im 
Verfchwinden  begriffen.  Es  find  dies  zwei  an  die  ehe- 
malige Minoritenkhßer-  Kirche,  jetzt  Maria  Schnee- 
Kirche,  angebaute  Wohnhäufer  gegenüber  dem  Land- 
haufe, die  bis  in  die  allerneuefte  Zeit  dem  Minoriten- 
Convente  gehörig,  feft  an  die  linke  Südfeite  der  Kirche 
angebaut  waren  und  mit  ihrem  hohen  Dachftuhle  bis 
an  nahezu  zwei  Drittel  des  Kirchengebäudes  empor- 
ftiegen.  Die  Häufer  felbft  bieten  nichts  bemerkens- 
werthes,  nur  den  Eingang  des  einen  Haufes  zierte  ein 
kleines  Relief,  vorftellend  zwei  gegeneinander  gekreuzte 
aus  den  Wolken  reichende  Arme  mit 
einem  Kreuze,  dem  Symbol  des  Mino- 
riten-Ordens,  dabei  die  für  das  Entftehen 
der  beiden  Häufer  maßgebende  Jahres- 
zahl 1718. 

Wien  verliert  durch  die  Demolirung 
diefer  zwei  Häufer  mit  ihren  winkeligen 
Anlagen  und  niedrigen  Räumen  gewifs 
nichts;  wohl  aber  geht  ein  äußerft  an- 
heimelndes, an  die  alte  Stadt  und  an 
eine  altftädtifche  Anlage  erinnerndes 
Bild  für  immer  verloren.  Freilich  wohl 
hat  diefes  traulich-freundliche  Bild 
fchon  vor  einigen  Jahren  ftark  an  feinem 
Gefammt-Chara6lereingebüßt,alsmanein 
drittes  dort  beftehendes  Gebäude  ,^Zum 
Fafaii'-''  genannt,  demolirte.  Allein  nun- 
mehr ift  das  Bild  bleibend  und  gänzlich 
verfchwinden  gemacht.  Den  Häufern  felbft 
wird  gewifs  keine  Thräne  nachgeweint, 
aber  das  alte  Wien,  das  wird  bald  nur 
mehr  in  kleinen  Reften  mühfam  zu  fehen 
und  zu  fuchen  fein,  und  um  fo  manch 
damit  verfchwundenes  Bauwerk  ift  es 
recht  herzlich  fchade.  Was  erft  die  nächfte 
Zukunft  in  ihrem  Schöße  birgt,  z.  B.  die 
gar  nicht  nothvvendige  Regulirung  des 
Neuen  Marktes,  die  Eröffnung  von  Stra- 
ßen von  der  Aula  gegen  die  Wien  u.  f.  w., 
damit  im  Zufammenhange  die  Umgeftal- 
tung  des  Auwinkels,  hiedurch  find  Re- 
gulirungen inaugurirt,  die  gewifs  nöthig, 
aber  das  Herz  des  alten  Wien  treffen. 
Nun  aber  drängt  fich  die  Frage  auf, 
was  foll  denn  mit  der  freigeftellten  fogenannten  Mino- 
riten-Kirche  gefchehen?  Frei  von  Anbauten  find  oder 
werden  doch  in  Bälde  fein  die  Fagade  mit  dem  fchö- 
nen  gothifchen  Portal  vom  Bruder  Jacobus  Parisiensis 
und  faft  die  ganze  linke  Langfeite,  auch  eine  größere 
Partie  der  Rückfeite  mit  dem  Thurme,  der  heute 
nur  ein  Nothdach  trägt.  Der  fogenannte  alte  Chor 
befteht  heute  noch  und  repräfentirt  fich  als  ein  nicht 
genau  in  der  Achfe  des  rechten  Seitenfchiffes  liegen- 
der, vielmehr  über  diefe  hinausragender  Anbau,  derzeit 
ein  vierftöckiges  Zinshaus,  das  aber  die  unverkennba- 
ren Spiiren  feiner  kirchlichen  Beftimmungin  den  Mauern 
und  bis  zum  Dachftuhle   hinauf  noch  zur  Schau  trägt. 

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Diefes  von  feinem  Anfange  fich  ganz  unorganifch 
in  das  Kirchengebäude  einfügende  Bauwerk,  das  heute 
fowie  die  Kirche  Eigenthum  der  italienifchen  Confra- 
ternität  in  Wien  ifl,  bleibt  der  wichtigfte,  heikhgfte  und 
fchwierigfle  Punkt  der  ganzen  A6lion  der  Freilegung 
der  Kirche  und  der  infolge  deffen  nothwendigen 
Kirchenreflaurirung.  Es  ift  heute  recht  fchwer  zu  er- 
gründen, welche  Idee  die  Minoriten  fich  machten,  als 
fie  das  alte  Presbyterium,  den  fogenannten  alten  Chor, 
wahrfcheinlich  den  Anfangsbau  für  eine  große  Ordens- 
kirche, in  der  Zeit  der  Herrfchaft  Pfemysl  Otakar's, 
der  als  öfterreichifcher  Landesfürft  ein  Freund  (bene- 
faflor)  diefes  Klofters  war,  als  Haupttheil  der  Klofler- 
kirche  aufgaben  und  unmittelbar  daran  eine  neue 
Kirche  bauten.  Lag  es  in  ihrer  Intention  den  alten 
Chor  feinerzeit  ganz  zu  befeitigen,  und  follte  der  Theil, 
den  wir  heute  die  Minoriten-Kirche  nennen,  eben 
nur  das  Presbyterium  für  einen  großen  Klofterdom 
abgeben,  deffen  Schiffanlagen  in  der  Folgezeit  nicht 
mehr  zur  Ausführung  kamen?  (kaum  glaublich)  Nicht 
überfehen  darf  werden,  dafs  bei  diefer  Kirche,  die  doch 
in  vielen  Einzelnheiten  an  franzöfifch-gothifche  Kirchen- 
bauten erinnert,  kein  weiterer  Chorabfchluß  beabfich- 
tigt  war,  da  der  Thurm  fich  unmittelbar  an  den  Mittel- 
abfchluß,  aber  auch  wieder  unregelmäßig  anlegt  und  die 
linke  Abfeite  mit  einem  polygonen  Chörlein  ausgeziert 
ift.  Alle  diefe  Eigenthümlichkeiten  bedürfen  noch  eines 
gründlichen  Studiums  und  eingehender  Unterfuchung, 
wenn  bei  diefer  Anlage  damals  nicht  etwa  gar  über- 
haupt nur  die  momentane  Idee  ftatt  eines  feftftehenden 
Planes  mitfpielte.  Selbft  die  Fagadefeite  hat  den 
Charakter  des  Unfertigen,  eines  Nothabfchlußesan  fich, 
die  dann,  da  fchon  einmal  abgefehloffen  fein  mußte, 
dafs  fchone  Portal  erhielt. 

Immerhin  aber  wird  die  Freilegung  diefer  Kirche 
noch  die  Löfung  mancher  Fragen  erheifchen,  und  ins- 
befondere  wird  der  Koltenpunkt  in  Betracht  gezogen 
werden  müßen.  Sehr  viel  Geld  wird  nothwendig 
werden,  wenn  ordentliches  gefchaffen  werden  foU. 

Als  man  die  Minoriten  vertrieb  und  die  Kirche  in 
andere  Hände  übergab,  jring  man  in  der  Uebergangs- 
zeit  mit  der  Kirche  geradezu  graufam  um.  Architekt 
Hohcnbcrg  machte  im  Innern  gothifche  Spielereien, 
baute  einen  Mufikchor  ein  und  machte  allerlei  Scherze 
in  den  beiderfeitigcn  Abfchlußwänden  der  Schiffe,  wo- 
bei auch  das  linke  Chörlein  verrammelt  wurde.  Dicfe 
Sünden  werden  bei  einer  Reflaurirung  gutzumachen 
fein ;  der  intercffante  polygone  Thurm  muß  wieder 
einen  paflenden  Helm  erhalten.  Ob  die  vermauerten 
Fenftcr  wieder  aufgemacht  werden  foUcn  und  auch 
können,  ifl  eine  noch  offene  Frage.  Wie  foU  die  innere 
Einrichtung  beftcllt  werden.-  Die  Außenfeiten  find  fehr 
verwahrlost,  die  rechte  Langfeite  ifl  geradezu  fchad- 
haft,  und  eben  da  wird  es  ficii  fragen,  wo  die  Woh- 
nung für  den  Pricfter  und  das  Kirchenperfonal  anzu- 
legen fein  wird.  Mit  Intcreffc  und  Aufmerkfamkeit 
werden  wir  die  Entwicklung  diefer  Sache  verfolgen. 

96.  In  einem  traurigen,  ja  bedenklichen  Zuftandc 
befindet  fich  die  Giebclpartie  der  Domfacadc  in  Salz- 
burg. In  einem  in  iliefer  Angelegenheit  an  die  Central- 
Commilfion  gerichteten  Referate  wird  hervorgehoben, 
dafs  von  dem  Gerüflc  aus,  welches  behufs  der  gegen- 
wärtig in   den    unteren    Theilcn    in    der   Durchführung 


begriffenen  kleineren  Reparaturen  aufgeftellt  ift,  ein 
Blick  auf  den  fchadhaften  Bau  möglich  ift:.  Es  zeigen 
fich  da  gewaltige  kranke  Stellen  im  Steinwerk,  fo  dafs 
nicht  geringe  Mittel  erforderlich  fein  werden,  um  eine 
richtige  Abhilfe  zu  fchaffen.  Ein  mit  dem  Baue  ver- 
trauter Fachmann  bemerkte,  dafs  man  feinerzeit  bei 
der  Wahl  des  Materials  nicht  forgfam  genug  vorging 
und  fo  manches  Steinftück  aus  den  oberften  Schichten 
des  Steinbruches  genommen  hat,  aber  auch  häufig 
gegen  die  Lager  bearbeitet  und  verfetzt  habe,  diefer- 
wegen  ein  tiefgreifendes  Abblättern  oder  Abfpringen 
die  Folge  ift.  Ueberdies  wurde  in  der  Anwendung 
von  Eifen  beim  Baue  felbfl  und  bei  den  Reftaurationcn 
nach  den  Bränden  ftark  gefündigt. 

97.  Correfpondent  Karl  Alcrz  hat  der  Central- 
Commiffion  mitgetheilt,  das  fich  in  der  Kirche  zu 
Hor-fching  (Oberöfterreich)  mehrere  alte  Grabfteine 
befinden,  darunter  fo  manche  einer  eingehenderen 
Würdigung  werth  wären.  Im  Mittelfchiffe  links  ift  eine 
Platte,  nach  Art  eines  Tumbendeckels  von  dunkel- 
rothem  Marmor  eingelaffen.  Sie  ift  an  den  Kanten  ab- 
"■efchrä^t  und  enthält  im  Bildfelde  eine  aufrecht- 
ftehende  Rittergeftalt  in  gothifchcr  Rüftung,  auf  dem 
Haupte  den  Schallern,  mit  der  Lehensfahne,  mit 
Schwert  und  Dolch  und  fpitzen  Schnabclfchuhen.  Zu 
Füßen  rechts  der  bekannte  einfache  7Vö?^?«'fche  Schild 
mit  Helm,  darauf  ein  gefchloffener  Flug  und  mit  Helm- 
decken. Die  Umfchrift  erzählt:  „Hie. ligt. begraben, 
der. Wolgeporne  |  her.hanns  .  von  .  Traun  .  der  ge- 
ftorben  .  ift  den  .xxiii.tag.  des  .brachmonats  |  als  .  man . 
zalt . von.chrifti.gepurt  [  Taufent. fünfhundert  Jahre." 
Hans  von  Traun  ftarb  am  23.  Juni  1500. 

98.  Die  Befprechung  über  eine  angebliche  Preis- 
gebung von  Denkmalen  der  germanifchen  Vorzeit  im 
Viertel  ober  dem  Manhardsberge  im  n.  ö.  Landtage 
und  im  Abgeordnetenhaufe  haben  den  luidesge- 
fertigten  veranlafst,  jene  Stätte  in  Augenfchein  zu 
nehmen,  auf  welcher  die  gerügte  Zerftörung  eines  her- 
vorragenden derartigen  Denkmals  erfolgt  fein  foll.  Es 
war  das  der  „Iiibenjlciir'  bei  Giniind  im  V.  O.  M.  B., 
auf  welchem  fich  ein  gcrmanifcher  Ojjfcrftein  mit  Blut- 
fchüffel  unil  Blutrinnc  und  ein  um  ihn  errichteter  Stein- 
kreis befunden  haben  foll. 

Wefentlich  gefördert  wurde  die  Abficht  durch 
eine  kurze  Meldung  des  Monatsblattes  des  Alterthums- 
Vcreines  im  Ajiril  1.  J.,  welche  von  einem  angeblich 
neu  aufgefundenen  Opferlleinc,  dem  ^^iBrünnl/leiiie" 
bei  Zuggers  nächft  Gmünd,  alfo  unfern  vom  Eiben- 
ftein,  dann  von  den  d'ifelbll:  noch  erkennbaren  Formen 
einer  knienden  P'rau,  des  Gefichtes  einer  Katze,  des 
Lieblingsthieres  der  germanifchen  (löttin  Frauwa,  und 
von  einer  Höhle  bericlitete,  „welche  wahrfcheinlich 
den  Prieflcrinnen  als  Erdftall  diente". 

Ich  war  fiimit  in  die  Lage  verfetzt,  fowolil  noch 
unverfehrt  erhaltene  und  eine  genaue  Beobachtung 
zulaffende  Erfcheinungen  als  auch  den  Umfang  der 
Zerftörung  an  anderen  in  einem  verhältnismäßig 
eng  umgränzten  Gebiete  einer  Unterfuchung  und  Beur- 
thcilung  unterziehen  zu  können. 

Was  zunächft  den  Brünnlflein  bei  dem  Dorfe 
Zuggers  betrifft,  fo  gehört  er  einer  zufammenfchließen- 
dcn  Gruppe  jener    mehr   oder    weniger  abgeruiuletcn 


-     t93     - 


Granitblöcke  an,  welche  einige  größere  Bezirke  des 
V.  O.  M.  B.  zu  Taufenden  bedecken  und  befonders 
zahlreich  auf  dem  nördlich  von  (jmünd  fich  hinzie- 
henden einen  Theil  des  „Soßvvaldes"  bildenden  Berg- 
rücken vorkommen.  Sein  Merkmal  bildet  eine  unregel- 
mäßige aus  zwei  ungleichen,  doch  zufammenhängenden 
Theilen  beftehende  Vertiefung  auf  der  Oberfläche, 
welche  ziemlich  fteil,  an  einigen  Stellen  felbft  fenkrecht 
begränzt  ift,  fo  dafs  das  Regenwaffer  in  diefem  Becken 
ftehen  bleibt,  wo  es  fich,  durch  die  darüber  aufragenden 
Waldbäume  vor  Sonne  und  Wind  gefchützt,  längere 
Zeit  hält.  Bei  andauerndem  Regenwetter  fließt  das 
Waffer  an  der  Nord-  und  Oftfeite  über,  wo  fich  kleine 
Rinnfale  gebildet  haben. 

Ohne  Zweifel  hat  der  Stein  von  dem  andauernden 
Wafferinhalte  feinen  Namen  „Brünnlflein",  der  dem 
Volke  vollkommen  genügte.  Andere  Leute  fehen  in 
dem  Wafferbecken  eine  „Blutfchüffel"  zur  Aufnahme 
des  Blutes  der  Opferthiere,  in  den  Auslaufrinncn 
„Blutrinnen". 

Von  den  im  Geflein  erkennbaren  Formen  einer 
knienden  Frau  und  von  dem  Katzengefichte  habe  ich 
nichts  fehen  können,  und  was  die  Höhle  betrifft,  fo  ift 
fie  mit  den  im  Kalkgebirge  vorkommenden  Höhlen 
nicht  zu  vergleichen  und  offenbar  nur  durch  über- 
einander liegende  Blöcke  gebildet.  Mein  Führer  fagte, 
das  Loch  müße  eine  Räuberhöhle  gewefen  fein;  der 
Berichterftatter  des  Monatblattes  erklärt  es  als  die 
Wohnung  der  Priefterinnen!  Welche  Gründe  aber 
nicht  nur  diefer,  fondern  alle  Berichterftatter  für  ihre 
Behauptungen  haben,  woraus  fie  fchließen,  dafs  das 
jetzige  Wafferbecken  auf  dem  Steinblock  eine  „Blut- 
fchüffel", die  Ablaufrinnen  „Blutrinnen"  feien,  dafs  in 
demFelfenloche  die  Priefterinnen  der  Frauwa  gewohnt 
haben,  ift  nirgends  gefagt,  und  ich  beforge,  dafs  fie 
keine  Gründe  dafür  befitzen. 

Es  ift  ja  kein  Zweifel,  dafs  die  Germanen  den 
Göttern  Thiere  als  Opfer  gefchlachtet  haben,  und  dafs 
insbefondere  das  Blut  der  Thiere  als  folches  ver- 
wendet worden  ift;  allein  woher  weiß  man,  dafs  man 
es  in  künfllich  hergeftellten  Vertiefungen  auf  Fels- 
blöcken imd  nicht  \'ielniehr  in  Opfergefäßen  gefammelt 
habe?  Wenn  man  von  Blutrinnen  fpricht,  fo  muß  man 
doch  vorausfetzen,  dafs  fie  das  Blut  dem  Becken  zu- 
und  nicht,  wie  es  beim  Brünnlftein  und  anderen  ähnli- 
chen  Vertiefungen    der  Fall  ift,  aus  ihm  hinausleiten. 

Betrachtet  man  die  Form  des  Beckens,  fo  ift  aller- 
dings im  hohen  Maße  auffallend,  dafs  es  von  fteilen, 
zum  Theil  felbft  fenkrechten  Wänden  begränzt  ill; 
allein  man  follte  doch  glauben,  dafs  es  eine  irgend 
einem  anderen  Gefäße  nachgebildete  oder  doch  regel- 
mäßig geftaltete  haben  müßte,  nicht  aber  eine  fo 
völlig  unregelmäßige  und  zerriffene  wie  hier. 

Es  ift  ferner  zu  beachten,  dafs  die  Gruppe  von 
Steinblöcken,  deren  einer  das  Wafferbecken  trägt, 
nicht  auf  einem  hervorragenden  Punkte  des  Bergzuges, 
fondern  auf  der  Abdachung  des  breiten  Rückens  fich 
befindet.  Man  ift  nämlich  gewohnt  vorauszufetzen,  dafs 
man  zu  feierlichen  Opfern  freiflehende  Hügel,  aus  dem 
Bergrücken  fich  erhebende  Kuppen  und  ähnliche  dem 
allgemeinen  Anblicke  fich  bietende  Punkte  vorge- 
zogen hätte.  An  folchen  fehlt  es  in  der  Umgebung 
nicht,  und  in  der  That  fand  ich  auf  der  Höhe  eines 
größeren  freiftehenden  Hügels,  des  fogen.  „Fürhappls" 


(Vorhäuptl)  in  einer  aus  vielen  Blöcken  gebildeten 
Gruppe  einen  mit  einem  Wafferbecken,  welches  durch 
fein  fcharf  ausgedrücktes  Gepräge,  die  faft  allfeits 
fenkrechten  Wände,  die  regelmäßige  Geflalt  und  durch 
die  gute  Erhaltung  die  meiften  ähnlichen  Gebilde  über- 
treffen dürfte.  Es  hat  die  namhafte  Tiefe  von  20  Cm. 
und  H\  faft  kreisrund  mit  einem  Durchmeffer  von  mehr 
als  einem  Meter.  Bei  meinem  Befuche  ftand  das  zurück- 
gehaltene Waffer  5  Cm.  hoch.  Allein  auch  hier  führen 
die  zwei  vorhandenen  Rinnen  nicht  in  das,  fondern  aus 
dem  Becken,  fo  dafs  das  Waffer  bei  etwa  lO  Cm.  Höhe 
durch  fie  ausfließen  muß,  obwohl  die  Wände  eine 
Höhe  von  20  Cm.  haben. 

Dafs  die  von  mir  nicht  gefehenen  Formen  einer 
Frau  und  das  Katzengeficht  nur  von  einer  lebhaften 
Phantafie  hingezaubert  werden,  bedarf  kaum  eines  Be- 
weifes.  Ein  folches  durch  viele  Jahrhunderte  der  Verwit- 
terung ausgefetzte  Gebilde  hätte  fich  kaum  erhalten 
können.  Dann  weiß  man  kein  Beifpiel,  dafs  die  Germa- 
nen je  die  Geftalt  der  Götter  und  ihrer  Attribut-Thiere 
in  Felfen  eingemeißelt  haben;  dagegen  weiß  man,  dafs 
die  Natur  nicht  feiten  in  ihren  Gebilden  geeignete 
Gegenftände  für  das  Spiel  der  Phantafie  bietet. 

Endlich  follte  man  glauben,  dafs  fich  in  der  unmit- 
telbaren Nähe  von  Opferplätzen,  denen  eine  fo  hohe 
Bedeutung  beigelegt  wird,  auch  anderweitige  Spuren 
der  Anwefenheit  der  Menfchen  finden  foUten,  wie  z.  B. 
Refte  der  Wohnflätten  mit  dem  mannigfaltigen  der  Zer- 
flörung  widerftehenden  Abfall,  oder  doch  Kohle  und 
Afchc  der  Opferfeuer,  Knochen  der  gefchlachteten 
und  verzehrten  Thiere,  Scherben  der  gebrauchten 
Gefäße,  die  fich  alle  durch  Jahrtaufende  erhalten 
können  und  durch  abfichtliches  Graben  oder  unbeab- 
fichtigt  an  den  Tag  kommen.  Aber  weder  ich  war  fo 
glücklich,  einen  derartigen  Beleg  menfchlicher  Anwe- 
fenheit zu  finden,  noch  fcheint  es,  dafs  die  verfchiedenen 
Berichterftatter  glücklicher  gewefen  find;  es  wäre 
ihnen  zu  empfehlen,  mit  Eifer  nach  folchen  Reflen  zu 
fuchen. 

Nicht  anders  kann  es  fich  mit  dem  angeblichen 
Opferfteine  auf  dem  „Eibenfteine"  bei  Gmünd  verhal- 
ten haben.  Die  Zerflörung  und  Wegfchaffung  der 
Steinblöcke  auf  dieferStelle  ift  keineswegs  fo  umfaffend, 
wie  fie  der  Herr  Abgeordnete  Hmick  gefchildert  hat. 
Die  Verarbeitung  der  in  unendlicher  Zahl  frei  herum- 
liegenden Steinblöcke  erfolgt  nämlich  nicht  an  diefer 
Stelle  allein,  fondern  überall  wo  fich  auf  dem  ganzen 
mehr  als  eine  Wegftunde  fich  ausdehnenden  Höhen- 
zuge Gelegenheit  bietet.  Vom  Eibenftein  felbft  wurde 
nur  ein  Theil  der  Blöcke  fortgefchafft,  und  darunter 
mag  fich  wohl  auch  der  Block  mit  einer  der  befchrie- 
benen  Schalen  befunden  haben.  Der  größere  Theil  ift 
jedoch  erhalten,  und  es  müßte,  wenn  hier,  wie  fo 
beftimmt  behauptet  wurde,  ein  Steinkreis  beftanden 
hätte,  ein  anfehnlicher  Reft  noch  vorhanden  fein.  Ich 
aber  bemühte  mich  vergebens,  eine  Spur  von  ihm  zu 
finden,  und  behaupte  auf  das  beiHmmtefte,  dafs  hier 
niemals  ein  Steinkreis  beftanden  hat. 

Aehnlich  verhält  es  fich  mit  der  fogenannten 
„liitherifchen  Kirclie'^  unfern  vom  Eibenftein,  einem 
riefigen  fphäroidifchen  Steinblocke  von  8  M.  Höhe, 
der,  wie  von  den  Berichterftattern  zugeftanden  wird, 
nicht  das  geringfte  Zeichen  menfchlicher  Einwirkung 
an  fiqh  trug,  und   den  man   nur  wegen  feines  Namens 

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als  einen  Opferftein  anfprach.  Es  ill;  richtig,  dafs  der- 
lei Namen  zuweilen  auf  vorgefchichtlichen  Urfprung 
hinweifen,  hier  aber,  wo  alle  anderen  Belege  für  eine 
folche  Annahme  fehlen,  kann  der  Name  nur  als  Spott- 
name aufgefafst  werden. 

Man  muß  mir  fchließlich  das  Auffallende  der 
Thatfache  zugeben,  dafs  fich  gerade  im  V.  O.  M.  B.  fo 
viele  Erfcheinungen  in  gedrängter  Nähe  beifammen 
finden,  welche  die  Meinung  hervorgerufen  haben,  dafs 
fie  ein  Werk  von  Menfchenhand  und  mit  Rückficht 
auf  ihr  Alter  und  ihre  einftige  Beftimmung  gewiffer- 
maßen  geweiht  feien.  Die  Zahl  der  bekannten  Schüffei- 
oder  Schalenfteine,  auf  welche  fich  alle  diefe  Erfchei- 
nungen eigentlich  zurückführen  laffen,  beträgt  fchon 
mehr  als  hundert,  während  fie  in  anderen  Gegenden 
gänzlich  fehlen. 

Ich  habe  fchon  bei  meinen  früheren  Unterfuchun- 
gen  gefunden  und  mich  auch  bei  den  eben  gepflogenen 
wieder  überzeugt,  dafs  diefe  Erfcheinungen,  wie  die 
fogenannten  Schalenfteine,  Wackelfleine,  dann  Ein- 
drücke anderer  Art  mit  der  geognoftifchen  Befchaffen- 
heit  des  Bodens  in  Beziehung  flehen  und  an  das  Vor- 
kommen des  Granits  gebunden  find,  d.  h.  dafs  fie  nur  in 
Gebieten  fich  zeigen,  wo  der  Granit  zutage  tritt,  dafs 
fie  überall  dort  fehlen,  wo  der  Granit  fehlt. 

Die  Thatfache  wird  auch  von  einem  Bericht- 
erftatter  beftätigt,  der  von  der  Weihe  jener  Stätten 
überzeugt  ifl:.  Alois  Pleffer,  der  fich  ihrer  Unterfuchung 
mit  befonderem  Eifer  gewidmet  hat,  weifl  in  feinem 
Berichte  (Blätter  des  Ver.  f.  Landeskunde  v.  Nied. 
Oefterr.  1887,  S.  414)  auf  die  Granitblöcke  hin  und 
fagt  (S.  416)  ausdrücklich,  dafs  fich  die  Opferfchüffeh: 
oder  Blutfchüffeln  über  das  Granitrevier  ausbreiten. 
An  fpäterer  Stelle  (ebenda,  1890,  S.  162)  fagt  er:  „Man 
findet  fie  in  der  Schweiz,  wo  fie  wie  im  Waldviertel 
faft  ausfchließlich  erratifche  Blöcke  aus  Granit  find". 

Der  Granit  erfcheint  in  der  Regel  nicht  in  fcharf- 
kantigen,  fondern  vermöge  der  ihm  eigenthümlichen 
Art  der  Abwitterung  in  mehr  oder  weniger  runden 
Blöcken,  welche  zum  Theil  einzeln  über  die  Erdober- 
fläche hingeflreut  find,  nicht  feiten  in  den  fonderbarflien 
Stellungen  wie  ein  auf  die  Spitze  geftelltes  Ei  oder 
gleichfam  fchwebend  auf  einer  kleinen  Unterlage 
(Wackelfleine),  zum  Theil  maucrartig  aus  dem  Boden 
heraustreten  („Teufelsmauern"),  zum  Theil  endlich 
namentlich  auf  Berg-  und  Ilügelkuppcn  polfler-  und 
wollfackförmig  wild  und  abenteuerlich  übereinander 
liegen  und  wegen  ihrer  fonderbarcn  Erfcheinung 
Gegenfland  der  nie  ruhenden  Mythenbildung  des 
Volkes  geworden  find.  In  den  Namen  „Teufelskir- 
chen", „Teufclskanzeln",  „Teufelsfitz",  „verwunfchenes 
Brautbett"  geben  uns  die  an  derlei  Ocrtlichkeiten  fich 
knüpfenden  Erzählungen,  wie  jene  vom  Hans  Heiling- 
Felfen  bei  Karlsbad  und  viele  andere,  zutreffende  Be- 
lege hievon. 

Ich  muß  allerdings  zugeben,  dafs  die  Bildung  der 
eigenthümlichen  VVafferbecken  auf  den  Granitblocken, 
auf  welche  fich  die  Annahme  heidnifcher  Opferflätten 
wcfentlich  gründet,  wenigfiens  fo  viel  ich  weiß,  von  be- 
rufenen Fachmännern  noch  keine  anerkannte  iM'klärung 
gefunden  hat.  Ich  möciite  mir  aber  doch  erlauben,  auf 
einige  Umflände  aufmerkfam  zu  machen. 

Der  Granit,  um  den  es  fich  ja  handelt,  zerklüftet 
blockweife  und  verliert  durch  die  Verwitterung  Kanten 


und  Ecken.  Hat  die  nach  aufwärts  gerichtete  Seite  zu- 
fällig eine  fanfte  Vertiefung,  in  der  zeitweilig  Waffer 
flehen  bleibt,  fo  tritt  auch  die  Einwirkung  des  Froftes 
hinzu,  der  im  Umkreife  des  in  die  feinen  Haarfpalten 
der  Oberfläche  eindringenden  Waffers  das  Gefüge 
lockert  und  allmählich  aber  ftetig  jene  Schalen  oder 
Becken  mit  fleilen  Wänden  austieft. 

Dazu  kommt,  dafs  in  Folge  der  ungleichen  Zu- 
fammenfetzung  oder  Stru6lur  manche  Partien  des 
Granits  rafcher  verwittern,  wodurch  auffallende  Aus- 
höhlungen entftehen.  Einige  haben  die  Geflalt  eines 
Sitzes,  und  es  heißt  dann,  wie  z.  B.  auf  der  Heidenfladt 
bei  Eggenburg,  der  Teufel  habe  feinen  H.  in  den 
Stein  gedrückt,  andere  laffen  bei  einiger  Phantafie  die 
Geftalt  eines  Menfchen  erkennen  (z.  B.  eine  in  der  Nähe 
des  Eibenfleines),  und  da  follen  die  unglücklichen 
menfchlichen  Opfer  gefchlachtet  worden  fein ;  noch 
andere  befinden  fich  an  den  Seitentheilen  und  feheii 
aus  wie  künfllich  ausgehobelte  Kehlungen,  für  welche, 
wollte  man  eine  abfichtliche  Herflellung  gelten  laffen, 
durchaus  kein  vernünftiger  Grund  angegeben  werden 
könnte. 

Aber  auch  für  die  als  Blutfchüffeln  angefprochenen 
Becken  iäfst  fich  der  behauptete  Gebrauch  einer 
Schale,  welche  das  Blut  der  Opferthiere  aufzunehmen 
beflimmt  fein  foll,  nicht  unter  allen  Umfländen  feft- 
halten.  Denn  was  foll  man  dazu  fagen,  wenn  fich  eine 
folche  vermeintliche  Blutfchüffel  thatfächlich  auf  der 
Spitze  eines  riefigen,  durchaus  unerlleiglichen  Fels- 
blockes befindet,  die  eben  nur  Raum  für  die  Schüffei 
hat,  fo  dafs  kaum  ein  Menfch  darauf  zu  flehen  vermag? 
Man  hätte  neben  dem  Blocke  ein  eigenes  hohes  Gerüfl 
bauen  müßen,  um  Platz  für  das  Opferthier  und  für  den 
Opfernden  zu  fchaffen. 

Aus  meinen  Unterfuchungen  glaube  ich  folgende 
Schlüffe  ziehen  zu  dürfen: 

1.  Sämmtliche  Erfcheinungen,  welche  im  V.  O.  M. 
B.  zu  heidnifchen,  beziehungsweife  germanifchen  Opfer- 
plätzen in  Beziehung  gebracht  werden,  laffen  fich  auf 
das  Vorhandenfein  von  eigenthümlichen,  oftmals  Waffer 
haltenden  Vertiefungen  in  Felsblöcken  zurückführen. 

2.  Die  thatfächliche  Beziehung  diefer  Erfchei- 
nungen zu  den  religiöfen  Handlungen  des  Heiden- 
thums  Iäfst  fich  weder  durch  begleitende  Funde  noch 
durch  andere  Umflände  erweifen. 

3.  Die  in  Frage  flehenden  ICiTcheinungen  finden 
fich  nur  im  geognoftifchen  Gebiete  des  Granits. 

4.  Die  natürliche  Bcfchaffenheit  des  Granits  bietet 
genügende  Anhaltspunkte  zur  Erklärung  diefer  Er- 
fcheinungen. 

Dr.  Much. 

gg.  Correfpondcnt  Morath,  fiirftl.  Schwarzenberg- 
fcher  Central-Archiv-Vorltand  hat  der  CentralCom- 
miffion  mitgetheilt,  dafs  jüngft  in  einem  Gewölbe  des 
Schloffes  Krumau  das  Fragment  eines  Epitaphes  aus 
weißem  Marmor,  107  Cm.  breit  und  68  Cm.  hoch,  vor- 
gefiniden  wurde.  Auf  dcmfclhen  finden  fich  weder 
I'iguren  noch  Wappen  eingemeißelt.  Die  zehnzeilige 
Legende,  welche  durchgängig  aus  großen  Capitalbuch- 
ftaben  befielit,  lautet: 


195     — 


HIE  LIGT  VISD  RVffiT  IN  GOTT  DER  WO..  .| 
lACOB  VON  WINDISCHGRÄTZ  FREVFEKR 
ZV.  ...  I  ERBLANDSTAtMAIStR  IN  STEYR 
FVR:  D VR  :  H .  .  .  .    '  ZOGEN  ZV  ÖSTERREICH 

RATH.  ZG.    WELPER |   LXXVII.  lARS 

SELIG  ENTSCH.AFFEN  IST |  GELIEB- 

"ER   SOH^   lERR  VICTOR  VON  WI |  EI: 

ERS:  LANDTS:  IN  STEYR  VBER  AIN  FAHSE 
...  I  TENANT.  ZC.  DERAXH  DE  XVI,  SEPT: 
DES  X.  . .  I  GLICH  VERSCHIDEN  IST.  GOTT 
VERLEIC.  .  .  I  DVRCH  CHIISTW  EIN  FRÖ- 
LICLE  AVFER | 

Ein  Blick  auf  den  Windifch-Grätzfchen  Stamm- 
baum belelirt  uns,  dafs  es  nur  einen  Freiherrn  Jacob 
von  Windifch-Grätz  gab,  der  einen  Sohn  Namens 
Vißor  befaß.  Es  ift  dies  der  im  Jahre  1577  verflorbene 
Freiherr  Jacob  II,  der  mit  Anna  Marie  Welzer  von 
Eberftein,  verwitweten  Khevenhüller,  vermählt  war. 
Einer  der  Söhne  aus  diefer  Ehe  hieß  Victor  und  flarb 
im  Jahre  1594  und  zwar,  wie  unfer  Epitaphfragment 
befagt,  am  16.  September  diefes  Jahres.  Diefer  Jacob 
befaß  das  Schlofs  Katfch  in  Steiermark,  in  deffen 
Capelle  er  feine  letzte  Ruheftätte  fand.  Katfch  ging 
im  Jahre  1696  in  den  Befitz  des  Fürftenhaufes  Schwar- 
zenberg  über  und  im  Laufe  des  19.  Jahrhunderts  wurde 
unfer  Epitaph,  um  es  vor  dem  vollftändigen  Unter- 
gange zu  retten,  aus  den  Ruinen  des  Katfcher  Schloffes 
nach  Krumau  in  Böhmen  gefchafft,  wo  es  gegenwärtig 
im  fchönen  Urkundenfaale  des  fiirftl.  Schwarzenberg- 
fchen  Central-Archivs  untergebracht  ift. 

100.  In  der  Filial-Kirche  zum  heil.  Conftantin  der 
Pfarrkirche  zu  Völs  in  Tyrol  fand  man  gelegentlich 
der  Legung  eines  neuen  Fußbodens  in  ganz  eigen- 
thümlicher  Weife  eine  alte  gothifche  Holzkanzel.  Man 
trug  nämlich  bei  diefem  Anlaffe  die  im  einfachen 
werthlofen  ZopflT:)  le  ausgeführte  Kanzel  ab  und  fand 
unter  der  Brüftung  und  Verfchalung  den  alten  gothi- 
fchen  Kanzelbau  mit  fechs  Wänden,  die  durch  fchönes 
Flach-Ornament  belebt  fmd;  auf  zwei  Flächen  ift  die- 
felbe  Darfteilung  angebracht,  nämlich  St.  Georg  und 
auf  einem  Felde  dazwifchen  der  Drache  allein.  Die  In- 
fchrift  lautet:  Diefen  Predigtftuhl  hat  gemacht  Peter 
Deffau  1524.  Es  ift  das  Beftreben  der  Central- Com- 
miffion  diefes  feltene  Stück  dem  Lande  zu  erhalten. 

loi.  Die  Pfarrkirche  zu  Pens  im  Sarnthale  (Tyrol) 
ift  im  Befitze  von  intereffanten  Betftühlen,  die  im 
Kirchenfchiffe  aufgeftellt  find.  Leider  find  diefelbcn 
bereitsaußerordentlich  fchadhaft,  fo  dafs  derenRepara- 
tur  behufs  weiterer  Belaffung  im  Gebrauclie  der 
Kirche  unmöglich  ift.  Die  Wangenflücke  der  Stühle 
find  wegen  ihrer  Auszierung  im  Flach-Ornament  mit 
Thier-  und  Schlangengeftaltungen  ganz  merkwürdig, 
wenn  auch  diefe  Wangenftücke  klein  und  unanfehnlich 
find.  Die  Central-Commiffion  hat  die  Abficht,  vorzu- 
forgen,  dafs  diefes  Stuhlwerk  mindeftens  in  Mufeen 
dem  Lande  erhalten  bleibe. 

Die  Kirche  felbft  ift,  wie  der  angefchloffene 
Grundrifs,   Fig.  4,   zeigt,    ein    einfacher  fpät-gothifcher 


Landkirchenbau,  außen  fchmucklos,  nur  am  Chore  ein 
Sockel  und  mit  einfachem  Portale.  Das  Schiff  bildet 
vier  in  der  Rippenlage  des  fpitzbogigen  Netzgewölbes 
zum  Ausdruck  kommende  Joche,  die  Rippen  laufen 
auf  kräftigen  dreitlieiligen  Wandpfeilern  an.  Das  Presby- 
terium  fchließt  fich  durch  einen  einfachen  engen  fpitz- 
bogigen Triumphbogen  an  das  Langhaus  an,  befteht 
aus  einem  Joche  und  fünf  Seiten  des  Achteckes  als 
Schlußmauer  und  ift  mit  einem  einen  Stern  bildenden 
Netzgewölbe  in  fpitzbogiger  Wölbung  überdeckt.  Die 
Rippen  laufen  ebenfalls  auf  Wandfäulen  an,  doch  diefe 


Fig.   4. 

fchließen  an  der  Wand  in  der  Verlängerung  eines 
Meters  mit  einer  Spitz-Confole  ab.  Faft  alle  Fenfter 
haben  noch  ihr  urfprüngliches  Maßwerk.  Diefe  Kirche 
war  bereits  vor  1517  geweiht;  von  der  älteren  Kirche 
aber  hat  fich  der  Thurm  erhalten,  in  der  oberen 
Ecke  der  linken  Schifffeite,  mit  fäulengetheilten  roma- 
nifchen  Doppelfenftern.  Die  Kirche  entbehrt  derStrebe- 
pfeiler,  es  wäre  nicht  unmöglich,  dafs  die  Umfaffungs- 
mauern  des  Schiffes  aus  romanifcher  Zeit  ftammen,  da- 
mals war  das  Schiff  flach  gedeckt.  Außen  beim  P^in- 
gange  ein  gutes  Chriftophbild. 

102.  Correfpondent  Profeffor  Dr.  Jos.  Neiizvirth 
in  Prag  hat  der  Central-Commiffion  mitgetheilt,  dafs 
die  Kirche  in  Oberdorf  bei  Komotau,  ein  beachtens- 
werthes  Werk  der  Spät-Gothik,  mit  größter  Wahr- 
fcheinlichkeit  als  eine  Schöpfung  des  am  Beginne  des 
16.  Jahrhunderts  genannten  urkundlich  erweisbaren 
Meiflers  Hans  Günther  aus  Oberdorf  felbft  bezeichnet 
werden  darf. 

Auch  wurde  über  deffen  Anregung  in  der 
Decanatskirche  zu  Brüx,  welche  Jahrhunderte  hindurch 
als  ein  Werk  des  Meiflers  Benes  von  Laun  galt, 
eine  eherne  Gedenktafel  angebracht,  darauf  auf 
Grundlage  zuverläßiger  urkundlicher  Forfchungen  mit- 
getheilt wird,  dafs  diefer  Bau  nach  dem  Plane  und 
unter  perfönlicher  Leitung  des  bekannten  Annaberger 
Baumeifters  Jacob  von  Schweinfurt  durch  Meifter 
Georg  von  Maulbronn  und  Steinmetzmeifter  Peter 
zwifchen  1517  und  1532  aufgeführt  wurde. 

103.  Correfpondent  Leop.  Beckli-Widnianßetter 
hat  die  Central-Commiffion  auf  ein  durch  feine  Darftei- 
lung wichtiges  Grabdenkmal  aufmerkfam  gemacht, 
das  fich  in  der  Pfarrkirche  zu  Radkersbiirg  befindet 
und  hiebei  die  Verhältniffe  im  allgemeinen  zur  Sprache 
gebracht  mit  dem  Wunfche  einer  Anregung,  den  werth- 
voUeren  Denkmälern  beffere,  ihre  Erhaltung  fichernde 
Plätze  anzuweifen. 


196 


Im  Innern  der  Stadtpfarrkirclie  der  im  Mittelalter 
vielbedeutenden  befeftigten  Handels-  und  Gränzftadt 
Radkersburg  und  außen  herum  befinden  fich  im  Ganzen 
32  Grabdenkmale,  ungezählt  jene,  welche  wahrfchein- 
lich  unter  den  zahlreichen  Kirchbänken  völlig  ver- 
borgen find,  fo  dafs  von  ihnen  gar  nichts  zu  fehen    ifl:. 

Aus  diefer  beträchtlichen  Zahl  ifl  die  größere 
Hälfte  nicht  gut  geborgen,  darunter  mehrere  von  künft- 
Icrifchem  und  gel^chichtlichem  Werthe.  Die  ungenügend 
untergebrachten  find   nach  ihrem  Alter  folgende: 

1457,  Riettenburger  Georg,  ftylvolle  Arbeit  mit 
zwei  Wappen,  im  füdlichen  SchifT  am  Boden. 

1497,  Riettenburger  Barbara,  gleiclie  Arbeit, 
neben  vorigem  am  Boden. 

1480,  Ras  Ehrentraut,  Hausmarke,  nördliches 
Schiff  am  Boden. 

1481,  Eggenberg  Hans,  einer  der  Ahnherren  des 
fpäter  fürfflichen  Haufes,  lehnt  an  der  füdlichen  Außen- 
feite, ift  der  Breite  nach  zweimal  geborflen.  Abbildung 
bei  L.  Beckh-  Widmaiifletter:  Studien  an  den  Grab- 
flätten  aher  Gefchlechter,  IV.  Eggenberg. 

1491,  Barczer  Hans,  mit  Hausmarke  im  Dreipafs. 
füdliches  Kirchfchiff  am  Boden. 

1500  ff. — 1552,  Königsfelder  Hans  und  Erasmus, 
mit  dem  Todtengerippe  im  ISildfelde,  ift  an  der  Süd- 
feite außen  gut  untergebracht,  nicht  aber  der  Grab- 
fliein  des  am  30.  November  1552  verftorbenen  Georg 
Kunigsfelder,  letzten  diefer  Linie,  welcher  an  der  Nord- 
feite an  einem  Pfeiler  einfach  angelehnt  ifl. 

1517,  Wechsler  Michael,  ift  jetzt  gar  nicht  zu  fin- 
den, wahrfcheinlich  irgendwo  unter  den  Bänken,  be- 
ftand  aber  Zeuge  der  Abbildung  bei  Haiiniicr-Pnrg- 
Jia//:  Die  Gallerin  auf  der  Riegersburg  I.  Band.  Von 
derfelben  Familie : 

1536,  Wechsler  Niclas  und  Gemahlin  Katharina, 
geb.  Lanthieri,  aus  der  görzifchen  nun  griifiichen 
Familie.  Faft  ganz  von  einem  Kirchftuhl  im  nördlichen 
Seitenfchiff  bedeckt.  Abbildung  bei  Hammer-Purgftall : 
Gallerin  I.  Band. 

1572,  Wechsler  Franz,  welcher  am  9.  Decembcr 
1572  im  Dienfte  auf  der  fpanifchen  Flotte  flarb.  Der- 
felbe  dürfte  die  Seefchlacht  bei  Lepanto  am  8.  Oclober 
1571  mitgemacht  haben.  Schönes,  an  der  Nordfeite 
außen  mit  Klammern  befeftigtcs  Denkmal,  eine  nicht 
völlig  genügende  Abbildung  bei  Hammer:  Die  Gal- 
lerin. Ritterbild  und  Infchrifttafel  find  jetzt  getrennt, 
wären  zu  vereinigen. 

1526,  Mettnitz  (nicht  Mägnitz  oder  Racknitz) 
Achaz,  an  der  nördlichen  äußeren  Wand  zwar  aus- 
reichend geborgen,  könnte  aber  doch  beffcr  geforgt 
werden. 

1566,  Welzcr  von  Frauenftcin,  Chriftoph,  Landcs- 
vcrwefer  in  Kärnten,  im  Feldlager  gcftorben,  außen  an 
der  Südfeite,  die  beiden  das  Denkmal  flankiicnden 
Wappen  find  verwechfelt. 

1571,  Grießer  Jacob  und  fein  Weib  Klara  geb. 
.Steinpeiß,  im  füdlichen  Kirchfchiff  am  Boden,  von 
Banken  bedeckt. 

1583,  Scheitt  Georg  und  Efther  von  Rattmans- 
dorff,  außen  nordfeitig,  neben  einem  Piffoir,  außerdem 
Wappen  verwechfelt,  wie  bei  Welzer,  fiehc  oben  1566. 

1631,  Mucher  Veit,  Rathsbürger,  neben  dem  Piffoir. 


1649,  Zambanclli  (.-)  Bartlmä,  faft  ganz  abge- 
rieben, füdlicbes  Kirchfchiff  nächft  den  Rietenburgern 
1457  und  1497. 

1692,  Fu.x  Katharina,  foU  dem  Gefchlechtc  der 
fpätcren  Grafen  Fuchs  angehören.  Nördliches  Schiff 
am  Boden. 

c.  1700,  Koller  Balthafar,  Wundarzt,  nördliches 
Seitenfchiff  und  fchon  faft  ganz  abgewetzt,  alfo  dafs 
eine  Aenderung  gar  niclit  mehr  empfohlen  werden 
kann. 

Dann  nocli  folgende  jetzt  nnbejliinmbare  Denkmale: 

Frühes  15.  Jahrhundert:  Priefterliches  Denkmal 
mit  Kreuz,  Kelch  und  Wappen,  im  nördlichen  Schiff 
nächft  dem  Taufbecken  am  Boden,  190  Cm.  lang,  i  M. 
breit,  Infchrift  jetzt  nicht  lesbar,  das  Ganze  ftark  ab- 
genützt. 

Frühes  15.  Jahrhundert:  Ebenfo,  ebenda  unter 
Kirchbänken  verborgen,  hervorlugend  eine  Seite  des 
Schriftrandes  meldend:  „scxta  feria  port  (?)  omni  (?)  .  . 

16.  Jahrhundert:  Schrift  zerftört,  Hausmarke,  füd- 
liches Kirchfchiff  ganz  rückwärts,  werthlos. 

16.  oder  frühes  17.  Jahrhundert:  P?in  einem  Priefter 
Namens  Kefsler  gehöriger  Grabftcin  mit  fchönem  go- 
thifchen  Vierpafs,  gut  erhalten,  im  füdlichen  Kirch- 
fchiff, Kirchbänke  darüber. 

(16)  78,  ein  einem  Priefter  Thom(as)  N.  zuhöriges 
Denkmal  im  nördlichen  Schiff  verdeckt  durch  einen 
Beichtftuhl,  anfcheincnd  gut  erhalten. 

Im  nördlichen  Kirchfchiffe  find  zwei,  im  füdlichen 
neben  Zambanelli  ein  Grabftein  ganz  zerftört,  eine 
Bergung  hätte  kaum  mehr  einen  Zweck. 

In  der  Frauenkirche  in  der  Stadt  Radkcrsburg 
ift  am  Boden  gelagert  der  Grabftein  eines  am  8.  Og- 
tober  1729  verftorbenen  ungarifchen  Edelmannes 
Nikolaus  Lancsar  de  Bydoncz,  bereits  ftark  abge- 
treten. 

In  der  Pfarrkirche  St.  Peter  in  Ober-Radkersburg 
wurden  bei  der  Kirchenreftauration  im  Jahre  1889  die 
vorhandenen  Denkmale  gut  geborgen. 

Von  diefen  hiemit  nur  einfach  aufgezählten  Denk- 
mälern fei  das  Haus  Kunigsfelder  als  durch  feine  fel- 
tene  Darftellung  bcmcrkenswerth,  fchon  jetzt  näher 
befprochen.  Dasfelbe  ift  an  der  Südfeite  der  Kirche 
außen  in  die  Wand  eingefügt,  wahrfcheinlich  erft  fpäter 
hieher  übertragen,  160  Cm.  hoch,  65  Cm.  breit,  aus 
Marmor  gemeißelt  (iMg.  5).  Es  hat  zu  beiden  Seiten 
und  unten  Randfchrift,  die  der  rechten  Seite  ein- 
wärts, jene  an  den  beiden  anderen  Leiften  aber 
auswärts  gewendet.  Die  obere  Zeile  enthält  die 
nur  mehr  theilweife  erhaltene  Jahreszahl:  15  — .  .2.  | 
Daraus  bildet  fich  folgende  Widmung  rechts:  Hannfen 
Kunigsfelder  begrebnvs  und  geftorben  ij.  .  .  .  )  oben: 
15 — .2,  I  unten:  Und  erafen  |  links:  Khunigsfelder  fein 
Vater  flarb  am  .Sanft  pauls  pekcher.  .  .  . 

Das  Bildfeld  füllt  ein  aufrecht  ftchendcs  Todten- 
gerippe mit  gefpreizten  Beinen  aus.  In  den  vier  Ecken 
cles  Feldes,  theilweife  in  den  Schriftrahmen  aus- 
ladend, Wappen,  und  zwar  oben  rechts  der  redende 
Schild  der  Kunigsfelder:  im  Felde  das  Bruflhild  eines 
Königs  mit  der  Krone  auf  dem  Haupte,  i)reitcm  llals- 
kragen,  doch  ohne  Arme  —  links  ein  Helm  fanimt  Zier, 
dem  Hau])te  eines  bärtigen  mit  einer  Zackenkrone  gc- 
fchmückten  Mannes,  alfo  eines  Königs.  Unten  zwei 
einfiiche  Wappenfchilde,   rechts   drei   Korn.ihren,   dar- 


-     197     — 


über  quer  eine  Sicliel,  links  ein    Baumftrunk   mit   zwei 
Aeften  an  beiden  Seiten. 

Dem  Wappen  nach  gehört  der  Stein  Angehörigen 
des  in  den  Jahren  1654  und  1685  in  den  GrafenOand 
erhobenen,  feit  19.  Januar  1845  im  Mannsftamm  er- 
lofchencn  Haufes  der  Königsfeld,  welches  dem  bayri- 
fchen  Uradel  angehörte.  Diefer  Stein,  fowie  das  fpätere 
Denkmal  von  1552  beglaubigen  die  Anfäffigkeit  eines 
Aftes  zu  Radkcrsburg  und   habe   dafelbft   fchon   1472 


•lg   5- 


(Radkersburg.) 


ein  älterer  Erasmus  gelebt,  delTen  Bruder  Otto  jener 
Zeit  als  Deutfchordens-Comthur  in  der  Balley  Oefter- 
reich  genannt  wird.  Nach  Shidfs  fteiermärkifchem 
Ehrenfpiegel  IX.  Band  habe  des  Erasmus  Bruder 
Stephan  einen  Sohn  Sigmund,  Pfleger  zu  Griffen  11539, 
letzterer  einen  Sohn  Erasmus,  Bürger  zu  Radkersburg, 
befeffen,  welcher  mit  Elifabeth,  Tochter  des  Lienhart 
V.  Kolnitz  und  der  Elifabeth  v.  Windifchgrätz  beweibt 
und  aus  diefem  Verhältniffe  Vater  dreier  Söhne  Eras- 
mus, Andrä  und  Georg  gewefen  fei.  Der  letztgenannte 
fchlofs,  Zeuge  feines  Grabfteines  ebenda,  als  der  letzte 


diefes   Zweiges   der   Königsfelder  am    30.   November 
1552  zu  Radkersburg  fein  Leben. 

\0\.  Rontcrfiaid  in  Wien. 

Bei  den  Grundaushebungen  für  den  Neubau 
„Annahof  in  der  Annagaffe  (erfter  Bezirk,  Bauherr 
V.  V.  Silberer)  wurde  am  22.  Juni  1893,  ziemlich  nahe 
bei  der  St.  Annakirche  eine  römifche  Ära  aus  weißem 
Kalkftein  ausgegraben.  Man  fand  fie  in  einer  Tiefe  von 
12  M.  unter  dem  Trottoir  der  Annagaffe  auf  dem 
gewachfenen  Boden  (Schotter)  aufrecht  ftehend.  Sie 
ift  jj  Cm.  hoch,  am  Gefimfe  38,  am  Sockel  39  Cm. 
breit  und  20  Cm.  ftark.  Die  Rückfeite  ift  flach.  Gefimfe 
und  Fuß  find  in  der  häufig  vorkommenden  Art  profilirt. 
Die  Schriftfeite  ift  ftark  corrodirt;  fchon  urfprünglich 
fcheinen  die  zahlreichen  Vertiefungen  mit  einer  Maffe, 
welche  noch  hie  und  da  in  Spuren  vorhanden  ift,  aus- 
geglichen worden  zu  fein. Da  diefe  fpäter  herausgefallen, 
macht  der  Stein  den  Eindruck,  auffchriftlos  gewefen 
zu  fein.  Eine  genauere  Unterfuchung  wird  darüber 
Aufklärung  bringen.  Bei  der  für  Römerfunde  in  Wien 
ganz  abnormen  Tiefe  von  12  M.  und  dem  völligen 
Mangel  von  Römerfunden  in  der  nächften  Umgebung 
ift  kaum  daran  zu  denken,  dafs  die  Fundftelle  der 
Ära  der  Ort  ihrer  urfprünglichen  Aufflellung  fei,  viel 
näher  liegt  die  Annahme,  fie  fei  bei  einem  älteren 
Baue  an  jene  Stelle  gekommen.  Nach  einer  gefälligen 
Mittheilung  des  k.  k.  Hofrathes,  Franz  Ritter  von 
Raiinann  wurde  fchon  am  Beginne  der  Erdaushebungen 
für  den  Annahof,  alfo  in  viel  geringerer  Tiefe,  eine 
Bronzemünze  (Dupondius)  des  Kaifers  Hadrian  (reg. 
117 — 138  n.  Chr.  Geb.)  mit  der  fitzenden  Concordia 
(Umfchriften  verfchliffen)  aufgefunden. 

Auch  fand  man  eine  quadratifche  Tafel  aus  dem 
Beginne  des  18.  Jahrhunderts,  augenfcheinlich  vom 
Baue  des  Jefuiten-Gebäudes  herrührend.  Sie  ift  aus 
Sandftein  gemeißelt  und  zeigt  im  Relief  den  Namen 
Jefu  über  dem  Herzen,  in  welchem  Nägel  ftecken, 
alles  in  einem  Kranze  flammender  Strahlen,  in  den 
Ecken  vertheilt  die  Ziffern  der  Jahreszahl  1709,  links 
in  der  Mitte  zwifchen  i  und  o  den  Buchftaben  A, 
rechts  zwifchen  7  und  9  den  Buchftaben  M.  Die  Arbeit 
und  Erhaltung  find  gut.  Der  Stein  wird  im  neuen 
Annahofe  eingemauert,  alfo  erhalten  bleiben. 

Kenner. 

105.  Confervator  Baurath  Hau/er  hat  an  die 
Central- Commiffion  berichtet,  dafs  vor  wenigen 
Tagen  gelegentlich  der  Einfügung  der  Steine  zur 
Errichtung  des  Monuments  für  Herzog  Heinrich 
Jafomirgott  an  der  füdlichen  Außenfeite  der  Scliotten- 
kirclie  zu  Wien  ein  Theil  der  Stirnmauer  des  Quer- 
fchiffes  theilweife  ausgebrochen  werden  mußte.  Man 
fließ  bei  diefer  Arbeit  im  Innern  der  Mauer  in  der 
Höhe  von  ca.  7  M.  vom  Straßenniveau  auf  zwei  als 
Bruchllücke  eingemauerte  Sculpturwerke,  darftellend 
liegende  Löwen.  Die  eine  Sculptur  wurde  herab- 
genommen. Die  zweite  konnte  aus  Stabilitätsrückfichten 
nicht  gewonnen  werden  und  war  nur  in  der  rückwär- 
tigen Hälfte  fichtbar  geblieben.  Aus  dem  Körper  und 
der  Schwanzlage  waren  beide  Löwen  als  fymmetrifch 
geflellte  Thiere  zu  erkennen.  Der  frei  gewordene  Löwe 
ift  74  Cm.  lang  und  38  Cm.  hoch,  er  hält  in  feinen 
vorderen   Tatzen   einen   menfchlichen  Kopf  bei  deffen 


—      198     — 


langwalleiiden  Haaren.  Die  Mähne  des  Löwen  ift 
typifch  geringelt,  die  Augenfterne  find  aus  Blei,  an 
Stelle  der  Ohren  finden  fich  tiefe  Löcher.  Am  Rücken, 
knapp  über  den  Hinterbeinen  findet  fich  eine  große 
horizontale  Bruchfläche,  die  auf  das  Aufruhen  einer 
Säule  oder  eines  Kreuzes  hinweift.  Spuren  von  Bema- 
lung find  vorhanden.  Der  Ablchluß  der  Figur  läßt  ver- 
muthcn,  dafs  fie  an  diefer  Stelle  in  eine  Mauer  einge- 
laffen  war. 

Es  kann  kein  Zweifel  fein,  dafs  diefe  Löwen,  die 
den  ausgefprochenen  romanifchen  Charakter  tragen, 
in  der  alten  Schottenkirche  zu  beiden  Seiten  eines 
Portales  oder  eines  umrahmten  Feldes  flanden,  da  fie 
aber  nicht  die  einzigen  romanifchen  Refte  find,  welche 
im  Baue  der  neuen  Kirche  als  Bruchfleine  Verwendung 
fanden,  fo  findet  die  Meinung  des  Baurathes  Haufer, 
dafs  die  vor  der  gegenwärtigen  Kirche  beftandene 
Kirche  den  zumeift  gothifchen  Stylcharakter  trug,  das 
heißt,  dafs  die  romanifche  Kirche  in  gothifcher  Zeit 
nicht  völlig  verfchwand,  fondern  nur  theilweife  umge- 
ftaltet  wurde,  eine  befondere  Beftärkung. 

io6.  Con(eTva.tor  Rosi/melhsit  der  Central-Commif- 
fion  mitgetheilt,  dafs  zu  Serowitz  bei  Ung.  Hradifch  am 
21.  Juni  d.  J.  gelegentlich  der  Feldarbeit  in  einem 
Thontopfe  86  Stück  verfchiedene  Silbermünzen  aus 
den  Jahren  zwifchen  i66i  — 1677  gefunden  wurden.  Ein 
weiterer  Münzenfund  in  Mähren  kam  der  Central- 
Commiffion  von  Seite  der  k.  k.  Bezirkshauptmannfchaft 
in  Datfchitz  zur  Kenntnis.  Er  umfafst  über  770  Stücke 
und  wurde  im  Gemeindewalde  von  Reifpitz  zu  Stande 
gebracht.  Die  Unterfuchung  dfes  Fundes  ergab,  dafs 
derfelbe  Prager  Grofchen  (Parvuli)  und  in  überwiegen- 
der Anzahl  öfterreichifche  Denare  der  Herzoge  Wil- 
helm und  Albert  aus  dem  beginnenden  15.  Jahrhundert 
enthält.  Derlei  Münzen  bilden  den  Hauptbeftand  der 
Courants  jener  Zeit  in  den  dortigen  Gegenden.  Von 
Seite  des  galizifchen  Gendarmerie  Commando  erhielt 
die  CcntralCommiffion  Nachricht,  dafs  in  Strzeinilcze 
bei  Brody  am  3.  Mai  d.  J.  eine  lederne  Tafche  mit 
Münzen  etwa  '/^  M.  in  der  Erde  gefunden  wurde.  Der 
Beutel  enthielt  3550  Stück  Kupfermünzen,  lithauifchc 
Münzen  des  polnifchcn  Königs  Johann  Cafimir, 
1648 — 1668.  Die  große  Anzahl  der  Münzen  gibt  dem 
Funde  einen  gewiffen  Werth  für  die  Gefchichte  des 
Localverkehres. 


erkennt  Prägungen  der  Patriarchen  von  Aquilcja,  der 
Grafen  von  Görz,  Münzen  der  Stadt  Padua.  Die  älte- 
ften  Stücke  gehören  dem  venetianifchen  Dogen 
Pietro  Ziani  (1205 — 1229)  und  dem  Bifchofe  von  Trient 
Friedrich  von  Wanga  (1207 — 1218)  und  diejüngften 
dem  Dogen  Giovani  Soranzo  (1312 — 13 18)  an.  Der 
Zeitpunkt  der  Vergrabung  kann  in  die  letzten 
Jahre  der  Regierung  des  Patriarchen  Ottokar  von 
Aquileja  verlegt  werden,  um  welche  Zeit  die  Gegend 
von  Monfalcone  durch  feindliche  Einfälle  fehr  zu  leiden 
hatte.  Der  Münzfund  ift  fehr  wichtig,  nicht  fo  fehr  durch 
die  Münzen  felbft,  als  vielmehr  wegen  der  großen 
Anzahl,  der  Sortenmifchung  und  der  Verhältniffe  der 
Quantität,  in  welcher  die  einzelnen  Sorten  auftreten, 
wodurch  fich  die  Verkehrsverhältniffe  jener  Gegend 
im  13.  Jahrhundert,  hauptfächlich  in  der  2.  Hälfte  des- 
felben,  darin  fpiegeln;  es  ift  fehr  lehrreich,  dafs  größere 
Porten  nur  Venetianer  Dogen-  und  Tyroler  Münzen 
enthalten,  u.  zw.  beide  zufällig  ca.  von  1253  an  bis 
Schlufs  des  13.  Jahrhunderts;  diefer  Epoche  gehören 
nicht  weniger  als  11 20  Venetianer  und  742  Tyroler 
Münzen,  zufammen  1862  unter  fchließlich  gefammelten 
2200  Stücken  an.  Die  Münzen  find  übrigens  fchlecht 
erhalten. 

108.  Confer\ator  Sterz  in  Ziiaiiii  hat  der  Ccntral- 
Commiffion mitgetheilt,  dafs  innerhalb  der  letzten  zwei 
Monate  in  feinem  Bezirke  mehrere  wichtige  prähiflori- 
fche  Funde  conftatirt  wurden;  fo  in  Miihlfrmtn  aus 
Anlafs  eines  Hausbaues  das  I?ruchftück  eines  Stein- 
beiles, in  Tvozehraz  ein  Kupferbeil,  in  Neujlift  Topf- 
fcherben,  Feuerftein-Splitter  und  ein  Serpentin-Flach- 
beil, im  Krepitzer  Burgwall  Thongefäße,  im  Förfter- 
häufel-Acken  zu /'(?//?/'.;'  wurde  ein  Flachgrab  biosgelegt, 
darin  i  Skelett,  2  Urnen,  2  Teller,  Schüffein,  i  Bronze- 
Armring  und  eine  Fibel  fich  befunden  haben  follen. 
Das  Kupferbeil  gehört  in  jene  Claffe  kupferner  P^lach- 
beile,  welche  in  den  Fig.  16,  17  und  20  der  Taf  XVII 
der  I.  Abth.  des  kunfthiftorifchen  Atlaffes  dargeftellt 
find,  übertrifft  aber  alle  hierher  gehörigen  Funde  durch 
feine  Größe  (156  Mm.  lang,  an  der  Schneide  94  Mm., 
im  Rücken  75  Mm.  breit,  8  Mm.  dick,  873  Gr.  fchwer), 
feine  fchone  Form  und  gute  Erhaltung.  Durch  diefen 
Fund  wird  Mähren  immer  mehr  als  eines  der  an  pr;i- 
hiftorifchen  Kupfergegenftänden  reichften  Gebiete  zu 
betrachten  fein. 


107.  Die  Central-Commiffion  erhielt  von  mehreren 
Seiten  Naciiricht  über  einen  fehr  wichtigen  Münzfund 
zu  Monfalcone  aus  neuefter  Zeit.  In  der  via  del  Duomo, 
auf  jener  Stelle,  wofelbft  fich  der  feit  dem  Jahre  1735 
verfchwundene  Palaft  des  Patriarchen  befand,  wird  ein 
Theater  erbaut.  Nahe dieferStelle  neben  derStadtmauer 
befand  fich  das  alte  Meeresthor.  Bei  Anlage  einer  Kalk- 
grube kam  ein  irdener  Topf  mit  Silbermünzen  voll  ange- 
füllt in  einer  Tiefe  von  i  M.  zum  Vorfchein.  Obwohl 
man  erfl  nach  Verfchleppung  von  etlichen  100  Münzen 
das  mehrere  weiter  verhindernd  bei  der  Hand  war,  fo 
war  es  doch  noch  möglich  über  1600  Stück  als  Haupt- 
partie des  Fundes  zufammcnzuhalten  und  gewiffer- 
maßen  zu  retten.  Befonders  wichtig  war  der  Bericht, 
den  Correfpondent  Profeffor  /'«jc/«  darüber  erftattetc. 
Derfelbe  konnte  mehr  als  lOOO  Stück   claffificiren.    Man 


109.  Ueber  einen  äußerfi:  wichtigen  Fund  hat 
Barth.  Pecnik  der  Central-Commiffion  am  25.  Juni 
berichtet.  Er  machte  denfelben  in  der  ausgedehnten 
Fundftätte  am  Magdalensberge  bei  St.  Marcin  in  Kraiii. 
Man  fand  in  einem  Grabe  den  Mann  und  fein  l'ferd 
gemeinfam  beftattet.  Der  Mann  unten,  das  Pferd  am 
Rücken  tiarauf  Bei  der  leider  faft  ganz  ver- 
gangenen Leiche  lagen  ein  Bronze-Keffcl,  ein  zerdrück- 
ter Bronze-1  lehn,  zwei  Gürtelbleche,  Nadel,  Kelt,  zwei 
Lanzen,  40  Pfeilfpitzcn,  Schleiflleine,  Schmuckftücke, 
daini  fantien  fich  viele  Gegenftände  aus  Lehm  und 
Refte  der  Pferderüftung.  Die  Leiche  fcheint  in  einem 
Sarge  aus  ftarken  Holzbohlen  gelegen  zu  haben.  Der 
ganze  Fund  ftak  in  naffcr  I.ehmerde,  daher  er  fehr 
gelitten  hat. 


-      199     - 


Ueber  neuefte  Funde  zu  Wels. 


Berichtet  vom  Confervator  Dr.  von  Benak. 


I. 


pON  dem  Gräberfelde  füdlich  des  Bahnhofes  zu 
Wels  (Dr.  Franz  Groß-Straße  und  Alois  Auer- 
Straßc),  über  deffen  Aufdeckung  ich  im  October 
1890  berichtet  habe,  ift  im  Auguft  1892  gelegentlich  der 
Erdaushebung  für  den  Neubau  eines  Wohnhaufes  ein 
weiterer  Theil  erfchloffen  worden.  Die  Bodenbefchaffen- 
heit  ift  diefelbe  wie  an  den  übrigen  dortigen  Fund- 
ftellen;  Schotter- Alluvium  mit  einer  40  —  50  Cm.  mäch- 
tigen Humusfchichte  überdeckt,  welcher  Humus  in  die 
Grabftellen  hinabreicht.  Die  Aushebung  umfaßte  eine 
Fläche  von  circa  440  Q  M.  bis  zur  Tiefe  von  130  Cm. 
Dafelbft  fanden  fich  folgende  Objefte: 

1.  In  fchmaler  gemauerter  Einfaffung  109  Cm. 
tief,  auf  Sand  gebettet,  Richtung  Weft-Oft,  und  zwar 
Fußende  gegen  Oft,  das  Skelett  einer  im  Jünglings- 
alter geftandenen  Perfon.  Um  das  linke  Handgelenk 
lag  ein  Armband  aus  ftrickförmig  gewundenem  Bronze- 
draht, die  Enden  ineinander  gehackt,  2  Mm.  dick,  6 Cm. 
inneren  Durchmeffer.  Daneben  eine  eiferne  strigilis, 
fragmentirt  und  in  zwei  Theile  zerbrochen,  der  Griff 
durch  paralleles  Anlegen  des  zurückgebogenen  Stiel- 
endes gebildet,  wodurch  ein  langer  Schlitz  zum  Durch- 
ziehen des  Tragbandes  entfteht. 

2.  und  3.  Zwei  Skelette  in  derfelben  Lage,  hart 
neben  einander,  kaum  60  Cm.,  Schädel  und  Bruft- 
knochen  ganz  zerdrückt,  zwifchen  den  Rippen  Brocken 
römifchen  Mörtels.  Diefelben  find,  wie  dies  auch  in  den 
früher  aufgefchloffenen  Theilen  diefes  Gräberfeldes 
vorkam,  offenbar  gewaltfam  aus  ihrer  urfprünglichen 
Lage  gebracht,  fei  es  gelegentlich  einer  fpäteren  Neu- 
belegung, fei  es  behufs  Spoliirung. 

4.  Verfchiedene,  wirr  durcheinander  liegende 
menfchliche  Gebeine  an  mehreren  Stellen,  ohne  Zweifel 
in  gleicher  Art  beifeite  gefchafft. 

5.  6.  7.  Drei  Grabftellen,  60  —  70  Cm.  tief,  mit 
Skeletten,  deren  Lage  nahezu  fenkrecht  den  i  bis  3 
befchriebenen  orientirt  ift.  Selbe  dürften  aus  der 
Periode  der  Neubelegung  flammen.  Die  Schädel  von 
zweien  waren  ganz,  der  dritte  größtentheils  gut  er- 
halten und  wurden  behufs  ihrer  anthropologifchen 
Unterfuchung  aufbewahrt. 

8.  Einige  Meter  füdweftlich  von  den  Gebeinen 
fand  fich,  wie  die  Arbeiter  fagten,  „zwifchen  Knochen" 
eine  Silbermünze  des  Kaifers  Alexander  Severus. 

Av.  Büfte  mit  Lorbeerkranz: 

IMP  •  C  •  M  •  AVR  ■  SEV  •  ALEXAND  •  AVG  • 

Rev.  Jupiter  nach  links  mit  Scepter  und  Blitz- 
bündel. 

P-M-TRPII-  COS  •  P  •  P  • 

9.  2  bis  3  M.  nördlich  im  aufgegrabenen  Erdreich 
lag  eine  bronzene  Armfpange,  5  Cm.  zu  4^3  Cm.  innere 
Weite,  offen,  die  Enden  in  Drachen-  oder  Schlangen- 
köpfe auslaufend. 

XIX.  N.  F. 


10.  Ebendort  ein  bronzener  Fingerring,  offen,  die 
Ecken  in  mit  den  Grundlinien  einander  gegenüber- 
flehende dreieckige  Platten  auslaufend. 

11.  Sonll:  fanden  fich  keine  Beigaben  bei  den 
Leichen,    wohl    aber   öfters  Nägel   bei  den  Knochen. 

12.  Allenthalben  wurden  im  Erdreich  gefunden: 
zahlreiche  Trümmer  von  Sigillata-Gefäßen,  aber  fämmt- 
lich  klein,  von  verfchiedenften  Formen  und  nicht  zu- 
fammenfetzbar;  nur  ein  10  Cm.  hoher  Becher  aus 
feinem  grauen  Thon,  mit  einfachem  gefirichelten 
Wand-Ornament  ifl:  faft  ganz  wohl  erhalten,  ferner 
verfchiedene  Eifengeräthe,  darunter  eine,  wie  es  fcheint, 
für  den  Gartenbau  befiiimmt  gewefene  Hacke:  kurzer, 
flark  gekrümmter  breitfchneidiger  Theil  zum  Hauen, 
auf  der  andern  Seite  ein  beiläufig  viermal  fo  langer 
mäßig  gekrümmter  Stachel,  deffen  Durchfchnitt  ein 
auf  die  Diagonale  geflelltes  Quadrat  bildet;  endlich 
eine  fahr  gut  erhaltene  Bronze-Fibel. 

13.  Ungewiß,  ob  neben  Leichen  gefunden,  aber 
jedenfalls  von  dort:  eine  Kupfermünze  des  Geta: 

[6]  S  (ej  PTIMIVS   GETA   CAES 
(Büfle  ohne  Bekränzung.) 

Rev.  Pallas,  fitzend,  die  um  einen  Oclbaum  gerin- 
gelte Schlange  fpeifend. 

PONTIF  ■  COS  •  II  ■ 


Im  „Abfchnitt": 


S  ■  C 


14.  Ebenfo:   eine   bronzene  (Sefterz  ?)  des    Anto- 
ninus  Pius: 

ANTONINVS  •  AVG  •  PIVS  •  PF  • 
Lorbeerbekränzter  Kopf. 

Rev.: 

SALVS  •  AVG  • 

Die  Göttin  nach  links  flehend. 
S  •  C  • 


Im  Abfchnitt: 


COS  •  II 


15.  Einige  Wochen  fpäter  überbrachten  mir  Ar- 
beiter, als  angeblich  in  einem  Straßengraben  unweit 
von  diefer  Bauflelle  offenliegend  gefunden,  eine  Münze, 
welche  mir  als  ein  Billon  des  Philippus  Arabs  bezeich- 
net wird. 


Rev. 


ROMAE   AETERNAE 


16.  An  einer  Stelle  des  Bauplatzes  fanden  fich 
Rinderknochen. 

Sämmtliche  Fundgegenflände,  deren  Eigenthum 
fich  übrigens  die  Stadtgemeinde  fchon  beim  Verkaufe 
des  Bauplatzes,  wie  jetzt  über  mein  Einfehreiten  flets 
gefchieht,  vorbehalten  hatte,  werden  dem  ftädtifchen 
Mufeum    einverleibt.    Der   Eigenthümer   und  Bauherr, 

27 


—        200 


Herr  Baumeifter  Robert  Ktinz,  hat  übrigens  in  dankens- 
werther  Weife  die  Durchforfchung  der  Bauftelle  und 
Ueberwachung  der  Arbeiten  ermöglicht,  fowie  für  vor- 
läufige Verwahrung  der  Fundgegenftände  Sorge  ge- 
tragen. 

Herr  Dr.  Eduard  Nowotny,  welcher  eben  in  Wels 
weilte,  hatte  die  Freundlichkeit,  fammtliche  Fund- 
ftellen  zu  conftatiren  und  mir  bei  der  vorftehenden 
Befchreibung  der  Objecte  an  die  Hand  zu  gehen. 


II. 

Ende  Auguft  wurde  im  Garten  des  Herrn  Ferdi- 
nand Rochhart,  Vorftadtplatz  Nr.  35,  ein  Baffin  aus- 
gegraben, bei  welcher  Arbeit  man  in  90  Cm.  Tiefe  auf 
eine  circa  50  Cm.  hohe  und  2  M.  lange  Mauer  ftieß, 
aus  Conglomeratfteinen  mit  Weißkalkmörtel  hergeftellt, 
Richtung  NW.  —  SO.,  deren  Alter  und  Beftimmung 
noch  nicht  aufgeklärt  ifl:.  Etwa  50  Cm.  nördlich  fanden 
fich  Gefäßtrümmer  und  wenige  Rede  von  Knochen 
verfchiedener  Thiere.  Die  Scherben  flammen  von 
Gefäßen  des  Hausgebrauches,  einige  Terra  sigillata, 
ein  feineres  Stück  aus  fchwarzbraunem  Thon  mit 
Flecht-Ornament  und  größere  Fragmente  einer,  wie 
es  fcheint  glafirten  Schale,  deren  Innenfläche  mit  feinen 
weißen  und  grauen  Steinchen  faft  mofaikartig  belegt  ift. 
Erft  vor  14  Tagen  ift  in  demfelben  Garten  ein  Stück 
Gewölbe,  gleichfalls  aus  Conglomerat  gemauert,  auf- 
gegraben worden,  welches  parallel  mit  der  früher  er- 
wähnten Mauer,  2  M.  unter  dem  Niveau  —  bis  zum 
Gcwölbefcheitel  gemeffen  —  liegt,  r5  M.  hoch  und 
ebenfo  breit,  theilweife  eingedrückt  und  dort  mit  Erd- 
reich ausgefüllt  ift.  Mit  einer  Begräbnisftätte  hat  man 
es  hier  —  wo  keinerlei  Indicium  dafür  vorhanden  ift  — 
offenbar  nicht  zu  thun.  Der  Mörtel,  welchem  die  Bei- 
mengung von  Ziegelmehl  fehlt,  die  hier  bei  allem 
römifchen  Mauerwerke  vorkommt,  fowie  das  Bau- 
Materiale  fcheinen  mir  auf  das  Mittelalter  hinzuweifen, 
in  welchem  diefcr  Gang  kriegerifchen  Zwecken  gedient 
haben  mag.  Hiemit  würde  die  Sage  übereinftimmen, 
dafs  einft  vom  befeftigten  Schlöffe  Pollheim,  welches 
fich  im  nordweftlichen  Theile  der  inneren  Stadt  befand, 
ein  unterirdifcher  Gang  in  der  Richtung  gegen  Bern- 
hardin geführt  habe.  Die  Richtung  des  Gewölbes 
würde  diefer  y\nnahme  entfprechen.  Die  Topffcherben 
etc.  mögen  einer,  mit  dem  Mauerwerke  nicht  im  Zu- 
fammenhange  ftehenden  Ablagerungsftätte  von  ftädti- 
fchem  Kehricht  angehört  haben:  lag  ja  doch  die  rö- 
mifche  Orilava  an  dcrfelben  Stelle  wie  die  heutige 
Stadt.  Ein  Canal  oder  eine  Wafferleitung  kann  bei  dem 
Mangel  eines  jeden  Gefälles  dort  nicht  beftanden 
haben.  Die  Grube  mußte  wieder  verfchüttet  werden, 
doch  gedenke  ich  diefen  Gcgenftand  weiter  zu  ver- 
folgen, eventuell  dem  Gange  von  einer  anderen  Stelle 
beizukommen. 


III. 

Bei  dem  Eifenbahnbauc  in  Afchet  —  rechtes 
Traun-Ufcr  —  find  in  den  Monaten  Juli  bis  Sep- 
tember zahlreiche  hoch  intereffante  Funde  gemacht 
worden,  welche  ich  hier  nur  in  Kürze  erwähne:  ge- 
mauerter    römilchcr    Wafferleitungs-Canai     auf    circa 


50  M.  Länge  blosgelegt,  darauf  und  daneben  Schutt 
von  römifchen  Werk-  und  Wohnftätten,  Fragmente 
von  Töpferwaaren  aller  Art,  18  Töpfer-Infchriften,  zwei 
Graffiti,  Eifengeräthe,  Bronzegeräthe,  Fibeln'  und 
Münzen,  hölzerne  Käften  zur  Auffangung  von  Quellen, 
Thierknochen. 

Herr  Cand.  prof  Dr.  Eduard  Nowotny  hat  nicht 
blos  die  Uebervvachung  der  Arbeiten,  fondern  auch 
die  wiffenfchaftliche  Sichtung  des  gewonnenen  Mate- 
rials freundlichft  übernommen,  und  wurde  von  mir 
gebeten,  feinen  diesfälligen  Bericht  unmittelbar  der 
k.  k.  Central-Commiffion  zu  übergeben. 

Ohne  Zufammenhang  mit  diefer  Fundftätte  ftehen 
die  an  der  Bahntrace  aufwärts,  jenfeits  des  Fransineir'- 
fchen  Ringofens,  aufgefchloffenen  Abfalle  eines  Töpfe- 
reibetriebes, dabei  Brandgräber  und  als  Einzelnfund 
ein  Schaftkelt. 


Fig.  t. 


Im  Uebrigen  find  beim  Bahnbaue  keine  erwähnens- 
werthen  Funde  gemacht  worden,  insbefondere  keine 
folchen,  welche  auf  die  hier  gefuchte  Römerftraße  hin- 
deuten würden.  Denn  ein  auf  dem  Plateau  nächft  tler 
Abzweigung  der  Steiermärker  Reichsftraße  und  der 
Kremsmünfterer  Bezirksftraße  (beim  „Wirth  im  Holz") 
aufgedecktes  Fragment  eines  älteren  Fahrweges  dürfte 
kaum  antiken  Urfprunges  fein. 


IV. 

Auf  dem  weftlich  an  den  oben  bezeichneten 
Kunz'fchen  Bauplatz  gränzenden  Bnick/chweigerkhcn 
Bauplatze  fanden  fich  gelegentlich  einer  im  December 
1892  vorgenommenen  Fundamentirung  keine  regelmä- 
ßigen Gräber,  fondern  nur  durcheinander  geworfene 
Mcnfchen-  und  Thierknochen  fammt  Topffcherben  ohne 
Zufammengcliörigkcit.  (Alfo  ganz  fo  wie  im  weftlichen 
Theile  [bei  F\  des  Kunz'fchen  Platzes.)  Der  zum  Theil 
noch  unter  das  Aushebungs-Niveau  hinabreichende 
Humus  ift  von  diefen  Fragmenten  durchfetzt.  Darunter 
befand  fich  nun  ein  ziemlich  wohl  erhaltener  Schädel 
f„S"J,  der  wegen  feiner  augenfcheinliclien  Zugehörig- 
keit zu  dem  wenige  Meter  öftlich  davon  angegrabenen 
Griiberfelde  aufbewahrt  und  zugleich  mit  den  zwei 
Schädeln  der  oberwähnten  Skelette  A  und  B  an  das 
k.  k.  naturhiftorifchc  HofMufeum  abgegeben  wurde. 
Die    dafelbft    durch    gütige    Vermittlung    des    Herrn 

'  Die  in  Fig.  I  .ibgcbildetc  Kibuln  gehört  zur  Gattung  der  Knicfibcln 
mit  oblonger  Kojtfplaltc.  Dicfc  ift  ctw.is  irrcgiil.ir,  in  der  T^ärigsriclitutiK  an 
zwei  Stellen  mit  Reihen  fchraKer  Stri<:hhigen  verziert  und  .Tn  der  riickwar 
tigeii  L.-ingsfcite  in  der  Vcrhingei ving  der  Biigclaxc  mit  einem  kleinen  Anfatz 
vcrfchen,  welcher  nach  abwärts  mit  dem  Axenlager  dir  Spiralrolle  currefpon- 
dirt. 


—       20I 


k.  und  k.  Affiftenten  Dr.  M.  Hoenics  von  Herrn  Dr. 
j1/. //«'«^cA'orgenommene  Vermeffung  ergab  folgendes, 
von  den  genannten  Herren  in  zuvorkommendfter  Weife 
zur  Verfügung  geftellte  Refultat: 

Schädel  A:  Cranium  prognath,  mesocephal, 
chaniaecephal  mit  chamaeprofopem  Geficht;  Oberge- 
ficht  Icptoprofop;  Orbita  chameokonch;  Nafe  platy- 
rohin.  Es  ifl  ein  wahrfclieinlich  weiblicher  Schädel, 
erwachfen.  mit  vollentwickeltcm,  wenig  abgenütztem 
Gebifs.   Nähte  offen. 


Schädel  B.  Mesocephale,  orthoccphale  Calv^aria. 
Männlicher  Schädel,  Sagittalnaht  verftrichen,  Coronar- 
und  Lambda-Naht  in  theilweifer  Obhtteration.  Zähne 
flark  abgenützt. 

Schädel  S:  Mesocephales  Cranium  mit  Icptopro- 
fopemObcrgeficht.  Orbita  mesokonch,  Nafe  platyrohin. 
Weiblicher  erwachfener  Schädel,  Gebiß  vollentwickelt, 
faft  vollfländig  vorhanden,  mäßig  abgenützt.  Sagitta- 
naht  in  beginnender  Obhtteration.  Im  rechten  Stephal- 
nion  zwei  Zwickelbeine. 


I  n  d  i  c  e  s : 


Schädel 

Prof  < 

B  :  L 

H  :  L           H  :  B         ^,^^'^\\- 
Joch-B. 

Geficht- 
Ges.-B 

Ober- 
geficht- 
Joch-B. 

Ober- 
Gesicht- 
Ges.B. 

Nafe 

Augen     i    Gaumen 

A 

B 

S 

72° 

7S-5 
78-4 
75-3 

69-0 
70-0 

87-8 
89-3 

83-5 

— 

50-4 
55-5 

763 

52-0 
52-2 

78-0 
84-7 

90-5 
93-9 

Die  abfohlten  Maßzahlen  find: 

Hirnfeh  ad  el. 


Schädel: 


Capacität  ...... 

Große  L 

Größe  B 

B    über  dem  Ohr  . 

Stirn  B 

H 

Ohr-H 

L.  der  Bafis  .  .  .  , 
Bas.-Alocol.-R. .  .  . 
Horizontal-U.     .    . 

Sagittal-U 

Quer  U 


Geficht. 


A 

B 

S 

400 

1410 

_ 

187 

190 

186 

147 

149 

140 

120 

128 

114 

— 

96 

94 

129 

133 

— 

109 

120 

118 

104 

lOI 

— 

102 

— 

— 

526 

535 

S2I 

368 

377 

— 

314 

315 

310 

Schädel: 


Joch-B 

Gefichts-B.    .  . 
Gefichts-H.  .  .  . 
Obergefichts-H 

Nafen-H. 

,       B 

InterorbitalB. 

Augen-H 

B 

Gaumen-L.    . 

.        B.     .. 
Unterkiefer-L. 

Winkel-B 

Aft-H 

Kinn-H 


133 

III 
67 

5° 
26 
29 
32 
41 
42 

38 

84 

106 

65 
30 


92 
101 


128 
93 

71 
46 

24 
28 

33 
39 
36 
34 

62 


Funde  aus  den  Bronze-Schmelzöfen  in  der  „Särka"  bei  Prag. 


Vom  k.   k.   Confervator  Bretislav   yelinek. 


f^S^  vergeht  faft  kein  Jahr,  ohne  dafs  aus  dem 
Särka-Thale  irgend  ein  Fund  verzeichnet 
würde.  Das  ganze  über  8'5  Km.  lange  Thal, 
von  Vokovic  und  dem^Hradiäte  in  der  Wilden  Sarka 
angefangen,  längs  des  Särka-Baches  bis  zu  feiner  Mün- 
dung bei  Podbaba  in  die  Moldau,  bietet  eine  reiche, 
in  alle  Fächer  der  Antliropologie  einfchlagende  Aus- 
wahl von  wichtigen  Denkmalen,  die  uns  über  Tau- 
fende von  Jahren  in  die  graue  Vorgefchichte  zurück- 
führen. 

Den  hochwichtigften  Punkt  diefes  Thaies  bildet 
allerdings  das  Hradiste  am  Äö^(?/C'-Berge  mit  der 
Gräberftätte  von    Vokovic,  welche    beide    Fundftätten 


für  die  Vorgefchichte  Böhmens  wohl  das  Epitheton 
„böhmifche  Terra  marna''  verdienen;  denn  die  Funde 
von  diefen  zwei,  durch  die  Gleichartigkeit  der  Fund- 
objefte  im  innigften  Zufammenhange  ftehenden  Orten, 
kann  man  als  den  Spiegel  der  alten  mitteleuropäifchen 
Cultur  in  Böhmen  anfehen.  Leider  ermannte  fich  unfere 
einheimifche  Archäologie  noch  immer  nicht  fo  weit, 
diefe  zwei  Fundftätten  durch  Veröffentlichung  auch 
jenen  Kreifen,  welchen  nicht  die  Gelegenheit  geboten 
war,  diefelben  im  Original  kennen  zu  lernen,  zu  unter- 
breiten, und  es  ift  umfomehr  bedauernswerth,  indem 
diefe  Funde,  die  ohnehin  ohne  jede  syllematifche 
Ausgrabung,    blos    auf's  Gerathewohl   aus    der    Erde 

27* 


202       


gehoben  wurden,  nunmehr  unter  verfchiedenen  Privat- 
fammlern  und  Mufeen  fehr  zerfpHttert  find.' 

Hierorts  habe  ich  nicht  die  Abficht,  über  diefe 
zwei  Fundftätten  zu  handeln,  ich  brachte  fie  nur  des- 
halb zur  Rede,  weil  die  Funde,  die  mir  Veranlaffung 
zur  nachfolgenden  Abhandlung  gaben,  in  die  Aera  der 
erwähnten  Fundllätten  fallen,  welche  von  hier  4  Km. 
gegen  Weften  entfernt,  zu  einer  beftimmten  Zeit  mit 
denfelben  coexiftent  waren  und  offenbar  auch  im  Zu- 
fammenhange  ftanden. 

Eine  halbe  Stunde  von  der  Prager  Burg  gegen 
Nordweft,  fteht  hoch  oben  am  Berge  nächft  der  Ge- 
meinde Klein-Särka  die  St.  Matthäus-Kirche  und  deren 
Kirchhof  am  Bergplateau,  welches  gegen  drei  Seiten 
über  Felsklippen  und  fteile  Bergabhänge  in  das  Thal 
fich  herabfenkt.  Bei  genauerer  Unterfuchung  des  Erd- 
bodens findet  man  hie  und  da  zerftreute  Thierknochen 
und  Scherben  von  Thongefäßen  von  alter  und  auch 
von  jüngerer  (Burgwall-)  Keram.ik.  Man  orientirt  fich 
fogleich,  dafs  die  jetzige  Kirche  mit  dem  Friedhofe 
und  die  an  diefelben  floßenden  Felder  auf  einer  längft 
verfchollenen  Anfiedlung,  oder  beffer  gefagt,  auf  einer 
ehemaligen  Burgftätte  fich  ausbreitet.  Die  locale  Sage 
bezeichnet  den  Ort,  auf  welchem  die  jetzige  Kirche 
fteht,  als  die  Gräberftätte  Ctirad's  und  feines  Gefolges, 
welcher  in  dem  nahe  liegenden  Walde  von  der  reizen- 
den  Jungfrau  Särka  von  Okofin  und  ihren  Amazonen 
meuchlings  ermordet  wurde. 

Südlich  von  der  genannten  Kirche,  dort,  wo  jetzt 
der  neue  Friedhof  angelegt  ift,  ftieß  man  im  Jahre  1889 
bei  Feldarbeiten  auf  eine  Grube,  welche  fchwarze  Erde, 
Afche  und  Scherben  von  Thongefäßen  enthielt  und 
die  mir  Dr.  Ottakar  Rozänek  als  einen  Schmelzofen 
bezeichnete,  welche  Angabe  infolge  der  nachher  ein- 
geleiteten Nachforfchungen  in  keinen  Zweifel  gezogen 
werden  kann. 

Unweit  von  diefer  Grube  wurden  verfchiedene 
vorgefchichtliche  Objefle  gefunden,  die  in  die  Samm- 
lungen des  genannten  Herrn  gelangten  und  find  dies 
namentlich: 

Von  Bronze:  Bruchftücke  von  vier  Sicheln,  deren 
eine  ausgefchweifte  Form  hat.  Zwei  ganze  Leiftcn-Pal- 
ftäbe  und  drei  Bruchftücke  (Barthen)  von  anderen  Pal- 
ftäben,  ein  Meißel  mit  Dille,  eine  Spitze  und  die  Hand- 
habe von  einem  Meffer,  drei  offene  Armbiuider,  fünf 
Neffelftifte  und  einige  zehn  Stücke  von  Rohguß. 

Von  Bein:  Eine  Ahle  und  von  Thon  Scherben 
und  Henkel  von  Gefäßen  alter  Keramik  und  ein  Wintel. 
Alle  hier  gefundenen  Bronze-Obje6le  find  mit  roher 
Patina  bedeckt,  woraus  erhellt,  dafs  diefelben  zum  Ge- 
brauch noch  nicht  verarbeitet  waren,  weil  Rohguß  nie- 
mals hübfch  patinirt. 

Zwei  Jahre  fpäter  (1891)  als  der  Friedhof  erweitert 
wurde,  ftießen  die  Arbeiter  auf  demfelbcn  Felde  beim 
Graben  für  die  Grundfefte  der  l'"riedhofmauer  abermals 
an  zwei  nahe  bei  einander  liegenden  .Stellen  auf  lockeres 
Erdreich,  welches  mit  Afche   und  Holzkohlenfplittern 

*  Der  größte  Thcil  von  fliefcn  Funden  bcfinrlct  fich  in  den  reichhaltiKen 
Sammlunfren  dca  Herrn  Dr.  Stephan  Ilerger  in  Pr.ig  und  v.  Strafier»  in  Rusin. 
Etw:is  wenige»  hat  auch  Herr  Km.  Miks,  Privatier  in  Prag,  das  bbhniifchc 
I..'tndes.  und  das  nadtifchc  Mufeum  in  Prag  crworlicn.  Außerdem  findet  man 
Objctfle  aus  diefcn  Fuiidflattcn  faft  in  jeder  Privatfamnilung  /erftreut.  Üic  Zaiil 
jener  Mcrrcn,  die  fich  um  die  Ausgrabungen  von  diefen  l''und(latten  aufrichtig 
intcrcffirt  haben,  ifl  eine  fehr  geringe;  blos  drei,  namentlicli  Herr  Dr.  St.  Berger, 
Herr  Em.  Miks  und  meine   Wenigiceit. 


vermengt  war.  Es  zeigte  fich,  dafs  es  Gruben  waren, 
weshalb  an  diefen  Orten  die  Grundfefte  bis  1-5  tief  an- 
gelegt werden  mußte.  Bei  diefer  Arbeit  mußte  eine 
naheliegende  große  Steinplatte  gehoben  und  befeitigt 
werden  und,  man  fand  unter  derfelben  ein  von  der  Laft 
derfelben  zerdrücktes  rohes  rothgebranntes  Thon- 
gefäß,  welches  nebft  einem  Steinmeißel  Bronze-Roh- 
guß  und  theils  inta6le,  theils  gebrochene  Bronze- 
Objefte  enthielt.  Der  ganze  Fund,  zu  welchem  fich 
vier  Arbeiter  meldeten,  wurde  von  einem,  glücklicher- 
weife hier  patrouillirenden  Sicherheitswachmanne 
gegen  Protokollaufnahme  in  Befchlag  genommen  und 
an  die  k.  k.  Polizeidireftion  in  Prag  gebracht,  wo  es 
mir  durch  das  freundliche  Entgegenkommen  der  p.  t. 
Herren  k.  k.  Polizeibeamten  ermöglicht  wurde,  den 
Fund  zu  befichtigen  und,  weil  derfelbe  der  k.  k. 
Statthalterei  zur  weiteren  Verfügung  überantwortet 
werden  mußte,  dem  Zwecke  entfprechende  Anftalten 
zur  Erwerbung  desfelben  für  das  ftädtifche  Mufeum 
einzuleiten.  Die  Statthalterei  geruhte  den  Fund  gegen 
Erfatzleiftung  an  die  Finder  dem  Mufeum  auszufolgen, 
wodurch  der  ganze  vorgefchichtliche  Schatz  der  Wiffen- 
fchaft  erhalten  blieb.  Leider  waren  die  Objefle  von  den 
Findern  in  ein  einfaches  Schnupftuch  eingewickelt,  wo- 
durch die  feineren  Obje6te  und  namentlich  die  dünnen 
Lunulen  von  der  rohen  Gußmafle  ftark  befchädigt 
wurden. 

Nach  den  an  Ort  und  Stelle  gepflogenen  Erhe- 
bungen gelang  es  mir  ficherzuftellen,  dafs  dafelbft 
zwei  Schmelzöfen  vorhanden  waren,  von  welchen  der 
eine  keffelförmig  rund,  ca.  I  M.  tief  und  an  der  Mündung 
80  Cm.  im  Durchmeffer  hatte.  Die  Ofen  wände  des- 
felben waren  vom  Feuer  ganz  roth  gebrannt.  Der 
zweite  Schmelzofen  war  bereits  zerftört. 

Zwifchen  diefen  zwei  Schmelzöfen  befand  fich 
unter  der  erwähnten  Steinplatte  der  Fund  deponirt, 
welcher  enthielt: 

Zwei  Lunulen,  welche,  als  ich  den  l'^ind  das  erfte- 
mal  befichtigt  habe,  noch  ziemlich  erhalten  waren.  Die 
erfte  von  ihnen  ift  mondformig,  oben  ausgefchweift 
und  haftet  an  einem  zweiäftigen  Stiele,  deffen  Ende 
ein  Ring  befchließt.  Diefelbe  ift  fammt  dem  Stiele 
16  Cm.  lang  und  12  Cm.  breit.  Die  zweite  Lunula  ift 
halbmondförmig,  mit  einem  dreiiiftigcn  Stiele  verfehen, 
deffen  Ende  ebenfalls  mit  einem  Ringe  gefchloffen  er- 
fcheint.  Diefelbe  ift  23  Cm.  lang  und  13  Cm.  breit. 
Beide  Lunulen  find  noch  unbearbeitet,  roh,  fo  wie  fie 
aus  der  (iußform  genommen  wurden;  deshalb  find  fie 
auch  mit  einer  warzigen  Patina  bedeckt.  Dies  gilt  auch 
von  allen  nachfolgenden  Bronze-Objetflen. 

Von  Pfeilfpit!::en  enthielt  der  Fund  drei  Stücke, 
von  welchen  zwei  blattförmig  und  die  dritte  mit 
Widerhacken  verfehen  erfcheint.  Die  erfte  Pfeilfpitze 
hat  unten  an  der  runden  Tülle  abgerundete  Flügel, 
welche  vom  Anfatzknoten  ausgefchweift  in  die 
Breite  fich  entfalten.  Diefelbe  hat  eine  Länge  von  32 
und  eine  Breite  von  14  Mm.  Die  zweite  blattförmige 
l^feilfpitze  hat  ftumpffpitzige  Flügel,  die  aus  der  etwas 
achteckigen  'lulle  auslaufen.  Diefelbe  ift  23  Mm.  lang 
und  13  Mm.  breit.  Die  dritte  Pfeilfpitze  ift  mit  Wider- 
haken verfehen,  die  aus  der  .Spitze  der  hohlen  und  eljen- 
falls  achteckigen  Tülle  auslaufen.  Diefelbe  ift  30  Mm. 
lang  und  14  Mm.  breit.  Alle  drei   Pfeilfpitzen    fcheinen 


—       203 


ein  Felilguß  zu  fein,  weil  ihre  hohlen  Tüllen  je  auf  einer 
Seite  löcherig  erfcheinen. 

Von  Armbändern  waren  im  Ganzen  6  Stück  oder 
3  Paare.  Diefelben  find  ovalförmig,  offen  und  auf  der 
Außenfeite  längs  des  ganzen  Bogens  mit  einer  vor- 
tretenden Kante  verfehen,  fo  dafs  deren  Durchfclmitt 
ein  Dreieck  bildet.  Von  denfclben  ift  blos  ein  Paar  mit 
gravirten  Bändern  und  Augen  verziert;  fie  find  ii  Mm. 
ftark  und  haben  in  der  Spannweite  7  Cm.  im  Durch- 
meffer.  Die  anderen  zwei  Paare  find  glatt,  mit  den 
eben  erwähnten  von  ziemlich  gleicher  Form  und  Größe 
und  variiren  blos  in  ihrem  Durchfchnitte  von  ein- 
ander. 

Außer  diefen  Armbändern  ift  noch  ein  runder 
6  Cm.  im  Durchmeffer  haltender  und  6  Mm.  ftarker 
Armring  zu  verzeichnen. 

Die  übrigen  Bronze- Objefte,  welche  in  diefem 
Funde  fich  befunden  haben,  find  blos  Bruchflücke,  von 
welchen  eine  7  Mm.  breite  und  i  Mm.  ftarke  Blech- 
platte angeführt  zu  werden  verdient.  Diefelbe  mochte 
zu  einer  Verzierung  gedient  haben.  Intereffant  an  der- 
felben  ift  das  W'olfszahn-Ornament,  welches  etwas 
erhaben  erfcheint  und  durch  Einfchlagen  mittelft  einer 
dreieckigen  Stanze  bewerkftelligt  wurde. 

Von  anderen  Objeflen  enthielt  der  Fund: 

Zwei  Bruchflücke  von  Lanzenfpitzen  (eine  Spitze 
und  eine  Tülle). 

Sechs  Bruchftücke  von  fechs  verfchiedenen 
Sicheln. 

Ein  Bruchftück  von  einem  Meißel. 

Fünfzehn  Stück  Bronze- Roligiifi  und  einen  Giifi- 
ßrahl  aus  dem  Gußloche. 

Alles  zufammen  waren  38  Bronze-Obje6le  nebft 
einem  Steinmeillei  aus  Hornblende,  Fig.  9  (7^  natr.  Gr.), 
welcher  72  Cm.  lang,  an  der  Schneide  2  Cm.  breit 
und  I  Cm.  ftark  ift. 

Der  ganze  Fund,  welcher  an  und  für  fich  von  ge- 
nug großer  Bedeutung  ift,  weil  durch  denfelben  die 
Fabrication  von  Bronze-Geräth  als  einheimifch  erwiefen 
ericheint,  findet  zur  Zeit  keinen  zweiten  feinesgleichen 
in  Böhmen,  da  die  Zahl  ähnlicher  Funde  bislang  keine 
namhafte  ift.  Trotzdem,  dafs  man  oft  verfchiedenes 
von  Schmelzwerkftätten  zu  hören  bekommt,  mangelt 
es  dennoch  an  authentifchen  Berichten  über  diefelben, 
weil  die  Nachgrabungen,  wie  man  aus  diverfen  Berich- 
ten und  Befchreibungen  erfehen  kann,  häufig  fehr  ober- 
flächlich geleitet  werden.  Nichtsdeftovveniger  tauchen 
dennoch  Funde  auf,  die  Zeugenfchaft  von  der  einhei- 
mifchen  Fabrication  der  Bronze-Geräthe  hinlänglich 
ablegen.  Es  find  vornehmlich  jene  Funde,  deren  Arte- 
facle  uns  vorliegen,  u.  zw.  aus  den  Schmelzöfen  von 
Plesivec,  welche  dafelbfl  in  den  Jahren  1867,  1876  und 
neuerdings  1886  gemacht  wurden.' 

An  diefe  Funde  reihen  fich  jene  von  Hrädek  bei 
Caslau,^  von  Welwarn^  und  von  Stradonic  (Bz.  Bürglitz, 

*  Jelinek:  Plesivec  in  der  vorgefchichtlichen  Zeit,  in  den  Mitth.  der 
anth.  Gefellfchaft,  Wien,  Bd.  XII,  148.  —  Diefe  Funde  enthielten  Bronze-Roh- 
guD,  theils  intaAe,  theils  gebrochene  und  halbgefchmolzene  Sicheln,  Meffer, 
Gelte  Ringe  u.  dgl.  Bronce-Objedle.  Der  letzte  Fund  vom  Jahre  1886  enthielt 
Sicheln  und  der  Schmelzofen,  den  ich  nur  mehr  in  Ruinen  vorgefunden  habe, 
war  in  die  Erde  eingeladen  und  deffen  Wände  mit  Stein  und  Erde,  die  roth- 
gebrannt war,  umlegt. 

^  Ktim.  CermAk  in  den  Mitth.  der  anth.   nefelirchaft,  Wien,  XXII  p.   24. 

3  Notiz  in  den  Pamätky  Archaeologicke.  Prag.  Bd.  XI,  p.  sSr. 


an  diefem  Orte  aus  der  la  Tene-Periode)',  welche 
Schmelztiegeln  und  Gußlöffeln  aufweifen.  Von  ähnli- 
chem Belang  find  die  F'unde  von  Gußformen  aus 
Zvolehoves  (Bz.  Schlaji)'^  Vokovic  (Bz.  Smichow)^,  Ho- 
ßomic  (Bz.  Bilin)*,  Lobosic',  Velemysloves  (Bz.  Saaz)" 
und  Levy-Hradec  (Bz.  Smichow),"  welche  durch  ver- 
fchiedene  Bronze-  und  Kupfer  Rohgußkuchen  ergänzt 
zu  werden  verdienen,  die  hie  und  da,  wie  z.  B.  in  Hro- 
c/tozi' [Bz.  Libochowic)*,  Rade'tic  {]iz.  Pfibram)*,  Rydec 
(Bz.  Leitmeritz)'",  Zähäj  (Bz.  Frauenberg)"  u.  a.  a.  O. 
gemacht  wurden. 

Von  Intereffe  find  auch  die  hier  gefundenen  Lu- 
nulen,  die  für  Rafirmeffer  gehalten  werden.  Ob  diefe 
Annahme  richtig  ift,  laffe  ich  aus  Mangel  an  Beweifen 
dahingeftellt  fein,  widerfpreche  aber  derfelben  nicht; 
denn  dafs  die  Lunulen  Rafirmeffer  gewefen  fein  mochten, 
gewinnt  umfomehr  an  Wahrfcheinlichkeit,  weil  es 
bekannt  ift,  dafs  die  Barbaren  mitunter  nicht  blos  den 
Bart,  fondern  auch  das  Haar  rafirt  haben  und  fomit  zu 
diefem  Zwecke  auch  der  Rafirmeffer  fich  bedient 
haben  mußten.  Jedenfalls  fcheint  diefe  Annahme 
begründeter  zu  fein  als  jene,  die  die  Lunulen  als  Cere- 
monienmeffer  erklären  will. 

Die  Lunulen  kommen  überall  unter  Objeflen 
der  alten  mittel-europäifchen  Culturvor.  Sie  find  düim 
und  gewöhnlich  zweifchneidig.  Auch  in  Böhmen  wurden 
mehrere  folche  unter  Objeften  der  eben  genannten 
Cultur  gefunden,  von  welchen  die  Mehrzahl  die  Form 
unferer  fub  Fig.  i  \'erzeichneten  Lunula  haben  und 
fomit  jenen  aus  den  fchweizerifchen  Pfahlbauten'^  am 
ähnlichften  erfcheinen.  Nichtsdeftoweniger  wurde  in 
Böhmen  ein  Doppelrafirmeffer  gefunden,  welches  in  feiner 
Form  an  jene  aus  den  Terramaren  mahnt,''*  woraus 
erfichtlich  ifl,  dafs  diefe  Utenfilien  nicht  chablonenmä- 
ßig,  fondern  verfchieden,  dem  Zwecke  entfprechend 
und  nach  Gefchmack  ihrer  Fabrikanten  verfertigt 
wurden. 

Des  intereffanten  Gegenflandes  wegen  will  ich  die 
bis  jetzt  in  Böhmen  gemachten  Funde  von  Lunulen 
mit  Beifchluß  der  Umflände,  unter  welchen  fie  gefun- 
den wurden,  anführen. 

Bei  Brozanek  (Bz.  Melnik)  wurde  eine  Lunula 
nebft  einer  großen  Bruftfibel,  einem  Meffer  und  einem 


'   Sammig.  des  Herrn  Dr.  5;*.  Berger  in  Prag. 

-  Dafelbft  wurden  21  Stück  Guliformen  von  Stein  zu  Hohlmeißeln, 
Hohl-  und  Lappenkelten,  Nadeln,  Ringen  und  Ringeln  gefunden.  Jos.  Smolik 
Pam.  Arch.  XIII,  206  u.  XY  411. 

•*  Hier  wurden  drei  Gußformen  von  Stein,  u.  zw.  zum  Hohlkelt,  Pfeil- 
fpitzen  und  Knöpfen  in  KelTelgräbern  mit  Leichenbrand  gefunden.  Dr.  St- 
.Si-r^ifr  ,. Depotfunde^  in  Mitth.  der  k.  k.  Centr.-Comm.   Wien  XIV,  p.   166. 

*  In  den  Skelettgrabern  befanden  lieh  eine  Gußform  aus  Thon  zu  einem 
Lappenkelt;  eine  andere  aus  Sandftein  zu  einer  Sichel.  Dr.  Berger  ih.  und 
Faffcls  Bericht   ib.  XIIL  32t. 

^  Aus  den  Uftrinen:  Eine  Gußform  zu  einem  Hohlmeißel.  Dr.  Berper 
ib.  XIV.  23. 

s  Diefe  Gußform  ift  von  rohem  Lehm  und  foU  zum  Guße  von  Ringeln 
gedient  haben.  Dr.  Foedi/rh's  Bericht  in  den  Pam.  Arch.  VII,  64. 

'  Gußform  zu  Nadeln,  gefunden  auf  der  Wallburg.  Dr.  J.  L.  Fie  ib. 
XIV.  500  Fig.  45.  Diefelbe   fcheint    jedoch    viel    jüngeren  Zeiten   anzugehören. 

B.  y. 

*  Rohguß  und  FehlgülTe  von  Kelten,  Palftäben,  Ringen  und  Rafir- 
melfern.    Vocet's   „Pravek    zeme  ceske"    p.  34,  44. 

^  Kupfer-  und  Bronzekuchen  nebft  Nadeln,  Sicheln  u.  f.  w.  Notizen 
in   den  Pam.  .4rch.  XIV   150,  415,  456,  660. 

'^t  Bronzerohgufj  nebft  Bruchftücken  von  Schwertern,  Dolchen,  Lanzen- 
fpitzen, Kelten  u.  dgl.  ib.  XIII  93. 

•'  Bronzekuchen  nebft  einem  Hohlkelte,  einer  Lanzenfpitze,  einer  Nadel 
und  vier  Fragmenten  von  Sicheln.  Dr.  Joh.  Nep.  IVoldfich  in  Mitth.  der  anth. 
Gefellfch.  Wien  XIX,  93. 

'-  Vergl.  Kellers  V.  Pfahlbautenbericht.  Zürich,  1863  Fig.  14,  15,  at.  u. 
y.  Staub's  Pfahlbauten  in  den  fchweizerifchen  Seen,  Zürich  1866  p.  6t  Tab. 
VI.  Fig.  18. 

13  Vergl.  bei  Wolf.  Heibig,  Italien  in  der  Po-Ebene.  Leipzig  1879  S.  20, 
Tab.  I,  Fig.  3  angeführt  als  ein  RafirmelTer  aus  der  Terramare  von  Canipeg- 
gnine,  ib.  p.  133. 


204 


Spiralringe  in  Urnengräbern'  und  in  Hoßin  (Bz.  Böhm.- 
Brodr)  in  einer  Urne  gefunden.''  In  Vokovic  wurde  eine 
Lunula  in  Keffelgräbern  mit  Leichenbrand^  und 
andere  wurden  in  Grabhügeln  mit  Leichenbrand  gefun- 
den, u.  zw.  in  Cemin  ;Bz.  Tufchkau)*,  in  Ejpovic  ^Bz. 
Rokycan)  neben  diverfen  Meffern  und  Nadeln'^  und  in 
Koflelec  (Bz.  Frauenberg)  neben  Dolchklingen,  Meffern, 
Ringen,  Pfeilfpitzen,  Spiralen  u.  dgl.  Objeclen.''  Auf  der 
Burgftätte  Hoiiiole  oberhalb  Cimburk  bei  Kuttenberg 
wurde  eine  Lunula  unter  Nadeln,  Ringen,  u.  dgl.  Ob- 
jeclen" und  in  den  Funden  von  Budchoßic  (Bz.  Wehvar) 
unter  Speerfpitzen,  Bronze-Draht  und  Neffelftiften 
gefunden.*  In  dem  Funde  von  Hrochov  (Bz.  Libo- 
chovic)  wurden  mehrere  Rafirmeffer  (fic)  neben  Bronze- 
und  Fehlgüßen  von  Palftäben,  Ketten,  Ringen  u.  dgl. 
verzeichnet.*.  Außerdem  befinden  fich  noch  in  den 
Sammlungen  des  Landesmufeums  in  Prag  Fragmente 
von  Lunulen  aus  den  Urnengräbern  von  Veseli  (Bz. 
Auffig),  aus  den  Grabhügeln  mit  Leichenbrand  von 
Milavce  und  Chrastovic  (Bz.  Taus),  aus  den  Brand-  und 
Skelettgräbern  von  Premysleni  (Bz.  Karolinenthal),  aus 
den  Brandgräbern  von  Brnmi  (Bz.  Leitmeritz)  und  aus 
den  Skelettgräbern  von  Radovesic  (Bz.  Libochovic). 
Anbei  muß  erwähnt  werden,  dafs  außer  diefen 
Meffern  noch  andere,  unzweifelhaft  auch  Rafirmeffer 
gefunden  wurden,  welche  theils  aus  Bronze  und  theils 
aus  Eifen  verfertigt  find.  Diefelben  find  aber  kleiner, 
beiläufig  wie  die  Hälfte  der  Lunulen,  halbmond- 
förmig und  blos  einfchneidig,  gehören  der  la  Tene- 
Cultur  an  und  haben  fomit  mit  unferem  Funde  nichts 
gemeinfchaftliches. '" 

Es  wäre  noch  ein  dritter,  offenbar  auch  aus 
Schmelzöfen  herrührender  Fund  aus  der  Särka  zu  ver- 
zeichnen, welcher  fich  in  den  Sammlungen  des  ftädti- 
fchen  Mufeums  in  Prag  befindet,  über  welchen  ich 
aber  keine  nähere  Nachrichten  einholen  konnte.  Der- 
felbe  gelangte  nebft  anderen  diverfen  archaeologifchen 
Objeften  durch  Kaufan  das  Mufeum;  weil  aber  unter 
, Särka"  das  ganze  über  8'5  Km.  lange  Särka-Thal  ver- 
flanden  wird,  ifl  die  F"undfi;elle  desfelben  nicht  feftzu- 
flellen.  Aus  diefem  Funde  find  zu  verzeichnen:  Bruch- 
flücke  von  acht  Sicheln,  von  einer  Dolchklinge  und 
von  einer  Lanzenfpitze.  Alle  diefe  Obje6tc  find  mit 
einer   hübfchen   Patina  bedeckt,  ein   Beweis,   dafs  fie 


'   Jos.  Smolik  Pam.  Arch.  XI,   p.  7s,  Tab.  III   u.  IV,  Fig.  2. 
s  Notiz  ib.  XII,  p.  187. 

•  Sammlung    Dr.     Berger.    Es    ift    die   oben    in  Anmerkung   l  erwähnte 
I.unula,  welche  mit  der  von  Campeggnine  zu  vergleichen  ifl. 

•  Dr.  Harnes  in  Mitth.  der   anth.  Uefellfch.  Wien  XVIII.  p.   87. 

•  Smolik  in   Pam.    Arch.    XII,  34s,  Tab.    XV,  Fig.  4  bezeichnet  flc  als 
ein  Bruchtlück  von  einem  ßronzemefTer. 

•  Ur.    J.  N.    Woldfich,    Mitth.    der  anth.  Gefellfch.    Wien  XIII,  Tab.  I, 
Fig.  2  bezeichnet  fic  ebenfalls  als  ein  Bruchftück  von  einem  Melter. 

'  Klim.  CermiH-  Pam.  Arch.  XIII,   246,  Tab.  X,  Fig.  2. 

•  Notiz  ib.  XIV.  306. 

•  Vocel's  Pravck,  p.  34,  49,  Notiz  im  Pam.  Arch.  IV.  i,  p.  96. 

'"  In  Stradonic  (Hz,  ßUrglitz)   wurden    mehrere  folche  gefunden.  Samm- 
lung I-)r.  Berger. 


bereits    gebraucht    und    zum  Verfchmelzen    bellimmt 
waren. 

Unfere  Schmelzöfen  ergänzen  außer  ihrem  Inhalte 
auch  die  in  und  um  Prag  feftgeftellten  vorgefchicht- 
lichen  Funde  in  erfreulicher  Weife,  indem  fie  die 
Localfabrication  außer  Zweifel  fetzen.  Die  Zahl  prae- 
hiftorifcher  Fundftellen  in  Prags  Umgebung  erweift  fich 
bereits  fehr  bedeutend;  denn  von  den  88  Ortfchaften, 
die  im  Umkreife  von  7  Km.  um  diefe  Stadt  liegen,  ent- 
fallen 50  feftgeftellte  auf  prähiftorifche  Anfiedelungen, 
die  aus  der  neolithifchen,  ja  fogar  aus  der  diluvialen,' 
bis  in  die  chriftliche  Zeit  bewohnt  erfcheinen.  Es  find 
dies  VVohnplätze,  Wallburgen  und  Werkftätten  nebft 
einer  großen  Anzahl  von  Begräbnisplätzen  der  verfchie- 
denften  Epochen  theils  mit  Brand-  und  theils  mit 
Skelettgrabern,  wobei  noch  beachtet  werden  muß, 
dafs  in  der  Mehrzahl  von  diefen  Ortfchaften  oft  zwei, 
drei  und  noch  mehrere  Fundplätze  fich  befinden,  die 
nicht  feiten  über  ganze  Fluren  fich  ausbreiten.  Diefe 
Thatfache  ftellt  feft,  was  bereits  Freiherr  von  Helfert 
bemerkte,  nämlich,  dafs  in  der  vorgefchichtlichen  Zeit 
wohl  keine  Gegend  Böhmens  von  vorgefchichtlichen 
Anfiedelungen  dichter  belebt  war,  als  eben  Prag  mit 
feiner  Umgebung,  deffen  aufgewühlter  Boden  Zeugen- 
fchaft  von  uralter  Bewohnung  diefer  Stätte  ablegt.* 
Unfere  Schmelzöfen  gehören  zur  nächften  Umgebung 
diefes  vorgefchichtlichen  Mittelpunktes  Böhmens. 

Zum  Schluße  wäre  noch  zu  verfuchen,  die  Her- 
kunft und  Bedeutung  des  Namens  „Särka"  zu  erklären, 
welcher  öfters  in  Ortsnamen  und  namentlich  bei  Thä- 
lern  und  in  Gebirgsgegenden  fich  wiederholt.  So  finden 
wir  ihn  in  der  Slovakei  beim  „S^n'-f-Thale",  —  in 
Makedonien  heißt  ein  Gebirgszug  „Sar'',  —  im  nördli- 
chen Tyrol  befindet  fich  das  ,,5c//rt/'«z'/'.o--Thal"  (alt  filva 
Scarnitze,  Scaruntia  folitudo)  und  im  füdlichen  Tyrol 
das  „5^r^a-Thal". 

In  Hinficht  auf  den  rauhen  Charakter  der  Thäler, 
welche  durch  viele  fteile  und  abfchüßige  Abhänge 
gebildet,  fich  verfchiedenartig  in  gekrümmten  Nie- 
derungen hinziehen,  kann  man  den  Namen  diefer 
Thäler  wohl  aus  dem  Slavifchen  ableiten,  denn  sar,  sory, 
sury  und  szurny  bedeutet  foviel  als  rauh,  fteil,  abfchüf 
fig,  fchräg  (afper,  abruptus,  deruptus,  obliquus)  und 
sorochac  (weißrufufch)  rauh  machen.  So  auch  lithau- 
ifch  htrkstiis  rauh  fcharf  Böhmifch  bedeutet  sär  einen 
gekrümmten  oder  krummen  Gang,  posar  (kleinruffifch) 
Landftrich,  soroch  (großruffifch)  rauhe  Oberfläche,  sor 
(ferbifch)  Straße  u.  f  w.,  was  alles  für  eine  flavifche 
Herkunft  diefer  Benennung  fprechen  würde. 

'  Ver^l.  in  Dr.  y.  N.  IVotdrich' s  „Beilrrigcu",  „Die  dihivlalc  Faun.x 
und  der  Menfch  der  Procopi-Höhle  von  Jinonic  bei  Prag".  Mitth.  der  anth, 
(Jefellfch.  Wien  Bd.  XIX.  p.  72. 

-  Desfelben:  ^Drei  Stadtplane  und  eine  Sladtanllclu  vom  alten  Prag" 
in   den   Mitth.  der  k.  k.  Ccntr.Com.  in   Wien   1893,  lid.  XIX,  p.    i. 


—       205 


Studien  in  der  ehemaligen  Ciftercienfer-Kirche  zu  Neuberg 

in  Steiermark. 


Von  Dr.   Albirl  Ilg. 


|LS  ich  im  Auguft  1892  im  Auftrage  der  k.  k- 
Central-Commiffioii  beluifs  Unterfuchung  der 
feit  der  letzten  Reftauration  vom  Jahre  1870 
wieder  mannigfach  befchädigten  Gruft-Capelle  Herzogs 
Otto  des  Fröhlichen  und  feiner  Familie  im  ehemaligen 
Ciftercienfer-Klofler  zu  Neuberg  in  Steiermark  ver- 
weilte, hatte  ich  Gelegenheit,  die  Kunftwerke  an 
diefem  Orte  ziemlich  eingehend  zu  befichtigen.  Der  in 
der  Schule  unferes  vortrefflichen  Confervators  Johann 
Graus  kunftgebildete  Herr  Pfarrer  Dom.  Königsliofcr 
war  mir  ein  kenntnisreicher  Begleiter  bei  diefen  Beob- 
achtungen, ein  Priefter  voll  Intereffe  und  Eifer  für  feine 
fchöne  Kirche.  Ich  beabfichtige,  meine  Wahrneh- 
mungen hier  niederzulegen,  welche  größtentheils 
Details  betreffen,  von  denen  noch  nicht  Notiz  ge- 
nommen wurde  oder  über  welche  hier  wenigftens  vom 
kritifch-kunfthiftorifchen  Standpunkte  ein  neues  Wort 
gefprochen  wird.  Das  allgemein  Hiftorifche  und  das 
Baugefchichtliche  berühre  ich  nicht,  da  wir  über  diefen 
Gegenftand  bereits  eine  ziemlich  eingehende  Literatur 
befitzen. 

Von  einer  der  gegenüberliegenden  Höhen,  z.  B. 
vom  Eingange  des  Veitfchbachthales,  gefehen,  bietet 
der  Complex  der  ehemaligen  Stiftsgebäude  mit  der 
alles  überragenden  gewaltigen  Kirche  das  Bild  eines 
großen  geifllichen  Haufes,  deffen  einzelne  Baulich- 
keiten kunftgefchichtlich  den  Zeitraum  vom  14.  Jahr- 
hundert bis  in  die  Tage  der  früheren,  noch  fehr  ein- 
fachen und  ftrengern  Barocke  umfaffen.  Die  Befefli- 
gungsmauern  um  das  Klofter  find  zwar  leider  auf  allen 
Seiten  verfchwunden,  aber  noch  ftehen  einige  vier- 
eckige Thürme  da.  Die  fehr  ausgedehnten  mannig- 
faltigen Baulichkeiten  dienen  heute  den  verfchieden- 
flen  Zwecken.  Ein  anfehnlicher,  fehr  fchön  eingerich- 
teter und  in  den  Appartements  mit  vielen  werthvollen 
modernen  Gemälden  ausgeftatteter  Theil  bildet  das 
Abfteigequartier  Seiner  Majefhät  des  Kaifers  während 
der  in  der  Umgebung  ftattfindenden  Jagden,  andere 
Partien  find  den  Beamten  des  großen  Eifenwerkes, 
dem  Pfarrer,  der  Schule,  der  Apotheke  etc.  einge- 
räumt. Die  Reconftruftion  auf  den  Zuftand  des  ziem- 
lich chaotifchen  Enfembles  in  der  alten  Klofterzeit 
müßte  fchwierig  fein;  wäre  aber  von  dem  Gefichts- 
punkte  unferes  Intereffes  auch,  abgefehen  von  dem- 
jenigen  was  die  folgenden  Bemerkungen  ohnehin 
liefern,  ohne  befondere  Bedeutung. 

Wenn  man  von  der  neuen  Parkanlage  fich  dem 
Stiftsgebäude  nähert,  einem  Platze,  wo  fich  früher 
Graben  und  Mauern  vor  demfelben  befanden,  fo  hat 
man  einen  Traft  gegenüber,  welcher  zu  den  fpäteften 
Bauten  des  Klofters  gehört.  Mit  Parterre  und  zwei 
Stockwerken,  die  Ecke  gegen  Südweft  bildend,  zeigt 
derfelbe  einen  ziemlich  nüchternen  Architekturftyl,  der 
fpäteren  Renaiffance  entfprechend.  Den  Eingang  bildet 


ein  großes  Thor  mit  Rundbogen-Ueberwölbung  und 
von  Quadern  umrahmt,  daneben  kleine  Ausfallthörchen, 
denn  hier  befand  fich  dereinft  eine  Brücke  über  den 
Graben.  Im  Schlußfteine  liest  man  die  Jahreszahl  1597, 
es  ift  fomit  diefer  Theil  unter  dem  Prälaten  Thomas 
Schmoll,  einem  Schwaben  aus  Dinkelsbühl,  erbaut, 
welcher  früher  in  dem  Mutterklofter  von  Neuberg,  dem 
Ciftercienfer-Stifte  Heiligenkreuz,  fodann  in  dem  dem- 
felben Orden  gehörigen  Neuklofter  zu  Wr.-Neufladt 
wirkte,  1591  Abt  von  Neuberg  wurde  und  dafelbft  am 
22.  December  1600  ftarb.  Reizvoller  als  die  ftrenge 
Architektur  diefes  Portals  ifh  an  der  Ecke  desfelben 
Tra6les  der  durch  die  zwei  oberen  Stockwerke  durch- 
gehende Erker,  welcher  auf  zwei  mächtigen,  unten  in 
Voluten  ausgehenden  Confolen,  fchon  barocken 
Charakters,  aufruht.  Geht  man  nun  durch  den  Thor- 
flur in  den  erften,  großen  Hof,  fo  hat  man  zunächfi;  an 
deffen  Wand  zur  Rechten  in  den  Fenftern  mit  ihren 
Umrahmungen  und  Bekrönungen  im  reifen  Barockflyl 
eine  Stylprobe  aus  der  Epoche  Karl  VI.  vor  fich;  zur 
Linken  aber,  wo  einfl  der  Aufgang  zur  Wohnung  des 
Praelaten  gewefen,  ift  der  Treppe  ein  Laubengang  vor- 
gelegt, in  deffen  Mitte  zwei  ftämmige  toscanifche 
Säulen  auffallen.  Die  gegenüberliegende  Wand  hat  in 
der  Höhe  ein  Frescogemälde,  das  als  Sonnenuhr 
diente.  Es  flellt  eine  Renaiffance-Fontaine  vor,  in  deren 
geriefter  Mufchel  ein  Putto  fitzt,  mit  Inful  und  Pedum 
in  Händen.  Auf  den  Pfeifen  der  Brunnenfchale  find 
die  Stundenzahlen  gefchrieben,  welche  der  Sonnen- 
zeiger weift,  diefer  ift  aber  eben  das  Pedum. 
Eine  Infchrift  befagt: 

M  •  A-  1709  Z-N- 
und  dann: 

RENOV-  rS85. 
was  auf  Martin  (Prunnmayer)  Abt  zu  Neuberg  hin- 
deutet. Er  regierte  von  1700  bis  zum  3.  April  1723; 
die  Fontaine  ift  fein  redendes  Wappen,  denn  er  hieß 
Prunnmayer  und  nicht,  wie  im  Kirchenfchmuck,  1882, 
pag.  25,  fteht,  Preumaier;  ftammte  aus  Bayern  und  wird 
uns  mit  diefem  feinen  Brunnenwappen  noch  mehrmals 
im  Verlaufe  begegnen. 

Unter  dem  Fresco  fteht  in  dem  Hofe  ein  moderner 
Brunnen,  deffen  viereckig-länglicher  Steintrog  aber  alt 
ift  und  folgende  Infchrift  trägt: 

CON  •  R  •  EI  •  N  ■  ABBT  •  IM  •  NEVPERG  •  1511- 
DEN  •  5 • DECEMB • 

Diefe  Worte  auf  dem  ganz  fchmucklofen  Steine 
find  mir  nicht  verftändlich,  denn  ich  weiß  nicht,  auf  wen 
fie  fich  beziehen  follen.  Abt  Coloman  aus  St.  Veit  ftarb 
fchon  1504  und  fein  Nachfolger  Wolfgang  Rotelftorfer 
aus  St.  Polten  1513.  Wer  ift  alfo  der  mit  jener  Infcrip- 
tion  gemeinte  Abt  von  Neuberg  im  Jahre  151 1.' 


—       206 


Wir  betreten  nun  den  gothifchen  Kreuzgang, 
deffen  Gewölbefchlußfteine  der  einzelnen  Travees  uns 
befchäftigen  follen.  Diefelben  enthalten  plaftifche,  be- 
malte Wappenfchilde,  und  zwar  in  folgender  Ordnung: 

Nordfeite:  Steirifcher  Panther.  Oefterreichifcher 
Bindenfchild.  Schwarzer  Löwe  in  Weiß.  Schwaben. 
Dalmatien.  Weißer  Greif  in  Roth. 

Oftfeite:  Alt-  und  Neu-Ungarn.  Neun  weiße  Lilien 
in  Grün.  Friaul.  Portugal.  Weißer  Schrägbalken  mit 
rothen  und  weißen  Wecken,  in  Schwarz  (Wappen  des 
Abtes  Paul  aus  Wien,  1427— 1445).  Wappen  des  Stiftes. 
Römifcher  Königsadler.  Römifcher  Kaiferadler, 

Südfeite:  Enthalt  blos  ornamentale  Rofetten. 

Weftfeite:  Alle  Wappenfchlußfteine  rühren  fchon 
aus  dem  18.  Jahrhundert  her.  Arm  in  weißem  Aermel, 
einen  Abtsftab  haltend.  Greif,  fchwarz  und  gelb  auf 
alternirendem  quergetheilten  Grund,  einen  goldenen 
Pfeil  haltend.  Dabei:  E.  A.  Z.  N.  1736.  (Wappen  des 
Praelaten  Edmund  Spormaier,  geft.20.Septemberi747.) 
Bayern.  Tyrol,  Schwarzer  Adler  mit  roth  und  weißem 
Kränzlein.  Kärnten. 

DasSandftein-Relief  derKreuzigung  in  der  Lünette 
über  der  Thür,  welche  im  füdlichen  Arme  des  Kreuz- 
ganges gegenüber  der  Brunnen-Capelle  zum  ehema- 
ligen Refecloriumfaale  führt,  ifl  eine  an  Figuren  fehr 
reiche  Darftellung,  zwar  ohne  befonderes  künftlerifches 
Verdienft.  wohl  aber  technifch  tüchtig  durchgeführt  im 
Style  des  15.  Jahrhunderts.  Die  Compofition  ift  etwas 
wirr,  die  Geftalten  find  hart  charakteriftifch,  die  Köpfe 
derb,  der  am  Fuße  des  Kreuzes  knieende  Mann  mit 
fehr  langen  Locken  unter  dem  Barett  ift  wohl  der 
Senator.  Im  gegenüberliegenden  achteckigen  Brunnen- 
haufe, einem  reizvollen  Architekturwerke,  ift  der 
Brunnen  jetzt  leider  befeitigt  worden.  Der  Schlußftein 
des  Gewölbes  zeigt  ein  fchönes  Chriftushaupt  in 
Meißelarbeit.  In  der  Mitte  des  Nordarmes  des  Kreuz- 
ganges ift  ein  hölzerner  Stuhl  fpätern  deutfchen  Re- 
naiffanceftylcs  erhalten, fchön  gefchnitzt  und  im  Rücken- 
feldc  der  Kathedra  mit  dem  Schnitzbilde  der  Mon- 
ftranze  und  den  Buchftaben  IHS  verfchen;  dabei  die 
weiteren  Zeichen:  16  BAZN  30,  wodurch  die  Ent- 
ftehung  des  Geftühls  unter  Abt  Balthafar  II.  Huebman 
(1625  —  1663)  documentirt  wird. 

In  einer  Anzahl  der  Wandbogen  des  Kreuzganges 
find  in  Rahmen  große  nach  dem  Spitzbogen  zuge- 
fchnittene  Oelgemälde  auf  Leinwand  angebracht, 
welche  die  Mehrzahl  der  Aebte  Neubergs  vorftellen. 
Durch  die  k.  k.  Reftaurirfchule  in  Wien  1870  reftaurirt, 
haben  mehrere  feitdcm  gleichwohl  fchon  wieder  ftarke 
Schäden  aufzuweifen.  Wenn  dicfe  Bilder  nun  für  Ar- 
beiten der  venezianifchen  Schule  in  den  genannten 
Publicationen  ausgegeben  werden,  fo  ift  dagegen  wohl 
manches  einzuwenden.  Mit  Ausnahme  des  erften, 
welches  die  herzoglichen  Stifter  zum  Gegenftande  hat, 
fmd  auf  jeglichem  zwei  Aebte  dargeftellt,  ziemlich 
in  Lebensgröße.  Den  Hintergrund  bildet  in  wenigeren 
Fällen  ein  Interieur,  meiftcns  aber  eine  Landfchaft,  in 
welcher  mehrmals  das  Klofter  oder  die  Stiftskirche 
oder  die  St.  Aniia-Capelle  zu  fehcn  ift.  Die  Wappen 
der  Praelaten  find  klein  beigefügt,  ferner  Attribute  ihrer 
Würde:  Infula,  Kreuze  etc.,  endlich  Tafeln  mit  latei- 
nifchcn  Infchriften,  deren  Angaben  werthvoll  find,  da 
die  scries  abbatum  von  Neuberg  in  den  Daten  und 
Namen  noch    vielfach    unficher   bekannt  ift.  Dicfe  Ge- 


mälde rühren  nun  durchaus  nicht  von  einer  Hand  her, 
die  beiden  letzten  gehören  z.  B.  fchon  dem  18.  Jahr- 
hundert an,  die  übrigen  dem  vorhergehenden;  für  älter 
erachte  ich  keines,  obwohl  manche  Traditionen  der 
deutfchen  und  niederländifchen  Schule  des  16.  Jahr- 
hunderts in  denfelben  wahrzunehmen  find.  Spuren  vene- 
zianifcher  Elemente  laffen  fich  nur  in  einigen  der  Land- 
fchaftsgründe  erkennen:  die  Maler  waren  eben  Eklek- 
tiker, welche  die  Pourbus  oder  Moro  fo  gut  wie  die 
Baffanos  gefehen  hatten.  Dafs  die  älteren  Bilder  nur 
Phantafieporträts  enthalten,  ift  felbftverftändlich,  die 
fpäteren  find,  wohl  kaum  nach  der  Natur,  wohl  aber 
nach  älteren  Bildniffen  hergeftellt.  Ich  gebe  hier  die 
Reihenfolge  der  Namen  der  dargeftellten  Aebte: 

Nordfeite.  Vom  Eingang  in  die  Kirche  nach  links: 

1.  Die  herzoglichen  Stifter. 

2.  Henricus  Spanhalb,  1333,  der  crfte,  aus  Hei- 
ligenkreuz gekommene  Abt,  und  Simon  de  Pulderftorff 
Im   Kirchenfchmuck   heißt    es    (pag.    24)   Boldersdorf 

1372- 

3.  Heinricus  13S7  und  Jacobus  1396. 

4.  Erhardus  Krakauer  1410  und  Chriftian  14 17. 

5.  Sigismund  1427  und  Paulus  de  Vienna  1445 

6.  Joannes  de  Tuln  1453  und  Auguftin  de  Eden- 
furth  (Ebenfurt)  1469. 

7.  Nicolaus  Zirndorfer  ca.  1471  und  Bartholomaeus 
Dremel  de  Krieglach  (Kirchenfchmuck:  Tremmel) 
1492. 

8.  Cafpar  Kreyzer  (Kirchenfchmuck:  Kreuzer)  de 
Ebenfurt  1495  und  Colomannus  de  S.  Vito  1504. 

9.  Wolfgangus  Rocklftorfer  de  S.  Hypolito 
(Kirchenfchmuck:  Rotelftorfer)  1513  und  Oswaldus 
Staindl  ex  Pvrckveldt  (Kirchenfchmuck:  Steindl  aus 
Birkfeld)  1528. 

10.  Martin  Haug  von  Leoben  1540  und  Leonar- 
dus  de  Bavaria  1542. 

1 1.  Ambrofius  de  Mvrtzvefchlag  1546  und  Cantia- 
nus  Haidt  ex  Labaco  1553- 

12.  Joannes  Schaver  (Kirchenfchmuck:  Schaffer 
de  Gratz)  1553  und  Joa.  Krecht  Landspergenfis  1563. 

13.  Cafp.  Masculus  de  Lindeprun  Suevus  1570 
(Kirchenfchmuck:  ein  Oefterreicher)  und  Conr.  Feyler 
de  Peyftingen  Suevus  (Kirchenfchmuck:  Feindler  aus 
Baitingen)  1578. 

14.  Georg  Hemer  de  Waal  Suevus  1584  (Kirchen- 
fchmuck: aus  Wall)  und  Gregor  Planck  Landspergen- 
fis 1590. 

15.  Thomas  Schmoll  aus  Dinkelsbühl  1600  und 
Cafp.  Seemüller  Landspergenfis  1618. 

16.  Balthafar  P'abricius  1621  oder  1622  und  Adam 
Knorr  1625. 

17.  Balthafar  Hvebman  1663  und  Joh.  Luilw.  Holz, 
Prvtenvs  1671. 

18.  Leopold  Tolfch  Styrus  1700  (Kirchenfchnnick  : 
ein  Grazer)  und  Mart.  Priuimayer  (Kirchenfchmuck: 
l'reumayer)  1723. 

19.  Name  unlefcrlich,  und  Jofcnh  Erko  von  Erken- 
ftein  I77r).' 

Somit  fehlen  in  den  Bildern  zwifchen  18  und  19 
Gottfried  Holler,  Edmund  .Spormaier,  Georg  Hautzen- 
berg  und  endlich  der  letzte  Abt  Benedi(5l  Schulz, 
unter  welchem  am  18.  Februar  1786  das  Stift  aufgelöst 

'  IJic  hier  bciKcfct/Icn  Z.ihlcn  bezeichnen  die  Todesjahre  der  Aeble 
'ider  <he  Jahre,  in  welchen  ihre  Merrfch.lft  zu  Neuberj^  aus  fonftigen  UrLtchen 
endigte . 


207 


wurde.  Meines  Wiffens  verfügt  kein  anderes  öfter- 
reichifches  Klofter  über  eine  fo  reichliche  Porträlfolge 
feiner  Vorftände,  wie  Neuberg. 

Der  Kreuzgang  enthält  keine  Epitaphien  außer 
einer  gewöhnlichen  kleinen  Fußbodcnplatte  in  dem 
öfllichen  Flügel,  worauf  Inful  und  Pedum  mit  der 
Jahreszahl  1776  und  lAZN  —  Todesjahr  des  Praelaten 
Erko  von  Erkenftein  —  fehr  roh  eingegraben  find. 
Die  Jofephs-Capelle  ift  eigentlich  bloß  eine  tiefe  Wand- 
nifche,  urfprünglich  gothifcher  Anlage,  und  wahrfchein- 
lich  nur  ein  Durchgang  gewefen,  fpäter  barock  umge- 
wandelt. Sie  liegt  neben  dem  öftlichen  Arm  des  Kreuz- 
ganges und  enthält  an  den  Seitenwänden  zwei  inter- 
effante  mittelalterliche  Epitaphien. 

Den  unbedeutenden  kleinenBarock-Altar  von  Holz 
fchmückt  ein  ovales  Oelbild  auf  Leinwand,  Bruflbild 
St.  Jofephs  mit  dem  Jefuskinde,  fehr  gefällig  componirt 
und  ausgeführt,  liebliche  ausdrucksvolle  Köpfe.  Die 
Stuccaturen  der  Capelle  find  an  der  Innenfeite  des  Ein- 
gangsbogens  datirt,  1702,  alfo  unter  dem  Abte  Prun- 
mayer  entftanden,  welcher  viel  Kunftfinn  gehabt  zu 
haben  fcheint;  außerdem  deuten  die  Buchftaben  PTG 
auf  den  unbekannten  Meifter,  der  fie  ausführte.  Auch 
die  Außenfeite  des  Einganges  gegen  den  Kreuzgang 
hat  hübfche  Stuccaturen  mit  Putti;  endlich  führt  von 
demfelben  eine  Treppe  empor,  auf  deren  Innenwand 
ein  ziemlich  roh  in  Stucco  ausgeführtes  Abtswappen, 
dasjenige  des  1671  geftorbenen  Johann  Holz,  an- 
gebracht ift;  an  den  Treppendecken  find  noch 
weitere  zu  fchauen,  welche  theils  einfach  ornamental, 
theils  mit  Obftkörbchen  etc.  decorirt  find. 

Es  wurde  fchon  der  gothifchen  Thüre  gegenüber 
der  Brunnen- Capelle  gedacht,  welche  im  Süden  des 
Kreuzganges  zum  ehemaligen  Refe6lorium  führt.  Im 
„Kirchenfchmuck"  heißt  es(pag.  36)  vondiefemRaume, 
dafs  er  leider  keine  Sehenswürdigkeit  mehr  wäre;  man 
bemerke  nur  noch  die  zweifchiffige  Anlage  mit  drei 
Pfeilern,  welche  in  der  Mitte  die  Kreuzgewölbe  tragen. 
Trotzdem  finden  wir  aber  diefen  heute  im  Innern 
durch  Wände  abgetheilten  und  für  eine  Regiftratur 
fowie  Mufikfchule  adaptirten,  nach  dem  Hofe  auch  mit 
einer  neuausgebrochenen  Thür  verunilalteten  Saal 
noch  immer  fehr  intereffant.  Zwar  von  feiner  mittel- 
alterlichen Anlage  find  bloß  die  Gewölbe  und  Pfeiler 
übrig  geblieben,  jedoch  die  Ausftattung  aus  dem 
Barockzeitalter  ill  höchfl  bemerkenswerth  und  von 
befonderer  Schönheit. 

Der  im  Erdgefchoße  des  nach  dem  Hofe  hin  noch 
mit  ftarken  gothifchen  Strebepfeilern  verfehenen 
Prioratgebäudes  gelegene  Saal  hat  einfache  acht- 
eckige Steinpfeiler,  an  den  Schmalenden  aber  entfpre- 
chende  Halbpfeiler.  Die  Kreuzgewölbe  müßen  wegen 
ihrer  fehr  flachgedrückten  Form  fchon  der  fpätern 
Gothik  angehören,  find  aber  mit  herrlichen  feinen 
Stuccaturen,  welche  den  Uebergang  von  der  Barocke 
zum  Rococco  bedeuten,  reich  überkleidet.  Sehr  ge- 
fällige graziofe  Putti,  Adler,  Früchte  und  Ornamente 
faffen  verfchieden  geformte  Felder  ein,  in  welchen  noch 
in  den  fünfziger  Jahren  Frescomalereien  zu  fehen 
waren,  damals  aber  übertüncht  wurden.  Der  Styltypus 
diefer  eleganten  Stucco-Decoration,  welche  einer  Auf- 
nahme im  hohen  Grade  würdig  wäre,  erinnert  mannig- 
fach an  diejenige  des  Belvedere  in  Wien  in  feinen 
XIX.  N.  F. 


Sälen,  in   denen   ficli    früher    die  Ambrafer-Sammlung 
befand. 

Die  Stiege  neben  diefem  Räume  im  füdlichen 
Kreuzgangsarme  emporfleigend,  gelangen  wir  in  den 
fehr  großen  Saal,  in  welchem  der  „Kirchenfchmuck"  das 
Dormitorium  erkennen  will.  Ich  muß  geflehen,  dafs 
ich  von  der  Sicherheit  diefer  Deutung  nicht  unbedingt 
überzeugt  bin.  Zwar  ift  es  auffallend,  dafs  in  dem 
feinem  Mutterftifte  Heiligenkreuz  fonft  fo  genau  nach- 
gebildeten Klofter  fich  von  einem  Schlaffaale  fonft  fo 
gar  keine  Spur  nachweifen  läfst ;  jedoch,  wenn  diefer 
weite  leere  Saal,  welchem  das  charakteriftifche  Ana- 
logen mit  Heiligenkreuz, Pfeilerftellungen  und  Gewölbe, 
abgehen,  wirklich  das  einftige  Dormitorium  fein  follte,fo 
muß  er  ganz  gewaltige  Umgeftaltungen  erfahren  haben; 
denn  heute  hat  er  eine  flache  Balkendecke,  das  Holz 
der  Trame  liegt  voUftändig  bloß,  an  den  Wänden  unter 
derfelben  bemerkt  man  oben  den  Anfatz  eines  abge- 
brochenen Spiegelgewölbes  mit  Stucco-Verzierungen, 
die  fich  gewifs  dereinft  über  den  Balkenplafond 
erftreckten.  Die  kahlen  Wände  des  ziemlich  niedrigen 
Raumes  find  durch  fechs  Thüren  durchbrochen,  welche 
Supraporten  von  Stuccoreliefs  tragen.  Die  Gegenftände 
derfelben  find:  das  Stiftswappen,  das  Wappen  mit  der 
Renaiffance-Fontaine,  jenes  mit  dem  Arm  im  Aermel, 
welcher  ein  Pedum  hält,  zwei  mit  ornamentalem 
Mufchelwerk,  endlich  ein  aufgefchlagenes  Buch.  Die 
Fontaine  weift  alfo  wie  bei  der  Sonnenuhr  im  Hofe  auf 
den  Praelaten  Prunmayer  (geft.  1723)  hin. 

Wir  betreten  nun  das  hinere  der  großartigen 
Kirche,  wobei  aber  ebenfalls  nur  von  einigen  Obje6len 
die  Rede  fein  foll,  welche  hier  zum  erftenmal  oder  in 
neuem  Sinne  befprochen  werden.  Den  Bau  felbft  anbe- 
langend, wäre  den  vorhandenen  Befchreibungen  nichts 
hinzuzufügen,  als  dafs,  wie  ich  mich  überzeugt  habe, 
unter  der  Tünche  faft  an  allen  Wänden  mittelalterliche 
Fresken  erhalten  find,  deren  Bloßlegung  in  hohem 
Grade  wünfchenswerth  wäre. 

Der  Hochaltar,  1612  durch  Abt  Cafpar  Seemüller 
errichtet,  ift  ein  höchft  merkwürdiges  Specimen  unferes 
heimatlichen  Architekturftyls.  Ganz  von  Holz  gearbeitet, 
baut  er  fich  bereits  hoch  empor  gleich  den  fpäteren 
eigentlichen  Barockaltären,  zeigt  aber  im  Detail  der 
Architektur-  und  Ornamentformen  noch  vollen  Renaif- 
fance-Charakter.  Die  fpätere  Vorliebe  für  Marmor  oder 
Imitation  diefes  Materiales  fehlt  noch,  ftatt  deffen 
herrfchen  die  Töne  blau  und  gold  vor.  Ift  der  Typus 
auch  fchon  der  des  Triumphbogens,  mit  Säulen,  Ver- 
kröpfungen  und  korinthifchen  Capitälen,  fo  verräth  Aus- 
führung und  coloriftifches  Element  doch  deutlich,  dafs 
hier,  wenn  auch  in  vollends  antikifirenderFormenfprache, 
in  Technik  und  Gefchmack  fich  felbft  von  der  Tradi- 
tion des  mittelalterlichen  Flügelaltars  noch  etwas 
erhalten  hat,  wie  folches  in  unferen  Gebirgsgegenden 
fo  häufig  begegnet,  wo  zähe  confervative  Art  fich  er- 
hielt, die  Nähe  Italiens  aber  doch  ftets  mit  Neuem 
beeinflußte.  Die  Statuen  mit  gemalten  Fleifchtheilen 
und  fonftiger  Vergoldung,  fowie  die  ebenfo  behandelten 
Reliefs  der  Predella  beftätigen  diefe  Tradition  Die 
Stiftskirche  Neuberg  befitzt  noch  einen  zweiten  Altar 
aus  derfelben  Epoche  und  Kunftrichtung,  denjenigen 
der  heiligen  Georg,  Lorenz  und  Gottfried  an  der  Nord- 
feite der  Kirche,  welcher  fich  durch  die  mit  zierlich 
gefchnitztem  und  vergoldetem  Laubwerk  gefchmückten 

28 


—       208 


Säulenfchäfte  befonders  auszeichnet.  Aber  der  Typus 
ift  in  der  Gegend  überhaupt  ausgebreitet,  wie  denn  die 
Pfarrkirche  des  nahen  Spital  am  Semmering  ebenfalls 
kleinere  Altäre  diefer  Gattung  befitzt.  Sciiade,  dafs 
von  den  Meiflern  gar  nichts  bekannt  ift! 

Abt  Scemiiller,  der  mich  vielfach  an  feinen  Zeit- 
genoffen  und  CoUegen  Abt  IVIosmüUer  in  Klofterneu- 
burg  —  wie  er  ein  Bayer  —  erinnert,  war  einer  der 
kunflfinnigflen  Praelaten  des  Haufes,  auf  deffen  Spuren 
man  in  demfelben  auf  Schritt  und  Tritt  geräth. 
Sein  Wirken  fiel  in  die  Periode  öflerreichifcher  Kunfl- 
blüthe,  weiche  man  heute  in  Gelehrtenkreifen  die 
Rudolfinifche  zu  nennen  liebt,  weil  jener  kunftliebende 
Monarch  damals  den  höchften  Auffchwung  auf  diefem 
Culturgebiete  im  Vaterlande  repräfentirte.  Den  Cha- 
rakter diefes  fogenannten  Rudolfinifchen  Styles  trägt 
nun  der  merkwürdige  Hochaltar  von  1612  in  ausgefpro- 
chenem  Maße.  Freilich  fland  dem  Abte  in  dem  damals 
weltentlegenen  fteirifchen  Alpenthal  für  feine  Abficht 
nicht  ein  Künftler  zu  Gebote,  wie  es  die  Jamitzer,  die 
Lenker,  die  Vianen,  wie  es  Adriaen  de  Fries  war,  kein 
Maler  wie  die  Heinz  und  Spranger,  er  hatte  wohl 
bloß  einen  tüchtigen  Handwerker  zur  Verfügung, 
deffen  Vater  oder  Lehrer  noch  gothifche  Flügelaltäre 
gefchnitzt  und  gefafst  haben  mochte.  Aber  es  ift 
für  uns  heute  hoch  intereffant,  zu  fehen,  wie  eben 
ein  folcher  naiver  Alpenfohn  fich  aus  feinen  mittel- 
alterlichen Ueberlieferuiigen  heraus  die  fo  verfchie- 
dene  Kunftweife  Italiens  zurecht  gelegt  habe.  Und  in 
diefem  Sinne  hat  der  Neuberger  Altar  die  größte 
Bedeutung  und  würde  längft  verdienen,  im  Bilde  genau 
reproducirt  zu  werden,  was  hier  zu  veranlaffen  mir  zu 
meinem  Bedauern  nicht  möglich  ift.  Möchte  man  fich 
doch  einmal  davon  emancipiren,  in  archaeologifchen 
Zeitfchriften  in  einemfort  nur  jeden  banalen  und 
fchablonenhaften  Dorfkirchenkram  der  Gothik  forg- 
fältig  abzubilden  und  an  den  wichtigften  kunftgefchicht- 
lichen  Denkmälern  anderer  Epochen  intereffelos  vor- 
beizugehen. 

Im  „Kirchenfchmuck"  (pag.  58)  wird  gefagt,  dafs 
an  dem  fchönen  Altäre  das  Figuralc  „merkwürdig 
fchwach"  wäre.  Ich  glaube,  diefes  Urtheil  hängt  damit 
zufammen,  dafs  im  Figuralen  des  Werkes  verfchiedene 
Hände  ficiitbar  werden.  Die  äußeren  Figuren  und  die 
Reliefs  an  der  Predella  haben  nämlich  Renaiffance- 
Typus,  während  jene  in  dem  Hauptbogen  —  dem 
mittelalterlichen  Altarfchrein  vergleichbar,  coronatio 
virginis  —  ebenfo  die  lieblichen  drei  Engelchen  darüber, 
welche  muficiren,  älteres,  faft  noch  fpät-gothifches 
Gepräge  aufweifen.  Einige  halten  dafür,  dafs  letztere 
von  einem  früher  beftandcnen  gothifchen  Hoclialtar 
in  denjenigen  von  16 12  aufgenommen  worden  feien; 
aber  es  könnte  auch  ganz  einfach  der  Fall  fein,  dafs 
nur  ein  Künftler  älteren  Schlages  an  diefem  Thcil 
des  Altars  gearbeitet  hat.  Dabei  wäre  zu  beachten, 
dafs  aucli  an  der  Brüftung  des  fpät-barocken  Orgcl- 
chores  mehrere  Engelchen  mitinftrumenten  angebracht 
find,  aus  Holz  gefchnitzt  und  reizend  bemalt,  von 
denen  befonders  der  eine  mit  einer  langhalfigcn 
Laute  von  alierliebftcr  Erfcheinung  ift.  Hatte  aifo 
Praclat  Scemiiller  für  dicfe  Partie  des  Werkes  alter- 
thümlichc  Künftler  in  feiner  Verwendung,  fo  zeigt  die 
ganz  flache  decorativ  bemalte  Rückflächc  des  Altars, 
dafs  ihm  hier  wieder  Italiener  oder  in  Italien  gcfchultc 


Nordländer  zu  Gebote  ftanden,  welche  bereits  fein- 
flüchtig  und  fchablonenhaft  in  einer  Manier  vorzugehen 
gewohnt  waren,  in  welche  Studien  nach  den  großen 
Claffikern  Roms  fchon  beftimmt  hereinklangen  und 
in  der  folche  Subftrate  bereits  mit  oberflächlicher 
Handwerklichkeit  ausgebeutet  erfcheinen.  Die  ganze 
grau  in  Grau  gemalte  Triumphbogen-Architektur  die- 
fer Rückfeite  mit  Voluten,  Verkröpfungen,  Gefimfen, 
den  ebenfalls  gemalten  Nifchen  mit  Figuren  der  Ordens- 
HeiiigenRobertundWilhelm,endlichdemMittelbild,  Ver- 
ehrungderEuchariftie.in  welchem,  wenn  auch  recht  derb 
und  naiv,  Raffael  und  Michelangelo  verwerthet  zu  Tage 
treten,  zeugt  davon;  fie  gemahnt  an  den  Einfluß 
der  fpäten  florentinifchen  und  römifchen  Manieriften 
im  Medium  eines  groben  deutfchen  Pinfels,  und  doch 
fehen  wir  darüber  Seemüller's  Abtswappen  und  die 
Zahl  161 2!  Der  Altar,  welcher  alfo  fpät-gothifche, 
deutfche  Renaiffancc-  und  rein  italienifche  Elemente  in 
fich  vereinigt,  verdient  daher  gewifs  hohe  Beachtung 
im  Rahmen  der  localen  Kunftgefchichtsforfchung.  Der 
jetzige  Tabernakel,  deffen  Styl  zu  dem  Ganzen  nicht 
pafst,  ift  erft  1754  befchafft  worden;  der  urfprüngliche 
befindet  fich  noch  auf  dem  Mufikchor  und  follte  wohl 
wieder  an  feine  Stelle  kommen,  wobei  denn  auch  die 
gleichzeitig  gemachte  Verbreiterung  der  alten  Mensa, 
welche  noch  in  der  fpäteren  Holzverfchalung  fteckt,  zu 
befeitigen  wäre. 

Die   Sacriftei  mit  ihrer  Säule,  den  fchünen  mittel- 
alterlichen   Capitälen   und   Gewölben,   Schränken    aus 
der  Barockzeit  etc.,  ift  ein  fehenswerther  Raum.  An  der 
Fenfterwand    befindet   fich    ein    Lavabo    in    einfachen 
Renaiffanceformen  von  weißgeflecktem  rothen  Marmor 
mit  der  Infchrift:   16.  Nit  vil  prangens.   35.  Es   ift  dies 
der   Wahlfpruch    des  Abtes  Balthafar   Hubmann,   von 
dem  auch  der  hölzerne  Stuhl  im  Kreuzgang  herrührt. 
Schreiten  wir  nun  wieder  in  die  Kirche  zurück,  da 
uns    die    ausgeplünderte  Sacriftei   an   Kirchcngefaßen 
und  Paramenten  weiter  nichts  Intcrcffantes  bietet.  Hier 
feffeln    unfern  Blick  zunächft  die  beiden  Altäre,  welche 
mit  dem  Rücken  an  das  dritte  Pfeilerpaar  des  Mittel- 
fchiffs  vom  Mufikchor   aus   aufgeftcllt  find.  Ihre  Tafel- 
bilder und  gefchnitzten  Figuren  rühren  von  fpät-gothi- 
fchen  Flügelaltären  her,  während  die  architektonifche 
Umrahmung  barocken  Styles  aus  dem  Jahre  1668,  der 
Regierungszeit   des  Abtes  Johann  Holz,  herrührt.  Im 
„Kirchenfchmuck"  (pag.  58)  ift    von    den    altdeutfchen 
Gemälden   diefer  Altäre  die  Rede.    Es  heißt,  dafs  auf 
dem  nördlichen  Altar  im  Schreine  die  Kreuzigung,  auf 
den  I'lügeln    aber    weitere    Paffionsfcenen     mit    der 
Jahreszaiil    1505,   rückwärts    aber   die   Gefchichte   der 
heiligen  Helena  und  in  der  Mitte  die   fitzende  Madonna, 
eine  heilige  Jungfrau  mit  einer  Rofe  und  ein  ]<niender 
Abt  zu  fehen  feien.  Somit  wurde  diefer  Altar  im  erften 
Regierungsjahr  des  Praelaten  Wolfgang  Rockelstorffer 
errichtet.  Der  füdliche  cnthiilt  im  Schreine  eine  Kreuz- 
abnahme und  an  den  Vorderfeiten   der  Flüge!  andere 
.Scenen    der  Leidensgefchichte;    rückwärts  folche  aus 
der  Legende  des  heiligen  Bernhard  und  das  Veronikon 
mit  dem  Datum   1515,   nach  Gratis,  das    ich  aber   1518 
lefe.   Aber  auch  auf  diefem    füdlichen  Altar  begegnet 
außerdem      die      Zahl      1505.      Sie    fanden     ihre     iMit- 
ftehung    alfo    unter    den    Aebten    Rockelftorffer   mid 
Staindl,  und  find  von  tüchtiger  heimatlicher  Arbeit.  Da 
fie  gcvvifs  aber  urfprünglich  nicht  an  diefer  Stelle  ftanden. 


—       209 


wo  die  Kirchenpfeiler  ihre  Rückfeitcii  t^anz  verdecken, 
fo  wäre  eine  Verfetzung  der  bcachtenswerthen  Kunll- 
werke  fehr  zu  empfehlen,  wozu  fich  der  weite  Raum 
hinter  dem  Hochaltar  beflens  darböte.  Hier  könnte 
man  fie  von  allen  Seiten  bequem  fehen.  Auch  die 
kleinen  hübfchen  Barockaltare  des  zweiten  Pfeiierpaares 
follten  zur  Freimachung  des  Durchblickes  durch  die 
Schiffe  translocirt  werden.  Es  wäre  an  der  Nord-  und 
Südwand  der  Kirche,  unter  den  dritten  Fenftern  vom 
Chore  aus,  ein  geeigneter  Platz  für  diefelben.  Auch  die 
übrigen  barocken  Altäre  an  der  Nord-  und  Südwand 
find  nicht  ohne  Intereffe.  Ein  weiterer  Barockaltar  hat 
eine  mittelalterliche  gefchnitzte  Madonnenfigur,  einer 
ein  Tabernakel  von  politirtem  braunen  eingelegten 
Holz  aus  der  Therefianifchen  Zeit.  Endlich  find  die  bei- 
den hohen  Barockaltäre  bemerkenswerth,  welche  hinter 
dem  Hochaltare  zu  beiden  Seiten  an  der  geraden  Ab- 
fchlußmauer  des  Kirchenchores  ihren  Platz  haben.  Der 
Werth  diefer  Altäre  beruht  auf  den  beiden  großen 
Gemälden,  überhaupt  den  fchönften  in  der  Kirche.  Das- 
jenige des  füdlichen  hat  die  Verkündigung  zum  Sujet, 
das  des  nördlichen  zeigt  uns  den  Stifter  Otto  den  Fröh- 
lichen, welcher  den  Plan  des  Kloflers  in  Händen  hält, 
umgeben  von  Vertretern  des  Ciftercienfer-Ordens;  in 
den  Wolken  erfcheint  die  Madonna  mit  zahlreichen 
Heiligen.  Jedes  der  Altarblätter  ifl:  Ilauckh  f.  1738 
fignirt. 

Von  Johann  Veit  Haitck,  einem  der  bedeutendften 
Barockmaler  Steicrmarks,  willen  wir  leider  fehr 
wenig.  Die  Angaben  über  ihn  in  Waßlefs  Steyr. 
Künftler-Lex.  (pag.  42)  find  nicht  ausreichend.  Wenn 
es  dort  heißt,  dafs  in  feinen  größeren  Schöpfungen  bei 
ftarker  Manirirtheit  der  Zeichnung  eine  breite  flotte 
Behandlung  der  Farbe  zu  erkennen  fei,  fo  ift  das  ohne 
alles  Verftändnis  künftlerifcher  Mache  gefprochen; 
denn  Hauck  zeigt  fich  in  diefen  trefflichen  Bildern  ganz 
von  Maratta's  Einfluß  beherrfcht  —  man  fehe  den 
finnlich  fchönen  Engel  Gabriel  —  da  ift  alles  Grazie, 
Formenreiz  und  Anmuth,dieFormenfprachegefchult  an 
römifchen  und  bolognefifciien  Typen.  Auf  dem  nörd- 
lichen Altar  fleht  auch  ein  hübfches  Crucifix  aus  dem 
17.  Jahrhundert,  das  Kreuz  von  Holz  mit  Perlmutter- 
einlagen, der  Heiland  von  Elfenbein. 

Zwei  riefige,  aber  ganz  werthlofe  Gemälde,  welche 
den  heiligen  Edmund  und  fein  Wunder,  die  Heilung 
des  Veitstanzes,  vorfiellen,  an  den  Längswänden  hoch- 
oben,  einander  gegenüber  aufgehängt,  find  wegen  ihrer 
herrlichen  Barockrahmen,  Meifterwerken  der  Holz- 
fchnitzerei,  anzuführen.  Von  ähnlichem  Charakter  ift  die 
prachtvolle,  überreich  mit  Wolken,  Engeln  und  Orna- 
menten ausgeflattete  Empore  über  dem  Eingang  zur 
angebauten  Capelle  an  der  Nordfeite,  von  gerundeter 
Form,  theils  braunes  Holz,  theils  vergoldet.  Sie  trägt 
das  Wappen  tles  Praelaten  Edmund  Spormeyer  und 
das  Datum  1734.  Man  fleigt  zu  diefer  originell  compo- 
nirten  Eflrade,auf  der  früher  eine  kleine  Orgel  gewefen, 
in  der  gedachten  Neben-Capelle  durch  eine  gothifche 
Wendeltreppe  empor,  welche  auch  in  das  Obergefchoß 
der  Capelle  führt.  Dasfelbe  war  einft  Vertheidigungs- 
raum,  wie  die  Schießlöcher  bezeugen,  denn  hier,  wo 
außen  vordem  die  Mauern  vor  der  Kirche  (landen,  war 
ein  wichtiger  Punkt  der  Befeftigung.  —  Gegenüber 
diefer  Empore,  doch  näher  gegen  den  Hochaltar 
fituirt,  Itoßen  wir  auf  ein   mit  einem  Glasverfchluß    und 


Bedachung,  im  Barockftyl  ausgeführtes  bogenartiges 
Oratorium  mit  reicher  Ornamentation  in  Gold,  1720 
durch  Abt  Prunmayer  hergeflellt.  Von  Bildern  find 
noch  zu  erwähnen:  Ecce  homo  und  Madonna,  Hüft- 
bilder von  derfelben  Hand  des  17.  Jahrhunderts,  von 
edler  Stimmung  und  idealer  Haltung;  Leichnam  Chrilli, 
Ouerbild,  die  wahre  Länge  der  Geftalt  des  Erlöfers 
laut  Infchrift  darflellend,  von  anatomifch  großer  Reali- 
ftik,  gleichfalls  aus  dem  17.  Jahrhundert,  auf  ausgezeich- 
nete Vorbilder  zurückdeutend,  aber  von  geringerer 
Hand  ausgeführt. 

Was  die  Grabmäler  in  dem  Gebäude  betrifft,  fo 
gibt  es  dafelbft  mittelalterliche,  folche  der  Renaiffance 
und  barocke.  Ich  fpreche  hier  nur  von  einigen  der 
zweiten  Kategorie.  Im  linken  Schiff,  nahe  dem  Hoch- 
altar, ift  an  der  Wand  das  Epitaph  des  Hofrichters 
Wolfgang  Wünfch  mit  dem  Oelbild  des  Samaritaners 
gefchmückt,  einer  tüchtigen  Malerei,  welche  Berührun- 
gen mit  der  Schule  der  Baffano  verräth.  Der  Hofrichter 
war  1590  geflorben,  die  Infchrift  bezieht  fich  aber  auch 
auf  deffen  1604  verftorbene  P"rau,  nach  welchem  Jahre 
alfo  das  Epitaph  erll:  zu  beftimmen  ifl.  Viel  bedeuten- 
der erweift  fich  da.sjenige  des  Abtes  Georg  Remer 
Suevus,  welcher  1584  ftarb,  an  der  Südwand.  Es  hat  die 
Formeines  vonRenaiffance-Säulen  und  fonlligen  Archi- 
tekturtheilen  gebildeten  Rahmens,  welcher  ein  Relief 
von  gelblichem  Marmor  einfaßt.  Der  Abt,  von  feinem 
ritterlichen  Patron  befchützt,  kniet  vor  dem  Gekreuzig- 
ten; Spuren  von  Bemalung  haben  fich  erhahen.  Nahe 
dabei  befindet  fich  ein  ähnliches,  aber  künftlerifch  bei 
weitem  bcfferes  Epitaph,  gleichfalls  von  Marmor  und  an 
einzelnen  Stellen  vergoldet,  mit  einem  Säulenrahmen 
von  bereits  flrengerer  Architektur.  Das  Relief  flellt  Gol- 
gatha mit  den  drei  Kreuzen  und  den  würfelnden  Kriegs- 
leuten dar,  und  hat  ebenfalls  Spuren  von  Polychromie. 
Die  Infchrift  verkündet  diefes  fehr  bedeutende  Werk  als 
das  Grabmal  des  1590  verflorbenen  Praelaten  Gregor 
Planckh,  ift  überdies  durch  die  Signatur  des  ita- 
lienifchen  Meiflers  hoch  intereffant,  der  es  ausgeführt 
hat.  Nachdem  ich  Jahrhunderte  alte  dicke  Staub - 
fchichten  weggewifcht  hatte,  kam  im  Bilde  der 
Kreuzigung  links  unten  in  fchönen  Buchftaben  zu 
Tage : 

OPVS  ANTONII 
ZoIA 

-VN- 

Wir  liehen  hier  vor  einem  im  Rahmen  der  öfter- 
reichifchen  Kunftgefchichte  fehr  wichtigen  Werke. 
Ich  hatte  die  Freude,  es  der  erfte  gewürdigt  zu  haben 
und  feine  Künftler-Infchrift  zu  entdecken,  aber  ich 
empfand  gleichzeitig  das  Leid,  von  dem  bedeutfamen 
Monumente  keine  Aufnahme  mitnehmen  zu  können. 
Wollte  doch  in  das  zudringliche  Gefchlecht  der  Ama- 
teurs-Photographen,  welche  heute  fchon  jedes  arme 
Salatfeld  unficher  machen,  einmal  foviel  menfchliche 
allgemeine  Bildung,  foviel  hiflorifcher  Sinn  eindringen, 
dafs  fie  mit  ihrem  fonll  höchft  überflüßigen  Dilettantis- 
mus wenigrtens  durch  Aufnahme  von  Kunlldenkmalen 
der  Forfchung  Dienfte  leifteten!  Was  nun  die  Künftler- 
Infchrift  betrifft,  fo  bin  ich  der  Anficht,  dafs,  dem  Styl- 
typus des  fchönen  Reliefs  entfprechend,  das  VN 
ficher:  Veneti  oder  Venetiani  bedeutet.  Z-  ift  vielleicht 
eine  Abbreviatur  für  Zoan  oder  Zuan  oder  Zan,    d.    i. 

28* 


—        2IO 


Giovanni,  den  Taufnamen  des  Bildhauers  im  Dialekt  der 
Lagunenftadt,  während  das  räthfelhafte  lA  dann  feinen 
uns   leider   unbekannten   Familiennamen   bezeichnete. 

Er  hieße  demgemäß  alfo  Antonio  Giovanni  lA , 

oder  es  könnte,  wenn  man  bloß  Antonio  als  Vornamen 
annehmen  wollte,  Z'IA,  etwa  Zonia,  Zognia  oder 
ähnliches  der  Zuname  fein.'  Wir  miißen  es  Special- 
forfchern  derVenetianifchen  Kunftgefchichte  überlaffen, 
genaueres  über  den  Meifter  ausfindig  zu  machen,  der 
damals  in  Steiermark  thätig  war;  es  ift  uns  aber  fchon 
intereffant  genug,  abermals  einen  Beweis  mehr  für  die 
flarke  Ingerenz  der  Italiener  jener  Aera  in  unferen 
Gegenden  gefunden  zu  haben.  Der  Abt  Gregor  Planckh 
war  aus  Landsberg  in  Bayern;  er  regiert  in  einem 
öfterreichifchen  Ciftercienferklofler  in  einem  flilleii 
Alpenthal;  er  erhält  von  der  Hand  eines  durchwan- 
dernden venetianifchen  Künftlers  fein  fchönes  Epitaph. 
Diefe  Umftände  muß  man  im  Geifte  zufammenfaffen, 
um  den  Gang  der  kunfthiftorifchen  Entwicklung  in 
unferer  Heimat  zu  verflehen. 

An  einem  der  rückwärtigen  Pfeiler  des  linken 
Seitenfchiffes  ift  in  ziemlicher  Höhe,  in  kleiner  Figur 
ein  Schütze  oder  Jäger  gemalt  und  dabei  die  Tnfchrift 
angebracht: 

CAS.  MAS-  ABB-  NOV-  1508- 

Die  Localtradition  bezieht  dies  auf  die  Sage,  dafs 
bei  dem  Türkenanfall  der  wohlgezielte  Schuß  eines 
Vertheidigers  des  Kloflers  den  feindlichen  Befehls- 
haber getödtet  habe,  worauf  die  fchlimmen  Galle  die 
Belagerung  aufhoben.  Man  fieht  aber  an  diefem  Bei- 
fpiel,  wie  wenig  romantifchen  Sagen  und  Traditionen 
zu  trauen  ill;  denn  es  ergibt  fich  nach  nüchterner  hifto- 
rifchcr  Forfchung,  dafs  von  diefer  Deutung  des  Bild- 
werkes gar  nichts  zu  halten  ift.  Die  Infchrift  beweift, 
dafs  fich  hier  kein  heroifcher  Schütze,  fondern  der 
Praelat  Cafpar  Masculus  von  Lindeprunn  aus  einem  uns 
unbekannten  Anlaß  verewigen  ließ.  Sein  Schild  bei 
feinem  Bildnis  in  der  Aebtegalerie  des  Kreuzganges 
nämlich  beweift,  dafs  er  ein  Männchen  (Masculus)  in 
Jägertracht  als  redendes  Wappen  führte  —  dalicr  alfo 
die  Darftellung  an  dem  Kirchenpfeiler. 

Die  ehemalige  Capelle  des  heiligen  Bernhard  im 
Bienengarten,  ein  reizend  malerifcher  gothifcher  Bau, 
längft  entweiht,  gehört  heute  zu  den  Räumen  des  kai- 
ferlichen  Jagdfejours.  Sie  tritt  mit  einer  polygonen 
Apfis  in  den  Hof  vor,  hängt  im  übrigen  jedoch  mit 
den  ehemaligen  Kloftergebäuden  zufammen.  Im  Innern 
ift  fie  heute  gänzlich  verbaut  und  untertheilt,  man 
erkennt  aber  noch  zwei  Joche  des  ehemaligen  Schiffes, 
die  Kreuzgewölbe  und  deren  fpäte  Capitale. 

Im  Orte  Neiiberg  findet  fich  heute  nur  wenig 
altertluimliciies  melir.  Ich  bemerkte  bloß  folgendes: 
Beim  Badhaus  fleht  an  der  Straße  eine  große  offene 
Capelle  des  heiligen  Johannes  von  Nepomuk,  deren 
Nifche  zwar  flüchtige,  aber  doch  befehensvverthe  Fres- 
ken des  vorigen  Jahrhunderts  mit  befonders  gef.iUigen 
Engelgeflalten  enthalt.  Auch  an  der  Fagade  des  nahen 
Hotels     Poft,    früher    fcliwarzer     Adler    und   voreinfl 

'  Der  Name  konirnt  in  Venedig  th.itfärhlich  vor;  noch  in  iinfcrcni 
Jahrhundert  lebte  dAfclbft  ein  Maler  Antonio  Zona. 


Taberne  des  Stifts,  ift  ein  Fresco  angebracht,  welches 
Maria,  von  Engeln  auf  Wolken  verehrt,  darftellt,  aus 
dem  18.  Saeculum.  Im  unteren  Ort  Nr.  20,  Gaflhaus  zum 
Kaifer  von  Oefterreich,  befindet  fich  ein  fehr  fchöner 
Eifenarm  mit  dem  Wirtshausfchild,  von  reichfler 
Ausftattung  im  Louis  XVI.  Style. 

Das  hoch  intereffante  Neuberg  wird  künftigen  For- 
fchern  noch  genug  Material  bieten.  Befonders  die 
mittelalterlichen  Aebte-Epitaphien  in  der  Kirche,  fowie 
die  zwei  anderen,  gleichfalls  gothifchen  in  der  Jofephs- 
Capelle  harren  noch  einer  gründlichen  Erforfchung.  Ich 
hielt  mich  —  ohne  Reprodu6lionen  nehmen  zu  können 
—  lieber  davon  fern  und  raffte  nur  zufammen,  was  ich 
von  fonfligem  bisher  noch  wenig  beachteten  Material 
bei  kurzem  Aufenthalte  zur  Kenntnis  zu  bringen  ver- 
mochte. Auch  über  die  ehemalige  St.  Anna-Capelle 
und  die  einftige  Pfarrkirche  wäre  daher  intereffantes 
mitzutheilen;  über  die  barocken  Aebte-Grabmäler  in 
der  Stiftskirche,  die  Gruft  im  Capitelhaufe  u.  A.  Was 
z.  B.  die  ehemalige  Pfarrkirche  betrifft,  welche  fich 
unter  anderem  auch  durch  ihre  intereffanten,  denjenigen 
in  der  Stiftskirche  verwandten  Gewölbemalereien  in 
gothifcher  Ornamentik  auszeichnet,  fo  dürfte  den 
Wenigften  bekannt  fein,  dafs  fich  eine  Anzahl  runder 
Glasgemäldefcheiben  diefes  Gotteshaufes  heute  in  den 
kunfthiftorifchen  Sammlungen  des  A.  H.  Kaiferhaufes 
zu  Wien  befinden.  Man  findet  diefelben  im  Führer 
durch  die  Sammlungderkunftinduftriellen  Gegenftände, 
Wien  1891,  Saal  XX.,  pag.  92,  ff.  befchrieben,  nämlich 
die  Stücke:  Madonna  im  Strahlenkranze,  Maria  mit 
dem  Kinde  und  St.  Anna;  Hausmarke  des  Hans  Hoff- 
richter mit  Johannes  Ev.  und  Elifabeth;  der  heilige 
Chriftoph;  die  Meffe  des  heiligen  Papftes  Gregorius. 
Ueber  eine  intereffante  Marienftatue  an  einem  Seiten- 
altar, 14.  Jahrhundert,  erfchien  fo  eben  Abbildung  und 
Abhandlung   im  „Kirchenfchmuck",  1892,  pag.  118. 

Ich  habe  diefe,  fowie  fchon  manche  ähnliche 
Mittheilung  hier  veröffentlicht,  wenn  ich  fchon  darauf 
gefafst  fein  muß,  dafs  man  dem  Auffatz  vorwerfen 
könnte,  dafs  er  nur  kleine  Abfallbröckchen  von  einer 
großen  Tafel  zufammentrage.  Jedoch  es  will  mir  fchei- 
nen,  dafs  gerade  derartige  Arbeiten  auch  fehr  noth- 
wendig  feien.  Genügt  es  ja  doch  gewifs  nicht  an  jenen 
bloßen  Baubefchreibungen  hervorragender  Kirchen, 
wie  wir  fie  fo  vielfach  befitzen,  welche  bloß  vom  archi- 
tektonifchcn  Standpunkte  das  Gcbiiude  erörtern,  auf 
feine  mannigfaltigen,  verfchiedenenKunftperioden  ange- 
hörigen  Altäre,  Einrichtungsflücke  und  fonftige  Kunft- 
werke  aller  Art  aber  gar  keine  Rückficht  nehmen. 
Alles,  was  aus  der  Vergangenheit  auf  unfere  Tage 
gekommen  ift,  hat  für  die  Wiffenfchaft  gleichen  An- 
fpruch  auf  Berückfichtigung;  es  gibt  nicht  vornehmere 
Stylperioden  und  wieder  geringfügigere.  Für  die  Kunft- 
gefchichtsforfclumg  und  Topographie  unferer  Heimat 
muß  uns  ein  Rococco-Tabernakel  aus  der  Zeit  Maria 
Therefias  geradefo  wichtig  fein  als  eine  Elfenbein  Dip- 
tychon des  II.  Jahrhunderts.  Jene  andere,  fogenannte 
gelehrtere,  vornehmere  Huldigung  des  Alterthümlichen 
allein  ift  im  Gnuide  genommen  doch  nur  Dilettan- 
tismus, dem  es  an  echter  wiffenfchaftlicher  Obje6tivi- 
tät  mangelt. 


21  I 


Die  beiden  biblifchen  Gemälde-Cyclen  des  Domes  zu  Gurk. 

Vom  Correfpondenlcn  Dr.  Alfred  Schncrich. 

IV. 


B.  Das  Fastentuch. 

War  fchon  in  den  Gemälden  der  Vorhalle  das 
Streben  deutlich  erkennbar,  die  Gefchichte  des  Heiles 
ausführlich  chronologifch  zu  behandeln,  fo  fcheint  diefer 
Verfuch  noch  nicht  vollkommen  befriedigt  zu  haben. 
Man  fchuf  ein  Jahrhundert  fpäter  einen  zweiten  Cyclus, 
welcher  der  Anordnung  wie  den  Gegenf^änden  nach 
dem  älteren  vollkommen  ähnlich  ifl:,  das  Beflreben 
nach  Vollkommenheit  und  Deutlichkeit  jedoch  noch 
mehr  an  den  Tag  legt  als  das  ältere  Vorbild. 

Das  Faftentüch  (Hungertuch)  hat  die  Form  eines 
Quadrates  von  S'SjM.  Seitenlänge;  es  befteht  aus 
zehn  der  Länge  nach  zufammengenähten  gleich  breiten 
Streifen  (larker  Leinwand,  welche  vertical  laufen.  Diefe 
Fläche  ift  bemalt;  zunächft  ift  jede  Nath  durch  eine 
rothe  Bordüre  von  0-03  M.  Breite  markirt  und  jeder 
einzelne  Streifen  durch  ebenfolche  Bordüren  in  zehn 
Quadrate  eingetheilt,  fo  dafs  die  ganze  große  Fläche 
in  hundert  kleinere  Quadrate  zerfällt. 

Jedes  diefer  kleineren  Quadrate  weist  eine,  bis- 
weilen auch  zwei  und  mehrere  Darftellungen  der 
Gefchichte  des  alten  und  neuen  Bundes  auf;  die  Gegen- 
flände  find  derart  geordnet,  dafs  das  alte  Teftament 
die  linke,  das  neue  die  rechte  Hälfte  einnimmt.  Die 
einzelnen  Darftellungen  find  chronologifch  aneinander 
gereiht  und  laufen  von  links  nach  rechts.  Zahlreiche 
Infchriften  am  Rande  oder  in  der  Bildfläche  erläutern 
die  weniger  bekannten  Darftellungen. 

A.  Altes  Teftament. 

L  Reihe,  i.  Die  Schöpfung  (Gen.  I).  Gebirgige 
Gegend,  vorn  ein  Teich  mit  zwei  Abflüßen,  daneben 
ein  flammender  Schlund,  aus  dem  ein  Ungeheuer  fieht. 
Links  fteht  Gott  Vater  mit  dem  Kreuznimbus,  die 
Rechte  fegnend  erhoben,  mit  der  Linken  auf  den 
Schlund  weifend.  Ober  den  Bergen  wird  ein  betender 
Engel  fichtbar;  am  Himmel  Ifeht  die  Sonne;  zu  Land 
und  Waffer  erfcheinen  Thiere  aller  Art.  —  Diefes  Bild 
ift  augenfcheinlich  den  entfprechenden  Darltellungen 
der  Vorhalle  nachgebildet;  doch  ift  hier  alles  eigen- 
thümlich  vermengt.  Ohne  den  Vergleich  mit  jenen 
beiden  Bildern  wäre  der  Abyffus,  noch  weniger  der 
betende  Engel,  derRefldes  Empyreums.kaum  verftänd- 
lich.  An  Stelle  der  iVIandorla  ift  nun  die  Sonne  getreten, 
durch  die  Abflüße  des  Teiches  find  die  Paradiefes- 
flüße  angedeutet. 

2.  a)  Erfchaffiing  des  Adam  (Gen  II,  7);  bj  der 
£va{Gen.  11,22).  Rechteckig  von  einer  zinnengekrönten 
Mauer  umgebener  Garten  mit  zwei  Bäumen;  links  Gott 
Vater  fegnend,  mit  der  Linken  dem  in  Lehm  flecken- 
den Menfchen  heraushelfend.  Rechts  abermals  Gott 
fegnend;  Eva  fleigt  aus  der  Seite  des  fchlafenden 
Adam. 


Auch  hier  zeigt  fich  gegenüber  der  älteren  Dar- 
ftellungsweife  eine  merkwürdige  Neuerung.  Während 
in  den  älteren  Bildern  Gott  Vater  den  Menfchen,  der 
am  Boden  liegt,  aus  Lehm  formt  und  ihm  die  Seele 
einhaucht,  zieht  er  hier  denfelben  —  in  kaum  minder 
finnreicher  Weife  — •  aus  dem  Lehm,  etwa  anfpielend 
an  Pfalm  112.  Conventioneller  ift  die  zweite  Dar- 
flellung;  das  Streben  nach  Naturwahrheit  zeigt  fich  in 
der  Art  des  Hervorgehens  der  Eva. 

3.  Das  Gebot  (Gen.  II,  16).  Der  Garten  wie  vorher 
eingezäunt;  in  der  Mitte  der  Baum  mit  Früchten. 
Links  Gott  Vater  darauf  hinweifend,  rechts  die  beiden 
Menfchen,  die  Hände  gefaltet.  —  Gegenüber  den  älteren 
Bildern  in  Gurk  und  Pißweg  ifl:  es  auffallend,  dafs  Gott 
hier  nicht  mehr  die  Gefetzesrolle  hält,  obfchon  die 
Handhaltung  darnach  ifl;;  offenbar  ein  Mifsverftändnis 
des  Malers. 

4.  Vertreibung.  (Gen.  III,  23).  Links  die  Pforte, 
rechts  der  Baum  mit  den  Früchten,  von  deffen  Stamm 
die  Schlange  mit  dem  Apfel  herabfallt.  Ein  Engel  in 
reichem  Gewände  —  ohne  Nimbus  —  treibt  mit  hoch- 
erhobenem Schwerte  beide  die  Früchte  effenden 
Menfchen,  welche  fich  zugleich  die  Feigenblätter  vor- 
halten, aus  dem  Paradiefe.  —  Die  Darftellung  des 
Sündenfalles  felbft  hat  der  Meifter  weggelaffen,  und 
hier  nur  angedeutet.  Beachtenswerthifl  die  vom  Baume 
fallende  Schlange  in  Anfpielung  auf  Gen.  III,  14,  welche 
fich  in  ähnlicher  Weife  bereits  auf  Sarkophagen,  fowie 
auch  in  S.  Marco  zu  Venedig,  und  in  der  Alcuins- 
bibel' findet.  Von  verwandten  Darftellungen  fei  die  des 
Faftentuches  zu  Hainburg  genannt,^  und  gleichzeitig 
bemerkt,  dafs  dort  die  Schlange  bereits  einen  -weib- 
lichen gekrönten  Kopf  hat. 

5.  Adam  ackert,  Eva  fpinnt  (Gen.  III  16  f.).  Gebir- 
gige Gegend,  links  ein  Zelt;  vor  demfelben  fitzt  Eva, 
mit  Fell  bekleidet,  an  einem  Spinnrocken  arbeitend, 
ein  Kind  an  der  Bruft,  das  andere  hält  fich  an  ihr  Kleid 
Rechts  ackert  Adam  mit  Haue  ;  ein  Engel  vom  Himmel 
kommend  wirft  Samen  auf  die  Erde.  Diefe  Darftellung 
wird  fchon  früh,  z.  B.  bei  Ermoldus  Nigellus  erwähnt 
und  findet  fich  vielfach  dargeftellt,  in  ziemlich  gleicher 
Weife,  fo  in  Monreale,  der  Bibel  von  S.  Paolo  fuori, 
S.  Marco  etc.,  ebenfo  auch  im  fpäteren  Mittelalter,  z.B. 
am  Haimburger  Faftentüch.^  Neu  ift  der  famenftreu- 
ende  Engel,  offenbar  eine  finnreiche  Anfpielung  an  die 
Bezeichnung  des  Brodes  als  Gabe  Gottes. 

II.  Reihe,  e.rty*  Opfer  des  Abel  und  Kam  (Gen.  IV  3), 
bJ  Tod  des  Abel  (Gen.  IV  8).  Abel  bringt  fein  Opfer 
knieend,  Kain  ftehend  Ober  ihnen  erfcheint  Gott 
Vater,  erftern  fegnend,  letztern  mit  der  Linken 
abweifend.  Rechts  davon  erfchlägt  Kain  feinen  Bruder 

1  Leit/chuli:  Schätze  der  königlichen  Bibliothek  zu  Bamberg. 
-  Kunfttopographie    des    Herzogthums    Kärnten      S.    loi.     Hann :    Die 
F.nftentücher  in  Kärnten.  Carinthia  82,   S.  48. 

3  Durch  Reftauralion  verdorben   und  entftellt. 


—       212 


mit  einem  Drefchflegel.  Im  Rahmen  oberhalb  die 
Infchrift :  Das  Opher  Kae  abell.  Kaem  erfing  Käe  ab//. 
Gegenüber  der  Vorhalle  hat  die  Darftellung  nicht 
gewonnen;  der  Meifter  war  bemüht,  die  Frömmigkeit 
Abels  und  die  Gottlofigkeit  des  anderen  auf  möglichft 
neue  Art  zu  geben.  In  der  zweiten  Darftellung  ift  der 
Knüttel  Kain's  zum  Drefchflegel  geworden.' 

7.  Ennoch  wird  entrückt  (Gen.  V,  24).  Links  die 
Pforte  des  Paradiefes  und  ein  13aum  mit  Früchten;  ein 
Engel  mit  langem  weißem  Gewände  und  Stola  führt 
Ennoch,  einen  Greis  mit  entfchieden  jüdifchem  Typus, 
dahin.  Am  Rande  die  Infchrift:  Enocli  bardt  in  das 
paradis  gefiirt.  In  diefer  nicht  fehr  häufigen  Darfteilung 
unterfcheiden  fich  zwei  Arten:  Ennoch,  wie  hier  vom 
Engel  oder  von  Gott  Vater  geführt,  fo  am  Verduner 
Altar,  oder  auch  fchwebend  beim  Schopf  gepackt. 
(Biblia  Paup.  XXXIV.)" 

8.  Die  Sündflut  (Gen.  VII,  VIII).  Waffer;  vorne 
der  Gipfel  eines  Berges.  Im  Waffer  fchwimmt  die 
Arche,  ein  auf  ein  Schiff  geftelltes  Haus  mit  Oeffnun- 
gen  in  den  Wänden.  An  der  Giebelfeite  links  erfcheint 
Noah,  dem  die  Taube  den  Oelzweig  bringt;  durch  die 
Oeffnung  an  der  Seite  erblickt  man  die  in  der  Arche 
befindlichen  Menfchen  und  Thiere.  Vorne  am  Berg 
frifst  der  Rabe  ein  Aas;  ein  Fifch  tummelt  fich  im 
Waffer.  Im  Rahmen  oberhalb  die  Infchrift:  Dyee  archen 
noy.  Merkwürdig  kurz  erfcheint  die  fo  populäre 
Gefchichte  des  Noah  hier  behandelt  und  auf  die  zwei 
allerdings  bekannteften  Scenen  befchränkt.  Die  erfte 
hier  gibt  die  Sündflut,  in  der  altchriftlichen  Kunft 
bekanntlich  eine  der  beliebteften  Darftcllungen.  Die 
Gurker  bietet  nur  Anklänge  an  ältere;  fo  ftehtNoah  wie 
am  Vcrduner  Altar,  Speculum  etc.  an  der  Giebelfeite 
der  Arche,  ebenfo  findet  fich  im  letzteren  Cyclus  der 
Rabe. 

9.  Noahs  TriinkenJieit  (Gen.  IX,  21 — 23).  Rechts 
der  Weinftock,  an  dem  ein  Ziegenbock  frifst.  Vorn 
liegt  Noah;  links  fteht  Cham,  auf  ihn  weifend,  rechts 
davon  die  Brüder,  einen  Mantel  über  den  Vater 
deckend,  anderfeits  fich  die  Hand  vor  das  Geficht 
haltend.  Am  Rande  die  Infchrift:  noy  lag  verfchamlcr 
pockk  an  weinflohli.  Der  Dispofition  nach  fchließt  fich 
diefes  Bild  wieder  der  Vorhalle  an;  beachtcnswerth  ift 
das  Vorhalten  der  Hände  —  mit  etwas  auseinander- 
gefpreizten  Fingern  —  was  fich  auch  bekanntlich  an 
Gozzoli's  Bild  im  Campo  Santo  zu  Fifa  findet,  hierkaum 
minder  naiv  bei  dcffen  Söhnen  gegeben.  Der  Bock  am 
Weinftock,  der  den  Meifter  derart  intereffirte,  dafs  erauf 
denfelben  fogar  durch  die  Infchrift  aufmerkfam  macht, 
ift  wohl  weniger  als  Andeutung  an  den  Schaden  wie 
als  allgemeines  Symbol  der  Lüfternheit  beigegeben; 
dcrfelbe  findet  fich  bei  diefer  Darfteilung,  z.  B.  im 
Cyclus  von  Gorkum,'"'  fowie  auch  in  Haimburg. 

10.  Der  Bau  von  Babylon  (Gen.  XI).  Links  der 
Thurm,  eben  im  Bau  begriffen,  rechts  die  Bauhütte. 
Arbeiter  aller  Art  find  herum  befchäftigt.  Im  Rahmen 
üben  die  Infchrift:  Das  paw  babolony.  Der  Thurm  zeigt 

•  I)ic  DArftellnng  des  Haimburger  Kaflcntuches  ift  ni.ißigcr;  als  Mord- 
inftrumcnl  dient  die  Haue.  \>ct  Rauch  ift  crft  durch  die  Kcftauration  hinzu- 
gekommen. 

-  Am  Haimburgcr  Faftcnluch  findet  Heb  ftatt  diefer  Darfteilung  die 
'fodtung  Kain's  durch  Lamech  (Gen.  IV,  33  0- 

»  Schnaa/t  Gcfch.  der  Kiinftc  V.  516;  datfelbe  im  Tiibingcr  Kunftblatt 
1B47,  S.  39.  Die  Wandgemälde  find  in  Karben  veröffentlicht  von  Jan/en: 
Mnrfchildcrijcn  der  fan  Janskerk  tc  Gorinchen, 


hier  wie  auf  älteren  Denkmälern  Thore;  \-om  Sprachen- 
wunder  ift  weiter  nichts  zu  bemerken. 

III.  Reihe,  ii.  Untergang  von  Sodoma  (Gen.  XIX). 
Links  die  brennende  Stadt,  davor  Loth's  Weib,  die 
Hände  gefaltet,  grau,  zu  Salz  werdend,  rechts  von  ihr 
Loth,  den  ein  Engel  mit  redender  Geberde  führt.  Im 
Bilde  oben:  Dye  verprc7inng  fodome fara  ein  J/ain.  Das 
Strafgericht  über  Sodoma  findet  fich  fehr  häufig  darge- 
ftellt,  z.B.  in  der  Wiener  Genefis,  Biblia  paup.,  Specu- 
lum, Zittau  u.f  w.  Amintereffanteften  aber  erfcheint  der 
Vergleich  mit  der  Darfteilung  von  Monreale.  Die  Dis- 
pofition ift  dort  diefelbe,  alles  aber  viel  ausführlicher; 
aus  der  brennenden  Stadt  fehen  Todtenköpfe  heraus, 
Loth  und  Töchter  fliehen;  das  Weib  des  Loth  fieht 
zurück,  die  Hände  abwehrend  vor  fich  haltend.  Der 
Meifter  des  Faftentuches  —  oder  die  Ueberlieferung  — 
hat    dies  mifsverftanden  und  gibt  die  Hände  gefaltet. 


oniüidnfipnnttoitiitT 


Fig-  5- 

12.  a)  Opfer  Ifaaks  (Gen.  XXII),  b)  Melchifcdech 
(Gen.  XIV,  l8).  Die  linke  Hälfte  zeigt  eine  gebirgige 
Landfchaft,  rechts  einen  Baum.  Ifaak  kniet  am  Boden, 
das  Holz  am  Rücken,  Abraham  erfafst  ihn  am  Kinn 
und  hat  das  Schwert  erhoben,  das  der  herbeifclnve- 
bende  Engel  aufhält.  Am  Baume  der  Widder.  Die 
rechte  Hälfte  zeigt  uns  Melchifedech  mit  Talar  und 
Mantel  bekleidet,  am  Haupte  eine  zipfelartige  Mütze; 
über  die  Arme  hat  er  ein  Tuch  gelegt,  darin  l'.rotc 
liegen,  in  den  Händen  hält  er  eine  Kanne.  Am  Himmel 
erfcheint  Gott  Vater.  Im  Gegenfntz  zu  zahlreichen 
Monumenten,  welche  die  Begegnung  Abrahams  mit 
Melchifcdech  fcliildern,  erfcheint  der  letztere  hier  in 
feinem  eigentlichen  Berufe  „als  Pricfter  des  AUerhoch- 
ften".  Angedeutet  findet  fich  dies  mehrfach  z.  B.  in 
der  Wiener  Genefis;  das  Opfer  am  Altare  allein 
fiiukt    ficli    am    Vcrdnnri-    .Altar    und    an  einem    Glas- 


213 


geinälde  zu  Klofterneiibui'g,' auf  letzterem  fafi:  als  Meffe 
gelchildeit. 

13.  Der  Segen  Isaaks  (Gen.  XXVII).  Links  das 
Haus  in  deffen  Inneres  man  ("leht,  rechts  freie  Gegend. 
Im  Haufe  fitzt  auf  einem  Krankenftuhl,  mit  einer  grünen 
Decke  bedeckt,  Ifaak;  er  fegnet  den  mit  einer  Schüffel 
herbeikommenden  Jacob.  Hinter  dem  Stuhle  fteht 
Rebekka,  die  Hände  gefaltet.  Rechts  tritt  eben  Efau 
mit  der  Jagdbeute  in  das  Haus  und  zeigt  erftaunte 
Geberde.  Wie  in  der  Vorhalle  ift  auch  hier  Ifaak  fitzend 
dargeftellt,  deffen  gebrechliches  Alter  hier  aber  ftärker 
betont  ift.  Rebekkas  betende  Gefte  veranfchaulicht 
freilich  wenig  ihre  That,  dagegen  fehlt  Efau  nicht. 

14.  Die  Himmelsleiter  (Gen.  XXVIII,  11 — 22).  Ein 
von  einem  Zaun  umfriedeter,  nach  rechts  abfallender 
Platz,  in  der  Mitte  ein  runder  Stein.  Links  davon  kniet 
Jacob,  ein  Greis,  denfelben  mit  Oel  begießend.  Ueber 
Jacob  erfcheint  Gott  Vater,  welcher  mit  drei  über  eine 
vor  ihm  angelehnte  Leiter  gehenden  Engeln  fpricht. 
Die  Engel  zeigen  weiße  duftige  Gewänder  und  rothe 
Flügel.  Diefer  Darftellung  begegnen  wir  in  der  Gurker 
Empore  und  in  Pißweg,  doch  beidemale  ganz  archi- 
tektonifch  gefafst^  dafs  fie  hier  weniger  in  Betracht 
kommen.  Sehr  verwandt  dagegen  erfcheinen  die  Dar- 
ftellungen von  Monreale,*  Salerno,''  Ravello,*  M.  S. 
Angelo*.  Gewöhnlich  find  nur  zwei  Engel,  einer  auf-, 
der  andere  abfteigend,  gegeben,  z.  B.  Antiphonar  von 
St.  Peter  in  Salzburg".  In  letzterem  ift  Jacob  wie  hier 
nicht  fchlafend,  fondern  den  Stein  begießend  darge- 
ftellt; ältere  Cyclen,  z.  B.  in  Monreale  oder  die  Mill- 
ftätter  Genefis'  geben  dies  oft  in  einem  eigenen  Bilde. 

15.  Jofeph  lüird verkauft  {Gftw.  XXXVII). Hügelige 
Gegend,  links  vorn  der  Brunnen.  Dahinter  ftehen  die 
Brüder  Jofeph's  in  Unterhandlung  mit  den  beidenKauf- 
leuten,  welche  ihnen  eben  eine  Pinie  übergeben.  Rechts 
im  Vordergrunde  ein  Pferd  mit  gefpaltenen  Hufen, 
dahinter  ein  zweites,  alfo  wohl  Kameele.  Auf  dem 
vordem  fitzt  Jofeph  fich  umwendend,  auf  dem  anderen 
die  Käufer.  Im  Bilde  oben:  Jofeph  wad  vercliaift 
und  gefurt  in  egypten.  Mit  voUftändiger  Vernachlaffi- 
gung  der  vorherigen  Begebenheiten,  welche  die  Cyclen 
von  Maria  Maggiore,  die  Wiener,  wie  auch  die  Mill- 
ftätter  Genefis  fo  ausführlich  fchildern,  langen  wir  mit 
diefem  Bilde  bereits  bei  der  Gefchichte  Jofeph's  an.  Von 
Verwandtfchaft  mit  älteren  Bildern  ift  hier  weiter  wohl 
nicht  die  Rede;  die  fonderbaren  Kameele  finden  fich 
übrigens  ganz  ähnlich  am  Dreikönigsbild  in  der  Johan- 
nis-Capelle  zu  Brixen.^ 

IV.  Reihe,  16.  Jacob  kommt  nach  Acgypten  (Gen. 
XL  VI).  Links  das  Stadtthor,  zu  dem  eine  Zugbrücke 
führt.  Aus  dem  Thorekommt  JofephinreichemGewande, 
hinter  ihm  noch  unter  dem  Thore  ein  Mann  und  Weib. 
Jofeph  geht  feinem  Vater  entgegen,  dem  deffen  Söhne 
mit  Weibern  und  Kameelen  folgen.  Aus  einem  Fenfter 
über  dem  Stadtthore  blickt  der  König  heraus.  Am 
Rande  oben  aber  fteht:  Jofeph  was  ein  her  in  egiptenfein 
vater  mit  den  bniedrn  kam  su  ilii.  Diefe  Scene  gibt 
nur  das  Malerbuch  in  ähnlicher  Weife  an,  auch  die 
Pferde. 

•  Jahrb.  der"Centr.-Comni.  II.  Taf.  2. 

-  Gravina,   41. 

ä  Rohault:  La  Meü'e  p.  LXXXIX. 

»  Schul:,  Denkmaler  von  Unteritalien  Taf.  XIX. 

5  Ebenda  Taf.  XXXIX. 

«  Mitth.  der  Centr.-Comm.  14,   S.  183.  .     .    -r   i 

■  Diemer,  Genefis  und  Exodus  nach  der  Millftatter  Handfchrift  1..  b.  45- 

»  Repertorium  für  Kunftwiffenfchaft,  VI,  126. 


1 7  aj  Ertränkitng  der  Jndeiiknaben  \\L-x..  1),  b)  Fin- 
dung Mofis  (Ex.  II).  Waffer;  links  der  König  vor  ihm 
zwei  Knechte,  welche  die  nackten  Kinder  ertränken. 
An  das  Uler  rechts  ift  die  Königstocher,  in  weißem 
Gewände,  am  Haupte  die  Krone,  getreten,  hinter  ihr 
die  Begleiterinnen;  im  Waffer  watet  eine  Frau  und 
hält  ihr  den  Korb  mit  dem  darinliegenden  Knäblein 
entgegen.  Im  Bilde  oben:  Dye  tochter  pliaronis  Ines 
aiiff  vachen  Moyfes  inder  reufchen.  Diefes  Bild  congbi- 
nirt  zwei  Darftellungen  nach  einem  Schema,  welches 
fich  fchon  auf  alten  Monumenten,  z.  B.  der  Bibel  von 
St.  Paolo,'  fpäter  auch  in  Emaus  in  Prag^  findet. 

i8.  Der  brennende  Dornbnfch  (Ex.  III).  Felfige 
Gegend,  rechts  der  Bufch;  darüber  erfcheint  Gott 
fegnend,  in  der  Linken  drei  Stäbe  haltend.  Vor  dem 
Baum  kniet  Mofes  mit  langem  Bart,  die  Schuhe  aus- 
ziehend. Im  Rahmen  oben:  Moyfes  fach  prinen  den 
pnfch  und  den  lieren  darinen.  Diefe  Darftellung  erzählt 


Fig   6. 

den  biblifchen  Bericht  in  fchlichter  Weife  nach;  etwas 
unklar  erfcheinen  die  drei  Stäbe  in  der  Hand  Gottes, 
die  wohl  nur  auf  das  Wunder  mit  dem  Stabe  gedeutet 
werden  können;  ähnliche  Mifsverftändniffe  finden  fich 
fpäter  mehrfach. 

19.  Tödt2ing  der  Erßgeburt  (Ex.  XII,  29).  Links 
ein  Thor  mit  Zinnen,  wohl  der  königliche  Palaft.  Eine 
Anzahl  Todter  bedeckt  den  Boden,  zuvorderft  der 
Sohn  des  Königs  mit  Krone.  Aus  dem  Palaft  tritt  der 
KönicT  und  ein  anderer  Mann  mit  verzweifelter  Geberde. 
Rechts  fchwebt  von  Wolken  umgeben  Gott  Vater  mit 
ausgeftrecktem  Zeigefinger.  Im  Rahmen  oben:  Der 
Jlerben  tind  saichen  in  egipten.  Vom  Auszuge  der 
Israeliten  find  hier  zwei  Scenen  gegeben;  diefes  erftere 
fchildert  in  anfchaulicher  Weife  die  letzte  und  größte 
Plage,  infolge  deren  Pharao  die  Söhne  Jacob's  ziehen 
läfst.  Nicht    der  Engel   mit    dem  Schwerte  tödtet,  wie 

'  Agincourt  XLI.,  3. 
=  Grueber  III,  S.  116. 


214 


am  Verduner  Altar,  foiidern  das  Wort  Gottes,  der 
unfichtbar  über  den  Menfchen  fchwebt. 

20.  Das  Elfen  des  Oßerlanimes  und  Atissng  der 
Israelitefi  (Ex.  XII).  Links  die  Stadt,  davor  ein  Mann 
und  Weib,  im  Begriff  große  fchwarze  (filberne)  Gefäße 
einzupacken;  rechts  die  Juden  mit  den  Spitzhüten  ab- 
ziehend, am  Ofterlamm  nagend;  ihnen  folgt  ein  Mann 
ohne  Hut,  mit  eingehülltem  Haupt,  wie  es  fich  aus  den 
fpäteren  Bildern  ergibt,  ein  Priefter.  Am  Rande  oben: 
Das  ejfen  des  Laps  Jind  aiisgang  der  cliinder  von  isrl. 

V.  Reihe,  21.  Untergang  des  Pharao  (Exod.  XIV, 
24  f).  Meer,  rechts  das  Ufer.  Am  Ufer  dichtgedrängt 
die  Juden,  voran  Mofes  mit  erhobenem  Stab.  Ihnen 
nach  ift  zu  Wagen  Pharao  gefolgt,  hinter  ihm  Soldaten. 
Pharao  hält  eine  Fahne  mit  Mohrenkopf  Die  Efel,  die 
feinen  Wagen  zogen,  find  zufammengeftürzt.  Im  Rahmen 
oben:  Dye  ertrenchnis  des  wagens atiff  dem  roeten  nier. 
Im  Gegenfatz  zu  den  großartigen  Darftellungen  der 
älteren  Zeit,  z.  B.  in  M.  Maggiore,  der  Bibel  von 
S.  Paolo  etc.,  zeigen  die  i'päteren  einen  entfchiedenen 
Rückgang,  fo  auch  die  bibl.  paup.  Die  vorliegende  ill: 
wohl  eine  der  allernaivften  und  unbeholfenften;  viel 
bedeutender  ift  die  Darftellung  am  Hainburger  Faften- 
tuche;  das  Meer  ift  dort  roth. 

22.  a)  Mannafegen  (Ex.  XVI,  14),  b)  Mofes 
etnpfängt  das  Gefetz  (Ex.  XV  14).  Rechts  ift  das  Volk 
befchäftigt,  die  als  Hoftien  mit  Kreuz  dargeflellten 
Brote  einzufammeln,  welche  die  aus  Wolken  hervor- 
ragende Hand  Gottes  fpendet.  Rechts  davor  kniet 
der  mit  Ochfenhörnern  verfehene  Mofes.  Gott  reicht 
ihm  aus  den  Wolken  die  Gefetzestafeln  mit  dem  para- 
doxen Spruch:  gelab  in  ainen  galt  nicht.  Im  Rahmen 
oben:  Das  himelbrot  in  der  zvtiß  vioyfes  mit  den  tafeln. 
Beide  Darftellungen  bieten  außer  den  felbftredenden 
Befonderheiten  wohl  wenig  bemerkenswertes.  Das 
Haimburger  Faftentuch  ftellt  neben  der  Gefetzgebung 
das  goldene  Kalb  dar. 

23.  Die  eherne  Schlange  (Num.  XXI,  9).  F"elfige 
Gegend.  In  der  Mitte  auf  gabelförmigem  Pfahl  die 
Schlange  von  grüner  Farbe;  rechts  Mofes  mit  dem 
Stab  darauf  weifend;  zu  ihm  gewandt  knieen  Juden, 
mit  bittender  Geberde,  links  liegt  eine  Anzahl  Sterben- 
der, welche  fich  abgewendet  haben.  Im  Bilde  oben: 
Dy  anjfgehengte  flang  von  moyfi  zwifclien  lebentig  und 
tot.  Wie  in  der  Vorhalle  ift  auch  hier  die  Schlange  in 
der  Mitte  des  Bildes  aufgehängt,  aber  geringelt;  der 
zweite  Anführer  fehlt,  ebenfo  die  feuerfarbigen  Schlan- 
gen; auffallend  ift  es,  dafs  die  Genefenden  niclit  auf  die 
Schlange,  fondern  auf  Mofes  blicken. 

24.  Die  zwölf  Stäbe  werden  in  das  heilige  Zelt 
gelegt  (Num.  XVII,  6).  Links  die  Stift.shülte,  in  deren 
Inneres  man  ficht;  darin  fteht  die  Bimdeslade,  in  Form 
eines  bedeckten  Altares,  darauf  der  Leuchter,  fowic 
die  Stäbe  in  zwei  Bündeln  gekreuzt  übereinander 
liegend.  Vor  dem  Zelte  kniet  das  Volk.  An  die  Lade 
find  zwei  Priefter  getreten;  der  links  blickt  gegen  das 
Volk  mit  redender  Geberde.  Im  Rahmen  oben:  Dy  XU 
nieten  iitnb  arons  briflerfchaft.  Eine  etwas  verwandte 
Darftellung  bietet  der  Verduner  Altar  in  der  Bergung 
des  Manna,  noch  mehr  griechifche  Mofaikcn,  z.  B.  das 
im  M.  Theototos  in  Conftanlinopel,  welch  letzteres 
Zacliarias  vor  den  zwölf  Ruthen  betend  darfteilt.'  Die- 

'  Photogr.iphie  Leval  Condnntinopet  Nr.  33  der  crkL-iicndc  Katalog 
v«>n  Faxcal  Sf/'ach. 


felben  liegen  nebeneinander  auf  der  Bundeslade  oder 
Altar  unter  einem  Ciborium;  eine  ähnliche  Darfteilung 
mag  dem  Meifter  vorgelegen  haben. 

25.  jFob  am  Afclienhaufen.  Felfige  Gegend ;  links 
liegt  Job  mit  Beulen  überdeckt  wie  fchlafend,  hinter 
ihm  ein  dreiköpfiger  Teufel,  ihn  mit  der  Geißel  fchla- 
gend.  Rechts  flehen  deffen  drei  Freunde  mit  lebhafter 
Geberde,  daneben  das  Weib  auf  Job  zeigend.  Im  Bilde 
oben :  hie  leit  Job  anff  dem  miß  fein  beib  pei  im.  Wäh- 
rend das  Bild  der  Vorhalle  in  Bezug  auf  die  Freunde 
wie  auf  den  Teufel  ziemlich  vereinzelt  dafteht,  ift  hier 
eine  größere  Reihe  verwandter  Darftellungen  erhalten. 
Job's  Weib,  mit  fpottender  Geberde  an  Cham  erin- 
nernd, findet  fich  faft  durchwegs  neben  den  Freunden 
dargeftellt.  Am  meiften  Intereffe  bietet  der  Teufel. 
Seine  dreiköpfige  Geftalt  —  die  Seitenköpfe  find  frei- 
lich eigentlich  nur  an  deffen  Oberarme'  —  im  Gegen- 
fatz zu  der  durch  das  Tridentinum  verbotenen  Darftel- 
lung der  Trinität,  findet  fich  als  das  Bild  des  Lucifer 
fehr  oft,  bekanntlich  bei  Dante,  danach  im  Campo 
Santo  zu  Pifa,  fowie  in  Miniaturen^.  Der  Teufel  Job 
fchlafend  findet  fich  in  ganz  ähnlicher  Weife  in  einer 
Handfchrift  zu  Herzogenburg,  aber  nur  einköpfig.* 

VI.  Reihe,  26.  Traivn  des  Jcjje  (Isaias  XI,  vgl. 
Römer  XV,  12).  Gemach.  Auf  einem  Bette  unter  reich- 
geftickter  Decke  liegt  Jeffe  fchlafend;  feinem  Schöße 
entfprleßt  ein  Baum  mit  drei  Blätterkronen,  dazwifchen 
die  Madorina  mit  dem  Jefuskinde,  welches  auf  Jeffe 
weist.  Im  Bilde  oben:  Jeffe  fach  in  dem  flaff  dy  f nicht 
des  pawmes.  Die  Wurzel  des  Jeffe  war  im  Mittelalter 
ein  fehr  beliebter  Gegenftand  für  Darftellung;  der  Reft 
der  Schnitzereien  des  linken  Thürflügels  der  Vorhalle 
gehörte,  wie  oben  bemerkt,  einer  folchen  an.* 

In  unferem  Cyclus  bildet  diefe  prophetifche  Dar- 
ftellung den  Anfang  der  zweiten  Hälfte  der  Bilder  des 
alten  Bundes,  wo  nun  die  Begebenheiten  nach  dem 
Einzug  in  das  gelobte  Land  gefchildert  werden. 

Das  alte  Teftament  ift  hier  nicht  mehr  in  ante 
legem  und  sub  lege  getheilt. 

27.  Jofua  und  die ßillßehende  Sonne;  T'ödtung  der 
Amorrhiter-Kö?iige  (Jud.  X  13  —  27).  Links  Jofua 
gcrüftet  im  reichen  hermelingefütterten  Mantel;  er 
holt  hoch  zum  Streiche  aus  und  fchlägt  der  Reihe 
nach  fünf  vor  ihm  befindlichen  Königen  die  Köpfe  ab; 
rechts  im  Hintergrunde  ftehen  gerüftete  Ifraeliten. 
Am  Himmel  werden  Sonne  (gelb)  und  Mond  (grün) 
nebeneinander  fichtbar.  Am  Rahmen  oben:  lofue 
macht  um  den  chinigg.  Diefe  Darftellung  entfpricht 
dem  Bibeltext  natürlich  nur  beiläufig  und  ift  keines- 
wegs etwa  den  älteren  von  Maria  Maggiore  oder  dem 
Jofue  des  Vatican  zu  vergleichen;  der  Befehlshaber 
fchlägt  hier  höchft  eigenhändig  die  Köpfe  ab.  Das 
berühmte  Wunder  von  der  ftillftehenden  Sonne  und 
Mond  hat  der  Meifter  mit  diefer  Scene  verbunden 
und  diefelben  in  gewöhnlicher  Weife  dargeftellt,  wie 
aus  der  Cod.  von  Michclbeuern  dies  bei  der  Schö- 
pfungsgefchichte  zeigt." 

'  Vgl.  liidron  IconoKr.iphic  crcticnnc  S.  545. 

*  Vyl.  Neuivirlh  Studien  a.  a.  O.  .S.  183. 

*  V>;1.  meine  Arlicit.  Mittli.  der  Cciitr.-Comm.  N.  F.  15.  S.  174.  In 
Bezug  auf  die  darin  cpifodifch  crwiduilc  IJefijhreibung  des  Paulinus  und  das 
ApOsinofiiik  in  .S.  Apollinare  zu  Ravenna  ift  nachzutraben,  dafs  über  dicfen 
(Jcgenftand  Herr  Prof.  IJr.  F.  IVichhoff  in  der  röm.  (^)uartalfchrift  Jahrg.  1890 
eine  umfangreirhc  .Studie  verofTcntlicht  und  mich  fchon  früher  gelegentlich  der 
Ueliungcn   auf   diefen  Gegenftand  aufmcritfam  gemacht  hat. 

*  Die  Erklärungen  von  Xeuwirth  a.  a.  O.  S.  140.  der  z.  IJ.  das  grüne 
Geftirn  al«  Sonne,  d.is  gijlbe  als  Mond  ausgibt,  liat  fchon  RicsL  Mitth.  des 
liiftitutcs   für  öftcrr.   Gefchichtsforfchung  VUI,  663.  bcriclitigt. 


215 


28.  Gideons  Fell  (Jud.  VI,  37).  Felfige  Gegend; 
links  kniet  betend  Gideon,  als  blonder  Jüngling,  voll- 
gerüftet;  vor  ihm  (halb  verwifcht)  das  Fell,  darüber 
eine  Wolke.  Am  Rahmen  oben :  Gideon  fach  ein  vell 
nas.  Das  von  Gideon  auf  die  Tenne  gelegte  Fell,  wel- 
ches ihm  durch  denThau  das  Zeichen  zur  Schlacht  gibt, 
wird  im  Mittelalter  nicht  feiten  dargeftcUt,  meill:  als 
Vorbild  der  Verkündigung,  fo  im  Speculum  und  der 
Bibl.  paup.;  auch  das  Ausfehen  Gideon's  ift  durchwegs 
dasfelbe;  bisweilen  fchwebt  ein  Engel  vom  Himmel 
herab.  Die  Darfteilung  der  Vorhalle  kommt  hier  in 
keiner  Weife  in  Betracht. 

29.  Samfon  tödtet  die  Philißer  (Jud.^XV,  16).  Links 
Samfon  weit  ausfchreitend,  mit  einem  ungeheuren 
Efelskinnbacken  auf  eine  Reihe  Philifter  losfchlagend. 
Er  hat  fo  eben  einem  vollgerülleten  Angreifer  den 
Panzer  am  Bauche  voUftändig  zertrümmert;  andere 
halten  fich  die  Köpfe,  wieder  andere  flehen  um  Gnade 
oder  lind  bereits  todt.  Im  Rahmen  oben:  Sarnfan 
er/lug  dy  philißern  mit  der  efelchewzin  tod. '  Die  Dar- 
Itellung  fchließt  fich  unmittelbar  an  die  Vorhalle  an 
mit  dem  Beftreben  nach  größerer  Mannigfaltigkeit;  die 
Coftüme  hat  der  Meifter  nach  feiner  Zeit  umgebildet. 

30.  Samuel  falbt  Sani  (i  Reg. X).  Gothifche  Halle; 
rechts  auf  einem  riironeSamuel  im  hohenprielterlichen 
Gewände;  er  hält  in  der  Linken  das  Salbgefaß;  vor 
ihm  kniet  Saul  in  reichem  Gewände,  die  Krone  auf 
dem  Haupte;  Samuel  falbt  ihn  auf  der  Stirn.  Im  Hin- 
tergrunde werden  ein  jugendlicher  Schwertträger  und 
zwei  altere  Männer  fichtbar.  Im  Rahmen  oben:  Saniucll 
macht  den  erßen  chinig  in  IJraliell.  Diefe  Darftelkmg 
entfpricht  in  keiner  Weife  dem  biblifchen  Bericht  und 
ift  frei  erfunden  einer  Königskrönung  nachgebildet. 

VII.  Reihe  31.  David  erßlilägt  Goliath  (i  Reg. 
XVII).  Links  auf  einem  Felfen  eine  Burg.  Vorn  käm- 
pfen miteinander:  links  ein  kleiner  zwergartiger  Mann, 
David  in  fchwerer  Rüftung  auf  ein  großes  Schwert 
geftützt,  eine  Schleuder  fchwingend,  ihm  gegenüber 
ein  fafl  doppelt  fo  großer  Goliath  in  grünem  unten 
fehr  ausgebreiteten  Harnifch,  breitem  Hut  am  Haupte, 
die  Beine  jedoch  ohne  Panzerung.  Diefer  holt  zum 
Streiche  mit  einer  Stange  aus,  von  deren  Ende  drei 
Gewichte  herabhängen.  Er  ift  an  der  Stirn  ver- 
wundet und  mit  Blut  überftrömt.  Vor  der  Burg  fitzt 
ein  König  mit    einer    jugendlichen    und    einer  älteren 

Frau.    Den  Vorgang  erläutert  die  Infchrift: der 

chlain  dautt  den  groffen golias  da  pey  faull.  Diefe  Dar- 
flellung  zeigt  in  höchft  anfchaulicher  Weife,  wie  der 
Meifter  die  biblifchen  Berichte  nacherzählt.  Die 
Gefchichte  der  Tödtung  des  Goliath  durch  David  als 
Zweikampf  findet  fich  allerdings  mehrfach,  z.  B.  in 
einem  Choralbuch  in  Vorau,  jedoch  ohne  die  weiteren 
Abfonderlichkeiten,  die  fich  hier  zeigen;  bei  unferem 
Bilde  tritt  deutlich  das  unbeholfene  Beflreben,  genau 
dem  Bericht  der  Bibel  zu  folgen,  zu  Tage.  Der  Mei- 
fler  las  Vers  7:  „Und  der  Schaft  feines  (Goliaths)  Spie- 
ßes war  wie  ein  Weberbaum  und  felbft  das  Eifen  feines 
Spießes  hielt  fechshundert  Seckel  Eifen."  Das  „Eifen' 
ifl  hier  durch  die  Gewichte  angegeben.  Weiter  V.  38 
f :  „Saul  zog  dem  David  feine  Kleider  an  und  fetzte 
ihm  den  ehernen  Helm  auf"  u.  f.  w.  Dies  las  der  Mei- 
ller, weiter  aber  auch  nicht  mehr,  nämlich  dafs  David 
dies  als   zu    fchwer  wieder  ablegte  und  in  Hirtenklei- 

^  Soll  iedenf;ills  esel-Kinzan  (Kinnezan)  heißen. 

XIX.  N.  F. 


düng,  nur  mit  der  Schleuder  bewaffnet  dem  Philifler 
entgegengeht.  Von  einem  Kampf  beider  ifi:  überhaupt 
nicht  die  Rede.  Auch  find  gegen  den  biblifchen  Bericht 
Saul  und  zwei  F"rauen,  wohl  die  Königin  und  Michol 
als  zufehend,  etwa  wie  bei  einem  Turniere  beigegeben. 
Beachtcnswerth  ift  es  auch,  dafs  Goliath  nicht"  voll- 
kommen gerüftet  ift,  wodurch  wohl  deffen  geringer 
Rang  angedeutet  fein  mag. 


Fig.  7- 

32.  a)  Peß  in  Israel  (2  Reg.  XXIV,  15),  b)  Tod 
des  Abfolon  (2  Reg.  XVIII,  9  f).  Links  David;  er  kniet 
betend;  vor  ihm  liegen  zahlreiche  Juden  am  Boden. 
Ober  David  erfcheint  in  einer  Wolke  der  Engel  mit 
langem  Schwerte  zu  ihm  fprechend.  Auf  diefe  Darftel- 
lung  bezieht  fich  die  Infchrift  oben  im  Rahmen:  Danit 
fach  den  zornigen  eng  eil. 

Rechts  hängt  mit  den  Haaren  Abfolon  am  Baum; 
fein  Thier  rennt  davon.  Mehrere  Reiter  fprengen  im 
Galopp  gegen .  ihn  heran  und  durchbohren  ihn  mit 
langen  Speeren;  das  Pferd  des  vorderen  beißt  noch 
obendrein  den  Getödteten. Neben  Abfalon  die  Infchrift: 
Abfolon  hing  am  pawm}  Anklänge  an  die  erftere 
Darftellung  bieten  mehrere  griechifche  Miniaturen, 
welche  Nathan  vor  David,  darüber  den  Engel  mit  dem 
Schwerte  zeigen,  fo  an  der  Thür  von  S.  Angelo,^  im 
Gregor  von  Nazianz  zu  Paris^  u.  f  w.  Die  zweite  Scene 
findet  fich  ganz  ähnlich  in  der  concordantia  caritatis 
zu  Lilienfeld,*  was  um  fo  merkwürdiger  erfcheint,  als 
diefes  umfangreiche  Bilderwerk  fonft  durchwegs  fehr 
freie  Darftellungen  aufweift.  Im  Speculum  wird  Abfo- 
lon, gegen  den  biblifchen  Bericht,  von  F"ußfoldaten 
getödtet. 

'     Spater,  doch    .infcheinend    von    derfelben     Hand     nachgetragen,     wie 
alle   folgenden  in  der  Uildflache  angebrachten  Infchriften. 
-  Schulz-Quaft  a.  a.  O.   I,  S.  242. 

^  Abgeb.  bei  Kon.iakoff  Hiftoire  de  1'  art  byzantin,  I  29. 
*  Vg  .   Heider,  Beiträge  a.  a.  O.   S.    Iig. 

29 


2l6         — 


S3.  Salonios  Urlheil  (3.  Reg.  III,  16).  Gewölbte 
Halle,  links  der  Thron;  darauf  fitzen  König  und  Köni- 
gin. Vor  ihnen  kniet  bittend  eine  Frau,  während  eine 
zweite  hinter  ihr  das  nackte  Knäblein  einem  vollgerü- 
fteten  Krieger  reicht  (fchlecht  erhalten).  Salomo  hat 
das    Scepter    erhoben.    Im    Rahmen    oben:    Salonion 

fprach   das  urtaill  zbijfcn Die   Darflellung  des 

Urtheils  findet  fich  in  der  mittelalterlichen  Kunft  nicht 
häufig;  fo  ill;  auch  diefes  Bild  ziemlich  frei  ausgefallen. 
Die  Frau  neben  Salomo,  welche  fich  auch  im  Speculum 
f  41  b  findet,  ift  dort  als  Betfabe,  Mutter  Salomos, 
welcher  diefer  neben  ihm  am  Throne  den  Platz  an  weift, 
bezeichnet  (3  Reg.  II,  19). 

34.  Tcmpelbau  Salonios  (3.  Reg.  ii).  Auf  einem 
befefligten  Berge  fleht  der  Tempel,  ein  phantaftifches 
Gebäude  mit  mehreren  Thürmen,  von  denen  zwei 
durchbrochen,  die  anderen  mit  Ziegeln  gedeckt  find. 
Zwei  Arbeiter  find  eben  mit  der  Aufführung  der  Befe- 
fligungsmauer  befchäftigt;  links  fitzt  auf  einem  Throne 
Salomo.  Im  Rahmen  oben  die  Infchrift:  Salonion  pawtt 
den  tenipell.  Der  Meifler  hatte  hier  eine  befeftigte 
Kirche  auf  einem  Berge  vor  Augen;  Beifpiele  hievon 
boten  fich  ihm  in  der  Umgegend  zur  Genüge. 

35.  NabucJiodonofor  erobert  Jerufaleni  (4.  Reg. 
XXIV,  f.).  Links  die  befeftigte  Stadt;  die  Mauern  der- 
felben  find  vielfach  umgeworfen.  In  der  Stadt  fetzen 
Soldaten  und  Arbeiter  das  Zerftörungswerk  fort, 
indem  fie  eine  goldene  Säule,  darauf,  wie  es  fcheint, 
ein  Judenhut,  umwerfen.  Aus  der  Stadt  find  mehrere 
Juden  geflohen,  die  aber  vonSchergenergriffen werden. 
Im  Rahmen  oben:  Nabochodonsor  prach  die ßa  und 
ving  die  luden.  Die  Eroberung  von  Jerufalem  wird  im 
Mittelalter  bisweilen  dargeflellt,  z.  B.  im  hortus  delicia- 
rum.  Die  goldene  Säule  wird  wohl  eine  der  beiden 
in  der  Bibel  fo  oft  genannten  am  Tempel  bedeuten, 
welche  Nabuchodonofor  zerftörte  (XXV  16,  17.). 

VII.  Reihe,  36.  Die  Hiunnelfahrt  des  Elias  (4.  Reg. 
II,  II).  Felfige  Gegend,  Wolken.  Elias  fährt  im  rothen 
Wagen,  welcher  von  einem  gleichfarbigen,  theilweife 
fchon  in  den  Wolken  verfchwundenen  Pferde  "ezo^cn 
wird,  in  den  Himmel.  Im  Vordergrund  knieen  vier 
verhüllte  Männer,  deren  vordcrftem  Elisäus,  der  fchei- 
dende  Prophet,  feinen  Mantel  herabreicht.  Im  Rahmen 
oben :  Helias  für  in  einem  feiverig  ivagen  in  das  para- 
dis.  Die  Darflellung  gibt  die  gewöhnlicli  gebrachten 
Details  wieder.  Auf  mehreren  Holzfchnitten  fährt  der 
Prophet  ohne  Pferde. 

37.  Jefaias  Martyrium.  In  der  Mitte  kniet  der  Pro- 
phet in  weißem  Gewände,  dicHändegefaltet.  ZwciMän- 
ner,  der  eine  kurz  gefchoren,  der  andere  mit  langem 
kraufem  Haar,  haben  eine  große  Säge  an  feinen  Nacken 
gelegt;  Blut  übcrflrömt  den  Propheten.  Im  Rahmen 
oben:  Ifaias\  darunter  im  Bilde:  Ifaias  zvardt  von 
ein  ander  gefagtt.^  Das  Martyrium  des  Jesaias,  unter 
König  Manaffes,fowic  das  der  anderen  Propheten  berich- 
tet die  jüdifche  Tradition'  (vgl.  Heb.  XI,  37),  danach 
Hieronymus  (Jesaias  XV,  8),  Isidorus  de  ortu  et  obitu 
sanaorum  patrum,  c.  35,^  weiter  Comeflor  in  feiner 
Hift.  Schoiaflica  CXXXII,*  fowie  Vinzenz  v.  Bcauvais 
Cap,  CVI  etc.    Die  Gurkcr    Darftellung    ftimmt   ganz 

I  Spiiter  nücliKcir;,Kcn.  Vgl.  oben,  Nr.  la. 
5  Sp.iter  AfclioJtke .  Iliftori.-!  farci  3.7 
>  Mign'  Palr.  lai.   B<l.  198. 
»  Mignt  83,  S.   130. 


auffallend  mit  der  eines  Goldglafes,'  fowie  anderen 
griechifchei.  Miniaturen  überein,  z.  B.  dem  Gregor 
von  Nazianz  in  Paris,*  während  das  Speculum,  die 
Michelbeuerner  Bibel,  fowie  die  Lilienfelder  Concor- 
danz,  ebenfo  auch  das  Malerbuch  den  Gegenftand 
ganz  anders  geben.  Beachtenswerth  ifl  in  Gurk  die 
naive  Charakterifirung  der  beiden  Bofewichter,  welche 
fich  weiter  mehrfach  wiederholt;  der  König  Manaffes, 
der  fich  meiftens  findet,  fehlt  hier. 

38.  Steinigung  des  Jereniias.  Der  Prophet  kniet 
eben  zufammenbrechend;  er  trägt  reiche  Kleidung; 
um  ihn  vier  Männer,  welche  ihn  fteinigen.  Im  Rahmen 
oben :  Jerinii[a]s'^  bartt  verßaini.  Den  Gegenftand 
berichtet  gleichfalls  die  jüdifche  Sage,  danach  zahl- 
reiche chriftliche  Schriftftcller,  fowie  das  Martyrolo- 
gium  Romanum  vom  i.  Mai.'  Seinen  Tod  ftellt  die  Con- 
cordanz  von  Lilienfeld  dar,  ohne  befonders  verwandte 
Motive. 

39.  Ezechiels  Feuertod.  Der  Prophet  fteht  betend; 
Feuer  lodert  unter  feinen  Füßen  hervor.  Drei  Männer 
fachen  dasfelbe  mit  Blasbälgen  an;  einer  verfetzt  ihm 
einen  Fußtritt;  links  erfcheint  auf  einem  viereckigen 
Pfeiler  das  Antlitz  Gottes  mit  Kreuznimbus.  Im  Bilde 
oben:  Esechiell  bardtt  verbrant.  Dafs  Ezechiel  gewalt- 
fainen  Todes  ftarb,  berichtet  gleichfalls  die  jüdifche 
Sage.^  Ueber  die  Art  desfelben  verlautet  nichts 
beftimmtes.  Der  Meifter  wählte  hier  den  Feuertod;  er 
mochte  ihm  wohl  am  geläufigften  fein.  Etwas  merk- 
würdig erfcheint  das  Haupt  Gottes;  es  erinnert  auf- 
fallend an  den  aus  den  Fenftern  zufehenden  Manaffes 
beim  Martyrium  des  Isaias  im  Gregor  von  Nazianz; 
hier  ift  damit  das  feurige  Rad,  in  welcher  Geftalt 
Gott  den  Propheten  erfchien,  dargeftellt. 

40.  Daniel  in  der  Löwengrube  (Dan.  XIV).  Ein 
Berg  der  fich  vorn  zu  einer  feft  vergitterten  Höhle  öff- 
net. In  derfelben  kniet  zwifchen  Löwen  Daniel, 
jugendlich,  betend;  er  blickt  in  die  Höhe  gegen  Haba- 
kuk  der,  vom  Engel  beim  Schopf  gepackt,  ihm  durch 
die  Lüfte  in  einer  Schüffei  die  Speife  bringt.  Im  Rah- 
men oben:  Abakuk  fpeisat  danicll  in  [der'^]  leo  grub. 
Daniel  in  der  Löwengrube  ift  bekanntlich  einer  der 
beliebteften  Gegenftände  der  altchiiftlichen  Kunft.  Die 
Darftellung  des  Faftentuches  hat  mit  den  älteren 
wenig  gemein,  am  mciften  erinnert  noch  der  beim 
Schopf  gepackte  Ilabakuk  an  die  Biblia  pauperum 
XXIX  (Daniel)  ebenfo  XXXII  (Ennoch), 

VIII.  Reihe  41.  Jonas  (Cap.  II).  Meer,  rechts  das 
Ufer  mit  Schilf  und  Waffervögeln.  Vorn  der  forellen- 
artige Fifch,  weiter  rückwärts  das  Schiff  Drei  Leute 
werfen  den  nackten  Jonas  eben  ans  dem  Schiff,  während 
der  Fifch  denfelben  in  kniend  und  betender  Stellung 
ans  Land  fpcit.  Im  Rahmen  oben:  Jonas  bardt  gebor- 
ffen  aus  dem  ßhiff  der  vifcli  in  aiiff.'  Auch  diefc  Dar- 
ftellung ift  der  altchriftlichen  Kunft  ganz  befonders 
eigen;  man  möchte  hier  faft  an  ein  folches  Vorbild 
denken,  da  hier  mehrere  Scenen  auf  einem  Bilde  ver- 
einigt find,  während  tlie  fonftigen  Bilder  des  Mittelalters 
in  der  Regel  nur  eine  geben;  auch  wird  auf  den  letz- 
teren Jonas  immer  in  die  Hohe  ausgefpieen,  fo  an  der 

'  Abgcb.  bei  Kondakoff  I.  ag. 

2  Abgcb.  Garucci  III    171    Nr.  j. 

■'  .Spiilcr  corrigirt. 

>  /./chokkt  S.   253- 

*  //cliokke  ;i.  ri.  O.  S.  253. 

"  Spiitcr  oben   nachgetragen. 

^  Schlecht  erhalten. 


17     — 


Gurker  Thür,  dem  Verduner  Altar,  ebenfo  in  der 
Biblia  pauperum;  anders  die  altclirilUichen  Dar- 
ftellungen.' 

Die  fo  ausführlich  gefchilderten  Schickfale  und 
Leiden  der  Propheten  find  augenfcheinlich  als  Parallele 
zur  gegenüberftehenden  Paffion  Chrifli  gegeben;  es 
folgen  wie  in  der  Vorhalle  die  Thaten  der  beiden 
Heldenfrauen;  voran: 

42.  Judith  mit  dem  Haupte  des  Holofernes  (Judith, 
Cap.  XIII,  10  f).  Links  die  befefligte  Stadt;  vorn 
liegt  am  Bette  Holofernes  in  voller  Rüftung,  aber  ohne 
Haupt;  über  feinen  Oberkörper  ift  ein  vogelbauer- 
artiger Sturz  geftellt.  Links  vom  Bette  fteht  Judith, 
welche  in  den  geöffneten  Sack  der  Magd  das  Haupt 
des  Getödteten  hineinlegt.  Vom  Befefkigungsthurm 
der  Stadt  ragt  eine  Stange  mit  dem  Haupte  hervor.  Im 
Bilde  oben  rechts:  jfudit  ßug  Oliver -us  das  liaubt  ab. 
Diefes  Bild  ift  wieder  für  die  freie  und  zugleich  überaus 
naiv  der  Bibel  nacherzählende  Darftellungsweife  des 
Meifters  charakteriftifch.  Die  Scene  felbft  findet  fich 
nicht  feiten;  den  ausgefteckten  Kopf  gibt  fogar  das 
Malerbuch  an,  aber  was  bedeutet  der  eigenthümliche, 
unleugbar  einem  Vogelhaus  ähnliche  Sturz  über  Holo- 
fernes? Der  Meifter  ftellte  damit  das  vielgenannte 
Mückennetz  dar,  hinter  dem  Holofernes  faß,  welches 
Judith  nach  der  That  auch  als  Beute  mitnahm. 

43.  Efliier  vor  dem  Könige ;  Haman  am  Galgen 
(Efther  Cap.  V).  Gemach  mit  caffetirter  Decke.  Links 
fitzt  der  König  mit  zwei  Rätlien,  von  denen  der  eine 
auf  den  rechts  an  einen  Galgen  gehängten  Haman 
zeigt.  Vor  dem  König  kniet  Efther,  verhüllt,  die  Krone 
am  Haupte.  Im  Rahmen  oben :  Heßer  patt  asbern 
homo  an  dem  holz  gehattgen.  Während  die  Vorhalle 
höchftwahrfcheinlich  dasGaftmahl  der  Efther  darftellte, 
ift  hier  augenfcheinlich  die  erfte  Audienz  gegeben,  in 
■welcher  Efther  den  König  dazu  lädt,  freilich  dabei 
auch  gleich  das  Gericht  an  Haman  vollzogen.  Der 
auf  den  Hingerichteten  weifende  Rath  fcheint  Mardo- 
chäus  zu  fein. 

44.  Jerufalem  wird  tvieder  erbaut  (i.  Esdr.  III  ff.). 
Stadt,  von  einer  Ringmauer  umgeben;  vorn  rechts 
die  Bauhütte.  Zahlreiche  Arbeiter  find  beim  Bau 
befchäftigt.  Innerhalb  der  Stadt  fteht  ein  Mann  in 
reicher  Kleidung,  Befehle  ertheilend,  wohl  Esdras.  Im 
Rahmen  oben:  Die  wider pauung  ierußem.  Die  Wieder- 
erbauung der  heiligen  Stadt  findet  fich  im  Speculum, 
der  Auftrag  des  Darius  an  Esdras  in  der  Bibl.  paup. 
XV;  hier  ift  offenbar  die  Verkündigung  des  Befehles 
gegeben  (r.  Esdr.  VII). 

45.  Alexander  der  Große  hiddigt  dem  Prießer. 
Rechts  auf  einem  Berg  die  Stadt.  Aus  dem  Thore 
treten  der  Hohepriefter,  hinter  ihm  mehrere  Juden. 
Von  links  kommen  Krieger,  voran  ein  reicher  Wagen; 
der  König  ift  von  demfelben  abgeftiegen  und  vor  dem 
Priefter  niedergekniet,  welcher  ihn  fegnet.  Im  Rahmen 
oben:  Der  groß  alexander  petat  den  brißer  an.  Für 
die  fpäteren  Ereigniffe  der  jüdifchen  Gefchichte  bis' 
auf  Chriftus  gibt  die  Bibel  wenig  Auffchlüße;  hier 
muß  zur  Fortfetzung  die  Profangefchichte  und 
Legende  aushelfen.  Die  Begegnung  Alexander's  vor 
dem  Hohenpriefter  wird  im  Mittelalter  vielfach  erwähnt 

'  Vgl.  Garrucci  II.  6  Nr.  2  u.  f.  w.  Von  fpäteren  Darftellungen  ift 
namentlich  der  an  der  Thür  zu  gedenken  (Mitth.  N.  F.  15,  S.  174). 


und  befonders  in  der  byzantinifchen  Kunft  dargeftellt.' 
Erzahlt  wird  diefe  Begebenheit  in  der  Ilift.  Scholaftica 
des  Peter  Comeftor,  bei  Vincenz  von  Beauvais,  Mar- 
tinus  Polonus  etc.  Meift  fehr  ausführlich. 

X.  Reihe,  46.  Sieg  des  Judas  Makkabaeus. 
Schlachtfeld.  Links  die  Juden  auf  eine  Anzahl  von 
Konigen  eindringend;  faft  alle  zu  Pferd.  Judas, 
den  Juden  im  Galopp  voranfprengend,  hat  das 
Schwert  erhoben,  packt  einen  König  beim  Bart,  um 
ihm  das  Haupt  abzufchlagen.  Abgehauene  K(jpfe,  noch 
mit  aufgefetzten  Kronen,  und  Gliedmaßen  liegen  am 
Boden  herum  zerftreut.  Im  Rahmen  oben:  Judas 
Machabeus  erßug  dy  cliunge.  Gemeint  fein  kann  hier 
doch  nur  der  Sieg  über  Nikanor,  welcher  dann  ent- 
hauptet wird  (2.  Makk.  XV  f ).  Der  iVIeifter  dachte  hier 
offenbar  an  die  oben  dargeftellte  Tödtung  der  Könige 
durch  Jofua,  welche  er  hier  an  Grauenhaftigkeit  wie 
auch  an  Kühnheit  zu  überbieten  fucht.  Er  hat  übrigens 
beide  Berichte  verwechfelt,  indem  er  oben  „den  chi- 
nigg"  fchreibt,  hier  aber  den  Plural  fetzt. 


Fig.  S. 

47.  Tod  des  Julius  Cäßar.  Inneres  des  Palaftes. 
Auf  reich  gepolftertem  Throne  fitzt  in  der  Mitte  Cäfar 
in  Talar  und  pelzverbrämterDalmatica,  auf  dem  Haupte 
die  Tiara  mit  Kreuz,  in  Händen  eine  offene  rothe  Perl- 
fchnur.  Er  wird  von  zwei  Männern,  Brutus  und  Caffius, 
angefallen.  Der  rechts  fticht  ihn  mit  einem  Dolche,  der 
andere,  mit  großem  Schwert  an  der  Seite,  fchlägt  auf 
ihn  mit  einem  Hammer.  Im  Rahmen  oben:  Julius  der 
clihcyßr  zu  roiii  bard  erßagen  in  fein  palaß.  Der  Tod 
heidnifcher  Könige  wird  im  Mittelalter  nicht  feiten  als 
Vorbild  Chrifti  gegeben,  z.  B.  im  Speculum  der  Tod 
des  Codrus  (f.  36  a),  fowie  der  Tod  des  Cyrus  (f.  36  b). 
Der  Meifter  des  Faftentuches  kann  fich  den  römifchen 
Cäfar  nur  als  Papft  vorftellen.  Nicht  ganz  klar  erfcheint 
die  Bedeutung  der  Perlfchnur;  an  einen  Rofenkranz* 
als  Schmuck   wird  hier  nicht  zu  denken  fein,  dagegen 

'  Vgl.    Koyidakoff   1.    S.    42,    61;    Henne    van    Rhyn:    Deutfche    Cultur- 
gefchichte  I,  aoS. 

2  Vgl.     iVet/s:  Coftümkunde  III,  i  S.  119,  daza  namentlich  Fig.  72. 

29* 


—       2 1 8       — 


finden  wir  Perlfcliiiüre  bei  Lehensberren  und  Richtern, 
z.  B.  in  der  Heidelberger  Handfchrift  des  Sachfenfpie- 
gel',  dort  mit  rothen  und  gelben  Kugeln  undzufammen- 
gebunden,  jedenfalls  wie  hier  als  Abzeichen  befonderer 
Würde,  weiter  jedoch  nicht  erklärt. 

48.  Aitgujhis  tind  die  Sibylle  von  Tibur.  In  der 
Mitte  des  Bildes  erfcheint,  von  Strahlen  umgeben,  auf 
derverkehrtenMondesfichel  flehend,  Maria  mit  der  drei- 
fachen Krone,  das  Jefuskind,  welches  einen  Apfel 
hält,  tragend.  Darüber  ift  auf  einem  Bande  zu  lefen: 
Maria.  Links  kniet  in  ähnlicher  Tracht  wie  im  vorigen 
Bilde  Cäfar,  nur  das  Oberkleid  mit  Zatteln  verfehen, 
Auguftus,  rechts  ihm  gegenüber  die  Sibylle,  als  Königin 
ganz  verhüllt,  beide  anbetend,  die  Hände  gefaltet. 
Von  beiden  gehen  Spruchbänder  aus;  bei  Auguflus: 
Oclavimius  fach  Maria  und  J ef um}  Bei  der  Sibylle: 
Sabillafach  Maria  in  der  fun.  Wären  nicht  die  Infchrif 
ten  beigegeben.'^möchte  man  glauben,  die  beiden  An- 
dächtigen feien  etwa  die  Donatoren  des  Werkes. 
Solche  find  auch  auf  dem  ganz  ähnlich  disponirten 
Bilde  an  der  Kirche  zu  Lieding^  gemeint.  Neben  Maria 
in  der  Sonne  flehen  dort  die  heilige  Margaretha  und 
Katharina;  dieknienden  Donatoren  find  kleiner  geBildet. 
Die  fonft  üblichen  Darftellungen,  z.  B.  im  Speculum, 
haben  mit  der  Gurker  nur  den  Gegenftand  gemeinfam. 
Erzählt  wird  diefe  Begebenheit  vielfach,  z.  B.  in  der 
Legenda    aurea   des  Jacobus    de   Voragine,   Cap.  VI,* 

'  Vgl.  U.  F.  Kopp:  Schriften  und  Bilder  I,  S.  60,  auch  Henne  v.  Rhyn: 
Deutfche   CuUurgefchichte  I,  S.  276  u.  279. 

-  Das  letzte  Wort  das  misverftandcne  Monogramm. 

'  Kunfttopographie  Kärntens,  S.  176.  Gute  Photographie  von  7.  Wlha 
in  Wien. 

*  Ed.  Graeffe,  p.  44. 


Martinus  Polonus  Hb.  II,  Cap.  XV  etc.  Die  Schilderungen 
erfcheinen  .*"ehr  von  der  Apokalypfe,  Cap.  XII,  beein- 
flußt.' Die  Hiftoria  Scholaftica  fchweigt  davon. 

49.  Geburt  Mariae  (Protoevangel.  Jacobi  V). 
Zimmer;  links  liegt  auf  einem  Bette  mit  einer  Decke 
bedeckt,  Anna  mit  gekreuzten  Armen.  Zwei  Frauen 
flehen  hinter  dem  Bette  und  bringen  ihr  Speife  (fchlecht 
erhalten).  Vorn  rechts  flehen  am  Feuer  zwei  große 
Krüge,  daneben  ift  eine  Frau  befchäftigt  das  neuge- 
borne  Kind,  Maria,  in  das  Bad  zu  fteckeii.  Im  Rahmen 
oh&n:  Hie  bardt  unfer  fruw  geboren.  Den  Schluß  des 
alten  Teflamentes  bildet  die  Jugendgefchichte  Mariae. 
Diefes  erftere  Bild  findet  fich  befonders  in  der  griechi- 
fchen  und  italienifchen  Kunft  häufig;  typifch  find  die 
Frauen  mit  der  Nahrung,  das  Bad,  fowie  die  Krüge  am 
Feuer;  ähnlich  find  auch  deutfche  Darflellungen,  befon- 
ders die  am  Altärchen  zu  Mariapfarr^  u.  a. 

^o. Maria  Opfei-uiig[\iv:xnge.\.  de  nativ.  Mariae  VI; 
Protoevang.  Jacobi  VII;  Pseudomatthäus  IV).  Tempel; 
rechts  der  Altar  in  ähnlicher  Ausftattung  wie  bei  Nr.  24. 
Mehrere  Stufen  führen  zu  demfelben,  links  der  Eingang. 
Neben  dem  Altare  zwei  Prieftcr.  Die  Stufen  hinan  lleigt 
Maria,  gefiüirt  von  ihrem  Vater  Joachim  (fehr  verdor- 
ben), dahinter  betend  Anna  und  eine  andere  Frau, 
einen  Korb  mit  zwei  Tauben  haltend.  Im  Rahmen  oben; 
Da  hart  tinfcr  fraw  in  den  tenipcll  geophert. 

'  Vgl.  über  die  Sibyllen  Piper:  Mythologie  und  Symbolik  der  chrifU. 
Kunft  I.  481;  vgl.  übrigens  auch  .4.  Prfikop:  Der  Briinner  Teppichfehatz, 
Mitth.  der  Centr.-Comm..  N.  F.  XIII,  S.  CXXl  f. 

-  Mitth.  der  Centr.-Comin.  XVin,2o6 

(Fortfetzung  folgt.) 


Die  Kirche  zu  Höflitz  bei  Benfen  in  Böhmen. 


Befprochen  von  Emil  Nedler. 


Is'P^  AS  uralte  Dörfchen  Höflitz,  bis  um  1500  unter 
Lc^l  dem  "N amen P/ew/in  oder  Jedlka  vorkommend, 
CsJ*:^  befitzt  ein  altes,  bisher  ganz  unbeachtet  ge- 
laffenes  Kirchlein  aus  der  Zeit  der  Spät-Gothik.  Die 
Kirche  in  Höflitz  ifl  zwar  fchon  1234  errichtet  worden, 
doch  ifl  der  jetzt  beflchende  Bau  ein  Conglomerat  aus 
verfchiedenen  fpäteren  Perioden.  Die  frühere  Holz- 
kirche  fiel  wohl,  wie  die  in  Benfen,  in  den  Hufiten- 
kriegen  (um  1430)  und  wurde  einige  Jahre  fpäter,  um 
oder  nach  1440  aus  Stein  wieder  aufgebaut.  Sie  trägt 
unvcrkeiinbar  das  Gepräge  der  fpätgothifchen  Bau- 
weifc  und  liegt  die  Vcrmuthung  nahe,  dafs  diefelben 
Verhältniffc  um  die  Mitte  des  15.  Jahrhunderts  hier 
gewirkt  haben,  welche  auch  den  fchoiien  Chor  in 
Benfen  fchufen.  Höflitz  gehörte  nämlich  feit  alter  Zeit 
zur  MerrfchaftScharfenflein,  deffen  Herren  ja  meifl  auch 
die  Befitzcr  von  Benfen  waren.  In  der  alten  Kirche 
war  auch  ein  Wappen  von  1416  vorhanden.  J5ei  dem 
wefllichen  Portale  der  Höflitzer  Kirche  finden  fich  ganz 
den  Benfencrn  ähnhche  Steinmetzzeiciien.  Die  Archi- 
tektur diefes  fowic  des  SüdPortalcs  ifl  fchließlich  die 
gleiche,  aber  noch  beffcr  erhalten  als  in  Benfen.  Das 
jetzige  Kirchcnfchiff  flammt  theilweife  aus  dem  Jahre 
1588  und  ifl  i8-6  M.  lang  und  13-8  M.  breit,  bei  einer 
Höhe  von  ungefähr  105  M.    Es   ifl    zwar   nicht   einge- 


wölbt, doch  laffen  die  außen  auf  l^eiden  Seiten  ange- 
brachten fieben  Strebepfeiler  darauf  fchließen,  dafs 
vor  1588  eine  gew-ölbte  Decke  bellanden  hat  oder 
doch  zum  mindeilen  geplant  war.  Die  fchönen  Por- 
tale auf  der  Wefl-  und  Südfeite  berechtigen  auch 
zur  Annahme,  dafs  die  Abficht  befland,  hier  eine  vor- 
nehme Pfarrkirche  als  Mittelpunkt  für  die  Umgebung 
anzulegen,  umfomehr  da  diefelbe,  wie  noch  gegen- 
wärtig, in  früheren  Zeiten  als  Wallfahrtskirche  weit 
und    breit   bekannt  war. 

13cr  im  Achteck  gefchloffcne  nach  Ollen  gerich- 
tete Chor  hat  eine  Breite  von  5'5  M.  und  eine  Länge 
von  93  M.  Die  Höhe  beträgt  nur  5  M.  Er  ifl;  mit  ilark 
vortretenden,  im  fogenannten  Birnenprofil  geflalteten 
Kippen  eingewölbt  (Fig.  iV  Die  Hauptfchlußfteine 
find  rund.  Der  letzte  bildet  eine  flach  gcarijcitcte  Ro- 
fette;  der  vordere  trägt  das  Wappen  der  (irafen  von 
Thun  mit  der  Jahreszahl  1710.  Es  fchcint  letzteres  an 
Stelle  eines  ehemaligen  Doppelwappens  angebracht 
worden  zu  fein.  Das  Material  fowohl  zum  Thorbau  (an 
den  Portalen)  als  auch  im  l'resbyterium  ift  rothlich- 
gelber  Sandflein.  Die  drei  Fenftcr  des  Chores  find  im 
Spitzbogen  gefchloffen.  Aus  dem  vorderften  derfel- 
ben  ifl,  wie  erfichtlich,  das  Maßwerk  herausgebrochen 
worden,  jedenfalls  um  dem  etwas  dunklen  Presbyteriuin 


219 


mehr  Liclit  zukommen  zu  laffen.  Dagegen  find  die 
zwei  hinteren  Fenfter  im  oberen  Theile  in  der  Geftalt 
von  Kleeblättern  mit  reichem  Maßwerk  ausgefüllt 
und  zeigen  eine  befonders  reine  technifche  Ausführung. 

Die  Zeichnung  \i\  fchlicht  und  edel.  Ein  viertes 
Fenfter  fcheint  ehemals  beflanden  zu  haben,  aber  ver- 
mauert worden  zu  fein.  Der  Eindruck  des  Chores  von 
außen  ift  allerdings  kein  befonders  günftiger,  da  derfelbe, 
etwas  tiefer  als  der  vorbeiführende  Weg,  im  Friedhofe 
cele^en  und  über  das  Fundament  hinauf  verfchültet 
worden  ift,  dadurch  aber  wie  in  die  Erde  vergraben 
erfcheint.  Die  Erklärung  für  diefe  unfchöne  Gruppirung 
kann  nur  in  fpäter  eingetretenen  Terrainfchwierigkeiten 
gefucht  werden,  die  fich  infolge  der  Friedhofanlagc 
ergeben  haben  mögen. 

Das  Kirchenfchiff  hat  an  der  Südfeite  drei  Fenfter 
mit  fchönem  Maßwerk,  ein  viertes  war  anläßlich  des 
Thurmbaues  überflüßig  und  ift  deshalb  vermauert 
worden.  Der  Thurm  enthält  auch  die  Vorhalle  zum  Süd- 
Portal,  welch  letzteres  mit  einer  alten  großen  Holzthür 
verfehen  ift.  Diefe  Thür  ift  mit  einem  Rahmen  um- 
geben, welcher  fehr  fchöne  traditionell  gcftochene  oder 
gefchnittene  gothifche  Ornamente  aufweift.  Leider  ift 
aber  bereits  an  einigen  Stellen  das  Schnitzwerk  gcfpal- 
ten  und  von  Würmern  zernagt  worden.  Die  Sacriftei  ent- 
hält ebenfalls  eine  gothifche  mit  Eifen  befchlagene  Ein- 
gangsthür. 

An  der  Nordfeite  des  Kirchenfchiffes,  fall  an- 
fchließend  an  den  Chor,  ift  nur  ein  Fenfter.  Auch  diefes 
ift  mit  Maßwerk  verfehen.  Was  die  vier  Altäre  betrifft, 
fo  find  diefelben  in  ihrer  jetzigen  Form  fämmtlich  aus 
der  Neuzeit.  Der  jüngfte  ift  zwifchen  1670  und  1675 
errichtet  worden.  Der  Hochaltar  reicht  bis  an  die  Decke 
und  ift  5  M.  hoch.  Er  enthält  als  Altar-Bild  „die 
Familie  der  heiligen  Mutter  Anna"  —  das  heißt  Anna, 
ihr  Gemahl  Joachim  und  ihre  Tochter  Maria  als  Kind. 
Das  Bild  ift  zwar  theilweife  übermalt;  doch  unver- 
kennbar eine  werthvolle  Schöpfung»  aus  der  nieder- 
ländifchen  Schule.  Die  Herkunft  desfelben  läßt  fich  auch 
verfolgen,  da  die  zeitweilige  Anwefenheit  und  Ver- 
fchwägerung  von  reichen  Holländern  mit  Salhaufen- 
Töchtern  aus  den  hiefigen  Kirchenbüchern  erfehen 
werden  kann,  und  dürfte  fomit  als  Schenkung  an  die 
Kirche  aus  den  Niederlanden  hieher  gekommen  fein. 
Als  Spender  könnte  wohl  der  „voll  Edle  Herr  Arnolig 
Wichers"  aus  Holland,  feit  1683  Gemahl  der  Maria 
Ludmilla  \'on  Salhaufen,  angenommen  werden.  An  der 
linken  (Evangelium-)  Seite  des  Presbyteriums  find  auch 
Wandmalereien,  welche  Max  Ritter  von  Grünthal  1699 
herftellen  ließ.  Diefelben  find  jedoch  gegenwärtig,  an- 
geblich wegen  ihrer  anftößigen  Form,  übertüncht.  Auch 
an  der  Decke  des  Kirchenfchiffes  find  alte  Malereien 
in  guter  Ausführung  vorhanden.  Es  find  in  der  Kirche 
zwar  noch  eine  Anzahl  alter  Bilder,  darunter  fogar  eines 
aus  Rom,  ein  anderes  aus  einem  aufgehobenen  Klofter; 
doch  ftehen  fie  dem  oben  erwähnten  Altarbilde  an 
künftlerifcher  Ausführung  nicht  gleich.  An  der  Chor- 
gränze  —  gegen  das  Schiff  zu  —  find  an  einem  Bogen 
am  Gewölbe  folgende  Nachrichten  verzeichnet.  „Anno 
1234  ift  diefes  Gotteshaus  erigirt.  1588  das  i.mal  reno- 
virt.  1715  den  12.  Februar  Nachts  durch  einen  Sturm- 
wind ruinirt.  1716  mit  großen  Unkoften  wieder  reftaurirt. 
1716  bis  1718  der  Thurm  von  Grund  auf  modificirt.  1723 
die  obere  Mauer  demolirt  und   dann  in  diefem   Stande 


perfeftionirt".  Später  ift  beigefügt  worden:  „760  und 
801  der  Thurm  reparirt  worden." 

Von  den  Thurmglocken  ift  nur  noch  die  größere 
mit  gothifchen  Schriftzeichen  (aus  der  Zeit  von  1430  bis 
1470)  verfehen.  Die  Umfchrift  am  äußeren  Glockcnrande 
lautet  überfetzt:  „Das  wir  beginnen,  das  endige  mit 
Gott,  Maria  berath  Alles."  Die  zwei  anderen  Glocken 
find  1719  und  1867  umgegoffen  worden. 

Was  die  Gefchichte  diefer  Kirche  betrifft,  fo  ift 
darüber  folgendes  zu  berichten: 

Diefelbe  wurde,  wie  die  Kirchenbücher  angeben, 
im  Jahre  1234  begründet  und  foll  älter  fein  als  diejenige 
zu  Benfen.  So  erzählt  wenigftens  der  Volksmund.  Die 
Namen  der  hiefigen  alten  Pfarrherren  find  jedoch  erft 
feit  der  Mitte  des  14.  Jahrhunderts  bekannt.  Als  erfter 
eröffnet  die  Reihe  ein  gewiffer  Nicolaus,  diefer  taufchte 
am  9.  April  1359  mit  dem  Pfarrer  zu  Sebnitz  in  Sachfen. 
Sein  zwölfter  bekannter  Nachfolger  Balthafar  Richter 
trat  1532  zum  Proteftantismus  über  und  fungirte  bis  zu 
feiner  Vertreibung  im  Februar  1555  dafelbft  als  Paftor. 
Die  Salhaufen  waren  feit  24.  Juli  15  15  die  Patrone  der 
Höflitzer  Kirche  und  wandten,  wie  im  13.  und    14.  Jahr- 


U— zoctm-»: 


Höflitz. 


Fig. 


hunderte  die  Herren  von  Michelsberg  und  Wartemberg, 
ebenfalls  derfelbcn  ihre  Fürforge  zu.  Von  1532  bis  1628 
wirkten  in  Höflitz  nacheinander  acht  proteftantifche 
Seelforger.  Der  letzte  derfelben,  Paul  Kanneberger, 
wurde  mit  feiner  Familie  im  Juli  1628  zur  Flucht  ge- 
nöthigt.  Hierauf  war  die  Kirche  zu  Höflitz  ohne  eigenen 
Pfarrer  und  wurde  der  Benfener  als  Filiale  zugewiefen. 
Im  Jahre  1675  wurde  endlich  infolge  der  Bemühungen 
der  Grundherrin  Maria  Magdalena  von  Rofenfeld  für 
Höfliz  ein  eigener  Pfarrer  angeftellt  in  der  Perfon  des 
„Johannes  Uding  aus  Münfter  in  Weftphalen".  Derfelbe 
hat  bereits  14  Nachfolger. 

Die  Höflitzer  Kirche  ift  mehrmals  von  Dieben 
beftohlen  worden.  So  heißt  es  ,Anno  1547  am  Abend 
vor  dem  heil.  Drei  König-Feiertag,  wurde  die  Kirch 
zu  Höflitz  von  Mathias  Töpfer  aus  Benfen  erbrochen." 
Er  wurde  aber  bald  entdeckt  und  geköpft.  Auch  in  der 
Nacht  auf  den  19.  März  1687  drangen  Diebe  in  die 
Kirche  ein  und  ftahlen  unter  anderem  fogar  den  Kelch 
aus  dem  Ciborium.  In  der  Nacht  vom  15.  zum  16.  März 
1826  verfuchten  Diebe  eine  der  Glocken  zu  ftehlen. 
Sie  hatten  bereits  den  Schwengel  herausgefchnitten, 
wurden  aber  durch  Zufall  wieder  verfcheucht. 


220       — 


Gefammelte   Daten  im   Laufe  d.  J.  1891  über  einige   hervor- 
ragende Baudenkmale  im  nordöftlichen  Böhmen. 


Reifebericht  von   Confervator  Enianui-l  Pippicli. 


II. 


Schlofs  und  Schlofspfarrkirche  in  Opocno. 


Ion  der  alten  Burg  Opocno  hat  fich  nur  ein  ?-un- 
ij,  der  Thuriit  erhalten,  welcher  fich,  anfchließend 
MtiftSS  an  den  neueren  Schloßbau,  bei  dem  ehemaligen 
Schloßgraben  erhebt.  Diefer  wurde  im  Anfange  des 
laufenden  Jahrhundertes  in  einen  prächtigen  Park  um- 
gewandelt. Die  Situation  der  alten  Burg  hatte  eine 
dreieckige  Geftalt  gehabt;  die  heutige  Schloßanlage, 
welche  in  einzelnen  Theilen  bis  ins  i6.  Jahrhundert 
hinaufreicht,  ift  in  ihrer  länglich-rechteckigen  Form 
bedeutend  kleiner. 

Der  intereffantefte  Theil  diefer  zweigefchoßigen 
Anlage  ift  der  architektonifch  fehr  wirkfame  grojk 
Hofranni  im  Style  der  italienifchen  Renaiffance.  An 
der  Südoftfeite  des  nach  den  übrigen  drei  Seiten 
gefchloffenen  Hofes  befindet  fich  eine  geräumige  Ter- 
raffe,  von  welcher  eine  breite  Freitreppe  zu  dem  ober- 
wähnten Schloßparke  führt.  Das  ganze  Schloß  hat 
fomit  eine  fchöne  dominirende  Lage. 

An  allen  drei  Hoffeiten  erftrecken  fich  im  Par- 
terre und  zwei  Stockwerken  fehr  elegant-behandelte 
Arcaden,  von  denen  die  unteren  zwei  mit  runden  Kreuz- 
gewölben auf  toscanifchen  fchlanken  Säulen  eingedeckt 
find,jeneim  zweitenGefchoß  jedoch  blos  flachePlafonds 
tragen.  Die  Zwifchenräume  füllen  durchbrochene  ftei- 
nerne  Balluflraden  in  Dockenform  aus. 

In  jüngfler  Zeit  wurden  alle  diefe  Arcaden  fehr 
forgfältig  reflaurirt.  Von  dem  ehemaligen  röthlichen 
Anitrich  findet  man  heute  keine  Spur  mehr;  denfelbcn 
deckt  heute  ein  lichter  Kalkanibich.  Auch  die  an  eini- 
gen Stellen  früher  befindlichen  kurzen  Sinnfprüchc, 
von  denen  noch  Sedläcek  in  feinen  „Hrady  a  zämky" 
(II.  Theil,  Heft  3)  Erwähnung  thut,  find  bereits  überall 
verfch  wunden. 

An  mehreren  Punkten  der  Wafferrinne  oberhalb 
des  Kranzgefimfcs  ficht  man  weit  vorragende  metal- 
lene Wafferfpeier,  intereffante  Erzeugniffe  älterer 
heimifcher  Schmiede-Technik. 

Die  hoch  über  die  Dachflächen  auffteigendcn 
Rauchfchlöte  machen  von  weitem  den  Eindruck  von 
lineal-fgraffitirten  Pfeilerflücken.  Thatfächlich  kommen 
aber  im  ganzen  Schloße  keine  Verzierungen  in  Sgraf- 
fitomanier  vor. 

Die  auswärtigen  Scliloßfronten  haben  ein  höchll 
einförmiges  Anfehen.  Gewöhnliche  viereckige  Fenfter, 
paarweifc  gruppirt,  zeigen  keinen  befondcrn  ornamen- 
talen .Schmuck,  nicht  einmal  eine  einfach  profilirte 
Umrahmung,  die  Zwifchenijfciier  find  vollkommen  leer. 
Lediglich  der  tiurdöJIHclw  Ilaupteingang  ift  durch  ein 
halbkreisförmiges  Portal,  das  oben  mit  einem  Spitz- 
giebel bekrönt  und  an  den  Seiten  ruilicirt  erfchcint, 
verziert.  In   diefem  nordöftlichen  Schloßflügel  befindet 


fich  auch  die  durch  zwei  Gefchoße  auffteigende  Capelle, 
die  augenfcheinlich  erft  im  17.  Jahrhundert  in  der 
gegenwärtigen  Geftalt  hergerichtet  wurde.  Das  hier 
vorkommende  Altarbild,  die  Ermordung  des  heiligen 
Wenzel  darftellend,  foll  vom  Maler  i?;-(?«i// herrühren. 
Sonft  findet  fich  in  dem  befchränkten  quadratförmigen 
Raum  nichts  erwähnenswerthes  vor. 

In  den  übrigen  fehr  zahlreichen  Räumlichkeiten 
des  Schloßes  intereffiren  einige  trefflich  gearbeitete 
alte  Schränke,  Tifche  und  Stühle,  fämmtlich  im  Renaif- 
fanceftyle,  ferner  insbefondere  cmegroße  Anzahl  von  ge- 
malten Poriraits  von  den  ehemaligen  Befitzern  des 
Schloßes  theils  aus  der  Zeit  der  Herrn  Trcka  von  Lipa 
(16.  und  Anfang  des  17.  Jahrhundert),  theils  aus  der 
fpätern  Zeit,  wo  Opocno  fchon  im  Befitze  des  Haufes 
Colloredo  war.  Beachtenswerth  erfcheint  namentlich 
das  Portrait  des  letzten  Trcka  von  Lipa,  Adam  Erd- 
mann,  Waldfteins  Schwager,  der  im  Jahre  1634  in  Eger 
ermordet  wurde. 

Auch  befindet  fich  hier  ein  aus  der  Schloßkirche 
\\htrU-a.genes  gemaltes  EpitaphiiiDi  mit  der  Infchrift: 
„Toto  epitaphium  dal  jest  udclati  urozeny  pän  pan 
Jeti^ich  starsi  synovi  svemu."  Diefes  alte  und  fehr  gut 
erhaltene  Bild,  deffen  Maler  unbekannt  ill,  nimmt  unfer 
Intereffe  deshalb  in  Anfpruch,  weil  man  im  Hinter- 
grunde desfelbeirdie  ganze  Perfpective  der  Kirche,  wie 
fie  noch  im  16.  Jahrhundert  ausgefehen  hat,  erblickt. 
Nach  den  vorhandenen  Gewölben  und  den  Trennungs- 
pfcilern  erkennt  man  ganz  gut  den  damaligen  Ueber- 
gangsftyl  aus  der  Gothik  in  die  Renaiflance.  —  Im 
Vordergrunde  nach  fünf  Gruppen  getheilt:  Darftellun- 
gen der  heiligen  Taufe,  Beichte,  Communion,  Ehe  und 
Predigt  (Firmung.^)  —  Hauptperfonen :  der  oberwähnte 
Jctiicli  ze  Zcrutina  und  feine  Braut  Barbara  von  Biber- 
ftein. 

Die  Schlofs-  und  zugleich  Ortspfarrkirche  in  Opocno. 

Diefe  der  heiligen  ]3reieinigkcit  geweihte  mittel- 
große Anlage  foll  aus  dem  14.  Jahrhundert  llammen, 
in  welcher  Zeit  fie  nur  als  Schloßcapelle  in  kleinerer 
Geftalt  und  dem  heiligen  Andreas  geweiht  beftanden 
hat.  Damals  diente  die  gegenwärtige  P""riedhofskirche 
(Marienkirche)  als  die  urfprünglichc  Pfarrkirche.  Laut 
des  Memorabilienbuches  in  Neuftadt  an  der  Mcttau 
entftand  fpäter,  u.  zw.  im  Jahre  1567,  aus  der  kleinen 
.Schloß-CapcUe  die  vergrößerte  Ortspfarrkirche,  zu  der 
im  Jain-e  1715  noch  das  letzte  weftliche  Joch  zugewach- 
fen  ift.  Gleicherzcit  wurde  eine  Reconftruftion  des 
ganzen  Haufes  vorgenommen. 

In  der  jetzigen  Geftalt  befteht  der  Bau  aus  drei 
Schiffen  in  Ilallenform  und  dem  geradegcfchloßenen 
l'rcsbyterium,  welches  gleich  dem  Langhaufe  mit  ein- 


Miltheilungen  d.k.k.C.Com. 


Kloslerkirche  Rosa  coelis  inKanilz. 


ßx-  fr  tf  ^= 


1'  .-p)r,>Ci.ifi^6^  AWorSdCkWien. 


221        — 


fachen  gothifchen  Kreuzgewölben  überdeckt  erfcheint. 
Die  drei  gleicli  hohen  und  breiten  Schiffe  werden 
durch  ganz  runde  und  fehr  liohe  Säulen  mit  Blatt-Capi- 
tälen  getrennt,  an  welche  die  Gewölberippen  ziemlich 
ftumpf  anlaufen.  In  den  Schlußfteinen  bemerkt  man 
undeutliche  Embleme. 

Unter  den  Nebenfchiffen  wurden  in  fpäterer  Zeit 
(vielleicht  in  dem  oberwähnten  Jahre  17 15)  durchlau- 
fende Arcaden  mit  rundbogigen  Kreuzgewölben,  ähn- 
lich denen,  wie  fie  im  Opocner  Schlofshofe  vorkommen, 
eingerichtet.  Im  Obertheile  find  diefe  Arcaden  zur 
Aufnahme  der  Kirchenbefucher  beflimmt.  Als  Träger 
fungiren  zierliche  Säulchen  ionifcher  Ordnung,  und  in 
den  Feldern  der  Bailuftraden  ficht  man  pflanzliche 
Relief-Ornamente  abwechfelnd  mit  kündlichen  Symbo- 
len ohne  wefentliche  Bedeutung. 

Infolge  diefer  neueren  Arcaden-Einbauten  mußten 
die  alten  gothifchen  Fenfter  in  den  unteren  Hälften 
vermauert  werden,  was  wieder  zur  Folge  hatte,  dafs 
man  zum  Behufe  einer  Erweiterung  nach  oben  den 
alten  fpitzbogigen  Abfchluß  in  eine  neue  fehr  flache 
Segmentform  verwandelte.  Von  irgend  einer  Maßwerk- 
verzierung hat  fich  daher  gar  keine  Spur  erhalten. 

Desgleichen  finden  fich  auch  keine  Strebepfeiler 
an  den  Außenwänden  der  Kirche  vor.  Dies  erklärt  fich 
daraus,  dafs  die  urfprünglich  gewählte  Situation  der 
Kirchenanlage  die  Anbringung  befonderer  Außen- 
ftützen  gar  nicht  erheifchte.  Es  ifl:  nämlich  die  eine 
volle  Kirchenfront,  und  zwar  die  Südfeite,  in  das  angren- 
zende Pfarrgebäude  eingebaut,  wodurch  auch  ein 
Theil  dei-  weftlichen  Front  durch  das  genannte  Gebäude 
verdeckt  erfcheint.  Diefer  große  Uebelfland  trägt 
freilich  wenig  zur  würdigen  Repräfentanz  des  Gottes- 


liaufes  bei.  Dazu  kommt  noch  der  zweite  bcdauerns- 
wcrthe  Umftand,  dafs  diefe  fonft  fo  geräumige  und  flatt- 
liche  Kirche  keinen  größeren  Thunn  erhielt,  fondern 
nur  einen  am  Dachfirfl  der  Weltfront  fitzenden  Dach- 
reiter befitzt. 

Oberhalb  des  Hauptaltares  (ohne  größern  künfl- 
lerifchen  Werth)  befindet  fich  das  fürflliche  Oratorium, 
das  durch  einen  fehr  langen  und  fchmalcn  Corridor 
einerfeits  mit  dem  alten  Schloße,  anderfeits  mit  einem 
in  nördlicher  Richtung  weiter  gelegenen  Luftfchlöß- 
chen  aus  neuerer  Zeit  verbunden  ifl. 

Von  den  ehemaligen  Befitzern  des  Schloßes,  der 
Familie  TrckavonLipa,  werden  in  einem  eigenen  Anbau 
der  Sacriftei  fechs  zinnerne  Särge,  welche  aus  der 
urfprünglichen  Gruft  an  der  Nordfeite  des  Presby- 
teriums  herrühren,  aufgeftellt.  Bei  einer  im  Jahre  1884 
erfolgten  Befichtigung  diefer  Särge  fand  man  im 
Innern  noch  drei  koftbare  Ringe,  welche  gegenwärtig 
im  fürftl.  Colloredo'fchen  Palais  in  Wien  aufbewahrt  wer- 
den. An  den  Deckeln  der  erwähnten  Särge  liest  man  fol- 
gende Namen  und  Jahreszahlen:  Wilhelm  Trcka  von 
Lipa.geftorben  1569;  derfelbewarderStifterdesGottes- 
haufes  —  Barbara  Trcka  von  Li'pa,  geborene  von 
Biberflein,  geftorben  1585  —  Jaroslav  Trcka  von 
Lipa,  geftorbeji  1588  —  feiner  Gemahlin  Johanka, 
geborene  von  Zerotin,  geftorben  1596  —  zweier  Söhne 
Johann  Karl,  geftorben  1588,  und  Chrifloph  Jaroslav, 
geftorben  1601. 

Die  beiden  an  den  Schiffswänden  vorkommen- 
den Grabfteine  aus  Marmor  mit  aufrechtftehenden 
Ritterfiguren  des  Wilhelm  und  Jaroslav  Trcka  von 
Lipa  aus  dem  16.  Jahrhundert  find  noch  ganz  gut  er 
halten. 


Klofter  Rofa  coeli  in  Kanitz  und  Burgruine  Boskovic. 

Uefprochen  und  aufgenommen  vom  Confervator  k.  k.  Bauratli  K.  Rosner 


(Mit  I  Tafel.) 


W'^^lllACH  der  „Topographie  des  Markgrafenthum 
M^i  ^''^'^''^""  von  Schwoy,  1793,  ift  der  Stifter  des 
[C^^^  Klofters  Wilhelm  Comes  de  Kaunitz,  Herr  auf 
Dirnholz  —  ein  Tochtermann  des  Fürften  Konrad  III. 
—  welcher  während  des  Krieges  mit  dem  damals 
feindlichen  Oefterreich  in  diefem  Lande  auch  fehr  viele 
Klofter  und  Kirchen  verheert  hatte.  Zur  Sühne  ftiftete 
und  erbaute  er  am  Fuße  feiner  Burg  zu  Kanitz  unter 
dem  Namen  Rosa  coeli  ein  fchönes  Klofter  für  hundert 
Nonnen  Prämonftratenfer  Ordens,  in  deffen  Kirche  er 
und  feine  Nachkommenfchaft  ihre  Begräbnisftätten 
hatten.  Die  Bauzeit  wird  angegeben  von  1181  bis  1183. 

In  den  Hufitenkriegen  wurde  das  Klofter  ftark 
hergenommen.  1703  brannte  die  Kirche  ab  und  ift  feit- 
her  ohne  Dach  geblieben. 

Die  neben  dem  hohen  Chor  befindliche  Capelle 
wurde  wieder  mit  einem  Dache  und  dazu  mit  einem 
Thürmchen  verfehen,  und  wurde  noch  in  diefem 
Jahrhundert  Meffe  in  ihr  gelefen.  Gegenwärtig  ift  auch 
diefe  Capelle  dachlos. 

Der  Anblick,  den  Kirche  und  Klofter,  beziehungs- 
weife  der  Kreuzgang  (Fig.  i)  heute  gewähren,  ift  ein 
fehr  trauriger,  vollftändig  ruinenhafter  und  namentlich 


deshalb  fchmerzlicher,  weil  man  fofort  erkennt,  dafs 
nicht  der  Zahn  der  Zeit,  fondern  frevelhafte  Hände 
den  einfach  fchönen  edlen  Bau  verwüfteten.  Alle 
Steinprofile,  die  noch  vorhanden  find,  haben  jetzt,  nach 
fiebenhundert  Jahren,  noch  die  urfprüngliche  Schärfe 
und  Reinheit.  Der  verwendete  Sandftein  von  geblicher 
Farbe  —  aus  Krumau  —  ift  außerordentlich  hart  und 
widerftandsfähig. 

Die  weftliche  Stirnmauer,  in  der  fich  das  Haupt- 
Portal  befindet,  mit  ihrer  hohen  Giebelwand  und  einem 
Treppenthürmchen  zur  Seite,  fteht  noch,  aber  aus  dem 
fchönen  dreitheiligen  Fenfter  diefer  Front  ift  das  Maß- 
werk großentheils  herausgebrochen,  die  Strebepfeiler 
find  ihrer  fteinernen  Deckplatten  beraubt,  aus  dem 
Treppenthürmchen  find  die  Steinftufen  entfernt.  Wenn 
man  bedenkt,  dafs  die  fehr  hohe  fpitze  Giebelmauer 
—  vollftändig  ohne  jeden  Rückhalt  —  nun  fchon  durch 
faft  zwei  Jahrhunderte  frei  in  die  Lüfte  ragt  und  dem 
Drucke  der  Weftftürme  fiegreich  trotzte,  fo  kann  man 
fich 
machen. 

Es  fei  hier  gleich    bemerkt,    dafs    der   ganze    Bau 
größtentheils  aus  Bruchfteinen  aufgeführt  ift    und    nur 


eine    Vorftellung   von    der   Fertigkeit    des   Baues 


die  wichtigften  Beftandtheile  aus  Werkftucken  her- 
geftellt  wurden.  Diefe  verhältnismäßig-  fehr  geringe 
Menge  von  Steinmetzarbeit  kann  auch  (nebft  dem 
Willen  des  Bauherrn)  die  für  das  Mittelalter  wunder- 
lich klingende  Kürze    der  Bauzeit  erklären. 

Betritt  man  durch  das  fchönprofilirte  Weftportal 
—  ein  Spitzbogen  mit  dem  fegnenden  Chriftus  im 
Tympanon  (Bruftbild)  —  den    oben    offenen    Kirchen- 


Neben  dem  KirchenfchilT  Hl  an  der  Nordfeite  der 
Kreuzgang  angebaut;  ein  fehr  einfacher  Bau  mit  Spitz- 
bogenöffnungen ohne  Maßwerk.  Auch  diefer  befitzt 
noch  feine  Kreuzgewölbe  und  wird  gegenwärtig  als 
Depot  für  Petroleumfäffer  und  alles  erdenkliche  alte 
Gerumpel  benützt.  Der  Hof  des  Kreugangs  ift  durch 
Steintrümmer  faft  unzugänglich  gemacht. 


11*           *           "          f*          f 

Fig.  I. 


räum,  fo  präfcntiren  fich  die  Umfaffungsmaucrn  einer 
einfchiffigcn  Kirche  mit  einem  Qucrfchiffc,  beide  von 
ungewöhnlicher  Höhe  (vom  Boden  bis  zum  Gewölbc- 
anlauf  i6  M.);  Steintriimmer  und  Geftrüppe  bedecken 
den  I5oden,  allüberall  ifl:  das  Maßwerk  der  Fcnfler  aus- 
gebrochen, fämmtliche  Gewölbungen  geftürzt.  Das 
durch  fünf  Achtecksfeiten  abgefchloffene  Presbyterium 
hatte  nahezu  gieiciic  Hohe  mit  dem  Kirchen-  und  Quer- 
fchiff.  Anftoßend  an  das  nördliche  Querfchiff  befindet 
fich  eine  fchmucklofc  fchmaleCapelle,  die  heute  noch 
ihr  Gewölbe  befitzt. 


Die  fchöncn  Verklcidungs{|uadci-n  dci-  Strebe- 
pfeiler find  fall  alle  gewaltfam  ausgebrochen,  fo  dafs 
nur  die  Bruchflein-Mauerrefte  derfelben  übrig  blieben. 
Uebcr  den  Kreu/.gangarnieii  erhebt  fich  noch  ein 
Stockwerk  des  alten  Klofterbaues  und  diefes  ifl  durch 
ein  Nothdach  gefchützt. 

Die  Gewölberippen  des  Querlclüffcs  untl  zweier 
Travöes  des  Presbyteriums  laufen  herab,  zeigen  unter- 
halb des  Bogenanlaufes  eine  baldachinartige  Capitäl- 
form,  durchbrechen  das  Kaffgcfimfe  und  enden  unter- 
halb dcsfclbcn  in  einer  confolcnai-Lii/cn  ILinzielning. 


—       22^ 


Nur  im  Achtecksabfcliluß  des  hohen  Chores  und 
im  nächftliegenden  Travee  gehen  die  Gewölberippen 
bis  ganz  herab  und  fcheinen  Sockel  gehabt  zu  haben. 
Die  Gewölberippen  des  Langfchiffes  und  der  Capelle 
ruhen  auf  confolenförmigen  Thier-  und  Engelgefbalten 
und  Wappenfchildern. 

Der  Kreuzgangs-Aufbau  gehört  eben- 
falls der  Blüthezeit  der  Gothik  an,  wie  die 
Fenfler-Profile  zeigen.  Die  Gewölberippen  des 
Kreuzganges  gehen  an  den  Wänden  der  Hof- 
feiten herab  und  haben  unten  ein  Fußgefimfe; 
an  den  vier  Umfaffungswänden  enden  fie 
unterhalb  des  Anlaufes  confolenartig. 

Im  Schiffe  der  Kirche  war  auch  eine 
Empore  eingebaut,  wahrfcheinlich  der  Nonnen- 
]5etchor.  Sie  wurde  getragen  durch  fechs 
Kreuzgewölbe,  welche  fich  auf  drei  in  der 
Mittelachfe  des Kirchenfchiffesgeftandene Frei- 
pfeiler ftützten.  Dicfe  Anordnung  der  Unter- 
wölbung  der  Empore  war  Urfache,  dafs  das 
Portal  an  der  Weftfeite  nicht  in  der  Mitte, 
fondern  feitwärts  links  angebracht  wurde. 

Von   den  drei  Freipfeilern  ift  keine  Spur 
mehr  vorhanden,  man  fieht    nur  an   den  drei 
Kirchenwänden  in   geringer    Höhe    oberhalb 
des  Bodens  die  Confolen,  auf  denen  die   Gewölberip- 
pen der  Empore  auffaßen  (confolenartige  Einziehungen 
der  Rippen). 

Der  ganze  Bau  macht  den  Eindruck  edler  erha- 
bener Einfachheit.  Ein  paar  hundert  Schritte  entfernt 
von  ihm  fteht  auf  einem  Hügel  eine  ganz  neue  moderne 
Kirche  —  die  Pfarrkirche  —  ein  gefchmacklofes  Mach- 
werk aus  dem  Jahre  1878. 

Noch  ift  zu  erwähnen,  dafs  einzelne  Details  aus 
diefer  Kirche,  als:  Figuren,  Schlußfteine,  Grablleineetc. 
ins  Brünner  Franzens-Mufeum  kamen;  dafs  ferner  in 
der  neuerbauten  Pfarrkirche  fich  die  Kanzel  der  alten, 
durch  das  Hochwaffer  zerftörten  fpät-gothifchen  Stadt- 
pfarrkirche befindet  —  ein  nicht  bedeutendes  Werk 
vom  Jahre  1529. 

Das  Schloß  Kanitz,  auf  einem  Hügel  nächft  der 
Klofterruine  gelegen,  ift  ein  im  Viereck  hergeftelltes 
Gebäude  mit  Baftionen  und  Gräben,  das  in  keiner  Be- 
ziehung ein  hervorragenderes  Intereffe  erregt.  Die 
Haupttheile  ftammen  aus  dem  17.  Jahrhundert;  die 
kleine  Capelle  aus  gothifcher  Zeit.  Hübfeh  ift  im 
Schlöffe  eine  fteinerne  freitragende  Wendeltreppe 
(ohne  Spindel)  des  15.  Jahrhunderts,  deren  Stufen  man 
im  16.  Jahrhundert  durch  gefchmackvoU  verzierte 
fchmiedeeiferne  Träger  unterftützen  zu  muffen  glaubte. 

Burg  Boskovic. 

Von  diefer  Burg  wird  viel  Auffehens  gemacht  und 
fie  zu  den  fpät-gothifchen  Bauten  gezählt;  ichwar  daher 
nicht  wenig  überrafcht,  als  ich  den  Eingangstraft  — 
das  ift  der  einzige  Bautheil  der  ganzen  Burg,  der  über- 
haupt noch  eine  architektonifche  Form  darbietet  (alles 
andere  find  kahle  Mauerrefte  mit  äußerft  fpärlichen 
Zeichen  von  Kunll:formen)  —  als  ich,  wie  gefagt,  den 
Eingangstraft  der  Reiiaijjfanceseit  angehörig  fand. 

Eine  eingemeißelte  Jahreszahl  an  einem  Sockel- 
gefimfe  diefes  Bautheiles  lautet:  1671.  Diefer  Eingangs- 
traft ift  eine  Partie  der  Ringmauer,  welche  den  Burg- 
bau in  einer  Umfaffungslänge  von  350  M.  umfchlicßt. 
XIX.  N.  F. 


An  der  Siidfeite  fällt  das  felfige  Terrain  fehr 
fteil  ab.  Da  konnte  man  fich  mit  dem  Bau  einer  ein- 
fachen fortlaufenden  hohen  Wallmauer  begnügen.  Von 
diefer  Seite  war  die  Burg  faft  fturmfrci.  An  den  übri- 
gen drei  Seiten  ift  das  Terrain  dem  Angreifer  günftiger. 
Da  find    der  Mauer  Thürme   und  Ravelins   eingefügt; 

mim. 


Fig.  2. 

die  Mauer  ift  mit  Schießfeharten  und  Mordgalerie  ver- 
fehen  (Siehe  Grundrifsfkizze.  Fig.  2). 

Innerhalb  diefer  einheitlichen  Umwallung  liegt  das 
gefchloffene  Burggebäude  (mit  dem  Eingange  6"  an  der 
Nordfeite)  ohne  weitere  Vertheidigungswerke.  Um 
diefen  Eingang  noch  mehr  zu  fchützen,  wurde  der 
Zwingerraum  durch  zwei  Radialmauern  abgetheilt. 

War  der  erfte  Eingang  A  erftürmt,  fo  mußte  noch 
das  Thor  B  der  einen  Radialmauer  genommen  werden, 
um  zum  Eingang  6"  zu  gelangen. 

Die  Burg  irt  vollftändige  Ruine;  außer  den  Kellern 
findet  fich  kein  einziger  gedeckter  Raum  mehr  als 
vorhanden. 

An  den  hoch  in  die  Lüfte  ragenden  kahlen,  theil- 
weife  mit  Werkftücken  armirten  Bruchfl:ein-Mauern 
find  an  Kunflformen  erfichtlich: 

an  der  Südfeite  ein  einfacher  Erkerausbau  auf 
drei  Tragfteinen  (Fig.  3); 


F'g-  3- 

an  der  Nordfeite  ein  kleines  verftäbtes  gothifches 
Spitzbogen  fenfter; 

im  Innern  eine  einfache  verftäbte  Thür  mit  geradem 
Sturz  und 

an  der  Nordfeite  das  Eingangsthor  C  im  Renaif- 
fancc-Styl  (Fig.  4).  Sonft  ift  in  der  Burg  an  Kunft- 
fornien  nichts   vorhanden. 

Die  Mauern  (aus  Bruchfteinen  und  Ziegeln  aus- 
geführt) find  theihveife  gekürzt,  fo  dafs  es  heute  z.  B. 
fchwer  mit  Sicherheit  zu  beftimmen  ift,  wo  die  Stiegen- 
anlagen waren. 

Das  früher  erwähnte  Thor  B  der  einen  Radial- 
mauer   zeigt     den    Uebergang  von      der     Gothik   zur 


—       224 


Renairiance;  der  Spitzbogen  ift  oben  ausgefchwcift,  ill 
abgefafst  und  an  Stelle  des  gothifchen  Wafferfchlags 
hat  man  eine  Renaiffanceform  angebracht  (Fig.  5). 


Im  Zwins^er  liegt  mi 


Fig.  5- 

Auch  die  Zinnen  des  Eingangstrafles  und  des 
danebenftehenden  Thurmes  find  abfonderlich  geformt 
(Fig.  6). 


Gräfe  eine  fteinerne  Gruft 
deckplatte.  Sie  bezieht  fich  auf  Herrn  Joannes  Bohu.s, 
Wenc.  Morkowski  und  flammt  aus  dem  Jahre  1694. 


Fig.  6. 

Es  ift  ]<ein  Zweifel,  dafs  die  Totalanficht  der  Burg- 
ruine eine  intereffante,  wenn  auch  nicht  großartige  ift 
und  felbe  als  eine  Zierde  des  landfchaftlichen  Bildes 
betrachtet  werden  muß,  namentlich  der  Einzugstraft. 


Särge  zweier  polnifcher  Königinnen  aus  dem  kaiferlichen 
Haufe  Habsburg  in  der  Königsgruft  am  Wawelberge 

in  Krakau. 


Befprochcii  von  Prof.  Dr.  Jofeph  von 
(Mit  zwei 

BN  der  Königsgruft  unter  der  Domkirche  am 
Wawelberge  zu  Krakau  befinden  fich  unter 
anderen  zwei  Särge  polnifcher  Königinnen, 
welche  dem  erlauchten  Haufe  Habsburg  entftammten. 

Es  waren  nämlich  Anna  und  Conflantia  von 
Oeflerreich,  Enkelinnen  Kaifer  Ferdinands  I.,  Töchter 
Erzherzog  Karl  Ferdinand's  und  Schweflern  Kaifer 
Ferdinand  II.  Sie  folgten  einander  nach  als  Gemah- 
linnen des  polnifchen  Königs  Sigismund  III.  aus  dem 
fchwedifchen  Königshaufe  Wafa.  So  wie  fie  ihre  Jugend 
im  elterlichen  Haufe  mitfammen  in  fchwefterlicher 
Liebe  verlebt,  fo  ruhen  fie  auch  nach  dem  Tode  neben- 
einander in  derfelben  Gruft  fchon  drei  Jalirhundcrtc 
lang,  ungeachtet  aller  politifchen  Stürme  und  Regie- 
rungsumwälzungen. 

Beide  Särge  find  kunftvoll  aus  Zinn  gegoffen,  mit 
reichen  Ornamenten  verziert,  an  der  obern  Breiten- 
feite mit  königlichen  Wappen  und  an  der  unteren  mit 
einer  Infchrift  vcrfehen. 

Der  Sarg  der  Königin  Anna  (vermählt  1592, 
1 1598)  ift  an  den  Längsfeiten  mit  flylifirten  erhabenen 
Renaiffance-Pflanzen-Ornamcnten  verziert.  Auf  dem 
Sargdeckel  befindet  fich  ein  Kreuz,  welches  am  unteren 
Ende  zwei  Engel  ftützen. 

Das  Königswappen  zeigt  in  einem  geviertheilten 
Schilde  abwechfelnd  den  polnifchen  Adler  und  den 
lithauifchen  Reiter,  der  mittlere  Schild,  ebenfalls 
geviertheilt,  wechfelt  die  fchwedifchen  drei  Kronen 
mit  dem  habsburgifchen  Löwen,  und  der  Herzfchild 
ftellt  das  öflerreichifche  Hauswappen  dar.  Das  Ganze 
wird  von  zwei  Engeln  als  Schildhältern  getragen. 


Lepkow»ki,  Confervator  in  Krakau. 
Tafeln.) 

Diefer  Sarg  war  urfprünglich  polychromirt,  wovon 
noch  deutliche  Spuren  zurückgeblieben  find,  nament- 
lich waren  alle  Pflanzenzweige  vergoldet,  die  Rofetten 
aber,  fowie  die  Blumen  und  Früchte  roth  überzogen. 
Der  Grund  des  Wappenfchildcs  und  die  Umrahmung 
der  Infchrifttafel  waren  vergoldet.  Die  letztere  ift  vier- 
eckig in  Cartoucheform   und   trägt  folgende  Infchrift: 

Chriflo  Deo  Salvatori. 

Anna  Poloniae    Svcciaec].  Regina    Archidux    Austriae 

ex    Carolo    Ferdinandi    Caesaris    F.  et   Maria   Alberti 

Ducis   Bavariae   quam   c.k   Anna  Ferdin.  Caesaris  F. 

susceperat.  Anno  a  Christo  nato  MDLXXXXII  matri- 

monium  contraxit  cum  Sigism.III.  Poloniae  Sveciaeque 

Rege    inclyto.    MDLXX.XXVIII    uterum    fcrcns     iam 

mensem    oflavam,   annos  nata  viginti   (|uin(iiic  obdor- 

mivit  in  Domino. 

Pia,  Religiosa,  Prudens, 

Laude  Regalium  virtutum  admirabilis 

Mater  pauperum. 

Der  zweite  Sarg,  nämlich  der  Königin  Conftantia 
(vermählt  1608,  f  1631"),  ebenfalls  aus  Zinn,  ill  mit 
reichen  Ornamenten  im  Barockflyl  decorirt.  An  den 
vier  l'"cken  des  Sarges  fowie  auch  an  den  iJuigsfeiten 
find  acht  weibliche  Statuetten  gleichmäßig  angebracht, 
welche  verfchiedene  Tugenden  mit  entfprechenden 
Attributen  vorftellcn.  Die  Zwifchcnfelder  find  mit 
(lylifirten  erhabenen  Pfianzen-Ornamenten  verziert.  An 
der  fchmalen  Kopffeite  des  Sarges  fehcn  wir  dasfelbe 
Wappen,  wie  am  Sarge  der  Königin  Anna.  Am  Fuß- 
ende des  Sarges  befindet  fich  eine  ovale  Infchrifttafel , 
auf  welcher  fol;^ende  Worte  zu  lefen  find: 


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225 


D.  O.  M. 

Serenissima  Regina  Poloniarum 

Conftantia 

Ferdinandi  I  Imperatoris  optimi  iieptis 

Caroli  Archiducis  Austriae  et  Mariae  Boiorum  Ducis 

Filia 

Ferdinandi  II  Caesaris  semper  Augusti  Soror 

Sereniss.  ac.  Potentiss.  Pol.  et  Svec.  Regis 

Sigismundi  III  Coniux 

Mortalitatis  suae  exuvias  ad  Dei  Judicis  usque 

adventum  hie  deposuit. 

Joannem  Casimirum, 

Joannein  Albertum, 

Carolum  Ferdinandum, 

Alexandrum  Carolum, 

Annam  Catharinam 

Le6lissimos  terris    Principcs 

reliquit. 

Foecunditatis  suae  partem  Filium  et  Filiam  Infantes 

coelo  consecravit. 

Multis   illa   decora,   qua   prosapia    qua   Sanguinis  qua 

proquinquitatis  qua  affinitatis  nominibus 

sed  eminentissima 

ob  eximium  catholicae  pietatis  cultum 

ob    siiigularem  a    maioribus  traditam  erga   adorandae 

Eucharistiae    Sacramentum    reverentiam, 

ob    incredibilem    in   Superos    observantiam 

ob  magnum  religionis  promovendae  augendaeque 

fervorem  ob  infinitum  prope  egenis  pupillis  viduis 

benefaciendi  Studium. 

In  opino  mortis  casu 

Regina  regnum,  Coniux  Regem,  Mater  Principes 

Totam  Chriftianitatem  piissima  Princeps 

in    moerorem    traxit 

Varsaviae  X  Julii    anno   reperatae   salutis    MDCXXXI 

aetatis    XLIII    coniugii  XXVI. 

Der  Sargdeckel  trägt  ein  erhabenes  Kreuz   längs 

der  Mitte,  neben  welchem  unten  zwei  Geftalten  unter 


dem  Kreuze  flehend  eingravirt  find,  nämlich  die  Mutter 
Gottes  und  der  heilige  Johannes;  etwas  höher  zu  bei- 
den Seiten  fieht  man  zwei  eingravirte  fliegende  Engel 
mit  dem  Kelche  in  der  Hand,  den  Arm  des  Heilands 
unterfliitzend.  An  den  vier  Ecken  des  Sargdeckels 
befinden  fich  noch  vier  eingravirte  Medaillons,  welche 
die  Evangeliften  vorteilen.  Drei  fchiefe  fchmale  Fel- 
der des  Sargdeckels  find  ebenfalls  mit  eingravirten 
Ornamenten  mit  Engelköpfchen  verziert,  auf  dem  vier- 
ten Felde  an  der  Kopffeite  ift  der  auferflchende  Chri- 
ftus  eingravirt.  Auch  diefer  Sarg  trägt  Spuren  der 
Polychromie,  namentlich  die  Gcfimfe  und  das  Feld  des 
Wappenfchildes  zeigen  eine  rothe  Farbe. 

Beide  Särge  wurden  im  Jahre  1873  bei  der  allge- 
meinen Reftaurirung  der  Königsgruft  einer  gründlichen 
und  pietätvollen  Reftaurirung  durch  mich  als  den  beru- 
fenen k.  k.  Confervator  unterzogen. 

Der  Jefuiten-Priefter  Peter  Skarga,  der  weife  Rath- 
geber  der  polnifchen  Könige  und  unerfchrockene 
Verkünder  der  Wahrheit  dem  Volke,  fpricht,  die  dritte 
Auflage  feines  Werkes:  „Leben  der  Heiligen"  der 
Königin  Anna  widmend,  feine  Freude  darüber  aus, 
dafs  Sie  die  Sprache  des  Landes,  dem  Sie  Köni- 
gin geworden,  fo  lieb  gewonnen  habe  und  durch  die 
Angewöhnung  und  Beobachtung  der  Sitten  Ihres  neuen 
Vaterlandes  allen  theuer  geworden  fei. 

Sehr  fchön  fpricht  Skarga  weiter  zu  Anna  von 
Ihrem  Haufe.  Ueber  dies  würde  diefer  Priefter,  Gott  fei 
Dank,  auch  heute,  wenn  er  nacli  drei  Jahrhunderten 
wieder  auf  der  Kanzel  am  Wawel  ftände,  ganz  ebenfo 
fprechen. 

Diefer  gottfelige  Jefuit,  welcher  die  geiftlichen 
Pflichten  am  Hofe  Sigismund  III.  und  deffen  zwei 
Gemahlinnen  beforgte,  hat  auch  die  Königin  Anna  zum 
Tode  vorbereitet  und  mit  den  heiligen  Sterbefacra- 
menten  verfehen. 


Gothifche  Holzgegenftände  der  kirchlichen  Kunftinduftrie 

in  Weft-GaUzien. 


(Mit   einer  arti 

]RAKAU  gilt  mit  Recht  als  die  Hauptftätte  der 
mittelalterlichen  Kunllpflege  in  den  polnifchen 
Ländern.  Ungeachtet  vielfacher  Verwüftungen, 
die  es  in  Folge  von  Belagerungen,  feindlichen  Plün- 
derungen und  zahlreichen  Feuersbrünften  erlitten, 
befitzt  es  in  feinen  Kirchen  und  Klöftern  eine  Anzahl 
von  Kunftdenkmalen  aus  dem  Mittelalter,  welche  auf 
ein  reges  Leben  in  diefer  Hinficht  zu  fchließen  erlau- 
ben und  die  kunftgefchichtliche  Bedeutung  diefer 
Stadt  ganz  befonders  in  den  Vordergrund  fchieben. 

Aber  neben  diefem  Reichthum  an  Gegenftänden 
der  eigentlichen  Kunftprödu6lion  fowie  der  Kunftindu- 
ftrie früherer  Jahrhunderte,  hat  die  alte  Königftadt  in 
einer  Richtung  merkwürdigerweife  fo  wenig,  ja  beinahe 
gar  nichts  aufzuwcifen:  ich  meine  die  in  den  Bereich 
der  Kunftinduftrie  gehörenden  Holzarbeiten  aus  der 
gothifchen  Periode.  Durch  Kriegsunglücke  und  Feuers- 
brünfbe  wird  die  diesbezügliche  Armuth  nicht  genügend 
erklärt,  indem  doch  ungeachtet  alledem  in  unferen 
Kirchen    fo   viele    mittelalterliche    Bilder,    Schnitzerei- 


(lilchen  JUeliagc  ) 

werke  und  Flügelaltäre  erhalten  find.  Angcfichts  diefer 
befremdlichen  Thatfache  wird  man  verfucht,  fich  zu  fra- 
gen, ob  denn  in  diefer  Gegend  Polens  im  Mittelalter  gar 
keine  Kunftinduftrie  in  Holz  vorhanden  war,  hier,  wo  es 
doch  an  Holzmaterial  nie  gefehlt,  wo  die  Sculptur,  die 
Goldfchmicdekunft,  die  Kunftfchlofferei,  die  Metall- 
gießerei, die  Glasmalerei  im  14.  und  15.  Jahrhundert 
auf  einer  fo  hohen  Stufe  der  artiftifchen  Ausbildung 
ftanden,  und  wo  nachher  das  16.  und  17.  Jahrhun- 
dert uns  mit  fo  zahlreichen  Arbeiten  der  Kunfttifch- 
lerei  an  Altären,  Kanzeln  und  Chorftühlen  befchenkt 
haben? 

Glücklicherweife  wird  diefe  bisher  nicht  genügend 
erklärte  Lücke  durch  die  in  näherer  und  weiterer  Um- 
gebung Krakaus  vorhandenen  hölzernen  Denkmale  der 
mittelalterlichen  Kunftinduftrie  wenigftens  theilweife 
ausgefüllt. 

Unter  diefen  find  vor  allen  anderen  die  alten 
Chorftühle  der  Kathedral-Kirche  zu  Taniöw  zu  er- 
wähnen,   einer    Kirche,    welche    überhaupt    eines    der 


226 


intereffanteften  Denkmale  bei  uns  zu  Lande  ifl:,  und 
deren  Kunftfchätze  erften  Ranges  leider  noch  einer 
monographifchen  Befchreibung  harren.  Die  Chorftühle 
von  Tarnow,  jetzt  an  beiden  Seiten  des  Hauptein- 
ganges der  Kirche,  unterhalb  der  Mufik-Empore  auf- 
geftellt,  find  fchon 
vor  Jahren  befpro- 
chen    und  einer  der- 

felben  nach  Auf- 
nahmen des  verflor- 
benen  Architekten 
Makarewicz  in  den 
Mitth.  (Jahrg.  1875, 
S.  14  u.  47)  ver- 
öffentlicht worden. 

Unter  Verwei- 
fung  auf  den  jene 
Zeichnungen  beglei- 
tenden Auffatz,  wer- 
den hier  neueRepro- 

du6tionen    diefer 
typifchen  Chorftühle 
beigefügt,    nach    im 
Jahre  iS92aufgenom- 

menen   Photogra- 
phien,    welche    den 

Gegenftand  mit 
größerer  Treue  wie- 
dergeben und  die  bei 
der  unlängft  vorher 
durchgeführten  Re- 
ftaurirung  ftattgefun- 
denen  Aenderungen 
erfehen  laffen. 

Fig.  I  ftellt  die 
eine  Reihe  der  Chor- 
ftühle, links  vom 
Haupteingange  der 
Kirche  in  perfpefli- 
vifcher  Gefammtan- 
richtdar;Fig.  2' gibt 
den  obern  Theil  der- 
felben  in  Vorderan- 
ficht, wobei  die  Rück- 
Ichn-Füllungen  deut- 
licher hervortreten. 
In  Fig.  3'  fehen  wir 
die  obere  Hälfte  der 
zweiten,  rechts  vom 
Haupteingange  auf- 
geftellten  Chorftuhl- 
reihe,  deren  Orna- 
mentation  imGcgen- 
fatze  zur  crftcren 
Reihe  ganz  flach 
gehalten,  nur  aus 
einer  furchenartig 
geritzten  Contur- 
zeichnung      befteht. 

Ein  weiterer  Unterfchied  ift  in  der  Refchaffenheit 
der  refpcctiven  Ikildachin-Ilimmcl;  während  derjenige 
der  crfteren  Reihe  (Fig.  i)  nach  Art  eines  Kreuzgewöl- 
bes   conftruirt  ift,  befteht  derjenige  der  zweiten  Reihe, 

'  S.  die  bcigcgcbenc  Tafel. 


wie  in  Fig.  3  zu  fehen,  aus  einer  concaven  Decke,  auf 
welcher  Band-Ornamente  in  Conturzeichnung  eingra- 
virt  find.  Uebrigens  wäre  noch  zu  bemerken,  dafs 
die  beiden  Seitenwände  der  Chorftühle,  in  neuerer 
Zeit    theilweife  ergänzt  worden  find,  und  endlich  dafs 

die  fonft  fachgemäße 

und  gewilTenhafte 
jüngfte  Reftaurirung 
die      damals     noch 
fichtbaren       Spuren 

ehemaliger  Poly- 
chromie  unberück- 
fichtigt  ließ,  indem 
die  ganze  Holzober- 
fläche bei  diefer 
Gelegenheit  dunkel- 
braun gebeizt  wurde. 

Eine   ganze 
Fundgrube    zur  go- 
thifchen  Periode  ge- 
hörender Holz- 
gegenll:ände  der 
Kunftinduftrie  bietet 
die  in  meinem  Con- 
fervatoreiibezirk  lie- 
gende Pfarrkirche  zu 
Biecz,  welche  in  neu- 
erer Zeit  aus  Anlafs 
der    dafelbft    vorge- 
nommenen    Reftau- 
rirungsarbeiten 
öfters  genannt 
wurde,    und    wegen 
ihrer   architektoni- 
fchen    Bedeutung 
fowie  ihres  ganz  un- 
gewöhnlichen Reich- 
thums    an   Denkma- 
len   der    Kunft    und 
Kunftinduftrie       aus 
dem  15.,  16    und  17. 
Jahrhundert  im    ho- 
hen   Grade    Beach- 
tung   verdient. 

Hier  fehen   wir 
im  Mittelfchiff,  unter 

der  Mufikemporc 
rechts  vom  Ilaupt- 
eingang,  eine  Reihe 
von  Chorftühlen  auf- 
geftellt,  die  trotz 
ihres  vernachläffig- 
ten  Zuftandcs  die 
Aufmcrkfiim]<eit  des 
Kenners  auf  fich 
lenken. 

Das  vordere  Betpult 
ift  aus  fpätcrer 
(''■»■•"öw.)  2eit.  15emerkcns- 

werth  find  die  forgfältig  profilirten,  zweimal  gefchweif- 
ten  und  in  ihrem  oberen  Theilc  maßweikartig  ver- 
zierten    Scheidewiinde    zwifchen     den  Sitzen.   Die     in 


den  Ausfchnittcn    angebracliten    Säulchen   find 


acht- 


eckig.   Das    crrößte     Intcreffc    diefer  Chorftühle  liegt 


Beilage  zu  den  Mitlh.  d.  Centr.-Comm.  1893. 
Gothifche  Holzgegenftäiide  der  kirchlichen  Kunftinduftrie  in  Wefl-Galizien. 


Fi".  10.  Kircbenftuhl  in  Skrzvszöv 


Fig.  2.  Kirchenfiuhl  in  TarnOw. 


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227       — 


in  der  hohen  verzierten  Rückwand  (Fic^.  4  und  5  auf  Bei- 
blatt). In  ihrem  heutigen  Zuftande  befteht  fie  aus  einem 
flach  ornamentirten  1-65  M.  hohen  Getäfel,  deffeii  Ein- 
theilung  den  darunter  angebrachten  fechs  Sitzen  ent- 
fpricht.  Die  ganze  Wand  ift  von  oben  und  von  beiden 
Seiten  in  einem  flach  gefchnitzten,  mit  fortlaufendem 
Blatt-Ornament  verzierten  Leiften  rahmenartig  einge- 
fafst.  Derfelbe  Leiften  bildet  auch  die  verticale  Einthei- 
lung.  Die  vertical  rechteckigen  Füllungen  find  nur  in 
ihrem  oberen  Theileornamentirt;  oberhalb  der  Arm- und 
Rücklehnen  ill;  ungefähr  ein  Viertel  der  Oberfläche  als 
Brett  zurückgelaffen.  Nach  zwei  verfchiedenen  Prin- 
cipien  gefchnitzte  Füllungen  wechfeln  mit  einander.  Die 
eine  Art  befleht  aus  in  zwei  Flächen  fozufagen  eingra- 
virten  Pflanzen-Ornamenten.  Wenn  wir  von  links  anfan- 
gen, fo  ift  von  den  drei  in  diefer  Art  verzierten  Feldern 
das  erfte  mit  rankenartigem  Blattwerk,  welches  aus 
einemBlumentopfemporwächft,  bedeckt.  Ganzoben  find 
in  die  Ranken  zwei  fleh  gegenfeitig  beißende  Drachen 
eingeflochten .  Die  Verzierung  des  zweiten  Feldes  befteht 
etwa  aus  Schilf,  deffen  unterer  Hauptftamm  einem  den 
zwei  erwähnten  ähnlichen  Unthier  aus  dem  Rachen 
emporzuwachfen  fcheint.  Ungefähr  die  Mitte  des  Feldes 
nimmt  das  altpolnifche  Wappen  Odroivqi  ein,  mit 
Helm  und  Federbufch  bekrönt.  Diefen  letztern  durch- 
fticht  dasfelbe  hier  in  horizontaler  Lage  wiederholte, 
einem  Pfeile  ähnliche  Wappenzeichen.  In  gleicher 
Weife  ift  im  dritten  Felde,  deffen  Blattrankenmotiv 
nicht  leicht  zu  definiren  ift,  ein  Wappenfchild  mit  Helm 
angebracht;  das  Zeichen  dürfte  als  das  verkehrte 
Wappen  Abdank  zu  erklären  fein. 

Grundverfchieden  find  die  drei  anderen  mit  jenen 
alternirenden  Felder;  ihr  Motiv  ift  rein  geometrifch 
und  wird  aus  einer  fymmetrifchen,  aber  ziemlich  ver- 
wickelten Verbindung  zahlreicher,  um  eine  Anzahl 
fefter  Punkte  geführter  und  ineinander  übergehender 
Kreislinien  gebildet.  Diefe  Linien  find  in  einer  Art 
Rundftäbe  ausgeführt,  deren  Begegnen  mittelft  eines 
kleinen  flachen  Kleeblättchens  markirt  wird.  Die  da- 
zwifchen  vorkommenden  vollftändigen  Kreife  werden 
durch  forgfältig  modellirte,  Marienblümchen  ähnliche 
Rofetten  ausgefüllt.  Auch  hier  entfteht  der  Hinter- 
grund durch  ein  entfprechendes  etwa  i/^  Cm.  tiefes 
Abtragen  der  Brettoberfläche.  Die  drei  auf  diefe  Art 
entftandenen  Füllungen  unterfcheiden  fich  unter  ein- 
ander in  Folge  ungleicher  Combination  desfelben 
Motivs.  Eine  vierte  Abart  desfelben  Syftems  bildet  der 
noch  erhaltene  untere  Theil  der  linken  Seitenwand, 
deren  Verzierung  fich  am  meiften  dem  vierten 
Felde  der  Rückwand  nähert.  Leider  fehlt  der  ganze 
obere  Theil,  der,  wie  aus  den  erhaltenen  Anläufen  zu 
erkennen,  durchbrochen  war,  und  wahrfcheinlich  Maß- 
werk-Ornament befafs.  Ebenfo  fehlt  die  ganze  andere, 
•durch  einen  fpäteren  Abfchluß  erfetzte  Seitenwand, 
fowie  auch  jede  Spur  von  einem  das  Ganze  bekrönen- 
den Baldachin. 

Seinen  Hauptreiz  bekommt  nun  diefes  Chor- 
geftühl  durch  die  noch  ziemlich  deutlich  erhaltene 
Polychromie.  Die  kleinen  durch  die  Conturen  der 
Schnitzwerkmufter  begränzten  Flächen  des  Getäfels 
find  mit  Benutzung  von  vier  gefchmackvoU  zufammen- 
geftellten  F'arben:  roth,  gelb,  grün  und  blau,  mofaik- 
artig  gefärbelt.  Diefe  abgeblafste  Temperamalerei 
gibt  der  ganzen  Rückwand  viel  Aehnlichkeit  mit  einem 


alten  fein  gemufterten  türkifchen  Teppich,  deffen 
Grundton  aus  gelb  und  blau  gebildet  wird. 

Chorftühle  in  der  Art  der  oben  befchricbenen 
kommen  in  Polen  meines  Wiffcns  fonft  nur  noch  in 
einem  Beifpiele  vor:  es  ift  dies  in  der  Pfarrkirche  des 
etwa  fünf  Meilen  nordvveftlich  von  Krakau,  aber  fchon 
auf  ruffifchem  Boden  liegenden  Städtchens  Olkiisz.  Bei 
weitem  beffer  erhalten,  befitzcn  diefe  letzteren  noch 
einen  Baldachin,  der  bei  einer  künftigen  Reftaurirung 
des  Bieczer  Chorgeftühls  als  Vorbild  benutzt  werden 
dürfte. 

Ein  zweiter,  vielleicht  noch  wichtigerer  Gegcn- 
ftand     der     Bieczer    Kirche    find    ein    Paar    hölzerne 


Flg.  u.  (Biecz.) 

gothifche  Altarleuchter,  davon  einer  in  Fig.  6  in  dem- 
jenigen Zuftande  reproducirt  wird,  in  welchem  er 
im  Jahre  1887  von  dem  jetzt  verftorbenen  Confervator 
V.  Rogm.i'ski  in  einer  Rumpelkammer  neben  der  Sacri- 
ftei  fammt  dem  anderen  entdeckt  worden  ift.  Unge- 
fähr 065  M.  hoch,  find  fie  aus  Lindenholz  angefertigt, 
das  im  Laufe  der  Zeit  wurmftichig  und  vom  Moder 
ftark  angegriffen  wurde.  Die  beigegebene  Aufnahme 
macht  eine  nähere  Befchreibung  überflüßig.  Es  genügt 
zu  bemerken,  dafs  die  Schnitzarbeit  eine  ziemlich  grobe, 


—       228 


aber  forgfältige  ifl.  Offenbar  war  der  Verfertiger  ein 
Provincialbildhauer,  dem  gute  gothifche,  aber  auch 
romanifche  Motive  vorlagen,  der  fich  aber  mit  der  gan- 
zen Compofitioii  nicht  gut  zu  helfen  wufste.  Die  Zeich- 
nung einer  gothifchen  Säule,  die  ihm  vorfchwebte,  ill: 
plump  und  ungefchickt  ausgefallen.  Der  Schaft  ift  zu 
kurz,  das  Capital  zu  fehr  ausgebaufcht  und  etwa  an 
ein  abgerundetes  romanifches  Würfelcapital  erinnernd. 
Zwifchen  den  den  Schaft  umgebenden  Weinranken 
hüpft  hie  und  da  ein  taubenahnliches  Vöglein,  welches 
nach    den    Reben    pickt.     Den     achteckigen    Abacus 


Fi(;.    7.   (Biccz.) 

bekrönt  eine  Eifcnblcchcinfaffung,  welche  aus  einer 
Schnur  und  darüber  frei  aufgehellten  Lilienblättern 
befteht. 

Trotz  des  fehr  traurigen  Ziiflandes  der  beiden 
Leucliter  waren  an  ihnen  noch  deutliche  Spuren  einer 
Vergoldung  aller  Kanten  und  emporragenden  Orna- 
mente zu  fehen.  Hintergrund  und  Flächen  fcheinen 
dunkelblau  bemalt  gewefen  zu  fein.  Demgemäß  wurde 
auf  Veranlaffung  des  Jetzigen  Confervators  der  eine 
diefer  Leuchter  reflaurirt  und  ein  zweiter  ganz  gleicher 
neu  verfertigt;  zufammen  dienen  fie  heute  wieder  zur 
Zierde  eines    der   Nebenaltäre   in    Hiccz.    13cr   andere 


Leuchter,  deffen  zu  arger  Zuftand  keine  Reflaurirung 
zuließ,  wird  im  Krakauer  Nationalmufeum  als  ein 
werthvolles  Unicum  aufbewahrt.  Vom  Cuftos  des  ge- 
nannten Mufeums  Herrn  Theodor  von  Ziemiecki  v/uvde 
auch  vor  einigen  Jahren  eine  Hefchreibung  und  Rcpro- 
duclion  diefer  Leuchter  in  der  illuftrirten  polnifchen 
Zeitfchrift  „  Swiat'^  veröffentlicht.  Bei  uns  zu  Lande 
kommt  kein  zweites  Specimen  folcher  Leuchter  vor. 
Auch  in  Deutfchland  kennt  der  VerfalTer  diefes 
Berichtes  nur  einige  feltene  Gegenftände,  die  an  die 
Bieczer  Leuchter  von  weitem  erinnern.  Es  find  dies 
zwei  Proceffionsftangen  der  Ingolstädter  Fifcher  aus 
dem  Jahre  150g  im  Münchener  Nationalmufeum  (Inv. 
Nr.  S13  u.  814),  fowie  die  Vortrageleuchter  in  demfelben 
Mufeum  (Inv.  Nr.  354,  501/4322  u.  25). 

Die  Bieczer  Kirche  beherbergt  aber  noch  einige 
andere  mittelalterliche  Holzgegenftände,  die,  wenn 
auch  den  oberwähnten  ungleich  an  Werth,  doch 
intereffante  Produ6le  der  gothifchen  Kunftinduftrie  zu 
nennen  find. 

Neben  dem  Hauptaltare,  fowie  in  der  Nähe  eines 
der  Nebenaltäre  fah  man  noch  unlängft  hoch  an  der 
Kirchenwand  befeftigte  Glockengeftelle  von  ungleicher 
Größe  aber  gleicher  Geftalt,  deren  eines  neulich  glück- 
licherweife wiedergefunden  wurde  und  demnächft  an 
feiner  früheren  Stelle  angebracht  werden  foll.  Wie 
Fig.  7  zeigt,  ift  es  eine  Art  architektonifch  compo- 
nirtes  hölzernes  Gerüft,  welches  im  Ganzen  0'335  M. 
Hohe  und  0212  M.  Breite  hat  und  mittelft  eines  kleinen 
horizontalen  Balkens  in  die  Wand  eingemauert  wird. 
Auf  dem  frei  emporgeftreckten  Ende  des  Balkens  ifl 
ein  Querbalken  befefligt,  an  deffen  beiden  Enden  fich 
zwei  kleine  fialenbekrönte  Thürmchen  erheben.  Un- 
gefähr in  der  Mitte  ihrer  Höhe  find  diefe  Thürmchen 
wieder  durch  einen  Querbalken  verbunden,  der  aber 
beweglich  ift  und  als  Glockenträger  diente.  Die  Glocke 
felbft  fehlt  jetzt,  doch  find  noch  die  Löcher  zu  fehen, 
wo  ihr  Kopf  befeftigt  wurde.  Es  war  wohl  eine  kleine 
Glocke,  die  von  dem  Miniflranten  mittelft  einer  langen 
an  das  Ende  des  kleinen  horizontalen  Holzarmes  ge- 
bundenen Schnur  durch  Achfenfchwingungen  des 
Querbalkens  in  Bewegung  gefetzt  wurde. 

Das  Ganze  hat  fpät-gothifche  Formen  und  find 
noch  Spuren  alter  Polychromie  daran  fichtbar.  Auf 
weißem  Grunde  find  die  architektonifchen  Glieder  mit 
dunkehother  und  blauer  Farbe  bezeichnet,  auch  find 
die  Fliichen  des  unteren  Thciles  mittelft  farbiger 
Linien  und  Punkte  belebt,  die  auf  der  Zeichnung  an- 
gemerkt worden  find.  Oberhalb  der  Anhängeftclle  der 
Glocke  foll  ehedem  in  der  Mitte  des  beweglichen 
Querbalkens  eine  hölzerne  Taube  ftehend  angebracht 
gewefen  fein,  welche  beim  Läuten  mit  in  fchwankendc 
Bewegung  gefetzt  wurde.  Dies  ift  umfo  glaubwürdiger, 
da  an  einem  anderen  fpätern  Glockengeftell  dafelbft, 
barocken  Styls  ebenfo  eine  fich  fchaukelnde  Taube  bis 
heute  noch  zu  fehen  ift. 

Endlich  haben  wir  noch  zwei  Gcgenftände  zu  be- 
fprechen,  die  fich  in  der  Sakriftei  zu  Biecz  befinden. 
Der  eine  ift  ein  ziemlich  einfaches  ftehendes  Pult,  deffen 
oberes  zum  iVuflegen  der  Gefangbücher  —  der  Größe 
nach  etwa  eines  Evangeliars  oder  eines  größeren 
Breviars  —  bellimmtes  Brett  das  in  Fig.  8  wieder- 
gegebene flach  fculptirte  Ornament  enthält.  Durch 
Aushebung  des  HinterLrruiules  auf  eine  Tiefe  von  un- 


—      229      — 


gcfälir  0003  M.  findet  fich  die  Zeichnung  eines  ranken- 
umgebenen Raubvogels  mit  ausgebreiteten  Plttigen 
entftanden,  dem  Anfcheine  nach  eines  Adlers,  der  aber 
merkwürdigerweife  nach  Pelikanenart  fich  die  Brufl;  auf- 
reißend dargeftelltift.  Das  Gefieder, fowie  dieDetails  des 
Kopfes,  werden  durch  weniger  tiefe  Conturfurchen  ange- 
deutet. Das  Ganze  hat  echt  gothifchen  Charakter  und 
weift  Spuren  von  ehemaliger  Polychromie  auf 


fie  als  Beweife  unferer  ehemaligen  landläufigen  kunft- 
indurtriellcn  Thatigkcit  dienen  können,  fozufagcn  echt 
typifchc  Beifpiele  gothifcher  ins  bäuerifche  überfetzten 
Kunflformen  abgeben. 

In  Skrzyszöiv,  einem  Dorfe  bei  Tarn(')w,  befinden 
fich  in  der  dortigen  Pfarrkirche,  die  ein  alterthümlicher 
Holzbau  ifl,  zwei  ganz  gleiche,  auf  beiden  .Seiten  des 
Hauptaltars  aufgeftellte  Collatorenbänke.  I-'ig.  10,  (f  die 


(Fig.  8.  Biecz.; 


Der  zweite  Gegenftand  ift  die  hölzerne  Umrah- 
mung einer  Mauernifche,  die  als  Wandfchrank  zur  Auf- 
bewahrung von  Sacrifteigeräthen  dient.  Der  Schrank 
hat  eine  beinahe  quadratifche  Geftalt  (ri4  M.  Breite  zu 
118  M.  Höhe).  Während  drei  Seiten  der  Umrahmung 
aus  einem  fehr  einfachen  fchmalen,  mittelft  Blatt-Orna- 
ment verzierten  Leiftens  beftehen,  ift  die  vierte  obere 
zierlicher  ausgeftaltet.  In  der  Mitte  ift  ein  horizontal 
ausgebreitetes  rechteckiges  Feld  durch  ein  Schild  von 
fpät-mittelalterlichen  Formen  ausgefüllt,  welches  das 
Wappenzeichen  „Zadora",  einen  feuerfpeienden Löwen- 
kopf, trägt.  Längs  des   unteren   Randes    des   Leiftens 


beigegebene  Tafel).  Das  Bäuerifche  der  Arbeit  ergibt 
fich  nicht  nur  aus  einer  ganz  unverftändigen  Benützung 
gothifcher  Motive  und  einer  willkürlichen  Verbindung 
derfelben  mit  Renaiffancemotiven,  fondern  auch  aus 
der  ungerechtfertigten  Eintheilung  der  Rückwand  in 
fünf  fchmale  Felder,  während  auf  der  derfelben  entfpre- 
chenden  Bank  kaum  für  drei  Perfonen  Platz  ift.  Jeden- 
falls gibt  fie  einen  Begriff  von  der  durch  ungeübte 
Hand  gemachten  Anwendung  des  Maßwerkmotivs, 
von  der  originellen  an  Krakauer  Kirchen-  und 
Häufergiebel  erinnernden  Bekrönung  des  Baldachins, 
und   von    der   eisenthümlichen  Combinirung'   der  vom 


(f'ig-  9- 
läuft  eine  Minuskel-Infchrift: //öc  est  armarium  Altaris 
Sancti  Nicolai  coti  —  das  übrige  fehlt.  Durch  fchräge, 
an  dem  oberften  Rande  angebrachte  Ausfchnitte  be- 
kam der  Rahmen  eine  Zinnenbekrönung,  deren  vier 
Mittelfelder  die  Jahreszahl  1497  tragen.  Diefen  ganzen 
oberen  Theil  der  Nifchenumrahmung  gibt  die  Zeich- 
nung in  Fig.  9  wieder. 

Noch  wollen  wir  zu   allerletzt   zweier    Chorftühle 
erwähnen,  die  dadurch  befonders  intereffant  find,  dafs 


Biecz.) 

Baldachin  frei  herabhängenden  Maßwerknafen  mit 
immer  zu  drei  auftretenden  naturaliftifch  aufgefafsten 
fculptirten  Rofetten,  die  auch  an  anderen  Stellen  ver- 
wendet worden  find  und  an  die  Rofetten  des  Bieczer 
Chorftuhls erinnern.  Das  ganzehr  einen  ziemlich  fchwer- 
fälligen  Charakter,  wird  aber  durch  die  bei  einer  neue- 
ren Reftaurirung  leider  in  Oelfarben  aber  mit  möglichfl 
getreuer  Behaltung  der  alten  Farben  durchgeführten 
Polychromie  belebt.  Das  an  der  inneren  Seitenwand  zu 


—       230       — 


fehende  Schild  mit  den  Zeichen  des  Halbmondes  und 
eines  Sternes  ift  das  Wappen  „Leliwa"  der  Familie 
Tarnowski,  welche  bis  Ende  des  i6.  Jahrhunderts  die 
Güter    der    Graffchaft   Tarnöw  innehatte. 

Fig.  11  ftellt  eine  zweite  derartige  CoUatorenbank 
dar,  die  fich  im  Dorfe  Zbyszyce  bei  Neu-Sandec  be- 
findet und  heutzutage  im  dunkelften  Winkel  unter  der 
Orgel-Empore  aufgeftellt  ift.  Die  malerifche  und  in  einer 
wunderfchönen  Gegend  gelegene  Kirche  birgt  noch 
manches  andere  intereffante,  das  bei  einer  anderen 
Gelegenheit  zur  Sprache  kommen  dürfte.  Die  in  Rede 
ftehende  CoUatorenbank  hat  einen  demChorftuhltypus 
fich  nähernden  Charakter.  An  der  Rücklehne  find 
fogar  Spuren  ehemaliger,  fpäter  abgetragener  Ein- 
theilung  in  fünf  —  den  vier  Feldern  der  Rückwand 
alfo  nicht  entfprechende  — 
gefonderte  Sitze  zu  fehen. 
Das  Ornament  der  rahmen- 
artigen Leifteneinfaffung  und 
der  vier  Füllungen  der  Rück 
wand  ift  durchwegs  flach  gehal- 
ten, in  einer  an  die  pflanzen- 
verzierten Felder  der  Bieczer 
Chorftühle  erinnernden  Tech- 
nik. Nur  in  einem  der  Felder  — 
dem  dritten  von  links  aus 
gerechnet  —  wurde  der  Hinter- 
grund nicht  ausgehoben,  fo 
dafs  Zeichnung  und  Hinter- 
grund auf  derfelben  Fläche 
liegen  und  nur  die  Conturen 
als  wenig  tiefe  Furchen  einge- 
graben find.  Die  fehr  wahr- 
fcheinliche  ehemalige  Polychro- 
mieift  unter  einer  neueren  brau- 
nen Oelfarbenbemalung  ver- 
fchwunden.  Mit  zwei  blattran- 
ken-verzierten  Feldern  alter- 
niren  auf  der  Rückwand  zwei 
andere,    deren    Füllungen    mit 

künftiich  verfchnörkelten 
BanderoUcn  bedeckt  find.    Auf 

beiden  find  auf  den  Bändern  einzelnftehende  l^uch- 
ftaben  zu  fehen,  aus  denen  auf  dem  mittleren  Felde  die 
Infchrift 

IHESVS  NAZARENVS  REX  IWDEORVM 
auf  dem  SeitenfcUle  aber  die  Infchrift 

MARIA  HILF  VNS  8E(?) 

herauszulefen  ift.  Diefe  letzere  läfst  errathen,  dafs  man 
es  hier  mit  dem  Werke  eines  deutfchen  Arbeiters  zu 
tliun  hat,  was  um  fo  erklärlicher,  als  im  Mittelalter  die 
Mehrzahl  der  Bevölkerung  der  nahen  Städte  Neu-  und 
y\it-Sandec  aus  Deutfchen  beftand.  Auch  ift  es  nicht 
ausgefchloffen,  dafs  der  Chorftuhl  aus  einer  in  Alt- 
Sandec  abgetragenen  Kirche  hieher  überführt  worden 
ift.  Die  Seitenwände  find  je  an  zwei  Stellen  durch- 
brochen und  mit  Maßwerken  verziert.  Der  Baldachin 
ift  neueren  Urfprunges. 

Ich  habe  die  oben  angeführten  Specimina  der 
mittelalterlichen  Kunftinduftrie  ziemlich  ausfiihrlich 
behandelt,  vielleicht  in  Anbetracht  ihrer  abfolutcn 
Bedeutung  fogar  zu  ausführlich.  Keineswegs  will  ich 
dcnfolben     damit    einen    fehr    hohen    Knnftwcrth    zu- 


fchreiben.  Indefs  befitzen  fie  meines  Erachtens  einen 
nicht  gering  zu  fchätzenden  relativen  Werth,  als  Denk- 
male einer  ehemaligen  kunftgewerblichen  Thätigkeit, 
die  in  unferem  holzreichen  Lande  einft  recht  lebendig 
gewefen  fein  muß  und  nicht  nur  das  kleinftädtifche, 
fondern  auch  das  Dorfgewerbe  beeinflußt  hat,  wie  es 
die  erwähnten  Beifpiele  bäuerlicher  Holzfculptur  be- 
weifen,  deren  Denkmale  aber  feitdem  beinahe  fpurlos 
aus  der  Erdoberflache  verfchwunden  find.  Befonders 
in  den  größeren  Städten,  wie  z.  B.  Krakau,  wurde  diefe 
mittelalterliche  kunftgewerbliche  Thätigkeit  durch  den 
früh  eintretenden  Einfluß  der  italienifchen  Apoftel  der 
Renaiffance  fo  forgfältig  verdrängt,  dafs  z.  B.  von  er- 
haltenen hölzernen  Producten  der  gothifchen  Kunft- 
induftrie ich  in  den  Kirchen   unfcrer  Königsftadt   viel- 


einzigen  von   lijfenwein 
Chorftühle    der    heil.    Kreuzkirche 


gezeichneten 


leiclit  nur  die 
fehr  einfachen 
nennen  wüfste. 

Auf  dem  Lande  wurden  fie  in  etwas  größerer  An- 
zahl erhalten.  Wenn  aber  in  Weft-Galizien  kaum  ein 
Dutzend  folcher  Gegenftände  aufgezählt  werden  konnte, 
die  fich  alle  um  wenige  Centren  in  nicht  allzuweitem 
Umkreife  gruppiren  (Tarnow,  Biecz,  Ncu-.Sandec),  fo 
ift  das  meines  Wiffens  beinahe  alles,  was  in  diefer 
Hinficht  übrig  geblieben.  In  Oft-Galizien  ift  erft  recht 
weniges  zu  erwarten,  faft  gar  nichts  in  diefer  Art,  da 
die  abendländifche  Cultur  dort  überhaupt  fpäter  als 
im  Weften  ihren  Einzug  hielt,  lüniges  dürfte  wohl  noch 
im  Königreiche  Polen  zu  finden  fein,  wo  in  den  erhal- 
tenen Denkmälern  der  Architektur  namhafte  Bevveifc 
eines  frühen  Culturlcbens  fowohl  aus  der  gothifchen, 
als  auch  aus  der  romanifchcn  Epoche  zu  uns  gekommen 
find.  Indefs  werilen  dort  eincrfeits  in  Folge  unglück- 
licher politifcher  Verhiiltniffe  alle  leichter  zerftörbaren 
Spuren  weftlicher  Cultur  gewaltfam  entfernt,  anderfeits 
wird  das  Studium  der  noch  vorhandenen  principiell 
erfchwcrt,  ja  fogar  rein  unmöglich  gemacht. 

Wenn  wir  nun  alles  oben  Beriihrte  noch  einmal 
iiberblicken,  fo  kommen  wir  zu  der  Ueberzeugung, 
dafs  die  erhaltenen  hölzernen  Denkmale  der  gothifchen 


—       2ti  I        — 


Kunftinduftrie  diefer  Gegend  nach  zwei  Seiten  hin  auf 
verwandtfchaftUche  Beziehungen  deuten.  Einerfeits  ift 
eine  Analogie  mit  kunflgevveibUchcn  Produ6len  deut- 
fchen  Geiftes  nicht  zu  leugnen.  Es  genügt  wohl  in 
diefer  Hinficht,  außer  den  oben  fchon  erwähnten  Ana- 
logien, die  in  Fig.  i  reproducirten  Tarnower  Chor- 
ftühle  mit  denjenigen  von  St.  Maria  an  der  Gail  bei 
Villach  (Mittheil.  Band  IX)  oder  die  Collatorenbank 
von  Zbyszyce  (Fig.  8)  mit  dem  Betfluhl  aus  der 
Klofterftirche  zu  Neuberg  (Mittheil.  Jahrg.  1871,  S. 
CXXVIII)  nebeneinander  zu  ftellen.  In  diefem  letzten 
Beifpiele  tritt  noch  zur  Bekräftigung  unferer  Anficht 
die  deutfche  Infchrift  eines  der  Rückwandfelder  der 
Bank  von  Zbyszyce  hinzu.  Anderfeits  aber  ift  eine 
Familienähnlichkeit  unferer  Denkmale  mit  den  be- 
kannten Denkmalen  des  flavifchen  Nord-Ungarns 
geradezu  auffallend.  Die  zweite  Choriluhlreihe  von 
Tarnöw  fowie  die  CoUatorenbank  von  Zbyszyce 
erinnern  in  ihrer  Gefammtanlage  und  in  ihren  Motiven 
unwillkürlich  an  die  aus  Mittheilungen  Band  V  und 
Band     XIX    bekannten      ChorlTiühle     von    Leutfchau. 


Noch  fchlagender  fallt  in  die  Augen  die  faft  genaue 
Wiederholung  des  gcometrifchen  Kreismotivs  der 
Rückwandfelder  der  Bieczer  Chorftühlc  —  eines 
Motivs,  das,  nebenbei  gefagt,  vom  Confervator  Lo- 
zinski  unlängft  in  der  lateinifchen  Kathedrale  zu 
Przemysl  an  einer  hölzernen  Thürverkleidung  wieder- 
gefunden worden  ift  —  auch  an  dem  Geflelle  des  Bart- 
felder Rathhaustifches,  welcher  in  Myskovszky  s  Kunft- 
denkmalen  des  Mittelalters  und  der  Renaiffance  in 
Ungarn   auf  Tafel  V  und  VI  veröffentlicht  worden   ift. 

Allen  diefen  unverkennbaren  Analogien  gefeilt 
fich  noch  die  fafl  ganz  gleiche  an  orientalifche  Teppich- 
mufter  erinnernde  Polychromirung  fowohl  der  bei  uns 
als  der  im  nördlichen  Ungarn  bekannten  Denkmale. 

Ob  nun  der  Einfluß  in  der  Richtung  von  Ungarn 
nach  Polen  oder,  wie  uns  fcheint,  eher  umgekehrt  von 
Polen  nach  Ungarn  zu  denken  ift,  das  ift  eine  P'rage, 
deren  Beantwortung  eingehender  Studien  und  einer 
ausführlichen  Prüfung  bedürfte. 

Vom  Confervator  Dr.  Stanislans  von  Tomkiewicz. 


Notizen. 


HO.  Confervator  k.  Rath  T)x.Petter\\zX  der  Central- 
Commiffion  in  Betreff  des  Steines  mit  den  fieben  Vertie- 
fungen in  der  Kirche  zu  Hollein  mitgetheilt,  dafs  er  der- 
lei Steine  einfach  für  Fackelfteine,  d.  i.  Steine,  in  deren 
runde  Vertiefungen  beim  Eintritte  in  ein  Haus,  Kirche 
etc.    die    brennende    Fackel    sjefloßen    und    hiedurch 


Fig.   I.   (Salzburg] 

gelöfcht  wurde,  halte.  Jene  Steine  mit  fehr  tiefen 
Löchern  vertraten  zugleich  die  Stelle  ^von  Fackel- 
hältern. 

Solcher  Steine  exiftiren  noch  einige  in  Salzburg, 
fo  einer  aus  dem  gegenwärtigen  erzbifchöflichen  Refi- 
denz-Gebäude  (nun   in  das  Mufeum  übertragen).    Zeit: 

XIX.  N.  F. 


circa  160O.  (Fig.  I.)  Noch  gegenwärtig  ift  im  Mirabell- 
fchloffe  einer  beim  Aufgang  zur  Prachtftiege,  aus 
circa  1700  (Fig.  2)  zu  fehen,  und  ein  Stein,  welcher 
fich  ebenfalls  jetzt  im  Mufeum  zu  Salzburg  befindet  und 
früher  an  einer  Kirchenthür  in  St.  Georgen  an  der 
Salzach  angebracht  war.  Diefer  letztere  gleicht  wohl 
fehr  dem  zu  HöUein.Er  hat  auch  ein  viel  höheres  Alter. 
Die  fieben  Vertiefungen,  befonders  bei  Kirchenfteinen, 
find    in    der    heiligen    Zahl  begründet  (Fig.  3). 


«RS»    - 


-i^x 


^g^.???^^  .,^- 


Fig.  2.    (Salzburg.) 

Auch  der  Umftand,  dafs  man  ftets  in  den  Höh- 
lungen kohlige,  harzige  etc.  Reftc  fand,  muß  diefe 
Anficht  bekräftigen,  ebenfo  wie  der  Fundort  bei 
Kirchen  und  Gebäuden. 

Auch  in  Wien  waren  folche  Steine  noch  bis  in  die 
neuefte  Zeit  zu  beiden  Seiten  des  Hauptthores  am 
Modenefer    Palafte  in  der    Herrengaffe    erhalten.   Erft 

31 


23: 


jüngfter  Zeit  hat  fie  der  Unveiftand  entfernt.  Es 
waren  zwei  längliche  Steine  mit  je  fünf  fchüffeiartigen 
flarken  Vertiefungen.  Sie  hatten  die  Beftimmung,  dafs 
die  herrfchaftlichen  Läufer  ihre  Fackeln  hineinftießen, 
um  fie  auszulöfchen    oder  ftärker  brennen  zu  machen. 


(ein  fchöne.';  Exemplar  nunmehr  im    Diöcefan  Mufcum 
ift  der  Stempel  erfichtlich 


eher 


auffallenderweife 


FIG.JVES 


wie   ein   fol- 
fchon  früher 


Fig.  3.  (Salzburg.) 

III.  (Römifche  Funde  in  St.  Polten.) 

Jenen  in  den  Mittheilungen  der  Central-Commif 
fion,  Jahrg.  1893,  S.  66,  aus  St.  Polten  fignalifirten 
Fund-Objeclen  ift  eine  weitere  noch  ausgiebigere 
Gruppe  anzureihen. 

Es  kommt  die  nämliche  Fundfläche  in  Betracht  im 
W.  und  NW.  der  Stadt,  wohin  eine  römifche  Gräber- 
ftätte  zu  verlegen  ifl:.  Entfprechend  dem  neuen  Stadt- 
plane vollzieht  fich  nun  auch  in  diefer  Richtung  hinaus 
eine  Erweiterung  des  Straßennetzes.  Gelegentlich  der 
Fundamentirung  für  Neubauten  und  Herftellung  eines 
Canalcs  längs  der  proje6tirten  „Praterftraße"  fließ  man 
nacheinander  vorläufig  auf  fünf  deutlich  erkennbare 
römifche  Gräber  mit  Falzziegeleinfaffung,  die  allerdings 
fchon  in  früheren  Perioden  Schaden  genommen  haben 
mußten.  Es  gebührt  dem  Herrn  Stadtkämmercr  und 
Vicc-Bürgermeifter  Fr.  Ertl  (cf  d.  Mitth.  d.  Centr.- 
Comm.  1893,  S.  67)  wieder  die  Anerkennung,  dais 
die  bezüglichen  Arbeiten  durch  ftädtifche  Polizei- 
Organe  thunlichft  überwachen  und  das  Beachtens- 
werthe  in's  Rathhaus  fördern  ließ. 

Leider  find  weiteren  Forfchungen  auf  befagtem 
Terrain  durch  emfig  betriebene  Bauten,  durch  geplante 
Gartenanlagen  u.  dgl.  bedenkliche  Hinderniffe  gefetzt, 
während  eine  Strecke  des  vcrmuthlichen  Gräber- 
gebietes unter  das  Niveau  der  einftweilen  freilich  blos 
befchotterten  „Praterftraße"  zu  liegen  kommt. 

Diesmal  kamen  Trümmer  von  Falzziegeln  zum 
Vorfchein;  auch  ein  Röhrenzicgel  (27  Cm.)  mit  Seiten- 
öffnungen, alfo  wohl  einer  antiken  Ileizvorrichtung 
entflammend.  Das  Intereffc  mußte  noch  mehr  wachfen, 
als  die  vorerwähnten  Gräljcr  an's  Tageslicht 
traten.  Von  den  in  Sicherheit  gebrachten  Ziegeln 
(durchfchnittlich  47  Cm.  X  33  Cm.)  find  ca.  ein  Dutzend 
ziemlich  gut  erhalten.  Die  Innenfläche  des  einen  füllen 
die  zwei  Worte: 

VI  VAS 
NOBIS 

Ein  zweiter  zeigt  auf  dem  nämliclien  Räume  nur 
die  großgeformten  Buchfliabcn  RO.    Auf  vier    Ziegeln 


und  neueftens  wieder  auf  Fundftücken  in  Mantern 
beobachtet  werden  konnte  (cf.  d.  Mitth.  d.  Centr.- 
Comm.  1892,  S.  217);  doch  dürfte  das  an  der  citirten 
Stelle  vermuthete:  IXES  entfchieden  zu  ftreichen  fein. 
Nur  auf  einem  Stücke  ift  der  Stempel: 
endeckt   worden,   wovon   gleichfalls  in 


FIG.  SAB 


Mommfen's  C.  I.  L.  ein  Beifpiel  erwähnt  wird,  jedoch 
nach  Altofen  {f)  verweifend.  Nebfl  einer  namhaften 
Anzahl  von  menfchlichen  Gebeinen  (guterhaltener 
Todtenkopf)  hob  man  noch  folgende  Gegenflände 
heraus:  Zwei gläferne  Balfaviarien,  kugelig  mit  engem 
Hälfe.  Von  einem  ähnlichen  Fläfchchen  fand  fich  nur 
mehr  der  Hals  und  von  einem  größeren  Glasgefäße 
ebenfalls  blos  der  Hals  und  die  benachbarte  Partie. 

I  Glasbecher,  hübfch  irifirend,  unten  4  Cm.,  oben 
8  Cm.  im  Durchmeffer. 

I  Tlionnrne,  graufarbig,  unglafirt,  15  Cm.  hoch, 
mit  engerem  Hälfe;  an  der  Bauchung  11  Cm. 

I  Bronze-Fibula  mit  Zwiebelenden  (eine  ganz  ähn- 
liche, aus  Pöchlarn  flammende  wird  im  Diöcefan- 
Mufeum  aufbewahrt). 

I  Armring  aus  fchivarzcui  Glasfluße  (?). 

4  'SironT.e.-Arm/pangen,  davon  eine  mit  Schlangen- 
kopf-Enden, eine  mit  einer  Draht-Spirale  und  zwei  höchfl 
einfach  geformt. 

6  Kupfermünzen  (Conftantin  Periode'). 

Aus  Traismauer  gelangten  in  den  Befitz  des 
Diöcefan-Mufeums  St.  Polten  verfchiedene  Gefaße- 
Refte  aus  Römerzeiten;  darunter  intereffante  Stücke 
von  Terra  sigillata  mit  ganz  ähnlichen  Zieraten,  wie  fie 
auf  den  neueren  Funden  in  Maittern  bemerkbar  find 
(cf  d.  Mitth.  d.  Centr.-Comm.  1892,  S.  218);  unter  den 
Figuren  eine  Taube  (?)  in  einem  doppelten  Kreife.  Auf 
der  Scherbe  von  einem  flarkwandigen  (bis  2  Cm. 
dicken)  Gefäße  der  leider  unvoUfländige   Stempel  mit: 


Vor  kurzem  befichtigte  Gefertigter  mit  I  Icrrn 
Correfpondenten  Fafching  ca.  drei  Kilometer  von 
St.  Leonhard  a.  d.  F.,  unfern  der  Bezirksflraße  nach 
Wiefclbnrg  beim  fogenannten  Schlaltenbauer  befind- 
lichen römifchen  Infchriften.  Aus  den  fechs  auf  den 
Sandfleinwänden  angebrachten  Tafeln  befitzen  nur 
mehr    drei    einigermaßen   lesbare    Schriftzeichen. 

Fahrngruber. 

112.  Correfpondent  Prof  Mo/er  hat  der  Ccntral- 
Commiffion  mitgetheilt,  dafs  in  Dolina  auf  einem 
Grundflücke  beim  Roden  eines  Weingartens  eine  Sta- 
tue aus  Weiß-Bronze  gefunden  wurde,  von  welcher 
er  erft  nach  fieben  Jahren  ein  Fragment  —  nämlich  den 
Kopf —  erwerben  konnte.  Das  bis  an  die  Achfeln  und 
am  Nacken  in  reiclien  Locken  hcrabwallende  Haar 
wird  auf  der  Stirn  durch  einen  Epheukranz  zufammcn- 
gehalten,  von  wo  über  das  lockige  Stirnhaar  nach 
rechts  und  links  zwei  Ornamente  (Träubchen)  gelegt 
find.  Auf  der  Rückfeitc  ifl  das   Haar  glatt  anliegend 

')  K.ift  Klcichzcitis  wurden  bei  den  Cun.il.iibcitcn  in  der  Stadt  zwei 
Mün/cii   (vVureliiiii   und   Probus)   gefunden. 


—     233      - 


und  durch  eine  Art  Band  von  dem  lockigen  Theile  ab- 
gegriinzt.  Das  Geficht  zeigt  fchön  geformte  Züge.  Das 
Fragment  ift  von  der  Feuchtigkeit  fo  fehr  angegriffen, 
dafs  es  wie  von  kleinen  Grübchen  überfäet  erfcheint. 
Die  Höhe  des  Kopfes  beträgt  nur  4  Cm.  Die  Entflc- 
hungszeit  dürfte  in  dem  2.  Jahrhundert  n.  Chr.  zu 
fuchen  fein.  Die  Statue  dürfte  eine  Maenade  vorgeftellt 
haben  und  höchftens  20  Cm.  hoch  gewefen  fein. 

1 13.  Confervator  Dr.  Wcißhixjtpel  berichtete  an 
die  Central-Commiffion,  dafs  im  Garten  des  Haufes 
Via  deir  Arena  4.  ein  Kalkfteinblock  gefunden  wurde, 
unten  gebrochen,  oben  wegen  Wiederverwendung, 
glatt  abgefchnitten,  auf  der  Vorderfläche  im  Hoch- 
Relief  ein  nackter  ithyphallifcher  Satyr,  der  nach  links 
ausfchreitet.  Der  oberfle  Theil  des  Rumpfes  fammt 
Armen  und  Kopf  fehlt.  Die  rohe  Arbeit  und  der  eigen- 
thümlich  fchlanke,  faft  thierähnlich  gebogene,  jeder 
Gliederung  entbehrende  Körper  weifen  auf  fpäten  Ur- 
fprung.  Höhe  des  Steines  072,  Breite  0^30,  Tiefe 
0-25  Cm.  Symbol  der  Fruchtbarkeit.  Ferner  fand 
man  zwei  Pflafterziegel  oblonger  Form  aus  feinem  ge- 
brannten Thon;  der  eine  ift  in  der  Mitte  entzwei- 
gebrochen; Länge  0445,  Breite  o'3o,  Dicke  0-075  Cm. 
Einer  von  ihnen  trägt  in  ziemlich  flachem  Relief  einen 
ornamentalen  (?)  Schmuck,  etwa  zwei  fich  kreuzenden 
Halbkreifen  vergleichbar,  der  fich,  von  der  Schmal- 
kante durchfchnitten,  auf  der  anftoßenden  Platte  fort- 
gefetzt haben  wird. 

Profeffor  Miorini  ftieß  bei  einem  Spaziergange 
in  unmittelbarer  Nähe  des  Wächterhäuschens  Nr.  "jQ 
der  iftrianifchen  Staatsbahn,  etwa  eine  Stunde  von 
Pola  entfernt,  mitten  im  Dickicht  auf  römifche  Ueber- 
refte. 

Bei  einer  mit  ihm  und  anderen  vorgenommenen 
gemeinfamen  Befichtigung  derfelben  flellte  es  fich  her- 
aus, dafs  an  dem  bezeichneten  Punkte  einft  eine  ausge- 
dehnte römifche  Hausanlage  beftanden  haben  müße. 
Beweis  dafür  find  verfchiedene  Mauerrefte,  Stücke  von 
Säulen,  Halbfäulen  und  Pfeilern,  Fragmente  von  zwei 
Mühlfteinen,  Urnen-Fragmente  und  15  auffällig  große 
und  gut  bearbeitete  .Steinplatten  mit  Dübellöchern 
und  Anfatzfpuren ;  zwei  derfelben  tragen  architckto- 
nifch-ornamentalen  Relief  Schmuck.  Diefe  Platten  find 
in  einer  Weife  aufgefcliichtet,  welche  die  Abficht  baldi- 
ger Verführung  und  Verbauung  erkennen  läßt.  Danach 
zu  fchließen,  dürfte  die  Stätte  fchon  öfter  zu  ähnlichem 
Zwecke  ausgebeutet  worden  fein.  Dafs  das  kaum  30 
Schritte  entfernte  Wächterhaus  aus  römifchem  Mate- 
riale  aufgerichtet  wurde,  unterliegt  kaum  einem  Zwei- 
fel, obwohl  deutliche  Spuren  davon  bis  jetzt  nicht 
zu  entdecken  find. 

Im  Laufe  des  vorigen  Jahres  wurden  fünf  Silber- 
münzen zu  Lavarigo  gefunden,  nämlich: 

1.  Attifche  Tetradrachme,  Gewicht  i3'9o  Gr.  — • 
Archaifcher  Athena-Kopf  nach  rechts  mit  attifchem 
Helm.  R  im  Viereck,  Eule  nach  rechts,  links  davon 
Oelzweig. 

2.  Desgleichen,  Gewicht  16-85  Gr. ;  Av.  vgl.  Bau- 
meifter  Denkmünzen  II  Abb.  1043;  R;  rechts  von  der 
Eule  AC- 

3.  Denar;  Kopf  der  Roma  mit  attifchem  Flügel- 
helm (Baumeiller  Denkmünzen  II  ii76).Vordem  Hälfe 
das  Werthzeichen  *,  links  vom  Kopf  ROMA;  R:   Nike 


auf  Zweigefpann  mit  Kranz  nach  rechts;  aufderBafis- 
linie  MCALI    4 

Q•^E•CI^f:/ 

4.  Dergleichen,  ftark  verfcheuert  und  befchnitten  ; 
Av.  wie  bei  3,  ohne  ^  und  ROMA;  R  wie  bei  3,  aber 
mit  ^sENX^ 

5.  Dergleichen,  ftark  verfcheuert;  Av.  wie  bei  3, 
links   vom   Kopfe   der   Roma    X  ;     R   wie   bei    3,   mit 

CREN 


Der  Münzfund  ift  fchr  beachtenswerth,  da  er  zwei 
attifche  Detradrachmen  und  ein  feiten  vorkommendes 
Denar  der  römifchen  Republik  enthält. 

114.  Correfpondent  Profeffor  Maska  in  Teli 
hat  der  Central-Commiffion  mitgetheilt,  dafs  die  Auf- 
ftcllung  feiner  Sammlung  in  zwei  Localitäten  der  dor- 
tigen Landes-Oberrealfchule  nunmehr  dem  Abfchluße 
nahe  ift.  Die  Sammlung  nach  Fundorten,  womöglich 
in  chronologifcher  Reihenfolge  gruppirt,  enthält  Be- 
lege aus  allen  Zeitepochen  der  Prähiftorik,  namentlich 
Mährens,  zahlreiche  Beifpiele  entflammen  Niederöfter- 
rcich,  Preußifch  -  Schlehen,  Frankreich  und  der 
Schweiz.  Hervorzuheben  find  25  römifche  Münzen 
mährifcher  Provenienz,  zahlreiche  Bronzen,  an  60 
Thongefäße  und  über  200  gefchliffene  Steinwerkzeuge, 
darunter  drei  mährifche  Jadeit-Beile.  Am  bedeutend- 
flen  ift  wohl  das  Diluvium  vertreten.  Die  Originalfunde 
der  Strambei'ger  Kohlen,  fowie  der  Mamuthflation  in 
Prcdmost  verleihen  diefer  reichen  Sammlung  einen 
befonderen  Werth.  Sie  zählt  über2ooo Nummern  fpeciell 
prähiftorifcher,  das  ift  prädiluvialer  und  über  5000 
Nummern  diluvialer  Objefle,  darunter  viele  Unica. 

115.  Die  neue  freie  Preffe  brachte  unter  dem  7.  Juli 
d.  J.  eine  Notiz  über  die  angeblich  im  heurigen  Früh- 
jahre bei  einer  Straßenabgrabung  in  Laiuz  vorgefun- 
denen wohlerhaltenen  römifchen  Steinfärge  und  deren 
ungeeignete  Behandlung.  Die  Central-Commiffion 
hat  fich  deshalb  felbftverftändlich  veranlafst  gefehen 
an  Ort  und  Stelle  Erhebung  zu  pflegen.  Diefe  gab 
folgendes  Refultat:  Die  befagte  Straßenabgrabung 
wurde  thatfächlich  fchon  im  Frühjahre  1892  vorgenom- 
men und  find  bei  diefer  Gelegenheit  zwei  römifche  Grä- 
ber bloßgelegt  worden.  Die  Steine,  mit  welchen  diefe 
Gräber  ausgelegt  und  bedeckt  waren,  ganz  roh  behau- 
ene  Blöcke  von  theilueifc  großem  Umfange,  ohne  jede 
Sculptur  und  Infchrift,  liegen  in  der  Nähe  der  Fund- 
ftelle  auf  einemBauplatze  aufgefchichtet.  Sie  werden  in 
einem  eben  in  der  Aufführung  begriffenen  Gebäude 
eingemauert  werden,  und  eine  Infchrift  foU  deren 
Bedeutung  erläutern  (f.  übrigens  Monatsblatt  des  Wr. 
Alt.  Vereines  1892,  Nr.  X). 

116.  Die  General-Direftion  der  öfterreichifchen 
Staatsbahnen  hat  der  Central-Commiffion  über  die 
beim  Baue  der  Unterkrainer  Bahnen  in  der  Zeit  vom 
I.  Januar  bis  30.  Juni  d.  J.  gemachten  Funde  Mitthei- 
lung gemaclit: 

Bei  Razdcrio  vor  St.  Marein  ftieß  man  beim 
Terrain-Einfchnitt  im  Februar  auf  die  alte  Römerflraße 
und  auf  ein  hart  dabei  gelegenes  Grab.  Es  ftellte  fich 
hiebei  heraus,  dafs  die  heutige  Reichsftraße    hier   fafl 


—     234 


ganz  genau  mit  der  antiquen  Straße  zufammenfällt.  Man 
fand  unter  dem  heutigen  Straßenkörper  eine  Sand- 
fchichte  von  85  Cm.  Mächtigkeit  und  fand  in  diefer 
Tiefe  die  Römerftraße  und  am  Rande  über  einen 
Meter  tief  eine  Grube  in  den  Stein  gehöhlt,  welche 
Afche  und  Leichenbrand  und  darin  eine  Urne  enthielt, 
die  mit  einem  Ziegel  bedeckt  war,  darin  Refte  eines 
Kindes,  ein  Salbenfläfchchen  und  einen  Dattelkern. 
Leider  wurde  das  Gefäß  bei  den  Arbeiten  zertrüm- 
mert. Nahe  bei-  demfelben  fand  man  einige  Knochen 
und  das  Bruchftück  einer  römifchen  Lampe. 

Bei  Groß/aufand  man  eineDomitian-Bronzemünze. 

Bei  Grofilupp  traf  man  auf  römifche  Graber  in 
einer  Tiefe  von  80  Cm.,  darin  zwei  Schüffein  von  Thon, 
deren  eine  mit  zwei  Zonen  fenkrechter  Striche  geziert; 
ferner  drei  Töpfe  von  90,  150,  180  Mm.  Höhe,  fämmt- 
lich  eefüllt  mit  Erde  und  Knochenreften.  Ln  Leichen- 
brande  fanden  fich  drei  Lampen,  eine  mit  dem  Stem- 
pel FORTIS,  eine  mit  TITOGENE;  dann  zwei  Glas- 
gefaße  —  eines,  eine  gehenkelte  Flafche  von  122  Mm. 
Höhe,  fcheint  bis  zur  Hälfte  mit  einer  Flüßigkeit  gefüllt 
gewefen  zu  fein;  das  zweite  ein  viereckiger  an  den 
Seiten  eingedrückter  Becher  von  73  Mm.  Höhe  und 
60  Mm.  im  Durchmeffer  aus  faft  papierdünnem  Glafe, 
nur  mit  Erde  und  Knochenfplittern  gefüllt.  Die  Gegen- 
ftände  befanden  fich  in  einer  zerdrückten  Urne  und 
deuten  auf  den  gleichen  Leichencult,  wie  er  bisher 
in  Unterkrain  confi;atirt  wurde.  Er  fchließt  fich  dem 
Maria-Rafler  Typus  an,  deffen  Wefen  darin  beftand, 
dafs  die  Leichen  verbrannt,  die  Hauptmaffe  des 
Leichenbrandes  in  eine  große  Urne  gelegt,  ferner 
kleinere  Gefäße,  als  Vafen,  Krüge,  Schalen,  mit  Erde 
von  der  Uftrina  gefüllt  in  die  große  Urne,  über  die 
Refle  der  Leiche  beigelegt  wurden.  Die  Sitte  blieb  noch 
nach  der  Occupation,  nur  bediente  man  fich  der  billi- 
geren, auf  der  Töpferfcheibe  erzeugten  Gefäße,  ftatt  der 
früheren  fogenannten  Freihandgefäße. 

Bei  Treffen:  eine  Bronzefpange,  53  Mm.  im  Durch- 
meffer. 

Bei  Cestabreg:  zwei  Münzen  vom  Dogen  Mocenigo. 

Bei  Altemnarkt  in  angefchwemmter  Schlammerde 
10  M.  tief  eine  Münze  von  Claudius  Gothicus. 

Sämmtliche  Gegenftände  kamen  in  das  krai- 
nifche  Landes-Mufeum  zu  Laibach. 

1 1 7.  Die  prähiflorifche  Culturflättc  im  Mühlbach- 
graben zu  Steyr. 

Der  fogenannte  Mühlbachgraben  mündet  eine 
halbe  Stunde  füdlich  von  der  Station  Sand  in  das 
Ennsthal.  Seine  Richtung  ift  eine  füduftliche,  er  thcilt 
fich  eine  Wegflunde  vom  Eingange  entfernt  in  zwei 
Thäler,  deren  eines  die  füdöftliche  Richtung  beibehält 
und  auf  den  Sattel  des  Jochberges  führt,  über  welchen 
man  nach  Lofenftein  gelangt.  Der  andere  Zweig  des 
Thaies  hat  eine  öftliche  Richtung,  am  Ende  desfelbcn 
geht  der  Weg  über  einen  Sattel  nach  Lauffa.  In  diefer 
Abzweigung  des  Thaies  erreicht  man  nach  kurzer 
Strecke  das  ftattliche  Schellhammergut,  dem  Martin 
und  der  PVancisca  Bramberger  gehörig.  Die  Außen- 
feite  des  jjauernhofes  zieren  Refte  von  .Sgrafito-Orna- 
menten  mit  den  Jahreszahlen  1636  und  1690. 

In  dicfem  Haufe  fah  im  Mai  1893  die  Bankdirec- 
tors- Gattin  Frau  Marianne  Kautfch,  welche  ficli  um 
die  Sammlung  und  Erhaltung  von  für  Steyr  und  deffen 


Umgebung  wichtigen  Alterthümern  große  Verdienftc 
erworben  hat,  ein  Steinbeil  aus  lichtgrünem  Serpentin, 
12  Cm.  lang,  an  der  Schneide  5-5,  am  entgegengefetz- 
ten Ende  4  Cm.  breit  und  3  Cm.  dick.  Sie  erfuhr,  dafs 
diefes  Steinbeil  und  noch  zwei  andere,  die  inzwifchen 
nach  Ternberg  gelangt  waren,  im  Mühlbachgraben 
gefunden  worden  find,  und  gab  die  Veranlaffung  zu 
einer  Nachgrabung. 

Etwa  20  Minuten  vom  Schellhammergute  thal- 
aufwärts  erheben  fich  an  der  Lehne  des  die  linke 
Thalfeite  bildenden  Berges,  eines  Ausläufers  des  Joch- 
berges Felswände  aus  Kalktuff,  welche  gegen  die 
Thalfohle  hin  fteil  abfallen,  gegen  die  Bergfeite  hin 
aber  eine  zu  Lagerplätzen  geeignete  Mulde  bilden. 
Diefe  Felswände  erreichen  eine  Höhe  bis  zu  40  M., 
find  öfter  durch  fchmale  Wiefenabhänge  unterbrochen 
und  fehr  zerklüftet.  Die  auf  der  fogenannten  Bergwiefe, 
welche  den  Eheleuten  Bramberger  gehört,  fich  erhe- 
bende Wand  bildet  oben  einen  natürlichen  Thorbogen 
und  an  der  dem  Berge  zugewendeten  Seite  eine  Höhle, 
deren  3  M.  breiter  Eingang  durch  einen  mit  Gefträuch 
befetzten  Steinfchuttkegel  verlegt  ift,  fo  dafs  die  Oeff- 
nung  nur  eine  Maximalhöhe  von  I  M.  erreicht.  Der 
erfte  Raum  der  Höhle,  deffen  Breite  jener  des  Ein- 
ganges entfpricht  und  der  nur  eine  Tiefe  von  wenig 
mehr  als  einem  Meter  hat,  ift  fo  niedrig,  dafs  man  nur 
gebückt  in  demfelben  ftehen  kann.  Links  betritt  man 
einen  etwa  2  M.  im  Durchmeffer  haltenden  Raum,  der 
nach  oben  in  einen  kaminartigen  Schlauch  auslauft. 

Der  Boden  des  erften  Höhlenraumes  wurde  bis 
auf  die  Tiefe  eines  Meters  ausgehoben,  hiebei  die 
oberfte  aus  Erde  und  verwesten  Pflanzentheilen  bcfte- 
hende  Schicht  noch  nicht  durchgearbeitet.  In  der- 
felben  fanden  fich  einzelne  Thierknochen,  die  vor  nicht 
langer  Zeit  durch  Raubthiere  oder  auf  andere  Art  in 
die  Höhle  gerathen  fein  dürften. 

Neben  dem  Eingange  in  die  Höhle  liegt  an  der 
Felswand  außen  auch  ein  mit  geringer  Humusfchichte 
bedeckter  Kegel  von  Steinmaffen,  die  von  der  Wand 
abgeftürzt  fein  dürften.  Dort  wurde  eine  zweite  Gra- 
bung unternommen  und  nach  kaum  einer  halben 
Stunde  waren  2  Steinbeile  aus  Serpentin,  3  Theile  von 
folchen  Beilen  und  2  Gefäßfeherben  zu  Tage  gefördert. 
Die  Fund-Objecle  lagen  nur  in  einer  Tiefe  von  ca, 
15  Cm. 

Das  eine  Beil,  deffen  Material  außen  eine  licht- 
braune Farbe  angenommen  hat,  ift  8  Cm.  lang,  an  der 
Schneide  5-5,  an  entgegengefetzter  Seite  3-5  Cm.  breit 
und  2  Cm.  dick;  das  zweite  Beil  aus  mit  Glimmer 
durchfetztem  dunklen  Serpentin,  der  ein  fettiges 
fpeckfteinartiges  Ausfeilen  hat,  ift  8  Cm.  lang,  5-5  Cm. 
breit  und  1-5  Cm.  dick.  Die  Schneide  ift  wie  bei  den 
anderen  Beilen  etwas  convex,  die  Längsfeiten  laufen 
aber  parallel.  Von  den  drei  Stücken  ift  eines  aus  licht- 
braun gefärbtem,  die  anderen  aus  dunklem  Serpentin 
angefertigt. 

Die  beiden  kleinen  Gefäßfeherben  find  aus  fehr 
grober  mit  kleinen  .Steinchen  vermengter  Thonmaffe, 
einer  derfelben  ift  ficherlich  nicht  auf  tk:r  Drchfcheibe 
gemacht. 

Außerdem  fand  fich  ein  12  Cm.  langer,  9  Cm. 
breiler  und  2  Cm.  dicker  flacher  kalkhiiltiger  RoU- 
ftcin,  der,  wie  deutliche  Spuren  zeigen,  als  .Schleifftein 
in  V^erwendiing  war. 


235 


Ob  ein  9  Cm.  langer  und  bis  zu  35  Cm.  breiter 
Kiefelftein,  dem  durch  Abfchlagen  einer  Seite  eine 
Schneide  gegeben  ift,  als  ein  Meffer  anzufehen  wäre, 
bleibt  fraglich.  Der  frühere  Befitzer  des  vom  Schell- 
hammergute nur  10  Minuten  entfernten  Neidlgutes  hat 
vor  zehn  Jahren  an  der  Außenfeite  einer  der  erwähnten 
Felswände,  bevor  man  zu  jener  Wand  gelangt,  welche 
die  Höhle  birgt,  einen  fchönen  Serpentin-Steinhammer 
gefunden  und  es  gelang  auch,  ihn  für  das  ftädtifche 
Mufeum  in  Steyr  zu  erwerben.  Er  hat  eine  Länge  von 
II,  eine  gleichmäßige  Breite  von  4"8,  in  der  Mitte  eine 
Dicke  von  5  Cm.  Die  Schneide  ift  wohl  erhalten,  die 
Hammerfläche,  nicht  ganz  kreisrund,  hat  einen  Durch- 
meffer  von  35,  rückfichtlich  4  Cm.  Das  mit  ausge- 
zeichneter Schärfe  und  Reinheit  gebohrte  Loch  hat 
einen  Durchmeffer  von  2"5  Cm. 

Auch  die  beiden  erwähnten,  nach  Ternberg 
gelangten  Beile  wurden  angekauft.  Das  größere  hat 
eine  Länge  von  /''S,  an  der  etwas  convexen  Schneide 
eine  Breite  von  6,  an  der  entgegengefetzten  etwas 
abgefchlagenen  Seite  eine  folche  von  4  Cm.  und  eine 
Dicke  von  r5  Cm.  Das  kleinere  ift  7  Cm.  lang,  an  der 
Schneide  5,  an  der  Rückfeite  2-5  Cm.  breit  und  hat 
eine  Dicke  von  i  Cm. 

Erwähnenswerth  iü,  dafs  eine  halbe  Stunde  von 
der  Hauptfundftätte  entfernt  fich  ein  Sonnberg  befin- 
det und  dafs  auf  der  fogenannten  Pathenbaclier  Alpe 
am  Pairsberg  (Mathäusberg),  welche  über  den  Joch- 
berg in  einer  Stunde  zu  erreichen  ift  und  in  das  Enns- 
thal  zvvifchen  Ternberg  und  Lofenftein  abfällt,  auch 
eine  Niederlaffung  der  Steinzeit  gewefen  zu  fein  fcheint, 
da  vor  kurzem  hier  Cuftos  Anton  Petermandl  ein  dort 
gefundenes  prächtiges  Steinwerkzeug  für  die  Meffer- 
fammlung  der  k.  k.  Fachfchule  zu  Steyr  erwarb. 

Edmund  Schmidl. 

118.  Confervator  Dombaumeifter  Mocker  hat  an 
die  Central-Commiffion  über  die  St  Wenzelskirche  in 
Pro/ek  bei  Prag  berichtet.  Sie  ift  eine  dreifchifhge 
Pfeiler-Bafilika  romanifchen  Urfprunges  (12.  Jahrhun- 
dert), welche  in  den  verfchiedenen  Zeiten  vielfache 
Umänderungen  erlitten  hatte. 

Das  Mittelfchiff  und  beide  Seitenfchiffe  find  ge- 
wölbt und  an  der  Oftfeite  mit  runden  Abfiden  abge- 
fchloffen.  Die  Länge  der  Kirche  beträgt  2r40  M.,  die 
Länge  der  Kirchenfchiffe  15  M.  und  die  Gefammtbreite 
12  M.  im  Lichten.  Das  Mittelfchiff  und  das  rechte  Sei- 
tenfchiff bilden  4  Gewölbe-Travees,  und  find  die  Kreuz- 
gewölbe dafelbft  auf  Steinrippen  in  Spitzbogenform 
eingewölbt, wogegen  das  linke  Seitenfchiff  bei  der  glei- 
chen Jochzahl  mit  Lunetten  verfehen  ift  (Fig.  4  Grund- 
riß). 

Oberhalb  des  Chorjoches  ift  der  gegenwärtig  noch 
beftehende  Thurm  aufgebaut.  Die  fechs  freiftehenden 
Säulen,  welche  mit  Rundbögen  übergurtet  find,  ruhen 
auf  einfachen  viereckigen  Bafen  und  find  nach  oben 
zu  mit  Deckplatten  in  Barockform  abgefchloffcn.  Das 
Kirchendach  ift  mit  Tafchen  eingedeckt,  das  Thurm- 
zwiebeldach  mit  Schindeln. 

Von  dem  urfprünglichen  Baue  haben  fich  nur  die 
Hauptmauern  mit  dem  weftlichen  Eingange  und  den 
Abfiden  erhalten,  wogegen  die  fechs  freiftehenden 
quadratifchen  Pfeiler  in  Rundfäulen,  u.  zw.  in  primitiv- 


fter  Weife  umgearbeitet  worden  find.  Von  decorativen 
l''ornien  hat  fich  blos  ein  gefchachtes  einfaches 
Pila.fter- Capital  (Fig.  5)  an  der  Weftwand  erhal- 
ten. Auch    find    bereits   die   fämmtlichen  alten  Fenfter 


/2M. 


Fig.  4.  l'rofek. 


umgeftaltet  worden.  Die  Gewölbe  im  Mittelfchiffe  und 
im  rechten  Seitenfchiffe,  welche  von  einfachen  Con- 
folen  getragen  werden,  gehören  der  fpät-gothifchen 
Periode   an  und  befindet  fich  im  Schlußfteine   zunächft 


Fig.  5.  Profek. 

dem  Presbyteriumeinplaftifch ausgearbeiteter Wappen- 
fchild  in  den  Farben  gelb,  weiß  und  blau,  darüber  eine 
befchädigte  Helmzier  (Fig.  6).  Nachdem  der  Thurm 
Setzungen  zeigte,  wurden  die  Glocken  in  einem  hie- 
für erbauten  Glockenhaufe  zunächft  der  Straße  unter- 
gebracht. 


236 


Wenn  auch  die  Kirche   nicht    mehr  vollen   künft-  Unterhalb  der  Fenfler  eine    Reihe   von    Wappen- 

lerifchen   Werth   befitzt,    fo    ift    doch   ihre    Erhaltung      fchildern,    üle    leer    bis    auf  eines:    das    des     Grafen 
auch  für  weitere  Zukunft  unbedingt  anzuempfehlen.  Martinic. 


Fig.  6.  Profek. 

1 19.  Confervator  Aföf^^r  hat  an  die  Central-Com- 
miffion  berichtet,  dafs  die  im  Jahre  1885  genehmigte 
Reftaurirung  an  der  St.  Peter-  und  Paulkirche  am 
Vysehrad  zu  Prag  bereits  im  Jahre  1886  begann. 
Man  baute  das  Presbyterium  theilweife  um  und  ver- 
längerte es,  1887  begann  die  Einwolbung  des  Mittel- 
fchiffes,  Polychromirung  des  Presbyteriums  und  Auf 
fteilung  des  neuen  Hoch-Altars.  Jetzt  wird  die  Poly- 
chromirung der  einzelnen  Capellen  durchgeführt.  In 
den  Capellen  find  Refte  ehemaliger  Fresken  aus  dem 
14. — 15.  Jahrhundert  bloßgelegt,  diefelbcn  find  fo  fchad- 
haft,  dafs  fie  kaum  reftaurirt  werden  können.  Die  alten 
Malereien  flellen  dar,  in  der  i.  Capeile:  Maria  mit  dem 
Kinde,  dabei  St.  Georg  mit  dem  Drachen  und  St.  Adal- 
bert  (?),  gegenüber  das  Lauenburg'fche  Wappen,  der 
einköpfige  Adler  in  fchwarz  und  weiß;  in  der  2. Capeile 
vvahrfcheinlich  Maria-Heimfuchung,  in  der  3.  eine  ge- 
krönte heilige  Jungfrau,  dann  Fragmente  eines  Chri- 
ftophbiides;  auf  einer  weißen  Tafel: 

Anno.  .  .  .i  millimo  ona.  .  .  .mo  arto  o.  .  die 

pr tebris  C .  .  secratum  h . .  .  .  altare  a .  .  . 

dissemo  in  .r  pre  etd  o  dno  wcncehlao  priarcha.  . 

o  ch ria  feta  I'lcclesia cfl .  .  .  . 

ul ssae  liic 


könnte  heißen: 

Anno  domiiii  millesimo  ciuadringcntesimo 
quarto  0(5\ava  die  (?)  septembris  consccratum  hoc 
altare  a  reverendisimo  in  Chriflo  patrc  et  domino 
Domitio  Wenzelao  patriarcha  .\iitiochcni. 


120.    Correfpondent   Staub   machte    der   Central- 
Commiffion    nachflehende    Mittheilung  über   Glocken, 
die  fich   beim  Glockengießer   Hiltzcr  in  \Vr.  Neußadt 
befinden  und  zürn  Umguße  beftimmt  find: 
a)  Glocke  ans  Ceiikovic,  Mähren,  ca.  150  Kg. 

Flacher  Helm  mit  6  Henkeln.  Oben  an  der  Haube 
zwifchen  zwei  Leiflen  folgende  Infchrift  in  Capital- 
Majuskeln;  der  Anfang  durch  einen  Handweifer  be- 
zeichnet : 

zV  Lob  IesV,  Vnser  LIben  fraVen  MakIa,  VnD 

HEILIGEN  RItTERS  GEORGII. 

Die  Infchrift  bildet  das  Chronogramm  1683  Auf  der 
oberen  Leifte  fitzen  in  kurzen  Zwifchenraumen  flylifirte 
Fruchtkelche  mit  Weintrauben  auf.  Von  der  untern 
Leifte  hängen,  durch  einen  Perlftab  zufammengehalten, 
Palmetten  nach  abwärts;  dazwifchen  abwechfelnd 
Feftons  und  geflügelte  Engelköpfchen.  Im  Felde,  das 
unten  durch  drei  Schmalleiften  abgefchloffen  wird,  zwei 
handwerksmäßig  und  roh  ausgeführte  Reliefs,  aus  orna- 
mentalen Confolen  herauswachfend:  einerfeits  St. 
Georg  zu  Pferde  mit  Lanze,  Helm  und  Schild;  den 
Drachen  mit  der  nach  abwärts  eingelegten  Stoßlanze 
durchbohrend;  anderfeits  Chriflus  am  Kreuze,  zu 
beiden  Seiten  in  einiger  Entfernung  Maria  und 
Johannes. 

Am  Kranze  zwifchen  zwei  Schmalleiften  findet  fich 
zweizeilig  angeordnet  folgende  Infchrift  in  Capital- 
Majuskeln  von  gleicher  Stärke;  der  Anfang  durch 
einen  Handweifer  bezeichnet: 

AVF  H;IGENE  VNKOSTEN,  BEEDER  GE- 
MEINDE, WORLIczKE  VND  TSCHENKOWITZ 
Hat  Mich   l'AVL  Streckfvs    In   Brvnn    Ge- 
gossen A:  1683. 

bj  Glocke  aus  Lang- Augeß  bei  Bilin,  Bö/nnen.  43  Kg. 
An    der    Haube    zwei   flark   ausladende   Leiflen. 
Dazwifchen  in    fehr  rohem   Guße  folgende  Infchrift  in 
gothifchcn  Minuskeln: 

+lijcn0+iiiarcos+iol)nnncs+matcos+ 
Die  einzelnen  Worte  find  getrennt  durch  große  Kreuze 
von  der  Form: 


In  der  Mitte  des  Feldes  in   gleicher  Huciillaben- 
größe  wie  oben  das  Wort: 

toiiin 

Der  Kefl:  des  Feldes  leer;  der  Kranz  ungegliedert. 

Die   Glocke   dürfte   noch  dem   15.,  fpätellens   den 
crftcn  Decennien  des  16.  Jahrhunderts  angehören. 

cj  Glocke  aus  I.autfcli  hei  Üdrau  in  Schießen.  27  Kg. 
An   der  Haube  zwifchen   Randleillen  in  Capital- 
Majuskeln: 

S  •  DONATVS  •  LAVTSCH  •  A  •  1735  • 
An    der  unteren  Leifte  ein  breites  ornamentales 
]5an(l,    faft    t:in    Drittel   des    Feldes   einnehmend,   fehr 
zierlich;  wohl  nach  einem  älteren  Modell  gegoffen. 


=  37 


Im  Felde  das  Reliefbruftbild  eines  Heiligen  mit 
fegnend  emporgehobenem  Arme  im  Strahleiinimbus; 
fehr  roh  ausgeführt.  Daneben  ein  barock  umrahmter 
Wappenfchild,  deffen  horizontal  getheiltcr  Blafon 
folgende  Form  hat: 


Im  oberen  Felde  ein  Pferd,  im  unteren  ein  nicht 
beftimmbares  Inftrument.  Auf  der  andern  Seite  ein 
gleichfalls  barock  umrahmtes  Wappen,  deffen  ein- 
facher Blafon  folgende  Form  hat: 


Im  Felde  eine  Blume. 

Am  unteren  Rande  des  Glockenfeldes  die  Infchrift: 
•Illv  Fran  -S  -R-I-Com.Lichnowskv-H-D  •  In- 
■  Odrav- 
Darunter  8  Parallel-Leiflen. 

d)  Glocke     mts     dem    Praemonßratenferflifte     Tepl. 
107s  Kg. 

Am  fchwach  gewölbten  Helm  6  Henkel  in  der 
Stellung  I  I  ;  an  den  äußeren  Bogenlaibungen  der- 
felben  Gefichtsmasken  im  Relief  (bärtige  Männerköpfe), 
welche  unten  in  flache  Schuppenblätter  ausgehen. 

An  der  Haube  zunächft  ein  fchmales  Band  von 
einfachen  Palmetten;  darunter  in  derben  Capital-Majus- 
keln  folgende  Infchrift,  deren  Anfang  durch  ein  geflü- 
geltes Engelsköpfchen  bezeichnet  ift: 

AD  ■  GLORIAM  •  DEI  ■  ET  •  HONOREM  •  S  JO- 
ANNIS  •  BAPTISTA  •  SVB  •  REGIMINE  •  DNI- 
RAYMVNDI  •  ABBATIS  •  FVSA  •  SVM  •  A  • 
BALTH • 
Darunter   ein   Kranz   von   derbgeftalteten    Orna- 
menten,   welche   geflügelte    Engelköpfchen    umgeben. 
Im  Felde  das   ftark  erhaben  ausgeführte  Relief  Johan- 
nes des  Täufers  in  ganzer  Figur,  in  härenem  Gewände; 
in   der  Linken    einen  langen   Stab    mit   Kreuz,  in  der 
Rechten   ein    Buch;    zu   feinen    Füßen  ein  Lamm.  Am 
Kranze  zwifchen    zwei  Doppelleiften    die   Fortfetzung 
der  an  der  Haube  befindlichen  Infchrift: 

PLATZER  .  EGRAE  •  A  ■  1702. 

e)  Glocke     aus     dein    Praenionßratenferßifte     Tcpl. 
S08  Kg. 

Am  fchwach  gewölbten  Helme  6  Henkel  in  der 
Stellung  I  [  ;  an  den  äußeren  Bogenlaibungen  der- 
felben  Frauenköpfe  im  Relief.  Der  obere  Theil  des 
Helmes  verziert  mit  mehreren  Rundleiflen,  aus  denen 
in  größeren  Abfländen  nach  auswärts  Palmetten  her- 
vorragen. 

An  der  Haube  zunächft  ein  ornamentales  Band; 
dann  zwifchen  zwei  Rundleiften,  zweizeilig  angeord- 
net, folgende  Infchrift  in  fchönen  Antiqua-Majuskeln; 
der  Anfang  bezeichnet  durch  einen  Stern: 

ANNO-M-DC-LIX-OVO  MONASTERIVM  TEP- 
LENSE  CONFLAGRAVIT,  HANG  CAMPA- 
NAM  REFVNDI  CVRAVIT,  ET  CONSECRA- 
VIT  R^ys 
Eine  Hand  zeigt  nach  abwärts  in  die  zweite  Zeile: 
D-D.RAYMVNDVS  ABBAS,  IN  HONOREM 
SS. PATRON:  BOHEMIÄ,    ET  SS-CONFESS: 


PONTIFIC  :  NORBERTl,    AVGVSTINI,   ET 
MARTINI- 

Darunter  eine  Leifte,  von  der  abwechfelnd  fein- 
gcfchwungeiie  Palmcttcn  und  gcfchloffene  Blutenkelche 
herabhängen. 

Im  Felde  6  kleine  Flach-Reliefs:  i.  Crucifix  mit 
Johannes  und  Maria,  dabei  das  Wappen  von  Tepl  (in 
einfachem  Felde  drei  Hirfchgeweihe  in  der  Ordnung 
2  :  i),  barock  umrahmt  und  bekrönt  von  Inful  und 
Pedum. 

2.  St.  Martin  zu  Pferde,  mit  dem  Schwerte  den 
Mantel  theilend;  vor  ihm  der  Bettler. 

3.  Die  gekrönte  Himmelskönigin,  auf  einem  Halb- 
monde ftehend,  in  der  Rechten  das  Scepter,  mit  der 
Linken  das  Kind  haltend.  Darunter: 

Melchior        S>        Mathaeus 


Michelii 


Piir 


^     Ciui! 
nensis   nie  fudit. 

4.  Herzog  Wenzel  in  Rüftung  mit  Krone,  Panzer 
und  Fahne;  in  der  Linken  den  Schild  mit  dem  ein- 
köpfigen Adler  haltend  5.  St.  Norbert  im  Bifchofs- 
Ornate  mitMitra  und  Pluviale;  die  rechte  Hand  fegnend 
emporhaltend,  in  der  Linken  ein  Oflenforium.  Das 
Pedum  zur  rechten  Seite  frei  fchwebend.  6.  St.  Augu- 
flinus  gleichfalls  in  Bifchofskleidung  mit  Inful  und  Plu- 
viale; die  rechte  Hand  fegnend  wie  oben,  in  der  linken 
ein  Herz.  Das  Pedum  freifchwebend.  Am  Kranze  zwei- 
mal je  drei  Leiften. 

Glocke  aus  Sznako  in  Ungarn,  Kafchau-Oder- 
berger  Bahn,  Station  Orld,  120  Kg. 

Am  Helm  6  einfache  Henkel,  central  geftellt. 
An  der  Haube  zwifchen  je  zwei  ftarken  Doppelleiflen 
folgende  Infchrift  in  großen  dickfchaftigen  Capital-Ma- 
juskeln: 

+HOC0  OP9o  ERFECI\o  lOFRNo  OLEA«  A'o 
1598+ 

In  der  Mitte  des  Feldes,  wieder  zwifchen  zwei 
ftarkvorfpringenden  Doppelleiften : 

+INHONOETLAVDSLÄTISSTRANSEIGg 

SALVATOR 
Darunter  in  fehr  ungleicher  Buchfi^abenlage; 
ISCH^oATQ  BEAT/?. 
VIRoMARIAE* 
Der  Kranz  leer. 

121.  In  den  angefchloßenen  Abbildungen,  Fig.  7 
und  8  veranfchaulichen  wir  die  Siegel  der  Gemeinde 
Pirnitz  (Brtnice)  in  Mähren.  Das  größere  derfelben, 
rund,  mit  einem  Durchmeffer  von  43  Mm.,  muß  wohl 
zu  den  fchönften  Siegeln  von  Gemeinden  gezählt  wer- 
den. Der  Grund  ift  ganz  gegittert.  Nicht  ganz  in  der 
Mitte,  mehr  gegen  heraldifch-links  gerückt,  ficht  man 
eine  auf  einem  breiten  einfachen  Lehnfluhl  fitzende 
gekrönte  Frau  gegen  vorwärts  gewendet  dargeftellt,  die 
Hände  an  die  Bruft  gelegt,  daneben  gegen  rechts  ein 
tartfchenförmiger  Schild,  darin  ein  gegen  rechts  fchrei- 
tender,doppeltfchwänziger  gekrönter  Löwe;  oben  ift  an 
dem  Schilde  ein  oftmals  verfchlungener  Tragriemen 
befeftigt.  Ein  Spruchband  fchhngt  fich  in  zahlreichen 
Krümmungen  im  Hintergrunde  vom  Schilde  über  die 
Frauengeftalt,    von    rechts    nach    links.  Es    enthält  in 


-      238     — 


theilweife  weit  auseinandergeftellten  Buchftaben  mit 
Rofetten  dazwifchen  folgende  Legende:  .s.  civivm.  de. 
pvrncniec.  Das  fchöne  Siegel  dürfte  wohl  aus  dem 
Ende  des  15.  Jahrhunderts  flammen.  —  Das  kleinere 
Siegel  ift  achteckig  mit  einem  Durchmeffer  von  29  Mm., 
es  ift  von  einemKetten-Ornament  umfäumt,  zeigt  eben- 
falls in  der  linksfeitigen  Partie  die  fitzende  gekrönte 
Frau,  doch  die  Hände  im  Schöße  liegend.  Der  Stuhl 
ift  beim  Sitze  mit  Stoff  geziert  und  auf  jeder  Seite  mit 
einer  Blumenranke  befetzt.  Rechts  frei  fchwebend  das 
Wappen  mit  dem  böhmifchen  Löwen,  darüber:  .B.T. 


Fig.  8. 


122.  Confervator  Prof  V.  Berger  hat  der  Central- 
Commiffion  mitgetheilt,  dafs  gelegentlich  des  Umbaues 
des  ehemaligen  Capuciner-Klosters  fammt  Kirche  zu 
Tainszueg  (1644  gegründet,  1790  aufgelöft)  im  Funda- 
mente des  Kirchentra6les  der  Grundftein  in  einer  Tiefe 
von  r6o  M.  unter  dem  Parterre-Fußboden  aufgefunden 
wurde.  Im  Grundftein  war  eine  Bleiplatte  eingelegt, 
darauf  eine  Widmungsinfchrift.  Der  ganze  Fund 
gelangte  zur  bleibenden  Hinterlegung  an  das  Salz- 
burger-Mufeum  und  ift  im  Lapidarium  aufgeftellt.  In 
diefer  Angelegenheit  hat  fich  der  genannte  Confer- 
vator wie  auch  Correfpondent  Dr.  Petter  fehr  verdient 
gemacht.  Die  Legende  lautet: 

Deo  Optimo  Maximo  ejusque  in  carne  Virgini 
Matri  A.  1644  post  Christum  natum,  Ecclesiae  mili- 
tantis  gubernacula  tenente  Urbano  VIII  anno  XXI, 
Fernando  III  Austriaca,  Rom.  Imp.  anno  VIII,  Paride 
ex  Comit:  Lodroni  Archiepis.  Sali.sburg.  Principatus 
sui  anno  XXV  ad  aeternam  gloriam  R.  P.  Fr.  Joachi- 
mus  Gey(censis  ?  )  ordinis  Min.  s.  Francisci  Capucci- 
norum  Minister  Provincialis  Prov.  Styriae,  2.  Augusti 
ex  concessu  praefati  Illus.  et  Rever.  Principis  Archicp. 
Salisburg.  primarium  lapidem  posuit  in  honorem  D. 
V.  Laurentanae,  cum  ante  annos  paucos  gcnerosus 
Dnus  Guglielmus  Locher  a  Consiliis  Principis  Electoris 
Bavariac  pro  hospicio  V .  F.  Capuccinorum  acdificando 
in  Damswcgh  2000  florenorum  legata  rcliquerit,  cujus 
animam  Deus  servet  in  gloria.  Amen. 

123.  Herr  Vice-Diredlor  Bruno  Bucher  erwähnt 
in  feiner  „Gefchichte  der  technifchcn  Künflc"  (Ab- 
fciinitt  XI,  S.  98)  einer  mchrfacli  vorhandenen  Schiiffcl 
und  Kanne  in  edlen  KenailTanceformcn  des  Cafpar 
linderleiii  ans  Bafel,  geflorben  zu  Nürnberg  1633, 
deffcn  Arbeiten  in  Zinn  zu  den  höchden  künfllerifchen 
Leillungen  fich  erhoben.  Die  k.  k.  Central- Com- 
miffion  nimmt  gewifs   gern    zur    Kenntnis,   dafs   eine 


folche  Garnitur,  bis  in  jede  Einzelheit  identifch  mit 
einer  zweiten  im  königl.  bayr.  Nationalmufeum  in 
München,  in  der  Wallfahrtskirche  Rankwcil  aufbewahrt 
wird,  von  der  feltfamerweife  nicht  zu  erforfchen  ift, 
wie  und  wann  fie  in  deren  Befitz  gelangt.  Im  Wege 
direkter  Auftraggebung  gewifs  nicht,  denn  weim  fie 
auch  dort  als  Tauffchüflel  angefehen  wird,  fo  fehlt 
doch  in  ihrer  bildlichen  Ausfchmückung  und  Orna- 
mentirung  jede  Beziehung  zu  kirchlicher  Verwen- 
dung. Schüffein  mit  Kannen  folcher  Art  dienten  viel- 
mehr als  Credenz  bei  fefllichen  Anläffen,  zu  welchen 
das  Hauptbild  mit  der  Temperantia,  welche  mit  der 
Rechten  den  Pocal  vorhält  und  in  ihrer  Linken  den 
Krug  zum  Nachfüllen  bereit  hält,  den  fprechendften 
Beweis  liefert.  Man  könnte  dadurch  verfucht  fein,  in 
der  Stadtbehörde  des  nahegelegenen  Feldkirchs  den 
Befteller,  vielleicht  auch  den  fpatern  Donator  zu  ver- 
muthen,  fo  wenig  auch  in  deffen  Archiven  etwas  über 
die  Sache  fich  erfahren  läßt. 

Der  Durchmeffer  unferer  in  der  beigegebenen 
Tafel  fammt  Kanne  abgebildeten  Schüffei  beträgt  47  Cm., 
der  des  mittleren  die  Kanne  tragenden  Auffatzes 
102  Cm.;  in  der  Höhe  mifst  letztere  26  Cm.  zum 
Schnabel,  30-2  Cm.  zur  höchften  Biegung  des  Henkels. 
Die  Auffatzfläche  der  Mitte  ziert  innerhalb  fehr  plafti- 
fcher  Perl-  und  Eierflabreifen  die  eben  erwähnte 
fitzende  Figur  der  Temperantia,  um  fich  her  zwifchen 
Pflanzenwerk,  Sichel,  Dreizack  und  Mercurftab.  Alle 
übrigen  allegorifchen  Darftellungen  in  cartouche-artigen 
Ll^mrahmungen  im  Styl  von  Schildwerk  mit  aufgerollten 
Enden  flimmen  mit  jenen  von  Bucher  erwähnten  über- 
eih,  nämlich  auf  der  Schüffei  find  es  an  der  Innenfläche 
die  Elemente,  am  äußern  Rand  Minerva  mit  Azw  fieben 
freien  Künßen,  welche  fie  zieren,  und  auf  dem  Krug  drei 
Jahreszeiten  (Autumnus,  Hyems,  Ver:)  in  der  oberen 
Hälfte,  drei  Welttlieile  (Europa,  America,  Africa)  auf 
der  unteren;  am  Hälfe  fand  noch  ein  Faun  in  halb 
hockender  Stellung  Platz.  Allenthalben  fleht  den  Bild- 
chen die  erklärende  Schrift  beigefetzt:  Arithmetiqua, 
Musica,  Retorica,  Diale(5tica,Gramatig,  Minerva,  Astro- 
logi,  Geometria,  weiter:  Ignis,  Aer,  Aqua,  Terra. 

Die  Form  der  fchlank  gebauten  Schenkkanne,  wie 
auch  das  Profil  der  Schüffei  zeugt  von  höchflem  künfl- 
lerifchen Verfländnis,  das  nicht  minder  in  der  Compo- 
fition  der  hochfeinen  Verzierungen  fich  ausdrückt,  mit 
denen  beide  völlig  bedeckt  find.  Wie  gefchäftig  grup- 
pirte  die  Phantafie  des  Künftlers  das  reizendfte  Füll- 
werk in  die  Räume,  welche  die  Darflellungen  fcheiden! 
In  reichfler  Mannigfaltigkeit  verfiechten  fich  mit  den 
Ornamenten  der  Renaiffance  Masken,  Löwenköpfe, 
Reiher,  Delphine,  Schlangen,  Eichhörnchen,  Vordcr- 
körper  geflügelter  Pferde  (letztere  befonders  reizend 
behandelt),  überall  in  gefallige  Verbindung  mit  den 
Umrahmungen  der  Allegorien  gebracht.  Die  vier  bis 
zur  Hüfte  nackten  Miuinergcfl alten,  durch  welche  der 
Innenrand  eine  Viertheilung  gleiclifam  erfährt,  drücken 
die  Beziehung  zu  den  zwifclieninne  liegenden  Darflel- 
lungen der  lüleinente  aus:  dem  Waffer  ift  eine  Figur, 
deren  Heine  als  l)cl[)hinfcluvänzc  geformt,  um  fie  her 
Plfche  in  Feflons  zur  .Seite  geflellt,  der  Erde  eine  Ge- 
ftalt,  deren  Füße  als  Baumwurzcln  verlaufen,  der  Luft 
eine  geflügelte  Figur  u.  f  w. 

In  die  untere  Seite  der  Schiiffcl  ill  das  Bildnis 
Enderlein's  mit  der  Umfchrift  am    Rande    des    Mcdail- 


Rankweil 


Mitth.  d.  C.  C.  1893 


Lichtdruck  von  J.  Löwy,  k.  u.  k.  Hofphotograpb,  Wien. 


Ions:  Sculpebat  Casbar-(!)-  Enderlein-  eingelaffen.Der 
Meifter  trägt  Schnurr-  und  Spitzbart  der  fpanifchen 
Krieger,  erfcheint  als  hübfcher  Mann  zwifchen  40  und 
50  Jahren,  mit  kraftigen  Zügen  und  ftarken  Runzeln  auf 
der  Stirn.  Von  der  Kleidung  ift  die  geröhrte  Halskraufe 
forgfaltig  ausgefiihrt,  der  obere  Theil  des  Wammfes 
bis  zur  Schulter  nur  angedeutet,  an  diefer  die  Initialen 
C.  E.  Ueber  den  unterhalb  des  Medaillons  einge- 
prefsten  Befchauftempel  von  ovaler  Form,  deffen 
linke  Hälfte  ein  halber  Adler  ausfüllt,  die  andere 
ein  G  zwifchen  fchrägeti  Streifen,  war  nirgends 
Auffchluß  zu  erhalten,  felbft  in  Nürnberg  nicht;  doch 
erfuhr  ich,  dafs  zwei  Gelehrte  damit  befchäftigt  feien, 
das.  wichtige  Gebiet  der  Stempel  auf  Zinnarbeiten  an- 
zubauen, wodurch  hoffentlich  auch  der  obige  feiner 
Erklärung  entgegengeht. 

5.  Jenny,  Confervator. 

124.  Correfpondent  Dr.  Kupido  hat  an  die  Central- 
Commiffion  berichtet,  dafs  der  feit  kurzem  abgetra- 
gene Thurm  auf  dem  Stadtplatze  von  Stadt  Lüdati  feit 
etwa  250  Jahren  hier  geftanden  haben  mag.  Ueber 
die  Veranlaffung  und  die  Zeit  des  Baues  war  im  Ge- 
meinde-Archiv nichts  zu  finden  und  die  im  Thurm- 
knopfe  gefundenen  Urkunden  geben  nur  Auffchluß 
über  die  nothwendig  gewordenen  Reparaturen.  Ebenfa 
wenig  wurde  bei  der  Demolirung,  die  in  Folge  totaler 
Baufälligkeit  von  den  technifchen  Organen  der  k.  k. 
Bezirkshauptmannfchaft  angeordnet  wurde,  ein  Grund- 
ftein  mit  einer  Jahreszahl  oder  Infchrift  gefunden.  Da 
eine  der  Uhrglockenfchalen  die  Jahreszahl  16 17  trägt, 
kann  man  annehmen,  dafs  der  Bau  im  Anfange  des 
17.  Jahrhunderts  errichtet  wurde. 

Die  Demolirung  begann  am  5.  Mai  und  wurde 
in  eilf  Tagen  beendet.  Das  Steinmaterial  des  Thurmes 
beftand  aus  Grauwackenfchiefer,  ilntt  des  Mörtels  war 
ausfchließlich  Lehm  verwendet  worden  und  offenbar 
wurde  das  Bauwerk  fchon  feit  Jahrzehnten  nur  durch 
die  angebrachten  eifernen  Anker  zufammengehalten. 
Der  Thurm  hatte  wohl  nur  geringe  architektonifche 
Bedeutung,  da  derfelbe  lediglich  aus  den  vier  Grund- 
mauern befland,  die  fich  gegen  die  Höhe  zu  etwas  ver- 
jüngten. Zwei  kleine  Lücken,  eine  an  der  Nord-,  die 
andere  an  der  Südfeite  beleuchteten  den  inneren  Raum. 
Die  Höhe  des  Mauerwerkes  betrug  1577  M.  und  darü- 
ber erhob  fich  der  aus  Holz  conftruirte  zweikuppeligc 
Thurmhelm,  fammt  Wetterfahne  und  Knopf  12  M.  hoch. 

Im  Innern  des  Thurmes  war  die  .Stadtuhr  mit  je 
einem  Zifferblatte  auf  jeder  Seite  des  Thurmes  ange- 
bracht. Im  vorigen  Jahrhunderte  hatte  man  an  den 
Thurm  dasftädtifche  Brauhaus  angebaut;  doch  ift  diefes 
fchon  feit  langer  Zeit  demolirt,  fodafs  der  ifolirt  flehen- 
de verfalleneTliurm  einen  nichts  weniger  als  erfreulichen 
Anblick  darbot.  Die  beiden  Uhrenfchalen  und  die 
Feuerglocke  des  Thurmes  werden  im  Gemeindehaus 
aufbewahrt.  Die  kleinere  (ViertelHunden-)  Schale  hat 
die  Umfchrift :  ANNO  16 17  16.  SEPTEMBER  und  die 
größere  zeigt  die  Legende:  FRANCISCVS  STANKE 
OPPAVIAE  1791.  Die  Feuerglocke  hat  die  Umfchrift: 
IM  1662  JAHR  IST  DIESE  GLOCKEN  ANHERO 
GEGOSSEN.  Im  Thurmknopfe  befanden  fich  drei 
blecherne  Büchfen  mit  Urkunden,  von  denen  die  alterte 
jedoch  nur  bis  zum  Jahre  1789  zurückreicht  und  die 
nur  !ocalge'"chichtliche  Bedeutung  haben. 


125.  Du  Mondfcluibe  an  den  gothifehen  Glocken- 
tlinnnen  in  Tyrol. 

Bis  gegen  Ende  des  15.  Jahrhunderts  fcheint  man 
fich  an  den  Glockenthürmen,  Kirchen  und  anderen 
Gebäuden  der  Sonnenuhren  bedient  zu  haben,  um  die 
Tagesrtunden  anzuzeigen.  Die  urkundliche  Erwäiinung 
einer  mechanifchen  Uhr  mit  Schlagwerk  findet  fich 
mit  Beziehung  auf  den  alten  Thurm  an  der  Pfarrkirche 
zu  Bozen  —  der  jetzige  fchöne  Thurm  an  derfelben 
rtand  noch  nicht.  —  In  den  Beiträgen  zur  Gefchichte 
derfelben  Kirche  v.  P.  Juft.  Ladurner  heißt  es  nämlich 
S.  16 :  „Im  Jahre  1489  goß  Urban  Mölfer  im  Vorderer- 
walde (Unterinnthal)  die  kleinere  Schlagglocke  zu  der 
Uhr,  welche  Meifter  Niclas,  Schloffer  von  Meran  in 
demfelben  Jahre  gemacht  hatte;  fie  wog  303  Pf  32  M. 
7  Pf  B.  Deffen  Bruder  Hans  Mölfer  goß  dann  1493  die 
größere  Schlagglocke  im  Gewichte  von  14  Cent,  "jt  Pf., 
den  Centner  um  14  fl.  rh".  Im  Jahre  1499  i.  Mai 
war  aber  wahrfcheinlich,  wie  aus  einigen  Andeutungen 
hervorzugehen  fcheint,  durch  Unvorfichtigkeit  des 
Thurmwnchters  ein  Brand  ausgebrochen,  wodurch 
nebft  dem  Glockenftuhl  und  allem  Holzwerke  (Dach- 
ftuhle)  auch  die  Thurmuhr  nebft  allen  Glocken  zu 
Grunde  gegangen  ift,  mit  Ausnahme  der  größeren 
Schlagglocke.  Der  ganze  obere  Theil  des  Thurms  war 
ausgebrannt,  fo  dafs  ein  Neubau  befchloßen  wurde, 
der  heute  noch  dafteht  und  allgemein  bewundert  wird. 
Auch  an  eine  neue  Thurmuhr  dachte  man  bald  und 
ließ  fie  1502  von  Arnold  Grienberger  aus  Stubai  anfer- 
tigen, welcher  1544  auch  eine  Thurmuhr  für  St.  Pauls 
in  Eppan  fertigte.  Auch  Simon  Grienberger  aus  dem- 
felben Thale  fcheint  daran  etwas  gearbeitet  zu  haben, 
denn  1553  weift  ein  Mann  aus  Stubai  einen  Schuldbrief 
auf  wegen  einer  Summe,  welche  man  diefem  Uhr- 
macher fchuldig  war.  Im  16.  Jahrhundert  waren  Uhr-  ^ 
macher  und  ihre  Werke  keine  Seltenheit  mehr  im/ 
ganzen  Lande,  wie  uns  die  diesbezüglichen  Notizen  irl 
verfchiedenen  Urkunden  belehren. 

Konnten  aber  die  einzelnen  Gemeinden  und 
Kirchenvorftehungen  damaliger  Zeit  in  Tyrol  groß- 
artigere Spielereien  und  Künfteleien,  wie  fie  mit  den 
Jahren  in  den  Niederlanden,  Deutfchland  und  Italien 
immer  mehr  aufkamen,  nicht  ausführen,  fo  wollten  fie 
fich  in  vielen  Fällen  doch  nicht  begnügen  durch  die 
Thurmuhr  nur  einfach  vermittelft  des  Zeigers  auf  dem 
Zifferblatte  den  Ortsbewohnern  und  Vorbeireifenden 
die  Tagesftunden  anzeigen  zu  laffen;  auch  irgend  einen 
anderen  Dienft  zu  verrichten,  wollten  fie  von  ihrer 
Thurmuhr  doch  verlangen  und  dies  war,  dafs  fie  auch 
die  „Mondeswechfel"  genau  andeutete.  Zu  diefem 
Zwecke  ficht  man  heute  noch  an  mehreren  Kirchthür- 
men  als  am  Pfarrkirchthurm  zu  Brixen,  zu  St.  Lorenzen 
im  Pufterthal  und  an  der  hohen  Fagade  der  Pfarr- 
kirche zu  Schwaz  unter  dem  Zifferblatt  —  zu 
Schwaz  oberhalb  desfelben  — -  eine  etwa  50  Cm. 
weite  kreisrunde  Oeffnung  in  der  Thurmmauer,  welche 
gleich  einem  Rundfenfter  ganz  hindurch  geht.  In 
diefer  Oeftnung  wird  dann  eine  faft  ganz  gleich  große 
Kugel  an  einer  Achfe  fchwebend  gehalten,  die  eine 
Hälfte  derfelben  erfcheint  pechfchwarz,  die  andere 
in  hellem  Goldglanze.  Erftere  Hälfte  zeigt  den  Neu- 
mond, letztere  den  Vollmond  an,  und  durch  die  fuc- 
ceffive  Weiterbewegung  kehren  die  verfchiedenen 
Wcchfel    des    Mondes     genau   wieder.   Man    braucht 


XIX.  N.  F. 


240 


an  der  Uhr  blos  eine  einfache  Vorrichtung  anzubrin- 
gen, um  diefes  Mondfpiel  regelmäßig  einzuhalten. 
Am  abgetragenen  fchief  geftandenen  Giocken- 
thurm  von  Terlan  war  die  Oeffnung  für  die  Alondfchein- 
kugelmit  einer  eigenen  gemalten  Decoration  umgeben, 
ein  Beweis,  dafs  man  dem  Ganzen  eine  größere  Auf- 
merkfamkeit  fchenkte.  Wird  am  Neubau  wieder  her- 
geftellt. 

Wie  weit  diefe  Liebhaberei  im  Lande  verbreitet 
war  und  wie  dafür  Sorge  getragen  wurde,  beweift  eine 
Notiz  aus  dem  EppanerPfarr- Archiv  desPriefters  Spo- 
renberger,  welcher  bemerkt,  dafs  fchon  vor  1560  auch 
an  dem  einfachen  Thurme  der  kleinen  St.  Michaels- 
kirche zu  St.  Michael  in  Eppan  „Mondfchein"  und 
auch  „Stern"  beflanden  haben.  Was  unter  letzterem 
zu  verftehen  fein  dürfte,  ift  uns  noch  nicht  klar.  Im 
Jahre  1613  noch  wird  dem  Meffner  von  St.  Pauls  einge- 
fchärft,  ..das  Uhr-  und  Gloggengewerch  fammt  der 
Mondfchei7ikugel  in  gutem  und  gerechtem  Gange  zu 
halten".  Möchte  diefe  alte  für  einen  gothifchen  Glo- 
ckenthurm  intereffante  und  kunfthiftorifch  merkwür- 
dige Vorrichtung  der  Mondfeheibe  überall,  wo  fie 
bereits  eingeführt  war,  in  gutem  Gange  noch  erhalten 
bleiben! 

Atz. 

126.  Confervator  Branis  berichtete,  dafs  die  ftyl- 
gemäße  Reftauration  der  Klofterkirche  in  Biidiveis 
wegen  der  nothwendigen  Vorarbeiten  gewifs  noch 
einige  Zeit  brauchen  wird,  dafs  aber  fchon  im  Laufe 
des  Jahres  1890  einige  unumgängliche  und  aus  fanitä- 
ren  und  baupolizeilichen  Rückfichten  unauffcliiebbare 
Ausbefferungen  in  derfelben  vorgenommen  wurden. 

Vier  morfche  Seitenaltäre  wurden  entfernt  und 
ihre  Beftandtheile,  inwiefern  fie  in  den  Händen  der 
Arbeiter  nicht  zerfallen  waren,  paffend  deponirt,  der 
von  Feuchtigkeit  durchdrungene  hohle  Verputz  zu  den 
unteren  Partien  der  Wände  wurde  abgefchlagen,  das 
Dach  wird  mit  Rinnen  verfehen  und  ringsum  die  Kirche 
wird  das  Terrain  geordnet. 

Da  bei  der  Reflaurirung  der  Kirche  im  Jahre  1S64 
alte  Wandgemälde  gefunden  worden  waren,  von  denen 
der  damals  zufällig  in  Budweis  anwefende  Kunfl- 
iiiftorikcr  Profcffor  Grueber  in  feinem  Werke:  „Die 
Kunft  des  Mittelalters  in  Böhmen"  1,  90  bemerkt,  fie 
feien  in  kurzer  Zeit  bis  auf  einige  Flecken  fo  verblalst, 
dafs  weder  Durchzeichnungen  noch  Photographien 
genommen  werden  konnten,  veranlafste  der  genannte 
Confervator,  dafs  der  Maueranwurf  befonders  in  dem 
Presbyterium  und  in  dem  füdlichen  Seitenfchiffe  nur 
mit  größter  Vorficht  entfernt  wurde,  und  überhaupt 
auf  alle  archäologifchen  Funde,  die  fich  bei  den  jetzt 
vorgenommenen  Arbeiten  ergeben  dürften,  Acht  ge- 
nommen werde. 

An  den  Wänden  des  Presbyteriums  fand  man  nur 
fpärliche  Ueberrefte  eines  röthlich  gelben  Teppichs 
und  aufder  Epiflelfeite  eine  viereckige  Nifche  (Sanftua- 
rium),  deren  Marmorgewimde  !)ei  der  Vermauerung  im 
17.  Jaiirhuiiderte  fo  gründlich  abgefchiagcn  worden 
war,  dafs  eine  Zeitbellimmung  in  Betracht  deren  Ent 
ftehung  unmöglicii  ift. 

In  dem  nijrdiichen  Seitenfchiffe,  wo  Aqx-  Anwurf 
bereits  einigemal  erneuert  worden  war,  zeigten  fich  nur 
hinter  einer  fpäteren  Altarmenfa  fchwache  Spuren  des 


urfprünglichen  Teppichmufters.  Als  auch  der  durch- 
näfste  Verputz  in  einigen  Kappen  des  Kreuzgewölbes 
entfernt  werden  mußte,  conftatirte  man, V^ dafs  die 
Gewölberippen  der  Seitenfchiffe  aus  Formziegeln 
beliehen,  was  für  die  Gefchichte  der  Baukunft  in  Süd- 
böhmen fehr  wichtig  fein  dürfte,  indem  auch  bei  dem 
Baue  des  aus  der  erften  Hälfte  des  13.  Jahrhunderts 
flammenden  Kreuzganges  in  Strakonic  und  in  dem  Capi- 
telfaale  zu  Goldcnkron  Terracotten  zur  Anwendune 
kamen.  Weiter  überzeugte  man  fich,  dafs  die  im  17. 
Jahrhunderte  unter  den  urfprünglichen  Spitzbogen- 
arcaden  ausgeführten  plumpen  Rundbögen  fehr  fchwach 
untl  innen  hohl  find. 

Recht  intereffant  waren  die  Alterthümer,  welche 
in  dem  an  den  Kreuzgang  angränzenden  füdlichen 
Seitenfchiffe  zum  Vorfchein  kamen.  Bei  der  Ent- 
fernung der  Altäre  fand  man  einige  kunftlofe  Thon- 
gefäße,  Münzen,  Papiere  und  gedruckte  Gebete,  alles 
aus  dem  vorigen  Jahrhunderte,  und  endlich  einen  wohl- 
erhaltenen Grabftein  ohne  Legende,  der  nach  den  ein- 
fach in  die  Platte  gemeißelten 
Umriffen  noch  dem  13.  Jahr- 
hunderte angehören  mag  (Fig.  ■ 
9);  außerdem  ift  eine  hölzerne 
Statue  des  im  Rufe  der  Heilig- 
keit (1281)  verflorbenen  erften 
Priors  des  Klofters  Heinrich  Li- 
brarius,  mit  den  Ueberreften 
desfelben,  welche  in  unferem 
Jahrhunderte  in  einer  gothi- 
fchen Nifche  vermauert  worden 
waren,  gefunden  worden. 

Weiter  entdeckte  man  an 
der  Südwand  Ueberrefte  einer 
ganzen  Reihe  intereffanter  Ge- 
maide. Gleich  links  von  der  bei 

Grueber  I,    91  abgebildeten 
aber  fchon  gänzlich  verblafsten  ^"'S-  9-  (Budweis.] 

und  langft  unkenntlichen  Thomas-Scene  fand  man 
Ueberrefte  von  einer  größeren  Jagdfcene,  nämlich 
in  dem  Vordergrunde  zwei  Bogenfchützen,  von  denen 
der  eine  auf  ein  nicht  erkenntliches  Obje6l  zielte,  der 
andere,  mit  Jagdhorn  auf  der  Schulter,  mit  einem 
Fuße  die  Armbruft  fpannte.  Es  waren  treffliche 
Geflalten,  aber  leider  llark  befchädigt  und  ohne 
Köpfe.  Im  Hintergründe  fah  man  eine  Biu'g  mit  riniden 
Thürmen. 

Weiter  rechts  \on  der  Thür  waren  zwei  große 
braunrothe  gänzlich  verblafstc  Geftalten,  von  welchen 
die  eine  den  heiligen  Antonius  Eremit,  die  zweite 
vielleicht  den  heiligen  Paulus  darllellte. 

Noch  weiter  rechts  fah  man  Ueberrefte  einer 
figurenreichen,  einft  gewifs  großartigen  Compofition, 
welche  aber  fo  ruinös  waren,  dafs  hiei'  nur  noch  ein 
KuiHier  mit  fcharfem  Blick  etwas  bellimmtes  wahr- 
nehmen konnte.  In  der  Mitte  war  ein  vor  einer  Matlon- 
nenftatue  knieender  Bifchof,  dann  fah  man  noch  Spu- 
ren von  einem  zweiten  Bifchofe,  Farbenficcke,  eine 
Menge  Contoui-liin'en  ohne  jegliciien  Zufanmicnhang 
und  zwifchen  denfelben  einige  .Schriftrollen  mit  Majus- 
kellettern, von  denen  man  nur  die  Worte:.  .  .  .in  golo. 
.  .  .domine.  .  .  .contenta.  .  .  entziffern  konnte. 

y\uf  der  Stelle,  wo  fich  in  der  Nähe  des  Kreuz- 
armes    der   .St.  Bai'bara-Altar    befand,    follte  urfprüng- 


—       241       — 


lieh  ein  Altar  des  heiligen  Laurentiiis  gewefen  fein. 
Die  hier  entdeckte  Malerei  beftätigt  die  alte  Tradi- 
tion. Man  fah  einen  Riefenofen,  über  welchem  der 
auf  einen  Roft  gelegte  Heilige  durch  Flammen 
gemartert  wurde,  und  ein  Knecht  mit  einem  Blafebalg 
in  den  Händen  fachte  das  Feuer  an  (Fig.  lo). 

Die  meiftcn  Scenen  waren  in  braunrothem  Grunde 
ausgeführt,  von  verfchiedener  Größe  und  durch  orna- 
mentale Streifen,  von  welchen  hie  und  da  noch  Spuren 
vorhanden  waren,  getrennt.  Sie  bildeten  keinen 
gefchloffcnen  Cyclus,  gehörten  auch  nicht  einer  und 
derfelben  Zeit  an.  Die  alterten  Partien,  z.  B.  der  Bifchof 
vor  der  Madonnenftatue,  entflammten  von  Gemälden, 
die  gleich  nach  der  Erbauung  des  Gotteshaufes  in  der 
zweiten  Hälfte  des  13.  Jalirhunderts  ausgeführt  und  der 
bekannten  Malerei  in  dem  Dome  von  Gurk  nicht  un- 
ähnlich waren;  diefe  urfprünglichen  Gemälde  mußten 
aber  bereits  im  15.  Jahrhunderte  fo  verblafst  fein,  dafs 
fie  übertüncht  und  von  neuen  Gemälden  verdeckt  wur- 


Fig.  10.  (Budweis.) 

den.  Im  17.  Jahrhunderte  wurden  auch  diefe  fpäteren 
Gemälde  zerfchlagen,  zerkratzt  und  mit  einer  ziemlich 
ftarken  Mörtelfchichte  verdeckt;  als  man  fie  im  Jahre 
1864  entdeckte,  konnten  diefelben  nach  dem  gewifs 
verlaßlichen  Urtheile  Gruebers  nicht  mehr  erhalten 
werden,  und  man  verkleckfte  fie  wieder,  —  und  daraus 
folgt  leider,  dafs  auch  bei  der  heurigen  Entdeckung  in 
noch  weit  höherem  Grade  alle  Hinderniffe  vorhanden 
waren,  welche  die  Erhaltung  diefer  Denkmale  unmög- 
lich machten. 

Es  waren  Ueberrefte  und  Spuren  von  Gemälden 
aus  verfchiedenen  Zeitperioden,  und  zwar  in  einem 
folchen  Zuftande,  dafs  hier  meift  Ueberrefte  der  Male- 
rei aus  dem  13.  Jahrhunderte  mit  Ueberreften  jener 
aus  dem  15.  Jahrhunderte  vermifcht  erfchienen. 

Weder  eine  Scene  noch  eine  einzige  Figur  war 
vvenigftens  zum  Theile  intaft  geblieben,  was  man  fah 
war  bald  ganzlich  verblafst,  im  Laufe  der  Zeit  von 
unzählichen  Nägeln    durchbohrt,   abfichtlicli    zerkratzt 


und  zerfchlagen,  imi  den  fpäteren  Anwurf  dauerhafter 
befeftigen  zu  können;  aber  das  fchlimmfte  dabei 
war,  dafs  der  Verputz,  auf  welchem  die  Bilder  gemalt 
waren,  gänzlich  durchnäfst  und  größtentheils  hohl  war, 
indem  er  fich  infolge  der  Feuchtigkeit  von  dem  Mauer- 
werke losgeriffen  hatte.  So  hat  fich  z.  B.  ein  Theil  des 
den  heiligen  Laurentius  darltellenden  Gemäldes  nach 
fünf  Tagen  losgelöst   und   fiel  plötzlich  herab. 

Dabei  zeigte  fich  auch  die  Wahrheit  der  Worte 
Gruebers  (I,  90),  dafs  die  anfänglich  überrafchend 
deutlichen  Malereien  in  kurzer  Zeit  bis  auf  einige  Fle- 
cken verblafs:en.  Die  Zeichnung  der  Marter  des  heili- 
gen Laurentius  ift  gleich  nach  der  Entdeckung 
gemacht  worden,  und  nach  vier  Tagen  war  es, 
fall  unmöglich  ein  photographifches  Bild  aufzunehmen, 
obzwar  es  10  Minuten  lang  exponirt  worden  ift. 

127.  Herr  Dr.  Valentin  Knzsinssky,  Cuflos  am 
National-MufeuminBudapeft,  hat  unter  dem  Titel:  „Die 

Ausgrabungen  zu  Aquincum 
1879 — 1891"  mit  2  Beilagen  und  48 
lUurtrationen,  (Budapeft,  Friedricli 
Kilians,  Ung.  Univerfitätsbuch- 
handlung  1892)  eine  Zufammen- 
Rellung  der  Ergebniffe  jener  wichti- 
gen, von  Seite  des  Staates  unter 
Leitung  der  Herren  Profefforen 
Karl  von  Torma,  J.  Hampel  und 
des  Herrn  Verfaffers  felbfl  (feit 
1887)  planmäßig  vorgenommenen 
Ausgrabungen  in  deutfcher  Spra- 
che veröffentlicht,  welche  allen 
Jenen,  die  dießfeits  der  Alpen  mit 
ähnlichen  Arbeiten  zu  thun  ha- 
ben, angelegentlich  empfohlen  fei. 
Dies  umfomehr,  als  die  in  der 
ungarifchen  Revue  in  mehrere 
Bände  zerftreuten  einzelnen  Theile 
hier  in  Eines   verarbeitet    find.    In 

eingehender  Weife,  aber  in 
knappller  Form  befpricht  Ver- 
faffer  alle  baulichen  Erfcheinun- 
gen,  die  fich  bei  den  Ausgrabun- 
gen ergaben,  erklärt  fie  in  fach- 
männifcher  Weife  unter  Herbei- 
ziehung analoger  Erfcheinungen  an  anderen  Ausgra- 
bungen und  unter  Angabe  werthvoller  antiquarifcher 
Erläuterungen,  fowie  zahlreicher  Pläne.  Die  meiften 
Objefte  gehören  Cannabae,  der  Marketenderfladt  hart 
an  der  Oftfeite  des  Standlagers,  an.  Es  werden  das 
Mithraeum,  das  Amphitheater,  das  Heiligthum  der 
Nemefis,  die  verfchiedenen  Badeanlagen,  die  Markt- 
halle (Macellum)  und  andere  öffentliche  Gebäude, 
die  Wohnliäufer  und  die  Funde  nacheinander  mit  allen 
Einzelnheiten  vorgeführt.  Die  Ausgrabungen  dauern 
fort. 

Kenner. 

128.  Confervator  Profcffor  Berger  hat  der  C'en- 
tral-Commiffion  mitgetlieilt,  dafs  in  der  alten  angeb- 
lich 13S9  erbauten  gothifchen  Kirche  zu  Bad  Gaflein 
alte  Wandmalereien  conftatirt  wurden,  die  er  alsdann 
Gelegenheit  hatte  theilweife  aufzudecken  und  zu  beur- 
theilen.    Zunächft  wurde  das  Innere  der  Kirche  in  den 

32* 


—        242 


an  die  füdliche  Ecke  des  Schiffes  angränzenden  Wand- 
theilen  über  dem  rechten  Seitenaltar  unterfucht.  Pro- 
feffor  Berger  conftatirte  dafelbft  in  der  Ecke  ein 
größeres  Gemälde  vom  Gewölbefcheitel  bis  zum  Kaff- 
gefimfe  —  (4'40  M.  breit  und  6-40  M.  hoch,  die  unte- 
re Partie  noch  nicht  frei)  —  das  jüngfte  Gericht  vor- 
flellend.  Die  Anordnung  ift  in  der  Hauptfache  eine 
fymmetrifche.  Zu  oberftChriftus  in  derMandorla,auf  der 
Weltkugel  fchwebend,  etwas  tiefer  beiderfeits  zwei 
kniende  Geftalten,  die  Hände  zum  Gebet  gefaltet 
(Maria  und  Johannes),  weiter  darunter  die  zwölf  Apo- 
ftel  in  Gruppen  von  je  6  Figuren  ftehend,  unterhalb 
eines  zu  Füßen  desfelben  fich  hinziehenden  Bandes 
erfcheinen  vom  Himmel  herabfchwebende  Engel  mit 
Pofaunen,  welche  je  ein  Schriftband  halten,  darauf  in 
gothifchen  Lettern:  ftehet  .auf  .ir.  toten,  vnd  .gehet. 
vor.gericht.  Weiter  unten  läßt  fich  die  Darftellung 
der  Auferflehenden  nach  einzelnen 
Anzeichen  als  unter  der  Tünche  be- 
findlich vermuthen.  Trotz  mancher- 
lei Schäden,  welche  die  alte  aus 
dem  15.  Jahrhundert  flammende 
beachtenswerthe  Wandbemalung 
aufweift,  ift  diefelbe  des  Erhaltens 
werth. 

129.  Confervator  Profeffor  f<7« 
Otteiithalhnt"\m  Juli  an  die  Central- 
Cominiffion  mitgetheilt,  dafs  bei 
der  k.  k.  Bezirkshauptmannfchaft 
zu  Kufßein  eine  größere  Scartirung 
politifcher  A6ten  durchgeführt 
wurde.  Da  es  fich  um  Acten  han- 
delte, welche  im  P'alle  ihrer  wün- 
fchenswerthen  Erhaltung  an  das 
Centralarchiv  der  politifchen  Ober- 
behördc  —  an  das  fo  trefliich  und 
fachkundig  geleitete  k.  k.  Statt- 
halterei-Archiv  in  Innsbruck  abzu- 
geben wären,  fo  verwendete  fich 
der  genannte  Confervator  bei  Se. 
Ivxccllenz  dem  Herrn  Statthalter 
und  legte  die  Gründe  dar,  aus 
welchem  das  Intcreffe  des  Amtes 
wie  der  Wiffenfchaft  am  heften  wie 
am  einfachften  gewahrt  erfcheine, 

nämlich  dadurch,  wenn einStatthalterei-Beamtermit  den 
betreffenden  Erhebungen,  beziehungsweife  mit  der  Aus- 
wahl der  für  diefes  Archiv  paffenden  Aften  betraut 
würde.  Se.  Excellenz  der  Herr  Statthalter,  welcher  dem 
Statthalterei-Archiv  das  lebhaftcfte  Intcreffe  ent- 
gegenbringt, verfügte  die  Scartirung  im  Sinne  dicfcs 
Antrages.  In  der  Folge  wurde  eine  ähnlich  organifirtc 
Scartirung  bei  der  k.  k.  Bezirkshauptmannfchaft 
Schwaz  durchgeführt.  Die  Central-Commiffion  hat 
hievon  mit  großer  Freude  und  lebhafter  Befriedigung 
Kenntnis  genommen.  Sie  erkannte  hierin  einen  Anlafs, 
Se.  Exe  ellenz  dem  Herrn  Statthalter  ihren  befonderen 
Dank  auszufprcchen. 

130.  Confervator  Ronißorfer  hatte  mitgetheilt, 
dafs  ihm  angezeigt  wurde,  dafs  bei  dem  Umbaue  des 
griechifch-orientalifchen  Klofters  zu  Sticzawa  unter- 
irdifclic  Gewölbe  aufgedeckt  worden  wären,  was  ihn 


veranlafste,  über  diefen  Fund  nähere  Erhebungen  zu 
pflegen.  D'efe  ergaben,  dafs  bei  den  bisher  durch- 
geführten Erdaushebungen  fürzwei  Kalkgruben  (mit  dem 
Flächenmaße  von  60  [JM.  und  der  Tiefe  von  2  M.)  und 
der  Kellerräume  für  die  Priorswohnung  mit  der  Fläche 
von  500  QM.  und  in  der  Tiefe  von  i  — i'/j  M.,  zwar  kein 
altes  Mauerwerk,  wohl  aber  über  300  menfchliche 
Gerippe  ausgehoben  wurden. 

131.  Correfpondf.nt  Staub  hat  der  Central-Com- 
miffion mitgetheilt,  dafs  über  fein  Anregen  und  unter 
feiner  Intervention  das  Tympanon  des  Kreuzportales 
der  Wr.  Neitßädtcr  Domkirche  unterfucht  wurde  und 
dafs  man  nach  vorfichtiger  Entfernung  eines  dort  einge- 
laffenen  auf  Holz  gemalten  Oelbildes  ein  Wandge- 
mälde fand,  das  unter  der  Tünch-  und  Staubkrufte 
verdeckt,  leider  nicht  mehr  ganz  erhalten  ift.   So  weit 


Kig.  II.  (St. Veit.) 

bis  jet/.t  crfchcn  werden  kann,  dürfte  es  lieh  um  ein 
Gemälde  aus  dem  XIV.  Jahrhundert  handeln,  das  die 
thronende  Maria  mit  dein  Kinde,  umgeben  von  zwei 
anbetenden  Engeln  vorftcllt. 

132.  Confervator  Stif^perger  hat  an  die  Central- 
Commiffion  berichtet,  dafs  die  Kirche  zu  St.  Veit  in 
Kärnten  einer  Keftaurirung  unterzogen  wird.  Die  alte 
Tünche  wird  abgcfchlagen,  die  Steine  werden  abge- 
ftockt,  die  Ri]5pen  gereinigt,  das  Steinmauerwerk 
bleibt  fichtbar.  An  der  Außenfeite  werden  die  fchad- 
haftcn  Strebepfeiler  ausgebeffert.  Die  Kirche  ift  eine 
fehr  beachtenswerthe  Anlage,  leider  hat  fie  in  den  ver- 
fchiedenen  Jahrhunderten  durch  Umgeftaltungen  fehr 
gelitten,  fo  dafs  nur  wenig  lufprüngliche  Refte  des  alten 
Baues  mit  theihveife  gothifchem  Ciiaraktcr  übrig  ge- 
blieben find.  Die  weftliclie  Außenfront  ift  unzweifelhaft 
der  älteftc  Thcil.  Der    hier    beftehcnde   Haupteingang 


-      243 


repräfentirt  fich  nocli  als  ungcfalfchtcs  romanifclies 
Werk  (Fig.  ii).  Der  Eingaiiy;  ftuft  fich  an  den  beiden 
Seiten,  fo  wie  im  überdeckenden  Halbkreisbogen  gegen 
innen  ab,  die  Dienflre  haben  Knollen-Capitäle  mit  um- 
gekehrten attifchen  Bafen.  Ueber  der  Thür  mit  geradem 
Sturze  befindet  ficli  ein  Tympanon  romanifcher  Sculp- 
tur,  darfteilend  das  Lamm  Gottes  zu  defien  Seite  Löwe 
und  Adler.  Ueber  denfelben  im  Rundbogen  folgende 
Infchrift  in  lateinifchen  gekreuzten  Uncialen:  Sta..retro 
siste  pedem,  manus  oblaturus  in  aedem,  fratris  amicitia 
panditur  ista  via.  Freilich  wohl  haben  wiederholte 
Brande  und  Witterungseinflüße  dem  Steinwerk  ge- 
fchadet,  allein  die  jetzige  Reftaurirung  foU  die  lang- 
jährigen Schäden  befeitigen.  Bi.s  nun  bekrönt  den 
Portalbau  ein  gefchweifter  Giebel  aus  weit  jüngerer 
Zeit.  Das  Portal  wurde  bereits  vor  zwei  Jahren  in  fehr 
gelungener  Weife  reftaurirt.  Hoffentlich  wird  nun  der 
Giebel  ftylgerecht  hergeftellt  werden. 

133.  Der  in  der  beigegebenen  Abbildung  (Fig.  12) 
erfcheinende  Grabftein  befindet  fich  laut  Mittheilung 
des  Correfpondenten  Direftor  Plhva  an  der  Außen- 
feite der  Stadtpfarrkirche  zu  Mllacli  und  ift  noch  fehr 
gut  erhalten.  Eine  dunkclrothe  Marmorplatte  in  fchö- 
ner  Sandfleinumrahmung.  Die  Platte  enthält  in  ihrer 
obern  Hälfte  die  achtzeilige  Legende,  in  der  unteren 
in  einer  oben  halbkreisförmig  abgefchloßenen  Vertie- 
fung ein  fehr  fchwungvoll  ausgeführtes  behelmtes  Wap- 
pen, unten  in  den  Ecken  begleitet  von  zwei  unbchelm- 
ten  Schilden,  davon  fich  einer  auf  die  FamiHe  Pibriach 
bezieht.  Die  erwähnte  Legende  lautet:  Hie  ligt  Begra- 
ben der  Fürnemb  Joachim  Megerl,  gewefler  Rats- 
bürger, allhie  fambt  zwajen  Fliehen  Hausfrawen  und 
Kindern,  deme  Gott  der  Herr  genedig  und  Barmherzig 
fein  welle,  welicher  geftorben  ift  Im  1584  .  Jar  am 
8.  April.  Im  Wappenfchilde  ficht  man  eine  ftylifirte 
Lilie,  die  fich  am  Helme  mit  reicher  Helmdecke  zvvi- 
fchen  dem  offenen  Fluge  wiederholt. 

134.  Vor  längerer  Zeit  fchon  hat  Confervator  Sed- 
lacek,  neueftens  Confervator  ^rrt;/;i  die  Centr.-Comm. 
auf  die  Kirche  zu  Barati  aufmerkfam  gemacht,  wie 
denn  hierorts  auch  ein  Gutachten  des  Dombaumeifters 
Mocker  vorliegt,  dem  zufolge  die  genannte  Kirche  als 
gothifcher  Bau  als  ein  Kunftdenkmal  von  Bedeutung 
zu  betrachten  ift  und  wohl  verdient  in  gutem  Zuftande 
erhalten  zu  bleiben.  Sie  wurde  in  den  Jahren  1358 — 1384 
durch  die  Herren  von  Rofenberg  erbaut.  Der  lO'SO  M. 
lange  und  6'97  M.  breite  Chor  befteht  aus  einem  aus 
fünf  Seiten  des  Achteckes  conftruirten  Schluffe  mit 
einem  vorgelegten  Joche,  daran  fich  das  aus  drei 
Gewölbejochen  beftehende  Ouerfchiff  (1470  M.  lang 
und  7  M.  breit)  anfchließt.  Nach  der  urfprünglichen 
Intention  foUte  das  Langhaus  einfchiffig  fein,  als  man 
aber  zur  Ausführung  kam,  wurde  eine  zweifchiffige 
Halle  errichtet,  deren  Gewölbe  zwei  in  der  Längenachfe 
angebrachte  Pfeiler  trugen.  Ganz  bemerkenswerth  ift 
die  vorzügliche  Steinmetzarbeit.  Im  Jahre  1649  brannte 
die  Kirche  ab  und  ftürzte  das  Langhausgewölbe  ein. 
Gelegentlich  der  Wiederherftellung  des  Kirchenge- 
bäudes durch  dqn  fürftlich  Eggenberg' fchen  Baumeifler 
Pclcr  Spinct  wurde  eine  Neuwölbung  und  damit  eine 
Theilung  in  drei  Schifl"e  mittelfl:  aufgeftellter  maffiver 
Quadratpfeiler     durchgeführt.    Seither    gefchah  recht 


wenig  für  die  ICrhaltung  desBaucs,  bis  zurGegenwart,  in 
welcher  eine  eingreifende  Reftaurirung  im  Zuge  ift.  Bei 
dieferGelegenheit  wurden  an  der  Nordwand  des Prcsby- 
teriums  Spuren  von  den  urfprünglichen  Wandmalereien 
wahrgenommen.  So  weit  diefe  zu  einem  Urtheile  be- 
rechtigen, fo  waren  fie  niemals  von  Bedeutung.  Man 
erkennt  nur  einen  Donator  mit  fünf  Kindern  und  die 
Gefangennahme  Chrifti.  Man  hat  nie  diefen  Bildern 
die  entfprechende  Schonung  angedeihen  laffen,  denn 
durch  die  Ausbrechung  eines  Sacriftei-Einganges  hat 
man  den  größten  Theil  des  letztgenannten  Bildes  zer- 
ftört,  an  eine  Wiederherftellung  desfelben  ift  nicht  zu 
denken. 

135-  (Gefäße  ans  Schipenitz.) 

Nach  Mittheilungci.  des  Profeffors  E.  Kolhenlieyer 
und  des  Landesausfchuß-Beifitzers  Nicolaus  P'reiherrn 
von  M^ißatza  wurden  vor  kurzem  in  Schipenits,  einem 
kleinen  im  breiten  Pruththale  in  der  Nähe  der  galizifch- 
bukowinifchen  Gränze  faft  eben  gelegenen  Orte,  vom 
dortigen  Lehrer  intereffante  Gefäße  aufgedeckt.  Letz- 
terer fließ  nämlich,  als 
er  im  Innern  feines 
Viehflalles  ein  Loch  be- 
hufs Aufftellens  einer 
Holzfäule  aushub,  vor- 
erfl  auf  eine  ziemlich 
verwitterte  Ziegel- 

(oder  gebrann  teThon-.') 
fchichte,  deren  fcitliche 
Begränzung  er,  nach- 
dem er  das  Loch  bis  an 
2  M.  Durchmeffer  ver- 
breitert hatte,  noch 
nicht  erreichen  konnte. 
Der  Boden  erwies  fich 
bis  auf  die  Oberfläche, 
d.h.  bis  zum  Stallboden 
aus  fefter  Letten.  Unter- 
halb der  erwähnten 
erften  Ziegelfchichte 
ftieß  er  wieder  auf  eine 
Lettenfchichte,  dann 
auf  eine  zweite  Ziegel- 
fchichte, unter  welcher 
er  einen  mit  lockerem 
Material,  Thonfcherben 
und  Ziegelbrocken  er- 
füllten Raum  aufdeckte,  der  überdies  mehrere  ganze 
oder  aus  den  Scherben  ergänzbare  Thongefäße  ent- 
hielt. Die  Sohle  diefes  Raumes  lag  c.  2  M.  unter  dem 
Stallfußboden.  Von  den  Gefäßen  übernahm  vorläufig 
E.  Kolbcnlieyer  eine  Schüffei  und  zwei  Töpfe  (f.  die 
Fig.  a — c,  S.  256),  dann  Baron  Aliißatza  zwei  Töpfe. 
Diefe  Gefäße,  aus  feinem  Thon  mit  freier  Hand  ange- 
fertigt und  nach  dem  Trocknen  mit  einem  fcharfen 
Inftrumente  nachgebeffert,  find  unglafirt;  ihre  Ober- 
fläche ift  jedoch  mit  einer  eigenartigen  Ornamentirung 
verfehen,  welche  in  den  Abbildungen  developpirt  und 
ziemlich  charakteriftifch  zur  Anfchauung  gebracht  ift. 
Der  Hauptfache  nach  befteht  das  Ornament  aus  ver- 
fchieden  breiten,  flott  mit  dem  Pinfel  gezeichneten,  fich 
kreuzenden  und  verfchlingenden,  mehr  oder  weniger 
geraden  undKreis-Linien  und  find  die  dicken  Linien  mit 


Fig.  12.  (Villach.1 


244 


theils  fchon  verwitterter  fclnvarzbrauner,  die  dünnen 
Linien  mit  rothbrauner,  beffer  erhaltener  Farbe  her- 
geftellt.  Ueber  die  dünnen  Striche,  welche  ein  noten- 
linienartiges  Ausfehen  zeigen,  find  bei  dem  einen  Ge- 
fäße kurze  breitere  Querftriche  mit  fchwarzbrauner 
Farbe  gezeichnet.  Das  erfle  Gefäß,  Abbildung  Fig.  a, 
ifl  eine  Schüffel  mit  etwa  5 — 6  Mm.  ftarken  Wänden; 
der  lichte  Durchmeffer  beträgt  27  Cm., die  Höhe  7-5  Cm. 
Die  Bemalung  ift  äußerlich  angebracht  und  zieht  fich 
fowohl  an  den  Seiten  herum  alr.  über  dem  Boden.  Die 
Töpfe,  Fig.  l>  und  c,  haben  einen  lichten  Durchmeffer 
von  10,  bezw.  8'5,  einen  Bauchdurchmeffer  von  15,  refp. 

II,  einen  äußeren  Bodendurchmeffer  von  5-5  und  4  und 
eine  Höhe  \'on  15  und  12  Cm.;  die  Wanddicke  beträgt 
3—4  Mm.  am  Boden  und  in  den  Ecken  entfprechend 
mehr.  Bei  den  Töpfen  ift  nur  die  obere,  äußere  Hälfte 
bemalt.  —  Von  Knochen  wurde  nichts  vorgefunden, 
dagegen  foU  ein  weißes  Feuerfteinmeffer  von  9  Cm. 
Länge,  durchfchnittlich  2  Cm.  Breite,  und  einer  größten 
Dicke  von  0'5  Cm.,  deffen  beide  Längskanten  fageartig 
ausgefplittert  erfcheinen,  ebenfalls  aus  diefer  Fundftelle 
ftammen.  Das  Terrain  neben  der  letzteren,  derzeit  mit 
Kukurutz  bebaut,  ift  ganz  eben  und  zeigt  keinerlei 
hügelartige  Erhebungen,  dagegen  findet  man  hier 
leichte  Schlacken  und  Afche.  Schreiber  diefer  Zeilen 
wird  demnächft  mit  Baron  Miißatsa  den  Fundort 
befuchen  und  für  das  Bukowiner  Landes-Mufeum  mit 
größter  Vorficht  weitere  Grabungen  vornehmen  laffen. 
Es  fei  bemerkt,  dafs  Schipenitz  in  der  Nahe  von 
Hlinitza  liegt,  in  welchem  Orte  fich  das  fegen.  Tar- 
tarenlager  befindet,  wofelbft  ebenfalls  weiße  im  Buko- 
winer Landes-Mufeum  deponirte  Feuerfteinfplitter 
aufgedeckt  wurden. 

Karl  A.  Roiiißorfcr. 

136.  (RovianifcJie  Ueberblcifcl  und  gotliifche 
Prof  an-  Architektur  in  Grats  I.J 

Der  mittelalterliche  Charakter  der  Stadt  Grätz  ift 
vollftändig  verwifcht.  Die  jetzige  Bevölkerung,  felbft 
jene,  die  für  Architektur  Intereffe  hat,  wird  ziemlich  ver- 
wundert fein,  wenn  man  fagt,  dafs  Grätz  vor  Jahrhun- 
derten gothifch  gebaut  war  und  früher  fogarromanifche 
Bauten  in  der  .Stadt  beftanden  haben. 

Die  älteren  Anfichten  der  Stadt  ftammen  alle  aus 
der  Zeit,  wo  Grätz  meift  durch  Italiener  umgebaut  wor- 
den und  nur  wenige  Objecte  aus  dem  Mittelalter  haben 
fich  erhalten.  Die  Lechkirche,  der  Dom,  die  Stadtpfarr- 
kirchc  find  intacl.  Von  der  alten  Burg  beftcht  noch 
die  intereffante  gothifche  Doppcltreppe,  einige  Thor- 
bögen und  Fenftcrgewände.  Der  Uhrthurm  blickt 
noch  mit  feinem  mittelalterlichen  Charakter  auf  die 
Stadt  herunter;  und  doch  muß  Graz  zur  Zeit  Friedrich 

III.  (IV. J  und  früher  einen  ausgeprägt  mittelalterlichen 
Charakter  gehabt  haben.  Nur  dem  Fachmann  ift  e.s 
möglich,  auf  feinen  Streifzügen  alte  Uebcrbleibfel  zu 
finden,  da  die  Henaiffance,  das  Baroco  und  felbft  das 
Kococco  die  Stadt  ganz  umgeftaltet  haben,  lil  doch 
die  alte,  in  neucfter  Zeit  weiß  getünchte  Dovikirchc 
mit  italienifchen  Marmor-Altärenvcrfehen,  das  Mobiliar 
ift  barok,  ebenfo  der  Orgelchor  und  find  es  die 
Capelien-Ausbauten,  überdieß  ift  der  ganze  Bau  von 
der  oppulenten  Architektur  des  Maufoleimis  eingefafst. 
man  kann  daher  wohl  mit  Recht  fagen,  es  bleibt  nur 
die  Architektur  der  drcifchiffigen  Hallenkirche  mit  den 


fchönen  Reihungen  in  dem  hohen  Chore  und  dem 
prächtigen,  decorativ  mit  gefchweiften  Wimbergen 
gefchmückten  vorkragenden  Oratorium  dafelbft,  welche 
den  gothifchen  Charakter  wahren.  Zum  Glücke  ift  das 
hohe  Portal  mit  den  gefchweiften  Bogen,  den  Wappen- 
fchildern  und  Spruchbändern,  unten  in  der  fchrägen  Wan- 
dung mit  figuralem  Schmucke  und  oben  mit  dem  Stein- 
dach auf  Segmentbogen  ruhend,  noch  inta6l.  Seinerzeit, 
es  ift  nicht  lange  her,  war  dafelbft  die  Fronte  durch 
zwei  große  Fresken,  Maria  Schutz  und  Chriftus  am 
Kreuze,  färbig  belebt ;  nur  das  Frescobild  am  Chor- 
abfchluße,  die  Geißelung  Chrifti,  ift  glücklicherweife 
noch  erhalten. 

Die  Stadtpfarrc  hat  gegen  die  Herrengaffe  eine 
zopfige  reiclidurchgeführte  mit  einem  folchen  Thurm 
mit  Zwiebeldach  (Holz  mit  Stucco  bekleidet)  verfehene 
Fagade  erhalten  und  der  Eintretende  wird  ficherlich 
überrafcht  fein,  dafelbft  eine  gothifche  Hallenkirche  zu 
finden.  Der  Innenraum  wurde  mit  neuen  gothifchen 
Altären  und  Mobiliar,  fowie  mit  Glasgemälden  ver- 
fehen;  die  Wände,  Rippen  etc.  find  polychrom  durch- 
geführt; man  hat  da  des  Guten  beinahe  etwas  zu  viel 
gethan. 

Die  Lechkirche,  welche  \'or  einigen  Jahren 
bedenkliche  Riffe  und  Ausbauchungen  gezeigt  hatte, 
wollte  man  abtragen,  doch  hat  lieh  der  deutfche 
Ritterorden  doch  bewogen  gefunden,  diefes  ältefte 
Kirchenbauwerk,  welches  ftyliftifch  höchft  intereffant 
ift,  wieder  reconftruiren  zu  laffen. 

Außer  diefen  Bauten  tritt  dem  Befucher  der  Stadt, 
felbft  wenn  er  nicht  Fachmann  ift,  nichts  Mittelalter- 
liches entgegen. 

Forfcht  man  aber,  fo  findet  man  dennoch 
manches  intereffante  noch  hie  und  da. 

Wer  follte  glauben,  dafs  in  einem  ganz  unfchein- 
baren  Hofe  der  Münzgrabenftraße  Nr.  8  fich  ein  offener 
Communicationsgangbefindet,  deffen  Rundbogen  durch 
drei  früh-ronianifche  Säulen  getragen  wird,  und  zwar  in 
der  einfachften  Form.  (Fig,  13  und  14.)  Es  find  Würfel- 


Fig.  14 

capitälc,     unten  durch     einen     wulftigen     Ring     ab- 

gefchloffen.     Am  .Siiuleiifiiß     find      die     Anfätze     der 

Knollen   iiielil    zu  feilen,   da    ein    Holzpfoften    darüber 

reicht.    Man    muß  fra<:en,    wie    kommen    diefe    Säulen, 


—     245     — 


welche  man  in  das  Ende  des  il.,  höchftens  zu  Anfang 
des  12.  Jahrhunderts  einreihen  muß,  hieher?  Weit  her 
find  diefelben  nicht  geholt  worden,  fie  müßen  in  der 
Nähe  vorgefunden  worden  fein,  vielleicht  im  Schutt.  Das 
befagte  Gebäude  dürfte,  nach  den  unteren  Pfeilern  zu 
urtheilen,  Ende  des  17.  Jahrhunderts  oder  noch  fpätcr 


und  ftützt  das  Kreuzgewölbe,  welches  den  Raum  um- 
fpannt.  Das  Capital  ift  von  einfacher  Grundform 
O'jO  Cm.  hoch,  oben  im  Gevierte  0-56  Cm.  Die  noch 
roh  gehalteneSculptur  zeigt  einenThierkopf,  rechts  und 
links  find  Flügel  zu  erkennen,  fchncckenformig  fchließt 
lieh  die  Gewandung  des  Capitäl.s  an  den  Tliierkopf  an. 


Fig.  16. 


l-,g.  15. 


Fig.  i8. 


Fig.  19. 


Fig.  17.  (Grätz.; 


erbaut  worden  fein.  Weder  fchriftliche  Nachweifungen 
noch  traditionelle  Ueberlieferungen  fagen  uns,  dafs  in 
diefem  Stadttheil  ein  romanifcher  Bau,  eine  Kirche 
oder  Klofter  mit  Kreuzgang  geflanden  habe  und  von 
dort  die  benannten  Säulen  herflammen. 

Ebenfo  überrafchend  ift  es,  in  der  Sackftraße  am 
andern  Theile  der  Stadt  mitten  in  einem  Schanklocale 
des  Haufes  Nr.  36  eine  romanifche  Säule  vorzufinden. 
Die  Säule  ift  v6g  M.  hoch,   im    Durchmeffer  0-45   Cm. 


Der  Fuß,  welcher  mögliclierweife  auch  fpäter  angefetzt 
worden  ift,  trägt  das  Profil  der  Uebergangsperiode, 
ift  rund  und  ohne  Blatt-  oder  Knollenwerk.  Jedenfalls 
gehört  die  Säule  dem  12.  Jahrhundert  an. 

Weiter  gegen  die  Stadt  zu  ift  der  zweite  Hof  im 
Haufe  zum  rothen  Krebfen  bemerkenswerth.  Auf  den 
erften  Blick  glaubt  man  fich  in  einen  italienifchen  Hof- 
raum verfetzt.  Die  offene  Loggia,  die  Locanda  darunter 
und    die    edlen   doppeltgetheiltcn   Renaiffance-Fenfter, 


246     — 


fowie  die  jonifchen  etwas  derb  geformten  Säulen  beim 
Eingang  vervollftändigen  den  Bjndruck.  Bemüht  man 
fich  jedoch  in  das  erfte  Stockwerk  und  befieht  fich  die 
Säulen  näher,  Ib  lieht  man  vollftändig  ausgefprochenc 
romanifche  Formen. 

Gegen  die  Felfen  des  Schloßberges  7.u  gelehnt, 
wird  ein  Segment-Gurtbogen  durch  eine  Säule  (Fig.  15) 
mit  Sattelcapitäl  geftützt,  welche  Form  bei  Fenfter- 
anlagen  in  Thurmbauten  der  romanifchen  Periode 
häufig  vorkommt.  Die  nach  dem  Hofraum  hingehende 
Loggia  (Fig.  16)  mit  vorgebautem  Mittelpfeiler  zeigt 
Säulen  romanifcher  Architektur.  Die  Säulenfchäfte  find 
ausgebaucht,  die  Capitäle  zeigen  Blattwerk,  welches 
gegen  die  quadratifche  Platte  aufltrebt,  der  Fuß  hat 
fogar  ähnliches  Blattwerk  wie  das  Capital  und  fetzt 
fich  vermittelnd  vom  Rundftab  an  die  Ecken  der  Fuß- 
platte. 

In  dem  zurückftehenden  Theile  der  Loggia 
(Fig.  17)  find  zwei  freiftehende  und  eine  eingefügte  Eck- 
fäule angewendet,  fie  ftützen  Rundbögen.  Hier  (Fig.  18) 
fieht  man  einfach  behandelte  Knollen  als  Vermittlung 
gegen  die  Deckplatte  (Fig.  19),  fcharf  gezahnte  Eck- 
blätter, am  Fuße  fenken  fich  Eckblätter  von  der  runden 
Säulengliederung  an  die  Fußplatte.  Leider  find  durch 
die  oftmalige  Kalktünchung  die  Formen  beinahe  un- 
kenntlich geworden  und  an  den  Säulenfüßen  arg  be- 
fchädigt.Dafs  diefes  Gebäude  einft  im  romanifchen  Style 
erbaut  war,  zeigt  eine  abgeftumpfte  Ecke  an  der  gegen 
den  Eingang  ftehenden  Seite.  Oben  ift  im  Abfchluß 
ein  romanifches  Blatt  angebracht,  während  unten  ein 
fogenannter  Balli  den  nach  abwärts  gehenden  Ab- 
fchluß belebt.  In  der  Giebelmauer  fieht  man  geradlinige 
Fenfter  mit  der  gothifchen  Schräge.  Im  erften  Stock- 
werke diefes  Gebäudes  befindet  fich  ein  jetzt  unter- 
theilter  oblonger  Raum,  deffen  Plafond  Stuccos  von 
reicher  oppulenter  Form,  jenem  der  Sacrill;ei  am  Dome 
ähnlicli,  zeigt.  Offenbar  war  es  ein  Refeflorium  in 
früherer  Zeit,  fo  findet  man  in  diefem  kleinen  Hofe  vier 
]5aufl)-le  vertreten. 


4 


%Li 


Fig.  20.  (Grätz.)  Fig.  21 


Sehr  charakteriflifch  und  ausgefprochen  iin  Style 
der  romanifchen  Baiipcriode  fallen  zwei  Löwen, 
(Fig.  20 — 21)  in  dem  Haufe  Nr.  i  der  Mariahiiferflraße 
auf.  Sie  ftelieii  fich  gegenüber  auf  einem  ungefchlachten 
Sockel  und  dienen  einfachen  Pfeilern,  welche  einen 
Tiiorbogen  tragen,  zur  Stütze.  Wo  diefe  Löwen  ur- 
fprünglicli  ihre  Verwendung  gefunden   halicn,  ifi   niclil 


zu  ermitteln.  Wohl  fpricht  die  Tradition  von  der  St. 
Thomaskirche  auf  dem  Schloßberge  und  der  St. 
Kathrein-Capelle  an  der  Stelle,  wo  fich  jetzt  dasMaufo- 
leum  befindet;  aber  ein  fefter  Anhaltspunkt  läßt  fich 
nicht  gewinnen. 

137.  (Raphael  Donner ) 

Am  24.  Mai  d.  J.  veranftaltete  die  Wiener  Künil- 
ler-Genoffenfchaft  in  Verehrung  des  großen  Künfllers 
Georg  Raphael  Donner,  anläßlich  der  zweihundert- 
jahrigen  Wiederkehr  des  Geburtstages  ein  würdiges  Erin- 
nerungsfeft.  Die  Theilnahme  daran  lieferte  den  erfreu- 
lichen Beweis  in  wie  weite  Kreife  unferer  Heimat  die 
Verehrung  und  ihn  fchätzen de  Erinnerung  gedrungen  ift. 
Eine  hochwichtige  Ergänzung  diefer  rafch  vorüber- 
gegangen Feier  fand  fich  in  der  Veranftaltung  einer 
Donner-Ausftellung,  die  den  Zweck  hat,  den  Kunft- 
freunden  die  Bedeutung  und  die  Schaffensmenge  die- 
fes geiftvoUen  Bildhauers  durch  Vorführung  des  größ- 
ten Theiles  feiner  Werke  im  Original  oder  in  Bildern 
zu  veranfchaulichen. 

Diefe  Ausftellung  fand  thatfächlich  im  Wiener 
Künftlerhaufe  ftatt  und  kann  man  ihr,  wie  wohl  zu 
erwarten  ftand,  einen  fehr  bedeutenden  Erfolg  zuerken- 
nen. Das  Comite  hatte  fich  bemüht,  alles  was  von 
Werken  diefes  Künftlers  im  öffentlichen  oder  Privat- 
befitz  noch  vorhanden  ift,  ausfindig  zu  machen  und,  fo 
weit  thunlich  und  überhaupt  möglich,  herbeizufchaffen. 
Wo  das  nicht  erreichbar,  mußten  gute  lUuftrationen 
ausreichen.  Dr.  Ilg's  handfchriftliches  Verzeichnis  der 
Werke  Donner's  half  einen  großen  Theil  der  bewegli- 
chen Kunftwerke  aufzufinden,  unmittelbare  Anmeldun- 
gen von  Seiten  des  Publicums  brachten  fo  manches 
Neue.  Freilich  wohl  hatte  es  mit  diefen  Anmeldungen 
auch  manche  Schwierigkeit,  da  es  fich  diesmal  nur  um 
Werke  Georg  Raphael's  und  nicht  feiner  Brüder 
Mathias  und  Sebaftian  handelte. 

Es  mußte  daher  fo  manches  Stück,  das  unter  dem 
Namen  Donner  erfchien,  aber  nur  von  feinen  Familien- 
genoffen,  oder  nur  von  feinen  Schülern,  —  oder  gar 
nur  von  Zeitgenoffcn  ftammt,  in  llrcngere  Prüfung  ge- 
zogen werden. 

Die  Donner-Ausftellung  enthielt  nun  thatfächlich 
Gegenftände,  welche  nach  der  heute  i)ellehendcn  An- 
fchauung  der  Befitzer  unter  feiner  allgemeinen  Bezeicli- 
nung  vorkommen,  und  welche  —  neben  den  unzweifel- 
haften Arbeiten  des  Meifters  —  docli  infofern  beach- 
tenswcrth  find,  als  fic  den  Einfiuß  des  Künftlers  auf  die 
ihn  umgebende  Künftlerwelt  und  auf  die  nüchften 
Nachfolger  veranfchaulichen.  Diefe  Ausftellung  ent- 
hält auch  eine  Anzahl  von  Scliaugegenftänden,  die  fich 
auf  die  Perfon  Donner's  beziehen,  wie  Briefe,  Urkunden, 
Portraits  des  Meifters  und  einiger  feiner  Gönner, 
Anficliten,  die  mit  dem  Leben  Donner's  in  Beziehung 
ftehcn. 

Wir  wollen  im  Nachftehendcn  nur  einige,  die 
uns  wichtigft  erfcheinenden  Werke  des  Meifters  hervor- 
heben, verweifen  übrigens  auf  die  aus  Dr.  11;^' s  Paeder 
hervorgegangene  hochwichtige  P'eftfchrift: 

Bruftbild  des  Grafen  Gundaker  von  Althann,  des 
Wirich  Philipp  Dann,  Fürften  von  Tliiano,  Bilfte  des 
Reichsgi  afcn  Karl  Anton  Salm-Kciffcrfclieid,  Mufter 
und  Modelle  des  herrlichen  llruiuicns  am  Neuen  Mai'kle 


—     247     — 


zu  Wien,  des  Andromeda-Brunnen-Reliefs  im  alten 
Wiener  Rathhaufe,  die  St.  Martins.ü;i-uppc  am  Dome  zu 
Prefsburg,  die  Pietä-Gruppe  im  Dome  zu  Gurk,  das 
Grabdenkmal  des  Fürften  Emerich  Efterhazy  in  Prefs- 
burg  u.  f.  w.  Zu  bemerken  ift  vvertli,  dafs  die  Kanzel 
im  Dome  zu  Gurk  Reliefs  enthält,  die  von  Donner 
herrühren. 

138.  Anlaßlich  der  Fundamentirung  für  das  Monu- 
ment zur  Erinnerung  an  die  heldenmüthige  Vertheidi- 
gung  der  Stadt  Wien  während  der  zweiten  Türken- 
belagerung (1683),  welches  in  der  Halle  des  Hochthur- 
mes  des  St.  Stepliansdomes  an  deffen  Nordfeite  aufge- 
ftellt  werden  wird,  ift  man  auf  Refte  von  fünf  alten  Grab- 
platten geftoßen.  Sie  wurden  ausgehoben,  gereinigt 
und  find  im  Bauhofe  aufgeftellt,  um  feinerzeitan  geeig- 
neten  Stellen   an  der  Außenwand  befefligt  zu  werden. 

Leider  find  die  Grabfteine  theils  fo  zerftückelt, 
theils  fo  fehr  abgetreten,  dafs  fich  aus  den  Umfchrifts- 
fragmenten  nichts  herausbringen  läßt.  Bemerkenswerth 
davon  find  zwei,  deren  einer  Spuren  eines  fehr  fchönen 
Wappenbildes  lammt  Helm  enthält,  während  der 
andere,  eine  roth  marmorne  Platte,  einen  unbehelmten 
Wappenfchild  noch  ganz  deutlich  zeigt,  darin  allerlei 
Gebäcke,  Bretzen  und  verfchieden  geformte  Sem- 
meln dargeftellt  find,  alfo  auf  einen  Bäckermeifler 
bezüglich.  Das  erftere  Grabmal  dürfte  dem  15.,  das 
letztere  dem  16.  Jahrhundert  angehören. 

Die  Reftaurirung  der  alten  Grabdenkmale  geht 
erfreulicherweife  fehr  gelungen  weiter.  In  Reftau- 
rirung flehen  die  Monumente  des  Sebaftian  Khobter, 
1 1566,  des  Georg  Hörbft,  71602,  des  Superintendenten 
des  Bürgerfpitals  Regierungsrath  Dr.  Johann  Bosl, 
f  1562,  dann  des  Apothekers  Auguftin  Holdt,  f  1509. 
Nach  Mittheilung  des  Herrn  Dombauleiters  Archi- 
tekten Julius  Hermann  lautet  die  dortige  Infchrift: 
„Anno  den.  1509  am  eritag  Severiny  pifchoff  ift  gellor- 
ben  der  Erber  maifler  auguftin  holdtt,  apateker  dem 
got  genoidig  Sei.  amen.  (S.  Notiz  146.) 

139.  (Grabkaniincr  in  Laak  bei  Pettau.) 

Nach  altem  Brauch  verfuchten  in  der  Nacht 
zum  I.  Mai  1891  einige  Bauernburfche  in  Laak 
(eingepfarrt  zu  St.  Johann  im  Draufelde)  den  Mai- 
baum vor  die  kleine  Marien  -  Capelle  zu  pflanzen, 
welche  hart  an  der  Straße  Pettau-Marburg  auf  einem 
ungefähr  3yj  M.  hohen  Erdhügel  erbaut  ift.  Bei  diefer 
Arbeit  brach  der  fchwere  Maibaum  plötzlich  durch  und 
in  ein  leeres  Grabgewölbe  hinein,  welches  reich  an  Ge- 
fäßen durch  die  Entdecker  geplündert,  darauf  wieder 
verfchloffen  wurde.  Im  März  diefes  Jahres  machte  ich 
dasfelbe  von  derfelben  Seite  aus  wieder  zugänglich, 
von  welcher  zum  erftenmal  eingedrungen  worden  war, 
nämlich  vom  Scheitel  aus;  dadurch  gelangte  ich  in  die 
Lage,  nähere  Mittheilungen  über  diefe  befondere  Art 
Grabkammer  zu  veröffentlichen. 

Wie  fich  faft  für  jede  Gattung  der  mannigfaltigen 
römifchen  Grab-Monumente  Analogien  in  der  griechi- 
fchen  Baukunft  vorfinden,  dürfte  auch  die  Form  von 
Laak  mit  den  fogenannten  Thefauren  oder  Kuppel- 
gräbern verglichen  werden.  Wie  diefe  gehört  das  zu 
h)efprechende  auch  zu  jenen  Bauten,  die  frei  über  dem 
Boden  errichtet,  mittelll  Erde  zu  einem  Tumulus  auf- 
gefchüttet  wurden.  Ein  gemeinfames  Merkmal   befteht 


außerdem  in  dem  kugelförmigen  Gewölbe  mit  kreis- 
rundem Querfchnitt,  in"Laak  natürlich  in  fehr  redu- 
cirten  Dimenfionen  —  ein  Durchmeffer  von  3-38  M. 
und  eine  Höhe  von  2-30  M.  (Fig.  22). 

Das  Mauerwerk  entbehrt  forgfältiger  Behandlung, 
fowohl  in  Bezug  auf  Schichtung  der  Stcinlagen,  als  der 
Bearbeitung;  als  Material  diente  ein  weißlich-gelber 
Stein,  wahrfcheinlich  in  Ober-Teibling  bei  St.  Martin 
jenfeits  der  Drau  gebrochen,  der  ohne  jede  eigentliche 
Meißelarbeit  in  mäßig  großen  rohen  Stücken  z.  B.  12 
und  14  Cm.,  10  und  25  Cm.  reichlich  in  Mörtel  gefetzt 
wurde,  befonders  nach  oben  nimmt  die  Unregelmäßis- 
keit  der  Schichten  wie  der  einzelnen  Steine  zu,  fo  dafs 
der  Gewölbefchluß  ein  ziemlich  rauhes  zackiges  Aus- 
fehen  bietet.  Der  Fußboden  befteht  aus  Eftrichverguß; 
ein  fehr  dünnes  und  niedriges  Gußmäuerchen  (16  Cm. 
dick  und  ebenfo  hoch)  fondert  in  dem  kreisförmigen 
Raum  einen  kleinern  a  in  Form    eines    Bogenfegments 


NO 


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|mii|iii  I 


F"ig.  22.  (Laak.) 

ab,  welchem  keine  andere  Beftimmung  zukomuien 
konnte,  als  die  Afchenurne  fammt  ihren  Beigaben  auf- 
zunehmen. 

Der  Eingang  b  zur  Grabkammer,  in  genau  nord- 
öftlicher  Richtung  angelegt,  von  länglich  rechteckigem 
Querfchnitt  60  bis  69  Cm.  breit  und  103  Cm.  hoch, 
läßt  foviel  Raum,  um  in  gebückter  Stellung  durch- 
fchritten  werden  zu  können.  Zwei  dicke  Steinplatten 
von  72  M.  Tiefe  bilden  die  Pfoften,  über  welche  fich 
eine  125  M.  lange  als  Sturz  legt.  Da  die  Entdecker 
mittelft  der  Einfteigöffnung  am  Scheitel  das  Gewölbe 
auch  wieder  verlaffen  hatten,  fand  ich  den  Eingang  b 
noch  unverfehrt  in  dem  Zuftande  vor,  wie  er  nach  er- 
folgter Beifetzung  der  funeralen  Gefäße  und  Gegen- 
flände  verlaffen  worden  vor,  nämlich  flüchtig  mit 
Bruchfteinen  in  reicher  Mörtelbettung  vermauert.  Den 
Gewölbefchluß  überlagern  nur  35  Cm.  Erde,  dickere 
Schichten  derfelben  den  Eingang,  der  in  der  Linie  der 


XIX.  N.  F. 


248     — 


zur  Capelle  führenden  Stiege    gelegen,    etwa   zwifchen 
der  v'ierten  und  fünften  Stufe. 

Das  Grab-Inventar,  unter  welchem  mehrere  Gegen- 
ftände,  wie  Küchengeräthe  und  ein  Spiegel  auf  die  Bei- 


Fig.  23.  (Laak.) 

fetzung  einer  Frau  hinweifen,  Münzen  und  Schmuck, 
welche  eine  zeitliche  Feftftellung  geftatten  könnten, 
gänzlich  fehlen,  befteht  nach  dem,  was  von  vcrfchie- 
dcnen  Seiten  bei  meinem  und  Herrn  Dr.  Fifclibacli  s 
Befuch vereinigtwerden  konnte,  aus  folgenden  Stücken: 


Befeftigungsgriffen,  die  ihn  am  Mundungsrande  der 
Vafe  ftfthielten,  fehlt  einer.  Unten  endigt  er  in  einer 
bärtigen  Maske,  über  welcher  zu  beiden  Seiten  ein 
Hundekopf  mit  langen  Ohren,  einander  zugekehrt, 
weiter  nach  oben  noch  Blätters/ehänee  in  Relief  folgen. 
Fig.  23  und  Nr.  i  in  Abbildung  Fig.  24. 

Runder  Handfpiegel  aus  Weißmetall,  von  be- 
kannter an  der  Peripherie  mit  durchbohrten  Kreifen 
verzierter  Form,  nur  in  Fragmenten  vorhanden,  auch 
der  Stiel  fehlt. 

Roft, Pfanne  und  Schaufel  au.s  Eifen,  theils  ahnliche, 
theils  identifche  Exemplare  befitzt  das  loanneum  in 
Grätz.  Der  kleine  57  Mm.  hohe  auf  vier  Füßchen 
fliehende  Roft  (13  Cm.  im  Quadrat  meffend)  ifl  durch 
fechs  kantig  geftellte  Querftäbchen  von  quadratem 
Querfchnitt  verbunden.  Die  Pfanne  —  12-5  Cm.  im 
Durchmeffer  —  mit  17  Mm.  hohem  Rand  fteht  auf  zwei 
gebogenen  Beinen,  das  dritte  bildet  der  i  5  Cm.  lange 
Stiel.  Die  53 '/j  Cm.  lange  fchmale  Schaufel,  am  einen 
Ende  als  Löffel  geformt,  am  andern  fchraubenförmig  ge- 
dreht und  zum  Aufhängen  eingerichtet,  erfcheint  ganz 
dazu  geeignet  Gluth  zu  vertheilen,  nicht  aber  das  Feuer 
mit  Kohle  zu  befchicken.  Fig.  24,  Nr.  2,  3  und  4. 

Viereckige  Flafche  aus  grünem  Glas  mit  runder 
weiter  Oeffnung  und  breitem  Henkel,  foll  bei  ihrer  Auf- 
findung eine  dicke  öhlige  Flüßigkeit  enthalten  haben, 
Nr.  5. 

Zwei  gläferne  Baifamarien  mit  langen  Hälfen 
10-5  Cm.  hoch,  von  den  Entdeckern  überfehen,  waren 
in  der  Grabkammer  zurückgeblieben.  Fig.  24,  Nr.  6 
und  7. 

Mindeflens  neun  Gefäßen  entfprechen  die  gefam- 
melten  Glasfeherben,  die  glatt  und  von  weißer  und 
grünlicher  Farbe  find;  ein  einziges  Fragment  zeigt  ge- 
kerbten Rand. 

Große  Urne  aus  rothem  Thon,  \erziert  mit 
Gruppen  geflrichelter  Horizontallinien,  dazwifchen 
flüchtig  eingekratzte  Wellenlinien.  F"ig.  24,  Nr.  8. 


Fig.  24.  i  l.aaU 


Bronze-Krug  von  etwa  40  Cm.  Höhe,  wie  ein 
Augenzeuge  berichtet,  von  einer  Form  ungefähr  wie 
die  Kanne  reciits  in  Fig.  264,  S.  71  von  Overbcck's 
, Pompeji";  der  Krug  wurde  aus  der  Sacriflei  von  St. 
Johann  entwendet,  indeffen  der  reich  verzierte  Henkel 
zurückblieb.  Derfelbe  ifl  20  Cm.  hoch,  von  den  beiden 


Vier  kleinere  ordinäre  Töpfe  aus  grauem  Thon, 
125,  15  und  16  Cm.  hoch,  zwei  davon  mit  Deckel 
(Fig.  24,  Nr.  9,  10,  II  und  12). 

Zwei  rothe  flache  Teller  von  iS  und  20  Cm.  Durch- 
meffer, eine  Form,    die    in    diefer   (jcgeiul    fehr   einge- 


bürgert war  (l'"ig.  24,  Nr.  i_- 


14). 


249     — 


Aus  den  übrigen  Scherben  laßt  fich  noch  auf  das 
Vorhandenfein  \on weiteren  fünfTliongefäßen  fchUeßen, 
fo  dafs  wir  mit  einer  Anzahl  von  mindeftens  24  Gefäßen 
aus  Glas  und  Thon  zu  rechnen  haben,  die  in  die  Grab- 


kammer beigefetzt  wurden. 


S.  Jenny. 


140.  Confervator  Kroutil  hat  der  Central- Com- 
miffion  die  Mittheilung  gemacht,  dafs  es  in  Abficht 
fleht,  die  alte  Filialkirche  zu  Veletov  bei  Kuttenberg 
anläßlich  eines  aufzuführenden  Neubaues  zu  demoliren. 
Der  genannte  Confer\ator  hat  unter  gewiffen  von  der 
Central-Commiffion  gutgeheißenen  Bedingungen  der 
Deniolirung  zugeflimmt.  Diefe  Bedingungen  find,  dafs 
die  drei  Glocken  erhalten  und  im  Neubaue  wieder  ver- 
wendet werden,  dasfelbe  gilt  vom  Hochaltare  und  \'on 
dem  Sacriflei-Eingangsportalc.  Die  alte  Kirche  beliebt 
aus  einem  aus  dem  Jahre  1712  flammenden  kahlen 
nüchternen  Langhaufe  von  9'25  M.  innerer  Länge  und 
von  752  M.  Breite,  dem  ein  gleich  alter  quadratifcher 
Thurm  im  Jahre  1835  vorgebaut  wurde.  Wichtig  feines 
Alters  wegen  ifl  das  aus  der  Zeit  von  1250 — 1300 
flammende  Presbyterium  von  5-10  M.  Länge  und 
4'9  M.  Breite  mit  maffivem  Bruchfleingewölbe  ohne 
Rippentheilung,  roh  und  kunftlos,  wie  der  fpitzbogige 
Triumphbogen.  Links  davon  und  mittelft  eines  fpitz- 
bogigen  Einganges  verbunden  befindet  fich  die  gleich- 
alte Sacriftei,  4"64  M.  lang  und  231  M.  breit,  mit  rohen 
Bruchfteintonnen  überwölbt.  1481  kam  die  Kirche  in 
den  Befitz  des  Kuttenberger  Bürgerfpitals.  Am 
20.  April  1616  brannte  die  Kirche  ab,  wurde  ein  Jahr 
darauf  neu  erbaut  und  aus  diefer  Zeit  flammen  die  drei 
Glocken.  Zwei  größere  mit  dem  Kuttenberger  Stadt- 
wappen, dem  Wappen  des  Primators  Mikulas  Ver- 
tuansky  z  Cazarova  und  Flach- Ornamentation,  eine 
mit  utraquiflifcher,  die  andere  mit  böhmifcher  In- 
fchrift.  Name  oder  Zeichen  des  Gußes  ifl  nicht  zu 
finden.  Die  dritte  Glocke  ill  möglicherweife  älter. 

141.  Es  war  ein  fehr  glücklicher  Gedanke,  mit  der 
diesjährigen  tyroler  Landesausßellung  auch  eine  hifto- 
rifche  Abtheilung  zu  verbinden  und  in  diefer  vieles  aus 
dem  noch  immer  reichen  Schatze  der  für  die  Kunfl- 
und  Alterthums-Forfcher  hochwichtigen  Kunfl-  und 
Cultur-Denkmalc  Tyrols  zur  Schau  zu  bringen.  Freilich 
wohl  haben  die  widrigen  Schickfale  in  neuerer  Zeit 
und  die  in  neuefter  Zeit  üljermäßig  erwachende  Sucht 
nach  Anlage  von  Privatfammlungen  und  Zimmerdecora- 
tion mit  echten  alten  Gegenftänden  ungemein  viel  koll- 
bares und  wichtiges  außer  Landes  gebracht  und  gerade- 
zu Zierftücke  an  die  Mufeen  in  München,  Berlin,  Nürn- 
berg, Freifingen  u.f  w.  gebracht.  Doch  ging  damit  nicht 
alles,  was  Tyrol  verlaffen  mußte,  ins  Ausland ;  Ty  rol  felbfl, 
ja  das  ganze  Inland,  namentlich  W'ien  hielt  die  fchützende 
Hand  über  viele  und  viele  tyrolifche  Objefte,  die  wenn 
auch  nicht  in  der  engflen  Heimath,  doch  unferem  ge- 
meinfamen  Vaterlande  erhalten  geblieben  find  und  zu 
Wien  und  anderen  Orten  in  den  öffentlichen  und 
Privat  Sammlungen  bewundert  werden  können.  Tyrol 
hatte,  wie  nicht  leicht  ein  anderes  Land  Oefterreichs, 
eine  fo  lange  dauernde  und  üppig  blühende  Zeit  der 
frifcheflen  und  landeseigenen  Kunflentwickelung  durch- 
zumachen Gelegenheit  gehabt  und  faft  jedes  Stück  der 
Ausflellung  zeigt  uns  den  ureigenen  Einfluß  des  fchaf- 


fenden  Individuums  auf  fein  Erzeugnis,  ohne  dafs  das- 
felbe des  jeweilig  geltenden  Styl-  und  Kunfleinflußes 
entbehren  würde.  Mögen  nun  die  Gegenflände  auf  der 
Innsbrucker  Ausflellung  zu  fehen  fein,  im  Ferdinandeum 
oder  auf  den  Schlöffern  Tratzbcrg,  Churburg  oder  im 
Brixener  Domfcliatze  befichtigt  werden,  oder  die 
Wiener  Hofmufeen  zieren,  immer  bleibt  denfelben  ein 
gewiffes  feines  Characleriflicum  eigen,  das  fie  als  tyro- 
lifches  Producl  uns  kenntlich  und  damit  in  gewiffer 
Beziehung  werthvoller  macht. 

Dafs  die  Ausflellung  reichhaltig  und  hochwichtige 
Objefle  vorführend  fei,  war  bei  einem  Blicke  auf 
die  Namen  der  Ausfleller  felbflverftändlich  und  zu  er- 
warten, denn  wir  finden  als  Ausfleller  unter  anderem 
genannt:  die  Domfchätze  zu  Bri.xen  und  Trient,  die 
Pfarrkirchen  zu  Brunecken,  zu  Innsbruck,  zuSchluderns, 
zu  Ehrenburg  u.  f  w.  die  gräflichen  P"amilien  Trapp 
auf  Churberg,  Künigl  auf  Ehrenburg,  Enzenberg  auf 
Tratzberg,  Fedrigotti  zu  Sacco,  die  Stifte  Gries,  Marien- 
berg, Neuftift,  Stams  und  Wilten,  die  Innsbrucker 
Univerfitäts-Bibliothek,  das  Ferdinandeum  u.  f  w. 

Selbllverftändlich  überwiegen  die  Ausftellungs- 
gegenflände  kirchlichen  Charakters,  doch  findet  fich 
genug  profaner  Richtung,  das  die  aufmerkfamfle 
Betrachtung  verdient.  Eines  überaus  erfreulichen  Um- 
ftandes  ifl  zu  gedenken,  nämlich  dafs  aus  den  verfchie- 
denften  Theilen  des  Landes  Tyrol  —  alles  nicht  tyro- 
lifche Land  ift  völlig  ausgefchloffen  —  den  deutfchen 
und  italienifchen  Gegenden  ohne  Unterfchied  die  her- 
vorragenden Erzeugniffe  der  Kunfl  und  des  Kunfl- 
gewerbes  zufammenfloßen  und  jederfeits  in  reger 
Theilnahme  beigetragen  wurde,  die  hiftorifche  Aus- 
flellung reichhaltig,  werthvoll  und  befichtigenswerth  zu 
machen.  Der  Catalog  zählt  auch  nahezu  600  numerirte 
Obje6le,  von  den  SammeKlücken  abgefehen.  Gegen- 
wände, wenn  auch  tyrolifcher  Provenienz,  die  fich  nicht 
in  Tyrol  felbfl  befinden,  waren  ausgefchloffen. 

Wenn  wir  unter  den  einzelnen  Objeclen  eine  Um- 
fchau  halten,  fo  treffen  wir  auf  viele  Gegenflände,  mit 
denen  die  Central-Commiffion  bereits  Gelegenheit 
hatte,  fich  zu  befchäftigen,  und  die  in  den  Mittheilungen 
befprochen  und  auch  abgebildet  find.  So  die  fieben 
lierrlichen  golddurchwirkten  Wandteppiche  aus  dem 
Trienter  Domfchätze,  den  in  feinen  letzten  Schick- 
falen  intereffanten  fogenannten  Zimmerlehen-Altar  mit 
36  Emailbildern,  der  jetzt  feine  bleibende  Stätte  im 
Ferdinandeum  gefunden  hat,  das  Sterzinger  Lufler- 
weibchen,  die  fehr  merkwürdige  Glocken-Cafula  mit 
dem  Adlermuiler  ( II. —  12.  Jahrhundert)  und  mehrere 
romanifche  Mitren  aus  dem  Brixener  Domfchätze,  die 
beiden  Reliquien-Monflranzen,  eine  Reliquien-Cafette, 
ebenfalls  von  daher,  der  berühmte  romanifche  Speifc- 
kelch  fammt  Patena  aus  dem  Stifte  Wilten;  hoch  inter- 
effant  find  einige  alte  Objecte  aus  dem  Stifte  Marien- 
berg, die  bisher  fafl  ganz  unbekannt  waren,  darunter 
befonders  eine  romanifche  Cafula. 

Als  befondere  Obje6le  hervorzuheben  fcheinen 
ferner  würdig:  ein  gothifcher  Kirchenfchrank  (16.  Jahr- 
hundert) aus  Schloß  Churburg,  eine  Cafula  aus 
romanifchem  Purpurfloff  (Domfehatz  Brixen),  das  eben 
dorthin  gehörige  gothifche  Reliquiarium  in  Form  der 
Bulle  der  heiligen  Agnes,  die  große  gothifche  Mon- 
ftranze  aus  der  Pfarrkirche  zu  Bozen,  ein  romanifches 
Rauchfaß  aus  Schloß  Tratzberg,  das  große  Antiphona- 


—     250 


rium  aus  Klofter  Neuftift  (1442),  ein  ä^othifcher  Flügel- 
altar aus  der  Veitskirche  in  Tartfch  und  ein  folcher 
aus  Goffenfaß,  der  Waldau'fche  Todtenfchild  aus  Hall 
und  ein  folcher  für  Georg  Trapp  aus  Churburg,  das 
hochmerkwürdige  Turnierbild  aus  Schloß  Tratzberg, 
das  Altarbild  aus  Uttenheim  (Vintler).  Ein  fehr  fchönes 
Lufterweibchen  war  ebenfalls  aus  Schloß  Tratzberg 
ausgeftellt.  Es  würde  zu  weit  führen,  wollte  man  in  die 
Ausftellungs-Colleflion  tiefer  eingehen,  da  faft  nur 
gutes  und  befonderes  darunter  zu  treffen  war.  Zahl- 
reiche Kelche  und  Monftranzen,  kirchliche  Gewänder 
neuerer  Zeit,  viele  alte  Bilder  vermochten  den  Befucher 
zu  feffeln  und  müßen  in  ihm  die  Ueberzeugung  reifen, 
dafs  gerade  die  archaeologifche  Gruppe  der  Inns- 
brucker Ausftellung  zu  den  gelungenften  Partien  der- 
felben  gerechnet  werden  muß  und  eine  weit  über  die 
Landesgränzen  hinausreichende  Bedeutung  hatte. 

142.  Confervator  Profeffor  V.  Bei-ger  hat  der 
Central-Commiffion  mitgetheilt,  dafs  die  auf  dem 
Hochaltare  der  Filialkirche  in  Scheffau  bei  GoUing  be- 
findliche St.  Ulrichs-Statue,  noch  der  einzige  dort- 
felbft  verbliebene  bemerkensvverthe  Reft  des  feiner- 
zeit  an  die  Stiftskirche  am  Nonnberg  abgegebenen 
gothifchen  Flügelaltars,  einer  Rel^aurirung  dringend 
bedürftig  wurde.  Diefe  Reflaurirung  wurde  unter  des 
Confervators  Leitung  durchgeführt  und  ift  fehr  gut  aus- 
gefallen. Die  Statue  fteht  wieder  auf  ihrer  Stelle  am 
Hauptaltare  der  genannten  Filialkirche.  Bei  der  Unter- 
fuchung  der  etwas  über  Lebensgröße  hohen  Statue 
zeigte  fich  der  Holzfokel  total  wurmftichig  geworden, 
daher  die  Reflaurirung  fehr  fchwierig  war  und  mit 
großer  Sorgfalt  durchgeführt  werden  mußte. 

143.  Der  durch  feine  alten  Malereien  berühmte 
DoiijoH  ober  Friefach,  deffen  Baufälligkeit  bereits  ge- 
fahrdrohend geworden  war,  ift  durch  die  Initiative  des 
Verfchönerungs-Vereines  und  mit  Unterftützung  des 
Miniftcriums  für  Cultus  und  Unterricht  und  der  Central- 
Commiffion  einer  eingehenden  Confervirungsarbeit 
unterzogen  worden.  Die  einzelnen  Stockwerke  find  mit 
Fußbodeneinlagen  unterthcilt,  fiebere  Stiegen  führen 
auf-  und  abwärts  und  ein  hoher  hölzerner  Dachhelm 
fchließt  den  Bau  ab.  Der  Reflaurirung  wurden 
Projc6le  des  Architekten  Jordan  und  des  k.  k.  Landes- 
ingenieurs Grueber  zu  Grunde  gelegt  und  hat  fich  felbes 
in  der  Ausführung  vollkommen  bewährt.  Die  Central- 
Commiffion  ift  mit  dem  Abfchluße  ganz  cinvcrftanden. 

144.  Der  in  Fig.  25  abgebildete  Zinnkrug  ift  31  Cm. 
hoch,  hat  einen  unteren  Durchmeffer  von  17  Cm  und 
einen  oberen  Durchmeffer  von  13  Cm.  Länge. 

Aus  einer  runden  von  drei  Kugeln  getragenen 
Bafis  auffteigend  geht  er,  allmählich  fich  verengend, 
ins  Achteck  über,  um  wieder  in  einen  runden  Ausguß- 
rand ficli  zu  erweitern,  fo  dafs  die  Gcfainmtform  eine 
hypcrbolifche  genannt  werden  kann.  Der  runde  Deckel, 
welcher  mittels  einer  Scharnireinrichtung  um  den 
oberen  Tlieil  des  Henkels  beweglich  ift,  wird  in  der 
Mitte  von  einem  auf  runden  Poftamcntchen  fitzenden 
kleinen  Löwen  gekrönt.  Die  Profilirung  ift  durchwegs 
edel  und  der  Gefammtform  angcmeffen. 

Der  achteckige  Theil  des  Kruges  ift  mit  einer 
befonders  fchunen  in  vertieften  Contourcn  und  fchiaf- 


firtem  Grunde  ausgeführten  Ornamenlirung  reich  ge- 
fchmückt.  A;ht  Stäbe  trennen  die  acht  Felder  und 
erweitern  fich  oben  in  üppige  Pflanzen-  und  Maßwerk- 
formen, die  den  obern  Theil  eines  jeden  Feldes  theils 
ganz  ausfüllen,  theils  noch  für  einen  pofaunenden  Engel 
dort  Raum  laffen.  In  dem  untern  Theil  eines  jeden 
Feldes  befindet  fich  je  eine  menfchliche  Figur  fchön 
hineincomponirt.  Die  Bedeutung  diefer  F'iguren  ift 
wohl   fchwer   zu   beftimmen.   Unter   Rittern    in    voller 


Iß-  25- 


RulUing  und  gekronUn  l'crkjncn  mit  wallenden  Ge- 
wändern befindet  fich  auch  eine  nackte  weibliche 
F"igur.  Die  über  den  Figuren  angebrachten  Schrift- 
biuider  find  mit  Ausnahme  eines  einzigen,  das  den 
Namen  Maria  triigt,  nicht  mit  .Schriften  vcrfehen. 

Auf  der  Außenfeite  des  Henkels  befinden  fich  ein- 
gefchlagene  Zeichen  in  Wappenform,  jedes  in  der 
Größe  von  ca.  2  Cm.,  und  zwar  dreimal  ein  gothilches 
M  und  dreimal  eine  Art  Pilgennufchel. 


251 


Nach  dem  allgemeinen  Charakter  zu  fchließen, 
llammt  der  Krug  aus  dem  Ende  des  15  Jahrhunderts. 
Seit  der  Au6lion  Fruhwirth  erworben,  befindet  er  fich 
derzeit  in  der  Sammlung  ]]'idfcr. 

Friedrich  Widtt-r. 

145.  Alle  Zinngefäße  der  Brauiiaiter  Tucliniacher- 
zi/nfi. 

Als  fich  die  eiuft  fo  berühmte  Braunauer  Tuch- 
macherzunft    im     Jahre     1880     auflufte,     wurde     das 


Gefäßes  find  mit  Ornamenten  und  einem  gewundenen 
Spruchbande  geziert.  In  dem  Henkel  find  vier  Stempel 
eingedrückt.  Die  Pipe  ift  allem  Anfcheine  nach  erfl 
fpäter  angebracht  worden;  rechts  von  derfelbcn  die 
Infchrift: 

HCSIW1N6&L 

Die  erfien  Buchftaben  des  Vornamens  find  durch 
die  fpäter  angebrachte  Pipe  verdeckt.  Der  ganze 
Körper  der  Kanne  ift  mit  eingravirten  Ornamenten 
reich  verziert.  Die  Kanne  zeugt  von  vielem  Gebrauche, 


Fig 

gefammte  Inventar  derfelben  geradezu  verfchleudert. 
Befonders  reich  an  Zinngefäßen  war  der  Zunftfehatz. 
Diefelben  wurden  um  einen  Spottpreis  verkauft  und 
wanderten  meift  zu  Antiquitätenhändlern.  Mit  Rück- 
ficht darauf  ift  der  Umftand,  dafs  der  hochwürdige 
Abt  Joh.  Nep.  Rotter  (f  1886),  ein  geborener  Braun- 
auer, acht  Gefäße  ankaufte,  deshalb  erfreulicli,  weil 
diefelben  auf  diefe  Weife  für  Braunau  doch  nicht  ganz 
verloren  gegangen  find.  Diefe  find : 

I.  Die  Zunftkanne,  fie  ift  das  größte  Stück  der 
Sammlung  und  zeichnet  fich  befonders  durch  kunft volle 
Gravirung  aus.  Die  Kanne,  deren  Form  konifch  ift, 
ift  inclufive  Deckelknopf  48'S  Cm.  hoch,  bei  aufge- 
klapptem Deckel  beträgt  die  Höhe  bis  zum  Trink- 
rande 37  Cm.  Sie  ruht  auf  drei  knopfförmigen  Füßen 
von  je  35  Cm.  Durchmeffer  und  i  Cm.  Höhe.  Am 
Fußrande  beträgt  der  Durchmeffer  20'5  Cm,  der  Durch- 
meffer des  Deckelrandes  16  Cm.,  der  innere  untere 
Durchmeffer  19  Cm.,  oben  13  Cm.  Auf  der  Mitte  des 
Deckels  befindet  fich  ein  8  Cm.  hoher,  6  Cm.  im  Durch- 
meffer breiter  Knopf  mit  der  Infchrift  (rund  um  den 
Knopf  laufend): 


26. 

der   Boden    ift   vielfach    mit    Zinn 
(Fig.  27  b). 


gelöthet    (geflickt) 


R  ;  E 


G  :  F  :  K 


5  1- 


A:  I  :  S  ^ 

Der  Daumengriff  des  Deckels  ftellt  zwei  neben- 
einander hockende  Löwen  vor.  Innen  mitten  auf  dem 
Boden  befindet  fich  eine  5  Cm.  im  Durchmeffer  große 
Marke,  darftellend  den  gekreuzigten  Heiland  nebft 
Maria  und  Johannes.  Mitten  auf  der  unteren  Fläche  des 
Deckels  ift  eine  Marke  (3  Cm.  Durchmeffer),  darftellend 
eine  fünfblätterige  Rofe,  angebracht.  Die  Flachen  des 


2.  Die  kleinere  Zunftkanne  ift  das  ältefte  Stück 
der  Sammlung,  ftammt  aus  dem  Jahre  1578.  Höhe  incl. 
Daumengriff  des  Deckels  36'5  Cm.,  ohne  Deckel  31  Cm. 


=  3- 


Durchmeffer  des  Fußrandes  i8  Cm.,  unten  innen  i6  Cm. 
oberer  14  Cm.,  oberer  innen  12-5  Cm.  Innere  Höhe  ca. 
30  Cm.  Innen  mitten  auf  dem  Boden  eine  Marke  wie 
beim  vorigen.  Auf  dem  Henkel  drei  Stempel.  Die 
Kanne  zeugt  von  vielem  Gebrauche,  der  Boden  ill: 
fchon  ganz  durchlöchert. 

3.  Die  fogenannte  Meifterkanne.Fig.  26  a,  ift  fammt 
Deckelknopf  27'5  Cm.  hoch,  der  Durchir.effer  des  Fuß- 
randes beträgt  13  Cm.  der  des  Deckels  11  Cm.  Die  innere 
Höhe  bis  zum  Trinkrande  beträgt  19-5  Cm.  Oben  auf 
dem  Deckel  ift  das  Tuchmacherwappen  von  einem 
Kranze  umgeben  eingravirt.  Innen  (unten)  auf  dem 
Deckel  zwei  Stempel.  Einer  ftellt  ein  Wildfehwein  vor, 
der  andere  enthält  die  Buchftaben  I  C  K,  darunter 
eine  fünfblätterige  Rofe. 

Auf  der  Kanne  felbfl  ift  folgende  Gravierung: 
1830  Andenken  \^  H.  Jofeph  Trautmann  Ober- 
Aelfter 
Herrn  Alt  :  Gefein  :. 
Johann  :  Plagvvitz  .   2  ■  Joan  .  Zink  :. 
Anton  :  Sax  :  Tobias  :  Traut  :  mann  : . 
Heinrig  :  Plagwitz  :  Andreas  :  Tobias  :  Zinck  :. 

Schreiber  :  Heinrich  :  Hosser  : . 

H  :  Beyfitzer  :  Caspar  Hofmann  :  Danel  Dolde  : 

H  :  Vater  :  Antonius  :  Franciscus  :  Teuber  :. 


17|44 


w 


4.  Eine  zweite  Kanne  ift  kleiner  wie  die  frühere, 
mißt  fammt  Deckelknopf  23  Cm.,  Durchmeffcr  des  Fuß- 
randes 12  Cm.,  des  Deckelraiides  iO'5  Cm.,  innere 
Höhe  15  Cm.  Auf  dem  Deckel  Gravirung,  Tuch- 
macherwappen, Jahreszahl  1715.  Innen  am  Deckel  die- 
felben  zwei  Stempel  wie  bei  Nr.  3.  Auf  dem  Körper 
ein   fauber  gravirtes   Blumenmufter  (Fig.  26,  b). 

5.  und  6.  Zwei  kleine  Kannen.  Höhe  mit  Deckel- 
knopf 24  Cm.,  Durchmeffer  des  Fußrandes  12  Cm., 
des  Deckelrandes  9'5  Cm.  Stempel  wie  bei  3  und  4. 
Der  Körper  ohne  Gravirung. 

7.  Diefe  Kanne,  I'ig.  26  c,  ift  die  jünglle  und  vcr- 
räth,  was  Form  und  Gravirung  anbelangt,  auch  kein 
befonderes  Formcnvcrftändnis  des  Erzeugers.  DieGra- 
virung  ift  ftümperhaft.  Die  Kanne  ift  insgefammt  2575  cm. 
hoch.  Höhe  ohne  Deckel  21  Cm.  Durchmeffcr  des  Fuß- 
randes 12  Cm.,  des  Deckelrandes  9  Cm.  Innere  Hohe 
bis  zum  'iVinkrande  20  Cm.  Oben  auf  dem  Deckel 
keine  Gravirung.  Innen  auf  dem  Deckel  eine  Marke. 
Auf  dem  Henkel  drei  Zinnftcmpcl.  Auf  dem  Körper 
der  Kanne  fteht: 

Wcntcel  l'feifer      I  lerhcrks-Vater  1835 
I'.iifabctin  l'feifer     Ilcrbcrks  Mutter  1835. 

Außer  diefen  7  Stücken  befindet  fich  im  Befitze 
des  hochwürdigen  Abtes  noch  eine  Tuchmachcrkufc. 
Sie  ähnelt  der  bereits  befchriebcnen  Schuhmacherkufe 
(Ahhandi.  von  Herrn  Ritter  von  Rzilia,  Tafel  2).  Höiie 
fammt  Daumengriff  16-5  Cm.,  olnic  Deckel  10  Cm. 
Durchmeffcr  des  Fußrandes  14  Cm.,  des  Deckeh-andes 
II  Cm.  Innerer  Durchmeffer  10  Cm.,  innere  Höhe  9  Cm. 
Auf  der  unteren  (inneren)  Seite  des  Deckels  zwei 
Stempel,    einer   enthält    ein    Wildfchwein,    i\i:x   andere 


eine  dreizackige    Krone,    zwei  Sterne   und    die   Buch- 
iT;aben  H  D,  etwa  fo: 


Außer  den  hier  angeführten  Zinngefäßen  dürften 
fich  noch  viele  andere  von  den  ehemaligen  Braunauer 
Zünften  herftammende  Gefäße  im  Befitze  einzelner 
Familien  befinden. 

Allton  Zocker. 

146.  Im  Nachhange  zur  Notiz  138  ift  noch  mitzu- 
theilen : 

Der  Confervator  Baurath  Hau/er  hat  der  Central- 
Commiffion  in  der  Sitzung  vom  13.  06lober  1893  mit- 
getheilt,  dafs  folgende  weitere  Grabmale  an  der  Außen- 
feite der  St.  Stepliaiiskirclic  einer  entfprechenden 
Renovirung  unterzogen  werden.  An  der  Weftfronte: 
das  des  Matthäus  Bauer  71515,  des  Studiofus  Friedrich 
Schmidt  11562,  des  Simon  Ruckhenbaum,  'Handels- 
mannes 11643,  des  Georg  Prügl  vom  inneren  Rath 
1 1609,  des  Steinmetz  Georg  Prunner  f  1701,  des 
Sattlers  Achatzy  Müllner  ti539,  des  Dr.  Jacob  Himl- 
reich  ti570.  An  der  Oftfeite;  des  Eifenhändlers  Philipp 
Ziegler  ti547,  des  Richters  Georg  Plazger  f  1620,  des 
Wolfgang  Egiauer  ti573  und  des  Sebald  Stembter, 
Handelsmannes  71560.  Die  ebenfalls  an  der  füdlichen 
Langfeite  der  Kirche  angebaute  gothifche  Todten- 
leuchte,  ein  herrliches  Denkmal  gothifcher  Kunft,  ift  fo 
verwittert  und  befchädigt,  dafs  fie  abgetragen  werden 
muß.  Die  zugehörige  kleine  Ecce  homo-Statue  wird 
aufgehoben. 

147.  (Palaz::o  in  Cavalefe.) 

Das  Fleimser  Thal  in  Süd-Tyrol  ift  von  Bozen 
zwar  ganz  unfchwer  zu  erreichen,  aber  doch  erft  feit 
wenigen  Jahren  mehr  in  den  Bereich  des  Fremdenver- 
kehrs gezogen;  aber  auch  heute  noch  weilt  feiten 
gerade  in  dem  Hauptortc  des  Thaies  Cavalefe  ein 
Fremder  länger,  als  eben  der  Poftaufenthalt  dauert;  er 
ftrebt  weiter,  die  Naturfchönheiten  der  Palla-Gruppe  zu 
erreichen.  Und  doch  bietet  auch  Cavalefe  Schönheiten 
der  Natur  und  Kunft.  Die  letzteren  befonders  waren 
uns  überrafchend.  Das  gothifche  Thor  der  Pfarrkirche, 
ein  altes  romanifches  Bild,  und  vor  allem  die  Malereien 
des  Palazzo  bieten  im  Orte  felbft  genug  des  Schens- 
werthen,  dem  (ich  noch  einige  Stücke  in  der  nächften 
Umgebung  anreihen. 

Der  Palazzo,  urfprünglich  ein  gothifcher  Bau,  von 
dem  außer  dem  Gemäuer  noch  ein  fchniuckreichcres 
Fcnfter  geblieben,  wurde  in  den  Dreißiger-Jahren  des 
16.  Jahrhunderts  unter  demfelben  kunftfinnigen  Cardi- 
nal Cle.sl,  dem  das  Trienter  Caftell  einen  fo  großen 
Theil  feines  Schmuckes  x'crdankt,  reizvoll  erneuert.  Der 
i5au  wurde  innen  und  außen  mit  (iemiilden  verziert,  die 
zum  Theil  erft  bei  den  Forfchungen  des  Unterzeich- 
neten wieder  von  der  fpäteren  Uebcrtünchung  befreit 
wurden.  Vollendet  wurde  die  Umgeftaltung  erft  unter 
dem  Nachfolger  des  Cardinais  Clcsl,  Clirilloi^h  Madruz 

(15.39)- 

Bis  auf  das  erwähnte  P'enfter  ift  der  Bau  ringsum 
glatt,  die  fclimückcnde  Architektur  nur  gemalt ;  reicher 
ausgeftattet  ift  die  Vorderfeite,  die  urf|)rünglich  mit 
hohem  diebel  ''eziert  war.  ,\ußer  der  geniallen  Archi- 


253 


tektur,  Sinnbildern  und  Zieraten  finden  wir  da  eine 
Reihe  anfclieinend  kaiferlicher  BildnilTe,  dann  darunter 
die  Geftalten  der  Juftitia  und  Temperentia'  an  den 
Seiten  des  Hauptgefchoßes  und  zvvifchen  iiinen  d^is 
Parisurtheil  und  den  Kampf  der  Horatier  und  Curiatier 
als  berühmte  Beifpiele  folgenfchwerer  (Jrtheile,  alles 
alfo  Darftellungen,  die  fich  für  einen  Rechtspalaft 
fchicken. 

Im  Innern  des  Palafles,  der  jetzt  die  Verwaltung 
der  Großgemeinde  Fleimsthal,  eine  Sparkaffe,  Speicher, 
Kerker  und  Wohnung  des  Gefangenhausauffehers  ent- 
hält, laffen  noch  fieben  Räume  den  urfprüngliclien 
Schmuck  wenigftens  theihveife  erkennen.  Im  Unter- 
gefchoß  finden  wir  einen  großen  Saal  mit  breitem 
ringsum  laufenden,  grau  und  braun  gemalten  Friefe, 
der,  foweit  er  bisher  abgedeckt  werden  konnte,  Jagd- 
darflellungen  enthält.  Es  folgt  ein  kleiner  Raum  mit 
prächtiger  holzgefchnitzter  Decke,  deren  Schmuck 
freilich  zum  größten  Theile  fchon  geraubt  ift,  dann  ein 
zweiter  mit  buntgetäfelter  Decke  und  einem  reizenden 
Friefe  darunter. 

Im  Obergefchoße  befindet  fich  ein  mächtiger  Saal 
mit  einem  in  14  Theile  getheilten  Friefe,  der  außer 
Wappen  12  Darftellungen  einzelner  Geftalten  oder 
Paare  enthält,  welche  die  allbezwingende  Macht  der 
Liebe  in  launifch,  auch  tief  empfundenen  Bildern  vor 
Augen  führen.  Diefe  Werke  find  von  meillerhafter 
Vollendung,  ficher  von  einem  bedeutenden  Italiener, 
anfcheinend  der  venetianifchen  Schule,  und  den  Ge- 
mälden des  Trientiner  Caftells  in  Feinheit  des  Aus- 
druckes und  Verinnerlichung  des  Vorganges  weit  über- 
legen, daher  voll  Anmuth  und  frifchefter  Laune.  Die 
Wahl  der  Momente  mag  einem  Dichter  entlehnt  fein. 

Ein  zweiter  kleinerer  Saal  ift  wieder  übertüncht; 
doch  konnte  man  Refte  eines  Friefes  und  der  Farben 
an  der  Decke  nocli  finden.  Ein  dritter  Raum  ift  bloß 
mit  Holz  getäfelt,  während  ein  vierter  wieder  einen 
prächtigen  Fries  aufweist,  an  dem  befonders  die  natür- 
lich durchgeführten  Thiere  auffallen. 

Der  Bau  ift  leider  fchon  arg  zerflört,  beraubt  und 
fchlecht  gehalten,  aber  dennoch  genügt  das  Erhaltene, 
uns  die  befeelende  Atmofphäre  einer  gewaltig-kraft- 
vollen, natürlich-lebensfreudigen  und  dabei  doch  zarten, 
leider  fo  kurzen  Epoche  der  Welt  in  vollen  Zügen  ein- 
athmen  zu  laffen. 

Es  wird  dem  Unterzeichneten  hoffentlich  gelingen, 
über  den  Meifter,  wie  die  Werke  in  diefen  Blättern 
bald  des  näheren  berichten  zu  können. 

Dr.  Aloriz  D  reg  er. 

148.  Correfpondent  Dir.  Taiiianiiii\\-\  Cortinad  Am- 
pezzo  hat  an  die  Central-Commiffion  berichtet,  dafs 
man  in  einem  kleinen  ebenerdigen  Locale  eines  im 
Centrum  des  Platzes  gelegenen  Gebäudes,  das  mit 
dem  anftoßenden  Gebäude  einer  gemeinfamen  Re- 
ftaurirung  unterzogen  w-erden  follte  und  wobei  das 
alte  Gewölbe  des  Locales  um  20  Cm.  niedriger  zu 
ftellen  war,  unter  dem  alten  Verputze  Refte  einer  alten 
ausgedehnten  Wandmalerei  fand.  Die  Verputzdecke 
war  ftellenweife  4  bis  7  Cm.  dick,  die  Bilderfläche  felbft 

'  Iiitereffant  war  mir.  die  Geftalt  der  Temperentia  ganz  genau  in  ver- 
kleinertem Relief  auf  einer  gußeifernen  Ofenkachel  wieder  2U  finden,  die  aus 
dem  Belltze  des  Herrn  Ludwig  Schuhmacher  in  Hall  in  der  hiftorifchen  Ab- 
theilung der  diesjährigen  Tyroler  Landesausllellung  unter  Nr.  64  ausgefteilt  war. 


aber  gräßlich  ruinirt;  um  den  feinerzeitigen  neuen 
Kalkanwurf  auf  der  Mauer  feil,  haltbar  zu  machen,  hat 
man  die  ganze  Bilderwand  mit  dem  Spitzhammer  fafl 
ganz  eingepickt,  fo  dafs  heute  von  einer  Wiederherflel- 
lung  der  Malerei  keine  Rede  fein  kann.  Diefelbe  mag 
bis  gegen  das  14.  Jahrhundert  zurückreichen  und 
könnte  fich  an  die  florentinifche  Schule  anfchließen. 

Anbelangend  die  Darfteilung  des  Gemäldes,  info- 
wcit  dasfelbe  freigelegt  ift,  was  aber  kaum  mehr  als  ein 
Drittel  der  oberen  Hälfte  der  ganzen  Wandfläche  be- 
trifft, fo  ficht  man  fünf  aneinander  gereihte  Frauen- 
gellalten  mit  Kronen  und  je  ein  gefchwungenes 
Spruchband  haltend,  zu  ihren  Füßen  drei  Löwen;  eine 
der  Frauengeftalten  hält  eine  Wage,  eine  andere  einen 
Palmzweig.  Der  Berichterflatter  will  in  den  Frauen- 
bildern Sibyllen  erkennen.  Auf  den  Schedulen  find 
Worte  in  zwei  Zeilen  gereiht  angebracht,  leider  aber 
nicht  mehr  entzifferbar. 

149.  In  Oliiüiz  hat  fich  ein  Comite  gebildet,  das 
fich  zur  Aufgabe  geftellt  hat,  die  aftronomifche  Kunft- 
uhr,  die  fich  im  Anbaue  des  Rathhaufes  befindet,  wieder- 
herflellen  zu  laffen.  Bereits  find  bedeutende  Sammel- 
gelder vorhanden,  um  diefe  auf  ca.  16.000  fl.  kom- 
mende Aufgabe  durchführen  zu  können.  Der  Mecha- 
nismus diefer  feit  \'ielen  Decennien  flillftehendcn  Uhr 
war  ein  fehr  complicirter.  Nach  Angabe  derStunde  follte 
die  Uhr  noch  fo  manches  aus  den  flüchtigen  Erfchei- 
nungen  des  Lebens,  Glaubensbilder  veranfchaulichen, 
Sinnbilder  der  Tages-  und  Jahreszeiten,  die  menfch- 
lichen  Altersftufen,  das  Todtengerippe  mit  der  Sand- 
uhr, die  Weifen  des  Alterthums,  die  frommen  bibli- 
fchen  Geftalten,  Heilige  und  Engel,  Chriftum,  die 
Apoftel  u.  f  w.  Der  Mahnruf  des  Hahnes  follte  fich 
hören  laffen,  Glockenfchläge  und  Mufik  ertönen,  die 
flarren  Figuren  follten  ihre  Glieder  bewegen  und  ver- 
borgen gebliebene  Wefen  follten,  fich  verneigend, 
heraustreten. 

Diefe  Ulir  ift  in  einem  traurigen  Verfall  befindlich 
und  nur  noch  die  große  Nifche  und  die  darin  erhal- 
tenen Refte  der  Wandmalereien  des  Uhrgebäudes  und 
äußerer  Decoration  erinnern  an  die  ehemalige  Beftim- 
mung  und  Bedeutung  diefes  Wahrzeichens  aus  der 
zweiten  Hälfte  des  16.  Jahrhunderts.  Es  ift  höchft  er- 
freulich, dafs  die  öffentliche  Aufinerkfamkeit  in  Olmüz 
auf  diefes  Denkmal  gelenkt  wurde;  noch  mehr  aber, 
dafs  die  Wiederherflellung  ganz  im  Geifte  des  ehe- 
maligen Werkes  gefchehen  foll.  Der  alte  traditionelle 
Theil  der  Kunftulir  muß  daher  beibehalten  werden. 

150.  Correfpondent  Biefel  hat  an  die  Central- 
Commil'fion  berichtet,  dafs  zwifchen  dem  14.  und 
20.  Auguft  d.  J.  anläßlich  einer  Grabung  an  dem  nörd- 
lich fich  hinziehenden  Schneedamme  an  der  Nordeifen- 
bahn  (Station  Evanovic]  einzelne  aus  Urnengräbern 
herrührende  Stücke  in  Umlauf  gekommen  find.  Der 
Correfpondent  befuchte  die  bezeichnete  Fundftelleund 
conftatirte,  einen  Kilometer  von  der  Eifenbahnftation 
entfernt,  40  bis  45  Cm.  tief,  den  Fund  von  vier  henkel- 
lofen  thönernen  Graburnen  mit  Afche,  größerer  und 
kleinerer  Knochenrefte  von  Leichenbränden;  eine  der 
Urnen  ift  nahezu  ganz,  die  drei  übrigen  find  in 
Scherben.  An  der  ganze  Urne  lagen  ferner  drei 
kleine  runde  Gefäße,  in    einer   ein    Kranz    \-on    rothen, 


254     — 


violetten,  gelblichen  und  blauen  Perlen.  An  einer  an- 
dern Stelle  fand  man  zwei  Menfchenfkeletrefte  in 
eigenthümlicher  Lage  —  mit  den  Rücktheilen  gegen- 
einander in  verkehrter  Stellung  gelegt;  das  ftärkere 
Skelet  —  mit  allen  Zähnen  —  dürfte  einem  Manne, 
das  andere  —  mit  wenig  Zähnen  —  einem  Weibe  an- 
gehören. Die  Schädel  beider  find  eingefchlagen. 

151.  Es  verdient  regiftrirt  zu  werden,  was  beifpiels- 
weife  in  O her- Oeßer reich  für  die  würdige  Reftaurirung 
alter  wichtiger  Kirchen  und  ihrer  Einrichtung  ge- 
fchieht.  So  hat  fich  eine  Reflaurirungsaclion  durch 
einen  archäologifchen  Verein  in  Enns  für  die  gewifs 
fehr  intereffante  Kirche  zu  Lorcli  gebildet.  Diefe 
gothifche  Kirche  enthält  nebft  vielen  fehr  wichtigen 
und  weit  zurückreichenden  mittelalterlichen  Grabmalen 
zwei  prachtvolle  gothifche  freiftehende  Sacraments- 
häuschen,  jetzt  dick  von  Kalkkruüen  überzogen,  welche 
vor  allem  entfernt  werden  müßen.  Neben  der  Kirche 
fteht  ein  alterthümlicher  ftark  verbalhornter  Karner  und 
eine  fchöne  mächtige  gothifche  Lichtfäule.  Nach  dem 
Anlaufe,  den  der  genannte  Verein  in  der  bezeichneten 
Angelegenheit  zu  nehmen  fcheint,  dürfte  das  Reftau- 
rirungswerk  einen  befriedigenden  Verlauf  nehmen, 
wenn  nur  einmal  die  behördlichen  Formalitäten  erfüllt 
find.  In  der  hochwichtigen  Kirche  zu  St.  Wolfgang  am 
See  fteht  es  in  Abficht, .  den  prachtvollen  Orgelkaften 
—  eine  vorzügliche  Arbeit  der  Spät-Renaiffance  — 
wiederherftellen  zu  laffen.  Auch  in  der  Kirche  zu  Hall- 
flatt  wird  der  gothifche  Orgelkaften  reparirt  und  im 
Vereine  damit  gleichzeitig  die  Orgelbühne  felbft  einer 
eingehenden  ICrneuerung  unterzogen.  Auch  ift  eine 
durchgreifende  Reftaurirung  des  alten  berühmten 
F'lügelaltars  dortfelbft  im  Zuge.  An  beiden  Objeften 
arbeitet  die  dortige  k.  k.  Fachfchulc  infoweit  mit,  als  es, 
ohne  durch  Concurrenz  die  dortigen  Gewerbsleute  zu 
fchädigen,  alfo  in  einzelnen  fehr  heiklichen  oder 
muftergebenden  Partien,  zuläffig  ift.  Uebrigens  darf 
es  wohl  bemerkt  werden,  dafs  der  eine  Kreuzaltar 
diefer  Kirche  —  aufgeftellt  im  linken  Schiffe,  bezie- 
hungsweife  Chorfcliluße  —  ebenfalls  ein  Flügelaltar, 
aus  diefer  k.  k.  Lehranftalt  für  Holzbearbeitung  hervor- 
gegangen ift  und  fich  allgemeinen  Beifalles  erfreut. 

152.  Bereits  im  Jahre  1S92  hatte  die  k.  k.  Statt- 
lialterei  zu  Prag  der  CentralCommiffion  mitgethcilt, 
dafs  die  reftlichen  Baulichkeiten  der  ehemaligen  Lud- 
tnillaCapelle  neben  der  Prager  Teynkirche  fo  fchad- 
liaft  werden,  dafs  der  dortige  Stadtrath  deren  Demo- 
lirung  für  nothwendig  erkannt  hat.  Die  Ccntral-Com- 
miffion  zur  Abgabe  ihres  Gutachtens  aufgefordert, 
hat  fich  unterm  9.  Juni  1892  dahin  au.sgefprochen, 
dafs  die  Capelle  erhalten  bleiben  möge,  da  kein  zwin- 
gender Grund  für  deren  Befeitigung  bcftche.  Die  Auf- 
forderungen zur  Zuftimmung  zur  Demolirung  wieder- 
liolten  fich  im  felben  Jahre  noch  zweimal,  ohne  dafs 
die  Central-Commiffion  ihr  Votum  abgeändert  hätte, 
ländlich  kam  im  Laufe  Septembers  diefes  Jahres  ein 
ncucrliciies  Schriftftück  anher,  damit  die  Central-Com- 
miffion, den  Umftimdcn  Rechnung  tragend,  die  Demo- 
lirung gutheiße,  zumal  die  Abtragung  des  obern 
Thciles  der  Capelle  aus  öffentlichen  Rückfichtcn  in 
Angriff  genommen  werden  mußte  und  die  Demolirung 
nicht    unterbrochen    werden    foll.    Nunmehr    hat    die 


Central-Commiffion  von  diefem  Demolirungsafte 
Kenntnis  genammen,  ohne  denfelben  gutzuheißen.  Der 
Situation  Rechnung  tragend,  bedauert  fie  vielmehr  die 
unvermeidliche  Thatfache,  nachdem  die  Saclnerftän- 
digen  die  Nothwendigkeit  der  Befeitigung  der  Capelle 
anerkannt  haben  und  kein  Mittel  zur  Verfügung  ftehen 
foll,  den  gänzlich  unhaltbar  gewordenen  Zuftand  der 
Capelle  zu  verbeffern  oder    deren    Verfall   aufzuhalten. 


153.  Confervator  Dechant  Größer  hat  an  die 
Central-Commiffion  berichtet,  dafs  man  in  der  Vorhalle 
des  alten  jMillJlätter  Domes  rechtsfcitig  eine  große 
Wandmalerei  theilweife  freigelegt  hat.  Ein  Farbftreifen 
theilt  horizontal  zwei  figurenreiche  Gemälde,  welche 
unten  den  TodChriftiund  die  Grablegung  und  oben  die 
Früchte  der  Erlöfung  darfteilen.  Die  Zeichnung  wird 
als  correft  gefchildert  und  als  gleichwerthig  und  gleich- 
zeitig mit  dem  großen  Bilde  des  jüngften  Gerichtes. 
Auch  follen  der  gänzlichen  Freilegung  des  Bildes 
keine  wefentlichen  Schwierigkeiten  entgegenftehen. 
Auf  dem  erwähnten  Theilungsftreifen  kann  man, '  fo 
weit  er  bis  nun  von  der  Tünche  freigelegt  ift,  erkennen: 
opvs  hoc 

154.  In  der  hier  beigegebenen  Abbildung  Fig.  28 
wird  eine  Säule  veranfchaulicht,  welche  fich  als  Trägerin 
eines  Verbindungsganges  im  Hofe  eines  zum  Schloße 
zu  Bcnfeii  in  Nord-Böhmen  gehörigen  Haufes  befindet 
und  die   Jahreszahl    1552    trägt.    Diefe   Säule    erfcheint 


-y^.i^yttya 


Fig.  28.  (Benfen.) 

darum  beachtenswerth,  als  fie  —  alfo  doch  dem 
16.  Jahrhundert  angehörig  —  noch  in  ungewöhnlicher 
Weife  die  Conftruflionsformen  romanifcher  Säulen, 
wie  wir  fie  fo  häufig  bei  Fcnftcrtheilungcn  finden, 
zeigt.  Sie  ift  273  M.  hoch. 

155.  Von  außeroi-dentlicher  Wichtigkeit  für  die 
Central-Commiffion  unii  ihre  Krcife  ift  jener  Theil  des 
eben  veröffentlichten  Voranfchlages  des  k.  k.  Mini- 
fteriums  für  Cuitus  und  Unterricht,  welcher  ilie  Koften 
der  Central-Commiffion  fowie  jene  für  Confcrvirung  und 
Reftaurirung  alter  Baudenkmale  behandelt. 

Die  Ko'len  der  CentralComniiffion  felbft  bczif- 
lerii  fich  mit  22.165  iL,  was  eine  Steigei'inig  um  2.110  ll. 


'SS 


bedeutet,  die  haiiptfächlich  in  der  Erweiterung  des 
Bureaus  durch  Beilleliung  eines  Minifterial-Concipiftcn 
und  eines  Ingenieurs  extra  ftatum  begründet  wird,  was 
wieder  in  der  ftetig  wachfenden  Agende  feine  gewifs 
berechtigte  Begründung  findet.  Beifpielsweife  fei  nur 
bemerkt,  dafs  feit  dem  Jahre  1873  die  Anzahl  der 
Gefchäftsftücke  mit  244  bis  1893  ^^^  ca.  1800  per  Jahr 
angewachfen  ift. 

In  Betreff  der  Reftaurirung  und  Confervirung 
alter  Baudenkmale  ift  zur  Dispofition  des  Minifte- 
riums  der  Betrag  von  6000  fl.  wie  bisher  geftellt 
worden.  Außerdem  erfcheinen  folgende  beftimmte 
Beträge  zugewiefen:  Für  den  Wiener  Dom  (4.  Rate 
der  Gefammt-Sub\-ention  per  25.000  fl.)  5.000  fl.,  für  die 
Finalifirung  der  Reltaurirung  des  Jofephsbrunnens  auf 
dem  Hohen  Markte  in  Wien  3.200  fl.  (nach  vollftändig 
durchgeführter  Eingerüflung  des  Monuments  ergaben 
fich  hauptfächlich  in  den  oberen  Partien  mehr  Schäden, 
als  erwartet  wurden,  daher  die  Gefammtkoften  auf 
18.157  fl.  ftiegen),  für  die  Reftaui'irung  der  Fresken  im 
Kreuzgange  zu  Brixen  (3.  Rate  der  Gefammt-Subven- 
tion  von  7. 150  fl.)  1800  fl.,  zur  Reftaurirung  und  theil- 
weifen  Reconftruftion  der  Bafilica  in  Sekkau  3.000  fl., 
dann  zur  Vornahme  weiterer  Reftaurirungsarbeiten  an 
den  Mofaiken  im  Dome  zu  Parenzo  (20.000  fl.  Gefammt- 
erfordernis)  3000  fl.,  hauptfächlich  beftimmt  zur  Reftau- 
ricrung  des  muflvifchen  Schmuckes  des  Baldachin- 
altares und  zur  Abnahme  und  Deponirung  der  an  der 
Hauptfagade  noch  vorhandenen  und  nicht  reparatur- 
fähigen Mofaikrefle.  Für  zwei  bei  der  Freiftellung  des 
Domes  in  Spalato  in  das  Staatseigenthum  übernom- 
mene Capellen  ein  Paufchalbetrag  von  2.800  fl. 
Eine  diefer  Capellen  wurde  behufs  der  Ifolirung  des 
Domes  demolirt,  die  andere  für  Baukanzleizwecke  in 
Verwendung  genommen. 

Fiir  die  Reftaurirung  des  Glockenthurmes  von 
San  Marco  auf  der  Infel  Lefina,  ein  volle  Beachtung 
verdienendes  Werk  der  italienifchen  Früh-Renaiffance 
mit  romanifchen  Anklängen,  das  die  Ccntral-Commif- 
fion  wiederholt  befchäftigt  hatte,  bei  einer  Gefammt- 
koftenziffer  von  5.200,  die  erfte  Rate  von  2. 100  fl. 
Zur  Reftaurirung  des  Glockenthurmes  am  Dome  zu 
Spalato  bei  einer  Gefammtfubventionsfumme  von 
85.000  fl.  die  9.  Rate  mit  30.000  fl.  Im  Hinblicke  auf 
die  Nothwendigkeit  der  Befchleunigung  des  Reftau- 
rirungswerkes  wurde  die  Baurate  des  nächflen  Jahres 
um  5.000  fl.  erhöht,  wobei  bemerkt  wird,  dafs,  da  im 
Jahre  1893  das  erfte  Thurmgefchoß  vollendet  werden 
wird,  die  Wiederherftellung  des  zweiten  Gefchoßes 
im  Jahre  1894  bewerkftelligt  werden  füll. 

Für  die  Reftaurirung  der  hochwichtigen  S.  Nico- 
laus-Kirche in  Eger  wurde  eine  erfte  Rate  von  5.000  fl. 
beanfprucht  und  zum  Ausbaue  des  Prager  Domes  eine 
Rate  von  15.000  fl.  in  Ausficht  genommen.  Letztere 
Staatsfubvention  ftellt  fich  fomit  feit  1863  auf  395.000  fl. 
Bezüglich  der  Egerer  Kirche  ift  zu  bemerken,  dafs  die- 
felbe  —  ein  eminent  wichtiges  Bauwerk  —  bereits  fo 
fchadhaft  ift,  dafs  fie  gefperrt  werden  mußte.  Zu  den 
Reftaurirungskoften,  die  130.000  fl.  mindeftens  errei- 
chen dürften,  hat  der  Landtag  des  Königreiches  Böh- 
men bereits  30.000  fl.  bewilligt  und  ift  eine  Staatsfub- 
vention in  gleichem  Betrage  in  Ausficht  genommen, 
welche  auf  fechs  gleiche  Raten  zu  vertheilen  wäre. 
XIX.  N.  F. 


Die  Gefammtfumme  für  Confervirung  und  Reftau- 
rirung alter  Baudenkmale  ftellt  fich  für  das  Jahr  1894 
auf  76.900  fl.,  d.  i.  um  9.600  fl.  größer  als  1893. 

Die  dritte  Abtheilung  bezieht  fich  auf  Auslagen 
für  Ausgrabungen,  Subventionen  von  archäologifchen 
Unternehmungen  u.f.  w.,als  da  find  dem  archäologifchen 
Mufeum  in  Aquileja  für  Grabungen  und  Fundankäufe 
2  300  fl.  und  für  das  Perfonale  1.480  fl.,  dann  für  das 
archäologifche  Mufeum  in  Spalato  und  Ausgrabungen  in 
Salona  4.800  fl.  Für  das  Mufeum  S.  Donato  in  Zara 
400  fl.  Zur  Dispofition  des  Minifteriums  2.500  fl.  Zur 
theil  weifen  Erwerbung  der  SammlungGregorutti  6. 500 fl. 
Zu  baulichen  Herftellungen  am  Mufeum  in  Aquileja  1800  fl. 
und  zu  den  Ausgrabungen  der  alten  Mofaikfußböden 
beim  Dome  in  Parenzo  als  3.  Rate  775  fl.  von  3.100  fl. 
Hinfichtlich  der  Sammlung  Dr.  Gregorutti's  ift  zu 
bemerken,  dafs  die  die  Anticaglien  fowie  Infchriftfleine 
und  Sculpturen  umfaffenden  Partien  angekauft  werden 
follen  und  als  Ergänzung  des  Beftandes  des  Mufeums 
zu  Acjuileja  an  diefes  abzugeben  wären.  Zufammen 
20.555  fl-.  ^-  '•  uni  5.900  fl.  mehr  als  im  Jahre  1893. 

Die  Gefammtfumme  aller  drei  Gruppen  beziffert 
fich  fomit  mit  119.620  fl.,  d.  i.  gegen  1893  mit  I02.010  fl. 
mehr  mit  17.610  fl. 

Außer  diefen  Auslagen  enthält  der  Staatsvoran- 
fchlag  noch  folgende,  die  Central-Commiffion  tangi- 
rende  Pofitionen: 

Wien,  für  die  Reflaurirung  des  Gebäudes  der  k.  k. 
Akademie  der  Wiffenfchaften  (2.  Rate  des  Gefammt- 
erforderniffes  von  1.700  fl.) fl.     4.000 

Für  Reftaurirung  der  Fagade  der 
Pfarrkirche  am  Hof ,,     14.600 

F'ür  Reftaurirung  der  Marien-Säule  am 
Hof  (2.  und  letzte  Rate  vom  Gefammterfor- 
dernis  mit  3.300  fl.) ,,       1.500 

Zur  Fortfetzung  der  Reftaurirung  der 
Maria  Stiegen-Kirche (7. Rate  des  Gefammt- 
erforderniffes  mit  132.000  fl.) „    25.000 

Wr. -Neuftadt,  für  den  Wiederaufbau 
der  Thürme  an  der  Frauen-Kirche  (5.  Rate 
von  120.000  fl.) ,.     12.000 

Kuttenberg,  für  Reftaurirungsarbeiten 
an  der  St.  Barbara- Kirche  in  Kuttenberg 
(5.  Rate) „    12.000 

Summe.  .    fl.  69.100 

Gefammtfumme  des  Erforderniffes  der  Auslagen 
für  archäologifche  Zwecke  im  Jahre  1894  fomit: 
188.720  fl. 

156.  Confervator  A/.::  hat  an  die  Central-Commif- 
fion berichtet,  dafs  man  an  den  Wänden  des  gothifchen 
Kreuzganges  im  Franciscaner-Klofter  zu  Boce/i,  woklhd 
auf  Leinwand  ausgeführte  Oelbilder  aufgehangen  find, 
die  fich  auf  das  Leben  des  Ordensftifters  beziehen, 
Refte  von  Fresken  fand,  als  man  im  Laufe  diefes  Som- 
mers ein  Bild  behufs  Ausbefferung  von  feiner  Stelle 
entfernte.  Man  fand  eine  Darfliellung  der  heiligen  drei 
Könige  in  realiftifch  ausgefprochener  Auffaffung  und 
Ausführung  des  17.  Jahrhunderts.  Der  Meifter  nennt 
fich  Ludwig  Pfenter  1607.  Eine  Malerei  nach  dem 
Recept,  wie  es  bei  fo  manchem  romfahrenden  Künlllcr 
damaliger  Zeit  üblich  gewefen  ilt:.  Man  fand  übrigens 
auch  noch  viel  ältere  Malereifpuren,  leider  äußerft  rui- 

34 


—     256    — 


nirt,  kaum  erkennbar,  nur  obere  Theile  von  Darftel- 
lungen, während  die  untere  größere  Hälfte  bis  auf  den 
Mörtel  abgefchlagen  ift.  Mit  diefen  Reften  ift  wohl  fehr 
wenig  anzufangen. 


Fig.  29.  iFunHe  in  Schipenitz,  S.  243.1 

157.     Die    Central-Commiffion     ift     zur    Kenntnis 
gelangt,    dafs    das   hochmerkwürdige    Melnntriclifclie 


F'ß-  3°-  (Funde  in  Schipenitz,  S.  243  ) 

Haus  in  der  Prager  Altßadt  ganz  eingeriffcn  wurde. 
Das  alte  Portalgittcr,  zwei  gothifche  Deckbalken  mit 
gemalten  Füllungen  und  der  Schlußftein  des  Parterre- 
Rippengewuibcs  wurden  dem  Mufeum  zu  Prag  über- 
geben. Das  Wappen  hat  man  mit  großer  Sorgfalt  abge- 
nommen, um  es  im  neuen  Gebäude  wieder  anzubrin- 
gen. Die  innere  Loggia  konnte,  obwohl  fich  die  Cen- 
tral Commiffion  für  die  Erhaltung  verwendete,  wegen 
allzugroßer  Schadhaftigkeit  nicht  crlialten  werden. 

158.  Die  auf  dem  Fuße  des  Iiulu.xBIattcs  ange- 
brachte Illuftration  veranfchaulicht  das  Relief,  das  ober 
dem  Eingange  des  Zinshaufes  des  Minoritenklofters  in 
Wien,  Minoritenplatz,  angebracht  war  und    nun    neben 


der  Kirche  eingemauert  ift,  nach  einer    Aufnahme    des 
Profeffors  f.  JadUz. 

159.  Confervator  Gratis  hat  die  Central-Com- 
miffion auf  die  Franciscaner-Kirche  in  Novejlnje  auf- 
merklam  gemacht.  Der  Convent  wurde  1515 
gegründet  und  zeigt  die  kleine  Kirche  eine 
Grundanlage,  wie  eine  folche  aus  der  romani- 
fchen  Periode  ftammt,  mit  einem  oblongen 
Scliiffe  und  Chorquadrate,  das  zu  einem  län- 
geren Altarraume  erweitert  worden  ift.  Der 
ganze  Bau  ift  aus  kleinen  Quadern  ausgeführt. 
Merkwürdiger  als  alles  andere  ift  der  Glocken- 
thurm,  füdlich  vom  Chorquadrate  im  16.  Jahr- 
hundert angebaut,  aber  von  ganz  entfchiedener 
Phyfiognomie  in  romanifchem  von  der  Re- 
naiffance  wohlthuendft  beeinflußten  Styl  mit 
feinen  doppeltheiligen  Fenftern  und  dem  Stein- 


Fig.  31.  (Funde  in  Schipenitz,  S.  243.) 

heime  von  unten  bis  oben  aus  Quadern  aufgeführt, 
ein  wahrhaft  fchönes  Werk,  um  das  der  arme  Kirchen- 
bau von  mancher  Kathedrale    beneidet  w^erden  dürfte. 

160.  Die  Central-Commiffion  ift  zur  Kenntnis  ge- 
kommen, dafs  es  in  Abficht  fteht,  die  Orgel  in  der 
berühmten  Kirche  zu  St.  Wolfgang  am  See  zu  er- 
neuern, infolge  deffen  auch  der  Orgelkaften  einer 
Reftaurirung  unterzogen  werden  foil.  Der  Orgelkaften 
ift  ein  hochintereffantes  Werk  von  unzweifelhaftem 
Kunftwerthe,  ftammt  aus  dem  Jahre  1629,  ein  fehr  be- 
achtenswerthes  Werk  der  Spät-Renaiffance,  das  volle 
Schonung,  beziehungsweife  pietätvolle  Reftaurirung 
verdient.  Die  Central-Commiffion  hat  fich  daher  über 
den  Zuftand  diefes  Gcgenftandes  durch  den  Confer- 
vator Profeffor  Berger  informiren  laffen.  Derfclbe 
berichtete,  dafs  der  Kaften  bezüglich  feines  architek- 
tonifchen  Aufbaues  in  horizontaler  und  verticaler  Rich- 
tung dreitheilig  gegliedert  ift,  aus  Holz  angefertigt, 
mit  reicher  Vergoldung  vcrfehen,  aber  fich  in  fo  gutem 
Zuftande  befindet,  dafs  eine  Reftaurirung  keinesfalls 
nothwendig  ift  und  höchftens  der  Anftrich  fammt  Ver- 
goldung erneuert  werden  füllte.  Das  am  Kaften  ange 
brachte  Bild  —  die  Mufik  darftcllcnd 
Ausbcffcrun</en  brauchen. 


würde  einige 


161.  Der  Central-Commiffion  ift  die  Nachricht  zu- 
gekommen, dafs  in  dem  romanifchen  Karner  zu  Neit- 
iiiarkt  in  der  Steicrmar]<  (kiirntncrifchc  Griinze  gegen 
P'riefach)  fich  bcftimmte  Spuren  alter  Wandbemalung 
conftatiren  laffen.  ICinc  Bloßlegung  derfelben  fteht  für 
Biildc  in  Abficht. 


Druckfehler-Verbefferuns^en. 


s. 

17- 

s. 

17- 

s. 

>7- 

s. 

i8. 

s. 

i8. 

s. 

19- 

s. 

19- 

S. 

22 

S. 

22 

S. 

22 

S. 

22 

S. 

22 

s. 

22 

23- 

23- 


24. 
24. 


2, 

n 

30  \ 

2, 

n 

32 

I, 

n 

30 

2, 

n 

10 

Anm 

3.  ^ 

n 

6, 

I 

„ 

9. 

2 

Zeile 

12 

Anm 

1 2 

n 

*3i 

n 

16, 

16, 
16, 

Spalte  I,  Zeile     9  von  unten  für  „Otto"  lies  „Otte."i 

30  von  oben  für  „Schönau"  lies  „Schönna". 
für     „verfchiedenartigen"      lies 
„verfchiedenwertigen". 
für  „Jähus"  lies  „Jahns", 
für  „Fren"  lies  „Eren". 
Zeile  9  für  „aus"  lies  „auch". 
„       3  für  „Die"  lies  „Zur." 
„       4  für  „Pankert"  lies  „Paukert". 
von  oben    für    „Erdfpangen"    lies    „Erd- 

fchanzen". 
Zeile  I  für  „Jähn's"  lies  „Jähns"T 
„       I  für  „Mampel"  lies  „Mampell". 
„       2  für  „Mediaeval      (Curfiv)"       lies 

„Mediaeval  (Antiqua)". 
„       5  für  „Butyfi"  lies  „Betyfi". 
„       8  für  „Peigne-Delacourt"  lies  „Pei- 
gn^-Delacourt". 
9  für  „M^moirs"  lies   „Memoires,  f. 
„socrit^"  lies  „societe. 
le  6  von  oben  für  „15  Cm."  lies  „150M.". 
,     3      „        „      für  „letzten"  lies  „beften". 
„     0      „        „für  „Grunsbühel"    lies    „Grums- 
bühel". 
Anm. '21  Zeile  6  für  „fpecififcher"  lies  „fpecieller" 
„       21      „       9  für     „Befefligungsmauern"       lies 

„Befeftigungsmanieren". 
„       22      „       7   für     „architecflur"      lies      „archi- 
teiflure". 
I,  Zeile  6  von  unten  für  „Pouzac"  lies„Ponzac". 
Anm.  34,  für  „monumental"  lies  „monumentale". 
„       36,   Zeile  12  für    „N.  Vitruvius"   lies  „M.  Vi- 
truvius". 
17  für   „suscitantia"  lies  „suscitan- 
tur". 
4      für     „V.      Decken"     lies     „v. 

Dechen. 
6  für  „Nanten"  lies  „Xanten". 


16, 


s. 

20. 

ri 

I, 

s. 

20. 

yj 

2, 

s. 

20. 

n 

2, 

2, 


36. 


41, 


V         41.        V 

Zeile  17  von  oben  für  „Suben"  lies  „Säben" 


31      „        „      für  „Spenna"  lies  „Schenna". 
40     „        „      für  „Saifthale"  lies  „Naifthale" 

47  n        r,     für  „1260"  lies  „1250". 

48  „        „     für  „opidum"    lies    „oppidum". 
I      „        „für  „Ausgrabungen"   lies  „Fun- 
damenten". 

Anm.  52,  Zeile     3  für  „Tage"  lies  „Lage". 
„       52,      „         4   für  „Mojes"    lies    „Majes",    für 

,1290  Kaiz"  lies  „1250  Mais" 
„       52,      „        5  für  „Mais"  lies  „Rain". 
„       52,      „         6  für  „Mara"  lies  „von  Mara". 
„       52,      „       14  für  „Rains"  lies  „Kains". 

1,  Zeile  5  von  unten  für  „Ferrugo"  lies  „Ferruge". 
Anm.  55,  Zeile  3  für  „von"    lies    „wie",    für   „Tre- 

dazzo"  lies  „Predazzo". 
„       57i5,     „       I  für  „Naumia"  lies  „Naunia". 
„       57c,     „       2  für  „i"  lies  „f". 
„       59,      „       I  für  „a.  a.,  767"    lies  „a.  a.  767". 

2,  Zeile  7  von  oben  für  „Marsonil"    lies    „Marsoeil". 
2,      „       5      „    unten  für  „Hochselsftein"  lies  „Haffel- 

ftein", 
Anm.  62,  Zeile  b  für  „SU.  G."  lies  „MG.- 
„       63,      „       3  für   rif-'^'''''  J^'JpViä"   lies  „uovo-'jry 
•/ta",  für  „i'opuvTo"  lies  „i'dp'jvrs". 
I,  Zeile  22  von  oben  für  „fteht"  lies  „flellt". 
Anm.  67,  Zeile  7  für  „Sivynburg"  lies  „Scoynburg". 


Spalte   2,      „      73,      „        I  für  „descripte  e"  lies  „descriptac". 
„      73,      „       2  für  „Aaa  SS,  V"    lies    „Ada  SS. 
V",  für  „virotens"  lies  „vir  potens". 
„      75,    ■„        I  für  „Vybor  y"  lies  „Vybor  z". 
„      78,      „       6  für  „Plante"  lies  „Planta". 
„      78,      „       9  für  „im  füdlichen  unter"  lies  „füd- 

liehen  baulich  unter". 
„      78,      „     10  „beftehenden  Bauten"  fällt  weg. 
S.     25.        „        I,  Zeile  10    von  oben   für  „Havrianus"  lies  „Hadria- 

nus". 

*  Die  in  den  Mittheilungen  abgedruckten  erften  drei  .\bfchnitte  der 
Abhandlung  über  Tyroler  Burgen  von  Herrn  Paul  Giemen  konnten  in  der  letzten 
Corredlur  dem  zur  Zeit  in  Süditalien  und  Nordafrika  weilenden  und  für  die 
Redaktion  nicht  erreichbaren  Autor  nicht  mehr  vorgelegt  werden.  Es  ift  infolge 
deffen  eine  .\nzahl  fmnftörender  Druckfehler  ftehen  geblieben,  deren  wichtigfte 
in  dem  vorliegenden  Druckfehlerverzeichnis  berichtigt  find. 


Anm.  82,  Zeile  5     für    „Befeftigungsmauern"     lies 
„Befeftigungsmanieren". 
„        83,      „        I  für  „Innius"  lies  „Junius". 
„        84,      „        I  für  „cafteluni"  lies  „caflelum". 
„       87,     „       3    für     „Pailhaufen"     lies     „Pall- 

häufen". 
„        88,      „       4  für  „Caffiante"  lies  „Caffiani". 
„        88,      „       5  für  „Säbeni"  lies  „Säben". 
S.     25.   Spalte   2.     „        89,      „       2   für  „Tyrolos"  lies  „Tyrolis". 
„        89,      „       4  fUr  „geftandt"  lies  „geftande". 
„        89,      „       5  für  „Negrinus"  lies  „Nigrinus". 
„        90,      „       3  für  „Autheris"  lies  „Autharis". 
„        90,      „       4  für  „Ghadin"  lies  „Ghedin". 
S.     77  (Notiz  2S1     3.  Zeile  von  unten  foU  es  heißen:  „15  Cm."  ftalt 

„75  Cm." 
^-     78  (     „      32)  15.      „      von  unten  foll  es  heißen:    „Reperirt  und 

geftellt  von Gitzl  Bixen  (Büchfen) 

macher  in  Salzburg  1820". 
S      78        „  21.      .,      von  unten  foll  es   heißen:   „anfprachen" 

ftatt  „entfprechen". 
S.  106    I.   Spalle       5.      „      von  oben  foll   es  heißen:   „aus  welchen" 

ftatt  „auf  welchen". 
S,  loö    I.        „        12.       „      von  oben  foll  es  heißen:  „weniges"  ftatt 

„weniger". 
S.  109  gehört  bei  16  in  der  Columne  „Infclirift"  „Honi  pod  zpravedl- 

nofti"  weg,  da  diefer  Stein  keine  Infchrift  enthält. 
S.  IIO  bei  24  in  der  Columne  „Infchrift"  foU  es  heißen:  „Farwicke" 

ftatt  „Favwiche". 
S.  III  bei  38  und    3g  in  der  i.  Spalte  foll  es  heißen:  „4'OoM, "ftatt 
„400  M." 

Spalte  I,  Zeile  2  von  unten  für  „Irren"  lies  „Ivrea". 


s. 

119. 

s. 

120 

s. 

121 

s. 

121. 

s. 

122. 

s. 

122 

s. 

122 

s. 

122 

s. 

122 

I   oben  für  „geht"  lies  „kommt", 
unten  für  „Seif"  lies  „Selfi". 
Zeile  2  von  unten  für    „auf"  lies 


s. 

123- 

s. 

123- 

s. 

123- 

s. 

123. 

s. 

124. 

s. 

125. 

S.  125. 


Anm. 
Zeile 


Anm 


2ö 

14 
6 


5 
0 

14 
15 

139. 
142, 


1,  .     12       , 

Anm.  I  IG 

2,  ,       114,      „      10     „   oben  für  „Stuk"  lies  „Stät". 

1,  Zeile  10,  von  oben  für  „Vefte"  lies  „Vögte". 
Anm.  1 1  7  Zeile  6  „viele  Verwechfelungen"  gehört 

hinter  „1666"  Zeile  3. 

2,  Zeile   5  von  oben   für  „Härtenberg"  lies  „Hörten- 
berg". 

„       „      für  „49  und  26  M."  lies  „54  und 

31  M.". 
„   unten  für  „14  und  7-90  M."  lies  l5'6o 

und  1030  M.". 
„      „      für     „ornamentiert"      lies     „ver- 
mauert". 
24,  Zeile  7   vor     „ift    Chriftau"    ift    „1357" 
einzufchieben. 
.■on  oben  für  „820  M."  lies  „8-40  M." 
„       „      für  „25  M."  lies  „3  M." 
„       „     für  „7-8  M."  lies  „730  M.- 
„        „      für   „7   und  9-5  M."   Iies_ir30 

und  870  M." 
Zeile  to  für  „HoUes'  lies  „Zoller". 

2  von  unten  für  „Campella"  lies 
„Campells". 
,  Zeile  18  von  oben  für  .nochmals"  lies  „nachmals". 
Anm.  143,  Zeile  2    „zu  Worms"    gehört  zu  „1228" 
Zeile  I. 
S.  126.        „        1,      „       I45''.  für  -Nigronus"  lies  _Nigrinus". 
S.  127.        „        ■'      „       153.  Zeile  3,  für  „Chriftian"  lies  „Chriftina". 
S.  128.        _        I,  Notiz  40,    2.    Zeile   einzufchieben  vor   „zwei"  „zu 

Ragufa". 
S.  142.        „        2,       „       74,  Zeile  10  foll   es  heißen:   „Cuftos"   ftatt 
Cuftor. 
2,  Zeile  18  von  oben  für  „Källner"  lies  .Kellner". 
2,      „        6      .   unten  für  _Folen"  lies  .Edlen". 
Anm.  179,  Zeile  6  für   „Brandefter"    lies    „Brand- 

elfer". 
Anm.  181,      „       3für  „Prandhos"lies  „Prandhoch." 

2,  Zeile  20  von  unten  für  „Folen"  lies  „Edlen". 
2,      „        I      „      oben  für  „1568"  lies  „1508". 

1,  .        2     „     unten  für  „35"  lies  „33". 

2,  s       5     „  „für  „ließ"  lies  „läßt". 

Auf  Tafel  II  find  die  Abbildungen  der  Steine  14,  16  und  19  unter- 
einander verwechfelt  worden  und  es  hätte  „Fig.  16.  Bei  Aufter- 
litz"  ftatt  „Fig.  14.  Bei  Regens",  „Fig.  19.  Herotitz"  ftatt 
„Fig.  16.  Bei  Aufterlitz"  und  „Fig.  14.  Bei  Regens"  ftatt 
„Fig.  19.  Herotitz"  zu  lauten. 


142. 

178. 
179 


S. 

180 

s. 

184 

s. 

IS5 

s. 

185. 

REGISTER 


IN  DIESEM  (XIX.)  BANDE  ANGEFÜHRTEN  PERSONEN-,  ORTE-  UND  SACHEN-NAMEN. 


Aachin,  Hans  von,  Maler,  158. 
Abel,  Jac,  Maler,  96,  97. 
Abendmahl  (heil.),  Bild  in  Gurk,  94. 
Adam''!  Erfchaffung,   Bild  am  Faftentuche  in 

Gurk,  211. 
AlUrsdorf,  Funde,  27. 
Altenmarkt  Funde,  234. 
Altßadt,  Capelle,  134. 
Alt- Steindorf,  altes  Steinkreuz,  7g. 
Amras,  Burg,  121. 
Angelt,  Heinrich,  Maler,  96. 
Appianum,  25. 
Aquileja,  Sfaatsmufeum,  Grabungen,  57,  113, 

151,  241,255. 

—  antiker  Brunnen,  153. 
Archiv  zu  Stejr,  129. 

—  zu  Innsbruck,  242. 

Arriach,  alter  Getreidefchüttkaften,  140. 
Au/erßehung  Chrifli,  Bild  in  Gurk,  146. 
Außerlitz,  Steinkreuz,  109. 
Ausßellung,  Tyioler  Landes-,  249. 

B. 

Barau,  Kirche,  243. 

Barcola,  römifches  Mauerwerk,  105. 

Baumeißer,  Carlone,  176. 

—  Günther  Hans,  195. 

—  Laun,  Ben.  von,  136. 

—  Heuberger  in  Steyr,  129. 

—  Schweinfurt,  Jacob  von,  195. 

—  Spinet,  Peter,  243. 

—  Tadei,  174. 

—  Verda,  de,  174. 

—  Vintana,  Joh.  und  Georg,  174. 

—  Walter,  Hans,  174. 

—  Ziegler,  Magnus,  12g. 
Bechin,  prähiflorifche  Funde,  141. 
Ben/en,  Schlorj,  254. 

Betßühle  zu  Biecz,  226,  227. 

—  zu  Olkucz,  227. 

—  zu  Pens,  195. 

—  zu  Skrzyszow,  229. 

—  im  Dome  zu  Tarnüw,  226. 

—  zu  Zbyszycc,  230. 


Biecz,    wichtige    gothifche   Holzgegenftände 

in  der  Kirche  zu  — ,  226. 
Bilderrahmen  in  derKirchezu  Neuberg,  209. 

—  im  Stifte  Gleink,  190. 
Bileam,  Bild  in  Gurk,  43. 
Birglßein,  römifche  Funde,  170. 
Böhm.-Leipa,  heil.  Kreuz-Kirche,  130, 
Boskovic,  Ruine,  79,  223. 

—  Czernahorska,  von,  Anna,  32. 
Boymont,  Ruine,  122. 

Bozen,  der  Thurra  an  der  Frauenkirche,  239. 

—  Calvarienbergcapelle,  128. 

—  der  gefcheibte  Thurm,  22. 

—  Malereien,  255, 
Brake,  Tycho  de  — ,  71. 
Brandis,  Ruine,  17g. 
Branzoll,  Burg,  25. 

Braunau,  Böhmen,  Zinngefäße,  251. 
Br'eei,  Depotfund,  18Ö. 
Brigantium,  bauliche  Ueberrefte,  44. 
Briftov,  Kirche,  141. 
Brixen,  GemäUlefund,  1S9,  255. 

—  Domfehatz,  249. 

Brück  a.  d.  M.,  Marterkreuz,  135. 
Briinn,  Steinkreuze,  in,  112. 

—  Dom,  Grabfteine,  133. 
Br'unnlflein  bei  Zuggers,  192. 
Brüx,  Decanatskirche,  195. 
Brunnenburg,  Ruine,  22,  124. 
Budweis,  Klofterkirche,  240. 
Buckelqtiaderbauten,  21. 

c. 

Calccranica,  Romerftuin,  133. 

—  Kirchlein,  131. 
Caldonazzo,  Kirchlein,  131. 
Carlone,  BaumeiHer,  176. 
Cäslau,  Funde  bei  — ,  60. 
Caflell  Barco,  Ruine,  188. 

—  Latfch,  Burg,  24. 
Caßrum  Majenfe,  22,  23. 
Caz/a/^ir,  Palazzo,  252. 
Ceukovic,  Glocken,  236. 

Central- Comi/ii/ßoii  für  kunflhiflor.  Denkmale, 
Budget,  254. 

—  Ehrenmitglieder,  142, 


Central-ComniiJI/ionim  kunfthiftor.  Denkmale, 

Perfonal-Nachrichten,  142. 
Ceßabreg,  Münzfund,  234. 
Charfrfit,  Funde,  74. 
Chotoun,  Kirche,  6g. 
C4ri/?j' Geburt,  Bild  in  Gurk,  91. 
C/ir5/?ai  heilet  den  Lahmen,  Bild  in  Gurk,  93. 
Churburg,  die,  177,  249. 
Cles,  das  Schloß,  140,  253. 
Cortina,  Wandmalereien,  253. 
Cyrill  \m.&  Methud-Steine,  107. 
Czernahorska  von  Boskovic,  Anna,  32. 

D. 

Dachberg,  Infcliriftftein,  28. 

Danfe,  Kirche,   186. 

Daniel,  Bild  am  Gurker  Faftentuche,  216. 

David  erfchlägt  den  Goliath,  Bild  am  Gurker 

Faftentuche,  215. 
Deut/chsn-Ofen,  St.  Helena-Kirche,  141. 
Deblin,  Franz  Max,  von,  80. 
Dolina,  Funde,  233. 
Dornbufch,    brennender,     Bild     am     Gurker 

Faftentuche,  213. 
Donner,  Raphael,  246. 
Dov,  Gerrit,  Maler,  g7. 
Drcihofen,   Steinkreuz,  108. 
Drei  Könige,  Bild  in  Gurk,  91. 


Eger,  Nikolaus  Kirche,  69,  255, 

Eggenburgcr,  Hanns,  196. 

Efferding,  Grabungen,  78. 

Eherne  Schlange,  Bild  in  Gurk,  43. 

Ehrenburg,  Burg,  120. 

ÄA/wz-Mitglieder  der  Centr.  Comni.,  142. 

Eibcnßock,  Hanns,  131. 

Eifenberg,  Steinkreuz,  109. 

Eifenerz,  Kirche,  187. 

Elias,  Faftentuchbild  in  Gurk,  216. 

Elifaeus,  Bild  in  Gurk,  go. 

Ender,  Thomas,  Maler,  95. 

F.ndi-rliin,  Cafpar,  238. 

Ennoch,  Faftentuchbilil  in  (Jurk,  212. 


—     259     — 


Efpan,  Burg,  19. 

Erfchaffung  der  Welt,  Bild  in  Gurk,  39. 

Eßher,  Bild  am  Giirker  Faflentuche,  217. 

Eva's  Erfchaffung,  Bild  in  Gurk,  3g. 

Evanovic,  Funde,  253. 

Ezechiel,  Fartentuchbild  in  Gurk,  216. 


Fackelflein  in  der  Kirclie  zu  liöllein,  80. 

—  in  Salzburg,  231. 
Faflentiich  in  Gurk,  211. 
Feuchtinay>\  Franz,  X.  und  Michael,  igo. 
Fifchcr,  Joh.  Bernh.,  159. 

Formigar,  Burg,  1 1 9. 
Forß,  Schloß,  179. 
Fragburg,  Schloß,  1S3. 
Fragenflein,  Burg,  125,  126. 
Freunsberg,  Burg,  24. 
Friedländer,  Friedrich,  Maler,  g6. 
Friefach,  Bartholomäus-Kirche,  14. 

—  heil.  Blut-Kirche,  12. 

—  Dominicaner-Klofter  lammt  Kirche,  15 

—  Donjon,  188,  250. 

—  Friedhof-Capelle.  15. 

—  der  Fürftenhof,  13. 

—  Johannes-Capelle,  14. 

—  der  Renaiffance-Brunnen,  9. 

—  Schloß  Lavant,  15,  16. 

—  Vigilienberg,  16. 

—  Schwarzhafnerhaus,  12. 

—  Schießftätte,  Ib. 
Frögg,  Funde,  84. 
Fröhlichsburg,  22. 
Flirflenburg,  Burg,  127. 
Fiißauafchimg  Chrifti,  Bild,  in  Gurk,  94. 


Gais,  Kirche,  87. 

Gaisberg,  Kirche,  loi. 

Gajen,  Thurm,  22. 

Gedeon,  fiehe  Gideon. 

Gefangennahme  Chr\f\.\,  Bild  in  Gurk,  144, 

Geiger,  P.  J  ,  Maler,  96. 

C«J/?^j-Ausgießung  (heil.),  Bild  in  Gurk,  147 

Geißelung  Chrifti,  Bild  in  Gurk,  145. 

Gideon,  Bild    in  Gurk    und    am   Faflentuche, 

43.  215. 
Glasmalerei  aus  Neuberg  im  Hofmuleum,  210. 

—  in  Gaisberg,   loi. 
Gleink,  Stiftsgebäude,  190. 
Glocken  zu  Cenkovic,  236. 

—  zu  Chotoun,  69. 

—  zu  Höflitz,  2ig. 

—  zu  Lang-Aujeft,  216,  236. 

—  zu  Lautfeh,  23Ü. 

—  zu  Liebau,  23g. 

—  zu  Losan,  188. 

—  zu  Sznako,  237. 

—  zu  Tepl,  237. 

—  zu  Veletov,  249. 

—  zu  Vidic,  70. 
Glockengießer^  N.  I,üw,  69. 

—  Klabel,  70. 


Glockengießer,  N.  Mölfer,  239. 

—  Planck,  Andr.,  70. 

—  Stanke,  Fr.  219,  239. 
Glockenßänder  zu  Biecz,  228. 
Goldenkron,  Capitelfaal  und  Grabmale,  76. 
Goliath  am  Gurker  Faftentuche,  215. 
Görnes,  Jofef  von,  180. 

Grablegung  Chrifti,  Bild  in  Gurk,  146. 
Grabmale,  alte,  im  Dome  zu  Brunn,  133. 

—  in  Goldenkron,  76. 

—  in  Hörfching,  192. 

—  in  Nächod,  104. 

—  in  Neuberg,  209. 

—  in  der  Michaels-Kirche  zu  Olmütz,  131 

—  in  Prezinovec,  32. 

—  in  Radkersburg,  195. 

—  in  Prag,  Teyn-Kirche.  71. 

—  in  Tarnüw,  72. 

—  in  Wien,  St.  Stephans-Kirche,  247,  252. 
Grabßein    für   Anna    Cernohorska    von  Bos- 

kovic,  32. 

—  für  Hanns  Eibenflock.  131. 

—  für  Abt  Gregor  in  Neuberg,  209. 

—  für  Hanns  Kunigsfelder,  gü,  igö. 

—  für  Joachim  Megerl,  243. 

—  des  Hanns  Pennefchko,  133 

—  für  Georg  Renner,  Abt,  207. 

—  für  Barbara  Stanglyn,  133. 

—  für  die  Gräfin  B.  Tarnowska,  72. 

—  für  Hanns  von  Traun,  192. 

—  für  Tycho  de  Brahe,  71. 

—  für  J.  PrSmek  von  Vickov,  33. 

—  für  Arkleb  von  Vickov  und  feine  beiden 
Frauen,  j3- 

—  für  Dorothea  von  Vickov,  34. 

—  für  Zavice  von  Vickov,  33. 

—  für  Heinrich  von  Welecin,  76. 

—  für  Jacob  von  Windifch-Grätz,  195. 

—  für  W.  Wunfeh  in  Neuberg,  20g. 
Gl  afenßein,  alte  Wandmalereien,  135. 
Gravetfch,  Schloß,  iSo. 

Graz,  gothifche  Profan-Architektur,  215. 

—  wälfche  Baumeifter  in  —  173. 
Gregorutti,  Sammlung,  255. 
Greif enßein,  Burg,  121. 
Crci/ifH-Planta,  17g. 

Grießer,  Jacob  und  Clara,   196. 
Grins,  bemaltes  Haus,  155. 

—  Glockenthurm,  23. 
Groß-'L2M,  Münzfund,  234. 

—  Lupp,  Funde,  139.  234. 

—  Reinprechts,  Kirche,  1S7. 
Günther,  Hanns,  Baumeifter,  195. 
Gurk,  Gefchichte  des  Kirchenbaues,  36. 

—  Gemälde  in  der  Vorhalle,  35,  8g. 

—  Mutter-Gottes-Statue  in  der  Krypta,  75, 
14Ö,  247. 

—  Faflentuch,  35,  211. 

—  Relief  an   der  Kanzel,  247. 

H. 

Halicz,  Grabungen,  igo- 

Hallßatt,  Capelle  am  Salzberge,  187. 


Hallßatt.  der  alte  Flügelaltar,  254. 

—  ein  Orgelkaften,  254. 
Hartmannsdorf,  Kirche,  loi. 
Hauck,  J.  Veit,  Maler,  209. 
Heermskerk,  Eybeck  von,  Maler,  96. 
Helfmirgott,  befeftigter  Thurm,  125. 
Heipfau,  Refte  einer  römifchen  Töpferei,  gg. 
Hellten,  Funde,  77. 

Herotice,  Steinkreuz,  109. 

Heuberger,  Baumeifter,  12g. 

Himmelfahrt  Chrifti,  Bild  in  Gurk,  147. 

Himmiisleiter,  Faftentuchbild  in  Gurk,  213. 

Hoch-'üa.turns,  Burg,  120. 

Hfffel,  Blafius,  Radirer,  g6,  g7. 

Hößitz,  Kirche,  218. 

Hoheneppan,  25. 

ÄöjifK-Rhätien.  24. 

Höllein,  Kirche,  7g,  80. 

—  Fackelftein,  231. 
Höllenfahrt  Chrifti,  Bild  in  Gurk,  147. 
Holzarbeiten,  wichtige,  im  Dome  zu  Tarnow, 

225. 
Hörfching,  Grabftein,  ig2. 
Hradek  bei  Caslau,  Funde,  6g. 
Hradüte,  Funde,  106. 
Hühnersdorf,  Funde,  139. 
Hypokaußuin  in  Brigantium,  45. 


I. 


Iglau,  Steinkreuz,  log. 

Innsbruck,  Monumentalbrunnen,  igo. 

Isaak,    deffen  Opfer   und    Segen,    Bilder    am 

Faftentuche    in   Gurk,  212,    und  Bild  in 

der  Vorhalle  dortfelbft,  41. 
Jacob  in  Aegypten,    Faftentuchbild  in  Gurk, 

216. 
Jac kling,  28. 

yeremias,  Faftentuch  in  Gurk,  216. 
Jefaias,   Faftentuch  in  Gurk,  216. 
feffe,  Faftentuchbild  in  Gurk,  214. 
Job,  Bild  in  Gurk,  Sg,    am  Faftentuche,  214. 
Jofeph    als  Traumdeuter,  Bild  in    Gurk,   42. 

—   wird  verkauft,  Faftentuchbild,  213. 
'Jofua,  Bild  am  Faftentuche  in  Gurk,  214. 
Josyas,  König,  Bild  in  Gurk,  44. 
Judith,  Bild  in  Gurk,  go,  Faftentuch,  217. 
fulienfeld,  Steinkreuz,  iii. 
Julius  Cäfar,  Faftentuchbild  in  Gurk,  207, 
Juval,  Ruine,  71,  178. 

K. 

Kain  und  Abel,  Bild  am  Faftentuche  in  Gurk, 
211,   Bild    in  der  Vorhalle  zu  Gurk,  40. 
Kanitz,  Rofa  coeli,  Klofter,  79,  221. 
Kapfenberg,  Marterkreuz,  135. 
Karneid,  Schloß,  183. 
Katzenflein,  Schloß,  183. 
Kelch  in  der  Kirche  zu  Nachod,  105. 
Kette  um  die  Kirche  zu  Hollein,  79. 
Kiens,  Burg,  24. 
Kinigadner,  Peter,  1S9. 
Klabel,  Glockengießer-Familie,  70. 


—     26o 


AVt'jÄ-Kienitz,  Steinkreuz,  iii. 

KöUein,  Steinkreuz,  loS. 

Königsfelder ^  Hanns  und  Erasmus,  96,  196. 

Königslofen,  Steinkreuz,  108. 

Koriner,  Math.,  17g. 

Kozarskc,  römifche  Gräber,  23. 

Krakati,  Gruft  am  Wawel,  224. 

Kralovic,  Funde,    74. 

Krenovic,  Steinkreuz,  108. 

Krepitz,  Funde,  198. 

Kreuze,  alte,  in  Mähren,  79. 

Kreuzigung  Chrifti,  Bild  in  Gurk,  145. 

Krcuzßeine  in  Mähren,  106. 

Kreuztragung  Chrifti,  Bild  in  Gurk,  145. 

Kritfchen,  Steinkreuz,  109. 

Krumau,  Madonnenbild,    böhm.  Schule,    68, 

«38. 

—  Epitaphfragment  im  Schloße,  195. 
Küchelberg,  der  Pulverthurm,  22. 

—  präh.  Anfiedlung,  20. 
Kufflein,  A<flenScartirung  zu  —  242. 
Kunigsfelder  fiehe  Königsfelder. 
Kuttenberg,  St.  Barbara  Kirche,  255. 

L. 

Laak,  röm.  Grabkammer,  247. 
Laibach,  röm.  Steine  am Gymnafial  Gebäude, 
188. 

—  Mufeum,  Rudolph.,  1S8. 
Lainz,  römifche  F'unde,  137,  239. 
Lalio,  Domenico  de,  174. 

—  Gianmarla  de,  174. 

—  Andrea  de,  174. 
Lanabtirg,  Schloß,  180. 
Lang,  Mathias,  174. 

—  Aujeft,  Glocken,  236. 
Laun,  Meifter,  Benes  von  —  13O. 
Lautfeh,  Glocken,  236. 
Lavantthal,  das,  26. 
Lavarigo,  Münzfund,  233. 
ZazariM-Auferweckung,  Bild  in  Gurk,  93. 
Leonhard  [Si.),  Funde,  67,  232. 
Lefepult  in  der  Kirche  zn  Biecz,  229. 
Lefina,  Thüren  der  St.  Marco-Kirche,  255. 
Leuchter  aus   Holz    in   der  Kirche   zu  Biecz, 

227. 
Levin,  Relief,  129. 
Libic,  Funde,  79. 
Lichtenberg,  Burg,  126. 
Liebau,  Stadtthurm,  239. 
Linz,  die  oberöfterr.  Landesgalcrie,  94. 

—  Steinhammer  Fund,  74. 
Lifsa,  Grabungen,  74. 

Littai,  Pfarrkirche  zu  St.  Marlin  bei,  29. 

Löfck,  Steinkreuz,  ill. 

Low,  Nicol.,  Glockengießer,  69. 

Lorch,  Kirchcnrcftaurirung,    .    . 

Lofan,  Glocken,  i88. 

Lutherifche  Kirche,  192. 

M. 

Magdalenenberg,  Funde,  198. 
AAvAr.  Auffee,  Steinkreuz,  108. 


yI/ä.4r.-Xeuftadt,  Steinkreuz,  108. 
Makart,  Hanns,  Maler,  96. 
Makkabaeer,  Faftentuchbild  in  Gurk,  217. 
Maler,  Aachen,  Hans  von  .  158. 

—  Abel,  Jac  .  96,  97. 

—  Angeli,  Heinrich,  96. 

—  Dov,  Gerrit  —  97. 

—  Ender,  Thomas,  95. 

—  Friedländer,  Fr.,  96. 

—  Geiger,  P.  J.  H.,  96. 

—  Harmskerk,  Eybert  von,  q6. 

—  Hauck,  Joh.  Veit,  20g. 

—  Makart,  Hans,  96. 

—  Mevius,  H.,  97. 

—  Munfch,  Jof.,  95. 

—  Paufinger,  Franz,  76,  g6. 

—  Pollinger,  Felix,  92,  g8. 

—  Rafalt,  Ignaz,  7Ö. 

—  Ragusamus,  N.,  186. 

—  Rottmayer,  M.,  15g. 

—  Schwind,  Mor.  von,  96. 
Malereien  (alte),  in  Brixen,  189,  255. 

—  in  Bozen,  255 

—  in  Cortina,  253. 

—  in  der  Nicolaus-Kirche  zu  Eger,  Ö3,  255. 

—  in  der  Ruine  Juval,  71. 

—  in  Millflatt,  254. 

—  in  der  Schloß-Ruine  zu  Strafsburg,  77. 

—  in  Untermais,  142,  192. 

—  in  Wr.  Neuftadt,  242. 

—  in  der  Burg  zu  Znaim,  80,  186. 

—  flehe  Wandmalereien. 
Mannaregen,    Bild  am  Faflentuche   in  Gurk, 

214. 
Marein  (St.),  Funde,  139. 

—  Kirche,  i6o 

Maria    Geburt    und    Opferung,     Bilder     am 
Faflentuche  in  Gurk,  218. 

—  Reinigung,  Bild  in  Gurk,  92. 

—  Saal,  Muttergottes-Statue,  76. 

—  Verkündigung,  Hild  in  Gurk,  91. 

—  Zell,  Muttergottes-Statue,  75. 
Marienkeufche,  römifcher  Stein,  67. 
Marterkretiz    zwifchen    Brück     und    Kapfen- 

berg,  135. 
Martin  (St  )  bei  Littai,  Kirche,  29. 
Musculus,  Cafpar,  Abt  von  Neuberg,  210. 
Matfch,  Burg,  122. 
Maultafch,  Burg,  121. 
M'cdl,  Steinkreuz,  108,  109. 
Megerl,  Joachim,  243. 
Merezei,  Fund  eines  Goldfchmuckes,  65. 
Mettnitz,  Achaz,  196. 
Mevius,  H.,  Maler,  97. 
Alichcldorf  Kirche,  Relief,  100. 
Michle,  Funde,  74. 
Millßatt,  Wandmalereien,  254. 
Mithras-^\.i:'in,   I  14. 
Mölfer,  Hanns,  Glockengießer,  239. 
Mondfchciben  (bewegliche)  auf  Kirchthürmcn, 

239- 

Montani,  Burg,   125. 
Morbes,  Stcinkrcu/,  iii. 
Mofaiken  zu  Parenzo,  255. 


Mühlbachgraben  bei  Steyr,  Funde,  234. 
Mühlfraun,  Funde,  198. 
Munfch,  Jofef,  Maler,  95. 
J/««:^«Hf/ bei  Ceftabreg,  246. 
- —  bei  Czernowitz,  67,  138. 

—  in  Großlau,  234. 

—  in  Lavarigo,  233 

—  in  Monfalcone,  198. 

—  in  Oujezd,  74. 

—  in  Reifpicz,  19S. 

—  in  Resize,  68. 

—  in  Serovitz,  198 

—  in  Strzemilcze,  198. 
Mufeum  in   Aquileja,  255. 

—  in  Czernowitz,  67,  138. 

—  in  Laibach,    18S. 

—  in  Pilfen,  74. 

—  in  Spalato,  164,  255. 

—  in  Tele,  233. 

—  in  Zara  (S.  Donato),  255. 

N. 

Nabuchodonofar ,¥ aheniwchhiM  zu  Gurk,  216. 
Nachod,  die  Laurentius-Kirche,  103. 

—  Grabmale,  104. 

Neuberg,  Kirche  und  Klofter,  205,  207. 

—  Merkwürdigkeiten  im  Orte,  210. 

—  Kreuzgang,  207. 

—  Grabmale,  209. 

—  Brunnen-Capelle,  207. 
Neumarkt,  Urtlkreuz,  gg. 

Noah,    Bild    in  Gurk   und    am    Faftentuche, 

41,  212. 
Novefigne,  Franciscaner-Kirche,  256. 

0. 

Oberalui,  Schrannentifch,  77. 

Oberndorf  Kirche,  195. 

Ohrad,  La-Tene  Fund,  74. 

Olkucz,  Betftühle  in  der  Kirche  zu,  227. 

Olmüz,  Dominicaner-Kirche,  131. 

—  Michaels-Kirche,  130. 

—  vom  alten  Dome,  55. 

—  alte  Uhr  im  Rathhaufe,  253. 
Opo^no,  Schloß  und  Kirche,  220. 
Opus  pfeudisodemum,  21. 

—  rufticum,  21. 

—  fpicatum,  22. 

Orgel  in  St.  Wolfgang,  254.  256. 

—  in  Hallftatt,  254. 
Orgelgefchrei  in  Salzburg,  78,  128. 

0//erl,i mm,  Bild  am  Gurker  Fallentuche,  214. 
Oßerinayer  Marie,  Malerin,  97. 
Oujezd,  Münzfund,  74. 


P. 


J'almciitzug  Clirifti,  Bild  in  Gurk,  94. 
Paradies,  Bild  am  Gurker   Faftentuche,  2ii. 

—  Vertreibung  daraus,  Bild  in  Gurk,  40. 

—  gcfchloffcn,  Bild  in  Gurk,  40. 
Parenzo,  Mofaikcnrcftaurirung,  255. 


26  I 


Parenzo,  Mofaikfußböden,  255. 

Paiijlnger,  Frz.  von,  Maler,  76,  96. 

Pecnik,  Barth.,  198. 

Pens,  Kirchenftühle,  195. 

Pennefchko,  Jörg,  Grabftein,  133. 

Pcttaii,  Grabungen,  185. 

Pharao,  Bild  am  Faftentucbe  in  Gurk,  214. 

Pieta,  Bild  in  Gurk,  75,  146,  247. 

Pilfen,  Mufeum,  74. 

Pirniti,  Siegel,  237,  238. 

Pläkeii,  St.  Ulrich  am,  135. 

—  St    Elifabeth  am,  135. 
Planck,  Andr.,  Glockengießer,  210 
Planckh,  Gregor,  Abt  in  Neuberg,  20g. 
Platz,  Funde  zu  —   18Ö. 

Pöchlarn  (Klein-),  Kiiche,  191. 
Podbaba,  Funde,  74. 
Podlany,  Kirche,  135. 
Pohonitz,  Steinkreuz,  iii. 
Pola,  porta  aurea,  129. 

—  Funde,  133,  233. 
Pollingt-r,  Felix,  Maler,  92. 
Polten  (St.),  Funde,  66,  232. 

—  Schwertfund,  79. 
Pontes,  F.  d.,  174. 
Pons  drusi,  23. 

Pofjitz,  präh.  Funde,   198. 

P^ag,  alte  Stadtpläne  und  Anflehten,  I. 

—  Gründung  der  Anfiedlung,  2. 

—  Judithbrücke,  4. 

—  Vylehrad,  4. 

—  —    alte  Malereien,  135. 

—  —   Peter-Pauls-Kirche,  236. 

—  alte  Stadtthürme,  150. 

—  Ausbau  des  Domes,  255. 

—  Melantrich'fches  Haus,  256. 

—  Teyn-Kirche,  Grabmale,  71. 

—  Ludmilla-Capelle  am  Teyn,  254. 

—  im  Jahre  134S,  3. 

—  im  Jahre  1419,  4. 

—  im  Jahre  1616,  8. 
Premeek,  Job.  von  Vickov,  -^t^. 
Prefsburg,  Bild  von  Rottmeyr,  159. 

—  Donner'fche  Figur,  247. 
Profek,  WenzelsKirche,  235. 
Priißnovec,  Grabdenkmale,  32. 

R. 

j^anV^«?!«"  (St.),  Kirche,  135. 

Radierer,  Blafius,  Höfel,  96,  97. 

Radkersburg,  Grabmale,  195. 

Rafalt,  Ign.,  Maler,  96. 

Ragn/aniis,  Nie,  Maler,  186. 

Rankweil,  Zinnfchtiffel,  238. 

Razdeflo,  Funde,  233. 

Regens,  Steinkreuz,  log. 

Reichenberg,  Burg,  125. 

Reiterßatue  Y.rzh.  Leopold  V.,  190. 

Renner,  Georg,  Abt  zu  Neuberg,  209. 

Refize,  Miinzfund,  68. 

Ried,  Schloß,  182. 

Riettenburger,  Barbara  und  Georg,  196. 

Ring-  (Gold-)  Fund  in  Charfrait,  74. 


Rofa  coeli,  Klofter,  29,  221. 
Roltmayr,  M.,  Maler,  75,  159. 
Rotund,  Burg,  125. 
Rozice,  römifche  Funde,  67. 
Roinanek,  Funde,  70. 
Ruina,  Münzenfund,  67. 
Runkelßein.  181. 

s. 

Säben,  Klofter,  25. 

Sabione,  25. 

Sachfenburg,  Palflabfund,  187. 

Sacramentshäusehen  zu  Nachod,  103 

Salomon,  Bild  am  Faftentuche   zu  Gurk,  216, 

Bild  in  der  Vorhalle,  44. 
Salona,  Grabungen,  79. 
Salvator  (St.)  bei  Friefach,  Kirche,  102. 
Salzburg,  Reftaurirung   des  Domes,  135. 

—  Domfacade,  192. 

—  Linzerthor,  187. 

—  Nonnberg-Kirche,  135. 

—  Hornwerk    (Orgelgefchrei,    Stierj.     78, 
128. 

—  Winterreitfchule,  75. 

—  Spitalpfarrkirche,  139. 
Sammlung  Gregorutti,  255. 

—  Vintler,  138. 

—  Widter,  251. 

Samuel,  Faftentuchbild  in  Gurk,  215. 
Samfon.   Bild   in   Gurk,  43,    am    Faftentuche, 

215. 
Särge  zweier  poln.  Königinnen,  224. 
Sarnteiner,  Cyprian.  der,  181. 
Satil  und  David,  Bild  in  Gurk,  44. 
Scartirung  von  Aiflen  in  Kufftein,  242. 
Scheffau,  St.  Ulrichs-Statue,  75. 
Siheitt,  Georg  und  Efter,  196. 
Sehipetiitz,  Funde,  243. 
Schlange,    eherne,    Bild    am   Faftentuche    in 

Gurk,  214. 
Schiandersberg,  179. 
Schlanitzen  Kette  um  die  Kirche,  135. 
Schlapanitz,  Steinkreuz,   109. 
Schmelzofeti  für  Bronze,  alte,   bei  Prag,  201. 
Schönna,  184. 

Schöpfung,  Bild  am  Faftentuche  in  Gurk  211. 
Schwarzbach,  Steinkreuz,  108. 
Schweinfurt,  Jacob  von,  Baumeifter,  195 
Sehwind,  Moriz  von,  96. 
Seemüller,  Cafpar,  Abt,  207. 
Sekkau,  Reftaurirung  des  Domes,  255. 
Sgraffittos  im  Urtl,  135. 

Sibille\on  Tibur,  Faftentuchbild  in  Gurk,  218. 
Siegel  der  Gemeinde  Pirnitz,  237. 
Sigmundskron,  Burg,  11  g. 
Sinichkopf,  20. 

Sittich,  ehemaliges  Abteigebäude.  82. 
Sivic'e,  Steinkreuz,  109. 
Skrzyszöw,  Betftuhl,  229. 
Smiric,  Grabmale  der  Familie,    104. 
Smolnic,  alte  Grabftättten,  54. 
Sodoma's    Ende,    Bild    des    Faftentuches     in 

Gurk,  21  2. 


Sokolnic,  Steinkreuz,  108. 

Spalato,  Domthurm  und  Reftaurirung,  255. 

—  Mufeum,  164. 

Spinet,  Peter,  Baumeifter,  243. 
Stangljn,  Barbara,  Grabftein,  133. 
Stanke,  Franz,  Glockengießer,  239,  249. 
Steinaeh,  Brückenkopf,  22. 
Steinbeil,  gefunden  zu  l'latz,  18Ö. 
Steinkreuze  in  Mähren,  106. 
Stephanovice,  Steinkreuz,  109. 
Stephan  (St.)  bei  Friefach,  Kirche,   100. 
Steyr,  Archiv,  129. 

—  Baumeifter  Magnus  Ziegler,  129. 
Strafsburg,  Schloßruine  und  Malereien,  76. 
Strzelitz,  Steinkreuz,  108. 

Sihidenfall,  Bild  in  Gurk,  3g. 
Sündfluth,  Faftentuchbild  in  Gurk,  212. 
Suczawa,  Funde,  242. 
Sznako,  Glocke,  237. 


Tadel,  Baumeifter,  174. 

Tamsweg,  Grundftein  des  ehemaligen  Capu- 

ciner-Klofters,  23S. 
Tanzenberg,  Burg,  10. 
Tarantsberg ,  77. 
Tarnöw,    wichtige    Holzarbeiten    im    Dome, 

225. 

—  wichtige  Grabdenkmale  im  Dome,  72. 
Tarnowska,  Gräfin  Barbara,  72. 
7ar/a;-i'« -Denkmal  bei  Warna,  117. 
Taufbecken  in  der  Kirche  zu  Nachod,  105. 

—  in  der  Kirche  zu  Rankweil,  238. 
Taufe  Chrifti,  Bild  in  Gurk,  gg. 

Taufers  bei  Brunnecken,  Verfall  der  Burg,  78. 
Tele,  Mufeum,  233 
Tempelreinigung,  Bild  in  Gurk,  g3. 
Tenfelsaustreibung   durch    Chriftus,    Bild     in 
Gurk,  93. 

Tepl,  Glocken,  217. 

Teutendorf,  Georg  von,   Propft  in  Gurk,  14g. 
7'/4<j«-Zeichen,  Bild  in  Gurk,  42. 
Thurm  Babel,  Bild  in  Gurk,  41. 
Thurnßein,  179. 

Tintenfäß'er ,  altrömifche,  im  Mufeum  zu  Spa- 
lato, 165. 
Tifchno-ivitz,  Steinkreuz,  log. 
Tobias,  Bild  in  Gurk,  Sg. 
Todesangfl  Chrifti,  Bild  in  Gurk,  143. 
Töpferei,  römifche,  in  Heipfau,  gg. 
Traismauer,  Funde,  232. 
Tratzberg,  Burg,  121. 
Traun,  Hans  von,  Grabmal,  192. 
Trautmannsdorf,  Schloß,  183. 
Treffen,  Kirche,  Sl. 

—  Funde,  234. 

Trieß,  Fresken  im  Dome,  130. 
Tfchungels,  Ruine,  122. 
Tfchungelsburg,  Thurm,  22. 
Tycho  de  Brahe,  71. 
T^''"'"''"'' Burgen,  17. 
Tyrol,  Schloß,  2  1,  123. 


—         202 


U. 

Uhr,  alte,  in  Olmüz,  253. 
f/Z/'/V^VStatue  zu  Scheffau,  250. 
UtJg.-Hradifch,  Marienfäule,  12S. 
Unter- Alois,  Kirche,  Malerei,  142,  192. 
Urhans,  Mich.,  174,  176. 
Urtl,  das  Verweferhaus,  135. 

V. 

Veit  (St.),  Kärnten,  Kirche,  242. 
Veletov,  Filial-Kirche,  Glocken,  249. 
Verklärung  Chrifli,  Bild  in  Gurk,  140. 
Verda,  de,  Bauleute,  174. 
Ver/pottung  Chrifti,  Bild  in  Gurk,  144. 
Verfuchung  Chrifti,  Bild  in  Gurk,  92 
Via  Claudia  Aug.,  22. 
Vickov,  Zavise  von,  34. 

—  Wilhelm  von,  34. 
Vickov,  Hartlieb  von,  33. 

—  Dorothea  von,  34. 
Vidic,  Glocken,  70. 
Villach,  Grabftein,  243. 
Villanders,  Cyprian  von,  iSi. 

Vintana,  Jof.  und  Georg,  Baumeifter,  174. 
Vintler,  Franz  und  Niclas,  181. 
VintUr'fche  Kunftfammlung,  138. 
Völs,  Kirche,  195. 

w. 

Walter,  Hanns,  Baumeifter,  74. 
Warna,  TartarenDeiikmal,  117. 


Wandmalereien    im    Franciscaner-Klofter    zu 
Bozen,  255. 

—  in  der  Kirche  zu  Briftov,  141. 

—  in  Brixen,  189. 

—  in  der  Klofter-Kirche  zu  Budweis,   240. 

—  alte,  in  Calceranica,  132. 

—  in  Cavalese,  253. 

—  alte,  im  Schloß  Cles,  141,  253. 

—  in  Grins,  157. 

—  zu  St.  Elifabeth  am  Pläken.  135. 

—  zu  Prag,  Vysehrad,  135,  23Ö. 

—  alte,  im  Dome  zu  Trieft,  130. 

—  —  zu  Untermais,  149. 

—  —  am  Dome  zu  Wr.  Neuftadt,  242. 

—  —  im  Heidentempel  zu  Znaim,  1S6. 
Wandfchrank  zu  Biecz,  229. 

Wangen,  Burg,  124. 

Wechsler,  Mich.  Franz,  196. 

Weleein,   Heinrich  von,  76. 

Welehrad,  Ciftercienfer-Stift,  62,  166. 

Welczer  von  Frauenftein,  196. 

Weh,  Funde,  189,  199 

Welfche  Baumeifter  in  Graz,  173. 

Werburg,  Schloß,  182. 

Wien,  Fund  eines  Römerfteines,  107. 

—  St.    Stephans-Kirche,    Staatsfubvention, 

255- 

—  Grabmale,  247,  252. 

—  —   Todtenleuchte,  252. 

—  Fund  romanifcher  Refte   an   der   Schot- 
ten-Kirche, 197. 

—  ehem.  Minoriten-Kirche,  191,  256. 

—  Maria-Stiegenkirche,  255. 


Wien,  Gebäude  der  k.  Akademie  der  Wiffen- 
fchaften,  255. 

—  Jofephs-Brunnen,  Reftaurirung,  255. 

—  Marien-Säule  am  Hof,  255 

Wien,  Kunfthiftor.  Hofmufeum    Mithrasfteiii, 
114- 

—  Sammlung  Widter,  251. 
Wr.-Neußadt,  alte  Malereien  am  Dome,  242. 

—  Thurmbau  dafelbft,  255. 
Widler,  Sammlung,  251. 
Windifchgrätz,  Jacob  von,  195. 

Wolfg anglet..),  Kirche  und  Orgelkaften.  254, 

256. 
Wolfsthal,  prähiftor.  Gräber,  74. 


Zbyszyce,  Betftuhl,  230. 

Zeltfchach,  Pfarrkirche,  102. 

Zenoburg,  Burg,  124. 

Ziegler,  Magnus,  Baumeifter  in  Steyr,  129. 

Zimmerlehen  Anfitz,  19. 

—  Altar,  249. 
Zinngefäße  zu  Braunau  in  Böhmen,  251. 
Zinnfchüffel  in  Rankweil,  238. 
Zinnkrug  in  der  Sammlung  Widter,  250. 
Zinntaufbecken  in  Nachöd,  238. 
Znaym,  Burg  und  Heidentempel,  80,  186. 
Zölkicw,  Stadtthore,  7Ö. 
Zuggers,  Funde,  192. 


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